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Full text of "C.A. Böttiger's Kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts"

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C.  A.  Böttiger's 


kleine    Schriften 

archäologischen  und  antiquarischen 
Inhalts, 


gesammelt   and   herausgegeben 


Julius    Siliig. 


Erster    Band. 

Mit    sechs    Knpfertafeln. 


Dresden  nnd  Leipzig, 

Arnoldiscbe     Buchhandlnng. 

18  3  7. 


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C.   A.   Böttiger's 


leine     Sclirifte 

archäologischen  und  antiquarischen 
Inhalts, 

gesammelt   und    heran  s  gegebcD 


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Julius     Sillig. 


Erster       Band. 

Mit     sechs     Kupfertafeln, 


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Dresden    und   Leipzig, 

Arnoldische      Buchhandlung, 

18    3     7, 


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Seiner  Königlichen  Hoheit 

dem 

durchlauchtigsten  Fürsten  und  Herrn 

Herrn    Karl    Friedrich, 

Grofsherzo^e  von  Sachsen  -  Weimar  and  Eisenach  etc.  elc.  etc. 


Darchhiuchtigster  Grofsherzog, 
Gnädigster  Fürst  und  Herr! 


JJiw.  Königlichen  Hoheit  den  ehrerbietigsten  und 
tiefo-efühhesten  Dank  für  so  ^^ele  Beweise  Fürstlicher 
Hiild  und  Gnade  öffentlich  abstatten  zu  können, 
war  einer  der  letzten  Wünsche,  die  der  nun  ver- 
ewigte Verfasser  gegenwärtiger  Sammlung  erfüllt  zu 
sehen  verlangte.  Was  ihm  zu  thun  nicht  mehr  ver- 
gönnt war,  glaubte  der  Unterzeichnete,  dem  die 
Besorgung  seines  literarischen  Nachlasses  zufiel,  nicht 
versäumen  zu  dürfen,  und  in  dieser  Beziehung 
wagte  ich ,  Ew.  Königl.  Hoheit  um  die  Erlaubnifs 
zu  ersuchen,  Ihren  erlauchten  Nanien  der  Sammlung 
der  vermischten  Schriften  eines  Gelehrten  vorzusetzen, 
der  die  Zeit,  die  er  einst  in  Weimar  verlebte,  stets 
mit  freudiger  Rührung  zu  den  glücklichsten  seines 
Lebens  rechnete.  Dort  fand  er  Anregung  und  Muth, 
den  bedeutendsten  und  werthvollsten  Theil  dieser 
Sammlung  auszuarbeiten,  dort  ward  ihm  das  Glück 


zu  Tlieil,  den  Männern  nahe  zu  stehen,  die,  unter  Ew» 
König).  Hoheit  erlauchter  Vorfahren  schirmender  Ob- 
hut vereinigt,  das  Gröfste  schufen,  was  Teutschhuid 
je  in  Kunst  und  Poesie  gesehen ;  und  das  ehrenvolle 
Anerkenntnifs,  das  Ew.  Königl.  Hoheit  noch  nach 
langen  Jahren  dem  treuen  und  segensreichen  Wir- 
ken Böttiger's  angedeihen  liefsen,  bezeugt,  dafs  das, 
was  er  in  und  für  Weimar  leistete,  nicht  dem  Augen- 
blicke verfallen  war.  Nirgends  könnte  sich  daher 
auch  diese  Sammlung  heimischer  fühlen  als  in  der 
Nähe  des  Fürsten,  in  dessen  Staaten  Böttiger  einst 
den  für  eigene  Geistesentwickelung  einflufsreichsten 
Theil  seiner  Tage  verlebt  hatte,  und  den  er  selbst  in 
die  Hallen  griechischer  und  römischer  Bildung  ein- 
führen durfte» 

Ew«  KönigL  Hoheit 

Dresden,  alleruutertliäuigstei- 

den  12.  Mai  1837.  J  u  l  i  u  s    S  i  1  l  i  g. 


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Vorrede  des  Herausgebers. 


s\\s  Bölfiger  im  Jahre  1835  starb,  halte  er,  woran  er  selbst  wohl 
kaum  mehr  dachte ,   das  füiifzi'rjiihrige   Jubelfest   seiner  schriflstel- 
lerischen  LanCbahn   heii,aiiü,en,  indem  er   im  Jahre  1785  seine   erste 
SchriCt  nnter  seinem  Namen  dnu-ken  liefs.     Was  er  in  dieser  lan- 
gen Zeit,  aljg-esehe»  von  selbstständigen  Büchern,  theils  als  Beitrag 
zu  Zeilschriften  und    Werken   Anderer,    theils  in   Flngschriften  von 
geringerem    Umfange   ans    der    reichen   Fundgrube   seines  vielver- 
breitetpri   Wissens  miliheilte,  konnte  verhältnifsmäfsig  «nr   Wenigen 
bekannt  werden;     noch  weit  Wenigere    dürften  sich  rühmen,    eine 
nur  irgend  bedeutende  Anzahl  jener  zerstreuten  Aufsätze  als  Eigen- 
thum  zu  besitzen.     Kein    Wunder,    dafs  das  Verlangen  nach  einer 
Sammlung  von  Böltiger's    kleinen    Schriften  antiquarischen  und  ar- 
chäologischen Inhalts  sich  schon  seit   längerer  Zeit  kund  ihat,    ein 
Verlangen,  das  ebensowohl  Diejenigen  aussprachen,    die  Böttiger's 
Gelehrsamkeit    und     Combiiiatioiisgabe     nur    aus    seineu  gröfseren 
Werken  kannten,    als  besonders  Die,   denen  einzelne  kleine  Auf- 
sätze   der   genannten    Art    zu    Gesicht   gekommen    waren.     Lange 
ging  Bulliger,  theils  aus  ungeheucheller  Bescheidenheit,  theils  wohl 
ahnend  ,    dafs  er  sein  Versprechen  zu   halten  nicht  im  Stande  sein 
würde,    auf  die  Erfüllung  jenes  Wunsches  nicht  ein,    bis  er  end- 
lich ,    mehr  dem  Drängen  seiner  Freunde  nachgebend ,  als  eigener 
innerer  Auffordernng  folgend,   sich  zur  Herausgabe  seiner  kleinen 
Sfhrifteu  eutschlofs  und  den  Unterzeichneten  als  Theilnehraer  des  müh- 


Till 

saracii  Werkes  naniile  (Amallliea  Bd.  3.  S.  434.).  Die  iiotliii-sleu 
Vorbcreiliingeii  zur  Besorgnnjj;  beider  Saiuiiilungon ,  der  teutsiliea 
sowohl  als  der  latciiiisclieii ,  die  den  Aiifaii;^  inaclicn  solheii,  wiir- 
den  golrolVen  ;  aber  eine  bald  cinlreleiidc  Krankheit  von  längerer 
Daner  Uitg  nicht  wenig'  dazu  bei ,  den  Eifer  ßötliger's  für  die 
ganze  Sache,  der  ohnediefs  nie  sehr  grofs  gewesen  war,  bedeutend 
ftbznktihlen  ,  nnd  so  wie  er  siili  nicht  zn  der  ihm  doch  näher  lie- 
genden Forlselznng-  der  Knnstiuythologie  cntschliefscn  konnte,  so 
ga!)  er  im  Laufe  der  nächsten  Jahre  den  Vorsatz ,  seine  kleinen 
Schriften  selbst  herauszugeben,  völlig  wieder  auf.  Eine  s|)ütere 
Erneuerung  des  früheren  Gedankens  hatte  keinen  glücklicheren  Er- 
folg, nnd  so  war  die  Holfnung,  Bötliger's  vermischie  Aufsätze  von 
ihm  gesammelt  nnd  herausgegeben  zu  erhalten ,  bei  dem  zuneh- 
menden Alfer  und  der  dasselbe  in  gleichem  Schritte  begleitenden 
Kränklichkeit  des  trelTlicIien  IMannes  völlig  zu  iiichle  geworden. 
Als  aber  sein  Tod  erfolgt  war,  ghinbte  der  Unlerzeichuele  in  dem 
bestimmten  Auftrage  seiues  verewigten  Freundes,  der  noch  wenige 
Wochen  vor  seinem  Tode  ihn  au  seine  früiiere  Zusage  erinnert 
halte,  in  dem  Wunsche  der  Erben  und  dem  allgemeiueu  Verlan- 
gen eine  Aufforderung  zu  finden,  die  ihn  des  Verfassers  Stelle  einneh- 
men hiefs,  nnd  wie  er  die  erfolgte  Herausgabe  der  lateinischen  klei- 
nen Schriften  nnd  des  zweiteu  Bandes  der  Kunstmjthologie  übernom- 
men hatte,  so  wollte  er  auch  die  der  tcutschcn  Aufsätze  nicht  von 
sich  weisen,  ob  er  gleich  die  bedeutenden  Schwierigkeiten  des 
letzteren  Geschäftes  wohl  ahnte.  Nach  ununterbrochener,  ange- 
strengtester Arbeit  sieht  er  sich  jetzt  im  Stande,  den  Freundeu  des 
Alterthnmes  die  von  ihnen  längst  gewünschte  Sammlung  zn  überge- 
ben ,  und  hat  nun  Reclienschaft  abzulegen  über  die  Art ,  wie  er 
sie!»  dem  ihm  gewordenen  Auftrage  unterziehen  zu  müssen  glaubte, 
das  Urtheii  über  dea  Erfolg  seiner  Bemühiingcu  wohlwollenden 
Richtern  überlassend. 

Vor  allem  Anderen  war  es  mein  Geschäft,  mir  ein  möglichst 
vollständiges  nnd  genaues  Verzeichnifs  aller  eingedruckten  Abhand- 
lungen Böltiger's  zu  verschaffen.  Wer  das  Schicksal  kennt,  das  na- 
mtMillich  Zeitöchrifleu  in  unserer  Zeit  haben,  wird  eine  absolute  Voll- 
ständigkeit in  solcher  Hinsicht  kaum  verlangen,  die  anonymen  oder 
Pseudonymen  Aufsätze,  die  eiu  Schriftsteller  geliefert,  nicht  einmal 
in  Anschlag  zu  bringen.     Einigen    Vorschub    bei   jener  Arbeit  lei- 


siele  mir  Hr.  Dr.  Espe  In  Leipzig-,   der,  früher,  wie  ich  wufsfo, 
lait  einem   ,,Golelirteu  Dresden"  beschäftigt,    Manches,    Avie  nadir- 
lich,   auch    für   den   Artikel    „Bödiger^'    vorhereitet    hatte  nnd  mir 
mit  grofser  Gefälligkeit  seine  daranf  sich  beziehenden  Papiere  über- 
liefs.     Ihm  verdanke  ic'i  thcils  die  Art  der  Anordnung  der  Biblio- 
graphie, (heils  die  Kenntnifs  einiger  mir  früher  unbekannten   Zeit- 
schriften und   Sanuuelwerke    ähnlichen  Inhalts.     Habe  ich   mir  nun 
auch   alle  mögliche  Mülie  gegeben ,   die  Schriften  ,    woran  Biiftli'or 
Theil  genommen ,    sämmllich  kennen  zu  lernen  ,     so  bescheide  ich 
mich    doch  gern    des   Ruhmes    der  Vollständigkeit,    und  nicht  ein- 
mal das ,     was  ich  gegeben  habe ,     wäre  ich  zu  geben  im  Stande 
gewesen,    wenn    ich  eicht    die  reiche  Zeitscliriiten -Sammlung  der 
hiesigen  Schmidt'scheu  Leihbibliothek  hätte  bonnizen  können.     Des- 
senungeachtet   hielt    ich    es  für  uiinmgänglich   uöl'iig,    die  von   mir 
zusammengestellte    Bibliographie   Büttiger's  unverkürzt  mitzutheilen, 
theils  nra   anch  von  dieser    Seite   einen  Beilrag    zur  Kenntnifs  des 
literarischen  Lebens   des  Mannes  zu  geben,  theils  um  die  Freunde 
der  Literatur  zu  veranlassen,    reichlich   da  nachzutragen,      wo  ich 
Lücken  lassen  mufste,    (deswegen   habe   ich   die  Bibliographie    so- 
gleich dem  ersten  Bande  einverleibt,  um  fremde  nnd  eigene  Nach- 
träge im  letzten  fuigea  lassen  zu  können),    theils    endlich    um  den 
Lesern  gegenwärtiger  Sammlimg  das  Urtheil  über  die  Art  der  Aus- 
wahl  frei    zu   lassen.      Bibliographische    Notizen    glaubte    ich    der 
Kürze  wegen  nur  da  hinznfügen  zu  müssen,    wo  sie  unentbehrlich 
schienen    und   wo    ihr   Mang-I  leiciit    zu   Irrthümern  oder  Mifsver- 
ständnissen  Veranlassung  geben  konnte.     Vorzüglich  aber  habe  ich 
bei  den  einzeln  gedruckten  kleinen  Schriften   und   Progrannnen  die 
Saminehverke  und  Journale  augegeben,    in    die  sie  oft  ohne  Bütti- 
ger's Vorwissen  übergingen. 

Was  nun  die  Grundsätze  anlangt,  die  ich  bei  der  Auswahl 
der  aufzunehmenden  Abhandln ngeu  zu  befolgen  hatte,  so  hatte  schon 
Bütliger  die  Ansicht  festgestellt,  dafs  nnr  Aufsätze  von  wirklich 
wissenschaftlichem  Werfhe  der  Sammlung  einzuverleiben ,  dabei 
aber  die  in  der  Amalthea  befindlichen  Abhandlungen  anszuschlie- 
fsen  seien,  wovon  der  Grnnd  leicht  einzusehen.  Möglichste  Voll- 
ständigkeit nun  in  Beziehung  auf  die  übrigen  zu  erreichen ,  war 
mein  aucii  von  dem  \erlogcr  durch  den  Ankauf  mehrerer  noch  im 
Buchhandel  beüudliclicn  Schrilteii  bereitwillig  unterstützter  Wnnscb, 


und  soj^eicli  im  ersten  Bande  finden  die  Leser  zwei  Seliriflen,  die 
llillivia    und    die  Fnrienmaskc ,     weli-lie    nur    auf   diese    Arl   in    die 
gej^enwiirtii'e  Saninilnn<>,  üI)er!ii'lKMi  loninU'n.     Von  den   eini;"edinck- 
tea  Aljliandlnn^ea  naiirn  ieli  alle  auf,      wciclie    norli  jclzt  ihre  Be- 
dentini^-   nii-lit   verloren    Italien ;     aiis<»esrlilo.ssen  Mieben  zncrst  alle 
diejenii^en,     die  Bulliger  schon    seihst    in    S|);l(eren  selhstslärnliiijen 
Werken   verarbeitet  hatte,   (z.  B.  mehrere  A\ifsiUze  im  VVeimar'sehen 
Mudejonrnal ,    im    Gothaischen    Hofkalender,    die   sämmllich  in  die 
Saluna  nl)cri>eg;angen  sind,)  zweitens  solche,  die,   ohne  hedenlende 
wissensehafiliche  Ausbeule  zu  lieben,  in  ihrer  ganzen  Tendenz  ver- 
altet erschienen  (wie  die  Abhandlung-:  Alceste,  mehr  Wahrheit  als 
Fabel).    Sehr  Weniges  daher,  was  schon  früher  gedruckt  war,   wer- 
den die  Leser  hier  vermissen,  und  <len  von  einem  Jeden  sich  leicht 
zu  ersetzenden   Verlust   glaiilie    ich    auf   das  Vollständigste    dadurch 
vergütet  zu   haben,     dafs  einige  angedruckte    Abhandlungen,     wie 
hier  im  ersten  Bande  über  das  Sclavencostnm  in  der  fabula  palliata, 
neu  hinzugekommen   sind.     Auch   erscheinen  früher  schon  gedruckte 
Aufsätze  hier  mit  späteren  Nachträgen  und  Anmerkungen   bereichert, 
die  doppeller  Art  sind.      Entweder  n:iiiilich   rühren  sie  von  Bötliger 
selbst  her,  oder  von  Anderen;    und   hierher  gehören  vorzüglich  die 
treiriichen   Bemerkungen,  die  Bast  seinen  franzosischen  Ueherselz- 
nngen  einiger  Bölliger'.scheu    Anfsülze    beigefügt   hatte  und  die  ich 
liier    in    der    Lebersetzung    mittheile.     Leber  diese    Bereicherungen 
aller  Arl  giebt  das  jedesmalige  Inhaltsverzeichiiifs  genügenden  Auf- 
schlnfs,  über  dessen  Rnb;ik,  anli<|narische  Analecten ,  hier  sogleich 
dasNöthige  zu  bemerken  ist.   Wer  Biitliger's  Journalaiifsiilze,  Theater- 
recensioneii  und  dergleichen  nur  mit  einiger  Aufmerksamkeit  gelesen 
Jiat,  weil's,  dafs  er  jerlc  Gelegeniieit,  wo  sie  sich  nur  immer  darbot,  er- 
griff,  um  Einiges  aus  dem  Allerlliume  dem  Uebrigen   beizumischen. 
'Deswegen  die  ganzen  Aufsälze  abdrucken  zu  lassen,   wäre  lächerlich 
gewesen   und   nach  reiflicher  üeberlegung  schien  es  mir  das  Zwcck- 
inäfsigsti',    bei  der  Blalt    für  Blatt   anzuslellenden  Vergleichung  der 
Zeitschrillen,  in  die  BüKiger  gearbeitet,  genau  auf  Alles  zn  achten, 
was  sich  an   einzelnen   Bemerkungen    ans    dem    Kreise    des    Aller- 
thnms  fand.      Der   Eifolg  dieser   mühseligen    Arbeit   liegt    in    eben 
jenen  antiquarischen   Analeclen   vor,    die   ich   nach  den   Abhandlun- 
gen  der  Bände  geordnet  habe,     so    dafs    jeder    Band    einen   Theil 
derselben  als  Zunaljc  erhallen   wird.      Die  mit  einem  Sternchen  be- 


zfifbuetcn  Iwiben  sieh  handscliiifllicli    in    Bödiger's  Nacblafs  vorgc- 
limden. 

Was  endlich  die  Aiiotdiiting^  der  Aufsätze  betrifft,  so  waren 
es  drei  Wege,  die  icli  einschlagen  konnte,  und  zwar,  dafs  ich  cnt- 
\\eder  die  rein  chronologische  F'olge  der  Aiifsälze  in  buntei' 
Reihe  festhielt,  oder,  was  Böttiger  seihst  vorzuziehen  schieii,  jedem 
Bande  einige  Aufsätze  aus  jedem  Zweige  der  antiquarischen  Stu- 
dien ,  die  er  behandelt  hatte,  einverleibte,  oder  die  ganze  Masse 
des  Aufzunehmenden  in  gewisse  Haupttheile  sonderte  und  diese 
nach  einander  erscheinen  liefs.  Bei  den  Uirbequemlichkeiten  der 
beiden  ersten  ^Methoden  glaubte  ich,  nach  dem  Beispiele  vieler  an- 
derer Herausgeber  fremder  oder  eigener  Schriften  die  dritte  anneh- 
men zu  müssen,  und  es  regelt  sich  wie  von  selbst  die  Anordnung  der 
Aufsätze  in  solche,  die  zur  Mythologie  der  Griechen  und  Römer, 
zu  dem  Theaterweseu  der  Alten,  zur  eigentlichen  Archäologie  und 
zur  Kenntnifs  des  Lebens  und  der  Sitten  des  Allerthums  gehören. 
Einige  Aufsätze  bildeten  die  x\blheilnng,  der  ich  den  Titel  „anti- 
quarische Scherze"  geben  zu  können  glaubte ;  den  Schlufs  des 
Ganzen  macht  eine  Sammlung  von  Abhandlungen  vermischten  In- 
halts. 

Bei'm  Beginne  der  Arbeit  balle  ich  mir  vorgenommen,  zu  ei- 
nigen Untersuchungen  Nachträge  zu  liefern,  die  die  Geschichte  der 
Böttigcr'schen  Forschungen    bis  auf  den  heuligen  Tag  durchführen 
sollten.     Noch  habe  ich  diese    Absiebt    nicht    aufgegeben  ;     ob  ich 
dazu  kommen  werde,    hängt  von  der  Bogenzahl  ab,    die  Bötliger's 
Aufsätze  selbst  füllen  werden  ,     und  ob  meine   durch  anstrengende 
Berufsgeschäfte  sehr    in    Anspruch    gt>nounnene  Zeit    mir  noch  er- 
lauben wird,  der  Arbeit ,    die  ich  zur  Aufgabe   meines  Lebens  ge- 
macht   habe,     ich    meine    die    gröfsere     Bearbeitung    der    Natur- 
geschichte   des    Plinius,     einige     Stunden     abziimüfsigen.       Etwas 
nnr   einigermafsen  Vollständiges   in   dieser  Beziehung  für    sämml- 
liche  Aufsätze  zu  liefern  ,    überstiege  das  Mafs  meiner  Kräfte  und 
Kenntnisse;    dazu    gehörte    ein   Mann,    der   gerade  dieselben  Stu- 
dien   in    demselben    Umfange  getrieben    hätte    wie    Böttiger,    man 
müfste  denn    annehmen,     dafs    die    bluse    Nennung   und  iheilweise 
Mittbeilung   der    die  Abhandlungen  bebandelnden  Recensioneu  aus- 
reichte.    Hier  und  da,   wozu   sich   viele  Gelegenheit  gefunden   halle, 
einzelne  Bemerkungen  liinzuzufügcn ,    schien  mir  zu  wohlfeil ;     die 


Wülfsche  Üehersetzmig  «les  iioltilas  adspergerc  ist  zu  heffeml, 
als  dafs  man  sitli  von  solLheni  Bej^innon  iiielit  ziirückgesclireckt 
fiilileii  sollte.  Maiiclieii  Dank  glaiilio  irli  mir  bei  verstiiiidigen  Le- 
sern des  Bnclies  zu  verdienen ,  wenn  iel»  zum  Selilufs  des  Ganzen 
Piegister  über  die  drei  Bilude  liefere,  aus  deuea  die  Sammluug 
hesleben  wird. 


I 


Verzeichnifs 


von 


C.  A.  Böttiger's  sämmtlichen  Schriften  *), 


Schriften : 

1.  Ind.  reriim  et  verl).  ad  Fr.  VoIü,.  R  e  i  z  i  I  C  h  r  e  s  t  o  m.  g-  r  a  o  c. 
]ioet.  et  pros,    Lips.  1770.  8. 

2.  Bcutleii  comuieut.  in  Plialar.  epistolas  cniu  praef. 
Lips.  1780.  8. 

3.  Rede  bei  dem  Antritte  des  Rectorats  a.  d.  Schu- 
le zu  Giiliei).     Leipzig.  1785. 

4.  Progr.  Pauca  de  iulerpret.  epist.  Cic.  ad  diverses  et  lectione  sta- 
taria.     Lips,  1785. 

5.  Nneliriclil  von  der  3Ietliode  bei  einigen  Lelirslun- 
den  auf  dem  L  y  c e  u  m  z  n  Guben,     Giib.  1785.  4. 

6.  EinladuMgsscIirirt  den  A eitern  unserer  Schüler  auf 
dem  L  Y c  e H ui  zu  G  u  b  e n.     Pfiirten.  1 786. 

7.  Progr.  de  i  n  t  e  r  p  r  e  t  a  1  i  o  n  e  Terentii.     Giib.  1786.  4. 

8.  Progr.  Vom  dem  Mifsb  rauche  der  teutsclseii  Le- 
etüre auf  g  r  0  f  s  e  n  Schulen,  Gymnasien  und  eini- 
gen Mitteln  d  a  g e g  e  n.     Guben.  1787.  4. 

9.  Prog.  Ueber  die  b  efs  t  e  n  Mi  ttel ,  d  i  e  S  tudir  s  uch  t 
derer,  die  zum  Sludiren  keinen  Beruf  haben,  zu  hemmen. 
Leipzig.   1789. 

10.  Progr." Explicatio    loci    Virg.   A c n.  VIII.  208  —  303 
Pföd.  1789.  4. 

11.  Progr.  (^uam  vim  ad  religionis  cnltnin  habuerit 
II 0  m  e  r  i  I  e  c  t  i  o  a  p  u  d  G  r  a  e  c  o  s ,  pueromm  inslitulionem 
ab  iioc  poeta  auspicari  solitos.     Gorlit.  1789,  4. 

12.  A  r  i  s  1 0  p  h  a  n  e  s  i  m  p  u  o  i  t  u  s  D  e  o  r  u  m  g  e  n  t  i  1  i  u  m  i  r  r  i- 
sor.     Lips.  1790.  8. 


''])     Die  mit  einem  Sternclien  Q*")    hezeiclmeten  Aufsätze  sind  anonym 
oder  mit  den  Anfangsbuchstaben  des  ^'erfassers  erschienen. 


13.  (*)  Ronuin  Factiiin.  Coiisiil  Pt  Sfiialns  Civilalis  Bndissoiisis 
LpfloiÜMis  oninis  onliiiis  et  loii  S.  Hiulissao  1790.  fül.  — 
Inest  de  seliolis  piihlicis  i>enio  senili   rite  aLTOiuiiiodainlIs. 

14..  Rede  über  die  E  r  w  a  it  11  ngc  n,  die  sich  das  P  »  h  ii- 
kiiin  von  einem  S  tli  nl  in  a  n  n  e  hei'ni  Antritte  sei- 
nes Amtes  macht  nud   machen    kann.     Bndiss.  1790. 

15.  C  0  m  i  t  i  h  n  s  de  Einsiede!  et  de  I^  a  n  <^  e  n  a  n  C  0  ni  i  t  i  a 
majora  a.  d.  22.  Ahü,-.  1790.  IJudissae  hahenlihns  itym- 
nasii  nihis  pietas.  Bndiss.  1790.  l'ol.  —  Ahi;edriickt  in 
Mitscherlich's  eclogae  recenliornm  carm.   lal.   p,  198. 

16.  Piohisio  ad  loc.  Phitarchi  in  vita  Caf.  Major,  p.  347.  s^j.  (ed. 
Frft.)  Bud.  1790.  —  ah^edrnckt  in  Ruperli's  nnd  Schlicht- 
horst's  N.  Ma-azin  f.  Schnllehrer.   Bd.  1.  1792.  p.  34  —  60. 

17.  Tiv  ifx°M^^°'"'  ^h  ■röv  nöcf^ov  celebrat  pielas  gyrnuasii.  Bndiss. 
1790.  4. 

18.  (*  C  A.  B.)  üeher  die  gegenwärtige  Beschaffenheit 
der  S  c  h  u  I  p  f  0  r  t  e.     Leipzig.  1791.   8. 

19.  Prol.  ad  loc.  Ciceronis  in  Catil  IM.  8.  9.  Bndiss.  1791. 
4  —  Ahgedrnckt  in  Ruperli's  niid  SchlicIilhorst'sMaü,.  f.  Sciml- 
h-hrer  B.  2.  Sl.  2.  1791    p.  413—432. 

20.  Prol.  de  pnerilis  aetatis  pndicitia  non  praecepto- 
rnni  sed   parcntum  studio  cnstodienda.  Bnd.  1791.4. 

21.  Amicissimo  S  c  h  m  a  1  z  i  0  Schmal  ziam  duiciss.  dextro 
amore  repertani  grat.  Bndiss.  1791.  —  Abgedruckt 
in  Milscherlich's  eclog.  p.  206. 

22.  Prentzelio  fpiintpiaginta  ahhinc  aiiuis  Bndissam  comniigran- 
ti.  a.  d.  30.  Jnnii  1791.  4.  nnd  abgedruckt  im  Lansitzer  Ma- 
gazin.  1791.  S.  265.  nnd  Milscherlich's  eclog.  p    212. 

23.  A  I)  s  ch  i  cd  sr  ed  e  in  der  Iclzten  Lehrslnnde  im  Budissi- 
ner  Gyninasinm.     Bnd.   1791. 

24.  Oratio  Schoiarnm  in  vicinitate  Acad.  coustitutarum 
V  i  n  d  i  c  i  a  e.     Vimar.  1791. 

25  Progr.  De  s 0  m  n i  0  A n  « i  b  a  I  i s  ap.  Liv.  XXI.  12.  Vira. 
1792.  4. 

26.  Piol.  I.  De  Herodoti  historia  ad  carminis  epici 
indolem  propins  accedente.  Vimar.  1792.  4.  — 
Prol.  11.  1793.  4.  —  Abgedr,  in  Ruperti's  uud  Schlichthorst's 
N.  Magaz.  Bd.  2.  St.  2.' 

27.  Erklärende  Anmerkungen  zu  den  a  u  s  c  r  w  ä  h  1 1  e  n 
Oden  und  Liedern  vom  H  0  r  a  z.  ( Zur  Brannscb w. 
Eucvdopädie  Th.  11.  Brannschw.  1793.  —  Tb.  1.  von  Kop- 
pen  1791. 

28.  Frider.  Theoph.  Becbero  —  puellara  bymeuaeo  sibi  jungenti. 
Vimar.'  1793.  8. 

29     S  c  b  n  a  u  s  s  i  0   —  semisaecularirt  solemuia  gratulatur.     Wi- 

mar.  1793.  8. 


30.  (*)  Hnfc!  audio  siio  —  piiellain  hyuienaeis  sibi  jiingcnli — 
paraiiyiiiphiis  \  iiuaiiciisis.  1793.  8. 

31.  Lei» er  den  Rani»  der  Cassandra  auf  einem  No- 
I  a  iii  sehen  G  e f ä  l's  e,  eine  artliäol.  Voiles.  Nebst  3  KpfsU 
(V.  li  Mever)   Weimar  1794.  4. 

32.  ProyT.  de  oria,iiiibns  lirociiiii  a  p  n  d  Romanos. 
Viniiir.  1794.  4.  —  Excerp.  in  Degen's  Bibl.  kl.  Schrift  Bd. 
1.  Sl.  2. 

33.  Progr.  de  personis  scenicis,  vnlffo  larvis,  ad  loc. 
Terenlii  Phorm.  I    4,  32.  Vim.   1794.   4. 

34.  P.  Terenlii  Afri  Comoediae.  Novae  edillonis  speci- 
men  proposnit  B.     Lips.   1795,  8. 

35.  Pronr.  Quid  Sit  docere  fabiilam?  P.  1.  Vim.  1795, 
P.  2.  1796.  4. 

3G.  Znsland  der  neuesten  l^ileratnr,  der  Künste  und 
Wissenschaften  in  Frankreich,  in  Ansz.  u.  Erläu- 
lernn-en.     Bd.  1.  Berl.  1795,  Bd.  2.  1796.  8. 

37.  Verzierung  g  y  m  n  a  s  t  i  s  c  h  er  üeb  n  n  gsji  I  ;i  (  z  e  durch 
Kunstwerke  in  aiilikoii)  Geschniacke.  Weimar.  1795.  8.  — 
Abuedrnckt  ans  dem  Journal  d.  Luxus  u.  d.  Moden,  1795. 
April.     S.  153  —  185. 

38.  l  eher  Actlillieit  n.  Vateihind  antiker  Onvxka- 
meeu  von  a  n  f  se  r  o  rden  I  li  c  h  e  r  Gröfse,  Leipzig. 
1796.  8. 

39.  (*)  Denkschrift  auf  Bode,  nebst  Alihildung  des  dem- 
selben zu  Weimar  errichteten  Monuments.     Weimar.   1796.  4. 

40.  (*)  Entwicklung  des  1  f  f  I  a  nd  '  seh  c  u  Spiels  in 
l-i  Voi-;ti'llungen  auf  dem  Weimar'schen  'i'ht'iil«>r.  Leipzin'. 
1796.  8.         ■ 

41.  (i  r  i  cc  li  i  s  c  ii  e  Vasen  g  e  m  ;i  I  il  e  mit  arcbiioloii,is(hen  nnd 
.iilistisciieu  Erläulcrungen  und  Oroinalku[ifern.  B.  1.  H  1, 
Weimar,  1797.  Hft.  2.   1798.  Ilfi.  3.  Magdeb.   1800.  8*. 

42.  Prol.  de  actoribns  primär  um,  secundarnm  et  (er- 
tiariim   partium  in  fabulis  Graecis.     Vim.   1797.  4. 

43.  Prol.  (^naluor  aetales  rei  scenicae  apud  Graecos, 
priniis  liiieis  designalae.     Vim.    1798.  4. 

44.  (*)  Die  Dresdener  Aiilikengalerie  mit  Fackelbeleuchtung  ge- 
sehen;  0.  0.     1798.   8. 

45.  II  i  t  h  Y  i  a  oder  die  Hexe,  ein  archäol.  Fragui.  nach  Lessing. 
Weiu.ar.  1799.  8. 

46.  (*  C.  A.  B.)  Meinen  Freunden.  Innen:  Die  Nenjahrs- 
lampe.  0.  J.  n.  0.  (Weimar.  1800.)  12.  m.  Tilelk. 

47.  Pro),  De  um  ex  macbina  in  re  scenica  illustrans. 
Vim.  1800.  4.  —  Excerp.  in  Beckii  Connnentat.  soc.  philol. 
Lips.  Vol.  I.  P.  1.  (1801.)   p.  19  —  23. 

48.  (*)    loanni    Godofr.    Herdero    —     novos    praesulis    hocores 


2,iatula(unis  cocliis   Gviunasii   Vimariensis.     Viinar.  1801.    f. 
—  Lateiiiisdies  Gedicht. 

49.  Arcüiiolojifi  sehe  Hefte  od.  Abbildungen  ii.  Eiläiiloiiiu- 
jrpii  des  klassistlica  Altcrtbiiins  aus  alleu  zum  Theil  iiocli 
unbekannten  Denkniäleio,  Leraiisi^eg,  v,  —  u.  H.  Meyer. 
Weimar.   1801.  4. 

50.  (*)  Die  Spitzbube  11  rotte.  (TeutscLcs  Gedicht)  1801.  o. 
0,  8.  in.  Yisn, 

51.  Archäoloüiscb  es  Museum  zur  Erläuternug  der  Ab- 
bildan/^en  ans  den«  klassischen  AlterlLume.  Th,  1.  Hft.  1. 
(Ariadue)  Weimar.  1801.  8. 

52.  Die  Furienmaske  im  Trauerspiele  und  auf  den  Bild- 
werken der  alten  Grieclien.  M.  3  Kupfero.  Weimar.  1801. 
8.  —  lu's  Französische  übersetzt  v.  1,  F.  Winckler.  Paris. 
1802. 

53.  Prol.  1.  de  Medea  Euripidis  cum  priscae  arlis 
operibus  comparata.  Vira.  1802.  Prol.  2.  1803.  4. 
_  Abaedr.  in  MattLiae  Miscell.  philol.  Yol.  I,  P.  J.  (1803.) 
u.  P.  in.  1804.) 

54-.  (*)  Der  Freudenbecher  bei'ni  Run  dg  es  äuge  in 
FroLcndoif.     (Teniscbes  Gedicht)  18G2.  o.  0.  ni,  K. 

55,  Sabina  oder  Morgensccuen  im  Putzzimmer  einer  reichen 
Römerin,  ein  Beitrag  zur  riciitigcn  Beurlheilung  des  Privat- 
lebens der  Römer  u.  zum  besseren  Ycrstündiiifs  der  römischen 
Schriftsleiler.  Mit  13  Kupferlafelu.  —  Vorher  einzeln  zmu 
Theil  im  Journal  des  Luxus  u.  der  Moden.  —  Neue  veri>. 
u.  vorm.  Auflage  Th.  1.  2.  Leipzig.  180G.  —  In's  Franzö- 
sische übersetzt,  Paris.  1803,  8. 

5ö  Abschiedsrede  im  gr.  Hörsaale  d.  Weimar'sch.  Gymna- 
siums, d.  23.  Rlärz  1804.  gehalKMi.     Weimar  1804.  8. 

57.  (*)  Unserm  Vater  Adelung  bci'm  Eintritte  in  seineu 
75,  Sommer.  (Teutschcs  Gedicht)  1805.  o.  0,  8. 

58.  (*)  Die  durch  die  Schntzpocken  Genesenen  an 
Fräulein  Friedericke  von  Bülow.  (Teutsches  Gedicht)  1805. 
o.  0.  8. 

59  Andeutungen  zu  24  Vorträgen  über  die  Archäolo- 
o  i  e.  Abth.  1.  Allg.  Uebersichten  o.  Geschichte  der  Plastik 
b.  d.  Griechen.     Dresden.  1806,  8. 

60  Herzog  B  e  r  u  h  a  r  d  v.  ^^  e  i  m  a  r ,  z.  Erläuterung  einer 
auf"efundenen  gleidizeiligeu  geschnitzten  Kunsltafel  von  seinem 
Bilde  Weimar.  1806.  8.  —  Auch  im  n.  teutschen  Mercur, 
1806*,  B.  1.  S.  3-37. 

61  B  c  s  c  li  r  e  i  b  u  n  g  d  e  s  dem  General  v  o  n  C  h  r  i  s  t  i  a  n  i 
von  Pettrich  gefertigten  n.  v.  Günther  u,  Seiffert  in  Kupfer 
gestochenen  Denkmals  1806. 


XVII 


G2.    (*)  Fr.  VoKl-ra.  Rcinl.nnlo  —  Xcolon.     D.osd.  1807.  8. 
C3.    (*)    Gniliniiiae   sii;u>    —    quo   die   nulierct    Rcgtilae  — 
Tpc'!ii)opae,ü,-nion.  18Ö7.  4, 

64.  U  e  b  e  r  Museen  und  Antigens  a  ni  m  1  n  n  gen,  eine  ar- 
di:ioloi;isi-lie  Vorlesung-.  Leipzig-,  1808.  8.  —  Abgedr.  in  der 
Bihliotliek   für  bildende   nnd   redende    Kiinsle.     B.   4, 

65.  Fr.  Volckm.  Rei  n  hardo — gpuelliliacon.   1808.  4. 

66.  (*)  Stimme  eines  Greises  au  die  Bürger  Dresdens.  Dresden. 
1809.  8. 

67.  Fr.  Volckm.  Reinhardo — genclbliacon.  Dresd,  1809.  8. 

68.  Explicalio  a  n  t  i  q  u  i  a  n  a  g- 1  v  p  li  i  in  M  n  s  e  o  Napoleon. 
Lii)s.  1809.  8.  c.  %.  —  Änch  in  Weiske's  Ausgabe  des 
Dionysius  Longiniis. 

69.  F  0  r  t  n  u  a  e  r  e  d  u  c  i  (in  rediln  reg%  Saxon  )  d.  23.  Dccbr. 
1809.  Dresd.  4. 

70.  Die  A  1  d  0  b  r  a  n  d  i  n  i  s  c  h  e  Hochzeit,  eine  arcliäolog-, 
Aiisdeuinng.  Nebst  einer  Ali'inndliiiig  über  das  Geniälile,  von 
Seiten  der  Kunst  betrachtet,  von  II.  Meyer.  Dresd.  1810.4. 
mit   1  Kupfert. 

71.  Döringio  sno  —  in  nuptias  filiae  Secundillae  Fride- 
ricae  Erotopacgniou.     Dresd,   1810.  12. 

72.  F  r,  V  0 1  c  k  m.   Reinhardo  — genetliliacon.  Dresd.  1810.  8. 

73.  I  p  s  i  s  N  a  t  a  1  i  b  u  s  F  r  i  d  e  r  i  c  i  A  n  g  u  s  t  i.  Dresd.  1 810.  4, 

74.  Id  e  en  zur  Arch  äolo  gi  e  d  er  flia  lerei.  Th.  1.  Dresd, 
1811.  8 

75.  Archäologische  Aehrenlese.  Samml.  1.  Dresd.  ISll. 
mit  7  Kupferpl.  Fol. 

76.  Kunstmythologie,  Absch.  1  —  3.  Dresd.  1811.  8.  (Als 
Manuscript  für  die  Zuhörer  gedruckt.) 

77.  (*)  Fr.  Volckm.  R,einhardo  —  genethliacon.  Dresd.  1811.  8. 

78.  Vota  natalitia  Frid.  Aug.  P.  P.    Dresd.  1811.  4. 

79.  loan.  Nath.  Petze Id,  Med.  Hippocratico,  uatiirac  et  artis 
indagatori  sagacissimo,  seni  annis  meiitisque  veiierabili  gr.i- 
tu  lalur.     Dresd.  1812. 

80.  (*)  Dem  treiriichen  Jubelarzte  —  Petzold  (Tenlsches  Son- 
net) 0.  0,  1812.  fol. 

81.  Saluti  Con?eryalrici  Fr.  Volckm.  Reinhardo  —  sole- 
rion  et  genelhiiacon.     Dresd.  1812.  4. 

82.  (*)  An  meine  g:  e  i  s  f  1  i  c  h  e  n  Mitbürger,  in  den  S  t  n  n 
den  nach  D.  Reinhard' s  Beerdigung-  geschrieben 
Dresd.  1812. 

83.  (*)  Lateinische  Votivtafel  auf  den  Minister  von  Hopflgarfen, 
Dresden  1812.  (Abgedruckt  in  Beckii  Acta  Seminar.  Lips, 
Vol.  II.  P.  l  p.  533.  sq.) 

84.  Dr.   Fr.  Volckm,    Reinhard,  literariscli  gezcich- 

BüUiget's  Kleine  Schriften  I.  B 


XYIll 

net,  gemalt  Ton  Cliarpontler.     Dresd.  1813.    inlt  2  Knufeil. 

—  2.  Aufl.  1816.  4. 

85.  Diis  manibtis  C.  M.  AVielaiidi  Pin|)eiii|)li(on.  Dresden, 
1813.   —  Aiuli  in  dem  Morjrenl)Ia«e  1813.  Nr.  42. 

86.  Die  Moskauer  Kanoucusäule  oder  der  Siogesobclisk  mit  Abi». 
Alteidmrn-,  1814. 

87.  Vortrag  über  die  Dresdener  Antikengaleiie.    Dresden,  1814.  4. 
[88.  Carmen   in    rcdiln    Reg.  Saxon,    Frid.   Aug.      Dresd. 

1815.4.'?] 

89.  Dorinüio  suo  soteria  —  instaurata  —  decanlat  B.   1815.4. 

90.  (*)  Das  Bad  der  Wiedergebnrt.  Puiiidgcsang.  o.  0. 1815.  fol.  ol»l. 

91.  Ammonio  S.  V.  nalalilia  riuiiiquagesima  celebranli  Xcuio- 
1  u  Hl   misit.     Dresd.  1816.     Pol.  oblong. 

92.  (*)Der  scbinmmerude  Araor  im  Antiitensaale  an  Adelaide  Gräfin 
Bombelies,  (Zwei  lenlscbe  Sonnelte)  o.  0.  1816.  4.  — 
aucli  in  Kind's  Harfe  Bd.  6.  S.  323. 

93.  Ipsis  natalibiis  B,cg.  Saxon.  Frid.  Ang.  P.  P.  sacra 
auuiversaria  LXVI.  celebranlis  d.  23.  Decbr.  1816.    Dresd.  4, 

—  Mit    beigefügter    (enlsrhcr    Uebersolzung    als  Beilage   zur 
Abendzeitung'  1817,  Nr.  9. 

94.  T  i  1 1  m  a  n  u  0  —  in  sacris  seraisaccularibus  —  sotcrion.  Dresd. 
1817.  8. 

95.  Worte,  auf  der  Anhübe  der  Landstrafse  nach  Gorbitz  ge- 
sprochen an   Werucr's  Sarge.     Dresden,  1817. 

96.  Trink  Spruch  am  Hochzeittage  unserer  Augusta, 
(Teutsches  Sonnett).  o.  0.   1817.  8.'' 

97.  (*)  Tri  u  k  s  prü  che  am  jM^rtcufeste  unserer  Freundin  Doris 
Amnion,    o.  ü.   1817,  8. 

98.  Cbr.  Frid.  Ammoni  —  geuii  natalis  sacra  auuiversaria  cele- 
branli.    Dresd.  1818.  12, 

99.  Rede  zur  Einweihung  des  A  n g  u s  t  u  s  -  0  b  e li  s  k e s 
auf  dem  Keulenberg,  den  18.  Splb.   1818.  Dresd.  8. 

100.  Worte  der  Bruderliebe  am  Sarge  des  ersten  Hofmarschals 
Fi^'iherrn  zu  Racknilz.     (Dresden)  1818.  4. 

101.  Carmen  saeculare  Frider.  Ang.  Reg,  Jnbil.  Dresden, 
1818. —  Abgedruckt  in  The  Classical  jouru.  Lond.  1819.  Nr. 
37.   p.   82, 

102.  Kr  auzson  nette  meiner  geliebten  Nichte  Euiilie 
Eisenstnck.  (o.  0.)  1819. ^^8. 

103.  Andeutungen  am  Grabe  Gerb.  v.  Kugel chen's,  am 
Abend  des  30.  März  1820  ausgesprochen.  Dresden.  (1820.)  8. 

104.  (*)  Skolie  zum  Bergfest  am  1,  des  Wonnemonds  1821. 
0.  0.  fol.  obl. 

105.  Vater-  und  Mutter- Zu  ruf  an  Euiilie  Adler  und  Carl 
Böltiger.     Dresden,  1821.  8.  (drei  Sonnette.) 

106.  Amalthea   oder  Museum  der  Kuustinvthologie  und  bilden- 


XIX 


den  Aherllininsknutle.  Bnml  I.  Leipzig-,  1821.  iin'lCKiiiif  B 
2. 1822.  uiil  4  Knpf.  B.  3. 1825.  mit  8  Kiipf.  niul  1  Sfeindr.  8. 

107.  Der  IländezolJ,  aii  die  dianiatisclie  Muse  bezahlt.  Leip- 
zig-, 1822.  —  atK-l)  in  Fr.  Kiiul's  Muse,  ß.  3.  (1822.) 

108.  A  in  m  0  n  i  siio  xeuioltiui.     Drcsd.  1823.  8. 

109.  MitD.  Bnrkh.  Willi.  Seiler,  Erkiäning der  Muskeln  und 
der  Basrehicfs  an  F.  Matthäi's  Pferdemodeilen.  Dresden  1823 
4.  mit  3  Kupfert, 

110.  Einige  Aiidentuiigen  zn  Moritz  Pictzsch's  acht  Umrissen  zu 
Sohiller's  Fridolin.     Stuttgart  und  Tübingen,  1824.  Querfol. 

111.  Andeutungen  zu  Moritz  Retzscli's  secbszelin  Umrissen  zu 
Schiller's  Kampf  mit  dem  Dracheu.  Stuttgart  und  Tübin- 
gen, 1825.  Querfol. 

112.  De  ludo  musico  —  in  Odeo  Dresdensi  —  edito  brevis 
narralio.  Griniae,  1825.  fol.  —  Auch  abgedruckt  in  :  Anto- 
logia  Ilaliana.    1826.  Nr.  60. 

113.  Ein  Lied  in  alter  Melodie  zum  doppelten  Myr- 
tenkränze.    Dresden,  1825.  8. 

114.  Ideen  zur  K  n  n  s  tmy  Ib  o  logie.  Band  1.  Stammbaum 
der  Rfcligionen  des  Ahertlmms.  Einleitung  zur  vorhomeri- 
schen Mythologie  der  Giiechon.  Dresden  und  Leipzii;-  1826. 
mit  5  Kupfert.  8.  (Band  2.  ebend.1836.  8.  mit  2  K^pf.  nacli 
seinem  Tode  herausgegeben.) 

115.  Dresda  Ingens,  cum  funns  adventaret  bcatissimae  Reti- 
nae. 1827.  —  Auch  als  Beilage  zur  Abendzeitung.  1827 
Nr.  270. 

116.  Lateinisches  Hochzeitsgedicht  auf  D.  Iledenns. 
Dresden,  1827. 

117.  Hendecasjllabi  sodalitati  coitionem,  cui  ab  Albi  no- 
men  haesit  —  iuanguranti.     1828.  8. 

118.  Audeulnngen  zu  Moritz  Rotzsch's  Galerie  zu  Shakespeare's 
dramatischen  Werken.  Li^^fernng  1.  und  II.  Leipzi«  nnd 
London,  1828  und  1833.  fol.  ° 

119.  Arch  äo  logie  nud  Kunst.  Im  Vereine  mit  mehreren 
Freunden.  B.  1.  St.  1.  Breslau,  1828.  8.  mit  4  Bildtafeln, 
(eine  Fortsetzung  der  Amalthea.) 

120.  Meiner  holden,  lieblichen,  lieben  Fräulein  Thekla  von 
S Chi  i  eben.     Dresden,  1828.  8. 

121.  Hercules  in  bivio  e  Prodici  fabula  et  moniimcntis  pri- 
scae  artis  illustratus.     Lips.  1829.  8.  c.  tab.  aen. 

122.  Mit  I,  G.  V.  Quandt,  über  Preisaufgaben  für  bildende 
Künstler.     Dresden,  1829. 

123.  In  Ängusti  Herderi  —  imagineni.     Dresd.  1831.  fol. 

124.  Minkae  versiculos  nubenti  miltit  amicus  septuagenarins  «e- 
nex  B.  ^  1832,  kl.  Folio. 

B' 


125.  Virgini  Iccllssimae  Mari  an  ae  Reh  borg  iinpllas  cclcbran- 

li.     1832.   4. 

126.  Fr.  Giiil.  Dorinsilo  —    post  c)niii(a  tlcconnaüa  in  cathe- 
dra rcclricc  pcracla  i;rali!!a(iir   I].   Dicsil.   1832.  8. 

127.  Reim  spiel  zum  18.  Dcceiiil)er  1832. 

128.  Worte  am  Grabe  ()  c  r  Frau  v.  d.  Recke,  Dresden, 
1833.  8. 

129.  Friderici  Au  gast  i  et  Mariae  Bavaricae  pompa 
iiuptialis  numo  au.  ar.  ae.  cuso  expressa.  Dresdae  1833. 
fol, —  Dazu  die  leulsche  Uebersefznn^-  besonders  aus<^eg;ebeu  : 
Fr.  Augusts  und  Maria  von  B a i e r n  Brautzug. 
Dresden,  1833.  8. 

130.  I.  A.  Gnil.  Heden  0  deceni  lustra  arti  salulari  —  couse- 
crata  gratulalur    B.  1833.  fol. 

131.  (*)  Au  Joh.  Nicol.  Bisch  o ff  s  Grabe.  Diesdeu,  1833. 
8. 

132.  Worte  am  Sarge  meiner  lieben  Pflegetochter  Augusta 
Töpel.     Dresden  1834.  8. 

133.  S  0  d  a  1  i  t  i  0  ad  a  I  m  a  e  P  o  r  t  a  e  a  n  n  i  v  e  r  s  a  r  i  a  —  c  c- 
lebrauda  Lipsiae  congrcgalo,  hanc  sjmbolam  — olfert  B. 
1834. 

134.  C  h  r  i  s  t  i  a  n  0  I  a  c  o  b  o  E  i  s  e  n  s  t  u  c  k  i  o  doctoris  houores 
seuiisoculares  gralulatur  B.   1835.  8. 

135.  Trinksprufh  beim  Absehiedsinalil  aia  7.  Juli  1835  bei  Sr. 
Excellenz  dem  Herrn  Staatsministcr  D.  IVIiiller.  8. 

136.  Opuscula  et  carmina  latina.  Dresdae,  1836.  8.  c.  tabulis 
aeneis  et  effigie  b.  auctoris.  (Nach  des  Verfassers  Tode  her- 
ausgegeben.) 

Aufsurdem : 

137.  (*)  Teutsches  Ho  cb  zeitgedichf,  o.  0.  u.  Z.  8. 

138.  An  Herrn  Ritter  v.  Speck,  Baron  roa  Sternburg 
(teutschc  Elegie)  o.  0.  u.  Z.  fol. 

Eingedruckte  Gedichte,  Abhandlungen  n.  s.  w, 

1.  in  lohanni  Gotthold  Böhniero  Consuli  —  secunduni  Consula- 
tuni  —  gratulabanlur  G^iunasii  Collegae.  Budiss.  1791.  f, 
—  Lateinisches  Gedicht. 

2.  in  der  L  a  u  s  i  t  z  e  r  Monatsschrift:  Ueber  das  B.anzeuer 
Backwerk;  1793.  St.  9.  S.  154—167.  St.  10.  S.  199  — 
201. 

3.  in  Wieland's  teutschera  Älerknr,  deu  er  Tonl797  — 1809 
fast  allein  herausgab  uud  zu  welchem  Wieland  blos  den  Namen 
lieh  *). 


*)    Die    literarischen    Dnrdifliige,   die   mit  dem  Jabre  1797  anfangen, 
sind   sämmtlich   von  Bötti^er,    obgleich  nur    zum  Theil  mit  dem 


a.  AIceste,  mehr  Wahrheit  als  Fabel;  1792.  St.  2.  S.  113—130. 

b.  Cyklopen;  Ariuiaspen ;     Sitte  der  Alten,  sich  den  Körper  zu  malen 
und  zu  punktiren;  eb.   St.  6.  S.  139  — 16-i. 

c.  Washington,  Neu- Rom  in  Amerika;  1793.  St.  11.  S.  217  —  231. 

d.  Der  alte  TJiomas  Parr;   eb.  St.  J2. 

e.  Die  Kevolutionsdamen  im  neuen  Paris  und  alten  Rom;   1794.  St.  I. 
S.  69  —  88. 

f.  Herzog-  iMarlborongh  und  Herzogin  Sarah;   eb.  St.  6.  S.  205  —  210. 
g.   Zur  Holzsparkunst  der  alten  Römer;  eb.  St.  7.  S.  283—305. 

h.    Zustand  der  Künste  und  Wissenschaften  in  Frankreicli  unter  Robes- 
pierre;   1795.  St.  1.  S.   77  —  102.   St.  2.  S,   168—192. 
i.    Was  thun  die  Teutschen  für  die  Telegraphie?    eb.  St.  2.  S.  203  — 

213. 
k.    Die  Atliener  und  Pariser;  eb.  St.   3.  S.  315  —  323. 
1.    Ueber  das   Wort  Maske    und    über    die  Abbildung  der  Masken   auf 

alten  Gemmen;  eb.  St.  4.  S.  337  — 3.j7. 
m.    Ueber   die  Fortdauer  der  Schröder'sclien    Theaterunternehmung  in 

Hamburg;  eb.  St.   11.  S.  300-  312.  und  1796.  St.  1.  S.  97  —  102. 
n.     Waren  die  Frauen  in  Athen    Zuschauerinnen    bei  den  dramatisclien 

Vorstellungen;  1796.   St.  1.  S.  23  —  47. 
0,    Ueber  die  Erlindung  des  NilpapjTS  und  seine  Verbreitung  in  Gi'ie- 

chenland;   eb.  St.  2.  S.  133  —  147.  St.  3.  S.  310  —  328. 
p,    Ueber  v.  Birkenstock's    Denkschrifit  auf  den  Erzherzog    Alexander 

Leopold;  eb.   S.  336  —  338. 
q,    Auszüge  und  Bemerkungen  aus  Ed.  Gibbon's  hinterl.  Werken;     eb, 

St.  8.  S.  337  —  372. 
r.    Einige  Anekdoten,  den  grofsen  Baco  betreffend ;  eb.  St.  9,  S.  98  — 

108. 
s.    Literarische    Anzeige    einer  teutschen   üebersetzung  des  Vitruvius; 

eb.  S.  108-111. 
t.    Englische  Hexameter;  eb.  St.   10.  S.   121  —  133. 
u.    Neuestes  Werk  der  Frau  v.  Stael;  eb.  St.   12.  S.   415-420. 
V.    Waren   die    Atlienerinnen    wirklich    vom    Theater    ausgeschlossen? 

1797.  St.  3.  S.  224  —  233. 
w.  Nachschrift  zu  dem  Auszug  ans  I.  Bi'yant's  Beweis  der  Nichtexistenz 

des  alten  Troja;  eb.  S.  261  —  264. 
X.    Ueber  Retifs  neuesten  Roman:     le  coeur  humain  devoile;    eb.  S. 

264  —  267. 
y.    Aussichten  zu  einer  teutschen  üebersetzung  des  persischen  Geschicht- 
sclireibers  Miiciiond;  eb,  St.  4.  S.  370—378. 


Anfangsbuclistaben  seines  Namens  unterzeichnet  j  desgleichen  die 
Anmerkungen  zu  den  Correspondenzen,  Vor-  und  Nachworte  und 
Anmerkungen  zu  vielen  Aufsätzen,  kleinere  Anhänge,  Ankiin- 
digungen. 


xxn 

z.    Ueber  Aiitikennarligrabiingen  in  Rom;  eb.  St.  8.  S.  331—333. 

aa.  Ueber  Abbe  Delille  und  die  Prachtausgabe  seiner  Georgica;  eb.  S. 
339  —  355. 

ab.  Wie  nrtlieilt  das  Ausland  über  teutsche  Literatur?  eb.  St.  9.  S. 
34  —  37.  vergl.  St.   12.  S.  232  —  235. 

ac.  Ueber  Colquhuon's  Werk  :  Die  Polizei  in  London  1798.  St.  1.  S. 
18  —  39. 

ad.  O  Bernstorff;  eb.  S.  75  —  81. 

ae.  Und  wie  wird  alles  diefs  (italienische  Kunstwerke)  in  Paris  auf- 
gelioben  werden?  eb,  St.  2.  S.  144  —  200. 

af.  Mechanographische  Gemälde  ;   eb.  St.  6.  S.  155 —  167. 

ag.  Italienisclie  Kunstplünderungen.  —  Das  Museum  Borgianum  in  Vel- 
letri.  —  Herr  Koliler  in  Petersburg.  —  Joseph  Eckliel.  —  Die  Flax- 
juann'schen  Kupterwerke    —  eb.  St.  7.  S.  258  —  271. 

aL.  Ueber  Ossian  und  den  Charakter  der  schottischen  Hochländer ;  eb.  St. 
8.  S.  343  —  346. 

ai.    Künste;  eb.  S.  387  —  397. 

ak.    Anekdoten  und   Charakterzüge;  eb.  St.  11.  S.  268—278. 

al.  Neubeck's  Gesundbrunnen,  eine  typograpliische  TVIerkwürdigkeit ;  eb. 
St.   11.  S.  296  —  298. 

am.  Kunstnachrichten;  1799.  St.  3.    S.  250  —  257. 

an.    Reinhard's  Lamltagspredigt;  eb.  S.  284 — 286. 

ao.  Zweite  mechanographische  Ausstellung  in  der  Leipziger  Ostermesse 
1799;  eb.  St.  5.  S.  54  —  62. 

ap.  Reiniiard's  Predigt  bei'm  Schlüsse  des  kursächsischen  Landtages ;  eb, 
S.  91—93. 

aq.   Ueber  Mionnet's  Münzen-  u.  Gemmenpasten;  eb.  St.  6.  S,  170 — 172. 

ar,    Vetterlein's  Chrestomathie  teutscher  Gedichte  ;  eb.  St.  7,  S.  232 — 237. 

as.    Hanseatisches  Magazin  ;  eb.  St.  8.  S.  373  —  379. 

at.  Neueste  und  wichtigste  Ersciieinung  im  Faclie  der  Geschichte;  eb. 
St.  10.  S.  179  —  187, 

au.  Tragische  Masken  und  Tempel  der  Alten,  eine  archäologische  Paral- 
lele; eb.   St.  11.  S.  217  —  237. 

av.    Nekrolog  von   CJir.   Traug.  Weinlig ;  eb.  St.  12.   S,  359  —  366, 

aw.  Neue  Preisaufgabe  in  den  Propyläen  an  die  Künstler  Teutschlands, 
—  Nene  Münzpasten  des  Bürgers  Mionnet  in  Paris;  1800.  St,  1. 
S.  33  —  57.  und  St.  6.  S.   148  —  150. 

ax.  Racemationen  zur  Gartenkunst  der  alten  Griechen ;  eb.  St  2.  (Gar- 
ten des  Alkinous)  S.  130  —  149,  und  St.  3.  (Grotte  der  Kalypso) 
S.  181  —  205. 

ay.    Merkwürdige  Preisaufgabe;  eb.  St.  2.  S.  158. 

az.    Der  Geruch,  ein  Kennzeichen  des  Metalls;  eb.  S,  222  —  228. 

ba.  Uebcisetzuiig  von  Platou's  Republik;   eb.  S,  228  —  234. 

bb.  Nachschrift  über  Uarruel  und  Consorten ;  eb.  St.  4,  S.  285  —  293. 

bc.  Auch  Etwas  über  Keledonen;  eb,  St.  5,  .S.  56  —  64. 

bd.  Ueber  Veit  Hans  Schnor;  eb.  St.  6.  S.  149  —  153. 


be.  Nachsduift  zu   Baczko's  Beitrag  zur   Erklärung    alter  Kunstwerke; 
eb.  St.  8.  S.  316—320. 

bf.  Rode's  Vitruv  ;  eb.  S.  320  —  323. 

bg.  Wilhelm  Tischbein;  eb.  St.  9.  S.  61—76. 
bh.   Nekrolog  von  Geifsler;   eb.   S.  77 — 79. 

bi.    Die  Allgemeine  Zeitung;  eb.  St.  11.  S.   232  —  236. 

bk.  Zweckuiäfsige  Praclitausgaben  von  Virgil  und  Rammler;   eb.  St,  12, 

S,   303  —  312. 
bl.    Die   beruhigte  Erde;  1801.  St.  1.   S.  1—16. 
bni.  Die  Seepost    durch   Flaschen  und  Töpfe;    —  der  Flufsstier;    eb,  S. 

56  —  70. 
bn.   Wozu  dient  das  KuJihorn  bei'ra  Fischerger'dthe  im  Homer?    eb.  St, 

2.  S.  137  -  lU. 
bo.   Kupfer  zn   Rode's   Vitruv   und   Leben  des  Herrn   v.  Erdmannsdorf; 

eb.  St.  3.  S.  229  —  237. 
bp,  Vollendete  Ausgabe  von  Sal.  Gefsner's  Werken;   eb.  St,  i.  S.  31S  — 

319. 
bq.  Mounier's  Schrift  über  den  Einflufs  der  Philosophen  und  Freimaurer 

auf  die  französische  Moral;   eb.  St,  6.   S.   133  — 158. 
br.   Uebersetzungsprobeu  aus   dem  Plautinischen  Trinummus;   eb.  St.  7, 

S.  218  —  223. 
bs,    Nekrolog  des  Grafen  von   Veitheim   und  des  Prof.  Büttner;    eb.  St. 

10    S.  154—158. 
bt.    Nachschrift  —  über  Millin's  archäologische  Vorlesungen  in  Paris ;  eb. 

St.   4.  S.  223-225, 
bu,  Scintillationen ;  eb.  St.  12.  S.  282  —  300. 

bv,    Schlosser  und  Schlüssel  des  Alterthums ;  1802.  St.  1.  8.  21  —  38, 
bw.  Nachschrift  zu  —  Urne,  über  die  neueröifneten  Schätze  der  National- 

bibliothek  in  Paris;  eb,  St.  3.  S.  225  —  228. 
bx.   Nachsclirift  zu   —    Müller,  über  dje  Geberde  des  Händefaltens ;  eb, 

8t.  4.  S.  301. 
by.    Das  Schwert  der  tragischen  Muse;  eb.  S.  302  —  308. 
bz,    Ueber  die  Musik  der  Indier;  eb.  St.  6.  S,  130  —  135. 

ca.  Der  Improvisator  Pietro   Scotes  aus  Verona;  eb.   S.  135  — 149. 

cb.  Nachschrift  zu  —  Graf  Franz  Szecsenyi;  eb.  St.  7.  S.  215  —  218. 

cc.  Üeber  Babylonische  Keilschrift;  eb.  St.  10,  S.  85  —  89. 

cd.  Alex.     Laborde's    Prachtwerk    über    eine    alte    spanische    Mosaik; 
eb.  St.  12.  S. '301  — 307. 

ce.  Vorwort  zu   —  Neumann,    der   gute  Mensch   und  grofse  Künstler; 
1803.   St.  2.  S.  107—109. 

cf.  Vorwort  zur  Probe  einer  italienischen  Uebei's.von  Göthe's  Hen'maon 
und  Dorothea;  eb.  St.  4.  S.  252—254. 

cg.  Archäologische  Werke,  1804.  St.  2.  S.  146  —  150. 
eh.  Religion  und  Geduld;  eb.  St.  9.   S.  3  —  6. 

ci.    Nachschrift  zu  —   G.  Bartholdy,   das  Löwenthor  zu   Mycenä;  1805. 
St.  1.  S.  18  —  30, 


XXIV 

ck,    Dr.   Reiiiliard's  Landtagspredigt;  e?),  S.  72—79. 

cl.     Heniia[)liroditeii ;   elj.   St.  3.    S.   21Ö  — 221. 

cm.  Gall's  Vorlesungen-,  eb.  St.  8.  S.  311  —  314. 

eil.    Bemerkungen  über  einen  Aufsatz  in  der  Berliner  3IonatäSchrift ;   eb. 

S.   315—317. 
CO.    Gedäditnifstafel  auf  Herzog  Ernst  H.;  eb.   St.  9.  S.   1—6. 
<;p.    Herzog  Bernhard  von  M'eimar ;  iSOG.  St.  1.   S.  3  —  3S. 
cq.    Alexander  v.  Humbold;  eb.  St.  8.  249  —  254. 
er.    Nacliscluift  zu  —   Bartlioldy,  über  die  Pnyx  zu  Athen;     eb.  St.  9. 

S.   10. 
CS.    Nachschrift    zu  —    Zimmermann,   über   Verelirung  der  Cybele;    eb. 

St.  10    S.  129  —  131» 
Ct.     Nekrolog  I.   Chr.  Adelungs;  eb.  S.  138—140. 
cu.    Üeber  Leisewitz;   eb.  S.   12.   S.  294  —  298. 
CY.    Vorwort  zu  —  Adelung's  Kurfürst  August;     180G.    St.    1.  S.   3  — 

12. 
cw.   Denkstein  auf  K.  H.  von  Seibt;  eb.  St.  3.  S.  175  —  186. 
ex.    Üeber  WinUer  in  Paris;  eb.  St.  4.  S.  229  —  232. 
cy.    Andenken  an  Sophie   von  la  Roche;  St.  5.  S.  3 — 5. 
cz.    Ueber  die  neugriechische  Literatur;  St,  8.  S.  250  —255. 

da.  Nachschrift  zu  —  Schadow,  über  Nationalpliysiognomie ;  eb,  St.  9. 
S.  15     16. 

db.  Nekrolog  Jer.   Jakob  Oberlin's;  eb.  S.  44  —  53. 

de.    Ueber  Campe's  teutsclies  Wörterbucli;  eb.  St.  10.  .S,  112  — 117. 

dd.  Göttinger  Nekrolog;  eb.  St.  11.  S.  243—247. 

de.  Ueber  eine  neue  Uebersetzung  von  MUton's  verlorenem  Paradies ;  eb. 
St.  12.    S.  282—285. 

df.  Johannes  v.  Müller;  1808.   St.   1.  S.  5  —  13. 

dg.  Nachschrift  zu  —  Lenz,  über  den  Siegelstein  eines  römisclien  Augen- 
arztes; eb.  St.  9.   S.  33  —  40. 

dh,  Nekrolog  von  C    L.  Fernow;  eb.  St.   12.  S.  273-  302. 

di.    Nekrolog:  der  Barde  Rinyalph;  1809.   St.  2.  S.  130  —  136. 

dk,  Vorwort  zu  —  Nitzsch  ,  über  Schröckh's  Studienweise  und  Maxi- 
men ;  eb.  St.  4.  S.  228  —  232. 

dl,  Vorwort  zu  — >  Kolbe,  über  Wortmengerei ;  eb.  St.  5.  S,  38  — 
42. 

dm,  Vorwort  zu  —  Craus,  über  Glauben  an  VervolUvommnung  und  gei- 
stige Fortdauer;  eb,  St.  7.   S.   176  —  179. 

dn     Nekrolog  von  Karl  Gotthold  Lenz;  eb.  S.  201  —  207. 

do.  Nachricht  an  das  theilnelimende  Publikum  (über  ^Vieland's  Genesung) ; 
eb    St.   10.  S.   127—131. 

dp.  Die  allgemeine  musikalische  Zeitung;  eb.  St.  11.  S,  189  — 
196. 

dq.    Nekrolog  von  Ernst  August  Schmid;  1810.  St.   1.  S.   73.-78. 

dr.  Vorwort  zu  —  Fragment  aus  Seume's  Selbstbiographie;  eb.  St.  12. 
S.  245-— 247. 


xxr 

4.  in  tlor  B  rann  seil  w  ciger  Monatschrift:  zwei  llieolo- 
ülstlie  Giilaclileii  üher  das  Wiedererwacheii  der  ScLeiutodleu; 
1792.  St.  7.  S.  334—349. 

5.  in  U  e  r  1 11  e  li '  s  Journal  des  L  n  x  ii  s  n  ii  d  der  Moden, 
das  er  von   1795  —  1803  allein  berausnah  :   *) 

a.  L'eber  die  Prachtgefäfse  der  Alten;  1792.  Iiini.  S,  281  —  310. 

b.  Das  Colossaldecret  des  Pariser  Nationalconvents ;  1794.  lanuar,  S. 
21  —  36. 

c.  Totale  Mnsikieform  in  Paris;  eb,  58  —  62. 

d.  Ueber  einige  englisclie,  französische  und  teutsclie  neue  Knpferwer- 
ke,  oder  chalkograpliisclier  Luxus  in  England,  Frankreich  und 
Teutscldand;  eb.  Februar.   S.  99  —  109. 

e.  IMifs  IMorrit,  die  kunstreichste  Stickerin  in  England;  eb.  luni,  S, 
273  —  79. 

f.  Flora  in  Papiennosaik  der  Mrs.   Delany;  eb.  luli  S.  314 — 319. 

g.  Geschiciite  der  Enkaustik  der  Alten  und  der  neueren  Versuche,  sie 
\Yieder  herzustellen;  I.  eb.  October  S.  455 — 476.  II.  November. S. 
504  —  528.   III.  Decbr.   S.  563—583 

h.    Das  Spinnfest  zu  Nuneliani ;  eb.  Octbr.   S.  476 — 483. 

i.  Glückwunsch- Vasen.  Zur  Erklärung  des  Titelkupfers.  1795.  la- 
nuar. S.  1  —  12. 

k.  Tischbein's  Vasen,  Lady  Hamilton  Attitüden  und  Rehberg;  eb. 
Februar.  S.  58  —  85. 

1»  Artistischer  Lebenslauf  des  Malers  David  zu  Paris ;  eb.  März.  S. 
108  —  126. 

m.  Die  neue  Reitbahn  in  Dessau ,  ein  Muster  artistischer  und  histori- 
scher Decorationen;  eb.  April.  S.  158  — 185. 

n.  Der  Tempel  der  i\Iusen  oder  die  neueste  und  grÖHste  Bücherbude 
in  der  Welt;   eb.  luni.   S.  273  —  282. 

o.    Pariser  Architectur  und  Verzierungskünste;  eb.  S.  282  —  294. 

p,    Fiorentinische  Alabastriten ;  eb,   luli.  S.  319 — 326, 

q.    Neue  englische  Carrikaturen ;  eb.  S.  331 — 339. 

r.  Buchdruckerschule  für  IMädchen  in  Paris;  eb.  August.  S.  353  — 
362. 

6.   Kalender  der  Musen  und  Grazien;  eb.  Debr.  570 — 576. 

t.  Venus  und  die  Grazien;  1796.  lanuar.  S.  3  — 18.  Bereits  umge- 
arbeitet in  Sabina  I.  174,  flgd. 

u.  Gemalte  und  geschriebene  Neujahrsgeschenke  der  alten  Römer;  eb, 
S.  18-26. 

V.  die  Wachsfrüchte  des  Alterthums ;  ein  arcliäologisclier  Versuch;  eb. 
Februar  S.  75  —  87.  S.  Sabina  I.  257.  ligd. 


*)  Aufser  den  hier  aufgefülirten  und  mit  seinem  Namen  bezeichneten 
Aufsätzen  sehr  Vieles  anonym,  was  sich  zwar  als  von  ihm  Iierrüh- 
rend  deutlich  verrätb,  aber  freilich  nicht  besonders  angeführt  wer- 
den konnte. 


X.XTX 

w.  üeber  eine  Kolossalstatue  auf  dem  Pantheon  zu  Paris  nebst  Be- 
merkungen über  das  Kolossale  in  der  Kunst;  eb,  März.  S,  117  — 
J37.  April.  S.   190—197. 

X.  liin  "Wort  über  moderne  und  modernisirte  Kunstallegorie-,  eb.  Mai. 
S.  230  —  243. 

y.  Morgenbesuche  im  Ankleidezimmer  einer  alten  Römerin.  Erster 
Besuch;  tb.  luli.  S.  329  —  347.  s.  Sabina  I.  1  —  3.  Zweiter  Be- 
such; eb.  Aug.  S.  385  —  401.  s.  Sabina  I.  113  —  137.  Dritter  Be- 
such; eb.  Septbr.  S.  437  —  451.  s.  Sabina  I.  285  —  306.  Vierter 
Besuch;  eb.  October,  S.  489-502.  s.  Sabina  II.  81—98.  Fünf- 
ter Besuch;    eb.   November.  S.  537 — 553.  s.  Sabina  II.   121  —146. 

z.  V.  Racknitz,  Aussichten  zur  Zimmerverzierung,  eb.  August.  S,  401 
—  413. 

aa.  Reichardt's  teutsche  Lieder  geselliger  Freude;  eb.  Septbr.  S.  474 
—478. 

ab.  Ueber  die  aus  Rom  zur  Entführung  ausgezeichneten ,  aber  noch 
nicht  entführten  Kunstwerke ;  eb.  Nov.  S.  500  —  568. 

ac.  Movgenaiisgang  einer  alten  Römerin;  eb.  Decbr.  S,  585  —  598,  s. 
Sabina  II.   173  —  193. 

ad, 'Neueste  teutsclie  Kunstliteratur;  eb.  S.  610  —  614. 

ae.  Der  SaturnaUenschmaus ;  eine  Carnevalsscene  des  alten  Roms; 
1797.  Februar.  S.  53-65.     März.  S.  101  — 110. 

af.  Ostrakographisclie  Hefte,  Ein  archäologisclies  Kunstwerk ;  eb,  Mai, 
213  —  227.  —  Ist  die  Ankündigung  der  Vasöngßji)älde. 

ag.  Ueber  die  Begrürsung:  ich  empfehle  mich  Ihnen;  eb.  August.  S. 
387  —  394. 

ah.  Ueber  zwei  neue  dramatische  Darstellungen  von  IfFland;  eb.  Sep- 
tember. S.  457  —  463.     November  S.  560  —  565. 

ai.  Toilette  und  Salbenbüchschen  der  Römerin  Asteria,  in  Rom  1794. 
gefunden;  eb.  October.  S.  485  —  502.   s.  Sabina  I.   S.  64  —  110. 

ak.   Ein  antiker  Küclienzettel  aus  Rom;  eb.  Decbr.  6.  587 — 599, 

al.    Theaterresonanz ;  eb.   S.  607  —  609. 

am.  Der  Fuchs  und  die  Hähne;  1798.  lanuar  S.  3  —  12. 

an.  Schaugerüste  und  Verzierungen  bei'm  Leichenbegängnisse  Fried- 
rich Wilhelm's  II.  im  Schlosse  und  in  der  Domkirche  zu  Berlin; 
eb.  Februar.  S.  57  —  76. 

ao.  v.  Racknitz,  Darstellungen  des  Geschmacks  der  vorzüglichsten  Vol- 
ker; eb.  luli.   S.  406  —  411. 

ap.  Ueber  die  Stecknadeln;  eb.  August.  S.  463.  flgd. 

aq.  Wo  steckten  die  Griechinnen  und  Römerinnen  ilire  Schlüssel  und 
Schnupftücher  hin?  eb.  November.  S.  606  —  621. 

ar,    Nachricht  von  dem  Weimarischen  Hoftheater;  eb.  S.  640  —  651. 

as,  Taschenkalender  und  Alraanache  auf's  Jahr  1799;  eb.  Decbr.  S. 
669  —  673. 

at.    Friede  und  üeberflufs;  1799.  lanuar.  S.  3  —  12. 

au.  Ueber  die  erste  Aufführung  der  Piccolomini  auf  dem  M'^eimarischen 
Hoftheatcv,  eb.  Februar  S.  89  —  97. 


xxrii 

av.    lieber  die  spate  Efsstnncle ;  eh.  April.  S,  174  — 184. 

aw,  V.  Racknitz,  Geschuiackdarstellungen ,  viertes  Heft ;  eb.  August.  S. 

402  —  404. 
ax,  Mozart's  Denkmal ;  eb.  November.  582  —  585. 
ay.  Die  Neujahrslampe  aus  dem  Alterthume-,  1800.  lanuar,  S.   3  —  25. 
az.  lieber  die   Stelzenschuhe  der  allen  Griechinnen;     eb.  Februar;     S, 

53  —  73, 

ba.  Seenen  aus  Wieland's  Oberon;  1801.  lanuar.  S.  43  —  46. 

bb.  Ueber  ein  Gemälde  von  Hartmann ;  eb.  April.  S.  206  —  209. 

bc.  Mad.  Unzelmann  auf  dem  Weimarisclien  Hoftheater;  eb.  October. 
S.  565  —  570. 

bd.  Preisausstellung  in  Weimar;  eb.  S.  570 — 572. 

be.  Die  Brüder  des  Terenz  mit  Masken  aufgeführt  auf  dem  Hofthea- 
ter zu  Weimar;   eb.  November.  S.  614  —  623. 

bf.  Ueber  Orcliestik;  Nachschrift;  1802.  lanuar  S.  7  —  9. 

bg".  Ariadne  und  Bacchus,  eine  Pantomime  nacli  Xenophon ;  eb.  S,  9  — 
20.  (Später  in's  Lateinische  übersetzt  und  mit  einigen  Anmerk- 
ungen bereichert  in  Bornemann's  Ausgabe  von  Xeuophontis  Convi- 
viiim.     Lips.   1824.  8.) 

bh,  WafTentänze  der  Griechen;  allgemeine  Ideen  darüber;  eb,  Mai,  S. 
259  —  262. 

bi.    Der  Veronesische  Improvisator  Scotes ;  eb.  luli.   S.   394 — 397. 

bk,  Ueber  den  Gebraucli  der  Blumen  zum  Kopfputz;  eb,  August.  S, 
436  —  439. 

bl.  Naclistiche  Flaxmannisclier  Umrisse ;  Frick's  Schlofs  Marienburg  in 
Preufsen;   eb.   Decemb.  S.  683  —  691. 

bni.  Die  heilbringenden  Götter;  1803.  lanuar,  S,  3 — 31. 

bn.  Künste;   eb.  Novbr.  S,  590  —  598. 

bo.  Die  'Nyogel- Schimäre.  Ein  Neujahrs -Räthsel,  1804.  Januar,  S. 
3—17. 

bp.  Nachschrift  zu  Faust's  vier  Eriindungen;  eb.  S.  34 — 36. 

bq.  Originalzeichnungen  italienischer  Meister  von  Langer;  eb,  Juni.  6, 
281  —  285. 

br.    Iffland  in  Dresden;  1805.  April.  S.  224—239. 

bs.    Letzte  Probe  der  neuen  Modentypen  von  ünger;  eb.IuIi,S,  467— 469, 

bt.    Der  grofse  aMaskenball  in  Berlin;    eb.  S.  469  —  472. 

bu.  Kaiser  Napoleon  in  Dresden;   1807.  Septbr.  S,  588 — 591. 

6.  in  Knrt  Sprengel's  Beiträgen  zur  Geschichte  der 

Medizin: 

a,  Aelteste  Spuren  der  Wolfswuth  in  der  griechischen  Mythologie  1795» 
B.  1.  St.  2.  S.  1  —  45. 

b.  Der  Aeskulapiusdienst  auf  der  Tiberinsel;  eb.  S.  163 — 202. 

7.  in  Gentz's  neuer  teutscher  Monatsschrift: 

a.  über  Taubstummen -Institute  und  üue  Reformen  in  Frankreich; 
1795.  Februar  S,  125  —  137. 


XX  vm 

b.  Bauer   in  seinem  Familiensitz   zu   Kiimiard ;     eb.  März.    S.  241  — 
248. 

c.  Revolutionsgericlite  zu  Atlien  und  Paris ;  eb.  April.  S.   331  —  338, 
<].   Neue  amerikanische  Briefe;     eb.  Juli,    S.  241 — 2G6.  Septbr,   S.  30 

—  38.   Decbr.   S.  209  —  229. 

e.  Neueste  Kunst-   und   NaturalieneroberungenJ     eb.  October,  S.    158 

—  171. 

f.  Sir  William  Jones;  1796,  März, 

8.  in  Michael  Moiitaigne's  Godankea  und  Mcinunj^eii.    lu's 

Teutsclie  iiljcrselzt.  Bd.  6.  Berlin  1795.  8,  —  J.  J,  E.  Bo- 
de's  literariscücs  Leben.  S,  I  —  CXLIY. 

9.  im  Gothaischen  Ho  fknl  en  d  er : 

a.  Zerbrechliche  Lieljesbriefclien.  1795.  S.U. —  s.  Sabinall.  S.  64 — 70. 

b.  Neueste  Glasmalerei  in  England,  eb,  S.  15. 

c.  Die  Jungfernprobe  in  Lannvium;  eb.  S.  34. 

d.  Das  Fächerschränkchen,  worinnen  die  Fächer  aller  Zeiten  und  Vol- 
ker zu  schauen;   1796.  S.  9   -  19.  —  s.  Sabina  II.  S.  217  —  246. 

e.  Der  vergötterte  Filtrirtopf;  eb.  S.  49 — 58. 

f.  Römische  Damentoilette,     Erster   Blick.    1797.  S.    44  —  61.    —    s» 
Sabina  I.  114  —  172. 

g.  Stierkämpfe,    Ein  Sieg  des  Alterthums  über  die  Modernen;     1804, 
S.   40  —  72. 

10.  in  W  i  e  1  a  u  d  '  s  Attischem  Museum: 

Attische  Mythen  und  Spricliwörter.     Erster  Abschnitt.  Pallas  Musica 
und  Apollo,  der  Marsyastödter,  B.  1.  Heft  2.  1796.  S.  279  —  358. 

Jl.  in  Henning's  Genius  der  Zeit.  Allona  1797.  8.  — 
(Den  Aufsatz  verni;i^-  ich  nicht  zu  neuueu,  weil  ich  das  Buch 
nirgends  aufgefunden  habe.) 

12.  im  Jonrnal  London  und  Paris,  das  B.  von  1798  —  1805 
allein  herausgab,  und  worin  alle  Kupfercrklärungeu  von  ihm 
sind  (s.  Kuustmjthologie  I.  Yorw.  S.  XI.)  Da  aber  die  anti- 
cnarischen  Notizen  darin  so  verflochten  sind,  dafs  sie  olme 
Mittheilnng-  der  Bilder  und  des  ganzen  Anfsatzes  nicht  ver- 
ständlich sind,  die  volle  Wiederholung  derselben  aber  in  jeder 
Beziehung  unthnnlich  schien,  so  habe  ich  von  diesen  nichts 
aufnelimen  können.  Viele  dieser  Aufsätze  und  Erklärungen 
sind  in's  Englische  übersetzt  in  Philippe's  uionlhlj  magazine 
seit  1798. 

Die  Familie  des  Tiberius  auf  einem  Onyxcameo  der  kaiserlichen 
Bibliothek  zu  Paris;  1807.  St.  8.  S.  296  —  319.  0"'«  Lateinische 
übersetzt  von  Beck  in  Acta  seminarü  philol.  Lij)s.  T,  I.  p.  294 
—  302.  mit  einigen  unbedeutenden  Bemerkungen  des  Herausgebers.) 


XXIX 

13.  iiiilerJenaisclien  allgemeinen  Literatur- Zeit- 
11  n  g  sehr  -siele  anonjnie  Ptcccnsionen  ;  aufscrdeni : 

a.  Mosaik,  von  Alexander  Delaborcle  i    J,  1799  unweit  Sevilla  in  Spa- 
nien gefunden  J   1801.  Bd.  3.  Programm. 

b.  Plan  der  Ruinen  von  Eleusis;  1802.  Bd.  3.   desgl. 

c.  üeber   die  Siegesgöttin    als   Bild   und  Reicliskleinodj     1803.  Bd.  2* 
desgl. 

d.  Die  Choeplioren  auf  Büscli's  Eluendenkmal }  eb.  Bd.  3.  desgl» 

e.  Eros  und  Anteros ;   eb.  Bd,  4.   desgl. 

14.  in  J.  Clir,  Fr.  Guts  Mntli's  Bibliothek  der  pädago- 
gischen Literatur:  Anrede  am  Schlufs  des  Valediclions- 
Acls  im  Gymnasium  zu  Weimar;  Bd.  2.  St,  2,  (1802)  S» 
209  —  216. 

15.  in  A  s  c  h  e  n  b  e  r  g  '  s  T  a  s  c  h  e  n  b  u  c  li  f  il  r  d  i  e  Gegenden 
am  Niederrhein:  das  Menschenleben,  eine  Galerie,  1804. 
S.  9  —  65. 

16.  in  Weyland's  kl.  Abentenern  z n  Was s  er  nnd  2 q 
Lande; 

a.  Reise  nach  Königshayn  i  Th.  3.  S.   1  —  24. 

b.  Schreiben   über  die  Trinksitte   der  Ceylonesen  und  der  alten  Grie- 
chen; Th.  4.  S.  241  —  252. 

17.  in  Merkel's  Freimüthigera :  *) 

a.  Knnstmerkwürdigkeiten  der  Leipziger  Jubilatomesse  im  Landschafts- 
fache; 1804.  Nr.   144.   147.   153. 

b.  An  den  Herausgeber  (über  Adelung's  Uebersetzung  des  Calpurniusj) 
eb.  Nr.   180. 

c.  Indische  Grottentempel,   in  24  Ansichten,  von  Thomas  Daniell;   eb, 
Nr.  186. 

d.  Herzog  August  von  Sachsen -Gotha,    von   Grassi  in  Lebensgröfse 
gemalt;  eb.  Nr.   188. 

e.  Denkmünze  auf  Herder;   eb.  Nr,   189. 

f.  Hirt's  arcliäologisches  Bilderbuclij  1805,  Nr.   110.   113.  und  147. 

g.  Laokoon's  Köpfe;  eb.  Nr.  140. 

li,  Notte  Romane  vom  Grafen  Verri ;  eb.  Nr.   145, 
i.    Zuschrift    an  den  Herausgeber    des   Freimüthigen    über    Dr,  Gallj 
eb.  Nr.   148.  149.  150.   151.  152, 


Von  den  einzelnen  Aufsätzen  sind  einige  nur  mit  B.  unterzeich- 
net, aber  zu  deutlich  von  Böttiger's  Hand,  als  daCs  ich  sie  nicht 
hätte  aufführen  sollen.  Dasselbe  hätte  ich  vielleicht  bei  mehreren 
anderen  thun  können,  die  die  Chiffre  r,  fiiluen, 


XXX 

k.  Ilomerisclie  Aebrenlese   zur   Gall'sdien  Scliädellehre;    eb.  Nr.  152. 

(niclit  fortgesetzt). 
1.     Miliin''s  IVIonuniens    ineditsj   eb.  Nr.   154, 
ni.  Alcxander's  Sarkopliag  iju  britiscben  Museum;  eb.  Nr.  155, 
n.    Musee  Napoleon,  von   den  Brüdern  Pirane-si ;  eb.  Nr.  178.  179.  183. 
o.   Veith's  Landschaften,  —  und  Gypsköpfe  zu  Dr.  Gall's  Schädellehre ; 

eb.  Nr.  187. 
p.    Sal.  Gefsner's  Gouachegemälde  und  Luviszeichnungen,  radirt  durch 

Kolbe;  eb.  Nr.   193. 
q.    Gedäclitnifsmünze  auf  Gröning;  eb.  Nr.   194. 
r.    Professor  Grassi's  Kunstwerkstätte;   eb.  Nr.  202.  203.  ^ 

s,    Homer  in  Zeichnungen  nach  Antiken J    sechstes  Heft;  eb.  Nr.  206. 
t.    Canova's  Denkmal  auf  die  Erzherzogin  Christina  in  der  Augustiner- 

kirche  in  Wien  ;  eb.  Nr.  215.  217. 
u.    Echtheit  des  Macpherson'schen  Ossian  ;  eb.  Nr.  220.  222.  223. 
V.   Fac  -  Simiies ;   eb.  Nr,  229.  230. 
w.  Der  Kaiser  Alexander  in  Dresden]   eb,  Nr,  232. 
X.    Aus  Dresden;   eb.  Nr.  240. 
y.    Kaiser  Alexander;  eb.  Nr.  241, 
z.    General  Zieten;  eb,  Nr.  242. 

aa.  Politisciie  Fabel  von  Gleim ;  eb.  Nr.  242, 

ab.  Vorschlag  zur  angenehmen  Winterunterhaltung ;  eb.  Nr.  243. 

ac.  Denkmal  auf  Lapochinj  eb.   Nr.  246. 

ad.  Haselmeyer's  anatomiscli-keroplastisclie  Kunstwerke ;   1806.  Nr.  11. 

ae.  Fiorillo's  Versuch  einer  Geschichte  der  bildenden  Künste  in  Rufs- 
land;   eb.  Nr.   15. 

af.  Journal  für  teutsche  Frauen;  eb.  Nr.  23. 

ag.  Erinnerung  an  Bernhard  von  Weimar;   eb.  Nr.  40. 
ah.  Neues  attisches  Museum  ;  eb.  Nr.  46. 

ai.    Die  Schriften  des  Prinzen  von  Ligne;  eb.   Nr.   47. 

ak.    Jörden's   Lexikon  teutscher  Dichter  und  Prosaisten;   eb,  Nr.  55. 

al.  GeCsner's  Gouachegemälde  und  Laviszeichuungen,  radirt  von  Kol- 
be; eb,  Nr.  56. 

am.  Ueber  Schiller's  Denkmal  und  Todtenfeier;  eb.  Nr.  61. 

an.    Aus  Dresden;  eb.  Nr.  63. 

ao.    Asiatisches  Magazin  ;  eb,  64, 

ap.  Ueber  die  Aufführung  der  Oper  Sofonisbe  in  Dresden ;  eb,  Nr. 
64.  65. 

aq.  Briefe  zwischen  Gleim,  Willielm  Heinse  und  Johannes  v.  Müller; 
eb.  Nr.  72.  73. 

ar.    Myron  und  der  athletische  Kreis;  eb,  Nr.  85.  88.  90.  95.  »7.  98. 

as.    Der  General- Superintendent  Kindervater;  eb.  Nr.  102, 

at.    Rheinansichten;  eb.   Nr.   106. 

au.   Millin^s  dictionnaire  des  beaux  arts ;  eb.  Nr.  107. 

av,    Carsten's  Leben  von  Fernow;  eb.  Nr.  108, 

aw.  Aus  Dresden;  Nr.  112.  113. 


XXXI 

ax.  PraclitaiisgaT)«  des  Wölfischen  Homer;  eL.  Nr.  115, 

ay,   Schlesisclie  Ansichten  nach  Nathe  und  :  Malerische  Ansichten  durch 

das  Riesengebirge  von  Nathe;  eb.  Nr.   116. 
az.    AnssteUungen  auf  der  Dresdener  Eildergalerie ;    eb.  Nr.   117,  118, 

119. 

ba.  Decorationsknnst  und  Costüme;   eb.  Nr,  120, 

bb.  Botanik   in  Dresden;   eb.  Nr.  128. 

Lc.    Römische  Studien  von  Fernow;  eb.  Nr.   130. 

bd.  Becker's  Augusteum ;  eb.  Nr.  131. 

be.  Hamburgs  Arnienanstalten ;  eb,  Nr.  157.   158. 

bf.  Bemerkungen  ;  eb.  Nr.  172. 

bg.  Ernst  Matthäi's    Basrelief    im   Mengsischen   Museum   in    Dresden 
aufgestellt;   eb.  Nr.  177. 

bh.    Aus  Dresden  (^über  Schenan);  eb.  Nr.   177. 

bi.    Annalen  der  gesammten  Numismatik  von  Schlichtegroll ;    eb,  Nr, 

178. 
bk.   Darstellende  Kunst ;  eb    Nr.   18-i. 
bl.    Die  Juden;  eb.  Nr.   185. 
bm.  Literatur;  —  Adelung's  Tod;   eb.  Nr.  186. 
bn.  Bemerkung;    eb,   Nr.   187. 

bo.    Höhere  Critik  in  der  Philologie ;   eb.  Nr.   193. 
bp.    Ceber    Herrn   Hofr.   Hirt's    Critik   von    BÖttiger's   archäologischen 

Andeutungen;  eb.  li>6,  196. 
bq.    Italienisclie  Literatur;  eb.  Nr.  200. 
br.    Topograpliische  Literatur;  eb.  Nr.  201. 

18,   in  der  A  bendz  ei  I  u  n  g-  (frühere  Zei(schrift): 

a.  Ueber  Iffland  als  Essigkrämer;  1805.  Nr.  30.  31.  32,  33,   (s,  Abend- 
zeitung 1817.  Nr.   73,;) 

b.  Uliich's  Büste  des  Kaisers  Alexander.  1806.  Nr.  5. 

19.    in  der  Zeitung-  für  die  elegante  Welt:  *) 

a.  An  meine  Landsmänninnen  ;   1806.  Nr.  71. 

b.  Annalen  des  naturhistoriscJien  Museums  in  Paris ;   eb.  Nr.   140, 

c.  Denon's  neueste  Siegesmedaillen,  eb.  Nr.   142. 

d.  S.   Gefsner's  Gouachegemälde ;   eb.  Nr.  145. 

e.  Chalkographisches  Denkmal  auf  Klopstock ;  eb.  Nr.  154.  155,  156. 

f.  Chalkographisches  Denkmal  auf  Schiller;  1807.  Nr.  96, 


Auch  in  dieser  Zeitschrift  stehen  mehrere  Aufsätze ,  artistischen  und 
literarischen  Inhalts ,  Anzeigen  neuer  Kupferwerke  u.  dergl.,  die, 
nur  mit  B.  unterzeichnet,  oftenbar  Böttiger  zum  Verfasser  haben. 
Dennocli  glaubte  ich  aus  guten  Gründen  auch  hier  niclit  von  dem 
einmal  von  mir  befolgten  Grundsatze,  nur  mit  dem  vollen  Namen 
unterzeichnete  Aufsätze  aufzunehmen,  abweichen  zu  dürfen. 


XXXII 

g.   MelÜng's  malerische  Reise  von  Konstantinopel  u.  dem  Bosplionis;  eb. 

99.   100. 
Ii.    Rühmliches  nnd  empfchlungswiirdiges  Unternehmen  zweier  kattioli- 

schcr  Geistlicher;   eh.  Nr.   l-i5. 
i.    Blicke  auf  die  neuesten  Kunsterzeugnisse;   eb,  Nr.  167.  186.  207. 
k.    Paris;  1808.  Nr.  8. 
1,     Blicke    auf  die  neuesten  Kupferstiche    und  Kunstwerke ;     eb.  Nr. 

18.  19.  43.  45. 
m.  Fellenberg's  Experimental  Farm  in  Hofwyl  bei  Bern;    eb.  Nr.  41. 
n.    AVinckelmann's  Werke ;  eb.  Nr.  62. 

o.    Fellenberg's  ökonomische  Musterscliule  in  Hofwjl;   eb.  Nr.  75. 
p.    Ernst  AVagner's   Kunstplan;  eb.  Nr.  77. 
q.    Die  Dresdener  Ausstellung  von  1808  und  Prof,  Seydelmann''s  Kopie 

der  ]\Iadonna  von  Rapiiael ;   eb.  Nr.  78.  79. 
r.    Fortgang  der  Agrikulturanstalt  in  Hofwyl;  eb.  Nr.  94. 
6,    Die  Bibeliibeisetzung  der  Herren  Carl  und  Leander  van  Efs;    eb. 

Nr.  100. 
t.    Neues  Vasenwerk  in  Paris  ;  eb,  Nr.  111,   112. 
u,    Fellenberg  in  Hofwyl;  eb,  Nr.  138. 
v.    Römische  Altertlilimer  in  Baiern  ;  eb.  Nr.   141. 
w.  Altteutsclier  Bilderwitz  von  echtem  Schrot  und  Korn;  eb,  Nr.  158. 
X.    Theatercostumes ;  eb.  Nr.  175. 

y.    Der  zweite  Heft  von  IMelling's  malerischen  Reisen  ;  eb,  Nr,  177, 
z,    Professor  Adrian  Zingg  und  Joh,  Adolph  Denstadt  J  eb,  Nr.  180, 
aa.    Ansichten  von  Dresden;  eb,  Nr.  198. 
'ab.   Sammlungen  zur  Kenntnifs  unserer  Nationaldichter;  eb.  Nr.  214. 

ac.  Der  scliöne  Jüngling  Antinous,  aus  alten  Denkmälern  dargestellt ;  eb. 
Nr.  232. 

ad.  C.  L.  Fernow;  eb.  Nr.  234, 

ae.  Engelhard t's  tägliche  Denkwürdigkeiten  aus  der  sächsisclien  Ge- 
scliichte;   1809.  Nr,  4. 

af.  Holzschnitte  alter  tentscher  Meister;  eb.  Nr.  21. 

ag.  Zwei  türkische  Gesandtschaftberichte  über  Wien  und  Berlin  ;  eb. 
Nr.  67. 

ah.   Flemming's  Lehrinstitnt  für  Blinde  ;  eb.  Nr.  78. 

ai.  Ueber  ein  Monument,  das  Winckelmann  errichtet  werden  soll; 
eb.  Nr.  80. 

ak.  Versucli,  Kunstwerke  zweckmäfsig  zusammenzustellen;  eb.  Nr.  81. 
82. 

al.     Adclung's  Mithridates;   eb.   Nr,  83,  84, 

am.  üeber  Landscliaftsmalerei  in  Dresden  und  einige  Landschaftsge- 
mälde des  Malers  C.  Kaaz ;  eb.  Nr.  98. 

an.    Adrian  Zingg's  Zeichenbuch;   eb.  Nr.  114. 

ao.    Fuefsly's  sämmtliche  Werke,  zweiter   Heft;  eb.  Nr.  117. 

ap.     Costumes  des  könixl.  Nationaltheaters  in  Berlin  ;  eb.   Nr.   128. 

aq.    Sclurin,  ein  morgenländisclies  Gedicht;   eb.  Nr.  135, 


xxxm 

ar.   Tl)aranf1's  Naturtempel;  eh.  Nr.  137.  138, 

as.    Becker's  Aiigiisteum ;   eh.  Nr.  149.   154. 

at.    Schone  Baukunst;   Gewölbe  tragende  Fig-urenj  eh,  Nr.  162, 

au.    Artistische  Blnmenlese ;  eb.  Nr,  177. 

av.    Verfall  der  Religiosität;  eb.  Nr.  189. 

aw.  Des  Grafen  von  Hofmannsegg  portugiesische  Flora ;   eb.  Nr.  196. 

ax.   Neueste  Werke  zur  Arcliäologie  der  Baukunst;  eb.  Nr.  205.  2G6. 

ay.   Neue  Knpferblätter ;  eb.  Nr.  232. 

az.   Wachsportiaits,  Schwefelpasten  bei  Rebenstein  in  Dresden;     eb.  Nr. 

234. 
ba.  Fleniming's  Blindeninstitut  in  Dresden ;  eb.  Nr.  237. 
Lb.  Gerhard  von  Kügelchen's  neueste  Kunstunternehmungen ;  1810,  Nr.  18, 

bc.  Die  Göttin  Roma;   eb.  Nr.   19. 

bd.  Die  Züricher  Neujahrsgeschenke  an  die  Kinder;  eb.  Nr.  44,  46. 
he.    Eine  Reliquie  von  Klopstock;  eb.  Nr.  51. 

bf.    Furioso  und  die  Seiltänzer  zu  Cyzicus;  eb.  Nr.  78.  79, 

hg.   Denkmal  auf  Kant  und  Herder ;  eb.  Nr.  87, 

bh.    Melling's  malerische  Reise  von  Constantinopel;  eb.  Nr,  91, 

bi.     Becker's  Augusteum;  siebentes  Heft;  eb.  Nr.   93. 

bk.    Winckelmann  oder  Wiiikelmann?  eb,  Nr.   118. 

bl.    Das  Vasenwerk  des  Dubois-Maisonneuvc ;   eb,  Nr.  145.  146, 

bm.  Die  Herren  Carl  und  Leander  van  Efs;   eb.  Nr.  158. 

bn.    Blick  auf  neue  Zeitschriften   und  Journale;  eb,  Nr.    189,  198,  199. 

1)0.   Seroux  d'Agincourt's  GescMcIite  der  Kunst  des  Mittelalters;  eb,  Nr, 

209. 
bp.    Denkmale  auf  die  Königin  Louise  ^eb.  ]^r.  214, 
bq.   Nacldese  über  Seumej  eb,  N.   242. 
Lr.    Selbstgeständnisse  und  Autobiographieen }  eb,  Nr,  247, 
bs.    Der  arme  Heinrich ;   eb,  Nr.  252, 

bt.    Winckelmann's  Werke,  vierter  Band;  1811.  eb.  Nr.  27. 
bu.   An  den  Herausgeber  d.  Zeit.  f.  d,  eleg.  Welt ;   eb,  Nr.  45, 
bv.   Erinnerungen  wegen  der  neuesten  ürtheile  über  das  Institut  zu  IfTer- 

ten;  eb.  Nr.  48. 
bw.  Bilder  zu  Wieland'"«,  GÖthe's  und  Scliiller''s  Gedichten  J     eb,  Nr,  78. 

80.  82. 
bx.    Demetrius  Poliorcetes  und  die  Flötenspielerin  Lamia ;    eb.  Nr.  94. 
by,    S.  Gefsner"s  Gouachegemälde,  von  Kolbe  radirt ;  eb.  Nr,  95. 
bz.   Die    Begeisterung    (zur    Erklärung    der    beiliegenden    KupfertafeQj 

eb.  Nr.  109. 

ca.  Versuche   über   einige  Gemälde  der    Dresdener  Gemäldesammlung ; 
eb.  Nr.  113. 

cb.  Galerie  häuslicher  Denkmale;  eb.  Nr.   128» 

cc.  Zum  Befsten  unserer  Muttersprache;   eb,  Nf>  131» 

cd.  Degen's  Prachtausgabe  der  Pharsalia  von  Lucan ;  eb,  Nr»  149, 

ce.  iMalerische  Ansichten  auf   einer    Reise  durcli  die  Levante;     eb,  Nr. 
156. 

Löiügcr's  kleine  Schriften  I,  C 


cf.  Riiproclit's  Diclitiinpon  fler  Britten;  el».   Nr.  210. 

cg.  Zwei  Voiiesungiii  in  tl<'r  künigl.  Akademie  der  Wissenschaften  in 
Miniclien;  eb.  Nr.   218.  219. 

eh.    Becker's  Aiigiisteum;  eb.  Nr.  228. 

ci.    Pandora;  eb.  Nr.  234. 

ck.    Geschichte  der  Künste  in  Sachsen;   eb.  Nr.  237. 

cl.     Weidner's  musikalisch -declainatorische  Academie;  1812.  Nr.   5. 

cm.  Weibliclie  Cieniaütüt;  el).   Nr.  40. 

cn.    (iraf  Carl  von  Harrach;  eb.  Nr.  68. 

Co.    Becker's  Angiistenm;   eb.  Nr.  71.  72. 

cp.    d'Agiiicoiivt's  Geschichte  der  Kirnst  drs  Mittelalters;  eb.  Nr.  S4.  8.1^ 

cq.   Die  Geberden  des  Armes;  eb.  Nr.  9G.  97.  98.  (jücht  fortgesetzt). 

er.    Joseph  Scluister;  eb,  Nr.  155. 

CS.    Fragmente   zn  des  Ritters    und   Professors  Heyne   erster   Jiigendge- 

scliiclite  und  Aiifentlialte  in  Sachsen;  eb.  Nr.  226.  227.  240.  241»  — 

1813.  Nr.  1.  2. 
ct.    Diis  manibiis  Chr.  Mart,  "Wiolandi  Propcmpticon;   eb.  Nr.  42» 
CIL   Julius  Weidiier;  eb.   Nr.   116. 
cv.    Ein  prophetischer    Drnckfelder;  1817.  Nr.  213. 
cw.  üeber  Kind's  Nachtlager  von  Granada;    1818.  Nr,  61. 
ex.    Zur  Erinnerung  an  Abraham  Gottl.  Werner;     1819.   Nr.   48»  —  53. 
cy.    Belebte  Schattenspiele;  1820.  Nr.  41. 
cz.    D.  Blessig  bei  D.  Reiske  in  Leipzig;  eb.  Nr.  50. 

da.  Zacharias  Werner^s  goldene  Schreibfeder,  als  Weihgeschenk  der  Jung- 
frau zu  Maria- Zell  vermaclit;  1823.  Nr.  52,  53.  54. 

db,  üeber  Lebesnier's  plastisclie  Darstellungen  in  Dresd^^n,  und  über  die 
Frage:  Ob  die  Künstler  im  Alterthum  die  Anatomie  kannten?  eb. 
Nv.  248.  tigd.     (Nur  Einleitung  zu  D.  Seiler's  Abliandlung.") 

de.    Eine  Aufgabe  zum  Sjivester.abend;   1824    Nr.  4  —  8» 
cid.  Auf  D.  Ammon's   Geburtstag;  eb.  Nr.  20. 

de.  ZweiungedruckteBriefe  Joh.  Winckelmann'sJ  eb.Nr.24.,  vergl.  Nr,  36. 

df.  Die  doppelte  Silenuslampe;  eb.  Nr.  79  —  81.,  vergl,  Amalthea,  Bd, 
3.  S.  183. 

dg.  Der  Teutschc  im  Hafen  von  Marseille ;   eb.   Nr.  205.  206. 

dh.   Trugen  die  griecliischen  Machtliaber  Purpurmäntel?  eb.  Nr,  258. 

di.     Unserem  Kind ;  1825.  Nr.  58. 

dk.    Blick  auf  die  Bibelgesellscliaften ;  eb.  Nr.  80  —  82, 

dl.    Der  antike  Bullenbeifser,  als  Wächter  vor  meiner  Schlafstätte;  eb.Nr.  112. 

dm.  Auch  ein  Selam ;  eb.   Nr.  118.  119» 

dn.  Einleitung  und  einige  Bemerkungen  zur  Beschreibung  einer  Fahrt  auf 

dem  Bodensee-,  eb.  Nr.  133  — 143. 
do.    Erste  Kunde  über  des  grofsen  Unbekannten  Tales  of  the  Crusadefs» 

eb.  Nr.  138. 
dp.   Zur  Erklärung  des  Amazonenbildes;  1826.  Nr.  56.  57. 
dq.    Amor  und  Psyche,  eine  russische  Epiphanie;  eb.  Nr,  64.  65, 
dr,    Friedricli  Weinbrenner  j   eb,  Nr,  69,  74  —  77, 


ds.    Joli.  Andreas  ütlie,  k.  sächs.  Hoforgelbaiier ;  eh.  Nr.  80, 

dt.     Trinkspriiche,  gesprochen  —  zu  Älarienbad;  eb,  Nr.  182» 

du.  Inspector  Lolirmann  in  Paris;  eb.  Nr,  187, 

dv.   An  E.  Gehe;  eb,  Nr.  190. 

dw.  Ein  Wort  über  den  Grieclienverein  im  Künigreicli  Sachsen;   eb,  Nr. 

224. 
dx.    Jens  Baggesen's  Adam  und  Eva ;  eb,  Nr.  230, 
dy,   kleinem  ehrwürdigen  Freunde  Niemeyer  J  1827.  Nr.  81, 
dz.    Trinksprüche ,  in  Marienbad  ausgesprochen ;  eb.  Nr.  212.  228. 

ea.  Vorwort  zu  einer  Beschreibung  der  Feierliclikeitenbei  der  Sr.  Maj.  dem 
Könige  v.  Saclisen  zu  Budissin  geleisteten  Huldigung;    eb.  Nr.  224. 

eb.  Wettkämpfe  der  teutschen  Sprache    mit    der  englischen;   1828.    Nr. 
23.  24, 

ec.  Eberto  suo — liliolnm  recens  natum  ulnis  amplexanti;    1829,    Nr.    9. 

ed.  Ammonio  suo  —  diem  natalem   sexagesimum  tertiuju  celebranti;  eb, 
Nr.  24. 

ee.  Lessing's  Erinnerungsfeier;  eb.  Nr.  27. 

ef.  Den  Lebensgefährtinnen;    Trinkspruch;  eb.  Nr.  197, 

eg.  Was  können  vvir  noch  Alles  von   den    Griechen  lernen;  eb.  Nr,   197« 

—  109. 
eil,    Trinksprüclie  auf  der  Pfarrei  bei  Auschowitz ;  eb.  Nr,  235, 
ei.     Neue  Liclitpunkte  der  teutschen  Journalistik;  eb,   Nr.  236* 
ek.    Chr.  Fried.  Ammonio  —  genethliacon ;    1830.  Nr,  30.  31, 
el,    Rehberg's  säniintliclie  Schriften ;  vierter  Band ;  eb,   Nr,  75, 
em.  Ammoni  suo  vota  uatalitia ;  1831.  Nr.  29. 
en.    Ueber   die    indisclie  Personiücation    der    Cholera;     1832,    Nr,    109. 

110. 
eo,    'Iwavvj;  agip^ovTJ  SactrovjKw  ;  eb.  Nr.  160, 

20.  in  der  Bibliothek  der  red  enden  nnd  bildenden 
Künste  auf  1807  5  über  Museen  und  Autikeusaiumluu^eu ; 
vergl,  Schriften,  Nr.  64. 

21.  in  dem  Morgeublatt  für  gebildete  Stände:  *) 

a.  An  die  Leser  des  Morgenblattes;  1801.  Nr.  3.  4, 

b.  Taschenbuch  der  Reisen  von  Zimmermann;  eb.  Nr.  23, 

c.  Das  Anerbieten    des  Herrn  v,  Högfelmüller  bei  seiner  orientalischen 
Reise;  eb.  Nr,  32. 

d.  Die  Murrhinischen  Gefafse;  eb,  Nr,  87.  88, 

e.  Erneuerung  der  Badeanstalten  des  AlterthunisJ  eb,  Nr,  304» 

f.  Adelung's  MithridatesJ  eb.  1808.  Nr,  6,  7, 

g.  Baron  v.  Schönaich ;  eb.  Nr.  17, 
]i.  Klopstock;  eb.  Nr.  36. 

i.    Anerbieten  einer  teutschen  Künstlerin  in  Paris  ',  eb,  Nr,  94. 


*3    Auch   von    dem  Morgenblatte  gilt,    was   ich  zur  Zeitung  f.  d, 
elegante  Welt  bemerkt  habe. 


XXXVI 

k.    Dil'  oI)erIa«sitziscIie  Gesellscliaft  in  Görlitz;  eb.  Nr.  227.  228. 
1,    Ludwig  Fernow;  eb.  Nr.  303, 

m.  Wiiickelinaim's  Merke,  herausgegeben  von  Fernow;  eb.  Nr.  307. 
n.    Besuchten  im  alten  Athen  die  Frauen  das  Theater?  eb.  Nr.  309  — 

311. 
o.    Die  teutsclien  Städte;  1809.  Nr.  4. 

p.    Galerie  für  Decorationsinalerei    und  Costnmes ;   eb.  Nr.  49.   oO» 
q.   In  obituni  viri  incoinparabilis  Joanais  Müllori  hendecasyllabi ;  eb.  152. 

Beilage,  Nachtrag  dazu  Nr.  167. 
r.    Philologische  Trostgründe  in  scliliinmen   Zeiten;  eb.  Nr.  184. 
s.    Ariosto's  Leben  von  Fernow;  eb.  Nr.  210. 
t.    Die  allgemeine  musikalische  Zeitung;  eb.  Nr.  232. 
«.   Nekrolog  —  Graf  Berchtold;  eb.  Nr.  248. 
V.  Zoega's  Nachlafs;  eb.  Nr.  255. 
w.  Indische  ]\I\  tliologie ;  eb.  Nr.  294. 
X.   Neue   kritisclie   Ausgabe   von  Winckelmann's  Geschiclite  der  Knnstj 

eb.  Nr.  300. 
y.    \\'iclitiges   Werk   über   die   alte    Münzkunde   von    Dominio    Sestini; 

1810.   Nr.  39.   40. 
z.    Lasset  die  Kindlein  zu  mir  kommen  ;  eb,  Nr.   103. 

aa.  Die  Dioskuren  erscheinen  dem  Orestes ;  eb.  Ni".  104, 

ab.  Mytliologische  Arabesken  ;  eb.  Nr.  160.  161. 

ac.  Das  unterirdische  Todtenreich  an  der  Tiber;  eb.  Nr.  208,  209, 

ad.  Karl  Ludwig  Katz ;  eb.  Nr.  257. 

ae.  Die  A])otlieose  des  Kaisers  Titus ;  eb.  Nr.  272,  273. 

af.  Allgemeine  ^Mythologie  ;  eb.   Nr.  280. 

ag.  Reinhard's  Geständnisse ;   eb.  Nr.  297, 

ah.   Verbrennen  oder  Beerdigen?  eb.  Nr.  301.  304.  309. 

ai.    "Worte  für  die  Zeit  von  Dr.  Reinhard;   1811,  Nr.  18.  19, 

ak.   Die  Blumen;  eb.  Nr.   27. 

al.    Die  Geburtstags -Lampe;  eb,  Nr.  78.  79. 

am.  Sickler's  Kai  te   und   Paiitogramm  von   den  Umgebungen  Roms ;   eb. 

Nr.  281.  282. 
an.   Barth's    Glückwunsch   an    die    neue   Universität  Breslau   auf   unver- 

brennbarem  Papier;  eb..Nr.  285.  286. 
ao.  Neue  Kunstblätter   im    Verlage    des    Wiener    Industrie -Comptoirs; 

1812.    Nr.  6.  8. 
ap.   Kupfer  zu  Klopstock's  Messiade ;  eb.  Nr.  81, 
aq.    Diis  Manibus  Wielandi,  1813.  Nr.  45.,  vergl.  Schriften  Nr.  85.  und 

Ztg.  f.  d,  eleg.  Welt,  1813.  Nr.  42. 
ar.    Willielm  Gottlieb  Becker;    eine  biograpliische  Skizze;    eb.   Nr.  150 

—  153, 
as.    Besuch  bei'm   k,  k.  Rath  Joseph  Barth   in  Wien,   d,  17.   Aug. 

1811.;  1815.  Nr.  83.  84. 
at.    Ueber  Lord  Elgin's  griechische  Kunstsammlungen  j  eb,  Nr.  147  — 

150,  287. 


an.  Eine  neue  Morgengabe  für's  Morgenblatt;  eb.  Nr.  27Ä. 

av.   Die   Frau,    die    Erlinderin  und   Bewahrerin  der    BekleidungskanstJ 

J816.  Nr.  211.  212, 
aw.  Liisch  und  Ebeling;   1817.  Nr.  198.   199.  200. 
ax.  Bemerkungen  über  die  englischen  Pferderennen;   1820.  Nr.  36. 

22.  im  AI  li^c  meinen  literarischen  Aiizoip,er:  I.i|»- 
pcrt's  Dactviiotlick  und  Jlionuct's  Miinzpasten ;  1808.  Nr.  59. 
S.  467  —  472. 

23.  in  AVeisko's  Ausgabe  des  Dionjsins  Long,inus  de  suMiini- 
tate ;  Lips.  1809.  —  Explicatio  aiiliquaria  auaglvplii  in  Mu- 
soo  Napolcoueo;  vergl.  Sebriften.  Nr.  68. 

24.  Zwei  Souelte  in:  Xenieii.  Unserer  Therese  bei  ihrec 
Wiedererscheinung.    Dresden,  1809.  4.  ni.  K. 

25.  in  der  Allgemeinen  Zcitang  lieferte  Bütfigor  fortwäh- 
rend die  Blicke  auf  die  neuesten  Erzeugnisse,  auf  die  üüh- 
niiscliea  Bäder,  die  IMiinzberichte ,  englische  Miszelleu ,  die 
Correspondenzartikel  aus  Dresden ,  Nekrologe  u.  s.  w.,  Alles 
ohue  seines  Namens  Unterschrift. 

26.  im  Taschenbach  Minerva. 

a.  lieber  die  Allegorie  des  Titelkupfers;  1809.  S.    1—12. 

b.  Die  Isis -Vesper.  Nach  einem  Herkulanisclien  Gemälde;  eb.  S.  93 
—  137,  (Ins  Lateinische  übersetzt  in  Beck's  Acta  seminarii  K. 
Lips.  1.  p.  265  —  283,  mit  einigen  imbedeutenden  Bemei'kungeu  des 
Herausgebers.) 

c.  Der  gebändigte  Lowe}  eine  Erklärung  des  Titelkupfers;  1810,  S. 
1  —  16. 

d.  Galerie  zu  Schiller's  Gedichten  J  —  Scenen  aus  Doji  Carlos ;  eb.  S. 
20—  40. 

e.  Minerva  bändigt  durch  f^eberredung  den  Kriugsgott;  zur  Erklärung 
der  Allegorie  des  Titelkupfers;  1811.  S.  3  —  20. 

f.  Galerie  zu  Schiller's  Gedichten;  —  Scenen  aus  WaHensteinJ  eb.  S. 
23—64. 

g.  Galerie  zu  Schiller's  Gedichten ;  —  Scenen  aus  der  Jungfrau  von  Or- 
leans; 1812.  S.  1—51. 

h.  Die  Schicksalswage;  zur  Erklärung  der  Allegorie  des  Titelkupfers; 
1S13,  S.  1  —  12. 

i.  Galerie  zu  Schiller's  Gedichten ;  —  Scenen  aus  Maria  Stuart ;  eb.  S. 
13  —  72. 

k,  Galerie  zu  Schiller's  Gedichten;  —  Scenen  aus  der  Braut  von  Mes- 
sina; 1814.  S.  1  —  60. 

1,  Klopstock  im  Sommer  1795 ;  ein  Bruchstück  aus  meinem  Tage- 
biiche;  eb.  S.  313  —  353. 

ni,  Minerva  scJiirmt  die  Genien  des  europäischen  Vöikervereins ;  zur 
Erklärung  des  Titelkupfers;  1815.  S.  1  —  16. 

n.  Galerie  zu  Schiller's  Gedichten}  Scenen  aus  Wilhelm  Teil;  eb.  S. 
17  —  76. 


SSB% 


0.  Salto    mortale   otlov   der  Sturz  in  den  Abgrund  ;  zur    ErUäning  des 

Titelkiipfers;  1816.  S.  1—24. 
p.  Galerie    zu    Scliiller's  Gedichten ;  —  Sconen   aus  den  Räubern  ;  eb. 

S.  25  —  74. 
q.   Skizzen  zu  KlopstocVs  Portiait;  eb.  S.  319  —  334. 
r,    Neunzelin  ungedruckte  Kpigrainuie  von  Klopstock ;  eb,  S.  335  —  354. 
s.    Genua  unter  seinen  Kindern ;  zur  Erklärung  des  Titelkupfers  ;  1817. 

S.  1  —  20. 
t.    Galerie   zu   Scliiller's    Gedichten}  —  die  Verschwörung  des  Fiesco ; 

eb.  S.  21—56. 
u.    Canova's  Denkmal  auf  die  Erzlierzogin  Christina  in  der  Augustiner- 
Kirche  zn  Wien;  eb.  S.  411  —  434, 
V.   Die  Cherubs\Yache ;  zur  FIrklärung  des  Titelkupfers;  1818.  S,  1—16. 
w,  Galerie  zu  Schiller's  Gedichten;  —  Demetrius;  eb,  S,  17  —  54. 
X,   Friedricli  Ludwig   Schröder  in  Hamburg   im  Sommer  1795.;  eb.  S. 

271  —  312. 
y,   Kabale  und  Liebe;  zur  Erklärung  des  Titelkupfers;  1819.  S,  1  —  24. 
z.    Galerie  zu  Schiller's  Gedichten  ; — Kabale  und  Liebe;  eb.  S.  25  — SO, 
aa.   Kufslands  Zukunft;   die  Vision;  eb.  S.   51 — 68. 
ab     Schiller's  Empfang  in  den  Räumen  des  Lichts;  1S20,  S,  1 — 26. 
ac,    Galerie  zu  Scliiller's  Gedichten ;  —  Phädra ;  Macbeth  ',  Turandot ;    eb. 

S.  27  —  90. 

27.  im  Kriegskalender  für  gebildete  Leser  aller 
Stände,  zweiter  Jahrgang.  Leipzig,  1810.  12.  —  (♦;  Na- 
poleon und  AYieiand.  S.  I  —  32. 

28.  in  der  Urania: 

a,    Erklärung  der  Kupfer;  I8l0.  S,  V  — XXXXVI. 

l).    Ganjmed's    Entzückung    zu     den    Lichtregionen;     1817.    S,  XV  — 

XXIL 

c.  Der  Liebeszauber;     zur  Erklärung     eines   antiken   VasengeraäldesJ 

1820,  S.  475  —  504. 

d.  Sabina  an  der  Küste  von  Neapel ;  1823.  S.  1  —42. 

e.  Erklärung  der  Kupfer;  1824.  (ohne  Seitenzahl). 

29.  in  Fansi's  giiteni  Ptath  an  die  Franen  über  das 
Gebäre u;  —  Ilaunover.  1811. —  Schreiben  über  das  Ge- 
bären bei  den  Allen. 

30.  im  A 1  m  a  n  a  c  h  für  W e  i  n  t  r  i  n  k  e  r ,  Jahrgang  1.  Leipzig. 
1812.  12.  Der  den  Jupiter  (ragende  Hercules.  Ein  Bei- 
Irng  zur  ?,Iellijologic  der  Grieelien.  S.  1.  IF.  (Lateinisch  in 
Becldi  acla  seminarii  R.  Lips,  L  p,  285.  mit  einigen  Bemerk- 
ungen des  Heransgebers.) 

31.  inSchlegel's  te  ii  ts  cliem  Muse  um.  B.   1.  Heft  1.  "Wien. 

1814.  —  Bniclistiicke  aus  Cli.  M.  NVielaud's  Denkwürdigkeiten 
im  Jahre  1797. 

32.  in  den  (eutsciien  Blilllern: 

a.     Zur  Erklärung  des  Titclkupfcrs.  1814.  Bd.  3,   S.  III  — IX, 


b.  Ueber  «He  Entwürfe  zu  Deiikma'en  auf  die  Völkersclilaclit  bei  Leii>- 
zi-.     Zur   ErkUirim-   (k-s  'l'itdkiij)(ers.     1814.  Bd.   4.  S.  VIII  — XX» 

33.  in  3Io  r.i>  «ns(er  ii's  !)  ö  rp  t' s  t-lio  ii  Bei  träfen:  Jahr», 
1814.  S.  44G-44S.  ßri.-f  von  HR.  B.  iu  Dr. 

34.  in  Fr.  Kiiid's  Harte: 

a.  Die  dreihundertjälirige  Kirclilioflinde  am  Grabeshügel  meines  IVüli 
vollendeten  Freundes  Carl  Bertucli,  ver|)ilauzt  im  Herbst  1Ö15.  — 
Bd.  4.   S.  319  —  333. 

b.  Der  sclihiminernde  Amor  im  Antikensaale  an  Adelaide  Gräliu  Bom- 
belle«;  B.   6.  8,323  —  325. 

35.  in  dem  auf -seine  Veraalassuni;-  seit  1816.  dem  Morgenljl;rf(e 
be!i'Cü:ebeiicn   K  ii  n  s  t  b  I  a  ( t  c : 

a.  Die  Aldobrandinisclie  Hochzeit;  1816.  Nr.  1. 

b.  Modern- Antiken  oder  archäologische  üeberblicke  -in  Beziehung  atil' 
das  Neueste;  eb.  Nr,  2. 

c.  Der  äginetische  Styl ;  eb.  Nr.  3. 

d.  Gedächtnifsmünze  auf  die  Wiedervereinigung  S.  M.  des  Königs  von 
Sachsen  mit  seinen  Unterthanen ;  eb.  Nr.  5. 

e.  Neuestes  lithographisches  Unternehmen  in  München;  eb.  Nr.  6. 

f.  Das  Labyrinth ;  eb.  Nr.  7, 

g'.  Die  Doppelköpfe  oder  der  Janns;   eb.  Nr.   16. 

h.    Wilhelm  Tischbein's  Gemälde  für's  Hamburger  Stadthans;  eb.  Nr.  17. 
i.     lieber  ein  Relief  vom  Apollo -Tempel  zu  Phigalia ;   1817.  Nr.  5, 
k.    üeber  eine    Gedächtnifsmünze      auf's    Reformationsjubiläum;    eb, 

Nr,  8. 
1.    Einige  neue  Erscheinungen  in  der  Kunstwelt;  1819.  Nr.  14. 
•m.  Blicke  auf  Italien ;  eb.  Nr.  15.  18. 
n,  Preisaufgaben    der  Akademie    der  schonen    Künste    in   Mailand  für 

1820;  eb.  Nr.  16. 
0.  Besuch  in  Herrn  Ackermann's  Kunstmagazin  in   London;  1820,  Nr. 

6  —  8. 
p.    Denkmünzen  in  Baiern ;  eb.  Nr.  13. 
q.  Die  Familie  der  Niobe  im  Giebelfelde  des  neuen  Beiliner  Theaters; 

1821.  Nr,  95. 
r,  Dr,  Nöliden's  Werk  über  Da  Vinci's  Abendmahl;  eb.  Nr.  96. 
s.    Litiiograpliirte  Portraits;  eb.  Nr.  100. 
t.    Salzburger  Mosaik  -  Fufsboden  ;  eb.  Nr,  105, 
u.  Dresden.  —  1822,  Nr,  67. 

36.  in  Colburn's  New  3Ioiitlily  Magazine  viele  Aufsätze  seit  1817 
aus    (eutscben   Jouriialanisälzen  übertrageu, 

37.  in  S  c  li  in  e  i  f  s  e  r  's  Lehrbuch  der  reinen  M  a  t  h  e  s  i  s 
Erster  Theil,  Die  Arithiuelik.  Erster  Jahrnang.  Berlin, 
1817.  lieber  die  Rechentafeln  der  Alten.  Vorrede,  S.  141. 
—  148. 

38.  in  der  Abendzeitung: 

a.    Chronik  der  königlichen  Schaubühne  zu  Di'esden ;  1817,   Nr.  4  —  6. 


b.  Ipsis  natalibns  Saxoniae  FiiJcricl  Aiignstl  etc.;  eb.  Beil.  zu  Nr.  10, 

c.  Nt'iijaliis-Xeiiie;   der  Bleistift;   eb.  Nr.   18» 

(1.  Chronik  «ler  künigl.  Schaubühne  zu  Dresd. ;  eb.  Nr.  20, 

e.  —         —       —  —               _      _        _    __  22.  23. 

f.  _         _       __  _               _       _         _     _  29. 

g.  —         —       —  —               —       _         _     _  31, 
h.  Desdeinona's  Liedchen;  eb,  Nr.  41. 

i.  Chronik  der  künigl,  Schaubühne  zu  Dresd.  5  eb,  Nr,  41,  42, 

Ic.  _«         _       _             _               _____  43. 

1.  —         _       _             —               _____  49.  so. 

n,       —        —       —  —  _____  57. 

o.        —         —       —  —  _-      _        _     —  60. 

q.        —         —       —  —  _       _         _     _  70. 

r.        —        —      —  —  _____  72. 

s.         —         —       —  —  _       _         —     _  73.  74, 

t.        —         —       —  —  _       _         _     —  77. 

u.  Sonnett  bei  den  Exequien  für  Anton   Graf  von  Appony ;  eb,  Nr.  78, 

V.  Chronik  der  königl.   Scliaubüline  zu  Dresd. ;   eb.  Nr.  81.  82. 

\y.  üebcr  Declaniatorien ;   eb.  Nr.  83.   84. 

X.  Konig  Yngnrd  ;   Trauerspiel  von  Wüllner ;  eb.  Nr.  85.  86. 

y.  Chronik   der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd.;  eb.  Nr.  93  —  98. 

z.        —         —       —  —  ____  104. 

aa.  —        —       —  —  ____  137.  133, 

ab.  üeber  Solbrig's  Declainatorium ;  eb.  Nr.  141. 

ac.  Nachriclit  von  des  Eildhauers  Kühn  in  Dresden  neuester  Arbeit  J  eb. 

Nr.  149. 

ad.  Blicke  auf  die  sächsisclie   Schweiz  ;  eb.  Nr.    158.   160.  164.  107. 

ae.  Werner's   Todteufeier    am   Abend  des  2.  Juli  1817;  eb.   Nr.  161 
163. 

af.  Clu'onik  der  königl,  Schaubüline  zu  Dresd. ;  eb.  Nr.   178. 

ag.  ___  _  ____  188  —  190, 

ab,    üeber  den  Brand  des  Berliner  Nationaltheaters;  eb.  Nr.  190. 
ai.     Chronik  der  künigl.  Scliaubühue  zu  Dresd.  ;  eb.  Nr.  190.  191. 

al.  —         —       —             —               ____  204.   205. 

am.  _.         __              _                ____  209,  210. 

an.  —         —       —             —               —       —        —  Beilage  zu  Nr.  216. 

ao.  —        —      —            —              _      _        _  Nr.  217.  218, 

ap.  —         —      —             —               _       _        _    _  219,  220. 

aq.  —        —       —            —              —      —        —  Beilage  zu  Nr.  226, 

ar.  —        —      —            —              _      _        _   Nr.   233. 

as.  —         —       —             —               ____  234  —  236. 

at.  üeber  Moreto's  Donna  Diana ;  eb.  Nr.  235. 

au.  Chronik  der  königl.  fschaubühau  zu  Dresd.;  eb.  Nr.  243  —  246. 


XLI 

av,  Clironik  der  königl.  Scliaubiiline  zu  Dresd. ;  eb,  Nr.  252, 

a\v.  Zwei  Bemerkungen ;  elj.  259. 

ax,  Beiirtlieilungen  neuer  Schriften  ;  eb.  Nr.  278. 

ay.  Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd,;   eb.  Nr.  281 — 285. 

az.  —         —       —             —  ____  295.  296. 

ba.  —        —       —  —  —      ____  30.5. 

bb.  —         —       —  —  ____  307.  308. 

bc.  —         —       —  —  ____  311.   312. 

bd.  —         —       —  —  —       —       1818.  —  11.    12. 

be.  —        —       —  —  —       —         eb.   —  29.  30. 

bf.  Blicke  auf  die  neuesten  Erzeugnisse  der  bildenden  Kunst  in  Dresd.  J 
eb.  Beilage  zu  Nr,  34. 

bg.  Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd. ,  eb.  Nr.  37.  38. 
bh.       —        —       —  —  _      —        _    _  44. 

bi.        —        _      —  _  —      —        _    _  49. 

l>k.       —        —      —  —  _______  55.  56. 

bl.        -        -       _-  _  _____  61. 

bm.      —        —       —  —  _      —        _    -_  63.  64. 

bn.    Frühe  Ostern  ;  eb.  Nr.  72. 

bo.    Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Di'esd.  J   eb.  Nr.   111,  112. 

bp.        —        —      —  —  —       _        -_    _  143.  144. 

bq.   Joseph   Friedricli    Freiherr   zu  Racknitz;   Andeutungen  über   dessen 

Verdienste  um  Künste  und  ^Vissenschaften ;  eb.   Nr.  149.   150, 
br.    Chronik  der  königl.  SchaubüJine  zu  Dresd.  j  eb.  Nr.  159.  160,  jvergl. 

Nr.  184. 
bs,    Chronik  der  kÖnigl,  Schaubühne  zu  Dresd.}  eb.  Nr.  166. 
bt.        —         —       —  —  —       — .        _    _  169.  170. 

bn.       —        —       —  —  ____»«  178. 

bv.       —        —      --  —  —      __«_  185  —  188. 

bw.       —        —       —  —  —      —         ___  197.  198. 

bx,  Panorama;  eb.  Nr,  204. 

by.  Das  Erosfest,  ein  Festaulzug  in  Berlin}  eb.  Nr.  217. 

bz.    Chronik  der  königl,  Schaubühne  zu  Dresd,;  eb.  Nr.  218. 

ca.  —        —      —  —  ___    —  219,  220, 

cb.  Portrait  des  Papstes  Pius  VII.}  eb,  Nr,  232. 
CO.    Allerlei;  eb.  Nr.  263. 

cd.  Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd. }  eb.  Nr,  266, 

ce.  Das  Gemälde  von  Di-esden}  eb.  Nr.  269. 

cf.  Morgenländisches  Kleeblatt}  eb.  Nr,  276. 

cg.  Chronik  der  königl.  Schaubüluie  zu  Dresd,}  eb.  Nr.  281  —  283. 
eh.   Sai)[)ho-,  eb.  Nr.  284, 

ci,    Nekrolog;  eb    Nr.  286. 

ck.    Lord  Byrons  Aufenthalt  auf  der  Insel  Mitylene ;  eb.  Nr.  291.  292, 

cl,    Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd. ;   eb.    Nr.  291,  292. 

cm.  Antiquarisches  Mifsverständnifs;   eb.   Nr.  300. 

•cn,   Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd. ;  eb.  Nr.  301.  302. 


CO.  Chronik  der  königl.  Schaiibülme  zu  Dresd.;  eb.  Nr.  303.  304, 

cp.        —        —       —  —  ____  305.   300. 

cq.  Nekrolog  von  Joliann  August  Eaitli;   1819.  Nr.   5.  6. 

er.  Cosdhnes  und  tlicatralisclie  Cliarakterdarstcllungen  ;  ob.  Nr.  10. 

CS.  Nekrolog  des  Bischofs   Schneider;  eb.  Nr.  II. 

ct.  Vermeinter  Druckfehler;  eb.  Nr,  14. 

eil,  Chronik  der  königl.  Schaubüline  zu  Dresd. ;  eb.   Nr.   19,   20. 

ev.        —        —      —  —  _      _      _    _    21. 

cw.        —        —      —  —  —       —       —     —     25.  ' 

cy-  Antikenfiseherei  in  der  Tiber;  eb.  Nr.  28. 

cz.  Fromme  AViinsche;  eb.  Nr.  31. 

da.  Ein  Doppelvers;  eb.  Nr.  32. 

db.  .Scliiller's  Wallenstein  ;  eb.  Nr.  38. 

de.    Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd.;  eb.  Nr.  41. 
il<l,       _-        _       —  _  _      _      —     _    47.  48. 

de.  —        —       —  —  ^       —       _    _     55.  50. 

df.  "Die  Denkmünze  der  königl.  sächsischen  Stände  auf  die  Vermäidungs- 
jubelfeier  am  17,   Januar  1819;  eb.  Nr.  56. 

dg.  Zwei  Preise  für  die  Zeitsclirift  Hesperus  ;  eb.  Nr.  65, 
dh,   Säcularmünze  auf  die  Hamburger  Bank;  eb.  Nr.  69.  70. 

di.     Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd.;  eb.  Nr.  71.  72. 
dk.       —        —       —  —  —       _        _     —    74. 

dl.        —        —       ■—  —  _—___-     77.  78. 

dm.      —        —       —  —  —      —        ^     _     79.  SO. 

dn.       —        —       —  —  _       —        —    ._     87.  88. 

do.  Preisaufgabe  der  Münchener  Akademie  der  Wissenschaften;  eb.  Nr.  95. 
dp.    Des  Grafen  von  Hofmannsegg  portugiesische  Flma  J  eb,  Nr.  98. 
dq.   Bild  auf  Kotzebne's   Ermordung;  eb.  Nr.   103. 
di\    Der   Vampyr,   eine  Erzählung  von  Lord  Byron;   eb,  Nr.  105 — 107. 

vergl.  Nr.  123. 
ds.    Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd.  eb.  Nr.  107.  108. 
dt.    Tableaux;  eb.  Nr.  126. 

du.   Chronik  der  kÖnigl.  Schaubühne  zu  Dresd,;   eb,  Nr,  127  —  129, 
dv,       —         —       —  —  —       __—     _     130—132, 

dw.       —         —       —  —  ______     139. 

dx.   Friederike  Schirmer  als  Gabriele  im  Naclitlager  v.  Grauada ;  eb.  Nr.  151, 
dy.    Chronik  der  königl,  Schaubühne  zu  Dresd, ;  eb,  Nr,  151  — 153, 
dz.        —        —       —  —  -.____     157.  158. 

ea.  Die  Mumiin  ;  eb.  Nr.   100, 

eb.  Cluonik  der  königl,  Schaubühne  zu  Dresd, ;  eb,  Nr.  161.  162, 

ec.  —  —  —  —  _____  167  —  169. 

ed.  —  —  —  _      _        _    _  170—172. 

ee.  —  —  —  —  —      —         —     —  175-177. 

ef.  —  —  —  —  ____  183  —  185, 

eg.  Sliakespeare  und  Lucien  Bonaparte;  eb.  Nr.  192, 


eil.    Monnment  auf  Winckelinann ;  eb.  Nr.  196. 

ei.    Sophie  Scliröder ;  eb.  Nr.  200. 

ek,    Chronik  der  königl,   Schaubühne  zu  Dresd. ;  eb.  Nr.  201.  202. 

el.         —         __  _  ____     203.  204. 

eni.       —         —       —  —  —       —  —    —     209.  210. 

en.        —        —       —  —  —      —         —    —     211.  212. 

eo,        —        —       —  —  —_.—     _>     213  —  215, 

ep.    Naclirnf  an  die  Gräün  Fries  in  Wien;  eb.  Nr.  215. 

eq.    Rudolph  Ackermann  in  London  ;  eb.  Nr.  234. 

er.    Clironik  der  königl.  Schaubühne  zu   Dresd. ;  eb.  Nr.  239.  240. 

es.    Cum  Carolina  xYustriaca  Dresdani  intraret;  eb,  Nr.   242, 

et.     Sieber's   Mumienbilder  und   ägyptische   Merkwürdigkeiten}     eb.  Nr. 

243.  244. 
eu.    Der  Thüringer  Verein  zur  Förderung  der  Alterthuinsknnde" ;  eb,  Nr. 

255. 
er.   üeber  die   Pflege    des  Weins  bei   den  alten  Römern}    eb.  Nr,  259, 

260. 
ew.  Mumienalterthümer;  eb.  Nr.  263.  264. 

ex.    Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd. ;  eb.  Nr.  271  —  274. 
ey.    Neue  Berliner  Tlieater-Costümes  J  eb.  Nr.  277.  278. 
ez,    Chronik   der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd.  J  eb.  Nr,  281,  282. 

Ib.  —        —  —  -—  —  _-—     _  293. 

fc.  _—  —  —  —  __     —  297.  298. 

fd.  —         —  —  —  —  ___  299.  — 301, 

fe.  —         —  —  -—  —  —         —    _  303. 

ff.  —        —  —  —  —  —        —     _  305. 

fg.  .___—  —  _-—        __     306. 
fh.'  Ueber  Lord  Byron  nnd  seinen  Don  luan ;  1820,  Nr.  3.  4. 

fi.  Chronili  der  königl.  Schaubüline  zu  Dresd,;  eb,  Nr.  18  —  21* 

fk.  —         —       —             —              —      —  —    «.  25.  26. 

fl.  —        —       —            —               —      —  — .    _  26  — 28. 

fm.  _         _       —             —               _       _  _     _  31.  32. 

fn.  —         —       —             —                _       —  —     —  32.  33. 

fo.  —         —       —             —                _       _  —     —  35  _  38, 

fp.  üeber  Shakespeare's  Hamlet  nach  Schlegel;  eb.  Nr.  30. 

fq.  Clironik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd. ;  eb.  Nr.  39.  40. 

fr.  —        —      —             —              _^       —  __     _  43. 

fs^.  -.         —       —             —               _       —  _     —  44. 

ft.  —        —      —            —              _—  ^_  49  —  53. 

fu.  Klang-figuren^  Meteoriten  5  eb.  Nr,  51.  52. 

ly.  Chronik  der  königl,  Schaubühne  zu  Dresd,}  eb,  Nr.  57.  58. 

fw.  —         —       —            —               —       —  —     —  66-68. 

fx.  Dramatische  Parallelen}  eb.  Nr.  71.  84. 

fy.  Chronik  der  königl,  Schaubühne  zu  Dresd,}  eb,  Nr,  71.  72. 

iz,  —         —      _            __               _       —  _     —  75  — 78. 


ga.  Nekrolog  von  Lipsiiis ,  el).  Nr.  77.  78. 

gb.  Clironik  der  königl.  Scliaubüline  zu  DresJ.  ;  eh.  Nr.  81.  82. 

gc.  Was  sagt  das  Ausland  von  uns?   eb.  Nr.  87.  88.  95.   96, 

gd.  Clironik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd. ;  eb.  Nr.  96.  97. 

ge.  —        —      —  —  —__     —     101.  102. 

gf.  ^         —       —  —  —       __    —     105  — 107, 

gg.  Der  indianische  Equilibrist  ans  Madras;  eb.  Nr.  117—122. 

gh.  Briefe  aus  Carlsbad;    eb.    Nr.    139.  1-M).    150.   151.  157.  163,  177. 

178. 

gi.  Chronik  der  königl,  Schaubühne  zu  Dresd,;   eb,  Nr.  173.  174. 
gk,        —         —       —  —  —.__-__     179.  ISO. 

gl.         —         —       —  —  ____     181.  182. 

gm.      —        —       —  —  —      —        —     _     185  — 187, 

gn.       —        —       -=-  —  —      —         —     _     187.  188. 

go.        —        —      —  —  —       —        __     213—215. 

gp.        —         —       —  —  __—         —_     239  —  242. 

gr.  Ein  Excerpt;   eb.  Nr.  245. 

gs.  Chronik  der  königl,  Schaubühne  zu  Dresd.;  eb.  Nr.  255.  256. 

gt____  _  _—        __     256.  257. 

gu.        —         _—  —  —__>_     257.  258. 

gv.        —         —       —  —  —       __     —     265.  266. 

gw.       —         —       —  —  -_——-_     284.  285. 


gx. 


iSH, 


gy.   Cenotaphium  auf  Joh.  Winckelmann  in  Triest;   eb.  Nr,  289,  290. 

gz.    Charaktere  aus  Shal^espeare ;  eb.  Nr.  295.  310, 

ha.   Englische  Gerichtspllege;   eb.   Nr.  296. 

hb.    Clironik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd. ;  eb.  Nr.  301.  302. 

bc.   Was    ti-eibt   unser    Landsmann  Rudolph  Ackermann  in  London ;  eb, 

Nr.  311.  312. 
lid.    Chronik  der  königl,  Schaubühne  zu  Dresd.;  1821.  Nr,  2.  3,  4, 

l,e.        »_       _  —  —      _        eb.  Nr.  12.  13. 

hf."        _         —      —  —  —      — 13.  14. 

hg.       -         -       -  —  _      -         _     -     31.  32. 

l,h.       —         —      —  —  _-_—     —     33. 

Li.        _        _      —  —  _       —         »-     _    35. 

I,U.       __—  —  —       ^—    _     37  —  39. 

1,1.        -         -       -  —  - 46.  47. 

hm.  Ueber  den  Cliemiker  Accum ;  eb.  Nr.  47. 

hn.    Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd, ;  eb.  Nr.  48,  49, 

ho,    Erklärung;  eb.  Nr.  70. 

hp.   Vier  Juden -Conterfeis   in    der    Vorhalle   eines  Königs -Grabes    bei 

Theben  in  Oberägypten;  eb.  Nr.  77.  78. 
hq.    Anna  Boleyn  als   Trauerspiel;  eb.  Nr.  85.  86. 
hr.    Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd,;  eb.  Nr.  89—92. 
lis,        —        —       —  —  __       —       —    _    92.  93, 


XLV 

lit.    Belzoni  in  Paris;  eb,  Nr.  9G. 

liH.    Clironik  der  königl.  Schaubüline  zu  Dresd. }  eb.  Nr.  97.  98. 

hv.   Anna  Boleyn  ;  eb.  Nr.  102. 

luv.  Chronik  der  königi.  Schaubühne  zu  Dresd. ;  eb.  Nr.  106.  107. 

Jix.        ___  —  ____     107,  108. 

liy.        ___-  _  _____     109.   110. 

hz.   Das  Bergfest  an  der  Saale  und  Elbe ;  eb«  Nr.  112. 

ia.    Dramatische  Sujets;  eb.  Nr.  114. 

ib,     Clironik  der  königl.  Schaubüline  zu  Dresd.;  eb.  Nr.  114.  llS. 

ic.    Ueber  Wolkenbeschwörung;  eb.  Nr.  117. 

id.    Chronili  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd.;  eb.  Nr.  118. 

ie.        —        ——  —  ___—   121.  122. 

if.  —         —       —  —  —       _         _     _   122.  123. 

ig.    Kunst  und    Alterthum  ;    eb.  Nr.   124.  132.  146.  149.  173.  179.  180. 

191.  192.  237.  287. 
ih.    Vorwort  zu  Johann  von  Schorerl,  einer  biographischen  Skizze  ;  eb, 

Nr.  131. 
ii.     Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd. ;  eb.  Nr.  139.  140. 
ik.         __—  —  __—     _     157—159. 

il.         —         —       —  _  ____     163.  164. 

im.       ___  _  __—     _     164  —  166. 

in.         —         ——  —  ____     169.  170. 

io.    Adelung's   Grab;  eb.  Nr.   175. 

ip.    Chronik  der  königl,  Schaubühne  zu  Dresd.;  eb.  Nr.  187  — 189. 

iq,    Nachricht;   eb.  Nr.  193. 

ir.     Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd. ;  eb.  Nr.  196.  197. 

is.  —         —       —  —  ____     199.  200. 

it.     Kunstansichten;  eb.  Nr.  200.  204.  222,  294. 

iu.     Clironik  der  königl,  Schaubüline  zu  Dresd,;  eb,  Nr.  211. 

iv.        _        _      _  _  _      _        _    _     213.  214. 

iw.       —         —       —  —  _____     217.  218, 

iz.         —         —       —  —  ____     229.  230. 

ta.        —         —       —  —  _—         —    _     235—237. 

kb.    Dramatische  Anregungen;  eb.  Nr.  244.  251. 

kc«  Der  Verkündiger;  eb.  Nr.  248. 

kd.    Nekrolog,  Lud.  Heinr.  Chr.   Geyer;  eb.  259. 

ke.    Chronik  der  königl,  Schaubühne  zu  Dresd. ;  eb»  Nr.  283.  284. 

kf.         —        __  —  ___--_    287  —  289, 

kg,        —         —       —  —  _       _         _     _     293.   294« 

kh.    Vorschlag  zu  einem  hundertjährigen  Jubiläum;  eb.  Nr.  307. 

ki.    Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd.;  1822,  Nr.  6.   7, 

kk.  Auf  Agnes  Böhme,  die  wunderbar  Gerettete;  eb.  Nr.    14. 

kl.    Chronik  der  königl.  Schaubühne  zu  Dresd. ;  eb.  Nr.  15,  16, 

km«  Der  Sclüeier  der  Königin  Maria  Stuart  j  eb.  Nr.  24. 


XLVI 

kn,  Ueber  die  Dresdener  Sclianbülme ;  eb»  Nr.  26  —  30, 
ko.       —       —       —  —  —     —     3G  — 3«. 

kp.    Clironik  der  Lüiiigl.  ScIiauLüline  zu  Dresd.;  eb.  Nr,  50.  51» 

kq.  Maskerade  und  Maskenball  in  Dresden;  eb.  Nr.  52.   53.^ 

'.r.    Chronik  der  künigl.  Schaubiihne  zu  Dresden;  eb.  Nr.  58.  59. 

ks.   Die  gebratenen  und  docli  wieder  auf  lebenden  Ochsen;  eb.  Nr.  68.  09. 

kt.    Chronik  der  konigl.  Schaubiihne  zn  Dresd,  j  eb.  Nr.  72.  73. 

kv.       —         —       —  —  —       —         —     —  95.  96, 

kw.       —        —       —  —  —       —         _     _  96  — 98, 

kx.        —        —       —  —  —       —        —     _  98.  99. 

kz.        _—       —  —  _____  J03.  104, 

la.        —         —      —  —  _____  105, 

Ib.     In  exsequias  Joannis  Cantu  ,  cantoris  Itali;  eb.  Nr,  116, 

Ic.    Der  pädagogische  Spiegel;  eb.  Nr.  J66.  167. 

Id.    Als  Vater  Blumeril)ach  in  unserem  Liederkreise  war;  eb.  Nr.  236. 

le.    Der  Professor  -  Titel ;   eb.  Nr.  240.  241.  257, 

If,     Amor,  der  Nachtigallenfiitterer;   eb.  Nr.  255. 

lg.    Die  Angeketteten  ;  eb,  Nr.  256. 

Ih.    Chronik  der  königi.  Schaubühne  zu  Dresden  ',  eb,  Nr.  266  —  268. 

Ü,    Dank;  eb.  Nr.  271. 

Ik,    Chronik  der  königi.  Schaubühne  zu  Dresden;  eb.   Nr.  290  —  292, 

11.     Leipzig  in  Haut -Relief;  eb.   Nr.  301. 

Im.  Auf  Veranlassung  des  Theaterbrandes  in  München ;  1823.  Nr.  42, 

In,    Calendis  ÄLijis;  eb.  Nr.  104. 

lo.    An  Efslair;  eb.  Nr,   105. 

Ip,    Aus  dem  Briefe  eines  Reisenden  in  Aegypten  und  Nubien;  eb.    Nr, 

175. 
Iq.    Die  Basilica  des  H.  Paulus  aufser  den  Mauern  Roms  ;   eb,  Nr.  195, 
Ir.     Das  indianische  Gauklerpaar;  eb.  Nr.  229.  230. 
Is.     Das  Erbtheil  der  Tugend  ;  eb.  Nr.   240. 
lt.     Die    Glocken  auf  dem  Anneuthurm;  eb.  Nr.  250, 
lu.     Zur  Romanze  Diogenes;  eb,  Nr.  300, 

Iv.    Allen  im  Jahre  1823.  verlieiratheten  Männern;  eb,  Nr.  311,  313, 
Iw.     Erklärung;  1824.  Nr,  38.  u.  45. 
Ix,     Der  IMinister  Ilaus  v.  Tliümmel;  eb,  Nr.  65» 
ly.    Vorschläge;  eb.  Nr.  75. 
Iz.    Kaufmann's  Chordaulodion ;  eb,  Nr,  101. 
ma.  Walter  Scott's  Stegi-eifgedicht  auf  den  Bauchi'cdner  Alexander}    eb, 

Nr.  129, 
mb,  Vorwort  zu  Leutzen's  Bemerkungen  auf  einer  Reise  von  Cairo  durch 

die  arabische  Wüste;  eb.  Nr.  140.  (vergl.  1825,  Nr.  10,  52.; 
mc.   Auf  der  Bastei;  ob,  Nr.  185, 
md.  Dem  mir    durcli   genufsreiclie    Lehrstunden    u nvergefsIicLen    Grafen 

Moritz  Hohentlial,  an  seiner  Gruft;  eb.  Nr,  190. 


me.  Die  Katzenminnie,  ein  antlqtiarisclies  ImpromtiiJ  eb.  Nr.  244, 

mf.   Zur  Vergleicliung;  eb,  Nr.  274, 

mg.  Erklärung-;  eb.  Nr.  306. 

mli.  Scluiar  und  Petro  ;   1825.  Nr.  18. 

mi.  Natnrliistorisclie  Merkwürdigkeit;   eb.  Nr.  91. 

mk.  Versiculi  Ulrici  cippo  inscrii)ti;   eb.  Nr.   130. 

ml.  Akrobatisch  oder  aerobatisch?  eb.  Nr.   146. 

mm. Aus  Breitbaupt's  ßesclireibung  von  Freiberg;  eb.  Nr-  168. 

mn.  Calendis  Octobribus  cum  pruina  noctu  laesisset  iivas;  eb.  Ni'.237. 

mo.  Cum  Semlero  —  funus  duceretur;   eb.   Nr.   306. 

mp.  Anzeige;  1826.  Nr.  248, 

mq.  Ueber  Baggesen's  neuestes  Epos,  eine  Ankündigung;  eb.  Nr.  254,257, 

mr.  Trinkspriiclie  bei'm  Abschiedsmahle  im  Kreise  der  Freunde  in  Ma- 
rienbad; eb.  Nr.  259. 

ms.   Eberto  bibliotliecario  Regio  postridie  nuptias  maritus  senex;  eb.  Nr.  281, 

mt.  Ammonio  genethliacon  adjecto  libro  nuper  a  se  editoj  1827,  Nr.  16. 

mu.  'Tyisia;  Svuia/xa'^    eb.  Nr.  24. 

mv.  A.  H.  Niemeyerus  semisaecularia  sacra  celebratj  eb,  Nr.  93,;  nebst 
Bericlitigung  in  Nr.  95. 

mw.  Auf  Professor  Cbladni;   eb.  Nr,  101« 

mx.  Erinnerungsringe;   eb.  Nr,  119, 

my.  Katafalk;  eb.  Nr.   142. 

mz.  Die  Wolkenpost;  eb.  Nr.  184. 

na,   Dresda  pia  morigera;  eb.  Nr.  257. 

nb.    Ammonis,  Viri  Summi,  genio  natali  libamentum  offertB. ;  1826,  Nr.  15. 

nc.    'Ef  vioS^aXs;  roZ  IsgoZ  •7r;]yavoy  'sjvof  ;  eb.  Nr.  101, 

nd.   Cum  nuntius  allatus  esset,   Carolum  Augustum  —  obiisse;  eb,  Nr.  149. 

ne.    Trinksprüclie  in  Klinger's  Saale  in  Jlarienbad;  eb.  Nr,   192. 

nf.    Andeutung;   eb,  Nr.  274, 

ng.   In  discessum  hiemis  cum  subito  candicarent  caementitü  aediüciorum 

parietes;   1829.  Nr.  44. 
nh.  Jernes  cantilena;   eb.  Nr.  70.    ' 
ni.    Briefe  aus  ]\Iarienbad;  eb,  Nr,   196.  197. 
nk,    C.  F,  G.  de  Gersdorf  —  suspiria  pia;    eb,  Nr.  225. 
nl,    Putiatino,    seni  mirabilij  1830.  Nr,  13, 
nm.  üiXsucr/Kov    cum  —  Joannes   civiura  —  nianipulis  —  obequitaret; 

eb,  Nr.  231. 
nn,    Trinkspruch,    dem    Staatsrathe  von  Fischer  —  dargebracht;   eb,  Nr, 

269, 
HO,    'Iwcrvys)  ftpj^ovr/ T^ff  Sacffoyiaf  Tc  TirapTOV  iraTfi  5   1831,  Nr,  84. 
np,    Lindenavii  genio  natali  conservatori  J  eb,  Nr,   186, 
nq.   In  obitum  Gruneri;  eb.  Nr.  242, 
nr,    Anzeige',  eb.  Nr,  244. 

ns.    Am  Tage  des  H.  Epimachus ;  eb,  Nr.  298. 
nt.    Dem  Hen-n  Professor  und  Ritter  von  SeelusJ  1832,  Nr.  32. 


XLTIII 

nu.   Die    ferali    qua   Gotliii    exsefiuiae  ad    tiimbain  Grandiicalera   duce- 

bantur;  eb.  Nr.  76, 
nv.    'IwrtVVjf  ixfp^ovri  ry,;  STttc-Coviaf ,    tv-iroiili;   gjj^   J^^^   J93 
nw.  Breucri  sui  genio  natali  J  1833.  Nr.  53. 
nx.   Erklärung;   eb,  Nr.  128. 
ny.   Natalitia  Lindenavianaj  eb.  Nr.  139. 

nz.   Manibiis  viri  inconiparabilis  Lodovici  Rreueri;  1834,  Nr.  3. 
oa,   Ainmonio  —  libatio  natalitia;  eb,  Nr.   15, 
ob.   Ad  Biiluinm  architectum  teinpli  Beatac  Virginia J  eb.  Nr.  53. 
oc.   Lindcnavio,  patrono  optimo;  eb,  Nr.   139, 
od.    Ankündigung;  1835.  Nr,  171, 
oe,  Friderico  Jacobsio  Musarum  corculo;   eb.  Nr.  210. 

39.  In  der  Penelope  von  Th.  Hell  für  1818.  —Die  webende 
Peiielope  ,  S.  V  —  XII, 

40.  (*)  in  :  Der  S  j  1  v  e  s  t  e  r  a  b  e  n  d  im  Liederkreise  1818.  0, 
0.  16.  —  Teufsche  Gedichte:  Die  Hexen nnfs.  S.  20  —  23. 
Leberblümchen    S.  46,     Sommerblume  S,  62.  flgd. 

41.  in  der  Literary  Gazette  seit  1818  viele  Aufsätze  ans 
tcnlschen   Journalaiifsätzen  übertra2:en. 

42.  in:  Au  bin  Lonis  Miliin,  geschildert  von  T.  W.  Kraft; 
Leipzig  1819.  8,  —  Sldzzen  zn  IMllliu's  Schilderung;  S. 
69  —  108. 

43.  im  Taschenbuch  zum  geselligen  Vergnügen  für 
Jjiebende.  Dresden  1819.  16.  —  Anakreou's  Taube; 
tculschcs  Gedicht.  S.   15 — 19. 

44.  in  den  Schriften  der  mineralogischen  Gesellschaft 
in  Dresden;  —  lieber  Werner's  Umgang  mit  seineu  Sehü- 
lern,  B.  2.  1819.  S.  305  —  325. 

45.  in  dem  der  Abendzeitung  beigegebeuen  Wegweiser, 
der  vom  4.  April  1832  an  den  Titel  Literarisches  No- 
tizen!) 1  a  tt  führt : 

a.  Blicke  auf  die  neueste  teutsche  Literatur;     1819.  Nr.  1.  2,  8.  17. 

b.  Blicke  auf  die  Producte  der  bildenden  Kunst;  eb.  Nr.  24. 

c.  Die  Lehre  der  Situationszeiclinung  von  Lehmann.  —     Schönschrei- 
bekunst, Landschaftenzeichenkunst  1820.  eb,  Nr.  14. 

d.  Dramaturgisclie  Apliorisnien  von  Schmidt;  eb.  Nr.  34, 

e.  Die  Ausstellung  der  Dresdener  Kunstakademie;  eb.  Nr.  41, 

f.  Rom,  Römer  und  Könierinnen,    von   WiUielm  Müller;  eb,  Nr.  46, 

g.  Reformationsalmanacli  von  Möller ;   eb,  Nr.  50. 

h.    AVicland's  Briefe  an  Sophie  von  la  Roche;  1821,  Nr.  7, 

i.    Der  Verkündiger;  eb.  Nr.  11.  17.  23.  35.  96. 

k.  Der  Kaufmann  von  Venedig  von  Shakespeare;  eb,  Ni".  13, 


XLIX 

1.    Italienische  Literatur;  eb.  Nr.  16. 

ni.  Ueber  L.  Robert's :  Blind  und  laliin;  eb.  N     21. 

n.  Lieben,  Lust  und  Leben  der  Teutschen  des    16.  Jahrhunderts    in 

den  Begebenheiten  des    scJilesischen  Ritters  Hans   v.  Schweinigen' 

eb.  Nr.   23, 

o.   Zauper's  Grundzüge    zu    einer    teutschen   theoretisch -praktiscJien 

Poetik;  eb.  Nr.  28. 
p.   Dramaturgie;  eb.  Nr.  31. 

q.    Chronik  der  königlichen  Schaubühne  zu  Dresden;  eb.  Nr    39    40 
r.    Die  zwei  Marien  von  Jacobs;  eb,  Nr.  47. 
s.    D,  Struve's  Brunnengarten  ;  eb.  Nr.  49, 
t.    Vorwort  zu  den  Briefen    eines  Vorurtheilsvollen    über   die  Boisse- 

ree'sche  Gemälde-Sammlung;  eb.  Nr.  57. 
u.  Matthisson's  Gedichte;  eb.  Nr,  59. 

V.   Weitzel ,  aus  meinem  Leben  und  meiner  Zeit ;  eb.  Nr.  62, 
w.  Posa,  ein  Trauerspiel  von  G.  Döring;  eb,  Nr,  84, 
X.    "Walter  Scott's  Romane;  eb.  Nr.  86. 
y.    Roclilitz's  jährliche  Mittheilungen ;  eb.  Nr.  90, 
z.    Blicke  auf  Aneignungen  ausländischer  Literatur;  eb.  Nr.  93. 

aa.  Blicke  auf  das  Kalenderwesen;  1822.  Nr.  1. 

ab.  Literarische  Spaziergänge ;  eb,  Nr.  25,  26. 

ac.  Blicke  auf  die  neuesten  Biographieen;  eb.  Nr.  46. 

ad.  Hermann's  Elementarbucli  der  mittleren  Geschichte,  —    Zauper\s 
Studien  über  Göthe;  eb.  Nr.  52, 

ae.  Blicke  auf  die  neuesten  Werke  in  der  Geschiclite;  eb.  Nr.  57, 

af.  Walter  Scott's  Braut,  übersetzt  von  Lindau;  eb,  Nr.  59. 

ag.  V.  Miltitz,  Orangenblüthen ;  eb.  Nr,  65. 

all.    Walter  Scott's  Ilerz  von  Mid-Lothian,  übersetzt  von  Lindau;   eb, 

Nr   79. 
ai.    Blicke  auf  die  neuesten  ReisebeschreibnngenJ  eb,  Nr,  83. 
ak.    Etwas  über  die  BlitzröJiren ;  eb.  Nr.  87» 

al.    Blicke  auf  neue  AVerke  einlieimischer  Schriftsteller;  eb,  Nr,  93.  94, 
am.  Blicke  auf  die  neuesten  Tasclienbücher;  eb.  Nr.  99.  100, 
an.   Das  Vergifsmeinniclit  aus  London;  eb,   Nr,  104, 
ao.  Jährliche  Mittlieilungen  von  Rochlitz  ;   1823.   Nr,  3. 
ap.   Bracebridge-Hall,  von  W,  Irving;  eb.  Nr.  7. 
aq.   Gegensatz    des   Antiken   und  Modernen   in   seiner    bildlichen  Dar= 

stellbarkeit;  eb.  Nr.  15. 
ar.    Todtenverbraucli  für  anatomische  Säle;  eb.  Nr.  17, 
as.    Des  Horatius  Oden,  übersetzt  von  Günther;  eb,  Nr,  21, 
at,    Memnon's  Dreiklang  von  Hammer ;  eb,  Nr,  26, 
au.    Neugriechische  Lieder;  eb.  Nr.  27. 
av.   Das  jüngstentdeckte  Gemälde    aus  den  Königsgräbern  zu  Theben; 

eb.  Nr.  29. 
aw.  Ein  Amulet  und  eine  Charade ;  eb,  Nr,  31« 
ax.    Die  Silenuslampe;  eb,  Nr.  33. 
Böiiiger's  hleiue  Schriften  1.  D 


ay.  Das  Gegenstück  zur  Witwe  von  Ephesus;  1823.  Nr.  38. 

az.  Blicke  auf  die  neuesten  topograpliisclien  Werke;   eb.   Nr.  42, 

f»a.  Liiidau's    Vergifsmeinniclit ;  eb.   Nr.  48. 

bb.  Euryanthe  von  Savoyen;  eb.  Nr.  50. 

bc.  Katzenberger's  Badereise,  von  J.  Paul;   eb.  Nr.  55. 
Ld.  Holilfeldt's  Harfenklänge;  eb.  Nr,  56. 

be.  Nacliweisungen  über  die  neuesten  Schriften  im  Fache  der  Biogra- 
phie; eb.  Nr.   57.  69.  70. 

bf.  Schottisclie  Erzäldungen,  von  Cunningham;  eb.  Ni\  58. 

bg.  Penelope,  von  Theodor  Hell;  eb.  Nr.  89. 

Lh.  Moliammed  oder  die  Eroberung  von  Mekka;  eb.  Nr.  92. 

bi.  Der  Hiinmelsgarten ,  von  Harniscli;   eb.  Nr.  94, 

bk,  Tasclienbuch  für  die  vaterländisclie  Geschichte;   eb«  Nr,  95, 

bl.  Blicke  auf  neue  Biograpliieen,  1824.  Nr.  10.  11, 

bm.  Doblado's  Briefe  über  und  aus  Spanien;  eb.  Nr.  19. 

bn.  Blicke  auf  einheimische  ScJiriftsteüer;    eb.  Nr.  24.  29.  63. 

bo.  Für   Freunde  der   Tonkunst,   von  Friedrich  Rochlitz ;    1.  Band; 

eb.  Nr.  33. 

bp.  Teutsclie  Gelehrsamkeit  nnd  Literatur  im  Spiegel  des  Auslandes.  — 

Ein  Wort   über   die  Ausspraclie  des  Altgriechischen ;    eb,  Nr.  37. 

bq.  Strafsenbesserung;  eb.  Nr,  47. 

br.  Lord  Byron  ;  eb.  Nr.  86. 

bs,  Neugriechen;  eb.  Nr.  91. 

bt.  Das  neue  Vergifsmeinnicht  bei  Ackermann  in  London;  eb.  Nr,  95« 

bn.  Geographisch -liistorisclie  Taschenbücher ;   eb.  Nr.  103. 

bv.  Blicke  auf  Reisebeschreibungen  ;  1825.  Nr.  7,   13,  18.   19. 

bw.  Blicke  auf  einheimische  Schriftsteller;  eb,  Nr.  24, 

bx.  Miscellan- Anzeigen  ;  eb,  Nr.  30. 

by.  So  wird  Sliakespeare  übersetzt!  eb.  Nr.  39, 

bz.  Die  sieben  A\'underwerke    im  Theater   von    Gropius  ;    eb.  Nr.  49. 

ca.  Die  Bergstadt  Freiberg,  von  Breithaupt;  eb.  Nr.  56. 

cb.  Lebensbeschreibung  T.  G.  Werner's   von  Dr.  Friscli ;   eb.  Nr.  64, 

cc.  Ebert's  Culturperioden  und  UeberUefeinngen ;  eb.  Nr,  78, 

cd.  Uebersetzungen;  eb.  Nr.   91, 

ce.  Forget  me   not;  eb.  Nr.  99. 

cf.  lieber  CHope's)  Anastasius;  1826.  Nr.  3, 

cg.  Weiner's  Jubelfest;  eb.  Nr.  5. 

eh.  Gesammelte  Werke  in  wolilfeilen  Ausgaben;  Nr.  9.   10» 

ci.  Blätter  aus  Karl  Bertliold's  Tagebucli;   eb.  Nr,  27. 

ck.  ßrönstedt's  Reise  durch  Griechenland;  eb.  Nr.  33, 

cl,  Uebersetzungen  und  Vervielfältigungen;  eb,   Nr.  36. 

cm.  Hippolyt  Boratynski,  von  A.  Bronikowski;  eb,  Nr.  38,  41. 

cn,  Oberon ,  Kcinig  der  Elfen ;  eb.  Nr,  53, 

CO.  Buntes  Leben,  von  Hell;  eb.   Nr.  70. 

cp.  Teutscher  Regcntenalmanacli,  von  Voigt;  eb.  Nr.  87, 

cq.  Englische  Taschenbücher;  eb.  Nr.  102. 


LI 

er.    Niemeyer's  Deportationsreise;  1827.  Nr.  10. 

CS.     V.    Horinayr's  Tasclienbiich   der   vaterländischen   GescJiichtej    eb, 

Nr.  29. 
ct.    Briefe  aus  Marienbad;  eb.  Nr.  61.  68.  70. 
cn.    Briefe  von  Bonstetten  an  Matthisson ;  eb.  Nr.  82. 
cv.    Taschenbuch  für  Teutschlands  Kunstfreunde;  eb.  Nr.  85. 
cw.  Navarino;  eb.  Nr.  96. 

ex.    Richter's  Reisen  zu  Wasser  und  zu  Lande  ;  eb.  Nr.  97. 
cy.    Dietrich's  Opfer   der  Verehrung  bei'm    Tode  Friedricli  Angust's* 

eb.  Nr,  99. 
cz.    Carne's  Reise  über  Cypern  und  Rhodus  nachMorea;  eb.  Nr.  101. 

da.  V.  Horniayr's  Taschenbuch  für    die  vaterländische  Geschiclite;  eb. 
Nr.  103. 

db.  Teutscher  Regentenalmanach,  von  Voigt;  1828.  Nr.  3, 
de.    Arcliiv  der  Naturgeschiclite ;  eb.  Nr.  7. 

dd.  Blicke  auf  die  neuesten  Geschichtswerke;  eb.  Nr.  11«  12» 

de.  Tausend  und  ein  Tag;  eb.  Nr.  20. 

df.  Van  der  Velde's  Lebenslauf  und  Briefe;  eb.  Nr,  21. 

dg.  Neuer  Nekrolog  der  Teutschen;  eb.  Nr.  23, 
dl«.  Huber's  Skizzen  aus  Spanien;  eb.  Nr.  49, 

di.    Ecksteines  numismatische  Bruchstricke;  eb.   Nr.  52. 

dk,    Lindau  ,  Leben  und  Sitten  in  Persien;  eb.  Nr.  78. 

dl.    Erzählungen  von  Fr,  Jacobs,  6tes  Bändchen;  eb.  Nr.  79, 

dm.  Ueber  das  Silphium  von  Kyrene;   eb.  Nr.  SJ.  94.  96. 

du,   Walsli's  Reise  von  Konstantinopel  —  über  das  Balkangebirge-  eb, 

Nr.  93. 
do.   Rochlitz,  für  niüfsige  Stunden;  eb.  Nr.  98. 
dp.    Vaterländische  Altertliumsforschung ;  1829.  Nr.  1. 
dq.  Der  Jesuit  von  Spindler.  —  Berichtigungen;  eb.  Nr,  5, 
dr.    Andeutungen ;  eb.  Nr.  8. 
ds.    Frankreichs  Religions-    und   Bürgerkriege,    von  Herrmann;    eb. 

Nr.  12. 
dt,    Andeutung;  eb,  Nr.  16. 
du.   Blicke  auf  die  neuesten  Briefsammlungen  berühmter  Männer;  eb, 

Nr.  21.  23. 
dv.    Andeutungen  aus  dem  Orient;  eb.  Nr.  28, 
dw.  Toniasini,  Spaziergang  durch  Kalabrien  und  Apulien,  —  Reise  des 

Generals  Lafayette ;  eb.  Nr.  31. 
dx.  Andeutungen  zur  Biographie;  eb,  Nr,  34» 
,dy,   üeber  MüUner's  frühesten  Roman;  eb.  Nr,  52, 
dz.   Vergleichungen.      l.    Die    Cravate;    eb,  Nr.  74.      IL  Der  Ka»nm 

als  Haarputz;    eb.    Nr,  78.  79.    IIL  Die  BriUenträger.   1850.  Nr. 

4,  5.  6.  10. 

ea.  Nostitz  und  Jänkendorf ,  Beschreibung  des  Sönnensteihs. }  1    1829. 

eb.  Genthe,  Gesclüchte  der  macaronisclien  Poesie;  J  Nr,  86, 

ec.  Kurze  Anzeigen;  eb.  Nr.  100. 

D* 


e«l.    riiiistllclie  Romane;   1829.  Nr.  102. 

ee.  Neuer  Nekrolog  der  Teiilsclien;  1830.  Nr.  9. 

ef.  Nene  Reise  um  «lie  AVeit  von  O.  v.  Kot/ebue;  eh.  Nr,   12, 

eg.  Erinnerungen  an  wichtige  Werke;  eb.  Nr.  12. 
eh.    Andeutungen;   eb.  Nr.  15.  19.  30.  33.  34. 
ei.    Norica,  von  August  Hagen;  eb.  Nr.   16. 
ek,    SchöIl's  europäische  Staatengeschiclite;  eb.  Nr.   27.' 
el.     Ribliothek  der  wichtigsten  neueren  Geschichtswerke  des  Auslandes; 

eb.  Nr.  30. 
em.  Andeutungen  ans  der  ?>dkunde;   —  Monograpliie ;  eb.  Nr.  40. 
•n,    Rufsland,  geschildert  durch  sicli  selbst,  von  Musäus ;  eb.  Nr,  63, 
eo,    Jahrbücher  der  Literatur;  eb.  Nr.  70. 
ep.    Bilder  des  Orients,  von  H.  Stieglitz;  eb.  Nr.  74, 
eq.    Stimmen  aus  der  Schweiz;  eb.  Nr.  76. 
er.    Der  Heynische  Virgil. —    Berichtigung;  eb.  Nr.  92. 
es.    v.    Bohlen's  altes  Indien; —  Clark,    über  den  Eintlufs  des  Klima 

auf  clironisciie  Krankheiten;  —  Andeutungen;  eb.  Nr.  97. 
et.    Allgemeine  Scliriftenkunde  der  gesammten  AVappenwissenscIiaft,  von 

Bernd;    1831.  Nr.   10. 
eu.   Blick  auf  politische  Schriften;  eb.  Nr,  12. 
ev.    Blick  auf  Encyclopädieen ;  eb.  Nr.  13. 

ew»  Universalphilosophische  Vorlesungen  von  Krug;  eb.  Nr.  16,  *, 

ex.    Raumer's  Briefe  aus  Paris;  eb.  Nr.  19. 
ey.    Deinhardstein,  Skizzen  einer  Reise;  eb.  Nr,  46, 
ez.    Andeutungen;  eb,  Nr.  50.  87.  89.  102. 
fa,    Uebersiciiten;  eb.  Nr.  78. 
ib.    Das  neueste  englisclie  Vademecum;  eb.  Nr,  87. 

fc.  Polens  Scliicksal ,  von  Krug ;  eb.  Nr.  89. 

fd.  Neue  Ausgabe  von  Klopstock's  Oden ;  eb.  Nr.  92, 

fe.  Raumer's  historisclies  Taschenbuch;  eb.  Nr.  98. 

ff.  Andeutungen;   1832.  Nr.  3. 

fg.  Andeutungen;  literarisches  Notizenblatt  1832.    Nr.  7.  14.  21.   55. 
fh.    Andeutungen    über   die    neuesten  Heldenlieder  in   der  österreichi- 
schen Monarchie  J  eb.  Nr.  31. 

11.     MüUer's  Wörterbuch    der  richtigen  Aussprache   ausländischer  Ei- 
gennamen ;  eb.   Nr.  35. 
fk.    Literatur  der  Sternkunde;  eb.  Nr.  36. 
il.     Raumer''s  historisclies  Tasclienbuch ;  eb.  Nr,  57.  58, 
fm.   Marineskizzen  und  Harzsagen;  eb.  Nr.  62» 
fn.    Jugend-  und  Sittenspiegel J   eb.  Nr.  75, 

fo.    Herrmann's  Lehrbuch  der  allgemeinen  Weltgeschichte  ;  1833.  Nr.  II. 
fp.    Teutsche  Ausgaben  italienischer  Klassiker;  eb,  Nr.  15. 
fq.     Göthe's  und  Zelter's  Briefwechsel,  1,  und  2.  Band;   eb.   Nr.  102. 
fr.    Blicke  auf  die  monatliche  Journalliteratur;  1834.  Nr.  1, 
fe.     Geschichtlich -geographische  Taschenbücher;  eb.  Nr.  8. 
ft.    Göthe's  und  Zelter's  Briefwechsel;  3.  und  4.  Band;  eb,  Nr.  9. 


fii.  Fr.  Thierscli,  über  Griechenland;  eb.  Nr.  18. 

fv.  Haininor'i;  Giil  und  Biilbiilj  eb.  Nr.   22. 

f»-.  Knebel,  der  Uebersetzer ;  eb.  Nr.  34. 

fx,  üeber  Götlie;  eb.  Nr.  73. 

f).  Blicke  auf  die  Literatur  der  Briefe;  1835.   Nr.  2. 

fz.  Blick  auf  das  Einbeimische;  eb.  Nr.  8. 

46.    in    der   VVi  en  er  Zei  t  sehr  if  t   für    Kunst,    Literatur 
II  n  d  31 0  d  e  : 

a.  lieber  das  antike  Costünie  in  Grillparzer's  Sappho;  1820.  Nr  130. 
131. 

b.  üeber   die  lierrschende  Mode   der   gewürfelten  Stoffe;    1821.  Nr, 
139.  140.  141. 

c.  Die  Phiderärmel ;  1830.  Nr.  136.   137. 

47.  im  I  i  t  e  r  a  r  i  s  c  h  c  n  W  0  c  h  e  n  h  I  a  1 1 :  Besnch  auf  der  Biblio- 
thek zu  Wolfen büttel;  1820.  August.    Nr.  38.  und  ßeilage. 

48.  im  (Wiener)  Conversationsblatt: 

a.  Kunstansichten;   1821.  Nr.  72.  85. 

b.  Venus  im  Staatskleide  thronend;  eb.  Nr.  82. 

49.  in  Fr.   Kind 's  Mnse: 

a.  An  den  Herausgeber  der  Musej    1821,  Bd.  4,  Heft    2.  S.  139 — 
148. 

b.  Meinem   edeln  Freunde,    D.  Weigel  in   Dresden}    1822,   Bd.  1. 
Hft.  1.  S.  102  —  107. 

c.  An  Tiedge,  zum  Wiegenband ;  eb.  S.  108  — 111. 

d.  Auf  den  Abgufs   eines  Minervenvogels,    der  auf  einem  Menschen- 
kopf steht;  1822.  Bd.  3.  Hft.  1.  S.  99  —  106. 

e.  Der  Händezoll,  an  die  dramatische  Muse  bezalütj  1822.  Bd.  3, 
Hft.  2.   S,  1  —  40. 

f.  Denkmal  der  Freundschaft,  dem  —  Dr.  Blumenbach  —  darge- 
bracht; 1822.  Bd.  4.  Hft.  1.  S.  71  —  94. 

50.  zn  Klinge  mann 's  Theateralmanacli  f.  1822 :  üeber 
das  heulige  Beifallklatscheu  im  Theater.  S.  166  —  181. 

51.  in  dem  der  Abendzeitung  beigegebeneu  und  von  ibm  re- 
digirten  artistischeu  Notizenblatte: 

a.  Kunstnachricliten  aus  Dresden. —    Kunstliteratur;  1822.  Nr.  1. 

b,  Kunstnachrichten  aus  Dresden.  —    Kunstliteratur;  eb.  Nr.  2. 

c,  Kunstnachrichten  aus  Dresden.  —  Klenze's  Wiederherstellung 
des  toskanisdien  Tempels.  —  Cicognara's  Kunstbibliothek;  eb. 
Nr.  3. 

d.  Kunstnacliricliten  aus  Dresden.  —  Fortsetzung  von  Tischbein'» 
Homer,  nach  Antiken  gezeichnet,  —    Ankündigung;  eb,  Nr.  4« 

8.    Kunstnachrichten  aus  Dresden;  eb,  Nr,  5, 

f.    Kunstnachi'ichten  aus  Dresdent  —    Klenze's  Tempel   des  Jupiter    . 
zu  Agrigentj  eb.  Nr.  6. 


g.  Kiinstnacliricliten  ans  Dresden,  —  Lübeck  mit  seinen  Umgebun- 
gen; 1822.   Nr.  7. 

h.  KiinstnacliricJiten  aus  Dresden.  —  Bildergalerie  von  Belvedere, 
von   Carl  Haas.  —    Ankündigung;  eb.  Nr.  8. 

i.    Knnstnacliricliten  aus  Dresden  ;  eb.   Nr.  9. 

k.   Kunstscliau  auf  der  Leipziger  Ostermesse;  eb.  Nr.  10.  11.  12.  13. 

h    Kunstnachrichten  aus  Dresden. —  Sappho  undAlkäos;  eb.  Nr.  11, 

in.  Kunstnachrichten  aus  Dresden.  —  Bemerkung;  eb,  Nr.  12, 

n.    Bemerkung ;   eb.  Nr.  13. 

o,  Kunstnachrichten  aus  Dresden.  —  Das  Todtengericht  auf  einer 
ägyptischen  Papyrusrolle;   eb.  Nr.  14. 

p.    Kunstnachricliten  aus  Dresden;  eb.  Nr.  15. 

q,  Kunstnachrichten  aus  Dresden.  —  Neue  Berliner  Theatercostümej 
eb.  Nr.  16, 

r.   Das  Stereorama  des  Montblanc -Gebirges;  eb.  Nr.  17. 

s.    Das  Panorama  von  Dresden.  —    Anzeigen ;  eb,  Nr,  18. 

t.    Kunstnaclirichten  aus  Dresden;  eb,   Nr,  20. 

11.    Denkmünzen;  eb.  Nr.  22. 

V,  Anatomische  Vorlesungen  für  Künstler.  —  Scenen-  und  Convcr- 
sationsmaier.  —     Berliner  Theatercostüme ;  eb.  Nr.  23. 

W.  Kunstnachrichten  aus  Dresden.  —  Lithographirte  Blätter  von 
Kunike  in  Wien,  —  Jean  Paul's  Portrait.  —  Kunstliteratur;  eb: 
Nr.  24. 

X,  Kunstnachrichten  aus  Dresden.  —  Neue  Denkmünzen  aus  der 
Loos'schen  Anstalt  in  Berlin.  —  Die  Darstellung  des  Christus- 
kindes  im  Tempel  nach  J,  van  Eyck,  von  Strixner  lithographirt ; 
1823,  Nr.  1. 

y.  Kunstnachrichten  aus  Dresden.  —  v.  Klenze's  griechische  Orna- 
mente der  Glyptik,  Plastik  und  Malerei;  eb.  Nr.  2. 

z.  Kirclien,  Paläste  und  Klöster  in  Italien.  —  Die  Kirche  der  heil, 
Elisabetli  zu  Marburg,  von  G,  Moller.  —  Des  Regisseurs  Hel- 
wig  Portrait ;  eb.  Nr,  3. 

aa.  Neueste  lithographische  Portraits  der  Herren  Gröger  und  Alden- 
rath  in  Hamburg.  —  Kunst  und  Alterthum  von  Götlie ;  eb.  Nr.  5. 

ab.  Gedäclitaifsmüiize  auf  den  Staatskanzler  Fürsten  Hardenberg.  — 
Sechszehn  Ansichten  der  freien  Hansestadt  Bremen;  eb.   Nr.  6. 

ac.  Kunstnaclirichten  aus  Dresden.  —  Preisvertheilungsrede  des  Gra- 
fen Czernin,  —  Heilige  iFamilie,  von  Gleditsch  gestochen.  — 
Anzeige;  eb.  Nr.  7, 

ad.  Blick  auf  die  Künstler  in  Rom,  —  Ackermann  in  London.  — 
Verkündigung;  eb.  Nr.  8. 

ae.  Kunstnachricliten  aus  Dresden.  —  Britische  Akademie  in  Rom.  — 
Schlofs  Marienburg;   eb.  Nr.  9. 

af.  Bemerkung.  —    Ankündigungen;  eb.   Nr.  10, 

ag.  Erinnerungen,  —     Lithographie;  eb.  Nr,  II. 

ah.   Amadeas  Wenzel  Böhm.  —    Artistisches  Allerlei;  eb,  Nr.  12. 


ai.    Bilder    des   grieclilschen  Alterthums    von    Horner,  —     Der   Dom 

von  Mcifscn.   —     Älaria  von  Weber's  Portrait;  1823.  Nr.  13. 
ak.    Kunstnachricliten   aus  Diesden.  —     Vierundzwanzig  Ansichten  von 
den  IVIonti  di  Biianza  im  Mailändisclien.  —    Ankündigungen;  eb. 
Nr.  14. 

al.    Kunstnacliricbten  aus  Dresden;   eb.  Nr.  15. 

am,  Kunstnacliricbten    aus    Dresden,  —     Fr,  Bürde's  Pferdeabbildun- 
gen  ;  eb.   Nr.  16. 

an.    Kunstnachrichten  aus  Dresden;  eb,  Nr.  17. 

ao.    Portraits  in  Kupfersticlien  ;  eb.  Nr,  17.  18. 

ap.   Kimstnachrichten  aus  Dresden.  —     Miscellen  ;  eb.  Nr.  18. 

aq.  Einlieiiiiische  Kunstnacbrichten.  —  Werner's  Denkstein  in  der 
Domkirche  zu  Freiberg,  —    Litliographie ;  eb,  Nr,  19. 

ar.    Altgriechische  Vasen ;   eb.  Ni'.  20. 

as.    Altgxiechische  Vasen  in  Millingen's  inedited  iiionuments  ;  eb.  Nr.  21. 

at.  Actausstellungen  des  Lebesnier.  —  Gargiulo's  Werk  über  die 
Vasenformen;  eb.  Nr,  22, 

au.  Neueste  Prospecte  der  Schweizer-  und  italienischen  Seen.  —  Die 
Katharinenkirche  zu  Oppenheim;  eb,  Nr.  23. 

av.  Seroux  d'Agincourt's  Werk  vollendet.  —  Portraits-Ankündigung; 
eb.  Nr.  2*. 

aw.  Kunstnacliricbten  aus  Dresden.  —  Denkmünzen  auf  die  Vermähl- 
ung des  Kronprinzen  von  Preufsen;   1824.   Nr,  1. 

ax.  Kunstnachrichten  aus  Dresden.  —  Die  Darstellung  nach  Fra 
Bartolomeo  von  Rahl.  —    Anzeigen;  eb.  Nr.  2. 

ay.   Theatercostümes  und  Theaterdecorationen ;  eb.  Nr.  3. 

az.  Lebende  Bilder  nach  Lalla  Book.  —  Ideenmagazin  für  Tischler 
und  Ebenisten.  —  Ergänzungen  antiker  Gebäude  von  Weinbren- 
ner. —    Ankündigung;   eb.  Nr.  4. 

ba.  Dresdener  Kunstnachricliten.  —  Die  Wolfssclilncht  aus  dem  Frei- 
schützen. —     Ankündigung;  eb.  Ni'.   5. 

Lb.  Morgenstern,  über  Rafael's  Transfiguration. —  Homer,  nach  An- 
tiken gezeichnet.  —  Die  Basilica  Pauli  in  Rom.  —  Gutensohn's 
und  Knappe's  Denkmale  dqr  christlichen  Religion  *,  eb.  Nr.  6. 

bc.  Dresdener  Kunstnacliricbten.  —  Vorläufige  Anzeige  von  Minutoli's 
Reise  nach  Aeg-ypten.  —  Artistisclie  Miszellen;  eb.  Nr.  7. 

bd.  Des  Grafen  de  Laborde  Vasenwerk  und  des  Marchese  Haus  Sclirift 
über  Vasen.  —  Wilbrand's  und  Ritgen's  Gemälde  der  organischen 
Natur.  —  Ankündigung;  eb.  Nr.  8, 

be.  Artistische  Literatur.  —  Ankündigung;  eb,  Nr,  9. 

bf.  Blicke  auf  den  Kunsthandel  in  der  Ostermesse  1824,  —  Marmor 
und  Granit  für  Sculpturarbeiten;  eb,  Nr,  10. 

bg.  Dresdener  Kunstnachrichten;  eb.  Nr.  11, 

bh.  Die  St.  Katharinenkirche  zu  Oppenheim,  —  Die  korsunschen 
Thüren  in  der  Kathedralkirclie  zu  Nowgorod;  eb.  Nr.  12. 


bi,    Sammlung  von  Originalgemäldeii   und  Sculptiiren  der  Familie  von 

der  Kopp  in  Mitan;  182».  Nr.  13. 
bk.   Ein  neues  englisches  Miinzwerk  von  seltener  Schönheit ;  eb.  Nr,  14. 
bl.    Die  Dresdener  Kunstausstellung;  eb.  Nr.  15, 
bm.  Portrait  der  schonen  Viola;  eb.  Nr.  15, 
bn.   Portraits,  Neues  und  Altes. —  Bilder  des  griechischen  Alterthums. — 

Erinnerung;  eb,  Nr.  16. 
bo.  Das  Stereorania  des  iMontblane- Gebirges;  eb.  Nr.  17. 
bp.   Das  Panorama  von  Dresden. —  Anzeigen;  eb.  Nr.  18. 
bq,    Nürnbergs  teutseher  Kunstsinn. —  Artistisches  Allerlei;  eb.  Nr.  19. 
bi\    Gerhard    von    Kiigelchen's   Küustlerleben ,   von  Hasse.  • —    Maria 

von  Weber's  Büste,  von  Ernst  Matthäy;  eb.  Nr.  20. 
bs,    Denkmäler  alter  und  neuer  Baukunst,  —    Artistisclies  Allerlei,  — 

Ankündigung;  eb.  Nr.  21. 
bt.    Copie   nach  dem    grofsen  Altargemaide  in  der  katholischen  Hof- 
kirche; eb.  Nr.  22. 
bu.   Die  alten  Kunstdenkmäler  Wiens.  —  Anzeige;  eb.  Nr.  24. 
bv.    Job,  Christian  Kiengel ;  1825.  Nr.  1. 
bw.  Die  Toppiche  nach  Rafaers  Cartons ;  eb,  Nr.  2.  3.  4. 
bx.    Schiller's  Kampf  mit  dem  Drachen.  —  Abbildungen  zu  H,  Meyer's 

Kunstgeschichte.  —  Anzeigen;  eb.  Nr.  3. 
by,    Select  Coins   of  Magna  Graecia  and  Sicily.  —    Berliner  Theater- 

eostums.  —  Zimmermann's  Nacldafs.  —  Anzeigen;  eb.  Nr,  5. 
bz.    Blicke    auf    einheimische  Künstler.  —    Artistisclies    Allerlei;    eb. 

Nr.  6. 
ca.   Blicke  auf  einheimische  Künstler.  —    Des  Hauptmanns  von  Gore 

Werk  über  Pompeji.  —  Ankündigung;  eb.  Nr.  7. 
ob.    Einheimische  Nachrichten.  —   Klein's  Tiffon  und  der  Molossus  in 

der  Antike;  eb.  Nr.  8. 

cc.  Blicke  auf  einheimische  Künstler.  —  Noch  ein  Wort  über  die 
Derschau'sclie  Kunstsammlung  und  Auction  in  Nürnberg.  — 
Nachtiag  zu  den  Bemerkungen  über  Glasmalerei;   eb.  Nr,  9. 

cd.  Kunstschau   auf  der  Leipziger  Jubilatemesse ;    eb,  Nr.   10.   11.  12. 

ce.  Professor  Retzscli's  neuestes  Unternehmen;  eb.  Nr,   10. 

cf.  Römische  Alterthümer  in  Teutschland;  eb,  Nr,  11.  12.  —  An- 
zeige; eb.  Nr.  11. 

cg.  Einheimische  Nachrichten;  eb,  Nr.  12. 

ch.  Einheimische  Nachrichten. —  Dr,  Münter's  Sinnbilder  der  Christen. 

—  Allerlei;  eb.  Nr,  13, 
ci,    Hieroglyphenkunde.  —  Die  St,  Katharinenkirche  in  Oppenheim.  — 

Allerlei ;  eb.  Nr.  14. 
ck.  Ueuther's  Decorationen. —  Allerlei;  eb.  Nr.  15. 
cl.     Wittenbergs  Denkmäler.  —  Ankündigungen  ;  eb.  Nr,  16, 
cm.  Die  Altertliümer  der  Stadt  Görlitz;  eb.  Nr,  17. 
cn.    Jubelfeier  in  Weimar ;   eb.  Nr,  18. 
CO.    Fleischmann's  Ecce  homoj  eb,  Nr.  19. 


cp,  Vogel's  Pliiloso|>liie ,  gostoclien  von  Anton  Krüger.  —  Denkmünze 
auf  die  Frau  Grofslierzoi^in  Louise  von  Saclisen- Weimar.  —  An- 
kündigung; 1825.  Nr.  20. 

cq.  Abbildungen  für  archäologische  Studien.  —  Lithographirte  Por- 
traits.  —  Ankündigung;   eb.  Nr.  21. 

er,  Werke  hiesiger  Maler.  —  Literatur  über  Rafael.  —  Ankün- 
digungen; eb.  Nr.  22. 

CS,  Werke  Jiiesiger  Maler.  —  Dr.  SeiJer's  Naturlehre  des  IMenscIien 
für  Künstler  und  Kunstfreunde.  —  Des  Grafen  Foibin  Reise  nach 
dem  Morgenlande.  —  v.  Derschauische  Kunstversteigerung  in 
Nürnberg.  —  Anzeige;  eb.  Nr.  23. 

■ct.    Cicognara  sulla  scultura.    Volumi  sette.  —  Allerlei;  eb.  Nr,  24, 

cu.    Allerlei.  —  Ankündigung;   1826.  Nr,  2, 

cv.  Blicke  auf  einheimische  Künstler.  —  Watt's  Holzschnitte.  —  Dr. 
Münter's  Sinnbilder  der  Ciiristen;    eb.  Nr,  3.  4. 

c\v.  Portraits.  —  Allerlei.  —    Ankündigungen;  eb.  Nr.  4. 

ex,  Denkmünzen,  welche  aus  der  Loosischen  Anstalt  in  Berlin  her- 
vorgegangen sind,  —  Rafael's  Portrait  der  Johanna  von  Arrago- 
nien,  —  Allerlei ;  eb.  Nr.  5. 

cy.  Professor  Seyffahrt's  Entzilferung  der  UgyptiscbenHieroglypIien,  — 
Allerlei;  eb.  Nr.  6. 

<z,  Zusatz  zu  Hirt's  Aufsatz  über  die  Sixtinische  Madonna.  —  Schwech- 
ten's  Dom  zu  Meifsenj  eb.  Nr.  7. 

da.  Zusatz  zu  Hirt's  Aufsatz  über  Johanna  von  Arragonien ;  eb,  Nr,  8; 

db.  Jean  Paul  Richter's  Portrait;  eb,  Nr,  9. 

de.  Die  St.  Katimrinenkirche  zu  Oppenheim.  —  Verzeichnisse  zu  den 
einheimischen  Museen;  eb.  Nr.  10.  11. 

dd.  Abendunterhaltungen  von  Herrn  v.  Quandt.— Anzeigen;  eb.  Nr.  H. 

de.  Kunstliteratur;  eb.  Nr.  12. 

df.  Allerlei;  eb.  Nr.  12. 

dg.  Umrisse  nach  Hamlet  von  Retzscb.  —  Professor  Vogel's  Portrait- 
sammlung;  eb,  Nr.  13. 

dh.   Kunstausstellungen;  eb.  Nr.  13.  14. 

di.    Nürnberger  Kunstangelegenheiten.  —  Nachricht;  eb.  Nr.  15, 

dk.   Portraits.  -^    Erste  Lieferung   der  lithograpliirten  Gemäldeo-alerie 

des  Königs  von  Spanien.  —  Anzeigen ;  eb.  Nr.  16. 
dl.    Blicke    auf  die   Ausstellung    der    k.    s.   Akademie    der  Künste  in 

Dresden;  eb.  Nr.  17.  18. 
dm.  Ins[)ector  Arnold's  Altargemälde.  —  H.  Hase,  Uebersichtstafeln  zur 

Geschichte  der  neueren  Kunst ;  eb,  Nr.  18, 
dn,  Grabmal  Herzog  Heinrich's    IV,  zu  Breslau,  herausgegeben  vom 

Prof.  Büsching;    eb,  Nr.  19. 
do.   Jos.  Führig's   Vaterunser   —    Allerlei,   was  verdient    bekannt    zu 

werden,  —  Anzeigen ;   eb,  Nr.  20. 
dp.    Glasmalerei  in  Dresden.  —  Medaillen  auf  Gonsaivi  und  Götbe,  — 

Allerlei  in  Beziehung  auf  Kunst;  eb.  Nr.  21. 


LVIII 

dq.   Praclitwerk  des  Barons  Otto  von  Stackeiberg  in  Rom;  1826.  Nr.  22. 

dr.  Scliiavoni's  Hininielfalirt  der  Jiinyfraii,  nacli  Tizian. —  Anzeige; 
eb.  Nr.  23. 

ds,  Dorow's  Werk  über  die  römischen  Altertliiimer  in  der  NeuwieJer 
Sammlung.  —  Anzeigen;   1827.  Nr.  1. 

dt,    Dr.  Panofka's  Vasenwerk ;  eb.  Nr.  2. 

du.  Prof.  DaliPs  neueste  Laudscliaften.  —  Verfälschung  der  Münzen; 
eb.  Nr.  5. 

dv.    Denkmünzen.  —  Kunstnachrichten;  eb.  Nr.  6. 

dw.  Noch  eine  Sixtinische  Madonna  von  Rafael.  —  Gemäldesamm- 
lung des  Grafen  von  Ingenheim.  —  Anzeige;  eb.  Nr.  7. 

dx.  Blicke  auf  die  Ateliers  und  Kunstleistungen  Dresdener  Künstler. — 
Maxim,  v,  Speck's  Gemäldesammlung.  —  Allerlei;  eb.  Nr.  8. 

dy,    Ramberg. —  Abbildungen  von  Prof.  Rauch's  Scnlpturen;  eb.  Nr.  9. 

dz.  Prospecte  und  Ansicliten.  —  Gedäclitnifsmünze  auf  die  kaiserliche 
Bibliothek  in  Wien;  eb.  Nr.  10. 

ea.  Blick  auf  die  Leipziger  Ostermesse;  eb.  Nr.  11.  12. 

eb.  Neue  Medaillen  ans  D.  Loos's  Anstalt;  eb.  Nr.  11.  12. 

ec.  Stieglitz,  Gescliichte   der  Baukunst.  —    Ankündigung;  eb,  Nr.   12. 

ed.  Kunstliteratur.  —  Nachrichten  von  der  Blücher'schen  Kunstauction 
in  Dresden;  eb.  Nr.  13. 

ee.  Polygnot's  zweites  Gemälde  aus  der  Lesche  zu  Delphi.  —  An- 
zeige ;  eb.  Nr.  15. 

ef.  Die  Ausstellung  der  Dresdener  Akademie.  —  Merkwürdige  Ver- 
steigerungen. —  Allerlei;  eb.  Nr.  16. 

e»,  Nachrichten  aus  Dresden.  —  Denkmünzen,  —  Ankündigungen; 
eb.  Nr.  17. 

eb,  Dresdener  Kunstausstellung.  —  Auctionsanzeigen ;  eb.  Nr.  18. 

ei.  Dresdener  Kunstausstellung.  Nachtrag.  —  Hamburger  Stein- 
drücke; eb.  Nr.  19. 

ek.  Horner's  Bilder  des  griechischen  Alterthums.  —  Denkmünze.  — 
Ankündigungen;  eb.  Nr.  20. 

el.  Prof.  Gerhard's  antike  Bildwerke.  —  Steindrücke.  —  Ackermann's 
Forget  me  not;  eb.  Nr.  21. 

em.  Bürger's  Lenore  in  zwölf  Umrissen  von  Ruhl.  —  Malerisches 
Denkmal  auf  Friedrich  August.  —  Denkmünze  auf  die  Petersbur- 
ger Akademie  der  Wissenschaften;   eb.  Nr.  22. 

en.  Architektonische  Altertliümer  von  Gellnhausen.  —  Hölzel's  Abbild- 
ungen der  Sclilosserwaaren.  —  Anzeigen;  eb,  Nr,  23. 

eo,  Ueber  den  Zweck  dieser  Notizenblätter.  —  Denk-  und  Preismün- 
zen. —  AlierleL  —  Ankündigungen;  eb.  Nr.  24. 

ej).    Rafaefs  Schatten.  —    Einheimisches.  —    Anzeige;    1828.    Nr.  1, 

cq,  Tliürmer's  Ansichten  von  Athen.  —  Fund  eines  neuen  Marmor- 
bruches in  Ungarn  für  Bildliauer.  —  Darmstädter  Zinkographie 
zum  Befsten  der  Alterthumskunde;  eb.  Nr.  2. 

er.    Inghiiami's  Gallgria  Onaerica.  —    v.  Wessenberg's  christliche  Bil- 


LIX 

der.  —  Blicke  auf  die  neuesten  Kunsterscheiaungen  In  Frankfurt 
a.  M.J   1828.  Nr.  3. 

es.  Neue  Schweizer-  uad  italienisclie  Ansichten  von  Wetzel.  — 
Teutschlands  Kaisermünzen  des  Mittelalters  von  Götz.  —  LoQsi- 
sche  Denkmünzen  auf  berühmte  und  verdiente  Teutsche.  —  An- 
zeige ;  eb.   Nr.  4, 

et.  Der  Fünfgurt,  Huldigungskupferstich  auf  das  Jubiläum  des  Grofs- 
Jierzogs  von  Weimar;  eb.   Nr.  5. 

eu.  Noch  ein  Wort  über  Palmaroli  in  Dresden,  —  Steindruck  in  Eng- 
land. —  Anzeige;  eb,  Nr.  6. 

ev.  König  Ludwig,  der  Wiedererwecker  teutscher  Kunst,  —  Einhei- 
mische Kunstnachrichten;  eb.  Nr.  7. 

ew,  Kunst- Allei'Iei, —  Anzeige;  eb,  Nr.  8. 

ex,  Einheimisclies,  —  MoUer's  Denkmäler  der  teutsclien  Baukunst; 
eb.  Nr.  9. 

ey.  Zeugnifs  für  Palmaroli.  — ■  Blicke  auf  den  Kunsthandel  in  der 
Leipziger  Ostermesse;  eb,  Nr.  10.  11.  12, 

ez«    Anzeige  von  Dresdener  Kunstsaclienj  eb.  Nr.  11. 

fa.  Zur  Medaillenkunde,  —  Dresdener  Kunstanzeige  j   eb,  Nr,  12. 

fb.  Die  Kunstschätze  in  Obrzistwy.  —  Nürnberger  Kunstsachen  j  eb, 
Nr.  13. 

fc.  Anzeige;  eb.  Nr.  14. 

fd.  Göthe's  Portrait  von  Stieler.  —  Vorwort  über  die  diefsjährige 
Kunstausstellung;  eb.   Nr,  15, 

fe.  Die  vom  Domherrn  v.  Ampach  in  Naumburg  veranstaltete  Ge- 
mäldeausstellung. • —  Einheimisches;  eb,  Nr.  16. 

ff.  Zahn's  Ornamente  von  Pompeji.  —  Beurtheilungen ;  eb.  Nr.  17. 

fg.  Bauer's  Gemmen-  und  Medaillenpasten.  —    Anzeige;  eb,  Nr.  18, 
fli.    Einheimisches.  —  Taschenbucli -Kupfer, —  Die  Basiliken  in  Rom, 

—  Ethnographische  Denkmäler. —  Anzeige}   eb.  Nr.  19, 

fi.     Die  St.  Katharinenkirche  in  Oppenlieim;   eb.  Nr.  20. 

fk,  Elbprospecte,  —  Die  neuesten  Denkmünzen.  —  umrisse  zu  Gö- 
the's  Herrmann  und  Dorothea.  —  Anzeigen;  eb,  Nr.  21. 

fl.  Einheimisches.  —  Witscliel's  Morgen-  und  Abendopfer.  —  Ferdi- 
nand Ruschweih;   eb,  Nr.  22. 

fin,  Leipzig  und  seine  Umgebungen. —  Zahn's  Ornamente,  IL  Heft. — 
Literatur;  eb,  Nr.  23. 

fn.  Dalp's  Ritterburgen  und  Bergschlösser  der  Schweiz.  —  Esquisses 
des  drames  de  Shakespeare,  —  Joseph  Rebell,  —  Einheimisches  i 
eb.  Nr.  24. 

fo.    Eiidieimisches.  —  Literatur;  1829.  Nr,  1. 

fp,  Herder'sche  Kunsthandlung  in  Freiburg  im  Breisgau,  —  Einhei- 
misches. —  Anzeige ;  eb,  Nr.  2. 

fq,  Dr.  Dorow's  Kunstsammlungen  und  Ankündigungen.  —  Anzeige} 
eb.   Nr.  3. 

fr.     Archäologische  Correspondenzanstalt  in  Rom,  —   Werke  zur  Bau- 


LX 


kuiist  und  Alterthuniskunde.  —     Denkmünze,  —    Anzeige;  1829. 

^Y.  4. 

fs.     Kinlieimisches;  eb.  Nr.  5. 

ft.  Einheimisches  —  Pariser  Steindruck  der  Rafael'schen  Madonna 
in  der  Stiftskirche  zu  Kouen.  —  Litliograpliirte  Kircliengesänge 
mit  Einfassungen  von  Arabeskcnbildern;  eh.  Nr.  6, 

fu.  Crescenz  Jak.  Seydehnann.  —  Der  Glasmaler  Viertel.  —  Beab- 
sichtigte Stiftung  für  Künstler;  eb.  Nr.  7. 

fv.  Blicke  auf  die  Ateliers  und  Kunstleistnngen  Dresdener  Künstler.  — 
Maxim,  v.  Speck's  Gemäldesammlung.  —   Allerlei;   eb.   Nr.  8. 

fw.  Kunstnachrichten  aus  Dresden. —  Britische  Akademie  in  Rom. — 
Schlofs  Marienburg;  eb.  Nr.  9. 

fx.  Bemerkung  über  perspectivische  Darstellung  auf  Münzen.  —  An- 
kündigungen-, eb.  Nr.  10, 

fy,  Kunstliandel  und  Kunstschau  während  der  Leipziger  Ostermesse; 
eb.  Nr.  11.  12. 

fo.  Schirmende  Fürsorge  wegen  Erhaltung  alter  Kunst-  und  Baudenk- 
maler; eb.  Nr.  11. 

ga,  Kunde  aus  dem  Meifsener  Oberlande.  —  Denkmünzen.  —  Ankün- 
digung; eb.  Nr.  12. 

gb,  Prof.  Dahfs  neueste  Landscliaftsgemälde,  —  Henriette  Sonntag  als 
Agathe  im  Freischütz.  —  Mazeppa  unter  den  Wildfängen  in  den 
Steppen  der  Ukraine.  —  Umrisse  nach  Tliorwaldsen's  Werken.  — 
Allerlei.  —  Anzeige  einer  Gemäldeversteigerung;  eb.  Nr.  13. 

gc   Einheimisches,  —  Farben;  eb.  Nr.  15. 

ed.  Prof.  Vogel's  Portraitsammlung.  —    Ernst  Oelime's  Reichenbach- 

j^lp^  —    ZöUner's  Cliristus  von   Carlo  Dolce,  —    Denkmünze   auf 

Hahnemann.  —  Anzeige;  eb,  Nr.  16. 

ge.  Blicke  auf  die  gegenwärtige  Kunstausstellung;  eb.  Nr.  17,  19.  20. 

gf.  Wanderungen  einzelner  Bildwerke,  —  Blumenmalerei  in  colorirten 
Bildtafeln;  eb.  Nr.  17. 

gg.  Nekrolog.  —  Allerlei.  —  Anzeigen ;  Nr.  18. 

g]i.   Bildliche  Erinnerungen   an    den  Reichstag    zu  Worms   und  an  die 

Augsburger  Confession.  —  Anzeige;  eb.  Nr.  19. 
gi.    Allerlei.  —  Anzeigen;  eb.  Nr.  20. 
gk.    Baron  v.  Stackelberg's  malerische  Prospecte  von  Griechenland.  — 

Anzeige;  eb.  Nr.  21. 
gl.    Kupfer-    und  Staldsticlie   in    den  Taschenbuchern.  —    Loosische 

Denkmünzen;  eb.  Nr.  22. 
gm.  Litliographie;  eb.  Nr.  23.  24. 

gn.    Malerisclie  Ansichten  von  Prag  in  7  colorirten  Blättern ;  eb.  Nr.  24. 
go.   Der  säclisische  Kunstverein  in  Dresden,  —   Des  Bildhauer's  Mack 

Arbeiten  in  Conturen  ;  1830.  Nr,  1. 
gp.   Einheimisches;  eb.  Nr.  2. 
gq,   Lebenszeichen     der  archäologisclien   Correspondenzgesellschaft    in 

Rom,  —  Einheimisches.  —   Fortgesetzte  Kunstwerke;    eb.  Nr.  3. 


LXI 

gr.    Kinheiinisclies ;  1830.  Nr    4. 

gs.  Prof.  Blasins  HÖl'ers  neueste  Versuclie  im  Holzschnitt.  —  Die  v, 
Canicofsclie  Gemäldeversteigerung. —  Ikonologie. —  Anzeige;  eh. 
Nr.  5. 

gt.    Das  Mantnanische  Gefdfs,  —  EinlieimiscJies ;  el).  Nr.  6. 

gu.  Ernst  Stölzel.  —  Gedäclitnifsmünze  auf  «lie  Jubelfeier  der  Augs- 
burgisclien  Confession ;  eh.  Nr.   7. 

gv.  Vogel's  Altarbild.  —  Wilhelm  Zahn's  neueste  Werke.  —  Leipziger 
Stein  drücke;  eh,  Nr.  8, 

gw.  Kunstschau  anf  der  Leipziger  Jubilatemesse ;  eh.  Nr.  9,  10. 

gx.  Francesco  Inghirami's  Galeria  Omerica, —  Raoul-Rochette's  Mo- 
nuniens  inedits.  —  J.   Fr.  Baumann;  eb,  Nr.  11. 

gy.  Zur  Medaillenkunde.  —  Luther  in  Leben  nnd  That,  ein  Bilder- 
buch. —  Trangott  Leberecht  Pochmann;  eb,  Nr.  12. 

gz.   Allerlei;  eb.  Nr.  13. 

ha.  Hirt's  Bemerkungen  über  die  Dresdener  Gemäldegalerie  und  das 
Antikenmuseum.  —  Periorama  von  Teplitz  ;  eb.  Nr.  14. 

hb.    Einheimisciies.  —  Ankündigung;  eb.  Nr.  15. 

hc.  Einheimisches.  —  Das  königl.  Museum  in  Berlin.  —  Entwürfe 
nnd  Studien  eines  niederländischen  Meisters  aus  dem  fünfzehnten 
Jahrhundert;  eb.  Nr.  16. 

hd.   Einheimisches;  eb.  Nr.  17. 

he.   Dresdener  Kunstausstellung.  —  Fülirig's  Genovefa ;  eb.  Nr.  18, 

hf.    Zur  Medaillenkunde;  eb.  Nr.   18.   19. 

hg.  F.  nnd  G.  Riepenhausen  und  ihre  neuesten  Werke.  —  Allerlei; 
eb.  Nr.   19. 

hb.  Wichtige  Ergebnisse  der  Ausgrabungen  des  Prinzen  Canino  in 
der  Ebene  bei'm  alten  Velinum ;  eb.  Nr,  20,  21. 

hi.     Malerisclie  Darstellung  von  Prag.  —  Ankündigung;   eb.  Nr.  20. 

lik.  Der  verteutschte  Lanzi.  —  Die  AViener  Aglaja;  eb.  Nr.  21. 

hl.  Vorwort  zu  Hirt's  Gegenbemerkung  über  seine  Kunstbemerkun- 
gen. —  Anzeige;  eb.  Nr.  22. 

Lm.  Einheimisciies.  —  Miszellen.  —  Anzeigen;  eb,  Nr.  23. 

hn,  Versammlungen  des  säclisisclien  Kunstvereins,  —  Der  Lithograpli 
Ludwig  Zöllner.  —  Lithographirte  Karten  und  Tabellen;  eb, 
Nr.  24. 

lio,  lieber  den  Doppelgänger  der  Dresdener  Sixtinischen  Madonna  in 
Ronen.  —  Radirungen  von  Ludwig  Richter.  —  Die  Sclilacht  bei 
Bauzen,  ein  Bataillenstück.  —  Anzeige;   1831,  Nr.  1. 

hp.  Eine  nnvergleichliche  Handzeichnung  Rafael's.  —  Artistisches  Sur- 
rogat für  die  Neujahrwünsche.  —  Gedächtnifsmünze ;  eb.  Nr.  2. 

hq,  Sonntagsversammlung  des  Kunstvereins  in  Dresden,  —  Der  Dom 
zu  Magdeburg.  —  Anzeige;   eb,  Nr.  3. 

hr,  Einheimisciies,  —  Der  Ritter  Giuseppe  Longhi,  —  Anzeigen}  eb. 
Nr.  4. 


lis.  Einlieiinisclies.  —  Die  Litliochromie.  —  Allerlei.  —  Anzeige; 
1831.  Nr.  6. 

ht.  Einlieiinisclies.  —  Denkmünzen.  —  Holbein's  Todtentanz.  —  An- 
zeige; eb.  Nr,  7« 

l»u.  Atlas  der  Sdilachten.  —  Gescliiclite  des  Reiclies  Gottes  in  Mil- 
dern. —  Besclireibung  der  Müncbener  Glyptotbek.  —  Allerlei ;  eb. 
Nr.  8. 

hv.    Blicke  auf  die  Leipziger  Ostermesse;  eb.  Nr.  9.  10,  11.  12. 

liw,  Leipziger  Verein  des  Kunstliandels ;  eb.  Nr.  9. 

lix.  Copmann's  Erfindung,  die  Pastellfarben  zu  iixiren«  —  Anzeige; 
eb.  Nr.  10. 

by.    Die  Bilderchronik  des  sächsischen  Kunstvereins;  eb.  Nr.  12, 

hz»  Marmorvase  im  gi'ofsen  Garten. —  Thorwaldsen^s  Statue  der  Hoff- 
nung, zum  Denkmal  auf  die  Frau  v.  Humbold  aufgestellt.  —  An- 
zeige; eb.  Nr.   13. 

ia.  Kunstausstellung  in  Dresden.  —  Grofse  Portraitsammlung.  —  Li- 
thographirtes  Portrait  von  Ihre  K,  H.  der  Prinzessin  Amalia  Au- 
gusta;   eb.  Nr.  14. 

ib.    Ausstellung,  —  Denkmünze.  —  Allerlei;  eb,  Nr.  IS, 

ic.     Ansstellung.  —  Gedächtnifsmünzen;  eb,  Nr.   16, 

id.    Ausstellung,  —  Notizen ;  eb.  Nr.  18. 

ie.  Die  Dresdener  Bildergalerie.  —  Der  Professoren  Enslen  und  Sac- 
chetti  Dioramen,  —  Prof.  Oesterley's  Umrisse  zu  Wilhelm  Teil,  — 
Anzeige;   eb.  Nr.  19. 

if.  Herrmann's  Jupiterstatue.  —  Zur  Literatur  und  Kunst.  —  Noti- 
zen; eb,  Ni-,  20. 

ig.  Costüme.  —  Ueber  die  neueste  Bereiclierung  der  Vasensammlung 
im  k.  Museum  in  Berlin;   eb.  Nr    21. 

ih.  Yerzeichnifs  der  in  Teutschland  erscheinenden  Kunstsaclien  in 
Monatslieften.  —  Denkmal  auf  die  Sclilacht  bei  Breitenfeld,  — 
Ludwig  Zöllner  in  Dresden.  —  Ankündigung;  eb.  Nr.  22. 

ii.    Holzschnitte,  ~  Anzeige;  eb,  Nr,  23. 

ik.    Einheimisches.  —  Portraits;  eb,  Nr.  24. 

il.  Bildliche  Neujahrsgeschenke  in  Böhmen.—  Erhaltung  alter  Kunst- 
denkmäler  in  Sachsen;  1832.  Nr.  1. 

im,  Säclisisches  Künstler- Lexikon,  —  D,  Lucanus,  über  Restaurirung 
der  Gemälde;  eb,  Nr.  2. 

in.     James  Millingen  P^sq.  —  Ankündigung;   eb,  Nr.  3, 

io  Versammlungen  zur  Beschauung  und  Beurtheilung  der  Kunstge- 
genstände. —  Kupfer  zu  Taschenbüchern,  —  Spekter'scher  Stein- 
druck in  Hamburg;  eb,  Nr.  4. 

ip.    Prof.  Dahl's  neueste  Landschaftsgemälde.  —  Allerlei ;  eb,  Nr.  5. 

iq.  Italienische  Kunstliteratur.  —  Verzeichnisse,  •—  Ankündigung;  eb. 
Nr.  6. 

ir.  Göthe's  Apotheose  auf  einer  Denkmünze.  —  Karl  y.  Kügelchen; 
eb.  Nr,  7, 


is.     Einheimisclies.  —  Prof.  Julius  Sclinon's  Carton;  1832.  Nr.  8. 
it.     Einheimisches.  —  Denkmäler  der  griecliisclien  und  teutschen  Bau- 
liunst.  —    Denkmünzen.  —    Kunstvereine  und  Ausstellungen;    eb. 
Nr.  9. 
in.    Der  Todtentanz   auf  dem  Dresdener  Kirchhofe   za  Neustadt;    «b. 

Nr.  10. 
iv,    Alterthümliche  Bildwerke;  eb.  Nr.  11. 
iw.    Einheimisches.  —  Notizen.  —  Anzeige;  eb.  Nr.  12. 
ix.    Der  Kunstliandel  in  der  Leipziger  Ostermesse;  eb.  Nr.  13.  14, 
iy.    Englische  Spottbilder;  eb.  Nr.  13. 
iz.     Kunstnachricliten.  —  Ankündigung ;  eb.  Nr.  14. 
ka.   Die  Kunstausstellung  in  Dresden.  —  Allerlei;  eb.   Nr.  15, 
kb.    Denkmäler  der  alten  Kunst.  —   Köhler,  über   die  Fischereien  der 

Alten   im  schwarzen  Meere.  —    Künstliclie  Eisenarbeiten.  —   Das 

Verzeichnifs  der  v.  Ampach'schen  Kunstschätze.  —    Allerlei  J  eb» 

Nr.  16. 
kc.    Dresdener  Ausstellung.  —  Portraits  von  Göthe.  —  Anzeigen  J  eb, 

Nr.  17. 
kd.  Thorwaldsen's  "Werke.  —  Anzeigen ;  eb.   Nr.  19. 
ke.    Heinrich  Meyer  in  Weimar.  —    Denkmal   auf  Justus  Moser J    eb, 

Nr.  20. 
kf.    Kunstausstellungen  und  Kunstvereine;  eb.  Nr.  20.  22. 
kg.    Klng's  Fahrt  des  Aeneas  an  die  Küste  von  Latium.  —  Teutscher 

Rittersaal  von  Keibisch. —  Nekrolog. —  Denkmünzen;   eb.  Nr. 21. 
kh.   Am    Grabe    Heinrich   Meyer's.  —     Erklärung     der    Hogarth'schen 

.Si)ottbilder   von  J.  Pierre  Lyser.  —    Monument    auf  Guttenberg; 

eb.  Nr.  22. 
ki.    Der  Sonntag  in  sechs  Kupfertafeln  von  Berthold.  —  Portrait  von 

Fr.  K.  v.  Strombeck.  —    Denkmäler.  —  Mancherlei;  eb.  Nr.   23. 
kk.    Stölzel's    Krönung    der    Jungfrau.  —    Einheimisches.  —    Ludwig 

Richter's  malerische  Ansichten ;  eb.  Nr.  24. 
kl.    Der  St.  Stephansthurm  nnd  seine  alten  Kunstdenkmale  von  Tschiscli- 

ka.  —  Ludwig  Grüner.  —  Allerlei.  —  Die  gräflicli  Einsiedel'sche 

Kupferstichsammlung;   1833.   Nr.   I. 
km  Sir   Humphry   Davy's  Betraclitungen    auf  einer   Reise.  —    Dauer 

der  Gypsabgüsse ;   eb.  Nr.  2. 
kn.   Münzkunde.  —    Portrait    des  Prinzen  Mitregenten    von   Zöllner» 

eb.  Nr.  3. 
ko.    Antike  bemalte  Thongefäfse.  —   Der    kreuztragende  Heiland  von 

Eicimer;  eb.  Nr.  4, 
kp.   Thätiger  Eifer  des  Kunst-  und  Gewerbevereins  in  Königsberg. — 

Stahlstich;  eb.  Nr.  5. 
kq,   Dominico  Rosetti's  Montiment  auf  Winckelmann  in  Triest.  — ■   Die 

sieben   Schwaben.  —  Allerlei;   eb.  Nr.  6. 
kr.    Die  Schlofskirche  zu  AVechselburg,  dem  ehemaligen  Kloster  Zschil- 

len,  —  Kunst   in  Polen.  —  Paul  Gerhard's  Bilduifsj   eb.  Nr,  7, 


LXIV 

ks.  Erste  Kimstaiisstellung  in  Hannover.  —  üebcr  Wien  und  IMiin- 
clien.  —  Litliograitliiito  llandzoiclmungen  aus  der  .SainnUiing;  des 
J'^rzherzogs  Carl  von  Oesterreicli;  1833.  Nr.  8. 

kt.  Blicke  anf  den  Kunsthandol  in  der  Leii)ziger  Osterniesse;  eh, 
Nr.  9.   11. 

kn.  Das  Geistreicliste,  was  die  letzte  Messe  braclite.  —  Merkwürdige 
Erscheinung;  eb.  Nr.  9. 

kv.  König's  Denkmünze  auf  die  Vermahlung  des  Prinzen  Friedrich, 
Mitregenten  von  Sachsen.  —  Dresdener  Kunstsachen.  —  Nach- 
richt;  eb.  Nr.  10. 

kw.  Vaterläiidisclie  Alterthnmskunde;  eb,  Nr.  12, 

kx.  Andeutungen  zur  neuesten  Kunstliteratur.  —  Overbeck's  'Vinzug 
Christi  in  Jerusalem ,  von  Otto  Speckter.  —  Köhler,  über  einige 
noch    unerklärte   Masken   auf  geschnittenen  Steinen;    eb.  Nr.   13» 

ky.  Blicke  auf  die  neuesten  Werke  über  die  alte  Kunst,  —  Das  rö- 
mische Leben ;   eb,  Nr.  14, 

kz.   Einheimisches  ;  eb.  Nr.  15. 

la,     Dreifsig  Erinnerungsbidtter. —  v.  Amnion's  Portrait. —  Vermischtes. 

—  Liederl)nch  für  teutsche  Künstler;  eb.  Nr,  16. 
Ib.    Einlieimisches;  eb.  Nr.  17, 

Ic.     Vermisclites ;  eb.  Nr.  18. 

Id.     Mannichfaltiges.  —  Anzeige;  eb.  Nr.  19. 

le.     25  Ansicliten  der  St.  Gottliards-Strafse.  —  Litliograpliie  von  Giere 

nach  einem  Gemälde  von  F.  und  J.  Riepenhauseri.  —  Das  Sittliclie 

der  bildenden  Kunst    bei   den    Grieclien,   von    D,    Grüneisen,  — 

Neueste  Kupferstichauctionen ;  eb.  Nr.  20. 
If.     Archäologische  Studien,  —    Einlieimisches,  —    Anzeige;    eb»  Nr. 

21. 
lg,     Monumens  inedits,  von  Raoul-Rochette ;  eb.  Nr.  22.  23. 
Ih,     Lithographieen  und  Holzschnitte,  —  Versciiiedenes ;  eb.  Nr.  22, 
li.     Professor  Thürmer.  —  Ankündigung;  eb.  Nr.  23. 
Ik,     Kunstausstellung  in  Königsberg    —    Neue  Kupferstiche,  —     Vita 

di  Rafaele  da  Urbino.  —  Anzeige ;  eb.  Nr.  24. 
11.      Neue  Kupferstiche. —  Weitbrecht's  vier  Jahreszeiten ;   1834.  Nr.  1. 
Im.  Dr.  MüUer's  Beiträge  zur  teutschen  Kunst-   und  Geschiclitskunde, 

—  Andreas   Ilofer,    von   Scholler,  —     Die  Magazine    mit  Holz- 
schnitten. —  Notiz;  eb.  Nr.  2. 

In.     Blick  anf  ein  englisches  Kunstatelier;   eb.  Nr,  3. 

lo.     Geliert's  Portrait,  —  Auctionen.  —  Anzeige;  eb,  Nr.  4. 

Ip.     Besuch   in    den  Werkstätten    einheimischer  Künstler.  —   Ephraim  . 
Gottlieb  Krüger.  —  Allerlei;  eb.  Nr,  5. 

Iq,  Besuch  in  den  Werkstätten  einheimischer  Künstler.  —  Ankündig- 
ung des  Kupferstichs  von  Correggio's  heiligejii  Franziscus  in  der 
Dresdener  Gemäldegalerie;  eb.  Nr.  6. 

Ir,  Dodwell's  cyklopische  Mauern.  —  Finden's  Bibellandschaften,  — 
Besuch  in  den  Werkstätten  einheimischer  Künstler;  eb.  Nr.  7, 


Is.     Besuch  in  dea  Werkstätten  u.  s.  w. ;  1834.  Nr.  8. 
It.     Anwendung   der  HolzscJineidekunst  auf  wohlfeile   und  geschmack- 
volle Ünterhaltungsschriften ;  eb.  Nr.  9. 
lu.    Einheiinisdies.  —  Prof.  Hartmann's  Bemerkungen  über  die  königU 

Akademie  der  Künste;  eb,  Nr.  10. 
Iv.     Kunstsdiau  auf  der  Leipziger  Ostermesse;  eb.  Nr.  11.  12, 
Iw.    Der  Triumph  des  Stahlstiches)  eb.  Nr.  11. 
Lx.    Die   erste  Lieferung   von  der  Fortsetzung  des   grofsen  Münchener 

Galeriewerkes ;  eb.  Nr.  12. 
Ij-,     Prof.  Rietschcrs  Relief- Cyclus  in  dem  Fronton   des  Angusteums 
in  Leipzig.  —    Landschaften   und   Prospecte.   —    Lange's    Monu- 
mente   der  gothischen   Baukunst   zwischen  Mainz  und  Cüln;    eb. 
Nn  13, 
Iz.     Petzl's  neuestes   Bild,  —    Tresor  glyptique  et   nuniismatioue.  — 

Anzeige ;  eb,  Nr.  14. 
ma.  Die  Dresdener  Kunstausstellung.  —   Semper,   über  vielfarbige  Ar- 
chitectur   und    Sculptur    bei   den  Alten.  —   Allerlei.  —    Anzeige; 
eb.  Nr.  15. 
tiib.  Lithographie,  —  Prof»  Höfers  Holzschnittschule.  —  Allerlei;    eb. 

Nr.  16. 
mc.  Archäologisches  Institut  in  Rom.  —  Galerie  der  Vasen  im  kÖnigl, 
IVFuseum  in  Berlin.  —   Jäck's  Schriftmüster  der  Bamberger  Biblio" 
thek.  -T-  Benedetti's  Portrait  des  Kaisers  Franz;  eb.   Nr.  17. 
hid.  P^inheimisches;  eb.  Nl".   18. 

me.   Gräfin  Julie  von  Kglofstein.  —  Römische  Scenen;   eb.  Nr.  120» 
mf.    Das  Volksfest  von  Nürnberg.  —  Einlieimisches ;   eb.  Nr.   21. 
mg.  Prachtgefäfse  und  Pokale.  —  Ottfried  und  Eduard  ^Uillei'.  Schnaase. 
i —  Abbildung    des  geschnitzten  AltärschteinCs   in    der   Domkii'che 
zu  Schleswig;   eb.  Nr.  22, 
!iih.  Ein  Wort,  das  Gothe  gesagt  hat. —  D.  Grote's  Blattei-  zlil' .Mnnz^ 
künde,   —     Galerie    ausgezeichneter   Aerzie   von    Dr.   AVejland  in 
Paris.  —  Retzsch's  Umrisse  nach  Gölhe's  Faust;  eb»  Nr,  23, 
hü.    R.  Weigel's  Kunstcatalog,  —  Anzeigen ;  eb.  Nr.  24% 
mk,  Denkmalkunde,  —   Antiken- Cabinet  des  Grafen  Pourtales  in  Pa- 
ris. —  Kunstliteratur  ;  l835,  Nr.  1, 
hil,    Creuzbauer^s  Verlag;  eb.  Nr,  2, 

mm.  Münzkunde.  —    Numismatische   Anzeige   eines   Werkes   über    die 
lötnischen  Gröfsbronzen.  —  M,  K.  KlUg.  —    Anzeige ;   eb.  Nn  3. 
mn.  Thorwaldsen.  —  Kunstvereine.  —  Notiz}  eb.   Nr,  4. 
mo.  Herzogliche  Gemäldegalerie  in  Gotha.  —   Einheimisches.  ■^  An- 
zeige ;  eb,  Nr.  5. 
mp.  Schinkel's  architektonische  Entwürfe.^—  Einlieimisßhes ;  eb,  Nr  G. 
niq.  Ottfr.   Müller's  Handbuch    der   Archäologie    —    Die    vertieft    ge- 
schnittenen Steine   der    königl.  preul's.  Gemmensammlung.  —    Pi- 
lot)'s  neues  Galeriewerk  in  München.  —  Anzeige;   eb.  Nr.  7. 
mr.   Neueste  Werke  über  die  Baukunst/  —    Einheimisches;  eb,   Nr,  8. 
Bötliger's  hleiiie  Scliriftcn  I.  E 


LXVl 

ms.  KinlK'iijiisclies.  —  Ansichten  und  Prospecte.  —  Gelliard's  arcliäo- 

lopisclie    Vorlesungen.  —    Levezow's    Abliandlnngen.  —    Anzeige; 

eh.  Nr.  9. 
mt.   Kiinstvereine ;  eb.  Nr.  10. 

mu.  Knnstbericlit  von  der  Leipziger  Ostermesse.  —  Notiz;  eb.  Nr,  11, 
mv    Ilolbein's  Todtentanz.  —  Notizen  ;   eb.  Nr.  12. 
mw.  C.  F.  Kolhe.  —  Kinheiinisclies.  —    Allerlei ;  eb.  Nr.   13. 
mx.  Ferdinand  Pettrich.  —    Fr.  Hanfstängel.  —    Schnitters  colossaler 

Helm   als  Denkmal    auf  den  General  Lecoq.  —   Schuster's    grofse 

Reliefcharte  von  Mitteleuropa;  eb.  Nr.   14. 
my.  Die    akademische    Gemäldeansstellung    in   Dresden.  —   Kinlieimi- 

sclies;  eb.  Nr.  15. 
mz.  Vorlegeblätter  für   Verziernngskünstler.  —    Scliinkers  Meiibelent- 

würfe.  —  Kalisch;  eb.  Nr.  16, 
na.    Einlieimisclies;   eb.  Nr.  17. 
nb.    Das  Monument  bei  Tejditz;  eb.  Nr.  18. 
nc.    Klemm's  germanische  Altertliumsknnde;   eb,  Nr.  19. 
nd.    Galeriewerke.  —  Kunstliteratni-,  —  Naclirichten;   eb.  Nr.  20« 
ne.    Das  Königsmonument  in  Miinclien;  eb.  Nr.   21. 

52.  iJ»   «ler  Leipziger  IM  o  d  e  z  e  i  l  ii  ii  a,- : 

Brief  an  den  Herausgeber  der  Leipziger  Allgemeinen  Modezeitung. 
1824.  Nr.   55.  56,,  57. 

53.  in  dorn  dem  Mo  rgen  hla  tte  für  gebildcle  Leser  beii;eü,oI)e- 
iieii   Literafinhlatle  : 

a.  Blicke   auf  merkwürdige  Erscheinungen  in   der    Literatur;    1824, 
Nr.  1.  3. 

b.  Noch   ein  Wort  über  die  tausend  und    eine  Naclit  und  einige  an- 
dere Saclien ;   eb.  Nr.  18. 

c.  Blicke  auf  Historiographie;  eb.  Nr.  19.  20. 

54.  in  (lern  der  A  b  e  n  d  z  o  i  t  ii  n  «^  beigoi!,ehenen  E  I  n  h  e  i  m  i  s  c  li  e  n  : 

a.  Numismatik.  —  Nichtakademisclie  Vorlesungen;  1825.  Nr.  3. 

b.  Das  Kthnorama;'l82G.   Nr.   1. 

c.  Don  Gutiere;   eb.  Nr.   2.  3. 

d.  Einheimische  Literatur;  eb.  Nr.   21.  23, 

e.  Ueber  das  Vergnügen  der  Schlittenfahrt,  zum  Fest  eriioben;   1827 
Nr.  3. 

f.  Fridericum  Augustum,   Patrem  Patriae    palma   coelesti   donatum; 
eb.  Nr,  9. 

g.  Neuer  Metaligufs  der  Glocken  in  Meifsen;  eb.  Nr,  14. 

li.    Der  Tasclienspieler,     Uebersetzung    eines    Briefes    des  Alcipliron } 
1828.  Nr»  2. 

55.  in  F.  A.  Ebert's  üeberliefer ungen  (1826): 

a.  üeber  J.  D.  Michaelis  Lehren    und  Leben   in  Göttingen;    Bd,    I. 
Hft.  2,  S.  49-57. 

b.  Cicalataj  eb.  S,  57  —  75. 


LXVII 

c.  Erinnerungen   an   das  Üterarisclie  Berlin;  eb,   S,  97  — 117,   und 
B«l.  2.  Hft.   1.   S.  33  —  46. 

d.  Literarisciies  Leben  an  der  Universität  Kiel,   beobachtet  auf  einer 
Reise  dahin  von  Hamburg  im  J.    1797;  eb.  S.  130 — 160. 

56.  in :  Funken,  a  n  s  H  y  iii  e  n  s  F  a  c  k  c  i  !>°  c  z  ü  ii  d  e  t ,  unserer 
Antonia  Hasse,  Dresden  1827,  16.  Die  Hvacinllie  S.  3 — 8. 
u.  Frau  Schindler  S.  28.  (Tentsehc  Gcdiehle). 

57.  in  Jahn 's  Jahrbüchern  für  Philologie  und  Päda- 
gogik, Bd.  9.  1829.  S.  211—219.  —  Ueber  die  ueu- 
euldecktCH  Grotlengeaiäldn   von  Tarquinii. 

58.  in  :  Spruch-  u  n d L i e d e  r k r a n z  zum  AlbrechlDürre rs- 
Fesle  i»  Dresden.  Dresd.  1828.  8.:  Rede  S.  9—18.  uud 
Aufruf  zur  Stiftung  eines  Kunstvereins  S.  36 — 39. 

59.  in  Nostitz  uud  Jünkendorf  s  Beschreibung  der  Heil- 
nud  Yerpflegungsanstalt  Sonnenstein.  Dresd.  1829.  8. — 
Ueber  eine  Stelle  iu  Piuel's  Nosographie;  Th.  1.  S.  307.  ff. 

60.  in  der  AI  Ige  me  ine  n  Schul  zei  tu  ug  (zweite  Abtheilung)  : 

a.  De  loco  Horatiano  a  Groebelio  tentato  und  Epistola  ad  Groebeliuin 
missa.  1829.  Nr.  56. 

b.  Genethliacon  ad  amicum  coelibem.  eb.  Nr.  73. 

61.  in  der  Leipziger  Literatur -Zeitung:  De  Lobekii 
Aglaophanio  narratio,  1830.  Nr.  134. 

62.  in  Bra  n's  Mi  nerva:  Vorwort  zu:  die  Stimme  der  Todten; 
1835,  Dccember.  S.  369. 

63.  in  Christian  Gottfr.  Schülz's  Leben,  Charakter  nud 
Verdieust,  von  F.  K.  J.  Schütz  sind  Briefe  vou  Böttiger 
abgedruckt  Bd.  1,  S.  14  —  32. 

Vor  red  en : 

1,  zu  Wansey,  Tagebuch  einer  Reise  durch  die  vereinigten 
Staaten  von  Nordamerika,  ans  dem  Englischen.  Berlin  1797.  8, 

2,  zu  (Feruow's)  Sitten-  nnd  Culturgemäldc  von  Rom.  Go- 
tha 1812.  12. 

3,  zu  Bibliotheca  lo.  Christophori  Adelungii.    Dresd.  1807.  8. 
4»    und  Anmerkungen  zu  Elise    v.    d.  Recke,  Tagebuch 

einer  Reise  u.  s.  w.  B.  1.  —  4.  Berlin  1815. 
5.  zu  Catalogus  Bibliothecae  Fr.  Volcm.  Reinhardi.  Dresd.  1816.  8. 
,  6.  zn  der  Denkschrift  über  Lord  Elgin's  Erwerbun- 
gen in  Griechenland.  Nach  der  zweiten  englischen  Ausgabe 
bearbeitet"  mit  Bemerkungen  der  Weimar'schen  Kunstfreunde. 
Leipzig  und  Altenbnrg.  1817,  m.   l  Kupf. 

7.  und  Aunierkungen  zu  Winckelmaiin's  letzter  Lebeuswoche 
von  D.  Dom.   v.  Roselti,  Dresden  1818. 

8.  zu   Pandurus   Hari    oder   Denkwürdigkeiten   eiues  Hindu.     A. 
d.  E.  B.   1  —  3.  Bresl.  1826. 

9.  Vorwort  zur  praktischen  Anleitung  zur  Redekunst;   Dresd. 
1829. 


10.  Vorwort   zur  praklisclcn  Anleitung-  zur  Dichllvunsl;    Dresd. 
1820. 

11.  Einleitung-  zu  Cleveland ,  nalürl.  Solm  Cromwell's,  frei  über- 
setzt von  St.  Nellv.  Th.  1  —  3.  Leipzig  1832. 

12.  zu    Ca(aIo2,ns   libroruiu    quos    collegit.    A.    Tli.    GeLhardtius, 
Dresd.  1833.  8. 

B  ö  1 1  i  g-  e  r  g  a  h  heraus: 

1.  (*)  Das  Journal  des  Luxus  und  der  Mode,  1796 — 
1804,  obgleicl»  Uertuch  als  Redacteur  fortwährend  geuannt 
■wurde. 

2.  (*)  Den  neuen  teutschen  Merknr  1797  —  1809,  unter 
AV  i  e  1  a  n  d '  s  Namen, 

3.  (*)  Dresdener  L and wchrb lütter  Nr,  1 — 15.  Dresd. 
1814.  n.  1815.    8, 

4.  (*)  mit  Vorrede:  Briefe  ans  Rom  i.  d.  J.  1808—10. 
üb.  die  Verfolgung,  Gefangennehmung  u.  Entfernung  des  Pap- 
stes Pins  VII.  von  Friederike  Brun.  Dresd.  1816.  2le 
Auflage  mit  Pius  VI.  Bildnifs.  1820. 

5.  Das  artistische  Noiizeublatt,  welches  seit  1822  — 1835  der 
Dresdener  Abendzeitung  beigegeben  wurde. 

6«  mit  Th.  Hell:  K.  F.  van  derVelde's  Schriften,  3te 
Auflage  nebst  Lebenslauf  und  Briefen.  Bd.  1  —  25,  Dresd. 
1825  —  27. 

•Anonym:  s,  oben  Allgemeine  Zeitung-;  aufscrdem 
Recensionen  in  der  Allgemeinen  und  der  Leipziger  Lileralur- Zei- 
tung, in  der  neuen  aligemeinen  teutschen  Bibliothek,  in  der  Go- 
thaischen Gelehrten -Zeitung,  in  der  Leipziger  Zeitung  s.  1831, 
iu  dem  literarischen  Conversalionsblatt,  im  Couversations-Lexikou, 
in  den  teutschen  Blättern.  Einzelne  Artikel  sollen  auch  in  der  En- 
C)klop;idie  von  Ersch  und  Gruber  sich  finden,  und  vieles  von  lo- 
calem  und  tempoiärcm  Interesse  in  dem  Dresdener  Anzeiger  theils 
mit  seinem  INamcu  ,  theils  ohne  densclbeu. 


•>^^Q^B>< 


Inhalts verzeichnifs  des  ersten  Bandes. 


1^' 


Seite. 
Vorrede  des  Herausgebers       ♦♦,..         «..;.♦«        "VIT. 

Verzeichnifs  von  C,  A,  Böttiger's  sämmtlichen  Scliriften     ^    ,    ,      XIIL 


Erste  Abtheilung. 

Zar  Mythologie  der  Griechen  und  Römer. 

Seite. 

