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Full text of "Beiträge zur Geschichte des Maschinenbaues"

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BEITRÄGE 


zrii 


GESCHICHTE  DES  MASCHINENBAUES. 


BEITEÄ'tE 


ges«:hi<:hte  des  maschixenbaien 


BEITRÄGE 


ZUR 


GESCHICHTE  DES  MASCHINENBAUES. 


VON 


THEODOR  BECK, 


INGENIEUR  rXD  PRIVATDOCENT  AN  DER  OR09SIIERZ00L.  TECIIXISCIIEN  110«  HSCIIILE 

IN  »ARMSTADT. 
% 


MIT  827   IN   DEN  TEXT  GEDRUCKTEN  FIGUREN. 


ZWEITE  VERMEHRTE  AUFLAGE, 


ZU  BEZIEHEN  DURCH 
J  i:  L  I  U  S    SPRING  E  R     I  N    H  E  R  L  I  N. 

1000. 


IK'ratiNjLroucbi'ii 

im  Auftrage  des  Voreiiies  deutscher  Iiicenieun- 

zu  Hcrlin. 


Druck  der  Kgl.  l'nivcniitütK-Dniokcrvi  von  II.  Stürtz  in  WUrzburg. 


Vorwort  zur  ersten  Auflage. 

Die  Technik  hat  sieh  in  dem  zur  Neige  gehenden  Jahrhundert  so  rasch 
entwickelt,  und  auch  in  der  Gegenwart  ist  ihr  Fortschritt  so  gewaltig,  dass 
denen,  die  in  ihr  und  für  sie  thätig  sind,  meist  keine  Zeit  bleibt,  den  Blick 
zurückzuwenden;  sie  müssen  ihre  ganzen  Kräfte  anspannen,  um  mitzu- 
schreiten ;  ihr  eifriges  Streben  für  die  Zukunft  lässt  ihnen  keine  Müsse,  sich 
mit  der  Vergangenheit  zu  beschäftigen.  Um  so  erfreulicher  ist  es,  wenn  unter 
uns  dennoch  Einzelne  Zeit  hierzu  finden  und  uns  die  Ergebnisse  ihrer 
Forschungen  kurz  und  doch  mit  wissenschaftlicher  Gründlichkeit  und  sach- 
kundiger Auswahl  vorführen. 

Die  nachfolgende  Sammlung  historischer  Abhandlungen  über  In- 
genieure und  Ingenieurwerke  früherer  Zeiten  und  ihre  Herausgabe  durch 
den  Verein  deutscher  Ingenieure  ist  einer  Anregung  des  Herrn  Professors 
Riedler  zu  verdanken.  Herr  Riedler  machte  den  Vorstand  des  Vereines 
deutscher  Ingenieure  darauf  aufmerksam,  dass  diese  von  Herrn  Tn.  Beck  in 
den  Jahren  1886  bis  1896  einzeln  in  der  Zeitschrift  „Civilingenieur"  ver- 
öffentlichten Aufsätze  einen  werthvollen  Beitrag  zu  der  so  spärlich  bebauten 
Geschichte  der  Ingenieurkunst  bilden,  und  dass  es  in  hohem  Maasse  erwünscht 
wäre,  wenn  die  auf  eine  grosse  Zahl  von  Zeitschriftenheften  verstreuten  Auf- 
sätze in  einer  Gesammtausgabe  vereinigt  und  damit  dem  grossen  Kreise 
unserer  Fachgenossen  zugänglich  gemacht  würden.  Der  Vorstand  des 
Vereines  deutscher  Ingenieure  hat  dieser  Anregung  bereitwilligst  entsprochen, 
und  der  Verfasser  der  Aufsätze  hat  Erlaubniss  und  Mitwirkung  zur  erneuten 
Herausgabe  auf  das  Freundlichste  gewährt.  Dadurch,  dass  der  Verein 
deutscher  Ingenieure  einen  namhaften  Beitrag  zu  den  Herstellungskosten 
leistete,  ist  es  möglich  geworden,  diese  werthvollen  Arbeiten  mit  ihren  zahl- 
reichen Abbildungen  in  ansehnlicher  Ausstattung  und  doch  zu  ausserordent- 
lich billigem  Preise  den  VereinsmitgUedern  zur  Verfügung  zu  stellen. 

Berlin,  im  August  1899. 

Th.  Peters. 


Inhalts-Verzeichniss. 

—  .  * 

Meitc 

Heron  der  Aeltere  von  Alexandria  (um  120  v.  Chr.)  und  seine  Vorgänger     .  1 

Pappus  der  Alexandriner 27 

Marcus  Vitruvius  Pollio  (um  16  v.  Chr.) 37 

Sext.  JuL  Frontinus  (lun  97  n.  Chr.) 58 

Cato  der  Aeltere  (234—149  v.  Chr.) 66 

Leonardo  da  Vinci  (1452—1519  n.  Chr.).    (Erste  Abhandlung) 88 

Vanuccio  Biringuccio  (um  1640  n.  Chr.) 111 

Georgius  Agricola  (1490—1555) 127 

Hironimus  Gardanus  (1501— 1576) 163 

Jaques  Besson  (r  1569) 186 

Agostino  Ramelli  (etwa  1530—1590) 206 

Buonaiuto  Lorini  (geb.  um  1545) 235 

Giambattista  della  Porta  (1538—1615) 254 

Skizzen  aus  der  Zeit  der  Hussitenkriege  (um  1430) 270 

Vittorio  Zonca  (1568—1602) 293 

Leonardo  <la  Vinci  (1452—1519).    (Zweite  Abhandlung) 318 

Juanelo  Turriano  (1500—1585) 365 

Heinrich  Zeising  (1613) 391 

Leonardo  da  Vinci  (1452 — 1519).    (Dritte  Abhandlung:  Codice  atlantico)  .     .  411 

Domenico  Fontana  (1543 — 1607)  und  der  Tmnsport  der  Vaticanischen  Obelisken  485 

Salomon  de  Caus  (etwa  1576—1630) 502 

Faustus  Verantius  (um  1617) 513 

Jacob  de  Strada  (etwa  1523—1588) 529 

Giovanni  Branca  (um  1629) 538 

Marinus  Mersenne  (1588—1648) 544 

Georg  Philipp  Harstörffer  (1607—1658) 548 

James  Watt  und  die  Erfindung  der  Dampfmaschine.    (Vortrag  am  9.  Febr.  1894 

im  Ortsg<>  werbe  verein  Darmstadt) 552 

Namen-  und  Sach-Register 577 


Heron  der  Aeltere  von  Alexandria  (um  120  v.  Chr.) 

und  seine  Vorgänger. 


Das  Interesse  für  die  Entwicklungsgeschichte  der  Mechanik  und  des 
Maschinenbaues  ist  erfreulicher  Weise  im  Wachsen  begriffen.  Die  ehedem 
üblichen  geringschätzigen  Aeusserungen  über  die  Leistungen  früherer  Jahr- 
hunderte beginnen  zu  verstummen  und  sorgfältiger  erwogene  Urtheile  werden 
immer  häufiger  ausgesprochen. 

Unter  diesen  Umständen  dürfte  es  keine  undankbare  Aufgabe  sein,  zur 
Verbreitung  der  Kenntniss  älterer  Schriftsteller  auf  dem  Gebiete  des  Maschinen- 
baues beizutragen,  um  so  mehr,  als  deren  Werke  in  der  Regel  nicht  leicht 
zugänglich  und  der  fremden  Sprache  und  Anschauungsweise  wegen  schwer  ver- 
ständlich sind,  so  dass  es  nur  nach  eingehendem  Studium  zu  gelingen  pflegt, 
über  deren  Inhalt  eine  Uebersicht  und  ein  Urtheil  zu  erlangen. 

Kurzgefasste  und  doch  klare,  das  Wesentliche  enthaltende  Berichte  über 
den  Inhalt  der  wichtigeren  alten  Werke  über  Maschinenbau  dürften  zur  Ver- 
breitung kulturhistorischer  Kenntnisse  wesentlich  beitragen,  und  soweit  es  in 
unseren  Kräften  steht,  wollen  wir  solche  Berichte  liefern,  wobei  wir  jedoch 
weniger  die  Entwicklungsgeschichte  der  mechanischen  Theorien,  als  vorzugs- 
weise die  Kenntniss  mechanischer  Hilfsmittel  der  Alten  vor  Augen  haben. 

Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  bietet  das  älteste  auf  uns  gekommene 
Werk,  welches  mechanische  Fragen  behandelt,  die  ;,  Mechanischen  Probleme  des 
Aristoteles^  (geb.  384  v.  Chr.),  nicht  dasjenige  Interesse,  welches  es  als  einer 
der  frühesten  Versuche  zur  theoretischen  Behandlung  mechanischer  Fragen 
erweckt.  Wir  können  ihm  als  solchem  unsere  Bewunderung  nicht  versagen, 
denn,  wenn  auch  jetzt,  nach  mehr  als  zweitausendjähriger  Weiterentwicklung 
der  Wissenschaft,  selbstverständlich  Vieles  in  diesem  Werke  als  verfehlt  erscheint, 
so  finden  sich  doch  mehrere  bis  auf  den  heutigen  Tag  gültige  Grundsätze  und 
Behandlungsweisen  darin.  Auch  bleibt  es  stets  ein  nicht  zu  unterschätzendes 
Verdienst  des  Aristoteles,  im  Gegensatze  zu  der  damals  herrschenden  Schule 

Beck.  1 


2  Heron  der  Aeltere  von  Alexandria  und  seine  Vorgänger. 

des  Plato,  auf  die  Wirklichkeit,  die  Erfahrung  und  auf  praktische  Dinge  hin- 
gewiesen zu  haben. 

Die  in  seinen  „Mechanischen  Problemen^  betrachteten  oder  erwähnten 
mechanischen  Hilfsmittel  sind:  der  Hebel,  der  Schwengel  mit  Gegengewicht  am 
Ziehbrunnen,  die  gleicharmige  Waage,  die  Schnell waage,  die  Zange,  der  Keil, 
die  Axt,  die  Kurbel,  die  Walze,  das  Wagenrad,  die  Rolle,  der  Flaschenzug,  die 
Töpferscheibe,  die  Schleuder,  das  Ruder,  sowie  auch  Drehräder  von  Erz  oder 
Eisen  zur  Umkehrung  der  drehenden  Bewegung,  worunter  wahrscheinlich  Zahn- 
räder zu  verstehen  sind. 

Von  allen  diesen  mechanischen  Hilfsmitteln  spricht  Aristoteles  wie  von 
bekannten  Dingen.  Die  Schraube  ist  nicht  erwähnt,  soll  aber  zur  Zeit  des 
AiicmMEDEs  (geb.  287  v.  Chr.)  bekannt  gewesen  sein  und  es  w^ird  dieser  von 
Vielen  für  den  Erfinder  der  Schraube  und  des  Schraubenrades  gehalten.  Leider 
hat  AncmMEDES,  weil  er,  vfie  Plutarch  sagt,  die  Beschäftigung  mit  mechanischen 
Arbeiten  als  ein  unedles  Handwerk  betrachtete,  über  die  ihm  bekannten  mechani- 
schen Hilfsmittel  Nichts  geschrieben  und  es  fehlt  daher  der  Beweis  für  jene 
Annahme. 

Um  das  Jahr  140  v.  Chr.  lebte  Ktesibios  in  Alexandria,  von  dem  Vitrüv 

in  seinen  von  16  bis  13  v.  Chr.  geschriebenen  ;,Zehn  Büchern  über  Architektur*^ 

erzählt*): 

„Er  war  der  Sohn  eines  Barbiers.  An  Talent  und  Fleiss  hervorragend,  hatte 
er^  wie  berichtet  wird,  an  mechanischen  Künsten  seine  Freude.  Da  er  nun  in  der 
Barbierstube  seines  Vaters  einen  Spiegel  so  aufhängen  wollte,  dass,  wenn  man  ihn 
herabgezogen  hatte  und  ihn  wieder  hinauf  schieben  wollte,  eine  verborgene  Schnur  das 
Grewicht  des  Spiegels  aufwärts  zöge,  brachte  er  zu  diesem  Zwecke  folgende  Vorrichtung 
an:  Er  stellte  unter  einem  Deckbalken  der  Stube  einen  hölzernen  Kanal  her  und 
setzte  in  diesen  Rollen  ein.  Durch  diesen  Kanal  zog  er  dann  die  Schnur  bis  zur 
Ecke  des  Zimmers  und  stellte  dort  eine  senkrechte  Röhre  her,  in  welcher  er  eine  an 
die  Schnur  befestigte  Bleikugel  hinabliess.  Als  nun  das  Bleigewicht  durch  sein  Herab- 
sinken in  der  engen  Höhlung  der  Röhre  auf  die  darin  enthaltene  Luftmenge  drückte, 
drängte  sie  diese  mit  grosser  Geschwindigkeit  durch  die  Mündung  in  die  freie  Luft 
und  die  erstere  erzeugte,  sobald  sie  mit  der  Letzteren  in  Berührung  trat,  einen  lauten 
Ton.  Nachdem  so  Ktesibios  beobachtet  hatte,  dass  aus  dem  mit  der  freien  Luft  in 
Berührung  kommenden  gepressten  Luftstrom  Töne  entstünden,  erbaute  er  zuerst,  auf 
dieser  Grundlage  fussend,  Wasserorgeln,  später  auch  Wasserdruckwerke,  die  soge- 
nannten Automaten  und  viele  Arten  von  auf  die  Verschönemng  des  Lebens  berech- 
neten Werken,  unter  welchen  er  namentlich  auch  die  Herstellung  der  durch  Wasser 
getriebenen  Uhrwerke  entwickelte." 

Die  Wasseruhren  bestanden  nach  Vitruv's  Beschreibung  aus  zwei  über- 
einander angeordneten  Gefässen.  Das  obere  wurde  täglich  bis  zu  einer  bestimmten 
Höhe  mit  Wasser  gefüllt,  welches  durch  ein  zur  Vermeidung  der  Oxydation 
aus  Gold  oder  Edelstein  hergestelltes  Mündstück  in  das  vorher  bis  zu  einem 
bestimmten  niedrigsten  Wasserstande   entleerte   untere   Gefäss   abfloss.     Das 


*)  Wir  entnehmen  diese  Stelle  der  üebersetzung  von  Dr.  Franz  Reber,  Stuttgart  bei 
Krals  &  Hoffinann,  1865. 


Wasserorgeln,  Wasserdruckwerke,  Wasseruhren.  3 

Wasserniveau  in  dem  unteren  (jefässe  stieg  innerhalb  einer  bestimmten  Zeit 
auf  eine  bestimmte  Höhe,  und  aus  dem  Wasserstande  war  daher  stets  die  seit 
Ingangsetzung  der  Uhr  verflossene  Zeit  zu  erkennen.  Um  diese  Zeit  von 
aussen  sofort  erkennbar  zu  machen,  brachte  man  in  das  untere  Gefäss  einen 
Schwimmer,  der  sich  durch  den  Zufluss  mit  dem  Wasserniveau  emporhob.  Bei 
den  einfachsten  Wasseruhren  dürfte  wohl  nur  ein  Zeiger  in  Form  eines  senk- 
rechten, aus  dem  Gefäss  hervorragenden  Stabes  auf  dem  Schwimmer  befestigt 
gewesen  sein,  hinter  welchem  eine  Skala  angebiracht  war,  auf  welcher  man  je 
nach  dem  Stande  des  Zeigerendes  die  verflossene  Zeit  ablesen  konnte.  Dieser 
auf  dem  Schwimmer  befestigte  Zeiger  wurde  aber,  wie  Vitrüv  angiebt,  künst- 
lerisch ausgebildet,  indem  man  ihm  die  Gestalt  einer  menschlichen  Figur  gab, 
welche,  von  unten  heraufsteigend,  auf  die  an  einer  Säule  angebrachte  Skala 
zeigte.  Oder  es  wurde  anstatt  des  einfachen  Zeigers  eine  senkrecht  stehende 
Zahnstange  auf  dem  Schwimmer  befestigt,  welche  in  eine  gezahnte  Drehscheibe 
(ein  Zahnrad)  eingriff  und  es  beim  Aufsteigen  langsam  umdrehte.  Durch  dieses 
oder  durch  noch  mehrere  Zahnräder-Uebersetzungen  bewirkte  man  dann,  dass 
Figuren  sich  bewegten,  Kegelsäulen  sich  drehten,  Kügelchen  oder  Eier  in  Inter- 
vallen herabfielen  oder  Blasinstrumente  ertönten,  um  den  Ablauf  eines  bestimmten 
Zeitabschnittes  anzuzeigen. 

Da  es  zur  damaligen  Zeit  jedoch  kein  konstantes  Zeitmaass  gab,  sondern 
der  natürliche  Tag  von  Sonnenaufgang  bis  Sonnenuntergang  in  zwölf  Stunden 
getheilt  wurde,  so  musste  entweder  die  Skala  der  Uhr  im  Sommer  länger  sein 
als  im  Winter,  wenn  ein  an  dem  Schwimmer  befestigter  Zeiger  angewendet 
wurde,  oder  es  musste  bei  sich  drehender  kreisrunder  Skala  und  feststehendem 
Zeiger  der  Drehungswinkel  der  Skala  im  Winter  ein  kleinerer  sein,  als  im 
Sommer,  oder  es  musste  endlich,  wenn  nur  eine  Skala  für  alle  Jahreszeiten 
angewendet  werden  sollte,  die  Ausfiussöffnung  am  oberen  Gefässe  im  Sommer 
kleiner  gemacht  werden  als  im  Winter. 

Im  ersten  Falle  brachte  man  viele  verschiedene  Skalen,  etwa  für  jeden 
Monat  eine,  auf  dem  Mantel  eines  senkrechten  Cylinders  an  und  drehte  diesen 
immer  so,  dass  die  der  jeweiligen  Jahreszeit  entsprechende  Skala  hinter  dem 
Zeiger  stand.  Im  zweiten  Falle  liefen  die  Skalen  um  einen  Kegelmantel  und 
zwar  scheint  die  konische  Form  einer  solchen  Walze  oder  Säule  gewählt  worden 
zu  sein,  damit  die  Theilung  der  Skala  für  die  kurzen  Wintertage,  in  denen 
der  Drehungswirikel  der  Walze  bedeutend  kleiner  war,  nicht  zu  fein  würde. 
Demnach  hätte  die  Skala  für  den  längsten  Tag,  der  Kegelspitze  am  nächsten, 
den  ganzen  Umfang  des  Kegels  umspannt,  während  die  Skala  für  den  kürzesten 
Tag,  der  Kegelbasis  am  nächsten,  nur  einen  Theil  des  Umfanges  umspannte, 
und  der  Zeiger  hätte  vom  längsten  bis  zum  kürzesten  Tage  immer  mehr  von 
der  Spitze  nach  der  Basis  hin  verstellt  werden  müssen  und  umgekehrt. 

Anstatt  die  verschiedenen  Skalen  auf  einem  Kegelmantel  aufzutragen, 
bediente  man  sich  jedoch  auch  ebener,  durch  koncentrische  Kreise  in  ring- 
le 


4,  Heron  der  Aeltere  von  Alexandria  und  seine  Vorgflnger. 

förmige  Skalen  eingetheilter  Scheiben,  die  als  Kegel  von  unendlich  kleiner 
Höhe  betrachtet  werden  können,  und  zwar  geschah  dies  bei  der  sogenannten 
Amphorika,  einer  Wasseruhr«  die  auch  in  einigen  anderen  Punkten  von  den 
seither  beschriebenen  abwich.  Es  war  nämlich  der  Schwimmer  an  einem 
kupfernen  Drahtseile  aufgehangen,  dieses  war  um  eine  horizontale  Walze  ge- 
schlungen (wenn  die  Walze  nicht  hoch  über  dem  Wasser  lag,  musste  sie  noch 
über  eine  Leitrolle  geführt  werden,  was  bei  Vitruy  nicht  erwähnt  ist)  und  am 
anderen  Ende  an  ein  Gegengewicht  befestigt,  welches  herabsank  und  die  Walze 
umdrehte,  wenn  der  Schwimmer  durch  den  Wasserzufluss  gehoben  wurde.  Auf 
dem  einen  Ende  der  Walze,  welches  durch  eine  senkrechte  Wandung  ging^  war 
eine  koncentrische,  runde  Scheibe  befestigt.  Ein  in  diese  Scheibe  gestecktes 
metallenes  Knöpfchen  diente  als  Zeiger  und  war  verstellbar,  indem  die  Scheibe 
mit  einer  grinsen  Anzahl  Löcher  versehen  war,  in  die  das  Knöpfchen  gesteckt 
werden  konnte.  Die  Skalenscheibe  aber  (gleichsam  das  Zifferblatt)  war  durch 
ein  Netz  von  koncentrischen  Drahtringen  und  radialen  Drähten  gebildet  und 
vor  der  beschriebenen  Zeigerscheibe  befestigt.  Es  ist  anzunehmen^  dass  die 
Skala  für  den  längsten  Tag  zwischen  den  beiden  innersten  Drahtringen  ganz 
herumlief,  während  die  Skala  für  den  kürzesten  Tag  zwischen  den  beiden 
äusseren  Kreisen  nur  einen  Theil  des  Umfanges  einnahm,  und  dass  daher  das 
Zeigerknöpfchen  vom  kürzesten  bis  zum  längsten  Tage  immer  mehr  nach  dem 
Mittelpunkte  hin  versteckt  wurde  und  umgekehrt. 

Nach  der  Beschreibung  des  Vitruv  könnte  angenommen  werden,  dass  das 
Kupferdrahtseil  nur  um  die  Walze  herumgeschlungen  und  nicht  weiter  daran 
befestigt  gewesen  wäre,  so  dass  man  es  hier  mit  einer  Kraftübertragung  durch 
Reibung  zu  thun  hätte. 

Vitruv  beschreibt  auch  konische  Regulirventile,  um  den  Ausfluss  des 
Wassers  aus  dem  oberen  Gefäss  der  Wasseruhren  zu  reguliren,  mit  den  Worten: 
;,Man  lasse  zwei  Kegel,  von  welchen  der  eine  massiv,  der  andere  hohl  ist,  drehen, 
so  dass  der  erstere  in  den  letzteren  genau  hineinpasst  und  dass  das  weitere 
oder  engere  Zusammenstellen  vermittelst  eines  Regulatorstabes  (worunter  viel- 
leicht ein  ungleicharmiger  Hebel  zu  verstehen  ist)  den  Ausiluss  des  Wassers 
lebhafter  oder  sanfter  macht.^  Ob  diese  Regulirventile  dazu  dienten,  bei  An- 
wendung von  nur  einer  Skala  den  Wasserausfluss  monatlich  oder  täglich  der 
Tageslänge  entsprechend  zu  ändern,  was  jedenfalls  sehr  schwierig  gewesen 
wäre,  oder  ob  sie  bei  Anwendung  der  oben  beschriebenen  verschiedenen  Skalen 
nur  dazu  dienten,  den  Wasserabfluss  für  eine  bestimmte  Uhr  ein  für  allemal 
zu  reguliren,  ist  aus  Vitruv's  Beschreibung  nicht  ersichtlich. 

Dagegen  erscheint  es  unzweifelhaft,  dass  ein  Regulirhahn,  den  man  an 
der  Amphorika  anzubringen  pflegte  (siehe  nachstehende  Fig.  1),  dem  ersteren 
Zwecke  dienen  sollte.  Dieser  bestand  aus  einem  vor  der  Mündung  des  oberen 
Gefässes  befestigten  horizontalen  broncenen  Hohlcylinder,  an  einem  Ende  ge- 
schlossen und  mit  einem  Loch  versehen»  durch  welches  das  Wasser  einströmte» 


Ampliorika,  Regulirventile,  Regulivhahnen.  5 

In  diesen  war  ein  kleinerer  Hohlcylinder  schliessend  eingepasst,  der  am  anderen 
Ende  mit  einer  Scheibe  verschlossen  war,  in  welcher  sich  in  radialer  Richtung 
eine  Austlussö£fnung  befand.  Der  Band  des  Hahnenkörpers  an  diesem  Ende 
war  in  365  jedenfalls  ungleiche,  durch  Versuche  zu  bestimmende  Theile  einge- 
theilt  (ViTRUV  spricht  von  gleichen  Theilen,  was  aber  nicht  richtig  sein  kann). 
Ein  Zeiger  auf  der  Verschlussscheibe  des  inneren 
Cylinders  wies  auf  diese  Theilstriche.  Stellte 
man  den  Zeiger  auf  den  Theilstrich,  der  dem 
kürzesten  Tage  entsprach  und  als  solcher  be- 
zeichnet war,  so  stand  die  Ausflussöffnung  am 
tiefsten  Punkte  und  senkrecht  nach  unten,  da- 
her floss  das  Wasser  rascher  aus;  stellte  man 
dagegen  den  Zeiger  durch  Drehung  des  inneren 
Cylinders  auf  den  Theilstrich,  der  dem  längsten  rig.  i. 

Tage   entsprach,  so  stand  die  Ausflussöffnung 

am  höchsten  Punkte  der  Verschlussscheibe  und  senkrecht  nach  oben,  daher 
floss  das  Wasser  bedeutend  langsamer  aus.  In  mittleren  Stellungen  ergaben 
sich  auch  mittlere  Ausflussgeschwindigkeiten.  Charakteristisch  für  den  da- 
maligen Stand  der  Wissenschaft  ist  es,  dass  das  langsamere  Ausfliessen  des 
Wassers  nur  aus  der  Abweichung  des  Wasserstrahles  von  der  Richtung  der 
Schwerkraft  erklärt  wird  und  die  Verminderung  der  Druckhöhe  durch  das  Um- 
drehen der  Scheibe  mit  der  Ausflussöffnung  unbeachtet  bleibt. 

Zweifelhaft  ist  es,  ob  diese  Regulirhahnen  und  Ventile  schon  von  Ktesibios 
angewendet  wurden.  Sie  machen  eher  den  Eindruck  späterer  Zuthat  und  nicht 
einmal  den  einer  Verbesserung.  Denn  der  Zweck,  dem  sie  dienen  sollten, 
musste  durch  die  Anwendung  verschiedener  Skalen  bei  konstanter  Ausflussöffnung 
weit  sicherer  erreicht  werden.  Wahrscheinlich  hat  Vitruv,  der  über  hundert 
Jahre  später  lebte  als  Ktesibios,  mehr  die  Wasseruhren  seiner  Zeit  als  die- 
jenigen des  Erfinders  beschrieben.  Wir  haben  trotzdem  diese  Beschreibung 
seinen  Schriften  entnommen,  weil  uns  ältere  über  diesen  Gegenstand  nicht 
bekannt  sind.  Denn  des  Ktesibios  Schriften  sind  verloren  gegangen,  ebenso 
die  Schrift  über  Wasseruhren  von  seinem  Schüler  Heron  dem  Aelteren  von 
Alexandria,  der  etwa  um  120  v.  Chr.  lebte.  Des  Letzteren  ;,Mechanica^  und 
^Barülkon^,  wovon  erstere  von  der  Theorie  der  sogenannten  fünf  einfachen 
Maschinen,  letztere  von  den  Hebemaschinen  handelte,  sind  wahrscheinlich  auch 
verloren.  Ein  Auszug  aus  ;,Barülkon''  findet  sich  in  »Pappi  Alexandrini  col- 
lectionis  liber  VIII",  welches  wir  in  der  nächstfolgenden  Abhandlung  besprechen 
werden.  Dagegen  ist  dessen  Werk:  ;,Pneumatica''  noch  erhalten,  und  da  in 
diesem  sowohl  eine  Wasserorgel,  als  auch  ein  Wasserdruckwerk  in  Form  einer 
Feuerspritze  beschrieben  ist,  und  es  wahrscheinlicher  ist,  dass  des  Ktesibios 
Schüler  Heron  diese  Dinge  so  beschrieb,  wie  sie  sein  Lehrmeister  herstellte, 
als  dies  von  Vitruv  anzunehmen  ist,  so  wollen  wir  auf  des  Letzteren  Beschreibung 


i>  Heron  der  Äoltere  von  Alexandria  ond  seine  Vorgänger. 

von  den  Ktesibischen  Druckwerken  und  Wasserorgeln  hier  nicht  eingehen, 
sondern  uns  zu  dem  Werke:  „Pneumatica^  des  Heron  wenden.** 

Es  liegt  uns  die  im  Jahre  1688  zu  Frankfurt  a.  M.  erschienene  deutsche 
XJebersetzung  dieses  Werkes  von  Carion  vor,  der  wir  das  Nachfolgende  entnehmen. 

In  der  Vorrede  des  Verlegers  wird  gesagt,  dass  die  Schriften  des  Heron 
zuerst  von  Abt  Bernhard  Baldo  von  Urbino  mit  Erklärungen  und  Abbildungen 
versehen  in  griechischer  Sprache  zu  Augsburg  gedruckt  wurden,  dass  darnach 
eine  lateinische  üebersetzung  vorf  Commandino  (geb.  1509  zu  Urbino)  im  Jahre 
1575,  dem  Todesjahre  des  Uebersetzers,  erschienen  sei,  dann  im  Jahre  1680 
eine  ebenfalls  lateinische  Ausgabe  mit  Zusätzen  von  Aleotti  zu  Amsterdam 
und  darnach  (1688)  die  uns  vorliegende  erste  deutsche  Üebersetzung  heraus- 
gegeben worden  sei.  Es  scheint  daher,  dass  die  in  dem  uns  vorliegenden  Buche 
enthaltenen  Figuren  von  Abt  Baldo  von  Urbino  herrühren*),  jedenfalls  nicht 
von  Heron,  und  man  hat  sich  daher  zur  Beurtheilung  des  Letzteren  nur  an 
den  Text  zu  halten.  Jeder  Leser  hat  das  Recht,  und  wir  möchten  sagen  die 
Pflicht,  die  Figuren  zu  verbessern,  wo  dies  nach  den  Textesworten  angezeigt 
erscheint.  Denn  man  würde  unseres  Erachtens  dem  berühmten  griechischen 
Mechaniker  Unrecht  thun,  wenn  man  seine  Schrift  nur  durch  die  Brille  jenes 
geistlichen  Herrn  betrachten  wollte.  Deshalb  haben  wir  in  den  unserer  Ab- 
handlung beigegebenen  Figuren  die  Gegenstände  so  skizzirt,  wie  es  uns  nach 
den  Textesworten  am  angemessensten  schien;  werden  aber,  wo  es  zweifel- 
haft erscheinen  dürfte,  ob  wir  das  Richtige  getroffen  haben,  die  Textesworte 
citiren,  damit  jeder  Leser,  wenn  er  sich  darnach  eine  bessere  Vorstellung  von 
den  betreffenden  Dingen  bilden  kann,  dies  thun  möge. 

Heron  beginnt  sein  Buch  mit  folgenden  Worten: 

„Die  Beschäftigung  mit  Luft-  und  Wasserkünsten  ist  von  den  alten  Philo- 
sophen und  Mechanikern  hoch  geschätzt  worden,  von  den  letzteren  wegen  der  Gewalt 
und  Kraft  des  Wassers,  von  ersteren  aber  wegen  der  sinnlich  wahrnehmbaren  Ursachen 
jener  Künste.  Es  erscheint  mir  daher  nothwendig,  das  von  Altera  her  darüber  Be- 
kannte in  gehörige  Ordnung  zu  bringen  und  das  von  uns  selbst  Erfundene  zu  ver- 
öffentlichen, da  solches  allen  denen  von  Nutzen  sein  dürfte,  die  sich  in  mathematischen 
Dingen  unterrichten  wollen.  Es  dürfte  aber  das,  was  wir  jetzt  schreiben  wollen, 
demjenigen  gleichartig  und  zugehörig  sein,  was  wir  in  den  vier  Büchern  von  den 
Wasseruhren  abgehandelt  haben,  indem  auch  hier  durch  das  Zusammenwirken  von 
Luft,  Feuer,  Wasser  und  Erde,  welche  in  gegenseitigem  Widerstreite  entweder  zu 
dreien  oder  alle  vier  zusammengebracht  werden,  allerlei  Anordnungen  zu  Wege 
gebracht  werden,  die  theils  von  grossem  praktischen  Nutzen  sind,  theils  unsere  grösste 
Venvunderung  erregen." 

„Von  dem  Vakuum." 

„Ehe  wir  über  unseren  eigentlichen  Gegenstand  schreiben,  müssen  wir  etwas 
über  das  Vakuum  vorausschicken.  Einige  geben  überhaupt  nicht  zu,  dass  ein  leerer 
Baum  von  Natur  existire;  Andere  dagegen  sind  der  Ansicht,  dass  zwar  kein  grösserer 


*)  Sie  finden  sich  ebenso  in  der  lateinischen  üebersetzung  des  Commandino,  mit  der 
wir  nach  dem  ersten  Erscheinen  unserer  Abhandlung  die  Üebersetzung  des  Carion  verglichea 
und  mehrere  Stellen  darnach  abgeändert  haben. 


Von  dem  Vakuum.  7 

leerer  Raum  von  Natur  vorhanden  sei,  wohl  aber  ganz  kleine  leere  Räume  in  den 
Flüssigkeiten,  dem  Feuer  und  anderen  Körpern  vertheilt  seien,  welch  letzterer  Ansicht 
man  füglich  beistimmen  muss,  indem  die  Erscheinungen  sich  dadurch  vernünftig 
erklären  lassen,  wie  wir  im  Nachfolgenden  zeigen  werden. 

Geschirre,  welche  Vielen  als  leer  erscheinen,  sind  nicht  leer,  sondern  enthalten 
Luft.  Diese  besteht  aber  nach  der  Ansicht  der  Naturforscher  aus  kleinen  leichten, 
meist  unsichtbaren  Körperchen." 

Zum  Beweise  für  diesen  Satz  wird  angeführt,  dass  aus  einem  Gefasse, 
indem  es  mit  Wasser  gefüllt  wird,  Luft  entweicht,  was  bei  enger  Mündung  des 
Gefässes  besonders  wahrnehmbar  sei;  femer,  dass  in  ein  umgekehrt  ins  Wasser 
getauchtes  Gefäss  das  Wasser  wegen  der  darin  enthaltenen  Luft  nicht  eindringt, 
so  dass  der  Boden  des  Gefässes,  selbst  bei  gänzlichem  Untertauchen  desselben, 
innen  trocken  bleibt. 

Von  einem  theilweisen  Eindringen  des  Wassers  infolge  der  Kompression 
der  eingeschlossenen  Luft  erwähnt  Hebon  nichts.  Der  Gedanke,  dass  sich  die 
Spannkraft  der  Luft  mit  dem  Wasserdrucke  ins  Gleichgewicht  setzen  muss,  ist 
ihm  fremd  und  seine  Begriffe  von  Hydro-  und  Aerostatik  erweisen  sich  über- 
haupt manchmal  als  mangelhaft,  wie  nicht  anders  zu  erwarten  ist. 

Dafür,  dass  zwischen  den  die  Körper  bildenden  materiellen  Theilchen 
kleine  leere  Räume  vertheilt  sein  müssen,  dass  also  die  Körpertheilchen  von 
Natur  einen  gewissen  Abstand  von  einander  haben,  nur  durch  äussere  Gewalt 
enger  zusammengeschoben  oder  weiter  von  einander  entfernt  werden  können, 
in  ihre  natürliche  Lage  zurückzukehren  streben  und  dies  thun,  sobald  jene 
gewaltsame  Einwirkung  aufhört,  wird  die  Elasticität  als  Beweis  angeführt, 
welche  sich  ohne  diese  Hypothese  nicht  erklären  lasse. 

Zum  Beweis  dafür,  dass  die  Körpertheilchen  in  ein  künstlich  vergrössertes 
Vakuum  wieder  einzudringen  streben  (was  man  im  Mittelalter  den  Horror  vacui 
nannte)  wird  auf  folgende  Erscheinungen  hingewiesen :  Dass  ein  leichtes  Gefäss 
mit  enger  Oeffnung,  aus  dem  man  mit  dem  Munde  Luft  aussaugt,  an  den 
Lippen  hängen  bleibt;  dass  eine  so  ausgesaugte  und  schnell  mit  dem  Finger 
verschlossene  Glasviole,  umgekehrt  mit  der  Mündung  in  Wasser  gehalten,  sich 
mit  diesem  füllt,  das  Wasser  also  ;, widernatürlicher  Weise"  in  die  Höhe  steigt; 
ferner,  dass  ein  Schröpf  köpf,  in  dem  man  durch  Feuer  die  Luft  verdünnt  hat, 
saugend  wirkt;  dass  in  eine  blecherne  Hohlkugel  mit  einem  nicht  ganz  bis  zum 
Boden  reichenden,  dicht  eingelötheten  Röhrchen  Luft  eingeblasen  werden  kann, 
ohne  dass  Luft  aus  der  Kugel  entweicht,  und  dass  die  so  komprimirte  Luft 
mit  Gewalt  und  Geräusch  ausströmt,  sobald  die  enge  Oeffnung  des  Röhrchens 
frei  wird. 

Auch  der  Umstand,  dass  das  Licht  durch  Luft  und  Wasser,  und  dass 
die  Wärme  („Feuer")  durch  die  Körper  dringt,  erscheint  dem  Heron  nur  durch 
das  Vorhandensein  kleiner  Vakua  in  den  Körpern  erklärlich  und  selbst  die 
Durchdringung  von  Wasser  und  Wein,  sowie  von  Erde  und  Wasser  bei  deren 
Mischung,  auch  die  Mischbarkeit  von  Gasen  und  die  Absorption  geringer  Luft- 


8 


Heron  der  Aeltere  von  Alexandria  und  seine  Vorgänger. 


mengen  durch  grosse  Wassermengen  gelten   ihm  als  Beweise  für  die  Richtig- 
keit seiner  Hypothese,  wobei  er  alle  Mischungen  für  Substanzveränderungen  hält. 
Gelegentlich  der  Erwähnung  der  Schröpf  köpfe  spricht  sich  Heron  über 
die  Wirkung  des  Feuers  folgendermassen  aus: 

„Das  Feuer  zerstört  und  vertreibt  in  den  Schropfkopfen  die  Luft,  sowie  es  auch 
andere  Körper  zerstört  und  kleiner  macht  Dies  gilt  von  Luft,  Wasser  und  Erde. 
Denn  dass  diese  von  dem  Feuer  zerstört  oder  verzehrt  werden,  ist  aus  den  zurück- 
bleibenden Kohlen  ersichtlich,  welche  entweder  die  gleiche  Gestalt  behalten,  die  sie 
vor  der  Verbrennung  hatten,  oder  kleiner  werden,  jedenfalls  aber  ihr  Gewicht  ändern." 
—  „Was  aber  durch  den  Rauch  an  den  Körpern  sich  ändert,  nimmt  ein  feuriges, 
luftiges  oder  erdiges  Wesen  an.  Das,  was  dünn  ist,  wird  in  die  Höhe,  wo  das 
Feuer  ist,  gefülirt."  (Es  liegt  hier  die  Ansicht  zu  Grunde,  dass  das  Feuer  seinen 
natürlichen  Platz,  zu  dem  es  immer  hinstrebt,  über  der  Luftregion  habe).  „Das,  was 
ein  wenig  dichter  ist,  erhebt  sich  zwar  etwas,  sinkt  aber  wegen  steter  Vergrösserung** 
(sollte  wohl  heissen  Verdichtung?)  „dann  wieder  herab  und  vereinigt  sich  wieder  mit 
dem  Erdigen.  Das  Wasser,  wenn  es  von  dem  Feuer  umgewandelt  wird,  geht  in  Luft 
über.  Die  Dämpfe  aus  erhitzten  Tiegeln  sind  nichts  Anderes  als  ausgedehnte  Flüssig- 
keit, die  sich  in  Luft  verwandelt  hat,  denn  das  Feuer  löst  alles  Dichte  auf  und 
wandelt  es  um." 

Zum  Schlüsse  seiner  Einleitung  fasst  Heron  nochmals  seine  Hypothesen 

zusammen  und  sagt  dann: 

„Nach  dieser  Erklärung  wollen  wir  über  das  Zusammenwirken  der  erwähnten 
Elemente  Theoreme  zusammenstellen,  durch  welche  sehr  wunderbare  Bewegungen  zum 
Vorschein  gebracht  werden.  Zuvor  wollen  wir  aber  von  den  umgebogenen  oder 
krummen  Wasserröhren  reden,  die  von  den  Hydraulikern  Kranichhälse  (das  sind 
Heberröhren)  genannt  werden  und  zu  vielen  Luft-  und  Wasserkünsten  von  Nutzen  sind." 

Es  werden  dann  in  76  Kapiteln  ebenso  viele,  meist  hydraulische  und 
pneumatische  Apparate  beschrieben.  Die  wesentlichen  und  interessantesten 
pavon  dürften  in  nachstehenden  Figuren  abgebildet  sein,  indem  die  fehlenden 
meist  nur  unwesentliche  Modifikationen  der  von  uns  ausgewählten  Apparate  sind. 


11 


'^"^ 

'^ 

MB^ 

J 

C~: 

Fig.  2. 


Fig.  3. 


Fig.  4. 


Fig.  5. 


Fig.  e. 


Fig.  2  ist  eine  gewöhnliche  Heberröhre. 

Fig.  3  ist  der  sogenannte  „gedoppelte  Heber",  dessen  Konstruktion  aus 
der  Abbildung  vollständig  ersichtlich  sein  dürfte. 

Fig.  4  ist  eine  Heberröhre,  deren  kürzerer  Schenkel  in  einen  Schwimmer 
befestigt  ist,  um  eine  stets  gleichgrosse  Ausflussgeschwindigkeit  zu  erzielen. 

Fig.  5  ist  eine  ähnliche  Vorrichtung,  bei  welcher  der  Heber  vermittelst 
einer  Stellschraube  in  dem  Schwimmer  auf  und  nieder  geschoben  werden  kann, 


Wirkung  des  Feuers,  Heber,  Gefäss  .Prochyta".  9 

damit  man  verschieden  grosse,  während  des  Ausfliessens  aber  konstante  Aus- 
flussgeschwindigkeiten erhalten  kann. 

Fig.  6  ist  ein  Heber  mit  Ansaugevorrichtung.  Am  unteren  Ende  des 
längeren  Schenkels  des  Hebers  ist  ein  bimförmiges  Gefäss  angesteckt.  Dies 
wird  zuerst  unten  mit  dem  Finger  zugehalten  und  durch  die  obere  Oefifnung 
mit  Wasser  gefüllt.  Dann  wird  die  obere  Oeffnung  geschlossen,  die  untere 
geöffnet  und  das  ausfiiessende  Wasser  saugt  die  Flüssigkeit  aus  dem  Haupt- 
gefasse  nach  sich.  Es  wird  von  Heron  nicht  erwähnt,  dass  die  Ausflussöffnung 
mindestens  um  soviel  tiefer,  als  die  Oberfläche  des  Wassers  im  Sauggefässe 
liegen  muss^  wie  das  Wasser  in  dem  kürzeren  Heberschenkel  steigen  muss. 


Fig.  7.  Fi?.  &  Fig.  9.  Fig.  10. 

Fig.  7  zeigt  noch  eine  andere  Form  des  Hebers,  bei  der  das  obere  Knie 
der  Heberröhre  durch  eine  übergestülpte  Glasglocke,  resp.  durch  einen  halb- 
kugelförmigen  geschlossenen  Raum  ersetzt  ist. 

Fig.  8  ist  ein  Stechheber,  jedoch  nicht  wie  jetzt  gebräuchlich,  sondern 
in  Kugelform. 

Fig.  9  ist  ein  ebensolcher  Stechheber,  durch  eine  vertikale  Scheidewand 
in  zwei  Kammern  getheilt.  Jede  Kammer  hat  oben  eine  mit  den  Fingern  ver- 
schliessbare  Oeffnung.  Füllt  man  beide  Kammern  mit  verschiedenen  Flüssig- 
keiten, so  kann  man  nach  Belieben  bald  die  eine,  bald  die  andere  aus  der 
Kugel  auslaufen  lassen. 

Fig.  10  ist  das  Gefäss  „Prochyta"  genannt,  aus  dem  man  zwei  ver- 
schiedene Flüssigkeiten  nach  Belieben  entweder  nacheinander  oder  gemischt 
ausgiessen  kann.  Die  zuletzt  auszugiessende  Flüssigkeit  wird  zuerst  in  die 
untere  Abtheilung  des  Gefasses  gefüllt,  wobei  die  Oeffnung  am  Henkel  offen 
bleibt,  damit  die  Luft  daraus  entweichen  kann.  Dann  wird  diese  Oeffnung  mit 
dem  Finger  geschlossen  und  die  zuerst  auszugiessende  Flüssigkeit  in  die  obere 
Abtheilung  des  Gefasses  gegossen.  Hält  man  nun  die  Oeffnung  am  Henkel 
geschlossen,  so  kann  man  die  obere  Flüssigkeit  allein  ausgiessen.  Ist  diese 
ausgegossen  und  öffnet  man  dann  das  Loch  am  Henkel,  so  kann  die  Luft  in 
die  untere  Abtheilung  des  Gefasses  dringen  und  die  dor^  befindliche  Flüssigkeit 
fliesst  aus.  Oeffnet  man  aber  das  Loch  am  Henkel,  che  die  obere  Abtheilung 
des  Gefasses  leer  ist,  so  fliessen  beide  Flüssigkeiten  vermischt  aus.  (Hier  ist 
der  uns  vorliegende  Text  jedenfalls  fehlerhaft,  indem  darin  gesagt  ist,  das 


10 


Hei'on  der  Aeltere  Ton  Alexandria  und  seine  Vorgänger. 


Rohr,  welches  durch  die  Mitte  des  Querbodens  geht,  solle  bis  beinahe  auf  den 
Gefassboden  reichen  und  die  Oeffnungen  am  Rande  des  Qnerbodens  sollten 
siebartig  ringsum  angebracht  sein.  Beides  kann  jedoch  den  Apparat  nur 
verschlechtem.  Uebrigens  ist  in  der  CARioN'schen  Ausgabe  die  hierher  gehörige 
Abbildung  noch  mit  der  zum  folgenden  Kapitel  gehörigen  verwechselt.) 


Fig.  11. 


Fig.  12. 


Fig.  11  zeigt  einen  Windkessel  mit  einer  Luft-Kompressionspumpe  und 
mit  einem  um  eine  horizontale  Achse  drehbaren  Ausspritzrohre,  durch  dessen 
Drehung  der  Zufluss  zum  Ausspritzrohre  geöffnet  oder  geschlossen  wird.  Der 
Text  dazu  lautet  in  unsere  jetzige  Sprache  übersetzt: 

,,Man  stelle  eine  Kugel,  etwa  sechs  Maass  haltend,  aus  starkem  Blech  her, 
so  dass  sie  der  Gewalt  der  komprimirten  Luft  zu  widerötoheii  vermöge,  wie  A  B,  auf 
einem  Fusse  stehend.  Oben  in  diese  Kugel  wird  eine  Oeffnung  gemacht,  durch 
welche  man  eine  Röhre  einsetzt,  die  um  etwas  von  dem  gerade  gegenüberliegenden 
Boden  absteht,  sowie  es  der  Ausfluss  des  Wassers  erfordert.  Auch  stehe  das  Rohr 
ein  wenig  über  der  Kugel  vor  und  sei  mit  dieser  dicht  verlöthet,  wie  auch  gleicher- 
massen  oben  mit  seiner  Ausflussröhre,  welche  zwei  Theile  DF  und  DG  mit  zwei 
einander  gegenüberstehenden  gleichen  hohlen  Mundstücken  GH  KL  und  FMNX 
bildet  (Siehe  Fig.  12.)  In  diese  zwei  Mundstücke  wird  eine  andere  Röhre,  die  in 
der  Mitte  ein  in  die  Höhe  gehendes  Röhrchen  BS  tragt,  bei  0  und  P  eingesteckt, 
in  deren  Wandung  Löcher  sind,  welche  mit  den  Löchern  der  Röhren  G  HKL  und 
FMNX  korrespondiren.  Das  in  die  Höhe  stehende  Röhrclien  muss  spitz  zulaufen 
und  sich  in  ein  kleines  Mundloch  verlieren,  wie  bei  s  zu  sehen. 

Wenn  man  nun  dieses  Röhrchen  ergreift  und  damit  das  Rohr  PO  umwendet» 
80  verschliesst  man  damit  die  korrespondiren  den  Oeffnungen,  so  dass  die  Flüssigkeit» 
welche  durch  dieselben  herausgedrückt  werden  soll,  keinen  Ausgang  findet 

Durch  ein  anderes  Loch  wird  eine  andere  Röhre  TYV  (siehe  Fig.  11)  in  die 
Kugel  eingebracht  und  festgemacht,  deren  unteres  Ende  V  verschlossen  ist,  an  der 
Seite  aber  zunächst  dem  Boden  wird  ein  rundes  Loch  gemacht,  vor  dem  ein  Klappen- 
ventil (Assarium)  befestigt  wiixl,  wie  solches  nachher  beschriel)eii  werden  soll.  In 
diese  Röhre  wird  ein  Stempel  zu)  gesteckt,  der  genau  hineinpasst  Wenn  nun  dieser 
runde  Stempel  ganz  herausgezogen  und  die  Röhre  TYV  mit  Flüssigkeit  gefüllt 
wird,  dann  wird  solche  durch  das  Loch  Q  und  bei  Eröffnung  des  Ventils  durch  die 


Windkessel,  Klappenventil,  kommunicirende  Gefässe.  U 

Ausflussröhre  in  die  Kugel  dringen  und  die  darin  enthaltene  Luft  (zunächst)  durch 
der  Röhre  Mundlöcher  bei  OP  austreiben,  wenn  dieselben  bei  GH  KL  und  FMNX 
so  stehen,  dass  sie  offen  sind.  Wenn  nun  die  eingeschüttete  Flüssigkeit  die  halbe 
Kugel  ausfüllt  (diese  Stelle  ist  ungenau,  da  ohne  Nachhilfe  durch  die  Pumpe  die 
Flüssigkeit  nur  wenig  über  die  untere  Mündung  des  Steigrohres  steigen  kann^  wird 
die  Bohre  JR8  gewendet,  so  dass  die  Löcher,  welche  seither  aufeinander  trafen,  ver- 
schlossen werden.  Dann  wird  der  Stempel  zo)  in  die  Röhre  gesteckt  und  mit  dem* 
selben  die  in  der  Röhre  befmdliche  Flüssigkeit  eingepumpt,  so  dass  sie  mit  Gewalt 
durch  das  Ventil  in  die  Kugel  eindringt,  weil  diese  mit  Luft  und  Flüssigkeit  angefüllt 
ist  Es  erfolgt  aber  das  Ausspritzen  infolge  der  Anhäufung  und  Zusammendrückung 
der  Lufttheilchen  in  die  zwischen  denselben  befindlichen  Vakua.  Wenn  man  den 
Stempel  eo)  wieder  herauszieht,  so  dass  sich  die  Röhre  TYV  von  neuem  mit  Luft 
füllt  (der  Stempel  muss  zu  diesem  Zwecke  ganz  aus  dem  Pumpenstiefel  herausgezogen 
werden,  da  dieser  kein  Saugventil  hat)  imd  den  Stempel  dann  wieder  hineinstösst 
und  80  die  Luft  in  die  Kugel  presst  und  solches  mehrmals  wiederholt,  so  wird 
dadurch  viel  Luft  in  der  Kugel  komprimirt  Dass  aber  beim  Herausziehen  des 
Stempels  die  so  eingeschlossene  Luft  nicht  herausgezogen  wird,  ist  leicht  einzusehen, 
weil  das  Ventil  beim  Herausziehen  des  Stempels  vor  das  Loch  gezogen  und  dieses 
verschlossen  wird. 

Wenn  nun  das  oberste  Röhrchen  RS  ergriffen  und  senkrecht  in  die  Höhe 
gerichtet  wird,  so  dass  die  Löcher  gerade  aufeinander  kommen,  wird  die  Flüssigkeit 
ausgetrieben,  weil  die  gepresste  Luft  wieder  ihren  vorigen  Ramn  einnimmt  und  die 
darunter  befindliche  Flüssigkeit  austreibt  Ist  viel  Luft  in  der  Kugel,  so  wird  sie 
alle  Flüssigkeit  austreiben  imd  es  wird  selbst  mit  dieser  noch  die  überschüssige  Luft 
ausgetrieben  werden." 

Zu  diesem  Texte  hat,  wie  wir  annehmen,  Abt  Baldo  von  Urbino  eine 
höchst  unklare  Figur  geliefert,  die  ausserdem  in  der  Ausgabe  von  Carion  noch 
von  dem  Buchdrucker   mit  der  zum   vorigen  Kapitel   gehörigen   verwechselt 
wurde.    Es   dürfte  daher  bis  jetzt  wenig  bekannt  geworden  sein, 
dass    dieser    wohldurchdachte    Apparat    von    Hehon    beschrieben 
worden  ist. 

Fig.  13  zeigt  das  im  vorigen  Kapitel  erwähnte  Klappen- 
ventil (Assarium)  im  Schnitt  skizzirt.  Die  Beschreibung  des  Heron 
lautet: 

„Das  im  vorigen  Kapitel  erwähnte  Ventil  wird  folgendermassen  hergestellt: 
Man  macht  zwei  viereckige  Plättchen  oder  Flügel  von  Metall  oder  Kupfer,  an  denen 
jede  Seite  einen  Finger  lang  ist  Die  Dicke  nimmt  man  nach  Lage  der  Sache  im 
richtigen  Verhältnisse.  Diese  Plättchen  werden  der  Fläche  nach  an-  und  ineinander- 
gefügt und  so  zugerichtet,  dass  weder  Luft  noch  Flüssigkeit  sich  dazwischen  auf- 
halten kann.  Von  diesen  beiden  hat  das  eine  Plättchen  AB  DG  m  der  Mitte  ein 
rundes  Loch,  dessen  Durchmesser  gleich  dem  dritten  Theile  einer  Fingerlänge  ist 
Wenn  der  Flügel  AD  an  dem  Flügel  EH  anliegt,  werden  beide  in  den  Angeln 
mit  einander  verbunden,  so  dass  die  Flächen  genau  aneinander  schliesscn.  Bei  der 
Anwendung  wird  der  Flügel  ABGD  an  die  Mündung  der  Röhre  gelöthet,  dass 
man  dim^h  das  Ventil  die  eingepresste  Luft  oder  Flüssigkeit  zurückhalten  kann« 
Denn  bei  dem  Einpressen  wu-d  der  Flügel  EF  G  H  bewegt,  so  dass  sich  das  Scharnier 
schnell  öffnet  und  die  Luft  oder  Flüssigkeit  in  die  Kugel  einlässt  und  fest  darin 
verschliesst,  indem  der  Flügel  EF G H  dem  in  der  Kugel  Eingeschlossenen  wider- 
steht und  das  Loch,  durch  welches  die  Luft  hereingepresst  wurde,  fest  verschHesst" 

Fig.  14  sind  die  sogenannten  ;, Gefässe  der  Einigkeit^.   Zwei  gleiche,  auf 

einer  Horizontalebene  stehende  Gefässe  sind  durch  eine  kommunicirende 


Fig.  la. 


12 


Heron  der  Aeltere  von  Alexandria  und  seine  Vorgänger. 


Röhre  verbunden,  deren  Schenkel  beide  gleich  hoch,  beinahe  bis  zn  den 
Mündungen  der  Gefässe  reichen.  In  jedem  Gefässe  ist  femer  eine  Heberöhre 
angebracht,  wovon  die  Mündung  des  kurzen  Schenkels  nur  wenig  über  dem 
Boden  des  Gefässes,  der  höchste  Punkt  der  Biegung  aber  in  gleicher  Höhe 
mit  der  Mündung  der  kommunicirenden  Röhre  liegt.  Das  eine  Gefäss  kann 
bis  beinahe  zu  dieser  Höhe  gefüllt  werden,  ohne  dass  Flüssigkeit  herausfliesst ; 
giesst  man  aber  dann  in  das  andere  Gefass  Flüssigkeit  bis  über  diese  Höhe,  so 
tiiessen  beide  Gefässe  gleichzeitig  aus. 

Fig.  15.  Dass  zwei  neben  einem  Altare  stehende  Priesterfiguren  Trank- 
opfer bringen,  sobald  auf  dem  Altare  das  Feuer  brennt,  soll  nach  Heron 
folgendermassen  bewirkt  werden: 

Der  ein  ringsum  geschlossenes  Gefäss  bildende  Altar  und  die  Prioster- 
figuren  stehen  auf  einem  gemeinschaftlichen  Fussgestell,  welches  ebenfalls  ein 


Fig.  14. 


Fig.  15. 


ringsum  geschlossenes  Gefass  bildet.  Die  Scheidewand  zwischen  Altar  und 
Fussgestell  ist  durchbohrt.  Durch  jede  Priesterfigur  geht  ein  Röhrchen,  welches 
einerseits  nahe  über  dem  Boden  des  Fussgestells,  andererseits  in  der  Opfer- 
schale  der  Priesterfigur  endigt.  Das  Fussgestell  wird  mit  der  Flüssigkeit,  von 
welcher  geopfert  werden  soll,  nahezu  angefüllt.  Wird  nun  das  Feuer  auf  dem 
Altare  angezündet,  so  erwärmt  sich  dieser  und  die  darin  eingeschlossene  Luft 
dehnt  sich  durch  die  Wärme  aus,  drückt  auf  die  Flüssigkeit  im  Fussgestell 
und  presst  sie  durch  die  Röhren  nach  den  Opferschalen  der  Priesterfiguren, 
aus  denen  sie  in  das  Opferfeuer  fliesst. 

Dieser  Apparat  wird  in  Pierer's  Konversationslexikon  in  dem  geschicht- 
lichen Theile  des  Artikels  „Dampfmaschine"  emähnt  als:  „eine  mit  Wasser 
gefüllte  Figur  eines  Priesters  aus  Erz,  die  erwärmt  durch  die  Opferflamme 
Wasser  ausgiesst'*.  Wie  wir  sehen  ist  aber  Heron's  Apparat,  wenn  man  ihn 
zu  den  Maschinen  zählen  will,  nicht  als  Dampfmaschine,  sondern  als  kalorische 
oder  Heissluftmaschine  zu  bezeichnen. 

Fig.  16  ist  eine  recht  nette  pneumatisch-hydrostatische  Spielerei,  wie 
solche  schon  damals  und  noch  mehr  im  16.  und  17.  Jahrhunderte  unserer  Zeit* 


Kalorische  Maschine,  pneumatisch-hydrostatische  Spielereien. 


13 


rechnimg  beliebt  waren.  ÄLEOirfs  Zusätze  zu  Heron's  Pneumatica  bestehen 
nur  aus  derartigen,  jedoch  komplicirteren  Kunststückeben.  Die  Aufgabe  ist 
folgende : 

Ein  künstlicher  Vogel  soll  pfeifen,  solange  eine  in  seiner  Nähe  sitzende 
Eule  nicht  nach  ihm  hinschaut,  soll  verstummen,  wenn  diese  sich  umwendet 
und  ihn  ansieht,  soll  wieder  singen,  wenn  die  Eule  sich  wieder  abwendet  u.  s.  f. 
Dies  wird  folgendermassen  erreicht:  In  ein  ringsum  geschlossenes  Gefass  lässt 
man  Wasser  durch  einen  Trichter  einströmen,  dessen  Röhre  nahezu  bis  auf 
den  Boden  des  Gefässes  reicht.  Dadurch 
wird  die  Luft  in  demselben  komprimirt 
und  indem  sie  durch  ein  in  die  Trichter- 
wand eingelöthetes  Pfeifenröhrchen ,  das 
oben  übergebogen  ist  und  auf  dem  der 
Vogel  sitzt,  entweicht,  macht  sie  diesen 
scheinbar  singen.  Es  ist  aber  in  dem  Wind- 
gefäss  ein  sogenannter  „gedoppelter  Heber" 
(wie  in  Fig.  3  dargestellt)  angebracht,  durch 
welchen  das  Wasser,  sobald  es  in  dem  Ge- 
fässe  bis  zu  einer  bestimmten  Höhe  gestiegen 
ist,  schneller  abfliesst,  als  neues  zufliesst. 
Das  Wasser  fliesst  von  da  in  einen  Eimer, 
der  an  einer  Schnur  aufgehangen  ist,  welche 
über  eine  Leitrolle  läuft,  um  eine  stehende 
Welle  geschlungen  und  mit  dem  Ende  an 

diese  befestigt  ist.  Ein  Gegengewicht,  welches  etwas  schwerer  ist  als  der  leere 
Eimer  und  ebenso  an  einer  in  entgegengesetzter  Richtung  um  die  stehende 
Welle  geschlungenen  Schnur  aufgehangen  ist,  hielt  die  stehende  Welle,  auf 
welcher  die  künstliche  Eule  sitzt,  bis  jetzt  in  ihrer  Stellung.  Sobald  aber 
Wasser  in  den  Eimer  fliesst,  sinkt  dieser  herab  und  dreht  die  stehende  Welle 
mit  der  Eule  so  um,  dass  diese  nach  dem  Vogel  sieht,  welcher  aufhört  zu 
singen,  weil  die  Spannung  der  Luft  in  dem  Windgefasse  sehr  rasch  auf  die 
der  äusseren  Atmosphäre  herabsinkt.  In  dem  aufgehangenen,  jetzt  herabge- 
sunkenen Eimer  ist  wiederum  ein  gedoppelter  Heber,  durch  den  das  Wasser 
abläuft,  wenn  es  in  dem  Eimer  auf  eine  gewisse  Höhe  gestiegen  ist.  Sobald 
das  Windgefäss  vom  Wasser  ganz  oder  theilweise  entleert  ist,  wird  sich  daher 
auch  der  Eimer  wieder  entleeren.  Das  Gegengewicht  zieht  den  Eimer  in  die 
Höhe,  dreht  die  Eule  dabei  in  ihre  ursprüngliche  Stellung  und  der  Vogel  fängt 
wieder  an  zu  pfeifen,  weil  dem  Windgefasse  jetzt  wieder  mehr  Wasser  zu- 
fliesst, als  daraus  abfliesst.  Die  Weiten  und  Druckhöhen  der  beiden  Heber 
müssen  natürlich  entsprechend  gewählt  werden. 

Fig.  17   zeigt  eine  Feuerspritze,  das  ist  ein  Wasserdruckwerk,  wie  sie 
nach  dem  Berichte  Vitruv's  der  Lehrer  des  Heron,   Ktesibios,  zuerst  gebaut 


Fig.  16. 


14 


Heron  der  Acltere  von  Alexandria  und  seine  Vorgänger. 


haben  soll.    Da  diese  Feuerspritze  zu  den  interessantesten  Apparaten  Heron's 

gehört  und  der  Verdacht  nahe  liegen  könnte,  dass  wir  dieselbe  in  allzu  moderni- 

sirter  Gestalt  skizzirt  hätten,  lassen  wir  die  Beschreibung  des  Heron  in  der 

Uebersetzung  hier  folgen. 

„Die  Feuerspritzen,  welche  «um  Löschen  der  Feuersbrünste  gebraucht 
werden,  macht  man  wie  folgt: 
Es  werden  zwei  metallene  Cylinder  auf  der  Innenfläche  mit  dem  Drehstahle 
nach  dem  Kolben  ausgedreht,  gleichwie  die  „Stiefel"  der  Brunnen macher.  Die  genau 
passenden  Kolben  seien  KL  und  MN.  Die  Cylinder  aber  sind  durch  eine  Röhre 
XODi^  mit  einander  verbunden  und  aussen  innerhalb  der  Röhre  XODF  sind 
sie  mit  aufgesetzten  Ventilen  P  und  R  versehen,  wie  die  oben  besprochenen,  so  dass 
sie  sich  nach  der  Aussenseite  der  Cylinder  öffnen.  Die  Cylinder  haben  auch  in  den 
Böden  runde  Löcher  s  und  /,  welche  durch  glatte  Scharnierstücke  (Ventilklappen) 
YPQR  verschlossen  sind.     Durch  diese   sind  Bolzen   gesteckt,    welche  festgelöthet 


Fig.  17. 


oder  dadurch  mit  dem  Cylinderboden  fest  verbunden  werden,  dass  man  sie  an  den 
äussersten  Enden  mit  SehÜessen  versieht,  damit  die  Achsen  nicht  mehr  herausgezogen 
werden  können.  Die  Kolben  aber  sind  mit  Stangen  S  versehen,  die  in  ihrer  Mitte 
eingefügt  sind.  Mit  diesen  wird  die  Schiene  (der  Balancier)  Za  verbunden,  die  sich 
in  der  Mitte  um  den  festen  Bolzen  d  dreht  Die  Stangen  S  aber  drehen  sich  um 
die  Bolzen  b  und  v.  Auf  eine  Bohrung  in  dem  Rohre  XODF  wird  ein  anderes 
senkrechtes  Rohr  6^  gesetzt,  welches  sich  gabelförmig  theilt  und  mit  hahnenartigen 
Ansätzen  versehen  ist,  durch  welche  die  Flüssigkeit  ausgetrieben  wird,  wie  wir  es 
früher  bei  dem  Gefässe  besprochen  haben,  welches  vermöge  der  in  ihm  komprimirten 
Luft  Wasser  auszuspritzen  vermag." 

Da  hier  auf  den  in  Kapitel  IX  beschriebenen  und  in  unserer  Fig.  11 
dargestellten  Windkessel  Bezug  genommen  wird,  so  liegt  die  Vermuthung  nahe, 
dass  diese  Feuerspritze  mit  einem  Windkessel  versehen  gewesen  sei,  wie  wir 
ihn  in  unsere  Fig.  17  eingezeichnet  haben,  obgleich  in  der  vorliegenden  Be- 
schreibung nur  von  einem  umlegbaren  Standrohre  die  Rede  ist.  (Da  zur  Ver- 
bindung der  Kolbenstange  mit  dem  Balancier  eine  Gelenk-  oder  Flügelstange 
nicht  erwähnt  ist,  haben  wir  diese  Verbindung  so  skizzirt,  wie  sie  von  Maschinen- 


Feneispriize,  Almmappiirst,  HohnanverschlOBae.  15 

banem  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  meist  abgebildet  wurde.  Die  Oese  an 
der  Kolbenstange  ist  hier  so  weit  gemacht,  dass  sie  für  die  geringe  seitliche 
Abweichung  des  Schamierbolzens  von  der  Vertikalen  Spielraum  bietet.) 

„Wenn  nun  die  beschriebenen  Cylinder  oder  Stiefel  mit  Zubehör  in  einen  mit 
Wn.sser  gefüllten  Tn^  oxjjn  gesetzt  und  der  Baiander  daran  angemacht,  auch  an 
dessen  äusseren  Enden  bei  den  Bcharnierbolzen  d  die  Stempel  beweglich  angehängt 
und  in  die  Cylinder  gepasst  werden,  dann  werden  sie  das  Wasser  durch  die  Röhre  eC 
und  die  obere  getheilte,  sich  hin  und  her  bewegende  Röhre  X  austreiben.  Denn 
wenn  der  Stempel  KL  in  die  Höhe  gehoben  wird,  öffnet  er  da'»  Loch  bei  t  und 
schliesst  zugleich  das  Ventil  P.  Wenn  er  aber  niedergedrückt  wird,  schliesat  er  das 
Loch  bei  s  und  öffnet  das  Ventil  bei  P,  durch  welches  das  gepresste  Wasser  aus- 
gespritzt wird.     Ebendasselbe  geschieht  bei  dem  Stempel  MN. 


Die  sich  neigende  und  aufrichtende  Röhre  X  gestattet,  das  Wasser  nach  einer 
g^bcnen  Höhe  zu  spritzen,  nicht  aber  nach  einer  gegebenen  Himmelsgegend  umzu- 
kehren, es  sei  denn,  dass  man  diß  ganze  Maschine  umwende,  was  nur  langsam  und 
beschwerlich  im  Nothfalle  geschehen  kann.  Damit  aber  das  Ausspritzen  nach  jeder 
lUchtung  leichter  geschieht,  wollen  wir  die  Röhre  öf  in  zwei  gut  mit  einander  ver- 
bundene Theile  zerl^n.  Der  untere  Theil  ist  mit  der  Röhre  XODF  (das  ist  die 
die  beiden  Cylinder  verbindende  Röhre)  fest  verbunden,  während  der  oljerc  Theil,  an 
den  sich  das  gabelförmige  Rohr  ^  sammt  der  Röhre  X  anschücsst,  drehbar  damit 
verbunden  wird,  damit  man  vermt^e  dieser  Drehung  und  Neigung  des  Rohres  X 
nach  jeder  beliebigen  Richtung  spritzen  kann.  Und  zwar  erhält  die  anj^machte 
Röhre  Schlieasnägel  (die  hakenförmig  gestaltet  sind  wie  der  Buchstabe  r,  dimit  sie 
nicht  aus  den  Scharnieren  herausgetrieben  werden  können)  und  wird  vermittelst  eines 
Scham ierstuckes  festgemacht,  welches  wie  ein  Ring  gestaltet  die  imtere  Röhre  um- 
BchlicssL" 

Fig.  18  ist  ein  Apparat  zu  dem  Zwecke,  dass  bei  EröfTnung  der  Fenster- 
laden eines  Tempels  ein  Trompetenklang  erschalle. 

Neben  dem  Fenster  ist  ein  Gefäss  mit  Wasser  aufgestellt,  lieber  dem- 
selben ist  ein  enghalsiges  Gefäss  mit  der  Mündung  nach  unten  vermittelst  eines 
Hakens  an  einem  zweiarmigen  Hebel  mit  Gegengewicht  aufgehängt.    In  den 


16  HeroD  der  Aeltere  too  Alezandria  und  seine  Vorgingrer. 

nach  oben  gerichteten  Boden  des  aufgehangenen  Gefasses  ist  eine  Trompeten- 
röhre  (vielleicht  eine  Zangenpfeife)  gelöthet  Der  Hebelarm  mit  Gegengewicht 
ist  yermittelst  einer  über  eine  Leitrolle  laufenden  Schnur  so  mit  einem  Fenster- 
laden verbunden,  dass  er  durch  das  Oeffnen  desselben  in  die  Höhe  gezogen 
wird.  Infolge  davon  geht  der  andere  Hebelarm  abwärts,  der  Haken  daran 
gleitet  ab,  das  daran  hängende  Gefass  fallt  in  das  Wasser,  dieses  drängt  die 
Luft  durch  die  Trompetenröhre  heraus,  welche  dadurch  ertönt. 

Fig.  19  ist  ein  Gefass  mit  eigenthümUcbem  Hahnenverschluss.     Der  Text 
dazu  lautet: 

y,Man  findet  bei  den  bedeckten  Eingangen  der  ägyptischen  Tempel  drehbare 
Rader  von  Erz  angebracht,  damit  die  Eintretenden  dieselben  unHliehen,  weil  man 
glaubt,  dass  das  Erz  eine  reinigende  Wirkung  habe.  Es  sind  aber  auch  Greschirre 
zum  Besprengen  der  flintretenden  da.  Es  wäre  daher  zweckmässig,  wenn  durch  das 
Umdrehen  des  Rades  Wasser  zur  Besprengung  aus  denselben  flösse. 

Es  stehe  bei  dem  bedeckten  Ein-  oder  Kreuzgange  ein  verborgenes  Grefass  mit 
Wasser  AB  CD,  dessen  Boden  ein  Loch  E  habe  und  es  sei  an  dem  Boden  dne 
Rohre  FGHK  angelöthet,  die  gleichfalls  in  der  Gegend  E  ein  Loch  P  habe,  so 
dass  beide  Lödier  aufeinander  treffen.  In  diese  Röhre  kommt  eine  andere  ZrJlf,  die 
bei  L  mit  der  Röhre  FGHK  verbunden  ist  und  ^eichfalls  in  der  Gegend  von  E 
ein  Loch  P  hat.  Zwischen  diese  beiden  Röhren  komme  die  dritte  JVXOiJ,  so  dass 
sie  die  beiden  ersteren  berühre  und  auch  sie  habe  ein  Loch  S  bei  dem  Loche  E 
Wenn  nun  die  erwähnten  Löcher  alle  aufeinander  gerichtet  sind,  wird  Wasser,  welches 
man  in  das  Gefass  AB  CD  schüttet,  durch  die  Rohre  LM  ausfliessen,  wenn  man 
aber  die  Röhre  NX  OB  dreht,  wird  es  aufhören  zu  fliessen.  Weil  aber  das  Rad 
an  die  Röhre  NXOB  befestigt  ist,  wird  vermittelst  dessen  das  Ausfliessen  bewirkt 
oder  verhindert." 

Fig.  20  ist  ein  in  drei  Kammern  getheiltes  Gefass  mit  darunter  liegendem 

Vierweghahn,  welcher  ermöglicht,  nach  Belieben  Flüssigkeit  aus  einer  der  drei 

Kammern  ausfliessen  zu  lassen.    Die  Beschreibung  dieses  Hahnes  lautet: 

„Es  geht  aus  des  Geschirres  Boden  aus  jeder  Kammer  ein  RGhrchen  qq*,  wß 
imd  vt,  wovon  das  äusserste  Ende  ip,  £,  t  in  eine  andere  Röhre  einmündet,  und  in 
diese  ist  wiederum  eine  andere  Röhre  fleissig  eingepasst,  am  Ende  G  mit  einem  Boden 
verschlossen  und  in  der  Gegend,  wo  die  kleinen  Röhrchen  y,  z,  t  anschliessen,  mit 
Löchern  versehen,  so  dass  bei  Umdrehung  der  Röhre  B  G  \q  eines  der  Löcher  mit 
einem  der  Röhrchen  zusammentrifft  und  die  Flüssigkeit  aufninunt,  mn  sie  durch  die 
Röhre  ausfliessen  zu  lassen  u.  s.  w." 

Fig.  21  ist  dem  Wesen  nach  eine  Heissluftmasckine  zum  selbstthätigen 
Oeffnen  und  Schliessen  einer  Thüre.     Die  zu  lösende  Aufgabe  lautet: 

„Einen  Tempel  so  einzurichten,  dass  nach  dem  Anzünden  des  Opferfeuers 
dessen  geschlossene  Thüre  von  selbst  aufgeht  und  sich  nach  dem  Verlöschen 
des  Feuers  wieder  selbstthätig  schliesst." 

Unter  dem  Tempel  befindet  sich  ein  „Fussgestell"  *)  (Souterrain?),  auf  dem 
auch  der  hohle  Altar  steht.  Dieser  steht  durch  eine  Röhre  mit  einem  im 
Souterrain  befindlichen  kugelförmigen,  zur  Hälfte  mit  Wasser  gefüllten  Gefass 
in  Verbindung.    In  dieses  ist  ausserdem  eine  ü-förmige  Röhre  so  eingelöthet, 

*)  Aas  diesem  Ausdrucke  muss  man  schliessen,  dass  es  sich  hier  um  die  Demonstration 
an  einem  Modell  handelt. 


Heisslnftm  aschioen. 


17 


dass  deren  einer  Schenkel  nahe  bis  zum  tiefsten  Punkte  der  Kugel  reicht.  Die 
Drehazen  der  beiden  Flügel  der  Thüre  sind  abwärts  verlängert  bis  zum  Fues- 
boden  des  Souterrains,  wo  sie  in  Pfannen  laufen.  Um  die  Axen  sind  zwei 
Ketten  geschlungen  and  über  Leitrollen  geführt.    Die  eine  Kette  trägt  am  Ende 


ein  Gewicht,  welches  die  Thürflügel  zu  schlies&en  strebt,  an  der  anderen,  welche 
in  entgegengesetzter  Richtnug  um  die  Thüraxen  geschlungen  ist,  hängt  ein 
Gefäss,  welches  in  leerem  Zustande  leichter  ist,  als  jenes  Gewicht.    In  dieses 


Gefäss  mündet  der  eine  Schenkel  der  oben  erwähnten  ü-förmigen  Röhre  so 
ein,  dass  er  bei  geschlossener  Thüre  beinahe  bis  auf  den  Boden  des  Gefässes 
reicht 

Wird  auf  dem  Altar  Feuer  angezündet,  so  erwärmt  eich  dieser,  die  ein- 
geschlossene Luft  dehnt  sich  aus,  drückt  auf  das  Wasser  in  dem  Ballon  im 


18  Heron  der  Aeltere  von  Alexandria  und  seine  Vorginger. 

Souterrain,  dieses  steigt  durch  die  C-förmige  Röhre  in  das  aufgehängte  Gefass, 
zieht  dieses  nieder  und  öffnet  dadurch  die  Thüre.  Das  Gefass  sinkt  aber  nur 
so  weit,  dass  die  Mündung  der  Heberröhre  doch  noch  unter  dem  Wasserspiegel 
des  angefüllten  Gefasses  bleibt.  Nachdem  das  Feuer  auf  dem  Altare  erloschen 
ist,  zieht  sich  die  Luft  in  demselben  infolge  des  Erkaltens  wieder  zusammen 
und  saugt  das  Wasser  aus  dem  aufgehangenen  Gefasse  zurück  in  den  Ballon, 
und  das  Gegengewicht  sinkt  herab  und  schliesst  die  Thür  wieder. 

Fig.  22  ist  ein  ganz  ähnlicher  Apparat,  nur  dadurch  von  dem  vorigen 
unterschieden,  dass  der  Hohlraum  des  Altars  mit  einem  im  Souterrain  liegenden 
Schlauche  (das  ist  ein  aus  einer  zusammengenähten  Ziegenhaut  bestehender 
Ballon)  durch  eine  Röhre  verbunden  ist.  Auf  dem  Schlauche  ruht  ein  Gewicht, 
das  die  Stelle  des  aufgehangenen  Gefasses  im  vorigen  Apparate  vertritt  und 
schwerer  sein  muss.  als  das  Gegengewicht.  Ist  der  Altar  kalt,  so  drückt  dies 
Gewicht  den  Schlauch  zusammen  und  hält  die  Thüre  geschlossen;  wird  aber 
das  Feuer  angezündet,  so  erwärmt  sich  die  Luft  in  dem  Altar,  dehnt  sich  aus 
und  bläht  den  Schlauch  auf,  hebt  das  darauf  rahende  Gewicht  und  das  Gegen- 
wicht sinkt  nieder  und  öffnet  die  Thüre. 

Fig.  23  ist  ein  Schröpfkopf,  in  dem  die  Luft  durch  Aussaugen  mit  dem 
Munde  verdünnt  wird,  ehe  man  ihn  aufsetzt. 

Der  grösste  Theil  des  inneren  Raumes  des  Schröpfkopfes  ist  durch  eine 
der  Mündung  parallele  Querwand  abgeschlossen.   Durch  zwei  aus  der  Zeichnung 

ersichtliche,  aus  je  zwei  in  einander  gepassten  Röhren  be- 
stehende Hähne  kann  dieser  abgeschlossene  Raum  nach 
Belieben  mit  der  zweiten  Abtheilung  des  Schröpfkopfes  einer- 
seits und  mit  der  äusseren  Luft  andererseits  in  Kommuni- 
kation gesetzt  werden.  Man  schliesst  zuerst  die  Oeffnung 
in  der  Querwand,  öffnet  den  zweiten  Hahn,  und  indem  man 
durch  diesen  mit  dem  Munde  Luft  aus  dem  abgeschlossenen 
Theile  des  Schröpf  kopfes  aussaugt,  schliesst  man  ihn  wieder. 
Fig.  2S.  Alsdann  setzt  man  den  Schröpfkopf  auf  und  öffnet  den  Hahn 

an  der  Querwand,  wodurch  Luftverdünnung  im  ganzen  Schröpf- 
kopfe entsteht  und  dieser  ansaugt.  Die  beiden  Hahnen  sind  beschrieben  als: 
„spritzenförmige  Ventile"  aus  einer  äusseren  und  einer  inneren  Röhre  bestehend, 
wovon  die  letztere  am  äusseren  Ende  geschlossen  und  wirbelförraig  gestaltet  ist." 
Von  einer  Konicität  solcher  Röhren  ist  bei  Heron's  Beschreibungen  von 
Hahnen  niemals  die  Rede;  doch  wäre  es  immerhin  möglich,  dass  solche  nur 
als  etwas  Selbstverständliches  nicht  ausdrücklich  erwähnt  wird.  Wendete  man 
cylindrische  Röhren  an,  so  war  ein  Ineinanderschleifen  derselben  nicht  mög- 
lich, und  man  musste  dann  durch  konsistente  Schmiere  oder  ähnliche  Mittel 
die  Dichtigkeit  des  Hahnes  erreichen. 

Fig.  24  ist  ein  Apparat,  der  für  uns  hauptsächlich  deshalb  interessant 
ist,   weil   dabei  durch   eine  Zahnradübersetzung  eine   drehende  Bewegung  von 


SchrSpfkopf,  Winkelräderübersetzung,  Abflossregelnng. 


19 


einer  horizontalen  auf  eine  vertikale  Axe  übertragen  wird.  Die  Aufgabe  lautet: 
„Eine  Schatztrube  oder  einen  Gotteskasten  zu  machen  mit  einem  Rade  von 
Metall,  das  sich  hin  und  her  drehen  lässt,  sonst  Agnisterion  genannt,  welches 
diejenigen,  welche  zum  Gottesdienste  gehen,  umzudrehen  pflegen.  Wenn  das 
Rad  gedreht  wird,  soll  dies  einen  Vogelgesang  yerursachen,  und  der  Vogel, 
welcher  anf  dem  Kasten  sitzt,  soll  sich  gleichzeitig  nmdrehen.  Wenn  sich  aber 
der  Vogel  einmal  umgewendet  hat,  soll  er  eich  nicht  weiter  umwenden  nnd 
mit  Pfeifen  aufhören." 

Die  Beschreibung  lautet  etwa  wie  folgt:  ABGD  sei  der  Gotteskasten, 
in  welchem  eine  Welle  EF  liegt,  an  der  ein  Rad  HK  befestigt  ist,  das  man 
umdreht.  Ferner  ist  auf  dieser  Welle  eine  Trommel  L  angebracht  und  ein 
Rad  M,  das  mit  Zähnen  oder  Spitzen  versehen  ist.  Um  die  Trommel  ist  ein 
Seil  gewunden,  an  dessen  Ende  eine  metallene  Kuppel  (oder  Glocke)  hängt,  aus 


der  eine  Röhre  hervorragt,  die  oben  in  eine  Vogelpfeife  endigt.  Unter  diese 
Kuppel  (oder  Glocke)  wird  ein  Gefäss  mit  Wasser  gesetzt.  Von  der  Spitze 
des  Kastens  bis  zu  dessen  Boden  wird  eine  andere  Welle  angebracht,  anf 
welcher  bei  S  der  Vogel  sitzt,  bei  T  aber  ein  mit  Speichen  (Triebstöcken?) 
versehenes  Drehrad,  das  mit  den  Zähnen  des  Rades  M  in  Eingriff  ist.  Wird 
das  Rad  HK  gedreht,  so  schlingt  sich  das  Seil  um  die  Trommel  und  hebt 
die  Kuppel  oder  Glocke.  Wird  dann  das  Rad  losgelassen,  so  sinkt  diese  herab 
in  das  Wasser,  welches  die  Luft  verdrängt  und  den  Vogelgesang  verursacht; 
gleichzeitig  aber  wird  durch  die  Bäderüberset}:nng  der  Vogel  umgewendet. 