I.  Pallas  Miisica  und  Apollo,  der  Marsyastödter ;  aus  Wie- 
land's  attischem  Museum.  Bd.  1.  1796.  Heft  2.  S.  279.— 38o.  3 

II.  Ilithyia  oder  die  Hexe;  ein  archäologisches  Fragment  nach 
Lessing.  "Weimar.  1799.     C^^azu  Tafel  I.) 61 

HI.    Dife  heilbringenden  Götter;  aus  dem  Journal  des  Luxus  und 

der  Moden,   1803.  Januar.  S.  3  —  31.     (Dazu  Tafel  II.)       .         93 

IV.  Der  Aesculapiusdienst  auf  der  Tiberinsel-,  aus  K.  Sprengel's 
Beiträgen  zur   Geschichte    der  Medizin,    Bd.    1«  St,  2.    S, 

163  —  202 ♦     .       112 

V.  Aelteste  Spuren  der  Wolfswuth  in  der  griechischen  Mytho- 
logie j  aus  K.  Sprengel's  Beiti'ägen  zur  Geschichte  der  Me- 
dizin. Bd.  1.  St.  2.  S.  1  —  45 ,     .     .     ♦      135 

VI.    Eros  und  Anteros;  aus  der  allgemeinen  Literatur -Zeitung. 

1803.   Bd.  4.   Programm  .     .     .     ^    .    . 159 

\U,  Cyclopen  und  Arimaspen ;  Sitte  der  Alten ,  sich  den  Körper 
zu  malen  und  zu  punktiren ;  aus  Wieland's  teutschem  Mer- 
kur.  1792.   St.  6.   S.   139  —  164 164 

yill.    Die  Jungfernprobe  in  der  Drachenhöhle  zu  LanuviumJ  aus 

-     dem  Gothaischen  Hofkalender  1795.  S.  34.  IF. 178 

IX.    üeber  die  Keledonen ;   aus  Wieland's  neuem  teutschen  Äler- 

kur.    1800.    St.  5.  S.  56  — 64 183 


I.XX 

Zweite  Abtheiliing, 

Zum  BühneiiwescD  der  Gricehen  und  Römer, 

Seite. 
I.    Die  Furienmaske   ira  Tranerspiel   und  auf  den  Bildwerken 
der  alten  Griechen,    'VVeiinar.  1801.  8.     (Dazu  Tafel  IH — 

VI.) 189 

II.    Das  Schwert  der  tragisclien  Muse;  aus  M'ieland's  teutscheni 

Merkur.  1802.  St.  4.  S.  302—308 277 

III.  Tragische  Masken  und  Tempel  der  Alten ;  eine  archäologi- 
sche Parallele;  aus  AVieland's  teutschem  Merkur.    1799.    St. 

11.  S.  217  —  237 281 

IV.  lieber    die   Sclaventracht    der  fabula    palliata;    ungedruckt, 

aus  einem  Briefe  an  einen  Freund  vom  Jalire  1834    .     .     ,       292 

V.  Waren  die  Frauen  in  Athen  Zuschauerinnen  bei  den  drama- 
tischen Vorstellungen?      Erste    Abhandlung    aus   Wieland's 

teutschem  Merkur.  1796.  St.  1.  S.  23  — 47 ♦     .       295 

Zweite  Abhandlung.     Waren  die  Athenerinnen  wirklich  vom 
Theater  ausgeschlossen?    Aus  Wieland's  teutschem  Merkur. 

1797.  St.  3.  S.  224  —  233 308 

Dritte    Abhandlung;    aus    dem  Morgenblatt    für    gebildete 
Stände.  1808.  Nr.  309—311 313 

VI.    Der  Händezoll,    an  die  dramatische  Muse  bezahlt J  aus  Fr. 

Kind's  Muse.  1822.  Bd.  3.  Hft.  2.  S.  1  —  40 321 

Zugabe  zur  zweiten  Abtheilung. 

Ueber   die  Aufführung   des   Ion  auf  dem  Hoftlieater  zu  Weimar. 

Nebst  Vorbemerkung  des  Herausgebers     ,,.♦...      328 


Dritte  Abtheilung. 

Antiquarisclie  Scherze, 

I.    Ueber  das  Bauzener  Backwerk;   aus  der  Lausitzer  Monats- 
schrift. 1793.    St.  9.  S.  1S4  — 167.   St.  10.    S.  199  —  201.     .       349 
II.     Der  vergötterte  Filtrirtopf;  ans  dem  Gothaischen  Hofkalen- 
der 1796    S.  49—58 360 

III,    Der  den  Jupiter  tragende  Hercules;  aus  dem  Almanach  für  , 

Weintrinker.  1812.  S.  1—40.  In's  Lateinische  übersetzt  in 
Beckii  Acta  Semrnarü  R.  Lipsiensis.  I.  p.  285,  mit  einigen 
hier  aufgenommenen  Bemerkungen  Beck's 36^ 

Anhang  zum  ersten  Bande.  I 

Antiquarische  Analecten.    Erste  Sammlung  Nr.  1 — 33.     *    .    ,    .      384 


Erste    A  b  t  h  c  i  1  u  n  g. 


Zur  Mythologie    der  Griechen   und  RiJmer. 


Pallas   Musica 

lind 

Apollo,   der  M  a  r  s  j  a  s  t  ö  d  t  e  r. 


Einleitung. 

T  ¥  as  der  alte  Hecatilns  gleich  in  der  Einleitung-  seiner  Ge- 
scludilssamuilnni>-  von  allen  Fabeleien  der  Hellenen  urtliciUe:  Viel 
und  lächerlich  sind  die  Erz  ilh  1  u  ngon  der  Hellenen, 
wie  sie  mir  vorkonnnen,  *)  —  das  gilt  gewifs  am  meisten 
von  den  Mjlhen,  die,  auf  attischem  Boden  entsprossen  oder  ver- 
pflanzt, von  altischen  Diclitern  und  Gescliichtsammlcru  gopilegt,  auf 
allen  Seiten  in  die  üppigsten  Schöl'slingc  des  Witzes  und  Spottes 
ausrankten.  Und  docli  sind  sie  auch  von  mehr  als  einer  Seite 
"wichtig  und  bemerkensvverth.  In  ihren  Forthildiingeu  und  Aus- 
schmückungen hat  sich  der  Charakter  des  leichtsinnigsten  und  lan- 
uenhaftestcn  ,  aber  aiu'h  des  witzigsten  nnd  lieuenswürdigsten  alier 
Völker  des  AllcrÜuims,  der  Athener,  eben  so  deutlich  und  scliaif 
abgedruckt,  als  in  einem  Lustspiele  des  Aristophanes ,  in  einem 
Dialoge  des  Philo,  oder  in  einer  Strafrede  des  Demosthenes.  Auch 
ßie  gehören  in  ein  attisches  Musen  ui. 

Eine  eigenthümliche  Pflanze  des  attischen  Bodens  war  auch 
das  Drama  in  seinen  drei  Haupfgattungen,  Dnrch  die  Athenischen 
Tragiker,  Satyriker  und  Comiker  erhielten  die  frühern  Slamni- 
iiberlieferungen  aus  dem  heroischen  Mylhenkreise ,  und  besonders 
jene  atiischen  Localsagen  und  einheimischen  Fabeln,  die  einst 
Philochorus  sammelte,  eine  ganz  neue  Ausbildung  ujid  eine 
oft  von  den  frühern  Erzählungen  sosehr  abweichende  Umgestalt- 
ung, dafs  es  sich  wohl  der  Mühe  verlohnt,  diesen  dramalischeu 
Fabelkreis  mit  den  gröfsern  und  kleinern  Ueberresten  der  altischen 
Schaubühne  noch  einmal  genau  zu  vergleichen  und  so  nach  und 
nach  Materialien  zur  schwersten,  aber  auch  lehrreichsten  aller  Mj- 
thologieen,  einer  dramatischen  Mythologie  der  A  t  h  e  n  e  r, 
und,  da  von  ihnen  die  ganze  Schrifistellerwelt  des  Alterthnms  ab- 
Ling,  der  Griechen  und  lliimer  überhaupt  vorzubereiten. 

In  Athen  blühten  auch  die  vorzüglichsten  und  tonangebenden 
KuuslHchulen,  besonders  in  Absicht  auf  Bilöliauer-  und  Bild^iiifser- 


0  Beim   Denietrius,  de  Elocut,  s.   XII,  p,  8«  ed.  Schneid. 

1* 


kniisl.  DtT  allisclio  Künstler  vorAibeltole  wiodor  nach  soliior  Art 
«Ich  SlnfT,  wie  er  ihn  vom  draraalischen  Dichter  aiii'  der  Schnii- 
hühno  hchaiidelt  sah.  So  wird  der  attische  dramatische  ■VTvthos 
gewöhnlich  auch  Künstlermythos  fiir's  f:,aiize  Altcrlhiim,  Ei»  weites, 
noch  nicht  hinh'inglich  hcarhcileles  Feld  für  deu  Bearheiler  atlisclior 
Mvthon  1 

Yoii  einer  andern  Seite  liebten  die  Athener  aucli  die  Yolks- 
wcisheit  in  Sprichwörtern  mehr  als  irgend  ein  anderer  Stamm  der 
Hellenen.  Mehr  als  die  Hälfte  der  S|»richw(»rterchiliaden,  die  neuere 
Sammler  nach  und  nach  aufgeschichtet  hahen  ,  sind  blos  im  Munde 
<ler  Auiker  gän^-  und  gebe  gewesen  nnd  erhielten  auch  nur  in 
ihrem  Munde  den  Zusatz  von  Reiz  nnd  den  nie  stumpf  werdenden 
Stachel,  den  mau  im  Alterthum  durch  attisches  Salz  anzudeu- 
ten pllegte.  Eine  kluge  Auswahl  einiger  der  pikantesten  und 
"witzigsten  dürfte  Yielleicht  auch  zu  einer  Aufnahme  im  attischen 
Museum  geeignet  sein.  Die  Engländer  *)  und  Italiener  **)  haben 
heut'  zu  Tage  selir  charakteristische  Sammlungen  der  Art.  Wer 
kennt  nicht  die  sprich wörlliche  Weisheit  der  Araber  und  i'ibrigen 
Orieiitalen,  wovon  uns  vor  Kurzem  aus  S ch  u  1  ten's  Nachlafs  eine 
so  lockende  Probe  bekannt  geworden  ist.  Warum  sollte  man  es 
nicht  auch  mit  den  alten  Allienern  versuchen? 

Yon  beiden,  den  altischen  Mythen  sowohl,  als  den  attischen 
Sprichwörtern  ,  sollen  nach  und  nach  in  dieser  Zeitschrift  einzelne 
Versuche  geliefert  werden.  Ich  nenne  es  Versuche,  da  sie  bei 
der  Art,  "wie  sie  ohne  alle  vorherige  Zuhereilungen  nnd  Samm- 
lungen niedergeschrieben  werden,  für  jetzt  noch  auf  Vollständigkeit 
und  höhere  Vollendung  Verzicht  thun  müssen.  Auch  konnte  ich 
dabei  noch  keinen  verbesserten  Plutarch  und  Alhenäus  be- 
nutzen. Zu  beiden  öifnen  sich  uns  für  die  Zukunft  fröhlichere  Aus- 
sichten. Wenn  nur  in  der  Hauptsache  uidit  fehlgegiillVn  wurde. 
Die  berichtigende  nnd  ergänzende  Nachlese  hört  vielleicht  auch  in 
diesen  Kleinigkeiten  nur  erst  mit  dem  Tage  auf,  wo  Solon  zu 
lernen  aufhörte. 


*")  Sclion  hatte  der  alte  Füller  in  seinen  Worthics  of  England  die 
Sprichwortweislieit  dieses  Landes  selir  fein  nach  den  Grafscliaiten 
geordnet.  Vermehrte  Auszüge  daraus  hat  Francis  Grose  in  sei- 
nem Provincial  Glossary  with  a  CoUection  of  Local 
Proverbs.  London  1790.  in  gr.  8.  gegeben. 
•*)  Scielta  de  Pvoverbi  e  Sentenze  Italiani  da  G.  VerrinJ, 
Ven.  J672,  in  8.  Wo  haben  wir  teutsche  Sammlitngon  dieser  Art 
aufzuweisen? 


Die    Erfindung  der  Flute    und   die   Bestrafung 
des    Marsyas« 

Jr  alias  Atlieno,  so  erzillih  ciii  bekannfcr  gTiecLlsdior  Mjdios, 
l'aiid  einst  auf  ihren  \Yan(Ieriiiigcu  die  Knotlieiirülire  voin  Ful'se 
i'jties  Hirsches  und  wurde  dadurcli  auf  deu  sinnreichen  Gedauken 
fioltracht,  diesen  Hölilnni!,en  einen  lehendigen  Odern,  einen  ninsi- 
ciilischen  Wohllaut  einzublasen.  So  erfand  sie  die  ersten  Flöten. 
Blit  einer  jedem  Virtuosen  verzeihlichen  Eitelkeit  liefs  sie  sich  hald 
darauf  im  goldenen  Speisesaal,  wo  die  ülvm^ier  täulich  heim  Jupitec 
sclimaul'sten  ,  vor  allen  Göflein  und  Gödinneii  hören  und  bemci  kte 
zu  ihrem  Yerdnifs,  dafs  ihr  statt  des  gehoirten  Beilalls  vimi  der 
Juno  und  Venus  nichts  als  ein  spöuisclies  l.,achelu ,  eine  Löhnibcli 
Hufi^e werfe ne  Lippe  zu  Theil  wurde.  An  einen  Waudspieü,el  aiia 
Metall  war  damals  noch  nicht  zu  denken.  Sie  ninfste  also  zur 
Kothliilfe  der  arcadischeii  Schäferwelt,  zu  einem  spieg-elhellen  (^uell 
am  Gebirge  Ida,  ihre  Zuflucht  nehmen.  In  diesen  blickend,  blies 
sie  noch  einmal  in  ihre  Flöten  und  bemerkte  nun  erst  mit  Eislau- 
neu ,  wie  sehr  die  aufgeblasenen  Bansbacken  beim  Spiel  sie  ver- 
Läfslichlen.  Eine  so  schmähliche  Verzerrung  ihres  Gesichls  erirn«»- 
selbst  die  männlichste  aller  Göltinnon  nicht  mit  Gelassenheit.  Sie 
warf  die  Flöten  im  höchsten  Unwillen  von  sich  und  belegte  den 
der  es  je  wagen  würde,  sie  wieder  aufzunehmen,  mit  dem  härte- 
sten Fluche.  Marsyas,  ein  phrygiseher  AValdmensch,  fand  sie  und 
brachte  es  durch  Ueburtg  zu  einer  so  grofsen  Vollkommenheit  dar- 
in,  dafs  er  es  wagte,  den  Gott  der  Musik,  den  Apollo  selbst, 
zu  einem  Wettkampf  herauszufordern.  Die  3Iusen  safsen  als  Kampf- 
richterinncu.  Anfänglich  übertäubte  wirklich  der  stärkere  Fiöten- 
loH  die  sauflklingeude  Lyra  des  Gottes,  und  Marsyas  war  iui 
BcgriiF,  den  Sieg  zu  erringen.  Da  stürzte  Apollo  seine  Cither, 
ßpielte  und  sang  dazu.  Diel's  konnte  ihm  der  Waldmensch  mit 
jseineu  Flöten  nicht  nachlhuu.  Die  Musen  entschieden  für  den 
Apoll ,  der  den  Ueberwundenen  mit  Haut  und  Leben  dafür  be- 
zahlen und  so  den  Fluch  der  Minerva  iu  seine  schrecklichste 
Erfüllung  geheu  liefs.  *) 

Dieser,  durch  witzige  Zusätze  und  Veränderungen  aller  Art 
mannigfaltig  ausgeschmückte  Mythos  des  griechischen  Alterthums 
ist  auf  die  verschiedenste  Weise  gedeutet  und  ausgelegt  worden. 
Mau  bat  besonders  im  Alterthum  schon  die  Geschichte  des  Marsras 
als  ein  Sinnbild  der  strengen  und  uuerbittlicheu  Straf« erechtigkeit 
angesehen.  Bildsäulen  des  abgestraften  Marsyas  befanden  sich  auf 
^en  öifenllichen  Gerichtsplätzeu,  und  was  unsere  neue  Symbolen- 
sprache durch  die  personificirte  Gerechtigkeit,    als  eine  Göttin 


*)  Hygin's  Fabeln.     CLXV.    8.278    ff.  ed;  Star. 


() 

inll  Wage  und  Schwert  ausilrtkkt,  hezeldinelcn  die  simireiclieii 
Allen  iliMcli  die  Ahhildirn^-  dieses  vom  Apollo  so  hart  bosliaften 
Frevels.  ^  )  Aher,  ahgesi-hen  von  jeder  allegorischen  Aiisdenlnng,  *) 
imifs  doch  dieser  Erzählung  eine  alle  historische  Ueherlieferuiig 
oder  eine  wirkliche  Geschiclite  zum  Grunde  liegen,  «nd  ßuruey 
hat  vollkommen  Recht,  weiiu  er  iu  seiner  Geschichte  der 
]\Tusilc  hei  Gelegenheit  dieser  Fahel  den  Ausspruch  tliut,  es  ver- 
rathe  einen  wahrhaft  golhischeu  und  barbarischen  Geschmack,  diese 
Fal)eln  als  alle  Weihermährehen  zu  verachten,  da  gerade  in  ihnen 
die  kiistliclislen  Ueherreslo  der  frühesten  Cullurgcschiclite  aufl)e- 
hallen  wiiieii.  **) 

Aber  welcher  von  den  nianniehfaltigen  historischeu  Deut- 
nngen,  die  uns  die  Sammler  derselben  iu  so  gesegnetem  Ueber- 
flusse  niiltheiien,  "**)  sollen  Avir  den  Vorzug  geben?  Nach  der 
Analogie  ähnlicher  Fabeln  zu  echliefsen,  dürfte  »ins  diejenige  der 
AYahrheit  am  nächsten  bringen,  die  in  dieser  Erzählung  die  früheste 
Geschichte  der  FliHeuspielcrknnst  entdeckt,  f)  Die  von  der  Minerva 
weggcwoiieneu  Fluten  und  der  vom  Apollo  besiegle  Fliitenspieler 
Maisyas  bezeichneten  dann  -wohl  überhaupt  den  Vorzug,  den  iu 
gewissen  Zeitallern  und  unter  gewissen  griechischen  Volksstäminen, 
von  welchen  diese  I\Ivlheu  zunächst  ausgegangen  sind,  die  Ci- 
tharCdik,  die  Kunst  zur  Lyra  zu  singen,  vor  der  Anletik 
oder  der  Flülenspielerkunst  erhalten  hat.  Und  gerade  durch  die 
sorgTdltigere  Aufspürung  und  Enthüllung  dieser  ältesten  Stamm- 
Bageu  und  Ueherlieferungen  dürfte  bei  diesem  Versuche  noch  am 
ersten  etwas  zn  gewinnen  sein. 

Werfen  wir  zuvörderst  einen  Blick  auf  die  älteste  Instrumen- 
talmusik der  Griechen,  und  entlehnen  aus  den  mühsamen  und  noch 
immer  nicht  geschlosseneu  Forschungen  über  die  Musik  der  Al- 
ten-j-f)  so  viel,  als  zu  unserer  Absicht  nothwendig  ist.  Das  heroi- 
sche Zeitalter  der  Grieclien,  so  wie  es  uns  Houjcr  schildert,  kannte 
nur  ein  äiifserst  einfaches,  besaitetes  Instrument,  das  nach  seiner 
verschiedenen  Form  bald  Cilher,  bald  Lyra  genannt,  bald  der  Er- 
lindung  des  Apollo,  bald  dem  Knabenspiel  des  Mercur  zugeschrieben 
wurde.     Die  Tone,  welche  die  iülesteu  Sänger  den  zwischen  zwei 


*)  Auch  neuerer  Künstler  zum  Theil.    IMan  kennt  das  schöne  GemalJe 
von  Andr.   Sa  coli  i  zu    Rom,    das    Strange   in   Kupfer    gestochen 
hat,  wo  Apollo  den  Säniier   Pasqualini   krönt,   wälirend  Marsyas 
liintea  seine  Strafe  erduldet,  nüt  der  Unterschrift:    Apollo  incorona 
il  merito  e  punisce  T  arrogauza. 
**)  eil.  Eurnev,    C4eneral  llistoiy  of  :\rnsic  T.  I.  p.  265. 
***)  Banier,  Entretien  VIF.  P.  I.   p.   222    f, 
f)  Z.  B.   des  Paduanischen  Professors  Liceti  in  seinen    nierogly[)hicis 
(Padiia    1653.    fol.)    c.    109.    vergi.   Forkel's    allgemeine    Ge- 
schichte der  ?.fnsik  Kap.  IV.   S.  208. 
ff)  Caspar  Bartholin  in  seinen  Collectancen  de  tibiis  vetenim.    Bnr- 
ney  untl  Forkel  unter  den  neuesten. 


^ 


7 

HöintTU  aiifgespannkMi  Dariiishifcii  enllockleii,  waren  gewifs  sehr 
eiiir>i(l>  1111(1  iiiigckünslelt,  I»i;icli(eu  i>I)er  auf  die  tlanialijj,(?n  ,  iiocli 
diiicli  keine  veiieiiieiteii  Genüsse  verwolinfeii  NaUirnienscIicu  bei 
aller  ilirer  Einfacliheit  die  anl'iailendsleii  Wirkungen  hervor.  Mau 
erinnere  sich  nur,  welelie  Eindrücke  die  schoKische  Sackpfeife  auf 
die  Bewohner  der  Südseeinseln,  oder  die  Gnitarre  eines  Missio- 
iiairs  auf  die  noidauierikanischeu  Wilden  machen  konnte,  *)  und 
man  wird  nicht  länger  zweifeln,  dafs  die  einfachsten  Tone  auf 
rohe,  aber  gnt  oraanisirte  Menschen  die  aufserordentlichslen  Wirk- 
ungen hervorbringen  können.  Mochte  also  auch  ein  Hirt,  das 
lieifst  nach  der  alten  Mvthensprachc  der  Pan,  von  der  Nainr  selbst 
geleilet,  die  Hirtenpfeife  mit  sieben  Röhren,  die  Sjrinx,  im  älte- 
sten Hirtenlande  der  Pelasger,  in  Arcadieu,  erfunden  haben; 
luoclite  über  Aegjpten  nnd  Phönizien  die  einfacbe  Lotospfeife  auch 
zu  den  Griechen  gekommen  «ein  ♦  die  Flöte  selbst  blieb  melirero 
Jahrhunderte  hindurch  ein  von  den  europaischen  nnd  ionischen  Grie- 
chen völlig  ungebrauchtes  Instrument,  so  wahrscheinlich  es  auch 
ist,  dafs  von  PhÖnicien  und  Oberasien  her,  wo  gewisse  blasende 
Instrumente  sich  in  das  früheste  vorgriechische  Alterthuni  ver- 
lieren ,  der  Gebrauch  der  Flöten  auch  frühzeitig  nach  Phrjgien  und 
von  da  in  einige  Küstenländer  Kleinasiens  gekommen  sein  müsse. 
Merkwürdig  ist  es,  dafs  die  Homerischen  Heldengesänge  in  der 
ganzen  lliade  der  Flöten  überhaupt  nur  zweimal,  das  eine  Mal 
ganz  bestimmt  nur  bei  den  pluygischen  Trojanern,  in  der  üdjsscc 
aber,  deren  Handlung  blos  auf  das  westliche  europäische  Griecheu- 
land  eingeschränkt  ist,  gar  nicht  erwähnen.  ^^)  Orpheus  und  Chiron 
oder  mit  andern  Worten  die  Priester-,  Barden-  und  Hel- 
deuschulen  des  heroischen  Griechenlands,  sangen  ihre  Weih- 
nngen  nnd  Lieder  nie  anders  als  zu  besaiteten  Instrumenten.  Aber 
nun  zog  auf  einmal  Bacchus  im  indischen  Triumphgepränge  über 
den  Tmolus  nnd  das  phrvgischo  Asien  herab  au  die  Küsten  tles 
Hellesponts ,  von  avo  er  nach  Thracien ,  das  damals  auch  Mace- 
donien  und  Thessalien  nmfafste,  nnd  bis  zur  Hauptstadt  Boeoliens, 
nach  Theben,  vordrang,  welches  von  nun  an  der  Sitz  des  mit  hei- 
liger Wnth  gefeierten  Bacchusdienstes  oder,  in  der  Sprache  der 
Griechen ,  der  Geburtsort  des  Thebauischen  Bacchus  wiu'de.  Es 
läfst  sich  ans  mehrevu  durch  die  spätem  Fabeleien  noch  nicht  gana 
verwischten  Spuren  ziemlich  überzeugend  darthun,  dafs  dieser  neue, 
mit  allem  asiatischen  Pomp  nmrauschte  Bacchusdienst  in  den  thra- 
cischen  und  griechischen  Küstenländern  mit  den  uralten,  einhei- 
mischen Religionsgebräuchen  einen  hartnäckigen  Kampf  auf  Leben 
tiud  Tod  gekäm])ft,  nnd  endlich  nur  durch  die  überall  beim  Bac- 
chusdienst losgelassenen  nnd  des  lästigen  Hanszwanges  herzlich 
iuüden  "Weiber,   durch  die  bekannten   Bacchantinnen,  gesiegt  habe. 


*)   de   Panw,  Kecherches  siir  le«  Grecs  T,  II.  p.  120.  f. 


Die  Geschiclileii  dos  (liracischen  Lyciirficns  und  des  von  den  Milna- 

«Icii  zt'rii.ssei)cn  l'ciitliciis  slelieii  iiiclit  umsonst  im  Dionysischen 
Fahelkreise.  Zu  (Ipu  alten  R».'lij2;ionsgeljränclien ,  die  dnrcli  diese 
Fliitli  ans  Osten  auf  immer  bedeckt  und  bPüraben  wurden,  ii,e- 
hiii'ten  ancli  die  Orpliisclicn  AVeilie;esäiige  und  Initiationen ,  heilii^e 
JSpröfslinöe  eines  Stammes,  der  ans  Aegvplen  nnd  Phünicien  bis 
jiach  Giiechenlnnd  seine  Wurzeln  e:etrieljen  hatte.  So  «ie  luin  in 
diesen  AVeihnn^en  kein  anderes  Inslrnment  gespielt  worden  war, 
ah  ein  besaitetes,  so  mnfste  auch  diefs  jetzt  vor  den  Cvinheln, 
Trommeln  nnd  Pfeifen  oder,  wenn  ich  mich  so  ausdrucken  darf,  vor 
der  lärmenden  Janilscharenmnsik  der  Bacchischen  Orgien  verstnm- 
nien.  Orpheus  wird  von  d  e  n  Mil  n  ad  e  n  z  err  i  s  sen,  und 
Beine,  filles Beseelte  und  Unbeseelte  entzückende  Ci  t  he  r  in  den 
(h  r  a  ei  sehe  n  E  b  ru  s  g'c  werfen,  auf  dem  sie,  leise  Klagetone 
jlchzf'ud ,  bis  zum  Meere,  ja  bis  nach  Leshos  hin  schwimmt,  wo 
sie  einst  nach  Jahrliunderten  wieder  von  den  Lesbischen  Lvrikern, 
▼on  AlcäiiS  nnd  Sappho  ,  wieder  erweckt  werden  wiid.  ^")  Wer 
fuüh  uichl  das  TrclFende  in  dieser  Deutung-  der  Ovidischen  Fabel?  *) 
—  Beim  Weibergeschrei  nnd  dem  wilden 
Ltärm  der    schallenden    Flöten    und    vou    Crolalen    und 

Trommeln 
Und  berecvntischera  Hörn  er  starben  die  Tune  der  Lyra, 
Acli  jetzt  färbten  sich  schon  im  Blut  des  verstumnieten  Sängers 
Steine,   vom  Schwärm   der  IVIänaden  geworfen.  —  Vom  Haupte 

getrennet 
Lag  sein  Leichnam  araUfer;  das  Haupt  und  die  Lyra  trug  Hebrus, 
Wundervoll  klagte  die  Lyra,  und   wundervoll  seufzten  des  Ufers 
Klagetöne  darein.  — 

In  Böolien  und  zu  Theben  lernte  man  also  schon  durch  die 
Bacchusfeierlichkeiten  und  Orgien  die  phryg-ische  Flöte  kennen, 
und  irre  ich  nicht,  so  sclireiht  sich  vou  dieser  Zeit  die  Liebhabe- 
rei der  Böotier  zur  Anlelik  her,  die  freilich  in  der  Folge  durch 
die  benachbarten  Pythischen  Spiele,  durch  die  Verfassung  des  Tlie- 
banischen  Staats  nnd  durch  die  Natur  seihst,  die  in  Böotien  das 
gesuchteste  Flöteurohr  wachsen  liefs,  mächtig  begünstigt  und  be- 
fördert wurde. 

Auf  einer  andern  Seite  lernten  die  durch  Kunstfleifs ,  Colonle- 
cnpllauznngen  und  Seehaudel  injiner  mächtiger  gewordenen  nnd 
alle  Mnsenkünste  zfirilich  in  ihrer  Milte  pllogoiuleu  Jonier  zuerst 
den  Gebrauch  der  Doppelflöte  von  ihren  knegerischeu  Nach- 
barn ,  den  Lydiern,  kennen.  Denn  was  die  Griechen  früher  schon 
von  Phrvgien  aus  dinch  die  Bacchusfeier  oder  auch  durch  die  Er- 
findungen ihrer  Hirten  kennen  gelernt  hatten,  war  sicherlich  nichts 
als  die  einfache  Schalmei  und  das  mit  wi-nigen  OefTnnngen  versehene 


*3  Ovid's  Verwandlungen  XI,  15  —  53, 


PfcifcLen  aus  Biulisbaum  oder  der  KtiierSlire  eines  Tliieres,  dem 
iiiaii  erst  in  der  Folge  znr  Yerstärkiins:  des  Sclialles  ein  gerades 
oder  krnniuigeliogenes  Mnndsliiek  aufschraubte.  Aber  die  Lydier 
biitleu  zuerst  die  Doppelflöte  selbst  bei  ibren  Heeren  und  kriegeri- 
scbcii  Ünteruebmungeu  eingeführt.  Denn  von  solchen  Doppelflötea 
ist  oüeubar  die  so  sehr  uiifsverstandene  Stelle  beim  Herodot  zu 
erklären,  wo  er  erzählt,  der  kriegerische  Halyattes  habe  Slreif- 
züge  in's  Gebiet  der  Milesier  gelhau ,  wobei  die  Truppen  nach 
dem  Schalle  sowohl  anderer  Instrumente,  als  auch  der  m  ä  u  n- 
lichen  und  weiblichen  Flöte  marschirt  wären.  ^"^)  *)  Bei 
den  erlindungsreicbeu  loniern  veranlafste  diese  P\'ldmusik  ihrer 
Feinde  die  Erfindung-  einer  eigenen  Diclitungsart,  die  mau  iu  spä- 
tem Zeiten  Elegie  genannt  bat. 

Bisher  war  Alles  im  prächtigtönenden ,  immer  ■wiederkehren- 
den Umfang-  des  Hexameters  gesungen  worden.  In  Hexametern 
hatten  die  Barden  ihre  Kriegsgesänge  und  Heldenlieder  nach  dem 
eanftern  Einklänge  der  Lyra  angestimmt.  Aber  nun  führten  die 
ionischeu  Sänger,  um  mich  des  ,schöueu  Bildes  eines  unserer  scharf- 
sinnigsten Kunstkenner  zn  bedienen,  diesem  Helden  manne  eine 
Heldenjungfrau  zu,  den  Pentameter,  **)  Gewifs,  dieser 
Wechselgesaug-  des  mäuulichcn  Hexameters  mit  dem  weiblicbeo 
Pentameter  konnte  nur  durch  das  ueuerfundene  Accouipagnement 
der  mäuulichen  und  weiblichen  Flöte,  die  zugleich  von  einem  Flö- 
tens])ieler  geblasen  wurden,  da  erfunden  werden,  wo  man  die 
weibliche  Discantilöte  mit  der  gröbern,  männlichen  Bafsilöte  zn  gaf- 
teu  gelernt  hatte.  Auch  stimmt  damit  der  früheste  Gebrauch  dieses 
Wecbselliedes  bei  den  Milesiern  und  übrigen  Jonieru  vollkommen 
iibereiu.  Der  Umfang-  eines  einzigen  Hexameters  war  zu  einem 
ganzen  Satz ,  au  tapfere  AVaflenbrüder  zur  Belebung-  und  Ent- 
ilammuug  des  sinkenden  Mulhs  gerichtet,  zu  einengend  und  kurz. 
Aber  in  ein  Distichon  ,  aus  Hexameter  und  Pentameter  bestehend, 
Jiefs  sich  jeder  Spruch  zur  Befeuerung  des  Helden-  und  Tliaten- 
eifers  füglich  einschliefseu.  Und  wirklich  sind  die  ältesten  noch 
vorhandenen  Biuchslücke  iu  diesem  Svibennuifse  Kriegs-  und 
Schlachtgesäuge  von  zwei  ionischen  Sängern,  dem  Calliuus 
und  Tvrtäus,  zur  Ermunterung  schlalfge wordener  Krieger  ge- 
sungen. 

Ist's  doch  keinem  Manne  vergönnt,  zu  enfweichen  dem  Tode, 

Leitet'  er  sein  Geschlecht  seihst  von   Unsterblichen   ab. 
Oft  entflieht  zwar  einer  der  Schlacht  und  dem  klirrenden  AVurfspiefs, 

Kommt  nach  Haus,  und  daheim  greift  ihn  das  Todesgeschick.  ***) 


*)  Herodot  I,   17. 

'^)  II  er  der 's  Terpsichore  Tb.  IT.  S.  450. 
***)   Callinns    beim    StoT.äns,    Senn.    XLIX.      Es    ist    bekannt,    dafs  Jo- 
a  eil  i  m    C a  m  e  r  a  r  i  u  s   durch    eine  Uebersetziing   dieser  Verse  die 
christlichen  Fürsten  zum  Türkenkriegr  aufmunterte. 


10 

Bald  stlmnile  eirli  bei  der  immer  mohr  zunelmenden  Er- 
srlilairiiiiü,'  lind  Verweii'lilicliimij;  der  loiiicr  aucli  diese  Heldener- 
■\veckiiiii;'  in  die  emplindsaniern  Ermniiteriini^en  zum  Lel)ensi>enurs 
und  in  weieliero  Klai>-en  um.  Die  Doppelllöten  wurden  die  Gel'älir- 
linncn  des  in  Umarmung"  der  Gelieblen  zniveh rächten  Festes  und 
der  iiäolillichen  Klage  an  der  Tliüre  des  Blädcliens.  So  schuf  der 
louier  Mimnormus  eine  neue  Gattung-,  als  er  seiner  geliebten 
Flotenspielerin  Naiino  die  ersten  Liebcselegieeu  sang,  und  in  den 
noch  Yorliandenen  Bruclistiicken  die  Aveichüclisten  Klagen  über  die 
Kürze  des  Lebens  und  der  Freude  ansliauchte.  Er  Avurde  das 
Muster  einer  Dichtungsart,  die  spiiter  Pliiietas  und  Calliniaclnis, 
und  unter  den  Römern  die  uns  wohlbekannten  Elegiker  ausbilde- 
ten. —  Erst  spät  brachte  Simonides  aus  Ceos  durch  seine 
Wehklagen  und  Trauerlieder,  wozu  er  sich  häufig  auch  dieses 
Svibenmafscs  bedient  zu  haben  scheint,  die  Benennung  Elegie, 
das  heifst,  wörtlich  übersetzt,  Wehklage,  in  Umlauf  unter  den 
Griechen,  die  in  spätem  Zeiten  der  Name  der  ganzen  Gattung 
geworden  ist.  Zu  diesem  Allen  mufs  man  sich  die  DoppelHöte  als 
das  begleitende  Instrument  hinzudenken.  ^)  Sie  bleibt  auch  ,  als 
schon  längst  die  Poesie  von  der  sie  hebenden  und  unterstützenden 
Musik  getrennt  war,  noch  immer  das  bezeichnende  Attribut  dieser 
Dichtnngsart,  wenn  sie  dem  röuiischeu  Dichter  im  Costum  einer 
Muse  erscheint. 

Sehr  merkwürdig  ist  es ,  dafs  kaum  50  Jahre  vor  dem  Si- 
monides  die  Amphictyonen  durch  die  Erneuerung  der  Pvlkischeu 
Spiele  zu  Delphi  (Ol.  40,  3.)  auch  der  Aulelik  eine  öifeniliche 
Sanction  und  Mitbewerbung  um  die  heiligen  Kampfpreise  ertheil- 
ten.  Nach  dem  Pausanias  *)  fügten  die  Amphiciyonen  dem  sclion 
längst  gebräuchlidieu  W'eUkampfe  in  der  Citharödik  auch  Kämpfe  im 
Accompagnement  der  Fliilen  zum  Gesang  (Aulödie)  und  im  hiasen 
Flötenspiel  (Vuletik)  hinzu,  hoben  aber  die  erstem,  in  der  Au- 
lödie, schon  bei  der  zweiten  Pythiade  wieder  auf,  weil  die  Ge- 
sänge, zu  welchen  die  Flöten  gespielt  Avurden,  einen  zu  traurigen, 
zur  Feierlichkeit  der  Versammlung  nicht  passenden  Inhalt  hatlen. 
Denn  man  b  e  g  I  e  i  t  e  1  e  m  i  t  d  e  n  Flöten  nur  E  1  e  g  i  e  e  n 
und  Klagelieder.  ^^)  Um  so  gröfser  Avar  der  Beifall,  den 
ein  gewisser  Sacadas  aus  Argos  im  Solospiel  auf  der  Flöte 
mehrere  Pvlhiadfu  nacheinander  erhielt,  und  mau  kann  mit  Recht 
annehmen,  dafs  durch  diese  Kämpfer  im  Pythischen  Flölenspiel  **) 
diefs  Instrument  überhaupt  in  den  griechischen  Freistaaten,  beson- 
ders aber  im  benachbarten  Theben,  immer  mehr  Liebhaber  und 
Virtuosen  erhallen  liahe. 


*)  Pausanias  \.  7.  p.  813.  f. 
**)  Sie  liiefsen  mit  ihroin  l)estimmten   Namen  Pytliaulae,  Pytliische  Flö- 
tenspieler.   S.  Sanmaise  ad  Script.  H.  A.  T.  FI.  p.  824. 


11 

In  Atlieii  halte  Tlicspis  um  tlie  ölste  Olympiade  die  ersten 
rpox'lmäfsiü.eru  Yersiiclie  zu  dramatischen  Schauspielen  gemacht. 
Bei  diesen  sowohl,  ais  den  dilliyrambischen  Clioi;i,esäi)j2,en,  konnten 
die  sanften  Ttine  der  Lyra  nicht  dnrclid ringen ,  nnd  so  wnrde  der 
Gebrauch  der  Flötenspieler  zu  den  Chören  (choraulao)  auch  in 
Athen  allgemein ,  wie  A\'ir  theils  aus  den  zaldreicheii  Zeugnisse« 
der  Athenischen  Schriftsteller,  theils  aus  den  Steinschriften,  welche 
nenere  Reisende  in  Altica  gefunden  und  uus  niitgetlieilt  liahen,  ^^^) 
mit  Zuverlüssigkeit  wissen.  Allein  nicht  immer  i'aiul  die  Flüten- 
S[)ielerknnst  gleich  grofse  Begünsligung  und  UuterstiKzung  hei  den 
Athenern,  die  auch  hierin  dem  Hange  zur  Yeräudeilichkeit,  der 
ein  Hauptzng  im  Charakter  dieses  eben  so  geistreichen  als  leicht- 
isinnigen  Volkes  ist ,  uicht  widerstehen  konnten.  Man  mufs  daher 
g-ewisse  Zeilalter  sorgfältig  unterscheiden.  Nur  dadurch  lassen  sich 
einige  verwirrende  Widersprüche  völlig  aufheben  und  altische 
Mythen,  die  allein  dieser  Wechsellanne  von  Gunst  nnd  Ungunst 
ihre  Entstehung  verdanken  ,  his  auf  ihren  Ursprung  veifolgen. 

Um  die  Epochen  der  Flötenspielerkunst  in  Allien  fester  be- 
stimmen zu  können,  sei  es  mir  erlaubt,  eine  Stelle  aus  Plnt- 
arch's  Abhandlung  über  die  Musik  anzuführeu,  der  wir 
bei  allen  ihren  zum  Theil  unauflöslichen  Schwierigkeiten  doch  auch 
manche  sehr  willkommene  Aufklärung  verdanken.  „Bis  anf  die 
Zeiten  des  Mclanippides,  des  Dithyrambendichters,"  heifst  es 
hier,  „wurden  die  Flölens])icler  von  den  Dichtern  selbst  bezahlt, 
woraus  erhellet,  dafs  man  die  Chorgesänge  und  Lieder  selbst  als 
das  Erste  nnd  Wichtigste  bei  der  Sache  ansah  ,  die  Flötenspieler 
aber  den  Dichtern,  die  diese  Chorsänge  ölfentlich  aufführten,  unter- 
geordnet waren.  Von  jener  Zeit  au  aber  hörte  auch  diese  gute 
Einrichtung  auf. '^  *)  Bis  zur  80steu  Olympiade  oder  ungefähr 
30  Jahre  nach  dem  Einfalle  des  Xcrxes  in  Griechenland  —  denn 
in  diese  Zeit  fällt  der  ji'ingere  Mclanippides,  **)  anf  welchen  ich 
diese  Stelle  an«  liebsten  beziehen  mödite  —  bestand  also  das  befste 
Vernehmen  zwischen  den  Dichtern  und  ihren  Gehilfen,  den  Flöten- 
spielern, nnd  gerade  in  diesen  Zeitpunkt  fällt  auch  die  hohe 
Achtung,  in  w^elcher  das  Flötenspiel  in  Athen  stand.  Danials  ge- 
hörte es,  nach  dem  ausdrücklichen  Zeugnisse  des  Aristoteles, 
zur  liberalen  Erziehung  in  Atlien  ,  dafs  der  Athenische  Knabe  auch 
die  Flöle  zu  blasen  lernte.  Als  aber  das  einfache,  uuverkünstelle 
Flötenspiel  durch  die  musicalischen  und  draiualischen  Wettstreite 
imujer  mehr  Manieren  und  künstliche  Mannigfalligkeit  erhielt;  als 
fremde  und  einheimische  Flötenspieler  die  Sache  zn  einer  Kunst 
machlcn ,  anf  die  mau  sein  ganzes  Leben  verwenden  mufste,  nnd 
sirh  des   Beifalls,    den  die   durch  die   künstlichsten  Verfeinerungen 


*)  Phitarch,  über  die  Musik  T.  If.  p.  1141.  C.  ed.  Frf. 
*3  ^.  tf.  J.  Vofs,  de  poetis  Graecis  c.  IV.  p.  29, 


12 

gekitzelten  ZiiliOrer  ibiien  znklalstliten ,  seihst  gP^eu  tllo  witzigsten 
Dichter  lind  Tonangeher  in  Athen  liherholien  ;  da  entslaiid  auf 
einmal  eine  gewisse  Ahneigniig  und  Gleichgilligkeit  gegen  eine 
Kunst,  in  der  man  zwar  grofse  Virtuosen  noch  immer  hewunderte 
und  hei  offentliciien  Spieleu  reichlich  helohnle,  sich  aher  docli,  he- 
eouders  von  Seiten  der  Philosophen  und  dramafischen  Dichter, 
ernsthaften  Tadel  oder  Instige  Spöttereien  häufig-  gegen  sie  erlauhte, 
und  sie  überhaupt  nicht  mehr  zu  den  Künsten  rechnete ,  ohne 
deren  Erlernung'  ein  junger  Athener  keine  Ansprüche  anf  den  Na- 
men eines  feineu  nnd  gehildeten  Mannes  machen  konnte.  *)  I\Ian 
kann  einer  allgemein  heglanbigteu  Uehcriiefernng-  zu  Folg'c  diese 
Epoche  füglich  mit  den  Knahenjahreu  des  Alcihiades,  also  mit  der 
84stcn  Olympiade,  ansetzen,  und  die  vom  Melanippides  his  hierher 
verflossenen  20  Jahre  als  den  Zwischenraum  annehmen,  ayo  sich 
diese  Kälte  und  Ahneigung  durch  allerlei  Ereignisse  in  den  Ge- 
niüthern  gleichsam  vorbereitete. 

Und  so  ständen  wir  endlich  auf  dem  Punkte,  von  wo  aus 
der  dem  Flütenspiel  so  gehässige  Mythus  von  der  Minerva,  die 
einst  die  gefundene  Flöte  unwillig-  wegwarf,  und  vom  Apollo  ,  der 
den  Erlinder  der  DoppelÜöten  lebendig-  schinden  liefs ,  auf  einmal 
als  ein  attisches  Nationalmährchen  erscheinet,  das  zwar  allerdings 
auf  einige  alte  Ueberlieferungcn  gegründet,  aber  auf  Unkosten 
der  benachbarten  Thebaner  von  attischen  Wilzlingen  und  Dichtern 
immer  mehr  ansg'cpntzt  und  verschönert,  und  endlich,  da  die  Athe- 
nischen Schiiftsleller,  Dichter  nnd  Mvthologen  sich  fast  allein  unter 
allen  Griechen  erhalten  und  fortgepflanzt  haben ,  als  eine  allge- 
meine Nationalsage  geglaubt  worden  ist.  Es  kann  diese  Unter- 
suchung überhaupt  als  ein  Beitrag-  zu  der  Athenischen  Glaubwür- 
digkeit in  historischeu  Uel)crliefer!mgen  angesehen  werden.  Sie 
kann  aber  auch  als  ein  Belog- ,  wie  die  sonderbarsten  Mythen  oft 
nur  aus  den  Gesinnungen  und  Sitten  eines  einzigen  Yolksslamines 
unier  den  Hellenen  zu  erklären  sind,  dem  Geschichts-  nnd  Aller- 
Ihumsforschcr  zu  allerlei  andern  Betrachtungen  und  Fabelenlhüll- 
ungen  Anlafs  geben. 

Die  Thebaner  hatten ,  wie  schon  oben  bemerkt  worden  ist, 
weit  früher  a?s  irgend  ein  Volk  in  Griechenland  das  Flötenspiel 
zu  einer  hohen  Vollkommenheit  gebracht.  Denn  was  Strabo  in 
einem  seiner  scharfsinnigsten  Excurse  über  die  Einführung  fremder 
Religionen  in  Griechenland  überhaupt  bemerkt  hat,  dafs  die  Grie- 
chen fast  alle  ihre  musicalischen  Instrumente  über  Thracien  aus 
Kleinasien  erhalten  halten,   **)  das  gilt  vorzüglich  von  der  fiühen 


*)  S.  die  Ilanptstellen  beim  Aristoteles,  Rhetor.  VIII,  6  oder  nach 
Reizens   Ausgabe  S.  9i  —  99,  und  Problem.  XIX,  15.  T.  II.  \u 
941.  E.  F. 
**)  Strabo  X.  p.  722.  A. 


13 

Bckannfschaft  der  Thebaner  mit  der  plirjglsclien  FIö(e,  durch  die 
schon  bcriilirte  VerpÜanziing  des  Bacchusdienstes  ans  Vonlcrasieu 
nach  Büotien.  In  den  Sümpfen  nnd  Seen  dieses  Landes  wuchs 
ein  Rolir,  dessen  Tauglichkeit  für  die  Flöten  im  ganzen  Aherllmui 
gekannt  uud  gepriesen  war.  INicIits  war  berühmter  als  die  Flüten- 
röhre,  die,  um  mit  dem  Thebaner  Pindar  zu  reden,  *)  an  der 
r  ei  ge  n  u  m  t  an  z  ten  Stadt  der  Charitinnen  (Orchomenos) 
im  H c  i  I  i  g  t  h  u  m e  des  C  e p h i  s s o s  wohnen,  der  Tänzer 
ewige  Gefährten.  Wir  iiaben  beim  Tlieophrast  noch  die 
gnuzc  Zubereitung  dieses,  nur  in  einem  kleinen  Bezirk  und  bei 
den  fast  regelmäfsig  alle  9  Jahre  zurückkehrenden  Leberschwenim- 
ungeu  des  Cephissns  **)  nur  selten  wachsenden  Rohres,  bei  wel- 
chem selbst  die  Zeit,  wenn  es  geschniKen  wurde,  nicht  gleichgilti^ 
war.***)  Und  so  Hudet  man  auch  hier  die  Bemerkung  bestätigt,  f) 
die  wir  bei  nnsern  Wanderungen  durch  jene  klassischen  Gegen- 
den so  oft  zu  machen  Gelegenheit  haben,  dafs  man  dort  immer  der 
Natur  treu  blieb  und  durch  die  kluge  Benutzung  dpr  Geschenke, 
die  sie  in  jeder  Gegend  anders  darbot,  zwar  nur  eine  einseilige, 
aber  eben  darum  auch  vollendelere  Kunslausbildung  erhielt.  Das 
.  Fltitenspiel  war  Thebanische  ]Nationalsilte.  Die  Gesetzgeber  der 
Thebaner  halten,  wie  Plutarch  ff)  bemerkt,  die  unbändige 
Hefligkeit  im  Charakter  dieses  Volks  dadurch  uiäfsigen  wollen, 
dafs  sie  ihm  im  Spiel  und  Ernst  von  früher  Jugend  an  das  Flö- 
lenspiel  zum  Gesetz  machten,  nnd  Allen,  die  sich  darin  aus- 
zeiclineleu ,  besondere  Ehrenbezeigungen  und  den  Vorsitz  zuer- 
kannten. Und  ein  späterer  Sophist,  Dio  C  h  r  yso  s  t  omu  s,  fff) 
führt  in  einer  Wehklage  über  den  Verfall  des  einst  so  bliihcuden 
Griechenlands  ausdrücklich  den  Umstand  an:  „Anch  die  Thebaner 
werden  zürnen  ,  dafs  der  Vorzug  herabgewürdigt  werde,  der  ihnen 
vor  allen  übrigen  Griechen  im  Flötenspiel  zuerkannt  wurde.  Auf 
ihn  bildeten  sie  sich  einst  so  viel  ein,  dafs,  nachdem  ilire  Sladt  in 
einen  Schutthaufen  verwandelt  worden  war,  in  Avelchem  wir  sie, 
das  kleine  Cadmea  ausgenommen ,  auch  jetzt  noch  erblicken  — 
(unter  dem  Trajan  im  2ten  Jahrhunderte)  —  sie  alles  Uebrige, 
Tempel,  Gedächtnifssäulen  und  Inschriften  nuter  den  Trümmern 
lieaeu  liefseu   und  nur   eine  Bildsäule  des  Hermes  aufsuchten  uud 


*)  Pythische  Siegshymnen  XIT,  45. 
**)  I)a ,  wo  er  sich  in  den  Kopaischen  See  ergofs ,  und   diese  Gegen- 
den des  Sees ,  der  daher  auch  der  CepMssische  hiefs ,    erweiterte» 
S.  K  ö  p  p  e  n  zu  Homer  II.  X ,  709. 
***)  Theophrast,  Histor.    Plantar.  IV,  12,  p.  469.  ed.  Stapel.   Mit 
Stapel's  Collectaneen  und  Saumaise  ad  Solin.    p.  82.  a. 
^)  Vergl,  de  Pauw,  Recherches   snr  les  Grecs  T.  II.  p.  125. 
tt)  Plutarch    im    Leben   des    Pelopidas   c.   19.    T,    II.    p.  233.  ed. 
Hutt. 
ttt;)  Orat,  VII.  p.  123.  B.  C.  edit.  Morell, 


wieder   aufrlililetcn ,    au   welcher  über  ihr  FlOtcnspiel  die  Inschrift 
zu   leseil  war: 

Hellas  gewährt  in  der  Fltttenkunst  dir,  o  Tlieben,  dou  Vorrang. 

(lii  dir,  Proiioiuos,  ehrt  Tliehen  den  Mcisler  der  Kunst.)  *) 
Und  so  stellt  diese  Bihlsäule  noch  jetzt  niiüen  unter  den  Ruinen 
des  verschülleten  Marktplatzes  allein  da."  Die  Namen  eines  An- 
tige nid  es,  Ismen  ias,  Dorion  und  so  vieler  anderer  Theba- 
nischen  Flötenspieler  sind  im  ganzen  Alterlhnme  ])criilimt,  Theba- 
niscbe  Pfeiler  wanderten  in  alle  Theile  Griechenlands  aus,  und 
wie  einst  in  einem- greisen  Theile  des  nördlichen  Deutschlands  die 
Benennung  Präger  Studenten  eine  herumziehende  Mnsicanten- 
(ruppc  bezeichnete,  so  Avaren  im  alten  Griechenlande  Thebaner 
nnd  Flötenspieler  fast  gleiehbedeuicnde  Ansdrüeke. 

Die  armen  Thebaner  halten  an  den  Athenern  sehr  mnthwilligc 
und  schaJenfrohe  Nachbarn ,  die  es  auch  durch  unaulliöi  liehe  Spöt- 
tereien und  witzige  Einfälle  wirklich  beim  ganzi'u  übrigen  Grie- 
chenlande nach  und  nach  dahin  zu  bringen  wiifsicn ,  dafs  im 
Lande  der  feisten  Schöpse  und  in  Böolicn  geboren  zu  sein ,  für 
völlig  einerlei  in  der  Sprache  der  Griechen  galt»  Man  mnfs  es  iu 
der  That  blos  dieser  nachbarlichen  Spoltsucht  und  dem  unbegränz- 
ten  ]Vationalsfolze  der  Athener  zuschreiben,  dafs  die  Böofier  und 
Thebaner  bis  auf  den  hentigen  Tag  in  der  Geschichte  Griechen- 
fands  so  unverantwortlich  zniückgesetzt  werden  und  es  kaum  durch 
iliren  Pelopidas  nnd  Epaminoiulas  erzwingen  können,  auch  nur 
überhaupt  nnler  die  historischwichtigen  Völker  des  Allerthums  ge- 
zählt zu  werden»  So  wie  nun  alle  übrigen  Einrichtungen  nnd 
Lebensweisen  der  Thebaner  dem  überlliefsenden  Witz  ihrer  mu(h- 
willigen  Nachbarn  besländig  ausgesetzt  Maren,  >'^ii)  so  fehlte  es 
insbesondere  nie  au  spitzigen  Neckereien,  wenn  von  jenem  Haupt- 
zweige  des  Thebauischen  Kunstlleifses,  dem  Flötenspiel,  die  Rede 
war.  ^■^')  Man  hielt  die  Flötenspieler,  besonders  seitdem  Anti- 
genides  ihnen  einen  eigenen  Prunkanzng  gegeben  hafte,  **)  für 
windige ,  putzsüchtige  Thoren  und  eitele  Gecken,  die  nichts  könu- 
ten,  als  aufgeblasene  BrK-ken  machen,  und  die  ihr  Bifschon  Ver- 
stand längst  ansgej)lifren  hätten.  Und  so  führten  sie  die  atiischen 
Comödiendichter  häufig  in  ihre  Lustspiele  ein.  AVie  viele  Belege 
hierzu  liefsen  sich  nicht  ans  dem  einzigen  Aristophanes  auf- 
stellen*? Zuweileu  sind  es  nur  Anspielungen,  die  aber  den  Zu- 
schauern iu  Athen  sogleich  verständlich  waren,  und  gewifs  mit 
einem  schallenden  Gelächter  des  ganzen  Theaters  aufgenommen 
wurden.  Man  denke  sich  z.  B.  den  bemaulkorbten  Flötenspieler, 
als    Rahen   ausstaffirt,    im  Lustspiele,    die   Vögel,    ***)    durch 


*>  Rrgänrt  aus  der  Anthologie  Analect.  T.  III,  p.  19i.  CCXII. 
^)  S.  Suidas,  s.  v.  Antigenides. 
'^)  Aristophanes  in  den  Vögeln  V.  859  —  861, 


15 

wplcbc  htclicrliche  Crtniradir  »ler  Diclilcr  die  mnsicallschen  Maul- 
kürbe ,  tue  Bidi  die  Flötenspieler  uinzusclinallen  pllegtcn ,  in  iluer 
Hiifslichkeit  darstellen  Avollle.  Nocli  stärker  ist  eine  Stelle  iu  den 
Aclianieru  eben  dieses  Lnsfspleldicliters.  Dicäopoüs,  der  Held 
des  S(ücks,  hat  einen  SepuratlVieden  für  sieh  nnd  sein  Hans  mit 
den  Lacedäujoiiieni  geschlossen  nnd  den  Platz  vor  seiner  Wohiinng' 
zn  einem  Markte  für  allerlei  Spelsevorrüthe  geinaeht.  Da  crseiiciut 
nnter  Andern  anch  ein  Böotier ,  mit  einem  grofsen  Sack  voll  Le- 
bensmittel anf  dem  Rücken,  nehst  einem  Sklaven,  Isinenins,  der 
allerlei  Zngemüfse  trägt.  Hinler  ihm  tritt  eine  Bande  Thebani- 
scher  Pfeifer.  Der  Böotier,  sich  die  Schulter  befühlend,  fängt 
zuerst  au : 

Das  weifs  Heraeies,  wie  mich  diese  Schwiele  schmerzt! 
Hier  leg'  den  Polei  sachte  hin ,    Ismejiias. 
[      Lud  ihr  Thebanischen  Pfeifer  da,  so  viel 

Als  ener  sind ,  blas't  einem  Hnnd  in's  h,  .  .  L.  .  , 
iDaranf  springt  Dicfiopolis  hjeflig  ans  seinem  Hanse  heraus : 
j«    So  macht,  zum  Geier,  ein  Ende  —  werd'  ich  mir 
;      Die   W  espen  nicht  vom  Halse  schafl'en  können '? 

Wer  führt  die  ganze  Pfeiferschaft  des  Chaeris  hier 
[  Mir  vor  die  Thüj-,  Dafs  sie  der  Henker  hole  !  *) 
•]  Doch  genug  von  dergleichen  Proben  des  Athenischen  Witzes ! 
Man  denke  sich  nun  bei  dieser  gegenseitigen  Slimiuiing  einen 
prahlenden  Thehaner,  der  den  Athenern  vorerzälilte,  dai's  Athens 
CAvig-  Avaliende  Schntzgöltin,  Pallas  Athene,  selbst  die  Erfinderin 
'der  Flöte  gewesen  sei^  und  der  dieser  Erzählung  noch  durch  eine 
alte  Heldensage  mehr  Glanz  und  Glaubwürdigkeit  zu  gebou  suchte, 
war  es  möglich,  dafs  die  Athener  diefs  so  gleicbgiliig  binuehmen 
und  ihre  heilige  Jungfrau  auf  der  Akropolis  zum  Flötenblasen, 
einem  Gewerbe,  das  in  Athen,  so  wie  iu  ganz  Griechenlarul ,  nur 
fVIädchen  von  sehr  zweideutigem  Rufe  trieben ,  so  schimpflich  her- 
abwürdigen lassen  konnten? 

Wirklich  erzählten  die  Thebauer,  einer  alten  Ueberlieferuns: 
m  Folge,  Minerva  habe  die  Flöte  in  ihrem  Geburtslande,  T^Ibven, 
lamals  erfunden,  als  Perseus  unter  ihrem  göttlicheu  Geleite  das 
»efährliche  Abenteuer  mit  der  Medusa  bestand.  Denn  als  die  au- 
lern zwei  Gorgonen,  Stheuo  und  Eurjale,  den  Tod  ihrer  Scliwe- 
1er,  Medusa,  bejammerten,  da  zischten  die  Schlangen  in  ihren 
laaren.  Minerva  vernahm  diefs  Naiterngeziscn  und  faud  es  so 
usdrncksvoll ,  dafs  sie  auf  einer  Robrpfeife  vom  libyschen  See 
Triton  eine  Melodie  blies,  die  mau  von  dieser  Zeit  au  die  viel- 
löpfige    nannte.      So  besingt  der    Thehaner   Piudar   **)   diese 


*)  Aristoplianes   in    den   Acharnern    V.  680  — 866.  nach  Wie- 

land's  üebersetzung  im  T.  Merkur.   1794.  St.  X.  S.  129. 
3  Pin  dar' s  Pytbische  Siegesbymnen ,  XII,  mit  den  Schollen. 


X6 

Gcschlchle  iu  einer  Sicgosliymne;  die  er  fluf  «Ion  Flßtenspleler 
Midas  von  Aiiriü^eiit  v('rfeilii.'t  liat,  niid  in  ilir  eiiUieclven  wir  oLjie 
Mülie  eine  Tlu-Iianische  Fabel  mit  einer  Aveit  altern  Uclterliefernno- 
zusiiiuiiieni>,escliniolzen.  ^')  L  rul  was  antworteten  die  Athener  hier- 
auf? Freilicii ,  6au,ten  sie,  erfand  unsere  heili^^e  Jnngfran,  durch 
einen  Zufall  fi^eleitet,  die  erste  Flöte.  Aber  .sie  halte  nicht  so 
Itald  die  häfsliche  Verzerrunij  ihres  g,(itllichen  Antlitzes,  die  aufge- 
blasenen Backen  nnd  den  ganzen  Uebelsland  entdeckt,  der  vom 
Spiel  dieser  Ungliicksllöte  unzertrennlich  ist,  als  sie,  die  AVeise 
und  des  Wohlslnudes  Kundige ,  das  Erfundene,  so  weit  es  auf  sie 
ankam,  wieder  vernichtete,  die  Flöte  voll  Verachtung  von  sich 
schleuderte  und  Jeden  vciiluchte,  der  sie  wieder  aufheben  würde. 
So  fabelten  die  sinnreichen  Athener  und  rächten  sich  dadurch  an 
einem  Künstlertalent  ihrei-  Nachbarn  ,  das  sie  selbst  zu  erreichen, 
weder  Fähigkeiten  noch  Beharrlichkeit  genug  besafsen.  Darum, 
sagt  Aristoteles  in  einer  Stelle,  wo  er  die  Nachtheile  des  Flö- 
tenspiels weitläufig  auseinandersetzt:  *)  ,, Darum  ist  auch  der  My- 
thos von  den  Flöten  von  nnsern  Alten  sehr  sinnreich  ersonnen 
worden.  Sie  sagen,  Athene  habe  die  von  ihr  erfundenen  Flöten 
weggeworfen.  Wobei  sich  freilich  auch  die  Ursache  wohl  hören 
Icäfst,  dafs  es  die  Göttin  deswegen  gethan  habe,  weil  sie  sich  über 
die  nuförmlichen  Baushacken  entsetzte.  Noch  wahrscheinlicher  aber 
liefse  sich  eine  zweite  Ursache  anführen ,  weil  der  Unterricht  im 
Flötenspiel  den  Verstand  ganz  ungebildet  läfst.  Nun  ist  ja  aber 
Athene  die  Göttin  des  Verstandes  und  des  Kunstgenies.  " 

Wahrscheinlich  waren  es  besonders  die  dramatischen  Dichter, 
die  durch  ihre  Comödien  nnd  Satyrenspiele  diesem  Spotlmythos 
immer  mehr  Ausbreitung  und  Beglaubigung  verschafften.  Je  au- 
mafscnder  und  stolzer  die  Pfeifer  besonders  nach  jener  Trennung' 
unter  dem  Melanippides  wurden,  die  ich  oben  erwalint  habe,  desto 
erwünschter  war  den  Dichtern  jede  Gelegenheit,  diesen  Künstler- 
stolz, der  sich  nur  allzugern  mit  den  Dichtern  zur  heiligen  Zunft 
des  Dionysos  rechnete,  durch  ihre  beifsenden  Einfälle  zu  demüihi- 
gen.  Wir  finden  hierüber  eine  merkwürdige  Stelle  in  den  Tisch- 
gesprächen des  Athenäns,  worin  selbst  einige  Bruchstücke 
dichterischer  Ausfälle  gegen  die  Flötenspieler  mit  Beziehung  auf 
die  Fabel  von  Minervens  Flölenwurf  vorkommen. 

„Der  eine,''  so  erzählt  Athenäns,  **)  „sprach  von  den  Flöten, 
dafs  Melanippid  es  in  seinem  Marsyas  sehr  fein  das 
Flötenspiel   durchgezogen  habe,  weil  er  von  der  Minerva  anführe: 

Minerva  warf  aus  ihrer  heil'gen  Hand 

Die  Flöto  weg  nud  rief:  Pfui,  fort  aus  meinen  Angcnl 


*)  Rhetor.  Vfll.  6. 
"')  Athenäns  XIV.  2.  p.  616.  E.  F.  617.   A  —  C. 


17 

Ihr  lu"ifslichcii  Gesielitsverderbcilnneu ! 

Itli  sollt'  um  eiicb   zur  Fratze  werden'?  wie"? 

AYorauf  ein  amleier  ilun  wideispracli  und  eine  Stelle  des 
Telestes  roii  Selimis  aiiiulirte,  der  in  seiner  Arg:o  den  Mela- 
iiippides  widerlegt.     Die  Pieile  ist  von  der  Minerva:  ^') 

Traun,  es  warf  die  klnji,e  Giittiu   nie  das  kluge  Flölenspiel, 
Den  verliafsten  Aühliik  sehenend,   ans  den  Händen   in's  Gebüsdi, 
Dafs  dem  melodieenreielieu  Walddiircliselimetder ,    MarsvJis, 
Dem  beliaarlen  Nvm|>hensohne ,  diefs  ein  Ehrendenkmal  sei. 
Denn  wozu   der  Seliönheit  Stachel   in  Athenens  Heldenbrnst, 
Da  (He  Klotho  kinderlose,  hehre  Jnngfrauschaft  ihr  gab? 
Darum  kümmert  sie  des  Mundes   ungestaller  Auhlick  nicht. 

Und  kni'z  darauf  setzt  er  hinzu: 
Diese  Lüge  floh  durch  Hellas,  ausgeschwatzt  vom  Dichterchor, 
Die,  im  Reigen  uuerfahreu ,  iins're  Kunst  verlästerten. 

In  einer  folgenden  Stelle  preis't  er  das  Flötens[)iel,  wie  folgi: 
Der  ehrwürdigen  Göttin  Hauch,  getragen  von  der 
Slurndjeilügelten  Schnelligkeit  ihrer  Siralileuliände, 
Ueltergab  dem  jubelnden  Gott   (Bromius,  Bacchus)  die  gött- 
lichste der  Künste. 
P  ratin  as    von   riilins,    \\'o    er   von    den  Flötenspielern  und 
bezahlteu  Chortänzern  auf  dem  Orchester  spricht,   berichtet,  dafs  es 
hei  Vielen  üiiwilleu  errege,    zu   sehen,   dafs  die  Flötenspieler  sich 
nicht  mehr  nach  den  Chorgesäugen  richteten",    wie  es  sonst  väter- 
liche Sitte  gewesen,    sondern  dafs  die  Chöre  nun  so  singen  müfs- 
ien,  wie  es  den  Flölcnspielern  bellt  be. 

So  weit,  dem  Haupiiuhalte  nach,  die  merkwürdige  Stelle  beim 
Athenäus,  Avobei  dem  Leser  der  Lmstaiid  nicht  enlgangen  sein 
wird,  dafs  gerade  I\Ielanippides ,  Dichter  eines  satirischen  Schan- 
Bpiels,  Marsyas  mit  Namen,  als  der  erste  Gewährsuiaun  der  Fa- 
bel von  der  3Iinerva  aufgeführt  wird.  Sollte  uns  diefs  nicht  zn 
der  3Iuthmafsuiig  berechtigen,  dafs,  da  uuter  ihm,  nach  einer 
welter  oben  angeführten  Stelle  Plufarch's,  die  Pfeifer  sich  zuerst 
der  Vorschrift  der  Dichter  entzogen ,  worüber  auch  hier  beim 
Athenäus  Pratinas  so  biltere  Klagen  führt,  er  auch  einer  der  ersten 
gewesen  sei,  der  die  alte  Ücberlieferung  von  der  Athene,  der  Er- 
finderin der  Flölen ,  so  gehässig  verändert  und  in  eine  Satire  auf 
die  Flötenspieler  verwandelt  habe?  Und  so  liefse  sich  gewisser- 
niafseu  sogar  der  Zeitpunkt  beslimmen ,  wann  diefs  attische  Na- 
lioualmährchen  eigentlich  entstanden  sei.  AA  enigsfejis  dürfte  es  selir 
schwer  fallen,  eine  Erwähnung  dieses  Mährchens  bei  einem  frühem 
Schriflsfeller  aufzufinden. 

Eiu  aller  iMylhos  erzählt  viel  von  einem  Weltkampfo  des 
Apollo  mit  dem  Erlinder  der  Flöten ,  dem  phrygischeu  ^[arsyas. 
Es-  ist  hei  der  sich  auf  jede  Veranlassung  ins  L'nendliche  ans- 
splunenden  Fabelsucht  der  Griechen  für  uus  fast  unmöglich,  alle 
Böiiigev's  lilcinc  Schilfen  I,  o 


18 

Wldorsimulio  und  Ritnicion  Al)i1nilcrnn2,on  in  der  Uebcrliefonin:^-  von 
ilieseni  \Ve((k?»iii^fc  helViedigcnd  zu  eiklärcu.  Nur  so  viel  i!,laul)0 
ich  durch  jdle  Y('isclileicruni;cn  und  Ausscliuiüfkunjicu  liiiidiiicli 
2ioiulicli  dt'Utlirh  zu  eiitdi-rkeu :  Die  Do|tpt'lllö(c  war  oine  uralte, 
ursprüngücl»  plirvüische  Erlinduu^'  und  wurde  einem  {gewissen 
Marsyas  zngesflirioben ,  einem  erlinderiselien ,  kluj2,en  Kopfe,  der, 
wie  Diodor  von  Sicilien  seinem  altern  Gewillirsniann  naeli- 
scbrcibl,  *)  zuerst  die  Tiine  der  Hi  r  teu  |»f  e  if  e  mit  Röh- 
ren (Svriux)  auf  zwei  Flöten  ühertmii:,  die,  zugleich 
e,ehlasen ,  mittels  der  au  der  Seite  angeln  achten  Löcher  eben  so 
viele  Töne  weit  richliii;er  und  becpieiuer  heivorhrachten  als  die 
Sjrinx.  Der  Gebianch  dieser  Doppelllölen  wurde  bei  den  alten 
enthusiastischen  Festen  der  Cybele,  wo  die  Musik  den  heiligen 
Wahnsinn  entflammte,  allgemein,  Diefs  heifst,  roythiseb  ausge- 
drückt ,  beim  Diodor :  Marsyas  war  ein  treuer  Gefährte 
der  Cybele.  Bald  vernn'schte  sich  der  bacchisehe  Wahnsinn  mit 
«len  Rasereien  in  den  Processionen  der  Cvbele.  Nun  kam  auch 
die  DoppelHöte  in  die  bacchischeu  Orgien.  Das  heifst,  wie  es 
selbst  Strabo  erklärt:  **)  Marsyas  kam  i  n' s  Gefolge 
des  Bacchus,  Avurde  mit  den  8atvm  und  Silcnen  vermischt 
und  bekam  mit  ihnen  einerlei  Geschäfte.  Der  Bacchnsdienst  breitet 
sich  über  Griechenland  aus  und  mit  ihm  die  Kenntnifs  der  Dop- 
pelflöte. Die  altgläubige  Lyra  widersetzt  sich  den  Neuerungen  mit 
derDoppelflöle,  oder,  mythisch  ausgedrückt,  Apollo,  der  Erfinder  und 
Vorsteher  der  Cither  und  Citherspieler ,  beginnt  einen  hartnäckigen 
W^'ttkampf  mit  Marsyas,  dem  Re]»räsentanten  des  Flötenspiols.  *^') 
Apollo  siegt,  das  heifst,  lange  Zeit  wnrde  die  Flöte  noch  fiir  oin 
barbarisches  Instrument  gehalten  und  ihr  der  Zutritt  zu  üpferfesten 
und  Hyuinengesang  versagt.  Nur  in  den  Weinlesefesten  ,  in  den 
Bacchanalien,  und  den  dabei  angestellten  Chören  behanplele  sie 
ihr  angestammtes  Recht.  Als  aber  bei  der  Wiederherstellnng  der 
Pythischen  Kampfspiele  die  Flöte  selbst  eine  dem  Apollo  geiälline 
Wettkämpferin  wurde,  da  beklagte  er,  wie  Diodor  es  ausdrntkf, 
das  dem  Marsyas  zugefügte  Unrecht,  oder,  wie  eine  andere  beim 
Tansanias  uns  aufbehaltene  Sage  ***)  es  ausdrückte,  der  Argiver 
Sacadas,  der  in  den  drei  ersten  Pythiaden  den  Sieg  auf  der 
Flöte  davon  trag ,  söhnte  den  Apollo  mit  den  Flöten  ans ,  auf 
T»elche  er  seit  dem  Kampfe  mit  dem  Marsjas  einen  tödllichcn  Hafs 
geworfen  halte. 


*3  III.  58,  T.  I.  p.  227.  Wessel. 
*)  Strabo    X.  p.  720.  C. 

*3  Pausania»  II.  p.  J62  Knhn ,  vergl.  Menioires  de  TAcadenue  des 
B.  L.  et  .1.  Inscript,  T,  XXXII.  p,  M4, 


19 

Dem  iihorwiindeiipn  Marsyas  zog  Apollo  die  Flaut  ab,  die 
man  nach  dem  Zeiiji,nisse  des  Herodot  und  Xenoplion  *)  in  der 
phrygisclien  Sfadt  Celäjul  noch  viele  Jalirlmnderle  lang  aufwies, 
nnd  die  Locaifal>el  daiüber  mit  allerlei  Zusätzen  anssclimüektc. 
Hier  A^ermiselitc  siel»  olTenljar  eine  unilte  plirjgiselie  Sage,  zu  der 
■wir  den  Sciiliissol  verloren  liaben  ,  mit  griecliischon  Zusfitzcn  aller 
Diclüer  und  Pricsler,  die  der.i  Flötenspiol  nicht  hold  waren.  Alter 
irre  iih  mich  nicht,  so  haben  auch  später  die  Athener  reichlich  da- 
zu beigetragen,  diesem  alten  IMjlhos  die  der  Flütenkiinst  gehiissi"- 
Ste  Wendung  nnd  Ausschmückung  zn  gehen.  Sehr  v.iiikouinien 
"war  ihren  dramalischen  Dichtern  die  Dunkelheit  nnd  Vcrwirrnn*»' 
die  sich  schon  damals  im  Gesclilechtsregister  des  Marsyas  befand. 
Nun  konnten  diejenigen,  die  satirische  Dramen  dichteten,  den  ehr- 
lichen Marsyas  sogleich  in  einen  Satyr  nmschafFcn  und  seinem 
VVettkanipfe  nach  Belieben  einen  lächerlichen  tragikomischen  An- 
strich gehen,  ^"')  Ein  witziger  Kopf  gerieth  auf  den  Einfall ,  die 
Erzählung  von  der  Minerva,  die  aus  Unwillen  die  Flöten  wegwiift, 
mit  den)  Schicksale  des  Marsyas  in  Verbindung  zu  setzen.  So 
bildete  sieb  die  Sage:  Minerva  verfl nebte  ihre  Flöten, 
lind  dieser  Finch  traf  den  Marsyas,  Schade  nur,  dafa 
alle  diese  satirischen  Dramen,  sowohl  von  der  höhern  nnd 
ällern  tragischen  ,  als  auch  von  der  niedrigem  nnd  nencrn  komi- 
scheu Gattung,  bis  auf  wenige  Bruchstücke  nnd  Titel**)  völlig  ver- 
loren gegangen  sind.  Dafs  aber  diese  Vermnlhnng  nicht  ohne 
Grund  sei ,  liefse  sich  in  Emangelnng  anderer  Beweise  schon  aus 
einer  Stelle  Plutarch's  darlhun.  Sie  befindet  sich  in  seinem 
moralischen  Aufsatze  über  die  Mäfsignng  des  Zorns.  ***) 
„Man  darf  sich,"  beifst  es  hier,  „nur  selbst  im  widernatürlichen  und 
leidenschaftlichen  Zustande  des  Zorns  ansehen,  um  diesen  AlFeet 
in  seiner  Häfslichkeit  zu  erkennen.  Die  Dichter  erzählen  i  m 
Scherze,  dafs  Minerva,  wie  sie  auf  den  Flöten  blies,  vom  Satyr 
gewarnt  worden  sei,  aber  nicht  darauf  geachtet  habe.  Der  Satyr 
ruft  ihr  zu  : 

Dir  steht  dicfs  übel  an.     Weg  mit  den  Flöten ! 

Weit  besser  ist's ,  dn  greifst  zu  Schild  und  Speer, 

Und  fliehst  der  Backen  Mifsc:eberdnnn-.  — 


.  *)  Herodot  VIT,  26.  Xenophon,  de  Expedit.  Cyri  I,  2.  8.  nnd  die 
übrigen  Stellen  Ijei  Sau  mal se  ad  Solin,  p»  585,  a,  und  Peri- 
zon  ad  Aelian.  V.  H.  XHT,  21. 

.  *'^  Buhle,  de  fabula  satirica  Graecornm.  Gott.  1787.  4.  Hatten  wir 
wenigstens  nur  das  satirisclie  Drama  des  Irophon,  die  flöten- 
' spielenden  Satyrn,  noch,  das  wir  aus  einem  Fragment  beim 
Clemens  von  Alexandrien  kennen.  Stroiiiat.  I.  pag.  280,  D,  Sylb, 
vergl.  Eichstädt's  gelehrte  Schrift  de  dramate  Graecoruni  comico 
satirico  p.  38. 

***)  Plutarch    T.   II.   p,  456,   8,  vergl.    Kngel's  Mimik' Tli,  1.  S, 


210,  f. 


2 


20 

Als  sie  aber  liioranf  ihre  Coslalt  in  oiiiom  Flnssc  orldii'kt 
liahc ,  habe  sie  voll  liilleni  Liiwülens  die  Flö(on  wruitowoilen. 
Und  doch  halle  diese  Verhäfslichii])!^-  noch  einen  Ersatz  itii  \Yühl- 
Klaii,"-  der  Flülcji  gehabt. "  Der  dranialisehe  Dichler,  auf  weh  heu 
PJiiiiirch  hier  aiisi)ielt ,  halle  also  <len  IVfinsyas  selb.st  (denn  dieser 
wird  oflenhar  hier  durch  den  Salvr  i;cinein()  in  seiner  Dich(nn°- 
schon  früher  mit  der  Minerva  znsaiiinienü,ehr.icht  und  es  so  noch 
be^roifiicl.ier  ii^eniacht ,  wie  dieser  dann  die  von  der  GöKin  wei>e- 
woii'enca  Flöten  sich  selbst  aiiniafsen  und  mit  einer  fremden  Kr- 
findnn^  prahlen  konnte.  Ein  anderer  liefs  vielleicht  in  einem  älm- 
lichen  komisch-satirischen  Stücke  den  Marsyas  jenen  Rie- 
menverband erfinden,  den  in  der  Folge  alle  Flötenspieler,  wenn 
sie  als  Virtuosen  auftraten,  sich  nm  den  3Tnnd  und  die  }Ja- 
ckeu  befestigten,  um  den  Odem  beim  Blasen  besser  beherrschen 
und  gleichmäfsiger  vertheilen  zu  können.  Auch  dieser  Eilindnnjj^ 
rühmte  er  sich  üej^en  den  Apoll,  und  dieser  branchte  es  zn  einem 
Torwand,  warum  er  den  jMarsyas  so  hart  ziichti2,e,  weil  er  so 
mit  verstopftem  Maule  gef^en  den  göttlichen  Gesang-,  womit  Apoll 
die  Lyra  begleitete,  zu  kämpfen  sich  erdreistet  hätte.  Ich  schliefse 
diefs  aus  einer  Stelle  der  riutarchisclieu  Tischgespräche.  *) 
Auch  ist  mir  höchst  wahrscheinlich,  dafs  die  sonderbare  Benennung 
Kappzaum,  womit  wir  diesen  Riemenverband  bei  den  attischen 
Schriftstellern  bezeichnet  finden,  eigentlich  nur  ein  Spottname  ge- 
wesen sei,  womit  die  Athener  diese,  auf  alten  Dciikujälern  noc'i 
sichtbare,  häfslich  ausstehende  Mund -oder  Lippenbinde  (diefs 
war  ihr  eigentlicher  Name)  der  Thcbauischeu  Kuuslpfeifer  be- 
zeichneten. ^*^') 

Ganz  vorzüglich  aber  gefielen  sich  die  Dichter  in  ihren  sati- 
rischen Burleskeu  dann,  wenn  sie  die  Bestrafung-  des  armen  Mar- 
syas  auf's  Theater  brachten.  Um  die  unmenschliche  Harte  der 
an  ihm  vollzogeneu  Strafe  zu  rechtfertigen ,  machten  sie  aus 
jenem  verständigen,  eründnngsreichen  Phrygier,  wie  ihn  die  ältere 
Fabel  vorstellte,  einen  lächeilichen  Grofssprecher  und  Prahler;  da- 
durch fanden  sie  die  erwnnsciite  Gelegenheit,  in  diesem  hochfah- 
renden, trotzigen  Tone  die  Unsitte  der  damals  lebenden  Pfeifer 
und  F^iötenspieler,  die  uns  gerade  als  solche  unnütze  Gesellen  von 
den  Alten  gesclrildert  werden ,  nach  dem  Leben  abzubilden.  **) 
Ein  sjiäterer,  xiber  gelehiler  römischer  Schriftsteller,  Apule- 
jns,  ***)  hat  uns  noch  ein  feines  Piöbchen  dieser  Grofsspreche- 
reien  des  dramatischen  Marsyas  aufitewahit,  das  allem  Ansehen 
nach  aus  einem  verloren  gegangenen  satirischen  Drama  der  Athener 


*)  Sympos.  Vir.  S.  T.  II.   p.   713.  C. 

**)  Ovid  im  Feptkalender  VI,  706.  Jamque  inter  Nymphas  arte  super- 
bus  erat. 
***)  In   seiucu  Bl um enstücisen  oder   Floridis.    I.   p,    405,    406,    edit. 
^'ulcan. 


21 

enik'lint  isf.  Was  aber  meine  Bcliauphing,-  lüchr  als  alles  Uebilge 
l>t'Slä!i.i;1,  ist  (Ut  soiKlL'ibare  Zii'^atz  bei  der  Bestraiuuij  des  Mars vas, 
dafs  A|)üilü  den  Marsyas  iiiclu  seihst  gesell nii den  ,  sondern  die. 
Executioii  einem  oder  ancb  wolil  melirern  Scytbeii  aufge- 
traj,eti  habe.  Die  allere  Fabel  weiCs  von  diesem  VorneliHijuiin  des 
zürnenden  Gottes  nielits.  Ijeini  Apollodor  und  Diodor  von  Sieilieii 
vollstreckt  der  Gott  mit  eigenen  Händen  das  Lrllieil.  Afier  Ily- 
siiins  saii,t  in  der  ziiui  Anfang  ani^efübrten  Fabil  ansiinitklii-b,  er 
liabe  iba  einem  Seyllien  übergeben,  nm  ibm  die  Haut  Glied  vor 
Glied  abznziebn.  Bekanntliob  sind  last  alle  P'abeln  Hvitin's  blose 
lubaltsanzeioen  grieeliischer  Selianspiele ,  nnd  sebon  dle-se  einzige 
Naelirieht  miil'sle  nns  auf  die  ^erm^I!llnng  bringen,  dafs  Ilvgin  bei 
seinen  Leberlieferiingen  griecbisclic  Dramatiker  vor  Augen  gehabt 
liabe.  ISun  ist  Jedem,  der  uiclit  ganz  fremd  in  den  allisthen 
Aiterlliiimern  ist,  biuiänglicb  bekannt,  dafs  die  Albencr  eine  Rolle 
ölfenlliciier  Selaven  hielten,  die,  wo  es  niilhig  war,  auch  die 
Dienste  unserer  heutigen  Stadtknechte,  Biillel  nad  Scharfrichter  ver- 
rlehtelen  nnd ,  weil  sie  mit  Kijcher  nnd  Bogen  bewaifnet  gingen 
nnd  eine  ausländische,  fremde  Tracht  hatten,  gemeinhin  Bogen- 
schützen oder  Scythen  genannt  wurden.  *)  Sie  kommen 
beim  Arislophanes  sehr  häniig  vor,  besonders  in  einer  komisfheu 
Stelle  in  dou  Thesmophoriaznsen ,  wo  der  verkappte  Mnesilochus 
Ton  einem  solchen  Scythen  au  einen  Pfahl  gebunden  oder ,  nach 
Hnserer  Art  zn  reden ,  gekrenziget  A\ird.  Kurz  darauf  ruft  der 
Delinquent  mit  Stöhnen  und  Aechzeu  seine  Leiden  aus: 
Hier  stellt  der  Scylhe  mir  als  Wäcliler, 
Ich  aber  bin  ,  der  Bosheit  zum  Gelächter, 
Zum  Frafs  der  Rahen  aufgeknüpft.  **) 
Was  war  nun  natürlicher,  als  dafs  der  komisch  satirische 
Dichter  in  seiner  auf  Athen  berechneten  Burleske  den  Apollo  wie 
einen  Athenischen  Prylanen  handeln  nnd  den  Frevler  IMarsyas  den 
Peinigern,  das  heifst  hier,  den  Scvlhen,  überantworten  licfs"? 
Und  so  wäre  denn  nicht  allein  die  Ursache  gefunden,  wie  hier  die 
Scvthen  zum  Apollo  an  den  Quellen  des  Mäanders  in  Phrygien 
kommen ,  was  selbst  einigen  gelehrten  Alterthumsforschera  ein 
Räihsel  geblieben  ist;  ***)  sondern  wir  fänden  ancb  in  der  Er- 
■wähnung  dieser  Scylhen  den  nnzweidenligsten  Beweis,  dafs  dieser 
Mythos  von  den  attischen  Dichtern  nach  Belieben  verändeit  nnd 
tiavestirt  wurde.     Die  Execntion  oder  Abiiäuiung  des  Marsvas  war 


*)  S.  die  alten  Scliolien  zu  Aristo pha ne s ,  Acliarnev  Y.  54,  vunl 
die  gelehrten  Collectaueeu  des  M  e  u  r  s  i  u  s  in  Ceranüco  gemino  c, 
XVI.  p.  5:i. 
**)  Aristophanes,  Thesmophoriazusen  V.  938.  ff.  1035  ff.  Vergl. 
A  c  h  a  r  11  e  r  y .  707, 
***)  S.  Sanmaise  ad  Solin,  p,  581.  a,  D.  und  Alb.  Ruben's  in 
J.  F.  Ciroaov'&  Annicrkiingen  zum  Seueca,  do  fra  H,  5,   p.  8. 


2-i 

wiilirscliciiilicli  mit  so  mniichcrloi  Possen  und  GrimnRseii  auf  dem 
allisclien  Theater  voibiiiulcn ,  dafs  sie  iini>;cf;ilir  mit  dem  Uarle- 
(juin,  cocu  bat  tu  und  anderu  deri>,k'idien  Posscnsceneii  auf 
iloii  ucuern  Theateni  sich  einerlei  Wirkunii;  und  Beifall  bei  der 
lieber  lachenden  als  donkendeu  Majorität  der  Znschanor  zn  i-cwiir- 
tii2,ea  halte.  Viellcielil  bezieht  sich  eine  Ausjiieliinii,-  beim  PJato 
auf  eil»  den  Atlicnera  damals  wohlbekanntes  Släck  der  Art,  Avo 
er  den  lehrbegicriii,('n  Ctesi|i|»!!S  saii,en  läfst ;  ich  übernebe  mich 
den  fremden  Lehrmeistern  mit  Haut  nnd  Haar  und  lasse  mir  allen- 
falls auch  die  Haut  von  ihnen  abziehen,  wenn  sich  nnr  die  lianze 
Geschichte  nicht,  wie  beim  Marsyas,  in  einen  Schlauch  aus  Men- 
schenleder, sondern  in  Erwerb  der  A'ersprocheueu  Vollkommenheit 
auflös't.  *)  In  einem  ernsilichern  Sinne  kommt  diese  neue  Wend- 
ung der  Fabel  des  Marsyas  in  einem  Traumgcsichte  des  Tyrannen 
Apollodorus  zu  Cassandrea  vor,  der  sich  in  seinen  än<>,stiü,endea 
Tranmerscheinuni!,en  von  Scylhen  «eschnnden  erblickte.  **)  Jndefs 
verfnhren  einiji,e  Dichter  wohl  auch  etwas  glimpflicher  mit  nnserm 
Marsyas.  Bei  ihnen  war  von  der  schrecklichen  Hanlabzichung 
nicht  die  Rede;  sondern  wie  sie  den  Midas,  nicht  ohne  eine  hand- 
greifliche Anspielung-  auf  die  oft  geschmacklosen  und  dicköhiigea 
Kampfrichter  bei  den  Athenischen  Schauspielen ,  mit  langen  Ohreil 
begabten,  ^^)  so  dichteten  sie  auch  vom  Marsyas,  dafs  ihn  der 
Gott  zwar  an  den  Banm  gebunden,  aber,  statt  ihm  etwas  vom 
Kör])er  abzunehmen,  noch  am  Hintertheile  ein  Sanschwäuzchen  au- 
gesetzt habe.  ***)  Eine  olFenhare  Travestirung  der  gewöhulichea 
Satyrgestalt  I 

Dichter  nnd  Bildner  standen  zn  Athen  im  schönsten  Bnnde 
mit  einander.  Was  der  Dichter  besungen  hatte,  verkörperte  der 
Bildhauer  und  Blaler  in  die  edelsten  Formen  seiner  schaffenden 
Kunst,  Bei  einer  so  bekannten  atiischen  Nationalfabel,  als  die 
Erlindnng  der  Flöten  durch  die  IMinerva  nnd  der  nngiiickliche 
Wettstreit  des  Marsyas  sein  raufsten ,  läfst  es  sich  also  schon  im 
Voraus  annehmen,  dafs  sie  von  attischen  Künstlern  auch  zum  Ge- 
genstände manches  Kunstwerks  gewählt  worden  sei.  Wir  treffen 
in  der  Kunde  alter  Denkmale  auf  eine  ]\Iinerva  Mnsica,  die 
gewifs  nicht  blos  darum  diesen  Zunamen  erhielt,  weil  ihr  die 
Mnsen  oft  zu  Begleiterinnen  gegeben  winden,  wie  in  ihrem  Tempel 
zn  Allea,  -f)  nnd  wie  in  mehreren  noch  Aorhandenen  Slatnen- 
Bammlungen,    wo    die   Minerveu-  und  Museubilder  neben  cioaadcr 


*)  Plato  im  Entliydemus  p.   285.  D.  oder  T,  III,  p.  33.  Bipont. 
**)  Pliitarch,  de  scra  iiuininis  vindicta  T.  II.  p,  555.  A.   oder  p.  39. 
ed.  W'yttonb. 
***')  Die   pcschriclicneu  Scliolieu  zum  Fiilgcntius    bei  Munker  aJ  Hjgin. 
]i.   27!).  cd.   Slavercn. 
t)  Pausaiiias  VitI,  i7.  p.  695. 


ii3 

gefunden  nnd  ansge2,rnl>en  VMirdcn,  *)  sondern  anch  Wegen  einer 
noch  genauem  Beziclniiig  anf  dit*  Tonluuist  sellisf.  Diese  liegt 
Si'Uun  in  jener  Eildsiiiile  des  Bildlianers  Deinelrins ,  der  das  Gor- 
gonenliaiijit  anf  der  Aegide  der  Giillin  so  künstlieh  gebildet  liatte, 
dafs  die  Seldangenliaare  angcnelini  erklangen ,  so  oft  die  Citlier 
vor  der  Bildsäule  gespielt  wurde.  Ich  zweifle  aber  gar  iiielit, 
dafs  man  aneh  in  Bezieliiiiig  anf  die  Erllndnng  der  Flöten  der 
Minerva  den  Beinamen  Mnsica  gegeben  habe,  da  er  ganz  ei- 
gentlich in  die  Dlinervensladt  zn  Hanse  gehörte.  ^^^)  Pausanias 
bemerkte  in  der  Akropolis  zu  Alben  seihst  eine  Grnppe,  wo 
Pallas  den  Marsvas  schlagend  yorgeslellt  war,  weil  er  die  Flöten 
aiifi^ehoben  hatte,  die  die  Göllin  anf  inmier  weggeworfen  wissen 
wollte.  **)  Kein  aller  Dichter  oder  Mylhograph  erzählt  diese 
Züchtigung-,  und  doch  war  sie  im  Geiste  der  Athener  nnd  gewifs 
aus  einem  bekannten  satirischen  Drama  geschöpft.  Auch  anf  deu 
noch  vorhandenen  alten  Kunstwerken  erblicken  wir  die  Erfindung- 
der  Flöten  zum  Theil  ganz  so  vorgestellt ,  w  ie  sie  iu  den  saliri- 
8chen  Dramen  zn  Alben  ausgebildet  worden  war.  So  sah  man 
Äiif  einem  Basrelief,  das  sich  zn  Rom  im  Hause  des  Oltavio 
Capranica  befand,  die  Minerva  auf  der  Doppelflöte  spielen,  wäh- 
rend auf  der  andern  Seile  ein  Satyr  lauschte,  «ra  sich  des  Fundes 
zu  bemächtigen ,  w enn  sie  die  Flöten  weggeworfen  hätte.  ***y 
Auf  einer  Schwefelpasle  der  Sloschischen  Sammlung  halte  der  Sleiu- 
Bchneider  den  Moment  sehr  glücklich  gewählt,  wo  der  Salyr  die 
weggeworfenen  Flöten  schon  aufgehoben  hat  und  blüs't,  während 
sich  Minerva  mit  Verachtung-,  die  Finger  au  den  Mund  hallend, 
wegbegiebf.  f)  Auf  einer  andern  allen  Paste  im  Cabinet  von 
Charles  Townley  in  London  besieht  die  Göllin  mit  forschen- 
dem Blick  die  eben  erfundeneu  Flölen ,  die  sie  in  den  Händen 
hält.  If)  Diefs  scheint  unter  den  Vorstellungen  dieser  Fabel  die 
gewöhnlichste  gewesen  zu  sein.  Denn  sie  kommt  auch  auf  einer 
Sloschischen  Paste  üf)  nnd  auf  einem  Basrelief  in  der  Villa 
Belvedere  zu  Frascali  vor.  f If-i")  Die  merkwürdigste  Vorstellung 
bleibt  indessen  gewifs  diejenige,  Avelche  Francisco  Bartoli 
von  einem  Frescogemälde  in  den  Bädern  des  Tilns  eopirte  und 
in   Af^uarell   abmalte.    Wiuckelmann  lint  sie   aus   der  im  Vaticaii 


*3  Galleria  Giustiniani  T.  II.  tav,  140.  Pitture  d'  Ercolano  T.  V.  tav. 
2.    mit   den    Anmerkungen    der  Herausgeber,  besonders  aber  Vis- 
conti zum  Museo  Pio  Clement.  T,  I,  p    13, 
**)  Tansanias  I,  24.  p.  56. 

***)  Beschrieben  von  Winckelmann,  Description  des  pierres  gravees 
d.  B.  de  Stoscli  p.  65.  nnd  in  seinen  3Ionumeuti  anticiü  p.  20. 
f)  Tassie^s  Catalogue  n.  1717,  p.  113.  f. 
ff)  Tassie's   Catalogne  n.  1774,  p.  137. 
fff )  Description  des  pierr.    gr.  du  Cabinet  de  Stoscli  n.  211.  p.  6S. 
ttti")  Nach  Winc  kelniann's  Angabe,  Monum.  Ant.  p.  20. 


24 

bofiiulliclien  Sainmlnng  dio.spr  Gcmäldo  in  seine  fllomimenli 
aiitirlii  ineilili  (No.  18.)  aui'i;eiiotninen.  IMiiicrva,  die  aiiföcr  dem 
Helm  niif  dem  Ku|!fe  völliu  iiiiliewairnet  ist,  silzt  auf  eiiieiu  Throne 
und  lifiit  die  cri'uiideiicn  l^'liilen  so  in  den  Hunden  ,  dafs  sie  die  in 
der  einen  Hand  befindliehu  lioeli  anfliebt  (W  i  n  clvc  1  ni  a  nn  sag(,  sie 
sei  im  I>ei>rift',  sie  w egzn werten  ,  )  die  andere  aber  vor  sieb  anf 
den  Sebools  K\:^f,  Jlir  zn  Fiilseu  liegt,  mit  der  Rechten  auf  eine 
Urue  ge.';Jiitzt,  eine  ]Najade  —  dafs  sie  diefs  sei,  zeigt  aneh  auf 
dem  (jleniable  ihr  slahlgriiues  Gewand  --^  und  scheint  mit  der 
Linlven  der  GüUin  zu  winken.  Auf  beiden  Seilen  stehen  noch 
zwei  andere  weiljliehe  Figuren ,  mit  dem  dicblerisehcn  E|dieH  ge- 
kräuzt.  Die  eine  zeigt  mit  dem  Finger  auf's  Gesicht,  die  andere 
mit  der  gesenkten  Hand  auf  die  iSvniiibe,  Yt  inckoiniann  giebt 
sich  viele,  vielleicht  vergeblicbo  Miihc,  «liescn  Figuren  beslinunle 
Name»  zu  golien.  Die  Idee  des  Malers  ist  indefs  auf  keine  Weise 
zu  verkennen.  Sieh,  sagt  die  eine  Figur,  die  mit  dem  Zeigcüu- 
ger  auf  ihr  eigenes  Gesicht  deutet,  hier  Avarst  du  beim  Blasen 
sehr  bäfslich.  Wirf  die  liäfsliche  Pfeife  dieser  Nymphe  in  den 
Scboofsl  diefs  scheint  die  andi^c  andeuten  zu  Avollen,  Aber  wer 
ist  die  Nymphe?  Die  Alheuiscbe  Fabel  verptlanzte  die  Szene  aus 
Lvbien  an  den  Mäander,  Avie  auch  ans  einer  Stelle  des  Propcrz 
bekannt  ist.  Aliein  die  Flnfsgölter  werden  nicht  als  Najaden  ab- 
gebildet. Könnte  sie  also  nicht  nach  der  Erzählung,  der  Hvgin 
folgt,  den  Quell  am  Berge  Ida  bezeichnen?  Dafs  übrigens  dem 
Maler  mtdir  um  die  Ausführung  seiner  Idee  als  um  chronologische 
Richtigkeit  zu  thuu  gx'wesen  sei,  erbellet  aus  den  an  den  Lücliera 
der  Pfeile  augebrachleu  Pllückchen,  die  erst  spät  dazu  erfunden 
AYurden,  um  durch  das  YorscbieboH  derselben  dieselbe  Flöte  in 
Tcrschiedtno  Tonarten  umzuslimmen.  *) 

Aber  noch  weit  häuiiger  bildeten  diaAtheniensischen  Künstler 
und  ihre  Schulen  die  Geschichte  des  Marsvas  mit  allen  den  Zu- 
sätzen und  Ausschmückungen  ab,  die  allische  Dichter  uacli  und 
nach  hinzugefügt  halten.  Der  alle  Pol yg notus  hatte  in  jener 
berüiimten  Gemäldegalerie  des  Delphischen  Tempels  von  jener  Be- 
strafung noch  nichts  gewufst.  **)  Er  malle  blos  den  Marsvas,  wie 
ev  den\  jungen  Olympus  das  Flötenspiel  Jehrt.  Und  doch  wäre 
diese  Bestrafung,  wenn  sie  sdioa  damals  für  einen  Gegenstaud 
der  bildenden  Kunst  gegolten  hätte,  ein  sehr  schickliches  Seiten- 
stück zu  dem  ebenfiills  dort  aogeführteu  und  vom  Polvguot  gemalten 


*)  Diese  Pllöcke  oder  Wirbel  von  Elfenbein  oder  Hörn  finden  sich 
auf  vielen  alten  Donkmälern.  S.  Bartholin,  de  tibiis  c.  5.  pag. 
57.  seq  Am  bcfsten  hat  sie  Caylus  erläutert,  Recneil  d'Aiitiqiiites 
Tom.  III,  p.  206. — 208.  Vergleiche  Burney,  History  of  Miisic. 
T.  I.  p.  521. 

**)  Paugaaiaa  X.  30.  p.  873. 


Ji5 

Tliamvris  gewesen.      Diese  ältere  Vorstelhing  finden  wir  anch  auf 
einem   Herculanischen    Geniühle    ansgefi'ihrt ,    wo    aucli    noch    «ai' 
iiiclils  Safyrartigos  an  Marsvas  zu  erblicken  ist.   *)     Aber  als  Sa- 
tyr,   also  schon  mit  einem  Zusätze  ans  der  attischen  Dichterscliule, 
ersciieiut    er    auf  einem    anderen  Herculanischen    Gemälde,    wo   er 
gleichl'alis    als    Lelinneister   des   Oivunms  vorneslellt  ist.  **)     Nun 
komuieu   die    zahlreichen  Vorstellungen   der  Bestrafung   selbst.     Iii 
einigen  ist  Apollo   noch   der   eigenhändige   Vollstrecker   der  Strafe, 
wie   in   einer  Gruppe   zn  Dresden,    welche  aus  dem  Paläste  Chi"! 
daliin  gekommen  ist.  ***)     In    dieser  Hinsicht    konnte  Apollo    den 
Beinamen   des  Peinigers  (Tortor)  bekommen    nnd  in  Bildsäulen 
mit    den  Attributen  des,    seine    blutige   Ftache   selbst    vollziehendeu 
Gottes   Yorgesl'.'llt    werden,  ^^ii)      Hierher    gehören   auch   die    im 
Aherthum    so   häuiigeu    einzelnen  Sialnen    des    an   die  Fichte    oder 
Pappel    —    denn  selbst  hierüber  war  die  Tradition  verschieden  — 
angebundenen,    entweder    schon    wirklich    geschundenen    oder  sein 
Uitheii    noch    erwartenden    J)Iarsjas.       Aber    am    häufigsten    war 
Apollo  in  der  vornehmen  Stellung   eines,   Befehl  ertheilendeu  Pry- 
tanen    entwedin-    iu    gröfsern  Basreliefs    oder  Gemälden    mit   einem 
zahlreichen     Gefolge    nrngcben,     oder    wenigstens    in    Gesellschaft 
einiger  oder   auch  nur  eines  einzigen  Gerichtsknechfs,    Scythen, 
vorgestellt,    wiihrend  iMarsyas    schon    an    den    Baum    gebunden    da 
steht.     Hier    ist   die  Einmischung    der    attischen    Localsilte   überall 
nuverkennhar.      Da,    wo   mehrere   Gerichtsknechte  dem   Apollo   zu 
Befehl    stehen ,    ist    der    eine    gewöhnlich    mit    dem    Anbinden    des 
Verbrechers  beschäftigt,  während  ein  anderer  das  Messer  zur  Exe- 
ciition     schleift    und    mit    drohendem  Blicke    anf   das    Sculachtoj)fer 
hinaufsieht.     Dieser  schleifende  Scythe  war  eine  Lieblingsfigur  der 
allen  Künstler    iu   dieser  Gruppe    nud    ist   für    die  Kunstgeschichto 
bekanntlich  auch  dadurch    sehr  merkwürdig,    dafs  eine   der  Haupt- 
statuen, die  aus  dem  Altcrthum  übrig  geblieben  sind,  der  berülimte 
Schleifer  oder  Arotino  von  Florenz,  oftenbar  nichts  xinderes  als 
der  schleifende    Scythe   in  einer  Gruppe   des  Marsyas   gewesen  ist. 
Den    befstcu    Commeular    giebt    der  jüngere    Philostratns    iu 
seinen    Gemälden,    wo     dieser    schleifende    Scythe    nach    dem 
Leben  geschildert  wird,  f)    ^"^'^^^^      Aufser    einem    sehr  merkwür- 
digen   Herculanischen    Gemälde ,    worauf    diese   ganze    Geschichte 
abgebildet   ist,  ff)     verdient    kciue    Uieher    gehörige    Antike    ein 

:*3  Pitture  T.  1.  tav.  9. 

i**')  Pitture  T,  III.  tav.  19,  vergl.  Heyne,  antiquarische  Aufsätze  Th. 
^  .:       II.  S.  G9. 

***)  Marbres  de  Dresde.  65.  Eine  weniger  als  mittelmäfsige  Abl)ilflnng: 
eines  der  befsten  Kunstwerke   dieser  Sammlung,    von   weldier  wir 
\        eigentlich  noch  gar  keine  Abbildungen  besitzen! 
,»*J-^  Philostratns  der  Jüngere,  Icon.  2,  \k  865. 
^.  tt)  Pitture  T.   II     1^   19. 


26 

grOfscrcs  Stn<Hmn  als  das  geldirtc  BafiroUcf  aus  der  Villa  Bor- 
g-hese,  (Ici^.sen  Beknniitiiiaclniiiij;  wir  W  i  n  i- k  e  I  in  an  ii  venlan- 
koii.  *)  Apollo,  von  den  KainpiVieliterinnen,  den  Mnsen,  nnd  den 
iibrijjcn  Göttern  Mnijj,eben ,  sitzt  auf  einem  Thron  und  stützt  seinen 
Fnfs  auf  einen  riii)poij,rvph ,  wodureli,  wie  Visconti  sehr  scharf- 
sinnij^  bemerkt  hat,  **)  aiit  alten  Denkmälern  besonders  der 
Pyt  bische  Apoll  bezeichnet  wird.  Hier  erblickt  man  drei  Sty- 
Ihen ,  die  durch  ihre  Mützen  nnd  iiir  übriges  barbarisches  Kostüm 
sogleich  zu  erkennen  sind.  Der  mittelste  ist  der  mit  Trotz  an 
den  Delinquenten  hinauf  blickende  Schleifer.  Der  FInfsgott  zu 
den  Füfsen  des  Gebundenen  ist  der  bfi  Celänä,  dem  nachmaligen 
Apamea,  entspringende  Marsyas ,  wie  auch  die  Münzen  dieser 
Stadt  hinlänglich  bewiesen.  ***)  Auch  auf  geschnittenen  Stei- 
nen f)  und  IMünzeu  der  Alexandriner  ff)  erblicket  man  diesen 
schleifenden  Scythen  bei  der  Bestrafung  des  Marsyas  sehr  häufig; 
es  würde  aber  io  der  That  ein  sehr  undankbares  Geschäft  sein, 
die  sonderbaren  MifsgrifTe  der  neuern  Alterthumserklärer,  die  sich 
"wegen  dieser  Zusaninienstellung  der  Scythen  mit  dem  Apoll  in 
keiner  geringen  Verlegenheit  befanden,  der  Reihe  nach  herzn- 
erzählen. 

Nach  diesem  Allen  wird  sich  eine  im  Alterthnm  oft  wieder- 
erzählte Anekdote  aus  der  Jugendgeschichte  des  Alcibiades  leicht 
beurtheilcn  und  anf  ihren  wahren  Gehalt  zurückbringen  lassen. 
Ich  will  sie  zuvörderst  mit  den  Worten  Plutarch's  erzählen ,  der 
sie  in  seiner  Biographie  des  Alcibiades  am  weitläufigsten  an- 
führt, ftt)  „Als  er,"  so  heifst  es  hier,  „die  Jahre  erreicht  hatte, 
wo  der  jugendliche  Unterricht  anfängt,  bewies  er  allen  Lehrern 
die  gebührende  Achtung  und  Folgsamkeit,  nur  mit  dem  Flöten- 
spiel wollte  er  nichts  zu  thun  haben ,  weil  diefs  ein  unedles ,  dem 
freien  Manne  unanständiges  Geschäft  sei.  Denn  wenn  man  mit 
dem  Plectrnm  die  Lyra  schlage,  so  thne  diefs  weder  dem  Auslände, 
noch  dem  Ansehen  eines  Mannes  \on  guter  Geburt  den  geringsten 
Eintrag;  das  Blasen  der  Flöten  hingegen  verstelle  die  Menschen 
so  sehr,  dafs  ihn  selbst  seine  Bekannten  in  seiner  Veruustalt- 
nug   kaum   erkeuueu   würden.     Ferner    ertöne    die    Lyra   nur  im 


♦ 


*)  Monumenti  antichi  inerliti  n.  42.   p,  49.  ff, 

**)  Museo  Pio-Clement.  T.  IV.  p.  23.  f. 

***)  S.  EklieTs  Doctrina  nuinonim  vet.  T.  III.  p.  139.  140. 

f)  Winckelmanns  Descript.  du  Cab.  de  St,  n.  1140  —  44.  p.  193. 
f.  Den  merkwürdigen  Onyx  n.  1142.  hat  Raspe,  Tassie's  cata- 
logne.  PI.  XXXII.  n,  3026.  nebst  einigen  andern  ähnlichen  Gem- 
men abgebildet, 

ft^  Pellerin,   Reciieil  de  Med.  III.  p.  288. 

ff-j-)  Plutarcli  im  Leben  des  Alcibiades  c.  2.  T.  II.  p.  3.  4.  ed. 
Hütten.  Schade  nur,  dafs  der  aiiekdotenreiche  Biograph  in  diesem 
ganzen  Leben  fast  keine  einzige  Quelle  antulu't,  woraus  erschöpfte» 


27 

Elnlvlaiiire  mit  «lom  Gesänge  des  Spielenden ,  die  Flöle  liinj^cgen 
vciscliliefse  und  Acrslopfe  die  Slimme  und  Rede  des  Flölenspieiers 
völlig-,  Lal'st  also,  setzte  er  hinzu,  die  T  lieb  au  er  flöten, 
so  viel  sie  wollen.  Zum  Sprechen  sind  sie  so  zu  dumm. 
Wir    Athener     aber   li  a  b  e  n     die     Pallas     Athene    zur 

5  t a ni nun  u  1 1 e r    und    den    Apoll    zu  ni    S  c h  ii  t z g o  1 1    u n- 

6  e  r  e  r  Vorväter.  Jene  w  a  r  t"  d  i  e  Flöten  weg,  und  die- 
ser zog  dem  Flötenspieler  die  Haut  ab.  So  erklärte 
sich  der  jnnge  AIcibiadcs  halb  im  Scherze  und  halb  im  Ernste 
über  das  Flölenspiel,  nnd  verleidete  dadurch  sich  und  Andern  diese 
Kunst,  Denn  bald  sprachen  alle  seine  Gespielen  davon,  dafs 
AIcibiades  ans  guten  Gründen  das  Flötenspiel  verabscheue  nnd 
Alle,  die  sich  damit  abgäben,  verspotte.  Seit  dieser  Zeit  hielt 
man  es  nicht  mehr  für  eine  freie  Knust.  Die  Flöte  wurde 
e  i  n  G  e  g  e  n  s  t  a  u  d  des  allgemeinen  Spottes."  So  weit 
Plntarch.  Der  gelehrte  Grammatiker  Gellius  erzählt  diese  Anek- 
dote gleichfalls  aus  den  Denkwürdigkeiten  der  Pamphila,  einer 
Schriftstellerin  im  Zeitalter  Nero's.  *5  Nach  diesem  Excerpt  liefs 
Pericles ,  der  Vormund  des  AIcibiades ,  den  berühmtesten  aller 
Thcbanischen  Virtuosen,  den  Antigenides  selbst,  kommen  und 
hat  ihn,  dem  AIcibiades  Unterricht  zu  erthcilen ,  der  aber  beim 
Erblicken  der  anfgeblasenen  Backen  die  Flöten  mit  Füfsen  trat. 
Auch  die  Pamphila  hatte  bemerkt,  dafs  seit  dieser  Zeit  das 
F 1  ö  t  e  n  s p i e  1  nicht  mehr  z  n m  Schulunterricht  in 
Atlien  gerechnet  worden  sei.  So  viel  ist  aus  dem  wie- 
derholten Zeugnisse  mehrerer  alten  Schriftsteller  **)  und  selbst  des 
Plato,  der  den  Socrates  zum  AIcibiades  sagen  läfst:  du  wolltest 
die  Flöte  nicht  blasen  lernen,  ganz  unleugbar,  dafs  der  Scherz 
des  AIcibiades  anch  das  Seinige  zur  Herabsetzung  des  Flötenspiels 
heigetragen  haben  könne.  Der  schönste,  reichste  und  witzigste 
Knabe  seiner  Zeit,  im  Hause  des  allmächtigen  Pericles  erzogen, 
war  AIcibiades  allerdings  schon  in  diesem  Aller  ganz  dazn  ge- 
macht, in  Sachen  des  Geschmacks  unter  seinen  Gespielen  und 
durch  diese  selbst  bei  den  Erwachsenen  den  Ton  anzugeben. 
Dazu  findet  sich  in  der  Jiigendgeschichte  dieses  liebenswürdigsten 
nnd  geistreichsten  aller  Wüstlinge ,  in  dem  man  den  Charakter 
des  ganzen  Volks  gleichsam    in    einem  Miniatnrgemälde    abgebildet 

]  findet,  noch  eine  Menge  anderer  Belege.  Allein  auch  so  würde 
eine  so  schnelle  Veränderung  in  den  Gesiniiungeu  eines  Volks, 
das  gerade  um  diese  Zeit  nach  dem  ausdrücklichen  Zeugnisse  des 


*')  A.  Gellius  XV.  IV. 

**)  Diese  Stelle   findet    man  vollstänrlig    in    P.  Faber's  Agonistico    I. 

4.  und  in  A.  Leopaidus   Emendationibus  II,  13.    Lampad.  Grut. 

T.  111.  p.  33.  ü".  gesammelt. 


! 


28 

Xenoplion  *)  die  KiinslfertigUnileu  der  Flötenspieler  leideiisclinft- 
licli  |je\MiiHler(e,  kiuim  ji,eileiikljai-  sein,  wenn  iiiclit  die  SpoKlust 
der  komisclien  und  satirischen  Dichter  zn  yleiciier  Zeit,  wie  oben 
gezeigt  worden,  auch  das  lhii<'0  dazu  heigetra£,en  häUe,  und  zu- 
gleich die  aiigeerhte  G<!ringschälzang  und  Ahneignue,-  der  Athener 
gegen  ihre  Nachhani ,  die  Böotier  und  Thehaner,  die  das  Flöten- 
ßjjiel  zur  einzigen  Kunst  und  ziim  Broterwerb  niaclilcn,  in's  Spiel 
gekommeu  wäre.  Das  Fliilenspiel  wurde  nun  wirklich  als  Hand- 
werk A'oni  Schnlunlerricht  immer  mehr  ausgeschlossen,  und  die 
Philosophen  bewiesen  die  Unslatlhalligkeit  desselhcn  in  ilireu 
Schulen.  ^'X)  Aber  merkwürdig-  bleibt  jene  Anekdote  schou 
daruui ,  weil  in  der  Rede  des  jungen  AIcihiades  Alles  zusammen- 
gesetzt ist,  was  attisches  Nalionalvorurlheil  gegen  die  Kunst  ihrer 
Nachl)arn  einzuwenden  pflegte,  und  weil  man  in  ihr  den  deullich- 
Slen  Fingerzeig  findet,  wie  sich  aus  jenen  Yorurtheilen  die  Alytheu 
von  der  Minerva,  der  Flöten wächteriu,  und  dem  Apollq,  dem 
Bestraler  des  Marsjas,  entwickelten. 


Weitere       A  u  s  f  ü  h  r  u  u  g  e  ii. 


I. 

üeber     die     3Iarsyasstatuen. 

Blaii  fand  in  der  Geschichte  des  Marsyas  ein  treffendes  Bifd  des 
gestraften  üeherinutlis.  Nun  ist  aber  diese  "ß^'i  das  Ilaiiptverbrecheii 
in  repiiblicanisclieu  Staaten  ,  und  so  konnte  das  Bild  ilirer  Bestrafung 
iiberlianpt  Symbol  der  Gereclitigiceit  werden.  Wegen  dieser  Beziehung- 
Stand  daher  wahrsclieinUch  in  den  meisten  Städten  auf  dem  Forum ,  wo 
die  Gerichte  gelialten  wurden ,  eine  Gruppe  des  Apollo  und  jMarsyas. 
Wir  wissen  diel's  aus  einer  Stelle  des  Servius  zum  Viigil,  Aeneid.  IV. 
58  ,  der  aber  die  Kunstallegorie  nur  Iialb  fafste  :  3Iarsyas  per  civitates 
in  foro  positus  libertatis  indicium  est.  Der  3Iarsyas  auf  dem  römi- 
schen Forum  ist  den  Lesern  der  Horazischen  Satiren  durch  die  witzige 
Wendung  bekannt,  wodurch  Horaz ,  der  Dichter,  die  grinsende  Miene 
dieser  Statue  auf  den  verliafsten  Weclisler  Novius  deutet  ( 1  Serm.  6, 
120.  mit  Wieland's  Anmerkung  Th.  I.  S.  229.  ),  die  Juvenal  C^^-  -'~) 
sogar  sprieliwörtlicli  braucht.  Vergl.  Martial  II,  6i.  Noch  bevUliintev 
wurde  diese  Bildsäule  durch  die  Ausschweifungen  der  Julia,  August's 
Toclitur,  wie  sie  Seaeca  und  Plinius  erzälden.  S.  Lipsius,  Lect.  Antiqu. 
III.  Opp.  T.  I»  p.  388  f.    —     Ob    der   geschundene    Marsyas    auch    als 


"j  Xenoi>Iion's  Deidvwiirdigkeiten  IV,  4.   16.   p.   257.   ed.  Sdineid. 


29 

Gliodermann  zum  anatomisclien  Stndiiim  in  der  Myologie  und  Angio- 
lo«ie  in  den  Zeicimenschulen  der  Künstler  habe  dienen  können,  soll 
andei'swo  weitläuüger  untersucht  werden, 

II. 

üeber     die     Homerischen     Stellen,     wo    von     den 
Flöten     die     Rede     ist. 

Agamemnon  hört  des  Nachts    das  Getümmel  des  trojanischen  Lagers 
«nd  staunt 

Ueber  der  Flöten  und  Pfeifen  Getön.  — 
II.  X,  13.  K-jX!j~.-j  cvqlyyM-j  r  i^o-'/fj.  Dabei  machen  die  vollständi- 
gem Schollen  bei  Villoison  S.  243.  die  Bemerkung,  dafs  nur  hier 
und  noch  einmal  im  I8ten  Euch  die  Pfeifen  und  Flöten  vorkämen,  und 
dafs  diese  Instrumente  nur  den  Barbaren  bekannt  ge- 
wesen wären.  Wenn  also  im  iSten  Buch  V.  495.  bei  einer  Braut- 
hcinüuhrung  Jünglinge  unter  dem  Klange  von  Flöten  und  Cithern  tanzen, 
so  folgt  daraus  nur  soviel ,  dafs  in  ionischen  Städten  bei  solchen  Feier- 
liclikeiten  auch  nach  der  Flöte  getanzt  wurde.  So  wie  aber  die  Römer 
lange  Zeit  sich  blos  mit  lictrurisclien  Pfeifei'n  behauen,  so  erliielten 
wahrscheinlich  die  lonier  ihre  Flötenspieler  bei  Hoclizeiten  von 
den  benachbarten  Lydiern.  In  der  Parallelstelle  im  Schiide  des  Ilercides 
y.  281.  ff.  unter  den  Hesiodisclien  Gedichten  marschiren  die  Tänzer  im 
Tact  vorwärts,  indem  ein  jeder  seinen  Pfeifer  vor  sich  her  gehen  hat, 
sind  aber  von  denen,  die  nach  der  Cither  tanzen,  ganz  verschieden. 
Indefs  beweis't  schon  der  Gebrauch  des  AVorts  /.wwä^siv,  dafs  diefs  He- 
siodische  Gedicht  in  ein  weit  späteres  Zeitalter  fällt.  Kurz ,  die  zweite 
Stelle  im  Homer  kann  wenigstens  nicht  für  einen  Beweis  gelten,  dafs 
die  Landsleute  des  Dichters  in  lonien  die  Flöte  schon  als  ein  gewöhn- 
liches Instrument  gebraucht  hätten ,  so  wie  überhaupt  die  ganze  Be- 
schreibung des  Acliiileischen  Schildes  der  höhei'n  Kritik  noch  manchen 
Stoff  zum  Zweifel  und  zur  Prüfung  darbieten  möchte.  Schon  den  Alten 
fiel  die  Erwähnung  der  Flöte  liier  auf.  Man  höre  nur ,  was  der  zweite 
Venezianische  Scholiast  bei  Villoison  S,  431.  darüber  bemerkt:  „die 
Flöte  ist  phrygisclien  Ursprungs,  Wollte  also  hier  vielleicht  der  Dicliter 
ein  Bild  des  friedlichen  Tiojas  entwerfen?  Denn  die  Trojaner  be- 
dienten sich  bei  iJiren  Wachfeuern  der  Flöten.  Bei  den  Hellenen 
aber  ist  di'e  Flöte  nirgends  anzutreffen."  Ein  Anderer,  ein 
gewisser  Agallias  aus  Corcyra,  ein  Freund  des  Grammatikers  Aristoplia- 
nes,  half  sich  aus  dieser  Verlegenheit  dadurch,  dafs  er  annalini ,  die 
friedliche  Stadt  sei  Athen ,  wo  Pallas  Athene  die  Flöte  zuerst  zur 
Hochzeitfeier  (sv  yifxoi:;)  erfunden  habe.  S.  die  Schollen  des  Pseu- 
dodidymus  S,  720.  ed.  Barn.  —  In  der  Odyssee  ist  nirgends  eine 
Spur  von  der  Flöte ,  man  niülste  denn  X,  10.  mit  Rochefort  a-^j?  für 
a'jXM  erklären  wollen,  S.  Villoison  zu  Longus  roijx.  p.  304.  Diese 
Untersuchung  ist  übrigens  reicli  an  weitern  Folgerungen,  So  läfst  sich 
z,  B,    daraus  gleich    eine   wichtige  Folge    lür    das   eigentliche  Zeitalter 


30 

der  Homeridisclien  Hymne  auf  den  ITermos  zielien,  da  in  ihr  die  Musen 
im  Olynip  die  Flöton  spieU-ii.  V.  450.  IfJ-iqUii;  ß^^if^o;  ct-jkSJv.  So 
setzt  untAcfälir  Aristoplianes  in  den  Frösclien  312.  Cliortänze  und 
Flölensj)iel  zusammen.  Aber  wer  sollte  diefs  in  einer  so  viel  altern 
Hymne  erwarten?  IMicli  wundert  es,  dafs  Vols,  der  so  viele  Neu- 
erungen in  Sachen  und  Worten  l)ei  diesen  Hymnen  aulTiilirt  (mytholo- 
gische Briefe  Th.  I.  S.  100,  ff,)  nicht  aucJi  diese  bemerkte. 

III. 

Orpheus, 

Nur  auf  diese  Weise  läfst  sich  vielleiclit  nocli  etwas  von  dem  Or- 
phisclien  Fabelgewebe  in  seine  Grundfäden  airflösen,  die  durcli  die 
Bemiihnngen  der  Nenern  noch  immer  mehr  verwickelt  und  versclilungen 
worden  sind,  wie  ganz  neuerlich  noch  durch  das  gepriesene  Werk  des 
französisclien  Astionomen  Dnpuis:  Origine  de  tous  les  cultes,  worin 
der  wahre  Satz,  dafs  die  Griechen  ihre  ältesten  Mysterien  von  den 
Aeayptern  erhielten,  zu  den  unwalirsclieinlichsten  Hypothesen  gemifs- 
braucht  wird.  Man  denke  sich  also  den  Orpheus  nur  als  einen  Collectiv- 
nanien  aller  Vorsteher  jener  frühesten  Mysterien ,  die  ihre  Weiliegesänge 
mit  der  Cither  begleiteten,  und  die  Beliauptung  des  scliarfsinnigen  Ari- 
stoteles beim  Cicero  N.  D.  I.  38.,  dafs  nie  ein  Orpheus  gelebt 
habe,  verliert  auf  einmal  ihr  paradoxes  Ansehn.  Der  Streit  des  neuen 
geheimen  Bacchiisdienstes  mit  den  altem  Geheimnissen,  die  ihm  un- 
terlagen, erklärt  die  Fabel  vom  Tode  des  Orpheus,  die  von  den  spätem 
Orpheotelesten  und  Dichtem  um  die  Wette  ausgesclmiückt  wurde.  Jene 
hatten  in  ihren  Logen  also  auch  schon  einen  (frs  cli  la  genen  Meisteri 
diese  mischten  bald  das  spätere  Nationallaster,  die  Päderastie,  hinein, 
weil  doch  eine  Ursache  vorlianden  sein  mufste,  warum  die  Mänaden 
den  Orpheus  zerrissen  hätten.  So  läfst  sicli  leicht  die  ganze  Fabel  ent- 
wickeln. Der  Sabazische  Bacchusdienst  entsprang  aus  dem  Dienste  der 
phrygischen  Cybele,  eine  Bemerkung,  die,  seit  Heyne  diefs  in  der 
Vorlesung  de  religionibus  et  sacris  cum  furore  peractis  in  Comment, 
Sog.  Gott.  T.  VIII.  aus  dem  Strabo  so  deutlich  gezeigt  hat.  Niemanden 
mehr  fremd  sein  kann.  S.  die  Bruchstücke  aus  einer  Pindarisclien  Di- 
thyrambe, die  über  diese  Saclie  viel  Licht  verbreiten,  in  Seh  neide  r's 
Fragm.  Find.  p.  51.  If.  Cybele  war  die  Göttin  ^  KgioraXwv ,  tut«- 
VMV  t'  '«X*) »  '^^^  ''^  PfsMOf  aCkixv  Eu  aSsv.  Homerid.  Hymn.  XVIf, 
3.  Mit  dem  Bacchusdienst  ging  also  auch  die  Flöte  zu  den  Griechen 
jil,er^  —  Sehr  schön  ist  die  Allegorie  eines  spätem  Aeolischen  Dich- 
ters :  die  Lyra  des  Ori)liens  schwamm  auf  dem  Hebrus  bis  in's  Meer 
und  von  da  bis  nach  Lesbos.  S.  die  Hauptstelle  in  der  Elegie  des 
.Phanocles  beim  Stobäus  LXII,  p.  399.  und  in  Ruhnken's  Epistola 
Critica  II.  p.  302.  ed.  nov.  nebst  Pliilos tratus  in  Ileroicis  p.  713,, 
wo  Olearius  die  Worte  rljv  'Ofipswj  nicht  durch  y.tffciA/\.>  sondern 
durch  Au'pav  hätte  ergänzen  sollen,  wie  aus  dem  Pliatiocles  und  ans 
Ovid's   Metamorphosen    deutlich    wird.      Die    Geschichte   der   frühesten 


lyrischen  DicTitkiinst  der  Grieclicn  auf  Lesbos  ist  ilie  passenJste  Er_ 
Klärung:  dieser  Allegorie,  die  schon  Phanocles  so  schön  deutet,  wenn 
er  singt :  'Ex  utivov  ywoXira/  ts  h«/  t/xs^rif  mSa^iffrvg  NiJfTov  ( nämlich 
Lesbos  )  «x^'  *  '"■«ffsiMv  t'  iffTiv  aoiloTarv) ,  vergi.  die  merkwürdige 
Stelle  des  Nicomachus  in  den  Script.  Mnsicis  libr.  II.  p.  29.  ed. 
Meibom.,  wo  ansdriiclvlich  gesagt  wird,  Terpander  von  Artissa  habe 
diese  Lyra  des  Orpheus  gefunden  und  für  die  seinige  ausgegeben.  Und 
wirklicli  fängt  mit  Terpander's  Barbitou  oder  tTTTaxof'öov  die  erste  ly- 
rische iVfusikschule  auf  Lesbos  an.  Auf  äiinliche  Weise  ist  wold  auch 
die  alte  Sage  der  Sicyonier  beim  Pausanias  II,  7.  p.  128  entstanden, 
dafs  die  Pfeifen  des  Marsyas  in  den  Mäander  und  von  da  iiber's  Meer 
zu  ilinen  geschwommen  wären.  Diefs  kann  schwerlich  etwas  Anderes 
bedeuten,  als  dafs  im  uralten  Sicyon  sich  schon  vor  langen  Zeiten  ein- 
mal ein  phrygisciier  Flötenspieler  habe  hören  lassen.  —  Uebrigens 
wäre  es  wold  der  Miilie  werth,  alle  zerstreuten  Spuren  von  Widerstand, 
den  der  neue  Baccluisdieust  überall  in  den  hellenisclien  Städten  fand, 
sorgfiiltiger  aufzusuchen.  Z.  B.  beim  Pausanias  II,  20.  p.  155.,  wo 
Persous  von  Argos  den  Bacchus  und  seine  Mänaden  schlägt.  3Ianches 
würde  sich  aus  des'Nonnus  seltsam  verdrehten  Dionysiacis  herausiin- 
den  lassen.  In  des  St.  Croix  Collectaneen:  Versuch  über  die 
alten  Mysterien,  S,  275,  ff»  würde  man  vergeblich  nach  so  etwas 
suclien» 

IV. 

Lydische      Doppelflöte, 

Die  Stelle  beim  Herodot  I,  17.  von  Halyattes  Kriegsmnsik  hat  frei- 
lich ganz  verschiedene  Auslegungen  gefunden.  Ks  heifst  ^cr^ «tsJsto  — 
CtÖ  aCkov  äväfvj/ou  k«(  ywoctKi^lov.  Schon  Wesseling  hat  bemerkt, 
dafs  femininae  tibicinae,  die  Aulus  Gellius  I,  11.  aus  der  hier  ange- 
führten weiblichen  Flöte  herausgefunden  hat ,  nicht  in  den  Worten  des 
Herodot  anzutreten  sind.  Es  läfst  sich  aber  im  Ganzen  gar  keine 
andere  vernünftige  Erklärung  denken  als  die ,  welclie  auch  L  a  r  c  h  e  r 
zu  dieser  Stelle  giebt  in  den  Anmerkungen  zu  seiner  Uebersetzung 
T.  I.  p.  192.:  Je  crois,  que  notre  auteur  entend  par  cette  expression  les 
flutes  egales  et  inegales  dont  il  est  fait  mention  dans  les  didascalies  de 
Terence,  ou  bien  les  ilutes  Lydiennes  dont  le  son  etait  le  grave ,  et  les 
Plirygiennes ,  qui  avaient  le  son  aigu.  Das  letztere  ist  zwar  ein  falsclier 
Zusatz.  Denn  im  lydisclien  Heere  denkt  Niemand  an  iduygische  Pfei- 
fen. Aber  dafs  die  männliche  Flöte  eine  tibia  dextra,  die  weibliche  eine 
tibia  sinistra  gewesen  sei,  wie  man  es  in  der  Kunstsprache  des  Alter- 
thums  ausgedrückt  haben  würde,  sclieint  mir  keinem  Zweifel  unterwor- 
fen. So  viel  geht  auch  aus  den  gelehrten,  aber  höclist  verworrenen 
Erklärungen  des  Saumaise,  ad  Solin.  p.  86.  ff.  und  Script.  H.  A. 
T.  II.  p,  826.  b.  unleugbar  hervor,  dafs  die  mit  der  linken  Hand  ge- 
haltene Flöte  den  Discant  zur  rechten  oder  männlichen  Flöte  ge- 
spielt habe.      Und   mehr  bedarf  es  ^}iey  nicht  zvj  meiner  Absicht»    — 


32 

BelcanTitlicli  stammten  <1ie  Tynliener  oiler  Etnirier  von  den  Lydiern  ab, 
tind  es  verdiente  daher  wohl,  bemerkt  zu  werden,  dafs  wir  nach  Pas- 
seri  in  seiner  Aldiandliing'  de  Mnsica  vetenim  Ktniscornm  zum  zwei- 
ten Tlicil  seiner  Pictiuae  Etriiscorum  in  vasculis  p.  LXXVill.  b.  nnd 
nacli  Bnonarota  in  seinen  gclelirten  Erklärungen  zu  Demi)ster's 
I^Ururia  IJegalis  T.  II.  Append.  p.  68.  wohl  selbst  noch  diese  lydischen 
DoppeUlöten'  auf  alten  Denkmälern  selten  könnten,  wenn  nur  nicht  be- 
wiesen wlii'e,  dafs  die  Vasen,  auf  welclien  sich  die  Abbildungen  befin- 
den, niclit  etrurisclie,  sondern  griechisclie  Kunstwerke  aus  Grofsgricclien- 
land  sind.  Denn  so  gewifs  es  auch  ist,  dafs  die  Etrurier  sehr  geübte 
Flöteiibläser  geiiabt  haben  müssen ,  die  auch  die  Römer  in  der  Folge 
von  ihnen  erhielten  (s.  Strabo  V.  p.  336.  C.  und  Heyne,  Etrusca  an- 
lifjnitas  a  conimentiliis  interpretamentis  liberata  in  den  Novis  Commen- 
tariis  Societ.  Reg.  Gott.  Tom  A'Jf,  p.  43.),  so  sehr  beurkundet  sich 
doch  auch  durch  forlgesetzte  Forschung  der  Altertlnimskenner  die  schon 
von  Gay  Ins  gemachte  Bemerkung  Recueil  d'Antifjuites  T.  II.  p.  98, 
dafs  sicli  die  Flöte  sehr  selten  auf  echten  etrurischen  Denkmälern 
finde, 

Ursprung    der    Elegie  ans    dem     FlötenÜede, 

Ich  fühle  selbst  sehr  wohl,  wie  mifslich  jeder  Versuch  sein  mufs, 
eine  so  alte  und  verwickelte  Streitfrage  zu  lösen,  von  welcher  schon 
Horaz  sein  bekanntes  Grammatici  certant  et  adJiuc  sub  judice  lis  est 
aussprach.  Die  gröfste  Verwirrung,  wie  mich  dünkt,  ist  dadurch  ent- 
standen, dafs  man  die  Frage  nicht  recht  gestellt  hat,  i  Man  hätte  immer 
erst  fragen  sollen,  wie  wohl  der  Pentameter  erfunden  worden  sei,  ehe 
man  sich  mit  Untersuchungen  über  den  Ursprung  der  Elegie  einlief«, 
und  man  hätte  erst  von  Flötenliedern  überhaupt  sprechen  sollen, 
ehe  man  das  weit  spater  bestimmte  Wort  Elegie  rückwärts  anwendete. 
Die  Vermuthung,  dafs  die  Erlindung  des  Pentameters  der  Bekanntschaft 
der  lonier  mit  der  kriegerischen  Doppelflöte  der  Lydier  zuzuschreiben 
sei,  verdient  wenigstens  eine  genauere  Prüfung,  und  der  Umstand,  dafs 
die  ältesten  Dichter,  die  sich  des  Pentameters  bedienten,  Callinns 
und  Tyrtäus,  gei-ade  nur  Kriegsgosänge  in  diesem  Sylbenmafse  san- 
gen, scheint  diese  Muthmafsung  allerdings  zu  begünstigen.  Alles,  was 
sich  aus  den  wenigen  Bruchstücken  des  Callinns  beim  Strabo  und 
Stobäus  herausbringen  läfst,  beweis't  unleugbar,  dafs  es  Kriegslieder 
gewesen  sein  müssen.  Siehe  die  Stellen  bei  Souchay,  sur  les  poetes 
elegiaqaes  in  den  Memoii'es  de  l'Acad.  d.  Inscript.  T.  VII.  p.  304.  ff, 
und  die  Neuern,  die  von  Burmann,  dem  Jüngern,  zu  Valois  Emen- 
dat.  IV,  14.  p.  116.  und  in  Fabricius,  Eibl.  Graeca  T.  I.  p.  726« 
not.  dd.  ed.  llarles  angefülirt  werden.  JNun  ist  aber  die  älteste  Tradi- 
tion, dafs  Callinns  (jAer  um's  Jahr  680.  a.  Chr.  lebte)  die  Elegie  erfun- 
den liabe,  z.  ß.  bei  Terentianus  Maurus  de  metris  p,  14,  : 


33 

Pentametinim  dubitant  qui  primus  finxerit  auctor; 
Qiiidam  non  dnbitant  dicere  Callinoum, 
bei  ihrer  Allgemeinheit  (s.    die    Ausleger    zu  Callimachus    T.  I. 
p.  439.  ed.  Ern.)  nicht  zu  verwerfen  und  mit  meiner  Hypothese  sehr  gut 
übereinstimmend    —    dafs  Tyrtäus  ein  Milesier  gewesen  sei,   der  sich 
nur    in  der  Mutterstadt    Athen  aufliielt,    als    ihn    die  Lacedämonier    für 
sich  abforderten,     darf   ich   gegen  die  unlialtbare  Behauptung   des  Cor- 
sini,  Fast.  Att.  P.  III.   p.  33,  jetzt  für  erwiesen  annehmen.     Aber  we- 
niger  bekannt   ist  es  vielleicht,    was    ich   doch    aus    mehreren  Gründen 
für  höchst  wahrscheinlich  halte,    dafs  sich  das  ganze,    durch  die  sonder- 
barsten   Fabeleien    entstellte    >'erdienst     dieses    Kriegsliedersängers    am 
Ende    darauf   zurückführen    läfst,    dafs    er    ein  guter  Flötenspieler  war, 
der  in  seinem  Vaterlande  Milet    die  lydischen  Märsche  nacli  dem  Accom- 
pagnement    der'  Doppelfiöte  gelernt  hatte    xind  nach  dem  Geiste  des  da- 
maligen Zeitalters,  wo    die  Musik  vom  Gesang  noch  nicht  geh-ennt  war, 
in  dem  dazu    gehörigen  Sylbenmafse,  das  man  späterhin  Elegie   nannte, 
Kriegsgesänge    dichtete,     die,      wie     die    Marseiller    Hymnen    unserer 
Tage,  durcli  Tact  und  Gesang  bei  den  Spartanern  Wunder  tliaten.     Diefs 
sind  vielleicht  eben   die  s/^paTvjjK«  und  tvi-^Xta  gewesen,   die    nach  der 
merkwürdigen   Stelle    beim  Athenäus  XIV,  7     p.  630.  F.     die  Spartaner 
seit  den    ältesten  Zeiten    kannten.       So    war    auch  der  Dicliter  Alcman, 
dessen   Lieder  die  Spartaner    so  hoch    schätzten,    zugleich  Flötenspieler 
nnd    ein   Lydier   von  Geburt.       S.     Bürette,    Memoires  de  TAcad. 
d'Inscript.  T.  XIII.   p.   198.   ff.       Dahin  gehören  aucli  die  üeberlieferun- 
gen    beim   PoUux  IV,    106.,    dafs    Tyrtäus    der    eigentliche  Stifter    der 
Chorgesänge    nach    den   verschiedenen  Altern  sei,    die    man    gewölinlich 
dem  Lycurgus    zusclireibt.       Und  sollte  nicht  selbst  die  gewifs  sehr  alte 
Art,  den  Pentameter    so  zu  scandiren,     dafs  sich    der  .Schlufs    in    zwei 
Anapästen  endigt,    Qs     die  Scholien    zum  Hephästio  n   S.   94.)     theils 
auf  den  kriegerischen  Ursprung    des  Pentametei's  überhaupt,     theils    auf 
die  Stellen    anwendbar   sein,     wo  von   den  Lacedämoniern  gesagt  wird, 
sie    wären    nach    Anapästen    in's  Treffen    marschirt.     S.     Valois    zum 
Ammian   S.  314.  ed.  Gronov.     mit   den   zum  Theil   gegründeten  Gegen- 
bemerkungen in  Klotzens  CoUectaneen  S.  123.      Denn  was  neuerlich 
Hermann    aus    andei'n   Gründen   gegen   diese    Scansion    sehr    schai-f- 
sinnig  erinnert  liat    de  metiis  poetarum  Graecorum  et  Latinorum  II,  33. 
p.   283«,    kann    nach    der    spätem    Ausbildung    dieses  Sylbenmafses    gar 
wohl    mit  jener  Scansion  durch  Anapästen  bestellen.     Selbst  die  berüch- 
tigte Fabel,  dafs  Tyrtäus  ein  Schulmeister  gewesen  sei,  offenbar  ein 
Athenisclies  Nationalmälirchen ,  aus  3Iifsgunst  gegen  die  Spartaner  erson- 
nen, liefse  sich  nun,  da  Tyrtäus  wirklich  ein  x^J^^iSaffKaXo;    gewesen  sein 
könnte,  elier  erklären.    Kurz  die  Materie  verdient  nach  Allem,  was  von 
Sevin  bis  de  Pauw   hierüber  gesammelt  und  gemuthmafst  worden  ist, 
noch  eine  weitere  Prüfung,    zu  welcher  Klotz  freilich  niclit  berufen  war, 
der  sich    sogar  einbilden  konnte,    dafs  die  noch  vorhandenen  Fragmente 
ursprünglich    gerade    in    dem   Dialekte   und   in   der   Form,     worin    sie 
Böitiget's  kleine  Schriften  I,  3 


34 

Lykurg,  tlt-r  Redner,  seinen  Athenern  vordeclamirte,  gedichtet  und  von 
den  Spartanern  gesungen  worden  sein  konnten.  Wir  wollen  wenigstens 
so  viel  fest  halten ,  Tyrtäus  brachte  seine  kriegerischen  Pentameter  ans 
lonien  und  war  wahrscheinlich  selbst  Flötenspieler.  An  die  Lyra, 
mit  welcher  ihn  noch  ganz  neuerlich  Hart  mann  vor  den  Laconiern 
hermarscliiren  läfst,  ([s.  Versuch  einer  Cul turg  eschich te  Grie- 
chenlands Th.  1.  S.  S960  ist  hier  durchaus  nicht  zu  denken.  Diefs 
war  nach  dem  ausdrücklichen  Zeugnisse  der  Alten  (s.  Bürette,  Memoir. 
de  l'Acad.  d.  Inscript.  T»  X.  p.  291.  f.)  aucji  der  Colophonier  Mim- 
nermus, der  im  Geiste  seines  weiclilichern  Zeitalters  zuerst  seiner 
Doppelllüte  und  seinem  Pentameter  sanftere  Empfindungen  einlianchte, 
der  Flütensi>ielerin  Nanno  Liebes-  und  Heldenelegieen  vorsang  und  da- 
her allgemein  im  Alterlhum  für  den  Stifter  der  zärtlichen  und  sanft- 
klagenden Elegie  gelialten  wurde.  Man  erinnere  sich  nur  an  die  Stelle 
des  Hermesianax  (in  Ruhnken's  Epist.  Grit.  II.  p.  291.  ed.  nov.) 
M/z/vs^/xc^  TS  Tov  Y)l-jv  of  tv^STO ,  ToXXov  oc-^arXigf 
^Hy^cv  ,  v.cx)  yuaXaKoü  irvivi-i*  airo  xsvTa/xsTf  oy, 
Koci'tro  fji.sv  Navvoüf.  — 
Mit  dem  Mimnermus  läXst  sich  daher  die  zweite  Periode  des 
Pentameters  annehmen,  den  dann  auch  die  Lyrilver,  besonders  A r Chi- 
le chus,  zu  allerlei  Gegenständen  gebraucht  zu  Iiaben  sclieinen.  Dafs 
aber  zu  des  Arcliilochus  Zeiten  das  Flötenspiel  noch  nicht  so  gewöhn- 
lich und  einheimisch  in  Griechenland  gewesen  sei ,  als  man  sich  vorstellt, 
beweis't  das  für*  die  Geschichte  der  Auletilc  sehr  interessante  Fragment 
dieses  Dichters  beim  Athenäus  X.  p.  447.  B.  nach  T  o  u  p's  glücklicher 
Verbesserung,  Emend.  ad  Suid.  T.  II.  p.  230.  Lips.  Mit  dem  Gebrauch, 
den  Simonides  in  seinen  Klageliedern,  Nänien  und  Inscliriften  davon 
machte,  würde  ich  die  dritte  und  letzte  Periode  anfangen  und  erst  in 
diefs  Zeitalter  das  Wort  sAsysTov  selbst  versetzen.  Denn  dafs  Plutarcl» 
unjd  Andere  diefs  Wort  von  weit  frühern  Flötenlicdern  gebrauchen,  kann 
kein  Beweis  gegen  den  Ursprung  desselben  sein.  Die  richtige  Ableitung 
dieses  Wortes  (t  s  Xlysiv,  s,  Euripides,  I^thig.  in  Taur.  146.)  be- 
rechtigt den  Iloraz  vollkommen  zum  Beiwort  miserabiles  elegi  (vergU 
Lennep's  Etym.  p.  264.,  wo  doch  Lennep  die  Sache  richtiger  ansah  als 
sein  Herausgeber  Schadius)  und  konnte  ilm  leicht  vorfdluen,  in  der 
bekannten  Stelle  de  art.  poet.  75. 

Versibus  impariter  junctis  querimonia  primum, 
Post  etiam  inclusa  est  voti  sententia  compos, 
die  Geschichte  dieses  Sylbenmafses  umzukehren,  was  doch  in  Beziehung 
auf  die  fröldichern  Elegieen  des  Philetas  und  Callimachus ,  die  allerdings 
weit  jünger  als  Simonides  Klagelieder  waren  und  hier  vorzüglicli  dem 
römisclien  Kunstrichfer  vor  Augen  schwebten,  auch  nicht  ganz  unrichtig 
ist.  Viellciclit  wählte  Simonides ,  der  als  lyrisclier  und  melischer  Dicliter 
auch  die  Citjiarödik  schätzte,  das  ionische  Hötenlied  jnit  dem  Pentameter 
vorzüglich  zu  seinen  Threnödicen,  weil  die  Doppelllöte  bei  Leichenfeierlich- 
keiten schon  allgemein  gebräuclUich  war  und  also  zu  dieser  Dichtungsart 


35 

am  leichtesten  accompagniren  konnte.  Allein  er  nannte  wahrscheinlich 
nicJit  blos  die  Klagelieder,  wo  Hexameter  und  Pentameter  mit  einander 
abwecliseln ,  sondern  aucli  die  lyrischen  Anapästen  und  jedes  Melos 
traurigen  Inlialts  Elegie,  und  der  Sophist,  der  die  Briefe  des  Phala- 
ris  schrieb,  könnte  doch  wohl,  trotz  Bentley's  bitterer  Bemerkungen 
Dissert.  ad  Piialarid.  P.  430.  ff.  Lips.  hierin  nicht  Unrecht  geJiaht 
haben,  wenn  er  ein  lyrisches  Trauerlied  des  Stesichorus  eine  Elegie 
nannte.  S.  Epist.  XX.  Denn  dafs  t'AEyo«  wirklich  nur  überhaupt  Kla~ 
gelieder  bedeuten,  ohne  Hinsicht  auf  Hexameter  und  Pentameter  ist 
aus  mehrern  Stellen  der  Alten  eine  bekannte  Saclie,  z.  B.  Euripides  in 
den  Trojanerinnen  V.  119.  nach  Tyrwhitt's  Verbesserung.  Iphig.  in 
Taur.  1091.  Helen.  185.  Aristophanes  in  den  Vögeln  V.  217,  Apol- 
lonins  Rhodius  U,  784.  Nur  als  Simonides  gerade  das  aus  einem 
Hexameter  und  Pentameter  bestehende  Distichon  am  liebsten  zu  seinen 
Grabschriften  und  Todtenepigrammen  brauchte,  nannte  man  ein  solclies 
kleines  Gedicht  i>^sys7s-j  ,  und  da  diese  am  häufigsten  auf  Denkmälern 
gesellen  und  gelesen  wurden,  fing  man  an,  die  ganze  Gattiuig  des 
Sylbenmafses ,  das  seitdem  beständig  zu  Inschriften  gebraucht  und  das 
eigenthümliclie  Sylbenmafs  der  epigrammatischen  Gattung  bei  den  Gi'ie- 
chen  wurde,  Elegie  zu  nennen  und  der  Elegie  überhaupt  die  Flöten 
zuzutheilen.     S.  die  Hauptstelle  beimPlütarch  de  Musica  p.  1132.   C. 

VI. 

lieber    eine    Stelle    des    Pausanias. 

Die  Stelle  des  Pausanias  X,  7.  p.  814.  ist  zu  wichtig,  um  nicht 
auch  Wer  ganz  eingerückt  zu  werden.  „Schon  in  der  zweiten  Pythiade,'* 
sagt  P.,  „wurde  derjenige  Wettkampf,  wo  Lieder  zur  Flöte  gesungen 
wurden  ( a'jXc;.5i«)  von  den  Amphictyonen  wieder  abgeschafl't,  weil  die 
Lieder  selbst  ilires  traurigen  Inhalts  wegen  zum  Feste  nicht  pafsten 
(xaTayvsvTjg  ovy.  ihoii  ro  ai^cvc/xoc  dip-^/j-ov.)  Denn  diefs  ganze  FlÖ» 
,  tenspiel  war  so  beschauen,  dafs  die  traurigsten  Gesänge,  Elegieeu  und 
Welüdagen  (sA.ay«''«  y.xl  Sq^-joi)  dazu  gesungen  wurden."  Nun  beruft 
sich  Pausanias  auf  die  Inschrift  eines  Dreifufses ,  den  der  Aulöde  Echem- 
brotus,  als  Sieger  in  dieser  ersten  Pytlüade,  dem  Apollo  geweiht  habe» 
Da  heifst  es  ausdrücklich:  er  habe  gesiegt,  singend  den  Hellenen 
lyrische  und  elegische  Lieder»  «siäwv  Ekkijui  /xiksa  mx]  sXe- 
yov;.  Da  nun  dieser  Dreifufs  schon  in  der  49.  Olympiade  geweiht  und 
beschiieben  worden  sein  müfste,  Simonides  aber  erst  in  der  55.  Olym- 
piade geboren  wurde,  so  würde  diese  Stelle  schon  allein  meine  obige 
Muthmafsung  wegen  des  spätem  Ursprungs  des  Wortes  Elegie  völlig 
vernichten,  wenn  nicht  die  Unächtheit  dieser  Inschrift  schon  dadiuxh, 
dafs  sie  nicht  einmal  in  ein  Metrum  gefafst  ist,  von  selbst  in  die  Augen 
spränge,  so  wie  es  durchaus  mit  diesen  alten  Dreifufsepigrammen  eine 
sehr  mifsliche  Sache  ist.  S.  Wolfs  Proleg.  ad  Hom.  p.  LV.  f.  Der 
spätere  Concipient  dieses  Epigranuns  bediente  sich  freilich  einer  Freilieit, 
ilie  die  Grammatilser  eine  Prolepsis  zn  nennen  belieben ,  die  aber  immer 

3* 


ein  Spraclirinarliionisinns  Mcibt,  Auf  ehen  «liose  Weise  miisson  nielircre 
Stellen  in  IMiitarrir.s  Ahliandlung  über  die  Musik  verstanden  werden, 
«lie  dem  Akademiker  Bürette  viel  Mühe  gemacht  haben. 

VII. 

Ansehn    der    Flötenspieler, 

Die  Steinscliriften,  wo  der  siegende  Clioregus  aiifser  den  Namen 
des  Didascalos  und  Chorsängers  auch  den  Flötenspieler  ausdrücklich 
vereinigte ,  der  zu  den  cyclischen  oder  dramatitsclien  Cliöi  en  gehlasen 
hatte,  sind  aus  Spon's  Yoyage  literaire  en  Grece  T.  II.  und  aus  di»n 
Erläuterungen,  die  Van  Dale,  Dissert,  ad  Mann.  Antiqu.  VIII,  5. 
p.  671.  ff.  und  später  Corsini  darüber  gegeben  haben,  hinlänglich  be- 
kannt. Eine  solche  didascaliscJie  Steinschrift  hiefs ,  wie  aus  der  Ver- 
gleichung  des  Plutarch  in  vita  Tliemist.  c.  5-  T,  I.  p.  283.  Hütten  und 
Aristoteles,  Rlietor.  VIII,  6.  T.  II.  p.  572-  F.  erhellt,  x/v.t^  ,  und  darauf 
gesetzt  zu  werden,  war,  besomlers  für  einen  Ausländer  eine  grofse 
Khre.  Und  doch  findet  sich,  dafs  die  meisten  Flötenspieler,  deren  in 
diesen  Steinschriften  Erwähnung  geschieht ,  Böotier  und  Acarnanier  waren, 
als  Kephisidotus ,  Theon  aus  Theben,  Nicocles  aus  Acarnanien  u.  s.  w. 
Eben  diefs  machte,  wie  auch  Wolf  in  Prolegomenis  ad  Demosthenis 
Leptineam  p.  XCIII.  schon  bemerkt  hat,  das  x°?^7^^^  aCXvjral;  avS^ä^^« 
so  kostspielig,  da  sich  diese  Ausländer  wacker  bezalilen  liefsen.  In  den 
frühern  Zeiten  hatte  sich  kein  Athenienser  geschämt,  selbst  als  Flöten- 
spieler aufzutreten,  wie  diefs  Aristoteles  am  angeführten  Orte  aus  der 
didascalischen  Steinschrift  des  Plianippus  beweis't  (wo  olme  Zweifel 
Van  Dalen's  Vorschlag  L.  T.  S.  683.,  'H^aic-ri'St  sc.  tribui  zu  lesen, 
selbst  vor  dem  Reizischen  Yivhctvrih-^;  den  Vorzug  verdienet.)  Als 
aber  die  Sache  immer  künstlicher  wurde ,  und  die  Flötenspieler  in  wahre 
aywviffrcKi  übergingen,  da  hielt  man,  sagt  Aristoteles,  diese  Kunst  dem 
freien  Mann  (gentleman  hat  es  Twining,  Notes  on  the  Translation 
of  Aiistotle's  Treatise  on  Poetij  S.  178.  richtig  gegeben,  wo  die  Sache 
fein  beurtheilt  wird),  der  auf  diese  künstlichen  Modulationen  nicht  seine 
ganze  Zeit  verwenden  wollte,  für  unanständig.  Diesen  Kunstgesang 
nennt  Aristoteles  noch  in  einer  zweiten  Stelle,  die  mit  der  in  der  Rhe- 
torik genau  verglichen  zu  werden  verdient,  ayoivtcnKiZs  o5s(v,  pro- 
Wem.  S.  XIX,  15.  T.  II.  p.  941,  E. 

Vffl, 

Nacbbarliche    Verhältnisse    der    Athener    gegen    die 
Böotier    und     Thebaner. 

Man  denke  sich  ein  Land  von  so  verschiedenen  Himmelsstrichen  und 
Naturproducten,  in  so  mancherlei  Mundarten  und  Provinzialzungen  sich 
ausdrückend,  und  in  so  viele  kleine  Staaten  und  Regieningsformen  zer- 
theilt,  als  das  alte  Griechenland  war,  und  man  wird  schon  aus  der  Ana- 
logie den  Schlufs   xu  machen  geneigt  sein,   dafs  es  mit  dem  freundnach- 


37 

bailiclieii  Beu(-hmen  dieser  kleinen  Freistaaten  untl  Gemeinheiten  nn- 
möt;licli  gut  bestt^llt  sein  konnte.  Wirklich  ündet  man  aiicli,  aul'ser  den 
kleinen  Fürstenthiimern  und  Kei)ubliken  im  obern  Italien  vom  I5ten 
Jahrhundert  a)i ,  kaum  ein  Land  in  der  Geschichte,  wo  sich  die  Nach- 
barn der  kleinsten  Gebiete,  die  oft  kaum  einige  Meilen  im  Umfang  hat- 
ten, so  nnaufliörlich  bekriegt,  angefeindet  und  ausgespottet  hätten,  als 
das  alte  Griechenland.  Ein  Gesiciitspunkt,  welclier  bei  der  Benrtheilunä 
der  alten  griechisclien  Geschichte  noch  immer,  wie  mich  diinkt,  zu  sehr 
übersehen  worden  ist,  und  wozu  doch  mehrere  Sajnmler,  besonders 
Meursius  in  seinen  für  den  Kenner  höchst  brauclibaren  CoUectaneen, 
überall  die  brauclibarsten  Materialien  vorbereitet  liaben.  Besonders  aber 
waren  die  Athener  in  der  Selbstgenügsamkeit  ihres  Nationalstolzes  und 
im  UeberstrÖmen  iiirer  muthwilligen  Witzergiefsungen  sehr  scidimme 
NacJibarn.  liire  Dichter  und  Schöngeister  hatten  gleichsam  eine  eigne 
Meritentafel  für  jedes  hellenische  Volk  und  Völklein  und  immer  ein 
Dutzend  Sprichwörter  und  Anspielungen  in  Bereitschaft,  womit  sie  bald 
die  bäuerische  Sprache  und  die  vom  Atticismus  mehr  oder  weniger  ab- 
weichenden Idiome,  bald  die  einheimischen  Sitten,  Nationalfeste  und 
Gebräuclie,  bald  die  eigentliümlichen  Landesprodukte  und  Industriear- 
tikel jedes  Volkes  aus  dem  viellvöpligen ,  panhellenischen  Staatenverein 
ihren  stets  lachenden,  stets  nach  frischen  Lächerlichkeiten  haschenden 
Mitbürgern  preiszugeben  wufsten.  Wie  viele  Belege  liierzu  liefseir  sich 
nicht  aus  dem  einzigen  Athenäus  zusammenbringen!  Ich  will  hier  nur 
eine  Stelle  aus  einem  Sciniftstelter  anführen ,  den  man  von  jeher  mit  Reclit 
für  einen  der  scharfsinnigsten  Kunstrichter  und  Beurtheiler  seiner  Nation 
gehalten  hat,  aus  dem  Dionys  von  Halicarnafs.  Die  Stelle  enthält 
einen  wahren  Geniemesser,  aber,  wold  gemerkt,  derjenige,  der  ilin 
giebt,  empling  ilin  sicherlich  aus  attischen  Händen,  nur  dafs  er  ihn  mit 
vielem  Verstände  anzulegen  versteht.  „Lafst  uns,"  sagt  Dionys  in  sei- 
ner Rhetorik  c.  5.  T.  V.  p.  402.  Reisk  ,  „einmal  die  Hellenen  vor- 
nehmen. Die  Hellenen  sind  alle  aus  einem  Stamme  entsprossen  und 
machen  einen  Staatenverein  aus.  Aber  der  Hellene,  der  Athener,  ist 
leidenschaftlich,  redselig,  voll  allerlei  Weisheit.  Der  lonier  ist  auch 
Hellene,  aber  der  ist  weichlich  und  schlaff.  Der  Hellene,  der  Böotier, 
ist  einfältig;  die  Thessalier,  auch  Hellenen,  doppelseitig  und  verschmitzt. 
Scharfsinnige  Beobachter,  die  diese  Nationaleigenheiten  bemerkten,  ha- 
ben daher  wohl  gar  den  Namen  des  Volks  zu  einer  Art  von  Spottnamen 
gemacht,  ohne  zu  bedenken,  dafs  nicht  das  Volk  selbst,  sondern  nur 
die  herrsclienden  Züge  im  Volkscharakter  diesen  Schimpf  verdienen." 
So  weit  der  Grieche. 

Wer  erinnert  sich  dabei  nicht  aus  seiner  Jugend  gewisser  einst  wold- 
beliebter  Reimlein,  als 

Frankfurter  Gold,  Augsburger  Witz,  Nürnberger  Vers  t  and 
(oder  nach  einer  andern  bösartigen  Lesart,  Tand) 
Gehn  durch's  ganze,    heilige  römisclie  Land. 

Wirklich     waren     Athenische     Redseligkeit,     ionische    Weichlichkeit, 
böotische  Dummheit  und   thessalische  List,  wie   ans  jeder  alten  Sprich- 


38 

wörtersammlnng  bekannt  ist,  jedem  Griechen  l)estänJlg'  auf  der  Zunge. 
Aber  seihst  auf  dieser  nocb  sehr  geinäfsigten  Meritentafel  sind  die 
Atbener,  wie  wir  sehen,  bei  "Weitem  am  befsten  angesetzt  und  doch 
verbreiteten  s  i  e  gerade  von  Atlien  aus  alle  diese  ürtheile  und  Vorur- 
theile  über  die  gesammte  Schriflstellerwelt  des  Altertinnns.  Denn  was 
Alexandrien  die  letzten  3  Jahrhinulerte  vor  Christi  Geburt  war,  war  die 
nachstvorhergehenden  3  Jahrhunderte  Athen,  und  so  sehen  wir,  wenn 
mir  der  Ausdruck  erlaubt  ist ,  durch  die  Brillen  dieser  zwei  tonangeben- 
den Städte  das  ganze  Alterthnm.  Merkwürdig  ist  der  Ausdruck,  womit 
Dionys  das  liarte  Urtheil  über  die  Bootier  ausspricht:  Ek>.>j-j  Boiviri;, 
tvi)Sy^;.  Bekanntlich  liegt  selbst  in  diesem  "Worte  ein  Atticismus.  Denn 
die  Athener  nannten  jede  ehrliche  Haut,  die,  nacli  unserer  Art  zu 
reden,  das  Pulver  eben  niclit  erfunden  hatte,  mit  einer  mildernden 
Bosheit  gutartig,  tjv)5>jf.  S.  zu  Tlnicydides  III,  83.  ro  tvi^Ssg 
KcxTiyskacSh  i)<pavt(7Syj ,  avo  "Wasse  und  Ducker  T.  11.  p.  560.  Bip. 
den  Sprachgebrauch  erläutert  haben,  und  voi'züglich  Ruhnken  zu  Tim. 
GIoss.  p.  131.  f.  ed.  nov. 

Der  Spott  der  Atliener  über  ilire  ehrlichen  Nachbarn  läfst  sich  fiig- 
licli  auf  folgende  Hauptpunkte  zurückführen,  a)  Die  Bbotier  bewohnten 
gröfstentheils  ein  reicldich  bewässertes ,  fruclitJjares  und  fettes  Marsch- 
land und  hatten  daher  einen  gesegneten  Ueberilufs  an  fetten  Gerichten 
und  Leckereien ,  wobei  sie  sicli  in  ihrer  Art  trefflich  wolil  sein  liefsen. 
Natürlicli  blickten  die  Bewoliner  des  steinigen ,  gröfstentlieils  magern  und 
"unbewässerten  Attika  mit  sclielen  Augen  von  ihrer  Saturei  und  ihrem  Wolfs- 
bohnenfrafs  QSv/xov  und  ~iqi-i-o'i  ,  die  tägliche  Fi'itteruiig  des  ärmern 
Theils  der  Einwohner  von  Athen)  auf  die  Fleisclitöpfe  und  Aalpasteten 
der  Tliebaner  und  macliten  es  nun  wie  die  Römer  mit  den  feisten 
Umbriern  jenseits  der  Apenninen,  oder,  um  mich  eines  Beispiels  zu 
bedienen,  welches  näher  in  unserm  Gesichtskreise  liegt,  wie  die  Berliner 
und  Dresdener  (die  geistigsten  Esser  Deutschlands  nach  dem  Aus- 
spruche eines  Kenners  ,  Reise  eines  Liefländers  Th.  VI.  S.  189.), 
wenn  sie  auf  das  Wohlleljen  der  Wiener  und  Hamburger  zu  sprechen 
kommen.  Sie  erzälüten  "Wundergeschichten  von  der  unersättUclien  Ge- 
fräfsigkeit  und  Bauclidienerschaft  der  Böotier  und  bewiesen  oft  nüt 
nücliternen  3Iagen,  dafs  ein  solciies  Wohlleben  nur  für  die  Tliiere  ge- 
höre, die  Minerva  und  Venus  nie  ausstehen  konnten.  Das  Si)richwort: 
eine  bootische  Sau,  v;  Bo/wt/«,  war  jedem  attischen  Buben  ge- 
läiifig.  —  Hatte  ja  doch  schon  Homer  II.  \,  710.  die  Böotier  ein 
fettes  '\'^olk  genannt.  —  Ich  werde  bei  einer  schicklichem  Gelegen- 
heit auf  diesen  Brotneid  der  Athener  zurückkommen,  t)  Die  Luft  in 
Böotien  war  aus  den  e^jen  angefiilnten  Gründen  feucJiter  und  nebliger 
als  in  dem  höliern  und  trockiiern  Attika.  Die  Lehre  vom  EinÜufs  des 
Klinia's  hatte  seit  des  Ilippocrates  Zeiten  in  Atlien  die  eifrigsten  Bekenner 
und  Anliänger.  Plato  und  Aristoteles  liatten  darüber  die  scharfsinnigsten 
Hjpotlic)>en  aufgestellt  Cs»  tUe  Stellen  bei  Bartbelemy,  Voyage  d. 
jeuu,  Anach,  T.  lY«  p.  77,  ed.  Paris.),   denen    DuBos,   Hume    und 


39 

Falkoner  auf  vei'scIiieJeiien  Wegen  kaum  etwas  Wiclidges  lilnziifügen 
konnten.  Da  safs  nun  der  Attikcr  ganz  eigentlich  auf  seinem  Stecken- 
pferde und  lachte  und  demonstrirte  um  die  Anette,  dafs  in  der  dicken 
böotischen  Luft  der  Geist  notlmendig  der  Fleischmasse  unterliegen 
müsse,  dafs  Böotien  wohl  das  Vaterland  handiester  Soldaten,  (j.,  B. 
Diodor.  von  Sicilien  XI,  82.  T.  I.  p.  467.    lo-AoZat    o\    Borwro/    yi«Ti 

ä'XAwv)  wohlgemästeter  Athleten  und  quiekender  Pfeifer,  aber  nicht  die 
Wiege  geistreiclier  Denker  und  Scliriftsteller  sein  könne.  Man  kann,  um 
hier  nicht  die  Beispiele  zu  häufen,  schon  mit  der  einzigen,  offenbar 
einem  Athenischen  Philosophen  nacligeschriebenen  Stelle  beim  Cicero  de 
fato  0,  4.  p.  20.  ed.  Brem.  zufrieden  sein:  Inter  locorum  naturas, 
quantum  intersit  videmus  —  in  aliis  esse  pituitosos  (\m  Griechischen 
stand  höchst  walirscheinlicli  nof  Jä^ovtej  ,  s.  He  m  s  t  erhuy  s  ad  Luciani 
Coli.  Selecta  p.  25 — 28.)  et  quasi  redundantes,  in  aliis  exsiccatos  atque 
aridos,  —  Athenis  tenue  coelum,  ex  quo  acutiores  etiam  putantur 
Attici ;  crassum  Tliebis ,  itaque  pingues  Thebani  et  valentes  ,d.  h.  „wie 
grofs  ist  der  ünterscliied  im  Klijna!  In  dieser  Gegend  sind  die  Men- 
schen schwammig  und  mit  Säften  überfüllt,  in  einer  andern  tiockner, 
nerviger  Natur.  In  Athen  ist  die  Luft  fein,  daher  sind  auch  die  Attilcer 
feiner  organisirt.  Zu  Theben  ist  die  Luft  dick,  und  deswegen  hält  man 
auch  die  Tliebaner  für  dickköpfig  und  faustgerecht."  Und  wer  kennt 
nicht  das  Horazisclie :  Boeotum  in  crasso  jurares  aere  natum.  Auch 
in  dieser  Beziehung  warf  der  Attiker  nur  allzugern  mit  seiner  böotischen 
Sau  um  sich  herum.  Höchst  naiv  ist  in  dieser  Rücksiclit  der  Einfall  des 
Thebanischen  Lyrikers  Olymp.  VI,  p.  147.,  diefs  Sprichwort  dadurch  zu 
entwaffnen,  dafs  er  es  selbst  braucht  und  dem  Aeneas,  dem  Vorsteher  des 
Chors,  zuruft:  „Auf,  treibe  deine  Genossen,  vom  Preis  der  jungfräu- 
lichen Here  zu  erschallen  und  zu  prüfen ,  ob  wir  in  Wahrheit  dem  alteu 
Schimpf,  böotische  Sauen,  entgehn."  (Bei  Eber,  wie  es  Ge- 
dike  S,  53.  übersetzt,  denkt  man  nur  an  den  Erymanthischea  oder 
Calydonischen  Eber.  Man  mufs  hier  dem  Dichter  keine  falsclie  Deli- 
katesse leihen^.  iDiefs  ging  so  weit,  dafs  man  endlich  die  Nationalbe- 
nennung Böotier  selbst,  wie  gleich  anfänglich  Dionys  bemerkt,  in  einen 
Schimpf-  und  Spottnamen  umscliuf,  und  sie  besonders  gern  als  einen 
etymologischen  Beweis  für  die  Dickliäutigkeit  und  Dicköhrigkeit  dieses 
VoUves  anlülirte,  und  diefs  war  eben  c)  der  dritte  Hauptvorwurf,  da 
man  den  Böotiern  und  Tliebanern  zwar  allenfalls  das  Verdienst  zuge- 
stand, dafs  sie  gut  pfeifen  und  flöten  könnten,  ihnen  aber  übrigens  allen 
Tact  für  Eurijythmie  und  Wohlredenheit,  alle  Fähigkeit,  Witz  zu  spre- 
chen und  Witz  zu  verstehen,  geradezu  absprach.  Alan  kennt  ja  die 
Stelle  des  Nepos  in  Alcib.  c.II.:  Omnes  Boeotii  magis  firmitati  corporis, 
quam  ingenii  acumini  inserviunt.  Es  war  ein  gewöhnliches  Sprich- 
wort BoiwTiov  oJ?,  ein  böotisches  Ohr,  welches  mit  dem  berühmten 
Ohrenpaar  des  phrygischen  Königs  völlig  in  eine  Classe  gesetzt  wurde. 
In    der   SjuichwÖrtersanindung ,    die    der    Jesuit    Andreas    Schottus 


4« 

herausgegeben  hat,   wird  Lemerkt,  es  werde  von  Blödsinnigen,    »iri  twv 
sxXuTwv ,     gebraucht ,  Diog.  Cent.  III.  46.  p.  102.,    und    dabei    auf  eine 
Anekdote  aus  den  noch  ungedruckten  Sprichwörtern  des  Apostolius  ver- 
wiesen,  die  ich  aus  L  a  nil>  in's  Anmerkungen  zuniHoraz  P.  II.  p.  389.  ed. 
Frf.    ganz    hersetzen    will :    Antagoras     (soll   walusclieinlich   Antimachus 
heifsen)  habe  den  Böotiern  seine  Tliebaide  vorgelesen  und,  als  Niemand 
auch  nur  einen  Laut  von  Beifall  hören  liefs  ,  das  Buch  zugemacht  und  aus- 
gerufen :  Nun,  ihr  li  e  i  f  s  t  mit  Recht  B  ö  o  t  i  e  r  !  denn  i  li  r  habt 
Ochsenohren!     itnaiwg    •/.«Xs7c"5s     Bcjwtcj*    ßowv    yk^    wra    syire. 
Es  war  in  Athen  schon  schimpflich,    wenn    einer  nur    von  Böotien  ab- 
stammte, ßoivjTto;  «vl/.a^av,   (s.  Hemsterliuys  zu  Lucianos  Vocalen- 
gerichte  c.  7.  T.  1.  p.  90.)    und   man   begreift   nun   ungefäiir,  wie    eine 
Rede   des  Demostlienes  auf  das  Zwerchfell   der  Athener   wirken    mufste, 
worin    einem    Gegner    seines    Clienten ,    der   durchaus  niclit  Böotus  hei- 
fsen wollte,  auf  den  Kopf  be\\iesen  wird,    er  könne  und  dürfe  gar  nicht 
anders   lieifsen.     S.    Demosthenes    Rede    an    den  Böotus    über 
seinen  Namen,  besonders  S.  1004,  19.  1095,  28.  ed.  Reisk. 

Indessen  liefsen  es  die  Thebaner  auf  ihrer  Seite  gewifs  auch  nicht 
an  Spöttereien  über  die  hochfahrenden  Atliener  fehlen,  wie  unter  Anderm 
die  Anekdote  von  ihrem  Betragen  gegen  den  Dichter,  auf  welclien  sie 
am  meisten  stolz  zu  sein  Ursache  hatten ,  gegen  den  P  i  n  d  a  r ,  hinläng- 
lich beweis't.  Pindar  hatte  in  einer  seiner  Dithyramben  Athen  die 
präclitigsten  Lobsprüche  ausgetheilt,  die  diese  Stadt  durch  die  Gründ- 
ung der  hellenischen  Freiheit  im  Siege  bei  Aitemisium  so  sehr  verdient 
zu  haben  schien,  und  wäre  die  Nachricht  gegründet,  die  Polybius  von 
dem  feigen  Sicherheitsrathe  dieses  Dicliters  erzählt  IV.  p.  31.  (worüber 
ihn  doch  schon  Schweighäuser  T.  VI.  p.  52.  zum  Theil  sehr  gut 
gerechtfertigt  liat),  so  würde  sich  diefs  zugleich  ans  einer  Politik  des 
Dicliters  erklären  lassen.  Kurz  der  Dichter  vergafs  sich  in  seiner  Be- 
geisterung so  weit,  Athen  nicht  blos  das  hochbesungene  Boll- 
werk von  Hellas  Qaoilt^oi ,  rij; 'EXXäScf  i'^sic/j.»'^  zu  nennen,  son- 
dern diese  trockne  Hungerleiderstadt,  wie  sie  die  Thebaner  bei  ihren 
fetten  Schmausen  wohl  häutig  nennen  mochten,  mit  dem  Beinamen:  die 
Fette  (XiTftfai,  wahrscheinlich  um  ilirer  Siege  und  Oelbäume  willen, 
s.  die  Schollen  zu  Aristophanes ,  Nubes  298.)  zu  begrüfsen.  Man  kann 
sich  vorstellen,  mit  welchem  Jubel  die  ruhmsüchtigen  Atliener  gerade  diefs 
Lob  aus  dem  Munde  eines  Thebaners  vernahmen ,  da  Aristophanes  >1ele 
Jahre  darauf  noch  in  seinen  Acharnern  versichert,  dafs  man  das  Volk 
zu  Atlien  um  einen  Finger  herumwickeln  könne,  wenn  man  Athen 
nui-  die  fette  Stadt  nenne,  Acliarn.  637.  oder  nach  Wieland's 
üebersetzung  im  T.  Merk.  1794.  IX.  S.  39.  Um  so  heftiger  zürnten  nun 
aber  auch  die  Thebaner  ihrem  Landsmanne.  Er  mufste  nach  der  ge- 
wöhnlichen Tradition  im  Pausan.  I,  7.  p.  20.  und  in  den  sogenanntea 
Briefen  des  Aescliines,  deren  Verfertigung  ungefähr  auch  in  das  Zeit- 
alter des  Pausanias  fallen  mag  C  Kp.  IV.  p.  669.  T.  III.  Reisk.)  eine 
grofsa  Geldbufse    in  »einem  >'aterlaude   erlegen    und  erhielt    in   Theben 


41 

nie  eine  Bildsaule,  da  hingegen  die  Athener  ihm  nicht  allein  die  Straf- 
gelder doppelt  zurückzahlten,  sonderu  auch  vor  der  Stoa  eine  sehr  zier- 
liclie  und  bedeutungsvolle  Bildsäule  gleich  neben  dem  Harmodius  und 
Aristogiton  erricliten  liefsen.  Wenn  auch,  wie  es  allerdings  selir  walir- 
scheinlich  ist,  liierzii  noch  eine  3Ienge  späterer  Zusätze  und  Aussclimück- 
ungen  gekommen  sind  (die  wichtigste  Stelle  unter  allen  ist  die  beim 
Plutarch ,  de  glor.  Athen,  p.  350.  A.,  woraus  Schneider  das  Fragment 
beträchtlich  hätte  ergänzen  können,  s.  Frag.  Pind.  p.  50.  f.),  so  bleibt 
doch  die  Hauptsache  walir  und  beweiset  melir  als  irgend  etwas  die  nach- 
barliche Eifersucht  beider  Völker,  die  endlicli  so  weit  ging,  dafs  sie  sich 
sogar  um  den,  beiden  Völkern  charakteristischen  Gebrauch  der  Buchstaben 
ff  und  T   anfeindeten  und  wechselseitig  verspotteten. 

Die  alten  Attiker  nämlich  konnten,  so  wie  die  lonier,  das  t, 
besonders  das  verdoppelte  in  ihrer  Aussprache  nicht  recht  vertragen. 
Sie  bedienten  sich  dafür  lieber  des  zischenden  Buchstabens  o".  Die  Trau- 
erspieldicliter  setzten  sogar  in  diesen  zischenden  Laut  eine  Art  von 
tragischem  Nachdruck,  und  dem  Euripides  wurde  vorgeworfen,  dafs  er 
diesen  Schlangenlaut  über  alle  Gebühr  in  seinen  Trauerspielen  gehäuft 
hätte ,  weswegen  der  ComÖdiendichter  Plato  einmal  Jemand  sagen  liefs : 
du  rettest  uns  vom  Sigma  des  Euripides,  scwcaq  Jk  tuuv 
ctyij.ä-viv  E'jf/in'äoü.  S.  die  Schollen  zu  Euripides,  Medea  476. 
Dagegen  waren  die  Böotier  und  Thebaner  in  iluer  dorischen,  weichen 
und  platten  Aussprache  abgesagte  Feinde  dieses  zischenden  o"  und  gin- 
gen darin  so  weit,  -  dafs  sie  ganze  Gesänge  verfertigten,  worin 
kein  einziges  c  vorkam  (y'Sai  iciyuai').  Die  Saclie  stand  mit  ihrer 
Flötenspielerei  in  der  genauesten  Verbindung.  Wir  linden  darüber  eine 
merkwürdige  Stelle  beim  Athenaus  XI,  4.  p.  467.  B.  „Aristoxenus 
versichert  in  mehrern  Stellen ,  dafs  die  Tonlcünstler  den  Buclistaben  S 
80  viel  als  mögUch  vermeiden,  weil  er  ein  hartmäuliger  und  zur 
Flöte  unschicklicher  Buchstabe  sei,"  &'«  rh  av-Xv^qöcro^ov  sJvoct  k«/ 
aviTTtTYjhsiov  avXtZ  (Villebrune  T.  IV.  p.  224.  hat  es  übersetzt:  c'est 
une  lettre  dure,  dont  le  siflement  ne  s'accorde  pas  avec  Taccompagne- 
ment).  Pindar  selbst  nannte  daher  in  einer  seiner  Dithyramben ,  worin 
er  die  musicalisclien  Lieder  der  altern  und  neuern  Zeit  mit  einander 
verglich,  (s.  die  gelelirte  Anmerkung  Sylburg's  zum  Dionys.  de  stru- 
ctur.  orat.  p.  100.  ed.  Vpton.  und  Sehne ider's  Fragmente  des  Pin- 
dar S.  52.)  diesen  verhafsten  Buchstaben:  das  f  alschgem  ünzt  e  S, 
"Eav  nißbaXov.  Athenäus  X.  p.  455.  C.  und  die  übrigen  Stellen  über 
den  Sigmahafs  beim  Brodäus,  Miscell.  III,  14.  T.  IL  Lamp.  Grat. 
p.  467.  Klopstock,  der  es  in  seinen  grammatischen  Ge- 
sprächen S.  30.  das  unreine  San  übersetzt  hat,  sah  liierbei  weniger 
auf  die  eigentliche  etymologische  Bedeutung  als  auf  den  ganzen  Sinn. 
Freilich  bequemten  sicli  die  spätem  Attiker  in  Vielem  selbst  zur  weichern 
Aussprache  und  zogen  das  T  dem  S  vor,  untl  der  grofse  Pericles  ver- 
mied, indem  er  immer  vor  einem  Spiegel  deklamirte  und  sah,  was  jeder 
Buchstabe  dem  Munde  für   eine  Faltung    gebe,   das   böse  S,    so  viel  er 


42 

konnte,  weil  es  ein  iinscliickliclici'  und  platter  Biichsta1>o  sei  (t«?  av^t- 
-z-^  y.txi  itXar-jv  sagt  der  Grammatiker  Aelius  Dionysius  in  einem 
interessanten  Excerpt  beim  Eustathius  ad  11,  K.  p.  813.);  allein  die 
Thebaner,  die  allerdings  das  S  anch  in  solchen  Worten  mit  T  umtauscliten, 
wo  es  die  Athener  nie  tliaten,  galten  darum  den  attisdien  Spöttern  doch 
als  "Wort-  und  Sprachverderbei' ,  wie  wir  aus  einem  Bruciistiicke  des 
Komikers  Strattis,  eines  Dichters,  der  nicht  lange  nach  dem  Aristo- 
phanes  diclitete,  beim  Athen  aus  sehen  XIV,  4.  p.  G21.  F.  f.  Es 
hebt  so  an: 

Unwissend  seid  ihr,  Bürger  der  Tliebanerstadt! 
Hierauf  werden   den   Thebanern   mehrere   Provinzialismen   vorgeworfen, 
unter  Anderm  aber  aucli  gesagt,  dafs  sie  rüv.«    aussprächen,    wenn    sie 
cCk«,  Feigen,  sagen  sollten.  Vergl.  üemsterliuYS  zum  Lucian,  lud. 
Vocal.  c.  8.  p.  93. 

Was  AVunder    also,    wenn    die  Aftiker   ancl»  die  Localsagen   von  den 
Thebanisclien  Heroen  und  den  Thebaiiisclien  Fabelkreis    auf  ihre    AVeise 
verdrehten  und  durch  gehifssige  Zusätze  entstellten  ?  Ich  werde  im  näch- 
sten Stücke  des  Museums  vielleicht  Gelegenheit  haben,  zu  erzählen,    wie 
muthwillig  sich   der  attische   Witz    an    dem  Nationalheros   der  Thebaner, 
dem  Hercules,   vergriÜen   habe.     Jetzt    will   ich    nur    noch    auf  die  Ge- 
schichte des  Lajus,   des  Gemahls  der  Jokasta,  aufmerksam  macJien.   Die- 
ser,   sagten  die  attischen  Dichter,    lehrte   durch  seine  unzüchtige  Liebe 
zum  Chysippus    zuerst    den  Thebanern    das    Laster    der  Päderastie.     Er 
schändete  die  Rechte  der  Gastfreundschaft,  da  er  einst  beim  Pelops  ein- 
gekehrt war,    mifsbrauchte   den   Sohn  des  Pelops,    Chysippus,   und  ent- 
führte ihn.     Der  Knabe  tödtete  sich    dann  aus  Scliam    und  Verzweiflung 
selbst.    S.  Athenäus  XIII,  p.  602.  F.  f.     Daher,  setzten  die  Athener  wei- 
ter liinzn ,   entspannen  sich    auch    die  sauberen  Verbindungen  der  Lieb- 
haber und  Geliebten  zum  Krieg,  die  ihr  Thebaner  die  heilige  Seh  aar 
nennt.     S.  Aelian  V.  H.  XIII,  5.     So   wufste  die  attische  Verleumdung 
das  edelste  und  tapferste  Institut   der  Thebaner,   durch  welclie  ihr  Heer 
unter    dem  Pelopidas  und  Epaminondas    die  Bewunflerung  aller   Hellenen 
sich  erworben  hatte,  zu  verunglimpfen.     Plutarch,    selbst  ein  Böotier, 
erklärt  zwar  diese  Erzählung  für  ein  bloses  Diclitergeschwätz  in  vita  Pe- 
lopid.  0.  19.  T.  II.    p.  2ö3.  Hütten    und    weifs  uns  durch  seine  genaue 
Beschreibung    der  heiligen  Schaar  Hochaclitung  gegen  diese  ge^vifs  sehr 
zweckmäfsige    Einrichtung    der   TJiebanischen    Gesetzgeber    einzuHöfsen, 
vergl.  Gillie's  History  of  Greece  T.  IV.  p.  123.  ed.  Basil.  Aber  des- 
senungeachtet blieb  dieser  Schimpf,    den  Aelian   ausdrücklich  der  Erfin- 
dung des  Euripides  zusciireibt,  de  Anim.  VI.  15.  p.   32-J.  Gronov.,  anf 
immer  eine  Sciiril'tstellersage,    die  man  in  allen  Schriften  der  Alten  wie- 
derfindet.    S.    die  Erklärer  zum  Aelian  V.  H.  XIII.  5.    und    Staveren 
zu  den  Mythographen  S.   440.  f.       Ja  die  Saclie  wurde,    wie   aus    einem 
merkwürdigen  Fragment  des  Pisander  in  den  Scholien  zu  Euripides  Phoe- 
niss.  1746.  zu    ersehen  ist,    noch    immer   weiter    ausgesponnen   und  alle 
fragischen  ünlalle,  die  über  die  Familie  des  Oedipus  ergingen ,  wnrden 


43 

dem  Zorn  der  Juno,  der  Vorsteherin  der  gesotzniäfsigen  Gesclileclitslielje, 
über  diesen  Frevel  des  Lajus  zugeschrieben.  Es  würde  niclit  schwer 
sein,  diesen  Faden  nocli  weiter  zu  verfolgen  und  zu  zeigen,  wie  die 
ganze  Fabel  vom  Räthsel  der  S^ilij-nx,  das  kein  einheimischer  Tliebaner 
lösen  könnte,  auf  das  attische  >'onirtheil  sich  gründete,  dafs  die  The- 
baner  viel  zu  dumpf-  und  stumpfsinnig  wären,  um  einen  fremden  y^Kpog 
oder  Räthsel  zu  lü:^en,  da  docli  gerade  die  Rätlisel  und  Cliaraden  eine 
Lieblingsunterlialtung  der  Tliebaner  ausmachten.  Aehnliche  Verdrehungen 
und  Verunglimpfungen  würden  sich  in  der  Fabel  des  Cadmus,  des  Ti- 
resias  u.  s.  w.  in  Menge  auflinden,  und  viele  Umstände  aus  dem  be- 
rühmten tragischen  FabelLreis  der  Oedipodia  (s.  Schütz,  de  fabulae 
Oedipodiae  veritate  excurs.  I.  ad  Aeschyl.  S.  c.  Th.)  besser  aufklären 
lassen,  als  es  bisher  geschehen  ist.  Aber  es  sei  jetzt  an  einem  Ver- 
suche genug! 

IX. 

Anfeindungen    und    Ausfülle    gegen    die 
F 1  ö  t  e  n  s  1)  i  e  1  e  r. 

'  Das  musiklustige  Theben  hatte  einen  alten  Nationalniythos,   dafs  die 

Harmonia,  die  Tocliter  des  Mars  und  der  Venus,  bei  ihnen  geboren 
und  für  alle  Zeiten  einlieimisch  sei.  S.  die  bis  jetzt  nicht  genug  ver- 
standene Stelle  im  Plutarch,  in  Pelop.  c.  XIX.  p.  254.  Hu tt.  Sie 
vermählten  sie  mit  ilirem  Stammvater,  dem  Cadmus,  und  diese  Hocli_ 
zeit  und  die  Geschenke ,  welche  die  Götter  bei  dieser  Gelegenheit  über- 
brachten,  sind  ein  hervorstehender  Punkt  des  Tlicbanisclien  Mythen- 
kreises  und  wahrsclieinlicli  selbst  der  Gegenstand  der  berülimten  Aldro- 
vandinischen  Hochzeit.  S.  Heine,  antiquarische  Aufsätze  Th. 
I.  S.  36.  f.  und  zum  Apoll  odor  S.  537.  f.  Ganz  Thf^ben  war  gleicli- 
sam  ein  Tempel  der  Harmonie  und  wirklicli  drehte  sich  auch  die  ganze 
Geschichte  der  Stadt  um  Musik  herum.  Amphion  erbaute  sie  durch  die 
Zaubertöne  seiner  LjTa ,  und  ist  eine  alte  Sage  gegründet,  so  liefs 
Alexander,  als  er  das  eroberte  Theben  zerstörte,  bei  Flötenmusik  — • 
ein  fürchterliciier  Spott!  —  die  Mauer  der  Erde  gleich  machen.  We- 
nigstens bezieht  man  das  Sinngedicht  des  Honest us,  Analect.  U.  S. 
290,  VI.  darauf: 

'Earyjv    tv    (pi^fjiiyyt ,   xätj^^ei^Si^v    hs   ffvv   a'jXtu 
Qyjß'')  '    (piü   MoJ(r>)j    sy^xaAiy    af/^ovr/jj. 

Mich  erbaute  die  Cither  und  mich  zerstörte  die  Flöte, 

Mich ,  die  TJiebanische  Stadt ,  iMuse ,  wie  wecliselt  dein  Loos ! 
Daraus  erklärt  sich  auch  im  gleicli  folgenden  Epigramm  die  der  mauer- 
erbauenden Cither  entgegengesetzte  traurige  Flöte,  aj'Xoj  SJcr/^oycof. 
Natürlich  überströmten  die  Pfeifer  und  Flötenbläser  aus  dieser  mu- 
sicalischen Stadt  ganz  Grieclienland  und  besonders  Athen,  wo  es  im 
Odeum  bei  den  Panatheneeu  imd  in  den  cyclisclien  und  dramatischen 
Chören  so  viel  für  sie  zu  verdienen  gab.    Es  konnte    nicht  fehlen,  dafs 


44 

die  melir  ocltr  wenif^'er  gereizten  enten  KiJi>le  bei  den  Alheneiu  iliien 
Unwillen  auf  inandieilei  Weise  aiilsei-  und  iunerlialb  der  Scliaiibiiline 
an  ilinen  auslielsen.  Nur  einige  Beispiele  zur  Probe.  Antisthenes,  so 
erzälilt  Plütarch  in  Pericl.  c.  1.  T.  I.  p.  379.  llutt.,  horte  den  be- 
rülmiten  Isnienias  aus  Tlieben  einen  trefilichen  Mann  (^circiha'ioj) 
nennen,  „Ach!"  sagte  der  Philosopli,  „das  ist  ein  elender  Wiclit! 
Denn  sonst  wäre  er  kein  so  trelfUcher  Flötenbläser. "  Kin  Vers  gegen 
die  Flötenbläser,  den  wir  beim  Athenäus  iiiulen  VIII,  4.  S.  337.  F.^ 
enthält  eine  sehr  boshafte  und ,  wie  es  scheint,  oft  wiederholte  Be- 
merkung über  die  Albernheit  dieser  Menschen: 

Siehe  den  Pfeifer!  Es  blies  ein  Gott  ihm  den  denkenden  Geist  ein. 
Aber  dem  Blasenden  fliegt  llatternd  der  Geist  in  die  Luft, 
Diefs  Distichon  befindet  sicli  auch  in  der  Anthologie,  Analect.  III.  p.  235. 
CCCXCV.  Es  hat  aber  Brunck  die  alte  Lesart  oCn  ^vsificrav  beibehal- 
ten ,  da  doch  nur  durcli  die  V^erbesserung  des  Casaubonus  S.  588,  i9. 
ein  richtiger  Gegensatz  lierauskomnit.  Denn  was  Villebrune  T.  III.  p. 
252.  dagegen  einwendet,  dafs  äXXi  hier  so  viel  bedeute  als  inio,  vero, 
ist  eine  blose  Ausilucht,  weil  der  3Iann  sich's  einmal  fast  zum  Gesetz 
gemacht  hat,  keine,  sei  es  auch  die  leichteste  i\Iut!unafsung  seines  gro- 
fsen  Vorgängers  ungetadelt  zu  lassen. 

Es  ging  übrigens  den  Flötenspielern  in  Atlien  ungefähr  eben  so  wie 
den  gjinnas tischen  Hebungen  der  Athleten,  die,  so  lange  man  sie  noch 
nicht  zu  einer  Art  von  Virtuosität  gebracht  hatte,  die  zu  erstreben  das 
ganze  Leben  eines  Menschen  erforderte,  in  Athen  und  in  ganz  Griechen- 
land im  giüfsten  Ansehn  standen,  durch  die  Gesetzgeber  in  den  Lehr- 
und  Erziehungsplan  der  Jugend  eingetlochten  und  mit  ungemessenen 
Lobsprüclien  erhoben,  in  der  Folge  aber  als  eine  illiberale  (selbst  auch 
als  eine  Thebanisc  h  e}  Kunst  verworfen  und  von  Dichtej-n  und  Phi- 
losophen heftig  getadelt  wurden.  S.  die  gründliche  Vorlesung  von  Mei- 
ners de  graecorum  gjmnasiorura  utilitate  et  damnis,  Comment.  Got- 
ting.  Class.  Phil.  Tom.  XI.  p.  260.  If.  Freilich  mochten  die  Flöten- 
spieler durch  ihre  übermäfsige  Eitelkeit  und  schnöde  Verachtung  der 
übrigen  Musenkünste  zum  Sprichwort:  «vX/jtjw  afxovciij  Qs.  Lucian  de 
Astron  c.  2.  T.  II.  p.  460.)  Anlafs  geben.  Sie  strotzten  oft  von  Eigen- 
dünkel und  blälieten  sich  in  ihren  schleppenden  Purpurgewändern  (sjrma) 
auf  dem  Theater,  worauf  Horaz  zielt  A.  P.  214, 
—    luxuriam  addidit  arti 

Tibicen,  traxitque  vagus  per  pulpita  vestem, 
und  Anekdoten,  wie  sie  selbst  der  ernsthafte  Aristoteles,  Poetic.  c.  XXVI. 
p.  212.  Harles.  erzählt,  wo  der  accompagnirende  Flötenspieler  auf  dem 
Theater,  indem  vom  Sclieibenwerfen  die  Rede  war,  sich  wie  ein  Kreisel 
lierumdrehte ,  oder ,  wenn  vom  Verschlingen  der  Scylla  gesproclien  wur- 
de    gegen    den   Vortänzer    wirklich    die   Miene    eines    Vcrsclilingenden 


45 

machte,  (vergl.  T  w  5  n  i  n  g's  scharfsinnige  Anmerknngen,  Notes  p.  545.  f.) 
beweisen  nur  allziidentlich,  dafs  diese  Herren  oft  grofse  Blüfsen  gaben 
nnd  Alles,  was  man  A  irtiiosenlaiine  nennt,  nicht  selten  mit  den  lächer- 
lichsten Sonderbarkeiten  gatteten.  Aber  darum  bleibt  es  doch  auch  auf 
der  andern  Seite  ausgemacht,  dafs  sicli  die  Athenischen  Witzlinge  gar 
kein  Gewissen  daraus  macliten,  dieser  verliafsten  Thebauischen  Pfeifer- 
brut, so  oft  sie  sie  durch  die  lächerlichsten  Uebertreibnngen  absichtlich 
zur  Schau  stellen  konnten,  noch  weit  gröfsere  Ungereimtheiten  anzudicli-- 
ten,  als  sie  schon  so  hatten. 


X. 

Lybische    Pfeife,     den    Griechen    noch     früher    als 
die    phrygische    Flöte    bekannt. 

Folgendes  kann  ich,  als  Resultat  einer  mühsamen  Forschung,  hier 
nur  mit  AVenigem  zusammenfassen»  Es  ist  gewifs,  dafs  die  Hellenen 
noch  auf  einem  andern  Wege,  als  der  über  Phrygien  ist,  die  frühe  Be- 
kanntschaft von  einer  Art  von  Schalmei  oder  Querpfeife  gemacJit  haben, 
«nd  dafs  sich  darauf  eigentlich  die  früheste  Sage  von  der  Erfindung  der 
Flöte  durch  die  Minerva  gründet.  Die  erste  Bekanntschaft  mit  der 
Minerva  erhielten  die  Attiker  aus  Aegj^pten  durch  afrikanische  Colonisten, 
Diefs  stimmt  mit  der  Aussage  des  Herodot  überein  und  mufs  -bei  dem 
ganzen  Mythenkyklos  der  Pallas  Athene  zum  Grunde  gelegt  werden. 
Aus  Lybien,  ich  denke  durch  phönizische  Kaufleute  und  Handelsverkehr, 
(man  erinnere  sich  nur  an  die  (pMTtyys; ,  ytyyqxi  und  andere  phöni- 
zische Benennungen  der  Pfeifen  und  folge  dem  merkwürdigen  Abschnitte 
beim  Pollux  IV,  154  — 156.,  aus  dem  man  die  lybischen,  phönizischen 
Pfeifen  am  befsten  kennen  lernt)  kam  auch  die  Kenntnifs  der  Lotos- 
schalmei  und  des  Pfeifcliens  aus  den  Knochenröhren  der  Gazellen  und 
Rehe,  deren  sich  die  Mohren  noch  jetzt  bedienen,  sehr  früh  zu  den 
Griechen.  Die  Stellen  hat  Spanheim  mit  gelehrtem  Fleifse  zusammen- 
getragen zum  Callimachus,  Hymn.  in  Dian.  243  —  245.  p.  344.  fF, 
Da  nun  die  Pfeifen  und  die  Minerva  aus  einem  Lande  nacli  Hellas  ge- 
kommen waren,  so  war  nichts  natürlicher,  als  dafs  man  nach  der  Ideen- 
yerbindung  der  alten  Welt  diefs  als  Ursache  und  Wirkung  zusammen- 
dachte, und  wie  in  einer  sehr  ähnlichen  Combination  Pallas  die  Erfin- 
derin des  Oelbaums,  Neptun  der  Schöpfer  des  Pferdes  wurde,  so  sagte 
man  hier,  Pallas  erfand  die  Pfeife.  Diese  Erfindung  kann,  wie  die 
Athene  Onka  durch  den  phönizischen  Cadmus,  bald  nach  Böotien 
und  wurde  von  dem  natüi'lichen ,  musicalischen  Talent  der  Einwohner 
begierig  aufgenommen.  Daher  schrieb  der  Älauritaner  Juba,  Athen.  V, 
25.  p.  182,  D. ,  die  Gazellenpfeife  sei  eine  Thebanische  Erfind- 
ung. Aber  hier  ist  immer  nur  von  einer  Pfeife,  von  dem  //ovoH«Aa/xof, 
die  Rede,  und  diese  blieb  auch  in  den  ältesten  Pythisclien  Spielen,  bis 
sie  Teleplion  aus  Megara  abschaffte,  S.  Plutarch  de  musica  p.  1138, 
Eine   der   Grazien,    die  das   Bild   des   Delischen   Apollo   in  der  linken 


46 

Hand  tnig:,  Iiielt  diese  Pfeife  in  der  Hand,  Plntarch  p.  1136.  A.  Pln- 
taicli  nennt  sie  cvqi-j^.  Aber  man  mnfs  dabei  niclit  an  die  sieben- 
röhrige  Panpfeife  denken,  sondern  das  Wort  in  seiner  ursprüngliclien 
Bedentnng  von  der  einröhrig:en  lybisclien  Pfeife  anneimien, 
Hierdnrch  werden  auch,  wenn  ich  nicht  irre,  auf  einmal  alle  die  Scliwie- 
rigkeiten  gelös't,  aus  welchen  sich  selbst  der  scharfsinnige  Twining 
in  einer  gelelirten  Abliandlnng  über  die  Syrinx,  Notes  on  Aristotle  p. 
144  — 148.  nicht  wohl  herauswickehi  konnte.  Die  Thebaner  verbesserten 
diese  Pfeife  durch  allerlei  niitzliche  liriindungen.  Sie  fafsten  die  knö- 
cherne Rülire  von  Aufsen  mit  Metall  ein,  Pollu.v  IV,  76.,  und  bedienten 
sich  nun  auch  ihres  einlieiinischen  Rohrs  zu  iilinlicher  Absicht.  Erst 
lange  nachher,  als  die  Doppelllöte  allgemein  üblich  geworden  war,  be- 
diente man  sich  des  Rohrs  blos  zu  Mundstücken  (;'A.wTr/8£?),  deren  man 
mehrei'e,  wie  noch  jetzt  beim  Fagott  gewöhnlich  ist,  in  einer  eignen 
Kapsel  bei  sich  führte  (J'>.wttoxs/vcs7ov).  Die  metallene  Röhre  lief  um 
ein  Beträchtliclies  in  das  aufgesteckte  Mundstück  vom  Rohr  hinein,  und 
hierin  ist  A\  in  ekel  mann  zu  berichtigen,  der  in  einer  Anmerkung  zu 
seiner  Geschichte  der  Kunst  All,  3.  T.  11.  p.  104.  ed.  Fea.  aus  neuer- 
licli  in  Herculanum  und  bei  Cortona  aufgefundenen  Pfeifenreliquien  be- 
hauptet, es  habe  in  jeder  Rohrpfeife  eine  metalleue  Röhre  gesteckt,  die 
so  lang  gewesen,  als  das  Scliilfrolir  selbst  war. 

So  weit  ist  Alles  in  Ordnung.  Aber  mit  dieser  ni-alten  Tradition, 
dafs  Pallas  die  Pfeife  in  Lybien  erfunden  habe,  wurde  nun  blos  um 
eines  einzigen  Wortes  willen  von  den  Thebanern  noch  eine  andere  Er- 
dichtung verbunden.  Bei  den  Pythischen  Musikfesten  hatte  man  seit  al- 
ten Zeiten  eine  Melodie,  die  man  die  vielköpfige  (vi/xo;  iroXtxt^oiXo?)  • 
nannte,  Sie  war  phrygisclien  Ursprungs ,  ob  man  sich  gleich  über  ihren 
Erlinder,  ob  es  der  ältere  oder  jüngere  Olympus,  oder  Hyagnis  gewe- 
sen sei,  nicht  vereinigen  konnte.  Nur  so  viel  liifst  sich  aus  der  Nach- 
richt lierausbringen,  die  wir  dem  Plutarcli  hierüber  verdanken  de  inu- 
sica  p.  1133.  D.  E. ,  und  wie  konnte  auch  Plutarch  liierüber  mehr  geben, 
da  die  Sache  selbst  zu  seiner  Zeit  längst  untergegangen  war,  und  er 
uns  also  seine  Collectaneen  aus  altern  Scliriftstellern  so  roh,  als  er  sie 
zusammengeschrieben  hatte,  wieder  ausschüttete.  An  den  Ursprung  die- 
ser Benennung'  übt  der  Scholiast  zu  Pindar  T.  II.  p.  245.  Beck,  seinen 
ganzen  etymologischen  Scharfsinn,  Die  walirscheinlicliste  Erklärung 
scheint  mir  diejenige,  wo  y-t^J^otka.]  für  Präludien  oder  Vorsi)ieIe  ange- 
nommen werden,  so  dafs  diese  vieUvöpiige  Melodie  viele  Eingänge, 
neqooii-i.toc  f  gehabt  liätte.  Diefs  sclieiat  mir  auch  darum  wahrscheinlich, 
weil  beim  Hesychius  T.  II.  c.  998.  diese  3Ielodie  auch  der  Citlier 
zugesclirieben  wird.  Aus  dieser  vielköpiigen  Melodie  ging  nun  die  eben 
angeführte  viellvöpfige  Fabel  liervor,  die  Pindar  noch  in  seiner  zwölften 
Pythischen  Siegeshymne  verewigt  liat.  Sie  ist  in  dem  etymologisirenden 
Geschmack  der  Fabeln  gediclitet,  die  die  Myrmidonier  aus  Ameisen,  die 
Menschen  aus  Steinen,  das  Lyngurium  aus  dem  Urin  des  Luxes  u.  s.  w. 
entstehen  lassen.  Eine  reiche ,  aber  eben  nicht  empfehliuigswüi'dige  Quelle 


47 

des  grieclnschen  MyUienwitzes,  wozu  schon  Melman,  de  cansis  narra- 
tioniim  de  miitatis  forinis  p.  47.  ff.  mehrere  zum  Theil  sehr  lächerliche 
Belege  gesammelt  hat» 

XT. 

lieber     ein    Fragment     beim    Athenäus. 

Daß  diefs  in  unsern  Ausgaben  des  Atlienäus  niclit  einmal  in  Verse 
abgesetzte  Fragment  aus  trochaicis  tetrametris  catalecticls  bestanden 
habe ,  giebt  wohl  einem  Jedem  der  erste  Blick.  V  i  1 1  e,b  r  u  n  e  T.  V.  p. 
196.  scheint  es  indefs  nicht  gefühlt  zu  Iiaben,  wie  denn  überhaupt  die 
Metrik  nicht  seine  grofste  Stärke  ist.  Er  übersetzt  dalier  aucJi  den  An- 
fang ganz  ohne  Sinn :  je  presume ,  qu'un  homme  sage  fera  assez  de  re- 
flexions,  pour  ne  pas  croire  que  la  deesse  Minerve  ait  jettö  loin  d'elle 
cet  Instrument,  und  sagt  in  der  Anmerkung,  die  Leser  würden  wohl 
selbst  die  kleinen  Veränderungen  entdecken,  die  er  sich  hier  im  Original 
erlaubt  habe.  Aber  offenbar  war  beim  Melanippides  in  der  gleich  vor- 
hergehenden Stelle  von  der  Flöte,  vom  avkog  ,  die  Rede,  und  darauf 
bezieht  sich  nun  im  ersten  Verse  der  Anfang,  cv  ffo(pov  coipoLV  XaßcvffKv 
v.r.X,  Ein  Leser  hatte  sich  zur  Erklärung  o^J'avov  an  die  Seite  ge- 
schrieben ,  und  so  ist  diefs  AVort  zu  noch  grofserer  Verwirrung  des  Me- 
h'ums  unter  die  übrigen  Verse  gerathen.  Nur  als  Probe,  dafs  die  Verse 
wirklich  in  Trochäen  zerfallen,  keineswegs  aber  als  Verbesserung,  zu 
welcher  ich  mich  viel  zu  scliwacli  fühle,  setze  ich. den  Anfang  dieser 
Stelle  so  ab: 

''Ov    ffoipov   cro(paV    Xocßovffav    Cfvt  STrsAiro/a«;   vco^ 

Ar«v   'A5«vav   £V   h^vfjio7<jtv   ovgsciv    te    avsy.ioi(; 

AuJ^^ov   a'ffj^Of    o(pSaX/J.c7<Tiv    iy.(pcßy^£^s7T0lV   ßaXuv 

XII. 

Kunstgriffe    des    Apollo    beim    Wettkampfe 
mit    dem    Marsyas» 

lieber  die  Art  des  Wettkampfes  und  die  verschiedenen  Kunstgrifle, 
die  von  beiden  Seiten  angewendet  wurden,  herrscht  in  den  Berichten 
der  alten  Schriftsteller  so  viel  Widerspruch  und  Dunkelheit,  dafs  ich 
nach  einer  langen  Prüfung  aller  Stellen,  die  im  Alterthum  über  diesen 
W^ettkampf  vorkommen,  doch  ausrufen  mufs,  wie  der  Alte  im  Terenz: 
fecistis  pi'obe!  iiuilto  iucertior  sum,  quam  ante.  Die  ürsaclie  dieser  Ab- 
weichungen und  Verirrungen  liegt  wold  vorzüglich  darin,  dafs  man 
in  die  Gescliiclite  dieses  Wettkampfes  Alles  zu  bringen  versucht  hat,  was 
sich  die  griechischen  Flötenspieler  und  Citharöden,  die  sich  immer  mit 
einem  waliren  Secten-  und  Facultätenhafs  angefeindet  und  verfolgt  zu 
haben  scheinen,  über  die  Naclitheile  und  Vortheile  ihrer  Kunst  wech- 
selseitig vorwarfen.  Recht  deutlich  wird  diefs,  wenn  man  die  Erzählung 
dieses  Wettkampfa  beim  Diodor  von  Sicilien  aus   diesem  Gesichtspunkte 


48 

ansieht,  III,  59.    Apollo  spielt  hier  znerst  ohne  Gesang  auf  der  Cither. 
Er  ist,  wie  es  <lie  Alten  nannten,  -k^iXoxi^af icr*)?.      Marsyas    hlUs't   anf 
seiner   Doppelllöte   und   entzückt    die  Nysäer,    die  Kampfrichter,    dnrch 
diese  hellen  Töne   weit  mehr   als   Apollo  durch   den    sanftem   Laut   der 
Citlier.      So    \iel    wäre    also   entschieden,    Instrument   gegen  Instrument 
gehalten ,  siegt  die  Doppelfiöte.     Nun  beginnt  Apollo  zum   zweiten  Male 
mit  Gesang  und  Spiel.     Dieser  Zauber  ist   gröfser    als  Alles,  was   die 
Flöten  bewiikten.    Marsyas  wendet  sich  an  die  Zuhörer  und  sucht  ihnen 
begreiflich  zu  machen,  dafs  hier  sehr  ungleiclie  Partie  sei,  weil  nur  die 
Kunst,    das  Instrument  zu    spielen,    nicht    die  Stimme   in  Anschlag  ge- 
bracht werden  dürfe.     Man  hört  liier  die  Flötenspieler,    wie  sie  gewöhn- 
lich den  Citharoden  antworteten.   „Nein,"  sagt  Apollo,  „  dir  geschieht 
nicht  Unrecht.     Ich   tliue    nicht   mehr,   als   du   auch   thust.     Du  brauclist 
den  Mund  zum  Blasen,   ich   zum  Singen.     Du  brauchst   die  Finger  zum 
Spielen.     Ich  auch.     Willst  du ,    ohne    den  Mund  zu  brauchen ,    blos  mit 
den  Fingern   spielen,    so   bin  ich    ein  Aelinliches   zu  thun  bereit."     Die 
Kampfrichter  finden,  dafs  Apollo  Recht  habe,    und  der  Wettkampf  hebt 
von  Neuem  an.     Wer  hört    hier    nicht    in    der  spitzfindigen  Antwort  des 
Apollo  die  gewöhnliche  Ausflucht  des  Citharoden,  wenn  der  Flötenspieler 
den  hegleitenden  Gesang  nicht  gelten  lassen  wollte?    Natürlicli  mufs  nun 
Marsyas  unterliegen,  wie  denn  auch  immer  der  Citherspieler  mit  Gesang 
über  den  blosen  Flötenspieler  den  Vorrang  behaujjtete.     Eine  sonderbare 
List    wodurch  Apollo  den  Marsyas  besiegt  habe,  finden  wir  beim  Apollodor 
I    4.  2.     „Als  Marsyas  beim  ersten  Kampf  den  ^'orzug  zu  haben  schien, 
drehte  Apollo  seine  Cither  um  und  forderte  seinen  Gegner  auf, 
ein  Gleiches  zu  thun ,    da  aber  dieser  es  nicht  nachthun  konnte ,  mufste 
er  sich  für  überwunden  erklären."     T>)v   y.tBä^av    CT^t-^'as   ij/wvi'^sTO    6 
'AtsXXiuv.     Hygin,   Fab.   165.   p.   179.    Stav.  folgt  eben  dieser  Sage: 
Cum  j am  Marsyas  inde  victor  discederet,  Apollo  citharam  yersabat,  idem- 
que   sonus   erat,  quod  Marsya    tibiis  facere  non  potuit.     IVIit  ihm   stim- 
men   auch    die   handschriftlichen   Schollen    des   Fulgentius    überein ,    die 
Munker   bei    dieser   Stelle    anführt:    Apollo  —   versa    cithara    cantare 
coepit,     Quod  cum  Marsyas  versis  tibiis  agere  non  valeret,    eum  ad 
arborem  i'eligavit.     Dafs  .Saumaise's  Erklärung  ad  Solin.  p.  84.,  nach 
welcher  Apollo  blos  die  Tonweise  verändert  haben  soll,  welches  Marsyas 
nicht  nachzuthun  vermochte,   weil    man   damals   für  jede   einzelne  Ton- 
weise auch  besondere   Flöten  hatte   —   den  Ausdruck    STq^Q^nv     r-^v   m^- 
^ccqav  nicht  erscliöpfe,    hat  Heyne   ad  Apollod.  p.  47.  richtig  bemerkt, 
die  Sache  selbst  aber  unerklärt  gelassen.     Wie  wenn  man  sich  die  Saclie 
so  dächte?     Ein   geschickter  Citherspieler   konnte  auch  auf  umgedrehter 
Cither  spielen ,    es  war  gewissermafsen  ein  mechanisches  Kunststück ,   so 
wie  es    heut'  zu   Tage    Violinenspieler  giebt,    die   die  Violine  auf  dem 
Rücken  spielen  können.     Die  gewöhnliche  Stellung  der  Cither  war,    wie 
wir  sie  anfallen  Denkmälern   so  oft  erblicken,  dafs  der  Steg    d^yiv) 
gegen   das  Gesicht  aufrecht  gekehrt  war.    Dann  nüite  der  untere  Theil 
des  Instruments,  wo  sich  die  zwei  Hörner   (-^hX^'S t  x«f«T«)  vereinigten, 


49 

auf  dem  Ellbogen  <les   linken  Arms ;    Jenn  an  ein  Instrument  mit  einem 
baucliigen  Resonanzboden,  mit  einer  Testudo,  >)X*'®''' »   (s-  V'ofs,  de  vi- 
ribus rhytlimi  p    79.)  ist  liier  nocli  nicht   zu  denken.     Diefs  konnte  anch 
nur  entweder  sitzend  (s,  Bürette,  Memoires   de  Literature  T.  IV.  p. 
125.    qd.  Amstel. )    oder,    indem   man   es    auf  etwas  aufstützte,    gespielt 
werden,   und    eben   diefs    nennt    der  Verfasser    der  Homerischen  Hymne 
auf  den  Merkur,   obgleich  dort  wirkltcli  von  einer  Testudo   die  Rede  ist, 
V.    418.  433.  499.     v.i'5af(v   Xaßuy   sV  ai^iffri§x    X^'?^^    Und    t-rwXiviov 
y.tüa^i^iiv.     Indefs  selie   ich  niclit   ein,   warum    der   fertige  Citherspieler 
nicht  auch  das  Instrument   zuweilen    so  gehalten   haben  könne,   dafs    er 
den  untern  Theil    an  die  Brust  stützte     und  den  obern  gegen  den  Vor- 
derarm gekehrt  liielt ,   ungefähr    wie   wir   unsere  Violine    spielen.     Diefs 
würde  o-rosCps/v  t>)v  vuSa^a-j    heifsen    können   und  wäre  wohl  auch  hier 
im  "VVettkampfe  mit  dem  IMarsyas  der  Fall  gewesen.  Dann  neigt  sich  das 
Instrument  unter  dem  Ellbogen  des  linken  Arms ,  der  steif  ausgestreckt 
vorn  herumgieifen  und  die  Cither  beim  Steg  halten  mufs ,  und  so  folgte 
daraus,    dafs  auch    OtwAsvicv   y.i3ci§t^ii'j  gesagt  Averden  könne.     Darum 
di'u'fte  es  nicht  zu  billigen  sein ,    dafs    1 1  g  e  n    in   seiner  neuen  Ausgabe 
dieser  Hymnen  V.  510.   die  alte  Lesart   gegen  Krnesti   und  Wolf  in 
ExwXsv/ov  verändert  hat.     Apollo  spielt  jetzt  als  ein  kunstfertiger  Virtuos 
(SsSawf)    die  Cither   auf  einmal   auf  eine   andere  Art.     Dagegen  hatte 
Ilgen  ganz  Recht,  das  erste  Mal   V.  433.   iicwksviev  beizubehalten,   wo 
es  Wolf  um  der  Gleichförmigkeit  willen  auch  in    ütwAsv/ov  veränderte, 
■s.  die  Anmerkungen    S.  455.     Man    denke    sich    nur,    dafs   von  zwei 
verschiedenen  Arten,  die  Cither  zu  halten,  die  Rede   sei,   und  Alles  ist 
deutlich.     Bei  beiden  Arten  fand  übrigens  nocIi  das  Zusammeuspieleu  der 
linken    und    rechten  Hand,    das    intus  und  foris    canere ,    statt,    welches 
Asconius   zur   ersten   Verrinischen    Rede    T.  1.    p.  459.  ed    G  r  a  e  v,    so 
deutlich  erklärt  hat:  Cum  canant  citharistae,  utriusque  manus  funguntuv 
ofücio :   dextra  plectro  utitur    (^oder  vor    der   Erfindung  des   Plectrnms, 
auch  die  Finger,  womit   man    die  Saiten   auf  dieser  Seite  rifs,  ^Äkksiv^ 
dem  Kfsxsiv   mit    dem  Plectium  entgegengesetzt    (^s.   Valckenaer   S'.u 
Eurip.  Phönissen  1399.),  während  man  sie  mit  der  linken  Hand  griff  und 
stimmte ,  et  hoc  est  foris  canere ;  sinistra  digitis  chordas  carpit ,  et  lioc 
est  intus   canere.  Man  vergleiche  auch   die  Stelle  beim  Pliilostrat,  Icon. 
I,   10,  p.  779.,   wo  von  dem  Spiele  beider  Hände  die  Rede  ist,    wo  ich 
aber    selbst  nach    den  neuesten  Bemerkungen   von  Heyne,    Prolus.  ll. 
p.  8.  die    cf-Sig  irgoßakcn;  der  Finger  der  linken  Hand    noch  nicht  ganz 
verstelle, 

Xllt. 

Satyrisirung    des    Marsyas    lind    libei*    eine    SteUe 
aus     Plato's    Symposion, 

In   der    Stelle    des    Satyi'endichters   ^lelanippides    beim    Athcnäa» 
XlV,  2.  p.  616,  F.  heifst  Marsyas  ausdrücklich  ^h?  i    das    ursprüngliche, 
Xiöitigei-'s  Kleine  Schrifien  I,  4 


50 

mir   im  Tonisnuis   in  (Phi  verwandelte   ( s.    rlie    pcU'lnte  Reiiierkiing:    des 
Fösiiis    im   Oecon.   Hiiip.  s    v.    (fi)^i»     S.     653.^     M'ort     für     wilde 
AVald  inen  sehen,    wie   es   schon  beim    Homer  von    den  Centaiiren,   doch 
olme  alle  Beziehung   auf  die   weit   spätere  Doppelfiestalt  gebraucht  wird, 
dann  aber  häulig  einen  Satyr  bezeichnet,    z.  B.    beim    Kuripides  im 
Cyclops  V.  620.    Hesychins  T.  I.    c.  1713.    ^^<}»;  roii;   Sarufi^xetj, 
denn   so   niufs  dort    oline  Zweifel   gelesen    werden.     Von   nun    an    heifst 
Marsyas  überall,    oft  sogar  ohne  Zusatz  seines  Kigenriamens ,   der  Satyr. 
S,  Staveren  zum  Ilygin  S.  279.    Heyne,  aiitiqu.  Aufs.  II.  S,  G9.  — 
Die  ältere  Fabel  dachte  sich  im  Marsyas  blos  einen  plirygischen  Weisen, 
der  in  den  geheimen  Dienst  derCybele  eingeweilit  war.  S.  Diodor  II T, 
.'.8.     In  den  attischen  Dramen  wurde  es  wahrsclieinlich  zuerst  Mode,  den 
Marsyas  im  Gefolge   des  Bacchus   mit    den  übrigen  SatyTn    und   Silenen 
aufzurühren,   ilin    zu   bescliwänzen     und    die   ganze   bocksfiifsige    Satyr- 
gestalt auf  ilin  überzutragen.      Ueberhanpt  ist  der  Kinllufs  des  attischen 
und  hier   besonders  des  satyrischen  Drama    auf  die  Ausbildung  der  gan- 
zen Faltel    von  den  Satyrn    und  Silenen    selbst    in   den    neuesten  scharf- 
sinnigen Untersuchungen    von  Vofs,  mythologische  Briefe  Th.   II,    Brief 
XXX  —  XXXIII.    noch    immer    niclit   hinlänglich    erwogen    worden.     Nur 
von  diesen  Dramen  nahmen  Athenisclie  Künstler ,  Dichter  und  Pl^ilosophen 
ihre  Vorstellungen.  Man  sehe  die  auffallenden  .Stellen  in  Xenophon's  Gast- 
mahl c.4.p.  139.  ed.  Ba  eh.,  wo  bei  <7«TUfJMoTf  offenbar  h^ä/^affi  zu  verste- 
hen ist.      Als  man  endlich  durch  diese  satyrisehen  Dramen  das  Heer  der 
Silenen  und  Satyrn  in's  Uneiulliche  vermehrt   und  gleiclisam   den  Begriff 
festgesetzt   hatte,    Silenen   sind   die   alten,   Satyrn   die  jungen 
Bacchustrabanten   (s.     die    Hauptstelle    beim    Pausanias    I,    23. 
p.  54.);  da  kehrte  man  in  Absicht  auf  den  .Alarsyas,  den  man  sich  jetzt 
als  einen  alten  abgefeimten  Horcher  bei  jMinervcns  Flötenspiel   am  Mä- 
ander dachte,    zur  Benennung  des  Herodot  zurück,   der   ihn  in  der  be- 
kannten   Stelle   VII,    26.   einen    Silen  nennt.     So   spricht  Pausanias    von 
der  merkwürdigen  Gruppe  in  der  Acropolis  zu  Athen,    wo  Pallas  vorge- 
stellt war,  wie  sie  den  Marsyas  defswegen  schlug,  dafs  er  ihr  die  Flöten 
weggestohlen  habe,  es  sei  die   'ASvjva    rov  is(X>)vov   Ma^cvav    -KoitovcM 
I,  24.    p.  56.     Melirere  Stellen  giebt   C  a  s  a  u  b  o  n  u  s  ,    de   ])oesi   satyrica 
I,  2.  p.  51.  ed.  Ramb.     Besonders  nannte    man  die  hermenartigen  3Iar- 
syasstaluen,    die   schon   zu   den  Zeiten    des   Plato    in  Athen   sehr  häufig 
gewesen  zu  sein  sclieinen,  vorzugsweise  Silenen,  wie  aus  der  berühm- 
ten Stelle  in  Plato's  Gastmahl,   c.  32.    p.  102.  ed.  Wolf.    T.  x.   p.  256. 
Bip. ,    sehr  deutlich   erliellet.     Diese    Stelle    hat   man,    wie   mich   dünkt, 
nicht  immer  aus  dem  riclitigen  artistischen  Gesichtspunkt  aufgefafst.  Man 
brauchte  die  Hermen  unter  Anderm  auch,  wie  unsere  Uhrgehäuse,   dazu, 
nm  kleinere  Bildwerke    (.sigilla,  Bronzen,    wie    sie   in    grofser  Zahl   in 
Pompeji  und  Herculanum  gefunden  wurden,)   hineinzusetzen.     Nun  hat- 
ten aber   die   eigentlichen  Hermen  oder  Mercuriussäulen    schon    ilir   be- 
.slimmtes  ,  bedeutendes   und   passendes  Local  in  den  Gymnasien  und 
öffentlichen  Plätzen.    Die  Grieclien  hatten  auch  in  dieser  Rücksicht  einen 


51 

Sinn  für  SchickUclikeit  nnJ  Anständigkeit,  den  wir  kanin  bei  der  streng- 
sten Aufmerksamkeit  errathen.  Bei  der  nngeheuern  Menge  von  Statuen 
und  Bildwerken,  wovon  ganz  Grieclienland  voll  war,  hatte  doch  jede 
Gottheit ,  jede  mytliische  Darstelhmg  ihren  angewiesenen  Kreis ,  ihren 
bestimmten  Platz,  wo  sie  hingeliörte,  und  wo  sie  auch  nur  mit  Schick- 
lichkeit aufgestellt  werden  konnte.  Nur  erst  daufi ,  als  die  Räuber  und 
Zerstörer  der  alten  Welt  ,  die  geschmacklosen  Römer,  die  ausgeplünder- 
ten Kunstschätze  Griechenlands  nacli  Rom  und  Italien  sclileppten  und 
alle  Winkel  damit  vollpfropften ,  ging  diefs  Gefühl  für  Schickliclüceit  ver- 
loren und  keine  Statue,  kein  Bildwerk  stand  mehr  an  seinem  Platz. 
Eigentliche  Hermen  in  eingeschlossenen  Sälen  und  Privatiiäusern  belei- 
digten das  Kunstgefülil  der  Athener.  Zu  dieser  Privatbestimmung  ent- 
standen die  neuen  Compositionen ,  Hermathenen,  Hermeraklen 
u.  s.  w.  Nun  war  für  die  Idee  eines  schmalen  Wandschrankes  nichts 
passender  als  die  Figur  eines  Marsyas,  der  mit  beiden  Händen  gebun- 
den und  angeschnürt  an  einem  Baume  stehend  gedacht  wurde.  So  ent- 
stand die  Vorstellung,  auf  einen  sogenannten  Hermentronk  die  Büste 
eines  3Iarsyas  zu  setzen,  die  man  auf  beiden  Seiten  öffnen  und  als 
Schrank  brauchen  konnte.  Wenn  also  Plato  die  SsiX-^vsvf  sv  rc7;  'E^)- 
fxiy'k-offi.'ict;  y.!xSi)!xsvD-j;  auftuhrt,  so  steht  das  Wort  i^/AoyXvCpiJav 
niclit  tür  jede  Werkstatt  jedes  Bildhauers,  sondern  bestimmt  für  dieje- 
nige ,  wo  Statuen  mit  Hermenpostamenten  gemacht  wurden.  Diesen 
hing  man  dann  die  DoppelHöte  oder  die  Pansdöte  (aus  einem  jMifsver- 
ständnisse  des  Worts  cu^ny:; )  an  und  nannte  sie  bestimmt  Silene. — 
Meine  Muthmafsung  wird  durch  ein  kleines  Gediclit  des  spätem  Epi- 
grammendichters  Alcäus  bestätigt,  welches  offenbar  auf  eine  solche  Sile- 
nusherme  gemacht  ist,  Analect.  T.  I.  p.  488.  X.  „In  deinen  Händen,'* 
singt  der  Dichter,  „wird  nicht  melir  das  Kunstwerk  der  tritonischen 
Athene  blühen. 

Man  denke  sich  liier  nur  die  Gestalt  einer  Marsyaslierme ,  und  man  sielit 
die  unauflöslichen  Fesseln,  womit  seine  Hände  angescMossen  liegen, 

XIV. 

lieber    die    Backenriemen    der    alten 
Flötenspieler. 

„Marsyas,"  sagt  Pliitarch  über  die  Mäfsigttng-  des  Zorns  T» 
It.  p.  456.  C,  „  mäfsigte  mit  einem  Kappzaum  und  mit  der  Gewalt  eines 
Gebisses  den  herausstürzenden  Athem,  er  überputzte  imd  verbarg  di« 
Aufgedunsenheit  seines  Gesichts, 

„Mit  dem  schimmernden  Gold  umschlang  er  die  ringsitmbehaarten 
Schlaf  und  den  blasenden  Mund  mit  rückwärts  gebundenen  Riemen." 
Im  Griechisclien  heifsen  die  beiden  Verse: 

Xfuffv-j    h      aiyX-^fvri   av>'/\2iA0€Zv   KjxWtioiffEKx^ 

4* 


52 

Im  Texte  lies  Plutarch  selbst  lese  ich,  bis  mich  Wyttenbach  eines 
Bessern  licichrt  haben  winl,  •JVEfisrrc/xi'wv  ßia.  Man  ist  gewohnt,  «liefs 
Distichon  nach  einer  Aussage  <les  Tzetzes  (s.  Langbi-in  zum  Longin 
S.  20.  (j.  eilit.  Toll  )  «lern  Simonides  zuzuschreiben.  Kin  älterer  Dicliter 
ist  es  gewifs.  Er  kennt  die  Sache,  aber  noch  nicht  den  Ausdruck,  den, 
wie  ich  glaube,  die  spottsüclitigen  Attiker  erst  später  dazu  erfunden 
hatten.  <I'cf/3s(« ,  denn  so  mufs  es  nacli  der  Bemerkung  des  Hero- 
dian  beim  Sclioliasten  des  Aristophanes  in  den  Vögeln  862  geschrieben 
und  accentuirt  werden,  bezeichnet  eigentlich  den  ledernen  Kiemen,  der 
den  Thieren  iini's  Maul  gebunden  wird,  wenn  sie  niclit  fressen  oder 
beifsen  sollen.  S,  Schefl'er,  de  re  vehiculari  vcterum  I,  13.  p.  178. 
Weil  nun  die  lederne  Binde,  womit  die  Flötenspieler  seit  den  ältesten 
Zeiten  sich  die  Backen  vei-walirten ,  so  da(s  vorn  an  der  Lrppen  nnr 
eine  kleine  Oeffnung  übrig  blieb,  worein  man  die  ]\Tund.stücke  der  Flöten 
stecken  konnte,  einem  solchen  Kappzaum  sehr  ähnlicli  sahen,  so 
nannte  man  diesen  Backen-  uml  Li[)penverband  auch  so.  In  der  Stelle 
des  alten  Dichters,  die  aus  dem  Plutarch  angetiihrt  wurde,  heifsen  sie 
noch  mit  dem  allgemeinen  Namen  ii*ä-rrfi;  ,  Riemen ,  womit  die  Alten 
aucli  die  Kampfriemen  bei  den  Faustkämpfen ,  die  Schuhriemen ,  die 
Peitschen  und  jedes  andere  Lederweik  Ix-zeiclineten.  Die  eigentliche 
Benenming  war  wohl  crc/^if ,  Maulbinde,  o<ler  x*'^^"^»?? »  Lippenbinde, 
wie  wir  aus  einer  Glosse  des  Hesychius  scldiefsen  dürfen  T.  H.  c.  1519. 
Cpof/ßs;ä  V]  ocJAijTrx.v)  ctc/jh;  .  Ksytrat  bi  y.m  i  •^uXlzyi^.  Die  Bedeut- 
ung des  Wortes  c-^c/^'s  für  die  Maulbinde  der  Pfeifer  hat  schon  San- 
maiso  ad  Solin.  p,  585.  b.  A.  aMS  einem  sehr  glücklich  emendirten 
Fragment  des  Lucilius  «rläutert:  Trulleu'  pro  Storni  de  huic  ingens  de 
naribus  pendet.  Die  Rede  ist  von  einem  Sanfer.  Ihm  hängt,  sagt 
der  alte  Satydker,  der  grofse  Krug  immer  wie  ein  Beifskorb 
von  der  Nase  lierab,  vergl.  Lucilii  reliquiae  edit.  Dous.  p.  357.,  wo 
der  Sinn  aus  Turnebus  richtig  gefafst,  aber  das  verdorbene  postomis 
nicht  verbessert  ist.  Von  crc/xtg  als  3IaulverI)and  der  Pfeiler  kommt 
£ir/<7Tc//i'^6iv  als  Kunstausdiuck  der  Flöten,spieler  von  diesem  Geräthe. 
So  kommt  es  beim  Plutarch  vor.  S.  Svmpos.  VII,  8.  p.  713.  C.  und 
vielleiclit  braucht  es  auch  Athenaus  mit  Hinsicht  auf  diese  Bedeutung  in 
der  AntVihrung  eines  Bonmots  des  Hyperides  XHI,  p,  591.  F.  Die  daraus 
abgeleitete  bekannte  Bedeutung  für  y-Araffiyä^siv  ist  von  den  biblischen 
Philologen  weiUäuÜTg  erläutert  werden.  S.  Eisner,  Obser.  Sacr.  T.  If. 
p,  322.  und  Wetstein  zu  Tit.  I.  11.  —  Die  eigentliche  Absicht  dieses 
Verbandes  war,  wie  der  Scholiast  des  Aristophanes  zu  den 
Wespen  580.  selir  riclitig  bemerkt,  hauptsäclilich  diese,  damit  der 
Athem  beim  Blasen  nicht  auf  einmal  zn  stark  würde  und  das  Hervor- 
bringen der  sanften  Töne  hindere:  otw?  av  cJ/a/xiT^cv  tö  -rvst/x«  xt/x- 
wc/usvcv  yjbiloi'j  T>)v  ^wv^y  tou  avXov  -Trcii^c*;.  Man  mufs  hierbei  nur 
nicht  vergessen,  dafs  die  Alten  Flöten  von  ganz  verschiedener  Länge 
liatten.  Die  ganz  langen  Flöten,  die  nur  in  den  Theatern  und  bei 
oUcntlichcn  Gelegenheiten  ,  Opfern  und  dergl.  gebrauclit  w  urden    mufsteii 


53 

natürllcli  aucli  mit  gtärk*roi'  Anstrengung  und  AnscIehnuTig  der  blnsenilen 
Gesiclitstlieile  gespielt  werden,    und    da    war  also   auch  nur  dieser  Ver- 
band nötliig.     Daher  iindet  man  nie,  dafs  die  Flötenmädchen,    die  nur 
in  Privathiiusern  aufspielten,   und  überhaupt   die  Flötenspieler   bei  allen 
Gelegenheiten,  wo  es  keiner  Anstrengung  bedurfte,  sich  dieses  Verbandes 
bedient  hätten,   und   darum   linden    wir    auch    die   Sache   so  wenig   auf 
alten  Denkmälern,  Basreliefs   u.  s.    vr.   ausgedrückt.       Doch   finden    wir 
sie    auf  einer  altgriecliisclien  Vase  Xs.    Burney,    history  of  Music.    p, 
521.)    abgebildet,   und  Andreas  Schottus  hat   zuerst   in   seinen  An- 
merkungen   ad    Adagia    Graecoruin    p.    272.    f.     aus     der    Velserisclien 
Sammlung  einen  ächten  Marsyaskopf  mit  dieser  Binde  gegeben.     Da,  wo 
die  Riemen  über  die  Lii)pen  gingen,    waren  sie  walu'scheinlich  mit  Me- 
tall beschlagen ,   und   daraus   erkläre  und  verbessere  ich  eine  Glosse  des 
Hesychius   T.  J,   c,  1-iOO. :    'Exi'j^aXy.ov  ,     to    cts/jux   tuJw   avkiZv  •    htk   tjjv 
(fo^ßsiäv  oio-ji]  iKKTro/Mbct,     An  die  Mundstücke  der  Flöten  (j'XwTn'Sg;) 
ist  liier  nicht    zu  denken;     diese  könnten  auch  nacl»   der   Sprache    nicht 
ffTÖ//a  Twv  aJXwv  heifsen.     Alle  Schwierigkeit  wird   gehoben,  wenn  wir 
aukijT'Mv    statt    d'jkvyj     lesen.      Irgend   ein    attischer  Dicliter    hatte    den 
Mund    eines    so    verbundenen   Flötenspielers    mit    Erz    beschlagen, 
ix/p^ixX/'.ov,   genannt,   und    diefs    wird   nun    durcli  die  angeführte  Glosse 
erklärt.    Nun   vei-stelit  man    auch,  was  das   scliimmernde    Gold    im 
Fragment  des  Simonides,  das   gleich  anfänglich  angefüiirt  wurde,   sagen 
will.      Natürlich    hatte  der  prachtliebende  Flötenspieler  diefs  Beschläge 
von  schimmerndem  Golde. 

Vielleiclit  läfst  sich  selbst  die  Stelle  des  Dichters  noch  auffinden, 
woraus  der  spottende  Gebrauch  des  Wortes  (fo^ßsia  abzuleiten  ist.  Zu 
den  verloren  gegangenen  (satyrisclien  ?)  Dramen  des  Aeschylus  gehörte 
ein  Stück,  das  die  Alten  liäuüg  unter  dem  Titel  Lycurgus  oder  die 
Lycnrgie  anführen.  Was  in  den  Bacchantinnen  des  Euripides  Paiitheus 
ist,  war  beim  Aescliylus  der  thracische  Lycurg,  und  Euripides  sclieint 
den  ganzen  Gang  seines  Stücks  aus  diesem  Drama  des  Aescliylus,  mit 
welchem  es  auch  schon  von  den  Alten  in  Parallele  gestellt  wird  (s.  Lon- 
gin XV,  13.  p.  113.  Toll.),  entlehnt  zu  haben.  Der  ergrimmte  Lycurg 
machte  dort  dem  Bacchus  eben  die  Vorwürfe  der  weibischen  Weiclilichkeit, 
die  wir  im  Euripides  finden.  Den  Anfang  dieser  Tirade  hat  uns  Ari- 
stophanes  in  einer  komischen  Parodie  erlialten  in  Thesmophor.  13i,  ff., 
wo  er  den  Mnesilochus  den  mit  weibischer  üeppigkeit  geputzten  Dich- 
ter Agathen  so  anreden  läfst : 

Woher,  du  Weibling,  mit  dem  langen  Frauenrock? 

Tlohoi-rog   o    yv^vi;;   rif   xarj «  ;    ti{   vf    aroky)', 

Ein  Vers,  der  künftig  sicher  unter  die  Fragmente  des  Aeschylus 
gesetzt  werden  kann.  Im  Gefolge  des  Bacchus  befand  sich ,  wie  es 
scheint,  Marsyas  mit  einer  Bande  von  Musikanten,  und  trug,  wie  gu- 
\yÖLnlich,    die    Lippenriemen    vorgebunden.      Lykurg,    der   diefs   ganze 


Pfeifer-    und     Baccliantengetiiinmel    strafend    durchmustert,     ruft    dem 
Marsyas  zu: 

—    und  du  mit  dieser  Halfter  um  das  Maul? 

Hier  ist  der  Beweis  dazu.  Die  gelehrten  Scholien  des  Aristophanes 
zn  den  Rittern  1147.  erklären  den  vieldeutigen  Gebrauch  des  Wortes 
>«^/-<of »  welches  bald  eine  Halfter,  bald  ein  Fischreils,  bald  ein  Gefäfs, 
worein  die  Richter  ihre  Steinclien  warfen,  bezeichnet.  Hierauf  wird  auch 
bemerkt:  AiV^yXof  £v  AvxoJ^J'w  aXX-^yo^inwi  rcui  öts'ywcvf  y.i)[xovg 
i(^>]'/is   hioi   ro'jTMV  ' 

—  Txal  ToujSä  v.-/)uouj  ffrc/aaTOf. 
Diefs  Fragment,  welclies  ich  weder  in  der  Stanleyischen  Fragmen- 
tensamnilung ,  noch  im  Harlesichen  Fabricius  T.  H.  p.  180.  bestimmt 
angegeben  linde,  kann  auf  nichts  Anderes  als  auf  die  Marsyasmaske 
auf  dem  Theater  bezogen  werden  und  zeigt ,  in  der  Gesinnung  des  Spre- 
clienden  gedacht,  offenbar  Spott  an.  Was  x^M^f  eigentlich  bei  dem 
Pferde  sei,  lernen  wir  aus  Xenophon's  Be  rei  ter  kun  s  t  Kap.  V,  3« 
p.  116.  Zeun.  Eine  Vergleicliung  des  Pollux  VIII,  17.,  der  es  ein 
jjaXv.avv  ^S/jtcüsj  nennt,  maclit  die  Aehnlichkeit  mit  dem  Pfeifeiverbande 
noch  deutliclier.  Yergl.  Scheffer,  de  rer.  veliic.  I,  16.  p.  166.  Die 
witzige  Vergleichung  des  Aeschylus  fand  Beifall,  und  das  Volk  nannte 
das,  was  der  Dichter  eine  Halfter  genannt  hatte,  mit  einem  ähnlichen 
Wort  einen  Maulkorb.  Die  früheste  Stelle ,  wo  diefs  Wort  in  dieser 
Bedeutung  vorkommt,  das  bekannte  Fragment  des  Sophocles  beim  Ci- 
cero und  Longin  (s.  Fragmente  des  Sophocles  T.  IV.  p.  693. 
Brunck. )  beweis't  offenbar,  dafs  man  mit  seinem  Gebrauch  einen  lä- 
cherliclien  Nebenbcgrilf  verband  ,  und  die  Stellen  des  Aristophanes ,  Vesp, 
579.,  Aves  861.,  wo  es  auch  vorkommt,  liaben  beide  gleichfalls  einen 
.Anstrich  von  Burleske,  besonders  der  Rabe  mit  der  Lippenbinde  Kcja^ 
ifxici(pcgßiiof^i-jo5  (denn  so  wollte  auch  Brunck  sciireiben.  T.  IIL 
p.  173.  in  notis);  daher  führte  es  Pollux  X,  153.  in  einer  von  Hemster- 
huys  glücklicli  ergänzten  Stelle  als  eine  Merkwürdigkeit  an,  dafs  sich 
auch  der  Alexandriner  Callimachus  dieses  attischen  Spottwortes 
bedient  habe.  Hemsterhuys,  aus  dem  diefs, Wort  nun  auch  in  die  Calli- 
macliischen  Fragmente  gekommen  ist,  n.  CCCCXXVI.  p.  572.  Ern.,  fülilte 
diese  Schwierigkeit,  olme  sie  lösen  zu  können.  Endlich  läfst  sich  meine 
Muthmafsung  auch  dadurch  bestätigen,  dafs  eben  dieser  Verband,  sobald 
er  von  den  Trompetern  in  den  Olympischen  Spielen  gebraucht  wird ,  nie 
ipoqßiia^  sondern  äväSsi}'/.««  heifst.  Denn  hier  ist  man  nicht  in  den 
Grenzen  von  Attika,  S.  Pollux  IV^,  92.  und  Küster  zum  Hesychius 
T.  L  c.  319. 

Ich  kann  übrigens  diefs  Wort  nicht  verlassen,  ohne  mich  eines 
Compagnons  zu  erinnern,  den  auch  Pollux  X,  153.  neben  ihn  gestellt 
hat.  Die  Athener  nannten  die  eigene  Art  von  Bescimhung,  womit  der 
Flötenspieler  auf  dem  Tlieater  das  Zeichen  ziun  Anfange  des  Gesangs 
und  den  Tact  trat,  was  später  die  Römer  scabilla  nannten,  v.qoxjir'k^ia, 
wörtÜcli :    B  0  d  e  n  t  r  a  m  p  1  e  r.     Ich  habe    an    einem    andern    Orte  weit- 


55 

läiidg  bewiesen,  dafs  cUefs  Wort  urspriinglicli  Jjöotisch  sei,  mir  dafs  die 
Böotier  auch  hier  das  stärkere  Z  in  T  verwandelten  und  Kpouirsri* 
auss[)rachen.  S.  Quid  sit  docere  labulam ,  Prolus.  II,  p,  7.  Die  Böo- 
tier  brauchten  in  ihren  Marschen  und  Sumpfgegenden  hohe  hölzerne 
Sabots,  welche  vom  Klange,  den  sie  auf  dein  Trockenen  machten,  Bo- 
dentrampler  genannt  wurden.  Ks  läfst  sich  bei  der  mehrmals  be- 
rührten Eleganz  der  Tliebanischen  Flötenspieler  kaum  denken ,  dafs  sie 
mit  solclien  Bauerschulien  aufs  Theater  getreten  wären.  Wold  aber  sieht 
es  der  DenJtart  des  attischen  Zuschauerpublicums  sehr  ähnlich ,  dafs  sie 
diese  holien  Flötenspielerscliuhe  spottweise  Bodentrampier  genannt  haben 
könnten,  da  uns  Pollux  VII,  87.  ein  Fragment  des  Cratinus  erlialten 
hat,  worin  die  geliebten  Naclibarn  jenseits  des  Citliäron  ausdriicküch 
büotische  Tr ampelthier e,    y-^ovv6^o(pö^Qi ,  genannt  werden. 

XV. 

M  i  d  a  s. 

Die  änfserst  verwickelte  Fabel  des  Midas  hat  gcAvifs  durch  die  Sa- 
tyrendramen  zu  Athen  auch  eine  Menge  Zusätze  und  Ausschmückungen 
erhalten,  die  jetzt,  wo  uns  diese  Quelle  fast  ganz  versiegt  ist,  kaum  in 
einzelnen  Spuren  noch  sichtbar  sind.  Hätten  wir  doch  die  ^arv^i-/iix 
des  Dercyllus  noch,  die  ganz  eigentlich  dem  Fabelkreis  der  Satyren- 
dichter  gewidmet  gewesen  zu  sein  scheinen ,  und  worin  auch ,  aus 
einem  Citat  beim  Verfasser  der  Abhandlung  von  den  Flüssen 
T.  II.  Op.  Plut.  p.  2154.  C.  zu  scidiefsen,  die  Fabel  vom  Midas  weit- 
läufig beliandelt  worden  war!  Man  mufs  vielleicht  zwei  Fabelkreise  in 
der  Fabel  des  Midas  annehmen,  um  sich  nur  einigermafsen  herauszu- 
wickeln. Die  eine  ältere  ist  auf  Geschiclite  gegründet  und  hat  es  mit 
«lern  durcli  seine  Bergwerke  und  seinen  HandelsverkeJir  reichen  König  von 
Phrygien  zu  tliun.  Hier  mufs  man  fiir's  Erste  festsetzen,  dafs  Midas 
ein  allgemeiner  Name  der  Könige  von  Phrygien  in  einem  gewissen  Zeit- 
räume gewesen  sei,  was  schon  Bon  hier,  Recherclies  sur  Herodote  eh. 
VIII.  p.  78.  tf.  hinlänglich  bewiesen  hat  In  die  Regierung  eines  solchen 
Midas  fällt  die  merkwürdige  Zusammensclimelzung  des  Bacchus-  und 
Cybelendienstes  in  Plirygien,  Nun  tritt  der  Name  Midas  in  den  Dionj- 
sischen  Mythencyclus  ein.  Der  reiche  phrygische  König  Q  die  wahre 
Ursache  dieses  Reichthums  hat  schon  Goguet,  de  TOrigine  des  Loix  T. 
II.  p.  306  (ed.  Paris  in  i.")  und  nach  ihm  Gatterer  und  andere  ent- 
wickelt) nahm  den  Baccliusdienst  willig  in  sein  Reich  auf.  Hierher  ge- 
hört die  Geschichte  mit  dem  Silenus,  die  Verwandlung  alles  Berührten 
in  Gold,  der  Pactolus  u,  s.  w.  Der  zweite  jüngere  Fabelkieis  ver- 
wandelt den  Aufnehmer  und  Beschützer  des  Bacchusdienstes  in  einen 
Begleiter,  iroc^äfftrog ,  3t<xffwry)i;  y  des  Baechus  selbst.  Hier  unter  den 
Silenen  und  Satyrn  wird  er  selbst  Satyr  und  bekommt  als  solcher  Sa- 
tyrohren; iJ-iTtiy^i  Toü  Tuüv  '^arvqujv  yivovi  o  MiSaj,  wf  £0-/)Xou  t* 
WT«,  sagte  Philostrat  US,  de  V.  A.  T.  VI,  27.  p.  267.  einer  alten 
Ueberlieferung  nach.    liier  tritt  nun  die  lächerliche  Verbildung  und  Tra- 


66 

vestirung  durch  das  attlsclie  satyiische  Drama  ein,  das  den  alten  phry- 
gisclien  Fabeln  von  der  Onipliale ,  vom  Lityerses ,  dem  Sohne  des  Mi, 
das  ,  und  vom  Midas  selbst  so  gern  eine  burleske  Gestalt  gab.  Diesem 
mischt  sich  die  Vorstellung  von  der  phrygiscli-lydischen  Weichlichkeit 
f>ei ,  worüber  wir  in  Absicht  auf  den  IMidas  noch  ein  merkwürdiges 
Fragment  des  Geschichtschreibers  Xanthus  beim  Athenäus  XI,  3.  p, 
516,  B,  besitzen.  Der  weicldiche  Midas  imd  der  wildstruppige  Marsyas 
sind  gleichsam  die  beiden  entgegengesetzten  Endpunkte  im  Gefolge  des 
Bacchus.  Der  barbarische  Phrygier  erscheint  nun  auch  als  ein  schlafter 
( s.  Philostrat's  Icon.  I,  22.  p.  796.),  unverständiger  Klügling  und  er- 
kennt in  einem  Wettkatnpfe  des  Apollo  mit  dem  Pan  (diefs  ist  nichts 
Anderes  als  der  alte  Streit  der  Lyra  mit  den  Flöten,  wobei  das  Wort 
Syrinx  In  der  Jüngern  Bedeutung  für  die  Panspfeife  mifsverstanden  wird) 
dem  letztern  den  Prt-is  zu.  Zur  Belolmung  erhielt  er  die  berüchtigten 
Eselsohren,  Die  spitzigen  SatjTohren  konnte  die  attische  Bühne  leicht 
in  Eselsohren  umwandeln.  In  einem  merkwürdigen  Fragment  des  Kri- 
tobulus  hatMidas  mir  Satyrhornchen  oder  ein  cOa;'  ■/igf>a(r*J)ir,&y,  beimPlu- 
tarch  im  Gastmalil  T.  11.  p.  150.  E.  Eine  phrygische  Localsage  von 
einem  plauderhaften  Rohre  (s.  Melmann,  de  causis  narrationum  do 
mut.  form.  p.  57.)  gab  einem  andern  Dieliter  den  Stoff  zu  der  bekann- 
ten Barbiergeschiclite.  Dafs  -Alidas  seiir  häuiig  in  dem  satyrischen  Drama 
paradirt  Jiabe,  beweisen  schon  einzelne  Titel  derselben,  und  Stellen, 
wie  die  des  Telestes  beim  Athenäus  S. 617.  B.  im  Fragment  des  Sosi- 
bischen  Lityerses  S.  134.  f.  ed  Eichst,  u.  s.  w  ,  lassen-  auf  die  mannig- 
faltigste Ausbildung  schliefsen.  Was  aber  meine  besondere  Muthmafsung 
anlangt,  dafs  es  mit  dieser  Bestrafung  des  3Iidas  durch  Eselsohren  von 
einem  attischen  Dichter  auf  ein  parteiisclies  Urtheil  der  fünf  Kampf- 
richter, die  einem  der  Mettkäii>pfeuden  dramatischen  Dichter  allezeit 
den  IVeis  zuerkannten,  abgeselien  gewesen  nein  könne,  so  habe  ich 
freilich  bis  jetzt  keine  Stelle  gefiHidcn,  die  diels  ausdrücklich  bewiese» 
Bedenkt  n>an  aber,  dafs  die  Mwiasohren  von  den  früliern  Griechen  bis 
auf  den  rün>is<;Iien  Persius  herab  immer  nur  von  unberufenen  und  dick- 
öhrigen  Kunstriditern  gebraudit  wurden ,  dafs  die  Ürtheile  der  erwähnten 
Athenisdien  Kampfrichter  nicht  immer  so  ausüelen,  wie  damals,  als 
Cimon  und  seine  Collegen  zu  aufserordentliclien  Kampfriciitern  ernannt 
wurden,  sondern  dafs  oft  aus  Parteilichkeit  (s  die  merkwürdige  Para- 
base  des  Aristophanes  in  den  Kittern  504.  If.)  oder  gar  aus  träger 
Vergelsliclikeit  (Aristophanes  in  Eccles.  1116.  iL)  Midasurtheile  änfserst 
häufig  waren  (vergl.  de  Pauw,  Recherches  sur  les  Grecs  T.  II.  p.  143. 
Bartl»elemy,  Voyage  du  jeun.  An.  T.  VlI.  p.  258.);  so  wird  man 
die  iSlutliiiiafsung  schon  waiirscheinliclier  linden.  Freilich  mufste  es  sehr 
versteckt  geschelien,  weil  der  dramatische  Dichter,  der  sich  eine  solche 
Anspielung  erlauben  wollte,  ja  selbst  wieder  in  den  Händen  dei-  Kampf- 
richter war,  die  leicht,  wie  in  unsern  Tagen  die  Recensenten,  aus 
esprit  de  eovps  die  Beleidigungen,  die  man  ijuen  Amtsbrüdern  zufügte, 
räfhüii    konnten.     Allein    man    denke    weh    doch    die   Rachbegierde  eines 


57 

gereizten  Dichters,  Ein  freilich  sehr  dimlcles  Kpigratnm  des 
Jiiba  auf  einen  sclilechten  Acteiir  beim  Athenäus  VIII,  6.  lu  343.  F.  darf 
bei  einer  weitern  Ausführung-  nicht  übersehen  werden ,  die  aber  erst  dann 
stattiinden  kann,  wenn  die  ganze  Materie  über  die  TiVTs  xfirai  noch 
kritischer  und  vollständiger  untersiicht  ist,  als  es  von  B  arthelemy  in  der 
bekannten  Abliandiiuig  in  Jen  Memoires  de  l'Acad.  d.  Inscript.  T.  XXXIX, 
p.  175.  f.,  die  auch  Brunck  zum  Aiistophanes  T,  II,  p,  62.  blos  citirt, 
nur  beiiäuiig  geschehen  konnte, 

XVI. 

Minerva        Musica, 

Vom  Bildhauer  Demetrius   sagt  Plinius    in    seinem  Knnstkatalog 
XXXIV,  8.  s.   19,  15.:    Idem  et  Minervam  (sc.  fecit),  quae  Musica  ap-i 
pellatur,   quoniam    dracones  in    Gorgone   ejus   ad   ictus    citliarae   tinnitu 
resonant.      Das  Altertluim   hatte   viele  solche    Spielereien,    die  man  bei 
Juni  HS,  de  Pictura  Veterum  leicht  zusammenlesen  kann.  Die  Gorgo  ist 
hier  natürlich    der  Medusenkopf  auf  dem  Brustharnisch   (der  späteren 
Aegide)  der  Pallas,     Man   erinnert    sich  dabei  aus  dem  Vorigen  an  den 
Thebaaisclien  oder  vielmehr  Pytliischen  vo/xo;  TroXuxs'yaXoj ,    der  aus  der 
Nachbildiuig  des  Gorgonischen  Schlangengezisches  entstanden  sein  sollte. 
Als  Gegenstück    zu  diesem  Einklänge  kann  das  Mälirchen  von  der  Sym- 
pathie stehn,  die  man  im  Alterthum  zu  Celänä  an  der  dort  aufgehangenen 
Marsyashaut    bemerkt   haben  wollte.     Blies  man   vor  ilir  die   phrygische 
Tonweise,    so    bewegte    sie   sich;    blies    man    aber    eine  Hymne     auf 
den  Apollo,  so  war  sie  still  und  fühllos.     Aelian  V.  H.  XIII,  21.     Die 
Küster-  und   PfaflenpoUtik    sah   sich  in  jedem   Zeitalter    und   in  jedem 
Lande  ähnlich.    Aber  niclit  blos  darum  bekam  Pallas  den  Beinamen  Mu- 
sica.   Es  ist  höchst  walirscheinlich,    dafs   er  auch    in  einer  Anekdote 
vorkommt,  die  uns  Cestius  beim  altem  Seneca,  Suasor.  I,  1.  p.  6,  T. 
III.  ed.  Amstelod.  aufbewahrt  hat.      Die  schmeichelnden  Athener  gingen 
bei    den   ausgelassenen  Bewillkommnungsfeierlichkeiten ,    womit   sie    den 
Triumvir  Antonius   empüngen,    so  weit,    dafs   sie  ihm  ihre  Schutzgöttin 
Minerva  feierlich   zur  Gemaldin    antrugen,      Antonius    nahm    sie    beim 
Wort  und   verlangte   tausend  Talente    zur   Aussteuer.     (^Ueber   die  Ge- 
schichte   selbst  vergl.    Fabricius  zum  Dio  Cassius  T,  I.    p.  556,  5.) 
Hier    heifst    es    nun    in    den    Handschriften   und    alten    Ausgaben,    die 
Schottas  und  Opsoböus  verglichen,    dixerant  (sc.  Athenienses)  de- 
spondere   ipsos  in  matrimonium  Minervam  Musam,     P.  Faber,  Semestr« 
II,  15.  strich  das  Musam  ganz  weg,  Schottus    setzte  suam  dafür,  und 
so  ist's    auch   im   Texte  der   Gi'onovischen  Ausgabe  abgedruckt.     Allein 
nichts  ist  wahrscheinlicher    als   die   Muthmafsung   des  Johann    Groot, 
die  Lipsius,  Excurs,  B.  ad  Tacit.  Anal.  I.  p,578.  Em,  angeführt  hat, 
.  Dieser  las:  Minervam  Musicam,     Der   gepriesene  Athenerfreund  Anto- 
nius  war  auch   ein  vorzüglicher   <^vyiq    Movamai;  im    alten,    weitläufigen 
Sinne    des   Worts ,   und  so    pafate   die  Pallas  Musica    ganz   eigentlich  zu 


einem  ßolclien  Manne.    Aber   eben  diefs  bewels't  auch,  dafs  dieser  Bei- 
name damals  sehr  gewüJinlich  gewesen  sein  uiuls. 


XYII. 

Apollo        Tortor. 

Zu  den  merkwürdigem  Statuen,  die  auf  diese  SelbstvolIstrecXung 
des  Urtheils  Beziehung  liaben,  gehört  eine  bekannte  Bihlsäule  aus  der 
Galeria  Giustiniani  T,  I.  n.  59.  (^auch  schon  in  Sandrart  und  Mont- 
faucon,  aber  im  letzten,  wie  gewolinlich,  sehr  schlecht  abgebildet). 
Der  mit  Lorbeeren  bekränzte  Apollo  hält  in  der  linken  Hand  die  gräfs- 
liche  Maske  des  Marsyas  empor,  an  welcher  nocli  die  abgestreifte  Haut 
des  Körpers  Jiängt,  die  über  einen  Tlieil  des  Vorderarms  geworfen  ist. 
In  der  recliten  Hand  Jiält  er  nach  einer  neueren  Ergänzung  das  Messer, 
Ich  glaube,  dieser  Bildsäule  gebülut  ganz  eigentlich  der  Beiname  des 
Apollo  Tortor  und  erläutert  dadurch  eine  dunkle  Stelle  beim  Sueton 
Im  Leben  des  August  c.  70.  Ks  ist  dort  die  Rede  von  der  berüclitigten 
caena  iMbsy-äStog  ^  bei  welcher  August  als  Apollo  iigurirt  hatte.  Den 
folgenden  Tag  habe  das  Volk  ihm  zugerufen,  allerdings  sei  der 
Kaiser  Apollo,  aber  der  .Scharfrichter  Apollo:  Caesarem  esse 
plane  Apollinem,  sed  Tortoiem,  und  nun  setzt  Sueton  zur  Erläuterung 
hinzu :  quo  cognomine  is  deus  quadam  in  parte  urbis  colebatur.  Die 
Erklärer  erinnern  sich  dabei  aus  dem  Martial  H,  17.  einer  Gasse,  wo 
die  Flagella  tortorum  verkauft  wurden;  ein  Artikel,  der  im  s  cla  ven- 
reiche n  Rom  lleifsig  gesucht  Averden  mufste.  Dahin  geliöre  dieser 
Apollo  Tortor.  Burmann  bemerkt,  dafs  er  bei  keinem  .Schriftsteller 
über  das  alte  Rom  eine  Spur  von  diesem  Apollo  gefunden  Jiabe.  Die 
ganze  .Sache  wird  aber  auf  einmal  deutlich,  wenn  man  bedenkt,  dafs 
die  oben  beschriebene  Bildsäule  des  Apollo  mit  der  Haut  und  dein 
Kopfe  des  Marsyas  diesen  passenden  Zunamen  führte.  Der  Zuruf  des 
Volks  erhält  dadurch  einen  weit  schärfern  Stachel.  Freilicli  bist  du 
ein  Apollo,  aber  niclit  der  von  Actium  oder  auf  dem  Palatinischen 
Berge,  mit  der  Cither  und  den  übrigen  der  Gottlieit  würdigen  Attributen 
(denn  auf  den  Apollo  Actiacus  oder  auf  dessen  Naclibild ,  den  Palatinus, 
mufs  es  bestimmt  bezogen  werden,  nicht  im  Allgemeinen  auf  den 
Verderbenabwender  und  Heilbringer ,  wie  Oudendorp  meint  S.  28'i.) 
isondern  der  Menschenschinder,  wie  wir  ihn  täglich  neben  dem 
Marsyas  oder  mit  Abstrafung  desselben  bescliäftigt  erblicken.  Zum 
Uebertlufs  erinnere  man  sich  dabei  nur  noch,  dafs,  wie  wir  ans 
dem  .Servius  zu  Virgifs  Eclog.  IV,  10.  wissen  (Augusto  simulachrum 
factum  est  cum  Apollinis  conjunctis  insignibus),  sich  August  ölfent- 
üch  als  einen  Sohn  und  Repräsentanten  des  Ai)olIo  darstellen  liefs, 
wovon  auch  eine  Menge  auf  ihn  geschlagener  Münzen  mit  dem  Bilde  des 
friedlichen  Apollo  hinlängliches  Zeugnifs  ablegen,  (s.  Ekhel's  doctiina 
nummoruin  veterum.  Vol.  VI.  p.  81.  und  den  dort  angeführten  Erizzo) 


59 

woraus   auch    tier  Augur  Apollo   hv'im   Horaz  Oil.  I,  2.   erst  »eine  volle 
Beziehung  erhalt,  ^ 

XVIII. 

lieber    eine    Stelle    des    Jüngern 
Philostrat  US. 

Die  Stelle    des  Philostratus  verdient  ans  mehreren  Rücksicliten  ganz 
liier   zu    stehen.    Marsyas    steht   schon  an  der  Fichte,   wo   er    die  Voll- 
streckung   des    Urtheils    erwartet.     ^Tvey.XiXTH    h's     t;    tov    ßaqßixqov 
toCtov  ,      T^v    ivifxvjv     ryji;     jxcKy_(xiqtxg     xapuvKvou/usvov     £5     «i/tÖv.         Statt 
uTrouXtirrj/  wollte  Saumaise  lesen    Oxo/jX^tts«  ,  welches  zwar  den  stie- 
ren, wilden  Blieb  selir  gut  anzeigen  würde,  (s.  d'Orville  zum  Chari- 
ten S.  509.  Lips.  )   hier  aber  docli  nicht   so  gut  ist    als  das  äclite  Philo- 
stratische OrcuAiTTSi  sc.  Tviv   Siofj    oder  so    etwas,   wodurch    der   heim- 
tückische Blick,   das  «X?^'^°''  Umv    des    Thersites,    so    malerisch    ausge- 
drückt wird.     Aber  unbegreiflich  ist  es,    wie  Olearius   •jraqotv.tvovfAivov 
stehen  lassen  konnte,    das  doch  offenbar  in    xagaKovtu/xsvov    (von    irctqa~ 
Hovao/^oit^    schleifen,)    veiwandelt   wei'den    mufs,    worauf    schon    die 
Randanmerkung   der  Morelü'schen  Ausgabe  führte.     Die  Stelle  mufs  also 
so  übersetzt  werden:  Marsyas   blickt   verstohlen  und  tückisch 
auf  diesen    Barbaren     (nämlich    den   ScyÜien,   den    der   Autor   als 
*S>57>fT>)f    auf  dem  Gemälde   vor  Augen   hat),   welcher  die   Schärfe 
des    Messers    sclion    für    ihn    wetzt,       Sielist    du,    wie    die 
Hände     auf    den    Schleifstein     und     das    Eisen    gerichtet 
sind,    er    selbst    aber    gegen    den    Mar  syas.  aufblick  t,  mit 
feurigen    Augen   und   von    einander    gespreizten    Haaren 
u.  s.  w.      Das   ix-ir'ißXs-rst    ist     in   dem   Florentinischen   Sclileifer   (Mus. 
Florent.  T.  III.  tab.95.  96.)  so  charakteristisch  ausgedrückt,  dafs 
man  in  der  That  sehr  verblendet    sein  mufs,    um   wie  Gori  S.  99.    den 
horchenden  Milichus ,    den    Sclaven   des    Scävinus,    darin    zu   linden. 
Hütte   der    griechische  Bildhauer    nicht    aus   guten   Gründen  das  Nackte 
dem  Bekleideten   auch   hier    vorgezogen    und   dem  Scythen   die  ausländi- 
sche   Fufsbekleidung   (^braccae)    und    das    Wams   gegeben,  das   wir  auf 
Basreliefs   und  Gemmen    gewöhnlich    in   den    Vorstellungen    dieser   Ge- 
schichte erblicken,    und   das    auch   der  Maler  des  Stücks,   das  Philostrat 
schildert,     gewählt   haben   mufste,    weil    der   Ausleger    ihn    ausdrücklich 
ßaqßaqo-j    nennt,  so  wäre  wohl  auch  noch  vor  Agostino  und  Stosch 
nie  ein  Zweifel  über  die  Deutung  des  Arrotiuo  entstanden. 


XIX. 

Die  hierher  gehörigen  Stellen  des  Plato  und  Aristoteles  sind  theils 
schon  oben  angeführt  w  orden ,  tlieils  lindet  man  sie  sehr  sorglältig  ge- 
sammelt von  Barthelemy,  Voyage  d.  jeunc  Anach.  T.  III.  p.  242.  if. 


60 

ed.  Paris.  Die  richtigsten  Gesiclitspunkte ,  oiis  welchen  dieser  Streit 
der  altern  und  neuern  IVIusik  bei  Jen  Grieclien  angeselien  werden  niufs, 
hat  Twining  zu  Aristoteles  Poetik  S.  179.  sehr  gut  angegeben.  Man 
hielt  die  immer  höher  steigende  Verfeinerung  und  Verbesserung  der 
Musik ,  nach  welcher  sie  freilich  nur  von  eigentlirJien  Virtuosen  getrieben 
werden  konnte,  für  verderbliche  Neuerungen  und  Abweichungen  von  der 
alten  einfachen  Manier,  wo  Alles  auf  wenige,  leiclit  zu  erlernende  Ton- 
weisen und  festgesetzte  Stanzen  ankam.  „So,"  sagt  Twining,  „liören 
wir  bei  uns  oft  den  alten  Styl  des  Corelli  und  Geminiani  den  irrgläu- 
bigen Neueningen  des  Haydn  uiul  Boccherini  entgegensetzen  und  vor- 
ziehen." Kennern  der  Geschichte  der  Musik  werden  noch  eine  Menge 
anderer  Beispiele  aus  den  neuern  Zeiten  beifallen,  die  eben  diefs  be- 
weisen. Aber  einen  eigenen  Commentar  verdient  in  dieser  Rücksicht  das 
merkwürdige  Bruchstück  des  alten  Comödienschreibers  Phe^ecrates 
beim  Plutarch,  de  musica  p.  1141.  D  —  F.,  wo  die  Musik,  als  eine 
Frau,  die  am  ganzen  Kör4,)er  gemifsliandelt  und  geschlagen  worden  ist, 
auf's  Tlieater  kommt  und  die  Bosewicliter  ([d.  h.  die  künstlichem  Vir- 
tuosen) alle  namentlich  aufführt,  die  sie  so  übel  behandelt  hätten. 


61 

II. 

I    1    i    t    h    y    i    a 

oder 

die       Hexe, 

ein    archäolpgisclies    Fragment    nach    Lessing» 


Lieber  ein  Wort,  das  Lessine:  gesagt  ha(,  sind  schon  viele  Worte 
gesagt,  luolir  als  zu  viel  i!,escliriel>eii  und  gewechselt  worden.  Die 
Buchhalter  unserer  Literatur  konnten  sie  vor  einem  Dutzend  Jahren 
au  den  Fingern  herzählen  und  die  Klcinineister  lächelten ,  dafa 
luan  ülj»r  ein  Wort  eines  Mannes  ,  der  lieher  eine  Fabel  als  ein 
Epos  dichtete  und  nnr  die  Kritik  seiner  eigenen  reinen  Vernunft 
kannte  und  befolgte,  so  viel  Schreibens  und  Aufliebcns  mache. 
Freilich  kann  auch  diese  Bewunderung  übertrieben  werden.  Denn 
"wer  könnte  sich  z.  B.  des  Lächelns  enthalten ,  wenn  er  einen  un- 
serer Kuustrichter  in  vollem  Ernste  versichern  hörte,  das  Inter- 
essanteste und  Gründlichste  in  Lessing's  Schriften  sei  nur 
ein  Wink,  das  Reifste  und  Vollendetste  nur  Bruchstück 
eines  Brnclistücks.  Wer  mag  es  aber  auf  der  andern  Seite  in 
Abrede  stellen  ,  dafs  manche  einzelne  Gedanken  des  grofsen  Man- 
nes, oft  nnr  im  Vorbeigehen  mit  fahrlässiger  Hand  ausgesfrenet, 
ganze  Bücher  voll  schimmernder  Paradoxe  oder  geschraubter  Kunst- 
urtheile  aufwiegen"?  Ein  Manu,  dem  Lessing  einst  selbst  schrieb 
es  gebe  so  viele  Dinge,  wobei  der  Gedanke:  was  wird  Der  dazu 
sagen?  immer  einer  seiner  ersten  sei  *) ,  hat  für  Jünglinge  des 
nenuzehufeu  Jahrhunderts  Funken  ans  seinen  Schriften  geschla- 
gen **),  die  nur  des  empfänglichem  Zunders  bedürfen,  um  über- 
all heilige  Flammen  in  reinen  Gemülhern   zu  entzünden. 

Ein  Schatz  der  fruchtharsfen  Winke  und  Andeutungen  für 
Allerlhümer  und  Kunstgeschichte  liegt  in  seinen  Kollektaueen 
verborgen,  die  wir  E  s  ch  e  nb  n  rg's  sammelndem  und  ergänzeudea 
Fleifse  verdanken.  Weit  entfernt ,  die  von  dem  bedachtsam  wäh- 
lenden Herausgeber  aufgenommenen  Artikel  zum  Theil  für  gering- 
fügig und  des  Aufbewahrens  unwerth  zu  hallen,  wird  Jeder,  der 
Lessing's  Namen  nicht  blos  auf  der  Zunge  trägt,  vielmehr  wün- 
schen, dafs  Fülleborn  zu  dem  versprochenen  Nachtrag  zu 
Lessing's   Kolleklaneeu    in  den  Papieren    des  Verstorbenen 


*)  Schriften  XXIX.  490. 

*)  Briefe    zur    Beförderung    der  Humanit'ät   IX,    Samml, 
S.  62.  ff» 


Ö2 

noch  manclics  Goldlvorin-lion  rtnffindon  nnd  nns  nill  e1»on  «lor  Gc- 
wisseiiliarii.i!,Iveit  iniltlioiloii  iiiöü,*»,  dt'r  Lessing's  Freunde  stliori  so 
\iele  und  i^rofse  Verplliclitmi^eii  liahon. 

Lessiiiü,-  wollte  und  koniile  in  diesen  Kolleklaneen  keine  Ans- 
fnlirnni>en  igelten.  Es  wai(!n  sclinell  hini'ele<;(e  Eiinnornngsniigel 
—  ein  witzii^er  Sciuiftsleller  unserer  Tag^e  würde  es  Pranumera- 
liousselioiiic  auf  künflige  Al)liandhinü,en  nennen  —  die  der  oft  eil-  ■ 
fertijfc  Manu  hei  seinen  nach  allen  Seiten  hin  j^ericlitelen  Forscli- 
nnjj;en  nur  im  Yorülier^ehen  einselilni^,  um  einst  mit  mehrerer 
Mnfse  i!,anze  Reihen  von  Ideen  daran  zu  knüpfen,  die  er  im  Drange 
der  Zeit  und  Umstände  jetzt  nielit  entwickeln  konnte.  Mancher 
Artikel  ist,  wie  auch  der  Heransü,eher  im  Vorherichte  erinnert, 
olFenhar  Anlage  zu  einer  ganzen  Ahhandliing,  manchi-r  gieht  sogar 
diesen  Zweck  ausdrücklich  an.  Wie  viele  einzelne  l^lnt würfe  der 
Art  mögen  auf  den  Papieren,  die  er  seihst  mit  Sihvllenhlättern 
vergleicht  *),  auf  immer  vertlogen  sein! 

llithvia  oder  die  Hexe;  (so  heifst  es  in  seinen  Kol- 
lektaneen  Th.  I.  S.  40G. )  unter  diesem  Titel  gedenke  ich 
d  i  e  E  r  k  1  ä  r  II  n  g  c  i  n  e  s  S  t  e  i  n  e  s  h  e  i  in  S  t  e  p  h  a  n  o  n  i  n  s  h  e  r- 
ans  zugehen,  de4i  anch  Maffei  seinem  Geminen- 
worke  ein  verleiht  hat,  und  den  sie  beide  für  eine 
Agrippina  erkennen.  —  Aber  es  ist  anch  hier  nur  heim 
guten  Willen  gehlichen.  Alles ,  -was  Lessing  seihst  hinzusetzt, 
heschäftigt  sich  hlos  mit  einer  Berichtigung  von  Winckelmann, 
und  der  verdienstvolle  Herausgeher  läfst  es  zwar  auch  in  den 
Ausführungen  zu  dieser  Stelle  weder  an  vielseitiger  Belesenheit, 
noch  an  deutendem  Scharfsinn  fehlen,  gesteht  aher  am  Ende  doch 
ganz  olFenherzig,  dafs  er  sich  seihst  nicht  zu  errathen  getraue, 
wofür  Lessing  die  Figur  auf  jenem  Steine  genommen  habe ,  und 
wie  er  dazu  gekommen  sei ,  auf  Veranlassung  desselben  eine 
Abhandlung  über  die  Hexe  llilhyia  schreiben  zu   wollen. 

Es  sei  mir  erlaubt,  Lessing's  Gedanken  in  dieser  kleineu 
Einladungsschrift  eine  weitere  Ausführung  zu  geben  und  zu  ver- 
suchen,  oh  nicht  eine -sehr  trellende  Deutung  des  Steines  ganz  im 
Sinne  jener  Ankündigung  möglich  sei.  Es  ist  ja  hier  nicht  von 
der  Ergänznng  eines  Torso ,  oder  von  der  Nachbildung  einer  Si- 
gismonda  des  Corregio  <lie  Rede  **)!  Es  gilt  nur  einem  kleine« 
archäologischen  Versuch  über  einen  Gegenstand ,  den  Lessing  selbst 
kaum  andeutete  und  in  der  Folge  vielleicht  absichtlich  fallen  liefs. 
Ich  heschilftigte  mich  in  einigen  Unterrichtsstunden  bis  jetzt  mit 
Anordnung  und  Auslegung  aller  Mvthen ,  wovon  ich  in  Kurzem 
eine  etwas  befriedigendere  Probe  zu  geben  gesonnen  bin.  Für  die 
mir    theuern  Jünglinge,  die    diesen  Stunden   gern    beiwohnten,    ist 

*)  S.  Fülleborn's   Vorrefle  zu  Lessing's  Lehen.  3  Th.    S.  X\IV. 
**3  S.  öogarth  illustrated  by  Jolin  Irdaiid  T.  I.  [>.  LWXVI. 


03 

«Heser  Versuch,  so  wie  jeilo  Eiiiljidiiiiirssclirift  znn.lclist  Lostiniint« 
AVünligt  sie  aiifser  diesen  noch  Jemand  eines  prüfenden  Blickes, 
der  ist  aueli  schon  für  solche  Lnleisnchnni!,en  j»ewounen  nnd  schreckt 
mich  gewifs  nicht  dnrch  sein  tnrpe  est  difliciles  liahere  nng-ag. 
Andern  hleil»e  es  immer  ein  flio<>endes  Avisen-Blalt,  das  nnr  den 
Tai;-  einer  kleinen  Schnlfeierliciikeit  ansMi-t  und  dann  so  schnell 
als  mö^nlicli  den   Weg-  alles  Pajiieres  Avandelt. 

ich  gehe  znerst  die  Beschreihnng  der  Gemme  beim  Maffei  *), 
■weiche    in    Lessing-   die    Idee  zu    einer    antiquarischen  Hexennnler- 
snchung    weckte.     Eine   Frau,    in   ein  langes,    eng    an    den    Leib 
anschliefsendes   hochgegnrteles  Gewand  mit  lief  herahgehenden    eng 
schliefsendt'n    Aermeln  gekleidet,  sitzt  auf  einem   einfachen  antiken 
Sessel    mit  vorwärts  gehogenem  Kopfe    nnd  Oberleihe,    die  Iliinde 
fest    gefallet    in    einander    gelegt,     den    linken    Fnfs    halb    an    der 
Erde,   und  das  rechte  Knie    über   das   linke    geschlagen,    wodurch 
der  rechte  Fnfs  eine  höhere  scliwchende  Lage  erhält.      Seihst   der 
scharfsinnige  I\Iaffei,  der  sich  in  so  vielen  seiner  archäologischen 
«nd  antir|narisclien  Schriften   weit  liher   seine  dentnngsreichcn ,    mit 
leerem  Citalenprnnk  nur  allzu  freigebigen  Landslente  erhebt,  konnte 
hier    der   Aersuchnng    nicht    widerstehen,    dem  Bilde   einen  Namen 
ans    der  riimisciiCH   Geschiclile    und    eben  dadurch  eine  Wichtigkeit 
in  den  Augen    solcher  Liebhirfjer    zu    geben,    die    lieber    den  Kopf 
einer  Antike    als    ihren    bestimmten   Namen    missen   nnd    jeder  un- 
bekannten Büste  einen   schallenden  Namen  ans  ihrem  Orsini,  jedem 
rohen  Künslleieinfall  auf  einem  halbvollendeten  Sarkophag  oder  einem 
ranipanischen   Geläfse    eine  Stelle   aus    dem  Pausanias    oder  Hvgin 
nnlerzulegen   wissen.     ,,  Pietro  Stefanonio,"    sagt   Maffei    in   seiner 
Erklärung  (S.  25.)  :  „erkannte   schon  in  diesem  schön  geschnittenen 
Steine  die  Agrippina.     Ihr  Gewand    scheint   mir    die  Stola  der  rö- 
mischen Matronen  zu  sein,  und  da  ihr  das  Obergewand   (die  palla) 
fehlt,    die    man   gewöhnlich    darüber    anzulegen    pHegte ,    so  schien 
mir    der  Künstler   durch    diese   einfache  Bekleidung    ihre  häusliche 
Eingezogenheit  audeufeu  zu  wollen.    Ihre  ernste  und  nachdenkende 
Stellung    (l'atto  grave  e  pensoso)    sch(;int  uns  den  Kummer  ihres 
Gemüihs  anzuzeigen ,    da    sie    durch  die  List    des  Piso    ihren  Ge- 
maiil   ermordet,    sich    selbst    aber    dem  Hafs    des  Tiberius  nnd  der 
alten  Livia  preisgegeben  sieht.      Oder  erblicken  wir   hier  sie  viel- 
leicht   niedergedrückt    von    der  Grausamkeit  der  Regenten,   die  ihr 
sogar    die    uöthigsten  Nahrungsmittel    versagten  ,    so    dafs   sie  dem 
sclinwihlichen  Ilnngertode    während    ihrer  langen   und  jammervollen 
Verbannung  auf  der  Insel   Paudataria  nahe   war."-    So   weit  Mali'ei. 
Sie    haben,    setzt   nun  Lessing   in  seinen  Kollektaneen  hinzu,   die 
Geberde,    in   der  sie  da  sitzt,  gar  nicht  gekannt,   nnd  es  ist  mehr 
als  lächerlich ,    wenn  Maffei    darin   eine   ernsthafte   und   tiefsinnige 


*)  Gemme  antiche  figurata  Vol.  I.  tav,  19, 


64 

Geberde  entdecken  will,  die  ihre  Sorgen  nnd  Betnilmifs  über  die 
Ermordung  ibros  Gemabls  zu  erkennen  geben  soll.  Darin  pflicbtet 
ancb  Escbenbnrg  seinem  Frennde  bei,  dem  sie  Rübe  und  Festig- 
keit, aber  auch  beitern  Bedacbt  nnd  Khigbeit  nnszndriicken  sclieinf. 

Lessing  wollte  die  Erklärnng-  dieses  Steines  Ilitbyia  über- 
scbreiben.  Nichts  ist  also  gewisser,  als  dafs  er  seine  gute  Ur- 
sache haben  mnfste,  die  daranf  abgebildete  Figur  selbst  für  die 
Göttin  dieses  Namens  zu  hallen  und  den  Beleg  zn  dieser  Er- 
klärung gerade  in  ihrer  Stellung  zu  finden.  \A'ir  niiH'lil<'n  diese 
scbwerlieb  erratben ,  ohne  vorher  eine  genauere  Bekanntschaft  mit 
der  Gottheit  errichtet  zu  haben,  welche  das  Allertbniu  unter  dem 
Namen  llitbvia  kannte  und  verehrte.  Dort  müssen  wir  sie  selbst 
jiufsucbeu.  Denn  Acrgeblich  würden  wir  hoffen,  sie  aus  den  ge- 
wöhnlichen Hilfsmitteln  unserer  mythologischen  Handbücher  ken- 
nen zu  lernen.  Hier  führt  noch  immer  der  Einäugige  den  Blin- 
den, nnd  die  Unterlassungs-  und  Begehungssünden  des  Lilie 
Giraldo  nnd  Natal  de  Comte,  die  jenen  selbstforschenden 
Männern  nach  der  damaligen  Lage  der  Literatur  nicht  ohne  Un- 
gerechtigkeit angerechnet  werden  können,  haben  sich  bis  in's  zehnte 
und  zwölfte  Glied  in  ununterbrochenpr  Stammfolge  fortgepflanzt,  *) 

Selbst  über  die  Ableitung  des  Wortes  Bitlma  sind  die  altern 
und   nenern   Wortforscher  ganz   entgegengesetzter   Meinung,     Die 


*)  Was  würde  dem  gepriesenen  Banier  übrig  bleiben,  wenn  Gy- 
raldus  und  Natalis  Conies  iJir  Eigenthiim  zurückforderten? 
Zwar  haben  ihm  Scblegefs  nnd  Schrolch's  tentsclier  Fteifs 
für  den  damaligen  Stand  dieses  Studiums  in  Teutscliland  er- 
spriefsliclie  Dienste  geleistet.  Aber  wer  mag  sich  jetzt  noch  durch 
diese  Unterhaltungen  nnterhalten  lassen?  Die  neueren  und  neuesten 
mythologischen  Versuche  lernt  man  aus  Gur litt's  Einleitung  in 
das  Studium  der  schön.  Künste  I.  Abth.  S.  64.  f.  kennen.  H  e  y  n  e's 
fruchtbare  Winke  über  Localmythen  und  Stammsagen  hat  Her- 
mann viel  zu  ängstlich  durchgeführt  und  schon  bei  der  Mytho- 
logie der  Lyriker  aus  begi-eiflichen  Ursachen  nicht  beachtet.  Nocli 
enthalten  Heyne's  Noten  zum  Apollodor  und  seine  mannigfal- 
tigen archäologischen  Aufsätze  einen  Scliatz  von  nicht  verarbeiteten 
Ideen ,  die  aber  olme  sorgfältiges  Quellenstudium  bei  Naclibetern 
nur  Mifsgriffe  veranlassen  könnten.  Zu  solchem  Mifsbrauch  würde 
Vofs  nicht  schweigen.  —  Alles,  was  über  die  Ilithyia  aus  damals 
zugänglichen  Quellen  geschöpft  werden  konnte,  findet  man  schon 
in  Giraldi,  Hist.  deorum  gentil.  p.  501.,  wozu  der  belesene 
M e  z  i  r  i a k  in  seinen  Commentaires  sur  les  Epities  d'Ovide  T. 
IL  p.  116.  — 120.  nur  Zusätze  liefern  konnte.  Einige  Trennung 
der  confusen  Masse  hat  schon  G roddeck  in  Comment.  de  Hymn. 
Homer.  Keliq.  p.  78,  versucht. 


65 

Orieufalislen  finden  ohne  Miilie  den  Anklang-  dioser  Lflnie  In  oinoin 
Wnizelworfe,  das  nns  «ontilos  AVcgs  znr  Gcliäreiin  fi'ihit  *). 
Allein  so  Wcni»-  icb  »llle  oriönlalisclien  AljleiinnjiX'U  «vvtliolooisclior 
Namen  (t.  B*  der  Artemis  nns  dem  Persischen,  der  Athene 
ans  ddm  AecrYpiischcn  ,  der  Venns  ans  dem  riiünizisihen )  nnbe- 
dingt  verweribn  mochte;  so  rafhsani  finde  ich  es  doch,  zn  jenen 
Aldeidingen  der  l'remden  semitischen  SjumcIipm  erst  dann  nnsere 
Znfliicht  zn  neiimen ,  wenn  die  älteste  griechische  keino  hefiieili- 
genden  Anfschliisse  gewährt,  nnd  zngleicii  die  frühesten  Urkniiden 
liistorischer  Uebcriiet'erniig  von  einer  ans  dem  Orient  eingewander- 
ten Gottheit  linverdäclitige  Spnren  eniiiallen.  Keines  von  beidcm 
moclite  bei  deni  Worte  llilhTia  znireften,  dessen  ällcie  Form 
E  1  e  n  t  h  0  rein  griechisch  ist  nnd  die  K  o  m  ni  e  n  d  e  bezeich- 
net **),   Sie  kam  einst  der  schon  mehrere  Tage  dnrch  die  Eifer- 


*)  Diese  Ableitung  haben  sclion  Bochart,  D.  Ileinse  und  John 
Seiden,  de  diis  Syris  Syiitagm.  II.  2.  p.  161.  ed.  Lond.  mit 
vielem  Schal isinn  ansgesclnni'ickt.  Selbst  Wcsseliiig-  zum  Diodor. 
T.  I.  p;  389.  versagte  ihr  seinen  Beifall  niclit. 

**)  Alle  Franeunamen  auf  ^  deuten  auf  den  ältesten  äolisch  pelas- 
gischen  Dialect.  Beispiele  giebt  Valckenaer  zu  Enripidis  Pliö- 
nissen  S.  168.  und  Fischer,  Animadv.  ad  Weller.  P.  I.  p.  382i 
edit.  ndviss.  So  ist  auch  ^EktvSw  der  ursprüngliche,  'EAsu- 
Sviä  oder  'EiXttBvtx  die  abgeleitete,  ElX-^Svi»  die  rein  ionische 
Form,  üeberall  bezeichnet  es  die  Kommende,  nicht  die  Er- 
barmende, wie  Everard  Scheid  zu  Lennep's  Etymolo- 
gicon  p.  257.  nach  einer  gezwungenen  Ableitung  muthmafst.  Sehr 
h'effend  erklärt  diefs  Wort  der  allegorisirende  Phurnutns  c.  34. 
p.  232.  ed.  Gab,  ob  er  gleicli  die  astrologische  Deutelei  vom 
Mondumlauf    (sie    sei    a-rauffr«?   sikov/xsvvj,')    vorausoestellt  hat. 

vcv(7«i.  Vergl.  Etym.  M.  s.  ükuSviai.  Die  ältere  Form  'EksvSw 
wurde  in  |*indar's  01ympii?n  VI,  12.  in  der  frühem  Ausgäbe  durch 
die  spätere  ElkilSuay  verdrängt.  Aber  sie  erscheint  auch  noch 
in  dem  Epigrairiin  des  Antipater,  Analect.  T.  II.  p.  119.  XXXMil. 
als  Geburtshelferin  einer  Hündin  —  Soyj  h'  l-ri^t-jffvj  'EXei5w 
und  des  l->-^^yJo;  'EÄst-^oCf  wird  noch  bei  dem  spatern  Pahhis 
Silentiarius  Anal.  III.  p.  102,  LXXXIII.  Erwähnung  gethan;  Eben 
diefs  Wort  wollte  Niclas  Rigault  dem  Artemidor  II,  35.  j». 
125.  zurückgeben,  wo  die  langbekleideten  Dianen  arigelVihrt  wer- 
den, die  Ephesische,  die  von  Pergä  und  i^  Xsyo/u60>)  Tra^i  Av- 
v/ioi;  'EkivSs^oc.  Artemidor  schrieb  höclist  wahrscheinlich  'EAst/- 
Bcvffix.  So  las  auch  Claus  er  im  Phurnutus ,  öder  vieliliehr 
Comutus,  de  nat.  deor.  34.  p.  233.,  wo  jetzt  nur  'EkfvSd)  .steht^ 
in  der  lat.  Uebersetzung. 
Bot  üget's  kleine  Schriften  I;  t 


6Ü 

suclit  ilor  Ilora  in  lioftiiniiijslosoii  Geliiiitsselimorzeii  liiiigelialteiieu 
Lato  oder  J^atoiia  zu  Hilfe.  Sie  komiiit  iiocli ,  dreimal  j»prii- 
leii ,  giiädij«'  den  Kreisenden.  Und  wh'  niil<l  und  trosireieli  niufste 
selion  lU'v  Name  der  Ciöltin  den  duldenden  Gel»arerinneu  sein! 
Ein  zwiefaelies  Lehen  und  Sterben  liejit  anf  der  AVagseliale  eines 
eutsflieidenden  Aiiiienbliiks.  Die  erfl(>iiele,  lösende  Geliurlsliell'erin 
kommt.     Alles  ist  er(|niekl,  entbunden,  «terettet. 

Die  Ilanplslelle  ülier  diese  «^ötllielie  debiirlslielferin  ist  beim 
Tansanias  in  seiner  Besebreibnnir  der  Sebens\vnrdiii,keilen  Alliens 
(I,  18.  p.  64.  ed.  luv.)  „Unweit  der  Ka|»elle  des  Sarajtis  ist 
der  llilhyia  ein  Tempel  erbant,  die,  von  den  Ilvperboreern  kom- 
mend, der  kreisenden  Lato  in  Delos  Hille  leistete.  Von  ilinen, 
wie  die  Delier  sai^en ,  lernten  »lie  iibrii!,en  (irieclien  den  INanien 
dieser  Gottin  kennen.  Die  Delier  o]»fern  noeb  jetzt  der  llillivia  nnd 
singen  ilir  die  Ilvnine  des  üleii.  Djigegen  gl.inben  die  Creleiiser, 
llilhvia  sei  in  der  Gegend  von  Knosos  zn  Anuiisos  geboren  und  eine 
Tocbter  der  Hera."  Der  sagenknndige  Reisebeselireiber  maelit  uns 
liier  mit  einer  doppelten  Slauimsage  bekannt.  Wir  erhalten  dadureh 
eine  doppelle  llilhyia,  nnd  je  sorgfälliger  wir  beide  von  einander 
unterscheiden,  desto  leichter  vverden  wir  dcu  verwinlen  Fabel- 
knaul entwickeln  kiinnen. 

Zeus  und  Hera ,  die  Stainnigötter  der  crefensischen  oiler 
Olympischen  Götter- Dvnastie ,  mit  deren  ßewaftnnng  in  Erz  eine 
zweite  Epoche  der  griechischen  IMviliologie  beginnt,  werden  zu- 
gleich nach  uralten  cretensischeii  l^ocalsagen  als  Stifter  und  Re- 
präsentanten der  Ehe  (hier  noch  zwisehen  Bruder  und  Schwester) 
angesehn.  Die  Ehe  der  Stanimgötler  wird  in  mystischen  Ge- 
bräuchen *) ,  das  Vorbild  der  ent^ilderten  pelasgischen  Stänune, 
nnd  Hera  ( hera ,  die  Herrin,  die  Fran )  auf  alle  folgenden 
Jahrhunderte  die  Vorsteherin  und  Schnizfraii  aller  elieligen  Pllichlen 
und  Anllritte  im  häuslichen  Leben.  In  deji  Jahren  mannbarer 
Reife  wird  das  ßan«! ,  welches  das  ganze  Alterilmm  mit  dem  ihm 
ehrwürdigen  Bilde  eines  Zweigespanns  des  jungen  Stiers  mit  seiner 
Ferse  vergleicht,  zwischen  Jüngling  und  JMäddien  geknüpft,  und 
ie   uumiltelbare  Folge    zeigt    sich    nach   10  3Iondwechseln    in  der 


*)  Diese  Mysterien  der  El\e  nannte  der  Grieche  nXcg ,  ein  Wort,  das 
mit  seiner  gair/.en  Familie  ganz  eigentlich  bei  den  Hochzeiten  zu 
Hanse  gehört.  S,  Rnhnlcen  zu  Tiniaei  Gloss.  p.  225.  Die  mysti- 
schen Gehräiiche  waren  niclits  als  eine  mimisclie  Darstellung,  wie Zens 
die  Hera  gefreiet  liabe.  Daher  der  oft  niifsverstandene  Vers  des 
Theocrit  zu  erklären  ist  XV,  64.  iravT«  y.vaTiit;  'uravrt,  y.al  w; 
Zsuf  ftytvysS'  "JI51AV.  Jede  Hochzeitfeier  war  ein  ^'ö;  yöt/Aoi;. 
S.  Valckenaer  zu  Adoniaz.  S,  367.  und  die  Hanptstelle  beim 
Diodor  V,  72    p.  38«. 


07 

froliHclieu  Entbindung  dor  jnngon  Gatlln.  Beide  Vorliiilhilsse  drückte 
die  Bildersprache  jener  Menschen,  die  Ursachen  und  Wirkniiii,en 
am  leichtesten  in  Staninilafein  und  Tiieo^onieen  versinnhiideten, 
durch  die  vom  Zeus  und  der  Hera  erzeugten  Tiichter  ans,  Hebe, 
die  reife  Jungfrau,  und  Ilithjia,  die  Gebürerin  (vergl.  Hesiod., 
Theog.  921.  Pmd.,  Neni.  Yll,  3.  Apollodor.  I,  3.  1.  Diodor.  V, 
72.),  In  dem  grodenreichen  *)  Crela  lebte  selbst  jene  hohe  Göt- 
(erfaniiüe  nur  troglodjtisch  in  Hiiblen  nnd  Fcisenschluchten.  In 
einer  solchen  Höhle  wurde  selbst  Zeus  geboren  nnd  aufgesäugt. 
In  Höhlen  zeugte  auch  Hera  ihre  Kinder,  und  sie  waren  die  Am- 
inenstubeu  der  Vorvvelt»  So  niufs  luim  sic!i  die  Grotte  in  Greta 
erklären,  von  welcher  in  der  Odyssee  die  Rede  ist. 
Dort   in  Amnisos  Strom,  wo  der   Eileilhjia  Geklüft 

ist  **). 
Von  nun  an  erscheint  die  gebnrtshelfende  Göttin  immer  im  Gefolge 
ihrer  Mutter,  der  ehrwürdigen  Hera.  Sie  nnr  sendet  oder  ver- 
weigert den  Beistand  ihrer  Tochter.  Sie  ist  nach  einer  noch  ein- 
fachem Darstellung  selbst  die  an's  Licht  bringende  Helferin,  die 
gütige,   belebende  Luciua  ***). 

Von  Medien  her  über  die  asiatischen  Küsten  des  schwarzen 
Meeres  herab  halte  sich  schon  sehr  früh  der  Dienst  einer  Gollheit 
selbst  in  Kleinasien  verbreitet,  die  man  als  Symbol  der  gebärenden 
und  allernährendeu  Kraft  in  der  Natur  ansah.  Der  Mond  ist  ihr  Sinn- 
bild am  Himmel,  denn  er  empfängt  die  Sonnenstrahlen  nnd  fördert 
die  Erzeugung  nnd  das  W^achsthum  auf  Erden.  Die  Kuh  ist  ihr 
sinnlichstes,  gemeinfafslichstes  Gegenbild  auf  der  Erde.  Diese 
ganze    Symbolik    finden   wir   noch  jetzt    bei    den   Hindus    an   den 


*)  Man  erinnere  sich  nur,  "dafs  Ci'eta  die  Wiege  der  grieclnsdien 
Bergbaukimde  und  Metallurgie  gewesen  ist,  dafs  die  ältesten  Berg- 
leute, die  Kureten,  und  die  ältesten  Wati'enschmiede ,  die  Tel- 
cbinen,  von  Greta  kamen,  und  dafs  uns  daher  die  vielen  Grotten 
daselbst  immer  als  Stollen  und  Gruben  erscheinen  müssen.  Der 
Labyrinth  zu  Knosos  war  nichts  Anderes  als  ein  grofses  Seifen- 
werk, das  später,  wie  andere  Lautumieen  der  alten  Welt,  wohl 
auch  zu  Gefängnissen  gebraucht  wurde. 
**)  Odyssee  XIX,  188,  —  eSt  ,  rs  CTcioi  EiXstSvttji.  Strabo  X,  p. 
730.  A.  nennt  es  t»  ryj;  BikviSui»;  h^ov.  Es  ist  also  gewifs,  dafs 
man  in  dieser  Grotte  die  Ilithyia  selbst  verehrte.  Heilige  Ge- 
burtsgrotten kommen  häufig  vor.  Man  vergleiche  z.  B.  Pausan. 
VIII,  36.  p.  462.  Strabo  XIV.  p  948.  A. 
***)  Ovid,,  Fast.  II,  449.  Wer  kennt  nicht  das  Juno  Lucina  fer  opem! 
aus  dem  Terenz.  Vergl.  Bayle,  s.  v.  Junon.  not.  G.  ^-  Aber 
auch  die  Juno  zu  Argos,  die  älteste  neben  der  zu  Samos ,  hiefs 
E<X£('5i'(« ,  wie  wir  aus  Hesychius  Glossen  s,  v.  ersehen, 


68 

heiligen  Gewässern  dos  Gjingos  wictler.  In  Scylliion  >viirde  sie  die 
Sliergölliii ,  die  la  ii  r  i  s  i-he.  In  Klpiiia«?ien  ,  uo  sie  sieh  zugleich 
mit  dem  Dienste  der  ]»lirvgisi!if'ii  C^hele  verband,  die  giof?e 
Mutter  mit  den  vielen  Bnistcn.  Ihr  H;ni])(si'(z  war  Ejjliesns.  I\Iit 
dem  spälern  Dienste  dos  heiligen  eretcnsisihcn  Zwillingspaars,  der 
Kinder  der  Lalona,  versihniolzen  ,  wnnie  die  Artemis  der  (irieclien, 
die  Diana  der  Rümer  darans.  Gerade  die  Einriiliiiing-  dieses  neneu 
Dienstes  des  Apollo  und  der  Artemis  fand  an  der  Küsle  aoii  Klein- 
asien liei  den  Pries!«  in  der  ä!(ern  Golllieilen  ,  der  selion  friiher 
anch  dort  eingewandi'ilen  Olympier,  nnd  den  Dienern  so  vieler 
Loealgötter  den  harlniUKigslen  Widerstand,  Eine  Piicsleirolonie 
der  neuen  Glitt  er  ans  Lvcien  ■ —  dt-nn  von  dorther  kam 
Latona  mit  ihren  Zwillingen  an  die  ionische  Kiiste  —  Üiidilele 
sich  iu  den  "wohlgeli'gcnen  ^Millolpnnkt  der  grierhischen  Inselgnip- 
peu ,  nach  Delos.  Ölen  —  jnit  difseni  Namen  peisonifieiile  man 
die  ganze  in  Dolos  einwandernde  Piicsterrolonie  —  sliflele  hier 
die  Gehnitsfeier  der  nenen  Giiller  in  mimischen  Tänzen  und 
Hymnen,  Die  Drangsale,  die  der  neuen  Pieligion  des  heiligen 
Zwillingspaars  so  eben  begegnet  waren ,  Avnrden  hier  dnrch  die 
Irrsale  der  kreisenden  Latona  vorgestellt.  „Endlich  findet  sie  in 
dem  aus  dem  Meere  hervoi  gegangenen  Delos  eine  ruhige  Gehiirts- 
slälte.  Der  Gehärendtn  Icislele  nicht  die  Junonische  Gehnrts- 
helfcrin ,  denn  diese  wurde  von  ihier  eilcrsiaiiligcn  ]Mi:ller  znriick- 
gehallen  ,  sondern  eine  hilfreiche  Hvpeihoreerin  Beislaud. ''  Diefs 
ist  die  Uilhvia  des  Olcn.  Eine  eigene  von  ihm  verfeiligle  Hymne 
verkündete  iiire  Wohllhat  und  sliflete  auf  Delos  ihre  YereliMing. 

Und  wer  ist  nun  diese  yon  den  Hyperboreern  Kommende? 
Hyperboreer  sind  in  diesem  ganzen  Mvllicnkreisc  die  Kiislenbe- 
wohner  des  schwarzen  IMeeres  *).  Von  dorther  war  die  nralle 
Verehrung  der  grofsen  Göttin  mit  den  vielen  Briislen  liher  Klein- 
asien ausgegangen.  Hvperiioreische  IMädchen  ,  A  m  a  z  o  n  e  n  ,  hallen 
ihren  Dienst  zuerst  zu  Ephesus  verherrlicht.  Die  Hypciboreerin 
ist  also  keine  andere  als  die  grofse  Gehinisgötlin  seihst,  die 
nachmalige  Diana  von  Ephesus.  Auch  sie  ist  die  lichlhiingende 
Lucina  im  Himmel  und  auf  Erden.  Sehen  wir  nun,  ob  alle  übrigen 
Kennzeichen,  die  uns  von  dieser  zweiten  llifhvia  übrig  gebliehen 
sind,  zusauiraeutreflen.     Töute  uns   Spütgebo reuen   doch  auch  nur 


*)  Ich  kenne  die  westlichen  Hyperboreer,  wovon  neuerlich  Vofs, 
nijtholop..  Briefe  I,  148.  ff.,  gehandelt  hat.  Aber  eben  so  alt  wa- 
ren die  östlichen.  Man  erlanbe  mir,  diefs  sowolil,  als  alles  Vor- 
hergehende über  die  Begriindung  des  Dienstes  des  Apollo  und  der 
Artemis  hier  als  erwiesen  voranszusetzen.  Die  Beweisführung 
erfolgt  gewifs  an  einem  schicklichem  Orte  init  der  gröfsten  Aus- 
führlichkeit. 


69 

fiii  Jeiser  Nadihall  jenes  Hvinmis ,  der  ihr  auf  Dolos  g^smi;^eii 
AV'iinle  *)  ■?  Der  Zaiilior  des  j>enohiiteii  Klanges  haiiiile  uns  «laiiit 
vielleitlit  die  YiyI:i,('.s(aUe(e  mid  liefs  uns  die  Figur  der  Gülliu 
weiiigsicns  in  nt'lilii;er  Ferne  erljüoken. 

Und  noch  klinj;t  er  in  einigen  Ueherroslen  ,  die  uns  der  for- 
seheiide  Tansanias  anlhewahrfe.  ,,  Ölen ,"  sa-xt  er  in  der  yelehrtea 
Abschweiinnj?  üher  dio  Aljolaninuini'-  des  Eros  (IX,  27.  p.  82.): 
,,  nennt  die  llilhvia  in  dem  Ilvmnns  anf  sie  die  Mnder  des  Eros." 
Biels  i'iihrt  uns  oilV-nhar  anf  jf  ne  un(er  dein  Namen  der  Orpliischen 
bekannte  Kosniogonie,  wo  Eros,  in  der  geheimen  Sprache  der 
Orphiker  Phanes  genannt,  der  Erslgeborene  der  Natur,  alles  Le- 
bendige in  ihr  Iiervorbringt ,  ordnet  und  verbindet.  Die  llithvia 
wäre  also  dem  allen  Ilynincnsänger  so  viel  als  die  grofse 
Mutter  gewesen  '^*).  Noch  in  einer  andern  Stelle  sagt  Tansanias 
(Vlll,21.  p. 409.),  „Oien  habe  diellilhyia  in  seiner  Hyaine  anf  sie 
die  gute  Spinnerin  (yXjvov)  genannt  und  dadurch  angezeigt, 
dafs  sie  älter  als  die  Schicksalsgiillin  und  der  Kronos  sei."  Auch 
hier  Aväre  also  die  allerzengende  IMnlter  zu  verstehn,  welche  iu 
der  alten  Homerischen  Hymne  so  angcinfen  wird  ***;  ; 
Die  dn  Kimler  und  Früchte  erzengst  im  Ueberßnfs,  hehre 
Göttin  !  Dir  nur  gcbüiin's ,  das  Leben  zu  geben ,  zu  nehmen  I 
Wie  viel  Anfschinfs  über  spätere  mylhologische  Dichtungen,  be- 
sonders iu  der  lyrischen  Poesie  der  Griechen ,  würden  uns  jene 
durch  Allerlhnm  und  Religiosität  ehrwürdigen  liturgischen  Hymnen 
des  Ölen  und  Pamphus  geben,  wenn  sie  anf  dem  Strome  der  Zeit 
auch  bis  zu  uns  herabgeschwomnieu  wären  I  Nur  erst  jetzt,  da 
wir  wissen ,  dafs  Ölen  in  jenem  Hymnus  die  Geburlsvorsteberin 
auch  zur  Spinnerin  oder  Pvegenlin  des  Lebens  und  der  Schicksale 
erklärt  habe,    verstehen  wir  es,    warum  Pindar  eiuigenuil    die  Ili- 


*)  lßlksi9vi:y}i  hqou  /^s'Xoj  nennt  ihn  Callimachus  in  Del.  257.,  wo 
Ernesti  die  Stelle  ganz  mifsversteht,  Man  sang  ihr  diesen  Hymnus 
Avahrscheinlicli  auch  an  andern  Orten,  wie  z.  B,  zu  Olympia, 
Pausan.  VI,  20.  p.  203.,  wo,  beiläufig  zu  erinnern,  der  5w<ri'xaX{f, 
der  anf  der  andern  Seite  der  Göttin  nur  von  einer  einzige^  Ver- 
schleierten verehrt  Avurde,  gewil's  nichts  Anderes  als  ein  phaUisches 
Bild  von  Priapus  gewesen  ist. 
**)  Eschenbaoh's  Epigenes  oder  Tiedemann's  älteste 
Philosophen  Griechenlands  sind  Jedem  zugänglich,  der 
die  Beweise  liierzu  fordert.  Ich  erinnere  hier  nur  nocli,  dafs  dio 
B^t/j-oig  ( (J.  li.  die  Ilecate,  Ilithyia)  sChwäroto  yovixi  aus  der 
Anrufung  in  den  Orpliischen  Argonauticis  V,  17.  lüerlier  gehören, 
***)  Hymn.  XXXIIf,  5. 

Bv.    C£3    5'    tvTTAthbi    TS    Hai    tvy.a^rrot    rskiücvffif 


70 

ihy'ui  iii'it  den  Paicoii  vorbindet,  ein  siiinreielier  Bund,  den  wir 
auch  beim  Euiijjidts ,  Diilo  und  selbst  ia  der  üiifeililiiigle  der 
Grieiben   wieder  anlrelFen  *),     Auch   lassen   sich  nun  verschiedene 


*)  Wenn  Pindar  die  Geburt  des  Jarnos  besingt,  so  sagt  er:  der 
Evadne,  seiner  Mutter,  stellte  der  goldgelockte  Apollo  die  llitliyia 
Kur  Seite  und  die  Parzen,  Olymp  VI, 72;  und  wenn  er  den  Soge- 
nes  aus  Aegina  verherrliclien  will ,  so  beginnt  er  die  7te  Nemeische 
Hymne  mit  einer  Anrufung  der  llitliyia,  der  Tafsä^oj  Mo/jav 
ßa2v(p^ivjiv.  Unter  den  vielen  Gründen,  die  dort  in  den  Sclio- 
Jien  wegen  dieser  Anrufung  der  llitliyia  gegeben  werden,  scheint 
mir  dieser  der  haltbarste:  Sri  sh  '/url'^iMV  (so,  nicht  £v  2'.  mufs 
gelesen  werden)  h-'  '^"^  S^w/Ivs'  <'s$)2v  E'jXg<5u('af.  Man  erinnere 
sich  nur  an  die  Mysterien  der  Heoato  zu  Aegina  beim  Pausanias 
n,  30.  p.  291  ).  So  läfst  Euripides,  Iphig.  in  Taur.  205.  die 
Ipliigenia  klagen:  Aoj^s/«  (so  mufs  gelesen  werden,  niclit  ^e- 
y c/av )  ffTSfftäv  Traiösi'av  "Slolqoii  avvrnvovut  Six  (nicht  4^sa( , 
wie  in  den  gewöhnlichen  Ausgaben).  „Von  jener  Nacht  an," 
klagt  das  unglückliche  Mädchen,  „bereiteten  mir  die  Parcen  mit 
der  geburtslielfenden  Göttin  (evv  5sij  Ao^"'«?)  eine  harte  Jugend  ! '* 
Melirere  Stellen  giebt  Span  heim  zu  Callimachus  in  Dian,  22. 
p.  185.  f.  und  Arnaud,  de  diis  -rat^ih^yoig  o.  XXII,  p.  149.  und 
gelbst  das  bekannte  Homerische  sxiKXwSsiv  von  den  Schicksals- 
göttinnen (s  Ga  taker  zu  Antonin  IV,  2G.)  stammt  von  der 
ältesten  Vorstellung,  dafs  die  Mören  bei  der  Gebarerin  unter- 
dessen spönnen,  bis  das  Kind  ankäme.  Wenn  Diotima  in  Plato's 
Symposion  die  geistige  Erzeugung  oder  die  Bestrebungen  der 
Seele  nach  Schönheit  mit  der  pbjsisclien  vergleicht  (T.  X.  p.  238. 
Bip.  c.  25.  p,  82.  Wolf.),  so  sagt  sie,  die  MsTj«  y.at  BlXiiüvtoc 
dieser  geistigen  Entbindung  ist  die  x.aXXcvv).  ]\Ian  sieht,  dafs  Plato 
den  alten,  von  Oleu  gefeierten  Bund  der  Parcen  und  der  Ilithyia 
im  Sinne  hat.  Daher  das  alte  Opferritual ,  welches  die  Braut  vor 
der  Hodizeit  (•^?ö  ziXua)  erfüllen  mufste.  Sie  opfert  der  Hera, 
der  Artomis  und  den  Parcen,  Pollux  III,  38.,  denn  hier  tritt  nur 
um  des  Kuiihemismus  willen  die  spätere  Artemis  an  die  Stelle  der 
frühern  Ilithyia,  Daher  erscheinen  die  Parcen,  die  schon  die 
Brautjungfern  beim  urbildliolien  't^^og  yäjxog  des  Zeus  und  der 
Ilera  gewesen  waren ,  ( s.  Aristoph.,  Av.  1733. )  auch  auf  allen 
Hochzeiten.  S.  zu  CatuU  64,  305,  Parcen  erscheinen  aber  auch 
bei  der  Geburt  des  Bacchus  und  anderer  Götterkinder.  Vergl. 
Visconti  zun\  Pio-Clement.  T.  IV,  p.  99.  b.  und  so  hätten  die 
günstigen  und  ungünstigen  Feen,  die  wir  so  oft  in  den  Feen- 
mährchen  der  Neuern  in  der  Geburtsstuude  erscheinen  sehen, 
schon  in  den  Mörou  und  Parcen  der  alten  Welt  ihr  AVesen  ge- 
trieben. 


71 

ahe  Uebcrliefeniiigen  ,  die»  mau  unter  (loiii  liior  nu'hr  als  iii'endwo 
Tersi'iiliiiigeneii  Faheli'cwine  nur  allziiloiclit  ül)ersielit,  ans  dieser 
Nachriclit  von  Olon's  IlitliM'a  Ijcfriedigoiid  ei klären.  Denn  oh.jjlcicii 
nach  der  später  allgemein  anfgenoninienen  Verweeliselnng  der  jnng'- 
fränliclien  Diana  mit  der  allen  ehrwiinliiien  MuKer  niid  Hehamnie 
der  Lebendigen  zn  Epliesiis,  (roiz  aller  daraus  entstellenden  Un- 
seliickliclikeilen  und  üngereimllieilen  *) ,  die  ewige,  keuselie  Jung- 
frau nun  selbst  an  den  Stuhl  der  Gebäreriiinen  gerufen  und  als 
Lucina  Pliospboros  verehrt  wurde;  so  erhielt  sich  doch  noch  die 
Sage,  Diana  sei  früher  in  Ortygia,  Apollo  in  Delos  geboren.  So 
ruft  der  Sänger  des  ersten  Homeiischen  Hymnus  auf  den  Delischeii 
Apollo,  sich   plölzlich  an   die  Lalona  wendend  **) : 

Sei  mir  gegiürsf,  Lntona ,  dir  si)rorsten   trelTlirhe  Kinder, 
Dir  Apollo,  der  Herrscher,  und  Artemis,  kundig  der  Pleile, 
In  Orlvgia  diese,  und  jener  im  steinigen  Delos. 
Nun  ist  aber   diefs  Ortygia   am  frühesten    in  einem  heiligen  Haine 
am  Flusse  Cenchreos  unweit  E|»hesus  zu  suchen,  von   wo  aus  erst 
die  Benennung  Ortjgia    auch    nach  Delos    und    auf  mehrere  Plätze 
und   Inseln  verpllanzt    worden  ist,    wo    man    gleichfalls    die  Geburt 
der  Latona  feierte  ***) ;   und  so  ist  schon   hier  eine  unverkennbare 


*)  Die  ilir  der  spottende  Luciau  nicht  geschenkt  und  mancher  rüstige 
Apologet  unter  den  Kirchenvätern  bitt«r  genug  vorgeworfen  !ial. 
S.  Lucian's  Göttergespräclie  WI,  2.  p.  245.  und  XXVJ,  2.  p.  287. 
nnd  Hemsterhnys  an  beiden  Orten. 

**)  V.  16.  Ich  begreife  nicht,  warum  Groddeck,  Comment.  de  Hjmn. 
Homer.  Reliqu.  p,  76.  so  hartnäckig  darauf  besteht,  diese  An- 
rede an  die  Latona  als  ein  fremdes  Flickwerk  abzusondern, 
worin  ihm  Matthiä  und  llgen  gefolgt  sind.  Die  allerdings 
etwas  auffallend  eintretende  Begrüfsung  der  Latona  mnfs  aus  der 
Art,  wie  diese  Hymnen  gesungen  und  getanzt  wurden,  erklärt 
weiden.  Man  konnte  den  Apollo  niclit  preisen,  ohne  der  Mutter 
ein  besonderes  Trfooi'/^iov  zu  geben.  Der  Umstand  vom  doppel- 
ten Geburtsort,  den  wir  mit  eben  dem  \>rse  auch  in  den  Orpiii- 
schen  Hymnen  wiederiiiiden ,  war  wichtig  genug,  um  besonders 
erwähnt  zu  werden,  und  kömmt  in  keiner  der  Stellen  vor,  die 
nun  als  Tautologieen  angetührt  werden, 

**)  Ueber  das  ursprüngliche  Ortygia  bei  Epliesus  läfst  die  Hauptstelle 
beim  Strabo  XIV,  948.  A,  keinen  Zweifel  übrig.  Hier  war  der 
uralte  Geburtsort  der  Artemis.  Später  wanderte  diese  Benennung 
nicht  nur  nach  Delos  ( s.  SpanJieim  zu  CalÜm.  in  DeL  37.  p 
409.),  sondern  auch  nach  Syracus  und  mehrere  andere  Orte.  Man 
sehe  das  Excerpt  aus  dem  Ariston  in  den  Scholien  des  Pindar 
ad  Nemea  p.  663.  ed.  Heyn,  nnd  das  merkwürdige,  aber  sehr 
verdorbene  Fragment  des  Nicander  in  den  Scholien  des  Apollonius 


72 

Spnr  entdeckt ,  dafs  nmn  die  Göltiii  von  Eplicsus  als  cisf^cborcne, 
filtere  Schwester  des  Apollo  hctiaclitete.  Laii^e  iiiuhlicr  kiim  erst 
Delos  in  den  Alleinlicsilz ,  die  imitlcilielic  Insel  Jn-ider  Kinder 
Latoncns  zu  sein  *)  Aiicin  die  S;i_<;c  iäfst  siili  noch  wcilor  '\er- 
Ibliroit.  Diana,  si\ixi  die  Fahel  (heim  A))o!l()dor  I,  4.  1),  sprang 
zuerst  ans  dtin  yciiouffie  der  l.atoiia  nnd  leistete  nnn  an(  der  Stelle 
ihrer  nach  iiniiier  kreisenden  Muller  bei  der  Enlhindung  des  Ai)ü11q 
Hehanmicndiensle  **).  Ihre  Gehnrt,  sini;t  Callimachns  iii  seinem 
Ilvniniis  auf  diese  Giillin  (Y.  24.)  ,  kostete  der  ^Inlter  keine  Sclinicr- 
zeii.  Damm  gehen  ihr  die  Parcen  das  Geschäft,  die  Ilclfeiin  der 
Qchäretideii  zu  sein.  Man  lächle  immer  liher  die  Ungereimtheit 
dieser  Faheleien.  Dem  sorgi'älligen  Forscher  enthiillcn  sie  docli 
Spuren  der  ältesten  UeherlielL'rung,  AVer  llndet  nicht  in  der  zu 
.  Ephesus  IVnher  gehoreuen  und  nun  der  Mutler  beispringenden  Scliwe- 
sler  die  livperboreische  llithvifi  <les  Ölen  wieder,  nnd  in  den 
Schicksalsgollinncn,  die  der  schmerzlos  Geboienen  das  rettende 
Entbindnngsgesdiäft  zntheijeJi ,  die  unzertrennlichen  Gefährtinnen 
der  llithyia? 


Rhod.  i,  419.  Schon  die  Alten  haben  diese  Ortygien  häniig  ver- 
wechselt ;  selbst  Pindar  bezieht  auf  die  Syraciisanische  Ortygia, 
was  blos  von  der  Ephesischen  gesagt  werden  kann.  Um  so  ver- 
zeihlicher ist  es,  Menn  neuere  Erklärer,  wie  z.  B.  Ilgen  ad 
Hyninos  Homericos  p.  193.,  uiels  gleichfalls  vei-wechselten. 
*)  Zwar  hcliaiipteteji  die  Ephesier  nocJi  im  röpiischen  Senat  vor  dem 
Tiberius  ihr  altes  Anrecht:  Npn,  ut  vulgiis  crederet ,  Dianain 
atque  Apollinem  Delo  genitos ,  beim  Tacitus ,  Ann.  111,61.,  allein 
die  heilige  Delos  hatte  sich  schpn  längst  in  den  Alleinbesitz,  bei- 
der Götter  ÜVIntterboden  zu  sein,  zu  setzen  gewufst.  Schon  Al- 
cäns  und  Pindar  erkannten  sie  dafür.  S.  Spanlieim  zu  Callim, 
in  Del.  2^0.  p.  544. 
**)  Freilich  nalim  diefs  dci"  spätere  Grieche  blos  für  ein  witziges 
Bild  der  schon  im  neugeborenen  Kinde  wirkenden  Gottheit.  So 
stiehlt  Mercur  in  der  \Mege,  so  scliiefst  ApoUo  noch  auf  dem 
Anne  der  Mutter  tödtende  Pfeile.  Allein  der  Keim  zu  dieser 
Diclitnng  lag  offenbar  tiefer  in  der  alten  Sage  von  der  Jiyper- 
boreischen  llithyia.  Eine  nocli  spätere  Allegorie  liefs  die  Minerva 
ihrer  Schwester  eine  Vorlesung  über  die  Hebainmenkunst  halten. 
S.  des  Sophisten  Aristides  Hynmos  anf  die  Minerva  T.  I.  p.  25. 
?d.  Cant.  und  ein  nocii  späterer  Sophist,  der  Libanivis,  Iäfst  die 
Artemis  l^ch^  ^msig  vorausspringen,  x^esxTfs'xs«  'A^n/xii  rov 
^AvckXwyq^^  ^m  ja  der  Mutter  noch  bei  der  Geburt  des  Bruders 
Handleiitnng  zn  thun,  Declam,  XXXIF.  T,  11.  p.  662.  A.  edit. 
Morell. 


73 

Hoiner  scheint  zwar  als  louicv  nur  die  Jiinoni'sdic  IHlbyla  ge^ 
kaiint  zu  haben  ;  indcfs  ist  doch  das  Bild  von  dem  Geschofs  Ili^ 
thj'icns,  womit  die  Goltin  die  Gcbäreiinnen  dnrchbolirt,  von  einem 
Bihlwerk  oder  einer  VorsteMnri<;-  entlehnt,  welche  uns  mehr  auf  die 
fernhertreffende  Hecate  oder  die  «gewaltige  asiatische  Göltiii,  dereu 
Dienst  sich  sjiiUer  in  Ejjhesns  canceulrirte,  zurückführt  *_).  Auch 
llilhvia  wurde,  wenn  wir  die  Spuren  heim  Pausaiiias  verfolgen, 
mit  Fackeln  und  andern  drohenden  Werkzeugen  in  den  Händen 
abgebildet  **)  ,  und  die  schon  iu  den  Homerischen  Gesängen  all- 
gemein   angenommene   Yorstellungsart ,    dafs   Artemis    die    Frauen 


*)  Das  /ßsXo;  o^i),  To,  TS  Tqoiiisi  "EiksiSviai  H.  XI.  269.  ist  kei^ 
neswegs  ein  IjIos  bildlkhev  Ausdvvick,  wie  Koppen  in  seinen  An-? 
pierkungen  Th  J.  S,  S.l.  Th.  IIJ.  S.  5.  diese  und  ähnliclie 
Ausdrücko  zu  erklären  sucht,  Eustathius  war  av»f  richtigerm 
Wege,  wen»  er  unter  Andorm  zu  jener  Stelle  bemerkt,  man  gebe 
der  ll'tliyia  ein  cr-JiixxTiy.djnqov  o^yaviv  rt  tvjXs/SoAov.  Diefs  ist 
niclits  Audeves  als  die  i)X«y.äT/}  oder  ar^^aKTOj,  die  allen  alten Got-i 
tinneu  in  die  Hände  gegeben  wurde,  so  wie  der  «s?  den  Göttern, 
ein  Rohrstäbchen,  bald  zum  Spinnen,  bald  zum  Schiefsen  als  Pfeil 
geschickt.  Diefs  Fernhertreffen  gab  eben  dieser  Göttin  den  Na- 
^nen  'E^y-ärvi,  der  aber,  von  dem  beliebtem  Artemis  verdrängt, 
in  der  Folge  nur  in  der  mystischen  und  zauberischen  Bezeichnung 
jener  Göttin  beibehaUen  wurde, 

**)  In  einer  lualten  Capelle  der  Ilithyia  zu  Aegion  in  Achaja  stand 
ihre  Statne  aus  Pentelisdiem  Marmor,  ohne  Zweifel  nacli  einem 
hölzernen  Bilde  gearbeitet,  t«Tj  x^?'''*'  "^^  /'*'''  *^  ^'■'■^"  iy-nroiron^ 
r^  hs  dvs'x^it  S«5«.  Pausan.  VII,  23.  p.  322.  Die  Fackel  wird 
uns  bei  der  Epliesisclien  Mondgöttin  nicht  befremden,  und  wir  wer-? 
den  der  Deutungen,  die  dort  Pausanias  versucht,  nicht  bedürfen. 
Aber  in  der  andern  ausgestreckten  Hand  hatte  sich  gewifs  auch 
ein  Pfeil  oder  ein  anderes  Gescliofs  befunden,  das  nur  bei  dey 
Nachbildung  verloren  gegangen  war.  Denn  wozu  die  blos  aus- 
gestreckte Hand?  Ich  erinnere  hierbei  an  einen  Relief  in  Terra 
Cotta  in  Passeri's  Lueernis  lictilibus  T.  I.  tab.  XCIV. ,  wo 
offenbar  die  Ilithyia  mit  ausgestreckten  Händen  zwei  Fackeln  tra- 
gend gebildet  ist.  Das  Merkwürdigste  an  jener  Figur  ist  ein  Zie- 
genfell,  das  ihr  über  die  Schultern  hängt,  Passeri  verwechselt 
diefs  mit  der  Nebris  und  tappt  aucli  hier,  wie  immer,  im  Fin- 
stern.  Allein  der  Künstkr  wollte  ohne  Zweifel  die  Vereinigung 
der  Juno  Sospita  Lanuvina,  die,  wie  Cicero  sagt,  Div.  1. 29.,  cum 
pelle  caprina  gebildet  wurde  O'ergl.  Museum  Pio- Clement.  T.  II. 
t.  21.  und  Visconti  p.  4l.)  mit  der  Ilithyia  unter  dem  geniein- 
bchaftUchcu  Namen   Luciua  a,azeigen. 


74 

mit  ihren  Pfeile»  todle,  entwickelt  sich  leichter  ans  jenem  Bilde 
der  mit  verderblichen»  Gesehofs  gerüsteten  llithjia  als  aus  der  so 
oft  wiederholten  Deulnng'  des  Mondeinünsses  anf  die  Gesundheit 
der  Weiher  *).  Daher  lassen  auch  noch  die  spätem  E[)ij»ranimen- 
dichler  der  Griechen  die  in  Gehiirlsnülhen  heispiingende  Jägeriu 
Artemis  ihre  Geschosse  wohlliedächliü,"  vorher  in  den  Schoofs  der  sie 
begieilenden  Njmplien  lei-en  **),  Die  Schmcrzenssjuiflii'erin  darf 
nicht  mit  Pfeilen   erscheinen. 

Merkwürdi»-  ist  der  Umstand,  dafs  Homer,  der  sonst  überall 
nur  eine  llilhyia  zu  kennen  scheint,  doch  in  einer  Stelle  von  ihr 
in  der  Mehrzahl  spricht***),  und  zwar  gerade  da,  wo  er  die  bren- 


*)  Die  Ideenfolge,   die    icli   an    einem  andern  Orte  weiter  ausführen 
werde,   war  ungefalir  folgende.     Jeder  Iieftige  Schmerz  ist  ein  un- 
siclitbarer   Pfeil    der  zürnenden    Gottheit.      Der  schneidende    Ge- 
burtsschmerz   (c5uv>)   ab   cSw,     pvmgo,     s.     Hemsterhuys     zu 
Lennep's  Etym.  p.  639.)  ist  ein    Pfeil    der  Ilithyia.     Da  diese  mit 
der  Kpliesischen  Göttin   oder  der   Hecate    eins   ist,   und  diese  mit 
der  Artemis  oder  spätem  Jagdgöttin  wieder  allgemein  verwechselt 
wird;  so  sclireibt  man  nun  auch  ihr  Pfeile  zu,    womit  sie  vorzüg- 
lich die  schwangern    Mädchen,   die   ihre   Jungfrauscliaft   nicht   be- 
wahrt haben,   tödtet.     Daher  heifst  sie   Xjwv   •y'JvAljiv,    Hias    XXI. 
480,     Daher  fürchten  eigentlich  auch  nur  die  jvmgen  Weiber,  die 
zum  ersten  Mal  gebären,  (puerperae,  s.  Bartholin,  de  puerper. 
vet.  p     31.)    ihren  Zorn.     Tlieocrit.  XXVII,   28.     Menander  beim 
Sclioliasten  des  Tlieocrit  II,  G6.     Man   gelit   nun  nocli  weiter,  und 
schreibt    alle    heilige    Krankheiten   und   sclinelle    Todesfälle   der 
Weiber  der  Diana  zu,   z.  B.  die  fallende  Sucht  (Ekat-^^  i-mßs'jXaif 
Hippocrates,  de  morbo  sacro  p.    303,    17.    Foes.,    welches    Coray 
zu   Tlieophrast's   Cliarakteren    S.  256     sehr  glücklich  in   i-irtßokdg 
verbessert),    womit   sich   nun,   bei   der   Unkunde  des  w^ahren  Ur- 
sprungs,   immer   mehr   der  Glaube   an   den    Einllufs   des    Mondes 
auf  die  Frauen  und  ihre  Menstruationen  CDea  Mena,  quam  prae- 
fecerunt  menstruis  feniinarum,     Augustin,  de  Civ.    D.   VI,  11.) 
verbindet.     Dalier  die   XiX-'^v^ßkyjToi,    A^TS/xids/^AyjToi   bei  Macro- 
bius  I,  17.  p.  295.    Vergl.  Phurnutus,  de  nat.  Deor.  c.  34.  p.  233» 
Gal. 
**)  So  in  dem  zierlichen  Gediclit  der  Nossis,  Analect.  T.  1.  p.  194, 
III,     Artemis  soll  der  gel)ärenden  Alcetis  erscheinen.    Vorher  aber, 
bittet  die  Dichterin,    to5«  fj.iv   i;  y.6kirov;  «;'•/   ä-itcSov    y^K^irwj. 
Vergl.   Jacobs   in  den  Anmerkungen,  S.    4J4.     So  hilft  sie  einer 
Gebärenden    im    Epigramm  des    Piiädimus  T.    I.  p    261.  111.  «tsj 

***)  Diefs   iiel   aueli    schon    den   Allen   auf,  daher  in  den  Schollen  des 


75 

jieiiden  Schmerzen  eiuer  frischen  Wiiude ,  die  Agamemnon  empfing, 
mit  den  schneidenden  Gebnrtsschmerzen  vergleicht. 

Wie  der  Gebäreriu  Seele  (?)  der  Pfeil  des  Schmerzes  durch- 
dringet, 
Herb  und  scharf,  der  gesandt  hartringenden  Eileithjieu, 
Sie  der  Hera  Töchter,   von  bitteren  Wehen  begleitet; 
Also  fafste  der  Schmerz  den  Heldenrauth  As,"aniemnon's. 

Ilias,  nach  Vofs  XI,  269—72. 

Wollte  der  Sänger  vielleicht  eben  dadnrch,  dafs  er  hier  mehrerer 
erwähnt,  die  Vereinigung  mehrerer  Gottheiten  unter  demselben 
Namen  bezeichnen?  Da  müfste  man  den  alten  Aöden  weit  liefere 
Einsichten  und  Plane  zutrauen ,  als  sie  wirklich  hatten.  Wir  kön- 
nen nur  soviel  darauf  antworten:  Der  Sänger,  der  uns  hier 
mehrere  Uithjien  als  Tochter  der  Hera  vorführt,  kannte  schon 
mehrere  *).  Sollen  wir  nach  eiuer  gewissen  Analogie  schliefsen, 
so  nahm   man    derer   zwei   an ,    wie    es  auch  anfänglich  nur  zwei 


Villoison  S,  273.  ein  SixXiJ  gesetzt  wird.  Aus  jenen  Schollen  läfst 
sich  zuglcicli  eine  verdorbene  Stelle  beim  Pausanias  VIII,  21.  p. 
409.  errathen.  Die  Schollen  sagen :  ■rrXyjSvvTty.wg  'EikuSuioi;  X&~ 
ysi.  äfj^/aoy  Ss  «'jTtuii  OVTS  cvs/zar«  TroigahihwJt,  Hieraus 
dürfte  sich  mm  die  Stelle  beim  Pausanias  so  verbessern  lassen. 
Die  Clitorier  haben  drei  Capellen,  die  dritte  den  Ilithyien.  Ho- 
mer liat  weder  ihren  Namen  noch  ilire  Zahl  angegeben.  Der  Ly- 
ceische  Ölen  aber,  der  noch  älter  als  Homer  ist,  hat  den  Deliern 
sowohl  andere  Hymnen  als  auch  eine  auf  eine  Ilithyia  gemacht 
u.  s.  w.  Die  griechischen  Worte  würden  also  so  zu  lesen  sein, 
TfiVov  hi  tariv  ^tXsiSvtOJv  (^so,  nicht  ^IXst^via;^  schrieb  Pausa- 
nias, und  dieselbe  Mehrzalil  nuifs  ihm  noch  einmal  wieder  gege- 
ben werden  I,  44.  p.  170,  wo  Facius  unbedenldicli  die  Angabe 
beider  Handschriften  in  den  Text  aufnelimen  sollte).  "Oyuvjf  j;  /xs« 
ovofxa  (diefs  steckt  in  dem  allein  übrig  gebliebenen  si'vai,  dem  zu 
Gefallen    K  ü  li  n    eine    Aveit    wortreichere    Ergänzung    vornahm) 

T,    X, 

*)  Woraus  aber  freilicli  nun  auch  der  zweite  Satz  folgt,  nämlich,  dafs 
die  Sänger,  die  in  andern  Stellen  XVJ,  187.  XIX,  104.  Odyss.  XIX, 
188,  nur  eine  Ilithyia  kennen,  von  jenen  verschieden  sein  müssen, 
eine  Folgerung,  die  beim  jetzigen  Stand  der  Homerischen  Kritik 
Niemand  befremden  wird.  Man  erinnert  sich  hier  vielleicht  von 
selbst  an  die  noch  neuerlich  von  Ilgen  in  seinem  Tempelar- 
chiv so  scharfsinnig  beleuchteten  Elohimurkunden  in  den  Mosai- 
schen  Scliriften. 


7# 

Cliaritinnen  und  zwei  Hören  im  Dieiislc  der  Hera  gab  *).  Man 
iiaiialo  sie  später  überliaiijtl  GeburtsgöUinnou ,  Genctyllidcs  **) 
011(1  dabei  kann  wolil  gar  auch  die  Yorptclliiiig  slattgeiiuidea 
haben,  dafs  diese  llilbjion  ans  abvvelclu'iidiMi  IMvilicn  eii(s|)rai)gen 
und  ans  versthiedeiien   Gegenden  zusaniaiciigeküinnicn  wären. 

öibon  ia  den  äUcsica  Liedein  des  Olea  auf  Delos  waren 
walirscbeinlich  die  Scbwierigkeilen  sebr  stark  gcscbildert,  niiler 
welcben  Latona  anf  I)elos    cntbundeu  uurde,   und    die    erst    durch 


*)  Darauf  führen  auch  die  Worte  des  Cornutus,  de  nat  deor,  c.  34. 
p.  233.:  -jrXsi'suj  ö'  ^ikti$i,i<xt  iraf.aSi'Sovraj  naS  ov  Xiycv  y.on 
irX&io-j;  'EfwT£f,  Bekanntlich  giebt  es,  die  spätem  Amorinos  aus- 
genommen, die  nichts  als  Genien  sind,  (s.  Visconti  zu  Pio- 
Clement  T,  V.  p.  23  )  nur  einen  Eros  und  Anteros,  die  nach  dem 
merkwürdigen  Relief  zu  Klis  beim  Pausan.  VI,  23.  p.  219.  einan- 
der immer  entgegengesetzt  gedacht  wurden.  So  gab  es  wohl  auch 
eine  günstige  und  eine  ungünstige  Ilitliyia.  Die  günstige  hieis 
mit  ihrem  besondi  rn  Namen  'Ex(Xwcra/^i>>),  die  Lösende.  Denn 
so  sagt  Hesyclüus  s.  v.  'Eir/Xvcra/xsvvj,  /j.ti^  r-ixv  }*jiXii£tviOJv.  Die- 
selbe heifst  Qucli  'Hx(;v>),  die  Sänftig  ende,  in  einemEpigramm 
des  Krinagoros,  Analect.  T.  II  p.  143,  XIII.  Denn  dafs  sie  in  der  Folge 
zur  Familie  desAeskulap  gekommeu  ist  (_s.  Jacobs,  Animadv.  T.III, 
389.),  darf  uns  niclit  irre  inachen.  So  stellen  auch  'Agrs^tf  und 
^IlTTiiv/j  beim  Pausanias  II,  27.  p.  280,  beisammon.  Vergl,  Span- 
lieim  zu  Calliin,  in  Dian,  236.  p.  238,  In  der  Folge  veruiehrte 
sich  ilire  Zahl  \vie  bei  den  Ciiaritinnen  und  Hören  wahrscheinlich 
auf  drei.  Dann  gTvb  es  wold  zwei  gute  Ilitliyien,  Wenigstens 
giebt  eine  Inschrift  bei  Muratori  XXXVIil,  5.  APTE.MIZIN 
nPAlAlS  XAPISTIIPION,  al^o  zwei  gütige  Dianen  als  Ent- 
binderinnen.  Vergl.  D'Oryille,  Observ.  IVliscell.  Novae  T,  I.  P. 
JII.  p.  153.  Wq  die  spätern  Qriechen  Ä^JTtixihs;  in  die  Mehrzalil 
setzten,  nannten  die  Römer  Junones,  So  erkläre  ich  die  zu  Brixen 
\ind  Cremona  gefundenen  Inschriften:  IVNONIDVS  beim  Mura- 
tori X>'Ii,  1  —  6,  gämmtlich  aus  Weihungen  für  glücklich  ent- 
bundene AÜiüei-.  ^'ergl.  XCill,  4.  iMATRONlS  JVNONIBVS.  Hier- 
her gehörten  auch  vielleicht  die  drei  Dir  Nixii  vor  der  Captüle  der 
Minerva  im  Capitolium.     S.  Festus,  s.  v.  Nixi  dii  p.  279    Dac. 

•*)  Die  Ilauptstellen  sind  bei.m  Pausania$  I,  1,  P.  6,  und  Ilesychius 
S.  V.  V&ytrsjki;  T.  I.  C.  815.  So  ehrwürdig  diese  Benennung 
den  Römern  war  —  denn  Horaz  begrüfst  im  Carmen  Säculare 
selbst  die  Diana  Lucim\  damit  V.  16.  (mit  Bentley's  Anmerk- 
ung) —  so  vertiächtig  war  der  Nebenbegrilf,  den  sie  durch  die 
Ausschweifungen  der  attischen  Frauen  in  Atiien  erhielt.  S.  Geg- 
ner zu  Luciau  T.  Ilf.  p.  131, 


77 

«lie  Dazwischüiikiuift  «1er  hyperliorefseheii  Illlliyla  geholten  wiirdienj 
^  011  iiiiii  an  lic'S(li;ifli;i,(eM  sicli  aiuli  alle  spiUeren  Hvninonsänj^er 
mit  «liesoni  Geycuslande ,  und  die  liron  der  Lalo  iielist  ilireiii  Ge- 
biirlskampl'e  durften  in  den  Lobliedern  anf  die  Dejisclien  Goltlieiteil 
iiie  fclilen.  An  Yeranlassnngen  dazu  konnte  es  bei  den  heiligen 
\^'all^abr(en ,  wolihe  fast  alle  griecliistbe  Staaten  zu  gesetzten 
Zeiten  naeii  Dolos  scliiekten ,  nitlit  felilen.  Denn  man  liefs  sieh 
von  den  beiiiliinlesten  Diiblern  zn  dieser  feierlichen  Si'iidnng  be- 
sondere Hymnen  vi'rferligen ,  nnd  diese  wnrden  von  den  Chören 
der  Jünglinge  nnd  Jniigfranen,  die  sieh  bei  diesen  Wallfalirten 
befanden ,  nnfcr  Reilienfänzen  nnd  RInsik  abgesungen  *).  Auch 
läfst  sieh  mit  vieler  Walirscheinliehkeit  vernuilben,  dafs  an  dem 
Hanplfestc,  womit  jälirlieb  zn  Delos  die  Geburt  der  Götter  gefeiert 
wurde,  sehon  in  den  frühesten  Zeiten  Wetlkämpfe  der  grieebiselieii 
Aüdcu  oder  Improvisatoren  ans  verseliiedenen  Gegenden  stallfaii- 
den  *^).     Bei    einem    solchen   nujöicalischen  Wettkampfe    entstand 


*')  Noch  sind  einige  Fragmente  Pindar's  vorliändeh  aus  seinen! 
ir^oa-i-'^hiov  anf  Delos,  das  er  den  Ceern  zu  ilirer  Theorie,  so  hiefs 
bekanntlich  die  heilige  Wallfahrt  verfertigt  liattei  S.  Fiagnit  Pind. 
p.  43.  ed.  Heyn.,  wo  Schneider  ähnliclie  Beisi)iele  des  Eume- 
lus  von  Corinth  und  Pronomns  von  Theben  anführt.  Jeder  be- 
tiihmte  Dichter  verfertigte  aiicli  solche  Hymnen.  Mart  vergleiche 
die  gelelirt  ausgefiilirten  .Saimnhingen  in  Bart  lie lern  y's  Voyage 
du  jeun.  Anacii.  T.  VIII.  p.  212.  Der  reiclie  Hymnus  des  Calli- 
machus  auf  Delos  niufg  gleiclisam  als  ein  kilnstreiches  Mosaik  aus 
hundert  Bruchstücken  solcher  Prosödieen,  Proöniien  und  Hymnen 
angeselien  werden.  Diefs  war  der  Geist  der  Alexandrinischen 
Verskünstlei'. 

**')  Jährlicli  im  Frühlinge  (wie  Fr  er  et  iit  den  Memoires  de  rAcad« 
d.  Insciipt  T.  XXVf.  p.  211.  aus  dem  Dionysius  Periegeta  ge- 
zeigt hat^  brachten  die  umliegenden  Cycladen  ihre  Cliöre.  Alle 
4  Jahre  aber  war  eine  feierliche  Tetraeteris.  S.  Corsini,  Fast* 
Att.  T.  II.  p,  326.  Bei  diesen  waren  nun  seit  den  ältesten  Zei- 
ten Wettkämpfe  der  Dichter  gewölmlich.  Darauf  bezieht  sich  ohne 
Zweifel  das  so  vielfach  bestrittene  und  gedeutete  Fragment  des 
Hesiodus,  das  Eustathius  und  die  Scliolien  des  Pindar,  Nem.  IT. 
p.  076.  Heyn.  anliilii;en:  'E»  AijXix  itots  irpouTov  s-yuj  rnx]  0/-t>j- 
foj  aoihoi  Mek^/cx/Aiv  i\i  vsaqol^  vfAVclq  ooi'i\/cxvTBs  aeih-i]\>  vt.  t.  Xt 
Die  Verse  tragen  selbst  in  den  wenigen  Worten  die  Zeichen  ihres 
spätem  Ursprungs  an  der  Stirn,  gründen  sich  aber  doch  auf  eine 
alte  UeberlieferuHg,  die,  wie  ich  in  meiner Abliandhmg  über  den 
Ursprung  d(a'  Musen  zeigen  werde,  noch  immer  eine  merkwür- 
dige Spur  der  zwei  wetteifernden  Sängerschulen,   der  asceäisclien, 


78 

wahrscliclnllcli  die  Iljmno  niif  den  Dcliselien  Apollo ,  die  jetzt  noch 
unter  den  Hvmncn  der  Iloinerideii  yewölinlich  die  erste  Stelle  ein- 
niinnit  ").  Ancli  in  ihm  spielt  unsere  liilliyia  eine  Avii'lili<;,e  Rolle. 
Nenn  Tilge  nnd  nenn  ]\äclite  Avird  Latona  mit  lioffnnnoslosen 
Wehen  gef|nält.  Alle  älteren  Tilaninnen ,  Diana,  Rhea,  Theniis 
nnd  Amphitrite,  sind  nm  sie  versammelt  nnd  können  nicht  helfen. 
Denn  die  eifersiiehtige  Jnno  hält  Ililhyien  im  Olvmp  ziirüek.  Iris 
-ftird  von  den  Göttinnen  zn  ihr  abgesandt,  nm  sie  durch  Ver- 
sprechnngeu  einer  schönen  Halsschnnr  znr  Hillleisfnng'  zn  bewe- 
o-en.  Listig  rnft  Iris  sie  ans  dem  Gemache  der  IMntter.  Geschenke 
Lengen  auch  der  Ünsterldichen  Sinn.  Sie  kömmt.  Lato  stemmt 
sich  mit  beiden  Knieen  gegen  die  Erde  und  hält  mit  beiden  Armen 
einen    Palnibanm    umklammert  **),     Da    entspringt    Apollo    dem 


die  sicli  zn  Thespiä  tmd  Delphi  bildete,  und  deren  Repräsentant 
«nter  dem  Collectivnainen  Hesiodus  begritfen  wird,  und  der  ionischen, 
der  der  Homeriden,  enthält»  In  diesem  Sinne  hatte  der  beriicli- 
tigte  öj'dv  des  Hesiodus  nnd  Homerus  (s.  die  Collectaneen  in 
Fabric.,  Bibl.  Gr.  T.  II.  p.  370.  Harles)  gewifs  auch  eimnal 
in  Delos  stattgefunden. 

*)  Dem  eigentlichen  Homer  wird  blos  auf  das  Zeugnifs  des  Thucydi- 
des  jetzt  nach  Rulinkenius,  Ep.  I.  p.  7.  und  Wolf,  Proleg. 
p.  CVI.  diesen  Hymnus  wohl  Niemand  mehr  geradezu  zuschrei- 
ben wollen. 

**3  Schon  Joh.  Zach.  Platner,  de  arte  obstetiicia  veterum  in 
Opusc.  T.  II.  p.  59.  macht  die  richtige  Bemerkung  da,  wo  er 
von  den  Hebammengöttinnen  spricht:  A  rero  non  alienura  est  ex 
istarum  dearum  numero  plures  fuisse  arte  obstetricia  clavas  et 
novo  aliquo  invento  excellentes  feminas,  quae  ex  illorum 
temporum  consuetudine  post  obitum  —  in  numerum  dearum  re- 
ceptae  fiierunt.  Eine  solche  Erfindung  liefse  sich  denn  auch  leicht 
liier  annehmen.  Als  Latona  nicht  gebären  konnte,  gab  ihr  eine 
kluge  Frau  den  Rath ,  sich  mit  Knieen  und  Armen  aus  aller  Kraft 
zu  stemmen  u,  s.  w.  So  hätten  wir  hier  die  ältesten  Vorbereit- 
nngen  zum  Hebammenstuhl,  den  schon  die  Alten  sehr  gut  ge- 
kannt haben.  Man  könnte  diefs  noch  durch  den  besondern  Bei- 
namen der  Ilithyia  sv  yivact  beim  Pausanias  VIII,  48.  p.  498.  zu 
beweisen  suchen,  der  sich  offenbar  auf  diese  von  der  Ilithyia 
zuerst  gelehrte  Stellung  der  Kreisenden  beziehen  nnifste,  so  wenig 
Befriedigendes  Pausanias  dort  darüber  zu  sagen  weifs ;  vergl. 
Winckelmann,  Storia  dclle  Arti.  T.  I.  p.  81.  Fea.  Allein  alle 
dergleichen  Muthmalsungen  sind  doch  am  Ende  nur  Spiele  des 
Witzes,  Blüthen  olme  Fruchtknoten,  Sie  belustigen,  ohne  zu 
belehren ! 


79 

Schoofse   der  Miider.      Es   larhelt   die  Erde   zn   ihren  Füfsen  und 
die  Götliniicn  erlielifii  den  lieiliitoii   Jubel.  (V.   91  — 118.) 

Seilen  hlieb  es  lioi  eiiici-  «'iiizigen  Diclitnni»',  wo  einmal  der 
Ton  dazu  in  einem  allen  I^iedc  angestimmt  war.  Was  Lalonea 
auf  Delos  zuerst  l)eii,e,»uet  sein  sollte ,  trugen  die  Säuger  der  älte- 
sten Torhomeiisclien  Heraclcen  auf  die  Eulbinduiig  der  Alnnene 
über.  Noih  sind  in  unserer  Ilias  anseliulirhe  IJrucLslücke  eines 
uralten  Gedirlits  auf  den  Hercules  eingewebt  *) ,  und  gliickliclier 
AVeise  bat  sieb  gerade  ancb  der  Tbeil  erhalten ,  worin  der  alt« 
Sänger  die  Eifeisuilit  der  Juno  elicu  so  viel  Unheil  bei  der  Enf- 
hiu<lnng  der  Aleinene  zn  Theben  slii'len  läfst,  als  sie  bei  Aj)ollo's 
Geburt  auf  Delos  angerichtet  hatte.  Agamemnon  en(scliuldiü,l  sich 
zu  Anfang  des  neunzehnten  Gesanges  mit  dem  Beispiele  des  Zeus 
der  einst  auch  durch  die  List  der  Hera  beihört  worden  sei.  Er 
hatte  ,es  ilir  durch  einen  Schwur  hethenert,  der  Erstgeborene  seines 
Geschlechts  unter  den  Persiden  solle  herrschen. 

Hera  voll  Ungestüms  enfschwang  sich  den  Höh'n   des  Olvmjios 
"  Und   zur  aciiaiischen  Argos  gelaugte  sie,  wo  ihr  bekannt   war 

Slhcnelos  edles  AVeib,  des  perseiadischen  Königs. 

Jene  trug  ein  Knäbleiu,  und  jetzt   war  der  siebente  Monat. 

Diefs  nun   zog  sie  an's  Licht  nnzeilig  annocli ,   und  hemmte 

Dort  der  Alcmene  Geburt,    die  Kileiibvicn  entfernend 

Ilias  XIX,  114—119.  nach  Vofs. ' 
Die  Gehnrtsschmerzen  waren  nämlich  ,  wie  ans  dem  Vorlier"clien- 
deu  deutlich  wiid,  bei  der  Alcmene  schon  eingeliolen.  Hera 
hemmte  sie  dadurch,  dafs  sie  die  Ankunft  der  helfenden  Iliihvia 
Terzögerle,  Diese  zwar  schon  nach  der  Sage  von  der  Enlbindiino- 
der  Lato  g"l)ilde(e,  aber  immer  noch  ganz  einCacbe  D.irslellun'>s- 
■weise  wurde  nun  in  spälern  Heracleen  und  Thebanischen  Ueber- 
lieferungen  immer  mehr  erweitert  und  ansgescbniückt,  Hallen  wir 
den    allen   Panvasis,   den    IN vmphis ,    oder   auch    nur   den  Pisander 


*)  Es  verdiente  wohl  eine  eigene  Bearbeitung,  die  Fragmente  dieser 
in  der  Ilias  zerstreuten  Heraclea  besonders  zusammenzustellen. 
Einige  fast  nur  noch  hiev  vorkommende  Erzählungen  z.  B.  der 
Sturm,  den  Juno  erregte,  und  ihre  Bestrafung  vom  Jupiter  XJV 
250.  XV,  18.  ff.  oder  der  Streit  bei  Pylos,  wo  Pluto  und  die  Juno 
verwundet  wurden  V,  395.  XI,  689.,  sind  sogleich  als  Bruchstücke 
der  Art  zn  erkennen,  wie  sie  auch  Panyasis  benutzt  Iiatte.  S. 
Clemens  Alex,  in  Tl^er^.  p,  23  B.  Sylb.  Auch  was  mit  Her- 
cules Gebuit  und  Tod  (s.  XVIII,  119.)  vorgegangen  ist,  wird 
ans  einer  solchen  Heraclea  erwähnt.  Bei  einigen  Stellen  hatte 
auch  Heyne  diese  Fragmente  schon  angedeutet,  S.  Hermann'» 
Mythologie,  S.  147.  in  der  Anmerk. 


80 

von  Cftmiros  noch  *) ;  so  würde  sich  durch  diefs  Zieii2,0nVerLör 
die  allinälige  Eiitwickoliina,  dieser  Ftihel  von  der  Kicliel  his  zilm 
•weilastenden  Baum  oeiuächlich  veifoliieii  lassen;  Jelxl  müssen  wir 
nur  mit  einer  s}>äteii  Nachlese,  die  wir  ans  Ovid's  und  Antoni»)4i9 
Lih<'ralis  Vcrwandhiii'^en  darüher  halten  können  ,   vorlieh  nehmen. 

ISicander  halte  im  zwcileii  Buch  seiner  Verwaadhiniien  die 
Verwandinnji,-  der  Galanlhis  in  ein  ^^  iesel  erzaJilt ,  wclrlie  Anto- 
niniis  Liheralis  (f.  29,  p.  125.  Li|)s, )  hach  seiner  gewühnlicheii 
Manier  in  einen  Ansziij!,  hiaciile.  Calinthias  (oder  Acalanthis)  war 
eine  Freundin  nnd  Gesjuelin  der  Alcmone  zu  Tliehen.  Als  nun 
AlcniPiiei:  die  Gehurt  des  Hercules  dräiii^le,  honinilen  die  Parccii 
und  Ililhvia  **)  die  Gehäieudc  in  ihien  \Vclie:i,  um  der  Hern 
p;efäili2,'  zu  sein.  Sie  s  a  f  s  e »  nnd  hielten  ihre  Hände 
fest  in  einander  geschlungen.  GalinlhiaS  licsorgte ,  Alc- 
luenc  mochte  vor  Schmerzen  ihren  A'^erstand  verlieren,  niid  lief 
heraus,  um  den  Farcen  nnd  der  Bilhyia  zu  melden,  dafs  nach 
dem  Balhschlusse  des  Zens  der  Alcmene  ein  Knahe  gehören  wäre. 
Ihre    Zanhereieu   wären   also   gelös't.  ***)      Ilierühcr   er- 


*)  S.  Heyne  zu  ÄpoUodor.  S,  326. 

**^  McTfoi«  y.»]  'Eikii^itoc  sagt  Liberalis.  Man  könnte  daraus  sclilie- 
fsen,  dafs  abo  eigentlicli  die  3IeLrzahl  EiÄsi'^L/aj,  die  selbst  in 
der  Hüuievischen  Erzählung  hier  vorkömmt ,  eigentlich  nur  die 
Ilithj  ia  mit  den  Parcen  bezeichne. 

**♦)  Die  Worte  im  Griechischen  sind  ohne  allen  Sinn:  <"'  S's  initvwv 
Ttfia)  y.ctrtxXiXvyrect.  Weder  B  erkel  noch  V erhe  y  k  haben  et- 
Vas  dabei  angemerkt.  Ich  muthmafste  (pa^j/J-avsTai ,  wozu  das  ei- 
gentlicli ton  Lösung  des  Zaubers  gebräuchliche  y.arakvi7Sai  gut 
passen  würde.  So  verbiildet  Plato  de  Leg.  XI^  T.  IX;  p.  162. 
163.  ed.  Bip.  die  (jpaiouay.ila;  und  y.anxlicn;  ,  und  diese  Zauber- 
frauen hiefsen  ausdrücklich  bei  den  Tbebanern  (f  «f/aay.i'Ss,-,  Pau- 
saii.  LX,  11.  p.  3-i  Nur  ist  nicht  wohl  al)znsehen,  wie  diefa 
Wort  von  dem  Absclneiber  in  ri/xei]  hätte  verdorben  werden  kön- 
nen; Ich  schlage  daher  vor,  Xv/a«/  zu  lesen.  Hesychius  und  Sui- 
das  erklären  es  durch  ßAÖ:ßat,  (pSoj»«!  und  es  wird  bekanntlich 
ganz  besonders  von  körperzerstörenden  Schmerzen  gesagt ,  als  beim 
Kuripides  in  den  Ileracliden  471.  von  der  Witterung,  £t/  Xt/^v 
reC  ffwuare;  beim  Lncian,  Gymnas.  c.  26.  T.  H.  p.  908.  nnd 
selbst  von  den  Bezauberungen  eines  Gauklers  oder  Magiis  beim 
Apollodor.  p.  107.  Ileyii.  Das  unbekanntere  At'/^ai  konnte  leiclit 
in  T//wtrt/  übergehen.  Vergh  Hemsterhuys  zri  Lennep's  Etym.  S. 
518.  —  So  glaube  idi  auch,  dafs  einige  Zeilen  weiter,  statt 
rvji    TtxkivSiähog    ft(ps('>.5VTC    ryj-J    xcfsmv     gelesen    werden    mufs 


81 

scbraken  die  Parcen  und  Jicfsen  ihre  Hände  sinken.  Sonicich 
endeten  die  Wehen  der  Alinione  niid  Hercnles  wurde  geboren. 
Man  rnnfs  damit  die  Erzähliniij,-  Yer<i,leithen ,  die  Ovid ,  höchst 
>\ahrscheiiilieh  aus  dem  Nicander  selbst,  doch  mit  Beiinlznn"-  an- 
derer Quellen ,  der  Alcmene  in  den  Mund  legt.  (Met.  IX.  279.  ff.) 
Möge  deine  Geburt  glücklicher  sein  als  die  meinige  ,  sagte  Alc- 
mene der  Jole, 

Dir  wenigstens  gönne  die  Gottheit 
Heil  und  kürzere  Frist ,  wenn  du  znr  Reife  gelanget, 
Rufst  du  der  bangen  Geburt  vorstehende  Eileilhjia, 
Die  mir  hart  sich  bewies  aus  Gefälligkeit  gegen  die  Juno.  — 
Sieben   Nächte    hindurch    und    gleichviel   Tage  *) 

gemartert, 
Ruft'    ich,   müde   der    Qual     und    den   Arm'    ausstreckend   znm 

Himmel, 
Laut  die  Luciua   mit  Schrein,    und    die   Zwilliu gsmächte 

des  Kreisens  **), 


p^ofsiay.  Denn  was  soll  das  heifsen  :  sie  naiimen  der  Galanthis 
ihre  Jangfranscliaft,  wie  es  auch  Schneider  in  seinem  Wörter- 
buche s,  V.  verstanden  hat?  Gewifs  die  Parcen  nnd  die  GeLurts- 
göttia  miifsten  hier  die  berühmte  Lncinam  sine  conciibitu  geübt 
haben,  von  welcher  uns  neuere  Scribenten  so  seltsame  Dinge  zu 
erzählen  wissen.  Auch  fordern  die  folgenden  Worte  :  ort  Sv^rv)  räy 
Ssag  s5>)T«'T>jr£,  offenbar  ein  Wort  im  Vorhergehenden,  das  Jubel, 
Freude  bezeichnet.  Nimmt  man  nun  in  Ovid's  ErzälJung  die 
Worte  zu  Hilfe:  Numine  decepto  risisse  Galanthida  fama  est, 
so  wird  man  das  von  mir  vorgescldagene  x^?^'*'-'  noch  passender 
finden,  welclies,  wie  Musgrave  zu  Euripides,  Herc.  Für,  1025. 
durch  viele  Beispiele  bewiesen  hat,  selir  oft  Jubel,  Gesang  mit 
Tanz  bedeutet. 
*)  Latona  bringt  £vv^//a^  krJ  svvsx  vvKrag  in  Wehen  zu  nach  der 
HoHierisclien  Hymne  V,  91  ,  Alcmene  nur  sieben.  Aber  dort  wurde 
auch  Apollo,  hier  mir  Hercules  geboren.  Man  beobachte  diese 
absichtliche  Abstufung,  so  wie  auch  in  beiden  Fällen  die  ungleiche 
Zahl  nicht  ohne  Bedeutung  ist. 
**)  Lucinam  NLvosque  pares.  Vofs  giebt  diesen  diis  Nixis ,  die  N. 
Heinse  zu  dieser  Stelle  trefflich  erläutert  hat,  eine  neue  witzige 
Deutung,  indem  er  pares,  wofür  Burmann  lares  zu  lesen  vorschlug, 
durch  Zwillingsgescliwister  übersetzt.  Auch  liat  pares  diese  Be- 
deutung unbezweifelt  in  andern  Stellen.  Indefs  konnte  sich  diefs 
Beiwort  auch  auf  einen  andern  Glauben  beziehen,  der,  wie  ich 
höre,  nocli  unter  unsern  Hebammen  gefunden  wird,  näjnlich  dafs 
nur  Wehen  in  gleiclier  Zald  wirksam  wären ,  und  dann  wäre  doch 
Böltiget's  kleine  Schriften  I.  Q 


82 

Zwnr  kam  Jone  «lom  Paif.    Docli  zuvor  inirsloitol  bosclilofs  sie, 
Darzubieten  mein  Haii]»t  der  Unheil  sinnenden  Jnno. 
Als  ineiii   winselmies   iStölinon  sie  liüife,  setzte  sie  dort  sieh 
Auf  den    Aliar    an    der   Pi'orte,    das    linke  Knie   von    des 

r  e  e  li  t  e  ii 
Bii»e  gedrückt,  nnd  mit  fest  in  einander  gefalteten  Fingern 
Hielt  sie  zniüek   die  Geburt ;    ancli   leise  Besebwörungen  sprach 

Und  die  Besehwörnngen   hemmten  die  kaum  begonnene  Arbeit. 
Galanthis ,    die   in    0\id's    Erzülilnngen  nur   die  SlrlJe  eines  treuen 
Kammermädeliens   Terlrill,    merkt,    indem    sie    fleilsig    ab-  nnd  zu- 
gebt   nnd    die    fremde  Figur    draiifsen  in  der  verdiiehtigen  Stellung 
eieht,  Uurath. 

—  —  Da  oft  sie  hinaus-  und  hineingeht, 
Schauet  sie  ;iiif  dem  Allar  an  der  Tliür  da  sitzen  die  Göttin, 
Hallend  die  Hand   auf  den  Knieen    mit  lest  gehaltenen  Fingern. 
Wer  du  auch  seist,  Giiiek   wünsche  der  Herrscherin ,  sprach  sie. 

Befreit  ist 
Argo's  Tochter,  Ahmen',  und  geniefst  des  erfleheten  Söhnleins. 
Plötzlich  sprang  sie  empor  nnd  entband,  die  gefügeten  Hände 
Losend ,   die  Göttin   der  Webn ;    da  lös'le    mich  selbst  die  Eut- 

binduug. 

Vofs,  Verwaudlungen  nach  Ovid,  Th.  U.  S.  145.  ff. 

In  beiden  Stellen  iiiidet  sich  ein  noch  mehr  als  einfacher 
Zauber  erwähnt,  durch  welchen  lliihyia  (mit  ihren  Gfliiliinnen  nach 
dem  Nicander)  die  Enthindung  der  Alcmene  gefesstit  hielt.  Sie 
hatte  die  Kuiee  über  einander  geschlagen  und  die  Hände  in  ein- 
ander gefaltet.  Den  ersten  Zauber  erwähnt  nur  Ovid  —  dextro 
a  poplite  laevum  pressa  geun  —  ;  des  zweiten  gedenkt  auch  An- 
toniuus  Liberalis.  Vielleicht  machten  auch  beide  zusammen  erst 
das  vollkommene  Zauberband ,  den  K«Ta5j!r/vttv ,  w  ie  es  die  Griechen 
nannten,  ans,  und  Antoninus  Liheralis  setzte  die  nbergeschlageneu 
Kniee  als  bekannt  voraus.  Vielleicht  kannte  man  mehrere  Ver- 
stärkungen des  Zaubers,  so  wie  man  die  Sache  höher  treiben 
wollte  oder  nicht.  Als  Plinins  sein  grofses  Werk  zusammenschrieb, 
war  der  ganze  Hexenplunder  völlig  in's  System  gebracht.  „Neben 
Schwängern,"  so  heilst  es  dort,  „oder  wenn  sonst  Jemand  operirt 
wird,   zu    sitzen   und  die  Finger  wechselseitig  in   einander  zu  fü- 


wohl  nixuspares,  die  alte  Lesart,  vorzuziehen.  Ich  wage  als 
Laie  nidit,  hierüber  zu  entscheiden,  und  überlasse  diese  mäeu- 
tische  Slieitfrage  dem  D.  Oslander  in  Göttingen  für  sein  Maga- 
zin der  Entbiiidungskunst. 


83 

gen,  ist  ein  Zauber,  Man  saj^t,  diofs  sei  zuerst  bei  der  Nieder- 
kunft der  AU'inene  mit  dem  Hi-icules  an  den  Taj^-  2,ckoninien.  Noch 
srliiinimer  ist's,  vv<'nn  man  dii^  (so  gcfallcleii)  Hände  nm  ein  oder 
beide  Kniee  sciiliefst.  Ferner  wenn  man  das  eine  ßein  über  das 
andere  sehläot,  so  dafs  Knie  auf  Knie  lieii;f.  Darnm  b/iben  unsere 
Vorfahren  «liese  Attid'ide  in  allen  Versaninilnngen  in  Krieg'  und 
Frieden  nnlcrsagt,  weil  sie  alle  Gescliäflft  liindore.  Aach  verboten 
sie,  dafs  Jemand  liei  0|»feni  oder  Geliibden  sich  so  zeige. '•'  *) 
Ein  Theil  di(!ser  Stelinng,  die  liber  einander  geschlagenen  Beine  im 
Sitzen  ,  wnrde  also  iiberlianpt  fi'ir  nngesittet  nnd  nnauständig  über- 
all,  wo  man  öllentlich  erschien,  angesehen.  Dariiber  weiter  nnten 
noch  ein  Wort.  Jetzt  diiifen  wir  nnsere  Ilithjia  schon  nicht  auf 
halbem  Wege  stehen  lassen 

Man  sielil ,  dals  Piinins  selbst  den  Stammbanm  dieser  Hexen- 
sille  selir  hoch  hinanffnlirt  und  ihren  Ursprung  in  der  Gebart  des 
Hercnles  Jindet.  Eine  alte  Thebaniscbe  Volkssage  mufs  also  der 
so  zaubernden  liithjia  nofhwendig  znm  Grnnde  liegen,  der  viel- 
leicht wieder  <'ine  alle  Abbildung,  ein  aller  Gebranch  zum  Belege 
diente.  Was  sonst  iiur  Mnlbmafisuug  wäre,  wird  zur  Gewifsheit 
durch  die  Aussage  des  Pansanias,  wo  er  das  vorgebliche  Haus 
des  Ampbiinio  zu  Theben  beschreibt,  .,  Hier  sind  auch  auf  Stein 
in  halliei  lialtener  (sx)  tJxou)  Arbeit  Weiber  zu  sehen,  deren  Ab- 
bildung durch  die  Länge  der  Zeit  sehr  undeutlich  geworden  ist. 
Die  Thebaner  nennen  sie  Hexen  ((pap/txam'öa?) ,  die  von  der 
Hera,  wie  mau  sagt,  geschickt  wurden,  um  die  Wehen  der 
Alcmene  zu  hemmen.  **)  Und  diese  hintertrieben  also  ihre  Ent- 
bindung, Aber  der  Hisloris,  der  Tochter  des  Tiresias,  fiel  eine 
List  gegen  die  Hexen  bei,  dafs  sie  in  Jubel  ausrief:  Alcmene 
habe  geboren.  So  gingen  jene  getäuscht  davon  und  Alcmene 
wurde  entbunden."  (IX.  IL  p.  34.)  Nun  wird  Alles  begreiflich. 
Ein  altes  halbveiwischtes  Bildwerk  kam  den  fabelnden  Thebaner» 
zu  Hilfe,    worauf  Ilithjia    und    die  Farcen   als   Hexen  ausgehauen 


*)  Ich  schreibe  die  Worte  selbst  her,  da  niclit  jeder  Leser  seinen 
Plinhis  nachzuschlagen  Lust  oder  Zeit  haben  möchte.  Adsidere 
gravidis,  vel  cum  remedium  alicui  adliibeatur,  digitis  pectinatim 
inter  se  implexis  veneüchim  est,  idque  compertum  tradunt  Alcmena 
Herculem  pariente,  Piiiis,  si  circa  unum  ambove  genua.  Item 
poplites  alternis  genibus  iin])oni.  Ideo  lioc  in  conciliis  ducum 
potestatujnve  fieri  vetnere  majores,  vehit  omnem  actum  impedi- 
entia,  Vetuere  et  sacris  votisve  simili  modo  Interesse.  H.  N. 
XXVIII,  6.  s.  17. 

**)  Vielleicht  wählte  Pansanias  nicht  ohne  ürsaclie  das  Wort  By-irohic^ 
bei  dieser  Erzählung. 

6  * 


84 

elclion  roIIUmi.  Was  «Icn  Tliniciorn  Oi|»Iions,  den  Atliciioin  Bacls, 
de»  Ai\i^'iv<Mii  Mi'laiiipiis  war,  liids  «Icii  Tlu-banerii  Tin'sias.  Es 
sind  (iosaiiiinll)t'ii(Miiiiinii,('n  f>anzi'r  rropliclcnsclinlcn  und  VVahrsa- 
geiraiiulirii.  Kliiü,e  r'raiien  und  Proplicliiuicii  hicfscn  den  Thoba- 
HCrn  Töchler  desTiresias,  IMaiilo,  Daplim.'  (Diodor.  IV.  GG.  p.Sll.) 
Histoiis  u.  s.  w.,  laiiler  hi'dcnloiide  iSaiiwii  ans  i\Qr  Sailie  stdlist. 
Eine  solche  kluno  Wis  serin  halt'  anth  der  AUniciie  i'.ns  der 
Noih,  indem  sie  diirrli  iliren  vorfileiiden  Jiihel  den  Zauber  liis'le  *). 
Ein  anderer  alter  Vülksj-lanhe,  der  das  Wiesel  ein  durih  das 
Maul  «icliärendcs  böses  Lngeziefer  nannte,  wurde  damit  zusam- 
mcngesdunolzen  **),    die  Freundin  Alcmenens  wurde  in  ein  Wie- 


*)  Die  grieclilschcn  Worte  sind  <rc(f(<r,a«  tirE/c/v  —  cXoXuJai.  Das 
letztere  Wort  geliört  ganz  eigentlicli  in  die  Litanei  der  alten  Grie- 
clien  hei  FreatlcnlV'sten  ,  wo  die  Männer  'ä>.<tXä  ,  die  Weiher  oXoXu 
rieten,  so  wie  in  den  Bacchischen  Festen  tXaXsy.  Datier  wird 
cXoXu^SiV  dnrcliaus  von  dem  heiligen  JnlK'lrnf  der  Weither  schon  heim 
Homer,  It.  6.  302.  gehranclit,  wozu  Strunze  eine  eigene  Di.sserta- 
tion  de  uliilatn  in  sacris  Minervae  gesclirieben  hat.  So  viet  ist  aus 
Wesseling  zuDiodor. T.  If. p.90.  und  Ilemster huys  zuLucian 
T.  I.  p.  6.  allgemein  beliannt,  dafs  es  nur  von  Weihern  und  hei 
guten  Sciiriftsteltern  nur  von  frohem  Jubel  gebraucht  wurde. 
Es  wird  jedocli  ganz  eigentlich  von  den  Weihern  gesagt,  die  den 
Kreisenden  beistehen  und  nun,  so  wie  das  Kind  die  Erde  be- 
rührt liatte,  ein  lautes  Jnbelgeschrei  erhoben.  Die  Stellen  in  der 
Homerischen  ITvmne  in  A|)oll.  Del.  119.,  beim  Callimachus  in 
Del.  258.  und  Tlieocrit.  XVIf,  64.  lassen  darüber  tceinen  Zweifei 
übrig.  Vielleicht  entstand  die  ganze  Sitte  dieses  Rufs,  wozu  wir 
in  den  Keligionsgebräuchen  melirei-er  halbwilden  Nationen  in  Asien 
und  Nor<iamerika  noch  die  Parallele  linden,  zuerst  an  der  Seite 
der  Gehärerinnen  und  ging  dann  erst  auf  andere  religiöse  Ver- 
anlassungen über.  Wahrscheinlich  wurden  die  drei  Sylben  wie  ein 
Canon  gesungen.  Aber  aucl»  so  mag  es  an  die  lärmenden  Opfer- 
liturgieen  der  Wilden  erinnern.  Die  spätem  Griechen  verglichen 
die  Stiunne  die  Frosches,  womit  er  sein  Weibchen  loclit,  mit 
diesem  cXoXv.      S.  Aelian,  H.  An.  IX,  13. 

**)  Aelian,  H.  An.  XII,  5.  p.  663  ed.  Gron.  sagt:  die  Tliebaner  ehrten 
das  Wiesel  als  Amme  des  Hercules.  Diefs  sei  aber  so  zu  ver- 
stellen ,  dafs  ein  solclies  Thier  durch  sein  Vorüberlaufen  die  Ent- 
bindung der  Alcmene  befördert  habe,  nxSyj/xtvyjg  i-r  whlut  AXk- 
/w»)vij;  .—  Tijvös  •KCKpuhoa/xslv ,  k«<  Totif  twv  uiöivwv  kvffat  ie- 
c/xffiig,  Hai  v(yoiXS(7'j  rov  'Hf  axXt«  Kai  ti^irtiv  ^5>}.  Warum  könnte 
sich  nicht  auch  die  Sage  auf  ein  wirkliches  Ereignifs  gründen. 
Eine  Scliwergcbärende  erschrickt  durch  das  unvermutiiete  Vorüber- 


85 

Sficliei)  —  Galanlliis  oder  Galiiilhias  sind  mir  die  Tliebaiilschcii 
Vorkleineniniisformeii  von  dein  Woile,  welihes  im  Griecliisclieu  ein 
AYiesel  bczeitiiiiot  —  nach  nnd  n;uli  v(  iwaiidclt  und  ihr  Andenken 
auf  ewii^e  Zeiten  seihst  in  die  Li(iii.ü,ie  des  Hercules  verweht. 

Blicken  wir  nun  noch  ciiinial  auf  die  («oninienahhilduiiü;,  deren 
Uoirifs  nach  Maffei  dieser  Einladuni;ssrliril't  vor^,esetzt  worden 
ist.  *)  —  Hexen,  saj^t  Pansanias,  heniuifen  durch  ihren  Zauber 
tlie  Enihindung  der  Alcuiene.  Ilillijia,  erzählt  uns  Ovid ,  safs 
mit  i^ofalletcn  Händen  nnd  iil)crj;osclilai;('nen  Knieen  im  Vorhofe 
lind  kuii|if(e  dadurch  den  ma;2,ischeii  Nestel,  wodurch  die  schon 
eiiigetrelcnen  Wehen  sieben  Tage  zurückgehalten  wurden.  Seit 
der  Entbindung  der  Alcmene,  versichert  uns  Plinius,  war  jene 
Stellung  als  ein  schädlicher  Zauber  verrufen.  Niemand  durfte  bei 
üftentlicben  Verhandlungen  mit  übergeschlagenen  Kniecu  sitzen.  **) 


laufen  eines  Thiers ,  und  diefs  befördert  die  entscheidenden  Wehen. 
Diefs  setzt  der  fabelnde  Wunderglaube  mit  einer  andern  Sage, 
die  llitliyia  habe  auf  Befelil  der  Hera  einen  Zauber  geknin)ft,  in 
Verbindung,  und  so  bildet  sich  endlich  die  Metamorphose  der 
wissenden  Tochter  des  Tiresias,  der  Historis,  sage  femrae,  in 
ein  Wiesel,  über  deren  Fortpflanzung  und  Gebären  man  die  son- 
derbarsten Fabeln  ])atte  (Plinius  XXlV,  4.,  vergl.  Perizon  zu 
Aelian,  V.  H.  XIV,  4.  Camus,  Notes  sur  fbistoire  des  animaux 
d'Aristot.  p.  120.)  und  die  überhaupt  in\  Hexenkatechismus  des 
Alterthums  (Aelian,  Hist.  An.  IX,  55.  XV,  11.  Plinius  XXIX,  4. 
6.  16.  und  in  mehr  als  20  andern  .Stellen)  eine  so  grofse  Rolle 
spielte,  dafs  ihr  bloses  Vorüberlaufen  alle  Geschäfte  hemmen 
konnte.  S.  Aristoph.,  'ExjtXijff.  787.  Eine  Hauptstelle  ist  beim 
Artemidor  111,28.  p.  175  f.,  woraus  man  sieht,  iji  welcher  üblen 
Achtung  das  geschäftige  Thier  im  Alterthum  stand.  Wahrschein- 
lich kam  es  von  jener  alten  Sage ,  dafs  das  Wiesel  durcli  sein  liin- 
nnd  Herlaufen  den  Ausschlag  bei  der  Geburt  des  Hercules  gegeben 
habe ,  dafs  es  überhaupt,  wie  aus  dem  Artemidor  erhellet ,  für  ein 
cvi^ßoXov  &'jchiov  gehalten  wurde.  —  Man  gedachte  seiner,  wie 
Antoninus  Liberalis  bemerkt,  vor  jedem  Opfer  des  Hercules  bei 
den  Thebanern ,  und  so  entstand  die  Ueberlieferung ,  die  Thebaner 
verehrten  das  Wiesel,  wie  schon  Aeban,  Hist.  An.  XTI,  5.  sich 
ausdrückt,  und  die  Kirchenväter,  z.  B,  Clemens  von  Alexaadrien 
im  ITfOT^.  p.  25.  C,  anzumerken  nicht  vergessen  haben.  Vergl. 
Vofs,  de  Idololat.  111,  75.  p.  1136. 

*)  Hier  Tafel  1. 

**)  Die  Stelle    des  Plinius   ist    schon    oben    angeführt  worden.      Die 
Stellen    aus    dem   Plutarch    giebt    Winckehnann    in    seinen 


86 

In  der  Tliiil  ist  es  aiicli  Miifseisf  aiiffalN-nd,  dafs  wii'  auf  alleii 
Dj'nkniäK'in  diese  Slell(iii;i-  mit  vüllijs;  üljcr  i  eiiiaiitlcr  j^eselilage- 
neii  Kiiiecn,  wo  die  Kniekehle  des  einen  Fnfses  anf  dem 
Knioe     des     andern     liegt ,     nur     selten     antrelFen  *) ,      nnd     es 


Anmerkungen  zur  Geschiclite    der  Kunst  S.  61.  oder  in 
der  rörnioclieu  Ausgabe  von  Fea.   T,  I.  p.  333, 

*)  Es  versteilt  sich,  dafs  man  Vorstelhingcn ,  wo  diese -Haltung  der 
Fiifse  durch  die  Handlung  selbst  notliwendig  gemacht  wiid,  z.  B, 
in  den  Reliefs ,  wo  Eurjclea  dem  Ulysses  die  Fiifse  wäscht ,  in 
Winckeiinann's  Monument,  iuedit.  f.  101.,  vergl.  die  Gemme  in 
Tischbein's  Homer  in  Bildern  Taf.  22.  und  in  den  Grnjipos, 
wo  Satyrn  mit  Nympiien  ringen,  wie  im  Mnseo  Pio-CIement.  T, 
I,  p.  50,  gar  niclit  hit-ilier  reclinen  kann.  Wo  aber  sonst  diese 
Attitinle  auf  Heliffs  und  geschnittenen  Steinen  vorkommt,  da  ist 
immer  tiefes  iSaciidenken  oder  hoher  Schmerz  ausgedriickt,  und 
dann  wird  es  von  selbst  begreiflich,  warum  der  Ki'mstler  gerade 
diese  Stellung  wäidte,  welche  ein  gewisses  Vergessen  aller  Dinge 
aulser  uns  und  eine  Niclitachtiing  des  Ueblichcn  voraussetzt. 
Diefs,  glaube  ich,  läfst  sich  auf  alle  die  antiken  Vorstellungen 
anwenden,  die  Fea  zum  Winckelmann,  Storia  delle  Arti  T.  I. 
p,  333.  not.  B.  selir  lieifsig  gesammelt  hat.  Man  darf  z.  B,  nur 
den  Jupiter  in  den  Admirandis  t.  IG.  oder  den  Homer  im  Museo 
Capitolin.  T.  IV.  t.  27  mit  übergeschlagenen  Knieen  ansehen, 
um  sogleich  die  besondern  ^lotive  zu  entdecken,  die  der  Künstler 
gerade  Jiier  ausdrücken  wollte  Eben  diefs  ist  der  Fall  in  der 
sitzenden  Clio  in  den  Piiture  d'Ercolano  T.  H,  t.  2,,  welche  Fea 
nicht  angeführt  hat,  oder  in  der  berühmten  weiblichen  Figur  auf 
einem  Amethyst  in  der  vormaligen  königlichen  Sammlung  zu  Paris, 
die  schon  Montfaucon,  Antiqu,  Expl.  Suppl.  T.  III.  pl.  13, 
n.  1.  und  nach  ihm  Mariette  undAndeie  gegeben  haben.  Sie  ist 
in  Nachdenken  über  das  Orakel  versuidven,  welches  ihr  so  eben 
der  kleine  Gott  auf  der  Säule  oben  vorgesprochen  Jiat.  Sonst 
bindet  man  diese  Stellung  fast  gar  nicht.  So  sucht  man  sie  z,  B. 
anf  melir  als  300  Vasengemälden,  wo  mehr  als  eben  so  viele  sitzende 
Figiuen  vorkommen ,  vergeblich.  Dafür  halfen  sich  die  alten 
Künstler  mit  einer  Stellung,  die  uns  fast  ganz  fremd  ist,  näm- 
lich dem  Aufsetzen  des  einen  Fufses  auf  einen  Stein  oder  auf 
einen  andern  Auftiitt,  wodurch  der  Körper  einen  sehr  ausdrucks- 
vollen Gegensatz  von  Anstrengung  und  Abspannung  erhält.  Eine 
andere  Ursache,  warum  man  der  übergeschlagenen  Kniee  sehr 
wohl  enlübrigt  sein  konnte,  waren  die  Fufsschemel,  die  fast  den 
ineisten  sitzenden  Siatuen  von  einiger  Wurde  untergesciioben  wer- 
den.    U-gtuigeus  nmfs  mau   durchaus  übergeschlagene   Kniee,    von 


87 

ist  daher  kaiiiii  zu  bezweifeln ,  dafs  die  Küiisller  mit  Rocht 
Bedeuken  (riiü,eii,  einer  Figur  im  hieilieiideii  Hilde  die  Altilnde  zu 
geben,  die  selbst  seiiiiell  vdrüberüeliend  im  Leben  den  Wolilslaiid 
zu  beleidigen  seliitMi,  Eine  noch  giiifsere  Sellenlieil  dürfte  die 
Hallung  der  Hände  auf  den  Rnii-cn  lüil  engverseliriinlvlen  Fingern 
sein,  wovon  mir  wenigslens  bis  jtMzt  noch  jiirgfuds  weiter  <'in 
Beispiel   auf  alten   Bildwerken    vorgekommen  ist  *}.     Beide 


welchen  hier  nur  die  Rede  sein  kann ,  und  übergeschlagene  Füfse, 
wo  nur  die  Füfse  iinterlialb  der  AVaden  über  einander  gelegt  werden, 
von  einander  unterscheiden.  Letztere  sind  als  Zeichen  der  Ruhe, 
wie  sclion  Lessing  in  seiner  Abhandlung:  wie  die  Alten  den 
Tod  gebildet  haben,  selu' häufig.  W'inckelmann  hat  am  an- 
geführten Orte  sie  ganz  verwecliselt,  und  dagegen  erklärt  sich  nun 
anch  Lessing  in  den  CollectaJie  en  urtter  dem  Worte  Ilithyia. 
[Im  n.  t.  Merkur  1802,  St.  4.  S.  301.  giebt  B.  zu,  dafs  das 
Händefalten  auch  zur  Bezeichnung  der  entgegengesetzten  Ge- 
müthsstimmung,  des  Entzückens  so  wie  der  Trauer,  angewendet 
wird.  S.  Winckelmaun  zu  den  Monuinenti  inediti  p.  202.  Als 
Zeiclien  des  Entzückens  kommt  es  in  diesen  Monumenten  bei  der 
Electia  vor  No.  151. ,  als  Zeichen  ruhiger  Betiachtung  auf  dem 
Votivschilde ,  welclies  Mi  Hin  (Magazin  encyclop.  Annee  VI.  No. 
15.)  so  befriedigend  erklärt  hat.  —  S  299.  erklärt  er  die  Stelle  des 
Petronius  17.  p.  57.  Burm.  manibus  inter  se  constrictis,  wenn 
anders  diefs  die  walire  Lesart  sei ,  von  einer  ganz  andern  Sitte ,  die 
Gelenke  knacken  zu  lassen,       Zusatz  de^  Herausgebers.] 

*)  Denn  als  Ausdruck  des  tiefsten  Schmerzes  finden  wir  die  Stellung, 
wo  Personen  die  über  einander  gescldagenen  Kniee  mit  gefaltefen 
Händen  umscliränkeu ,  allerdings  bei  alten  Schriftstellern.  K«Ss- 
ffSsi?  ili  '/cvu ,  sagt  Plut.  in  C.  Graccho  c.  IG.  T.  V.  p.  247.  Apu- 
lejus  malt  sie  sehr  trelfend  zu  Anfang  des  3ten  Buchs  seiner 
Verwandlungen  p,  13.  ed.  Pric. :  Gomplicitis  pedibus,  ac  palnuilis 
inter  alternas  digitorum  vicissitudines  super  genua  connexis ,  sie 
grahatum  cossim  insidens,  ubertim  flebaiu.  Der  belesene  Price 
erinnert-dort  in  den  Anmerk.  S.  133.  an  eine  Stelle  in  dt.'S  Basi- 
lius  Homilien ,  wo  der  heilige  Vater  die  über  Mifswachs  trauernden 
Landleute  schildert:  Ta7s  ä^jov^ai^  bttihk^-^uv^oc  ,  x«)  tck;  X"?"? 
■naroc  Tcüv  yovärwj  0'u/a7rXs:;avrs?  *  tovto  h'i  raiv  ttev^ouvtwv 
cy/iiJ-A.  Man  mufs  aber  hierbei  wohl  bemerken,  dafs  diese  nie- 
derkauernde Stellung  (diefs  drückt  eben  Apulejus  durch  sein 
cossim  aus)  zugleich  mit  einem  Beugen  des  Kopfes  bis  auf  die 
Kniee  verbunden  war.  So  sitzen  die  Grazien  im  leeren  Kasten 
des  Simonides  heim  Theocrit.  XVI,  11.  n^l^x?»''?  «"  J'ovärEcrtft 
v.oiqv)  ixi[xvo-jTt  ß<xXovff(M ,    und    in    dieser   Attitüde   ersclieiut   das 


88 

Halinngeii  vcreini'rt  gie1>t  die  sitzende  weibliche  Figur  auf  unserer 
Gt'iiimo.  Es  ist  Ilitliyiii,  die  Hexe,  schrieb  Lessing  in  seinen 
Colk'clanePM ,  und  der  Loser  ni;ig  entscheiden ,  ob  ich  die  Belege 
dazn  richtig  gcliinden  und  den  Beweis  daraus  überzeugcad  ge- 
führt habe. 

Aber  ist  diefs  auch  die  alte  Ililhjia,  die  wir  hier  erblicken"? 
Sie  hat  docli  in  der  Tliat  nichts  weniger  als  ein  hexenarliges 
Anselin ,  und  wenn  sie  bezauberte,  so  tliat  sie  es  vielleicht  nur 
mit  jener  Magie,  die,  in  den  Gürtel  dei'  holden  Göttin  von  Paphos 
gebannt,  alle  schonen  Frauen  und  Mädchen  zu  natürlichen  Zau- 
berinnen macht.  Wie  hätte  man  sie  auch  y-owst  für  eine  Agripjjina 
nehmen  können'?  Lessing  würde  diefs  Alles  gern  zugeben  und 
danun  doch  eine  llithjia ,  zur  Gestalt  einer  romiseheu 
Matrone  veredelt,  darin  finden  können.  Wer  mit  der  allraäligeu 
Verschönerung  vieler  ihrem  Ursprünge  nach  sehr  rohen  und  un- 
förmlichen Göttergeslalten  in  der  alten  Welt  nur  etwas  bekannt 
ist  und  besonders  die  römische  Kniisiperiode  unter  Adrian  und 
seinen  nächsten  Nadifolgern  stndirt  hat,  wo  allen  steifen  und 
freindarligen  Formen  die  damals  herrschende  V^  eichheit  der  Alex- 
andrinischen  Manier  eingellöfst  wurde,  den  wird  es  nicht  be- 
frentden ,  auch  aus  den  alten  steifen  Hecate-  und  Ililhjienbildern, 
wie  sie  Pansanias  noch  erblickte  *} ,  eine  römische  Matrone  her- 
vorgehen zu  sehen.  Die  steifen  ägyptischen  Isisbilder  und  die 
mumienarligen  E])hesisclien  Göttinnen  haben  unter  den  Händen  der 
sjiätern  giiecliischen  Künstler  bei  den  Ptömeru  gleiches  Schicksal 
gehabt  **).     Jrre   ich   nicht,    so  findet  sich  die  alte  llithjiengestalt 


lioclibetrlibte  Mädclien  im  Apulejiis  IV,  p.  80.,  quae  inter  gemia 
sua  (leposito  capite  sine  modo  llebat.  Auf  dem  Gemälde  des 
Ccbcs  ]).  8'i.  ed.  ScliweigU.  ersclieint  die  personiiicirte  Traurigkeit 
v)  r'^v  KstpaXvjv  sTTi  To7g  yövtxffi  sj^olkt«  ,  AuVi].  Vergl.  Horaz  II. 
Serjn.  8.  58.  Ovid.  II.  Fast.  756. 

*)  Die  Ilitliyia  zu  Aegion  besclireiljt  Pansanias  VII,  23.  p.  322.  so, 
dafs  mau  sogleich  die  Nachldlrhuig  einer  alten,  engeingewickelten 
lüphesisclien  Göttin  daran  erblickt.  Sie  ist  vom  Kopf  bis  auf  die 
Fiifse  mit  einem  zarten  Gewände  bedeckt,  wovon  nur  das  Gesiclit 
niid  die  änl'sersten  Arme  und  FüTse  hervorgelien.  Der  Pentelische 
Marmor,  ans  welclieju  das  Gesiclit  und  die  Extremitäten  gemacht 
waren,  heweis't  Iiinlänglicli ,  dafs  sie  nach  einem  altern  Bilde 
verf^cliöiiert  worden  war.  Das  Bild  zn  Ilermione,  welclies  nur  die 
IMicsterin  ^elien  durfte,  Pausan,  II,  35,  p.  316,  hatte  vielleicht 
nocii  deutlicliere  Spuren  seines  Ursprungs. 

**)  Man    veigleiche    einige   der   ältesten   Isisliguren   bei  Cajlus,  z.  B. 


89 

nocb  in  der  Abbildung,  die  Petaiit  von  der  Götlia  Postverla 
anf  dem  Relief  eines  allen  Gediicbtnifssteines  gegebeu  bat,  und 
welfbe  ich  daher  dem  Umrisse  unserer  Gemme  zngesellt  habe. 
Die  Ueherschrift  ist  ein  Ex  -  Voto  -  Täfelchen ,  das  ein  gewisser 
Antiiins  dem  Mercur,  dem  Gott,  der  Seelen  in's  Leben  ruft  und 
aus  dem  Leben  heimleilet,  nnd  der  Poslverta  zum  Andenken  seiner 
glücklich  eiiibundenen  Frau  gesetzt  bat  *).  Die  Poslverta  ist  nach 
der  Han[)(stt'lle  des  Yairo  beim  Gellius  (XM,  16.)  eine  der  zwei 
Carmenten  und  die  Gölliu  der  schweren  Geburten,  wo  das  Kind 
eine  veikdirte   Lage    hat,    und    die   Fiifse    zuerst   eiulreteu   **), 


Recueil  T.  II.  pl.  2,  1.  mit  den  bis  zur  Weichlichkeit  verfeinerten 
Isisbildern  aus  dem  Zeitalter  Adrian's ,  wovon  die  schönste  sich  in 
der  Villa  Albani  ans  Bigio  gearbeitet  befand,  nnd  von  Fea  zu 
Winckelmann,  Storia  delle  Arti  T.  I.  tab.  X.  abgebildet  worden  ist. 
Vergl.  Mus.  Capitol.  T.  III.  t.  81.  Eben  so  ging  es  mit  dem 
Hieroglyplienbilde  der  Epliesisclien  Diana.  Welch  ein  Abstand  z\vi- 
schen  den  altern  mit  Brüsten  und  Thierköpfen  besäeten  Bildern 
bei  Menetrier,  oder  auch  nur  der  spätem  Dresdener,  und 
den  bis  zur  Zierlichkeit  ausgearbeiteten  Floientinischen  bei  Gori, 
Mus.  Florent.  T.  I.  tab.  20.  oder  dem  räthselliaften ,  aber  noch 
immer  selbst  im  zarten  Gewände  den  Schnitt  der  Ephesischen 
Dianenbilder  behaltenden  Bilde,  das  Visconti  fiir  einen  Apollo  za 
halten  geneigt  ist,  im  Museo  Pio-Clement.  T.  III.  tab,  39? 

*)  Gruter  in  Inscript.  p.  L.  9.  fülii-t  die  Inschrift  aus  einem  Steine 
mit  dem  Relief  an,  der  sich  damals  zu  Rheims  befand,  aber  in 
Langres  gefunden  worden  war.  Da  ist  aber  die  blose  Inschrift 
ohne  die  Abbildung.  Diese  hatte  schon  der  Pariser  Parlaments- 
rath  Panl  Petant  in  seiner  Sammlung:  antiquariae  snpellectilis 
portiuncula  (nachgestochen  im  S  allen  gre's  Tliesanr,  Antiqu, 
T.  II.)  c.  1013.  Thes.  Sallengr.  gegeben  und  daraus  Casp.  Bar- 
tholin in  seinem  Commentar  zu  seines  Vaters  antiquitatibus 
puerperii  (Amstelod.  1676.)  p,  17.  wieder  nachstechen  lassen. 


** 


')  Die  Dunkelheiten  der  ältesten  italienischen  Mythen,  worüber 
Heyne,  Excurs,  VII.  ad  Aeneid.  VII.  p.  144.  ff.  mehrere  feine 
Bemerkungen  gemaclit  hat,  -erstrecken  sich  auch  auf  diese  Göttin 
Postverta.  Vergleicht  man  die  Stellen  des  Ovid,  Fast.  I,  633.  (mit 
N.  Heinse's  Anmerkung)  mit  Gellius  XVI,  16.  und  Macrob.  I, 
7.  p.  237.,  so  geht  soviel  daraus  hei-vor,  dafs  schon  die  älteste 
Colonie,  die  vorgeblich  unter  dem  Evander  aus  Arcadien  einwan- 
derte, den  Glauben  an  zwei  prophetische  Göttinnen,  die  Ver- 
gangenheit und  Zukunft  sängen,  Camesae,  Camesenae,  Car- 
mentes   genannt  C^ergl.  11  c  y  ii  o  zu  Virgil  T.  111.   p.  140.),  woraus 


90 

Diese  erscheint  auf  jenem  Relief  als  eine  Büste,  «lie  aus  einem 
Cyliiidcr  liervorgehf.  Nun  ist  aber  diese  cyliiidrisclic  Form  <«,orade 
die  ältesle  Bildunji,-  der  Epliesisclicii  Gültin ,  die  daher  mehrere 
Archäologen,  wie  z,  B.  Caylus,  lieher  j^ar  von  Aegvplcn  ah- 
slammen  liefsen  *).  So  dachte  sich  also  der  Römer  seine  alte 
Ilithvia ,  die  schon  mit  der  Mutier  Evander's  au  die  Ufer  der  Tiber 
gekommen  sein  sollte.  Aber  auch  die  späfesfe,  bis  zu  einer  Ma- 
trone verschönerte  AhbiichiniJ,"  auf  den  Gemmen  hat  wenigstens  noch 
das  lange  knappanlicgcnde  Gewand  zum  Abzeichen  behalten. 

Man  kann  freilich  noch  mehr  fragen  und  es  sehr  sonderbar 
finden,  dafs  gerade  der  hemmenden  Gehurlsgöllin  mit  ihren  bindenden 
Zauberknoten  die  Ehre  widerfuhr,  in  einen  Stein  geschnitten  zu 
werden.  AVer  mag  aber  den  Aberglauben,  der  von  jeher  in  den 
Kopfeil  bedrängter  Gebärerinuen  und  geschwälziger  Hebammen  so 
uiancheu  Hexentaud  und  Zauheruufug  ausbrütete  **),  iu  alle  seine 


die  Camonae  entstanden  sind,  welclie  die  spätem  Dichter  gerade 
weg  für  die  3Iiisen  setzten,  in  jene  Gegenden  biachte,  und  dafs 
die  eine  Piosa  oder  Porrima  oder  Antevorta,  die  zweite  Post- 
vorta  geheifsen  habe.  Diese  wurden  mm  aber  als  Parcen  oder 
Feen  vorzüglich  bei  der  Geburt  der  Kinder  beschäftigt  gedacht, 
gie  beförderten  oder  binderten  die  Geburt  (^Varro  Ijeim  Gellius: 
hujns  periculi,  ubi  pueri  conveisi  in  pedes  in  utero  retineri  so- 
lent,  deprecandi  gratia  aiae  statutae  sunt  Roniae  duabns  Car- 
nientibus,  quaruni  altera  Postverta  nominata  est,  Prosa  altera  a 
recti  perversique  partns  et  potestate  et  nomine  j  und  sangen,  wie 
die  Mören ,  das  Schicksal.  Nichts  war  natUrÜciier,  als  dafs  nun 
eben  diese  Gottinnen  auch  mit  den  Ilitliyien  verwechselt  und  ihnen 
ahnlich  gebildet  wurden. 

*3  Aber  unter  einer  ganz  falschen  Voraussetzung.  S.  Meyer  in 
der  Götting.  Bibliothek  der  Literat,  und  Kunst. 
St.  X.  p.  26.  If. 

**)  Man  denke  nur,  wie  uns  Socrates  in  seinen  berüliinten  Anspiel- 
ungen auf  die  Hebamnienkunst  seiner  Mutter  die  griecliisclien 
Hebammen  schildert  in  Theaeteto  T.  II.  p.  C3,  ed.  Bipont. 
hihoZ>7at  (pcnQixay.ioe  y.ix]  sTtJ-äa?.  Wie  fruchtbar  ist  das  Register 
der  Gebuits-,  Sänge-  und  Wiegengöttinnen,  die  uns  Arnobius 
und  Augnstin  aufgezeichnet  haben,  und  die  Bajle  in  seinem 
Dictionnahe  s.  v.  Junon.  not.  G.  A.  uns  so  gewis.«enliaft  wieder 
zuzählet!  Vieles  findet  man  sclion  bei  ^leursius  und  Bartbo- 
lin,  de  puerperis  gesammelt,  wozu  sicli  noch  naiuiiafte  Beiträge 
liefern  liefsen.  Ich  erinnere  hier  nur  an  den  uralten  Aberglauben  . 
von    dein   GricksliUlcben,    welches     manclie   Kinder     mit    auf  «lie 


91 

Srliliipfwiiikel  und  Irrgäiige  verfolgen!  WohlthiUljj^e  Feen  nnd 
verderbliche  Sclireckgestaltfii  timschwebcn  —  die  Sage  aller  Völker 
luid  Zeilalter  sliiniiit  darin  üherein  —  die  schieksalsschwaii2:pre 
Gebiirtsstuiide  des  Menschen,  und  von  jeher  suchte  man  sich  daü,e_2;en 
durch  Anmiete  und  zauherstiHende  Mittel  zu  schützen.  Vielleicht 
war  also  auch  unsere  Gemme  zu  einem  ähnlichen  Aninlet  bestimmt! 
Hactenus  histoiiae  I  miiciite  ich  wohl  mit  dem  Aslrolöü,en  des 
Properz  in  jener  antiquarischen  Eleii;ie  a^isrnfen ,  die  nus  aucli  von 
der  hellenden  Lucina  ein  so  tröstliches  Wort  zn  sagen  weifs  (IV, 
1. ).  Nur  einer  Frage  wünschte  ich  noch  zu  begegnen,  die  ge- 
wii's  mancliem  meiner  Leser  bei  der  Betrachtung  unserer  Zauber- 
llgnr  auf  der  Lippe  schwebte.  Wenn  diefs  Zusammenfalten  der 
Finger  im  ganzen  Aiterthum  so  verrufen  und  als  magischer  Kno- 
ten von  der  schlimmsten  Vorbedeutung  war,  wie  kommt  es,  dafs 
eben  diese  Haltung  der  Hände  und  Finger  durch's  Christenlhuni 
geheiligt  wurde  nnd  zwei  so  gefaltete  Hände  allgemein  das  Zeichen 
der  Andacht  und  des  inbrünsligen  Gebets  geworden  sind?  W^er 
mag  besser  darauf  antworten  als  der  grofse  Cerinionienmeister 
des  Christtauismus ,  der  heilige  Vater  zu  Rom  selbst  I  Denn  so 
schreibt  der  Papst  Nicolaus  L  an  die  zum  Christenlhum  bekehrten 
Bnlgaren  im  Jahre  860. ,  nachdem  er  versichert  hat ,  dafs  diefs 
Händefalten  kein  Befehl  der  Kirche,  aber  doch  eine  feine  änfser- 
liche  Zuüht  sei :  „  Im  Evangelium  werden  die  Bösen  an  Händen 
und  Fiifsen  gebunden.  Was  tliuu  nun  die,  welche  ihre  Hände 
vor  dem  Herrn  binden,  Anderes,  dafs  sie  Gott  damit  gleich- 
sam zurufen:  Heir,  befiehl  nicht,  dafs  mir  die  Hände  gebunden 
werden ,  nnd  dafs  mau  mich  in  die  äufserste  Finsternifs  werfe. 
Denn  siehe,  ich  habe  mir  die  Hände  selbst  gebunden  und  bin 
bereit,  mich  stäupen  zu  lassen  *)."     Die  ganze  Stelle  ist  in  mehr 


Welt  bringen,  dessen  schon  Plinius  gedenkt  und  welches  noch  in 
dem  französischen  Sprichwort :  etre  ne  coiöe  fortdauert.  Von  eigenen 
Schreckgestalten  und  Gespenstern,  welche  die  Gebärenden  sehen, 
weifs  uns  Psellns,  de  operat.  daemonum  p.  118.  edit.  Kilon. 
Manches  zu  erzählen,  wo  das  (päc/xot  5>jXu//of(f)ov  r^  Xsy^o7  vag- 
ivsx^o(Ty)(rAv  noch  immer  an  die  alte  Ilithyia  erinnert.  In  einer 
Sammlung  von  populär  superstitions ,  die  Francis  Grose  sei- 
nem 1790.  zu  London  herausgekommenen  Provincial  Glossary  bei- 
gefügt hat,  finde  ich  S.  44.  aucli  Folgendes  angemerkt:  It  is 
customary  for  women  to  olFer  to  sit  crofs-legged  to.  procure  luck 
at  Cards  for  their  friends.  Sitting  crofs-legged  with  tJie  fingera 
fnterlaced  was  always  esteemed  a  magical  posture. 

*)  Ich  verdanke  diese  Stelle    dem   Aringhi,    Roma    subterranea   VI, 
2G.   CT.  II.    p.  578.    ed.  Rom.    1651. ^,    in   dessen   biUleireicliem 


92 

als  ciaer  Rücksicht  merkwürdig.  Denn  ersdich  schon  wir  daraus, 
dafs  j^egen  das  Ende  des  ncnnlen  Jahrhnnderls  die  Sitte  des  Hän- 
dcfaltens  noch  so  wenig  allgemein  war,  dafs  selbst  der  Papst 
darüber  sein  Gutachten  ausstollen  niufste  *).  Wir  erfahren  aber 
auch  zugleich  den  wahren  Sinn  dieser  Sitte.  Es  Avar  ein  armes 
Sünderbekenntnifs  voll  Demnlh  und  orientiilischer  Uutcrtbänigkeiti 


Werke,  so  wie  in  Bosins,  ich  vergeblich  nach  einer  Figur  eines 
Beters  nüt  gefalteten  Händen  gesucht  habe. 

*)  Die  Christen  behielten  die  alte  Art  zu  beten  ^palinas  snpinas, 
5^£(fuJv  uTT/cIff/xaT«,  Aescliyl.,  Prom.  V.  1034.  mit  Stanley's 
Anm. ^  anfangs  bei,  veränderten  aber,  als  die  Staurodulie  einrifs, 
diese  Haltung  in  so  fern,  dafs  sie  nun  die  Arme  ziigleicli  weit 
ausspreizten,  um  so  die  Gestalt  des  Kreuzes  darzustellen.  So 
liefs  sich  Constantin  auf  Münzen  und  anderm  Bildwerk  vorstellen 
TW  x**^?^  sKTiTtt/xivcf.  Eusebius  in  Tit.  Const.  IV,  15.  mit  V  a- 
lois  Anmerk.  S,  242.  Paris.  Diese  Stellung  ist  im  Mittelalter 
und  bis  tief  herab  in's  zwölfte  Jalirh\indert  die  allgemeinste.  Yergl. 
Bonaroti,  sopra  alc.  frammenti  anticbi  di  vitro  p.  121.  und 
die  zahlreichen  Stellen,  die  Bingham,  Orig.  Eccles.  T.  V.  p. 
267.  Rech'enberg,  de  X^'?"?<^"?  orantium  (_  Lips.  1678.),  Cal- 
vör,  Rituale  sacrum  T.  II.  p  582.  ed.  Jenens.  und  vor  Allen  Hil- 
debrand  in  seinem  Rituali  orantium  c.  9.  gesammelt  haben.  Nun 
legte  man  aucli  die  Arme  kreuzweis  über  einander.  Dann  hob  man 
blos  die  über  einander  gelegten  lialbliolilen  Hände.  Endlich  kam 
es  zu  unserm  jetzt  üblichen  Händefalten,  welclies  offenbar  mit 
der  Sitte  der  Orientalen ,  die  Hände  mittels  der  langen ,  in  ein- 
ander passenden  Rockärmel  zum  Zeichen  der  Unterthänigkeit  zu 
fesseln,  oder  mit  den  Strait  Coats  in  den  Tollhäusern,  einerlei 
Absicht  und  Bedeutung  hat. 


III. 

,       'Xyiiiot ,    nrqLaßicroi  [xomcxgwv 
fJiSTa    vtv    vixtot[xi. 

Die     heilbringenden    Götter. 

Eine         Neujalirsgabe. 


IVfartialis  VI,  70. 
Si  nostri  bene  computentur  anni, 
Et  quantum  tetricae  tiilere  Febres, 
Aiit  languor  gravis,  ant  mali  dolores 
A  Vita  meliere  sepaientnr; 
Infantes  sumiis  et  senes  videmur. 

Freund,  berechnen  wir  unser  Alter  richtig:, 
Wird,  was  .Mattigkeit,  Schmerz  nnd  Fieber  wegnimmt, 
Von  dem  gliickliclieu  Leben  abgezogen. 
Dann  sind  wir,  wenn  wir  Greise  scheinen,  Kinder. 


iTiit  Recht  Ijeriihrle  in  einem  der  zlerlichsleii  pantomimisrhen 
Tänze,  welche  im  verllossenen  Winter  zum  \Vie(ler»renesiinosfeste 
eines  a:eliel)(en  Oheims  die  ki)nia,liche  Familie  in  Berlin  aaiTührte, 
die  allbelebeude  und  allverschönendc  Minerva  mit  ihrem  symboli- 
schen Sclimelteilingssfahe  vor  Allem  zuerst  die  göttliche  Gruppe 
des  Aescnlapius  und  seiner  Tochter  Hyj>iea.  Der  grämliche  Gott, 
der  über  Alles  kriUelt  und  knnstrichtet,  und  der  selbst  bei  der 
holdeslen  aller  Unsterblichen  ,  der  Göttin  vonPaphos,  wenigstens  am 
niedlichen  PaiilölTelchen ,  noch  etwas  auszusetzen  fand,  mit  einem 
Wort  Gott  IMomus  mit  der  grünen  Brille  auf  der  Nase,  mag  im- 
merhin gleich  au  dieser  Gruppe  seine  auliquarische  Zweifel-  und 
Tadelsucht  geübt  und  es  wohl  gar  für  einen  lächerlichen  üebel- 
stand ,  ja  selbst  für  einen  irländischen  Bullen  erklärt  haben ,  dafs 
die  Gotlheilen  ,  welche  sich  gerade  bei  der  Wiederherstellung-  eines 
geliebten  Kranken  aln  thätigslen  und  lebendigsten  bewiesen 
hallen,  hier  an  seinem  Geuesungsfeste,  nachdem  ihnen  sogar  schon 
auf  einem  eigenen  Altare  die  Opferflamme  gezündet  worden  war, 
erst  noch  beseelt  uud  bethäligt  werden  mufsten.  „  Die  Gruppe  des 
Aeseulap    uud    der   Hygiea  ,'^    sagt   Hirt,   der   gelehrte    Erlinder 


94 

dieser  panfomlmischen  Ziisammonstellnng  *),  ,,war  dnich  das  Fest 
selbst  molivirt  und  oIkmi  so  das  Daiikojifer ,  welches  vor  dieselben 
gobraclit  ward.''  Er  hätte  hiiiziisefzen  können:  und  mit  v.elcheii 
glückliehein  Vorbedenlnniien  hätte  das  Fest  l)eginneii  können  als 
unter  dem  Vortritt  dieser  hcilbrinirenden  Gottheiten,  Acscnlap's,  des 
Helfers,  nnd  IIv»  iea ,   der  Milden  ? 

So  "laiibte  wenigstens  der  Sclireiber  dieses  Blattes,  der  mehr 
als  eine  Veranlassnn«;-    hat ,    den  Jahreskreis    mit    einem   Wort    nnd 
Bild    der    befsten  Yorbedenhuii^    nnd    Glii('ksHiinsehll^^■    anznireten, 
kein  vielsagenderes  und  kräftigeres   Svmliol   zur  fröhlichen  Bewill-      , 
kommnnng  seiner  ihm  theuren  Frcniide  wählen  zn  können  als  jene     ] 
ehrwürdigen,  mit  (ansend  Zungen  und  Hymnen  **)  ge])riesenen      ' 
Gottheiten ,  in  Avelchen  die  Griechen  und  Römer  die  Vorsteher  und 


*)  S.  Dädalus  und  seine  Statuen,  ein  pantomimischer  Tanz,  lierans- 
gegeben  von  Hirt  (^Berlin  ,  Sander  1802,  in  gT.  4.  mit  12  co- 
lorirten  Kupfertafeln)  S.  17.  Gewifs  verdiente  das  hier  aufge- 
stellte Muster,  die  "Wunder  der  Pantomime  ans  dem  Scliattcn- 
reiche  der  alten  griecliischen  Heroenfabeln  wieder  liervorznrufen, 
bäuligere  Nacliahmung,  wobei  die  von  Hirt  dort  ertheilten  Winke 
Vlber  Kostümes  und  Anordnung  solclier  Ballette  sehr  unterrichtend 
sein  könnten.  Da  es  bei  solchen  Carnavalslustbarkciten  rdcht  so- 
woiil  auf  eine  regelinäfsig  durchzulührende  Handlung,  wie  in 
Amor  imd  Psyche,  Theseus  und  Ariadne,  ankommt  (^denn  diese 
Gattung  geliÖrt  aufs  Theater) ,  sondern  nur  von  Processionen 
die  Rede  sein  kann,  die  sich  am  Knde  in  einige  Tänze  ver- 
scldingen,  so  erinnere  ich  noch  zum  üeberflufs,  dafs  die  Argo- 
nauten in  Lemnos,  Jason  mit  der  frommen  Hypsipyle  voran,  ein 
sehr  passendes  Sujet  für  eine  edle,  so  vvie  die  zwölf  Arbeiten  des 
Hercules  für  eine  burleske  Processiou  darbieten  können. 

**}  In  der  Liturgie  der  Griechen  gab  es  auch  alte  und  neue  Gesang- 
bücher, wie  bei  uns.  „Aesculap,"  sagt  einmal  Lucian  (Lob- 
rede auf  den  Demosthenes  c.  27.)  „läfst  sicli's  gefallen, 
wenn  ihm  in  Ermangelung  eines  neumodischen  Liedes  ein  altes 
kräftiges  Lied  vom  Trözenier  A 1  i  s  o  d  e  m ,  oder  vom  S  o  p  li  o  c  1  e  s 
gesungen  wird. "  Wahrsclieinlich  wissen  es  selbst  in  Cassel  Man- 
che, die  sich  zum  neuen  Jalire  Glück  wünschen,  nicht,  dafs  in 
dem  dortigen  ]Museinn  Fridcricianum  eine  Marmortafel  mit  einem 
gi'iechischen  Loblied  auf  den  Aesculap  und  seine  Familie  auflje- 
wahrt  wird,  welclie  zwei  hessische  Regimenter  als  gute  Beute  mit 
aus  Athen  brachten,  Landgraf  Carl  hatte  diese  Regimenter  1687 
an  die  Venetianer  zum  Krieg  in  Morea  abgelassen.  Denn  die 
Venetianer  kauften  damals  mit  Zechinen,  was  100  Jalire  später 
die  Briten  mit  Guineen! 


95 

Anssponder  der  holdesfcii  allor  Hininielsgaben ,  der  Gesundheit, 
aijl)PK'leu  iiiid  voihciilicIiltMi.  Unseio  Leser  erblicken  anf  dem  Ti- 
lelkupfcr  *)  eine  durch  Fonii  niid  Material  sehr  nierkwiirdige  Vor- 
stelhii)"-  des  niiti»eii  Gottes,  das  heifst  (selbst  der  wahreu 
Ableilniig  des  Wortes  nach)  des  Aesculapiiis  **) ,  niid  seiner 
froninien,  die  Menschen  beglückenden  Tochter,  der  Gesnndheit 
oder,  was  nach  dem  Griechischen  einerlei  ist,  der  HYgiea. 
Und  diese  IVeiindliche  Grnppe,  was  kann  sie  nns  Anderes  zuwinken 
und  znrnfen  wollen  als  das,  was  auch  schon  der  humane  Grieche 
nnd  Römer  zum  vollgiltigen  Abscliiedsgrufs  zu  sagen  pflo»te: 
Bleibe  gesund  ***y.  Denn  was  ist  ohne  Gesundheit  im  Him- 
uiel  und  anf  Erden  geniefsbar  und  wünschenswerlh'?  Nichts  wäre 
daher  tliörichter  als  das  Aowiinschen  eines  langen  Lebens,  wenn 
nicht  diefs  zugleich  auch,  wenigstens  in  der  natürlichen  Ordnung 
tler  Dinge,  lange  Gesundheit  voraussetzte.  Nicht  Lehen,  sonderu 
Gesundsein  heifst  leben  ,  sagt  schon  der  alle  Epigranimendichtc)'  f), 
«nd  Montaigne  bemerkt  mit  Reclit ,  dafs  man  bei  einem  Menschen, 
dem  man  eine  Grabschiift  zu  setzen  Willens  sei,  nie  fragen  solle: 


*)  Hier  Tafel  II. 

**)  Die  Griechen  hatten  selbst  schon  die  Wurzeln  ilirer  meisten  GÖt- 
ternameu  verloren.  So  kann  man  sich  kainn  etwas  Kindischeres 
denken  als  die  Ableitnngen  des  Wortes  Asklepios,  wie  im 
Griechischen  Aescnlap  ausgesprochen  wird,  im  grofsen  EtjTnolo- 
gicum,  oder  bei  Tzetzes  zum  Lycopluon  1054.  Das  Wort  lieifst 
eigentlich  der  Schmerzenlindernde,  ^/tjo?  ,  (]  s.  Gesner  in  einer 
Vorlesung  zn  jener  Casseler  Inschrift  in  Comment.  Societ.  Got- 
ting.  T.  II,  p.  289.)  Esmnn.  Denn  aus  Aegyi^ten  brachten  phÖ- 
nizisclie  Kanffalirer  mit  der  Heilandssclilange  auch  den  Esmun 
(den  ägyptischen  Aesculap ,  s.  Jablonsky,  Panth.  Aegypt.  T. 
III.  }).  193. 'J  nach  Epidaurus.  Dafs  das  Wort  ein  Zwitter  und  in 
den  letzten  drei  Sylben  griechisch  sei,  bewies  einst  schon  Demo- 
sthenes  durch  eine  richtigere  Betonung  in  der  Aussprache,  wurde 
aber  wegen  dieser  Pedanterei  vom  souveränen  Athenischen  Pöbel 
wacker  ausgelacht.  S.  Plutarch  in  vitis  X.  Rhetor.  T.  IV.  P.  I. 
p.  390,    Wyttenb. 

***)  Vale,  vylaivs.  Man  war  äufserst  pünktlich,  diefsen  Grufs  nicht 
bei  der  ersten  Begiüfsung,  sondern  beim  Abschied  auszusprechen, 
und  Lucian  mufste  wegen  einer  solchen  Verwechselung  sich  durch 
eine  eigene  Sclmtzschrift  vertheidigen.  S.  in  der  deutschen  lieber- 
Setzung  Th.  V.  S.  231.  mit  Wieland's  Anmerkung. 

t)  Non  est  vivere,  sed  v alere,  vita.    Martial  VI,  70. 


96 

wie  nlt  ward  or"?  sondern  nnr:  wie  lange  war  er  gesnnd?  Ein 
alter  Sophist,  der  bcriilimle  Prodicus,  nannte  das  Fener  die  befste 
Universalwürze.  Darüber  inai^  er  sieb  denn  in  niisern  Italiener- 
kellera  von  einem  unserer  Sebiuecker  eiu  belehrendes  Cüllcji,iuni  4 
lesen  lassen.  Gewifs  mit  j^röfserm  Rechte  kann  mau  die  Gesund-  i 
hcit  eine  solche  Universal  würze  nennen,  ohne  welche  das  Süfseste 
bittere  Galle,  das  Wohlschmeckendste  widria;  und  ekelhaft  Avird, 
Denn  selbst  deu  Genüssen,  sag;!  Plutarch  in  einer  der  sachreichsten 
Diätetiken  des  Alterthunis ,  gewährt  die  Gesundlieit,  wie  die  Mee- 
resstille den  Eisvöoelu,  eine  sichere  und  schöne  Geburtsstunde 
und  Wochenstnbe.  *) 

Doch  ich  sehe  schon,  dafs  meinen  Freunden  mit  diesen  alt- 
Täterischen  und  halbverrosteten  Waid-  und  Denksprücheu  wohl 
eben  so  wenig  gedient  ist,  als  der  hüpfenden  Tänzerin  beim 
Larventanz  oder  auf  der  Maskerade  mit  dem  warnenden  Zeige- 
finger, den  der  verminnmte  Arzt  mit  der  Knotenperücke,  au  ihr 
vorüberstreicbeiid ,  sich  au  die  lange ,  rothe  Polichinellnase  legt. 
Aber  schon  bei  deu  lieben  Alten  Ihat  Jeder  am  neuen  Jahre  zum 
guten  Anfange  etwas  von  seinem  Licblingsgeschäfte.  Das  meinige 
waren  von  jeher  die  Alterlhümer.  Warum  sollte  ich  also  nicht  heute 
davon  auch  eiu  Wörtcheu  fallen  lassen?  Es  sei  also  gewagt! 
Wem  CS  nicht  zusagt,  der  kann  sich  ja  den  ganzen  verhafsten 
Plunder  mit  denselben  zwei  Fingerspitzen,  mit  welchen  er  sich 
eine  Prise  Taback  nimmt,  oder  sich  ein  Fädchen  vom  Rockärniel 
ablies't,  sogleich  vom  Halse  schaffen.  AYie  leicht  ist  diefs  Büch- 
lein wieder  zusammengeschlagen!  Ist  doch  überhaupt  bei  der  jetzigen 
Ueberfracht  von  Lesereien  auch  für  Sehende  nichts  bequemer,  als 
so  mit  den  Fingerspitzen  zu  lesen! 

Form  und  Stolf  des  hier  nachgebildeten  Originals  sind  sehr 
merkwürdig.  Man  fand  bei  den  Nachgrabungen  von  Portici  ein  bron- 
zenes Täfelcheu  in  derselben  Gröfse,  wie  es  hier  abgebildet  ist,  iu 
welchem  die,  zwei  Figureu  gerade  iu  der  Gröfse,  wie  sie  hier  vor- 


*)  Siebenzelinhnndert  Jahre  vor  Tissot  schrieb  sclion  Plutarch  über 
die  Gesundheit  der  Gelehrten,  denn  so  sollte  eigentlich 
die  Sciirift,  aus  welcher  obige  Stelle  ausgezogen  ist  (T.  I.  P.  IL 
p.  497.  Wytt, )  betitelt  sein.  Die  sachreiche  Schrift  läfst  tiefe 
Blicke  in  die  Lebensordnung  der  Alten  tluin  (unter  Anderm  in 
Absicht  auf  Declaniation ,  worüber  uns  Hofmedicus  ßallhorn  in 
Hannover  neuerlich  viel  LeluTcicIies  zu  sagen  wufste :  über  Decla- 
mation  in  medicinischer  und  diätetischer  Hinsiclit,  Hannover  1802.  ) 
und  verdiente  vor  vielen  andern  eine  witzige  Uebersetzung ,  wobei 
die  Parallele  mit  iinserm  Zeitalter  nicht  vergessen  würde.  Nur 
dürfte  sich  kein  Klopffechter  der  Erregungstlieorie  daran  vergreifen  ! 


97 

c:es(ellt  werden ,  eingegraben  traren.  Das  Merkwürdigste  dabei  i«U 
die  Kunst,  womit  die  Köpfe,  Arme  nnd  Füfse,  kii.z  aUos  Nackende 
der  Figuren,  so  wie  anch  die  Lorbeerzweige,  die  sie  in  der  Hand 
halten,  nnd  die  Lanbgewinde,  Avelcbe  das  ganze  Biblehen  einfas- 
sen, in  Sillter  eingelegt  sind.  Nichts  war  gewöhnlicher  im  Alter- 
Ihnra  als  dieses  Damasceuireii  in  Metallen  oder  die  IMarqncterie 
in  Holz  nnd  Marmor  *).  Die  Art,  wie  man  sie  zur  Bezeiclwiuni? 
der  Figuren  auf  unserer  Kupfertafel  anwendete ,  ist  zugleich  im 
Kleinen  eine  Nachahmung  eiues  bei  alten  Bildwerken  sehr  oft  vor- 
kommenden Schmuckes.  Man  gab  Statuen  aus  Metall  oder  einem 
dunkeln  Holze  Kopf,  Hände  nnd  Fiifse  aus  blendendem  Elfenbein 
oder  parischcm  Marmor.  Was  also  in  jenen  gröfsern  Bildsäulen 
aus  Elfenbein  oder  Marmor  verfertigt  wurde,  ist  auf  dieser  kleinen 
Tafel  durch  eingelegte  Silberblättchen  ausgedrückt. 

Was  hat  es  aber  mit  dem  Gölte  selbst,  der  seinen  Namen 
sogar  jetzt  noch  jedem  facultätsmäfsig"  gestempelten  Quacksalber 
nnd  Stümper  in  der  heiligen  Heilkunde  zum  Schanddeckel  seiner 
Pfuschereien  borgen  mufs ,  im  griechischen  Allcrlhnme  für  eine 
Bewandtuifs  gehabt?  nnd  was  bedeutet  eigentlich  die  doppelte 
Schlange  auf  unserem  Bilde,  die  um  den  Stab  herumgewundene 
in  der  Hand  des  Aesculap  und  die  zweite,  mit  dem  sclilaueu  Köpf- 
chen hervorragende,  in  den  Händen  der  Hjgiea?  Hier  nur  einige 
"Winke   über  den  Ursprung  und  die  Verbindung  dieses   für  uns  so 


*)  Die  Griechen  und  ihre  Erben  in  der  Sache  sowohl,  als  in  den 
Benennungen,  die  Römer,  nennen  alle  diese  eingelegten  Arbeiten 
in  Metall,  Stein  und  Holz  emblemata,  an  dessen  Statt  der  Mi~ 
mensclireiber  Sjrus  auch  einmal  das  Wort  inserta  brauclite.  Selbst 
eingesetzte  Stickereien  hiefsen  emblemata.  S.  Saumaise  zu 
Script.  Hist.  Aug.  T.  II.  p.  695.  Die  ganze  Planier  gehört  zu 
den  3Iosaikarbeiten  und  wird  daher  auch  mit  diesen  zugleich  ge- 
nannt, z.  B.  beim  Varro,  de  R.  R.  II I,  2.  4.  Was  das  Einsetzen 
und  Einlöthen  des  einen  Metalls  in  das  andere  zur  Zierde  anlangt, 
wolün  die  hier  abgebildete  Platte  geliört,  so  findet  man  sehr  fiei- 
fsige  CoUectaneen  darüber  in  dem  letzten  Theile  der  Herculani- 
schen  Alterthümer  oder  der  Lucerne  e  Candelabri.  Die  Kunst 
scheint  besonders  auf  Ausschmückung  der  Waffen,  vorzüglich  der 
Schilde,  angewandt  worden  zu  sein.  Man  hat  dergleichen  Arbeiten 
oft  für  Zeichen  eines  gesunkenen  Geschmacks  gehalten  und 
Werke  mit  solcher  Arbeit  tief  herabgesetzt  (so  z.  B.  Tychsen 
bei  Gelegenheit  eines  nüt  Gold  eingelegten  Schildes  in  der  .Samm- 
lung des  Herzogs  von  Medina  Celi,  Bibliothek  der  alt.  Literatur 
nnd  Kunst  I,  97).  Allein  die  Sache  ist  sehr  alt.  Pausanias  führt 
schon  viele  Bildwei-ke  der  Art  an, 
Bölligci'«  kleine  Schriften  I.  7 


98 

befreindciKlon   Sclilan^onsymbols    mit   doii  Gosnndlieils-    niid   Hell- 
o-öUern    »los    dassisclioii    Altertlmins.      Die    AiiHluliriinu,    an    eiiieni 
»iiderii    Orte.       Die    ^aiize    Yorslelliniii,-    von    diescc   lK'illjriii<;enden 
Schlange  f»Teift,  beim  Lielilc  betraclifet,  so  vielfach  in  die  liildun»- 
der  JiUesIcii  Reli^ionsho;j:,rilfe  ein ,  dal's  sie  iinstreilig-  zu  den  frnrht- 
barslen  Gi'iindid(!Cii   der  Thierverj^iitlornno-  oder    des  IVüheslen  F  e- 
t  i  s  c  h  i  s  m  n  s  <>ezähll  weiden  nuils*).    \\  er  hat  nicht  anl"  i>,anz  alten 
Gemälden  oder  Kn[)fersliehen  «len   Evangelisten  Johannes    mit  dem 
ihm    i;ewi)hulich    zniielheillen    AUrihute    des  Ahendniahlkekhes    •»e- 
sehen?    Die  ersten  Christen  im  dritten  nnd  in  den  l'olüenden  Jahr- 
hunderten gaben  diesem    Kelche   noch  eine  hesondere  liezeichnnng'. 
Eine  Schlange  hebt   sich    ans  ihm  gerade    so  empor,   wie    wir    es 
hier  an    der   Schale    der  Hygi(?a   erhiicken  **).      Fragt    man:    wie 
kommt   diese    hierher?     so    ist    der   hihellesle   Ansleger,    der    die 
so"enannte  typische  Theologie    noch   nicht  zu   voreilig   in   die  (heo- 
logiscbe  PInnderkammer  verwiesen  hat***),  sogleich  mit  der  Antwort 
fertig.    Es  ist,  versicInMt  er   uns,  eine  Anspielung  auf  jene  eherne 
Schlange,  durch  deren  Anhlick  das  Volk  Gottes  einst  in  der  Wüste 
"■eheilt  wurde,  und  deren  Gegenhild  der  Gekreuzigte  auf  Golgatha 
war.   Wir  fragen  weiter :   wie  soll  jnan  sich  aber  jene  heiihringende 
eherne  Schlange    in    der  Wusle    seihst  eiklären?     Hier    verstummt 
die  gemeine  Deufungsknust ,    der  ja  bei  der  Schlange  sogleich  vom 
Teufel    trilumen     mufs.     Denn    die  rahhinischeu  Mährchen  dariiher 
will  sich  doch   iNieuiand  gern    für  haare  Wahrheiten   verkaufen  las- 
sen f).      Doch   wird  eine   uiihciangene,    vorurlheilsfieie  Forschung 
auch  hier  leicht  Ralh  zu  schallen  wissen.     Durch  diese  finden  wir 


*)  Schon  des  Brosses  ging  in  seiner  scharfsinnigen  und  hier  im- 
mer nocli  zum  Grund  zn  legenden  Schrift:  über  den  Dienst 
der  Fetischengötter  S.  55.  d.  Uebers.  von  der  Beinoilvung 
ans,  dafs  dpr  älteste  Tliierdienst  fast  überall  der  Schlangendienst 
gewesen  sei. 

**)  Man  findet  unter  Anderin  diese  Vorstellung  auf  Glas  gemalt.  S, 
Buonarotti,  Osservatione  sopra  alcuni  frammenti  di  vasi  antichi 
di  vetro  C^Iorenz  1716.  Fol.)  P-  13. 

**)  Da  der  Orient  von  jeher  Symbole  und  Hieroglyphen  zur  HülU 
seiner  Lehrbegrilfe  machte,  und  sich  daraus  die  ganze  allegori.sche 
Auslcgnngsweise  der  spätem  Juden  entwickelte;  so  bleibt  die  so- 
genannte Typilv  stets  ein  treffliciies  Hilfsmittel  zur  walnen  Kin- 
siclit  in  die  elirwürdigen  Sagen  der  Vorwelt  und  zur  Aufklärung 
der  heiligen  Urkunden.  Nur  mufs  man  freilich  erst  mit  der  jüdi- 
schen und  clnistlidien  Mythologie  auf's  Reine  sein! 

f)  Der  Liebliabor  solcher  Mäluchen  findet  sie  im  Uebermafse  in  einer 


99 

es  höchst  wahrscheinlich,  dafs  jene  eherne  Schlaiij^e,  die,  sicli  iiin 
einen  ßalken  hcrumwiiideiid ,  doii  Isiaelifen  zinn  Heil  anf'^csfollt 
wurde,  und  die  Schhii)i!,e  tun  den  Aescul;ij>itiss(ab  völlio;^  einerlei, 
heides  die  herülinite  iiiiyptisclie  Knc|»liscli!anii,e  sei ,  deren  Verehrung 
in  den  frühesten  Local-Felischismns  nnd  Dienst  einiger  ägyptischer 
Districte  oder  Nome  eingreift.  Moses  mufsle  die  von  dem  iigvpli- 
schen  Tliierdienst  nnr  langsam  zn  eiilwiüiiionden  und  zu  einem 
geistigern  Sahüismns  zu  erziehenden  Israeliton  durch  diefs  alte 
gewählte  Schlangeiihiid  beruhigen  *) ,  und  so  kam  es  denn 
nach  nnd  nach  gar  unter  die  Vorbilder  des  jiidiseheu  Messias  nnd 
veranlafste  in  den  ersten  christlichen  Jahrlinndfilen  so^-ar  eine 
eigene  gnostische  Secte  der  Ophiten  oder  Seh  la  ngenbriid  e  r  **). 
Die  Schlange  über  dem  Kelche  dos  Johannes  aber  ist  ganz  «ewifs 
die  Schlange  der  römischen  Göttin  Salus  oder  der  griechischen 
Hygiea  nnd,  wie  hundert  andere  hoidnisclio  Symbole  und  aber- 
gläubische Gebräuche,  bald  durch  BJinfait  des  gemeinen  JMannes 
bald  durcii  schlau  nachgebende  Priesterpolilik  christianisirt***).  Mit 


eigenen  Schrift   des  jungem  Buxtorf,  Historia  serpentis    aenei 
c.  V.  p.  580,  Opp. 

*)  Sclion  der  fieimiithige  Brite  John  Marsh  am  hatte  in  seinem 
Canone  CJuonico  p.  149.  (einem  Werke  der  gelehrtesten  Unbefan- 
genlieit,  das  seinem  Zeitalter  weit  vorauseilte,)  den  wahren  Punct 
getroffen,  wurde  aber  dari'iher  von  den  rüstigen  Orthodoxen  seiner 
und  der  folgenden  Zeit  scluecklich  angefeindet.  Der  streitbare 
Deyling  in  Leipzig  schrieb  eine  eigene  Observation  gegen  diese 
Ketzei'ei.    Wie  ist  die  Binde  gefallen! 

**)  Ans  den  Zaubersteinen  oder  Abraxas  der  Basilidianer  nnd  anderer 
Gnostiker  lafst  sich  eine  eigene  Geschiclite  dieses  christlichen 
Sclüangendienstes  sclu'eiben.  Sie  ist  zum  Tlieil  schon  sehr  gelehrt 
in  Mosheim's  Geschichte  der  Schlangenbr  iid  er  der 
ersten  Kirche  in  seinem  Versuclie  einer  nnparteiisclien  Kir- 
cliengeschiclite  Th.   I.   S.  109.  ff.  ausgeführt. 

***)  Wie  viele  Zusätze  liefsen  sich  niclit  zu  Mid  dieton's  Vergleich- 
ung  der  alten  und  neuen  Ceremonien  und  zu  seinem  noch  leben- 
diger geschriebenen  Brief  aus  Rom  machen.  Damals  hatte  der 
Ritter  Hamilton  noch  niclit  Isernia  besucht,  und  Knight  noch 
nicht  sein  berüclitigtes  Bucli  ou  the  Worsliip  of  Priapue  geschrie- 
ben. Gewöhnlicli  macliten  sich  sonst  die  Protestanten  bei  solchen 
Parallelen  nur  über  die  Papisten  lustig.  Allein  wie  viel  ist  selbst 
in  der  Lutherischen  Litingie  noch  pur  heidnisch.  So  läfst  sich's 
z.  B.  durch  eine  historische  Deduction  darthun ,  dafs  unsere  Pri- 
vatbeicbte    und    die    Altarknat/en    beim    Aljeudmahle    iu    gerader 

7* 


100 

eiiiPin  Rololien  Blick  in  die  alte  Welt  werden  wir  mich  die  Aescu- 
laitiiis!^clilaiig:c  mit  .'dlcti  iliron  ü,TlpcliiPclicii  und  römischen  Aus- 
schniiickiingcn  an  ihre  Avahre  Stelle  zu  setzen  Avisseu  und  uns 
durch  keine  Klügeleien  älterer  und  neoerer  Schlangcndeuter  *) 
iire  machen  lassen. 

Die  Sfaiit  Eiiidaurus  an  der  östlichen  Küste  des  Peloponnes, 
so  A\le  die  p;anze  untere  Küste  dieser  Halbinsel  wurde  scium  in 
sehr  frühen  Zeilen,  die  ühcr  die  historischen  Uel(erliefernnü,en  der 
Griechen  hinausgehen,  von  phiinizischen  Kanffahrern  hesncht,  die 
sich  auch  dort  ansiedelten  und,  wie  nherall,  auch  hier  die 
rohen  Landeseingehorenen  durch  allerlei  Gaukeleien  an  sich 
fesselten,  Sie  verpflanzten  also  zuerst  die  uralten  ägyptischen 
Sclilangenheschwörerkünste  hierher,  so  wie  anch  die  in  Aegypten 
einheimische  gutartige  Backenschlangc  (Colnher  Aescnlapii,  Liun.), 
womit  von  jeher  in  jenem  fruchtl»aren  Mntterlaiule  des  Ahergiauhens 
die  Gauklerknnste  der  frommen  Einfalt  spotteten  ,  und  die  uns  der 
beredte  D  e  u  o  n  noch  in  seinem  neuesten  Prachtwerke  beschrieben 
und  abgebildet  hat  **)  Dieser  Knuph-  oder  Knephsclilange,  so 
heifst  sie  auf  Kopiisch,  hauchte  der  listig  speculiieude  Phiinizier 
eine  heilende  Wunderkraft,  oder  einen  guten,  schmerzlindernden 
Geist  ( Agalhodänion  )  ein,  und  die  Eingeborenen  nannten  ihn  den 
sanften  Esmnii,  Asklepios,  Aesculap.  Die  Gattung  dieser  Schlange 
vermehrte  sieli  in  dem  ihr  angewiesenen  heiligen  Bezirk  und  wurde, 
dem  ausdrücklichen  Zeugnisse  des  Aelian  in  seinem  zoologischen 
Allerlei  zu  Folge,  anch  eigentlich  nur  in  Epidaurns  gefunden"**). 


Linie  aus  den  nralten  phönizischen  Mysterien  auf  der  Insel  Samo- 
thrake  abstainmeii! 

"*)  Am  vollständigsten  liefert  diese  Meinungen  Kurt  Sprengel, 
GescJiichte  der  Medizin  1,  190 — 192.  Nene  Ausg.  Am  wei- 
testen verirrte  sich  Caylus,  der  in  seinem  Recueil  T.  II.  p.  277. 
in  der  Aesoulapiasscblange  das  Bild  des  gewundenen  Destillir- 
kolbens  findet ! 

"•"^  Voyage  dans  la  hasse  et  la  haute  EgJiite  p.  88.  89.  und  die  Figur 
dieser  Backenscldange  planclie  104.  Fig.  1.  Der  Hals  des  TJderes 
bläs't  sicli,  \^ie  Denen  als  Augenzeuge  berichtet,  um  eine  Hand 
breit  auX.  Diefs  also  giebt  dem  Kopfe  das  Ansehen  eines  gedun- 
senen Backens.  Uebrigens  mufs  man  sich  in  der  Erzählung  der 
dort  angeführten  Gaukelei  niclit  an  den  Namen  Psylli  stofsen. 
So  etwas  giebt  ein  antiquarisclies  Ansehn  nnd  ist  in  der  vorneh- 
men Manier  des  Franzose  n!  Üeber  die  Schlangenart  seihst  vergl, 
Schneider,  Ampliibiornm  pliysiologiao  spücimen  I.  p,  79. 

*^*)  Alles,  was  hier  von  d«r  phönizischen  Abstammung  des  Epidauri- 


101 

JJald  formie  ßlch  anf  gut  AogyptiscU  eine  eigene  Joiiglenr-  oiler 
l'ries(erklasse    um   diese    medizinische    Wahrsagerschlange   lienim, 
die  Asklepiadeii ,    die,    während    der  zischende,    mit    Ilonigkuchcu 
gefiKferle  öchlangengolt   bei  den   in   den  Tempelhallen  schiafendeu 
Kranken   die  Rnnde  machfe   und  durch  Glauben    Wunder  that, 
nach   und  nach    wirklich    durch  Beobaehlnng    gn(e  Empiriker    wur- 
den   und    die   in    ihren  Weihlafeln   anlgeschriehenen    Ftoceple    ge- 
hcinniifsvoll  nur  anf  ihre  Familie  nnd  die,  welche  ihr  dnrch  einen 
leierlichen  Eid   einverleibt  worden  waren,   fortpflanzten,  *),     Aber 
die  Schlange    war   und  blieb    das  sichtbare  Zeichen   der  güttlicheu 
Heilkraft,    und   wo  die  Multerloge  in  Epidaurns    eine  Tochterloge 
stiftete,    z.  B.    in  Rom    auf  der  Tiberiusel,    da    schickfeu   sie  statt 
jfder  andern  Coustitntiousacte  einen  hoirnnngsvollen   Sprüfsling  aus 
der  Familie  ihrer  Backenschlangen  hin.    Der  verschonende ,  ideali- 
sirendc   Bildnngstrieb    des    Griechen   formte   nach   und    nach    seine 
Thiergötter  in  reinmenschliche  Gestalten.   Ans  dem  indischen  Stier- 
kopf des  Bacchns  bildete  er  die  lieblichste  Jünglingsfiille.    Aus  der 
phönizischen   Herme   oder  Wegsäule    mit   dem  Phallns   wurde   der 
nuintereMercur  oder  auch  wohl  der  bocksfüfsige  Pan ,  der  wenig- 
stens  die   halbe  Thierheit   noch    an    sich    trägt.     Oft   wurde    auch 
nur    dem    Svmbol    eine   höhere    menschliche    Gestalt    hinzngefiigt. 
Der   von  vielen   kriegliebenden  Völkern   als   Avahrer  Fetisch  ange- 
beteten Lanze  stellte  man  einen  Gewappneten  zur  Seite:  der  thra- 
zische  Mars   erscheint.      Um    die    göttliche   Heilschlange   recht   zu 
ihrem  Yorlheile  zu  zeigeu  und  sie  durch  Berührung  nicht  zu  reizen, 
hielt  man   ihr  einen   astigen  Stab  vor,    um    welchen    sie   sich    mit 
sicherer  Haltung  emporschlingen  konnte.  Denn  es  ist  bekannt,  dafs 
es  für  die  kirren  Schlangen  keine  gröfsere  Freude  giebt,  als  wenn 
man  ihnen  einen    Stab  oder   ein  Stämmchen    Aorhält ,    an  w elcheiu 
sie   sich   hinaufwickeln  kijuuen  **),      Bei   festlichen  Gelegenheiten 


sehen  Gottes  und  der  Sei  Jangengaukelei  gesagt  wird,  läfst  sich 
aus  der  Hauptstelle  beim  Pausanias  VII,  23.  erweisen.  Die  wei- 
tern Belege  liabe  ich  in  einer  Abhandlung:  niedizinisehe 
Seil  1  angengaukelei  betitelt,  in  Sprengel's  Beiti',  II,  163.  ff» 
gegeben.  Herrjnann  hat  in  seiner  sachreichen  Mythologie  der 
Griechen  II,  179  tF.  Gebrauch  von  jenen  Bemerkungen  gemacht. 
Schade  nur,  dafs  das  Buch  ohne  alle  Citate  geschrieben  und  mit 
der  Kalenderfabel  gleichsam  behaftet  ist. 

*)  Der  Asklepiadenorden  hatte  (wie  vielleicht  ursprünglich  ancli  die 
Freimaurerei)  nur  zwei  Grade.  Der  IMeistereid  ist  das  berühmte, 
noch  vorhandene  Jusjurandum  Ilippocratis  mit  unecliten  Zusätzen. 
Bleib om  hat  in  seinem  gelehrten  Commentar  davon  niclits  geahnet, 

*)  Dafs  sich  lüeraus  ebie  gewisse  sehr  famose  Verwandlung-  der  Stäbe 


102^ 

lilclt  also  der  Hieroplunit  oder  oberste  der  Asklepiadcii  unstreitig 
den  Si'lilangengott,  an  ciiioii  solelieii  Slal)  ü,c\vmiden,  dem  versam- 
inellen  Volke  zur  gläiihij^en  Ansfliauuog  und  Aiil)etiin<r  vor*).  Nun 
war  auch  für  den  Bildner  die  Form  einer  menscliliclien  Darslelluni^ 
gel'inidHn,  IMan  steüle  zum  Scl:laii»enstab  den  Oberpriester  mit 
dem  elir\vürdij>,en  Bart  **)  und  dem  anstäiidiü,-  drapirten  Mantel  und 
nannte  nun  diesen  Priester  selbst  den  Aesculap.  Der  walire  Aes- 
culap,  die  Seblanne,  sank  nach  und  nach,  wo  man  den  wahren 
Urs|)nmg-  dieser  Bildnerei  anfser  Acht  liels,  zum  blosen  Neben- 
•werlvo  oder  Altribulc  herab.  Doch  war  es  selbst  in  den  Sternen 
j^eselirieben ,  dafs  die  Fi<j;ur  nur  um  der  Stlilan<»e  Avillen  da  sei. 
Denn  dort  lieiCst  das  Steinbild  «Ics  Acsculap  noch  immer  nur  der 
Schlani;enhalter  (Ojihiuchos). 

Aber,  wie  kam  nun  dieser  phönizische  S(liiangenn;o(t  zu  der 
Ehre,  von  den  Grieehen  zum  Sohn  des  Ai)olIo  iiemacht  zu  wer- 
den? Nicht  blos  der  tempelriinbcrisclic  Diciivsiiis  von  Syriens 
lachte  über  den  bärlir;en  Solin  des  glatt  wangigen  Apollo!  —  Die 
Sache  läfst  sich  am  leij-iitesteu  durch  folgende  Verbindung  der  Um- 
stände erklären.  Lange  vor  des  Oberpriestcrs  OJen  Einwanderung' 
vonDelos,  dem  griechischen  Geburtslaude  des  lydischen  Zwillings- 


in   Sclilangen   ganz  natürlich    erklären   lasse ,~  bedarf    wohl    nicht 
erst  eines  besondern  Fingerzeigs. 

*)  Bekanntlich  wnrden  zu  Epidaurus  feierliche  Pythische  Spiele  dem 
Aesculap  zn  Einen  {^efciert,  die  dann  nach  Cos,  l'frgamus,  Ancjra 
und  dahin,  wo  sonst  nocli  greise  Aescnlapinstonipel  angebaut  wor- 
den waren,  mit  dem  Dienste  des  Gottes  wanderten.  S.  Spren- 
gel's  Geschichte  der  Medizin  I,  180.  tf.  Nun  kommt  bei 
der  Erwähnung  des  Aescr.lapinsfestes  anf  <ler  iKsel  Cos  ausdrück- 
lich ein  Aufnehmen  des  Stabs  (^aväX-^-^tg  qäßhov')  als 
der  Hf.nptact  Ties  jälirliclien  Festes  in  dem  Bnche  des  Psendo- 
Hii>pocrates  an  die  Abderiten  T,  11,  p.  904.  ed.  V.  der  Lind,  vor» 
Hier  hätten  wir  also  das  Aufheben  der  Hostie  in  der  Messe  in 
einer  ganz  alten  Gestalt;  nur  dafs  hier  der  iuwolinende  Gott  eine 
Schlange  am  Stabe  ist.  Man  vergleiche  Ez.  Spanheim's  ersten  Brief 
ad  Morellium  in  Liebe,  Gotha  nnmaria  p.  485. 

"'*)  b'inen  zwei  Schuh  langen  Bart  des  Aesculap  zu  Tithorea  fiihrt 
Pausanias  an  X,  32.  p  270.,  wenn  die  Lesart  richtig  jst.  ]\Tan 
hat  in  diesem  Barte  sogar  ott  einen  Familienzng  des  Jupiter  lin- 
den wollen.  Aber  der  Tyi'ann  Dionysius  wufste  am  befstcn ,  wozu 
er  gut  sei.  Indefs  giebt  es  doch  auch  nnbärtige  Aesculapbilder. 
S.  Visconti  zum  Pio-CIement.  T,  III.  p.  8.  Diefs  sind  aber 
nur  Portrait/igurcn  junger  Aerzte. 


103 

paars,  Apollo  iiiid  Diana,  war  in  der  Korvkiselicu  Grotte  am  Par- 
iiafs  eine  weit  nml  breit  von  den  iimwolineadeu  Pelasgern  Tcr- 
ehrle  und  befragte  Oralu*lscblaiia,e ,  eiu  Pytliou ,  den  man  be- 
fragte *).  Nicht  obiie  bhitige  Fehde  setzten  sich  die  DeiiscUeja 
Jongleurs  und  Orakelpiiester  in  Besitz  des  Delphischen  Orakels. 
Dicls  heifst  in  der  damaligen  Bildeisprache  :  Apollo  bekämpfte  und 
erschufs  den  Python.  Zum  Andenken  wurden  die  Pylhischen  Spiele 
eingesetzt;  also  ein  wahres  KircJiweihfi'Sl  der  Heiligthünjer  von 
Delphi.  Doch  blieb  des  alten  OrakeldracLeii  Andenken  in  vielen 
Sagen  und  Bildwerken.  Er  windet  sieh  uiu  den  mystischen  Dreifufs 
auf  3Iiiiizen  und  Reliefs  und  erscheint  fast  in  allen  älteru  Vor- 
stellnugen  des  Delphischon  Gottes  **).  Nun  war  das  Hauptgeschäft 
des  DelphischenOrakels  in  jenen  halbrohen  Heroeazeiteii ,  Heilmittel 
gegen  Seuchen  und  Krankheiten,  die  eine  zürnende  Gottheit  zu- 
schicke, anzugeben.  Apollo  war  und  hiefs  Arzt-Prophet,  Was 
Wunder,  dafs  man  die  Epidanrische  Heilschlange  mit  dem  Pythl- 
schen  Orakeltlracheu  nach  und  nach  in  Verbindung  setzte  ***)  und 
den  Asklepiadeu ,  die  kein  geringes  Interesse  dabei  hatten  ,  ihren 
Scblangengott  iu  einen  hellenischen  Stammbaum  einzupfropfen,  gern 
Glauben  beimafs,  wenn  sie  eine  alte  tUessalische  Wundersage  von 
einem  der  todlen  Mutter  noch  ausgeschnittenen  Knäblein  zur  Wiege 
ihres  Aesculap  oder  Päou  -}-)  listig  umbildeten? 


*)  S.  StiaTjo  IX.  p.  642.  A.  -rvSe^rSoii  heifst  befragen.  Der  Drache 
Liefs  Delphynes  oder  Delpliyua  und  Lewaclite  C^o  drückte  die 
spätere  Sage  die  Sache  aus)  die  Orakelgrotte.  Apollod.  I,  4.  1» 
Aber  Hygin,  Fab.  140.  p.  264.  Stav.  sagt  ausdrücklicli :  Hie  draco 
ante  Apollinem  responsa  dare  solitus  erat. 

**)  Ein  merkwürdiges  Intaglio  bei  Caylus,  Recueil  T.  VI.  pl.  67,  4. 
verbindet  folgende  sehr  sprechende  Symbole  der  drei  grofsen  Ora- 
kel. Um  eine  Säule  windet  sich  ein  Drache:  Delphisches  Orakel. 
Oben  sitzt  eine  Taube:  Dodonäisches  Orakel.  (S.  Heyne,  Kx- 
cursus  11.  ad  Iliad.  XVI.  p.  288.)  Unten  steht  der  'Widder:  Am- 
mons-Orakel.  Hierher  geliört  auch  ursprünglich  das  zu  einem 
malus  genius  Brurt  unigeschaffene  Relief  in  von  Fredenheim's 
Monunientis  ex  Museo  Regis  Sueciae  n,  15. 

**)  Apollo  überliefs  gleiclisam  die  Privatkuren  dem  Aesculap  C  den 
Tempelärzten,  die  nun  die  alte  Inciibation  aus  dem  Orakel  des 
Troi)]ionius  in  die  Aesculaptempel  verpilanzten)  und  behielt  sich 
nur  die  Pestkrankheiten  und  Epidemieen  \or,  Vergl.  Sprengel's 
Geschichte  der  Medizin  1,  128.  ff.  Neue  Ausg.  Beim  Euri- 
pides ,  Alcest.  969.  belelirt  Apollo  die  Asklepiaden,  In  Aristophanes 
Plutus  schickt  er  den  Bliiiden  in's  Asklepion  von  Atlien» 

i)  Vom    Päon,   der  beim   Homer   ganz   verschieden  ist   vom  Apollo, 


104 

Wie  kam  aber  der  biiiligc  S('lilanj?en2:o<t  zu  einer  so  schönen 
TocLtcr,  als  Hviiioa  auf  unserer  heillinniiCnJen  Knpfertafel  und  in 
luindeit  andern  Denkmälern  ersclioinf?  Der  neneste  seliarfsiniiiire 
Ccscliiclitselireil)er  der  Medizin  erklärt  sie  durchaus  nur  für  eine 
epüterc  Allegorie,  übergeht  al)er  die  nächste  Yeranlassuuj»:  da- 
zu. —  Man  sehe  nur  auf  die  Scldange  über  der  Schale  der  Göt- 
tin. Diefs  khige  Thier  lös't  auch  hier  das  ganze  Rällisel.  Man 
Miiterliielt  nämlich  in  den  Teinpelgrotten  der  Minerva  auf  der  Burg 
zu  Athen  einen  heiligen  Drachen  und  nannte  ihn  den  Tenipel- 
wächfer  *).  Auch  er  war  ursj)rüiiglicli  ein  Orakeldrache  und  gab 
«lieh  in  der  Folge,  als  Diener  der  Minerva,  zu  deren  Fiifsen  ihn 
auch  Phidias  abgebildet  hatte,  wenigstens  monatlich  einmal  noch 
<?in  feierliches  Angnrium;  Je  nachdem  er  den  ihm  vorgeworfenen 
Honigkuchen  begierig  frafs  oder  verschmähte,  war  auch  die  Vor- 
bedeutung glücklich  oder  unglücklich.  Besonders  wurde  auf  Ge- 
sundheit oder  Krankheit  daraus  geschlossen  nnd  der  Houigteig,  die 
Maza,  die  man  gewohnlich  in  einer  Schale  angefeuchtet  ihm  vor- 
setzte, hiefs  daher  selbst  die  Gesundheit  (Hjgiea)**),  Bald 


(s.  Heyne,  Observat.  ad  Iliad.  V,  401.  p.  81.)  lernen  die 
ägyptischen  Aerzte  ihre  Heilkunde.  Odyss.  IV.  232.  Päon 
liiefs  also  der  pliönizische  Heilgott.  S.  die  Sage  der  Berytier 
beim  Photiiis,  Cod.  CCLH.  p.  573,  Hoesch.  So  heifst  Aescidap 
z.  B.  in  der  Hymne  auf  dem  Casseler  Marmor  und  bei  Reine- 
ßius,  Inscript.  Cl.  I.  N.  206.  S.  Spanlieim  zu  Aristoplianes,  Fla- 
tus 635.    Spät  erst  ging  diese  Benennung  auf  den  Apollo  über. 

*)  Dieser  Drache  war  offenbar  der  älteste  Fetisch  der  ürbewohner 
von  Attica.  Der  ägjptisclie  Cecrops  knüpfte  weislich  den  Dienst 
seiner  Neith  oder  Athen,  Athene,  daran.  Das  Tliier  spukt  dann 
in  allen  attisclien  Tempelmythen,  besondere  in  der  Fabel  von  der 
Tocliter  des  Erechtlieas  und  vom  göttlichen  Bastard  Ion.  Die 
fieifsigsten  CoUectaneen  über  diesen  o(pii  c}y.ov§i;  hat  schon  Me- 
ursins  in  seiner  Cecropia  c,  XX.  T.  IV,  p.  936.  Gronov.  Vergl. 
zu  Hesyclüus  T.  II.  c  726,  19. 

**)  Die  Hauptstelle  ist  bei  Hesycliius  s.  v.  vyUiot  T.  II.  c.  1442.,  vergl. 
mit  Atlienäus  III,  82.  p.  445.  Schweigh.  Die  sogenannte  Maza 
war  eigentlich  ein  Ueberrest  der  ältesten,  noch  sehr  dürftigen 
Brotbcreitung,  des  puls  der  Römer,  s.  Heyne,  Opusc,  1,371., 
und  dann  war  es  nichts  als  geröstete,  eingeteigte  Gerste,  wie 
Sprengel,  Apologie  des  Hipp  o  erat  es  II,  361.  sehr  gut 
gezeigt  hat.  .Später  wurde  es  eine  delicatere  Polenta,  feines 
Mehl ,  mit  Honig  und  Oel  geknetet.  Man  warf  endlich  aucji  die- 
sem Drachen ,  besonders  wenn  es  ein  feierliches  Augurium  galt, 
walue  Popana,  Honigkuchen,  vor. 


105 

wnrde  das  GesiindheUsorakel ,  das  eJgenlllch  nnr  der  Tempeldrache 
dnreli  seinen  Frafs  ei  theilte  *) ,  der  Minerva  selbst  zngesc'hneben, 
die  lum  auch  den  Zunamen  Hygiea  erhielt  und  als  solche,  toiu 
Drachen  liehkosend  umsclilnnueu,  noch  jetzt  auf  Denkmälern  des 
Altertliiims  vorkommt  **).  Hier  ist  also  die  Avahre  Gebnrlsslätte 
der  GöKin  Hygiea.  AVie  kam  sie  nun  aber  zu  der  Ehre ,  mit  dem 
Aesculap  so  innig-  verbunden  nnd  znsammengepaart  zu  ^TCiden  1 
Diefs  ist  aus  einer  Yermischuni»-  der  alten  samotbrazischen  oder 
cabirischen  Mysterien  mit  den  Geheimnissen  der  Asklepiaden  za 
Epijlaurus  zn  erklären.  Beide  waren  ursprünglich  pböniziscb,  beide 
hatten  es  mit  helfenden  Göttern  zu  thiin.  Nun  waren  eigent- 
lich die  zxsei  Hauptcabiren  in  den  samotbrazischen  Geheimnissen 
Axiokersos  und  Axiokersa ,  ölann  und  Weib ,  d.  h.  die  durch  den 
ganzen  Orient  laufenden  Symbole  der  erzeugenden  und  gebärenden 
Kraft.  Unwissenheit  machte  aus  jenen  Natursymbolen  in  der  pro- 
fanen Auslegung;  die  Dioscureu  Castor  und  Pollnx,  die  doch  selbst 
als  solche  die  helfenden  Schntzgütler  der  Seelente  blieben,  für 
welche  ursprünglich  die  phönizisch-samothrazischen  Mysterien  ge- 
stiftet  waren  ***)i   aber  bei  den  Asklepiaden  wurde  nun  auch  ein 


,*)  Die  Hanptstelle  ist  beim  Herodot  VIII,  41.  mit  Valckenaer's 
Annierk.  p.  638.  Aus  jener  Stelle  erhellet,  dafs  monatlich  ein 
feierliches  Augiirium  mit  diesem  Frafs  gehalten  wurde.  Aber  aus 
Phitarch's  Leben  des  Themistocles  sieht  man,  dafs  ihm  täglich 
Futter  gestreut  wurde, 

**)  Die  erhabenste  Vorstellung  ist  die  auf  einer  Ära  eines  Vatica- 
nischen  Candelabers  Ln  Museo  Pio  -  Clementino  T.  IV.  tav.  VI, 
Vli.,  wo  Visconti  p.  8.  die  Vorstellung  sehr  riclitig  gedeutet  liat. 
Sehr  viele  geschnittene  Steine,  die  man  gewöhnlich  auf  die  Dea 
Salus  bezieht,  gehören  zu  dieser  Minerva.  Uebrigens  sollte  man  doch 
auch  die  Aesculapische  Hygiea  da,  wo  sie  uns  noch  in  schönen 
Bildwerken  erschejjit  (z.  B.  an  der  Haupttreppe  des  Charlotten- 
burger Schlosses  bei  Berlin)  nie  Tochter,  stets  Gemahlin  (_c;'jk- 
kiv-Tqo-j  nennt  sie  der  Orphische  Hymnus  LXV7,  7.)  des  Gottes 
nennen.  Die  zierlichste  Gruppe  ist  die  zu  Palästrina  gefundene 
im  Pio-Clemcntino  T.  II.  tav.  III.,  nach  welcher  Hirt  seine  gleich 
zu  Anfang  angeiTihrte  Gruppe  beim  pantomimischen  Tanze  ge- 
bildet hat,  unstreitig  eine  Copie  des  scliönen  Bildes,  das  Pausanias 
II,  23.  p.  264.  zn  Argos  fand.  Visconti  p.  8.  spricht  auch  dort 
von  einer  Tochter  des  Aesculap,  wovon  aber  im  Pausanias  keine 
Sylbe  vorkommt. 

***)  Es  lassen  sich  hier  nur  die  obersten  Resultate  andeuten.  Die 
ganze  Forschung  über  die  cabirischen  Gelieimnisse  gehört  zur 
vevwickeltesten,    aber  auch   fruchtbarsten  des  grieclüschen  Alter- 


106« 

helfendes  Gotferpaar  daraus,  nnd  hier  zwar  mit  Beibelialtung  des 
Gcschlechlsiinterseliieds,  der  milde  Asklepios  und  die  liolde  Hy-Aiea, 
die  daher  eben  so  oft  die  Geiualiliii ,  als  die  Tochter  des  Gottes 
genannt  wird.  Als  zu  den  Zeiten  der  Ptolemäer  die  jii!:vptischeu 
Gottheiten  auf's  Neue  in  die  griechische  Welt  eindrangen,  traten 
oft  Osiris  nnd  Isis  an  ihre  Stelle,  beide  aber  mit  derselben  heil- 
bringenden Kraft,  beide  als  gleichbedeutend  und  im  mystischen 
Sinne  eins  mit  Asklepios  und  Hygi'ea.  Zu  allen  diesen  Räthseln 
verloren  die  Griechen  bald  selbst  (Icn  Schlüssel,  und  so  umringten 
nach  und  nach  die  Asklepiadcji  ihren  Gott  mit  einer  ganzen  Fa-  | 
luilie,  die  doch  schon  durch  die  Bedeutung  ihrer  Namen  hinläng-  ] 
lieh  anzeigte,  dals  ans  blosen  Zunamen  in  den  Anrufungen  und 
Hymnen  neue  personilizirte  Wesen  entstanden  sind  *). 

So  erklärt  sich  nun  die  Schale  mit  der  Schlange  bei  unserer 
Göttin  als  ein  alles  Hcilsorakel,  welches  bei  den  Riinieru  ids  das 
Augurinm  Salutis  noch  unter  den  Kaisern  mit  aufserordentlicher 
Feierlichkeit  mehrmals   aufgefrischt  und  wiederholt    wurde  **).     In 


tliums,  worüber,  einige  gute  Winke  von  Fr  er  et  abgerechnet, 
selbst  St.  Croix  in  seinem  Versuch  über  die  Mysterien 
«Inrcli  ßeimiscliung  <ler  knretiscben  und  dactylischen  Jongleurs 
Alles  \erwirite.  YieUeidit  ist  in  der  reuen  Ausgabe,  die  wir 
schon  aus  Fragmenten  kennen,  Alles  licliter  und  besser  getrennt. 
Das  Fragment  des  Varro  über  di";  grofsen  Götter  de  L.  L, 
IV,  10.  ist  das  Ende  des  Fadens: ,  durch  welchen  der  ganze  Knaul 
abgewickelt  werden  kann.  Aus  diesen  Mysterien  kam  der  älteste 
Titan  Hercules,  aus  ihnen  der  dienende  Cadmilus,  Mercur 
(in  den  ^Mysterien  blieb  er  der  kleine  Telesphorns  und  ging  als 
solcher  aiuh  zu  den  Asklepiaden  über)  zu  den  Griechen.  Aus 
ihnen  mufs  man  nun  auch  die  Zusammeapaarung  der  Athenischen 
Ilygiea  mit  dem  Epidaurisdien  Aesculap  zu  erklären  wissen.  Man 
setze  nur  hübsch  den  verhüllten  kleinen  Telesphorns,  wie  auf  der 
hundertmal  nacligebildeten  Gemme  beim  M  äff  ei,  Gemme  antiche 
T.  II-  tab.  53,  daicwischen,  und  die  cabirisclie  Giuppe  ist  in  ihrer 
vollen  Integrität. 

*)  Epione,  die  Mutter,  Hygica,  Panacea,  Jaso,  die  Töchter, 
lieber  diefs  Alles  ündet  man  in  Meibom's  gelehrtem  Commentar 
ad  Jusjurand.  Hippocrat.  c.  VI.  p.  55.  ff.  und  in  Job.  Gottl. 
Scliwarz,  und  Schläger's  Abhandlung  de  Diis  servatoribus 
die  Hülle  und  Fülle. 

**)  Die  Hanptstelle  beim  Dio  XXXVJI,  24,  p.  127.  Die  Sache  wird 
durch  ein  Bruchstück  eines  alten  Frescogemäldes ,  dus  Cardinal 
von  Kohan  1722.  aus  Rom  mit  nach  Paris  brachte  und  dem  Her- 
zog von  Orleans  zum  Geschenk  maclite,  sehr  schön  erläutert.    Ein 


107 

der  Schale  ist  der  mit  Honig  geknetete  Teig,  die  Maza.  Neben 
diesem  Heilszeichen  hält  aber  Hjgiea  hier  noch  einen  Lorbeer- 
zweig in  der  Iland ,  iu  Avelchem  bekanntlich  das  Alterlhum  auch 
alle  Prophetengaben  und  Heilkriifle  hnndertfiiltig  eingeschlossen 
uäbnte.  *). 

Und  dieser  Apollinische  Lorbeerzweig  ist  es  eben,  dnrch  welchen 
das  vorsiebende  Bild  seine  volle  Bestiinmnng  zu  einem  Heil-  und 
Segenswunsch  füi's  neue  Jahr  erhält.  Man  steckte  im  Alterlhum  am 
ersten  Jannar  fnih  beim  Anbruch  des  Tages  Lorbeerzweige  und  Lor- 
beerkränze Jiu  die  Hausthüren**),  so  Avie  unsere  christlichen  Vorfahren 
am  Pfingslfeste  sogenannte  Maien  oder  Birken  vor  die  Häuser  und 
Kirchen  pllanzten ,  und  man  schickte  Lorbeerzweige  zugleich  mit 
Datteln  und  Feigen  den  voruehmsteu  Amtspersonen  in's  Haas  ***), 


Kupfersticli  davon  befindet  sich  in  der  Histoire  de  l'Academie  des 
Inscriptions  T.  V.  p.  297.  Vergl.  meine  Erläuterungen  darüber  in 
Sprengel's  Beiträgen  zur  Geschichte  der  Medizin 
U,  199. 

*)  Wer  liat  nicht  von  der  Heilkraft  und  Prophetengabp  des  Lorbeers 
bei  den  Alten  gehört,  der,  wie  Murray  in  Apparat,  medicam. 
T.  IV.  p.  531.  sehr  gut  bemerkt,  jetzt  eher  noch  i.u  Brühen,  als 
zu  Arzneien  gebraucht  wird  und  gleiclisam  nur  noch  eine  poeti- 
sche und  symbolische  Existenz  hat.  Job.  Gerb.  Wagner  hat 
in  einer  eigenen  zu  Helmstädt  gehaltenen  Disputation:  Laurus  ex 
omni  antiquitate  eruta  schon  alles  Hierhergehörige  gesammelt. 
Die  Hauptstellen  gab  auch  Boden  von  Stapel  zu  Theophrast's 
Botanik  p.  186.  Er  hat  seine  Reputation  den  Weihwedelu  und 
Reinigungsgebräuchen  des  Alterthums  zu  danken,  die  stets  mit 
einem  LorbeerzAveige  verrichtet  wurden.  (S,  Lomeier,  de 
lusnat.  c.  24.  p,  299.)  Sühnende  Bespritzungen  und  Reinigungen 
waren  das  Hauptrecept  der  alten  Orakelmedizin,  Daher  kam  er 
nun  auch  in  die  besondere  Obhut  des  Aesculapius,  so  dafs  er 
selbst  Asklepias  Iiiefs.  S.  Dioscorides  III,  106.  und  Hesychius  T 
I,  c.  573.  Auf  der  oben  angefüluten  Gemme  beim  Maifei  schwebt 
über  den  drei  Heilgöttern  ein  grofser  Lorbeerkranz. 

**)  Wir  haben  nocli  eine  rhetorische  Declamation  des  Sopliisten  Li- 
Lanius  über  die  Neujahrsfeier  seiner  Zeit  (in  der  Mitte  des  4ten 
Jahrhunderts),  wo  es  ausdrücklich  heifst:  „Beim  Anbruch  des 
Tages  und  letzten  Halmschrei  sclunücken  sie  mit  Lorbeerzweigen 
und  andern  Kränzen  die  Thore  und  Vorliallen."  Kalendar,  De- 
script»  T.  I.  p.  179, 

***)  In  den  griechischen  Geoponikern  XT,  2.  p.  791.,  wo  dem  Lorbeer 
eine   grofse  Lobrede  gehalten    wird ,  lindet  man  ausdrücklich   des 


Ij06 

Ersfpics  unsfreitlg  zur Versclioncliung  aller  bösen  Geister,  die  nach 
ciiH'in  alten  Yolksitlatiben  gejicn  den  Lorbeer  eine  ganz  besondere 
Aiilijialhie  liabcn  sollen  *).  Letzleres  als  eine  ü,liieklielie  Yor- 
bcdeutnn;^'  des  Sieiies  und  der  Gesnndlieit.  Es  kann  nicht  fehlen, 
diil's  nicht  auch  meinen  lieben  Freunden,  einem  jeden  sein  eigener 
Kobolt  und  Qunlgeist  au  die  Ferse  gebannt  sein  sollte,  da  ja  nach 
einem  alten  Sprichwort  es  überall  so  viele  Götter  und  Teni'el  giebt, 
als  Menschen  die  Frucht  der  Erde  geniefsen.  AVelcher  Geister- 
besi'hwörer  könnte  aber  alle  diese  Asmodis  bei  ihren  Psamen  neu- 
jienl  Uns  genüge  es,  diefs  unschuldige  Lorbeerzweigleiu  als  einen 
kräftig  scheuchenden  Talisman  gegen  alle  aiimafseiide  Geschmack- 
losigkeit und  insonderheit  gegen  die  transcendentale  \  entriloquenz 
einer  gewissen  Schule  miinniglich  zn  empfehlen,  wodurch  Mancher 
glaubend  gemacht  Avird,  etwas,  das  auf  Erden  gesprochen  ist, 
käme  vom  Himmel,  und  Jacob -Böhmische  Bauchorgelei  sei  eiu 
Sphärengesang.  In  zweiler  Rücksicht  sei  unser  Lorheerzweig  eiu 
deiifungsvolles  Svmbol  der  Gesundheit,  ein  valere  aude  (wage, 
ü:  e  s  u  u  d  zu  sein!),  wie  es  der  edle  Lichtenberg  sieh  selbst  zu- 
rief**), und  ^vie  es  in  einem  Zeitalter,  avo  für  die  hvpochondrischen 
Rlänuleiu  in  den  obern  Ständen  eigene  Motionssägen ,  Stnbenpferde 
lind  Gesnudheitsnachtstühle  ***),  für  die  kränkelnden  und  nerven- 
siechen IMägdlein  aber  eiu  eigenes  Hüpfseil  erfunden  Avcrdcu  mufs- 


Uinstandes  erwähnt,  dafs  man  am  ersten  Januar  den  obersten 
Gewalten  Lorbeerzweige  und  Feigen  zngescliickt  habe.  Isiclas 
hat  dort  in  den  Anmerkungen  diese  Sitte  sehr  gut  erläutert. 

"')  Daher  hat  ihn  auch  Baidinger  in  seinem  scherzliaften  Pro- 
gramm :  Alexipharmaca  contra  diabolum,  Gotting.  1778.  aufziii'iiliren 
nicht  vergessen.  So  trägt  der  Abergläubische  in  Theophrast's 
Characteren  p.  89.  ed.  Coray  den  ganzen  Tag  em  Lorbeerblatt 
im  Munde;  und  daher  auch  das  Spricliwort  von  einem,  der  schufs- 
und  stichfest  gegen  alle  böse  Geister  war:  er  trägt  einen  Stock 
von  Lorbeer.    S.  Nicias  zu  den  Geoponikern  S.  792. 

**)  Vermisclite  Schriften  Th.  1,  S.  47. 

***)  Ausfiilniiche  Auskunft  über  diese  Nothanker  der  scliiflbrücJn'gen 
Gesundheit  giebt  ein  in  der  Baumgärtner'sclien  Bucldiandlung  in 
Leipzig  publizirtes  Werk:  über  Hartleibigkeit  und  die 
Mittel,  sie  zu  verhüten,  32 S.  in*,  mit  2  KuplV-rtafeln.  Wer 
täglich  nüt  der  dort  abgebildeten  Motionssäge  im  "Winter  seinen 
llolzbedarf  verarbeitet  und  auf  dem  elastischen  IVIotionssluhl  sich 
zweimal  wacker  durchschüttelt,  verderbt  sicher  allen  Aerzten  und 
Apothekern  ihr  Spiel! 


109 

te  *),  der  vcrTV'ciclilichtcn  Menschheit  nicht  oft  geimg  znopriifen 
wenlen  kann.  Doim  was  schon  der  "weise  Lacher,  Deiiiocrif,  oiii- 
inal  sehr  wilzii!,-  saiile,  der  Körper  hahe  2,e,a,en  die  ihn  lyraiinisi- 
rende  Seele  ste(s  einen  Iiijnrienprocefs  zn  füiiren,  gilt  wohl  je(zf, 
wo  in  den  ohern  Ständen  die  liehe  Sonne  völlig  contrehand  und 
die  verkehrteste  Lehensordnung-  in  Permanenz  eiklärt  ist,  zwie- 
fältig ,  ja  hnndcr(fäl(ig.  üebrigens  ist  in  politischer  nnd  liferari- 
scIier  Hinsicht  jetzt  jede  Nacht  (die  Tage  sind  unn  einmal  nicht 
mehr  an  der  Tagesordnung  nud  man  zählt  blos,  wie  die  tonanüc- 
beuden  Engländer,  die  Zeit  nach  Nächten,  sevennight,  forlnighf 
n.  s.  vv.)  von  so  viel  xiberraKchenden  Erscheinungen  und  Wunder- 
gehnrten  schwanger,  dafs  man  mit  doppeltem  Rechte  das  Wort 
',  jenes  grofsen  Thehanischen  Feldherrn  kurz  vor  dem  entscheiden- 
den Treffen  bei  Lenctra,  er  wnndere  sich,  wie  jetzt  wo 
Alles  von  Erwartung  gespannt  sei,  Jemand  Zeit  habe,  sich 
hinzulegen  nnd  zu  sterben  '^*),  auf  uns  anwenden  und  sa- 
gen dürfen:  Aver  hätte  jetzt  Zeit,  krank  zn  sein? 

Vordem,  als  noch  der  salbungsvolle,  alte  Predigerstvl  etwas 
galt,  schlofs  jeder  Kanzelvortrag  mit  einem  erbaulichen  Vers  ans 
dem  Gesangbuche  nnd  weckte  mit  seinem  lieblichen  Tonfall  nnd 
Reimgeklingol  gewöhnlich  die  sanficnfschlummerfe  christliche  Ge- 
meinde, die  Hogarth  in  seiner  unübertroffenen  Sleeping  Con- 
gregation  so  meisterhaft  portraitirt  hat.  Diesem  alten  löblichen 
Brauch  zn  Folge  sei  denn  auch  unsere  antiquarische  Honiilie  die 
im  Vertrauen  gesagt,  blos  zu  Nutz  nnd  Frommen  derjenigen  mei- 
ner Freunde  geschrieben  wurde,  die  durch  hartnäckige  Nacht- 
wachen den  Schlaf  verscheucht  haben  und  nun  täglich  beten: 
unser  Bifschen  Schlaf  gieb  uns  heute!  —  mit  einem  Lobsesan"- 
auf  die  Göttin  Gesundheit   geschlossen ,    den    schon    das  Altcrlhuui 


*)  Es  ist  ein  Schvviingseil  mit  zwei  ITandliaben,  lang  genng  mn 
einen  freien  Kreis  nm  die  ganze  Gestalt  des  Mädchens  zn  be- 
sclireiben.  IVIan  Iiält  es  mit  den  beiden  Handhaben,  und  es  wird 
unter  den  Füfsen  von  vorn  nach  hinten  zu,  wälirend  man  Iiüpft 
weggezogen,  und  indem  der  Körper  wieder  auf  den  Boden  kommt 
wird  der  Schwung  des  Seils  um  Rücken,  Kopf  und  Brust  fort- 
gesetzt. Diese  skipping  ropes  beschreibt  Hüttner  iu  seinen 
englischen  Miscellen  IX,  2.  S.  77.  If.  und  bemerkt,  dafs  sie 
als  Notlibelielf  gegen  die  jetzt  immer  häufiger  werdenden  ver- 
kümmerten Gestalten  der  englischen  Mädchen  ein  .allge- 
meines Meuble  gewoi'den  wären. 

**)  S.  Plutarch's  oben  angeführte  Diätetik  oder  de  sanitate  tuend» 
c.  23.  T.  r.  P.  ir.  p.  535»  Wytt.,  wo  p.  532.  auch  der  Ausspruch 
Demorrit's  zn   finden  ist, 


110 

unter  Bcine  liebsten  Scolien  zälilte  *),  Denken  wir  uns  also  ein- 
mal auf  einige  Angenhlicke  in  jenes  herrliche  Theater  von  Epi- 
daiirns  enlriiekt,  das  der  ho(liü,ei)riesene  Meister  der  Svnnnetric  ,  der 
Miciiel  Ani2,elo  der  Griechen,  gleich  grofs  als  Bildliauer,  Maler 
und  Architect,  mit  einem  Wort  der  nnsttirbliche  Polykletos,  einst 
erbaut  halle,  und  auf  dessen  sehr  wohlerhaltenen  Ruinen  noch  vor 
16  Jahren  der  gelehrte  Viiloison  auf  seiner  griechischen  Reise  sich 
in  das  klassische  Alterthnni  zurückversetzt  wähnle  **).  Denken 
wir  uns,  dafs  hier  in  der  Mitte  der  zum  grofsea  Aesculapiusfeste 
versammelfeii  Griechen  auf  der  Bühne  selbst  der  Giittin  Hvgiea, 
die  so  eben  in  feierlichem  Pomp  mit  Aesculap  und  allen  heilenden 
Genien  erschienen  ist  ***),  von  einem  AVechselclior  tanzender 
Jünglinge  und  Jungfrauen  folgende  Antiphone,  diircli  die  TiJne  der 
Doppelilöte  und  Cither  begleitet,  mit  allgemeiner  Rührung-  abge- 
sungen werde: 


Chor     der     Jünglinge, 

Gesundheit,  der  Seligen  Hoch  würdigste! 

Gern   wohnt'  ich  bei  dir 

Für's  übrige  Leben, 
Du  (heiltest  dann  freundlich  das  Obdach  mit  mir! 
Wo  ist  des  Reichthums  Anmuth,  wo  der  Kinder, 
Der  Herrschaft  Anmuth ,  die  ihr  Königsscepter 
Den   Giittern   gleich  hält,   wo  der  Liebe  Reiz, 
Die  in  den  fei iige wohnen  Netzen  Aphrodileus 
Wir  heimlich  umstellen? 


*)  Er  wurde  dem  Sicyonier  Aripliron  zugeschrieben  und  eröffnete 
immer  die  Liturgie  des  Aesculapius,  wie  ans  Lucian  erhellet, 
wefswegen  er  auch  Andern,  dem  LicjMunius  z.  B.,  zngesclirieljen 
wurde.  Man  findet  ihn  aus  dein  Athenäus  auch  in  den  Analectis 
I,  159.  XXIII.  aligednickt.  Zuerst  hatte  ihn  Cliidius  erläutert  und 
übersetzt:  Bibliothek  der  Literatur  und  Kunst  III,  50.,  dann  Ja- 
cobs, Aniniadv,  Vol.  I.  P.  l.  p.  309.  und  zu  gleiciier  Zeit  II- 
gen,  Carniiua  Convivalia  Graecorum  n.   XXVII.  p.  120.  ff. 

**)  S.  Viiloison,  Proleg.  in  Homerum  p.  LIII. :  „inaxima  illius  pars 
integra  manet,    ut    vuMy.w.kiov   plus  quam  fpiinquaginta  gradus. " 

***)  Wir  wissen  aus  dem  Pausanias,  dafs  die  iTiipävitai  oder  Kr- 
scheinnngen  des  Gottes  immer  sehr  feierlich  vorgestellt  wor- 
den sind. 


*1I 

Chor     der     Jungfrauen. 

Oller  ist  irgend  ein  andres  Ergolzen, 
Oder  Äufadinien  von  Arijcit  TCrliebn, 
Sel'ge  Gesundheif,  so  Ijlülu't  mit  dir 
Alles  —  ein  Frühling-  voll  Hnidiunen  glänzt. 
Niemand  ist  selig,  den  du  nicht  beglückst I 


m 

IV. 

Der  Aesculapiusdienst   auf  der  Tiberinsel. 

Medizinische        Schlangengaukelei, 


l-u  der  bekannlen  Stelle ,  -wo  Horaz  ilon  Spli((emcIi(orn  in  Rom 
eine  echt  evaiinelisehe  Moral  predigte  (Senn.  1,  3,),  licifst  es 
unter  Andeim : 

Cur  in  anucornni  vitlis  tani  ceruis  acutum, 

Quam  au  taquila  aut  serpeus  Epidaurius? 
W  i  e  1  a  n  d  übersetzt  es : 

—     —     Wie?  du  hast 

für  deine  Fehler  immer  trübe  Augen, 

und  nur  für  Andrer  ihre  siehst  du  schärfer 

als  Falk'  und  S  c  h  1  a  u  g e? 

Bei  dieser  Uebersetzung  ist  aber  gerade  das  sehr  wesentliche 
Beiwort  Epidaurins  ganz  übergangen,  und  also  auch  hier,  wie  in 
vielen  andern  Fällen,  dem  Horaz  etwas  geuommen  "worden,  Avas 
er  selbst  nicht  gern  missen  würde. 

Aber  was  will  diefs  Beiwort  hier  sagen?  Sollte  es  wirklicli 
ein  bloses  Epitbetou  ornans  sein,  wodurch  nach  Dicbtergebrauch 
der  BegrilF  einer  scharfsichtigen  Schlange  nur  genauer  localisirt 
würde?  Allerdings  gab  es  in  der  Gegend  von  Epidaurns  an  der 
Küste  des  Peloponues  eine  besondere  Art  von  VVunderscblangen, 
die  in  dem  ungefähr  eine  Stunde  von  Epidanrus  gelegenen  Aes- 
culapiustempel  eine  sehr  ansehnliche  Rolle  spielten  und  als  Re- 
präsentanten des  heilbringenden  Gottes  selbst  heilig  verehrt  wur- 
den *).       Der   Drache    selbst    hat   schon   im  Griechischen    seinen 


*')  Pansanias  11,  28.  p.  171.  bemerkt,  dafs  diese  rothlich  gelbe, 
zahme  Draclienart  nur  bei  Epidaurns  angetroffen  werde:  r^ysiptt 
is  i-i-'jV')  cripaj  VI  Tulv  'ExiSau^i'wv  yyj.  Man  nannte  sie  ihres 
dicken  Kopfes  wegen  Backenschlangen,  o$>'J  ■Kctqn»;,  S.  Aelian, 
de  anhn.  VIII,  12.  p.  4ü3.  ed.  Gronov.,  wo  es  ausdrücklicli  von 
ihr  Jieifst,  sie  sei  h'jujtij  tö  o///^«  ,  und  die  neuen  Naturforsclier 
Laben  daher  eine  eigene  Gattung  angnis  Aescnlapius  gemaclit, 
was  jedoch,  so  wie  die  ganze  Herpetologie  des  AUerthiims  Q&* 
Beckmann  zu  Aristoteles,  mirab.  auscult.  p.  318.  351. ^  noch 
vieler  Berichtigungen  bedarf.    Vergl.   Schneider'«   ampbibiorum 


113 

Namen  vom  ScIien  *).  Warum  soihe  also  niclit  tler  Saliiiker 
diese  beslimmtere  Art  von  srliarfsiclilin-cn  mediziiiisclien  Drachen 
spnchwörllicli  zum  Bilde  des  Si'liarfljlifks  iu  der  Beiirtlieiliiog 
fremder  klänge!  nud  Gebrechen  machen? 