Die  beiden  Axen  sind  in  unserer  Skizze  rechtwinkelig  geschränkt 
gezeichnet.  Diese  Anordnnng  war  bei  den  Maschinenbauern  des  16.  und 
17.  Jahrhunderts  die  gebräuchlichste  und  wegen  der  damals  üblichen  Trieb- 
stock Verzahnungen  zulässig. 

Fig.  25  ist  ein  Apparat,  vermittelst  dessen  man  durch  Einstellen  eines 
Gewichtes  bewirken  kann,  dass  aus  einem  Gefasse  eine  beliebige,  bestimmte 
Flüssigkeitsnienge  ausfliesst. 


20  Heron  der  Aeltere  von  Alezandria  and  Mine  Vorgiager. 

Die  Beschreibung  lautet: 

„AB  sei  ein  Grefäss,  in  welches  man  Wein  einschüttet,  dessen  Auslaufrohre 
D  nahe  dem  Boden  sei.  Der  Hals  des  Gefässes  ist  mit  einem  Querboden  EF  ver- 
sdilossen,  durch  welchen  eine  Röhre  GH  geht,  die  vom  Boden  des  Gelasses  nur 
so  weit  absteht,  wie  es  für  den  Ausfluss  des  Weines  nöthig  ist  Das  Fussgestell, 
auf  welchem  dies  Gefäss  steht,  sei  KJMN.  Ein  zweites  Rohr  X  0  geht  durch  das 
Geschirr  in  das  Fussgestell  und  steht  von  dem  Querboden  ein  wenig  ab.  In  das 
Fussgestell  wird  Wasser  geschüttet,  durch  welches  man  die  untere  Oeffnung  der 
Röhre  XO  verschliesst  Femer  bt  JBP  ein  hölzerner  Hebel  (Waagbalken),  dessen 
eine  Hälfte  sich  innerhalb  und  dessen  andere  Hälfte  sich  ausserhalb  des  Fussgestelles 
befindet  und  welcher  seinen  Drehpunkt  in  dem  Scharniere  S  hat  An  diesen  Hebel 
wird  bei  'P  ein  Eimer  gehängt,  der  im  Boden  ein  Loch  T  hat  Wenn  nun  das 
Hauptgefäss  durch  die  Röhre  GH  gefüllt  wird,  ehe  in  das  Fussgestell  Wasser  ge- 
schüttet wird,  entweicht  die  Luft  durch  die  Röhre  XO,  dabei  verschliesst  man  die 
Auslaufröhre  und  schüttet  dann  durch  ein  Loch  Wasser  in  das  Fussgestell,  bis  das 
Mundloch  0  bedeckt  wird.  Dann  öffnet  man  die  Auslaufröhre  (am  Hauptgefiss). 
Der  Wein  kann  nun  nicht  ausfliessen,  weil  keine  Luft  in  das  Gefass  eindringen 
kann.  Wenn  man  aber  den  äusseren  Theil  des  Hebels  It  niederdrückt,  wird  der 
Eimer  (mit  der  darin  enthaltenen  Wassermenge)  si<*h  theil  weise  aus  dem  Wasser 
erheben,  das  Mundloch  0  von  Wasser  befreien  und  dadurch  das  Ausflussrohr  fliessen 
machen,  bis  die  in  die  Höhe  gezogene  Wassermenge  aus  dem  Eimer  (durch  das  Loch 
im  Boden  desselben)  ausgelaufen  und  das  Mundloch  0  wieder  geschlossen  ist  u.  s.  w.*^ 

Je  nachdem  nun  durch  ein  Laufgewicht  der  äussere  Theil  des  Waagbalkens 
mehr  oder  weniger  niedergedrückt  wird,  wird  eine  grössere  oder  geringere 
Menge  des  Weines  aus  dem  Hauptgeiasse  ausfliessen  und  durch  eine  geeignete 
Skala  auf  dem  Waagbalken  kann  man  die  Ausflussmenge  beliebig  bestimmen. 

Bei  dieser  Lösung  der  Aufgabe  ist  der  Umstand  übersehen,  dass  der  Ab- 
schlnss  des  Mundloches  0  durch  das  Wasser  im  Fussgestell  nicht  sofort  den 
Anslauf  des  Weines  verhindert,  sondern  erst  dann,  wenn  die  im  Hauptgefässe 
befindliche  Luft  sich  soweit  ausgedehnt  und  soweit  Wasser  aus  dem  Fussge- 
stell angesogen  hat,  dass  in  der  Röhre  X  0  eine  Wassersäule  steht,  deren  Höhe 
gleich  ist  der  Druckhöhe  des  Weines  im  Hauptgefässe.  Auch  ist  der  Umstand 
übersehen,  dass  diese  Wassersäule,  wenn  die  Röhre  XO  nicht  sehr  weit  ist, 
in  derselben  stehen  bleibt,  wenn  auch  der  Wasserspiegel  im  Fussgestelle  das 
Mundloch  0  nicht  mehr  verschliesst,  dass  sie  dem  Flüssigkeitsdrucke  im  Haupt- 
gefässe dann  immer  noch  das  Gleichgewicht  halt  und  deshalb  ein  Ausfliessen 
des  Weines  nicht  zulässt.  Um  dies  zu  vermeiden,  dürfte  der  Abschluss  des 
Mundloches  0  nicht  durch  das  Wasser  selbst,  sondern  er  müsste  durch  ein 
Schwimmerventil  erfolgen,  etwa  durch  ein  solches,  wie  es  in  unserer 

Fig.  26  abgebildet  und  im  zwanzigsten  Kapitel  der  „Pneumatica"  von 
Heron  beschrieben  ist,  wo  es  sich  darum  handelt,  dass  aus  einem  höher  stehen- 
den Wasserreservoir  in  ein  tiefer  stehendes  stets  soviel  Wasser  wieder  zufliesst, 
als  aus  letzterem  entnommen  worden  ist  Der  Schwimmer  von  Kork  bildet 
hier  selbst  das  Ventil  und  schliesst  die  nach  unten  gerichtete  Mündung  der 
Zuflussröhre,  sobald  das  Niveau  des  ihn  tragenden  Wassers  wieder  bis  zur 
ursprünglichen  Höhe  gestiegen  ist. 


Abflu9s-Regel Ventile,  Herona-Bronnen. 


21 


Fig.  27  ist  eine  andere  Form  des  ächwimmerventils,  zum  gleichen  Zwecke 
dienend.  {Hehos's  Kap.  67.)  Das  Absperrventil  ist  glockenförmig  und,  ab- 
weichend von  unseren  jetzt  üblichen  Anordnungen,  über  die  Rohrmündung 
gestülpt,  welche  es  verschliessen  boII. 

Fig.  28  ist  ein  einfaches,  vermittelst  eines  Hebels  mit  der  Hand  zu 
bewegendes  Absperrventil  dieser  Art.  (Kap.  51.) 


Fig.  29  ist  ein  Apparat,  welcher  denselben  Zweck  erfüllt,  wie  der  für 
Fig.  25  angegebene. 

Das  zu  füllende  Gefass  steht  auf  einem  Waagbalken  mit  Laufgewicht. 
Sobald  die  gewünschte  Flüssigkeitsmenge  in  dies  Gefäss  gelaufen  ist,  sinkt  es 
nieder  und  schliesst  vermittelst  des  aus  der  Abbildung  ersichtlichen  Hebel- 


Fig.  29. 


Flg.  81. 


mechanismus  das  glockenförmige  Abschlussventil  über  dem  aufwärts  gebogenen 
Ende  der  Auslaufröhre  in  dem  Hauptgefässe. 

Ein  konisches  Ventil  kommt  bei  Heron  nur  im  Kap.  40  in  Gestalt 
eines  Pfropfens  vor,  der  in  einen  konischen  Ventilsitz  eingepasst  ist. 

Fig.  30  ist  diejenige  Form  des  sogenannten  Herons- Brunnens,  welche 
sich  in  Heron's  Pnenmatica  wirklich  findet.     Bekanntlich  bezeichnet  man  mit 


Heron  der  Aelter«  i 


1  Alex&ndria  und  seine  Vorgftnger. 


diesem  Namen  heutzutage  eineo  Apparat,  wie  ihn  unsere  Fig.  31  zeigt.  In 
Heron's  Werk  ündet  man  den  Apparat  in  dieser  Form  nicht  und  Ulierhaapt 
keinen  Springbrunnen,  bei  dem  das  Wasser  durch  hydraulischen  Druck  empor- 
getrieben  wird. 

Fig.  32  ist  das  in  Kap.  57  von  Heron  beschriebene  chirurgische  In- 
strument „Piuleus",  welches  ühnlich  dem  Schröpf  köpfe  zum  Saugen  diente, 
nachdem  man  die  feine  Spitze  desselben  durch  die  Haut  gestochen  und  den 
Stempel  zurückgezogen  hatte.  Es  kann  als  primitive  Form  der  „Luftpumpe" 
zur  Erzeugung  eines  luftverdünnten  Raumes  angesehen  werden. 


^^ 


A 


Fig.  33.  Flg.  31.  l'ig.  X,. 

Wir  gehen  nun  zu  den  von  Hekon  beschriebenen  Apparaten  über,  bei 
welchen  die  Expansivkraft  des  Dampfes  zur  Anwendung  kommt. 

Wird  das  Wassergefass  (Fig.  33)  über  ein  Feuer  gesetzt,  so  versetzen  die 
aus  dem  Wasser  entweichenden  Dämpfe  eine  leichte,  in  dem  auf  dem  Geföss- 
deckel  angebrachten  Trichter  liegende  Kugel  in  hüpfende  Bewegung. 

Fig.  34  soll  die  bekannte,  durch  die  Reaktion  des  ausstrümonden  Dampfes 
in  Rotation  versetzte  Kugel  zeigen.  Das  oben  auf  der  Kugel  befindliche  Ana- 
strömungsröhrchen  ist  nach  vorwärts,  das  unten  befindliche  nach  rückwärts 
gekrümmt. 

Fig.  35  ist  ein  im  Kap.  73  von  Heron  beschriebener  Dampf-  und 
Wasserkessel,  welcher  in  konstruktiver  Hinsicht  so  viel  Interessantes  bietet, 
dass  wir  den  Text  vollständig  wiedergeben. 

Die  gestellte  Aufgabe  lautet: 

„Einen  Kochtopf  herziuichten  und  eine  Thiijrstatue  diimn  zu  neUen,  welcbe 
bläst  und  sognr   dJo  Kohlen  auhlöst,  dnss  sie  brennen.     Ueberdies  die  EinrichtuDg 


Pialens,  Dampfstrahl-Reaktionsrad,  Röhrenkesscl.  23 

zu  treffen,  dass  eine  an  dem  Halse  des  Topfes  angebrachte  offene  Röhre  nicht  eher 
nusfliesse,  als  wenn  kaltes  Wasser  in  einen  Trichter  geschüttet  wird.  Es  soll  sich 
aber  das  kalte  Wasser  erst  dann  mit  dem  warmen  vereinigen,  wenn  es  auf  den  Boden 
des  Topfes  gelangt  und  dort  durch  eine  Röhre  ausgeflossen  ist." 

Es  folgt  nun  erst  eine  mehr  allgemeine  Beschreibung  des  Apparates, 

welche  in  unsere  heutige  Sprache  übersetzt  also  lautet: 

„Der  Kochtopf  kann  eine  beliebige  Form  haben.  An  den  Raum,  in  den  man 
das  Wasser  einschüttet^  schliesst  sich  ein  anderer,  durch  zwei  Scheidewände  ringsum 
abgegrenzter  Raum,  aus  welchem  zunächst  dem  Boden  eine  Röhre  herausgeht,  deren 
eines  Ende  (welches  verschlossen  ist)  zwischen  den  Kohlen  liegt,  während  das  andere 
Ende  gut  verdichtet  ist,  damit  kein  Wasser  von  dem  Thierbilde  in  die  Kohlen  komme. 
Die  übrigen  Röhren  schliessen  sich  an  den  Raum  an,  in  dem  sich  das  (zu  erwärmende) 
Wasser  befindet,  so  dass  der  Rauch  der  verbrannten  Kohlen  in  dem  kleinen  Zwischen- 
räume zwischen  den  Röhren  hindurch  gelange  und  eine  Verdampfung  bewirke. 

Die  Form  des  Kessels  ist  eine  beliebige.  In  dem  Räume,  welcher  das  Wasser 
aufnimmt,  wird  ein  kleiner  Raum  durch  zwei  senkrechte  Scheidewände  abgegrenzt,  so 
dass  er  ringsum  abgeschlossen  ist  Mit  diesem  wird  nahe  dem  Boden  ein  Rohr  in 
Verbindung  gesetzt,  welches  als  eines  von  denen  auftritt,  die  den  Kohlen  untergelegt 
werden*),  und  dessen  anderes  Ende  verschlossen  wird,  damit  kein  Wasser  aus  dem 
Kessel  in  die  Kohlen  läuft.  Die  übrigen  Röhren  schliessen  an  den  Raum  an,  worin 
das  Wasser  ist  So  erzeugen  die  brennenden  Kohlen  in  dem  einen  Rohre,  das  sich 
an  den  kleinen  Raum  anschliesst.  Dampf,  der  vermittelst  eines  durch  den  Deckel 
des  Kessels  gehenden  Rohres  durch  das  Maul  des  Thierbildes  in  die  Kohlen  geleitet 
wird,  weshalb  das  Thierbild  so  niedergebeugt  ist,  dass  es  abwärts  bläst  Da  aber 
fortwährend  Dampf  erzeugt  wird,  bläst  das  Thierbild  beständig  und  durch  das  Feuer 
wird  wiederum  Dampf  erzeugt.  Weil  wir  aber  nur  wenig  Wasser  in  den  kleinen 
Raum  giessen,  erzeugen  wir  sehr  viel  (d.  h.  sehr  rasch)  Dampf,  und  je  stärker  das 
Thierbild  bläst,  desto  stärker  wird  der  Kessel  erhitzt,  so  wie  wir  auch  bei  Koch- 
töpfen, welche  erhitzt  sind,  sehen,  dass  der  Dampf  aus  dem  Wasser  in  die  Höhe 
getrieben  wird. 

Das  Thierbild  muss  wie  ein  Hahnwirbel  gestaltet  sein,  den  man  wegnehmen 
kann,  um  die  geringe  Quantität  Wasser  eingiessen  zu  können,  sowie  auch,  damit 
durch  Umwenden  des  Wirbels  die  Röhre  verschlossen  werden  kann,  wenn  man  will, 
dass  das  Thier  nicht  mehr  in  die  Kohlen  blase. 

Auf  dem  Deckel  des  Hauptgefässes  ist  ein  kleiner  Trichter  angebracht, .  von 
welchem  eine  Röhre  bis  über  den  Boden  geht,  durch  welche  das  eingeschüttete  Wasser 
ausfliesst  Damit  aber  der  Kochtopf  durch  das  eingeschüttete  Wasser  ganz  gefüllt 
werden  kann,  ohn^  dass  das  zugleich  aufsiedende  Wasser  überlaufe,  wird  eine  andere 
Röhre  angebracht  und  oben  mit  einer  sanften  Krümmung  nach  dem  Trichter  hhi- 
geführt" 

Eine  specielle  Beschreibung  einer  besonderen  Anordnung  dieses  Apparates 

wird  nun  eingeleitet  mit  den  Worten: 

„Wie  ein  solcher  Apparat  herzurichten  sei,  wollen  wir  nun  beschreiben: 
Es  wnrd  ein  Hohlcylinder  gemacht,  dessen  untere  Endfläche  A3  und  dessen 
obere  Endfläche  CD  sei.  In  diesen  wird  ein  zweiter  Hohlcylinder  gestellt,  so  dass 
seine  Endflächen  mit  denen  des  ersten  in  einer  Horizontalen  liegen  und  dessen  untere 
Endfläche  EFy  die  obere  dagegen  GR  heissen  möge.  Die  durch  beide  Cy linder 
gebildeten  (ringförnjigen)  Oeffnungen  werden  durch  Querböden  verschlossen. 

In  dem  Cylinder  EFGH  sind  cylindrische  Röhren  OK,  LX  und  MN 
angebracht,  wovon  die  eine  Röhre  LX  nur  mit  einem  Ende  bei  X  durch  (die  Wandung) 

*)  Daraus  geht  hervor,  dass  röhrenförmige  Roststäbe,  durch  welche  wahrscheinlich  Luft 
zur  Abkühlung  cirkulirte,  gebräuchlich  waren. 


24  Heron  der  Aeltere  von  Alexandria  und  seine  Vorgänger. 

geht,  während  die  anderen  Rohren  beiderseits  in  den  Hohlraum  zwisschen  den  Cylindem 
münden,  in  welchen  Hohlraum  zwei  Scheidewände  EG  und  FH  eingesetzt  sind,  um 
den  Raum  GEFH  abzutrennen,  in  den  diejenige  Röhre  einmündet,  welche  nur  auf 
einer  Seite  offen  durchgeht 

Auf  dem  oberen  Deckelboden,  das  ist  bei  GB,  wird  das  Thierbild,  durch 
welches  eine  enge  Röhre  geht,  aufgesteckt;  das  Röhrchen  aber,  welches  durch  das 
Thierbild  geht,  ist  vom  nach  dem  Orte  hin  gekrümmt,  wo  die  Kohlen  liegen.  Will 
man,  dass  das  Thierbild  zeitweilig  nicht  blase,  dann  muss  das  Röhrchen,  welches 
durch  das  Thierbild  geht,  wie  der  Zapfen  eines  Hahnes  in  eine  andere  Röhre  gesteckt 
werden,  damit  das  Thierbild  nicht  in  die  Kohlen  bläst,  wenn  man  es  (d.  h.  die 
Mündung  des  Röhrchens)  nach  aussen  dreht.  Die  zuletzt  genannte  feststehende  Röhre 
ist  auch  zum  Eingiessen  des  Wassers  in  den. Raum  GEFH  von  grossem  Nutzen, 
denn  wenn  das  Thierbild  mit  seiner  Röhre  herausgenommen  wird,  kann  man  das 
Wasser  durch  die  feststehende  Röhre  einschütten,  dessen  Dampf  durch  das  Bild  aus- 
strömen solL 

Auf  den  Deckelboden  wird  der  Trichter  BS  gemotzt,  dessen  Röhre  bis  nahezu 
an  den  Boden  des  Topfes  reicht,  von  dem  es  nur  so  viel  absteht,  wie  für  den  Aus- 
fluss  des  Wassers  nothwendig  ist 

Will  man  nun  das  warme  Wasser  ausfliessen  lassen,  so  giesst  man  hei  PS 
kaltes  Wasser  ein,  welches  das  warme  Wasser  verdningt  und  in  die  Höhe  steigen 
macht,  bis  es  durch  die  gebogene  Röhre  ausfliesst  Denn  das  kalte  Wasser  vermischt 
sich  nicht  sogleich  mit  dem  wannen,  und  auf  diese  Weise  erhalten  wir  immer  so  viel 
heisses  Wasser,  als  wir  kaltes  eingiessen. 

Damit  man  aber  erkenne,  wann  der  Kochtopf  siedet  wird  eine  durchgehende 
Oeffnung  für  den  Dampf  gemacht  auf  welche  sich  über  dem  Deckel  eine  gekrümmte 
Röhre  setzt,  die  nach  dem  Trichter  BS  hinweist  damit  überkochendes  Wasser  sich 
in  den  Trichter  ergiesse  u.  s.  w." 

In  dieser  Kombination  eines  Kessels  zur  Erzeugung  siedenden  Wassers 
und  eines  solchen  zur  Erzeugung  von  Dampf  zum  Anblasen  des  Feuers  finden 
wir  bereits  innere  Feuerung  wie  bei  den  heutigen  Cornwall-Kesseln,  während 
die  durch  das  Feuerrohr  gezogenen,  beiderseits  offenen  Röhren  dem  Princip 
nach  mit  den  Galloway-Röhren  übereinstimmen,  und  die  im  Feuer  liegende, 
auf  einer  Seite  geschlossene  Röhre  mit  den  heutigen  Field-llöhren  grosse  Aehn- 
lichkeit  hat. 

Im  folgenden  Kap.  74  beschreibt  IIeron  den  gleichen  Apparat  mit  der 
Abänderung,  dass  der  einfache  Dampf hahn  durch  einen  Vierweghahn,  ähnlich 
dem  in  Fig.  20  dargestellten,  ersetzt  ist,  um  durch  den  erzeugten  Dampf  ab- 
wechselnd und  nach  Belieben  einen  Trompeter  blasen,  einen  Vogel  pfeifen,  oder 
das  Thierbild,  wie  im  vorigen  Kapitel,  das  Feuer  anfachen  zu  machen.  Dass 
der  Trompeter  dabei  „durch  den  seiner  Trompete  ausströmenden  Dampf  lustig 
umhergewirbelt  wird",  wie  in  Pierer's  Konversationslexikon  in  dem  geschicht- 
lichen Theile  des  Artikels:  „Dampfmaschine"  gesagt  wird,  ist  nicht  richtig. 

Die  beiden  letzten  Kapitel  der  „Pneumatica"  handeln  von  der,  wie 
wir  gesehen  haben,  von  Ktesibios  erfundenen  Wasserorgel.  Dieselbe  führt 
diesen,  Namen,  weil  die  Regulirung  des  Winddruckes  durch  Wasser  ge- 
schieht. Zur  Erzeugung  des  Windes  dient  eine  Kompressionspumpe  mit 
Cylinder  A  (Fig.  36),  dem  Massivkolben  2?,  einem  Saugventil  im  oberen 
Cylinderboden  C,  bestehend  aus  einer  dünnen,  federnden  Metallzunge  über  der 


Wasserorgel,  Windrad. 


25 


Saugöffnung.  Ein  gleiches  Ventil  wird  wohl  vor  der  Ausströmungsöffnung  am 
Cylinder  gewesen  sein,  obgleich  dies  in  der  Beschreibung  des  Heron  nicht  erwähnt 
ist.  Der  Kolben  wird  durch  eine  starke  Kolbenstange  und  einen  doppelarmigen 
Hebel,  indem  man  mit  dem  Fusse  dessen  äusseres  Ende  H  niederdrückt,  nach 
aufwärts  getrieben  imd  sinkt  dann  durch  sein  eigenes  Gewicht  wieder  nieder. 
Die  Luft  geht  aus  dem  Pumpencylinder  durch  eine  Il-förmig  gebogene  Röhre 
von  oben  in  eine  metallene  Glocke  Z),  welche  in  einem  theilweise  mit  Wasser 
gefüllten  Reservoir  so  aufgestellt  ist,  dass  sie  dessen  Boden  nicht  berührt.  Die 
in  die  Glocke  gepresste  Luft  verdrängt  das  in   derselben  stehende  Wasser, 


Fig.  3ö. 

welches  unten  aus  der  Glocke  entweicht,  ausserhalb  in  dem  Reservoir  in  die 
Höhe  steigt  und  durch  den  hydraulischen  Druck  eine  um  so  gleichmässigere 
Windpressung  in  der  Glocke  erhält,  je  grösser  die  Wasseroberfläche  im  Re- 
servoir, je  geringer  also  der  so  erzeugte  Unterschied  der  Wasserstände  in  dem- 
selben ist.  Durch  eine  zweite,  oben  in  die  Glocke  einmündende  Röhre  wird 
die  Luft  von  da  nach  der  Windlade  E  geführt.  Die  Einrichtung  der  Tastatur 
der  Orgel  bietet  nichts  besonders  Bemerkenswerthes.  Durch  Niederdrücken 
der  Tasten  F  wird  vermittelst  eines  Winkelhebels  ein  Schieberventil  am  Fusse 
der  Orgelpfeife  G  geöffnet.  Wird  die  Taste  wieder  frei,  so  schiebt  eine  Feder 
aus  Hörn  das  Schieberventil  wieder  zu. 

Im   folgenden  letzten  Kapitel   der  „Pneumatica"   endlich    ist  ein  eben- 
solches Orgelwerk  beschrieben,    bei  dem   die  Luftkompressionspumpe   jedoch 


{ 


20  Heron  der  Aeltere  von  Alexandria   und  seine  Vorgüngcr. 

nicht  durch  Menschenkraft,  sondern  durch  ein  Windrad  in  Bewegung  gesetzt 
wird.  Hier  befinden  sich  die  Ventile  am  unteren  Ende  des  vertikalen  Pumpen- 
cylinders,  die  Kolbenstange  geht  nach  oben  und  hängt  an  einem  zweiarmigen 
Hebel,  dessen  anderes  Ende  durch  Stifte  oder  Daumen  niedergedrückt  wird, 
welche  in  einer  auf  der  Axe  des  Windrades  befestigten  Scheibe  sitzen. 
Kommen  die  Daumen  ausser  Eingriff,  so  sinkt  der  Kolben  durch  sein  Gewicht 
nieder  und  treibt  die  Luft  in  die  Glocke.  Das  Windrad  ist  in  einem  dreh- 
baren Gestelle  gelagert,  um  nach  der  Windrichtung  verstellt  werden  zu  können. 
Leider  ist  das  Windrad  gar  nicht  und  dessen  mechanische  Verbindung  mit  der 
of  Luftkompressionspumpe  nur  mit  wenigen  Worten  und  sehr  unklar  beschrieben. 
Es  muss  daraus  wohl  geschlossen  werden,  dass  das  W' indrad  und  ähnliche  Be- 
wegungsübertragungen wie  die  hier  erwähnte  zur  damaligen  Zeit  sehr  bekannt 
gewesen  sind,  da  Heron  sie  sonst  wohl  einer  eingehenderen  Beschreibung  ge- 
würdigt haben  würde. 


Pappus  der  Alexandriner. 


Obgleich  der  alexandrinische  Mathematiker  Pappus  erst  tim  die  Zeit  von 

234  bis  305  n.  Chr.  schrieb,  wollen  wir  eine  Besprechung  des  achten  Buches 

seines  mathematischen  Sammelwerkes  unmittelbar  auf  unsere  Abhandlung  über 

IIeron  folgen  lassen^  weil  Pappus  darin  selbst  sagt,  dass  ein  grosser  Theil  dieses 

Buches  den  Schriften  Heron's,  namentlich  dessen  „Barülkon"  und  „Mechanik" 

entnommen  sei.     In  der  Vorrede  zu  diesem  Buche  spricht  Pappus  zu  seinem 

Sohne  Hekmodor: 

„Die  mechanische  Wissenschaft  wird,  da  sie  bei  wichtigen  Dingen  im  Leben 
Anwendung  findet,  von  den  Philosophen  sehr  hoch  geachtet  und  von  allen  Mathe- 
matikern mit  besonderem  Eifer  betrieben,  weil  sie  uns  zuerst  in  die  Lehre  von  der 
Natur  der  Materie  und  den  Elementen  der  Welt  einfülirt.  Denn  indem  sie  die  Lage 
und  Schwere  der  Körper  und  ihre  Bewegung  im  Kaume  im  allgemeinen  bespricht, 
untersucht  sie  nicht  nur  die  Ursachen,  warum  sich  Körper  von  Natur  bewegen, 
sondern  lehrt  auch,  wie  man  ruhende  Körper  zur  Bewegung  aus  ihrer  Lage  zwingt, 
die  ihrer  Natur  zuwider  ist,  und  um  dies  zu  erreichen,  macht  sie  von  Lehrsätzen 
Gebrauch,  welche  die  Materie  selbst  an  die  Hand  giebt 

.  Diejenigen,  welche  dem  Heron  folgen,  sind  der  Ansicht,  dass  der  eine  Theil 
der  Mechanik  die  mathematischen  Demonstrationen,  der  andere  die  Handarbeiten 
umfasst,  und  zwar  soll  jener  Theil,  den  sie  den  rationellen  nennen,  die  Geometrie, 
Arithmetik,  Astronomie  und  die  physikalischen  Demonstrationen  in  sich  begreifen, 
der  andere  aber,  welcher  die  Handarbeiten  umfasst,  soll  die  Kunst  des  Erz-  und 
Eisenarbeiters,  des  Bauhandwerkers,  des  Holzarbeiters,  sowie  die  des  Malers  und 
Alles,  was  Handarbeit  betrifft,  lehren.  Sie  sagen,  derjenige,  welcher  vom  frühen 
Alter  an  sich  diesen  Discipünen  widmet  und  in  diesen  Künsten  geübt  wird  und 
einen  regsamen  Geist  hat,  wird  in  der  Folge  der  beste  Erfinder  (und  Konstrukteur) 
mechanischer  Werke  sein,  aber  da  es  nicht  möglich  ist,  dass  Einer  die  vielumfassende 
mathematische  Wissenschaft  vollständig  in  sich  aufnehme  und  alle  die  genannten 
Künste  erlerne,  rathen  sie  denjenigen,  welche  sich  mit  einem  mechanischen  Werke 
beschäftigen  wollen,  sie  möchten  sich  das,  was  in  diesem  Fache  noth wendig 
iüt,  von  Leuten,  die  der  betreffenden  speciellen  Kunst  mächtäg  sind,  an  die  Hand 
geben  lassen. 

Von  allen  Künsten,  welche  auf  der  Mechanik  beruhen,  sind  folgende  für  das 
praktische  Leben  am  wichtigsten:  Die  Kunst  der  Flaschenzugmacher  (ars  manga- 
nariorum),  nach  den  alten  auch  Mechaniker  genannt,  denn  diese  heben  grosse  Lasten, 
welche  von  Natur  (d.  h.  ohne  künstliche  Hilfsmittel)  unbeweglich  sind,  in  die  Höhe, 


28  Pappus  der  Alexandriner. 

indem  sie  sie  durch  kleinere  Kräfte  bewegen;  dann  die  Kunst  derer,  welche  Wurf- 
maschinen (tormenta)  bauen,  wie  nie  im  Kriege  nöthig  sind,  und  welche  auch  Mechaniker 
genannt  werden,  denn  Geschosse  von  Stein,  Eisen  oder  anderem  Material  waden 
durch  katapultenartige  Maschinen,  welche  diese  anfertigen,  auf  weite  Entfernungen 
geworfen.  Dann  die  Kunst  derer,  welche  eigentlich  Maschinenbauer  (machinarum 
fabri)  genannt  werden,  denn  durch  Maschinen,  welche  diese  zum  Wasserschöpfen 
bauen,  wird  das  Wasser  aus  grosser  Tiefe  sehr  leicht  in  die  Höhe  gehoben. 

Mechaniker  wurden  aber  auch  von  den  Alten  die  Wunderkun stier  genannt^ 
wovon  die  Einen  die  Lehre  von  der  Luft  fleissig  anwenden,  wie  Herox  in  seiner 
Pneumatica,  Andere  durch  Saiten  und  dünne  Schnüre  die  Bewegungen  belebter  Wesen 
nachzuahmen  suchen,  wie  Heron  in  seiner  Lehre  von  den  Automaten  und  seiner 
Aequilibristik ,  andere  auch  durch  solche,  die  durch  Wasser  bewegt  werden,  wie 
Archimedes  in  seinen  oxovfievoig ,  oder  durch  Wasseruhren,  wie  Heron  in  seinen 
vögeioig,  deren  Lehre  mit  der  von  den  Sonnen-  und  Wasseruhren  verwandt  zu  sein 
scheint  Mechaniker  werden  endlich  auch  diejenigen  genannt,  welche  die  Anfertigung 
von  Globen  verstehen  und  eine  Darstellung  der  Himmelsbewegung  durch  gleichmässige 
kreisförmige  Bewegung  von  Wasser  her\'^orbringen. 

Einige  sagen,  dass  die  Ursachen  und  Gesetze  von  alle  dem  seit  Archimedes 
von  Sjrakus  bekannt  seien.  Denn  dieser  vor  Allen,  deren  Andenken  sich  bis  in 
unsere  Zeit  erhalten  hat,  behandelte  jeden  Gegenstand  mit  ausserordentlicher  Greistes- 
schärfe,  wie  unter  Anderen  Geminus  in  seinem  Buche  über  den  Rang  der  Mathe- 
matiker bezeugt  Carpus  aus  Antiochien  aber  schreibt,  dass  Archimedes  nur  ein 
mechanisches  Buch  verfasst  habe,  welches  von  der  Konstruktion  der  Himmelsgloben 
handele,  alles  Uebrige  dieser  Art  aber  habe  er  nicht  für  der  Mühe  werth  gehalten, 
dass  man  darüber  schreibe.  Doch  hat  dieser  göttliche  Mann,  der  von  den  Meisten 
wegen  der  Scharfe  seines  Gi?istes  und  seiner  mechanischen  Wissenschaft  so  gerühmt 
wird,  dass  sein  Andenken  bei  allen  Sterblichen  ewig  fortleben  wird,  so  zu  sagen  die 
Haupt-  und  Grundlehren  der  Geometrie  und  Arithmetik  auf  das  Kürzeste  ge^isst 
und  auf  das  Genaueste  zusammengestellt  und  diese  Disciplinen  scheinen  von  ihm  so 
geliebt  worden  zu  sein,  dass  er  sich  nicht  entschliessen  konnte,  etwas  Anderes  hinein- 
zubringen. Carpus  selbst  aber  und  mehrere  Andere  haben  mit  Recht  die  Greometrie 
zu  gewissen  Künsten  und  zum  Gebrauche  im  Leben  herangezogen.  Denn  die  Greo- 
metrie, die  bei  vielen  Künsten  und  Anforderungen  des  Lebens  zu  helfen  vermag, 
ist  weit  davon  entfernt,  dadurch  irgend  welchen  Schaden  zu  nehmen,  oder,  indem 
sie  diese  Künste  fördert,  von  der  Ehre,  die  man  ihr  schuldet  und  von  ihrem  Schmucke 
etwas  einzubüssen. 

Nachdem  ich  so  der  mechanischen  Wissenschaft  ihre  Stellung  angewiesen  und 
ihre  Eintheilung  dargelegt  habe,  glaube  ich  mich  einer  löblichen  Arbeit  zu  unter- 
ziehen, wenn  ich  sowohl  das,  wovon  die  Alten  mit  geometrischen  Gründen  bewiesen, 
dass  es  zum  Bewegen  von  Lasten  noth wendig  sei,  als  auch  die  Lehrsatze,  welche 
ich  selbst  hierzu  brauchbar  gefunden  habe,  kürzer  und  klarer  darstelle  und  besser 
begründe,  als  es  Diejenigen  gethan  haben,  welche  vonlem  über  solche  Dinge  schrieben. 
Hierzu  gehören  folgende  Probleme:" 

Die  nun  folgenden  neun  ersten  Kapitel  behandeln  Aufgaben,  die  zu  der 
Lehre  vom  Schwerpunkte  gehören;  mehr  Interesse  hat  für  uns  das  zehnte, 
worin  die  Theorie  der  schiefen  Ebene,  welche  bekanntlich  erst  von  Stevin  im 
Jahre  1586  richtig  aufgestellt  wurde,  zu  entwickeln  versucht  wird.     Es  lautet: 

Kap.  X.  „Gegeben  eine  Last,  welche  von  einer  gegebenen  Kraft  auf  der  Hori- 
zontalebene bewegt  wird,  und  eine  andere  gegen  die  daninterliegende  (horizontale) 
so  geneigte  Ebene,  dass  sie  mit  ersterer  einen  gegebenen  Winkel  bildet.  Es  soll 
gefunden  werden,  von  einer  wie  grossen  Kraft  die  Last  auf  der  geneigten  Ebene 
bewegt  wird. 


Schiefe  Ebene,  Winde  mit  Zahnrädern  und  Schraubenrad. 


29 


Es  «ei  nin  die  Horizontalebene,  mk  die  geneigte  Ebene,  welche  mit  jener  den 
Winkel  kmn  bildeL  Irgend  eine  Last  a  werde  von  der  Kraft  P^  auf  der  Hori- 
zontalen bewegt  Man  denke  sich  um  e  (als  Mittelpunkt)  eine  Kugel  von  dem  gleichen 
Gewichte  a.  Diese  lege  man  auf  die  geneigte  Ebene,  welche  sie  in  dem  Punkte  l 
berührt  Verbindet  man  e  mit  7,  so  steht  el  senkrecht  auf  mJc.  Man  ziehe  durch 
den  Mittelpunkt  e  die  Horizontale  ed  und  von  l  aus  senkrecht  nach  c,  so  ist 
Winkel  elc  =  edl  =  kmn.  Deshalb  ist  auch  das  Dreieck  elc  gegeben  und  daher 
auch  das  Verhältniss  von  el  zu  ec  und  folglich  auch  (da  ei  =  el)  das  Verhältnisa 
von  ei  zu  ec,  sowie  das  Verhältniss  von  ei  —  ec  =  ct 
zu  e  c.  Nun  mache  man,  dass  sich  das  Gewicht  a  zu  einem 
Gewichte  6,  sowie  auch  die  Kraft  Pj  zu  einer  Kraft  Pg 
wie  ci  zu  ec  verhalte.  Und  da  P|  die  Kraft  ist,  welche 
das  Gewicht  a  auf  der  Horizon talebene  bewegt,  so  wird 
Pj  die  Kraft  sein,  die  b  auf  derselben  bewegt.  Und  weil 
das  Gewicht  a  sich  zu  dem  Grewichte  b  wie  ci  zu  ec  ver- 
hält, so  werden  diese  Gewichte,  wenn  sie  so  angebracht 
werden,  dass  e  der  Schwerpunkt  von  a  und  i  der  Schwer- 
punkt von  b  ist,  sich  das  Gleichgewicht  halten,  indem  sie 
in  dem  Punkte  c  ihren  Stützpunkt  haben.  Da  aber  das 
Gewicht  a  (d.  i.  die  Kugel)  seinen  Schwerpunkt  in  e  hat, 
wird  das  bei  i  angebrachte  Grewicht  b  ihm  das  Gleichgewicht 
halten,  so  dass  die  Kugel  nicht  wegen  der  Neigung  der 
Ebene  herabrollt,  sondern  in  Ruhe  und  stabil  bleibt,  als  ob 

sie  auf  der  Ebene  stände.  Da  aber  das  Gewicht  a  auf  der  Horizontalebene  von 
der  Kraft  P^  bewegt  wird,  so  wird  es  auf  der  geneigten  Ebene  von  einer  Kraft 
P  bewegt  werden,  die  gleich  ist  P^  plus  der  zur  Bewegung  von  b  nöthigen  Kraft  Pj." 

Es  folgt  nun  ein  Beispiel.     Dann  heisst  es: 

Kap.  XI.  „Zu  derselben  Lehre  gehört  das  Problem,  wie  ein  gegebenes  Gewicht 
durch  eine  gegebene  Kraft  zu  bewegen  sei.  Es  ist  dies  die  mechanische  Erfindung 
des  Archimedes,  welche  ihn  bewog,  voll  Freude  auszurufen:  „Gieb  mir  einen  Ort, 
wo  ich  stehe,  und  ich  werde  die  Erde  bewegen  I"  Dann  hat  Hero  der  Alexandriner 
in    seinem  Buche  „Barülkon*^   die    Konstruktion   desselben    sehr    klar    beschrieben. 


Fig.  37. 


%>^^:^-^^^;^%v;^^^m/^ 


Fig.  38. 


Noch  ausführlicher  behandelte  er  den  Stoff  in  seiner  „Mechanik"  an  der  Stelle,  wo 
er  von  den  fünf  Potenzen  spricht,  nämlich  von  dem  Keile,  dem  Hebel,  der  Schraube, 
dem  Flaschenzuge  und  dem  Rade  auf  der  Welle,  mit  denen  ein  gegebenes  Gewicht 
durch  eine  gegebene  Kraft  bewegt  wird.  In  dem  „Barülkon"  zeigt  er,  wie  eine 
gegebene  Last  durch  eine  gegebene  Kraft  gehoben  wird  in  der  Weise,  dass  er  das 
Verhältniss  des  Raddurchmessers  zum  Axendurchmesser  wie  5 :  1  angiebt,  nachdem 
er  angenommen  hat,  dass  das  Gewicht,  welches  gehoben  werden  soll,  1000  Talente 
sei  und  die  bewegende  Kraft  5  Talente;  von  uns  aber  soll  nun  dasselbe  gezeigt 
werden  mit  der  Proportion  2 : 1   und  das   zu  bewegende  Gewicht  sei   nicht   1000, 


30  Pappus  der  Alexandriner. 

sondern  160  Talente  und  die  bewegende  Kraft  wollen  wir  nicht  zu  5,  sondern  zu 
4  Talenten  annehmen,  weil  ein  Mensch  als  Motor  ohne  Maschine  4  Talente  aufriehen 
kann.  Das,  was  von  Jenem  ylcjoooxoftov*)  genannt  wird,  besteht  zunächst  aus  einem 
Kasten  ab  cd.  Innerhalb  desselben  zwischen  den  langen  parallelen  Wänden  sei  die 
leicht  bewegliche  Axe  e  gelagert  und  darauf  das  Zahnrad  wi  befestigt,  dessen  Durch- 
messer zweimal  so  gross  ist,  als  der  Durchmesser  der  Axe  (Seiltrommel).  Wenn 
daher  ein  Seil  an  das  aufzuziehende  Gewicht  gebunden,  durch  ein  Loch  in  der  Kasten- 
wand gestockt  und  um  die  Walze  i  geschlungen  wird,  und  man  dreht  das  Rad  um, 
80  drcht  sich  gleichzeitig  die  darin  befestigte  Axe,  deren  äusserste  Enden  von  ehernen 
Zapfen  gebildet  werden,  welche  in  ebenfalls  ehernen  Büchsen  gelagert  sind,  die  in 
den  Wänden  abdc  angebracht  sind.  Wenn  nun  das  an  die  Last  gebundene  Seil 
fort  und  fort  auf  die  Walze  gewunden  wird,  so  bewegt  sich  das  Gewicht  Damit 
aber  das  Rad  m  bewegt  werde,  wird  eine  Kraft  von  80  Talenten  anzuwenden  sein, 
weil  der  Durchmesser  des  Rades  doppelt  so  gross  ist,  als  der  der  Walze,  denn  dieses 
Problem  winrde  von  Heron  in  seiner  „Mechanik"  gelöst  —  Weil  aber  die  g^ebene 
Kraft  nicht  80  Talente,  sondern  nur  4  Talente  beträgt,  so  wird  eine  andere  Axe  n 
parallel  der  Axe  e  gelagert  und  auf  letzterer  ein  Getriebe  o  befestigt,  dessen  Zahne 
denen  des  Rades  m  kongruent  sind.  Daraus  folgt  aber,  dass  die  Zähnezahl  von 
diesem  zur  Zähnezahl  von  jenem  sich  verhält,  wie  der  Durchmesser  des  Rades  m  zu 
dem  des  (Jetriebes  o,  wie  aus  dem  Nachfolgenden  (Kap.  XXV)  ersichtlich  sein  winL 
Daher  ist  auch  das  Getriebe  o  gegeben.  Auf  der  Axe  n  aber  wird  das  Rad  r  be- 
festigt, dessen  Durchmesser  doppelt  so  gros»  ist,  als  der  des  Getriebes  o,  weshalb 
der,  welcher  das  Gewicht  durch  das  Rad  r  bewegen  will,  eine  Kraft  von  40  Talenten 
nöthig  haben  wird " 

Es  werden  nun  noch  zwei  Axen  mit  ebensolchen  Zahnrädern  zugefügt, 

und    dann    noch    eine    dritte  Axe   mit   Getriebe   und  einem   Rade  q,   dessen 

Durchmesser  sich    zu  dem   dieses  Getriebes  wie   10 : 4   verhält.     Dieses   Rad 

erhält  schiefe  Zähne  (als  Schraubenrad).     Pappus  fährt  fort: 

„Wenn  dies  so  konstruirt  ist  und  wir  stellen  uns  vor,  dass  der  Kasten  ab  cd 
in  erhöhter  Lage  aufgestellt,  die  Last  an  die  Walze  i  und  die  bewegende  Kraft  an 
dem  Rade  q  angehängt  wird,  sowie  dass  die  Axen  sich  leicht  drehen  und  die  Rad- 
zähne genau  in  einander  passen,  so  wird  weder  die  Last  von  160  Talenten,  noch 
die  Kraft  von  4  Talenten  sich  abwärts  bewegen,  sondern  sie  werden  sich,  wie  bei 
einer  Waage,  das  Gleichgewicht  halten;  wenn  wir  aber  ein  kleines  Gewicht  zufügen, 
so  wird  dasjenige,  welchem  dies  zugefügt  worden  ist,  sich  alsbald  abwärts  bewegen. 
Wenn  wir  z.  B.  der  Kraft  von  4  Talenten  noch  das  Gewicht  von  einer  Mine  zufügen, 
so  wird  es  das  Gewicht  von  160  Talenten  übenvältigen  und  niedergehen**).  Aber 
anstatt  eines  angehängten  Gegengewichtes  fügen  wir  eine  Schraube  st  zu,  deren 
Gewinde  in  die  Zähne  des  Rades  q  passt.  Wie  dies  zu  machen  ist,  hat  Heron 
ebenfalls  in  seiner  „Mechanik"  auseinandergesetzt  und  wird  auch  von  uns  im  Nach- 
folgenden (Kap.  XXVIII)  ausführlich  beschrieben  werden.  Die  Schraube  niuss  sich 
leicht  in  ihren  Zapfen  drehen,  die  in  runden  Löchern  laufen.  Von  diesen  Zapfen 
ragt  der  eine  aus  der  Kasten  wand  cd  hervor,  und  dieser  vorstehende  Theil  von 
quadratischem  Querschnitte  nimmt  eine  Kurbel  u  v  auf " 

Die   Kap.   XII — XXIV   behandeln   geometrische    Aufgaben.      Kap.   XXV 

lautet : 

„Wie  aber  die  Anordnung  der  Räder  geschieht,  von  welchen  wir  oben  (Kap.  XI) 
gespi-ochen  haben,  werden  wir  jetzt  erklären: 


*)  Abgeleitet  von  yÄcjaaoTiOfieTov  die  Kiste,  der  Kast<?n. 

**)  Man  pflegte  auch  im  Mittelalter  bei  Hebmaschinon  oft  durch  Gegengewichte  zunächst 
Gleichgewicht  herzustellen,  um  dann  mit  einer  geringen  Kraft  die  Bewegung  bewirken  zu  können. 


Herstellang  der  Zabnrädcr  und  Schraubenradgetriebe. 


31 


Es  seien  a  und  6  zwei  gedrehte,  ineinander  greifende  Rüder.  Der  Durchmesser 
des  Rades  a  niuss  sich  zu  dem  von  h  verhalten  wie  die  Zähnezahl  von  a  zu  der 
von  ht  denn  so  ist  es  zum  Ineinandergreifen  der  Räder  erforderlich ,  weil  sich  die 
Umfange  zu  einander  verhalten  wie  die  Durchmesser. 

Nehmen  wir  nun  an,  das  Rad  a  habe  60  Zähne  und  h  deren  40,  so  sage  ich: 
Wie  sich  die  Zähnezahl  des  Rades  i  zu  der  von  a  verhält,  so  verhält  sich  die  Ge- 
schwindigkeit von  a  zu  der  von  i.  Denn  da  die  Räder  a  und  h  ineinander  greifen, 
werden  so  viele  Zähne  des  Rades  a  fortbewegt  werden,  wie  sich  solche  von  6  fort- 
bewegen. Wenn  daher  6  eine  Umdrehung  macht,  wird  a  um  40  Zähne  fortbewegt, 
und  wenn  i  60  Umdrehungen  macht,  was  die  2^hnezahl  von  i  ist,  wird  es  sich  um 
2400  Zähne  bewegt  haben,  was  die  Zähnezahl  von  a  multiplicirt  mit  der  von  6  ist 
Ebenso  wird  aber,  wenn  a  40  Umdrehungen  macht,  was  die  Zähnezahl  von  h  ist, 
h  sich  um  2400  Zähne  bewegt  haben,  was  die  Zühnezahl  von  i  multiplicirt  mit  der 
von  a  ist  Wenn  daher  a  40  Umdrehungen  gemacht  hat,  was  die  Zähnezahl  von  h 
ist,  so  hat  auch  i  60  Umdrehungen  vollendet,  was  die  Zähnezahl  von  a  ist  Wie 
sich  daher  die  Geschwindigkeit  des  Rades  a  zur  Geschwindigkeit  des  Rades  i  ver- 
hält, so  verhält  sich  die  Zähnezahl  des  Rades  h  zur  Zähnezahl  des  Rades  a/' 

In  Kap.  XXVI  wird  bewiesen,  dass  sich  die  Umfange  zweier  Kreise,  wie 

deren  Durchmesser  zu  einander  verhalten.     In  Kap.  XXVII  wird  die  Aufgabe 

gelöst:   Es  sei  ein  Rad  mit  bestimmter  Zähnezahl  und  die  Zähnezahl  eines 

eingreifenden  Rades  gegeben.     Der  Durchmesser  des  letzteren  soll  bestimmt 

werden. 

Kap.  XXVIII.  „Wie  aber  die  Schraube  hergestellt  wird,  deren  Schraubengänge 
in  die  schiefen  Zähne  eines  gegebenen  Rades  passen,  wird  so  gezeigt: 


Fig.  39. 


Es  werde  ein  gleichmässig  abgedrehter  Cylinder  adfe  hergerichtet,  auf  dessen 
Seite  ae  die  Steigung  der  Schraube  angegeben  wird.  Dann  stelle  man  ein  Bronce- 
blech  her,  wovon  der  Theil  hih  ein  rechtwinkeliges  Dreieck  bildet  mit  dem  rechten 
Winkel  bei  Ä,  und  dessen  übriger  Theil  ein  Parallelogramm  hhlm  bildet  hi  aber 
mache  man  gleich  der  Steigung  a  6  imd  hh  gleich  dem  Umfange  des  Cylinders  ad/e. 
Dann  wird  das  Blech  so  um  den  Cylinder  gebogen,  dass  das  Parallelogramm  hhlm 
einen  Hohlcy linder  bildet,  der  den  Cylinder  ad/e,  wenn  er  hineingesteckt  wird,  genau 
umschliesst  Dann  wird  Punkt  h  auf  Punkt  a  und  Punkt  i  auf  Punkt  h  gebracht 
und  nach  der  gebogenen  Hypothenuse  Tci  die  Schraubenlinie  auf  den  Cylinder  gerissen, 
die  wir  einen  Schraubengang  nennen,  weil  sie  aus  einem  Umgänge  besteht.  Darauf 
verschiebt  man  das  Blech  so,  dass  h  mit  i  und  i  mit  c  zusammenfällt  und  reisst 
einen   anderen  Schraubengang   auf,    so  dass  die  Schraube  nun  zwei  Schraubengänge 

hat,  d.  h.  zwei  Umgänge  umfasst Wenn  wir  nun  die  Geraden  a6,  he  u.  s.  f. 

bis  e  halbiren,   durch   die  Theilpunkte   mit  dem  Bleche   eingängige  Schraubenlinien 


32  Pappus  der  Alexandriner. 

aufreissen  und  die  Tiefe  der  Gewindgungt^  beliebig  bestimmen,  können  wir  in  dieser 
Tiefe  die  Schraubenlinie  leicht  ausarbeiten,  und  wenn  wir  dann  noch  die  G^ewinde- 
gange  durch  Ausfeilen  linsenförmig  gestaltet  haben,  ist  die  Schraube  fertig. 

Kap.  XXIX.  Femer  werde  auf  der  einen  Seite  eines  gegebenen  Rades  ein 
Kreis  beschrieben,  rvt  sei  der  Radumfang,  c  sein  Mittelpunkt  Die  Punkte  r,  v 
und  t  haben  gleiche  Abstände  von  einander  (am  Schlüsse  des  Kapitels  wird  gesagt, 
dass  diese  der  Steigung  der  Schraube  gleich  sein  müssen).  Der  ganze  Kreis  sei  z.  B. 
in  24  gleiche  Theile  getheilL  Von  den  Punkten  r,  t;,  t  bis  zu  dem  um  den  Mittel- 
punkt c  beschriebenen  Kreise  werden  gerade  Linien  ro,  ro,  to  nach  dem  Mittel- 
punkte hin  gezogen  und  von  den  Punkten,  welche  die  Unifangstheile  oo  halbiren, 
werden  die  Linien  mr,  nr^  tir,  pt\  pt,  qt  nach  den  Punkten  r,  t;,  /  gezogen.  Von 
einer  dieser  Linien,   z.  B.  or,   wird   auf  der  cylindrischen  Umfangsflache  des  Rades 

(h'e  kürzeste  gerade  Linie  rs  bis  zum  Umfange  des 
Kreises  xy  gezogen,  welcher  auf  der  anderen  Seite  des 
Rades,  dein  Kreise  rvt  gleich,  die  Begrenzung  bildet, 
und  von  dem  Punkte  8  aus  winl  «x,  der  Hälfte  des 
Umf angstheiles  rv  gleich,  aufgetragen,  sowie  arjf  =  rr, 
zy  zzzvt  u.  s.  f.  Wenn  wir  nun  die  Punkte  r  mit 
.r,  V  mit  2,  t  mit  y  u.  s.  f.  verbinden,  eiiialten  wir 
die  Schräge  der  Zähne.  Und  da  die  Kreise  rvt  und 
xzy  einander  gleich  sind,  beschreiben  wir  auch  auf 
der  anderen  Seite  des  Rades  um  den  Mittelpunkt  c 
einen  dem  Kreise  mnpq  gleichen  Kreis,  und  indem 
wir  von  den  Punkten  xzy  u.  s.  w.  bis  zu  diesem 
^^^'  ^'  Kreise  gerade  Linien  nach  dem  Mittelpunkte  hin  ziehen 

und  dasselbe  thun,  was  wir  innerhalb  der  Umfan^linie 
rvt  gethan  haben,  erhalten  wir  die  Aufzeichnung  des  anderen  Theiles  des  Rades.  Nach- 
dem man  dann  die  Prismen  herausgeschnitten  hat,  die  zwischen  den  so  gezeichneten 
Linien  liegen,  wie  z.  B.  zwischen  rnv  und  vpt  einerseits  und  den  Gegenüberli^n- 
den,  erhalten  wir  das  Rad  mit  schiefen  21ähnen.  Je  ein  Zahn  tritt  in  das  Grewinde 
der  Schraube,  weshalb  die  Theilung  r  v  der  Ganghöhe  der  Schraubenlinie  gleich  sein 
muss,  und  offenbar  wird  das  Rad  durch  eine  Umdrehung  der  Schraube  um  einen 
Zahn  weiter  bewegt  Dies  ist  von  Heron  in  seiner  „Mechanik"  gezeigt  worden  und 
soll  auch  von  uns  beschrieben  werden,  damit  man  niclit  anderwärts  danach  zu 
suchen  hat" 

In  Kap.  XXX  wurd  dieser  Nachweis  geliefert.  Dann  giebt  Pappus  in 
Kap.  XXXI  und  XXXII  noch  weitere  Auszüge  aus  Heuon's  „Mechanik'',  indem 
er  sagt: 

Kap.  XXXI.  „Denn  dies  (d.  h.  Kap.  XI  und  die  zu  dessen  näherer  Erklärung 
dienenden  Kap.  XXV — XXIX)  ist  aus  dem  „Barülkon",  aber  auch  eine  kurze 
Darstellung  dessen,  was  wir  die  fünf  Potenzen  nennen,  die  zu  >vissenschaft]ichen 
Erklärungen  benutzt  werden,  entnehmen  wir  den  Büchern  des  Heron  (in  Kap.  XI 
sagte  Pappus,  Heron  habe  die  fünf  Potenzen  in  seiner  „Mechanik"  abgehandelt) 
und  fügen  auch  das  bei,  was  über  einbeinige  Maschinen,  sowie  über  zwei-,  drei-  und 
vierbeinige  zu  l)emerken  ist,  damit  du  nicht  Bücher,  worin  diese  beschrieben  sind, 
zwecklos  nachschlägst,  denn  wir  begegnen  vielen  verdorbenen  Büchern,  die  am  An- 
fange oder  am  Endo  verstümmelt  sind. 

Da  es  fünf  Potenzen  giebt,  mit  welchen  eine  gegebene  Last  durch  eine  gegebene 
Kraft  gehoben  werden  kann,  so  ist  erforderlich,  deren  Form,  Gebrauch  und  Namen 
anzugeben.  Aber  Heron  und  Philon  haben  auch  nachgewiesen,  dass  die  sogenannten 
Potenzen,  obschon  sie  in  der  Form  sehr  von  einander  abweichen,  alle  auf  eine  Form 
zurückgeführt  werden  können.  Ihre  Namen  sind  die  folgenden:  Axe  mit  Kad, 
Hebel,  Flaschenzug,  Keil  und  die  sogenannte  Schraube  ohne  Ende. 


Axe  mit  Rad,  Flaschenzug,  Keil.  33 

Was  zunächst  die  Axe  mit  Rad  betrifft,  so  wird  sie  wie  folgt  konstniirt: 
Man  muss  ein  festes  Holz  nehmen,  quadratisch  (wie  ein  Balken)  und  seine  Enden 
abrunden  (so  dass  sie  Zapfen  bilden),  um  welche  man  Büchsen  (oder  Bleche)  von 
Erz  so  befestigt,  dass  sie,  wenn  sie  in  runde,  in  dem  Gestell  befindliche  Locher 
gesteckt  werden,  da  diese  Löcher  eherne  Unterlagfutter  für  die  Büchsen  (auf  den 
Zapfen)  haben,  sich  leicht  drehen.  Das  Holz,  wie  wir  es  beschrieben  haben,  wird 
die  Axe  genannt,  um  welche  als  Mitte  das  Rad  gesetzt  wird,  das  mit  einem  qua- 
dratischen, auf  die  Axe  passenden  Loche  versehen  ist,  so  dass  sich  die  Axe  zugleich 
mit  dem  Rade  dreht 

Nachdem  nun  die  Konstruktion  dieser  Maschine  beschrieben  ist,  wollen  wir 
von  ihrem  Gebrauche  reden.  Wenn  wir  eine  grosse  Last  durch  eine  kleine 
Kraft  bewegen  wollen,  schlingen  wir  ein  Seil,  woran  die  Last  gebunden  ist,  um 
den  abgerundeten  Theil  der  Axe.  Alsdann  stecken  wir  Speichen  (oder  Spillen) 
in  die  Löcher  des  Rades  und  drehen  dieses  um,  indem  wir  jene  niederdrücken, 
wodurch  die  Last  leicht  von  einer  kleinen  Kraft  bewegt  wird,  während  das  Seil 
sich  um  die  Axe  schlingt  Die  Grösse  dieser  Maschine  muss  man  den  Lasten, 
die  zu  bewegen  sind,  anpassen;  wie  sich  aber  das  Grössen verhältniss  aus  dem 
Verhältniss  der  zu  bewegenden  Last  zu  der  bewegenden  Kraft  ergiebt,  wird  nachher 
gezeigt  werden. 

Die  zweite  Potenz  bildet  der  Hebel.  Wenn  man  nämlich  eine  grosse  Last 
bewegen  wollte,  die  vom  Boden  aufzuheben  war,  die  aber,  weil  die  Basis  der  Last 
in  allen  Theilen  auf  dem  Boden  auflag,  keinen  Angriffspunkt  bot^  so  untergrub  man 
sie  ein  wenig,  schob  das  Ende  eines  langen  Holzes  darunter,  dann  legte  man  nahe 
bei  jener  Last  einen  Stein  unter,  welcher  Hypomochlion  (Stützpunkt)  genannt  wird, 
und  drückte  das  Holz  am  anderen  Ende  nieder.  Man  sah,  dass  man  auf  diese  Art^ 
welche  keinerlei  Schwierigkeiten  bietet,  die  grössten  Lasten  heben  konnte.  Jenes 
Holz  aber,  das  sowohl  quadratischen  als  auch  nmden  Querschnitt  haben  kann,  wird 
Hobel  genannt  Wo  man  am  geeignetsten  das  Hypomochlion  unterlegt,  werde  ich 
nachher  zeigen. 
*  Die  dritte  Potenz  ist  der  Flaschenzug.     Denn  wenn  wir  irgend  eine  Last 

aufziehen  wollen,  müssen  wir  an  einem  danm  gebundenen  Seile  mit  einer  Kraft  ziehen, 
die  der  Last  gleich  ist;  wenn  wir  aber  das  eine  Ende  des  Zugseiles  an  einem  festen 
Orte  anbinden,  das  andere  Ende  um  eine  an  der  Last  befestigte  Rolle  legen  und 
anziehen,  so  werden  wir  die  Last  leichter  bewegen,  und  wenn  wir  an  dem  festen 
Orte  eine  andere  Rolle  anbinden,  das  Seil  darumlegen  und  anziehen,  so  werden  wir 
die  Last  ebenso  leichter  bewegen.  Wenn  wir  aber  wieder  eine  andere  Rolle  an  der 
Last  anbinden,  das  Zugseil  darumlegen  und  anziehen,  so  werden  wir  die  Last  wiederum 
um  Vieles  leichter  bewegen,  und  wenn  wir  immer  mehr  Rollen  sowohl  an  dem  festen 
Orte,  als  auch  an  der  Last  anbinden  und  das  Zugseil  darumlegen,  werden  wir  die 
Last  immer  leichter  bewegen.  Aber  wir  binden  nicht  die  einzelnen  Rollen  an  den 
festen  Ort  einerseits  und  die  Last  andererseits,  sondern  schliesscn  diejenigen,  welche 
an  den  festen  Orten  gehängt  werden  sollen,  um  ihre  Axe  drehbar  in  ein  hölzernes 
Gehäuse  ein,  was  wir  eine  Flasche  (manganum)  nennen  und  binden  diese  Flasche 
mit  einem  anderen  Seile  an  den  festen  Ort;  diejenigen  Rollen  aber,  welche  an  die 
Last  gehängt  werden  sollen,  schliessen  wir  in  eine  andere,  der  oberen  gleiche  Flasche 
ein.  Die  Rollen  müssen  in  den  Flaschen  so  angeordnet  sein,  dass  sich  die  Stränge 
nicht  verschlingen  und  nicht  einander  stören.  Aus  welchen  Gründen  die  Bewegimg 
leichter  erfolgt,  wenn  mehr  Stränge  da  sind,  und  warum  das  andere  Seilende  an  einen 
festen  Ort  angebunden  werden  muss,  werde  ich  später  zeigen. 

Die  nächste  Potenz  ist  der  Keil.  Dieser  erweist  sich  sowohl  bei  den  Oel- 
pressen  (pressiones  unguentarias),  als  auch  bei  den  grossen  Verleimungen,  wie  sie 
Tischler  zu  machen  haben,  sehr  nützlich ;  seine  wichtigste  Anwendung  findet  er  aber 
in  den  Steinbrüchen,  wenn  man  kleinere  Theile  von  einer  kompakten  Steinmasse  los- 
trennen  wilL     Dies   kann    keine  der  anderen  Potenzen,    weder  für  sich  allein   noch 

Beck.  3 


34 


Pappua  der  Alexandriner. 


in  Verbindung  mit  anderen,  bewirken,  sondern  nur  der  Keil,  bei  dem  kein  Nach- 
lassen der  Arbeiter  vorkommt  und  die  Spannung  stark  und  wirksam  ist,  leistet  es 
mit  Leichtigkeit.  Man  ersieht  dies  daraus,  dass  der  Keil,  auch  während  er  nicht 
angetrieben  wird,  Krachen  und  Brüche  verursacht  Je  kleiner  der  Winkel  des  Keiles 
ist,  um  so  rascher,  das  heisst  bei  um  so  leichterem  Schlage,  übt  er  seine  Grewalt  aus, 
wie  wir  später  beweisen  werden. 

Die  Instrumente,  welche  wir  bisher  besprochen  haben,  sind  von  leicht  verständ- 
licher, einfacher  Konstruktion  und  der  Gebrauch  derselben  füllt  an  vielen  Orten  in 
die  Augen;  die  Schraube  aber  bietet  grössere  Schwierigkeiten,  in  der  Konstruktion 
sowohl,  als  auch  im  Gebrauche,  denn  sie  wirkt  bald  für  sich  allein,  bald  in  Ver- 
bindung mit  anderen  Potenzen.  Eigentlich  ist  sie  nichts  als  ein  gewundener  Keil, 
der  nicht  geschlagen,  sondern  vermittelst  eines  Hebels  und  durch  Drehung  in  Bewe- 
gung gesetzt  wird,  wie  aus  dem,  was  ich  erklären  werde,  hervorgeht.  Ihr  Gebrauch, 
ihre  Begründung  und  Natur  sind  folgende:" 

Es  wird  nun  zunächst  die  Herstellung  einer  Schraube  ähnlich  beschrieben 
wie  in  Kap.  XXVIII  und  dann  heisst  es  weiter: 

„Nachdem  man  nach  dieser  Schraubenlinie  einen  Kanal  in  den  Cylinder  ein- 
geschnitten und  so  ausgehöhlt  hat,  dass  ein  starker  Nagel  (Zapfen  oder  Zahn)  genau 


Ö 


Flg.  41. 


hinein  passt,  wird  die  Schraube  so  gebraucht:  Die  runden  gemachten  Enden  derselben 
werden  in  ein  mit  runden  Löchern  versehenes  Gestell  gelagert,  so  dass  sich  die 
Schraube  leicht  dreht  (Fig.  41).  Dann  wird  über  sie  und  parallel  mit  ihr  ein  Lineal 
gelegt,  in  dessen  der  Schraube  zugekehrter  Seite  in  der  Mitte  eine  Nute  ht,  in  die  der 
genannte  Nagel  gefügt  wird,  so  dass  sich  sein  eines  Ende  in  dem  Schraubenkanal 
befindet,  das  andere  aber  in  der  Nute  im  Lineal  bleibt.  Wenn  man  mit  dieser 
Maschine  eine  Last  bewegen  will,  nimmt  man  ein  Seil,  bindet  sein  eines  Ende  an 
die  Last  und  das  andere  an  den  Nagel,  und  da  in  dem  Kopfe  der  Schraube  Locher 
sind,  steckt  man  Speichen  (Spillen)  hinein  und  drückt  diese  nieder,  infolgedessen 
der  Nagel,  von  der  Schraube  in  dem  Kanal  geführt,  das  Seil  und  dadurch  auch  die 
Last  mit  sich  fortzieht.  Anstatt  der  Speiehen  kann  man  auch  eine  Kurbel  auf  das 
aus  dem  Gestelle  hen-orragende  Ende  der  Schraube  setzen,  um  sie  damit  umzudrehen 
und  die  Last  anzuziehen.  Das  Gewinde  wird  bald  in  quadratischer  Foim,  bald  linsen- 
förmig konstruirt,  quadratisch  nämlich,  wenn  der  Kanal  dun-h  senkrechte  Schnitte, 
linsenförmig  aber,  wenn  er  durch  schiefe  Schnitte,  die  in  einer  Linie  zusammenlaufen, 
hergestellt  wird.  Jene  Schraube  wird  eine  (juadratische  (flachgängige),  diese  eine 
linsenförmige  (scharfgängige)  genannt 

Diese  Konstruktion  hat  die  Schraube,  wenn  sie  für  sich  allein  arbeitet,  doch 
sind  auch  andere  im  Gebrauche.  Denn  es  wird  eine  andere  Potenz,  nämlich  die 
genannte  Axe  mit  Rad  zugefügt,  und  zwar  so  umgestaltet,  dass  das  auf  der  Axe 
sitzende  Rad    gezahnt  ist     Die  Schraube  wird  entweder  senkrecht  oder  parallel  lum 


Schrauben,  Schlitten,  Holzbahnen,  Walzen,  Rollwagen,  Erahnen.  ^ 

Boden  so  daran  gesetzt ,  dass  deren  Gewinde  in  die  2^hne  des  Rades  greift  Ihre 
Enden  drehen  sich  in  runden,  im  Gestelle  befindlichen  Lochern,  wie  oben  gesagt 
wurde,  und  da  das  eine  £nde  der  Schraube  aus  dem  Gestelle  ragt,  wird  entweder 
eine  Kurbel  darauf  gesetzt^  womit  man  die  Schraube  umdreht,  oder  es  werden  Löcher 
hineingemacht,  um  mit  hineingesteckten  Spillen  die  Schraube  drehen  zu  können.  An 
der  Last  befestigte  Seile  werden  zu  beiden  Seiten  (des  Schraubenrades)  um  eine 
Trommel  geschlungen,  und  wenn  wir  dann  die  Schraube  und  dadurch  das  gezahnte 
Rad  drehen,  ziehen  wir  die  Last  auf. 

Die  Konstruktion  und  den  Gebrauch  der  genannten  fünf  Potenzen  haben  wir 
nun  auseinandergesetzt^  was  aber  die  Ui^sache  ist,  warum  durch  irgend  eine  derselben 
ein  grosses  Gewicht  durch  eine  geringe  Kraft  bewegt  werden  kann,  zeigt  Hbron  in 
seiner  Mechanik." 

Hier  scheint  der  auf  uns  gekommene  Text  lückenhaft  zu  sein,  da  die  in 
früheren  Kapiteln  wiederholt  in  Aussicht  gestellte  Begründung  der  genannten 
Eigenschaft  der  fünf  Potenzen  fehlt.     Unser  Text  fährt  weiter  fort: 

„Nun  wollen  wir  aus  dem  dritten  Buche  des  Heron  Maschinen  beschreiben, 
welche  leicht  und  vortheilhaft  zu  gebrauchen  sind  und  mit  welchen  man  ebenfalls 
grosse  Lasten  bewegen  kann. 

Diejenigen  (Lasten),  sagt  er,  welche  auf  dem  Boden  hingezogen  werden  sollen, 
werden  mit  dem  Schlitten  (chelona)  bewegt.  Der  Schlitten  (oder  die  Schleife)  ist 
ein  aus  quadratischen,  an  den  Enden  abgerundeten  Hölzern  zusammengesetztes  Grestell. 
Auf  diese  werden  die  Lasten  gelegt  und  an  die  Enden  entweder  Flaschenzüge  oder 
Seile  gebunden.  Die  Seile  werden  entweder  mit  der  Hand  angezogen,  oder  es  werden 
Göpel  (Gangspille)  dazu  verwendet,  welche,  wenn  sie  umgedreht  werden,  den  Schlitten 
entweder  auf  Walzen  oder  auf  Bohlen  über  den  Boden  ziehen.  Wenn  die  Last 
klein  (d.  h.  nicht  sehr  gross)  ist,  sind  Walzen  zu  gebrauchen,  wenn  sie  aber  gross 
ist,  Bohlen,  obgleich  auf  diesen  die  Last  weniger  leicht  fortgezogen  wird.  Denn  die 
Walzen  bilden,  indem  sie  sich  drehen,  eine  Gefahr,  wenn  die  Last  eine  vorwärts- 
schiessende  Bewegung  (impetus)  annimmt.  Einige  aber  wenden  weder  Walzen  noch 
Bohlen  an,  sondern  setzen  dichte  Rader  an  die  Schlitten  und  bewegen  sie  so  (d.  h.  sie 
benützten  anstatt  des  Schlittens  oder  der  Schleife  einen  Rollwagen  mit  Scheiben- 
rädern). 

Kap.  XXXII.  Ahor  um  Lasten  in  die  Höhe  zu  heben,  sagt  er,  konstruirt  man 
entweder  einbeinige  (/novoKCükoi),  oder  zwei-,  oder  drei-,  oder  vierbeinige  Maschinen. 
Was  die  einbeinige  Maschine  betrifft,  so  nimmt  man  ein  festes  Holz,  dessen  Länge 
grösser  ist  als  die  Höhe,  bis  zu  welcher  man  die  Last  aufziehen  will  Wenn  es 
auch  an  und  für  sich  fest  ist,  so  umschnürt  man  es  doch  mit  einem  in  Windungen 
darum  geschlungenen  Seile.  Die  Zwischenräume  dieser  Windungen  sollen  nicht  grösser 
sein  als  vier  Handbreiten.  So  wird  nicht  nur  das  Holz  fester,  sondern  die  Windungen 
können  auch  den  Arbeitern  wie  Leitersprossen  dienen,  wenn  sie  in  die  Höhe  steigen 
wollen.  Wenn  das  Holz  nicht  stark  genug  zu  haben  ist,  setzt  man  es  aus  mehreren 
Hölzern  zusammen.  Diese  Säule  wird  dann  in  einer  Bohle  aufgerichtet,  und  an  ihrer 
Spitze  werden  drei  oder  vier  Seile  befestigt,  herabgeführt  und  an  irgend  einem  festen 
Gegenstande  angebunden,  so  dass  die  Holzsäule,  wenn  nach  irgend  einer  Seite  hin 
gezogen  wirkt,  nicht  wankt,  sondern  von  den  gespannten  Seilen  festgehalten  wird. 
An  der  Spitze  angebundene  Flaschenzüge  werden  nach  der  Last  hingezogen  und 
ziehen,  entweder  mit  der  Hand  oder  durch  Göpel  in  Bewegung  gesetzt,  die  Last  an, 
bis  sie  zur  gewünschten  Höhe  gehoben  ist.  Wenn  ein  Stein  (der  die  Last  bildet) 
auf  eine  Mauer,  oder  wo  man  sonst  hin  will,  gel^  werden  soll,  so  lässt  man,  nach- 
dem Vorstehendes  geschehen,  eines  von  den  an  der  Spitze  befestigten  Seilen,  und 
zwar  dasjenige,  welches  sich  auf  der  der  Last  gegenüberliegenden  Seite  befindet,  nach 
und  neigt  die  Säule.  Auch  legt  man  Walzen  unter  solche  Stellen  der  Last,  wo  das 
Bindseil  nicht  herumgeschlungen  ist,  und  lässt  dann  die  angespannten  Flaschenzug- 


( 


36  Pappus  der  Alexandriner. 

seile  nach,  bis  die  La^^t  auf  den  Walzen  sitzt  Nachdem  dann  das  Bindeseil  gelöst 
ist,  bewegt  man  die  Last  mit  Hebeln,  bis  sie  an  die  Stelle  gebracht  ist,  wo  man  sie 
haben  will.  Dann  bringt  man  die  Bohle,  worauf  die  Säule  steht,  indem  man  sie 
mit  Seilen  mit  den  Händen  fortzieht,  an  eine  andere  Stelle  des  Gebäudes,  lässt  die 
Seile  wieder  herab,  bindet  sie  wieder  an  und  gebraucht  die  Maschine  wieder  auf  die 
selbe  Weise,  wie  wir  es  beschrieben  haben." 

Abbildungen  und  Beschreibungen  dieser  und  der  zweibeinigen  Hebemaschine 
finden  sich  in  der  hier  folgenden  Abhandlung  über  Vitklv. 


Marcus  Vitruvius  PoUio  (um  16  v.  Chr.). 


ViTRüv,  unter  Julius  Cäsar  und  Kaiser  Augustus  Ingenieur  und  Bau- 
meister, schrieb  in  den  Jahren  16 — 13  v.  Chr.  ein  Handbuch:  ,,De  architectura" 
in  10  Büchern.  Im  ersten  Buche,  Kap.  III,  sagt  er:  „Die  Architektur  umfasst 
3  Theile:  Das  Bauen,  die  Herstellung  von  Uhren  und  die  Herstellung  von 
Maschinen"  und  behandelt  demgemiiss  in  seinem  Werke  auch  die  beiden  letzteren 
Gegenstände,  für  welche  wir  uns  besonders  interessiren.  Ueber  die  benutzten 
Quellen  macht  er  namentlich  im  Vorworte  zum  siebenten  Buche  ausführliche 
Mittheilungen,  nennt  zuerst  eine  Reihe  griechischer  Baumeister,  welche  zur 
Entwicklung  der  Baukunst  beigetragen  oder  Vorschriften  über  die  Massverhält- 
nisse der  Bauwerke  gegeben  haben  und  fährt  dann  fort: 

„Ebenso  schrieben  über  das  Maschinenwesen:  Dfades,  Archytas  (Pythagoräer, 
einer  von  Platon's  Lehrern,  etwa  400  v.  Chr.),  Archimedes,  Ktesibios,  Nympho- 
DOROS,  der  Byzantiner  Philo,  Diphilos,  Democles,  Charitas,  Polyidos  (nach 
Athenäus  Lehrer  der  Kriegsmaschinenkunde  zur  Zeit  Alexanders  des  Grossen), 
Pyrrhos,  Agesistratos. 

„Was  ich  nun  in  deren  Abhandlungen  hierfür  brauchbar  erachtete,  habe  ich 
zusammengetragen  und  für  dieses  Handbuch  verarbeitet,  und  zwar  besonders  deshalb, 
weil  ich  wahrgenommen,  dass  von  den  Griechen  hierüber  viele  Bücher,  von  unseren 
Landsleuten  aber  um  so  weniger  herausgegeben  worden  sind." 

Man  ersieht  hieraus,  dass  die  Römer,  wie  in  der  Architektur  und  den 
Künsten  überhaupt,  so  auch  im  Maschinenwesen  nichts  Originelles  aufzuweisen 
hatten,  sondern  von  den  Griechen  lernten,  und  dass  die  von  Vitrüv  beschriebenen 
Maschinen,  mit  Ausnahme  der  Wassermühlen,  auf  die  wir  später  zurückkommen 
werden,  den  Griechen  längst  bekannt  waren.  Vitrüv  füllt  also  nur  einen  Theil 
der  Lücke  aus,  welche  durch  den  Verlust  so  vieler  griechischer  Werke  ent- 
standen ist,  seine  Schriften  sind  aber  gerade  aus  diesem  Grunde  von  besonderer 
Wichtigkeit.  Was  wir  nachstehend  davon  mittheilen,  entnehmen  wir  der 
deutschen  Uebersetzung  von  Dr.  Franz  Reber,  Stuttgart  bei  Krais  &  Hoffmann, 
1865.  Die  Figurentafeln,  welche  Vitruv  seinem  Werke  beigegeben  hatte,  sind 
verloren.    Wir  müssen  dieselben  daher  nach  dem  Texte  rekonstruiren. 

Aus  den  sieben  ersten  Büchern,  welche  von  dem  Bauen  handeln,  führen 


38  Marcus  Vitruvius  Poliio. 

wir  nur  eine  Stelle  an,  welche  für  uns  besonderes  Interesse  bietet.  Im  sechsten 
Buche,  Kap.  VI,  welches  von  der  Anlage  landwirthschaftlicher  Gebäude  handelt, 
heisst  es  u.  A.: 

„Die  Kel terkammer  lege  man,  wenn  nicht  durch  Schraubendrehung^ 
sondern  mit  Hebel  Stangen  und  mit  der  Presse  gekeltert  wird,  mindestens  40' 
lang  an  (ein  altrömischer  Fuss  =  29  cm,  ein  altrömischer  Zoll  o<ler  Querfinger  = 
^/i6  Fuss  =  18,5  mm),  denn  so  wird  dem  Manne  an  der  Hebelstange  der  Raum 
unbeengt  sein;  ihre  Breite  aber  mindestens  16%  denn  so  winl  zur  ganzen  Arbeit  den 
damit  Beschäftigten  die  Bewegung  frei  und  unbeongt  sein." 

Daraus  geht  hervor,  dass  das  gebräuchlichste  Mittel  zum  Auspressen  von 
Most,  Oel  und  dergleichen  zur  damaligen  Zeit  die  Hebelpresse  mit  langem 
Balken  als  Hebel  war.  Denn  wenn  ein  Lokal  von  40'  =  11,6  m  Länge  noth- 
wendig  war,  nm  für  eine  solche  Presse  Raum  zu  bieten,  so  lässt  sich  daraus 
auf  eine  bedeutende  Länge  des  Hebels  schliessen.  Die  erwähnten  Schrauben- 
pressen für  den  gleichen  Zweck  müssen  wohl  von  ähnlicher  Mächtigkeit  gewesen 
sein.  Die  Kelterschrauben  haben  wir  uns  von  Holz  zu  denken,  wie  solche  noch 
bis  in  die  jüngste  Vergangenheit  üblich  waren,  da  Schrauben  aus  Bronce  oder 
geschmiedetem  Eisen  von  genügender  Stärke  damals  zu  kostspielig  gewesen 
wären. 

Das  achte  Buch  handelt  von  der  Auffindung  des  Wassers  und  den 
Wasserleitungen.  Es  interessirt  uns  davon  zunächst  das  fünfte  Kapitel, 
welches  von  dem  Nivelliren  handelt.  Als  Nivellirinstrument  wird  das 
sogenannte  Chorobat  besonders  empfohlen.  Es  bestand  aus  einem  etwa  20' 
langen  Richtscheite,  an  dessen  Enden  gleiche  Schenkel  senkrecht  abwärts 
weisend  eingefugt  und  durch  je  eine  Strebe  im  rechten  Winkel  zum  Richt- 
scheite erhalten  wurden.  Auf  den  Schenkeln  waren  Linien  senkrecht  zurVisir- 
fläche  des  Richtscheites  aufgezeichnet  und  über  diesen  hing  je  ein  Senkel 
mit  Bleigewicht  von  dem  Richtscheite  herab.  Dieses  stand  wagrecht,  sobald 
es  so  eingestellt  war,  dass  die  beiden  Senkel  auf  den  genannten  Linien  ein- 
spielten. 

Für  den  Fall  aber,  dass  der  Wind  die  Senkel  hin  und  her  trieb  und 
dadurch  deren  Gebrauch  verhinderte,  war  eine  Rinne  von  6'  (=  1,74  m)  Länge, 
1''  (=18,5  mm)  Breite  und  P/2"  (=  28  mm)  Tiefe  in  dem  Richtscheite  ange- 
bracht, in  welche  man  Wasser  goss.  Wenn  das  Wasser  in  durchaus  gleicher 
Höhe  den  Rand  der  Rinne  berührte,  stand  das  Richtscheit  wagrecht. 

ViTRUV  fügt  noch  die  Bemerkung  bei,  es  könne  Jemand,  der  des  Archi- 
BiEDEs  Bücher  gelesen  habe,  einwenden,  dass  man  mit  Wasser  keine  zuver- 
lässige Nivellirung  vornehmen  könne,  weil  das  Wasser  nach  dessen  Ansicht 
keine  wagerechte,  ebene  Oberfläche  bilde,  sondern  eine  Kugelfläche,  deren 
Mittelpunkt  mit  dem  der  Erde  zusammenfalle,  und  weist  darauf  hin,  dass  dann 
doch  die  Enden  der  gekrümmten  Oberfläche  in  einer  Horizontalebene  liegen 
müssen. 


Eelterkammern,  Nivelliren,  Wasserleitungen.  39 

Das  sechste  Kapitel  handelt  von  der  Leitung  des  Wassers,  dem 
Brunnengraben  und  den  Cysternen.  Es  werden  drei  Arten  von  Wasser- 
leitungen unterschieden:  die  Leitung  im  Kanal,  in  Bleiröhren  und  inThon- 
r Öhren.  Erstere  sollen  ein  Gefälle  von  V200  erhalten,  der  Kanal  soll  über- 
wölbt sein,  um  die  Sonnenstrahlen  abzuhalten,  in  der  Nähe  der  Stadt  soll  ein 
Sammelraum  und  mit  ihm  verbunden  ein  dreifaches  Reservoir  angelegt  werden. 
An  der  mittleren  Kammer  desselben  werden  diejenigen  Röhren  angebracht, 
welche  zu  allen  Basinbrunnen  und  Springbrunnen  führen,  aus  der  zweiten 
sollen  sie  zu  den  Bädern  führen,  aus  der  dritten  zu  den  Privathäusem. 

Während  wir  in  Heron's  des  Aelteren  Pneumatica  keine  Springbrunnen 
erwähnt  fanden,  erscheinen  sie  zu  Vitruv's  Zeiten  als  etwas  so  Verbreitetes, 
dass  man  bei  Anlagen  städtischer  Wasserleitungen  besondere  Rücksicht  darauf 
nimmt. 

Die  Wasserleitungskanäle  mussten  mit  gleichmässigem  Gefälle  an  Bergen 
entlang,  oder,  wenn  der  dadurch  vorgezeichnete  Weg  zu  weit  wurde,  vermittelst 
Stollen  durch  dieselben  und  vermittelst  Aquädukten  über  die  Thäler  geführt 
werden.  Solche  Bauten  waren  jedoch  auch  bei  Rohrleitungen  nicht  ganz  zu 
umgehen,  weil  die  aus  Blei  oder  Thon  gefertigten  Rohre  nicht  die  genügende 
Festigkeit  hatten,  um  bei  grösserem  Durchmesser  einen  bedeutenden  Wasser- 
druck aushalten  zu  können. 

ViTRUV  sagt  über  die  Bleirohre  zu  Wasserleitungen: 

„Die  Röhren    sollen  nicht   unter   10'  (^  2,90  m)   Länge   erhalten   und   diese 
sollen   einzeln,   wenn  sie  hundertzöllig  sind,   ein   Gewicht   von    1200  Pfund,   wenn 
achtzigzöllig  von  960,   wenn  fünfzigzöllig  von  600  u.  s.  f.  .  .  .  .  .,  wenn  fünfzöllig 

von  60  Pfund  haben.  Die  Grössenbezeichnung  dieser  Röhren  wird  aus  der  Breite 
nach  Zollen  genommen,  welche  die  Bleibleche  haben,  bevor  sie  zu  Röhren  zusammen- 
gebogen werden.  Wenn  man  z.  B.  aus  einem  Bleche,  welches  fünfzig  Zoll  (=  925  mm) 
breit  ist,  eine  Röhre  macht,  so  wird  diese  eine  fünfzigzöllige  genannt  (ihr  Durch- 
messer war  16"  =  295  nun)  und  auf  dem  entsprechende  Weise  die  übrigen." 

Daraus  folgt,  dass  Bleiröhren  von  circa  30  bis  600  mm  Durchmesser 
gebräuchlich  waren,  aber  alle  von  der  gleichen  Metallstärke  von  etwa  8  mm, 
so  dass  beispielsweise  ein  300  mm  weites  Rohr  nur  für  etwa  2V»  Atmosphären, 
ein  600  mm  weites  aber  nur  für  etwa  P/4  Atmosphären  Wasserdruck  genügte, 
und  die  Anwendbarkeit  weiterer  Röhren  dieser  Art  eine  sehr  beschränkte 
bleiben  musste*). 

Dasselbe,  gilt  von  den  Thonröhren,  welche  mit  2"  (=  37  mm)  Wand- 
stärke einfach  konisch  angefertigt  wurden,  so  dass  das  engere  Ende  des  einen 
Rohres  in  das  weitere  des  anderen  passte.    Sie  wurden  mit  Kitt  aus  gebranntem 


*)  In  besonderen  Fällen  wandten  indess  die  alten  Römer  weit  stärkere  Bleirohre  an. 
Bei  der  Wasserleitung  von  Alatri  beispielsweise,  wo  die  Leitungsrohre  bis  zu  10  Atmo- 
sphären Druck  auszuhalten  hatten,  betrug  die  Wandstärke  der  10  cm  weiten  Leitungsrohre 
theils  10,  theüs  32—35  mm.  Auch  pflegte  man  bleierne  Wasserleitungsröhren  durch  Ein- 
mauerung  widerstandsfähiger  zu  machen. 


40  Marcus  Vitruvius  Pollio. 

Kalk  nnd  Oel  gedichtet.  Kniestücke  verfertigte  man  nicht  aus  Thon,  sondern 
nahm  dafür  Steinblöcke,  in  welche  die  betreffende  Höhlung  gemeisselt  war. 

ViTRUV  weist  auch  darauf  hin,  dass  thöneme  Wasserleitungen  ein  ge- 
sünderes und  wohlschmeckenderes  Wasser  liefern  als  bleierne,  weil  das  aus 
letzteren  sich  bildende  Bleiweiss  dem  Körper  schade. 

Bei  der  Herstellung  von  Brunnenschachten  warnt  er  vor  Stickluft  und 
bösen  Wettern  und  räth,  vor  dem  Besteigen  des  Schachtes  eine  brennende 
Lampe  hinabzulassen.  Bleibe  diese  brennend,  so  könne  man  ohne  Gefahr 
hinabsteigen,  werde  sie  aber  durch  die  Dünste  ausgelöscht,  so  solle  man  neben 
dem  Brunnenschachte  zur  Rechten  und  Linken  Wetterschächte  graben. 

Das  neunte  Buch  handelt  von  den  Sonnen-  und  Wasseruhren. 
Da  aber  an  ersteren  nichts  Maschinelles  vorkommt  und  wir  die  letzteren  als 
eine  Erfindung  des  Ktesibios  schon  besprochen  haben,  so  wenden  wir  uns 
direkt  zum  zehnten  Buche,  das  von  den  Maschinen  handelt. 

Zum  besseren  Verständniss  muss  vorausgeschickt  werden,  dass  der  Be- 
griff „Maschine^  vor  Alters  kein  so  begrenzter  war  als  jetzt  und  dass  der  Be- 
griflf  „Maschinenbau^  namentlich  auch  den  Theil  der  heutigen  „Ligenieur- 
wissenschaft  umfasste,  welcher  sich  mit  der  Herstellung  hölzerner  Tragkon- 
struktionen, Gerüsten,  Spundwänden  und  dergleichen  befasst.  Deshalb  sagt 
ViTRUV  in  der  Vorrede  zum  zehnten  Buche,  nachdem  er  den  Wunsch  nach  Ver- 
schärfung der  Bauverträge  ausgesprochen,  damit  nur  wirklich  Sachverständige 
Bauarbeiten  übemehuicn  könnten: 

„Dies  sollte  nicht  nur  bei  GehfiiKlon  so  sein,  sondern  auch  bei  den  Gerüsten 
für  Festspiele,  die  von  den  Ohriji^koiten  entwe<lcr  in  Form  von  Gladiatoren- 
kämpfen auf  dem  Forum  oder  von  Theatervorstellungen  gegeben  wenlen,  bei  welchen 
weder  Verzögerung  noch  Bedenkzeit  zugestanden  wird,  wo  vielmehr  der  Drang  der 
Verhältnisse  zur  Vollendung  des  Werkes  in  bestimmbarer  Zeit  zwingt,  nämlich  bei 
der  Herstellung  der  Sitzbänke  im  Zuschauerraum,  des  Zugwerkes  der  Segeltuch- 
bespannung, wie  auch  alles  dessen,  was  nach  dem  Gebrauche  bei  Theatervorstellungen 
durch  Maschinerie  an  dekorativer  Ausstiittung  dem  Volke  geboten  wird.  Dabei  bedarf 
es  eines  geübten  Verständnisses  und  der  Erfindungsgabe  eines  sehr  ausgebildeten 
Geistes,  weil  nichts  der  Art  ohne  Kunde  des  Maschinenbaues  und  ohne  mannig- 
fache und  tüchtige  Fachkenntnisse  hergestellt  werden  kann Und  weil  denn  .... 

alljährlich  sowohl  Priitoren  als  Aedilen  zum  Zwecke  der  abzuhaltenden  Spiele  künst- 
liche Gerüste  aufschlagen  müssen,  so  scheint  es  mir  nicht  ungehörig,  nun,  nach- 
dem ich  bereits  in  den  vorausgehenden  Büchern  von  den  Gebäuden  gehandelt  habe, 
in  diesem,  das  den  Abschluss  meines  Gesain mtwerkes  bilden  soll,  die  Grundsätze  des 
Maschinenwesens  durch  Vorschriften  zu  erläutern." 

Nur  der  Umstand,  dass  die  heutigen  Begriffe :  Ingenieur  und  Maschinen- 
bauer damals  ganz  zusammenflössen  und  dass  daher  auch  die  Holzkonstruk- 
tionen des  ersteren  mit  dem  Namen  ..Maschinen"  belegt  wurden,  machen  den 
Anfang  des  nun  folgenden  ersten  Kapitels  des  zehnten  Buches  einigermassen 
verständlich,  wobei  man  ausserdem  im  Auge  behalten  muss,  dass  auch  die 
eigentlichen  Maschinen  damals  fast  ganz  aus  Holz  konstruirt  waren,  sowie  dass 
man  sich  zur  Erklärung  mechanischer  Erscheinungen  der  Sätze  des  Aristoteles 


Brunnenschachte,  der  Begriff  «Maschine*  im  Alterthum.  41 

bediente,  welcher  in  seinen  ^jMechaniachen  Problemen '^  das  Wunderbare  der- 
selben auf  die  ;,wunderbaren  Eigenschaften  des  Kreises"  zurückgeführt  zu 
haben  glaubte. 

Der  Anfang  des  ersten  Kapitels  lautet: 

„Eine  Maschine  ist  eine  zusammenhängende  Verbindung  von  Holz,  welche  zum 
Heben  von  Lasten  die  grössten  Vortheile  gewährt.  Sie  wird  auf  künstliche  Weise 
in  Thätigkeit  gesetzt,  nämlich  durch  Kreisumdrehung  (auch  die  Wirkung  des  Keiles 
und  dergleichen  suchte  Aristoteles  auf  Hebelumdrehungen  zurückzuführen),  welche 
die  Griechen  Kyklike  Kinesis  nennen.  Es  giebt  aber  eine  besondere  Art  von 
solchen  Konstruktionen,  nämlich  den  Stufensitzbau,  welcher  auf  griechisch  Akrobatikon 
(Stufen werk)  heisst.  Dann  die  Luftdruckmaschinen,  welche  die  Griechen  Pneumatica 
nennen,  drittens  die  Hebemaschinen,  von  den  Griechen  Barülkon  (Lastenheber) 
genannt. 

Ein  Sitzstufenbau  entsteht,  wenn  man  die  Gerüste  so  aufgestellt  hat,  dass  man, 
nachdem  die  Balken  in  ansteigender  Höhe  aufgestellt  und  durch  Querbalken  ver- 
bunden sind,  ohne  Gefahr  zur  Beschauung  der  vorbereiteten  Vorstellung  hinauf- 
steigen kann." 

Lässt  diese  Stelle  auch  Manches  dunkel,  so  geht  doch  mit  Deutlichkeit 
daraus  hervor,  dass  Vitruv  die  in  der  Vori^ede  erwähnten  „Gerüste  für  Fest- 
spiele" als  eine  besondere  Klasse  von  Maschinen  betrachtet. 

Auf  die  weiter  folgenden  Definitionen  Vitruv's  wollen  wir  uns  nicht  ein- 
lassen. Er  sucht  unter  anderm  den  Unterschied  der  Begrifi'e  „Maschine"  und 
„Instrument"  festzustellen  und  glaubt  diesen  darin  gefunden  zu  haben,  dass 
zur  Ingangsetzung  einer  Maschine  mehrere  Handgriffe  resp.  „Arbeiten"  oder 
ein  „grösserer  Kraftaufwand"  nothig  wäre,  wie  beispielsweise  bei  den  Balisten 
und  Katapulten,  während  die  Instrumente  bei  kundiger  Behandlung  durch  eine 
einzige  Arbeit  ihre  Bestimmung  erfüllten,  wie  dies  durch  einfache  Kurbel- 
umdrehung beim  Skorpion  und  bei  den  Anisokyklen  geschähe. 

Die  Skorpione  waren  Wurfmaschinen  ähnlich  den  Katapulten,  die  wir 
später  eingehend  beschreiben  werden.  Unter  dem  Worte  „Anisokyklen", 
welches  buchstäblich  übersetzt  „ungleiche  Kreise"  bedeutet,  sind  Räderwerke, 
vielleicht  Zahnräderwerke,  zu  verstehen. 

Als  Beispiele  von  nützlichen  Maschinen  und  Instrumenten  finden  wir  am 
Schlüsse  des  ersten  Kapitels  noch  angeführt:  Webeinstrumente,  Joche  und 
Pflüge  für  Rinder  und  anderes  Zugvieh,  Winden,  Pressen  und  Hebel  zum 
Keltern,  oflFene  und  geschlossene  Frachtwagen,  Schifl'e,  Schnellwaagen  und 
andere  Waagen,  Räder,  Blasbälge  für  Schmiede,  vierräderige  Personenwagen, 
zweiräderige,  zweisitzige  Reisewagen  und  Drehbänke. 

Das  zweite  Kapitel  handelt  von  den  Hebemaschinen.     Es  lautet: 

„An  erster  Stelle  wollen  wir  über  die  Herstellung  derjenigen  Vorrichtungen, 
welche  zur  Ausführung  von  Tempeln  und  Staatsgebäuden  nothwendig  sind,  Auskunft 
geben. 

Man  richtet  zwei  Balken  zu  von  einer  der  Grösse  der  Last  entsprechenden 
Starke,  verbindet  sie  am  oberen  Ende  mit  einem  Bolzen,  stellt  sie  so  auf,  dass  sie 
nach  unten  auseinandergespreizt  sind  und  hält  sie  durch  Seile,  welche  am  oberen 
Ende  herumgeschlungen  und  ringsum  angespannt  sind,  aufrecht  (siehe  Fig.  42).    Man 


40  Marcus  Vitravius  Pollio. 

Kalk  und  Oel  gedichtet.  Kniestücke  verfertigte  man  nicht  aus  Thon,  sondern 
nahm  dafür  Steinblocke,  in  welche  die  betreffende  Höhhmg  gemeisselt  war. 

ViTRirv'  weist  auch  darauf  hin,  dass  thöneme  Wasserleitungen  ein  ge- 
sünderes und  wohlschmeckenderes  Wasser  liefern  als  bleierne,  weil  das  aus 
letzteren  sich  bildende  Bleiweiss  dem  Körper  schade. 

Bei  der  Herstellung  von  Brunnenschachten  warnt  er  vor  Stickluft  und 
bösen  Wettern  und  räth,  vor  dem  Besteigen  des  Schachtes  eine  brennende 
Lampe  hinabzulassen.  Bleibe  diese  brennend,  so  könne  man  ohne  Gefahr 
hinabsteigen,  werde  sie  aber  durch  die  Dünste  ausgelöscht,  so  solle  man  neben 
dem  Brunnenschachte  zur  Rechten  und  Linken  Wetterschächte  graben. 

Das  neunte  Buch  handelt  von  den  Sonnen-  und  Wasseruhren. 
Da  aber  an  ersteren  nichts  Maschinelles  vorkommt  und  wir  die  letzteren  als 
eine  Erfindung  des  Ktesibios  schon  besprochen  haben,  so  wenden  wir  uns 
direkt  zum  zehnten  Buche,  das  von  den  Maschinen  handelt. 

Zum  besseren  Verständniss  nmss  vorausgeschickt  werden,  dass  der  Be- 
griff ^Maschine^  vor  Alters  kein  so  begrenzter  war  als  jetzt  und  dass  der  Be- 
griff ^Maschinenbau^  namentlich  auch  den  Theil  der  heutigen  ^Ligenieur- 
wissenschaft  umfasste,  welcher  sich  mit  der  Herstellung  hölzerner  Tragkon- 
struktionen, Gerüsten,  Spundwänden  und  dergleichen  befasst.  Deshalb  .«^agt 
ViTRUv  in  der  Vorrede  zum  zehnten  Buche,  nachdem  er  den  Wunsch  nach  Ver- 
schärfung der  Bauverträge  ausgesprochen,  damit  nur  wirklich  Sachverständige 
Bauarbeiten  übernehmen  könnten: 

„Dies  sollte  nicht  nur  bei  Gelmuden  so  sein,  jiondcrn  auch  bei  den  Gerüsten 
für  Festspiele,  die  von  den  Obrigkeiten  entweder  in  Form  von  Gladiatoren- 
kämpfen auf  dorn  Forum  oder  von  Theatervorstellungen  gegei)en  wenlen,  bei  welchen 
weder  Verzögerung  noch  Bedenkzeit  zugestanden  wird,  wo  vielmehr  der  Drang  der 
Verhältnisse  zur  Vollendung  des  Werkes  in  bestimmbarer  Zeit  zwingt,  nämlich  bei 
der  Herstellung  der  Sitzbänke  im  Zuschauerraum,  des  Zugwerkes  der  Segeltuch- 
bespannung, wie  auch  alles  dessen,  was  nach  dem  Gebrauche  bei  Theatervorstellungen 
durch  Maschinerie  an  dekorativer  Ausstattung  dem  Volke  geboten  wird.  Dal)ei  bedarf 
es  eines  geübten  Verständnisses  und  der  p]rfindungsgabe  eines  sehr  ausgebildeten 
Geistes,  weil  nichts  der  Art  ohne  Kunde  des  Maschinenbaues  und  ohne  mannig- 
fache und  tüchtige  Fachkenntnisse  hergestellt  werden  kann Und  weil  denn  .... 

alljährlich  sowohl  Priitoren  als  Aedilen  zum  Zwecke  der  abzuhaltenden  Spiele  künst- 
liche Gerüste  aufschlagen  müssen,  so  scheint  es  mir  nicht  ungehörig,  nun,  nach- 
dem ich  bereits  in  den  vorausgehenden  Büchern  von  den  Gebäuden  gehandelt  habe, 
in  diesem,  das  den  Abschluss  meines  Gesanimtwerkes  bilden  soll,  die  Grundsätze  des 
Maschinenwesens  durch  Vorschriften  zu  erläutern." 

Nur  der  Umstand,  dass  die  heutigen  Begriffe:  Ingenieur  und  Maschinen- 
bauer damals  ganz  zusammenflössen  und  dass  daher  auch  die  Holzkonstruk- 
tionen des  ersteren  mit  dem  Namen  ;. Maschinen^  belegt  wurden,  machen  den 
Anfang  des  nun  folgenden  ersten  Kapitels  des  zehnten  Buches  einigermassen 
verständlich,  wobei  man  ausserdem  im  Auge  behalten  muss,  dass  auch  die 
eigentlichen  Maschinen  damals  fast  ganz  aus  Holz  konstruirt  waren,  sowie  dass 
man  sich  zur  Erklärung  mechanischer  Erscheinungen  der  Sätze  des  Aristoteles 


Brannenschachte,  der  Begriff  .Maschine*  im  Altert lium.  41 

bediente,  welcher  in  seinen  „Mechanischen  Problemen^  das  Wunderbare  der- 
selben auf  die  „wunderbaren  Eigenschaften  des  Kreises''  zurückgeführt  zu 
haben  glaubte. 

Der  Anfang  des  ersten  Kapitels  lautet: 

„Eine  Maschine  ist  eine  zusammenhängende  Verbindung  von  Holz,  welche  zum 
Heben  von  Lasten  die  grössten  Vortheile  gewährt.  Sie  wird  auf  künstliche  Weise 
in  Thätigkeit  gesetzt,  nämhch  durch  Kreisumdrehung  (auch  die  Wirkung  des  Keiles 
und  dergleichen  suchte  Aristoteles  auf  Hebelumdrehungen  zurückzuführen),  welche 
die  Griechen  Kyklike  Kinesis  nennen.  Es  giebt  aber  eine  besondere  Art  von 
solchen  Konstruktionen,  nämlich  den  Stufensitzbau,  welcher  auf  griechisch  Akrobatikou 
(Stufenwerk)  heisst.  Dann  die  Luftdruckmaschinen,  welche  die  Griechen  Pneumatica 
nennen,  drittens  die  Hebemaschinen,  von  den  Griechen  Barülkon  (Lastenheber) 
genannt. 

Ein  Sitzstufenbau  entsteht^  wenn  man  die  Gerüste  so  aufgestellt  hat,  dass  man, 
nachdem  die  Balken  in  ansteigender  Höhe  aufgestellt  und  durch  Querbalken  ver- 
bunden sind,  ohne  Gefahr  zur  Beschauung  der  vorbereiteten  Vorstellung  hinauf- 
steigen kann." 

Lässt  diese  Stelle  auch  Manches  dunkel,  so  geht  doch  mit  Deutlichkeit 
daraus  hervor,  dass  Vitrlv  die  in  der  Vori^ede  erwähnten  „Gerüste  für  Fest- 
spiele" als  eine  besondere  Klasse  von  Maschinen  betrachtet. 

Auf  die  weiter  folgenden  Definitionen  Vitrüv's  wollen  wir  uns  nicht  ein- 
lassen. Er  sucht  unter  anderm  den  Unterschied  der  BegriflFe  „Maschine"  nnd 
„Instrument"  festzustellen  und  glaubt  diesen  darin  gefunden  zu  haben,  dass 
zur  Ingangsetzung  einer  Maschine  mehrere  Handgriffe  resp.  „Arbeiten"  oder 
ein  „grösserer  Kraftaufwand"  nöthig  wäre,  wie  beispielsweise  bei  den  Balisten 
und  Katapulten,  während  die  Instrumente  bei  kundiger  Behandlung  durch  eine 
einzige  Arbeit  ihre  Bestimmung  erfüllten,  wie  dies  durch  einfache  Kurbel- 
umdrehung beim  Skorpion  und  bei  den  Anisokyklen  geschähe. 

Die  Skorpione  waren  Wurfmaschinen  ähnlich  den  Katapulten,  die  wir 
später  eingehend  beschreiben  werden.  Unter  dem  Worte  „Anisokyklen", 
welches  buchstäblich  übersetzt  „ungleiche  Kreise"  bedeutet,  sind  Räderwerke, 
vielleicht  Zahnräderwerke,  zu  verstehen. 

Als  Beispiele  von  nützlichen  Maschinen  nnd  Instrumenten  finden  wir  am 
Schlüsse  des  ersten  Kapitels  noch  angeführt:  Webeinstrumente,  Joche  und 
Pflüge  für  Rinder  und  anderes  Zugvieh,  Winden,  Pressen  und  Hebel  zum 
Keltern,  offene  und  geschlossene  Frachtwagen,  Schifl'e,  Schnellwaagen  und 
andere  Waagen,  Räder,  Blasbälge  für  Schmiede,  vierräderige  Personenwagen, 
zweiräderige,  zweisitzige  Reisewagen  und  Drehbänke. 

Das  zweite  Kapitel  handelt  von  den  Hebemaschinen.     Es  lautet: 

„An  erster  Stelle  wollen  wir  über  die  Herstellung  derjenigen  Vorrichtungen, 
welche  zur  Ausführung  von  Tempeln  und  Staatsgebäuden  noth wendig  sind,  Auskunft 
geben. 

Man  richtet  zwei  Balken  zu  von  einer  der  Grösse  der  Last  entsprechenden 
Stärke,  verbindet  sie  am  oberen  Ende  mit  einem  Bolzen,  stellt  sie  so  auf,  dass  sie 
nach  unten  auseinandergespreizt  sind  und  hält  sie  durch  Seile,  welche  am  oberen 
Ende  herumgeschlungen  und  ringsum  angespannt  sind,  aufrecht  (siehe  Fig.  42).    Man 


42  Marcus  Vitruvius  Pollia. 

bindet  dann  oben  einen  Flascheiizugk loben  (gcheere)  an,  fügt  in  denselben  «wei  aich 
um  besondere  Axen  drehende  Rollen  ein  und  ijclilügt  das  Zugseil  um  die  obere 
Rolle.  Dnnn  zieht  man  das  Seil  herab,  schlägt  es  um  die  Rolle  einer  unteren  Scbeere, 
führt  es  dann  wieder  hinauf  biä  lu  der  unteren  Rolle  der  oberen  Scheere  und  von 
dort  abermals  herab  zu  der  unteren  Scheere,  an  deren  Ring  ea  festgebunden  wird. 
Das  andere  Ende  des  Seiles  wird  zwischen  den  beiden  Balken  nach  deren  unterem 
Ende  geführt 

An  der  Rückseite  der  rechtwinkelig  behnucneu  Balken  befestigt  man  da,  wo 
sie  schon  weit  genug  auseinander  gespreizt  sind,  Zapfenlager,  in  welche  man  die 
Zapfen  «nes  Haspels  einsteckt,  so  dass  dessen  Axe  eiuh  leicht  dreht.  Dieser  Haspel 
hat  in  der  Nähe  der  Zupfen  je  zwei  Löcher,  die  eo  einge^hnitten  sind,  dass  Hebel 
in  dieselben  geäteikt  werden  können.  An  der  unteren  Flasche  aber  wird  ein  «aemer 
Doppelhaken  angebunden,  dessen  Zähne  in  die  Bohrlöcher  der  Bausteine  greifen.  Ist 
aber  das  Ende  des  Seiles  an  dem  Haspel  befestigt  und  dreht  man   den   leUleren 


FlB-  43. 

vermittelst  der  Hebul  um,  so  winl  das  Seil,  indem  es  sich  um  den  Haspel  henun- 
schlingt,  straff  gespannt  und  hebt  dann  die  Lasten  in  die  Höhe  bis  zum  gehörigen  Platze. 

Diese  Art  von  Hebmaschinen,  welche  mit  drei  Rollen  arbeitet,  wird  Trispastos 
(drcizügig)  genannt;  wenn  dagegen  in  der  unteren  Scheere  zwei  und  in  der  oberen 
drei  Rollen  laufen,  so  nennt  man  die  Mascliinc  Pentaspaslos  (fünfzügig)." 

Es  folgt  nun  die  Beschreibung  einer  Methode,  nach  welcher  man  echvere 
Aufzüge  dieser  Art  mit  Benutzung  des  Haspels  an  der  Maschine  selbst  auf- 
richten kann.     Dann  heisst  es  weiter: 

„Wenn  aber  Riesenlasten  an  Gröstic  und  Gewicht  zu  versetzen  sind,  so  ist  die 
Anwendung  des  Haspels  nicht  zulässig,  sondcni  wie  seither  ein  Haspel  in  die  Zapfen- 
lager eingelegt  war,  lege  man  nun  einen  Wellbamn  ein,  der  In  der  >Iitte  eine  Seil- 
trommel hat,  welche  von  einigen  „Rad",  von  den  Griechen  aber  Amphierj-on  oder 
Peritrochion  (Kreisläufer)  genannt  wird  (Fig.  43).  Die  Flaschen  aber  werden  bei 
diesen  Maschinen  nicht  auf  dieselbe  Weise  wie  oben,  Bondern  etwas  davon  abweichend 
eingerichtet,  denn  sie  haben  unten  und  oben  doppelt  nebcneiinuuler  gestellte  Rollen 
(Fig.  44).  Das  Zugseil  wird  so  weit  durch  den  Ring  der  unteren  Flasche  gezi^en, 
bis  die  beiden  Enden  bei  ausgei^panuteni  Seile  gleich  lang  sind.  Diese  werden  dann 
an  der  unleren  Flasche  mit  einem  dünnen  Stricke  so  umwunden  und  tusammen- 
geschnürt   und    beide  Thcile   des  Seiles   so   zusammengefügt,    dass    dieses   ach  veder 


HebemascbiDeu,  inabeaonderB  Krabnc 


43 


uacb  rechts  noch  nach  links  verrücken  kann.  Hierauf  hebe  man  die  beiden  Enden 
des  Seiles  zur  oberen  Flascbe  hinauf  und  schlage  sie  von  der  äusseren  Seite  aus  um 
die  beiden  unteren  Rollen  derselben,  führe  sie  dann  wieder  herab  und  schlinge  sie 
von  der  inneren  Seite  um  die  Rollen  der  unteren  Flasche,  führe  sie  dann  abermals 
hinauf  rechls  und  linkä  bis  an  das  obere  Ende  der  oberen  Flasche  und  lege  sie  um 


das  obere  Rollenpaiir  doräclbcn,  und  nachdem  dies  vou  der  äusseren  Seite  aus  geschehen, 
führe  man  sie  zum  Wellbaum  herab  und  binde  sie  dort  rechte  und  links  von  der 
Seiltrommel  fest  an.  Dann  aber  schlingt  man  um  die  Seiltrommel  ein  anderes  Tau 
und  führt  dies    zu  einem  Göpel  (Gangspill).     Mit  diesem  dann  aufgewunden,    dreht 


das  Tau  auch  die  Trommel  und  den  Wellbaum,  die  Zugseile  werden  dadurch,  daas 
sie  sich  um  den  Wellbaum  winden,  gleichniässig  gespannt  und  heben  so  die  Last 
leicht  und  gefahrlos  auf. 

Hat  man  aber  ein  grösseres  Trommelrad,  entweder  in  der  Mitte  oder  an 
einem  Ende  des  Welibaumes  angebracht,  so  wird  man  ohne  Göpel  dadurch,  dass 
Männer  dieses  Rad  durch  Treten  in  Bewegung  setzen,  rascher  zum  Ziele  gelangen 
können  (Fig.  45). 


44  Marcus  Vitruvius  Pollio. 

Rs  gicl)t  ausserdem  noch  eine  andere  ziemlich  »innreichc  Art  von  Hebmaschinen, 
welche  den  Vortheil  der  Arbeitsbe^*chleunigung  bietet  die  aber  nur  von  kundiseii 
Leuten  gehandhabt  werden  kann.  Man  stellt  nämlich  nur  einen  Baum  auf  und 
spannt  ihn  auf  vier  Seiten  mit  Haltseilen  fest  (Fig.  46)*),  unter  den  Haltseilen  be- 
festigt man  zwei  Backen  (Auffütterungshölzer),  knüpft  die  Flasche  mit  Seilen  über 
denselben  fest  und  legt  der  (ol)eren)  Flasche  ein  etwa  zwei  Fuss  langes,  sechs  Zoll 
breites  und  vier  Zoll  dickes  Querholz  unter.  Die  Flaschen  werden  so  eingerichtet, 
dass  die  Rollen  zu  je  drei  nebeneinander  laufen.  Nun  werden  drei  Zugseile  an  der 
oberen  Flasche  festgeknüpft,  dann  zur  unteren  Flasche  herabgeführt  und  von  innen 
um  die  drei  oberen  Rollen  derselben  geschlungen,  dann  werden  sie  wieder  zur  oberen 
Flasche  hinaufgeführt  und  von  aussen  nach  innen  über  die  unteren  Rollen  derselben 
geschlungen.  Wenn  dann  die  Seile  wieder  auf  den  Boden  herab  gelangt  sind,  schlägt 
man  sie  von  innen  nach  aussen  über  die  drei  Rollen,  die  an  zweiter  Stelle  stehen, 
führt  sie  wieder  nach  oben,  zu  den  zweiten  Rollen  daselbst,  schlingt  sie  über  diese^ 
führt  sie  abermals  nach  unten  und  von  unten  noch  einmal  nach  oIk^  und  nachdem 
ßie  über  die  ol)crsten  Rollen  geschlagen  sind,  leitet  man  sie  bis  an  den  Fuss  des 
Hebebocks  (Standbaums).  Am  unteren  Ende  der  Maschine  aber  ist  ein  drittes 
Rollengehäuse  angebracht,  welches  die  Griechen  Epagon  (Zieher),  wir  Römer  aber 
Artemon  (Leitflasche)  nennen.  Dieses  Rollengehäuse  wird  am  Fusse  des  Standbaumes 
festgeknüpft  und  enthält  drei  Rollen,  um  welche  die  Seile  geschlungen  werden  imd 
dann  ihre  Enden  den  Leuten  zum  Ziehen  darbieten.  So  können  ohne  Gropel  drei 
Reihen  von  Leuten  ziehen  und  die  Last  wird  schnell  in  die  Höhe  gebracht 

Diese  Art  von  Ma.**chinen  winl  Polyspastos  (vielzügig)  genannt,  weil  sie,  in 
vielen  Rollen  gehend,  sowohl  leichte  als  rasche  Handhabung  zulusst.  Der  Umstand 
aber,  dass  nur  ein  Baum  dabei  aufgestellt  ist,  gewährt  den  Vortheil,  dass  man 
vorher,  ehe  man  eine  Last  versetzt,  die  Maschine  nach  Belieben  nach  der  rechten 
oder  linken  Seite  hin  neigen  kann. 

Alle  Maschinenarten,  welche  oben  beschrieben  worden  sind,  finden  nicht  nur 
in  der  angegebenen  Weise,  sondern  auch  bei  Verladung  und  Ausladung  von  Schiffen 
Anwendung,  bald  aufrecht  stehend,  bald  wagerecht  auf  „Krahndrehscheiben'^  ange- 
bracht. Kicht  minder  werden  auch  ohne  Aufstellung  von  Standbäumen  nach  dem- 
selben Verfahren  vermittelst  Zugseilen  und  Flaschen  die  Schiffe  ans  Land  gezogen." 

Wir  ersehen  aus  dieser  Stelle,  dass  man  zu  Vitrüv's  Zeiten  bereits  Dreh- 
krahnen  hatte,  die  sich  jedoch  nicht,  wie  die  meisten  heutigen  Erahnen 
dieser  Art,  um  feststehende  Säulen  oder  in  einem  Pfannen-  und  in  einem  Hals- 
lager drehten,  sondern  auf  Drehscheiben  montirt  w^aren.  Wie  man  sich  eine 
solche  Drehscheibe  etwa  vorzustellen  hat,  geht  aus  unseren  Figuren  47 
und  48,  hervor,  welche  einem  Werke  aus  dem  sechzehnten  Jahrhunderte 
unserer  Zeitrechnung  entnommen  sind.  Die  Drehscheibe  besteht  hier  aus 
einem  starken,  hölzernen,  horizontal  liegenden  Rade,  dessen  Kranz  an  vier 
auf  dem  Umfange  gleichmässig  vertheilten  Stellen  zwischen  AntifriktionsroUen 
gepackt  ist,  wie  aus  dem  Schnitte  Fig.  48  zu  ersehen  ist.  Aus  Vituüv's  An- 
gabe geht  hervor,  dass  man  sowohl  Drehkrahnen  mit  aufrecht  stehender 
Krahnensäule  auf  der  Drehscheibe  hatte,  wie  auf  unserer  Skizze  angedeutet 
ist,  als  auch  solche,  bei  welchen  die  Drehscheibe  oben  auf  einem  Gerüste  oder 
auf  dem  Mauerwerke  eines  Thurmes  angebracht  und  nur  der  horizontale  Arm 
des  Krahnens  fest  mit  derselben  verbunden  war. 


*)  In  unserer  Skizze  enthalt  jede  Flasche  nur  zweimal  drei  Rollen,  während  die  von 
ViTRUV  beschriebene  Maschine  mit  Flaschen  von  je  dreimal  drei  Rollen  ausgerüstet  war. 


Drehkrahoen,  Uoriiontaltnnsport.  4B 

ViTnuv  führt  fort: 

„Ea  dürfte  hier  am  Platze  san,  auch  der  sinnreichen  Erfindung  de«  Chersiphron 
lu  gedenken.  Als  nämlich  dieser  die  Säulenschäft«  für  den  ephesischen  Ärtemia- 
teinpel  aus  den  Steinbrüchen  schaffen  wollte  und  w^en  der  Grösse  der  Last  und 
der  Weichheit  der  Wege  in  der  Ebene  dem  Transporte  zu  Wagtn  nicht  traute  aus 
Furcht,  die  Räder  wünlen  einBinken,  so  ersann  er  folgendes  Auskunftsmittel.  Er 
fügte  vier  Holzbalken  zusammen  und  verkämnite  sie  (Fig.  40),  nämlich  zw«  Quer- 
balken und  zwei  lÄngebnlken,  deren  Länge  den  Säulenscbäften  entsprach  und  irelche 
so  behauen  waren,  dass  ihre  Dicke  ein  Drittel  ihrer  Breite  betrug;  dann  befestigte 
er  «serne  Zapfen,  die  in  Doppelschwalbenschwänzen  endigten,  vermittelst  Bleiverguss 
in  die  Stirnen  der  Schäfte  und  Hess  metallene  Futterringe,  in  welchen  die  Zapfen 
liefen,  in  das  Holzwerk  ein;  ausaerdcm  verband  er  die  Enden  mit  Strängen  aus 
„Rind9riemeD"(?)  geflochten;  die  Drehung  der  in  die  Futterringe  eingeschlossenen 
Zupfen  aber  konnte  ganz  unbehindert  erfolgen,  so  dass  die  Säulen  schifte,  als  sie  von 
vorgespannten  Ochsen  gezogen  wurden,  ohne  Anstand  fortrollten." 

Bei  der  Stelle:  „ausserdem  verband  er  die  Enden  mitSträngen  ausRinds- 
riemen  geflochten"  tindet  sich  in  Dr.  Keder's  Uebersetzung  die  Bemerkung, 


dass  die  Worte:  „ans  Rindsriemen*'  nach  Mabini'b  Emendatlon  anstatt  des 
früheren  schwer  erklärbaren:  „baculis  ligneis"  gesetzt  worden  seien.  Dr.  Reber 
fährt  fort:  „Es  bleibt  unsicher,  wo  dieser  Verband  angelegt  war.  Marini  glaubt, 
dass  die  verkämmten  Ecken  des  Rahmens  noch  mit  diesen  Riemen  verschnürt 
gewesen  seien.  Da  aber  dies  höchst  überflüssig  erscheint,  so  dürfte  die  Ver- 
muthung  wahrscheinlich  sein,  dass  man  den  Scbaftenden,  um  die  Kanten  vor 
dem  Abstossen  zu  schützen,  mit  solchen  Riemen  umwickelt  habe". 

Dem  möchten  wir  noch  hinzufügen,  dass  ein  Bandagiren  der  Säulenenden 
auch  um  deswillen  nothwendig  erscheint,  weil  der  Säutenschaft  nicht  cylin- 
drisch,  sondern  nach  einer  Seite  hin  verjüi^  war  und  daher  nicht  in  gerader 
Richtung  fortrollen  konnte,  wenn  nicht  durch  verschie,dene  Dicke  umgelegter 
Bandagen  die  Differenz  der  Durchmesser  ausgeglichen  war,  wie  dies  in  nnserer 
Skizze  (Fig.  49)  angedeutet  ist.  Es  scheint  uns  aber  viel  wahrscheinlicher,  dass 
diese  Bandagen  aus  Weiden-  oder  sonstigem  Holzgefiechte ,  als  dass  sie  aus 
einem  Geflechte  von  Rindsriemen  hergestellt  waren,  und  wir  halten  deshalb  die 
vermeintliche  Emendation   MARrai's   für  unberechtigt.     Wir  möchten  vielmehr 


4S  Maren«  Vitrnviaa  Polli«. 

die  betreffende  Stelle,  nachdem  die  ursprünglichen  Textwortfe:  bacnlis  ligneis 
wieder  an  ihre  Stelle  gesetzt  sind,  in  dem  Sinne  übersetzen:  ausserdem  b&nda- 
girte  er  die  Enden  des  SänlenscUaftes  mit  Strängen  ans  hökemero  Riithen- 
geflechte.  Diese  Bandagen  bildeten  gleichsam  zwei  Räder,  auf  denen  der 
Sänlenscbaft  rollte,  und  erst  dies  giebt  Virttuv  das  volle  Recht,  wie  folgt  fort- 
zufahren : 

„Nachdem  aber  die  SehÜfle  alle  eo  berheigeiogen  waren  und  die  Beschaffung 
der  (steinernen)  Gebälk  Stücke  bevorstand,  übertrug  des  Chersiphron  Sohn  Metaqenes 
dasselbe  Verfahren  von  dem  Tmiiüporte  der  Schäfte  auf  ilen  der  Gebälk^tücke.  Er 
lieBs  nämlicli  Räder  von  ungefähr  12  Fasit  DurchmeM>er  linunem  und  Bcldoes  die 
beiden  Enden  der  Gcbäik^tücke  mitten  in  die  Räder  ein  (Fig.  50),  und  auf  diesel^ 
Welse  liess  er  auch  die  Zapfen  einerseits  in  die  Stirnen  der  Gebälkstücke,  anderedt« 
in  die  Futtetringe  ein.  Als  daher  jener  Rahmen  aus  den  dritteldicken  Balken  voa 
den  Ochsen  gezogen  wurde,  brachten  die  in  den  Futterringen  eingeschlossenen  ZfKptea 
die  Räder  zur  Drehung,  die  Gebälk^tücke  aber,  welche  wie  Axen  in  die  Räder  an- 
gefügt waren,  kamen  auf  diese  Weise  wie  die  Säulen^^häfle  ohne  Hindemisa  auf 
den  Bauplatz.  Eine  Vorstellung  davon  können  wir  uns  nach  den  Walzen  machen, 
mit  welchen   man   in  den  PMlästn.'n  (Ringschulen)  die  Gänge  ebneL     Dodi  wäre 


dies  nicht  ausfuhrbar  gewesen,  wenn  nicht  ztmächst  die  geringe  Entfernung  die  Sache 
erleichert  hätte,  denn  von  den  Steinbrüchen  bis  zun)  Tenipel  sind  nicht  mdir  als 
8000  Fuss.  Dann  ist  aber  auch  kein  Hügel  <lort,  äondern  eine  ununterbrochene 
Ebene." 

Aus  der  Anführung  der  ^Walzen,  mit  denen  man  in  den  I'alUstren  die 
Gänge  ebnet",  ersieht  man,  dass  Strassenwalzen  zur  Zeit  Vitruv's  wohl- 
bekannt waren. 

Auch  die  nun  folgende  Beschreibung  einer  misslungenen  Konstruktion 
ähnlicher  Art  ist  nicht  uninteressant.     Vithlv  sagt : 

„Als  dann  zu  meiner  Zeit  in  jenem  Tem|H.'l  das  FussgertcU  des  Kolossalutand- 
bildes  des  Apollon  vor  Alter  geborsten  war  und  man  fürchtete,  es  möchte  jenes  Stand- 
bild stürzen  und  zertrümmern,  gab  man  den  Auftrug,  in  denselben  Steinbrüchen  ein 
neues  Fussgestell  zu  brechen.  Es  iibi-rnahm  dies  ein  gewisser  Paeonios.  Dieses 
Fussgestcll  aber,  wulchcB  12  Fuss  Iniig,  8  Fuss  breit  und  ä  Fuss  hoch  war  (das 
Gewicht  berechnet  sich  auf  etwa  2200U  kg),  wollte  der  ehi^izige  Paeonios  nicht 
auf  dieselbe  Art  wie  Metauenes  nn  Ort  unil  SU'lle  bringen,  sondern  beschloss,  dazu 
zwar  noch  demselben  G rund verf ahn? n ,  aber  in  einer  anderen  Art  eine  Vorrichtung 
zu  konslrwren.  Er  liess  nämlich  Räder  von  ungi.-fälir  15  Fuss  Durchmesser  zimmern 
und  schloss  in  diesen  Rädern  die  Enden  des  Mannorblockes  ein  (Fig.  51).  Dann 
brachte  er  rings  um  den  Block  2  Zoll  starke  Dielen  nn,  die  von  einem  Rade  zum 


StrSHBen  walze 


n  W»8serscliüpfen 


anderen  reichten  und  liess  sie  im  Kreieo  herum  j»  die  Räder  ein,  so  dasa  a! 
einen  Fuss  von  einander  abstanden.  Hierauf  nJckello  er  um  diese  Dielensprossen 
ein  Tan  und  licsa  dies  durch  vorgespannte  Ochsen  nehen,  und  als  es  sich  so  abwickelte, 
rollten  zwar  die  Räder,  aber  er  konnte  die  Last  nicht  auf  dem  rechten  Wege  in 
gerader  Linie  führen,  sondern  sie  wich  bald  nach  der  einen,  bald  nach  der  anderen 
Seite  vom  Wege  ab,  und  so  wurde  es  nöthig,  sie  wieder  rückwärts  zu  ziehen.  So 
vergeudete  Paeonios  mit  dem  Hin-  und  Herziehen  sein  Geld,  bo  dass  er  seine  Zah- 
lungen einstellen  musste  u.  s.  w." 

Im  dritten  Kapitel,  welches  überschrieben  ist:  „Die  Elemente  aller 
Bewegung,  die  Gerade  und  der  Kreis"  giebt  Vithuv  nur  einen  Auszug 
aus   des  Aristoteles  „Mechanischen  Problemen",   den  wir   übergehen  können. 

Das  vierte  Kapitel,  überschrieben  „Verschiedene  Arten  von  Wasser- 
scfaöpfmaschinen",  lantet  wie  folgt: 

„Nun  will  ich  die  Herstellung  der  verschiedenen  zum  Wasserschöpfen  erfun- 
denen Vorrichtungen  schildern  und  zuerst  vom  Scböpfrade  sprechen. 


Dieses  hebt  zwar  das  Wasser  nicht  hoch,  schöpft  aber  sehr  rasch  und  leicht 
eine  grosse  Wassermenge,  Es  wird  dazu  ein  Wcllbaum  entweder  auf  der  Drehbank 
bearbeitet^  oder  nach  dem  Zirkel  behauen,  an  den  beiden  Enden  mit  Eisen  beschlagen 
und  um  die  Mitte  wird  ein  Trojnmelrad  herumgelegt  (Fig.  52).  welches  aus  zusammen- 
gefügten Dielen  gemacht  wird.  Der  Wellbaum  wird  auf  Pfähle  gelegt,  welche  da, 
wo  die  Enden  des  eräteren  ihre  Lager  haben,  ebenfalls  mit  Eisenblech  beklddet  Bind. 
In  dem  inneren  Räume  des  Trommelrades  werden  acht  Bohlen  radial  eingefügt^  welche 
von  der  Welle  bis  an  den  Cylindermantel  der  Trommel  reichen  und  das  Innere  des 
Trommelradcs  in  gleiche  Räume  theilen.  Der  Cylindermantel  ringsum  wird  durch 
zusammengefugte  Dielen  gebildet,  die  halbfussbreite  Oeffnungen  freilassen,  durchweiche 
das  Wasser  in  das  Innere  aufgefangen  wird.  Dann  werden  zunächst  am  Wellbaume 
auf  einer  Seite  des  Trommelradcs  rundliche  Löcher  eingeschnitten,  jedem  einzelnen 
der  (acht)  Räume  entsprechend.  Das  nach  Art  der  Schiffe  getheerte  Trommelrad 
wird  durch  Treten  von  Menschen  umgedreht,  und  indem  es  durch  die  Oeffnungen 
an  dem  Cylindermantel  des  Trommelradcs  das  Wasser  schöpft,  giebt  es  dasselbe  durch 
die  rundlichen  Löcher  zunächst  an  den  Wetlbaum  wieder  in  ein  darunter  gesetzlea 


18  Varcus  Vitrnviu*  Follio. 

hiibenHK'  Bivkon  aK  mii  wrl<-ht-iii  «-int?  Abflu— liniie  in  VefMiidtiDg  rti-hl.     So  wtnl 
lur  Bewäsiierung  Ton  Gärten   unil  für  Saliiifii   zum  Au^laupra  «ine  M<-ng^  Wasser 

WVnn  aber  <Lv  Was?«T  b>'^r  p-hotien  ««Jen  kiIL  io  bar  dasselbe  Verfahien 
folpt-mle  AbäiuliTunp  zu  erli'i'lt* n.  Mau  liniohfl  rinp*  um  die  Welle  ein  Trooimelrad 
viMi  einer  der  (TfopliTlii-Kn  FC-piiThT-he  ent-ptvcli'-n'JeD  Giüme:  rinps  am  den  äuMeren 
Rand  desselben  N'fr^Ii)^  nian  iieitKärir  kublT-ebe  KäHcben.  die  mit  Theer  und 
Wai'hs  wa-senlicht  v.-rMrii-hen  -.ind  iFlg.  53  ^  Wenn  dann  da$  Rail  ron  den  IVeten 
uiufrdivhl  «ii>l.  s>  werden  ilii-  <uulrni  p-füllti-u  Kä.-ieben  naeh  oben  gebracht  nnd 
pi-«üeii.  i^t-h  wieder  nai-h  unten  kehrend.  ihi>n  Inhalt  in  den  ^«nimelkasien. 

Wenn  abiT  daf  Wa^^T  an  n*ieh  hiVi--p-  Punkti-  eeJiefert  vriden  will,  so  schlingt 
man  um  die  Welle  «ine^  i^'U-ht^n  (Tivi-i  Rad*-»  ein  Paar  eiserner  Kelten 
lFi^.  54).  welches  mi  i-incerii-htel  ii4.  da^:^  r^  iÜ!  unti-r  den  Wafaenpie^  hinab- 
iviefa!  und  anp:-hänine  Broin-i-Kiiner  tii^.  dir  et«a  einen  C«d^u$  (etwa  3  1) 
fairen.    Si^  winl  die  l^rehuni:  de?  Ra>W  dadanh,  -ia&s  die  DoppelkeOe  »ch  um  die 


T.e    K.  Tif  M, 

Wt"f  SiT-.;r.:w;;-:.^vi.  .:>-.  Ki::.':  i.a.V.  .-xn  V'n^- ; .  :.><fc  al-«  w«*ien.  »obald  sie  über 
.iff  Wili,  p:;.';»ir.  !-;;i'.,  •.i.^hn ■,:;-.:!:  u='^.-s:::r::  .:--i  e-ü^üs  :hÄa  Wa$B<ennhall  in 
dl«  Saüun^'.kasli ::  <-..i.««r.  " 

Da*  f«r.::e  K:i:>i:«l.  i:Ser».-V.r:i*va:   .I»,-.«  >'!->s*cbipir»d.  di*  Wasser- 

_M*::  :-.ia.':.i  *.)->.  :;;  F',>k  S.>.-.;:ri  i-.i.  »r  i>.-r  <iti^  C>es<hjitbai  wvnien 
IM.  N-.;r  K-orii  :v_v.-,  sv.^«:-,  ,i-,-.  •;t,  Sr;': 'S  ii^t^.  ?\ä»:;:t'.E  FV  ^  w*W»e  *tf. 
i-.y^-Mrif:;  \.:;  .i.r  lir^u«  .i-.r  /_i>.-..rk -.it.  ..r;  Ki.j.rx-K-b:-.  r-.-Srmifninf  eomehaient, 
»li/lii  *.^'.,  ii'.v,  >;r;-iv.i:-.iU "  WaM<?  ci'ä«!-t,  .',urx  ir  V.-cainapfbea  die  Bäder 
j».-..p;-..  >i.:.  j.;  ..^^  r-.i'.-.,  uii.i,  ■.v.mv.:  >t.  >  ■.::  j- ".  KIM'.'Ä-:--  ias  Wasser  <cböpfen 
i;-,!.;  •.■;».>.  .Nr.  ":-;  ;:^:-.  ■n,'.:<:-.  r-n    ,i:.:    :. .  Av>.-'    'a*  TTtt'-:.^.  ÖOR^  die  Snötminf 

A.;:  .;->"*  Wf^it-  «,r...  -...,:  ■■  ^\ ^^.t..  ..:^-.:.  ji=i<i«ff-  Wt  «vkitea  soo« 
A:u>  .S".-.  ■»:.  ■.■-::  A■.:-v..^V■  .  .^~  l  >  >-j.:  ,t^  -.'.s*  t-  =-.:,-.sr.  IJ>ie  ö*r  Welle  ein 
'at.-.t-,:.  '..■,,;;;  K,;  Tm-  IV.^s.:-  ?:  Ä:.k?'.v::  c-^.Va  -r.i  äii.i  sici  ^öAmtäf 
'.'.vi  .;c;-.- S,-.-..i:.;.'.VÄ-.  ;■..;  ,;rs.  .:nrü  .  ;..v^  l~  üt**  iT«n  *in  kleiaTre*(?k 
*V'^-'''"'*  !.-■'■•■"'«>  .'.ö-ixÄ.  »i'-bo  i.::  :..■■■'■:  ^ :.'KnKir,es.  W*ile  Üah.  die  an 
»'iwv.  W.io  f-\T.iV.  lV',:v".-,>.»r,',>.:.Ä;-»,'.r.:    '^i.    'r.z  :=.    '      ""'  ~  ' 


FluasschOpfrBder,  WaasemiOhleD.  48 

So  zwingen  die  Zähne  des  an  die  Welle  (des  ächautelnides)  angefügten  Zahnrades 
dadurch,  dass  sie  in  die  Zähne  dea  wagerechten  Zahnrades  eingreifen  und  dieses 
treiben,  den  Mühlstein  zur  Umdrehung.  Die  über  dieser  Maschine  hängende  Gosse 
führt  den  Mühlsteinen  das  Getreide  ste^g  zu  und  durch  die  Umdrehung  wird  das 
Mehl  gemahlen." 

Zn  der  Stelle:  „in  dieees  greift  ein  kleineres  vagerecht  gestelltes 
Zahnrad"  finden  wir  in  der  KEBER'schen  Uebersetzung  die  Anmerknng:  „Die 
Handschriften  geben:  tympanum  majus  anstatt  tympanus  minus  Doch  bereits 
Pebrault  undGALiANi  haben  bemerkt,  dass  dies  sachlich  unvernünftig  sei  Man 
denke  sich  nämlich  die  relativ  langsame  Umdrehung  eines  Schaufelrades  einer 
Mühle.  Wird  nun  diese  Umdrehung  von  einem  kleineren  Zahnrade  auf  em 
grösseres  transmittirt ,  so  wird  die  Umdrehung  der  Muhlsteme  dadurch  noch 


langsamer  als  die  Umdrehung  des  Schaufelrades.  Da  das  Unpraktische  dieser 
Anordnung  selbst  jedem  Nichtsachverständigen  in  die  Augen  springt,  so  be- 
greift sich  schwer,  wie  Rode,  Schsöueb  und  Marini  bei  der  alten  Lesart  ver- 
harren konnten". 

Erwägen  wir  aber,  dass  gerade  zu  Vitriiv's  Zeit  die  ersten  Wasser- 
mühlen aufkamen  (siehe  Pierer's  Konversationslexikon,  Artikel  „Mühle"),  dass 
vorher  nnr  Hand-  und  Eselsmühlen  im  Gebrauch  waren,  bei  denen  einfach 
eine  Stange  am  oberen  Läufer  horizontal  befestigt  war,  deren  Ende  eine  Sklavin 
oder  ein  angespannter  Esel,  um  die  Mühle  hemmgebend,  im  Kreise  herum- 
führte, so  scheint  es  ans  durchaus  wahrscheinlich,  dass  auch  jene  ersten 
Wassermühlen,  indem  sie  die  übliche  Mahlmethode  nachahmten,  den  Läufer- 
stein ganz  langsam  umdrehten.  Erwägen  vir  femer,  dass  die  Wasserräder  in 
alten  Zeiten  in  der  Regel  kleine  Durchmesser  erhielten,  während  man  das 


60  Marcu  VitruviuB  Folli«. 

WaBser  mit  grosBer  Geschwindigkeit  zuzuführen  päegte,  und  dut  sich  d»nn8 
eine  verhältnissmässig  grosse  Umdrehungszahl  der  Wasserräder  per  Mionte 
ergah,  so  scheint  es  durchaus  wahrscheinlich,  dass  zur  Zeit  Vithdv'b,  wenn 
auch  nicht  alle,  so  doch  vielleicht  die  meisten  Wassermühlen  eine  Räderüber- 
setzung in's  Langsamere  hatten.  Wir  schenken  daher  der  dahin  gehenden 
Angabe  der  alten  Handschriften  Glauben  und  halten  die  Aenderungen  des 
Wortes  majus  in  minus  für  nicht  angezeigt. 

Im  sechsten  Kapitel  giebt  Vitrvv  eine  genaue  Beschreibung  von  der 
Wasserschraube  oder  Schnecke  (Fig.  57}  und  der  Art  ihrer  Anfertigung. 
Es  erscheint  ons  bemerkenswerth,  dasa  bei  dieser  (und  noch  viel  ToUkonunener 
bei  der  später  folgenden  Beschreibung  der  Katapulte)  die  Methodeder-Ver- 
hnltnisszahleo  angewendet  ist,  durch  deren  konsequente Durchfühmng  sieb 


Fls-  5J, 

Redtenbacher  in  unserer  Zeit  so  bedeutende  Verdienste  um  die  Entwicklung 
des  rationellen  Maschinenbaues  erworben  hat.     Vitruv  sagt; 

„Es  giebt  nuch  eine  Maschine,  die  Sclinccke  genannt,  welche  zwar  eine  grosse 
Wassemiasse  schöpft,  aber  nicht  so  hoch  hebt,  \vie  das  Schöpfrad.  Diese  Maschine 
wird  folgendennassen  heimstellt:  Man  nimmt  einen  Balken  von  so  viel  Fubb  Länge 
ale  er  Zoll  in  der  Dicke  misst  (d.  Ii.  L  ^  I6d)  und  behnut  ihn  nach  dem  Zirkel 
walzenförmig.  Ah  den  beiden  Slirnflächen  thtilt  man  die  Peripherie  in  acht  Th«le 
und  zwar  so,  dass,  wenn  man  die  Walze  flach  auf  den  Boden  logt,  die  Linien  an 
beiden  Enden  sich  nach  der  Setzwaage  enUpreehcn  (soll  heissen :  dasa  mit  einer  Th^* 
linie  der  einen  Endfläche  inmier  gleichzeitig  eine  solche  der  anderen  Endfläche  hori- 
zontal liegt).  Dann  zieht  man  auf  der  wagerecht  auf  den  Boden  gelegten  Walze 
nach  Massgabe  der  SeUwaage  Gerade  von  einem  Ende  zum  anderen  (d,  h,  die  wage- 
rechten  Verbindungslinien  zwischen  den  Endpunkten  der  korrespondirenden  TTieil- 
Btriche  auf  den  Endflächen)  und  theilt  hierauf  auch  die  Länge  der  Walze  in  Theile 
ab,  welche  so  gross  sind,  wie  der  achte  Theil  der  Peripherie.  Durch  diese  Eintbei- 
lung  werden  sowohl  in  der  Richtung  der  Peripherie,  nl3  auch  in  der  Längsrichtung 
gleich  grosse  Abstände  (der  Linien)  erzielt.  Wo  nun  diese  Kreislinien  gezogen  werden, 
treffen    sie  auf  die  Geraden    und  Bchnotden  sie  in  bestimmten  Durchschnittspunkten. 

Nachdem  diese  sorgfältig  aufgezeichnet  sind,  ninimt  man  eine  dünne  Leiet« 
von  Weidenholz  oder  eine   gespaltene  Latte  von  Keuschbau niholz  (es  mussten  recht 


Wasserschrauben.  51 

biegsame,  geschmeidige  Leisten  sein),  taucht  sie  in  flüssigen  Theer  und  heftet  sie  (mit 
einem  Ende)  in  dem  ersten  jener  Durchschnittspunkte  an  (ohne  Zweifel  vermittelst 
eines  Nagels  von  Holz  oder  Metall),  dann  führt  man  sie  schräg  zu  den  folgenden 
Durchschnittspmikten  der  Langslinien  mit  den  Kreislinien,  und  indem  sie  regelmässig 
vorwärts  geführt  die  einzelnen  Punkte  berühren  und  sich  rings  herum  winden,  wird 
sie  an  den  einzelnen  Durchschnittspunkten  befestigt  (angenagelt)  und  gelangt  so, 
wenn  sie,  von  ihrem  Anfang  an  gezählt,  den  achten  Punkt  berührt,  wieder  zu  der- 
selben Geraden  (Längslinie),  von  welcher  sie  ausgegangen  und  an  welcher  ihr  unteres 
Ende  (ihr  Anfang)  festgenagelt  wurde.  Ebenso  erreicht  sie  auch,  nachdem  sie  schräg 
den  Raum  von  acht  Punkten  durchzogen  hat,  der  Länge  nach  den  achten  Punkt 
Die  nach  demselben  Schema  an  den  acht  Abtheilungen  des  Kreises  wiederholten,  an 
den  Durchschnittspunkten  der  Längslinien  und  der  Kreislinien  schräg  festgehefteten 
Leisten  bilden  dann  spiralförmige  Rinnen  in  richtiger,  naturgetreuer  Nachahmung 
eines  spiralförmigen  Schneckengehäuses.  Auf  der  so  hergestellten  Grundlage  (oder 
Grundleiste  werden  dann  wieder  andere  in  flüssigen  Theer  getauchte  Leisten  eine 
über  die  andere  aufgeheftet  und  damit  so  lange  aufgehöht,  bis  der  Durchmesser  des 

Ganzen   den  achten  Theil  der  Lange  beträgt  (2)  =  —  =  2  d).    Auf  diese  Spiralen 

o 

legt  und  nagelt  man  dann  ringsum  eine  Dielen  Verschalung,  um  die  Spiralgänge  zu 
schliessen,  alsdann  wird  diese  Verschalung  mit  Theer  gesättigt  und  mit  eisernen  Reifen 
zusammengehalten,  so  dass  sie  nicht  mehr  durch  den  Einfluss  des  Wassers  bersten 
kann.  Die  Enden  der  Walze  werden  mit  festgenagelten  Eisenbeschlägen  gebunden 
und  erhalten  eingeschlagene,  eiserne  Zapfen.  Zur  Rechten  und  Linken  der  Wasser- 
schraube aber  werden  Balken  angebracht,  welche  an  den  beiderseitigen  Enden  durch 
Querbalken  zu  einem  Rahmen  verbunden  sind,  in  die  beiden  Querbalken  sind  eiserne 
Zapfenlager  eingelassen,  in  welche  die  Zapfen  gesteckt  werden  und  so  wird  die  Wasser- 
schraube „durch  Treten  von  Menschen"  gedreht.  (Die  Verbindung  der  Wasserschnecke 
mit  dem  Tretrade  ist  nicht  beschrieben.  Wir  haben  in  unserer  Skizze  der  Einfach- 
heit halber  die  Schnecke  mit  einer  Kurbel  versehen.)  Sie  soll  aber  unten  in  einem 
spitzen  Winkel  aufgestellt  werden,  und  zwar  der  Abbildung  des  pythagoräischen, 
rechtwinkeligen  Dreieckes  entsprechend,  d.  h.  so,  dass  man  die  Länge  der  Wasser- 
schraube in  fünf  Theile  theilt  und  drei  davon  der  Höhe  der  Erhebung  des  oberen 
Endes  der  Schraube  giebt,  wonach  der  Raum  von  der  senkrechten  Linie  des  Drei- 
eckes bis  zu  der  unteren  Mündung  der  Schraube  vier  von  jenen  Theilen  gleich 
sein  wird." 

Warum  Yitbuv  ein  rechtwinkeliges  Dreieck  mit  den  Seitenlangen  3,  4 

und  5  ein  „pythagoräisches^'  nennt,  gebt  aus  einer  Stelle  des  Vorworts  zum 

neunten  Buche  hervor,  welche  also  lautet: 

„Pythagoras  femer  zeigt  uns,  wie  man  einen  rechten  Winkel  ohne  die  Mani- 
pulation eines  Handwerkers  finden  kann,  und  während  die  Werkleute  das  Winkel- 
maass  mit  grosser  Mühe  kaum  zur  Vollkommenheit  bringen  können,  wird  der  rechte 
Winkel,  wenn  man  ihn  nach  seinen  Vorschriften  berechnet  und  beschreibt,  leicht 
und  fehlerfrei  hergestellt.  Nimmt  man  nämlich  drei  Lineale,  von  welchen  das  eine 
drei,  das  andere  vier,  das  dritte  fünf  Fuss  lang  ist,  und  verbindet  dieselben  so  mit 
einander,  dass  sie,  ein  Dreieck  bildend,  an  den  äusseren  Spitzen  sich  treffen,  so 
werden  sie  einen  ganz  fehlerfreien,  rechten  Winkel  bilden." 

Das  siebente  Kapitel  handelt  von  dem  „Ktesibischen  Druckwerke",  d.  h. 
einer  zweistiefeligen  Druckpumpe  ähnlich  der  von  Heron  dem  Aelteren 
beschriebenen  Feuerspritze  (siehe  Seite  14).  Da  die  Beschreibung  des  Vitruv 
jedoch  in  einigen  Punkten  von  der  des  Heron  abweicht  und  da  sie  nur  kurz 
ist,  so  setzen  wir  sie  wörtlich  hier  her.     Vitrüv  sagt: 


Marcaa  Vitruvius  PullJo. 


„Dieee  Maechine  wird  aus  Broiice  hergestellt.  Sie  besteht  aus  zntä  gleichen, 
bis  uiit«ii  hin  reichenUeii  Punipencylinilem  (Stiefeln),  die  nicht  weit  von  einander 
abstehen  und  gabelförmig  ahzuejgciide  Verbindungeröhren  haben,  welche  in  ähnlicher 
Welse  aich  vereinigend  in  den  mitten  li^enden  Windkessel  münden;  In  dieaem 
Windkegeel  bringt  man  Ventilklappen  an  der  oberen  Mündung  der 
Verbindungsröhren  an  (Fig.  58),  welche  exakt  sitzen,  die  Mündungalücher  ver^ 
schliessen  und  das,  wns  durch  den  Lufldnick  in  den  Windkessel  gepresst  ist,  nicht 
mehr  zurücktreten  lassen.  Auf  dem  Windkessel  l^t  eine  Kappe,  einem  umge- 
Gtürztcn  Trichter  ähnlich,  aufgepasst  und  durch  Ohren  mit  durchgetriebenem  Keil 
(Splint)  mit  demselben  zusammengesdiloe- 
sen,  damit  nicht  die  Gewalt  des  hia-  (an- 
gepumpten Wassers  «e  aufzuheben  vei^ 
möge.  Darüber  wird  eine  senkrechte  Röhie^ 
welche  Bleigröhre  genannt  wird,  angenietet 
Die  Pumpencylinder  haben  unterhalb  der 
unteren  Stundung  der  Verbind ungsrShren 
X'entil klappen  über  den  nm  unteren  Ende 
befindlidien  Einmündungen.  Von  oben 
herab  aber  werden  massive,  abgedrehte,  ge- 
sc'Idiffene  und  mit  Oel  geschmierte  Kolben, 
welche  in  die  Pumpencylinder  eingeschlos- 
^n  sind,  vermittelst  Kolbenstangen  und 
Hebeln  in  Bewegung  gesetzt  Diese  drücken 
in  rascher  Bewegung  in  beiden  Puropen- 
c}-lindem  abwcch^lnd  auf  die  mit  dem 
Wasser  dort  eingeschlossene  Luft,  schliesBen 
*■!»  w-  die  Ventil  klappen   an   den   unteren  Oeff- 

nungen  und  drängi'n  durch  die  I^ft- 
pressung  das  Wasser  durch  die  Mündungen  der  Verbindungsröhren  in  den  Wind- 
kessel, von  welchem  sie  in  die  Kappe  steigt  und  durch  den  Luftdrack  durch  das 
Steigrohr  in  die  Höhe  getrieben  wird.  So  wird  von  einer  tieferliegcnden  Stelle  aus, 
nachdem  man  einen  Sammelraum  angelegt  hat,  das  Wasser  zu  einem  Brunnenstrabl 
geliefert" 

Es  ist  in  dieser  Beschreibung  nicht  gesagt,  dass  in  der  „Kappe"  anf 
dem  Windkessel,  welche  den  Fuss  des  Steigrohres  bildete,  ein  Steigrentil  an- 
gebracht war,  wie  es  bei  heutigen  Pumpen  dieser  Art  in  der  Kegel  der  Fall 
ist ;  es  scheint  vielmehr,  dass  die  Kappe  nur  zum  Zwecke  einer  stahileren  Ver- 
bindung des  abnehmbaren  Steigrohres  mit  dem  Windkessel  diente.  Dass  aber 
das  Steigrohr  nur  als  leicht  löslich  mit  der  Pumpe  verbunden  geschildert  wird, 
erklärt  sich  daraus,  dass  Vitruv  bei  Abfassung  seines  Werkes  über  Architektur, 
vornehmlich  Pumpen  für  Bauzwecke,  also  transportable  Pumpen  im  Auge 
haben  musste. 

Das  achte  Kapitel  handelt  von  der  ebenfalls  von  Ktesibios  erfundenen 
Wasserorgel,  von  der  wir  die  Beschreibung  Heron's  des  Aelteren  auch  be- 
reits in  unserer  letzten  Abhandlung  der  Hauptsache  nach  mitgetheilt  haben. 
In  der  Besehreibung  des  Vitruv  finden  wir  folgende  Abweichungen,  wahrschein- 
lich Neuerungen,  die  seit  Heron's  Zeit  eingeführt  worden  waren. 

Die  Ventile  an  den  Luftpumpen  bestehen  nicht  mehr  aus  dünnen,  federn- 
den Metallzungen,  sondern  Vitruv  sajjt  darüber; 


Druckpampen,  Wasserorgeln,  Wegmesser. 


63 


Fig.  59. 


„In  der  oberen,  ebenen  Decke  des  Pumpencylinders  sind  Locher  von  ungefähr 
drei  Zoll  (45  mm)  Durchmesser.  Nahe  bei  cÜeseii  sind  broncene  Delphine  an  Ge- 
lenken angebracht,  welche  in  ihrem  Munde  an  Ketten  herabhängende  unterhalb  der 
Löcher  der  Pumpencylinder  hängende  Schilddeckel  tragen." 

Wir  werden  uns  diese  Ventile  so  vorzustellen  haben,  wie  sie  die  der 
REBER'schen  Uebersetzung  entnommene  Skizze  Fig.  59  zeigt. 

Ferner  giebt  Vitrüv  die  Beschreibung  einer  Windlade  für  mehrere  Re- 
gister,   was   beweist,    dass  der   Orgelbau   seit  Heron's   Zeiten 
wesentliche  Fortschritte  gemacht  hatte.     Doch   bietet  dieselbe 
für  uns  kein  besonderes  Interesse,  weshalb  wir  sie  übergehen. 

Das  neunte  Kapitel  handelt  von  der  selbstthätigen 
Messung  eines  zu  Wagen  oder  Schiff  zurückgelegten  Weges. 
Den  für  Strassenfuhrwerk  angegebenen  Messapparat  haben  wir 
in  Fig.  60  skizzirt.     Die  Beschreibung  lautet: 

„Wenn  es  sich  um  einen  Wagen  handelt^  sollen  die  Räder  einen  Durchmesser 
von  4^/6  Fuss  (1,208  m)  haben,  so  dass  das  Rad  bei  jeder  Umdrehung  12  V«  Fuss 
zurücklegt.  In  die  Nabe  des  Rades  treibe  man  an 
der  Innenseite  eine  Scheibe  unverrückbar  ein,  welche 
einen  Zahn  hat,  der  über  ihrem  Umfange  hervorragt 
Darüber  an  dem  Wagenkasten  ist  ein  Gehäuse  festge- 
heftet mit  einem  senkrecht  gestellten,  um  eine  Axe  dreh- 
baren Zahnrade  mit  vierhundert  Zähnchen,  in  welche 
der  Zahn  der  unteren  Scheibe  eingreift  Ausser  den 
vierhundert  Zähnchen  der  oberen  Scheibe  erhält  diese 
noch  einen  anderen  Zahn  seitlich  angeheftet,  welcher 
über  die  ersten  hervorragt  Darüber  wird  ein  drittes 
Zahnrad  der  letzteren  Art  wagerecht^  in  ein  anderes 
Gehäuse  eingeschlossen,  angebracht,  in  dessen  Zähnchen 
jener  an  der  Seite  des  zweiten  Zahnrades  angeheftete 
Zahn  eingreift.  In  demselben  (dem  dritten)  Zahn- 
rade bohre  man  so  viele  Löcher  (je  hinter  einem  Zahne),  als  ein  Wagen  Meilen  in 
einer  Tagereise  zurücklegen  kann,  lege  in  alle  diese  Löcher  runde  Steinchen  und  in 
den  Boden  des  Gehäuses  (auf  welchem  dieses  horizontale  Rad  beinahe  aufliegt)  mache 
man  ein  Loch,  an  das  sich  ein  Röhrchen  anschliesst,  durch  welches  die  in  das  Zahn- 
rad gelegten  Steinchen,  wenn  sie  an  jene  Stelle  kommen,  einzeln  in  den  Wagenkasten 
und  in  ein  untergestelltes  Broncegefäss  fallen Während  durch  die  vier- 
hundert Umdrehungen  der  unteren  Scheibe  das  darüber  befindliche  Zahnrad  einmal 
umgedreht  wird,  ergiebt  sich  eine  zurückgelegte  Wegstrecke  von  fünftausend  Fuss, 
d.  h.  von  einer  Meile  (==  1480  m).  Es  werden  daher  die  einzeln  klingend  herab- 
fallenden Steinchen  die  Zurücklegung  der  einzelnen  Meilen  zu  erkennen  geben,  die 
Zahl  der  Steinchen  aber,  welche  man  dann  zusanmien  unten  herausnimmt,  wird  die 
Anzahl  der  während  einer  Tagereise  zurückgelegten  Meilen  anzeigen. 

Auch  bei  der  Schifffahrt  wird  eine  ähnliche  Wegmessung  nach  demselben  Ver- 
fahren mit  geringen  Abänderungen  bewerkstelligt  Man  steckt  nämlich  durch  die 
Seitenwände  des  Schiffes  einen  Wellbaum,  dessen  Ende  noch  über  das  Schiff  hinaus- 
ragt^ und  zimmert  um  diese  Enden  Räder  von  4^/6  Fuss  Durchmesser,  welche  an 
ihrer  Peripherie  ringsum  Schaufeln  haben,  welche  in  das  Wasser  eintauchen." 

An  der  Axe  dieser  Schaufelräder  wird  nun  derselbe  Zählapparat  ange- 
bracht, wie  oben  für  das  Strassenfuhrwerk  angegeben. 

Wir  entnehmen  nun  noch  zum  Schlüsse   dem  zehnten  Kapitel   die  Be- 


Fig.  60. 


51  31arcua  Vitravin«  PoUio. 

Schreibung  der  Katapulte  (Fig.  Ol,  62  und  63),  welche,  wie  bereite  er- 
wähnt, hauptsächlich  wegen  der  dabei  ToHkommen  durchgeführten  „Method« 
der  Verhältnisszahlen"  für  uns  Interesse  hat.    Sie  lautet: 

„Alle    Ma^^rerhältni^täe    der    wagrecht    gerichteten    Geschütze    berechnea    äcfa 
auä  der  gegebenen  Länge  des  Pfeiles,  welchen  <Iie  fragliche  Maschine  schlendern  scdl 


Fig.  «1.  Fig.  M. 

und  Ewar  soll  dem  neunten  Tlieile  dieser  Pfeillange  die  Gröissc  der  Löcher,  durch 
welche  die  die  Bogenarme  umschliesBendeD  Spannstränge  gespannt  werden,  entsprechen. 
(Die  Spannstränge  waren,  wie  aus  Kap.  11  ersichtlich  ist,  aus  Haaren,  und  iwar 
vorzugsweise  aus  Frauenhaaren  oder  aus  Sehnen  gedrehL)     Nach  Grösse  dieser  Spann- 


Pig.  «3. 


töcher  aber  bemisst  sich  die  Höhe  und  Breite  des  Spannrahmens  (äe  bildet  über- 
haupt, wie  wir  heute  zu  sagen  pflegen,  die  „Bezugseinheit"  und  wir  wollen  daher  für 
die  Folge  anstatt  des  sich  sehr  oft  wiederholenden  Wortes:  „SpannlochdurchmesBer" 
das  Zeichen  d  setzen).  Die  wagerechten  Stücke,  welche  das  Ober-  und  Untertheil 
des  Spannrahmens  bilden  und  Peritreta  (die  Durchbohrten)  genannt  werden,  sollen 
eine  Dicke  ^  d  und  eine  Breite,  welche  an  den  Enden  =  l'/t  d  und  sonst  ^  l'/*  d 
haben.  Die  senkrechten  Stücke  des  Spannrahmens  rechts  und  links  sollen  4  d  hoch 
säa,  die  Zapfen  ungerechnet,  und  ^/s  d  dick;  die  Zapfen  aber  sollen  '/i  d  dick  sein. 
Vom  senkrecht«!  Rahmeustück  bis  zum  Spannloch  soll  ein  Absland  ^  ^U  d  srin 
imd  derselbe  Abstand  soll  zwischen  dem  Spannloche  und  dem  senkrechten  Mittel* 
stücke  sein.  Die  Breite  dieses  Mitlelstückes  betrage  1'/«  d,  die  Dicke  1  (f.  Der 
Ausschnitt  im  senkrechten  Mittelstücke,  wo  der  Pfeil  aufgelegt;  wird,  sei  ^  ^U  ä.  Die 
vier  Ecken  rings  um  den  Spanntahmen  beschlage  und  befestige  man  an  den  Sdten 
und  am  äusseren  Umfange  mit  Escnblech  und  broncenen  Bolzen  und  Nägeln. 


Katapulten.  55 

Der  Lauferbahn,  welche  auf  Griechisch  Syrinx  (Pfeife)  heisst,  gebe  man  eine 
Lange  =  19  rf,  die  Leisten,  welche  einige  die  Backen  nennen  und  welche  rechts 
und  links  an  die  Lauf  erbahn  genagelt  werden,  sollen  eine  Länge  von  17  d,  eine 
Höhe  =  d  und  eine  Dicke  von  (^/s  r??)  haben.  Es  werden  auch  zwei  Leisten 
angenagelt,  in  welche  der  Haspel  eingelegt  wird,  die  eine  Lange  von  3  d  und  eine 
Breite  von  ^/2  d  haben  sollen.  Die  Dicke  jenes  Leisten  Stückes,  welches  „Bänkchen'' 
oder,  wie  einige  wollen,  „Gehäuse"  genannt,  angeheftet  und  mit  Schwalbenschwänzen 
eingezapft  wird  (dieses  Bänkchen  schloss  vermuthlich  das  Haspelgehäuse  nach  hinten 
ab),  soll  eine  Länge  =  d  und  eine  Höhe  =  ^js  d  haben.  Die  Länge  des  Haspels 
soll  =  3  d,  die  Dicke  desselben  =  */4  d  sein.  Die  Länge  des  Drückers  (Schnäppers) 
soll  */*  d,  dessen  Dicke  ^/i  d  betragen,  ebensoviel  die  Dicke  seines  Zapfenlagers.  Die 
Länge  des  Hebels,  welcher  auch  Handhabe  genannt  wird  (des  Abzugs),  3  d,  dessen 
Breite  und  Dicke  ^/a  rf;  die  I^änge  des  Läufers  (es  war  dies  eine  Leiste,  in  der 
Läuferbahn  verschiebbar,  oben  mit  einer  Rinne  versehen,  in  welcher  der  Pfeil  ruhte, 
welche  beim  Spannen  der  Katapulte  zugleich  mit  der  Bogensehne  und  dem  Pfeile 
zurückgezogen  wurde  und  beim  Abschiessen  ein  Stück  Weges  mit  diesem  vorschnellte. 
Ausführlicheres  enthält  eine  Anmerkung  in  Dr.  Reber's  Uebersetzung)  aber  soll 
=  16  rf,  die  Dicke  =  ^/g  rf,  die  Höhe  =  '/i  rf  sein.  Die  Basis  des  Ständers  am 
Boden  soll  8  rf  betragen,  die  Breite  der  unteren  Ständerplatte,  in  welche  der  Ständer 
gesteckt  wird,  ==  ^'4  rf,  die  Dicke  =  ^/s  rf,  die  Höhe  des  Ständers  bis  zum 
Zapfen  =  12  rf,  die  Breite  */4  rf  und  die  Dicke  =  '/4  rf.  Die  drei  Streben  des 
Ständers  sollen  eine  Länge  =^  8  rf,  eine  Breite  =  ^/j  rf  und  eine  Dicke  =  '/le  rf 
haben.  Die  Länge  des  Zapfens  des  Ständers  soll  1^/2  dj  die  Länge  des 
Ständeraufsatzes  2  rf,  die  Breite  des  vorgehefteten  Stückes  ^/4  rf,  dessen 
Dicke  Va  rf  betragen.  Die  hintere  kleine  Stütze,  welche  auf  Griechisch  Antibasis 
(Gegenstütze,  auf  welcher  das  hintere  Ende  der  Läuferbahn  ruhte)  heisst,  soll  eine 
Länge  von  8  rf,  eine  Breite  von  ^U  rf,  eine  Dicke  von  ^/s  rf  haben.  Die  darunter 
gestellte  Strebe  eine  Länge  von  12  rf  und  eine  Breite  und  Dicke  wie  jene  kleinere 
Stütze.  lieber  der  kleineren  Stütze  befindet  sich  das  Tragstück  oder  Aufl«^r  2V«  rf 
lang,  1^/2  rf  hoch,  '/4  rf  breit.  Die  Handspeichen  des  Haspels  sollen  2^/2  rf  lang; 
*/2  rf  dick  und  ^js  rf  breit  sein.  Die  Querstücke  (transversaria)  sollen  mit 
den  Zapfen  eine  Länge  von  10  rf,  eine  Breite  von  ^/a  rf  und  eine  Dicke  von  ^/2  rf 
haben.  Die  Länge  des  Bogenarmes  soll  7  rf,  die  Dicke  am  inneren  Ende  */8  rf,  am 
äusseren  ^/2  rf  und  die  Krümmung  des  Armes  ^/s  rf  betragen." 

Unsere  nach  diesen  Angaben  entworfene  Skizze  Fig.  61  weicht  bezüg- 
lich des  Untergestelles  und  der  sogenannten  Querstücke  (transversaria)  von  der 
in  Dr.  Reber 's  Uebersetzung  gegebenen  ab.  In  letzterer  ist  ein  starres  Ge- 
stell unter  die  Katapulte  gesetzt,  während  es  uns  für  jedes  Gestell  zu  einer 
SchusswaflFe  (Lafette)  unbedingt  nöthig  erscheint,  dass  dasselbe  Drehung  des 
Geschützes  um  eine  Horizontalaxe  zulasse,  um  den  Elevationswinkel  verstellen 
zu  können.  Dies "  veranlasst  uns,  unter  dem  „Zapfen  des  Ständers"  in  den 
Stellen:  „Die  Höhe  des  Ständers  bis  zum  Zapfen"  und  „Die  Länge  des  Zapfens 
des  Ständers"  einen  horizontalen  Drehzapfen  zu  verstehen,  und  wir  finden  dann 
auch  sehr  passende  Verwendung  für  den  „Ständeraufsatz"  und  die  „vorgehef- 
teten Stücke"  zur  Bildung  des  Charniers  zu  diesem  Drehzapfen,  wie  aus  unserer 
Skizze  ersichtlich,  während  diese  Theile  in  der  REBER'schen  Skizze  keinen  Platz 
gefunden  haben.  Dem  entsprechend  müssen  wir  aber  dann  auch  die  Verbin- 
dungen vom  Ständer  mit  der  Antibasis  und  von  dieser  mit  der  untergestellten 
Strebe  chamierartig  machen  und   müssen  in  drei  Streben   des  Ständers  (von 


56  Marcus  Vitruvius  Pollio. 

denen  nur  zwei  in  der  REBER'schen  Skizze  Verwendung  fanden)  so  anordnen, 
dass  der  Drehzapfen  der  Katapulte  durch  den  Stander  allein  schon  festgestellt 
ist,  während  die  untergestellte  Strebe  je  nach  ihrer  Schrägstellung  das  Trag- 
stück oder  Auflager  für  den  hinteren  Theil  der  Katapulte  in  einer  höheren 
oder  tieferen  Stellung  erhält  und  dadurch  die  Elevation  des  Geschützes  be- 
stimmt. 