„  Zumal, '•  selzen  fast  alle  neuere  Erklärer  des  Diclifers  hinzu, 
„da  es  ja  hekannt  ist,  dafs  die  Römer  A.  U.  C.  462.,  um  einer 
mörderischen  Seuche  in  Rom  und  iu  den  unilieüoinlcn  Gegenden  **) 
Einhalt  zu  thnn,  nadi  dem  Aussprudle  der  Sil)yllinischeu  Bücher 
deu  Aesculapinsdienst  aus  ehen  diesem  Epidaiirus  nach  Rom  ver- 
pflanzt und  dem  hei  dieser  Gelegenheit  auf  der  Tiherinsel  ausge- 
stii'ü,eiieu  Epidaurischen  Drachen  eine  Kapelle  nud  gottesdiensiliche 
Yerehrunü;eu    gestiftet    haben."      Mit   dieser   schon   von  den  alten 


physiologiae  Specimen  I,  p.  79.  Der  Drache,  den  Schulz,  hi- 
storia  medicinae,  p,  136.  ans  Nessel'^  Catalogo  bibliothecae  Vindo- 
bonensis  selu"  fehlerhaft  hat  in  Kmifer  stechen  lassen ,  Iiat  durch- 
aus niclits  von  diesen  cliarakteristischen  Kennzeiclien.  Es  ist  der 
xs^äcTV);  liy.i^jaio;.  S.  Fabricins  zu  Sext.  Empir.  adv.  Gramm. 
I,  10.  p  264. ,  wo  er  viel  richtiger  und  mit  Hörnern  abgebildet 
ist.  Aber  seine  wahre  Gestalt  ist  ohne  Zweifel  noch  auf  vielen 
Aesculapius -Münzen  (z.  B.  der  Draclie  Glycon ,  s.  Span  heim, 
de  Pr,  et  Us.  Numism.  T.  I.  p.  213.  und  Rasche,  Lexicon  univers, 
rei  num.  T.  II.  p.  I.  c.  1493.)  und  den  Abraxagemmen,  wo  eine 
Schlange  mit  einem  dicken ,  menschenäluiliclien  Kopfe  abgebildet 
ist,  mit  der  Beischrift  x'^c-jß ,  (;s.  Fabretti,  Inscript.  c.  VII, 
und  meluere  von  den  Cmiphisgemmen  in  Tassie's  Catalogue  n, 
566—69.  p.  52.])  wo  der  menschliche  Kopf,  wofür  ihn  auch 
Raspe  dort  erklärt,  nichts  Anderes  als  der  dicke  Kopf  der 
Backenschlange  ist,  zu  sehen,  nur  dafs  man  sich  von  den  vielen 
Windungen,  die  als  eine  blose  Aussclimückung  der  Bilder-, 
Stein-  und  Stempelsclmeider  zu  betrachten  sind,  nicht  iiTC  ma- 
chen lassen  mufs. 

*)  Dracones,  sagt  Festus  s.  v.  p.  124,  dicti  «to  reu  t>Q<xv.u-j,  q,iod 
est  videre.  Clarissimam  enim  dicuntur  habere  oculorum  aciem 
—  ideoque  Aesculapio  attribuuntur.  Vergl.  Laurent  ins,  de 
var.  sacr.  Gentil.  T.  YII. ,  Thesaul-.  Gronov.  p.  169.  B,  und  Len- 
nep's  Etymolog,  p.  243, 

**)  S.  Livius  X,  47.,  wo  von  der  Seuche  selbst  die  Rede  ist.  Aber 
die  Geschichte  der  Abliolung  des  Aesculapius  in  Drachengestalt 
aus  Epidanrns  ist  mit  dem  II.  Buche  des  Livius  verloren  ge- 
gangen, und  wir  müssen  uns  mit  den  Auszügen  genügen  lassen, 
die  ^  alerius  jVIaximus  I,  8.  2.  nacli  seiner  Art  ziemlich  weitläufig 
daraus  geliefert  hat.  Vergl.  Ovid's  ]\letam,  XV,  537—659.  mit 
Lenz,  Anmerkungen  Th.  il.  S,  399.  ff. 

Eöltiger'ä  hleiiic  Schriften  I,  o 


iU 

Sciloliasloi»  (los  Crnciiiius  goc;el)oneii  Erkläiniia,  *)  hahon  sich 
bis  jelzt  alle  Comiiit.'iifaforeii  dos  Horaz  bofrieclinj ,  oline  zu  be- 
denken, (lafs  ddicli  sie  iiocli  niclils  von  der  wirklirlicii  Diinkollioif 
anf£>eki.irt  \\ird,  die  ein  Jeder  bei  genauerer  Prülimi!;  dieser  Stelle 
leicht  fiilileu  niiirs. 

Sollte  niclit  in  diesem  ser|)ens  Epidaurins  unseres  Satirikers 
sell>st  ei»  fiiner,  abi-r  den  Zeil_:ieiiossei)  des  Dichters  leicht  be- 
merkbarer satirischer  Zi!_^  verborgcu  liegeu"?  Horaz  thcilt  gern, 
"wie  alle  gute  Satiriker  ,  auch  im  Vorbeigehen  einen  Seitenhieb  aus, 
besonders,  wenn  vom  religiöseu  Aberglauben  seiner  Zeitgenossen 
die  Rede  ist**),  gegen  den  er  seine  Angriffe  aus  mehreren  leicht  zu 
erratheudi'U  Gniudeu  nicht  gern  geradezu  richten  mochte.  Irre  ich 
mich  iiiclif,  so  fand  er  auch  hier  eine  ungesuclite  Gelegenheit ,  auf 
einea  damals  in  Rom  unter  dem  gemeinern  Haufen  häufig  vor- 
kommenden Aberglauben  einen  Seitenblick  zu  werfen ,  der  seinen 
anfgeklärlen  Lesern  gewifs   ein  Lächeln  abgewinnen  mnfste. 

Ich  vermuthe  nämlich,  dafs  der  Dichter  in  dieser  ganzen 
Vergleichuna,"  anf  einen,  nnter  dem  vornehmern  und  geringern 
Pühel  in  Rom  damals  üblichen  Aberglauben,  den  Tempelschlaf 
oder  die  Inrubalion  in  den  Hallen  der  Aescnlapiuskapelle  auf  der 
Tiberinsel ,  anspielt.  AVeil  nun  wirklich  dabei  der  Glaube  herrschte, 
Aescnlap  erscheine  in  der  Gestalt  seines  Lieblingsdrachen  und  gebe 
über  die  hier  liegenden  Kranken  prophetische  Anzeichen,  so  würde 
dergestalt  diese  dunkle  Anspielung  erst  ihre  volle  Beziehung  und 
Deutung  erhalten  :  T  a  d  e  1  s ü  c  h  t  i  g  e  r ,  warum  d  u  r  c  h  s  c  h  a  n  e  st 
du  die  moralischen  Schwächen  ti  u  d  Gebrechen  dei- 
ner Bekannten  mit  einem  so  ficbarfen  Späherblick, 
als  die  E  p  i  d  a  u  r  i  s  c  b  e  A  e  s  c  u  I  a  p  i  u  s  s  c  h  1  a  n  g  e  d  r  a  u  f  s  e  n 
auf  der  T  i  b  e  r  i  n  s  e  1  die  physischen  Anliegen  der 
dort  liegenden  T  e  m  p  e  1  k  r  a  n  k  e  n  und  das  Schicksal 
der  sie  Befragenden? 

Wäre  diese  Erklärung  richtig,  so  gäbe  diefs  zugleich  einen 
neuen   Beweis,    wie  zuweilen   ein    merkwürdiger  Umstand    für   die 


*)  P.  333.  edit.  Cruquii  Antv.  1578.  Diesem  haben  es  Lambin 
und  alle  Uebrigen  bis  auf  Pere  Sana  den,  Remarques  T.  \\ 
p.  109.  nacherzählt. 
^**)  Man  erinnere  sich  zum  Beispiel  nur  an  die  launigen  Seitenans- 
fdllc,  die  Horaz  in  mehrern  seiner  Satii'en  auf  die  damals 
selbst  von  aufgeklärt  sein  wollenden  Römern  und  Römerinnen  an- 
genommenen Satzungen  des  Jndenthums  macht,  z.  B.  Serm.  I,  4. 
139.  I,  9.  69.,  wo  die  in  neuen  Zeiten  so  oft  mifsverstandenen 
tricesinia  sabbata  gewifs  auf  die  damaligen  Römer  einen  sehr  lä- 
cherlichen Eindruck  machen  mufste. 


115 

Kennlnifs  des  Alfertlmnis  nur  iiocli  aus  einer  einzigen  Stelle  eines 
nheii  Schriftstellers  aii%es|>iiit  werden  kiinite.  Denn  für  die  so 
dnnkle  Gesehiclite  der  Arzneikunde  und  Cliirnrgie  in  den  frühem 
Zeitaltern  Roms  wäre  der  Umstand ,  dafs  die  älteste  griechisthe 
Hellart  durch  die  Incnhation  in  den  Tempeln  des  Aescnlap  anch  in 
Rom  von  der  zweiten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  an  bis  zu 
den  spätem  Zeiten  der  Kaiser  iierah  beständig-  gebraucht  worden 
sei,  allerdings  von    einigem    Belang. 

Aber  wodurch  liel'se  sich  nun  diese  Erklärung"  rechtfertigen '? 
Sind  wiiklich  mehrere  Spuren  vorhanden,  die  uns  zu  dieser  Muth- 
uiafsung'  Ijerechtigen?  Denn  ohne  diese  wäre  tlie  hier  gegebene 
Auslegung  doch  kaum  etwas  mehr  als  ein  luftiges  Hirngespinnst, 
bei  dessen  Anhörung  ein  rüstiger  Criticus  der  Aorigen  Zeiten  in 
seiner  Kraflsprache  wohl  gar  von  einem  Recepte  aus  Anticjra  zu 
sprechen  sich  bewogen  fände. 

Es  ist  für's  Erste  wohl  aufser  allen  Zweifel  gesetzt,  dafs  jener 
sonderbareu  Wunderlegende  von  der  Abholung  des  Aesculapius  zu 
Epidaurus  und  der  Niederlassung  eines  heiligen  Drachen  auf  der 
ihm  geweiheten  Tiberinsel  folgende  Thatsache  zum  Grunde  liegt: 
Römische  Abgesandte  gingen  nach  Epidanrns ,  dem  Hauptsitze  des 
uraltlMi  griechischeu  Aescnlapinsdieustes,  um  sich  dort  mit  der  Heilart 
der  Asklepiaden  oder  Tempelärzle  bekannt  zu  machen.  Von  dort 
aus  hallen  sich  die  Asklepiaden  und  Tempellazareihe  über  ganz 
Griechenland  schon  längst  ausgebreitet,  und  der  Asklepiadenordcn 
fand  daher  nm  so  weniger  Bedenken ,  auch  diesen  Fremdlingen  von 
der  Tiber  in  ihrem  Gesuche  zu  willfahren.  Sie  liefsen  einige  aus 
ihrer  Mitte  in  Gesellschaft  der  Römer  abreisen  und  gaben  ihnen 
als  sinnliches  Zeichen  des  mit  ihnen  abscliiirendeu  und  in  Rom 
sich  niederlassenden  Gottes  eine  zum  heiligen  Gaukelspiel  schon 
völlig  abgerichtete  Epidaurische  Tempelschlange  mit,  auf  die,  als 
auf  den  sichtbaren  Stell veitretcr  des  Gottes ,  fieilich  die  ganze  Auf- 
merksamkeit des  wnndersüchtigeu  Pöbels  allein  gerichtet  sein  mufste. 
Als  das  rönsische  Schilf  mit  dieser  heiligen  Fracht  die  untere  Küste 
Italiens  vorbeigeschiift  und  in  dem  Hafen  zu  Antinni  angekommen 
"war,  schickte  vermutlilich  Ogulnins  einige  Gesandte  und  Piiester 
voraus,  die  auf  einem  der  gesündesten  nnd  luftigsten  Plätze  um 
Rom,  der  Tiberinsel,  Alles  zum  Enrpfang  des  Gottes,  d.h.  der  heil- 
igen Schlange,  zubereiteten.  Nach  diesen  Anstallen  kam  die  Schlange 
selbst  an ;  die  mit  ihr  gekommenen  Asklepiadeu  verschrieben  den 
Kranken  im  Namen  des  durch  die  Schlange  versinulichteu  Gottes 
allerlei  Recepte,  und  iWv  Glaube  an  übernatürliche,  unmittelbare 
Hilfe,    die    so    oft  geholfen   hat,  half  auch  hier  *), 


')  Kpidaurus,    als    die  Mutterloge    des  über  ganz  Griechenland  a«s- 

8  * 


116 

Nt'limoii  wir  iimi  dicso  Eiklüruiig  einer  durch  sji.'ilere  Sagen 
80  selir  voriinslalltlcii  Beü,)'ijenln'it  als  die  riclilijje  an,  wie  diefs 
audi  Andere  sclion  vor  mir  j2,ctlian  hjil)eii  *) ,  so  folgt  sclion  daraus, 
dafs  sich  Ton  nun  an  auf  der  zum  Aesculajiidsdienst  fj,anz  bequem 
cinj>criclitelen  Tilieriiisel  immer  eine  gewisse  religiöse  Krankeiipilep^e 
uach  griechischer  ^^  eise  crliallen  und  auch  dann  noch,  als  die 
aus  Grieclieiiland  seÜtst  ahslammcnden  Asklepiadeii  längst  ansge- 
.sforhon  waicn,  durch  ihre  in  ehen  diesen  Künsten  unten ichteten 
Nachfolger  fortgepllan:'.!  iiabe  **), 


gebleiteten  Asklepiadenovdens ,  verdiente  wold  in  der  Geschichte 
der  ältesten  Medizin  eine  weitläntigere  Beschreibung,  als  sie 
Le  Clerc,  Scliulze,  Hist.  niediciii,  p.  J20.  und  selbst 
Sprengel,  Geh  eh.  der  Arzneik.  I,  128.  f,  ihren  Absichten 
geinäfs  geben  konnten.  Kpidaiirns  mit  seinem  ganzen  Gebiete 
war  li eiliges  Land,  '«?«?  wie  es  daher  anch  auf  Münzen 
genannt  wird  Qs.  Ekhel,  Num.  Vet.  Tab.  IX.  und  p.  137.)  und 
unverletzlich  S.  die  merkwürdige  Stelle  in  Plutarch's  Vit.  Pericl. 
c.  35.  Tom,  1.  p  426.  ed.  Hütten.  Die  über  eine  Stunde  von 
def  Stadt  e?itl'ernt  liegenden  Tempelgebäude,  Hallen,  Bäder, 
Gymnasien,  Priesterwohnungen  u,  s.  w.  müssen  selbst  nach  dem 
Pausanias  einen  weiten  Raum  eingenommen  liaben»  Ihre  Ruinen 
hat  Des  Monceaux  in  den  Voyages  de  Com.  de  Bniyn.  T.  V. 
p.  469.  zuerst  beschrieben,  neuerlich  aber  v.  Villoison  als  kri- 
tischer Augenzeuge  geprüft,  wovon  wir  vorläufig  in  seinen  Pro- 
legomcnis  ad  Homerum  p  L. —  LH.  interessante  Nachricliten  er- 
Jialten.  Von  hier  aus  ward  also  eine  Filialloge  der  Asklepiaden  in 
Rom  errichtet,  von  der  freilich  die  weit  später  lebenden  römischen 
Geschiciitsclirciber  die  genauem  Umstände  nicht  mehr  wissen 
konnten.  Indessen  verdient  doch  der  weitläulige  AVunderbericht 
des  Valerius  ÜMaximns,  aus  diesem  Gesichtspunkte  noch  besonders 
geprüft  zu  werden.  Man  findet  dort  deutlich  eine  ixiCpävnix  des 
Gottes  in  Dracliengestalt.  Die  periti  cultus  sind  die  Asklepiaden. 
Vergl.  Pausanias  111,  3.  p.  270.,  wo  eine  merkwürdige  Parallelge- 
scliichte  vorkommt. 

*)  Scbulz,  Histor.  medicin.  Period.  II.  c.  G.  p.  430.,  wo  er  es  auch 
sein-  wahrscheinlich  lindet.  „Aesculapio  Romanos,  perinde  ut 
Graeci  suo,  fui.sse  usos,  ab  eoque  morborum  auxilia  petiisse: 
quae  rpioniam  ipse  putatitius  deus  per  se  dare  non  poterat, 
dedisse  sacerdotes  habitu  velatos  medico  consequitur  ;  u  t 
adeo  illud  a  Plinio  traditum  Graecanicae  medicinae 
a  p  u  d  R  o  ni  a  n  0  s  p  r  i  n  c  i  i>  i  u  m  h  a  u  d  o  m  n  i  n  o  s  i  t  adeo 
r, ertum,  ut  non  autiqjiiorem  in  ipsa  urbe  sedem 
illius  i  ntelligamu  s. 
**)  Diefs  braucliten  niclit  gerade   wieder  geborene  Griechen   zu    sein, 


1:7 

Stliou  der  Umsfaiul,  dafs  inüu  die  damals  noch  p,ar  iiiclit 
aiiEfpbaufe  und  iVei  licgoiule  Tiberinsel  zum  Tempelsilze  des  hciU 
hringenden  Gottes  ans  Epidannis  einweihefe,  zei^^t  sebr  denllitli, 
dafs  man  auch  hier  eben  die  Kraiikenaiislallen  und  InciibatioiiL'u 
mit  dem  Acscnlapiiisdienst  verbinden  woütc,  um  welcher  willen  bei 
den  Grieclieii  überall  die«>»>  Tempel  in  einer  "ewisson  Entfernung- 
von  den  Städten  ani^eleiit  waren  *).  Wenn  Plinins  diese  Ahson- 
dernng-  voti  der  Stadt  der  Veraehlnn«»'  znscliieibt,  mit  welcher  die 
alte  römische  Orfliodoxie  den  griccliisciion  Wiinderarzt  angesehen 
habe  **) ,  so  macht  er,  wie  so  oft,  nnr  den  streng;  nioialisirendeii 
Declamafor,  dem  Alles,  was  die  Römer  für  die  ü,ri!Hlii.s(he  Arz- 
uciknnih;  tliateii ,  als  eine  straOtare  Nenernnf;,-  erscheint.  Andere 
Schriftsteller  sagen  ausdriicklicb ,  dafs  man  diesen  Ort  aus  medizi- 
nischen Gründen  ge wühlt  habe  ***). 


und  dadurch  würde  der  Zweifel  widerlegt,  den  man  aus  der  Stelle 
des  Pliniiis  XXIX.  1.  s.  6.  dagegen  erregen  könnte,  wo  gesagt 
whd,  die  gTiecliische  Medizin  sei  erst  nach  600  Jahren  (nänilicli 
durch  den  Archagathus)  nach  Rom  gekommen. 

•)  Sprengel's  Geschichte  der  Arzneikunde,  Th.  I.  S.  IJO. 

**)  Plin.  XXIX,  1.  s.  8.  Artem  (sc.  medicam)  antiqui  damnabant. 
—  Ideo  templuni  Aesculapii,  etiam  cum  reciperetur  is  dens  ,  extra 
urbem  fecisse,  iterumque  ( i.  e.  atque  adeo^  in  iiisula  tra- 
dnntur.  Plinius  dachte  dabei  an  die  damals  unter  den  Kaisern 
so  gewöhnlichen  deportationes  in  insulas.  Eine  sehr  witzige  de- 
clamatorische  Floskel ! 

***)  Beim  Plutarcli,  in  quaest.  Rom.  p.  283.  D.  wird  auch  gefragt, 
warum  man  in  Rom  den  Aesculapiustempel  aufserhalb  der  Stailt 
errichtet  habe,    und    die   Antwort  ist:     iringav   an   r«;   c:;^j    ök\- 

EXX-r^vsj  SV  roTTOtg  Xrt^aoo7f  y.on  O-^'ijXcTf  sir/iottüf  /üju/xavj: 
T«  'Ac-i'AjjxiiTat  s'xovci.  Etwas  anders  erklärt  es  Festus  s.  v. 
in  insula  p.  188.  „In  insula  Aesculapio  facta  aedes  fuit,  quod 
aegroti  a  medicis  aqua  maxime  sustententur.  Ich  würde  diefs  ni<.'it 
sowohl  auf  die  Hydroposie  als  auf  die  Psvchrolusie  und  die  Badt-r 
im  hiefsenden  Wasser,  die  hier  die  Priester  den  Kranken  als  hei- 
lige Reinigungen  und  Sühnungen  vorschrieben ,  beztelien.  —  Es 
waren  übrigens  in  der  Folge  gewifs  einige  Mallen  und  mehrere 
zur  Hauptkapelle  gehörige  Gebäude  hier  eingericiitet.  Ich  schlielse 
diefs  aus  einer  Stelle  des  Dio  XLVII,  2.  p.  492.  93.,  wo  unter 
niehi'ern  AVunderzeichen ,  die  sich  im  Consulat  des  Hirtius  und 
Pansa  A.  ü.  C.  711.  zutrugen,  auch  geuieldet  wird:  s"  tcTi; 
'ATx.XvjTTiei'cjj    ijitXiuffAi   ig   rvyj   äy.^oiv   ttoXXa]   vivicr^dipi^aa'j.    T« 


118 

Froilicli  kommen  nun  iti  einer  Rellie  von  melircroii  liniulert 
Jahren  keine  aiisdriicklirlKMi  Zonsnisse  davon  vor,  da^  in  diesem 
Tempel  eine  be.sondero  Kiankcnpilege  dureli  Priester  slallyeliindeii 
habe.  Allein  diels  .Slillselnveigen  beweiset  liiielislens  nur  so  viel, 
dafs  diese  Anstalt  nie  ein  i^rofses  Ansehn  gehabt  habe  nnd  von 
den  klütern  nnd  vornehmem  Riunern,  die  wir  doch  allein  als 
Sehriflslellcr  kennen,  nie  fiir  etwas  mehr  als  das,  was  es 
war,  filr  Pfallenbelrnji,'  nnd  Blendwerk  des  leichlglänbi^en  Pöbels, 
ji,ehallen  worden  sei.  Mit  einem  Worte,  die  Sache  des  nrs|jning- 
lich  Ircniden  GoKcs  J^ehorte  nicht  znr  römischen  Staalsreli^iinn.  Man 
würdigte  sie  also  anch  nnr  dann  einer  besonderen  Aufincrksamkcif, 
wenn  sie,  wie  ich  weiter  nnlen  bemerken  weide,  mit  dieser  in 
eine  besondere-  Yerbindnng  gebracht  werden  konnte. 

Dafs  aber  nnler  den  ersten  römischen  Kaisern  nnd  kanm  60 
Jahre,  nachdem  Horaz  seine  Satiren  geschrieben  hatte,  hier  ein 
Tenipelshojiilal  nnd  Lazarclh  fiir  ganz  nnbeniidelle  Kranke  gewesen 
sei,  beweis't  eine  sehr  merkwürdige  Stelle  Sueton's  im  Leben  des 
Clandins,  wo  erzählt  wird,  der  Kaiser  habe  dnrcli  ein  Gesetz  allen 
Sciaven  die  Freiheit  gegeben,  die  ihre  Herren  in  diefs  Tempel- 
lazarelh  geschickt  hätten,  weil  sie  sich  selbst  mit  der  Kranlceu- 
pllege  dieser  Sciaven  nicht  abgeben  wollten  *) 


A(y/tX>)ir(E7a  bezeichnen  hier  niclit,  wie  der  Uebersetzer  geglaubt 
hat,  festnin  Aesculapii,  sondern  nach  der  riclitigsten  Schreibart 
(s.  D'Orville,  Sicula  c.  XI.  p.  190.^,  in  der  IVIelir- 
zahl  die  sämmtliclien  Teinpelgebäude,  an  deren  Fastigiiun  sich 
die  Bienentrauhe  ansetzte.  Es  ist  aber  liierbei  auch  diefs  noch 
merkwürdig,  dafs  die  zwei  Kapellen  des  Jupiter  Lycaonius  nnd 
Fannus,  die  sich  nach  der  Aussage  der  Alten  zugleich  mit  auf 
dieser  Insel  befunden  haben  (.  s.  Victor,  de  Reg.  Yoc.  Rom.  p« 
25.:  Insula  in  qua  aedes  Jovis  Fauni  .et  Aesculapii, 
und  Adler's  B  es  clir  ei  bu  n  g  der  Stadt  Rom  S.  348. ")  ilneu 
Ursprung  walusclieinlieli  auch  dem  Glauben  an  göttliclie  Heilkräfte 
nnd  Träume  zu  danken  hatten.  Bei  dem  Beinamen  Lycaojiius, 
den  hier  der  Ju])iter  führte,  erinnern  wir  uns  an  die  Bemerkungen, 
die  über  die  Verehrung  des  .lupiter  Lycäns  und  die  Luperealien 
der  Römer  zu  einer  andern  Zeit  gemaclit  worden  sind.  Fannus 
aber  wurde  seit  den  ältesten  Zeiten  in  Italien  dui'ch  Incubationen 
nnd  nächtliche  Traumerforschungen  verehrt.  S,  zu  Virgifs  Aen, 
VII,  85. 

*)  Sneton,  Claud.  c.  25.  „Quum  quidam  aegra  et  adfecta  mancipia 
in  insula  Aesculapii  taedio  medendi  exponerent,  omnes,  qni 
exponerentur ,  liberos  esse  jussit,  nee  redirc  in  ditionem  domini, 
si  convaluissent."    Vergl.  Reimarus  zum  Dio  LX,  29.  p.  967. 


Eine  neue  gltiiizeiido  Periode  für  die  heilige  Ar^neikuiide  ia 
den  Aescnlapiii.slemnoln  beginnt  unter  der  Regierung  des  Kaisers 
Antoninns  Pins  niul  seines  nächsten  Nachfolgers.  In  diesem  Zeit- 
alter, wo  alle  altf^n  Prieslerkiinste  und  alle  Arien  von  Divinationeii 
und  Orakeln  dnrcli  die  gntniüthige  Schwäche  nnd  Leichlgliinhigkeit 
des  Regenten  so  grofse  Anfnmnlernng  erhielten  *) ,  lebte  anch 
der  veraltete  Asklej)iadenorden  mit  erneuerter  Jugendkraft  wieder 
auf.  **).     Zu  Kos,   Pergauuis  und   in    mehreren  Hauptstädten    von 


55. ,  wo  doch  der  Umstand  mit  der  Tibeiinsel  niclit  berührt  ist, 
sondern  es  nur  heifst  -^cXkot  lovXovi;  a^qMvrclvron;  ävt  ruiv  om/wy 
t^ißakXcv.  Das  convaluissent  des  Sueton  lafst  keinen  Zweite! 
übrig,  dafs  hier  von  einer  Art  von  Genesungsanstalt  die  Rede  sei. 

*)  S.  Henke,  allgemeine  Geschichte  der  christl.  Kirche,  Th,  1. 
S,  76.  nnd  die  treffende  Schilderung  in  Wieland's  Einleitung 
zur  Üebersetzung  des  Lucian,  Th.  1.  S.  XXX.  fl'.  —  Die  näciiste 
Veranlassung  der  Vorliebe  des  Kaisers  Antoninns  Pius  für  alle 
Wahrsagerkünste  und  besonders  fiir  die  Aesculapischeii  Gesund- 
heitsorakel lag  wahrscheinlich  in  der  eigentlichen  Vaterstadt  des 
Kaisers,  in  Lamiviuni,  wo  ein  bekanntes,  unten  weitläuliger  zu 
beschreibendes  Schlangenorakel  der  Juno  Sisi)ita  oder  H)giea  war. 
Nun  hatte  der  Kaiser  besonderes  Wolilgefallen  an  seiner  Vaterstadt 
(s.  Gataker,  ad  Antonin.,  de  rebus  suis  I,  16.  p.  40.),  hielt 
sich  oft  dort  auf,  reparirte  die  dortigen  Tempel  (^opera  ejus  templa 
Lanuvina  sunt  restituta  sagt  Capitolin  in  vit.  Ant.  c.  8.)  und  ehrte 
ohne  Zweifel  selbst  jene  Gesundheitsschlange  sehr  liocli.  Man  weifs, 
wie  weit  damals  die  Sclimeichelei  gegen  die  Liebliabereien  der 
Kaiser  in  Rom  und  in  den  Provinzen  ging.  Das  Lanuvinische  Ge- 
sundheitsorakel ward  nun  für  die  Priester  und  Gaukler  des  Aes- 
culap  in  Rom  und  durch  alle  Provinzen  des  Reiclis ,  wo  alte 
Tempel  des  Gottes  waren,  eine  Stimme  der  Wiederbelebung  und 
des  Erwacliens  aus  einer  langen  Erstarrung. 

**)  Darum  findet  sich  auch  gerade  in  diesem  Zeitalter  wieder  eine  so 
grofse  Menge  von  Aerzten,  die  sich  Asklepiades  nannten.  S. 
Asclepiadis  Bitliyni  fragmenta  ed.  Gumpert  (Jen.  1794.  c.  I.  p. 
6.  If. )  Der  Orden  war  gewifs  nie  ganz  ausgestorben,  da  die 
Tempel  des  Aesculapius  nie  ohne  Priester  und  Teinpelärzte  ge- 
blieben waren.  Er  war  aber  nur  theils  durch  die  allgemeine  Auf- 
nahme der  rationellen  Medizin,  tlieils  durch  die  seit  den  Zeiten 
der  Ptolemäer  über  die  ganze  alte  Welt  und  besonders  auch  über 
Italien  verbreiteten  Krankenkuren  nnd  Divinationen  in  den  Tem- 
peln der  Isis  und  des  Serapis  (^s.  die  vollständigsten  Collectaneen 
hierüber   in  Sciiläger's   commentatio    de   diis  hominibusque  .ser- 


120 

Klein.'islon  strttmfo  Alles  zu  «1o«  Festen  und  Tempeln  dos  Lilf- 
roicheti  Godes ,  der  die  wankende  Gesiiiiillieit  des  Behenseliers  der 
röniisclien  Weit  einii;«  Male  rcflit  wniuleihar  l>efesti<!,et  hatte  *). 
Die  Hallen  nnd  Krankenliäuspr  ne!»en  den  Aesenlapiusienipeln  wur- 
den aufs  iSeue  mit  Gebreelilifhon  und  Kranken  aller  Art  anü,e- 
füllt  **).  Der  Belniü,ci"  Alexander  konnte  mit  seinem  Wnnder- 
draelion  nnd  plnnij)en  GankeLspiel  nielit  blos  die  j^edankenlüs  gaf- 
fenden Asiaten  ,  sondern  auch  römische  Senatoren  und  Staatsmänner 
täuschen  ***). 

Bei  dieser  entschiedenen  Yorliehe  des  Kaisers  für  den  Aescu- 


yatoribus,   Helmstadt.  1737.    c.   XV.    p.  41.   ft'O     zurückgedrängt 
worden. 

*)  Antoninns  Pins  bedurfte,  wie  sein  Nachfolger  Marc.  Aurel  in 
jener  berühmten  Schilderung  von  ilmi,  tw-j  il;  Uvr.  I,  16.  p.  5. 
ed.  Gatak.  ar.sclrücklich  bezeugt,  seiner  Mäl'sigkeit  wegen  durch- 
aus keiner  gewöhnlichen  medizinisclien  Hilfe,  sij  hXiyiCTot.  twv 
iarqiy.OJ-j  sy_^->)i,s  >)  (fKxqiJ.iy.'ji-^  v.a.)  iiziB-/\jj.o.rwj  sktc?.  Allein  Vil- 
loison,  Proleg.  ad  Hom  p,  LI.  bemerkt  mit  Reclit,  dafs  er 
sich  um  so  Jüiuhger  den  heiligen  Betrügereien  und  Blendwerken 
der  Aesculapinspriester  preisgegeben  haben  möge.  In  den  Samm- 
lungen alter  Inschriften  iinden  sich  mehrere  Ex-voto-Tafeln ,  die 
auf  die  wunderbare  Genesung  dieses  Kaisers  Bezieluing  liaben, 
z.  B.  Inscript.  Donian,  Gl.  I.  n.  84,  Aescvlapio  Sancto.  Serva- 
TORi.  ET  Hygieae.  Sacrum  Pro.  Salvte.  Aktonini.  Ayg.  Pii. 
Vergl.  Gruter,,  Inscript.  LXVIII,  5. 

**)  Von  der  Regierung  dieses  Kaisers  an  wurden  zuPergamus,  Tral- 
les  ,  Kos  und  an  vielen  andern  Orten  die  von  Epidaurus  abstam- 
menden (  s.  Pansan.  II,  26.  p.  171.  rix.  'Aay.kyjTix  sO^iVui«  rä 
iiriCpavstTTaT«  s5  'ETr(&«uf  ou )  Asklepienfesto,  Processionon  und 
Tempelincubationen  selir  berühmt  und  durcli  Gedächtnifsmünzen, 
deren  sich  nocli  eine  grofse  Zahl  in  den  Münzkabineten  lindet, 
verherrliciiet,  S.  Spanlieim  in  zwei  an  Morelli  geschriebenen 
numismatischen  Briefen,  die  Liebe  seiner  Gotha  nnniaria  hat  bei- 
drucken lassen,  besonders  p.  499.  if.  und  Ekhel,  in  Doctrina 
numorum  veternm  P.  I.  T.  IV.  s  v.  Asciepia.  p.  435.  und  Soteria 
p.  'i54.  Dafs  Alles  damals  von  Kranken  in  den  Hallen  der  Aescu- 
lai)iustempel  angefüllt  gewesen  sei,  ei'sieht  man  aus  mehreren 
Stellen  des  Ph  il  o  s  tratu  s'  in  vita  Apoll.  Tyan.  und  den  Ijei  fei- 
erlichen Gelegenheiten  zu  Perganms  gesproclienen  Reden  des  Ari- 
stides  bei  Sprengel,  Geschichte  der  Arzneikunde,  I,  122.  If. 

***)   Lucian's  Alexander  oder  Pseudomantis    Op.  T.   IL  p.   207, 
ff,  ed.  Wetsten. 


r  121 

lapJiiisdiejist  nud  «lle  hoili2;e  Medizin,  die  sich  besonders  anch 
an  dem  »Slaininsitzo  derselben  zn  Epidaurns  dnrch  Erweiterungeo 
nnd  Aussc!iniückiuij;"en  der  dortigen  Tenipelgehändc  sehr  niild- 
tluilig"  erwies  *),  konnten  die  Tiberinsel  nud  die  darauf  vorhandenen 
Tenipelgebände  niolit  leer  ansgelien.  Die  alte  "VVnnderlegendo  \oa 
der  Ankunft  des  Gottes  in  der  Gestalt  eines  Drachezi  ^vnrde  dem 
Kaiser  zu  Gefallen  anfs  Neue  in  Uuihuif  gesetzt ,  und  dieser  liefs 
sie  dureli  einige  grofse  Gedächtuifsniiinzen  ,  die  noch  jetzt  die  Zierde 
der  IMiiuzkabinete  uiacheu  ,  verherrlichen  **).  Prefsliafle  und  ge- 
brechliche Menschen  kamen  haufenweise  zu  dem  gepriesenen  Ge- 
snndheilsteni])el  und  verkündigten  die  durch  göttliche  Erscheinungen 
lind  Träume  empfangenen  Heihingsrailtel  nach  einer  bei  diesen 
Tempeln  von  Allers  her  gebräuchlichen  Sitte  auf  ehernen  Tafeln, 
die  in  den  Hallen  und  \oriiüfen  anfgehangeu  wurden,  und  von 
denen  sich  noch  bis  jetzt  einige  erhalten  haben  ***), 


*)  S.  Pansan.  H,  27.  p.  174. 

**)  Span  he  im  hat  sie  mit  besonderem  Fleifse  erläutert.  Praest.  et 
Us.  Nuiinsm.  T.  I.  p  217  f.  Man  erblickt  hier  die  aus  dem  Schiffe 
sicli  hervorwip.dentle  Aesculapinsschlange,  die  der  aus  dem  Strome 
mit  halbem  Leibe  hervorragende  Tibergott  feierlicli  bewillkommt. 
Aber  das  in:  Hintergrunde  auf  einem  Berge  stehende  Gebäude 
kann  nicht,  wie  es  doch  auch  Ras  die  seinen  Vorgängern  nach- 
betet, (s.  Lexicon  Univers.  Rei  Num.  T.  I.  c.  152.)  den  Tempel 
auf  der  üachen  Tiberinsel  vorstellen.  Weit  richtiger  sclieint  daher 
die  Erklärung  Hardouin's  zum  Piinins  XXIX,  1.  T.  II.  p.  505,  6. 
zu  sein,  welcher  jenes  Gebäude  fiir  den  kaiserlichen  Palast  auf 
dem  Palatiaischen  Berge  gehalten  wissen  will.  Der  an  dem  Ge- 
bäude hervonagende  Lorbeerbaum,  das  Zeichen  des  Kaiserpalastes, 
\md  mehrere  Umstände  maclien  diefs  wahrscheinlich,  wenn  auch 
die  dort  gegebene  Deutung  der  Unterschrift  der  Münze,  wo  aus 
dem  so  leicht  verständlichen  Aescülapiüs  die  Worte  herausge- 
künstelt  werden :  Anguis  Epidaurius  Senatus  Consulto  Valetudini 
Levandae  Antonini  Pii  Hiatus  Urbem  Subit,  in  das  Kapitel  der 
Hardouinischen  Träumereien  gehören. 

***)  Der  gelelrrte  Arzt  Hier.  Mercnrialis  machte  zuerst  eine  im 
Palast  des  Cardinais  Maffei  befindliche  Inschrift  bekannt:  de 
Art.  Gymnast.  1,1.  p.  3.  ed.  Amstelod.,  die  nun  am  richtigsten  in 
der  Graeviusischen  Ausgabe  des  Gruterus  p.  LXXI.  abgebildet 
ist.  Hier  wird  von  4  Wunderkuren  berichtet,  die  der  ijii  Tranme 
erscheinende  und  Mittel  vorschreibende  Gott  an  zwei  Blinden,  an 
Einem,  der  Seitenstechen,  und  Einem,  der  Blutspeieji  hatte, 
if^it^ecSiv  ToC  S>)//ou  ,  wie  es  dort  heilst,  verrichtet  habe.  Hun- 


122 

Tiefer  herab  lassen  sich  zwar  keine  bestiuinifeii  Zeiiniilsse 
anlulireii ,  dafs  diefs  Tenn»ellazaietli  diiri-li  Priester  des  AesctiJapiiis 
besorgt  worden  sei ;  allein  es  ist  doeli  ans  den  ilirisllirhen  ^lar- 
t>Tolo2,ieen  erweislich,  dafs  anf  der  Tiherinsel ,  die  nnn  immer  unter 
dem  Namen  insnla  Lycaonia  vorkommt,  ein  Krankenhaus  ( noso- 
coininm  )  j>ewesen  sei.  Diese  Krankenpfleüe  kan>  nun,  wi*»  iiber- 
all  im  römischen  Reiche,  als  das  Cluislcnllinni  lierrscliend  wnr- 
de*),  in  die  Hände  der  Geistlichen  nnd  Mönche.  Noch  in  unseren 
Tagen  werden  auf  der  Insel  San  Bartolomeo  (so  heifst  jetzt 
die  Tiherinsel  von  der  daranf  stehenden  Kirche)  in  einem  Hospi- 
tale der  harmherzigen  Brüder ,  S.  Giovanni  Colabita  genannt, 
ungefähr  60  Betten  für  ganz  nnhenn'tlelle,  mit  schweren  Gebrcchea 
behaftete  Kranke  unterhalten  **). 

So  viel  als  knrze  Geschichte  der  von  Griechenland  ahstam- 
inenden  heiligen  Krankenpllege  anf  der  Tiberinsel.  Ai>er  bedienten 
sich  nnn  anch  die  Priesterärzte  bei  dieser  Anstalt  forldauernd  eines 
heiligen  Drachen,  nnd  kann  Floraz  in  der  Stelle,  von  welcher  wir 
ansgingen ,  wirklich  daranf  zielen?  Wir  wollen  versuchen,  in  wie 
weit  sich  anch  diefs  dnrcli  Znsammenstelinng  mehrerer  Anzeigen 
und  Mnthmafsnngen  wahrscheinlich  machen  lasse. 

So  wie  der  Schlangengott,  der  in  einem  Epidanrischen  Dra- 
chen  leibhaftig    erscheinende   Aesculap ,    an    die  Tiherinsel    ange- 


d er  t mark,  de  incrementis  artis  niedicae  per  expositionem  aegro- 
torum  in  vias  publicas  et  templa,  Lips.  1749.  hat  sie  gelehrt  er- 
läutert und  es  selir  wahrsclieinlich  gemacht,  dafs  diese  ^'otivta- 
fei  im  Aesculapiustenipel  auf  der  Tiberinsel  im  Zeitalter  Auto- 
nin's ,  dessen  Wnuderglauben  mau  dadurch  schmeiclielte,  aufge- 
hangen worden  wäre.  Man  vergleiche  Sprengel's  einsichtsvolles 
Urtlieil  in  der  Gesch.  der  Arzneik.  I,  134.  Auf  diese  Votiv- 
tafel  gründet  aucli  Freinsheim  seine  Erzälilung  in  Suppleinentis 
Livii  XI,  14.  T.  111,  p.  198.  edit.  Drakenb. :  „Templuni  (Aescu- 
lapii  in  insula)  niov  iusiguilius  donariis,  et  honiiuum,  qui  reine- 
diis  salutaribus  ab  eo  nunüne  se  adjutos  ferebant,  praedicatione 
nobilitatum  est." 

*)  Man  denke  an  die  Parabolanen  zu  Alexaudi ien.  S.  Sprengel's 
Gesch.  der  Arzneik.  II,  1G7.  1C8.  So  sind  auf  den  Inseln  des 
Archipelagus  die  IVIönche  des  heiligen  Cosmas  uud  Damiauus  noch 
jetzt  Aerzte  und  Nachfolger  der  Asklepiaden,  Villoison,  Proleg. 
ad  Hom.  p.  XLVllI. 

■♦)  La  Lande  oder  Volkmann,  Nacluichten  von  Italien,  Tli.  II. 
S.  536.  f. 


123 

schwömmen  war,  verschwand  er  *).  Dlefs  dente  ich  nach  der 
bckaniitoii  Vorstellung;,  die  das  Alterlhnm  vom  Verschwinden  nnd  von 
den  ErscheinuiigPii,  iViCpavsi'ai;,  der  Götter  hatte,  anfPriestergelieini- 
iiisse,  bei  welchen  nnn  der  Drache  nur  im  Bezirke  des  iiinern 
Heilinthiims  zii  nöthigen  Visionen,  Orakeln  u.  s,  w,  sichtbar  wnrde, 
übrigens  aber  den  Blicken  der  Profanen  anf  immer  verschwunden 
nnd  entzogen  war  **).  —  Ware  die  Erkhirniig-  einer  Stelle  des 
Plinins,  wie  sie  bei  einigen  neuem  Topographen  Roms  zn  fin- 
i  den  ist  ***),   richtig",   so  könnten  wir  ein  ausdrückliches  Zenguifs 


*)  Plutarch  in  Quaest.  Rom.  p.  268.  D.  erwähnt  ausdrück- 
licli  :  hg<xy.ovTog  narx  t>)v  v>)fl"ov  ocTroßävrog  not]  «(pcxviaSivrogm 
Diefs  drückte  Ovid,  Metam.  XV,  742.  so  ans:  Phoebeius  aiiguis 
—  linem,  specie  coeleste  resumta,  luctibus  imposuit.  Eben 
diefs  Avill  der  spätere  Dicliter  Claudian  sagen,  de  laiid,  Stilich. 
111,173.  oder  XXIV,  173.:  Iiisula  Paeonium  texit  Tiberina  Di'aco- 
neiii,  was  Gesner  ganz  recht  erklärt:  texit,  intelligi  vult  ex 
liistoria  evanuisse  draconem  in  insula,  quae  inde  Aesculapii  dicta 
est. 

**)  Eben  so  erkläre  ich  das  Verschmnden  in  einem  merkwürdigen 
Fragmente  eines  alten  Schriftstellers  beim  Isidor,  Orig.  IV,  3., 
wo  von  dem  Ursprünge  der  Medizin  die  Rede  ist :  Postqiiam  ful- 
minis  ictu  Aesculapius  interiit  —  ars  simul  cum  auetore  defecit, 
latuitque  per  annos  pene  quingentos,  usque  ad  tempus 
Persarum  regis.  Tunc  eam  ad  lucem  revocavit  Hippocrates. 
Wer  sieht  niclit ,  dafs  jenes  Verschwinden  nnd  Verborgensein  der 
Kunst  den  Zeitraum  bezeicJmet,  wo  die  Medizin  nur  als  Fami- 
lien- und  Ordensgelieimnifs  der  Asklepiaden  in  den  Hallen  der 
Tempel  verschlossen  war,  bis  Hippocrates,  selbst  Asklepiade, 
ein  Verräther  am  Orden  wurde  und  das ,  Avas  geheime  und  münd- 
iiclie  Tradition  gewesen  war,  nun  aufschreiben  und  durch  seine 
Schüler  bekannt  machen  liefs?  Doch  hiervon  spreche  ich  einmal 
weitläufiger  in  meiner  Geschichte  des  Ordens  der  Askle- 
piaden, 

***)  Bor  rieh  ins,  Romae  facies  c.  16.  p.  169.  f.  So  heifst  es  in 
Volkmann  II,  535.:  „Die  Priester  erhielten  den  gemeinen  Mann 
einige  Hundert  Jalu'e  in  dem  Wahne,  dafs  die  Schlange  noch  lebte," 
Die  Stelle  des  Plinins,  die  zu  diesem  fleifsig  fortgepllanzten 
Mifsverständnisse  Anlafs  gegeben  hat,  steht  XXIX,  4.  s.  22.  Es 
ist  von  allerlei  Schlangen -Merkwürdigkeiten  die  Rede:  Anguis 
Aesculapius  Epidauro  Romam  advectus  est :  vulgoque  pascitur  et 
in  domibus.  Diefs  letztere,  das  auf  die  bekannte  Liebhaberei  der 
alten  Römer  geht,   sich   Schlangen    als  Hans-  und  Lieblingsthiere 


124 

des  Plinins  zar  Besliltlinin?:  tlos  Salzes  aiifüliron,  dafs  oiiip 
solche  Schlange  noch  eiiiiiic  Hundert  Jahre  nachher  in  diesem 
Tempel  vorhanden  gewesen  sei.  Aher  im  IMinins  seiijsl  sieht 
eben  so  wenig  eine  Silbe,  als  dafs  an  den  Wanden  dieses 
Tempels  ein  Antidoten  gegen  das  Gift  angesilirieben  gewesen 
sei  *).  Was  Plinius  indessen  nicht  sagt,  stebt  doch  ganz  klar 
in  einem  Fragment  des  allen  Grammatikers,  dem  wir  noch  so 
Aiele  Winke  über  das  Innere  des  riimiseiien  Religionswosens  zn 
danken  haben,  des  Festns**),  nnd  da  es  dnrrb  so  viele  Zeug- 
nisse der  Antoien ,  IMi'inzen  nnd  alk'i;  Denkmale  bewiesen  i';t,  dafs 
eine  zabme  ^^  nndeisehlange  gleichsam  zn  den  nnentbehiüchen 
Tempeünventarien  des  Aesenlapinsdiensles  überall,  wo  dieser  ein- 
geliiiirt  war,  geliört  habe  ***),  so  lilfst  sich  schon  ans  der  Ana- 
logie beinahe  mit  Sicherheit  schlicfsen,  dafs  der  heilige  Drache 
ancb  hier  nicht  gefehlt  haben  könne. 

Denn   da  der  AVnnderglanbe  der  Kranken,    die    in   den  Tem- 
pelhallen anf  eine  nächtliche  Erscheiunng  (  5^p>),u»T(V/xc;)  des  Gottes 


zu  halten,  (s.  Casanbonus  zu  Sueton's  Vit.  Tib.  72.  und  L  u- 
dolph,  Comm.  ad  bist.  Aethiop.  \k  IGG.)  liabeu  lunige  aus  dem 
Zusamnienhange  lierausgerissen ,  und  das  vulgoijue  pascitur  noch 
auf  die  Epidaurische  Wunderscldauge  bezogen. 

*)  Das  einst  berühmte  Antidoton ,  welches  Galen,  de  antidotis  II, 
14.  p.  922.  in  16  Versenvaus  dem  Eudemus  citirt,  und  welches 
am  Eingange  des  Aesculapinstempel  zu  Kos  angesciuieben  gewesen 
sein  soll,  liat  Plinius  XX,  24.  s.  100.  so  angeführt:  composi- 
tioneni ,  iucisam  lapide  versibus  in  linüue  aedis  Aesculapii.  Diefs 
haben  3Iehiere ,  z  B.  auch  La  Lande,  vom  Aesculapinstempel 
zu  Ilom  erklärt,  was  doch  dem  Plinius,  der  hier  aus  einem 
Griechen  cornjülirte ,  gexnl's  nicht  in  den  Sinn  kam. 

**)  In  der  schon  weiter  oben  angeführten  Stelle  s.  v.  in  insula 
heifst  es  nach  den  Worten :  in  insula  Aesculapio  facta  aedes  fuit 
ferner:  ejusdem  (^sc.  dei )  esse  tutelae  draconem,  qnod 
vigilantisbimum  sit  animal,  fjuae  res  ad  tuendam  valetudineiu 
aegroti  maxime  apta  e.-^t.  Canes  adliibentur  ejus  templo,  fpiod  is 
uberibus  canis  sit  nutritus.  Der  Autor,  den  hier  Festus  excer- 
pirte,  vielleicht  Varro,  sah  doch  hierbei  oli'enbar  auf  die  zu  seiner 
Zeit  und  von  jelier  gewöhnliclien  Tempelthiere  beim  Aesculapius 
auf  der  Tiberinsel, 

***)  Man  sehe  aufser  den  von  Fabricius  in  bibliograph.  aiitiqu,  p. 
313.  angeführten  die  weitläuiige  Compilatiou  des  Lami,  so]>ra  i 
serpenti  sacri  in  der  Saggi  di  Dis.-Arlazioni  di  Corloiia,  T.  IV. 
p.  54.  ff. 


125 

warteten  *),  (iiiieh  etwas  Si  eist  ha  res  gestärkt  und  ihre  Phan- 
tasie dadimh  zum  SouiiiaiulMilisnnis  hegelstert  werden  niufste,  so 
war  geiaile  dieser  Teinpeidiarhe  ein  sehr  bequemes  Werkzeug 
für  das  Gaukelspiel  der  Piii.'ster,  die  ihn  nun  nach  Willkür  er- 
scheinen ,  den  Kranken  die  Auiien  und  Ohren  lecken  und  andere 
dergleichen  üleud  werke  machen  liel'st'n,  durch  weiche  wenigstens  eben 
so  gilt ,  als  in  unsern  Tagen  durch  die  berüchliglen  magnetischen 
Maiiijnilalioneu ,  wnndersüchiige  Kranke  desorganisirt  und ,  weil 
der  Glaube  Alles  thut,  zuvM'ilen  auch  wohl  geheilt  weiden  konn- 
ten **},  Nichts  ist  merkwürdiger  in  vieler  Rücksicht  als  eine 
Stelle  des  Aristo|)haues  iu  der  Komödie,  dereu  gaiizo  Verwickelung- 
auf einer  Incubation  im  Tempel  des  Aesculap  uuweit  Athen  be- 
ruhte, im  Plutus.  Der  Si  lave  Carion  erzählt,  wie  es  des  Nachts 
in  der  Halle  des  Tempels,  wo  mehrere  Kranke  die  Hilfe  dea 
Gottes  erwarteten,  zugegangen  sei.  Er  habe,  nachdem  alle 
Lichter  ausgelöscht  worden  seien,  uud  der  Priester  ihnen 
sämnillich  geboten  babe,  die  Erschtinnng  des  Gottes  in  ehrfurchtsvoller 
Stille  alizuwatleii ,  der  Begierde  niciit  widerstehen  können ,  dem 
Brcitoj>f  eines  allen  Mütterchens,  das  auch  mit  hier  lag,  zuzuspre- 
chen. Als  diese,  führt  er  fort,  durcli  das  Geräusch  geweckt,  zur 
Verlheiilignirg  des  Bi-eitopfes  ihre  ilarid  ausstreckte,  da  zischt* 
ich  und  zwickte  sie  in  i  t  d  e  ii  Z  ä  !i  n  e  n  ,  als  w  ä  r'  i  c  h 
die  heilige  B  a  c k  e n  s  eh  1  a  n  g e.  Sie  aber  zog  die  Hand 
eilig  zurück  und  verkioch  sich  vor  Furcht  hinter 
ihre  Decke  ***).  Diefs  Aheuleiier  eirdigt  sich  dann  mit  einer 
•wirklichen  Erscheinung-   des  Aesculap,   in  Gefolge    seiner  Töchter. 


*)  Sprengel,  Geschichte  der  Arzneik.  I,  129.  not,  34. 

**)  Die  Parallele  zw  isdien  jeuein  Somnanihiilismns  in  den  Aesculapius- 
tenipeln  und  dem  Mesineii.'-fJien  j\iagneti:;mus  ist  zu  auffallend,  als 
dals  sie  in  nnseien  Tagen  hätte  übersehen  werden  können.  Siehe 
K  i  n  d  e  r  l  i  n  g's  S  o  in  n  a  m  b  n  1  i  s  ni  u  s  unserer  Zeit,  mit  der 
Incubation  verglichen,  Diesd.  1788.  Schade,  dafs  die  aus 
Meibom,  de  incubatione.  Heimst.  1659.  genommenen  Materialien 
nicht  noch  mit  meluerem  Scharfsinn  behandelt  worden  sind.  So 
bätte  zum  Beispiel  das  meikwärdige  Kapitel  im  TranmbncJie  des 
Aitemidor  IV',  24.  p.  214  if.,  wo  di'rTraumphilosopIi  die  Selbst- 
verschreibungen der  Incnbanten  verlacht  —  ov  'y-''?  ''■«  oi^w/xiv« 
yi^A'-jpovaiVf  ocXX  oc«  av  avroi  xXdcujrrtv,  besonders  eine  Yergleich- 
ung  mit  den  Vorschriften  der  Clairvoyans  verdient. 


**♦■ 


)  Aristophanes  in  Plut.  682  —  692.  Die  Hauptstelle  —  c-uf/^af  s-ycL 
üöir;  ikit h i ij.-/)'j ,  cL-;  ttcx^skt;  wv  'nP's'»  wobei  Bergler's  An- 
merkung verglichen  zu  werden  verdient. 


126 

So  sehr  min  auch,  hier  Erdichtung  mit  Wahrheil  vorinischt  sein 
inaj!;,  so  zuverlässig,'  können  wir  doch  ans  dieser  Slelle  auf  die 
Rolle  scliliefseu,  die  diese  heiligen  Schlauü,eu  gcwülmliili  in  den 
Aescnlapiusteni|»t'ln  zu  spielen  hallen.  AVic  unenll»elirlicli  sie  hei 
allen  deri>leichen  Gaukelspielen  waren ,  ersieht  mau  auch  deudicli 
aus  der  Geschichte  jenes  Lüi>enpropheten  Alexander,  dessen  Be- 
triiü,"ereieu  Lucian  in  einer  eij^enen  Schrift  so  meislerhalt  ii,eschil- 
dert  hat.  Er  kaufte  sich  eiue  ij;rofse  zahme  Schlan;;t',  wie  sie  in  der 
Geü,end  von  Pella  in  Blacedonieu  häulii'-  i;i'fun(k'n  wurden.  Diese 
stellte  den  leihhalten ,  aus  einem  Ei  wiedergehorenen  Aesculapius 
vor,  dessen  Priester,  der  \Yunderthäter  Alexander ,  den  sich  hinzu 
drän"»enden  Gliiuhiiien  eine  Audienz  ertheilte,  ohne  den  8chlanii,en- 
gott  seine  Künste  machen  zu  lassen  *).  Daraus  erklären  sich  aher 
auch  so  viele  Basreliefs,  Gemmen  und  aiulere  Kunslweike,  die 
wir  hier  und  da  noch  heut'  zu  Tage  in  Antikensanimlun<>eu  liu- 
deu ,  wo  Genesene  diese  hilfreiche  Schlange  nehen  dem  Aescu- 
lap  und  der  Hvgiea  oder  auch  allein  zur  Dankbarkeit  ahbiidea 
liefseu  **). 


*)  Lucian  im  Alexander  oder  Pseudomantis  c.  15.  T.  II.  p.  225. 
c.  26.  p.  234.  u.  s.  w.  oder  in  Wieland's  üebersetznng  Tli.IlF. 
S.  183.  If.  Die  PelläiscJie  Schlangenart  scheint  mir  übrigens  mit 
der  Epidaurischen  ganz  einerlei  zu  sein,  wie  anch  Casaubonus 
schon  zu  Sueton's  Tiber.  72.  angemerkt  hat. 

**)  Z.  B.  in  Gruter's  Inscript.  LXVIII,  4.  Ein  selir  merkwürdiges 
Basrelief,  das  Tournelort  in  dtr  Kirche  zu  Metclinus  auf  der  In- 
sel Samos  eingemauert  fand  und  in  seinen  Reisen  abgebildet  liat, 
(_Voyage  du  Levant  T,  I.  p.  167.  edit.  Anist.  1718.  in  4.)  erhält 
hierdurch  mancherlei  Aufklärungen,  die  ihm  Tournefort  selbst 
nicht  geben  konnte.  Um  einen  Kranken,  der  im  Bette  liegt,  sitzen 
und  stellen  mehrere  Personen.  An  seinen  Füfsen  windet  sicli  eine 
grofse  Schlange  hervor.  Vor  dem  Bette  stellt  ein  Dreifufs  mit  Arz- 
neien, worunter  eine  Zirbelnufs,  nux  pinea  ,  (^ein  Hanptstück  in 
der  mateiia  medica  der  Alten,  s.  D  ios  cori  d.  I,  87.  und  Foes.  in 
Oecon.  Hipp.  s.  v.  CT^oßtkij ,  das  Aesculap  selbst  einem  Kranken 
empfahl,  s.  die  Votivtafel  bei  Gruter  p.  LXXI.  v.inxou?  ar^s- 
ßtkov^  vergl.  Sprengel,  Geschichte  der  Medizin  I,  185.  N,  Ausg.) 
sogleich  in's  Auge  fällt.  Ich  linrle  in  dieser  Vorstellung  eine  Votiv- 
tafel, die  ein  Wiedergenesener  dem  Aesculap,  der  ihm  im  Traume 
ein  Kecept  verschrieben  hatte,  zum  Andenken  an  diese  wunderbare 
Hilfe  weiliete.  So  ist  auch  hier  die  Schlange  sichtbarer  Stellver- 
treter des  heUendeu  Gottes,  wie  auf  einer  Münze  des  Nero,  wo 
eine  weibliche  Figur,  auf  dem  Bette  liegend,  eine  Schlange 
füttert.    Man  hält  diese  Figur   fälschlich   für  eine  Isis   oder  Hy- 


127 

Indefs  erlaiihe  ioli  mir  hierlioi  noch  eine  andere  Muthmafsang. 
W:iii!  «lipse  itogiiiiidct ,  so  li;il(o  das  Aosculapinsorakol  und  die 
lu'iliiie  Sclilaiiii,o  auf  der  TüitMinsel  auch  in  der  Sfaatsrelij^ion  der 
lloiiier  zu  «ewisseii  Zt'ileii  keine  uanz  unitedouleiide  Rolle  gespieJt. 
Jeder,  der  nur  einii;e  alle  Kunstwerke  j^esehen ,  oder  auch  nur 
die  dahin  !2,eliöri,i!,eu  Münz-  und  Kupl'erhiicher  einmal  durchgehlältert 
hat,  kennt  die  auf  Gemmen,  Münzen  und  Reliefs  so  hänlio-  vor- 
kemmcnde  Vorstellung,  wo  eine  weihliche  Figur  aus  einer  Sehale 
eine  StLIange  füllerf ,  die  entweder  auf  einem  Altare  vor  ihr  sieb 
erhellt,  oder  zu  ihren  Fiifseii  sich  aufrichtet,  oder  von  ihr  seihst 
in  der  einen  Hand  gehalten  wird.  Die  Alterthumskenner  und 
Numismatiker  sind  längst  darin  üherein  gekommen,  dafs  diefs 
die  Göttin  Hygiea  oder  Salus,  wie  sie  die  Römer  nannten, 
die  hilfreiche  Tochter  des  Aesculap,  bezeichne,  und  dafs  das  hil- 
deude  Alterthum  unter  dieser,  der  lieblichen  Schlangeuwindung 
lind  schönen  weihlichen  Figur  wegen ,  dem  Künstler  so  ange- 
nehmen Yorslellu iig  jeden  Wunsch  oder  Dan  k  f  ü  r  G  e- 
nesiing  und  ^^  o  h  I  s  e  i  n  allegorisirt  habe.  Dicst^  Allcüorie 
jist  indessen  ihres  häutigen  Gebrauchs  wegen  so  vieldeulig  und 
vieliimfassend  geworden,  dafs  nach  Allem,  was  die  Gelehrten  zum 
Theil  seihst  in   eigeiieu   weitläufigen  Abhandlungen  darüber  *)    aii- 


giea ;  da  es  vielmehr  wahrscheinlich  eine  Votlviniinze  für  die  ge- 
nesene Poppäa  ist.  S.  JMediob.  p.  91.  93.  Ekhel  Catal.  T.  II, 
p.  558.  N.  10. 
*)  Bekannt  sind  die  Abhandlungen  des  Claude  de  Boze,  snr  le 
cnlte,  fjue  les  anciens  ont  rendu  a  la  Deesse  Sante.  Paris  1705. 
8.  und  des  William  jMusgrave,  dissert.  de  dea  Salute,  in  qua 
illius  synibola,  teinpla,  statuae,  numi,  inscriptiones  exhibentur 
atqne  ilUistrantur.  Oxon.  1716.  und  Londini  1717.  4.  Die  Ab- 
handlung des  de  Boze,  welcher  diese  ganze  Schlangenvereju-ung 
und  Wahrsagerei  noch  nach  der  alten  Manier  von  der  Satans- 
schlange im  Paradiese  ableitet,  hat  Wolter  eck  in  seinen  Electis 
rei  niimariae  p.  23.  seq.  in's  Lateinische  übersetzt  und  in  Auszug 
gebracht.  Manclies  sehr  Brauchbare  lindet  man  auch  in  des  Alt- 
dorfer  Polyhistors,  Job.  Gottl.  Schwarz,  dissertat.  de  Aesculapio 
et  Hygiea,  diis  salutiferis.  Alt.  1742.  4.  Aber  die  Materie  ist  bei 
Weitem  noch  nicht  erschöpft.  Die  zahlreichen  Münzen,  (s.  Rasche, 
Lexicon  rei  univers.  numar.  T.  IV.  P.  I.  p.  1611—1672.)  Gemmen 
(s.  Winckelmann,  Description  des  pierres  gravees  du  Bar.  de 
.  Stosch  n.  1417—1432.  p.  224.  f.  und  Raspe  in  Tassie's  Cata- 
logue  n.  4117  — 4176.  p.  258.  ff.)  und  Inschriften  sind  bei  AVeitem 
noch  nicht  genug  geordnet  und  nach  ihren  ganz  verscliiedenen 
Beziehungen  zusammengestellti 


128 

gemerkt  haLcn ,  noch  immer  sehr  Vieles  darin  verworren  und  un- 
entwickoU  ij,eblieheu  ist.  Es  ist  liier  nicht  der  Ort,  wo  alle  diese 
Dniikellieileii  durch  i»enaiiere  üii(ersiK"luin.'>cn  aiifa^cliellt  wenleii 
köiiiileii.  Was  ich  am  meisten  hierbei  vermisse,  ist  eine  befrie- 
digende Antwort  auf  die  Frage,  die  doch  einem  Jeden,  der  diese 
Vorstelhing  so  anfserordentlich  oft  auf  alten  Mtinzen  und  Geunneu 
eil)lickt,  zuerst  heifallen  m«ifs:  woher  kam  es,  dafs  man 
gerade  die  Dea  Salus  immer  so  vorstellte,  dafs  sie 
eine  Schlange  füttert?  und  warum  machte  man  ge- 
rade diese  Handlung-  zum  all  g  e  m  c  i  n  beliebten  S  y  ui- 
b  0 1  der  Genesung-,  der  Gesundheit,  des  allgemeinen 
"Wohlbefindens"? —  Die  gewöhnliche  und  gleichsam  herkömm- 
liche Art,  diese  Frage  zu  beantworten,  indem  mau  sagt,  die 
Schlange  sei  nun  einmal,  der  ihr  angedichlek'n  oder  wirklich  bei- 
wohnenden Heilkräfte  und  prophetischen  Instincte  wegen,  die  un- 
zertrennliche Gefährtin  des  Aescnlap  und  seiner  Tochter,  ist  viel 
zn  oberliächlich  und  berührt  die  eigentliche  Schwierigkeit  gar  nicht. 
Die  Sache  aber  wird  auf  einmal  dentlich ,  wenn  man  anuininit,  dafs 
diese  Schlangenfütternng'  nichts  minderes  als  eine  Art  von  medicinischer 
Wahrsagerei  sein  könne,  wo  man  ans  dem  Fressen  oderlNichtfressen 
der  Schlange  anf  die  Genesnng  oder  Yerschlimmerung  des  Kranken, 
oder  auch  wohl  anf  Glück  und  Wohlstand  eines  ganzen  Staats 
Schlüsse  machte,  und  in  der  Folge  diesen  Actus  der  Schlangeu- 
befragnng  znni  aligemeiuon  Symbol  eines  Gelübdes  für  die  Ge- 
sundheit einer  geliebten  Person,  oder  bei  Münzen,  die  der  Staat 
priiiien  liefs,  für  das  Wohlsein  des  Regenten  und  der  salns  publica  i 
überhanpt  erhob.  Natürlich  folgte  hieraus  auch,  dafs  die  dabei  abge- 
bildete weibliche  Figur  selten,  oder  vielleicht  nie,  die  Göttiu  Salns 
selbst  sein  könne,  sondern  gewöhnlich  nur  eine  Priesferin,  Jung- 
frau u.  s,  w.,  die  eigentlich  im  Tempel  diese  Ceremonie  verrichtete, 
vorstelle.  Das  Fressen  oder  Nichlfressen  der  Tempelthiere  war, 
wie  bekannt,  ein  Hauptpunkt  bei  allen  alten  Angtuieu  und  Walir- 
sagerküiisten.  So  also  auch  bei  den  heiligen  Schlangen.  „Die 
Epiroten,"  erzahlt  Aelian  *) ,  „unterhielten  in  einem  dem  Apollo 
geheiligten  Haine  Schlangen ,  Abkömmlinge  des  Pythischen  Dra- 
chen. An  einem  jährlichen  Festtage  ging  die  Priesterin,  welche 
eine  Jungfrau  sein  nnifste ,  ganz  entkleidet  **)  hinein  und 
brachte  dem  Drachen  Speise.    Blickte  nun  jeuer  die  Priesteriu  mit 


*)  De  Anim,  XI,  2.    p.  609.  GronOV. 

**)  Entkleidet  war  sie  vielleicht  in  eben  der  Absicht,  wclclie  Aelian 
in  andern  Stellen  XII,  39.  p.  7J6.  VI,  17.  p.  327.  andeutet,  und 
in  welclier  noch  lieut'  /u  Tage  die  Neger  in  Guinea  ilire  Weiber 
und  Töchter  ihrer  Fetisciien-Schlange ,  der  serpens  boa ,  darbieten. 


229 

Sanftmnfh  an  nnd  {^eiiofs  er  geni  von  dem  mit  Honig-  gekne- 
teten Mehlleige  *) ,  so  bedeiUete  diefs  ein  friichtbates  nnd  gesundes 
Jahr  ( fj£-/i'Ma-j  y.a]  srof  avoffov ).  Sali  Cr  iiliCr  grimmig  aus  und 
verscliinälile  er  die  Speise,  so  folgerte  man  daraus  eine  sehr  schlimme 
Vorhedeulmig. "  Noch  inleressan(er  war  in  dieser  Rücksicht  das 
jährliche  Gesiindheits-  und  Fruchtharkeitsopfer ,  das  beim  Tempel 
der  Jnuo  Sospita  zu  Lanuvinm  ,  einer  alten  Stadt  in  Lalinm  ,  dem 
lieilige»  Drachen  von  nnhelleckten  Jungfrauen  dargebracht  «erden 
niufsle,  nnd  welches  als  eine  berüchtigte  Juugferiiprohe  dama- 
liger Zeit  noch  unter  dem  Augustus  jährlich  die  ganze  schöne 
"NVelt  aus  Rom  nach  Lanuvinm  zog  **).  Auch  hier  entschied  das 
Fressen  des  Drachen  nicht  bios  über  die  Keuschheit  der  Jungfrauen 
denn  diefs  war  eigentlich  blos  ein  zufälliger  Unisland  dabei ,  son- 
dern auch  über  die  Fruchtbarkeit  und  die  gesunde  AYitternng  des 
ganzen  Jahres  ***).     In  Aegypten  hatte  man  mit  einer  Art  zahmer 


S.  Barbot's  Descrlption  of  Guinea  p.  341.  nnd  die  scharfsinnige 
Abliandlung  des  de  Brosses  über  den  Dienst  der  Feti- 
schen-Götter  C^Tebers.  Berl.  1785.)  S.  28.  ff. 

*)  Aelian  nennt  das,  was  die  Schlangen  bekommen,  /:^SiX('y//«ra, 
d.  Ii.  Honigkuchen,  /vcsXiTTCjroj ,  ^yie  aus  der  Stelle  des  Pliilo- 
stratus,  ^'it.  A.  T.  YIII,  19.  p.  3C3.  erliellet.  Gewöhnlich  heifsen 
sie  aucli  f^ä^ai ,  melle  soporatae  offae,  Virg.  Aen.  YII,  420.  Es 
war  also  ein  feiner  Teig  von  Gerstenmehl,  mit  Honig  durchkne- 
tet. S.  Sprengel's  Apologie  des  Hippokrates  Th.  II. 
S,  361. 

**)  Die  zwei  Hanptstellen  über  diese  jalirliche  Schlangenbefragung  zu 
Lanuvium  sind  beim  Properz  IV,  8.  3  — 16.  und  Aelian,  de  anim» 
XI,  16.  p.  627.  Diefs  Frühlingsfest  liatte  ursprünglich  keine  an^ 
dere  Absicht  als  die  prophetische  Schlange  wegen  der  Frnchtbar- 
keit  des  Jalires  zu  befragen.  Da  diefs  aber  unter  Aufsicht  einer 
Priesterin  (^is^six  rov  csßo/j.&vou  g!^  Aft/asus-i'uj  [k  Aavohßio^] 
Sf«v.:vrof,  Plut  in  Parall.  Gr.  et  Rom.  XXIV^,  p.  233.  Frf  )  dnrch 
reine  Jungfrauen  geschehen  mufste,  so  wurde  das  Fest  zugleich 
als  eine  Art  von  Ordaliura,  als  Jungfrauenprobe,  dergleichen  das 
Alterthum  viele  kannte,  s.  Fabricius,  Bibliogr.  Ant,  p.  607» 
s.  Y,  Parthenoma  ntia,  angesehen  und  zog  eben  dadurch  so 
viele  Zuschauer  aus  Rom  und  der  ganzen  Gegend  herbei.  S. 
Volpi  in  der  Fortsetzung  des  Cörradini,  Latium  vetus  profa- 
nnm  T.  V.  libr.  VIII,  4.  p,  55.  ff.  und  einen  Aufsatz  von  mir: 
die  Jungfernprobe  zu  Lanuvium  im  Gothaischen 
Taschenkalender    1795» 

♦**)  Proi)erz   am  angeführten   Orte  V.   14.    Clamant   agxicolaej  feitilis 
anmia  eritl 

Böttiger'i  Kleine  SchTiftelit.  ö 


Scilla  11  j>on,  «lie  die  Sjiracho  «los  Aberglaubens  gute  Genion 
CAyaSchal/xcvni)  naiiiilo  *),  plion  die  Art  von  Wahrsaoorei  **),  und 
icb  zwcilln  iiiclil ,  diils  sieb  davon  nocb  oine  Mongo  anderer  Spu- 
ren, besonders  im  Orient,  wob<'r  alle  diese  Walirsagerkünsfe  ab- 
slannnten ,  jnii'Hiiden  lassen  ***),  so  wie  man  aiirb  anfser  dem 
Fressen  «1er  Srlilan^e  noch  eine  andere  Art  von  Scblaniiendivinalion 
bei  der  Opfeillamme  liafle,  die  bänfi«;,-  anfallen  gesclinidenen  Sleinon 
Torkomnit  und  gewübnlicb  gar  niclit  verstanden  worden  ist  f). 


♦)  Siehe  den  Excurs  am  Ende  der  Abhandlung, 

**)  Hierlier  rechne  ich  auch  die  bei  den  attisclien  Geschicbtssclireihem 
so  bekannte  lieilige  Schlange  im  Parthenon  zu  Athen,  S.  Menr- 
sius  in  Cecrop.  c.  XX.  und  Wesseling  zum  llerodot  S,  638, 
34.  Auch  sie  war  zu  Walusagereien  und  Augnrien  ttestinunt.  S. 
Her  od  et  VIII,  41,  und  man  erinnert  sich  hierbei,  dafs  die  Mi- 
nerva auch  Hygiea,  Minerva medica,  war.  S.  Sprengel's  Gesch. 
der  Arzneik,   I,  75.  und  Zorn's  Minervam  medicam. 

***)  Man  kennt  die  Schlangenbesclnvörer,  D"^\yn  ; ,  ans  den  Scliriften 
der  Ebräer.  Diefs  geschah  eben  so  oft  der  Wahrsagerei  wegen, 
S.  Bochart,  Hieroz.  II,  3.  6.  nnd  die  fieifsigen  Collectaneen  in 
Warnekrofs,  Ebr.  Altertli.  S.  542,     Neue  Ausg. 

•J-)  Man  findet  auf  vielen  alten  Gemmen  einen  Opfei-priester ,  oder 
auch  ein  Mädclien,  die  eine  Scidange  an  die  vom  Altare  auflo- 
dernde Opferüanime  halten.  Älerkwürdige  Gemmen  der  Art  findet 
man  in  Gori,  Museum  Florentinum  Tom.  I,  tah.  LXVIII.  6.  7. 
Tom.  II.  Tab.  LXXIir.  4.  Vergl.  Tassie's  Catalogne  n.  4161— 4167. 
Winckelmann,  der  in  seiner  Description  de  pier.  grav.  du  B. 
de  Stosch  n.  1423.  p.  225.  einen  Carniol  aus  der  Stoschischen 
Sammlung  mit  eben  dieser  Vorstellung  erläutert,  sagt  geradezu, 
diels  sei  ein  Oj)fer  dos  Aesculap,  wo  ihm  eine  Sclüange  auf  dem 
angezündeten  Altare  geopfert  werde.  Raspe,  der  seinen  Vor- 
gänger so  gern  abschreibt,  erklärt  es  frisch  weg  auf  melireren 
Gemmen  so :  a  man ,  a  woman  sacrificing  a  sei-pent  a1  a  lighted 
altar.  Wenn  der  gelehrte  Chr.  Gottl,  Schwarz  eine  älinliclie 
Gemme  aus  der  Esc henbac bischen  Sammlung,  v,o  bei  einem 
ländlichen  Bacclnisopfer  gleichfalls  ein  alter  Mann  eine  Schlange 
an  die  Opferflamme  liält ,  in  den  Miscellaneis  pofitioris  humanita- 
tis  c,  III.  p.  82,  f.  erklären  will,  so  verfällt  er  gar  auf  die  Bac- 
chantinnen, die  zuweilen  geröstete  Scidangen  gefressen  hätten. 
Wer  fühlt  nicht  das  Ungereimte  dieser  Erklärungen  1  Nie  wurden 
Sc]dang»-n  geoi)fert  oder  verbrannt,  da  man  ihnen  selbst  vielmehr 
opferte  und  Altäre  anzündete.  Etwas  \ernünftiger  ist  daher  schon 
Gori's    Erkläning  ad  Mus.    Florent,    T.  1,   p.  136,,  die  Aescula- 


131 

Das  Lftniivische  Sthlangenauguniim  ist  anf  inelirereii  löini- 
schen  Familienmünzcii  gerade  so  abgebildet  *)  wie  die  sogenannte 
Dea  Salus  auf  vielen  spiUein  Kaisennüiizen  iiud  gesclinittenen 
Steinen.  Audi  war  nach  einer  ricb(igen  Bemerkung  nielirerer 
Altertbuinsforsiber  die  Juno  Sospita  oder  Sispila  niobis  Anderes 
als  die  Hvgiea  der  Griecben  und  die  Dea  Salus  der  Römer  selbst. 
Es  ist  ferner  auffallend,  dafs  diese  weiblicbe  Figur,  die  einen 
Draciien  füttert ,  als  Symbol  der  salus  publica  und  der  Genesung 
der  Kaiser,  eigentlicb  nur  anf  römischen  Münzen  vorkommt  **). 
Sollte  uns  nun  diefs  Alles  nicht  zu  dem  höchst  wahrscheinlichen 
Schlüsse  berechtigen ,  dafs  man  in  Rom  selbst  auch  einen  solchen 
heiligen  Drachen  gehabt  und  zu  ähnlichen  Wahrsagerkiinsten  ge- 
braucht habe?  War  nun  aber  anf  der  Tibcrinsel  im  Tempel  des 
Aesculapius  wirklieb  eine  beilige  Schlange  vorhanden ,  wie  ich  im 
Vorhergehenden  zu  erweisen  gesucht  habe,  was  war  natürlicher, 
als  dafs  man  sich  ihrer  auch  bei  jenen  Augurieu  bediente? 

Und  hierdurch  würde  sich  nun  anf  einmal  jenes  räthselhafte 
'  nnd  bis  jetzt  so  wenig  verstandene  augurinm  Salufis  bei  den  Rö- 
mern aufklären,  von  welchem  die  Alten  als  von  einer  sehr  alten 
und  feierlichen  Vorbedeutung  zum  Wohle  des  Staats  so  oft,  aber 
immer  so  verworren  nnd  dunkel  sprechen,  dafs  man  selbst  durch 
die  Hauptstelle  darüber  beim  Dio  Cassius  nur  wenig  Licht  er- 
hält ***).     Irre  ich  nicht,  so  gab  eben  jenes  augurinm  Salntis  der 


piussclilange  sei  deswegen  an's  Opferfeuer  gehalten  worden ,  ut 
creinatae  victimae  nidore  exsatiiraretnr.  Allein  der  wahre  Aii(_ 
schhifs  liegt  ohne  Zweifel  in  einer  besondern  Wahrsagerei,  wo 
man  ans  der  Abneigung  oder  Zuneigung  der  Schlange  gegen  oder 
für  das  Opfer  (nvfo//avT£('«,  Kaxvo/aavrg/«)  allerlei  Vorbedeut- 
ungen schlofs. 

*)  In  den  Münzen  der  gens  Mettia,  Papia  et  Roscia  n.  s.  w. ,  die 
bekanntlich  aus  Lanuvium  abstammten ,  beim  Vaillant,  Bog  er, 
Morelli,  Thes.  Fam.  Rom.  T  I.  p.  364.  Siehe  Bnrmannum 
Secundum  ad  Propert.  p.  855.  856.  Daher  aucli  die  Menge  der 
Schlangenmünzen  unter  dem  Kaiser  Antoninus  Pins,  der  aus  La- 
nuvium abstammte,  wie  schon  im  Vorhergehenden  bemerkt  wor- 
den ist. 

**)  S.   die  Belege  zu  allem  diesen   in  Ra sehe's  Lex.  univ.  R.  Num, 
s.  V.  salns.  T.  IV.  P.  L  c.  1609.  ff. 

***)  Aus  der  Stelle  des  Dio  XXXVII,  24.  p.  127.  läfst  sich  nur  so  viel 
schÜefsen,  dafs  man  dieses  Anguriiun  alljährlich  zu  der  Zeit,  wo 
keine  Armee  im  Felde  stand,  mit  grofser  Andacht,  um  von  den 
Göttern  das   Heil  des  Volkes  z\\   erflehen,  (ffwTvj^ii'av   xa^i  tsS 

9* 


132 

bildenden  Knnst  die  Idee  znr  fllleo-oriscben  Vorstellung  Öffentlicber 
Geliil)de  für  das  Wohlsein  des  Renenten  nnd  des  Slaales,  und  so 
litte  es  wohl  keine»  Zweifel  -weiter,  dafs  nicht  jene  nnter  gewis- 
sen Unisländeu  heilsame  Cerenionie  fiir  das  Wohl  nnd  die  Gesnnd- 
beit  des  Staates  in  einer  Fiilternn,:;'  der  Tenipelsehlaniie,  die  auf 
der  Tiherinsel  nnferhalten  wmdo  nnd  der  Ciötliu  Salns,  Ilygiea, 
60  gnt  geweiht  war  als  den»  Aesenlapins ,  heslanden  hahe  *).  So 
bade  also  jene  in>Mliiiiiische  Sehlange  aneh  znni  Blendwerke  der 
römischen  Staalsreligion  ihren  Beitrag  geliefert,  nnd  eine  IMenge 
Münzen  nnd  Denkmäler  **)  vom  Angnst  bis  znm  Gallien  herab 
erhielten  dadnrcb  ihre  völlige  Aufklärung  nnd  Bedeutsamkeit. 


Siicv  TT^offaiTfTv)  hening-.  Die  Anspielen  inufsten  daher  vorher 
erforscht  werden,  sonst  liatte  es  seine  volle  Heiligkeit  niclit  (ad- 
dubitatnm  sagt  Cicero,  de  Divin.  I,  47  ,  cu  y.aSa^iv  Dio  ).  "Wäh- 
rend der  Bür{>erkriege  war  es  44  Jahre  unterblieben.  Augnst  liefs 
es  wieder  begehen,  (Sueton  in  Ang.  31.^  so  wie  Claudius  nach 
einer  abermaligen  Unterlassung  von  25  Jahren.  (Tacit.,  Ann.  XIT, 
23.)  Augnrium  hiefs  es  entweder,  weil  wirklich  zu  seiner  Feier  ancli 
die  Vögel  befragt  werden  mufsten,  oder  weil  überhan])t  alle  Di- 
vinationen  und  Orakel  ^Tirgil,  Aen.  Hl,  89.)  so  genannt  wurden. 
S.  Burmann  zu  Sueton's  August  S.  4G0.  Diefs  ist  Alles,  was 
wir  eigentlich  von  diesem  Gebrauclie  wissen,  und  was  seit  Poli- 
zian,  Miscell.  c.  Xlll.  alle  Antiquarien  einander  nacherzählt  haben. 
Man  sieht  hieraus,  dafs  die  Hanptfrage,  wie  denn  aber  eigent- 
lich und  bei  welcher  Gottlieit  diese  Befragung  stattgefun- 
den habe,  dadurch  noch  immer  nicht  beantwortet  sei. 

*)  Daher  nennt  sie  auch  Dio  'Tyiuag  o<ävir/^(v ,  und  wenn  Ca- 
s  au  b  onus  zu  Sueton's  August  c.  31,  und  nach  ihm  Davies  zu 
Cicero,  de  Divinat.  p.  123.  den  Dio  deswegen  hofmeistern  und 
lieber  to  rjjf  c-mjtvj^i'ä;  otd:'jic/j.cK  übersetzen  möchten,  so  bewei- 
,seu  sie  allerdings  dadurch ,  dafs  sie  sich  niclit  an  die  Dea  Salus 
erinnerten,  der  diese  gan/.e  Cerenionie  geweiht  sein  mufste.  Doch 
.scheint  Casaubonus  diefs  selbst  in  der  Folge  eingeselien  zu 
haben.  S.  seine  Anmerkungen  zu  den  Script.  Ilist.  Aug.  T.  II, 
j).  198.  Hack.  Aucl»  der  gelehrte  Zorn  bemerkt  in  seiner  Gliick- 
wünschungsrede  zum  neuen  lahre  de  Salutis  angurio  apud  Ro- 
manos in  seinen  Opusc.  Sacris  T.  II.  p.  42.,  dafs  hier  von  der 
Dea  Salus  die  Rede  sein  müsse,  was  Schläger,  de  diis  ho- 
minibus(pie  servatorihus  §.  17.  p,  51.  aus  einer  Münze  des  Galli- 
enus  zu  beweisen  sucht. 

**)  Hieraus  erklärt  sich  ein  merkwürdiges  Bruclistück  eines  alten 
Frescogemäldes ,  w^lclies  der  Cardinal  von  Rolian  im  Jahre  1722 
aus    Koni   nach  Paris  gebi-acht    und    dem    damaligen  Herzog  von 


133 

•   Excurs  über  die  ägyptische  Schlau j»  enverehrnag. 

(Zu  S.  130O 

Es  liefse  sicli  eine  eigene,  nicht  uninteressante  Geschichte  der  ägyp- 
tischen Schhingenkünstler  nnd  Ophiolatrie  sclireiben.  Sclion  Moses  be- 
diente sich  ilirer,  als  klügerer  Tliauniatnrg.  Die  zahme  Schlange  Cneph, 
Xvoy/3,  der  'AyaSoäixi'/^wy  der  Phönizier  und  Aegypter  beim  Philo  aus 
Bjblos  in  Enseb.  Praep.  Evang.  I,  10.  p.  41.,  die  so  oft  auf  Münzen 
(des  Nero,  s.  Zoega  tab.  XII.  Ekliel's  Doctrin.  nnm.  Part.  I.  Tom.  IV. 
p.  35.)  und  spätem  Abraxagemmen  vorkommt,  ist  selir  alt.  Diese  leicht 
abzuriclitende  Scidangenart  kam  von  den  phönizisclien  Kaiifleuten  zu- 
gleicli  mit  dem  Aescula  pi  usd  ien  s  t  selbst  (  Pausai».  VH,  23. 
p.  523.  und  .Scliulz,  liist.  medicin.  p.  116.)  nacli  Epidaurus ,  wo  die 
Pliönizier  in  frühesten  Zeiten  eine  Factorei  hatten,  und  ist  folglich  die 
wahre  Aesculapiusschlange,  der  o'cp/;  -ra^isiaj,  wie  auch  aus  den  Scholien 
.  des  Aristophanes  ad  Plut.  690,  :  i^^T«  y-»\  to  TOfaÜTOj«  ij'&o;  ««/  £v  t^ 
'AXs^avöf  81«  ,    zu   ersehen  ist.     Sie  wurde  in  Aegypten  als  Gesundheit 


Orleans  zum  Geschenke  gemacht  hatte.  Es  ist  in  der  Histoire  de 
TAcademie  des  Inscriptions  et  bell.  Lettr.  T,  V.  p.  297,  ff,  ab- 
gebildet und  erläutert.  IMoreau  de  Mautour,  der  eine  Abhand- 
lung darüber  vorgelesen  hatte,  bemerkte  sehr  richtig,  dafs  sich 
die  ganze  Vorstellung  auf  die  Verehrung  des  Aesculap  bei  den 
Römern  beziehe,  aber  die  genauere  Bestimmung  konnte  er  darum 
nicht  angeben,  weil  ihm  die  wahre  Beschallenheit  des  augurii 
Salutis  völlig  unbekannt  war.  Die  Göttin  Roma  sitzt,  wie  ge- 
wölmlicli,  auf  einem  Haufen  von  erbeuteten  Spolien,  und  ilir  legt 
eine  Schlange,  die  vor  ihr  sich  auf  dem  Boden  erhebt,  einen 
Lorbeerkranz  in  den  Sclioofs.  Die  zunächst  stellende  Figur,  die 
der  französische  Antiquar  für  eine  Hygiea  ansieht,  ist  offenbar 
der  Consul  paludatus  (im  FekUierrnmantel  und  in  völliger  Rüstung, 
wie  dieser  vom  Capitol  zur  Armee  oder  in  die  Provinz  ging,  s. 
zu  Cicero  ad  Div.  XV,  17,  und  J.  Fr.  Gronov  ad  Liv.  XXXXI, 
10.),  der  in  der  Hand  eine  Scliale  hält,  womit  eben  das  augurium 
Salutis  gehalten  worden  war.  Hierdurch  wird  auch  eine  Stelle  des 
Cicero  in  der  Rede  pro  Muraena  deutlich,  die  schon  Pitiscus 
angefülirt  hat,  wo  von  diesem  Augurium  als  einer  Sache  des 
Consuls  die  Rede  ist.  Vergl.  den  Festixs  s.  v.  maximum  prae- 
torem  p.  232.,  wo  aus  den  Auguralbeschlüssen  bemerkt  wird:  quod 
in  Salutis  augurio  praetores  majores  —  non  ad  aetatem,  sed 
ad  vim  imperii  pertineant.  Die  Prätores  majores  waren  eben  die 
Consuls.  Uebrigens  vergleiclie  man  in  Absicht  auf  das  Denkmal 
selbst  das  Basrelief,  ein  Opfer  der  Hygiea  vorstellend,  im  Museo 
Capitolino  T.  IV.  tab.  XL II. 


134 

und  heilbringende  Wahrsagerin  verelirt  (s.  Jablonsky,  Pantlieon 
T.  I.  p.  84  —  90.)  und  in  der  Folge  dem  medizinischen  Gaukels[>iel  der 
Isis  einverleibt.  Eine  merkwürdige  Stelle  über  ihre  Tempelverehrung 
steht  beim  Aelian,  de  Anim.  XI,  17.  p.  629.,  nur  dafs  der  Ort,  wo  sie 
Tempeldiener,  r^ä-rs^av  y.a^i  xfarvjf«  gehabt  haben  soll,  nicht  MsAiVs) 
geheifsen  haben  kann,  sondern  MstvjXij  ,  wie  schon  Wesseling  zum 
Herodot  S.  138,  7.  bemerkt  Jiat.  S,  Steph.  Eyzant.  s.  v.  MinjX,;, 
Diefs  lag  nicht  weit  von  Alexandrien,  wo  ja  nach  dem  Scholiasten  des 
Aristophanes  diese  Schlangenbrut  xu  Hause  war»  Ihre  Verehrung  ver- 
mischte sich  in  der  Folge  sogar  mit  dem  Christenthume  und  die  gno- 
stischen  Oi>hiten  oder  Sc  h  langeub  rüder  brauchten  sie  selbst  beim 
heiligen  Abendmahle.  S.  Mosheim's  Geschichte  der  Schlangen- 
brüder der  ersten  Kirche  im  Versuch  der  iinpart.  Kirchenge- 
schichte TJi.  I.  S.  109.  f.,  wo  noch  Vieles,  aus  diesem  Gesichtspunkte 
betrachtet,  zu  berichtigen  und  aus  den  Talismanen  und  gemmis  Abraxis 
des  2ten  und  3ten  Jahrhunderts  zu  erläutern  wäre.  Noch  jetzt  ist  zu 
Achmin  in  Oberägypten  an  der  östlichen  Seite  des  Nils  diese  Scldaugen- 
wahrsagerei,  wie  neuere  Reisende  berichten,  ganz  in  der  alten  Form 
gewöhnlich.  Eine  "Wunderschlange  wohnte  im  Grabe  des  selig  gepriesenen 
Scheik  Haridi  und  mufste,  wenn  sie  Kuren  verrichten  sollte,  von  einer 
reinen  Jungfrau,  die  in  ihrem  schönsten  Schmuck  sich  ihr  näherte,  ge- 
liebkoset werden.  Siehe  eine  weitläulige  Erzählung  hiervon  im  Universal 
Magazine  1792.  Becembr.  p,  432.  Vol.  XGI. 


13j 

V. 


Aelteöte  Spuren  der  Wolfswuth  in  der 
griechischen  Mythologie. 


Ätliuu  iiit  Alterüiiime  war  eine  Ait  des  ideellen  Walinsioiies,  da 
Mcnsclien  auf  eiue  gewisse  Zell  in  TLieie  verwandelt  zu  sein 
j^laubcu  *),  liinlanglicli  bekannt,  und  da  der  Fall  vorziinlicli  ult 
voikani,  dafs  sich  Wahnsinnigo  der  Art  einljildeleu ,  sie  wären 
Wölfe  oder  Hunde,  so  erhielt  selbst  die  Krankheit  de»  Nanieii 
der  L}  ka  u  t  h  r  Ol»  i  e  oder  Kjuauthropie  ( Xumav^^ wir/« ,  nw 
avSfvwxi'a).  Die  merkwürdigsle  Stelle  darüber  lindet  sieh  in  dem 
Fragmente  eines  grieehisehen  Arztes  aus  dem  Zeitalter  des  Marc 
Aurel,  des  Marcel  Ins  aus  Sida  iu  Pam|ihylicn,  welches  Pro- 
fessor S  ch  neide  r  aus  deuiAetius  aufs  Neue  herausgegtdu'n 
hat  **),  Man  sieht  daraus,  dafs  die  mit  diesem  Wahnsinne  Be- 
hafteteu,  besonders  bei  der  Annäherung  des  Frühlings,  im  Monat 
Februar,  einen  unwiderstehlichen  Trieb  in  sich  empfanden,  es  in 
Allem  den  Wölfen  oder  Hunden  gleich  zu  tliun  und  sich  die  Nacht 
über    iu  einsamen  Bei!,räbuifsplätzeu   aufzuhallen  ***).     Aus  eiuem 


*)  Schilderung  dieses  Wahnsinns  in  Th.  Arnold's  Beobacht- 
ungen über  die  Natur,  Arten  und  Verliütung  des 
Wahnsinns,  übers,  von  Ackermann  1.  Th.  S.  130.  ff. 

**)  Marcelli  Sidetae  fragraentuni  ts^jJ  XvnavSgw-ircu  in  Schnei- 
der's  Ausgabe  des  Plutarch,  de  puer.  educat,  (Argent.  1775.) 
p.  109.  Suidas  s.  v.  Mäj.v.sXXof  sagt  ausdrücklich,  dafs  sich  ia 
dem  lieroischen  Lelirgediclit  des  3Iarcellus  in  42  Büchern  über  die 
Aizneikunde  aucli  eiue  Nachricht  über  die  Lj kantlnopie  befunden 
habe.  Diese  hat,  wie  Cocclii  in  Chirurgicis  Graecorum  ( Flo- 
rent.  1754.  fol.)  p.  54.  sehr  scharfsinnig  bemerkt,  Oribasius 
in  seinem  grofsen  Werke  von  70  Büchern  an  den  Kaiser  Julian 
zuerst  excerpirt,  woraus  es  denn  noch  mehr  abgekürzt  in  die 
noch  vorhandene  Synopsis  des  Oribasius,  in  den  Aetius  und 
Paulus  von  Aegina  gekommen  ist.  S.  auch  Fabricii  biblioth. 
Graec.  T.  1,  p.  15.  ed.  Harles  und  Sprengel's  Geschichte 
der  Arzneikunde,  Th.  II.  S.  172.  f, 

***)    Mty^^it;     -/iixiqoig     TT  i  ^>  (     rät     /.tvyj/aaT«     /xJikiirM     hia.rqißo-J'it, 
\n  der  Synopsis  des  Oribasius  und  im  Aetius  steht  zwar  eine  ganz 


136 

spulem  arabisclicii  Sclirifistollor,  aus  Massiidi's  golJeiier  Wiese, 
führt  der  nclchrle  Rh' i  s  k  e  vier  Stellen  aii ,  woraus  zu  ersehen 
ist,  (lafs  die  Art  von  ]MeIaiu'hi)lie ,  die  die  Griechen  y.v>avS-^MirUv 
iiaimleu,  einmal  iui  ötea  Jahrhuuderle  «ach  der  jj,e\vöhiiiiciieii  Zeit- 
rechininü,'  nobst  den  Pocken  und  Glasern  unter  den  Arabern  ende- 
misch ii;e\vesen  sein  müsse  *).  In  den  dunklen  Zeiten  des  Mittel- 
alters lludet  man  fast  iu  allen  Chroniken  und  Topographieeu  bar- 
barischer YölkerschaHen,  besonders  der  nördlichem  Gebenden,  auch 
dieser  Krankheit  erwähnt,  die  aber  hier  die  Faibe  des  Zeitalters 
Iräi^t  und  als  ein  Teufelsspiel  und  Blendwerk  des  leidigen  Safanas 
abi:,eui;tlt  wird.  **),  Und  selbst  in  den  neuen  Zeiten  nehmen  bis 
auf  Becker's  und  Tliomasen's  Entzauberungen  herab  die 
Bär-  oder  Welirwülfe  in  den  Hexenprocessen  und  Teufels- 
g.iukoleieu    eiueu  so  bedeuteuden  Plutz   ein  ***^,    dafs  sich  knuia 


andei-e  Lesart,  nämlich  ~'^  jx-j'/^ixcirci  Siatvsi'youffi,  sie  eröffnen 
die  Gräber.  Allein  diefs  wird  bei  den  Griechen  elier  von  den 
Toixßwq-öy^Qii  oderBegräbnifsdieben  gesagt  und  pafst  weit  weniger 
als  die  beim  Paulus  von  Ä.egina  III.  p.  30.  b.  (edit.  Aldiii.  1528.) 
und  in  der  Mediceischen  Ilaiidsclnift  bei  Cocchi  vorkommende 
alte,  echte  Lesart:  viqi  t«  /^v^/x.xt«  SiaT^/ySou?« ,  sie  lialten 
sich  unter  ß  egräbnifsplä  tz  en  auf,  wo  die  ^Verrückten  von 
jeher  gern  herum  spukten.  S.  I\I  e  a  d  ,  med.  sacr.  p.  79. 
*)  Reisk'e,  miscell.  med,  e  monument.  Arab,  p.  9. 

**)  Vorzüglich  sind  Preufsen,  Liefland  und  Littliauen  deswegen  in 
einem  sehr  bösen  Gerüche.  In  Liefland  und  Curland  sollte  diefs 
Unwesen  besonders  unter  dem  leibeigenen  Gesinde  grassiren.  In  Preu- 
fsen liefsen  die  Heermeister  solche  arme  Wahnsinnige  liäutig  verbren- 
nen. Die  preufsisclien  Chroniken  sind  alle  voll  davon.  Wer  Lust  hat, 
lüerüber  nachzulesen,  lindet  alle  diese  Wundersagen  beisammen  in  dem 
Geuei-alrepertorium  des  nordischen  Unsinns,  Olaus  Magnus,  de 
gentibiis  Septentrion.  Will,  45 — 47.  p.  642.  seq.  (edit.  Rom.  1555.^, 
wo  sich  der  fromme  Bischof  über  den  Unglawben  des  Plinins  är- 
gert, der  davon  nicht»  wissen  will.  Wie  viel  vernünftiger  urtlieilt 
der  wackere  Cambden  in  seiner  Britannia  p.  770.  (edit.  Lond. 
1700.3,  wo  er  von  den  Irländern  spriclit,  die  vordem  auch  in 
diesem  Verdachte  waren:  Quod  vero  nonnulli  liomines  quosdam 
in  hoc  tractn  quotannis  in  lupos  converti  aflirmant,  'fabulosum 
sane  existimo,  nisi  forte  illa  exuberantis  atrae  bilis  malitia,  quae 
A-jx.avSfüuri'«  medicis  dicitur,  corripiantnr,  quae  ejnsmodi  phan- 
tasmata  ciet,  ut  sese  in  lupos  transformatos  imaginentur.  Neo 
ego  alind  de  Lycaonibus  illis  in  Livonia  transnnitatis  opinari  ausim. 
Vergl.  Keysler's  Antiqu.  Septentr.   V,  p.  494.  f. 

**•*)  Ich  berufe  mich  hier  nur  auf  des  bekannten  Del  Rio  dihquisilio- 


137 

zweifeln  läfst ,  es  müsse  in  den  damaligen  Zeiten  dieser  Wahnsinn 
zuweilen  recht  opideniisch  gewesen  sein  nnd  eben  durch  die 
Menge  der  Ungliickliciien  ,  die  damit  behaftet  waren ,  den  Hexen- 
und  Zaiiberghiuben  mächtig  befördert  haben. 

Doch  die  Untersuchung,  was  hierbei  historische  Thatsache 
nnd  was  nur  Zusatz  nnd  Ausschmückung  des  so  gern  vergrüfsern- 
den  nnd  vcrviolfähigenden  Aberglaubens  sei,  liegt  aufser  den  Grun- 
zen einer  antiquarischen  Abhandlung.  Selbst  eine  sorgfällige  Ver- 
gleichiiug  aller  der  Stellen  bei  alten  griechischen  nnd  römischen 
Schriftslellern  ,  wo  dieses  Wahnsinnes  oder  des  damit  TCrbundenen 
Aberglaubens  von  Wehrwölfen  gedacht  wird ,  ist  jetzt  nicht  mein 
Zweck  *).  Man  darf  allenfalls  nur  die  Hauptstelle  im  Satiricon 
des  Petrouins  **)  einmal  mit  Andacht  lesen,  nnd  man  weifs 
Alles,   was  das  Alterthum   darüber  gefabelt    und    mit   mehr  oder 


nes  magicas  II,  18.  p.  220.  seq.  (edit.  Colon.  1657.),  wo  der  be- 
rufene Hexeninqiiisitor  seine  ganze  Belesenheit  aufbietet,  um  die- 
sen Unsinn  zu  vertlieicligen.  Wie  viel  billiger  ist  doch  schon  der 
eluliche  Johann  Wcilier,  der  in  seinem  bekannten  BucJie :  de 
praestigiis  daenionum ,  zwar  den  Teufel  niclit  ganz  aus  dem  Spiele 
lassen  möchte,  aber  doch  sclion  in  einem  eigenen  Kapitel  von  der 
Lycantliropie,  als  einer  Kranl<lieit ,  handelt  und  die  Stellen  der 
alten  vernünftigen  Aerzte  nicht  übersieht.  S.  IV,  23.  p.  474.  edit» 
Basil.  1577.  .So  hält  es  auch  der  Rostocker  beiülmite  Jurist,  Johann 
Georg  Godelmann  in  seinem  Tractate :  de  lamiis  Libr.  11.  c.  3, 
p.  36.  seq.  (Noiimb.  1676.  8.)  für  ein  bloses  Phantasiespiel  me- 
lancholisclier,  aber  docli  vom  Teufel  geplagter  Mensclien.  Merk- 
würdig ist,  was  er,  als  Augenzeuge,  von  den  liefländischen  Bau- 
ern dort  erzählt. 

*)  Man  findet  sie  fast  alle  beisammen  in   de  la  Cerda    ad    Virgil« 
Eclog.  VIII,  97.  und  bei  Passeratius  zum  Properz  IV,  5,  14. 

"*)  Petron.  c.  62.  p.  312  —  14.  ed.  Burm,  Die  Stelle  ist  freilich  nur 
aus  dem  fragmento  Ti'aguriano,  wo  der  geübte  Sittenmaler  seiner 
Zeit  ein  paar  Freigelassene,  also  Menschen  aus  der  niedrigsten 
Classe  sich  gegenseitig  mit  Gespenstermährchen  bewirthen  läfst. 
Allein  sie  ist  doch  für  die  Geschichte  dieses  Aberglaubens  selir 
charakteristisch.  Das  Wort  versipellis ,  welches  dort  von  dem  Sol- 
daten gesagt  vird,  der  sich  in  einen  Wehrwolf  verwandelte,  kommt 
schon  beim  Lucilius  und  Plautus  in  dieser  Bedeutung  vor 
und  zeugt  von  dem  Alterthume  eines  Volksglaubens ,  dem  Plinius 
die  Entstehung  dieses  Schimpfwortes  zuschreibt  VIII,  32.  S  34. 
Das  Wort  versipellis  wird  in  den  alten  Glossen  durch  kvaäv2gvjicos 
gegeben,     S.Saumaise  zu  TertulUan,  de  pallio  p.  200. 


138 

wt'iilj^er  gii'Heii  Failteii   aus-^eniaU    bat.     Die    bt-kaunteii  Üsel&mt'- 
tanioipliosoii    lieiiu    L  ii c  i  a  u    und    A  [ni  I  c j  u  9    •>  1  iiiiideii    sirli ,     alt, 
alte  Volksinäliichcii,  auf  eben  diesen  Glauljeii,  und  es  dar!   diiifh- 
ans    Itei    einem    allen  Dieliler    keine  Hexensnpjje    i^ekoelit    vsoideii, 
'wobei  nicbt  die  Felzen  von  einem  Webiwolle,    wie  z.  li. 
in  virnm  soliti  viiidis  midare  feriuos 
anibigni  prosocta  ln])I  *), 
dem    riiilienmnfs    Saft   nnd    Kraft    gäben.     Meine  Absidit    ist  jetzt 
nur   auf   die   Beantworlnnij;    der   Fraye    gerichtet:     wo   findet   sieb 
nberliain)t    die   älteste   S|inr    des    Aberglaubens    von    Webrwölfen  ? 
und  liifst  sieb  da,  wo  sieb  uns  diese  Spur  zeigt,   wirklieb  an  eine 
Art    von  Wabnsinn    denken ,    dureb    welebe    der    im  Altertbiime  so 
.allgemein    verbreitete   Glaube   an  Wolfs-  und  Tliicrmetamorpbosen 
zuerst  veranlafst   worden    sein   konnte"?     Wenn    ancb  die  Ausbeute 
fiir    die  antiqnilates    morbornm    selbst   nur  ganz   gering  sein  sollte, 
so  ergeben    sieb    docb    \ielleiebt    andere    niebt    ganz   uninteressante 
'Resultate  daraus  zur  Auflvlärung  gewisser  Mjlheu  und  Yorstellungs- 
-arleu  des  Altertbums. 

Die    früheste  Tbiermetaniorpbosc,    deren    überhaupt    in    den 
^Verwandlungen  des  Altertiiums  Erwähnung  geschieht,  nnd  die  auch 
'Ovid  allen   übrigen  vorangehen   läfst ,  ist    die  des  arkadischen  Kii- 
iiigs  Lvkaon  in  einen  Wolf.       Und  hier,    glaube  ich,  entdecken 
wir  auch  die  früheste  Spur  der  Lvkanthropie,  die,  in  der  Folge  in 
•so    mancherlei    Traditionen      und    Wundergeschichten     eingekleidet, 
sich  docb  immer    wieder    auf  diesen  arcadiscben  Ursprung    zurück- 
'fübren    läfst.     Der    arcadiscbe    Mvtlios    von    Lykaou    erscheint  bei 
'genauer  Untersuchung  sehr  vieldeutig    und  gleichsam  als  Aggregat 
'mehrerer  Volksüberliefernngen ,    die  endlich    in   eine  Fabel   zusam- 
'inenireschmolzcn    Avurdeu.     Ein    alter  König  von  Arcadien,    dessen 
Geschlechtstafel    sehr    verschieden    angegeben    wird   **) ,     bat    von 
•Miebreren  Weibern  50  Söhne,  deren  Gleichnamigkeit  mit  den  vor- 
züglichsten Bergen    und   Plätzen   Arcadieus   sehr   deutlich    verrätb, 


*)  Ovid,  Metam.  VII,  270.  Aebnliche  Höllensiippen  werden  beim 
Lucan.  VI,  670  —  85.  und  in  der  Medea  des  Seneca  p.  706. 
if.  gekocht.  la  Steeven's  Ausgabe  des  Shakspeare  sind  sie 
zu  dem  bekannten  Ilexenapparat  im  Macbeth  Auiz.  III,  Sc,  5.  mit 
vieler  Gelehrsamkeit  verglichen  worden. 

'*)  Arn  gewöhnlichsten  heifst  er  ein  Sohn  des  Pelasgus,  (Apol- 
lüdor  111,  8.  1-  und  daselbst  Heyne  S,  658.)  oder  ein  Sohn  des 
Mercurius,  Scliol.  ad  Tlieocrit.  I,  12-4.  Nie  an  der  nennt  ihn 
beim  Antonirius  Liberalis  c.  31.  einen  i.\-.t!,-x^£-wv.  So  verlor  »ich 
aläO  seine  Abstammung  ganz  in  die  dunkle  Urwelt. 


139 

dafs  es  hier  nur  um  einen  j^eo^rapliiseben  Sfainiubaum  aus  einer 
Wurzel  zu  tliun  war.  Zu  iinn  kommt  Zeus  als  Gast  in  der 
Gestalt  eines  armen  Mannos,  und  der  frevelnde  L\kaon,  so 
sagt  die  spätere  Fabel  beim  Ovid  *),  setzt  ibm  »ekochtes  Men- 
schenlleiscli  vor.  Voll  Grimm  über  diese  Bosbeit  stöfst  der  Gott 
den  Tiscb  um,  auf  welchem  das  scliändliclie  Mabl  zubereitet  war 
—  die  Nadnvelt  zeiii,te  noch  den  Platz,  wo  diefs  geseliehen  sei, 
und  nannte  ihn  T^x-xs^ov;  —  schlug  njit  seiuem  Donnerkeil  darein, 
verbrannte  die  Wohnung  des  Frevlers  und  verwandelte  ihn  in  eiueii 
scbeufslichen  Wolf.  Ganz  anders  lautete  die  frühere  Tradition, 
wie  wir  sie  noch  beim  Apoll  od  or  aufgezeichnet  linden  '*),  Du 
theilt  nur  Lykaon  das  Schicksal  seiner  ausgearteten  Söhne,  die 
dem  verkappten  Zeus  unter  dem  Opferlleiscbe  auch  etwas  von 
einem  geschlacbteten  Menschen  vorsetzen ,  und  Avird  mit  ihnen 
zugleich  vom  Blitze  erschlagen.  Ein  Zusatz  zu  dieser  Tradition 
Lifst  den  Lvkaon  mit  allen  seinen  Söhnen,  den  einzigen  Nj- 
ctimus  ausgenommen,  in  Wölfe  verwandelt  werden  ***).  Aber 
mit  einer  Wolfsverwandlung  endigt  sich  das  Tranerspiel  doch  fast 
überall ,  die  Erzählung  mag  auch  übrigens  noch  so  verschieden 
sein. 

Es  hat  natürlich  nicht  an  allerlei  moralischen  Deutungen  die- 
ser AVolfsmefamorphose  gefehlt.  „Die  Lni Wandlung  eines  gott- 
losen und  möiderischen  Menschen"  sagtD.  l^enz,  „in  einen  Wolf 
führt  auf  eine  moralische  Absiclit  dieser  Fabel,  den  rohen  Menschen  vor 
Frevel  und  Verachtung  der  Götter  zu  warnen  f)."  Rector  Mell- 
maun,  der  übrigens  mit  Recht  auf  diese  moralischen  Erklärungen 
kein    i>rofses  Gewicht  legen  will,    möchte  doch   auch  hier  die  mo- 


*)  Metam.  I,  214.  tf. 

**)  Apollo d.  III,  8.  I. 

***)  Apollodor  weifs  in  der  angefülirten  Stelle  gar  nichts  von  der  Ver- 
wandlung in  Wölfe.  Er  läfst  nur  den  Jupiter  so  baldige  Blitze 
schleudern,  dafs  endlich  die  Erde  selbst  ihre  Hände  aufhebt  und 
vorbittet ;  offenbar  eine  Anspielung  auf  vulkanische  Ausbiiiclie  in 
Arcadien,  deren  Andenken  sich  in  dieser  Einkleidung  erhalten  lial. 
Aber  Lykophron  V,  481,  neiuit  das  ganze  Geschlecht  A.yx«i- 
VD/xi^ipov;,  wobei  die  Scliolien  anmerken,  Ztü;  —  sv/oüj  tävAi-- 
xaovs;  Tai'Swv  tl;  Xuv.su;  Msrt^aXay,  und  diefs  erstrecken  Andere 
wieder  auf  die  ganze  Nacbkomniensclialt  des  Lykaon,  Vergl.  den 
Nicolaus  Damasc.  beim  Suidas,  s.  v.  Ai>xawv, 

•{■)  Lenz,   Anmerkungen    zu  Ovid's  Metamorphosen   in  der  Schul- 
encyclop.  T.  III.  P.  I.  p.  68. 


140 

ralische  Tendenz  nicht  ganz  ableugnen ;  nur  erinnert  er  zugleich, 
dafs  sich  die  Fabel  wohl  auch  zum  Theil  ans  dem  Namen  Ly- 
kaou  entsponnen  haben  könne  *).  Prof.  Schneider,  der  die 
Thiei verwandhingen  nach  seiner  scliarlsinnigen  Hypollip.so  als  ein 
von  den  Priestern  und  Dichtern  angevvandles  Versinnliclinng.sniiltel 
der  Pvtbagorilischen  Metemjisvcliose  zur  AVarnung  vor  groben  La- 
stern betrachtet  w issen  will  **) ,  findet  natiirlich  in  diesem  alten 
Mythos,  wo  die  Seele  eines  Mörders  und  Schänders  der  heiligsten 
Gastrechte  in  einen  räuberischen  Wolt"  verpllanzt  wird,  eine  neue, 
sehr  scheinbare  Bestätigung  seiner  Erklärnngsart.  Und  wer  wollte 
leugnen,  dafs  schon  die  alten  Dichter  selbst  bei  der  Erzählung 
lind  Ausschmückung  dieser  Fabel  wirklich  au  so  eine  moralische 
Belehrung  gedacht  haben  I  Die  Vi  orte  Ovid's  am  Schlüsse  der 
lürzählung: 

—     nunc  qiioqne  sanguine  gandet, 

fit  Inpus,  et  veteris  servat  vestigia  l'ormac: 

Idem  ociili  lucent,  eadcm  feritatis  imago. 
lassen   ül»er   die   Absicht   des   Dichters   nnd    die    Art,    Avie    er  die 
Fabel  selbst  gedeutet   wissen  wollte,   nicht  den  geringsten  Zweifel 
übrig. 

Wie  nun  aber,  wenn  dieser  Lykaon,  dessen  Abstammung, 
Nachkomineiischait  nnd  ganze  Geschlechtsfafcl  so  vielen  Zweifeln 
iinterwoifen  ist,  überhaupt  nur  eine  persoiiilicirte  Eigenheit  der 
Jiltesten  Einwohner  von  Areadien  ausdrücken  sollte,  nach  welcher 
bei  ihnen  eine  Art  von  Wahnsinn,  die  sich  bei  einem  isolirtea 
halbwilden  Hirtenieben,  bei  schlechten  Nahnmgsniitleln  und  in 
einem  ungesunden  Klima  leichter  entwickeln  koiinio,  gleichsam 
endemisch  geworden  wäre"?  Wie,  wenn  die  sogenannte  l^ykaiithro- 
pie  in  einigen  Familien  gleichsam  erblich  gewesen  nnd ,  da  man 
solche  Menschen  Av/iäcva;  nannte,  nun  auch  als  Nalionalinylhos 
auf  einen  alten  König,  der  auch  so  geheifsen  halten  sollte,  über- 
getragen worden  wäre?  —  AYirklich  linden  wir  im  Allerthnme 
eine  I\Ienge  Sjmren  ,  dafs  der  Glaube  au  Wehrwölfe  recht  eigentlich 
in  Areadien  zu  Hanse  gewesen  sei  und  die  Sage  veranlafst  habe, 
die  Lykantliropie  sei  dort  sehr  gewiüinlich  und  werde  in  einigen 
Familien  durch  Anwendung  gewisser  gftiMischer  Mittel  nnd  Zaiilter- 
kräuter  vom  Vater  auf  den  Sohn  und  Enkel  foi(ge|i(Ianzt.  AVir 
■wollen  zuvörderst  einige  Zeugnisse  der  Alten  hierüber  hören. 


*)  Coinmentatio   de  cansis   et  auctoribus  narrationum   de  mntatis 
forrais  (_Lips.  1786,)  \>.  15. 

**)  In   der    Berliner    Monatsschrift    vom    Jahre   1784.    März. 

s.  197.  tr. 


m 


141 

Die  Hnn])ls(elle  ist  lieiin  Plinliis  *),  vio  uns  der  nnerinu- 
«leto  C'ouipilafor  zwei  Fiaj-nienle  aus  »Tiecliischen  längst  Yerloren 
!^oi>;angoiien  Scluiflsldloni  orliallcn  liat.  "Evaiitlies,  ein  nani- 
hal'ler  griochisclier  Siliriftslellor ,  heritlitct ,  dafs  er  bei  arcadisrhea 
Schriflstfllern  **)  die  Nacljrieht  iiefiinden  liahe ,  es  werde  ans  dem 
Gesclilechfe  des  Anthns  dnrch's  Loos  einer  bestimmt  nnd  an 
einen  arcadisehen  See  gebracht,  wo  er  seine  Kleidnng  an  eine 
Eiche  anfhäiige ,  über  den  See  schwimme  nnd,  in  einen  Wolf  ver- 
wanik'll,  9  Jahre  lang  in  Einöden  berumin-e  und  mit  andern 
Wölfen  sein  Wesen  treibe.  Habe  er  nnn  binnen  der  Zeit  sich 
an  keinen  Menschen  vergrüFen ,  so  schwimme  er  nach  9  Jahren 
wieder  über  den  See  nnd  bekomme  seine  Gestalt  wieder,  nur  dafs 
er  nm  9  Jahre  älter  sei.  Anch  diefs  wird  dabei  erzählt,  dafs  er 
sein  voriges  Kleid  wiederfinde.  —  So  erzählt  Ag  ri  o  j»  a  s,  der 
Nachrichten  von  den  Siegern  zu  Olympia  gesammelt  hat,  dafs 
Demänetns  aus  Parrhasia  bei  einem  Opfer,  wo  damals  die 
lArcadier  dem  Jn])iter  Lycäns  noch  Menschenlleiscb  darbrach- 
ten, von  dem  Flcisciie  eines  geopfeifen  Knaben  genossen  nnd 
sich  in  einen  Wolf  verwandelt  habe;  doch  sei  er  im  zehnten  Jahre 
wieder  zur  menschlichen  Gestalt  zunickgeführt  und  Sieger  im 
Fauslkampfe  zu  Olympia  gewordeu. 

So  weit  die  Collectaneen  des  Plinins,  der  freilich  anch  bei 
dieser  Gelegenheit  nicht  ermangelt,  seinen  Unwillen  über  die  grie- 
chische Leichfglänbigkeit  ausbrechen  zn  lassen  ***)  ,  uns  aber  doch 
einige  branchbare  historische  Angaben  aufbewahrt  hat.  Das  Erste, 
■was  wir  aus  dem  Zeugnisse  des  E  v  a  n  t  b  e  s  lernen  ,  ist ,  dafs, 
■wenn  bei  dieser  Fabel  eine  wirkliche  Krankheit  zum  Grunde  Hegt, 
diese  in  gewissen  Familien  erblich  gewesen  sein  müsse.  Es  ist 
von  einer  gens  Anthi  die  Rede,  ans  welcher  immer  einer  damit 
befallen  gewesen  sei.  Denn  das  Uebrige  vom  Loos  u.  s.  w.  ist 
natürlich    nur  fabelhafte  Ausschmückuug.      Gerade   dieser  Umstand 


*)  Vlir,  22.  S.  34.     Eine  sclir  corninipirte  Stelle!     Es  -war  aber  hier 
nur  um  den  Sinn  im  Allgemeinen  zn  thun, 

**)  Wahrscbeinlicli  Evanthes  aus  Milet  (^Diog.  Laert.  1,29.), 
dessen  /au5ixi  in  den  gelehrten  Scliolien  des  Apolionius  I, 
1065.  angeführt  werden.  Vergl.  J.  G.  Vofs,  de  liistor.  Graecis 
III,  p.  364,  und  Ilardouin,  in  Ind.  anctorum,  s.  v.  Evanth, 

***)  Mirum  est,  quo  procedat  Graeca  credulitas.  NuIUnn  tarn  impu- 
dens  mendaciuni  est,  ut  teste  careat  Und  doch  dinlte  unter  die- 
sen unverscliäniten  Lügen  eine  Walirheit  verborgen  sein! 


142 

ist  Imlofs  morkwnnlig-  und  l)el  der  Lvkaiitliropic,  als  einem  forl- 
erhondcn  Ueltol ,  srhoa  läng.st  booltaclilol  worden   *). 

Ft'incr  lüliit  Ulis  die  Erzäldniiü-  von  dem  Olvm|ilonika  D e- 
111  a  r  (•  Im  s  ,  denn  so  sollle  wohl  eigciitlirli  slalt  Dciuäiiotns 
Itciiii  P  I  i  n  i  II  s  ^»'k'seii  weiden,  deren  auch  Paiisauias  **)  2,6- 
deiikt ,  auf  eine  sehr  alte  SaüC  vom  l  rsprun^e  dieser  Wolisver- 
wandliinji",  die  Faiisanias  in  seiner  Tonogiaphie  aoh  Arc.i- 
dien  etwas  weitläiifiiicr  anfiüut.  Nachdem  er  die' Fabel  von 
Lvkaoirs  Verwandlung;  auf  die  c,evvöhiilii'he  Weise  erzählt  und 
ohne  Bedenken  schon  darum  für  !i;lanh\M'ir(iii>'  erklärt  hat,  weil 
damals  die  Gölter  mit  den  IMcnschen  noch  in  weit  genauerer  Ver- 
Itinduna;  gestanden  hätten,  und  also  anch  Jupiter  wohl  einmal 
beim  Lvkaon  eingekehrt  sein  könne,  so  eifert  er  doch  gegen 
die  unverschämten  Fahelschniiedc,  die  auf  solche  Wahrheiten 
ihre  Erdichtungen  gegründet  hätten.  „So  sagen  sie,"  fährt  er  fort, 
„dafs  nach  den  Zeiten  des  Lvkaon  anch  beim  Opfer  des  Ju- 
piter Lvcäns  ans  einem  Älenschen  ein  AYolf  geworden  sei. 
i)och  nicht  auf  seine  ganze  Lebenszeit.  Denn  wofern  er  sich  nur 
in  diesen»  Znstande  der  Thieiheit  des  iMenschenileisehes  enthalten 
babe ,  sei  er  im  zehnten  Jahre  wieder  ein  Mensch  geworden^ 
Habe  er  aber  davon  genossen,  so  sei  er  auf  immer  ein  Wolf 
geblieben  ***). "  Alles ,  was  sich  aus  dieser  verw orrenen  Sage 
mit  Grund  schliefsen  läfst,  ist  nngefähr  Folgendes:  dem  Jupiter 
L  V  c  ä  n  s    opferten   die  Arcadier   einst ,    w  ie    alle   «ilte  Völker   auf 


*3  Der  P I  i  n  i  u  s  des  13ten  Jahrhunderts ,  der  gelehrte  Dominicaner 
Vincentins  von  Beauvais,  beschreibt  die  Krankheit  nach  dem 
Isidor  folgen  derma  fsen :  Est  et  qiiaedam  nielancoliae  species, 
quam  qni  patitur  galli  canisve  similitudinem  habere  sibi  videtiir, 
unde  ut  gallus  clamat,  vel  ut  canis  latrat.  Nocte  ad  monumenta 
egreditur,  ibique  usque  ad  diem  moratur  —  talis  nunqnam  sanatiir, 
haec  passio  a  parentibus  liaeredi tatur.  Speculum  Sa- 
pientiae  XV,  59« 

**)  Paus  an.  VI,  8.  p.  471. 

***)  Pansan.  VIIT,  2.  p.  601.  Wie  bekannt  diese  Sage  vom  Opfer  des 
Jupiter  Lycäus  gewesen  sei,  beweiset  unter  Anderm  anch  eine 
Anspielung  beim  Plato,  de  Rep.  VIII,  p.  565.  D.  oder  T.  YII. 
p.  228.  ed.  Bipont. ,  wo  die  Tyrannen  mit  diesen  Wolfmensclien 
vergliclien  werden,  und  der  //iii'oj  öj  vEfi  ro  i-j  'A^xäSi'«  to 
ToC  Aio;  Tcv  Avutxiov  U^ov  XlysTat ,  kurz  so  angeführt  wird  : 
0  yivcäfxsvog  rov  ävSowxi'voi;  crxXayj^voü  ,  av  akkcig  aXXwv  n- 
^iiwv    »vaf  iyKoiTC(i*si*tyiJiiVQU ,   «väy>t>j   5^   tcutw   Xukw  yivis^oci. 


143 

oJner   gewissen   Binfc   dor   Halbcnldir,   Menschenopfer,     Nun   vor- 
ln'oitete  sieh  der  Glaiiho,  dafs  derjciiii^e ,  weh-lier  an  diesem  schänd- 
liolion  Opfernialdc  Tlieil  nälinie ,    in    einen    Wolf   verwandelt    nnd 
nnr  dann    von  dieser  Strafe    befreiet  werde,    wenn  er  sich   in  dem 
lieilin-en   Cvcins    von   dreimal    drei    Jahren    alles    Menschenlleisches 
enthalten  hahe.     Einii^e  Spnren    der  Lvkanlhropie    sind    anf  jeden 
Fall    anch    hier    nnverkennhar.     Der    Kirchenvater    Ang-nstin   *) 
hat  nns   in  seinem  Werke   de  civitate  dei    noch  ein  Fragment  des 
Varro    anfhewahrt ,    worin    alle   diese    Fabeln    von    den    dnrch's 
Loos    zur  Lykanlhropie    bestimmten    Arcadiern    nnd    dem    ülvmpi- 
seben  Sieger  Dem  änetns   gerade   so   erzählt   werden,    als    heim 
PJinins,  wo  aber  der  Schlnfs  besonders  merkwürdig  ist;  „Ehen 
defswegen,  glanbt  Varro,    habe  Pan  nnd  Jupiter  in  Arcadien 
den    Zunamen   Lycäus    erhalten,    weil   diese    Verwandlung-   der 
Menschen  in  Wölfe   die  Veranlassung-   dazu  geworden  sei.     Au'xo? 
heifst  der  Wolf,    und  davon    komme  Xw.alog    her.      Auch    mochten 
wohl    die   römischen   Luperealien   aus  eben    diesem    geheimen   Ur- 
sprünge abstammen  **)."     Diese    letztere  Mnthmafsung    ist    in    der 
Th.it    sehr   scharfsinnig.     Wir    werden    in  der  Folge    noch  einmal 
darauf  zurückkommen.     Zum  Beweis  aber,    wie  allgemein  die  Ar- 
cadier  dieser  Ljkanthropie  im  Alterthunte  bezüehliget  werden  ,  mag' 
hier  auch   noch  die  Stelle    aus    einer  Plautinischen   Coniödie    einen 
Platz  finden,    welche  hinlänglich  beweiset,    wie  ausgebreitet  dieser 
Volksglaube  gewesen  sein  müsse.    „Es  ist  wahr,"  sagte  der  über 
die    doppelte   Erscheinung    des    Sosias    erstaunte    Amphifruo, 
„es   ist    wahr,    was   ich    erst  von  den  Arcadiern    erzählen    hörte, 
dafs  die  Familie    des  Anthus    sich    in  Wölfe    verwandelt    habe    und 
in    diesem    thierischen    Znstande    von   Niemand    erkannt    worden 
sei  ***)•'' 


*)  Aiignstin.,  de  Civ.  D.  XVIII,  17,  T.  IT,  p.  589.  edit.  Frft.  Sie 
ist  ohne  Zweifel  aus  des  Varro  gelelirtem  Werke,  «las  er  dem 
Julius  Caesar,  dem  damaligen  Pontifex  Maximus,  zuschrieb, 
antiquitates  rernm  divinannii ,  genonunen  und  wahrscheinlich  selbst 
vom  Plinius  excerpirt  worden, 

**)  Nee  idem  (^sc.  ^"arro )  i)ropter  alind  arbitratnr  ab  liistoricis  in 
Arcadia  tale  nomen  aflictum  Pani  Lycaeo  et  Jovi  Lycaeo,  nisi 
propter  hanc  in  lupos  hominum  mntationem,  qnod  eam  nisi  vi  di- 
vina  üeri  non  putarent.  Lupus  enini  graece  Xuxos  dicitnr,  unde 
A-jy.txicv  nomen  apparet  inflexnm,  Romanos  etiam  Liiporcos  ex 
illorum  mysterioriim  veluti  semine  dieit  exortos.  Varronis  fragin. 
edit.  Bipont.  p.  362.  Aus  dem  Augustin  hat  es  Tsidor. ,  Orig. 
VIII,  9,  abgescluieben. 

***)  Die  ganze  Stelle  ist  zwar    nicht  vom  Plautus,   aber  doch  gewifs 


144 

Aber  vohor  kam  es  denn,  ilafs  gerade  in  Arcadieu  sich  ans 
üem  eiilfernlestcii  Altcrtliiiiue  so  viele  S|tiireii  einer  Kranklieit  zei- 
f^eo  ,  von  der  die  iil>rii!,eii  Grieclien  weiiijjf  oder  j>ar  nielils  Jiownfst 
zu  haben  stiieinen?  —  Folgende  Bemerkiiiii>ea  werden  vielleiebt 
das  jianze  Rätbsel  ziemlich  befriedii^end  auflösen  können.  Die 
Arcatlier  erhielten  sich  als  ein  TImmI  jener  Pelasger,  die  die 
nrsprüi>g;lich  ältesten  Bewohner  Griechenlands  waren,  in  ihrer  luit- 
telländischen  Wald-  und  Berugei'end  *)  am  län<;sten  unverniischt 
und  ohne  Zusatz  fremder  Cultur  und  Yerfeinernnu,-,  die  das  iibri<j,e 
Griechenland  mit  seinen  hundert  Küsten,  IMeerbnsen  und  Inseln 
60  wiiliy  nnd  so  früh  durch  fremde,  von  Kleinasien,  Pliönizien 
und  Aeij^vpten  berüberströraende  Colonisten  aufnahm  und  bei  sich 
cedeihen  liefs  **).  In  den  ältesten  arcadischen  Volkssagen  findet 
sich  daher  die  früheste  Geschichte  aller  Ürbewoluier  Griechenlands 
znsanimengefafsl  ***).  Die  Arcadier ,  das  heifst  hier  überhaupt, 
Pelasger,  wachsen,  nach  dem  bekannten  Kinderbegriff  der  Ur- 
welt, aus  Baumstämmen  und  aus  der  Erde  empor.  Pelasgus,  ihr 
ältester  F'ürst  —  wer  fühlt  aber  nicht,  dafs  hier  nur  der  Name 
des  ganzen  Stammes  auf  eine  einzige  Person  übergetragen  sei"? 
—  lehrte  die  rohen  Menschen ,  nach  dem  Pausanias  f ) ,  zuerst 
Hütten  bauen ,  sich  aus  borstigen  Scinveinefellen  eine  Kutte  machen 
und  statt  der  ungesunden  Kräuter  und  Wurzeln  die  schraackhafferii 
Kastanien  nnd  Bucheckern  geniefsen ,  woraus  die  bei  spätem 
Schriftstellern   so    bekannte   ßocXcxv>](pxyix   der    Arcadier  entstanden 


von  einer  alten  Hand  in  Amphitr.  IV,  4.  1.  Statt  des  sinnlosen 
Atticos  homincs  in  der  Gronovischen  Ausgabe  lese  ich  mit  Har- 
douin  ad  Plin.  VIII.  Kinendat.  LXVIII.  ]).  490.  anticos  i.  e.  ab 
Anto  s.  Antlio  oriundos. 

*)  'AfKaSs?,  sagt  Pausanias  VIIl,  1,  p,  598.,  to  svrog  o/x.oüjrv  «xo- 
kXsis/vCevoj  SaXäffd-yj  -TfavTctj^sSsv.  Daher  erliielten  sicli  die  ältesten 
Bewohner  so  lange  unverniischt  und  nannten  sich  «'JtÖj^Sovs;, 
Nach  dem  Stral)0   VIII,  p.  595,  "^A   homl  x«koiiiTixroc  s"5v>j   itvxt 

T«      ApKaSiX«     TUJV      Ekkvjvwv, 

**)  Herder's  Ideen  zur  Geschichte  der  Menschheit,  Tli.  III,  S. 
170—174. 

♦**)  Arcades  ex  antiquissimis  Graeciae  popnlis  e  Pelasgica  stirpe  super- 
stites.  —  Traxernnt  itaqiie  ad  se  siljiipie  vindicarunt  omnes  fabulas 
generis  Pelasgici  tanqnam  silji  proprias.  Habiierunt  apud  se  generis 
huniani  origines,  artium  rudimenta,  religionnm  a  Jove  ductarum 
elementa  etc.     Hejnius  ad  Apollod»  p.  655.  s, 

t)  VIII,  1.  p.  599, 


145 

ist  *).  Man  sieht  liier  dio  ersten  Fortsclirlde  der  Cnltur  eines 
sieh  ans  der  roheslen  Wildheit  nach  nnd  nach  entwickelnden  Vol- 
kes. Mit  der  Zeit  dämmerten  in  diesem  Znstande  der  Halbcnltnr 
auch  einige  Be»nlTe  üher  Verehrnng-  der  Gölter,  Tempel  und 
Ojjferdienst.  Daher  wiid  Jnpiter  in  Arcadien  geJioren  **) ,  nnd  das 
Tlieater  der  Kindeistreiche  des  Mercnr  liegt,  nach  der  bekann- 
ten Homer  ischen  Hymne  ,  in  einer  arcadischeii  Grotte  ***).  Sagen, 
die  sich  eigentlich  anf  den  ganzen  pelasgischen  Stamm  beziehen, 
sind  in  diesen  Uebcriiefernngen  von  Jnpiter  nnd  Mercnr  nnr  auf 
das  Land  und  die  Völkerschaft  eingeschränkt  worden,  die  die 
pelasgische  Bevölkerung-  nnd  Abkunft  noch  nach  Jahrhunderlen  nn- 
verfiilscht  bei  sich  erhielten.  Arcadien  war  ein  Land  voll  Wälder, 
Sümpfe    nnd  Viehweiden  f),   die   Einwohner     Hirten ,    die    unauf- 


*)   S.  die  Scholien  znm  Apoll  oni  u  s ,  Argon.   IV,  165.     Gognet, 
de  rOrigine  des  Loix  T.   I,  p.    72.    (ed.    Paris.    1758.)     Gesner 
'zum  Claudian  S.   578.  f. 
**)    Origen.  contra  Cels.  lib.  III.  43.  p.  475.    Ced.  de  la  Rue.) 
***)  Diese  Hymne  auf  den  Mcrcur  ist  für  den  pelasgischen  Mythen- 
Cychis  äufserst  merkwürdig.     Sie  darf  nicht  lange  vor    das  Zeital- 
ter des  Aeschylus  gesetzt  wei'den  und  bedarf  vor   allen  andern 
einer  kritisclien  Bearbeitung.     Möchte  uns  doch  Herr  H.  R.   Yofs 
bald  seine  versprochene  Uebersetzung  nebst  dem  Commentar  dazu 
schenken. 

•f)  Sümpfe  und  stehende  Gewässer  in  den  tiefen  Thälern,  ßäna^nec 
oder  ^iosSna  nach  der  alten  pelasgischen  Ausspraclie,  die  sich 
später  noch  in  Macedonien  erhielt,  (s.  Strabo  VIII.  p.  596.  B.  und 
zum  Hesychius  T.  1.  c.  1582,  17.)  machten  durch  ihre  be- 
ständigen Ausdünstungen  die  Luft  feucht  und  kalt,  nach  dem  aus- 
drücklichen Zeugnisse  des  Aristoteles,  Problem.  XXVI,  61. 
T.  II.  p.  806.  (ed.  Du  Val.),  wo  doch  die  Worte :  Sri  ij  'Apv.aS/« 
o/jioia  ytviToct  Te7f  iXwhsai ,  olfenbar  aus  einer  Randanmerknng 
in  den  Text  gekommen  sind.  Die  alte  Sage,  dafs  Arcadien  einst 
olme  Flüsse  und  Quellen  gewesen  sei  und  daher  auch  die  ältesten 
Bewohner  "A^y^vs;  nnd  'AT/5«v>)Sf  geheifsen  liätten,  Q  s.  zu  Cal- 
limachns,  Hymn.  in  lov.  14.  If)  stimmt  damit  völlig  ubcrein. 
Denn  erst  hei  mehrerer  Cultur  des  Landes  wui'den  die  Flüsse  ein- 
gedämmt, Kanäle  gegraben  und  frische  Quellen  entdeckt.  Man 
vergleiche  Barthelemy,  Voyage  d.  j.  Anachars.  T.  V.  p.  214. 
ed.  Paris.  Eine  dort  übersehene  Hauptstelle  ist  beim  Phi  lo- 
st ratus  V.  A.  T.  VIII,  7.  s.  12.  p.  346.  s.  Olear.,  wo  aucli  die 
Bewohner  nach  ihrem  raulien  Lande  in  Schaf-,  Ziegen-,  Rinder- 
nnd  Pferdehirten  getheilt  werden  und  das  Zeugnifs  erhalten: 
ay^omeTaroi  «vSjiiirwv    £(ff(    k««   ffviC^sjf.     Vieles  hierher  Geliö- 

Bot  t  iget'*  kleine  Schriften  I.  10 


146 


liiirlirli  mit  tloii  Ptiiiilifliit'ron  dci?  Mä  ii  a  1  o  s,  E  r  y  m  a  ii  I  li  o  s  ,  CyI- 
1  r  11  0    II.   s.   \v.    zu     käiii|)f«'n    lialtcn.       llir    eincntliclicr    Scliiilzii,oU 
Fan,    der    Scliiilz[ia(ioii    der  Zici^ciiliiilcn    i'Oii.oii    dif  i;iiil)eiiscli«;n 
Wulfe,    war    iirs|iriiii_ü,licli    seihst  ein  zum  Fetisch  erhoheiior,   dann 
diiirh    die    Kunst    vernieiisrhlichter    Ziei;,enhock.       Das   Klima    und 
der  Boden    des    Landes    seihst    waren    diimals    noeli    aufseist    rauh 
nnd     nnireundlieh ,      die     Nahriiitü,smiltel     hart     und      iiüverdaiilit'h, 
di(>    Relinioiishei^riiri!    Iviiidisch ,    roh     und    mit    den ,     allen     wilden 
Völkern    so   ei<;enen   \  oislelluiigen  von   Zauhermilleln  ,  Hexerei   und 
fioetio  verweht.     Noeh    jetzt    herrseht    unter    Jäi;ern    und    Seh;il'ern 
der    .stärkste    Al)erü,laii!ie ;    und,    wiihreiid  Aufkl;iiiiii_^'    iiher   auffal- 
lendere Natiirerseheiiiuni'en    und    jihvsisehe  Heilkr;ifte  seihst  bis  zu 
den   niedriü,sten   Stiindeii    liindiircli    i>ednini>en   ist,    hieihen    hei  die- 
sen   Mensehenklassen    tiel'^cwurzelte    Voriirlheile    nnd    Clauhen    an 
svnipathetisihe  Kuren,  GesjienslereisclH'inunjj^en   und  l)ezaiil)eriiii<>en 
in   ihren   allen  IVeehfen.     Ans  diesem  Allen  mnfs  es  uns  nun  schon 
sehr  walnscheinlieh    werden,   dals  ein  so   rohes  Hirten-    und  Jä!>er- 
volk  ,    als  die  alten  l'elasi!,er  in    Arcadien   waren,  unter  diesen  Vor- 
anssetziinii;en  des  Klima    nnd  der   Lebensart    eben    so   leicht   einer 
solchen  Art  von  Wahnsinn,    wie    wir  unter  der  Lykanthropie  ver- 
stehen, eniiifäni-iich  sein   mnfste,    als    jene  soythischen  Völkerschaf- 
ten, die  llerodot  unter  dem  iNamen  der  Neiirier  versteht,   nnd 
die  Ovid   mit   dem    all_ü,cmeineii    Namen    der  Hyperboreer  be- 
zeichnet*).     So    wie    es    nun    durch    die    Forschuiii>en    neuer  Aer- 
dienst voller    Gelehrten  aufser  allen  Zweifel  i>eselzt  ist,  dafs  die  be- 
riichtii!,te    Av  ei  bische    Krankheit  (S-zikita  volco;)    der    Scvlhen 
beim  Herodot  nnd   Ilippokrates  nichts    Anderes    als  eine  an- 
dere Moditication  eben  dieses  Wahnsinnes    unter  den   nomadischen, 
halbwilden     Scvthen    "ewesen    sei ,     die    sich  in  ihrer   sonderbaren 
Melancholie  einbildeten,    sie    wären    ans    Männern   Weiber   ü,ew()r- 
den**);  so  darf  uns  die    L)kanthro]»ie  unter   ähnlichen  Umständen 


rige    hat    auch     v.    Breitenbauch    gesammelt   in   seiner  Ge- 
schichte von  Arcadien  (Frf.  1791.)  Th.    1.  S.  58.  if. 

*")  Herodot  YI.  105.:  'isivgot  y.ivhvvivsv(7i  ycy^Tn;  thcci.  Ihre 
^aclibarn  erzählen  :  Cc;  b'rsog  ixdcTou  ä'xa?  '^^'•'  NsJf  tuv  iV.acroj 
Xvy.oi;  yrjirat  /j/zs^a^  cXi'y«?,  iibi  vid.  V  a  Icke  n  a e  r.  j).  328.  43... 
Der  liypothcseiirciche  Peilen  tier,  der  in  seiner  Histoire  des 
Celles  T.  I.  |).  305.  diefs  von  einer  Pelzbekleidung  in  Wolfslellen 
erklären  wollte,  ist  von  Larcher  in  den  Anmerkungen  zu  dieser 
Stelle  T.  111.  p.  4-i4.  nacli  Gebülu*  zurecht  gewiesen  worden»  Ans 
dieser  Sage  ninls  nun  aucli  die  Stelle  beim  Ovid,  JVIetam.  XV. 
359.  ei Klärt  werden,  wo  von  den  Scytliiern  angefiihrt  wird,  sie 
verwanilelten  sich  in  N  iigel, 

**)  Herodot  I,  105.  IV,  07.  Hi  j)  p  ok  r  a  t  es,    de    aeribus,    aqnis 


147 

aucli  bei  den  alten  Aroadiorn  im  Gerinoslen  niclit  Wunder  neh- 
men. Gerade  diese  Di5;j(osi(ion  znr  Melancholie  und  jene  sonder- 
liaren  Verii  rangen  einci'  versehrohenen  Einl)iltlim2skrart  machten  in 
der  Folge  unter  den  cnilivirten  Arcadiern  die  Erlernung  der  Mu- 
sik zu  einem  nnendieluliclien  Bediirfnifs  und  wichtigen  Bestand- 
theile  des  Jugcndniiterriehts.  Man  weifs ,  wie  viel  sich  das  AUer- 
thnin  hei  der  Knr  tiefsinniger  nnd  verrückter  Menschen  von  den 
AVanilerkräflen  der  IMnsik  zu  versprechen  pllegic*),  und  man  wird 
])un  die  Stelle  des  Polyhius,  wo  er  die  musikalische  Liebhaberei 
seiner    Landsleule,    der  Arcadier,    ansdriicklich  als   ein  Bediirfnifs 


et  locis  T.  I.  p,  333.  s.  edit.  Mackii.  Es  ist  bekannt,  dafs, 
nachdem  man  diese  weibisclie  Krankheit  bei  vornehmen  Scythen 
bald  mit  Bon  hier  für  Päderastie,  bald  für  Hämorrhoiden  oder 
sonst  etwas  ausgegeben  liatte,  Heyne  in  einer  eigenen  Abhand- 
lung de  maribus  inter  Scythas  morbo  effeminatis  in  den  Com- 
ment.  Gotting.  vom  Jahre  1778.  Ciass  Philolog.  T.  I.  j).  28. 
dieses  XJebel  durch  ^ergieichiing  der  Hermaphroditen  in  Florida 
nnd  anderer  ähnlicher  ^'eiTÜclciingen  ans  neuen  Reisebesclireibem 
zuerst  richtig  erklärt  hat,  Vergl.  Sprengel's  Apologie  des 
Hippokrates  Th.  H.  S.  611.  ff.  Die  von  Heyne  und  Spren- 
gel gesammelten  Beispiele  könnten  aus  Reisebeschreibnngen  noch 
sehr  vermehrt  werden.  So  fand  Gmelin  zu  Tomsk  in  Sibirien 
einen  bartlosen  alten  Kerl,  der  vollkommen  aussah  wie  ein  altes 
Weib  und  sich  auch  so  betrug.  Gmelin's  Reisen,  TId,  f.  S. 
320.  So  erzäJdt  Scliäffer  in  Witwer's  Archiv  für  die 
Geschichte  der  Arzneikunde,  St.  1.  S.  217,  und  nun  auch 
in  seinen  Reisen  Th.  I.  S.  136.  von  einem  Wahnsinnigen  im 
Bicetre  zu  Paris,  der  sicli  seit  20  Jaliren  einbildete,  ein  Weib  zu 
sein,  in  weiblichen  Kleidern  ging  und  nur  dem  schön  that,  der 
ihn  mit  JMadame  anredete.  Ein  walues  Gegenstück  zu  den  Scy- 
then,    die  Longin  yvvaiy.i^svrxg   nennt, 

*)  Browne's  medicina  musica  und  der  scharfsinnige  Aufsatz  eines 
Engländers  in  Marpnrg's  histor.  krit.  Beitr.  B.  II.  S.  16.  ff, 
sind  bekannt.  JMan  sehe  die  ziemlich  vollständige  Literatur  über 
die  Musik  als  Heilmittel ,  die  iMusikdirector  F  o  r  k  e  1  aus  dem 
Realkatalog  der  Göttingischen  Bibliothek  gegeben  hat ,  in  seiner 
Allg.  Geschichte  der  Musik  Th.  I.  S.  114.  Noch  immer 
verdient  dieser  auch  für  die  Aufklärung  so  mancher  Dunkelheiten 
des  Alterthums,  z.  B.  des  ägyptischen  Sistrums,  der  Oi'gien  u,  s. 
w.,  wichtige  Punkt  eine  neue  Behandlung  eines  philosophischen 
Arztes.  Beispiele,  wie  Herder  (_Geist  der  Ebr.  Poesie, 
B.  II.  .S.  266.^  erzählt,  setzen  die  Sache  selbst  aufser  Zweifel. 
Aber  es  ist  viel  historisclie  Kritik  dabei  nöthig,  in  welcher  Rück- 
sicht mich  nach  Allem,    was  ich  darüber  gelesen    habe,    f'm  Auf- 

10* 


148 


ihres  Klimas  oiKläil,  weil  hesser  verstehen  köniion*).  Ehe» 
diese  Eii4»iäii.i;liilikeit  (Vir  philzliehe  Eiiidnu-ke  des  8elireckens  und 
einer  wahnsinnii!,on  (lesjK'iisterfiircht  bradile  hei  den  areadiselieu 
Hirten  zuerst  die  somlerhare  Vorstelliini»-  von  den  Panischen 
Schrecknissen**),  nüchdiclien  Tiiniiilten  in  den  ^^  ähiern  niid  Ge- 
birge« und  dem  niierkliü baren  Ansreifse»  ganzer  Heerden  am 
bellen  Mittage***)  hervor,    welclie   in   der  Folge  aus  dem  arcadi- 


satz  in  den  Philosophical  Transactions  No.  243.  p.  297.  nocli  im- 
mer am  meisten  befriedigt  hat.  Gerade  diesen  Aufsatz  scheint 
Ferkel  in  der  ang.  St.  niclit  gekannt  zu  Iiaben. 
*)  Die  Stelle  des  Arcadiers  Polj  bius  ist  für  unsere  Absiclit  in 
mehr  als  einer  Kiicksicht  merkwürdig,  IV',  20.  21.  T  II.  p.  52  — 
57.  edit.  Schweigliaeus.  Kr  rülimt  es  als  eine  sehr  weise  Einricht- 
ung der  ersten  arcadisclien  Gesetzgeher,  dafs  sie  durcli  Unter- 
richt in  der  IMusik  und  Orcliestik  die  rohen  Sitten  der  Arcadier 
gemildert  liätten.  Da  sie,  sagt  er  (c.  21.  p.  56.),  auf  die  duich 
keine  Sclaven  erleichterte  (ajrsvj-yuw)  rauhe  und  liarte  Lebens- 
art der  Arcadier  und  auf  iluen  mürrisclien  Nationalcharakter 
(ctvaryjntcxv  rdv  »jSdv)  Rücksicht  nahmen,  der  durch  den  Eindnfs 
der  kalt-feuchten  und  sti'cngen  Witterung  in  dieseui  Lande  sehr 
befördert  wird ,  —  und  also  die  Wildlieit  und  Rauliigkeit  der  Ar- 
cadier mäfsigen  wollten,  so  haben  sie  Alles  zu  iluer  Humanisirung 
aufgeboten,  iraw  i//>jj^av>)(ravTO  ,  uirsvhcvTSq  ro  rij?  \{-!/j^>5c  art- 
^aixyov  i^yi/xi^cZv  y.u]  Tr^atvnv,  Vergk  For  k  el's  G  e  SC h ich  t  e 
der  Musik,  Th.  I.  S.  268.  if. 

**)  Um  dieses  sonderbare  Pliänomen,  das  sich  in  der  arcadischen 
Hirtenwelt  zuerst  entwickelt  hat,  sich  einigermafsen  begreiflicher 
zu  machen,  mufs  man  sich  an  die  durcii  Klima  und  Lebensart 
hervorgebrachte,  zu  der  lächerliclisten  Gespenster-  und  Zanber- 
furcht  antreibende  Schreckhaftigkeit  der  Samojeden ,  Kamt- 
schadalen,  Jakuten  und  anderer  sibirischer  Völkersciiaften  bei  Pal- 
las, Reisen  Th.  III.  S.  76.  und  den  berüclitigten  Scanto  oder 
Spavento  der  sicilianisclien  Hirten,  über  den  der  italienische  Phy- 
siker Boccone  eine  eigene  Abhandlung  geschrieben  hat,  s. 
Swieburne's  Reisen  durch  beide  Sicilien,  Th.  II.  S. 
458.,  erinnern,  und  die  einst  in  Arcadiens  Wäldern  so  oft  gehör- 
ten Orakelstimuien  des  Pan  (Pausan.  VIII,  37.  p,  677.  Stat. 
JII.  Theb.  480.  —  rusticus  accola  —  Pana  nocturna  exaudit  in 
umbra)  und  die  von  den  Hirten  am  Mänalos  vernommenen  Sclial- 
meientöne  des  Pan  (Pausan.  1.  c.  36.  p.  674.)  leicht  zu  erklä- 
ren wissen. 
***)  Das  i)lötzliclie  Sclieu werden  einer  ganzen  Heerde,  durch  Insekten, 
(^Vofs  zu  Virgirs  Georgika  S.  180.  f.)  und  andere  Objecte  ver- 
anlafst,  scluieb  der  Arcadier  einem  vorüberwandelnden  Schrecken- 


149 

sehen  Hirten-  iintl  J;i:;eri!,laiihen  auch  in  die  Krioi>sgeschichte  der 
allen  Welt  üheryiiii^  und  zum.  Theil  noch  in  den  Köpfen  abergläu- 
bischer Menschen  unter  den  Namen  des  wülhenden  Heeres  und 
des  wilden  Jägers  herninspnkt.  Auch  haben  uns  die  allen  Gram- 
matiker und  Etymologen  noch  ein  Wort  anfl»e\vahrt ,  welches  die 
Arcadier  eigentliiiMilich  von  einer  ans  dem  Uebermafse  des  Zorns 
entstandenen  Tolllieit  braucliten ,  und  das  die  übrigen  Griechen  auf 
eine  Benennung-  der  Furien  übertrugen*). 

Sollten  uns  nun  alle  diese  angeführten  Umstände  wirklich  zu 
dem  Schlüsse  berechtigen  ,  dafs  einmal  in  den  früheren  Zeiten  der 
Rohheit  oder  Halbcnltur  der  Arcadier ,  vielleicht  damals ,  als  sie, 
nach  Heyne's  richtiger  Erklärung-,  noch  wirkliche  v^oaaXi^vocy 
Menschen   vor    dem   Monde,    waren**),    die   Ljkanthropie 


bilde,  dem  Montivag-us  Pan,  zu.  Eine  merkwürdige  Stelle  beim 
Va  1er  ins  Fl  accus,  Argon.  III.  56.:  Ludus  et  ille  deo  (sc. 
Pani)  pavidnm  praesepibus  anfert.  Cum  pecus,  et  profugi  sternunt 
dumeta  iuvenci  S.  des  Longus  xoz/xsv.  H-  p.  ^3.  edit.  Villois. 
und  an  mehreren  Stellen,  womit  die  Tlieologen  weit  befriedigen- 
der als  durch  so  manche  ungereimte  Hypothese  den  bekannten 
Auftritt  mit  den  Gergesener  Siiuen  hatten  erklären  können.  Dieses 
arcadisclie  Pangescheuche  spielte  in  dem  Volksglauben  der  Athe- 
ner während  des  persischen  Ueberfalls  seine  Rolle.  S.  Valcke- 
naer  zu  Herodot  S.  486,  18.  und  du  Soul  zu  Lud  an  T.  I. 
p.  272,  70.  und  tlalier  und  aus  jener  plötzliclien  Furclit  der  Heer- 
den  entspann  sich  nun  später  (um  die  Zeit  des  Herodot  VII, 
19.  p.  513)  der  Begriif  der  Panischen  Schrecken,  mit  welcheR 
grofse  Heere  zuweilen  befallen  werden,  roc  Ksvi  toü  voXsfxov. 
S,  zum  Polyän  S.  15.  edit.  Masvic,  zum  Diodor  T.  II.  p. 
227,  9.  und  zum  Herodot  S.  370,  56.  Diefs  ist  die  xavo;  rpo/asf« 
fxäari^,  wie  sieder  Verfasser  des  Rhesus  Y.  36.  nennt.  Das 
Ganze  verdient  wolil  eine  eigene  Abhandlung,  zu  der  ich  hier 
nur  die  ersten  Grundziige  liefern  konnte. 

*)  Etymolog.  M.  'EfwvJsry  y.ark  'ApnäSaf  ro  o^y'iisffScxt.  Vergl. 
Hemsterhuys  zu  Lennep's  Etymolog.  L.  Gi'.  s.  v.  ^E^ivvv; 
p.  290.  Hierher  gejiört  vielleicht  auch  noch  der  Quell  'AXuo-irof 
in  Arcadien.     Paus.  VIII,  19.  p.  637. 

**)  Die  Arcades,  astris  lunaque  i)riores  (^Stat.  IV.  Theb,  175.)  hat 
Heyne,  nachdem  er  in  einer  eigenen  Proinsion  Opusc.  Acad.  T. 
IL  j).  332,  seq.  allerlei  Muthmafsungen  darüber  vorgetragen,  in 
seinen  Anmerkungen  zum  Apollodor  S.  250.  richtig  von  dem 
Symbol  der  Argiver,  caput  feminae  cornutum,  erklärt,  so  dafs  die 
ganze  Wundersage  auf  dem  Satz  beruht:  Die  Arcadier  sind 
älter  als  die  Argiver.  Vergl.  Lenz  zu  Ovid's  Fast,  I. 
295.  in  der  Schulencyclopädie,  T.  VI.  p-  43, 


150 

entleiuiscli  uulor  oiiioni  Volke  gewesen  sei»  müsse,  «las  so  viel  mit 
Wulfen  zu  kämpfen  und  zu  sehaireii  lialieii  iiinfsle  *) ;  so  liefsc 
sieb  vielleiclit  aiicli  die  Geseliiclite  des  L>kaoii  und  des  3Tensclien- 
opfers ,  nin  dessentwillen  er  und  seine  .Sühne  in  Wölfe  verwandelt 
worden  sein  solllen ,  nanz  naliirlieli  anf  fol_ü,ende  AVeise  erklären. 
Die  Unitliickliclien ,  die  von  diesem  Walinsinn  ergriü'en  wurden 
und  in  diesem  Znsfande  jj;e\vifs  viel  Lnlieil  unter  ihrer  Familie  und 
Nachliaiseliaft  aniieliteten  **) ,  konnten  nach  den  Vorslelinngen 
des  Allerthums  nicht  anders  von  diesem  Zorngeriehte  der  («ölter 
gelöset  werden  als  durch  wirksame  Sühnopfer  und  Lnstrationen, 
Man  gali  also  den  einheimischen  Nationalgotlheilen ,  Zeus  und 
Pan,  eine  besondere  dahin  abzielende  lienennnng  von  den  Wöl- 
fen, man  nannte  sie  Af/.ai'cv; ,  die  Wolfsgötter***),  und 
opferte  ihnen  das  wirksamste  Sühnopfer,  das  das  rohe  Allerthiim 
in  solchen  Fällen  nur  darbringen  konnte,  einen  unschuldigen  Kna- 
lien.  Den  Stifter  und  üpferpriesler  dieser  grausamen ,  aber  im 
Altertlmm  wenig  befremdenden  Sühnungsfeier  nennen  die  alten 
Yolkssagpu  Lvkaon.  Es  ist  merkwürdig,  dafs  Pausanias, 
der  diese  Sag«*n  anf's  Sorgfältigste  gesammelt  batf),  von  diesem 
Lykaon  ausdrücklich  Folgendes  berichtet:  ,, Lvkaon,  der  Sohn 
Pelasgus,  erbaute  die  Stadt  Lvkosura  auf  dem  Berge  Lv- 
käos  und  gab  dem  Zens  selbst  den  Beinamen  Ljkäos,  dem 
er  auch  heilige  Spiele,  die  Lykäa,  stiftete.  Er  brachte  auf  dem 
Altar  dieses  Zeus  ein  Kind  dar,  opferte  es  und  gofs  sein  Blut 
als  Libation  auf  dem  Altar  aus.  Darum  soll  er  nun  selbst  ein 
Wolf  "eworden  sein."     So    weit  der   "liechische    Reisebescbreiber 


*)  iMan  erinnere  sicli  liierJjei  nur,  wie  wichtig  und  fabelreich  der 
Wolf  allen  luiciiUivirten  Hiitenvolkern  gewesen  ist,  und  welche 
Rolte  er  in  der  Fabel  Aesop's  so  gut,  als  in  der  grofseu  TJiier- 
epopöe  des  Heinrich  von  Alk  mar,  in  den  Bukoliken  der  Grie- 
chen und  Kümer  sowohl,  als  in  den  Sielankis  der  Polen,  in  den 
ersisclien  >'olksÜederu  und  in  der  nordisciien  Edda  spielt. 

•*)  Icli  erinnere  hier  zum  üeberfiufs  nur  an  das  alte,  bekannte  fran- 
zösische Buch:  la  bete  bigonrne,  qui  avait  la  gaUpode,  das  auch 
unter  dem  Namen  :  Historie  der  seltsamen  Einbildun- 
gen des  Herrn  Oufle,  eine  erbauüche  Sonntagslectüre  unse- 
rer Grofsväter  war.  Es  liegt  dabei  eine  wahre  Gescidchte  eines 
Lykanthropen  in  Frankreich  zum  Grunde. 

***)  So    gab    es    aucli    einen    Apollo    kv/.alo;   «nd  Xtnoxrcvcf.     S. 
Bergt  er  zum  Alciphron  I.  26.  p.  109.  f.  Die  Hauptstelle  über 
den  Jupiter   A-uy.a7o;  ist    beim    Pausanias     Vill,    38.    p,    678.    f. 
Vergl.  Span  heim  zum  Caliimachus  S.  31.  ed.  Ernest. 
f)  VIII,  2.  p.  600. 


lül 

und  Aiitlf|nar,   desson  Eiziililiiiif^   vo)lkumiut-n    zu    unserer   ErkliU- 
iina,'     pafst,       Aveim     iiian     mir    anniiiiiul,     dafs    mau    in    späteru 
Zeiten,     als    man    die     .^lonsclieiiopfer,     die      wolil     einst     nnter 
allen   Nationen    verbreitet     nud     mit    der    MenschenlVesserei   anfs 
Genaueste     verixinden    i>evvesen    sind  *),   immer  mehr  veraliselieneu 
lernte,      die    Absieht    des    Oj)l'ers   zniti     Erl'olj;-     machte     und    den 
Lvkaon ,     der    dieses    8iihno;>fer   zur    YVhwendunii,'    der    Ljkanthro- 
pie  dargebracht    halte,    nun  selbst    als   ein   warnendes  Straf"exem|(el 
in  einen  Wolf  verwandelt  werden  liefs.     Aullallend   aber  ist  hierbei 
noch    die    Tradilion,    dafs  Alle,  die  an  diesem   Menschenopi'er  auch 
in  der  Folge   noch  Theil  genommen  bättea,  immer   wieder  in  Wolle 
verwandelt   worden   wären       Schon  hieraus    wird  es  wahrscheinlich, 
was   die    geheimnifsvolle    Art,    mit  der    raiisanias    in   einer   andein 
Stelle  von    diesen  noch    fortdanernden    üptein ,    di(!  dem  Jupiter 
Lykäos  an  einem,  den  Profanen  völlig  nnzngaiiglicheji  Orte  jülir- 
licli    dargebracht    wurden,    redet,   für    eijien  Sinn  habe.     ,,Auf  dem 
lycäischen  Berge  bei  Lykosura, "  sagt  er**),    „wo  Jupiter  Lv- 
cäus,  und  zwar    auf   einer    Ebene    Kretea,  erzogen   wurde,    und 
wo  er  noch  jetzt  in  einem  Tempel   verehrt  wird,  ist  auch    ein   hei- 
liger Hain   desselben    Jupiter   J^ycäns.     Kein  IMensch  darf  in  den- 
selben hlueintreten.   Wer  dieses  Gesetz  nicht  befolgt  und   hinein  tritt, 
der  mnfs    auf  ein    Jahr   lang  ans   der  Gesellschaft  der  Lebendigen 
entflielien.     Man  erzählt  auch  noch  Folgendes:    Alles,  was  in  den 
Hain  kommt,  sowohl   Thiere    als  Menschen,    wirft  keinen  Schatten 
von  sich.     Flieht  irgend    ein  Thier  in  diesen  Hain ,    so    wird   der 


** 


*)  S.  Meiners's  zweite  Vorlesung,  de  hmnanis  sacriiiciis  non 
volnntariis  in  den  Coniment,  Gottiiig,  1787.  Cl.  Philolog.  p, 
73.  f. ,  wo  die  Beispiele  der  griecliisclien  Aathropotliysie  zur  Ver- 
söhnung- der  Götter  viel  richtiger  zusammengestellt  sind  als  in 
des  gelehrten,  aber  hypothesenreichen  Bryant  Inquiries  rela- 
ting  to  various  parts  of  ancient  history,  wovon  die  Abliandlung 
über  die  Menschenopfer  besonders  übersetzt  und  zu  Gut- 
tingen  1774.  8,  herausgekommen  ist. 

)  Paus  an.  ,  VIII.  38.  p,  679,:  Ts>£vöf  sVt/v  sv  ocunZ  kvHi>,hv 
Aio;'  s'ffohog  äs  ovn  i'criv  ig  avro  ävSQÜinroig'  VTSothivra  hi  tov 
VC//OU  y.ix]  iffskSiMTX  ,  (xvocynij  TTola«  CK'jTOv  svtavTov  irpöffw  /xi) 
ßiiüvai,  ——  'Et<  tovtov  ßüi/ji.ov  riZ  Xuvta/u)  Ai'i  ^Jouc/v  gv 
ö:T?c^^-/)ru),  TToXvT^OiyiJi.ovi^aoit  5s  ov  fjioi  toc  ig  tvjv  Sva'iccv  v^hu 
vj-j.  iX^TJi  &£  wg  sx^i  ,  Kfti  w;  iVj^sv  s$  äoj^i^,-.  Das  Letztere 
ist  eine  Formel,  deren  sich  Herodot  Öfters  bedient,  wenn  er 
sich  entscliuldigt ,  dafs  er  die  Mysterien  der  gottesdienstlichen 
Gebräuche  nicht  angebe,  z.  B,  Clio,  c.  140.  k«;  ajA'pi  /xsv  rtf 
vc/xw  TouTw    sy_tTV} ,    ug   y.x)   öt^yv^v   tvc/^/c^i^. 


152 

J;ii«;er  es  l»is  diiliin  iiiolit  vcrf oli^oii ,  soinloni  iliiMifsoii  blelluMi  und 
liL'iin  AiiMicIf  «Ics  Tliit'is  keinen  Srliallcn  dosselhon  walii  iieinnen. 
]ii  Svene  zwar,  in  einem  J^ande,  welches  an  Aellii()|)ien  <i,ienzf, 
werfen  Bannie  nnd  Tliiere  zn  der  Zeit,  wenn  die  Sonne  in  den 
Wendekreis  des  Krelises  frilt,  keinen  Seliatlen ;  aber  liier,  im 
Hain  des  Jnpiler  l^ydins ,  felill  der  Schalten  das  •j.anze  Jalir  hin- 
dnrch,  —  Am  Allare  des  Jn|iiler,  der  auf  der  Spitze  des  Ber- 
•!;cs  steht,  w^erden  {•eheimnirsvolle  verhor^cne  Opfer  gebracht.  Icli 
wünsche  nicht,  luich  hier  auf  die  w<'ilere  Untersnchung  dieser  Op- 
fer oiazniassen ;  es  mag-  sich  damit  verhallen,  wie  es  will,  niid 
wie  es  sich  von  Anfanj»-  an  verhalten  iiat. "  Man  sieht,  Pausa- 
nias's  Abscheu  vor  Menschenopfern  ist  zu  i^rofs,  als  dafs  er  sich 
überwinden  könnte,  sie  hier  umsliuidlich  zu  beschreiben.  Uebri- 
geus  rührte  wohl  der  Mangel  des  Schattens  in  diesem  Hain  voa 
der  undurchdrinnlichcn  Dichtigkeit  des  Lanbgewölbes  her,  welches 
die  heiligen  Eichen  büdelen,  und  die  Strafe,  welcher  derjenige  un- 
terworfen wurde,  der  in  den  Hain  trat,  stimmt  mit  der  Umwand- 
lung in  Wolfsgcstalt  nlierein,  wovon  P  I  i  n  i  u  s  *)  redet.  Nur 
dafs  der  Cvcliis  nicht  dieselbe  Daner  hat,  nach  welchem  der  Bu- 
msende wieder  in  die  menschliche  Gesellschaft  und  iu  das  Land  der 
Lebendigen  zurückkehren    durfte. 

Bei  den  Römern  scheint  auch  dieser  Theil  des  griechischen 
Gottesdienstes  Eingang  gefunden  zu  haben,  und  die  Luperca- 
I  i  a,  die  noch  zu  Cäsar's  Zeilen  und  weit  später  gefeiert  wurden, 
sind  wa'irscheinlich  eine  Modificalion  der  XynatMv  der  Arcadier. 
Diefs  bezeugt  PIntarch**)  nach  dem  Zengnifs  einiger  Schrift- 
steller, die  vor  ihm  lebten,  ausdrücklich.  Und  noch  deutlicher  be- 
hauptet es  Livius,  der  den  Arcadier  E  van  der  diese  Spiele 
uach  Rom  bringen  läfnt***)  und  versichert,  dafs  der  nions  Palaliuus 
von  der  Sladt  Pa  lau  ti  H  m  in  Arcadien  (nordwärts  von  Megalopolis) 
seinen  Namen  habe.  Auch  slimmten  dergleicheji  Feste  zu  den 
Zelten  der  römischen  Barbarei,  da  es  nur  zwei  Stände  gab,  den 
Staud  der  Ackerleute  und  Hirten  und  den  Kriegerstaud ,  -}•)  mit 
dem  Maugel   der    Cullur   bei   der  Nation  eben  sowohl  als  mit  der 


*)  Lib.  VIII.  22.  s.  34. 

**)  Caesar  p,  736.  ed.  Xylandr.    ''JIv  /Vsv  yag  ■^  rwv    AouTsp.«- 

Xoctov   hyj ,    K««'    T<   y.oc]   -tt^ocvjxej    rolg   'Af  Ka5(Ko7j  Avutxtotg. 

♦**)  Liv.  lib.  I.  c.  S.  Ibi  Evandrum,  qui  ex  eo  genere  Arcadiim 
jnultis  ante  tempestatibus  ea  tenuerat  loca,  solemne  allatum  ex 
Arcadia  instituisse,  «t  midi  juvenes  Ljcaeum  Pana  venerautes, 
per  lusmn  et  lasciviam  curi'erent. 

•f)  Dionys.  Ilalicain.  lib.  II.  p.  98.  ed,  Sylburg, 


153 

Roliheit  der  Arcndier  ühoiein.  Ich  hoffe  also,  keincsweges  einen 
zu  voreiligen  Sehliifs  zu  machen ,  wenn  ich  hehanpte,  dafs  diese 
römischen  Lnpercalia  ein  den  arcadischen  Avxäi'oi?  illmliches  Sühn- 
nngsfest  im  Monat  der  Sühnnngen  nnd  Lnstralionen  (Febrnarins 
von  febrnare,  sühnen)  ankündigen  nnd  also  nrsprüngiich  dnrch  die 
endemische  Krankheit  der  Arcadier,  die  Lykanthropie,  yeraulafst 
worden  waren  *) ;  eine  Abslammung,  die  der  gelehrte  römische 
Polyhistor  Varro, selbst  andentete,  Aveun  er  nach  der  schon  oben 
aogefniirteu  Anssage  des  Kirchenvaters  Angnslin  behauptete^ 
die  Lnperci  der  Römer  wären  ans  jenen  arcadischen  geheimen  Ce- 
remouieen  entsprossen  (Lupercos  ex  illornm  mysteriorum  veint  se- 
niiue  exortos). 

Sowohl  in  Rücksicht  auf  den  ideellen  Wahnsinn  ,  von  dessen 
ältesten  Spnren  bei  den  Griechen  bisher  die  Rede  gewesen  ist, 
als  in  Betracht  der  Snhnnngen  nnd  heiligen  Reinignngen ,  dnrch 
welche  das  natürlichste  Heilmittel  wenigstens  das  Ansehen  einer 
übernatürlichen  Wirkung  erhielt,  verdient  die  Geschichte  der 
avgivischcn  Frauen  hier  eine  Erwähnung,  die  sich  einst  einbil- 
deten ,  in  Kühe  verwandelt  zu  sein,  auf  den  Aeiltern  hernmiiefen, 
sich  wie  Kühe  geberdelen  nnd  brüllten  und  endlich  von  dem  pro- 
phetischen   Wunderdoctor    und    Thaumatnrgen     l\Ielampus    nach 

*)  Die  gelehrteste  Untersuchung  üt>er  dieses  uralte ,    über  Roms  Er- 
bauung hinausgehende   Fest    linden  wir   beim    Pinta  roh  in  Ro- 
mulo    c.    21.    T.    I.     p.    70,   sq.    ed.  Hütten.     Als  Reinignngsfest, 
nixSäßffiov  ,  ii«l  es  in  den  Sühnmonat  oder  Februar.    Darin  kom- 
men Alle  überein,      Aulfallcnd  ist   es    aber,    dafs  die  griechischen 
Aerzte,  deren  Zeugiiifs  icli  gleicli  antanglich  angeführt  habe,    die 
periodische    Rückkehr   der    Lykantliropie    gerade  in    den  Febrnar 
setzen.    Beim  Ziegenopfer  der  Panspiiester  auf  dem  Palatinischen 
Berge  wurde  zweien  patricischen  Jünglingen ,  die  dabei  gegenwär- 
tig sein  mufsten,  Opferblut  an  die  Stirn  gestrichen    und  dann  mit 
Milch    wieder    abgewischt.      Diese  symbolische    Handlung,    deren 
Deutung  PI  utarch  selbst  SujToiraffroy  (schwer  zu  errathen)  nennt, 
bezog  sich  oifenbar    auf  das  alte    Mensclienopfer  in  Arcadien,    an 
tlessen  Statt  nun  blos  zwei  Knaben  mit  dem  Opferblute  bestri- 
chen   wurden.      So  bedeuteten  bei    einer    andern    Art  von  Men- 
schenopfer die  Oscilla  die  zu  opfernden Mensclien.     Macrobius 
I,  7.  p.  154.  ed.  Gronov.    Die   Nacktheit  und  Fellbekleidnng  der 
Lupercen  deutet  auf  die  Rohheit    des  Zeitalters,    wo  dieses  Opfer 
erdacht  wurde.      Selbst    das   tolle  Herumspringen    dieser   heiligen 
Brüderschaft  könnte  auf  eine  Kur  der  Lykanthropie  bezogen  wer- 
den,   wiewohl  diefs    sowohl,    als    das  Hauen  mit  der  Ziegenfell- 
Peitsche  (amiculo  lunonis,    Fest,  s.  v.  Februarius  p.  145.  ed.  Da- 
cier.)  mir   nur    ein   altrömischer  Zusatz   zu    diesem    arcadischen 
Feste  zu  sein  scheint. 


154 

allerlei  gehdinnifsvolloii  Süliinin^sopferii  niid  Reiiiiü,iin.i»eii  «liirth 
das  drastische  Millcl  eines  luäflii'cn  Ilelleltoiisiiiiis  zu  iliicni  B(!- 
wiislsein  zurüekgelnaoht  wurden  *).  Dafs  aneli  dieser  AN  alin- 
siun ,  den  man  analogiseli  die  Boantlirojne  nennen  k'ünn(e, 
zu  Argos  ein  eingewiirzehes,  endeinisclies  Lcliel  j^owesen  sein 
müsse,  heweis't  die  bciüliinfe  Fabel  von  der  ar<:iviscli('ii  I  o ,  bei 
deren  späterhin  so  inannichfalti^-  aus^esehinückler  Kuh -IMefanior- 
phose  doch  «j^ewifs  ursprünglich  nichts  Anderes  zum  Grunde  liegt 
als  ein  ähnlicher  Wahnsinn  einer  argivisohen  Königstochter  **). 

*y  Proetides  iinplerunt  falsis  mugitibus  agros.     Vir  gib    Eclog.  VI, 
48.      Heyne    sagt   hierbei:    i)riinuni    exeniplum   morbi    hysterici. 
Allein  der  fnror  uterinus  ging   hier  doch   wirklidi  in  Lykanthropi» 
über,  für  welclie  auch  schon  Polizian,  JMiscelb  c.  50.   p.  63.  ed. 
Basil,  diesen  Zufall  richtig  erklärt.    Zur    Seniiotik    der  Kranklieit 
geliÖrt  ein  merkwürdiges  Fragment  des  II  e  s  i  o  d  u  s  beim  K  u  s  t  a- 
thius  ad    Odyss,  O.  p.  174G.  9.,  wo  vom  Zorne  des  Bacchus  ge- 
gen die  Pröticlen  die   Rede  ist:     y.al    «y«?    c(f)fj    y.sCpa.XCjffi     y.aroi 
yiyvpi   »hh'J     sx,^vsv  ,     'AXC^)^:;    ya^    XC"^*     vävroc    Y.a.r'v^cy^\.''    (so 
enifindirt  Heyne  zum  Apollodor  S.  279.)     h  St   -j^  y^aTrai  ''E^- 
Qsov  £vt  Y.i(poiXCJv-     Wahrsclieinlich   warf  sich    die  Kranklieit  nach 
der  sehr  veriüinftigeii  Heilart  des   llelampus,  der    iVeilich  nocli 
nicht  die  Kratze  inoculiren,  aber  sie  doeli  durch  andere  Mittel  be- 
fördern konnte,    auf  die    Haut.     Daliin   fübrt    der    iSchnppengrind 
(y.vvcg)i  der  Aussatz  und  die  Alopecie.     Dieses  Fragment  verdient 
die  besondere  Erläuterung  des   würdigen  Herausgebers  dieses  Ma- 
gazins,   da  ich  als  Nichtarzt  darüber   nicht    intlieilen  kann.     Dafs 
Melainpus    aufser    dem  von  ilnn    zuerst    gebrauchten  Melampo- 
dion,  veratium  album,  (s.  Schulze,  de  elleborismis  veterum  (Hai. 
1717.)  p.     6.  se<j.   u.   Sprengefs  Geschichte  der  Arznei- 
kunde,   Th.    1.    S.  90.   11.)    auch    auf  die  Phantasie    durch    ma- 
gische   Entzauberungsmittel    gewirkt    habe,     beweis't    schon    der 
Brunnen     Clitorius    in    Arcadien  (^s.   z»i   Ovid*s    Metam.  XV, 
325    If.)    und   die   ausdrückliche   Angabe   im    Fragment  des  Di- 
pliilus  beim  Clemens  von  Alexandrien,    Stromat.  Vfl.  p.  713. 
C.  ed.  Sylb      Die  Bumanie  selbst  war  ansteckend,  weil  nach  dem 
Apollodor  II,  3.2,   auch  die  Uf)rigen  Argiverinnen  rasend  wur- 
den.    Doch    weicht    die    Kurnietiiode,    die    Apollodor    anführt, 
sehr  von  der  übrigen  ab.     Die  Iv^c^tiLtoit»   tmv   vsav/iiv,  die  Me- 
lampus  mitnahm,   mögen  wohl  auch  gute  Dienste  geleistet  liaben. 
Auch    kommt    eine    Art    von  'raranteltanz    dort   vor.  —  Mit  dem 
Melampus  verdient  der  Arcadier  Bacis  verglichen  zu  werden,  der 
die  wahnsinnigen  Lacedämonierinnen  entsühnte.       S.  die   Scholiea 
zu  Aristophanis  Vögeln  963.    und  Perizon  zum  Aelian  V. 
H.  XII.  SO. 
**)  Die   Geschichte  der   lo  ist  ein  Inbegi-iff  sehr  ungleicliartiger  Fa- 


15S 

Es  kann  kaum  fehlen,  dafs  man  nicht  bei  der  Verfolgung 
dieser  Spur  noch  auf  manche  andere  Thiernietainorphosen  in  der 
Mythologie  sfofsen  sollte,  die  ans  dieser  Hypothese  einige  Anf- 
kliirnng  erhalten  könnten  *).  Die  Verwandlnng  des  M  i  1  a  u  i  o  n 
lind  der  Atalanta  in  Löwen  ist  nrspriinglich  ein  arcadischer 
Mythos  nnd  konnte  wenigstens  dort,  wo  der  Glanbe  an  die  Ly- 
kanthropie  ähnlichen  Verwandinngen  einen  höhern  Grad  von  Wahr- 
scheinlithkeit  gab,  leichter  Eingang  finden  **).  Aber  sollte  nicht 
selbst  in  den  Löwen  vor  dem  Wagen  der  Cybele  und  in  den 
Tigern  und  Panthern  vor  dem  Wagen  des  Bacchus  aufser  der 
bekannten  Allegorie  noch  eine  wirkliche  Thatsache  liegen?  — 
Man  kennt  die  Bacchuswuth  der  Miinaden  und  Bacchantinnen,  die 
durch  den  Genufs  des  ungemischten  Weins  in  jenen  Gegenden 
eine  für  uns   unglaubliche  Exaltation  erhielten  ***).      Konnten  sich 


beln  und  Volkssagen.  S.  Schütz,  Excurs.  IV.  ad  Aeschyli 
Prometh.  Vinct.  So  wahrscheinlich  für  die  eine  Classe  von  Fa- 
beln die  Heynisclie  Deutung  zum  ApoUodor  S.  250.  von  dem  hal- 
ben Monde,  dem  ältesten  Symbol  der  Argiver,  auch  sein  mag,  so 
kann  docli  aucJi  bei  einer  andern  Classe  die  wahre  Geschichte  ei- 
nes wahnsinnig  gewordenen  Mädcliens  zum  Grunde  liegen.  Dahin 
führt  die  Bremse,  olffToo;,  von  der  sie  gestochen  wird,  ([zu  Vir- 
gil's  Georg.  III,  152.)  das  CDac/xoc  ,  das  sie  toll  macht,  u.  s.  w. 
*")  Der  gelelute  Ai'zt  Mercurialis  maclite  schon  auf  mehrere 
Mythen  eine  Anwendung  von  der  Lykanthropie  in  Var.  Lect,  VI, 
20.  Doch  habe  icli  ihn  bei  der  Seltenheit  der  Ausgabe,  wo  die 
letzten  Büclier  dieser  Variarnm  Lectionum  beigedruckt  sind,  nicht 
nachschlagen  können. 
**)  Die  vollständigsten  CoUectaneen  über  diese  Fabel  giebt  Fischer 
zum  Paläph.  c.  14.  p.  68.  edit.  noviss. 
♦**)  Aelian  hat  in  seinen  CoUectaneen  oder  Variis  historiis  III,  62.  ein 
eigenes  Kapitel  -^sgi  nvwv  ixvivojjLtvMV  7uvamcuv ,  aus  welchem 
man  sieht,  dafs  ein  gewisser  Wahnsinn  bei  den  Frauen  von  La- 
cedämon,  Chios,  Böotien  u.  s.  w.  zuweilen  epidemisch  gewesen 
sei.  Diese  Epidemieen  der  grivcliischen  Frauen  sind  eben  so  auf- 
fallend, als  überhaupt  ihre  zügellose  Ausgelassenheit  in  den  Or- 
gien des  Bacchus  und  ihre  blutdürstige  Grausamkeit,  Herodot 
V,  87.  Vieles  erklärt  sich  schon  aus  ihrer  eingekerkerten  Lage 
in  den  Gynäceen  und  aus  der  erniedrigenden  Sclaverei,  in  der 
sie  von  dem  männlichen  Geschleclit  gehalten  wurden.  S.  Mei- 
ner's  verm.  phil.  Scliriften,  Th.  1.  S.  66.  ff.,  wozu  einige 
Lustspiele  des  Aristo phanes,  besonders  die  Ekklesiazusen  und 
Thesmoplioriazusen,  den  vollständigsten  Beleg  geben.  Allein  Al- 
les läfst  sich  niclit  daraus  verstehen.  Auch  waren  die  Weiber  in 
den  frühem  Zeiten  weniger  eingescliränkt.  S.  L  e  n  z,  G  e  s  c  h  i  c  h  t  e 
der  Weiber   im  heroischen  Zeitalter,  Hannover  1790.  8. 


156 

die  toUeu  Bacchus -Dicneiiiiiipn  in  dicscin  bis  ziiui  AVabiisinu  gc- 
tiicbeiien  Taumel  nicht  wirklich  vor  den  AVagoii  eines  Piieslers 
epaiiiieii,  der  den  Bacchus  vorstellte,  und  sicli  im  ganzen  Ernste 
eiiihildcn,  sie  wären  wirklich  Tiger  oder  Panier?  —  In  einem 
solchen  Paroxysmus  handelten  und  wiltheten  sie  auch  wie  jene 
Bestien,  und  die  Geschichte  des  von  ihnen  zerrissenen  Orjihcns 
und  Penthens  konnte  sich  wirklich  anfeine  Thalsache  griimien. 
Endlich  weifs  mau  aus  der  leidigen  Hexenperiode  unserer  vaterlän- 
dischen Geschichte,  dafs,  wo  sich  einmal  ein  solcher  Glaube  fest- 
setzte, er  für  den  Verstand  der  armen  Hexen  ansteckend  wurde, 
nnd  dafs  mau  durch  den  Gebrauch  des  Bilsensamens  und  anderer 
betäubender  Mittel  sich  und  Andere  wirklich  in  Extasen  zu  ver- 
setzen wufste,  wo  man  die  Bilder  der  kranken  Phantasie  für  haare 
"Wirklichkeit  hielt.  *).     Stofsen  uns  also  in  den  Fabeln  des  Alter- 


Viel  treifender  ist  die  Bemerknng  von  Pauw's  in  seinen  Re- 
clierclies  pliilosopLiques  siir  les  Grecs  T.  I.  p.  196  —  204.  über' 
den  Einflufs  des  hitzigen,  unverdünnten  Weines  auf  die  griechi- 
schen Frauen,  die  ihn  so  gierig  tranken.  Er  tindet  noch  eben 
so  jetzt  bei  den  Neugriechinnen  statt,  wie  mir  LecJie va- 
lier, der  wälirend  seines  Aufenthalts  in  dortigen  Gegenden  diefs 
liäulig  beobachtete,  versicliert  hat.  Nur  Iiierdurcli  wird  Vieles  be- 
greiflich, was  uns  die  Alten  von  den  Mänaden  und  Baccliantin- 
nen  erzälilen.  Nymphomanie,  hysterische  Zufälle,  Wahnsinn  wa- 
ren oft  im  Gefolge  dieses  Genusses.  ]Man  vergleiche  ancli  die  fei- 
nen Bemerkungen  des  Barons  von  Riedesel  in  seinem  zweiten 
Sendschreiben  über  Grofsgriechenland  und  Sicilien. 
S.  253.  ff.  bei  Gelegenheit  des  Taranteltanzes,  und  Pallas,  über 
die  hysterisclie  Wutli  der  katscliinzisclien  ^lädchen  zur  Zeit,  wenn 
ihre  Reinigung  eintreten  will,  Reise  Th»  III.  S.  307. 
*)  Die  merkwürdige  Stelle  des  neapolitanischen  Pliysikers  Joh.  Bap- 
tista  Porta  in  magia  naturali  II,  21.  p.  192.  ed.  Lugd.,  wo  von 
Salben  aus  aconitum,  Solanum  somniferum,  elaeoselinum  u.  s.  w, 
die  Rede  ist,  fiiint  sclion  Sprengel  an,  Gesch.  der  Arz- 
neikunde. Tli.  III.  S.  281.  f.  Noch  interessantere  Bemerk- 
ungen über  diese  Hexensalbea  hat  Möhsen,  Geschichte  der 
Wissenschaften  in  der  M.  Brand.  S.  439.  ff.  Am  weit- 
läutigsten  lindet  man  aber  diese  ganze  Procedur  mit  diesen  Hexen- 
salben in  Rüling's  Auszügen  einiger  merkwürdigen 
Hexen processe  aus  der  Mitte  des  17ten  Jalirhun- 
derts  (Hannover  1786).  Vergl.  Meiners,  über  den  thieri- 
sclien  3Iagne  tisni  US,  (^Lemgo  17S8.)  S.  123.  Pallas  fiilirt 
in  seinen  Reisen  älmliche  Salben  und  Betäubungen  von  den  sibi- 
rischen Schamanen  an,  und  so  machen  es  aucli  die  nordameri- 
kanischen Zauberer. 


157 

tliniiis  Ziuibpr  und  Zaiiliprinhen  auf,  die  sich  iiodÄiulerc  in  fremde 
Tliicr^estahon  zu  verliiillpii  wiifsU'ii,  so  dürfte  man  auch  hier  auf 
iilmlichcu  Zauherfnig-  schlit  Ison.  So  möchte  vielleicht  eine  Stelle 
von  den  Tolchinen,  jenen  cietcnsischen  Goefon,  heim  Diodor  von 
Siciücn  zu  versichen  sein  *).  Und  wer  erinnert  sich  hierbei  nicht 
sogleich  au  den  Feenpalast  der  Urgrofsmama  aller  Anuiden  uudUr- 
ganden,  der  schlauen  Circe"? 

Rings  auch  waren  iimlier  Bergwölf  und  mähnige  Löwen, 
Welclie  sie  selbst  umscliiif,  da  scliädliche  Säfte  sie  darbot**). 

So  viel  man  auch  physische  und  moralische  Allegoiieen  in 
diefs  berüchtigte  Zauhermührchen  zu  legen  bemüht  gewesen  ist, 
so  ausgemacht  ist  es,  dafs  der  alte  Sänger  auch  hier  einer  dun- 
keln Üeberlieferung  von  irgend  einer  histoiischen  Thalsache  folgen 
innfste,  und  da  begreife  ich  immer  noch  nicht,  auf  welchem  Wege 
man  die  Sache  natürlicher  erklären  könnte  als  auf  dem  hier  ange- 
deuteten***). 

Selbst  die  alte  indiscli-ägypliscbc  oder  Pylhagoriiische  Seelen- 
wanderungsit'hre  könnte  vielleicht  durch  diese  sonderbare  Yerirrnn"- 
des  menschlichen  YerstJindes  iii  jenen  frühem  Zeiten  f )  ,    wo    nicht 


*)  V ,  33.  T.  I.  p.  374,  wo  es  heifst :  sie  wirkten  mit  magischen 
Zauberkräften,  iXXärrsiv  hs  y.a]  rag  Ihiai;  /^spCf)«^.  Schon  Heyne 
hat  diese  telpinischen  Zaubermetamorpliosen  mit  den  Ekstasen  und 
Betrügereien  der  asiatisclien  und  amerikaniscJien  Jongleurs  und 
Zauberer  verglichen,  vita  antiquissimonim  liominum  Graeciae  ex 
barbarorum  populorum  comparatioue  illustrata,  Prolus.  II.  in  Opusc. 
Acad.  T.  III.  p.  36. 

**)  Odyssee,  .übers,  v,  Yofs  X,  212. 

***)  Homer  sagt  ausdrücklich  avi/xi^ys  (päqixixv.oi  Xvy^L  Man  ver- 
gleiche den  Commentar  des  Spondanus  zu  dieser  Stelle  T. 
IT.  p,  138  ed.  Bas  K)83.,  der  freilich  hier  nichts  als  Teufeleien 
sieht,  aber  docli  einige  merkwürdige  und  durch  unverdächtige 
Aussagen  bestätigte  Beispiele  von  ähnliclien  betäubenden  Mitteln, 
mit  welciien  Buhlerinnen  ihre  Liebliaber  in  Pferde  und  Esel  ver- 
wandelt haben  wollten,  anführt.  So  erklärt  diese  Fabel  auch 
Möhsen,  Gesciüchte  der  Wissensch.  in  der  M.  Brand,  S,  441. 
not.  q. 

f)  Es  darf  hierbei  nur  der  Umstand  nicht  übersehen  werden,  dafs 
sich  Spuren  eines  Glaubens  an  Seelenwanderung  bei  so  vielen 
ganz  rohen  Nationen  finden.  H.  Meiners,  Geschichte  al- 
ler Religionen  XXI,  8.,  wo  bei  einigen  walu-scheinlich  die 
Vorstellung  zum  Grunde  lag,  dafs  man  ja  schon  bei  lebendigem 
Leibe  zuweilen  in  TJiiere  überginge. 


158 

ihre  Entsfehnng  —  denn  diese  ist  sieher  ans  einer  ganz  andern 
Qiicllo  abzuleiCen  —  doch  ihre  Bestätigung  nnd  Erläuternng  em- 
pfangen haben. 

Doch  ich  fülile,  wie  verführerisch  es  ist,  einer  Hypothese 
an  der  etwas  wahr  sein  kann,  Alles  unterlegen  zu  wollen, 
was  auch  nur  die  entfernteste  Beziehung  darauf  haben  könnte.  Es 
mag  also  hohe  Zeit  sein,  dafs  der  Wolf  in  der  Fabel  auch  mir 
erscheine  nnd,  was  einst  die  unvermeidliche  Folge  seiner  uner- 
warteten Erscheinung  war,  mir  zu  verstummen  gebiete. 


159 

VI. 

Eros    und    A  ii  t  e  r  o  s . 


Äihon  (He  Griechen  bildefen    einen  Eros   nnd  Anferos,    einen 
Amor  lüul  Gegen-Amor.     Docli    gern    wird    der    "cwifzigfe    Alter- 
tliiiMisibrscher  seine  Unwissenlieit  geslelien ,    wenn  er  gefragt  wird, 
Aver  bei  den  Gjiedien  dem  Eros  zuerst  einen  Anteros  enlgegenbil- 
dele.     Wissen  wir  doch  nicht  einmal  den    arfisliscben  Stammbaum 
(den  mytbülogiscben  uiag  der  Sagenklitterer   Pansanias   verantwor- 
ten IX,  27.  p.    82)     nnd    den    frübeslen    Bildner   des  Eros  anzn- 
geben.     Nur  so  viel  scheint   nicht    unwahrscheinlich,    dafs    dersel- 
ben Liebhalierei,  der  die  Homerischen  Gesänge  sechs  nni'chte  Verse 
verdanken   (llias   XI ,  6   —  9.   130.  676),    auch    die    ältesten  Ab- 
bildungen  des    Eros    entsprolsten.      Die    Knaben-    nnd    Jünglings- 
lifhe  der  Griechen,    die    sich    einer    allen    Sage    nach    zuerst  von 
Bootien  aus  verbreitete,  (s.  oben  S.  42;  führte  in  mehr  als  einer  Be- 
deutung   den  Eros     zuerst    vom   Helicon   in    die    Akademie    (Worte 
Plutarch's  in  E5>wr.  18.  T.   IV.    P.   I.    p.    61.    Wjtt.)    und  gab, 
Avie  auch  schon    Winckelniann  in    einem    noch  nngedrnckten    Briefe 
niullimafsle,  dem  Eros  in  Bildwerken  zuerst  die  zarte  Jiinglingsge- 
stalt.     Denn  soviel    ist    bekannt ,     dafs    die    ältesten     geschnitteneu 
Steine  und  andere  üeberreste  ans   der  frühesten    Kunst    der    Grie- 
chen dem  Eros  nur  die  Gestalt  eines  reifenden  Jünglings,   nicht  die 
eines     Kindes    oder   kleinen    Knaben    gaben.    S.    Storia  delle 
Arti  T.    II.    p.   121,    ed.    Fea.      Doch    hier   gilt   es  ja  nur  der 
Frage,  wer  diesem  Amor  zuerst  einen  Gegen-Amor  zugesellte,  nnd 
von    welchen   Vorstellungen    man   dabei   ausging.      Aus   einer   ge- 
nauen Aergleichnng  der  Stellen,  die  von  diesem  Anteros  sprechen, 
geht  deuilich  hervor,  dafs  die  Allen  unter  ihm  keinen  befreunden- 
den,   Liebe  mit  Gegenliebe    vergeltenden    Genius,    sondern    einen 
rachenhenden ,  oder  wenigstens  kampflustigen  Gegner  des  Eros  zu 
denken  gewohnt  waren.     Verschmähete  Liebe  war  also  die  Mutter 
des  Anteros,    und    als    Eros    in    den   Ringschulen    und  Gjmnasieu 
scl!)St  Ailäre  nnd  Bildnisse  erhielt,    wurde    Anteros    auch  hier  als 
sein  harlankämpfender  Widersacher    vorgestellt.     Die   schwärmeri- 
scho  Leidenschaftlichkeit,    womit    der    Grieche   besonders  die  Kna- 
Jjcnliebe  betrieb,  endete  da,  wo  sie  kein  Gehör  fand,  oft  mit  Ver- 
zweiflung und  Selbstmord.     Man  erinnere  sich  z.    B.    nur   an   die 
Geschichti'  beim  ]\Ia\imns  Tvrius,    Diss.  XXVI,    p.    28.  Reisk., 
wo  sich    eine   ganze   Reihe   Lokrer    um   eines    spröden    Knaben 


160 

willen  erliiiiint.     Auch  hier  waltet  dem  Griwlicn  seine  lioilii>;c  Ne- 
niesis,    mn"    «''ifs    er    ilire   fiiiclill>are    Ge.slalt    nach  jciiciii    zarten 
Kunst -Eiipheiuisiiins,    der    durch    alle    seine   Bildweikc  i;<'ht,    am 
liebstea  in  ein    Gegenhild    des   Amor    einkleidete.      In    Athen    sah 
man,    wie   Pausanias    berichtet    I,    30.   p.    118.,   einen    Altar  des 
Anleros  zum  Andenken  eines  verschniähcten  und  hei   einem  freiwil- 
ligen Sprung  von    der   Athenischen   Bnri«-    umgekommenen    Lieliha- 
bers,  den   aber  der  strafende  Genius  (äXacrTwp  nennt  iiin  Tansanias) 
an  dem  fühllosen  Knaben  Timagoras  fürchterlich  lachte.     Die  Ge- 
sciiichte  wurde  in   der    Folge  mannigfaltig    ausgeschmückt     und  zu 
einem  Roman  ansgesponnen,    wovon  uns  in  einem  Brnchslück  Ae- 
lian's  beim  Suidas  (s,  v.  Mikiro;  T.  II.   p.  526.)    die    Grundfädeii 
erhalten    worden    sind.      Auf   einen    ähnlichen    Vorfall    bezog    sich 
höchstwahrscheinlich   auch    der    Altar   des    Anleros    im  Gymnasium 
zu  Elis  beim  Pausanias  VI ,    23.    p.  218.     Vielleicht  besitzen  wir 
die  Sage  selbst  noch  in  einer  Tbeocritischen  (der  Kiilik   noch  gar 
sehr  bedürftigen)  Idylle.     Die  Erzählung  vom  Tode  des  Jünglings, 
der  fiihllos    bei    der    Leiche    des    an     seiner    Thüre  aufgehangenen 
Liebhabers   vorüber    streicht     und    nun    im    Gymnasium    von   einer 
Statue  des    Amor  ersdilagen  wird,  deutet  ganz  auf  nnscrn  Anferos. 
Später  ging  von  der  belobteren  Knabenliebe   der    sirafende  Anteros 
auch  zu  der  Geschlechtsliehe    über    und    rächte   an    spröden    Mäd- 
chen den  Selbstmord  empfindsamer    Liebhaber.      Wer   kennt     nicht 
den  armen  Iphis    und    die    stolze   Anaxarete    ans   Ovid's   Metamor- 
phosen.    Dafs  der  dort  berührte  dens  ultor  XIV,    750,    nicht  Ve- 
nus,   sondern  Anleros  sei,    beweis'!  die  Stelle  Plutarch's  im  E^wr« 
c.  20.    p.    72.     Wytt. ,     wo    die  veisteinle    Guckeriu  (i^  -rajaKux- 
rovffoc)  in  Cypern  als  ein  Beleg  für    den  'E^w;  y.oXacry^g  rujv  Oxs^- 
ij{J)«vwv )    ausdrücklich  angeführt   wird.     Mehrere    Beweise  für  die- 
sen rächenden   Eros  liefsen  sich  aus  Parthenius  Erolicis,  Pausanias 
u.  s.  w.  mit  leichter  Mühe  sammeln.     Es   ist  längst  bemerkt  wor- 
den,  und  schon    Cicero  hat  es  laut  genug  gesagt  (Tusc.  IV,  33., 
vergl.  Meiners,  kl.  Schriften  I,    82.),    dafs  aus  den  Gymnasien 
und  Palästren  der  Eros ,    welchem   am    Ende    selbst  der    göllliche 
Plato    fast  ausschliefslich  zu  huldigen     und    dem  nur  die  Schönheit 
in     seinem    eigenen    Geschlechte      begehrnngswürdig    scheint,    am 
häufigsten     hervorging.      Die     Gymnasien    waren    und    blieben    die 
Säugammen  und  Kupplerinnen  dieser  unnatürlichen,    aber  unglaub- 
lich verbreiteten  und  in  ihrem  tausendfachen  Eintlufs    auf  die  grie- 
chische Kunstwelt  noch  immer  nicht  hinlänglich  gewürdigten    Kua- 
bcnliebe.      Dorthin    ging    trotz    aller    Solonischen    Strafgesetze    (s. 
Petit,   de  Leg.  Att.  p.  383.  Wess.)  der  entzündbare  Athener  gerade 
so  auf  verliebte  jAbenteuer   aus,    als    unsere  heuligen   Grofsstädter 
in  die  Schauspielsäle.     S.  Aristoph.  Pac.  70 L,  Vasp.  1020.     Lu- 
ciau,  Amor.  c.  9.  T.  II.  p.  406.     Was  Wunder,   dafs    also  auch 


161 

Eros  iilclit  Mos  in  der  Acadomic  zu  Allion ,  sondorn  fast  in  allen 
Gyinnasit'ii  "riccliisclior  SlJuKe  iimli  und  iiat'li  neben  den  zwei  an- 
dern p,vninAstisclien  GöUeni,  dein  Hermes  nnd  Herakles,  Bildsäulen 
und  Denkmäler  bekam  ,  ja  dafs  man  soi^ar  eine  eii;ene  ZwiKer- 
seliöpfiinu,-  beliehle  «ud  neben  den  Ilernieiaklen,  Hermatlienen  und 
Heiinapbrodilen  aiicii  Hermeroten  bildete.  Die  beriilinilen  des 
Tanriscns  (Plin.  XXXYJ,  5.  S.  10,)  geborten  iiewifs  nrs])riin,!>lich 
iiicbt  in  eine  römisebe  Villa  oder  Bibliolhek,  wobin  Visconti  im 
Museo  Pio-CIeuien  t.  T.  \L  p.  21.  diese  Doppelbilder  ver- 
setzt, sondern  in  ein  <>,nechisebes  Gymnasinm.  INicbfs  Avar  natür- 
licber,  als  dafs  die  stets  rege,  fortbildende  Kiinstlerphan(;isie  die 
Sfliönen  Epbrbcn,  die  dort  kämpften  ,  selbst  in  Bildnisse  des  Eros 
einkleidete ,  so  wie  ^vir  es  vom  jnngeu  AIcibiades  dnrcb  ansdrüek- 
liclie  Zenii,nisse  des  Altertbnms  Avissen.  Man  wollte  nnn  auch  die 
ganze  Grnj)pe  zweier  ringenden  Knaben  znm  Eros -ideal  veredeln. 
Da  miifste  Eros  einen  Conipagnon  bekommen ,  und  dieser  biefs 
nnn  ganz  natürlich  Anteros.  Zwar  ist  er  hier  nicht  der  rächende 
Diener  der  Venus  Pthamunsia,  aber  er  ist  doch  immer  im  Kamjife, 
im  Gegensatze  begriiTen,  Aviderstreitend,  nicht  wiederliebend.  So  ent- 
stand die-  Vorstellung  des  Eros  nnd  Anteros ,  die  Tansanias  auf 
einem  Marmorrelief  in  einem  Gymnasium  zu  Elis  erblickte,  das 
Rlalko  hiefs.  Die  Stelle,  welche  durch  Aufnahme  einer  sinnlosen 
Lesart  zweier  Handschriften  in  der  Facinfsischen  Ausgabe  VI,  23. 
p.  219.  durchaus  unverständlich  geworden  ist,  dürfte  vielleicht  am 
leichtesten  so  verbessert  w  erden :  s<yrt  raiviujv  iraXaKrr^mw'j  civdi-iBffro? 
(statt  des  ganz  unbegreiflichen  evTwv  iraXcxK^rgwv  /j.ia;)  tuVoj  "Epwr« 
ej<^wy  £x£;fyacr//svov  vlcx]  tcv  y.(xXo'j/jisvov  ' AvTij wra.  Bekanntlich  wur- 
den die  siegenden  Athleten  mit  Kränzen  geschmückt,  von  welchen 
Purpurbäuder  in  zierlichen  Schlingungen  herabhingen.  S,  Gerda 
zu  Virgil,  Aeu.  V.  269.  Diese  Festons  hiefsen  rouvtixt  oder  1  e- 
mnisci.  Nichts  ist  gewöhnlicher  bei  gymnastischen  Siegern  als 
diefs  rctiviottf  AvahilaSAt,  ToctvioZv,  S.  Wesseliug  zuDiodorT.  H. 
p.  258.  u.  Rnhnkn  zu  Tim.  p.  246.  ed.  uov.  Pausanias  selbst 
spricht  an  5  bis  G  Stellen  von  dieser  Sitte.  Nun  hing  man  aber 
auch  diese  Kranzschleifen  nnd  Bänder  häufig  in  Tempeln,  Gymna- 
sien nnd  andern  öüentlichen  Plätzen  auf.  So  die  nxivioci ,  Avelche 
von  einem  W^eihgeschenk  auf  das  Haupt  des  Timoleon  fallen,  beim 
Plutarch  in  Timol.  8.  T.  U.  p.  125,  II  u  1 1.  Vergl.  den  Zug  des 
Geizhalses  beim  Theophrast,  Ch.  XXII.  Was  war  also  natürlicher, 
als  dafs  das  Relief,  welches  zu  Elis  die  Amorineu  im  Kampfe  vor- 
stellt, besonders  von  verliebten  Athleten  dazu  erwählt  wurde,  mit 
solchen  palästrischcu  Kränzen  von  allen  Seiten  behangen  zu  wer- 
den? Und  so  wäre  auch  unsere  Verbesserung  im  Pausanias  ge- 
rechtfertigt, der,  fast  auf  jeder  Seite  noch  inmier  durch  Lücken  und 
Verstüninitdungen  entstellt,  der  Wiedergeburt,  die  ihm  jetzt  in  Pa- 
ris zu  Ti)cil  wird,  sehnsuchtsvoll  entgegenblickt.  Liebrigens  war 
Eöuigcr'«  kleine  Schriften  I,  J  1 


102 

Eros  wirUlicli  im  Knni[»fo  mll  dorn  Antcros  abnchildct.     Denn  Vixn- 
Siuiiiis   setzt  aiisdrücklkli   liinzu :    Antcros   suclic   dem    Eros 
c  i  II  e  n    r  a  1  in  z  w  e  i  i;,-    a  u  s    de  r   H  and    z  u    wind  e  n.      Es   ist 
merkwürdig-,  dafs  sich  dieses  Relief  in  einer  vollkommen  gehenen 
Abbildnng-  bis  anf  die  nenern  Zeiten  erhallen  hat.     Im  Landhaiisc 
des  Dnc  d'Albret    zn    Pontoisc    befand  sich  ein  trelflich  erhaltenes 
Marniorrelief,     welches  den  Antcros  vorstellt,    wie  er  mit  giilfster 
Anstrengung-  dem  Eros  die  Siegespalme  zu   entrclfscn  sucht.     Man 
llndet   es  in   einer  später  hinzugekommenen  Hilfslafcl  zum   Mont- 
fancon,  Ant.  Expl.  T.  I.  P.  I.  nach  CXXII.  ahgehildet.     Dafs 
es  üheihaupt  eine  Liehlingsidec  der  Alten  gewesen  sei,    beweisen 
die  geschnittenen  Steine,  anf  welchen  dieser  Kampf  so  oft  wieder- 
holt wird,  dafs  man  mit  Sicherheit  anf  die  Allgemeinheit  dieser  Al- 
legorie schliefsen  kann.     Schon  Beger  gab  in  seinem  Thesau- 
rus   Brandcnb.  T.  I.  p.  35.  einen   Jaspis  -  Intaglio  mit  dieser 
Vorstellung.     Doch  man  blieb  hierbei  nicht  stehen.     Man  hat,  ent- 
■wcder  weil   man  den  Sinn    der  Allegorie    nicht    ganz   fafsle,     oder 
auch  blos  um  der  angenehmen  Abwechslung-  willen,  den  Kampf  des 
Eros  und  Antcros  späterhin  am  häuligsteu  so  vorgestellt,  dafs  beide 
GiUter  mit  einander  ringen,    während  die   Palme  an  einer  gymna- 
stischen Hermensänle  angelehnt  steht.     Aiifser  den  in    Winckel- 
mann's    Oatalogne    du    Cabinet    de   S  losch  p,  131.  Nr, 
676  —  682.  angeführten  Steinen  nnd  Pasten,  avovou  die  drei  vor- 
züglichsten schon  im    Museo   Floren  tin.   T.  I.   lab.   LXXVI , 
1  —  3.  in  Kupfer  gestochen   sind,    fiudet   man  noch  einige  andere 
in  England  belindliche  iu  Tassie's    Catalogne  Nr.   6943.    if. 
"Wenn  aber   Raspe    in  seinen  Erklärungen  zum    Tassie  auch  die 
so   oft    anf   geschnittenen    Sieijien    vorkommeiulen    Hahnenkämpfe, 
wobei   zwei  Amorinos,  einer  auf  Seiten  des  siegenden,  der  andere 
auf  Seiten  des  besiegten  Kampfhahnes,  ihre  Rolle  spielen,  (s.  Mus. 
Florent.  T.  I.  tab.  LXXM,  8.  n.  Lippert,  Dactyliolh,  I, 
821.)    aus  dem  Fragment  des    Aelian   beim    Suidas    erklären  will, 
wo  der  Liebhaber,  den  einst  Anteros  rächte,  mit  zwei  Slreilhähncu 
erscheint,    so  ist  diefs   wohl  etwas  zu  weit    gesucht    nnd    von  der 
muthwilligen  Deutung,   Avelche  die  Alten  in  diese  Hahnenbilder  zn 
legen  wufslen,  zn  entfernt.     Wohl  aber  möchte  eine  zierliche  Mar- 
jnorgrnppe    Aon  zwei  Genien  ,   wovon  der  eine  den  andern  in  den 
Arm  heilst,  welche  vor  einigen  Jahren  in  Frankreich  zu  Vicnne  im 
Departement   de  l'Isere  gefunden  und  von   Gibelin  als  eine  Vor-.. 
Stellung  des  guten  und  bösen  Genius  gedentel  wurde,  (s.  Decade 
philosophiq  u  e   Nr.  21.  an.  X.  p.  143.,    wo  anch  ein  Kupfer- 
slich  belindlich  ist)   am    sichei-sten    von  unserem  Auleros  nnd  Eros 
gedeutet  weiden.     Gewifs  aber  ist  vom  Anteros  in  einem  zierlichen 
griechischen  Sinngedicht   ('ASa^'r.   CCLXVII.  T.  III.  p.  205.)    die 
Hede.     Nemesis  hat  ihn  zum   Gegner   nnd    Zuchlmeister   dos  Eros 
gebildel.     Nur  hat  freilich  der  Epigrammatist  die  siumeiche  Grup- 


163 

pp,  niif  wolclic  jonos  Gcdichtclien  pfcniaclil  ist,  niclit  ganz  versfan- 
ilen  lind  auf  Aiifacliiiiij»  licflinor  Liebesfliumiieu  im  kalten  Biison 
hezogoii,  -was  blos  die  Bestral'iinq;  des  ül)ennü(ln_i>eii  GoKos  vor- 
ßU'llle.  Auch  das  näclislfüli>,eiide  einzelne  Disdehoii  (Ep.  CCLXVIII,) 
bezielit  sich  anf  rev  Avr'io-^  ''F.(iMzcc^  d.  h,  'Avrijiwra.  Indefs  erkhirt 
sicli  nun  ancli  ans  jenem  W'ifzspiel  des  giieeliisclien  Sinngeditlifs 
der  Uebergang-  in  die  \ors(cIlmigsart  der  Neuem,  bei  welchen  An- 
leros  iinr  Gegenliebe  und  ervviederte  Zärllichkeif  bezeichnet.  In 
dieser  \üilig"  modernen  Bedentnni^  naiimen  es  anch  schon  Boc- 
caccio, Lilio  Giraldo  (Op.  T.  I.  p.  394.  Bas.)  und  zu- 
letzt iiocli  M  a  n  s  o ,  m  y  t  h  o  I  o  g.  Versuche  S.  339.  Diefs 
kömmt  von  der  gewöhnlichen  Erklärung'  der  bekannten  Stelle  Ovid's, 
Avo  Venus  ge  min  omni  inater  Amor  um  genannt  und  diefs 
Zwillingspaar  Eros  und  Anteros  g-enannt  wird.  Allein  diefs  ist  in 
der  alten  Vorstellungsarf,  die  auch  schon  der  Bildhauer  Scojjas  be- 
folgte, der  Pothos  und  Hinieros.  Der  wahre  Anteros  rächt 
und  bestreitet  nur  den  Eros.  Ihn  ruft,  Avie  schon  Servius  sehr 
1  iclitig-  bemerkt,  die  verschmähte  Dido  als  einen  Gott  für  die  i  n  i- 
tj  u  0  foedere  amantes  an,  Aen.  IV,  520.  Den  Begrilf  der 
Gegenliebe,  den  wir  gewöhnlich  damit  verbinden,  drückt  die  alle 
Kunst  stets  durch  die  berühmte  Gruppe  von  Amor  und  Psyche  ans. 
Sollte  es  aber  gar  dem  Liebe  lösenden  Amor  gelten ,  iu  dessen 
Dienst  Ovid  seine  berühmten  Re  media  dichtete,  so  war  es  der 
Genius  mit  der  umgekehrten  Fackel,  der  Amor  Lethaeus,  des- 
sen Bildnifs  iu  Rom  in  der  Kapelle  der  Venus  Erycina  zu  sehen 
war  (Ovid,  Rem.  Am.  549.),  welchen  Lessing:,  wie  bekannt,  viel 
zu  eng  blos  Auf  den  Geuius  des  Todes  bcscliräuktc. 


W 


164 

VII. 

Cyclopen.     Arimaspen. 

Sitte   der   Alten,    sicli   den   Körper   zu    lualen   und    zu 
l)unctiren. 


Jr  nsl    in  allen    Erdstricljcn  und   nnter  den  ineislen  Nationen,    die 
«1er  stolzere  Enropäer   Hilde  zu  nennen   |tlIoi;t,    ist  es  Sille,   slatt 
der  bei  uns  üblichen  Kleidung    den    Körper  mit  allerlei  üelen  und 
Salben  einznschniiercn  oder  mit    bunlfarbii^en  Linien    nach   eigener 
Phantasie   auszuschmücken    und    anfzn]inlzen.       So    all-gemein    ancli 
diese  Sitle  ist,  in  welcher  sich  die  entlei  niesten   und  unnleichardg- 
Bten  Völkerstämme  oft  ähnlich  sind,  so  wenig  läl'sl  sich  doch  über- 
all   auf   gleiche    Ursachen    und    Veraulassnngen    schliefisen.      Wenn 
sich  der  Hottentoft  am  Caj»,   wie  Sparmann  versichert  *),  blos  darum 
in  eine  rufsige  Feltkrnsle  einwickelt,   weil  er  sich  sonst  selbst  nackt 
und  nngeputzt  erscheinen  würde,    so  überzieht  sich  der  Grönländer 
ans  keiner   andern    Absicht    mit    einem    Fischlbranfirnifs,    als  weil 
diefs  die  Wärme  zusammenhält    und   ihn    gegen   die    Kälte   seines 
Klimas  schützt.     Der  scharfsinnige  Herr  von  Pauw,   der  in  allem 
diesen  Einsalben  und  Bemalen  nichts  als   die  Nothwehr  gegen  den 
Stich  lästiger  Insekten  erblickt,   würde  gevvifs  viel  zu  thnn  haben, 
wenn  er  alle  Berichte    der   Reisenden   von  dieser  Sitte    ans  dieser 
einzigen  Ürsaehe  erklären  sollte  *').     Aber  so  mannigfaltig  auch  die 
Ursachen  sein  mögen,  die  diese  Gemeinsitte  der  rohern  Menschheit 
unter  den   verschiedensten    Himmelsstrichen  hervorbrachten,  so  sind 
doch  die  Veränderungen  und  Abstufungen ,  in   welchen   wir  sie  bei 
verschiedenen    Völkern    erblicken ,    noch    viel    mannigfaltiger.      Sie 
lassen    sich   indefs  bei  genauerer   Untersucbnng  füglich  alle  auf  3 
Stufen  zn;  ückbringen.     Die  niedrigste  ist  das  einfache  Beschmieren 


Reise  nach  dem  Vorgebirge  der  guten  Hoffnung  S.  175 :  „der  ein- 
geschmierte  Hottentotte  glaubt,  er  selie  nicht  so  nackt  und  dabei 
völliger  aus.  Eine  ungesclnnierte  Haut  scheint  wie  ungeputzte 
Schuhe,  eine  Nachläfsigkeit,  einen  Mangel  an  Putz  zu  veiTathen." 
Reclierches  pliilosoplnques  sur  les  Americains.  T.  I.  p.  232  secj. 
Das  Einseitige  dieser  Hypothese  liat  schon  Prof,  Schneider  in  sei- 
nen Anmerkungen  zum  Ulloa  II,  290»  hinlänglich  gezeigt,  obgleich 
nicht  zu  leugnen  ist,  dafs  Sthutz  gegen  die  Insekten  mehr  als  irgend 
ein  anderer  Grund  für  die  AUgemeinlieit  dieser  Sitte  angefülirt  zu 
werden  verdient.  Am  richtigsten  hat  Robertson  die  Ursachen  an- 
gegeben :  History  of  America  T.  H.  p.  151.  Man  vergleiche  aber 
anch  Heyne  zu  Virgil's  Georg,  II,  115,  der  neuen  Ausgabe. 


165 

und  Einsalben,  um  sich  dadnrch  in  dem  Znslantk*  der  völligen  Nacktheit 
geueii  die  AnjirilFe  des  Klimas  und  der  Insekten  zu  bewahren.  Aber 
bald  misclit  sich  die  Putzsucht  in's  Spiel,  die  deu  Wilde»  am  Oro- 
iioko  oft  eben  so  viele  Stunden  niilerhäll  *)  als  den  ihm  an  Gei- 
stesschwäche so  ähnlichen  Elegant  im  Palais  Ro^-al.  Diese  lelirt 
nun ,  jene  Salben  und  Schmieren  küit.sillcher  aufzutragen ,  sie  mit 
abstechenden  und  grellen  Farben  zu  vermischen  und  in  seltsam 
verschlungoneu  Iirwegen  über  die  braungelbe ,  olivenfarbene  oder 
kupferrodie  Haut  zu  ziehen.  Diefs  wäre  die  zweite  Stufe.  Be- 
quemlichkeit uiul  kriegerische  Galanterie  lassen  bald  auf  Mittel  den- 
ken, diese  Ilantgcmälde  dauerhafter  und  unauslöschlicher  zu  macheu. 
Hier  wäre  also  der  Ursprung  aller  jener  sclimerzliaflkünsllicheii 
Operationen,  des  Pnnclirens,  Einschneidens,  Tältowirens,  Matachi- 
rens  und  wie  die  Kunstgrüfe  sonst  heifscn  mögen,  die  uns  in  dem 
mit  fürchterlichen  Spirallinien  durchfurchten  Gesicht  des  Neuseelän- 
ders oder  der  zerfetzten  Larve  eines  Abiponers  auch  noch  in  den 
verschönernden  Kupferstichen  an  den  Ausruf  jener  englischen  Dame 
erinnern:  sind  das  deine  Bastarde,  Mutter  Natur  I  Meine  Altsicht 
ist  jetzt  nicht,  meinen  Lesern  eine  Prozession  solcher  verstümmel- 
ter und  vernnehrter  Menschengesichter  vorzuführen.  Man  ist  nicht 
immer  aufgelegt,  eine  Versuchung  des  heiligen  Antonius  lange  zu 
betrachten,  und  Aväre  sie  auch  das  IMeisterstück  eines  Calot;  und 
mau  könnte  selbst  bei  der  befsteu  Disposition  zu  einem  Maskeü- 
ball  die  Faschingsmummerei,  die  uns  die  Natur  hier  an  ihren  Söh- 
nen zidiereitet  hat,  verdriefslich  und  langweilig  linden.  Ich  bleibe 
also  für  jetzt  nur  bei  der  Frage  stehen:  war  die  Sitte,  Gesicht 
und  Körper  mit  allerlei  Farben  anzumalen,  auch  nnter  den  Völkern  des 
Aherthiims  gewöhnlich,  und,  "weun  sie  diefs,  wie  sich's  in  voraus 
vermuthcn  und  auch  durch  ein  sehr  weitläufiges  Zengenverhör  alter 
römischer  und  griechischer  Schriftsteller  darthnn  liefse,  wirklich 
war**),  lassen  sich  nicht  in  deu  historischen  Ueberlieferungeu  und 


*)  Gnmilla,  Histoire  de  I'Oronoqae  Tom.  I.  191.  „Bei  meliren» 
Stämmen  dieser  Indianer  lassen  sich  die  Männer  stundcHlang  von 
ihren  Weibern  malen  und  einsalben.  So  lange  der  ganze  Körper 
noch  nicht  gemalt  ist,  gelit  der  Indianer  nicht  aus  seiner  Hütte  und 
entschuldigt  sich  damit,  dafs  er  noch  niclit  angekleidet  sei."  Diese 
Galanterie  erstreckt  sicli  bei  Einigen,  wie  Robinson  S.  426  aus 
dem  Herrera  anmerkt,  bis  auf  Taschenspiegel  aus  polirten  Stei- 
nen, die  sie  bei  sich  herumtragen.    Tout  comme  chez  nous. 

**)  Die  Sitte,  sich  zu  bemalen  und  zu  punctiren,  war  mehr  oder  we- 
niger allen  alten  Völkern  in  ihrem  frühesten  Zustande  gemein. 
Der  gelehrte  Cluver  glaubt  daher  gar,  die  Sitte  müsse  schon  vor 
dem  Babylonischen  Tliurmbau  da  gewesen  und  bei  der  Völkerzer- 
streuung in  alle   Welt  auch    nach  Amerika  mit  ausgewandert  sein. 


ICü 

in  «leii  Gebiäiu'lien  der  Giiechon  und  Römer  noch  jetzt  verscliicdcne 
bis  jotzt  nii  lit  l»enrlifclc  Spuren  dieser  Sitte  entdecken  ,  wodurch 
irgend  eine  Dniikelhoit  in  der  Gescliicbte  anfi!,x'kl;irt  oder  ein  niifs- 
verstcindeiier  Ritns  jener  Völker  riclifi2,er  !!,cdenlet   werden  kiiiiiilc'? 

Unter  inanclieni  minder  Bedentenilen  dürften  vielleicht  folgende 
Spuren  der  Anfmerksanikeit  nicht  ganz  uuwiirdij«'  scheinen. 

Zu  den  heriichfiiiton  Mifssjebnrlen  und  Ünü,elienerH  der  alten 
Dichterwelt  gehören  auch,  wie  bekannt,  die  Cydopen.  Annenoin- 
luen ,  was  li-iclit  mit  einem  scheinbaren  Aufwand  von  Gelelirsaiu- 
k(^it  bewiesen  werden  könnte,  hier  aber  als  erwiesen  voraas_ü;esetzt 
werden  mnfs ,  dafs  diese  Pataii,onen  der  alten  Welt,  diese  rohen 
Söhne  der  Natur,  die  in  den  Alientenern  des  vieli^e wanderten  Ulys- 
ses beim  Honier  eine  so  merkwürdige  Rolle  spielen ,  nicht  blose 
Hirngcspinnsto  Homerischer  Phantasie,  sondern  wirklich  die  Urbe- 
wohner  Sicilieus,  rohe  Troglodvteu  an  der  höhlenvollea  Küste  dic- 


De  Germ,  antiqii.  I,  16.  p.  129.  Folgendes  lafst  sich  mit  einiger 
Gewifsheit  hierüber  festsetzen:  1)  die  gesitteten  asiatisclien  und 
europäischen  Nationen  legten  zwar  diese  rohe  Sitte  nach  tmd  nach 
alle  ab,  doch  pflanzte  sich  ihr  Andenken  noch  bei  gewissen  Reli- 
gionsgebrauchen fort,  wo  man  sich  auch  spaterJiin  noch  Figuren 
einbrennen  und  pnnctiren  liefs.  So  die  Aegypter  bei  iln-en  Klage- 
festen.  Sielie  von  Schmidt,  de  sacertotibus  et  sacrificiis  Aegyptiorum 
(Tubing.  1768)  S.  174.  So  noch  in  spätem  Zeiten  die  clirist- 
liclien  Pilger  im  gelobten  Lande.  S.  du  Soul  ad  Lncian.  de  dea 
SjTJa  c.  59.  2)  Bei  allen  nördlichen  und  südlichen  Nationen  (Gel- 
ten, Scythen,  Aethiopiern,  Arabern  nacli  der  Nomenklatur  der  Al- 
ten) blieb  diese  Sitte  unverändert.  Von  den  celtischen  Völker- 
schaften, Iberiern,  Britanniern,  Scoten,  liat  Pelloutier,  Iiistoire  des 
Celtes  T.  I.  p.  289 — 295  Alles  gesammelt;  die  von  den  Meisten 
übersehene  Hauptstelle  ist  beim  Herodian  T.  II.  p.  762  seq.  edit. 
Irmisch.  Die  picti  Geloni  und  Agathyrsi  sind  aus  dem  Virgil  be- 
kannt. Vergleiclie  Gesner  zum  Claudian  III.  312.  Weniger  be- 
merkt ist  diese  Sitte  bei  den  südlichen  Völkern.  Herodot,  IV,  191, 
Plinins  XXXIII,  7.  S.  136.  Ein  merkwürdiger  Beweis  für  das 
Punctiren  bei  den  alten  Aetliiopiern  findet  sicli  beim  Petron  c 
102  p.  479,  wo  die  frontes  cicatricibus  scissae  von  Heyne  bei 
Blumenbach,  de  generis  humani  nativa  varietate  p.  97.  gewifs  selir 
richtig  von  den  alten  Negersclaven  erklärt  werden.  3)  Was  Kiein 
in  seinem  Versucli  über  die  Malerei  der  Alten  mit  vielem  Scharf- 
sinn zu  erweisen  gesucht  liat,  dafs  sie,  im  liintei'sten  Indien  er- 
zeugt, nach  und  nacli  zu  den  Vorderasiaten  und  Europäern  ge- 
kommen sei,  liefse  sich  selir  leicht  auch  von  dieser  Ilautmalerei 
bis  zu  einer  gewissen  Evidenz  darthun.  Aber  Indien  war  ja  auch 
die  Wiege  des  Menschengeschlechts. 


167 

scr  Insel  gewesen  sind;  so  entsteht  nati'iilicli  die  Frage:  woher  die 
60  einstimmige  Sage  von  ihrer  Moiislrosilät,  woher  das  Mührchen 
von  den)  einzigen  rnnden  Ange  auf  der  Stirne,  womit  sie  die  Fa- 
bel so  freigehig  ansriistef?  Es  ist  sonderbar,  dafs  Homer  eigeut- 
licli  nie  in  jener  Erzählnng  von  den  Cjelopen  nnd  dem  Riesen 
Polypheni  ansdriicklich  sagt,  sie  hätten  nnr  ein  einziges  Auge  ge- 
liabt ,  sondern  diefs  nnr  ans  dem  Znsjunmenhange  der  Geschiclite 
schliofsen  läfst  *)  nnd  eben  dadnrcb  zn  verstehen  giebt,  es  sei 
diefs  eine  zn  seiner  Zeit  schon  allgemein  angenommene  nnd  be- 
glanbigto  Sage  gewesen.  Man  kann  diefs  also  niilit  als  einen 
Idosen  Einfall  des  ionischen  Sängers  betrachten ,  womit  er  die 
Karrikatnr  des  nnfiirnilichen  Unholds  nnr  habe  vollenden  wollen  **). 
Die  ganze  Beschreibnng  der  Cydopen  nnd  des  Hirtenlebens  des 
Polypheni  ist  so  getren  nach  der  Natnr  kopirt,  dafs  wir  sie  nn- 
inöglicb  für  bloses  Pbantasiewerk  halten  können  ***).  Und  so  miifs 
anch  das  einzige  grofse  Ange  seinen  Grnnd  in  der  Natnr  gehabt 
liaben.  Anch  bierzn  ninfste  der  Dichter  in  den  Erzählnngen  phö- 
iiizischer  Seefahrer  und  irrender  Abenteurer,  deren  Aussagen  er 
offenbar  seine  ganze  Westwelt  nacligebildet  hat,  eine  Veranlassnng 
finden.  Wie  unn,  wenn  Homer  wirklich  von  einem  solchen  Ange 
auf  der  Slirn  gehört  hätte,  nnd  diefs  nichts  Anderes  als  ein  ge- 
maltes gewesen  wäre?  Oder  wäre  die  Vermnthnng  so  nnwalu- 
seheinlich  ,  dafs  sich  die  rohen ,  nackten  Kiistenbewohner  Siciliens 
eben  so  wie  ihre  Halbbrüder,  die  vorgeblichen  Riesen  in  Patago- 
iiien  oder  die  Abiponcr  und  Neuseeländer,  noch  beut'  zu  Tage  f) 


*)    Odyss.  IX,  333, 

**^  Homer  wollte  durch  das  eine  Auge  des  Cydopen  weder  eine  bur- 
leske Iläfsliclikeit  zeichnen,  nocli  einen  moralischen  Satz  allegori- 
siren.  Selbst  tler  häfsliche  Thersites  ist  nach  der  Absiclit  des 
Dichters  nicht  lächeiliche  Karrikatnr.  Diefs  sagte  schon  Lessing, 
und  es  ist  neuerlich  mehrmals  wiederholt  worden.  Niclit  einmal 
die  weit  häfslichere  Schilderung  beim  TheokritXl,  30  darf  so  er- 
klärt werden.  S.  Ilindenburg's  treffende  Bemerkungen  im  teutsclien 
Museum  1779,  II,  254  ff.  Die  moralische  Briiiie,  die  z.  B.  Uar- 
duin  zum  Plinius  T.  I.  p.  370  sehr  reichlich  darüber  giefst,  ist 
vollends  ganz  nngeniefsbar. 

'**)  Dalier  auch  Plato  die  Homerischen  Cydopen  zur  Krläutwung  sei- 
ner Hypothese  von  den  verschiedenen  Stufen  der  menschliclien 
Kultur  nach  der  Deukalionischen  Fluth  aufstellte.  Man  sehe  dia 
merkwürdige  Stelle  beim  Strabo  XIII.  p.  885  B.  D.  Vergleiclie 
Goguet,  über  den  Ursprung  der  Gesetze,  Tbl.  I.  S.  XXll.  der 
Vorrede. 
•J-)  Von  den  Teluiclhets  oder  Patagonen  heifst  es  in  Th.  Falkncr's 
Beschreibung  von  Patagonien  Kap.  V.  S.  160. :    „Sie  malen  iliie 


168 

(josli'lit  und  Kiiri)or  mit  allcilcl  Fijfiiren  bonalt  nnrl  j>P'''T1c  milfon 
an  der  Slirii  olneii  lirofson  rnnden  F^eck  an^ohraclit  liätlcn ,  den 
der  hier  landende  Frenidlinij,-  in  der  Ferne  leicht  für  ein  grofses 
Ange  ansehen  nnd  daher  diesen  IMenschen  den  Namen  der  Cvelo- 
pen  (I{iindäii!;i^en)  !;ehon  konnte"?  Späterhin  p,lanh(c  man  wciiij^- 
stens,  dnrch  eine  soiclie  Malerei  im  Gesichte  die  echte  Cvdopcn- 
ivestalt  vollkommen  nachmachen  zn  können.  Diefs  beweist  eine 
Sielle  des  Cailimachns  in  seinem  Ilvmuns  auf  die  Diana  *),  wo  er 
ihre  Unersciirockenheit  heim  Anblicke  der  furchtbaren  Cyelopen 
riilimt  nnd  nus  i;ele:;ent!ich  einen  sehr  interessanten  Blick  in  die 
Kinderstuben  des  Olymp  thnn  läfst.  Die  kleinen  Göttermiidchcn 
sind  da  auch  zuweilen  nngezoiJ,en.  In  solchen  Füllen  thnt,  wie 
unsere  Grofsmiitter  noch  recht  i^ut  wnfsten ,  ein  wohlberufster  Knecht 
Ptuprecht  j^ute  Dienste.  Zn  einer  solchen  Mnmmerei  waren  im 
Olviup  die  Cyclopcn  gerade  die  rechten  Leute.  Zuweilen  liefs  sich 
aber  auch  IMercur  erbitten,  statt  ihrer  den  Mnthwillen  der  jMädchea 
zu  bestrafen. 

Wenn  leiclitfertigen  Sinnes  ein  Mädchen  die  I\Iiitter  verachtet, 
Ruft  mit  droliender  Stimme  die  Mutter:   Herein,  ihr  Cyclopen! 
Arges,  Steropes,  kommt  !  Da  springt  ans  dem  Hintergebände 
Hermes  liervor,  mit  benifstem  Gesiclit,  ein  sclieufslicher  Popanz. 
Aber  die  Kleine  bebt  zitternd  zuriick,  verschliefst  sich  mit  beiden 
Händen  die  Augen  und  lilillt  sich  im  schirmenden  Busen  der  INIutter. 

Aber,  könnte  man  mir  einwenden,  wenn  die  Fabel  von  den 
einängigen  Cyclopen  aus  einem  gemalten  Fleck  an  der  Stirne  die- 
ser Menschen  entstanden  sein  sollte,  so  Aväre  es  doch  weit  naliir- 
licher  gewesen,  zn  sagen,  sie  hätten  drei  Augen  gehabt,  als  nur  von 
dem  einzigen  gemalten  so  viel  Wesens  zn  machen.  Ich  antworte: 
diefs  scheint   auch   in    der    That   aufünglicli  der  Fall  gewesen   zu 


Gesicliter  anfs  Häfsllcbste,  bald  roth,  bald  schwarz,  nnd  bilden 
sich  dabei  ein,  sie  ei'liielten  dadurch  eine  besondere  Scliönbeit." 
Noch  merkwürdiger  ist  die  Stelle  in  Dobrizlioffei-'s  Gescliichte  der 
Abiponer  Tb.  II,  S,  34.  „Auf  der  Stirn  lassen  sie  sich  ein  Ki'euz, 
an  den  beiden  Augenwinkeln  zwei  gegen  die  Oliren  hingezogene 
Linien  (,o(p^vs  £$  wrs;  Ttraraz  irsg]  Si^n^'o'J  w?  //i«  fxxy.Qtx  ,  Jn 
der  Beschreibung  des  Cyclopen  beim  Tbeokrit  XI,  32),  oherbalb 
der  Nasenwurzel  aber,  zwischen  den  zwei  Augenbrauen,  vier 
Feuerstriebe,  welclie  wie  ein  Rost  gegittert  sind."  Die  dabei  be- 
findliche Kupfertafel  zeigt  walire  Cyclopengesichter.  Audi  die  Ein- 
wohner der  ^Marquesasinseln  punctiren  sich  rautenförmige  Figuren 
im  Gesiebte  ein,  Sielie  Forster's  Bemerkungen  während  einer 
Reise  um  die  Welt.  S.  208, 
*;     V.  C6  — 71. 


160 

soin.  Doi'  alle  Silioliast  des  Virj^il  veisidicrt  ausiliiHklii-li ,  dafs 
zwar  die  IMcislon  dein  Poivpliein  mir  ciu  Auge  zuschrieben  ,  dafs 
iliiu  aber  auch  Andere  zwei,  Andere  p\r  drei  Angen  andichteten  *). 
Und  gerade  diese  Yorslellnngsarf  mit  drei  Augen  finden  wir  nnn  auch 
noch  auf  den  alten  Kunstwerken ,  wo  zuweilen  Polvjihem  als 
schmachtender  Liebhaber  der  Nvm|ihe  Galalea  vorgestellt  wird.  Ein 
Relief  in  der  Villa  Albani  bei  Winckelniann  **)  giebt  ihm  aufser 
den  zwei  natürlichen  Augen  noch  ein  drittes,  über  der  Nasenwur- 
zel auf  der  Slirn,  und  mit  eben  so  vielen  Augen  erscheint  er  auch 
auf  einem  sehr  gerüiunten  Ilerkulanischen  Gemälde  ♦**).  So  hätte 
also  die  nrsprüngliche  Sage  von  den  Cyclopen  wirklich  drei  Augen 
gehabt  iiud  erst  später  wäre  durch  die  Liebe  zum  AVunderbaren, 
vielleicht  auch  durch  den  Namen  Cjclopen  f)  selbst  die  Wunder- 
gescliichte  von  den  einäugigen  Menschen  in  Umlauf  gekommen. 
Und  so  hätten  wir  hier  wirklich  eine  Spur  jener  allgemeinen  Sitte, 
sich  zu  bemalen,  in  der  ältesten  Fabelgeschichte  aufgefunden.  In- 
dessen lassen  sich  wohl  auch  noch  ganz  andere  Erklärungen  hier- 
von haben.  Nur  müssen  sie  wahrscheinlicher  ausfallen  als  die 
Blnlhinafsuug  des  Abbe  Banier.  Er  läfst  die  Cyclopen  ein  kleines 
mclallenes  Schildclien  an  der  Stirn  tragen.  Diefs  dnrcbbobrt  er  den 
Augen  gegenüber   mit  einem    Loche,    und   diefs  Loch  —    ist  das 


*)    Serv.  ad  Virgil.  Aen.  III,  636.    Multi  Polyphemum  diciint  habuisse 

unuin  oculiim,  alii  diio,  alii  tres;  sed  totiuu  fabulosiuu  est, 
**)     Monumenti  antichi  T.  XXXVI.  p.  43. 

***)  Pitture  T.  I.  tav.  X«  Natürlich  mufste  diese  ältere  Vorstelbings- 
art  des  Cyclopen  den  alten  Künstlern  auch  schon  darum  selir 
willkoniinen  sein ,  weil  sich  ein  drittes  Auge  an  der  Stirn  noch 
immer  eher  bildlich  darstellen  liefs  als  eine  einzige  grofse  Scheibe 
über  der  Nasenwurzel  ohne  Aiigenöffnungen  auf  beiden  Seiten, 
Ancli  Pliilostratus  giebt  nns  in  der  Auslegung  seiner  vorgeblichen 
Neapolitanischen  Bildergalerie  einen  Polypliem  znm  Befsten.  Icon, 
II,  18,  p.  8i0.  Aber  da  ist  er  ganz  der  scheufsliche,  einäugige 
Unhold,  wie  uns  ilm  Enripides  in  seinem  Cyclopen  burlesk  genug 
vorstellt.  Ein  neuer  Beweis,  wenn  es  nacli  Caylus's  sinnreichen 
Bemerkungen  (^Histoire  de  Tacademie  des  inscriptions  et  belles 
lettres.  T.  XXIX,  p.  154)  eines  neuen  bedürfte,  dafs  dieses  ganze 
Werk  Nichts  als  ein  Gewebe  sophistischer  Kunst  und  Art  sei.  Der 
wahre  Künstler  hätte  dem  Polyphem  gewifs  auch  hier  drei  Augen 
gegeben. 

t)  Hierauf  scheint  auch  die  Stelle  beim  Hesiodus  in  der  Tlieogonie 
V.  144  zu  führen.  Die  Römer  verstümmelten  das  Wort  in  ihrer 
Ausspraclie  in  Codes.  IMan  selie  den  Varro  de  L.  L.  p.  94  cdit. 
Bipont.  und  V^alckenaer's  gelehrte  Anmerkung  zum  Ammonius.  S« 
198. 


170 

Cyclopcnniii^e  •).  Wahrbafllg  diose  Wrmiilluing  Ist  so  wilzig^,  dafs 
icli  in  VerRiKliiiiii^  gcradie,  ihr  «'iiio  andere  eiifi^Oi^onziiselzoi), 
die,  auf  der  Wai«e  der  Walirscheiiilltlikeit  altn-ewoncn ,  Aveiii,iJ,steus 
nicht  leichter  befunden  werden  dürfte  als  die  scliüne  Schihlhypo- 
Ihese.  Wer  erinnert  sich  niclit  jener  hen'ihmten  Schönlicilsplläsfer- 
chen,  welche  die  allniäciitij'e  Göttin  Mode  ans  ihrem  phantastischen 
Füllhorn  auf  die  Stirnen  nud  Wangen  nnserer  Grofslaiiten  und  Ur- 
j;rofsmütfer  so  reichlicJi  ansznslrencn  ]>flea,te,  welche,  Mie  nns  Ad- 
dison in  seinem  Zusehancr  so  komisch  zu  erzählen  weifs,  einst  in 
England  den  Whigs  nnd  Torys  znm  Unterscheidungszeichen  dien- 
ten und  in  noch  frühem  Zeiten  unter  der  praohtliehenden  Elisa- 
beth, so  wie  die  Reifiöcke,  von  den  geschniackvollsleu  Sintzern 
getragen  wurden  *?  Pope  hat  sie  in  seinem  Lockenrauhc  verewigt, 
nnd  eifrige  Kanzelzoloteu  zogen  mit  Slrafprcdigten  gegen  sie  zu 
Felde.  Diese  Sitte  der  schwarzen ,  rosenfariienen  und  orangen 
Schminkpflästerchcu  ist  ohne  Zweifel  sehr  alt.  So  war  jene  Büchse 
mit  Schönheitsessenz,  die  nach  der  Fabel  beim  Apulejns  die  arme 
Psyche  ihrer  strengen  Gebieterin  sogar  aus  der  Unterwelt  heryor- 
holen  nnifste,  zuverlässig  nichts  Anderes  nh  eine  Monchendose , 
wie  sie  noch  auf  den  Putztischen  unserer  Grofsmütter  paradirte; 
nnd  im  alten  Rom  ^varen  diese  Ptlästerchen,  die  mau  von  ihrer 
länglichen  Form  nnd  einer  gewissen  Aehnlichkeit  mit  der  INlilr 
Milzpflästerchcn  (splenia)  nannte,  etwas  sehr  Alltägliches  nnd  für 
gewisse  Leute,  deren  Slirne  eben  nicht  auf  die  rühmlichste  AVeise 
mit  einer  Inschrift  geschmückt  war,  etwas  sehr  Bequemes  **). 
Was  hindert  uns,  nm  nun  doch  auch  zur  Geschichte  der  Erfindun- 
gen und  Moden  ein  antiquarisches  Schärflein  beizutragen  ,  unsere 
Cjclopen  mit  ihrem  gemalten  runden  Fleck  über  den  Nasenwurzeln 
als   die    echten    Erfinder   aller   iü    älteren   und    neueren  Zeiten  so 


Banier's  Erläuterungen  der  Götterlelire  Th.  V.  Seite  253.  Auch 
Rammler  liat  neuerlich  diese  Hypothese  aufgenommen. 

Zu  den  Galanterieen  des  nnverscJiämten  Regulus  rechnet  der  jün- 
gere l'liniiis  in  seinen  Briefen  VI.  2,  dafs  er  als  Sachwalter  vor 
Gericht  bald  über  dem  rechten,  bald  über  dem  linken  Auge  ein 
weifses  Scliminkpllaster  getragen  habe.  In  Martiafs  Sinngedichten 
finden  wir  häutige  Anspielungen  auf  diese  fliode,  die  damals  in 
Korn  sehr  licrrschend  gewesen  sein  mufs.  Ein  Glücksritter,  der 
als  Sclave  gebrandmarkt  worden  war,  blähte  sicli  im  Theater  durch 
den  ü])pigsten  Aufzug,  II,  29. 

Et  numerosa  linuut  stellantem  splenia  frontem« 

Ignoras  quis  sit?    splenia  tolle,  leges. 

Man  vergleiche  luerzu  Rader's  Anmerkungen  S.  203.  und  Alberti 
zum  Ilesychius  T.  II,  C  1250. 


171 

künstlich  geljraiichlon  und  miTsbrauchteu  Schmink-  und  Schünlieits- 
jjlläslerchen  anzusehen '? 

Was  ich  bis  jefzt  von  den  Cyclopeii  zn  erweisen  gesneht 
Ijabo,  liefso  sich  vielleicht  noch  auf  ein  anderes  Volk  des  Alter- 
thnnis  anwenden.  Den  Arimaspcn,  eioeni  alten,  Ifiiigst  verscholle- 
nen Fabelvolko  im  nordöstlichen  Europa ,  die  nach  dem  Ilerodot 
eine  »nnuterbrochene,  blutii!,e  Fehde  mit  den  berüchtigten  Hippo- 
f!,rvpheü  unterhielten  und  alle  anch  nnr  ein  einziges  Auge  auf  der 
Stirn  halten,  würde  vielleicht  als  den  wahrscheiidicheu  Stammvätern 
der  sich  noch  jetzt  bemalenden  Tungusen  und  Ostiaken  zu  ihren 
leiblichen  Augen  und  einer  historisch  beglaubigten  Stelle  auf  der 
alten  Yölkerliste  auf  eben  die  Weise  zu  verhelfen  sein,  auf  welche 
wir  die  Cyclopen  von  einem  Theile  der  ihnen  angedichteten  Häfs- 
lichkeit  und  Monstrosität  zu  befreien  gesucht  hal)en.  Da  man  sich 
das  Dasein  dieses  Volkes,  "welches  auch  Strabo  als  eines  der  Haupt- 
volker des  nördlichen  Europa  zugleich  mit  den  Sarraaten  und  Hv- 
perboreern  anführt  *),  geradezu  wegzuleugnen  nicht  getraute ,  so 
verfiel  man  schon  im  Alterthume  auf  allerlei  Vermuthuugeu ,  das 
Fabelhafte  von  dem  einzigen  Aug^e  auf  eine  venniuftig-e  Weise  zu 
erklären.  Das  meiste  Glück  hat  bis  auf  unsere  Zeiten  die  Erklär- 
ung- des  Scholiasten  Eustathius  gemacht  **).  Nach  ihm  waren 
i  die  Arimaspen  eine  Nation  fertiger  Bogenschützen,  die,  um  desto 
gewisser  zu  zielen  ,  immer  das  eine  Auge  zudrückten  und  so  den 
benachbarten  Nationen  und  durchreisenden  Fremden  als  einäugige 
Menschen  erschienen.  Aber,  läfst  sich  mit  Recht  hier  fragen,  wa- 
ren nicht  alle  scythischcn  Völker  geübte  Bogenschützen?  Man  weifs 
j.a,  dafs,  nach  der  gewöhnlichen  Ableitung-,  seljjst  der  Name  Scvthe 
oder  Schule  so  viel  als  Schütze  bedeuten  soll.  Alle  zielten,  alle 
drückten  hierbei  das  eine  Auge  zn.  Wie  hätte  also  die  Bencnn- 
nng-  Einäugige,  welche  nach  der  vom  Herodotus  selbst  aunjewahr- 
ten  Sage   das    Wort  Arimaspu   im    Scjthischeu  bedeuteu  soll  ***), 


*)    XI.  p.  774  B. 

**)  In  seinem  Coimnentar  zn  dem  geographischen  Gedichte  des  Dio- 
nysius  V.  31.  In  neuern  Zeiten  liat  Muretus  diese  Erklärung  wie- 
der vorgeti-agen  Yar.  Lect.  XII.  8.  p.  1089.  T.  II.  Lanip.  Grnt. 
Auch  der  gelelirte  Th.  S.  Beyer  liat  ihr,  so  viel  ich  mich  erin- 
nern kann,  in  seinen  memoriis  Petropolitanis  nichts  ErhehÜches 
entgegenzusetzen  gewufst.  Noch  vor  Kui-zem  hat  sie  auch  Lar- 
cher  in  seinen  geograplüschen  Index  zum  Herodot  T.  VII.  p.  iO 
aufgenommen.  Man  vergleiclie  aucli  Wachter's  Glossarium  s,  v. 
spaehen.  p.  1547. 

'***j  Ilerodot  IV,  13.  14.  Man  vergleiclie  den  Alberti  zum  Ilesychius 
T.  I.  c.  53 ,  4.  Doch  verdienen  auch  die  scharfsinnigen  Bemerk- 
ungen ,   die    Beer    in    seiner  Besclireibung    des    alten  Scythiens  in 


172 

von  eluer  Eiji^enscliaft,  die  allen  scjlblsdion  Y()lker.scliaf<eu  zukam, 
doch  nur  einer  ciiizi:j,eii  erilicilt  werden  küniion"?  Hierzu  koiuint 
iiocli,  dafs  in  dem  Yor::,ebli(Iieii  Gedichte  des  Arisleas  aus  Prokou- 
nes,  weleliea  Herodotus  und  Piiiiins  als  den  ciuzi<!,'eu  Gewälirsiuanii 
dieser  Sai>c  anführen,  nicht  von  Eiu;iui;iü;eii  im  i!,c\vi'dinliehen  Sinne 
des  Wortes  (l)ori!;nc) ,  sondern  von  einem  eiuziü^en  Auge  auf  der 
Stirn,  ger.ide  so  >vie  bei  den  Cyclopou,  die  Rede  ist  *),  welches, 
wie  man  leicht  einsieht,  zu  der  Erklärunü^  von  zielenden  Bogen- 
schützen ii'ar  nicht  passen  will.  Veriileieht  man  nun  die  ausdrück- 
lichen Zeugnisse  alter  Schriflsteller,  die  den  Bewohnern  jener  Ge- 
genden,  wohin  das  Alterdium  die  Arimaspen  versetzte,  den  Ge- 
brauch, sich  das  Gesicht  zu  bemalen,  zuschreiben  **),  nud  hält  maii 
damit  die  Aussage  neuerer  Reisebeschreiber  und  Geographen  zu- 
sammen, die  von  den  wilden  Völkerstämmeu  im  nördlichen  Asien, 
wahrscheinlichen  Abkömmlingen  jener  scvlhischen  Völker,  eben  diefs 
berichten  ***),  so  wird  man  vielleicht  meine  Yermulhung  nicht 
ganz  nnwahrscheinlich  linden,  dafs  auch  die  Sage  von  dem  einzi- 
gen Auge  der  Arimaspen  aus  der  Gewohnheit  jenes  Volkes ,  sich 
Slirn  und  Gesicht  mit  allerlei  Figuren  zu  bemalen,  entstanden  sein 
könne.  Was  anfänglich  bioser  Irrllium  aus  Unwissenheit  Avar,  wur- 
de vielleicht  absichtlich  von  der  pliffigen  Krämerpolitik  der  grie- 
chischen Kolonisten  am  Duieper  und  schwarzen  Meere  vergröfsert. 
Sie  kannten  und  nutzten  vielleicht  die  Goldminen  jener  Gebirge, 
die  sie  nun  mit  furchtbaren  Ungeheuern,  mit  Greifen  und  Arimas- 
pen bevölkerten,  um  forschender  Neugierde  jeden  Zugang  dazu  zu 
versperren  -J-).     Und  was  endlich    der  Kaufmann    durch  seine  Be- 


Bavimgarten's  Sammlung  von  Erläuternngsschriften  zur  Allg.  W.  G. 
Tii.  in.  S.  35 ,  36.  gegen  diese  gangbare  Etymologie  gemacht 
bat,  wolil  erwogen  zu  werden.  Er  konnte  nur  Stralenberg's  ta- 
biilam  polyglottam  brauchen.  Jetzt  würde  ims  Prof.  Rüdiger  in 
Halle,  mit  Hilfe  des  neuen  Petersburgischen  Universal  -  Glossa- 
riums, gewifs  weit  gewissere  Belelirungen  ertlieilen  können. 
'*)  In  dem  Fragment  des  Aristeas  beim  Tzetzes,  Cliil.  VII.  l-i*.  lieifst 
es  ausdrücklich:  o$)5«X/x5v  S'  t'v*  tnoitTTog  «x*"-'  X"?'^"''''  /^^^wxwi 
^airyjffi  Aaffjov.  —  Hiermit  stimmt  fast  wörtlich  die  fabeliiafte 
Erzählung  des  Megasthenes  beim  Strabo  XV.  p.  1038.  A.  von  den 
einäugigen  Menschen  in  Indien  iiberein.  Die  hieraus  abzuleiten- 
den Schlüsse  ergeben  sich  von  selljst. 
**)     Plinius    H.    N.  XXII.    1.    s.   Vergleiclie   damit   Sextus    Empiricus 

III.  202.  S.  177.   und  daselbst  die  Anmerkung  des  I.  A.  Fabricius.     'j 
***)    Stralenberg's  nörd  -  und  östliclie  Theile  von  Europa  S.  166.  438. 
und  die  Citate  in  Meiners,  Grundrifs  der  Gescliichte  der  Mensch- 
heit, S.  121.  not,  1, 
f)    Diese   eigennützige  Kaufmannspolitik  hat  in  älteren  und  neueren 
Zeiten  die  lüdkuiide   und   Naturgeschichte    mit  den  lächerlichsten 


1/3 

gierdcn  nicltt  ansiiilileü  koiiiUo,  das  volleiulele  der  faljelsüchtlge  VViin- 
dcri>;laiil)e  dos  Giieolien.  Elicn  so  selljsfgeniigsaiii  und  ebeu  so  un- 
wissend in  der  Gi'0!>,rapliie  nördlich  gelc^eiipr  Länder  als  so  manches 
Mili;"!ied  einer  bei  liliniten  Academie  im  mittäglichen  Europa,  wenn  von 
pavs  du  Nord  die  Rede  ist,  schinckte  er  heifshangerig  die  nnverdaulich- 
stcji  WnndiM'tiOScIiiciitenhinnntor,  die  ilini  ein  miifsiger  Ahentenrer  von 
nordischen  Uniiehenern ,  von  einäniiicen  Nationen,  IMenschen  mit 
nngehcnern,  rückwäitsgekehrten  Fnfsblältern  (wahrscheinlich  Schritt- 
sciinhlänfern)  n.  s.  w.  nach  Herzenslnst  vorlog  *) ;  eine  Leicht- 
gläubigkeit, die  nns  am  so  weniger  wandern  darf,  wenn  wir  be- 
ilenken, dafs  anch  nnsere  Grofsväter  noch  Pigafetta's  12Fnfs  hohe 
Piilagonen  nnd  Coniniersons  Qninios  oder  Zwergnationen,  die  bart- 
losen Amerikaner,  die  geschürzten  Iloltentoflinnen,  die  geschwänz- 
ten Menschen  auf  Borneo  nnd  Nikobar,  nnd  wie  die  ^Viinderge- 
scliöiife  alle  heilst-n  mögen ,  die  nnr  ein  Robinet  in  seinem  nnna- 
türlichen  Nalnrsvsleni  in  Ernste  anfslellen  konnte,  mit  grofser  An- 
dacht und  Fe^(gläubigkeil  im  Tlieatro  mnndi  und  dergleichen  Bü- 
chern betraclileton  und  bewunderten. 

Aber,   entstand    diese    fabelhafte  Ueberliefernug  von  den  ein- 
äugigen Cyclopcu    und   Aiimaspeu   wirklich   aus    augemalten   oder 


Legenden  angefüllt.  Man  erinnere  sich  nur  an  die  Fabeln  vom 
Seewurm,  vom  Spermaceti,  von  der  Coclienille,  dem  Tliee  u,  s.w., 
die  nocli  zu  Aiifang  dieses  Jahrhunderts  überall  gäng  und  gebe 
waren.  So  ging  es  mit  den  Goldniinen  auf  den  Riphäischen  Ge- 
birgen, den  vasis  miirrliiuis  ,  dem  Seidenbau,  dem  Zimnit  u.  s.  w. 
im  Altertliuin.  Man  sehe  über  dergleichen  phönizische  und  grie- 
chisclie  Kaufmannslegenden  I.  M.  Gesneri  Praelectiones  de  navi- 
gat.  Plioen.  I.  p.  448  ad  caicem  Orphei,  Beckmann  in  seiner  Ab- 
handlung: de  Iiistoria  naturali  veterum  p.  143.  und  zum  Antigonns 
Carj'stius  c.  49.  p.  87.  Auch  linden  sich  in  Robertson's  neuesten 
historischen  Untersuchungen  über  die  Kenntnisse  der  Alten  von 
Indien  mehrere  schöne  Winke  darüber.  Die  spätem  Griechen 
lachten  selbst  über  diese  Wundergescliichten ,  womit  man  ganze 
Bücher  antullte  (Gell.  IX,  4)  und  Lucian  schrieb  hauptsächlich  in 
dieser  Hinsicht  seine  wahren  Geschichten. 

Aristoteles,  der  in  seinen  naturhistorischen  Schriften  ohne  den 
geringsten  polemischen  Anstrich  dergleichen  Mährclien  blos  durch 
die  einfaclie  Darstellung  der  Sache,  wie  sie  ist,  zu  Hunderten  wi- 
derlegt, spottet  in  einem  Fragment  beim  Athenäus  I,  6.  p.  6,  D. 
über  seine  Landsleute ,  die  Tage  lang  die  Taschenspielerkünste 
eines  Gauklers  angaifen  oder  den  vom  Phasis  und  Borjstlienes  zurück- 
gekommenen Kaufleuten   zuhören   können,      ¥i.xrxT^tßcv<Tiv  ö'Ajjv 


174 

ein2:c1>rnnnlcn  Flecken  auf  der  Sllrno;  ^K\c  kommt  os,  ilafs  von 
allen  ••riocliisclien  und  lömisclion  Sclirif(s(»'llern ,  dio  uns  so  Man- 
ches von  jenen  Wiiii(lcri»escliö|(ren  zu  cizälileii  wissen,  aiicli  nicht 
ein  einziii,er  anf  diese  Erklliiinii;  selbst  gekommen  ist  i  —  Aller- 
din,:^s  scheint  dieses  <»änzliclie  S(i!lscli\vei_ü,cn  meiner  Erklilrnngsart 
selir  uni^ünsfii^.  Aher  es  sciieint  ancli  nnr.  Alles,  was  daraus 
f()l.ü;t,  ist:  dem  geliildeten  Griechen  und  Römer  war  jene  Si((e  völlij«- 
fremd  und  nnr  als  ein  lächerlicher  Gehranch  entfernter  harharischcr 
Nationen  dnrch  Ilöiensagen  bekannt.  Sie  lai»'  also  viel  zu  weit 
aufser  seinem  Gesichtskreise  ,  als  dafs  es  ihm  der  Mühe  gelohnt 
hätte,  ein  Problem  für  Menschen-  und  Völkergeschichte  damit  zu 
lösen,  Avas  ihm  bei  seinen  dunklen  Vorstellungen  über  verschieden- 
artige Menschenracen  und  ihre  mannigfaltige  Entstehung-  vielleicht 
gar  nicht  einmal  problematisch  zu  sein  dünkte.  Frühzeitig,  Avie 
wir  wissen,  entfaltete  sich  unter  dem  milden  ionischen  Himmel, 
im  insel-  und  küsteiireichen  Arclii|)elagus  die  schöne  Blülhcnkimspo 
griechischer  Kultur.  Früh  gewöhnte  sich  das  Auge  des  Grieciien  an 
reine  Formen  in  Menschen-  und  Göttergebilden.  Durch  seine 
Gymnastik,  durch  öfTenlliche  Bäder  und  dnrch  seine  ganze  Bildnngs- 
und  Erziehungsweise  lernte  er  nackte,  unverschleierte  Schönheit  mit 
allen  seinen  Sinnen  umfassen  und  sie  den  bauschenden  Gewändern 
und  Kleiderwulsten  .asiatischer  Weichlichkeit  entgegensetzen  *). 

Unter  diesen  Umständen  mufste  er  auch  natürlich  jedes  Be- 
malen, Pnnctiren  und  Bezeichnen  für  das,  was  es  ist,  ansehen,  für 
eine  widernatiirliche  Verunstaltung  und  Scliändimg  des  Körpers. 
In  der  That  brannte  man  auch  gewöhnlich  nnr  Kriegsgefangenen 
und,  da  auch  diese  barbarische  Sitte  aufhörte,  nur  Verbrechern,  vor- 
züglich aber  entlaufenen  Sclaven,  gewisse  dauerhafte  Kennzeichen 
oder  Buchstaben  anf  die  Stirn,  die  Hände  oder  den  Rücken  ein, 
und  ein  Gebraudmarkter  wurde  bei  Griechen  und  Römern  ein 
Schimpfwort  (Sligmatias),  womit  man  nur  den  verworfensten  Scla- 
ven belegte.  Ein  auffallendes  Beispiel ,  wie  wenig  die  Griechen 
diese  Sitte  von  einer  andern  als  schimpflichen  Seite  zu  betrachten' 
gewohnt  waren,  giebt  uns  die  seltsame  Art,  auf  welche  sie  sich 
dieaen  Gebrauch  bei  einem  ihnen  benachbarten  Volke,  den  Thra- 
ziern, zu  erklären  sachten.  Bei  allen  den  wilden  und  kriegerischen 
Völkerschaften  vom  Hämus  bis  an  die  norischen  und  rhätischen  Alpen, 
die  man  iraAlterthum  unter  dem  allgemeinen  Namen  der  Thrazier  und 
illjrier  begriff,  war  die  Sitte  des  Hantbemalens  und  Punctirens  all- 
gemein angenommen.  Vorzüglich  pflegten  die  eigentlichen  soge- 
nannten Thrazier  ihre  Weiber  und  Töchter  vielleicht  ans  eben  dem 
Grunde  tättowiren  zu  lassen,  aus  welchem  die  mannbaren  oltahei- 
tlscben  Mädchen  sich   dieser   sehmerzbaften  Operation  unterwerfen. 


*)    Man  sehe  die  merkwürdige  Stelle  beim  Plato,  de  Republ,  V.  p.  9j 
VII.  Bip. 


175 

WeiiiüStcns  bcrlclifot  der  als  Aii2;cnzoii«c  weit  richtiger  als  seine 
spälerii  LandslQiilc  iiicrühcr  iirllicilcnde  Hcrodot  *)  atisdnieklicb, 
man  liabo  diese  Brandmale  und  Narben  für  ein  Ebienzeiohen  nnd 
ibre  Menge  für  einen  Beweis  der  A'orncbmern  Abstamnumg-  gebal- 
(en.  Aber  der  spfilere  Grieolie  fand  diefs  so  Iböricht  nnd  nnbe- 
greifüeb,  dafs  er  lieber  zu  einem  frommen  Mäbreben  seine  Zu- 
jlnebt  nabra  und  das  Ganze  in  das  verscbönernde  Gewand  einer 
Fjibel  einkleidete.  Man  wnfste  die  Erziibinngcn  von  dem  tragi- 
selien  Ende  des  ürpiiens  auf  eine  ganz  unerwartete  Weise  zu  die- 
ser Aifsicbt  zu  benutzen.  Deji  IMord  dieses  benibmleu  Ebeslands- 
luärt^rers,  wo  die  eiconiseben  Mütter 

Unter  dem  Götterfest,  im  nächtlichen  Tanmel  des  Bacchus, 

Weit  den  zerrissenen  Jüngling  nmlier  durch  die  Felder  verstreuten  **), 

räelilen  die  tbraziscbcn  Männer  an  ihren  tollen  Weibern  durch  jene 
scbiuijiflicben  Brandmale,  und  diese  empfindliche  Ziicbliguug  dauerte 
bis  auf  die  späteste  Nachkommenschaft  fort.  So  lautete  die  allge- 
meine Sage  unter  den  Griechen,  die  scll)st  Pliitarcb  in  seiner  mo- 
ralischen Bufsermahniing  von  der  strafenden  Langrnulb  der  Götter 
zwar  mit  Mifsbilligung  der  Sache  selbst,  aber  doch  ohne  das  ge- 
ringste I\Iifs(rauen  in  ihre  Wahrheit,  anführt  ***), 

Nach  diesem  Allen  wird  es  Niemand  wunderbar  finden,  wenn 
ich  behauple,  dafs  es  den  Griechen  bei  ihrer  völligen  Unbekanut- 
scbaft  mit  der  Allgemeinheit  und  dem  Ursprung  jener  Sitte  kaimi 
in  den  Sinn  kommen  konnte,  das  Wunderbare,  das  ancli  sie  in 
den  einäugigen  Cyclopeu  und  Arimaspeu  finden  mufsten,  gerade  hier- 
aus zu  erklären. 

Es  würde  leicht  sein,  diese  Spuren  ancb  noch  in  andere  Ge- 
filde des  Alterlbnms  zu  verfolgen.  Jener  vom  weichlichen  Orient 
auch  über  die  Griechen  uud  Ptömer  verbreitete  nnd  bis  zum  üppig- 
sten Sinnenkitzel  verfeinerte  Gebrauch,  mit  wohlriechenden  und  bal- 
samischen Essenzen  jeden  Theil  des  Körpers  bis  auf  die  Augen- 
brauen ujul  Fufszehen  einzusalben ,  jene  Verschönerungsmittel  der 
rolhen,  weifsen  nnd  schwarzen  Schminke  bei  den  putzsüchligen  Grie- 
chinnen, über  welche  die  witzigsten  Schriftsteller  jenes  Volkes  den 
beifsendsteu  Spott  ausgegossen  und  sogar  die  sträfliche  Vorliebe  für 
ihr  eigenes  Geschlecht  damit  entschuldigt  haben,  würden  vielleicht 


*)    V,  6. 

**)  Vofs,  Virgirs  Georg.  IV,  520. 
_***)  Wyttenbach  hat  in  seinem  Commentar  zu  diesem  Buclie  des  Pbi- 
tarcli,  de  sera  numinis  vindicta  p.  67  f.  alle  Stellen  der  Alten  ge- 
sammelt, die  liiervon  liandeln,  auch  ilas  mei-kwüidige  Fragment 
des  Dichters  Phanokles.  Man  vergleiche  auch  Valois  zum  Diodor 
T,  II.  p.  596. 


176 

zum  Tliell  lliit'ii  Ursprunij;  !»is  zu  «Ten  Sall»nna,on  und  IMaloreion 
der  rohen  Monsdilioit  in  Ohorasieii  und  Indien  liiiiaiiHiiliiTii  kiiii- 
nen.  Das  Henna  auf  den  Näselnder  arabischen  Bednininncn  und  die 
OrkaneUe  (aneliusa)  auf  den  Wanden  der  Giicchinnon  sind  i^cwifs 
eines  Ursj>run«cs.  Die  rotlianüesdiehcnea  Gesithfer  des  Land- 
nianns  zur  Weinlese  und  an  den  IJacchnsfesten ,  woraus  spälerhiii 
die  theatralischen  Masken  enlslanden  sind,  der  mit  Zinnober  im- 
mer aufs  Frische  überpinselte  Jupiter  auf  dem  Capilol  und  der  als 
sein  lebendii^es  Ebenbild  »leichfalls  gefirnift^te  triumphirende  Feld- 
herr in  Rom  *),  sowie  alle  übrigen  rothuemalten  Bildsiiulen  von 
Holz  und  Thon  im  frühern  Allerlhnm  ,  würden  uns  höchst  wahr- 
scheinlich auf  eben  dieseSitle  zurückführen  **).  Die  Bemerkung- end- 
lich, dafs  farbiii'  gestreifte  und  a.oi.'itterte  StolTe  zu  Kleidern  von  (]('n 
Griechen  und  Römern  zwar  wohl  gekannt,  aber  von  ihnen  fast 
nie,  oder  doch  nur  mit  ausdrücklicher  Bezeichnung-  der  Weichlich- 
keit und  Ausartung-,  getragen,  übrigens  aber  immer  nur  als  Eigen- 
heit der  celtischeu  und  barbarischen  \ölkcr  in  Europa  und  Asien 
betrachtet  worden  sind,  könnte  uns  wohl  gar  auf  die  nnsern  modi- 
schen Damen  gewifs  unerwartete  Vermuthung  bringen  ,  dafs  diese 
gestreiften  Muster  eigentlich  nichts  als  Nachahmungen  der  gestreif- 
ten Ilantmalereien  roher  Barbaren  und  eben  daher  auch  wegen 
ihres  buntschcikigen  Ansehens  den  au  reinere  Formen  und  Far- 
henmassen  gewöhnten  Griechen  und  Römern  stets  anstöfsig  gewe- 
sen, auch,  wie  die  Betrachtung  aller  Kunstwerke,  besonders  der 
Ilerkulanischen  Gemälde  hinlänglich  beweist,  nie  von  den  Künst- 
leru  zur  Draperie  gebraucht  worden  sind  ♦**).     Aber  ich  fühle  bei 


*)     Die  Hanptstelle  ist  beim  Plinius  H.  N.  XXXIII,  7.  s,  36. 

**)  Teil  weifs  \\olil,  dafs  man  gewöLinlicli  diese  Sitte  hios  als  ein 
Mittel  gegen  die  Fäulnifs,  oder  auch  nur  als  Töpfeiglasur  betracli- 
tet.  Man  sehe  Winckebnann's  Gescidchte  der  Kunst,  S.  20.  "Wien. 
Ausg.  und  an  mehiern  Stellen.  Aber  so  gern  ich  auch  zugeben 
will,  dafs  diefs  beim  Priap  und  andern  diis  rusticis  wirklicli  zu- 
weilen der  Fall  gewesen  ist,  so  wenig  kann  icli  mich  doch  davon 
überzeugen,  dafs  diefs  aufstellen  beim  Pansanias  und  Atlienüns  pafst, 
die  ich  mir  in  einer  andern  kleinen  Abliandlmig  über  den  walir- 
sclieinliclisten  Uisprnng  der  Masken  zu  prüfen  vorgenommen  Jiabe, 

♦**)  Man  denke  nur  an  die  virgata  sagula  der  celtischen  und  germa- 
nischen Völker.  Es  ist  auffallend,  dafs  die  schottischen  Hochlän- 
der, die  Abkömudinge  der  Caledonier  und  Picten,  von  deren  strei- 
figem Hantgemälde  uns  die  Römer  soviel  zu  erzählen  wissen,  noch 
jetzt  allgemein  in  ihren  Plaids  diese  buntgestreiften  Muster  haben. 
Man  seile  die  8.  Knpfertafel  in  Pennaut's  Reisen  dnicli  Scliott- 
land,  I.  Th.  S.  358  imd  das  Journal  der  IVIoden  1792,  Febr.  S.  98. 
Auch  mufs  ich  zur  Verhütung  alles  Irrtlmms  anmerken,  dafs  ver- 


177 

diesem  Allen  sehr  lebhaft,  dafs  das  kleinllolie  Delail,  in  welches 
ich  mich  znr  Bestätignng  dieser  Mntliniafsnngeii  einlassen  müfste, 
nur  sehr  Wenigen  interessauf,  den  Meisten  aber  äufserst  langwei-1 
lig'  scheinen  würde. 


sicolor  in  der  Garderobe  der  römisclien  Damen  mir  farbige  Klei- 
der C'iabits  de  couleur),  besonders  purpurfarbene  ausdrückte  nnd 
dafs  man  die  Bordüren  und  Franzen  der  Kleider  (clavi  limbi 
maeandri,  cirri,  fimbriae_)  nicht  hierher  redmen  könne. 


Böttigei'i  kleine  Schriften  I.  12 


178 

VIII. 

Die  Juiigfernprobe  in  der  Drachenhöhle 

zu  Lamivium, 


J-Veisendft,  welche  die  verödeten  Gegenden  nm  Rom  ,   die  Canipa- 
gna  di  Roma,    nnd  die  Meilen   Aveit  darauf  zerstreuten  Trümmern 
einer  gor.iineren  Untersucliung   werlh  hallen,   liiulen  hinler  Larizzia, 
üstlieh  von  Rom,    in    der  Entfeiiiimg  von   ungefähr  drei  deiitscheu 
Meilen,    die   Ruine»    eines    verfallenen    Tempels  nnd    einiger   an- 
derer Gebäude,    welche    von    den   dortigen  Altertliumsforscliern  fiic 
die  Ueherreste  des   in  der  Vorzeit  so  berühmten   und  von  den  Rü- 
niern   selbst  wegen  seiner  ehrwürdigen  Religionsgebränchc  mit  gro- 
fsen  Vorrechten  begabten  Tempels  der  Lannvinischen  Juno,  die  sich 
auch  Sospita  oder  die  Heilgeberin    nannte,  ausgegeben   werden. 
An  dieser    Stalte    stand    ehemals  die    alle    Stadt   Lanuvinm ,   jetzt 
durch    eine    Verwechslung    mit    einer   benachbarten    Stadt   Civita 
Lavlnia  genannt.     Hier  wurde  noch    in   den  blühendsten  Zeilen 
des  alten  Roms  alljährig  im  Frühlinge  eine  höchst  sonderbare  geist- 
liche Farce  gespielt,    die  sowohl   der   Plumpheit  des  Betrugs,    als 
auch  der  frömmelnden    oder   spöttelnden  Neugierde  der  zahlreichen 
Zuschauer  wegen  mit  den  katholischen  Andächteleien  und  Wallfahr- 
ten zu  einem   wunderthätigen  Gnadeubilde  und  so  manchem  andern 
noch  jetzt  getriebenen  religiösen  Marionellenspiel  in  jenen  Gegen- 
den *)  die  auffallendste  Aehnlichkeit  hatte.     Es  war  eigentlich  ein 
ländliches  Frühlingsfest  zu  Ehren  der  Schutzpalronin  jener  Gegend, 
der  nrallen  Lannvinischen  Juno,  die  mit  ihrem  Ziegenfell  über  dem 
Kopf  und  ihren  hervorstehenden   Hackenschnhen  schon  zu  den  Zei- 
ten des  Cicero  einen    sehr    bizarren  Aufzug   machte  und  unter  die 
antirpiarischen  Merkwürdigkeiten    gerechnet   wurde.     Der    leibhafte 
Stellvertreter  nnd  Repräsentant   dieser  hochverehrten  Himmelsköni- 
gin   war  eine   grofse,    heilige    Schlange.     In    einem    ehrwürdigen, 
dunkeln  Hain  neben  dem  Tempel   befand  sich  eine  tiefe ,   dem  lü- 
sternen Blick  der  Neugierde  auf  immer  verschlossene   Grolle,   nnd 
in  diesem  schauerlich  düslern  Heiligthum   hatte    die  Schlange    oder 
der  heilige  Drache  seine  Wohnung.     Die   ganze    Gegend   verehrte 
ihn  als  den  Genias  und  Schutzgeist  des  Ortes,  und  der  Pöbel,  dem 


♦)  Man  denke  an  dns  Sühn-  nnd  Befruchtnngsfest  der  Madonna  zn 
Tivoli,  das  Moritz  so  lebendig  schildert.  Reisen  in  Italien 
Th,  U.  130  If. 


179 

«lieser  geweihte  Drache  morkwüidiger  war  als  das  berüucheHc  nml 
TCraltcte  Idol  der  Jmio  seÜisf,  wufste  tausend  Wnndergeschichten 
und  Proheii  seiner  hohen  Pjophcfeiigabe  zu  erzählen.  Die  Pric- 
steriii  der  Juno  war  auch  zugleich  verordnete  und  berufene  Dra- 
chenwärlcrin,  und  es  läfst  sich  ans  einigen  alteo,  in  dieser  Gegend 
gefundeneu  Inschrlftoii  *)  mit  Recht  Aerninlhen  ,  dafs  eine  ganze 
Schlangenfamilie  hier  gewolint  niid  auch  inännlidie  Diener  und 
Aufwärter  gehabt  liabe.  Dieser  Schutz-  und  Wunderdracho  nun 
mufste  alle  Jahre  im  Friihliiige  seine  jiüllliche  Spüikraft  auf  eine 
ganz  eigene  Weise  honrknnden,  und  diese  sonderbare  Probe  war 
es  eben,  die  nicht  blos  aus  deu  bcnaciibarten  Dürfen  und  Flecken^  ' 
sondern  auch  aus  der  in  der  Ferne  auf  ihren  sieben  Hügeln  thro- 
nenden Kaiserstadt,  ans  Rom  selbst,  auf  diesen  Tag  eine  uniiber- 
sehliche  Menge  von  Znschaiieru  nnd  Zuschauerinnen  herbeizog.  Die 
unbellecklc  Jiingfrausfhaft  dei-  J^annvinischen  Mädchen  wurde  bei 
diesei'  Gclfgenheit  auf  eine  sehr  harte  Probe  gestellt,  u:ul  diese 
J  nn  g  f  e  r  ii  |i  r  obe  miiclite  den  inleressantesten  Punct  des  Festes. 
Ein  alter  giiechischer  Sophist,  Aclian,  hat  uns  in  seiner  Compila- 
tion  über  die  Thiergeschichte  dieses  ganze  Gaiikeli^piel  mit  sehr  erust- 
liafler  Miene  beschrieben  **),  und  sieht  man  es  gbich  dieser  Beschreib- 
ung sehr  deutlich  au,  dal's  es  dem  wundersiichtigen  Oberpiiester  — 
denn  diefs  warAclian  nach  glaubwürdigen  Nachrichten —  sehr  darum 
zu  thun  gewesen  sei,  diesen  Pfaffenbetrug  anfs  Allerwuudersamste 
auszuschmücken,  so  ist  doch  der  ganze  Hergang  der  Sache  gewifs 
nicht  erdichtet,  da  sie  auch  durch  andere  glaubwürdige  Augenzeu- 
gen bestätigt  und  selbst  durch  noch  vorhandene  Denkmünzen  nud 
Inschriften  ganz  unbezweifelt  erwiesen  ist.  Ja  vielleicht  läfst  sich 
diesem  heiligen  Gaukelspiel  noch  eine  weit  ernsthaftere  Ansicht  ab- 
gewinnen, als  man  sonst  bei  diesen  Priestertäuschuugeu  zu  lindea 
gewohnt  ist. 

Eine  bestimmte  Zahl  reifer,  mannbarer  Jnugfraueu  aus  Lanu- 
vium  wurde  von  der  Oberpriesterin  und  den  dazu  bestimmten  Auf- 
sehern auserkoren ,  um  dem  heiligen  Drachen  au  diesem  hohen 
Feste  die  geweihten  Honigkuchen  selbst  in  die  düstere,  unterirdi- 
sche Schlangenhöhle  zu  überbringen.  Wahrscheinlich  war  schon 
die  durch  die  Piiester  einige  Tage  vorher  angestellte  Wahl  der 
Jungfrauen  nicht  ohne  Feierlichkeiten ,  vielleicht  selbst  nicht  ohne 
Ränke  nnd  listige  Ersclileichungeu.  Vielleicht  entschied  auch  das 
Loos.  War  nun  die  feierliche  Stunde  gekommen,  und  loderte  das 
Opferfeuer  hoch  auf  dem  Altare  im  Vorhofe  der  Heil-  und  Scgen- 
bringerin  Juno,  da  traten  die  auserwählten  Jungfrauen,  mit  Blumen 


")     S.  Muratori,  Thes.  inscript.  T.  I.  p,  XVI.  4.  Doai  Cl.  I.  n.  59. 
*)    Aelian's  Thiergeschichte  XI,  6.  S.  627.  Genev.   Ausg. 

12* 


180 

bokrJinzt,  im  lang  horal)fTiefsontlcn  Matroncngewanile,  züclillo-  nicder- 
gcseiiklcii   Blickes,   mit  feiorlicli  langsamen    Sclirilten ,   als   Kane- 
p  boren    des  heiligen  Drailien    ans    dem  Tempel  hervor    nnd  nä- 
iierlcn  sich,    unter    Anfiihrnng  der  Piiesleiin,    vor    den    Augen  «ler 
glänbigen  Menge,  die  mit  banger  Erwarlnng  der  Enfsclieidiing  die- 
ser bedenklichen  Probe  entgegensah,  -während  sich  die  jnngen  Her- 
ren und  Damen  ans  der  Residenz,  die  in  ihren  gallischen  Cabrio- 
lets gerade  noch  zu  rechter  Zeit  angekommen  waren,  um  sich  ihre 
witzigen  Bemerkungen  über  dieses  fromme  Gaukf^lspiel  in's  Ohr  zu 
flüstern,  eine  Menge  anlivestalischer  Einfälle  niiltheilten.  Am  Eingange 
der  GroMe  wurden  den  schönen  Speiseträgerinnen  die  Augen  verbun- 
den.    Wehe  der  Armen  unter  ihnen,  die  zu  früh  von  der  verbote- 
nen Frucht  gekostet   und  ihren  Jungferngürfel   im  Verborgenen  ge- 
lös't  hatte.     Fürchterlich  tünte  ihr  das  Zischen  des  Drachen.     Strafe 
der  zürnenden  Gottheit  nnd  die  schmilhlichste  Beschimpfung  wartete 
auf  sie.     Kaum  betraten  sie  den  Eingang  der  Grotte,  so  fühlten  sie 
sich,  wie  durch  eine  unsiclitbarc  Kraft,  forlgezogen  nnd  kamen,  ohne 
zu  wissen,  wie,  an'sLager  des  furciitbaren  Drachen.  Zitternd  hielt  eine 
Jede  die  in    Honig  getränkten    Opferknchen    vor  sich  hin.     AVaren 
es  nnn  reine  und  unbefleckte  Jungfrauen,  so  verzehrte  der  besänf- 
ligte  Drache  die  Kuchen   sogleich  aus  ihrer  Hand;     wo  nicht,    so 
wiifste  der  nie  zu  tänsciiende  Jnngferninslinkt  des  heiligen  Thieres 
die  Verbrecherin    sogleich    herauszufinden.     Er    versciimähte    nicht 
nur  die  ihm  von  nnreiiieii  Händen  dargebotene  Speise,  sondern  eic 
liefs  auch  der  Frevlerin  seinen  ganzen  Zorn  fühlen.     Er  umwickelte 
und  bifs  sie.    Beschimpfung  und  Ehrlosigkeit  war  ihre  Strafe.   Heilige 
Ameisen  trugen  den   zerbröckelten  Kuchen  aus  der  entweihten  Grot- 
te.    Das  Fest    war    nnterbrochen.     Alles    trauerte.     Indefs    liefseii 
es  die  Mädchen,  die  sich   nicht  ganz  rein  wufslen,  wohl   selten  auf 
diese  gefährliche  Probe    ankommen.     Gewöhnlich    war   der   Drache 
sehr  gnädig  und  zufrieden.     Die  reinerfundenen  Jungfrauen  kamen 
glorreich  ans   der    Höhle    zurück    und    sprangen   unter   dem  lauten 
Jubel  der    Anwesenden    ihren    ängstlich    harrenden    Aeltern  an  den 
Hals.     Der  gute  Appetit   des   Drachen   war  zugleich  die  fröhlichste 
Vorbedeutung.    Der  hocherfreute  Landmanu  getröstete  sich  nun  der 
Holfnnngen  eines  fruchtbaren  Jahres.     Die  Lull  erscliallle  von  Freu- 
dengeschrei und    Glückwünschen.     Die    gepriesenen   Heldinnen  des 
Festes,  die  Jungfrauen  selbst,  wurden   vielleicht  mit  eben  so  vieler 
Feierlichkeit  in  ihr  mütterliches  Hans    zurückbegleitet    und  empfin- 
gen vielleicht  eben  so  schnell  den  Lohn  ihrer  erprobten  Keuschheit 
durch  eine  baldige  Hochzeit  als    einst  die  belobten  und  ])riesterlich 
eingesegneten  Rosenmädchen  in  Salencj-  und   Wörlitz.     Dann 
hätte  wirklich  der  Zweck  das  Büttel  geheiligt  nnd  wäre  aus  einem 
sumpfigen,  ungesunden  Boden  eine  zarte  Blume  emporgesprofst. 

Das  Gaukelspiel  selbst  bedarf  wohl  übrigens  keiner  mühsamen 
Enthüllung.     Das  Fressen  oder  Nichtfressen  der  heiligen  Schlange 


181 

war  eigenlUfli    die   Hauptsache    beiui   gauzcu   Feste.     Mau  weifs, 
vie  viele  Vorbeileuliingeii  iiiul  Wahrzeiclieu  das  Allerdmin  aus  dem 
Uiiistaude   zu   ziehen    wufs(e,     ob    die   heiligea    Tempelthiere    die 
ihueu  vorgehaltene  Speise  hegierii!:  frafsen  oder  unwillii»-  verschuiiih- 
len.      So   empfing    Gernianiciis    ein    luitriiglicLes   Anzeichen  seines 
Todes,  als  der  heilige  Stier  zu  IMeniphis  das  ihm  vorgehaltene  Futter 
zu  nehmen  sich  weigerte.     Besonders    war  dids   der  Fall  mit  den 
geweihten  Schlaugen  und  Drachen  in  den  Tempeln,  die  die  Priester 
zu  allerlei  jirophetischen  Blendwerken    und  Gaukelspielen  abzurich- 
ten und  uach  ihrer  Willkür  zu  zähmen  verstanden.     Kirgends   wa- 
ren diese  zahmeu  Schlangen  häufiger  als  in  den  Tempeln  des  Aes- 
culapius   und  der   Heilsgöttin  oder  Salus,  wohin  auch  die  Lauu- 
vinische  Juno    als  eine  Heilbringerin ,    Sospita,   gehört.     Daher 
nennt  die  Naturgeschichte  noch  jetzt   eine  Art  leicht  zu  zähmender 
nnd    zu    allerlei    Betrügereien    abzulichtender    Schlangen     Serpens 
Aesculapius,  die  Aesculapins- Schlange.     Es  bedarf  nun  keiner  Er- 
innerung, dafs  die  Priester  eine  Menge  Büttel  in  den  Händen  hat- 
ten ,  deu  Appetit  der   Drachen   nach  ihrer    Willkür    zu    bestimmen 
«nd  die  mit  verbundenen  Augen  in  die  Grotte  eingeführten  und  mit 
Maschinen  hinabgelassenen  Mädchen  nach  dem,  was  sie  schon  vor- 
her von  ihnen  wufsten  oder  muthmafsten,  ihrer  bewahrten  oder  ver- 
letzten  Jungfrauschaft    wegen    auszuzeichnen,     Dafs    aber   wirklich 
uur  die  rein    befundenen   Jungfrauen    unverletzt    in  die  Arme  ihrer 
■wartenden  Aeltern  zurüdcltehrteu,  sagt  nicht  allein  der  Dichter  Pro- 
perz,    der  in  einer  eigenen  Elegie   (der  8ten   des   4ten   Buches) 
diese  Lanuvinische  Juugferuprobe  besungen  und  von  dem  Betragen 
seiner    Galanterie    dabei    Rechenschaft   gegeben    hat ,    sondern    es 
wird  diefs  auch   vom  Aelian  ausdrücklich    versichert.     Die    Sache 
mufs  überhaupt  viel  Aufsehen  gemacht  und,  weil  es  in  der  Nach- 
barschaft von  Rom  geschah,  in  der  Agenda  der  Müfsiggänger  und 
Pilastertreter   dieser   grofsen  Stadt   ihre  eigene  Rubrik  gehabt  ha- 
ben.    Merkwürdig  ist  es  auch,  dafs  drei  römische  Geschlechter,  die 
Geus   Mettia,  Papia  und  Roscia,   zum  Andenken  ihrer  Ab- 
Btammung   aus   Lanuvium    selbst  auf  ihren    Familienmünzen  diese 
Jungfernprobe  abgebildet  und  ihr  dadurch  auch  für  die  Nachwelt  ein 
dauerhaftes  Denkmal  gestiftet  haben  *).     Vielleicht  dürfte  es  Man- 
chem nicht  unangenehm   sein ,   die  Kehrseite  einer  solchen  Münze 
betrachten  nnd  beim  Anblicke  des  bejahrten  Drachen,  wie  ihn  Pro- 
perz  nennt,  sich  in  die  Lage  des  verschleierten  IMädchens,  die  dem 
züngelnden  Ungeheuer  deu  Honigkuchen  zuträgt,  versetzen  zu  kön- 
nen **).     Vielleicht  lassen  sich  auch  noch  einige  andere  alte  Deuk- 


•)    S.  Rasche,  Lexicon  universae  rei  mimariae  T.  III.  P,  I.  c.  649. 
und  T.  II.  P.  II.  c.  1164.     T.  IV.  P.  I.  c.  1780. 

**)    S.  Vaillant,  Thesaur.  Familiär.  Numi  Familiär,  tab.  CXXII.  s. 
Fumilia  Roscia. 


182 

male,  die  man  gewöhnlicli  mir  auf  die  Göltln  Salus  übeiliaupl  be- 
zieht,   auf  diese  in  Rom  so  hekaimfc  Diachenvereliiunjj;  zu  Lann- 
vium  deuten.     Wir  wissen,  d;ifs  Marc  Anlonin,  wie  man  ilin  uann- 
te,  in   einer  Villa  unweit    Lannvium    j^eboreu  war    und  daher  diese 
Stadt  für  sein  Vaterland  ansah.     Nun  lindet  sieh  auf  vcrsi'hiedcneu 
Münzen  ,  die  unter  diesem  Kaiser  geschlagen  sind  ,    eine  wcibliehe 
Figur,   die    ein  grofser  Drache   von  nuten    umwickelt  hält.     Sollte 
CS  wohl  zu  viel  gewagt  sein,  zu  bcliaui)ten,  dafs  diese  sonst  nicht 
weiter  vorkommende  Schlangculicbkosung  sich  auf  eben  diese  Jung- 
fernprobe zu  Lannvium  beziehe    und    wohl  gar  die    Strafe  andeute, 
die  den   in    der   Probe    nicht  Bestandenen  angedroht  wurde?     Auf 
jeden    Fall  würde  ich   ein    altes  Inlaglio    auf   einem    Onyx  daraus 
erklären,  der  sich  nach  des  vormaligen  gelehrten  Antiquars  Lorenz 
Beger    Beschreibung    *)    in    der    von    Bartoli     erkauften    kur- 
fürstlichen königlichen  Dacljliothek  zu  Berlin  befand,  mm  aber,  wie 
so  viele  andere  Kunstwerke  jenes  Kabineis,  völlig  verschollen  und 
ungekannt  ist.     Das  Allcrlhnm    kannte   mehrere,    zum    Theil  noch 
seltsamere  und  abenteuerlichere  Jungfernproben,  mit  denen  wir  unsere 
schönen  Leserinnen  ein  ander  Mal  ans  den  griechischen  Erotikerii 
bekannt  zu  machen  gedenken.     Die  Nntzanweniiung    aber    können 
wir  billig  ersparen.     Sie  macht  sich  von  selbst  und  ist  schon  von 
dem  schalkhaften  Dichter ,    dem  wir   einen    Theil    der  Nachrichten 
hiervon  abgeborgt  haben,  vom  Properz,  gemacht  worden,  wenn  er 
bei   der   Grausen    erw^eckendcn    Schilderung    dieser   Lanuvinischen 
Schlangenhühle  ausruft : 

Ihr  IVIädclien,  ermangelt  nicht,  vor  diesem  Lanuvisclien  Drachen, 
So  oft  ihr  sclilafen  geht,  ein  dreifach  Kreuz  zu  machen  **). 

Dem  Himmel  sei  Dank,  dafs  die  Drachen  und  Lindwürmer  längst 
schon  abgedankt  und  nur  noch  in  alten  Ritlerromanen  und  Heili- 
genlegenden  anzutreftcn  sind.  .  Sic  niüfsten  in  unseren  Tagen 
ihre  Ungezogenheit  mit  dem  schmählichsten  Hungertode  büfsen. 
W^elche  schöne  Hand  würde  dieses  unartige  Vieh  auch  noch  mit 
Honigkuchen  mästen  wollen! 


♦)  In  Beger's  Thesaur.  Brandenb.  T.  I.  p.  67.  In  Tassie's  Catalogiie 
sucht  man  S.  2Sä  ff.  vergeblich  nach  diescju  oder  einem  ihm  älm- 
liehen  Stein. 

*♦)    Virgo,  tale  itcr  orane  cave! 


183 


IX. 

ü  e  b  e  r     die     K  e  1  c  cl  o  n  e  n. 


/Vlies  kommt  darauf  an  ,  den  ^Ijlhos  der  I\  nx  von  vorn  hereiu 
ricliliij-  aufzufassen.  Die  Eiie  war  dem  Giieclieu  ein  Sacni- 
lucut,  vorgesli'llt  durch  die  erste  E!ic  des  Zews  uud  der  Here.  Eiuc 
Kn|»|)leiiu,  dieJvHx,  verführt  den  Zeus  zum  Liebeshamlel  mit  der  lo. 
Zur  Strafe  wird  sie  vom  derGatlerköiiiyiii  in  einen  Vogel  verwandelt, 
dem  noch  immer  die  Kraft  beiwohnt,  zu  kuijpeln,  Liehe  einzuflöfseii 
und  die  Haine  mit  buhlerischen  Trieben  zu  belhöreu  *).  Nun  sollte 
die  Colchische  Medea  mit  Liebe  zum  Fremdling  Jason  bethört  wer- 
den. Eine  alte  Sage  erzählte  also,  die  Aphrodite  habe  dem  Jason 
den  Zaubervogel  Ivnx  verehrt  **)  und  ihn  gelehrt,  wie  er  ihn  auf 
ein  Zauberrad  legen  und  gegen  die  3Iedea  gebrt'uichen  müsse.  Von 
nun  an  tritt  also  dieser  Zaubervogel  in  den  Zauber- Apparat  der 
griechischen  Liebesbesehwörungen  ein.  Sein  Stammbaum  wird  er- 
weitert. Die  lynx,  keifst  es,  war  eigentlich  eine  Tochter  der 
Suada,  wie  sie  der  Römer,  oder  der  Pitho,  wie  sie  der  Grieche 
nannte  ***).     Auch  die  bildende  Kunst  bemächtigte  sich  dieses  Yo- 


*)  "Wir  würden  diefs  Alles  ausführliclier  wissen,  wenn  wir  die  A'rtx 
des  Callimaclius ,  wo  er  auch  von  der  lyux  liandeltc,  nocli  lesen 
könnten.  Jetzt  müssen  wir  aus  dem  trüben  Bäolilein  des  Siiidas  P.  II, 
p.  159.  und  den  Scholien  zu  Pindar's  Nemüen  IV,  56.  und  Theo- 
kiit  IT,  17.  unsern  Durst  so  gut,  als  wir  können,  löschen.  Ich  würde 
bei  Suidas  ä7rofV£cu5>)  statt  äxs>.i£*di5>)  zu  lesen  vorschlagen,  wenn 
nicht  der  Gewälusmann,  aus  welchem  der  Lexicograph  seine  Weis- 
heit scliöpfte,  wirklich  auf  die  steinernen  lynxbilder  alter  Denk- 
mäler gesehen  haben  konnte. 

**^  Die  Hauptstelle  ist  in  Pindar's  Argonauticis  oder  Pyth.  IV,  380. 
und  den  gelehrten  Scholien  dazu.  Hieraus  läfst  sich  nun  auch  die 
Kunst  des  ApoUonius  und  der  andern  Argonautendichter  beuitheileu, 
die  jene  rohere  Fabel  von  der  lynx,  die  Aphrodite  dem  Jason  ge- 
schenkt habe ,  in  eine  Uebenedung  der  Aphrodite  und  eüien  Lie- 
bespfeil des  von  seiner  ?»Iutter  aufgemunterten  Eros  uiubüdeten. 

''**)  Daher  nennt  Pindar,  Pyth.  IV.  390.  diese  lynx  in  einer  kühnen 
Metapher  /xäcrtya  IlsiSov;.  Man  vergesse  nur  nicht,  dafs  die 
Pitho  eigentlich  in's  Gefolge  der  Heiratlisstifterin  Ilere,  der 
Juno  pronuba,  gehörte  und  von  der  ersten  zugleich  mit  den  Clia- 
ritinnen  erst  zur  Venus  überging.  Nun  gab  es  aber  aufser  den 
erlaubten    Ueberreduugsküusten    der   Liebe ,    die    durch    die  Piiho 


184 

gels  als  eines  Sjmliols  der  Ueberrediingskünstc  zur  Liebe  und 
zwar  fiir's  Erste  nur  zur  Ueherredniiij;  biiljlerisclier  Liebe.  Noch 
sind  gescbuittene  Sloine  vorbaiideii,  die  niis  auf  die  friibesle  Quelle 
dieser  Künstler- Allegorie  zunukfiiliren.  Jason  steht  vor  einer  Säu- 
le, am  welflie  sich  der  Colchische  Drache  windet.  Auf  der  Säule 
steht  der  Wendehals,  der  Vogel  lynx  *).  Hierdurch  ward  gleich- 
sam die  Form  bestimmt,  wie  diese  lynx  \ou  den  Küustlern  gestellt 
werden  könnte.  Wenn  daher  auf  einem  sjuiteren  Kunstwerke,  einem 
Relief  im  Besitze  des  Herzogs  von  Carafa  Noja  zu  Neapel,  der 
Gedanke  ausgcfiilirt  werden  soll,  Paris  belbörte  die  Helena,  ihren 
Gemahl  zu  verlassen  und  dem  Buhlen  über's  IVIcer  zu  folgen,  so 
wird  die  Göttin  Pitho  auf  einer  Säule  über  dem  Haupte  der  Hele- 
na sitzend  und  ihr  gehedertes  Töchterchen,  den  Vogel  lynx,  mit 
der  Rechten  streichelnd  abgebildet  **).  Natürlich  blieb  man  aber 
auch  hierbei  noch  nicht  stehen.  Man  gab  nnn  diesen  Wundervo- 
gel auch  Jünglingen  (md  Mädchen  in  die  Hand,  wenn  man  den 
Zauber  des  Lieblings  recht  sinnlich  ausdrücken  wollte  ***).  So 
erscheint  er  aufgeschnittenen  Steinen  und  besonders  auf  alten  Vaseu- 


versinnbildet  werden,  auch  Philtra  und  Zaiiberheschwörungen  in  und 
aufser  der  Ehe.  Diese  }-jyyt;  wurden  Töcliter  der  Pitho,  waren 
aber  der  Matrone  Juno,  wie  billig,  aufs  Aeufserste  verhafst, 

•)  Der  Stein  ist  abgebildet  im  Museo  Florent.  T.  II.  tab.  39,  4.  Der 
unten  stehende  "Widder  läfst  keinen  Zweifel  übrig,  dafs  Jason  liier 
gemeint  sei.  Win  ekel  mann,  Cabinet  du  B.  de  Stoscli.  Class. 
III.  p.  324,  61.  fand  die  richtige  Deutung.  Die  Vorstellung  ist 
öfter  nacJigealimt  worden  und  in  diesen  Nachalimungen  noch  vor- 
handen. Vergl.  Lippert's  Dactjliothek  II,  97.  70.  Tassie's 
Catalogue  n,  8G34  — 39. 

**)  Die  Abbildung  dieses  in  vieler  Rücksicht  merkwürdigen  Reliefs 
finden  wir  bei  Winckelmann,  in  Monumenti  inediti  n.  115. 
Winckelmann,  dem  hier  niclits  als  die  Tauben  der  Venus  beifallen 
will,  erinnerte  sich  nicht,  was  er  anderswo  selbst  über  die  lynx 
gesagt  hatte.  Aus  dem  nun  einmal  festgesetzten  Gebrauch,  die 
lynx  auf  eine  Säule  zu  stellen ,  wo  unten  die  verliebte  Scene  ge- 
spielt wird,  erkläre  ich  nun  ancli  eine  der  schönsten  Yasenzeich- 
nnngen  in  Tischbein's  Engravings  T.  III.  t.  39,  wo  Jason  der 
Rledea  gegenüber  steht,  Eros  aber,  au  eine  Säule  geleimt,  auf  die 
Medea  zielt.  Auf  dem  älteren  Gemälde,  das  hier  der  Vasenzeich- 
ner copirte,  stand  sicherlich  oben  auf  der  Säule  die  lynx,  die  aber 
der  Kopist  als  eine  ihm  unverständliclie  Nebenfigur  (wie  diefs  nur 
zu  oft  auf  diesen  Vasen  der  Fall  sein  mag)  wegliefs. 
***)  Eines  der  merkwürdigsten  Vasengemälde,  wo  die  lyivx  zweimal 
ersclieint,  einmal  über  dem  Brautsessel  der  Brautwerberin  (■w^o- 
f*vif7rgtJi),  (las  andere  Mal  der  ursprünglichen  Bildungsweise  nach 
anfeiner  Säule,  von  einem  Genius  gehalten,   ist  in  der  Hancar- 


185 

zeitlimingen  weit  öfter,  als  man  diefs  vennuthen  sollle,  wobei  aT»er 
freilich  die  Erklärer  bald  au  eine  besondere  Art  der  Vogel wabr- 
saij:erei,  bald  aa  die  ältesten  Spuren  der  Falkenjagd ,  bald  an  al- 
les Andere  eher  dachten  *)  als  an  den  geheiuinifs  vollen  Wende- 
hals. Man  ging  noch  weiter.  Was  seinem  Ursprnnge  nach  nnr  be- 
Ihörenden  Liebeszauber  bezeichnet  hatte,  wurde  nun  für  jeden  Zau- 
ber der  Musenkünste,  für  jeden  süfsbethörenden  Reiz  der  Dichtkunst 
und  Tonkunst  gesetzt  **).  Man  nannte  die  lynx  in  dieser  letzten 
Beziehung  auch  Keledou,  und  so  erschien  sie  auf  dem  Grab- 
mal des  Sophokles  und  am  Tempel  des  Pythischeu  Apollo.  Es 
waren  wahre  Wendehälse  oder  lyngeu,  die  hier  abgebildet  wur- 
den, nur  dafs  man  den  Namen ,  der  fast  unwillkürlich  an  verliebte 
Zauberspiele  erinnerte,  lieber  mit  dem  edlern,  einem  Worte,  das 
die  Nachtigall  bedeutet,  fein  nachgebildeten  Ausdrucke  bezeichnete  ***). 
Es  ist  merkwürdig,  dafs  wir  noch  ein  Monument  auf  einen  alten 
Schauspieler  finden,  wo  der  Wendehals  im  magischen  Kreisel  die 


V  in  e' sehen  Sammlung  T.  II.  t.  25,  Wie  sie  auf  der  Säule  er»- 
sclieint,  ist  sie  auch  durch  den  umgediehten  Hals  als  torquilla  oder 
tortecollo,  wie  es  die  Italiener  nennen,  hezeicimet.  Auf  Blumen 
sitzend  linden  wir  denselben  Vogel  in  Tischbein's  Engravings  T. 
II.  t.  59.,  fliegend  T.  III.  t.  30,  vergl.  T.  IV,  55.  59.  Am  häufig- 
sten hält  der  Jüngling  dem  MädcJien  gegenüber  die  lynx  in  der 
Hand,  als  in  Tisclibein's  Sammlung  T.  III,  33,  (eine  der  schön- 
sten und  bedeutendsten  A'asen^  und  T.  IV.  39. 

*)  .So  erklärt  Caylus  in  seinem  Recueil  d'Antiquites  ein  nackendes 
Mädchen,  dem  der  Steinschneider  sehr  bedeutend  eine  lynx  in  die 
Hand  gab,  T.  I.  pl.  46.  für  eine  Pietas,  Auf  einer  Vase,  wo  der 
Jüngling  einen  wahren  Wendehals  Cer  hat  den  Kopf  umgedreht) 
in  der  Hand  trägt,  T.  II.  pl.  26,  3.  findet  Caylus  p.  82.  die  äl- 
testen Spuren  der  Falkenjagd.  Man  vergl.  T.  III.  pl.  23,  2.  3, 
wo  er  zwei  Jünglinge  mit  Zauberstäben,  uui  den  Kreisel  zu  trei- 
ben, nnd  zwei  Wendeliälsen  auf  der  Hand,  für'  Vogeldeuter  hält 
p.  91.     Vergl.  T.  IV.  pl.  44,  2.  pl.  45,  3. 

**)  Der  metaphorische  Gebrauch  des  Wortes  *vy^  für  jeden  Liebreiz 
in  der  Sprache,  den  schon  Ernesti  zu  den  Memorabilien  so  gut 
erläutert  hat  (vergl.  zu  Hesych.  T.  II,  c.  84,  24 ),  läfst  gar  nicht 
zweifeln,  dafs  man  auch  in  Bildwerken  nacli  und  nach  weiter  <ia- 
nüt  gegangen  sei;  und  so  bezeichneten  die  lyngen  im  Tempel  zu 
Delphi  so  gut  wie  jene  magisch  belebten  im  Palast  der  persischen 
Konige  beim  Philostratus  V.  A.  T.  I,  25.  p.  34.  gewifs  ganz  an- 
dere Liebreize  als  die  nur  im  Gebiete  der  Aphrodite  und  des  ver- 
liebtmachenden Hexenspuks  zu  finden  sem  möchten. 

***)  Meluere  griechische  Schriftsteller  bedienen  sich  des  Worts  Kar*- 
ni^XiiffSai  von  dem  Gebrauch  der  lynx.  S.  Suidas  s.  v.  'vy^, 
K>)Xv)5ä'v  ist  also  nur  die  alte  participiale  Form,  die  auf  1i,y^  bezo- 


186 

Hannd'üllc  spielt  nnd  gcwifs  nur  eine  svinLolischc  ßedcnliin^  haben 
kann  *).  Nun  erst  läfst  es  sich  ganz  hogreil'cn ,  warum  der  alte 
Biograph  des  Sophokles  das  für  eine  Schwalbe  anscIien  konnte,  — 
denn  die  Schwalbe  dürfte  sich  schvveilich  doit  ans  dem  Texte  ver- 
treiben lassen,  in  welchen  siesicli  nach  einem  längst  verjähilen  r«ee!i(e 
eingenistet  hat  —   was  doch  eine   wirkliche  Ivnx  vorstellen  seilte. 

Höchstwahrscheinlich  entstand  nun  eben  ans  einer  Vermisch- 
ung dieser  Zaubervögel,  die  eigentlich  nicht  durch  Gesang,  son- 
dern durch  die  drehende  Bewegung  des  Halses  **)  und  das  wun- 
derbare Vorstrecken  der  Zunge  den  Zauber  verrichten  sollten ,  mit 
den  musikliebenden  Acheloiden  oder  den  jungfräulichen  Sirenen 
Hcsperiens,  über  welche  Vofs  in  seinen  mythologischen  Briefen 
so  viel  Trelfendes  zn  sagen  weifs,  die  Wundergeslall  der  h  a  r- 
p  V  j  enfüfs  igen  Nachtigallen,  wie  sieLvcophron  nennt,  der 
bekannten  Sirenengestalten  mit  dem  Oberlheil  eines  musicalischen 
Mädchens  und  eines  Vogels  aus  dem  Geschlechle  dei- Spechte  ***). 
Mau  schmolz  damit  gleichsam  die  doppelte  Ueberredungsknnsl  (Pi- 
Iho)  des  Gesanges  und  körperlichen  Liel)reizes  in  ein  allegorisches 
Zwitters^eschöpf  zusammen,  das  doch  die  veredelnde  Kunst  auch 
wohl  nur,  wie  auf  der  Vase ,  die  Ar  dito  so  seltsam  commcntirle, 
iu  die  reinere  Urform  einer  Citherspielerin  zurückbrachte. 


gen  werden  mufs.  Dafs  man  diese  Vögel  ancli  aus  edeln  Steinen 
mit  eingelegtem  Golde  verfertigte  und  so  den  Göttern  aiifliing, 
beweist  das  Epigramm  in  den  Analekten  T.  IJI.  p,  152.  CXI  II. 
Pietro  Santi  Bar  toll  giebt  es  in  seinen  Sepnlciis  tab.  XIY. 
nacb  der  Uebersetzung  von  Düker  im  Xllten  Tlieil  des  Gronovi- 
scben  Thesaurus.  Audi  Caylus  beruft  sich  darauf  T.  I.  p.  203. 
Bald  sollte  ich  glauben,  dafs  in  dem  Monument,  das  uns  Winckel- 
mann  aus  der  Villa  Alljaui  gegeben  hat,  s,  Monumenti  inediti  n.  194, 
der  dort  auf  einem  Kästclien  neben  dem  Troclius  sitzende  Vogel 
eigentlich  darin  sitzen  und  eine  wahre  '-^y-  vorstellen  solle. 
Nicht  des  Schwänzchens,  ein  Vorgeben,  das  aus  der  Verwechshing 
des  yjyy.ko;  oder  csiTc^vy^; ,  'ler  unter  dem  Namen  xivai'bsicv 
(s.  Hesych.  s.  v.)  gleiclifalls  zu  Zaubereien  gehraiicht  wurde,  ent- 
standen zu  sein  scheint.  Diefs  haben  schon  Munker  zum  An  ■ 
toninus  Liberalis  und  Js.  Vofs  zum  Mela  liinlänglich  erwiesen. 
Vergl.Notes  sur  riiistoire  d'Aristote  in  Camiis's  Ausgabe  S.  808. 
Eine  Sirene  und  Keledon  oder  Ijnx  neben  einander  selten  wir  auf 
der  uralten  Vase  in  Hancarville  T,  I.  tab.  99.  Zur  Einsiclit, 
wie  sich  diese  Zwittergestalt  erst  nach  und  nach  ausgehildct  liabe, 
dient  vorzüglich  aucli  die  Abbildung  in  der  T  isch  bein'schen 
Sammlung  T.  I.  t.  26.  Kine  besondere  Vermiscining  des  ägypti- 
schen Geschmacks  mit  der  Sirenenhildung  erscliciut  in  Caylus, 
Recueil  T.  III.  pl.  11,  1.  Die  Figur  ist  auch  darum  merk- 
würdig, weil  man  daraus  sieht,  wie  sie  walirscheinlich  an  eine 
Decke  aufgehangen  wurde. 


Zweite  Abtheilung. 

Zum  Bühnenwesen  der  Griechen  und  Römer. 


><^0^*< 


I. 

Die     F u r i e n m a s k e 

im  Trauerspiele  und    auf  den  Bildwerken 
der  alten   Griechen. 


Icli  darf  behaupten,  dafs  die  alten  Künstler  nie  eine  Fnrie 
gebildet  haben. 

Lessing,  Laokoon,  S.  30. 

.rlLeschTlus  IiaKe  im  dritten  Stück  seiner  Tetralogie,   die  schon 
das  Alterthuin    unter   der   Benennung'    Orestias  hewnnderte,    in 
den  Eimienidon,  Alles  anfgeboten,  was  frühere  Volkssagen,  eine 
schon  vorhandene  Bildersprache  nnd  seine  kühnanfstrehende,  mit 
Ung-ehenrcm   eigener  Schöpfung-  sich  gern    umringende  Phanta- 
sie zur  Ausstattung  jener  furchlharen  Strafgüllinncu    nur  immer 
darbot.     Das  Uuteruehnien  war  gewagt  und  eines  Dichters  voll- 
kommen würdig,  hei  dessen  Erscheinung  noch  in  der  Unterwelt 
Aristophaues  ein  schwarzes  Lamm    zu  schlachten  befiehlt,    wie 
man  es  sonst  nur  den  brausenden  Orkanen  opferte.    Der  gemeine 
Athener  wagte    es  kaum ,  jene  furchtbaren  Göttinnen  mit  ihrem 
eigentlichen  Namen  zu  nennen.     Er    bezeichnete    sie    blos    mit 
der    Benennung:     die    Ehrwürdigen.      Nun     brachte   der 
kühne   Trauerspieldichter  iu   der  Tragödie  ,    die  er  nach   ihrem 
mildern   Namen  Eumeniden  benannte ,    eine  Schaar  von  fünfzig   2, 
dergleichen    Plagegeistern,    als    handelnden    Chor,    auf  die 
Bühne  *)    und  verhreitete  Furcht   und  Entsetzen  über  alle  An- 
wesende durch  ein  so  ungewohntes  Schauspiel.    Eiue  alte  üeber- 
lieferung  versichert,    dafs  das  souveraine  Volk  von  Athen,    so 
sehr  es  sich  auch  sonst  nach  der  Stufe  seiner  damaligen  Aus- 
bildung   noch    für    Alles   iuteressiren    mochte,    was   die    Sinne 
durch  Pomp,  abenteuerliche  Mifsgcstallen   und  gewaltsame  Ein- 

.*)    S.  Anmerkung  no.  I, 


190 

drücke  crscliülterte  *),  Jennoch  diese  ungelieure  Srlucckens- 
schöpfnng  etwas  zu  sUirk  für  seine  Nerven  gefunden  nnd  ein 
Gesetz  gegeben  habe,  welches  die  Ueberzahl  der  Chorfignranten 
auf  15  einschränkte  **).  Aehnliche  Auftritte ,  als  jene  erste 
Anffiihrnng  der  Ennienideu  veranhifste,  wären  dadurch  freilich 
anf  alle  Zukunft  verhütet  worden. 

Doch  mag  es  mit  dieser  Sage,  die  wenigstens  in  ihrer  spä- 

3.    teren  Ausschmückung-   offenbare  Spuren  der  Cnechthcit   au  sich 

trägt  ***),  beschaffen  sein,  wie  es  will,  so  viel  ist  gewifs,  dafs 


•)  Daher  die  vielen  Maschinerieen  und  Decorationen,  durcli  deren 
seltsamen  Gehrauch  Aeschylns  so  viel  wirkte ;  ralg  e-^/iCt  v^og 
suTck^^^iv  T£faTuj5>)  v.£xe>jTa/  sagt  der  alte  Biograph.  Vergl.  Vofs, 
mythologische  Briefe  II,  130.  164.  Die  alten  Komiker,  unter  dem 
Scheine,  als  machten  sie  diese  Wundergescliöpfe  iluer  tragischen 
Halhbrluler  in  iliren  Travestirungen  lächerlich,  fröiinten  doch  selbst 
wieder  dieser  Schaulust  der  Athener.  Man  denke  an  die  Wolken,  die 
Frösche,  die  Wespen  des  Aristophanes. 

»*)  So  viel  läfst  sicli  nur  aus  den  Worten  de?  Pollux  IV,  110.  lier- 
ausbringen,  verglichen  mit  den  Scliolien  des  Aristophanes  zu  Equit. 
586.  Av.  298. 

***)  Pollux  am  ang.  O.  sagt,  die  Zalil  des  Chors  sei  durch  ein  Ge- 
setz herabgesetzt  worden,  weil  die  Zuschauer  aufser  sich  vor 
Schrecken  gewesen  wären,  toü  xXvjSsuf  sKirTojSsvTOj.  Nun  hat 
der  alte  Biograph  des  Aeschylus,  und  dieser  auch  nur  allein,  noch 
den  wunderbaien  Zusatz,  Einige  erzälilten,  das  Schrecken  sei 
•o  grofs  gewesen,  dafs  Kinder  ihren  Geist  aufgegeben  und  W^ei- 
ber  Fehlgeburten  gemacht  hätten.  Ich  Iiabe  sclion  an  einem  an- 
dern Orte  (N.  T.  Merkur  1796.  I,  37  f.)  die  ünstatthaftigkeit  die-, 
ser  Sage  daraus  erwiesen,  dafs  im  alten  Athen  die  W^ eiber  nie 
Zuscliaueiinnen  im  Theater  gewesen  wären.  Auch  seitdem  ist 
mir  noch  keine  Stelle  vorgekommen,  die  dieser  Behauptung  wi- 
derspräche. Offenbar  liegt  eine  komische  Hyperbel,  wie  z.  B.  in 
den  griechisclien  Ei)igrammen,  wo  Einer  beim  Anblick  eines  schlech- 
ten Arztes  sogleicli  seinen  Geist  aufgiebt,  zum  Grunde.  Einer 
ähnliclien  Hyperbel  verdankt  der  Spruch  des  Gorgias  seinen  Ur- 
sprung: Mars  selbst  habe  dem  Aeschylus  seine  Sieben  gegen  The- 
ben dictirt.  S.  Plutarch  in  Sympos.  VII,  10.  p.  336.  Durch  sol- 
che in  Uebertreibungen  sich  gefallende  Rlietoricationen  ist  eine 
zahllose  Menge  historischer  Mälnclien  in  unsere  grieciiische  und 
römische  Weltgescliiclite  gekommen,  womit  das  merkwürdige,  einer 
neuen  Umarbeitung  nicht  unwerthe  Buch:  Farfalloni  degli  anticlii 
istorici,  Venet.  1636,  (worin  100  solcher  Windbeuteleien  alter  Hi- 
storiker mit  vielem  Witz  aufgedeckt  sind)  beträchtlich  Lereicliert 
werden  könnte.  Uebrigens  kann  dieses  Mälirclien  zum  Beweis  die- 
nen, wie  die  gröfste  Ungereimtheit  in  unangetasteter  üeberliefer- 


J 


191 

der  tragische  Dichter  durch  eine  solche  Anfli.'iufiing  des  Schreck- 
lichen, das  er  mehr  dem  Auge  .ils  dem  Verstände  des  Zuschauers  4, 
TOI  führte,  maiirlierlei,  dem  ersleii  Scheine  nach  nicht  nngegrüiide- 
touAiilafs  ^iiiii  Tadel  gogcl»«'])  hat,  den  schon  Aristoteles  in  seiner 
Puelili  ausspricht,  weiiu  er  sagt :  ,, Schrecken  durch  Decorationen 
Lervorznhringen,  zeigt  von  geringen»  Kunstgeschmack  und  blo8 
von  der  Verscliwenduiig  des  Theaterunternehmers"  *). 

IN'enere  Knnstrichter  haben  sich  auch  bei  jener  Stelle  des  Ari- 
stoteles sogleich  an  diesen  unholden  Chor  der  Holden  (Eumeni- 
den)  in  unserm  Trauerspiele  erinnert  und  ihre  3Iifsbilligung 
eines  solchen  Mifshrauchs  des  Theaters -Apparats  ohne  alle 
Sciiojinng  geäufsert  **). 

3Iau  kann  freilich  den  ehrwiirdlgen  Vater  des  allen  Trauer- 
spiels anch  Avegen  dieser  übertiiebeueu  Häufung  des  Schrecklichen 
in  Decorationen  und  Geistcrerscheinnngeu  theils  durch  den  Ge-  5, 
schniack  seines  Zeitalters,  theils  durch  dio  Eigentbiimlichkeiten  sei- 
nes Geistes,  der  zur  Erreichung  des  Erhabenen  auch  die  äufseru 
Mittel  nicht  verschmähte,  ungefähr  eben  so  entschuldigen,  als  nian 
CS  in  neueren  Zeilen  mit  Shakespeare's  älinliclieu  Verirrungen  ge- 
macht hat***).  Ja  es  liefse  sich  vielleicht  noch  eiu  anderer,  bis 
jetzt  Avenig  betretener  Weg  ausfindig  macheu,  auf  welchem  alle 
hier  so  mächtig  anfgethiirmleu  Schrecknisse  und  Scheusale  noch 
eine  ganz  eigenthiimlirhe  Beziehung  und  Milderung  durch  den 
Zeitpunkt  erhiellcu ,  in  welchem  der  Dichter  dieses  Stück  zur 
Ijesoudern  Belehrung  und  Erbauung  seiner  Athener  zum  ersten 
Mal  aufführen  liefs  -f).     Allein  diefs  ist  nicht  der  Zweck  dieser 


ung  bis  auf  die  neuesten  Zeiten  fortgepflanzt  werden  konnte. 
Woran  zu  ihrer  Zeit  weder  Perizon  ad  Aelian.  V,  H.  Y.  19, 
IX,  29,,  noch  Bergler  zu  Aristoph.  Plut.  423,  beide  scharfsin- 
nige jVIäiiuer  in  der  historischen  Kritik,  nicht  dachten  be- 
merkte auch  Rochefort  niclit  in  seiner  Abhandlung  sur  Tobjet  de 
la  tiagedie  chez  les  Grecs  in  denMemoires  de  l'Acad.  des  Inscript. 
T.  XXXIX.  p.  146.  nnd  in  der  neuen  Ausgabe  von  Bruniov 
Theatre  des  Grecs  T.  IL  p.  253.  und  sowohl  Bartheleniy  in 
seiner  Voyage  d.  j.  Anach.  Yll,  209,  als  die  Verfasser  der  Athe- 
nian  letters  beteten  die  alte  Sage  treulich  nach.  S.  Athenien- 
sische  Briefe.  TJi.  I.  S.  539.  mit  Jacob  s's  berichtigender 
Bemerkung. 

*)    Aristoteles,  Poetik    c,   14.   p.  98.  Harl.   c.  15,  pi  230.    Vol.   V. 
Op.  ed.  Buhle. 
**3    Z.  B,  Twining,  Notes  p.  316,   vorzüglich  Jacobs,  Charak- 
tere der  vornehmsten  Dichter  II,  2.   S.  424. 
***)    S.  Eschenburg,   über  Shakespeare   S.  133.  Vergl.  War- 
ton, on  English  Poetry  T.  III.  p.  334. 

t)    S.  Anmerkung  no.  U, 


192 

kleinen  Abhnmllnng.  Meine  Ahsiclit  ist  vielmehr  hier,  ein  Ver- 
spreclieii  zn  erfüllen,  welches  ich  jüngst  den  meinem  Unlerrichte 
anvertrauten  Jünglingen  tliat,  als  wir  heim  g;emi'inschaftlichcu 
piirchlesen  der  Eunieniden  c:anz  natürlich  auf  die  Frage  geleitet 
wurden,  wie  denn  nun  eigentlich  der  alte  Tragiker  diese  schreck- 
baren Fnrienniasken  ausgestattet  und  den  starrenden  Blicken  sei- 
ner Zuschauer  vorgeführt  habe.  Schon  damals  machte  ich  mich 
zu  einem  Versuch  anheischig,  in  welchem  diese  Frage,  so  weit  sie 
sieh  aus  Angaben  des  Dichters  sowohl  als  anderer  alten  Schrift- 
steller muthniafslich  beantworten  lafst,  etwas  genauer  erwogen  wer- 
den sollte.  Meinen  jungen  Freunden  sei  also  auch  diese  Unter- 
suchung gewidmet.     Den  ehrwüidigen  Göttinnen  durfte  in  Athen 

6.  nur  von  den  Händen  freigeborener  Jünglinge  ein  Opferkuchen  ge- 
backen werden.  So  wollte  es  die  heilige  bedeutungsvolle  Sitte  der 
Vater  *).  Warum  sollten  wir  uns  nicht  noch  jetzt  mit  der  bild- 
lichen Darstellung  jener  Göttinnen  auf  einige  Augenblicke  beschüf- 
tigen  können,  in  deren  dichterischer  Entwickelung  und  stufenwei- 
ser Veredlung  dem  aufmerksamen  Beobachter  ein  neuer  Beweis  der 

7.  schönen  hellenischen  Cultnr  selbst  unter  einer  düsteru  Hülle  sich 

offenbart  **). 

Denn  auch  au  der  grausenden  Furienmaske  zeigte  die  sanft- 
mildernde,  still  besänftigende  Kunst  der  Griechen  nach  und  nach 


Der  ganze  Scblufs  der  Eumeniden  nnifs ,  was  bis  jetzt  keiner  der 
Erklärer  des  Aescbybis  bemerkt  hat,  aus  einer  jährlicli  einmal  ge- 
feierten Procession,  die  den  Ehrwürdigen  zu  Kliren  in  Atlien  ge- 
halten wurde  ,  erläutert  werden.  Denn  darum  dichtet  eben  der 
Tragiker,  dafs  IMinerva  selbst  das  erste  Schaugepränge  der  Art 
veranstaltet  liabe.  Die  merkwürdigste  Stelle  darüber  kommt  beim 
Philo  vor,  qnod  omnis  probus  über  p.  886.  B.  Hoesch.  Da 
heifst  es  nun  aucli  ausdrücklich  unter  Anderm:  die  heiligen  Ku- 
chen, rcc  'jrgo;  ry)v  eoprJjv  vijxixoirix  ^  (keine  Procession  war  ohne 
dergleichen  Tcirav«  c//$)«Xwt«,  s.  Perizon  zu  Aelian  V.  H.  XI,  5, 
denn  sie  geborten  unerläfslich  zum  Voropfer,  irpöQ-jfxx^  backen 
die  angesehensten  unter  den  Jünglingen  und  reclmen  sicli  diesen  Dienst 
zur  Ehre  an,  rüjv  i(pv\ßwv  ol  hoy.i(xwT(XTci  ciroizotcZai  vqoq  euSc- 
?j'«f  Kot}  Tt/J^yj;,  oiriQ  eittJ,  ry)v  VTVj^i-ciotv  riSefxsvot,  Die  Stelle  hat 
auch  schon  Casaubonns  ad  Athen.  IV,  21.  p.  305.  zu  dieser 
Absiclit  angeführt.  Die  ganze  Procession  mufs  aufserst  feierlicli 
gewesen  sein,  da  aus  den  ersten  Magistraturen  10  sacrificnli, 
isqoTcoio'i,  dazu  gewählt  wurden,  worunter  sich  einst  auch  Demo- 
sthenes  befand  in  Midiana  p.  552.  6.  570,  7.  S.  die  Hauptstelle 
darüber  aus  einem  verloren  gegangenen  Grammatiker,  im  Etjmo- 
log.  M.  s.  V.  hqoTfcio;  P-  468.  in  ün. 
S.  Anmerkung,  no.  III. 


193 

ilue  Kraft.  Auch  hierin  kann  der  feine  Sinn  der  Hellenen  nns 
zum  Muster  und  Beispiel  dienen.  Und  so  mag  auch  diese  Un- 
tersuchung- in  zwei  Haiipttheile  zerfallen,  wovon  der  crstere  sich 
mit  der  Furieumaske  beschäftigt,  wie  sie  Aesciijlus  für  seine 
Tragödie  schuf  nnd  die  späteren  Dichter  in  mehr  oder  weniger 
bestimmten  Umrissen  nachbildeten ,  der  zweite  aber  an  einigen 
nns  noch  übriggebliebenen  Kunstdcnkniälern  zeigt,  wie  der  ver- 
feinerte Kunstsinn  des  griechisclien  Bildhauers  und  Millers  anch 
hier  die  Klippen  der  Häfslichkeit  und  der  Verzerrung  glücklich 
zu  vermeiden  wufste. 

Vorausgesetzt,  was  sich  mit  ziemlicher  Gcwifsheit  anneh- 
men nnd  woraus  sich  Vieles  vom  Totaleindruck  einer  Aeschy- 
leischen  Darstellung  erklären  läfst,  dafs  die  ganze  Tetralogie, 
die  schon  Aristophanes  unter  der  Benennang  der  Orestias  citirt, 
an  einem  Tage  des  grofseu  Dioiiysienfcstes  in  ununterbroche- 
ner Aufeinanderfolge  auf  einmal  vorgestellt  worden  ist;  *)  so  war 
es  von  der  dramatischen  Kunst  des  Dichters  zn  erwarten,  dafs  8. 
er  schon  am  Ende  der  Choephorcn,  als  dos  nächslvorhergehen- 
den  Stückes,  die  Zuschauer  auf  die  Erscheinung  der  Plage- 
göttinnen, die  er  im  folgenden  Stücke  wirklich  vor  ihre  Augen 
zu  bringen  beschlossen  hatte,  durch  einige  Andeutungen  vor- 
bereitete. Diefs  ist  auch  wirklich  dort  der  Fall,  Denn  nach- 
dem Orestes  nach  vollbrachtem  Mutterniorde  sich  gereciitfertigt 
und  zur  freiwilligen  Verbannung  wegen  seiner  Blutschuld  an- 
geschickt hat,  erblickt  er  zum  ersten  Mal  die  Furien,  obgleich 


*)  Da  es  gewifs  ist,  dafs  Aeschyhis  stets  mit  vollen  Teti'alogieen  ge- 
gen seinen  Nebenbuhler  auftrat  (erst  Sophocies  concurrirte  mit 
einzelnen  Stücken) ,  so  ist  es  auch  mehr  als  wahrscheinlich,  dafs 
diese  Tetralogieeu  gleich  hinter  einander  oder  st;  yui'av  a^ioiaTiv, 
wie  Aristoteles  es  nennt,  Poetic.  c.  25.  p,  265,  ed.  Buhle, 
gespielt  wurden,  wie  auch  Barthelemy  die  Sache  verstan- 
den zu  haben  scheint,  in  den  Memoires  de  l'Acad.  d.  Inscript. 
T.  XXXIX,  p.  181.  Twining,  Notes  on  Aristotle  p.  475. 
räumt  zu  viel  ein,  wenn  er  zngiebt,  dafs  eine  solche  Tetia- 
logie  durch  die  vier  verschiedenen  Feste,  wo  jährlich  Theater- 
spiele statthatten,  durchgegangen  sei.  Das  Höchste,  was  man  zu- 
geben kann,  ist,  dafs  die  theatralischen  Vorstellungen  an  jedem 
einzelnen  Feste  mehrere  Tage  hinter  einander  gedauert  haben. 
Vergl.  Tyrwhitt  in  notis  ad  Aristotelem  p.  192.  Aber  auch  dann 
würde  die  Tetralogie  jedes  Dichters  doch  nicht  getrennt  worden  sein, 
nnd  eben  dadurch  erldelt  die  letzte  von  ihnen  die  schöne,  bezieh- 
ungsvolle, tröstende  Auflösung,  worülier  H.  Suvern  neuerlich 
mehrere  sehr  feine  Bemerkungen  gemacht  hat:  Heber  Schiller'« 
Wallensteln  in  Hinsicht  auf  griechisclie  Tragödie  S,  222,  ff, 

Böttiger'i  kleine  Schriften  I.  13 


194 

jetzt  nur  uocfa  dem  slarrendeu  Auge  des  AValinsiuns  allein  sicht- 
bar, die  grauseu  Fuiieogestalten  (V,  1045  fF.) 

Seht,  Mägde,  jene,  die  Gorgonen  gleich, 
9,  Schwarz  eingehüllt,  mit  Scldangemvindnngen 

ümiiocliten  sind!     Ich  Aveile  länger  niclit.  — 
Das  sind  gewifs  der  Mutter  grimme  Hunde. 

Der  Chor  sncht  ilim  zuzureden  und  seinen  Sclireckeu  blos  auf 
das  Entsetzen  vor  der  frischen  Ulutschuld  zu  schreiben.  Allein 
er  schreit  auf's  Neue:  (V.  1054.) 

Apollo,  Herrscher!  sieh,  es  wächst  die  Zalil, 
Und  ihrem  Aug''  entträufelt  sclieufslich  Blut! 

Wir  sind  hierdurch  auf  häfsliche  Gorgonenn^estalteu ,  schwarz, 
mit  Schlangen  nmwnnden,  in  Schaaren  sich  häufend,  mit  bluti- 
gen Blicken,  vorhereitet,  nnd  so  verkündet  sie  nnn  auch  die 
mit  Entsetzen  erfüllte,  auf  allen  Vieren  ans  dem  Heilig- 
(lunne  des  Pjtliischen  Gottes  hervorkriceheude  Priestorin  gleich 
an  Anfange  des  ncueu  Stückes ,  der  Eumeuiden  selbst.  AVas 
müssen  das  für  gräfsliche  Unholdinnen  sein,  über  deren 
schlafende  Gestalten  die  alte,  vieieifahrene  Pytliia  so  zu- 
sammensinkt  und  in  solcher  Positur  sieh  in  die  Tcnipelbalien 
10.  heransschk'ppt?  *)     Alan   könnte  hier  dem    Dichter    den  Vor- 


Dieser  Ausdruck  des  Schreckens  gehört  zu  den  Stellen  unseres 
Tragikers,  wo,  wie  Twining,  Notes  p.  469.,  bemerkt,  die  Er- 
habenlicit  des  Aeschylus  nalie  an's  Lächerliche  streift.  In  der  That 
üufsert  Rali)li  in  Butler's  lludibras  sein  Entsetzen  einmal  gerade 
auf  diese  Weise.  Wir  würden  nach  unseren  Begriffen  im  hohen 
Trauerspiele  eine  auf  allen  Vieren  kriechende  Oberpriesterin  unter 
keiner  Bedingiing  ertragen.  Audi  fehlte  es  schon  hei  den  Alten 
niclit  an  lächerlichen  Anspielungen  auf  diese  von  Aeschylus  und 
Euripides  beliebte  Stellung.  RIan  denke  nur  an  das  r£rparzohy,lcv 
«ffrav«/  ii^  Aristoplianes,  Pac.  8GC,  wo  es  eine  sehr  verdächtige  Stell- 
ung eines  jungen  JVIädchens  bezeichnet,  (vergl.  T.  II.  zu  Lucian, 
Dial,  Mort.  VII.  T.  I.  p,  307.)  oder  an  die  abgeschmackte  vier- 
füfsige  Kriegslist  des  Dolon  im  Ti'auerspiele  Rhesus  V.  209.  ff., 
die  schon  Valckenaer  in  Diatribe  ad  Eurip  Trag.  p.  102.  mit 
der  List  des  Dorcon  in  Longus  I.  p.  14,  Villois.  vergleicht. 
Allein  so  molivirt,  wie  diese.  Scene  liier  ist,  muTste  sie  alle 
Zuschauer  mit  einem  geJieimen  Scliauder  erfüllen  und  konnte 
eben  so  wenig  lächerlich  werden  als  jenes  Fortkriechen  auf 
Händen  nnd  Füfsen  des  geblendeten  Polymnestor  in  Euripides, 
Hecuba  V.  1033.,  raTfäxcScf  ßäfffj  Syj^o;  cgscri^ov  ri$i/ASvc; 
tv)  x^''?"^  *"•"'  »'•«~"x'''''5  (nach  Porson's  und  liermann's 
Lesart.) 


195 

T^■urf  macLen,  dafs  er  diircli  diese  Toransgeschickteu  Schilder- 
ungoii,  ^vo  der  enipürten  Plifintasie  der  Zuschauer  ein  uaendli- 
clier  Spielrauui  gelassen  wurde,  demEiadrueke  der  Wirkhclilieit, 
die  kurz  darauf  eiutritl,  nolhwendig'  nur  schaden  konnte,  da  die- 
ser hinter  den  Schreckeiisphantoruen,  die  ans  dem  freieu  Spiel 
einer  so  auf^cregfon  Einbildungskraft  entstanden ,  unendlich 
■weit  znrückhleiheQ  inufste  *).  Allein  man  mufs  hierbei  den  11, 
Umstand  niclit  -aus  der  Acht  lassen  ,  dafs  durch  die  Aufführ- 
ung der  Furien  eine  neue,  vorher  noch  nicht  gesehene  Cha- 
ractennaske  der  tragischen  Bühne  aufgestellt  wurde,  und  dafs 
also  hier  die  Vorbereitung  der  Zuschauer  auf  das ,  was  ihren 
Augen  bald  wirklich  vorgeführt  werden  sollte,  ganz  in  der 
Regel  war,  Vfas  über  die  erzählenden  Prologe  des  Eu- 
ripideischen  Trauerspiels  erinnert  worden  ist,  läfst  sich  mit 
geringer  Abänderung  auf  anscreu  Fall  anwenden.  Hierzu 
kommt,  d;ifs  der  alte  Tragiker  im  Voraus  seiner  Sache  gewifs 
war  und  wohl  wnfsfe,  dafs  seine  Furienschaaren  seli)st  von 
der  gereizten  Phantasie  seiner  Zaschauer  nicht  gransender  ge- 
malt werden  koiuittn,  als  seine  Knust  sie  in  der  Wirklichkeit 
darstellte.  Die  Pjilaa  hat  den  Anblick  des  bluttriefenden  Mör- 
ders geschildert.     Nun  fährt  sie  fort: 

Vor  ihm  (dem  Orestes)  cntsclilammert  safs  auf  dem  Gestühl        12, 

Der  AVeiber  eine  wunderbare  Scliaar. 

Niclit  "Weiber,  nein,  Gorgonen  nenn'  icli  sie. 

Doch  auch  den  Gorgobildein  sind  sie  ungleich 

_     ^     _     _     _  **:) 


*)  Ganz  anders  wii'kt  eine  solclie  vorbereitende  Schilderung'  irii  cpi- 
sclien  Gedicht,  wo  der  Pliantasie  nie  durch  die  wirkliebe  Bescliau- 
ung  Glänzen  gesetzt  werden.  Im  Drama  tonnen  dergleichen  Vor- 
bereitungen uns  höchstens  nur  in  den  Kaum  einliihren,  in  welchem 
bald  etwas  Wichtiges  vor  dem  Auge  der  Zuschauer  geschehen  soll, 
und  docli  kann  selbst  hier  die  einti'etende  "vVirklicbkeit  das  lieb- 
licliste  Pliantasiespiel  vernichten,  z.  B.  in  Scinller's  Piccolo- 
mini,  wo  Thekla.dea  astronomischen  Saal  beschreibt,  der  uns 
dann  lue  wiiklicli  gezeigt  werden  soll.  Aeschyius  verstand  übrigen3 
sehr  wohl,  was  nur  angedeutet  werden  konnte  und  der  Einbildungs- 
kraft des  Znschauers  auszubilden  völlig  überlassen  werden  mufste, 
T«  -Jiro  (Tx.>)v^j,  wie  es  Philostratns  V.  A.  T.  VI,  11.  p.  244  und 
Vit.  Sophist.  1.  9.  p.  492.  an  ihm  rülmit.  Er  hätte  den  Ajax 
scliwerlich  auf  der  Bülme  selbst  sich  entleiben  lassen ,  ^ie  Sopho- 
des  es  später  noch  thnt,  worüber  ihn  Süvern  in  seiner  Prohision 
de  Sophociis  Ajace  Flagellifero  (Thoruni  ISOO.)  p.  VIII,  noch 
immer  nicht  belricdigend  genug  gerechtfertigt  liat. 

**)  Wakefield,  Schütz  imd  Hermann  (^in  seiner,  durch  viele 
glückliche    Verbesserungen    wiclitigen    Ausgabe    der    Enmeniden. 

13  * 


196 

13  S'*^  sali  ich  einst  im  Bild  des  Pliinens  Kost 

Entführen.     Doch  sind  diese  iiiigellos, 
Sind  schwarz,  vom  Kopf  zum  Fiifs  ein  gräfslicli  Scheusal. 
Mit  fernabwehrendem  Geschnaube  schnarcht 
Die  Schaar,  dem  Aug'   entquillt  verhafstes   Gift. 
In  solcliem  Aufzug  ziemt  sich's  niclit,  der  Götter 
Und  nicht  der  Menschen  Wolinungen  zu  nah'n, 
Solch  ein  Gezücht  sah  ich  noch  nie  — 

Dlefs  ist  die  einzige  Stelle,  woraus  wir  uilt  einiger  Sicherheit 
auf  das  schliefscn  köiineu,  was  einst  die  Zcilgenosseii  des 
Dichters  mit  solchem  Schreckcu  erfüllt  haljen  soll.  Yerfolgeii 
wir  die  Züge  iui  Einzelnen ,  ans  welchen  der  Dichter  diese 
fnrclitbaren  Forienuiasken  zn««aniiuengeselzt  hat.  Nnr  dann 
erst  dürfte  der  Vcrsucli,  uns  jetzt  noch  ein  ähnliches  Bild  voa 
ihnen  zu  entwerfen,  nicht  ganz  mifslingen. 

Nicht   Weiber,  nein,  Gorgonen  nenn'  ich  sie. 

So  wurden  sie   auch    schon   oben    am  Ende   der   Choephoren 

14.    angekündigt.     Wahrscheinlich  erldickte  man  wirklich  im  Hei- 

ligtiiume   des  Pjthiscben  Gottes   zu  DelpLi  furchtbare  Gorgo- 

uengestiilten  im  Bildwerk  *).     Von  ihnen,    als  einer  bekann- 


Leipzig  1799.)  fühlten,  dafs  in  der  folgesden  Zeile  nicht  melir 
von  den  Goi'gonen  die  Rede  sein  kann.  Sie  nahmen  also  den 
Fall  an  (der  wohl  in  diesem  Stücke  noch  mehrmals  angenommen 
werden  mufs),  dafs  sclion  frül»  ein  Vers,  der  die  Harpj  ien  nament- 
lich aussprach,  verloren  gegangen  sein  müsse.  Darauf  deuten  auch 
die  griechischen  Scholien  zu  dieser  Stelle:  äxX'  'Aoirviocg  otCrag 
>i£yw.  £?5ov  yag  »vTcug  sv  y!^ix<pyj  -jcTiqwra;.  Die  erste  Hälfte  die- 
ser Paraphrase  beziclit  sich  offenbar  auf  Etwas,  was  jetzt  im  Texte 
nicht  mehr  gefunden  wird.  Mit  bioser  Interpretation,  womit  sich 
Vofs,  mytholog.  Br.  Th.  I.  S.  207  zu  helfen  sucht,  wenn  er 
sagt:  ,,Aeschylus  hat  die  aus  schönen  Jungfrauen  zu  gorgonischen 
ünholdinnen  gewordenen  Harpyien  selbst  Gorgonen  genannt,"  dürfte 
hier  schwerlich  durchzukommen  sein.  Wo  hat  je  ein  alter  Schrift- 
steller die  Gorgonen  für  Ilarpyien  gesetzt?  Die  Gorgaden  oder 
Gorgiden,  die  Vofs  dort  aus  dem  Sopliocles  und  Hesychius  auf- 
ruft, gehören  wie  die  Gorgonen  selbst  in  die  Sippschaft  des  Phor- 
cyn  und  beweisen  also  keinesweges,  dafs  man  Gorgonen  auch  für 
alle  andern  unholden  Fabelwesen  gebraucht  hätte. 
Zwar  sagt  uns  der  Reisebeschreiber  Pausanias  niclits  davon.  Aber 
was  mochte  aucli  im  zweiten  Jalirhunderte  nacli  Chr.  G.  von  allen 
den  Herrlichkeiten  noch  zu  selien  sein,  die  in  dem  glücklicheren 


197 

(eil  Vorstellung,  küiiiite  also  auch  Lier  die  erschrockene 
Pvlliia  den  ersten  Vergleicliungspnnkt  entlehnen.  Also  Gor- 
gouenköpfe ,  Gorgoinosken  {yc^yovücc ,  yctjyua)  müssen  wir 
uns  zueist  anf  dem  Rumpfe  dieser  weiblichen  Fnriengestalten 
denken.  Das  Erste,  woran  wir  so/bleich  erinnert  werden, 
wenn  von  Gorgoneuköpfen  die  Rede  ist,  sind  die  Schlangen- 
haare, und  da  ein  erfahrener  Riiderhcschauer  ans  dem  Aller- 
Ihume  selbst  versichert,  dafs  Aeschylus  den  Furien  neben 
den  Ilaaren  auch  Schlangen  auf  deu  Kojtf  gegeben  habe,  *)  15, 
so  dürfte  der  Lnisland  wohl  für  ganz  ausgemacht  angenom- 
men werden  ,  dafs  ein  Tbeil  ibrer  Aehnlicbkeit  mit  den  Gor- 
gonen  in  diesen»  struppigen  Schlangeugekräusel  um  den  Kopf 
zu  suchen  sei  ♦*).     Aber  auch  nur  ein  Theil,     Die  Gorgouen- 


Zeitalter  des  Aescliylus  und  Euripides  dort  aufbewahrt  wurden! 
Und  im  Zeitalter  des  Euri[)ides  gab  es  dort  wirklich  Gorgonen- 
bilder.  „Steht  wirklich  Pliohiis  Tempel  auf  der  Erde  Nabelpunkt?" 
so  fragt  das  Gefolge  der  Creusa,  die  Weiber  aus  Athen,  den  Tem- 
pelhüter Ion  im  Ion  des  Euripides  V.  223.  „,,Ja,""  antwortet 
Ion,  „,,ja  mit  heiligen  Kranzgewinden  ist  er  verhüllt,  und  rings- 
um sind  Gorgonen,  ajx^]  Si  Tcjiyofs?."  "  Diefs  kann  wolil 
nicht  blos  allegorisch  gedeutet  werden.  Wirkliche  GorgonenkÖpfe 
umringten  das  Heiligthum,  als  echte  Tempelcheruben.  Mark- 
land in  den  Anmerkungen  fragt  bei  den  vorhergehenden  Bild- 
werken freilich  nicht  mit  unrecht :  worin  waren  sie  denn  gebildet? 
Er  Iiatte  sie  in  seinen  Exercit,  für  Sculptur  gehalten.  Jetzt  er- 
klärt er  sich  für  Malerei.  Ich  würde  am  liebsten  an  Tapeten- 
stickerei denken.  Die  übrigen  Bildwerke,  besonders  die  Giganto- 
machie ,  erinnern  lebhaft  an  den  Peplus  zu  Athen.  Der  ganze 
Tempel  war  reich  an  Teppichen  der  Art.  S.  Vasengemälde  III. 
110. 
*)  W^o  Pausanias  vom  Areopagus  spricht  I.  28.  pag.  108.,  erwähnt 
er  auch  der  durch  die  Eumeniden  des  Aeschylus  so  hoch  verherr- 
lichten Kapelle,  der  tfc/^va)  2iai,  und  setzt  hinzu:   ir^wTc;  e(^iffi'j 

**}  Daher  die  Benennung  der  Furien  Y.  125.  havy)  hgaxcitvif,  die  dann  auch 
Euripides,  Orest.  282.  vom  Aeschylus  entlehnt  hat.  —  Hieraus  folgt 
auch,  dafs  die  sogenannten  Orphischen  Hymnen  später  als  Aeschy- 
lus anzunehmen  sind.  Denn  in  diesen  heifsen  schon  die  Eumeniden 
c(pioirköy.afxot ,  Hynm.  LXVIII.  16.  LXIX,  10.  Euripides  nennt 
daher  die  Furien  in  einer  etwas  harten  Metapher  selbst  ahcv 
Igäy.ccivag  Iphig,  T.  286.  In  dem  Fragment  des  vorgeblichen  Epi- 
menides,  das  uns  die  Schollen  des  Sophocles  zum  Oedip.  (fei.  42. 
erhalten  haben,  heifst  der  zweite  Vers:  MoT^at  t'  «Savarci  K«i 
'Ef«vvu!5  ««cXiSwfc»,      Ks   dürfte  schwer   sein,    das  Beiwort   der 


198 

maskoii  oJer  Mrduscnki'jpfo  zeichnen  sich  im  frühesten  Al- 
terthunie  noch  durch  eine  andere  Eigenschaft  aus,  die  zu 
ilirer  Verhäfslichuijg  uiächtig:  hcitragen  mnfsle  und  liier  am  we- 
16.  nii-sten  zu  üboisehcn  sein  diiifio.  Sic  werden  mit  einem  nn- 
förmlichen,  brcifi^cquelsehtcii  Gesichte,  vorhängondcr  Zunue  *) 
und  gTinzeudem  Zäliucflplschen  gebildet  **).  .Sollte  Aeschyhis 
seine  Furien  nicht  auch  mit  dieser  reichlichen  Zugabe  vou 
Hilfslicbkeit  ausgestattet  haben"?  Mir  ist  es  mehr  als  wahr- 
scheinlich,   dafs   auch   sie   die    Zunge  gorgonenaiti«?   heraiis- 


Furien,  die  Vielspendenden,  mit  ilirem  Wesen  zusam- 
menzureimen. V.'alü-sclioinlich  Iiiefs  es  aber  aloXilurjoi ,  ^as  zu 
dem  Nacken  mit  Scalangenliaaren  ganz  wolil  passen  uürde!  Uebii- 
gens  sind  die  ^Veilige&änge  und  Hymnen  des  Epimenides ,  wo  sie 
das  Altertliiini  citirt,  gewifs  nicht  viel  älter  als  die  mit  ihnen  ver- 
wandten Orpliischen  Hymnen.  Ks  ist  Alles  eine  Fabrik. 
*)     Sielie  Anmerkung  IV. 

••)  P^ine  der  deiitlicbsten  Vorstellungen,  wie  man  sicli  im  früheren 
AlterUiiime  die  Gorgonen  daclite ,  hat  sich  auf  einem  Polyclnom 
einer  Vasenabbildung  in  der  H ancarv ille'schen  Sammlung  er- 
halten, T.  IV.  tav.  126.  Sie  stellt  aus  einer  alten  Perseide  die 
Scene  vor,  wo  Perseus  in  Gegenwart  seiner  Scbutzgottin,  der  Mi- 
nerva, vom  Ceplieus  die  Andromeda,  die  bräutlicli  geschmückt  auf 
einem  Felsen  sitzend  vorgestellt  wird,  zugetlieilt  bekommt.  Aiif 
der  andern  Seite,  wo  Neptun  herbeiscbreitet,  eUen  die  zwei  übrig 
gebbebenen  Gorgonen  mit  brei':gequetscbten  Gesiclitern  und  mit 
Jjerausgestreckter  Zunge  liiifslicJi  grinzend  davon.  In  einer  kurz- 
aufgescJiIirzten  'i'unica  gleichen  sie  übrigens  VVeibern,  bis  auf  die 
Flügel,  womit  sie  sehr  reicblich  ausgestattet  sind,  und  die  bäfs- 
licbe  Gesichtsmaske,  Nocli  grausender  liatte  sie  der  alte  Dicliter 
vorgestellt,  dem  Apollodor  in  seiner  Nachricht  von  den  Gorgonen 
n,  4.  2.  gefolgt  ist.  Dort  sind  ilire  Köpfe  mit  sclmppigen  Dra- 
chen umwunden,  sie  haben  Hauzälme  wie  die  Eber,  eherne  HÜndc 
und  goldene  Flügel.  Vergl.  S winden,  in  Obs.  Miscell.  Nov. 
Vol.  I.  T.  JII.  pag.  93.  ]\Iir  scheint  der  Dichter,  den  Apollodor 
vor  Augen  hatte,  einem  alten  in  verscliiedenen  Metalien  eingeleg- 
ten Kunstwerke  (sie  waren  im  Alterthume  sehr  häufig,  s.  die  ge- 
lehrte Sammlung  zu  Lucerne  d'Ercolano  p.  264.  If.)  gefolgt  zu 
sein  (wie  dem  auf  dem  Kasten  des  Cypselus  beim  Pausanias  V. 
18.  p.  80.),  woraus  sich  eben  die  verschiedenen  Metalle  in  den 
Händen,  Flügeln  u.  s.  w.  erklären  liefsen.  Geflügelt  und  mit 
Scldangenliaaren  kennt  sie  .^uch  schon  Acscbylus,  Prom.  Vinct.  797.: 
y.cxräirrigoi  öj;.aHoi/Tc/^i«XX6<  l't^yovs;.  Uebrigeuä  gehürlc  dieTc^yi 
•clbät  All  den  auf  dem  Theater  der  Alten  nicht  selten  vorkom- 
menden Ungeheuern.  S.  Pollux  IV,  li.i> 


199 

gestreckt,  and  dafs  mir  dadurch  elulge  sehr  siarke  Slellcu  lu    17, 
diesem  Trauerspiele  ihren  vollen  Aufschliifs  erhiülen  *^. 

Docli  aucli  Goi'gonenbiUIern  sind  sie  luigleich  — 
Sie  sah  ich  einst  iui  Bild  des  Phineus  Kost 
Entführen.  — 

Oi;5'    avrs   To<^yEioi(Tiv   imairw    ruxotf   — 
E?öoy   •jtot'    ^5>)  ^i'vewj   ysy^otij./ji.svocg 
AsTttvov    (pe^ovffotg,   — 

Es  fragt  sicij,  wo  hier  das  Harpyienartige  ia  der  Gestalt  dev 
vom  Aeschylus  costüiairtcii  Fiiiieii  zu  suchen  sei.  Ohne  mich 
hier  in  das  Labyrinth  von  Deutungen  zu  verirren,  Vielehe  über 
diese  beri'icJitigien  Ungeheuer  anf  den  verschiedensten  Wegen 
versucht  worden  sind  **) ,  glaube  ich  so  viel  ,behanpteo  zu 
dürfen,  dafs,  da  hier  nur  von  der  tlltesteu  Vorstellung  dersel-  18. 
hen  aus  der  Geschichte  des  Aigonautenzugs,  wie  sie  dem  blin- 
den Phineus  die   Speisen   rauben,   die   Rede  ist,   und  ein 


*)    S.  die  Anmerkung  No.  V, 

**)  Das  Wort  "Agirvict  selbst  giebt  die  doppelte  Idee  theils  der 
Seh  neilig keit,  \md  ,  dahin  gehören  alle  Vorstellungen  von 
Sturimvinden,  Wirbeln,  Wasserhosen,  die  unstreitig  bei  mehreren, 
besonders  Homerischen  Stellen  zum  Grunde  liegen,  wie  auch  Ja- 
cobs noch  neuerlich  sehr  fein  bemerkt  hat,  Animadv.  ad  Analect. 
Vol,  11.  P.  11.  p.  390.  und  darum  hiefs  ein  Hund  des  Aktäon 
beim  Aeschylus  Harpyie  C».  PoIIux  V,  47),  theils  des  Rauhens 
mit  Klauen,  Krallen  (ajiraYv)  heifst  daher  auch  ein  eiserner 
Reellen,  s.  zu  Eurip.,  Cyclops  33.)  und  daraufscheint  es  beson- 
ders bei  den  Harpyien  in  der  Gesciüchte  des  Phineus  angelegt 
zu  sein.  So  heifsen  zwei  gefräfsige  Kerls  beim  Aristophanes  in 
Pace  810.:  Tigyovig  o^o(pöiyoi  — ,  a^xu.«*',  so  die  Schmarozer 
beim  Lucian,  Thn.  c.  18.  T.  I.  p.  128.  und  Plutarch,  Syinp.  VIF, 
6.  p.  317.  Hutt. ;  so  die  räuberischen  Buhlerinnen  in  des  Anaxi- 
lausNeottis  beiniAthenäusXIII,  l.p.  558.  A. :  im^va  a^-rviOJv  ytv^, 
Vergl.  Plutarch,  de  sanitate  tuenda  T.  VII,  p.  398.,  wo  die  hefti- 
gen Begierden  mit  den  Harpyien  verglichen  werden.  Ist  irgend 
eine  Deutung  des  hypothesenreiclien  Le  Clerc  zum  Hesiodus 
witzig  gewesen,  so  ist  es  die,  wo  er  in  den  Harpyien,  die  des 
Phineus  Mahlzeit  wegfressen ,  verderbliche  Heuschrecken  findet. 
Wahrscheinlicli  verglich  sie  Sopliocles  in  seinem  satkischen  Dra- 
ma Phineus  selbst  mit  Heusclirecken.  S.  das  Lexicon  zum  So- 
pliocles in  Brunck's  Ausgabe  T,  IV.  p.  730.  s.  v.  /xatTTan«?, 
Selbst  Des  Brosses,  der  sie  übrigens  von  Seeräubern  erklärt, 
kann  dieser  Auslegung  seinen  Beifall  nicht  versagen.  Memoirea 
de  TAcad.  des  Inscript.  T.   XXXV.  p,  S3G. 


200 

Ilaiiptpiiiilit,  worin  sie  mil  den  Fnrien  AeliiiHchkoil  haben 
kiiriiiteii,  «lie  ßi'lliiji,elnng-  durch  aiisilnickliche  Vcrnoiiiiinii  vvcg- 
19.  füllt ,  man  nur  an  ihre  scliarfcu  Klauen  oder  Krallen  denken 
könne,  womit  der  Dichlor  auch  seine  Furien  ansfreriistet  hat- 
te *).  Der  Krallen  der  Harpvien  gedenken  die  Dichter  früher 
als  ilvres  Alles  vernnreinigenden  Gestankes  **).  Davon  ha- 
ben sie  den  Namen.  Damit  r^'^uliten  sie  die  Speisen  des  Phi- 
neus.  Zwar  sind  uns  von  dieser  Rauhscene  eben  so  wenig 
als  A'on  der  Gestalt  dieser  Cngcheuer  überhaupt  nnbezweifelte 
Denkmäler  ans  dem  Allertimme  übrig  geblieben  ***).  Doch 
hat  die  bekannte  Sciiilderung  Virgil's  (Aeu.  III,  216  ft.) : 

Jiingfraiinliaft  der  Vögel  Gesicht,  sclienselig  des  Bauches 
Ekler  Ergüls,    auch  die   Hände  gekrallt  und  vom  Hunger  das 

Antlitz 
Immer  gebleicht  — 

(Nach  V  0  f  s.) 

20.  das  eben  nicht  geschmeichelte  Portrait  dieses  Ranbgeschmeises 
nnsireilig  nach  damals  wirklich  vorhandenen  Kunstwerken  co- 
pirt,  nnd  wir  können  uns  darauf  verlassen,  dafs  die  ge- 
krallten Hä  n  d  e  in  der  Zusammensetzung  dieser  häfslichen 
Zwittergestalt  ein  Hanptslüek  ausgemacht  haben.  So  läfst 
Nounus  in  seinen  Dionysiacis  (XLIV.  j).  1154.)  die  Fnrien 
ausdrücklich  mit  nnheilstiftenden  Klauen  (äfp^sxftv.ci;  hvjx^^- 
et)  eifion  Zauber  im  Hause  des  Pentheus  eingraben.  Hat 
nun  unser  Tragiker  wirklich  diese  Krallen  auch  bei  seinen 
Funen  nachahmen  wollen,  so  durfte  er,  da  sie  ül)erhaupt 
nach  Sitte  der  Tragödie  in  gröfseren  Dimensionen  ausstaftirt 
wurden,  nur  die  Handschuhe,  die  in  der  Garderobe  des  allen 
Trauejspiels   ausdrücklich  erwähnt  werden  ,    zn  dieser  Absicht 

21.    besonders  einrichten  und    verlängern    lassen  f).     Findet  man 


*)  Der  belesene,  aber  unkritische  La  Cerda  ündet  freilich  zum  Vir- 
gil,  Aen.  III,  2I-i.  niclit  woniger  als  6  Vergleichungspunkte,  wo- 
durch er  beweist,  dafs  Harpvien  und  Furien  ganz  einerlei  gewe- 
sen wären.  Allein  fast  Alles  zerfällt  bei  der  Berlihrung  der  Kri- 
tik. So  sollen  z.  B.  die  Furien  in  der  Hymne  des  Orplieus 
,  LXIX,  9.  ßXoavQCvvyttxi ,  die  schrecklich  Bekrallten,  heifsen , 
was,  wenn  aucli  die  Stelle  nicht  corruuipirt  wäre  und  ß'kocvqoil^ 
vvyiai  gelesen  werden  müfste,  doch  in  dieser  Bedeutung  gegen 
alle  Analogie  der  Sprache  sein  würde. 
=**)    Diefs  hat  Vofs,  mytholog.  Br.  I,  217,  selir  gut  von  einander 

gcsrliiedcn, 
***)    S.  Anmerknng  VI. 
f)     Die  Bemerkung  des  Casaubonus  zum  Athenäus  XII.  2.  p.  829, 
dafs   die  älteren  Grieclicn  und   Römer  keine  Handschuhe   gekannt 


201 


\m\i'Ss  diese  Vernintbniig  zu  gesucht  und  durch  den  Verfolg- 
des  Trauerspiels  nicht  hinliüiglich  iiiiterslützt,  so  darf  man 
aiuli  nur  an  das  durch  Alter  und  wüthende  Leidenschaft  zu- 
sauiHiengescIiruinpfle,  widrige  Ansehen  der  Furien  dahei  den- 
ken. Denn  dafs  man  mit  den  Harpyien  besonders  auch  den 
Begriff  einer  widrigen  Magerkeit  und  Dürrleihigkeit  rerhun- 
den  habe,  beweisen  unter  Anderem  ein  scherzhaftes  Sinnge- 
dicht des  Nicarcbus  *)  und  die  pallida  seniper  ora  fame  Vir- 
gil's  (Aeo.  III,  2170- 


hätten ,    auf  welche   sich    unsere  Antiquarier  gewöhnlich  berufen, 
wenn  sie  die  klassische  Garderobe  durchmustern,  leidet  doch  einige 
Einscliränkiing-.     Da  die  Vergröfserung  der  tragischen  Schauspieler 
durch   Kotliurnen  und  liohe    Masken   eine  sehr  ungereimte  Sache 
gewesen  sein  niüfsto ,   wenn  niclit  in   eben  dem  V'erhältnisse  auch 
alle  übrigen  Gliedmafsen  stärker  und  länger  geworden  wären,   so 
hatte  mau  bei   der  tragischen  Theaterkleidung  fast  für  alle  Theile 
des  Körpers  falsche  Ansätze  und  Ergänzungen,   und  unter  diesen 
auch  armyerlängernde  Handschuhe.     Man  lindet  den  ganzen  Plun- 
der in  einer  merkwürdigen  Stelle  des  Lucian ,  Inp.   Tragoed.   41. 
T.  II.  p.  688.  beieinander:  „Glaubst  du  (nach  Wieland's  Ueber- 
setzung  II,  407.),   dafs   das   Göttliclie   ia  den  Larven,  Kothurnen, 
Sclileppmänteln    ^xoSvjjs/j   ^irwvoc; ,     davon   weiter   unten!), 
Purpurröcken,  HandscJiuhen,  Bauchkissen,  (ventralia,  s.  Fer- 
rari, de  Re  Vest.  P.  I.  libr.  I,c.  12.)  Leibchen  und  allem  üebri- 
gen,  was  zur  Ausstaffirung  eines  tragischen  Gottes  gehört,  sitze  ?'* 
Lucian  bedient  sich  hier  desselben  Wortes  (xs'P'Ss?),  welches  Xe- 
nophon,  K.  n.  VIII,  8.  p.  569.  Schnei  d.  von  den  Winterliandschuhen 
der  weichliclien  Perser  braucht  (vergl,  Pollux  II,  151.  VII,  62),  und 
welches  wolil  von  der  KÖf>)  oder  den  langen  Aermeln,  worein  man 
aus  Respect   die  Hand   stecken  mufste,   (^s.  zu  Xenoph. ,  Hell.  p„ 
55.  M  0  r.)  zu  unterscheiden  ist.    Dasselbe  Wort  scheint  in  Cliry- 
sostomus's  Homilien  gestanden  zu  haben,    aber  aus   ünkunde  der 
Abschreiber  in  das  bekanntere  ytloag  verwandelt  worden  zu  sein. 
Chrjrsostomus  eifert   gegen   die  Toilette    der  heiligen  Jungfrauen, 
Hom.  VIII.  in  Timoth.  pr.  T.  VI.  p.  457.  D. :  rxg  x*~?**'«  ^«^«vs^ 
Ol  Tf  aywSoi ,  Evhthuanovstv  ,    wctts  vo/xi^siv  v^oi'Tstpvv.iyoci  /jtaA.Xou 
«'Jt«7?.    Wer  sieht  nicht,  dafs  liier  y^stnihcx;  gelesen  werden  mufs? 
Die  Hände  zieht  Niemand  an.     Noch  einige  andei'e  Stellen  aua 
dem  Suidas  giebt  Cup  er  ad  Apotheosin  Hom,  p,  180.  181. 
*)     Nicarch,  Analect.  T.  II.  p.  357.  XXXVL  sdiimpft  auf  ein  Gericht 
magerer  Drosseln  (macri  turdi,  Horaz  I.  Senn.  5,  72.),    das  ihm 
ärger  im  Halse  stecken  geblieben  sei  als  die  Pfeile  der  Stynipha- 
liden.     unter  anderen  Elirentiteln ,  die  er   diesen  „Flederjnäuseu 
auf  den  Wiesen",   wie  er  sie  auch  nennt,   zutheilt,   ist  auch  "Aj>- 


202 

22,  •—  aber  flu  gellos  zu  scbaun 

^  Sind  diese,   —      axrapci'  yb   //>jv    ihs7v 

ÄVTOCI, 

Die  Furieu  des  AescLjliis  bedürfen  der  Flügel  iiidil.  Als 
alle,  müciitige ,  sclbstslündijc  Glitliiiiion  sclircifen  sie  auf 
Scliwuunsoljjcu  über  Land  und  IMeor  und  uiilerscheideu  sitli 
dadurch  eben  von  jeuen  beflüi^ellea  Ungelieuern ,  in  vvelchea 
keine  güftlicbe  Natur  webt  und  lebt  *).  Es  lassen  sich  ,al- 
Jeidings  auch  andere  Gründe  denken,  die  unserem  Tragiiver, 
als  einem  einsichtsvollen  Tlieatcriueister,  die  Vermeidung  al- 
les unnölhigen  Fl ligel Werks  hei  der  Ausschuiückniig  seiner 
Furien  anralheii  konnlon.  Die  Thealeiujaschiiierie  seihst 
scheint  dieser  ganzen  Beilügelniig  nicht  selir  günstig  gewesen 
zu  sein  **),  Allein,  ganz  abgesehen  von  diesen  aus  der  thea- 
tralischen Vorstellung  entspringenden  Schwierigkeiten,  muffte 
dem  Dichter  Alles  daran  gelegen  sein,  den  -weitausschreilen- 
den,  ehernen  Fnfstritt  seiner  Strafgöttinnen  so  furchtbar  als 
23,  möglich  zu  machen  ***).  Darum  giebt  er  ihnou  die  Jä- 
ger -  Kothurnen  und  beschwingt  durch  diese  Läufersciiuhc 
ihre  unaufhaltsam  einhcrrauscheuden  Tritte  f).  Sie  seihst 
zielen  in  mehreren  Stellen    dieses  Trauerspiels  auf  diesen  ge- 


*)  Alles,  was  Vofs  im  ersten  Tlieil  seiner  my tliologisclien 
Briefe  mit  gröfster  Evidenz  hierüber  erinnert  hat,  wird  hier  als 
bekannt  vorausgesetzt. 

**)  S.  Anmerkung  Yll» 
***)  Ans  dieser  vom  Aeschylus,  wie  es  sclieint,  zuerst  gegebenen  Vorstell- 
ungsart konunen  nun  auch  die  malerischen  Beiworte  des  Sophocles 
'EfivvCj  TftvjTrs&aj  im  Ajax  837.,  wo  die  Schoben  es  erklären:  ri? 
«v.oTmsTwf  tV/fJs-«?,  '\\'äs  aber  ganz  eigentlich  von  den  weiten  Lutt- 
scliritten,  womit  sie  den  lUörder  verfolgen,  zu  verstehen  ist.  In  der 
Klectra  lieifst  sie:  a  hct\Jo7g  y-gv-TTO/J-iva  Xiy^ctg  ^«kviiwovi  'E^tv- 
vv;  V.  488.  Eustatliius  zur  Ilias  p.  7G3,  30.  erklärt  beide  Bei- 
wörter nach  dem  vollständigeren  Scholiasten  des  Sophocles.  Da 
heifst  es  sehr  gut:  tävvVoSs;  oim  to  oIo-j  /jcay.pocxaXsj  xa)  cLryj 
irkocTu  T^;  htocßäctwg  v.txz  raj^ü  v.a)  S'jy.lvijrov ,  nicht  a>'.>'.iv>;rcv, 
wie  auch  schon  Küster  zu  Suidas  T.  I.  p.  G4.  verbessert  hat. 
Hieraus  müssen  nun  aucli  mehrere  alte  Vasenzeichnungen  erklärt 
weiden,  wo  eine  geUügelte,  gewaltig  ausschreitende  Figur  einen 
Jüngling  .droliend  verfolgt,  z.  B.  bei  Hancarville  T.  I. 
tab.  84.  Es  ist  die  Iloi'v>j  varBgcTrovg,  die  aber  freilicli  liier  schon 
die  der  Kunst  oft  unentbehrliclien  Flügel  erhalten  hatte. 

f)  Die  Beweise  zu  den  Kothurnen  der  Eumeniden  aus  Parallelstellen 
der  Alten  weiter  unten. 


203 

waltigen,  jedem  l)luti'i;,eu  Verbrecher  Sdirz  und  Verderben  dro- 
liendeii  Liiftscliritt.  \Venn  sie  den  Orestes,  der  sich  zur  Bild- 
säule der  Miner vft  auf  die  Burg-  von  Athen  geflüchtet  hat, 
seine  blutige  Spur  verfolgend,  eingeholt  uud  sieb  iu  der  Halle 
mit  grauseudem  Gelüuiuiel  ausgebreitet  habeu,  so  sagt  der 
Chor  (V.  242,) : 

Von  inannersclilaffeiider  Ermüdung  keucht  24t* 

Hleiu  Eingeweide.     Flügellosen  Flugs 

Kam  über  alle  Länder,  alle  See'n, 

Den  Frevler  hetzend,  ich  mit  Schiffes  Eil,- 

üiid  io  dem  grausenden  Fesselgesaug ,  wo  die  Furien  den 
Reigen  um  ihn  schlingen  (-^/xvs;  5g<r/x/oj) ,  heilst  es  unter  An- 
dcrm  (V.  357  11".  nach  Herniauu's  Ansgahc) : 

Furchtbar  ans   den  Hölien  stürmend,  * 

Tret'  ich  mit  des  Fufses  scliweren  Lasten 
Nieder,  dem  enteilenden  Verbrecher 
Sturz  bereitend,  namenlose  Qual, 

Und  so  llefsen  sich  mit  leichler  Mühe  mehrere  Stellen  auf- 
führen, "WO  sich  die  Furie  als  eine  gewtUtige,  ihre  Beute  nie 
verfehleude  Springerin  ankündigt  *),  Man  begreilt  von  selbst,  25, 
wie  wenig  der  leichte  Flügelschlag  diesem  ehernen,  zennal- 
mendcu  Fnfsiritt  der  Rachegöltinnen  angemessen  wäre.  Eine 
andere  Frage  ist  es  freilich  ,  ob  die  späteren  Tragiker  nicht 
von  dieser  Vorstellung  abgewichen  und  mit  der  Ertheilung  der 
Flügel  auch  bei  den  Furien  freigebiger  gewesen  sind  **), 


"")  Damit  ist  der  Begriff  häufig  verbunden,  dafs  sie  aus  dem  Hinter- 
halte hervorspringt.  Sehr  stark  ist  die  Stelle  beim  Sophocles, 
Antig.  107-1. ,  wo  Tiresias  dem  Ki'eon  die  Rache  der  Götter  an- 
droht: Tcutäv  CS  Xwp>jTij^s;  varsgo(p2ig3t  Kayjuai-j  A?öoü  v.oCl 
^sww  'EffvyJs;  u.  s,  w.  üeberhaupt  aber  verdient  wohl  bemerkt 
zu  werden,  dafs  alle  die  Beiworte,  wo  die  Fnrien  Itziü^I-kovi;. 
vffTsgö-xQv^,  ■üCTiQOTzoivoi;  u.  s.  w.  genannt  werden,  (s.  Wytten- 
bach  zuPlutarch,  de  S.  N,  V.  p.  17.  und  Mitscherlich  zu  Horaz 
T.  II.  p.  51.)  gerade  auf  diese  Vorstellung  fülnen.  Auch  quer- 
feldein kommt  sie  dem  Frevler  nach  dem  scliönen  Fragment  des 
Aeschylus  in  Stob.,  Eclog,  T.  I.  p.  120,  Heer.:    'E?^;  5'  h-xYilfi 

**)  Die  Stellen,  wo  ^lu'ipide's  den  Furien  Flügel  giebt,  Tphig.  in  T, 
289,  u.  Orest.  275.,  sind  nur  Visionen  des  Wahnsinnigen,  nicht  auf 
dem  Theater  selbst  dargestellte  Erscheinungen,  Nur  die  bildende 
Kunst  realisirte  erst  die  symljolische  ßeJlügelung.  In  der  Orpiii- 
schen   H)mnc   LXVIII.   5,    lieifsen    sie     freilicli    aucli   sclion   cüv' 


204 

Sind  Bcliwarz,  vom  Kopf  zum  Fiifs  ein  gräfslich  Scheusal. 

—    fjiikoiivoit    S'   iig   TO    Trav    ßbsXvy.T^oirot. 

Dafs  die  Eumcniden  als  Töchter  der  Nachl,  als  Hun- 
de des  stjgiscLeu  Zeus,  als  E  i  n  w  o  h  n  e  r  1  n  n  e  ii 
des  schwarzen  Hades,  seihst  auch  ganz  sclnvarz  er- 
scheinen, ist  in  der  Ordnung;-,  mufs  alter  nach  den  damaligen 
BegrilFen  von  dem,  was  ühlich  und  schicklich  war,  auf  der 
Bühne  einen  sehr  widervväiligen  und  auffallenden  Eindruck 
gemacht  hahen.  So  wie  Licht  und  Finsternifs,  Tag  und 
Nacht  die  zwei  gröfsten  Gegensätze  in  der  physischen  Welt- 
vorstellung  sind    und    sich    als    fruchtbare    Tnuzipien   in    den 

26.  frühesten  Religionsgehräuchen  und  Meinungen  aller  Volker 
des  Alterthnms  durch  Symbole  der  Freude  und  des  Schmer- 
zes, des  Heils  und  Unheils  oiFenbaren;  so  sind  auch  ihre 
Repräsentanten  im  weiten  Farbenreiche,  die  glänzend- 
weifse  nud  d  u  nk  el  sc  h  v/arze  Farbe,  stets  als  Abzeichen 
der  Freude  und  Trauer  angesehen  worden.  Nur  ein  niird- 
liches,  haJhfarbeuloses  Klima  konnte  das  Angc  mit  den  dun- 
keln Farben  zum  täglichen  Gebrauch  in  der  Kleidung  aus- 
söhnen. Nur  ein  Volk,  das  auf  seiner  uebeircichen  Insel  oft 
unter  365  Tagen  nur  hundert  Sonnentage  zählt  und  da,  wo 
es  im  städtischen  Gewühl    am  häufigsten   sich  Iteisammen  Hn- 

'  det,  von  schwärzendem  Sieinkolilendampf  eingehüllt  ist,  konnte 
die  düstere  schwarze  Farlte  mit  sparsamer  Klugheit  zur  ge- 
wöhnlicheu  IModefarbe  stempeln.  Nur  eiue  gemifsdeulele  Re- 
ligion ,  die  auf  Grüften  und  Todtengebeiueu  iiue  Tempel  er- 
baute und  die  Phantasie  ihrer  Verehrer  mit  den  düstersten 
Schreckbildern  oriciitalisciier  Ascetik  umschlcierte,  konnte  die 
schwarze  Faibe  in  ihrer  Liturgie  heiligen.  Im  ganzen  Al- 
terthnme  war  und  blieb    Schwarz    die  trauernde  Todteufar- 

27.  be  *),   und  es  wurde  für  eine  Sache  der  schlimmsten  Vorbe- 


offiatg  ßcvXaiffi  ßqorwv  ■nTorfjixivixi  aiit.  Diefs  konnte  aber  auch 
blos  nietaphoriscli  verstanden  werden.  Vergl.  Vofs,  mythol, 
Briefe  I.  207.   II,  12. 

Die  Collectaneen  bei  Ferrari,  Lipsius  in  Electis ,  Kirch- 
mann u.  s.  w.  sind  bekannt.  Nur  denke  man  bei  diesem  Allen 
nicht  an  scliwarzgefä  rb  te  Kleider.  In  den  früheren  Zeiten 
Griechenlands  und  Roms  kannte  man  allein  das  Rothfärben, 
Darauf  schränkte  sich  alle  Färberei  ein.  Nach  Alexander's  Zei- 
ten lernten  die  Grieclien  die  Färbekunst  der  Asiaten  genauer  ken- 
nen. S.  Goguet,  Orig.  d.  Loix  T.  I.  p.  123.  II.  p.  95.  ed.  in 
4.,  wo  doch  noch  Vieles  zu  berichtigen  wäre.  Alles  Schwarz 
in  den  Kleidern  kam  von  der  natiirliclien  Farbe  der  Schafe,  die 
wie  die  PoUentinischen   beim  Martial  XIV,    157.   liigentes  vellere 


205 

dentnog  nud  der  Entweihung  des  Tempel-  und  Opfeidienstes, 
iu  so  fern  er  den  ohereu,  himmlischen  Mäclrien  gebührte,  über- 
all angeschen,  wenn  sich  in  die  Bekleidung  der  Anwesenden 
oder  atich  nnr  iu  «lie  Ausschmückung  der  Gerälhsciiaflen  ir- 
gend etwas  Schwarzes  einmischte  *).  Audi  die  Schaubühne 
"war  ein  Tempel  des  Dionysos  und  auch  da  erglänzte  der 
Chor  und  die  Actcuis  in  den  reichsten  und  buntesten  Gewän- 
dern ,  deren  Form  und  Farbe  Aeschylns,  der  Schöpfer  des 
theatralischen  Kostüms,  von  den  stattlichen  Festgewändern  bei 
den  prächtigen  Einweihungsfeslen  der  Ceres  entlehnt  haben 
soll  **),  Wenn  daher  hier  der  tragische  Dichter  seine  Rache-  28. 
güttinuen    in    schwarzen    Gewändern   auftreten  liefs  ***),     so 


,  lanas  hatten.  Da  diese  oft  nur  dunkelbraun  ist,  so  gilt  daher 
pnlhis,  (pati; ,  auch  für  Schwarz,  wenn  von  schwarzen  Kleidern 
die  Rede  ist,  (^atov  Ss  xai  /alXav  ,  sagt  Pollux  Tlt,  56.  äkki^kcii; 
scrh  sy^vf.  —  Die  ganze  Sitte  der  schwarzen  Trauer  lernt  man 
ans  der  Alceste  des  Euripides  am  befsten. 
*)  Cicero  in  Vatin.  c  12.:  Qua  mente  fecisti,  nt  in  epulo  cum  toga 
pulla  accmnheres?  Plato  verlangt  in  seiner  Gesetzgebung  bei 
allen  Feierlichkeiten  weifse  Gewänder. 

**)  Athenäus  I,  18.  p.  21.  E.  :  ^A/Vx'-^'^=f  —  s^svfEv  rJjy  ri)?  ffroX^j 
£'jxfs'ffi(av  y-ix]  ci/xvinjTa,  jjv  ^/jXacavTs;  ci  ii^o(päyraf  y.oi]  5a- 
ioZxo'  «/x(J)/ivv^vra/.  Die  Hierophanten  und  Oberpriester  bei  den 
Mysterien  hatten  prächtig  gesticlcte  Q^mmto)  nnd  gefärbte  Talare. 
Die  Stellen  hat  Meursius  in  Eleusin.  c.  12.  sclion  gesammelt. 
Dieser  Wink  verdient  iiberhanj)t  weiter  verfolgt  zu  werden.  Das 
damals  noch  sehr  arme  Athen  (s*  Meurs. ,  de  fortuna  Attica 
c.  2.  und  Meiners,  Geschichte  des  Luxus  der  Äthe- 
nienser  S.  24.)  bewies  wohl  auch  noch  in  seinen  Processionen 
nnd  Theorieen  damals  sehr  viele  Frugalität.  Woher  sollte  also 
Aeschylus  bei  der  prächtigen  Kostümirung  seiner  tragischen  Cliöre 
das  jVIuster  nehmen?  Nur  den  Mysterien  der  Ceres,  die  durch 
Eumolpus  aus  den  luxuriösen  asiatischen  und  thracischen  Weih- 
ungen nach  Eleusis  verpflanzt  worden  waren,  boten  in  den  Prunk- 
gewändern der  Hierophanten  scliickUche  Vorbilder  dar.  Gewifs  war 
auch  sonst  ^Manches  in  den  Maschinerieen  und  Decorationen  aus 
jenen  Weihungshallen  entlehnt,  und  daher  eben  die  so  vielfach 
gedeutete  Sage,  Aeschylus  sei  wegen  profanirter,  dem  Auge  des 
Publikums  blosgesteUter  Mysterien  vom  Yolke  beinahe  gesteinigt 
und  aiü"  Leben  und  Tod  angeklagt  worden  u.  s.  w.  S.  Fabriz, 
Biblioth.  Gr.  T.  II., p.  170.  f.  Harles. 

***)  *«/cy_/rwv£,-  in  den  Choephoren  1049.  xaXXs-.V.wv  ^IxXwv  i/xoi- 
pot  Eumenid.  362.  Vergl.  im  Agamemnon  470.  ,  daher  o'^^^c,«  fxs- 
>.afx.Trs-K>.uij  '£f  jvvJwv  beim  Antipater  aus  Sidon,  Analect,  T.  II.  p, 
27.  LXXVII,  mit  Jacobs'a  Anmerk. 


206 

imifste  dlcfs  nach  den  Begriffen  seines  Zoifahers  diese  Figu- 
ren uodi  weit  fransender  nnd  znrücksclirerlvcnder  maciien, 
ftls  wenn  etwa  in  einer  unserer  Opern  die  Begleiterinnen  der 
personiticirteu  Nacht  scliwarzgekieidt-t  ersclieinen.  Darauf  den- 
tea  anch  mehrere  Stellen  nnscrcs  Trai!ersi»iels ,  wo  diese 
schwarze  Furieiitracht  als  ein  Schcnsal  für  GilUer  nnd  IMen- 
Kchen,  das  diese  Uiiliüldiniicn  von  aller  ßenihinng  nnd  An- 
29.  näheruiig  zn  ihnen  anssdiiiofsc,  in  den  stärksten  Ansdiücken 
vorgestellt  wird  *).  Das  Gewand  selbst  bestand,  M'ie  sich  aus 
Zeugnissen  anderer  Schriftsfeiler,  die  weiter  unten  angeführt 
Averden  sollen,  mit  GewifsLeit  schliefsen  läfst,  nnr  ans  einem 
ziemlich  enganschliefsenden,  Ins  anf  die  Knöchel  lierabgehen- 
den  Untergewand.  Da  dicfs  nach  damaliger  Sitte  fast  gar 
nichts  VOQ  den  Armen  und  Schultern  bedeckte,  so  würde  diese 
Nacktheit  von  dem  Uebrigen  sonderbar  abgestochen  haben, 
■wenn  , nicht  anch  diese  ges eh  würzt  gewesen  wären.  Es 
ist  mir  also  schon  hierans  sehr  wahrscheinlich ,  dafs  die  Fu- 
rien des  Aeschyhis  überall  schwarz  bemalt  waren  **),  eine 
Verranthnng,  die  dnrcii  ein  altes  Yasengemillde ,  wo  eine  sol- 
che Fnrie  ans  dem  Boden  hervorsteigt,  zur  völligen  Gewifs- 
heit  erhoben  wird  ***). 


*)  Z.  B.  gleich  zum  Anfange  V.  56.  sagt  die  Pytliia :  „in  solchem 
Aufzug  ziemt  sich's  niclit,  der  Götter  und  nicht  der  Menschen 
Wohnungen  zu  nalm!"     Darum   (Y.  70  ff.)   lieifsen  sie    „die  ab- 

■  ,  schcuwönrgen,  alten  Jungfern  (uaTäxTuc-ro/  y.ögai ,  -  y^ctloct)  ,  mit 
wclclien  sich  kein  Gott,  Lein  JMensch,  kein  Thier  vermischt." 
Darum  treibt  sie  Ai>ollo  mit  solcliem  Schimpf  aus  seinem  Tempel 
V.  l72.  ff.  Daliev  sagen  sie  selbst  im  fiirclitbaren  Fesselgesang 
(3-11  If.) :  „Wir  dürfen  nicht  die  Unsterblichen  berühren,  und  Nie- 
mand siJeist  mit  uns,  cChs  ri;  icri  Si^vSniVvjj»  /aa-ä-.«j(voj." 

**)  Darum  nennt  sie  auch  Orestes  beim  liluripides,  Orest.  408.  Mvy.r) 
'7rfoj(p«f£7;  Kc'jaV  ""d  Y.  321,  //gXayj^^jaraj.  Ueber  das  Bemalen 
vergleiche  Anmerkung  VHI. 

'^*')  Bei  Ilancarville  T.  II.  tab.  41,  Orestes  sitzt  mit  den  Händen 
auf  den  Rücken  gebunden  auf  einem  Altare,  den  Kopf  zwisclien 
den  Knieen.  Eine  ganz  schwarze  Furie  steigt  unter  dem  Altar 
aus  der  Ei'de  hervor  und  hält  eine  züngelnde  Schlange  aufwärts 
gegen  den  geängsteten  Verbrecher.  Auch  die  Tunika  der  Furie 
ist  schwarz  und  mit  besonderen  Linien  angedeutet,  Auf  der  an- 
dern Seite  steht  Pylades,  und  weiter  Iiinten  kommt  Elektra  mit 
dem  ]\IeneIau3.  So  lie.'sen  sicli  allenfalls  die  Figuren  aus  des  Eu- 
ripides  Orestes  deuten.  Allein  nirgends  sitzt  in  den  noch  vorhan- 
denen Trauerspielen  der  Alten  Orestes  gefesselt  auf  einem  Altare, 
Wie  wenn  die  ganze  Scene  gar  nicht  den  Orestes,  sondern  den  Alk- 


207 

—  Dem  Aug'  entquillt  verhafstes  Gift.  3(), 

Dafs  diefs  der  wahre  Sinn  des  Wortes  ßU  sei,  Jjcwols't 
die  Farallelstelle  iu  den  Choeplioren  Y.  1055. ,  wo  es  aiis- 
driidilich  von  den  Fnrien  Leifst:  Sic  tranfcln  ans  den  Anisen 
böses  Blnt.  (Yergl.  \yakefield,  Delect.  Trage  ed.  II.  p. 
209.).  Es  fraut  sicli  liier  nur ,  o!j  diefs  wirklich  auf  der 
Maske  der  Fnrien  ausgedrückt  werden  konnte.  In  alle  Mas- 
ken waren  Löcher  für  die  Aug:en  geschnitleu,  und  luan  wollte 
zuweilen  durch  diese  OefTuuiimeu  die  blitzenden  Angen  der 
Acteuis  erblickt  haben  *).  Allein  es  wäre  lächerlich,  anzu-  31, 
nehmen ,  dafs  man  ans  diesen  OelFnnngen  wirkliches  Blut 
habe  hervorqucllon  lassen.  Blan  niufs  also  entweder  die  ganze 
Stelle  I)los  für  ein  tragisches  Phantasma  nehmen,  zu  weichem 
sich  die  erhitzte  Phantasie  der  Zuschauer  die  Wirklichkeit 
denken  möchte  **) ,  oder  man  luiifs  sich  vorstellen  ,  dafs  an 
die    Wangen   der    schwarzen    Furienmasken    Avirkiich    etwas 


mäon  nacli  dem  verloren  gegangenen  Stücke  des  Eiiripides  vor- 
stellte? Selbst  nach  den  wenigen  daraus  noch  vorhandenen  Fra"- 
menten  würde  sich  Vieles  in  diesen  Figuren  besser  auslegen 
lassen, 
*")  Cicero,  de  Orat.  IT,  46.  ex  persona  ardere  oculi  hominis  vi- 
dentur.  Vergl.  die  Pioliision  de  persoms  scenicis  p.  I-t. ,  wo  ich 
auch  das  Ilerkulanische  Gemälde  Pitture  T.  lY,  t.  34.  schon  an- 
geführt iiabe,  das  diefs  erläutert.  Man  seiie  auch  die  zwei  Hi- 
strioneu- Statuen  im  Pio  Clement,  T.  III.   t.  28.  29, 

**)     So   wie   in    den    Visionen   des  Wahnsinns  Orestes  beim  Euripides 
Iphig.  in  T.  288.  aus  den  Gewändern  der  Furien  Feuer  und  Blut 
hervorgdien   sieht  und    sie   im    Orest.    256.   die    alf^arw-roS;  k«? 
.  SpaxovTcGäeij  y-i^ag  nennt,    wo  die  alten  Scholien  bemerken,   man 

I  müsse  diefs   metaphorisch  verstehen,     so  konnte  man  auch  diese 

und  andere  Stellen  im  Aeschylus  dadurcli  befriedigend  erklären 
dafs  man  sagte,  man  habe  diefs  der  Einbildungskraft  der  Zu- 
schauer hinzuzudenken  überlassen.  V/ie  oft  diefs  in  der  alten  Tra- 
gödie der  Fall  sei,  wcifs  Jeder,  der  nur  einige  Bekanntschaft  mit 
ihnen  Jiat.  Das  auffallendste  Beispiel  giebt  der  blutbespritzte  Dolch 
des  Orestes.  Nach  melirercn  Stellen  unseres  Tragikers  klebt  fri- 
sches Blut  an  seinen  Händen  und  dem  frischgezückten  (viocvalsg 
s.  Schütz  zu  V,  42.)  Dolche.  Wer  diefs  buchstäblich  verstehen 
wollte,  müfste  auch  bei  der  Blutwäsche  der  Lady  3Iacbeth  (womit 
schon  Rochefort,  Theatie  des  Grecs  T.  II.  p.  220.  dieses  dem 
Orestes  anklebende  Blut  verglichen  hat)  fragen,  wo  denn  das  Blut 
an  ihren  Händen  sei. 


208 

Meniup:e  oder  niidere  rothe  Farbe  gespritzt  war,  um  das  her- 
Torqucllciule  Blut  60  siiiDikh  als  uiügliib  vorziiliildeii.  Und 
waiuiu  sollte  der  Tragiker  bei  seiner  iiianniclifaliigeii  Zuriist- 
ung  für's  Aiii!:e  (o\i.ig,  wie  es  Aristoteles  nennt)  niclit  anch 
auf  diesen  Ellect  mit  gearlieitet  liabeu.  Ileifst  es  doch  iu 
den  Lebensnachrii'hten ,  die  uns  Siiidas  vom  Aeschjlus  anflie- 

32.  wahrt  bat,  ausdrücklich,  er  habe  fürchtcrlicbe,  augonjalle  Mas- 
ken (TT^ocMTTil»  Ssivi ,  v.£x?'5'Miv« )  erfundeu.  Und  manche 
Stelle  im  Verfolg  des  Trauerspiels  würde  durch  diese  blut- 
triefeudeu  Augeu  noch  anschaulicher  geworden   sein  *). 

Stellen  wir  nun  die  Hauptzüge,  die  aus  den  Worten  des 
Tragikers  selbst  hervorgehen,  noch  einmal  unter  einen  Ge- 
sichtspunkt zusammen,  so  erblicken  Avir  seine  Furien  mit 
Gor  g  0  n  8  nm  ask  en,  schlangenhaarig,  mit  hiifslichem,  breit- 
gedrückten  Gesiebte  und  mit  vorgestreckter  Zunge,  bar- 
pvien  artig  mit  verlängerten  dürren  Armen  und  krallenar- 
tigen Fingern,  unbe  11  ü  ge It,  aber  zu  gewaltigen  Lnft- 
schritten  gerüstet,  schwarz  vom  Kopfe  bis  auf  die 
Füfse,  im  Gewände  der  iSacht,  mit  schwarzgemalter  Haut 
und  Maske,  auf  der  schwarzen  Maske  um  die  Augen  herum 
blutige  Flecken.  Gewifs  ein  Bild  voll  Graus  und  Entsetzen, 
Minerva  konnte  mit  Recht  sagen : 

(V.   403.)    0-J6'    cvv   ßqcrüoiq  s[j.(psgs~g   /t/oj$)cy//affi, 

Ilir  gleicht  der  menschliclien  Gestaltung  niclit, 

und  Apollo  sagte  nur,  was  wahr  ist,  wenn  er  diesen  Unhol- 
den zurief  : 

(V.   631.)    w    iretvrojuKjy)    y.vuihtxk«,    <TTvyyj    SstJuv, 

verliafstes   Vieii,  den  Göttern  ekle  Scheu! 

(wobei  anch  noch  die  Stelle  V.  185.  S.  verglichen  zu  Aver- 
den  verdient.) 

Es  kann  indefs  nicht  geleugnet  werden ,  dafs  nach  allen 
diesen  Angaben,  die  Avir  dem  Dichter  selbst  verdanken,    noch 

33.  Blanehes  im  Kostüm  seiner  Furien  dunkel  und  unbestimmt 
bleiben  würde,  wenn  uns  nicht  alte  Schriftsteller  bei  der  Be- 
schreibung gewisser  Mummereien  oder  Nationaltrachten  noch 
mehrere  sehr  daukenswerthe  Fingerzeige  darüber  gegeben 
bätten.  Vergleichen  wir  nun  diese  Zeugnisse  mit  dem,  waa 
wir  aus  dem  Dichter  selbst  gelernt  haben. 

Der  Liebling  und  Yorgänger  Lucian's,  der  Cyuiker  Me- 
nippus,  kam  einmal  auf  den  tollen  Einfall,  sich  als  eine  Fu- 
rie anzuziehen  und    so   iu  Theben   herumzugehen,    indem  er 


*)    Vergl,  Anmerkung  V. 


209 

sanfo,  or  kiiiiic  elicn  als  Kimdseliafter  ans  der  Unterweh,  um 
«lic  Frevchhalon  der  Measi-Iioii  zu  sriiaiieii  iiud  sie  dann  den 
iinfcnnliselioii  Mücliten  zu  vermelden  *).  Die  Epi(ouiatoren 
des  Hi|»j)ol(o(us,  Diogenes  von  LaeHe  und  Suidas,  bescliliefseii  34. 
iliie  Naehrieht  über  diese  fragisrhe  IMuninierei  mit  folgender 
Sfliildeiiinn; :  „Er  war  auf  diese  Weise  angezogen.  E i  n 
schwarzer,  bis  auf  die  F  ü  f  s  e  li  e  r  a  b  g  e  ii  e  n  d  e  r 
L  e  i  b  r  0 c k.  Um  diesen  ein  persischer  r o  t li  e  r 
G  ü  !•  t e I.  Auf  dem  K o p f e  trug  er  einen  a r c a d i- 
8  eben  Reisehut,   in    weichen  die  zwölf  Himmel  s- 


*)  Ich  folge  in  dieser  Angabe  dem  Suidas  s.  v.  i^actl;  T.  IIF.  p.  589. 
f.,  wo  diefs  dem  Menippus  zugeschrieben  wird,  Diogenes  VI,  102. 
erzählt  dieselbe  Sache  fast  mit  denselben  Worten  vom  Cyniker 
Menedemus.  Beider  Compilatoren  Quelle  war  Hippobotus,  der 
eine  Galerie  der  Philosophen  (avftyfa$)^)  tÄv  0(Xo!7:iJ)ivv)  gesclirie- 
ben  ]\atte,  nnd  welchen  Diogenes  iieifsig  excerpirt  zu  haben  sclieint. 
S.  Jonsius,  de  script,  bist,  philosoph.  IV,  27.  p.  56.  Einer  von 
Beiden  mufs  also  in  Absicht  auf  den  Namen  des  Plülosoplien  falsch 
excerpirt  haben,  Toup,  Emend.  ad  Snid.  p.  531.  Lips.  will 
niclits  entscheiden.  Allein  es  läfst  sich  wohl  kaum  zweifeln,  dafs 
Menippus  der  Name  des  Cynikers  sei,  der  diesen  Geniestreich 
ausgehen  Uels.  Diesem  Sonderling  und  Vorbilde  des  Lucian  (^s. 
Hemsterhuys  in  der  Einleitung  zu  Lucian's  Dialog.  Select,  p. 
2.  3.)  war  es  ganz  eigenthiimlich ,  die  Rolle  gewisser  Gottheiten 
zu  spielen.  So  schrieb  er  nach  Diogenes  VI,  101.  sehr  zierliche 
Briefe  im  Namen  der  Götter.  V^on  ihm  kannte  das  Alterthum 
eine  Schrift:  Das  Todtenreich,  NskuT«,  wo  er  sich  ohne  Zwei- 
fel selbst  die  Hauptrolle  bei  einem  Besuch  in  der  Unterwelt  zu- 
gethellt  hatte,  Was  aber  meiner  Verninthung  die  höchste  Wahr- 
scheinlichkeit giebt,  ist  das  in  Lucian's  Werken  noch  vorhandene 
Gespiäch,  das  gleichfalls  den  Titel  Nekyia  führt.  Dort  kommt 
Menippus  in  einem  ebenfalls  aus  der  Tragödie  entlehnten  Aufputz 
mit  Reisehut,  Löwenhaut  und  Lyra  geradewegs  aus  der  Unter- 
welt an,  weil  er  so  als  Ulysses,  Hercules  und  Orpheus,  welche 
alle  di-ei  vor  ihm  auch  in  der  Unterwelt  noch  bei  lebendigem  Leibe 
gewesen  waren,  frei  aus-  und  einpassiren  konnte.  S.  Lucian, 
Nekyia  c.  8.  T,  1.  p.  467.:  ti^cxytv.iug  /^«X«  ■KaqairiiAttojxs'Joi;  üxo 
ToC  cyyjixaro;.  Dieser  RIenippus  erschien  also  wirklich  ein- 
mal in  einer  älmlichen  Maskerade  vor  dem  Publikum,  ein  Um- 
stand ,  der  bis  jetzt  von  allen  Eiklarern  des  Lucian ,  selbst  von 
Hemsterhuys,  übersehen  wurde,  und  der  doch  ein  ganz  neues  Licht 
auf  jenen  Lucianischen  Dialog  wirft,  aber  auch  die  Gründe  für 
die  Unechtheit  desselben,  die  Wie  1  and  in  Lucian'a  Werken 
II,  357.  ff,  so  fein  entwickelt  hat,  ungemein  verstärkt, 

Böuigei'»  kleine  Schrificii  I,  14 


210 

Zeichen  e  I  n  p; o  w  i  r k  t  wäre  n.  T  r a g  i  s  c  li  e  J  il  j^  o  i- 
si'huhe,  einen  ü  Ij  c  r^rof  s  cn  Bar  t,  und  einen  8  lab 
von  E sehenholz  in  der  Hand."     OfTenhar  slaHiite  Me- 

35.  nippns  seinen  Fn«ienanzn<>-  noch  mit  verschiedenen  frenidarti<>en 
Znsätzen  ans,  nni  die  j^anze  3Iaskerade  desto  anfiallender  zu 
machen.  Der  üherj'rolse  Bart  gehörte  doch  woIjI  nnr  <leni 
Cyniker,  und  er  wollte  dadnrcii  anzeigen ,  dafs  er  gleichsam 
eine  männliche  Furie  sei.  Der  Reisehut  vertrat  die 
Stelle  der  Gorgonenmaske  und  halte  oH'enbar  auf  seine  weite 
Reise  ans  der  Unterwelt,  vielleicht  auch  auf  den  Ulysses  Be- 
ziehung, der  auch  einmal  aus  der  Unterwelt  zurückkam  und 
überall  an  dem  Reisehnle  kenntlich  ist  *).  Indefs  halle  dieser 
Hut,  nra  das  Abenteuerliche  zu  vermehren,  noch  einen  breiten 
Rand  und  in  diesem  Rande  den  Thierkreis,  ein  bekanntes 
Symbol    der    magischen    und  astrologischen  Zauberkünste  **), 

36,  eingewirkt.  Damit  erklärte  sich  also  Menippns  auch  für  einen 
Archimagns  und  gewaltigen  Geislerbanner.  Diese  fremden 
Znsälze  und  Yerbrämungeu  abgerechnet,  ist  alles  Uebrige  ech- 
tes Eumeuiden  -  Kostüm ,  wie  es  Aeschjlus  erfunden  halle. 
Der  schwarze ,  bis  au  die  Knöchel  reichende  Leib-  \ 
rock  (y^irusv  ■Ä-oSv)p>)s)  bestimmt  sogleich  das  Gewand  der  Fn-'  , 
rieu,  über  dessen  Form  uns  die  Ausdrücke  des  Tjagikers  im 
Dunkeln  lassen,  aufs  Allergenauesle.  Vielleicht  halte  er  statt 
der  gewöhnlichen  Falbel ,  wodurch  der  Leibrock  bis  auf  die 
Knöchel  verlängert  wurde,  ein  angenähetes  Fell  *♦♦). 


*)  Darum  trägt  wenigstens  der  Lucianische  Menippus  einen  ^7X0? 
in  der  Nekyia  c.  8.  T.  I.  p.  467. ;  denn  wer  kennt  nicht  das  elia- 
rakteristisclie  Zeiclien  des  Ulysses,  den  pileus?  Indefs  Jiat  dieser 
Hnt  eigentlich  gar  keinen  Kand  und  liegt,  wie  schon  Solerius 
(eigentlich  Raynaud)  de  pileo  c.8.  p.  167.  ed.  Amstel.  richtig  be- 
merkt liat,  wie  unsere  Schlafmützen,  glatt  an.  Hier  ist  aber  von 
einem  Hnte  mit  breitem ,  rund  herumlaufendem  Rande  die  Rede. 
S.  Anmerkung  IX. 

**)  Pafs  cTSi^^s?«  hier  die  Sternbilder  des  Tliierkreises  bezeichnen, 
hat  Menage  trefflich  gezeigt.  Daher  kömrat  nun  eine  eigene  Wahr- 
sagerknnst.  "VVer  sie  trieb,  hiefs  o-ro/j^s/w/aaT/vtc^,  und  die  mit  astro- 
logischen Zaubercliarakteren  bezeichneten  Bildchen  und  Talismane 
nannte  man  ffTOf^stijJi/.oiTa.  S.  Jo.  Canierar.,  de  generibus  di- 
vinationum  ac  Graecis  Latinisque  earum  vocabnlis  CLips.  1566.) 
p.  124.  und  Saumai  se,  de  annis  climacteristicis  p.  576,  Diese 
Bedeutungen  sind  Schneider  in  seinem  trell'Iichen  Würterbuchc 
entgangen.  Uebrigens  wurde  der  Zodiaciis  oft  als  Zierath  ge- 
braucht. S.  Guattani,  Monum.  Antichi  Inedit.  auf  das  Jahr 
1786.  p.  LVI,,  auch  auf  Münzen  imter  den  Kaisern.  S.  Vail- 
lant,  Select.  Numismata  e  Museo  De  Camps  p.  94. 

♦•)    Alle  Untergewander  oder  Leibröcke  auf  dem  Theater  waren  lan^', 


211 

Der  Sfliw.nrze  Leibrock  des  Menippiis  war  n;rjj;iirfet,  und  37. 
so  waren  also  aiiel»  die  Furien  als  wackere  Läiiferiniien  und 
Jäo-erinnen  (s.  Aescl.vl.  Eiunciiid.  7G.  127.  225.  240. 
319.  II.  s.  \v.)  die  WoliI,ne!;iirleleii  (i-'^wjot).  Dem  Gürtel 
selbst  ij,ieht  Siiidas  den  cbaraklerislischeii  Beinamen  ,  es  sei 
ein  persiscber  i^ewesen.  Dioj'encs  bingegoii  sagt,  er  sei 
seh  a  r  lachrot  h  gewesen  (^div^  (poivty.i]').  Wahrscheinlich 
hat  ancli  hier  Snidas  die  eclste  Lesart  des  Hippobotns  auflje- 
walirt,  lind  das,  was  Diogenes  setzt,  ist  nur  die  erklärende  Glosse, 
Denn  mir  ist  sehr  wahrscheinlich,  dafs  die  Griechen  eine  Art 
Toii  hreifeni  rothen  Gürtel  oder  eine  Schärpe,  die  sie  ans  Asien 
bekamen ,   persische   Gürtel   genannt   haben  *).     Auch  unsere   38, 


hiovjfftocv.oi ,  wie  sie  PoUux  VII,  60.  A/ovuff/av.cf ,  »o^^isx ,  he- 
stimmt.  So  rechnet  Lucian  die  j^iruJvsf  -rrol-i^^n^  ansilrücklich  zum 
tragischen  Apparat  in  Jove  Trag,  41.  T.  II.  p.  688.,  was  aber 
W'ieland  niclit  sowohl  durch  ScIilepprÖcke  (das  sind  die  pallae  und 
synnata)  als  durcli  lange  LeibrÖcke  hatte  übersetzen  sollen.  Nur 
waren  die  meisten  ungegiirtet,  It^jSccTältoi.  Diese  bei  den  Furien 
waren  gegürtet  nnd  scheinen  daher  zu  der  Klasse  zu  gehören,  die 
Aeschjlus  in  einem  verloren  gegangenen  Drama,  rc^criht;  betitelt, 
^cO/xara  ira^oifjc^f«,  (s-  Hesycli.  T,  II.  c.  899.5.  und  Pollux  VII, 
51.)  Leibröcke  mit  einer  Besetzung  unten  herum,  genannt  hatte. 
Denn  da  jedes  Gewand  ein  Gewebe  für  sich  ausmachte,  so  konnte 
man  nui-  mit  Mühe  LeibrÖcke ,  die  bis  an  die  Knöchel  reichten, 
aus  einem  Stücke  weben,  und  die  j^cruJwej  *o5v)fS(;  hatten  also 
alle  lange  Besetzungen  (Tri^aj,  institaa^.  S.  Sau  mal  se  zu  den 
Script.  H.  Aug.  T.  II.  p.  556.  f.  Nun  sclieint  es  mir  wahrschein- 
lich, dafs  hier  die  iJ«  oder  Besetzung  eine  karavaK:)  (Pollux  VII, 
68.) ,  etwa  von  schwarzen  Lammfellen ,  gewesen  ist.  So  liefse 
sicli  nun  das  wunderbare  Beiwort  der  Furien  beim  Orpheus  H» 
LXXVIII,  7.  Qi)gU£TXpt  erklären, 

*)  Die  Griechen,-  die  bis  auf  die  Zeiten  AleXähdfer's  lietäb  gegen  den 
asiatischen  Luxus  noch  immer  eine  sehr  kleine  Figur  machten, 
nannten  auch  im  tägliclien  Leben  Alles,  Was  sich  durch  buntfar- 
bigen Putz  oder  Bequemlichkeit  und  Kleganz  auszeichnete,  per- 
sisch. Selbst  der  Hahn  mit  seinem  bunten  Gefieder  hiefs  bei  ihnen 
eovif  TTSoc-fKÖj.  So  gab  es  für  die  griechischen  Damen  niedliche 
Pantöfl'elclien,  die  vtqffmx  oder  -jrsf  s-ixä!  hiefsen  und  in  der  Folge 
freilicii  selir  gemein  wurden.  S.  Pollux  VII,  92.  und  zu  Hesychius 
T.  II.  c.  944,  14.  So  liatte  man  persische  Dolche,  j)ersiscJie  Stöcke 
(oben  krumm  herumgebogen),  persische  Becher  undHüte.  DieBelege 
dazu  linden  sich  in  Pollux.  Sardes  war  der  Hauptstapelort  für  alle 
diese  Waaren  (s.  Aristoph.  Vesp.  1134.),  die  den  Griechen  ui)gef.Hür 
eben   das    galten,     was  den  Jetzigen    Europäern    die    ostindischen 

14* 


212 


Waaren.  Vor  Allein  sclieinen  mm  aucli  die  persischen  Gürtel  und 
Schärpen  von  den  Griechen  für  ein  Praclitstück  gelialten  worden 
7-n  sein.  Die  ^wv>)  irf^cr/x^  des  grofsen  Königs  war  ein  Pracht- 
stück ,  womit  sich  Alexander  besonders  bekleidete.  S.  Diodor 
XVII,  77.  p.  220.  und  vor  dem  die  Höflinge,  so  wie  vor  dem 
übrigen  Ornate  des  Königs,  auf  die  Kniee  Helen:  r>)v  irffvcivtvjv 
^cuv>)v  irpO(TKDvovo-(v,  Plutarch  in  Alex.  c.  51,  T.  IV.  p.  323.  Hutt. 
Vergl.  Bris  so  n,  de  regn.  Pers.  I.  p,  41.  ed.  Commelin. 
Die  Gürtel  der  Frauen  müssen  nicht  weniger  kostbar  gewesen 
sein,  da  sie  bekanntlicli  zum  Gürtelgeld  grofse  .Städte  zngetheilt 
erhielten.  S.  Brisson  I.  p.  76.,  Perizon  zum  Aelian  u.  A. 
*)  Wenn  AeschyUis  in  den  Persern  die  Königin  vom  Chore  anreden 
läfst  V.  155.,  so  wird  sie  ßaSv^wvMV  vs^cihwv  avctae«  genannt. 
Dazu  machen  die  alten  Scholien  die  Bemerkung,  die  Perserinnen 
wurden  paSj<^wvo«  genannt,  5;«  ro  v-oöeeov^  rag  JoGvaf  s'x^'"''» 
Y\.qo<Taot  sind  die  angesetzten  Troddeln.  S.  Cup  er,  Obs.  1.3.  p, 
19.  und  Saumaise  zu  den  Script.  H.  A.  T.  I,  p.  549.  Die 
herabhängenden  Schnuren  und  Franzen  konnten  selir  wohl ,  wie 
dort  die  Suffavot  an  der  Aegide  der  Minerva,  für  Schlangen  ange- 
sehen werden,  2vff(xvDs-o'jn  öipisi  £iV/  ocXka  'ifxävTtvoi,  HerodotlV, 
189.  So  konnte  auch  der  persische  Gürtel  der  Furien  aus  der 
Ferne  ein  Schlangenansehen  erhalten. 

**)  In  einem  Fragmente  des  Alcmaon  von  Ennius,  das  Cicero  anführt 
Acad.  II,  28.,  heifsen  die  Furien  coeruleo  incinctae  angui  nacli  der 
unstreitig  richtigen  Verbesserung  des  Columna  in  ed.  Hesselii  p. 
284.  So  beim  Ovid,  Metam.  IV.  482.  torto  incingitur  angue,  und  nach- 
dem sie  ihr  Werk  getlian  haben,  tumidumque  recingitur  anguein 
V.  510.,  denn  so,  nicht  sumtumque,  welches  ganz  platt  und 
überflüssig  wäre,  mufs  in  jener  Stelle,  wie  ich  glaube,  gelesen 
werden.     Aehnliche  Vorstellungen  haben  Statins,  Claudian  u.  s.  w. 

***)  Zu  diesem  gelierte  ganz  eigentlich  der  breite  Gürtel,  wie  man  aus 
alten  Denkmälern  sieht,  wo  die  Iiohen  tragisclien  Fig\iren  derglei- 
chen Gürtel  tragen.  So  der  Acteur,  der  den  Hercules  macht,  auf 
dem  Relief  in  der  Villa  Pairilili  bei  Winckelmann,  Monum  Inedit, 
n,  189.  mit  Winckelmann's  Bemerkungen  S.  247«  So  die 
Melpomene  auf  dem  bekannten  Sarcophag  im  Capitoljuum  bei  Vis- 


2ld 

r^.A-yi-Aol)  luuclile  icli  nl(  lit  gerade  von  doii  liüclisJen  S(elzen- 
Bcliiilit'ii,  die  ii I leid i  111' s  iiiicli  in  Ileldeiiiülleii  der  Tnii^fidic  ge- 
braiiclit  worden  sind,  sondern  nur  von  den  sogenannten  lioli- 
I  e  n  Seluiliea  verstehen ,  wiewolil  anclj  diesi;  ilirc  doppellen 
oder  dreiiaelien  Korksolilen  Italien  und  die  Statnr  nrn  etwas 
veri!;röfsern  nioclilen.  JMan  miifs  lii«'il(ei  nur  nicht  vernessen,  40, 
dafs  sirli  Aesehvliis  seihst  seine  Eunieniden  als  schnell  ver- 
lulgende  Jägerinnen  dachte.  Der  eigentliche  Colhnrn  stammte 
aus  Creta  und  wurde  doit  aiisschliefsend  von  den  Hirsch- 
nnd  Gemsenjägern  getragen.  Man  schnürte  den  Fiifs  bis  an 
die  Mitte  des  Schienbeins  fest  hinein,  nni  ihn  gegen  alle  än- 
fscre  Verletzung  zu  sichern  und  beim  Springen  über  Klüfte 
niid  Klippen  die  Knöchel  vor  dem  Verrenken  zu  verwahren*). 
Da  er  nicht,  wie  andere,  zum  Hausbedarf  oder  zum  Ausgehen 
in  der  Stadt  gebrauchte  Beschiihuiigen,  blos  aus  einer  brefer- 
nen  Sohle  (cavSaXov)  mit  einigen  Riemen,  die  über  dem  Fufs 
zugebunden  wurden  (Cicöh-^iJ.a.'),  bestaiul,  so  liiefs  er  daher  nucli 
der  hohle  Schuh.  Aeschvlus  fand  diese  dorisch- cretensischen 
niid  von  da  auch  in  Laconien  eingewanderten  Jiigerschulie  für 
seine  Tiieafcrgarderobe  verninthlich  darum  seiir  passend,  weil 
sie  durch  die  Bänder,  womit  sie  geschnürt  wurden,  mehr  Putz 
znliefseu  **),  auch  den  Fufs  der  Tänzer  in  den  Chören  zier-  41. 
lieber    umschlossen  *♦*).     In  so   fern    war   es  also    nur    noch    42. 


conti,  Pio- Clement.  T.  I.  tab.  B.  n.  9.,  so  auch  der  tragische 
Acteur  auf  einem  Hercnlanischen  Gemälde,  Pitture  T.  IV.  t,  41., 
■wo  der  Gürtel  goldfarbig  ist. 
*)  Zu  der  Stelle  des  Hi[>pokrates,  wo  er  bei  Verrenkungen  der  Knö- 
chel den  Kf/)r<Kov  rgö-rov  ruiv  uxoö»j//«twv  empfiehlt,  de  artic.  s. 
73.  T.  II.  p.  629.  edit.  Lind.,  hat  Galen  T.  V.  p.  644.  Basil. 
diese  Jäger- Cothurne  so  deutlich  beschrieben,  dafs  man  sie  nach- 
machen könnte.  Es  waren  geschnürte  Halbstiefeln  zum  Laufen 
a\if  dem  Gebirge.  Eben  darum  hiefsen  sie  auch  gvSpsui&e?  ""'' 
waren  als  solche  der  cretensischen  Diana  eigen.  Pollux  Vll.  193. 
Mit  dem  allgemeinen  Namen  hiefsen  sie  üiroö^juar«  koIX«  ,  PoH' 
V,  18.  Vll,  84.  und  gehörten  unter  die  Kovjiri'öef.  So  erscheint 
Atalanta  den  Jägern  in  einer  k^jjxJj  uxso  ctpvqov  beim  Philostratus 
u.  s.  w.  Die  befsten  CoUectaneen  giebt  Span  he  im  zum  Calli- 
maclius,  H.  in  Dian.  16.  p.  180.  f. 

**)  Man  sehe  die  Conimentatoren  zu  Virgil's  Puniceo  stabis  suras 
evincta  cotliurno,  Eclog.  VII,  32.  Denn  selbst  in  den  marmornen 
Statuen  der  Diana,  der  Atalanta  und  anderer  Jagdnymphen  wurden 
diese  Riemen  durch  enkaustische  Malerei  roth  gefärbt,  picti  co- 
thurni  Ovid.,  Am.  III,  331. 

***)  Das  niti  cothurno,  welches  Horaz  der  Erfindung  des  Aeschylus 
zuschreibt  A.  P.  280.,    setzt   freilich   nun  aucli  die  durch   erhöhte 


214 


licsoiiders  bei  (Ion  Clioristen  »lor  schmiickonde  Jilgersi'liiili,  iinü 
nur  diesen,  glanbe  ich,  dürfen  wir  niis  liier  an  den  Fiifscii 
der  Furien  denken,  die  in  cigcnlliclien  Sfelzenseliiilien  einen 
eelir  unbeholfenen  Fesselrei.ü,en  nru  den  "eän^steten  Oresles  ge- 
tanzt und  als  trä.i:,e  Jagerinnen  nur  den  Laclieru  ein  Fest  ge- 
geijcn  häUen.  AVas  der  l^egrifF  des  Scliicklicheu  sehon  an 
und  fiir  sieh  fordert,  uiid  auch  durch  die  Bf'lraclitnng  aller 
Kunstwerke  weiter  unten  Tollkoninien  besläligt  werden,  auf 
welclieii  die  Furien  stets  als  walire  cretensisehe  Jägerinnen, 
Jiiit  den  Icic'itc'u  und  hücligeschniirlen  Jägersclmliou  angetlian, 
aber  nicht  in  tragischen  (^olhnrncn  einherschi eilend,  erschei- 
nen. —  Zuletzt  liatte  Menippus  auch  noch  einen  Slab  aus 
Esclieniiolz  ia  der  Hand  (^aßbo-^  /jistKiv^-^),  Man  wiirdc  sich 
irren ,  wenn  man  diefs  fiir  den  berüchliglcii  pliilosophisclien 
Knotenslecken,  womit  die  Cvniker  dem  vorgeblichen  Ahnherrn 
und  Schutzpafron  ihrer  Secte,  dem  Hercules,  es  gleich  zu  Ihnn 
strebten,  verstehen  wollte.  Ks  ist  hier  von  einem  ganz  an- 
«lern  Stabe  die  Rede,  der  zur  Theater -Pie|träsenlal;on  geliört. 
Ein  langer  gerader  Slab  war  zwar  schon  iiberhan|tt  das  Zei- 
chen der  Tragödie,  die  sich  eben  dadurch  von  »lern  Krntnm- 
stab  des  Lustspiels  und  der  Salvrharidlniig  symbolisch  nnler- 
schiod.  Allein  hier  in  der  Hand  einer  Furie  bezeichnete  die- 
ser Slab  doch  wohl  noch  weit  mehr  die  strafende,  den  Ver- 
brecher züchtii'ende    Güttiu.     Man    erinnere    sich   hierbei    nur 


Solilen  die  Statur  der  Heroen  heroisch  vergröfsernden  Stelzen- 
scluihe  voraus.  Allein  diefs  war  ein  neuer  Zusatz  des  erliii- 
derischen  Dichters ,  den  er  von  den  sogenannten  tyniienischen 
Scliulien,  die  vier  Finger  dicke  Solilen  von  Kork  liatten ,  also 
wieder  von  einer  ganz  andern  Nationaltracht,  zn  seinem  Kadzweck 
entlehnte.  S.  N.  teutsch.  Merkur  1799.  November  S.  222. 
So  schuf  Aescliyhis  erst  aus  dem  cretensischen  Jägerschuh  und  den 
tyrrhenischen  Korksohlen  eine  ganz  neue  Art  von  tragischen  Tliea- 
terschuhen,  die  aber  den  alten  Namen  nö2oavo;  b^'hielten,  übri- 
gens in  ihrer  vollen  Grofse  nur  bei  den  ersten  Helden- 
rollen geliraucht  und  nicht  von  allen  Acteurs  und  Choristen,  die 
in  richtiger  Abstufung  viel  kleiner  erscheinen  sollten ,  getragen 
wnirden.  Man  Jiat  diefs  bisher  immer  noch  nicht  sorgtaltig  unter- 
scliieden  und  die  Kothurnen  der  Diana  und  des  Trauerspiels  lä- 
cherlich genug  mit  einander  verwechselt.  Winckelmann  zu 
den  Monum.  Inediti  p,  248.  hat  zuerst  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, lieber  die  erhöhenden  Cothurne,  die  eben  defswegen  ifx- 
ßärcti  ^Stelzen)  hiefsen,  verdient  das  merkwürdige  Fragment  des 
Dioinedes  nachgelesen  zu  v.criieii,  das  N  aickenaer  zu  Ammonius 
I,  18.  p.  75.  aus  dem  Dionysius  e\cer[>irt  liat. 


215 

iiii  lue  iiianniclifaIliü,on  Goli'i^pnlu'ilcn ,  wo  Im  Ahertiiiiiiie  der 
yiab  das  Zeicla'ii  dt'r  riclilorlii-hfu  iiiul  strat'eiidfn  Gewalt 
war  *),  und  denke  sich  die  Furien  als  eine  Art  von  Lictorcn  43. 
oder  (Jericlilsdienerinnen,  die  den  Zuchlstecken  nicht  blos  zur 
Parade  in  der  Hand  fiilirlen.  Sehr  inerivwiirdijji-  ist  für  diese 
Vorstelliingsart  die  alte  Allegorie  auf  dein  Kasten  des  Cvpse- 
Ins,  wo  man  unter  Anderen  eine  schöne  Frau  erhlicklc,  die  einer 
häCslichen  Frau  sehr  übel  mitspielte,  sie  mit  der  einen  Hand 
würgte,  mit  der  andern  aber  millels  eines  Steckens  stiinple  **'), 

So  weit  der  Cjniker  im  Fnrienkostnni.  Was  hier  noch  44. 
«•twa  zweilelhaft  und  dunkel  seblieben  wfire,  das  könnte  uns 
diefsmal  der  dunkelste  unter  den  allen  Dichtern,  der  Räihsel- 
redner  Lvcophron,  anl'liellen.  lu  seinem  Monodram  verkündet 
die  Cassandra  unler  Anderm  auch  ihre  eigene  Vergötterung 
bei  den  Danniern,  einer  alten  griechischen  Colonie  in  Apnlien. 
Dort  herrschte  eine  sonderbare  Sitte.  Die  mannbaren  Mäd- 
chen, die  g^ern  nuverheirathet  bleiben  wollten,  nmfafsten  das 
Bild  der  Cassandra  und  erhielten  dadurch  eine  Art  von  Weihe. 
Sie  gingen  von  nun  ah  (wie  viele  Jahrhunderte  später  aus 
iihnlichem  heiligen  Wahne  die  gotlgeweihten  Jungfrauen  beim 
Terlulliau,    Joannes  Chrjsoslomus  u.  s.   w.)    schwarz    ge- 


')  So  waren,  um  nur  Einiges  anzuführen,  die  nißhot  die  Zeichen 
der  Gewalt  eines  Gymnasiarcheu  (s.  Fischer  in  Ind.  ad  Aeschin. 
Dialog,  s.  v.^  und  der  Brabeuten  und  Kanipfricliter ;  dalier  ^jaß- 
ScvcusTv  beim  Sophocies,  Traclün.  516.  so  viel  als  Kampfrichter 
sein  bedeutete,  üeberall  bezeichnete  diefs  die  Gewalt,  schlagen 
nnd  bestrafen  zu  lassen,  die  auch  der  Römer  durch  seine  Licto- 
ren  angedeutet  wissen  wollte.  Alle  jene  griechischen  Magistrats- 
personen  hatten  auch  ihre  Büttel,  öaßhsjyoiK;.  S.  z.B.  tlie Kampf- 
richter in  den  Theatern  beim  Aristophanes  in  Pace  735,  Yergi. 
Pollux  in,  153. 
**)    Pausanias  V,  18.  p.  79.     Tw»)  idthifi  yvv(x7Hx  atvy^^av  Ko/xi^sLff«, 

ra.Zra  ^Ahi/.iav  hgaicä  tan.  Schon  Heyne,  über  den  Kasten 
des  Cypselus  S.  37.  macht  auf  dieses  Beispiel  des  Einliusses 
der  BUdeisprache  auf  die  Bildnerei  aufmerksam.  Die  AtV.vj  wird 
sehr  oft  mit  den  Iloivaj;  und  Furien  verwechselt.  S.  Wytten- 
bacii  zu  Piutarcb,  de  S.  N.  V.  p.  17,  Hieraus  allein  wird  auch 
die  berühmte,  selbst  von  Valckenaer  falsch  erklärte  Stelle  im 
Euripides,  Hippolyt.  1172.  deutlich,  wo  man  das  osxröoy  A'>tt^,- 
nicht  vom  Stellholz  in  der  Mäusefalle,  sondern  von  diesem  stra- 
fenden Zucbtstabe  erklären  mufs.  Auf  almliche  Weise  giebt  Pin- 
dar,  Olymp.  IX,  50,  dem  Hades  einen  näßoo;,  womit  er  die  Stevb-i 
liehen  in  die  Tiefe  des  Orcus  beralmötliist. 


216 

kleidet.  Diefs  nannte  mau  die  F  n  r  i  e  n  t  r  a  c  li  (.  Lyco|»liion 
liifst  (li<fs  die  Cassandia  folgcudennafsen  ausdrücken  (Y. 
1131.  ff.) 

Wenn  sicli  die  Mädclien  in  der  Jungfraii'n  Joch 
Zu  scliniiegen  weigern  und  die  Brautnaclit  llieirn  — 
ümscldiiigen  sie  mit  brünst'gem  Druck  mein  Bild, 
Der  Brautbewerbung  Gegenwehr.     Sie  geh'n 
In   der  Erinnyien  Gewand,  im  Antlitz 
Mit    Kräutersäften   farbig   angemalt. 
So  werd'  ich  dann  von  den    st  abtr  a  ge  nden 
Jungfrau'n  als  ew'ge  Göttin  angellelit! 

45.  Tzetzcs  führt  in  seinem  Commeular  zu  dieser  Sielle  aus  den 
iiltereu  ScLolien,  die  er  ileifsii;;  excerpirle,  ein  wiiiili2,es  Frai»- 
mont  des  Geschichtschreihers  Timäus  au ,  der  in  seinen  ita- 
lischen Geschichten  besonders  aiicli  die  Staunnsa,ü,eu  und  Sit- 
ten der  Kiislenhewohner  des  unteren  llalieus  lieilsig  ■•esaninieit 
hatte  und  wahrscheinlich  von  Lycophrou  seihst  zur  Aus- 
scliniücknng  seines  gelehrten  anti(|iiarisclien  Gediciites  haiiH«- 
i^ehrancht  wurde  *).  „Timäus  berichtet",  diefs  sind  die  Worte 
des  Tzetzes,  „dafs  die  danuischen  Weiher  ein  schvvarz(!S  Ge- 
Avand  (ragen  und  ihie  Gesichter  mit  rotljer  Farbe  malen,  dafs 
sie  mit  breiten  Binden  geiiürlct  und  mit  hohlen  Schiilien  he- 
scLuhet  sind  und  Stäbe  trai>eu"  **).     Es  haben  schon  andere 


*3  Man  hat  diesen  Gescliichtsclireiber  seiner  vielen  Mährchen  wegen 
schon  im  Alterthum  y^ctoirvkXinr^iav  genannt.  S.  Suidas  s.  v. 
und  Vofs,  de  Histor.  Gr.  I,  12.  p.  82.  Man  könnte,  oluie  unge- 
reclit  zu  sein,  denselben  Ekelnamen  auch  dem  Lycopliron  geben, 
der,  wie  aus  melneren  Citaten  des  Tzetzes,  z.  B.  in  der  Fabel 
von  Podalirius  V.  1050.  erliellet ,  die  Fabeleien  des  Timäus  mit 
beiden  Händen  ergriff.  Besonders  scheinen  die  Daunier  ein  gan- 
zes Nest  voll  Legenden  geliabt  und  in  dem  Sagenregister  des  Ti- 
mäus (dessen  Fragmente  wohl  eine  eigene  Sammlung  verdienten) 
eine  wiclitige  Rolle  gespielt  zu  haben.  Dafs  auch  die  Kleidung 
ihrer  Männer  und  AVeiber  dort  sorgfältig  beschrieben  worden  ist, 
beweis't  ein  Citat  des  Pollux  II,  29.,  wo  von  der  'Ey.röostos  niun 
die  Rede  ist. 

J  A«  rw'j  Aatuvt'wv  yvMiü>isg  juöX«/v«v  strSyjToc  (poqov^i  k«i  rag  c'<pet; 
ßaiTTCVTCXt  TTV^^M  y^QUinocri,  rocivialg  TS  -TrkarEiacig  stah  uirs^wff/xs- 
vcci  ,  v-rrohihi/xtvoct  ra  y-olkoc  OxoS>)/x«tä  ,  k«)  ^äßhov  axri'^^ovffoii. 
Es  versteht  sich,  dafs  der  SchoÜast  die  Stelle  nur  im  Auszuge 
liefert.  S^sig  würde  Timäus  sciiwerlicli  selbst  gesetzt  Iiaben.  So 
stand  neben  tu^ow  im  Timäus  gewils   auch  noch  xaj  /.„aveyj. 


217 

Kcnnor  der  alli(ali'scbt.'n  GescIiicIitL'  «las  soiidoibare  Besdebcii  40. 
der  dortifion  Eiiiwoliiier  bemerkt,  uralten  Nalionalgebräiielieii 
einen  grieeliiscben  Ursprung,'  zn  »eben  *).  Diefs  war  höchst- 
wabrscbeinlii  li  ancb  der  Fall  mit  d(Mn  Fiirienkostüm  der  daii- 
iiisdien  Jungfrauen  ,  das  wir  iiocb  in  mcbreren  Küstengeoen- 
den  des  westliclien  Europa  finden  **).  Reisende  Grieclien, 
die  diese  uralle  Nationalsilte  sahen,  verglichen  sie  nur  mit  47. 
ihren  theatralischen  Furien  und  erdaclUen  dazu  eine  Fabel 
vom  Dienste  der  Prophefenjungfrau  Cassandra.  Für  uns  bleibt 
aber  dieses  Bruchstück  des  Tiniäns  nebst  dem  Gebrauche,  den 
Lycophrou  davon  gemacht  hat,  immer  sehr  merkwürdig-.  Die 
Jungfrauen,  die  sich  als  Erinnvien  einkleiden,  malen  sich  das 
Gesicht  mit  künstlichen  Farbenmischungen  ***}.  Hierdurch 
wird  das  beslüligt ,  was  ich  oben  von  der  Schwärzung  des 
Gorgonengesichts ,  der  Schultern   und  Arme  beider  Aesclijlei- 


S.  Heyne,  Exciirs.  IV.  ad  Aeneid.  VII.  p.  131.  ff.,  ein  trefflicher 
Excurs ,  der  allein  ein  Dutzend  citatenreicher  Topographieen  ita- 
lienischer Antiquarier  aufwiegt. 

Die  Iberier,  sagt  Posidonius  beim  Athenäus  XII,  5.  p.  523.  B,, 
ob  sie  gleich  in  langen  tragisclien  Gewändern  mit  allerlei  Far- 
ben ausgehen  und  sich  der  Leibröcke  bedienen,  die  bis  auf  die 
Fiifse  herabreichen,  (y^traifft  irohi^qifft)  sind  dabei  doch  sehr  rü- 
stige Krieger.  Eben  diesem  Posidonius  verdankte  wahrscheinlich 
auch  Strabo  seine  Nacliriclit  von  den  Einwohnern  der  Cassiteriden 
oder  Zinninseln.  Dort  wohnen,  sagt  er  III.  p.  263.  B.,  schwarz- 
gekleidete Menschen  (ixikayx>^otivoi ,  ein  bekannter  Beiname 
vieler  alten  Völker,  s.  Herodot  IV,  107  u.  a.,  vergi.  Tacitus,  de 
nior.  Germ.  c.  43.  und  zu  Ammian  Marcellin  p.  476,  Gron.) 
die  langherabgehende  üntergewänder  anzuziehen  pflegen,  um  die 
Brust  gegürtet  sind  und  mit  Stecken  herumgehen  (usr» 
gäßhujv  xsfiiraTovvTsj) ,  ähnlich  den  Strafgöttinnen  in 
der  Tragödie  (^o/xoioi  raTj  r^ayiHAl;  JJoivatg  nach  der  iinbe- 
zweifelten  Verbesserung  des  Casaubonus,  die  auch  Siebenkeefs  aus 
Handschriften  mit  Recht  aufgenommen  hat  T.  I.  p.  469,),  Das 
ganze  Räthsel  löst  sich  vielleicht  am  befsten  durch  eine  Stelle  des 
Tacitus,  Annal.  XIV,  30.,  wo  die  Vertheidigung  der  Insel  Mona 
(gewifs  eine  der  alten  Cassiteriden)  beschrieben  wird :  intercursant 
feminae  in  modum  Furiarnm,  quae  veste  ferali,  crinibus  de- 
jectis  faces  praeferunt.  Ernesti,  der  sich  dort  die  vestem  fera- 
lem  nicht  recht  zu  erklären  weifs ,  erinnert  sich  niclit  an  die 
schwarzgekleideten  Furien  der  alten  Tragödie. 
Lycophron  nennt  es  ^sSov;  ßa(()äg.  Wenn  qsSo^  im  Singular  steht, 
bezeichnet  es  immer  das  Gesicht.  S.  Hesychius  s.  v.  und  Len- 
nep's  Etymologicon  S.  846  f. 


218 

eHien  Fiirleii  schon  erlniipil  linbo,  Aiuli  das  Traj^pn  des 
Staljes  winl  liier,  so  wie  der  bioile  Giiitel  und  d«T  Jäj'er- 
8iluil),  als  zum  Fnrienkostiim  iinaliändfilicli  i;«'lii(r(Mid  ,  an»e- 
lüliil.  Nun  erst  liifst  sich  mit  völliger  Sitlicrhcit  das  älte- 
ste Furienansehen  hesliniinen,  und  nianclier  alte  Stliriftstel- 
1er,  der  Ton  diesem  Kostüm  nur  im  Alij-eraeinen  spridit, 
daraus  erkliiren  *). 

48.  Die  Furien  mit  dem  Stabe  in  der  linken  Hand  konnten 
mit  der  rechten  auch  iiocli  eine  Fackel  scli\vini|,en.  Es  ver- 
dient indefs  bemerkt  zn  werden,  dafs  weder  die  ansführliclien 
Besehreil»nnj>en  des  ältesten  lrai>ischen  Fnrionkosd'inis ,  die 
wir  ans  den  Fragmenten  desllippobotns  und  Tiniäiis  jetzt  durch- 
gegangen haben,  noch  Acscliylus  selbst,  so  viel  ich  bei   einer 

49.  genauen  Prüfung  habe  linden  können,  dieses  Allribuls  bei  den 
Enmeuiden  Erwähnung;  thun  **).     Indefs  ist  diese  Fackel  ein 


*)  So  erzählt  Pansanias  III,  10.  p.  118.,  die  Helena  sei  von  iler 
Polyxo,  der  Genialilin  des  Tlepoleinus,  auf  der  Insel  Rhodus  aus 
Rache  getödtet  worden,  indem  die  Polyxo  ihre  Sclavinnen,  als 
Furien  angekleidet,  über  die  badende  Helena  gescliickt  habe,  um  sie 
durch  diese  so  vermummten  Henkerinnen  an  einen  Baum  aufknü- 
pfen zu  lassen.  Man  sieht  nun,  wie  man  sich  die  Ssoa-rraivcK;  'Eo(v- 
vüctv  sTy.ivcKT/jit-jat;  zu  denken  Jiabe.  So  erblickt  Dion  kurz  vor 
seinem  Tode  im  düsteren  Säulengange  seines  Hausesein  Gespenst: 
yh-jaly.oc  fxiyaky^v,  CTokfi  /xsv  v.ixt  xoofftuxco  fjt.yyöiv  ^qivyvoq  roo-yi- 
y.^f  Ta^aA-XaTTOUCav ,  CAiqcvccKV  6g  Y.aXkv'jrQM  rrA  r>)v  cr/.la'j 
beim  Plutarcli  im  Leben  des  Dion,  55.  T.  VI.  p.  221.  Hutt. 
An  die  späteren  Attribute,  Fackeln  und  Schlangen,  ist  hier  lücht 
zu  denken.  Es  war  die  lange  Aesch}  leische  Furie ,  die  Dion  er- 
blickte. Nur  hatte  sich  der  Stecken  in  einen  Besen  verwandelt, 
womit  sie  das  Haus  kelnte.  Die  Handlung  ist  symbolisch  nnd  be- 
zeichnet, dafs  Dion  mit  Stumpf  nnd  Stiel  ausgerottet  werden  solle. 
So  giebt  Aristophanes  dem  Jupiter  einen  Besen,  womit  er  durch 
'  die  Plage  des  peloponnesischen  Krieges  Grieclienland  fegt.  Denn  so 
ruft  der  patriotische  Trygäus,  gen  Himmel  sehend,  in  Pace : 
w  Zsü,  Ti  TTon  ßovkivsi  voiilv'f  naräSov  to  y.i^vj/xcc,  yujj'Kxipei 
Tv)v 'EXXäSa.  Daher  sKy.ofi)5s/v)5  als  Fluch,  den  Wagner  nach 
Bergler's  und  Schneider's  Vorgang  richtig  in  Alcipliron  T.  IJ.  p. 
189.  aufgenommen  hat  Vergl.  Küster  zum  Suidas  s,  v.  und 
VV.  DD  zu  Hesychius  T.  I.  c.  1137.  8. 
*♦)  Nur  zwei  Stellen  in  den  Kumeniden  sind  meines  "Wissens  auf  die 
Fackeln  der  Furien  bezogen  worden.  Im  v/xvo;  6sc-/x<o;,  den  sie, 
um  den  Orestes  tanzend,  singen,  sagen  sie  (V.  375):  wir  treiben 
ein  einloses,  von  den  Göttern  gescliiedenes  Gescluift  auf  schwieri- 
gen Gängen  mit  sonnenlosem  Glänze,  Äv>)Xi'c;j  Xäfxirn.     Dielis 


219 

«citr  altes,  xligotiHMii  iing'oiioitiinciivs  und  cliarakteristiäi-lics  Kenn-  50. 
/•'[flieii  «l<'r  tri!  j»i  s  eil  t*  II  Eriiiiiys,  wie  rroperz  sie  iioiiiit 
(If,  16.  20.)  lind  oliiie  Zweilel  ancl»  sehr  fiiili  auf  dem  j!;^rie- 
chisclieii  Tlicater  zur  Bezeicliuniio;  der  sflireekltaien  Sliafi;öU 
(iiineii  j'ehrauclit  worden.  Der  Scherz  des  Aristopliaues  allein 
iMÜfsle  diefs  schon  hiniängiicli  beweisen.  Im  Pliilns,  wo  die 
!  |iersonilicirle  Düiflij'keit ,  die  Peiiia,  di(!  zwei  Alten,  de» 
i  Clirenivlus  und  Ble|).sideiiins,  aiifdllt  (V.  423  IF.),  ruft  Chre- 
;   iu}his  mit  einer  komischen  Gebenle  der  Verwunderung-: 

—     Wer  bist  du  ?   denn  du  scheinst  so  blt-ich  ? 
Bleps.     Vielleicht  die  Furie  ans  dem  Trauerspiel? 
CJirem.     Doch  liat  sie  keine  Fackeln.     Bi.  Wenn  sie  doch 
Beim  Henker  wäre!  — 


hat  schon  Winokelmann  zu  den  Monum.  Ined.  p.  205.  von  der 
dunkeln  Rauchfackel  der  Furien  erklärt,  und  von  Humboldt  in 
der  Berlin.  Monatschrilt  1793.  August  S.  158.  hat  es  gleichfalls 
mit  „sonnenscheuer  Fackel"  übersetzt.  Wenn  es  auch  sonst  zu 
erweisen  wäre,  dafs  Aeschylus  seinen  Furien  Fackeln  gegeben  ha- 
be, so  würde  diese  Stelle  allerdings  so  erklärt  werden  können. 
Da  diefs  aber  nicht  der  Fall  ist,  so  wäie  ich  geneigter ,  diefs  nur 
von  einem  feurigen  Schein,  der  die  im  Dunkeln  Wandelnde 
(>J£foCpo/r>jj,  Ilias  IX,  567.)  umgiebt,  zu  verstehen.  Man  erinnert 
sich  dabei  ohne  Zweifel  der  Vision  des  Orestes  beim  Euripides, 
Ipliig.  in  Tanr.  V.  288.,  der  die  Furie  sieht  sV.  j^^/rtGvwv  xüj 
Tvsovffixv.  Vielleicht  nalim  Plato  daher  seine  «vS^»«?  liatns^ovg  in 
dem  berülimten  Mythos  von  der  Unterwelt  de  Rep.  X.  T.  Vif. 
p.  326.  Bip.  Ueberliaupt  umlodert  sie  eine  liöllische  Gluth.  Se- 
neca  in  Herc.  Für.  87.  sagt  von  den  Furien  :  ignem  Hammeae  spar- 
gant  comae.  —  Die  zweite  Stelle,  die  Bergler  zum  Aristoph. 
Plut.  424.  von  der  Fackel  der  Furien  verstanden  haben  will,  ist 
am  Schlüsse  des  ganzen  Stückes  V.  1028. ,  wo  bei  der  feierlichen 
Procession  die  Begleiter  (^ir^oTOfxTrot)  singen:  „Hieher,  ihr  Heh- 
ren, die  ihr  der  gluthverzelirten  Fackel  euch  freuet",  ttvoiIktttm 
Xa/x-räli  Tif^To/jisvat.  Allein  die  ganze  Stelle  handelt  von  den 
Fackeln  ,  die  zu  Ehren  der  Furien  angezündet  und  in  ihrer  dun- 
keln Grotte  vom  Volke  verbrannt  werden  sollen.  Diefs  verspricht 
Minerva  V.  1009.  und  daher  lieifsen  die  Opfer,  die  ihnen  gebracht 
werden  sollen,  V.  1031.  o-tovS«;  ivhalhig.  Hier  ist  also  keine  Silbe 
von  Fackeln,  die  die  Furien  selbst  trügen.  Und  aucli  in  den  zwei 
Stellen,  wo  Euripides  den  Orestes  die  Furien  erblicken  läfst,  zu 
Anfang  des  Orestes  und  der  Iphigenia  in  Tauris,  werden  ihnen  nie 
Fackeln,  wohl  aber  einmal  im  Orestes  274.  den  Ja  gerinnen  Bo- 
gen und  Pfeile  gegen   den  Frevler  in  die  Hand  gegeben. 


220 

Die  Jilleii   Sfholicn   nmclien  niistliiicklirli  die  Bcinoikiiiij;-,    iUm 

51.  J.iislspii'lditliter  spolte  liier  des  AePiliyliis ,  der  «lic  Eriiinyieii 
mit  Fiickt'lii  wiitlicnd  eiiiüelVilirt  li;i!io  *).  Uiiler  den  Ge- 
Kcliii'lifchcii ,  die  spätere  Aiielvdoteiikiäiuer  vom  Sonales  er- 
zälill  haben,  ist  aiieh  ein  (jesj(ens(eis|Mik,  wo  jinijre  iniilliwil- 
li^e  Bniselie  ihn  im  Fwrienaiirzuj;e  zu  fiiiehtcn  zn  machen  snelien. 
Da  heifst  es  aiisdiiieklirh,  sie  lullten  hrennende  Farkeln 
und  Fnrienmaskcn  i>elial)l  **).  Aneh  häUe  Acsehincs  die  he- 
i'ühnite    Stelle    gei>en  den    Timarchns  iiielit    spreehcn   können, 

52.  wenn  nicht  damals  die  Fniien  mit  Fackeln  anf  dem  Theater 
erschiencü  wären  ♦**).     So  viel  ist  also  iinleui^har,  dafs  luau 


)  ^E-rrtffnwTTSt  T>)V  hta  Ttuv  'Eo/vvi^wv  AjVj^uXoü  woSsiftV.  vet^iiyä- 
yovTcit  {xircc  Xa/ax«6wv  liivoxabcZc»t ,  und  der  andere  Sdioliast 
sagt:  tiuiüaaiv  c/  rfixyi'iho)  8/V(i)tfsiv  /usri  Xa/vcx«Sauv,  was  auch 
Snidas  s.  v.  Tfayw&i'a,  T.   III.   496.  daraus  excerpirt  hat. 

**)  Aelian,  V.  II.  IX,  29.:  sie  lauerten  ihm  auf  h.yOa;  i^^oyrf;  ij/xfjttvai 
xai  'E^/vvJyjv  Tfic-wT«.  Ks  giebt  eine  eigene  Anekdotentradition 
im  Altertluini,  wo  dieselbe  Gescliiclite  mit  geringen  Veränderungen 
oft  von  einem  halben  Dutzend  berühmten  Männern  erzaldt  wird.  Oft 
läfst  sich  dieses  Sagengewebe  selir  gut  bis  auf  den  ersten  Grund- 
faden  verfolgen.  Dieser  ist  in  vorliegendem  Falle  eine  Geschichte, 
die  dem  Deniokrit  begegnet  sein  soll ,  und  die  Lucian  in  Pliilo- 
pseud.  c.  35.  T.  III.  p.  59.  sehr  launig  erzählt.  Dieselbe  haben 
nun  Einige  auch  mit  kleinen  Abänderungen  von  Socrates  erzäh- 
len wollen.  Ich  zweifle  niclit,  dafs  die  berüchtigte  Geistergescliicli- 
te,  die  Plinius ,  Epist.,  VII,  27.  vom  Atlienodorus  erzäidt,  ans 
eben  dieser  Quelle,  freilich  mit  beträchtlichen  Veränderungen,  ge- 
flossen sei.  Lucian  erzählt  sie  von  einem  gewissen  Arignotus ; 
die  Kirchenväter  machen  Versuchungen  des  Teufels  daraus  u.  s.  w. 

*♦*)  P.  196.  C.  Wolf.:  „Glaubt  nicht,  ihr  Athener,  dafs  die  Furien, 
wie  in  den  Tragödien ,  den  Verbrecher  verfolgen  und  züchtigen 
mit  brennenden  Fackeln",  y.iXä^nj  öacrlv  >)/y./asva/?.  Die  Stelle 
ist  von  Griechen  und  Kömern  sehr  oft  nachgeahmt  woiden. 
Die  Nachbildungen  des  Cicero  pro  Rose.  Am.  c.  24.  s.  67.  und 
de  Leg.  1,  14,  weifs  Jeder  auswendig.  Auch  Nero  sah  die  Fu- 
rien seiner  Mutter  mit  Fackeln,  Sueton,  Ner.  34.  Die  römischen 
Dichter  lassen  diese  Fackeln  bald  im  Pldegethon  anzünden,  (s. 
Draken horch  zu  Silius  II,  610)  bald  an  einem  Scheiterhau- 
fen (Statins,  Tiieb.  I,  96.).  Ovid  läfst  die  Sisii)hone  ein  Feuer- 
rad damit  beschreiben,  Metam.  IV,  508.  Niemand  weilt  aber  bei 
diesen  Feuerwerken  der  Furien  lieber  als  Seneca,  der  Tragiker, 
und  Claudian.  Aber  warum  gab  man  den  Furien  Fackeln  ?  Un- 
streitig als  ein  Instrument  der  Marter.  Denn  bei  den  Foltern 
bra«clite  man  auch   die  Fackel.     Daher  sagt  noch  der  spatere  Pa- 


221 

schon  sehr  früh  die  ThoAterfniion  mjl  Fackeln  hewaflTneJe,  die 
auch  schon  darum  zu  den  heliehleslen  Tliealergeiälhschaften 
j^ehöreii  nnirslcn,  weil  die  F'ackellänze  in  Athen  zn  den  will- 
kommensten S|)ielen  gehörten,  nud  Jcdeiinann  sie  weit  ge- 
schickter zn  sch\vin^•en  nnd  zn  handhahen  wiifste,  als  es  hän- 
fiü;  auf  nnseien  neuen  Schanhühnen  der  Fall  sein  maj^  *). 
Anffallend  ist  ancli  der  Umstand,  dafs  die  Fnrie,  die  der  53. 
Künstler  auf  einem  noch  vorhandenen  alten  silhernen  Becher 
unstreitig'  nach  einer  Scene  in  unseren  Enmeniden  a!ti;phildet 
hat,  hei  mancher  aiilTallenden  Aehnlichkeit  mit  dem  ältesten 
Kosliim,  wie  wir  es  nnn.  aus  dem  Aeschvins  kennen  ,  in  der 
einen  Hand  eine  Rolle,  in  der  andern  eine  Fackel  hat.  Die- 
ser dachte  sich  also  nusere  Enmeniden  ganz  gewifs  schon 
mit  Fackeln  **).  Ich  wage  folgende  Muthmafsnug-,  nm  diese 
srheiuharen  Widersprüche  so  viel  als  nniglich  zn  liehen.  Die 
Fnrieu,  welche  den  grausenden  P\\«;seltauz  nm  den  Orestes,  die 
erschütterndste  Scene  des  ganzen  Stückes  ***),  schlingen,  hat- 
ten gewifs  nur  Slähe,  aher  keine  Fackeln.     Denn  man  kann   54, 


negrjrist  Pacatns  ad  Theod.  c.  42.  T.  11.  p,  401.  Jag; er.:  „mi- 
nax  ninhra  oh  os  carniücis  tni  fiiinantes  inf'ernis  ignibus  taedas 
quatiebas." 
*)  So  oft  Gliick's  Iphigenie  in  Paris  aufgefiilirt  wird,  mufs  die  Feuer- 
aufsicht hinter  und  unter  dem  Tlieater,  wo  die  Versenicungen  sind, 
verdoppelt  werden,  nnd  manchem  Balletmeister  prefst  der  Fackel- 
tanz in  jenem  Stück  noch  immer  Angstschweifs  aus.  Bei  den 
Alten  mufste  das  Alles  weit  mehr  in  üebung  sein.  Die  Fackel- 
rennen bei  dem  PanaÜienäenfeste,  Qs.  Von  Dale,  Marm.  Antiqu. 
VI.  p.  504.  if.  und  Caylus,  Recueil  d'Antiquites  T.  I.  p.  XVIIff.), 
ihr  Gebrauch  bei  den  Mysterien  der  Ceres  u.  s.  w.  mufste  eine 
grofse  Fertigkeit  in  ihrem  Gebrauch  lehren.  Eine  andere  Frag« 
ist,  wie  sich  die  Fackeln  am  hellen  Tage  in  den  alten  Thea- 
tern ausgenommen  haben.  Vielleicht  war  auch  hier  Vieles  nur 
syjubolisch. 

**)    S.  Winckelmann's  Monumenti  Anticlii  Tnediti  n.  151. 

***)  Dafiir  sah  man  sie  gewifs  auch  im  Altertluime  an.  Auch  in  Rom 
wnrdfen  sie  im  AlcmKon  des  Knnius  aufgeführt.  In  dem  Fragment 
beim  Cicero,  Acad.  II,  28.  ruft  der  rasende  Alcmäon :  Circumstant 
cum  ardentibus  taedis.  Wenn  der  Tyrann  von  Cassandrea  Apollo- 
dor  auf  der  Folter  seiner  Gewissensangst  seine  eigenen  Töchter 
zn  sehen  glaubte,  Itoi-rv^ovg  y.«]  <pX&yo[JiVJa;  ro7;  ctu/aaci  y.v>iXi>j 
irtg)  «üTov  -rt^ir^iyf^ovffxg  beim  Plutarch,  de  S.  N.  V.  p-  39. 
Wytt. ,  so  ist  diefs  der  wahre  Fesseltanz  der  Furien.  Eben  so 
tdnzen  die  Todteularven  um  den  Democrit  beim  Lucian,  Philops. 
T.  III,  p.  59. 


222 

Wülil  allenfalls  Jone,  aller  nielit  fiiülicli  diese  in  der  Hand 
Jiiilleiid  l>eide  Hände  zum  Reilientaiiz  iiigen  ♦).  Allein  in  einem 
Chor  von  fiinfzii;-  Fnrieu  waren  ^ewils  uielirere  hl  ose  Sta- 
tisten**), die  znr  Seile  stehen  hliehen,  Avälireinl  die  andern 
herumtanzten.  Diesen  ü^ah  man  in  der  Fol!>°e  Fackeln  in  die 
Hände,  n»d  weil  diefs  viel  sinnlicher  nnd  stärker  Inr's  A!m,o 
ansprach  als  die  hlosen  Eschenstecken,  so  wählte  uian  jene 
hänliu;er  znr  allgemeinen   Bezeichnnns:. 

Wenn  der  helldenkende  Slraho  ein  ganzes  Register  von 
Werkzeugen  der  Yolksreligion  anflnhrt,  wodnrch  man  im  frü- 
hem Allerihnme  anf  das  Volk  zn  wirken  sachte,  so  nennt  er 
nehen  der  Aegide,  dem  Donnerkeil,  dem  Dreizack  nnd  dem 
Thyrsns  anch  Fackeln  nnd  Drachen  (Xayairaäsf  y.«»  S^a- 
xcvTi,-)  I.  }).  37.  A.  Beide  gehören  in  das  Gehiet  «ler  fnrclit- 
baren  Göttinnen,  die  man  znr  Zeit,  als  die  Knnstallegorie  ihre 
feste  Form  gewonnen  hatte,  nicht  selten  so  ahhildete ,  dafs 
55.  sie  in  der  Linken  die  Fackel,  in  der  Rechten  eine  zischende 
Natter  cmporhiclten  ***).     Ja  aus   der  genaueren  Betrachtung 


*)  Der  Ausdruck  in  den  Enmeniden  300.:  ays  5v)  neu  x°Q°^  a\|/yj/-tsv 
läfst  keinen  Zweifel,  dafs  liier  ein  x°?°f  xjv.X<cf  zu  verstehen  sei, 
wo  sich  die  Tänzer  an  beiden  Händen  fafsten.  Darum  ist  liier 
auch  kein  t-rwho;  möglich,  der  nur  bei  einem  j^ops;  rtrgäywvoi;, 
wie  die  gewöhnlichen  tragischen  Chöre  alle  waren,  eintreten 
konnte. 

**3     S.  die  Anmerkung  no.  X. 

***)  So  sagt  Statins  in  einer  Stelle,  die  Alles  umfafst,  was  die  Phan- 
tasie der  Alton  von  den  Furien  erdacht  hatte,  Tlieb.  I,  89 — 113 
am  finde:  Tnin  geminas  quatit  illa  manus  Haec  igne  rogali  Ful- 
curat  haec  vivo  niamis  aina  verberat  liydro.  So  erscliienen  aiicli 
die  Priestor  der  Faliscer  und  Tarquinienser ,  so  wie  Livius  und 
Frontin  die  Saclie  als  Kriegslist  erzählen,  die  aber  walirsclieiiilicli 
einen  ganz  anderen  Zweck  hatte.  Inde  terror  maximus  fuit,  quod 
sacerdütes  eoruin  facibus  ardentibus,  anguibusque 
praelatis  incessu  furiali  milites  Romanoruin  insu«ta  tur- 
baveiunt  siiecie,  Liv.  YII,  17.,  ubi  y.  Gruter.  T.  II.  p.  525. 
Drakenb.  Ich  glaube  nämlich  besonders  aus  der  Vergleichung 
einer  ähnlichen  Scene,  die  Livius  IV,  33.  erzählt,  mit  dem,  was 
Florus  I  12.  8.  davon  berichtet,  es  sehr  wahrsclieinlich  machen 
zu  können ,  dais  jene  Geschichte  mit  echtrömischer  Parteilichkeit 
sehr  entstellt  erzählt  wird.  Die  Priester  jener  Völkerschaften  ka- 
men mit  Fackeln  und  heiligen  Binden  Cvelainontis),  dem  ehrwür- 
digen Zeichen  der  flehenden  Bitte.  Anfänglich  resjiectirten  die 
Soldaten  diese  Procession  und  schienen,  wie  einst  Attila  beiju  An- 
blick Leo's  des  Grofsen,  ei:.-chrocken  und  betäubt.     Allein  bald  lie- 


22i 

der  alten  Denkmäler  ergielil  es  sich  sehr  dciitlleh  ,  dafs ,  da 
die  blose  Fackel  auih  das  AUrihiit  des  C vlieie - ,  Baochus- 
iind  Ceresdicnsles  sein  nnd  bei  rriesteriniien,  die  diirdi  diese 
Dadiichie  hezeiclinet  wurden,  leiclit  verwecliselt  werde»  56, 
konnte,  man  in  der  blühenden  Zeit  der  Kunst  die  zu  scbü- 
neu  Jungfrauen  veredelten  Furien  weit  lieber  mit  der  we- 
niger zu  verwechselnden  Schlange  als  mit  der  Fackel  in 
der  Hand  gebildet  iiabe.  Die  späteren  Dichter,  die  nns  in 
ihren  Furien  immer  die  Henkerinnen  der  Unterwelt  erblicke« 
lassen,  gingen  noch  w eiter  nnd  verwandeilen  die  blos  schrecken- 
de Schlange  in  eine  furchtbare  Geisel  für  die  Verbrecher,  wo- 
mit sie  von  den  unerbildichen  Strafgüllinnen  ohne  Uuterlafs 
gepeitscht  würden  *).  Halte  nun  wohl  schon  Aeschylus  seine 
thealralischen  Fnrien  die  so  schreckbare  Schlangengeiscl  schwin-  57. 
gen  lassen"?  Ich  glaube  diefs  eben  so  gewifs  verneinen  zu 
können  ,  als  oben  den  Gebrauch  der  Fackel.  Es  findet  sich 
davon  in  den  Eiimeniden  selbst  nicht  die  geringste  Spur.  Nur 
der  Gorgoncnkopf  hatte  seine  Nattern,  von  welciien  sich  wahr- 
scheinlich schon  in  der  ältesten  Vorstellung  der  Furien ,  nach 
einem  von  den  Mvslerien  Lerkommeudeu  Gebrauche**),  über 


len  sie  über  die  wehrlose  Menge  her  und  richteten  ein  grofses 
Blutbad  an.  Man  suchte  diese  Grausamkeit  in  der  Folge  zu  be- 
mänteln. Die  heiligen  Binden  wurden  in  Schlangen,  die  Opfer- 
fackeln in  Furienfackeln  verwandelt  u.  s.  w. 

*)  Virgil  liat  in  der  bekannten  Stelle  VI,  570.  sontes  ultiux  accincta 
flagello  Tisiphone  quatit  insultans,  torvosque  sinistra  Intentans 
angues,  vocat  agmina  sororum,  die  Peitsche  von  den  Schlangen 
getrennt.  Allein  man  denke  sich  die  Peitsche  selbst  immer  aus 
gewundenen  Schlangen  geflochten ,  crepitantia  torto  angue  Hagra 
nennt  sie  Pacatus  im  Panegyr.  c.  42.  So  kommt  tortum  Hagel- 
lum  in  der  Hand  der  Furie  bei  Yaler.  Flaccus  YIII,  20.  vor. 
Yergl.  Miscellan.  Britann.  Ann.  1731.  Septembr.  p.  671.  Nonnus 
Dionys.  XLIV.  p,  1154.  nennt  diese  Peitsche  jyiSvvjsj-s-av  //xac-5X>jy. 
Man  mufs  dabei  theils  an  die  aus  Haaren  zusammengedreliten 
Peitschen  denken,  die  man  im  Alterthum  vkoy.ci/ji.7bx;  nannte,  (s. 
z.  E.  V  o  fs  zu  CatuU.  p.  223.  IT.)  tlieils  an  die  vorn  mit  eiser- 
nen Würfeln  versehenen  Geiseln,  fjiiff nyss  i^rQxyxXwral  O- 
Scheffer,  de  Re  Veh.  V.  I,  14.  p.  194.  und  Hemsterhuys 
zum  Pollux  X.  54.  p.  1210.),  an  deren  Stelle  man  geflochtene 
Schlangen  mit  Natterköpfen  setzte.  Um  sich  das  Grausende  einer 
solchen  Sclavengeisel  anschaulich  zu  maclien,  darf  man  nur 
die  Abbildungen  bei  Caylus,  Recueil  T.  II.  t.  94.  4.  ver- 
gleichen. 

**)    Ich  darf  hier  nur  an   die  berühmte   Stelle    in  Demosthenes  Rede 


224 

der  Stirii  zwei  eniporsrlilänncltcn  *)  ninl  oiiio  aiuh  sonst  ]m 
den  Ko|»fljin«len  di'r  Friiiicn  im  Allcilliiiiiio  iiiclil  iirij;«'\vülm- 
lirlic  Zieratli  Ijildoloii.  Imlefs  veifdiUcii  die  s|ȊliTeii  Tliea- 
Icrdccoratciits  gewifs  iiii'lil,  den  Fiiiioii  auch  Siliiaiinen  oft 
58.  i"  beide  Iliiiidc  zw  ü,el»cii  **)  ,  wie  diels  aus  eiiiiii,eii  Yaseii- 
o-cinälden,  die  soü;leicli  aiigerülirt  werden  sollen,  sehr  deullicli 
hervorgeht. 

Und  so  wären  a<ich  diese  Zweifel  beseiligl,  und  das  Ko- 
stüm, wie  es  Aesihjlus  anfstellte,  von  den  uns  auf  allen  Sei- 


pro Coron.  p.  313,  25,  ^c.  79.  p.  SlO.  IlarlO  erinnern,  wo 
der  Mutter  des  Aesclnnes  die  mystischen  Mummereien  vorgewor- 
fen werden.  Da  heifst  es  unter  Anderm  ,  sie  habe  die  zalimen 
Gaukelschlangcn  (xagisi'a?)  gedrückt,  und,  indem  sie  sie  über  den 
Kopf  empor  gehalten,  EvoSabÖ!  gerufen.  Diese  Scidangengaukelei 
war  in  den  Baccliisclien  Weiliungen  sehr  üblich.  Bav.yc«  ävEC-rs/^- 
ixsvei  ToTj  o(piciv  beim  Clemens  von  Alexandrien  Protrept.  p.  9, 
D.  Sylb. 

Das  anschaulicliste  Bild  giebt  die  Beschreibung  Catull's  LXIV, 
193. :  Eumenides,  quibus  anguineo  redimita  capillo  Frons  exspiran- 
tes  praeportat  pectoris  iras.  Das  Frons  juaeportat  kann  nur 
durch  die  Anschauung  zweier  Nattern  über  der  Stirn ,  die  sich 
vorwärts  emporheben  und  zisclien,  wie  man  sie  auf  alten  Denk- 
mälern iindet,  ganz  deutlicli  werden.  Man  vergleiche  damit  nur 
die  Vision  des  Orestes  in  Euripides,  Orest.  282.  wo  ihm  die  Fu- 
rie erscheint,  SsivaTj  aji^iSva?;  ttg  J/x'  acTciJiw/jiyj-^. 
Man  hatte  wirklich  zahme  Scidangen,  die  man  zu  lieiligen  Gau- 
kelspielen abrichtete,  c<()ii;  tra^iioci  von  ihrem  Vaterlande  genannt 
und  in  den  luxuriösesten  Zeiten  Roms  wegen  ihrer  kühlenden  Eigen- 
schaft von  den  Damen  sehr  gesucht.  S.  zuMartial  VIl,  97.  gelidum  coUo 
nectit  Glaucilla  draconem.  3Ian  darf  sich  aber  nicht  vorstellen,  dafs 
man  diese  immer  auf  dem  Theater  gebi-aucht  habe.  Alan  verfertigte 
ohne  Zweifel  aus  Holz,  Leder  u.  s.  w.  allerlei  Figuren,  die  der  Schlange 
ähnlich  sahen.  Sehr  lehri'eich  ist  in  dieser  Rücksicht  eine  Vasen- 
abbildung in  der  Hanc  arvillischen  Sammlung  T.  IV.  t.  71., 
wo  eine  dem  Bacchusdienst  geweihte  Frau  eine  künstliche  Schlan- 
ge, die  oilenbar  zur  Älascliinerie  des  Baccliischen  Aufzuges  gehört, 
vor  sich  herabhält  und  mit  dem  einen  Fufse  darauf  tritt.  Vofs 
zu  CatuU  S.  223.  glaubt,  dafs  man  die  Schlangen  oft  durch  le- 
derne Riemen  und  Geiseln  nachgeahmt  habe.  Auch  liatternde  Bänder 
und  Streifen  Zeuchs  konnten  diefs  tliun.  So  sagt  Florus  I,  12.  8.,  die 
Fidenateji  hätten  discolores,  serpentum  in  modum,  vittas  gehabt. 
Noch  deutlicher  wird  die  Sache  durch  die  Draclienpaniere  der  spä- 
teren Römer,  S,  Lipsius,  de  M,  R.  V,  5,  und  Gesner  zu 
Claudian  V,  177, 


225 

teil  nmrin2,en(]en  Fackeln  nud  Sclilang:cn  g^lücklicli  gerettet. 
Mau  veii; leiflie  mm  diese  strenge ,  msj)iiiii<i,licliere  Form  mit 
der  gewölinliclien  Ueberlicfeniiii;-  von  der  Art,  wie  der  alte 
Tragiker  seine  Ptacliegöftinneii  aiisgesclinuu-kt  habe  *).  Dort  59, 
ist  bei  aller  Häfsliclikt'it  Alles  aufs  Genaueste  bestimmt,  und 
uiebts  ülierfliissiü:.  Hier  ist  Alles  uillkürlicli  und  alle  und 
neue  Allegorie  aufs  Buntscheckigste  zusarnmengellickt. 

Von  dem,  was  Aesclivlus  bei  der  Decoration  seiner  En- 
raeniden  gleichsani  f"estgese(zt  hatte,  konnlon  nachfolgende  Dra- 
matiker und  Künstler  auf  eine  doppelte  Weise  in  vüllia:  ent- 
gegengesetzter Richtung  abweichen.  Aesclivlus  wollte  durch 
die  Hülslichkoit  seiner  Furien  nur  Schrecken  und  Eulsetzen 
veriireileu.  Mau  konnte  diefs  noch  weiter  treiben  und  eben 
dadurch  vorsätzlich  oder  nnvorsützlich  in  die  lächerlichste  Ca- 
ricatur  gerathen.  Diefs  war  die  eine  A  b  w  e  i  c  h  n  n  g ,  die 
endlich  durch  immer  neue  Üei)or(reibungen  äufserst  widiig  und 
ekelhaft  werden  ninfste.  Euripiiles  scheint  wider  seine  Ab- 
sicht in  diese  geschmacklose  Yerbildung  gefallen  zu  sein,  als 
er  in  seinem  w  ü  t  h  c  n  d  e  u  Hercules  die  Raserei 
(AJs-Ta)  pcrsoniüzirte  und  sie,  in  einem  Lnftwagen  mit  der 
Iris  fahrend,  die  Zuschaner  nl>er  dem  Hause  des  Hercules 
als  Gespenst  erblicken  läfst.  Es  gab  hier  keine  Blutschuld  60. 
zu  rächen  und  daher  konnte  der  Dichter  auch  keine  Furien 
erscheinen  lassen.  Aber  seine  Lyssa  ist  ihre  Zwillingssfh we- 
ster und  mit  allen  Häfslichkeiten  ihrer  Sippschaft  zehnfach 
ausgeslaltot.  Der  Chor  der  Thebaiiischen  Greise,  der  sie  in's 
Haus  herabsteigen  sah,  sagt  uns  diefs  deutlich  genug  V.  881  ff, 

Sie  stürmt  vom  "Wagen,  stachelt  ihr  Gespann, 
Die  Nachtgorgone   mit  hundertköpfigem 
Natterngezisch  **_),  die  augenblitzende  Lyssa. 


*)  So  schildert  z.  B.  Josua  Barnes  das  tragische  Piirienkostün\ 
zu  Eurip.  Herc.  Für.  882. :  Spectabantur  capitibus  serpentibus  cri- 
nitis,  vultibus  tetricis  et  horrendis,  cruentis  et  flammantibus,  alis 
coriaceis,  cruiibiis  longis  et  macilentis,  mammis  foede  ex- 
sertis,  facibiis  sangninenm  quid  rubentibüs  et  tortis  e  serpen" 
tibus  tlageliis  armatae,  palla  denique  sanguinea  vestitae* 
De  quibus  passim  poetae   Tragici. 

**)  Ich  lese  mit  Reiske  sy.aroyy.sii)(xXot;  ('aj^^/Ltafff.  Das  Pbasma 
war  also  mit  einem  Gorgonenkopf,  um  welchen  künstliche  Schlan- 
gen angebracht  waren,  grausend  ausstaftirt.  Die  Schilderungen, 
die  Ovid  und  Statins  von  der  Wutli  erregenden  Furie  machen, 
sind  voll  des  lächerlichsten  Parenthyrsus,  «ier  wohl  zum  ab- 
schreckenden Muster  durchgegangen  zit  werden  verdiente.  Nur 
Viigil    rettete    sich    durch    die   Verkloidung    seiuer  Alecto  im 

Büitiger'«   kleine  Sohriftcn  I.  J5 


226 

Hatte  der  Dichler,  \»ie  sich  fast  nicht  zweifeln  h'lfst,  dieses 
Alles  wirklich  auch  durch  die  Maske  des  Ungebcuers  zu  ver- 
sinnlicheii  gesucht,  so  lief  er  die  ätifseiste  Gefahr,  hier,  statt 
Graus  und  Entsetzen,  Spott  und  Gelächter  zu  erweckeu.  Was 
aber  Euripides  weni^teiis  nicht  erwecken  wollte,  das  woll- 
ten g'cwifs  manche  Coinödieiidichtcr  damaliger  Zeit,  indem 
61.  siV;  diese  Furien!J!,"estalten  des  Aesciijlus  nach  ihrer  damaligen 
Liebliniissitte  in  Caricatur  brachten  und  das  Volk  mit  dem 
seltsamsten  Ilöileiispuk  belustiij;ten  *).  Ich  miifste  mich  sehr 
trüj^en,  oder  die  beiiichtii;;te  Empnse,  die  Arislophancs  in  sei- 
nen Fröschen  dem  hasenfüfsigen,  jetzt  in  einen  Hercules  tra- 
Yestirten  Bacchus  und  seinem  Kammerdiener  begegnen  liifst, 
ist  eiue  komische  Hirngeburt  der  Art,  wozu  der  erste  befruch- 
tende Keim  in  den  Eumenidea  des  Aeschjlus  zu  suchen  ist  ♦*). 


7ten  Buch  der  Aeneidc  glücklich  durch  alle  diese  Klippen.  Um 
des  Contrastes  willen  verdient  anch  Nonnus  in  Dionysiacis  XLIV. 
p.  1154.  einen  Blick. 

*)  Wenn  wir  nur  noch  die  Parodie  des  Cratinus,  seine  Eumeni- 
den,  hätten,  die  in  den  Scliolien  zu  Aristophanes,  Eqnit.  527,  ci- 
tirt  werden !  Der  tolle  Orestes  war  ein  gemeines  Bonmot  in  Atlien 
auf  einen  damals  bekannten  Kleiderauszielier  (Xw-ttoBut/);,  spolia- 
tor,  depouilleur).  S.  Aristoph.,  Acliarn.  1166.  Av.  711.  1490. 
Auf  den  Timon,  den  Misanthropen,  mit  seinem  zottigen,  borstigen 
Wirrkopf,  bedient  sich  Aristophanes,  Lysistrat.  808.  des  lustigen 
Einfalls,  dafs  er  ihn  ein  rauhes  Dornendickiclit  im  Gesicht, 
ein  Bruchstück  von  den  Furien  ('E^xwu'wv  äxc^öw^)  nennt, 
woraus  man  beiläufig  schliefsen  kann ,  wie  stachelig  und  borstig- 
rauh  die  Maske  der  Aeschyleischen  Erinnyien  auf  der  Bühne  ge- 
wesen sein  müsse. 

**)  Aristoph.,  Ran.  295  IF.  Der  springende  mit  einem  Satze  seine 
Beute  erhaschende  Gang  der  Furien  gab  vielleicht  zu  diesem 
Volksmährchen  von  dem  ein  füfs igen  (das  heifst  etymologiscli 
suirovr«')  Gespenst  (der  andere  Fufs  ist  immer  ein  Tliierfufs, 
cvöffKsX«?,  s,  Eustath.  zu  Odyssee  A.  p.  1704,  41.,  woraus  der 
Pferdcfufs  des  Teufels  entstanden  ist,")  die  erste  Veranlassung,  das 
nun  die  alte  Comödie  mit  Vergnügen  eigiifl",  um  eine  Caricatur  auf 
die  Furien  daraus  zu  maclicn.  Schon  Ilesychius  s,  v.  bemerkt,  dafs  sie 
eins  mit  der  Hecate  sei ,  wenigstens  wird  beiden  das  Erweckeu  des 
Gespensterspukes  (£xjiro/-cirao  s.  T.  H,  zu  Lucian  D.  D.  III,  p. 
208.)  zugesclirieben,  und  vergleicht  man  die  .Schilderung  der  He- 
cate in  Lucian's  Pliilopseudes  14,  T.  III.  p.  42,,  so  findet  man  in 
beiden  das  scheufsliciie  Zerrbild  der  Furien.  Der  spätere  Sprach- 
gebrauch nalim  niu-  den  Begriff  der  Veränderlichkeit  in  der  Ge- 
stalt aus  der  ganzen  Empusenfratze  Iieraus.    So  nennt  Demosthe- 


227 

Ob  ancli  die  bildende  Kunst  dergleichen  (Jeberfreibnngen  nnd  62. 
Zerrbilder  hervorznbriii2,eii  sirli  gcliislen  liefs,  "wage  ich  nicht 
211  besfiinmen.  Eiu  Iriifsiichcs,  obgleich  noch  immer  nur 
menschliches  Fratzengesicht,  das  man  einst  in  Metz  aasgrub 
und  für  eine  Furie  ausgab  *),  ist  gewifs  eben  so  wenig  dazu 
bestimmt  gewesen,  als  es  die  geschnittenen  Steine  und  Münzen 
waren,  auf  welchen  selbst  geübte  Antiquarier  die  dreis:estaltete 
Hecate  für  eine  Furie  im  alten  St  vi  ansahen  **).  Dafs  man  sie 
mit  aller  der  ursprünglichen  Häfslichkeit,  mit  der  sie  Aeschj'- 
lus  aufs  Theater  brachte,  so  gut  wie  die  abscheuliche,  mit 
ihr  in  jeder  Rücksicht  genau  verwandte  Ker  *♦*)  gebildet  63. 
nnd  gemalt  habe,  scheint  mir  wenigstens  sehr  wahrscheinlich. 
Nur  glaube  ich  nicht ,  dafs  sich  diefs  in  jenen  frühen  Zeiten 
ciuch  bis  auf  lächerliche  Zerrbilder  erstreckt  habe.  Denn  der 
Geschmack  mnfs  schon  einmal  gebildet  und  yerfeinert  gewe- 
sen sein,  wenn  er  sich  bis  zu  diesen  Ansgeburteu  des  Üeber- 
drusses  und  Gelüstes  an  körperlichen  Verzerrungen  verirren 
soll.  Darum  wucberte  die  Caricalnr  wohl  auch  erst  später 
nach  Alexandcr's  Zeiten  an  den  üppigen  Höfen  seiner  Nach- 
folger in  ihrer  ganzen  Fülle  unter  den  Griechen  f). 


nes  die  Mutter  seines  Gegners  eine  Empnse  p.  270.  25 ,  nml  so 
konnte  endlich  der  Verfasser  des  Tractats  de  saltatione  c,  19.  T. 
III.  Op.  Lucian.  p.  279.  gar  ein  Gegenbüd  einer  pantomimisclien 
Tänzerin  darin  finden. 

'^  S.  die  Abbitdimg  bei  Caylas,  Recneil  T.  V.  p.  1.  119,  5.  Man 
nannte  die  Fiatze  in  Metz  La  Reclugnaye  und  mauerte  sie  mit 
heiliger  Ehrfurcht  in  die  Kirche  ein. 

**)  Eine  Münze  von  Antiochia ,  die  unter  dem  Kaiser  Philipp  dem 
Jüngeren  geprägt  worden  ist,  hat  die  bekannte  Yor^tellung  der  He- 
cate Trifonnis,  In  ihr  wollte  nnn  Seguin  in  numis  selectis  p. 
177  nnd  Patin  p  388.  eine  Furie  erblicken.  Unbegi-eiflich  ist 
es,  wie  selbst  Spanheim  zu  Julian's  Caesar,  und  Caj lus ,  Recneii 
T.  IV.  t.  80,  3.  in  denselben  Fehler  fallen  konnten,  den  schon 
Lessing  in  Laokoon  (Werke  Th.  IX.  S.  161.)  gerügt  hat. 
***)  Auf  dem  Kasten  des  Cjpselus  beim  Pausanias  V,  19.  p.  84.  steht 
die  K>5^  hinter  dem  Eteocles  mit  Raffzähnen  und  Klauen,  Die 
Bemerkungen,  die  Lessing  über  dieses  Bild  in  seiner  Abhand- 
lung: wie  die  Alten  den  Tod  gebildet,  gemacht  hat,  sind 
bekannt. 

f)  Zur  Spottcaricatur,  die  sich  in  der  Verhafslichung  der  Gesichts- 
züge einzelner  Menschen  zeigt,  hatte  sclion  der  Homerische  Tlier- 
sites  den  Grund  gelegt.  Diese  war  gewifs  bei  den  Griechen  so 
alt  als  die  alte  Comödie  selbst,  die  zu  dergleichen  Caricaturen 
Unendlichen    Stoff  darbieten   mufste.     Wüfsten   wir  aticb  fttJr  dag 

15  * 


228 

C^.  T^s  i^iil'  """   ''*^'**''  ^'"'^'  "ö*^''  ®'"®  zweilc  Abweiclimij^  von 

der  IJiiie,  die  Aescliylus  i^ezo^en  hatte,  uixl  «liese  führt  uns 
••erailes  Wo«;s  auf  das  hiiclisle  Gesetz  aller  hihlciideii  Künste 
liei  deu  Griechen  zu  den  Zeiten ,  wo  diese  ihre  wahre  Be- 
Btimmiing^  erhalten  hatte ,  auf  die  Schönheit.  L  e  s  s  i  n  ^- 
sagt  in  seinem  Laokoon  (Werke  IX,  30):  ,,Es  a^icltt  Lei- 
denschaften, die  sich  in  dem  Gesichte  durch  hafsliche  Ver- 
zerrungen äiifsern  und  alle  schönen  Linien  durch  gewaltsame 
Stellungen  des  Körpers  vernichten.  Dieser  enthielten  sich 
denn  also  die  alten  Künstler  entweder  ganz  und  gar ,  oder 
setzten  sie  auf  geringere  Grade  herunter,  in  welchen  sie  eines 
Mafses  von  Schönheit  fähig  sind.  Wnth  und  Verzweiflung 
schändete  keines  von  ihren  Werken.  Ich  darf  hehaup- 
ten,  dafs  sie  nie  eine  Furie  gehildet  haben.'^ 
Der  scharfsinnige,  aber  auch  behutsame  Kenner  des  Alter- 
Ihums   hätte  sich  nie    zn  einer   so    absprechenden  Behauptung 

65.  bewogen  gefühlt,  wenn  nicht  die  Gründe  dazn  in  jener  gan- 
zen Schrift  so  ofVon  und  nnwiderlegiich  aufgestellt  wären.  Der 
Dichter  kann  sich  wohl  zur  Erreichung  des  Schrecklichen  häfs- 
licher  Formen  bedienen,  eine  Freiheit,  von  der  im  vorliegen- 
den Fall  Aeschvlus  nur  allzusehr,  selbst  für  die  Bühne,  Ge- 
branch gemacht  hat.  Die  Poesie  hel)t  durch  die  Veränderung 
ihrer  cocxistirenden  Thcile  in  successive  ihre  widrige  Wirk- 
ung fast  gänzlich  auf.  IMochlen  diese  Scheusale  von  Gorgo- 
neumaskeu  noch  so  ekelhaft  und  znrückstofsend  sein ,  nur 
da,  wo  sie  der  Schalten  der  Clvtemnestra  schnarchend  an- 
trifft, war  ihr  Anblick  viclleiclit  unausstehlich.  Sobald  sie  in 
rascher  Bewegung  als  Hauptfiguren  in  einer  sich  scbuell  ent- 
-wickeludcn,  fortstürmenden  Handlung  erschienen,  vergafs  der 


Gesetz  der  Tliebaner  bei  Aelian,  V.  H.  IV,  4.  nach  L  essin g's 
richtiger  Krkläniiig ,  und  die  Geschichte  des  Hipponax  mit  den 
Bildhauern  Buxahis  und  Anthernius,  so  wäre  das  Alter  dieser  Ca- 
ricatiir  binlänglicli  erwiesen.  Allein  die  iVolilichern  sclicrzhaften 
Gbezzi,  wo  blos  travestirte  .Mythen  zur  Volksbelustigung  dienten, 
die  in  den  Satyrhandlungen  der  Griechen  und  den  Atellanen  der 
Canipanier  volle  Nahrung  fanden,  setzen  schon  eine  iixirte  und 
allgemein  angenommene  Regel  der  Darstellung,  eine  gewisse  üeber- 
einkunft,  diese  oder  jene  Gottheit,  diese  oder  jene  Fabel  gerade 
80  zu  beliandeln,  als  gegeben  voraus.  Von  dieser  Gattung  ist  hier 
allein  die  Rede,  und  sie  sclieint  wirklich  späteren  Ursprungs  zu  sein. 
Man  denke  nur  an  die  bekannte  Vase,  wo  Jupiter  und  Mercur  bei 
der  Alcmene  einsteigen ,  oder  die  Verbildung  des  Aeneas  mit  dem 
Vater,  den  er  auf  den  Schultern  trägt,  in  Cjnoccplialen.  S.  Pit- 
ture  d'Pircolano  T,  IV.  p,  368. 


229 

Ziisriiaucr ,  und  wie  viel  inelir  jo(zt  nlclil  der  Leser,  alles 
(jraiisende  ihrer  Gestalten  ül»er  die  Wiclilii^keit  iiiul  den  Ans- 
ganj!^  des  Processes,  den  liier  Minerva  zwischen  Apollo  und 
den  Enmeniden  entscheiden  soll.  Aber  Ekel  und  HäfslicIiKeit 
werden  in  den  Formen  der  hildeixieu  Kunst  i>leiclisnni  auf 
immer  i'esigelialten ,  sind  daher  nicht  einmal  einer  gemischten 
Empfindnn»  fähi»,'  und  als  Vorwurf  d*'r  Kunst  durchaus  unzu- 
lässig:. Die  Künstler  also,  welche  in  dem  scenis  agitatns  Ore- 
stes früh  eineu  T^ieblingsgegenstand  ihrer  Kuustdarstelluugen  zu 
behandeln  aiilin<^en,  bildeten  und  malten  nie  eine  Furie  in  allen 
den  Schrecknissen,  in  welchen  das  Drama  sie  aufzustellen  Fug 
und  Recht  hatte.  Der  Atticismus,  den  die  weisen  Schutzge- 
iiossen  der  IMiuerva  durch  die  mildernde  Benennung  der  zür- 
nenden Rachegötlinnen  mit  zarler  Schonung  in  die  Sprache 
des  gemeinen  licbens  übergehen  liefseu,  ging  für  die  idealisi- 
lendeu  Künstler  nicht  verloren.  Sie  liefseu  ihnen  nur  gerade 
60  viel  Ernst  und  gaben  ihnen  nur  so  viele  bezeichnende  Merk- 
male, als  erforderlich  war,  um  das  Geschäft  der  Ehrwürdigen  66. 
kenntlich  zu  machen.  So  wurde  aus  dem  häfslichen,  mit  der 
nrsprünglichen  Furienmaske  so  nahe  verwandten  Gorgonen- 
kopfe  nach  und  nach  das  vollendete  Ideal  der  ernsteren  weib- 
lichen Schönheit,  eine  Strozzische  Medusa,  die  sich,  wie  H er- 
der 80  schön  sagt  *),  „als  Charis  ansehen  und  physiogno- 
misch  malen  läfst."  Uebrigens  bildeten  sie,  vou  der  Idee  der 
Jagd  ausgehend,  die  uus  im  Drama  des  Aeschylus  selbst  schon 
überall  ans|)richt,  nach  und  nach  die  schönsten  Jägernymphea 
aus  diesen  Ungeheuern.  Und  doch  verlor  die  Vorstellung 
selbst  nichts  von  ihrem  gewaltigen  Eindruck.  Der  geängsfete 
Orestes  ist  es  überall ,  wo  sich  noch  bildliche  Vorstellungen 
erhalten  haben ,  In  dessen  Schrecken  und  Entsetzen  wir  die 
furchtbare  Gewalt  der  -Rächerinnen  erkennen ,  deren  stille 
Macht  wir  uuu  nicht  hassen,  sondern  mit  ehrerbietiger  Scheu 
anerkennen. 