Bezüglich  der  transversaria  widerlegt  Dr.  Reber  in  einer  Anmerkung 
die  Ansicht  von  Köchly  und  Rüstow,  welche  darunter  die  durch  den  Haspel 
gesteckten  Hebel  verstehen  wollen  und  fährt  dann  fort:  „Bezüglich  dieser  Quer- 
stücke eine  andere  annehmbare  Vermuthung  auszusprechen,  ist  um  so  schwerer, 
als  hier  bei  Vitruv  der  Zusammenhang  zerrissen  ist  und  die  Beschreibung  von 
dem  Gestelle  plötzlich  auf  die  Handspeichen  des  Haspels  und  dann  nach  diesen 
fraglichen  Querstücken  auf  die  Bogenarme  überspringt.  Einen  Zweck  aber 
mussten  sie  haben,  und  es  fehlt  in  der  bisherigen  Beschreibung  noch  ein 
wichtiges  Glied,  das  gerade  zum  Haspel  gehört.  War  nämlich  mit  dem  Haspel 
der  Läufer  zurückgezogen  und  die  Sehne  gespannt,  wie  wurde  dann  der  Haspel 
eingesetzt  und  gehemmt?  Ich  vermuthe,  dass  dies  durch  diese  Querhölzer  ge- 
schah, welche  man  nur  z.  B.  in  den  Winkel  t  oder  an  einer  anderen  Stelle 
einzulegen  brauchte,  um  die  Speichen  am  Zurückgehen  zu  verhindern." 

Nun  sollen  aber  die  transversaria  Hölzer  sein  von  10  d  Länge  inclusive 
Zapfen.  Für  einen  Spannlochdurchmesser  von  120  mm,  welcher  einer  Pfeil- 
länge von  1,08  m  entspricht,  giebt  dies  beispielsweise  eine  Länge  der  trans- 
versaria von  1,20  m  und  die  Breite  und  Dicke  wird  nach  Vitruv's  Angabe 
=  60  mm.  So  lange  und  starke  Hölzer  aber  als  Sperrklinken  für  den  kleinen 
Haspel  von  3/4d  =  90  mm  Walzendurchmesser  zu  verwenden,  wäre  doch  un- 
nöthiger  Ballast. 

Auch  wir  stimmen  damit  überein:  „einen  Zweck  mussten  die  transversia 
haben",  wenn  wir  aber  die  bis  dahin  nach  Vitruv's  Angaben  konstruirte  Kata- 
pulte betrachten,  fallt  uns  auf,  dass  die  Verbindung  des  schweren  Spann- 
rahmens mit  der  Läuferrinne  eine  gar  zu  schwache  ist,  so  dass  die  grösste  Ge- 
fahr besteht,  dass  diese  Verbindung  durch  das  Gewicht  des  Spannrahmens,  die 
heftigen  Erschütterungen  desselben  beim  Anschlagen  der  Bogenarme  und  durch 
Stösse  beim  Transport  und  dergleichen  sich  lockern  oder  brechen  möchte,  wenn 
die  Winkel  zwischen  Spannrahmen  und  Läuferrinne  nicht  durch  Streben  ver- 
streift und  verstärkt  werden.  Zu  einer  solchen  Verstrebimg  sind  aber  die 
beschriebenen  Hölzer  gerade  passend,  und  da  man  unter  einer  Transversalen 
im  allgemeinen  eine  Linie  versteht,  welche  ein  beliebiges  System  von  Linien 
oder  Flächen  schneidet,  so  ist  der  Käme  transversaria  auch  für  solche  Streben 
sehr  geeignet,  welche  die  beiden  Schenkel  eines  Winkels  schneiden*).   Wir  haben 

*)  Auch  in  der  Beschreibung  des  Nivellirinstrumentea  ,Chorobat*  nennt  Vitruv  die 
Streben  zwischen  dem  Richtscheite  und  den  senkrechten  Schenkeln  (vergl.  S.  38)  , trans- 
versaria". 


Balisten.  57 

deshalb  die  betreflfenden  Hölzer  als  Streben  zwischen  Läuferrinne  und  Spann- 
rahmen in  unserer  Skizze  eingezeichnet  und  sie  scheinen  uns  an  diesem  Platze 
unentbehrlich. 

Im  elften  Kapitel  beschreibt  Vitruv  die  Balisten,  das  sind  ähnliche  Wurf- 
maschinen wie  die  Katapulten,  welche  jedoch  nicht  Pfeile,  sondern  Steine  oder 
Steinkugeln  schleuderten  und  „vermittelst  Hebeln  und  Haspeln,  einige  auch  ver- 
mittelst Flaschenzügen,  andere  mit  Göpeln,  oder  auch  vermittelst  verzahnter 
Bäder  gespannt  wurden".  Vitruv's  Beschreibung  der  Balisten  ist  jedoch  weniger 
klar  als  die  soeben  citirte  der  Katapulten  und  bietet  ebenso  wie  die  vier 
letzten  Kapitel  seines  Werkes,  w^elche  vom  Belagerungswesen,  den  zum  Aus- 
füllen von  Festungsgräben  dienenden  sogenannten  Schildkröten  und  vom  Ver- 
theidigungswesen  handelt,  für  uns  nichts  von  besonderem  Interesse. 


Sext.  Jul.  Frontinus  (um  97  n.  Chr.). 


Als  spätere  römische  Schriftsteller  über  Mechanik  werden  meist  ange- 
führt: Sext.  Jul.  Frontinus  und  Vegetius  Renatüs. 

Frontinus  wurde  unter  Kaiser  Nerva  im  Jahre  97  n.  Chr.  Curator 
aquarum,  und  hinterliess  eine  Schrift  über  die  Wasserleitungen  Roms,  welche, 
wie  er  in  der  Einleitung  sagt,  den  Zweck  hatte,  ihm  selbst  und  seinen  Nach- 
folgern als  Richtschnur  im  Amte  zu  dienen. 

Die  Wasserleitungen,  welche  Frontinus  als  zu  seiner  Zeit  bestehend  auf- 
führt, sind: 

1.  Die  Appische,  erbaut  312  vor  Chr.  Ihre  Quellenfassung  lag  zwischen 
dem  siebenten  und  achten  Meilensteine  der  Strasse  nach  Praeneste  (eine  Meile 
=  1478,7  m)  und  zwar  1154  m  links  von  der  Strasse,  wenn  man  von  Rom 
kam.  Die  Leitung  war  fast  ganz  unterirdisch  angelegt,  ihre  Gesammtlänge 
betrug  16,56  km;  nur  etwa  90  m  davon  waren  über  der  Erde  gelegen.  In 
sie  mündete  eine  unterirdische  Zweigleitung  der  Augusta  (siehe  weiter  unten), 
woher  der  Name  Gemellen  (Zwillingsgewässer)  für  die  Vereinigungsstelle  beider 
Leitungen  sich  erklärt.     Die  Länge  dieser  Zweigleitung  betrug  12,4  km. 

Der  Wasserquerschnitt  bei  den  Gemellen  betrug  0,74  qm,  was  einem 
runden  Röhren querschnitte  von  97  cm  Durchmesser  im  Lichten  entsprechen 
würde. 

2.  Der  Alte  Anio,  272  vor  Chr.  an  einen  Bauunternehmer  verdungen,  aber 
wiegen  kriegerischer  Zeiten  erst  263  begonnen.  Die  Fassung  war  oberhalb 
Tibur  (dem  heutigen  Tivoli)  beim  20.  Meilensteine  ausserhalb  des  Baraner 
Thores,  wo  ein  Theil  des  Wassers  zum  Gebrauche  der  Tiburter  abgegeben 
wurde.  Die  ganze  Länge  der  Leitung  betrug  63,6  km,  wovon  nur  327  m  über 
der  Erde  waren.  Der  Wasserquerschnitt  betrug  bei  den  Sammelteichen  inner- 
halb des  siebenten  Meilensteines  der  Latinischen  Strasse  0,95  qm,  was  einem 
runden  Röhrenquerschnitte  von  1,10  m  im  Durchmesser  entsprechen  würde. 

3.  Marcia,  erbaut  145  vor  Chr.  durch  3000  Arbeiter  für  180  Millionen 
Sesterzien  (eine  Sesterzie  etwa  =  20  Pfg.),  also  etwa  für  36  Millionen  Mark. 
Die  Fassung  war  beim  38.  Meilensteine  der  Sublacensischen  Strasse  296  m 


Die  Wasserleitungen  Roms.  59 

links.  Ganze  Länge  der  Leitung:  91  Vs  km,  davon  80 Vs  km  unterirdisch, 
10,25  km  auf  Bogenbau.  Der  Wasserquerschnitt  bei  obengenannten  Sammel- 
teichen betrug  1,18  qm,  entsprechend  einem  runden  Querschnitte  von  1,23  m 
Durchmesser. 

4.  Tepula,  127  vor  Chr.  auf  das  Kapitel  geleitet,  beginnt  beim  10.  Meilen- 
steine der  Latinischen  Strasse  2960  m  rechts.  Der  Wasserquerschnitt:  0,178  qm, 
entsprechend  einem  runden  Querschnitte  von  0,476  m  Durchmesser.  Diese  Lei- 
tung wurde  früher  in  eigenem  Gerinne  in  die  Stadt  geführt;  zur  Zeit  des 
Frontinus  aber  vereinigte  sie  sich  mit: 

6.  der  Julia,  erbaut  35  vor  Chr.  Die  Fassung  befand  sich  beim  zweiten 
Meilensteine  der  Latinischen  Strasse  2960  m  rechts.  Das  vereinigte  Wasser 
hiess  Julia,  doch  blieb  auch  der  Name  Tepula  noch  im  Gebrauche.  Die  ganze 
Länge  der  Julia  betrug  22,8  km;  davon  waren  unterirdisch  12^/2  km,  auf 
Bogenwerk  9^2  km.  Der  Wasserquerschuitt  betrug  bei  den  oben  genannten 
Sammelteichen  0,485  qm,  entsprechend  einem  runden  Querschnitte  von  0,785  m 
im  Durchmesser. 

6.  Virgo,  erbaut  22  vor  Chr.  Die  Fassung  befand  sich  am  8.  Meilen- 
steine der  CoUatinischen  Strasse  in  sumpfiger  Gegend.  Durch  eine  Fassung 
aus  einer  Mischung  von  gestossenen  Scherben  und  Kalk  (eine  Art  Beton)  wurden 
die  Sprudelquellen  zusammengehalten  und  durch  eine  Menge  anderer  Zuflüsse 
unterstützt.  Die  ganze  Länge  der  Leitung  betrug  20'/8  km,  wovon  19  km 
unterirdisch  waren,  1,03  km  auf  Bogenbau.  Der  Wasserquerschnitt  betrug 
1  qm,  entsprechend  einem  runden  Querschnitte  von  1,13  m  Durchmesser. 

7.  Die  Alsietinischen  Wasser,  von  Kaiser  Augustus  (30  vor  Chr.  bis  14 
nach  Chr.)  erbaut,  enthielten  nur  schlechtes  Wasser,  und  es  scheint,  dass  dies 
hauptsächlich  zur  Speisung  der  Naumachie  diente,  d.  h.  des  Amphitheaters, 
in  welchem  als  Schauspiel  Seegefechte  aufgeführt  wurden,  bei  denen  Gefangene 
und  Verbrecher  bis  zum  Tode  mit  einander  kämpfen  mussten,  wenn  sie  der 
Kaiser  nicht  begnadigte.  Auch  wurden  die  Alsietinischen  Wasser  zur  Be- 
wässerung von  Gärten  und  zu  ähnlichen  Zwecken  benutzt.  Gespeist  wurde  die 
Leitung  aus  dem  Alsietinischen  See,  welcher  nördlich  von  Rom  und  wenig  öst- 
lich von  dem  weit  grösseren  Sabatinischen  See  liegt.  Die  Leitung  begann  beim 
14.  Meilensteine  der  Claudischen  Strasse  9620  m  rechts.  Die  ganze  Länge 
derselben  betrug  32,8  km,  wovon  etwa  32,27  unterirdisch  und  0,53  km  auf 
Bogenbau  liefen.  Die  Wassermenge  war  sehr  variabel,  da  aus  dem  Alsieti- 
nischen und  dem  Sabatinischen  See  beliebig  viel  Wasser  eingelassen  werden 
konnte. 

8.  Augusta,  eine  Leitung,  die  zur  Ergänzung  der  Marcia  und  später  auch 
der  unter  10.  angeführten  Claudia  diente,  wurde  ebenfalls  von  Kaiser  Augustus 
erbaut.  Ihre  Quellen  lagen  jenseits  derer  der  Marcia.  Die  ganze  Länge  be- 
trug 1184  m  unterirdisch. 


00  Sext.  Jal.  Frontinus. 

9.  Der  Neue  Anio,  erbaut  35  bis  49  nach  Chr.,  hatte  schlechtes  Wasser. 
Die  ganze  Länge  betrug  86'/»  km,  wovon  73  km  unterirdisch  waren,  13  km 
auf  Bogenbau.  Der  Wasserquerschnitt  betrug  1,90  qm,  entsprechend  einem 
runden  Querschnitte  von  1,56  ra  Durchmesser.  Der  neue  Anio  führte  daher 
die  grösste  Wassermenge  in  die  Stadt,  jedoch  von  geringer  Qualität. 

10.  Claudia,  ebenfalls  erbaut  von  35  bis  49  nach  Chr.  Die  Fassung 
befand  sich  beim  38.  Meilensteine  des  Sublacensischen  Weges  444  m  links,  also 
nur  148  m  von  der  Fassung  der  Marcia  entfernt,  und  wurde  durch  die  zwei  sehr 
schönen  und  ausgiebigen  Quellen,  welche  man  die  caerulischen  oder  blauen 
nannte,  sowie  durch  die  ebenfalls  sehr  gute  Quelle  Albudinus  gespeist.  Die 
ganze  Länge  der  Leitung  betrug  68*/8  km,  wovon  53*/8  km  unterirdisch  waren, 
13  km  auf  Bogenbau.  Der  Wasserquerschnitt  betrug  bei  den  oben  genannten 
Sammelteichen  1,33  qm,  entsprechend  einem  runden  Querschnitte  von  1,30  m 
im  Durchmesser.  Diese  Leitung  hatte  die  höchsten  Bogen,  deren  Höhe  31,61  m 
betrug. 

Addirt  man  die  Längen  der  angeführten  Wasserleitungen  zusammen,  so 
erhält  man  die  Summe  404  km,  das  ist  in  gerader  Luftlinie  gemessen  gleich 
den  Entfernungen  von  Frankfurt  a.  M.  bis  Salzburg,  oder  von  Berlin  nach 
Danzig.  Die  Summe  der  unterirdischen  Tlieile  der  Leitungen  ist  351,6  km 
gleich  der  Entfernung  von  Frankfurt  a.  0.  bis  Danzig  und  die  Summe  der 
Bogenbauten  ist  47,36  km,  gleich  der  Entfernung  von  Berlin  nach  Eberswalde. 

Addirt  man  die  Wasserquerschnitte,  wobei  Augusta  und  Tepula  als  Zu- 
flüsse zu  Marcia  und  Julia  nicht  gerechnet  werden  dürfen  und  die  Alsietinischen 
Wasser  nicht  gerechnet  werden  können,  weil  ihr  Wasserquerschnitt  nicht  an- 
gegeben ist,  so  ergiebt  sich  aus  den  übrigen  die  Summe  von  7,587  qm,  ent- 
sprechend einem  runden  Röhrenquerschnitte  von  3,11  m  Durchmesser  im 
Lichten. 

Dem  praktisch  denkenden  Römer  Frontinus  darf  man  daher  den  Ausruf 
am  Schlüsse  seines  Berichtes  wohl  gestatten:  .,Kann  man  mit  diesen  Wunder- 
bauten der  Wasserleitungen,  welche  so  vielen  Bedürfnissen  der  Menschen  dienen, 
die  müssigen  Pyramiden  oder  sonstige  unnütze,  obwohl  durch  Ruf  gefeierten 
Werke  der  Griechen  vergleichen!?*' 

Bezüglich  der  Höhenlagen  der   verschiedenen  Leitungen  sagt  Frontinus: 

„Fünf  Gewässer  giebt  es,  deren  Hohe  sie  bis  zu  allen  Theilen  der  Stadt  ge- 
langen lüsst,  jedoch  haben  einige  stärkeres,  einige  schwächeres  Gefälle.  Am  höchsten 
geht  der  Neue  Anio,  diesem  folgt:  2.  Claudia,  3.  Julia,  4.  Tepula,  5.  Marcia,  welche 
an  der  Fassung  sogar  in  gleicher  Höhe  mit  der  Claudia  liegt.  Allein  die  Alten 
haben  in  geringerer  Höhe  geleitet,  sei  es,  weil  die  Kunst  des  Nivellirens  noch  nicht 
Eur  Genauigkeit  ausgtibildet  war,  sei  es,  weil  sie  absichtlich  die  Gewässer  unter  die 
Erde  versenkten,  damit  sie,  da  noch  häufig  Kriege  mit  den  Italikern  geführt  wurden, 
nicht  leicht  von  den  Feinden  abgefangen  würden.  Jetzt  jedoch  werden  sie  an  einigen 
Orten,  wo  etwa  eine  Leitung  vor  Alter  verfallen  ist,  mit  Venneidung  der  unter- 
irdischen Umgehung  der  Thäler  der  Kürze  wegen  auf  Untermauerungeu  und  Bogen- 
bauten fortgeführt." 


Wassermessung.  61 

Hätte  man  damals  eine  Ahnung  davon  gehabt,  dass  das  stolze  Rom  einst 
von  Barbaren  erobert  und  geplündert  werden  virürde,  so  hätte  man  die  Vor- 
sicht der  Altvorderen  wohl  nicht  so  gering  geachtet. 

Frontinus  fährt  fort: 

„Die  sechste  Stufe  der  Höhe  nimmt  der  Alte  Anio  ein,  welcher  gleichfalls  für 
höhere  Stadttheile  zureichen  würde,  wenn  er,  wo  die  Beschaffenheit  der  Thäler  und 
Niederungen  es   erfordert,   durch  Untermauerung  und  Bogenbauten   oder  Strebwerke 

gehoben  würde     Auf  dessen  Höhe  folgt:  7.  die  Virgo,  8.  die  Appia ,  9.  die 

Alsiedna,  welche  dem  jenseits  der  Tiber  gelegenen  Stadttheile  und  den  besonders  tief 
liegenden  Orten  dient" 

Von  diesen  wurden  sechs  an  der  Latinischen  Strasse  innerhalb  des 
siebenten  Meilensteines  in  bedeckten  Teichen  (den  früher  erwähnten  Sammel- 
teichen) gefasst,  damit  sie  darin  den  Schlamm  absetzten.  Virgo,  Appia  und 
Alsietina  dagegen  hatten  keine  Sammelteiche. 

Das  Wasser  der  Leitungen  wurde,  mit  Ausnahme  eines  schon  vorher  zur 
Verwendung  gekommenen  Theiles,  innerhalb  der  Stadt  in  247  sogenannten 
Wasserkastellen  gegen  einen  Wasserzins  an  die  sogenannten  Wasserer  oder 
Wassermeister  abgegeben  und  diese  vertheilten  es  für  ihre  Rechnung  vermittelst 
Rohrleitungen  gegen  Entgeld  an  die  Konsumenten. 

Zu  einer  einigermassen  zuverlässigen  Messung  der  herbeigeleiteten  und 
abgegebenen  Wassermengen  fehlte  es  aber  an  der  nöthigen  Kenntniss  hydrau- 
lischer Naturgesetze.  Von  dem  Einfluss  der  Druckhöhe  auf  die  Ausflussge- 
schwindigkeit und  dieser  auf  die  Wassermenge  hatte  man  nur  sehr  vage  BegriflFe. 

Man  bemass  die  Grösse  des  Wasserzuflusses  und  Verbrauches  einzig  und 

allein  nach  dem  Wasserquerschnitte  in  den  betreffenden  Kanälen  und  Röhren ; 

von   den  Geschwindigkeiten  aber,   mit   denen  das  Wasser   floss,  ist  in  dem 

ganzen  Werke  des  Frontinüs  keine  Rede,  auch  dass  er  nur  einen  schwachen 

Begriff  von  dem  Einfluss  der  Druckhöhe,  des  Gefälles,  der  Widerstände  in  den 

Kanälen  und  der  Geschwindigkeit  des  Wassers  auf  die  Ausflussmenge  gehabt 

habe,  lässt  sich  nur  aus  den  folgenden  Stellen  schliessen.  Er  sagt  einmal: 

„Vergessen  wir  nicht,  dass  jedes  Wasser,  so  oft  es  von  einem  höheren  Orte 
kommt  und  nach  kurzem  Laufe  in  das  Kastell  fällt,  nicht  nur  seinem  Gemäss 
entspricht,  sondern  sogar  Ueberfluss  liefert,  so  oft  es  aber  aus  einem  niedrigen  Orte, 
also  mit  geringerem  Gefälle  einen  weiteren  Weg  geleitet  wird,  durch  die  Trägheit  der 
Leitung  auch  an  Maass  einbüssf 

Ein  anderes  Mal  sagt  er  bezüglich  Anbringung  der  sogenannten  Kelche, 

d.  h.  broncener,  geaichter  Rohrstutzen  von  bestimmter  Weite  an  den  Reservoirs 

der  Wasserkastelle,   an  welchen   die  Bleirohre   zur   Weiterleitung   angelöthet 

wurden : 

„Bei  der  Anbringung  der  Kelche  ist  zu  beobachten,  dass  sie  nach  der  Linie 
geordnet  werden,  und  nicht  der  Kelch  des  einen  mehr  unten,  der  des  anderen  mehr 
oben  angeordnet  werde.  Denn  der  Niedrigere  verschlingt  mehr;  der  Höhere  saugt 
weniger,  weil  der  Lauf  des  Wassers  von  dem  Niederen  angezogen  wird." 

Hieraus  erhellt,  dass  Frontinus  zwar   wusste,   dass   beim  Ausfluss   des 

Wassers   durch  eine  Oeffnung  in  der   Gefässwand  die  Ausflussmenge  mit  zu- 


62  Sezt.  Jul.  Frontinas. 

nehmender  Drnckhöhe  zunimmt,  dass  er  aber  nicht  wnsste,  dass  beim  Ansflnss 
durch  eine  Röhre  diese  Druckhöhe  vom  Wasserspiegel  im  Reserroir  bis  zur 
Höhe  der  Röhrenmündung  zu  bemessen,  und  die  Höhe  des  Anschlusses  der 
Röhre  an  das  Reservoir  ohne  Einfluss  auf  die  Ausflussgeschwindigkeit  ist. 

Unter  diesen  Umständen  musste  das  Amt  eines  Curator  aquarum  ein 
besonders  schwieriges  sein.  Frontinus  bemüht  sich,  die  Gründe  nachzuweisen, 
warum  seine  Rechnungen  nicht  stimmen,  was  er  natürlich  neben  der  Undichtig- 
keit der  Leitungen  nur  der  Spitzbüberei  seiner  Mitbürger  zuschreibt.  Er  hat 
durch  schärfere  Kontrolle  und  Wachsamkeit  zahlreiche  Unterschleife  durch 
heimliches  Anbohren  der  Leitungen  und  dergleichen  entdeckt  und  ist  nicht 
wenig  stolz  darauf,  dass  unter  seiner  Amtsführung  viel  mehr  Wasser  aus  den 
Leitungen  offiziell  abgegeben  werden  kann  als  bei  seinen  Vorgängern,  bei  denen 
nach  des  Frontinus  Rechnung  etwa  die  Hälfte  für  den  Staatssäckel  verloren 
ging.  Er  lebte  in  der  Ueberzeugung,  dass,  wenn  man  die  Leitungen  ganz 
dicht  halten  und  alle  Unredlichkeit  ausrotten  könne,  die  nach  seiner  Rechnung 
abgegebene  Wassermenge  mit  der  in  die  Stadt  geleiteten  übereinstimmen 
müsse.  Da  er  aber,  wie  bereits  erwähnt,  die  Wassermenge  einzig  und  allein 
nach  den  Wasserquerschnitten  bemisst,  das  Wasser  aber  wahrscheinlich  durch 
die  Vertheilungsröhren  unter  höherem  Drucke  schneller  floss,  als  in  den  weiten 
Zuführungskanälen,  so  können  wir  einen  beträchtlichen  Theil  jenes  Deficits 
der  fehlerhaften  Berechnungsweise  des  Frontinus  und  seiner  Zeit  zuschreiben, 
ohne  der  Geschicklichkeit  der  alten  Römer  im  Stehlen  und  Unterschlagen  zu 
nahe  treten  zu  wollen. 

Um  für  seine  Berechnungsweise  festere  Grundlagen  zu  bekommen,  sucht 
Frontinus  eine  rationelle  Skala  für  die  anzuwendenden  Röhrenquerschnitte  auf- 
zustellen und  durchzuführen;  doch  zeigt  sich  auch  hier,  wie  schwierig  es  ist, 
das  Publikum  von  hergebrachten  Gewohnheiten  ab-  und  besseren  Einrichtungen 
zuzuwenden.  Wir  erfahren  zunächst  von  Frontinus,  dass  die  alte  Eintheilung 
des  Fusses  in  16  digiti  (Fingerbreiten)  noch  fortbesteht,  obgleich  die  Eintheil- 
ung des  Fusses  in  12  Zoll  (Daumenbreiten)  offiziell  eingeführt  war.  Und  ob- 
gleich Frontinus  die  weiteren  Röhren,  mit  denen  er  als  Regierungsbeamter  das 
Wasser  austheilt,  nach  der  Grösse  des  lichten  Querschnittes  bemisst  und 
benennt,  und  danach  seine  Skala  aufstellt,  so  muss  er  doch  bei  den  engeren 
Röhren,  durch  welche  das  Wasser  von  den  Wassermeistern  an  das  Publikum 
vertheilt  wird,  der  hergebrachten  Gewohnheit  Rechnung  tragen  und  diese  nach  der 
Grösse  des  Durchmessers  (oder  Urafanges)  bemessen,  benennen  und  rangiren. 

Die  alte  Angabe  des  Vitruv,  wonach  eine  Röhre  nach  der  Breite  des 
Bleistreifens,  aus  dem  sie  zusammengerollt  wurde,  benannt  werden  soll,  passt 
nur  noch  auf  die  als  Masseinheit  von  den  Wassermeistern  angenommene,  so- 
genannte Fünferröhre. 

Ein  Streifen  Blei  von  5  digiti  =  91  mm  Breite  bei  8  mm  Dicke  ergab 
beim  Zusammenrollen,  indem  das  Blei  sich  aussen,  wo  durch  Schlag  oder  Druck 


Wasserleitungsröhren.  63 

auf  dasselbe  eingewirkt  wurde,  etwas  mehr  streckte,  als  es  sich  innen  zu- 
sammenstauchte, die  sogenannte  Fünferröhre  von  22,ö  mm  =  ^U  digiti  lichte 
Weite.  Im  Laufe  der  Zeit  hatte  man  aber  ofifenbar  vergessen,  dass  dieser 
Name  von  der  Breite  des  betreffenden  Bleistreifens  hergeleitet  war  und  war 
zu  der  Meinung  gekommen,  derselbe  bezöge  sich  auf  die  fünf  Yiertelfinger  des 
lichten  Durchmessers,  und  dieser  Ansicht  huldigt  auch  Frontinus  und  nennt 
eine  Sechser-,  Siebener-  u.  s.  w.  Röhre  eine  solche  von  ^U,  ''U  u.  s.  w.  digiti 
Durchmesser  im  Lichten,  und  stellt  danach  seine  Skala  für  kleinere  Röhren 
auf.  Für  die  grösseren  Röhren,  die  er  nach  dem  Querschnitte  im  Lichten 
bemisst,  wählt  er  als  Masseinheit  den  Ddigitus.  Er  nennt  also  beispielsweise 
eine  Hunderter-Röhre  eine  solche ,  deren  Querschnitt  im  Lichten  100  D  digiti 
hat  und  berechnet  alsdann  den  Durchmesser,  der  einer  Hunderter-Röhre  ge- 
geben werden  muss,  auf  11  ^'/48  digiti.  Die  beiden  Berechnungsarten  für  die 
kleineren  Röhren  einerseits  und  für  die  grösseren  Röhren  andererseits  ergeben 
nahezu  das  gleiche  Resultat  für  die  Zwanziger-Röhre,  denn  20  Vierteldigiti  im 
Durchmesser  ergeben  nahezu  auch  20  D  digiti  im  Querschnitte ,  und  deshalb 
wird  die  Zwanziger-Röhre  von  Fromtimjs  als  die  Grenze  zwischen  beiden  Be- 
rechnungsarten aufgestellt,  d.  h.  bis  zur  Zwanziger-Röhre  ist  der  Durchmesser 
und  von  da  aufwärts  der  Querschnitt  für  die  Benennung  der  Röhre  und  den 
betreffenden  Theil  der  Skala  massgebend. 

Wie  wir  früher  berechneten,  war  die  Summe  aller  Wasserquerschnitte 
der  Leitungen  Roms  mit  Ausnahme  der  Alsietina  =  7,585  qm;  also,  da  das 
Fünfer-Rohr  402  qmm  Querschnitt  hat,  gleich:  18868  Fünfer.  Nach  des 
Frontinus  Angaben  wurden  abzüglich  der  Alsietina  13626  Fünfer  offiziell  ab- 
gegeben; folglich  wären  5242  Fünfer  oder  27  Proc.  in  Verlust  gerathen.  Ein- 
schliesslich der  Alsietina  betrug  die  offizielle  Abgabe  14018  Fünfer,  oder 
5,63  qm  Wasserquerschnitt.  Da  Vitruv  angiebt,  dass  man  den  Leitungs- 
kanälen eine  Gefälle  von  ^/soo  geben  solle,  was  erstaunlich  viel  ist,  und  Fron- 
TLxus  darauf  hinweist,  dass  die  Alten  mehr  Gefälle  gegeben  hätten,  als  später 
üblich  wurde,  so  dürfte  vielleicht  angenommen  werden,  dass  das  Wasser  in  den 
Kanälen  und  Röhren  mit  etwa  Vh  m  Geschwindigkeit  floss,  und  unter  dieser 
Voraussetzung  würde  sich  die  in  der  Stadt  offiziell  vertheilte  Wassermenge  auf 
etwa  720000  cbm  per  Tag  berechnen*),  und  da  die  Zahl  der  Einwohner  des 
alten  Rom  in  der  späteren  Kaiserzeit  zu  etwa  1^2  Millionen  angenommen 
wird,  so  kämen  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung  0,48  cbm,  oder  nahezu  5  hl  in 
24  Stunden.    Die  der  Stadt  zugeleitete  Wassermenge  aber  ist  nach  dem 


*)  Die  gegenwärtige  Wasserversorgung  Roms  erfolgt  durch  nachverzeicbnete  fünf 
Hauptleitungen  mit  den  beigefügten,  auf  24  Stunden  berechneten  Liefermengen  in  Kubik- 
metern: L'acqua  Vergine  (oder  Trevi):  60000,  L'acqua  Telia:  8000,  L'acqua  Paola:  60000, 
L'acquaPia:  120000,  L'acqua  Paolina :  30 000.  Zusammen:  268000  cbm.  (Angabe  des  Oberst 
Blumenstihl,  Direktors  der  römischen  Wasserversorgung,  März  1886,  mitgetheilt  durch  Riggek- 
BACH,  Erinnerungen  eines  alten  Mechanikers,  S.  114.) 


64  Sezt  Jul.  FrontinoB. 

Vorhergehenden  noch  um  etwa  27  Proc.  höher  zu  yeranschlagen,  ungerechnet 
den  grössten  Theil  der  Alsietina^  der  nicht  näher  angegeben  ist  und  meist  zq 
ö£fentlichen  Zwecken  benutzt  worden  zu  sein  scheint. 

Von  den  verschiedenen,  von  Frontlvus  angeführten  Arten  des  Unter- 
schleifes,  als:  Anbringung  zu  weiter  Kelche,  oder  Weglassung  derselben  und 
nachträgliche  Erweiterung  der  Bleirohre,  unbefugtes  Anbohren  der  Gerinne  und 
dergleichen  ist  folgende  Manipulation  interessant: 

Bei  einigen  Wasserkastellen,  wo  zwar  Kelche  von  gesetzlicher  Weite  an- 
gebracht waren,  fanden  sich  weitere  Röhren  unmittelbar  angeschlossen,  was 
zur  Folge  hatte,  dass  das  Wasser  nicht  auf  die  gesetzlich  vorgeschriebene  Ent- 
fernung zusammengehalten  wurde.  Denn  durch  Senatsbeschluss  war  vorge- 
schrieben, dass  innerhalb  50  Fuss  vom  Wasserkastell  ab  keine  weitere  Söhre 
von  der  Hauptleitung  abgezweigt  werden  durfte,  als  ein  Fünfer.  Von  der 
oben  beschriebenen  Anschlussweise  aber  berichtet  Froniinus,  dass  das  Wasser, 
indem  es  durch  den  kurzen  Kelch  in  die  rasch  sich  erweiternde  Röhre  strömte, 
diese  ganz  ausfüllte,  und  auf  diese  Weise  der  Leitung  mehr  Wasser  entnommen, 
worden  sei,  als  dem  Querschnitte  des  Kelches  entsprach.  Es  scheint,  als  ob 
sich  hierin  bereits  eine  praktische  Erfahrung  über  den  Einfluss  konisch-diver- 
girender  Ansatzröhren  auf  die  Ausflussmenge  des  Wassers  aus  einem  Gefässe 
ausspräche,  worüber  erst  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  von  Venturi  und 
Eytelwein  wissenschaftliche  Versuche  angestellt  wurden. 

Von  Interesse  ist  femer  folgende  Stelle: 

„In  demselben  Jahre  (nämlich  dem  Erbauungsjahre  der  Julia,  35  v.  Chr.) 
stellte  Agrippa  (als  Aedil  nach  seinem  ersten  Konsulate)  die  beinahe  verfallenen 
Leitungen  der  Appia,  des  Anio  und  der  Marcia  wieder  her  und  versah  mit  aus- 
gezeichneter Fürsorge  die  Stadt  mit  einer  grossen  Zahl  von  Spring- 
brunnen." 

Die  Vorschrift  Vitruv's,  dass  man  bei  Anlage  städtischer  Wasserleitungen 
auf  Springbrunnen  besondere  Rücksicht  nehmen  solle,  dürfte  daher  auf  das 
Jahr  35  vor  Chr.  zurückzuführen  sein. 

Ferner  sagt  Frontinüs,  indem  er  von  den  neuen  Einrichtungen  sprichti 
die  er  getroffen  hatte,  um  sein  Amt  besser  verwalten  zu  können: 

„Auch  Grundrisse  der  Leitungen  haben  wir  machen  lassen,  aus  denen  ersicht- 
lich ist,  wo  Thäler  und  wie  grosse,  imd  wo  Flüsse  überbaut  wurden,  und  wo  die  an 
Berghängen  angebrachten  Hohlgerinne  eine  grössere  und  andauerndere  Sorgfalt  in 
der  Beschinnung  und  Instandhaltung  erfordern.  Dadurch  wird  der  Vortheil  gewährt, 
dass  wir  den  Gegenstand  unmittelbar  wie  vor  Augen  haben  und  zu  Rathe  gehen 
können,  als  ob  wir  dabei  ständen." 

Das  Planzeichnen  müssen  demnach  die  Römer  anno  97  schon  wohl  ver- 
standen haben. 

Das  ist  im  Wesentlichen  der  Inhalt  der  Schrift  des  Frontinus.  So 
interessant  dieselbe  auch  für  Ingenieure  sein  mag,  so  enthält  sie  doch  Nichts 
von  eigentlicher  Mechanik,  und  es  ist  deshalb  nicht  recht  verständlich,  warum 


Vegetius  Renatus.  65 

Frontinus  unter  die  Schriftsteller  über  diese  Wissenschaft  gerechnet  zu   wer- 
den pflegt. 

Noch  mehr  gilt  dies  von  Flav.  Vegetius  Renatus,  der  um  das  Jahr  375 
nach  Chr.  über  ;,  Kriegs  Wissenschaft  und  Kriegskunst^  schrieb.  Aus  seinem 
Werke  erfahrt  man  viel  Interessantes  über  römischen  Soldatendienst,  aber 
seine  Angaben  über  Kriegsmaschinen  und  andere  technische  Dinge  sind  äusserst 
dürftig  und  von  Mechanik  ist  nichts  darin  zu  finden.  In  dem  Werke  des 
PuBLius  Vegetius  Renatus  über  Thier-Arzneikunde  können  Leistungen  auf 
mechanischem  Gebiete  noch  weniger  gesucht  werden. 


Beck. 


Cato  der  Aeltere  (234—149  v.  Chr.). 


Allgemein  bekannt  sind  Cato's  oft  wiederholte  Worte:  „Cetenim  censeo, 
Carthaginem  esse  delendam'^;  weniger  bekannt  ist,  dass  er  ein  im  Alterthame 
hochgeschätzt  gewesenes  Werk  über  Landwirthschaft  geschrieben  hat,  und  am 
wenigsten,  dass  darin  interessante  Angaben  über  Maschinen  zu  finden  sind, 
namentlich  über  Olivenquetschen,  Wein-  und  Oelpressen. 

Der  chronologischen  Reihenfolge  nach  hätten  wir  diese  Schrift  vor  der 
des  Heron  von  Alexandrien  betrachten  müssen,  allein  wir  thaten  dies  nicht, 
weil  Cato's  Angaben  nur  verständlich  werden,  wenn  man  spätere  Schriftsteller 
und  archäologische  Funde  mit  zu  Rathe  zieht.  Denn  Cato  giebt  keine  Be- 
schreibungen von  den  Maschinen,  deren  Konstruktion  er  als  bekannt  voraus- 
setzt, sondern  nur  Rathschläge  über  deren  Detailkonstruktion,  Aufstellung  und 
Behandlung,  sowie  Inventarien  von  Presshäusem  verschiedener  Grösse,  wie  sie 
für  Landwirthe  von  Interesse  sind,  welche  ein  Presshaus  einrichten  wollen. 
Auch  wird  das  Verständniss  dieser  Angaben  durch  eine  äusserst  knappe  Aus- 
drucksweise, mancherlei  Fehler  der  Abschreiber,  welche  uns  das  Werk  über- 
lieferten und  durch  zahlreich  darin  vorkommende  technische  Namen  erschwert, 
deren  Bedeutung  nur  errathen  werden  kann. 

Hierbei  kommt  uns  jedoch  der  Umstand  zu  statten,  dass  Weinpressen 
altrömischer  Art  bis  zur  Stunde  in  manchen  Gegenden  im  Gebrauche  geblieben 
sind,  wenn  auch  vielleicht  nirgends  mehr  in  der  Form,  wie  sie  Cato  beschreibt, 
so  doch  in  der  etwas  abgeänderten,  welche  Plixius  der  Aeltere  (23 — 79  n,  Chr.) 
beschrieben  hat*). 

Als  Beispiel  zeigen  unsere  Fig.  64.  65  und  66  eine  solche  Presse  (Trotte), 
welche  sich  zu  Malans  im  Canton  Graubünden  befindet.  Die  an  Ort  und  Stelle 
aufgenommene  Originalzeichnung  wurde  mir  von  Herrn  Prof.  F.  Ijngke  zur 
Benutzung  gütigst  überlassen.     Laut  einer  auf  der  Presse  befindlichen  Inschrift 


♦)  Vgl.  Rculeaux,  Theoretische  Kinematik,  1875,  S.  226.  Dem  in  Aomerknng  89 
dieses  anregenden  Werkes  ausgesprochenen  Wunsche  dürfte  durch  die  Yorliegende  Stadie, 
inshesondere  durch  die  heigefügten  Abbildungen  entsprochen  sein. 


Heute  noch  gebnuchte  Eeltsm  BltrSmiwher  Art 


67 


wurde  sie  im  Jahre  1767  anfgestellt.  Es  ist  eine  Hebelpresse,  deren  einarmiger 
Presshebel  a  aas  einem  Balken  von  0,6  m  Höbe,  0,6  m  Breite  und  11,2  m 
Gesamintlänge  besteht,  auf  welchem  zur  Verstärkung  noch  ein  zweiter  Balken 
von  gleicher  Breite,  0,4  m  Höhe  und  9,3ö  m  Länge 
aufgeschraubt  ist.  An  dem  yorderen  Ende  des  Haupt- 
balkens ist  eine  Gabel  durch  Stümpfe  Ton  den  Aosten 
gebildet,  in  welche  der  den  Balken  abgebende  Baum 
sich  theilte,  wie  aus  Fig.  64  ersichtlich.  Seinen  Stütz- 
punkt findet  der  Hebel  zwischen  zwei,  in  starkem 
Fundament  verankerten  Bäumen  bh  (Fig  6&  und  < 
von  einander  abstehen  und  je  0,6  m  Durchmesser  haben 


Fig.  »4. 


«eiche  etwa  0,63  m 
Zur  \  erstärkung  der 


oberen  Enden  hat  man  auch  hier  Stumpfe  von  den  Hauptästen  der  Bamne 
stehen  gelassen.  Unterhalb  derselben  ist  ein  Schlitz  von  etwa  1,3  m  Länge 
und  110  mm  Breite  aus  jedem  Baume  so 
ausgehanen,  dass  zwei  oder  mehr  Querriegel 
oder  Keile  gleichzeitig  dm'ch  beide  Baume 
gesteckt  werden  können,  welche  das  Ende 
des  Presshebels  nach  oben  stützen.  Durch 
Einschieben  einer  grösseren  oder  kleineren 
Zahl  solcher  Kiegel  kann  die  Hohe  des  Stütz- 
punktes über  dem  Presstische  regulirt  werden 
und  es  werden  mit  fortschreitendem  Aus- 
pressen immer  mehr  Riegel  eingeschoben,  bis 
dasPressgntentsprechendausgepresst  ist.  Vier 
solcher  Keile  oder  Riegel  haben  etwa  Platz. 

Damit  der  Presshebel  sich  während  der  Arbeit  nicht  der  Länge  nach 
verschieben  kann,  ist  derselbe  da,  wo  er  sich  gegen  den  Querriegel  stützt, 
etwas  eingekerbt.    Der  Presstisch  besteht  ans  einem  niederen  Balkengerüate, 


68  Cato  der  Aeltere. 

auf  welchem  durch  dicht  aneinandergefügte  Hölzer  die  Tischplatte  gebildet  ist 
In  diese  sind  Rinnen  zum  Ablaufen  des  Mostes  eingeschnitten. 

Körbe,  wie  sie  die  Römer  anwendeten,  um  die  gestampften  Trauben 
darin  auszupressen,  sind,  wie  uns  mitgetheilt  wurde,  in  Malans  nicht  im 
Gebrauche,  vielmehr  werden  dort  die  Weintrestem  ohne  jede  Umhüllung  ge- 
presst.  Auch  sind  die  Bretter  und  Querhölzer,  welche  auf  den  Trestem  liegen 
und  auf  welche  der  Presshebel  zunächst  drückt,  nicht  wie  bei  den  Römern 
zu  einem  Deckel  sorgfältig  und  fest  zusammengefügt,  sondern  nur  neben  und 
auf  einander  gelegt. 

Eine  Führung  fiir  den  Presshebel,  bestehend  aus  zwei  verstrebten  und 
oben  durch  ein  Querholz  mit  einander  verbundenen  Pfosten  d  (Fig.  65)  ist  am 
vorderen  Ende  des  Presstisches  angebracht.     Durch   die  Gabel  am  vorderen 
Ende  des  Presshebels   geht  eine   hölzerne  Schraube   senkrecht  herab,   deren 
Mutter  auf  der  Gabel  befestigt  ist.    Die  Schraube  hat  0,24  m  äusseren  Durch- 
messer, 0,16  m  Kemdurchmesser  und  75  mm  Steigung.    Das  Holz,  aus  welchem 
die  Schraube  geschnitten  worden,  ist  unten  vierkantig  und  am  Ende  ist  ver- 
mittelst eines  eisernen  Bolzens  ein  schwerer  Stein,  ähnlich  einem  Mühlsteine, 
von  etwa  1600  kg  Gewicht  angehängt.    Durch  den  unteren,  vierkantigen  Theil 
der  Schraube  sind  lange  Hebel  gesteckt,   und  um  den  Belastungsstein  ist  eine 
Laufbahn  für  die  Arbeiter  gemauert,  welche,  indem  sie  die  Hebelenden  erfassen 
und  auf  der  Laufbahn  in  entsprechender  Richtung  im  Kreise  herumgehen,  den 
Presshebel  niederschrauben,  bis  der  Stein  sich  hebt.    Dieser  dient  nicht  nur 
zur  Vermeidung  eines  Bruches  durch  übermässige  Anstrengung,  sondern  auch 
zur  Erhaltung  eines  konstanten  Druckes,   nachdem   der  Stein   in   die  Höhe 
geschraubt  ist.   Durch  die  Führungspfosten  kann  bei  c  (Fig.  65)  ein  Querriegel 
geschoben  werden,  was  dann  geschieht,  wenn  man  das  hintere  Ende  des  Press- 
hebels heben  will,  indem  man  die  Mitte  desselben  auf  diesem  Riegel  aufsitzen 
lässt  und  das  vordere  Ende  mit  der  Schraube  niederzieht. 

Dass  ganz  ähnliche  Pressen  anderthalb  Jahrhunderte  vor  der  Aufstellung 
der  soeben  beschriebenen,  sowohl  zum  Auspressen  von  Wein  als  auch  von 
Olivenöl,  in  Italien  gebräuchlich  waren,  ersehen  wir  aus  Vittorio  Zonca's  „Novo 
Teatro  di  Machine  et  Ediücii'^,  erschienen  zu  Padua  1621,  in  welchem  Seite  46 
bis  52  Zeichnungen  von  einer  Wein-  und  einer  Oelpresse  zu  finden  sind.  Erstere 
ist  in  unserer  Fig.  67  in  kleinerem  Massstabe  wiedergegeben.  Seine  Oelpresse 
ist  kaum  davon  verschieden.  Man  erkennt  sofort,  dass  dies  eine  Presse  der- 
selben Art  ist,  wie  die  oben  beschriebene,  dass  aber  die  Zeichnung,  wie  in  der 
Perspektive,  so  auch  in  den  Massverhältnissen  fehlerhaft  ist.  Insbesondere 
müssen  die  Bäume  GG  viel  näher  bei  einander  stehen,  um  die  in  der  Ab- 
bildung auf  der  Erde  liegenden  Querricgel  B  aufnehmen  zu  können,  diese  kurz 
zu  fassen,  damit  sie  nicht  brechen,  dem  Hebelende  eine  sichere  Stütze  zu  geben 
und  es  an  seitlicher  Verschiebung  zu  hindern.  Auch  sind  die  Bäume  im  Ver- 
hältnisse zum  Hebel  oiTenbar  viel  zu  schwach  gezeichnet. 


ZoQca's  Bescbreibuag  der  Presse  altrOmischer  Art  G9 

Interessant  ist  aber  für  uns,  aus  dieser  Zeichnung  zu  ersehen,  wie  die 
Bäume  oberhalb  und  unterhalb  der  Sehlitze  und  wie  der  Presahebel  an  mehreren 
Stellen  mit  eisernen  Bändern  gebunden  wurden.  Zonca  sagt,  dass  das  Binden 
der  Bäiune  nothwendig  sei,  damit  die  Querriegel,  indem  sie  sich  beim  Fressen 
EU  drehen  suchen,  nicht  die  Bäume  spalten,  und  es  dürfte  kaum  zu  bezweifeln 
sein,  dass  die  „Fibulae"  des  Cato  eben  solche  eiserne  Bänder  waren.  Zokca 
nennt  diese  Presse  „Pistrino  prelo",  während  der  Presshebel  bei  Cato  „Prelum" 
heisst.  Die  Grube  F  neben  der  Kelter,  in  welcher  der  Most  in  eine  Kufe 
aufgefangen  wird,  heisst  bei  Zonca  „Lago",  was  dem  „Lacus"  des  Cato  entspricht; 
doch   sagt    letzterer   Kap.   66  von  dem  Vorarbeiter  im  Oelpresshause:    „Den 


Fi«.  «T. 


bleiernen  Kessel  setze  er  in  die  Cisterne  (Lacus),  in  den  das  Oel  äiesst", 
während  hier  E>tatt  des  bleiernen  Kessels  eine  hölzerne  Kufe  eingesetzt  ist. 
Zonca  sagt,  dass  solche  Pressen  seit  alten  Zeiten  im  Gebrauche  seien,  und  ist 
offenbar  auch  der  Ansicht,  dass  sie  schon  zur  Zeit  des  Plimus  im  Gebrauche 
waren,  denn  indem  er  von  dem  Einflüsse  der  Hebellänge  auf  die  Wirksamkeit 
der  Presse  spricht,  fügt  er  bei :  „was  auch  Plinius,  wie  es  scheint,  ausdrücken 
wollte,  welcher  bei  Beschreibung  der  Weinpresse  sagte,  dass  es  auf  die  Länge 
und  nicht  auf  die  Dicke  ankomme,  wobei  er  diesen  Presshebel  meinte." 

Die  Hebellänge  giebt  Zonca  für  Oelpressen  zu  40'  an,  die  Bäume  sollen 
8 — 9'  in  das  Fundament  hinabgehen  und  unten  mit  einander  verankert  werden. 
Die  Schraube  soll  die  gleiche  Länge  haben  wie  die  Bäume,  der  Durchm 
der  Schraube  soll  ^W  betragen,  das  Gewicht  des  Belastungssteines  bei  % 
Pressen  2(XX)  Pfund,  bei  kleineren  lOOÜ  Pfund.  Bei  ersteren  soll  die  Drehung 
der  Schraube  durch  Pferde  erfolgen,  bei  letzteren  durch  zwei  Mann. 


70 


Cftto  der  Aeltan. 


Wir  wenden  uns  nao  zn  einigen  archaolt^scheD  Funden,  die  anf  PR88- 
bänser  Bezug  haben. 

Im  Jahre  1882  sandte  die  französische  Regierung  eine  Konunission, 
bestehend  ans  den  Herren  Henri  Saladin  und  M.  Cagnat  nach  Tunis  zur  Vnter- 
Bucbung  der  dort  befindlichen  Alterthümer.  In  dem  darüber  erstatteten  Berichte: 
„Description  des  antiquites  de  la  regence  de  Tunis,  par  Hesri  Saladdi.  Paris, 
Imprimerie  nationale  1884"  finden  sich  Seite  12Ö  Notizen  und  Abbildungen 
über  aufgefundene  Reste  einer  grossen  römischen  Kelteranlage  bei  Hencbir 


Choud-el-Battal.  Die  betreffenden  Reisenotizen  Iaut«n  in  der  TTebersetzung 
wie  folgt: 

„Zahlreiche  Ruinen  von  Häusern  zwei  Kilometer  von  Henchir-Hammaja.  Skulp- 
turfragmente  aus  christlicher  Zeit  inmitten  von  Säulen  und  Pfeilern  einer  kleinui 
Kirche.  Es  stehen  hier  noch  vier  wohlerhaltone  Gestelle  von  Pressen  mit  einer  Rmhe 
von  steinernen  Sturzen  B  (siehe  Fig.  68),  welche  sie  unter  einander  veibinden  und 
die  Steine  D  mit  den  Einschnitten  E  tmgeii.  Letztere  waren  dazu  bestimmt,  die 
Dachsparren  aufzunehmen,  welche  von  beiden  Seiten  her  Schimidächer  bildeten, 
um  die  Arbeiter  zu  schützen.  Vor  diesen  Pressgestellen  liegen  die  runden  (?)  Stüne  0, 
auf  die  man  Körbe  setzte,  welche  die  Trauben  oder  Oliven  enthielten.  Wir  haben 
keine  Spur  von  einer  Oliven  quetsche  gefunden,  vielleicht  befinden  wir  uns  daher  vor 
Weinkeltern.  Die  Kufen  S,  oder  Reservoirs,  befinden  sich  davor.  Sie  sind  aus  vier 
grossen,  mit  einander  verbundenen  Steinen  gebildet"  .... 

Dem  Umstände,  dass  hier,  wahrscheinlich  aus  Mangel  an  starkem  Holze, 
die  Bäume  der  Pressen  mit  ihren  Kapitalen  von  Stein  hergestellt  worden  sind, 
verdanken  wir  es,   dass  diese  uns  soweit  erhalten  blieben,   um  uns  aus  diesen 


üeberreste  altrömischer  Predsen  in  Tunis.  71 

Ueberresten  eine  bestimmte  Vorstellung  von  den  betreffenden  Theilen  der  alt- 
römischen Pressen  bilden  zu  können.  Wir  ersehen  daraus,  dass  die  Bäume 
ausser  den  Schlitzen,  durch  welche  die  Querriegel  geschoben  wurden,  noch 
andere  Löcher  enthielten,  und  dass  man  deshalb  bei  der  Stelle,  wo  Cato  von 
einem  „Foramen  primum"  spricht,  nicht  zu  der  künstUchen  Deutung  seine 
Zuflucht  zu  nehmen  braucht,  dass  darunter  der  Anfang  des  Schlitzes  zu  ver- 
stehen sei,  wie  dies  vielfach  geschehen  ist,  sondern  dass  damit  einfach  das 
erste  Loch,  d.  h.  das  aus  Fig.  68  ersichtliche,  quadratische  Loch  unterhalb  des 
Schlitzes  gemeint  ist.  Oberhalb  des  Schlitzes  befindet  sich  in  den  Pressständern 
von  Henchir  Choud-el-Battal  ein  ebensolches  quadratisches  Loch,  und  dieser 
Umstand  bestätigt  die  Vermuthxmg  des  Herrn  Saladin,  dass  wir  es  hier  mit 
Weinpressen  und  nicht  mit  Oelpressen  zu  thun  haben.  Denn  bei  den  Oelpressen 
genügte  eine  geringere  Auf-  und  Niederbewegung  des  Hebels  und  deshalb  waren, 
wie  Cato  angiebt,  die  Räume  niedriger  und  schon  an  der  Stelle,  wo  in  Fig.  68 
die  obersten  Löcher  angegeben  sind,  durch  die  Kapitale  zusammengefasst  und 
in  richtiger  Entfernung  von  einander  gehalten,  wie  wir  später  genauer  sehen 
werden.  Es  kann  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  durch  diese  quadratischen  Löcher 
hölzerne  Bolzen  gingen,  welche  entweder,  wie  in  Fig.  79  angegeben,  am  einen 
Ende  mit  einem  Kopfe,  am  anderen  Ende  mit  einem  Durchsteckkeil,  oder 
beiderseits  mit  solchen  Keilen  versehen  waren  und  dazu  dienten,  die  Bäume 
in  möglichst  geringer  Entfernung  von  den  Schlitzen  zusammenzuhalten,  damit 
sie  nicht  auseinander  gezwängt  werden  konnten,  wenn  der  Hebel  dazwischen 
sich  eckte.  Der  Zwischenraum  zwischen  den  Bäumen  aber  wurde,  soweit  er 
für  die  Hebelbewegung  und  die  Querriegel  überflüssig  war,  wie  Cato  angiebt, 
mit  Holz  ausgefüllt,  so  dass  man  die  Keile  in  den  Bolzen  fest  anziehen  konnte, 
ohne  Gefahr  zu  laufen,  dass  die  Bäume  nach  innen  gebogen  oder  geschoben 
wurden.  Unter  Cato's  Bezeichnung:  „Cönfibula  lignea'*  dürfte  daher  ein  solcher 
hölzerner  Bolzen  mit  mindestens  einem  Durchsteckkeil  zu  verstehen  sein.  Ferner 
erscheint  der  Fund  von  Henchir  Choud-el-Battal  für  die  Entscheidung  der 
Präge  wichtig,  in  welcher  Weise  man  sich  die  Belastung  der  Bäume  mit  Balken 
und  Mauerwerk  und  die  Verbindung  desselben  mit  den  Dachsparren  zu  denken 
hat,  welche  nach  Cato's  Angabe  zu  jener  Zeit  anstatt  der  später  gebräuch- 
lichen Verankerung  der  Bäume  im  Fundamente  angewendet  wurde,  um  eine 
Hebung  derselben  durch  den  Presshebel  zu  verhindern.  Sowie  hier  über  die 
Kapitale  von  je  zwei  Paar  neben  einander  stehenden  Bäumen  Stürze  oder 
steinerne  Balken  gelegt  und  auf  diesen  das  Belastungsmauerwerk  in  der 
Richtung  der  Kapitale  aufgeführt  ist,  wird  man  auch  annehmen  müssen, 
dass  in  gewöhnlichen  Presshäusem  mit  hölzernen  Bäumen  und  Balken  die 
Belastungsmauem  in  gleicher  Richtung  aufgeführt  wurden,  und  dass  die  Dach- 
sparren mit  je  einem  Ende  so  in  diese  Mauern  gesteckt  wurden,  dass  sie  in 
der  Regel  über  zwei  neben  einander  stehenden  Pressen  ein  gemeinschaft- 
liches Schirmdach  bildeten. 


72 


C»to  d«-  A«ltaM. 


Die  Steinplatten  mit  des  kreisninden  Rinnen  vor  den  PressstSndern  in 
Henchir  Ch<md-el-Battal  vertreten  die  Stelle  der  bei  Cato  aus  einer  Art  Beton 
hergestellten  „Area"  und  die  aus  Tier  Steinplatten  gebildete  Cisterae  d»Tor 
entspricht  dem  „Lacus"  des  Cato.  — 

Zwei  kleine  römische  Oelpresshäuser  wurden  in  den  Jahren  1779  und 
1780  zu  Stabiae  ausgegraben.  Der  Bericht  des  die  Ausgrabungen  leitenden 
Ingenieurs  Frakosco  da  Veca  lautet  in  der  Uebersetzung  wie  folgt: 

„Ale  man  auf  königlichen  Befehl  die  Gebäude  des  alten  Stabue  aosgrub, 
wurden  mehrere  Landhäuser  gefunden.  Eines  derselben  begann  man  Anfangs  des 
Jahres  1779  auf  dem  Xiandgute,  genannt:  „„DieOelmühle  der  Nonnen  des  heiligen 
Michael,  des  Erzengels  der  Stadt  Gragnano"",  auszugraben.  In  einer  gewissen  Ent- 
fernung von  diesem  Gebäude  fand  man  Anfangs  Februar  des  genannten  Jahiea  die 
Btane  einer  Oelmüble  (Oliven quetsche),  bestehend  aus  einem  ausgehöhlten  Becken 
(siehe  Fig.  69)  mit  einem  Süulchcn  in  der  Mitte  und  nus  xwei  lÄufersteiaen  in 


Form  von  konvexen  Kugel seginenten ,  jeder  in  der  Mitte  durchbohrt,  alle  von  sehr 
hartem,  löcherigem,  vulkanischem  Gesteine.  Ausser  diesen  Steinen  fand  man  onlge 
Eisenfregmcnte  von  der  Armatur,  welche  die  Läufer  führte.  In  dem  Baume,  wo 
diese  Maschine  stand,  war  auch  ein  Btissln  mit  einem  kleineu  Rande  ringsum  und 
einem  durch  dne  Thonröhre  gebildeten  Abflusäe  nach  aussen." 

Den  Ausdruck  „Vasca"  des  Italieners,  entsprechend  dem  „Vasa"  des  Cato 
übersetze  ich  hier  und  in  der  Folge  in  Ermangelung  eines  besseren  Ausdruckes 
mit  „Bassin".  'Es  ist  dies  der  durch  einen  niedrigen  Wall  ans  Mauerwerk 
oder  Beton  und  die  Gebäudemauer  ringsum  eingefriedigte  Platz,  auf  dem  die 
Presse  steht, 

„Dieses  Bn^-^lu  war  ganz  mit  einem  Gemisch  aus  Knlk  und  gestossenen  llion- 
Echerben  bekleidet,  sowie  nuch  das  Becken  der  Mühle  (der  Olivenquetsdie)  aussen 
mit  dieser  Tünche  bekleidet  war,  und  zwar  bis  zu  seinem  Rande,  welcher  üch  so 
hoch  über  dem  Estrich  befmid,  dass  man  die  Maschine  bequem  mit  den  Annen  be- 
wegen kounle.  Der  Estrich  des  Raumes  war  aus  geschlagenen)  Mörtel  gebildet  Die 
Mauern  fanden  sich  ohne  Tüiiche,  wahrscheinlich,  weil  diese  bei  der  Eruption  abge- 
fallen war,  welche  das  Gebäude  begrub. 


In  Stibiae  ftnegegrabeiia  PreuhBuser. 


73 


lo  einem  anderen  Rauma  desselben  Hauses  entdeckte  man  auch  ein  Bassin 
mit  Spuren  der  Presse  und  dem  Behälter,  in  den  das  aus  den  Oliven  gepresste  Oel 
floss.  Viele,  aber  meist  zerbrochene  Thongefässe  sind  in  diesem  Hause  gefunden 
worden. 

Ein  anderes  grosses  Landhaus  fing  man  Ende  1779  an  auszugrahen,  und 
zwar  auf  einem  Gute,  genannt:  „Casa  di  Miri",  demselben  Kloster  gehörig.  Man 
entdeckte  im  Monat  März  1780  einen  ziemlich  grossen  Raum  darin  mit  «ner  Oel- 
mühle  (Olivenquetsche),   welche  in  Allem  der  früher  gefundenen  ähnlich  war,  mit 


kleinen  Eisentheilen  von  ihrer  Armatur.  In  demselben  Räume  waren  zwd  ] 
mit  den  Spuren  von  zwei  Pressen  (siehe  Flg.  70,  71  und  72).  Alle  Wände  dieses 
Raumes,  sowie  der  Estrich  und  die  Bassins  waren  mit  einer  Mischung  aus  Kalk 
und  gestossenen  Thonscherbeu  bekleidet."  .... 


Von  der  Olivenquetsche  heisst  es  dann  weiter: 

,Jn  dem  Centrum  des  Säulchens  (welches,  wie  oben  gesagt^  den  mittelsten 
Thdl  des  beckenförmigen  Mühisteina  bildete,  wie  aus  Fig.  69  ersichtlich)  war  ein 
eiserner  Zapfen  eingebleit,  um  welchen  sich  eine  Platte  von  rechteckiger  Form  drehte 
(Fig.  73  und  74).  Die  gegenwärtige  fand  sich  jedoch  durch  Rost  mit  der  oberen 
Fläche  des  Säulchens  (des  mittelsten  Theiles  des  beckenförmigen  Mühlsteines)  ver- 
einigte Man  erkennt,  dasa  sich  diese  rechteckige  Platte  längs  der  beiden  grösseren 
Seiten  im  rechten  Ijl'inkel  umbog,  um  ^ne  hölzerne  Äxo  zu  umschliessen,  von  welcher 
Spuren  sowohl  in  den  im  Roste  befindlichen  Eindrücken  zu  erkennen  waren,  als 
auch  in  den  Kägeln,  welche  durch  die  eiserne  Platte  gingen,  um  diese  zu  befestigen. 
Diese  hölzerne  Axe  war  in  dem  Tbeile,  welcher  sich  in  die  Iiöcher  der  I4ufeistdne 


74 


Cato  der  Aeltere. 


steckte,  cyllndrisch,  wie  man  aus  einigen  von  seiner  Bekleidung  übrig  gebliebenen 
Eisenfragmenten  erkennt  Jeder  dieser  cylindrischen  Theile  war  mit  einem  doppelten 
Futter  bedeckt  (Fig.  75  und  76),  von  welchen  das  innere  mit  dem  Holze  vert>unden 
gewesen  sein  muss,  weil  an  ihm  die  oben  genannten  Spuren  zu  sehen  waren.  An 
dem  Äusseren  Futter,  welches  jetzt  durch  den  Rost  gleichsam  einen  einzigen  Körper 
mit  dem  inneren  bildet,  unterscheidet  man  einen  stark  hervortretenden  Rand  ^oder 
Kragen)  nach  dem  Ende  hin  und  jenseits  desselben  einen  Stift,  welcher  diametral 
durch  die  ganze  Dicke  der  Axe  geht*'  .... 

Nach  der  Beschreibung,  welche  Cato  von  der  Olivenquetsche  (Trapetum) 

giebt,  muss  angenommen  werden,  dass  dieses  Fundstück  durch  Znsammenrosten 

von  fünf  bis  sechs  Eisentheilen  entstanden  war,    nämlich:    1.  der  aus  zwei 


Fig.  73. 


Flg.  74. 


Theilen  bestehenden  Eisenumkleidung  der  hölzernen  Axe,  2.  einer  in  die  aus- 
gelaufen gewesene  Ilolzbüchse  des  Liiufersteines  eingesetzten  Eisenbüchse, 
3.  einer  gegen  den  Läuferstein  gelegten  Unterlegscheibe,  welche  am  Fundstücke 


Fig   75. 


Fig.  76. 


den  stark  hervortretenden  Rand  oder  Kragen  bildete,  4.  einem  davor  gesteckten, 

mit  durch  die  Axe  gehendem  Stifte  befestigten  Stellringe,  wozu  vielleicht  5.  noch 

eine  an  dem  Läufersteine  befestigt  gewesene  eiserne  Scheibe  kam. 

Francisco  da  Vega  berichtet  zum  Schlüsse  noch: 

„Das  Loch  in  jedem  der  Läufersteino  ist  quadrati.^h,  aber  nach  der  ebenen 
Seite  des  Steines  hin  etwas  enger.  In  dem  engeren  Theile  des  Loches  des  einen 
dieser  Läufersteine  ist  ein  eiserner  King  eingebleit  und  im  Uebrigen  enthielt  es  ein 
etwas  konisches  Holz."  (Das  kt  die  von  Cato  mit  dem  Namen  ^Modiolus"  be- 
zeichnete hölzerne  Büchse,  mit  welcher  der  Läufer  bei  neuer  Maschine  auf  der  Axe 
lief,  die  aber  wieder  mit  Eisten  ausgebüchst  wurde,  wenn  sie  ausgelaufen  war.) 

Dem  Vorstehenden   fügen  wir  noch   einige  xVngaben  der  Akademie  von 

Herculanum  über  die  betrettenden  Funde  bei.     Diese  sagt: 

„Die  Länge  des  (zuletzt  erwähnten)  Riumies  ist  46 ^'«  Fuss  (=  13,75  m)*), 
seine  Breite  16  \  4  Fuss  (=  4,80  m)  und  der  Estrich  zwischen  den  beiden  Bassins 
171/4  Euss  (=  5,10  m) auf   tlem   Estrich   des   Bassins   /  (Fig.  72)   waren 


♦)  1  altrömischer  Fuss  =  0,296  m. 


Olivenquetschen  und  Presshäuser  von  Stabiae.  75 

vier  eiserne  Ringe  zu  je  zwei  mit  einander  vereinigt,   welche  in  dem  Plane  mit  dem 

Buchstaben  i  bezeichnet  sind Die   Entfernung  zwischen   den  Bäumen   und 

Pfosten  ist  in  dem  Presshause  (von  Stabiae)  13  Fuss,  während  sie  in  dem  des  Cato 
16  Fuss  beträgt,  und  da  in  diesem  der  Presshebel  mit  dem  Endstücke  25  Fuss  lang 
ist,  so  erhält  man  diesen,  wenn  man  sich  für  unser  Presshaus  derselben  Verhältniss- 
zahlen zwischen  der  genannten  Entfernung  und  der  Länge  des  Hebels  bedient^ 
20^4  Fuss  lang. 

Ausserdem  ersieht  man  aus  den  Ringpaaren,  welche  in  Fig.  72  mit  t  bezeichnet 
sind,  dass  der  Presshebel  rund  war  und  der  Durchmesser  da^  wo  die  Ringe 
sassen,  l*/4  Fuss  betrug." 

„Das  Bassin,  welches  man  in  unserem  Presshause  sieht,  diente  dazu,  die  in  die 
Presskörbe  gelten  Oliven  aufzunehmen  und  das  ausgepresste  Oel  wegflieasen  zu 
lassen,  und  anderseits  diente  es  dazu,  diese  nach  der  Zerquetschung  (im  Trapetum) 

aufzunehmen,   ehe  sie  in  die  Presskörbe  gethan  wurden Cato  sagt,   dass  das 

Oel  von  dem  „Kanal"  in  den  „Lacus"  lief,  wo  es  in  einem  bleiernen  Qefasse  auf- 
gefangen wurde,  aber  in  dem  Presshause  von  Stabiae  lief  das  Oel  vermittelst  der 
Röhre  b  (Fig.  71)  in  ein  irdenes  Gefäss  c.  Aehnlich  sieht  man  es  in  anderen 
Presshäusem  für  Oel  oder  Wein,  die  in  Stabiae  ausgegraben  wurden.  Nur  in  einem 
derselben  fand  sich  der  „Lacus",  wie  ihn  Cato  veriangt,  welcher  so  tief  ist,  dass 
man  auf  einigen  Stufen  auf  seinen  Boden  hinabstieg." 

Hieraus,  sowie  aus  dem  Umstände,  dass  Cato  die  Dicke  des  Presshebels 
zu  2  Fuss  angiebt,  folgt,  dass  das  Presshaus  yon  Stabiae  nur  als  eine  kleine, 
notbdürftig  ausgestattet  gewesene  Anlage  zu  betrachten  ist.  Aus  der  Stellung 
der  Löcher  in  den  Fundamenten  dieses  Presshauses  schloss  die  Akademie  von 
Herculanura,  dass  anstatt  zweier  Bäume,  wie  sie  Cato  vorschreibt,  und  wie  wir 
sie  auch  bei  der  Presse  von  Malans  gesehen  haben,  bei  diesen  kleineren  Pressen 
nur  ein  starker  Baum  in  Anwendung  gewesen  sei,  welcher  nicht  nur  in  der 
Richtung  der  Querriegel,  sondern  auch  in  der  Richtung  des  Presshebels  einen 
Schlitz  enthalten  habe,  in  welchen  dieser  passte;  es  wäre  jedoch  auch  mög- 
lich, dass  ein  zweiter  Baum  dicht  an  der  Wandung  des  weiten  Loches  hinab- 
gegangen wäre,  durch  welches  man  zu  den  Ankern  in  dem  Fundamente 
gelangte. 

Bezüglich  der  kleinen,  etwas  geneigten  Fläche  e  neben  dem  in  den  Boden 
eingelassenen  Thongefässe  war  die  Akademie  von  Herculanum  der  Ansicht, 
dass  sie  dazu  diente,  ein  Gefäss  darauf  zu  stellen,  welches  Cato  bald  Labrum, 
bald  Dolium  (?)  nenne,  in  welches  der  Capulator  oder  Abscböpfer,  das  ist  der 
Vorarbeiter  im  Oelpresshause ,  das  Oel  that,  welches  er  aus  dem  im  Boden 
eingelassenen  Gefässe  schöpfte,  um  es  in  andere  Fässer  oder  Gefässe  zu  thun 
und  von  da  schliesslich  in  den  Lacus  (das  Reservoir)  im  Keller  zu  bringen, 
wenn  es  von  dem  Oelrückstande  (Amurca)  abgezogen  war. 

Cato  sagt  nämlich  in  Kap.  66  (67)  über  das  Amt  des  Wächters  und  Ab- 
schöpf ers: 

„Er  bediene  fleissig  den  Keller  und  das  Pres^haus.  Er  sorge  dafür,  dass  das 
Presshaus  und  der  Keller  so  wenig  wie  möglich  betreten  werden  und  dass  die  Ge- 
fässe und  das  Mettill  so  rein  und  nett  wie  möglich  gehalten  werden,  sowie  dass  mau 
keine  Kerne  zu  dem  Oel  verwendet,  denn  wenn  dies  geschieht,  bekommt  das  Oel 
einen  schlechten  GeschnmcL    Den  bleiernen  Kessel,  in  welchen  das  Oel  fliesst,  setze 


76  Cato  der  Aeliere. 

er  in  die  Cieterne  (Lacud).  Wenn  die  Oelmacher  (Factores)  mit  den  Hebeln  drAcken, 
nehme  der  Abschöpfer  so  fleissig  als  er  kann  mit  der  Muschel  das  Oel  weg  und 
säume  nicht  Er  habe  Acht,  dass  er  den  Oelrückstand  (den  wässerigen  Bestandthetl 
der  Oliven,  Amurca  genannt)  nicht  mit  wegnehme.  Das  Oel  wird  in  die  erste  Wanne 
(Labrum)  gethan  und  kommt  von  da  in  ein  anderes  Grefäss  (Dolium).  Von  jenen 
Wannen  (Labris)  wird  die  Oelhefe  (die  festeren  Bestandtheile  aus  den  Oliven)  und 
der  Oelrückstand  (die  wässerigen  Bestandtheile)  unten  abgezogen.  Wenn  man  Gel 
von  dem  Kessel  abzieht,  wird  der  Rückstand  herausgeschöpft" 

Von    den  Ausgrabungen  in   Stabiae  wenden   wir   uns   zu   der   ^Uistoria 

naturalis^  von  Plinius  dem  Aelteren,  der  bekanntlich  bei  demselben  Ausbruche 

des  Vesuvs  seinen  Tod   fand,  welcher  Stabiae  verschüttete.     Dieser  sagt  im 

achtzehnten  Buche  des  genannten  Werkes  über  die  Weinpressen: 

„Eine  Pressung  soll  20  Kuleus  (=  105  hl)  ergeben,  das  ist  das  richtige  Maass. 
Für  ebenso  viele  Kuleus  genüge  auch  die  Kufe  (Lacus)  und  für  20  Jugera  (=  ö  ha) 
Weinberg  eine  Presse.  Einige  pressen  mit  einer  Presse,  besser  ist  es  mit  zwei, 
mag  auch  die  eine  noch  so  gross  sein.  Auf  die  Länge  kommt  es  dabei  an,  nicht 
auf  die  Dicke.  Die  grossen  drücken  besser.  Die  Alten  zogen  sie  mit  Seilen  und 
ledernen  Riemen  und  Hebeln  nieder.  Innerhalb  der  letzten  100  Jahre  sind  die 
Griechischen  (Pressen)  erfunden  worden  mit  Schraubengängen,  welche  durch  Muttern 
gehen,  von  den  Enden  aus  (ab  alis)  ist  ein  Armkreuz  (Stella)  an  den  Schaft  befestigt 
und  von  den  Enden  herab  (ab  alis)  hängen  Körbe  mit  Steinen,  welche  sich  mit  dem 
Schafte  in  die  Höhe  schrauben,  was  sich  sehr  bewährt  hat.'* 

Letztere  Stelle  ist  ohne  Kenntniss  der  älteren  Konstruktionen  von  Wein- 
und  Oelpressen  nicht  zu  übersetzen,  viel  weniger  zu  verstehen ;  wirft  man  aber 
einen  Blick  auf  unsere  Fig.  67,  so  wird  sofort  klar,  dass  Plinius  von  derselben 
Konstruktion  der  Weinkeltern  spricht,  welche  Zoxca  anno  1621  abbildete,  was 
letzterer  ja  in  seinem  Texte  auch  andeutet.  Nur  wurde  statt  des  einen 
grossen  Belastungssteines  des  Zonga  ein  Korb  voll  gewöhnlicher  Steine  zur  Zeit 
des  PuNius  ans  Ende  der  Schraube  gehängt.  Wie  die  Angabe  des  PuNius  und 
die  Presse  von  Malans  beweisen,  ist  diese  Konstruktion  etwa  vom  Jahre  50 
vor  Chr.  bis  auf  den  heutigen  Tag,  also  fast  2000  Jahre  im  Gebrauch  ge- 
blieben. Sie  hat  sich  also  sicherlich  bewährt  und  scheint  sich  unter  gewissen 
örtlichen  Verhältnissen,  namentlich  wo  Raum  und  starke  Hölzer  leicht  zu  haben 
sind,  noch  immer  zu  bewähren. 

Pllnius  fährt  fort: 

„Innerhalb  der  letzten  22  Jahre  sind  Pressen  mit  kleinem  Presshebel  und 
kleinerem  Presshaus  erfunden  worden,  mit  kürzerer  Spindel,  welche  auf  die  Mitte 
des  Deckels  gerichtet  ist,  den  man  auf  die  Weintrester  legt,  auf  den  sie  mit  dem 
ganzen  Drucke  wirkt,  während  man  über  dem  Presshebel  den  Steinhaufen  anbringt** 

Von  solchen  kleineren  Pressen  spricht  auch  schon  Vithuv.  Es  ist  aber 
gewiss  nicht  richtig,  wenn  man  annimmt,  Plixius  beschreibe  hier  eine  Presse 
von  moderner  Form  mit  feststehendem,  die  Mutter  enthaltendem  Querbalken. 
Plixius  spricht  offenbar  nur  von  einer  Modifikation  der  zuvor  geschilderten 
Presse  und  wir  werden  uns  an  dieser  weiter  nichts  geändert  denken  dürfen,  als 
was  ausdrücklich  angegeben  ist,  oder  was  sich  daraus  als  unumgänglich  noth- 
wendig  ergiebt.     Wir  haben  nur  die  Schraubenspindel   mit   ihrer  Mutter  vom 


Plinins  über  Keltern,  Cato  über  Pressseile.  77 

Ende  des  Hebels  über  die  Mitte  des  Pressdeckels  zu  versetzen  und  das  Be- 
lastungsgewicht,  welches  seither  vermittelst  der  Schraubenspindel  an  das  Ende 
des  Hebels  gehängt  war,  nun  oben  auf  dasselbe  zu  setzen.  Dadurch  konnte 
das  Presshaus  zunächst  um  die  Länge  der  Handhebel  verkürzt  werden,  und 
da  man  oben  auf  den  Balken  ein  grösseres  Gewicht  legen  konnte,  als  man 
unten  an  die  bewegliche  Spindel  zu  hängen  wagen  durfte,  konnten  vielleicht 
der  Hebel  und  das  Presshaus  auch  noch  dem  entsprechend  weiter  verkürzt 
werden.  Den  Presshebel  werden  wir  uns  aber  immer  noch  beweglich  und  ähn- 
lich dem  Hebel  eines  gewöhnlichen  Sicherheitsventils  wirkend  denken  müssen. 
Es  handelt  sich  also  hier  um  eine  Uebergangsform  von  der  alten  Hebelpresse 
zu  der  moderneren  Schraubenpresse  mit  feststehender  Mutter.  Dass  diese 
Uebergangsform  sich  bewährt  habe,  sagt  Plinius  nicht,  und  es  ist  dies  auch 
nicht  sehr  wahrscheinlich. 

Die  oben  citirten  Worte:  „Die  Alten  zogen  sie  (die  Presshebel)  mit 
Seilen,  ledernen  Riemen  und  Hebeln  nieder^,  zeigen  uns  an,  was  wir  uns  an 
den  Pressen  des  Zonca  oder  der  von  Malans  verändert  denken  müssen,  um  zu 
der  Vorstellung  einer  CAXo'schen  Presse  zu  gelangen.  Dass  dabei  zur  üeber- 
tragung  der  Bewegung  der  Handhebel  auf  die  niederziehenden  ßiemen  am 
Presshebel  noch  eine  liegende  Haspelwelle  angewendet  werden  musste,  ist  fast 
selbstverständlich. 

Ueber  das  Seil,  welches  den  Presshebel  zunächst  niederzog,  sagt  Cato 
Kap.  135,  in  dem  er  die  besten  Bezugsquellen  für  verschiedene  landwirthschaft- 
liche  Geräthe  angiebt: 

„Pressseile,  wenn  sie  Jemand  macht,  so  sind  es  L.  Tünniüs  zu  Casinum  und 
E.  Mennius  zu  Venafnim.  Diesem  muss  man  acht  inländische  Häute  geben,  welche 
geknetet  imd  möglichst  wenig  gesalzen  sein  müssen.  Man  muss  sie  zuvor  kneten, 
einsalben  imd  trocknen.  Das  Seil  muss  72Fuss  lang^  dreidrahtig  angezettelt  werden; 
die  Riemen  in  den  einzelnen  Drahten  werden  9  Fuss  lang  und  2  Finger  (=  37  mm) 
breit  Mit  der  Drehung  wird  das  Seil  49  Fuss  lang.  Durch  die  Verbindung  werden 
3  Fuss  absorbirt  und  bleiben  46  Fuss  übrig.  Wenn  es  gestreckt  wird,  kommen 
5  Fuss  dazu  und  es  wird  51  Fuss  lang.  Das  ausgestreckte  Pressseil  soll  für  die 
grössten  Geschirre  55  Fuss  lang  sein,  für  die  kleinereu  51  Fuss.'' 

Das  Pressseil  war  also  aus  Lederriemen  zusammengedreht  und  die  Enden 
waren  zusammengepleisst,  so  dass  ein  Seil  ohne  Ende  entstand.  Nimmt  man 
an,  dass  die  einzelnen  Riemen,  aus  denen  das  Seil  zusammengedreht  war,  bei 
37  mm  Breite  4  mm  dick  waren,  so  ist  die  Summe  der  Querschnitte  von  drei 
solchen  Riemen  444  qmm.  Ein  kreisrunder  Querschnitt  von  444  qmm  hat 
im  Durchmesser  24  mm.  Man  wird  daher  annehmen  dürfen,  dass  das  Press- 
seil ungefähr  25  mm  dick  war.  Aus  der  angegebenen  Seillänge  und  den 
Dimensionen  der  Presse,  welche  wir  später  näher  kennen  lernen  werden,  geht 
hervor,  dass  das  Seil  vierfach  vom  Presshebel  nach  dem  Haspel  herabging,  und 
wenn  man  erwägt,  dass  sich  die  vier  Seilstränge  auf  dem  Haspel  glatt  auf- 
wickeln mussten,  ohne  sich  über  einander  zu  legen,  kommt  man  zu  dem  Schlüsse, 


78 


Cato  der  Aeltere. 


dass  das  Seil  in  der  in  Fig.  77,  skizzirten  Art  über  das  Ende  des  Pressbebeis 
gelegt  und  an  dem  Haspel  befestigt  gewesen  sein  mnss.  Der  Haspel  betsst 
bei  Cato  „Sncula",  der  Seilhalter  auf  dem  Haspel  aber  „PorcDlum"  und  aus 
dem  soeben  Gesagten  nnd  Fig.  77  ist  ersichtlich,  dass  dieses  „Porculnm"  wahr- 
scheinlich aus  zwei  Hacken  bestand,  welche  durch  eine  Schiene  mit  einander 
verbunden  waren,  die  auf  die  hölzerne  Haspelwelle  aufgenagelt  wurde. 

Um  das  Pressseil  nach  und  nach  starker  zu  spanneo  und  aufzuwinden 
vnA  nach  erfolgter  Pressung  wieder  zu  lösen,  hatte  man  Handhebel  von  ver- 
schiedenen Längen.  In  Kap.  19  heisst  es:  „Die  längsten  Hebel  erhalten  18  Fuss, 
die  zweiten  16,  die  dritten  14,  die  zum  Zurückdrehen  12  Fuss,  die  zweiten 
10  Fuss,  die  dritten  8  Fuss".  Demnach  wurden  mindestens  sechs  Handhebel 
zur  Bedienung  einer  Presse  gebraucht,  wie  auch  in  Kap.  3  angegeben  ist,  wo 
die  Bestandtheile  einer  Presse  aufgezählt  sind.  In  Kap.  12  freilich,  wo  das 
Inventar  für  ein  Presshaus  mit  fünf  Pressen  zusammengestellt  ist,  beisst  es, 


«s  seien  40  Handhebel  nöthig,  also  acht  Stück  für  jede  Presse.  Da  aber  bei 
Aufstellung  dieses  Inventars  von  Anfang  an  Bedacht  auf  Reservestücke  für 
den  Fall  eines  Bruches  genommen  ist,  so  liegt  darin  kein  Widerspruch. 