Als  Lessing  die  oben  angeführte  Behauptung  nieder- 
schrieb ,  waren  die  Furien  auf  Denkmälern  der  alten  Kunst 
noch  so,  selten,  dafs  unter  allen,  die  er  selbst  anführt  (Wer- 
ke IX,  30  und  158  if.),  höchstens  nur  eine  altgriechische 
(damals  noch  etrurisch  genannte)  Vase  eine  uubezweifelte  Ab- 
bildung derselben  darbot.  Unsere  Keuntnifs  alter  Denkmäler 
hat  seit  j«'uer  Zeit  durch  die  Bekanntmachung  so  vieler  Re- 
liefs nnd  Vasenabbildungeu ,  die  man  damals  entweder  noch 
nicht  besehrieben,  oder  noch  gar  nicht  ausgegraben  hatte,  uu- 


O    Briefe  zur  Beförderung  der   Humanität  Vi.   bainml,  S. 
71.    Man  vergleiche  die  Titelvignette. 


230 

67.  gemein  "ewonnen.  Icli  kann  eine  ganze  Reihe  dergleicben, 
die  auf  den  ersten  Blick  für  Vorstelinngen  jener  Furienscene 
erkannt  werden  müssen ,  aus  den  noch  iiiuner  sehr  nnvoll- 
slän(liü;en  Hiltsmilteln  ,  die  mir  zu  Gebote  stehen,  aufführen. 
Aber  alle  beweisen,  was  Lossing  so  zuversichtlich  in  voraus 
behaupten  konnte,  dafs  die  alle  Kunst  nie  Furien,  avoIiI 
aber  idealisirte  Eunieniden  bililcle,  und  sich  durch  keine  Dich- 
terphantasmen ,  die  des  Schrecklichen  und  Ekelhaften  hier 
nicht  genug  haben  können ,  von  ihrer  ricbtigeu  Bahn  abbrin- 
gen liefs. 


Da  die  Furie  nach  den  Bogriffen  des  Alterthnms  immer 
mit  Vollstreckung  der  Blutrache  und  Bestrafung  des  Frevels 
oder  nach  der  späteren  Vorstellungsart  mit  Anfachung  des 
Krieges  und  Einhauchung  des  Wahnsinnes  beschäftigt  ist,  so 
konnte  schon  darum  keinem  kunstvcrständi;^en  Bildner  die 
Idee  beikommen ,  eine  Furie  ganz  isolirt  darzustellen.  Man 
könnte  sagen :  die  Figur  höit  auf  eine  Furie  zu  sein  ,  sobald 
sie  blos  vereinzelt  und  auf  sich  selbst  Iteruhend  angesehen 
wird.  Schon  diese  Betrachtung,  die  sich  noch  auf  manche 
andere  allegorische  Wesen  des  Alterthnms,  als  z.  B.  den  Tod, 
die  Parcen,  die  Bellona,  Nemesis  u.  s.  w.,  anwenden  läfst, 
hätte  die  Alterthunisausleger  gegen  manchen  Mifsgrilf  bewah- 
68.  reu  *)  und  auf  einen  sehr  wesentlichen  Fehler  unserer  heuti- 
gen Allegorie  aufmerksam  machen  können  **).      Wirklich  fin- 


*)  So  Ware  gewifs  die  mit  dem  Dolche  drohend  ei nli erschreitende, 
einzelue  weibliclie  Figur  auf  dem  scliönen  Carniol  der  Stoschi- 
sclien  Sammlung  Class.  11,  n.  356.  und  nunmehr  auch  abgebildet 
in  der  Auswahl  vorzüglicher  Gemmen  aus  dem  Stoscliischen  Ca- 
binete  von  Schlichtegroll  T.  I.  n.  46.  nie  weder  von  Win- 
ckelmann  in  der  Biblioth.  der  seh.  Wiss.  I,  30.  und  im 
Catalogne  du  Cabinet  de  St.  p.  84.  noch  von  Raspe  in  Tassie's 
Catalogue  n.  1514.  für  eine  Furie  gedeutet,  sondern  sogleich  für 
das,  was  sie  ist,  für  eine  Medea,  die  zum  Mord  ihrer  Kinder 
sclaeitet,  invicta  feroxque  Horaz  A.  P.  123.  (vergl.  Vasengemälde 
IF,  168.  ff,')  gelialten  worden,  wenn  man  bedacht  hätte,  dafs  wohl 
eine  leidenschaftliche  Frau,  aber  nicht  die  strafend^e  Furie,  allein 
gestellt,  ein  Gegenstand  der  Kunst  sein  könne.  Dafs  an  keine 
Furie  lüer  zu  denken  gei ,  sah  auch  scJion  Lessing  im  Laokooii 
S.  158.  f. 
*')  Statt  eine  Handlung  zu  erlinden,  wodurch  unsere  allegorischen 
Figuren  sioli  selbst  aussprächen,  suchen  wir  das  Feldende  und 
Dürftig«  dunh  Anhäufung  sjinhoUscher  Attribute  a  if  dieselbe  Fi- 


231 

den  wir  .ancli  in  den  Denkmälern,  wo  jetzt  noch  Fnrieu  ab- 
{>el»il(lct  erSL'heineu,  diese  slels  zu  einer  ganzen  Ilandlnng-  ver- 
bunden und  zusaninieugestellt  *).  Die  merkwürdigste  Vor-  69, 
Stellung  der  Art  lindet  sich  auf  eiiiem  silbernen ,  im  Hafen 
zu  Anzio  aus  dem  Meere  hervorgezogenen  Becher,  der  zu 
der  Zeit,  als  VVinckelmann  seine  Monumenti  herausgab,  iui 
Besilze  des  Cardinais  Neri  Corsini  war.  Es  ist  merkwürdig, 
dafs  schon  Plinins  zwei  solcher  Becher  gedenkt,  worauf  Orest's 
Lossprechung  in  Relief  gebihlet  Avar.  **).  Wahrscheinlich  ist 
der  in  Anzio  gefundene,  dessen  Bildwerke  Winckelmanu 
(Monnm.  Ined.  n.  151.)  zuerst  vollständig  bekannt  gemacht 
hat,  eine  siȊtere  Nachbildung  jener  Kunstwerke,  Die  Scene 
stellt  die  Lossprechung  des  Orestes  in  dem  kritischen  Momente 
vor,  wo  Minerva  den  entscheidenden  Stein,  tsv  'A5>|va;  •<i.yj(pov 
(s.  Ennieuiden  722.  iF.)  in  die  Urne  wirft,  eine  Yorstellnng, 
die  auch  auf  geschnittenen  Steinen  und  Lampen  (bei  B  e  11  o-  '0. 
ri  II,  40.  etl.  Bcger,  in  Hau  car  v  ill  e' s  Anliquiles  ElruSr 
ques  cet.  T.  II.  p.  80.)  vorkommt  uud  durch  irgend  ein  be- 
rühmtes   Kunstwerk    sehr    beliebt    gewesen   sein  mufs   ***), 


gur  Z.U  ersetzen,  die  Niemand  verstellt,  weil  sie  höchst  willkürlicli 
gewählt  und  nie  durch  Volksglauben  zu  einer  allgemein  bekannten 
Hieroglyphe  (wie  die  den  Göttern  heiligen  TJüere  und  Werk- 
zeuge im  Alterthume,  der  Dreizack,  Tliyrsus,  Caduceus  u.  s,  w.) 
gestempelt  worden  sind.  Man  vergleiche,  um  diefs  recht  lebendig 
zu  liilüen,  nur  die  von  Rode  erfundenen  und  von  Ramler  er- 
klärten AUegorieen. 

3Ian  niüfste  denn  ein  gewisses  etrurisches  Schreckbild  (die  Volta, 
s.  Plinius  II,  53.  und  Bonarota  zu  Demster's  Etruria  Reg.  p. 
24,^  für  eine  Furie  halten.  Denn  diese  kommt  allerdings  aucli 
allein  vor.  Dahin  gehört  wohl  auch  die  kleine  Bronze,  die  man 
für  eine  geflügelte  Furie  Jiält,  im  Museo  Borgiano  zu  Veletri.  S. 
Heeren,  Commentatio  iß  op.  caelato  antiquo  (Rom  1786)  S,  29. 
Plinius  XXXIII,  12.  s.  55. :  Zopyrus  Areopagitas  et  Judicium  Ore- 
stis  in  duobus  scyphis  HS,  XII.  aestimatis  caelavit.  Da  Plinins 
die  Kaufsumme  beider  Becher  zusammen  angiebt,  so  konnten  sie 
also  nicht  getrennt  werden,  sondern  die  Reliefs  auf  beiden  geliörten 
zu  einander  und  machten  einen  Kunstcyclus  aus.  Die  Becher  waren 
Pendants,  in  der  Terminologie  des  Alter tliums  eine  Synthesis  oder 
par.  S.  Visconti  zu  Pio- Clement.  T.  V.  p.  45.  not.  c.  AVahr- 
scheinlich  enthielt  also  der  erste  Becher  die  Anldage,  der  zweite, 
wovon  sich  die  Copie  walnscheinlich  erhalten  hat,  die  Lossprech- 
ung des  Orestes.  Zu  beiden  hatten  die  Eumeniden  des  Aeschy- 
lus  die  Idee  gegeben. 
Gewifs  war  irgend  ein  berühmtes  Stück  der  Sculptur  oder  Malerei 


232 

Winckelinaiin  hat  bei  clcr  Erklüninir  viel  Gclclirsaiiikolt  .^n- 
{Tchraclit  (p.  203  —  207.),  aljcr  dcii  Haiiplpunit ,  \voi;mf  ilcr 
Künstler  aibeitr-te,  doch  iiiclit  p^olafst.  Dieser  ist,  den  Scluncrz 
der  Aiikl;iij:erinneii  und  die  Fretide  der  Lop<»esproehencn  in 
demsell)eii  Moment  zn  zeij«en,  wo  Minerva  das  Losspreeliungs- 
71.  steinciien  in  das  Gefäfs  wirft.  An  deju  Tische ,  worauf  das 
Gefüfs  (y.ähiay.o;)  ZU  seiicii  ist ,  Steht  der  Minerva  gej^enüher 
die  eine  Fnrie ,  die  als  Ankläii^orin  durch  die  Rolle  bezeich- 
net ist,  die  sie  in  der  rechten  Hand  hält.  Mit  vorwärts  ge- 
beugieiu  Ilau|»te  diiickt  sie  den  Schmerz  über  die  Lüsun"-  des 
ihr  geweihten  Verbrechers  aus.  Hinter  der  Minerva  sitzt  auf 
einem  rohen  Stein*)  die  zweite  Furie  uiit  der  sprechendsten 


im  Alterthnm  vorhanden,  wo  das  Gericht  über  Orestes  in  dem 
Moment  vorgestellt  war,  wie  Älinerva  das  Steinchen,  welches  ent- 
scliicd  ,  in  das  Gefäfs  wirft.  Am  ansfülirliclisten  hat  sich  davon 
die  Copie  auf  dem  silbernen  Becher  erhalten,  wovon  liier  die 
Rede  ist.  Da  der  Raum  anderen  Künstlern  nicht  gestattete  ,  die 
ganze  Scene  mit  allen  Figuren  zu  copiren ,  so  nahmen  sie  ent- 
weder nur  die  Hauptfiginen,  die  Minerva  mit  dem  sich  freuenden 
Pylades  und  der  Klectra  (wie  auf  einem  Camee  bei  Gay  Ins, 
Recueil  d'Antiquites  T.  II.  pl.  44.  2.,  wo  Caylus  Manches  falsch 
erklärt,  weil  ihm  die  Vergleiclmng  des  gröfseren  Reliefs  fehlte,) 
oder  auch  nur  die  Minerva  ganz  allein,  (wie  auf  einem  Carniol 
im  kaiserlichen  Kabinet  zu  Wien,  (s.  Kckhel,  Clioix  des  pierres 
gravees  n.  XXI.,  vergl.  Ilancarville,  Antiquites  Etrusrjues  T.  11. 
p.  80.)  oder  auf  Lampen  in  gebrannter  Erde  (s.  Bellori,  Lu- 
cernae  II,  40.  ed.  Beg.^,  Ueberall  kommt  es  nur  darauf  an,  das 
Original  zu  einer  ganzen  Reihe  von  Bildwerken  über  einen  IMy- 
tlius  zu  finden.  Man  kann  bei  den  meisten  einen  eigentliclien 
Stammbaum  fiiliren,  der  allerdings  zur  Erklärung  der  ganzen  Fa- 
milie sehr  nützlich  ist.  Hier  ist  noch  viel  zu  tluin  übrig. 
OJme  Zweifel  der  sogenannte  XiOog  '^pswj,  auf  welclien  der  Klä- 
ger sich  nach  einer  alten  Sitte  stellte.  S.  Pausan.  I,  28.  p.  108., 
wo  Goldhagen's  einzig  richtige  Verbesserung  X!Scv;  a^yovi;  statt 
des  ganz  unverständliclien  «ovi/ooC;  ohne  Bedenken  von  Facius 
hätte  aufgenommen  werden  können.  Der  Anblick  unseres  Reliefs 
beweiset  die  Richtigkeit  jener  Verbesserung,  Denn  es  ist  ein 
roher  Stein,  der  uns  hier  gezeigt  wird.  Auch  darf  es  Niemand 
irren,  dafs  Clemens  von  Alexandrien  diese  Steine  ßiuuovg  nennt 
(Menrs.  in  Areopag,  c.  2.,  Davis  zn  Cicero,  de  Leg.  II,  11.), 
da  dieses  Wort  von  jeder  steinernen  Basis,  worauf  sich  Jemand 
stellen  kann,  gesagt  wird.  S.  Valckenaer,  in  Dissert.  de  Kit. 
Jur.  c.  4.  p.  43.  Euiiiiides,  Ipliig.  in  Taur.  9G2.  nennt  sie  ßäSQM. 
S.  Musgvavc   zu  d.  St, 


233 

Gohcrdfi  des  Schiiiorzes.  Denn  sie  gleiclit  der  ersten  In  Al- 
lem TollkoMiniea ,  und  es  hieiltt  mir  daher  nnbenTciflicIi ,  wie 
Winekeliuann  in  dieser  die  Tochter  des  Ae«!;islhns,  Epin^one, 
erblicken  konnte.  Hier  ist  also  tiefe  Trauer  wegen  der  Los- 
sprechun«^.  Auf  der  andern  Seile  stehen  hinter  dem  Soniien- 
zeii^er,  einer  allerdings  hier  sehr  befremdenden  Erscheiniinji- *), 
Pvlades  und  Elcctra  mit  dem  Ausdrucke  der  lebhaftesten  72, 
Freude.  Besonders  schön  ist  der  Gedanke  des  Künstlers,  dafs 
er  den  Orestes,  der  hinter  der  stehenden  Fnrie  sieh 
befindet ,  noch  nicht  an  dieser  Freude  Theil  nehmen  lafsf. 
Denn  noch  ist  der  Unglückliche  nicht  feierlich  ans  der  Herr- 
schaft der  Strafgöttinnen  erlös't ,  noch  ist  er  ihr  blutloses 
Sc  h  lac  h  tvi  e  h- («vai'/xarov  /3:(r/a>}/^a,  Eumeuid.  295.).  Ihm 
"würde  also  eine  freudige  Geberde  übel  anstellen.  Uns  in- 
teressirt  indefs  am  meisten  die  Bildung,  in  welcher  der  Künst- 
ler die  noch  zürnenden  Rücherinnen  hier  erscheinen  läfst. 
Wie  mild  und  menschlich  ist  diese  hier  genommen ,  wie 
ist  von  den  gräfslichen  Scheusalen  der  Aescin leischen  Bühne 
nichts  als  die  ernste  Jungfrau  geblieben  !  Statt  des  anfnärts 
gträubenden  Natlernhaars  trägt  sie  ihr  Haar  nur  knapp  ver- 
schnitten, da  sonst  die  Frauen  ihr  Haupthaar  nie  abschnitten, 
sondern  es  entweder  in  zierliche  Flechten  nnd  Wulste  zusam- 
menbanden oder  auch  bei  gewissen  Veranlassungen  der  Trauer 
oder  bei  Festlichkeiten  frei  auf  die  Schultern  herabwallen  lie- 
fsen.  Das  abgeschnittene  Haar  (v.oufä  vivSi/jto?  in  Euripides, 
Alceste  515.  und  vielen  andern  Stellen)  zeigt  schon  an  sich 
das  ernste,  strenge  Geschäft  der  ehrwürdigen  Göttin  an ,  wel- 
ches anch  aus  ihrer  ganzen  Rliene ,  die  übrigens  durch  kei- 
nen Zug  der  Häfslichkcit  entstellt  ist,  und  aus  der  ganzen 
Haltung  des  Körpers  deutlich  hervorgeht,  Sie  ist  mit  einem  • 
einzigen  Untergewaud  bekleidet  (/xo'jox^twv)  ,  gleichfalls  ein  73. 
Zeichen  des  strengen  Berufs  der  Göttin,  der  jedem  Schmuck 
und  Üeberfliifs  in  der  Bekleidung  entsagt,  und  dieses  Unter- 
gewand reicht,  wie  Avir  es  auch  au  den  Furien  des  Aeschylus 
licmerkt  haben,  bis  auf  die  Füfse  herab  (x'twv  Tcclyi^yj;),  nur 
dafs  ihm  hier  die  untere  Besetzung  fehlt.  Hierin  also  und  in 
dem  Gürtel ,  womit  es  gebunden  ist ,  blieb  der  Künstler  dem. 
angenommenen  Kostüme,  so  wie  es  der  Vater  der  Tragödie  ge- 


Martini  hat  in  seiner  Abhandhing  von  den  Sonnenuhren 
der  Allen  dieses  Denkmal  niclit  gekannt.  Die  Clepsydra  oder 
Wasseruhr,  nach  welcher  eigentlich  dem  Redner  die  Zeit  zuge- 
messen wurde,  liefs  sicli  nicht  tTiglicJi  im  Bildwerk  darstellen. 
Damm  wählte  der  Künstler  einen  Sonnenweiser,  und  er  will  Hamit 
nur  im  Allgemeinen  sagen :  hier  wird  nach  zugemessenen  Stun- 
den gesprochen. 


234 

SchafTen  baue,  (rcii.  Weniger  ist  diefs  der  Fall  iui(  der  Farkel, 
die  er  ihr  slall  des  Slalios  in  die  Hand  j-iehl.  Allein  diese 
Freiheit  miifs  dem  Künstler  zuf;eslanden  werden,  der  ohne  sie 
keine  deutliche  Bezeichnung  seiner  Figur  gefunden  liätle.  So 
gab  er  ihr  als  Anklägerin  ja  ancb  eine  Rolle  in  die  Hand, 
"wovon  beim  tragischen  Dichter  gleichfalls  nichts  vorkömmt. 
Immer  bleibt  diese  Yorslellnng,  als  Relief  eines  silbernen  Be- 
ckers dadurch  merkwürdig,  dafs  die  Fnric,  die  hier  schon 
ganz  in  das  Gebiet  der  verschönernden  Kunst  eingetreten  ist  *), 
74,  blos  durch  die  Fackel  angedeutet,  und  noch  mit  keiuem  Zu- 
satz von  Schlangen  ausgestattet  wird. 

Sowobl  darin,  als  iu  der  ganzen  Bekleidung  und  Haltung 
der  Figur  weichen  einige  Vorstellungen  auf  alten  Marraor- 
reliefs  und  Sarcophagco  ab,  wo  die  Furieu  in  unmittelbarer 
Verfolgung  des  Orestes  vorgestellt  sind.  Das  eine  dieser 
Denkmäler  befand  sich  auf  einem  Sarcophage  des  Palastes 
Accoramboni  in  Rom,  und  stellte  iu  drei  Abschnitten  die  Ge- 
scbichle  des  Orestes  bei  seiner  Schwester  Iphigenia  in  Tauris 
vor.  AVi  nckel  m  an  n  bat  aucb  dieses  (iu  seinen  Monn- 
inenti  a.  149.)  bekannt  gemacht  und  mit  vieler  Gelehrsamkeit 
erläutert.  Der  erste  Act  oder  Abschnitt  stellt  uns  den  Orestes 
am  Ufer  dar,  wie  er  sich  eben  nach  einem  Anfalle  der  hef- 
tigsten AVnth  in  den  Armen  seines  Pjlades  wieder  zu  erholen 
scheint.  In  des  Enrijiides  Trauerspiel,  welches  der  Bildhauer 
sowohl  bei  dieser  Scene  als  den  zwei  nachfolgenden  unfehl- 
bar vor  Augen  batte,  ist  die  Erschoiiinng  der  Furie  blos  Vi- 
sion, die  aber  der  Künstler  nothwendig  verkörpern  mufste  **). 


*)  Wo  Pausanias  die  Kapelle  der  Fnrien  auf  dem  Areopag  beschreibt,  'J 
ninfste  auch  von  ihrer  Abbildung  die  Rede  sein,  1.  28.  p.  108. 
Da  niacJit  er  ausdrücklicli  die  Bemerkung,  die  Lessing  in  seinem 
Laokoon  für  seinen  Zweck  sehr  passend  gefunden  liaben  würde : 
in  ihren  Bildern  ist  eben  so  wenig  als  in  den  Abbildungen  der 
übrigen  unterirdischen  Götter  etwas  Sclireckbares  zu  sehen:  ro7; 
5s  ayiXfJ.aciv  cvrs  tsuto»;  stsstiv  o'jC'cV  (foptf  ov  ,  ovdi  ov«  ikXec 
ivä-Aitrai  Ssüuv  rcüv  uTOYai'wv.  Wem  es  um  einen  recht  auffal- 
lenden Contrast  in  der  modernen  (altfranzösischen)  Kunst  zu  tima 
wäre,  der  dürfte  nur  auf  Williehnshöhe  bei  Cassel  einen  Blick  in 
das  dortige  Reich  des  Pinto  thun,  oder  auch  nur  die  Ku- 
pfer zum  Againenmon  und  den  Clioeplioren  des  Aescbjlus  in  der 
neuen  Ausgabe  des  Theatre  des  Grecs  —  par  Rocbefort  et 
du  Tb  eil  T.  IL  p.  93.  und  182.,  verglichen  mit  dem  aus  Win- 
ckelraann  entlehnten,  aber  sehr  französirten  Relief  im  XI,  Theil 
S.  445  ,  betrachten. 
**)    Man  sehe  Kuripidcs,  Tplng.  in  Taur.  281—300.    Winckelmann 


235 

Diefs  ist  hier   dadurch    bewirkt  worden,    dafs  wir   die  Fu-    75. 
rie  ')   in   einer  Art  von    Einzäunung  über  den  Orestes  sich 


erinnert  in  seiner  Erklärung  S,  200.  sehr  zur  Unzeit  an  eine  an- 
dere Stelle  im  Orestes,  wo  die  Electra  die  Stelle  des  Pylades  ver- 
tritt, und  die  Scene  in  Argos  ist.  Auch  will  sich  Orestes  liier 
auf  unserem  Marmor  niclit  wie  im  Orestes  des  Euripidis  V.  1065. 
selbst  tüdten ,  sondern  sich  gegen  die  eindringende  Furie  damit 
vertheidigen.  Man  vergleiche  nur  in  Iphig.  in  Tanr.  299.  Uebri- 
gens  wird  durch  die  Art,  wie  hier  ein  griechisclier  Künstler  eine 
auf  dem  Tlieater  blos  als  Vision  behandelte,  dem  Zuschauer  nicht 
sichtbare  Erscheinung  wirklich  personilicirt  und  verkörpert  Iiat, 
am  befsten  die  Frage  beantwortet,  ob  es  dem  bildenden  Künstler 
wirklich  gestattet  sei,  dergleichen  Visionen  körperlich  darzustellen, 
wie  z.  B.  Oeser  die  Erscheinung,  die  der  Graf  Egmont  noch 
zuletzt  im  Gefängnisse  empfängt,  auf  der  Titelvignette  zu  Gö- 
the's  Schriften  Th.  V.  behandelt  hat.  Die  Alten  scheinen  ge- 
rade diese  Erscheinung  der  Furien  als  eine  solche  Aufgabe  be- 
trachtet zu  haben,  wo  der  Maler  vorzüglich  seine  Kraft  im  Em- 
pfangen und  Darstellen  der  Visionen  beweisen  könnte.  So  wird 
vom  Maler  Tlieon  ein  Gemälde  gepriesen :  Orestis  insania,  Pli- 
nius  XXXV,  n.  s.  40.  Vergleiclit  man  diese  Nachricht  mit  dem 
Urtlieile  des  Quintilian  XII.  10.  6.:  Concipiendis  visionibus, 
quas  (p«vracri'af  vocant  (vergl.  VI.  2.  29.)  Theon  Samiiis  prae- 
stantissimus,  so  wird  es  selir  walirscheinlich ,  dafs  Theon  gerade 
durcli  diese  Furiendarstellung  sicJi  jenes  Lob  vorzüglich  erworben 
habe, 

Denn  nur  eine  Furie  läfst  der  Künstler  erscheinen,  Winckel- 
mann  beruft  sich  auf  Plutarcli  und  Eratosthenes ,  die  auch  nur 
von  einer  Furie  reden.  Er  hätte  sicli  noch  weit  passender  auf 
den  Homer  selbst  beziehen  können.  Die  späteren  Dichter  kenneu 
eine  Furie,  die  vor  allen  die  älteste  heifst.  Die  Erklärer  zu  Vir- 
gil's  Furiarum  maxima,  Aeneis  III,  252,  haben  es  nicht  an  allerlei 
Muthmafsungen  darüber  fehlen  lassen.  Am  leichtesten  läfst  sich 
die  Saclie  wold  aus  der  dramatischen  Darstellung  des  Aeschylus 
in  den  Eumeniden  selbst  erklären.  Dort  konnte  als  ,  Coryphäus 
des  Chores  auch  nur  eine  einzige  Furie  das  Voi'wort  führen  und 
auch  auf  dem  Areopagus  nur  allein  die  Anklägerin  machen.  Diese 
wird  von  späteren  Dichtern  die  älteste ,  ehrwürdigste  unter  den 
Schwestern,  von  welchen  man  ganze  Haufen  (agmina^  annimmt, 
gewöhnlich  genannt.  Das  meiste  Licht  liierüber  verbreitet  eine 
Stelle  im  Orestes  des  Euripides  V.  961.  If.,  wo  Orestes  selbst  er- 
zählt, die  älteste  der  Erinnyien,  -xqiGßnq  ^-ts^  vjv  'E^xvvJwv,  '''i''" 
sich  auf  den  einen  Tritt  gestellt,  wäluend  er  sich  auf  den  audeui 
begeben   habe. 


230 

76.  oniporhcbend  erblicken.  Hier  ist  sclion  Alles  knnsfreiclier 
lind  aiisgefülirler.  Das  flatternde  Haar  der  Fnrie  (woran  docli 
keine  Sclilaugen  zn  entdecken  sind)  nnd  das  vom  Winde  zu- 
rückgetriebene Oberj;e\vand  zeigen  die  reifsende  Heftigkeit, 
womit  die  Fnrie  auf  ihre  lienle  herabstürzt  (sVi^^joi^sT,  Aeschj- 
Ins,  Enmenid.  415.),  sprechender,  als  wenn  er  ihnen  Fliigel, 
den  Nothbehelf  der  bildenden  Kunstsprache,  gegeben  hätte, 
Uui  die  Fackel ,  die  sie  in  der  Linken  hält,  windet  sich  eine 
grofse  Schlange,  die  den  Frevler  mit  drohendem  Kopfe  an- 
zuzischen scheint.  Durch  eine  witzige  Zusammensetzung  ver- 
band also  dieser  Künstler  beide  Hauptmerkmale  der  Fnrien- 
gewalt  in  ein  Werkzeug  ihrer  Rache  und  sparte  sich  da- 
durch die  rechte  Hand  der  Rachegötlin  auf,  die  er  nun  noch 

77.  mit  einer  Peitsche  bewalFnete  *).  So  wie  das  ganze  Relief 
der  Idee  nach  zn  den  sinnreichsten  und  vollkonnneusten  ge- 
hört, so  ist  auch  die  Gestalt  der  Furie  voll  des  lebendigsten 
Ausdrucks  und  eine  der  beredtesten  ,  die  uns  aus  dem  Alter- 
thume  übrig  sind. 

Einen  ganzen  Schwärm  Furien  liefert  uns  das  schöne 
Relief  aus  dem  Palast  Barberini ,  das  W  i  n  c  k  e  1  m  a  n  n  in 
seiiicn  Monunienti  n.  148.  zuerst  bekannt  gemacht,  Viscon- 
ti aber  noch  sorgfältiger  (in  Mus.  Pio-Clemeut.  T.  V. 
11.22.)  erläutert  nnd  abgebildet  hat.  Es  ist,  nachdem  Plee- 
ren  und  Eckhel  fast  zu  gleicher  Zeit  die  richtige  Erklär- 
ung desselben  gegeben  haben  **) ,   hinlänglich  bekannt ,   dafs 


Eine  Furie,  die  weder  Schlange,  noch  Fackel,  sondern  eine  blose 
Peitsche  führt,  sehen  wir  noch  auf  dem  merkwürdigen  Fragmente 
eines  Reliefs  im  Palast  de'  Circi  alla  Pedacchia ,  das  Visconti  auf 
der  ersten  Hilfstafel  zum  Museo  Pio- Clementin.  T.  V.  abgeliiidet 
hat.  Auch  in  den  Stellen  der  Dicliter,  die  La  Cerda  zu  Virgirs 
Aeneis  VI,  570.  VII,  451.  gesammelt  liat,  sind  oft  wirkliclie  Peit- 
schen zu  verstellen. 

Heeren  sclirieb  seine  Abhandlung  über  dieses  Relief:  Commen- 
tatio  in  opus  caelatum  Musei  Pio- Clementini  Romae  1786.  Ful- 
goni,  dem  Cardinal  Garanipi  zu  und  gab  darauf  von  dieser  sinn- 
reichen Auslegung  selbst  einen  erweiternden  Auszug  in  der  Bi- 
bliothek der  alten  Literatur  und  Kunst  111,  1 — 32. 
Eckhel  fand  unter  den  geschnittenen  Steinen  des  kaiserlichen 
Cabinets  einen  Cameo,  der  die  Haupthandlung  des  Reliefs  bis  auf 
die  geringste  Kleinigkeit  ähnlich  darstellt,  Chobt  de  pierres  gra- 
vees  n.  XX.  und  erklärte  bei  dieser  Gelegenheit  aucli  das  Relief 
selbst  S.  48.  ff.  Da  derselbe  Gegenstand  gerade  so  auch  auf  Re- 
liefs in  der  Villa  Giustiniani  (^Galeria  T.  11.  n.  132  )  Borgliese 
und  Pincio  vorkommt,    so  kann  mit   Recht  daraus  gefolgert  wer- 


237 

'  eine  doppelte  Handiting  in  Beziehung  auf  den  Orestes  darauf  78, 
vorgestellt  wird.  Bei  der  ersten,  welche  man  als  die  Haupt- 
lian«llung  auseiien  kann,  kommt  in  dem  Augenblick,  avo  Ore- 
stes die  CIvtemnostra  ermordet  hat,  hinter  dem  Vorhange  eine 
Furie  auf  ihn  zu.  Sie  ist  gröfstentheils  durch  den  hinten 
bennnlaufendeu  Vorhang  bedeckt.  Nnr  der  Kopf  und  ein 
Theil  der  Schulter  ist  sichtbar.  Am  Kopfe  entdeckt  man 
deutlich  (auf  der  genaueren  Abbildung  bei  Visconti)  Schlan- 
gen als  Haupthaar  herabhängen.  Aber  hinter  dem  vorhan- 
genden Tuche  geht  anch  eine  grimmige  Sehlange  und  eine 
Fackel  hervor.  Diefs  stimmt  ganz  mit  dem  Ende  der  Choe- 
phoren  des  Aeschvins  überein  ,  wo  der  Mnttermord  nicht  so 
bald  verübt  ist,  als  auch  Orestes  schon  die  Furiengestalleu 
in  der  ersten  Anwandlung  des  Wahnsinns  erblickt.  Noch 
deutlicher  zeigen  sich  diese  Rachegötlinneu  bei  der  zweiten 
Handlung,  welche  die  Unfertigkeit  des  Scnlpturarbeiters  auf 
eine  sehr  nngesciiickte  Weise  zerspalten  hat.  Orestes  schleicht 
sich  hier,  während  die  Furien  schlafen,  vom  Dreifufs  des 
Apollo  weg,  ganz  so,  wie  er  uns  in  der  Scene  im  Anfange 
der  Eunicnideu  vorgestellt  wird.  Vier  Furien  schlafen  in  sehr 
verschiedenen  malerischen  Stellungen  kunstreich  znsammen- 
grnppirt.  Es  sind  lauter  schöne,  mehr  jugendliche  als  alte 
Figuren,  ohne  den  geringsten  Zusatz  von  Häfslichkeit  oder 
Bchreckbarer  Heftigkeit.  Der  Erhnder  dieses  Gemäldes  kannte  79. 
die  Gräuzen  und  Bedingungen  seiner  Kunst  zu  gut,  nm,  was 
dem  Dichter  gestattet  sein  konnte,  auch  dem  Bildner  für  er- 
laubt zn  halten.  Alles,  was  der  Künstler  zur  Andeutung,  dafs 
diese  schönen,  schlummernden  Jungfranen  das  Amt  der  Rache 

i  Sil  vollstrecken  hätten,  sich  gestattete,  war  die  allgemeine  Be- 
xeichnung  durch  Schlangen  nnd  Fackeln.  Anch  die  Schlangen 
scheinen  besänftigt  zn  sein  und  au  der  Ruhe  ihrer  Gebieterinnen 
Theil  zu  nehmen.  Der  Haarpntz  verräth  nichts  von  zischen- 
den Nattern.  Die  eine  hat  sogar  das  Haar  sehr  zierlich  in 
einen  Wulst  (nodns)  znsamniengevvnnden.  Alle  tragen  eine 
lange  Tunica  oder  ein  Untergewand ,  ans  welchem  an  den 
Schnliern  die  blosen  Arme  hervorgehen.  Sehr  deutlich  ist  der 
▼orii  geschnürte  Jägerschuh  ,  der  cretensische  Cothurnus ,  an 
allen  zn  bemerken.  Sie  sind,  von  einer  höheren  Macht  ein- 
geschläfert, über  der  Jagdhetze  ihres  Wildes  niedergesunken. 
Wie  menschlich    und  mild   ist  hier  das  Bild  der  scheufslichen 


den,  dafs  irgend  ein  berühmtes  Meisterstück  das  Original  zu  allen 
diesen  Copieen  gewesen  ist.  Visconti's  Muthmafsung,  dafs  es  sich 
als  Relief  auf  einem  Becher  oder  als  Gemälde  auf  einer  Schale 
befunden  haben  könne,  hat  nicht  \iel  Wahrscheinlichkeit, 


238 

GorafoiiPimTiffolioner,  die  mit  nnansstoliHchem  Sehnarclion,  Schlnch- 
zon  1)11(1  Röcheln  ((pvctäiJi.!xciv,  w-y/xoT?,  lAvyi^cT;)  im  Aiifiing  des 
Aesi-Iiyleisclicn  Sliickcs  Alles  ziiiücksclieiiflieii  und  sciljst  die 
vicierfahrene  Pvtliia  vor  Entsetzen  zu  Boden  slüizen,  in  die 
Gestalt  anfgelös't,  bei  welclier  man  ohne  Anstofs  verweilt  *). 
Mau  darf  aber  nur  deu  Ausdruck  beuierkeu ,  mit  welchem 
Orestes  vom  Drelfufse  Apollo's  woj>,-  über  die  eine  schlafende 
Furie  wea,schreitet ,  um  sich  zu  überzeugen ,  dafs  die  Gewalt 
dieser  jetzt  beruhigten  Wesen  unendlich  furchtbar  und  grofs 
gQ  sein  ntiisse.  So  ziemt  es  dem  grofsen  Künstler.  Er  zeigt 
uns  den  Schrecken  in  der  Wirkung.  Die  scheufsliche  Schreck- 
gestalt selbst  würde  nur  ekelhaft  oder  lächerlich  gewesen  sein. 
Welche  Schule  für  unsere  moderne  Künstlerwell  i  —  Eine 
Yon  den  Furien  hat  statt  der  Fackel  oder  Schlange  ein  zwei- 
schneidiges Schlachlbeil ,  worauf  sie  sich  stützt.  Diefs  bestii- 
li'>t  die  oben  schon  geänfserte  Mulhmafsiing,  dafs  wahrschein- 
lich nicht  alle  Furien  selbst  nach  der  ursprünglichen  tragi- 
schen Decoraliou  des  Aescbylns  einerlei  Werkzeuge  (Stäbe) 
in  der  Hand  gehabt  haben  **).  Auch  pafst  das  Beil  sehr 
out  zu  einer  Stelle  des  Aeschylus,  ^\o  ihnen  der  zürnende 
Apollo  ein  echt  scharfrichterliches  Ausehen  bcimifst  ***). 


^  Vergl.  Heeren 's  feine  Bemerkungen  in  der  angeführten  Com- 
mentation  p.  32,  und  in  der  Bibliothek  der  A.  L.  u.  K. 
III,  27. 
**")  Auf  altgriecbisclien  oder  davon  copirten  etrnrischcn  Vasen  finden 
sich  Furien  mit  Hämmern,  Lanzen  und  anderen  Marterinstrumen- 
ten. S.  Gori  ad  Museum  Etruscum  T.  II.  190.  Bonaro  ta, 
Explicat.  ad  Demstcr.  Etrur.  Reg.  s.  26.  p.  42. 
»**)  Eumenid.  V.  180 — 184.  „Ihr  geliört  niclit  in  die  Tempel", 
ruft  Apollo  den  Furien  zu,  „sondern  da  ist  euer  Sitz,  wo  man 
Köpfe  abhaut  und  Augen  aussticht,  wo  man  Kehlen  absclmeidet, 
•wo  man  des  Kindes  im  Mutterleibe  nicht  verschont  und  Knaben 
entmannt,  wo  man  Nasen  und  Olnen  abhaut,  steinigt  und  den 
durcirs  Rückgrat  Gespiefsten  Jammeryplieul  ausprefst.  Das  sagt 
euer  Ansehen."  Wenn  man  auch  diese  emj)örenden  Beschul- 
digungen zum  Theil  auf  die  langen  Nägel  der  ünlioldinnen  bezie- 
Jien  wollte,  so  würde  doch  das  Ganze  weit  lebendiger  hervortre- 
ten wenn  man  zugleicli  annälime,  dafs  einige  aus  dem  Schwann 
wirklicli  Werlczeuge  der  Carailicin  in  den  Händen  getragen  hät- 
ten. Zum  Beile  würden  gleich  die  Kitpavurri^js;  htv.^i  ini  Anfange 
gut  passen.  In  der  Hererzählung  dieser  Abscheuliclikeiten  werden 
auch  <Txlpy««TOff  äxo(p5o5.ai'  genannt.  Da  hier  lauter  Strafen 
vorkommen  so  möchte  ich  auch  diefs  lieber  vom  Aufsclilitzen  des 
schwangeren   Leibes  durch  Mordinstrumente  (.eventier)  verstellen, 


239 

Das  Bil«l  der  Jagerinneu,    welches   sich  in  den   Co-   81. 

Ihnnien  dieses  Reliefs  so  selir  hervorhebt,  wird  in  mehreren 
Ahhihhinj^en  auf  allen  Gefäfsen  dadurch  noch  hestioiniler,  dafs 
die  Furien  auf  ihnen  sogar  iu  leicht  aiifgeschürzteiu  Gewände 
erscheinen.  So  sind  nun  wahre  JägferniJUlciien  vom  dorischen 
Slamnie  aus  ihnen  geworden,  ganz  in  der  Tracht,  wie  man 
sie  an  der  cretensischen  Diana  und  ihreji  Nvmphen,  oder,  was 
nngefähr  auf  dasselbe  hinauskommt,  in  Amazoucnkleidung'  auf 
allen  Bildwerken  so  häufig  wiederfindet  (s.  Yasongemiilde  III, 
16G.).  Diese  Vorstellnng-  findet  sich  besonders  auf  mehreren 
elrurischen  Graburnen  von  gebrannter  Erde,  worauf  sich  be-  82 
malte  Figuren  in  erhobener  Arbeit  befinden.  Eine  der  be- 
liilmitestcn  ist  die,  welche  Bonarota  in  seinen  Zusätzen  zn 
Demster's  Etruiia  Regalis  ad  fin.  Tom.  II.  tab.  LXXXVI., 
sogar  mit  genauer  Bezeichnung  der  Farben  durch  Schril'f,  hat 
in  Kupfer  siechen  lassen.  Prof.  Meyer  hat  in  den  Pro- 
pyläen (I,  SO.)  eine  lehrreiche  Nachricht  von  ihr  gegeben 
und  bemerkt,  dafs  der  ganze  Charakter  des  Werkes  saninit 
der  ungemein  einfachen  und  kunstgerechten  Anordnung  der 
Figuren  durchaus  von  ^^griechischer  Abkunft  zeuge.  Wir  er- 
blicken hier  das  mörderische  Gefecht  des  Eleodes  und  Poly- 
nices.  Während  die  Brüder  sich  einander  durchstechen,  steht 
jedem  eine  Furie  zur  Seile ,  mit  der  rechten  Hand  auf  den 
Brudermörder  zeigend,  mit  der  linken  eine  Fackel  hallend. 
Alles  ist  nach  dem  hochgegiirteten  Jägeranzug  eingerichtet, 
nur  dafs  freilich  in  einzelnen  Pnncten  das  griecliische  Kostüm 
schon  mehr  in  das  etrnrischo  liberzngehen  scheint.  W^enn  die 
Cothurnen  hier  nicht  von  vorn  herauf  geschnürt  erscheinen, 
so  ist  diefs  eine  blose  Auslassung-  ans  Nachlässigkeit.  IMerk- 
würdig  aber  sind  die  gleichfalls  znr  Zierde  dienenden  Ueber- 
schlägc  Yon  zottigen  Thierfellen.     Mau  findet  sie   mit  allerlei 


als  von  abtreibenden  Mitteln,  wie  man  es  gewöhnlich  zu  thun 
pflegt.  L'eberliaupt  hat  Aescliyhis  hier  absiclitUch  lauter  Ver- 
stümmelungen unil  Todesstrafen  angefiilut ,  die  sclion  damals  nur 
bei  Barbaren  gewöhnlich  waren  (yXcZvn;,  das  Castriven,  war  ganz 
eigentlich  persisch  asiatische  Sitte,  Herodot  IIJ,  48.,  s.  B  rissen, 
de  Regn.  Pers.  11.  p.  233.  f.,  so  die  anq^vta,  d.  h.  das  Abschnei- 
den der  Nase,  Ohren,  Lippen,  Brüste,  welclies  die  Griechen  eigent- 
lich Atu/3)j  nannten,  aber  schon  zu  Homer's  Zeiten,  Odyss.  18,  85, 
für  barbarische  Sitten  hielten,  vergl.  Henelii  otluin  Vratislaviense 
c.  17.  p.  130.  seq.  und  so  auch  das  Pfuhlen,  ävaffy.oXox/er/^ö?), 
und  auch  dadurch  den  Abschen  der  Zuhörer  vermehrt.  In  dem 
auch  in  den  Todesstrafen  menscliÜcheren  Athen  galt  damals  sclion 
nnr  die  Hinrichtung-  dnrch  den  Schierlingsbecher. 


240 

mHlercii  Zioiatheii  iiiul  Vorhräninnsren  anf  molircipn  sp;Üoren 
Diaiieiilülilein  *).  Das  doitucligescliürzle  Gewand  **)  ist  der 
83.  doiisi'lH'  lioibrock  ohne  Aerniel.  Der  obere  Gtirtel,  der  un(er 
den  Biiisleii  das  Gewand  zusamnienfafst ,  ist  sehr  breit  und 
daher  siclilbar.  Der  weifse  Leibrock  selbst  Jiat  von  unten 
herauf  einen  violetten  Streif  nach  etrnrischer  Sitte  ***).  Die 
Fbi_i;el  der  Furien  haben  eine  kreuzweis  laufende,  zwischen 
den  Brüsten  sich  tibersclilagende  Befeslii-uni^  von  i^elben  Bän- 
dern,  tlie  man  auf  vielen  alten  Kunstwerken,  besonders  auf 
Vasena,('niälden  antrifft  und  deren  Ursprung  wahrscheinlich 
vom  Theater  abzuleiten  ist  f).     Das  Merkwürdigste  siud  die 


*)    Man  sehe  zum  Beispiel   das   Museum  Pio-Clemen  t,  T.  11. 
tav.  XXXI. 
**)     Geniino  vestis    Gortynia   cinctii  nennt  es  Claudian,   de  R.  Pr.  II, 
33.    wo  er  die  Kleidung  der  Diana  besclireibt.     Sclion  Spanheim 
zu  Callim.,    H.  in   Dian.  II.  p,   171.   f.   hat  darüber   alles  Nothige 
gesammelt.     Bonarota,    der  in  seinen  Explicat,  ad  Demsterum 
p.  11.  liier  nnr  ein  snbligacuhim,  einen  .Schurz,  erblickt  und  den 
oberen  Theil  des  Körpers  ganz  nackt  läfst,  hat  sich  vielleicht  durch 
die  Falten  oberlsalb  des  oberen  Gurts  irre  maclien  lassen. 
***)     Die  griecliisclie  Sitte  liebte  die  gesclimackvollere  Kante  odn-  Garnir- 
ung  rings  um  den  Saum   des  Gewandes   (Xsyvwrov  beim  Callima- 
chus,    linibiis).     Die  Etrurier  zogen  einen  Pnrpurstreif  in    senk- 
rechter   Richtung   (xafuCpv; ,   clavns)   vor,   und   einen   solchen  ei- 
blicken  wir  auch  auf  dieser  gemalten  Urne. 
+)     Da    natialich   auch   anf   den   Theatern  viele  B eil ii gelungen  vorka- 
men   die  vorzüglich  da,   wo  Figuren  in  der  Luft  scinvebend  vor- 
gestellt wurden,    durch  die  Mascliinerie,    die  man  alili^ai   nannte 
(PolUix  IV,  131.),  bewirkt  werden  konnten,  so  mufsten  ilinen  künst- 
liche  Flügel  an    die   .Schultern   angesetzt  werdc-n.     Man  befestigte 
diese  (gerade  wie  jetzt  noch  bei  Processionen  in  catliolischen  Län- 
dern) mit  starken  Bändern,  die  sich  über  der  Brust  überkreuzten. 
Bei  weiblichen  Figuren  bildeten  diese  Bänder  eine  Art  von  Brust- 
band, stropliium,  und  dienten  zugleich,  da  sie  von  Gold  und  in 
allerlei  Farben  gestickt  waren,  zum  Putz  der  Figur.     Als  die  Per- 
sonilicationen  der  NiV.>)    oder   Victoria  bei  Siegeseinzügen    (isela- 
stica)   und  Triumithen  die  geflügelten  Siegesgöttinnen  sehr  häufig 
machten,  wunle  dieses  kreuzweis  liegende  Band  stets   an  den  Bil- 
dern der  iierabüicgenden  .Siegesgöttinnen  angebracht,  wie  wir  diefs 
noch  auf  vielen  kleinen  Bronzen,  die  sich  erhalfen  liaben ,  seilen. 
An  gröfseren  Statuen,    wo  die  Flügel  weggebrochen  sind,   deuten 
diese  Bänder  auf  vormals   vorhandene  Flügel.     Diefs  ist  z.   B.  der 
Fall  bei  einer  colossalen  Victoria  in  Marmor,    die    sich  unter  den 
zwölf  grolien  Antiken  vor  dem   neuen   Scidosse   in  Sanssouci  bei 


241 

netzftlrnilgCTi  rloletlen  Acrmel ,  womit  diese  Furien  hier  aus-  84, 
gesfhniiickt  sind.  Sie  reiclien  von  der  ScliiiUer,  als  wie  weit 
nur  die  Tiinica  ging-,  bis  an  die  Handwurzel  und  scheinen 
eine  eigene  tliea(ralisclie  Decoralion  gewesen  zu  sein  *).  Lebri- 
gens  ist  weder  in  den  jungfräulichen  Gesichtern,  noch  iu  dem 
vollen  Ilaarputz  etwas  Furienä'niliches  zu  finden.  Diese  Vor- 
stellung kommt  mit  geringen  Ahänderungen  häufig  auf  alten 
etrurischen  Deukmälern  vor  und  scheint  also  dort  sehr  ge- 
wöhnlich gewesen  zu  sein  **). 

Ohne  allen  Zusatz  der  etrurischen  Manier  finden  wir  die  85. 
Vorstellung  des  \'on  den  Furieu  verfolgten  Orestes  auf  einer 
der  schönsten  Vasen  der  zweiten  Haniilton'schen  Sammlung 
(Tischbein's  Engravings  T.  lll.  t.  32.).  Zwei  Furien 
dringen  rechts  und  links  auf  den  Orestes  ein,  der  sich-  auf 
einen  Allar  gefliichtet  hat  und  das  Schwert,  aus  der  Scheide 
gezückt,  vorhält  ***).  Jede  der  Furien  ängstet  den  Flüchtling 
durch  zwei  grofse  Schlangen  mit  Kämmen  auf  dem  Kopie 
(serpentes  cristali),  die,  sich  um  die  nackten  Arme  der  Furien 
io  malerischen  Windungen  schlingend,  sich  vou  da  mit  zischen- 
den Köpfen  gegen  den  Verbrecher  erheben.     Die  Furien  selbst 


Potsdam  befindet,  welche  leider  dort  noch  immer  jeder  Witterung 
preisgegeben  sind. 
•)     Waluscheinlich   aus   den   verlängernden    Aerraeln   ( y^siptbsg )    ent- 
standen, wovon  oben  die  Rede  gewesen  ist. 

**)  Nur  mufs  man  nicht,  wie  Gori  ad  3Iuseum  Etruscam  T.  IL  p. 
191.  gethan  bat,  fast  alle  getiügelte  Figuren  mit  einem  Hammer, 
einer  Lanze  u.  s.  w.  dahin  reclmen.  Meyer  in  den  Propyläen  I, 
80.  bemerkt,  dafs  sich  allein  in  Florenz  fünf  Urnen  mit  derselben 
Vorstellung,  die  aus  Bonarota  beschrieben  worden  ist,  und  eine 
in  der  Malfeischen  Sammlung  in  Verona  belinde.  Vorzüglich  der 
Aufmerksamkeit  werth  sind  die  Wandgemälde,  die  man  bei  der 
Erötfniing  einer  Grabgrotte  unweit  Cornetum  im  Toskanischen 
fand,  und  die  Bonarota  zu  Demster  tab.  88.  abgebildet  bat. 
Hier  sind  die  Furien  (doch  immer  im  aufgeschürzten,  kurzen  Ge- 
wände) in  der  Unterwelt  beschäftigt,  einen  aufgehangenen  Verbre- 
cher mit  Fackeln  und  andern  Werkzeugen  der  Folter  zu  quälen. 
Eine  Vorstellung,  wodurch  der  Platonische  Mythos  im  lOten  Buch 
der  Republik  und  mehrere  Stellen  im  6ten  Gesang  der  Aeneide 
sehr  gut  erläutert  werden, 

•**)  Nicht  eben  um  sich  damit  gegen  die  Furien  zu  vertheidigen,  son- 
dern weil  er  mit  einem  gezückten,  bluttriefenden  Schwert  (vjo- 
c-ralt;  ^i<i)o;,  Eumemd.  42.  und  an  mehreren  Orten)  als  Mörder 
auftretend  vorgestellt  wurde.  Man  vergleiche  die  dritte  Kupfer- 
tafel. 

Böttiger'6  Kleine  Schriftes  I,  16 


242 

sintl  im  völligen  Spriina:  (S^o/u«Ssf,  Enrip.,  Orost.  318.,  «Xs- 
uEvoci  ä-Ay.aSiv,  Aescil.  Eiim.  357.),  und  biMlüifoii  also  keinor 
Fliiiit'j,  die  ilineii  der  Maler  aiicli  nicht  gejxplien  hat.  Ui'hii- 
86.  gens  sind  sie  als  schöne,  doch  ernste  Jnngfrauen  ganz  im 
anfgeschürzlen  Jägergewande  mit  geschniirleu  Colhnrnen  ge- 
bildet. Das  Graiisende,  wodurch  sich  Jeder,  der  diese  Ab- 
bildnng  erblickt ,  gleichsam  dnrrhschanert  fühlt ,  liogt  in  dem 
Erschiilterndcn  der  Handlnng  selbst.  Das  Entsetzen,  da>?  sich 
im  Gesichte  und  in  der  ganzen  Stelinng  des  geqn.-illcn  Verbre- 
chers al)malt,  ergreift  auch  uns  mit  unwidersfelilicher  Gewalt, 
—  Auch  in  der  früheren  Ha  n  ra  r  vi  1 1  e 's  c  h  e  n  Sammlnng 
der  canipanischen  und  altgricchischea  Gel'äl'se ,  die  jetzt  im 
britischen  Mnscum  aMfliewalirt  werden,  kunnnen  zwei  Vorstell- 
ungen des  von  den  Fnrieu  umlagerten  nnd  geängsteten  Ore- 
stes vor.  Beide  sind  dadnrcli  merkwürdig,  dafs  anf  ihnen  die 
Furien  im  älteren  Kostüme ,  doch  auch  hier  wieder  in  ver- 
schiedener Abstufung  erscheinen.  Anf  der  einen,  wahrschein- 
lich älteren  Vorstellung  (T.  ]l.  tab.  41.)  sitzt  Orestes  (wenn 
es  nicht ,  nach  einer  weiter  oben  geäufserten  Mnthmafsnng, 
der  andere  IMnltennörder  der  Tragödie  Alcmäon  ist)  mit  rück- 
wärts gebundenen  Händen  anf  einem  Allare,  den  Kopf  zwi- 
schen den  Knieen.  Eine  ganz  schwarze  Furie  steigt 
unter  dem  Altäre  aus  der  Erde  hervor.  Sie  ist  geflügelt. 
Eine  Doppelscblange  bildet  das  im  Fnrienkostüme  schon  mehr- 
mals bemerkte  Diadem  oder  die  Kopfbinde  um  die  Haare, 
woraus  die  beiden  Schlangenkopfe ,  als  w  ären  es  die  Enden 
einer  zusammcngebuudenen  Schleife ,  drohend  emporragen  *). 


*)  Man  ninfs  hierbei  nnr  nicht  vergessen,  dafs  es  eine  Mode  der  al- 
ten Damen  war,  die  Haare  in  eine  Art  von  Schleife  über  der  Stirn 
zu  knüpfen,  so  dafs  zvs'ei  Büschel  emporragten.  Caylus  in  sei- 
nem Recueil  hat  viele  Kopfe  der  Art.  IVIan  vergleiche  die  seltene 
Münze  von  Metapont  bei  Eckliel,  Nnnü  Anecdoti  Tab.  III,  16., 
wo  bei  der  Ceres  cwrvjf /«  zwei  Kornähren  gerade  so  aiif  der  Stirn 
angebracht  sind,  wie  man  sonst  die  Haare  trug.  Darum  bildete  man 
nun  auch  bei  den  Furien  zwei  so  liervorstehende  Schlangen.  Meh- 
rere Stellen  alter  Dichter,  die  diese  Kopfschleife  aus  zwei  Nat- 
tern, die  über  der  Stirn  sicli  heben,  in  so  vielen  Bildwerken  vor 
Augen  hatten,  werden  dadurch  erst  ganz  anscliaulich.  Burmann 
würde  gewifs  beim  Virgil,  Aeneis  YII,  450.,  wo  von  der  sicIi  in 
allen  iliren  Schrecken  offenbarenden  Alecto  die  Rede  ist,  g  e  m  in  o  s 
erexit  crinibus  angues  —  nicht  gelidos  —  zu  lesen  vorgeschla- 
gen haben,  wenn  er  sich  Jiieran  erinnert  liiitte.  La  Cerda  hat 
zu  dieser  .Stelle  passende  Naclialimungen  aus  dem  Statius  ange- 
führt,  z,  B,  X,  Theb,  65,;  Crinalem  attollit  longo  stiidore  cera- 


243 

Um  ihre  beiden  Anne  winden  sich  Schlangen  *).  Die  am  87, 
rechten  Arme,  der  allein  i>jniz  zn  sehen  ist,  —  denn  die  Fi- 
gur ist  überhanpt  nur  zur  iLillie  siclilhar  —  sciiläiigclt  sirh  88. 
zischend  empor  zum  Altäre.  In  diesem  Gemälde  hat  der 
Künstler  die  alle  Tradition,  dafs  die  Furie  ganz  schwarz  er- 
scheine, auch  noch  in  der  bildlichen  Darstellung:  beibehalten. 
Auch  die  Gesichtszüge  sind  streng  nnd  drohend,  doch  aber 
von  aller  Caricatur  und  Verzerrung  weit  enlfernt.  Man  durfte 
behaupten  ,  dafs  diese  Darstellung  gerade  innerhalb  der  Linie 
stehe  ,  liber  welche  hinaus  die  versläadige  Knust  sich  nicht 
mehv  die  Bildung  der  Furien  erlauben  dürfe.  —  Schon  sehr 
veredelt,  aber  noch  nicht  in  der  annuilhigcn  Gestalt  leichter 
Jägcrnvmpheii  erscheineu  zwei  Furien  auf  einer  andern  Vase, 
gleichfalls  bei  Haucarville  (T.  II.  tab,  30.).  Der  gc(piälte 
Orestes,  den  gezücktc-ji  Dolcli  in  dc'r  Hund,  knieel,  vom  Ent- 
setzen gelähmt,  auf  eiuer  Art  umgestürzten,  gleichsam  mit  Lo- 
chern reiben  w(m's  durchbrochenen  Gefäfses ,  in  dem  man  bei 
genauerer  Betrachtung  einen  heifigeu  Weihkessel  (corlina)  ent-    89. 


stem.  Denn  man  scheint  die  Art  von  Schlange,  die  die  alte  Her- 
petologie  Cerasten,  Hornsch langen,  nannte,  eben  darum  dem 
Kopfputze  der  Furien  am  angemessensten  gefunden  zu  haben, 
weil  sclion  ihr  Name  eine  Aehnlichkeit  mit  der  hier  abz\ibilden- 
den  Sache  hatte.  Nun  verstellt  man  auch  den  Vers  Ovid's  erst 
ganz  Metam.  IV,  494.:  Inda  duos  mediis  abrumpit  crinibus 
angues. 

Dafs  die  alten  Künstler  so  gern  die  Schlangen  um  die  Arme  der 
Furien  wickeln,  hat  noch  eine  andere  Ursache,  die  in  einer  Art 
von  Putz  der  alten  Damen  zu  suchen  ist.  Bekanntlich  liebten  sie 
die  Armbänder  ungemein,  die  sich  in  der  Gestalt  kleiner  Schlan- 
gen um  den  Oberarm  (spintheres)  oder  um  die  Handwurzel  (t-j-i- 
y.öcoino;  oCpiq)  legten.  S.  Pollux  V,  99.  und  das  Fragment  des 
Nicostratus  beim  Clemens  von  Alexandrien,  Paedag.  II,  12.  p.  209. 
Sylb.,  wo  der  fromme  Kirchenvater  diese  Sitte  von  der  Schlange  im 
Paradiese  ableitet.  Winckelmann  bemerkt  diesen  Schmuck  an 
den  Armen  der  Bacchantinnen,  Monument.  Ined.  p.  213,  vergl. 
Storia  dell'Arti  T.  I.  p.  436.  ed.  F  e  a ,  und  es  ist  wahrscheinlich,  dafs 
von  den  Bacchantinnen ,  die  mit  wirkliclien  Schlangen  allerlei  hei- 
liges Gaukelspiel  trieben,  diese  Mode  überhaupt  ihren  Ursprung 
genommen  hat ,  wodurch  auch  das  bekannte  Mifsverstandnifs  mit 
dem  Bilde  der  vorgeblichen  Cleopatra  veranlafst  wurde,  in  der 
neuere  Alterthumsforschor  den  ProJ:otyp  aller  schlafenden  Bacchan- 
tinnen, die  Ariadne,  gesehen  haben.  S.  Visconti  zum  Pio-Cle- 
mentinum  T.  II.  44.  p.  90.,  vergl.  T.  I.  p.  17.  Man  sieht  nun 
von  selbst,  wie  der  Witz  der  Künstler  damit  spielte,  dafs  er  die- 
sen Schmuck  bei  den  Furien  sich  so  furchtbar  bekben  liefs. 

16* 


244 

deckt,  wie  er  auf  dem  Dreifufse  des  Apollo  zu  stehen  pfleg- 
te *).  Von  beiden  Seiten  stürmt  eine  Furie  auf  iliii  ein.  Es 
sind  schöne,  schhinkc,  jungfräuliche  Figuren,  ungefliigelt ,  in 
der  gewöhnlichen  griecliischen  Frauentraclit,  eine  Jjwig  hentb- 
gehende,  mit  einem  zierlichen  Sanm  (wir  würden  es  eine 
Araheskenheselzuiig  nennen)  eingefafste  Tunica  ohne  Aermel 
lind  über  dem  Oberleibe  einen  halben  Mantel  (bnrXcibiov,  s. 
Vasengemälde  II,  89.  ff.).  Das,  wodurch  beide  als  Rache- 
götlinnen  charakterisirt  werden,  sind  die  Nattern,  die,  wie  ein 
Band  das  flatternde  Haupthaar  umschlingend,  sich  oben  em- 
porschlängeln, und  die  Fackeln.  Um  auch  hierein  eine  ange- 
nebme  Abwechselung  zu  bringen,  hat  i\tv  Künstler  der  einen 
Furie  nur  eine  einzige  grofse  Fackel,  die  sie  mit  beiden  Hän- 
den gegen  den  Orestes  schwingt,  der  andern  aber  zwei 
Fackeln,  für  jede  Hand  eine,  gegeben.  Auch  hier  ist  übri- 
gens das  Schreckbafte  nur  in  der  Wirkung,  die  der  Anblick 
dieser  hereinstürzi'uden  Rächerinnen  auf  den  Orestes  und,  von 
ihm  gleichsam  zurückgespiegelt,  auch  auf  den  Beschauer  thut. 
Noch  ist  eine  überaus  merkwürdige  Vasenabbildung,    den 

90.  von  den  Furien  verfolgten  Orestes  (irj/vjjXaTou/aavov,  Plutarch 
de  Fluv.  c.  23.)  vorstellend,  übrig,  welche  aus  der  vortreff- 
lichen \asensammlung  des  vormaligen  Grafen  Parois  der 
Bürger  Mi  II  in  in  Paris  für  eine  Sammlung  von  alten  Kunst- 
werken, deren  Herausgabe  wir  in  Kurzem  diesem  verdicust- 
vollen  und  rastlos  thätigen  Alterlhumsforscher  zu  danken  ha- 
ben werden,  schon  vor  einiger  Zeit  in  Kupfer  stechen  liefs. 
Ich  bin  so  glüoklich,  von  dieser  noch  nicht  bekannt  gemach- 
ten Abbildung  durch  die  Güte  meines  Freundes  einen  Abdruck 
zu  besitzen,  und  beziehe  mich  in  Absicht  auf  den  Gegenstand, 
der  uns  da  vorgestellt  wird ,  auf  das ,  was  ich  bei  einer  an- 
dern Veranlassung  über  diese  sehr  merkwürdige  Vasenzeich- 
iiung  erinnert   habe  (Vasengemälde  II ,   223.  f.).     Ohne  mich 

91.  hier  auf  die  Deutung  des  Ganzen  einzulassen  *'),    worin  ich 


üeber  die  cortina,  oX/^to; ,  hat  Span  heim  schon  Alles  gesam- 
melt. Oft  bezeiclinet  sie  auch  allein  den  lieiligen  Dreifufs.  Man 
sehe  die  merkwürdige  Münze  der  Mamertiner  in  Kckhel's  Syl- 
loge  I.  nnraorum  anecdotonim  tab.  II.  n.  11.  Da  hat  die  Cortina 
noch  einen  eigenen  netzlorniigen  Ueberzug.  Also  werden  auch 
hier  gewisse  Zierathen  niclit  befremden. 

Die  Schwierigkeit  in  der  Erklärung  bleibt  immer  die,  dafs  die 
doppelte  Scene  aus  den  Eumeniden  des  Aeschylus,  die,  wo  sich  Ore- 
stes zum  Dreifufs  des  Gottes  zu  Delphi  gefiüclitet  hat,  und  die, 
wo  ihm  Minerva  auf  ihrer  Burg  in  Athen  beisteht,  hier  in  eine 
einzige  zusammengeschmolzen  erscheint.  Darum  ei'klärte  ich  schon 
«onst  dieses   äufserst  reiche  und  merkwürdige  Vasengemälde  für 


245 

meinem  achdingSM  ünligen  Freund  in  Paris  nicht  gern  vorgrei- 
fen möchte,  bemerke  icli  liier  nur,  dafs  auch  hier  Orestes,  der 
sich  anf  eine  koibartige  Erhöhung  oder  Estrade  unter  dem 
Delphischen  Dreifufs  gcfiiichfet  hat,  von  zwei  Furien  angefal- 
len und  nnilagert  wird.  Die  eine  biegt  sich  über  den  Drei- 
fufs, an  dessen  Gestell  Orestes  kniet,  drohend  herab  und  hat  eine 
Schlange  in  der  Hand  ,  während  noch  zwei  andere  ihr  am 
Halse  anf  beiden  Schultern  und  eine  dritte  über  der  Stirn  em- 
porstreben. Diese  ist  aber  nur  mit  dem  oberen  Theilc  ihres 
Körpers  zur  Hälfte  zu  sehen.  Hinter  dem  Apollo,  der  schir-  92, 
mend  dazwischen  tritt,  steht  eine  zweite  Furie  im  hochge- 
schürzten, nur  bis  anf  die  Knie  reichenden  Gewände  und  mit 
geschnürten  Colhnrnen  *),     Sie  ist  geflügelt,    und  die  Flügel 


eine  Scene  aus  einem  verloren  gegangenen,  vielleicht  gar  extem- 
porirten  Stücke  über  diesen  berühmten  tragisclien  Gegenstand.  In 
der  3Iitte  kniet  Orestes  auf  einer  Art  von  Korb.  Diefs  erklärte 
ich  in  den  Vas  engem  aide  n  II,  223.  so,  als  habe  sich  Orestes 
darein  verstecken  wollen.  Jetzt  vergleiche  ich  diese  Stellung  mit 
einer  andern  Vasenzeichnung  in  der  Tis  chbeinisclien  Samm- 
lung T.  II.  t  16.,  wo  otfenbar  auch  Orestes  unter  dem  Dreifufse 
zu  Delphi  auf  einer  Art  von  Bett  oder  Estrade,  die  mit  einem 
Teppich  behangen  ist,  sitzend  den  Ausspruch  des  daneben  tliro- 
iienden  Apollo  vernimmt  So  etwas  müfste  man  sich  also  auch 
hier  bei  dem  korbälmlichen  Behältnisse  denken,  in  welchem  Orestes 
kniet.  Dafs  die  Scene,  die  uns  auf  diesem  Gemälde  vorgehalten 
wild,  in  Delphi  spielt,  ist  aus  dem  Lorbeerbaume  sichtbar,  an 
welchen  sich  Apollo,  der  neben  Orestes  steht,  anleimt.  Der 
Lorbeer  neben  dem  Dreifufse  ist  Jedem  bekannt,  wäre  es  auch  nur 
aus  dem  Anfange  des  Plutus  des  Aristophanes.  Der  Baum  war 
so  buschig  und  blätterreicli,  dafs  sich  selbst  ein  Hinterhalt  dahin- 
ter verstecken  konnte.  S.  Musgrave  zu  Eurip.  Andromache 
1H8.  Hier  erscheint  er  sogar  mit  Votivtäfelchen  und  heiligen 
Binden  behangen.  Man  vergleiche  die  Tischbeinischen  Va- 
sen T.  I.  t.  42,,  wo  ein  Centaur  aus  einer  Bacchischen  Proces- 
sion,  als  5£vSf5(f>c5io?  (.s.  Casaubonus,  de  poesi  Satir.  p.  54. 
ed.  Ramb.  und  Reinesius  ad  Inscript.  I,  40.  p.  75.)  mit  einem 
Baume,  an  welchem  Täfelchen  und  Xenien  hängen,  erscheint.  Die 
oben  hervorguckenden  Personen  (dergleichen  kamen  mehrere  auf 
alten  Gemälden  vor,  so  Butes  auf  einem  Gemälde  des  Micon,  s. 
Proverb.  Graec.  in  Append.  Vatic.  I,  12.  p.  260.  ed.  Schotti)  halte 
ich  jetzt  nicht  mehr  für  blose  Zuschauer,  sondern  auf  der  einen 
Seite  erblicke  ich  den  Schatten  der  anklagenden  Clytemnestra,  auf 
der  andern  den  Pylades. 
*)  Nach  dieser  hat  Prof.  Meyer  die  Fuiie  auf  der  zweiten  Knpfer- 
tafel  gebildet. 


246 


sind  t'lion  so,  wie  ant'  der  gcmallcn  Urne  bei  Denister,  durch 
ein  kreiizweis  zwisi'lieu  doii  Biüslen  sich  diirchsiliiH'idondes, 
mit  i^üldeiit'n  ßiicl\eln  reichhi'selztes  Piirpiirband  an  die  Stliul- 
tern  bcl'o.sli_u,t  ])as  'iaiize  Gewand,  sowohl  das  obere,  wel- 
ches weilvoi-iichende  Aeüuel  hat,  als  das  untere,  ist  mit  schöii- 
gesliciiteii  Yerbrämiiiineii  (!\1  äa  n  d  er  n,  Yaseiigemähle  1,  86.) 
eiii.ii,efafst  und  noch  üljerdiels  durch  purpurne  Streifen  ((7>)/aaT«) 
und  gohlene  rin,v,f'üniiiij;e  Paih'den  (y.*yj^fo/ ,  Saumaise  zu 
Script.  H.  A.  T.  if,  p.  850.  f.)  köstlich  aufgesehmückt. 
Man  sieht,  dafs  auch  diese  Fnrie  von  der  Pracht  der  neueren 
Ihealraliseheii  Garderolie  bei  den  Griechen,  die  durch  solche 
Prnnkgewänder  vorzüglich  glänzte  (choragiiim) ,  ihren  reich- 
lichen Aniheil  empfangen  hat.  Der  Yerziernngskünstler ,  der 
diese  Fniicn  auf  dem  Theater  zu  kosliiniiren  halte,  ging  von 
ganz  anderen  Grundsätzen  ans  als  Aeschylns.  Ihm  war  Schön- 
heit und  das,  was  drm  Auge  schmeichelt,  der  höchste  Zweck. 
Darum  hat  nun  auch  diese  Fnrie  ein  sehr  jugendliches,  mun- 
teres Ansehen.  Nur  der  Drache,  der  in  gewaltigen  Windun- 
gen sich  erst  um  ihren  Leib  schlingt  und  von  da,  hinter  dem 
rechten  Oberarme  hervorsfeigend,  sich  bis  über  den  Kopf  der 
Furie  mit  zähnefletschendem  Ptachen  erhebt,  ist  furchtbar.  Nur 
die   Schlange,  die  ihr  zum  Haarbande  dient,  zischt. 


93.         Ich  setze  kein  Wort  weiter  zu  dieser  Galerie  alter  Kunst- 

A\erke.  Fär  den  aufmerksamen  Leser  wiire  jede  weitere  Nutz- 
anwendung überflüssig.  Lcssing's  Ausspruch,  dafs  die  alle 
Kunst  keine  Furie  (in  der  Aeschjleischen  Schreckensgestalt) 
gebildet,  ist  durch  alles  Vorhergehende  vollkoninicn  gerecht- 
ferligt,  und  dadurch  für  die  Knnslallegorie  «ler  Neueren  ein 
sehr  beherzignngswertlies  Beispiel  anfgestelU.  Auch  dürfte,  was 
selbst  die  dichterische  Licenz  des  Aeschylns  anbelrilft, 
das,  was  der  Schöpfer  des  giiechischen  Traueispiels  in  sei- 
ner rohen  Gröfse  seinen  Zeilgenossen  bieten  durfte,  nie  für 
die  spätere  Tragödie  Muster  und  Richtschnur  werden.  Das 
neuere  französische  Trauerspiel  hat,  wo  es  denselben  Stoff 
zu  behandeln  sich  erkühnte  ,  über  die  Wulh  und  scheufsliche 
Mifsgestalt  der  Furien  Tiraden  auf  Tiradeii  gdiäuft.  Mit 
tiefem  Verstand  und  echtem  Künstlersinn  hat  ein  teulscher 
Meister  die  Zuschauer  diese  Rachegötlinnen  nur  aus  der 
Ferne  hören  lassen  und  ,  indem  er  das  Schauderhafteste  a  n- 
deutct,  uur  das .,  was  innerhalb  der  Gräuzen  des  Gefal- 
lens stehen  kann,  ausgesprochen. 

Sie  horchen  auf,  es  scliant  ilir  li  o  h  I  e  r  Blick 
Mit  der  Begier  des  Adh-rs  um  sicli  her. 


247 

Sie  rühren  sicli  in  üiren  schwarzen  Höhlen, 

Und  aus  den  '\VinkeIn  schleichen  ihre  Gefährten, 

Der  Zweifel  iitid  die  Reue,  leis'  herbei. 

Vor  ilinen  steigt  ein  Dampf  vom  Acheron  ; 

In  seinen  Wolkenkreisen  wälzet  sich 

Die  ewige  Betrachtung  des  Gesclieirnen 

Verwirrend   um  des  Scliuld'gen  Haupt  umher. 

Und  sie,  berechtigt  zum  Verderben,  treten  ^^, 

Der  gottbesüten  Erde  schönen  Boden, 

Von  dem  ein  alter  Fluch  sie  längst  verbannte. 

Den  Flüchtigen  verfolgt  ihr  schneller  Fufs; 

Sie  geben  nur,  um  neu  zu  schrecken,  Rast.  — 

Sie  dürfen  niit  den  ehr'nen  frechen   Füfsen 

Des  heiligen  AValdes  Boden  nicht  betreten; 

Docli  liör'  ich  aus  der  Ferne  liier  und  da 

Ihr  gräfsliches  Gelächter.     Wölfe  Jiarren 

So  um  den  Baum,  auf  den  ein  Reisender 

Sich  rettete.     Da  draufsen  ruhen  sie 

Gelagert;  und  verlass'  ich  diesen  Hain, 

Dann  steigen  sie,  die  Schlangenhäupter  scliüttelnd, 

Von   allen   Seiten  Staub   erregend,    auf 

Und  treiben  ihre  Beute  vor  sich  Iier  *). 

Göthe's  Iphigenie  III.  Aufz.  I.  Auftr. 

All  diesem  Muster   des   nenea    Sophocles    läfst   sich    die    95, 
wahre    Mäfsigii  ug-    des    gebildeten    Kunstsinns    selbst    im 


Die  gesperrten  Stellen  sind  in  dieser  erhabenen  Schilderung 
die  einzigen,  zu  welchen  sich  aus  dem  Aescliylus  und  Sophocles 
nicht  die  Belege  finden  lassen  dürften.  In  allem  Uebrigen  ist  das 
Erhabenste  jener  Dichter  durch  eine  neue  Stellung  des  neuen  Dich- 
ters wohlerworbenes  Eigenthum  geworden.  Aber  auch  das, 
wozu  sicii  die  Parallelstellen  nicht  geradezu  aufzählen  lassen,  ist  fast 
ganz  im  Geiste  jener  grofsen  alten  Meister  gedacht  und  ausge- 
sprochen. Man  hat  irgendwo  das  gräfsliche  Gelächter,  das 
Orestes  aus  der  Ferne  schallen  IiÖrt ,  als  modern  getadelt.  Und 
doch  wiegt  mir  gerade  dieses  Bild  allein  so  viel  als  der  furciitbare 
Fesselhymnus  (^/xvo;  hsafjitog)  im  Aescliylus.  Der  höhnende  zun- 
genausstreckende Gorgonenkopf  pafst  sehr  gut  zu  jenem  Spottgeläch- 
ter. Allein  das  Scheufsliche  jenes  Anblicks  wird  fern  vor  unserem 
Blick  verhüllt  gehalten,  und  auch  die  Wirkung  spricht  nur  zu  dem 
minder  ekeln  Sinn,  dem  Geliör.  Nur  die  Personilicationen  Zwei- 
fel und  Reue  gehören  vielleicht  melir  in  die  Zeiten  eines  Lucan 
und  Seneca,  so  herrlich  sie  auch  das  Allegorische  des  ganzen 
Erinnyienmy thos  ausspi  echen. 


2AS 

Unbesclnänktcn  der  Poesie  erlernen,  und  daraus  leicht  der  Schlura 
machen ,  wie  viel  bescheidener  und  behutsamer  der  bildende 
Künstler,  der  nur  im  Räume,  nie  in  der  Zeit  schafft,  hierbei 
verfahren  müsse.  Endlos  und  ermüdend  würde  das  Register 
der  Mifsgritfe  werden,  die  in  neueren  Zeiten,  wo  jene  Fabel- 
weise  der  klassischen  \orwelt  nur  noch  zu  allegorischem 
Schattenspiele  gemifsbraucht  we^rden  konnte,  selbst  geachtete 
Meister  in  deu  redenden  und  bildenden  Künsten  verschulde- 
ten. Nur  selten  dürften  die  Beispiele  sein,  wo  der  Mjthos  zu 
einem  so  glücklichen  und  erhabenen  Bilde  gebraucht  wurde, 
als  wir  in  Drvden's  berühmtem  Alexandersfeste  finden,  wo 
er  die  erschlagenen  Griechen  in  Furiengest.ilt  die  Mordfackel 
zur  Verbrennung  von  Pcrsepulis  vorantrageu  liifst: 

96,  Revenge,  revenge,  Timotheus  cries, 
See  tlie  fiiries  arise, 

See  the  snakes  that  they  rear, 

How  they  Lifs  in  tlieir  hair, 
And  the  sparkies  that  ilash  in  their  eyes! 

Beliold_a  ghastly  band, 

Each  a  torch  in  liis  band ! 
These  are  Grecian  ghosts,  that  in  battla  were  slain. 

And  iinburjM  remain 

Inglorious  on  tlie  piain, 

Give  tlie  vengeance  due 

To   tlie  valiant  crew : 
Behold   Jiow  they  tofs  their  torches  on  high, 
How  they  point  to  the  Persian  abodes ! 
Das  heifst  nach  der  Uebersetzung  eines  Ungenanuteu  *): 

Rache,  Rache,  ruft  der  Sänger, 

Die  Fnrien  treten  hervor; 
Sieli,  wie  sträubt  ilir  Scldangenhaar 

Zischend  sich  vom  Haupt  empor! 
Schau',  wie  Funken  ihrem  Aug'  entsprühen! 

Schau'  jener  Todtenscliaar 

Erhob'ne  Fackeln  glülien! 

97.  Der  Griechen  Geister,  die,  im  Kampf  erschlagen. 

Auf  weiter  Haide  lagen. 

Unrühmlich,  ohne  Grabl 

RacJie,  Fürst,  gewähre, 

Deinem  tapfern  Heere, 
Sie  scliwingen  die  Fackeln,  sie  zielen  herab 
Auf  prangender  Perser  Gebäude.  — 


*)    Im  n»  teutschen  Merkur  Octobcr,  1800.  S.  86. 


U9 

Weitere  Ausführungen. 

I. 

Was  helfsl  iu  den  Scboliasteu:  die  Eumeniden  erscheinen  cwe^ihijfl 

In  dem  alten  griechischen  Leben  des  Aeschylus,  wie  es  vor  98« 
Stanley's  und  Anderer  Ausgaben  steht,  heifst  es,  er  habe  die  Eume- 
niden in  zerstreuten  Haufen  aufgeführt,  (rTopa5>jv.  Der  ge- 
leJute  Grammatiker,  dem  wir  diese  Nachricht  verdanken,  zeigt  da- 
durcli  an,  dafs  die  Furien  hier  nicht,  wie  in  der  Folge  der  tragi- 
sche Chor  allezeit,  reihenweise  oder  rottenweise  (mxTa  art-yove 
M«Ta  ^vya,  Pollux  lY ,  108.)  in  cadencirtem  Tanzschritt  aufgetre- 
ten, sondern  als  liandelnde  Personen  von  allen  Seiten  eingedrungen 
seien.  Beim  Anfange  des  Stückes  konnte  dieser  Fall  nicht  eintre- 
ten; denn  da  schlafen  die  Furien  im  innern  Heiligthunie  des  Delphi- 
schen Gottes  und  werden  —  wir  würden  sagen,  durch  das  Wegziehen  09 
eines,  das  Innere  verbergenden  Teppichs,  nach  der  alten  Theater- 
maschinerie aber  durch  die  Exostra,  s»  zu  Cicero,  de  provinc,  con- 
sular.  c.  6.,  mit  einer  Operation,  die  man  in  der  griechischen  Thea- 
tersprache iv.y.vy.\ilv  nannte,  s.  zu  Pollux  IV,  128.  und  Küster  zu 
Aristopli.  Thesmopli.  102.  p.  217.  *)  —  sclion  als  vorher  anwesend 
sichtbar.  Bekanntlich  hat  aber  das  Trauerspiel,  die  Eucieniden,  die 
Eigenheit,  dafs  darin  mit  Aufopferung  der  Einheit  des  Ortes  der 
zweite,  gröfsere  Tlieil  des  Stückes  von  Delphi  nach  Athen  verlegt 
wird.  (Die  Saclie  war  überliaupt  auf  dem  alten  Theater  nicht  so 
selten,  als  es  die  Franzosen  uns  sonst  glauben  machen  wollten.  S, 
Harri' s  Philological  enquiries  p.  218.  Selbst  in  Sophocles  Ajax 
wird  die  Scene  verändert.  S.  Brunck  zu  Soph.  Aj.  Flag.  814  ).  Da 
beide  Scenen  wenigstens  darin  übereinkommen,  dafs  sie  im  Innern 
eines  Tempels  (in  Athen  im  alten  Tempel  der  Polias)  vorgehen,  so 
konnte  die  Hauptdecoration  bleiben,  und  nur  die  Bildsäulen  wurden 
verändert,  die  nun  Orestes  umklammerte.  Dieser  ist  schon  da,  ab 
die  Furien  ihm  naclispürend  erscheinen  {Y,  238.)  und  hier,  glaube  ich, 
dringen  sie,  in  mehrere  Rotten  vertheilt,  nicht  eben  gerade  nur  durch 
eine  und  dieselbe  Tlieaterthüre,  wie  der  neueste  englische  Commenta- 
tor  des  Aristoteles  James  Pye  sich  die  Sache  dachte,  s,  Commen- 
tary  illustrating  the  Poetic  of  Aristotle  p.  360.,  sondern  von  melire- 
ren  Seiten  durch  alle  drei  Theaterthüren,  wenn  anders  diese  scJion 
zu  Aeschylus  Zeiten  stattfanden  (woran  ich  docl»  zweifeln  mochte), 
herein. 


•)    S,  die  neueste  Prolusion:  de  deo  ex  machina  p,  S.  6. 


250 

II. 

Politische  Tendeuz  der  Eiiiueniden. 

100.  Rochefort's  feine   Bemerkung:    la  religion  et  la  politique 

laisait  la  base  et  Tdine  de  la  composition  d'Ksciiyle  in  den  Me- 
moires  de  l'Acad,  d.  Inscript.  T.  XXXIV.  p,  20.  leidet  gewifs  eine 
eigenthümliche  Anwendung  auf  die  Kumeniden  des  Aeschylns. 
Man  niufs  dabei  von  einem  besonderen  politisch -religiösen  Ge- 
siclitspunkte  ausgehen.  Gerade  zu  der  Zeit,  wo  Aescliylus  seine 
Eumeniden  zum  ersten  Male  auffülirte,  (Olymp.  LXXX,  1.  nach 
der  uiibezweifelten  Verbesserung  des  S.  Petit,  Leg.  Att.  I,  p. 
67.,  vergl.  Chronologia  scenica  Kuripidis  in  Beck's  Ausgabe  T. 
III,  p.  6.)  untergrub  Pericles  die  Gewalt  des  ehrwürdigen,  die 
Gränze  der  Solonischen  Verfassung  eifrig  bewaciienden  Areopa- 
gus  durch  den  auf  seine  Armutii  stolzen  Ephialtes.  S.  PlutarcJi 
im  Leben  des  Pericles  c.  7.  u.  9.  und  Diodor  XI,  77.  mit  Wes- 
seling's  Anmerk.  Durch  die  Schwächung  dieses  obersten  Gerichts- 
hofes und  Sittengerichts,  das  Aescliylus  mit  bedeutendem  Nachdruck 
in  diesejn  Trauerspiele  ^jv/aoi  p^uj^cx?  x«)  tcAswv  c-yjT-^f/cv  nennt, 
wurden  die  Wirkungen  der  ungezügelten  Democratie  immer  ge_ 
fährlicher,  wie  sie  auch  Isocrates  in  seinem  Areopagiticus  mit  leb- 
haften Farben  schildert.  S.  die  CoUectaneen  bei  Meursius  in 
Areopag.  c.  9.  Thes  Gronov.  V,  2110.,  und  die  feinen  Bemerk- 
ungen bei  Gilly,  History  of  Greece  T.  II,  p.  255.  Basil.  Un- 
möglich kann  man,  wenn  man  die  damals  regen  Gährnngen  über 
diese  ftvo/xvj/xara  des  Pericles  und  Ephialtes,.  wie  sie  Diodor  nennt, 
genau  erwägt,  sich  bei  Durchlesung  der  Kumeniden  unseres  Dich- 

101«  teis  der  Vermuthung  entschlagen,  dafs  der  Dicliter,  der  sich  über- 
all als  einen  Eiferer  für's  alte  Herkommen  zeigt,  gerade  damals  jenes 
Stück,  das  hauptsächlich  die  Gründung  des  Areopagus  dramatisch 
darstellt,  mit  einer  jiolitischen  Tendenz  geschrieben  habe.  Wem 
diefs  noch  zweifelliaft  schiene,  der  dürfte  nur  die  nachdrucksvoUe 
Rede  der  IMinerva  zu  Einen  der  Bürger  twv  iJi.'i)\iy.(xrjowTw'j 
viuovi;  V.  680.  il.  mit  Aufmerksamkeit  durchlesen.  Doch  diefs 
hat  auch  schon  der  jüngere  Le  Beau  in  seiner  Abhandlung  über 
die  griechischen  Tragiker  in  den  JVIemoires  de  TAcad,  d.  Inscript. 
T.  XXXIV.  p.  434  —  439.  mit  vielem  Scharfsinne  gezeigt.  Nun 
liatten  aber  die  Eumeniden  gleiciisam  die  Garantie  des  Areopagus 
übei'nommen,  der  au  die  Stelle  dieser  Kachegöttinuen  trat  und 
über  vergossenes  Menschenblut  erkannte.  Sie  hatten  neben  dem 
Areopagus  ihre  lieilige  Grotte  und  Kapelle,  wohin  sie  am  Ende  des 
Trauerspiels  in  einer  feierlichen  Procession  gleichsam  eingewiesen 
werden.  Was  war  natürlicher  als  der  Schlufs:  wehe  dem  Frev- 
ler, der  sich  an  dem  Senat  der  luiligen  Areopagiten  vergreift.  Ihn 
verderben  die  Furien  (^und  sonderbar!  Ephialtes  wurde  wirklich 
eines  Morgens  todt  in  seinem  Hause  gefunden).     Aesclijlus  mufste 


251 

vorzüglkli  auf  den  gemeinen  Haufen  zu  wirken  suchen,  durch 
dessen  Kinilufs  es  dem  Kpliialtes  allein  möglich  Avar,  die  väter- 
liche und  berühmte  Verfassung  umzustürzen  ^rä  -rdrotix  k«}  irsoi- 
ßövjra  -jsfxtix«  -AixraXvca;.  Diod.}.  Konnten  nun  für  diesen  die 
Furien  aucli  nur  schrecklich  und  gTausend  genug  dargestellt  wer- 
den ?  —  Uebrigens  verdient  mit  dieser  politischen  und  religiösen 
Absiclit  des  Aeschvlus  bei  Verfassung  der  Kumeniden  wohl  zunächst 
die  Tendenz  der  Bacchantinnen  des  Euripides  verglichen  zu  wer-  102, 
den.    S.  Musgrave  zu  Euripides,  Bacch.  201. 


III. 

Grundziige  des  Mjlhos  von  deu  Eriiiuyieii. 

Bei   einer  neulich  aufgestellten  Preisfrage  über  die  Moralität 
der  griechischen    Religion    hätte    vielleicht    die  Entwickelung   des 
deutungsvollen   Furienmjthos    der   Trockenheit   der   Preisschriften 
selir  passend  zu  Hilfe  kommen  können,  wozu  Heyne  selbst  schon 
den   Wink  gegeben  hatte,     Opusc.   I,   214.     Banier's    bekannte 
Compilation   sur   les   Furies   in   den  Memoires   de  l'Acad.  des  In- 
script.  T.  V.  p.  34  —  50.    ist  ohne    alle   Kritik   und  hat  dem  Gi- 
raldi   und    Natal   de   Comte  nur  ein  neues  Kleid  angezogen. 
Neuerlich   hat   Bryant    in    seinen    grundgelehrten    Träumereien, 
Analysis  of  ancient  jnytliology  T.  II.  p.  39.  ff.  auch  die  Furien  aus 
seinen  stiafübenden  Prytaneen  zu  erklären  gewufst.  —  Schon  Cle- 
mens von  Alexandrien  bemerkt   im  Protrept.  p.  16.  B.  Sylb.  den 
Ursprung  dieser  Dichtung  im  ersten  und  ältesten  Gesetze  der  Hu- 
manität,   im    "Wiedervergeltungsrechte.     Ein   Theil    der  Blutrache, 
die  auch  bei   den  ältesten  Griechen   galt,  wurde  durcli  diese  Idee 
von  den   Erinnyien  aus    der   Hand    des   blutgierigen  mensclilichen 
Rächers   in   die   Hände   mächtiger    Gottlieiten   gelegt.     Auch  hier 
rief  das  Blut   des  Erschlagenen    wie  im    Orient.     (S.  Her  der 's 
Geist  der  ebi-,  Poesie  I,  247.  f.).    Aber  die  Rache  bleibt  den 
Zürnenden,  den  Erinnyien,  überlassen.    Arcadien  ist  die  Wiege  die- 
ses 3Iythos ,    so  wie  des  ganzen  blutigen  Opferdienstes  der  Pelas- 
ger.     Die  Zürnenden  kommen  von  dem  arcadischen  Worte  ^nt-      103. 
vjsfy.     Pausan.  VIII ,    25.   p.  425,     Daher   loi'jvq ;     denn  diefs  ist 
die  ältere  Form,  Brunck  zu  Aeschylus,  Sept    c.  Theb.  490.    Ur- 
sprünglich rächen   sie  nur  die  zwei  einzigen  Verbreclien,    die  das 
früheste  Altertlium  kannte,   Meineid  und  Verwandtenmord, 
noch  an  den  lebenden  Frevlern.     Weiter  konnte  diese  Vorstell- 
img  in  jenen  Zeiten,  wo  nur  Familienmord  ein  Verbrechen,  jeder 
andere  Todtschlag  aber  durcli  Blutgeld  zu  lösen  war,  und  wo  noch 
kein  Glaube  an  eine  Fortdauer    nach  dem   Grabe  stattfand ,  auch 
nicht  ausgedehnt  werden.     So  finden  wir  nocli  die  Erinnyien  beim 
Homer  und,  was  besonders  deu  Meineid  af^I-ingt,  in  der  äUesten 


252 

TagewäMerei  beim  Hesloflus ,  Vofs  zum  Virgil  T.  IH.  p.  13t. 
Sie  erscheinen  aber  immer  nur  erst,  wenn  der  Fluch  ausgespro- 
chen ist.  Daher  'A^ «/  ,  'AfaJ  5'  iv  olnoig  -ySJf  vxa]  KiKA>)/x«5ar, 
Aeschylus,  Eum.  414.  (doch  unterscheidet  Sophocles  in  der  Kle- 
ctra  110.  f.  die  «o«  und  die  Erinnyien,  weil  die  Verliuchung  vor- 
ausgeht, vergl.  Orpheus,  Argon,  1361.  62.).  Diefs  sind  die  Divae 
ültrices  der  römischen  Dichter.  Sie  hetzen  die  Verbi'echer  wie 
Jägerinnen,  xax.^  Kuvjjylrif,  Aeschyl.,  Eum.  225,  oder  auch  als  Hun- 
de. Diese  letzte  Benennung  wird  ihnen  schon  in  den  Tragikern 
häufig  wegen  der  Verfolgung  ihres  AViides  gegeben.  S.  die  Stel- 
len bei  Ruhnkenius  in  Ep.  Ciit.  L.  p.  94.  ed.  2.  So  erklärt 
auch  Hesychius  T,  IL  c.  392.,  2C.  -uv«  unter  Anderm  durch  'Epiv- 
vuv.  Etwas  verscliieden  davon  ist  der  Gebrauch ,  wo  die  Furien 
als  Dienerinnen  des  Pluto  und  der  Hecate  oder  gar  am  Thro- 
ne Jupiters  sitzend,  Virgil  XII,  Aen.  849.  nvvt;  genannt  wer- 
den.     S.    d'Amaud,    de    diis    iroLoth^oi;    c.  28.    p.    196.      Nun 

t04.  bekommt  aber  das  am  früliesten  polizirte  Athen  zuerst  förm- 
liche Blutrichter  duich  die  Stiftung  des  uralten  Areoi)agus.  Die 
blosen  Blutsiihnungen  gelten  nicht  mehr,  und  die  Zürnenden 
werden  im  schönen  attisclien  Euphemismus  die  Versühnten, 
£-j /ix  I  v<  5  H  j,  C^ie  Benennung  entstand  gewifs  zu  Athen.  S.  die 
Scholien  zu  Oedip.  Colon.  42.  und  Meziriak,  Epitres  d'Ovide 
T.  II.  p.  206.)  Der  auf  dem  Areopag  gerichtete  Orestes  wui'de 
nun  das  Symbol  dieser  Stiftung,  durch  Iiundert  Fabeln  und  Lo- 
calsagen  (^auch  in  vielen  Gegenden  im  Peloponnes ,  wo  es  uralte 
Erinnyien- Haine  gab,)  aufgeputzt  und  durch  Tragödien  und  Kunst- 
werke immer  herrlicher  gesclimlickt.  Nun  wandern  die  Elirwiirdi- 
gen  durch  die  Höhle  am  Areopag  a;^  rov;  s-^s^Ss  na\  närw  y^Bo- 
ygj  TÖirouj,  Eumenid.  1010.  Denn  unterdessen  ist  der  Tartarus 
und  das  Reich  des  Hades  ausgebildet  worden.  Sclion  in  der 
späteren  Odyssee  wohnen  die  Erinnyien  bei  der  Proserpina  am 
Saume  der  Westwelt.  Hier  vollstreckten  sie  nun  die  Strafen  im 
Tartarus,  und  als  das  Höllentribunal  des  Minos  völlig  eingerichtet 
worden  war,  dienten  sie  hier  als  Büttel  und  Henkerinnen.  Nur  wenn 
Jemanden  Wahnsinn  oder  blutige  Mordgedanken  eingeflöfst  werden 
Bollen,  kommen  sie,  besonders  gerufen,  noch  auf  die  Oberwelt. 
So  ersclieinen  sie  im  späteren  ÜMytlienkreise  der  römisclien  Dicliter 
vom  Virgil  an.  Dramatisclie  Vorstellungen  in  den  Eleiisinischen  Ge- 
heimnissen und  die  darauf  gegründeten  Pythagoräisch-Platonisclien 
Visionen  (am  ausführlichsten  im  Axiochus  unter  den  Dialogen  des 
Aeschines  und  im  Cataplus  des  Lucian)  streuten  den  Keim  zu 
Allem,  was  Horaz  unter  den  Fabulae  manes  begreift  und  Aristo- 
teles rk  £v  a.hc\j  nennt.     S.  Twining,   Notes   p.  401.     Nebenbei 

105«  bleibt  doch  auch  noch  der  alte  Begriff :  die  Furien  sind  Rächerin- 
nen der  Blutschuld,  in  so  fern  stehen ,  als  die  Mörder  dort  unten 
noch  besonders  von    ihnen   gezüchtigt  werden,     rio/vv)  (schon  von 


253 

Camerar  zu  Sophociis  Electra  211,  richtig  als  (Jjoi'to)  von  (fjjJvof, 
Blut,  abgeleitet)  bedeutete  eigentlich  das  Lösegeld  für  die  Blut- 
schuld, so  wie  poena  der  Lateiner.  S.  Burmann  zu  Ovid's 
Trist.  II,  507.  Man  fing  bald  an,  es  auch  von  der,  die  Blutschuld 
eintreibenden  Erinnj's  zu  gebrauchen,  iroiv^r/j  'Eotwu;  in  Anti- 
pater's  aus  Sidon  Epigramm,  Analect.  T.  11,  p.  27.  LXXVIII.  Die 
spätere  Vorstellungsart,  die  allo  Furien  nur  in  den  Tartarus  oder 
an  seine  Scliwelle  bannte,  unterschied  nun  selbst  auch  im  Sprach- 
gebrauche 'Eoivvusf  und  IToiv-xr,  <lie  sich  min  wie  Gattung  und 
Art  verhalten,  so,  dafs  erstere  von  allen  Rachegöttinnen,  diese 
nur  von  den  strafenden  Bluträcherinnen  gebraucht  werden  Da- 
her setzen  auch  die  Alten  Erinnyien  und  Pönen  oft  neben  einan- 
der, wobei  sie  sich  doch  immer  einen  Unterschied  denken  mufs- 
ten,  S.  Hemsterhuys  zu  Lucian,  Necyom.  c.  9.  T.  I,  p.  469., 
und  was  Markland  mit  grofser  Belesenheit  anführt  in  der  Epist. 
Crit.  p.  125.  Freilich  wird  dieser  Unterschied  nicht  stets,  beson- 
ders von  den  lateinischen  Dichtern  im  Gebrauche  ilirer  Poenae  be- 
obachtet; dafs  £oivvj;  das  allgemeine  Wort  sei,  beweis't  selbst  der 
Umstand,  dafs  alle  Ausbrüclie  und  Strafen  wiithender  Leidenschaft 
schon  früh  dadurch  angedeutet  wurden.  Schon  Sophocies  brauclit 
es  blos  in  dieser  oft  bildlichen  Bezeichnung,  z.  B.  Oedip.  Colon, 
1299.  ü.  Trachin.  895.  So  in  einem  Orakel  beim  Lucian  in  Pere- 
grin.  c.  30.  T.  III.  p.  352.  Siv.^-  'Efiwvjf.  Ja  selbst  von  jeder 
rächenden  Strafe.  S.  Valois  zu  Euseb.,  Hist.  Eccles.  III,  6.  46. 
—  Auch  die  strafende  Gerechtigkeit,  die  Ai'k>j,  wird  nur  als  ver- 
folgende Furie  vorgestellt,  der  kein  Frevler ,  welcher  Art  er  auch  lö6t 
sei,  entgeht.  S.  die  Stellen  bei  Mit  seh  er  lieh  zum  Horaz  T. 
II.  p  31.  und  diese  Dike  wird  wieder  mit  der  Göttin  Adrastea 
oder  der  Nemesis  verwecliselt,  Athen  blieb  indefs  der  eigentliche 
Hauptsitz  der  Verelirung  der  Eumeniden,  die  man  im  gemeinen 
Sprachgebrauch  zu  Athen  blos  durch  die  Umschreibung  a-suvcx) 
Si»i  Cs.  Pausan.  I,  28.  p.  101.  u.  Valois  zum  Harpociation  p  330.) 
ehrerbietig  bezeichnete,  wie  aus  den  griechischen  Rednern  und  Ko- 
mikern bekannt  ist,  Sie  hatten  zwei  Kapellen ,  die  eine  mit  dem 
berühmten  Haine  zu  Kolonos  ,  die  aus  dem  Trauerspiele  des  .So- 
phocies bekannt  ist,  die  andere  mit  der  Grotte,  die  nach  dem  ge- 
meinen Aberglauben  in  die  Unterwelt  führen  sollte,  auf  dem  Areo- 
pagus.  S.  Meursius,  Areopag.  c.  5.  p.  2075.  Thes.  Gronov.  In 
der  letzteren  war  ein  Asjl  für  Sclaven  und  Bedrängte,  wie  aus 
den  scherzhaften  Anspielungen  des  Aristophanes,  Equit.  1312.  Thes- 
moph.  231.  erhellet.  Ueberliaupt  spielten  sie  in  der  gottesdienst- 
lichen Liturgie  der  Athener  eine  anseiinliche  Rolle,  wo  sie  neben 
dem  Zeus  Soter  und  dem  Apollo  genannt  wurden.  Ihnen  opferten 
angehende  Jünglinge  und  der  Bräutigam.  Alle  feierlicJien  Schwüre 
und  Verwünschungen  sprachen  den  Namen  der  Ehrwürdigen  ans. 
Siehe  die  merkwürdige  Rede   des  ungereclit  verurtheilten  Diome- 


2S4 


don  bei  Dioclor  XIII,  101.  p.  626.  Daher  galt  Atlien  in  «1er  alten 
Welt  als  eine  Scluitzstadt  tler  Knmeniden,  und  der  Miitteniiörder 
Nero  wagt  es  niclit,  nach  Athen  zu  kommen  hia  tov  ttsq]  'ErwwJww 
Xöycv,     D  i  o  d.  LXIII,  14.  p.  1037.  mit  Fahricins  Annierk. 


IV. 

G  0  r  g  0  11  e  u  ni  a  s  k  0  11. 

107.  Der  Gorgonenkopf  kommt  sclion  im  Homer  liünfig  als  ein 
Bild  des  Schreckens  und  Grausens  vor.  Kinmal  steht  die  yooytiyj 
v.i(f)cx\v)  auf  dem  Schreckensschilde  der  Minerva  Jl.  5  ,  741.  In  der 
Odyssee  ist  sie  im  Reiche  des  Hades,  und  Ulysses  fiijichtet,  Pro- 
serpina möchte  ihm  dieses  Sclireckbild  zuscliickcn,  Odyss.  11,  G32. 
Man  sielit  aus  den  alten  Scliolien  zur  Ilias  S.  148.  Villois,,  dafs 
schon  Aristoteles  diesen  sclieinbaren  Widerspruch  dadurch  zu  lie- 
hen suchte,  dafs  er  beliauptete,  der  Gorgonenkopl'  sei  gleichsaui 
nur  virtualiter,  nur  der  Bedeutung  und  schreckeneirrfliif^enden 
Kraft  nach  auf  dem  Sciiilde  der  Minerva  gewesen.  Allein  wenn 
er  in  der  Odyssee  in  der  fabelhaften  Westwelt  als  ein  Eigen- 
thum  der  dort  thronenden  Persephone  erscheint,  so  ist  diefs 
ein  Wink,  um  zu  zeigen,  wo  eigentlich  dieser  Kopf  zu  Hause 
war,  und  wolier  ihn  selbst  die  libysclie  Minerva  bekam,  Icli 
werde  bei  einer  andern  Gelegenheit  zeigen,  welche  Allegorie 
nnter  der  Perseustödterin  (irif(7«(pcv>)'i  und  dem  Perseus,  der  die 
Medusa  köpft,  verborgen  liege.  Die  Münzen  von  Sinope,  Ama- 
stris,  Sebaste  und  anderen  Coloniestädten  am  Pontns  und  in  Phry- 
gien  sind  hier  die  einzigen  richtigen  Wegweiser.  Denn  es  ist 
nicht  leicht,  eine  P''abel  im  Alterthume  anzutreffen,  die  auf  so  ganz 
verschiedenem  Locale  beruht  und  durch  so  ungleichartige  Zusätze 
entstellt  worden  ist,  als  das  Abenteuer  des  Perseus  mit  den  Gor- 
gonen  und  dem  Medusenkopfe.  Perseus  selbst  kommt  nur  einmal 
im  Homer  vor  in  einem   Cyclus  thessalischer,  bÖotischer  und  tlie- 

108.  banisclier  Fabeln,  der  in  lonien  nie  einlieimisch  war.  II.  14,  320. 
Merkwürdig  ist  das  alte  Scholion  zur  Odyss.  11,  633.,  das,  wie 
Hemsterhuys  bt-inerkt,  .auch  Hesycliius  excerpirt  hat  s.v.  Too- 
yw  T.  I.  c.  843.,  worin  ausdrücklich  bemerkt  wird :  ri  ts^»/  Atx- 
vivfv  acc]  TOV  Tls^ffia  na]  rag  Fcfi'yova?  '  0/a>)f  o;  cjk  oths.  Der  As- 
kräische  Hesiodns  hat,  wie  die  Alten  ausdrücklich  bemerken,  diese 
Fabel  ausgeschmückt.  Den  von  den  Gorgonen  verfolgten  Perseus 
linden  wir  noch  im  Scut.  Herc.  288.  Eine  ganze  andere  Wend- 
ung gab  man  der  Fabel  zu  Athen,  wo  die  Gorgonen,  aus  dem 
Blute  der  Giganten  entsprossen ,  in  der  Gigautomachie  selbst  von 
der  Minerva  erlegt  worden  sein  sollten.  S  Enripides,  Ion.  989.  ff. 
Hierher  gehört  nur  so  viel:  Wir  wissen  aus  dem  Herodot,  dafs 
nicht  blos  das  Scalpiren  der  ersddagenen  Feinde   (s.  IV,  63.  mit 


255 

Wesseling's  Anm.},   somlern  auch  das  Abschneiden  der  Köpfe 
und  Ansliängen  als  Tiiinni)Iizeichen  (^IV,  26.  Straho  VIT,  p.  460/) 
bei  vielen  barbarischen  Völkern  ([unter  andern  ancli  bei  den   Gal- 
liern, Diodor  V,  29.  c.  not.  Wesseling.   Livins  23,  24.)  so  gewolin- 
lich  gewesen  ist  als  vor  Kurzem  noch  bei  maiiclien  Stämmen  der 
nordamerikanischen  Wilden,     Um    den   Feinden   Sciirecken  einzu- 
liöfsen ,    heftete  man   den   Kopf  des   Erscldagenen   (oder  auch  nur 
seinen  Scjiln)  auf  den  Brustharnisch  oder  den  Schild.     Es  ist  selir 
wahrscheinlich,  dafs  ein  griecliischer  Abenteurer  aus  Westen  diese 
Sitte  mitgebraclit  und  der  lihysclien  oder  tritonischen  ]\nnerva  zu- 
geeignet iiabe.     Später  bildete  man  den  Kopf  in  Metall  auf  Schil- 
den   und   Brnstharnischen   nach.     So    schon  auf  dem    Schilde    des 
Aga?nemnon   beim    Homer    Jl.    2,    36.     und    so   auf  dem   Schilde 
der  Minerva  auf  der  Aci'opolis    noch    lange    vor    dem    berühmten 
Bilde  des  Pliidias      S.  Plutarch,   Themistocl.   c.  10.  T.  I.  p.  289.     109 
Hutt.,  eine  merkwürdige  Stelle,    woraus  man  zugleich  sieJit,    dafs 
dieses  Ornament  vom  Scliilde  weggenommen  werden  konnte.    Man 
erinnere  sich  nur  an  die  berülnnte  Gorgo  des  Kiseufressers  Lama- 
chus  im  Aristophanes,  Achar.  5G7.  ff.,  vergl.  Lysistrat.  560,  und 
auf  so  vielen  alten  Denkmälern  (z.  B.  auf  dem  berülmiten  Cameo 
des  Aulus   im  iMuseo  Florent.  T.   II.  tab.  2.,   in  den   Tischbei- 
nischen Vasen  T.  11.  t.  8."),  woraus  man  sieht,  dafs  diese  Sitte 
keinesweges  blos  auf  die  Armatur  der  Minerva  eingeschränkt  ge- 
wesen ist.     Vergl.  Eckhel,    Choix   des  pierres  gravees  du  Cabi- 
net  Imperial  p.  62,     Man  mufs  hierbei  nur  einen  ünterscliied  zwi- 
schen den  Schilden  maclien,  wo  der  Kopf  nur  in  der  Mitte  steht, 
und  denen,  wo  die  ganze  Peripherie  des  Schildes  ein  grofser  Gor- 
gonenkopf  en  relief  ist,   wie  man  sie   z.  B.  auf  Münzen   der  .Ma- 
mertiner  (s.  Magnan,  Miscellan.  Numismat.  T.  IV.  t.  37,  VII,) 
und  auf  vielen  geschnittenen  Steinen  findet.     Die  letztern  liiefsen 
eigentlich   yc;^yivsiix.     Von  den  Schilden  wanderte   dieser  Gorgo- 
nenkopf  als  eine  schreckende  IMaske  auch  auf  viele  andere  Denk- 
mäler und  Verzierungen  des  Alterthumes.     Togyüov  ist  seine  äl- 
tere Benennung,  Pollux  X,  167.,  yo^yovslov  die  spätere.    S.  Hesy- 
chius  und  Suidas    s    v.  mit    Valckenaer's    Anmerkung  zu  des 
Euripides  Phönissen  ad  scholia  p.  664.     Nun  ist  aber  der  Umstand 
noch  bemerkenswert]],  dafs  die  uralten  Gorgonenköpfe  stets  mit  ge- 
dunsenem, breitgedrückten  Gesichte  und  mit  herausgestieckter  Zunge 
gebildet  werden.     Was  das  breitgedrückte  Gesicht  anlangt,  so  sollte 
diefs  eigentlich  wohl  nur  das  Aufschwellen  der  Wangen  bei  jedem 
Lachen    (s.   Camper's    Vorlesung    über    den    Ausdruck 
der   Leidenschaften    durch    die  Gesichtszüge,    Berlin      110. 
1793.  S.  16.)  ausdrücken.     Je  plumper  das  Lachen  ist,  desto  brei- 
ter  erscheint   ein   rundes   Gesicht.     Man    vergleiche   z.  B.   nur  in 
Wood  ward's  Excentric    Excursions   (London    1798)    das   Titel- 
knpfer,  welches  die  Untersclirift ;  Contrasted  Sketches  6f  Miith  and 


2^ 

Ennn!,  wo  die  lachende  Fig:nr  eine  wahre  Gorgone  Ist.  Häfsliche« 
8pottgeIächter  ist  also  der  Cliarakter  der  ältesten  Gorgonenkopfe. 
Und  daliin  führt  auch  die  heransgfstreckte  Zunge.  Man  hndet 
ihrer  noch  bei  alten  .Schriftstellern  Erwähnung  getiian.  So  kennt 
sie  Phurnutus,  de  nat.  deor.  c.  20.  p.  186.  ed  Gale  auf  der 
Brust  der  Minerva,  jt£(J)aX>)  av  «'jtJj  ro^-yovo?  sct)  v.arä  /xeirov  t^; 

seiner  Art  zu  allegorisiren  auf  die  Rede  deutet.  Diese  älteste 
Form  erscheint  auch  noch  auf  mehreren  Reliefs  ih  der  Aegide  der 
Minerva,  s.  Visconti,  Mus.  Pio-Clement.  T.  I.  p.  12.  und  in 
anderen  Denkmälern  Cz.  B.  auf  der  prächtigen  Patera  in  Tisch- 
bein's  Vasen  T.  III.  n  60.),  wo  man  sonst  wold  gar  ein  eige- 
nes Symbol  der  Wahrheit  zu  entdecken  glaubte.  S.  Gemme  di 
Leonardo  Agostini  T.  I.  f.  36,  p.  33.  und  die  Erklärungen  zu 
Ficoroni's  Masken.  —  Man  mufs  bei  diesen  häfsliclien ,  zungen- 
ausstreckenden yuoo/awXunsi'oif  (so  hiefsen  dergleiclien  Masken  im 
Altertliume)  nur  immer  denken',  dafs  man  hier  die  älteste ,  ur- 
sprüngliche Form  des  Gorgonenkopfs  vor  sich  habe.  Daher  auch 
diese  Maske  auf  den  ältesten  Münzen  von  Poplonia  in  Etrurien, 
von  Abydus,  Neapolis  und  Parion  stets  mit  herausgestreckter  Zunge 
gebildet  ist.  S.  Eckhel,  Num.  Vet.  Anecd.  T.  I.  p.  12.  Hier 
bezeichnet  es  eigentlich  wohl  immer  Spott  gegen  die  Feinde,  den 
111.  man  mit  dem  Herausstrecken  der  Zunge  oft  anzeigt.  S.  Vasen- 
erklärungen I,  130.  If.  In  der  Folge  mag  die  herausgestreckte 
Zunge,  so  wie  die  ganze  häfsliche  Maske  (der  bis  zum  Ideal  ver- 
schönerte Medusenkopf  gehört  ganz  und  gar  nicht  liierher)  auch 
oft  als  Amulet  oder  Abtreibungsmittel  gegen  Neid  und  schädliche 
Zauber  gedient  haben.  S.  meine  Abhandlung  über  die  Masken 
im  n.  t.  Merkur  1795.  März  S.  348.  und  Bonaro  tti,  Osserv, 
s.  alcuni  medaglioni  p.  XIV.  Und  so  erkläre  ich  mir  auch  die 
bronzene  Gorgone  auf  dem  Kopfe  des  Deicliselnagels  flffTwo)  des 
im  Pio- Clementinum  aufbewahrten  alten  Wagens,  von  dem  Vis- 
conti im  Pio-Clement.  T.  V.  auf  der  zweiten  Hilfstafel 
n.  7,  die  genaue  Abbildung  gegeben  liat.  Auch  er  ist  in  der  ur- 
alten, breitgedrückten  häfslichen  Form  mit  der  herausgesti-eckten 
Zunge.  Man  weifs,  dafs  bei  dem  Wettrennen  der  Alten  mancher- 
lei Aberglauben  von  Bezauberung  stattfand.  Der  Besitzer  jenes 
Wagens  wollte  also  die  häfsliche  Maske  als  Amulet  da  ange- 
bracht wissen,  wo  überhaupt  auch  die  verschönerten  Medusen- 
kÖpfe  als  Zierath  oft  voikomjnen,  (^Man  vergleiche  die  Abbild- 
ung eines  eliernen  Nagels  bei  Bonarotti,  Osservazioni  sopra 
alcuni  medaglioni  p.  62.).  Hierlier  gehören  ohne  Zweifel  auch 
einige  ähnliche  Masken  bei  Ficoroni,  de  larvis  et  mascheris  tab. 
24.  25.  Auch  in  den  Kinderstuben  spielt  die  häfsliche  Medusen- 
maske ilire  Rolle  (s.  die  Münze  in  Neumann's  Num.  Pop.  T. 
I.  tab.  V,  1.},  wo  sie  aber  bekannter  unter  der  Benennujig  Mof/zti 


2,37 

war,  (las  alsdann  auch  als  Ausruf  des  Schreckens  überhaupt  galt. 
S,  Va  Icke  na  er  zu  Theokrit,  Ädoniaz.  346 — 48.  Ruhnkeniiis 
zu  Timaei  Gloss.  p.  181.  ed.  2.  drückt  sich  nicht  genau  genug  112. 
aus,  wenn  er  sagt,  dafs  das  von  yuso/aoi  abgeleitete,  vielleicht  von 
Plato  zuerst  in  Umlauf  gesetzte  iJt.o(>fj.skvnihv  eigentlich  von 
allen  tragischen  und  komischen  Masken  gesagt  werde,  die  als  Po- 
panze gebraucht  wurden.  Eigentlich  bezeichnen  alle  diese  Worter 
nur  die  Gorgonenmaske.  Auch  die  Lamia,  die  gleichfalls  zu  die- 
sen Kinderscheuchen  gehörte,  (s.  Casaub.  zu  Strabo  I,  p.  36.) 
ist  nichts  Anderes  als  die  Medusa.  Man  darf  nur  die  Erzählung 
von  der  libyschen  Lamia  beim  Diodor  XX,  42.  p.  435,  mit  W es- 
se 1.  Anmerkung  vergleichen.  Bei  den  Processionen  der  Römer 
wurde  (wahrscheinlicli  auch  um  der  Bezauberung  willen)  diese 
Gorgonenmaske,  die  man  da  manducus  nannte,  mit  herumgetragen. 
Festus  s.  V.  beschreibt  sie  sehr  charakteristisch :  magnis  maus,  late 
delüscens,  ingentem  dentibus  sonitum  edens. 


V. 

Die  Furien  mit  vorbäiigenden  Ziingeu, 

Nur  aus  dieser  Gorgonenbildung  läfst  es  sich  erklären,  dafs 
Aeschylus  in  mehreren  Stellen  die  p]umeniden  gerade  so  schildert, 
wie  sich  in  jenen  dunkeln  Zeiten  des  Aberglaubens  unsere  Vor- 
fahren die  YampjTn  oder  blutsangenden  Gespenster  dachten,  wel- 
clien  die  neuere  Naturgeschichte  ihren  Platz  nur  noch  unter  den 
Fledermäusen  angewiesen  liat.  In  der  Stelle,  wo  Apollo  die  ün- 
lioldinnen  mit  Schimpf  und  Drohungen  aus  seinem  Tempel  treibt 
(V.  175.  ff.),  warnt  er  sie  vor  der  gellügelten,  weirsen  Schlange 
(dem  Pfeil  von  seinem  Bogen),  damit  du  dich  nicht,  sagt  er,  ge-  113, 
troffen  von  ihr 

des  schwarzen  Menschenschaums  vor  Schmerz  entladest, 
Blutklumpen  speiend,    die    du    in    dich   sogst, 

Gleich  darauf  sagt  ihr  Apollo,  zu  ihrer  Wohnung  schicke  sich  nur 
die  Höhle  des  blutsaugenden  Löwen,  As'svTsf  avr^/sv  a'ifj.ixto'^i>c,^o-j 
V.  187.  Noch  grausender  drückt  sich  der  Furienchor  selbst  darüber 
aus  (V.  255.;),  wo  er  zum  Orestes  spricht:  Dafür  (^nämlich,  dafs 
du  der  Mutter  Blut  verspritztest) 

schlürF  ich  die  rothe  geronnene  Suppe 

dir  noch  beim  Leben  aus  jeglichem  Glied, 

IqvBqhv   gjt   fxiktwv   iTiXftvsv.    

Nun,  wenn  sie  sich  so  voll  gesogen  hatten,  quoll  ihnen  auch  die 
rothe  Suppe  tropfenweise  wieder  zum   Halae   heraus.     Daher  hei- 
liütligei;'»  kleine  Scluitieu  1.  17 


258 

fsen  sie  sich  selbst  ein  blu  ttrüiifendes,  hassens  wiir  iliges 
Gesclilecht,  aiixctrocrays;  i^ii/xtcov  iOvo;,  V.  354.  "VVemi  sie 
zürnen  (V.  470.), 

träuft  Gift  zur  ew'gen  Senclie  auf  den  Boden,  —  lo; 

irsSw    TScruiv,    i(pi^rcg    «/av/j;    vsffof. 

114.  Vergl.  V.  715.  und  das  ist  eben  der  c-raX^y/uos  x-'**"  «'J'°P°f» 
der  Tropfen,  der,  wie  eine  böse  Flechte,  woliin  er  fällt,  giftig 
wuchernd,  der  Erde  jeden  Keim  der  Fruchtbarkeit  raubt  V.  771. 
ff.  —  Ich  weifs  freilicli,  dafs  man  diefs  Alles  auch  nur  bild- 
lich von  der  blutdürstigen  Kaclisucht  dieser  Plagegöttinnen  (die 
im  Entzücken  ausrufen:  mir  lächelt  des  IMen  schenbl  u  ts 
süfser  Duft,  V.  247.)  verstehen,  dafs  man  jene  giftigen  Tro- 
pfen insbesondere  auch  vom  giftigen  Geifer  der  Nattern  an  den 
Haaren  ([s.  Eurip  Ion.  1003.  1015.)  auslegen  kann.  Jeder  un- 
befangene Leser  wird  mir  indessen  gern  einräumen ,  dafs  dieses 
Alles  durcli  die  hervorgestreckte  Zunge  nach  der  Art  der  alten 
Gorgonenmasken  noch  weit  sinnlicher  ausgedrückt  gewesen  sei. 
Dem  Rasenden  tritt  der  blutige  Schaum  vor  den  ]\Iund,  äippaSv); 
iriXetvoi,  Eurip.  Orest.  220.  Diesen  leckt  hündisch  die  Furie,  die 
eben  dämm  beim  Lycophron  669.  yu<?oTäp5*vof  xuwv  genannt  wird. 


VI. 

Harpylcu   -   Bildung. 

Hütten  wir  die  satirischen  Stücke  des  Aescliylus  und  Soplio- 
cles  unter  dem  Titel  Pliineus  nocli,  wovon  uns  jetzt  kaum  noch 
eine  dunkle  Kunde  übrig  geblieben  ist,  so  würden  wir  über  die 
Bildung  derHarpyien,  wie  sieAeschylus  seine  Pytliia  erblicken  lassen 
konnte,  weniger  zweifelliaft  sein.  Das  durch  die  Ilarpyien  gestörte 
Gastmahl  des  Pliineus  und  ihre  Flucht  durch  die  Boreaden  Zetlies 
115.  und  Kaiais  war  ein  oft  gewählter  Gegenstand  im  ältesten  Kunst- 
cyclus,  der  überhaupt  alles  Gewaltsame  und  Wunderbare  liebte. 
Er  ersclieint  auf  den  zwei  ältesten  Denkmälern,  dem  Kasten  des 
Cypselus  beim  Pausanias  V,  16  p.  78.  und  am  Throne  des  Amy- 
cläns  IFI,  18.  p.  413.,  vergl.  Heyne,  antifj.  Auf.  I,  54.  Das 
Bild,  welclies  Aeschylus  liier  vor  Augen  hatte  ,  gehörte  gewifs  zu 
den  ältesten  Vorstellungen  überhaupt,  und  darauf  erscliienen  die 
Harpyien,  wie  unsere  Stelle  beweis't,  als  häfsliclie  Ungeheuer. 
Sollte  diefs  nicht  gegen  Vofs  beweisen,  der,  wie  überall,  so 
auch  hier  die  schöne  Jungfrauengestalt  die  ältere,  die  thierische 
Verunstaltung  aber  die  spätere  Fonn  sein  läfst,  mythologische 
Briefe  I.  Br.  31.  32.  33.  Gewifs  verwandelten  sie  sich  nicht  erst 
aus  schönen  weiblichen  Gestalten  in  Stuten,  wenn  sie  aus  dem 
BeiscLlafc  mit  Winden   llügelschnelle  Rosse  erzeugten.     Der  Fall 


259 

mit  der  Demeter  geliört  in   die  mystischen  Transsnbstantiationen 
und  ist  niclit  ganz  gleich,   und  wenn  Ilesiodiis  die  Harpyien  ijüxö- 
fg.ovf  nennt,  so  schliefst  diefs  die  liäfsliche  Zwittergestalt  von  un- 
ten  nicht    ans.      Diese   war   walirsclieinlich    früJier    schlangenartig 
(wie  bei  Töclitern  des  Typhon,  'l'yphonides,  s.  zu  Valer,  Flaccus 
IV,  428.),  gleich  der  des  Boreas  auf  dem  Kasten  des  Cypselus,  Pau- 
san.    V,  19.  p.  82.    o-jqoi]  c^s'wv  avt/  xsSüiv  s/Viv  a-jr^.     Denn  die 
ganze   auch   dort   abgebildete   Entführung  der  Oritliyia  durch  den 
thrazischen  Boreas  ist    nur   eine   bestimmtere  Ausführung   der 
allgemeineren  Redensart  in  der   Odyssee:    ''ApTum/'av,;osi'\|/avro, 
die   Harpyien   fülirten   sie   davon.     Da    diese  Vorstellungsart  nach 
und  nach  nur  den  Giganten  eigen  blieb,  und  man  die  Hände  der 
Harpyien  in  Krallen  umwandelte,  so  bildelte  man  sie  lieber  von   un- 
ten vogelartig  und,  um  ihren  Hunger  und  ihre  iinersättliclie  Frefs- 
gierde  anzuzeigen,    eingescJirumpft,   mager.     Eine    eclite   Harpyie      116, 
nach  der  ältesten  Form  glaube  ich  auf  dem  alten  ehernen  Wagen 
zu  erblicken,    der    im    Pio- Clementinischen   Museum   aufbewahrt 
wird  und  von  Visconti  T.  V.  tab.  B.  n.  4.  abgebildet  worden  ist. 
Visconti  bemerkt  S.  85,   dafs  sie  eigentlich  mit  einem  Schlan- 
genscliwanze  gebildet  gewesen   sei.      Die   Hände  sind   krallenartig 
gespreizt  und  sehr  langüngerig.     Man  mufs  damit  die   Verzierung 
an  einem  alten  Griffe  einer  bronzenen  Vase  bei  Caylus,   Recueil 
d'Antiquites  T.  V.  t.  47.,  5.    vergleichen,     worin   auch   Caylus  S. 
121.  eine  Harpyie  erblickt,   und  einen   andern  Griff   einer   Patera 
bei  "Winckelmann,  flionnment.  Ined.  n.  156.     Es  war  fein  von 
den  alten  Künstlern,  die  zugreifende  Harpyie  gerade  an  den  Grif- 
fen  alter    Sclialen    abzubilden.      Das    Ungeheuer    hat    aufser    den 
menschlichen  Händen  noch  zwei  Krallen.  —    Da  man  schon  nach 
der  Homerischen  Vorstellung  Menschen,  die  durch  einen  scimellen 
Tod  dem  Kreise  der  Ihrigen  entrückt  wurden ,    als   von  den  Har- 
jjyien  entführt  vorstellte,  so  zweifele  ich  nicht,  dafs  auf  alten  Va- 
sengemälden, von  denen  docli  mehrere  auch  auf  den  Tod  geliebter 
Personen  eine  unmittelbare  Beziehung  liaben,  auch  das  Harpyien- 
bild  vorgekommen  sein  mag.     Unbezweifelt  scheint  mir  diese  Vor- 
stellung  auf  einer  Vase  in  der  Tischbeinischen  Sammlung 
T,   III.   t.  59.,  wo  die  mit  ausgebreiteten  Flügeln  daherrauschende 
Vogeliigur  einen  jungfräulichen  Kopf  und  Hände  hat.     Eine  Sirene 
oder    Keledon  kann   es   nicht  sein.     Denn    dann  müfste   nocli  ein 
bezeichnendes  Attribut ,   ein   Instrument  oder  etwas  dergleiclien  in 
ihren  Händen  sich  belinden.     Z weife Uiafter  ist  die  Figur  bei  Cay- 
lus,   Recueil   d'Antiquites  T.  II,    t.  34.,   2.     Denn  da  diese  den 
Hals  auf  den  Rücken  gewendet  trägt,  so  könnte  sie  auch  für  eine      117, 
Keledon  gehalten  werden.     Bei   immer  fortschreitender  Verfeiner- 
ung der  Kunst  wurde  natürlicli  aucli  die  häfsliche  Harpyiengestalt 
immer  gefälliger    und    wahrscheinlich    horte    die  Kunst  damit  auf, 
wobei  sie   Vofs   anfangen   läfst.     Zur   Erläuterung    dient   eine  der 

17* 


260 

schönsten  Vasenal)hit(lnng:pn ,  Jie  aus  tleni  Altertluinie  lihi  ig-  ge- 
blieben sind  ,  in  der  Tjschbeini  seil  en  Sannnlnng  T.  1.  n. 
'26.  Ein  Adler  entlüliit  ein  scJiönes  Mädchen  in  die  Lüfte,  das 
eben  noch  mit  dem  Balle  gespielt  hat.  Italinski  will  darin  die 
Entfiihrnng  der  Aegina  erblicken,  die  Jupiter  in  der  Gestalt  des 
Adlers  geraubt  haben  soll.  Allein  dafs  es  diefs  nicht  sein  kann, 
beweis't  der  darüber  geschriebene  Name  Tlialia.  An  dem  Halse 
der  Vase  sind  zwei  kleinere  Vorstellungen,  der  Portraitkoj)!'  eines 
jungen  Frauenzimmers  und  eine  sogenannte  Sireneniigur  mit  Vo- 
gelkörper von  unten,  von  oben  jungfrauenhaft,  eine  Binde  und 
eine  Cymbel  in  den  Händen.  Mir  scheint  die  ganze  Vasenvor- 
Btellung  auf  ein  frühverstorbenes  Mädciien,  deren  Portrait  man  oben 
erblickt,  gemalt  zu  sein.  Das,  was  man  für  eine  Sirene  hält,  ist 
eine  verschönerte  Harpyie.  Das  Mädchen,  so  würde  ich  den  Sinn 
dieser  Allegorie  aussprechen,  hat  die  Harpyie  geholt.  Doch  diese 
Harpyie  war  Jupiters  Adler  selbst.  Denn  Jupiter  hat  sie  zu  sei- 
ner Geliebten  erkoren.  Vergl.  Job.  Chr.  Wernsdorf's  Rap- 
tus Aurorae  explicatus  in  Stosch,  Museum  Criticum  Vol.  I,  p. 
291.  ff.  und  Morus,  de  interpret.  allegoriarum  in  Opusc.  p.  370. 
ff.  —  Uebrigens  hat  der  vor  Kurzem  in  Rom  verstorbene  Künst- 
ler Karstens  in  seinen  Argonauti  oder  dem  Bildercyclus,  worin  er 
die  verschiedenen  Abenteuer  des  Argonautenzuges  der  Reilie  nach 
118.  in  30  Blättern  darzustellen  gesucht  liat,  auf  der  9ten  Tafel  uns  aucli 
die  Harpyien  gezeigt.  An  langen  Krallen  fehlt  es  den  Unholden 
dort  nicht.  Aber  ihre  übrige  Gestaltung  ist  doch  sehr  modern 
und  erinnert  an  die  gewöhnlichen  Vorstellungen  von  höllischen 
Geistern  zu  Dante  oder  Milton. 


VII. 

Versenkungen    des    alten    Theaters. 

Die  Furien  konnten  entweder  nur  aus  Versenkungen,  wie  wir 
es  bei  unseren  Theatern  zu  nennen  pflegen,  von  unten  herauf  stei- 
gen, oder  als  Jägerinnen,  die  ihr  Wild  schnellen  Laufs  verfolgten, 
nur  durch  einen  Eingang  von  der  Seite  hereinkommen.  Im  letz- 
teren Falle  waren  ihnen  die  Flügel  unnütz,  im  ersteren  sogar  liin- 
derlich.  Unterirdisclie  Wesen  kamen  nach  der  alten  Theaterma- 
schinerie entweder  durch  eine  verborgene  Treppe  auf's  Pro- 
Bcenium,  oder  sie  wurden  durch  Druckwerke  von  unten  herauf- 
geboben.  Beide  Maschinerieen  lernen  wir  aus  dem  Pollu.v.  Die 
unterirdische  Treppe,  sagt  er  IV,  132.,  hiefs  ^a^w-^siot  (so  mufs 
statt  ^at^Mviot  gelesen  werden)  ^Xi/xaKSf  (Charons  tr  eppen), 
durch  welche  man  die  Gespenster  aus  der  Unterwelt  (J6ujXa)  em- 
porsteigen liefs.  Man  darf  sich  dabei  nur  daran  erinnern,  dafs  bei  den 
Alten  alle  ErdfSlle  und  Höhlen,  die  unsere  gemein«  Sprache  Ten- 


261 

ieläliölileii  zu  nennen  pflegt  (Spiracula  Ditis),  ■^a^Jiivtix  (Cliarons- 
llüfte)  hiefsen,  S.  Diog.  Laert.  VFI,  123.,  yf^a^wvnx  ßt^sSqx,  t»a- 
Jen,  de  iis.  part.  VIT,  8.  T.  IV,  \>.  458.  Basil.  Vergl.  die  An- 
inerknng  des  Casaubonus  zum  Strabo  V,  p  374.,  5.  und  Ni-  119« 
colaus  Loensis,  Epipliji.  1I[,  5.  Lanip.  Gnit.  T.  V,  p.  346.  ff.  Das 
Wort  ut  aiicli  von  den  lateinisclien  Scliriftstellerti  häufiger  gebranclit 
worden.  Im  Gellius  XVII,  7.  in  einem  Fragmente  des  Laberius 
stellt  in  der  letzten  Ausgabe  von  Conradi  noch  immer  Catoniuni, 
wo  es  Cliaronium  heifsen  sollte.  Die  Stelle  mufs  so  gelesen  werden  : 
—  bona  fide 
ToUat  vos  Orcus  nudas  in  Charonium. 
Cliaron  galt  ^iberhaupt  in  der  Sprache  der  Grieclien  fiir  den,  der 
die  jVIenschen  hin  ab  zöge.  Dalier  der  komisclie  Ausdruck  im  Lu- 
cian  von  einem  Alten,  der  Geschwüre  an  den  Füfsen  hat,  ^äqwv 
jxi  ilav.iv ,  Demon.  45.  T.  11,  p.  390.,  wo  Dusoul  ohne  Grund 
Ksf^sooj  zu  lesen  vorschlug,  (vergl.  zu  Aristoph.,  Plut.  278.)  und 
so  müssen  nun  auch  die  Charonstiegen  im  Theater  erklärt  wer- 
den ,  durch  welche  z.  B.  der  Schatten  des  Polydor  in  Euripides 
Hecuba,  des  Darius  in  den  Persern  und  der  Clytemnestra  in  un- 
seren Eumeniden  heraufgestiegen  sein  mag.  Das  Druckwerk 
heifst  beim  Pollux  ävaxi'str/xa  IV,  132.  nach  der  von  Kühn  aus  den 
Handscliriften  hergestellten  Lesart.  Es  wird  dort  bemerkt,  dafs 
es  ein  zwiefaches  ivoneUffix»  auf  dem  alten  Theater  gegeben  habe. 
Das  eine  auf  der  eigentlichen  Scene ,  wenn  ein  Flufsgott  erschei- 
nen sollte  oder  eine  andere  dergleichen  Person  (z.  B.  der  Meer- 
gott Proteus  oderNereus  oder  die  Flu fs- Nymphen  u.  s.  w.).  Das 
zweite  war  vorn ,  wo  man  vom  Proscenium  herab  zu  den  Zu- 
schauern stieg ,  und  auf  diesem  ,  setzt  Pollux  ausdrücklich  hinzu,  120. 
stiegen  die  Erinnyien  empor,  i^'  iJv  a-Aßaivov  al  'EfjwJs?.  Ich 
übersetze  Druckwerke,  was  H.  Buttmann  zu  Rohde's  Vi- 
truv.  Tli.  I.  S.  284.  durcli  Hebemaschinen  ausgedrückt  hat, 
weil  mir  jenes  die  Ableitung  des  Wortes  von  <iv«T/s^£iv  ,  ävaSki- 
ßtiv.  in  die  Höhe  drücken,  noch  bestimmter  auszudrücken  scheint. 


vm. 

Anuiitlen  des  Gesichtes  iu  de»  frühesten  Zeiten  der 
Scbauspicikanst. 

Freilich  war  Aeschylus  nach  der  bekannten  Stelle  des  Horaz 
(A.  P.  277.):  personae  repertor  honestae,  der  Erfinder  der  tragi- 
schen Charaktermaske.  Man  mufs  sich  aber  nicht  vorstellen,  dafs 
nicht  auch  er  nocli  oft  zu  dem  roheren  Kunstgriffe,  seinen  Acteurs 
und  Choristen  das  Gesicht  nur  mit  Farben  zu  malen,  seine  Zu- 
flucht genommen  habe;  nur  dafs  er  auch  hier  vielleicht  allerlei 
«weckmäCsige  Abänderungen    und   Verfeinerungen    anbrachte   und 


'i62 

nach  nnd  nach  statt  Jor  Haut  selbst  nur  den  IJeberziij;  der  Maske 
bemalte.  So  verstelle  ich  wenigstens  die  Stelle  beim  Snidas  s.  v. 
A/<r^vXof,  wo  unter  Anderm  von  seinen  TJieatererfindungen  ge- 
riilimt  wird:  ir^wro^  8vfs  ■n-^o^MTilot  Se(v«  Y.tyj^trui-jcx  syn-j  tcJj 
rnoiyiY.oüq.  Vielleicht  meinte  Suidas  oder  der  alte  Biograpli,  den 
S.  exceri>irte,  gerade  die  Masken  in  den  Enmeniden,  die  gewifs 
fiirchterlicli  und   scliwarz  angemalt  waren.     Denn  dafs  die  Masken 

121.  mit  allerlei  Farben  gemalt  und  angepinselt  wurden,  leidet  keinen 
Zweifel.  So  verwecliselt  Lucian,  Tim.  28.  T.  I.  p.  141.  xp»?«- 
irilo'j  und  tTt'i-ycinrc-j  i-j/j.c^jii)!a\i.  ISacli  der  ältesten  Sitte  bei  den 
rohen  Spielen  an  den  Weinlesefesten  malten  sich  bekanntlich  die 
Tänzer  mit  Weinhefen  oder  rothem  Trebermost  das  Gesiclit,  per- 
iincti  faecibus  ora,  Horaz,  A.  P.  277.  oder  mit  Mennige,  minio 
sulfnsus  rubenti,  Tibull.  TT,  1.55.,  wobei  walirscheinlicli  die  Ueber- 
malung  der  alten  Götterbilder  mit  Mennige  (Plin.  XXXHl.  7.) 
nachgeahmt  wurde.  S.  die  Stellen  ans  dem  Tansanias  und  andern 
Schriftstellern  bei  Vofs  znni  Virgil  T.  IL  p.  514.  Wegen  der 
Bemalnng  mit  Rlost  hiefsen  ursprünglich  alle  Acteurs  Touvwäoi', 
Mostsänger.  S.  zu  Hesychius  T.  II.  c.  1428,  24.  Natürlich  blieb, 
als  sich  nun  Trauerspiel,  Lustspiel  und  Satyrliandlung  immer  mehr 
von  einander  zu  scheiden  anfingen,  das  Bemalen  am  längsten  bei 
der  ComÖdie.  Daher  Aristophanes  rovyi-ihovi;  nnd  die  damit  ver- 
wandten Wörter  mehrmals  von  der  Comödie  braucht,  (einmal  doch 
auch  mit  einer  verächtlichen  Nebenbedeutung  von  Euripides,  Acharn. 
399.,  aber  blos  im  Sclierz,  wie  Bentley,  Dissert.  ad  Phalarid. 
Ep.  p.  318.  richtig  bemerkt  Iiat,  wefswegen  auch  Brunck  die 
alte  Lesart  nicht  hätte  verändern  sollen).  Diefs  ist  aus  Bent- 
ley's  Streitsclirift  gegen  Doyle  jetzt  allgemein  bekannt.  Natür- 
lich blieb  man  aber  bei  diesem  Kotlianmalen  in  der  Folge  nicht 
stehen,  Dafs  sich  die  komischen  Acteurs  zuweilen  auch  grüne 
Gesichter  malten,  sagen  die'Scholien  zu  Aristophanes's  Rittern  519.: 
iXQ^ovro  TiZ  ßarqayiji  (eine  grüne  Saftfarbe  von  der  Pflanze  ßa.. 
rqäyiov  nach  dem  Hesychius  s,  v»  ßarqtxy^l;^  vergl.  Olear.  zum 
Philostratus   p.  73.)    ra.    vqoi;iuvx  xfjv  4Tr(vov)5^vai  Kai    t«  xpojw- 

122.  xj7ar.  Wollte  man  recht  furchtbar  erscheinen,  so  scliwärzte  man 
sich  mit  Rufs.  Daher  JNIercur ,  wenn  er  in  den  Kinderstuben  des 
Olymps  die  yucj/^iu  macht,  c-rolivi  nExqhl'^^'-"";  «'^;; ,  ^es  bran- 
digen Rufs  es  gebrauchend,  beim  Callimachus,  H.  in  Dian., 
69.  vorgestellt  wird.  Das  Berufsen  wurde  in  der  Folge  ein  Fast- 
nachtsspiel in  den  alten  Saturnalien ,  s.  Lucian ,  Saturn,  c.  2.  T, 
III,  p.  386.,  so  wie  das  Besclimieren  mit  Most  zu  einem  kurzwei- 
ligen Spiel,  TpvYo5i'(f)>)5-K,  Pollux  IX,124.  Anlafsgab,  wobei  Jemand 
aus  einem  Topfe  mit  Most  etwas  mit  den  Lippen  lieraussuclien 
mufste.  —  Merkwürdig  ist  die  Sitte,  dafs  die  Bacchantinnen  an 
den  trieterischen  Orgien  sich  das  Gesicht  mit  Gy|)s  weifs  tünch- 
ten,    /JiiffTiit  yuV';' j     ^^^^  Nonnus  in   den  Dionysiacis  einigemal 


20i 


erwähnt.  S.  Mnsgrave  zh  Euripides,  Baccli.  457.  Kinstbesalb> 
te  Diana  sich  nnd  ihre  Nymphen  das  Gosiclit  mit  Koth ,  um  den 
Narlistellungcn  des  Fhifsgottes  Alplieus  zu  entgehen.  Pausan.  Vf, 
22.  p.  217.  Ancli  diefs  gab  wahrsclieinlicli  zu  einer  religiösen 
31nnnnerei  Anlafs.  Man  sielit,  wie  vielfältig  dieses  Bemalen  des 
Gesichts  in  alten  Gebräuchen  und  Keligionshandlungen  vorkommen 
mufste. 


IX. 

Der     arcadisclie     Soniicnliiif. 

Vieles  hierher  Gehörige  giebt  sclion  Cup  er  ad  Apotlieosin  123. 
Homeri  p.  154.  f.  Noch  lieifsiger  liat  Valckenaer  zu  Theo- 
krit's  Adoniaz.  343  —  46.  Alles  zusammengestellt,  sich  aber  doch 
nicht  auf  den  Hut  unseres  Menippns  besonnen  Auch  lassen  sich 
die  verschiedenen  Gattungen  dieser  Sonnenhiite  vielleicht  nocli  ge- 
nauer bestimmen,  da  sie  vermuthlich  sehr  von  einander  abwichen. 
Der  gewöimliclie  tliessalische  und  macedonische  Sonnenhut  (kstoc- 
cog  mit  dem  thessalisclien,  y.av7tct  mit  dem  macedonisciien  Namen, 
vergl.  .lacobs  zu  den  Analecten,  Animadv.  Vol.  II.  P.  1.  294.) 
hatte  allerdings  einen  breiten  Rand  (^X/ojTSf>)f  nv^yj  heifst  er  in 
Sopliocles,  Oed.  Col.  335.),  aber  dieser  Rand  war  nur  einfach. 
Hingegen  die  arcadischen  (und  der  Hut  des  Menippus  heilst 
•jTjXcf  'Afv.aSiKc?)  oder  peloponnesischen  Sonnenhiite  Jiatten  am 
Saume  des  breiten  Randes  noch  einen  neuen  Umschlag,  der  herab- 
liing  und  einen  senkrecht  stehenden  äufseren  Rand  bildete,  derglei- 
clien  Strohhüte  in  manclien  Provinzen  Teutsclilands  die  Weiber  noch 
jetzt  tragen.  In  einem  satirischen  Drama  des  Sopliocles,  Inaclius, 
erschien  die  Iris  in  einem  solchen  arcadischen  Schirmhut  (kdv>)). 
Der  Chor,  der  sie  angellogen  kommen  sah,  rief  aus:  -y^i^^J 
Ti';  rjhi;  nvy.Xcn;  'AfKaör/t^;  xuv^f  C"ach  Toup's  treffender  Ver- 
besserung in  der  Kpist.  Grit.  p.  42.  Lips.),  d.  h,  was  ist  das  für 
ein  Weib  ?  man  sieht  nichts  als  den  Umkreis  eines  arcadischen 
Hutes  an  ihr.  Diefs  Alles  wissen  wir  aus  den  Scholien  des  Aristo- 
phanes,  Aves  1203.,  wo  Aristophanes,  den  Sopliocles  parodirend,  124. 
seine  Iris  auch  in  einem  solchen  Hute  angeflogen  kommen  läfst. 
Nun  heifst  aber  xuitXä?,  auch  bei  den  Römern  Cyclas,  ein  runder 
Weiberrock  (eigentlich  nur  die  rundherumgehende  steife  Falbel, 
s.  die  Citate  von  Burmann  zu  Properz  S.  836.).  Der  äufsere 
Rand  hatte  also  noch  eine  herabhängende  Rlinfassung,  und  auf 
dieser,  die  um  den  Rand  herum  einen  Gürtel  bildete,  hatte  Me- 
nippus den  Zodiacus  abbilden  lassen.  Ich  vermutlie,  dafs  diefs 
nicht  eigentlich  gewebt,  sondern  in  buntem  Stroli  oder  Binsen  ein- 
geüochten  gewesen  sei.  Denn  um  der  Leiclitigkeit  und  Wohlfeil- 
lieit  willen  trug  man  diese    Hüie    nicht  blos   aus   Filz    (diefs  war 


2()4 


(las  ffewolinlicliste  Alateiial),  sondern  aiicli  aus  Halmen  inul  Binsen 
geflüclitin.  Die  laconisrlien  Weiber  nannten  einen  solclien  Hut 
^aki'cK  (laconiscli  statt  SoXia")  ,  und  diefs  erklärt  Hesycliiiis  s.  v. 
irksy/xcc  y.akäSM  o/jicicv.  Diese  Korbclien  waren  liäiiiig  auch  aus 
bunten  Binsen  oder  Weiden  geflocliten  und  hatten  allerlei  Ärabes- 
kenzierathen.     S.  Vas  enge  mal  de,  III,  43. 


X. 

Stalisle«   in   der   alten   Tragödie. 

Man  weifs,  welclien  ungeheueren  Aufwand,  welche  Vorbereit- 
ungen in  der  Musik-  und  Tanzschule,  welche  Summen  zu  Gast- 
mählern selbst  nach  der  Vorstellung,  die  Choragie  oder  die 
Ehre,  im  Namen  seiner  Zunft  einen  tragischen  Ciior  aufzustellen, 
in  Athen  kostete.     Für  Spiel  viel  zu  viel,  sagte  jener  Spartaner 

125,  in  einer  merkwürdigen  Stelle  beim  Plutarch,  Sympos.  VH,  7.  p. 
322,  Hutt.  S.  W^olf's  Proleg.  zur  Leptinea  des  Demosthenes  p. 
CXIX,  und  die  ProUision  :  Quatuor  aetates  rei  scenicae  apud  ve- 
teres  p.  11,  Natiirlicli  suchte  man  also  auch  hier  Ersparnisse  zu 
machen,  wo  sich's  mit  Anstand  thun  liefs.  Dahin  gehörte,  dafs 
einige  unter  den  Clioristen ,  etwa  die  hintersten.  Mos  die  Zahl 
lullten  und  übrigens  ganz  stumm  waren  ,  wälirend  die  andern  san- 
gen. Menander  hat  davon  ein  selir  artiges  Gleichnifs  (^Menandri 
Reliquiae  p.  221.  Cler.) 

—    wcirt^   rZv    j^oftuv 
O'J    ifävTeg    ahovff  ,    akX    a(pwvoi    hvo    t/vsj 

TSäl;   rov    ttf(5/aöv. 

Die  letzten  W^orte  erklären  das  bekannte  Horazische  Ep.  I,  2.: 
Nos  numerus  sumus  et  fruges  consumere  nati,  wo  ich  am  liebsten 
an  solche  stumme  Statisten,  die  sich  von  den  Choragen  nur  füttern 
liefsen,  denken  möchte,  —  Wahrsciieinlicli  stellte  man  da ,  wo  es 
die  Umstände  erlaubten,  statt  der  lebendigen  Statisten  nur  ange- 
zogene Puppen  liin,  woraus  man  wohl  auch  den  Ausdruck  y.wtpsw 
irpöfwirov  für  eine  jede  stumme  .Statistenrolle  erklären  mufs,  mit 
Rücksicht  auf  die  Bedeutung  des  Wortes  Kw$)5f  für  hohlköpfig, 
dumm.  S.  Valckenaer  ad  Ammon.  II,  14.  p.  136.  Im  Trauer- 
spiele hiefs  ein  solcher  Statist  ooouCpep>)/aa ,  weil  man  sie  ara 
meisten  zu  Trabanten  der  Tyrannen  brauclite.  S,  zu  Hesy- 
chius  T.  I.  c.  1025,  9.  Diefs  liifst  sich  fast  mit  Gewifsheit  aus 
einer  bis  jetzt  fast  ganz  übersehenen  Stelle  im  Nö/u»;  des  Hippo- 
krates  p,  3.  ed.  Mackii  p.  2.  5.   Foes.  darthun.     Schlechte  Aerz- 

126.  te,  die  nur  den  Namen  der  Kunst  führen,  ohne  die  Kenntnisse  zu 
besitzen,  t|xo(cr«Toi'  elai  rolvi  xaosijayo/xivoiffj  ir^vojwirojyj  ev  ''"j;" 


265 


WTOV  vrrcv.f /rov  sj^ovc« ,  ctx  E<(r<  S'j  uTOMf/T«*,  —  so  gäbe  es 
auch  viele  Aerzte,  dem  Namen  nacli,  aber  der  Tliat  nach  sehr 
wenige.  Hieraus  erJiellt  deutlich,  dafs  man  zuweilen  grofse  Pu[»- 
pen,  Gliedermänner  (Mannequins)  ganz  wie  Schauspieler  herausge- 
putzt und  zur  Parade  Iiingestellt  hat.  Daher  vergleiclit  Luciaii 
Toxar.  c.  9.  T.  11,  p.  516.  die  Freunde,  die  in  der  Noth  nicht 
aushalten,  mit  solchen.  Parademasken,  kw^oT?  irfsjoiTSj?  ioiv.iTsj  « 
ityf^^fxivix  T9  CTOfiOi  xai  nsj^jjvcr«  ■Ka/jtfxsysSsi  ovhs  to  ff/xinpsToc* 
Tcv  (J)Ssyy£T«<.  Eben  darauf  beziehe  ich  auch  den  Vers  des  Ari- 
ßtophanes.  Ran.  944.  Tpccj^vj/x«  ryji  Tfaywöi'otf,  -y^u'^ovraj  oChi 
rovTt.  Vielleicht  hicfsen  diese  geputzten  Puppen  eigentlich  xpo- 
«'X*)/^"'* »  welches  später  von  Allem  gesagt  wurde,  was  nur  auf 
Prunk  berechnet  ist.  S.  Wesseling  zu  Diodor  T.  I,  p.  119.,  83. 
und  zum  Herodot  p.  384.  87.,  ingleichen  die  Erklärung  zum  Tho- 
mas Magister  S.  758. 


Erklärung   der   Kupfcrtafeln. 

Nicht  Weiber,  nein,  Gorgonen  nenn'  ich  sie!  so  127. 
ruft  die  geängstete  Pythia  zu  Anfang  der  Eumeniden  des  Aeschy- 
lus,  als  sie  die  Furien  zuerst  im  inneren  Heiligthume  des  Tempels 
erblickt  liatte.  Von  der  Gorgonengestalt  ging  also  der  tragische 
Dichter  bei  der  Bildung  seiner  Furien  zuerst  aus.  Und  so  ist 
aucli  der  sogenannte  Medusenkopf  gleichsam  der  Keim  oder  Proto- 
typ, aus  weichem  wenigstens  die  Gesichtsmaske  in  jener  thea- 
tralischen Furiengestaltung  abgeleitet  und  dargestellt  werden  mufs. 
Wie  nun  der  Medusenkopf  von  der  sclieufslichsten  Mifsgestalt,  die 
ihm  aus  der  ursprüngliclien  Gorgonenfabel  anklebte,  durch  den 
Beitritt  der  verständigen  Kunst,  die  in  der  Scliönheit  und  Mäfsig- 
Bng  üir  Grundgesetz  erkennt,  nach  und  nach  zu  jener  ernsten, 
doch  rülirenden  Scliönheit  entwickelt  und  gleichsam  emporgeläu-  128. 
tert  wurde,  die  wir  auf  einigen  noch  vorhandenen  Marmorn  und 
geschnittenen  Steinen  erblicken  und  zu  bewundern  nie  satt  wer- 
den können;  so  finden  wir  auch  die  ganze  Furientigur,  so  roh 
und  zurückschreckend  sie  auch  aus  den  Händen  des  Aeschylus, 
des  Vaters  aller  tiagischen  Schrecknisse,  hervorgegangen  war,  nacli 
und  nacli  bei  zunehmender  Bildung  und  Verfeinerung  des  Kunst- 
geschmacks jener  zurückschreckenden  Häfslichkeit  entbunden,  und 
erst  auf  den  Theatern  selbst,  wo  sie  noch  immer  in  den  Trauer- 
spielen auftrat,  ohne  allen  Zusatz  der  früheren  Häfsliclikeit,  präch- 
tig ausgeschmückt,  dann  auch  von  bildenden  Künstlern  bis  zur 
wahren  Schönh«it  erhöht  und  nur  durch  gewisse  leisere  Andeut- 
ungen noch  furchtbar. 

Es  sclüen  daher  zwectmäfsig,  gleich  auf  der  Titelvignet- 


266 

te  *)  tue  Gescliiclite  der  jMediisenniaske  sinnlich  darzustellen  und 
dazu  drei  Abbildungen  nacli  den  verschiedenen  Behandhinj^en  die- 
ses Gorgonenkopfes  in  der  Antike  auszuwählen.  Die  erste  und 
kleinste  Figiir  ist  die  getreue  Nachbildung  einer  Münze  von  der 
alten  Stadt  Popluna  in  Etrurien,  auf  deren  Veranlassung  Eck  hei 
(^in  seinen  nuinis  anecdotis  p.  12.)  über  diese  uralte  Vorstvllung 
der  Gorgonenmaske  ausführlicher  gehandelt  hat.  Die  griechischen 
Städte  Neapolis,  Abydos,  Pariiim  u.  s.  w.  liefern  uns  bei  l'elle- 
rin,  Sestini  u.  a.  **)    dieselbe  häfsliche  Gorgonengestalt ,    und 

129.  mag  auch  die  Veranlassung,  wodurch  jene  Städte  zur  Wahl  dieses 
Schreckenbildes  bewogen  wurden,  gewesen  sein,  welclie  sie  wol- 
le, so  ist  so  viel  deutlicli,  dafs  wir  in  ilira  die  älteste  Gor- 
gonenmaske erblicken.  Der  grinzende  Spott  mit  der  herausge- 
etreckten  Zunge,  das  aufgedunsene,  breitgequetschte  Gesicht,  die 
borstigaufsträubenden,  oben  emporgeschlängelten  Haare  erinnern 
lebhaft  an  die  fürchterlichen  Masken ,  die  neuere  Weltumsegler 
selbst  auf  den  friedlichen  Südseeinseln  gleiclifalls  als  Entzau- 
berungsmittel  an  den  Küsten  und  neben  den  Morais  aufge- 
stellt fanden.  Diese,  wie  jene,  liatten  wohl  ihren  Ursprung 
in  den  aufgehangenen  Köpfen  erschlagener  Feinde.  Gerade  in 
solcher  Gestalt  erscheinen  auci»  die  Gorgonen  selbst  in  dem  von 
mir  in  der  Abhandlung  (S.  198.)  angeführten  Vasengemälde  bei 
Hancarville,  jenem  merkwürdigen  Polychrom,  worauf  das  ganze 
Abenteuer  des  Perseus  mit  der  Äledusa  abgebildet  ist.  —  Die 
zweite  Figur  dieser  Münze  gegenüber  stellt  uns  einen  Medusen- 
kopf aus  Glasmasse  vor,  der  als  eine  Ziinmerverzierung  irgendwo 

130,  eingesetzt  gewesen  ist  ***).  Hier  ist  an  keine  verzerrte  Fratze 
mehr  zu  denken.  Denn  wie  könnte  diese  im  edeln,  reinen  Ge- 
schmacke  des  Alterthums  zur  schmückenden  Zierath  dienen  ?  Aber 
ein  Hauptcharakter,  das  Breitgedrückte,  Gedunsene,  ist  doch  geblie- 
ben, und  eben  dadurch  steht  diese  Figur  zwischen  der  ursprüng- 


*)    Hier  Tafel  III. 

**)  Am  deutlichsten  auf  den  schönen  Pariser  Münzpasten  der  Mio- 
net'sehen  Sammlung  n.  447.  auf  einer  Münze  von  Neapolis  und 
n.  829-  von  Parium  in  Mjsien, 

***)  Caylus,  aus  dessen  Recueil  d'Antiquites  T.  III,  pl.  81.  das  Bild 
genommen  ist ,  bekam  das  Original  aus  Rom  zugesciiickt.  Die 
Figur  ist  in  Relief  wahrscheinlich  mit  dem  Rädclien  (touret)  nach 
der  Stei  sei  neiderweise  gearbeitet.  Denn  man  bediente  sicli  des 
dick  gegossenen  Glases  in  grofsen  Massen  zur  Verzierung  der 
Zimmerwände ,  wie  wir  uns  der  Glasspiegel  und  Trumeaus  be- 
dienen, und  man  gravirte  Reliefs  in  die  breiten  Glastafeln.  S. 
Caylus  in  den  Memoires  de  l'Acad.  des  B.  Lettr.  T.  XXIII,  p, 
362.  If. 


2C7 

liehen  Ilär:$liclikeit  des  eigentlichen  Gorgonenkopfes  und  dem  voll- 
endeten Ideal  des  schönen  Mediisenliauptes  mitten  inne.  Als  Mn~ 
steiform  des  letzteren  ist  hier  die  IVIaske  gewählt  worden,  welche 
f^icli  auf  dem  prächtig  gearbeiteten  Bnistharnisch  einer  berühmten 
Büste  des  Kaisers  Adrian  im  capitolinisclien  Museum  beiindet. 
Alan  hätte  eben  so  gut  die  beriilimte  Rondinisclie  3Iedu.-a  aus 
Guattani  wählen  können  *j  Allein  Prof.  Meyer  liatte  die 
Güte,  dem  Zeichner  und  Kupferstecher  Müller  einen  treiniclien 
Abgufs  in  Stuclv  von  der  Maske  auf  dem  BrustJiarnisch  mitzutheilen, 
und  da  sie  meines  Wissens  einzeln  noch  gar  niclit  abgebildet,  son- 
dern nur  mit  der  ganzen  Büste  von  Bottari  im  capitolinisclien 
Museum  eben  nicht  zu  iiirem  Vortheile  vorgestellt  worden  ist  **), 
so  glaubte  ich,  dafs  den  Liebliabern  gerade  diese  Abbildung  um 
der  Neuheit  willen  hier  die  willkommenste  sein  würde.  Freilicli 
mufste  auch  durch  die  verständigste  Copie  im  ilachen  Kupferstich 
unsägiicli  viel  von  der  Schönlieit  des  Originals  verloren  gehen. 
Doch  wird  aucli  nocli  in  diesem  Schatten  von  einem  Scliatten  der 
aufmerksamere  BcM)bachter  die  sicliere  Andeutung  jener  ernsten  131. 
Sciiönheit  nicht  verkennen,  die  den  eigenthümlichen  Charakter  des 
hohen  und  grofsen  Styls  der  griechischen  Kunst  ausmacht  und 
selbst  sclion  bei  den  späteren  Grieclien  und  Römern  dem  herr- 
sclienden  Bestreben  nacli  Zierlichkeit  und  Grazie  fast  ganz  auf- 
geopfert wurde.  Man  darf  annehmen ,  dafs  auf  einer  der  vollen- 
detsten Büsten  aus  dem  Zeitalter  Adrian's  ,  des  gesclimackvollsten 
alter  römischen  Imperatoren,  gerade  in  diesem  Ornament  des 
Brustharnisches  den  Bildhauern  ein  Muster  des  alten  hohen  Styls 
vorschwebte,  und  dafs  wir  es  also  mit  einem  Kunstwerke  zu  thun 
haben,  dessen  Grundzüge  einer  weit  früheren  Epoche  der  Kunst 
zugehören.  Hier  ist  keine  Spur  mehr  von  der  breiten  ünförm- 
lichkeit  des  früheren  Medusenkopfes.  Nur  die  melancholische 
Trauer,  die  uns  auch  aus  den  berühmten  Profilen  der  Stroz- 
zi  sehen  und  Otto  bonischen  Medusa  ***)  so   rührend   anspricht 


*)  In  dessen  Monumenti  antichi  inediti  per  I'anno  1788.  Aprile  tab. 
II.  sie  abgebildet  steht.  Guattani  spriclit  p.  XXXV,  mit  grofser 
Begeisterung  davon. 
»*)  Im  Museum  Capitolinum  T.  II,  tav.  33. 
***)  Beide  konnten  hier  darum  nicht  gewählt  werden,  weil  es  um  eine 
Vorstellung  im  vollen  Gesicht  zu  tliun  war.  Man  sollte  die 
Strozzische  Medusa  im  Cabinet  zu  Florenz  (Gori,  Mus.  Florent. 
T.  II,  tab.  7.)  nach  ihrem  Meister  die  Solonische,  und  die  Ot- 
tobonisclie,  die  nun  im  Besitze  des  Lords  Carlisle  in  England  ist, 
die  Sosicleische  nennen,  wie  diefs  schon  Stosch  in  seinen  Pierres 
gravees  pl.  63.  65.  gethan  hat.  Beide  sind  als  Musterformen  für 
zwei  zahlreiche  Familien  geschnittener  Steine,  deren  Verzeichnifs 


268 

132  lind  beim  längeren  Anscliaiien  in  jene  siifse  Scliwcrinutli  versenkt, 
in  welcher  wir  wirklicli  etwas  von  der  liinstarrenden  l*>ntseeliing; 
enii>(inden,  die  einst  die  Medusa  iil)er  alle  ihre  Bescliaiier  ausge- 
gossen haben  soll,  ist  auch  dieser  .Maske  ganz  unverkennbar  ein- 
gedrückt. Wie  viel  liefs  sich  niclit  über  diese  lieblich  erhabene 
Kunstdichtung,  über  dieses  Zauberliaupt  der  Medusa,  auch  zur  Be- 
lelirung  und  Belierzigung  der  neuen  Künstler,  die  eher  in  umge- 
kehrter Ordnung  das  Ilolie  und  Scliöne  zum  lächerlichen  oder 
ärgerlichen  Zerrbilde  herabzuziehen  beinülit  sind,  jetzt  noch  an- 
führen *),  wenn  diefs  die  schicklicliste  Gelegenlieit  dazu  wäre. 
Hier  kann  ich  nur  noch  die  Nachricht  mittheilen,  die  ich  der  Güte 
meines  Freundes,  des  Prof.  Meyer  über  die  drei  vorzüglichsten 
Marmorbilder  dieser  Gattung  in  Rom  verdanke. 

„Medusenköpfe,  in  Marmor  gearbeitet,  sind  mir  in  Rom  drei 
als  vorzügliche  Werke  der  alten  Kunst  bekannt  geworden.  Der 
erste  ziert  den  Brustharnisch  einer  aufserordentlich  schönen  Büste 
des  Adrian  im  capitolinischen  Museum,  man  bemerkt  nichts 
.Scheufsliches  oder  Erschreckendes  darin,  und  der  Künstler,  dem 
Gesetze  der  Schönheit  treu,  glaubte  oiine  Zweifel,  dadurch  ,  dafs 
er  seine  Medusa  als  Maske  dargestellt,  schon  hinlänglich  für  die 
Bedeutung  gethan  zu  haben.  Die  berühmte  Rondininische  Me- 
dusa ist  ebenfalls  in  Form  einer  Maske  gebildet  über  LebensgrÖfse 

133.  und  ungemein  üeifsig  ausgeführt.  Die  Formen  sind  von  einem 
grofsen  Charakter  und  im  Ausdrucke  liegt  etwas  Wildes  und 
Schreckliches;  der  geöffnete  Mund  läfst  die  Zähne  sehen,  um  zu 
hauchen.  Die  Medusa  im  Palast  Lanti  unterscheidet  sich  von  der 
capitolinischen  und  der  im  Palast  Rondinini  dadurcli,  dafs  sie  kei- 
ne Maske,  sondern  ein  ganzes  Haupt  ist  und  geschlossene  Augen 
hat.  Ein  wunderbar  gemischtes  Ideal  von  Anmuth  und  Schreck- 
nifs,  von  lieblicher  Form  und  wildem  Cliarakter.  Die  garstige 
moderne  Nase  und  der  übel  restanrirte  Mund  schwächen  die  gute 
Wirkung,  welche  das  Werk  ursprünglicli  hervorgebracht  haben  mufs." 
Auf  der  ersten  colorirten  Kupfertafel  **)  ist  ein  Yersuch 
gemacht  worden,  die  Figur  der  Furien,  wie  sie  Aeschjlus  wirk- 
lich in  seinen  Eumeniden  aufs  Theater  gebracht  hat ,  bildlich 
darzustellen.    Prof.  Meyer  hat  die  Güte  geliabt,  die  Figur  nacli 


bei  Tassie  noch  um  ein  Grofses  rermehrt  werden  könnte ,  anzu- 
sehen. Die  zwei  berülimtesten  Nachalimungen  der  Sosicleiischen 
Medusa  sind  im  Wiener  Cabinet  bei  Eckhel  pl.  31.  und  im  Pe- 
tersburger, im  Cabinet  du  Duo  d'Orleans  T.  I,  pl.  95. 

*)  Sehr  lelirreich  für  das  Studium  des  verschiedenen  Styls  in  der  Be- 
handlung dieses  Gegenstandes  ist  die  Betrachtung  der  fünfzigsten 
Kupfertafel  in  Tassie's  Catalogue. 

'♦)     Hier  Tafel  IV. 


meinen  Angaben  zn  entwerfen  und  auszumalen.  Die  Belege  hier- 
zu befinden  sicli  im  ersten  Tlieile  der  vorstellenden  Abhandlung, 
so  weit  sich  die  Spuren  in  einer  noch  sehr  wenig  aufgehellten 
Region  des  Alterthums  verfolgen  liefsen,  zusammengestellt  *).  Der 
Schauspieler  und  Tänzer,  welchem  der  tragische  Dichter  die  RoUe 
einer  Krinnys  zugetheilt  hatte,  nnifste  sein  Haupt  in  eine  Gor- 
gonenmaske  stecken,  deren  charakterische  Kennzeiciien  ein  strup- 
piges, schlangenartig  ans  einander  sträubendes  Haupthaar,  die  grin- 
zende  OelFnung  des  Mundes,  die  weit  heraushängende  Zunge  und 
Augenölfnungen,  aus  welchen  Blut  hervorquillt,  gewesen  sein  mö- 
gen. Dafs  eine  solche  Maske  aus  Fellen  oder  zusammengeleimter 
Leinwand  leicht  bereitet,  schwarzbra\in  übermalt,  mit  lietschenden  134, 
Zähnen  und  einem  Iieraushängenden,  durch  einen  Anstofs  von  innen 
leicht  beweglichen  Lappen,  der  in  Form  einer  Zunge  ausgeschnit- 
ten war,  füglich  versehen  werden  konnte,  leidet  eben  so  wenig 
einen  Zweifel,  als  dafs,  da  bekanntlich  die  alten  Masken  den  gan- 
zen Kopf  von  vorn  und  liinten  bedeckten,  durch  struppige  Büschel 
rings  herum  aufgeleimter  Haarbüschel  die  phantastischen  Gestal- 
ten des  Gorgonenhauptes  für  die  Entfernung,  aus  welcher  eine 
solche  Figur  auf  einer  Bühne  erschien,  die  in  ihrem  Umfange 
meluere  tausend  '  Zuscliauer  fafste ,  sich  bis  zn  einem  gewissen 
Grade  von  Täuschung  nachahmen  liefsen.  Durcli  die  auf  beiden 
Seiten  weit  aussträubenden  Haare  erliält  die  ganze  finstere  Ge- 
sichtsgestaltung jene  breitgedrückte  Form  ,  die  bei  einer  Maske, 
die  den  ganzen  Kopf  des  Schauspielers  umschliefsen  sollte,  nicht 
ohne  wesentliche  Unbequemlichkeit  einen  so  breiten  Umfang  er- 
halten haben  würde.  Zwei  gelbgrüne  Nattern  dienen  als  Kopf- 
und  Haarbinde,  ein  Schmuck,  der  schon  auf  den  uralten  Gor- 
gonenmasken  in  Münzen  ([wie  die  auf  Tafel  III.)  nicht  ver- 
inifst  wurde.  Die  Sclileifen  dieses  Bandes  knüpften  auch  schon 
liier  höchstwahrscheinlich  zwei  Natternköpfe,  die  man  nach  einer 
von  den  Mysterien  des  Bacchus  entlehnten  Sitte  über  beide  Schlä- 
fe hervorgelien  liefs.  Die  Schattirungen  von  Braun  und  Schwarz 
unterschied  das  Alterthum  dann  am  wenigsten,  wenn  von  Gegen- 
ständen aus  dem  dunkeln  Orcus  die  Rede  war.  Man  darf  daher 
annehmen,  dafs  der  Ueberzug  von  Leder  oder  Leinwand,  welcher 
die  unbedeckten  Theile  des  Körpers  als  schwarz  bezeichnete,  nicht 
gerade  so  schwarz  wie  Kohle  oder  die  Rabenüttige  der  Mutter 
Nacht  gewesen  sein  dürfen  Auch  hätte  dann  das  schwarze  Ge- 
wand, womit  die  übrigen  Theile  des  Körpers  verhüllt  waren,  bei  135. 
Weitem  nicht  den  sinnlichen  und  malerischen  Eindruck  machen 
können,  der  wenigstens  zum  Theil  durcli  eine  verschiedene  Nüan- 
cirung  des  Dunkeln  möglich  war.  Hierdurch  sali  sich  Meyer  bewogen. 


*)    Man  sehe  die  Resultate  oben  S.  208, 


270 

iVie  ITani)tfarbc  «ler  Furien  überall  nur  scljwar/.lnaun  anzugehen,  un«l 
perade  «ladiircli  wird,  wie  micl»  dünkt,  der  Eindruck  des  Ganzen 
nur  desto  grausender  und  unangeneliiner.  Da  AesclnUis  aus- 
diücklicli  seinen  Erinnyien  eine  Aelinliclikeit  mit  den  Harpyien 
beilegt,  so  ist  diese  liier  tlieils  durcli  die  widrige  Magerkeit  und 
gestreckte  Länge  des  liagercn  Körpers  überhaupt,  theils  durch  die 
krallenartig  eingebogenen  Finger  an  der  verlängerten  Hand  aus- 
gedrückt worden.  Zum  Kostüm  der  Aesciiyleisciien  Furie  gehört 
ferner  ein  einziges  scliwarzes  Gewand,  eine  Tunica  in  Schnitt 
lind  Form  der  altdorischen  Tracht.  Lang  und  eng  schliefst  sie 
sich  an  den  Körper.  Denn  das  üppige ,  faltenreichere ,  ionische 
Gewand  widerspräche  in  dieser  Figur  durchaus  den  Begriffen  des 
Alterthums.  Das  enge  Gewand  war  auch  den  Grieciien ,  wie  der 
Sack  des  büfsenden  Orientalen,  ein  Zeichen  der  strengen  Lebens- 
art der  Abhärtung,  der  Trauer.  Mit  einem  breiten  rotlien  Gür- 
tel gürtete  Menippus  sein  Furiengewand  und  die  ehescheuen 
Lncanischen  Jungfrauen,  die  der  Geschichtaclneiber  Timäus  in 
Furientracht  einhertreten  läfst,  bedienten  sich  gleichfalls  dessel- 
ben. Suidas  nennt  ihn  einen  persischen  Gürtel,  und  diefs  be- 
rechtigt uns  auch,  an  diesem  Gürtel  herabhängende  Troddeln  und 
Franz<'n  von  Leder,  Wolle  n.  s.  w.  anzunehmen,  die  aber  hier 
natürlich  die  Gestalt  von  gekräuseltem  Seidangen-  und  Natternge- 
züclit  erhielten,  um  uns  die  Stellen  späterer  Dicliter  daraus  zu  er- 
klären wo  sich  Tisiphone  oder  Alekto,  nachdem  sie  im  Iiöllischen 
136.  Thalamus  ihren  Putz  geordnet,  um  das  Ganze  zu  vollenden,  nocli 
eine  oder  melirere  Schlangen  um  ihre  Hüften  gürten.  Orplieus 
nennt  in  einer  mystischen  Hymne  die  Furien  thierum  klei- 
det. Diefs  würde  sich  am  füglichsten  von  einer  im  Alterthume 
sehr  oewöhnlichen  Einfassung  von  schwarzen  Schaffellen ,  die  um 
den  Leibrock  herumlief,  einer  Katonake,  wie  sie  der  Atiienien- 
ser  nannte,  erklären  lassen.  Diese  Besetzung,  welche  eigentlich 
nur  zu  einer  Nothhilfe  beim  Mangel  des  gewölinlichen  Gewebes 
diente*),  kommt  unserem  Furienkostüra  ungemein  zustatten  und 
durfte  daher  hier  am  allerwenigsten  vergessen  werden.  Rothe  cre- 
tensisclie  Jägerschuhe  geben  die  Alten  ausdrücklich  den  tragischen 

*)  Jede  Tunica,  jedes  Gewand  wurde  als  ein  für  sicli  bestehendes 
Ganze  gleicli  fertig  gewebt.  Einige  Schnallen  hielten  es  zusam- 
men. An  Schneiden  und  Zusammennähen  war  wenig  zu  denken. 
Wo  nun  der  äufserst  dürftige,  von  stehenden  Weberinnen  nm- 
sclirittene  Weberstuhl  das  Gewand  nicht  lang  genug  zu  fertigen 
vermoclite  da  mufste  man  mit  angestofsenen  Besetzungen  von 
Fellen  u.  s.  w.  nachhelfen.  So  lehrt  die  Noth  Falbeln  und  Bor- 
düren maclien,  die  dann  der  Keichthum  in  Puq)ur  färbte  und 
wohl  "^ar  mit  kunstreiciien  Mäandern  umzingelte,  wie  wir  sie  auf 
der  zweiten  Tafel  erblicken. 


I 


Z7l 

Furien,  und  als  gewandte,  ilircr  Beute  nie  verfelilende  Springerin- 
nen ,  als  Jägerinnen ,  die  den  Mörder  stets  auf  seiner  blutigen 
Fälirte  verfolgen  und,  in  gewaltiger  Hetze  ihm  naclikeuchend,  sicher 
ergTeifen,  unisclilingen  und  aussaugen,  führt  sie  auch  Aeschylus 
an  vielen  Stellen  seines  grausenden  Trauerspiels  ein.  Die  Furcht- 
baren bedürfen  keiner  kunstreiclieren  Beflügelung.  Auf  ihren 
Scliwnngsohlon  durchschneiden  sie  mit  Götterschnelle  unermefsliclie  137, 
Räume  über  Land  und  Meer.  Im  schnellbrausenden  Ansprung  er- 
blicken wir  auch  unsere  Furie,  und  erinnern  uns  dabei  noch  ein- 
mal an  die  Schreckensworte  in  unserem  Aesclijlus  (.V«  357.) 

Furchtbar  aus  den  HöIien  stürmend, 
Tret'  ich  mit  des  Fufses  Lasten 
Nieder,  dem  enteilenden  V^erbrecher 
Sturz  bereitend,  namenlose  Qual! 

Endlich  scliwingt  sie  statt  jener  Drachen  und  Fackelbewaffnung 
der  übrigen  Tragiker  nur  einen  langen  eschenen  Stecken  oder 
•Stab  und  vergegenwärtigt  uns  durch  diese  strafende  Geberde  nicht 
nur  jenes  Bildwerk  auf  dem  Kasten  des  Cypselus,  wo  die  rächen- 
de Dike  sich  des  Steckens  zur  Züchtigung  der  Adikia  oder  der 
Boslieit  bedient,  sondern  erscheint  uns  auch  schon  durch  diese 
symbolische  Handlung  in  jenem  gewaltigen  Zuchteifer,  der  spätere 
Dichter  veranlafste,  sie  gar  zu  wirklichen  Henkerinnen  in  der  Un- 
terwelt umzuschaifen.  In  diesem  Aufzuge  liefs  Aeschylus  die  zür- 
nenden Gestalten  der  Erinnyien  erscheinen.  Man  denke  sich  fünf- 
zig dergleiciien  Unholdiunen  einen  Kettentanz  um  den  geängste- 
ten  Muttermörder  knüpfend  mit  den  erscliütternden  Drohungen, 
die  ihnen  Aeschylus  wälirend  dieses  Reigen  in  den  Mund  legte, 
nnd  man  wird  wenigstens  durch  eine  leise  Anwandlung  des 
Schreckens  sich  berührt  fühlen ,  der  einst  das  ganze  Athenische 
Volk  bei  der  ersten  Aufführung  dieses  Stückes  ergrilten  haben 
soll. 

Docli  nicht  immer  betraten  so  gestaltete  Erinnyien  die  Bühne  138. 
des  Atlicnisclien  Tiieaters.  Nach  dem  Zeitalter  des  Pericles  und 
Phidias  mnfsten  auch  hierüber  andere  Vorstellungsarten  in  Um- 
laiif  kommen.  Der  verfeinerte  Geschmack  verwarf  die  giäfslichen 
Verbildungen  selbst  auf  der  tragisclien  Scene.  Zum  Glück  haben 
uns  die  Zeichnungen  auf  alten  giiechischen  Vasen,  denen  wir  so 
viele  küstliche  üeberreste  aus  der  blüliendsten  Periode  der  grie- 
chischen Kunst  verdanken,  auch  noch  die  ganze  Scenerei  der  Eu- 
meniden  oder  wenigstens  eines  sehr  verwandten  Stückes  auft)e- 
wahrt.  Da  ist  die  Furie  mit  allem  Prunke  des  tragisclien  Ko- 
stüms, ohne  alle  Beimischung  körperlicher  Häfslichkeit,  herrlich 
aufgeschmückt.  Durch  Schlangen  und  Fackeln,  ihre  unzertrenn- 
lichen Begleiter,  auch  dem  ungeübteren  Auge  erkennbar,  zeigt  sie 
ihre  Schrecknisse  mehr  durch  die  Handlung  als  durch  körperliche 


272 

Mirsgcstalt.  Nach  einem  solchen,  bis  jetzt  noch  nicht  bekannt 
geniacliten  Vasengeniälde  *)  liat  Prof.  Meyer  die  schöne  Furie 
—  oder  sollten  wir  sie  nicht  gleich  mit  dem  ihr  nun  allein  gebüh- 
renden Namen  Enmenide  nennen!  —  auf  der  zweiten**)  co- 
lorirten  Knpfertafel  entworfen.  Sie  gleicht  in  Allem  der  Original- 
zeichniing,  die  icli  der  Güte  meines  Freundes,  des  Bürgers  Mil- 
iin in  Paris,  verdanke.  Nur  die  Fackel  in  der  linken  IJand  ist  hier 
hinzugefügt  worden,  da  sich  mit  Recht  vermuthen  läfst,  dafs  der 
griecliische   Künstler,    nur   durcli    die    Kleinheit    des    Raums    be- 

139.  schränkt,  sie  dort  weggelassen  habe.  Das  Yasengemälde  selbst 
konnte  hier  in  Absiciit  auf  die  Farbe  nicht  zum  Muster  die- 
nen ,  da  ich  der  Gefälligkeit  des  B.  Miliin  nur  den  farbenlosen 
Umrifs  verdanke.  Allein  theils  kamen  uns  liierbei  Bonaro- 
ta's  Angaben  auf  einer  Kui)fertafel  zu  Demster's  Etruria 
(^Taf.  LXXXVI.)  zu  Hilfe,  wo  er  mit  einer  lobenswerthen  Ge- 
nauigkeit auch  die  Farben  angegeben  hat,  die  auf  dem  colorirten 
Relief  in  Terra  Cotta,  den  Brudermord  des  Poljnikes  und  Eteo- 
cles  vorstellend  ***) ,  auch  bei  der  Darstellung  der  dabei  ange- 
brachten Furie  gebraucht  sind ;  theils  liefsen  sich  aus  unbezwei- 
felten  Angaben  alter  Schriftsteller  über  die  Pracht  der  alten  Thea- 
terkleidung auch  für  die  Färbung  unserer  Gewänder  allerlei  nütz- 
liche Folgerungen  zielien.  Auch  so  war  die  Aufgabe,  diese  Figur 
ganz  im  Geiste  des  Alterthums  zu  coloriren,  noch  immer  mit  be- 
deutenden Schwierigkeiten  verknüpft.  Doch  der  durch  Bescliau- 
ung  nnd  Nachbildung  der  noch  erhaltenen  Ueberreste  alter  Ge- 
mälde in  Rom  und  Neapel  vielfach  geübte  Kunstsinn  des  Mei- 
sters, der  hierbei  nicht  blos  die  Zeichnung,  sondern  auch  die  Co- 
lorirung  zu  übernehmen  die  Gefilligkeit  hatte  -}•) ,  bürgt  jedem 
Altertluimsliebhaber  für  die  Echtheit  der  hier  gewählten  Farben- 
gebung.     Liebhaber  wissen,  wie  sehr  man  neuerlich  in  Paris,  seit 

140.  Talma  die  schöne  Demoiselle  Lange  zum  ersten  Male  antik  co- 
stümirte,  sich's  angelegen  sein  liefs,  und  wie  viele  mühsame  Unter- 
suchungen und  Unkosten  man  darauf  verwandte,  um  die  Theater- 
kleidungen so  viel  als  möglich  auf  die  wahre  Antike  zurückzufüh- 
ren. Gluck's  Iphigenie  in  Tauris  bedarf  auch  des  Furienkostüins. 
Allein  nach  den  Proben  zu  urtheilen,    die   uns  ein  neues  prächti- 


*)  In  der  schönen  Sammlung  des  Bürgers  Parois  in  Paris«  Sielie 
oben  S.  244.  If. 

**■)    Hier  Tafel  V. 

•*♦)     Siehe  oben  S.  239. 

■f")  Weimar  besitzt  in  seinem  reichsten  Kunsttempel  eine  Kopie  der 
Aldobrandinischen  Hochzeit,  die  Prof.  Meyer  noch  im  Jahre  1797 
in  Rom  mit  der  ihm  eigenen  Genauigkeit  kopirte.  Man  wird  nicht 
satt,  sich  an  diesem  lieblichen  Kunstwerke  zu  ergötzen. 


273 

ges  Knpferwerk  claitilter  vorlegt  *),  tnöchte  doch  die  strenge, 
durch  keinen  Flitter  bestochene  Kritik  noch  Manches  gegen  diese 
Novantiken  einzuwenden  iinden.  Kenner  mögen  iirtheilen,  ob  sich 
dieser  Versuch  dem  Altertlium  meJir  nähert.  Denn  nar  von  An- 
Tiälierung  kann  hier  überhaupt  die  Rede  sein.  Ich  darf  wenig- 
stens ohne  alle  Anmafsung  versichern,  dal's  man  schon  grofse  Ueb- 
ung  und  Erfahrung  in  diesem  Fache  liaben  miifs,  um  nur  erst  die 
Schwierigkeiten  zu  tüiden ,  die  sich  Versuchen  dieser  Art  stets 
entgegenstellen  werden.  Einige  Bemerkungen  über  die  vorlie- 
gende Figur  dürften  vielleicht  auch  hier  noch  eine  scliickliche  Stelle 
linden.  Das  ganze  Obergewand  mit  den  weit  vorgehenden  Aer- 
meln  ist  im  reichsten  Geschmack  der  alten  Tlieatergarderobe  und 
lieifst  mit  seinem  eigentlichen  Namen  bei  den  Griechen  eine  Xy- 
stis  **).  Die  gemeine  Xystis  war  nur  von  Purpur,  aber  schon  1-il. 
dadurch  aufserordentlich  kostbar.  Hier  sind  indefs  noch  eine  Menge 
Verbrämungen,  Besetzungen  und  Streifen  dazu  gekommen,  wo- 
durcli  die  Kostbarkeit  dieses  tlieatralischon  Prunkgewandes  noch 
Tim  ein  ßeträclitliches  vermelirt  werden  mufste.  Besonders  merk- 
würdig sind  die  farbigen,  zierlich  ausgezackten  Strei- 
fen um  die  Aermel  lierum,  eine  Art  von  Putz,  worauf  die  Alten 
wahrscheinlich  durch  den  liäuligen  Gebrauch  der  Ai'm-  und  Hand- 


*)  Die  älteren  wohlbekannten  Costumes  du  theatre  Francais  sind 
seit  zwei  Jahren  fortgesetzt  oder  wieder  aufgefrischt  worden.  Viele 
Tafeln  davon  siud  wirklich  neu.  An  Farbenpracht  hat  man  es 
dabei  keineswegcs  fehlen  lassen. 

**)  Die  alten  Grammatiker  sagen,  es  sei  ein  tragisches  Gewand,  wis- 
sen sich  aber  selbst  nicht  reciit  lieranszuftnden.  Siehe  bei  Ruhn- 
kenius  zu  Tim.  Gloss.  p.  188.  Die  Sache  war  kurz  so.  Die 
Choragen,  welche  iiuen  gröfsten  Aufwand  im  Ausschmücken  der 
Chortänzer  (iräpoSsv  toü  x"?"^  nennt  es  Aristoteles,  s,  Twi- 
ning,  Notes  \>.  300.)  zu  jnachen  pflegten,  putzten  diese  vorzüg- 
licli  in  gestickten  Purpurröcken  lieraus.  Diefs  sind  die  ^vcrlhig 
aXovoyal ,  die  Plutarch  in  der  merkwürdigen  .Stelle  vom  Luxus 
der  Athener  im  Theateraufwand  vorzüglicli  mit  aufführt  de  gloria 
Athen,  T.  IX.  p.  93.  Hutt.  Die  Xystis  war  immer  nur  ein  kur- 
zes Obergewand  (^i-irlßk^ux  nennt  es  Pollux  IV,  116),  Rs  ist  die 
trabea  der  Römer,  die  durch  die  Etrurier  eben  diese  Xj'stis  ken- 
neu lernten.  Nun  nannte  man  aber  auch  wohl  das  lange  ünter- 
gewand,  welches  in  deti  gewöhnlichen  Chören  die  Choristen  trugen 
(in  den  Eumeniden  konnte  diefs  später  eine  Ausnahme  leiden,  da 
man  sie  als  kurzgeschürzte  Jägerimien  zu  kleiden  anfing,)  von 
dem  vorzüglicheren  Oberkleid  zugleich  mit  Xystis.  Ich  habe  dieses 
Wort  noch  nirgends  richtig  erklärt  gefunden.  Durch  dieses  Bild 
wird  man  sicli  die  deutlichste  Vorstellung  davon  machen  können. 

BüUigci's  lileijic  Schriften  I.  18 


274 

Spangen  bei  Männern  und  Weibern  geleitet  wnnlen ,  und  die  gol- 
denen Mnschen ,  womit  das  ganze  Kleid  besäet  ist ,  welches  man 
daher   in  der  Piitzsprache  des  Alterthiims  ein    gel  d  bestreutes 

142,  nennen  kann  *3*  ^^^  ^^^  ^"^  ^^^  Knie  gescliürzte  grüne  Unter- 
gewand **)  und  die  geschnürten  CotLurnen  bezeichnen  den  Be- 
griff der  leichtfiifsigen  Jägerinnen,  ohne  docli  den  gewaltsamen 
Sprnng  der  Aescliyleisclien  Furie  nachzubilden.  Der  gelbe  Cothurn 
ist  über  eine  purpurne  Unterlage  geschnüit  und  hat,  was  aller- 
dings auf  alten  Denkmälern  eine  Seltenheit  ist,  eine  vorn  über- 
gebogene Spitze.  Diefs  kann  zugleich  zu  einem  neuen  Beweis 
von  dem  immer  wiederkehrenden  Zirkel  der  Mode  dienen.  Denn 
wer  hat  nicht  von  den  berühmten  Schnabelsclnihen  (becs  de  cane) 
im  eilten  und  den  folgenden  Jahrhunderten  gelesen ,  die  viele 
Jahrhunderte  hindurch  das  Aergernifs  aller  frommen  Seelen  und 
selbst  ein  Gegenstand  des  Verbots  eifernder  Kirchenversamni- 
lungen  wurden?  ***)  Am  interessantesten  würde  übrigens  der 
Anblick    der    reichen     Coinposition    jenes     Vasengemäldes     gewe- 

143.  sen  sein,  wovon  diese  Figur  der  neueren  theatralischen  Furie  nur 
ein  kleiner  Theil  ist  •{■).  Denn  erst  durch  seine  Betraclitung 
würde  man  die  bedeutungsvolle  Beziehung  dieser  Figur  auf  die 
ganze  Handlung  begreifen  und  würdigen  können.  Es  ist  ein  wun- 
derbarer Zauber  in  der  Comiiosition  dieses  Gemäldes,  und  so  ge- 
schmückt und  schön  auch  das  Aeufsere  dieser  Furiengestalt  ist,  so 
schauerlich  füldt  man  sich  doch  von  der  Gewalt  der  Kiirwürdigen 
ergriü'en,  der  nur  ApoUo's  eigenes  Dazwischentreten  den  ^Veg  zu 
ihrem  geweihten  Schlachtopfer,  dem  Orestes,  versperren  kann. 

Um  nun  aber  den  Lesern  dieser  Blätter,  wenn  es  ilmen  an  Zeit 
oder  Gelegenheit  felüen  sollte,  die  von  mir  angeführten,  zum  Theil 


*)  Das  griechische  Kunstwort  für  die  Sache  heifst  ^ovuoiraeTTOi ; 
X<^vac->rx(TTCi  ^viTTihig  kommen  in  einem  Fragment  des  Eupolis 
beim  PoUux  vor  VI,  10. 
**)  Diese  grünen  tlieatralischen  Gewänder  liiefsen  mit  dem  Kunstaus- 
druck ßixT^Oi^ihi;  PoUux  XII,  55. 
***)  Die  Juno  Sospita  zu  Lanuvium  hatte  calceolos  repandos,  wie  Ci- 
cero sagt  de  Nat.  Deor.  I,  29.,  und  so  erscheint  sie  auch  nocli  auf 
alten  Denkmälern.  Die  Statue  im  Museo  Pio -Clement.  T.  II, 
tab.  21.  ist  danach  restaurirt.  Bekannt  sind  die  poulaines  oder 
geschnäbelten  Schulie  aus  dem  Mittelalter,  deren  Geschichte  Beck- 
mann, Vorrat h  kleiner  Anmerkungen  über  allerlei 
Gegenstände  S.  45.  fF.  geschrieben  Jiat. 
•{■)  Es  würde  voreilig  und  unbescheiden  gewesen  sein,  meinem  Pari- 
ser Freunde  in  der  Bekanntmachung  der  ganzen  Zeichnung  vor- 
Kugieifen ,  die  er  für  ein  eigenes  antiquarisches  Werk  aufgespart 
bat. 


# 


275 

sehr  seltenen  Knpferwerke  nachzuschlagen ,  wenigstens  ein  ganzes 
Gemälde  der  Art  vor  die  Augen  zu  bringen  und  daran  zn  zeigen, 
was  eigentlich  unter  dem  mildt-riiden  Kunst -Enpliemisinus  in  der 
Behandlung  dieses  furchtbaren  Gegenstandes  zu  verstehen  sei ,  ist 
diesen  Kupfertafeln  eine  dritte  *)  mit  den  Umrissen  eines  al- 
ten Vasengemäides  beigefügt  worden ,  das  auch ,  abgesehen  von 
dem  Zweck,  zu  welclieni  es  hier  aufgestellt  wird,  dadurcli  merk- 
würdig ist,  dafs  es  unstreitig  zu  den  einfachsten  und  schönsten 
Compositionen  geliört,  die  uns  aus  dem  Alterthume  übrig  g-eblie- 
ben  sind  **).  Ich  bezielie  midi  in  Absicht  auf  die  Erklärung  des  144» 
Gemäldes  auf  das,  was  ich  oben  darüber  erinnert  habe,  dem  ich 
jetzt  nur  noch  die  Bemerkung  beifüge,  dafs  der  Ritter  von  Ita- 
linski  in  seinen  scharfsinnigen  Krläuteriingen  die  Vorstellung 
aus  einem  Fragment  des  Plierecydes  ***J  zw  erläutern  sucht,  nach 
welcher  Orestes  während  seiner  V^erbannung  in  Arcadien  sich  in 
das  Heiligtinim  der  Diana  geflüchtet  und  als  Hilfesuchender  auf 
dem  Altar  der  Göttin  gesessen  habe,  dort  aber  von  den  Furien, 
die  ilm  zu  tödten  gesucht,  schrecklich  beunruhigt  worden  sei.  Am 
sichersten  dürfte  man  wolil  dann  gehen ,  wenn  man  die  ganze 
V^orstellung  niclit  eben  auf  eine  völlig  bestimmte  Scene  in  den 
Leiden  des  Orestes  bezöge,  sondern  nur  überhaupt  den  auf  der 
Bühne  von  Furien  gequälten  Orestes  (scenis  agitatum  145, 
Oreston,  Virg.  4,  471.)  darin  erblickte,  eine  Situation,  die  in  der 
Bilderbibel  des  mythischen  Alterthums  dem  Künstler,  wie  dem  Mo- 
,  ralisten  eiften  ungemein  reiclien  und  darum  sehr  willkommenen 
Stoil"  darbot.  So  wie  hier  die  Erinnyien  gebildet  sind,  liat  sie  die 
besänftigende,  dem  unwandelbaren  Gesetze  der  Schönheit  stets 
huldigende  Kunst  der  Griechen  mit  geringen  Veränderungen  stets 
gebildet,  behende  Jägerinnen,  in  Cotluirnen,  mit  der  aufgeschürz- 
ten Tunica,  nicht  durch  die  Häfslichkeit  der  Form,  sondern  durch 


•)    Hier  Tafel  VI. 

♦*)  Die  Vase,  worauf  das  Gemälde  selbst  sich  befand,  ist  mit  al- 
len übrigen  der  unschätzbaren  Sammlung  des  Ritters  Hamilton 
auf  dem  Schiffe  untergegangen,  das  diese  Kunstschätze  aus  dem 
bedrohten  Neapel  nach  England  bringen  sollte.  Welches  ^'er- 
dienst  hat  sich  der  würdige  Tischbein  dadurch  erworben,  dafs 
er  uns  wenigstens  den  Schattenrifs  dieser  nun  auf  immer  verlore- 
nen Kunstwerke  in  der  vier  Bände  starken  CoUection  of  Engra- 
vings  of  ancient  Vases  zu  erhalten  suchte!  Das  hier  mitgetheilte 
Kupfer  befindet  sich  in  jener  Sammlung,  deren  Anschaffung  durch 
Tischbein's  Anwesenheit  in  Deutschland  jetzt  so  sehr  erleichteit 
wird,    Tom.  111.  32. 

***)    In  den  griechischen  Scholien  zu  Euripides  Orestes  V.  1645. 

18* 


276 


(]\e  Wirkung  gransend.  Und  diese  ist  in  der  ganzen  Stfllnng 
des  ftiiclitenden,  von  Graus  und  Entsetzen  ergrilfenon  Orestes  so 
sorecliend  ausgedrückt,  dafs  ancli  der  spraclisdigste  Cicerone  sei- 
nen Arortstrom  dadurch  auf  einmal  gelicmint  iTililen  niüf-te.  Der 
Moment  seines  athemlosen  Ilinsitürzens  auf  den  Altar  ist  sehr 
dicliterisch  durch  das  Anfallen  des  laconisclien  Reiseliutcs  (pileus) 
ausgedrückt.  .So  vergiebt  der  verständige  Kunst- Kuphemismus 
der  furclitbaren  Allgewalt  seiner  Strafgöttinnen  nichts  durch  die 
ihnen  geliehene  Schönlieit.  Er  malte  Eumeniden,  tind  sie 
sind  ?:;rinnjien! 


»0^< 


u. 

Das  Schwert  der  tragischen  3Iuse. 


u 


nsorc  modernon  Tlientorvoi  liäiige  sorgen  iinahlässig  dafür  *), 
dafs  wir  die  Bilder  der  koniiselieii  und  tragischen  Muse  ininicr  vor 
Augen  belialten  und  mit  ihren  herköninilichen  Ahzeidien  und  A(- 
tributen   von  früh  auf  studircu  können.     Melpomeueus  geläuligsles 


Für  sehr  viele  Menschen  ist  der  Theatervorliang  das  einzige  Ge- 
mälde auf  Leinwand,  welches  sie,  oft  wider  ihren  Willen,  etwas 
länger  betrachten  müssen.  Es  ist  also  für  die  Bildung  des  Ge- 
schmacks im  Allgemeinen  nichts  weniger  als  gleichgiltig,  was  auf 
diesem  Vorliange  vorgestellt  sei.  Und  doch  zeigt  sich  hier  oft 
der  Ungeschmack  in  seiner  vollen  Pfauenparade.  Welche  Unge- 
heuer von  Allegorieen  und  Panoramen  haben  niclit  namhafte 
Künstler  da  angepinselt!  Die  Alten,  bei  welclien  der  Vorhang, 
der  jetzt  verhüllen  sollte,  nicht  abwärts,  sondern  aufwärts  stieg, 
gingen  hierbei  von  dem  aus,  was  sie  oft  von  Sclaven  thun  sahen, 
die  Teppiclie  aufspannten  und  hielten,  (jz.  B.  M'^inck  elman  n, 
Monum.  ant.  n.  90.)  und  gaben  nun  dem  Tep[)icl)e  auf  beiden 
Seiten  eine  Figur,  so  dafs  die  da  eingewebten  kolossalen  Sclaven- 
liguren  (Virgil,  Georg.  III,  25.)  den  Teppich,  wenn  er  aufgezo- 
gen wurde,  selbst  zu  heben  schienen.  Selbst  das  Aufsteigen 
der  Figuren  war  täuschend,  wie  Jedermann  aus  dem  bekannten 
Gleichnisse  in  Ovid's  Verwandlungen  weifs.  Da  bei  unseren  be- 
deckten Theatern  die  Vorliänge  von  oben  herunter  fallen  müs- 
sen, so  können  nur  herabfliegende  Figuren  mit  Schicklichkeit 
da  angebracht  werden.  Standbilder  also,  wie  Melpomene  und 
Thalia,  oder  gar  Tempel  und  Landschaften,  sind  im  Grunde  waii- 
rer  Unsinn.  Auch  unterschieden  die  Alten  die  tragischen  Vor- 
hänge (aulaea)  von  denen,  die  bei  Lustspielen  aufgezogen  wurden, 
(siparia)  sehr  genau.  Die  letzteren  hatten  Caricaturmasken.  Bei 
un:)  ist  da  Alles   nur  aus  einem  Topfe, 


278 

MiTkiiial  ist  der  Dolth ,  iiitil  wer  «lle  Requisileiikaminern  unse- 
rer Büliiien  kennt,  weifs,  wie  viel  auf  einen  gnlen  Vorra(h  fiol- 
clier  nnsi'linl(li!j;eM  Thealerdulche  dort  i^ehahen  wird.  Man  würde 
indefs  sehr  irren,  wenn  man  in  diesem  Spielwerke  des  modernen, 
mir  allzuoft  auf  sehr  falschen  Motiven  beruhenden  Mord-  oder 
Trauerspiels  den  Ursprnuir  dieses  (ra_i!,iseheH  Attributs  suehen  woll- 
te. Die  Bezeiehnuni^  ist  alt ,  aber,  wie  mieh  dünkt ,  nur  erst  aus 
den  Zeiten  der  Römer.  Die  früheren  Griechen  wuisten  ül»erhaupt 
noeh  niclils  von  einer  tra»i  sehen  Melpomene.  Erst  unter  den 
Ptoleinaein  im  Museum  zu  Alexandrien  bekam  jede  Muse  ihr  ei- 
genes Departement  *).  Aiier  aiieli  da,  als  iiir  das  Trauerspiel  zu- 
gelheill  wurde,  erhielt  Melpoiuene  noeh  keinen  Mordslahl  zur 
bezeiehneuden  Anssehmüeknn«»  **).  Die  Kiudermörderin  Medea 
war  es,  «lie  im  Bildwerke  jenes  berühmte  Seh  wert,  von  welehem 
sie  iin  Trauerspiele  des  Euripides  (V.  1246.)  ausruft : 

Auf,  meine  Janiinerhand,  ergreif  das  Schwert, 
Ergreif  es!  dort  am  Ziele  winkt  der  Tod! 

gej^en  die  unsohnldt<^cn  Kleinen  schwingend  vorgestellt  wurde. 
Euripides  machte  ni<;lit  leicht  mit  einem  andern  Trauerspiele  so  viel 
Glück  als  mit  seiner  Medea  ***).    Bildhauer,  Maler  und  Steinsehnei- 


*)  Wo  Heyne,  Opasc.  II,  306.  If.,  den  Faden  abrifs,  ist  er  nocli 
nicht  wieder  angeknüpft  worden.  Woher  kommt  die  Rangordnung, 
nach  welcher  schon  sehr  früli  Herodot's  Bücher  benannt  worden 
sind?  Von  wem  und  wo  wurde  jeder  Muse  ihr  bestimmtes  Ge- 
sclilift  angewiesen  ?  Darüber  giebt  noch  keine  Mytliologie  <Ien  er- 
wünscl.ten   Aufsclilufs. 

**)  Ueberlianpt  gclit  alle  Bezeiciinung  der  Musen  ursprünglich  nur 
von  drei  Instrumenten,  von  der  zwiefachen  Gattung  der  Lyra  und 
der  Doppelllöte,  aus.  So  wurden  die  drei  Hauptmusen  einst  von  Ari- 
stocles  und  Canar.hus  gebildet.  Man  sehe  das  merkwürdige  Kpigranun 
des  Antipater,  Analect.  II,  15.  XXXV.  und  Heyne  in  den  Com- 
mentat.  Soc.  Gott.  T.  IX.  p.  109.  Tragödie  und  Komödie  sind, 
wie  in  der  Apotlieose  Homer's,  eigene  Personiücationen ,  und  als 
Melpomene  mit  der  ersteren  zusanimenllofs ,  erhielt  sie,  was  jene 
Iiatte,  das  Scepter  in  die  Hand,  wie  sie  beim  Ovid  erscheint.  Am. 
IM  ,  1.  13.  ;  an  dessen  Stelle  tritt  sjiäter  die  Keule,  die  eigentlich 
das  Scepter  nur  bestimmter  charakterisirt.  S.  Carcani  in  den 
Pitture  d'Ercolano  T.  II.  tav.  4.  p  23.  An  das  Schwert  ist  noch 
nicht  zu  denken. 

**)  Wir  haben  nur  die  zweite  Ausgahe,  die  der  Dichter  selbst  nach 
vielen  Jahren  veranstaU'te.  Später  überarbeitete  Ncopluon  da« 
Stück  nocIi  eim!i:i'. 


279 

»1er  heeiferten  sich  um  die  Wc(te,  die  morilliisJii>e  MeJe.i  in  dem 
Moiiienf,  wo  die  iiiütlerliclic  Ztlrllidikeit  ihr  noch  einiiiiil  das  schon 
"gezückte  Schweif  ans  der  Hand  zu  winden  sncht,  mit  »leni  reinsten 
Knnst- EupheniisMins  mildernd  nnsznsj»reclien  *).  Die  Vorstellnng 
wurde  in  tausend  Copiecn  vervitdfältint,  und  wo  man  eine  leiden- 
schaftlich anfgciegte  Frau  mit  dem  Schwerte  in  der  Hand  erhlick- 
fe,  wnfsle  man  soi-loich,  dafs  diefs  die  tragische  Altid'ide  der  Me- 
dea  sei  **).  Was  Wunder  also,  dafs,  da  man  einmal  eine  tragi- 
sche Muse  aufzuputzen  halte,  man  der  Hcrcnleskenle ,  in  deren 
reclilmäfsiö-om  Besitze  sie  sich  nun  schon  befand ,  jetzt  anch 
noch  <las  S<hwert  der  Medea  zng;esell(e  ***).  Aher  wer  machte 
zuerst  diese  Neuerung?  Der  Grieche  wolil  anch,  aher  auf  Befehl 
des  Römers,  Ihm  waren  die  Metzeleien  der  GladiiUorcn ,  die  dem 
humanen  Griechen  lange  noch  ein  Ahscheu  hliehen,  der  eninickend- 
ste  Zeilvertreil».  Eine  Barbarin,  Ansländerin ,  war  Medea.  Bar- 
baren, Ausländer  im  Sinne  der  Griechen,  waren  es,  die  sich  nicht 
entblödeten,  der  keuschen  Muse  ein  solches  Symbol  aufzudringen. 
Wäre  diese  Bemerkung  gegründet,  so  wurde  sie  für  die  Zeitbe- 
stimmung mehrerer  Antiken,  wo  Melpomene  anch  ohne  Re- 
stauration f)  mit  dem  Schwert  erscheint,  von  einiger  Wichtigkeit 
sein.  Die  Familienmünzen  des  Poraponiseben  Geschicehts  kennen  noch 


*)  Lange  vor  dem  besungenen  Bilde  des  Timomachus  (^s.  Lessing's 
Laokoon  S.  45.  Th.  IX.  und  Ilerder's  Briefe  zur  Beförderung 
der  Humanität  VI,  114.)  war  eine  Leriilimte  Statue  der  Medea 
mit  dem  Schwert  in  Griechenland  voriianden ,  die  der  Sophist 
C^listratus  XIII,  p.  905.  Olear.  mit  seinen  Rednerblumen  be- 
streut hat.  Geschnittene  Steine,  die  man  sonst  fälschlich  für  Ab- 
bildungen von  Furien  hielt,  haben  uns  das  Bild  jener  Medea  im 
Marmor  treu  erhalten.     S.  Furienniaske  S.  230.  f. 

**^  Sie  liat  das  Schwert!  heifst  es  von  einem  Wandgemälde  der  Mo-« 
dea  beim  Lucian,  de  Domo  c    31.  T.  III,  p,  207. 

***)  Die  frühesten  V'orsteüungen  linden  sich  auf  geschnittenen  Stei- 
nen. (_S.  Winckelmann,  Monum.  Inediti  n.  45.  und  eine 
Menge  Copieen  und  Nachahmungen  in  Tassie's  Catalogue  n. 
3513  —  3525.) 

"f)  Denn  blos  durcli  neuere  Restanration  sind  die  nun  in  Paris  be- 
iindlichen  vaticanischen  Melpomenen  (Mus.  Pio- Clement.  T.  I. 
t.  X\.),  die  jetzt  in  Schweden  belindliche  Copie  bei  Guattani, 
Monum.  ined.  per  l'anno  1784.  p.  84.  und  mehrere  von  Viscon- 
ti S.  40.  angeführte  so  mit  dem  Schwerte  bewaffnet.  Selbst 
Form  und  Benennung  dieses  Scliwertes ,  parazoniuu),  deutet 
aui  römisches  Kostüm,  S.  Buonarotti,  sopra  alcun.  medagl.  p. 
136. 


2«0 

iiiclil  einmal  <lii'.scR  Al>z<'i<lirn  (Irr  (rnnisclion  IMiiso  *)  iM.in  liat 
in  «Ich  II»Mkiil<iiiistlu'ii  W  aiiil^eniiLldon  eine  IraiiejiKle  Fii^ur  mit 
(U'm  Schwelle  eine  Dido  i^tMiaiint,  die  docli  p,ewifs  eine  ]\Ie]|)om(Mie 
mit  dem  ►Sclnvcrte  sein  sollte  **).  Es  ist  iiljor  and»  von  Srileii 
der  Kunst  eine  ^i\v  klägliche  Fiiiur,  bei  der  man  sich  doch  ja  des 
Urtheiis  eines  urofseii  Kenners  über  die  niedrij;»;  Gerin^heit  dieser 
VVandhemaiuni^en  erinnern  miichle  ***).  Und  wie,  wenn  der  scharf- 
sinniii,e  Du  Theil  Recht  halte  f)?  Die  Meljiomene  wenigstens 
pafst  recht  j!:ut  in  das  Zeilaller,  in  welcheui  er  die  verscliiitlende 
Ernpliou  annimmt,  würde  aber  auch  damals  noch,  wo  es  eine  hii- 
liere  Beslimniuni!,  ij,(\i;ollen  halle,  von  Kiinsllern,  die  noch  ein  Hauch 
besserer  Zeiten  anwehete,  ganz  anders  ausgeführt  worden  sein. 


*)  Die  Muse  mit  der  Keule  und  der  3Iaske  in  iMorelli's  Thesau- 
rus tab.  ir.  n.  3.  4.,  die  Beger  und  Vaillant  n.  10.  für  die 
Euterpe  halten,  ist,  wie  nacli  Visconti  zum  Pio- Clement.  T. 
I.  p.  54.  aucli  Eck  hei,  Doctrin.  Num.  Vet.  T.  V.  p.  285.  muth- 
mafset,  Melpomene  oder  die  tragische  Muse.  Au  Dolch  oder 
Scliwert  ist  auch  hier  nocli  nicht  gedacht  worden. 

''*')  Pitture  d'Ercolano  T.  I,  tav.  XIII.  Schon  Fea  in  seiner  Aus- 
gabe des  Winckehnann  T.  I,  p.  408.  not.  B.  hat  diesen  Irrthunx 
berichtigt. 

**)  Mengs  in  seinen  tretfliclien  Briefen  über  Anfang  und  Fortgang 
der  zeicimenden  Künste,  Opere  T.  II,  p.  105.  ed.  Azara  macht  die 
feine  Bemerkung,  dafs  bei  dem  zügellosen  Luxus  der  Römer,  die 
ihre  Zimmerwände  nur  mit  Älarmor- Krusten  und  Bronze  atif- 
schmUckten,  das  Anmalen  der  Wände  nur  nocIi  in  den  Häusern 
der  Armen  oder  in  Cebäuden  stattfand,  worauf  man  keinen  gro- 
fsen  Wertli  legte.  Die  aufgegrabenen  Herkulanischen  Gemälde 
können  mit  geringer  Ausnahme  nur  in  diese  Klasse  gehraclit  wer- 
den. Sie  haben  als  Ideenmagazine  frülierer  grofser  Meister  ihren 
imbestrittenen  Werth.  Man  setzt  aber  gewöhnlich  noch  jetzt  ilnen 
Werth  viel  zu  liocii  an.  Vergl.  Voyage  en  Italie  par  Bartlieleiny 
(Paris  1801)  S.  271  If. 

■f)  Mit  Reclit  ündeu  Du  TheiPs  Behauptungen,  wovon  in  der  öf- 
fentUclien  Sitzung  des  National- Instituts  vom  15ten  V^endemiaire 
Jahr  X.  durch  den  Secretair  dieser  Klasse ,  Villars ,  Anzeige  ge- 
maclit  wurde,  immer  mehr  Beifall.  Nach  seiner  scliarfsinnigen  und 
aus  den  noch  vorliandeuen  Anzeigen  sehr  glücklich  combinirtenMutli- 
mafsung  begrub  erst  der  Ausbruch  des  Vesuvs  vom  Jaiire  471.  nacli 
Ch.  G.  Ilerculanum  und  Pompeji  unter  dem  Aschenberge,  woraiis 
sie  seit  CO  Jaiu'en  hervorgegangen  sind.  Natürlich  würde  diefs  auch 
in  die  Aluienprobe  der  dort  ausgegrabenen  Alterthümer  einen  häfs- 
Uchen  Strich  maclien. 


■i^^^^O«a»»< 


111. 

Tragische     Masken 

uiul 

Tempel   der   Alten. 

Eine    a  r  c  li  ä  0 1 0  s,  i  s  c  li  e  Parallele. 


/»Is  bei  znnelimender  Kiilüir  der  Grieche  seine  SfammgöKer  nicht 
mehr  hlos  auf  hohen  Bergen  nnd  Felsensilzen  Tcrehrie  und  von 
den  fniheslen  Ansiedliuigen  auf  jenen  berühnilen  Sclilössern  zu 
Cadniea,  Cecropia,  Acrocorinlh,  Argos  u.  s.  \v.  sich  auch  schon 
in  die  angränzendt'u  Eljenen  herahwagte,  wo  sicli  die  einzelnen 
Wolinnngcn  iiacli  und  nach  in  Sliidle  zusaiuinenschlossen ,  ninfslc 
man  naliirlich  sehr  bald  auf  die  Idee  kommen  ,  dafs  den  Heilig- 
tliiimern  der  Gölter,  die  man  nun  auch  auf  dfn  Ebenen  zu  weihen 
anfing,  eine  sogleich  in  die  Augen  fallende  Auszeichnung  gebnlire. 
Alan  ninfste  auf  etwas  denken,  wodurch  sie  für  ihre  früheren  Berg- 
silze  gleichsam  entschädigt  und  ilire  Tempel  über  die  sie  umge- 
benden Privatwohnungen  der  Slerblicheii  sichtbar  hervorgeiioben 
würden.  jNicht  zufrieden,  sie  überhaupt,  wie  die  Hänser  der  Staunn- 
fürsteu  und  Könige  *),  hoch  und  luftig  zu  bauen,  suchte  man  ihnen 
auch  noch  durch  einige  küustlicbere  Zusätze  zu  Hilfe  zu  kommen. 


*)  Das  Homerische  Beiwort  v-^c<io(t)og,  Cvf-s^s^^f,  welches  die  Scho- 
llen und  Glossen  oft  schleclitweg  durch  v-^yjXöii  erklären,  (Yofs, 
der  es  immer  durch  hohe,  gewölhte  Wohnung  übersetzt,  konnte 
leicht  daduicli  den  Irrwalin  fortpUanzen,  als  gäbe  es  im  hei'oischen 
Zeitalter  sclion  vollendete  Gewölbe,  den  die  gewöhnliclien  Antiqui- 
tätensammler, z.  B.  Rambach  in  Potter's  Archäologie  Th.  111.  S. 
363.  aus  dem  Mifsverständnifs  jenes  Beiwortes  erregt  Iiaben,)  wird 
sehr  häutig  von  den  Fürstenwohnungen  in  jenen  Ilomerisciien  Ge- 
sängen gebranclit  und  deutet  wohl  überhaupt  nur  auf  iiöhere 
Säle  in  Wolmnngen,  die  eigentlich  gar  kein  Stockwerk  über  d^iH 
Krdgeschüfs  hatten. 


^82 

Und  wie  erlioli  man  diese  Göllersilze  i'ilior  die  niis|ii'iicliIoson 
Wülmiin<!,eii  des  «^emeiueii  fl;uifeiis?  Man  ^in«;  vielleiclit  auch  liier 
i>eiade  so  zu  Werke,  wie  iiiao  bei  hoilii!,('n  Sfbaii»epräii»eii  und 
Festen  und  liei  den  daiaus  enls|»riini;('nen  (liealralisehen  Yors(ell- 
nimen  «len  Gotl  und  Heros  vor  dem  Menselien|i;esrlilecli(e,  wie  es 
jetzt  <li<'  Fnielit  der  Erde  »eniefst,  ausznzeirhiien  ]>(lej;le  *).  J?ehou 
die  älleste  Tragödie  gab  den  Sebauspielern,  die  in  der  Figur  jener 
boben  Uiisterblieben  anllrelen  sollten ,  I>ekanntlitb  eine  sebr  dicke, 
oll  dnrcb  niebrnials  über  einander  i;elegte  Korksoblen  erböbte  Be- 
scliubnng.  die  man  sehr  nneigentlicli  Collnirnen  nannte,  nnd  er- 
böbte die  Maske  über  «1er  Stirn  dnrcb  einen  oben  spilzzulanfendeu 
Anl'salz,  den  man  nnt  Ilaartonren  besetzte  nnd  so  zu  einer  grofsen, 
Klirfnrcbt  gebietenden  Perücke  ani'tbürmte.  Sollte  man  nun  nicht 
aiil"  eben  die  Weise,  wie  man  die  einzelne  Gotterlignr  zn  nber- 
menscblicber  Gröfsc  anibante,  ancb  den  ihr  bestimmten  Wobnnngeu 
eine  hervorragendere  Ansicht  zn  geben  gesucht  haben  **)"?  Ver- 
suchen wir  es  doch,  ob  die  oben  angedeutete  Parallele  wirklich  bei 
der  genaueren  Vergleichnng  Stich  hält,  und  sehen  wir,  was  sich 
ilarau"^   noch   weiter  für  Folgerungen   ziehen  lassen. 

Mau  gab  den  Götter-  nnd  Heroengestalteii  Cothnrnen.  Es 
ist  hier  nicht  der  Ort,  alle  Eigenheiten  nnd  Verschiedenheiten  die- 
ser nrs|)rünglicb  cretensischen  Beschnbung  aiizuliibren.  Der  tra- 
gische Cofhurn  bestand  ans  einer  vierlach  über  einander  gelegten 
Korksohle,  die  wenigstens  vier  (j)nerlinger  hoch,  oft  aber  nach 
der  Pioporlion  des  Ganzen  von  noch  weit  beträchtlicherer  Dicke 
war  ***).     Der  Schnitt   dieser  Sohlen   war   ursprünglich    viereckig, 


Vier  Ellen  war  das  gewöhnliche  Mafs,  welclies  das  Altertliuin  den 
Heroen  auf  der  Bühne  und  bei  mimischen  Darstellungen  gab. 
TETfair>);)^u«Tov  sT^s  ro  cujfj.ix  sagt  ApoUodor  vom  Hercules  H. 
4.  9.  nnd'liatte  dabei  nicht  die  üebertreibungen  der  Sopliisten  (s. 
Heyne  zum  ApoUodor  S.  329.),  sondern  die  Helden  der  Tragödie 
vor  Augen.  Dalier  luilst  ancii  die  tragische  Person,  die  in  einem 
Aufzuge  des  Antioclius  beim  Atlienäus  V,  7,  p.  198.  A.  das  Hern 
der  A?naltliea  trägt,  vier  Kllen.  Nach  dieser  Proportion  war  nun 
auch  die  ganze  tragische  Heroenpersonage  und  später  selbst  das 
gewöhnliche  Ideal  der  Bildhauer  eingerichtet. 

Man  erinnert  sicli  vielleiclit  der  olt  angefoclitenen  und  docii  mit 
geiiöriger  h'inschränkung  niciit  ganz  zu  verwerfenden  Bemerkung 
Vitruv's,  dafs  die  Alten  die  Proportionen  in  der  Architektur  nacii 
dem  inenscliliclien  Körper  genommen  hätten.  Sielie  AVinckelmann, 
Storia  delle  Arti  T.  I,  p.   347.  Fea. 

.So  bestinunt  Wiuckelmann ,  Monument.  Ant.  [nedit.  [>.  247.,  das 
Mafs  der  Sohlen  an  der  Borghesisclien  Muse.  Wenn  aber  Pollu.v 
VIII.  92.    lue  Sohlen   der  Fidiassischen   Minerva   im  Pantheon  zur 


283 

ob  sie  »loicli  die  Elo<«nnz  nach  «ler  Form  dffi  Fiifses  oft  «eruinlet 
haben  mag  *).  Daher  iM-kaiii  eiüenllidi  diese  dem  »aiizen  Körper 
2IU'  Basis  dienende  Beselniliiinü,  dieselbe  ßenennnni!:,  wiewohl  der 
Grieche  damit  jede  Gnindleste  oder  Basis  bezeichnete  **).  Mit 
demselben  Worte  bezeiehnele  der  Grieche  anch  die  vors|irini'rnde 
Basis  seiner  Tempel,  die  gewöhnlich  anf  einem  Vorspränge  (Soii- 
hasement)  von  vier  oder  mehreren  ringshernnilaiifenden  Stufen  ge- 
griindet   waren  ***).     Man   kann    sich  in    der    That    bei  genanerer 


Hölie  von  vier  Qnerfingern  (^Tir^alänTvXo;)  angiebt,  so  mnfs  diefs 
durchaus  mir  so  verstanden  werden ,  dals  diese  Sohlen  zu  der 
Form  gehörten,  die  man  die  Tvrrlienische  nannte,  die  zwar  ge- 
meinhin aus  vier  Querfinger  starkem  Kork  (narrf/a«  ^vXtvov")  '»e- 
standen,  Jiier  aber  nach  der  Proportion  des  ganzen  Bildes  (26  Kl- 
len)  natürlicli  eine  weit  beträchtlichere  Höhe  hahen  niufsten.  Die 
Lagen  der  Sohlen  scheinen  selbst,  wenn  man  aus  Naclihildnngen, 
z.  B.  der  Albanischen  Minerva,  die  im  Casino  der  Villa  stand, 
scliliefsen  darf,  durch  Riefe  angedeutet  gewesen  zu   sein. 

'')  Daher  erklärt  das  Etymologicum  M.  koSo^vo;  durch  C-rUyiixa  ts- 
Tp«7wyov.  AVirklicli  sind  auch  diese  viereckigen  Solden  an  meli- 
reren  alten  Denkmälern,  z.  B.  an  der  Albanisclien  Minerva  in  Win- 
ckelmann's  Storia  dell.  Arti  T.  I.  tav.  XIII.  nnd  an  der  Meli)o- 
mene  auf  dem  berühmten  capitolinischen  Sarkophag,  wie  ihn  Vis- 
conti auf  der  zweiten  Su[)plementstafel  zum  Museum  Pio- Clement. 
Tom.  I.  abgebildet  hat,  (^denn  in  den  Abhildungen  im  Museo  Ca- 
pitolin.  T.  IV,  t.  26.  sind  gerade  die  Cotlnirnen  der  Melpomene 
ganz  weggeblieben])  noch  deutlicli  zu  seilen.  Hier  wäre  also  die 
Aehnlichkeit  mit  der  Basis  der  alten  Tempel,  die  gewöhnlicii  ein 
Parallelopipedon  bilden,  noch  auffallender.  Dafs  man  in  der  Folge 
die  Ecken  an  den  Sohlen  abrundete,  wie  z.  B.  an  der  Herculesmas- 
ke  in  der  Villa  Pamtili,  die  Winckelmann,  Monument.  Antich.  n,  189. 
abgebildet  hat,  oder  an  der  vorgeblichen  Pudicitia,  Mus.  Pio-Clement. 
T.  II.  tab.  14.,  oder  an  der  Urania  im  Vaticau  T.  I,  t.  26.  noch 
zu  sehen  ist,  beweis't  nur  einen  höheren  Grad  von  Verfeinerung. 

*)  Ko^jTi'f  ^^^  Wort  stammt  wahrscheinlicli  weder  von  soirw  oder 
oän-Tw,  noch  von  xspw  ab,  wie  in  Lennep's  Htym.  p.  448.  ange- 
geben wird,  sondern  von  y.oyj;,  das  Haupt,  das  Obere.  So  ver- 
schieden aucli  die  Formen  sein  mocliten ,  die  späterer  Luxus  in 
dieses  Schuhwerk  gebracht  hat,  so  kamen  sie  docli  alle  darin 
überein,  dafs  sie  dicke,  oft  doppelte  Sohlen  hatten.  Dieses  sah 
anch  Balduin,  de  calceo  c.  11.  p.  94.  Lips.,  sehr  wohl  ein,  nvir 
dafs  er  dabei  auf  die  lächerliche  Ableitung  von  crepare  verliel, 
die  ihm  aucli  Fea  zu  Winckelmann,  Storia  T.  l.  p.  425.  A.  imd 
Andere  nachsagen. 

*)     Schon    Saumaise    ad   Script.    H.  Ang.  T.    I,    p.  845.  a.    benuikt»» 


'■% 


2a4 


üntcrsiicliiing  Kniiin  enfliallon ,  tliosc  Sdifoiiliasis  «Icn  Collinrn  der 
i;ric(liistlieii  Tenipcl  zu  noiinen.  So  vit'I  ist  wonij'sU'iis  j-ewifs, 
dafs  dieser  iinterji,ol»aiUe  Yorspiimji:  bei  jenen  Tempeln  im  Grofseii 
eben  «lie  Wirkung  boivorl»rarh(e,  wie  bei  einer  Iragiselien  Fii»ur 
der  bolic  Sdiuh ,  und  dafs  der  siiinreiebe  Künstler  walirsclieinlieli 
bei  beiden  von  demselben  Grundsalze  aus^ini»-.  Srlion  Win«kel- 
niann  niaelit  die  Bemerkung,',  dafs  sdiweilieb  ein  griecliiscber  Tem- 
pel ohne  jene  Basis  gefunden  werde.  Nalürlieb  wurde  auch  dieser 
Tlieil  der  Temjielarcliileklur  in  der  Folge  in  Verliällnifs  zu  allen 
übrigen  Tbeilen  anfserordenllich  vervollkommnet  nnd  die  Ilidie  und 
die  IMenge  der  Stufen  uaeli  dem  ritlitigsten  Ebeiimafse  bereelinet. 
Diefs  gebort  aber  in  das  Gebiet  eigener  üntersiicbniigon,  die  nielit 
im  Kreise  dieser  boseliränklen  Al)lian(llung  liegen.  Nur  so  viel 
kann  auch  hier  im  Yorbeigcben  nocli  erinnert  werden,  dafs,  wenn 
die  Frage  aufgeworfen  würde,  ob  es  auch  in  den  alten  Teni|ielu 
Plätze  gegeben  habe,  von  welehen  das  um  die  Altäre  im  Tenipel- 
bezirke  und  in  den  A'^orhöfen  versaninielle  Volk  angeredet  werden 
konnte,  diefs  bejahend  beantwortet  nnd  auf  den  oberen  Rand  dieser 
Stufen  gedeutet  werden  mufs  *).  Die  Krepis  oder  Basis  jener 
Tempel  könnte  also  in  gewissem  Verstände  eine  Rednerbühne  der 
Griechen  und  Römer  genannt  werden,  ^venn  es  deren  anfser  iliren. 
Theatern  ,  Tribunalen  und  Yersammlniigsplälzen  überhaupt  liedurft 
hätte.  Man  suchte  aber  der  Ileroengröfse  auch  durch  einen  Zusatz 
von  oben  nachzuhelfen.  Bekanntlich  geschah  diefs  durch  eine  in 
Gestalt  eines  griechisohen  A  oben  zusammenlaufende,  mit  Haar- 
locken besetzte  Erhöhung  über  der  Stirn  der  Maske  **),  die,  ein- 


diese  doppelte  Bedeutung:.  Das  Wort  yn-^irti;  und  das  davon  ab- 
geleitete crepido  bekam  in  der  Folge  besonders  noch  die  Bedent- 
wng  eines  aufgeniaiierten ,  mit  Auftritten  verselienen  Quais  an 
^  den  Häfen.  Pollux  IX,  28.  In  dieser  allgemeinen  Bedeutung; 
kommt  es  mehrmals  im  Vitruv  vor.  Siehe  Baldiis,  Lex.  Vitruv. 
s.  v- 

*)  So  unterliält  sich  Apollonins  von  Tyana  mit  den  Kphesiern  vom 
Absätze  des  Dianentempels  bei  PJiilostrat.  V.  A.  T.  IV.  2.  p.  1-)I. 
So  Polenio  vom  Olynipium  Adrian's  mit  den  Athenern  bei  eben- 
demselben.    Vit.   Sophist.  I,  25.  p.  533. 

**)  Der  Kunstausdruck  für  diese  Erliöhung-  war  cyy.og,  was  Pollux  l\. 
133.  durcli  cx^fj.«  Xa/xßboiths;  erklärt.  Daher  Alles,  was  prali- 
lend  und  aufgedunsen  ist,  den  Grieclien  Oxspayvtov  Iieifst.  S. 
Hemsterhuys  zu  Lucian's  Dialog,  Min.  p,  22.  Die  Lateiner  nann- 
ten sie,  wie  sclion  Cuper  und  Kühn  bemerkt  haben,  Superlicics, 
das  Ueberantlitz.  Denn  so  mufs  das  Fragment  des  Varro  beim 
Nonins  IV,  24.  gelesen  werden :  Tragici  prodeunt  capite  gihbero, 
cum  antiqua   lege   ad  frontem   superlicies    (^in   Putscliens   Ausgabe 


zelii  und  in  der  Nälie  betrachlol ,  freillcl»  mir  als  ein  niifünnllclicr 
AuswiH'lis  ersclieiiiea  iiinfstc  tiiid  insofern  die  Spöltereien  Lncian's 
gar  wohl  verdienen  moclife,  aher,  auf  die  Fenuing'  in  dem  Theater 
lierechnet  nnd  mit  dem  i;"aiizen  riesenhaft  ansslaflirten  Körper  in  rich- 
lii;es  Verhiillnifs  <;ehracht,  ihres  Zweckes,  dem  Znschauer  einen 
sehr  im|iosanlen  Anhiick  zu  ^ehen  ,  iiirht  A'erfelilen  konnte  *). 
Wie  nnn  dieser  tragische  Maskenanfsatz  znr  Erhöhung  der  Ile- 
roengeslalt  diente,  so  wiifste  man  t\n('h  den  Tempeln  von  oben  ei- 
ne» ebenfalls  spitzznianfendefi  Anfsafz  in  der  Art  von  Fronton  zu 
geben ,  welchen  uns  ein  anf  der  schmalen  Seite  zugekehrtes  Gie- 
beldach darbietet.  Mit  einem  Worte,  die  spitzanslanfcnde  Maske 
der  alten  Tragödie  und  die  zierlich  erhabenen  Gieltelgesinise  der 
alten  Tempel  sdieincn  bei  einerlei  Beslinimnng  auch  einerlei  Ur- 
sprung gehabt  zn  haben  ,  nnd  mau  würde  nichts  Ungereimtes  sa- 
gen ,  wenn  man  jene  Tempelfronlous  den  tragischen  Kopfschmnck 
der  alten  Göllerwohnnngen  hiefse.  Uniengbar  ist  es,  dafs  diese 
erhöhten  Giebeldächer  mit  der  immer  künstlicher  ansgeschniticklen 
Giebelfläche  oder  dem  Tympannm  der  alten  Baukunst  nicht,  wie 
Cicero  **)    in  einer  mehr  redneiischen  als  wahren  Ausschmückung 


Iieifst  es  snperflcias)  accedebat.  Die  deutlichste  Abbildung  findet 
man  an  der  Melpoinene  im  capitolinisclien  Sarkophag  und  unter 
den  Herkulanischen  Gemälden  If,  4.  Perizon  zn  Aelian  V.  H.  IV. 
22.  glaubt,  dafs  diese  Alaskencrhöluing  dem  Crobylus  oder  Haar- 
schmuck  der  alten  Athener  (^Tliuc)  d,  1, 6.)  nachgebildet  worden  sei. 
Man  erinnere  sicli  hierl)ei  nur  nocl»  des  Unistandes,  dafs  es  auf  dem 
alten  Theater  weder  Federhüte,  noch  bebuschte  Kaskets  gab,  wo- 
durch mancher  neue  Schauspieler  seiner  Gröfse  eine  Elle  zusetzt. 
Denn  Alles  ging  im  blosen  Kopfe. 

*)  Man  vergesse  hierbei  nur  nicht,  dafs  zn  dieser  Beschuhung  nnd 
diesem  Kopfputze  auch  alle  übrigen  Theile  in  gleiclien  Dimensio- 
nen ausgestopft  und  so  der  Kern  des  Acteurs  gleichsam  mit  einer 
kolossalen  Hülse  überzogen  wurde.  Lucian  erwähnt  ansdrücklicli 
falscher  Armschienen  (j^c,^,;Sg.)^  Bauchkissen  (irfoyas-r^/S««),  Leib- 
chen u.  s.  w.  S.  Jupit.  Tragoed.  c.  41.  nnd  de  Saltat.  c.  27.  T. 
ir,  p,  285.  lieber  das  Ganze  Jiing  man  dem  Acteur  den  langen 
Talar  mit  der  Schleppe  (syrma)  um,  der  nun  aucli  die  hohen  Soh- 
len bedeckte.  Kurz,  ein  so  ausstaflirter  Heros  mufste  durchaus, 
wenn  ihm  nicht  etwa  ein  Unfall,  wie  der  zu  Hispalis  Philostrat. 
V.  A.  T.  V.  3.  p.  216)  begegnete,  auf  die  weit  herumsitzenden 
Zuschauer,  die  die  wohlberechnete  Fernung  noch  durch  keine 
Gläser  und  Opergucker  zerstören  konnten,  einen  majestätiscJien 
Eindruck  machen, 

*)  de  Orat.  III.  46.  Cum  est  Iiabita  ratio ,  quem  ad  modum  ex 
utraque     parte     aliqua    delaberentur ,     utilitatem    templi    fastigii 


2oG 

seine«  Satzes  bolianptet,  hlos  dazu  eifimdoii  ihm]  gebraucht  wiinlcn, 
um  tler  Feurliligkoil  und  dem  Eiuilusse  der  nassen  Jalin-szeit  bes- 
ser zu  uidersleben  —  denn  dagegen  halte  mau  bei  den  (lachen 
Däcliern  der  Privatwohnungeu  längst  zweckdienliche  Vorkehrungen 
audeier  Art  in  Menge  zu  treffen  gewufst  *)  — ,  sondern  um  den 
Wohnungen  der  Götter  durch  diesen  der  Zierde  so  empfänglichen 
Autsalz  ein  erhabenes  Ansehen  zu  gehen  und  sie  vor  den  ahge- 
plaltelen  Häusern  gemeiner  Bürger  auszuzeichnen.  Wenn  daher 
der  aus  bunigefiederleu  und  langgeschnäbellen  Pajiagenos  zusam- 
nii-ngeselzle  Chor  in  den  Vögeln  des  Aiisln|)hant's  mit  komischen 
Vorspiegelungen  das  Irlheil  der  Kampfrichter  zu  bestechen  sucht, 
so  verspricht  er  ihnen  unter  anderen  Herrlichkeilen  (V,  1110.) 
auch  die, 

Ueherdiefs  soll  eure  Wohnung  künftig  wie  ein  Tempel  sein  ; 
Denn  wir  bau'n  auf  eurem  Haus  ein  adlerförm'ges  Giebeldach. 

Wie  halte  aber  die  hier  verheifsene  Apotheose  stattfinden  können, 
Avenu  nicht  damals  noch  in  Athen  diese  Dächer  eine  ausschliefs- 
liche  PräiDgalivt?  der  Götlerwohnungen  gewesen  wären,  die  daher 
sehr  bedeutend  die  Hochbedachten  genannt  werden?  **)  Ich  will 
indefs  nicht  leugnen,  dafs  man  nicht  bei  Privatwohnungen  in  Grie- 
chenland und  llalieu,  wo  mau  das  Dach  nicht  zum  Sonnenbad  mit 
oder  ohne  Oel  oder  aus  anderen  Gründen  flach  haben  wollle,  und  wo 
überhaupt  andere  Localursachcn  und  Witternngsregeln  eine  etwas 
abschüssige  Bedachung  forderten,  auch  diese  häufig  angetroffen 
habe  ***).  Nur  ist  überhaupt  hier  nicht  sowohl  von  dem  ganzen 
Dache,  als  nur  dem  eigentlichen  Giebel  oder  Fronton  über  dem 
Prouaos  oder  «ler  Halle  die  Rede.  Denn  da  man  diesen  theils  in 
seiner  inneren  Fläche  mit  den  schönsten  Bildwerken  in  halberhahe- 


dignitas  consequuta  est.  Cicero ,  der  hier  den  ketzerischen ,  in 
der  Aesthetik  der  Neueren  so  hart  angefoclitenen  Satz  zn  be- 
weisen sucht,  dafs  das  Nützliche  aucli  immer  schön  sei,  gelit  hier 
als  Redner  zu  Werke. 
*)  Die  Deckplatten,  woniit  das  Dacli  eingedeckt  wurde,  tegulae  (s. 
Rode  zu  Vitruv  III.  3.  Th.  I.  S.  147.)  wurden  in  einen  wasser- 
haltigen Kitt  gesetzt  oder  mit  einer  Art  von  Estrich  zubereitet 
und  mit  Rinnen,  die  durch  Hohlziegel  ausgesetzt  wurden,  so 
durchsclinitten,  dafs  das  Wasser  überall  in  den  Hof  (impluvinni) 
ablaufen  konnte.  Man  darf,  um  sich  eine  Idee  von  den  ilachen 
Däcliern  der  Alten  zu  machen,  nur  den  Miles  gloriosus  des  Plau- 
tus  lesen. 

**)     Aristophanes  in  den  Wolken  306. 

***)     Besonders  in  den  s[)äteren  Zeiten.     Eine  merkwürdige  Stelle  hier- 
über finde  ich  in   Galen's   Commentar  zu  Ilippocrates  Bucli  xsf< 


287 

ner  Ai\mi,  in  Mhimioi-  oder  ji^ohinonfei'  Erde  aiisziisclmiiicken  *), 
tlicils  au  dpa  zwoi  Fliig^'lpndt'ii  und  der  oliereii  Spitze  von  aufscii 
mit  SliWiieii  und  ganzen  Bil(leru,iu|ipen  zu  verzieren  pHeglo,  welebeii 
mau  die  bestinimlere  Benennuni»-  Anfsenwerke  oder  Spilz/ieraHien 
zu  gelten  pflegte  **),  so  bliel»  diefs   wenigsleus  auch  in  den  Zeiten 


aoSowv  T.  V.  p,  615  eA.  Basil.  Wenn  Jemand  einen  Söller  (d. 
Ii.  ein  öaches  Dach,  ans  dem  Lat.  solariuni,  im  Griecli.  steht: 
vjXtaarijQiov)  auf  seinem  Hause  haben  will,  so  macht  er  das  Dach 
flach  (jv£ir('x£§ov")  ,  damit  er  es  zur  Bewahrung  der  Sonnenhitz« 
geschickt  mache.  (^Icli  lese  statt  der  verdorbenen  Worte  c-jy.  dkt'x 
IffXovffAv  igyäc-iToii  mit  geringer  Veränderung  i'v«  ÖAsiv  'it^ow^v 
iQyä(T-/}rat.  Saumaise  zu  den  Script.  H.  Aug.  T.  I.  \\  67G  a. 
bringt  durcli  willkürliches  Absclineiden  und  Zusetzen  freilich  einen 
ganz  andern  Sinn  heraus).  Deckt  er  aber  das  Dach  mit  Ziegeln 
ein,  so  will  er,  dufs  das  Regeiiwasser  gut  ablaufen  soll.  Zu  die- 
ser Absicht  lälst  er  also  ein  Giebeldach  von  hinten  bis  vorn  zu 
geilen   u.  s.  w, 

*)  Denn  hier  und  in  den  Friesen  zeigte  sich  eigentlich  die  Scnlptur 
der  Alten  in  ilirem  höchsten  Glänze,  und  die  grÖfsten  Meister  ar- 
beiteten die  Reliefs ,  _  deren  Iniialt  sicli  gewöhnlicli  auf  die  ira 
Tempel  verehrte  Gottheit  bezog.  So  liatte  Phidias  selbst  die  Bas- 
reliefs an  den  Giebelfeldern  des  Parthenon ,  Alcameues  die  an 
dem  Tempel  des  Jupiter  zu  Olympia,  Praxiteles  an  dem  Hercu- 
lestempel  zu  Tlieben  und  Praxis  und  Androsthenes  an  dem  Tem- 
pel zu  Delphi  gearbeitet.  Die  Stellen  citirt  ajn  vollständigsten 
Stieglitz,  Gesch.  der  Baukunst  S.  335.  f.  Die  tuskisclie  oder  etru- 
Tische  Plastik  setzt  an  die  Stellen  der  Scnlptur  in  Marmor  zier- 
liclie  Arbeiten  in  TJion  oder  Terra  cotta,  wohin  viele  Fragmente 
im  Museum  Etiuscum  geiiören. 