'W^en  der  bedeutenden  Länge  der  Handhebel  mussten  dieselben  durch 
einen  am  Ende  befestigten  Handriemen  niedergezogen  werden,  wie  aus  Fig.  SO 
ersichtlich  und  dieser  Handriemen  dürfte  es  sein,  was  Cato  unter  dem  Namen 
„Medipontus"  oder  „MeHpontus"  versteht. 

Da  mit  dem  Riemenseil  am  Haspel  das  vordere  Ende  des  l'ressbebels 
nicht  wieder  gehoben  werden  konnte,  wenn  es  niedergezogen  war,  so  hatte  man 
dazu  einen  Flaschenzug  nöthig,  und  noch  ein  zweiter  wurde  zeitweilig  am 
hinteren  Ende  des  Presshebels  gebraucht,  um  dieses  zu  heben,  indem  eine 
Einrichtung  zum  Unterstützen  des  Hebels  in  der  Mitte,  wie  sie  an  der  Presse  des 
ZoNCA'  und  der  von  Malans  zu  sehen  ist,  nicht  vorhanden  war.  Deshalb  giebt 
Cato  in  Kap.  3  zwei  Flaschenzüge  als  zu  einer  Presse  gehörig  an.  Da  aber 
diese  Flaschenzüge  an  einer  Presse  während  des  grössten  Theiles  der  Zeit  nicht 
gebraucht  wurden,  leicht  transportabel  waren  und  überall  leicht  aufgehängt 


Die  von  Csto  besebriebenen  Oel-  nnd  WeinpreBBen.  79 

■werden  konnten,  bo  ist  auch  leicht  begreiflich,  warum  Cato  in  Kap.  12  zu  einer 
Anlage  von  fünf  Pressen  nur  fünf  Flaschenzüge  als  nothwendig  bezeichnet. 

Nachdem  wir  uns  nun  durch  einen  historischen  Rückblick  eine  möglichst 
deutliche  Vorstellung  von  den  Pressen,  und  Olivenquetschen  alter  Zeit  gemacht 
laben,  werden  ans  die  Detailangaben  des  Cato  nicht  mehr  unverständlich  sein. 
Derselbe  sagt  in  Kap.  3: 

^  . . . .  Die  Geriiüie  müssen  doppelt  vorhanden  sein.  Wenn  der  Olivengarten 
gat,  wohl  besetzt  und  kultivirt  is^  müssen  die  Olivenquetscben  gut  und  von  einander 


VeTschieden  am,  damit  man  die  Läufersteinc ,  wenn  sie  abgenutzt  sind,  verwcchsehi 
kann.  Kemeaseile  braucht  man  je  eins,  Handhebel  je  sechs,  Bänder  (Fibulas)  je 
zwöll«  -  . 

Es  sind  nämlich  auf  jeden  der  beiden  Bäume  vier  Bänder  zu  rechnen, 
wie  man  aus  Fig.  78,  79  nnd  80  ersieht.  Erstere  stellt  einen  Baum  zu  einer 
Weinpresse  dar,  analog  des  steinernen  Bäumen  von  Hencbir  Chond-el-Battal. 
Und  fertaer  sind  auf  den  Presshebel  vier  Bänder  zu  rechnen,  die  in  Fig.  80 
analog  der  Stellung  eingezeichnet  sind,  wie  sie  in  dem  Presshause  von  Stabiae 
)>ei  ii  (Fig.  72)  gefunden  wurden.    Cato  fährt  fort:     , 

„Handiiemen  (Medipontos)  braucht  man  je  ein^,  griechische  Flaschcnzüge  je 
zwei,  welche  mit  Esjmrto-Seilen  arbeiten.  Mit  je  acht  oberen  RoUeu  (also  wahrschein- 
lich Yiea  in  jeder  oberen  Flasche)  und  je  Sechs  unteren  (also  drei  iu  jeder  unteren 
Flasche)  arbeitet  man  ziemlich  schnell.  Wenn  man  Räder  anwenden  will,  ailwitct 
man  langsamer,  aber  mit  geringerer  Mühe."  — 


80  Cato  der  Aeltere. 

Es  ist  wahrscheinlich,  dass  hier  unter  „Räder"  Seiltrommeln  zu  verstehen 
sind,  wie  wir  sie  an  dem  Krahne  Vitruv's  (Fig.  43)  abgebildet  haben.  Femer 
sagt  Cato  in  Kap.  12: 

„In  Presshäusem,  welche  mit  fünffachem  Greschirre  arbeiten,  sind  nöthig:  fünf 
ausgerüstete  Presshebel  und  drei  überzählige,  fünf  Haspel  und  ein  überzähliger,  fünf 
Riemenseile,  fünf  Flaschenzugseile,  fünf  Handriemen  (Medipontos),  fünf  Halfterriemen 
(die  wahrscheinlich  um  die  Presshebel  geschlungen  werden,  wenn  diese  an  die  Flaschen- 
züge gehängt  werden  sollten),  fünf  Querriegel  (Traghölzer  Assercula)  und  fünf,  auf 
denen  die  Presshebel  aufsitzen  (das  wären  zusammen  zehn  8tück  Querriegel,  also 
für  jede  Presse  nur  zwei),  drei  Kufen  (?  Serias),  40  Handhebel  und  40  Bänder 
(Fibulas)."  — 

Es  sind  nur  acht  Bänder  für  jede  Presse  extra  aufgeführt,  weil  oben  aus- 
gerüstete oder  armirte  Presshebel  genannt  sind,  d.  h.  solche,  welche  mit 
den  zugehörigen  Bändern  versehen  sind.  Deshalb  durften  die  vier  Bänder  an 
jedem  Presshebel  hier  am  Schlüsse  nicht  nochmals  aufgeführt  werden.  Es 
heisst  weiter: 

„Sechs  hölzerne  Bolzen  (Confibulas)  mit  Keilen,  welche  die  Bäume  zusammen- 
pressen, wenn  sie  sich  auseinander  thun  wollen." 

Es  ist  hier  nur  eine  Confibula  für  jede  Presse  gerechnet,  was  für  die 
kurzen  Bäume  der  Oelpresse,  welche  in  Fig.  79  und  80,  dargestellt  sind,  und 
welche  oben  durch  das  Kapital  kurz  über  dem  Schlitze  zusammengepackt  waren, 
genügte.    Ausserdem  ist  noch  eine  Confibula  als  Reservestück  gerechnet. 

Endlich  erachtet  Cato  in  einem  Presshause  mit  fünf  Pressen  noch  für 
nöthig:  „Fünf  Olivenquetschen  (Trapeta),  zehn  Büchsen  (Cupas  minusculas,  ein 
Ausdruck,  dessen  Bedeutung  hier  sehr  zweifelhaft  ist.  Eigentlich  bedeutet  er: 
kleine  Kufen  oder  Tönnchen.  Wir  werden  bei  einer  späteren  Gelegenheit  an- 
geben, was  uns  bewog,  dafür  „Büchsen^'  zu  setzen),  zehn  Wannen,  zehn  hölzerne 
Schaufeln  und  fünf  eiserne  Grabscheite". 

Es  könnte  auffallig  erscheinen,  dass  Cato  zu  jeder  Presse  eine  Oliven- 
quetsche verlangt,  während  in  dem  Presshause  von  Stabiae  für  zwei  Pressen 
nur  eine  solche  vorhanden  war.  Dies  erklärt  sich  dadurch,  dass  die  Pressen 
von  Stabiae  viel  kleiner  und  schwächer,  die  Olivenquetsche  aber  ebenso  gross 
war,  wie  bei  Cato.     Dieser  sagt  femer  in  Kap.  18: 

„Wenn  man  ein  Presshaus  für  vier  Geschirre  (oder  mit  vier  Bassins,  Quadrinis 
vasis)  bauen  will,  so  dass  sie  einander  gegenüber  stehen,  werden  die  Geschirre  in 
folgender  Weise  aufgestellt:  Die  Bäume  2  Fuss  (=  60  cm)  dick,  9  Fuss  hoch  ein- 
schliesslich der  Zapfen,  die  Schlitze  SV*  Fuss  lang  und  6  digiti  (=11  cm)  weit 
ausgeschnitten  (siehe  Fig.  79  und  80).  Vom  Boden  ist  das  erste  Loch  1  Fuss 
entfernt  Zwischen  den  Mumen  und  der  Wand  2  Fuss,  zvrischen  den  beiden  Bäumen 
l^/i  Fuss,  zwischen  den  beiden  Bäumen  und  den  ersten  Pfosten  16  Fuss  (als  zweite 
Pfosten  wären  wohl  die  der  gegenüber  liegenden  Presse  anzusehen,  siehe  Fig.  81). 
Die  Pfosten  2  Fuss  dick,  10  Fuss  hoch,  einschliesslich  der  Zapfen.  Der  Haspel, 
bis  über  die  Zapfen  gemessen,  9  Fuss.  Der  Presshebel  25  Fuss  (=  7,40  m)  lang, 
einschliesslich  der  Zunge  von  2  Fuss.*' 

Unter  Zunge  (Lingula)  scheint  hier  der  über  den  Stützpunkt  hinausragende 

hintere  Theil  des  Presshebels  zu  verstehen  zu  sein,  wenigstens  gelangt  man  so 


AltrSmische  Pressen  und  Presshänser. 


81 


za  einer  besseren  Vertheilung  der  gegebenen  Presshebellänge,  als  wenn  man  die 
2  Foss  der  Zunge  von  der  Stelle  an  rechnet,  wo  der  Presshebel  zwischen  die 
Bänme  tritt.    Gato  sagt  weiter: 

tjDer  Estrich  für  je  zwei  Greschirre  (oder  Bassins)  mit  je  zwei  Kanälen  erhält 
34  Fufls  (siehe  Fig.  81).  Die  Stellen  für  die  Olivenquetschen  zur  Hechten  und 
Linken  ergeben  20  Fuss  Estrich.  Der  Platz  für  die  Handhobel  zwischen  je  zwei 
Pfosten  22  Fuss,  vom  Ende  des  Pfostens  des  anderen  Geschirres  quer  hinüber  nach 
der  Wand  jönsdts  der  Bäume  20  Fuss.  Die  grosste  Breite  des  Pressraumes  für 
vier  Geschirre  66  Fuss,  die  Länge  62  Fuss  zwischen  den  Wänden.'' 

Dieses  letzte  Maass  ist  offenbar  verschrieben  und  sollte  54  Fuss  heissen, 
wie  aus  Fig.  81  ersichtlich  ist,  während  man  daraus  auch  ersieht,  dass  die 
anderen  Maasse  gut  zu  einander  stimmen.    Es  heisst  weiter: 


Fig.  81. 


mWo  man  die  Bäume  stellt,  werden  gute,  5  Fuss  hohe  Fundamente  gemacht 
Da  hinein  kommen  harte  Steine,  deren  ganze  obere  Fläche  5  Fuss  lang  und  2  Fuss 
breit  ist  und  welche  1  Fuss  dick  sind.  In  diese  werden  die  Bäume  mit  den  Fuss- 
zapfen  gestellt.  Nachdem  das,  was  zwischen  den  beiden  Bäumen  an  Raum  über- 
flüssig ist^  mit  Eichenholz  ausgefüllt  wurde  (siehe  diese  Ausfüllung  bei  a  in  Fig.  79)^ 
werden  sie  mit  Blei  ausgegossen." 

Das  Maass  von  5  Fuss  Länge  für  die  Oberfläche  des  Fundamentsteines 
der  Bäume  wurde  vielfach  für  unrichtig  gehalten,  indem  man  von  der  Ansicht 
ausging,  dass  die  Bäume  einen  quadratischen  Querschnitt  von  2  Fuss  Seiten- 
länge gehabt  hätten.  Addirte  man  zwei  Baumdicken  von  je  2  Fuss  zu  der 
Breite  des  Zwischenraumes  von  P/^Fuss,  so  ergab  sich  5^/4  Fuss  als  geringste 
Länge  des  Fundamentsteines.  Einige  waren  sogar  der  Ansicht,  der  Zwischen- 
raum zwischen  den  Bäumen  habe  2  Fuss  betragen  und  berechneten  danach 
die  nöthige  Länge  des  Fundamentsteines  auf  6  Fuss.  Es  geht  aber  zunächst 
aus  der  Form  der  in  dem  Presshause  von  Stabiae  gefundenen  eisernen  Bänder 

6 


SB  Cafo  der  Aelfer«. 

Tom  Presshebel  benror,  dass  dieser  nmd  war,  dass  man  also  nicht  8Ö  thöricht 
war,  das  rund  gewachsene  Holz  durch  mühsames  Bebauen  zu  schwächen. 
Dagegen  war  es,  um  eine  Drehung  des  Hebels  nm  seine  Längsaxe  zu  rer- 
hindem,  nothwendig,  den  Theil  desselben,  welcher  zwischen  den  Bäumen  durch- 
ging, beiderseits  abzuflachen.  Indem  man  so  die  Breite  dieses  Hebelendes  auf 
etwa  1  Fuss  2  Zoll  reducirte,  verlor  dasselbe  nur  wenig  von  seiner  Bmcli- 
festigkeit  und  ausserdem  war  die  Schwächuug  hier  am  Ende  unbedenklich,  weil 
der  gefährliche  Querschnitt  des  Hebels  über  dem  Pressgute  lag.  Man  erreichte 
also  auf  diese  Weise  auf  die  müheloseste  und  praktischste  Art  seinen  Zweck. 
Ebenso  ist  aber  auch  anzunehmen,  dass  man  von  den  Bäumen  nicht  un- 
nöthiger,  ja  schädlicher  Weise  Holz  herunterhieb,  sondern  sie  nur  da  beschlug, 
wo  es  einen  Zweck  hatte,  wie  ja  anch  der  Erbauer  der  Presse  von  Malans 
verfuhr.    Die  Bäume  etwas  flach  zu  behauen,  war  nor  auf  der  Innenseite  und 


der  gegenüber  liegenden  Aussenseite  nothwendig,  damit  innen  eine  richtige 
Führungsfliiche  für  «lits  Ende  des  Presshebels  entstand ;  andererseits,  damit  an 
den  Rändern  der  St-hütm  keine  spitzwinkeligen,  sondern  rechtwinkelige  Kanten 
entstanden  und  ani-li  Kopf  und  Keil  des  liol/erneu  Bolzens,  der  Confibula, 
richtige  AuflugoiHiiclicn  fanden.  Deshalb  ist  der  auf  zwei  Seifen  etwas  abge- 
fiacUto,  kn'isfiirmigo  Querschnitt,  wie  er  in  dem  Grundrisse  (Fig.  82)  ange- 
geben ist,  »1h  der  natürlichste  untl  praktischste  für  die  Bäume  anzunehmen. 
Bei  diesem  Querschnitt e  und  1','*  Fuss  Zwischenraum  ist  aber  eine  Liinge  von 
6  FusK  für  den  l<'unditnit'nt.slcin  genügend.  Dass  Cato  die  geringen  .VbHach- 
ungen  sin  den  zwei  Seiten  der  Itäume  nicht  erwähnt,  iüt  nicht  antfallend,  da 
es  nicht  seine  AKsielit  ist,  oinu  genaue  Beschreibung  der  Presse  zu  geben. 
Auch  ist  es  nur  mitiirlieh.  diisa  in  solchem  Falle  der  Durchmesser  des  Kreises 
als  die  Italkenstärke  augegeln-n  wird,     (.'ato  sagt  ferner: 

„Den  oUTsteu  Tlieil  (Zikpfen)  der  Bnuiiic  mache  man  6  liijihi  (=11  cm) 
hoch  und  setse  ein  Kapital  von  Eichenholz  danmf  (siehe  bei  h  in  l"\^.  >'J).  El^ni^o 
wini  <la,  wo  die  Pfosten  scehen  sollen,  ein  5  Fuss  holiesi  Funilaiiifui  ^■uincht  und 
ein  harter  Stein  von  2  Fu*!»  iJingc  und  2  Fiiss  Kcko,  in  welchen  der  Pfo.^ten  zu 
Btchen  konmit,  daselbst  in  die  Waage  gestellt," 


AltrOmische  Pressen  und  Presshäuscr. 


83 


Warum  diese  Fundamentsteine  einen  Fuss  höher  waren  als  derjenige, 
worin  die  Bäume  standen,  ergiebt  sich  aus  Fig.  71  und  Fig.  80.  In  letzterer 
ist  nämlich  der  Boden  des  Bassins,  ebenso  wie  in  dem  Presshause  von  Stabiae 
(Fig.  71),  etwas  höher  gelegt,  als  der  Boden  zwischen  den  Bassins,  auf  dem 
die  Arbeiter  standen,  welche  die  Handhebel  bedienten  und  in  welchem  auch, 
wie  man  aus  Fig.  71  ersieht,  die  Fundamentsteine  der  Pfosten  standen.  Es 
heisst  in  unserem  Texte  weiter: 

„Auf  gleiche  Weise  wird  der  andere  Pfosten  gestellt  Ueber  die  Bäume,  sowie 
über  die  Pfosten  wird  ein  horizontaler  Balken  gelegt,  2  Fuss  breit,  1  Fuss  dick  und 
37  Fuss  lang.  Unter  diese  Balken  zwischen  die  Kanäle  und  die  äussersten  Wände, 
wo  die  Olivenquetschen  stehen,  wird  ein  Balken  von  23  Fuss  gelegt,  l*/i  Fuss  dick, 
oder  es  werden  je  zwei  anstatt  des  einzelnen  darunter  gelegt  Auf  diese  kürzeren 
Balken  kommen  die  Balken,  welche  über  den  Bäumen  und  den  Pfosten  sind,  zu 
liegen.  Auf  diesen  Hölzern  werden  Mauern  errichtet  und  mit  dem  Dachgebälk  ver- 
bunden, damit  sie  (nämlich  die  Hölzer)  genügende  Belastung  haben.''  — 

Durch  Vergleich  dieser  Stelle  mit  den  Gebäuderesten  von  Henchir-Choud- 
el-Battal   gelangt   man   zu  der  Ansicht,  dass  die  Belastung  der  Bäume  mit 


■ J7i- 


Fig.  83. 

Hauer-  und  Dachwerk  etwa  so  erfolgt  sein  mag,  wie  in  Fig.  80  und  83  ange- 
geben. Auch  wird  es  wahrscheinlich,  dass  man  bei  dieser  Stelle  unter  „Canales'^ 
zwei  Rinnsteine  a  b  und  a^  b^  (Fig.  81}  zu  verstehen  hat,  die  das  von  den 
Dachflächen  ablaufende  Begenwasser  wegführten,  und  dass  hier  unter  den 
äussersten  Wänden  (Parietes  extremos),  an  denen  die  Olivenquetschen  stehen, 
diejenigen  parallelen  Wände  zu  verstehen  sind,  welche  den  grössten  Abstand 
von  66  Fuss  von  einander  hatten.  Durch  diese  Stelle  in  Verbindung  mit  der 
oben  citirten:  „Die  Stellen  für  die  Olivenquetschen  zur  Hechten  und  Linken 
=  20  Fuss  Estrich",  sieht  man  sich  dann  veranlasst,  die  Olivenquetschen  in 
die  vier  Ecken  des  Gebäudes  zu  placiren  (siehe  den  Grundriss  Fig.  81).  Cato 
fahrt  fort: 

„Wo  man  die  „Area"  (das  ist  die  Fläche,  auf  welche  man  die  Presskörbe  mit 
den  gequetschten  Oliven  stellte)  machen  will,  wird  5  Fuss  hoch  fundamentirt,  4  ^/2  Fuss 
breit  Der  ganze  übrige  Estrich  erhält  2  Fuss  Fundament  (siehe  Fig.  80).  Das 
erste  Fundament  wird  gerammt,  dann  eine  halb-  bis  einfüssige  Schichte  von  kleinen 
Steinen  und  Kalk  mit  Sand  aufgetragen.  Der  Estrich  selbst  wird,  nachdem  gerammt 
und  die  erste  Schichte  auf  getitigen  ist,  so  gemacht:  mit  einem  Siebe  wird  eine  zwei 
Pinger  dicke  Kalkschichte  aufgetragen  und  darauf  aus  gebrannten  Thonscherben  der 
Estrich   zusammengesetzt;   wenn  er  zusammengesetzt  ist,    wird  er  gestampft  und  mit 


84  Cato  der  A«ltere. 

Gel  «ngerieben,  damit  er  gut  wird.  Die  Pressbäume  und  Pfoeten  werden  von  Eichcn- 
(xlcr  THinionhok  gemacht  Wenn  man  kleinere  Balken  machen  will,  werden  die 
Kanä](i  auHHCThalb  der  Säulen  gelegt,  und  wenn  man  dies  thut,  werden  Balken  von 
22  FuHH  Länge  nothig."  — 

Diese  letzte  Stelle  wird  nur  durch  die  Annahme  verständlich,  dass  man, 

um  Holz  zu  8])aren,   die  kürzeren  Balken,  welche  direkt  auf  den  Pfosten  und 

den  Kapitalen  der  Bäume  liegen,  um  einen  rechten  Winkel  in  der  Horizontal- 

(*l)ene  drehen  soll,  so  dass  sie  gleichlaufend  mit  den  langen  Balken  einerseits 

über  das   Kapital   der  Bäume  und  andererseits  tiber  die  beiden  Pfosten  zu 

liegen  kommen  und  diese  mit  den  66  Fuss  langen  Mauern  verbinden.     Da 

die  PfoHt(«n  einer  Presse  etwa  6^'9  Fuss  von  einander  abstanden,  2  Fuss  dick 

waren   und  die  Entfernung  von  der   Wand  bis  zu  dem  zunächst  stehenden 

PfoHten    10  Fuss  betrug  (siehe  Fig.  81  und  82),  so  genügte  alsdann  für  die 

kürzten  Haiken  die  Länge  von  22  Fuss.    Da  aber  nun  eine   Querverbindung 

/wiNrhen  dem  Mauerwerke  über  den  Bäumen  und  demjenigen  über  den  Pfosten 

(lun*h   diese  Balken  nicht  mehr  hergestellt  war,   so  musste  eine  solche  durch 

die    I)aehpietten   und   das   Dach   hergestellt   werden.    Deshalb  wird  man  die 

KinuNteine  (l'anales)  nicht  mehr  innerhalb  der  beiden  Pfosten-  (oder  Säulen-) 

HtMlien,  Kondern  quer  in  der  Richtung  cd  und  c^d^  (Fig.  81)  und  die  Dächer 

dt^nt   entHprechend  gelegt  haben.     Da  bei  dieser  Anordnung  die  Dachsparren 

in  d(«niNelben  Verhältnisse  kürzer  wurden  als  die  genannten  Balken,  so  konnte 

liierdur(*h  ziemlich  an  Holz  gespart  werden,  doch  war  diese  Anordnung  weniger 

Mulid  und  zweckmässig.     Cato  fahrt  fort: 

„!>or  Pn»ssdwkel  wird  4  Fuss  breit  mit  phönizischer  Fügung,  6  digiti  (==  11  cm) 
difk  mit  liiilzorneii  Schwalbonschwanzklanimern.  Diese  werden  eingefügt  und  mit 
NH^«*lit  von  Kornelkirschholz  befestigt  Mit  dem  Deckel  werden  drei  Querhölzer 
((*at(^im<0  Hufgt^legt  (Catenae  sind  wahrscheinlich  drei  Querhölzer,  wie  wir  sie  auf  der 
Znii'hnung  dvr  Pn»sso  von  Malans  zu  oberst  auf  dem  Pressgute  liegen  sehen).  Diese 
(^111  iliAl/or  wtTtltMi  niittvlst  eiserner  Nägel  mit  dem  Deckel  verbunden.  Den  Deckel 
nun  lu<  iiiiui  auM  Uhnon-  wler  Has<dholz.  Wenn  man  beide  Holzarten  hat,  verwende 
luan  bio  ahwtH'hm^lud  neben  einander.*' 

Wit^  sich  die  Weinkelter  von  der  seither  beschriebenen  Oelpresse  anter- 

hdiied,  erllihrt  man  aus  dem  Anfange  des  Kap.  19,  also  lautend: 

„Ht'i  WeinkolUTu  macht  man  die  Pfosten  und  Bäume  um  je  zwei  Fuss  höher, 
HO  (liirHrt  übt^r  die  Löcher  der  Bäume  hinaus  l)ei<leröt»its  ein  Fuss  Abstand  ist.  In 
Imlbfii^.si^nn   Abstiuule   nach   jeder  Seite   bringt  man    ein   eisernes   Band   an   (siehe 

Fig.  78)." 

Dann  heisst  es  weiter: 

„In  den  HHsj)el  wenlen  sechs  Locher  geniHcht  (KiclH»  den  (irundriss  Fig.  82), 
diiH  i\mU^  */j»  Fuss  vom  Zapfen,  die  übrigen  rielitig  ««ingf'lheilL  Der  Seilhalter  (Por- 
euhnu)  wini  mitten  auf  den  Haspel  gesetzt,  Dii«  MitI«»  zwin^hen  den  Bäumen  wird 
auf  die  Mitte  der  Stelle  gerichtet,  wo  der  Seilhidh'r  hi»fi«Hligt  werden  soll,  damit  der 
Presshehel  richtig  über  der  Mitte  sitze.  —  Wi^nn  niini  die  Zunge  (am  hinteren  Ende 
lies  Presshebels)  macht,  misst  man  sie  von  diT  MiM4»  de«  Pix»ssliel)els  aus  so  ab, 
tlans  sie  gut  zwischen  die  Bäume  passt.  Minen  Zoll  giel»t  ninn  Spielraum.  —  Die 
längsten  Handhebel  erhalten  18  Fuhh,  die  zweiten  10  Fumm.  die  dritten  14  Fuss, 
die  zum  Zurückdrehen  12  Fuss,  die  zweiten  U)  I^'unh,  di«»  chiHen  8  Fus.s." 


Altrömische  Olivenquetsche  (hrapetum). 


85 


Die  folgenden  Kapitel  handeln  yon  der  Olivenquetsche  (trapetum)  Fig.  69 
nnd  lauten: 

Kap.  20:  ,^Die  Olivenquetsche  ist  folgendennassen  zusammenzusetzen:  Die 
kleine  eiserne  Säule,  welche  auf  dem  Mittelpfeiler  steht,  muss  gerade  stehen,  in  der 
Mitte  und  senkrecht  Man  muss  sie  ringsum  mit  Keilen  aus  Weidenholz  befestigen 
und  dann  mit  Blei  das  Loch  ausgiessen,  damit  das  Säulchen  nicht  wackelt  Falls 
es  sich  in  der  Folge  bewegen  sollte,  muss  man,  nachdem  es  herausgenommen,  von 
Neuem  auf  die  gleiche  Weise  verfahren,  damit  es  sich  nicht  bewegt.  Die  Büchsen 
in  den  Laufersteinen  werden  von  Oel baumholz  (ex  orchite  olea)  gemacht  und  mit 
Blei  umgössen,  wobei  man  darauf  achte,  dass  sie  nicht  lose  seien.  Wenn  sie  aber 
auf  der  Quecaxe  (Cupa)  wackeln,  muss  man  feste  Hülsen  (vermuthlich  eiserne  Futter- 
ringe) von  1  Zoll  Breite  hineinschlagen.  Dann  mache  man  die  Randscheibe  (Labeam 
eigentlich  Lippe),  deren  sie  (die  Büchsen)  je  zwei  haben  müssen,  und  befestige  sie  mit 
doppelten  Biolzen,  damit  sie  nicht  abfallen.'' 

Von  solchen  Scheiben,  welche  eine  Verschiebung  der  hölzernen  Büchse 
in  dem  Läufersteine  verhinderten,  fand  Francisco  da  Veca  in  den  Läufersteinen 
von  Stabiae  noch  eine  vor,  worüber  er  mit  den  Worten  berichtet:  ;,In  dem 
engeren  Theile  des  Loches  des  einen  dieser  Läufersteine  ist  ein  eiserner  Ring 


Fig.  84. 

eingebleit^.      Cato   befestigte   die   Scheiben   mit   zwei  jedenfalls   eingebleiten 

Bolzen  auf  den  Steinen.    Er  fahrt  fort: 

Kap.  21:  „DieQueraxe  (Cupa)  muss  10  Fuss  (=2,96  m)  lang  gemacht  werden 
und  so  dick,  wie  es  die  Büchsen  verlangen;  das  Mittelstück  zwischen  den  Läufer- 
Bteinen  passe  zur  Dicke  des  eisernen  Säulchens,  es  wird  in  der  Mitte  durchbohrt, 
damit  das  Säulchen  hindurchgesteckt  werden  kann  (siehe  Fig.  84).  In  das  Mittel- 
stück wird  eine  eiserne  Röhre  gesteckt,  welche  auf  das  Säulchen  und  in  die  Quer- 
Bxe  passt." 

Diese  Röhre  war  bei  dem  Funde  in  Stabiae  jedenfalls  mit  dem  eisernen 

Säulchen  (Zapfen)  zu  einem  Stücke  zusammengerostet.    Cato  fährt  fort: 

„Der  durchbohrte  Theil  zwischen  dem  rechten  und  linken  Schenkel  der  Quer- 
axe  wird  4  ZoU  (=  10  cm)  breit  und  3  Zoll  (=  75  mm)  hoch.  Unter  der  Quer- 
axe  wird  eine  eiserne  durchbohrte  Platte  von  der  Breite  des  Mittelstückes  der  Quer- 
aze  befestigt,  welche  auf  das  Säulchen  passt  Zur  Rechten  und  Linken  der  Stelle, 
wo  man  die  Locher  macht,  werden  Schienen  umgelegt.,  und  zwar  werden  vier  solcher 
Schienen  um  den  inneren  Theil  jeder  Queraxe  gebogen  (siehe  Fig.  84).  Unter  diese 
Schienen  werden  kleine,  schwache  Unterlagsschienen  gelegt  und  alle  so  mit  einander 
verbunden,  dass  keine  grösseren  Oeffnungen  entstehen,  wo  die  Büchsen  (?  Cupulae 
minuscnlae)  durchgesteckt  werden.^' 

Wie  bereits  früher  erwähnt,  ist  die  Bedeutung  des  Ausdruckes  Cupae 
minuscnlae  oder  Cupulae  minusculae  sehr  zweifelhaft,  aber  bei  dem  Bandagiren 
des  Mittelstückes  mit  eisernen  Schienen  und  Bändern  musste  es  sich  vorzugs- 
weise darum  handeln,  die  Büchse  oder  Röhre,  welche  den  vertikalen,  fest- 
stehenden Zapfen  umschloss,  in  der  hölzernen  Queraxe  so  zu  befestigen  und 


S6  Cato  der  Aeltere. 

sie  80  mit  Eisen  zu  umscbliessen,  dass  sie  nicht  lose  werden  konnte.  Durch 
diese  Erwägung  wurden  wir  veranlasst,  Cupulae  minusculae  durch  „Büchsen" 
zu  übersetzen ,  und  wenn  in  Kap.  12  neben  fünf  Olivenquetschen  zehn  Cupae 
minusculae  im  Inventar  des  Presshauses  mit  fünf  Geschirren  aufgeführt  werden, 
so  scheint  eine  grössere  Zahl  solcher  eiserner  Büchsen  als  Reservestücke  auch 
sehr  am  Platze,  da  diese  bei  der  Arbeit  ohne  Zweifel  viel  leiden  mussten. 
Cato  fährt  fort: 

„Die  (hölzerne)  Qucraxe  belegt  man  da,  wo  sie  in  den  Büchsen  (der  Läufer- 
steine)  steckt,  beide  Seiten  entlang  mit  vier  eisernen  Rinnen  (je  zwei  solche  halb- 
cylindrische  Rinnen  umschlossen  einen  Äxschenkel,  siehe  Fig.  84)  und  wenn  dies 
auf  beiden  Seiten  (d.  h.  an  beiden  Axschenkeln)  geschehen  ist,  befestigt  man  die 
Rinnen  mit  kleinen  Nägeln.  Jenseits  der  Rinnen  nach  aussen  hin  durchbohrt  man 
die  Queraxe,  wo  der  Nagel  (Vorsteckstift)  hindurchgeht,  welcher  den  Lauferstein 
zurückhält  Ueber  das  Loch  wird  ein  6  digiti  (=  11  cm)  breiter  Ring  (Librarium) 
gezogen,  beiderseits  mit  Durchbohrungen,  durch  welche  der  Nagel  geht  ÄUes  dies 
dient  dazu,  dass  die  Queraxe  in  den  Steinen  nicht  abgerieben  wird.  Vier  Unter- 
legringe (Armillae)  werden  zu  beiden  Seiten  des  Läufersteines  aufgesteckt,  damit  die 
Queraxe  und  der  Nagel  nach  beiden  Seiten  hin  nicht  abgerieben  werden.  Die  Quer- 
axe wrd  von  Ulmen-  oder  Buchenholz  gemacht  Für  das  nöthige  Eisenwerk,  fertig 
zum  Anschlagen  durch  ilen  Schmied,  sind  60  Sestertien  f=  12  M.)  erforderlich,  für 
das  Blei  und  die  (hölzerne)  Queraxe  deren  4  (=  80  Pf.),  für  die  Arbeiten  des 
Schmiedes,  soweit  sie  das  Zusammensetzen  der  Queraxe  und  das  Einsetzen  und  Ver- 
bleien der  Büchsen  betrifft,  8  Sestertien  (=  1  M.  60  Pf.).  Auch  muss  er  die 
Olivenquetsche  mondren.     Alles  zusammen  72  Sestertien  (=  14  M.  40  Pf.). 

Kap.  22:  „Die  Olivenquetsche  muss  folgendermassen  aufgestellt  werden:  Der 
Nivellirer  muss  dafür  sorgen,  dass  sie  gleichmässig  gestellt  werde.  Der  Läuferstein 
muss  von  der  Aussenwand  um  die  Dicke  eines  kleinen  Fingers  abstehen,  den  Boden 
des  Mörsers  muss  er  meiden,  damit  er  den  Mörser  nicht  abreibt.  Zwischen  Läufer- 
stein und  Mittelpfeiler  soU  ein  Finger  breit  Spielraum  sein.  (Die  Zwischenräume 
hatten  den  Zweck,  dass  die  Kerne  der  Oliven  nicht  zerbrochen  wurden,  denn  diese 
verdarben  den  Geschmack  des  Speiseöls).  Wenn  mehr  Zwischenraum  da  ist  und 
die  Läufersteine  zu  weit  abstehen,  wickele  man  ein  Seil  in  vielen  Windungen  um 
den  Mittelpfeiler,  damit  ausgefüllt  werde,  was  an  Zwischenraum  zu  viel  da  ist  Wenn 
die  Läufersteine  höber  sind  und  durch  das  Zuviel  den  Boden  unten  reiben,  schiebe 
man  durchbohrte  Holzscheiben  über  das  Säulchen  (den  vertikiüen  Zapfen),  lege  sie 
auf  dem  Mittelpfeiler  unter  und  regulire  dadurch  die  Höhe.  Auf  dieselbe  Weise 
wird  die  Breite  (über  die  Läufersteine  gemessen)  durch  Holzscheiben  oder  eiserne 
Ringe  r^uliit,  bis  sie  richtig  ist  Für  eine  Olivenquetsche  bezahlt  man  in  Suessa 
400  Sestertien  (=  80  M.)  und  an  Oel  für  die  Arbeit  (p.  1.  =  pro  lal>ore)  der  Auf- 
stellung 40  Sestertien  (=  8  M.;  für  diesen  Betrag  wunle  also  Oel  an  Zahlungsstatt 
gegeben),  für  das  Ochsenfuluwerk  und  die  [Mühewaltung  von  sechs  Mann  mit  den 
Ochsen  62  Sestertien  (=  12  ^L  40  Pf.),  für  die  Quenixe  mit  Beschlag  72  Sestertien 
»=  14  M.  40  Pt)  und  an  Oel  25  Sestertien  (=  5  M.).  Alles  zusanmion  629  Sester- 
tien (=  125  M.  80  Pf.).** 

Hier  muss  ein  Schreibfehler  mit  unterlaufen  sein,  da  die  Summe  eigent- 
lich 619  Sestertien  ist.    Es  heisst  weiter: 

„In  Pompeji  kauft  man  sie  mit  Zubehör  zu  384  Sestertien.  Dor  Fuhrlohn 
K'trägt  280  Sestertien.  Zu  Hause  wird  sie  besser  rusammengepasst  und  ai;:^:esielli. 
Dafür  sind  60  Sestertien  nölhig.     Summa  724  Sestertien  {=  144  M.  80  Pf.«. 

Wenn   man  Läufer^teme   in   alte  Olivenquetschen   anschaffen  will,    niir.ir.i  nu^n 
die  Dicke  1  Fuss  3  digiti    Die  Höhe  1  Fuss  (dies  ist  ein  Sohivibfohlor:  i!or  Duivh- 


Altröroische  Olivenquetsche  (trapetum).  87 

messer  wird  spater  zu  3  Fuss  bis  3  Fuss  5  digiti  angegeben),  das  Loch  V2  Fuss 
weit  nach  jeder  Richtung.  Wenn  man  sie  herbeigefcihren  hat,  werden  sie  je  nach 
der  Olivenquetsche  auf  das  richtige  Maass  gebracht  Sie  werden  zu  Rufri  roh  für 
180  Sestertien  (36  M.)  verkauft  und  werden  für  30  Sestertien  (=  6  M.)  auf  das 
richtige  Maass  bearbeitet     Ebenso  werden  sie  zu  Pompeji  verkauft" 

In  Kap.   135  heisst   es   hierüber   noch:    „Die    Olivenquetschen   erhalten 

4  Fuss  (=  1,18  m)  grösste  Breite,  die  Läufersteine  3  Fuss  (=^  90  cm)  Höhe, 

die  Mitte,  so  wie  man  sie  aus  dem  Steinbruche  bezieht,  IV*  Fuss  (=  37  cm) 

Dicke.    Die  Weite  zwischen  dem  Mittelpfeiler  und  der  Wandung  beträgt  1  Fuss 

2  digiti  (=  33  cm).     Die  Wandung  (oben  am  Rande)  5  digiti  (=  9  cm). 

Die  zweite  Olivenquetsche  wird  4^*  Fuss  breit.  Zwischen  dem  Mittel- 
pfeiler und  der  Wandung  erhält  sie  1  Fuss  1  digitus.  Die  Wandung  5  digiti. 
Die  Läufersteine  erhalten  eine  Höhe  von  3  Fuss  5  digiti  und  eine  Dicke  von 
1  Fuss  3  digiti.  Das  Loch  des  Läufers  macht  man  ^J2  Fuss  weit  nach  jeder 
Richtimg. 

Die  dritte  Olivenquetsche  wird  4  Fuss  breit.  Zwischen  Mittelpfeiler  und 
Wandung  1  Fuss.     Die  Dicke  der  Wandung  oben  5  digiti.     Der  Läufer  wird 

3  Fuss  3  digiti  hoch  und  1  Fuss  2  digiti  dick. 

Die  Olivenquetsche  wird,  wenn  sie  herbeigefahren  ist,  da,  wo  sie  stehen 
soll,  hergerichtet  und  zusammengesetzt".  — 

Gato  giebt  nicht  an,  dass  das  Loch  in  den  Läufersteinen  nach  der  flachen 
Innenseite  des  Läufers  hin  eine  geringere  Weite  haben  solle,  wie  es  bei  den 
Läufersteinen  in  Stabiae  gefunden  wurde,  und  es  mag  dies  eine  spätere  Ver- 
besserung gewesen  sein,  um  die  hölzerne  Büchse  fester  in  den  Stein  eintreiben 
zu  können. 

Wir  schliessen  hiermit  unsere  Betrachtung.  Viele  unserer  Leser  dürften 
wohl  dem  dritten  Jahrhunderte^  vor  Christi  Geburt  den  Gebrauch  so  grosser 
Maschineneinrichtungen,  wie  sie  die  römischen  Presshäuser  enthielten,  nicht 
zugetraut  haben. 


Leonardo  da  Vinoi  (1452—1519  n.  Chr.). 

(Erste  Abhandlang.) 


Im  Jahre  375  n.  Chr.,  als  Flav.  Vegetius  schrieb,  erschienen  die  Hunnen 
in  Europa.  Das  Jahrhundert  der  Völkerwanderung  und  die  Zerstörung  der 
römischen  Herrschaft  über  den  Westen  Europas  begann.  Diese  wurde  476  durch 
Odoaker  vollendet.  Es  folgte  die  ebenso  blutige  Zeit  der  germanischen  Staaten- 
bildung imd  der  Ausbreitung  des  Christenthums  mit  dem  Schwerte.  Die  Völker, 
welche  Bom  besiegt  hatten,  suchten  dessen  Weltherrschaft  nachzuahmen,  die 
römische  Hierarchie  auszubilden,  römisches  Wissen  und  römische  Bildung  zu 
erlangen.  Da  aber  die  Bömer  für  die  exakten  Wissenschaften  nur  wenig  Be- 
gabung gehabt  hatten,  so  konnte  auf  diesem  Gebiete  nichts  geleistet  werden, 
80  lange  man  ihnen  nur  nachstrebte;  es  bedurfte  dazu  der  Anregung  von 
anderwärts. 

Diese  Anregung  gaben  zunächst  die  Araber  durch  die  Ausbildung  der  aus 
Indien  stammenden  Algebra  und  Trigonometrie  und  ihr  besseres  Verständniss 
griechischer  Klassiker.  Fast  aus  ganz  Europa  zogen  im  zehnten  Jahrhundert 
Wissbegierige  nach  Spanien,  um  von  den  Arabern  zu  lernen.  Auch  das  Be- 
kanntwerden des  Abendlandes  mit  dem  Osten  durch  die  Kreuzzüge  wirkte  in 
diesem  Sinne  anregend.  Denn  während  bei  uns  die  Theologie  die  angesehenste 
Wissenschaft  war,  beschäftigten  sich  arabische  Gelehrte  vorzugsweise  mit  Mathe- 
matik, Sternkunde  imd  Arzneiwissenschaft.  Dem  alles  beherrschenden  Klerus 
im  Abendlande  aber  waren  diese  Wissenschaften,  aus  welchen  ohnedies  dem 
kirchlichen  Despotismus  Gefahr  drohte,  als  „heidnische^'  besonders  verhasst. 
Anatomie  war  ihm  ein  Gräuel,  Physiker  imd  Chemiker  waren  in  seinen  und 
der  grossen  Menge  Augen  Zauberer,  Hexenmeister  und  arge  Ketzer,  und 
ketzerische  Schriften  verbrannte  man  nicht  selten  sammt  den  Autoren. 

Die  Gefahren,  welchen  selbständig  denkende  Menschen  im  Mittelalter 
ausgesetzt  waren,  sobald  sie  ihren  Gedanken  öffentlich  Ausdruck  gaben,  lassen 
vermuthen,  dass  damals  Viele  mehr  dachten  und  wussten,  als  sie  veröffent- 
lichten. Bezüglich  technischer  Hilfsmittel  ist  dies  um  so  wahrscheinlicher,  als 
ja  auch  in  unserer  Zeit  Erfindungen  und  Entdeckungen  auf  technischem  Gebiete 


Einleitung.  89 

oft  lieber  geheim  gehalten  und  verwerthet,  als  pnblicirt  nnd  theoretisch  be- 
handelt werden.  Es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  mit  der  Herrschaft  der  Römer 
gleichzeitig  alle  ihre  Kenntnisse  und  Fertigkeiten  in  solchen  Dingen  unter- 
gingen, sondern  dass  diese  von  den  Siegern  gern  benutzt  imd  von  Geschlecht 
zu  Geschlecht  überliefert  wurden.  Auch  dass  darin  im  Verlaufe  eines  Jahr- 
tausends keinerlei  Fortschritte  gemacht  worden  seien,  ist  nicht  wahrscheinlich. 

Bezüglich  der  theoretischen  Mechanik  hat  man  bis  vor  Kurzem  ange- 
nommen, dass  die  Zeit  von  ÄRcmMEDEs  bis  Galilei  eine  geschichtliche  Wüste 
sei,  aus  der  kein  Schritt  zur  Vervollkommnung  zu  verzeichnen  wäre,  und  dass 
Galu^ei  eine  völlig  neue  Wissenschaft  ohne  Vermittlung  ins  Leben  gerufen  habe. 
Seitdem  man  aber  den  Nachlass  des  Leonardo  da  Vinci,  den  man  bis  dahin 
nur  als  grossen  Maler  imd  Bildhauer  gekannt  hatte,  genauer  studirte,  erkannte 
man  in  ihm  einen  würdigen  Vorgänger  Galilei's,  der  als  praktischer  Ingenieur, 
Naturforscher  und  theoretischer  Mechaniker  ebenso  gross  war,  wie  als  Künstler'*'). 

Ist  aber  damit  der  Beweis  der  Stetigkeit  geschichtlicher  Entwicklung 
bezüglich  Gaule^s  erbracht,  so  darf  man  sich  auch  durch  die  Freude  über 
Leonardo^s  Genie  und  den  Stolz,  ihn  einen  der  Unserigen  nennen  zu  dürfen, 
nicht  verleiten  lassen,  dasselbe  Gesetz  bezüglich  seiner  zu  ignoriren. 

Die  meisten  Schriften  des  Leonardo,  namentlich  diejenigen,  welche  er  in 
den  auf  uns  gekommenen  Notizen  erwähnt,  vne  das  „Buch  von  der  Bewegung'^, 
eine  „Abhandlung  über  den  Stoss'^,  die  „Maschinenelemente",  das  „Buch  von 
der  Schwere"  und  das  „Buch  vom  Kraftmoment  (libro  del  impeto)",  sind  ver- 
loren. Was  von  seinen  Schriften  für  uns  übrig  geblieben  ist,  sind  nur  Hand- 
skizzen und  handschriftliche  Notizen,  imd  man  muss  im  Auge  behalten,  dass 
solche  ebenso  oft  gemacht  zu  werden  pflegen,  um  Gesehenes  und  Gehörtes  fest- 
zuhalten, oder  Anderen  zu  verdeutlichen,  als  wie  um  eigene  Gedanken  zu 
Papier  zu  bringen.  Die  Lehrthätigkeit,  der  sich  Leonardo,  wie  wir  später  sehen 
werden,  in  ausgedehntem  Maasse  widmete,  sowie  seine  Thätigkeit  als  praktischer 
Ingenieur  mussten  ihm  häufig  Gelegenheit  zu  Skizzen  der  ersteren  Art  geben. 

Leonardo  war  1452  zu  Vinci,  einem  Marktflecken  im  Gebiete  von  Florenz, 
geboren.  Sein  Vater  war  Notar  der  Signoria  dieser  Stadt,  während  für  sie 
unter  der  von  Cosimo  dei  Medici  geleiteten  Regierung  das  „Mediceische  Zeit- 
alter^' begann,  insofern  man  mit  diesem  Namen  die  Zeit  der  höchsten  Blüthe 
von  Kunst,  Wissenschaft,  Handel  und  Industrie  bezeichnet. 

Was  letztere  betrifft,  so  waren  besonders  die  Tuchfabrikation,  Färberei 
und  Appretur  von  Alters  her  in  Florenz  gepflegt  und  zu  jener  Zeit  weltberühmt 
geworden.    Auch  die  Seidenmanufaktur  blühte  damals  in  ganz  Italien. 


^)  Für  ans  ist  iD  dieser  Hinsicht  namentlich  Dr.  Hermann  Grothe's  Schrift:  .Leonardo 
DA  Vinci  als  Ingenieur  und  Philosoph',  Berlin  1874,  von  Wichtigkeit,  der  wir  das  Meiste  des 
Nachstehenden  entnehmen.  Von  dem  LEONARoo'schen  Ovalwerk  wurde  an  diesem  Orte  um 
deswillen  abgesehen,  weil  dasselbe  in  Reuleaux's  Kinematik  §  72  erschöpfend  dargestellt  und 
nftch  seiner  technischen  Bedeutung  gebührend  gewürdigt  worden  ist. 


90  Leonardo  da  Vinci. 

Ein  Jahr  iiach  Leonardo's  Geburt  fiel  Könstantinopel  in  die  Hände  der 
Türken.  Tausende  gebildeter  Griechen  flohen  nach  dem  Westen  und  verbreiteten 
die  Kenntniss  ihrer  Muttersprache  und  ihrer  Klassiker.  Die  gelehrtesten  dieser 
griechischen  Flüchtlinge  fanden  bei  Cosimo  dei  Medici  würdige  Aufnahme,  um 
zur  Verherrlichung  seines  Hofes  und  als  Lehrer  in  Florenz  zu  wirken.  Die 
kurz  zuvor  (1440 — 1450)  erfundene  Buchdruckerkunst  machte  die  durch  die 
griechischen  Lehrer  übermittelten  besseren  Kenntnisse  weiteren  Kreisen  zugäng- 
lich, ein  kräftiger,  wissenschaftlicher  Sinn  erwachte,  und  der  blinde  Autoritäts- 
glaube der  Scholastiker  musste  allgemach  der  exakten  Forschung  weichen. 
Florenz  war  der  Mittelpunkt  der  griechischen  Klassicität,  und  Leoxardo's  wunder- 
bare Begabung  und  grosse  Liebe  für  alles  Schöne  und  Wahre  gestatten  keinen 
Zweifel,  dass  er  in  dieser  Umgebung  ein  gründlicher  Kenner  der  altgriechischen 
und  römischen  Schriftsteller  wurde.  Auch  darf  vielleicht  angenommen  werden, 
dass  jenen  griechischen  Gelehrten  noch  einiges  mehr  von  ihren  Klassikern 
bekannt  war,  als  uns,  was  sie  ihren  Schülern  mittheilten. 

Bekannt  ist,  dass  Leonardo  als  Knabe  nicht  nur  von  Verochio  in  allen 
freien  Künsten,  als:  Malerei,  Bildhauerei,  Metallguss,  anderen  Metallarbeiten 
und  Weberei,  unterrichtet  wurde  und  alsbald  seinen  Meister  übertraf,  sondern 
dass  er  auch  mathematische  Studien  und  Musik  eifrig  pflegte.  Dabei  war  er 
bemüht,  die  Kunst  auf  sichere  Regeln  zu  gründen,  und  bald  umgab  ihn  eine 
grosse  Zahl  von  Schülern,  so  dass  er  als  Lehrer  mehr  noch  wirkte,  denn  als 
Künstler. 

Im  Violinspiel  erlangte  er  eine  solche  Virtuosität,  das  Ludovico  Sforza 
ihn  in  seinem  30.  Jahre  zunächst  als  Violinist  an  seinen  Hof  nach  Mailand 
berief.  Er  gründete  dort  eine  Akademie  der  Wissenschaften  und  war  thätig 
als  Ingenieur,  Architekt,  Maler  und  Bildhauer.  In  letzterer  Eigenschaft  sghuf 
er  das  berühmte  Modell  zu  einer  Reiterstatue  des  Francesco  Sforza,  wovon 
eine  Zeichnung  sich  noch  in  München  befindet.  1490  begann  er  seine  Abhand- 
lung über  Licht  und  Schatten  zu  schreiben,  1497  beschäftigte  ihn  die  Schiff- 
barmachung  des  Kanals  von  Martesana,  ein  bedeutendes  Werk,  das  zum  Reich- 
thume  der  Stadt  viel  beitrug.  Ebenso  segensreich  wirkte  er  für  die  Land- 
wirthschaft  durch  die  Kanalisation  des  Ticino.  Dabei  schuf  er  sein  berühm- 
testes Gemälde:  Das  heilige  Abendmahl  im  Refektorium  des  Dominikanerklosters 
St.  Maria  delle  grazie,  eine  Reihe  anderer  Gemälde  und  Porträts,  sowie  Zeich- 
nungen der  verschiedensten  Art,  nicht  nur  künstlerische,  sondern  auch  solche 
von  Oefen,  Geräthen  für  die  Schifffahrt  und  hydraulischen  Maschinen.  Auch 
beschäftigte  er  sich  eingehend  mit  anatomischen  Studien.  1499  in  seinem 
47.  Lebensjahre,  als  Ludovico  Sforza  durch  Louis  XH.  von  Frankreich  ver- 
trieben worden  war,  verliess  er  Mailand  und  wandte  sich  zunächst  wieder  nach 
Florenz,  wo  er  die  schönen  Porträts:  Ginevra  de  Benei  und  Mona  Lisa  del 
Giocundo  malte,  welch'  letzteres  Franz  L  von  Frankreich  für  die  damals  enorme 
Summe  von  45000  Frcs.  ankaufte. 


Lebensbeschreibung.  91 

Die  Unsicherheit  der  politischen  Zustände  mochte  jedoch  Leonardo  den 
längeren  Aufenthalt  in  seiner  Vaterstadt  verleiden.  Lobenzo,  genannt  „der 
Prächtige",  der  Enkel  des  vorhin  genannten  Cosimo  dei  Medici  war  1492  ge- 
storben, nachdem  er  durch  zu  grossen  Aufwand  dem  Bankerotte  nahe  ge- 
kommen war,  der  Staat  aber  in  Anerkennung  der  Verdienste  seines  Hauses 
um  das  Gemeinwesen  seine  Schulden  übernommen  hatte.  Sein  Sohn  Pietro 
war  1494  von  dem  Mönche  Savonarola  vertrieben  worden,  der  jedoch  mit 
seiner  republikanischen  Partei  nur  kurze  Zeit  am  Ruder  geblieben  und  1498 
als  Ketzer  verbrannt  worden  war.  Jetzt  stand  Pietro  Solderini  an  der  Spitze 
der  Regierung,  hatte  aber  in  einem  Kriege  gegen  Pisa  seine  Kräfte  so  er- 
schöpft, dass  er  den  Eroberungsplänen  des  Cesare  Borgia,  welcher  Louis  XII. 
auf  seinem  Zuge  nach  Mailand  begleitet  und  sich  der  Romagna  bemächtigt 
hatte,  nun  aber  als  Verbündeter  des  Pietro  dei  Medici  Florenz  bedrohte,  keinen 
Widerstand  entgegenzusetzen  hatte.  1502  trat  Leonardo  da  Vikci  als  Ingenieur 
in  die  Dienste  dieses  Cesare  Borgia,  als  welcher  er  die  Festungswerke  des 
Herzogs  zu  verstärken,  neue  zu  errichten  und  Kriegsmaschinen  zu  bauen  hatte. 
Der  Herzog  aber  gab  nach  dem  zwei  Jahre  später  erfolgten  Tode  des  Pietro 
DEI  MEDia  seine  Pläne  gegen  Florenz  auf. 

1507  kehrte  Leonardo  auf  Bitten  seiner  Freunde  und  infolge  der  Auf- 
forderung des  Königs  Loüis  XII.  nach  Mailand  zurück,  wo  ihn  der  Martesana- 
Kanal  und  das  Bassin  St.  Cristoforo  aufs  neue  beschäftigten,  insbesondere  aber 
der  Ersatz  des  Wassers,  welches  zu  Berieselungen  den  Flüssen  entnommen 
wurde,  durch  Quellenbohrungen,  wie  sie  noch  heute  in  der  Ebene  von  Lodi- 
Giano  zu  finden  sind.  Auch  leitete  er  .die  Ausschmückung  der  Stadt  zum 
Triumphzuge  des  Königs  und  wurde  Hofmaler  desselben. 

Im  Jahre  1512,  als  Maximilian  Sforza,  Ludovigo's  Sohn,  mit  Hilfe  der 
Schweizer  Mailand  wieder  eroberte,  war  Leonardo  in  Florenz  und  ging  1514 
in  seinem  62.  Lebensjahre  zur  Inthronisation  des  Papstes  Leo  X.  nach  Rom, 
wo  damals  der  31jährige  Rafael  und  der  39  jährige  Michel  Angelo  auf  der 
Höhe  ihres  Ruhmes  standen.  Dieser  Umstand,  Misshelligkeiten  mit  Michel 
Angelo  und  die  Ungunst  des  Papstes  gegen  Leonardo,  der  für  einen  Franzosen- 
freund galt,  Hessen  ihn  hier  nicht  zu  befriedigender  Wirksamkeit  kommen. 
Missvergnügt  Hess  er  Pinsel  und  Palette  ruhen  und  vergrub  sich  in  das  Stu- 
dium des  Fluges  der  Vögel  und  des  Problemes  der  Luftschifffahrt.  Im  folgenden 
Jahre  aber  kehrte  er  zum  Einzüge  des  Königs  Franz  I.  von  Frankreich  nach 
Mailand  zurück  und  die  grosse  Verehrung  und  aufrichtige  Freundschaft,  welche 
dieser  ritterliche  König  ihm  entgegen  brachte,  bewogen  ihn,  in  seinem  65.  Lebens- 
jahre mit  ihm  nach  Frankreich  zu  ziehen. 

Dort  lebte  er  noch  zwei  Jahre  ruhig  und  hochgeehrt  in  Amboise,  mit  dem 
Projekte  des  Kanals  von  Romorantin  beschäftigt,  von  dem  uns  die  Zeichnungen 
noch  erhalten  sind,  und  starb  1519. 

Ist  es  auch  nur  eine  Sage,   dass  Leonardo  in  den   Armen  Franz  I.  ge- 


92  Leonardo  da  Vinci. 

storben  sei,  so  ist  sie  doch  bezeichnend  für  das  schöne  Verhältniss  zwischen 
diesem  weltlichen  und  jenem  geistigen  Fürsten. 

Leonardo  hinterliess  ein  Testament,  demzufolge  Francesco  da  Melzo  als 
Belohnung  für  seine  Freundschaft  sammtliche  nachgelassene  Schriften  und 
Handzeichnungen  erhielt.  Dieser  verwahrte  sie  ängstlich  bis  zu  seinem  Tode; 
seine  Nachkommen  aber  hatten  keine  Ahnung  von  deren  Werth.  Sie  ver- 
schenkten 13  Bände  davon  an  Mazenta,  einen  Ingenieur  und  Festungsbaumeister ; 
einen  anderen  Theil  erhielt  Aretin,  Sohn  des  Kardinals  Leoni  und  Bronzegiesser 
am  Hofe  Philipps  H.  von  Spanien.  Durch  dessen  Begehrlichkeit  auf  den  Werth 
der  Manuskripte  aufmerksam  geworden,  bat  Dr.  Horatio  Melzi  den  Bruder 
des  Mazenta  um  Rückgabe  der  13  geschenkten  Bände  und  erhielt  sieben  davon 
zurück.  Von  den  übrigen  kam  einer  später  in  die  Ambrosianische  Bibliothek 
nach  Mailand,  einer  an  Herkules  BiANcm,  einer  an  den  Herzog  von  Savoyen 
und  drei  an  Aretin.  Dieser  formte  aus  einer  Reihe  von  Bänden  ein  grosses 
Volum  von  392  Blättern,  welches  später,  sowie  ein  weiterer  vollständiger  Band 
und  einige  einzelne  Manuskripte  ebenfalls  in  die  Ambrosianische  Bibliothek 
kam.  Eine  Anzahl  LEONARDo'scher  Manuskripte  kam  1610  durch  Graf  Arundel 
nach  London  in  das  British  Museum,  ebenso  einige  anatomische  Studien,  wahr- 
scheinlich aus  dem  Codex  des  BiANcm  stammend.  Eine  Reihe  solcher  Schriften, 
die  im  Besitze  des  Melzi  geblieben  war,  kam  an  das  Florentiner  Museum. 
Auch  befinden  sich  einige  Blätter  in  Venedig. 

Die  Sammlung  der  Ambrosianischen  Bibliothek  wurde  1796  von  den 
Franzosen  als  Kriegsbeute  nach  Paris  gebracht  mit  Ausnahme  des  grossen, 
von  Aretin  zusammengestellten  Codex  atlanticus. 

Aus  diesem  Nachweise  über  den  Verbleib  der  Manuskripte  des  Leonardo 
geht  schon  hervor,  warum  deren  Inhalt  so  lange  unbekannt  blieb.  Zwar  wurden 
einige  Bände  mehrfach  kopirt,  und  auch  die  Ambrosianische  Bibliothek  ent- 
hält einen  solchen  kopirten  Band,  zwar  erwähnte  Vasari  1568  die  nachge- 
lassenen Schriften  des  Leonardo  über  Mechanik,  Physik  und  Maschinen,  und 
seine  Abhandlung  über  Malerei  wurde  1651  zu  Paris  gedruckt,  aber  im 
Uebrigen  geht  aus  dem  Stillschweigen  der  naturwissenschaftlichen  Schriftsteller 
des  16.  und  17.  Jahrhunderts  hervor,  dass  sie  jene  Schriften  nicht  kannten. 
Erst  Ventüri  verbreitete  durch  sein  ;,Essai  sur  les  ouvrages  physicoraathe- 
matiques^  Paris  1797,  die  Kunde  davon.  Er  hatte  die  Schriften  in  Paris  ge- 
sehen und  trotz  der  Schwierigkeit,  welche  aus  der  Eigenheit  des  Leonardo,  von 
rechts  nach  links  zu  schreiben,  erwächst,  dieselben  studirt  und  gefunden,  dass 
deren  Verfasser  ein  würdiger  Vorgänger  Galilei's  sei.  1828  wurde  Leonardo's 
Schrift  über  Wasserbewegung  und  Wassermessung  zu  Bologna  gedruckt  und 
Elia  Lombardini  sagt  später  in  seinen  „Oservazioni  storico-critiche"  von  ihm, 
dass  er  der  Urheber  einer  systematischen  Hydraulik  gewesen  sei.  Libri  nahm 
1840  in  seiner  „Geschichte  der  mathematischen  Wissenschaften"  bereits  ein- 
gehender Rücksicht  auf  ihn,  aber  erst  1872  veröffentlichte  Dr.  Hermann  Grothe 


Verbleib  seiner  Handschriften  und  Skizzen.  93 

eine  Reihe  von  Abhandlungen  über  Leonardo  mit  Kopien  von  technischen  und 
physikalischen  Handzeichnungen  desselben  und  danach  seine  Schrift  „Leonardo 
da  Vinci  als  Ingenieur  und  Philosoph",  Berlin  1874,  welche  den  Zweck  ver- 
folgt, die  hohe  Bedeutung  Leonardo's  als  Ingenieur  und  Naturforscher  zu  be- 
weisen. Diese  fand  dann  auch  in  der  „Kritischen  Geschichte  der  allgemeinen 
Prinzipien  der  Mechanik"  von  Dr.  E.  Dühring,  Leipzig  1877,  volle  Anerkennung. 

Leonardo  war  frei  von  der  Büchergelehrsamkeit  der  Scholastiker ;  eigene 
Beobachtung  und  Mathematik  waren  die  Grundlagen  seines  Forschens.  Er  war 
einer  der  ersten  in  Italien,  die  bei  mathematischen  Betrachtungen  das  Plus- 
und  Minuszeichen  gebrauchten.  Auf  vielen  künstlerischen  Entwürfen  und 
anderen  Blättern  seiner  Manuskripte,  welche  eine  mathematische  Betrachtung 
nicht  vermuthen  lassen,  finden  sich  geometrische  Figuren  in  den  Ecken,  an 
den  Rändern  oder  mitten  darauf. 

Wir  können  hier  auf  die  ausserordentlich  mannigfaltigen  mathematischen 
und  physikalischen  Untersuchungen  Leonardo^s,  welche  Dr.  Grotue  mittheilt, 
nicht  näher  eingehen  und  müssen  uns  auf  wenige  Bemerkungen  darüber  be- 
schränken. 

Es  bedarf  keines  besonderen  Hinweises  darauf,  dass  Leonardo  das  Hebel- 
gesetz kannte,  denn  des  Aristoteles  „Mechanische  Probleme"  waren  ihm  ge- 
wiss bekannt,  und  darin  heisst  es  in  Kap.  4:  „Die  bewegte  Last  steht  zu  der 
bewegenden  im  umgekehrten  Verhältniss  der  Entfernungen^  (vom  Drehpunkt). 
Und  von  der  Schnellwaage  mit  verschiebbarer  Stütze  heisst  es  darin  Kap.  21 : 
^Jederzeit  wird  die  grössere  Nähe  der  Stütze  bei  der  Schale  ein  grösseres 
Gewicht  der  darin  abzuwägenden  Last  angeben  ^  weil  die  ganze  Waage  ein 
nach  entgegengesetztem  Verhältniss  der  Gewichte  getheilter  Hebel  ist,  dessen 
Unterlage  der  Auf  hängehaken  der  Waage  ist,  während  die  Last  in  der  Waag- 
schale liegt.^  Das  Faktum,  dass  Aristoteles  das  Hebelgesetz  kannte  und  klar 
aussprach,  wird  dadurch  nicht  alterirt,  dass  sein  Versuch,  es  auf  einfachere 
Grundsatze  zurückzuführen,  misslungen  ist.  Ebenso  findet  sich  auch  die  Zurück- 
fuhrung der  Rollen,  Walzen,  Kurbeln,  Zangen  u.  s.  w.  auf  das  Hebelgesetz, 
sowie  der  Satz  vom  Parallelogramm  der  Bewegungen,  beziehungsweise  dem 
Parallelogramm  der  Kräfte  schon  bei  Aristoteles.  Dagegen  scheint  der  Be- 
griff vom  „potentiellen  Hebel"  bei  Leonardo  neu  und  eigenthümlich  zu  sein. 
Er  sagt:  Es  sei  AT  ein  Hebel  (Fig.  85),  sein  Drehpunkt  sei  in  -4,  das  Ge- 
wicht 0  in  T  aufgehängt,  und  die  Kraft  N,  welche  dem  Gewichte  0  die  Waage 
hält.  Man  ziehe  Ä  B  senkrecht  nach  B  0  und  Ä  C  senkrecht  auf  C  N.  Ich 
nenne  AT  den  reellen  Hebel  AB^  AC  potentielle  Hebel  und  man 
hat  die  Proportion  N:  0  =  AB:  AC.^^  (D.  h.  die  Kräfte  müssen  sich  um- 
gekehrt verhalten  wie  ihre  potentiellen  Hebel.) 

„Sei  nun  M  das  Gewicht,  gehalten  durch  das  Seil  in  A  Jlf,  dessen  Ende 
in -4.  (Fig.  86)  befestigt  ist;  sei  femer  das  Gewicht  und  das  Seil  in  J.  Jlf  ausser- 
halb der  senkrechten  Stellung  A  B  mittelst  der  Ivraft  F  zurückgehalten,  deren 


94 


Leonardo  da  Vinci. 


Richtung  MF  mit  AM  einen  rechten  Winkel  bildet,  so  wird  die  Kraft  F 
sich  zum  Gewichte  Jtf"  verhalten,  wie  AC  zu  AM'''  (weil  nämlich  F  als  an 
dem  potentiellen  Hebel  A  M  und  M  als  an  dem  potentiellen  Hebel  A  C  wirkend 
zu  betrachten  ist). 

Dr.  E.  DüHRiNG  sagt  in  seiner  „Kritischen  Geschichte  der  allgemeinen 
Principien  der  Mechanik"  S.  16  von  J.  B.  Benedetti,  einem  Nachfolger  des 
Leonardo  (gest.  1570):  „Bei  Gelegenheit  des  nicht  geraden  Hebels  bekundet 
er  (Benedetti)  eine  Kenntniss  von  dem  Begriffe  des  Momentes  im  heute  üblichen 
Sinne  des  Wortes,  indem  er  S.  143  sagt:  „»dass  die  Grösse  eines  behebigen 
Gewichtes  oder  die  bewegende  Kraft  (virtus  movens)  in  Beziehung  auf  eine 
andere  Grösse  durch  den  Nutzen  (beneficio)  der  Senkrechten  erkannt  werde,  die 
vom  Mittelpunkte  der  Waage  auf  die  Linie  der  Neigung  gezogen  würden.^  "  — 
„Dies  ist  die  Grundlage  der  gegenwärtigen  Theorie  der  Momente*^,  sagt 
DDhring;  es  ist  aber  dabei  übersehen,  dass  Leonardo  da  ViNa  in  den  oben 
citirten  Sätzen  dieses  Princip  bereits  deutlicher  ausspricht  als  Bexedetti. 


Fig.  85. 


Fig.  80. 


Fig.  87. 


Von  Guido  Ubaldi  (geb.  1545)  sagt  Dr.  E.  Dührixg  auf  derselben  Seite 
genannten  Werkes:  „In  seinem  Buche  über  Mechanik  gebraucht  er  die  Ver- 
hältnisse der  virtuellen  Geschwindigkeiten  am  Hebel  als  Erklärungsprincip  u.  s.  w.^ 
Dass  aber  Leonardo  bei  statischen  Berechnungen  schon  eine  Methode  anwandte, 
welche  dem  Principe  der  virtuellen  Geschwindigkeiten  nahe  kam,  ersieht  man 
aus  folgendem  Beispiele.     Er  sagt: 

„Ist  die  Schnur  FM  (Fig.  87)  durch  zwei  gleiche  Kräfte  an  F  und  31 
gespannt,  und  befestigt  man  in  der  Mitte  der  Schnur  in  X  ein  kleines  Ge- 
wicht C,  so  wird  dieses  den  Punkt  N  bis  A  herabziehen,  während  die  Gewichte 
FM  hinaufsteigen.  Mit  dem  Iladius  MN  beschreibe  man  einen  Kreis.  Der- 
selbe schneidet  AM  in  B  und  es  wird  nun  die  Bewegung  des  Gewichtes  S  an 
Jlf  gleich  Ali  sein.  Der  Punkt  N  steigt  herab  bis  die  Proportion  eintritt: 
C:S  =  BAiNA^^  (d.  h.  bis  die  zurückgelegten  Wege  der  beiden  Gewichte 
sich  umgekehrt  verhalten  wie  diese  selbst).  —  Dieser  Satz  ist  in  dem  vor- 
liegenden Falle  unrichtig,  weil  die  zurückgelegten  Wege  NA  und  AB^  trotz 
des  während  der  Bewegung  stets  wechselnden  Verhältnisses  der  momentanen 
Geschwindigkeiten   anstatt   der   virtuellen   Geschwindigkeiten    in   der   Gleich- 


Seine  theoretischen  Kenntnisse.  85 

gewichtslage  in  die  Gleichung  eingesetzt  werden;  wo  aber  das  Verhältniss  der 
jeweiligen  Momentangeschwindigkeiten  während  der  Bewegung  konstant  bleibt, 
wie  dies  beim  Hebel  thatsächlich  der  Fall,  ist  diese  Verwechslung  zulässig  und 
für  solche  Fälle  stimmt  die  hier  angewendete  Methode  im  Resultate  mit  dem 
Principe  der  virtuellen  Geschwindigkeiten  überein. 

Der  Grundgedanke  zu  diesem  Principe  ist  noch  deutlicher  in  folgender 
Stelle  von  Seite  185  des  Codex  N  in  Paris  ausgesprochen : 

„Wenn  man  irgend  eine  Maschine  zum  Bewegen  schwerer  Körper  gebraucht^ 
80  haben  alle  Theile  der  Maschine,  welche  eine  gleiche  Bewegung  mit  derjenigen  des 
schweren  Körpers  haben^  eine  dem  ganzen  Gewichte  des  ganzen  Körpers  gleiche 
Belastung.  Wenn  der  Theil,  welcher  der  bewegende  ist,  in  derselben  Zeit  mehr  Be- 
wegung äussert,  als  der  bewegte  Körper,  so  hat  er  mehr  Kraft  als  der  bewegte 
Körper**  (d.  h.  er  kann  mit  geringerer  Anstrengung  bewegt  werden  und  die  Last 
heben)  „und  er  wird  sich  um  so  viel  schneller  (soll  heissen:  leichter)  l)ewegen,  als 
der  Körper  selbst  Wenn  der  Theil,  welcher  der  bewegende  ist,  weniger  Schnellig- 
keit hat,  als  der  bewegte,  so  wird  er  um  so  viel  weniger  Kraft  haben"  (d.  h.  um  so 
viel  schwerer  zu  bewegen  sein)  „als  der  bewegte  Körper**. 


Tis-  8iJ.  Fig.  8y. 


Es  fehlt  hier  nur  die  Präcisirung,  dass  bei  stetig  wechselndem  Verhält- 
niss der  beiden  zu  vergleichenden  Geschwindigkeiten  die  Betrachtung  auf  einen 
bestimmten  Zeitmoment  beschränkt  werden  rauss,  um  das  Princip  der  virtuellen 
Geschwindigkeiten  klar  zum  Ausdruck  zu  bringen. 

Ventüri  theilt  aus  den  Manuskripten  in  Paris  folgende  Stelle  mit: 

„Der  Herabgang  des  Körpers  A  (Fig.  88)  auf  der  Linie  A  C  hat  im  Ver- 
gleiche zu  dem  Falle  AB  eine  um  so  grösjsere  Zeit  nöthig,  als  AC  länger  als  ^42?," 
woraus  hervorgeht,  dass  Leonardo  die  Fallzoit  eines  Körj>er.s  auf  der  schiefen  P^bene 
richtig  zu  bestimmen  wusste.  Dass  er  diese  Erkenntnij^s  auch  auf  das  Pendel  anzu- 
wenden verstand,  ergiebt  sich  aus  dem  Satze: 

„Der  schwere  Körper  A  (Fig.  89)  steigt  schneller  auf  dem  Kreisbogen  ACE 
herab,  als  auf  der  Linie  ^7t." 

Zieht  man  ferner  eine  von  Libri  mitgetheilte  Aeusserung  Leonardo's  in 
Betracht,  der  zur  Folge  er  sich  beim  Falle  die  Geschwindigkeiten  in  arith- 
metischer Progression  wachsend  dachte,  so  kommt  man  zu  dem  Schlüsse,  dass 
ihm  die  Grundzüge  der  Theorie  des  Falles  bekannt  gewesen  sein  müssen. 

Im  Hinblick  auf  obige  Sätze  darf  man  auch  annehmen,  dass  er  aus  den 
drei  seinen  Manuskripten  entnommenen  Skizzen  Fig.  90,  91  und  92  die  üleich- 
gewichtsbedingungen  für  eine  auf  eine  schiefe  Ebene  gestellte  Kugel  richtig 
herleitete.  Denn  oftenbar  soll  durch  Fig.  90  gezeigt  werden,  dass  bei  einer 
auf  horizontaler  Ebene  stehenden  Kugel   die  durch  den  Schwerpunkt  gehende 


96  Leonardo  da  VincL 

Senkrechte  durch  den  Stützpunkt  der  Kugel  geht,  während  Fig.  91  zeigt,  dass 
dies  bei  der  schiefen  Ebene  nicht  der  Fall  ist.  Es  ist  nach  obigem  wahrschein- 
lich, dass  Leonardo  in  der  Entfernung  des  Stützpunktes  von  dieser  Senkrechten 
den  potentiellen  Hebel  der  Schwere  der  Kugel  erkannte  und  daraus  die  Gleich- 
gewichtsbedingung ableitete.  Fig.  92  bestärkt  in  dieser  Ansicht,  indem  hier 
das  im  Schwerpunkte  resultirende  Gewicht  Q  der  Kugel  nach  dem  Beispiele 

des  Archimedes  bei  Begründung  des  Hebelgesetzes  in  zwei  parallele  Kräfte  -^ 

zerlegt  zu  sein  scheint,  wovon  die  eine  durch  den  Stützpunkt  geht,  die  andere 
aber  an  einem  potentiellen  Hebel  wirkt,  welcher  doppelt  so  gross  ist,  als  die 


a 


Fig.  90.  Fig.  91.  Fig.  92. 

Entfernung  des  Stützpunktes  von  der  Senkrechten  durch  den  Schwerpunkt  der 
Kugel.  Waren  daher  Angriflfspunkt  und  Richtung  der  Kraft  gegeben,  welche 
das  Herabrollen  der  Kugel  verhindern  sollten^  so  war  ihre  nothwendige  Grösse 
nach  der  oben  angegebenen  Methode  des  Leonardo  leicht  zu  bestimmen.    Dass 


Fig.  93.  Fig.  M. 

er  dabei  das  Rollen  der  Kugel  auf  Drehungen  um  Momentanaxen  zurückführte, 
ist  um  so  wahrscheinlicher,  als  schon  Aristoteles  in  Kap.  9  seiner  „Mecha- 
nischen Probleme"  den  Gedanken  aussprach,  dass  man  das  Rollen  eines  Kreises 
betrachten  könne,  wie  ein  fortwährendes  „Umsinken"  desselben  nach  der  Rich- 
tung der  Bewegung,  was  mit  anderen  Worten  dasselbe  sagt  wie  „Drehung 
um  die  durch  den  jeweiligen  Stützpunkt  gehende  Momentanaxe  nach  der 
Richtung  der  Bewegung."  — 

Die  Kugelgestalt  der  Erde  war  schon  von  den  altgriechischen  Philosophen 
angenommen  worden.  Vitruv  sagt  in  lib.  8,  Kap.  5,  seines  Werkes  „de  archi- 
tectura":  „Es  könnte  aber  Jemand,  der  des  ARcmNEDES  Bücher  gelesen,  ein- 
wenden, dass  man  mit  Wasser  keine  verlässliche  Nivellirung  vornehmen  könnte, 
weil  das  Wasser  nach  dessen  Ansicht  keine  wagerechte  Oberfläche  bilde,  sondern 
eine  sphärische  Figur  beschreibe,  die  dort  ihren  Mittelpunkt 
habe,  wo  ihn  die  Erde  hat",  und  Heron  von  Alexandrien  sagt  in  Kap.  1 


Schiofu  Ebene,  Rotation  der  Erde,  relative  Bewegung,  Reibung.  87 

seiner  „Paeumatica" :  „Wenn  die  Oberfläche  einer  Flüssigkeit  mnd  ist  und  den 
gleichen  Mittelpunkt  mit  der  Erde  hat,  wird  sie  stehen  bleiben,'^  Aus  folgender 
Betrachtang  des  Leonardo  aber  geht  hervor,  dass  zu  seiner  Zeit  auch  die 
Drehung  der  Erde  um  ihre  Äxe  bekannt  war,  während  man  gewöhnlich  an- 
nimmt, dass  bis  zu  Copkbn'icus  (dessen  Buch :  „De  orbium  coelestium  revolutio* 
nibos"  im  Jahre  1543,  dem  Todesjahre  des  Autors,  im  Drucke  erschien)  die 
Astronomie  seit  anderthalb  Jahrtausenden  unverändert,  und  das  Ptolemäische 
System  mit  seiner  im  Mittelpunkte  des  Weltalles  bewegungslos  ruhenden  Erde 
das  allgemein  anerkannte  geblieben  sei.  (Vergleiche  beispielsweise  den  Artikel 
„Copemicus"  in  Piereh's  Conversationslexicon).  Auch  ersieht  man  aus  nach- 
stehender Betrachtung,  dass  dem  Leonardo  der  Begriff  der  „relativen  Bewegung" 
und  die  Herleitung  einer  resultirenden  aus  zwei  gegebenen,  gleichzeitigen  Be- 
wegungen nicht  fremd  war.     Er  sagt: 

»Sei  A  (Fig.  96}  der  Körper,  welcher  in  den  Elementen  fällt,  die  er  durcheilt 
um  nach   dem  Mittelpunkte  M  der  Welt  zu  kommen.     Ich   sage,    dass   diese  Last^ 
(relativ  zur  Erde)  in  einer  Spirale  herabsteigend,  nicht  aus 
der  geraden  Linie  herausgehen  wird,  welche  sie  ala  Weg  ^ 

nach  dem  Mittelpunkte  der  Erde  verfolgen  musa.  Denn 
nenn  der  Körper  von  A  ausgeht,  um  nach  B  zu  kommen, 
eo  wird,  während  er  nach  B  geht  und  in  die  Lage  C 
kommt,  der  Punkt  Ä  bei  Drehung  in  D  ankommen; 
betrachtet  man  nun  die  Lage  des  Körpers,  so  fmdet  man, 
dass  er  sich  immer  in  der  geraden  Linie  befindet,  welche 
ferst  Ä)  jetzt  D  mit  dem  Mittelpunkte  der  Welt  verbindet. 
Wenn  der  Körper  nach  F  weiter  geht,  wird  zu  gleicher 
Zeit  der  Punkt  D  nach  £!  wandern.  Während  des 
Herabsteigens  von  F  nach  G  dringt  dlo  Drehung  E 
iu   die  Lage  H.     So   steigt    der  Körper   auf    die   Erde  ri«.  vs. 

herab  immer   unterhalb   des  Ausgangspunktes.     Es  ist 

dies  eine  lusammengeaetzte  Bewegung,  sie  ist  zu  gleicher  Zeit  geradlinig  und  kurven- 
förmig etc." 

Dass  die  Erde  sich  dreht,  wird  hier  offenbar  als  bekaimt  vorausgesetzt; 
wie  gefährlich  es  aber  war,  dies  drucken  zu  lassen,  lehrt  das  Schicksal 
Gaulei'b. 

Ueber  die  Reibung,  welche  noch  lange  nach  Leonardo  von  den  meisten 
Schriftstellern  über  Mechanik  nicht  berücksichtigt  wurde,  sagt  er: 

„Die  Reibungen  der  Körper  sind  von  so  verschiedener  Starke,  als  es  Ver- 
schiedenheiten in  der  Schlüpfrigkeit  der  sich  reibenden  Körper  giebt.  Die  Körper, 
welche  auf  der  Oberfläche  mehr  geglättet  sind,  haben  eine  geringere  Reibung.  Jeder 
Körper  widersteht,  eine  glatte  Ebene  und  polirte  Oberfläche  vorausgesetzt,  mit  einem 
Vieith«!  seiner  Schwere.  Wenn  ein  polirter  Körper  eine  polirte  schiefe  Ebene  lu 
passiren  hat  mit  dem  Viertheil  seiner  Schwere,  so  ist  er  von  selbst  geneigt  zur-  Be- 
w^ung  auf  diesem  Abhänge."  (Also  war  auch  der  Begriff:  „Reibungswinkel"  dem 
Leohabdo  nicht  fremd.)  „Die  Reibung  irgend  eines  Körpers  mit  verschiedenen 
Seitenflächen  verursacht  den  gleichen  Widerstand,  gleichviel  auf  welcher  Seite  er 
Begti  wenn  es  nur  eine  Ebene  ist,  auf  welcher  er  sich  reibt"  fd.  h.  mit  anderen 
Worten:  Die  Grösse  der  Reibung  ist  von  der  Grösse  der  sich  reibenden  Flachen 
anabh&ngig). 


06 


Leonardo  da  Vinci. 


O 


Gegen  die  Möglichkeit  des  Perpetuum  mobile,  das  noch  Jahrhunderte  lan 
in  den  Köpfen  vieler  Mechaniker  spukte,  spricht  sich  Leonardo  mehrfach  ganz 
entschieden  aus. 

Auch  mit  der  Festigkeit  der  Materialien  und  der  zur  Haltbarkeit 
nöthigen  Dimensionirung  derselben  hat  er  sich  viel  beschäftigt,  wie  aus  zahl- 
reichen Skizzen  hervorgeht,  welche  mit  den  Figuren  grosse  Aehnlichkeit  haben, 
die  wir  heute  in  den  betreffenden  Abschnitten  unserer  Lehrbücher  zu  finden 
gewohnt  sind.  Seine  Resultate  kommen  dabei  unseren  heutigen  Annahmen 
sehr  nahe.  Auch  von  Betrachtungen  dieser  Art  findet  sich  noch  Jahrhunderte 
nach  Leonardo  nichts  in  den  Büchern. 