)  Hierher  geiiören  die  signa  in  fastigiis  beim  Plinias  XXXV,  12.  s. 
33.  36.  XXXVf.  2.  s.  2.  Das  vieldeutige  Wort  fastiginm  bezeich- 
net sowohl  im  Allgemeinen  jedes  sattelförmige  Dach  (welches  der 
Grieche  bestimmter  airujfxa  nannte),  und  insofern  fand  man  es 
auch  häufig  auf  Privathäusern ,  oft  melirere  neben  einander  (Ci- 
cero ad  Quint.  Fr.  HI.  1.  4.)  insbesondere  als  den  mit  einem  be- 
sonderen Giebelfelde  aufgeschmückten  Fronton,  nnd  so  gestaltet, 
war  und  blieb  es  eine  Distinction  der  Götter,  und  seit  Cäsar's 
Zeiten  (s.  Schwarz  zu  Plinius  Paneg.  p.  242.)  der  Cäsaren  in 
Rom.  Yergl.  zu  Cicero,  Philipp.  H.  43.  Denn  wenn  auch  die 
PrivatliUuser  Giebeldächer  liatten ,  so  fehlte  ihnen  doch  die  tem- 
pelartige  Fronte  (corona,  tympanum,  acroteria).  Der  Fronton 
selbst  hatte  drei  Giebelzinnen,  die  Vitruv  mit  dem  Kunstausdruck 
acroteria  nennt,  zwei  Kckgiebelzinnen,  angnlaria,  und  die  mittlere 
Giebelzione  oben  auf  der  Spitze.    Auf  diese  stellte  man  nun  wie- 


288 

lies  giöfsteii  Lnxiis  in  den  PilvatudiänJeii  ein  Vorroclit  der  Tom- 
uel,  1111(1  es  wurde  dem  noch  dmcli  keinen  Tviaiineiiiiiord  apolheo- 
sirten  ('äsar  als  eine  zu  Kiiliii  aiirslrcltende  Aiiniafsniii»;  aii!j;eiecii- 
iiet ,  dafs  er  seiner  Woliiunii^-  ein  so  veizierles  Giclieldach  zn  ge- 
l)en  sich  durch  einen  Ralhschlnls  herechliul   ulaiihle. 

Der  Grieche  hezeichnet  diese  mehr  oder  \veiiiü:er  prächfig  ans- 
i>cschniiick(en  Frontons  an  den  Tempeln  luil  demsclhen  Worte,  wo- 
mit er  den  Adh'r  heneiint  (ätrl;),  nnd  es  ist  immer  als  ein  ar- 
cliäolui|,isches  Piäiliscl  aii_2,e»i<'lit'n  worden,  wie  es  komme,  dafs  man 
diesen  archilektonischcn  Kiinstaiisdrnck  j^cradc  vom  Adler  ciillehii- 
|i'.  Die  alten  i^riechischen  Grammatiker  scheinen  fast  alle  darin 
iihereinznkonunen ,  dafs  sii;  den  Urspriin:^-  dieser  Benennnni»-  hios 
in  einer  gewissen  Aclmlichkeit  finden ,  die  ein  solcher  Fronton  mit 
einem  wirklichen  Adler  zn  hahen  scheine  *).  Lorenz  Bej^er,  der 
vielhelesene  Hofautiqnar  zu  Berlin  zn  Ende  des  vorigcu  Jahrhun- 


der  Statnen,  welche  die  dorische  Baukunst  (und  also  aucli  die 
fiüli  vei'schwisterte  toscanisclie,    daher  mos  toscanicus    bei  Vitruv 

III,  2.  in  dieser  Saclie,)  nun  auch  öiy-owrij^toc  hieCs.  Denn  gewifs 
Ijiauchten  auch  die  dorisclien  Grieclien  scliou  diese  Verschönern iiji; 
(obgleich  Rode  zum  Vitruv  Tli.  I.  S.  145.  diefs  bezweifeln  möch- 
te), wie  uns  die  Glosse  des  Ilesychius  unleugbar  beweis't,  T.  1. 
K.  207.  axfW7v)f/a  rix  s-ravw  rJjv  vaüJv  ^ujhix  (. '"berhanpt  Statuen, 
wie  die  Victoria  auf  den  Giebeln  des  Jupitertenipels  zu  Olympia 
beim  Tansanias  V,  10.  p,  40,  nicht  blos  Tliierliguren,  wie  aucli 
Bosius  zu  Cicero  ad  Att.  T.  I.  p.  509.  Graev.  nocii  glaul)te)  äva- 
T<St/-t£v«  AwfisT?.  Oft  mögen  es  freilich  auch  andere  Zierden 
gewesen  sein,  die  unseren  Wetterfahnen  niclit  ungleich  waren,  wie 
aus  der  .Stelle  des  Cicero  ad  Att.  V.  12.  hervorgelit,  und  so  et- 
was war  auch  wohl  das  ftxowrvjfiov,  welches  Calpuinia  im  Traume 
von    Cäsar*'s   Hause  herabfallen  sah ,    Plutarcli  in  Caes.   c.  ü-4.  T. 

IV.  p.  439.  Bei  den  Tempeln  liatte  dieses  Bildweik  immer  Bezieli- 
ung  auf  die  Gottlicit  des  Tempels.  So  die  üuadriga  auf  dem 
Fronton  des  Capitols.  So  die  his,  die  auf  einem  Hunde  reitet, 
beim  Dio  Cassius  LXXIX,  ]0.  p.  1359.  Weil  diefs  der  letzte.  Al- 
les vollendende  Schmuck  des  Tempels  war,  so  stammt  auch  daiier 
die  sprichwörtliclie  Redensart:  operi  fastigium  imponere. 

Mehr  noch  als  Eustathius  und  die  Schollen  zum  Aristophanes  gilt 
Galen's  Bestimmung,  der  in  der  sciion  oben  angeführten  .Stelle 
Op.  T.  V.  p.  615,  ausdrücklich  sagt,  wenn  von  beiden  .Seiten  das 
Dach  ablaufe,  so  mache  diefs  w^xt^  rtuag  ■!rTi(yvyoig  Ka5i(/-iivaf 
(denn  so  mufs  allerdings  statt  KaS>)/aivaf  mit  Saiimaise  ad  Script. 
H.  A.  T.  I.  p.  676.  gelesen  werden),  denn  damit  vergleichen  die 
Alten  diesen  Tiieil  der  Architektur,  setzt  der  gelihrte  Leibarzt 
hinzu. 


289 

der(s ,  siicli(e  ans  elnigoti  alten  Miiiizen  zu  beweisen ,  dnfs  mau 
wirklirhe  Adlt'ralihildiini'eii  auf  die  Giehel  der  Tempel  geselzt  und 
daher  Veranlassiin»-  geiioiiimeii  liäKe,  diese  Giebelfelder  selbst  auch 
Adler  zu  neiincn  *)  Winckeliiiaiin ,  der  überhaupt  in  seinen  frü- 
heren Srhriflen  häufii»,'  ans  Bei>er's  Brüniilein  schöpfte,  ohne  gerade 
jederzeit  seine  Quelle  anznoeben,  hat  auch  diese  Meinnriiij  in  seine 
Anmerkiini>en  über  die  Baukunst  der  Alten  slillschweio^end  aufi;e- 
nommen  **).  Und  ihr  jidicbtel  auch  Yiscond  mit  der  Einschräuk- 
nng-  bei,  dafs  diese  Adler  wohl  nur  als  Reliefs  in  dem  Tjmpanum  oder 
der  dreieckigen  F'liiche  des  Frontons  angebracht  worden  Avären  ***). 
Ich  möchte  noch  immer  jener  altern  Erklärungsart ,  nach  wel- 
cher die  Benennung-  von  der  Aehnlichkeit  mit  einem  ruhenden  Adler 
abgeleitet  wird,  vor  allen  übrigen  die  gröfste  Wahrscheinlichkeit 
zugestehen  -}-),  Adler  safsen  häufig-  auf  Tempelgesimsen,  in  deren 
Nachbarschaft   es   immer  etwas    zu    schmausen  gab ,    nud    wo    sie 


*)  Beger  in  Spicileg.  Antiq.  n.  IIF.  p.  6.  f.  Ans  den  dort  gegebenen 
Münzen  läfst  sich  gar  nichts  schliefsen.  Die  eine  mit  der  be- 
kannten Inschrift  KOINON  KlAlKIAS  hat  allerdings  einen 
Adler  im  Giebelfelde  des  Reliefs.  Allein  da  diese  za  Tarsus  un- 
ter den  Kaisein  selir  häutig  vorkommende  Münze  (s.  Eckhel, 
Doctr.  Nnni.  V.  T.  III.  p.  78.)  den  Tempel  auch  ohne  den  Adler 
Jiat,  so  sieht  man,  wie  willkürlich  dieses  Adlerbild  darauf  gewesen 
ist.  Eben  diefs  gilt  von  der  Münze  von  Seleucia ,  wo  der  Adler 
nur  als  ein  Zeichen  des  blitzenden  Jupiters  auf  die  Spitze  des  vier- 
säuligen  Tempelchens  gesetzt  wurde,  und  auch  fehlen  kann,  wie 
man  aus  einer  übrigens  ganz  gleichen  Münze  bei  Pellerin,  Recueil 
T.  III.  pl.  80  ,  70.  sehr  deutlich  sieht ,  wo  statt  des  Adlers  nur 
ein  Knauf  auf  der  Spitze  angebraclit  ist.  üebrigens  möchte  ich 
damit  keineswegs  leugnen,  dafs  nicht  oft  Adler  aus  Bronze  auf 
die  Giebelzinnen  gesetzt  oder  als  Reliefs  auch  in  den  Feldern  an- 
gebracht worden  wären.  Beispiele  finden  sich  häufig  auf  Münzen 
(vergi.  Spanlieim,  de  Us.  et  Pr,  Num.  T.  II.  p.  646.)  und  an- 
deren Denkmälern.  Ja  ich  möchte  sogar  d«n  Adler  bei  Cajlus, 
Recueil  des  Antiquites  T.  IV.  pl.  85.,  3.  wegen  der  an  den  Flü- 
geln eingebohrten  Löcher  lieber  für  eine  solche  Tempelzierde  als 
für  einen  Legionenadler  lialten. 
/  »*)  Nach  der  italienischen  Ausgabe  von  Fea,  T.  IlL  65» 
\  ***)  S.  .die  Vorrede  zum  Museo- Clement.  T.  IV,  p.  VII.,  womit  auch 
Heyne  zum  Pindar  S.  160.  der  neuen  Ausgabe  einverstanden 
ist. 
4)  Wie  auch  schon  Saumaise  ad  Script.  H.  Aug.  T.  I.  p.  675.  und 
Gedoyn  ,  Ilistoire  de  l'Acad.  des  Iiißcriptions  T.  VII.  p.  HO.  ge- 
than  haben. 
Uölliscr'i  ivleinc  SchliticJi  1,  10 


290 

als  B«t(«'H  mid  T.it'ltllniifi  <1<'S  Zoiis  *)  eine  iinvcilolzlirho  Fioislälto 
laiMli'ii,  waliisi'lioirilicli  .•iiicli  oft  scllist  von  de»  Pricslcrn  und  Tfin- 
(wldiciu'iH  als  lioilip,«  Tliiore  i:;o|illi'i;t  oder  dem  Alteij;l.inl(('n  als 
voi bedeutende  Anzeichen  vori?eslellt  wurden  **).  Dafs  dirs  iiänli»- 
der  Fall  war,  licweis't  ein  Fraiiinent  des  allen  Koniiidit-ndidilcrs 
EpiUrales ,  w»  er  die  rünherisclien  ,  dnreh's  Alter  iluer  Reize  liOr 
raubten  Bulileriinien   mit   solilien   allgcwordeneu   Adlern  verj^leicbt: 

Und  wenn  sie  alt  geworden,  sitzen  sie 

Dann  auf  den  Tempeln,   hart  von  Frefsbegier 

Cie^iuilt,  das  Iiült  man  für  ein  Wnnderzeicben  ***). 

Nun  hat  der  eigentliche  Gold-  oder  Steinadler  (faico  chrysaeelos, 
Linn.),  wenn  er  ruht,  die  Art,  beide  Fliij^el  so  sinken  zu  lassen, 
dafs  dadurch  die  Figur  eines  Dreiecks  der  lebhaften  Phantasie  der 
Griechen  sehr  leicht  vor  Ansen  geliracht  werden  konnte.  Man  er- 
innere sich  nur  an  die  ]>r;iclitiü,e  Seliildernnu,  des  königlichen  Vo- 
gels l)eini  l'indar  in  den  Pvthisclien  Siegeshvninen  (1,  10.):  .,es 
schlummert  auf  dem  Scepler  der  Adler  des  Zeus ,  den  schnellen 
Fitlig  auf  beiden  Seiten  heralisenkend."  Und  gerade  so  finden 
■wir  ihn  auch  noch  auf  alten  Denkmälern  gestaltet  f).  Nun  erst 
begreift  mau  auch,  wie  der  Name  Flügel  (xTs^ä)  mit  der  Beuenn- 


*)  Das  Adlersymbol,  das  bis  anf  den  heutigen  Tag  seine  Fittige  über 
ganze  Ileiclie  ausbreitet,  lüfst  sicli  vielleicht  seihst  bis  in's  frühe- 
ste Alterthum  und  bis  Oherasien  verfolgen.  Der  gelehrte  Präsident 
der  Gesellschaft  zvi  Kalkutta  \V.  Jones  erklärte  den  indischen 
Adler  für  den  echten  Vogel  Jupiters  Vergleiche  Lichtenstein's 
Rede  in  Eichhorn's  allg.  bibl.  Bibliothek  Th.  VlII.  S.  G14.  Da- 
her ehrten  ihn  auch  die  Perser  nnd  Aegypter  als  ein  ßaffiXiAcv 
^tucv,  Diodor  I,  87.,  noch  ehe  die  Griechen  ihn  in  ihrer  Bildiie- 
rei  und  Augnraldisciplin  zum  Hunde  des  Jupiter  (nach  Aeschylns, 
Prom.  1020.  n.  Agam.  139.)  erklärt  hatten.  Kr  war  wahrscheinlich 
selbst  ein  Fetiscli  und  als  solclier  kommt  er  von  den  Etruriern 
nach  Rom  und  auf  die  Paniere  der  Römer. 
**^  S.  die  Collectaneen  bei  Spanheim  zu  Callim.,  II.  in  Jovem.  C9,  p. 
58.  und  Staveren  zu  Fulgentius,  ]\Iyth,  I,  25»  p,  654. 
***)     Atli.  Xlll.  3.  p.  570.  C. 

Orav  h's  yviqäffy.Miriv  j)ü>),  iv)  rcre 
'F,irt  Tcüf  vtoi;  l^wji  vitvüJvTBg  y.ay.wg  k.  r.  X. 
"f")  S.  den  Jupiter  anf  der  Ära  in  der  Villa  Alhani  bei  Winckelmann, 
Monuni.  Antich.  Ined,  n.  G.  Man  niufs  liierbei  nur  den  fliegenden 
.Siegesadler,  wie  ihn  z.  B.  Aristomenes  als  Relief  (xpifri/Tsv,  crusta, 
denn  so  verstehe  ich  das  Wort  sifiSy^/xa)  auf  seinem  Schilde  trug, 
beim  Pausanias  IV.  16.  p.  513.,  von  dem  ruhenden  auf  Saiden  und 
anderen  Krhöhungen,  wo  er  blos  zur  Zieratli  diente,  unterscheiden. 


291 

iiiig-  Adler  in  diesen  Tenipeljiiebelii  bIcIi  vereinigen  konnte  *),  der 
doch  gowifs  Itlos  nni  der  Aehnliclikeit  willen  juifänglich  nur  vou 
den  bervorragendiMi  Aasseliwcitiingcii  des  Giebeldaches  anf  beiden 
Seilen  und  sjiäter  erst  von  den  um  den  Tempel  bernnilanfenden 
Sünlenreiben  und  Galeriecn  (in  den  arcliitekloniscbeu  Bencnnnngeu 
Peripleros,  Dipleros  u.  s.  w.)  gebranciit  wurde. 

Eine  alle  Üeberliefcrnng  sehrieb  die  Erfindung-  zweier  Fron- 
tons an  den  Tempeln  den  Corinlbiern  zn.  Denn  diefs  will  Pin- 
dar  sagen,  wenn  er  in  seiner  etwas  gesnthlen  Spraebe  da ,  wo  er 
vom  Genie  der  Corinlhier  spricht,  auch  diefs  zn  ihrem  Lobe  an- 
führt: „wer  Anderes  als  sie  hat  den  doppellen  König  der  Vögel 
auf  die  Tempel  gesetzt? <^  ♦*)  Man  bat  diese  Stelle  gewöhnlidi  so 
verstanden,  als  wenn  die  Corinlhier  überbaujit  die  ersten  Haumei- 
ster  gewesen  seien,  die  den  glücklichen  Gedanken  gehabt  hiiltcn,  das 
Tempelgesimse  mit  einem  Fronion  zu  zieren.  Allein  diefs  wollle 
Pindar  gewifs  nicht  sagen.  Nnr  von  einem  doppcllen  Fronton  ist 
die  Rede  ;  und  so  erführen  wir  also  durch  jene  Stelle  nnr  die  Ur- 
heber der  Tempelforui,  vrelcbo  die  späteren  Baumeister  Amphi- 
prostvlos  (Yitruv,  HI,  1.),  Tempel  mit  Vorder-  und  Hinterfronte, 
nannten. 


*)  So  sagen  die  Schollen  zu  Aristopbanes''s  Vögeln  1110:  ra;  rwv 
/ejtuv  (Trsy«?  vrsgci  y.a]  äsrcui  v.äXovc-«.  Vergl.  Yalckenaer,  Diatr, 
ad  fragm.  Eurlp.  p.  214.  Hierher  gehört  auch  die  Glosse  des  He- 
sychius,  der  astig  zweimal  T.  I.  c.  116.,  17>  und  c>  149.,  7.  to 
yv/xärtov  av  ro7f  yttffaoii  erklärt.  Was  die  nujuatiöc  sind,  zeigt 
Sanmaise  zu  den  Script.  H,  Aug.  T.  H.  p.  572.,  vergl.  zu  Hesy- 
cliius  T,  II.  c.  375.,  10.  Ks  ist  liier  noch  nicht  an  die  spätere 
Bedeutung,  wo  es  so  oft  beim  Vitruv  für  die  Kehlleiste  steht,  (s. 
Baldns,  Lex.  Vitruv.  s,  v.  und  Rode's  Wörterbuch  S.  14.)  zu 
denken, 

**)  Pindar's  Olymp.  XIII.  29.  Die  Schoben  berufen  sich  dort  auf  das 
Zeugnifs  des  Tiinäus,  der  eben  dieses  erzählt  hübe.  Der  Tempel 
von  Corinth ,  den  wir  auf  dem  bekannten  Relief  der  Villa  Albani, 
wo  die  Scene  mit  dem  Diogenes  vorgestellt  ist,  in  Winckelmanu's 
Monument.  Antichi  Inedit.  n,  174,  erblicken,  bat  doch  nur  ein  ein* 
ziges   Giebelfeld. 


19 


IV. 

üeber  die   Sclaveiitracht 

der 
Fabula   Palliata. 


Si 


►ic  frao^en  micli  über  das  Kosliim  «1er  fabnla  pallia(a.  --  Un- 
sdcifi^  steht  Ihnen  ein  Exemplar  des  Codex  Valicaiiiis  des  Terenz 
mit  colorirten  Tafeln  zn  Gebote.  —  Die  hier  naeh  der  üeberlie- 
feiiinj^'  j^ei^ebenen  Abhildnngen  sind  doch  immer  nicht  ganz  zu  ver- 
aehlen.  Herder  in  Wittenberg  fühlte  sehon  in  der  Mitle  des  vori- 
gen Jahrhunderts  ihre  Wichtigkeif.  Die  kostbare,  scliwer  nachzn- 
liiblende  Maske  können  wir  uns  in  unserer  JNnfsschale  vom  Thea- 
ter lüglich  ersparen.  Aber  falsche  Nasen  und  ein  Slirnsiück  sind 
doch  anznrathen.  Als  von  Einsiedel  in  Weimar  seine  Brüder  nach 
Terenz  zum  ersten  Male  auf  die  Bühne  brachte,  glaubten  Heinrich 
Mever  und  ich,  als  wir  uns  mit  Gölhe  darüber  heriethcn,  doch  die 
an  Stirnstreifen  zu  befestigenden  Nasen  nicht  entbehren  zu  können. 
Sie  haben  unstreitig  diese  Brüder  mit  der  colorirten  Bildertafel, 
■wie  sie  bei  Göschen  in  Leipzig  erschienen  sind.  Nach  diesem  Vor- 
bilde sind  sie  wohl  acht  Jahre  hinter  einander  in  Berlin  unter  Iff- 
land  gegeben  worden.  — 

Sie  fragen,  wie  sich  die  Sclaventracbt  von  der  der  freigebo- 
renei),  aber  nur  gemeinen  Bürger  unterschieden  habe.  Ich  halte  die 
Tunica ,  j^/rüjv  iTj^o/aac-^aXo^  u.  s.  w.  für  sehr  unzuverlässig  und 
höchstens  aus  einzelnen  Fällen  altstrahirt.  Ich  bin  überzeugt,  dafs 
die  Sclaventracbt  in  Athen  von  der  der  ärmeren  Bürgerklasse,  von 
den  ^>jTSf,  sich  eben  so  wenig  unterschieden  habe  als  in  Rom  von 
dem  tuuicalus  popelliis.  Auf  der  Sfrafse  hatten  sie  gewifs  auch 
ein  kurzes  Mäntelchen ,  was  aus  einer  Stelle  des  Terenlius  und 
Plautus  hervorgeht.  Nur  war  Alles  kürzer,  enger,  dürftiger,  die 
Farbe  schmuzig  braun  oder  grau,  plebs  pullata,  <f)a/cx'''rwv ;  so  auch 
bei  den  Sclaveo.  Es  ist  das  drab  coloured  des  britischen  John  Bull. 
Sie  fragen :  Hatte  der  Parasit  Phormio  in  seinem  Ansehen 
Hud  Kostüm  etwas  Charakteristisches?    Der   einzige  Helfer  in  der 


293 

Notli  ist  aiu-li  liier  das  Onomaslimm  des  Polliix  IV,  148.  Erst 
iiiiteisrheidet  man  den  y.ika^ ,  wie  der  Gnatlio  ist,  im  Euniichus, 
und  den  Tra^äairog  vou  unserem  Plioruiio,  Aber  Beide  Laben  et- 
was Gemeinsehafiliches.  Sie  sind  iiziyQvwoi ,  Habicbtnasen,  und 
fjToSjTf,  (so  müssen  wir  lesen)  Gennfsmänuer.  Aber  es  niebl  ein 
dritles  Merkmal.  Sic  sind  //i'Aavsf,  d.  h.  von  dnnkeler,  gebrannter 
Gosiclitsfaibe ,  welclie  iliiien  etwas  Verwogencs,  Unternehmendes, 
Keckes  giebl  (das  confidens  bei  Teienz).  An  die  Farbe  des  Klei- 
des ist  dabei  nicht  zu  denken.  —  Das  geht  ans  dem  Zusätze  im 
Pollnx  hervor,  oCa  in  ryi;  iraXa/o-Tfoif,  denn  so  mufs  nnbezweifelt  ge- 
lesen werden  statt  des  verdorbenen  o-jy.  i^M  ■jraAoi'ffTfaj.  Es  ist  bekannt, 
dafs  die  paiaesira  durch  das,  was  man  Einsaibnng-  und  Bränniing- 
in  der  Sonne  (nnclio  ,  insola(io)  nannte,  der  Haut  der  durch  die 
Gymnastik  sich  kräftigenden  Männer  und  Jünglinge  jene  mannhafte 
Bräunung  gab,  die  die  Griechen  durch  das  unübersetzbare  Wort 
irTvo;  bezeichneten  und  der  weibisch  wcifsen  Hautfarbe  eo  schneidend 
eufgegenstelllen,  so  wie  auch  in  den  Bronzestatueu  der  Alhlelcn  nach- 
ahmten. Diese  noble  Schwärze  war  es  nicht,  sondern  die  eines 
ueapolitauischen  oder  römiscbcu  Banditen ,  ruffiano.  Damm  hiefs 
diese  Art  fxikavsg,  nigri.  —  Hieher  geliörl  die  oft  citirte  Stelle 
iu  Cicero's  Rede  pro  A.  Caecina  c.  10. :  Phormio  uec  minus  niger 
quam  ille  Terentianus  est.  —  Diefs  mufs  freilich  zuerst  auf  die 
verruchte  Denkart  des  Kerls  bezogen  werden.  Allein  diefs  wurde 
doch  auch  durch  die  Gesichtsfarbe  der  Maske  ausgedrückt.  Hotte- 
mann hat  zu  jeuer  Stelle  eiu  Fragment  aus  einem  Lustspiele  des 
Komikers  Alexis  angeführt  beim  Athenieus,  das  vielleicht  Pollux 
selbst"^  im  Sinne  hatte.  Also  würde  sich  der  Acleur,  der  die  Na- 
nienrolle  des  Stückes  spielt,  dem  gemäfs  ganz  besonders  das  Ge- 
sicht anmalen  müssen ;  was  aber  Pollux  vou  den  breitgeklopfteii 
Ohren  sagt,  (es  war  wToxXaS/a; ,  aber  nicht  durch  eiuen  Pankra- 
tiasteuschlag ,  sondern  durch  die  colaphos  der  Tisclipatroue)  könn- 
te,  sowie  das  Hinanziehen  der  Augenbrauen  nur  au  einer  Avirk- 
lichen  Maske  angebracht  sein.  —  Ich  bemerke  nur  noch,  dafs  iu 
der  Stelle  des  Pollnx  gleich  darauf  statt  des  sinnlosen  6iV.ov<xi;  ge- 
lesen werden  mufs  Z^njwviKs;.  —  Auch  was  über  die  Koslüniiruug 
des  Huren wirths  (xo^vo/Soa-v.:?,  eine  charakteristische  Allileraliou  des 
y^ot^cßo'yy.öi;)  l)ei  Pollux  5,  145.  Vorkommt,  lehrt  uns  weiter  nichts, 
als  dafs  der  Kerl  gewöhnlicli  mit  einer  Glatze  abgebildet  wurde. 
Indefs,  wenn  auch  Pollux  hier  von  der  Farbe  des  Schandbuben 
schweigt,  so  ist  es  doch  der  Aualogie  gemäfs,  dafs  er  buntgestreifte 
Kleidung  gehabt  habe.  Denn  auch  die  Verschnitteneu ,  was  aus 
dem  Eunnchns  bekannt  ist,  und  die  Lustdirnen  selbst  zeichneten  sich 
durch  solche  buntstreifige  Tracht  aus,  vou  welcher  ich  übri- 
gens im  Allgemeinen  einen  Aufsalz  im  Wiener  Modejonrual  vom 
Jahre  1826  gegeben  habe.  Denn  wenn  auch  die  Griechinnen  nu- 
streilig  auch  farbige,  besonders  gelb  gefärbte  und  schillernde  Ge- 


294 

w.'liiilei'  sfels  ••t'{ra«!;'eii  haben,  wie  sie  solioii  PolyJiiiot  nia1<e,  so  Ist 
dids  (loili  selir  von  den  biinlsliTifia,en  und  c|nadrilliilen  SlolFen  zu 
imleisflieiden,  die  wooen  der  Gescliniaeklosii^kelt  iliier  sich  durch- 
schneidenden  Linien  in  den  Aniien  der  feinsinnigen  Griechin- 
nen immer  als  el\v>is  iJaiharisches  erschienen.  Der  »anze  Kn|t|i- 
lernarm  aber  kam  über  Cv|iern  ans  Asien,  Ans  der  Stelle  des  Poc- 
Duius  des  PianlnslV,  2,  23.;  ntvestilns  est  j)erfossqr  parietnm,  l;ifsl 
sich  uiiithniarson,  dafs  so  ein  liallio  wirklicli  eine  anlfallende  Kleidung 
liaUo ;  der  dort  excerpirle  Tninehns  (aus  dessen  Adversariis)  hat 
seine  Weisheit  doch  nur  dem  Julius  Cäsar  Scaliger  in  dessen  Poetik 
I,  14,  Äu  danken.  —  Was  übrigens  die  farbigen  Gewfinder  auf 
den  griecliischen  Bühnen  (die  noch  immer  von  der  üblichen  Tracht 
im  gemeinen  Leben  untersciiieden  werden  müssen)  im  Allgemei- 
nen anbefrifft,  so  leidet  es  keineu  Zweifel,  dafs  die  ganze  <7xsv») 
der  Tragödien  in  den  lebhafteslen  Farben  in  Malerei  und  Sticke- 
rei (durch  die  plirvgiones)  sich  hervorhob.  Man  darf,  um  sich  davon 
zu  übfizeugen,  nur  einen  Blick  auf  die  colorirte,  fast  nur  tragi- 
sche Actcurs  iu  ihrem  Kostüme  darstellende  Mosaiklafel  werfe», 
die  noch  nach  Milliu's  Tod  in  Paris  in  einem  eigenen  Werke,  De- 
sciiplion  d'une  mosaique  autique  du  Musee  Pio- Clementin  a  Rome 
(Paris,  Didot  1819.)  erschienen  ist.  Ich  habe  diesen  Punkt  selbst  auch 
iu  meiner  Abhandlung  üher  die  Furienmaske  erläutert.  Auch 
bat  unser  Baron  von  Stackeiberg  eine  ganze  Reihe  solcher  tragi- 
scher Acteurs  sehr  buntfarbig  iu  seinen  Portefeuilles.  Aber  die 
Garderobe  der  Komödie  wufste  von  solcher  Pracht  und  Herrlich- 
keit nichts.  Die  Hauptsache,  wie  auch  aus  Pollux  deutlich  her- 
Yürgeht,  war  die  Charaktermaske.  Die  Kleidung  wich  wohl  nicht 
von  der  im  gemeinen  Leben  auf  dem  Lande  und  in  der  Stadt  ab. 
Hier  blieb  Weifs  mit  allerlei  verbräniender  Einfassung  die  durch 
das  Herkommen  gebotene  Hanptfarbe ;  darauf  nnifs  auch  bei  einer 
modernen  Darstellung  des  Antiken  besonders  Rücksicht  genommen 
werden.  Doch  erlaubte  man  sich  bei  der  Aufführung  der  Brüder 
in  Weimar  auch  davon  aus  triftigen   Gründen  manche  Abweichung. 


V. 

Waren  die  Frauen  in  Athen  Zuschauerinnen 
bei  den  dramatischen  Vorstellungen? 


Erste    Abhandlung. 

Öo  aiiffallcinl  ancl»  die  Vernciining  dieser  Frage  Jedem,  der  un- 
sere Silteii  zum  ]Mafss(ab  des  grieeliischeii  Alierthums  näiime,  sein 
müfste,  so  ausgemacht  gewifs  sclieiiit  es  mir  doch  zu  sein,  dafs 
ehrbare  Alheiieriiiiieu  nie  das  Theater  als  Znschanerinncn  be- 
suchten. Schon  im  Allgemeiuen  liefse  sich  dieses  aus  der,  in  meh- 
reren Stücken  bis  zur  orientalischen  Haremsselaverei  gehenden 
Eiuschränitung  nnd  Absonderung  der  Griechinnen  in  ihren  Gjnii- 
eeen  schliefscn,  von  welcher  Alles,  was  Lucian  in  einem  seiner 
unübersetzbaren,  aber  für  die  Kenntiiifs  des  Verhältuisses  bei- 
der Geschlechter  gegen  einander  bei  den  Griechen  ünfserst  wich- 
tigen Gespräche  *)  gesagt  hat,  mir  keineswegs  übertrieben  zu  sein 
scheint.  Weiber,  die,  gewisse  heilige  Processioneu  bei  den  Ceres- 
nnd  ßacchusfeiern  ausgenommen,  (wobei  es  aber  auch  dann  desto 
zügelloser  herging)  wie  die  sogenannten  pervigilia ,  ■KawuxKX'^i^o!, 
biulänglich  beweisen  '♦),  nie  eigentlich  im  Publico  sich  repräsen- 


*)  Icli  meine  die  unter  den  Aretinischen  Schriften  des  Alterthuins 
obenan  stehenden  "Ef  wt«;  ,  amores  T.  II.  p.  397.  if.  Op.  Eine 
hierher  gehörige  Hauptstelle  hat  doch  schon  Mein  er  s  übersetzt 
in  seinen  kleinen  vermischten  Schriften  Th.  I.  S.  66.  ff. 
Alles,  was  de  Paw  in  seinen  Recherclies  sur  les  Grecs  T.  I.  p. 
116.  ff.  zum  Nachtlittl  der  so  eingeschränkten  Athenerinnen  ge- 
sagt hat,  ist  bis  auf  einige  ihm  eigene  Paradoxen  volle  Wahrheit. 
**)  Eine  selir  merkwürdige  Stelle  steht  in  den  The.-5niophoriazusen  des 
Aristophanes  V^.  637.  ff.  Daher  sind  die  iravvuyi'des  ^"  *^'^"  ^**~ 
jiiüdieen  des  Menander  so  oft  als  Veranlassung  geschwängerter 
Bürgerstochter  gebraucht  worden.  S.  Aelian,  de  animal.  VII,  19. 
u.  Paw,  Keclierches  T.  II,  p.  210.  ff. 


296 

liiton  kamen  eben  so  WPiiij^  z«  einer  draiiindsclicn  VorsfoUnn";  als 
zu  einer  Volksversaniniliiii^,".  Eben  tliefs  lii-fsc  sieh  aneh  seboii 
gcwisserniafsen  aus  den  strengen  Verbofen  scliliefsen,  naih  w«'lcheii 
den  Frauen  das  Besnclien  mehrerer  lieiligen  Spiele ,  besonders  der 
Olynijjisehen  ,  bei  Lebenss(rafe  nnlersaj*!  und  eine  Ausnahme  von 
diesem  Gesetze  eine  anfserordenllithe  Merkwürdigkeit  war  *). 
Darum,  und  weil  niigends  eine  Frau  bei  irgend  einer  öirentlichen 
Verhandlung  hervortreten  durfte,  wäre  es  auch  nach  den  BegrillVn 
des  Altertlinms  eben  so  ungereimt  als  unanständig  gewesen,  weib- 
liche Rollen  durch  andere  als  männliche  Acteurs  auf  den  Theatern 
spielen  zu  lassen  **).  Erst  in  den  np|)igsten  Zeiten  Roms  mach- 
ten die  Mimentänzcrinneu  von  dieser  unabänderlichen  Wohlstands- 
regel selbst  unter  dem  ^olke  eine  Ausnahme,  das  doch  seineu 
Frauen  vom  Anfang  an  viel  mehr  Vorrechte  und  ölFentliche  Re- 
präsentation zugestand. 

Indefs  wird  das ,  was  bis  jelzt  nnr  durch  allgemeine  Mnth- 
niarsunü,eu  gefolgert  wurde,  noch  weit  mehr  durch  das  hartnäckige 
Stillschweigeri  bewiesen,  welches  die  Griechen  über  eine  Sache,  die 
so  viele  neue  Berührungspunkte,  wenigstens  für  den  vertrauteren 
Unigang  mit  den  Courtisaneu  oder  Hetären  gegeben  hätte,  beob- 
achtet haben.  Sollte  nicht  wenigsten!»  im  Athenäus  oder  in  den 
Hetärengespräclien  des  Lueian  oder  in  den  Hetärenbriefen  des 
Alciphrou  und  Aristänet  eine  Spur  vom  Besuchen  der  Theater 
vorküuimen,  da  doch  in  unseren  Tagen  die  Theater  zu  verliebten 
Abenteuern  so  häufig  die  erste  Veranlassung  geben,  und  eben  diefs 
schon  bei  den  Römern  so  oft  der  Fall  war?  Mir  hat  es  aber 
wenigstens  bis  jetzt  noch  nicht  glücken  wollen,  bei  einer  ununter- 
brochenen Aufmerksamkeit  auf  diesen  Punkt  auch  niu-  eine  einzige 
nnzweideutige  Stelle  aufzufinden,  die  uns  die  Weiber  als  Zuschaue- 
rinuen  bei  den  dramatischen  Vorstellungen  erblicken  liefse. 

Freilich  hat  es  nicht  an  gelehrten  Alterthumsforschern  gefehlt, 
die    diefs   sehr    zuversichtlich    behauptet   haben.      Mao    mufs    also 


*)  Scheffer  und  Kühn  zum  Aelian,  V.  H.  X.  I.  und  Moses  du 
Soul  zum  Lueian,  pro  Iniag.  c  11.  T.  II.  p.  490.  haben  schon  die 
hierher  gehörigen  Stellen  sehr  üeifsig  gesammelt.  Ks  versteht  sich 
aber,  dafs  hier  nnr  von  dem  eigentlichen  Znsehen  die  Rede  ist. 
Denn  sonst  gab  es  bei  diesen  nngemein  volkreiclien  Messen  AVei- 
ber  die  Menge,  worauf  Aristophanes  ein  eigenes  Lustspiel,  die 
ffv.vjvif  MarrtXa/^^ovojs-ai,  gemacht  hatte,  wovon  wir  aber  nur  nocli 
einige  merkwürdige  Fragmente  übrig  haben.  S.  Op.  ed.  Brunck 
T.  III.  p.  265  f. 

')  Schon  Du  B  o  s  macht  darüber  in  seinen  Reflexions  sur  la  poesie 
et  la  peinture  T.  III.  p.  191.  f.  einige  feine  Bemerkungen.  Die 
vorzügliciisteii  Beweisstellen  ündet  man  bei  Barthclemy,  Voyage 
d,  jeune  Aiiacharsis  T.  Vll.   p.  283. 


297 

]n\\]'^  Nachfrage  lialleii,  wie  diese  Männer  zu  oiiior  solclieii  Uclter- 
z(Mi<;iin<r  •:;<'koimiieii  sind.  Icli  nenne  hier  «nr  den  Isaak  C  a- 
sanbonus,  dessen  Ansehen  spätere  Conipilaloren  oline  alle  wei- 
tere Priifnno-,  wie  gewöhnlich,  gefolgt  sind  *),  niid  so  auch  diesen 
Irrihnm  bis  anf  die  nenesten  Conijtendien  fortgepflanzt  haben.  — 
In  der  Charakterschildernng  eines  eiteln  Gecken  beim  Theo- 
phrast  **)  wird  unter  Anderem  anch  der  Zng-  angeführt,  dafs  er 
sich  im  Theater  gern  dahin  dränge,  wo  die  Strategen  ihren  Ehren- 
platz zu  hal)en  i>llegten.  Diefs  giebt  «lern  belesenen  Erklärer  des 
Theophrast,  dem  Casaubonns,  Gelegenheit,  über  die  verschiedeneu 
Abtheiinngen  der  Sitze  für  die  verschiedenen  Klassen  der  Znschauer 

!     in  den  griechischen  Theatern  einige  Bemerknngen  zu  machen  ***). 

I  Nachdem  er  über  die  Proedria  oder  den  Ehrensitz  im  Theater 
einige  ziemlicli  oberflächliche  Erinnerungen  f)  gemacht  hat,  wird 
angeführt,  dafs  anch  die  Senatoren  und  die  Jünglinge  bis  zum  acht- 
zehnten Jahre  ihre  eigenen  Plätze  gehabt  hätten.  Eben  diefs 
gel  der  Fall  mit  den  Richtern  und  wahrscheinlich  anch  mit 
den  Rittern  in  Athen  gewesen.  So  weit  ist  Alles  richtig-  ff), 
und  die  hierzu  angeführten  Beweisstellen  lassen  sich  aus  dem  Pol- 
Inx  noch  mehr  bestätigen.  Aber  nun  wird  die  Sache  noch  wei- 
ter fortgeführt :     „Da   uuu   auch  den    Weibern   das   Besuchen  des 


*)  Den  Casaubonns  hat  Bonlenger  in  seinem  Bnclie  de  theatro 
studiisqne  scenicis  I,  25.  f.  64.  ed.  prim.  beinahe  wörtlich  ausge- 
schrieben. Von  Bonlenger,  den  wieder  alle  Neueren  um  die  Wette 
geplündert  haben,  gelit  es  als  Ueberlieferung  immer  weiter  fort. 
So  erzählt  uns  Potter  in  seiner  Arcliäologie ,  die  auch  nach 
Rambach's  Bearbeitung  noch  auf  jeder  Seite  von  den  gröbsten 
Irrthümern  wimmelt,  (Th.  1.  S.  94,  Uebers,  v.  Ramb.)  dafs  die 
obersten  Sitze  für  die  Weiber  bestimmt  gewesen  wären.  Diefs 
hatte  weder  Casaubonus  noch  Boulenger  gesagt,  sondern  Potter 
schreibt  es  aus  eigener  Weisheit,  indem  er  auch  liier,  wie  gewölui- 
licli,  das  griechische  Theater  mit  dem  römischen  verwechselt. 
**)     eil.  V.  3. 

***)  Commentar.  ad  Casaub.,  Cliaract.  p.  71.  ed.  Fisch. 
•{•)  Dieser  in  den  kleinen  griechischen  Demokratieen  bis  zur  Raserei 
gesuclite  Ehrenpunkt  ist  selbst  nach  dem,  was  Hemsterhuys 
über  PoUux  VIII,  133.  und  die  Profanpliilologen  zu  Matth.  XXIII, 
6,  gesammelt  haben,  noch  mancher  genaueren  Erläuterung,  beson- 
ders aus  Inschriften,  fähig. 
•J-f)  Angenommen  nämlich,  was  doch  aller  Wahrscheinliclikeit  nacli  an- 
genommen werden  mufs,  dafs  Alles,  was  bei  den  Volksversamm- 
Inngen  (Ev.KXi^cTi'a/;  ,  die  auch  in  Athen,  einen  einzigen  Fall  aus- 
genommen, im  Tlieater  gehalten  wurden,)  gegolten  bat,  anoli  bei 
den  dramatischen  Vorstellungen   in  eben  diesem  Theater  beobach- 


298 

Theaters  crlaulit  war,  —  aljor  »erade  tHefs  niiifsfe  ja  erst  bewie- 
sen weiden!  —  so  waren  die  Sitze  der  iiiiiiiiiliclir-n  und  weib- 
liclieii  Ziiseliaiier  iialürlieh  aiu-li  von  einander  i>-clreiiiit.  Eiu  ji>'C- 
wisser  Siilivromaclios  halte  danlljcr  ein  eigenes  Gesetz  veraiilafst, 
iiaeli  welebeiii  die  iibellicrüeliliiiteii  IVIiidelieii  einen  abi^esonderteii 
Sitz  von  den   ehrbaren  Franen  erhallen   sollten." 

Hier  wäre  also  aller(lin<:,s  ein  entscheidendes  Zenj^nifs ,  wenn 
S02:ar  dnreh  ein  eij^enes  Gesetz  oder  Psephisnia  in  den  Sitzen  der 
Zuschauer  eine  llan^ordnnn^'  zwischen  Hetären  und  Matronen  Iie- 
stimint  worden  wäre.  Es  ist  daher  wohl  der  Mähe  wertb,  eine 
Stelle,  die  zn  so  vielen  Milsversländnissen  Anlafs  gegeben  hat, 
genauer  zu  untersnchcn ,  da  sie  znnial  Casanbonus  nach  der  da- 
maligen unbestininiten  Art  zu  eitirea  niciit  genau  angeführt  hat. 

In  den  Ekklesiaznsen  des  Arislophanes  tiill  die  klage  Praxa- 
gora  als  Vorrednerin  auf  und  hält  eine  zärtliche  Anrede  an  ihre 
JNacbtlauipe,  die  Genossin  nnil  Yertranle  manches  nächtlichen  Ahen- 
tenei-s.  Hierauf  ertbcilt  sie  V(m Schriften,  wie  sich  der  elien  erwar- 
tete Weiberklubb  beim  ISicderselzen  zu  verhalten  habe.  Diese  Stelle 
würde  nach  der  älteren  gewöhnlichen  Lesart  ungefähr  s  o  übersetzt 
werden  müssen: 

Es  setze  jede  sich  auf  üuen  Platz, 

Wo  nach  dem  Ausspruch  des  Spliyroniachos 

Hetären  hinter  den  Matronen  sich  verbergen  *). 

Diese  für  uns  ganz  unverständliche  Anspielung  erhält  in  de« 
allen  griechischen  Schollen  folgende  Aufklärungen :  Kleomachos 
(man  siebt,  dafs  hier  eine  andere  Lesart  war,)  war  eiu  tragischer 
Schauspieler,  der  einmal  durch  die  falsche  Aussprache  eines  Wortes, 
wodurch  ein  Doppelsinn  entstand,  ein  grofses  Gelächter  erregle.  — 
So  weit  der  erste  und  ältere  Scboliast.  Nun  folgt  ein  zweites 
Scholion.  „Sphvromacbos  veranlafsle  ein  Dccret,  dafs  die  IJ  n  li- 
ier i  n  n  e  n  von  den  f  r  e  i  g  e  b  o  r  e  n  e  n  Bürgerinnen  abge- 
sondert sitzen  sollten.  Andere  sagen,  dafs  nach  diesem 
Decret  nur  eine  Absonderung  der  Mäuncr  von  den 
Frauen  angeordnet  worden  sei."  Diefs  ist  nun  eben  das  De- 
cret, auf  welches  sich  Casanbonus  in  jener  Anmerkung  bezieht, 
und  das  uns  sogar  in  den  ßriichstücksauimliingen  attischer  Gesetze 
als  ein  besonderes  Polizeigesetz  aufgeführt  wird  **). 


tet  wurde.  Denn  eigentlicli  reden  Polhix,  Hesychius  und  die  Sclio- 
lien  des  Aristophanes  doch  nur  vom  ^'orsitz  der  Richter  bei  >'olks- 
versamnilangen,  nicht  bei  tlieatralischen  Scliauspielen. 

*)    Aristoplianes,  Kkklesiaz,  V.  21  —  23. 

*)  Man  sehe  Samuel  Petit,  Leg.  Att.  111,  G.  p.  37-i.  ed.  Wei- 
sel. Schon  Wesseling  hat  l)enierkt,  dafs  Petit  hier  auch  Ca- 
saubüiius  zuiii  Vorgänger  gehabt  habe. 


299 

Die  SfcUe  dos  altoii  Koiiilkers,  die  diese  Srlioliasfon -Deiidiii- 
j!^en  veraiilafstc,  !>'('liöi(  jjt'wifs  zu  den  allerscliwierisiston  in  diesem 
dnicli  witzij^c  Aus|iieliingen  aller  Art  so  rfäthselliaflcn  Dichter.  In- 
defs  hat  der  allere  Scholiast  zur  Aufklärung'  des  erslen  Verses 
einen  sehr  guten  Fingerzeig  gegehen  *) ,  wenn  nur  die  neueren 
Erkläier  ihn  zu  verstehen  Augen  und  Ohren  gehaht  Iiätten.  Denn 
auf  ein  feines  Gehör  kam  es  hier  ganz  eigentlich  an.  Ein  (ragi- 
scher Schauspieler,  welcher  Sjdivroninchos  oder,  wie  der  alte  Scho- 
liast will,  Klcomachos  hiefs,  heging  hei  der  Aussprache  eines  Wor- 
tes,  worauf  hier  heim  Komiker  der  ganze  Witz  gestellt  ist,  einen 
lächerlichen  Fehler,  wodurch  ein  ehen  so  sonderharer  Doppelsinn 
entstand,  als  wie  ein  anderer  seiner  Collegen,  Ilegelochos ,  statt 
der  Meeresstille  ein  Wiesel  erhlickte  **).  Diefs  und  nicht 
mehr  will  unser  Dichter  in  den  ersten  zwei  Versen  den  hei  sol- 
chen Fehlern  in  der  Declaniation  nnerhittlich  strengen  Athenern  noch 
einmal  zum  Befsten  gehen.  Der  dritte  Vers  ist  oilenhar  durch  die 
Ahschreiher  verdorhen,  und  die  von  Scaliger  zuerst  vorgeschlagene, 
von  Brunck  aher  mit  Recht  in  den  Text  aufgenommene  Lesart 
die  einzig  richtige  ***).  Nach  dieser  Veränderung  erhält  nun  aucli 
der  dritte  Vers  einen  ganz  andern  Sinn : 


*)  Nur  ist  freilich  zu  bemerken,  dafs  dieses  ältere,  sehr  schätzbare, 
Schollen,  so  wie  es  in  der  KUster'schen  Ausgabe  abgedruckt  wur- 
de, durch  Weglassung  eines  einzigen  Wortes  auch  verstümmelt 
ist.  Zum  Glück  können  wir  dieses  Wort  jetzt  ans  den  Schollen 
des  Ravennatischen  Codex,  die  neuerlieh  Invernizzi  in  seiner 
bei  altem  Ueberflüssigen  doch  scliätzbaren  Ausgabe  des  Aristo- 
phanes  T.  II,  p.  518.  uns  niitgetheilt  hat,  ersetzen.  Statt  s}ny^yj-jat 
-•<  heifst  es  liier  sJ^ vjxiva«  iä^ «?.  Und  nun  ist  es  deutlich,  dafs  der 
Schauspieler,  welcher  s'Sf«;  oder  i'haoiiy''  vom  Zeitworte  Jo^y  zu 
deelamiren  hatte,  dnrcli  einen  zu  starken  Hauch  von  vorn,  viel- 
leicht auch  durch  ein  falsches  Abtheiien  von  hinten,  wenn  es 
shgeca^  nüt  dem  Apostroph  war,  daraus  das  Nennwort  hpocg  bilde- 
te, welches  auch  einen  gewissen  Tlieil  des  Körpers  bezeichnen 
konnte,  dem  vor  allen  der  Vorsitz  gebührt.  Man  denke  sich  z.  B. 
nur  den  Vers  des  Euripides  in  der  Medea  V.  311.  so  decla- 
luirt,  um  das  Lächerliche  zu  fülilen. 
**)  Die  bekannte  Stelle  beim  Aristoph.,  in  Ran.  303.,  die  weder 
Markland  zu  Euripides,  Suppl.  901.,  noch  Barthelemy,  Voy- 
age  d.  j.  Anach.  T.  VII.  p.  404.  richtig  gefafst  haben,  die  nun 
aber  durch  Prof.  Wolf  in  Prolog,  ad  Odyss.  edit.  II,  p,  XXIX, 
ilu'e  völlige  Aufklärung  erhalten  Jiat. 
****)  Man  mufs  synaSi^ofAiva;  lesen,  worauf  auch  eine  Variante  beim 
'Invernizzi  zu  führen  scheint.  Uebrigens  hat  Le  Fevre  in  sei- 
nen Anmerkungen  zu  dieser  Stelle  p.  199,  ed.  Kust.  auch  aus  der 


300 

Die  Bulilerinnen  mögen  zwischen  uns  sich  setzen 
Und  sein,  was  wir  sind,  — 

Offenhar  ein  liii-herliclies  Gest.'indnifs ,  dafs  die  feinen  Weiher  und 
Matronen,  die  siel»  hier  in  dieser  den  Männern  nachj^eäfften  Ver- 
8aminlnn<i,'  allein  einfinden  sollten,  im  Grnnde  nicht  viel  liesser  wä- 
ren als  die  öffentlichen  Frcndendinien.  So  erklärt,  hat  die  Stelle 
nicht  die  geringste  Beziehung  auf  ein  Gesetz,  das  freien  Weihern 
nnd  Hetären  einen  hesondeien  Platz  anf  dem  Theater  angewiesen 
hätte.  Und  —  dieses  ganze  Gesetz  Ut  nichts  als  eine  lächeiliche 
Hirngehint  eines  späteren  Scholiasten  *),  der  sich  ans  der  dnnkeln 
nnd  Mahrscheinlich  schon  sehr  früh  verdorhenen  Stelle  nicht  anders 
heranszuhellen  wufste,  als  dafs  er  den  Sjihj romachos  anf  gnt  Glück 
in  einem  eigenen  Psepliisma  zn  Athen  eine  solche  Theaterordnnng 
machen  liefs,  als  sie  vielleicht  in  Rom,  wo  die  Franen  alle  Schan- 
spiele,,  ohne  Aergernifs  zu  gehen  nnd  zn  nehmen,  lleifsig  besuch- 
len,  zu  seiner  Zeit  in  Gehranch  sein  mochten. 

Ich  wende  mich  nun  zn  einer  anderen  Stelle,  die  Casanbonns 
ebenfalls  anführt,  um  zu  beweisen,  dafs  wahrscheinlich  sogar  die 
fremden  Frauen  von  den  Bürgerinnen  im  Schauspiel  abgesondert  ge- 
sessen hätten.  Es  ist  diefs  ein  Fragment  ans  dem  neueren  Komiker 
Alexis,  welches  der  gelehrte  Wortsaramler  Pollnx  zum  Beweise 
der  Bedeutung  des  Wortes  xs^k/j  anführt  **),  nach  welcher  es  eine 
Reihe  von  Sitzen  im  Theater  bezeichnet.  Dort  sagt  iinn  freilich 
eine  Frau  ausdrücklich,  indem  vom  Theater  die  Rede  ist; 

Dort  liinten  ganz  am  Ende  sei  der  Sitz 
Euch  und  den  fremden  Weibern  zugetlieilt! 

Was  kann  für  die  Bejahung  der  hier  bestrittenen  Sache  deut- 
licher seiu,  höre  ich  frageu,  als  diese  Stelle?    Und  so  wenig  «luch 


verdorbenen   Lesart   durch  blosen    Scharfsinn    den   richtigen  Sinn 
ziemlich  genau  angegeben. 

AVer  mit  der  ersten  ZusammenstoppeUing  dieser  Scholien,  die  31  u- 
surus  bekanntlich  für  die  Aldinisclie  Druckerei  iibernalun,  nur 
etwas  bekannt  ist  und  auch  nur  die  Klagen  eines  Hemster- 
huys  zum  Pin  tu  s  p.  133.  wohl  erwogen  hat,  wird  meine  Mutli- 
mafsung,  dafs  diefs  ein  Zusatz  eines  Scholiasten  aus  dem  röini- 
sclien  Zeitalter  sei,  gar  nicht  befremdend  linden.  Noch  fehlt  uns 
Jemand,  der  diesen  Scliolien  eben  die  kritische  Siclitung  wider- 
fahren liefse,  die  Show  mit  eben  dieses  Musurus  Arbeit  an  dem 
HesYcliius  getlian  hat.  Einen  vortrefflichen  Codex  in  der  St.  Mar- 
cus-Bibliothek,  der  liier  zum  Grunde  liegen  müfste,  kennen  wir 
jetzt  aus  Villoison's  Proleg.  ad  Ilomerum  p.  XIX.  Vergl.  Fa- 
bricius  in  Biblioth.  Gr.  T.  II.  374,  edit.  nov. 
PoUux  IX,  44. 


301 

diese  eliizige  aus  dem  Zii.sainmonliaii;;o  heraiisgoilsseno  S(elle  für 
einen  sicheren  Beweis  einer  Belianptnn»'  gelten  konnte,  der  der 
Geist  des  j^anzen  <i,Tiecliischen  Alterflinnis  widerspricht,  so  würde 
sie  doch  hei  denen  iaiiiier  einen  Zweifel  ührig-  lassen,  die  sich 
nach  nnseren  Begriffen  ein  Schauspielhaus  ohne  Zuschauerinnen 
elien  so  wenig'  denken  können  als  ein  Lustspiel  ohne  Heirath  und 
ein  Trauerspiel  ohne  Dolch  und  Gift.  Znni  Glück  hilft  uns  hier 
der  Titel  des  Lustspiels,  aus  welchem  dieses  Fragment  genom- 
men wurde,  und  das  der  gewissenhafte  Polliix  anzuführen  nicht 
untcriiifst  *),  auf  einmal  aus  aller  Verlegenheit.  Das  Stück  hiefs 
das  Weiberregiment  oder  die  G  y  ii  äk  okr  a  tie.  Man  mnfs 
sich  nämlich  erinnern,  dafs  die  alleren  Komödiendichter  zu  Athen 
eine  Ilanpigaltnng  des  Hochkomischen  in  der  sogenannten  ver- 
kehrten Welt  siiclilen  und  hei  der  aufserordenilichen  Einschränk- 
ung, iu  der  die  Alhenerinneu  von  ihren  Männern  gehalten  wur- 
den ,  keinen  lächerlicheren  Contrast  krinnlen  ,  als  wenn  sie  gerade 
die  Athenischen  Weiher  einmal  als  Verwalterinnen  und  Besciiütze- 
rinnen  ihres  Freistaates  aufstellten  und  in  dieser  nagelneneu  Wei- 
berrepuhlik  die  Weiber  Volksversammlungen  hallen,  Volksbeschlüsse 
fassen  ,  die  Akropolis  vertheidigen  und  alle  Geschäfte  der  Männer 
verrichten,  die  Miinner  hingegen  Alles  thun  liefsen,  was  sonst  die 
Weiber  zu  Hause  thun  mufslen.  Der  ganze  Plan  des  Aristopha- 
nischen Stückes  ,  ans  dem  ich  so  eben  eine  Stelle  angeführt  habe 
der  E  kkl  esiaz  nsen,  beruht,  wie  schon  der  Titel  sagt,  auf 
dieser  komischen  Umkehrung  aller  Dinge,  nnd  in  zwei  anderen 
Lustspielen  eben  dieses  Dichters,  den  Thesmophoriazusen  und  der 
Lvsistrala,  liegt  gleichfalls  dieses  neumodische  right  of  Women  (iini 
mit  der  neuesten  grofsen  Verfechterin  dieser  Ordnung-,  der  Mifs 
Wols  ton  k  raft,  zu  reden)  zum  Grunde.  Was  war  natürlicher 
als  dafs  die  Nachfolger  des  Aristophanes  ein  Sojet,  das  so  reich 
an  konvischen  Situationen  war,  immer  wieder  aufs  Nene  auf  die 
Uühne  brachten '?  **)  Eben  diefs  hatte  auch  Alexis  in  diesem 
Stücke  gethau  ;  und  nun  wird  es  auf  einmal  deutlich ,  dafs  auch 
dieses  Fragment  in  eben  diesem  Sinne  anzunehmen,  ja  gerade 
darum,  weil  hier  die  verkehrte  Welt  gespielt  wurde  ,  als  ein  voll- 
giltiger  Beweis  anzusehen  sei,  dafs  im  gemeinen  Leben  die  Athe- 
nerinnen nie  zn  dramatischen  Vorstellungen  in's  Theater  kamen. 


•  *)  Dafs  yvvtxty.oy.^ixTSiot  der  w^ahre  Titel  des  Stückes  sei,  fühlte  auch 
schon  Casaubonus  zum  Athenäns  Ili,  35.  p.  238. 

**)  Noch  immer  ist  Lessing's  Wunsch  nicht  erfüllt,  dafs  Jemand 
den  unerschöpflichen  Reichthum  der  alten  Komiker  in  Erfindung 
neuer  Sujets  auch  nur  durch  scharfsinnige  Benutzung  der  Winke, 
die  uns  einzelne  Titel  und  Fragmente  geben  können ,  selbst  auch 
zu  Nutz  und  Frommen  unserer  neuen  Dramaturgie ,  genauer  aus 
einander  setzen  möchte.    Freilich  kein  leiclit^s  Unternehmen  1 


302 

Und  als  einen  solchen  belraclile  ich  «aucli  eine  andere  Slolle 
im  Aiis(ü|>lianes ,  wo  ein  ('hör  von  Weibern  darauf  anliäi^t,  dafs 
die  lim  den  Slaat  als  IMiider  tapferer  Krieger  wohlverdienten 
Frauen  den  Vorsitz  im  Theater  bei  solchen  Festen,  die 
von  den  Weibern  besonders  gefeiert  wurden,  haben 
luiichlen  *).  Die  ganze  mit  Aristophanischer  Laune  durcliwiirztc 
Stelle  beweiä't  unvvidersprcclilich,  dafs  die  AVeiber  nie  in's  Tlica- 
ter  kamen. 

Kaum  befüichte  ich,  dafs  einige  Worte,  die  Pollux  ans  dem 
Arisloplianes  anführt  **)  nnd  die  ihrer  Ableitung  nach  eine 
Zuschauerin  bezeichnen,  als  ein  Beweis,  dafs  es  wäh- 
rend der  theatralischen  Vorstellungen  Zuschauerinnen  gegeben  ha- 
be ,  gegen  mich  gebraucht  weiden  dürflen.  Allerdings  gab  es 
Schan<'e|iiänge  und  ölfenlliche  WetlUäinpferspiele ,  wo  auch  die 
Frauen  Zuschauerinnen  waren,  und  dafs  gerade  von  solchen,  nicht 
aber  von  dramatischen  Vorstellungen ,  beim  Dichler  die  Rede  ge- 
wesen sei,  beweis't  der  Titel  des  Stücks,  aus  welchem  jene  Worte 
angeführt  werden.  ***). 

Nur  eine  Stelle  finde  ich  im  griechischen  Alterthnme,  die 
mich  ich  gestehe  es,  lange  selbst  zweifelhaft  goniacht  hat,  ob  es 
nicht  wenigstens  zuweilen  Ansnahmeii  von  der  Regel,  und  hier 
niid  da  bei  T  r  a  n  e  r  sp  i  e  1  en  aiiili  wohl  Zuschauerinnen  gegel)cn 
liabe.  Es  ist  dieses  die  bekannte  Anekdote,  nach  welciier  bei  der 
ersten  Vorstellung  der  Enmenideu  des  Aeschjlus    der  schreck- 


*)  In  den  Thesmophoriaztisen  V.  841.  IT,,  die  namentlich  dort  ange- 
fiilirten  Feste,  die  Stenia  (s.  Alberti  zum  Hesycliius  T.  II. 
c.  1268.,  26.)  und  ^'^iri'ophoria  (s.AIeursius  in  Graecia  feria- 
ta  \K  254.)  waren  blos  Weiberfeste,  wobei  an  keine  theatralischen 
Vorstellungen  in  Athen  zu  denken  war.  Aber  gerade  darin  liegt 
auch  der  Stachel  des  Aristoplianischen  Witzes. 
**)    Die  Worte  Siirgix  und    cvvSeir^i«  beim   Pollux  II,  56.  X,  67. 

u.  s.  w. 
***)  Das  Stück  führte  die  Aufschrift  «rx^jvä;  KaraXa/^/Savoü)?«» ,  welclie 
Casaubonus  in  einer  gelehrten  Anmerkung  zum  Atliea.  lY,  20.  p. 
301.,  ganz  richtig  von  Weibern  erklärt,  die  bei  lieiligen  Proces- 
sionen,  wobei  es  aucii  Jahrmärkte  oder  Messen  gab,  ibre  Buden 
imd  Laubhütten  aufscldngen,  wobei  er  es  sehr  wahrsclieinlich  maclit, 
dafs  Aristoi)hanes  in  dies-^m  verloren  gegangenen  Stücke  die  Zän- 
kereien und  Balgereien  dieser  alten  Damen  von  der  Halle 
aufs  Theater  gebracht  habe.  —  Uebrigens  empfelde  ich,  über  die 
mehrere  oder  mindere  Zulässigkeit  der  Weiber  bei  gewissen  Schau- 
spielen nocli  die  gelelirte  Anmerkung  Valckenaer's  zu  Theo- 
krit's  Adoniazuscn  S.  197.  f.  nachzulesen.  Hier  lindet  man 
die  feiasten  Giäazüuien  gezogen. 


303 

liehe  Aiilillck  «los  aus  50  Fnilcn  lioslclieiulon  Cliors  niif  die  Zu- 
schauer so  slark  gewirlU  haheii  soll ,  dafs  die  Kinder  vor  Furcht 
gestnrbeu  und  die  schwangeren  Weiber  auf  der  Stelle 
m i  t  u  n  r  e i  t' e  u  Geburten  n  i  c  d  e  r  »■  o k o ni ni c  n  w  ä reu.  Al- 
lein bei  genaiieror  Uiilersiiclinni>-  (iiidet  sich  bald  der  Itedcnkliciie  Uui- 
sland,  dals  ntan  diese  Anekdote  blos  der  bi()gra|diisi  lien  Nachricht  zu 
danken  hal,  die  aus  den  Handsclirii'ten  desAescIivbis  ancii  in  die  neiie- 
len  Ausgaben  seiner  Trauersi)iele  gekonnnen,  aber  nur  in  so  fern  von 
einigem  Gewichte  ist,  als  ihre  Nacbricblen  mit  andern  nanihafleren 
Aussagen  übereinstimmen.  Nun  hat  aber  weder  Polinx  *)  noch 
irgend  ein  älterer  Schriftsleller  dieser  anfscrordentlicheu  Folgen 
des  Schreckens  Ei-wähnung  gethan,  und  doch  ist  es  nidit  wahr- 
scheinlich, dafs  diese  in  ihrer  Art  einzige  Begebenheit  weder  vom 
Aristojdianes,  der  doch  eine  solche  Gelegenheit,  einen  lustigen  Ein- 
fall auf  den  h(Kbtral)enden  Aeschjlns  beizubringen,  in  seinen  Frö- 
schen oder  im  Plufus  **)  kaum  vorbeigelassen  halte,  noch  von  ir- 
gend einem  andern  Griechen,  dessen  Werke  wir  noch  lesen ,  be- 
rührt worden  sein  sollte.  Gewifs ,  die  ganze  Erzählung  trägt  so 
sehr  das  Gepräge  der  oft  bis  in's  Kindische  gehenden  Uebertreibung- 
späterer  Sophisten,  dafs  man  sich  des  Verdachtes  durchaus  nicht 
erwehren  kann  ,  es  sei  auch  dieses  eine  blose  Pihetorication  oder 
liiichstens  ans  einem  griechischen  Sinngedichte  entlehnt,  wo  sich 
die  späteren  Epigramnialisten  in  der  Anthologie  gerade  in  den  Be- 
schreibungen anfserordenllicher  Elfecle,  die  ein  gepriesenes  Werk 
der  redenden  oder  bildenden  Künste  auf  die  Zuschauer  hervorge- 
bracht habe,  wie  auf  einem  Paradepferde  nach  Herzenslust  herum- 
lummeln. 

Doch,  >vie  schon  oben  erinnert  worden  ist,  wer  nnr  etwas  mit 
den  Verhältnissen  bekannt  ist,  in  welchen  die  Frauen  in  Athen  zn 
ihren  Männern  und  zu  dem,  was  das  Altertlium  öffentliches 
Leben  nannte,  überhaupt  standen,  der  würde  sich  auch  noch 
durch  scheinitarere  Einwürfe,  als  bisher  widerlegt  worden  sind,  in 
der  Leberzcngnng,  dafs  die  Atbenerinnen  nie  zu  dramatischen  Vor- 
stellungen zugelassen  wurden,  nicht  irre  machen  lassen.  Aber  was 
den  ehrbaren  und  freien  Bürgerinnen  nicht  ziemte,  war  doch  viel- 
leicht den  Hetären  im  Piräus  oiler  Ceramirns,  den  Flöten-  und 
Citherspielerinnen,  die  zu  jeder  Mäuuergesellschaft,  zu  jedem  Sym- 
posion und  fröhlichen  Gaslgelage  so  gern  zugelassen  wurden,  nicht 
unanständig ?  Vielleicht  wurde  bei  dieser  Klasse,  die  nie  die  Pu- 
blizität schenete,  wenigstens  eine  Ausnahme  gemacht  i 


♦)  Dieser  spricht  in  der  merkwürdigen  Stelle,  worauf  sich  alle  Neueren 
berufen,  nur  überhaupt  von  der  erschrockenen  Menge  xXvj^ovf  in- 
vrovj^s'JTo;  IV,  110. 

**)  Man  erinnert  sich  liier  gewifs  der  witzigen  Anspielung  auf  die 
EiiMienideu  im  Plutiis   V.  423,  ff. 


304 

Ich  zweifle,  daPs  sich  hiervon  iracnil  eine  »ewlsse  Spnr  in 
einem  griechischen  Schriflslcller  erhallen  hahe.  Auch  ist  es  mir 
ans  vielen  Griinden  gar  nicht  wahrscheinlich.  Man  vergesse  nni- 
nicht,  «lafs  diese  auf  Unkosten  einzelner  Zniifle  oder  Ziinflgenossen 
anfgefiihrlen  nnd  als  poetische  NVellkänijife  hehandellen  Schauspiele  zu- 
gleich ein  sehr  wesentlicher  Theil  der  jährlich  dieiuiaiigen  Bacchns- 
ifeier,  mithin  seihst  die  Besuche  dieser  Schauspiele  eine  Art  von  goltes- 
dienstlichen  Handlungen  "waren,  die  durch  kein  fremdes,  niiheiliges 
Au"e  entweiht  werden  durften.  IMan  eiinuerc  sich  eines  Gesetzes, 
das  Jedem,  der  kein  gehorener  Athenischer  Bürger  war,  aufs 
Strengste  verl)ot,  an  den  tragischen  und  komischen  Chören  •—  so 
nannte  man  die  dramatischen  Vorstellungen  von  einem  ihrer  älte- 
sten und  auf  den  religiösen  Ursprung  des  ganzen  Drama  vorzüg- 
lich hindeutenden  Haupitheile  —  als  Schauspieler  Theil  zu  neh- 
men *)  ,  und  an  die  Freude,  mit  welcher  au  einem  der  drei  Bac- 
chusfeste der  unhegränzte  Bürgerstolz  der  Athener  seihst  ihre  Ün- 
terthanen  von  den  Inseln  oder  die  Fremdlinge,  wie  man  sie 
mit  einer  gehässigen  Neheuhedeutuug  zu  Athen  gewöhnlich  nannte,, 
vom  Besuche  des  Theaters  ausgeschlossen  sah  **).  Wie  hätte  ein 
Athenischer  Frei  halt  er  hei  solchen  Gesinnungen  hier  nehen 
einer  Bnhierin  oder  auch  nur  in  einem  Lmkrcise  mit  ihr  sitzen 
mögen  I  ***) 

Aher  ich  zweifle  auch,  dafs  den  Hetären  diese  Verueigernng 
des  Zutrittes  im  Theater  so  viel  Ueherwindung  gekostet  hahe,  als 
sie  den  heuligen  Venuspriesterinnen  auf  dem  italienischen  Boulevard 
oder  iu  den  Bagnios  um   Covculgardcn  herum  kosten  würde.     Sie 


*3  Das  Gesetz  hiefs  /^J,  y^^c^ivtiv  ^ivcv.  S.  die  Haiiptstellen  in  PIu- 
tarch's  Phocion  c.  50.  T.  V.  p.  33.  und  Deniosthenes ,  JVIidian.  p. 
333.  cd.  Wolf.  Noch  ist  hier  Manches  aufzuklären!  Die  Colle- 
ctaneen  giebt  Petit,  Leg.  Att.  III,  p.  353.  if. 
**)  S.  Aristophanes  in  den  Acliarnern  V.  503.  ff. 
♦**)  Ob  nicht  zuweilen  zur  Seite  der  Schaubiilme  selbst  auch  wolil 
eine  Hetäre  ilir  Wesen  getrieben  habe,  ist  eine  andere  Frage. 
In  mehr  als  einer  Rücksicht  merkwürdig  ist  eine  Stelle  in  Alci- 
phron's  Briefen  II,  4.  p.  248.  ed,  Bergl. ,  wo  Glycera,  auf  dem 
Prosceniiiin  stehend,  ilirem  Menander  Beifall  zuwinkt.  Auch  liefsen 
sicli  wohl  zuweilen  Mädclien  von  gutem  Willen  zu  stummen  Per- 
sonen in  den  Chören  der  Lustspieldichter  gebrauchen  und  ver- 
mehrten dadurch  das  Geläcliter  der  Zuschauer  bei  den  Zweideu- 
tigkeiten, die  der  Dichter  den  mit  ilinen  sprechenden  Personen  in 
den jMund  legte.  Ein  Beispiel  davon  belindet  sicli  im  Frieden  des 
Ari.'itoplianes ,  wo  die  drei  Göttinnen  Irene,  Opera  und  Theoria 
maskirte  Freudenmädchen  waren.  S.  Bergler  zum  Frieden  V. 
850.  p.  h80.  td.  Burm.   und  die  Scholien  zu  den  >  Ögeln  V.  668. 


305 

wiifsfoii  sich,  wie  ^vir  am  befslen  ans  Lnci'an's  Helärengcsprüelieii 
lind  Aleipliron's  Briefen  ersehen  können ,  auf  ihre  eigene  Art  zu 
enf schädigen.  Auch  die  freien  Bürgerinnen  wufslen  sich  zu  trösten 
niid  den  Umstand,  dafs  iiire  Männer  oft  einige  Tage  nach  einander 
nnanfhörlioh  im  Theater  safsen,  zu  ihren  reriiehten  Ahentenern  zu 
Hanse  meisterhaft  zu  benutzen.  Eine  merkwürdige  Stelle  in  den 
Vögeln  des  Aris  toph  a  n  es  (V.  794  —  98.)  gieht  uns  daniher 
einen  Wink,  der  von  einem  Falle  auf  mehrere  sicher  schliefsen 
läfst.  Der  Chor  der  Vögel  preis't  den  Zuschauern  die  Glückseligkeit 
icines  befiederten  Zuslaudes  in  der  neuen  Vogelrepublik: 

Ist  ein  Buhle  im  Theater,  der  ein  feines  Liebclien  hat, 
Und  wird  auf  den  Rathniannsbänken  ihren  Elieherrn  gewalir; 
Gleich  beiiedeit  sicli  das  Herrclien,  scliwingt  sich  in  den  Lüften  fort, 
Und  hat  es  sich  satt  geliebelt,  sitzt  im  Hui  es  wieder  da. 
Wahrliclx  es  verlohnt  der  Mühe,  so  ein  Vögelchen  zu  sein ! 

Aber  nm  so  mürrischer  und  mifstrauischer  -waren  auch  die 
Männer  gegen  ihre  Gattinnen,  wenn  sie  sich  die  dramatische  Dar- 
stellung einer  Phädra  und  Sthenohöa  im  Tranerspiele  oder  einer 
listig  bewirkten  Hahnreischaft  im  Lusisiiiele  etwas  zu  sehr  zu  Her- 
.zen  genommen  halten.  Sie  bewachten  dann  ihre  zärtlichen  Ehe- 
hälften um  so  eifersüchtiger  nnd  verschlossen  die  Speise-  nnd 
Weinkammer  nm  so  sorgfälliger  *) ;  so  wie  überhaupt  diese  gänz- 
liche Absonderung  des  zweiten  Geschlechts  vom  Theater  zu  jeuer, 
die  Griechen  so  eigenthümlich  charakterisireiiden  Verachtung  der 
Weiher  im  Ehestande,  zu  jener  herüchligten  Knabenliebe  und  zu 
jenem  auffallenden  Mangel  wahrer  Delikatesse  im  Umgänge  mit 
Frauenzimmern  weit  mehr  beigetragen  hat,  als  man  sich  gewöhn- 
lich vorstellt.  Kein  Schanspieldichter  würde  sich  da,  wo  er  sich 
auch  Weiber  als  Zuschauerinnen  und  Beurtheilerinnen  seines  Schau- 
spieles gedacht  hätte,  so  beleidigender  und  übertriebener  Invectiven 
gegen  das  zweite  Geschlecht  schuldig  gemacht  haben,  als  Euiipi- 
des  bekanntermafsen  fast  in  allen  seineu  Trauerspielen  sich  erlaubt 
hat  **),     Auch  die  zügellosesten  Possenspiele  der  Italiener,  die  uu- 


*")  Die  Stelle  in  den  Thesmop horiaznsen  des  Aristophanes  V. 
393.  ff.  ist  sehr  belehrend  über  diese  in  den  Sclianspielen  ange- 
fachte Eifersuclit  der  Männer.  Das  ganze  Stück  ist  ein  Commen- 
tar  zur  obigen  Behauptung,  Aber  komische  üebertreibung  ist  es, 
wenn  bei  eben  diesem  Dichter  in  den  Fröschen,  V.  1050,  1051. 
erzälilt  wird,  dafs  wackere  Frauen  in  Atlien  aus  Scham  über  die 
schamlose  Sthenoböa  im  Bellerophon  des  Euripides  Schirliug  ge- 
trunken und  so  sich  selbst  vergiftet  liätten, 
**)  Es  ist  von  jeher  viel  über  die  Misogynie  oder  Weiberfeindschaft 
des  Euripides  gesprocliea  worden.    Treffende  Bemerkungen  darüber 

llolüger'a  kleine  Schriften  I.  20 


3ÜÜ 

bändiajsfen  Farzen  eines  Ben  Jonson,  einer  Bcs:nar's  Opera, 
eines  Footc,  beobachten  ^veit  uiehr  Decenz  und  Aclilung-  für  das 
•weibliche  Publikum,  als  Arislophanes  und  die  iilirigeu  Komiker  der 
älteren  und  mittleren  Komödie ,  so  weit  Avir  sie  aus  Bruchstücken 
beim  Athenäus  beurtbeileu  können ,  auch  nur  von  fern  zu  ahnen 
im  Stande  waren.  Aber  gerade  in  dieser  Nationalsitte  des  Athe- 
nischen Volks  liegt  auch  der  Schlüssel  zu  einem  Rätliscl,  das  sonst 
nie  befriedigend  erklärt  werden  kann,  wie  sich  mit  der  höchsten  Urba- 
nität und  dem  reizbarsten  Zartgefühl  überSchicklichkcit  und  Unschick- 
licltkeit,  ja  sogar  nnt  einer  Art  von  Blödigkeit  und  Verschämtheit  gegen 
ehrbare  Hausfrauen,  ein  so  hoher  Grad  von  pöbelliafler  Lngezogen- 
beit  im  Theater  und  Uogebnndenheit  im  Ausdruck,  sobald  blos  die 
Männer  unter  einander  Avaren ,  iu  einem  Volke  zu  einem  Zeitalter 
mit  und  neben  einander  besteben  konnten  *). 

Aber  dieser  sonderbare  Contrast  konnte  auch  nur  da  stattfin- 
den, "WO  die  "Weiber  das  Theater  nie  besuchen  durften.  In  Sparta 
verhielt  sich  die  Sache  schon  ganz  anders.  Dort  konnte  nach  dem 
ausdrücklichen Zeuguifs  des  Nepos**)  eine  Matrone  aus  dem  äl- 
testen und  vornehmsten  Geschlechte  bei  gewissen  Nationalfcsten  so- 
gar als  Tänzerin  oder  Spielerin  die  Bühne  betreten  und  sich  von 
den  Chorageu  oder   aus   der   öffentlichen  Staatskasse  dafür  bezah- 


hat  schon  Bayle,  Bictionnaire  s.  V.  Earipide  Lit.  T.  Aber  auf 
den  Umstand,  dafs  der  Tragiker  keine  Weiber  zu  Zuschauerinnen 
seiner  Stücke  Latte,  ist  viel  zu  wenig  Rücksiclit  genommen  wor- 
den. Hätte  Paw  diesen  Gesichtspunkt  gefafst,  so  hätte  er  diese 
Erscheinung  beim  Euripides  keiner  Anlage  zur  Melancholie  oder 
Nympliolepsie  zuschreiben  dürfen,  Recherches  sur  les  Grecs  T, 
I.  p.   132« 

Auch  die  Engländer  nehmen  auf  ihrem  Theater ,  so  wie  in  ihren 
geschiedenen  Männergesellschaften  und  Trinkgelagen  nach  der 
Entfernung  der  Frauenzimmer  keine  Rücksiclit  auf  die  Weiblich- 
keit. Und  wirklich  zeigen  sich  auch  im  Charakter  der  Nation 
ähnliclie  Folgen  aus  älinliclien  Ursachen.  Sielie  die  feinen  Be- 
merkungen in  Forster's  Ansichten  T.  III.  S,  20.  f.  und  in 
Küttner's  Bemerkungen  über  England, 

Es  ist  hier  der  Ort  nicht,  alle  die  Schwierigkeiten,  die  die  be- 
kannte Stelle  in  der  Präfation  des  Nepos:  nulla  Lacedaemoni 
tarn  est  nobilis  vidua,  quae  non  ad  scenam  eat  mercede 
conducta,  aufzulösen.  Ich  kann  weder  der  Erklärung  van  Sta- 
veren's,  Mise.  Observat.  Nov.  T.  VI.  p.  516.  beipliichten,  der 
sie  blos  von  gymnastischen  üebungen  verstanden  wissen  will,  da 
liierbei  der  Zusatz  mercede  conducta  völlig  Unverstand licli  wäre, 
noch  Bentley's  Verbesserung  ad  cenani  annehmen.  Man  möfs 
nur  die  Zeiten  unterscheiden  J 


307 

len  lassen.  Ganz  gewifs  waren  also  dort  noch  viel  weniger  die 
Weiber  von»  Theater,  in  so  fern  ein  soklies  im  alleren  S[)ar(a  ge- 
dacht werden  kann,  nicht  ansgeschlossen.  Aber  die  Spartanerin- 
nen waren  auch  seihst  dnrch  die  von  Lyknrg  gestiftete  oder  we- 
nigstens befestigte  Verfassung  weit  mehr  Staatsbürgerinnen  nnd 
Theilnehmcrinnen  an  allen  üjfentlicbcn  Verhandlungen  als  die  Frauen 
von  Atbeu. 

Noch  mehr  Vorrechte  nnd  Freiheiten  als  seihst  zu  Sparta 
genossen  seit  den  ältesten  Zeiten  die  Römerinnen.  Ihre  Gegen- 
wart bei  dramatischen  Vorstellungen  beweisen  die  Prologen  des 
Plantus,  bezeugt  Cicero,  wenn  er  auf  Veranlassung  einer  Stelle 
ans  einem  Trauerspiele  ausdrücklich  versichert,  dieses  werde  vor 
dem  gedrängten  Haufen  der  Zuschauer  im  Theater  recitirt,  worun- 
ter sich  Weiber  nnd  Kinder  b  e  f  ä  n  d  e  n  *),  beweisen  die 
deswegen  von  den  Kaisern  gelroiFenen  Einrichtungen  der  Theater- 
polizei. Hier  waren  auch,  wie  wir  aus  einer  Anekdote  vom  SjUa 
wissen  **)  und  ans  den  Elegicen  des  Ovid  und  Properz  ***)  noch 
genauer  bestimmen  können,  zwischen  den  vermischt  unter  einander 
sitzenden  Zuschauern  und  Zuschauerinnen  verliebte  Neckereien 
nnd  allerlei  Abenteuer  nichts  Ungewöhnliches.  Doch  die  genauere 
Benrlheilnng  der  verschiedenen  Grade  der  Sehauspielfreiheit,  wie 
sie  die  Römerinnen  genossen  f),  und  die  Folgen,  die  diese  Freiheit 
auf  den  Ton  der  Galanterie  und  des  Umganges  beider  Geschlech- 
ter in  Rom  hahen  niufste,  bleibt  billig  einer  eigenen  Abhandlung 
bei  einer  andern  Gelegenheit  vorbehalten. 


*_)  Tuscul.  I,  16t  Frequens  consessus  theatri,  in  quo  sunt  mulier- 
culae  et  pueri,  movetur  audiens  taiu  grande  carnien. 

**)  Plutarch  in  Sylla  c.  35.  T.  III.  p.  233.  f  Eine  junge  Römerin 
Valeria  zupft  den  bei  ihr  im  Amphitlieater  vorübergelienden  Sylla, 
und  daraus  entstehen  auf  der  Stelle  allerlei  verliebte  Neckereien^ 
Blicke,  Winke,  u.  s.  w. 

***)  Man  vergleiche  die  ganze  Elegie  Ovid's,  Amor.  III,  2.  und  in 
AA.  I,  497  —  501.,  wo  offenbar  von  dramatischen  Schauspielen  die 
Rede  ist.  Properz  IV,  8.  57. 
•J-)  Die  Collectaneen  bei  Boulenger  I,  24.,  Fol.  61,  und  Lipsius, 
de  Amphith.  c,  14.  Op.  T,  III,  p.  1031.  müssen  nach  den  ver- 
schiedenen Zeitaltern  und  selbst  nach  der  Verscliiedenheit  des 
Ortes,  ob  es  der  Circns  oder  ein  Amphitheater  für  Gladiatorspiele 
und  Tliierhetzen  oder  ein  Theater  für  dramatische  Schauspiele 
war,  sorgfältiger,  als  es  bis  jetzt  geschehen  ist,  nnterscliieden  werden. 
Darauf  hat  schon  P.  Burmann  zu  Calpnrn's  Eclog.  \U,  27. 
aufmerksam  gemacht,  Vergl.  zu  Sueton's  Aug.  44.  Bei  den 
Floralien  z,  B,  war  gewifs  keine  Matrone  Zuschauerin. 

20* 


308 


Zweite  Abhandlung. 


Wnren   die  Atbencrin  neo  wirklich  Yoni  Theater 
ausgeschlossen? 

M.'jn  findet  diese  Frage  in  einem  Aufsätze  des  Merknrs  vom 
vorigen  Jalire  *)  weilliuifiger  nntersnclit,  und  aus  Allem,  was  sich 
theils  analogisch  aus  dem  Zustande  der  Frauen  in  Athen  iilierhaupt 
schliefsen,  theils  aus  uuverdächtigeo  Zeugnissen  alter  Schriftsteller 
vermuthen  liefs,  schien  das  deutliche  Resultat  hervorzugehen,  dafs 
nie  in  Athen  eine  Frau  als  Zuschauerin  dramati- 
scher Vorstellungen  das  Theater  betreten  habe. 
Tch  habe ,  seit  ich  jene  Untersuchung  anstellte ,  noch  immer  keine 
Stelle  in  den  Alten  finden  können  ,  die  meiner  Behauptung  wirk- 
lich widerspräche,  so  verjährt  und  herrschend  auch  noch  immer 
der   Glaube  an  das  Gegentheil  sein  mag  ♦*). 

Es  kann  indefs  kaum  fehlen  ,  dafs  nicht  die  Vertlieidiger  der 
gegenseitigen  Meinung  hier  und  da  auf  eine  Stelle  slofsen  sollten, 
die  ihnen  dem  ersten  Anblicke  nach  günstig  scheint  und  den  Frauen 
des  geistreichsten  Volkes  im  Alterthnme  wenigstens  noch  eine  Hin- 
terpforte olfen  läfst ,  durch  welche  sie  sich  zu  diesem  verbotenen 
Schauspiele  einschleichen  könnten.  Eine  solche  Stelle  hat  vor 
Kurzem  auch  der  scharfsinnige  Verfasser  eines  historischen 
11  nd  kritischen  Versuchs  über  das  klassische  Aller- 
Ihum  ***)  gegen  mich  gütig  zu  machen  gesucht.  Da  nicht  zu 
zweifeln  ist,  dafs  dieses  Werk  durch  die  Neuheit  seiner  Untersuch- 
ungeu  und  durch  die  Anwendung  der  kritischen  Philosophie  auf 
Gegenstände  des  Alterthnms  überall  verdienten  Beifall  linden  wer- 
de, so  darf  ich  die  Antwort  auf  diesen  Einwurf  nicht  schuldig 
bleiben,  wenu  ich  nicht  die  Leser,   die  jene  Stelle  im  Zusammen- 


♦)    N.  teutscber  Merkur,  1796.  St.  1.  S.  23.  ff. 

**)    So    finde  ich   z.  B.   neuerlich  auch  in  der  fieifsigen   Abliandlung 
von  Köhler  über  das  Theaterwesen  der  Alten,  die  sich 
in    seinen    ausgewählten    Stücken     der    dramatischen 
Dichter  der  Römer  befindet,  S. 535.  ausdrücklich  die  Beliaupt- 
ung  des  Casaubonus  wiederholt,  dafs  den  Frauen  der  Zutritt  zum        I 
Theater  offen   gewesen  sei.    „Nur   mufsten  sie,"   setzt  er  hinzu,       1 
„dem  Atheniensischen  Nationalstolze  gemafs,   ganz  hinten  sitzen,'* 
Den  Beweis  hiei'zu  niufs  natürlich  das  Fragment  des  Alexis  beim 
Pollux,  IX,  44.  liefern,  dessen  Unstattliaftigkeit  Jeder,  der  meine 
Erinnerungen  darüber  in  meiner   früheren  Untersuchung  mit  Be- 
dacht geprüft  hat,  gewifs  zugestehen  mufs. 
♦♦♦)    Die  Griechen  und  Römer,   von  Fr.  Schlegel.    B.  1.  S. 
312.  f. 


309 

lian,^c  zu  pnifen  iiiclit  sogleich  Zeit  oder  Gelegenheit  Iiabcn ,  in 
neue  Zweifel   verwickeln  lassen  wilL 

Fr.  Schlegel  kami  sich  nicht  entscliliefsen,  die  Afheneiin- 
nen,  die  er  so  gern  zum  Range  gehihieler  Frauen ,  wie  etwa  die 
Pla(onisclie  Diotiaia  ist,  erheben  möchte,  von  der  erhabenen  Schule 
«tlischer  Bürger,  vom  Theater,  auszuscliliefsen.  Denn ,  setzt  er  in 
einer  Anmerkung  hinzu,  der  Yertheidiger  der  entgegengesetzten 
Meinung  nimmt  auf  eine  wichtige  Stelle  beim  Plato  keiue  Rück- 
sicht, aus  welcher  gerade  das  Gegentheil  folgt. 

Die  Stelle  des  Plato,  von  welcher  hier  die  Rede  ist,  befindet 
sich  im  zweiten  Bnch  von  den  Gesetzen  *).  Der  Alhenien- 
ser,  der  hier  mit  dem  Klinias  und  Megillus  redend  eingeführt  wird, 
>vill  beweisen,  dafs  das  Vergnügen,  welches  die  Bürger  seines 
idealischen  Staates  bei  den  mancherlei  Schauspielen  empfinden 
lÄÜrden,  noch  immer  nicht  als  Mafsstab  ihrer  wahren  Zweckmä- 
fsigkeit  und  ästhetischen  Vollkommenheit  angesehen  werden  könne. 
Denn  —  diefs  ist  der  Grund,  womit  er  die  Unzulänglichkeit  eines 
solchen  Mafsstabes  beweis't  —  ein  jeder  aus  der  Menge  der  Zu- 
schauer würde  nur  allein  der  Gattung  den  Preis  zuerkennen,  die 
seinen  Neigungen  und  Wünschen  die  angemessenste  ist,  ohne  sein 
Urtbeil  durch,  höhere  ästhetische  Forderungen  einschränken  und 
bestimmen  zu  lassen.  Hierüber  erklärt  sich  nnn  der  weise  Unge- 
nannte aus  Athen  dem  wesentlichen  Inhalte  nach  folgeudermarsen : 

,,  Gesetzt,  dafs  Jemand  Wettkämpfe  veranstaltete,  ohne 
die  Gattung,  ob  sie  in  Wagenrennen  oder  in  gymnastischen 
oder  in  musikalischen  Kämpfen  bestehen  sollten ,  genaner  zu  be- 
stimmen ,  und  dafs  er  überhaupt  bekannt  machte,  dafs  der  den 
Preis  erhallen  solle,  der  den  Zuschauern  durch  seinen  Kampf  das 
grofste  Vergnügen  verschafft  habe:  was,  meint  ihr,  dürfte  wohl  die 
Folge  dieser  Bekanntmachung  sein?  Natürlich  wiirde  der  Eine 
epische  Lieder  absingen,  wie  die  Homerischen  Rhapsoden,  ein  An- 
derer die  Lyra  mit  seinem  Gesänge  begleiten,  ein  Dritter  ein  Lust- 
spiel, und  noch  ein  Anderer  ein  Trauerspiel  reciliren.  Ja  es  sollte 
mich  gar  nicht  wundern,  wenn  sich  auch  ein  Gaukler  dabei  ein- 
fände und  durch  seine  Künste  den  Preis  zu  erwerben  suchte. 
Denken  wir  uns  hierzu  noch  eine  Menge  anderer  Künstler  und 
Virtuosen,  wem  unter  ihnen  gebührt  nun  wohl  der  Preis?  Ge- 
¥fifs,  auf  eine  so  unbestimmte  Frage  läfst  sich  kaum  im  Allge- 
meinen eine  Yernünflige  Antwort  geben.  Aber  so  viel  liefse  sich 
doch  behaupten :  beruhte  die  Entscheidung  blos  auf  den  kleinen 
Kindern ,  so  müfste  der  Gaukelspieler  den  Preis  erhalten.  Die 
schon  erwachsenen  Knaben  hielten  es  mit  dem  Lustspiele.  Die 
gebildeten    Frauen**),   die  Jünglinge   und  das   Volk   über- 


*)    de  Leg.  II.  p  658.  A.  oder  T.  VIII.  p.  69.  70.  Edit.  Bip. 

*  )     Im    Griecliischen   al  ireirajStD/uivai   twv    ywonndv.     Man  könnte 


310 

lianpt  oiitsclileileu  sich  für  Jas  Tiaiiers|nel,  Wir  Alten  würden  dann 
für  den  l»lKH)Soden  stimmen.     Wer  liütle  nun  Recht '?" 

So  weit  Dato.  Und  nnn  fraii,e  ich:  spricht  Plato  in  dieser 
Stelle  iiljcrhaiipt  von  Athen  oder  nnr  von  seinem  idealisirten  Staa- 
te? S|»ncht  er,  Avenn  er  auch  Athen  dabei  im  Sinne  gehabt  hätte, 
von  einer  wirklich  bestehenden  Sitte,  oder  spricht  er  nnr  hypothe- 
tisch ?  Wer  möchte  wohl  anf  eine  solche  Stelle  seine  Ueber- 
zeiiiiMni^  von  einer  Sitte  gründen  ,  der  alles  üebrige  im  ganzen 
griechischen  Alterthnme  geradezu  widerspricht? 

Eine  Stelle,  die  zu  viel  heweis't,  beweis't  nichts.  Diefs  ist 
liier  wirklich  der  Fall.  Denn  sollen  die  Frauen  durch  sie  Er- 
laubnifs  erhalten,  den  theatralischen  Vorstellungen  beiwohnen  zu 
dürfen,  so  dürfen  wir  auch  die  kleinen  Kinder  und  Knaben  nicht 
davon  ansschliefsen,  durch  welche  Plato  den  Gauklern  nnd  Possen- 
spiclern  den  Preis  der  angenehmsten  Lnterhaltnng  ertheilen  läfst. 
Nnn  ist  es  aber  eine  ansgomachte  Sache,  dafs  vor  Anfang  des 
18ten  Jahres  kein  junger  Athenienser  das  Theater  besuchen  durfte. 
Dann  erst  wurde  er  feierlich  unter  die  Epheben  anfgenom- 
nien  ;  von  da  an  konnte  er  die  Theater  bei  Volksversanimlnngen 
nnd  also  auch  bei  theatralischen  Vorstellungen  besuchen  *) ;  von 
da  an  fand  er  im  Theater  seinen  eigenen  Platz,  den  Pollux  aus- 
drücklich den  Sitz  der  Epheben  nennt  **).  Denn  das  Bei- 
spiel der  römischen  Theater,  wo  wir  allerdings  nach  einer  Stelle 
des  Plautus  auch  Mütter    und   Ammen  mit  Aveiuenden  Kindern  au- 


diefs  nach  einer  belcannten  Stelle  in  Xenophon's  Oecon.  C,  3.  p. 
17.  ed.  Bach,  von  solclien  Frauen  in  Atlieii  erklären ,  die  sich 
durch  ilire  Männer  selfjst  etwas  von  der  Bildung  niittheilen  lie- 
fsen ,  in  deren  Besitz  sonst  nnr  die  Aspasien  waren.  Und  dann 
AvUrde  selbst  diese  Stelle  für  die  allgemeinere  Bildung  der  Atlie- 
nerinnen  gerade  sehr  bedenklicli  sein.  Allein  ich  bin  viel  geneig- 
ter, zu  glauben,  dafs  Plato  die  in  seiner  Republik  mit  aller  männ- 
lichen Cultur  veredelten  Frauen  (s,  die  Stellen  in  Morgen- 
stern's  Commentat.  p.  221,  ff.,  wo  überhaupt  der  Zustand  der 
Atlienisclien  Frauen  selir  riclitig  mit  Plato's  Dichtungen  verglichen 
ist,")  darunter  verstanden  liabe, 

")  Täc  iXKXijtr/af  •rsffsx.ä^/jvTo  heifst  es  von  den  Epheben  beim  PJü- 
lostratus  in  Vit.  Sophist.  11.  1 ,  p.  550.  Nun  wurden  aber  die 
Volksversammlungen,  einen  einzigen  Fall  ausgenommen,  alle  im 
Tlieater  gelialten.  Man  vergleiche ,  was  ich  so  vollständig ,  als 
mir  möglich  war,  über  die  Epheben  gesammelt  habe,  in  meiner 
AblianilUing  de  originibiis  tirocinii  apud  Romanos  p.  13.  14. 

*)  To  t<pt}ßiviov  Poll.  IV,  122.,  >ergl.  Vitruv,  übersetzt  von  Rode 
Th.   1.  S.  276. 


311 

zuDcliincu  berechtigt  sind  *),  wird  hoffentlich  Niemand  als  einen 
Beweis  ansehen,  dafs  dieses  Unwesen  auch  schon  in  Athen  gedul- 
det worden  sei.  Die  Römer  empfingen  ihre  dramatischen  Vor- 
stelhingen  nud  Theatereinricbtuogen  über  Campanien  und  Grofs- 
griechenhuid  **),  wo  Weichhchiceit  nnd  Pjthagoräismns  anf  ganz 
versciiiedenen  Wegen  doch  einerlei  Wirknng  hervorgebracht  nnd 
den  Weibern  eine  weit  freiere  nud  unbeschränktere  Theilnehm- 
nng  an  öiTenliichen  Verhandluugen  nud  Vergnügungen  zugestanden 
Latten. 

Ueberlianpt,  ich  ranfs  es  hier  noch  einmal  wiederholen,  wi- 
derstrebt der  öffentliche  Theaterbesuch  so  sehr  aller  in  Athen  ge- 
setzraäfsig  bestehenden  Siftsamkeit  und  Eingezogenheit  ehrbarer 
Bürgerinnen,  dafs  eine  Alheneriu  unter  den  Männern  im  Tlieater 
sitzen  zn  selien ,  durchaus  für  ein  öffentliches  Aergernifs  und  eine 
.  nnverzeihlichc  Schamlosigkeit  gegolten  haben  müfste  ***).  Die 
Achtung  gegen  ehrbare  Bürgerinnen  ging  so  weit,  dafs  mau  es 
für  nicht  viel  weniger  als  eine  Brutalität  hielt,  in  ihrer  Gegenwart 
nur  ein  unanständiges  Wort,  nur  eine  Zweideutigkeit  auszuspre- 
chen f).  Wie  hätten  sich  nnn  die  Komödieen  des  Aristophanes, 
oder  die  muthwilligen  Aeufserungen  iu  den  satirischen  Dramen  mit 
den  allgemein  herrschenden  Begriffen  Aon  Ehrbarkeit  vertragen 
köunen?  Nirgends  auf  öffentlichen  Plätzen  zu  e  r- 
s  c  h  e  i  n  e  u  ff),  war  die  erste  und  heiligste  Siltenvorschrift  Athe- 
nischer Frauen  und  Mädchen,  und  darum  halte  auch  schon  Solon 


*3    Alan  vergl.    den   für  die    römische   Theaterpolizei    merkwürdigen 
Prolog  zum  Pönulus,  besonders  V.  28  —  35. 
**)    Deutliclie   Spuren  hiervon  siehe  beim  Valerius  Maximus  II,  4.  6» 
Hieraus  lassen  sich,  beiläufig  zu  erinnern ,  alle  Abweichungen  der 
römischen    Schanbiiline  von  den   Atheniscli -giiecliischen  Theater- 
sitten erklären.   Klagt  doch  schon  Plato,  de  Leg.  II.  p.  72.  Bip.  über 
den  ^Er/.sXrAÖg  y.a]  'iTaXfKs;  vs/^oj,  der  in  Athen  selbst  die  strenge 
Tlieaterzucht  aufgehoben  habe. 
***)    ,, Wähltest  du  dir  nicht,"  sagt  Sokrates  zum  Kritobulos  beim  Xe- 
nophon,  Oecon.  c,  3.  p,  16.,  „am  liebsten  die  ziu'  Frau,  die  am 
wenigsten  gesehen   und   gehört  hätte?  sAayicrT«  swpa- 
nuTav  K«}  a>t^xou7ay."    Aber  was  war  nicht  Alles  auf  der  attisclien 
Bühne  zu  selten  und  zu  hören? 
f)     Der  alte   Chremes  scliämt  sich,  in  Gegenwart  seiner  Frau  nur  das 
Wort  Hetäre  auszusprechen.     Pudet  dicere  hac  praesente  verbum 
turpe,    beim  Terenz,    Heautont.  V,  4.  19.   nach    dem  Meiiander. 
Demostlienes  führt  es  als  einen  besonderen  Frevel  des  Midias  an, 
dafs  er  vor  elirbaren  Frauen  schändliche  Worte  au&gestofsen  habe, 
Adv.  Mid.  c.  23.  p.  43,  Spald. 


312 

(llü  Frauen,  «lie  sicli  ölTfiidiili  zclü:fen,  so  sdeng^cn  Gesefzeii  nn- 
toiwori't'ii  und  eigene  Siltoa-  und  KeuscIiheitPiitliter  für  die  Wei- 
ber, wo  iiicbt  zuerst  j»eslifk't,  doch  j>ut  fj,elieifseu  *).  Und  hei  ei- 
ner solclieu  Verfassung-  solUe  den  Weiboru  der  Besuch  des 
Theaters  frei  gestanden  haben?  Vielleicht  scheint  dieser  Wider- 
spruch nur  mir  so  aiilfaliend  ,  weil  ich  schon  lange  die  drauiati- 
Kcheu  Dichter  und  Dicblerfiagiuente  der  attischen  Bühne  luit  der 
UebeizeiigiiMg  gelesen  habe,  diefs  hörten  damals  nur  die  Männer, 
und  weil  ich  mir  eben  dadurch  so  manche  Härte,  so  manche  Kraft- 
phrase, die  nur  blos  unter  Männern  gedacht  und  gesprochen  wer- 
den konnte,  zu  erklären  suchte.  Aber  leugnen  kann  ich  es  nicht, 
dafs  ich  mir  es  nicht  recht  zu  erklären  wcifs,  wie  ein  Kenner,  der 
tiefer  in  den  Geist  des  attischen  Alterthums  eingedrungeu  ist,  der 
entgegengesetzten  Meinung  noch  immer  öffentlich  beipflichten  kann. 
Man  erlaube  mir,  um  der  Verwandtschaft  des  Inhaltes  willen, 
noch  Folgendes  hinzuzusetzen.  Die  Begriffe  über  die  Eingezogeu- 
lieit  ehrbarer  Frauen  und  ihre  Entfernung  von  Allem,  was  einer 
öffentlichen  Repräsentation  auch  nur  von  fern  ähnlich  sehen  konn- 
te, waren  so  streng,  dafs  es  nicht  einmal  den  bildenden  Künsten 
gestattet  war,  sie  an  einem  öffentlichen  Orte  auch  nur  im  Bildnisse 
aiifzustelleo.  Wenn  die  Athener  der  heldenmüthigen  Leuna  ein 
öffentliches  Denkmal  setzen  wollen ,  so  bildet  sie  Tisikrates  als 
eine  Avirkliche  Löwin  ohno  Zunge,  Kaiamis  als  Venus  in  Mar- 
mor **).  Der  Maler  Polvgnolus  will  seine  geliebte  Elpiuike,  die 
Tochter  des  grofsen  Milliades  und  Schwester  Kimon's,  auch  durch 
ein  öffentliches  Gemälde  verewigen.  Er  weifs  sich  nicht  anders 
zu  helfen,  als  dafs  er  der  Trojanerin  Laodike  in  einem  Gemälde, 
das  die  Eroberung  Troja's  vorstellte  und  in  der  Pökile  zu  sehen 
war,  die  Porlrailähnlichkeit  dieser  Elpinike  giebl  *♦*).  So  durfte 
sieb  die  Weiblichkeit  selbst  im  Bildnisse  nur  unter  dem  Namen 
einer  Göttin  oder  Heroine  ausstellen! 


Nur  durch  eine  Ivritisclie  Prüfung  der  Stellen,  wo  dieser  besonde- 
ren Sittenrichter  gedaclit  wird,  die  mit  ihrem  eigenen  Namen  ^u- 
v«jKOKc<r/uo<  hiefsen,  läfst  sich  etwas  Bestimmtes  über  die  Cultur, 
die  Reclito  und  Pflichten  der  Atlienerinnen  herausbringen.  Die 
CoUectaneeu  dazu  giebt  Meursius,  Lect.  Attic.  IL  5.  und  S.  Petit, 
Leg.  Att.  VI.  4.  p.  566.  Wessel.  Nur  diefs  will  ich  liier  anmerken, 
dafs  Aristoteles,  Polit  IV.  15.  diese  Magistratur  als  aristokratisch  an- 
giebt,  weil  sie  den  Weibern  auszugehen  verbiete. 
S.  PÜnius  XXXIV,  8,  s.  19.,  12.  mit  Hardouin's  Anm.  undPausanias 
I,  23.  p.  85.  Fac.  Freilich  war  sie  auch  eine  Hetäre.  Aber  diefs 
war  niclit  die  Ursaclie,  warum  sie  nicht  unter  ihrem  Namen  eine 
Portraitstatue  erliielt. 

S.   Plutarcli   in    vit.    Cimon.  c.  4.  T.  Hl.  [>.  249.    Hütten,  vergl. 
Lessing' 3  Leben  des  Sopbocles,  S,  108. 


313 
Dritte  Abhandlung. 

Mit  gewissen  tief  eingewnrzellen  Vornrtlieileii  geht  es,  wie 
mit  mancheu  Wucher-  und  Srliinaiozeipllaiizeu.  Man  scliueiilef, 
man  rauft,  man  brennt.  Sie  treiben  und  sprossen  docii  immer 
wieder  aufs  Neue  liervor.  Man  mufs  sieh  also  auch  die  Mühe 
wicht  verdriefsen  lassen,  sie  immer  aul's  Nene  zu  beschneiden  und 
von  der  Wurzel  auszujäten.  Die  Sache  hat  sehr  erns(e  AiisicJilcn, 
Hier  mag  indefs  nur  von  einer  unbedeutenden  Kleinigkeit  die  Rede 
sein.  Dem  Freunde  des  Alferthumes  ,  der  darin  Siegel  und  Vor- 
bild späterer  Zeiten  ehrt,  ist  indefs  nichts  uubedeulend ,  was  zo 
einer  irrigen  Ansicht  desselben  verleiten  könnte;  und  mit  einer 
falschen  Vorstellung  von  den  Gebräuchen  in  der  alten  Welt  habe 
ich 's  hier  zu  (hun.     AVerd'  ich  laugweilen'? 

Ich  habe  es  gewagt,  bei  verschiedenen  Veranlassungen  geradc- 
zn  zn  behaupten,  dafs  wenigstens  die  Frauen  iu  Athen,  so  lange 
dieser  Staat  noch  Selbstständigkeit  hatte ,  der  Auffüiirung  der 
Trauer-  und  Lustspiele  auf  den  dortigen  Theatern  während  der 
Bacchusfeste  nicht  beiwobuten  *).  Mehrere  vertraute  Kenner  des 
Alterthums  haben  seitdem  meiner  Behauptung  beigepflichtet  *♦). 
Allein  die  Meisten  sind  ungläubig  geblieben.  Es  scheint  doch  gar 
zu  hart,  die  Frauen  und  Töchter  des  Volkes,  aus  welchem  die  herr- 
lichste Bliithe  der  Kultur  und  Musenkunst  hervorging,  von  dem 
Genüsse  dessen,  was  die  griechische  Dichtkunst  Köstlichstes  erzeug- 
te, von  den  Trauerspielen  eines  Aeschjlus,  Sophokles  und  Euri- 
pides,  auszuschliefsen.  Noch  vor  Kurzem  hat  Professor  Böckh  in 
Heidelberg  iu  eiuer  Schrift  voll  Gelehrsamkeit  und  Scharfsinn  ***), 
der  ich  ungemein  viel  Belehrung  verdanke,  meine  Behauptung  für 
völlig  unstatthaft  erklärt  und  sich  auf  drei  Zeugnisse  seines  Plato 
berufen,  in  welchen  mit  dürren  Worten  zu  lesen  steht,  dafs  die 
Tragödieen  auch  vor    Weibern  und  Kindern    gespielt  worden  sind. 

Hätte  der  treffliche  Mann,  dem  es  eigentlich  nur  um  eine 
Ehrenrettung  jener  alten  Sage  zu  thun  ist,  nach  Avelclier  bei  der 
ersten  Aufführung  der  Aeschyleisohen  Euraeniden  sogar  schwangere 
Frauen  vor  Schrecken  sogleich  mit  unreifen  Geburten  niederge- 
kommen sein  sollen,  sich  die  Mühe  geben  können,  die  Abhandlung 
im  neuen  teutschen  Merkur  vom  Jahre  1796  selbst  nachzulesen,  wo 
ich  mehr  aus  dem  Zustaude  und  Verhältuisse  der  Athenischen  Bür- 


*)  Zuerst  in  folgendem  Aufsatze :  „Waren  die  Frauen  in  Athen  Zuscliaue- 
rinnen  bei  den  dramatischen  VorsteUungen  ?"  im  n.  t.  Mei'kur  1796.  St. 
I.  S.  28  ff.  Dann  in  der  Af>handlung :  „Die  Furienmaslce  im  Trauerspie- 
le und  auf  den  Bildwerlcen  der  Griechen."  O^'ei'iar  1801.)  8,3.  f. 

**)     Z.  B.  Jakobs  in  den  Anmerk.  zu  den  Atheniensisclien  Briefen,  I.  539. 

***)  Gvaecae  tragoediae  principum  —  num  ea,  quae  supersint,  et  ge- 
nuina  ouiuia  sint  et  forma  primitiva  servata.  (Heidelb.  1808.)  p.  37.,  38, 


m 


314 


gerinnen  zu  Allem,  wns  mau  dort  offeuniclics  Leiten  nannte,  über- 
hanpt  als  blos  ans  einzelnen  Stellen  diese  Streilfrane  zu  beant- 
worten snt'bte ,  so  würde  ihm,  dem  Eingeweihten  in  allen  Rej^eln 
der  Kritik,  wohl  selbst  noch  mancher  Zweifel  a»%eslüfsen  sein. 

Es  wäre  ihm  vielleicht  auch  dann  nicht  unbekannt  geblieben, 
dafs  ich  die  eine  von  den  drei  Stellen  des  Plato,  die  er  gegen  mich 
anführt,  schon  vor  11  Jahren  kannte  nnd  auf  eine  AVcise  mit  mei- 
ner Behanpfnng-  zu  \ereinigen  suchte,  die  wohl  nicht  gezwangen 
oder  gewaltsam  genannt  werden  kann  *).  Die  gebildeten  Frauen, 
die  nach  Plato,  im  zweiten  Buche  von  den  Gesetzen ,  das  Trauer- 
spiel wälileu  würden,  sind  nur  hvpothelisch  dort  angenommen.  Sie 
würden  es  wühlen ,  wenn  ihnen  die  Wahl  frei  stände.  Und  sind 
diese  gebildeten  Frauen  im  alten  Athen  nicht  eine  grofse  Selten- 
heit, nicht  vielmehr  in  Plato's  idealisirtem  Staate  oder  gar  nur  in 
der  Schule  einer  Theodota  oder  Aspasia  zu  suchen?  In  der  zwei- 
ten Stelle  im  7.  Buche  von  den  Gesetzen  (T.  III.  p.  380.  Bip.) 
widersetzt  sich  die  idealische  Gesetzgebung  einer  herumziehenden 
Truppe  von  tragischen  Schauspielern ,  die  auf  dem  Markte  ihre 
Bühne  aufschlagen  und  dort  den  zusammenlaufenden  Weibern,  Kin- 
dern und  Yolkshaufen  ihre  hohe  Weisheit  vortragiren  wollen,  dadurch, 
dafs  sie  ihnen  enfgegcnrnft:  unsere  ganze  Staatsverwaltung  ist  eine 
sublime  Tragödie.  Beweis't  diefs,  dafs  die  honetten  Bürgerfrauen  und 
Töchter  in  Athen  wirklich  das  Schauspiel  im  Yolkstheater  an  den  hei- 
ligen Festen  besuchten?  Die  meiste  Beweiskraft  scheint  jedoch  die 
dritte  Stelle  im  Gorgias  des  Plato  **)  zu  haben ,  wo  Sokrates  so- 
gar auch  die  Tragödie  der  Gefallsucht  und  Rhetorication  wegen  an- 
klagt. „Sie  ist,'^  sagt  Sokrates,  ,,eine  Redekunst  an's  Volk,  das 
beifst,  an  ein  Gemisch  von  Kindern,  Weibern,  Männern,  Leibeigenen 
nnd  Freien."  Ich  will  hier  nicht  einmal  den  Einwurf  geltend  ma- 
chen ,  dafs  die  Definition,  die  Plato  hier  dem  Sokrates  vom  Worte 
Volk  in  den  Mund  legt,  auch  nur  den  allgemeinen  Begrilf  um- 
fassen könne.  Ich  glatdje  selbst,  dafs  Plato  Frauen  nnd  Kinder 
als  Zuschauer  gemeint  hat.  Aber  schon  die  Gesellschaft  der  Skla- 
ven, in  der  sie  hier  erscheinen,  zeigt,  zu  welcher  Klasse  sie  ge- 
hörten.    ISie  werde  ich  mich  durch  Zeugnisse,  wie  die  jetzt  auge- 


Es  liatte  schon  Fr.  Schlegel  in  seinem  lüstorischen  nnä  kritischen 
Versuche  über  das  klassische  Altcrtlann ,  den  er  „die  Griechen 
nnd  Könier"  überschrieb,  S.  812.  f.  die  Stelle  aus  Plato,  de  Leg. 
11,  p.  69.,  70.  Bip.  für  den  Theaterbesuch  der  Frauen  angefülirt, 
worauf  im  n.  t.  Merkur  1797.  St.  3.  S.  224.  if.  geantwortet  wurde. 
T.  IV.  p.  121.  Bip.  oder  p.  192.  cdit.  Heindorf,  wo  der  Heraus- 
geber die  Bemerkung  macht :  Cläre  h.  I.  api)aret,  illa  quidem  aetate 
muliercä  servosfiue  aditu  ad  spectacula  sceiiica  non  esse  prolii- 
bitos. 


315 

fülirten  siud ,  d.iron  liberzcngen  können,  daFs  eine  ElpJnike,  eine 
Frau  (leslschoniaeluis,  die  nns  beim  Xonoplion  so  ehrwürdig-  erscheinf, 
oder  anch  nnr  eine  Lysisfrala,  wie  sie  nns  Arislophanes  in  eioein 
eigenen  Lnslspiolo  als  Heldin  oder  der  liehenswürdige  Verfasser 
der  Reise  des  jnngen  Anacharsis  als  Gemahlin  des  Dinias  anfstellt, 
das  Theater  besnoht  nnd  sieh  unler  andere  SLinner  bingeselzt  ha- 
ben.    Darüber  erwarte  ich  erst  noch  eine  liindendere  Beweisstelle» 

Ich  erlanbe  mir  aber  bierbei  noch  folgende  allgemeine  Be- 
merkungen : 

Erstlich  :  Wenn  belianptet  wird,  dafs  keine  ehrsame  Matrone 
und  noch  viel  weniger  eine  sittsame  Jungfrau  das  Theater  besucht 
habe,  so  wird  dadurch  nicht  gelengnet,  dafs  nicht  manche  Dame  von 
der  Halle,  manche  Poissarde  und  Obstverkiluferiu,  auch  wohl  nian- 
cbes  Mädchen  von  gutem  AVillen  dort  Zutritt  gefunden  haben. 
Aber  Weiber  aus  diesen  Ständen  und  Klassen  zählten  und  zahl- 
ten hier  nicht.  Das  Zahlen  verstehe  ich  von  dem  an  die  Entre- 
preneurs  für  gewisse  Zubereitungen  beim  Eintritte  zu  entrichtenden 
Legegelde.  Denn  die  Auflührung  der  Stücke  und  Bezahlung  der 
Actenrs  trugen  die  reichen  Bürger  als  Cborageu  aus  ihrem  Beutel. 
Wir  wissen  aus  Theophrast's  Charakteren ,  dafs  der  Knicker  mit 
seine«  Buben  zu  der  Stunde  in's  Theater  geht,  wenn  die  Kassirer 
Jedermann  frei  einlassen  *). 

Zweitens;  Eine  rechtliche  Atbeneriu  erschien  nur  an  hohen 
Festtagen  ihrer  Schutzgöttin,  bei  feierlichen  Prozessionen  und  Opfern 
nnd  bei  anfserordentliclien  Veranlassungen  im  Publikum.  Denn  bei 
g'ewisseu  anderen  jäiirlichen  Festen  waren  die  Weiber  immer  nur 
allein  für  sich ,  und  kein  Mann  durfte  sich  da  in  ihre  Kreise  mi- 
schen. In  jenem  ersten  Falle  wurde  dann  ihr  Betragen  von  eige- 
nen Polizeimeislern  über  die  Franen  (die  G^-^näkokosmoi  heifsen) 
bewacht  nnd  geregelt.  Uebrigens  safscn  sie  mit  ihren  Töchtern 
nud  Mägden  im  hintersten  Theile  des  Hauses  gleichsam  verschlos- 
sen *♦),  nnr  weiblichen  Besuchen  oder  Verwandten  zugänglich,  nach 
echt  orientalischer  Sitte  oft  nur  der  kindischen  Putzlust  hingegeben 
oder,  wenn  sie  einen  Sokratischeu  Ischomachns  zum  Manne  hat- 
ten, Jtls  gute  Wirthschafterinuen  das  Hausregiment  verwaltend  ***), 


')  S.  Cliar.  XV,  p.  32,  ed.  Schneid,  Um  den  schwierigen  Punkt, 
was  nnd  warum  etwas  im  Theater  bezahlt  wnrde,  aut'znklären, 
mufs  erst  bestimmt  werden,  wann  Athen  ein  stehendes,  steinernes 
Tlieater  bekam. 

')  Eine  brave  Frau  mnfs  versclilossen  und  ohne  auszugehen  leiten! 
Dieser  Satz  gehört  zu  den  Gemeinspriichen,  s.  Plntarch,  de  mu- 
liernm  virt,  T.  If,  p,  1.  ed.  Wytt. ,  und  eine  ehrbare  Frau  heifst 
eine  verschlossene.  S.  Ilemstevliuys  zu  Lucian's  Timon  17.,  T.  J, 
p.  128. 

*)    I\Ian  sehe  das  3.,  8.  und  9.  Capitel  des  Xenophontischen  Oecono- 


316  0 

Die  Frau,  von  der  inaii  «Iranfsen  weder  elwas  liort  noch  sieht, 
und  die  mich  selbst  so  wenig-  als  niijglicli  hört  und  sieht,  ist  die 
befste  nach  Peiikles  und  Xenophon  *).  Daher  stellte  der  Athener 
Phidias  neben  seine  Venus  zn  Elis  eine  Scliildkröle ;  daher  war  der 
seine  (iötlin  nie  verlassende  Hansdrache  oben  in  der  Burg-  das 
Sinnbild  weiblicher  Häuslichkeit  **). 

Drittens :  Es  konnte  auch  dem  Athenischen  Hausvater  ^ar 
nichts  daran  gelegen  sein ,  dafs  seine  Gattin  das  erhalte,  was  wir 
heut'  zu  Tage  ästhetische  Bildung  nennen.  Musik,  Tanzkunst  und 
Gesang  gehörten  in  die  Schule  der  Aspasien,  nach  Corinth,  Syra- 
cus  oder  Miletus.  Ein  musikalisches  Mädchen  war  ein  Lustniäd- 
chen  und  wurde  für  Geld  zu  Festen  und  Gastmählern  gedungen. 
Die  Literargeschichte  kennt  eben  so  wenig  eine  Athenische  Dich- 
terin oder  Schriftstellerin  ,  als  die  politische  eine  Heldin,  In  Plu- 
tarch's  historischem  Bildersaale  von  den  Heldenthaien  der  Weiber 
erglänzte  keine  einzige  Athenerin.  Eheliche,  rechtmäfsige  Kinder 
nnd  Leibeserben  zu  erzielen,  das  war  der  einzige  Zweck,  weichen 
selbst  nach  dem  Buchslaben  der  Solonischen  Gesetzgebung  ein 
Athener  bei  seiner  Heirafh  mit  einer  echten  Biirgerstochler  nur  vor 
Augen  haben  durfte.  Daher  sah  oft  der  junge  Bräutig;am  seine 
Braut  nicht  eher,  als  bis  sie  sich  ihm  als  Verlobte  entschleierte, 
und  ein  Athenischer  Jüngling  konnte  daher  in  einer  Komödie  Me- 
nander's  von  der  ilim  zugedachten  Nachbarstochter  sagen :  ich  weifs 
nicht,  was  für  ein  Ungeheuer  sie  dort  erziehen.  In  einer  anderen 
Stelle  heifst  es  von  einem  Mädchen,  das  eben  heiratheu  soll . 

Spricht  auch  die  Jungfrau,  die  zur  HocJizeit  reift,  kein  Wort; 
Sie  spricht  ihr  Lob  durch  Schweigen  am  beredtesten  aus. 

Natürlich  wufsten  sich  die  Jünglinge  durch  Hefären,  die  Männer  durch 
schöne  Knaben  für  jede  häusliche  Entbehrung  des  geistigen  Umganges 
vielfach  zu  entschädigen.  Auch  war  es,  wie  es  scheint,  ganz  in  der  Ord- 
nung, dafs  selbst  für  gewisse  häusliche  Bequemlichkeiten  eineScIavin,     ^ 
als  Beischläferin,  Sorge  trug.     Dieses  Alles  wird  in  der  dem  Demo-    1 

micus  und  vergleiche  damit,  was  auch  schon  Sclineider  in  seiner 
Ausgabe  tliat,  den  Oeconomicus  des  Aristoteles  I,  6.  Daraus  wird 
deutlich,  dafs  die  Athenische  Hausfrau  nur  Kindermutter  und  erste 
Ausgeberin  war. 
*)  Perikles  sagt  diefs  von  den  Atlienerinnen  bei  der  berühmten  Lei- 
chenrede im  Thucydides  II,  45.,  wo  Abrescli  mehrere  Parallelstel- 
len anfülirt.  Die  Stelle  beim  Xenophon  ist  im  Oeconom.  c.  3.  p. 
20.  ed.  Schneid. 
♦*)  Ueber  die  Schildkröte  zu  den  Füfsen  der  Venus  s.  Winckelmann's 
Werke  Th.  II.  S.  567.  N.  Ausg.  Der  Drache  auf  der  Burg  führt  den 
Zunamen,  den  man  aucli  jeder  guten  Hausfrau  von  ihrer  Häus- 
lichkeit erthcilte.     S.  zu  Hesychius  T.  II.  c.  726,  19. 


317 

stiienes  fälsdilicli  ziigescliiiebeiipii  Anklage  gegen  die  Neära ,  die 
ein  Athenisflier  Bürger  wider  das  Geselz  aus  einer  Hetäre  zur 
reclilinärsigeii  Ehefrau  erhoben  hatte,  kurz  und  gut  von  Riebtera 
lind  Volk  so  ausgedrückt:  die  Lustinädcheii  (Hcliiren)  hal»eu  wir 
um  der  Lust  willen ;  die  Beischläferinnen  zur  Piloge  des  Körpers 
bei  Tage ;  die  Ehefrauen ,  um  rechtinäfsige  Kinder  zu  erzeugeu 
uud  eine  treue  Schalfnerin   für's  Haus  zu  haben"  *). 

Viertens :  Also  entbehrten  auch  die  vornehmereu  Alheuerinnen 
weit  weniger,  als  unsere  heutigen  Damen  entbehren  würden,  wenn 
bei  uns  nur  Männern  das  Theater  offen  stände.  Sie  wnfslen  sich 
in  ihren  Frauengeniächern  zu  Hause  schon  auf  andere  Weise  zu 
entscliädigen.  Wer  noch  zweifelt,  der  darf  nur  die  freilich  un- 
übersetzbaren ThesinophoriazHsen  des  Arislophanes  einmal  durch- 
lesen. Nur  einen  Beweis  statt  vieler  daraus.  Das  ganze  Stück 
ist  eine  Verschwörung  der  Weiber,  um  sich  an  dem  Tragödieen- 
dicbter  Eiiripi<les  zu  rächen ,  der  die  Frauen  in  seinen  Trauer- 
spielen so  arg  verlästerte.  Woher  wissen  nun  diese  racheschwö- 
reudcu  Alhenerinnen  diesen  Frevel  des  damals  beliebtesten  Trauer- 
spieldichters"?  Sagt  etwa  eine  einzige:  wir  müssen  diefs  zu  nii- 
ßerer  Schmach  im  Theater  mit  ansehen ,  wie  spöttisch  blicken  d.i 
die  Männer  auf  uns ;  aus  Aerger  mögen  wir  Heber  gar  nicht  hin- 
gehen ,  wenn  Enripides  ein  Trauerspiel  giebt  I  So  würde  ein  ko- 
mischer Dichter  jetziger  Zeit  unsere  neuen  Eulalien  reden  lassen. 
Allein  davon  verlautet  in  jenem  Stücke  keine  Silbe.  „Wenn  die 
Männer,"  so  sagt  eine  Rednerin ,  „aus  einem  solchen  Stücke  des 
Enripides  nach  Hause  kommen ,  wie  argwöhnisch  belauern  sie  da 
alle  unsere  Schritte  und  Tritte."  Nun  folgen  die  lustigsten  Bei- 
spiele, wie  die  Männer  erst  durch  den  Enripides  gewitzigt  wor- 
den wären  **).  Also  dadurch  erfahren  erst  die  Weiber,  was  für 
Leclionen  der  heillose  Weiberfeind  ihren  Männern  auf  der  Bühne 
gegeben  hat.  Schwerlich  möchte  auch  Enripides,  der  in  seineu 
Thealerbeldinnen  freilich  öfter  das  Weib,  wie  sie  dem  Athener  er- 
schien, als  das  heroische  Ideal  aufstellte  ***),  Sceuen  der  Art,  wo 


*)  p.  1386,  20.  ed.  Reisk.  Die  ganze  Rede  und  die  des  Aescliines 
gegen  den  Timarchus  zeigen  die  laxen  Grundsätze  der  Athener 
über  die  VerJialtnisse  gegen  das  zweite  Geschlecht.  Nur  mit  ste- 
ter Hinsicht  auf  diese  Herabwürdigung  der  Frauen,  wie  sie  damals 
waren,  lassen  sich  die  Ideen  Plato's  zur  Veredlung  der  Frauen, 
wie  sie  sein  sollten,  in  seiner  Republik  ganz  verstehen,  (s.  Mor- 
genstern's  Commentat.  de  Piatonis  civit.  p.  221,  ff.)  und  läfst  es  sich 
begreifen,  dafs  der  in's  Häfsliche  übertreibende  Paw  doch  mehr 
Recht  hatte,  als  der  in's  Schöne  malende  Barthelemy, 

**)    Aristophanes,  Thesmoph.  395.  ff. 

***)    Damit  entschuldigte  er  sich  selbst  gegen  den  Aeschylus,  der  sich's 


818 

ein  Basfard  im  Knbsfalle  gefunden  ,  oder  eine  Gesell wäng^eHe  in» 
Teniiiel  eiitbuudon  wird  *) ,  aufs  Thealer  i!:ebra(lit  haben  ,  wenn 
er  elirhare  Alheniselie  Bürgerinnen  zn  Avirkliohen  Zuscliaiierinncn 
Bciner  Stücke  sitli  gedacht  hiitte.  Ücberliaupt  erhält  das  ganze 
griecbiscbe  Theater,  soviel  nns  unr  immer  der  Vater  Briimov  da- 
von noch  Yorfülireu  konnte,  eine  weit  männlichere  Tendenz  nnd 
auch  aufser  der  Schicksalsfackel  durch  Entbehrlichkeit  aller  Liebes - 
intrigne  und  Liebescpial  viel  mehr  Nerv  und  Kraft,  weil  gar  keine 
Rücksicht  aufs  v\eib!iche  Schauspieler-  und  Zuschanerpersonale 
dabei  genommen  werden  dürfte.  Nie  beleidigten  die  Geständnisse 
der  durch  einen  Gott  zur  Mutter  gewordenen  Crensa  im  Ion  des 
Euripides.  Als  aber  ein  geistreicher  deutscher  Dichter  in  seinem 
Ion  seine  Crensa  am  Ende  des  Stückes  dieselbe  Beichte  ablegen 
liefs,  so  versicherten  nach  der  ersten  Aufführung  dieses  Stückes 
vor  einem  Publikum,  das  gewifs  zu  dem  aufgeklärtesten  nnd  viel- 
seitigsten gehörte,  viele  ehrbare  Frauen ,  dafs  sie  dieses  Stück  nie 
wieder  besuchen  könnten  **), 

Fünftens:  Ich  frage  nur  noch,  wenn,  v\ie  Jedermann  wenig- 
stens aus  der  Vorrede  des  Nepos  weifs,  es  nntvandeihare  Sitte  war, 
dafs  keine  ehrbare  Hausfrau  oder  Jungfrau  je  aus  dem  Gynücenra 
in  den  Audronitis  oder  Speisesaal  trat,  wenn  fremde  Männer  da 
waren,  Avie  hätte  sich  eine  Athenerin  von  guter  Geburt  der  Be- 
schauung des  ganzen  Männerpnblikums  im  Theater  preisgeben  kön- 
nen, wo  es  mitunter  selbst  auf  den  Sitzen  der  Zuschauer  lustig 
genug  zugegangen   sein   luag?  ***)     Wenn    es   wider  den  Wohl- 


zum  Verdienst  anrechnet,  dafs  er  nie  in  seinen  Tranerspielen  eine 
verliebte  Frau  eingeführt  habe,  in  den  Fröschen,  p.  1085,,  oder 
nach  Conz's  üebersetzung  im  neuen  attischen  Museum  11,  3.  p.  119. 
Euripides  ging  von  der  Charakteristik  aus,  die  Aristoteles  aus- 
spricht :  „Die  Weiber  sind  weit  liänliger  schlecht  als  gut."  Poetic. 
15.,  p.  38.  ed.  Herm.,  wobei  Twining  in  den  Notes  p,  330.  eine 
sehr  passende  Stelle  aus  Aristoteles  Thiergeschichte,  IX,  1.  \err 
gleicht. 
*)  Das  Erstere  geschab  in  der  Menalippe  des  Euripides  ([s.  Valcke- 
naer,  Diatiibe  in  Fragm.  p.  283.  und  Twining  zum  Aristoteles 
p.  93.),  das  Letztere  nacli  den  Schollen  zu  Aristophanes  Fröschen 
1112,  in  einem  Stücke  desselben  Dichters. 

**)  Derselbe  Verfasser  hat  übrigens  später  den  Unterschied  des  grie- 
chisclien  Kostüms  von  dem  modernen  selir  gut  gefühlt.  S.  Com- 
paraison  de  la  Phedre  de  Racine  et  Celle  d'Euripide,  (Paris  1807) 
p.  30. 

***)  Das  Zeugnifs  aus  der  Atthis  des  Philochoros  beim  Athenäus 
XI,  p.  465.  F.  oder  T.  IV.  p.  204.  Scliweigh.  setzt  est  aufser 
Zweifel,   dafs  man  während  der  Vorstellungen  im  Theater  ileifsig 


319 

sfand  war,  clafs  eine  Athenische  Matrone  anch  nur  Im  Bilde  ijf- 
fcnllicli  ans2,cs(ellt  wurde,  und  daher  Polygiiot  nach  PhUarch's 
Zeiigiiifs  (im  Lehcii  des  Ciraou  C.  4.)  seine  Elpinike  nur  als 
Trojanerin  Laodike  in  der  S<oa  gemalt  aufstellen  konnte,  wie  hät- 
ten sich  die  Frauen  nnd  Töchter  so  nnt  den  Thaissen  und  Lais- 
sen  nra  die  Wette  lebendig-  ausstellen  können?  Wenn  endlich  in 
Gegenwart  einer  ehrbaren  Frau  nicht  einmal  das  Wort  Hetäie 
ausgesprochen  werden  durfte  nnd  wenn  es  für  den  iirgslen  Frevel 
galt,  vor  einer  Matrone  unzüchtig-e  Reden  auszustofsen ,  mit  wel- 
cher Stirn  hätten  nun  diese  züchtigeo  Athenerinnen  eine  Satjrhand- 
lang-,  die  doch  gewöhnlich  das  vierte  Stück  oder  die  Zugabe  einer 
tragischen  Trilogie  macht,  oder  ^^ar  einem  Aristophanischen  Possen- 
spiele beiwohnen  können?  *)  Die  Armen  hätten  ja  nicht  einmal 
den  Schamdeckel  eines  Fächeis  oder  die  Nothhilfe  eines  Shawls 
oder  Schnupftuches  gehabt!  Gewifs  unter  allen  üubegreiflichkeitea 
und  Ungereimtheiten  wäre  doch  bei  solcher  Denkart  und  solchen 
allgemein  angenommeneu  Gesetzen  der  weiblichen  Zucht  der  Thea- 
terbesuch Alheuischer  Frauen,  die  nicht  zur  leichten  Klasse  gehör- 
ten oder  auf  dem  Markte  feil  hielten,  die  gröfste  und  widersinnig- 
ste gewesen.     Aber  es  fragt  sich  auch  endlich 

sechsteus:  ob  für  das  Ganze  durch  diese  völlige  Eutfernuna: 
der  Weiber,  die  Achtung  gebieten,  aus  dem  Umgange  der  Männer 
und  aus  den  Schauspielen  wirklich  ein  so  grofser  Nachtheil  für 
die  Bildung  der  Griechen  entstand,  als  Manche  zu  besorgen  schei- 
nen. Die  aus  dem  Norden  abstammende  romantische  Galanterie  der 
Modernen ,  die  den  Frauen  einen  ganz  anderen  Rang  in  der  Ge- 
sellschaft anwies,  wird  uns  freilieh  jetzt  kaum  gestatten ,  ein  ganz 
reines  nnd  unbefangenes  Urtheil  hierüber  zu  fällen.  Man  erwäge 
iudefs,  was  einer  der  feinsten  Beobachter  des  weiblichen  Geschlech- 
tes und  seines  Einflusses  auf  die  Cnltur  über  die  verderblichen 
Folgen  der  gemischten  Gesellschaften,  wo  nur  Weiber  herrschen 
und  den  Ton  angeben,  und  die  daraus  abzuleitende  allgemeine 
VerHachung   und  Verweichlichnng   des   männlichen   Charakters  mit 


trank  und  ti'ockene  Früchte  dazu  afs  ;  denn  es  wurden  wenigstens 
gleich  vier  Stücke  hinter  einander  gegeben,  S.  Twining,  Notes  on 
Aristotle  p.  475.  ff.  Dabei  vergesse  man  nicht,  dafs  Plato  deut- 
lich zu  verstellen  giebt,  dafs  an  den  Dionysien  (an  welchen  allein 
theatralische  Vorstellungen  stattfanden)  fast  alle  Athener  ein  Räuscli- 
chen  hatten.  Vergl.  Meiners,  Geschichte  des  Luxus  der  Athener, 
S.  33.  und  in  solcher  Gesellschaft  sollen  Matronen  und  Jungfrauen 
erscheinen  ? 

"0    S.  zu  Terenz,  Heaut.  V,  4.  19,  und  die  Midiana  des  Demosthe- 
nes,  c.  23.  p.  43.  ed.  Spald, 


320 

<?l»on  so  viol  Stliarfsiiui  als  Wahrheit  jüngst  bomerkt  hat  *). 
Selbst  die  soi^ciianiiteii  Mäiiiicrkliibhe ,  die  uns  doeli  stli  weil  ich  an 
die  Svmjiosieii  «ler  Griechen  erinnern  dürften,  sind  stets  ein  sehr 
iinwirUsames  Cicgenivil't  ge,i>en  diesen  Despotisrans  des  Theetisclies 
gewesen !  Und  was  das  Trauerspiel  anlangt  und  unser  ganzes 
leidiges  Tlieaterwesen,  so  mögen  doch  wohl  jene  hochgefeierten  Vä- 
ter des  griecinscben  Trauerspieles,  Aescliylus  und  Sophokles,  darum 
nicht  weniger  hochgeachtet  werden,  weil  sie  in  ihren  Schicksalsfahelu 
der  Liehe  nie  hedurflen;  und  seihst  Euripides  mag  darum  des  Loh- 
spruchs des  Aristoteles,  der  ihn  den  tragischesten  Dichter  nennt,  nicht 
verlnsiig  gehen,  weil  ihm,  dem  Weiberhasser,  nur  die  bochtragischeu, 
unhekiiuipfljaren  Wirkungen  der  W^eiberliehe  ein  würdiger  Gegen- 
stand für  die  Bühne  schienen.  Die  von  A,  W.  Schlegel  neuerlich 
mit  eben  soviel  Unparteilichkeit  als  Scharfsinn  durchgeführte  Ver- 
gleichnng  der  Enripideischen  und  Racinischen  Phädra  könnte  den 
Freunden  unserer  galanten  Theaterzärllichkeiten  wohl  eine  nerven- 
stärkende Lectnre  sein.  Seit  schöne,  aber  auch  oft  nervenschwa- 
che Zuschauerinnen  unsere  Tbeaterlogen  und  Cercles  füllen,  kön- 
nen njanche  Situationen  ,  die  zu  den  erhabensten  gehören ,  kaum 
vom  Dichter,  geschweige  denn  vom  Schauspieler  ansgesprocheu 
werden.  Wie  oft  hat  man  die  Scene  in  der  Marie  Stuart  ge- 
schollen  und  als  höchst  unanständig  ausgehannt,  wo  Morlimer  Ma- 
rien mit  seiner  Liebeswulli  ilngstet !  Und  doch  war  Schiller  selbst 
nach  seinem  eigenen  nnindlichen  Geständnisse  davon  vollkommen 
überzeugt ,  dafs  diefs  der  tragischeste  Moment  des  ganzen  Stückes 
sei.  Vor  hiosen  Männern  wäre  er  es  gewifs ,  zumal  wenn  nach 
alter  Tlieaterordnung  die  Rolle  der  Königin  seihst  nur  von  eiueni 
Schauspieler   gespielt  werden  könnte.'  — 

Aber  was  folgt  nun  ans  diesem  Allen  ?  Sollen  wir  unsere 
Sitten  abscfiwören  und  uns  in  den  Schmclztiegel  werfen,  um  als 
Griechen  wieder  herauszukommen?  Das  wolle  unser  guter  Ge- 
nius nicht  I  Schiller  selbst  spricht  uns  noch  heute  zu,  wie  im  Jahre 
1796  in  seinem  Sinngedichte  auf  die  Griechheit: 

Kaum  liat  das  kalte  Fieber  der  Gallomanie  uns  verlassen, 

Bricht  in  Gräkomanie  gar  noch  das  hitzige  aus. 
Griechheit,  was    war  sieV     Verstand  und  Mafs  und  Klarheit!     D'rum 
däclit'  ich, 

Etwas  Geduld  noch,  ilir  Herr'n,  eh'  ihr  von  GriecUieit  uns  spreclit ! 

Aber  das  köstliche  Eigenthum  unserer  sich  Alles  unbefangen  an- 
eigueiiden,  Alles  nur  aus  und  an  sich  selbst  beurlheileuden  Nation, 
die  liberalste  Vielseitigkeit  im  Geniefsen  nnd  Beurtheilen,  soll  durch 
kein  Vornriheil  nnd  durch  keine  Fortpflanzung  irgend  eines  irrigen 
AVahues,  sei  er  auch  noch  so  unbedeutend,  gefährdet  oder  vernich- 
tet werden  I 


*)    Betrachtungen  über  den  Zeitgeist  in  Deutschland  von  C.  Brandes. 
S.  Hl  ff. 


r^^Q<^£>< 


VI. 

Der    Händezoll, 

an 
die   dramatische   Muse    bezahlt. 


Ursprung-   des   Händeklatschens    bei    den    Griechen 

nnd   Römern    und    akustische    Empfänglichkeit    des 

Halbkreises   in    den    Bühnen. 


V    o    r   w    ort. 

'er  hier  niit^etheiltc  Aufsatz  gehört  zu  einer  Reihe  von  Ab- 
liandliiiigcn  über  das  Theatorweseu  der  Allen,  wozu  ich  vor  Tieleu 
Jaluen  bereils  mehrere  Abschiiitle  in  lateinischer  Sprache  als  Eiii- 
ladiiiigsschiifton  am  Gymnasium  in  Weimar  driickoii  licfs.  Er  ist 
nun  der  erste  in  der  R-eihe.  Zwei  andere  Süiloii  nachfolgeu  *). 
Der  eine  wird  die  verschiedenen  Arten  des  Klatschens  mit  den 
Hunden,  mit  der  Zunge  nnd  mit  den  Füfsen  behandeln  und  zei- 
gen, Mie  die  Alten  das  Klatschen  zu  einer  eigeriCn  Art  von  Kunst- 
fertigkeit und  Virtuosität  braclilen.  Der  zweite  soll  alle  übrigen 
Arten,  Wohlgefallen  und  Mifsfallen,  Belohnung  nnd  Bestrafnno-  an 
die  Bühnenkünstler  zu  spenden ,  nacb  den  verschiedenen  Klassen 
und  Alislufiingen  vorzählen.  Da  wird  denn  auch  die  Stelle  in  Ci- 
cero's  Paradoxen  (III,  4.):  „ein  ausgesprochener  Vers,  wenn  er 
um  eine  Silbe  zu  knrz  oder  zu  lang  ist,  wird  von  den  Zuschauern 
ausgezischt  und  ausgeklatscht,"  znr  Beherzignng  unserer  Scliau- 
spieler,  die  nach  Allem,  was  Mnlincr  neulichst  über  Vers 
nnd  Reim  den  Schauspieleiinnen  in  die  Tasche  gesteckt  hat, 
fortfabreu ,  die  Veise  auf's  Kläglichste  zu  verkrü|)pelu ,  nicht  ohne 


*)    Diese  sind  nicht  erschienen,     Anm,  d.  Heransgebers. 
Uöuigei's  kleine  Schriften  I.  21 


322 

geljüliren^c  ErAHorniip,en  Itloilien.  Möge  dieser  ersfe  Alisclmiü 
mit  Niiclisitlit  IjiMirlliciit  wcidcii ,  da  es  mir  bei  einer  noch  sehr 
hemmenden  Augenkrankheit  iiiilit  gestaltet  war,  dem,  vas  ieh 
schon  vor  langer  Zeit  niedergeschrieben  hatte,  die  letzte  Dnich- 
sidit  und  Feile  zn  geben. 
Den  26.  Jiiiii  1822. 


Die  ccliten  Mnsen ,  jene  Schwestern,  in  der  heiligen  Dreimal 
Drei,  jene  Olympierinnen,  welche  einst  dem  alten  askräischen  San- 
ger Ilesiodiis  wähl  halt  im  Tranme  erschienen,  seitdem  aber,  von 
hundert  wachenden  Dichteilingen  angerni'on,  spiöde  nnd  unerbittlich 
blieben  ,  sind  ,  so  sagt  der  griechische  Gölterstammbaum  ,  Tiicliter 
des  Allvaters  Jnjiiter  mit  der  hocligepriesenen  Mnemosyiie,  der  Güt- 
lin  des  (j!ed;ichliiisses,  woraus  sogleich  die  schöne  jNulzanwendung 
folgt,  dal's  die  Muse  nnd  ihre  Plleglinge  a>if  und  hinter  den  Büh- 
nen, wenn  sie  nicht  zur  Schmach  ihrer  Mutter  untergesrhobene 
Mantelkinder  sind,  nie  eines  Einhclfers  oder  Sonllenrkaslens  be- 
dürfen! Aber  mit  dieser  Abstammung  der  heiligen  neun  Schwe- 
ßtera  kann  es  der  Alles  weiter  ausbildende  nnd  geistreich  fortspin- 
iiende  Grieche  noch  nicht  bewenden  lassen.  Die  Musen  wurden 
in  Arcadien  geboren ,  dem  eigentlichen  V\  iegenlande  des  griechi- 
schen einheimischen  Götlergeschlechts.  Da  fanden  sie  auch 
ihre  Amme,  Denn  wenn  es  auch  nicht  schon  im  frühesten  Heroen- 
Leben  der  Griechen  ganz  herkönimlich  gewesen  wJirc ,  dafs  in  je- 
dem Hause  für  die  Mädchen  eine  Amme,  für  die  Knaben  ein  Kna- 
benführer, ein  Pädagog,  meist  Sdaven  nnd  Sdavinnen  aus  Thra- 
zien, zu  finden  sein  mufsten  ,  so  hätte  doch  schon  die  nngewöhn- 
Hche  Zahl  dieser  in  einem  Wochenbette  geborenen  neun  Mäd- 
ehen  oder,  "wenn  das  Wort  hier  zu  bilden  erlaubt  wiire,  dieser 
Neunliuge  eine  tüchtige  Amme  nölliig  gemacht.  Was  Wunder  al- 
so, dafs  wir  auch  die  Mnscnamme  bei  den  Alten  erwähnt  finden? 
Sie  hiefs  Eupheme,  d.  h.  Gunslmütlercheu  *).     Diese  Eupheme 


Eupheme  würde  ganz  falsdi  übersetzt  werden  durdi  Khrenpreis, 
Wohlbelobt  u.  s.  w.  Denn  das  Wort  su({)>)/^of  bezeichnet  im 
Griecliisdien  nur  die  durch  laute  Aeufserungen  nnd  Worte  sich 
zu  erliennen  gebende  Gunst  der  Theilnehmer  an  allerlei  Leistun- 
gen bei  ölfcntliclicn  Schauspielen,  vor  Allem  bei  Gesang  und  Mu- 
sik. Diefs  liat  sclion  der  geldirte  Thomas  Gataker  in  seiner 
Anmerkung  zu  Kaiser  Antonin's  Selbstbetraclitungen  I,  19.  p.  18. 
ed.  Lond,  selir  schön  gezeigt,  wo  der  Kaiser  unter  anderen  Be- 
weisen seiner  früh  eingeübten  Zucht  und  Sittsamkeit  auch  das  gel- 
tend macht,   er  habe  erlernt  rd  6l)$>}/xov  v.a/  rotro  «^-oCfujT/,  wo- 


hatte  nhcr  in  Arcadien  mit  dem  dort  einheiniisclien  Hirtoiigoff,  dein 
Paii,  ein   vorlif'Iitcs  Aboiiloncr    i;eh;»l>t,    und    dio    Fol^o  davon   \v!ir 
ein  mnuicrcs    Waldleiifclriicii,  eia  Satyrisic,    Kr  o  los    mit  Nanieii, 
deu  wir  indessen  KlalscMiaiid  nennen    wollen  *).     Nnn  wurde  die- 
ser kleine  Satjr  das  Miklilirüderclien  der  Musen,  die  seine  Aninic 
zngleicli  anfsängte,     nnd  als  die   Mnsen    späler    nach    Thespiä  in 
Böolien  wanderten  nnd    anf  dem    ihnen   vor  allen  anderen  Musen- 
Heiligdiüinern    j;eweihelen    Hclicon    in    einem  von  der  Nainr  seihst 
dazn  reizend  gehildefen  Waldthealer  ihren  ei^enthiimlichsten  Wohnsitz 
nahmen,   da  .«ini^-  der  Milclihrnder  Klatschhand  anrh  mit  hin  nnd  Idieb 
ihr  nnzertrennlicher  Gefährte.    Lnd  vvenn  sie  nun  ihr  hinindisches  Con- 
rert  anslinimten  nnd  in  lyrischen  nnd    dramatischen   Wechscli^nsän- 
gen  Gölter  nnd    Menschen    auf  der    mit    Lorheern    nniji;vijnfen   nml 
uraschalleten   Btihne  entzückten ,    da    safs  Klatschhand   nnd   lauschte 
mit  gespitzten  Ohren    in  irgend    einer  Öchatlenlaidjc   versteckt    nnd 
klalschle  dann,   wenn  sie's  seiner  Meinnng-  nach  am  schöiislea  ge- 
macht hatten,  viel   lanferen  Beifall   mit  seinen   nervigen  Fänsten  zu, 
als  das  lanlesle  Bravornfen   halle  hervorbringen   können ,    znr  Lust 
der  in   allen  AVinkeln  herum  versteckten   nnd  jeden  Si'hall  verviel- 
fachenden Echo.     Die  Menschen,   welche  sich  hierbei  auch  als  Zu- 
hörer fleifsig  einfanden,  lernten  dieses  Klatschen  vom  Milchbrnder 
der  Heliconischen   Göttinnen.     Diesen   aber  erwuchs  daraus  grofses 
Wohlgefallen,  denn  ihr  Ptuhm  verbreitete  sich  über  die  Erde.    Und 
nni  dem  dienslfeiligen    nnd  erfindungsreichen  Satyr  ihren  Dank  zu 
beweisen,   baten  sie  ihren  Vater,    er  möge  ihn  unter  die  Sternbil- 
der versetzen,  wobei  er  zugleich  als  Jäger  und  Bogenschütze  auf- 


mit  das,  was  er  im  13.  §.  von  sich  rühmt,  verglichen  werden 
nuifs.  Der  Kaiser  hatte  also  gelernt,  seinen  Beifall  zn  geben, 
aber  ohne  Lärm  und  Geränsch ,  ganz  im  Gegensatze  der  da- 
mals üblichen  höchst  geräuschvollen  Beifallsbezeigungen  in  und 
aufser  der  Schaubühne. 

Der  Sammler  Hygin,  dem  wir  so  viel  aus  der  Götter-  und  He- 
roengenealogie verdanken,  hat  uns  auch  hierüber  belehrt.  Pan 
Mercurii  et  Penelopes  tilius.  Croton  Panis  et  Euphemes  ülius, 
conlactius  (sonst  auch  conlactaneus)  Musarum,  Fab.  224.  p,  345. 
und  in  seinem  Astronomikon  (II,  27.  p.  479.  ed.  Staver.)  nennt  er 
den  Crotns  (es  waren  beide  Endungen  gewöhnlich,  Kroton  Und  Kro- 
tos3  Euphemes,  Musarum  nutricis,  flliuni.  Vergl.  Hermann's 
astr.  Mythen  S.  377.  Der  Urheber  dieses  Stammbanmes  wird  bei'm 
Hygin  in  der  zweiten  Stelle  der  spätere  Alexandrinische  Tragö- 
dieendichter  Sositheus  genannt.  Man  setzt  ihn  in  die  164ste  bis 
lC6ste  Olympiade  nnd  er  gehört  znjn  tragisclien  Siebengestirn. 
Die  ganze  Ertindung,  so  wie  sie  uns  Hygin  Und  EratostJienes  auf- 
bewahrten, ist  Alexandrinischer  Witz. 

21* 


324  gjj, 

trat.     Nicht  Cliiron ,    nelo  Krotos  ist  der  wahre  BogenscliiUze  un- 
ter den  zwölf  Zeiflion  dos  Tliioikreises  *). 

So  "Wäre  also  das  Bcifiillklatsflicii  Jiüclist  congonial  und  ans 
einer  lieiliiion  Sippsclialt  mit  den  Musen  sciljsl ;  ja  es  leidet  i>,at 
Iceinen  Zweifel,  dafs  von  nun  an  diese  göttliclie  Erfiiidiinü,-  allen 
Masenkiinsteu  eben  so  (reu  nnd  nnlremihar  zur  Gefährtin  ü('ij,el>eu 
worden  ist,  A\ie  der  Scliatleii  dem  Körper,  Avie  die  versliimmende 
Echo  der  Meiischeiislinniio  fol:;t.  Demi  die  von  anderen  Auslegern 
angenommene  Erklärung,  des  Krolos  ]»ersoniiieir(es  Taclsehlagen 
sei  ein  Laut,  der  in  regelinäfsigeu  Intervallen  wicderkelirt,  seiieint 
uns  auf  diesen    blos    mit  den  Händen  zusammenschlaj'endeu  Satvr 


Das  Alles  nnd  noch  weit  mehr  lernen  wir  aus  Eratosthenes  Stern- 
bildern oder  Kataslerismea  c.  28.  p.  22.  e<l,  Scliaub.,  der  auch 
den  Sositheus  vor  Augen  hatte.  Die  Hauptstelle  dort  ist  sehr 
veidorhen.  Zum  Theil  hat  sie  schon  We  s  seil  n  g  zu  Diodor  IV,  8, 
not.  52.  glücklich  verbessert  und  nach  dieser  Verbesserung  heifst 
nun  die  Nachricht  so :  „Krotos  lebte  mit  den  Musen  auf  dem  He- 
licon.  Wenn  er  ihnen  zuhörte,  belebte  er  sie  durch  Beifallsbe- 
zeigungen (svtc-^/jioictat; ,  s.  Vettori  zu  Cicero  ad.  Att.  I.  16.), 
indem  er  mit  den  Händen  lilatschte.  Denn  was  der  blose  Aus- 
ruf (das  Bravorufen ,  die  £x<(J)iiuvy)/v(aT« ,  vvie  sie  Cicero  nennt  ad 
Att.  I,  9.)  nicht  so  durclidringlich  und  bezeichnend  auszudrücken 
vermoclite,  konnte  mit  einem  Zusammenschlag  der  Hände  ange- 
deutet werden.  So  erkläre  ich  mir  die  Worte:  ro  yao  rv\q  (J)wv^5 
ftcaCpsf  cv  uttÖ  Tivo^  vi^oTov  e-^fxaiviixivcv.  Da  diefs  die  Anderen 
(Dämonen  oder  Rlenschen ,  gilt  hier  gleichviel,)  salien,  machten 
sie  es  nach.  Darum  wandten  sich  die  IMusen,  erfreut  über  den 
Ruhmzuwachs  durch  diesen  Einfall  des  Krotos,  mit  der  Bitte  an 
den  Jupiter,  er  möge  ihn,  da  er  sicli  ihrem  Dienste  geweiht  liabe, 
auszeichnen.  So  ward  er  unter  die  Sterne  versetzt  und  erhielt 
wegen  seiner  mannigfaltigen  Handfertigkeit  zugleich  den  Bogen, 
als  Schütze,  in  die  Hand.  Aber  das  von  ilmi  zuerst  gebrauchte 
Klatschen  blieb  Sitte  unter  den  Menschen."  So  weit  die  Naclnicht 
beim  Eratosthenes.  Die  Sache  kam  von  den  Alexandrinisclien 
Astronomen  in  allgemeinen  Umlauf.  Wenn  daher  Columella  in 
seinem  Gartengedichte  (de  R.  R.  X,  56.)  sagen  will,  die  Sonne 
tritt  in  den  Bogenschützen,  so  sagt  er,  um  recht  gelehrt  zu  sein, 
PJiöbus  geht  durch  den  Scorpion  und  eilt  über  den  Pferderücken 
des  Krotos —  tergoque  Croti  festinat  ecjuino.  Vergl.  Ideler  über 
den  Ursprung  nnd  die  Bedeutung  der  Sternennamen  S.  185,  Nur 
eine  Bemerkung  sei  hier  noch  beigebracht.  Wie  kommt  dieser 
Krotos  zur  Centauren- Figur,  so  dafs  man  später  allgemein  den 
weisen  Cliiron  in  diesem  Sternbilde  zu  sehen  wähnte?  Auch  hier 
ist  Eratosthenes  in  dem  angeführten  Katasterismos  unser  Wegwei- 


325 


nicht  gilt  ann;c\vaiKlt  werden  zu  können  *).  Später  freilich  giebt 
es  cyniljelschhigem!«  Salyrti,  die  zugleich  mit  den  au  den  Fül'sen 
befestigten  Sclilagbretern  den  Tact  aiigel)cn.  Allein  diefs  bezieht 
sich  auf  eine  ganz  andere  Mnsik  und  auf  gaiiz  andere  Zeiten !  *♦) 


ser.  Kr  sagt  gleich  anfangs :  „das  Bild  ist  ja  kein  wahrer  Cen- 
taur,  es  liat  nicht  vier  Plerdefüfse,  sondern  es  steht  aufrecht  und 
spannt  den  Bogen.  Kein  Centaur  bedient  sicli  des  Bogens.  Diese 
Figur  aber  ist  menschlicli  bis  auf  die  zwei  Pferdescheukel,  hat 
aber  einen  Scliwanz  wie  ein  Satyr.  Darum  erkläit  man  dieses 
Himmelszeichen  tür  den  Satyr  Krotos  u.  s.  w."  Alle  Schwierigkeit 
ist  gehoben,  wenn  man  sich  erinnert,  dafs  die  älteste  tliessalische 
Vorstellung  von  rohen  Waldmenschen,  Bergbestien  (^(pyjasg  cpj- 
cnwoc,  Homer's  Ilias  A,  268.),  aus  welcher  sicli  später  die  zwitter- 
artige Centaurengestalt  hervorbildete,  in  alten  Bronzen  (s.  Heyne, 
antiqu.  Aufs,  i,  33.),  auf  Münzen  (_bei  Pellerin,  Suppl,  IH. 
tab.  3.  und  Sestini  P.  I,  tab.  I.  u.  s.  w.)  gerade  so  geschwänzt 
und  mit  zwei  Pferdefüfsen  aufrecht  stehend  vorgestellt  wurden,  wia 
hier  Eratosthenes  und  Hygin  (Astron.  p.  479.  crura  equina,  cauda 
Satyrica)  den  Satyr  Krotos  als  Sternbild  bezeichnen,  Icli  liabe 
davon  in  den  griechisclien  Vasengemäldeu  Tli.  III.  S.  91,  und 
130.  if.  ausführlich  gehandelt  und  dort  den  Centauren  -  Satyr  nicht 
unerwähnt  gelassen. 

Diese  Erklärung  gab  schon  der  gelehrte  Dupuis  in  seinem  bei 
aller  Unhaltbarkeit  der  ganzen  Kalender  -  Hypothese  doch  viele 
scliarfsinnige  Combinationen  vortragenden  Origine  de  tous  les  cul- 
tes  T.  III.  P,  II.  p.  65.,  wo  von  Krotos  die  Rede  ist;  c'est  lui 
qui  battait  la  mesure,  quand  les  Muses  chantaient  ou  dansaient. 
So  war  er  also  der  /^Ho-c^ofo;  gewesen,  der  den  Tact,  das  tvlö- 
ciuov  ,  wie  es  der  Grieche  nannte,  angab.  Allein  da  luitte  er  ja 
in  der  Mitte  des  Chors  stehen  müssen,  und  es  wird  ja  ausdrück- 
lich gesagt,  er  habe  Beifallsbezeigungen,  £x((7>j/a«cri'af,  gegeben.  In- 
defs  hat  auch  Creuzer  in  der  neuen  Ausgabe  seiner  Symbolik 
Th.  III.  S.  266.  von  unserem  Krotos  gesagt:  „auf  dem  Heli- 
con  unterstützte  er  den  Gesang  der  Musen  durch  die  nützliclie 
Erfindung  des  lauten  Tactschlagens."  Wir  leugnen  nicht,  dafs 
Krotos  zuweilen  auch  vom  Rhytlmius  der  Stimme  und  von  dem 
in  einerii  gewissen  Numerus  sich  bewegenden  Mafse  gesagt  wer- 
den könne.  In  diesem  .Sinne  kommt  es  melirmals  in  Pliilostrat's 
Leben  der  Sophisten  vor,  z,  B.  p.  503.  mit  Olearius  Anmerkung, 
und  wir  vermissen  daher  das  Wort  ungern  in  Ernesti's  Lexicon 
teclinologicum  Graecorum  Rhetorum.  Aber  viel  häufiger  wird  es 
vom  Beifallklatschen  gebraucht,  da  hingegen  jenes  Tactschlagen 
weit  liäufiger  durcli  htutto;  ausgedrückt  wird. 
Wer  kennt  niclit  den  zugleich  mit  den  Händen  die  Cymbehi  scIiIa- 


326 

Der  inylholo'i.isclie  Stainmbaiim  des  Beifallklalscliens  wäre  also 
«luleugbar  aufgcriinden,     und    bedürfle    es   zur    vollen    Ahnenjnobe 


genden  und  mit  dem  recliten  Fufse  das  Schiagbret  tretenden  Sa- 
tjT  im  Florentiiiisclien  Museum,  von  dessen  Vortreff  liclikeit  in  den 
erhaltenen  TJieilen  Muyer  in  seinen  Anmerkungen  zu  Winckel- 
niann's  Geschichte  der  Kunst  OVerke  Bd.  IV.  S.  280.) 
uns  so  Rühmliches  verkündigt  und  über  welche  auch  Morgen- 
stern in  seinen  nur  zu  früli  unterbroclienen  Auszügen  aus  sei- 
nem Tagebuche  St.  II.  S.  329.  gute  Winke  gegeben  hat.  Das  ist 
das  Tactschlagen.  Die  Sache  kam  aus  Büotien  und  selbst  das 
Wort  für  diese  Tactbreter  war  bootisch  v.jjuts^«  oder  in  der 
verkleinernden  Form  y.oo\;xt^iov,  wie  wir  zunächst  aus  Pollux  VII. 
22,  87.  und  den  Glossen  des  Hesjcliius  lernen.  Man  irrt ,  wenn 
man  diese  Vorrichtung,  durch  eine  Stelle  des  Lucian,  de  Salt.  c. 
10.  T»  II.  p.  274.  Cvergl.  Pollux  X.  153.)  verführt,  nur  auf  die- 
sen den  Chorgesang  dirigirenden  Flötenspieler  bezieht.  Er  war 
dem  Bacchischen  Thiasos  ganz  eigentliümlicli  und  da  stets  mit  dem 
Cpnbelschlag  in  der  Handbewegung,  ganz  wie  es  am  Florentini- 
schen  Tactscliläger  (niclit  Tänzer,  s.  Beck,  Grundrifs  der  Ar- 
chäologie S.  161.)  zu  seilen  ist,  verbunden.  Denn  da  mufste  bei'm 
gewaltigen  Charivari  des  Bacchanals  wolil  ein  durchdringender  Ton 
Alles  überbieten.  Dalier  verwandelten  sich  auch  die  Schlagbreter, 
die  anfangs  nur  hölzern  waren,  in  eiserne  Sohlen,  und  diefs 
ward  nun  auch  auf  den  20  bis  30000  Zuschauer  umfassenden 
Theatern  der  Alten  zum  Signal  C^.  B.  wenn  der  V^orhang  zum 
Schlüsse  aufgezogen  werden  sollte)  und  zu  einem  zur  Mensur 
gebrauchten  Tonwerkzeuge,  wie  aus  der  Stelle  Lucian's,  de  Salt.  c. 
83.  p.  313.  und  aus  der  oft  belobten  Stelle  des  Cicero,  pro  Coe- 
lio  c.  77.  (scabilla,  so  hiefs  dieses  Instrument,  weil  es  ursprüng- 
lich einem  hölzernen  Fufstritto  ähnlich  war,  bei  den  Römern) 
zur  Genüge  erliellet.  Die  .Sache  kommt  auf  melireren  Reliefs 
vor,  auf  welchen  der  Baccliisclie ,  OrgiastisciMi  Thiasos  in  voller 
Bewegung  ist,  wurde  aber  von  den  Herausgebern  von  der- 
gleichen .Marmors  gewölmlich  übersehen  und  aucii  in  den  Kupfer- 
sticlien  nicht  ausgedrückt.  So  z.  B.  auf  einem  Bacchanal  im  bri- 
tischen Museum,  Description  of  the  ancient  marbles  of  the  British 
Museum  P.  I.  ])1.  9.  .'\Ierkwurdig  aber  ist,  dafs  auf  so  vielen 
hundert  Vasenabbildungen,  welclie  uns  mitgetheilt  worden  sind,  auch 
niclit  ein  einziger  Satyr  mit  Scabillen  gefunden  wiude.  Die  Sache 
selbst  hat  schon  Saumaise  zu  den  Script,  bist.  Aug.  II.  p.  838. 
so  erschöpfend  und  so  deutlich  ausgeführt,  dafs  sich  nur  kleine 
Nacliträge,  z.  B.  die  besondere,  in  Decurien  getheilte  Classe  von 
Theater -Tactschlägern,  die  auf  alten  römischen  Inscliriften  als 
operae  scabillarcs  vorkommen,  in  Fabretti's  Inschriften  Class.  V. 
n.  203.  und  Class.  IX,  ii.  40.j  dazu  geben  lassen. 


327 

iiorfi  einer  verköiperfen  Ansclminiua:,  so  können  wir  versichern, 
dafs ,  da  iiach  dem  Zeugnisse  des  Tansanias  in  seiner  archäolo;i>i- 
Sfliea  Bescliaunni;-  Giieclienlaiids,  wie  es  nnter  den  Antoninen  war, 
die  Mnsenamme  Enphenie  anf  jeneui  höclist  roniaulisclien  Waldlliea- 
1er  anf  dem  Helicon  in  ßöolien  eine  eii!;ene  Abbiidnng  auf  einem 
Marinonelief  liatle  *),  das  Bild  ihres  Sohnes,  des  Satyrs  Klatsch- 
liand ,  schwerlich  gefehlt  hahen  wird.  Anoh  möchte  sich's  wohl 
noch,  Avenii  gerade  Zeit  znm  Nachsnchen  da  wäre,  auf  einigen  al- 
ten Vasen  nnd  Lampen  nachweisen  lassen. 

Doch  lassen  wir  den  Mythos  nnd  werfen  einen  Blick  auf  die 
Wiege  des  Beifallklatschens  in  der  Wirklichkeit.  Und  in  mun- 
teren, lebenslustigen  Kindern,  die,  der  Wiege  entronnen,  zuerst  ihre 
Händchen  und  Füfscheu  zu  brauchen  anfangen,  ist  auch  die  Incu- 
nabel  des  ersten  Beifallklatschens  zu  suchen.  Es  ist  ja  der  na- 
türlichste ,  echt  kindische  Ausdruck  des  sich  freuenden  Kleinen, 
wenn  es,  von  der  Wärterin  oder  der  Mniter  emporgehallea  oder 
anf  den  Knieen  des  Vaters  reitend,  das  thnt,  was  schon  Homer  in 
dem  bekannten  Vers  (llias  V,  410.)  anf  den  Knieen  Paparufen 
nennt  **),  und  nun  im  Ausdrucke  seines  Wohlbehagens  die  Hände 


*)  Pausanias  IX,  29.  3.  Wir  wollen  die  Stelle  nach  Clavier's 
treulicher  Uebersetzung  von  Pausanias,  description  de  la  Grece  T.  V. 
l).  100,  hersetzen  :  En  allant  au  bois  de  rHelicon  par  le  cheniin 
le  plus  court,  vous  voyez  le  portrait  d'Eupbeine,  sculpte  siir  une 
pierre;  on  dit  que  cette  Kupheine  etait  la  nounice  des  Muses. 
Ich  bemerke  hierbei  nur  noch,  dafs  man  in  den  romantischen 
Lusthainen  der  Musen  auf  dem  Helicon,  den  schon  Barthelemy  mit 
einer  wahren  Begeisterung  ausgemalt  hat  in  Voyage  du  jeune 
Anacharsis  eh.  34.  T.  IV.  pag.  526  —  59. ,  den  aber  Hobhouse, 
Clarke  und  andere  englische  Reisende  so  wenig  als  unser  Ber- 
tlioUly  dort  wiederlinden  konnten,  ein  eigenes  Waldtheater  (es  ist 
das  MovcHov  ro  sv  'EX/xtuvi  im  Athenäus  XIV,  pag.  629.  A.)  den- 
ken mufs,  wohin  sich  die  Dicliter  (man  denke  an  den  llorazisclien 
Ditliyramben)  im  Geiste  entrückt  dachten  und  so  aufser  sich  zu 
erblicken  glaubten,  was  nur  in  innerer  Vision  sich  gestaltete.  In 
diesem  Sinne  ruft  Virgil  (Aen.  VH,  641.)  sein  von  so  vielen  Er- 
klärern  nicht  recht  verstandenes  Gebet  aus: 

Pandite  nunc  Helicona,  deae,  cantusque  monete, 
nach  Vo  fs : 

Oeffnet  den  Helicon  jetzt,  o  Göttinnen,  regt  den  Gesang  auf. 
(V^ofs  las  movete;  aber  monete,  lielft  ein,  gebt  ein,  ist  besser.) 

*)  —  air/  yovvixffi  vcnrirä^ovai.  Wie  konnte  doch  Vofs  dem  Vers- 
klange zu  Gefallen  auch  in  der  neuesten  Aasgabe:  „an  den  Knieen, 
mein  V  äterchen,  stammeln"  übersetzen  ? 


328 

ziisamnieuscliläi't.  Wer  erinnert  sich  liier  nicht  der  heiHgon  Fa- 
milie von  A^osiiijo  Car.ieci,  die  sonst  in  MoJena  war,  wo  der 
kleine  Johaüiies  zu  den  Liebkosungen  des  Christkindes,  womit  diefs 
der  holdseligen  Mntler  scluneichell,  nicht  helend  die  Hände  zusam- 
inenlegt, —  welches  Kind  fhul  diefs?  —  sondern  fröhlich  aufspringend 
in  die  Hände  klatscht  ?  Und  so  erinnern  wir  nns  wohl,  dafs  hei  ei- 
ner sehr  gelungenen  Yorstelinng  von  Oehlenschhiger's  Correggio  der 
Knalie,  den  i\Iicliel  Angelo  auf  seinen  Knieen  reiten  läfst,  in  Ent- 
züclcen  die  Mandeln  wegwarf  und ,  mit  den  Händen  klalschend, 
sell)st  beklatscht  wurde  ,  weil  das  Thierische  des  Essens  hier  gar 
nicht  so  heraiisgeliohcn  werden  sollte.  Wie  Avalir  sagt  der  grofse 
]\Teisler  in  aller  Rede-  und  Geherdenknnst,  hei  welchem  unsere 
Schauspieler  täglich  noch  in  die  Schule  geliou  könnten,  Qnintilian  *), 
liher  die  Gebeide  und  den  Ausbruch  des  Klatschens,  als  er  davon 
spricht ,  wie  einst  das  römische  Volk  hei  einem  aufserordentliclien 
Aufwand  der  huchsten  Rednerknnst  den  S  ach  wall  er  Cicero  auf 
eine  vor  Gericht  ganz  unstatthafte  Weise  bekhitscht  habe:  ,,Sie  wa- 
ren gleichsam  ihres  Verstandes  nicht  ganz  mächtig  und  brachen, 
uiu'ingcdenk  der  Stelle,  avo  diefs  verhandelt  wurde,  in  diesen  Af- 
fect  diM-  Freude  aus."  Dieser  fast  nn willkürliche  Ansl)ruch  der  Be- 
geistfruaü^,  der  sich  durch  Beifallklatschen  an  heiliger  oder  doch  Sol- 
chen Zeichen  des  Beifalls  sonst  nnzng;lngliclier  Stätte  Luft  zu  n>a- 
chcu  stiebt,  ist  nicht  blos  vor  dem  Tribunale  in  Ron»  vorgekoni- 
meu.  Bei  den  Franzosen  ist  von  jeher  den  Parlamenlsadvocateu 
der  lebüafiesfß  Beifall  zngeklatscht  worden.  Er  hat ,  um  diefs  nur 
im  Vorbeigehen  zu  bemerken ,  auch  in  neuereu  Zeiten  selbst  in 
Kircheu  sein  R,echt  behauptet.  So  erzählt  nns  der  treffliche  Bio- 
graph des  unvergefslichen  D.  Blessig  in  Slrafsbnrg,  Professor 
Fritz,  dafs  sich  bei  der  Leichenrede,  die  Blessig  am  Grabmahl  des 
Marsehalls  von  SiU'hsen  im  prärlitigen  Chore  derThomaskircbe  gehal- 
fen, etwas  Aehnliches  zugetragen  habe.  „Die  unzählbare,  die  Kirche 
anfüllende  Volksmenge  hüi  te  mit  tiefer  Stille  und  der  gespannlesteu 
ÄufiuerksiUiikeil  den  Redner  an.  Jedermann  war  innig  ergrilTen, 
und  nachdem  er  geendet  hatte,  ertönte  ein  allgemeines  Beifallklat- 
Bcheu ,  ein  in  den  Strafsburgischen  Kirchen  nngewöhnlicher  Auf- 
tritt, zu  welchem  das  Beispiel  des  anwesenden  i\Iarschalls  von  Con- 
tades  und  der  sächsischeu  Prinzessin  Christine  das  Signal  gab  **)." 


*)  Qiiintilian  VIII,  3.  4.  p.  212.  edit»  Spald.  —  plausiis  erunipentls 
voluptatis  affectus.  Niemand  hat  neuerlich  von  Quintilian's  Mei- 
stervorschriften über  Stimme,  Mienenspiel  und  Geberdenkunst 
lehrreicheren  Gebrauch  für  die  Schaubüline  gemaclit  als  Gilbert 
Austin  in  seiner  viel  zu  wenig  gekannten  Cliironomia  er  a 
Treatise  on  rlietorical  delivery  (London  1806.  in  4.),  besonders 
S.  322,   ff. 

'')     Leben    D.    .Toliann  Lorenz  Blcöi-ig's   von    Fritz    (S^rafsburg. 


329 

Doch  wir  kohlen  zu  den  frühesten  Spuren  des  Beifallklafsdieiis 
zurück ,  und  da  be^et!;iict  uns  dasselbe  schon  in  der  Hoiuerischeu 
Odyssee,  wenn  wir  der  in  den  Grund  eindriuiicndeii  Erkläriinj»-  ei- 
niger aller  Sprachforscher  heipllichlen  wollen.  Denn  wo  uns  der 
Tauz  der  Piiiiakischen  Jünglinge  vor  dem  Könige  Alkinoos  und 
seinem  Gasifrennde  UIjsses  geschildert  wird,  da  heifst  es:  einige 
der  Jünglinge  tanzten 

In  oft  wecliseliider  Stellung  und  andere  Jünglinge  klappten. 

Der  griecliische  Ausdruck ,  dessen  der  alle  Sänger  sich  hier  be- 
dient, hat  freilich  von  jeher  sehr  verschiedene  Auslegung  erfahren, 
Inilcfs  dürfte  doch  die  Erkliirniig,  welche  ihn  von  einem  Klappen 
nn't  den  Händen  versteht,  auch  ohne  etymologische  Spitzfindigkeit 
leicht  vor  der  andern,  wo  mau  das  Anfslanijjfen  mit  den  Füfsea 
darunter  verstanden  haben   will,  den  Vorzug  erhallen   *). 

Der  IMensch  iUifsert  zunächst  durch  zwei  Dinge  am  mei- 
sten seine  Yervollkominnnngsfahigkeit  und  höhere  Stellung  zur 
Hnmaniliit  oder  zum  Menschenthum ,  durch  die  Sprachfähii>keit 
und  die  Uandfäliigkeit ,  die  wir  wohl  auch  in  ursprünglicher 
Bedeutung  des  Wortes  Behändigkeit  nennen  mögen.  Aber 
die  blose  Hand  reicht  nicht  ans.  Er  wird  nun  auch  durch  diese 
Hand  ein  maschinenmachendes  Geschöpf  (a  tool-making  creature)» 
Was  war  natürlicher,  als  dafs  man  auf  eben  die  Weise,  wie  man 
den  blosen  Faustschlag  im  Wettkampfe  durch  eigene  Schlagriemeu 
(carstns)  verstärkte,  so  auch  das  Klatschen,  Klappen  und  Klappern 
der  Hände  «ladurch  viel  durchdiingender  und  kräftiger  machte,  dafs 
man  statt  des  blosen  Schnippchenschlages  mit  den  Fingern  die 
Tanzklappern,  Castagnetten  (crotala),  statt  des  schallgebenden  Zu- 
sammenscblages  der  hohlen  nnd   so  doppelt   stark  tönenden  Hände 


Heitz,  1818.  2  Theile)  Th.  I.  S.  158.  In  den  Anmerkungen 
Th.  IT,  S.  104.  schrieb  Blessig  selbst  in  seinem  Pariser  Tage- 
buche: „Die  Franzosen  klatschen  bei  allen  Gelegenheiten  Beifall. 
Icli  borte  diefs  die  Schüler  in  Collegien  thun,  so  wie  die  Zu- 
hörer im  Palaste  der  Gerechtigkeit." 

Odyss.  VIII,  379.  —  yiot^ot  yeiriXi^xiov  aXXot.  Hesycliins  T.  I. 
c.  1324.  erklärt  es  durch  s-irs-A^ircvv  rol;  xoff/',  ixsyöc'wv,  sie  klappten 
mit  Füfsen,  sie  sclirieen  Beifall  zu.  Am  austubriicbsten  ist  Athe- 
näusin  der  Erklärung  I,  c.  27.  p.  57.  Schweigb.,  er  erklärt  es  durch 
sT^xpoTsTv  To7f  Xi)(_otvo7;  hay.TvXot;  mit  Beziebung  auf  das  Wort 
A>)x€7v.  Diefs  wäre  also  so  zu  versteben,  dafs  der  Zeigefinger  (der 
Xt^otvog)  der  einen  Hand  in  die  üaclie  andere  Hand  sclilüge.  Mit  Recht 
bemerkt  schon  Casaubonus ,  dafs  diefs  aus  dem  ionischen  A/jksi'v 
statt  Xav.ilv-y  scliallen,  gar  nicht  folge.  Aber  auch  Enstatliius  p. 
316.  36.  weifs  niclils  Besserem. 


330 

mefjillene  Beiken ,  Cvmix'lii  und  anJeie  inndiim  eiiiu:eLogeue  Me- 
(;illpla((eu  mit  beiden  Häiidea  ziisainmenscliln^-  und  so  das  nalür- 
Jiche  Klatschen  nacli  WillUüi-  und  Bedarf  zu  einer  höhereu  Potenz 
steigerte? 

Ich  überi!,ohe  hier,  um  nicht  durch  allzu  än^isthcho  Ausfiiiirlich- 
keit  zu  ermüden,  alle  übrige  Klatschkiiiisle  des  AUerlhums  bei  of- 
l'cnllicheu  Processioncn ,  vor  der  Ptednerbiihne  und  am  Katheder 
der  Sophisten  und  Declamatoreii  *),  in  der  VolksversanHuluug  und 
selbst  in  der  beiligon  Svnaxis  oder  bei  den  Predigten  und  in  der 
Kirche  der  Christen,  ein  ärgeiliciier  IMifsbrauch,  der  von  den  frü- 
hesten Jahrliunderlon  bis  zu  den  Zeilen  des  heiligen  Bernhard  her- 
ab in  der  Gemeinde  der  Christen  stattfand  **) ,  und  fiihre  meine 
Leser  lieber  gleich  in  ein  griechisches  oder  auch  römisches  Thea- 
ter vor  die  Scene  bei  dramatischen  Vorstellungen.  Wie  sah  es  da 
lult  dem  Beifallklatschen  aus?  That  sich  nicht  bei  dem  erlind- 
unnsrcichsteu  und  zu  dem  Allen  immer  Neues  ausklügelnden  Hel- 
leuenvolke  auch  in  diesem  Beilallszeichen  maneherlei  Verfeinernng 
hervor,  und  überbot  sich  nicht  auch  in  den  hiiher  stehenden  Kün- 
sten, welche  das  classische  Allerihum  allein  Künste  nannte  und 
als  Domaineu  der  Humanität  und  freier  Geburt  behandelte  und  be- 
zeichnete, der  Witz  und  das  Genie  der  Alten  durch  immer  künst- 
lichere Ausbildung  des  schon  Vorhandenen  eben  so  sehr,  als  das 
erfindungsreichste  luselvolk  unserer  Tage  in  den  rein  mechanischen 
Ausübungen,  welche  die  alle  Welt  blos  den  Sciaven  übcriiefs,  durch 
die  allbelebenden  Zauberworte  Iniprovcmeut  und  Patentartikel,  täg- 
lich fortschreitet? 

So  ist  es  in  der  That.  Hier  im  Theater  rauscht,  kracht, 
prasselt,  donnert  es  uns  bei  einem  so  reizbaren,  leicht  und  gewal- 
tig aufzuregenden  Publikum,  Avie  das  der  Griechen  und  ,    nachdem 


Senr  erscliüpfeiul  bat  von  den  Beifallszeichen ,  die  den  Rednern 
xmd  Sophisten  durch  Rufen  und  Klatschen  gespendet  wurden,  der 
Jesuit  Liidovicus  Cresollius  geliandelt  in  seiner  gelehrten  Schrift 
Theatruni  veteruni  Rhetoriim,  libri  V.  im  3ten  Buche  im  20sten 
Kapitel  p.  271.  11'.  der  ersten  Pariser  Ausgabe  von  1G20.  Später 
hat  dieses  selten  gewordene  Buch  Jac.  Gronov  in  den  lOten  Tlieil 
des  Tliesaurus  Antiiiuitatum  Graecarnm  aufgenommen. 
Diese  ärgerliche  Unart  liat  besondeis  Francesco  BernarJino  Fer- 
rario  zu  Mailand  in  seinem  AN'erke^  de  veterum  acclaniationibus  et 
plausu  libri  Vll.  erläutert,  welches  zuerst  in  Mailand  1627  in  4.,  dann 
aber  auch  im  6.  Theile  des  Thesaurus  antitjuitatum  Romanorum  von 
Grävius  gedruckt  worden  ist.  Es  liabcn  aber  noch  viele  andere 
Gelehrte  diesen  Gegenstand  behandelt,  die  sclion  J.  A.  Fabricius 
in  seiner  Bibliograpliia  antiquaria  p.  541.  f.  sorgfältig  angefüiirt 
hat. 


331 

die  Herren  und  Sieger  der  Erde  bei  den  Griechen  in  die  Schule 
|i,eg;ii)gen  waren  ,  auch  das  der  Römer  war ,  von  allen  Seiten  und 
niil  so  vielen  anderen  Geberden  und  körperlichen  Bewegungen  so  stür- 
luiscb  enfgegen,  dafs  man  nicht  irrt,  wenn  man  sich  vorstellt,  ein  so 
erregbares  und  bewegliches  Zuschaner-Publiknm  habe  die  gröfsle 
Aehnlicbkeit  mit  vielen  tausend  Besessenen  und  Evcrgiimcnen  ge- 
habt. Die  sogenannte  Musolepsie ,  der  Musen  -  Walinsinn  ,  ergriff 
Jung  und  Alt  mit  gleicher  Gewalt,  und  die  Verriicklhcit  der  Ab- 
deiiten  ,  die  uns  VVieland  zuerst  in  seiner  geistreichen  Dichliing 
dieses  Namens  und  später  auch  in  den  Briefen  des  Aristippns  so 
charaklerisliscli  und  auf  alle  Zeiten  anwendbar  schildert,  scheint 
um  so  freier  und  rücksichlloser  ausgebrochen  zu  sein,  als  in  den 
griechischen  Theatern  wenigstens  ehibare  P^ranen  und  Jungfrauen 
in  der  Ordnung  fast  nie  zugelassen  wurden  *j,  und  also  auch  hier 
jener  unbewachte  Mnlhwiüe  und  jene  zügellose  Ausgelassenheit  ein- 
trat,  welche  noch  jetzt  überall  ungebändigt  hervorbricht,  wo  die 
Frauen ,  die  strengen  und  züchtigen  Gesetzgeberinnen  und  Lenke- 
rinneii  der  Sitte,  nicht  Theil  nehmen  können  oder  wollen. 

Und  hier,  um  nur  gleich  damit  anzufangen,  waren  die  Schau- 
bühnen der  alten  Welt  schon  ihrer  Lage  und  Bauart  nach  herr- 
liche Schallforliillanzer ,  Mnlti|)llcatoren  (Vervielfaltigungsans(alten) 
und  unvergleichliche  Resonanzböden.  Es  kann  hier  nicht  die  Rede 
von  den  akustischen  Vortheilen  sein,  womit  die  Baukunst  der  Al- 
ten der  Menschenslimme  sowohl,  als  den  sehr  einfachen  Klang- 
instrnmenten  auf  der  Bühne  eine  Yernehmlichkeit  und  Deutlichkeit 
zu  geben  wufste,    wodurch  in    allen  Richtungen  und  Formen  eine 


Ich  kann  nach  Allem ,  was  ich  zn  verschiedenen  Zeiten ,  zuerst  im 
neuen  teutsclien  Merkur  von  1806.  St.  I,  S,  23.  ff,,  auch  spä- 
ter im  Morgenblatt  über  den  Niclitbesuch  iler  sceuischen  Scliauspiele 
durch  die  vonieliineren  Biirgerinnen  in  Athen  und  vielen  anderen 
griecliischen  Städten  behaii[Jtet  liabe ,  und  was  von  Fr.  Schlegel, 
von  A.  W.  Schlegel,  ingieichen  von  Böckh  in  seiner  Crisi  Tra- 
gicornm  pag.  38.  dagegen  erinnert  wox'den  ist,  noch  immer  die 
Ueberzengiing  nicht  aufgeben,  dafs  wenigstens  in  den  frülieren 
Zeiten  die  Frauen  Lei  dramatischen  Vorstellungen  niclit  gegen- 
wärtig waren,  am  allerwenigsten  bei  Lustspielen  des  Aristophanes 
und  Menander  (^wenn  Menander's  Glycerion  dabei  ist,  so  wissen 
wir  ja,  zn  vvelciier  Klasse  diese  Glycerion  gehörte).  Man  mufs 
freilich  die  Zeiten  und  in  Griechenland  selbst  die  ionischen  und 
dorisclien  Volksstämme  genau  unterscheiden,  auch  den  Unterschied 
römischer  und  griechisclier  Frauensitte,  die  mannigfaltigen  Vei- 
zweiguiigen  der  Volksstämme  nicht  aus  den  Angen  verlieren.  Doch 
die  ganze  Sache  soll  in  der  Sammlung  meiner  kleinen  philologi- 
schen Aufsätze  einer  neuen  sorgfältipoii  Priifunt;  nnterworrcu  werden! 


662 

Zahl  von  20  bis  30,000  Ziisclianern  auch  völli«'-  hefriedi-le  Zu- 
liürer  wurden.  INacli  Allein,  was  antli  in  den  neuesten  Zeiten 
ühev  die  befstniöi'liclistc  Ki-reicluinjü,"  dieses  Zweckes  in  unserer  frei- 
licli  durcli  ganz  andere  liediirCnisse  in  Bcdaeimnii,-  und  Bclenclitung 
sehr  verschiedenen  Sciiaubüline  gesaü,!  worden  ist,  bleibt  hier  noch 
Vieles  aufzuklären.  Heine  oder  ellii»lisclie  Ilalhcirkel  in  den  Sifz- 
reiiien  der  Seiier  sind  durch  unsere  Calels,  Lanii;erlianse,  Wein- 
brenner u.  s.  w.  nur  noch  streitiger  und  verwickelter  e;eworden. 
Aber  wären  auch  keine  Theater  weiter  übrig-  gebliehen  als  dieTriini- 
mern  von  den  Theater  zu  Taorniina  und  Morviedro  (Sagunt),  so 
Vkäre  es  doch  schon  dadurch  unwidersprechlich  bewiesen,  dafs  die 
8challstrahlen  in  jeder  Richluiig'  und  Ausbreitung"  ihre  vollkoinineiie 
Wirkung-  thaten  und  iiberall  Alles  ohne  Anstrengung  vernoiunien  wur- 
de. Doch,  wie  gesagt,  hiervoa  kann  unserer  Absicht  geniüfs  hier 
nicht  die  Rede  sein.  Es  liegt  mir  hier  nur  ob  ,  die  Rehauptnug 
ji ut  zu  machen ,  dafs  bei  der  Slructur  der  allen  Theater  das  lact- 
mäfsige Beifallklatschen  den  Klatschenden  selbst  noch  durch  Yerstäik- 
nng-  und  Wiederholung  jedes  einzelnen  donnernden  Lnisonos  n»it  den 
Händen  (der  Brite  nennt  es  ein  Glockengelänte,  peal  of  applanse,) 
eine  eigene  Unterhaltung,  ja  einen  Gennfs  gewährte,  voji  welchem 
wir  uns  jetzt  selbst  mit  allem  Aufwände  ausmalender  Phantasie 
kaum  eine  Yorstellwng  zu  machen  vermögen.  Man  miifs  hierbei  nur 
die  bekannte  Erfahrung  in  Erinnerung-  bringen ,  dafs  man  im  Al- 
lerthume,  wo  es  nur  sein  konnte,  die  Theater  allezeit  am  Abhänge 
eines  Berges  oder  Felsens  so  anbrachte,  dafs  man  die  Sitzreihen 
der  Zuschauer  in  l(;bendigen  Felsen  ausgehauen  iiher  einander  an- 
legen konnte.  Diefs  bezeugen  die  Trümmer  aller  anderen  Tlieater 
an  den  Küsten  des  Archipelagus  und  Siciliens,  und  selbst  Vitruv, 
der  freilich  in  Rom  selbst  darauf  keine  Rücksicht  nehmen  konnte, 
sagt  docli  (Buch  V.  Kap.  lll.  S.  211.,  übers,  von  Rode):  „wird 
das  Theater  an  Gehirgen  angelegt,  so  macht  der  Grund  keine 
Schwierigkeit."  So  sehr  nun  auch  selbst  nach  Vitruv's  Vorschrif- 
ten alle  verwirrenden,  vom  Anstofse  zjirückprallenden  Wellenkreisc 
des  Schalles  schon  durch  die  Bauart  verjin'eden  werden  müssen, 
so  schliefst  diefs  doch  die  wahre  Resonanz,  die  Fortpllanznng-  des 
verstärkten  Schalles  bis  zu  der  obersten  Galerie  der  Sitzreihen  kei- 
neswegs aus,  und  Vitruv  verlangt  ausdrücklich,  man  müsse  genau 
daiauf  sehen,  dafs  ili(!se  Resonanz  nicht  verhindert  werde  und  üher- 
liaupt  dafs  der  Ort  nicht  dumpf  sei.  Die  Declamation  der  Schauspie- 
ler, tler  Klang  der  geblasenen  und  besaiteten  Instrnmeiile  war  hici  l»ei 
gewifs  so  abgemessen  und  berechnet,  dafs,  was  die  Griechen  her- 
nmsch  all  ende  nnd  en  tge  ge  n  b  rec  h  ende  Klanghrechnng- 
nannten ,  nie  vorkommen  konnte.  Diese  Neckereien  der  mnthwil- 
ligen  Nymphe  Echo  hätten  die  Allen  gewifs  eben  so  störend  und  ver- 
driefslich  gt'fnnden  ,  als  sie  die  Bewohner  einer  uns  benachbarten 
grofacn  llaiipistadt  in    jenem  nencrbanlen  Theater  fanden,    welche 


933 


bol'iu  Ausrufe  seines  Baumeisters  die  Sylbe  Hans  im  ganzen  Halb- 
kreise hnnderlfaeli  ziinu-kii.ab  iiinl  nicht  elier  ganz  verstnmntte,  als 
l)is  sie  mit  diesem  Theater  selbst  in  Schutt  niid  Asche  nnterging. 
Ganz  etwas  Anderes  aber  war  es  mit  den  die  Lnft  dnrchsclinei- 
dendeu  nnd  dnrcl»  die  Allgewalt  des  Schalls  sogar  dariiberhin  Hie- 
gende  Vogel  in  Fing-  selbst  tödtcnden  Schallniassen  eines  lant  auf- 
janchzonden  nnd  anl'k'afschenden  Znschaneikreises  *).  Denn  es 
mag  wohl  eine  merkliche  Lnflverändernng  hervorbringen,  wenn  in 
demselben  Moment  aus  20,000  Kohlen  ein  Lebehoch  erdonnerte  nnd 
mit  40,000  zusammengeschlagenen  Händen  ein  zweites  Donner- 
wetter darein  schlug-.  Da  trat  der  Fall  ein ,  dafs  die  geschäflig-e 
Echo  ihre  Yerdoppelungskilnslc  nicht  nnr  ohne  alle  Störung-,  son- 
dern sogar  zum  wahren  Geunfs  nnd  zu  erhöheter  Zufriedenheit  der 
Rufer  und  Klatscher  nicht  lobcudig  nnd  ki'äl'lig  genug  treiben  konn- 
te. Mau  bedenke,  dafs  wohl  in  mehreren  Halbkreisen  der  Thea- 
ter der  Fall  eintrat,  welchen  die  neuen  Reisenden  in  Sicilien  von 
den  Tiiimmern  des  Tauromiuischen  Theaters  oder  der  Bühne  von 
Taormiua  berichten  **).  Der  Irelfliche  baierische  Arcbilect  Gärt- 
ner, dem  wir  die  neueste  verständig-  anfgefafste  und  meisterhaft 
in  München  lilhographirle  Ansicht  von  den  Trümmern  dieses  Thea- 


*")  Man  erinnert  sich  liier  an  jenes  in  Montaigne''s  Essais  so  sinn- 
reicli  gedeutete  Ereignifs,  als  der  Sieger  des  Pliilippns  von  Mace- 
donien,  der  Proconsul  Q.  Flaminius,  in  den  Isthmisclien  Spielen 
zu  Corinth  den  versammelten  Panhellenen  durch  den  Herold  ganz 
unerwartet  das  Freiheits-Edict  ausrufen  liefs,  nach  Plutarch's  Er- 
zählung in  Flamin,  c.  10.  p.  482.  Hutt.  oder  p.  375.  A,  Bei'm  Ju- 
belgesclirei  der  vom  Freudentaumel  ergriU'enen  Tausende  stü)zten 
Raben ,  welche  zufällig  eben  über  den  Reiliensitzen  des  Theaters 
flogen,  sogleicli  herab,  wo  es  nun,  sagt  Plutarcli,  durch  die  durch- 
schneidenden Klangstrahlen  einen  luftleeren  Raum  hervorbrachte, 
oder  als  ein  Pfeil  wirkte,  oder  einen  Luftwirbel  erregte.  Plutarch 
nennt  es  ein  oft  vorkommendes  Ereignifs,  ro  iroXXäviig  XEyöfxivov 
iig  vTsgßoXi^v  tj);  (ptMvyjq  y.a)  i^tysSo^.  Belvanntlich  trug  sicJi  bei 
der  Canonade  von  Valmy  in  der  Champagne  1792.  dasselbe  zu. 
Die  Akustik  der  Alten  unterschied  sehr  richtig,  wie  auch  Chlad- 
ni  zu  bemerken  nicht  unterlassen  liat,  die  doppelte  Brechung  des 
Schallstrahls,  aväy.X(X(Tig  und  y.arä-AXaaig.  S.  Aristoteles,  Probleme 
Sect.   XI.  Problem.   51.  p.  812.  E. 

0  Noch  bleibt  d'Orville's  Sicula  die  befste  Quelle  für  diese 
üntersuclumg.  Aber  schon  Rietesel  hat  in  seiner  Reise 
durch  Grofsgriechenland  und  Sicilien,  im  ersten  Send- 
schreiben S,  157.  die  akustischen  Vortheile,  die  man  auf  den  ober- 
sten Stufen  der  in  Felsen  ausgehauenen  Sitzreihen  hier  bemerkt, 
genau  bezeichnet. 


334 

ters  (in  «Ion  Änsicliten  «Icr  nm  meisten  erliallenen  g,rieclils<"lien  Mo- 
iinmenle  Siciliens,  Bl.  2.)  verdanken,  sogt  darüber  in  der  lieige- 
fii^ten  Erklärniig  (p.  13.  f.):  „Die  Natur  seihst  sclieint  die  An- 
la^e  eines  Werl^es  vorbereitet  zn  haben,  das  dnreh  seine  Bedenf- 
iinjr  und  seinen  inneren  Gelialt  mehr  Reiz  für  uns  haben  ninfs  als 
fast  alle  Gebäude  des  Alterthiims ,  Avelche  sieh  auf  unsere  Zeiten 
erhalten  haben.  Die  Natur  sehnf  den  Fels  so,  dafs  die  Kunst  nur 
ihren  Fingerzeigen  folgen  durfte.  In  der  schiefen ,  aniphilheatra- 
lisch  sieh  erweiternden  Fläche  brauchte  man  nur  Stufen  eiuzuhauen, 
nin  zn  bilden,  was  nöthig  war.  Dazu  erheben  sich  noch  an  bei- 
den Seilen  zwei  Sleinmassen,  zwischen  denen  ein  Raum  sich  aus- 
breitet, der  mit  geiinger  Arbeit  mit  jenen  beiden  yerhunden  und 
zum  Prosceninni  gebildet  werden  konnte."  Ich  erinnere  mich,  in 
Choisenl  Gonflier's  malerischer  Reise  durch  Griechenland  ähnliche 
Felseiitrümmern  eines  griechischen  Theaters  in  Klcinasien  gesehen 
zu  haben.  Hier  wären  .also  für  Beifallrnf  nnd  Beifallklatschen  in 
ffrofsen  Felsenmassen  die  schallverdopiieluden  Ohjccte  gefunden, 
welche  durch  eingemauerte  eherne  und  irdene  Klanggefäfse  für  die 
Verstärkung  des  Klanges  der  Stimmen  nnd  Instrumente  auf  der 
Bühne  in  den  unteren  Reihesitzen  der  Zuschauer  nach  Yitruv's 
Zeugnisse  ihre  Stelle  fanden  *). 


Zur  Erläuterung-  dient,  was  die  Alten  von  der  Lage  des  Dcl- 
pliisclien  Orakels  und  der  ganzen  heiligen  Stadt  am  Par- 
nassus  bericliten,  sie  sei  t  Ii  ea  t  er  älin  1  ich  gewesen,  SgarpoEiSI?, 
Strabo  IX,  p.  640.  A.  Daraus  erklären  sie  nun  die  Sclireckens- 
scene,  Aveldie  sich  zutrug,  als  bei'm  Raubzuge  der  Gallier  Bren- 
nus  den  Tempel  angriff  und  durch  Donncrgeräusch  zurückge- 
schreckt wurde.  Die  Stelle  im  Justin  XXIV,  6.  8,  mag  hier  an- 
geführt werden.  Media  saxi  rupes  in  formam  theatri  recessit. 
Qnamobrem  et  liominum  clauior,  et  si  qiiando  accedit  tubarum 
sonus,  pei'sonantibus  et  respondentibus  inter  se  rupibus  multiplex 
audiri,  amplionjue,  quam  editur,  resonare  seiet,  Die  neueren  eng- 
lisclien  Reisenden  haben  diese  theaterfürmige  I^age ,  die  ein  wah- 
res Parterre  (koTaov),  mit  Sitzreihen  undaeiset,  bildete,  zu  bemer- 
ken nicht  unterlassen.  S.  Clarke  in  Travels  in  various  coun- 
tries  T.  Yll.  pag.  230.  D  od  well  in  seiner  wahrhaft  classischen 
Reise,  Classical  and  geograpiucal  Tour  through  Greece  Yol.  I.  p, 
189. ,  wo  wir  überhaupt  die  einzige  zuverlässige  Nachricht  über 
das  ganze  Local,  wie  sich's  jetzt  darstellt,  iinden,  giebt  melirere 
interessante  Beobachtungen  über  die  auffallenden  Erscheinungen 
des  Echo,  wie  es  in  den  Trümmerschluchten  des  Parnassus  noch 
jetzt  bemerkt  wird.  Eine  kleine  Kanone  wurde  gelös't.  The  echo 
was  repeated  several  times,  increasing  as  it  reaclied  the  rocks  of 
Delphi,  like  the  loar  of  approaching  thunder. 


335 

Nun  erst  wird  eine  Stelle  in  Plalo's  6tom  ßnche  der  Repn- 
Wik  ([).  492.  B.  oder  T.  VIT.  p.  86.  Bip.)  ihr  volles  Versfäud- 
nifs  erlialten,  wo  Soerates,  gegen  die  Alles  belliörendeii  Sopliislen- 
kiinste  eifernd,  das  Unwesen  schildert,  welches  durch  die  Aiifreiz- 
uug'  zur  Gnnst  nnd  Ahgnnst,  zum  Beifall  und  Mifsfalleu  in  den  Ge- 
luüthern  der  Zuhörer  befordert  nnd  genähert  werde.  ,,Da  sitzen  sie," 
Leifst  es  dort,  „in  god.ängten  Haufen  —  auch  in  den  Theatern  — • 
nnd  schelten  oder  preisen,  was  da  gesprochen  oder  verhandelt  wird, 
mit  gewalligeni  Geräusche,  beides  in  Ueberniafs,  indem  sie  aufschreien 
uüd  klatsclien.  Diesem  entgegen  schallen  die  Felsen  und  Platze, 
wo  sie  sich  befinden,  um  einen  verdoppelten  Wiederhall  des  tadelnden 
und  tobenden  Geräusches  hervorbringen."-  Mau  kann  sich  vorstel- 
len, wie  begierig  jedes  Ohr  diesen  Wiederhall  auffing,  und  jeder 
Mund  und  jede  Hand  ihn  immer  auf's  Neue  hervorzulocken  be- 
müht war.  INun  verstehen  wir  aber  auch  erst  einige  Stellen  in 
den  Oden  des  Horaz  ganz  im  Sinne  des  Alterthums.  Es  war  allge  > 
meine  Sitte,  dafs  man  die  grofsen  Staatsmänner  nnd  späterhin  auch 
die  Kaiser,  wenn  sie  in's  Theater  traten,  mit  einem  dreimal  wie- 
dei  holten  allgemeinen  Boifallklalschen  cnipfing-.  Miicenas,  der  um  sei- 
ner besänftigenden  Polilik  willen  allgelieble  Giiustiing  August's,  trat 
nach  einer  schweren  Krankheit  zum  ersten  I\Ial  wieder  in  das  vom 
grofsen  Ponipejiis  erbaute  erste  grofse  steinerne  Theater  auf  dem 
Marsfelde  ein.  Da  sprang  das  ganze  römische  Volk  (das  Pompejische 
Theater  fafsle  nach  der  Aussage  des  älteren  Pliniiis  (XXXVl,  15. 
S.  25.)  an  40,000  Zuschauer)  Avie  durch  einen  Zauberschlag-  auf 
von  seineu  Sitzen  und  klatschte  in  drei  abgebrochenen  Momenten 
dem  Genesenen  die  früheste  Bewillkommnnng  zu,  Horaz  erinnert 
seinen  erlauchl<Mi  Freund  an  diese  seltene  Huldigimg  in  der  17leu 
Ode  des  zweiten  Buches 

— •  dein  Haupt  beschirmt  Jupiter, 

Darob   die  vollen  Theater  dich 

Mit  lautem  Jubel  dreimal  begrüfseten. 

An  diese  Verherrlichung  erinnert  der  Dichter  noch  in  einer 
zweiten  Stelle  (B.  I.  Ode  20,).  Er  will  ihm  einen  Wein  vor- 
setzen, der  gerade  damals  aufs  Gefiifs  gezogen  wurde, 

als  dich,  Mäcenas, 
'  Theurer  Ritter,  jubelnd  der  Schauplatz  aufnahm 

Und  vom  Vatican  und  vom  Ufer  deines 
Väterliclien  Flusses  den  Jubel  Echo 

Freudenvoll  nachrief. 

Es  ist  am  Tage,  dafs  auch  hier  das  scherzende  Ebenbild  des 
Schalles,  wie  es  der  Dichter  eigentlich  nennt,  seine  bedeutende 
Rolle  zu  spielen  halte  nnd  dafs  von  den  Hügeln  des  Vaticans  oder 
des  Janiculus  dem  Volk  ein  Wiedeihall  verdoppelt  zurückkam,  was 


936 

CS  mit  so  gTofsor  Bonelslerniin;  nnd  solclicm  Jnhfil  vornehmen  liefs  *). 
So  liiildiiiU'ii  «loni  Hllvercliilon  yiaalsmanne  selbst  die  benachbarten 
Hiijicl  iiihI  Borge,  «leren  Einwirkun«^-  roiupcjus  unslieitii»-  gleich 
iK'i  der  Erbanung-  seines  Theaters  in  Aiiscbhtg  zn  Iningen  nicht 
Tcrgcsseu  hatte.  —  So  mag  es  zn  einer  anderen  Zeit,  wenn  an- 
ders die  Sage  der  allen  Grammatiker  daniber  anf  einer  wirklichen 
Tbatsaclic  bernht,  anch  dem  ebrwiirdigen  Sänger  der  römischen 
]Nationaiepo|>öe,  der  Aeneide,  sehr  wolil  gethan  haben,  wenn  das 
ganze  römische  Volk,  als  Verse  von  ihm  in  diesem  Theater 
recitirt  wurden ,  freiwillig-  aufstand  und  dem  nuter  den  Zn- 
schauern  entdeckten  Virgil  dieselbe  Ehre  erwies,  Avomit  es  dem 
Augustus  selbst  zn  huldigen  pÜegle.  Aber  wie  schneidend  mag 
nun  auch  die  Hirtenpfeife ,  durch  dasselbe  spottende  Echo  wieder- 
holt, in  den  Ohren  des  so  ausgeplilfenen  Dichters,  oder  Schauspie- 
lers ,  oder  Flötenspielers  geklungen  haben.  Denn  auch  mit  dieser 
■war  das  souveräne  Volk,  das  lange,  nachdem  es  auf  alle  Frei- 
heit verzichtet  hatte,  wenigstens  noch  im  Theater  seine  Macht- 
volikomnjenheit  ausübte ,  zu  Zeiten  gar  nicht  sparsam ,  und  Cicero 
berühmt  sich  in  einem  Briefe  an  seinen  Atticns,  dafs  er  den  glän- 
zendsten Beifall  des  Volkes  in  allen  bisherigen  scenischen  Spielen 
und  Fechlerkämjjfen  ohne  allen  Mifston  dieser  Schäfernnisik  erhal- 
ten habe  **)♦     Man  mufs  nämlich  wissen,  dafs  auch  das  Auspfei- 


Der  Janiciihis  niaclit  einen  Theil  des  damaligen  Vaticans  ans.  S. 
Meibom,  Vita  Maecenat,  c.  7.  p.  56.  Fea,  der  neueste  rönii- 
sclie  Herausgeber  des  Iloraz,  bemerkt,  dafs  er  dieses  Echo  selbst 
bei'm  Klang  <ler  Uliien  und  Glocken  im  neuen  Ilom  oft  in  eigener 
Person  dort  beobachtet  habe. 

Wenn  Cicero  seinem  Freunde  Atticns  die  Gunst  verkündigt ,  in 
welche  ilin  sein  gutes  Vernehmen  mit  Pompejus  bei'm  römischen 
Volke  gesetzt  habe,  so  sagt  er  (ad  Att.  J,  16.  T.  I.  p.  115.  Graev.): 
Itaque  et  ludis  et  gladiatoribus  niirandas  liric\)iJ.oi(7i(xg  sine  ulla 
pastoritia  fistula  auferebamus.  Wieland  in  Cicero's 
sämmlliclien  Briefen  Tb.  I,  S.  135.  bat  diefs  so  übersetzt: 
„Das  Alles  macht  denn  aucli,  dafs  ich  bei  allen  ölfentliclien  Scbau- 
sj)ielcn,  welclie  zeither  gegeben  wurden,  nnt  gewaltigem  Hjinde- 
klatschen  empfangen  wurde,  ohne  dafs  sich  nur  ein  Hirtenpfeit- 
chen  dabei  jiören  liefs."  Händeklatschen  erschöpft  das  griechisclie 
Wort  niclit,  welches  Cicero  absicbtücli  wählte,  weil  darunter  auch 
das  Bravorufen  und  Jubeln  mit  den  Stimmen,  nicht  blos  das  Klat- 
schen, mit  einem  Worte  der  y.qoro3l^vßoi;,  wie  es  die  Griechen 
in  ein  Wort  zusainmenfafsten ,  verstanden  wurde.  Was  aber  das 
Auszischen  durch  das  aus  Rohr  gesclinittene  Hirtenpfeifchen  an- 
langt, so  zweifle  ich  keinen  Augenblick,  dafs  man  nicht  derglei- 
chen Pfeifchen  wirklicJ»  im  Busen  oder  Gürtel  stecken   hatte,    um 


337 


feil  mit  einer  profsen  Virlnosllät  ausgeübt  wnide.  Die  Pfeifer  ver- 
standen iliren  IMiff  mit  allem  denjenii'en  Naelidniek  anziihringcn, 
den  der  Hirle  bei'm  Ziisatiimeii|if<'ifeii  seiner  Herde  nnwendef,  niid 
Avohl  mai!,-  ein  Coneert  von  eini:!,en  fansend  Liiüabnlleros  dieser 
Art  weit  kräftiger  das  Trommelfell  beriilirl  babeii  als  Alles ,  was 
der  Pariser  Kuusiricbler  mit  Bciuein  clef  foree  licrvorzubriugeu  rer- 


niag. 


dadurch  seine  Abgnnst  oder  Mifsbllligving  zu  verlautbaren.  Mnre- 
tus  hat  schon  (Var,  Lect.  I,  19.  T.  II,  p.  911.  Lainp.  Grut.)  die 
ihm  von  Pierre  Morin  mitgetheiite  Stelle  aus  Plato  angefÜlirt,  wo 
das  griechische  Wort  für  dieses  Kohrpfeifchen ,  a-jaiy^^  gleichfalls 
vom  Auszischen  der  unbändigen ,  damals  aber  mit  dem  Stock  der 
Theater -Aufseher  zurecht  gewiesenen  Zuschauer  gebraucht  wird. 
Denn  wenn  Socrates  am  Schlufs  des  dritten  Buchs  von  den  Ge- 
setzen von  der  jetzt  eingerissenen  zuclitlosen  Pöbellierrschaft  im 
Theater  (^owj^i  ^socTfoxfana,  also  ein  selir  altes  Uebel,)  spriclit, 
heifst  es  von  der  guten  alten  Zeit:  o'J  ffu^ty^  ^v,  ovht  rivi;  ä/xov- 
coi  ßoa]  ■rXr)$evg^  y.aSairig  ra  vZv,  O'jh  av  y.^irci  swar^ovg  civahthev- 
T£f.  P-  700.  C.  oder  T.  VII.  p.  157.  Bip.  .  Da  gab's  noch  kein 
Pfeifen  und  kein  rohes  Gesclirei  der  Menge.  Auch  liat  der  Grieche 
gewifs  so  gut  für  Auszisclien,  exsibilare,  das  Wort  naratTvoirre- 
cSat  gehabt,  wenn  ihm  gleich  der  grofse  Hemsterhuys  zu 
Aristophanes,   Plutus  pag.  229.  ed.  Schaf,  alle  Autorität  absprlcbt« 


Biittigti'*  lileine  Schtiftcn  I.  2i 


Zugabe  zur  zweiten  Abtheilung. 

lieber  die  Aufführung  des  Ion  auf  dem  Hoftheater 
in  Weimar* 


Vorbemerkung   des   Herausgebers. 

»^  enn  es  längst_anerkannt  ist,  dafs  jeder  Beitrag  zur  genaueren  Schilder- 
ung der  Weimar'sclien  Glanzperiode  ein  willkommener  genannt  werden  mnfs, 
so  glanLen  auch  wir  Entschuldigung  zu  binden,  dafs  die  Aufsätze  Böttiger's 
über  das  Bühnenwesen    der  Griechen   und  Römer  einen  Anliang   gefun- 
den haben,  den  wohl  Niemand  erwartet  haben  dürfte.     Und  doch  schien 
gerade  dieser  Absclinitt  der  Böttiger'schen  kleinen   Schriften  die  einzige 
Stelle   darzubieten,    wo   ein    seinem   Umfange  nach    sehr  unbedeutendes, 
aber  dabei  in  vieler  Hinsiclit  merkwürdiges  Actenstück  ein  Unterkommen 
linden  konnte.      Beliandelte   doch    die    weiter  unten  folgende  Theaterre- 
cension,  die  einzige  von  den  vielen  Böttiger's,    der  wir  einen  Wiederab- 
druck niclit  versagen  mochten,  ein  dramatisches  Werk,  das  seinem  Stofl'e 
nacli  dem  Alterthume  angehört,  so  dafs  der  Verfasser  Gelegenlieit  fand, 
manche  vergleichende  Blicke  über  die  Art,    wie  der  neuere  Dichter  dem 
alten  gegenüber  in  die  Schranken  getreten  sei,  einiliefsen  zu  lassen   und 
daran  einige  Bemerkungen  zu  knüpfen,  die  sich  dem  mit  dem  Alterthume 
so  ganz  vertrauten  Manne  ungesucht  darboten.     Aber  dennocli  liätten  uns 
diese  Gründe  allein    nicht  bewegen  können,    den  übrigens  ganz  wissen- 
schaftlichen  Charakter  der  Sammlung,  wenn  aucli  nur  durch  diese  weni- 
gen Blätter,  zu  verleugnen,  wenn  nicht  eben  die  Ueberzeugung,  dafs  zur 
Aufhellung  der  Weimar'schen  Zustände  Jeder  bieten  mufs,   was  er  eben 
hat,  unsere  etwaigen  Zweifel  und  Bedenken  niedergeschlagen  hätte.     Das 
audiatur  et  altera  pars  macht  auch  hier  sein   Recht   geltend,     und  man 
glaubte  diefs  \im  so  mehr  ehren  zu  müssen,    als  beide  Männer,    die  in 
dieser  Scene  handelnd  auftraten,  von  dem  Schauplatze  ihres  M'irkens  ab- 
getreten sind.     Es  wird  Manchem,   der  einmal   an  solchen  Sachen  Theil 
nimmt,  lieb  sein,  sich  über  die  Angelegenheit,  die,  so  unbedeutend  sie 


339 

auch  an  nn«l  für  sich  war,  dennoch  nicht  ganz  spnrios  vorübergegangen 
ist,  nun  selbst  ein   Urtheil  bilden   zu  können.     Doch  nun  zur  Sache. 

Göthe  erzählt  in  seinen  Tag-  und  Jahreshel'ten  C"\Verke  31.  S.  122. 
der  Taschenausgabe)  v.  J.  1802.  B^olgendes :  „Nun  hatten  die  Gebrüder 
Schlegel  die  Gegenpartei  am  tiefsten  beleidigt,  defshalb  trat  sclion  am 
Vorstellungsabend  lon's,  dessen  Verfasser  kein  (ieiieimnifs  geblieben  war^ 
ein  Oppositionsversucli  unbescheiden  liervor ;  in  den  Zwischenacten  flü- 
sterte man  von  allerlei  Tadelnswürdigem  ,  wozu  denn  die  freilich  etwas 
bedenkliche  Stellung  der  3Iutter  erwünscliten  Anlafs  gab.  Ein  sowohl 
den  Autor  als  die  Intendanz  angieifender  Aufsatz  war  in  das  Mode- 
journal projectirt,  aber  ernst  und  kräftig  zurückgewiesen;  denn  es  war 
noch  nicht  Grundsatz,  dafs  in  demselbigen  Staate,  in  derselbigen  Stadt 
es  irgend  einem  Gliede  erlaubt  sei,  das  zu  zerstören,  was  Andere  kurz 
vorher  aufgebaut  hatten." 

Zu  diesen  Worten  bildet  nun  folgende  Stelle  aus  einem  Briefe  von 
Caroline  v.  Herder  in  Knebel's  literarischem  Nachlasse  (Briefwechsel 
Band  2.  S.  328.)  gewissermafsen  den  Comnientar,  und  ich  lasse  jene.i 
diese  folgen,  damit  die  Leser  wegen  einer  solchen  Kleinigkeit  nicht  erst 
in  ihre  Bibliotliek  zu  gehen  nöthig  haben.     Die  Gattin  Herder's  schreibt: 

,, Denken  Sie!  Böttiger  schreibt  im  3lodejournal  eine  Kritik  über 
den  Ion ,  wobei  er  unvermeidlich  Walirheiten  sngen  mnfste ;  —  als  der 
Bogen  gesetzt  war,  forderte  iJm  Götlie  von  Bertuch,  und  nachdem  er 
ihn  erhalten,  scluieb  er  an  Bertuch :  wenn  er  diese  Kritik  über  Ion  nicht 
augenblicklich  unterdrücke,  so  ginge  er  sogleich  zum  Herzoge  und  fordere 
seine  Dimission  als  Director  des  Tlieaters.  Audi  wolle  ef  künftig  die 
Theater -Nachrichten  in  das  Modejournal  selbst  liefern  und  im  näch- 
sten Stücke  mit  dem  Ion  den  Anfang  maclien. 

Sehen  Sie,  so  steht  es  mit  unserer  Theater -Wahrlieit! 

Diefs  Alles  aber  ist  ein  grofses  Gelieimnifs,  das  indessen  schon 
von  Ohr  zu  Ohr  sachte  herumgeht.  Böttiger  Iiat  den  Bogen  als  den 
einzigen  Abdruck  gerettet  —  er  wird  ihn  gewifs  für  Sie  geben ,  wenn 
Sie  ilin  sehen  mögen !  " 

Als  nun  der  Herausgeber  bald  nach  BÖttiger's  Tode  die  Massen  be- 
schriebenen und  bedruckten  Papiers,  die  sich  in  seinem  Nachlasse  vor- 
fanden, Blatt  für  Blatt  durch  seine  Hände  gelien  liefs ,  fand  er  unter 
einer  Unzahl  von  einzelnen  Artikeln  aus  dem  Modejournal  aucli  einen  Bo- 
gen, bei  dessen  Anblick  er  sich  zu  guter  Stunde  jener  "Worte  Göthe's  und 
der  Frau  v.  Herder  erinnerte.  Durch  einen  Ziifall  sah  er  jenes  unicum 
in  seinen  Händen,  und  glaubte  es  jetzt  nicht  vorentlialten  zn  dürfen, 
schon  deswegen,  damit  die  darüber  bereits  bekannt  gewordenen  Aeufser- 
ungen  ihre  volle  Erklärung  erhielten.  Für  die  "\'ergegenwärtignng  von 
Böttiger's  Leben  in  Weimar  ist  der  Aufsatz  ohnediefs  nicht  ohne  Wich- 
tigkeit, und  verdient  demnach  wohl  diese  bescheidene  Stelle  unter  sei- 
nen Schriften. 


22 


340 

Zu  tlon   onvün Schlesien    Elrcnncs   tle  Melpouirnc  jjnhörle  den 
2tcn    Jamiiir    1802    die    Auftiiliiniiu:  des    lou,    eines   Schauspiels 
111  5  Anfzii,a:en  ,    dessen  Verfasser  bis  jetzt  in  der  slreiiyslen  Ver- 
hol'eiilieit  grblioltcn  ist.     Es    war    lani^e    im  Voraus  danihcr    ne- 
sprochen  und  durch  die  aufscrordentlichc  8or<'falt,  womit  das  Stück 
ciiistudirt  und   Alles  dazu  vorhereilet  wurde,  die  Erwartnui^  darauf 
auPs    Höchsle    gespannt     worden.      Mnncherlei    ßetrachUingen    und 
Knnstfragen  waren  Yoransgei>;angen.     Man  las  das  griechische  Üri- 
"inal  dos  Enripidos.     Der  Eine  erinnerte  sich,  hei'ni  Vater  ßru- 
moy  gelesen  zu  halsen,    dafs  nach  einer  lange  schon  hestehenileii 
Kunslmeinnnp;  nichts   tliealralischer  ge<laclit  werden  könne    als    <ler 
StüiT  jener  Fahel,   wie  sie  Euripides  hehandelt  hat.     Eine  zarlliclie 
Mutter,    die  ihren   Sohn  vergiften,    ein  edler  Sohn,    der  den  Pfeil 
auf  seine  IMntter  ahdriicken   \\iil,     während    dieser    doppelle  Frevel 
die  ge"-enseltige  Anerkennung  herheifülirt,  was  kann  uns  mehr  er- 
greifen   spannen,    Itefiicdigen?     Ein  Anderer,    der    die    fröhlichen 
Erinnerungen  ans  seinem  Ptacine   gern  niillheille,  ermangelte  nicht, 
auf  dessen  Alhalie  hinzudeuten  und  zu  erzählen,  wie  fein  der  fran- 
zösische   Tragiker   seinen   loas   nach    dem    Ion    des    Euripides   zn 
hilden  "ewnfst  hahe.     Ein  Dritter  endlich  wollte  die  Anekdote  seihst 
aus  dem  Munde  des  ehrwürdigen  Dichters  gehört  hahen,  unter  des- 
sen unsterhiichen  Werken  auch  der  Agathon  glänzt,  dafs  die  Lek- 
türe des  Enripideischcn  Ion  in  ihm  die  erste  Idee  zur  Hervorhring- 
iiH«»-  jenes  Meisterwerks  geweckt  und  befruchtet    habe.     Alle    aber 
stimmten  darin  ilbereiu,    dafs    die  Bearbeitung    und   VViedererweck- 
unü,  dieses  StolTes  für  unser   Theater  zu  den  schwierig-slen  Aufga- 
ben   "ehöre,     die    im    Kreise   der    dramatischen   Dichtkunst    lägen. 
Schon  die  unvermeidliche    Weglassung    des  Chors,    der    doch  hier 
nicht  blos  durch  Mitleid ,    sondern    auch    durch    rasches  Eingreifen 
au  der  Handlung  selbst  Thcil   nimmt,  machte  grofse  Abäudernngeu 
in  der  Oeconomie  des    Stückes    und  Eiulheilungen    in  Acte  uöthig, 
die    bei    dem    griechischen    Tragiker    kaum    angedeutet   sind.     Die 
schöne  Einfachheit  der  griechischen  Fabel  ist  für  unseren  an  hun- 
derlfache  Verstärkungen  verwöhnten    Geschmack    zu    nüchtern    und 
einschläfernd.     Wie  mifslich   sind  aber   hier   alle  Zusätze  und  Er- 
vveitcrun»en !    Endlich,  und  dieser  Zweifel  schien  besonders  einige 
gebildete,    aber   docli    noch    nicht  aller    moralischen  Beschränkung 
iiberhobene  Menschen  hart    zn  ängstigen ,    wufste  man  nicht  recht, 
wie  der  Dichter  eines  neuen  Ion   über  gewisse  schlüpfrige  Confes- 
sioncn  mit  Ehren  wegkommen  könne,  da  sich  die  ganze  Verwick- 
lun««-   des    Stückes    um    die    Wiedererkennung  eines  Jungfernkindes 
luuf  um  die  kiilischeu  Augenblicke  dreht,  wo  Ion  sein  Dasein  em- 
pfing.    Das  Alles    halle  nun   auf  der  Athenischen  Bühne  gar  nichts 
auf  sich.     Keine  ehrbare  Frau    besuchte    dort   jemals    das    Scliau- 
spicl  und  selbst  die   weiblichen  Hollen   wurden  nur  von  männliclien 
Schauspielern   gegeben.     Was    in   einer    puren   Münnergesellschaft 


341 

ulcht  den  genna:sten  Anstofs  gab,  kajiii  in  iiiisorom  aus  heiilen  Gc- 
sdilccbleiH  gx'iuisclileii  Ziiscli.itiei'iiiiblikuiu  ((luicli  lose  Versclilciei- 
iingeii   vielleiclit  nur  noch  nielir)  Aergeniifs  gel»en. 

Wer  \voll(e  also    iiiclit   im  Voniiis  dem  ktiliiien  Diclitcr  Dank 
wissen,  der,  alle  diese  Bedenklitlikciten  nicht  achtend,  ans  jenem 
Enripideischen   Ion    uns  eii\e  nenerc  herrlichere  Schöpfung  mit  der 
zartesten  Schonnng   des    weihüchen   Pnbliknins  hervorrufen  konnte. 
Aber,  fragte  Jemand,    hat  niciit  eine  gewisse,    durch  ihren  lauten 
Ton  hinlänglich  gekannte    Schule    den    armen   Enripides   neuerlich 
ganz  ehrlos   gemacht?     Wie   kommt  es  denn,    dafs   der  Verfasser 
dieses  Stückes,     dem  diese   Stinnnnng    unmöglicli    entgangen    sein 
kann ,    gerade  eine  Tragödie    dieses  Dichters ,    über  dessen  flache 
Erbärmlichkeit  unter  allen  Kennern  in  den  oberen  Regionen  längst 
abgesprochen    ist,     einer    neuen    Umarbeitung    würdigte?     Gerade 
darum  am  ersten,  antwortete  eine  andere  Stimme.     Habt  nur  Acht, 
meine  Freunde,    wie  Enripides    diefsmal   in    die  Schule  genommen 
nnd  Alles  darauf  angelegt  werden  wird,  zu  zeigen,  wie  dieser  Stoff 
unter  den   plastischen  Händen  eines  höheren  Genius  wenigstens  zu 
einem  ApoUino  gedeiht,  während  der  Sohn  der  Athenischen  Kohl- 
verkäuferin kaum  einen  erträglichen  Priapus  daraus  geschnitzt  hat"? 
Und   wahr  ist  es,  es  verliefs  Niemand ,   der  seinem  Euripides 
nicht  erst  seit  heute  nnd  gestern  befreundet  ist,  die  Vorstellung  dle- 
~    ses  neuen  Ion  ohne  die  lebendigste    Ueberzengung,  dafs  von  jenem 
griechischen  Tragiker  die  Fabel  auch  nur  in  ihren  Hauptumrissen 
60  bearbeitet  und  entwickelt  zu  sehen ,    beinahe  nicht  viel  weniger 
als  eine  baare  Unmöglichkeit  sei.     Die  Lüclie ,  die  durch  die  Ent- 
fernung des  Chors  entstehen  mufste  ,    hatte  der  neue  Dichter  durch 
die    vielfache    Einflechtung   der    Pythia   in    den    Gang  des  ganzen 
Stückes  zu  ersetzen  gewufst.    Bei'm  Euripides  tritt  sie,  der  heilige 
Prophetenmund  des  Gottes,  der  alles  Unreine  flieht,  erst  gegen  das 
Ende  zum  ersten  Mal   majestätisch  auf,    um    auf  die  unmittelbare 
Eingebung  ihres  Gottes  das  räthsellösende  Körbchen  zu  überbringen. 
Hier  eröifnet   sie  gleich   den  ersten  Dialog   mit  Ion,    empfängt, 
befragt  nnd   beräth  als    eiue    gute  Schalfnerin  des  Ajiollo  die  neu- 
gierigen,    soeben   angekommenen  Fremdlinge    und  macht   nun  die 
gutmülhige  Zwischenträgerin,     die  trotz   ihrer  hohen  Jungfräulich- 
keit Manches  aufklilren  und  anhören  mufe,  was  auch  schon  man- 
che Aebtissin  und  Oberpriesterin  in  unseren  modernen  Dramen  nicht 
von  sich  abwehren  konnte.     Eine  solche  Pythia    hätte  Euripides 
selbst  dann  nicht  erschaften  können,  wenn  er  die  ganze  Lurapen- 
garderobe ,    die  dort    im   Scherz    Dicäopolis    in  den  Acharnern  des 
Aristophanes  ihm  abfordert,  um  sich  versammelt  gehabt  halle.    Hier 
-  ist  echter  griechischer  Genius  I     Doch    es  wird  zu  seiner  Zeit  ge- 
wifs  nicht  au  trefflichen  Dramaturgen  ermangeln,  die  diese  Ueber- 
legenheit  des  neuen  Ion  über  den  alten   in  der   Anlage   und    Aus- 
führung des  Stückes  zergliedern    und    das   lehrbegierige   Publikum 


342 

inil  allt^ii  Vriilienston  ilessolben  ansfülirUoher  hcknnnt  macheu  wer- 
den. Es  wäre  sträflii'lie  Aiiiuarsiing-,  diefs  Alles  jetzt  st-lion  ,  wo 
wir  uns  kaiun  von  dem  ersten  aligemeineu  Erstaiineii  crboit  ha-* 
bell,  haarklein  erzählen  zu  wollen.  Nur  einiges  Wenige  noch  zur 
Probe,  In  diesem  neuen  Ion  entdeckt  die  hohe  Pylhia  schon  in 
der  ersten  Unterredung  mit  dem  Tempelknahen  den  Fund  mit  dem 
Körbchen,  was  bei'ni  Euripides  erst  ganz  am  Ende  geschieht,  also 
eher,  als  es  ihr  Pliühus  eingegcljen  hatte.  Im  griechischen  loa 
hat  Xnthus  gerade  vor  16  Jahren ,  als  er  die  Orgien  des  Bacchus 
auf  dem  benacldjarteu  Gebirge  besuchte,  mit  einer  Bacchantin  bei'm 
Pervigilinm  sich  zu  tief  in's  Gebiisch  verirrt.  Im  teutschen  loa 
wird  er  als  Sieger  in  den  Pvthischeu  Spielen  bekränzt  und  geräth 
nun  Aliends  bei'm  Siegerschmans  mit  einer  IMänade  in  allerlei  Ver- 
traulichkeiten *).  Doch  diefs  sind  wahre  Kleinigkeiten  gegen  die 
wesentlicheren  Umwandlungen  und  Amplilicationen ,  durch  welche 
uns  die  einfältige  F^ibei  des  Euripides  nun  erst  recht  geniefs^bar 
g'emaeht  wird.  Besonders  sind  die  letzten  zwei  Acte  ganz  neu 
erschaffen.  Bei'm  Euripides  erzählt  ein  Bote  ganz  im  Geiste  des 
gemeinen  Mannes  alle  Pracht  und  Herrlichkeit  des  grofsen  Schmau- 
ses. Hier  bemüht  sich  der  König  Xuthns  selbst  mit  dieser  un- 
ermefslichen  Erzählung.  Die  schon  von  den  Alten  belobte  Er- 
kenuHugsscene  ,  wo  lou  die  dort  im  Euripides  auf  d«m  Altar 
selbst  sitzende  Krensa  jedes  einzelne  Stück  der  im  Körbchen 
befindlichen  Putz-  und  Spielsachen  ihr  ungesehen  erralhen  läfst, 
hat  der  neue  Dichter  verschmäht  und  uns  dafür  eine  förmliche  Aus- 
Sühimng  mit  dem  Xnthus,  den  der  alle  Tragiker  mit  Recht  schnell 
abfertigte,  erleben  lassen.  Dort  macht  eine  Erscheinung  der  Mi- 
nerva, hier  des  Apollo  den  Schlufs.  Die  französischen  Knnstrich- 
ter,  über  das  Anslöfsige  der  häullgen  Selbstbekenntnisse  in  diesem 
Stücke  sehr  allarmirt,  Avissen  es  dem  Euripides  doppelten  Dank, 
dafs  er  wenigstens  zuletzt  den  Apollo  noch  etwas  geschont  und 
statt  seiner  die  Minerva  hervorgerufen  habe,  die  überhaupt  hier, 
wo  es  nicht  mehr  auf  Enlhüllniig-  eines  mifslichen  Wifsverständ- 
nisses,  sondern  auf  die  Verherrlichung  ihres  auserwählten  Volkes 
durch  eine  Reihe  grofser  Stammfürsten  ankam,  nichts  weniger  als 
unschicklich  eintrat.  Auf  diefs  Alles  ist  hier,  wie  billig,  nicht  die 
geringste  Rücksicht  genommen  worden.  Die  göttliche  Unverschämtheit 
Apollo's  erreicht  ihren  höchsten  Gipfel.  Hat  doch  die  Pythia  selbst 
im  Vorhergehenden  die  Krensa  wacker  ausgescholten,  dafs  sie,  um 
sich  ein  einziges  Errüthen  zu  ersparen,  es  jzu  solchen  Weiterungen 


*)  Fleifsige  Alterthumsforscher  werden  den  merkwürdigen  Umstand, 
dafs  mit  den  Pythisohea  Spielen  zugleich  Bacchische  Orgien 
begang;en  winden,  iluem  Exemplar  von  Menrsii  Graecia  feriata 
oder  üuem  Corsini  bei<;uschreibeii  nicht  vergessen. 


343 

iiabe  kommen  lasseu.  —  Die  Diciioii,  um  aocli  von  dieser  weni*»-- 
steiis  ein  Wort  zu  sagen  ,   ist  ganz ,    Kothnrn  auf  Kothurn  aufge- 
setzt,    und    uitlit    selten    anti»  aufser  den    lyrischen   Sjibenmafsen 
aa's  Lyrische  streifend.     Wie  kahl  erscheint  dieser  gegenüber  der 
rhetorische    Eiiripides    mit    seinen    nimmer    endenden    Seutfinzen, 
die   nur    der  Grieche    stets    im    Herzen    und    auf  der  Zunge    hat- 
te?     Welch'    ein    Garten    Pierischer    Blumen    entblühet    hingegen 
der   Phantasie    unseres   Dichters?     IMit    welchem  Reichthume  glü- 
hender  Farben    ist    der    entscheidende    und    auf   den    höchsten    Ef- 
fect bereebnete  Ijrisehe  Monolog  ausgeschmückt,     wo  Kreusa   am 
Altare   des   Phöbus    diesem    ihren    Verführer   selbst  alle  Umstände 
des  Beilagers    in    der   Grotte    vorerzühlt.     Wer    mag    dagegen  die 
nüchternen  Anapästen    des  Euripides   (V.   860.  if»),     wo  sie  die- 
selben Geständnisse  freilich  nicht  den  Lüften  nnd  Bäumen,  sondern 
dem  Chore  ihrer  Frauen  ablegt,  auch  nnr  der  Vergleichuug- 
werth  halten?      (Dafür    schlugen    auch    hier    bei  dieser  wollüstigen 
ßildnerei    viele   Ziischaiierinueji    beschämt    die    Augen    nieder     und 
freuten    sich    heimlich,    doch    wenigstens    nicht   an    der   Stelle  der 
Schauspielerin  zu  sein,  die  so  etwas  sagen  müsse).     Aber  was  ist 
au(;h  der  edelste  alte  Chier-  Wein  gegen  das  ilüssige  Feuer  unse- 
rer neuen  Desiillirkolben'?     Nun    «äre    noch   von    der  Gelehrsam- 
keit zn   reden  nnd  dem    Bestreben  des  Dichters,    uns  Nicht- Athe- 
nern alle  Stammsagen  der  Erechlhiden  und  alle  Wunder  der  Tro- 
phoninsliühle  kund  zu  thnn,   welches,  verbunden  mit  dem  kunstreich 
verschlungenen   Periodenbau    und  dem  dilli vrambischen   Anfllug,    in 
den  lyrischen  Stellen  über  alle  Zuschauer  ein   unnennbares  Staunen 
ergofs;     von  dem  unablässigen  Kampf,  die  einformigea  Bilder  des 
Euripides  mit  der  Phantasie  eines  Marino  auszumalen,  und  von  so 
vielen  andern  Schönheiten ,  die  nur   ein  wiederholter  und  ruhigerer 
Genufs  zum    vollen   Bewufstsein    bringen    kann.     Aber    es   ist  hier 
nicht  der  schicklichste  Ort  dazu ,    der    sich  vielleicht  anderswo  fin- 
den dürfte.     Nnr  das  bedauerte   mit    uns  jeder  Freund  des  Euripi- 
des aufrichlig,    dafs  dieser  jüngere    Dichter    nicht   als    Zeitgenosse 
des  Euripides  geboren  w  nrdc.     Von  ihm ,    nicht  von  dem  Agalhon, 
hätte  dann  Aristophanes  in  seinen  Thesmophoriazusen  dem  geäng- 
steten  Tragiker  das  berühmte  Darlelin    von  Weiberröcken  und  an- 
dern schönen  Sachen   sich   erbitten  lassen ! 

Einen  seltenen  Genufs  gewährten  in  der  That  die  mit 
dem  geübtesten  Kennerblick  angeordneten  Decoralionen ,  Maschine- 
rieen  und  Gewänder  in  diesem  Stücke.  Man  hätte  sogar  sehr 
harthörig  sein  können  nnd  würde  doch  blos  durch  das,  was  in  einer 
ganzen  Reihe  zierlicher  Gruppirungen  und  Tableaus  dem  lüsternen 
Angc  dargeboten  wurde,  eine  wahre  Befriedigung  empfunden  ha- 
ben. Wie  erhaben  und  durch  den  Contrast  der  stillen  Ruhe  mit  der 
regsten  Bewegung  ergreifend  war  z.  B,  die  Erscheinung  der  Pythia 
im  4ten  Acte  oben  au  der  Halle  des  Tempels  (dessen  binere  Licht- 


344 

masso  Jinf  die  vordu'illiaftcslo  Pieleuclifnnp;  der  einlrctendcii  Perso- 
nen IrefTlieli  Itereeliiiet  war)  und  ilir  riiliiges  Ziiliüreii,  der  stürnii- 
schen  Leidciiscliafjliilikeit  der  Kreiisa  im  Yorder^rmide  yvi-emibcr. 
Hier  war  der  ganze  Ciior  j!;leielisain  in  eine  einzige  slille  und 
doch  höelist  llieilneliuioiide  Figur  zusaninicngedrängt.  Was  inüfslc 
sie  aber  erst  fi'lr  einen  Eindruck  gemacht  haben,  wenn  sie  dem 
griechischen  Dichter  zufolge  hier  zum  ersten  Mal  erschienen  wäre  I 
Die  höchste  Ueherrasciinng  war  fiir's  Ende  aufgesjiarl,  wo  bei  der 
Ersclieiiiiing  Apollo's  durch  einen  hüdist  einfachen  und  eben  darum 
vorzi'igliclien  Mechanismus  zwei  Wolken  sicii  )dü(zlich  luu  die  Tem- 
])i;thalle  lagerten,  aus  welcher  hervor  nun  die  («lorie  des  indefs  auf 
eiueUasis  tretenden  fJotles,  imllintergruiul  noch  durcli  einen  llammen- 
dcn  Transparent  gehoben,  uns  Allen  überirdis(-h  zustrahltc.  Wie  lein 
wurde  hierdurch  dtui  manuichfalligen  ,  oft  lacherlichen  Mifsgriil'tMj 
und  Uebelständen  abgeholfen,  mit  welchen  sonst  wolil  unsere  Got- 
terfuhren herabzuschaukeln  fliegen  *).  Die  sämnillichen  Kostüms 
zeigten  von  einem  liefen  und  glücklichen  Studium  der  Allen  und 
waren  nach  besonders  darüber  mitgetheilten  Ilandzeichnnngeu  vei- 
fertigt  worden,  Musselin  zu  den  Untergewändern  und  wollenes 
Zeuch  oder  Kasimir  zu  den  Obergewäudern  dra|ipirt  hier  vortrell- 
licii.  Wann  wird  man  aufhören ,  zu  dergleichen  Vorstellungen  die 
Ljoner  Waarenlager  in  Anspruch  zu  nehmen'?  Nur  Wolle  und 
das,  was  dieser  am  nächsten  kommt,  drappirt  im  alten  klassischen 
Sinne.  Aller  Atlas  ist  nur  auf  Opernheleuchlung  berechnet.  Miifs 
CS  ja  Taft  sein,  so  darf  er  wenigstens  durch  Gummi  nicht  glänzen 
und  nicht  rascheln.  Man  glaubte  hier  im  Ion  lauter  Figuren ,  wo 
nicht  aus  den  Sälen  des  Kapitols  oder  Vatikans ,  so  doch  aus  der 
Aldobrandiuischen  Hochzeit,  oder  die  befsleu  Ilerculanischen  Ge- 
mälde zu  sehen.  Sämmtliche  Schauspieler  verbanden  mit  dem 
schicklichsten  Geberdenspiel  **)    ein   ungemein   feines    und  lobens- 


*)  Freilicli  ist  niclit  überall  ein  Tempel  im  Hintergründe.  Allein  die 
Alten,  von  welclien  der  deus  ex  macliina  doch  zu  uns  gekommen 
ist,  Jiatten  ja  gar  keine  Decken  iilier  den  Biihnen.  Die  Götter 
jnurNten  also  immer  von  unten  herauf  kommen,  wo  sie  aucli  durch 
gewisse  deckende  Mascliiiierieon  das  Ansehen  des  Schwebens  in 
der  Luft  erliielten.  'Waviini  konnten  nicht  also  hei  uns  wenigstens 
Wolken  schnell  heraligelassen ,  und  liinter  denselben  eine  schnelle 
Beleuclitung  und  eine  Basis  für  den  Gott,  der  nur  durch  eine  Ver- 
senkung lierauf  käme,  eingeschoben  werden? 