Als  Wasserbau-Ingenieur,  von  welchem  Werke,  wie  der  Adda-Kanal  und 
der  Kanal  von  Martesana  im  Yeltlin  heute  noch  bestehen,  musste  er  auch  die 


üg.  M. 


Fig.  »7. 


Fig.  98. 


Eigenschaften  des  Wassers  studirt  haben.  Des  Archimedes  Schrift  über  die 
schwimmenden  Körper  und  Heron's  Fneumatica  wird  er  gekannt  haben  und 
aus  ersterer  das,  was  man  heute  mit  dem  Namen:  „Auftrieb^'  des  Wassers 
bezeichnet,  aus  Heron's  Schrift  aber  die  Gesetze  von  den  Hebern  und  von  den 
konmiunicirenden  Röhren.  Er  musste  daraus  wissen,  dass  sich  die  Ausfluss- 
geschwindigkeit aus  dem  Heber  nach  der  Höhendiff^erenz  richtet  zwischen  der 
AusflussöfiTnung'und  der  Oberfläche  des  Wassers,  in  welches  der  andere  Schenkel 
eintaucht,  und  bezüglich  der  kommunicirenden  Röhren  sagt  Heron  im  1.  Kap. 
der  Fneumatica  ganz  allgemein:  „Weil  jede  zusammenhängende  Flüssigkeit  eine 
runde  Oberfläche  bildet,  wie  die  Erde  und  auch  den  gleichen  Mittelpunkt  mit 
ihr  hat,  fliesst  die  sich  bewegende  Flüssigkeit  so  lange  bis  beide  Theile  (mit 
ihren  Oberflächen)  in  der  gleichen  Kugelfläche  stehen."  Ebenso  musste  ihm 
aus  §  73  der  Fneumatica  bekannt  sein,  dass  das  erwärmte  und  durch  die 
Wärme  „aufgelockerte"  Wasser  sich  über  das  kalte  erhebt.     Es  kann  uns 


Festigkeit,  Lampe,  Taacherhelm,  Fallschirm,  Dampfkanone.  d9 

daher  auch  nicht  wundem,  dass  dahingehende  Notizen  und  Skizzen  sich  bei 
Leonario  finden.  Weitergehend  aber  sind  seine  Bemerkungen  über  die  Wirbel- 
bewegung des  Wassers  beim  Ausfliessen  aus  einem  Gefässe  durch  eine  in  der 
Mitte  des  Bodens  befindliche  Oeffnung  und  seine  treffliche  Abhandlung  über  die 
Wellenbewegung  des  Meeres. 

lieber  die  Luft  lehrte  schon  Heron,  dass  sie  aus  Molekülen  bestehe  und 
Elasticität  besitze,  und  dass  das  Feuer  sie  zerstöre,  so  dass  dadurch  z.  B.  in 
einem  Schröpf  köpfe  ein  luftverdünnter  Raum  entstehe,  und  Vitrüv  erwähnt  in 
lib.  8,  Kap.  6,  dass  die  Luft  so  sehr  mit  Dünsten  geschwängert  sein  könne, 
dass  weder  ein  Licht  darin  brennen,  noch  ein  Mensch  darin  leben  könne.^  Da- 
gegen weist  Leonardo  entschiedener  und  deutlicher  darauf  hin,  dass  die  Luft 
die  Flamme  ernährt,  dass  ein  stärkerer  Luftstrom  sie  leuchtender  machen  kann 
und  konstruirt,  auf  diese  Beobachtung  gestützt,  eine  Lampe  mit  Glas- 
cy  lind  er  (Fig.  96).  Leider  schreibt  er  auf  die  beiden  Hälften  der  kugel- 
förmigen Glasglocke:  „acqua,  acqua",  weil  er  ohne  Zweifel  meinte,  der  Glas- 
cylinder  müsse  durch  Wasser  kühl  erhalten  werden,  und  daran  mag  wohl  die 
praktische  Verwendbarkeit  seiner  Lampe  gescheitert  sein. 

Auf  den  Eigenschaften  der  Luft  basirt  auch  ein  von  ihm  konstruirter 
Schwimmgürtel  und  der  Taucherhelm  (Fig.  97),  welcher  mit  der  Luft 
über  dem  Wasser  durch  einen  Schlauch  in  Verbindung  gesetzt  ist,  dessen  Ende 
durch  ein  schwimmendes  Brett  über  dem  Wasser  gehalten  wird. 

Wie  schon  erwähnt,  beschäftigte  sich  Leonardo  auch  mit  dem  Probleme 
der  Luftschifffahrt  und  suchte  Flügel  für  Menschen,  ähnlich  denen  der  Vögel, 
zu  konstruiren,  wobei  ihm  seine  anatomischen  Studien  zu  Statten  kamen. 
Interessanter,  als  diese  fruchtlosen  Bemühungen  dürfte  für  uns  jedoch  die  Skizze 
(Fig.  98)  von  einem  Fallschirme  sein  mit  der  Bemerkung: 

„Wenn  man  ein  dichtes  Zeltdach  hat  von  12  Ellen  Seitenlänge  und  12  Ellen 
Höhe,  kann  man  sich  von  jeder  grossen  Höhe  herablassen,  ohne  Schaden  zu 
nehmen." 

Seine  Notizen  über  Akustik,  Optik,  Wärme  und  Befestigungskunst  können 
wir  hier  nicht  besprechen.  Unter  den  zahlreichen  Geschützen,  welche  er 
skizzirte,  ist  der  Architronito,  oder  die  Dampfkanone  von  besonderem 
Interesse,  welche  er  als  eine  Erfindung  des  Archimedes  bezeichnet,  obgleich  in 
den  auf  uns  gekommenen  Schriften  desselben  nichts  davon  zu  finden  ist.  Wir 
geben  in  Fig.  99  eine  der  Skizzen  dieser  Dampfkanone  wieder.  Die  dazu 
gehörige  Beschreibung  lautet: 

„Der  Architronito  ist  eine  Maschine  von  feinem  Kupfer,  welche  eiserne  Kugeln 
mit  grossem  Geräusche  und  vieler  Gewalt  fortschleudert.  Man  macht  so  Gebrauch 
von  dieser  Maschine:  Das  Dritttheil  des  Instrumentes  steht  in  einer  grossen  Menge 
Feuer  und  Kohlen.  Wenn  das  Wasser  recht  erhitzt  ist,  wird  die  Schraube  des  mit 
Wasser  gefüllten  Gefässes  abc  niedergeschraubt,  und  in  demselben  Augenblicke, 
wo  dies  geschieht,  entweicht  das  ganze  Wasser  nach  unten,  fliesst  in  den  erhitzten 
Tbeil  des  Instrumentes  und  verwandelt  sich  sofort  in  Dampf,   der  so  bedeutend  und 

7* 


103 


LeoDirdo  da  VincL 


Als  weitere  Konsequenzen  ans  den  Globoid-Schranbenrädern  mit  ivelligen 
Schraub enSächen  sind  die  kraftscblüssigen  Mechanismen  Fig.  107  und  Fig.  108 
m  betrachten,  von  welchen  Leonahdo  ersteren  zur  Bewegung  einer  Zange, 
letzteren  zu  der  eines  Hammers  projektirt. 

Fig.  109  zeigt  eigecthümliche  Hebedaumen,  die  zur  Vei^rösserung 
des  Hubes  und  Vermeidung  grösserer  Reibungswiderstände  mit  mehreren  Zähnen 
versehen  sind.  Möglich,  dass  aus  diesen  die  um  hundert  Jahre  später  von 
Rahelu  mit  Vorliebe  angewendeten,  zur  Hälfte  verzahnten  Räder  entstanden  sind. 

Fig.  110  zeigt  ein  eigenthümlicheB  Schaltwerk,  bei  welchem  das 
innen  gezahnte  Schaltrad  die  hin-  und  herschwingende  Bewegung  macht  und 
eine  darin  liegende,  mit  Sperrklinken  versehene  Scheibe  in  absetzend  rotirende 
Bewegung  versetzt.  Bei  dieser  Anordnung  kann  das  Spiel  des  Mechanismus 
leicht  durch  eine  auf  das  Zahnrad  befestigte  Deckplatte  verborgen  werden,  und 


yig.  lt:>. 


Fi«.  111 


es  ist  wahrscheinlich,  dass  darin  der  Grund  zu  dieser  Anordnung  zu  suchen 
ist,  denn  aus  verschiedenen  Bemerkungen  Leoxardo's  geht  hervor,  dass  er  es 
liebte,  den  Beschauern  seiner  Maschinen  die  Einsicht  in  deren  Zusammenhang 
zu  erschweren. 

Von  bemerkenswertben  Maschinenelementen  finden  sich  ferner  in  Leonardo's 
Skizzen : 

Die  in  Fig.  111  dargesteliten  Ketten,  welche  man  heutigen  Tages  Vaucan- 
sOüf'sche  und  GALL'scbe  Ketten  zu  nennen  pflegt. 

Fig.  112.  Haken  und  selbst  sich  schÜessende  Zangen  zum 
Anhängen  von  Lasten  an  Krahnen. 

In  Fig.  113  sehen  wir  eigenthumlich  gebildete  Kolben  und  Becher, 
erstere  für  ein  Patemosterwerk,  letztere  für  ein  Schöpfwerk  bestimmt. 

Die  Fig.  114  ist  bemcrkenswerth,  weil  dieselbe  einen  Schubstangen- 
oder Charnierkopf  mit  verstellbarem  Inlager  darzustellen  scheint,  während 
gerade  die  Charnierbildung  bei  den  Maschinen  bis  ins  vorige  Jahrhundert  hinein 
eine  sehr  unvollständige,  meist  nur  kraftschlüssige  blieb. 


Ueb«<]Bameii,  Eetteo,  Steilhange,  Erdbohrer,  Tuchscheere.  103 

Von  VTerkzeug^n  and  WerkzengmaschiDen ,  welche  sicli  in  Leonabdo's 
Skizzen  finden,  heben  wir  femer  hervor: 

Fig.  115.    Ein  Erdbohrer  zur  UersteUung  artesischer  Brunnen,  von 

Leonardo  genannt:  „Trivella  per  forar  pozzi  alla  Modeneee".  Ans  der.  Be- 
zeichnung: pozzi  alla  Modenese  scheint  hervorzi^ehen,  dass  das  Bohren  von 
Brunnen  damals  namentlich  in  Modena  gebräuchlich  war. 


Fig.  116.    Eigentbümhche  Form  eines  Federhammer8(?). 

Fig.  117.     Entwurf  einer  Tuchscheerraascbine,    bei    welcher  der 
Scheertiscb  in  einen  rotirenden  Cylinder  verwandelt  ist,  während  die  Scbeere 
fest  liegt.     Leonahdo  giebt  zahlreiche  Skizzen  von  Tuchscheermaschinen.     Die 
grösste  Anordnung  zeigt  vier  Scbeer- 
tische    mit    vier    Tuchscheeren    von 
der  alten  Form.    Diese  sucht  Leo- 
nardo bei  seinen  verschiedenen  Ent- 
würfen abwechselnd  durch  Kurbeln, 
Doppelkurbeln,  Daumenräder,  Federn 
u.  s.  w.  zn  bewegen.    Wahrscheinlich 
waren  solche  Maschinen  in  den  zahl- 
reichen Tuchfabriken  zu  Florenz  im  p^g,  ^g^ 
Gebrauche. 

Fig.  118.  Eine  Maschine  zum  Ziehen  von  Metallfedern.  Mittelst 
Tau  und  Zange  wird  die  Feder  durch  die  Presse  (eine  verstellbares  Zieheisen) 
gezogen.  Dies  geschieht  vermittelst  einer  Kurbel,  einer  Zahnriiderübersetzung 
und  einer  Seiltrommel  auf  der  Axe  des  Zahnrades.  Die  Presse  ist  durch  einen 
Keil  und  eine  Schraube  verstellbar. 

Es  sei  hier  erwähnt,  dass  das  Drahtziehen  mit  Wasserkraft  etwa  um 
1350  anfktun,  das  Drahtziehen  von  Hand  dagegen  schon  früher  betrieben  wurde. 


IM 


IieoDardo  d«  ViiieL 


(Vergleiche:  Dr.  Ludwig  Beck,  „Geschichte  des  Eisens".   Bratinschweig  1884. 
Seite  888). 

Fig.  119.  Eine  Bohrmaschine  zum  Bahren  von  Bninnenrohren  ans 
Holz.  Auf  einem  kräftigen  Gestalle  ist  in  einem  Gerüste  die  Bohrwelle  mit 
dem  Bohrer  gelagert,  der  gegen  das  Ende  bin  durch  eine  Führung  gestützt 
wird.  Der  zu  durchbohrende  Baum  wird  in  eine  Art  Klemmfutter  eingespannt. 
Dasselbe  besteht  aus  einem  Hohtcylinder  mit  dicken,  achteckigen  Endflanschen, 
durch  welche  je  vier  Stellschrauben  gehen.  Diese  sind  durch  Bügel  an  der 
Drehung  Terhindert  und  werden  durch  drehbare,  aber  durch  die  Bügel  an  der 
Verschiebung  gehinderte  Muttern  bewegt.  Diese  sind  aussen  verzahnte,  cylin- 
drische  Körper  und  je  Tier  an  einer  Flansche  befindliche  Uuttem  werden  durch 


einen  in  üe  eingreifenden,  verzahnten  Iting  gleichzeitig  gedreht,  so  dass  sie  den 
auszubohrenden  Baum  stets  richtig  centriren.  Die  Einspannvorrichtung  sitzt 
auf  einem  Schlitten,  welcher  durch  eine  Leitspindel  in  der  Richtung  des  Bohrers 
verschoben  wird. 

Diese  Bohrvorrichtnng  steht  in  Bezug  auf  mechanische  Vollständigkeit 
erstaunlich  viel  höher  als  die  Bohrvorrichtungen,  welche  man  noch  Jahrhunderte 
später  zum  Bohren  von  Brunnenrohren  u.  s.  w.  anwendete.  Wahrscheinlich 
konnte  den  Anforderungen,  welche  dieselbe  an  die  Genauigkeit  der  Ausführung 
und  die  Unveränderlichkeit  des  Konstruktionsmateriales  stellte,  damals  noch 
nicht  entsprochen  werden.  Gusseisen  kannte  man  damals  wenig  und  verwendete 
es  nur  zu  Kanonenkugeln,  ordinären  Geschützen  und  Ofenplatten  (vergleiche: 
Dr.  Ludwig  Beck,  „Geschichte  des  Eisens".  Braunschweig  1884.    Seite948), 


Ziehbank,  Bolinnascbine,  Steinsäge.  105 

und  Holz,  welches  das  Hauptmaterial  zum  Bau  der  Maschinen  war,  verzieht 
sich  bekanntlich  zu  sehr,  um  exakte  Ausführungen  zu  gestatten.  Die  Ent- 
wicklung der  Eisengiesserei  machte  den  modernen  Maschinenbau  erst  möglich. 

Es  sei  noch  bemerkt,  dass  der  Gebrauch  hölzerner  Brunnenröhren  im 
westlichen  Europa  kurz  nach  Christi  Geburt  aufgekommen  zu  sein  scheint,  denn 
ViTRüv  zählt  für  Wasserleitungen  nur  Blei-  und  Thonröhren  auf;  Pllmus  der 
Aeltere  aber  sagt  in  seiner  ,5Historia  naturalis",  lib.  XVI,  §  79:  „Die  Fichte, 
Weisstanne  und  Erle  werden  zu  Wasserröhren  ausgebohrt  und  halten  sich 
unter  der  Erde  viele  Jahre."  Gusseiserne  Wasserleitungsröhren  kamen  erst  in 
der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  auf  und  blieben  für  Trinkwasser- 
leitungen wegen  des  Eostes,  der  sich  darin  bildet,  noch  lange  Zeit  unbeliebt. 
Die  Wasserleitung,  welche  Louis  XIV.  von  Marly  nach  Versailles  in  seine  gross- 
artigen Gartenanlagen  führen  Hess,  war  wohl  eine  der  ersten,  bei  welchen  guss- 
eiseme  Röhren  angewendet  wurden. 

Da  Dr.  H.  Grothe  an  dieser  Stelle  sagt,  dass  Böckler,  dessen  Theatrum 
machinarium  novum  1661  erschien,  der  erste  bisher  bekannte  Schriftsteller  sei, 
welcher  „Bohrmühlen"  abbildete,  sei  darauf  hingewiesen,  dass  dieselbe  Zeich- 
nung, wie  sie  Böckler's  Theatrum  enthält,  schon  in  Salomon  de  Caus:  „Les 
raisons  de  forces  mouvantes",  Frankfurt  a.  M.  1615,  deutsch  ebendaselbst  1624, 
lib.  I,  Problem  XIX,  zu  finden  ist*).  Eine  ganz  ähnliche  Bohrmaschine  mit 
Tretrad-Betrieb,  aber  zum  Ausbohren  von  Geschützen,  findet  sich  dagegen 
in  der  1540  zu  Venedig  erschienenen  „Pyrotechnia"  des  Vanuccio  Biringüccio, 
lib.  VII,  Kap.  Vin,  skizzirt  und  beschrieben,  worauf  wir  später  zurückkommen 
werden. 

Fig.  120.  Eine  Maschine  zum  Zersägen  von  Steinen  resp. 
Marmor.  Die  Kunst  des  Marmorsägens  ist  schon  alt.  Plimus  sagt  darüber 
in  lib.  36,  §  6,  seiner  9,historia  naturalis":  „Ich  weiss  nicht,  ob  es  eine  Er- 
findung Kariens  ist,  dass  man  den  Marmor  in  dünne  Platten  schneidet.  So 
viel  ich  etwa  auffinden  kann,  ist  der  Palast  des  Mausolus  zu  Halicarnassus  das 
älteste  Gebäude,  das  mit  prokonnesischem  Marmor  ausgeschmückt  und  von 
Backsteinen  erbaut  war.  Dieser  starb  im  zweiten  Jahre  der  Olympiade  106, 
im  Jahre  Roms  404."    (Also  um  350  vor  Chr.) 

Dann  sagt  er  weiter  in  §  9  desselben  Buches: 

„Wer  aber  auch  der  Erfinder  des  Marmorschneidens  sein  mag,  so  war  es  jeden- 
falls ein  unglücklicher  Einfall,  eine  Materie  des  Luxus  noch  zu  zertheilen.  Das 
Marmorschneiden  geschieht  mit  Sand,  es  scheint  aber,  als  ob  es  mit  Eisen  geschähe. 
Eine  Säge  drückt  in  einer  sehr  engen  Riefe  auf  den  Sand  und  schneidet,  indem  sie 
hin-  und  hergezogen  wird.    Den  äthiopischen  Sand  hält  man  hierzu  für  den  besten  . . . ." 

Unsere  Fig.  120  ist  dem  Blatte  195  (Nr.  II)  des  Codex  atlanticus  ent- 
nommen. Leonardo  giebt  von  der  Steinsäge  auf  der  Mitte  des  Blattes  eine 
flüchtige  Skizze,  daneben  und  darunter  noch  einige  andere,  wobei  bemerkens- 

*)  Auch  nnter  den  nachstehend  ahgehandelten  , Skizzen  aus  der  Zeit  der  Hussitenkriege* 
findet  sich  eine  solche  von  einer  Maschine  zum  Bohren  hölzerner  Brunnenrohre. 


106  Leonardo  da  Vinci. 

werth  ist,  dass  in  diesen  flüchtigen  Skizzen  der  Sägr&bmen  an  über  Rcillen 
geleiteten  nnd  mit  Gegengewichten  verBehenen  Schnüren  oder  Ketten  aufgehäi^ 
ist.  Bei  einer  Skizze  von  eiDem  einseitigen  Sägerahmen  steht  die  Bemerkung: 
„barbera  stainpa!"  d.  h.  barbarische  Form!  Ausserdem  befinden  sich  etwa 
32  Detailakizzen  über  die  Befestigung  iler  Sägeblätter  in  dem  Rahmen,  die 


Spannvorrichtung  derselben  und  die  tivradführung  des  Rahmens  auf  dem  Blatte, 
und  endlich  gelangt  dann  Leonardo  zw  der  in  unserer  Fig.  120  wiedergogebenen, 
ausführlichen  Zeichnung,  die  mit  Sepia  schattirt  ist,  und  welche  mit  der  noch 
heute  in  C-arrara  u.  s.  w.  gebrauchten  Slarmorsäge  übereinstimmen  soll.  Die 
Idee,  die  Säge  au  Schnüren  aufzuhängen  und  mit  tiegengewichten  abznbalanciren. 
ist  hier  nicht  beibehalten. 


stein  sSge,  FeilenbanniascbiDe. 


107 


Nach  Vollendung  dieser  Zeicbnong  Bcheint  Leonardo  noch  auf  den  Ge- 
danken gekommen  zu  sein,  die  zwei  Sägeblätter  zu  einem  Blatte  ohne  Ende  zu 
vereinigen  und  anstatt  der  sogenannten  Zange  a  (Fig.  120}  die  Zange  b  anzu- 
wenden, mit  herausnehmbarem  Bolzen,  um  welchen  sich  das  Sägeblatt  ohne 
Ende  herumlegt,  was  das  Herausnehmen  der  Sägeblätter  erleichtert.  Dies  gebt 
aus  einer  der  schriftlichen  Bemerkungen  auf  dem  betreffenden  Blatt«  hervor. 
Eine  andere  dieser  Bemerkungen  lautet: 


„Wenn  nur  eine  von  den  zwei  Sägen  den  Stein  berührt"  (im  Anfange  des 
Schnitten  wegen  Unebenheit  der  Oberfläche),  „so  sorge  man  dafür,  dsss  8ie  in  der 
Mitte  dea  Rahmens  sei,  damit  das  Gewicht  dei  Rahmens  immer  im  Gleichgewicht 
über  der  Schn«de  der  Sago  sei.  Dies  ihuC  man,  bis  die  zweite  Sage  mit  dem  zu 
schneidenden  Steine  in  Berührung  kommt  und  dann  setze  man  die  zwei  Sägen  in 
die  MlUe  dea  Rahmens.  Der  Schub  der  Säge  musä  so  weit  gehen,  biä  der  Schwer- 
punkt derselben  am  Ende  des  zu  schneidenden  Steines  ankommt  und  noch  etwas 
weiter,  damit  die  Säge  sich  am  leichteren  Theile  erhebe  und  dem  Sande  '. 
gewähre.  Deswegen  muss  die  Bewegung  der  Säge  so  lang  sein,  wie  die  Länge 
Steines,  den  man  schneiden  eoU,  wenigstens  bei  diesem  hier,  aber  nicht  bei  allen, 
denn  er  könnte  so  klein  oder  so  gross  sein,    dasa  eine  solche  Regel   nicht  gut  wäre. 


100 


LeoDudo  dm  Tinci. 


werth  ist,  daea  in  dieEen  flüchtigen  Skizzen  der  SägrahmeD  an  über  Itollen 
geleiteten  and  mit  Gegengewichten  versehenen  Schnüren  oder  Ketten  aufgehängt 
ist.  Bei  einer  Skizze  Ton  einem  einseitigen  Sägerabmen  steht  die  Bemerkung: 
„barbera  stampa!"  d.  h.  barbarische  Form!  Ausserdem  befinden  sich  etwa 
32  Detailskizzen  über  die  Befestigung  der  Sägeblätter  in  dem  Rahmen,  die 


Spannvorrichtung  derselben  und  die  tleradführung  des  Rahmens  auf  dem  Blatte, 
und  endlich  gelangt  dann  Leonardo  zu  der  in  unserer  Fig.  120  wiedergegehenen, 
ansfilhrlichen  Zeichnung,  die  mit  Sepia  scbattirt  ist,  und  welche  mit  der  noch 
heute  in  Carrara  u.  s.  w.  gebrauchten  Marmorsilge  übereinstimmen  soll.  Die« 
Idee,  die  Sage  an  Schnüren  aufzuhängen  und  mit  Gegengewichten  abznbalanciren, 
ist  hier  nicht  beibehalten. 


stein  lAge,  FeiltnhaumsBchine. 


107 


Nach  Votleodung  dieser  ZeichnuDg  Bcheint  Leonardo  noch  auf  den  Ge- 
danken gekommen  zu  sein,  die  zwei  Sägeblätter  zu  einem  Blatte  ohne  Ende  zu 
vereinigen  und  anstatt  der  sogenannten  Zange  a  (Fig.  130)  die  Zange  b  anzu- 
wenden, mit  herauBnehmbarem  Bolzen,  um  welchen  sich  das  Sägeblatt  ohne 
Ende  hemmlegt,  was  das  Herausnehmen  der  Sägeblätter  erleichtert.  Dies  geht 
aus  einer  der  schriftlichen  Bemerkungen  auf  dem  betreffenden  Blatte  herror. 
Eine  andere  dieser  Bemerkungen  lautet: 


„Wenn  nur  eine  von  den  zwei  Sägen  den  Stelo  berührt"  (im  Anfange  des 
Schnitten  wegen  Unebenheit  der  Oberfläche),  „so  sorge  mau  dafür,  dtiäa  sie  in  der 
Mitte  des  Rahmens  sei,  damit  das  Gewicht  des  Kahmens  immer  im  Gleichgewicht 
über  der  Schneide  der  Säge  sei.  Dies  thut  man,  hU  die  zweite  Sage  mit  dem  zu 
schnddenden  Steine  in  Berührung  kommt  und  dann  setze  man  die  zwei  Sägen  in 
die  Mitte  des  Rahmens.  Der  Schub  der  Säge  niuss  so  weit  geben,  bis  der  Schwer- 
punkt derselben  am  Ende  des  zu  schneidenden  Steines  aukonmit  und  noch  etwas 
weiter,  damit  die  Säge  sich  am  leichteren  Theile  erhebe  und  dem  Sande  Zugang 
gewähre.  Deswegen  muss  die  Bewegung  der  Säge  so  lang  sein,  wie  die  Länge  des 
Steines,  den  man  schneiden  eoll,  wenigstens  bei  diesem  hier,  aber  nicht  bei  allen, 
denn  er  könnte  so  klein  oder  so  gross  sein,   dass  eine  solche  Regel   nicht  gut  wäre. 


108  Leonardo  da  Vinci. 

Sorge  (In für,  dass  die  Unterlage  des  Steines,  welcher  geschnitten  werden  soll, 
wenn  du  sie  zusammenleimst,  einen  2iOll  höher  sei,  als  die  Oberfläche  des  Tisches; 
man  liiuss  dies  thun,  damit  die  Säge  sich  lüften  und  den  Schmirgel  unter  sich 
nehmen  kann." 

Bezüglich  des  Trittbrettes  vor  dem  Sägegestelle  und  der  Verbindung  beider 

mit  einander  sagt  eine  andere  Bemerkung: 

„a  ß  sind  Schrauben,  um  die  Bank  an  den  Schemel  anfügen  und  befestigen  zu 
können,  auf  welchem  der  Säger  sägt,  und  diese  Bänder  bewirken,  dass  der  Tisch 
sich  beim  Sägen  nicht  hin-  und  herschieben  kann." 

Fig.  121.    Eine  Feilenhaumaschine  von  Leonardo  schon  vor  dem 

Jahre  1505  entworfen.     Die  Konstruktion  derselben  dürfte  aus  der  Zeichnung 

klar  genug  hervorgehen   und  keiner  weiteren  Erklärung  bedürfen,  nur  muss 

erwähnt  werden,    dass  die  Kurbel  an  der  Vorgelegwelle  nicht  während  der 

Arbeit,  sondern  vor  Beginn  derselben  gedreht  wird,  um  das  Gewicht  A  (welches 

an  einem  oben  über  eine  in  der  Zeichnung  nicht  sichtbare  Rolle  gehenden  Seile 

aufgehangen  ist)  zu  heben  und  so  die  Maschine  wie  eine  Thurmuhr  aufzuziehen; 

während  der  Arbeit  soll  dagegen  die  Bewegung  der  Maschine  durch  das  Herub- 


^ü 


lig.  122. 

sinken  dieses  Gewichtes  bewirkt  werden.  Neben  der  von  uns  wiedergegebenen 
Zeichnung  befinden  sich  noch  zwei  Hammerköpfe  mit  nach  verschiedenen  Rich- 
tungen schräg  gestallten  Schneiden  skizzirt,  welche  auf  den  Hammerstiel  gesteckt 
werden  sollen,  um  die  kreuz  weisen  Hiebe  für  Metallfeilen  hervorzubringen, 
während  der  auf  den  Hammerstiel  gezeichnete  Kopf  einen  Hieb  hervorbringt, 
wie  er  für  Homraspeln  geeignet  ist.  Merkwürdig  ist  es  gewiss,  dass  mit  dem 
Problem  des  Feilenhauens  mit  Maschine,  das  bis  auf  den  heutigen  Tag  noch 
nicht  ganz  befriedigend  gelöst  ist,  Leonardo  schon  vor  etwa  400  Jahren  sich 
beschäftigte. 

Fig.  122.  Eine  Spindel  zu  einer  Spinnmaschine.  Diese  ist  mit  einem 
Flügel  versehen,  der  mit  unserem  modernen  Vorspinnflügel  übereinstimmt  Die 
Spule  erhält  nur  Drehung;  die  Spindel  dagegen  bei  rascherer  Drehung  auch 
Hin-  und  Herverschiebung  in  der  Axenrichtung.  Für  Spindel  und  Spule  kommen 
gesonderte  Bewegungsübertragungen  zur  Anwendung.  In  der  Zeichnung  (Fig.  122) 
ist  aa  der  Flügel,  h  die  Spindel,  c  die  Spule,  d  die  Spulwelle,  e  der  Spulen- 
wertel,  g  der  Spindelwertel,  i  das  Spindellager,  h  ein  Muff  auf  der  Spindel  für 
die  Gabel  tw,  welche  (wahrscheinlich  von  einer  Kurvennutenscheibe  her)  den 
Muff  k  umfasst  und  der  Spindel  die  hin-  und  hergehende  Bewegung  ertheilt, 
welche  für  die  Vertheilung  des  Fadens  auf  der  Spule  nothwendig  ist. 


Spindel  zu  einer  Spinnmaschine,  Wasserräder. 


109 


Diese  Skizze  Leonardo^s  mag  etwa  aus  dem  Jahre  1490  stammen,  während 
doch  die  Flügelspindel  von  Jon.  Jürgens  aus  dem  Dorfe  Watenbüttel  bei  Braun« 
schweig  um  das  Jahr  1530  erfunden  sein  soU,  (Vergleiche  Pierer's  Konver- 
sationslexikon, Artikel  „Spinnen''.) 

In  Zonca's  „Novo  Theatro  di  Machine'%  Padua  1621,  finden  sich  Ab- 
bildung und  Beschreibung  einer  Seide- Zwirnmaschine  mit  ganz  ähnlichen  Spindeln 
und  Spulen  wie  bei  der  in  „Karmarscu  und  Heeren^s  Technologischem  Wörter- 
buche''. Dritte  Auflage.  Band  YIU,  S.  134,  beschriebenen  Seide-Zwimmaschine, 
und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  diese  Zwimmaschine  schon  zu  Leo- 
KARDo's  Zeit  im  Gebrauche  war  und  dass  deren  Spindel  und  Spule  ihm  als 
Grundlage  zu  vorliegender  Konstruktion  diente.  Originell  und  seiner  Zeit  weit 
vorauseilend  scheint  hierbei  das  Hin-  und  Herschieben  der  Spindel  zur  gleich- 
massigen Vertheilung  des  Fadens  auf  der  Spule  zu  sein»  denn  gewöhnlich  nimmt 


Fig.  123. 


Fig.  124. 


Fig.  125. 


man  an,  dass  erst  1792  und  1795  der  Engländer  Antis  eine  Vorrichtung  an- 
gegeben habe,  um  eine  gleichmässige  Aufwickelung  des  Fadens  durch  Hin-  und 
Herschieben  der  Garnspule  zu  bewirken« 

Zum  Schlüsse  betrachten  wir  noch  einige  flüchtige  Skizzen  Leonardo's 
tber  Wasserräder. 

Fig.  123  scheint  ein  oberschlächtiges  Wasserrad  darzustellen.  Was 
zunächst  die  schiefe  Schaufelstellung  ziu:  Vergrösserung  des  wasserhaltenden 
Bogens  anbelangt,  welche  Dr.  H.  Grothe  für  eine  Verbesserung  des  Leonardo 
zu  halten  scheint,  so  möchten  wir  darauf  hinweisen,  dass  in  Agricola^s  Werk 
^de  re  metallica^,  Basel  1530,  das  wir  demnächst  näher  betrachten  werden, 
alle  oberschlächtigen  Räder  mit  schräg  gestellten  Schaufeln  abgebildet  sind. 
Da  aber  dieses  Werk  den  Beweis  liefert,  dass  der  Maschinenbau  und  besonders 
der  Bau  oberschlächtiger  Wasserräder  in  den  deutschen  Berg-  und  Hütten- 
werken damals  schon  weit  entwickelt  war,  imd  da  auch  Vanugcio  Biringucgio 
in  seiner  „Pyrotechnia"  sagt,  dass  er  hauptsächlich  in  Deutschland  gereist  sei, 
am  seine  Kenntnisse  im  Berg-  und  Hüttenwesen  zu  vermehren,  so  darf  man 
annehmen,  dass  oberschlächtige  Wasserräder  mit  schräggestellten  Schaufeln 
audi  zu  IiBONARno^s  Zeit,   wenigstens  in  Deutschland,  nichts  Neues  mehr  ge- 


110  Leonardo  da  Vinci. 

wesen  sind.  In  anderen  Ländern  waren  sie  vielleicht  weniger  in  Gcbranch, 
und  jedenfalls  standen  sie  bei  den  Theoretikern  noch  lange  Zeit  in  Misskredit, 
denn  selbst  Belidor  räth  noch  in  seiner  1737 — 1751  erschienenen  „Architectura 
hydraulica"  lib.  IL  Kap.  I,  §  644,  das  Wasser  in  einer  weiten,  schrägen  Holz- 
röhre auf  die  halbe  Höhe  des  Rades  herabstürzen,  es  da  erst  auf  die  Schaufeln 
treffen  und  durch  ein  Radgerinne  nach  dem  tiefsten  Punkte  des  Rades  ge- 
langen zu  lassen,  anstatt  es  oberschlächtig  wirken  zu  lassen. 

Bei  a  scheint  in  Fig.  123  ein  Spannschütze  vorgesehen  zu  sein,  bestehend 
aus  einem  Brett,  das  sich  über  einer  Oeffnung  im  Boden  des  Zuleitungskanales 
vermittelst  einer  Zugstange  ab  und  eines  Hebels  verschieben  lässt.  Die  An- 
nahme, dass  eine  solche  Regulirung  selbstthätig  durch  das  Rad  geschehen  sollte, 
dürfte  wohl  zu  gewagt  erscheinen. 

Noch  verdient  Erwähnung,  dass  die  Radschaufeln  in  Fig.  123  gekrümmt 
sind.  Es  scheint,  als  ob  Leonardo  dabei  von  dem  Gefühle  geleitet  gewesen 
wäre,  dass  das  Wasser  möglichst  ohne  Stoss  in  die  Zellen  eintreten  müsse. 

Fig.  124  ist  ein  Löffelrad  von  der  Form  wie  es  Beudor  1737  in  seiner 
„Architectura  hydraulica"  lib.  IL  Kap.  1,  §  666  besonders  deutlich  abbildete. 
Die  Löffel  sind  hier  wie  doppelt  gekrümmte  Schaufeln  geformt.  Beudor  sagt, 
dass  diese  Räder  in  der  Provence  und  Dauphinc  einheimisch  seien.  Auch 
in  Werken  des  sechzehnten  und  siebzehnten  Jahrhunderts  findet  man  solche 
häufig  abgebildet,  doch  ohne  Angabe  des  Ursprunges.  Der  Gedanke,  das 
Wasser  in  einer  stehenden  Röhre  anzusammeln,  um  es  von  da  horizontal  auf 
das  Rad  ausströmen  zu  lassen,  ist  beachtenswert!!  und  scheint  dem  Leonardo 
eigenthümlich  zu  sein,  da  anderwärts  der  Wasserzufluss  in  offenem  Gerinne 
mit  starker  Neigung  angegeben  wird. 

Fig.  125  zeigt  ein  Rad  derselben  Gattung  mit  einer  Beschaufelung,  die 
sich  durch  ihre  Einfachheit  auszeichnet. 

Mag  auch  manches  in  Leonardo's  maschinellen  Skizzen  uns  nur  deshalb 
überraschen,  weil  wir  von  dem  damaligen  allgemeinen  Stande  der  praktischen 
Mechanik  nichts  wissen,  so  ist  doch  auffallend,  wie  sehr  seine  Genialität  ihn 
dem  modernen  Maschinenbau  näher  stehend  erscheinen  lässt,  als  die  meisten 
seiner  Nachfolger  auf  diesem  Gebiete  in  den  nächsten  zweihundert  Jahren. 


Vanueeio  Biringueeio  (um  1540  n.  Chr.). 


Vanugcio  Biringuccio,  ein  Edelmann  aus  Siena,  war  der  erste  Schrift- 
steller, welcher  über  Metallurgie  in  italienischer  Sprache  schrieb.  Sein  jetzt 
sehr  selten  gewordenes  Werk  „Pirotechnia"  erschien  zum  erstenmal  1540  zu 
Venedig,  spätere  Auflagen  1550,  58  und  59.  Letzterer  entnehmen  wir  das 
Is'achstehende.  Biringuccio's  Werk  hat,  abgesehen  von  seinem  hohen  Alter, 
deshalb  besonderen  Werth,  weil  die  darin  enthaltenen  Mittheilungen  auf  eigenen 
Beobachtungen  des  Verfassers  beruhen,  wie  beispielsweise  aus  einer  Stelle  des 
ersten  Buches  hervorgeht,  wo  er  in  der  Einleitung  zu  seinen  Angaben  über 
Messinggiesserei  sagt:  „Da  ich  keine  anderen  Kenntnisse  besitze,  als  solche, 
die  ich  mit  eigenen  Augen  gewonnen  habe,   so  spreche  ich  mit  Gewissheit^^ 

Ueber  das  Leben  unseres  Autors  ist  nur  wenig  bekannt.     Mazuchelli 

nennt  ihn  in  seinem  1760  zu  Brescia  erschienenen  Werke:  „Gii  scrittori  d'Italia" 

einen   Mathematiker,   welche  Bezeichnung  man  aber  damals  auch  allen  Me- 

'Chanikem  und  Ingenieuren  beilegte,  und  sagt:   „er  wurde  von  vielen  Fürsten 

berufen,  um  bei  ihnen  zu  arbeiten,  und  diente  dem  Pier  Luigi  Farxese,  Herzog 

von   Parma,   dann   dem  Hercules  von  Este,   Herzog  von  Ferrara,    und  den 

Venetianem". 

Pier  Luigi  Farxese,  ein  natürlicher  Sohn  des  Papstes  Paul  HL,  war  Herzog 

Ton  Parma  während  der  Zeit  von  1545 — 1547,  und  wenn  Mazuchelli  fortfährt, 
dass  BmiNGUccio  dann  bei  Hercules  von  Kste  gedient  habe,  so  kann  damit 
nur  Hercules  IL  gemeint  sein,  der  von  1534  bis  1559  Herzog  von  Ferrara 
war;  nicht  aber  Hercules  L,  wie  Joh.  Beckmann  in  seinen  „Beiträgen  zur  Ge- 
schichte der  Erfindungen",  Leipzig  1782,  meint.  Es  ist  daher  anzunehmen, 
dass  BmiNGUGCio  diese  Staatsanstellungen  erst  erhielt,  nachdem  er  durch  seine 
..Pirotechhia"  berühmt  geworden  war.  Ueber  sein  früheres  Leben  geben  nur 
einige  Stellen  seines  Werkes  geringen  Aufschluss. 

Zunächst  ist  in  dieser  Beziehung  eine  Stelle  aus  lib.  I,  Kap.  VI,  be- 
merkenswerth,  wo  davon  die  Rede  ist,  dass  alle  anderen  italienischen  Eisenerze 
schwerer  zu  verhütten  seien,  als  das  von  der  Insel  Elba,  und  gesagt  wird: 

„Dies  habe  ich  in  unserer  Gegend  von  Siena  erfahren,  als  ich  noch  als  an- 
^hender  Jüngling  (giovanettp)   in   dem  Thale  von  Bocheggiano  war,   wo  von  dein 


112  Vanuceio  Biringuccio. 

reichen  Fürsten  Pandolfo  mehrere  Gebäude  zu  einer  Eisenhütte  eingerichtet  waren. 
Und  da  mir  die  Fürsorge  für  den  Betrieb  übertragen  war,  nahm  ich  ausser  den 
Eisenerzen  von  Elba  auch  von  denen,  welche  sich  in  der  Nachbarschaft  jenes  Ortes 
finden  und  gelangte  dazu,  sowohl  mit  den  einen  als  mit  den  anderen  gute  Geschäfte 
zu  machen/' 

Da  Pandolpo  aus  der  Familie  der  Petrucci  etwa  von  1490 — 1510  an  der 
Spitze  der  Regierung  von  Siena  stand,  so  muss  BiRiXGucao,  da  er  sagt,  dass 
er  damals  ein  Jüngling  gewesen  sei,  etwa  zwischen  1473  und  1493  geboren  sein. 

Aus  mehreren  Stellen  seines  Werkes  geht  hervor,  dass  er  viele  seiner 
Erfahrungen  in  Deutschland  und  namentlich  in  Oesterreich  gesammelt  hat.  In 
lib.  III,  Kap.  II,  wo  von  der  Aufbereitung  der  Erze  die  Bede  ist,  sagt  er: 

„.  ...  durch  solche  Massregeln  muss  man  es  dahin  bringen,  wenn  das  Erz 
nicht  von  Natur  leicht  schmelzbar  ist,  dass  man  den  Widerstand  seiner  Härte  besiegt, 
indem  man  dabei  stets  Geduld  und  die  Voraussicht  des  Meisters  walten  lässt  Und 
diesem  Zwecke  entsprechend,  erinnere  ich  mich,  in  Deutschland,  wo  solche 
Kunst  vielleicht  am  meisten  in  der  ganzen  Christenheit  blüht  und 
geübt  wird,  nicht  nur  die  Anordnung  der  Schacht-  und  Flammöfen,  sondern  auch 
die  Aufbereitungsarbeiten  gesehen  zu  haben.'* 

Auch  beschreibt  er  in  der  Vorrede  seines  Werkes  Bergwerke  auf  silber- 
haltige Kupfer-  und  Bleierze,  die  er  im  Herzogthume  Oesterreich  zwischen 
„IspurcV^  und  „Alla''  gesehen  habe  (wir  werden  später  auf  die  Bedeutung 
dieser  Namen  zurückkommen),  und  giebt  noch  bestimmtere  Nachrichten  hierüber 
in  lib.  I,  Kap.  II,  wo  von  den  Silbererzen  die  Rede  ist  und  es  heisst: 

„Von  den  Sorten,  welche  ich  im  Venetianischen  gesehen  habe,  wie  in  Carnia 
(Krain)  und  an  mehreren  anderen  Orten,  kann  ich  nicht  sagen,  dass  ich  je  bessere 
gesehen  hätte;  auch  sind  viele  Gruben  dort,  und  zwar  sind  die  meisten  auf  Kupfer 
mit  Silber.  So  unter  anderen  in  dem  Berge  „Auanzo'^  (wahrscheinlich  das  heutige 
Auronzo  im  oberen  Piave-Thal,  wo  noch  heute  Bergbau  auf  Galmei  und  Blei  betrieben 
wird),  wo  ich  mit  gewissen  Edelleuten  in  Kompagnie  tra^  um  längere  Zeit  darin 
arbeiten  zu  lassen.  Und  da  mir  die  ganze  Sorge  dafür  oblag,  suchte  ich  Gelegenheit, 
von  Anderen  etwas  abzusehen,  und  ging  deshalb  zwei  Mal  nach  Deutschland,  um 
die  Gruben  zu  sehen,  welche  in  diesem  Lande  sind  und  imi  mir  Erfahrung  zu 
sammeln.  Bald  durch  Abgesandte,  bald  durch  eigenes  Sehen  und  bald  von  Solchen, 
von  denen  ich  wusste,  dass  sie  praktisch  seien,  suchte  ich  zu  lernen,  so  dass  ich 
dort  so  viele  Kenntnisse  sammelte,  als  ich  bei  der  Sache,  die  wir  zu  prakticiren  hatten, 
bedurfte.  Und  diese  Sache  war  eine  gute,  denn  wir  hatten  mehr  als  3^/s  Unzen 
Silber  auf  jeden  Centner  Erz,  und  gewiss  hätten  wir  gute  Früchte  davon  geemtet, 
wenn  das  Schicksal  uns  damals  nicht  einen  Krieg  zwischen  Kaiser  Maximilian  und 
der  Signoria  von  Vendig  gebracht  hätte,  welcher  bewirkte,  dass  jene  Gegenden  von 
Friaul  und  Carnia  unbewohnbar  wurden  und  uns  zwang,  unser  Unternehmen  auf- 
zugeben und  jede  Einrichtung,  die  wir  dort  getroffen  hatten,  zu  zerstören.  Und  da 
dieser  Krieg  Längere  Zeit  dauerte,  kam  es  zur  Auflösung  unserer  Gesellschaft,  und 
ich  schlug  einen  anderen  Weg  ein,  verfolgte  aber  jenen  immer  noch  in  Gedanken. 
Und  als  es  später  dazu  kam,  dass  ich  wieder  nach  Hochdei.tschland  zurückkehrte, 
suchte  ich  mit  noch  grösserem  Fleisse  als  zuerst  mich  dort  umzusehen,  und  zwar 
in  Sbozzo,  Plaiper,  Ispruch,  Alla  und  Arotimbergh  und  dann  bin  ich  in  Italien  an 
mehreren  Orten  gewesen,  und  schliesslich  kann  ich  sagen:  Das  Meiste  und  Beste, 
was  ich  gesehen  habe,  was  das  reinste  Silber  enthält,  sind  die  Gruben,  welche  sich 
in  Vicentina  (dem  Gebiete  von  Vicenza)  in  einem  aschgiauen  Gesteine  befinden,  wie 
ich  oben  schon  sagte.** 


Lebensgeschichte.  113 

Daraus  geht  hervor,  dass  der  Berg  „Auanzo",  in  welchem  die  Grube 
war,  bei  der  Biringuccio  betheiligt  gewesen,  im  Gebiete  von  Vicenza  lag;  der 
genannte  Krieg  aber,  wegen  dessen  diese  Gruben  aufgegeben  wurden,  muss  der 
der  Ligue  von  Cambrai  gegen  Venedig  gewesen  sein,  welcher  1509  begann,  und 
es  ist  deshalb  anzunehmen,  dass  Biringuccio  in  den  Jahren  vor  1509  jenes  Berg- 
werk betrieb  und  kurz  nach  1509  seine  wichtigste  Reise  in  Deutschland  machte. 
In  Betreff  dieser  ist  auch  noch  eine  Stelle  aus  lib.  II,  Kap.  VIU,  von  Interesse, 
wo  über  Salzwerke  gesprochen  wird  und  wo  es  heisst: 

y,Aber  so  viele  Gegenden  es  auch  giebt,  die  sich  keines  anderen  Salzes  bedienen 
als  desjenigen,  welches  man  aus  den  Bergen  gräbt  (Steinsalz),  so  gebraucht  man  doch 
auch  noch  andere  Hilfsmittel  als  die  Arbeit  des  Ausgrabens,  und  als  beste  Bestätigung 
hiervon  will  ich,  ausser  anderen  Orten,  von  denen  ich  reden  könnte,  Euch  erzählen, 
dass  ich  mich  erinnere,  zu  Halla  im  Herzogthum  Oesterreich  gesehen  zu  haben,  wie 
ein  kleiner  Bach  mit  süssem  Wasser  nur  dadurch,  dass  man  ihn  durch  einen  Berg 
fliessen  lässt,  in  dem  Steinsalz  ist,  so  salzig  wird,  dass  dieses  Wasser  in  gewisse 
Kessel  gebracht  wird,  die  aus  Eisenplatten  etwa  4  Ellen  gross  im  Durchmesser  über 
einem  Ofen  angebracht  sind  u.  s.  w." 

Da  nun  Hall  am  Inn  das  älteste  und  berühmteste  Salzwerk  in  Tirol 
hatte,  was  heute  noch  ungefähr  300000  Ctr.  Kochsalz  in  einem  Jahre  liefert, 
wobei  die  Salzsohle  aus  dem  etwa  8  km  nördlich  gelegenen  Salzberg  nach  der 
Saline  geleitet  wird,  da  femer  Ispruch  (ch  wird  im  Italienischen  wie  unser  k 
ausgesprochen)  ohne  Zweifel  Innsbruck  (Innspruck,  im  Volksmunde  Spruck)  be- 
deutet, wo  1480  eine  bedeutende  Silberschmelze  angelegt  wurde,  so  ist  klar, 
dass  BmiNGUCcio  im  Innthale  war.  Der  grossartigste  Hüttenbetrieb  im  Innthale 
aber  war  zu  Anfang  des  sechszehnten  Jahrhunderts  zu  Schwaz,  was  die  Tiroler 
wie  Schwoz  aussprechen,  und  da  die  italienische  Sprache  weder  ein  Seh  noch 
ein  w  kennt  und  BmiNGUCCio  die  Namen  jedenfalls  nach  dem  Klange  derselben, 
wie  sie  von  den  Eingeborenen  gesprochen  wurden,  niederschrieb,  so  konnte  er 
dies  kaum  anders  als  Sbozzo  schreiben.  Femer  bestanden  um  das  Jahr  1500 
bei  dem  heutigen  Rattenberg  im  Innthal  etwa  100  Silbergruben  und  15  Silber- 
hütten. Sagt  der  Tiroler:  „zu  Rattenberg",  so  klingt  dies  wie  „zua  Rotem- 
berg"  und  unser  Italiener  machte  daraus  begreiflicherweise  Arotimbergh.  Der 
Name  Alla  dürfte  wohl  nur  eine  andere  Schreibweise  für  Halla  oder  Hall  sein, 
da  das  h  im  Italienischen  lautlos  ist  und  ausser  huomo  und  einigen  Ausrufen 
kein  italienisches  Wort  mit  h  anfängt.  Was  endlich  den  Namen  Plaiper  betriflft, 
so  dürfte  dieser  für  Bleiberg  stehen  und  wohl  Bleiberg  in  Kärnthen,  Regierungs- 
bezirk Villach  gemeint  sein,  wo  das  nachweislich  seit  mehr  als  300  Jahren 
betriebene  Bergwerk  noch  jetzt  jährlich  35—40000  Ctr.  Blei  und  Galmei  liefert. 

Da  sich  in  der  Pfarrkirche  zu  Hall  am  Inn  ein  Gemälde  von  Albrecht 

DöRER  (geb.  1471,   gest.  1528)  befindet  und  BmiNGUCCio  in  lib.  IX,  Kap.  XH, 

seiner  „Pirotechnia",  wo  von  sphärischen  Spiegeln  die  Rede  ist,  sagt: 

„ViTELLTO,  ein  ausgezeichneter  Mathematiker,  schrieb  ausführlich  über  deren 
Proportionen  und  unter  den  Neueren  Albrecht  DCrer,  ein  Deutscher,  in  seinem 
Buche  über  Architektur. 

Beck.  8 


114  Vanuccio  Biringuccio. 

Ausserdem  erinnere  ich  mich  aber  auch  an  diejenige  (Proportion),  von  welcher 
mein  Freund,  jeuer  deutsche  Ehrenmann  (gendlhuomo),  mir  sagte,  dass  er  sie  dem 
Seinigen  (nämlich  seinem  sphärischen  Spiegel)  gegeben  habe  u.  s.  w/* 

80  darf  man  vielleicht  annehmen,  dass  Biringuccio  zu  Hall  mit  Dürer  bekannt 

und  befreundet  wurde. 

Aus  einer  Stelle  in  lib.  VII,  Kap.  VIII,  wo  von  der  Benagelung  der 
Lafettenräder  die  Rede  ist,  geht  hervor,  dass  unser  Autor  auch  mit  Alfonso  I. 
VON  Este,  Herzog  von  Ferrara,  bekannt  war  und  vielleicht  in  dessen  Diensten 
stand.    Diese  lautet: 

„  ,  .  .  .  und  deshalb  sind  für  solche  Gegenden  jene  (Nägel)  am  besten,  welche 
ebene  Köpfe  haben,  die  mit  einem  Stempel  in  die  Dicke  des  Reifes  eingelassen 
werden,  so  dass  sie  ausserhalb  desselben  keine  Erhöhungen  bilden.  ^lit  diesen  machte 
jener  weise  Alfonso,  Herzog  von  Ferrara,  Erfahrungen,  der  mir  mit  eigenem  Munde 
pagte,  dass  er  zu  Artillerie-Fahrzeugen  bei  so  gemachten  Rädern  nur  ein  Paar  nöthig 
habe  und  zwei  Pferde  oder  Ochsen." 

Alfonso  I.  regierte  von  1505—1534. 

An  einer  anderen  Stelle,  lib.  VI,  Kap.  IV,  wo  von  der  Herstellung  von 

Hautrelief-Formen  die  Rede  ist,  wird  gesagt: 

„Und  auf  ähnliche  Weise  machte  idi  zur  Zeit  der  Belagerung  von  Florenz  im 
Dienste  der  Republik  das  Bodenstück  einer  doppelten  Feldschlange,  an  welchem  ein 
grosser  Kopf  von  einem  Elephanten  (Leofante)  angebracht  war,  gross  und  in  Pro- 
portion zu  der  Grösse  des  Geschützes,  welches  11  ^/s  Ellen  lang  war,  aus  einem  Guss, 
von  18000  Pfd.  Gewicht" 

Im  Jahre  1527  kam  in  Florenz  die  republikanische  Partei  unter  Führung 
der  Familie  Strozzi  wieder  einmal  ans  Ruder ;  der  Kaiser  aber  versprach  dem 
Papste,  dieTlorentiner  wieder  den  Medici  zu  unterwerfen,  und  ein  kaiserliches 
Heer  unter  Führung  des  Prinzen  Phiupp  von  Oranien  belagerte  vom  14.  Okt. 
1529  bis  12.  Aug.  1530  die  Stadt,  welche  schliesslich  kapituliren  musste. 
BmiNGUCGio  muss  also  zu  dieser  Zeit  in  den  Diensten  der  Republik  Florenz 
gestanden  haben. 

Endlich  sagt  noch  eine  Stelle,  lib.  VI,  am  Schlüsse  von  Kap.  XIV,  wo 
von  der  Aufhängung  der  Glocken  die  Rede  ist,  und  insbesondere  davon,  dass 
man  diese  auch  unbeweglich  aufhängen  und  nur  den  Klöppel  bewegen  kann: 

„Auch  ich  that  dies,  um  die  Glocke  auf  der  Engelsburg  zu  erhalten,  welche  bei 
dem  fortwährenden  Lauten  durch  die  Schläge  oft  zerbrochen  wurde.  Und  als  ich 
zur  Zeit  des  Papstes  Paul  HL  diese  Glocke  wieder  gemacht  hatte,  musste  ich  über 
viele  Arten  (der  Aufhängung)  nachdenken.^' 

Paul  III.  war  Papst  von  1534 — 1549,  folglich  muss  BmiNcuccio  kurz  vor 
dem  Jahre  1540,  in  welchem  sein  Werk  im  Drucke  erschien,  zu  Rom  beschäftigt 
gewesen  sein. 

Dies  ist  Alles,  was  wir  über  sein  Leben  in  Erfahrung  bringen  konnten, 
und  wir  wenden  uns  nun  zur  Betrachtung  des  Inhaltes  seines  Werkes. 

Von  den  zehn  Büchern  desselben  handelt  das  erste  von  den  Erzen  und 
den  Eigenschaften  des  Goldes,  Silbers,  Bleies  und  Eisens,  vom  Stahl  und  vom 


Inhalt  Beines  Werkes  «Pirotechnia*.  115 

Messing.  Das  zweite  handelt  vom  Quecksilber,  dem  Schwefel,  Antimon,  den 
Kiesen  der  Metalle,  dem  Vitriol,  Alaun,  Arsenik,  Auripigment,  Realgar,  Koch- 
salz, Salpeter,  Salmiak,  Steinsalz,  Soda,  Galmei,  Safifara,  Braunstein,  Magnet- 
stein, Oker,  Bolus,  Borax,  Ultramarin  (aus  lapis  lazuli),  von  den  Edelsteinen 
und  dem  Glase.  Dabei  wird  von  den  verschiedenen  Arten  der  Schmelzöfen 
und  insbesondere  von  der  Konstruktion  der  Schachtöfen,  die  für  Eisen  zu 
schmelzen  7  bis  8  Ellen  Höhe  erhielten,  mit  den  dazugehörigen  grossen  Blas* 
bälgen  gesprochen.  Die  Bereitung  des  Messings  und  seine  Bearbeitung  schildert 
der  Verfasser,  wie  er  sie  in  Mailand  gesehen  hat,  und  war  der  beschriebene 
Betrieb  bereits  ein  ganz  fabrikmässiger.  In  der  Abtheilung  desselben,  wo  die 
kleinen  Gegenstände  geformt  wurden ,  musste  ein  Arbeiter  je  acht  Tage  lang 
immer  ein  und  dasselbe  Modell  abformen.  Vom  Eisen  wird  unter  anderem 
gesagt,  dass  es  in  Stahl  verwandelt  werde,  indem  man  es  längere  Zeit  in  ge- 
schmolzenem Eisen  (Gusseisen)  eingetaucht  halte,  was  von  Reaumur  in  seinem 
Werke:  „L'art  de  convertir  le  fer  en  acier",  Paris  1722,  nach  eigenen  Ver- 
suchen bestätigt  wurde. 

Das  dritte  Buch  der  „Pirotechnia"  giebt  Anleitung  zum  Probiren  der 
Erze  und  der  Aufbereitung,  zur  Einrichtung  der  eigentlichen  Hüttenwerke  und 
der  Konstruktion  der  Schacht-  und  Schmelzöfen  und  behandelt  den  Schmelz- 
prozess,  das  Saigem  des  Schwarzkupfers,  das  Affiniren  des  Silbers  und  Goldes 
und  die  Darstellung  der  Holzkohlen.  Das  vierte  Buch  handelt  von  der 
Scheidung  des  Goldes  und  der  Bereitung  des  Scheidewassers,  das  fünfte  Buch 
von  der  Legirung  des  Goldes,  Silbers,  Kupfers  und  Zinns,  das  sechste  Buch 
von  der  Giesserei,  dem  Modelliren  und  Formen,  insbesondere  von  Geschütz- 
und  Glockengiesserei,  von  der  Aufhängung  der  Glocken  und  dem  Löthen  ge- 
borstener Glocken.  Das  siebente  Buch  beschreibt  ausführlich  die  Konstruk- 
tion grosser  Flammöfen,  sowie  anderer  kleiner  Schmelzöfen  und  geht  dann  zu 
den  mechanischen  Einrichtungen,  zum  Betriebe  der  Blasbälge  und  zum  Aus- 
bohren und  Montiren  der  Geschütze  über  und  lehrt  schliesslich  noch  die  Her- 
stellung guss eiserner  Geschützkugeln,  von  denen  gesagt  wird,  dass  sie  anno 
1495  in  dem  Feldzuge  von  König  Karl  VHI.  von  Frankreich  gegen  König 
Ferdinand  H.  von  Neapel  zum  erstenmal  in  Italien  gesehen  worden  seien.  Das 
achte  Buch  lehrt,  wie  kleine  Gegenstände  zu^  formen  und  zu  giessen  sind; 
das  neunte  handelt  von  Alchemie,  vom  Destilliren  und  Sublimiren,  von  Münz- 
kunst,  von  der  Gold-,  Silber-  und  Kupferschmiedekunst,  von  Eisen-  und  Zinn- 
bearbeitung, von  der  Schriftgiesserei,  der  Drahtzieherei,  dem  Vergolden,  der 
Verfertigung  von  Metallspiegeln,  der  Töpferei  und  der  Kalkbrennerei.  Wenn 
wir  aber  sagten,  es  handelt  zuerst  von  Alchemie,  so  müssen  wir  auch  hervor- 
heben, dass  BmiNGUCCio,  ebenso  wie  alle  einsichtigeren  Männer  der  Wissen- 
schaft jener  Zeiten,  die  Goldmacher  und  Diejenigen,  welche  nach  dem  Steine 
der  Weisen  suchen,  ganz  entschieden  für  Phantasten  oder  Schwindler  erklärt. 
Auch  der  Glaube   an  Wünschelruthen  und  dergl.  liegt  ihm  fern.     Das  zehnte 

8* 


116  Yanaecio  Biringnecto. 

und  letzte  Bach  der  „Pirotechnia"  lehrt  die  Bereitung  des  Schiesgpulvers ,  die 
Handhabung  der  Geschütze,  das  Anlegen  von  Minen  nnd  die  Feuerwerkerei. 

Wir  müssen  uns  hier  auf  die  Mittheilong  folgender,  mechanische  Ein- 
richtungen betreffender  Stellen  ans  diesem  interessanten  Werke  beschränken 
Oib.  VII,  Kap.  VII): 

„Verschiedene  Arten  von  Maschinen,  um  Blasbälge  zum  Metall- 
echmelien  eiuEurichten.  Wichtige  und  nothwendige  Hilfämittel  für  die  meisten 
Schmelzungen  sind  die  Blasbälge,  bei  welchen  nicht  nur  darauf  zu  sehen  ist,  dass 
sie  geschmeidig  und  reichlich  mit  Leder  (panno,  eigentlich  Tuch)  ausgestattet,  sondern 
auch,  dasa  sie  lang  und  von  gutem  Aussehen  sind,  grossen  Hub,  gute  Ventile  und 
lange,  gut«  Düsen  haben,  sotrie,  dass  sie  nicht  etwa  durch  Risse  Wind  verlieren.  Es 
ist  für  den  Erfolg  (des  Schmelzprocesses)  wichtig,  sie  so  einzurichten,  dass  sie  leicht 
arbeiten,  und  deshalb  will  ich  einige  der  gebräuchlichsten  Maschinen  angeben,  deren 
man  sich  bedient,  um  Blasbälge  durch  Wasser-  Oiler  Menschenkraft  zu  bewegen, 
damit  der  Leser  sich  vorkommenden  Falles  derselben  bedienen  kann.  Denn  obgleich 
jeder  Meister  jenen  Erfolg  nach  seinem  Dafürhalten  zu  erringen  sucht,  so  stimmen 
doch  alle  darin  überein,  dasa  sie  das  Material  schnell  und  kräftjg  zu  erhitzen  suchen, 
indem  sie  einen  starken,   mächtigen  Wind   anstreben,   damit  auch   das  Feuer  stark 


Fii.  \x. 

und  mächtig  werde.  Da  aber  die  Kräfte  der  Menschen  grossen  Dingen  gegenüber 
schwach  sind,  so  sucht  man  nach  Maschinen,  indem  man  Hobel  verschiedener  Art 
anwendet,  oder  sich  der  Hilfe  des  Wassers  bedient. 

Einige  ordnen  ein  Kübelrad  (Fig.  126),  je  nach  der  Lokalität  und  Wasser- 
menge von  sechs,  sieben  oder  acht  Ellen  Durchmesser,  so  an,  dass  seine  Welle  unter 
den  Enden  der  unteren  Deckel  der  Bälge  durchgeht  und  dass  an  den  geeigneten 
Stellen  je  zwei  einander  gegenüber  stehende  Hebedaumen  in  dieser  Welle  befestigt 
sind.  Der  obere  Deckel  der  Blasbätge  ist  fest,  der  untere  aber,  durch  nichts  gehalten, 
sinkt  herab  nnd  Sffnet  den  Balg,  welcher  sich  ausdehnt,  bis  er  über  der  Welle  des 
Wasserrades  angekommen  ist,  worauf  der  Hebedaumen  der  Welle,  durch  die  Wasser- 
kraft gedreht^  das  Ende  des  unteren  Deckels  am  Blasbalge  hebt  und  es  gegen  den 
oberen  Tbeil  drückt  Wenn  der  Hebedaumen  vorübergegangen  ist,  fällt  der  Balg 
wieder  zurück,  und  so  wird  das  Ende  des  unteren  Balgdeckels  immer  von  Neuem 
von  dem  Ende  des  Hebedaumens  mitgenommen,  wie  aus  der  Zeichnung  ersicht- 
lich ist" 

Schon  hier  sei  bemerkt,  dass  Biringuccio  in  einer  Stelle,  die  wir  später 
citiren  werden,  selbst  sagt,  dass  er  nur  ungenügende  Fertigkeit  im  Zeichnen 
habe.  Seine  Abbildungen  sind  daher  oft  sehr  mangelhaft,  namentlich  auch  in 
Betreff  der  Perspektive,  und  haben  wir  geglanbt,  offenbare  Zeichenfeliler  bei 


MechaDismen  zur  Bewegung  voa  Blasbälgen. 


117 


sonst  möglichst  treuer  Wiedergabe  des  Originales  den  Beschreibungen  ent- 
Eprechend  verbessern  zu  sollen.     Bibincuccio  lahrt  fort: 

„Man  riclitet  Blasbälge  für  Wasserkraft  auch  noch  auf  mehrere  andere  Arten 
an,  wovon  Ich  zwei  beschreiben  will,  damit  der  Leser  sich  vorkommenden  Falles  mit 
<Ueaen  Einrichtungen  oder  Thellcn  derselben  aufrüsten  könne. 

Man  mache  zuerst  ein  Kübelrad,  wie  das  oben  erwäiinte,  und  an  das  Ende 
des  Zapfens,  auf  welchem  es  ruht,  eine  Kurbel  (Fig.  127),  wie  die  ^nes  Schleif- 
tlräies,  welche,  indem  sie  sich  bebt,  einen  Hebel  (mit  seinem  entgegengesetzten  Ende) 
niederdrückt,  und  indem  sie  herabgcht,  denselben  in  die  Höhe  ziebt  Dieser  Hebel 
(oder  diese  Stange)  ist  über  den  Blasbälgen  gelagert  und  hat  zwei  Arme  wie  ein 
Kreuz  (d.  h,  die  beiden  Hebelanne  bilden  mit  dem  Pfosten,  in  dem  sie  gelagert  sind, 
ein  Kreuz),  an  welchem  die  oberen  Deckel  der  Blasbälge  angebängt  smd,  wovon  das 
Rad,  indem  es  sieb  dreht,  immer  einen  in  die  Hohe  zieht. 

Die  zweite  Art  macht  man  der  soeben  beschriebenen  ähnlich.  Auch  sie  besteht 
aus  einem  Wasserrade  mit  einer  ähnlichen  Kurbel  am  Ende  des  Zapfens  und  einer 
auf  Zapfen  ruhenden  Traverse  über  den  Blasbälgen.  Diese  trägt  am  einen  Ende 
ein  G^ngewicht  und  hat  am  anderen  Ende  auf  der  Seite  dea  Krummzapfens  einen 


Stiel  (Fl&gelstange  ?).  Indem  der  Krummzapfen  sich  dreht,  zieht  er  diesen  Stiel  herunter 
und  lässt  ihn  hinaufgeben,  und  da  die  Traverse  an  den  geeigneten  Stellen  mit  den 
Bälgen  verbunden  ist,  wird  der  eine  davon  niedergedrückt,  wenn  das  Gegengewicht 
gehoben  wird,  und  der  andere  bebt  weh,  wenn  dieser  niedersinkt" 

Hier  hat  der  Drucker  der  uns  vorliegenden  Ausgabe  der  „Pirotecbnia" 
die  hierher  gehörige  Abbildung  mit  der  in  unserer  Fig.  132  wiedergegebenen 
verwechselt.  Uebrigens  unterscheidet  sich  die  in  Rede  stehende  Anordnung 
TOD  der  Torhei^ebenden  nur  durch  ein  am  Hebel  oder  Balancier  angebrachtes 
Gegengewicht,  und  wir  haben  deshalb  nnr  eine  der  beiden  Abbildungen  in 
Fig.  127,  wiedergegeben.    Es  heisst  weiter: 

„Für  Menschenkraft  macht  man  mehrere  andere  Hebvonichtungen  an  Blasbälge 
durch  verschiedene  Hebel.  Die  gewöhnlichste  und  gebräuchlichste  ist  die  mit  einem 
aufrechten,  in  Zapfen  gelagerten  Kreuze  und  mit  einer  Stange,  welche  an  dem  oberen 
Anne  des  Kreuzes  befestigt  ist  und,  an  dem  Querarme  vorbeigehend,  bis  zur  Höhe 
von  aner  halben  Elle  vom  Boden  herabreicbt  {Fig.  128).  An  die  Querarme  des 
Kreuzes  hängt  man  die  Blasbälge  an.  Ein  Mann,  welcher  sich  einen  Schritt  hin 
und  hex  bewegt,  schiebt  den  Griff  der  Stange  vor-  und  rückwärts  und  bewegt  dadurch 
die  Bälg^  welche  aufsteigen,  wenn  de  gezogen  werden,  und  niedersinken,  wenn  sie 
losgelaräen  werden. 


118 


Vaouccio  Bii'JDguccio. 


Eine  zweite  Art  (Fig.  129)  wird  viel  gebraucht,  A-eil  der  Schmied  selbst^  während 
er  nicht  mit  Schmieden  dea  Eiaena  beschäftigt  ist,  ohne  die  Hülfe  eines  Arbeiterä 
die  Blasbälge  bewegen  luinn,  wann  er  wiU.  Zu  diesem  Znecke  stellt  man  mitten 
zwischen  die  Blasbälge  einen  Pfosten,  darüber  legt  man  ein  HoU  in  Drehzapfcii  mit 
einem  Gegengewicht  an  einem  Ende,  während  man  am  anderen  einen  Strick  anbindet, 
welcher  zu  einer  Suinge  herabgeht^  die  längs  der  ganzen  E^se  auf  die  Erde  gelegt 
ist  und  so  angebunden  wird,  dafis  sie  etwas  Steigung  von  der  Erde  ab  hat.  Wenn 
man  nun  mit  einem  Fusse  darauf  tritt  und  so  das  Seil  anspannt^  so  wirkt  es  wie 
auf  das  Scbwungholz  einer  Glocke,  und  indem  man  abwechselnd  auf  die  Stange  tritt 
und  sie  wieder  loslässl,  werden  die  Bälge  gezogen  und  herabgelassen  und  niachen 
dadurch  Wind.     Diese  Einrichtung  ihut  seht  gute  Dienste." 

Aehnliche  Vorrichtungen  sind  noch  heute  im  Gebrauch,  wo  man  über- 
haupt noch  Schmiedeblasbälge  hat.  Auch  heute  wird  hierbei  die  Trittstange, 
welche  längs  der  Eseb  hinläuft,  mit  dem  Ende,  welches  den  Drehpunkt  des 
einarmigen  Hebels  bildet,  in  der  Regel  einfach  auf  die  Erde  gelegt,  wie  Bmm- 
fluccio  es  in  seiner  Beschreibung  angiebt,  nicht  aber  in  ein  Chamier,  wie  ea 


in  der  Abbildung  ungegeben  ist.  Solche  Verschiedenheiten  zwischen  Abbildung 
nnd  Beschreibung,  welche  den  Eindruck  machen,  als  habe  der  betreffende  Holz- 
schneider oder  Kupferstecher  den  Autor  nicht  richtig  verstanden,  kommen  in 
der  „Pirotechnia"  öfters  vor.     BmiNGticao  fahrt  fort: 

„Auch  bringt  man  häufig,  und  namentlich  thun  dies  die  Giesser,  die  Bälge  in 
Bewegung,  indem  man  ein  Stück  Hanfseil  an  der  Decke  oder  einem  anderen,  über 
den  Bälgen  befindlichen  Gegenstände  (festem  Punkte)  befestigt,  so  dass  er  mitten 
über  sie  zu  hängen  kommt  (Fig.  130).  An  diesem  SeiUtücke  befestigt  man  ein 
Querholz,"  (Wie  aus  der  Abbildung  ersichtlich,  wurden  dio  Enden  dieses  Querholzes 
oder  Balanciers  durch  Stricke  mit  je  einem  Blasbalgdeckel  verbunden,  und  dieser 
Balancier  diente  gleichzeitig  dem  Arbeiter  aU  Anhalt.)  „Und  indem  man  auf  die 
Bälge  springt,  biüd  auf  den  einen,  bald  auf  den  anderen,  bewirkt  man,  dass  sie  Wind 
erzeugen,  indem  man  sie  belastet,  und  zwar  entsteht  so  viel  davon,  dass  man  eine 
beliebige  Menge  Material  schmelzen  kann. 

Auch  legt  man,  um  je  einen  der  Bälge  aufsteigen  zu  machen,  eine  horizontale, 
hölzerne  Welle  mit  Zapfen  über  den  Ort,  wo  die  Blasbalge  aufgestellt  sind  (Fig.  131). 
Diese  hat  zwei  Arme  und  wird  durch  einen  Hebel  bewegt,  welcher  zunächst  dem 
äusseren  Zapfen  von  unten  in  das  Ende  des  Holzes  (der  Welle)  gesteckt  ist.  Wird 
dieser  Hebel  von  einem  oder  zwei  Mann  zwei  Schritte  vor  und  zurück  bewegt,  so 
hebt  sich  bald  der  eine,   bald  der  andere  Balg,  wie  aus  der  Zeichnung  zu   ersehen. 


HechaDiBinea  zur  Bewegung  von  Blasbalgen. 


119 


In  folgender  Vfeiae,  neben  vielen  anderen,  kann  man  es  auch  machen:  Man  ma<^t 
ein  grosses  doppeltes  Rad,  so  daes  ein  Mann  darin  geben  kann  (ein  Tretrad).  Ausser- 
halb an  einer  Seite  sei  es  stellenweise  verzahnt  Auch  \Terde  ein  Holz  aufrecht 
gestellt  von  der  Form  eines  halben  Radep,  welches  einen  Hebel  in  die  Höhe  hebt 
Dieser  treibt  eine  in  der  Mitte  in  Zapfen  gelagerte  Stange,  an  welche  die  Ringe  der 
Blasbälge  angehängt  sind.  Wenn  dann  das  grosse  Rad  sich  dreht,  so  greifen  die 
Zähne  in  die  Leiter  des  Hebels  und  bewegen  ihn  aufwärts  und  treiben  den  Wag- 
balken, an  dem  die  Blasbälge  angehängt  sind.     Der  eine  bewegt  sich  durch  diesen 


Antrieb  aufwärts  und  der  andere  durch  sein  Fallen    abwärts    und    so  verrichten    sie 
die  erforderliche  Arbeit." 

Zu  dieser  Beschreibung   kann  von  den   in  der  uns  vorliegenden  Auflage 
der  „Pirotechnia"  befindlichen  Abbildungen  nur  die  in  Fig.  132  wiedergegeben« 


geboren.  Dieselbe  ist  jedoch  sehr  unklar,  und  überdies  scheint  es  uns,  als  ob 
eine  Anordnung,  wie  die  in  Fig.  133  skizzirte,  obiger  Beschreibung  besser  ent- 
sprechen würde.     Bebinguccio  fährt  fort: 

„Es  giebt  unendlich  viele  Arten,  zu  heben,  niederzudrücken  und  zu  ziehen, 
welche  man  sämmllich  zur  Hervorbringung  derartiger  Wirkungen  anwenden  könnte, 
und  als  ich  über  diese  Maschine  nachdachte,  kam  ich  zu  dem  Schlüsse,  dass  alle 
jene  Wirkungen,  welche  sich  durch  Wasser  hervorbringen  lassen,  im  Falle  der  Noth 
auch  durch  Sien  seh  enkräfle  hervorgebracht  werden  könnten,  und  dass  ebenso  Alles, 
was  man  mit  Meuschenkraft  macht,  viel  leichter  durch  das  Wasser  gethan  werden 
kann ;  luid  viele  solche  Dinge  fand  ich  in  Gednnkcii  aus. 

Unter  anderem  habe  ich  eine  Äfaschinerie  in  dem  Thale  von  Bocheggiano 
angeordnet,   welche  mit  einem  einzigen  Rade  in  ein  und  demselben  Räume  vier  ver- 


120 


Vrodccio  Biriogacdo. 


«diiedene  Essen  bediente^  und  diese  Maschinerie  that  dieselben  Dienste,  ^ie  vier 
Wasserräder  (mit  den  bis  dahin  beschriebenen  einfachen  ^lechanianien).  Sie  bestand 
BUB  einem  Kübelrade  der  gewöhnlichen  Ai%  aber  viel  grösser,  und  an  seiner  Welle 
iraren  Daumen  angebracht^  welche  die  Blasbälge  der  ersten  Esse  hoben.  An  dem 
Ende  der  Welle  aber,  wo  der  Zapfen  sich  befand,  war  eine  Kurbel  wie  bei  einem 
Schleifrade  (ruota),  welche,  indem  sie  sich  in  einer  hölzernen  Dnickstange  (stampaturn) 
umdrehte,  einen  Hebel  in  die  Höbe  hob  und  beim  Bückgango  wieder  ab\Tärt8  l»ewegte. 
Dieser  schob  einen  anderen  Wellenarm,  der  mit  seinem  Ende  über  die  Blasbälge 
einer  anderen  Welle  reichte,  welche  Blasbälge  bei  einer  anderen  Ease  lagen,  und 
indem  er  diese  Welle  antrieb,  bewirkte  er,  dass  diese  bald  den  einen,  bald  den 
anderen  der  Anne  in  die  Höhe  hob,  an  welchem  die  Blesbälge  hingen.  Von  dieser 
Welle  ^ng  wieder  ein  anderer  Stiel  heraus,  der  wieder  eine  andere  Welle  trieb,  welche 
horizontal  über  einem  anderen  Paar  Blasbälge  lag  und  welche  auf  gleiche  Weise 
durch  den  Schub  die  Blasbälge  hob,  welche  an  den  anderen  beiden  Armen  angehängt 
waren.  So  brachte  die  eine  Welle,  indem  sie  auf  Reiche  Weise  eine  andere  antrieb, 
von  einem  Geräthe  zum  anderen  die  Wirkung  hervor,  dass  alle  vier,  oder  zwei,  oder 
drei  derselben,  je  nach  dem  Willen  des  Meisters,  sich  bewegten,  und  ich  glaube,  dass 
mau  es  mit  noch  mehr  so  machen  könnte,  wenn  das  Wasser  mächtig  genug  ist,  um 


die  die  Welle  treibenden  Hebel  zu  bewegen,  worauf  man  zu  achten  bat  Was  die 
Anordnung  anbelangt,  so  ist  sie  nicht  schwer  zu  treffen,  denn  von  der  ersten  Be- 
wegung kann  man  zu  vielen  übergehen.  Aber  was  bei  dieser  Anordnung  der  Dauer- 
haftigkeit entgegen  zu  stehen  scheint,  ist  das  Besteben  derselben  aus  so  vielen  Theilen 
und  dass  so  viele  Gewichte  zu  stützen  und  so  viele  Kräfte  fortzupflanzen  sind.  Dies 
hatte  zur  Folge,  dass  bei  jedem  Spiele  der  Maschinerie  durch  die  Stöpse  der  Hölzer 
«n  grosser  Lärm  entstand.  Ich  kann  diese  Anordnung  nicht  durch  Zeichnung  deut- 
lich machen,  denn  es  ist  für  mich  eine  zu  schwierige  Sache,  es  zu  zeichnen." 

Es  ist  dies  für  uns  eine  der  intereseantesten  Stellen  in  Biringuccio's 
Werk,  denn  sie  beschreibt  vielleicht  die  älteste  Transmissionaanlage 
zum  gleichzeitigen  Betriebe  mehrerer  Werkzeugmaschinen  durch  einen  Motor, 
von  der  wir  Kunde  haben,  und  von  der  ganzen  anspruchslosen  Schilderung 
scheint  hervorzugeben,  dass  die  Idee  einer  solchen  Transmissionsanlage  neu 
und  unserem  Autor  eigenthümlich  war,  so  dass  man  vielleicht  sagen  dürfte, 
dass  solche  Transmission  um  das  Jahr  1500  von  BmiNGUccio  erfunden  worden 
sei*).    Wir  haben  versucht,  in  Fig.  134,  eine  der  obigen  Beschreibung  ent- 

•)  Frsglich  bleibt  nur,  ob  die  etwas  spiter  von  Aoricola  beschriebenen  TranninissionB- 
ulageD,  welche  den  sKchsiBcheD  HQttenlenteD  zam  gleichen  Zwecke  dienten,  nicht  echoD 
frthsr  im  Gebrauche  waren. 


Transmission,  Ausbohren  von  Geschützen.  121 

sprechende  Anordnung  der  Hebel-Transmission  des  Biringucgio  zu  skizziren. 
Aus  den  Schlussbemerkungen  desselben  geht  femer  hervor,  dass  er  bereits 
ziemlich  richtige  Vorstellungen  von  dem  Einflüsse  der  bewegten  Massen  auf 
den  Gang  einer  Maschine  hatte. 