*'^)  Nur  das  Aufstemmen  der  Hände  an  den  zur  Seite  stehenden  Altar 
im  Vordergründe,  da,  wo  die  Schauspieler  nur  einen  Tiscli  vor 
{.ich  zu  hal'on  wähnten ,  auf  welclien  man  wohl  hei  der  Unterrede 
ung  dio  Uuud  Aü  legen  pdcgte,  würde  nach  dqui  B»grilfe  des  AI- 


4 


345 

wiirtliincs  Sdulium  im  FaKciiwnrf,  in  deren  nialeriscbcni  Spiol  man 
die  Winke  nud  Belelirnni;:en    eines  grofsen  Meisters  nicht  veiken- 
Mcn  konnte.     Aljcr  das  {•rofste,  lantcstc  Lob  gebüliit  tieni  rastlosen 
Eifer  nnd    den    nnvcri^leicldiehen    Auslrengnngen    «Icr    s.'ininillitlicn 
Sehansjiieler  seihst,    die    diese   Anffiilirnng-  zn  einer  der  vollendet- 
efen  und  rnndoslen  niaehlen,  die  wir  je  in  Weimar  gesellen  haben. 
Mlle.  Ja-^emann    trnij,    den  Ion  mit  aller  Misehnng  knabenhafter 
Unschnhi   nnd  stolzen  Ijewnfstseins  hoher    Äbknnft  vor,     die  solion 
das  Allerthnm  in  diesem  seltenen    nnd    so    selbst   anf   der  griechi- 
schen   Bühne    nirgends   weiter   vorkonimendeji  Charakter  bewnndert 
hat.     Ihr  Anstand,    ihre  Fignr,    Alles    stinnnt  darin  iibcrein ,     ans 
der  Kiinsllerin   einen  Apollino  zn  machen,  zn  dem  dann  das  Urbild 
in    der    letzten    Seone    erscheinen    sollte.      Mad.    V  o  h  s    trng-    die 
Krensa  mit  so  \iel    Würde   vor,     als   das    Lei<h'n?chaftlichc    ihrer 
Rolle    nnr    immer   gestaltete,     nnd    schmelzte    dnrch    ihre    weichen 
Klagetöne  nnd  ihre  Anmnth  jeden  widerspänstigen  Bnsen.  Hr.  Vohs 
spielte  nicht,     nein,     er  war    der    Konig    Xnlhiis   selbst,     nnd  die 
längste  Erzjihlnng  erhielt    dnrch    seinen    knnstreich   steigenden   nnd 
nie  ermattenden  Vortrag  Ilallnng  nnd    Leben.      Ilr.    (Jraff    legte 
in  den  alten  Phorbiis  alle  Tiefe  des    verhaltenen    Gefühls ,     die    er 
80  glücklieh  zn  inotiviren  versteht,   nnd  gab   nns,   was  er  sein  soll- 
te, einen  noch  nicht  ansgebrannten  Ynlkan  nnter  einer  Decke  von 
Eis.     Die  Pvlhia,  Mad.  Teller,   blieb  dnrch  das  Feierliche  ihrer 
Stimme  nnd  ihres  Spieles  stets  im  reinen  Einklanj^  zn  den  Uebrigen, 
zeigte  überall  die  denkende  Künstlerin   nnd  nnterlag-    nie    der   anf 
sie     vorzüglich    drückenden    Last    des    Vortrages.      Den    lieblichen 
Kranz  dieser  Darstellnng  schlofs   Hr.   Hai  de    als    Apollo  mit  der 
würdigsten  Fignr,   die   man  zn  einer  solchen  Repräsentation    wäh- 
len   konnte.      Es    dürfte    in    der    That    schwer    fallen ,    nnter  dem 
weit  zahlreicheren  Personale  mancher   grofsen  Bühne   sechs  so  er- 
lesene Schanspieler  zu  sechs  solchen  Rollen  zn  finden.     Noch  sel- 
tener   aber   dürfte   die    Vereinignng  so  vieler    nnd   grofser  Talente 
mit  diesem    Grade    von    Anfopfernng    nnd    Anstrengnng ,     wie  hier 
dnrchans    bemerkt    wnrde,     und    zu    einem    solchen    Ensemble  anf 
unseren    gepriesensten   Theatern    auzutreifeu    sein.      Was   vermag 
der    ernste,    gute    Wille    nicht,     wenn   er    von  nicht  gemeinen 
Kräften  unterstützt   und  von   dem  belebenden  Hauche  eines  Genius 
durchdrungen  wird,     von   dem   geleitet   zu  werden  jedes  (eutschcn 


tertlnims  eine  grofse  Unschicklichkeit  gewesen  sein.  Einige  Drei- 
fiifse,  von  welchen  nacl»  <len  Bericliten  tler  Alten  mehrere  Taii- 
sende  in  dem  und  um  den  Tempel  zu  Delphi  aufgestellt  waren,  und 
die  zugleich  ein  charakteristisches  Merkmal  der  Scenen  zu  Delphi 
gegeben  Iiütten,  würden  dieses  vertrautere  Auilehnen  besser  vertra- 
gen  haben.     Denn  nur  sie  waren  die  Tische   in  Delphi. 


KüusÜers  erster  und  hüclister  Stolz  sein  iniifste.  Und  wie  viel 
Dank  verdient  nicht  der  Dichter,  wer  er  auch  sei,  der  zur  Lösmij' 
von  einer  so  mifslichen  Aii%abe  so  vitrle  innere  nnd  iiufsere  Hilfs- 
mittel aufzubieten  und  mit  so  viel  Phantasie,  Kunst  nnd  Gelehr- 
samkeit zu  vermählen  mufsle  I  Wo  bliel»  je  eine  mit  so  viel 
Kraftaufwaad  begonnene  Sache  bei'ni  ersten  V  e  r  s  u  c  b  stehen  I 


Dritte  Abtheilung. 


Antiquarische     Scherze» 


iQ^i 


I. 

lieber   das  Bauzener  Backwerk» 


J\]s  man  vor  mehreren  Jahren  in  dem  wiederanfgegrabenen  Her- 
rnlannni  nnler  andern  Denkwürdigkeilen  der  Vorwelt  anoh  noch 
ein  ganzes,  in  seiner  änfseren  Gestalt  wohl  erhaltenes  Brot  entdeckte, 
da  fielen  pin  paar  Neapolitanische  Gelehrte  mit  wahrem  antiquari- 
sdien  Heifshnnger  über  diesen  merkwürdigen  Fnnd  her  und  be- 
wiesen in  grnndgelehrten  Dissertationen  vom  Backwerke  der  Al- 
len (de  panificio  veternui),  dafs  die  Einwohner  von  Hercnlannm  auch 
Brot  gegessen  hätten.  Sollte  ein  oherlansifzer  Alterthnmsforscher 
sich  bernfen  fiihlen ,  seinen  Scharfsinn  an  einem  ähnlichen  Gegen- 
stände zn  üben,  so  würde  iiim  ein  unter  mancherlei  andern  wen- 
dischen Alterthiiniern  zu  Künigswarthe  ausgegrabenes  Stück  Brot 
vortreffliche  Dier.sle  leisten  und  ihm  zu  einer  nicht  minder  gelehr- 
ten Abiiandlung  einen  wo  nicht  reichhaltigen ,  doch  sehr  solideu 
Stoff  darbieten  *). 

Ich  selbst  halte  es  weit  lieber  mit  den  modernen  Prodnctcn 
unserer  hentigen  Bäcker  nnd  Kuchcnfabrikanlen,  deren  Mach- 
werk doch  auch  für  den  Gaumen  geuiefsbar  ist.  Ich  habe  so- 
gar die  Gewohnheit,  mich  an  jedem  Orte,  wo  ich  durchreise,  un- 
ter Anderem  auch  danach  zu  erkundigen,  ob  hier  nicht  eiu  besou- 


Es  ist  diese  sonderbare  AnticagHe  in  eine  so  feste  Masse  zusam- 
mengebacken ,  dafs  man  wolil  gar  in  die  Versuchung  geräth ,  sie 
iür  irgend  etwas  Anderes  als  für  eine  milde  Gabe  der  Ceres  zu 
halten,  üebrigens  verdient  die  sehr  zahlreiche  Sammlung  wendi- 
scher Asclieukrüge  und  Alterthiimer,  die  Graf  von  Dalwitz  gleich 
vor  dem  herrschaftlichen  Hofe  bei  der  Anlage  eines  Parks  in  ei- 
nem alten  Geliölze,  der  "Winz  genannt,  nach  und  nach  liat  aus- 
graben nnd  von  Dresdener  Künstlern  abmalen  lassen ,  weit  melir 
Aufmerksamkeit  nnd  Bekanntmachung,  als  sie  bis  jetzt  erlialten 
bat. 


350 

«leres  und  nnr  in  cliesem  Or(e  oder  dieser  Gegend  gewftlmliclies 
Backwerk  zu  liabeii  sei. 

Nicht  selten  bin  ich  durch  eine  solche  Naeiifrage  auf  sonder- 
bare Benennungen  und  Provinzialismen,  zuweilen  auch  auf  eine 
alte  Volksage  gestofseu ,  die  mich  auf  eine  ehemalige  Sille  oder 
den  Charakter  der  früheren  Bewohner  aiifnierksam  machte- und  durch 
ihren   Gehalt  meine  kleine  IVIiihe  hinläiiglicli   l>elolin(c  *). 

Auch  unsere  Provinz  hat  gewifs  mehrere  charakteristische 
Backwerke  dieser  Art,  und  ein  müfsiger  Aiiüeiihlick,  auf  ihre  Un- 
tersuchung gewandt,  dürfte  vielleicht  nicht  fiir  gauz  verloren  ge- 
achtet werden. 

Die  Spuren  des  Alterthums  sind  dem  Liebhaber  willkommen, 
sie  mögen  nun  in  unzerstörbare  Denkmäler  von  Sieiu  und  Erz, 
oder  in  die  schnell  verzehrbarc  Teigmasse  eines  Kuchens  einge- 
drückt sein.  Ich  hoffe  daher  \on  palriolisch  gesinnten  Lausilzern 
gewifs  Nachsicht  zu  erhalten,  wenn  ich  sie  statt  mit  irgend  einer 
■wichtigen  und  (iefgedachten  Untersuchung  mit  einer  solchen  Kleinig- 
keit, als  die  in  Budissin  an  gewissen  Tagen  gewöhnlichen  Back- 
werke sind,  unterhalte. 

Ich  fange  billig  mit  demjenigen  an,  welches  an  dem  Tage,  au 
dem  ich  diefs  niederschreibe,  für  die  Bäcker  unserer  Sladt  ein  sehr 
einlrägliches  Erwerbsmittel  wird.  Es  ist  heule  der  von  der  grü- 
nen Altarbekleidung  in  dem  katholischen  Ritus  sogenannte  grüoc 
Donuersfag  in  der  Charwoche  ein  für  die  umliegenden  Wenden 
sehr  feierliches  Fest,  die  sich  heute  in  weit  gröfserer  Zahl  in  der 
-Sladt  einzufinden  und  Manches  zu  dem  bevorstehenden  Osterfeste 
einzukaufen  ]»fiegen,  als  sonst  gewöhnlich  ist  **).  Von  diesen  wird 
nicht  leicht  Jemand  wieder  in  seine  Ileimalh  zurückkehren  ,  ohne 
im  Vürbeii;elien  bei  einem  Bäckerladen  einige  sogenaunle  Kümuiel- 
pliitzel  gekaul't  und  für  seine  übrigen  Hausgenossen  milgenomraeii 
zu  haben.  IMit  dem  heuJigen  Tage  hören  nämlich  die  die  ganze 
Fasten   durch  gewöhnlichen    Brezeln    auf,    und   au  ihre  Stelle  tritt 


')  \\'er  kennt  nicht,  wenigstens  dem  Namen  nach,  die  Meifsener  Fum- 
meln? Ich  erfniir  einst  bei  einer  Durchreise  eine,  wo  nicht  be- 
friedigende ,  doch  sehr  lächerliche  Volkslegende  über  diese  anffal- 
lende  Benennung.  So  werden  nach  einem  alten  Herkommen  in 
Annaberg  am  'frinitatistage  Fesselscheiben  gebacken. 

*)  Unter  den  Bauzener  Wenden  herrscht  allgemein  die  Mode ,  dafs 
die  Kinder  am  grünen  Donnerstage  von  ihren  Pathen  ein  Geschenk* 
bekommen,  welches  alle  Jahre  im  Wertlie  steigt  und  so  lange  dau-^ 
ert,  bis  das  Kind  zum  heiligen  Abendmahle  gewesen  ist.  Das 
nennen  sie  „den  grünen  Donnerstag  geben."  Auch  dieser  mit 
grofsen  Unkosten  verbundene  Gebrauch  beweis't  die  Wohlhaben- 
heit der  um  Bauzen  herum  wohnenden  Wenden. 


351 

ein  Gebackenes  in   der   (üeslaU   eines   Kleinen    tellerfiirinigen    Ku- 
chens,   das  den    Icitlit  vei stündlichen  Namen  Kiiniineljdätzel  führt. 
Es  isl  diefs  eigentlich  eine  Art  kleiner  Honigknchen,  die  aber  der 
Giite   nach    sehr    verschieden    znhereitet   werden.      Die   ans    gntein 
Mehl  gehackenen   werden    anch   jetzt    noch    mit   Honig-   bestrichen, 
zn  welcher  Absicht  anch  kleine  üeifniingen  ritzenweise  in  den  Ku- 
chen angebracht  sind.     Aber  weit  häufiger   ni;d  von  den  gemeinen 
Wenden  gesnchter  isl  die  geringere  Art,  die  blos  uiit  Sjrnp  über- 
kleislert  nnd  ans  dem   schlechtesten   Aftermehl  gebacken   wird,  das 
die  Bäcker  für  diese  Gelegenheit,    wo  sie   sieh  seiner   am   befsten 
entledigen  können,  schon  lange  vorher  aufheben.     Und  woher  nnn 
gerade  an  diesem  Tage  dieses  Backwerk?   Man  vergesse  nur  nicht, 
dafs  es  eigentlich   Honigknchen   sind  ,    nnd  erinnere  sich ,    dafs  der 
Gennfs  des  Honigs  an  dem  grünen   Donnerstag    eine  alte  nnd  all- 
gemein verbreitete  Sitte  ist.     Ihr  Ursprung  ist  in  den  katholischen 
Festen  zn  suchen,  wo  in  der  Charwoche  das  strengste  Fasten  ge- 
halten,  mithin  anch  der  Gennfs  der  Butter  gänzlich   untersagt  wird. 
Da  nun  gerade  um  diese  Zeit  der  Hansvater  seine  Honigstöcke  zu 
schneiden  pflegt,   und  der  Honig  leichler  zn   haben  ist,  so  begreift 
nia  Illeicht,   wie  der  klug  specnlirende  Mönch  dem  gemeinen  Manne 
nn»   ihm  «lie  harte  Ahslinenz  etwas  erträglicher  zn  machen,   gerade 
ein    solches    Backwerk    in    die    Hände    geben    nnd    seinen   Gennfs 
durch  manchen   sich  von    seihst  daran    knüpfenden  Aberglauben  zu 
einer  Gewissenssache    machen    luufsle.     JNiemand   greift    noch   jetzt 
eifriger  nach   diesem  durch    seinen    Anblick    eben    nicht  sehr    einla- 
denden Gebäckc   als  die  hochaufgeschürzle,   dicke  wendische  Bauer- 
dirne.     Aber  sie  hat    es  auch   vorzüglich   Ursache.     Es  ist  ihr  von 
Jugend    auf  gesagt    worden,     dafs  der,    welcher  an  diesem   Tage 
Kümmelplälzel  ifst,  das  ganze  Jahr  über  von  den  Neckereien  eines 
gewissen,  zutiiäiigen,  schnellhüpfeuden  Thierchens    befreit  sei,    iu 
welches  jener  emplindsanie    Spanier    um    der    innigen    Vereinignn«^ 
mit  seiner  Herzenskönigin  willen  verwandelt  zu  sein   wünschte.    In 
Leipzig  hat  die  altische  Uibanilät  der  Einwohner  den  Honingennfs 
am   grünen  Donnerstage  dadurch    sehr    andringend    zu    machen  ge- 
wufsl,  dafs  man  sagt,  der,   welcher  an  diesem  Tage  keinen  Honig 
esse,  sei  in   Gefahr,    dieses    Jahr    ein    Esel    zn    werden.     Welcher 
fleganle   Leipziger    mufs    niclit    bei   dieser  Drohung,    an  sich    das 
Abenteuer  des  Apulejus  ermnert  zn  sehen,  von  Schrecken  nnd  Ent- 
setzen ergriffen  und  augenblicklich  bewogen  werden,  zu  dem  ersten 
dem  befsten  Honigtopfe  seine  Zuflucht  zu  nehmen  '? 

Dieses  in  der  stillen  Woche  hier  gewöhnliche  Fastenbackwerk 
erinnert  mich  au  zwei  andere  Prodncte  unserer  Küchelbäcker,  die 
in  den  Adveutsfesteu  *),    zum  Adreas-  und  Nikolaitage  in  Bauzeu 


*3    Es  ist  auffallend  und  bestätigt  sich  noch  durch  mehrere  Beispiele, 
dafs  die  verschiedenen  Arten  von  geheiligtem  Backwerk   alle  in 


352 

liiiiifis;  «ebacltcn  hikI  vorlcanft  "vvenlen.  Am  Aiulroasfago  siiul  «lio 
Kiilhsoii^eln,  itiii  Nikolanslcble  die  Jiin^foriiKiänzel  gewöliiilkli.  Die 
K;ill»s('!Ji|('ln  am  Aiiilioaslaü,«!  Iialioii  in  iliicr  Form  eine  sehr  anf- 
ialloiid«;  Bozielmn:;-  anl'  <lcii  lu'ili^en  Andreas,  llire  Fii^iir  stellt  j 
«Irei  an  einander  i!,'escliol»ene  Andreaskrenzc  vor,  und  da  die  IJäckcr 
die  Ciewolinlicil  lial»en ,  den  liervorrai!;endcn  Spitzen  dieser  Kreuze 
kleine  runde  Erliüliun;:,en  anfzudrtirken ,  so  erklärt  sich  hieraus 
auch  die  sonderbare  Bcnennuni^  Kal!is(!_:^eln  oder  ,  wie  es  vvolil  ei- 
t;entlich  ausü^esproclien  werden  sollle,  KaIhsäuj'eJein,  Alan  lunfs 
sich  nur  in  die  Denkart  und  den  (iesiciilskreis  des  gemeinen  Mannes 
versetzen  können,  der  hier  nicht  ein  drcifj^ches  Andreaskreuz,  dessen 
Gestalt  ihm  völlij^  nnhekannt  ist,  sondern  in  den  runden  Verlief- 
uni;en  eine  Aeliniiclikeit  mit  einem  ihm  sehr  i;chiuli<^en  Gei;en- 
stande,  den  Kalhsangcn,  erblickt  und  diese  vielleicht  weit  schmack- 
Jial'lcr  ündel  als  die  natürlichen  am  Kalbskopfe  in  der  Majoran- 
uiid  Kümniclhriihe. 

Es  i^cliören  nbrii^eus  diese  gebackcnen  Andreaskreuze  in  das 
Register  von  so  vielem  andern  kreuzfürmii>en  Backwerke,  womit 
die  ersten  Verkiindij'er  des  Christenthums  nnler  den  nördlichen 
Völkern  und  späterhin  die  in  solchen  Versinnlichnngsmitteln  uner- 
schöpflichen Mönche  im  Papsithnm  die  Gestalt  des  Kreuzes  dem 
rohen  Haufen  ehrwürdiger  und  geläuliger  zu  machen,  auch  viel- 
leicht manches  andere  noch  aus  dem  Ileidenthume  abstammende  . 
Backwerk  dadurch  zu  verdrängen  suchten  *).  So  hat  man ,  um 
nur  ein  Beispiel  anzuführen,  im  Meckieüburgischcn  und  in  Nieder- 
sachsen unter  andern  Fastnachtsspeisen  ein  besonderes  Kreuzbrot, 
welches  in  der  dorti"OH    Mundart  nnter  dem  Namen  der  Heetwcg- 


die  Advents-  oder  Quadragesimalfasten  fallen.  Offenbar  wollte  die 
römisclie  Kirche  den  Laien  durch  solche  Abwechselungen  und 
Spielwerke  die  Beobachtung  der  Fasten  erleichtern  und  ihnen  den 
Genufs  des  Fleisches  desto  entbehrliclier  machen. 
Es  wurde  sogar  durch  ausdrückliche  landeslierrliclie  Verordnungen 
anbefohlen ,  das  Brot  kreuzweise  zu  backen.  Ein  merkwürdiges 
Zeugnifs  biervon  findet  man  in  Stieber's  mecklenburgischer  Kir- 
chenliistorie  von  Stiftung  der  christlichen  Kirclien  unter  den  Wen- 
den, S.  267,  aus  Hedericli's  schwerinischer  Chronik,  wo  im  Jahre 
1170  berichtet  wird,  dafs  der  Herzog  Heinrich  Leo  ein  gewalti- 
ger Heidenbekehrer  gewesen  sei  und  die  Wenden  bei  Tausenden 
in  die  schwerinisclie  See  habe  treiben  lassen.  „Und  dafs  sie  sich 
des  Namens  Christi  und  seines  Kreuzes  zu  ilirer  Seligkeit  alle 
Augenblicke  erinnern  und  zu  wissen  hätten,  Iiat  gemeldeter  Her- 
zog das  Brot,  wi«  es  zu  M  isniar  und  einestheils  in  andern  Städten 
gewöhnlich,  kreuzweise  zu  backen  befoldon."  Worte  der  Chro- 
nik. 


353 

^cn  (ofsbnie  WocKen)  l»okann<  ist  ♦).  üiitl  so  ist  tlic ,  anch  in 
unseren  G('i!,eiulen  zur  Faslcnzcit  überall  «ionHlinliche  Brezel  oder 
nach  der  niedersät'lisisclien  IJi'iieiinun';'  Krini»el  ilireni  ürsprunne 
nach  nichts  Anderes  als  das  bekannte  Sinnl)i!d  der  Sonne  oder 
des  Mondes,  in  einem  Kinj>e  oder  Rade,  welchem  die  ersten  Leh- 
i  rer  des  Chrislenthnms  durch  ein  in  die  innere  Peripherie  hinein- 
j>esetztes  Kreuz  eiue  christliche  Dcntnng-  und  Beziehung-  zu  geben 
Aviirsleii  **). 


*')  Man  vei'gleiclie  hierüber  Joh.  Petr.  Schmidt's  (^meclvlenbiirgisclien 
Regierungsraths)  geschichtsmäfsige  Untersuchung  der  Fastenaljend- 
gebrauche  in  Deutschland  (Rostock,  2.  Auflage  1752.  4,  S.  91  — 
106) ,  wo  der  Verfasser  mit  einem  grofsen  Aufwand  von  Gelelir- 
samkeit  diese  und  andere  Arten  von  Backwerk  in  Form  eines 
Kreuzes  erläutert  und  aus  ganz  vergessenen  und  unbekannten 
Schriften  viel  Wissenswürdiges  beigebraclst  liat.  Das  Buch  selbst 
ist  bei  aller  Schwerfälligkeit  und  Unbehilflichkeit  des  Vortrags  je- 
dem Liebhaber  teutscher  Gebräuche  und  Alterthümer  ganz  un- 
entbelulich. 

**)  Den  weitläufigeren  Beweis  dieser  Behauptung  findet  man  in  einer 
eigenen  Abhandlung  über  die  Brezeln,  die  jetzt  sehr  selten  ge- 
worden ist  lind  folgenden  Titel  führt:  de  spiris  pistoriis,  von  Bre- 
zeln, dissertatio  Joh.  Christ.  Kochii.  Dresd.  1733.  Hier  heifst  es 
Sect.  II.  §.  8.  von  der  jetzigen  Gestalt  der  Brezeln:  dcme  latera, 
quae  mera  ornamenta  et  additamenta  pistorum  sunt,  eum  in  linem 
excogitata,  ut  opus  pistorium  eo  perfectius  evadat,  et  ligura  cru- 
cis  plana  et  expedita  erit.  Nur  darin  kann  ich  dem  gelehrten 
Verfasser  dieser  Abhandlung  nicht  beipilichten,  dafs  er  den  äufseren 
Ring  bei  der  Brezel  für  eine  blose  Zierath  der  Bäcker  liält,  da 
ich  vielmehr  überzeugt  bin,  dafs  diese  von  den  alten  Teutsclien 
zum  Symbol  des  Sonnenrades  gebraucht  worden  sei.  Das  Juel 
oder  Sonnenfest,  welches  den  19,  Januar  einzufallen  und  ganze 
19  Tage  lang  gefeiert  zu  werden  pflegte,  liat,  wie  schon  Keysler 
in  seinen  antiquitatibus  septentrionalibus  bewiesen,  seinen  Namen 
von  Hiul  oder  Juael,  einem  Rad,  und  so  wird  in  einigen  alten  ru- 
nischen Kalendern  gerade  bei  dem  Weihnachtsfeste  zum  Zeichen 
der  wiederkehrenden  Sonne  ein  Rad  beigezeichnet  gefunden.  Das 
in  Niedersachsen  zur  Bezeichnung  der  Brezel  gewöhnliche  Wort 
Kringel  (craquelin)  bestätigt  diese  Vermuthung  noch  mehr.  Das 
K  ist  wie  in  mehreren  Worten  nur  die  harte  Adspiration  vor  dem 
R  oder  N  zu  Anfange  eines  Wortes  (wie  z.  B.  in  Kragen  für 
Ragen,  etwas  Hervorstehendes,  Kragsteine,  die  hervorrag-ende i 
Steine  in  der  Baukunst,  nnd  bei  den  Engländern  in  den  Wörtern 
knave,  know  und  vielen  anderen,  wo  der  Regel  nach  das  K  "ar 
nicht  gelesen  wird,)    und  demnach  heifst  Kringel  eben  so  viel  als 

Böttjgoi's  kleine  Schriften  I.  23 


354 

Ich  wende  ifiicb  nnn  zu  fleo  nm  Nicolau9t«ge  gewöhnlichen 
Kränzeln.  Schon  aus  dem  Namen  Avird  man  die  Gestalt  dieses 
Backwerks  leicht  errathen  können.  Es  ist  ein  rundes,  Geflochte- 
nes Gehaokenos,  das  allerdings  eine  sehr  g-rofsc  Aehniichkeit  mit 
den  anch  nocii  unter  uns  in  den  niederen  Ständen  gewöhnlichen 
Brautkränzen  hat.  Ahcr  was  hat  der  züchtige  und  enthaltsame 
lieiligc  Nicelaus,  der  schon  als  W'indelkind  die  Ahslinenz  der  Kir- 
che so  streng  ühte,  dafs  er  an  den  gewöhnlichen  Fastenlagen 
(feria  qnarta  et  sexla)  nur  Ahends  die  Milch  an  der  Brust  seiner 
Amme  gcnofs,  mit  einer  so  profanen  Sache,  als  ein  Jungfernkränz- 
chen  ist,  zn  schaffen'?  Wurde  er  etwa  durch  eine  scliöne,  ans 
dem  Stegreife  herdeclamirte  Sfrohkranzrede  Bischof  zn  Mvra,  wie 
der  selige  Doctor  Bahrdt,  nach  der  Aussage  seines  herühmten  oder 
berüchtig'ten  Sohnes,  Superintendent  in  Leipzig?  Diese  Hypothese 
möchte  in  der  That  etwas  schwer  zn  erweisen  sein.  Ziun  Glücke 
Lilft  uns  hier  die  Heiligcnlegende,  die  mancher  christgläuliigen  Seele 
sclion  so  oft  eine  Helferin  aus  allen  Nötlien  war,  anch  liier  ans 
unserer  Verlegenheit.  Das  Geschichtchen  ist  so  schön  und  em- 
pfindsam ,  ditfs  ich  «ilr  das  Vergnügen  nicht  versagen  kann  ,  es 
anch  hier  anzuführen  und  damit  die  Ehre  jener  ehrwürdigen  Le- 
genden zn  retten  ,  die  in  diesen  ruchlosen  und  nnglanhigen  Zeilen 
eo  manchen  hitteren  Spott  und  unverdiente  Anfechtungen  erdulden 
müssen.  NicoUnts,  f^o  erzählt  die  heilige  Sage,  Avar  ein  frommer 
Jüngling  zn  Palara  in  Kleinasien  ,  der  durch  den  Tod  seiner  Ael- 
teru  zn  dem  frühen  Besitze  grofser  Reichthümer  gekommen  war. 
Diese  unter  die  Armen  zu  vcrtheileu  und  dadurch  Glück  und  Wohl- 


Ringel,  ein  Ringelgebarkenes.  Anch  von  dem  bei  uns  gewölin- 
lichen  "Worte  Brezel,  welches  Koch  Bretsel  geschrieben  haben  ^^^ll 
■und  von  Brechsei  (der  Teig  wird  nämlich  während  der  Zubereit- 
ting  gebrochen)  ableitet,  liefse  sicli  vielleicht  noch  ein  anderer 
Ursprung  angeben,  den  ich  bei  Kocli  nicht  bemerkt  finde.  Wälirenrl 
der  Fasten  nämlich  gingen  die  Priester  und  Mönche  in  den  Häu- 
sern und  Dorfschulen  liernm,  liefsen  Kinder  und  Erwachsene  be- 
ten und  gaben  pro  preciuncula  ein  solches  Gebackenes,  das  daher 
den  Namen  Brezel  erhielt.  Daraus  liefse  siclfs  denn  aucli  erklä- 
ren, warum  an  vielen  Orten  noch  jetzt  der  Gebrauch  herrsclit, 
dafs  gerade  um  diese  Zeit ,  besonders  bei  dem  Gregoriussingen, 
Brezeln  an  die  Schuliinaben  vertheilt  werden.  Mir  scheint  wenig- 
stens diese  Ableitung  noch  genugthuender  als  eine  andere,  die 
auch  vor  einigen  Jaliren  in  dem  Magazin  zur  sächsisclien  Ge- 
schichte von  Hasche  wieder  vorgetragen  wurde,  nach  welcher  Pre- 
lel  soviel  als  pretiolum  sein  soll.  Ain  Ende  scheint  doch  die 
Kochi  die  Ableitung  von  Brechsei  die  natürlichste  zu  sein,  S, 
Martini  Lexicon  Etym,  s,  v.  brisare  et  spira,  — 


355 

stand  lim  sieb  her  211  verbrehcn,  wnr  seine  grofsle  Wonne  nnd 
Znfriedonlieif.  Yorziiolich  jiher  giiia;  ihm  die  No(h  armer,  hiilt- 
scher  Miidclien  sehr  zn  Herzen.  Er  liade  ia  Erfaliriniü:  gehraclif, 
dafs  einer  seiner  armen  iMilhiirgcr  (Einige  wollen  wissen,  er  sei 
seiner  Profession  nacli  ein  Seluister  «gewesen,)  drei  mannbare  Töch- 
ter haue  nnd,  da  sie  wegen  Mangel  einer  Ansslattnng  keine  Män- 
ner finden  könnten,  die  armen  Mailchen  an  die  ]\Ieislbie(enden  ancb 
ohne  priesterjiclie  Einsegnnng"  als  böse  Ladenhüter  abznlassen  ge- 
sonnen wäre.  Man  kann  sich  vorstellen,  was  die  armen,  nnschnl- 
digen  Kinder  hierbei  iüv  Herzensangst  ansgeslanden  haben  niiis- 
sen.  Aber  nnser  jNicolans  erbarmte  sich  der  Geiingstcten  nnd 
Nollileidenden,  schlich  sich  im  Dunkel  der  Nacht  heimlich  an  ihr 
Kammcrfenslerchen  nnd  schob  leise  soviel  Geld  hinein ,  als  znr 
Ansstatlniig-  der  Aellesten  nölliig  war.  Und  so  machte  er  es  nacli 
nnd  nach  mit  allen  Dreien  ,  die  nnn  dnrch  die  Pfennige  des  heili- 
gen Nicolans  gar  stattliche  Männer  fanden  nnd  züchtige,  ehrbare 
Älafronen  wnrden  *).  Was  ist  billiger,  als  dafs  eine  so  nneigen- 
nitzige  Milddiäligkeit ,  dnrcli  welche  drei  schönen  IMädchen  die 
Schande  erspart  vvnrde ,  ohne  Jnngfernkränzchen  in  der  Gemeine 
erscheinen  zn  miissen,  selbst  noch  in  den  spätesten  Zeiten  dnrch 
die  bildenden  Hände  der  Kiiclielbäcker  verewigt  wnrde?  Die  bä- 
niischc  Yerlonmdnngssncht  hat  schon  oft  von  einem  verkänflichen 
oder  verkanflen  Kränzclicn  sich  Manches  in's  Ohr  geflüstert.  Sie 
schweige  nnd  wisse,  dafs  man  in  Banzen  die  Kränzchen  zn  Dn- 
Izenden  verkanfe  nnd  verspeise  nnd  doch  eben  so  znchtig  nnd 
ehrbar  lebe  als  an  irgend  einem  anderen  Orte  in  der  Christenheit. 
Da  übrigens  der  Branlkranz  (Borta  oder  Parfa)  ein  sehr  hochge- 
haltenes nnd  wescnlliclies  Stück  des  Brautpntzes  bei  nnseren  serbi- 
.  ficheji  Wenden  ist  **),    so  messe  ich  gern  der  Versichcrnng  Glau- 


Die  Worte  heifsen  vom  lieiligen  Nicolans  in  der  Legende  ex  breviario 
Romano  d,  6.  Decembr.  folgendermafsen:  Ciijns  illud  insigne  est 
Christianae  benignitatis  exemphim ;  quod  tum  ejus  civis  egens 
tres  lilias  jam  nubiles  in  matrimonio  collocare  non  posset,  earnm- 
que  piidicitiani  prostituere  cogitaret;  re  cognita  Nicolans  noctu 
per  fenestram  tantuin  pecnniae  in  cjns  domiiin  injecit,  quantiini 
unius  virginis  doti  satis  esset:  quod  cum  iterum  et  tertio  fecisset, 
tres  illae  virgines  honestis  viris  in  niatrimonium  datae  sunt.  Eben 
diese  Geschiebte  erzählt  mit  wenig  veränderten  Umständen  Saiius 
in  Actis  Sanctornm  und  Baronius  in  den  Annalibus  Ecclesiasticis. 
üebrigens  verdient  auch  noch  bemerkt  zn  werden,  dafs  diese 
Kränzel  ancli  in  einer  besonderen  Verbindung-  mit  der  lieiligen 
Barbara  stehen  müssen,  da  sie  von  Einigen  auch  Barberkränzel 
genannt  werden. 

S.  Anton's  erste  Linien  eines  Versuchs  über   die  Slaven.     S,  122' 
und  im  2.  Theile  S.  78. 

23  * 


356 

bftn  bei,  die  i<h  von  oiiiom  sehr  glaiiljwiinlIüPn  Zeii!>eii  «eliÖrt 
Lalic,  <!i«fs  mit  dem  Eiiikniif  dieser  Jim^iferiikiiinzel  tun  Nicolai- 
(;ji>e  unter  den  wendischen  Mädelien  nüinclierlci  Aljeij^liinlic  ver- 
bniiden  sei.  Vielleiilit  ist  sellisl  der  in  I'ilmien  und  ;iueli  bei  un- 
seren Wenden  sehr  u,e\\öiinli(he  Aiisilrnck  Kolaez,  womit  man  «"e- 
rade  ein  solches  rnndes  Gebäeke  zn  bezeichnen  ]>fleijf ,  \orn  heili- 
gen Nicolans  abgeleilef. 

Auch  in  Baiizen  wird  ,  wie  an  so  vielen  anderen  Orten  ,  das 
Andenken  des  Bischofs  IMarlinus  dnrcli  ein  besonderes  Bacicwerk, 
in  Form  eines  Hufeisens  oder  zweier  IJiliiier  iiefeieil,  uelclics  da- 
lier  i\pn  Niimen  Mariinshöi  ner  oder  schlechiw«'^,"  llöinel  erhallen 
hat.  Die  jiewohnlichste  Eiklärnn»-  ist  diejeiiii^e,  die  anch  Treuer 
in  seiner  i!,e!ehiU'n  Abhandhinj»-  de  IMarlisniaiino  (oder  Unlersnch- 
nn""  des  Ürs])rnni»s  und  der  liedenlnni^  des  3Iarliiisnianiis)  §.  3.'i. 
S.  81.  j::eji;eben  bat,  dafs  diese  Homer  eigentlich  «len  lieili^en 
Nimbns  oder  die  Strahlen  niu  das  Ilanpt  des  heiligen  Bischofs 
Martinas  andeuten  sollen,  die  aber  nach  der  nn^eschicklen  nnd 
orobcn  Tilanier  der  danialij^en  ^laler  e,erade  wie  zwei  sehr  starke 
ans  dem  Kopfe  des  Heilii'en  hervoruehendeHorner  aussehen  nndihiher 
leiclit  mit  diesen  verwechselt  worden  konnten.  Man  daif  sich  nnr 
nn  die  respectablen  Hurnev  erinnern,  mit  welchen  in  allen  Gemäl- 
den nnd  Bilderbibeln  Bloses ,  der  Knecht  Gottes,  ansstafiirt  ist, 
lim  diese  Erklärnna:sart  sehr  natürlich  und  nnuezwnnj>en  zu  finden. 
Indessen  würden  sich  anch  ans  den  Tlialen  nnd  dem  wnmiervol- 
len  Leben  des  heiligen  jNlartinns ,  wie  wir  es  in  den  Actis  San- 
ctorum  nnd  bei  snnem  Biop,rajihcn,  dem  Siilpicins  Severns,  finden, 
verschiedene  Umsläiidc  aufKnden  lassen,  ans  welchen  si(.h  diese 
sonderbare  Gestalt  der  IMarlinshörner  enträlhscln  liefse.  Marlinus 
Ihat  in  seiner  Jngend  Militürdienstc  and  bedeckte  einst  die  Blösc 
eines  Armen  mit  der  Hälfte  seines  Kriejjsniante'.s  (chlamvs),  worauf 
er  im  Traume  ein  merkwürdiges  Gesicht  halte.  Da  man  nun  von 
Altei-s  her  der  Meinnng;  f>;ewesen  zn  sein  scheint,  dafs  i\Iar- 
linus  als  Cavalerist  diese  That  der  Mensehenliei»e  ansneübt  halie, 
"weswegen  er  anch  jederzeit  reitend  gemalt  winl,  so  heftete  mau 
vielleicht  an  das  sinnliche  Zeichen  eines  gebackcnen  Hufeisens  das 
Andenken  an  die  Mildlhätigkeit  des  frommen  Piitlermanns,  Aber 
der  gute  INIartinns  halte  anch  gewaltige  nnd  unaufhörliche  An- 
fechtungen vom  Satanas  nnd  der  ganzen  höllischen  Rolle  auszu- 
stehen ,  w  ovon  sein  Lel)ensbeschreiber  SnIpicJns  Severns  manches 
wunderlich*'  Geschichtchen  zn  erzähleu  weifs  (de  vita  b.  Älailiiii 
c.  6.  17.  18.  seq.).  Nun  ist  es  bekannt,  wie  freigelug  die  Mön- 
che und  Exorcisten  im  Paiistthume  den  Teufel  mit  Hörnern  ans- 
gestallet  haben.  A^'ie  konnte  mau  also  das  Andenken  an  die  Gas- 
neriaden  und  Teufeleien  des  guten  Bischofs  Martiims  besser  furt- 
pflaiizou  als  durch  diese  gebackeueu  Hörucr  *) '?     Wie  aber,  wenn 

*)    Ich  finde  bei'ni  Severns  (de  vita  b.  Martini  §.  21.  p.  336.  Vorst.) 


357 

aller  dieser  Aiifwrtnil  von  Si-Iiaifsina  ganz  vergeblich  wäre,  und 
"wenn  es  mit  dci)  Maitinsliöniern  cbeii  die  Bewandtnifs  hätle,  wie 
luit  den  gleichiaüs  sohr  iicwüliiiliclion  und  iiiilor  uns  liiüilig  vcr- 
speisleii  Marliiisj^iinsoir?  Da  die  (säiise  gerade  um  die  Zeit,  weim 
das  Fest  dieses  llciligoi)  eiiilriU,  (den  11.  Novenilier)  am  fetteslen 
sind,  so  waren  die  (jiliise!)ra(en  gewifs  schon  lange,  ehe  man  an 
fliesen  Heiligen  dachte ,  gewöhnlich  gewesen.  Um  so  lieber  ver- 
band man  sie  nna  mit  diesem  Feste  *),  an  welchem  die  Geistli- 
chen von  jeher  etwas  fetter  nnd  naclilicher  zu  schmausen  und  da- 
her auch  von  den  Laien  Zinsg'mse  und  Zinshühner  zu  erhallen 
plleglen.  Eiten  so  war  vielleiciit  schon  unter  den  alten  Tentschen 
ein  solches  gehörnies  Backwerk  gcbräiichlicli  gewesen  ,  das  mau 
entweder  am  Juellesle  als  Zeichen  der  wiederkehrenden  Sonnen- 
strahlen **),  oder  auch  als  ein  Sjmbol  des  allen  tentschen  so  ehr- 
würdigen Mondes  ***)   zu  backen   pflegte,    welches    in  der  Folge 


einer  ganz  besonderen  Teufelei  Erwähnung  gethan,  wobei  die" 
Ocksenhörner  eine  starke  Rolle  spielen :  (inodam  tempore  diabo- 
lus  corim  bovis  cruentiim  in  manu  tenens,  cum  ingenti  freniitu 
cellulam  ejus  inui)it,  crnentamque  ostentans  dexteram,  cet.,  denn 
es  ist  in  der  Tliat  um's  Papier  Schade. 
*)  Trevier  sagt  in  der  angeführten  Abbandhing  de  IVIartismanno  §.32: 
„Die  blose  Zeit,  in  welclier  die  Gänse  woblgemästet  pflegen  ein- 
gescblachtet  zu  werden ,  die  mkt  dem  I\Iartinst'este  zngleicli  ein- 
fällt, bat  dem  Herrn  Martino  dieses  Gerichte  eigen  gemacht  " 

**)  Bacchus,  Osiris,  Pan  nnd  andere  geliürnt«  Gottheiten  des  Alter- 
thnms  waren,  wie  bekannt,  Symbole  der  Sonne.  T"^p  (keren, 
y.i(>a;,  cornn)  bezeichnet  im  Ebräischen  sowohl  das  Hörn,  als  den 
Sonnenstrahl,  und  dafs  diese  Synonymie  anch  bei  den  noi'dischen 
Völkern  gewöhnlich  gewesen  ist,  beweis't  die  alte  Benennung  des 
Monates,  in  welchem  uns  die  Sonne  näher  kommt:  Hornung.  In 
den  alten  Kalendern  war  dieser  Monat  zum  Zeichen  der  wiederkeh- 
renden Sonne  mit  einem  Hörne  bezeichnet,  (s.  Keyslor's  Antiqui- 
tates  septentrionales  p.  3G7.  Fig,  XIV.)  welches  gewölinlich  falsch 
durch  ein  'i'rinkhoru  erklärt  wird. 

♦**)  Es  verdient  besonders  bemerkt  zu  werden,  dafs  fast  alle  alte  Völ- 
ker den  wiederkehrenden  sichelförmigen  Mond  durch  ein  eigenes 
Gebackenes  vorgestellt  haben.  In  der  Geschichte  der  israelitischen 
Abgötterei  kommen  diese  Mondkuchen  mehrmals  vor.  S.  Jeremiä 
VII.  17.  XL.  19.  nnd  zu  der  ersten  Stelle  Dathe,  S.  250.  nnd  Gro- 
tius,  der  aus  dem  jüdischen  Scluiitsteller  Salomon  Jarclii  anmerkt, 
dafs  diese  Kuchen  die  Abbildungen  der  Götter  gehabt  hätten.  Bei 
den  Griechen  war  ein  solches  .".iclieUöiniigef;,  dem  zunehmenden 
Monde  älinliches  Gi-backenes  sehr  g'^nölmlicn  und  führte  verscbie- 
uene  Namen,  als;     jtAv)Vi;,  caAvjv;)-  iroTav;;,  iT/cs/.-^vüv,  «j€«rr>)5>. 


358 

die  GoistKclien,  wie  so  niaiiclioii  andern  lieidiiisclien  Gebraucli,  mit 
einer  fioiiituen  Accomodalioii  auf  einen  chrisllieliea  Heiligeu  bei- 
beliiolteii  iiiul  durch  Legenden  und  fromme  Leberlieferuuyeu  aus- 
scbmückleti. 

Ich  zweifle  nicht,  dafs  sich  durch  genanere  Nach forschnn gen 
besonders  unter  unseren  Wenden  noch  manches  andere,  hios  ge- 
wissen Orten  und  Zeilen  eigenlhiimiiche  Gebäck  aufündea  liefse. 
So  ist  es  zum  Beispiel  bei  den  Hoverswerdischen  Wenden  fast  all- 
gemeine Sitte,  dafs  am  Weilinachlsliciligenahend  und  an  anderen 
dergleichen  Vorabenden  ans  guten«  Weizenmehle  allerlei  Tliiere, 
Ochsen,  Schafe,  Hühner  nnd  dergleichen,  geformt  und  in  der  IJrat- 
rölire  abgebacken  werden,  die  man  dann  als  Kaminsfiicke  braucht, 
oder  auch  zur  Zieralh  auf  die  Thiirgesimsc  selzt,  oder  auch  ohne 
Aveitere  ümslüude  dem  Magen  aufzuheben  gibt  *).     Allein  ich  tra- 


Man  sehe  Kiister's  Anölerlvungen  znm  Suidas  s.  v.  avacrotro,  und 
Alberti  zum  Hesjchius,  T:  I.  p.  753,  6.  T.  II.  p.  11G7,  9.,  wo 
Leide  Male  eine  merkwürdige  Stelle  aus  des  Pliotiiis  Lexico  jMs. 
angeführt  wiid.  Besonders  auffallend  aber  iat  der  Umstand',  dafs 
auch  die  Griechen  dieses  sichelförmige  Gebackene  Ochsenliörner 
Iiiefsen.  Diefs  setzt  folgende  Stelle  aus  dem  Onomasticon  des 
Pollux   (VI-   76.)    aufser  allen  Zweifel:     BoC;  xi>/4a  aVr)  ,  xtf«- 

'Eiiary,  v.ai  SsXijvi;  ,  d.  h.  Ochse  heifst  ein  Kuchen  mit  Hüniern, 
der  dem  Apollo,  der  Diana,  der  Hecate  und  dem  Monde  als  ein 
Speisopfer  dargebracht  wird.  Da  man  dergleichen  Gebackenes  auf 
silbernen  Tellern  zu  präsentiren  püegte,  so  entstand  daher  das 
Spricliwort:  bos  in  quadra  argentea.  Man  sehe  den  Erasmus  in 
Adagiis  p  m.  283.  Nimmt  man  hierzu  die  besondere  Verehrung, 
die  die  alten  Tentschen  dem  wachsenden  Monde  erwiesen  ^Taci- 
tus,  de  niorib.  Germ.  c.  XI.:  Coeunt,  cum  aut  inchoatur  luna,  aut 
impletnr,  cf.  Keysleri  Antiqu.  septentr.  p.  304,  seq.),  so  erhält 
die  Mnthmafsung  gewifs  einen  hohen  Grad  von  '\\  ala-scheinlichkeit, 
dafs  die  Alartinshürner  nichts  Anderes  als  metamorphosirte  und 
umgetaufte  Mondknclien  sind. 

*)  Auch  diese  Abbildung  von  allerlei  Hausthieren  in  Mehlteig  ist 
eine  alte  Sitte,  die  Einige  sogar  von  dem  nordischen  Jnelfesto  lia- 
ten  ableiten  wollen  So  sagt  z.  B.  von  Westphalen  (in  Praefat. 
ad  monumenta  inedita  Mecklenb.  T.  I.  p.  17.  not.  o.):  Forte  et 
bis  festis  consuetudinibtis  Julicis  originem  debent  figurati  et  mel- 
liti  pancv^,  qni  lemi)orc  nativitatis  Christi  hodieqne  conliciuntur, 
et  liguram  plernmque  referunt  animalium  ,  verris,  hirci,  et  siriii- 
Uum,  .Sclion  bei  den  Griechen  war  diefs  eine  gewöhnliciie  .Sitte, 
z,  B,  an  den  Diasien.     Siehy  die  merkwürdige  Stelle  bei'm  Tln- 


350 

ge  l)illli>-  Bedenken,  noch  mehrere  Delicatcfssen  dieser  Art  ans  den 
Örolbäuken  und  den  sthöplerischen  Händen  der  Mehlkiinsller,  d.  i. 
Kiiihelljücker,  aul'znlischen,  da  ich  noch  gar  nieht  wissen  kann,  wie 
die  von  mir  schon  anf-jefragenen  nnd  nach  hefslem  Wissen  und 
Vermögen  anli>('pH(zlen  Kiinimelplätzel ,  Kaihsegiein,  Jnngferukräu- 
zel  und  Marlinshörner  von  meinen  respectiveu  Lesern  aufgenom- 
men und  gekostet   worden   sind. 

Ich  schliefsc  mit  den  Versen  eines  unserer  alten  Dichter: 

Von  dem,  was  uns're  Väter  wirkten,  spraclien,  waien, 

Sei  jeder  Ueberrest  uns  Heiligthum! 

Wird  uns're  Sitte  nicht  nach  hundert  Jahren 

Dem  späten  Knkel  auch  ein  Alterthum? 


cydides,  I.  126.  p.  135.  edit.  Bipont.  und  Kühn's  gelehrt«  Anmwk- 
ungen  zum  Poilux,   1.  26.  p.  18. 


»««irG<»<i 


IL 

Der   vergötterte   Filtrirtopf. 


TT  er  in  P.irls  gewesen  ist  oder  auch  unr  die  Eij^enlieilen  die- 
ser Wiiiidcrsladt  ans  inüiidlicben  und  sdiriflliclieii  Beschreibnnj'eii 
der  Roiseiideii  kennen  gelernt  lial,  der  kennt  aiicli  die  L'iibecjiiem- 
lichkeiten,  denen  jeder  Wassertrinker  bei  seinem  Einlrilte  iu  diese 
S(adt  wenigstens  eine  Zeit  lang  nuterworfen  ist.  Die  Seine  allein 
lif'fert  alles  Weisser  zur  Consiinition  der  bier  zusanunengedrängleu 
lUenscbenniasse.  Aelilzeiin  bis  zwanzig  Tansend  Menscbcn  jiäbr- 
toii  sirh  vor  der  Ptevolulion  allein  daaiit ,  dafs  sie  von  IVüli  bis 
Abends  das  Wasser  des  fellionies  in  zwei  Kübeln  bis  in  die  fern- 
sten Slrafseu  nnd  obersten  S(ock werke  trugen  und  fiir  einen  jede« 
Gang,  deren  sie  in  der  Ordnung  t;iglieb  dreifsig  maclien  konnten, 
zwei  Sons  erhielten.  Nun  ist  aber  der  Strom  wenigstens  uenu 
Monate  im  Jahre  trübe  nnd  sehmnzig  nnd  selbst  dann ,  wenn  er 
sieh  einmal  abgeklärt  bat,  mit  den  AtisÜiissen  und  Unreinigkeiten 
seiner  so  ungehener  bevölkerten  Uler  geschwängert  und  iibersüdigt. 
Dieses  Alles  achtete  der  geborene  Pariser  so  wenig,  dafs  er  sich 
vielmehr  nicht  gi'iing  wnnilern  konnte,  wie  Fremde  dieses  köst- 
liche Wasser  ekelhaft  finden  nnd  bei  der  dadurch  veranlafslen  Er- 
sehlaiTnng  der  Yerdannngswerkzenge  oft  niehrcre  Tage  nach  ein- 
ander liancbgrimmen  und  andere  Beschwerlichkeiten  emplinden 
konnten.  Nur  in  den  letzten  zwei  Jahrzebenden  weckten  die  im- 
mer gemeiner  werdenden  Untersncbungen  der  Chemiker  über  die 
verschiedenen  I^nflarten,  Gase  nnd  Rlepliilismen  auch  die  Aufmerk- 
samkeit di'c  Pariser,  die  nun  über  die  Bestandtheile  ihrer  gewiibn-- 
lichsten  rsalirniigsmillel  nnd  Getränke  etwas  ernsthafter  nachzuden- 
ken nnd  die  Beschlüsse  der  Facnllät  zn  beherzigen  anfingen.  Im 
Jahre  1780  that  sich  eine  eigene  Gesellschaft  reicher  Unternehmer 
zusammen,  die  das  nach  einem  besonderen  Procefs  gereinigte  Seine- 
Wasser  dem  g.uiseu  Parij.cr    ra'iiüviim   liinkitar  nnd  gesund  zn  lie- 


361 

fern  verspraclien.  Ean  de  la  Seine  elanfi«5e  war  einige  Zeit  lang- 
Gegenstand  aller  AHicIien,  iiiedicinischer  Beralhsehlagungen  nnd 
diemisflier  Unlersiielinngcn.  Die  königliche  Academie  der  Wis- 
senscbaflen  stellle  lobpreisende  Certificate  darüber  ans.  Droifsig 
Tansend  Exemplare  einer  pomphaften  Ankündignng  wurden  au 
alle  Slrafsenecken  und  öUenllicho  Plätze  angeheftet.  Die  Gesell- 
schaft bestellte  eigene  Aufseher,  nnlerhielt  eigene  Wagen  zum  Her- 
umfahren des  belobten  Wassers ,  hatte  an  den  Quais  der  Seine 
mehrere  Hauptbureaus  und  stand  schon  mit  dem  ersten  Leibarzte 
des  Königs  wogen  eines  königlichen  Patents  in  Unterhandlung-, 
Ganz  Paris  freute  sich  dieser  wohllhäligen ,  menschenfreundlichen 
Anstalt,  und  man  konnte  gar  nicht  begreifen,  wie  man  das  unsau- 
bere Wasser  ohne  diesen  herrlichen  Reinigungsiirocefs  so  lan»e 
habe  schlucken  können.  Nun  erst,  rief  ein  Journalist  in  seiner 
Begeisterung  aus,  gilt  unserem  Wasser  der  Spruch  des  griechischen 
Ljrikers:    Wasser   ist    das    Befstel 

Doch  dieser  Wasser- Enihusiasmus  war  natürlich  bei  einem 
Element,  das  die  Begeisterung  so  wenig  begünstigt,  von  sehr  kur- 
zer Dauer.  Es  bedurfte  gerade  nichts  weiter  als  eines  witzi"ea 
Einfalls  eines  gutgespitzfen  .Sinngedichts,  um  das  ganze  Unterneh- 
men der  Herren,  die  nach  einer  ganz  neuen  Alcheniie  ans  reinem 
Wasser  Gold  zu  maclu-n  verstanden ,  dem  bewundernden  Pariser 
verdiichlig  und  läciierlich  zu  machen.  In  das  Journal  aoii  Paris  liefs 
Jemand  eine  witzige  PersüLige  unter  den»  Titel  einrücken:  der 
neue  Pactolus  oder  Beweis,  dafs  auch  die  Seine  zu  den  Flüssen 
gehöre,  die  Gold  bei  sicli  führen.  Ein  anderer  Aufsatz  in  eben 
diesem  Journale  empfiihl  bald  darauf  einem  jeden  Pariser  Hausva- 
ter ein  sehr  leichtes  Mittel,  sich  sein  Trinkwasser  selbst  abzuklä- 
ren, und  eine  sehr  einfache  Zurichtung  einer  Maschine,  die  man 
zu  dieser  Absicht  schon  längst  gebraucht  und  benannt  hatte.  Der 
Filtrirstein  erhielt  nun  nnter  der  neuen  Modebenennun"-  des 
Cl  a  rifica  te  u  r  von  dem  .durch  Mode  beherrschten  Pariser  fast 
eben  die  Verehrung,  die  einst  die  dankbaren  Niltrinker  ihren  Ca- 
nopen  oder  richtiger  Canoben  ertheilten.  Auch  diefs  waren  eioent- 
licii  niclits  als  Filtrirkrüge,  um  das  mit  einem  fetten  Schlamme  »e- 
schwüngerle  Nihviisser  trinkbar  zu  machen.  Aber  Priesterpolitik 
und  Volksaberglaube  gaben  diesem  unentbehrlichen  Hans"-eräthe 
einen  Anstrich  von  Heiligkeit,  der  sogar  einer  Art  von  Ver'WJtter- 
nng  ähnlich  sah  und  ihm  die  unerwartete  Ehre  verschaffte  unter 
den  ägyptischen  Idolen  und  Kunstwerken  in  unseren  Alterthums- 
sammlungcn  noch  jetzt  eine  merkwürdige  Rolle  zu  spielen. 

Es  findet  sich  nämlich  noch  jetzt  auf  alten  Münzen  nnd  o-c- 
schnittcnen  Steinen  sehr  oft  eine  ganz  seltsame  Figur  ä^-yptischer 
Form  nnd  Deutung,  über  deren  Erklärung  die  Alterthumsforscher 
selbst  bis  jfizt  nicht  recht  einig  werden  konnten.  Ein  dickbaticiii- 
V,<'r,  fast  Iviigcli  linder   Kinpnr  auf  einein  kurzen  Gestelle  oder  aüili 


362 

oliue  alle  Unterlage  verengt  sich  oben  in  einen  Hals,  anf  welelicm 
ein  nielir  oder  minder  rogt'ltniifsigor  nnd  \volilgi'ljiId<'(er  Mensclicn- 
koiif  sitzt.  Anf  dem  Sclieild  des  Kujifes  erhebt  sich  gewöhnlich 
der  Kelch  einer  Lofoshinnie  oder  einer  anderen  Ijedenfeiiden  iNil- 
pllanze.  So  häCslicIi  nnd  widersinnig  auch  an  nnd  liir  sich  diese 
Znsannnenschmelznng  eines  männlichen  oder  noch  liiiniiger  weih- 
licheu  Kopfes  mit  einem  dicken  Kinliisrnin|>fe  ohne  Hände  nnd 
Fiifsc  sein  mnfs,  so  meisterhaft  hat  doch  anch  hier  die  Alles  vei- 
schönerrule  nnd  in  liehliciie  Formen  verschmelzende  griechische 
Kunst  diese  Ungestallheit  zu  verdecken  nnd  in  die  regelloseste 
Mifsgehnrt  Anmnlh  nnd  Schönheit  zu  bringen  gCHnfst,  Lnter  den 
alten  Tasten,  die  der  ßaron  von  S  losch  in  seiner  Gemmensamm- 
liMig  bewahrte,  wovon  wir  nenlich  einige  eben  so  tielfliche  Ab- 
bihiiingen  als  gelehrte  nnd  geschmackvolle  Erlänternngeu  erhallen 
haben,  befindet  sich  eine  solche  Canohnspasle ,  wo  diese  widersin- 
nige Figur  in  so  angenehmo  Pitindnugcn  nnd  Umrisse  abgeglilftet 
ist,  dafs  das  Auge  anf  ihr  mit  eben  so  grufsejn  Wohlgefallen  verweilt 
als  anf  einer  gefälligen  campanischen  Yase  oder  irgend  einem  anderen 
im  schönsten  Ebenmafse  gearheileteu  griechischen  Knnstwerke  *_). 
Hier  hat  also  dieser  vergötterte  Hansrath  der  JNilanwobner  sogar 
ein  griechisches  Knnslideal  erzengt. 

Aber  die  fiiihere  Entstehung  nnd  Veredlung  dieses  iik  die 
Nollidnrft,  Gesundheit  und  Reinlichkeit  der  Aegvplier  so  gut  be- 
rechneten Weikzeuges  verdient  schon  noch  eine  genauere  Erläu- 
ternng. 

Der  Nil,  dieser  allbefenchtende,  göttliche  Strom,  ist  in  einem 
Lande,  wo  oft  viele  IMonate,  ja  ganze  Jahre  lang  kein  Regentro- 
pfen fällt,  der  einzige  AVasserschatz  seiner  durstigen,  von  der  em- 
pfindlichsten Sonnenhitze  ausgetrockneten  Anwohner.  Ein  grofsor 
Theil  der  ältesten,  ägyptischen  Mythologie  nnd  Ilicroglyphik  dreht 
sich  daher  blos  um  ihn,  als  eine  der  sichtbarsten  nnd  vvohlthätig- 
sten  aller  Naiionalgotlheiten.  Aeltere  nnd  neuere  Schriftsteller  sind 
unerschöpflich  in  den  Lobpreisungen  des  Wassers  ,  womit  der  INil 
das  Land  und  seine  Einwohner  tränkt.  Man  schrieb  ihm  allge- 
mein eine  befruchtende  und  selbst  auf  die  fast  unglaubliche  Be- 
Tölkernng  des  Landes  mächtig  einwirkende  Kraft  zu,  ein  Um- 
stand ,  den  vormals  die  Erklären-  der  biblischen  Geschichte  bei  der 
Munderbaren  Yeinichrung  der  Kinder  Israel  in  Aegjpten  wohlbe- 
dächtig in  Anschlag  zu  bringen  nicht  vergafsen.  Nichts  ging, 
nach  der  Aussage  der  Alten,  über  die  Siifsigkeit  nnd  den  lieb- 
lichen Geschmack  des  Nilwassers.  Als  der  König  Ptolemäns 
von    Aegjpten    mit    dem    Beinamen    Philadelphus    seine    Tocliter 


")    S.  Abbildungen    ägyptischer   Gottlieiten,     mit   Erläuterungen    voa 
Schlicblcgroll,   Lste  Liefer.  tab.  XII.  XIII. 


» 


363 

Berejiice  au  den  König"  Anlioehus  von  Syrien  verlieiralliete ,  wur- 
den K;iineeI|)os(eu  zwischen  Aegvpten  und  Syrien  angeleimt,  nin  der 
ligyptisclien  Prinzessin,  die  sieh  nicht  zufrieden  geben  woJIle,  wenn 
sie  fortan  das  köstliche  Nilwasser  entheiiren  sollte,  diesen  Gölter- 
lrank frisch  und  in  erster  Güte  zuzuführen.  Hierauf  gründete  sicli 
auch  die  Antwort  des  römischen  Feldherrn  niid  Gegenkaisers,  Pe- 
sceunius  Niger,  als  die  an  den  Gränzplätzen  Aegvpteiis  garnisoni- 
reiiden  Soldaten  AVeia  von  ihm  verlangfeu :  Wie,  ihr  haht  Nil- 
wasscr  und  könnt  V^  ein  fordern?  Der  grieeliischc  Redekünstler  und 
Sophist  Ai  istides  erzählt  uns  daher  in  seiner  Lohrede  auf  Aegvpten, 
dafs  man  dort  Flaschen  mit  Nilwasser  anzufüllen  und,  nachdem  man 
sie  sorgfällig  aufgebohei!  hatte,  nach  mehreren  Jahren  wie  allen  AVeia 
zu  trinken  pilege.  Damit  slimmen  nun  auch  die  Nachrichten  neue- 
rer Reisebeschreiher  auf's  Genaueste  ühereiu.  ,,Die  Türken,"  sagt 
einer  der  aufmerksamsten,  der  yiele  Jahre  als  französischer  Cou- 
sul  iu  Cairo  leble  *},  „linden  das  Nilwasser  so  wohlschmeckend, 
dafs  sie  Salz  lecken,  um  desto  mehr  davon  trinken  zu  können, 
JMau  hat  ein  gemeines  Sprichwort  nnler  ihnen,  dafs  Mahomed, 
^venn  er  je  das  Nilwasser  gekostet  halte,  Gott  gewifs  um  die 
Gnade  angelleht  haben  würde,  nie  zu  sterben,  um  nur  stets  davon 
tiinken  zu  könuen.  Auch  hört  mau  oft  sagen,  dafs  Jeder,  der  ein- 
nial  davon  getrunken  hätte,  gewifs  auch  zum  zweiten  3Iale  davon 
trinke.  Als  ich  daher  nach  einer  zeluijährigen  Abwesenheit  wie- 
der nach  Aegyplen  kam,  wiederholten  mir  alle  meine  dortigen  Be- 
kannten diese  13emerkung.  Die  Aegypier ,  die  mit  den  Caravanen 
reisen,  um  ihr  Gelübde  in  Mecca  zu  bezahlen,  seufzen  nach  nichls 
so  sehr  als  nach  dem  Nilwasser.  \Yir  werden  bald  Nilwasser 
trinken  !  Diefs  drückt  die  süfseste  Hoft'nung-  ihrer  Wiederkehr  in's 
Vaterland  aus.  Und  in  der  That  hat  dieses  AVasser  eine  ganz  ei- 
gene Lieblichkeit.  Wer  es  daa  erste  Mal  trinkt,  sollle  darauf 
schwören,  dafs  es  mit  etwas  angemacht  sei.  AA'^as  der  Champag-- 
ner  unter  den  Weineu  ist,  das  ist  das  Nilwasser  unter  den  AA^assern, 
IManchcm  ist  es  daher  gar  zu  süfs.  Auf  jeden  Fall  aber  ist  es 
anfserordentlich  gesund,  und  mau  kann  ohne  Üid)ef|uemlichkeit  so- 
viel davon  geuiefsen  ,  als  man  bei  keinem  andern  W^asser  Avageu 
dürfte.  Ich  habe  Personen  gekannt,  die  täglich  drei  Eimer  davon 
tranken ,  ohne  im  Geringsten  dadurch  belästigt  zu  werden.  Im 
Sommer,  wo  die  Haut  heständig  offen  ist,  verdunstet  es  in  kurzer 
Zeit  durch  die  Schweifslöcher,  ohne  eine  I\Iattigkeit  oder  Ermüdung 
zu  hinterlassen.  Im  AA'iuter  geht  es  ebeu  so  schnell  durch  die 
natürlichen  AVege  ab  und  verursficüt  auch  da  keine  Unbequemlich- 
keit." 

Bei   allen   diesen    verdienten  Lobsprüchen  verschweigen  doch 


0     Aaillet,  Descriptlon  de  TEgypIe,   T.  J.  p    19.  f, 


361 


auch  äKere  und  iienere  Sdiijflslellcr  die  einzige  Uunnnclunlielikeit 
nicht,  der  dieses  Wasser  last  das  ganze  Jahr  über  ausgesetzt  ist. 
Es  ist  gewöhnlich  so  sciileiniig  und  u.'ircin,  dafses  ohne  eine  gewisse 
Zubereitung  und  Ähklürnng  wo  nicht  ant  den  Gannten,  doch  nui' 
das  Ange  des  Trinkers  einen  sehr  widrigiMi  und  eki'K'rrpgeiiden 
Eindruck  macht,  Man  w<'ifs,  welchen  nnhoschranklen  Einilufs  die 
seit  den  ältesten  Zeilen  Alles  hcherrschcntie  Priesferkasle  in  Aegyp' 
icn  halte.  Jene  Priester  waren  zugleich  die  Acrzte  und  Gesund- 
lieits})negcr  des  Volkes,  und  so  wurden  gewisse  auf  dortiges  Kli- 
ma und  dortige  Lehensart  sehr  weise  berechnete  Gesnndheitsvor 
schrillen  und  diätetische  Lchensregeln  bei  den  Aegypliorn  sowohl 
als  den  von  ihnen  ansgezoncuen  Ehräern  heilige  Vorschriilcii 
und  unverbrüchliche  Piiliialgcsclze  des  Gollesdicnsles.  Besoiidors 
Latten  die  Priester  anl'  Reinlichkeit  und  Auswahl  der  Nahiimgs- 
luillel  ein  sehr  strenges  Augenmerk.  Einem  Volke,  dem  es  Pieli- 
giousvorschritt  war,  monallich  ciiinial  zu  voniireu  und  zu  pnrgiren, 
dem  salzige  Speisen,  Aussatz  und  allerlei  Haulkraukheiten  beför- 
dernde Zwiebeln  zu  geniefsen ,  durch  heilige  Priesicrsagen  zu  ei- 
nem Verbrechen  gegen  die  Göller  ^<;niaclit  wurde,  einem  solchen 
Volke  konnte  auch  die  zur  (jesnndheit  _nnd  Reinlichkeit  so  we- 
sentlich niiihige  Reinigung  und  Durchseilinng  des  Nilwassers,  die 
der  gecneine  Aegvplier  noch  jetzt  ans  bioser  Träi^heil  unterlälst, 
dadurch  von  dem  Priester  am  belslen  eniplohlen  werden ,  wenn 
mau  iu  die  Maschine,  den  Topf  oder  Krug,  durch  welche  diese 
Säuberung  geschah ,  geratlezn  selbst  etwas  Relii;iiises  und  dem 
pinmpsinnlichen  Aberglan!)en  des  Volkes  Anffaileiides  zn  legen 
wnfste.  Es  war  also  gewifs  ein  rocht  artiges  Plafleiisliickchen, 
dafs  man  dem  hierzu  gewöhnlichen  Fillrirkruge  einen  hieroglvphi- 
schen  Deckel,  den  Kopf  eines  ägvpliselKMi  Idols  und  das  Symbol 
des  fruchtbaren  INilgoltes  selbst,  die  schöne  Lolosblnme,  anisclzle 
lind  so  einem  Ilansralhe,  dessen  Resilz  Reinlichkeit  und  Gesund- 
licit  jedem  Nillrinker  wünschenswerth  machten,  auch  noch  die  Em- 
pfehlung derReligiosiiät  zn  verscliailen  wnfste.  So  wnide  der  unent- 
behrliche Fillrirtopf  dem  Ae^-ypiitT  ein  noch  nnenlljehrlicherer  Ilans- 
gölzc  und  ,  was  dem  allen  Scytiien  sein  Säbel  war  und  dem  heu- 
ligen Osliaken  sein  Tabaksrohr  noch  ist,  eine  Art  von  Fetisch, 
ein  Anmiet  und   Talisman. 

Das  Material  dieser  Filtrirtöpfe  ist  wahrsclielnlich  llieils  der 
eigentliche  Fillrirstein  (eine  Art  von  Sandstein,  die  sich  noch  jelzt 
in  den  verfallenen  Steiubriichen  des  öslliclien  Aegyplens  gegen  das 
rothe  IMeer  hänüg  linden  soll,)  theils  ein  Artefact,  eine  Art  von 
halbgebrannten  thönernen  Gefäfsen  gewesen,  deren  sich,  wie  ich 
gleich  anführen  werde,  die  Aegyplier  noch  jelzl  zu  eben  dieser  Ab- 
Hcht  brdienOH.  Diese  letzteren  wurden  vorziiglich  in  Unleiägvjiten 
oder  dl  m  sogcnannleii  Delia  an  dem  Arme  des  Nils,  den  man  den 
Canoliilischeu   nannte,    und    bei    der  Sladl  ("anobns  selbsi  l'nUrutii. 


365 

Natürlich  bekamen  sie  nun  selbst  von  dem  Fabrikoile  eben  so  ihre 
Benenunng,  wie  in  Italien  die  Fayence  von  Faenza  und  in  Eng- 
land die  schönen  V;isen  ans  P'lnfsspalh  in  Derbjsliire  Derbies 
genannt  werden.  Man  nannte  die  Knige  und  die  darauf  gestellten 
bieroglyjjliisclien   Biislcii   Canoben. 

Znfiillig  hatten  sieb  gerade  in  diese  Gegend  scbon  vor  der 
Erobernng  Aegjptens  dnrcb  Canibvses  nnler  Psannneliclins  nnd 
seinen,  griecliisclie  Cnllnr  nnd  Anlklärnng  lii'benden  Nacbfolgera 
ionische  nnd  andere  Facloreien  der  kb'in.t.siatischon  Griechen  ans- 
gebreifet.  Das  an  diesen«  Arme  des  ISils  geb-gene  Nancratis  war 
der  Hanptsilz  des  griechischen  Hnndelsveikehrs  *)  nnd  nngefahr 
eben  das,  was  bei  den  Halhhriuiern  der  allen  Aegjpticr,  den  heu- 
tigen Chinesen,  Macao  fiir  die  englischen  nnd  libiigen  europäi- 
schen Kanflenle  ist.  Hier  konnten  nnn  die  Griechen  iinniöglieh 
lange  ihr  Wesen  treiben,  ohne  iiire  Licblinjisntignng ,  ilirmi  Na- 
tionaistolz  durch  mythische  Fabeln  auf  Lfnkosit'n  dt-r  Wahrheit  zu 
schmeicheln  und  durch  irgend  einen  allen  Heros  ihre  Nation  Be- 
sitz von  dieser  Gegend  nehmen  zu  lassen ,  auch  hier  zu  beiViedi- 
gen.  IMeiiclans ,  so  fabelten  sie,  veilor  hei  seinen  Irri'ahrten  auf 
der  Ptückkelir  von  Troja  hier  seinen  Stpuerniann  (^inobns  durch 
einen  Ülterubils,  nnd  davon  erhielt  diese  liegend  den  INamen.  Ob 
sich  ntin  gleieli  damals  die  stolzen  Aegvplier  wohl  noch  sehr  we- 
nig um  diese  gi  ierhisclieii  Fabeleien  ksinimerlen .  so  erhielt,  doch 
diese  Saiie  in  einer  späleien  Periode,  als  nach  Alexander  griechi- 
sche Köiiii^e  liber  Aegvi>!en  lierrs(  bten  ,  allerlei  Aiissclimniknugen, 
nnd  griecbischi*  Künstler  yaben  nnn  auch  den  in  (^auidtiis  einhei- 
mischen, selbst  auf  den  IMiinzen  der  Caufdiilen  hanfig  vorkommen- 
den **)  nnd,  sobald  ägyptische  Kunst  daran  siehlbar  wird,  böcbslnn- 
förmliehen  ***)  FilirirtJiplen  jene  zierliche  und  wtdiliicfEillige  Gestalt, 
die  wir  noch  jeizt  ia  einigfu  alten    Gemmen   bewundern. 

Weit  ehrwürdiger  als  jene  witzige  Erdichtung  der  Griechen,  ob^ileich 
den»  ersten  Ansehein  nach  auch  weil  ungereimter  nnd  sinnloser  ist  eine 
Ueberlieferung,  die  wir  ohneBodenken  unter  die  uralten  Pries(ersaü,eii 
setzen  düifen,  deren  Herodot  so  oft  unter  der  Penennung  bei  li- 
ger Saget!  Erwähiiniig  thiit,  nnd  dnich  welche  diese  Erklärung 
der  veigölterlen  Filliirlöpfe  ii»ren  völligen  Aufschinfs  erhält.  Die 
Cbabläer  zogen  mit  ihrem  Gott,  dem  Feuer,  von  \'olk  zu  Volk, 
lind  überall,  wo  sie  hinkamen,  verzehrte  dieser  Gott  die  Bilder  und 
Fetische  der  übrigen  Nafionalgötler.  Als  diese  Fenerapostel  auch 
nach  Aegjpteu  kamen,  füllten    die    ägyptischen  Priester  eiueu    dort 


♦)    Herodot  II,  179. 

**)    Ekhel,  doctrina  numornm  veterum  P.  I.  Vol.  IV.  p.   105. 
***)     Ca y Ins,    Recueil  d'Ajitiqnites  Egyptiennes  cet.  T,  II.  pl,  VI,  n. 
2.  3. 


gewölinlichen  Fillrirkrug, ,  womit  man  dns  liiibe  Nilwasser  diireli- 
ßoiht  1111(1  reinigl,  mit  INiiwasser,  nnriulom  sie  ihn  vorlier  mit 
AVaclis  verschmiert  hatleii,  iiiul  stiHlen  ihn  niii«  mit  doiii  F'encr^ott 
der  Chaldiier  zusammen,  der  hier  bald  den  kürzeren  zos;  nnd  von 
dem  überall  nnsiinnenden  Wasseru^olt  ans<i;cIosclit  wnrde.  Diefs 
p-eschah  zn  Caiiobus  und  zum  Andenken  hiefs  nun  der  iiijyplisclie 
Gott  selbst  Ciutobus.  Ein  Kru"--  Nilwasser  ist  hier  also  der  Re- 
präsentant des  ägyplischen  Nalionalii,ot(es,  des  i»anzen  Nilsdomes. 
Aber  das  Wasser  mnfs  dnrch  einen  Fillriikrng  i!,ehen  ,  um  fremde 
Gotter  zii  überwül(ii!;en  und  dem  Nilbewohuer  erst  recht  ehrwür- 
dig nnd  wohlthälis:  zu  werden. 

Noch  jetzt  haben  in  AeüryptCD  die  hal[i_ü:ebrannfen  nnd  nngla- 
sirlen  Krüge,  die  eben  dnrch  diese  Znrichlung-  zum  Fillriren  i«e- 
schickt  sind  und  nur  die  Stelle  der  alten  Canoben  vertreten,  statt 
des  Deckels  einen  sonderbaren  Slrohanfsatz ,  der  sich  aus  einem 
onj^eu  Bund  in  einen  weileren  Büschel  aiislireilet,  Avahrscheinlicb  ein 
ausü,«'J>''leter  Abstämmling-  jener  allen  Deckelbüslen  nnd  Lolosblu- 
men  und  ein  sprechendes  Syndjol  des  unter  Barbaren  so  tiefge 
snnkeneu  Nilreichs,  wo  der  bedeutende  Göllerkopt'  und  der  duften- 
de Loloskelch  in  einen  ärmlichen  Strohwisch  verwandelt  worden 
ist.  Die  Fillrirkrüge  heifsen  dort  heut  zu  Tage  Bardakes.  Der 
aiifmerksame  Norden  hat  sie  beschrieben  und  auf  einer  eigeueu 
Kupfertafel  abgebildet  *). 


*)     Voyage  d'Kgypte  et  de  Nubie  T.  I.  p.  59,  Tab.  XXXIV.  a. 


III. 

Der  den  Jupiter  tragende  Hercules. 


Vorwort. 

/Als  der  nnvornofslirlie  Li  cli  t  onltor  "■  ein  mit  Geist  nnd  Witz 
aiis2,e|iiiigl('s  Sdinilciii  7.iir  svslcijiiitist  Leu  Weisheit  der  Teiiisrhen 
in  seinem  paliiotiselicn  Beidiii;  zur  IVI  e  t  li  y  f  I  o  gie  oder  Triiik- 
lelire  allen  rollien  Nasen  dcdicirle  und  liimdeit  Varialioiion  znr 
Redensart:  er  ist  betrunken,  hoelilenlsrli  und  platticntseh 
aus  Kellern  und  W«'inhiinsern  kiindi»-  znsanimenlriio-  nnd  aufspei- 
elierte,  konnic  er  freilieli  noeli  nieht  voransselien  ,  dafs  Jemand  un- 
ter uns  an  einen  recht  gnindiielien  und  vollkommenen  Tiinkal- 
luanaeh  die  Hand  legen  uiirdo.  Indefs  aneii  diese  genialiselie  Idee 
ist  endlich  ans  dem  Limhns  der  nni;el)orenen  Kinder  und  Geistes- 
Einhivonen  zur  Yeikörpernnij,'  in  die  Sinnenwelt  »erufen  Avoideii. 
Es  fehlt  ihm  jetzt  nichls  als  die  lelzle  Ilehauinienhilfe  unter  Gö- 
sehen's  sieher  enihindenden  Prefshenüeln.  Damit  nun  aber  auch 
hier  znr  Ehre  tentseher  GrÜDdlichkeit  Alles  fein  hühseh  im  System 
Meihe  und  der  hergehraehlen  Ordnung  gemafs  zugehe,  haben  die 
Herausgebor,  um  aiiili  hier  das  Hiihnehen  vom  Ei  an  zu  conslrni- 
ren,  die  Trinkweislieit  ans  den  klassischen  Zeilen  des  Allerlhums 
ahzuleilen  für  dienlich  erachtet.  Sei  toll,  aber  king,  ruft  irgendwo 
das  grofse  Orakel  unserer  Nation  ,  Gölhe.  Klugheit  aber  befrant 
erst  die  alte  Amme,  ehe  sie  den  Bund  auf  Tag  und  Nacht  uiil  der 
schönen  Pilegetochler  sehliefst! 

(Möge  der  erste  Versuch,  der  hier  geholen  wird,  Aveder  za 
leichtsinnig  noch  zu  langweilig  erscheinen  I  Der  ehrenfeste  Aller- 
lhums-Klitterer  kann  nun  einmal  ohne  Beleg  nichls  niedergchrci- 
beu.     Jeder  Vogel  Jiat  seinen  eigenen,  VValdgesangi 

A  r  c  h  ä  0 1  0  g  u  s. 


368 


—  Itbera  vina  referre. 

Iloiat.  A.  P.  87. 


Die  geislige,  feiner  fülileiule  und  sprechende  Nalnr  der  Grie- 
chen hat  sich  in  hundert  Wörtern  und  Wendnni!,eii  ihrer  herrlichen 
Sprache  ahgednickf.  Das  Gaslutahl  hi'zficlnieten  sie  mit  dem 
Worte  Symposion,  wcli-hes,  Itiuhslählich  übersetzt,  ein  Mit- 
trinken heifscn  würde  und  an  dem  alüciilschen  Trinkf^elag 
freilich  einen  Vetter ,  aljoj-  Aon  der  nordisiiien  dcMben  Zecherna- 
tnr  fände»  Trinken  ist  überall  menschlicher  als  Essen.  Nicht 
%vas  man  mit  den  Zahiion  zermalmt ,  sondern  was  man  über  den 
Gaumen  hinalisclilüilt ,  eihdit  die  di'irfliiie  menschliche  Nalnr  zur 
Gemi'inscliafl  mit  iWn  Unsterblichen  und  siii<>t  Dithyramben.  Die 
Götter  selitst  geniefsen  nur  Neklar.  Denn  was  man  Götterspeise 
oder  Ambrosia  nenn!,  beruht  auf  Mifsvcrsland  oder  ist  nur  —  ge- 
ronnener Nectar. 

Unersriiöp.flich  war  die  Erfindungskraft  der  Griechen ,  ihre 
Tafellreudrn  und  Tiinkgesellschaflen  durch  geistreiche  ünterrediin- 
geu  und  Tisciii;('Sj)riu'he ,  die  wir  in  allen  Formen  noch  aus  den» 
griechischen  Alterilmm  besitzen,  durch  Gesänge  und  Trinklieder, 
"WO  der  Rliapsoden  -  oder  Liederzweig  von  einem  Gaste  zum  an- 
dern wandelte  und  so  jeden  der  Pteihc  nach  zum  Gesänge  aufrief, 
durch  Charadcn  und  Käthsel,  wovon  uns  griechische  Schriftsteller 
noch  manche  zur  Probe  aufbewahrt  haben,  durch  Flöten  -  nnd  Ci- 
therspiel,  die,  von  schönen  Miülchen  erklingend,  zugleich  die  Wür- 
ze der  bios  männlichen  Tischgesellschaft  wurden,  durch  Tänzerin- 
nen und  Hallels,  die  vor  den  Augen  der  Gäste  dargestellt  wurden, 
nnd  durch  allerlei  Trink-  nnd  Wellspiele  (die  Kol(abismen) ,  wo- 
bei der  im  Becher  gebliebene  Ueberrest  des  Getränkes  oft  selbst 
zur  Wurfscheibe  diente,  zu  vcrmaiuiigfalligcn  nnd  aufzuheitern» 
Und  was  liefse  sich  von  den  hundert  Kränzen  nnd  Salbcnmischnn- 
gen ,  ohne  die  kein  Gast  auf  das  köstlich  geschmückte  ,  mit  Pur- 
piiidecken  behangene  Tischbelte  sich  lagerte,  was  von  den  Ver- 
feinerungen, die  selbst  die  bildenden  Künste,  die  Gljptik  und  To- 
rcnlik,  in  die  Verfertigung  der  mannigfaltigsten  Trinkgeschirre  aus 
den  edelsten  Stolfeu  zu  legen  w  ufsten ,  nicht  Alles  hier  anführen .' 
Für  jeden  Sinn  wufste  der  sinnige  Grieche  bei  seinen  Tafel-  nnd 
Trinkgenüssen  einen  neuen  Reiz  zu  erdenken  und  heule  überbot 
ein  frischer  Zauber  die  Reizmittel,  «lie  gestern  noch  neu  gewesen 
■waren. 

Fröhlichkeit  war  der  Charakter  aller  Feste  nnd  Zusammen- 
künfte des  heitersten  ,  witzigsten ,  geistreichsten  V'olkes  des  Alter- 
thums.  Schon  daraus  folgt,  dafs  jede  Ueberladung  nnd  Völlerei 
bei  ihren  Gast-  und  Trinkmühlern  in  der  Rege)  verbannt  sein 
luufste.  Aeufserst  selten  wurde  der  Wein  pur  und  nnvermischt 
getrunken.     Nach    der   Güte    und    Stärke   des   Weins  richtete   sich 


3()9 

dns  Mafs  des  zugegossenen,  oft  aiicli  mit  Schnee  und  Eis  aligekiilil- 
(cn  Wassers.  Nur  eine  rohe  ('v<Io|>ennatur  herausrhl  sieh  his 
ziiui  Erhrochen  aus  den  Schläuchen  des  lisligen  Ulysses  und  eni- 
(»fängt  dafür  ihren  verdienten  Lohn.  In  einem  hekannten ,  nach 
dem  griechischen  Menander  hearheiteten  Lnstspiel  des  sittlich  zar- 
ten Terenz,  im  C  astraten,  verräth  sich  der  häuerische  Charak- 
ter eines  Athenischen  Junkers  rnni|>crnickH,  der  vom  Lande  durch 
j  Zufall  in  eine  feine  Sladlgesellschaft  geralhen  ist,  am  meisten  da- 
durch, dafs  ihm  hoi'n«  Nachhausegehen  so  Zunge  als  Fnfs  den 
Dienst  versagen.  Nicht  ohne  tiefen  Sinn  (rüg  die  ganze  Sippschaft 
des  Bacchus,  die  den  Go((  in  (runkener  Ausgelassenheit  umlohte  und 
uu)gauk<'l(e,  das  charak(eristische  Ahzeicheu  der  Thierheit  und  Icineri- 
scher  Formen  an  sich.  Seihst  am  zartesten  Satyrisk  sjiitzt  sicii  das 
Ohr  noch  zur  Thiergestalt,  seihst  die  schiinste  JMilnade  trägt  nocii  ein 
Thierfell  liher  Schulter  und  Hüfte  geschlagen.  Der  (lott  seihst 
aher  fährt  mit  seiner  Ariadne  in  himmlischer  H(;iterkeil  und  Ruhe 
triumpltirend ,  von  gchändigteu  Tigern  oder  Centauren  <;czo"eH 
durch  dieses  wüs(e  Getümmel.  Wie  fein  (ritt  auf  alten  Marmor- 
Reliefs  und  Vasenahhildnngen  diese  reinere  Erhehung  dos  fröhlich- 
sten, aber  auch  zartesten  aller  Giilter  zwischen  Taun»el  und  Wild- 
heit hervor!  —  Alexander  der  Grol'se  hatte  aufgehört  ein  Grieche 
zu  sein,  und  die  angestammte  macedonische  Rohlieit  war  in 
ihre  Rechte  getreten,  als  er  die  hernchtigten  Saufgelage  hielt  und 
durch  das  Ausleeren  einer  Herculischen  Ilumpe  sein  eigenes  Ende 
beschleunigte  *). 

Doch  es  gab  allerdings  Augenblicke ,  wo  das  Ilorazische ; 
iinnc  est  bihendum  in  sein  volles  Recht  eintrat,  hei  Siegesfesten 
und  nächtlichen  Coniissa(ionen,  "Wo  der  Grieche  seihst  den  R.ausch 
fiir's  Vaterland,  für  Altar  und  Herd  und  Geliebte,  für  sehr  erlaubt 
lind  rechlmäfsig  hielt.  Nur  war  diefs  stets  etwas  Aufserordentli- 
ches,  eine  seltene  Ausnahme  von  der  Regel. 

Was  die  ephemerischen  Söhne  der  Erde  und  des  Stanbes  er- 
freuet und  ihnen  wohl  thut,  das  kommt,  nur  in  erhöhter  Po- 
lenz,  auch  den  nnsterhiicheu  Bewohnern  des  OIjuipos  zu.  Tät- 
lich, das  ist  schon  die  Homerische  Tagesordnung  oben  im  Palaste 
des  Vaters  der  Götter  und  der  Menschen,  versammeln  sich  nach 
vollbrachtem  Morgengeschäfte  die  sämmtlichen  Insassen  der  golde- 
nen Himmelshurg  iu  der  grofsen  Halle  des  Vaters  zur  •••eselliuen 
Freude  und  zum  Nektargelage.      Wer  erinnert   sich  hier  nicht  so- 


*)  Alexandruni  Herciilaneus  et  fatalis  scyphiis  condidit,  sagt  Seneca 
ep.  83.  mit  Lipsius's  Anmerkung.  (Man  zweifelt  jedoch  mit  Recht 
ob  man  den  Nachricliten  über  die  Unmäfsigkeit  des  Alexander 
und  seinen  dadurch  lierbeigefiihrten  Tod  Glauben  beimessen  darf. 
Beck.) 

Eöttigc't'«  kleine  Schriften  I.  24 


370 

cloicli  <l•^'^  liiiikoiiil«'ii  MiiiMlsrlionKen    im  crsfeii  Gfsaiiac  i\ov  llias? 
i)ie  Slelle  ist  khissistli  und  voidiciit  jiiicli  hier     eine  Stelle : 

Jener  sclionkte  nnnnielir  ancli  tler  übrigen  Göttervcrsaniinliing 
Ilechtsliin,   lieljliclien  Nektar  dem  iVIisclikrug'  äinsig  entsciiöpiend,  — 
Also  den  ganzen  Tag  bis  si)ät  zur  sinkenden  Sonne 
Scliniaus'ten    sie ;     und  nicht    mangelt'    ihr    Herz   des  gemeinsamen 

Maldes, 
Nicht  des  Saitengetons  von  der  liebliclien  Leier  Apollo's, 
Nicht  des  Gesanges  der  Winsen  mit  liohl  antwortender  Stimme, 
Aber  nachdem  sicli  gesenkt  des  Helios  lenclitende  Fackel, 
Gingen  sie  ansziirnh'n,  znr  eigenen  'Wohnung  ein  Jeder. 
Dort,  wo  Jedem  vordem  der  liinkendc  Künstler  Hephästos 
Bauete  seinen  Palast  mit  kundigem  Geist  der  Kriindnng, 
Zeus  auch  ging  zum  Lager,  der  Donnergott  des  Olympos, 
Wo  er  zuvor  ausndite,  wann  süfs  ilim   nahte  der  Scidnmmer.  — 

Doi'h  sellisl  die  GöKer,  die  J^eichlleitcnden,  Itetchleieht  zuwei- 
len der  Ueheidrufs  des  Iaiiü,weill:;vu  Eiiierieis,  Aueh  sie  iühleii 
das  Bcdiirl'iiii's  einer  erlieiterndcn  Ahweeiiscltüia:,  einer  Jji.sl|>arli(> 
iiiier  Land  oder,  wie  man  dort  lebt,  liber's  Meer.  Wer  keniil 
nicht  die  A\andernnü,eii  des  Zeus  und  des  ganzen  Güüerdivans  zum 
Besiiciie   hei   den  Aeliiiü|!!erii  ? 

Zeus  ging  gestern  zum  j\Ia!il  der  unsträniclien  Aethiopen 
An  des  Okeanos  Flntli,  und  die  Himndischen  folgten  ihm  alle. 

So  zog-  in  Ijesseren  und  fröuiiueren  ZeiJc«  uianeher  Ai»t  luil 
seinen  wohlgeuäiirfen  iVldnehen  aus  einer  Cenedikiiner-  oder  Cislcr- 
zienserahlei  in  Franken  ujkI  Siiiwal)en,  dem  verdriefslirhcn  Uralen- 
und  Fisehgeiuch  des  ReiVelorinms  entdieliend,  auf  (inen  enlle«>enen 
Meierhof  zur  ileuernle  oder,  wo  Baechus  seine  Gai)e  s|teniief,  zur 
Lese  anl'  i]{^n  ferneren  \Veini;('hirjien  des  Kloslers.  Bei  soleiien 
GeleiJ,enheilen  und  wenn  elwa  Zens  eine  liuehzeit  aiisslallele,  wie 
sie  hei  Amor's  Yermähinng  mit  der  Psvche  A|Milejns  uns  sehihlert 
und  Rafael  in  der  Farnesina  malt,  oder  hei  dei-  I<]eli(ii«iing  und 
Aufnahme  eines  seiner  Bastarde  im  Himmel ,  oder  hei  einem  Ver- 
söhn un,i^>feste ,  wie  es  uns  Wieland  in  seinem  veikla_!;(eu  Anior 
hesehreiht,  liefs  sich  Zens  seihst  vom  holden  Ganvmed  eine  Schale 
iNidvtar  über  die  ^ewiümliche  Zahl  credenzen  und  slie»-  dann  mit 
etwas  beschwertem  Haupte  das  i^rofsc  Himmelbetle  hinan, 

—  zu  ruh'n  mit  der  goldentlu'onenden  Here. 

Eine  solche  oder  ähnliche  Veranlassung-  dachte  sich  vielleicht 
auch  der  mnthwillige,  griechische  Maler,  dessen  genialischem  Ein- 
falle wir  die  Zeichnnng  auf  einer  antiken  Schale  von  gehrannter 
Erde  in  der  kaiserlichen  Bibliothek  zn  Paris  verdanken,  die  von 
ihrem    ehren werlheu    Conservatenr    Mi  II in    in    jseinem     neuesten 


371 

Praclilwcrke  diircli    eiiioii    viellelclit    nur    zu    zicilklicn    Kiipfeistich 
bekannt  ij,emaclit  wurde  *). 

Der  erste  Lliek  darauf  sai^l  jeden»  Beseliar.or ,  dafs  der  Tril- 
ger  Hercules,  der  Getragene  Jupiter  sei.  Wo  alter  in  aller  Welt 
kommt  liier  der  muskell'este  Uugelienerl);indiger  zu  der  sonderhareii 
Aeneas- Rolle,  seinen  Valer  aufznliorken  und  nicht  ohne  sichtbare 
Anstrengung'  davonzutragen?  Nimmt  man  die  Frage  ernsthaft  und 
befragt  man  nun  seihst  wieder  die  noch  vorhandenen  invlhologischen 
Orakel  roni  alten  Boccaccio  und  Natal  de  Comtc  oder  Giraldo  au 
bis  auf  die  neueste  Fundgrnlte,  die  uns  Grub  er  in  seinem  my- 
thologischen  Wörterhuche  eröffnete,  so  wird  der  Zweifelsknoten  im- 
mer verwickelter.  Man  wird  mit  Millin  ganz  ehrlich  eingestehen 
«lüssen  :  „der  Mythos,  worauf  anges])ielt  wird ,  blieb  uns  unglück- 
licherweise verboigen.  Wie  pikant  wäre  es  um  der  Sonderbarkeit 
der  Vorstellung  «illen,  etwas  mehr  davon   zu  wissen!" 

Aber  was  der  Zahn  nicht  anfhcifsl ,  biicht  der  Nufsknacker, 
sagt  der  lachende  Neapolitaner,  indem  er  an  oinor  Gassencrke  die 
lang  gedehnten  Macaronis  hinalisclilingf.  Wo  Glimpf  nicht  liilft, 
gilt  Schimpf,  sagten  unsere  Vorfahren.  Vielleicht  gelingt  es  mit 
der  scherzhaften  Deutung,  da  uns  die  ernsthafte  eine  so  sauere 
flJiene  macht.  Wie  nun,  wenn  es  eine  Wette,  eine  Ausfordernng 
gälte,  die  Hercules  im  kecken  Vollgefühl  seiner  Muskelkraft  hier 
übernommen  hätte?  IMau  war  durch  die  satvrisciien  Dramen  auf 
der  griechischen  Bühne  schon  früh  daran  gowiihnt  worden  **),  den 
böolischen  Hercules  mit  seinem  gediegenen,  überall  mit  Fleiscü- 
masseii  ausgepolsterte!!  Aliiletenkörper  uud  mit  der  nnersälllichcn 
Efslust,  die  solchen  Knochen  und  Muskeln  den  Nahrungssaft  zu- 
führte, als  eine  Art  von  lomltardischem  Tiufaldino  oder  alteiigli- 
scheni  Clown  in  bäurischer  Maske  zu  sehen  ,  und  ihn  als  solchen 
auch  als  Spafsmacher  im  grofsen  Divan  der  Olympischen  Götter 
belachen  zu  lassen.  Die  Alexandrinischen  Dichter  benutzten  die- 
sen Stoff'  und  liefsen  es  in  ihrer  Art  nicht  an  Lazzi  und  Concetti 
fehlen,  nni  den  Hercules  bei  den  Göltermahlen  und  Conversationen 
im  OIvmp  seine  spafshafte  Rolle  fortspielen  zu  lassen.  Statt  meh- 
rerer Beweise  darf  man  sich  hier  nur  an  die  bekannte  Stelle  in 
dem  Hvmnos  des  Callintachos  auf  die  Diana  berufen.  Die  ibifsige 
Jägerin ,  sagt  der  Dichter ,  liefert  für  die  himmlische  Küche  man- 
chen schönen  Braten  von  Schwarz-  und  Rothwildpret  ab,  wei- 
ches sie  mit  eigenen  Händen  erlegte.  Wenn  sie  in  den  Vorhof 
einfährt,  eilen  ihr  die  übrigen  Götter  entgegen,  um  ihr  bei'ui 
Absteigen    uud    Abpacken    Hilfe    zu    leisten.      Das    Wildpret    hob 


*)     Peintnres  des   vases  antiques.  T.   It.  pl.  X. 

**)    S.  Visconti  zum  Pio  -  Clenientino  'f.    II.   1.  54.     Heyne   zum 
Apollodor  p.  134.  Neue  Ausg. 

24* 


372 

sonst  üir  I3ui(lcr  Apollo  vom  Wa2,cn.  Aber  seil  Hcrculos»  mit 
zur  Götlorlaiiiilic  gcliürt ,  liifst  sich  dieser  das  Gesdiält  nitlit 
nehmen  *). 

—  Denn  ps  stellt  nneriniUlet  jetzt  an  den  Pforten 
Herakles  sehnsuchtsvoll  dein  Iiairend,  oh  du  mit  feüer 
Beute  der  Jagd  riickkchrst.     Laut  liallt  der   Bewohner  Olyinpos 
Unaufliörliclie  Lache,  der  Scliwiegermutter  vor  allen. 

Die  Sache  wird  dort  noch  viel  weiter  for(i;efiilirt.  Hercules  lr;io;t 
den  lehendia,'  a;efani;eiien  zappelnden  Eher,  ihn  hei'm  Hiiiteifiilse 
faait^nd,  davon  «nd  zerwirkt  ihn  auf  der  Stelle,  seinem  Ileifslmniter 
einen  dreimal  willkommenen  Inihifs.  Man  kann  sich  leicht  vor- 
stellen, <!afs  auch  die  hildende  Knnsl  sich  dieses  SlolIV.s  hemücli- 
ti2;l«  «nd  in  der  Trink-  und  ECsliist  des  Gottes  sich  manclie  scherz- 
linl'le  Darstellunn:  erlanhie.  Noch  sind  nieiireie  al(e  Denkmiiler 
vorhaiidfii,  die  den  im  Olviup  sclimaiisendcn  und  zechenden  iler- 
cnles  mit  «nd  oline  seine  liehe,  olt  nnr  von  Sal\iisken  hedienl, 
uns  in  der  sinnlichsten  Behaglichkeit  vor  An^en   hrin^en    **\ 

Warum,  so  diirite  man  IVa^en,  könnte  nicht  also  auch  hei'm 
Göllerhauket  zur  lusti,ü,en  Stunde  Yaler  Zeus  wiwier  einniiil  eine 
Rodomoutitde  der  Art,  wie  dort  im  8len  Gesaui»-  der  lüas  ***) 
mit  der  Ije.'iichliiiteu  u,üidenen  Ketle,  an  welche  sich  alle  GöKtM- 
liänuen  und  ihn  doch  uichl  herahziehen  können ,  w:ihrend  er  sie 
alle  aul  einmal  dansit  zu  sicli  hernnzieht ,  unter  die  lihrigen  Gölter 
hingeworfen  nnd  gefraiil  haben,     wer  es  vermöge,     ihn    auf  dem 


*)     Calliniaclius,  H.  in  Dlan.  l46.  fF. 

**)  Am  l)ekanntesten  und  reciit  eigentlich  zur  Titelvignette  eines 
Trinkahnanaciis  geeigiK-t  ist  Hercules,  der  Zecher,  Ercole  hihace, 
auf  ei^eni  ausdrucksvollen  Relief  in!  Museo  Pio  -  Clementino  T. 
IV.  tav.  MN'.  Daidii  geliert  ancli  die  Vorstellung  aus  der  Apo- 
theose des  Hercules  in  der  Villa  Albani  hei  Muratori,  Inscript. 
T.  L  !•.  LX.  nnd  in  der  Nachahmung  in  Guattani,  Notizie  per 
fanno  1786.  Giugno  T.  HL  Diese  Scenen  sind  alle  im  Olymp 
gedacht.  Aber  es  gieht  auch  einen  taumelnden  und  von  Bacchus 
besiegten  Hercules,  wie  ihn  uns  das  Relief  im  Mnseo  Capitolino 
T.  IN',  tah.  C3.  nnd  die  goldene  Scliiissel  in  der  kaiserl.  Biblio- 
thek in  Paris  darstellt  in  Millin's  Monuinens  inedits  T.  L  pl. 
21,,  wobei  ."Vlillin  p.  244.  tf.  alles  liierher  (xeliöiige  sammelte. 
In  dieser  Vorstellung  zeigt  sich  der  feine  hellenische  Sinn.  Der 
(Vendengebende,  zarte  Gott  herrscht  da  siegreich,  wo  die  blos  auf 
Körpermasse  vertrauende  Plumpheit  taumelnd  unterliegt  oder 
wohl  gar  wie  in  einer  kleinen  Bronze,  im  Besitze  des  Ritters  De- 
nan, sicii  des  Ueberliusses  entladet! 

**♦)    llias  VI  II,  18.  tf. 


373 

Rücken  fortziid-a^en?  Eine  solilie  Ausfonlerimg'  reiHlriefst  uahir- 
lii'li  Niemand  rin;lir  als  den  stets  scljlaa;-  und  tniarferliireii  Hercules. 
Jlat  er  docli  einst,  als  er  noch  keinen  .Nektar  sciiliirrte,  die  g-atize 
Hiinmelsktijfel  nnt  allen  Göttern,  den  alten  Alias  aljlosend ,  rü- 
stiu;  auf  seine  Schultern  genommen,  tnd  er  sollte  den  Zeus  al- 
lein nicbt  auf  seiuen  Rücken  laden  und  die  Olympier  so  auTs  \J»- 
uidei-spreclilicliste  durch  den  Angcnschei/»  beJehreu  können,  dafs  er 
nicht  blos  einen  ganzen  Stier,  die  g-ewtilinliclie  Aufgabe  eines 
Ihessaiischen  Slierbändigers  mit  eiserner  Sehnenkraft  *) ,  sondern 
auch  den,  dessen  Siierabeutener  einem  ganzen  Erdtheil  den  Nameu 
gab,  sogleich  davon  tragen  könne?  Der  Augenbfick  also,  wo  Her- 
cules dieser  Auffordernng  Genüge  leistet,  wiire  ilcv  Gegenstand  un- 
serer Vasenzeichnnng. 

Oder  wie,  wenn  man  sagte ,  es  h.ltten  die  Olympier  einmal 
bei  einer  Anwandlung  »ufserordentlicher  Lustigkeit  allerlei  kurz- 
weilige Spiele  getrieben.  Unter  diesen  befand  sich  nun  auch  un- 
streitig das  Anfhockesjtiel  oder  das  Huckebark  -  Tragen  (joner  h 
theval  fondn),     welches    bei    deu    Alten  sehr    gewöhnlich  war  ♦*) 


*)  Die  bekannte  forza  d'Ercole,  die  Bändigung  des  cretensiscbeii 
Stieres,  bestand,  wie  Visconti  zum  Pio- Clementino  T.  IV,  p. 
86.  selir  wohl  bemerkt,  eigentlich  daiirr,  dafs  er  Kraft  genug  liat- 
te,  ihn  von  Creta  bis  Argos  zum  Eurystheus  lebendig  fortzu- 
schleppen. Hercules  ist  hier  nun  das  Vorbild  und  der  Scbutzt>a- 
tron  jener  alten  Athleten,  deren  Riesenkraft  so  weit  ging,  den  im 
Laufe  eingefangenen  Stier  lebendig  auf  dem  Rücken  über  das 
Stadium  zn  tragen,  wie  es  Milon  zu  Olympia  that.  S.  Athenätis 
X.  p.  412.  und  Jacobs,  Animadv.  ad  Analect.  Vol.  H.  P.  I.  p. 
190.  S.  die  A  bhandlu  ng  über  die  Stierkämpfe  im  Go- 
tbaisclien  T  as  cbenk  alen  d  er  von  1804.  S.  52.  und  die 
daraus  von  Millin  gezogene  Vergleicliung  der  thessalisclien  Tliier- 
kiimpfe  mit  den  sogenannten  Ferrades  der  Kuhhirten  in  der  Land- 
schaft Camargue  in  der  Provence  im  Magazin  encyclopedjfpie  1<^03 
No.  Vi  11. 

*")  Das  Spiel,  welches  der  Romei-  mit  dem  allgemeinen  Wort  veliere 
bezeichnet,  der  Grieclie  durch  iir-ra?*,  hatte  nacli  und  nacli  eine 
Menge  künstlicher  Erweiterungen  und  neuer  Benennungen  erhalten, 
die  Meursius,  de  ludis  Graeciae  p.  3.  und  20.  nur  mangelhaft  an- 
führt. Die  Hanptstelle  ist  bei'm  Pollux  IX,  118.  119.  122.,  vergl. 
mit  Dan.  Heinse's  Anmerkung  zum  Ilesychius  T.  I.  c.  1541, 
18.  Es  iigurirt  auch  unter  den  Faunoruin  ludibriis  (Plinius  XX>", 
4.)  im  Gespensterglauben  des  Alterthums,  wodurch  die  bochkomi- 
sche  Parodie  der  drohenden  Hexe  Canidia  in  Iloraz  E[>udeu  17, 
74. :  Vectabor  Jmmeris  tunc  inimicis  e([ues  erst  ganz  deutlicli 
wird.     Auch   das    Aescbyleischc    A.xSn^zÄiiiv    im    Sinne   des   Ver- 


374 

nnd  sogar    in  Lnslspielcn    zur   crbaiiliiheii  Zwerclifcllorscbiiltening 
des    giinzcn    ziiscIiinioiiiltMi ,    sonvoiäiifii    PiJhels    zuweilen    aiit'    die 
Bülinc  gobrjulit  wiinle.      \N'eiii_uslens   iiiebt    es   ein    zienilicli  langes 
Intermezzo  in  der  Asinaria  oder  Esel.slvoniödie  des  Plaiilns  *),     wo 
ein  verliebter  Jüngling,  um  das  CJeld   znr  Loskanfnng  einer  gelieb- 
ten Sklavin  in  seine  Hände  zn   bekommen,     sieb    endlich   bequemf, 
seinen  eigenen  Sklaven  ani'znboeken ,     der    ilin    dann  unter  allerbü 
Seiirrililälen    tind   l]oekss|irnngen    wacker    bernmtraben    läfsl.      Es 
war  seiner  Nalnr  nacli  ein   bänerisclies  Spiel,    welswei;en  es  ancb 
unter  die  Attitüden  gekürte,    die  man  bei  IJaccbanalen  nnd    AVein- 
lesefesten  am  bäniigsten   vornalim ,     nnd  die  man    nocb   jetzt    unter 
den  Sdgeiiaiinlen  Scherzi  fanncschi  aiil'  allen   Denkmäleru    abgebil- 
det   rmdcl.      Der    scharfsinnige     Cajius    hat     daher    vollkommen 
Recht,    wenn  er  einen  Aehalinlaglio,    der  eine  Yorsteliiing  der  Art 
enthält,  auf  Satyrspiele  bezieht  **).    Die  lächerlichste  nnd  groteskcstc 
Vorstellung  der  Art  auf  einem  antiken  IMarmonclief  lindet  der  ge- 
neinle  Leser  bei  einem  Spaziergange  durch  den   vielfacb  einladen- 
den Park  des   Herzogs   von  Dessau   in   Wörlifz,     Er  datl'  dort  nur 
in   einer  kleinen    Enti'ernnng  vom  Schlosse   einen   gemauerten   (iar- 
tensilz  gegen   den  See  zu   aufsuchen  ,    der  auch  darum  merkwiirdig 
ist,    weil  er  als  der  erste  Yerschönernngsveisiich  des  kunstlicben- 
deu  Fürsten  vor  seiner  italienischen  Reise  angeseben   werden  kann. 
In  die  Mauer  ist  ein  iu  mehrere  TbeiN;  zersägtei-  aller  Sarkophag 
eingefügt,    wovon  das   eine  Relief   unser  Aufhockespiel ,    als  eine 
Satyrscene  darstellt.      Einen   ziegcnfnfsigen   Pan  hat  ein  Salyr  auf- 
gebockt,   dieser  hält  ihm  aber  die  Hände,    die  jcnei'  uüi  den  Hals 
des  Satyrs  geschlungen  balle,  fest  znsammen ,    während  ein   ande- 
rer  Salyr    mit    einem    derben    Knüttel    auf  die    Hinterbacken    des 
Waldgotics  lospaukt  ***). 


spottens  (^Eumenid.  145.  728.)  dürfte  am  Iciclitesten  aus  diesem 
Spiele,  wo  der  Besiegte  den  Sieger  zur  Strafe  tragen  mufste,  zu 
erklären  sein. 

*_)  Plantus  Asinaria  Ilt,  3,  117.  ff.  Die  Stelle  im  Terenz,  Heaut.  IV, 
3.  15.  mufs  auch  daraus  erklärt  werden.  (Die  Stelle  des  Plautus 
vs.  113.  118.  besagt  nur,  dafs  die,  die  einen  Andern  trugen,  wie 
vierfiifsige  Tliiere ,  zu  zweien  bald  langsam,  bald  im  Trabe  gin- 
gen, nicht  aber  ilm  aufhockten;  unser  Vaseubild  kann  daher  auf 
jenes  S[nel  nicht  mit  Recht  bezogen  werden.     Beck.) 

**)     Recueil  d'Antiquites  T.  11.  pl.  83.  4.  p.  294. 

***)  Aus  Jenkin's  Sammlung  bildete  dieses  Relief  Guattani  ab. 
S.  Notizie  per  l'anno  1786  Aprile,  tav.  It.  (Aus  dieser  Zeichnung 
nun  haben  wir  die  Worte  des  Verfassers,  dafs  der  Pan  den  Satyr 
trüge,  verbessert.     Uebiigens  geht  dieser  den  Pan  tragende  Sat\r 


37Ö 

AUeln   l)ei'in   Liclile  holraclilef ,    iiallcii    alle   dlose  Dctitaiii^Pii 
nicht  reclit  Slicli.     Alles  kömmt    daiaiil  an,     die   IJosfimiimiiü,'  des 
(.■Jerälhes    riciitii;"  zu  fasson ,   das  der  BTalcr   dem  God  in   die  linke 
IlamI  geliehen  liaf.     Dafs  es  ein    llorn    sei   tiiid   die  aniiallenilste 
Aelinliclikeit  mit    tleiii    Frnelit-  lüid    ÜciterlJiirslioin  lialie ,     welches 
auf  so  vielen  Denkmälern    nnd  anl'   einer  sehiineii   Vase  der  zwei- 
fen  Ilainilton'sehen  Sanimlnng-  auch  in  di'ii   i Luiden  des  Zens   vor- 
kommt   *) ,     wer   nia_ü,-   es    len,ü:iicn?     Allein    kann    nicht    dasselbe 
•Horu  ancli   noch   zu  einem  anderen  Zwecke  j^ebraneht  worden  sein? 
Ein    leeres    Füllhorn    ist  ein   vollkommener   \Vidersj)ruch ,     ein 
Holzeisen  oder  Weinwasser  (für  die  Gaste,  versteht  sich,   nicht  für 
die   Wirlhe).     Und   wirklich  erblickt  man  ü!)erall,    wo  ein  Füiliiorn 
darn;estellt    werden   soll    und    es  die    Kleinheit    des    Ptanmes    nicht 
schlechlerdini'S  verbietet,   wie  etwa  auf  Münzen,    ancli   diese  Fülle 
selbst  über  dem  Rande  des  Ilorns  angedenfef.     Auf  unserem  IJilde 
ist  davon  nicht  die  geringste  Spur  zu  entdecken.     Auch  wüide  die 
vorwärts  gesenkte  Lage    des  Ilorns  uns  bang    machen  ,    dafs  hier 
ein    Gt'gi'iisliuk    zu    den    bijoax    indiserefs    oder    zu    dem    Bliiiueii- 
kiirbchen    der  geraubten    Europa    und    Proserpina    geliefert    werde. 
Wie  aber  nun,    wenn   es  kein  Füllhorn,  sondern   ein  T  r  i  n  k  horu 
wäre?      Wenn  überhaupt  in  der  ganzen,  namenlos -zaiili  eichen  Fa- 
milie der  Trinkgescliirre    die    Hörner  von  Tljieren ,    besonders  die 
Ziegen-  nnd  Büifelhörner,  auf  der  ganzen  Maj)pemonde  dos  gour- 
mniids  den   weitesten  Ramn  beschreiben  und  von  dem   Wendekreise 
an  bis  zu  der   nördlichsten  Breite ,  sogar  über  den  Polarkreis  hin- 
aus, angf'lroffen   werden ;    so  ist  besonders  auch  die  ganze  giiechi- 
sche  Welt   voll  Trinkhörner  in  allen  Forujen  nnd   SloiFtMi,   nnd   bei 
einem    echten   griechischen    Bacchanal    mag    eher    das    Stünspfchen 
Licht  im  Kopfe,  Vernunft  geuanni,  als  das  Hörn  in  der  Hand  des 
Zechers  fehlen.     Denn  sagt   niciit  «ler  römische  Dichlor,    der  seine 
iträftigstcu  Aufmunterungen    zum   Trünke    nur   den    Griechen    ver- 
dankt, von  dem  Znslande  der  Beseligung  durch  die  Flasche:    der 
Bettier  nimmt  sich  Hörn  er?    Welches  wohl  auch  aus  Gö- 
Ihe's  Pialtenfäuger  so  zu  parodiren   wäre: 

da  werden  alle  Oliiichosen  trutzig 
und  alle  Bettelbuben  stutzig  **), 


nicht  auf  vier,  sondern  auf  zwei  Fiifsen,  ganz  wie  unser  Hercu- 
les einher.     Beck.) 

*")     Tisch  bein's  Engravings  T.  lY.  pl.  25. 

'')  Tunc  panper  cormia  suniit.  (Ovid.  A.  A.  I.  238.,  wo  jedoch  das 
Wort  coriiua  nur  sprichwörtlicli  von  \Iutli ,  Kiilinlicit  zu  verste- 
hen ist,  wie  bei  llorat.  Od.  MI.  21,  18.  vom  Weine  addis  cor- 
uua  pauperi,  wo  man  die  AusU-gci  vergleiclie.     Beck.) 


376 

Die  ßpütere  »riecliiscbe  Spiiulic  hatte  für  Jie  KiiiistHdio  Naelialim- 
ung  dieses  TriiiUliornes  in  Gold  und  Silber  eine  eiü,"ene  Benenn- 
iiug,  die,  l>nclistäl)lioli  übersetzt,  bei  nns  etwa  ein  Rinnekänn- 
cben   oder  A  us  s  t  r  öni  I  i  n  12,-   beifscn    würde  *), 

Wie  unn  ,  so  dürfte  es  ja  wohl  erbinbt  sein ,  noili  weiter  zu 
fransen,  wenn  die  sonderbare  i-iaj^e,  in  welcher  wir  hier  den  Vater 
Zeus  erblicken  ,  mit  der  vielfassenden  Gejänini»kcit  dieses  Trink- 
{^escbirrs,  die  nns  an  das  kolossale,  30  Ellen  lange,  goldene 
Trinkborn  iiu  Prnnkaufzuge  des  Ptoleniäos  Phlladelplios  zn  Alexan- 
dria **)  erinnert,  in  geuaiienj  Znsanimeabaniie  stände,  nnd  wenn 
die  Leerheit  dieses  t-ewahigen  Pokals  ntit  der  Fülle  ioi  Haupte  des 
donnerlnsligen ,  wolkenversaniinelnden  Aegidensebüdlers  wie  Ursa- 
che zur  Wirknng-  sich  verhielte?  Say-en  wir  es  nuithi^  nnd  ohne 
Uniscbweif  lieraus.  Zens  hatte  zn  tief  in  diesen  Pokal  gegnckt 
und  bedurfte  nun  —  zwei  fremder  Füfse.  Man  könnte  sich  den 
Verlauf  der  Sache  etwa  so  denken.  Die  Giilter  haben  bei  den 
imslräflichen  Aetbiopcn  ihren  Jiihrbesuch  abgelegt.  Monuis  allein, 
der  heillose  Pascjnino,  war  zu  Hanse  geblieben.  Da  spendete  Va- 
ter ü'-eanns  vom  älteslen  INeklar  ein  Fafs.  Die  Tauben  ,  welche 
einst  bei  Jiipiler's  Geburt  zur  heiligen  Grotte  am  Ida  dem  neuge- 
borenen Gültersobne  die  erste  Nahrung  brachten ,  ballen  mit  ihren 
Schnäbeln  aus  eben  diesem   Fasse  geschöpff.     Und  dcu  Allvater, 

der   mit  gelass'ner  Hand 
segnende  Blitze 
aus  rollenden  Wolken 
über  die  Erde  sä't, 

berührte  mit  unwidersleblicher  Gewalt  der  ambrosische  Duft ,  der 
von  diesem  Nektar  aufstieg  und  Himmel  nnd  Eide  erfüllte ,  mit 
dunkler  Erinnerung  der  Sül'sigkeit ,  die  zuerst  seine  kindischen 
Lippen  sogen.  Er  schupfte  mit  gewalligem  Pokale  1  Dem  gölt- 
lieh Berauschten  lieh    der  fromme   Sohn  seine  Schultern,     um    ihn 


*)  Ptrs»  vom  veralteten  Övm,  ovtw,  Lenn  ep,  Etymolog,  p.  848.  Alles, 
was  üljer  diese Bechert'orm  gesagt  werden  kann,  sammelte  Miliin  in 
den  Münnmens  inedits  T.  1.  p.  170.  flg.,  der  auch  T.II.  [A.  12.  p.  102. 
eine  AMüldnng  eines  Trinkhorns  in  gebrannter  Erde,  das  in  einen 
Gemsenkopf  endigt,  gegeben  Jiat.  Einen  goldenen  Becher  der  Art 
nimmt  Agatbokles ,  indem  er  sicli  seines  Töpferliandwerks  erin- 
nert, bei'm  Diodor  T.  II.  p.  452.  mit  "VVes  selin  g's  Anmerkung, 
lieber  den  Gebrauch  der  Trinkhörner  überhaupt  giebt  schon  J.  A, 
Fabriz  in  seiner  Bibliographia  antirjuaria  p.  877.  eine  Menge 
Cifate. 

**)     Atlieiiäus  V.  p.    202.  l-:.  oder  T.  II.   p.  282.  Schweigh. 


377 

zur  Ruhe  2U  bringen  *).  Vafer  Zens,  in  den  Znsfand  versetzt, 
wo  man  zwei  Sonnen  sieht,  glaubt  den  sechsfach  gezackten  Don- 
nerkeil gepackt  ZH  haben  und  trägt  —  das  uiienncfsiiche  Trink- 
liorn  **). 

Aber  dnrfte  sich  anch  der  hichende  IMaler  einen  so  profanen 
Scherz  mit  der  himmlischen  Majestät  crianbeu  ?  VVarnm  nicht? 
Dann  dürften  auch  keine  Aristophaiiesse  und  Lnciane  gespottet  ha- 
ben. Mit  demselben  Reclite,  wonjit  der  alte  epische  Dichter  Eu- 
melus  in  seiner  Titanomachie  vom  Jupiter  singen  konnte: 

Mittenin   tanzt  der  Erzeuger    der  Götter    und  Mensclien   den  Rei- 
gen ***), 

konnte  ihn  ein  Maler  anch  berauscht  vorstellen ,  da  nach  den 
BegrilFen  des  Alterthnms  ein  tanzender  Zens  noch  weit  mehr 
Aergernifs  geben  mufsle  als  ein  taumelnder,  nnd  beides,  nur  ans 
derselben  Quelle  entspringen  konnte. 

Üeberhanpt  mufs  man,  um  an  dergleichen  Scherz  und  Mnth- 
willen  in  den  Darstellungen  der  alten  Gütterwelt  kein  Aergernifs 
zu  nehmen,  selbst  erst  ein  Grieche  werden.  Man  kann  nichts 
Bündigeres  nnd  Treffenderes  darüber  sagen,  als  wie  es  in  einer 
Abhandlung  über  die  Erziehung  der  Griechen  zur 
Sittlichkeit  von  dem  einsichtsvollsten  Kenuer  des  H»^llenisnins 
Jacobs  neulich  gesagt  worden  ist  f ) :  „Dafs  die  hellenische  Re- 
ligion in  ihren  einzelnen  Eleuienten  keine  Muster  der  Sittlichkeit 
darbot,  füllt  in  die  Augon  ;  doch  haften  alle  sittlichen  Gebrechen 
der  Gtittei'  an  ihrer  Ve  r  kö  r  p  er  n  n  g.  Die  in  die  Schranken  der 
menschlichen  Natur  nun  einmal  gefesselten  GoKer  konnten  von  dem 
Zwan:jgesetze  der  Menschheit  nur  dadurch  entbunden  werden,  dafs 


*")  Was  lüer  Hercules  dem  Zeus  tluit,  leisten,  nnr  nicht  durch  Dar- 
leihnng-  ilires  Rückens,  sondern  blos  als  Schil(lknai)pen  nnd  Waf- 
fenträger, dem  Hercules,  als  Urahn,  die  vergötterten  macedo- 
nisclien  Könige  Alexander  und  Ptoleinäos  Lagu  bei'm  Tlieolait 
XVII,  28  —  33.  Den  bei'm  Götterschmaus  benebelten  und  voia 
duftenden  Nektar  vollen  Zedier  leiten  die  Söhne  zum  Sclilafge- 
macli  der  Hebe.  Die  ganze  Stelle  ist  darum  merkwürdig,  weil  sie 
uns  in  die  Speisesäle  und  Kammern  des  Olymps  vertraulicli  ein- 
führt. 
**)  (Jupiter  könnte  scliwerlich  in  seinem  Ransche  jenes  Hern  halten; 
denn  den  Blitz  scheint  er  nicht  zum  Schmause  mitgenommen  zu 
haben.  Der  IMaler  aber  nnifste  ihm  das  Hörn  in  die  Hand  geben, 
um  seine  Absicht  deutlich  zu  machen.  Beck.) 
***)     Athenäus  I.  22.   C,  oder  T.  I.  p.  85.  Schweigh. 

i")     In  den  Denkschriften  der    königlichen    Academie    der 
Wissenscliaf tcn  in  München  für's  Jahr  1808.   S.  43,  f. 


378 


ilineii  Alles  frei  filand.  Ilire  liherscljwäni^lichc  Kraft  inodife  fnn 
slu'ljtMi,  was  sie  wollfo  iiml  Ivoiuilo,  und  inir  diese  Krall  isl  os,  ilie 
in  den  wnnderltarcn  Falicln  von  üik-ii  !s.;in>|)!"('n  nnd  Lifliscliallcn  Lor- 
vor(rolon  soll  1  Die  Last  des  .Sill(>iii;r.srlz('s  diesen  freien  Naiiiren 
anlziiIiürdeM  oder  ilirc  Handlnn,ij,en  naeli  dem  Mafss(alic  nienscldielier 
Tn«!,endea  zu  messen,  k(»nii(e  INieniaiid  in  den  Sinn  kommen," 
Ganz  so  erscheint  uns  aneli  schon  der  ilomerisclic  Zons.  So  wie 
er  im  iihcrscliwän:>iiclicn  Gefiihl  seiner  Kraft  seine  Jnno  vom 
Olvnjj»  lierahliängen  läfst  nnd  ilir  zwei  Ambofse  an  die  Füfse  Idn- 
<let ,  und  wie  er  zürnend  seinen  Sohn,  den  Hephästos ,  znr  Erde 
lierahschlendert ,  so  miifs  es  ihm  ancli  i>es(a(tcf  sein,  durch  eine» 
einzigen  Trunk  alle  sterhliche  und  nnslerhliclie  Zecher  zu  liherhie- 
(en,  Dafs  nun  aher  auch  er  die  Folgen  dieses  Trunks  wie  wir 
schwachen  Erdensöhne  empfindet  und  auf  keinem  Beine  mehr  slc- 
hcn  kann ,  das  ist  eben  der  Triumph  des  Eclitkomischen  in  der 
griechischen  Lusligkeit  und  ein  neuer  üewcis  ,  dafs  die  (j)uellc  des 
wahren  Ijächerlichen  nur  int  Gonfrasle  zu  linden  isl.  Denn  ehea 
darin  liegt  auch  in  den  Aristojdianisciien  i'arcen,  deren  Scherz  mit 
den  GüKern  man  so  oft  der  Riiclilosigkeit  nnd  Frechlieit  hczi'ich- 
(igle ,  die  lächerlichste  Lächerlichkeit,  dafs  diesen  allgewalligeu 
Kral'lnaluren  die  Schwäche  und  Bedürliii.sse  des  menschlichen  Noth- 
siandes  aufgeheftet  werden.  Dichlkiinsl  und  IJildnerei  trafen  hierin 
auf  eine  reiche  Fundgrube  von  ergöizen<leii  Darstellungen.  So  wie 
liier  ein  geislreicher  Maler  »len  Zeus  im  Zustand  der  Trunkenheit 
darstellte,  so  henulzte  Clesiiochus,  der  Schüler  des  Apelies,  die  Fabel 
von  dec  Wiedergeburt  des  Bacchus  ans  der  Hülle  zu  einem  mnth- 
wiiligen  Gemälde,  Zeus  in  der  W  o  ch  c  n  s  t  u  be  ,  wo  der  bäi- 
tigc  Vater  d<!r  Götter  und  Rlenschen,  mit  einer  \Veii)erhauhe  auf 
dem  Kopfe  die  harten  Gelmrtswehen  nnler  Aechzen  nnd  Slüimen 
verarbeilend ,  unter  den  dienslferligen  Händen  der  Hel)ammengiittiu 
förmlich  accouohirt  wurde  *).  Diefs  glänzt  indefs  schon  sehr  an 
die  eigenlliche  Carricalur  nnd  tritt  in  die  Klasse  von  Vorslellnn- 
gen  ein ,  in  welcher  wir  auf  einer  herüiimten  ,  vordem  von  Ila- 
fael  Mengs  besessenen  nnd  von  da  nach  Petersburg  gewan- 
derten Vase  **)  die  beiühmlesle  aller  Hahnreigeschichten  er- 
blicken, wie  Jupiter,  in  die  Fralze  eines  Pantaione  oder  JMac- 
cus  der  ulteslen  Possenspiele  veilarvt,  bei  der  schönen  Alkme- 
iie  zum  Fenster  einsteigen  will,  während  «ler  verschmitzte 
Brighelia  IMerkur  seinem  durchlauchtigsten  Gcbieler  mit  dem 
Diebeslämpcheu    vorleuchlel.     Sehr    bedeutend    und    geistreich   sind 


*)    Plinius  XXXV.  S,  40,  33. 

*")  Bei  Wiiickelniaiin,  Moiiumenti  inediti  n.  190.  Am  befsten  in 
dTIaucarville,  Antiqtiites  Klrnsipies,  Grecqiies  etc.  'i'.  IV.  pl, 
105.  Auch  als  Titelkupfer  in  Falk's  Taschenbuch  für  Freund«; 
des  Scherzes  1803. 


379 

dabei    das    Seheffolmars    auf    dem    Kopfe    des    travestirteii    Jupi- 
fers   und    der   sclieliuiscli    zur    Eide    2,eseiik(e    Cadiicens  dos  kup- 
pelnden   Ilinimelsljolen    anyebraclif.     Eisteres  war  auf  den  Kilpfeii 
des  Jupiter -Serapis  und  anderer  Gotllieifen  das  ausdruokA'oIle  Zei- 
chen   der    Frnclilliarkeit;     und    einen    reidilichen    Eliesegen    bringt 
auch    hier    der    Gott   in    niodriarcr    Knechtsyestalf.      Der    "osenkte 
GiJUerstab  charakterisirt  den  Gelegeiihcitsniacher,  den  Pseudososias, 
der    doch    nni  Alles    nicht  erkannt    oder    eilappt    sein    möchte.     lu 
dem    Gem;il(le  auf  unserer    Schale    ist   nur    der    Gedanke    komiscb. 
Die  Gruppe  selbst,  ein  Musler  der  schönsten  Zeichnung,   hat  auch 
nicht  den    k-isesteii    Anstrich   von    Travestirung.     Aber    es    befand 
sieb  vor  nschreren   Jahren  in   Neapel   eine  Yase ,     worauf  dieselbe 
Vorstellung   des    vom    Hercules    aufgehockton     Olympiers    mit    Zu- 
sätzen und  Nebenfiguren  ausgeführt  war,    die  schon   weit  mehr  au 
ein  komisches  Spotlbild  auch   durch  die  Gestalt  erinnerten  *).    Auch 
auf  ilir  hat  Jupiter  das  Trophäum  seines  Kampfes,  das  Trinkhoru, 
in  der  Hand.     Aber  I\Iercur  geht  dem  Hercules  mit  dem  Botenstab 
leilend    voran.     Hercules    seihst    bedarf   also    wo  niclit  eines  Trä- 
gers,    doch   eines   Führers,    um  nicht  die  bekannte  Farce,    die  der 
Höllen  -  Breughel    in   seinen    drei    Betrunkenen    so  komisch  darge- 
stellt  hat,     schon    im  Olvujp  aufzufülircn.     I\Iau    sieht,  in   welcher 
Abstufung    auch   dort    das    Komische    herabsteigt    und    sich    immer 
mehr  zur  Travestirung  oder  Parodie  hinneigt.     Sonderbari  was  hier 
der  WUz  in  immer  üppigeren  Ausgeburten  und  Abarlungen  erzeug- 
te,   brachte  in   weit  späteren    Zeiten   die  fromme,    hier  wenigstens 
nichts   Lächerliches  bezweckende  Einfalt  zur   Welt.     Oder  ist  nicht 
der  i]Qn  Jupiter  tragende  Hercules  in  mehr  als  einer  Rücksicht  mit 
dem  lieiligeu  Clirislophel  in  der  Heiligenb'gende  vergleichbar.     AVie 
fromm  und  sittsam  Klingt   die    Erzählung,    wie    der    zum    Christen 
bekehrte  Riese  den  Herrn    der    Welt    in  Kindesgeslalt    auf   seinen 
Schullern  durch's  A\  asser  trug  und  aus  einem  Reprobus  ein  Chri- 
stophorus   wurde  **),    und   zu    welcher  Caricalur  ist  diese  barmlose 
Sage  in  Kirchenbildern   und  Holzschnitlen  verzerrt  und  verunstaltet 
I  'worden?  ***)   Wie  viele  andere  Gegeusläude  aus  der  heiligen  Gc- 

*)  Der  Verfasser  dieses  Aufsatzes  erhielt  eine  verkleinerte  Zeicbnnng 
von  dieser  Vase  ans  den  Händen  einer  Dame ,  der  sie  Hamilton 
während  ilires  Aufenthalts  in  Neapel  geschenkt  hatte.  Sie  wurde 
auf  seine  Veranlassung  auf  dem  Umschlage  des  Tasc  heab  u  c  Jis 
für  Damen  (bei  Cotta  in  Tübingen)  fiir's  Jalir  1809  abgebildet. 
Da  man  aber  hierzu  den  Steindruck  wählte  und  diesen  noch  nicht 
fein  genug  zu  behandeln  wufste,  so  felilt  es  dem  Abdruck  an  der 
geliörigen  Deutlichkeit  und  Kleganz. 

**)     S.  Legenden  von  L.  T  h.  Kosegarten.     Tb.  II.  S.  133  if. 

***)  S.  H  0  Iz  sclin  i  tte  alter  teutscher  Meister  von  R.  Z. 
r.  eck  er.  Heft  l.  C.  1. 


380 

sdiiclite  sind  auf  lilinliclie  Weise  auf's  Lärherliclisle  von  der  an- 
<liiclitii!:en  Einfall  in  Bild-  und  Srlmilzwcikon  tiavcslirt  worden  I 
]>JaM  denke  nur  an  die  vom  l^iriilsdalil  aufi^espiefste  Tanhc  und 
das  Eni|>i"äni5nifsei  in  der  Kirche  zu   Kustnitz  *). 

^^  ie  inauclie  Beliaclituni^  licl'se  sieh  noeh  an  diesen  unseren 
Jn|iileiir.ijier  knüjjl'en  I  Lnü,ebengt  und  rüstig  vorschreilend  träi»! 
Hercules  den  Donnerer  davon  ,  von  dessen  beweglen  Augenwim- 
pern der  ülvuij»  erzilterf.  Doeli  ein  kleiner  Bnbe  sprinü,t  ilnu  auf 
den  Nacken ,  dein  Gott ,  dessen  lieldenthalcn  und  Anslrcnü,nni^"en 
uns  den  Kampf  der  irdischen  iSalur  j^eren  die  menschliche  ver- 
siunhilden  **),  und  jjfebroclien  ist  die  Muskel-  und  Sehnenkraft  des 
nnl)esieii,haren  Lni-eheuerhiindigers.  Wer  denkt  hierbei  nicht  au 
jene  deuluui|,sreicheii  Alie;;orieen  auf  einigen  der  schönsten  j;<'sclinit- 
lenen  Steine  aus  <icm  Alterthumc  ***),  mg  der  Herrschfr  über 
IMenscIieu  und  Götter,  Amor,  auf  den  Schultern  des  Hercjiies  knie- 
end,  ihm  die  Löwenhaut  abreifst.  Vergel)lich  wehrt  sicli  der  Gott 
mit  der  gediegenen  Kiiobbenkeule.  Scli»»n  ist  er  mit  dem  einen 
Knie  auf  die  Erde  gesunken.  —  Er  unterliegt  und  dreht,  von  den 
JMädchen  der  Omphale  geputzt,  die  silberne  Kunkel.  Aber  ancb 
dem  Uebermafse  des  Trunkes  beugt  der  Heios  zuweilen  sein  Haupt. 
Fürwahr  als  Lvsipp  die  schon  im  Alterthume  besungene  Statue 
dieses  von  Bacchus  überwältigten  Löwenbändigers  verfertigte  ■]-), 
echwebte  dem  begeisterten  Künstler  vielleicht  ein  Bild  vor  Augen, 
wo  Hercules  der  Jupiteilräger  auf  unserem  Yascngemälde  ist.  We- 
nigstens hebt  sich  durch  diesen  Gegensatz  auch  jene  Bildung  des 
Besiegten  noch   sinnreicher  hervor. 

Sollte  Cd  nun  bei  unserem  Jupiterträger  auch    noch    einer  be- 


♦)     Erinnerungen  von  Fr.   v.  ]\Ia  t  tli  is  o  n.     TIi.  I.  S.  188. 
**)     S.  Biittmaiin's    Vorlesung    iiljer  den  Mythos  des  Herakles,    be- 
sonders S,  34  IT. 


*** 


')  Der  Carniol  im  Miiseo  Florentino  T.  I,  tab.  38,  6,  Der  Jaspis 
in  der  kaiserl.  französisclien  Sammlung  bei  Mariette,  Pierres 
gravees  T.  I.  i)l.  81.  Vergl.  Lippert's  Daktyliotliek  I,  003  —  6. 
•}•)  Ueber  Lysipp's  liild,  wo  der  trunkene  Hercules  als  vom  Bacclius 
bezwungen  dargestellt  wurde,  läfst  uns  das  griechisclie  Kpigraniin, 
Analect.  T.  III.  ahtCT.  P-  211.  CCLXXXVII.  nocii  immer  in  Uii- 
gewifslieit.  S.  Miliin  zu  den  Moniimens  inedits  T.  I.  p.  247. 
Aber  es  war  liüclistwalusclieinlicli  aucli  ein  vom  Amor  berauljti-r 
nnd  iiesiegter  Hercules  unter  den  Bronzen  des  Lysipp ,  (der  den 
Hercules  in  allen  Stellungen  und  Verhältnissen  durchbildete,  s. 
Heyne,  priscae  artis  opera  ex  epigr.  Gr.  Comment.  I.  in  iIl'H 
Comnientat.  Gotting.  T.  X.  p.  87.)  die  uns  die  Ei>igiammatisten 
Pliili[>pos  nnd  Tullius  Gcminus  beschreiben,  Analect.  '1'.  H.  p.  :i'i6. 
LH.  p.  280.  IV.,  vergl.  Jacobs,  Tempe  I,   160,  f. 


381 

sonilcrcii  Niilzanwoiuliin"  liodürfiMi "?  Die  Predigt  ist  sclileclit,  die 
iiotli  am  Ende  bt'soiidrre  Eiwci  knii^siiiigel  ciiischlau;en  ninfs. 
\ielU'ii-h(  iiilft  iius  eine  Parudie  iiadi  Aiiakicou  ditTsuial  aus  der 
Vtrloyenlieit  I 

Die  schwarze  Erde  trinket, 

Es  trinkt  der  Baum  sie  wieder, 

Das  Wasser  trinkt  die  Lül'te, 

Die  Sonne  trinkt  das  Wasser, 

Der  Mond  trinkt  Licht  der  Sonne, 

Und  was   aus  Mond  und  Sonnen, 

Aus  Wässern  nnd  aus   Lüften 

Als  Fünftelsaft  sich  läutert, 

Trinkt  in   der  Ncktarschale, 

Mit  grofsen  Hörnern  sc]iü])fend, 

Der  Götter  und  der  IVIensclien 

Grofsniäclitiger  Beherrsclier. 

Uud  steigt's  ilim  in  die  Krone, 

Kommt  Hilfe  von  dem  Sohne, 

Der  trägt  ilin  gleich  vom  Schmause 

Zu  Jnno  in  die  Klause. 

Ich  will  micli  auch  betrinken ! 

Uir,  Freunde,  sollt's  nicht  wehren. 

Ich  trinke  Zeus  zu  Eliren, 

Und  werde  gleicli  bei'm  Trinken, 

Will  Hercules  niclit  hören, 

In  Morpheus's  Arme  sinken. 


(So  wie  Büttiger  auch  an  anderen  Orten ,  z.  B.  in  der  Amalthea, 
gegen  die  Zumuthung  protestirt  liat,  als  wenn  die  unter  Nr.  III.  be- 
lindliche  Deutung  des  Millin'schen  Vasengemäldes  et^vas  mehr  als  Scherz 
sein  sollte,  so  theilt  er  besonders  in  der  ISH.  in  Dresden  bei  Walther 
erschienenen  ar  c  Iiä  o  logis  c  h  en  Aehrenlese,  Sammlung  1.  S.  4. 
iigd.  seine  eigentliche  Ansicht  über  jenes  Bildwerk  mit.  Schien  es  nun 
aber  nicht  gut  getiian,  die  längere  Abhandlung  Böttiger's  wegzulassen, 
die,  wenn  auch  scherzhaft  im  Texte  selbst,  doch  ganz  ernsthaft  in 
den  Anmerkungen  auftritt,  so  war  man  es  ihm  eben  so  schuldig,  zu 
verhüten,  dafs  nicht  etwa  noch  nacli  späteren  Jahren  ihn  hier  ein 
Vorwurf  treffen  könnte.  Es  folgt  daher  als  notliwendiger  Nachtrag  die 
eigentliche  Erkläiung  des  Bildes,  wie  sie  in  der  Aehrenlese  sich 
findet.     Anmerkung  des  Herausgebers.) 


Anfscr    den   gloekenfönni^cu,    uielir   oder   weniger  vielunifas- 
senden    Vasen    mit   scbwarzea    und     rotlieu     Moaoclaomcn     giebt 


382 

CS  aiu'li  eine  ganze  Reihe  von  beiuallen  flaelien  Srhalen  in  ge- 
Itrauiiter  Erde,  die  gleiclilalls  in  den  Giäljern  von  Canipanien  und 
Giofsuriei'lienland  Jiefundrn  wnrden  und  ofl  die  ziorlichslon  Coni- 
posiliuiien  ans  den  bi'l'sU'n  Zeilen  der  uriecliisflien  Knnst  anf  dem 
ZL'ibreehlii'listen  und  ziigleieli  diinerliaflcslen  Sloll"  für  ein  Ge^rlileclit, 
das  einige  Jahrlausende  späler  Ichle,  ticnhch  aiil'bewalirt  liahen. 
Das  Gcinähle  einer  soli-lien  Schale,  die  sich  in  der  kaisciiiciien 
Bihlioilick  zn  Paris  l)elinde(,  ist  neuerlich  von  IMiilin  (in  den  Pcin- 
Inrcs  de  vases  anlicpies  T.  11.  |»l.  JO.)  in  dirr  Grölse  des  Origi- 
nals inilgelheilt  worden.  Aiigesehen  von  aller  Anslcgerweisheif, 
wie  meisterhaft  ist  die  Zeicliiinng  in  der  tragenden  nnd  getragenen 
Figur  I  wie  charakk-rislisch  ilcr  alliletisehe  Muskclhan  der  ersleren, 
nnd  die  im  Tanniel  noch  kräl'ligo  j\1annlieit  der  letzleren  !  Scherz- 
liaf't  und  f'iir  einen  Baechischen  Mimns  (wie  sie  in  den  ntit  Pos- 
sens|»iclen  dnrehllochtenen  Prozessionen  in  den  dorischen  Colonieen 
Groi'sgiiechenlands  wohl  hänlig-  aufgefiihrt  wurden,  aJrc(rx65iäc-/aara 
nennt  sie  Aristoteles,  Poctie.  e.  4.  10.  Herui.)  passend  ist  der  hier 
gcliildete  Gt'geiisland.  Herenles  hat  schwer  anfgeladcn !  Was 
der  vom  sülsesten  Firnewein  oder  Nektar  heranschte  G(tlt  auf  dem 
Blicken  des  Allvermögenden  in  der  Hand  hält,  ist  oileidjar  kein 
Ftiil-,  sondern  ein  Tiiiikliorji  von  ungewöhnlichem  Umfange  und 
dem  Durst  eines  Gotles  vollkommen  angemessen.  Aber  wer  ist 
dieser  seiner  eigenen  Füfse  nicht  mehr  mächtige  Zecher?  Der 
AYolkenversannnler,  Vater  Zeus  seihst,  ist  die  Antwort,  wenn  wir 
einen  gewissen  Arcliäologns  hören,  der  noeli  vor  Kurzem  in  einem 
fiiililichen  Büchlein  (Almanach  i'ür  Weintrinker.  Erster  Jahrgang, 
1811.  Fei|)zig,  Göschen)  dieses  Vasengemälde  als  einen  mnth wil- 
ligen Einfall  gedeutet  hat,  wobei  Jupiter  selbst  nicht  geschont  nnd 
der  muskelfesle  Jupilerlräger  wohl  gar  mit  «leni  Chrislopliel  in  der 
liegende  verglichen  wurde.  Allein  so  zweckmäfsig  auch  jene  Deutung 
als  Prolog  zu  einem  Almauach  des  buveurs  cifnnden  sein  mag,  so 
leuchtet  uns  doch  bald  eiu ,  dafs  es  dem  Archäologiis  mit  solcher 
Auslegung  nie  wahrer  Ernst  gewesen  sein  könne.  Denn  was  hier 
nicht  ohne  sichtbare  Ansirengung  fortgetragen  wird,  ist  Niemand 
Anderes  als  Bacchus,  der  Allbegeistcrnde,  in  eigener  Person.  Das, 
Avas  dem  ungeübteren  Bli<  k  auffallen  könnte ,  der  Bacchus  in  bär- 
tiger, aber  noch  jugendlich  munterer  Manngcstalt ,  gehört  ganz  ei- 
gentlich in  die  Voistellungs weise  der  dorischgriechischen  llaliotca 
und  Sicilioten.  Der  Gegenstand  ihrer  Verehrung  und  bildenden 
DarsteJlnug  war  wenigstens  in  den  früheren  Zeiten  nur  der  Bac- 
chus -  liebon,  der  bärtige  Alle,  „das  Ideal  der  mit  der  Jugend  ver- 
uiischten  Männlichkeit"',  wie  Winckelmann  diesen  älteren  Bacchus 
treiriich  charakterisirt ,  s.  Geschichte  der  Kunst  V,  1.  25.  (Werke 
IV,  92.).  Ihm,  dem  sogenannten  indischen  Bacchus,  bleibt  auch 
geslallct ,  was  die  verfeinerte  Kunst  der  Griechen  im  Miilterlande 
bei  ihieiu  verjüngten  Bacchus,   der  zwischen  Knaben  und  Jüngliug 


3S3 

jiinon  s(eh(,  si«-li  fiist  nie  prlaiiblod.irziisfolleii.  Dieser  zarlo,  idoalisclie, 
Tlicliiinisclie  Golt  wiitl  nie  ininkori,  soiideiii  liensclit  auf  seiiietn  Tri- 
iiiii]>!i\vaii,cii ,  mit  seiner  Aiiadiie  o«U'i-  oliiie  <lioselbe,  in  rnliiiter  oder 
«eicliliilior  Cicmii'siiilk'  iilior  die  (liicrisclie  Aiisi;elasseiilieit  der  ihn  iiin- 
i!iaiike!tid<'n  Salvni-  iniJ   ßa('el!ai»(ensipj»srlia!"t  (den   Thiasus).     Es 
ist  aiilTallend,  dai's  wir  auf  eclit  ranipaniscInMi  tiefärseii  (die  sidli- 
seilen  inaelien  sdiou  öfterer  eine  Änsiialune)  fast  nie  einen  anderen 
als  den   bärtigen   Baceluis,    oft  im   liöelisfen    Taumel   des  Rauseiies 
lind   der  l^usl    (z.   ß.    in  i]cv   lierrlielien   Vase    mit    SiLriften  in   de» 
Peinlnres  de  Yases  T.  1.  \A.  9.)  erhlirken ;  »nd  es  ist  mehr  als  wahr- 
seheinlich ,     dafs  diese  Scenen   liäuiiii;  nach   der  PSatnr  selbst  kopirt 
Averden  konnten,    indem    bei   den  mystisvlien  Mumniereien   nnd  de« 
Bacchanalien  immer    ein  Priester  «licsen    allen    Bactlms    sellist   re- 
präsenlirle,    sowie  es  auch  angenommen  werden  datf,    dafs  irgend 
ein   junger    Athlet    gewöhnlieh    dabei    den    Herenles    personiücirte. 
Da  hätten    wir    also    die    niitiirliehste    Anslegnng-  nnseres  Sehalen- 
gemäldes.     Es   wird  da  gcdiihtet ,    Hercules    bringe   den    bis  znni 
Uebermafse  dnrsti:;en    \Veini;ott   so    zur    Rnhe.     Znr    Erlänternnjr 
vergleiche  man  in  Passori's  Vasenwerk  T.  111.  {ab,  CCXYl. ,      wo 
der  alte  bärtige  liacchns,    mit  einem  eben  so  geränmigen    Trink- 
liorn  thronend,  sich  eine  eingeweihte,  mit  dem  mystischen  Prnnkgc- 
wandc  bekleidete  Fran,  eine  Neojdiyfe,  vorstellen  läfst.     Aber  wenn 
noch  ein  Zweifel    übrig  wäre,    so    würde    er  durch  eine  Valikani- 
sche  Vase,   die  gleichfalls  schon   Passeri  abgebildet  hat,   T.  II.   tab, 
CIV.,  gewifs  berichligt  «erden.  Auch  da  trägt  llercides  den  tmiikeneii 
Gott  mit  dem  grofsen   Triiikhorn    anf  dem  Piäcken,     ganz   so  wie 
auf    unserer    Schale.     Aber   die    Composition    ist    rei«  her.     IVIeicur 
eilt  voran.     Ein    aller    Salyrschalk    treibt    Instigen   Spott  über  den 
Aufzug,      Eine    sitzende    Bacchantin    sieht    dem    Zuge    verwunder- 
iingsvüll  nach.     Hier  ist  also  Alles  localisirt.     I\Ian  sieht,  es  kann 
nur  von    einem  Bacchanale    die    Rede    sein.     Der   chiliche  Passpri 
nennt    giilniülhig    das    ganze    Bild     eine    Apotheose    des     Bacchus  ,' 
Der  Scherz  aber  anf  der    Vatikanischen    Vase    wird  dadurch  voll- 
ständig,   dafs  der  ganze  Zug,     wie    die  zu  Füfsen  schwimmenden 
Fiscblein   anzeigen,     mitten    dnrch's    Wasser    geht.     So  parodirle 
ein  geistreicher    Witzliiig    von  Maler  die  so  oft  dunkel  gescholte- 
ne,   oft  von  der  nüchtern    erhaltenden  Mischung  des  Wassers  mit 
Wein  allegorisirte  Stelle  in  der  lliade  VI,  135. 

—  da  lloli  Dionysos  und  tauchte 
Unter. die  Woge  des  Meeres  und  Tlietis  nahm  in  den  Scliofs  ihnj 


Anhang   zum    ersten   Bande. 

Antiquarische  Analecten* 


Erste   S  a  in  m  1  u  n  £". 


xFnrch  die  auf  flen  HHiulen  sich  aufstemmende  und  mit  den  freistellen- 
den Fnfszelien  allerlei  Kunststücke  machende  Tänzerin  bei  Tischbein, 
Engravings  T.  I.  tab.  CO.,  wird  die  sclion  bei'm  Homer  vorkommende 
Sitte  eines  Tanzes,  wobei  man  sich  mit  Kopf  und  Händen  auf  den  Bo- 
den stützte  und  mit  oberwärts  gerichteten  Füfsen  balancirte ,  selir  tref- 
fend erläutert.  Die  Stellen  im  Homer  sind  IL  18,  60i.  Od.  4,  19.,  wo 
doch  die  nachahmenden  Tänzer  in  V'ofs's  üebersetzung  etwas 
ganz  Anderes  sagen ,  als  Homer  sagen  wollte.  Hieraus  wird  nun  ancli 
der  Tanz  des  Freiers  Hippoclides  bei'm  Heroilot  VI.  129.  S.  498,  8. 
Wess.  und  die  etwas  dunkle  Stelle  in  Xenoplion's  Gastmahl  2,  11,  S. 
114.  Bacli.,  wo  gleichfalls  eine  Tänzerin  dergleichen  Wnndersprünge 
macht,  völlig  verständlich.  Sie  kommen  ganz  mit  der  in  den  schotti- 
schen Hochländern  noch  jetzt  so  beliebten  Ilornpipe  überein. 

Journal  des   Luxus  u.  d.  Moden  1795.  S.  76, 


—  —  Vielleiclit  ist  es  hier  die  scliicklichste  Gelegenheit,  zwei  sehr  ge- 
meine iMifsverständnisse  zu  bericlitigen ,  die  sicli  in  allen  Fabellehren 
und  Diclitungen  neuerer  Zeit,  welche  sich  auf  den  3Iythos  der  Pandora 
gründen,  ganz  unvermerkt  eingeschlichen  haben.  Man  spricht  fast  stets  vom 
einer  Pandora-ßüchse  und  denkt  sich  dabei  ein  zierliches  Alabaster- 
oder Salbengefäfs,  das  sich  in  der  Morgengabe  und  im  Putzgeräthe  der 
schönen  Ankümmlingin  vom  Olympus  befunden  habe.  Allein  kein  alter 
griechischer  oder  römischer  Schriftsteller  spricht  je  von  einer  Pandora- 
Büchse.  Diefs  ist  eine  Erfindung  der  neueren  Allegorie-  und  Rlmble- 
menkünstler.  3Ian  sehe  nur  des  Alciatus  Emblemen  und  des  Pierius  Hie- 
roglyphenlelire.  Bei'm  alten  Hesiodus  heifst  das  Behältnifs,  aus  welchem 
nach  geöffnetem  Deckel  die  ganze  Schaar  der  Seuchen  und  Verderbnisse 


385 

ausfliegt,  wie  sie  etwa  Milton  den  ersten  Menschen  erblicken  läfst,  ein 
Fafs,  und  diefs  erliält  dann  diircli  die  Vergleicluing-  mit  den  zwei  Fäs- 
sern in  der  Halle  des  Zeus  im  Spatgesange  der  Ilias  (^XXIV.  527.) 
seinen  völligen  Aufsclilufs.  So  haben  sich  auch  die  Alten  in  der  frü- 
heren Zeit  unstreitig  dieses  eherne  Gefäfs  der  Pandora  als  ein  Fafs 
gedacht,  wiewohl  allerdings  schon  in  der  späten  Psychefabel  eine  Vor- 
stellung uns  aufstöfst,  die  an  unseren  modernen  Begriff  glänzt.  Gebildet 
haben  jene  Alten  schwerlich  die  Paiulora  mit  einem  Kästchen  oder  einer 
Eiiclise  in  unserem  Sinne;  und  schon  daraus  müfste  der  bekannte  ge- 
sclmittene  Stein  in  der  Mediceischen  Sammlung  zu  Florenz  *),  wo  Pan- 
dora ein  halbgeöffnetes  Kästchen  vor  sich  auf  dem  Schoofse  stehen  hat, 
als  ein  Product  des  16ten  Jahrliunderts  erkannt  werden. Die  Hoff- 
nung ist  im  Gefäfse  eingesperrt.  Auch  liier  waltet  oft  ein  grober  IVIifs- 
verstand.  Nur  die  Hoffnung,  sagt  man,  blieb  im  Gefäfse  und  wurde  so 
das  einzige  Erbtheil  der  Sterblichen.  Allein  die  alte  Fabel  hat  diefs 
ganz  anders  geraeint. 

Nur  die  Hoffnung  allein  in  dem  unzerbrechlichen  Hanse 
Blieb  inwendig  dem  Fasse  zurück. 

Diefs  heifst  im  Zusammeniiange :  nicht  einmal  die  Hoffnung  blieb 
dem  Mensclien.  Diese  verscidofs  Pandora  mit  dem  Deckel  sorgfältig  im 
Kerker  des  Fasses,  damit  auch  sie  den  Sterblichen  nicht  tröste  und  er- 
quicke. Wir  kennen  die  anmuthige  Dichtung  von  den  zwei  Kindern  der 
Pandora,  der  Hoffnung  und  Sorge,  Elpore  und  Epimeleia,  in  Gö- 
the's  Pandora.  Geistreicli  mag  diese  Fortbildung  der  alten  Fabel  aller- 
dings genannt  werden,  aber  im  Sinne  des  alten  Hesiodus  ist  sie  kei- 
neswegs fortgesponnen, 

Zeitung  f.  d.  elegante  Welt  1811.  Nr.  234. 


3. 

Die  Worte  Plato's,  de  republ.  V.  T.  VII.  p.  19.  Bip.,  wo  er  den 
Witzling  straft,  der  seinen  Spott  über  die  Gymnastik  der  Frauen  aus- 
giefsen  wollte,  irsKy;  rsC  yiAeisv  co(piaq  b^iirwv  viajirsv,  sind  nur  An- 
wendung einer  Stelle  Pindar's ,  die  uns  auch  Stobäus,  Serni.  78.  (^s. 
Schneider's  Sammlung  Nr  CXI.)  aufbewahrt  hat.  Vofs  übersetzt  es 
vollkommen  riclitig  Th.  I.  S.  279. :  „Er  mag  sich  immer  an  den  unrei- 
fen Früchten  seiner  Weisheit  erlaben."    Aber  freilich  geht   dadurch  alle 


*)  Ein  Sardonyx  als  Intaglio.  S.  Museunr  Florent.  T.  11.  tab.  38, 
5,  und  nach  einer  danach  geformten  Paste  ancli  bei  Lippert 
II,  Tausend,  Nr.  5.  6,  Dieselbe  Gemme  aber  heifst  bei  Winckel- 
niann,  descript.  du  Cabinet  de  Stosch  p.  317,  4.  Epimetheus. 
Vergl.  Tassio's  Catalogue  Nr.  8579.  f.  Man  sieht,  wie  undeutlich 
der  Stein  selbst  sicli  ausspricht. 

Böttiger'«  kleine  Schriften  I.  25 


3S6 

Spur  eines  Diclitercltats  verloren ,    die  mir  <liirch  wörtÜcliere  üehersetz 
iin^  heinerkhar  gemaclit  werden  konnte,  dann  alier  ancli  einer  Erklärung 
bedurft  hätte.     Ehen  diefs  ist  der  Fall  etwas  weiter  unten  T.  VIT.  p.  2G. 
in  den   Worten  r>)v  c?uraT>jv  h^^cij-cv    ay.jx'/^-j  ,    wo   Plato    eine  Stelle  des 
SoplioKles  vor  Augen  hatte. 

N.  teutsch    Merkur  1800.  St.  3.  S,  233. 


4. 
Plato  sagt  in  der  Republik  Y.  T.  VII.  p.  22.  zum  Glaukon:  „leb 
seile  in  deinem  Hause  viele  edle  Gattungen  von  Jagdhunden  und  Vö- 
geln, nach  Wolfs  Uehersetzung  S.  284.  V/as  sind  hier  edle  Vö- 
gel, -ysvvaTai  ooviOi^'l  In  dem  langen  Zeiträume  von  Plato  bis  auf  uns  ist 
liier  so  Vieles  neu  und  anders  geworden  Im  Mittelalter  gaben  die  edeln 
Vögeleine  eigene  Hotcharge.  Das  waren  die  Zeiten  der  Falken-  und 
Reiherbeizen.  Nun  stehen  wir  aber  doch  mit  unseren  Begriffen  in  den 
neueren  Sprachen  zunächst  auf  jenem  Mittelalter.  Und  edle  Vögel  sind 
uns  daher,  wenn  wir  nicht  etwa  zufällig  an  das  Royal- Cockpit  und  an 
die  Hahnengefechte  bei  den  Briten  erinnert  werden ,  gewifs  nicht  die 
Tanagrischen  oder  Rhodiser  Hähne,  die  Plato  hier  im  Hofe  des  Glau- 
kon neben  seinen  lakonisclicn  Hunden  und  tliessalischen  Pferden  dach- 
te. Denn  oovii;  heifst  dem  Griechen,  wie  bekannt,  vorzugsweise  der 
Hahn.  Hier  mufste  also  nothwendig  für  teutsche  Leser  die  Gattung 
statt  des  Geschlechts,  Hähne  statt  Vögel,  gesetzt  werden. 

N.  teutscher  Merkur  1800.  St.  3,  S.  233. 


Die  Hauptstelle  über  die  Ahnenbilder  {iinagines)  der  Römer 
bei'm  Polybius  6,  53.  T.  II.  p.  568.  Schweigh.  setzt  es  aufser  Zwei- 
fel, dafs  diese  Ahnenbilder  nur  zur  Parade  dienten,  und  dafs  gerade  nur 
diese  Parade  das  ausscliliefsliche  Vorrecht  der  Nobilitat  war.  Uebri- 
gens  wird  Niemand,  der  Eschenburg's  Ausfiihrnng  der  Lessingischen  Con- 
travers (Lessing's  Werke  X.  322.  If.")  gelesen  hat,  meinen  Ausdruck 
Gesichtsmaske  für  imago  befremdend  finden.  Die  so  oft  gemifs- 
deutete  Sitte  war  kurz  diese:  Man  nahm  in  Gyps  die  Gesichtsform  von 
Lebenden  oder  Todten  (diefs  ist  hier  gleichviel),  die  man  dann  in  Wachs 
ausgofs.  So  entstand  eine  wahre  Maske  aus  Wachs,  die  man  in's  Atrium 
in  kleine  Wandschränkchen  setzte,  bei  feierlichen  Processionen  aber  über 
grofse  Puppen,  die  als  Consuls,  Dictatoren,  Triumi)hatoren  u.  s.  w.  an- 
geputzt waren,  gerade  so,  wie  wir  kleine  Masken  über  die  Kinderpuppen 
legen,  gezogen  wurden.  Die  Maskenform  war  den  Römern  durch  die 
Tuscischen  Ludii  und  das  älteste  Theaterwesen  hinlänglich  bekannt. 
N.  teutscher  Merkur  1800.  St.  8.  S.  319. 


I 


387 

6.  * 

TenuIIius  hat  ein  Fragment  des  Stei)Iianiis  de  Dodona  heraus» 
gegeben,  wo  von  den  dort  beiindliclien  Dreinifsen  erzählt  wird,  roiVoSaf 
iroXXovi  ccXXvjkujv  irXjjffiov  ,  ivCT8  rov  jvo?  axTtyusvov  TraoaTraUTViiv  5<« 
ryjg  vj/auffsw;  tv)v  sv/j-^yjTiv,  SKaffri'j  xa^a/xlvsiv  rov  v^yo^j  "XC""?  o-vBii;  tou 
«yo;  £Cpa\{/i)Taf.  Diefs  erklärt  Jac.  Gronov  ad  Steph.  Fragm.  de  Do- 
dona so,  dafs  die  sich  einander  anstofsenden  Dreifiifse  nicht  eher  aufge- 
liört  hätten  zu  klingen,  bis  jnan  den  ersten  Dreifufs ,  der  den  Stofs  den 
übrigen  niittlieilte ,  wieder  auf's  Neue  berülirt  hatte.  Man  mufs  für's 
Krste  annehmen,  dafs  die  Dreifiifse  zugleich  mit  dem  SX/jlo;  oder  Xißi^g 
gedacht  werden.  Es  waren  also  Becken  oder  Glocken,  die  so  an  einander 
gereiht  wurden,  dafs  sich  der  Anstofs  sogleich  allen  niittheilte.  Sie  miifs- 
ten  also  in  die  Schwebe  gehängt  worden  sein,  wobei  sich  doch  freilich 
nicht  recht  begreifen  läfst,  was  dann  die  unterstützenden  Dreifüfse  dabei 
gemacht  haben  sollten.  Dieselbe  Zubereitung  beschreibt Philostratus,  Icon. 
II,  34.  p.  859  mit  den  Worten  x«>^^^'iO'J  —  ij^oty  ig  -iroXv  tj^?  ij/j^s^ag  noct 
l-tsxQ'  Xöcßoir;  ri;  etvrov  fxvj  (r/wirujy ,  WO  sich  Olt'arius  auf  das  Frag- 
ment des  Stephanus  beruft,  aber  die  übrigen  Scliwierigkeiten  nicht  löst. 

Auf  jeden  Fall  war  diefs  eine  siiatere  kunstreichere  Erlindung  ala 
jene  älteste  Vogelsclieuche,  wo  ein  Knabe  aus  Erz  ein  Becken  mit  einem 
Stabe  scliliig,  der  vom  "Winde  bewegt  wurde.  Aber  die  alten  Scliriftstel- 
1er  nennen  alle  Spielwerke  der  Art,  die  uns  übrigens  an  die  Glocken- 
spiele erinnern,  womit  die  Tempel  der  Chinesen  und  Japaner  umhangen 
sind,  Kessel.  So  erwähnt  Calümaclius  in  Del.  286.  den  Xtßvjg  «ffj'-vv)- 
ro;  von  Dodona,  wo  schon  Spanlieim  S,  566  —  68.  viel  gesammelt, 
aber  diesen  Unterschied  nicht  bemerkt  hat. 

Ich  vermuthe,  dafs  Xf.ß>)g  hier  dem,  was  wir  Glocken  nennen,  genau 
entspricht.  Eine  merkwürdige  Stelle  über  die  bionzenen  jjy  »üt  der  Alten 
ist  bei  den  Sclio'iasten  des  Theocrit  II,  36.:  (pj^g-Jy  'A-KoXXchwDcv  'ASv)- 
V/]'7i  rov  igf o(J)avr>)v  t^j  Y\cqv]g  &iriv.cxXo\)iJ.iv^g  airix^ouE/v  ro  y.(xXo\)jxivov 
jjj^sTov  y.»]  iraqct  Aaxwff/  ßxffiXswg  aroSavivroj  sidiSaci  y.qovsiv  XtßyjTOC, 
Hierher  gehört  gewissermafsen  auch  das  Beckenschlagen  bei  Zaubereien. 
Diefs  Alles  deutet  auf  alte  orientalische  Religionsgebräuclie. 


7.  * 
Ableugnung  des  Geborgten,  wenn  es  nicht  gericlitlich  oder  wenig- 
stens unter  den  Augen  einiger  Zeugen  geschelien  war,  scheint  in  Athen 
sehr  gewöhnlich  gewesen  zu  sein.  Man  zaldte  daher  selten  eine  Summe 
Geld  aus,  ohne  durcli  die  Gegenwart  einiger  Zeugen  der  Zahlung  eine 
gerichtliclie  Gültigkeit  gegeben  zu  haben.  Hieraus  versteht  mau  die 
Stelle  im  Phoimio  (lY,  3,  1.) 

Hoc   temere    nnnquam    amittam    a   nie,    quin  mihi  testes    ad- 

hibeam, 
Cui  dem,  et  quam  ob  rem  dem,  commemorabo. 

25* 


388 

Inzwischen  scheint  sellist  dieses  Mittel  niclit  allezeit  zureiclienil  gewesen 
zu  sein,  allen  Betrug  zu  liindern.  Man  sieht  «liels  aus  einer  Stelle  des 
Aristophanes,  'ExxAvjc-.  451,  wo  Blcpjrus  eingesteht,  dals  sich  die  Männer 
oft  ucKor-jnvrj  i'^ävriov  aTcrTfjtTv.  Diefs  eiliellt  auch  ans  zwei  Cliarak- 
teren  des  Theopluast.  C.  XIV.  vsfi  ävaic-5>jc-/af.  §.  3.:  Ssivo;  y.a)  d-KoXaix' 
ßdvMV  aqyvgio'J  c(J>s<Xe/^«vov ,  /uöjiTi/faj  xftfaAa/3'7v,  tibi  vid.  Casaub. 
p.  161. 


8.  * 
Der  Weg  der  Gerechtigkeit  war  in  Athen  und  Rom  kürzer  als  in 
den  neueren  Staaten.  Kine  Saclie,  über  die  die  Riciiter  nur  einmal  das 
Urtlieil  gefällt  liatten ,,  konnte  niciit  wieder  vorgenommen  und  noch  ein- 
mal veitheidigt  werden,  und  eine  solche  Forderung  würde  als  der  Frei- 
heit des  Staates  gefährlich  betraclitet  worden  sein.  Diefs  mnfs  man  wis- 
sen, um  die  Stelle  im  Phorniio  ganz  zu  verstehen  und  den  ISachdruck 
des  Vorwurfs,  den  Piiormio  dort  dem  Demiplio  macht,  zu  fühlen  (Act. 
II.  3.   56): 

At  tu,  qui  sapiens  es,  magistratus  adi, 

Judicium  de  eadem  causa  iterum  ut  reddant  tibi» 

Quandoquidem  solus  regnas,  et  soli  licet 

Hie  de  eadem  causa  b  i  s  j  u  d  i  c  i  u  m  a  d i p  i s c i  c r. 


9  *. 
Einige  Winke  über  den  Geist  der  Horazischen  Satire, 

1)  Horazens  Satire  verliült  sich  zur  späteren  des  Persius  undJnve- 
nal,  wie  das  griechische  Epigramm  (das  Catullische  Lied)  gegen  das 
des  Martial.  IJie  Satire  ist  Krgufs  des  Gefühls  mit  liumoristischer  Laune. 
Die  Essais  der  Engländer  kommen  ihr  am  näclisten. 

*    Die  Theoretiker  (s.  Sulzer  unter  dem  Wort  Satire)  unterscheiden 
mit  Recht  ernste  und  muntere  Satire. 

2)  Iloraz  ist  ein  ecliter  Sokratiker.  Dahin  geliört  vorzüglich  auch 
die  echt  Sokratische  oder  auch  attische  Feinlieit  und  Ironie,  womit  er  sich 
so  unschuldig,  unbedeutend,  harmlos  anstellt.  Die  ganze  Stelle,  wo  er 
erzählt,  wozu  ihn  Mäcenas  mit  sich  nahm,  gehört  in  diese  Gattung.  Es  ist 
die  Naivität  des  Humoi-s.  Wolil  ist  er  ein  Derisor.  Unterschied  der 
echten  Sokratischen  Ironie  von  der  ausgearteten  Sclialkheit,  die  aus  Scha- 
denfreude und  Uebelwollen  entspringt.     Tadel  =r  Persiilage. 

3)  Horaz  ist  ein  Mann  vom  feinsten  Welttone  (urbanitas),  Männer 
der  Art  sprechen  nie  anders  von  sich  als]  mit  einer  gewissen  Art  von  Selbst- 
satire, tadeln  aber  auch  Andere  nur  mit  einem  strafenden  AVorte.  On 
efflcure  la  matiere,  on  n'y  appuie  jamais.    Daher  ist  es  ihm  unmöglich, 


389 

eine  Lächerlichkeit,  ein  Laster  durch  eine  ganze  Satire,  wie  Jurenal  und 
Persius  thun,  durchzunehmen. 

Onine  vafer  vitiuni  tangit  —  et  circujn  praecordia  ludit. 
Daher  das  Wort  Satire,  per  lancem  saturain, 

4)  Die  Horazischen  Satiren  sind  Sermones,  Das  gilt  auf  eine 
doppelte  Art: 

a}  Form  und  Einkleidung.  Immer  dialogisch.  Auch  das  ist  Sokra- 
tisch.  Die  eigentliche  Lelirform  liat  erst  Aristoteles  angewandt. 
Wo  seine  Satiren  niclit  ganz  dramatisch  sind ,  wie  etwa  die  5te 
und  7te  des  2ten  Buchs,  da  sind  sie  es  doch  durch  die  Ethopöie 
und  Mimesis,  Also  wirklicher  Zweisprach,  Sermo.  Man  mufs 
sich  aber  dabei  nicIit  irre  machen,  als  sei  diefs  ein  bioser  Kunst- 
griff. Ein  jeder  gute  Erzähler  hat  noch  jetzt  das  Talent,  die 
Personen,  die  er  in  seiner  Erzäldnng  auftreten  läfst,  selbst  durch 
Sprache,  Mine,  Ton,  abzuconterfeien,  (to  take  off)  wie  Solbrig,  Iff- 
land.  In  Italien  ist  es  jetzt  nocli  sehr  gewöhnlich.  Wenn  Horaz 
seine  Sermonen  vorlas,  machte  er  das  Alles  lebendig  nach. 

b)  im  Vortrage,  in  der  Elocution.  Er  nennt  sein  Dichtertalent  Musam 
pedestrem.  Der  Dichter  nähert  sich  dem  Tone  der  gemeinen  Rede 
selbst  im  Metrum,  Klang  der  Rede  und  in  der  Wortsetzung,  aber 
es  bleibt  dabei  doch  der  urbanste  Stadtton.  So  sprach  damals  man 
in  den  ersten  Zirkeln,  bei  Mäcenas,  August,  Pollio,  Agrippa. 
Dabei  ist  aber  die  absiclitlich  höher  steigende  Parodie,  wo  oft 
hochtrabende  Verse  einfliefsen,  um  so  auffallender  und  komischer: 
Matutine  pater,  seu  Jane  libentius  audis. 

5)  Auch  das  Zeitalter  des  Horaz  gestattet  noch  die  Urbanität  und 
humoristische  Naivität.  August  legt  nie  die  Simplicität  des  römischen  Pri- 
vatmannes ab,  spielt  Würfel-  und  Societätsspiele,  scherzt  in  seinen  Brie- 
fen U.S.  w.  Ganz  anders  war  es,  als  Nero  Ilions  Brand  vorstellt,  und  Persius 
seinen  stoischen  Holleisten  an  die  Pracht  seines  Zeitalters  legt.  Ganz  an- 
ders, als  Domitiau  eben  so  wenig  einen  hohen  Mann  in  seiner  Nachbar- 
schaft, als  eine  Fliege  in  seinem  Zimmer  duldet.  Da  regt  Juvenal  seine 
Galle :  si  natura  negat,  facit  indignatio  versum.  Er  hat  erst  unter  Trajau 
und  Hadrian  publizirt. 


10. 

Es  bleibt  eine  unausstehliche  Geringschätzung  des  Publikums  und 
ein  Zeichen  der  scliimpf liebsten  Ungelehrigkeit,  wenn  der  Schauspieler 
sein  ganzes  liebes  Selbst  nicht  bei'm  ersten  Eintritt  in  die  Scene  völlig 
hinter  der  Coulisse  lassen  kann.  Daher  konnte  auch  Cicero  von  dem  An- 
tipho,  einem  sclilechten  Schauspieler,  seinem  Freunde  Atticus  nichts 
Verächtlicheres  schreiben  als:  Nihil  tarn  pusillum  —  nihil  tarn  ve- 
rum, (ad  Att.  IV.  15.  p.  420.  Graev.),  welches  freilich  Ernesti  aus  Un- 
kunde  der  Sache  für  verdorben  halten  mufste,  aber  schon  Conradi  u,  J. 


390 

Fr.  Gronov.  Ohs.    [>.  587.   Lii)S.    selu"  richtig  von  dem  Fehler  erklärt  Iia- 
ben,  wu  der  Acteur  nur  eicli  «elhst  spielt. 

Entwickeiiing  des  Iffland'schen  Spiels  S.  198. 


11. 

Wie  konnte  der  neueste  Herausgeber  des  tragischen  Seneca,  Bo- 
the,  die  Worte  im  Ilippolytus  vs.  119.:  Deprensa  culpa  est,  auime,  der 
jetzt  erstarrten  und  verstummten  Piiüdra  in  den  Mund  logen  wollen? 
Sie  gehören  der  Amme.  S.  Senccae  tragoediae.  Kecognovit  Fr.  H.  Botlie 
CLeipzig    1819  )  Vol    IL  p.  149.  f. 

Erklärung  der  Kupfer  im  Taschenbuch  Minerva  1820.  S.  37. 


12. 

Phönizische  Kaufleute  heiligten  zuerst  die  bedeutende  Granzsänle 
in  ihren  Factoreien  durch  das  ancli  ihnen  geläufige  Symbol  des  Lingams 
oder  PJmllus,  das  sie  in  der  Mitte  der  Säule  anbrachten.  So  ward  die 
Herme,  die  nun  aucli  in  die  Ringscluilen  und  die  Palästren  überging, 
der  Ursprung  aller  Kpheb  en-Bildung  des  Mercur.  Aber  als  Casmi'us 
(daher  der  dienende  Camillus  bei  den  Römern)  spielte  Hermes  auch 
seine  Rolle  in  den  Cabirischen  oder  phönizischen  Schilfennysterieii  in 
Samothrake.  Das  ist  zwischen  den  zwei  grofsen  Heilgöttern  die  kleine 
dienende  Fignr,  die,  als  aus  Mifsverständnifs  in  der  Folge  jene  grofsen 
Götter  Aeskulap  und  Hygiea  genannt  wurden,  den  Namen  Telespliorus 
erhielt.  Darauf  bezieht  sich  also  auch  die  aus  dem  Pio-Clementinischen 
Museum  in  Hirt's  Bilderbuch  Ql.  Taf.  8.  Nr.  2.)  gegebene  Kinderligur. 
Schon  die  Geberde,  womit  er  Stillscliweigen  gebietet,  zeigt  deutlicli,  dafs 
diefs  eine  mystischer  Knabe  sei.  Aus  diesem  Zusammenhange ,  wo  der 
kleiner  gebildete  Mercur  den  dienenden  Zwischenhändler  zwischen  den 
zwei  grofsen  Cabirischen  Gottheiten  macht,  entspringt  die  Idee  des  Göt- 
terboten, und  da  in  jenen  Alysterien  auch  schon  von  einem  Hades  oder 
Scliattenreich  die  Rede  war,  so  wurde  Mercur  auch  der  Psychopompos, 
der  Gek'iter  der  Eingeweihten  in  die  Unterwelt.  Hier  tritt  also  die  Vor- 
stellung rilirt's  Bilderb.  1.8,8.  9,4.)  ein.  Der  bärtige  Älercur  (ebend.  8, 
7.)  ist  niciits  als  das  beliiigelte  Conterfei  eines  Heroldes,  wie  ihn  die  Grie- 
clien  durch  die  Pliönicier  zuerst  kennen  lernten.  Später  wurde  er  mit  der 
blühenden,  gymnastisch  ausgebildeten  Epiiebenügur  zusammengescJimolzen, 

Der  Freimüthige  1805.  Nr,  113. 


13. 

Aus  dem  Kreise  der  alten  Mythen  ist  kaum  eine  für  die  Darstell- 
ung so  dankbar  als  di«  iMytlic  von  Amor  und  Psyche.  Jugendlich  blü- 
hende Gestalten,     deren  Verliältnifs   zu  einander  ohne  gelelutes  Wissen 


391 

^erklärlich  ist^  siiiJ  die  Handel iideii  in  diesem  liebliclien  Mälirchen,  das 
audi  darum  der  neueren  Kunst  mehr  zusagt,  weil  es  eine  allegorische, 
sentimentale  Auffassung  fast  unwillkürlich  veranlafst.  Ernst  und  Sinn- 
lidikeit  sind  darin  so  gliicklicli  verschmolzen,  dafs  kaum  irgend  eines 
gröfsere  Gegensätze  vereinigt;  und  von  jeher  sind  daher  Deutungen 
versucht  worden ,  die  immer  in  den  Kreis  uns  alltägUclier  Vorstellungen 
zuriicktVihrten.  Mag  man  nämlich  in  dem  kleinen  Romane,  wie  ihn  uns 
Apulejus  und  Fulgentius  erzälilt  liahen,  alle  drei  Strafen  wieder  erken- 
nen, denen  ein  reines,  von  der  Begierde  verlocktes  Gemüth  ausgesetzt 
ist,  bis  es  sich  frei  aller  Prüfung  wieder  mit  dem  Göttlichen  verniäldt  *), 
oder  auch  nur  von  den  Gefaliren  der  elielichen  Treue  und  dem  Siege 
ihn  deuten  **),  den  sie  docli  endlich  erlangen  kann;  er  wäre  sclion  sin- 
nig genng  und  seine  Gestaltung  wäre  eines  reinmenschlichen  Interesses 
gewisser.  Aber  man  darf  an  höliere  Bedeutung  denken,  wie  Hirt  und 
Creuzer  erwiesen  haben.  Psyche's  Prüfungen  sind  die  Schicksale  der 
verkörperten,  gefangenen  Seele,  denen  sie,  um  der  wahren  Seligkeit 
fähig  zu  werden,  durch  das  Begegnen  des  verfiilirenden  Eros  erliegt, 
bis  sie  auf  Antrieb  ilires  göttliclien  Tlieils  dem  himmlisclien  wieder  sich 
nähert,  mit  dem  sie  als  Braut,  folglich  auf's  Innigste  vereinigt,  in  den 
Kreis  der  Seligen  eintritt  ***).  Aller  dieser  tiefere  Sinn  fand  in  Amor 
und  Psyche,  Knabe  und  Mädchen,  die  liebend  sicli  nähern  und  trennen, 
die  glücklicliste  Verkörperung,  und  kaum  hat  wold  je  eine  Wort-  und  Na- 
menälinliclikeit  bei  irgend  einem  Volke  so  plastische  und  zugleich  so  deut- 
sanie  Ausbildung  erhalten.  Psyche  liiefs  bei  den  Griechen  der  belebende 
Hauch  und  zugleich  jene  Liclitmotte,  die  von  einem  edleren  Triebe  dem 
Lichte  zugewandt  wird,  in  dessen  Flammen  sie  oftmals  den  Untergang 
findet.  Alle  Beziehungen,  zu  denen  nur  Raupenzustand  und  Sclimetter- 
lingsfreiheit  die  Andeutungen  gaben,  fand  der  stets  fortbildende  Grieche 
in  diesem  heiteren  Typus.  Kaum  dafs  ihm  die  Schmetterlingsflügel  noth- 
wendig  waren ,  um  bei  den  einzelnen  Gestalten  aus  der  Reilie  dieser 
zarten  Grnppirungen  schon  an  das  Mädchen  und  den  Knaben,  an  Trenn- 
ung und  Vereinigung,  an  Verlieren  und  Wiederfinden  der  Geliebten  er- 
innert zu  werden, 

Erklärung  der  Kupfer  im  Taschenbuche  Urania  1824. 


*)  Diefs  die  Deutung,  die  Fulgentius  im  Mythologicon  III.  6.  ed. 
Stav.  in  den  Mythog.  Lat.  gegeben  hat.  Da  ihm  die  Darstell- 
ung des  Mährchens  durch  Aristophontes  aus  Athen,  wo  sie  in 
seinen  Bücliern,  Dysarestia  betitelt,  vorkam,  bekannt  war,  so  hö- 
ren wir  hier  wahrscheinlich  auch  dessen  Erklärung. 

**)     wie  Thorlacius, 

***)    M.  s.  Creuzer's  Symbolik,  n.  Ausgabe,  Th.  III.  S.  673,  ff. 


392 

14. 

Die  Stadt  Kindaunis ,  die  Heilige  auf  Münzen  genannt,  war  die 
Mutterloge  des  alten  Asklepiadenordens,  dessen  Vereidiing  wir  nocli  frag- 
mentarisch im  sogenannten  Eidscliwur  des  Hippokiates  besitzen,  und  des- 
sen geheime  Gescliiclite  nocli  immer  manche  Aufklärung  erwartet.  Von  da 
stifteten  auswandernde  Aesciilai>iusiiriester  eine  Tocliterloge  auf  der  Tiber- 
insel,  wobei  die  (Gaukelei  mit  der  Ileilschlange  den  Glauben  der  Clairvoyans, 
die  es  durch  Träume  im  Tempel  wurden  (durcli  Incubation),  befestigte. 
Diefs  Alles  ist  auslührlicher  entwickelt  worden  in  meiner  Abhandlung:  der 
Aesculapiusdienst  auf  der  Tiberinsel,  in  K.  Sprengel's  Bei- 
trägen zur  Geschichte  der  ]\Iedizin  A.  2,  163.  If.  und  in  dieser  Sammlung 
üben  S,  112.  Die  älteste  Receptirkunst  bestand  überall  nur  aus  Votiv- 
tafeln  in  den  Tempelliallen  des  Aesculapius.  Unter  Kaiser  Antonin,  dem 
Frommen,  wo  alle  alte  Superstitionen  wieder  erweckt  wurden,  kam  auch 
die  Wundermedizin  auf  der  Tiberinsel  wieder  stark  in  Aufnahme,  wie 
alte  i^Iünzen  beweisen.  S.  Eckhel,  Doctrina  Num.  Vet.  t.  VII.  p.  32.  Fünf 
Wunderrecepte  in  griechischer  Sprache,  die  man  in  neuerer  Zeit  ausgrub, 
sind  aus  dem  Zeitalter  Antonin's.  In  der  sorgfältigsten  Abschrift,  in  Kupfer 
gestochen,  giebt  sie  Lumisden,  Remarks  on  the  antiquit.  ol  Korne,  pl.  X, 

V.  d.  Recke,  Tagebuch  II.  S.  80. 


15. 

Von  den  Zähnen  des  durcli  Cadmus  getödteten  Draclien  oder  den 
berülmiten  Thebanischen  Drachenkindern  (worüber  wir  eine  gelelirte  Ab- 
handlung, lönsenii  epistolam  de  Spartis,  in  dem  von  Gräve  zu  Utrecht 
1702.  herausgegebenen  Syntagma  besitzen),  die  docli  unleugbar  die  streit- 
baren Ueberreste  der  Landeseingeborenen  bezeiclmen,  läfst  sich  mit  Leich- 
tigkeit auf  den  Drachen  selbst,  d.  h.  auf  das  Symbol  der  Aboriginer  oder 
der  alten  Einwohner,  schliefsen. 

Der  Freimütliige  1805,  Nr.  15*. 


16. 

Verunreinigend  ist  für  die  Götter  der  Oberwelt  der  geringste  An- 
hauch der  Stygischen  Racliegöttinnen ,  und  als  Juno,  von  wüthender  Ei- 
fersucht getrieben ,  die  Furien  selbst  im  verfluchten  Wohnsitz  (sedes 
scelerata}  gesprochen  hat,  mufs  sie  von  der  Iris  bei  ihrer  Zurückkunft 
im  Olymp  erst  mit  Weihwasser  besprengt  werden  (Ovid.  Metam.  IV.  478. 
mit  Heyne' s  feinem  Urtheil  zum  Virgil,  Aen.  VII.  323.).  Amor  steigt 
nicht  hinab  in's  .Schattenreich,  um  den  Pluto  mit  seinen  Pfeilen  zu  ver- 
wunden. Er  benutzt  nur  den  Augenblick  dazu,  wo  der  dunkele  Beherr- 
scher der  Unterwelt  aus  dem  Schlünde  des  Aetna  heraufgekommen  ist 
(Ovid.  Metam.  Y.  364.). 

Erklärung  der  Kujjfer  im  Taschenbuchc  Minerva  1814.  S.  23« 


393 

17. 

Wenn  auch  bei  den  Griechen  und  Römern  der  Begriff  von  einem 
Dämon  oder  Geist,  der  den  Menschen  von  seiner  Geburtsstunde  an  be- 
gleitet, oft  genug  anklingt  und  mit  dem  Glauben  an  die  in  den  Sternen 
geschriebene  und  von  dort  begabte  Geburtsstunde  auf's  Genaueste  zusam- 
menhängt *),  ja  wenn  wir  in  der  bekannten  Erscheinung,  die  Brutus  vor 
seinem  Tode  im  Zelte  hatte,  auch  schon  den  Glauben  an  einen  bösen, 
uns  stets  zum  Unheil  umschleichenden  Genius  völlig  begründet  linden,  so 
war  diefs  doch  bei  jenen  geistvollen  und  doch  entgeisterten  Völkern,  die  wir 
die  klassisclien  nennen,  nie  allgemeiner  Volksglaube.  Auch  ist  selbst  bei'm 
Plato  und  Allen,  die  aus  Platonischer  Quelle  geschöpft  haben,  nur  immer 
von  einem  Genius  als  Schutzgeist  und  Begleiter  jedes  einzelnen  INIenschen 
die  Rede,  der  aber  allerdings  da,  wo  er  dem  Menschen,  dem  er  als  un- 
zertrennlicher Gefährte  zugegeben  wurde,  in  verhängnifsvollen  Augen- 
blicken sich  offenbart,  auch  als  ein  drohendes,  unglückverkündendes  We- 
sen, wie  dort  bei  Pliilippi  dem  Brutus,  erscheinen  kann.  Allein  rein 
Zoroastrisch  und  auf  die  Feruers  und  Dews  in  der  Zendlehre  begründet, 
ist  die  Annahme  von  einem  Doppelgenius,  der,  dem  Menschen  zugeord- 
net, seine  guten  und  bösen  Schicksale  und  Jlntschlüsse  leitet.  Indefs  findet 
sicli  auch  dieser  doppelte  Genius,  was  man  in  andern  Untersuchungen  über 
diesen  Gegenstand  nicht  bemerkt  findet,  in  den  alten  Wandgemälden  der 
etrurisclien  Begräbnifsgrotten  von  Tarquinii  oder,  wie  jene  Gegend  jetzt 
lieifst,  von  Conieto,  wo  ein  Verstorbener  von  zwei  geflügelten  Genien, 
einem  weifsen  und  einem  schwarzen,  die  sicli  zugleich  vor  seinen  Wagen 
gespannt  liaben,  fortgezogen  wird  **). 

Erklärung  der  Kupfer  im  Taschenbucli:  Minerva  1816.  S.  XI, 


18. 
Die  Genien  des  Lebens  und  des  Todes  sind  eigentlich  Phosphorus  und 
Hesperus,  wie  aus  der  berühmten  Ära  in  der  Villa  Borghese  bei  Win- 
ckelmann,  Jlonum.  ined.  Nr.  21.  erhellt,  oder  auch  nach  einem  orienta- 
lisclien  Mythus  die  sTspvj/jtspo/,  die  Dioscuren;  denn  aus  diesen  Vorstell- 
ungen allein  sind,  wie  noch  immer  nicht  genug  bekannt  zu  sein  scheint, 
die  Todesgenien  mit  der  gesenkten  Fackel  entstanden. 

Programm  zur  Allg.  Lit.  Ztg.  1803.  Bd.  3.  S.  2. 


Genius  —  voltu  mutabilis,  albns  et  ater,  in  der  Hauptstelle  bei'm 
Horaz,  Epist.  II.  2,  189.  Alles  Üebrige  sammelte  und  ordnete 
Creuzer,  Symbolik  und  Mythologie  Th.  III.  S.  68  —  88. 
Der  Brite  Byrns  gab  dieses  Grottengemälde  zuerst  in  den  Phi- 
losophical  transactions ;  dann  bildete  es  aus  den  Papieren  des  Bri- 
ten der  ehrwürdige  d'Agincourt  ab  in  seiner  Histoire  de  Tart 
dans  sa  decadence,  liv.  1.  pl.  XI.;  zuletzt  und  am  deutlichsten 
Mi  call  in  seiner  Italia  avanti  il  donünio  dei  Romani  pl.  LH. 


394 

19. 

Die  alte,  oft  gebrauchte  Maschinerie  einer  fliehenden  Hindin,  die 
ein  Verhängnifs  dem  Ritter  in  den  Weg  wirft,  damit  er  in  ihrer  Ver- 
folgung dem  Unvermeidlichen  des  Schicksals  entgegen  geführt  werde, 
stammt  wie  fast  alle  Jüihrchen  aus  dem  Wiegenlande  der  Sagen,  aus 
dem  Morgenlande,  und  ist  dalier  auch  von  dem  gelejirten,  mit  dem  Geist« 
des  Orients  dreimal  getauften  Sänger  der  Schirin  an  mehr  als  einer 
Stelle  dieses  merkwürdigen,  an  orientalischem  Blumenschmelz;  über- 
schwänglich  reiclien  Gediclites  mit  vieler  Wirkung  eingellochten  worden 
(Schirin  von  Jos,  y.  Hammer,  1.  Th.  IV.  Ges.  St.  7.  If.).  Es  mag  auch 
kaum  gezweifelt  werden,  dafs  selbst  in  der  griechischen  Herculesfubel  das 
Abenteuer  mit  der  Mänalischen  oder  der  Kerynitischen  Hindin,  die  Her- 
cules bis  zu  den  Hyperboreern  verfolgt,  und  deren  verständig«  Erklär- 
ung auf  Münzen  und  alten  Denkmälern  bis  jetzt  vergeblich  versucht 
worden  ist  (Zoega  in  den  Bassi  Ililievi  anticla  di  Roma  tav.  LXII.  T.  IT» 
p,  61. J ,  sicli  auf  eine  alte  phönizische  Sage  von  einer  solchen  Schick- 
salshindin bezogen  haben  mag. 

Erklärung  der  Kupfer  im  Taschenbuche  Minerva  1814.  S,  38, 


20. 

Die  Thiasen  der  Griechen  und  Sodalitia  der  Römer  haben  sich  in  den 
Brüderschaften  des  katholischen  Rituals  erhalten,  und  wie  diese  noch 
bei'm  Frohnleichnamfest  und  bei  anderen  feierliclien  Processionen  in  allerlei 
Mnmmcreien  mit  Klang  und  Gesang  aufziehen,  so  hielten  auch  die  Tliia- 
sen  ihre  Aufzüge,  nur  dafs  dabei  Alles  fröhlicher  lärmte  und  schwärmte, 
hüpfte  und  tanzte.  Ursprünglich  gingen  diese  Thiasen  alle  von  den  Or- 
gien und  Bacchanalien  aus.  Der  Freimüthige  1805.  Nr.  183. 


21. 

Die  mystische  Fackel,  so  würde  auch  jetzt  noch  nach  den 
neuesten  Forschungen  eine  vielsagende  Abhandlung  überschrieben  werden 
können.  Fackeln  sind  das  Abzeiclien  aller  Pannicliyden,  Nachtfeiern,  wo- 
liin  auch  die  Orgien  und  Cabirisch-Eieusischen  Mysterien  geliörten.  Zwei 
aufrechte  Fackeln  geliören  in  den  Dienst  des  Aescnlap,  des  Heil-  und 
Lebensgottes,  und  später  in  das  Heilsorakel  des  Apis.  S  die  Gem- 
men in  Scldichtegroirs  Auswahl  aus  dem  Stoschischen  Cabinet  Th.  I. 
u.  IV.  Aber  die  Gegeneinanderstellung  der  aufrechten  und  umgekelir- 
ten  Fackel  bezeichnet  sowohl  in  den  Cabirischen  Älysterien  als  in 
den  Mithrasweihen  die  Tag-  und  Nachtseite  der  grofsen  Götter 
und  des  Lichtes.  In  dem  Cabirendicnst  entsteht  daraus  die  Doppel- 
bildung des  Abend-  und  Morgensterns,  des  Hes[)erus  uiul  riiosi)horus  (der 
Dioscuren).  Man  denke  nur  an  die  Borghesische  Ära  in  Winckelmann's 
Monumenti  n.  21.     So  aucl»  die  Mithrasknaben ,  wovon  einer  die  Fackel 


395 

aufwärts,  der  andere  niederwärts  hält.  S.  Zoega's  Abhandlungen  S. 
194.  ff.  So  wird  Sonnenuntergang  und  Sonnenaufgang  durch  die  zwei 
Fackeln  angedeutet,  welche  wieder  in  einer  fortgebildeten  Allegorie  Ober- 
und  Unterwelt,  Leben  und  Tod  bezeichnen.  Nun  tritt  anch  die  Fackel 
aus  den  Tliespisclien  Krosmysterien,  die  gehobene  Lebensfackel  des  Amor, 
die  gesenkte  des  Genius  des  Todes,  ein,  endlich  auch  die  belebende  Pro- 
metheusiackel ! 

Artistisches  Notizenblatt  1823.  Nr.  19. 


lieber   die    Daphnolatrie    (Lorberverehrung)    des    Alter- 

t  h  u  m  s. 

Noch  jetzt  wächs't  der  Lorber  in  üppiger  Fülle  am  thessalischen 
Peneus.  S.  Bartholdy's  Bruchstücke  zur  näheren  Kenntnifs 
des  heutigen  Griechenlandes  S.  144.  und  Dodwell's  Classical 
tour  through  Greece  Vol.  II.  p.  112.  Aus  Aelian's  bekannter  Schilderung, 
Var.  Hist.  III,  1.  wissen  wir,  dafs  nach  der  Delphisclien  Priestersage 
Apollo  nach  der  Tödtung  des  Python  sich  im  Peneus  zur  Sülme  abwusch, 
dann  aber  mit  Lorber,  der  am  Peneus  wuchs,  bekränzt,  einen  Lorber- 
zweig  in  der  Hand,  zurückging  und  vom  Orakel  in  Delphi  Besitz  nahm.  Ein 
Knabe  von  edler  Geburt,  ein  Daphnophoros  (Lorberträger)  holte  hier 
am  Vorfeste  der  grofsen  Pythisclien  Spiele  von  demselben  Baume,  von 
welchem  Apollo  einst  den  Sülmungszweig  brach,  nach  einem  feierlichen 
Opfer,  Zweige  zu  den  Kränzen ,  womit  die  Sieger  in  den  Pytliischen 
Spielen  dann  geschmückt  wurden.  Alles  läfst  sich  hierbei  auf  die  Vor- 
stellung zurückführen,  die  in  der  griechischen  Vorwelt  allgemein  herrsch- 
te, der  Lorber  liabe  eine,  Blutschuld  sülmende,  reinigende  Heilkraft.  Die 
lycische  Priesterkolonie  (das  ist  in  der  mytliisclien  Personification  Apollo 
selbst),  die  unter  der  Anführung  des  Sängers  Ölen,  zuerst  den  alten 
Orakelfetiscli ,  die  Sclilange,  aus  der  Orakelgrotte  zu  Pytho  vertrieb  (in 
der  Fabel  heiTst  es:  tödtete),  hatte  dem  in  der  Nachbarscliaft  am  Peneus 
am  üppigsten  wachsenden  Lorber  diese  Eigenschaft  abgemerkt  und  stell- 
te nun  als  heilige  Satzung  in  dem  gTiecIiischen  Priesterceremonial  fest, 
dafs  der,  welcher  vom  blutigen  Werke  des  Krieges  und  Sieges  heim- 
kehrte, mit  sühnendem  Lorber  gekränzt  einzöge.  Daher  der  Lor- 
berkranz  des  triumphirenden  Feldlierrn  und  aller  am  Siegeseinzug  Theil 
nehmenden  Krieger.  Daher  die  Deutung  des  Lorberkranzes  als  Sieg- 
es- und  Blutzeichens  bis  auf  den  heutigen  Tag.  Aber  auch  die  Sie- 
ger in  den  musikalischen  und  poetischen  Wettkämpfen  wurden  in  den 
Pythischen  .Spielen  mit  dem  Apollinischen  Lorber  bekränzt.  Daher 
windet  sich  der  Lorberkranz  auch  um  die  Schläfe  der  Dichter  und 
Sänger.  Selbst  unsere  Baccalaureen  auf  unseren  Hochschulen  würden 
sich  nach  einem  anderen  Namen  umsehen  müssen,  wenn  nicht  schon  vor 
2  50  0  Jahren  Dichter  und  Musiker  zu  Delphi  mit  Lorber  gekrönt  wer- 


3% 

den  wären.  Aber  <ler  Lorber  hat  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  eine 
officinelle,  Unreinigkeit  ausfegende  und  heilende  Kraft.  —  Dalier  keine 
Reinigung,  keine  Besprengung  mit  geweihtem  Wasser  in  den  Vorhallen 
der  'rem[»el  ohne  Kintauclien  des  Lorberzweigs  in  das  reinigende  W'eili- 
ungsbecken.  Daher  waren  alle  Weiliwasseranspritzer  (adspergilla")  schon 
bei  den  Griechen  aus  einem  Büschel  von  Lorberblättern  gemaclit.  Die 
Bedeutung  war  von  jelier:  mit  reinen  Händen  nähere  dich 
dem  Hei.ligsten  (]sacra  puris  manibus  adeunto).  Wie  viele  auf 
Jahrtausende  sich  fortpiianzende  Gebräuclie  entspringen  aus  dem  unbe- 
deutenden Umstände,  dafs  am  Peneus  schone  Lorberbäume  wuclisen ! 
Was  konnte  aber  auch  der  Grieche  Anmuthigeres  denken  als  die  Dicht- 
ung, wodurch  er  die  vielfachen  Verhältnisse  des  Apollinisclien  Tempel- 
und  Festdienstes  zum  Lorber  in  die  Liebe  des  (einst  als  Hirte  in  Thes- 
salien die  Herden  des  Admetus  weidenden)  Apollo  zur  schönen ,  aber 
keusch  fliehenden  Nymplie  Daphne  verwandelte?  Alle  Sagen  über  den 
Apollodienst  zu  Delphi  und  den  so  vielfach  darin  verilochtenen  Lorber  liat 
ganz  neuerlich  einer  der  geistreichsten  und  gelehrtesten  Altertluimsfor- 
scher,  Ottfried  Müller,  in  seinen  Doriern  (Th.  1.  S.  318  ff.)  eben 
so  scliarfsinnig  als  erschöpfend  behandelt. 

Zeitung  f.  d.  elegante  Welt  1824  Nr.  7. 


23. 

Warum  war  die  Myrte  der  Venus  geweiht? 
Die  Metamorphose  der  Myrte  geben  uns  die  griechischen  Geoponi- 
kev  (XI,  6.  p.  7  9  9.  INiclas).  Sie  war  ein  attisclies  Mädchen,  Myrsine 
mit  Namen,  ein  Liebling  der  Atiienischen  Madonna,  der  Pallas  Athene, 
von  ausgezeichneter  Schönheit  und  Kraftfülle  und  daher  auch  in  den 
Kampfiibungsplätzen,  in  den  Palästren  und  Stadien,  stets  anzutreffen,  wo 
sie  die  Sieger  kränzte.  Die  Besiegten,  die  sie  nicht  bekränzt  liatte,  töd- 
teten  sie  aus  Hafs,  Da  verwandelte  Minerva  iiiren  Liebling  in  eine  Myr- 
te die  nun ,  wenn  aucli  keine  Oliven ,  wie  der  heilige  Oelbaum  der 
Göttin,  doch  Beeren  trägt.  So  weit  die  griechisclie  Erzählung.  Ge- 
wifs  ist  es,  dafs  die  Myrte  auch  in  Kampi'spielen  an  den  Gräbern 
der  Heroen  die  Sieger  oft  krönte.  Dalier  ihre  Verwandtschaft  mit 
der  Palästra  der  Griechen.  Aber  wie  es  kommt,  dafs  später  nur  Ve- 
nus sicli  mit  Myrtenhainen  und  Myrtenkränzen  umringt,  und  dafs 
daher  in  der  wunderbar  genug  umgebildeten  Thesmophorienfeier  iiu 
alten  Rom  von  dem  blos  von  Matronen  begangenen  mystiscli  keu- 
schen Feste  der  guten  Göttin  (^oi)ertum  Bonae  Deae)  die  Myrte, 
als  unrein,  verbannt  wurde  (Plutarch,  Qu.  Rom.  XX.,  wobei  W  y  t- 
tenbach  in  den  Animadv.  Vol.  li.  P.  I.  p.  28.  ein  Verhör  der  Kir- 
chenväter anstellt),  kann  selbst  der  lleifsige  Sammler  Meursiiis  im  Arbo- 
reto  sacro  (in  den  Op.  Vol.  X.  p.  823  ff.  edit.  Florent.)  nicht  ergrün- 
den. Wir  denken  uns  die  Sache  so:  Der  ganze  Venusdienst  kommt 
bckanntlicli  von  den  seefahrenden  Phöniziern  an  die  griechischen  Küsten. 
Myrtensträucbe  bedecken  in  jenen  Gegenden  die  Küsten ;    zunäch.st  wohl 


397 

die  von  Paplios  in  Cypern,  Dalier  ist  die  Myrte  der  ans  der  See  em- 
porsteigenden Seegöttin,  der  Venus  Marina,  fast  ausschliefslich  geweiht 
'worden.  Denn  Alles  localisirt  sich  im  Alterthunie.  Bei'm  Schönheits- 
kämpf  der  drei  Göttinnen  auf  dem  Ida  (feinem  der  berühmtesten  Ballets 
im  alten  Rom,  wie  im  heutigen  Pai'is)  waren  selbst  die  Kränze  der  drei 
lim  den  Apfel  des  Paris  sich  streitenden  Göttinnen  genau  bestimmt. 
Juno  trug  die  Lilie,  Diana  die  Pigne,  Venus  die  Myrte  als  Kranz.  Diefa 
lernen  wir  aus  des  Alexandrinischen  Dichters  Nicander  noch  vorhande- 
nen medizinischen  Gedichten:  Alexipharmaca  V.  406  ff,  und  619  mit 
Schneide r's  Anmerkung  S.  2  5  8. 

Zeitung  f.  d.  elegante  Welt  1824  Nr.  6. 


24. 

Alterthnmskenner  erinnern  sich,  wie  im  Mittelalter  das  Unvermögen 
der  christlichen  Kunst  oft  Marmorurnen  mit  antiken  Reliefs  im  edelsten 
Stil  zu  Taufgefäfsen  verwandte.  So  in  Girgenti  der  berühmte  Sarkopliag 
mit  Hippolytus  und  Phädra ;  so  in  der  Katliedralkirche  in  Gaeta  der 
Bacchische  Krater  mit  der  Darbringung  des  Bacchuskindes  in  seinen  Ar- 
men und  dem  Namen  des  Künstlers  Salpion  ,  den  kein  Reisender  nach 
Neapel  unbesucht  läfst  *).  Docli  es  giebt  auch  aus  neuerer  Zeit  und  in 
altteutscher  Schnitz-  und  Bildgiefserkunst  an  vielen  Orten  merkwürdige 
Taufsteine,  die  wolil  alle  beschrieben  und  wenigstens'  in  leichten  Umris- 
sen mitgetlieilt  zu  weiden  verdienten.  Ein  solcher  ist  z.  B.  in  Stendal, 
von  welchem  Prof.  Ranch  neulich  mit  grofeer  Achtung  sprach  ;  ein  an- 
derer in  der  Wittenberger  Hanptkirche  mit  den  4  in  Erz  gegossenen  Evan- 
gelisten, von  des  Nürnberger  Erzgiefsers  Peter  Fisclier,  des  Jüngeren,  Er- 
flndung  und  Ausführung.  Jeder  Gebildete  bei  uns  weifs,  dafs  bei'm  ganzen 
Tempelapparat  des  Alterthums  nichts  Iiäuliger  vorkommt  und  in  den  blülien- 
den  Zeiten  der  Kunst  niclits  geschmückter  nnd  zierlicher  gebildet  wurde 
als  der  Dreifufs  **).  Symbol  jedes  religiösen  und  mystischen  Drei- 
klangs ging  er  vom  Orakelgott  in  Delplii  über  den  ganzen  Tempeldienst 


*)  S.  die  Anmerkung  zum  Tagebnehe  der  Fran  v.  der  Recke 
IV,  12,  und  We  Ick  er 's  Zeitschrift  für  die  Auslegung 
der  alten  Kunst.     St.  Jll,  S.  500  ff. 

**)  Man  vergleiche  die  Mustertafeln  von  antiken  Dreifüfsen,  die  älte- 
ste bei  Spon  in  den  Miscellan.  ernd.  antiqu.  P.  118.,  die  neueste 
von  O.  H.  P.  Müller  in  der  Amalthea.  Th,  I.  S.  119.;  doch 
diese  enthält  nur  die  Tripoden  nach  der  einfachen  und  ursprüng- 
lichen Gestalt.  Für  unseren  Zweck  dient  besonders  der  Vatica- 
nische  Dreifufs,  wo  sich  um  die  Säule,  welche  in  der  Mitte 
das  Becken  unterstützt,  der  heilige  Drache  hinauf  windet,  S, 
Museo  Pio- Giemen tino  T.  VII,  tav.  Xll.  mit  Visconti's  Be- 
merkungen p.  72,  und  les  monumens  du  Musee  Napoleon  T,  IV, 
pl.  14, 


398 

der  alten  Welt  ans  und  hatte,  wenn  in  ihm  Gebraucli  und  W  e  i  Ji  e  voll- 
ständig dargestellt  werden  sollten,  drei  Haupttlieile,  das  dreifiifsige  Ge- 
sU'lIe,  den  heiligen  Kessel  (i'A/^o;,  cortina) ,  welclier  auf  dem  Cestella 
viiht,  lind  den  Orakeidradien,  der  sicii  um  das  Gestelle  hinaufschlängelt. 
■\Vas  diesen  Drachen  anlangt,  so  ist's  zur  Genüge  bekannt,  dafs  vor  der 
Einwanderung  der  Deliscli-lydischen  Priestercolonie  unter  dem  Sänger 
Qlen  schon  ein  uraltes  Drachenorakel  am  Parnafs  stattfand,  in  vt^elchem 
der  walire  Ur- Fetisch  der  pelasgisclien  Vorwelt,  die  Schlange,  durch 
Fressen  oder  Nichtfressen  der  vorgeworfenen  Honigkuchen  den  Fragen- 
den ja!  oder  nein!  sagte;  und  dafs,  nachdem  die  wahrsagenden  Priester 
dort  Besitz  ergrilien  und  das  alte  Sciilangenorakel  verdrängt  hatten,  (wel- 
clies  in  der  späteien  Fabel  durch  den  Kampf  Apollo's  mit  dem  Pythi- 
schen  Draclien  symbolisirt  wurde^  doch  immer  die  Orakelschlange  zum 
Andenken  ilires  früheren  Rechtes  sich  noch  um  den  Dreifufs,  den  Sitz  der 
Pytliia,  windend  vorgestellt  wurde  *). 

Artistisches  Notizenblatt  1822.  Nr.  22. 


25. 

Die  Abgötterei  des  frülieren  Roms  bedarf  noch  einer  pliilosophische- 
ren  Beleuchtung,  als  sie  durch  Meiners  in  seiner  sogenannten  kriti- 
schen Geschichte  der  Religionen  erhielt.  Man  mufs  nur  nicht  verges- 
sen dafs  die  tonangebenden  Römer  bis  zum  zweiten  punischen  Kriege 
handfeste  Bauern  waren ,  und  dafs ,  so  w  ie  die  Hälfte  des  römischen 
Swachgcbrauchs  aus  der  Landwirthschaft  entlehnt  ist,  so  aucli  ihr 
Hau  s  gottcsdienst  kaum  einige  Scliritte  von  dem  Fetiscliismns  des  Acker- 
bans entfernt  blieb.  Da  sind  nun  viele  göttlich  verelirte  Krankheiten 
und  üebel  nichts  als  personilizirte  Manitus.  Viele  Bauergottheiten,  wie 
wir  sie  aus  Varro  kennen,  und  die  ganze  Wochen-  und  Kinderstube 
voll  Götter  C?«  <^^s  ileifsige  Register  in  S  pange  n  berg's  Preissclirift 
de  veteris  Latii  rcligionibus  domesticis  p.  75.  ligd.)  sind  nie  zur  Kennt- 
nifs  der  römisclien  Staatsreligion  gekommen,  über  welclie  Beck  in  der 
dem  zweiten  Theil  des  dritten  Bandes  von  Ferguson's  Geschiclite 
der  römisclien  Republik  vorgesetzten  Abhandlung  in  bündiger 
Kürze  viel  Gutes  gesagt  iiat. 

V.  d.  Recke  Tagebuch  II.  S.  48. 


Niclits  ist  besprochener  als  der  verdreifachte  Drache,  dessen  drei 
Köpfe  dann  dem  Becken  zur  Stütze  dienten  und  also  die  Stelle 
des  Dreifufses  selbst  vertraten ,  das  Weiligeschenk  der  Griechen 
nach  der  Schlacht  l)t!i  Platäa  nach  Herodot  IV,  8.,  später  im  Hip- 
podrom zu  Constantiuopel  aufgericlitet  und  im  Almeidan  selbst 
von  Türken  respectirt,  bis  ein  polnisclier  Gesandter,  der  dort  ein- 
quartirt  wurde,  der  Woiwode  von  Posen,  Lusinski,  diese  Schlan- 
gen köpfte,  S.  Clarke's  Travels  in  various  countries  T.  III.  p.  75. 
f.  der  8.  Ausgabe. 


399 

26. 

Was  man  nach  Ovid  (Fast.  VJ.  295.)  nie  in  dem  Tempel  der  Vesta 
zu  Rom  sali,  ilir  Eikl ,  sielit  der  beliu^same  Antiquar  ancli  anf  keinem 
alten  Denkmale.  Die  leljendige  in  den  Prytaneen  und  Yestatempcln  iin-s 
terlialtene  Flamme  ist  ihr  einziges  Gegenbild  und  Symbol.  V/as  man  uns 
sonst  als  ihr  Bildnifs  aufstellt,  ist  entweder  eine  Ceres,  oder  eine  Dea 
Roma,  oder  eine  Cybela,  oder  die  Aebtissin  unter  den  Vestalinnen,  die 
Vestalis  maxima,  die  man  allerdings  auf  3Iiinzcn  zum  Symbol  der  Vesta 
selbst  genommen  zu  haben  scheint.  Dahin  geliüren  also  auch  die  von 
Hirt  anf  der  8ten  Tafel  seines  Bilderbuchs  abgebildeten  Vestabilder.  Bei 
den  Griechen  kommt  keine  einzige  unbestrittene  Abbildung  vor;  denn  was 
Pausanias  im  Prytaneum  zu  Athen  sah  (1.  18.),  war  sdiwerlicli  etwas  An- 
deres als  eine  Themis,  womit  sie  überhaupt  oft  verwechselt  worden  ist.  — 
Beide  von  Hirt  angezogene  Stellen  aiis  dem  Pausanias  und  Plinius  will 
ich  recht  gern  gelten  lassen,  wenn  er  mich  vorher  belelut,  wie  man  es 
anzufangen  hatte,  um  auf  dem  Kopfe  der  Vesta  eine  Opferiiamme  anzu- 
zünden, was  sonst  freilich  nur  auf  heiligen  Heer  den  zu  geschehen 
pflegte ,  und  wenn  er  mir  aus  der  Fülle  seiner  eigenen  Ansicliten  und 
seiner  Lecture  darüber  ein  Licht  anzünden  will ,  wer  die  Chameterae 
gewesen  sind,  die  man  neben  der  angeblichen  Vesta  des  Scopas 
in  den  Servilianischen  Gärten  auf  beiden  Seiten  erblickte?  Ich  habe 
schon  längst  die.se  Stelle  für  sehr  verdäclitig  gehalten,  und  es  wäre  wolil 
nicht  der  einzige  Fall,  wo  Plinius,  dessen  rasche  Compiiationsweise  man- 
chem Irrtlium  Tlior  und  Thüre  ötfnen  mufste,  sich  in  der  Benutzung  sei- 
ner Knnstcataloge  vergriiien  hätte.  V/as  den  alton  Eorgiiesischen  Can- 
delaber  anlangt,  so  fand  ich  darauf  immer  eine  Ceres,  keine  Vesta,  und 
erinnerte  mich  dabei,  dafs  schon  Winckelmann  in  seinen  Monnmenti 
inediti  das  Zweifelhafte  in  der  Verwechselung  dieser  beiden  Gottheiten 
gar  wohl  eingeselien  liatte.  Will  Hiit  Spanheim's  grundgelehrte  Col- 
lectaneen  de  Vesta  et  Prytaneis  nachschlagen,  so  wird  er  dort  noch 
weit  mehr  Stellen  und  Denkmäler  angeführt  linden,  die  dem  ersten  An- 
schein nach  gegen  mich  gebraucht  werden  können.  Es  tliut  mir  aber 
aufrichtig  leid,  daTs  ich  der  r.iinen  Vesta  mit  gutem  mythologischen 
Gewissen  durchaus  keine  obere  Stelle  in  meiner  Ikonologie  des  klassi- 
schen Alterlhunis  anweisen  kann. 

Der  Freimüthige  1805.  Nr,  113.  und  147. 


27. 
Noch  ist  der  wichtige  historische  Punkt  der  lateinischen  Fe- 
rien und  des  grofsen  Bundesopfers  im  heiligen  Tempelbezirke  des  Ju- 
piter Latialis  auf  dem  Albanus  nicht  geliörig  aufgeklärt,  der  Gegenstand 
aber  so  vielfach  in  die  ursprüngliche  Verfassung  Roms  eingreifejid ,  dafs 
er  es  verdient,  von  einer  Academie  der  Wissenscliaften ,  so  gut  als  die 
Delpliischthessalische  Amphictyonie,  zu  einer  Preisfrage  aufgestellt  zu 
weitkn.Wie  manches  Dunkel  müfste  hier  aufgeklärt  werden,  um  zu  zei- 


400 

gen,  wie  sich  ans  den  früheren  Ferentinisclien  Landgemeinden  der  La- 
teiner der  grofse  Bundestag  des  Jupiter  Latialis,  wobei  Rom  die  Pro- 
edrie  oder  den  Vorsitz  hatte,  entwickelte  und  nach  und  nach  die  Zahl 
der  Bundesstämme  bis  auf  47  stiegen.  Die  Hauptstellen  bei'm  Dionysius 
von  Halicarnassus  IV.  49.  VI.  95.  miifsten  zum  Grund  gelegt,  aber  mit  gro- 
fser  Behutsamkeit  gebrauclit  werden  ,  wie  das  Beispiel  des  Sainte  Croix 
zeigt,  welcher  in  seiner  gelelirten  Schrift:  des  gouvernements  federatifs 
p.  236  —  247.  viel  Brauchbares  gesammelt,  aber  auch  Vieles  in  Verwirrung 
gebraclit  hat.  Da  würde  auch  N  i  e b  u  hr '  s  scharfsinnige  Muthmafsung,  dafs 
Alba  von  den  Lateinern  und  nicht  von  Rom  zei'stört  wurde  (römische  Ge- 
schichte Th.  1.  S.  210.  erste  Ausgabe)  eine  genauere  Prüfung  erhalten 
können.  v.  d.  Recke,  Tagebuch  IV.  S.    207. 


28. 
Anf  den  alten  römischen  Theatern  wurde  das,  was  der  eine  Schau- 
spieler sprach,  von  dem  anderen  durch  die  Pantomime  ausgedrückt  und 
zurückgespiegelt*).  Bei  den  Griechen  war  diefs  das  Geschäft  des  CJiors  **). 
Die  Zuschauer  empfingen  dadurcli  einen  doppelten  Genufs.  Sie  liürten, 
was  der  recitirende  Schauspieler  sagte,  und  sahen  zugleich,  wie  das  Ge- 
sagte wirkte  und  im  stummen  Spiel  zurückgegeben  wurde. 


Verstellt  sich ,  in  den  römischen  Mimenspielen ,  wo  die  Masken 
nicht  von  allen  Schauspielern  getragen  wurden,  nicht  in  den  Ko- 
mödieen;  s.  Horaz,  Epist.  I.  18,  14.  Diefs  Iiiefs  mit  dem  Kunst- 
ausdrucke secundas  alicui  agere.  Da  die  Sache  sehr  verwickelt 
ist  und  dadurch,  dafs  man  die  actores  secundaium  paitium  in  den 
Trauer-  und  Lustspielen  mit  den  Mimen  verwechselt,  noch  grö- 
fsere  Schwierigkeiten  erhalten  hat ,  so  werde  ich  in  meinem  Di- 
dascalicus  eine  eigene  Abliandluug  darüber  abdrucken  lassen.  Vergl. 
unterdessen  J.  Fr.  Gronov,  Obs.  inscript.  eccles.  XXV.  p.  284.  ff., 
der  am  tiefsten  eingedrungen  ist.  Die  Saclie  ist  übrigens  auch 
darum  merkwürdig,  weil  sich  daraus  die  ganze  Pantomime  der 
Römer,  jener  Abgrund  der  dramatischen  Kunst,  schnell  entwickelt  hat. 
So  erkläre  ich  mir  die  Worte  des  Aristoteles  XIX.  s.  49.  T.  II.  p. 
930.  C.  vom  Chor  :  t'vcta'j  xa^isj^Erat  oJ^  irä^iffTf,  vergl.  Horaz, 
A.  P.  194.  Schon  Vatry  hat  in  seiner  Abhandlung:  Des  avantages 
que  la  Tragedie  ancienne  retirait  de  ses  choeurs,  in  den  Memoires 
de  rAcademie  des  Inscriptions  T.  XI.  p.  326.  ed.  Amst.  diesen 
Vortheil  des  alten  Chores  sehr  fein  aus  einander  gesetzt,  und  Al- 
les, was  E  seile  nburg  zu  Hurd's  Commentar  zu  Horazens  Epi- 
steln Th.  1.  S.  404.  und  neuerlich  James  Pye  Commentary  on 
the  Poetik  of  Aristotle  p.  232.  fl'.  gegen  diesen  Punkt  erinnert 
haben,  ist  nicht  befriedigend. 

Entwickelung  des  Iffland'schen  Spiels  S.  217, 


4t)l 

29. 

Die  Alten  hatten  drei  verscliiedene  Thüren  im  HintergTimde  des 
Theaters  *3.  Die  Mitteltlitire  bezeichnete  einen  königlichen  Palast, 
das  Haus  eines  attischen  Bürgers  im  Lustspiele ,  den  , Eingang  in  eine 
Hauptgrotte  im  Schäfer-  oder  Satjrenspiele.  Eben  diese  Bewandtnifs 
hatte  es  mit  den  beiden  Seitenthiiren,  Die  zur  Recliten  bezeichnete 
im  Trauerspiele  das  Haus  des  königlichen  Gastfreundes,  im  Lustspiele 
das  Haus  eines  andern  Bürgers,  der  die  zweite  Rolle  im  Stücke  hatte; 
die  zur  Linken  einen  wüsten  Tempel  oder  aucli  den  Ausgang  auf  einen 
oifenen  Platz,  u.  s.  w.  Man  würde  sehr  Unrecht  thun,  wenn  man  sich 
diese  Thüren  als  wirklich  gemalte  Häuser,  Tempel  oder  Paläste  vor- 
stellen wollte,  deren  Fronte  in  die  Strafse  jiinausgegangen  sei.  Es  wa- 
ren, dünkt  mich,  blose  Thüren,  in  der  Querwand  der  Hinterbühne» 
Aber  man  daclite  sich  dabei  die  Tempel,  Häuser,  Grotten.  Man  war 
gleichsam  stillschweigend  darüber  übereingekommen,  nnd  es  beruiite  nun 
Mos  auf  dem  geschickten  Spiele  der  singenden  (Chor)  und  recitirenden 
(Uypokoiten)  Scliauspieler,  dafs  die  Zuscliauer  sich  bei  diesen  auf  con- 
ventioneile Zeichen  gegründeten  Vorstellungen  viellciclit  nocli  reiner  und 
ungestörter  in  das  Drama  selbst  Jiinein  denken  konnten,  als  wie  bei 
unseren  oft  kläglich  genug  aus  Pappe  geschnitzelten  oder  gemalten 
Tempeln,  Häusern  und  Grottendecorationen, 


*])  Die  Hauptstelle  über  diese  drei  symbolischen  Tliüren  auf  dem 
Theater  der  Alten  ist  bei'm  Pollux  lY.  124.  Die  befsten  Bemerk- 
ungen unter  den  Neueren  darüber  giebt  d'Orville  in  seinen  Siculis 
I.  p.  258.  Mehrere  Stellen  des  Vitruvius  erhalten  dadurch  Auf- 
klärung, dafs  man  sich  die  Saclie  so  denkt,  wie  ich  sie  vorge- 
stellt habe.  Die  Zuschauer  wufsten  dadurch,  dafs  einer  zu  dieser 
oder  jener  Thüre  herauskam,  sogleich  in  voraus,  mit  wem  sie  es 
nun  zu  thun  haben  würden.  Es  ward  daher  auch  ausdrücklich 
zuweilen  angeführt,  dafs  ein  theatralischer  Aufzug  aus  der  iMittel- 
thüre  oder  aus  einer  Seitenthüre  (va^olog)  herausgekommen  sei. 
S,  Athenaeus  XIV.  p,  622,  B.,  wo  offenbar  /xlff«;  rä;  Sv^ag,  nicht, 
wie  Casaubonus  will,  X°?^"*?  gelesen  werden  mufs.  Am  deut- 
lichsten kann  man  sich  die  Saclie  aus  den  in  einem  vaticanischen 
Codex  noch  jetzt  vorhandenen  Gemälde  zu  den  Scenen  der  Teren- 
zischen  Lustspiele  vorstellen ,  wo  überall  die  aus  dem  Hause  kom- 
mende Person  so  abgebildet  ist,  dafs  eine  blose  Thüre,  d.  h. 
zwei  Pfosten  mit  einem  darüber  gelegten  Querbalken,  mit  auf 
dem  Gemälde  erscheint.  Man  sehe  z.  B.  in  der  Ausgabe  des 
Cocquelin  QRom  1767)  T.  l.  p.  3.  4,  die  erste  und  zweite 
Scene  im  Mädchen  von  Andres,  oder  wer  den  Berg  er,  de 
personis  bei  der  Hand  hätte,  in  den  Kupfern  Nr.  IV.  V,  VII, 
XV,  u,    s.  w. 

Entwickelung  des  IfTIand'schen  Spiels  S,  124. 

Büttigcr'?  Meint  Schriften  I,  26 


402 


30. 


Auf  den  Schaubühnen  der  Römer  gab  es  nur  Teppichvorhänge, 
die  bekanntlich,  weil  die  Büline  ohne  alle  Bedachung  war,  an  den  vor- 
springenden Kcken  der  Paraskenien  durch  Seile  lierahgesenkt  oder  em- 
porgezogen wurden  und,  so  lange  die  Bühne  offen  war,  um  eine  Welle 
aufgewickelt  in  einem  Ritze  im  Proscenium  lagerten,  das  freilich  damals 
eben  so  wenig  der  heillosen  Lampenreihen,  als  des  nocli  jieilloseren 
Soufleurloches  bedurfte.  Es  sei  gestattet,  dabei  noch  einen  Augenl)lick 
stehen  zu  bleiben. 

Hören  wir  Genelli  *),  so  ist's  ausgemacht,  dafs  schon  die  alte 
Athenische  Biiline  einen  Teppiciivorhang,  eine  Auläa,  hatte  und  dieselbe 
V^orrichtung ,  wie  sie  später  bei  den  Römern  stattfand.  Allein  dafür 
fehlen  alle  wirklichen  Beweise.  Denn  wenn  auch  die  alten  Grammatiker 
und  Lexikographen,  wie  Hesycliius,  Pollnx  und  Snidas  ,  des  Wortes  mit 
der  Bezeichnung  gedenken,  dafs  man  es  für  einen  Theatervorhang  brauche, 
so  folgt  daraus  noch  nicht,  dafs  man  Saclie  und  Wort  schon  auf  der 
altathenischen  Bühne  kannte.  Was  wir  davon  wissen,  gehört  nach  Rom 
in  die  letzten  Zeiten  der  Republik ,  wohin  die  in  jedem  vollständigen 
Wörterbuch  zu  findenden  Stellen  des  Varro,  Cicero,  Horaz,  Virgil  u. 
s.  w.  zu  beziehen  sind.  Merkwürdig  bleibt  es,  dafs  die  Römer  dem 
Wort  eine  andere  Umbiegung  gaben  und  nur  von  Auläen  in  der  Mehr- 
zahl sprachen  **').    ?]s  könnte  daher  in  der  Nachricht,   die  Servius  zum 


Das  Theater  der  Griechen.  (Berlin,  Nauck,  1818  in  4.)  S.  54. 
Die  Stelle  aus  dem  Onomasticon  des  Pollnx  IV,  122.  beweis't 
nur,  dafs  die  Attiker  zu  Hyperides,  also  zu  Alexander's  Zeiten, 
die  Auläa  für  Teppicligeliänge  kannten,  das  Fragment  aus  der 
Rede  des  Hyperides  aber  spricht  von  speisenden  Archonten  in 
einer  Säulenhalle.  Damit  rechtfertigt  nun  der  gelehrte  Grammati- 
ker den  späteren  Gebrauch  des  Wortes  für  Theatervorhang. 
Von  diesem  weit  späteren  Gebrauch  sprechen  Polybius,  wie  auch 
Suidas  und  Hesychius.  Ich  pHichte  daher  aus  voller  Ueberzeugnng 
der  Bedächtigkeit  Hermanu's  in  seiner  gelehrten  Kritik  von 
Genelli's  Buch  in  der  Lpz.  Lit.  Zeit,  Nr  239.  vom  Jahre  1818 
bei,  der  es  zweifeliiaft  findet,  ob  sich  die  Griechen  eines  Thea- 
tervorhangs bedienten  Die  wenigen  Scenenveränderungen,  die 
bei  ihren  Tetralogieen  in  einer  Sitzung  vorkamen,  konnten  wohl 
vor  den  Augen  der  Zuschauer  vorgehen  und  waren  gewifs  weniger 
störend  als  der  Scenenwechsel  in  einem  einzigen  Shakespeari- 
schen  Stück,  wie  wir  jetzt  die  Saclie  mit  der  lächerlichsten  Ge- 
nauigkeit betreiben. 

Aulaea  dicta  sunt  ab  aula  Attali  regis,  in  qua  primum  inventa 
ingentia  ista  vela.  Servius  zu  Georg.  III ,  25.  (Die  zwei  Verse 
bei'm  Virgil  selbst  gehören  zu  den  unbegieifliclisteii  im  ganzen 
Virgil,    weim    man   auf   den  Zusammenhang    aclitetlj     Wer  kei\[\t 


403 

VirgU  giebt,  clafs  die  Römer  diese  Vorriclitung  der  Auläa  vom  Hofe  der 
Attalen  in  Perganuis ,  wo  die  kostlicliste  Teppiclilaljrik  war,  zuerst  ent- 
lehnten, doch  etwas  "Wahres  haben.  Sei  dem,  wie  ilun  wolle,  diese 
Bühnenteppiche  ^die  gewifs  nicht  bei  jedem  Act  auf  und  nieder  gingen, 
weil  es  dergleichen,  das  Ganze  in  Stücke  zerschneidende  Acte,  wie 
bei  uns,  noch  gar  niclit  gab,  sondern  die  Bühne  das  ganze  Stück  hindurch 
offen  blieb),  in  der  damaligen  Handelsmetropole  der  Welt,  in  Alexandrien 
entweder  nach  den  Vorschriften  der  Herren  der  Welt  in  Rom  selbst  ge- 
wirkt, oder  aus  dem  Vaterlande  aller  Teppichwirkerei,  dem  Orient,  in 
den  dortigen  Bazars  aufgestellt,  machten  theils  mit  ihrer  Farbenpracht 
im  vollen  Tageslicht  des  italienischen  Himmels,  wo  noch  jetzt  bei  allen 
Processionen  die  ausgehangenen  Teppiche  Wunder  thun,  theils  durch 
das  Bedeutsame  der  colossalen,  eingewirkten,  dienenden  Figuren, 
so  oft  sie  aus  ilirein ,  die  Vorbühne  durchfurchenden  Lager  langsam  zur 
Verhüllung  der  Bühne  emporstiegen,  einen  eben  so  malerischen,  als 
angemessenen  Effect.  Denn  diese  Colossen,  unstreitig  oft  als  kämpfende 
oder  gefesselte  Sclaven  aus  überwundenen  Völkern,  Galliern,  Britannen, 
Germanen ,  gestaltet  *) ,  wuclisen  zauberartig  aus  dem  Boden  liervor, 
und  krochen  dann  am  Ende  auch  eben  so  langsam  wieder  in  den  Boden 
hinein.  Wer  Ovid's  Verwandlungen  auch  nur  aus  Vofs's  (leider  noch 
immer  nur  fragmentarischen)  Ucbersetzung  kennt,  wie  er,  das  Empor- 
wachsen der  Drachensöhne  dort  schildernd ,  hinzusetzt  (Th.  I.  S.  147.) : 
Also,  wenn  sich  erhebt  dem  Festtheater  der  Vorhang, 
Steigen  die  Bilder  empor  und  enthüllen  zuerst  die  Gesichter, 


nicht  übrigens  die  Attalica  peripetasmata  wenigstens  aus  Cicero, 
Verr.  IV.  27?  Vergl.  Manso,  die  Attalen  und  ihre  Ver- 
dienste, S,  30. 

Schon  die  oben  angeführten  Verse  Virgil's,  das  intexti  tollunt 
aulaea  Britanni  beweis't  diefs  zu  Genüge.  Uebrigens  hatten  die 
vornehmen  Romuliden  zn  viel  Schicklichkeitssinn ,  um  auf  einem 
solchen  Theatervorhang  die  9  Hlusen  mit  dem  Apollo  oder  ihre 
Dichter  und  Helden  abzuconterfeien,  wie  sie  auf  so  vielen  neuen 
Vorhängen  paradiren.  Auch  für  die  Teppiclie  in  ihren  Häusern 
und  Tempeln  hatten  sie  eigene  Diener.  Was  konnte  aber  dem 
Herrschervolke,  selbst  in  seiner  Erniedrigung  unter  den  Kaisern 
noch  immer  gewohnt,  alle  unterjochte  Völker  als  seine  Sclaven 
anzusehen ,  mehr  schmeicheln ,  als  riesenliaft  plumpe  Gestalten 
aus  jenen  Nationen  nicht  nur  als  wirkliche  Maschinen-  \nid  Tep- 
pichknechte angestellt,  sondern  auch  dieselben  auf  den  Teppichen 
selbst  gewirkt  zu  erblicken;  vergl.  Vofs  zu  Virgil's  länf'Hchen 
Gedichten,  IV.  S.  528.  Die  Prachtliebe  derer,  welche  die 
Spiele  gaben,  gestattete  nie,  dieselben  Bühnenvorhänge  dem  Volke 
noch  einmal  zu  zeigen.  Man  schickte  also  immer  neue  Vorzeich- 
nungen dazu  nach  Alexandrien, 

26* 


404 

Dann  allruäliliß  ilen  Leib  und,  in  sanftem  Zuge  gerichtet, 
Stellen  sie  ganz  nnd  setzen  den  Fiifs  auf  die  untre  Verbrämung. 
Das  mag  denn  freilich  Figuren  gegeben  liaben,  wie  die  Giganten 
im  inneren  Hypätliros  des  grofsen  Tempels  zu  Agrigent.  Denn  riesea- 
grofs,  vielleiciit  gar  auch  als  Atlanten,  mufs  man  sich  diese  Gestalten 
denken,  die  in  dieser  langsamen  Kriiebung  ein  wahrhaft  imposantes 
Schauspiel  darboten.  Vergleichen  wir  nun  damit  »msere  auf  Leinwand 
oder  Carton  gemalten  Vorschieber  oder  Aufscliieber ,  sehr  uneigentlich 
Gardinen  oder  Tlieaterv  orhän  g  e  genannt,  wo  Berge,  Quellen  und 
Seen,  Tempel  und  Altäre  mit  mancherlei  Figurengewimmel  nocli  vor 
Kurzem  —  denn  auch  hier  ist  neuerlich  wenigstens  einige  Vernunlt 
eingetreten  —  bald  rasch  in  die  Höiie  flogen ,  bald  aufs  Läciierlichste  — 
denn  die  Sache  kann  ja  nicht  genug  beschleunigt  werden  —  und  auf's 
Unnatürlichste  vom  Theaterhimmel  auf  den  Boden  herabstürzten. 

Artistisches  Notizenblatt.  1824,  Nr,  2. 


31. 

Die  Alten  sclilossen  im  Inneren  ihrer  Häuser  fast  alle  Gemächer, 
Hallen,  Scliattenseiten  der  Galerieen  nur  mit  Teppichen.  Die  Tisch- 
ler Iiatten  da  weit  weniger  zu  thun  als  die  Vestiarii.  Unseren  Tep- 
picliliixus  treten  wir  mit  Füfsen.  Aber  die  Fufsböden  der  Alten  waren 
mehr  oder  weniger  musivisch,  eine  veredelte  Lastricatura.  Die  Beweise 
dazu  werden  fast  täglicl»  in  allen  Gegenden  Kuropas,  wo  Römer  wohn- 
ten, ausgegraben.  Dagegen  kannten  sie  unsere  gemalten  Plafonds  fast 
gar  niciit,  so  grofs  auch  die  Praclit  ihrer  Marmordecken  en  caisson, 
ihrer  lacunaria  und  laquearia  waren  (s.  Hirt 's  Baukunst  der  Alten,  S. 
2-iO.  fl",).  Dagegen  aber  bekamen  ihre  Speisesäle,  worin  sicli  aller  Putz 
und  Schmuck  vereinigte,  oft  durch  geschmackvolle,  unter  die  Decken 
ausgespannte  ligurirte  Purpurteppiche  ein  grandioses,  zeltartiges  An- 
sehn. Wenn  Horaz  aulaea  und  ostrum  zusammensetzt  (Od.  HI,  29.), 
so  steht  diefs  nicht,  wie  die  teutschen  Bearbeiter  des  Scaurus  Pa- 
lastes von  Mazois,  S.  256.  meinen,  blos  für  purpurne  Teppiche, 
sondern  aulaea  sind  die  unter  der  Decke  ausgespannten  Prachtteppiche, 
ostrum  aber  die  köstlichen  Purpura ber/üge  der  Tischbetten.  Schon  der 
Vater  aller  wahren  Alterthumskunde,  Isaak  Casaubon,  hatte  den  Vor- 
satz ,  ein  eigenes  Werk  de  vestibus  stragulis  zu  schreiben ,  weil  er  den 
von  uns  kaum  geahneten  Umfang  der  Teppichgewänder  uiul  Praciitgewebe 
des  AUorthuiiis  wohl  erwogen  hatte.  Es  wäre  noch  heute  eine  tüchtige 
Probearbeit  eines  Philologen.  Conjecturen  und  Sjlbenmessungen  haben 
wrr  genug! 

Artistisciies  Nolizenblalt  1824.  Nr.  2. 


405 

32. 
M'er  auch  nar  oberflächliche  Keniitiiifs  des  Alteitlmuis  besitzt,  kennt 
den  prächtigen  Sclileppinantel  des  alten  griechisclien  Hehlenspiels,  dessen 
colossale  Formen  im  beschuhenden  Cothiirn,  wie  in  der  Jiocliaufgetliiirm- 
ten  Kopfmaske,  auch  in  der  Staatsrobe  offenbar  wurden,  welclie  diesen 
auf  tragisclie  Hochgestalten  bereclineten  Gliederban  der  Tragöden  «m- 
üofs  und,  da  er  liier  niclit,  wie  bei  der  faltenreichen  Palla  der  Frauen 
mit  den  Armen  aufgefafst  wurde,  sondern  mit  Agraffen  über  der  Schul- 
ter befestigt  lang  nachschleppte  *),  der  Figur  ein  vorherrschendes,  ma- 
jestätisches Anselin  gab.  Dieses  Syrma  —  diefs  war  der  eigentliche  Name 
dieses  tragisrlien  Schleppmantels  —  wurde  so  sehr  das  Abzeichen  aller 
Theaterrepräsentation  im  Trauerspiele,  dafs  die  römische  Sprache  sich 
desselben  noch  liänligor  zur  Bezeiciinung  des  grandiosen  Trauerspiels  be- 
diente, als  wir  in  ähnlicliem  Fall  das  Wort  Cothwrn  gebrauchen. 

Krklärung  der  Knpfer  im  Taschenbuch  Minerva  1820.  S.  14. 


33. 

Man  nnterscheide  den  S }  r  t  o  s ,  nämlich  C !i i  to n ,  der  allerdings 
dem  tragisclien  Frauencostlim  zugehörte  (s.  Pollux  IV.  118.)  und  einen 
Scldepp  hatte,  und  das  Syrma,  welches  blos  zur  Citliarödentracht  und 
iTir  den  Schleppmantel  der  iNIinerva  geliört.  Genelli  in  seiner  Ab- 
handlung vom  Costiim  im  Tiieater  zu  Athen  hat  S.  90.  beides  verwecii- 
solt.  üeber  den  .Schleppmantel  oder  das  S./ma  der  Tragöden  und  Ci- 
tharöden  s.  Sabina  oder  Toilette  einer  Römerin  S.   418. 

Erklärung  der  Kupfer  im  Taschenbuch  Minerva  1820.  S.  41. 


S.  Sabina  oder  Toilette  einer  Römerin  S.  417.  f.  Miliin  hat 
in  seiner  Description  de  Yases  antiques  T.  I.  p.  68.  10.  die  eng- 
anliegende Tunica  der  Flötenspielerinnen ,  die  allerdings  aucli, 
das  Syrma  der  Tragödie  nachahmend,  einen  .Sclilepp  hat,  damit 
verwechselt.  Diefs  gehört  aber,  wie  schon  aus  Pollux  Vll.  69, 
ersichtlich,  blos  der  Tragödie  und  Theaterrepräsentation» 


Gedruckt    in    der   Gärtner'schen  Buchdrucker  ei. 


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In  der  Arnoldischen  Buchhandlung  in  Dresden  und 
Leipzig  sind  erschienen  uud  durch  alle  namhafte  Buch- 
handlangen  zu  beziehen : 

Böttiger,  C,  A. ,  Andeutungen  zn  ricr  nnd  zwanzig 
Vorträgen  über  Archäologie.  Erste  Abtheilung.  Allge- 
geineine  Uebersichteu  und  Geschichte  der  Plastik  bei 
den  Griechen,    gr.  8.  1807.    I  Thlr. 

—  —  Ideen  zur  Kunstnijthologie.  Erster  Band.  Erster 
Cursus.  Stammbaum  der  Religionen  des  Alterthums. 
Eiuleitung  zur  vorhomerischen  Mythologie  der  Griechen. 
Aus  den  für  seine  Zuhörer  bestimmten  Blättern  heraus- 
gegeben. Mit  5  Kupfern,  gr,  8.  1826.  3  Tiilr. 

—  —  deren  zweiter  Band.  Zweiter ,  dritter  und  vierter 
Cursus.  Jupiter,  Juno  und  Neptunus,  Amor  nnd  Psyche. 
Ans  C,  A.  Böttiger's  hinterlasseuen  Papieren  herausge- 
geben von  J.  Sillig.  Nebst  2  Kupfertafeln,  gr,  8. 
1836.   3  Thlr,  6  gr. 

Sillig,  J. ,  Calalogus  artiiicnm  sive  architecti,  statuarii, 
sculptores,  pictorcs,  caelatores  et  scalptores  Graecorum 
et  Romauornm,  lilerarnm  ordine  dispositi.  Acccdunt  tres 
tabulae  synchronisticae,    gr.  8.   1827.   3  Thlr,