Wir  gehen  nun  zu  lib.  VII,  Kap.  VE!  über,  welches  von  dem  Aus- 
bohren der  Geschütze  handelt.     Birlngüccio  sagt  darüber: 

„Wo  ich  konnte,  habe  ich  ein  grosses,  doppeltes  Rad  gemacht,  so  dass  ein 
Mensch  darin  gehen  konnte,  um  es  in  Bewegung  zu  setzen  (ein  Tretrad).  Wenn  ich 
dies  aber  nicht  konnte,  so  habe  ich  ein  Lafettenrad  (als  Schwungrad)  angewendet  In 
die  Nabe  habe  ich  dann  ein  Holz  eingepasst  und  in  der  Mitte  desselben  eine  Eisen- 
stange durchgesteckt  mit  einer  Kurbel,  ähnlich  der,  welche  von  dem  früher  erwähnten 
Wasserrade  bewegt  wurde.  Am  anderen  Ende  habe  ich  einen  guten,  vierkantigen 
Kopf  angebracht  und  habe  das  Rad  auf  diesen  Zapfen  gelegt  In  den  Kopf  des- 
selben habe  ich  eine  starke  Stange  eingesetzt,  so  lang,  als  nöthig  war,  um  den  Boden 
der  Höhlung  des  Geschützes  zu  erreichen,  und  an  das  Ende  derselben  habe  ich  ein 
vierkantiges  Stück  Stahl  schweissen  (saldare,  eigentlich  löthen)  lassen,  dessen  vier 
Kanten  gerade,  scharf  und  gut  gehärtet  waren,  damit,  wenn  es  in  das  Geschütz 
gesetzt  und  gedreht  wurde,  es  genau  die  Rundung  hervorbrachte.  Dies  ist  die  gewöhn- 
liche Art  Man  hat  sie  (nämlich  die  Bohrstange  oder  den  Bohrkopf)  aber  auch  aus 
Bronce  mit  Vertiefimgen  gemacht  und  vierkantigen  Stahl  eingesetzt,  um  die  Unbe- 
quemlichkeit zu  vermeiden,  welche  das  Härten,  Schleifen  und  genaue  Justiren  jener 
Eisen-  und  Stahlmasse  verursacht.  Alsdann  habe  ich  das  Geschütz,  welches  ich 
bohren  wollte,  auf  eine  Schablone  (Fig.  135)  (d.  i.,  wie  uns  die  Zeichnung  belehrt, 
ein  Rahmen  mit  nach  der  äusseren  Rundung  des  Geschützes  ausgehöhlten  Lager- 
Etellen  für  dasselbe)  von  Ulmen-,  Nuss-  oder  anderem  Holz  aufgepasst,  welche  unten 
eben  und  wie  ein  kleiner  Karren  gemacht  war,  und  habe  das  Geschütz  mit  eisernen 
Bändern,  oder  mit  Seilen,  wie  es  mir  gut  schien,  befestigt,  damit  es  der  Bohrer  beim 
Schneiden  nicht  bewegen  konnte.  Dann  habe  ich  diesen  Karren  auf  ein  Gerüste 
(ein  Untergestell  oder  Bett)  gesetzt,  welches  aus  mehreren  Hölzern  gemacht  und 
wenigstens  doppelt  so  lang  war,  als  das  Geschütz,  und  habe  es  stark  und  fest  gemacht 
Zwischen  das  Bett,  auf  welchem  das  Geschütz  ruhte  (den  Schlitten),  und  die  genannte 
Ebene  (das  Untergestell)  habe  ich  drei  Querwalzen  gelegt,  damit  das  Geschütz,  wenn 
es  gezogen  wurde,  leicht  vorwärts  ging.  Und  um  es  ziehen  zu  können,  habe  ich 
quer  davor  einen  leichten  Haspel  angebracht,  so  dass  er  zwei  Stricke  gleichmässig 
anzog,  welche  an  beiden  Seiten  mit  guten,  eisernen  Oesen  an  dem  Bette  befestigt 
waren.  Auch  habe  ich  einen  zweiten  Haspel  hinten  angebracht,  um  das  Geschütz 
zurückziehen  zu  können,  wenn  es  verlief,  und  um  die  Bohrspäne  und  den  Bohrer 
herausziehen  zu  können.  Als  ich  mit  dieser  Vorrichtung  fertig  war,  liess  ich  durch 
drei  oder  vier  Menschen  das  Rad  drehen.  Zuvor  habe  ich  aber  den  eisernen  Schaft 
in  den  Kopf  oben  und  unten  gut  eingesetzt  (soll  wohl  heissen:  sowohl  in  den  Kopf 
an  der  Radwelle,  als  auch  in  den  Bohrkopf)  und  durch  ein  Loch,  welches  quer  durch- 
ging, einen  Keil  geschlagen.  Dann  habe  ich  mit  dem  vor  der  Mündung  des  Ge- 
schützes befindlichen  Haspel  dieses  angezogen  und  habe  es,  indem  ich  ganz  langsam 
drehte,  bis  zum  Grunde  gehen  lassen  (d.  h.  bis  der  Bohrer  den  Grund  der  Geschütz- 
höhlung berührte).  Und  so  habe  ich  nach  zwei  oder  dreimaliger  Wiederholung,  wobei 
ich  die  Schneiden  des  vierkantigen  Stahles  jedesmal  um  eine  Bindfadendicke  wachsen 

liess,  das  Geschütz  sehr  gut  und  sauber  ausgebohrt Aber  das  Bohren  mit 

dem  Doppelrade  (Tretrade),  worin  ein  oder  zwei  Menschen  gehen  können,  gefällt  mir 
besser,  als  das  Bohren  mit  dem  Lafettenrade,  weil  sich  auf  seiner  Axe  Kämme  (Holz- 
zähne) anbringen  lassen,  welche  in  eine  Walze  (ein  Getriebe  mit  Triebstöcken)  ein- 
greifen, der  ein  zweiter  Bohrer  als  Axe  dient  Mit  diesem  kann  man,  da  er  sich 
gleichzeitig  mit  dem  Bohrer  dreht,  auch  gleichzeitig  ein  zweites  Geschütz  ausbohren, 
und  zwar  hat  dieser  Bohrer  einen  weit  grösseren  Effekt  (weil  er  sich  nämlich  infolge 


123 


Vsnaccio  Biringuccio. 


der  RäderQbersetiung  schneller  dreht),  als  der,  welcher  an  der  eigentlichen  üadaxo 
sitzt.  So  etwas  lä^Et  ^ich  bei  dem  Lafetlenrode  nicht  anbringen,  weil  die  Menschen 
mit  den  Annen  keinen  so  grossen  Effekt  hervorbriogen  können." 

Die  hier  beschriebeneo  Bohrvorrichtungen  sind  dnrch  die  in  unseren 
Fig.  135  und  136  wiedergegebenen  Abbildui^en  dargestellt;  doch  zeigen  dieselben 
wieder  mehrere  Abweichungen  von  der  Beschreibung.  Namentlich  ist  in 
Fig.  135 A  das  Lafettenrad  mit  Spillen  versehen,  während  es  nach  der  Be- 
schreibung durch  eine  Kurbel  gedreht  wurde.  Ausserdem  sind  in  den  Abbil- 
dungen die  Bohrer  mit  den  Badaxen  als  ein  Stück  gezeichnet,  während  in 
der  BeschreiboDg  gesagt  wird,  dass  die  Bohrer  in  die  Köpfe  an  den  Axen  ein- 
gesteckt und  durch  Keile  befestigt  wurden,  und  endlich  sind  die  Bohrer  aU 
sogenannte  Kronenbohrer  abgebildet,  während  sie  in  dem  Texte  wie  Beibahlen 
beschrieben  sind.  Es  ist  nämlich  nachträglich  noch  zu  bemerken,  dass  die 
Seelen  der  Geschütze  nicht  aus  dem  Vollen  gebohrt,  tondem,  wie  aus  Berin- 


ssgsgt 


Firf.  ia7. 


Guccio's  Beschreibung  der  Gescbützgiesserei  hervorgehrt,  eingegossen  und  durch 
das  Bohren  nur  egalisirt  und  auf  die  genaue  Weite  gebracht  wurden.  Es  heissti 
dann  weiter: 

„Dasselbe  Resultat  habe  ich  auch  heim  Bohren  mit  mehreren  anderen  Sorten 
von  Bohrern  erhalten,  welche  ich  hier  beschreiben  will,  damit  man  vorkommendeii 
Falles  nicht  auf  eine  einzige  Sorte  beschrankt  sei.  In  Florenz  habe  ich  mit  ver- 
schiedenen Arten  Erfahrungen  gemacht  Unter  anderem  nahm  ich,  um  eine  Feld- 
schlange auszubohren,  einen  Schaft  von  trockenem  Eichenholz,  der  einen  etwas 
kleineren  Durchmesser  hatte,  als  die  Höhlung  des  Geschützes.  In  diesen  liess  Ich 
acht  Schneiden  von  gehärtetem  Stahle,  anstatt  des  stählernen  Meissels,  einander 
gegenüberstehend  ein  (Fig.  137  a).  Darum  wurden  drei  eiserne  Ringe  gelegt,  einer 
unten,  einer  in  der  Mitte  und  einer  oben,  mit  geeigneten  Verbindungen,  um  sie  nach 
Belieben  anlegen  und  abnehmen  zu  können.  Von  den  Schneiden  sasscn  vier  am 
Ende  und  vier  etwas  weiter  zurück,  und  so  leistete  mir  dieser  Schaft  beim  Bohren 
der  Feldschlange  sehr  gute  Dienste. 

Ferner  machte  ich,  um  das  Geschütz  „Leofante''  („Elephant")  selbst  zu  bohren, 
nach  dem  Gutachten  eines  klugen  Schmiedes  einen  Bohrer,  ähnlich  denen,  deren 
ach  einige  Drehermeister  bedienen  und  welche  sie  Bohrer  »ach  französischer  Art 
nennen.  Diese  sehen  aus  wie  Buckel,  aber  der  meinige  war  wie  ein  Stück  von  einer 
Rinne  (Fig.  137b)  mit  scharfen  Schneiden  aus  gehärtetem  Stahl.  Dieser  Bohrer  wurde 
mit  einem  grossen  Rade  gedreht  und  schnitt  sehr  gut,  aber  manchmal  schnitt  er  mehr 
oder  weniger  und  enteprach  nicht  allen  gerechten  Anforderungen.  —  '\yenn  man 


Bohrer,  Drahtzieherei. 


123 


anen  stählernen  Bohrer  zuni  Bohren  von  Kanonen  oder  doppelten  Feldschlangen 
machen  will,  oder  wenn  man  einen  solchen  an  das  Ende  einer  Eisenstange  ansch weissen 
will,  so  ist  es,  wie  ich  schon  erwähnt  habe,  immer  schwer,  ihn  so  herzustellen,  dass 
er  vierkantig  bleibt  und  scharfe  Kanten  behält  Dies  betrifft  nicht  nur  die  eigent- 
liche Anfertigung,  sondern  auch  das  Seh  weissen,  Härten  und  Schleifen  auf  dem 
Schleifrade  und  hat  seinen  Grund  darin,  dass  der  Bohrer  eine  zu  grosse  Masse  hat 
Deshalb  muss  man  darauf  bedacht  sein,  diese  leichter  zu  machen,  und  zu  diesem 
Zwecke  macht  man  einen  Kopf  von  Bronce,  der  einen  etwas  geringeren  Durchmesser 
als  die  Kanonenkugel  hat  und  macht  in  diesen  vier,  oder  höchstens  sechs  Kanäle, 
welche  auf  dem  Grunde  schwalbenschwanzförmig  sind,  und  in  diese  werden  vier 
stählerne,  gut  gehärtete  und  geschliffene  Messer  gesetzt  (Fig.  137  c),  und  zwar  sage 
ich  vier,  weil  vier  besser  arbeiten,  als  wenn  es  mehr  sind,  da  man  sich  nur  um  so 
mehr  ermüdet,  je  mehr  solcher  Messer  eingreifen.  Nachdem  dann  dieser  Kopf  an 
eine  viereckige  Eisenstange  oder  eine  dicke  Holzstange  von  genügender  Länge  gesteckt 
imd  oben  eine  Schliesse  durchgesteckt  ist,  damit  sie  nicht  herausgehen  kann,  bohrt 
man  damit  vermittelst  des  Hebelarmes  eines  grossen  Handrades,  oder  eines  Rades,  in 
oder  auf  welchem  Menschen  gehen  (eines  Tretrades),  oder  welches  von  einem  Pferde 
oder  durch  Wasser  getrieben  wird,  nicht  nur  Geschütze,  wie  sie  heute  zu  Tage  am 
gebräuchlichsten  sind,    sondern   auch  Mörser,   und   nimmt  daraus   alles  Ueberflüssige 


Fig.  138. 


und  jedes  Hinderniss,  welches  die  Kugel  beim  Herausgehen  finden  könnte,  weg. 
Dieses  sind  die  verschiedenen  Arten  des  Geschützbohrens,  welche  man  anordnet  und 
welche  ich  entweder  selbst  angewendet  oder  gesehen  habe,  oder  von  denen  ich  gehört 
habe,  dass  sie  angewendet  werden." 

Ein  anderes  Kapitel  der  „Pirotechnia" ,  in  welchem  mechanische  Vor- 
richtungen beschrieben  sind,  ist  das  von  der  Drahtzieherei  (lib.  IX,  Kap.  VÜIj: 

„Zwei  Arten,  aus  Gold  und  Silber  Draht  zu  machen.  —  Man  ver- 
fährt dabei  auf  zwei  verschiedene  Arten.  Die  eine  besteht  darin,  dass  man  mit 
einem  starken  vertikalen  oder  horizontalen  Haspel  zieht,  und  die  andere  darin,  dass 
man  dies  mit  kleinen  Rollen,  welche  direkt  mit  der  Hand  bewegt  werden,  thut 
Nachdem  man  den  langen,  runden  Stab  so  viel  wie  möglich  mit  dem  Hammer 
dünner  gemacht  hat,  muss  man  ihn  wieder  erwärmen.  Alsdann  bringt  man  ihn 
gewöhnlich  auf  einen  horizontalen  Haspel,  welcher  in  einem  Tischgestelle  gelagert 
ist  (Fig.  138 A),  oder  man  setzt  ihn  der  Kraft  einer  Schraube  aus,  oder  bringt  ihn  auf 
einen  grossen,  renkrecht  gelagerten  Haspel  (Fig.  138B).  Welcher  Maschine  man  sich 
aber  auch  bedienen  mag,  stets  passt  man  die  stählernen  ^/2  palmo  (=»  125  mm) 
langen,  mit  mehreren  Reihen  der  Weite  nach  abgestuften  Löchern  versehenen  Zieh- 
eisen in  feste  Holzklötze  ein,  um  ziehen  zu  können.  Das  Ende  des  Gold-  oder 
Silberdrahtes  wird,  nachdem  es  von  dem  Arbeiter  durch  eines  der  Löcher  des  Zieh- 
eisens gesteckt  und  mit  frischem  Wachs  bestrichen  worden  ist,  mit  einer  starken 
Zange  mit  grossem  Maule  und  auseinander  stehenden  Schenkeln  gefasst     Um  letztere 


124  Vanuecio  Biringnccio. 

ist  ein  gewundenes  Eisen  gelegt^  welches  unten  einen  Haken  hat  An  dem  Haken 
ist  das  Ende  einer  Gurte  oder  eines  Hanfseiles  befestigt,  welches  sich  auf  einen 
Haspel  aufwickelt,  wenn  man  diesen  umdreht  Und  auf  diese  Weise  zieht  man 
zunächst  die  Zange  zusammen,  wenn  sie  das  Ende  des  Gold-  oder  Silberdrahtes 
gefasst  hat.  Indem  man  dann  die  Maschine  durch  Menschenkraft  vermittelst  Hebeln 
weiter  umdreht,  zieht  man  den  genannten  Metalldraht  und  lässt  ihn  nach  und  nach 
durch  alle  Löcher  des  Zieheisens  passiren. 

Da  aber  die  grossen  Maschinen  schlechte  Dienste  leisten,  sobald  der  Draht  auf 
eine  gewisse  Dicke  reducirt  ist,  so  macht  man  sich  zwei  Rollen  (Fig.  138C),  die  sich 
horizontal  auf  einer  Bank  drehen,  und  befestigt  ein  Zieheisen  zwischen  beiden  mit 
kleinen  Löchern,  die  der  Reihe  nach  immer  feiner  werden,  damit  man  den  Draht 
immer  dünner  machen  kann.  Durch  Drehen  der  einen  Rolle  wickelt  man  den  Draht 
auf,  während  er  durch  das  Zieheisen  hindurchgeht  Dann  nimmt  man  ihn  aus  dem 
Zieheisen  heraus,  steckt  ihn  in  ein  anderes  Loch  desselben  und  befestigt  ihn  an  der 
anderen  Rolle,  und  indem  man  so  von  Loch  zu  Loch  fortschreitet,  bald  die  eine, 
bald  die  andere  Rolle  dreht  und  den  Draht  immer  gut  gespannt  hält,  damit  er  sich 
nicht  verwirrt,  führt  man  ihn  zur  grössten  Feinheit  und  dann  auf  die  Spulen,  indem 
man  stets  darauf  bedacht  ist,  ihn  während  der  Arbeit  mit  frischem  Wachs  bestrichen 
zu  halten,  was  nicht  nur  den  Durchgang  durch  die  Löcher  erleichtert,  sondern  auch 
die  gelbe  und  schöne  Farbe  erhält  —  Nach  meinem  Dafürhalten  besteht  die  Kun$t 
dabei  in  zwei  Dingen^  nämlich  erstens  im  guten  Herrichten  der  Zieheisen,  so  dass 
deren  Löcher  sich^ jji  erhalttfti  zu  welchem  Zwecke  die  Zieheisen  vom  feinsten 
Stahle  sein  müsMpRmd  zweitihbd^n,  dass  das  Gold  oder  Silber,  welches  man 
ziehen  will,  fein  und  ua$-tiß  TsSm  gewählt  und  immer  gut  warm  gehalten  wird, 
bis  zu  dem  Grade^  mtiWßti' es  eben  nodk  in  der  Hand  halten  kann.  —  Auf  ähn- 
liche Weise  lässt  ddlT^^es  andere  Metall  ziehen,  wie  Stahl,  Messing,  Eisen  und 
Kupfer.  Von  dem  Eisen  aber  werde  ich  später  eingehender  reden  und  alles  auf 
das  Genaueste  behandeln.^' 

Es  wird  nun  die  Anfertigung  vergoldeter  und  versilberter  Drähte  be- 
sprochen und  dann  fährt  Biringuccio  fort: 

„Für  dickeren  Eisendraht  errichtet  man  ein  Gebäude  mit  einem  Wasserrade. 
Am  Ende  des  Zapfens  desselben  wird  eine  gekröpfte  Axe  angebracht  mit  einem 
Ringe,  der  einen  Haken  hat,  an  den  sich  eine  Gurte  mit  einer  Schleife  anschliesst. 
In  einiger  Entfernung  davon  setzt  man  einen  festen  Klotz  in  die  Erde  mit  dem 
Zieheisen  und  in  der  Mitte  zwischen  beiden  macht  man  eine  Grube  in  die  Erde 
(Fig.  139),  so  tief,  dass  ein  Mensch  bis  an  die  Kniee  darin  stehen  kann.  In  diese 
Grube  steigt  der  Arbeiter  mit  einer  starken  Zange.  Diese  ist  mit  einer  Strippe  von 
Eisen  versehen,  welche  an  der  Gurte  befestigt  ist  Auf  solche  Weise  packt  diese 
Strippe  die  Schenkel  der  Zange,  presst  sie  beim  Ziehen  zusammen  und  öffnet  sie 
beim  Rückgange.  Der  Arbeiter,  nachdem  er  die  Gurte  in  der  Mitte  zusammen- 
gebunden hat,  lässt  sich,  indem  er  Wasser  auf  das  Rad  giebt,  durch  die  gekröpfte 
Welle  zurückziehen  und  vorwärts  schnellen,  wobei  er  Sorge  trägt,  bei  jeder  Rückkehr 
mit  dem  Maule  der  Zange  das  Ende  des  Drahtes  zu  fassen,  welcher  durch  das  Zieh- 
eisen geht  Er  bewerkstelligt  dies  aber  dadurch,  dass  er  in  der  Grube  auf  einem 
Brette  sitzt,  welches  an  den  Seiten  durch  zwei  lange,  an  Zapfen  hängende  Eisen  an 
einem  Balken  aufgehängt  ist,  so  dass  er,  je  nachdem  das  Rad  schiebt  oder  zieht, 
hierhin  oder  dorthin  bewegt  wird,  während  er  die  Zange  festhält  Indem  man  bei 
dieser  Einrichtung  das  Eisen  immer  wieder  aufwickelt,  wird  es,  wie  das  Gold  oder 
Silber,  in  beliebige  Länge  und  Dicke  gezogen.  —  Ausserdem  habe  ich  Eisen  auch 
in  anderer  Art  ziehen  sehen,  ohne  Einrichtung  mit  Wasserrad  mit  horizontalen  (d.  h. 
in  der  Horizontalebene,  um  eine  vertikale  Axe  sich  drehenden)  Rollen,  wie  ich  gesagt 
habe,  dass  man  es  bei  dem  Golde  macht.  Man  muss  aber  dazu  sehr  dünnes,  gut 
aufgewickeltes  Eisen  haben.'' 


Drahtzieheret,  AmBlgaminnahle.  125 

„In  Ermangelung  des  Wassers  könnte  man  dasselbe  durch  ein  grosses  Rad 
erreichen,  welches  man  vermittelst  Spillen,  oder  durch  ein  Pferd  umdrehen  läsat,  oder 
durch  einen  Mann  im  Inneren  (Tretrad),  oder  durch  Gewichte,  oder  Hebel,  welche 
die  Kraft  liefern;  doch  möge  von  diesen  Künsten  genug  gesagt  sein." 

In  Fig.  140  theilen  wir  noch  die  Abbildung  einer  Mühle  ans  BmuiGDCcio'a 
„Pirotecbnia"  hauptsächlich  deshalb  mit,  weil  die  hier  dargestellte,  jetzt  nicht 
mehr  gebräuchliche  Bewegungsweise  der  Mühle  durch  einen  Arbeiter  vermittelst 
eines  Schwengels  tind  einer  Flügelstange,  welche  diesen  mit  einer  Kröpfung 
der  Mühlenspindel  verbindet,  bei  späteren  Schriftstellern  des  sechzehnten  and 
siebzehnten  Jahrhunderts  häufig  wiederkehrt  und  es  daher  immer  von  Interesse 
ist,  ZQ  wissen,  dass  sich  eine  solche  Mühle  schon  in  dem  hier  in  Rede  stehen- 
den Werke  skizzirt  findet.  Der  Text  hierzu  findet  sich  in  lib.  IX,  Kap.  XI: 
„Vom  Ausziehen  aller  Gold-  und  Silbersubstanz  aus  Schlacken, 
Kehricht  von  Münzstätten,  Goldschläger-  und  Goldschmiede- 
werkstätten".    (Durch  Amalgamiren.} 


„Man  nimmt  ein  grosses  Becken  von  Holz  oder  Stein,  untermauert  es  und 
setzt  einen  Mühlstein  passend  hinein,  der  sich  dreht,  wie  bei  einer  gewöhnlichen 
Mühle.  In  die  Höhlung  deeselben  bringt  man  das  goldhaltige  Material,  nachdem  es 
in  einem  Mörser  gut  gostossen  (dies  kann  sich  natürlich  nur  auf  Schlacken  beziehen) 
und  dann  gewaschen  und  getrocknet  ist  Man  mahlt  es  nochmals  mit  der  genannten 
Maschine  und  feuchtet  es  mit  Essig  oder  mit  Wasser  an,  worin  Sublimat,  Grünspan 
und  gewöhnliches  Salz  aufgelöst  sind.  Dann  thut  man  so  viel  Quecksilber  hinzu, 
als  genügt,  um  es  zu  bedecken  und  rührt  während  einer  oder  zwei  Stunden  um,  indem 
man  die  Mühle  je  nach  ihrer  Konstruktion  mit  der  Hand  oder  durch  ein  Pferd  um- 
drehen lässt  Denn  je  mehr  man  das  Material  mit  dem  Quecksilber  unter  dem 
Mühlsteine  reibt,  desto  mehr  nimmt  es  von  der  Gold-  und  Silbersubstanz  auf,  welche 
das  genannte  Material  enthält." 

Zum  Schlüsse  theilen  wir  noch  eine  Stelle  aus  lih.  X,  Kap.  II  über  das 
Mahlen  des  Schiesspulvers  mit,  weil  die  verschiedenen  hier  beschriebenen 
Arten  des  Pulvermahlens  in  den  Abbildungen  späterer  Schriftsteller  von 
maschinellen  Einrichtungen  für  Pulvermühlen  wieder  zu  erkennen  sind, 

BffiuiGUCCio  sagt: 

„Man  pflegte  das  Pulver  vor  Alters  mit  gewissen  kleinen  Mühlen  und  Hand- 
mühlfltdnen  wie  das  Mehl  zu  mahlen,  aber  dies  war,  abgesehen  von  der  Mühe,  sehr 


126  Tanuccio  Biringuccio. 

gefährlich,  denn,  indem  man  die  Kompoäition  mit  den  Steinen  zusammenrieb,  erhitzte 
sie  sich  ßo,  dass  sie  leicht  Feuer  fing,  da  die  ganze  Masse  besonders  geneigt  war, 
dies  zu  thun,  sowie  es  sich  ja  auch  ereignet,  dass  dies  schnell  zum  Vorschein  kommt, 
wenn  man  zwei  Stückchen  trocknen  Lorbeerholzes  mit  einiger  Gewalt  aneinander 
reibt  Deshalb  zerkleinern  und  zerquetschen  Einige  dieses  Pulver  auf  Mühlsteinen, 
ähnlich  denen  für  die  Oliven,  und  Einige  mahlen  mit  derselben  Einrichtung  durch 
Wasser.'* 

Bei  „Mühlsteinen,  ähnlich  denen  für  die  Oliven^',  hat  man  an  das  alt- 
römische  Trapetum  (siehe  S.  85  unserer  Abhandlung  über  Cato)  zu  denken, 
bei  welchem  die  Arbeiter  weiter  von  den  Mühlsteinen  entfernt  waren,  als  bei 
gewöhnlichen,  kleinen  Handmühlen;  die  Worte  aber:  „Einige  mahlen  mit  der- 
selben Einrichtung  durch  Wasser"  lassen  es  als  gewiss  erscheinen,  dass  Koller- 
gänge mit  Wasserradbetrieb  schon  im  fünfzehnten  oder  doch  wenigstens  zu 
Anfang  des  sechzehnten  Jahrhunderts  im  Gebrauche  waren.  Biringuccio  fährt  fort : 

„.  .  .  .  und  diese  Art  ist  von  allen  die  beste  und  sicherste,  auch  sind  dies 
diejenigen  Mühlen,  welche  am  besten  zemiahlen  und  zwar  geschieht  dies  ohne  An- 
strengung und  Ermüdung.  Andere,  welche  nicht  die  Bequemlichkeit  der  Wasserkraft 
haben,  thun  dies  mit  einem  grossen  Rade  (Tretrad?),  welches  so  ausgerüstet  ist,  dass 
es  mehrere  Stempel  von  Eichenholz  hebt,  die  beim  Niederfallen  in  verschiedene  hölzerne 
Mörser  schlagen,  welche  in  einem  Balken  von  Eichenholz  ausgehöhlt  sind.  Einige 
von  diesen  haben  Böden  von  Bronce.  Andere  stampfen  mit  der  Hand  mit  einem 
grossen  Stempel  von  Eichenholz,  welcher  an  dem  einen  Ende  einer  Stange  (eines 
Hebels)  gerade  über  einem  Mörser  von  Holz  oder  Bronce  aufgehängt  ist  und  zer- 
stossen  so  das  Pulver  leicht.  Noch  Andere  zerstossen  es  in  einem  Mörser  von  Stein 
mit  etwas  weiter  Mündung  mit  einem  grossen  hölzernen  Stempel,  in  den  ein  Stiel, 
wie  bei  einem  Hammer,  eingesteckt  ist'^ 

Näheren  Aufschluss  über  manche  von  BmiNcuccio  erwähnte  Maschinen  giebt 
sein  Zeitgenosse  Georg  Agricola,  der  zu  Chemnitz  sein  grosses  Werk:  „De  re 
metallica^  schrieb,  w^elches  1556  erschienen  und  welches  wir  demnächst  be- 
trachten w^erden. 


Georgias  Agrieola  (1490—1555). 


Wer  den  Ausspruch  Biringucqo's  kennt,  dass  Berg-  und  Hüttenwesen  zu 
seiner  Zeit  in  Deutschland  am  meisten  unter  allen  Völkern  der  Christenheit 
blühte  und  gepflegt  wurde,  muss  sich  freuen,  dass  wir  in  Agricola  einen  Schrift- 
steller besitzen,  der  dieses  deutsche  Berg-  und  Hüttenwesen  auf  das  Sorg- 
fältigste beschrieben  hat. 

Georg  Bauer,  der  sich  als  Schriftsteller  Agricola  nannte,  war  1490  zu 
Glauchau  geboren.  1518  wurde  er  Rector  Ordinarius  der  griechischen  Sprache 
zu  Zwickau;  doch  trieb  ihn  seine  Wissbegierde,  diese  Stelle  1522  aufzugeben 
und  zunächst  zwei  Jahre  in  Leipzig  und  dann  in  Bologna  und  Padua  Medizin, 
Chemie  und  Philosophie  zu  studiren.  1527  Hess  er  sich  als  Arzt  in  Joachims- 
thal nieder,  und  zwar  aus  Gründen,  welche  aus  seiner  im  folgenden  Jahre  ver- 
öflfentlichten  Schrift:  „Bermannus,  sive  de  re  metallica'' ersichtlich  sind.  Durch 
das  Studium  der  Medizin  hatte  er  erkannt,  dass  bei  Griechen  und  Römern 
vor  Alters  mineralische  und  metallische  Heilmittel  im  Gebrauche  gewesen 
waren,  von  welchen  man  zu  seiner  Zeit  nur  noch  die  Namen  kannte,  und  das 
Streben,  diese  Heilmittel  wieder  aufzufinden,  war,  wie  er  an  der  bezeichneten 
Stelle  sagt,  „vornehmlich  der  Grund,  dass  er  sich  an  Orte  begab,  wo  Metalle 
reichlich  vorhanden  waren".  Durch  Verkehr  mit  praktischen  Berg-  und  Hütten- 
leuten und  durch  eigene  Beobachtung  suchte  er  in  Erfahrung  zu  bringen,  was 
ihm  Gelehrte  nicht  sagen  konnten,  und  so  wurde  aus  dem  nach  mineralischen 
Heilmitteln  suchenden  Arzt  allmälig  ein  epochemachender  Mineraloge  und  der 
gediegendste  technologische  Schriftsteller  seines  und  des  folgenden  Jahrhunderts. 
Im  Jahre  1531  wurde  Agricola  als  Stadtphysikus  nach  Chemnitz  berufen, 
wahrscheinlich  auf  Veranlassung  des  Herzogs  Moritz  von  Sachsen,  der  ihn  zum 
Historiographen  des  sächsischen  Fürstenhauses  ernannte  und  ihm  stets  be- 
freundet blieb.  1546  wurde  er  in  den  Chemnitzer  Stadtrath  und  alsbald  auch 
zum  Bürgermeister  gewählt.  Dieses  Ehrenamt  wurde  ihm  dreimal  von  Neuem 
übertragen;  und  doch  brachten  ihn  die  religiösen  Wirren  jener  Zeit  und  sein 
konservativer  Sinn  schliesslich  um  Glück  und  Volksgunst.  Er  hatte  die  Refor- 
mation anfangs  freudig  begrüsst  und  sich  auf  die  Seite  Luther's  gestellt;  als 


128  Georgius  Agvicola. 

aber  die  protestantischen  Fürsten  im  schmalkaldischen  Bunde  offen  gegen 
Kaiser  und  Reich  die  Waffen  ergriffen,  wandte  er  sich  von  dieser  Seite  wieder 
ab  and  brachte  dadurch  die  protestantische  Bürgerschaft  von  Chemnitz  gegen 
sich  auf.  1552  wurde  er  aller  seiner  Aemter  entsetzt,  wurde  als  Papist  ver- 
folgt, gerieth  in  Armuth  und  starb  1555  während  eines  heftigen  Disputes  mit 
protestantischen  Mitbürgern  am  Schlagflusse.  Doch  auch  im  Tode  wollten  seine 
Feinde  ihm  keine  Ruhe  gönnen,  und  man  verweigerte  ihm  ein  ehrliches  Be- 
gräbniss,  bis  endlich  Bischof  Julius  von  Pflug  seine  Leiche  in  der  Stiftskirche 
zu  Zeitz  bestatten  liess. 

Ausser  der  erwähnten  Schrift:  „Bermannus'^  hinterlies  Agricola  folgende 
Abhandlungen:  Ueber  Entstehung  und  Ursache  unterirdischer  Dinge.  —  Ueber 
Heilquellen.  —  Von  den  Bädern.  —  Ueber  die  Natur  der  Erdausströmungen. 
Ueber  unterirdisch  lebende  Wesen.  —  Ueber  die  Natur  der  Fossilien.  —  Ueber 
alte  und  neue  Metalle.  —  Aber  während  er  diese  zum  Theile  für  die  Minera- 
ogie  grundlegenden  Abhandlungen  veröffentlichte,  arbeitete  er  ununterbrochen 
an  seinem  Hauptwerke:  „De  re  metallica  libriXH'^,  in  welchem  er  seine  reichen 
Erfahrungen  über  das  Berg-  und  Hüttenwesen  seiner  Zeit  niederlegte.  Im 
Jahre  1550  scheint  dieses  Werk  im  Manuskripte  fertig  gewesen  zu  sein,  da  ein 
demselben  als  Vorrede  vorgedruckter  Brief  an  die  Herzöge  Moritz  und  August 
von  Sachsen  dieses  Datum  trägt;  doch  erschien  es  erst  1556,  ein  Jahr  nach 
dem  Tode  des  Verfassers,  zu  Basel  im  Drucke.  Dass  so  lange  Zeit  zur  Her- 
stellung erforderlich  war,  erklärt  sich  daraus,  dass  292  Kupferstiche,  zum  Theil 
in  Grossfolioformat,  darin  enthalten  sind.  Das  Werk  fand  solchen  Beifall,  dass 
es  im  Jahre  seines  Erscheinens  drei  Auflagen  erlebte.  Bis  zum  Jahre  1624 
sind  deren  sieben  gedruckt  worden,  und  ausserdem  ist  eine  deutsche  Ueber- 
setzung  von  Philipp  Bechius  in  zwei  Ausgaben  erschienen,  die  eine  zu  Frank- 
furt a.  M. ,  die  andere  1621  zu  Basel.  Leider  ist  diese  einzige  Uebersetzung 
in  einem  so  gräulichen  Deutsch  geschrieben,  dass  der  Urtext  für  Jeden,  der 
nur  halbwegs  Lateinisch  gelernt  hat,  verständlicher  ist.  Bei  dem  grossen  kultur- 
historischen Werthe,  den  dieses  Werk  Agricola's  unstreitig  hat,  wäre  daher 
sehr  zu  wünschen,  dass  eine  neue  deutsche  Uebersetzung  veranstaltet  würde. 
Dies  würde  Deutschland  und  Sachsen  insbesondere  zur  Ehre  gereichen,  während 
unter  obwaltenden  Umständen,  da  das  Studium  der  lateinischen  Sprache  immer 
weniger  und  von  Technikern  fast  nicht  mehr  gepflegt  wird,  zu  befürchten  steht, 
dass  Agricola's  Werk  und  die  Verdienste  um  Berg-  und  Hüttenwesen,  welche 
Sachsen  sich  in  früheren  Jahrhunderten  erworben  hat,  mehr  und  mehr  in  Ver- 
gessenheit gerathen. 

Den  Inhalt  der  zwölf  Bücher  de  re  metallica  giebt  der  Autor  selbst  in 
der  Vorrede  folgendermassen  an:  Das  erste  Buch  enthält  das,  was  man 
gegen  das  Berg-  und  Hüttenwesen  und  die  Berg-  und  Hüttenarbeit  und  zu 
ihren  Gunsten  sagen  kann.  —  Das  zweite  belehrt  den  Bergmann  und  ver- 
breitet sich  in  einem  Gespräche  über  das  Auffinden  der  Erzgänge.  —  Das 


Lebensgeschichte,  Inhalt  des  Werkes,  der  .Hiiiid*.  129 

dritte  handelt  von  den  Erzgängen  und  Adem  und  ihrem  Bau.  —  Daa  vierte 
handelt  vom  Ausmessen  der  Erzgänge  und  von  den  PHichten  des  Bergmannes. 
—  Das  fünfte  lehrt  das  Graben  der  Erze  und  die  Markscheidekunst.  —  Das 
sechste  beschreibt  die  bergmännischen  Werkzeuge  und  Maschinen.  —  Das 
siebente  bandelt  von  dem  Probiren  der  Erze.  —  Das  achte  lehrt  die  Kunst, 
die  Erze  zu  rösten,  zu  pochen  und  zu  waschen,  —  Das  neunte  setzt  die 
Lehre  vom  Ausschmelzen  der  Erze  auseinander.  —  Das  zehnte  unterweist 
die  Stadirenden  der  Metallurgie  im  Scheiden  des  Silbers  von  dem  Golde  und 
des  Bleies  von  diesem  und  dem  Silber.  —  Das  elfte  zeigt,  wie  das  Silber  von 
dem  Kupfer  geschieden  wird.  —  Das  zwölfte  giebt  Vorschriften  über  die 
Bereitung  des  Salzes,  der  Soda,  des  Alaunes,  des  Eisenvitriols,  des  Schwefels, 
des  Bitumens  und  des  Glases. 

Uns  interessirt  zunächst  das  sechste  Buch.  Hier  werden  erst  die  Werk- 
zeuge des  Bergmannes,  als  Schlägel,  Eisen,  Brechstangen  und  Hauen  beschrieben ; 
dann  Fördergefässe,  als  Kürbe,  Tröge,  hölzerne  Eimer  und  lederne  Eimer  oder 


„Bulgen",  dann  Schubkarren  und  der  vierrädrige,  offene  Kastenwagen  oder 
„Hund". 

Da  Holzbahnen  und  der  Hund  als  Vorfahren  unserer  Eisenbahnen  und 
Waggons  viel  genannt,  aber  oft  unrichtig  beschrieben  werden,  so  führen  wir 
die  betreffenden  Stellen  aus  Agricola's  Werk  hier  an.  Im  fünften  Buche,  wo 
er  von  dem  Auszimmern  der  Stollen  spricht,  sagt  er: 

„Wenn  die  FelsKtücke  oder  Erdsehollen  mit  dem  Schubkarren  heraus- 
gefahren werden  sollen,  legt  nmn  Bretter,  welche  unter  sich  verbunden  werden,  auf 
die  unteren  Schwellen;  wenn  sie  ober  mit  „Hunden"  herausgefahren  werden  sollen, 
legt  man  zwei  Balken  von  22  cm  Dicke  und  Breite*),  welche  an  der  Seite,  mit  der 
sie  aneinander  liegen,  ausgehöhlt  (oder  ausgekehlt)  zu  werden  pflegen  (siehe  Fig.  141a), 
damit  in  dieser  Höhlung  (oder  Nute),  gleichsam  wie  in  voi^sehri ebenem  Wege,  die 
eisernen  Nägel  (Spumägel,  ferrei  clavi)  der  „Hunde"  sich  fortbewegen  können,  durch 
welche  Nägel  thatsäehlich  verhindert  winl,  dass  die  „Hunde"  von  dem  richtigen  Wege, 
d.  h.  der  Höhlung  (oder  Nute)  zur  Rechten  oder  Linken  abweichen," 

Die  im  sechsten  Buche  enthaltene  Beschreibung  des  „Hundes"  lantflt: 

t^Der  offene  Kastenwagen  (capsa  patens)  fasst  um  die  Hälfte  mehr  als  der 
Schubkarren,  ist  ungefähr  1,20  in  lang  und  7ö  cm  breit  und  hoch.     Da  seine  Form 

*)  Die  Haasse,  wonach  Agricola  Dimensionen  angiebt,  sind:  pedes,  unciae  and  digiti. 
Unter  der  VorauSBetzung,  dass  lateioiBchea  Haoss  gemeint  ist,  dass  also  1  pes  =  12  unciae 
=  18  digiti  =  296  mm,  haben  wir  Aenicon'B  Maaasangaben  des  leichteren  Verständnisses 
wegen  sbgenuidet  in  Metermaaas  Qbersetzt. 

Briu  9 


130 


Georgius  Agricola. 


viereckig  ist,  vird  er  auch  mit  drei  viereckig  gebogenen  Ei^nschienea  gebunden  und 
ausserdem  auf  allen  Seiten  mit  Ei^iistäben  beschlagen  {siehe  Fig.  142).  Am  Boden 
desselben  sind  zwei  Äcxchen  befestigt  (das  vordere  mit  Durchbohrung  für  den  Spur- 
nagel zeigt  Fig.  141b),  um  deren  Enden  sich  beiderseits  hSlierne, 
kreisrunde  Scheiben  (Räder)  drehen,  welche,  damit  sie  nicht  von 
den  unbeweglichen  Axen  herabfallen,  durch  kleine,  eiserne  Nägel 
verwahrt  wenlen,  sowie  durch  den  grossen  (den  Spur- 
nagel) verhütet  wird,  dass  sie  von  dem  vorgeschrie- 
benen Wege,  d,  h.  von  der  Höhlung  (oder  Nute)  der 
Balken  abweichen.  Diesen  Kastenwagen  fährt  der  Fuhrmann 
mit  Mineralien  beladen  heraus,  indem  er  den  hinteren  Tbeil  de:^- 
sclbcn  mit  den  Händen  fasst  und  fortuchiebt;  und  leer  fährt  er 
ihn  wieder  zurück.  Weil  er  aber,  wenn  er  bewegt  wird,  einen  Ton 
hervorbringt,  der  von  Einigen  dem  Bellen  eines  Hundes  für  ähnlich 
gehalten  wird,  so  nennt  man  ihn  „Hund". 

Bei  der  Abbildung  ist  bemerkt,  dass  /  der  Spumagcl 
sei.  Es  ist  also  irrig,  wenn  man  meint,  die  Hader  dieses 
„Hundes"  seien  mit  Spurkränzen  versehen  gewesen.  Bezüg- 
lich des  Alters  der  Holzbahnen  wird  manchmal,  z.  B.  in  der 
Anmerkung  auf  Seite  231  von  Relleaux's  Kinematik,  darauf 
hingewiesen,  dass  dieselben  schon  1G76  auf  den  Graben  von 
Newcastle  im  Gebrauche  waren;  aus  den  angeführten  Stellen 
Aghicola's  ersieht  man  dagegen,  dass  sie  in  sächsischen  Gruben 
schon  125  Jahre  früher  nichts  Neues  mehr  gewesen  sind. 

Von  den  Gefässen  zur  Wasserlorderung,  welche  Agricola 
aufführt,    sind  sehr   grosse,    lederne   Eimer  oder   „Bnigen", 
Flg.  143.  welche  aus  2  bis  2'/i  Stierhauten  zusammengenäht  waren,  be- 

merkenswerth.  Diese  wurden,  wie  wir  später  sehen  werden,  durch  Wasserkraft  ver- 
mittelst Kehr-Rädem  gefüllt  aus  der  Grube  gezogen  und  leer  wieder  hinabgelassen. 
Die  beim  Bergbau  gebrauchten  Maschinen 
theilt  Agricola  ein  in:  Fördermaschinen  (trac- 
toriae),  Wetterkünste  (spiritales)  und  Fahrten 
(scansoriae).  Von  den  ersteren  sagt  er,  dass  fünf 
Formen  derselben  am  meisten  im  Gebrauche 
seien,  von  denen  er  genaue  Beschreibungen  mit 
Massangaben  und  Abbildungen  folgen  lässt, 
nämlich : 

Erste  Maschine:   Ein  Homhaspel  mit 
z^vei  um  180"  gegen  einander  versetzten  Kurbeln. 
Zweite    Maschine:    Ein    Haspel    mit 
Schwungrad,  einer  Kurbel  einerseits  und  einem 
Spillenkreuze  andererseits. 
*^-'**'  Beide  Maschinen  sind  aus  Holz  konstruirt 

mit  Zapfen  und  Lagerfuttem  von   Eisen.     Der  hölzerne  Kranz    des  Schwung- 
rades   ist  durch  eingegossenes    Blei    beschwert.     In   der   Beschreibung  wird 


.  Förde  rmaschioeD.  131 

gesagt,  dasa  man  statt  dessen  auch  Schnningkugeln  anwende,  welche  man  an 
den  Enden  zweier  oder  dreier  kreuzweise  durch  den  Haspel  gesteckter  Eisen- 
Stäbe  anbringe,  wie  bei  der  Fig.  143  dargestellten  Pumpe. 

Dritte  Maschine:  Der  in  Fig.  144  abgebildete  Aufzug  mit  horizon- 
talem  Tretrade. 

Vierte  Maschine:  Der  in  Fig.  145  abgebildete  Aufzug  mit  direktem 
Pferdeantrieb,  dessen  ausführlicher  Beschreibung  wir  Folgendes  entnehmen: 

Diese  Maschine  hob  sechsmal  so  schwere  Lasten,  wie  die  beiden  zuerst 
beschriebenen.  Um  sie  herzustellen,  wurden  zunächst  16  Balken  von  ca.  12  m 
Länge,  30  cm  Breite  und  Dicke  oben  mit  Bändern  verbunden  und  unten  aus- 
einandergespreizt auf  untergelegte  Hölzer  von  ca.  1,50  m  Länge,  45  cm  Breite 
and  30  cm  Höbe  gestellt,  in  die  sie  eingezapft  und  mit  welchen  sie  verstrebt 


■wurden.  Auf  solche  Weise  grenzte  man  eme  krei'sfürmige  Grundfläche  von 
ca.  15  m  Durchmesser  ab  In  der  Mitte  derselben  \surde  eine  Grube  etwa 
3  m  tief  ausgegriben  und  mit  Kämmen  festgestampft  oder  ausgezimmert. 
Unten  in  diese  Grul  e  w  urde  eine  fechwelle  von  09  bis  12m  Länge  und 
45  cm  Breite  und  Dicke  unbeweglich  befestigt  Diese  trug  die  eiserne,  stahl- 
harte Spurpfanne  In  ähnlicher  Weise  enthielt  ein  Querholz  welches  oben 
unterhalb  der  eisernen  B<inder  in  zwei  der  autgerichteten  Balken  eingezapft 
war,  ein  eisernes  Lager  für  den  oberen  Zapfen  des  Wellbaumes.  Diese  Zapfen 
waren  Blatt-  oder  Flügelzapfen,  wie  man  sie  noch  heute  bei  hölzernen  Wasser- 
radwellen anwendet.  Der  stehende  Wellbaum  war  etwa  12  m  lang,  46  cm  dick.  Die 
Schwengel,  an  welchen  die  Pferde  zogen,  waren  7  m  lang  und  nach  unten  mit 
dem  Wellbaume  verstrebt  (was  in  der  Abbildung  nicht  angegeben  ist).  An 
ihren  Enden  war  je  ein  Holz,  1,20  m  lang,  abwärts  hängend  eingezapft  und 
an  diesem  ein  kurzes  Brett  befestigt,  auf  welchem  der  Fuhrmann  sass  (wie 


133  Geoigiua  Agricola. 

ans  Fig.  146,  ersiclitlich  ist).  Daran  war  vermttt«lst  eines  Nf^cls  eine  kurze 
Kette  mit  dem  Ortscheite  angehängt.  Die  Seiltrommel  wurde  aus  drei  ebenso 
mit  dem  Wellbanme  verstrebten,  vierarmigen ,  hölzernen  Rädern,  die  je  2  m 
Ton  einander  abstanden  und  ringsum  mit  Stäben  benagelt  waren,  gebildet.  Das, 
mit  Ausnahme  des  viereckigen,  dem  Schachte  zugekehrten  Theiles,  kegelförmige 
Gebäude  wurde  mit  Schindeln  bedeckt.  Die  beiden  um  die  Trommel  ge- 
schlungenen und  daran  befestigten  Zugseile  liefen  zunächst  über  je  eine  Holz- 


walze von  11  cm  Dicke  and  dann  über  hölzerne,  mit  eisernen  Axen  ver- 
sehene Leitrollen  bis  zum  Schachte.  Diese  Walzen  und  Leitrollen  waren  in 
horizontalen  Balken  gelagert,  welche  auf  durch  Pfosten  unterstützten  Quer- 
balken ruhten.  Die  Schwengel  wurden  in  der  Regel  durch  zwei ,  bei  tiefen 
Schachten  aber  durch  vier  Pferde  abwechselnd  in  der  einen  oder  in  der  anderen 
Richtung  gezogen,  so  dass  abwechselnd  immer  das  eine  Gefass  aus  der  Grube 
gezogen  wurde,  während  das  andere  hinabging.  Bei  jedem  Wechsel  wurden 
die  Pferde  nmgespannt.  Um  das  anfgezogene  Gefäss  zu  entleeren,  zog  es  ein 
Arbeiter  vermittelst  eines  eisernen  Hakens  zu  sich  hin,  welcher  mit  einer 
Kette  von  drei  oder  vier  Gliedern  an  einem  neben  der  SchachtötTnung  stehen- 
den Pfosten  befestigt  war. 


Förder-  und  Wasserhaltungsmascbincn.  133 

Fünfte  Maschine:  Der  in  Fig.  146  abgebildete  Aufzug  mit  Pferde- 
gopel,  horizontaler  Trommelwelle  mit  Winkelräder-Uebersetzung  und  Bremsvor- 
richtung, welche  das  Umspannen  der  Pferde  entbehrlich  machte. 

Wie  aus  der  Zeichnung  ersichtlich  ist,  befindet  sich  der  Göpel  über  Tag, 
die  horizontale  Trommelwelle  mit  der  Bremsvorrichtung  in  einem  oberen  und 
der  die  Bremse  bedienende  Arbeiter  in  einem  darunter  gelegenen  Grubenraume. 
Agricola's  Beschreibung  der  Bremsvorrichtung  lautet: 

„Die  andere  (nämlich  die  Bremsscheibe),  welche  nahe  bei  der  aus  Triebstöcken 
bestehenden  Trommel  (d.  h.  nahe  bei  dem  Getriebe)  sitzt,  ist  nach  allen  Seiten  um 
die  Axe  herum  (d.  h.  von  der  Ol)erfläche  der  Welle  bis  zum  Scheibenrande  gemessen) 
etwa  60  cm  hoch  und  30  cm  dick.  Auf  diese  wirkt  die  Bremse,  welche  die  Maschine 
je  nach  Bedürfniss  zum  Stillstande  bringt  .  .  .  Dieses  Bedürfniss  tritt  ein,  so  oft 
entweder  die  mit  Steinstucken  gefüllten  Ledersacke  (oder  Bulgen),  nachdem  sie  heraus- 
gezogen sind,  umgeleert  werden,  oder  das  Wasser  in  den  aufgezogenen  Gefässen  aus- 
gegossen wird  .  .  ." 

Daraus  geht  hervor,  dass  diese  fünfte  Maschine  auch  zur  Wasserbeför- 
derung mit  Bulgen  benutzt  wurde,  während  dies  später  in  dem  Abschnitte  über 
die  Wasserhaltung  nur  von  der  vierten  Maschine  gesagt  wird.  Die  Beschrei- 
bung fahrt  fort: 

„  .  .  .  und  deshalb  gehen  von  der  Bremse  aus  Balken  (d.  h.  ein  Balkenstrang) 
in  die  Grube  hinab,  welche  mit  einer  Kette  an  der  Bremse  angebunden  sind.  Der 
30  cm  dicke  Bremsklotz  ragt  15  cm  über  den  Balken  vor,  welcher  an  einer  Kette 
von  dem  einen  Ende  jenes  Balkens  herabhängt,  der  sich  um  die  eiserne  Axe  drehte 
die  in  der  Scheere  des  Pfostens  gelagert  ist.  An  dem  anderen  Ende  dieses  beweg- 
lichen Balkens  aber  ist  der  lange  Balken  (der  Balkenstrang)  mit  der  Kette  angehängt 
Aus  diesem  ragt  an  dem  der  Kette  gegenüberliegenden  (dem  unteren)  Ende  ein  kurzer 
Balken  her\'or,  auf  den  der  Arbeiter  sich  setzt,  wenn  die  Maschine  stillgestellt  werden 
soll.  Dann  schiebt  er  sofort  ein  Brett  oder  einen  Prügel  ein,  welcher  bis  unter  zwei 
Deckenbalken  reicht  und  von  diesen  zurückgehalten  wird,  so  dass  er  nicht  in  die 
Höhe  gezogen  werden  kann.  Wenn  der  Bremsklotz,  auf  diese  Weise  gehoben,  die 
Bremsscheibe  fasst,  greift  er  sie  so  fest  an,  diiss  oft  Funken  aus  ihr  herausfliegen*). 
Der  herabhängende  Balken,  an  welchem  der  Bremsklotz  hängt,  hat  verschiedene 
Löcher  zum  Einhängen  der  Kette,  damit  derselbe  nach  Belieben  gehoben  werden 
kann.  Ueber  der  Bremsscheibe  ist  ein  Bretterverschlag,  damit  das  herabträufelnde 
Wasser  sie  nicht  befeuchtet,  denn  wenn  sie  befeuchtet  würde,  so  würde  die  Bremse 
die  Maschine  weniger  zurückhalten  ..." 

Nachdem  Agricola  dann  den  Transport  der  Erze  auf  der  Erdoberfläche 
und  das  Hinablassen  von  Gegenständen  in  Gruben  besprochen  hat,  geht  er  zur 
Beschreibung  der  Wasserhaltungsmaschinen  über,  indem  er  sagt: 


*)  In  dem  Werke:  „De  suhtilitate"*  von  Hierontmus  Cardanus,  welches  zuerst  1550  in 
Nürnberg  erschien,  kommt  im  siebzehnten  Buche,  welches  „vom  leichten  Heben  der  Gewichte** 
handelt,  die  Stelle  vor :  „Munsterls  berichtet,  dass  mit  zweispännigen  Rädern  und  mit  Förder- 
gefässen  aus  Ochsenleder  im  Elsass  Wasser  aus  den  tiefsten  Schächten  mit  solcher  Gewalt 
aufgezogen  werde,  dass  die  Räder,  obgleich  sie  von  Holz  und  nass  seien,  Feuer  von  sich 
gäben.  Es  scheint,  dass  dieses  Instrument  wegen  dreier  Vorzöge  geschätzt  wird,  nämlich  der 
Höhe,  dem  Fassungsraume  (capacitas)  und  der  Schnelligkeit  wegen.* 

Diese  Stelle  findet  in  obiger  Beschreibung  AnRicoLA^s  ihre  Erklärung,  denn  ohne  Zweifel 
handelt  es  sich  hier  um  die  oben  beschriebene  Maschine. 


131 


Georfjius  Agricolo. 


„Die  Waswr  werden  aus  den  Gruben  entweder  herausgezogen  oder  heraus- 
gesch&pft  Das  Herausziehen  geschieht  mit  Eimcni  oder  Bulgen,  in  welche  das  Wasser 
hineingegossen  Vird.  Letztere  werden  vomehniiich  vermittelfit  einer  Jklaschine,  deren 
Wasserrad  doppelt  beschaufelt  ist  (ein  Kehrrad)  aufgezogen;  erslere  aber  durch  die 
fünf  Maschinen,  welche  ich  schon  beschrieben  habe,  wiewohl  die  vierte  an  gewissen 
Orten  auch  mittelgrosse  Bulgen  aufzieht.  Herausgeschöpft  aber  wird  das  Wasser 
entweder  mit  Bechern  (Becherwerke)  oder  mit  Scheiben,  in  denen  Loclier  sind  (d,  s. 
Pumpen kolben),  oder  mit  Bällen  (Patemosterwerke).  \A'enn  wenig  Wasser  da  ist, 
wird  es  mit  Eimern  heraufgezogen,  oder  mit  Bechern  oder  Scheiben  geschöpft;  wenn 
dagegen  viel  Wasser  da  ist,  wird  es  mit  Bulgen  hernusgezogeu  oder  mit  Bällen  (Puter- 
nosterwerken)." 


Man  ersieht  hieraus,  dass  Pumpen  damals  nur  eine  untergeortlnete  Bolle 
bei  der  Wasserhaltung  spielten  und  weniger  leisteten  als  Patemosterwerke, 
nicht  nur  wegen  des  unvollkommenen  Kolbcnsehlusses,  sondern  auch  weil  man 
nur  hülzcme  Pumpen  von  nicht  mehr  als  130  mm  Bohrung  hatte. 

Zuerst  behandelt  Agricola  das  in  Fig.  147  abgebildete  Becherwerk  mit 
doppelter  Stimräderübersetzung,  Schwungrad  und  Kurbel  für  Handbetrieb.  Sehr 
bemerkenswerth  ist,  dasa  bei  jeder  Maschine  schon  ein  eisernes  Maschinen- 
gestell, eiserne  (und  wie  aus  der  Zeichnung  zu  scliliessen  ist,  wahrscheinlich 
sogar  gusseiscme)  Zahnriidur  mit  eingeschraubten  Stahlzülincn,  sowie  auch  Anti- 
friktionsroUen  von  Stahl  vorkommen.    £s  hcisst  nämlich  in  der  Beschreibung: 


Schöpfwerke.  135 

„Das  viereckige  Gehäuse  (des  Räderwerkes)  besteht  aus  ganz  eisernen  Gittern 
von  75  cm  Höhe,  80  cm  Breite  und  85  cm  Dicke,  in  welchen  drei  eiserne  Axen 
liegen,  die  sich  in  Lagern,  oder  breiten,  eisernen,  stahlharten  Ringen  drehen,  sowie 
vier  eisernen  Rädern,  wovon  zwei  aus  Triebstöcken  bestehen  (Getriebe)  und  ebenso 
viele  gezahnt  sind.  Auf  der  unteren  Axe  sitzt  ausserhalb  des  Gehäuses  ein  hölzernes 
Rad  (Schwungrad),  damit  sie  zur  Bewegung  geneigter  werde.  Innerhalb  des  Gehäuses 
sitzt  das  kleinere  Rad  der  ersten  Art,  welches  aus  8  Triebstöcken  von  6  cm  Länge 
besteht  Auf  der  zweiten  Axe,  welche  nicht  aus  dem  Gehäuse  hervorragt  und  daher 
nur  77  cm  lang  ist,  sitzt  einestheils  das  kleinere  von  den  gezahnten  Rädern,  welches 
48  Zahne  hat,  anderentheils  das  grössere  der  Räder  der  ersten  Art,  welches  aus 
12  Triebstöcken  von  75  mm  Länge  besteht  Auf  der  dritten  (vierkantigen)  Axe  von 
35  mm  Dicke  sitzt  das  grössere  gezahnte  Rad,  welches  nach  allen  Seiten  30  cm 
hervorragt  (d.  h.  35  -f-  2.300  =  635  mm  Durchmesser)  und  72  Zähne  hat  An 
den  Zähnen  beider  Räder  sind  Schraubengewinde,  deren  Gänge  in  die  Gewindgänge 
der  Rader  eingeschraubt  werden,  so  dass  an  Stelle  von  zerbrochenen  andere  ein- 
geschraubt werden  können.  Sowohl  die  Zähne  als  auch  die  Triebstöcke  sind  von 
angelassenem  Stahle.  Anderentheils  aber  ist  die  obere  Axe,  wo  sie  aus  dem  Grehäuse 
hervortritt,  so  kunstgerecht  in  eine  Matrize  einer  anderen  Axe  eingeschlossen,  dass 
sie  damit  Eins   zu   sein   scheint   (d.  h.   beide  Axen   sind   piit  einander  verkuppelt). 


Fig.  148.  Fig.  149.  Fig.  150. 

Diese  geht  durch  ein  Balkengerüsto,  welches  den  Schacht  unigiebt  und  dreht  sich  in 
eisernen  Haken  (U-formigen  Futtern),  welche  in  dicke,  eichene  Klötze  eingelassen 
sind,  auf  Rollen  von  Stahl  (siehe  die  Details  zu  Fig.  147)  .  .  ." 

Ausserdem  ist  noch  aus  der  Beschreibung  hervorzuheben,  dass  die  Schöpf- 
becher von  der  aus  P'ig.  148  ersichtlichen  Form  aus  Eisen-  oder  Bronceblech 
gemacht  und  mit  Riemen  an  der  Kette  befestigt  wurden,  deren  Form  aus  der 
Uauptzeichnung  ersichtlich  ist. 

Die  zweite  Wasserhaltungsmaschine,  welche  Agricola  beschreibt,  ist  ein 
einfaches  Schöpfwerk  mit  Tretrad,  wie  man  es  schon  bei  Vitrüv  beschrieben 
findet  (Fig.  54  S.  48).  Bemerkenswerth  ist  dabei  höchstens  die  Form  der  Kette, 
welche  in  Fig.  149  skizzirt  ist. 

Die  dritte  Maschine  dieser  Art  ist  ein  ebensolches  Schöpfwerk  mit 
Wasserrad,  hölzernen  Schöpfeimern  imd  einer  Kette  wie  bei  Fig.  147. 

Agricola  geht  dann  zu  den  Pumpen  über  und  beschreibt  zuerst  eine  ein- 
fache, hölzerne  Pumpe  mit  Handgriff  direkt  an  der  Kolbenstange,  wie  Fig.  150 
zeigt.  Die  Pumpenröhre  ist  unten  mit  einem  hölzernen  Saugkopfe  versehen 
(Fig.  151 A),  dessen  untere  Oeffnung  jedoch  durch  einen  Holzpfropfen  ver- 
schlossen wurde.     Ferner  -wird  in  der  Beschreibung  gesagt: 

„In  seinem  (des  Saugkopfes)  oberen  Theile  wird,  wenn  die  Pumpenröhre  nur 
aus  einem  Stücke   besteht,   eine  eiserne  oder  messingene   oder   broncene  Büchse   ein- 


136 


Gcorgius  Agricola. 


geschlossen,  welche  75  mm  hoch  ist,  aber  keinen  Boden  hat,  und  welche  eine  rando 
Klappe  so  dicht  vorschliesst,  dass  das  durch  die  Luft  in  die  Höhe  geführte  Wasser 
nicht  wieder  zurückfallen  kann.  Wenn  das  Pumpenrohr  aber  aus  zwei  mit  einander 
verbundenen  Stücken  besteht,  wird  die  Büchse  in  das  untere  Stück  eingeschlossen. .  .  . 
Das  unterste  Ende  der  Kolbenstange  ist  mit  einem  „Schuh"  versehen.  So  nennt 
man  nämlich  ein  Leder  von  beinahe  Kreisform,  welches  in  der  Weise  zusammen- 
genäht ist,  dass  es  am  unteren  Ende,  wo  es  an  der  Stange  befestigt  wird,  eng  ist, 
während  es  am  oberen  Ende,  mit  dem  es  das  Wasser  schöpft,  auseinander  steht 
Oder  es  wird  eine  eiserne  kreisrunde  Scheibe  von  18  mm  Dicke,  oder  eine  Holz- 
Bcheibe  von  1 1  cm  Dicke,  welche  ringsum  über  den  „Schuh"  (womit  in  diesem  Falle 
nur  eine  einfache,  runde  Lederscheibe  gemeint  sein  kann)  vorsteht,  an  dem  unteren 
Ende  der  Stange,  welche  sie  durchdringt,  mit  einem  durchgesteckten  eisernen  Nagel 
befestigt,  oder  das  Ende  der  Stange  wird  zu  einer  Schraube  geformt  und  in  die 
Scheibe  eingeschraubt.  Die  Scheibe  (d.  i.  der  Pumpenkolben),  welche  oben  ringsum 
mit  Leder  bedeckt  ist,  hat  fünf  oder  sechs  Löcher,  entweder  runde  oder  längliche, 
welche  zusammen  eine  Art  Stern  bilden  (siehe  Fig.  151 B,  D  und  H)  .  .  ." 

Der  zuerst  beschriebene  Kolben  oder  „Schuh",  welcher  aus  einer  trichter- 
förmigen Lederkappe  mit  nach  unten  gerichteter  Spitze  bestand,  ist  auf  der 


Fig.  lol. 


Fig.  152. 


ZU  dieser  Beschreibung  gehörigen  Abbildung  nicht  dargestellt;  dagegen  findet 
sich  dort  die  in  der  Beschreibung  nicht  angegebene  Form  Fig.  151  E.  Ob  dies 
auf  einem  Irrthume  des  Kupferstechers  beruht,  bleibt  zweifelhaft.  Auch 
Fig.  151  F  und  J  sind  unverständlich. 

Die  zweite  und  dritte  der  von  Agricola  beschriebenen  Pumpen  unter- 
scheiden sich  von  der  ersten  nur  durch  die  Art  des  Antriebes.  Bei  der  zweiten 
erfolgt  dieser  durch  einen  geraden,  zweiarmigen  Hebel  mit  quer  gestellter  Hand- 
habe, wie  Fig.  152  zeigt,  bei  der  dritten  durch  den  in  Fig.  153  dargestellten 
Schwengel  von  eigenthümlicher,  nicht  unpraktischer,  aber  heutigen  Tages  nicht 
mehr  gebräuchlicher  Form. 

Die  vierte  ist  die  in  Fig.  143  und  154  dargestellte,  doppeltwirkende 
Pumpe  mit  zwei  Stiefeln,  zwei  Saug-  und  einer  Steigröhre  von  Holz,  welche 
durch  ein  kastenförmiges,  eine  Doppelkurbel  mit  Gestänge  umschliessendes  Ge- 
häuse mit  einander  verbunden  waren.  Dieses  Gehäuse  bestand  aus  zwei  Theilen, 
zwischen  denen  die  Kurbelaxe  eingelegt  wurde,  und  jeder  Theil  in  der  Regel 
aus  einem  innen  entsprechend  ausgehöhlten  Klotze  von  Buchenholz  (Fig.  154  A 
und  B).     Diese  beiden  Theile  wurden,  nachdem  die  Kurbelaxen  mit  Gestänge 


137 

(Fig.  154  D)  eingelegt  und  starke ,  eiserne  Scliienen  darum  gelegt  waren ,  mit 
breiten  eisernen  Keilen  fest  zusammengetrieben  und  dann  durch  eiserne  Bänder 
mit  einander  verbunden.     Doch  beisst  es  am  Schlüsse  der  Beschreibung: 

„Da  das  hölzerne  Gehäuse  durch  Risse  auseinander  zu  gehen  pflegt,  so  ist  es 
dienlicher,  dasselbe  aus  geschmolzenem  Blei,  Bronce  oder  Messing  herzustellen." 

Man  ersieht  hieraus,  wie  wenig  das  Gusseisen  damals  im  Gebrauche  war. 
—  Nach  einer  Seite  ging  die  Kurbelaxe  obiger  Pumpe  durch  die  Wandung  des 
Gehäuses  und  war  hier  durch  kreisförmige  Eisenplättchen ,  mit  denen  Leder- 
stiickchen  von  gleicher  Form  und  Grösse  verbunden  waren,  abgedichtet,  von 
welchen  Plättchen  das  eine  innerhalb,  das  andere  ausserhalb  des  Klotzes  die 
Axe  nmschloss.    Ausserhalb  des  Gehäuses  war  die  Axe  vierkantig,  mit  zwei 


kreuzweise  durchgesteckten  Eisenstäben  mit  Schwungkugeln  und  am  Ende  mit 
einer  Handkurbel  versehen. 

Das  fünfte  Pumpwerk  besteht  aus  drei  in  gerader  Richtung  nebeneinander 
aufgestellten  Holzpumpen,  deren  Kolbenstangen  in  drei  Holzstempeln  befestigt 
sind,  welche  durch  eine  horizontale  Daumcnwelle  mit  Kurbel  und  Spillenkreuz 
für  Handbetrieb  abwechselnd  gehoben  werden  und  durch  ihre  Schwere  wieder 
herabsinken. 

Das  sechste  ist  ein  ebensolches  Pumpwerk;  jedoch  durcli  ein  Wasser- 
rad getrieben. 

Das  siebente  ist  das  in  Fig.  155  abgebildete,  aus  mehreren  über- 
einander angeordneten  Sätzen  bestehende  Pumpwerk.  Agricola  sagt,  dass 
dieses  vor  zehn  Jahren  erfunden  worden  sei,  also  etwa  um  das  Jahr  1540, 
und  dasB  es  bei  weitem  das  künstlichste,  dauerhafteste  und  nützlichste  sei. 
Da  bei  den  später  beschriebenen,  übereinander  angeordneten  Patemosterwerken, 
von  denen  jedes  einzelne  für  sich  durch  Pferde  angetrieben  wurde,  nicht  ge- 
sagt wird,  dass  sie  erst  kürzlich  erfunden  worden  seien,  so  ist  der  gleichzeitige 


J38  Georgiua  Agricola. 

Antrieb  dieser  Pumpen  durch  einen  gemeinschaftlichen  Motor  als  das  Nene  bei 
dieser  Erfindung  zn  betrachten. 

Ein  solches,  ans  drei  Sätzen  Ton  130  mm  Bohrung  und  60  cm  Hub  be- 
stehende Pumpwerk  wurde  durch  ein  Wasserrad  Yon  4,50  m  Durchmesser  ge- 
trieben. Die  sichelförmige  Kurbel  war  mit  dem  einen  Blattzapfen  der  Wasser- 
radwelle  aus  einem  Stücke  geschmiedet  Die  Beschreibimg  des  Gestänges 
aber  Uutet: 

„Von  dem  vorderen  Theile  der  Kurbel  (der  Kurbelwarae)  hängt  die  erste  breite 
Stange  {die  Flügdstange)  herab,  denn  jener  ist  durch  den  oberen  Kopf  dieser  Stange 


Flg.  lU. 


gesteckt,  aowie  auch  der  «seme  Ifagcl  der  erston  Sclieere  fdcs  ersten  Ijcnkersl  nn 
dem  unteren  Ende  durchgeateckt  wird.  Damit  aber  die  Stange  nicht  aus  ihm  heraus- 
falle, wie  es  leicht  geschehen  könnte,  und  sie,  wenn  es  die  Umstände  erfordern, 
herau^nommen  werden  kann,  pflegt  man  das  Loch  derselben  weiter  zu  machen  als 
diesen  Eisentheil  (namentlich  auch,  damit  keine  Klemmung  eintrat,  wenn  die  Holz- 
theile  der  Maschine  sich  verzogen)  und  sie  auf  jeder  Seile  durch  einen  durchgesteckten 
Stift  ranzuschli essen.  Damit  sich  aber  diese  Stifte  nicht  reiben,  pflegt  man  den  Kopf 
der  Stange  durch  eiserne  Plättchen  oder  zwiBcbcngelcgte  Lederstückchen  zu  schützen. 
Diese  erste  Stange  (die  Flügelstange)  ist  ungefähr  3,ö  m  lang,  aber  die  übrigen  zwei 
haben  7,7  m  Länge.    Jede  ist   76  mm  breit  und   66  mm  dick.     Jeder  Theil  der- 


Pumpwerke,  Paternosterwerke.  139 

selben  ist  durch  eine  eiserne  Platte  bedeckt  und  verwahrt,  welche  mit  ebenfalls 
eisernen  Schrauben  zusammengehalten  werden  (d.  h.  die  Tlieile,  aus  welchen  jede 
Stange  zusammengesetzt  war,  wurden  durch  Laschen  mit  einander  verbunden),  damit 
ein  Theil,  welcher  schadhaft  wird,  erneuert  werden  kann.  Aber  die  Scheeren  (oder 
Ledk^)  sind  in  einer  hölzernen,  runden  Axe  von  45  cm  Länge  und  1 50  mm  Dicke 
befestigt.  Diese  ist  beiderseits  mit  eisernen  Ringen  umgürtet,  damit  die  eisernen 
Zapfen,  welche  sich  in  eisernen  Ringen  in  den  Balken  drehen,  nicht  herausgehen. 
Aus  diesen  Axen  stehen  die  beiden  hölzernen  Theile  der  Scheere  60  cm  heraus  und 
sind  11  cm  breit  und  dick.  Der  eine  steht  von  dem  anderen  22  cm  ab  und  beide 
Theile  sind  sowohl  innen  als  aussen  mit  Eisen  beschlagen.  In  der  Scheere  aber 
sind  zwei  runde,  gedrehte,  37  mm  dicke  eiserne  Nägel  unbeweglich  befestigt  Der 
hintere  derselben  dringt  durch  den  unteren  durchbohrten,  unver- 
schiebbaren Kopf  der  ersten  und  den  oberen  durchbohrten,  unver- 
schiebbaren Kopf  der  zweiten  breiten  Stange;  der  vordere  Nagel  aber 
ebenso  durch  den  eisernen,  un verschiebbaren ,  gebogenen  Kopf  der  ersten  runden 
Stange  (d.  h.  der  ersten  Kolbenstange).  Jede  solche  Stange  ist  3,85  m  lang  und 
55  mm  dick  und  geht  in  das  erste  Rohrstück  jeder  Pumpe  so  tief  herab,  dass  ihre 
Scheibe  (der  Pumpenkolben)  die  Klappe  der  Büchse  (des  Saugventils)  beinahe  berührt,** 

Die  gesperrt  gedruckte  Stelle  dieser  Beschreibung  stimmt  mit  der  Ab- 
bildung nicht  überein.  Bei  dem  beschriebenen  Gestänge  bildeten  die  flachen 
Stangen  eine  gerade  fortlaufende  Kette,  deren  Gelenkbolzen  die  hinteren  Scheeren- 
bolzen  waren,  während  an  den  vorderen  Scheerenbolzen  nur  je  eine  Kolben- 
stange hing,  so  dass  alle  Kolben  den  gleichen  Hub  hatten.  Die  Abbildung 
dagegen,  welche  in  Fig.  155  wiedergegeben  ist,  zeigt  eine  Anordnung  des  Ge- 
stänges, bei  der  die  vorderen  Scheerenbolzen  die  oberen  Drehpunkte  der 
flachen  Stangen  und  die  Aufhängepunkte  der  Kolbenstangen;  die  hinteren 
Scheerenbolzen  aber  nur  die  unteren  Drehpunkte  der  flachen  Stangen  bilden. 
Diese  Anordnung  hat  zur  Folge,  dass  die  untere  Pumpe  immer  einen  grösseren 
Hub  erhält,  als  die  darüber  stehende.  Da  dies  aber  bei  dem  schlechten 
Schlüsse  der  damaligen  Kolben  und  den  daraus  und  aus  anderen  Undichtig- 
keiten sich  ergebenden  Wasserverlusten  jedes  Pumpensatzes  zweckmässig  w^ar, 
so  ist  nicht  anzunehmen,  dass  die  Abweichung  der  Abbildung  von  der  Be- 
schreibung auf  einem  Irrthurae  des  Kupferstechers  beruht,  sondern  dass  die 
Abbildung  eine  spätere  Konstruktion  darstellt,  durch  welche  man  die  be- 
schriebene Maschine  zu  verbessern  suchte. 

lieber  die  Verbindung  der  hölzernen  Pumpenröhre  sagt  Agricola: 

„Die  Röhren  werden  durch  zwei  75  mm  breite  eiserne  Ringe  mit  einander  ver- 
bunden, einen  inneren  und  einen  äusseren.  Der  Innere  ist  beiderseits  scharf,  damit 
er  in  beide  Röhren  eindringen  und  sie  zusammenhalten  kann.  Jetzt  erhalten  indess 
die  Rohren  keine  inneren  Ringe  mehr,  sondern  werden  zusammengefugt.  Und  zwar 
umfasst  der  untere  Kopf  des  oberen  Rohres  den  oberen  Kopf  des  unteren  Rohres, 
denn  beide  sind  130  mm  hoch  ausgeschnitten,  jener  von  innen  und  dieser  von  aussen, 
80  dass  der  eine  in  den  anderen  hineingeht." 

Unser  Autor  betrachtet  alsdann  den  Fall,  dass  Wasser  aus  einer  Grube 
durch  eine  Pumpe  bis  zu  einem  Stollen  gehoben  werden  soll,  durch  den  es 
abfliesst,  und  dass  auf  der  Erdoberfläche  über  dem  Stollen  die  Wasserkraft 
eines  Baches  zu  Gebote  stehe,  welche  jedoch  bei  Anwendung  eines  Wasserrades 


140  Georgias  Agricola. 

über  Tag  für  die  erforderliche  Arbeit  zu  schwach  sei.  Er  sagt,  in  diesem 
Falle  lege  man  ein  der  Wassermenge  und  dem  natürlichen  Gefälle  des  Baches 
entsprechendes  Wasserrad  über  Tag  und  ein  zweites  grösseres  in  dem  Stollen 
an,  welch  letzteres  ein  Pumpwerk  treibe,  das  die  verlangte  Arbeit  leiste.  Das 
nöthige  Wasser  erhalte  das  grössere  Rad  dadurch,  dass  nicht  nur  das  von 
dem  oberen  Rade  abfliessende  auf  das  untere  geleitet,  sondern  auch  durch  eine 
von  dem  oberen  Rade  getriebene  Pumpe  das  durch  das  Hauptpumpwerk  bis 
zur  Stollensohle  geforderte  Wasser  noch  auf  das  Rad  gepumpt  werde,  von  dem 
es  wieder  zur  Stollensohle  zurückkehrt,  nachdem  es  die  Arbeit  des  Gefälles 
über  Tag  auf  diese  Weise  mit  derjenigen  des  Gefälles  im  Stollen  vereinigt 
hat.  Zu  Anfang  der  Arbeit  ist  erforderlich,  dass  das  Wasser  aus  dem  Bache 
in  das  Saugreservoir  der  Hilfspumpe  im  Stollen  geleitet  wird. 

Zum  Schlüsse  des  Abschnittes  über  Pumpwerke  wird  noch  ein  solches 
beschrieben,  bei  welchem  die  Kraft  eines  starken  Wasserrades  zunächst  durch 
Stirnräder  auf  eine  Vorgelegewelle  übertragen  wird,  welche  an  jedemEnde 
eine  Kurbel  hat.  Diese  beiden  Kurbeln  bewegen  zwei  Pumpwerke  von  der 
in  Fig.  155  abgebildeten  Art,  so  dass  ein  Wasserrad  zum  gleichzeitigen  Be- 
triebe von  sechs  Pumpensätzen  dient. 

Es  folgt  nun  die  Beschreibung  der  Patemosterwerke ,  welche,  wie  wir 
bereits  gesehen  haben,  damals  eine  sehr  wichtige  Rolle  spielten,  weil  Kolben- 
pumpen noch  nicht  so  viel  leisteten,  wie  sie.  Agricola  unterscheidet  sechs 
solcher  Maschinen,  welche  jedoch  wiederum  nur  durch  die  Art  des  Antriebes 
von  einander  abweichen. 

Die  erste  Maschine  ist  das  in  Fig.  156  dargestellte  einfache  Pater- 
nosterwerk mit  oberschlächtigem  Wasserrade.  Dieses  wurde  in  geringer  Tiefe 
unter  der  Erdoberfläche  in  einem  ausgezimmerten  Grubenraume  angelegt;  es 
war  meistens  7  m,  selten  9  m  hoch  und  etwas  schmäler  als  ein  gewöhnliches 
Mühlenrad.  Die  hölzerne  Kettentrommel  war  an  dem  ausgehöhlten  Umfange 
mit  vielen  eisernen  Querstegen  armirt,  welche  die  Kette  des  Paternosters  mit- 
nahmen. Dieses  zog  das  Wasser  durch  eine  Röhre  herauf  und  ging  durch 
ausgehölilte  Balken  (tigna  excavata)  wieder  hinab.  Auch  ist  in  der  Beschrei- 
bung angegeben,  dass  sie  an  der  tiefsten  Stelle  um  eine  zweite  Trommel  auf 
einer  eisernen  Axe  lief,  deren  Zapfen  sich  in  starken,  an  einem  Balken  be- 
festigten Eisen  drehten.  In  der  Detailzeichnung  der  Pumpenröhre  (Fig.  156) 
ist  diese  unten  mit  einer  Leitrolle  versehen.  Die  Rohrstücke  waren  zusammen- 
gefugt und  ausserhalb  über  die  Fuge  ein  eiserner  Ring  von  75  mm  Breite  und 
18  mm  Dicke  gelegt.  Ausserdem  war  jedes  Rohrstück  noch  mit  drei  solchen 
Ringen  gebunden.  Die  Bälle  des  Paternosters  waren  so  dick,  dass  man  sie 
mit  beiden  Händen  umspannen  konnte,  standen  1,80  m  von  einander  ab  und 
waren  aus  Schwanzhaaren  von  Pferden  mit  einem  Lederüberzuge  hergestellt.  Mit 
einem  7  m  hohen  Wasserrade  wurde  ein  solches  Patemosterwerk  bei  Förderhöhen 
bis  zu  62  m  angewendet;  mit  9  m  hohem  Wasserrade  bis  zu  71  m  Förderhöhe. 


Patemosterwerke.  141 

Die  zweite  Maschine  besteht  aus  zwei  Paternosterwerken  derselben 
Art  auf  einer  gemeinschaftlichen  Wasserradwelle. 

Ehe  Agricola  zur  dritten  Maschine  übergeht,  beschreibt  er  noch  eine 
Schwimmervorrichtung  mit  Gegengewicht  im  Wärterraume,  welche  den  Wasser- 
stand unten  im  Sumpfe  anzeigte,  damit  der  Wärter  danach  die  Maschine  in 
und  ausser  Gang  setzen  konnte.  Auch  wird  ein  Läutewerk  beschrieben,  welches 
durch  Glockenschläge  beständig  anzeigte,  ob  die  Maschine  noch  in  regelmässigem 
Gange  war.    Dieses  wurde  durch  einen  Daumen  an  der  Maschinenwelle  bewegt. 

Die  dritte  Maschine  ist  ein  einfaches  Paternosterwerk,  welches  durch 

einen  Pferdegöpel  ebenso  betrieben  wurde,  wie  der  Aufzug  Fig.  14G,  aber  ohne 

Brems-Vorrichtung.     Hierbei   ist  angegeben,   dass  die  senkrechten  Holzzähne 

des  Rades  22  cm  hoch,  15  cm  breit  und  11  cm  dick  waren  und  das  Getriebe 

12  Triebstöcke  von   90  cm   Länge  (wahrscheinlich  einschliesslich   der   in   die 

Scheiben  eingezapften  Enden)  und  11  cm  Breite  und  Dicke  hatte.     Die  Zahn- 

theilnng  betrug  daher  22  cm.     Die  Zähnezahl  ist  leider  nicht,   dagegen  der 

Durchmesser  (?  linea  dimetiens)    mit   3,55  m   angegeben,    was  aber  mit  der 

weiteren  Angabe,  dass  die  Radarme  (radii)  4,44  m  lang  gewesen  seien,  nicht 

in  Uebereinstimmung  zu  bringen  sein  dürfte.     Diese  Maschine  hob  das  Wasser 

auf  71  m  Höhe  und  wurde   durch  8  Pferde  bewegt.     Da  diese   aber  immer 

nach  vierstündiger  Arbeit  wieder  8  Stunden  ruhen  mussten,   so   mussten   32 

Pferde  für  den   ständigen  Betrieb  einer  solchen  Maschine   unterhalten  werden. 

Agricola  sagt  ferner: 

„Wenn  es  die  Umstände  erfordern,  werden  mehrere  solche  Maschinen  beim 
Ausgraben  einer  Erzader  verwendet,  und  zwar  pflegen  die  folgenden  an  immer  tieferer 
Stelle  angelegt  zu  werden,  wie  z.  B.  in  den  Karpathen  bei  Schemnitz  deren  drei 
sind,  von  denen  die  unterste  das  Wasser  aus  dem  tiefsten  Sumpfe  in  den  ersten 
Kanal  hebt,  durch  welchen  es  nach  dem  zweiten  Sumpfe  fliesst.  Die  mittlere  hebt 
es  aus  dem  zweiten  Sumpfe  nach  dem  zweiten  Kaiuüe,  durch  welchen  es  in  den 
dritten  Sumpf  fliesst  Die  oberste  aber  hebt  es  aus  der  Erde  in  den  Kanal  des 
Stollens,  dvich  welchen  es  ausfliesst  Auf  solche  Weise  werden  drei  Maschinen  durch 
96  Pferde  l)ewegt,  welche  durch  einen  geneigten  Schacht  auf  einer  Schraubenfläche, 
gleichwie  auf  einer  Wendeltreppe  zu  den  Maschinen  hinabsteigen,  deren  unterste  195  m 
unter  der  Erdoberflache  steht." 

Die  vierte  Maschine  ist  ein  Patemosterwerk  mit  direktem  Hand- 
betrieb, d.  h.  mit  Handkurbel  und  Spillenkreuz  an  der  Welle  der  Ketten- 
trommel.   Sie  wurde  bis  zu  14  m  Förderhöhe  benutzt. 

Die  fünfte  Maschine  unterscheidet  sich  von  der  vierten  nur  durch 
eine  Stimräderübersetzung. 

Die  sechste  Maschine  ist  ein  Patemosterwerk  mit  Tretrad,  Stim- 
räderübersetzung in's  Schnelle  und  Schwungrad  auf  der  Trommelwelle.  Das 
Tretrad  war  7  m  hoch  und  1,20  m  breit,  damit  zwei  Menschen  darin  gehen 
konnten.    Diese  Maschine  wurde  bis  zu  20  m  Förderhöhe  benutzt. 

Die  Beschreibung  der  grossen  Wasseraufzugmaschine  mit  Kehr- 
rad (Fig.  157)  beginnt  mit  den  Worten: 


1^ 


Georgius  Agricola. 


„Aber  die  grösste  von  RÜen  Maschinen,  weiche  Wasser  aufuohcn,  wird  so 
konstniirt:  Zuerst  wird  dns  Wasserreservoir  in  einem  ausgezimmerten  Grubenraume 
aufgestellt,  5,30  m  lang  und  3,50  m  breit  und  hoch,  in  velches  ein  Bach  durch 
oberirdische  Kanäle  oder  einen  Stollen  eingeführt  wird"  .  .  . 

Ferner  heben  wir  hervor:  Das  Kehrrad  hatte  10,70  m  Durcbmesser,  die 
Welle  war  60  cm  dick  und  10,40  m  lang.  Bezüglich  der  Bremse,  womit  die 
Maschine  versehen  war,  wird  gesagt: 

„Ausser  der  Kettentrommel  ist  nicht  weit  von  dein  Ende  der  Welle  eine  andere 
Trommel  (die  Bremsscheibe),  rings  um  die  Axe  60  cm  hoch  (sie  hatte  also,  da  dio 


l 


Flg   1S7. 

Welle  auch  60  cm  dick  war,  3  .  60  ^  180  cm  Durchmesser)  und  30  cm  breit  Eine 
Bremsp,  welche  dagt^n  gedrückt  wird,  so  oft  es  die  Umstände  erfordern,  hält  die 
Maschine  zurück,  wie  ich  oben  beschrieben  habe." 

Daraus  darf  wohl  geschlossen  werden,  dass  die  Bremse  ebenso  beschaffen 
war,  wie  die  in  Fig.  146  dargestellte,  während  sie  in  der  Abbildung  (Fig.  157) 
nur  durch  eine  zwischen  Kettentrommel  und  Kehrrad  sitzende  Bremsscheibe 
und  eine  darunter  befindliche,  als  Bremsklotz  dienende,  starke  Bohle  ange- 
deutet ist.  Nachdem  noch  der  Bretterrerschlag  um  die  Schachtoffnung  be- 
schrieben ist,  fährt  Agricola  fort: 


Wasseraufzugmaschine  mit  EehrracL  143 

„Diese  Maschine  wird  von  fünf  Männern  regiert  Einer  bedient  den  Schützen 
des  Reservoirs  (durch  den  das  Wasser  diesem  zuströmt),  indem  er  den  Schieber 
schliesst  oder  öffnet  ....  Der  Maschinenführer  aber  steht  in  einem  hangenden 
Häuschen  neben  dem  Reservoir.  Wenn  die  eine  Bulge  ungefähr  bis  an  den  Bretter- 
verschlag herausgezogen  ist,  schliesst  er  die  Schützenöffnung,  damit  das  Wasser  still 
stehe,  und  wenn  die  Bulge  ausgegossen  ist,  zieht  er  die  andere  Schützenöffnung  auf, 
damit  die  anderen  Schaufeln  des  Rades,  von  dem  Stosse  des  Wassers  getroffen,  das 
Rad  in  entgegengesetzter  Richtung  bewegen.  Wenn  er  aber  die  Schützenöffaiung 
nicht  bei  Zeit  schliessen  und  den  Strom  des  Wassers  hemmen  kann,  ruft  er  dem 
Gehilfen  zu  und  lässt  ihn  den  aufgehobenen  Bremsklotz  gegen  die  zweite  Trommel 
drücken  und  so  das  Rad  einhalten.  Zwei  aber  giessen  abwechselnd  die  Bulgen  aus, 
wovon  der  eine  auf  der  Seite  des  Bretterverschlages  steht,  welche  auf  der  Vorderseite 
des  Schachtes  ist;  der  andere  aber  auf  der  hinteren  Seite.  Wenn  die  Bulge  beinahe 
herausgezogen  ist,  was  ein  gewisser  Ring  der  Zugkette,  welcher  an  der  anderen  Seite 
des  Bretterverschlages  (d.  h.  in  dem  abwärts  gehenden  Theile  der  Kette)  erscheint, 
anzeigt,  so  steckt  der  eine  einen  Enterhaken,  d.  i.  ein  grosses,  gekrümmtes  Eisen,  in 
einen  Ring  der  Zugkette  und  zieht  den  ganzen  nachfolgenden  Theil  bis  zu  sich  an 
den  Bretterverschlag,  worauf  die  Bulge  von  dem  Anderen  ausgegossen  wird.  Dies 
thut  Ersterer  deshalb,  damit  der  Theil  der  Zugkette,  welcher  mit  der  anderen  Bulge 
vermöge  des  eigenen  Gewichtes  herabgegangen  ist,  den  übrigen  Theil  der  Kette  nicht 
von  der  Welle  herunterziehe  und  nicht  die  ganze  Kette  in  den  Schacht  hinabfällt 
(Diese  Manipulation  ist  in  der  Abbildung  unrichtig  dargestellt  Es  geht  aber  aus 
der  Beschreibung  hervor,  dass  die  Kette  nicht  an  der  Trommel  befestigt  war,  sondern 
dass  man  bereits  wusste,  dass  die  Reibung  der  mehrfach  umgeschlungenen  Kette 
genüge,  um  sie  mitzunehmen,  wenn  das  abwärts  gehende  Ende  derselben  nur  mit 
dem  leeren  Eimer  belastet  war,  während  der  volle  hemufgezogen  wurde.)  Aber  der 
Gehilfe  bei  dieser  Arbeit,  wenn  er  wahrnimmt,  dass  die  mit  Wasser  gefüllte  Bulge 
beinahe  herausgezogen  ist,  ruft  dem  Maschinenwärter  zu  und  lässt  ihn  die  Schützen- 
öffnung schliessen,  damit  er  Zeit  zum  Ausgicssen  hat.  Wenn  die  Bulge  ausgegossen 
ist,  öffnet  der  Maschinenführer  die  andere  Schützenöffnung  des  Reservoirs  nur  ein 
wenig,  damit  der  Theil  der  Zugkette  mit  der  leeren  Bulge  wieder  in  den  Schacht 
gelassen  werden  kann,  und  dann  zieht  er  sie  ganz  auf.  Wenn  nämlich  der  Theil 
der  Kette,  welcher  nach  dem  Bretterverschläge  hingezogen  war,  wieder  aufgewickelt 
ist  (was  durch  das  Uebergewicht  der  in  den  Schacht  herabhängenden  Kette  geschehen 
konnte)  und  dasselbe  durch  die  Trommel  in  den  Schacht  gelassen  worden  ist,  zieht 
der  eine  den  grossen  Enterhaken  heraus,  welchen  er  in  den  Ring  der  Kette  gesteckt 
hatte.  Der  fünfte  Arbeiter  aber  steht  neben  dem  Sumpfe  in  einer  verborgenen 
Grube,  damit  er,  wenn  etwa  ein  Theil  der  Kette  durch  Brechen  eines  Ringes  oder 
sonst  etwas  herabfallen  sollte,  nicht  verletzt  werde.  Dieser  regiert  die  Bulge  mit 
einer  eisernen  Schaufel  und  giesst  Wasser  hinein,  wenn  sie  dasselbe  nicht  selbst 
schöpft.  Da  man  aber  jetzt  in  den  oberen  Theil  jeder  Bulge  einen  eisernen  Ring 
einnäht,  so  dass  sie  immer  offen  steht  und,  in  den  Sumpf  eingetaucht,  das  Wasser 
schöpft,  so  hat  man  keinen  Bulgenlenker  mehr  nöthig.  (Man  machte  solche  Bulgen 
zum  Selbstschöpfen  unten  halbkugelförmig.)  Weil  aber  ausserdem  in  jetziger 
Zeit  von  denen,  welche  bei  dem  Bretterverschläge  stehen,  der  eine  die  Bulgen  aus- 
leert, der  andere  durch  Zugstangen  die  Schützenöffnungen  des  Reservoirs  öffnet  und 
schliesst  und  auch  den  Enterhaken  in  den  Ring  der  Kette  zu  werfen  pflegt,  so 
regieren  dann  drei  Leute  die  Maschine.  Und  weil  manchmal  derjenige,  welcher  die 
Bulgen  ausgiesst,  sogar  noch  das  Wasserrad  zum  Stillstande  bringt,  indem  er  den 
aufgehobenen  Bremsklotz  gegen  die  zweite  Tronunel  drückt^  so  übernehmen  in  diesem 
Falle  zwei  Personen  die  ganze  Arbeit. 

Von  Maschinen  zur  Ventilation  der  Gruben  zählt  Agrigola  drei  Gattungen 

auf:   1.  Vorrichtungen,  welche  den  natürlichen  Wind  in  die  Gruben  ablenken, 

2.  Facberwerke  (Ventilatoren?)  und  3.  Blasbälge. 


141 


Geoi^ins  Agricoln. 


Von  den  Windungen  der  ersten  Gattung  erwähnen  wir  den  in  Fig.  15S 
abgebildeten,  dessen  Beschreibung  lautet: 

„Die  dritte  Maschine  besteht  aus  einer  oder  mehreren  KOhrca  (einem  Rohr- 
etrange) und  einem  Gefässe.  Denn  auf  die  oberete  Röhre  wird  ein  höhernes  Fass 
gesetzt,  1,20  di  hoch  und  90  cm  breit,  dessen  stets  offene,  viereckige  Mündung  den 
Windstrom  aufnimmt  und  Ihn  entweder  durch  ein  Rohr  in  einen  Kanal,  oder  dureli 
mehrere  Rühren  {einen  Röhrenstrang)  in  die  Grube  abführt.  Der  obere  Theil  der 
Rühre  ist  in  eine  runde  Scheibe  eingeschlossen,  welche 
m  dick  ist,  wie  der  Fassljoden  und  etwas  weniger  breit, 
damit  das  Fass  sich  um  die3elt>e  drehen  kann.  Die  aus 
der  8cheibe  hervorstehende  Köhre  wird  durch  ein  in 
der  Mitte  des  Fassbodens  befindliches  Loch  gesteckt, 
und  an  diesem  Theilc  ist  ein  stehendes  Aoxcheu  an  die 
Röhre  befestigt,  welches  durch  die  Mitte  des  Fasses 
beimihe  hindurchgeht  und  bis  zu  einem  Loche  im  Deckel 
des  Fasses  reicht,  von  dem  es  umschlossen  wird.  Um 
dieses  fest«  Aexchcu  und  die  Si'hcibe  an  der  Röhre 
kann  das  bewegliche  Fhss  durch  den  Wind  leicht  ge- 
dreht werden,  weil  es  durch  einen  aus  dünnen  Brettclien 
,  bestehenden,  am  oberen  Theile  des  Fasses  der  Richtung 

Fifi-  158.  des  Lufdoches  gegenüber  befestigten  Flügel  regiert  wird. 

Und  deshalb  stellt  der  Wind,  aus  welcher  Weltgegcnd  er 
auch  blasen  mag,  den  Flügel  in  die  ihm  gerade  gegenüberliegende  Richtung,  und  dos 
Fass  kehrt  ihm  das  Luftloch  zu,  nimmt  den  Luftstrom  auf  und  leitet  ihn  durch  die 
Röhre  in  einen  langen  Kanal  oder  durch  mehrere  Röhren  (einen  Röhrenstrang)  in 
die  Grube." 

lieber  die  zweite  Gattung  von  Wettermaschinen  wird  gesagt: 
„Die  Fächer   (oder  Windflügel,   flabella)   werden    entweder   in   einen   Haspel 
(d.  h.  eine  liegende  Welle  mit  Handkurbel)  oder  in  eine  Welle  (die  auf  andere  Art 


Flg.  IS«. 


Fig.  180. 


I 


getrieben  wird)  eingezapft.  In  ersterem  Falle  ist  der  Haspel  entweder  in  einer  hohlen 
Trommel,  welche  aus  zwei  runden  Scheiben  und  mehreren  aneinander  gefügten 
Brettern  (Dauben)  besteht  (siehe  Fig.  169),  oder  in  einem  viereckigen  Gehäuse  (siehe 
Fig.  160)  angeschlossen.  Die  unbewegliche  Trommel,  welche  an  den  Seiten  geschlossen 
ist,  hat  daselbst  runde  Löcher  von  solcher  Grösse  und  Zahl,  dass  der  Haspel  steh 
darin  drehen  kann,  und  ausserdem  hat  sie  zwei  viereckige  Luftlöcher,  von  denen 
das  oberste  die  Luft  aufnimmt,  das  unterste  sie  herausläss^  wodurch  sie  in  den 
Schacht  geführt  whd.     Die  Enden  des  Haspels  aber,    welche  auf  beiden  Seiten   aua 


Ventilatoren.  145 

der  Trommel  ragen,  werden  von  Pfosten-  oder  Balkenlagem,  die  mit  Eisen  beschlagen 
sind,  unterstützt  Das  eine  derselben  ist  mit  einer  Kurbel  versehen,  in  dem  anderen 
sind  vier  Stäbe  befestigt,  welche  dicke,  schwere  Köpfe  (Schwungkugeln)  haben,  damit 
durch  ihr  Gewicht  der  Haspel,  wenn  man  ihn  umdreht,  zur  Bewegung  geneigter 
gemacht  werde.  Wenn  daher  der  Arbeiter  den  Haspel  mit  der  Kurbel  umdreht,  so 
treiben  die  Flügel,  von  denen  sogleich  berichtet  werden  wird,  wie  sie  beschaffen  sind, 
die  Luft,  welche  sie  durch  das  eine  Luftloch  schöpfen,  durch  das  andere,  an  welches 
sich  der  lange  Kanal  anschliesst»  durch  den  sie  in  die  Grube  dringt/^ 

Wenn  die  Abbildung  zu  dieser  Beschreibung,  welche  nur  zwei  Oefif- 
nungen  in  dem  Cylindermantel  der  Trommel  zeigt,  richtig  wäre,  so  müsste 
diese  Maschine  absolut  unbrauchbar  gewesen  sein,  denn  es  fehlte  dann  jeg- 
licher Grund,  warum  die  Luft  beim  Gange  der  Maschine  zur  einen  Oeflfnung 
hinein  und  zur  anderen  herausgegangen  sein  sollte.  Da  aber  diese  Maschinen 
Dienste  geleistet  haben  müssen,  weil  Agricola  sie  sonst  nicht  im  Gebrauche 
gesehen  und  beschrieben  haben  würde,  so  folgt  daraus,  dass  er  bei  dieser  Be- 
schreibung oder  der  Kupferstecher  bei  Anfertigung  der  Abbildung  sich  geirrt 
haben  mnss.  Die  Saugöffnung  muss  sowohl 
in  dem  runden,  als  auch  in  dem  viereckigen 
Gehäuse  der  Axe  näher  gewesen  sein,  als  die 
Ausströmungsöffnung.    Alsdann  waren  aber  die 


_       ,       Fig.  162. 

hier   in   Rede   stehenden    Maschinen   „Venti-        ^       ^^ 

latoren".  "^"""^"^^B^  £38^ 

Im    folgenden    Abschnitte    werden    von  pj^  ^^j  ^    ^^ 

Agricola  zunächst  Gründe  angegeben,  warum 

bei   solchen  Ventilatoren   runde   Gehäuse    den   viereckigen   vorzuziehen   sind. 

Dann  wird  eine  solche  Maschine  mit  Windmühlenflügeln,   welche   direkt  auf 

der  Ventilatoraxe  sassen,   beschrieben;   doch   wird  dazu  bemerkt,   dass  diese 

weniger  zweckmässig  sei,  als  die  mit  Handbetrieb,  weil  man  oft  wegen  Mangel 

an  Wind   die    Grube    nicht    ventiliren    könne.      Dagegen   wird   die   folgende 

Maschine,  ein  Ventilator  mit  rundem  Gehäuse,  Antrieb  durch  ein  Wasserrad 

und  Stimräderübersetzung  in's  Schnelle,  für  alle  Fälle   empfohlen,  in   denen 

genügende  Wasserkraft  vorhanden  sei.    Von  den  Ventilatorflügeln  wird  gesagt: 

„Es  giebt  von  diesen  Flügeln,  welche  in  Zapfenlöchern  eines  Haspels  oder 
einer  Welle  befestigt  werden,  drei  Arten.  Die  erste  besteht  aus  dünnen  Brettchen, 
80  lang  imd  breit,  wie  es  die  Länge  und  Breite  der  Trommel,  oder  des  Gehäuses 
erfordert  (siehe  Fig.  161).  Die  zweite  besteht  aus  ebenso  breiten,  aber  weniger  hohen 
Brettchen,  an  welchen  lange,  dünne  Späne  aus  Pappelholz  oder  einem  anderen  Baume 
befestigt  sind  (Fig.  162).  Die  dritte  besteht  aus  Brettchen,  wie  die  vorigen,  an 
welchen  doppelte  oder  dreifache  Gänseflügel  befestigt  sind  (Fig.  163).  Diese  Art 
ist  weniger  im  Gebrauche,  als  die  zweite,  und  diese  wieder  weniger  als  die  erste  . . ." 

Durch  Blasbälge,  und  zwar  durch  einfache,  aus  Holz  und  Leder  kon- 
stmirte  Spitzbälge,  wurde  entweder  frische  Luft  in  Gruben  geblasen,  oder  die 
schlechte  Luft  herausgesaugt,  indem  man  den  Kanal  oder  die  Röhre,  welche 
in  die  Grube  hinabging,  entweder  an  der  Düse  oder  von  unten  an  das  Saug- 
ventil des  Blasbalges  anschloss.   Das  Ansaugen  schwerer,  übelriechender  Dünste 

B««k.  10 


146 


Georgin«  Agricola. 


konnte  auf  diese  Weise  bis  auf  35  m  Höhe  geschebeo.  Die  Bälge  wurden 
durch  Menschen,  Pferde  oder  Wasserkraft  getrieben,  und  zwar  wurde  der  obere 
Balgdeckel  durch  den  Motor  gehoben  und,  da  er  mit  einem  schweren  Steine 
belastet  war,  durch  diesen  wieder  herabgedruckt.  Wo  es  sich  um  Bewältigung 
grösserer  Luftmengen  bandelte,  wurden  mehrere  solcher  Bälge  nebeneinander 
gelegt  und  gleichzeitig  betrieben.    Agbicola's  Abbildungen  zeigen: 

1.  Einen  durch  Handhebel  betriebenen  Balg  zum  Aussaugen  schlechter 
Luft  ans  einem  Schachte. 

2.  Einen  ebensolchen  Balg  zum  Eintreiben  guter  Luft  in  einen  Stollen. 

3.  Drei  nebeneinander  liegende  Bälge  ohne  Düsen,  welche  abwechselnd, 
wie  die  Bälge  einer  Kirchenorgel,  von  einem  Arbeiter  getreten  werden.  Jeder 
ist  mit  einer  Saugleitong  versehen,  durch  welche  schlechte  Luft  aus  der  Grube 
von  unten  eingesaugt  und  dann  durch  ein  Klappenventit  im  oberen  Balgdeckel 


Kg.  ist. 


wird.    Die  schlechte  Luft  kannte  auf  diese  Art  auf  355  m  Ent- 
fernung durch  Stollen  angesaugt  werden. 

4.  Zwei  Bälge,  durch  einen  stehenden  Pferdpgöpel  vermittelst  Winkel- 
ndem, Daumenwelle  und  zwei  Hebeln  betrieben,  um  frische  Luft  in  einen 
Schacht  zu  treiben. 

5.  Ein  Tretrad  (Fig.  164),  welches  ein  Pferd  mit  den  Vorderfüssen  trat 
und  welches  zum  Betriebe  zweier  Blasbälge  benutzt  wurde.  Vor  demselben 
wurde  ein  Futterkorb  aufgehängt,  damit  es  nicht  zurück  ging. 

Endlich  envähnt  auch  Agricola  noch  die  schon  von  Plimus  beschriebene, 
primitive  Methode  zum  Ventiliren  kleiner  Gruben,  welche  darin  bestand,  dass 
zwei  Arbeiter  in  der  Grube  ein  grosses  viereckiges  Tuch  mit  jeder  Hand  an 
einer  Ecke  fassten  und  kräftig  auf  und  nieder  schwangen,  um  die  Luft  in  Be- 
wegung zu  bringen  und  theilweise  auszutreiben. 

Unter  den  Vorrichtungen  zum  Befahren  der  Gruben,  welche  Agricola 
beschreibt,  befindet  sich  keine  mechanische;  indem  er  aber  Leitern  (Fahrten), 


Blasbälge  zur  Gruben  Ventilation,  Tretrad  für  ein  Pferd.  147 

Treppen,  Rutschen  u.  dergl.  zu  den  Maschinen  rechnet,  steht  er  bezüglich  des 
Sinnes,  den  er  diesem  Worte  beilegt,  ganz  auf  dem  Standpunkte  Vitruv's. 

Am  Schlüsse  des  sechsten  Kapitels  spricht  Agricola  über  die  Krankheiten 
und  Gefahren,  denen  Bergleute  durch  ihren  Beruf  ausgesetzt  sind,  und  er- 
wähnt dabei  unter  anderen  auch  der  bösen  Geister  (Dämonen),  welche  in  den 
Gruben  hausen.  Man  sagt  wohl,  es  sei  merkwürdig,  dass  unser  sonst  unbe- 
fangener Autor  an  die  Existenz  böser  Geister  geglaubt  habe;  aber  merkwürdiger 
wäre  es,  wenn  er  nicht  daran  geglaubt  hätte,  da  dies  seine  Zeitgenossen  alle 
mit  wenigen,  kaum  nachweisbaren  Ausnahmen  thaten.  Warf  doch  auch  Luther 
auf  der  Wartburg  sein  Tintenfass  nach  dem  Teufel,  weil  er  an  dessen  leib- 
haftiger Gegenwart  nicht  zweifelte.  Das  hier  in  Rede  stehende  Werk  Agricola's 
aber  ist  gerade  deshalb  für  uns  von  ausserordentlichem  Werthe,  weil  er  darin 
nicht  neue  Ideen  zu  entwickeln,  sondern  das  von  erfahrenen  Berg-  und  Hütten- 
leuten Gehörte  und  Gelernte  wiederzugeben  und  Gesehenes  genau  und  getreu- 
lich zu  beschreiben  sich  bestrebt 

Aus  dem  achten  Buche  von  Agricola's  Werk :  „De  re  metallica",  welches 
von  der  Aufbereitung  der  Erze  handelt,  heben  wir  zunächst  die  Pochwerke 
hervor.  Man  hatte  solche  zum  Trocken-  und  auch  solche  zum  Nasspochen. 
Letztere  waren  im  Jahre  1512  in  Sachsen  erfunden  worden.  Die  Trockenpoch- 
werke werden  folgendermassen  beschrieben: 

„Ein  eichener  Klotz  (der  Grubenstock),  1,80  m  lang,  67  cm  breit  und  hoch, 
wird  auf  den  Boden  gelegt,  in  dessen  Mitte  ein  Hohlraum  (die  Grube)  ist,  70  cm 
lang,  40  cm  hoch.  Eine  Stirnseite  desselben  ist  offen,  man  könnte  dies  die  Thüre 
(ostium)  nennen.  Der  Boden  des  Hohlraumes  wird  mit  einer  Eisenplatte  von  75  mm 
Dicke  und  185  mm  Breite  bedeckt,  deren  beide  keÜfönnig  zulaufende  Seiten  in  den 
Grubenstock  geschoben  werden.  Der  vordere  und  der  hintere  Theil  dieser  Eisen- 
platte wird  mit  eisernen  Nägeln  befestigt.  An  den  Seiten  der  Grube  werden  zwei 
Balken  auf  den  Grubenstock  gestellt,  deren  obere,  etwas  eingeschnittene  Enden  in 
Löcher  von  Durchzügen  des  Gebäudes  eingezapft  werden.  74  cm  von  der  Grube 
entfernt  werden  zwei  Querbalken  der  ganzen  Länge  nach  mit  einander  verbunden, 
deren  innen  etwas  ausgeschnittene  Enden  sich  in  äussere  Ausschnitte  jener  aufrecht 
stehenden  Balken  legen.  Hier  werden  sie  sammt  diesen  durchbohrt  und  ein  eiserner 
Bolzen  durch  das  Loch  gesteckt,  dessen  eines  Ende  zwei  Homer  bildet,  während 
das  andere  so  durchbohrt  ist,  dass  ein  durchgesteckter  Keil  eingetrieben  und  dadurch 
die  Hölzer  fest  zusammengezogen  werden  können,  da  von  den  Hörnern  das  eine 
nach  aufwärts,  das  andere  nach  abwärts  steht.  Ueber  diesen  Querbalken  in  einem 
Abstände  von  1  m  sind  wieder  zwei  solche  in  gleicher  Weise  mit  den  stehenden 
Balken  verbunden.  In  den  Querbalken  aber  sind  viereckige  Löcher,  in  welche  die 
vom  mit  Eisen  versehenen  Stempel  eingesetzt  werden.  Diese  stehen  nicht  weit  von 
einander  ab  und  sind  schliessend  in  den  Querbalken  gehalten.  Jeder  Stempel  hat 
nach  hinten  einen  Zahn  (Hebling),  den  man  von  unten  mit  Seife  schmieren  muss, 
damit  er  leicht  gehoben  werden  kann.  Diesen  heben  zwei  lange,  abgemndete  Zähne 
(Hebedaumen)  einer  kantigen  (hölzernen)  Welle  abw^echselnd  in  die  Höhe,  damit  der 
in  die  Grube  herabfallende  Stempel  mit  seinem  eisernen  Kopfe  die  hineingeworfenen 
Steine  stösst  und  zerkleinert.  Die  Welle  aber  ist  mit  einem  Schaufelrade  versehen, 
welches  durch  den  Stoss  des  Wassers  getrieben  wird.  An  der  Grube  dient  ein  Brett 
als  Thüre,  welches  in  Nuten  des  Grubenstockes  auf  und  nieder  bewegt  werden  kann, 
damit  der  Arbeiter  durch  dessen  geöffnete  Thüre  den  Sand,   zu  welchem  die  Steine 

10* 


148  Georgias  Agricola. 

zerstampft  worden  sind,  sowie  den  Gries  und  Kies  mit  der  Schaufel  herausnehmen 
kann,  worauf  er  das  Brett  wieder  herablässt»  damit  bei  geschlossener  Thüre  wieder 
andere  eingeworfene  Steine  zerstossen  werden.  —  Wenn  aber  ein  eichener  Klotz  (für 
den  Grubenstock)  nicht  zur  Hand  sein  sollte,  ao  werden  zwei  Balken  auf  den  Boden 
gelegt  und  durch  eiserne  Bänder  mit  einander  verbunden,  wovon  ein  jeder  1,80  m 
lang,  30  cm  breit  und  45  cm  hoch  ist,  welche  Höhe  die  Grube  haben  muss.  Diese 
wird  zuvor  in  der  Breite  von  22  cm  und  der  Lange  von  70  cm  ausgeschnitten.  Auf 
den  ausgegrabenen  Boden  unter  derselben  wird  ein  sehr  harter  Stein  von  30  cm 
Dicke  und  22  cm  Breite  gel^t,  und  wenn  dabei  noch  irgend  welche  Höhlung  bleibt, 
so  wird  sie  mit  Erde  oder  feinem  Sande  ausgefüllt  und  ausgestampft  Der  Boden 
vor  der  Grube  wird  mit  Brettern  bedeckt  Wenn  der  Stein  zerbrochen  ist,  wird  er 
entfernt  und  durch  einen  andern  ersetzt  Man  kann  aber  auch  die  Grube  kleber 
machen,  so  dass  sie  nur  drei  Stempel  fassf 

Aus  der  Abbildung  ist  nämlich  ersichtlich,  dass  diese  und  die  nächst- 
folgenden Angaben  sich  auf  Pochwerke  mit  4  Stempeln  beziehen. 

„Die  Stempel  aber  werden  aus  2,70  m  langen,  kantigen,  nach  jeder  Seite 
15  cm  breiten  Balken  gemacht.  Jeder  derselben  hat  einen  eisernen  Kopf,  der  so 
beschaffen  ist:    Der  untere  (ausserhalb  des  Balkens  befindliche)  Theil  hat   22  cm 


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Fig.  las, 

Länge  imd  der  obere  ebenso  viel  (siehe  Fig.  165).  Der  untere  Theil  hat  in  der 
Mitte  auf  die  Länge  von  15  cm  eine  Breite  und  Dicke  von  75  mm,  nach  unten 
schwillt  er  an,  so  dass  er  auf  die  Länge  von  37  mm  eine  Breite  imd  Dicke  von 
9  cm  hat;  nach  oben  aber  schwillt  er  ebenfalls  an  und  hat  auf  eine  Länge  von 
37  mm  eine  Breite  und  Dicke  von  11  cm  (dies  ist  in  der  Abbildung  nicht  ange- 
geben). Der  obere,  in  den  Stempel  eingeschlossene  Theil  ist  ebenso  wie  dieser  durch- 
bohrt, und  durch  die  gemeinschaftliche  Bohrung  geht  ein  breiter  eiserner  Keil,  welcher 
den  Kopf  hält,  so  dass  er  nicht  aus  dem  Stempel  herausfallen  kann  ....  Wenn 
man  aber  nur  drei  Stempel  mac^t,  wie  es  gewöhnlich  geschieht,  so  macht  man  sie 
viel  grösser.  Die  vierkantigen  Holzstempel  macht  man  dann  nach  jeder  Seite  22  cm 
breit»  den  eisernen  Kopf  derselben  im  Ganzen  67  cm  lang,  unten  sechseckig  13  cm 
breit  und  dick.  Dieser  imtere  Theil,  welcher  aus  dem  (hölzernen)  Stempel  heraus- 
steht, wird  45  cm,  der  obere,  welcher  in  ihn  eingeschlossen  ist,  22  cm  lang.  Dieser 
(eingeschlossene  Theil)  ist  unten  75  mm  breit  und  dick  und  wird  allmälig  dünner, 
so  dass  er  oben  noch  65  mm  Breite  und  37  mm  Dicke  hat  Hier  sind  die  Kanten 
etwas  gebrochen  und  an  dieser  Stelle  ist  er  durchbohrt  Das  Keilloch  aber  ist  55  mm 
lang,  18  mm  breit  und  steht  18  mm  von  dem  oberen  Ende  ab.  Diesen  oberen 
Theil  des  Kopfes,  welcher  in  den  ausgeschnittenen  imteren  Theil  des  Stempels  ein- 
geschlossen wird,  versieht  man  gleichsam  mit  Widerhaken  und  Biefen,  damit  er  durch 
die  in  den  Stempel  eingreifenden  Haken  und  die  in  die  Riefen  eintretenden  Wülste 
in  demselben  vollständig  unbeweglich  gehalten  wird,  zumal  der  Stempel  mit  zwei 
vierkantigen  eisernen  Schienen  lungürtet  wird.     Den  Umfang  der  Welle  aber  theilen 


Pochwerke. 


149 


rinige  in  sechs  Theile  (sie  madien  sie  sechskanUg),  andere  In  neun;  besser  ist  es 
aber,  ihn  in  12  Theile  einzutheilen,  damit  abwechselnd  ein  Theil  einen  Zahn  auf- 
nehme, der  andere  keinen. 

Damit  im  Winter  weder  hoher  Schnee,  noch  Eis,  noch  Stürme  den  Lauf  und 
die  Drehung  des  Wasserrades  hemmen,  scbliesst  man  es  gänzlich  in  ein  vieieckiges 
Holzgefaäuse  dn  (siehe  Fig.  166).  Die  Balken  desselben,  trelche  unter  sich  zusammen- 
gefügt sind,  stopft  man  auf  allen  Seiten  mit  Moos  aus.  Eine  der  Balkenwände 
aber  hat  eine  Oeffnung,  durch  welche  ein  Kanal  geht,  der  das  Wasser  zuführt, 
welches  auf  die  Schaufeln  des  Rades  fällt  und  es  umdreht,  während  es  durch  einen 
unteren  Kanal  wieder  abfliesst.  Die  Arme  des  Wasserrades  werden  aber  auch  nicht 
selten  in  der  Mitte  einer  langen  W^elle  eingezapft,  deren  Hebedaumen  zu  beiden 
Seiten  Stempel  heben  (siehe  Fig.  166),  welche  entweder  beide  trockene  oder  lieide 
nasse  Erze  pochen,  wie  die  Umstände  es  erfordern;  wenn  nicht  etwa,  nachdem  die 
dneo  gehoben  und  mit  eisernen  Nägeln  in  ihren  und  der  Querbalken  Locher  fest^ 
gehalten  sind,  die  anderen  allein  Erze  pochen," 

Wir  schliessen  hier  die  bei  Agbicola  erst  später  folgende  Beschreibung 
des  Pochwerkes  zum  Nasspochen  (Fig.  167)  an.    Es  wird  darüber  gesagt; 


„Als  im  Jahre  1612  Herzog  Georg  von  Suclisen  in  Meissen  dem  edlen  und 
klugen  Herrn  Sigmund  ÄIalthiz  (dem  Vater  des  Johann,  Bischofs  von  Meissea 
nnd  des  Heinrich)  das  Recht  auf  alle  aus  den  Gruben  herausgeschafften  Erdhaufen 
gab,  erfand  dieser  zu  Dippoldiswalde  und  Altenburg,  an  welchem  Orte  die  schwarzen 
Stcinchen  gegraben  wurden,  aus  denen  das  Zinn  gewonnen  wird,  nachdem  er  die 
trockenen  Stempel,  die  weiten  Siebe  und  die  Mühle  verworfen  hatte,  eine  Maschine, 
welche  nasse  Erze  mit  Stempeln,  die  vornen  mit  Eisen  versehen  sind,  pocht  .... 
Diese  Maschine  ist  derjenigen  übnlich,  welche  die  trockenen  Erze  mit  Stempeln  pocht; 
doch  sind  ihre  Slempelköpfe  um  die  Hälfte  schwerer,  als  die  von  jenen.  Auch  ist 
der  Pochtrog,  welcher  aus  einem  eichenen  oder  buchenen  Klotze  gemacht  ist  und  in 
den  Zwischenraum  zwischen  den  stehenden  Balken  gestellt  wird,  nicht  vornen  offen, 
sondern  auf  der  Seite.  Derselbe  ibt  90  cm  lang,  22  cm  breit  und  40  cm  hoch  (im 
Idchten).  Wenn  er  keinen  Bo<len  hat,  wird  er  ebenso  über  einen  harten,  ebenen 
Stein  geatellt,  etwas  in  die  Erde  eingegraben,  luid  wo  sie  zusammengtossen,  werden 
ne  ringsum  mit  Moos  und  dünnen  Leinenlappen  verstopft.  Wenn  der  Pochtrog  al>er 
einen  Boden  hat,  wird  eine  eiserne  Sohle,  30  cm  lang,  22  cm  breit  und  75  mm  dick, 
in  denselben  gesetzt,  und  da,  wo  er  offen  steht,  wird  eine  Eisenplatte,  voll  von 
Löchern,  in  denselben  befestigt,    so  dass  zwischen    ihr  und  dem  Kopfe  des  nächsten 

'      '  i  Zwischenraum  von  37  mm  bleibt  und  ebenso  viel  zwischen  der  Platt« 


150 


GeorgiuB  Agricola. 


und  dem  stehenden  Balken,  in  de^^en  Oeffnung  der  kleine  längliche  KnnRl  eingesetzt 
ist,  durch  welchen  das  feingepochte  Silbererz  mit  Wawer  in  ika  Be^rvoir  abflies^t. 
Das,  was  zurückbleibt,  wird  mit  einer  hölzernen  Schaufel  auf  den  nächsten  Boden 
herausgeworfen,  der  mit  Brettern  bedeckt  ist;  das  aber,  was  sich  in  den»  Reser\'oir 
abgesetzt,  wird  mit  einer  eisernen  Bchaufel  abgesondert  auf  diesen  Boden  gelegt. 
Auch  machen  Viele  zwei  Kanäle,  damit,  wenn  der  Arbeiter  den  einen  gefüllten 
Kanal  von  dem,  was  sich  darin  abgesetzt  hat,  entleert,  anderes  sich  inzwischen  in 
dem  zweiten  Kanäle  absetzt  An  der  anderen,  dem  Waaserrade,  welches  die  Maschine 
treibt,  zunächst  liegeuden  Seite  fliesst  das  Wasser  durch  ein  Kanälchen  herein,   uud 


Fig.  107. 

auf  dieser  Seite  wirft  auch  der  Arbeiter  das  zu  pochende  Erz  ein,  damit  die  Stücke 
nicht  zwischen  die  Stempel  geworfen  werden  und  für  diese  ein  Hindoniis«  bilden. 
Auf  diese  Weise  wird  das  Silber-  imd  Golderz  feingepocht" 

Es  wird  femer  eine  datnale  gebräuchliche  Art  von  Einrichtungen  be- 
schrieben, wobei  vier  Pochwerke  auf  einer  Horizontalebene  hintereinander 
etanden.  Die  beiden  hinteren  hatten  sehr  hohe  und  daher  schwere  Stempel 
mit  Hebungen  nahe  dem  oberen  Ende;  die  anderen  beiden  hatten  niedere 
Stempel  mit  tief  sitzenden  Hebungen.  Jedes  Pochwerk  wurde  durch  ein  eigenes 
Wasserrad  getrieben,  und  das  von  den  oberen  Rädern  abfliessende  Wasser 
fiel  auf  die  unteren  Räder.  Wo  jedoch  die  Terrainverhältnisse  eine  solche  An- 
lage nicht  gestatteten,  wnrden  zwei  Paare  gewöhnlicher  Pochwerke  auf  zwei 


Nasspochwerk.  151 

in  Terschiedenen  Höhen  gelegenen  Ebenen  aufgestellt,  das  Wasser  von  den 
oberen  den  unteren  zugeführt  und  Alles  unter  ein  gemeinschaftliches  Dach  ge- 
bracht. Hier  war  jedoch  die  Bedienung  weniger  leicht  und  daher  kostspieliger, 
als  bei  den  vorher  beschriebenen  Anlagen.    Es  wird  femer  gesagt: 

„Und  wenn  kein  Bach  herbeigeleitet  werden  kann,  welcher  von  einem  höheren 
Orte  aus  auf  den  oberen  Theil  des  Wasserrades  stürzt,  wird  einer  herbeigeleitet» 
welcher  den  unteren  Theil  derselben  umdreht  Es  wird  viel  Wasser  desselben  an 
einem  Orte,  der  zu  dessen  Aufnalime  geeignet  ist,  gesammelt,  aus  dem  es  bei  geöff- 
netem Schützen  auf  das  Rad  geschickt  wird,  welches  in  dem  Kanäle  umgedreht  wird. 
Die  Schaufeln  eines  Rades  dieser  Art  sind  höher  und  die  rückwärts  liegenden  stehen 
nach  oben;  die  Schaufeln  der  anderen  Art  aber  sind  niedriger  und  die  nach  vom 
überhangenden  neigen  sich  nach  abwärts." 

Daraus  geht  hervor,  dass  oberschlächtige  Wasserräder  damals  in  Sachsen 
die  gebräuchlicheren  waren,  dass  man  nur  da  unterschlächtige  anwendete,  wo 
die  Anlage  eines  oberschlächtigen  Rades  unmöglich  war,  und  dass  man  wohl 
wusste^  dass  unterschlächtige  Räder  mehr  Wasser  brauchten,  d.  h.  einen 
schlechteren  Effekt  gaben,  weshalb  man  für  diese  vorzugsweise  Sammelteiche 
anlegte,  um  kein  Wasser,  welches  der  Bach  lieferte,  unbenutzt  zu  lassen.  Daraus 
erklärt  sich  auch,  warum  man  in  Agrigola's  Werk  fast  nur  oberschlächtige 
Räder  abgebildet  findet.  Es  ist  aber  auch  aus  der  soeben  citirten  Stelle  er- 
sichtlich, dass  die  sächsischen  Berg-  und  Hüttenleute  die  Schaufeln  unter- 
schlächtiger  Räder  damals  schon  nicht  radial,  sondern  etwas  schräg  stellten, 
um  einen  besseren  Effekt  zu  erzielen.  Endlich  wird  noch  in  Betreff  der  Poch- 
werke gesagt: 

„In  den  julischen  und  rhätischen  Alpen  und  in  den  Karpathen  werden  jetzt 
Gold-  und  Silbererze  mit  Stempeln,  von  denen  manchmal  mehr  als  zwanzig  in 
einer  Reihe  stehen,  in  langen  Trögen  nass  gepocht,  welche  zwei  Platten  voll 
von  Lochern  haben,  durch  welche  das  zerkleinerte  Erz  gleichzeitig  mit  dem  Wasser 
in  einen  darunter  liegenden  Querkanal  fjiessf'  .... 

Die  sehr  mannigfaltigen  Vorrichtungen  zum  Waschen  und  Schlemmen 
der  Erze,  wie  Setzsiebe  u.  dergl,  welche  in  diesem  Kapitel  besprochen  werden, 
können  wir  übergehen  und  wenden  uns  zu  den  Mühlen  zum  Zermahlen  der  Gold- 
und  Zinnerze. 

Die  erste  Mühle  dieser  Art  (Fig.  168)  ist  wie  eine  Getreidemühle  gebaut, 
und  zwar  aus  Holz;  nur  hat  die  Wasserradwelle  eiserne  Zapfen  und  Lager- 
futter,  der  Läuferstein  eine  eiserne  Haue  und  Spindel.  Damit  er  höher  oder 
tiefer  gestellt  werden  kann,  unterstützen  zwei  Balken,  welche  mit  Hebstangen 
aufgehoben  und  niedergelassen  und  durch  Einsteckstifte  festgestellt  werden 
können,  denjenigen  Balken,  in  dem  die  eiserne  Pfanne  für  den  Zapfen  der 
Mühlspindel  eingelassen  ist.  Die  Zuführung  des  Mahlgutes  geschieht  durch 
einen  über  dem  Auge  des  Läufersteines  an  Stricken  aufgehängten  Trichter,  in 
dem  ein  Arbeiter  mit  einem  Stäbchen  henimrührt.  Anstatt  der  Zarge  ist  nur 
ein  niederer  Kranz  von  dünnem  Holze  in  geeigneter  Entfernung  um  den  Boden- 
stein gelegt,  und  das  Mehl,  welches  sich  in  dem  Zwischenräume  sammelt,  wird 


1E8 


Georgius  Agricola. 


TOD  Zeit  zu  Zeit  vod  dem  Aibeiter  nach  dem  abwärts  gerichteten  Auslaufe 
geschoben,  durch  den  es  auf  den  Boden  des  Arbeitsraumes  fällt,  um  von  da 
zur  Wäsche  gefahren  zu  werden. 

Man  bewegte  solche  Mühlen,  wo  es  an  Wasserkraft  fehlte,  auch  durch 
Treträder,  sowohl  durch  horizontale  (wie  in  Fig.  144  dargestellt),  als  auch 
durch  vertikale  für  Menschen,  Pferde,  Esel  oder  starke  Ziegenböcke. 

Doch  benutzte  man  auch  Uandmühlen  nach  Fig.  169,  zum  Mahlen  von 
Golderzen,  deren  Beschreibung  lautet: 

„Zwischen  dieser  und  den  übrigen  Mühlen  ist  ein  grosser  Unterschied,  denn 
der  untere  Mühlstein  ist  oben  eo  ausgehöhlt,  dass  er  den  Läufcrst^in,  der  eich  auf 
dner  eisernen  Axe  dreht,  umBcIihesst,  Diese  Axe,  welche  in  der  Mitte  der  Aus- 
höhlung eingezapft  ist,  geht  durch  den  I^uferstein.  Der  Arbeiter  aber  dreht  den 
aufrecht  stehenden  Handgriff,   welcher  au  dem  oberen  Steine  ist,  indem  er  ihn  mit 


Fig.  ISS. 

der  Hand  fasst,  im  Krdse  hemm.  Der  Läuferst«dn  ist  in  der  Mitte  durchbohrt,  und 
in  dieses  Loch  wird  das  Erz  geworfen  und  fällt  in  den  unteren  Stein,  wo  es  zu 
Mehl  zennahlen  wird.  Dieses  fällt  allmälig  aus  dessen  Oeffnung  und  wird  auf  ver- 
pchiedeno  Arten,  die  ich  nachher  beschreiben  werde,  gewaschen,  ehe  es  mit  Queck- 
ailber  vermischt  (amalgamlrt)  wird. 

Mühlsteine  der  hier  beschriebenen  Form  benutzt  man  noch  heute  zu 
manchen  Zwecken,  z.  B.  zum  Mahlen  des  Tafelsenfes  oder  Mostrichs. 

Es  folgt  nun  die  Beschreibung  der  in  Fig.  170  abgebildeten  Mühle  also 
lautend : 

„Es  wird  jedoch  auch  eine  gewisse  Maschine  gebaut,  welche  das  Golderz  gleich- 
zeltig  pocht,  mahlt^  durch  Waschen  reinigt  und  das  Gold  mit  Quecksilber  mischt. 
Diese  einzig  dastehende  Maschine  hat  ein  Rad,  welches  vom  Stosse  des  Wassers 
getroffen  und  umgedreht  wird.  Aus  der  Axe  stehen  auf  der  einen  Seite  des  Wasser- 
rades lange  Zähne  (Hebedaumen)  heraus,  welche  Stempel  heben,  die  das  trockene 
Erz  pochen.  Dann  wird  es  in  den  runden  Hohlraum  des  Mühlsteines  geworfen,  und 
indem  es  allmälig  duroh  die  runde  Oeffnung  desselben  hindurch  schlüpft^  wd  es  zu 


ind  AmalgamirmDhlen,  Transmissioii. 


153 


H^  lennahlen.  Der  Bodenstein  iät  viereckig,  hat  aber  eine  runde  Aushöhlung,  in 
welcher  der  rande  Lauferstein  sich  dreht,  und  ein  Loch,  durch  welches  das  Mehl 
in  die  erste  Bütte  fällL  Die  Haue  des  Mühlei^ns  wird  in  den  Laufersteln,  der 
obere  Zapfen  desselben  aber  in  ein  Lager  in  einem  Balken  eingeschlossen.  Das  Rad 
auf  dieser  Axe,  welches  aus  Triebstöcken  besteht,  wird  von  einem  Zahnrade  au!  der 
Welle  getrieben  und  dreht  die  Mühle  um.  Mit  dem  Mehle  fliesst  aber  auch  Wasser 
in  die  erste  Bütte  und  von  dieser  dann  in  die  zweite,  welche  niedriger  steht,  und 
von  der  zweiten  in  eine  dritte,  welche  am  tiefsten  steht  Aus  der  dritten  Bütte  aber 
flresBt  es  wieder  in  ein  kleines  Reservoir,  welches  aus  einem  Baume  ausgehöhlt  wird. 
In  jeder  der  Butten  aber  ist  Quecksilber  und  über  jede  ein  Brett  gelegt  und  daran 
befestjgl,  durch  dessen  Loch  in  der  Mitte  eine  stehende  Axe  dringt.  Diese  reicht 
nicht  weiter  als  nothwendig  in  die  Bütte,  und  wo  sie  das  Brett  berührt,  schwillt  sie 
nn  (d.  h.  die  Welle  hat  einen  Bund,  mit  dem  sie  sich  auf  das  Brett  stützt).  An 
ihrem  unteren  Ende  werden  iwei  sich  kreuzende  Brettehen  liefestigt,  welche  noch  ein 
drittes  schneidet.     Der  Zapfen  des  oberen  Endes   ist  in  ein  Lager  iu  einem  Balken 


Fig.  170. 

«ngeschlossen.  Auf  jeder  Axe  sitzt  ein  kleines  Rad,  welches  aus  Triebstücken  besteht, 
und  jedes  dereelben  wird  von  einem  kleinen  gezahnten  Rade  umgedreht,  welches  auf 
der  liegenden  Welle  sitzt,  deren  eines  Ende  in  der  grossen  Welle  eingeschlossen  (mit 
ihr  verkuppelt)  ist  Das  andere  aber  ist  in  der  Höhlung  eines  Balkens  eingeschlossen, 
welche  stark  mit  Eisen  ausgefüttert  ist.  Und  so  rühren  die  Brctlchcn,  von  denen 
eich  drei  in  einer  Bütte  drehen,  das  mit  Wasser  gemischte  Mehl  um,  trennen  die 
Goldtheilchen  davon,  welche  das  Quecksilber  aufsaugt  und  reinigt;  die  Verunreinigungen 
aber  nimmt  das  Wasser  mit  fort  .  .  ." 

Das  Bemerkenswerthe  an  dieser,  wie  Aghicola  sagt,  einzig  dastehen- 
den Maschine  besteht  offenbar  darin,  dass,  wie  wir  zu  sagen  pflegen,  mehrere 
rerscbiedenartige  Arbeitsmaschinen,  nämlich  ein  Stampfwerk,  eine  Mühle  und 
drei  Rührwerke  durch  ein  einziges  Wasserrad  vermittelst  einer  Trans missions- 
anlage  betrieben  werden.  Die  Idee  der  Transmissionsanlage  aber,  oder  des 
Betriebes  verschiedener  Arbeitsmaschinen  durch  einen  Motor,  welche  sich  allem 
Anscheine  nach  zu  Bjringuccio's  und  Acricola's  Zeit  erst  ausbildete,  war  eine 
der  wichtigsten  für  die  Entwickelung  des  Maschinenwesens. 


IUI 


Geargius  Agricola. 


Wir  müssen  auch  bei  dieser  Gelegenheit  hervorheben,  dass  man  Winkel- 
räder-Uebersetzungen  in  friilieren  Zeiten  sehr  häufig  mit  verschränkt  über- 
einander Hegenden  Axen  anordnete,  wie  es  hier  und  in  Fig.  171  die  Abbil- 
dungen zeigen.  Dies  konnte  bei  den  damak  üblichen  Triebstockverzahnungen 
ohne  besondere  Schwierigkeit  geschehen;  nur  waren,  da  hierbei  die  Zähne  noch 
mehr  längs  der  Triebstöcke  glitten  als  gewöhnlich,  etwas  längere  Triebstöcke 
erforderlich. 

Im  neunten  Buche  spricht  Aghicola  zunächst  von  der  Einrichtung  der 
Hüttenwerke  und  beginnt  mit  den  Schmelzöfen.     Er  sagt: 

„Die  Erze  werden  entweder  in  Oefen  oder  ohne  solche  ausgcschniolzen  (exco- 
(juuntur),  und  weim  in  Oefen,  entweder  in  solchen,  deren  Abstichloch  (os)  zeitweilig 
geschlossen  ist,  oder  in  Bolchen,  bei  denen  es  immer  offen  steht;  wenn  dagegen  ohne 
Oefon,  entweder  in  Tiegeln  oder  in  Kanälen." 


Flg.  ITl. 


Fig.  172. 


Es  folgt  dann  eine  Beschreibung  der  Oefen  der  ersten  Art,  wie  sie  in 
Silberhätten  gebräuchlich  waren.  Es  waren  kleine  Schachtöfen,  welche  unten 
zwischen  den  Seitenwänden  37  cm  und  zwischen  Vorder-  und  Hinterwand  4(!  cm 
lichte  Weite  und  22  cm  Mauerstärke  hatten.  Nach  oben  wurden  sie  etwas 
weiter.  Die  Vorderwand,  über  welche  ein  Arbeiter  die  Beschickung  ein- 
schüttete, war  1,50  ra  hoch,  die  Seitenwände  30  cm  höher  und  die  Hinter- 
wand abermals  um  so  viel  höber,  also  2,10  hoch.  In  der  Hinterwand  lag  eine 
eiserne  oder  broncene  Form,  in  welche  die  Düsen  von  zwei  Blasebälgen  ein- 
mündeten; in  der  Vorderwand  dagegen  war  das  Abstichloch,  durch  welches 
das  Metall  in  einen  Vorherd  abfloss.  Es  standen  immer  mehrere,  aber  selten 
mehr  als  sechs  solcher  Oefen  in  einer  Reihe  an  einer  Mauer,  durch  welche 
TbürÖßfnungen  nach  dem  Räume  fährten,  in  welchem  die  Blasbälge  in  einer 


Blasbälge  für  Schmelzöfen.  155 

Reihe  auf  einem  Balkengerüste  lagen.  Diese  waren  einfache  Spitzbälge,  au8 
Holz  und  Leder  gemacht.  Sie  hatten  eine  grösste  Breite  von  75  cm,  der  obere 
Deckel  war  1,70  m,  das  Kopfstück  45  cm  lang,  so  dass  die  Gesammtlänge  ohne 
die  Düse  und  das  Schwanzholz  2,15  m  betrug.  Die  Konstruktion  dieser  Bälge 
ist  von  Agricola  bis  in  die  kleinsten  Details  beschrieben,  worauf  wir  jedoch 
nicht  eingehen  wollen.  Ihre  Bewegung  erhielten  die  Bälge  durch  ein  Wasser- 
rad, welches  vermittelst  Winkelrädem  eine  Daumenwelle  umdrehte  (Fig.  171). 
Diese  lief  hinter  dem  Gerüste  her,  auf  welchem  die  Bälge  mit  ihren  unteren 
Deckeln  befestigt  waren.  In  der  Mittelebene  jedes  Balges  hatte  die  Welle 
zwei  einander  gegenüberstehende  Daumen,  mit  welchen  sie  einen  im  Gerüste 
unterhalb  des  Balges  gelagerten  einarmigen  Hebel  niederdrückte  (Fig.  172), 
von  dem  die  Bewegung  durch  eine  Zugstange  und  eine  dreigliederige  Kette 
mit  entsprechenden  Oesen  auf  das  Schwanzholz  des  oberen  Balgdeckels  und 
auf  einen  darüberliegenden  doppelarmigen  Hebel  mit  Gegengewicht  übertragen 
wurde.  Dieses  hob  den  Deckel  wieder,  sobald  der  Druck  des  Daumens  auf 
den  unteren  Hebel  aufhörte.  Die  Zugstange  hatte  am  oberen  Ende  mehrere 
Löcher,  in  welche  der  Haken  am  unteren  Ende  der  dreigliederigen  Kette  je 
nach  Bedürfniss  höher  oder  tiefer  eingehängt  werden  konnte.  Wurde  dieser 
Haken  ausgehängt,  so  stand  der  betreffende  Balg  still.  Die  Konstruktion 
dieses  Bewegungsmechanismus,  welche  Agricola  sehr  ausführlich  beschreibt, 
dürfte  klar  genug  aus  dem  Gesagten  und  den  Fig.  171  und  172  hervorgehen, 
doch  sei  bezüglich  der  Dimensionen  noch  folgende  Stelle  angeführt: 

„Das  Rad,  welches  aus  Triebstöcken  besteht,  wird  aus  zwei  doppelten,  kreis- 
runden Scheiben  gebildet,  welche  oO  cm  von  einander  abstehen,  9  cm  dick  und 
etwa  33  cm  hoch  sind.  Sie  sind  aber  doppelt,  weil  sie  aus  zwei  gleich  dicken,  kreis- 
runden Scheiben  zusammengesetzt  sind,  die  mit  hölzernen  Nägeln  zusammengeleimt 
und  ringsum  mit  einer  eisernen  Schiene  überzogen  werden.  Die  Triebstöcke  sind 
30  an  der  Zahl,  48  cm  lang,  beiderseits  in  die  Scheiben  eingezapft^  rund  und  55  mm 
dick.  Auch  stehen  sie  ebensoviel  von  einander  ab  .  .  .  Ferner  hat  das  Zahnrad 
60  2«ahne  .  .  .  Sie  sind  30  cm  lang,  und  zwar  stehen  sie  75  mm  aus  der  inneren 
Kreisfläche  des  Rades  vor  imd  55  mm  aus  der  äusseren  (der  Radkranz  aus  doppelten 
Felgen  war  17  cm  dick  und  30  cm  breit).  Ferner  sind  sie  75  mm  breit  und  45  mm 
dick  .  .  .  Die  Axe  muss  so  dick  gemacht  werden,  wie  es  mit  den  Radarmen  und 
Kranztheilen  im  Verhältnisse  steht.  Weil  aber  je  zwei  Hebedaumeu  einen  Hebel 
niederdrücken,  so  muss  die  Axe  (bei  6  Oefen)  24  Daumen  haben,  von  denen  jedw 
37  cm  aus  ihr  heraussteht.  Sie  haben  eine  nahezu  kreisrunde  Gestalt  (sind  nach 
einem  Kreisbogen  gekrümmt),  ihr  breiter  Theil  ist  24  cm  breit  und  jeder  75  mm  dict" 

Wir  haben  die  hier  angegebenen  Massverhältnisse  in  unserer  Fig.  171 
möglichst  einzuhalten  gesucht,  während  der  betreffende  Kupferstich  in  Agricola's 
Werk  in  manchen  Stücken  unvortheilhaft  davon  abweicht.  Uebrigens  wird 
am  Schlüsse  von  dessen  Beschreibung  bemerkt,  dass  oft  auch  nur  eine  Welle 
angewendet  werde,  auf  welcher  die  Daumen  zugleich  mit  dem  Wasserrade  sässen. 

Es  wird  femer  das  Mahlen  und  Sieben  der  Kohlen  und  der  Erde  be- 
schrieben, welche  gemischt  zur  Herstellung  der  Herde  und  Vorherde  der 
Schmelzöfen    dienten.     Ersteres    geschah    mit    einem    Stampfwerke   mit   vier 


ISS  Georgiua  Agrico]». 

hölzernen  Stempeln,  welche  keine  eiserneD  Köpfe  hatten,  sondern  nnr  rait  einem 
eisernen  Ringe  an  ihrem  unteren  Theile  umgürtet  waren. 

Ans  den  nun  folgenden  Beschreibungen  verschiedener  anderer  Schmelz- 
öfen heben  wir  nur  hervor,  dass  man  zum  Verhütten  schwer  schmelzbarer  Erze 
und  insbesondere  der  Eisenerze  auch  grössere  Oefen  und  Bläsbälge  anwendete, 
als  die  oben  beschriebenen;  doch  werden  die  Dimensionen  derselben  leider 
nicht  angegeben.  Folgende  Stelle  am  Schlüsse  des  betreffenden  Abschnittes  ist 
der  eigenthümlichen  Form  der  darin  beschriebenen  BlashÜlge  wegen  für  uns 
benierkenswerth : 

„Die  Lusitanier  (im  Westen  der  pyrenäischen  Halbinsel)  pflegen  das  Zinn  aus 
echwarzen  ßteinchen  in  kleinen  Oefcn  zu  erblaseu.  Sie  gubmucheu  runde  Btasbülgo 
von  Leder  (Fig.  173  und  174),  deren  vorderer  Theil  aus  einer  kreisrunden,  ei^enii^n 
Scheibe  besteht,  der  hinterste  aber  aus  einer  solchen  von  Holz.  In  einem  Lochu 
der  ereteren  ist  die  Düse  eiiigefchloaseo,  in  der  Mitte  der  letzteren  aber  befindet  sieh 
die  Saugöffnung  und  darüber  ein  Handgriff  oder  Bügel.    Wird  der  Balg  uiit  dessen 


Hilfe  auaelnandergczogeo,  so  nimmt  er  Luft  auf,  wird  er  aber  zuaanimengepresst,  so 
atöaat  er  sie  aus.  Zwischen  den  Scheiben  hat  der  Balg  einige  eiserne  Ringe,  an 
denen  das  Leder  so  befestigt  ist,  doss  es  Fallen  macht,  wie  man  sie  an  einer  Pii))ier- 
lateme  sieht,  die  man  zusammenlegen  kann.  Da  aber  Blasbälge  dieser  Art  keinen 
starken  Wind  ausstossen  imd  sie  nur  langsam  auseinandcrgezogeu  und  zusaminen- 
gepresst  werden,  so  kann  der  Schmelzer  in  einem  ganzen  Tage  wenig  mehr  als  einen 
halben  Centner  Zinn  erblasen." 

Bei  der  Darstellung  des  Eisens,  von  welcher  Agbicola  nun  zunächst 
spricht,  spielten  damals  Hammerwerke  eine  besonders  wichtige  Rolle,  denn 
diese  geschah  nach  dem  sogenannten  direkten  Verfahren,  d.  h.  aus  den  Erzen 
wurde  tmmittelbar  schmiedbares  Eisen  erzeugt,  aber  in  einem  Klumpen  (massa), 
der  je  nach  der  Qualität  der  betreffenden  Erzstücke,  den  verschiedenen  Tempe- 
raturen, denen  diese  bei  ihrem  Niedergänge  im  Ofen  ausgesetzt  waren  u.  s.  w., 
aus  einem  Conglomerate  sehr  verschiedener  Eisen-  oder  Stahlsorten  bestand. 
Erst  durch  wiederholtes  Zertheilen,  Sortiren,  Zusammenschweisscn  und  Aus- 
scbmieden  konnten  daraus  brauchbare  Eisensorten  gewonnen  werden.  Zu 
diesem  Zwecke  bediente  man  sich  etwa  seit  der  Mitte  des  dreizehnten  Jahr- 


Hammerwerke. 


157 


honderts  der  dnrcb  Wasserkraft  betriebenen  Bämmer  (siebe  Dr.  Ludivio  Beck: 
„Geschichte  des  Eisens",  S.  752  \ind  754),  während  man  erat  zn  Anfang  des 
fünfzehnten  Jahrhundert  anfing,  die  Wasserkraft  zur  Bewegung  der  Blasbälge 
zo  benutzen  (siehe  ebendaselbst  S.  781).  Hieraus  dürfte  es  sich  erklären, 
wunra  Agbicola  die  Eisenhämmer,  wie  er  sie  gelegentlich  der  Besprechung 
von  Eisen-  und  Stahlwerken  erwähnt  und  abbildet,  und  wie  wir  sie  in  den 
Fig.  175  ond  176  reproducirt  haben,  nicht  beschreibt.  Eisenhämmer  waren 
damals  wahrscheinlich  so  bekannt,  dass  unser  Autor  eine  nähere  Beschreibung 
derselben  für  überflüssig  hielt.  Die  abgebildeten  sind  sogenannte  Anfwerf- 
hämmer,  bei  denen  die  Wasserradwelle  mit  dem  Hammerstiele  parallel  ge- 
lagert ist  und  die  Hebedaumen  denselben  in  der  Nähe  des  Kopfes  von  unten 
fassen  tmd  in  die  Höhe  werfen. 

Im  zehnten  Buche  von  Agiiicola's  Werk  interessiren  uns  zunächst  die 
Drehkrahnen,  welche  dort  zum  Abheben  der  Hüte  von  Treibherden  angegeben 
werden  ond  deren  Beschreibung  also  lautet: 


^ 


Fig.  175. 


„Der  Kranich  (Fig.  178),  mit  dem  man  den  Deckel  aufhebt,  damit  ich  audi 
diese  Maschine  beechreibe,  ist  so  beschaffen:  Zuerst  wird  eine  (hölzerne)  Welle  auf- 
gerichtet, vierkantig,  auf  jeder  Seite  30  cm  breit  und  3,50  m  lang,  Ihr  unterer 
Zapfen  dreht  sich  in  einer  Pfanne  von  Broncc,  welche  in  ein  anderes  eichenes  Hobs 
angelassen  ist  Zwei  solcher  Hölzer  sind  uämbch  verschränkt  so  übereinander  gelegt^ 
dass  die  Vertiefung  in  der  MitI«  des  einen  in  die  Vertiefung  in  der  Mitt«  des 
anderen  eingeschlossen  ist  und  beide  ein  Kreuz  bilden.  Jedes  dieser  Hölzer  ist  90  cm 
lang  und  30  cm  breit  und  dick.  Das  obere  Ende  der  Welle  iat  rund,  tmd  zwar 
so  ausgeschnitten,  dass  es  22  cm  dick  ist  (d,  h.  am  oberen  Ende  war  ma  Dreh- 
zapfen  von  dieser  Dicke  angeschnitten);  es  dreht  sich  in  einem  halbirten  eisernen 
Bmge,  der  zu  beiden  Seiten  an  einem  auf  die  Seitenwand  der  Feuerstätte  sich  stützen- 
den Balken  befestigt  ist.  An  dieser  Welle  ist  ein  Gehäuse  befestigt^  imd  zwar  ist 
tunächst  in  der  Höhe  von  einer  Elle  (=  Vk'  =  44  cm)  ein  Holz  in  ein  Zapfen- 
loch der  Axe  angezapft,  welches  mit  Ausnahme  des  Kopfes  50  cm  lang  und  15  cm 
breit  und  dick  ist.  Alsdann  ist  wiederum  in  der  Höhe  von  1,50  m  nach  auftvärts 
«n  zweites  ebenso  langem,  breites  und  dickes  Holz  in  die  Axe  eingezapft.  Die  anderen 
Enden  dieser  bdden  Hölzer  sind  in  die  Zapfenlöcher  «nes  senkrechten  Balkenstückes 


168  GeorgiuB  Agricola. 

eingezapft,  welches  2  m  hoch,  22  cm  breit  und  dick  ist,  und  beide  sind  von  hölsemea 
Nägeln  durchdrungen.  Femer  sind  vom  untere»  Holze  aufwärts  in  einer  Höhe  von 
32  cm  in  seitlichen  Zapfenlöchern  nieder  zwei  Hölzer  eingezapft,  37  cm  lang  mit 
Ausnahme  des  Kopfes,  13  cm  breit  und  75  mm  dick,  und  ebenso  unter  dem  oberen 
Holze  zwei  Hölzer  von  derselben  Grösse.  Auch  in  Zapfenlöchern  des  senkrechten 
Balkenstückes  sind  ebenso  viele  Hölzer  eingezapft  von  derselben  Länge  wie  die 
vorhergehenden,  aber  65  mm  dick  und  11  cm  breit,  und  zwar  die  unteren  quer  über 
dem  unteren  Holze,  die  oberen  aber  in  gerader  Richtung  mit  den  beiden  oberen 
Hölzern,  welche  in  die  Beilen  der  Welle  eingezapft  sind.  Ausserbalb  sind  Bretter 
an  die  Hölzer  befestigt  (diese  bildeten  ein  kastenfönniges  Gehäuse  um  das  Räder* 
werk  des  Krahn^  eind  aber  in  der  Abbildung  weggelassen,  um  letzteres  nicht  zu 
verdecken).     Aber  der  vordere  und  der  hintere  Theil  des  Gehäuses  haben  Thürflügel, 


Fi«.  17?.  Fig.  na. 

deren  Angeln  an  den  Brettern  befestigt  sind,  welche  an  den  in  die  Seiten  der  Welle 
eingezapften  Hölzern  angeschlagen  sind.  Ueber  die  unteren  Hölzer  sind  Bretter 
quer  gelegt^  von  welchen  15  cm  nach  oben  entfernt  eine  vierkantige  eiserne  Axe 
liegt,  deren  Seitenflächen  37  mm  breit  sind.  Die  Enden  derselben  sind  beide  rund 
und  drehen  sich  in  bronceuen  oder  eisernen  Ringen,  von  denen  der  eine  in  der 
Welle,  der  andere  in  dein  senkrechten  Balkenstücko  eingeschlossen  ist  Auf  jeder 
Seile  dieser  Axe  sitzt  eine  hölzerne  runde  Scheibe,  24  cm  hoch,  75  mm  dick,  obenauf 
mit  Eisen  beschlagen.  Diese  beiden  Bebeiben  stehen  18  cm  von  einander  ab  und 
haben  5  Trieliatöcke,  welche  46  mm  dick  sind  und  55  mm  von  einander  abstehen. 
Auf  diese  Weise  wird  ein  Rad  erzeugt,  welches  von  dem  senkrechten  Balkenstücko 
9  cm,  von  der  Welle  aber  etwas  weiter,  nämlich  13  cm  absteht  Oberhalb  dieser 
Äxo  in  einer  Höbe  von  87  cm  liegt  eine  zweite  vierkantige  eiserne  Axe,  von  der 
jede  Seite  55  mm  breit  ist.  Sie  dreht  sich  ebenso  wie  die  erste  in  bronceneu  oder 
eisernen  Ringen.  Auf  dieser  sitzt  ein  gezahntes  Rad,  aus  zwei  runden  Schdben 
zusammengesetzt,  52  cm  breit  und  11  cm  dick,  welches  auf  der  Stimflächo  23  Zähne 


DrehkrahneD.  159 

hat)  7ö  mm  breit,  37  mm  dick  und  75  mm  aus  dem  Rade  stehend.  Sie  stehen 
55  mm  von  einander  ab.  Auch  ist  auf  derselben  Axe  gegen  das  senkrechte  Balken- 
stück hin  bei  18  cm  Länge  eine  andere  runde  Scheibe  von  gleichem  Durchmesser, 
wie  die  Scheibe  des  Getriebes  und  .  75  mm  dick.  Diese  dreht  sich  in  dem  senk- 
rechten Balkenstücke,  welches  an  dieser  Stelle  ausgeschnitten  ist  Aus  dieser  Scheibe 
und  der  Scheibe  des  Rades  wird  ein  anderes  Rad  gebildet,  welches  fünf  Triebstöcke 
hat.  Von  dieser  zweiten  Axe  aufwärts  in  einer  Höhe  von  einer  Elle  (ca.  45  cm) 
liegt  eine  hölzerne  Axe,  welche  eiserne  Zapfen  hat  und  deren  Enden  mit  eisernen 
Ringen  gebunden  sind,  damit  die  Zapfen  in  ihnen  fest  bleiben.  Letztere  drehen  sich 
ebenso,  wie  die  eisernen  Axen  in  broncenen  oder  eisernen  Ringen.  Diese  Axe  steht 
von  dem  oberen  Querholze  etwa  45  cm  ab  imd  hat  nahe  bei  dem  senkrechten  Balken- 
stücke  ein  Zahnrad  von  74  cm  Durchmesser,  welches  auf  der  Stirnfläche  27  Zähne 
hat.  Der  andere  Theil  der  Axe  (welcher  die  Ketten trommel  bildet)  nach  der  Welle 
zu  ist  mit  Eisenblech  beschlagen,  damit  er  von  der  Kette,  welche  sich  darum  schlingt, 
nicht  abgerieben  wird.  Der  äusserste  Ring  dieser  Kette  ist  in  eine  Klammer  ein- 
geschlossen und  auf  der  Axe  befestigt  Diese  Kette  geht  aus  dem  Gehäuse  heraus 
und  wird  über  eine  Rolle  geschlagen,  welche  zwischen  den  Balken  des  Schnabels 
gelagert  ist.  Denn  IV*'  (soll  wohl  heissen  2^/4' =  67  cm)  über  dem  Gehäuse  ist  der 
Schnabel  des  Kranichs,  welcher  aus  zwei  in  die  AVelle  eingelassenen  Balken  besteht, 
von  4,50  m  Länge,  22  cm  Breite  und  15  cm  Dicke,  welche  an  der  Rückseite  der 
senkrechten  Welle  45  cm  herausstehen.  Dort  werden  sie  mit  eisernen  Bändern 
gebunden  und  ausserdem  mit  einem  hölzernen  Nagel,  welcher  durch  sie  und  die 
Welle  dringt,  verbunden.  Dieser  Nagel  hat  an  einer  Seite  einen  breiten  Kopf,  an 
der  anderen  ein  Loch,  in  welches  ein  eiserner  Keil  eingeschlagen  ist,  damit  er  die 
Balken  mit  der  Welle  fest  zusammenpresst  Die  Balken  des  Schnabels  aber  sind 
durch  zwei  andere  Balken  verstrebt  und  unterstützt,  welche  1,90  m  lang  und  15  cm 
breit  und  dick  sind.  Diese  sind  unten  in  die  Welle  und  oben  in  die  Balken  des 
Schnabels  eingelassen,  wo  sie  von  der  Welle  etwa  1,20  m  abstehen,  und  sind  mit 
eisernen  Nägeln  befestigt.  Hinter  dem  oberen  Ende  dieser  Balken  nach  der  Welle 
hin  ist  ein  Eisenband  unterhalb  über  die  Balken  des  Schnabels  gelegt,  welches  sie 
zusammenhält  und  zusammenzieht  Das  vordere  Ende  dieser  Balken  ist  in  viereckig 
gebogene  Eisenschienen  eingeschlossen,  zwischen  welchen  eine  dritte  viereckig  gebogene 
Eisenschiene  eingesetzt  ist,  so  dass  die  Balken  des  Schnabels  weder  auseinander 
gehen,  noch  sich  einander  nähern  können.  Diese  Balken  sind  oben  auf  1,80  m 
Länge  mit  Eisenblech  beschlagen,  damit  die  „Zunge"  (das  ist  der  Körper  des  kleinen 
Wagens,  welcher  die  vordere  Kettenrolle  trägt)  in  ihnen  fortbewegt  werden  kann. 
Dieses  Holz  wird  von  Hainbuche  oder  einem  anderen  harten  Baume  45  cm  lang, 
30  cm  breit  und  22  cm  dick  gemacht  und  auf  beiden  Seiten  der  untere  Theil  auf 
75  mm  Höhe  imd  Breite  herausgeschnitten,  damit  das  Stehenbleibende  zwischen  den 
beiden  Balken  des  Schnabels  hin  und  her  gehen  kann.  Der  vordere  Theil  (der 
Zunge)  aber  wird  in  der  Mitte  auf  18  cm  Länge  ausgeschnitten,  so  dass  eine  broncene 
Rolle,  welche  auf  einem  eisernen  Aexchen  sitzt,  sich  darin  drehen  kann.  Ausserdem 
hat  die  Zunge  nahe  bei  den  vier  Ecken  vier  Löcher,  in  welchen  ebenso  viele  Rollen 
befestigt  sind,  die  auf  den  Balken  des  Schnabels  fortbewegt  werden,  indem  sie  sich 
drehen.  Aber  weil  die  Zunge,  wenn  sie  hin  und  her  gezogen  wird,  einem  dem  Bellen 
eines  Hundes  einigermassen  ähnlichen  Ton  von  sich  giebt,  so  kommt  bei  uns  ihr 
Name  davon  her  (d.  h.  man  nannte  den  kleinen  Krahnenwagen  den  „Hund").  Mit 
einer  Stange  (vectis,  eigentlich  Hebel)  wird  die  Zunge  vorwärts  bewegt  und  durch 
die  Kette  wird  sie  zurückgezogen.  Es  ist  aber  ein  eiserner  Haken  ange- 
bracht, dessen  Auge  sich  auf  einem  eisernen  Bolzen  dreht,  welcher 
in  der  rechten  Seite  der  Zunge  eingeschlagen  ist  Dieser  Haken 
wird  in  einen  von  mehreren  eisernen  Nägeln  (in  unum  aliquem 
ferreum  clavum)  eingehängt,  welche  in  dem  rechten  Balken  des 
Schnabels  eingeschlagen  sind.   —  Vorn  vor  der  (s^teheuden)  Welle  befindet 


ICO 


Geoif  Ins  Agricola. 


sich  mne  broncene  Rolle,  deren  eisernes  Aezchen  in  die  Balken  des  Schnabels 
gelagert  ist,  in  welcher  Rolle  die  aus  den)  Gehäuse  herauskommende  Kette  läuft 
Nachdem  diese  dann  durch  den  ausgehöhlten  Rucken  der  Zunge  bis  zu  deren  broncener 
Rolle  gelangt  ist,  schlingt  sie  sich  um  diese  ....'* 

Es  wird  nun  noch  beschrieben,  wie  der  Hut  des  Treibherdes  an  die 
Krahoenkctte  gehängt  und  wie  die  Handkurbel  beschaffen  war,  mit  welcher 
das  Räderwerk  bewegt  wurde,  was  wir  übergehen. 

Wir  haben  nna  bemUht,  in  Fig.  178  diesen  Drehkrahnen  der  Beschrei- 
bung gemäss  darzustellen  und  haben  diese  deshalb  bis  hierher  unverkürzt  wieder- 
gegeben, damit  wir  nicht  in  den  Verdacht  kommen  möchten,  hierbei  willkür- 
lich Terfahren  zu  sein,  da  der  Kupferstich,  welcher  sich  in  Agricoi.a'6  Werk 
befindet,  mit  unserer  Fig.  178  keine  Aehnlicbkeit  hat  und  nur  ein  Zerrbild  des 


Flg.  17>.  Fig.  IHO. 

beschriebenen  Krahnen  ist.  Die  in  der  oben  gesperrt  gedruckten  Stelle  ange- 
gebenen Nagel  an  der  Seite  des  Schnabels  aber  und  der  Haken  am  „Hunde", 
welcher  diesen  während  des  Aufziehens  in  seiner  Stellung  hielt,  sind  in  dem 
Kupferstiche  gar  nicht  angegeben.  Interessant  ist  es,  aus  dieser  Beschreibung, 
sowie  aus  mehrereu  anderen  Abbildungen  von  Krahnen  in  Agricola's  Werk 
zu  ersehen,  dass  die  sächsischen  Hüttenleute  schon  Anfang  des  sechzehnten 
Jahrhunderts  Räderwerke  mit  Gehäusen  umschlossen,  die  keinen  anderen  Zweck 
haben  konnten,  als  die  Arbeiter  vor  Unfällen  zu  schlitzen,  während  heutigen 
Tages  die  Fabrikinspektoren  oft  Mühe  haben,  die  Anbringung  solcher  Schutz- 
vorrichtungen durchzusetzen. 

Einen  sehr  einfachen,  damals  gebräuchlichen  Drehkrahnen  zum  Abheben 
des  Hutes  von  Treiblierden  zeigt  noch  Fig.  177,  dessen  Beschreibung  also  lautet: 

„Die  Zapfen  der  auf  rechts  lebenden  Welle  drehen  eich  auf  dieselbe  Weise  (wie 
bei  dem  soeben  beschriebenen  Kr&hn),  der  eine  in  einer  eisernen  Pfanne,  der  andere 
in  einem  Ringe.    An  dieser  Welle  steht  ein  Balken  quer  heraus,  welchen  ein  schtiger 


Fallhammer.  161 

onterBtützt.  Am  Ende  des  Querbalkens  ist  ein  starker,  eiserner  Ring  befestigt,  von 
dem  ein  anderer,  in  ihn  eingeschlossener  Bing  ausgeht,  in  welchen  wiederum  ein 
starker  hölzerner  Hebel  eingeschlossen  ist,  dessen  Ende  ein  dritter  eiserner  Ring  um« 
sdiliesst,  von  dem  ein  eiserner  Haken  herabhängt,  der  in  den  oberen  Ring  der  Kette 
des  Hutes  eingehängt  wird.  Am  anderen  Ende  des  Hebels  aber  ist  eine  Kette, 
welche,  wenn  sie  niedergezogen  wird,  den  anderen  Arm  des  Hebels  und  damit  den 
Hut  hebt  .  .  .  ." 

Im  elften  Buche  beschreibt  Agricola  noch  einen  Drehkrahnen  mit  ein- 
facher Raderübersetzung  und  einer  selbstschliessenden  Zange  am  Ende  der 
Krahnenkette,  dessen  Abbildung  wir  in. Fig.  179,  wiedergeben,  wobei  wir  uns 
aber  erlaubt  haben,  die  Räderübersetzung,  welche  hier  nicht  näher  beschrieben 
ist,  der  früheren  Beschreibung  zu  Fig.  178  gemäss  einzuzeichnen,  während  in 
dem  Kupferstiche  Rad  und  Getriebe  gleich  gross  gezeichnet  sind,  was  keinen 
Sinn  hat.  Die  Beschreibung  dieses  Krahnen  aber  können  wir  übergehen,  da 
diese  Konstruktion  der  früher  beschriebenen  Fig.  178  analog  ist. 

Endlich  müssen  wir  noch  den  in  Fig.  180,  dargestellten  Fallhammer  be- 
trachten, welcher  zum  Zerkleinern  des  Schwarzkupfers  benutzt  wurde,  um  es 
zur  Saigerung  vorzubereiten.     Die  Beschreibung  lautet: 

„Die  Brode  von  Kupfer  werden  auf  einen  Karren  geworfen,  in  die  dritte  Ab- 
thdlung  der  Hütte  gefahren  und  hier  einzeln  auf  einen  „Stuhl"  gelegt,  wo  sie  von 
wiederholten  Schlägen  eines  vorn  mit  einem  Eisen  versehenen  Stempels  getroffen  und 
zerbrochen  werden.  Diese  Maschine  macht  man  so:  Ein  Klotz  von  Eichenholz, 
1,50  m  lang,  90  cm  breit  und  dick,  wird  auf  den  Boden  gelegt.  Derselbe  hat  in 
der  Mitte  einen  nach  vorn  offenen  Hohlraum  von  75  cm  Länge,  60  cm  Breite  und 
26  cm  Höhe.  Der  sich  erhebende  Theil  ragt  dahinter  vor,  während  die  Breite  des 
Hohlraumes  in  den  Klotz  hineinfällt  In  die  Mitte  desselben  wird  ein  broncener 
JStuhl"  gestellt  Dessen  etwas  eingelassener  Theil  von  11  cm  Breite  wird  zwischen 
zwei  Bleiklumpen  gesetzt.  Der  höhere  Theil  desselben  grenzt  beiderseits  75  mm  breit 
daran,  so  dass  der  ganze  Stuhl  26  cm  breit  ist,  30  em  lang  und  15  cm  dick.  Ueber 
den  Klotz  wird  zu  beiden  Seiten  des  Hohlraumes  je  ein  45  cm  breiter  Balken 
gestellt  .  .  .  ." 

Die  weitere  Beschreibung  des  Maschinengestelles  ist  nicht  wesentlich  ver- 
schieden von  der  bei  dem  Pochwerke  gegebenen.    Von  dem  Stempel  w4rd  gesagt: 

„Dieser  ist  vierkantig,  3,25  m  lang,  22  cm  breit  und  dick.  Der  Kopf  des 
37  cm  langen  Eisens  ist  15  cm  lang  und  breit,  oben  11  cm,  unten  37  mm  dick, 
denn  er  wird  allmälig  schmäler.  Der  Schwanz  desselben  ist  22  cm  lang  und  da, 
wo  er  von  dem  Kopfe  aus  aufsteigt,  15  cm  breit  und  dick.  Je  weiter  er  sich  aber 
von  dem  Kopfe  entfernt,  desto  schmäler  wird  er  .  .  .  ." 

Die  Art  der  Befestigung  dieses  Eisens  und  der  Hebling  im  Stempel  waren 

ebenso,  wie  bei  den  Pochstempeln.     Um  den  Stempel  abstellen  zu  können,  war 

auch  hier  ein  Loch  in  solcher  Höhe  durch  denselben  gebohrt,  dass  es  bei  der 

höchsten  Stellung  über  den  unteren  Querbalken  erschien  und  ein  durchgesteckter 

Bolzen  den   Stempel   in   dieser  Stellung  erhielt.     Bezüglich  der  Hebedaumen 

an  der  Wasserradwelle  wird  gesagt: 

JDie  Welle,  welche  die  Stempel  hebt,  hat  beiderseits  zwei  Zähne  (siehe  Fig.  181), 
welche  20  cm  von  einander  abstehen  und  40  cm  aus  ihr  hervorragen.  Sie  werden 
durch  die  Axe  gesteckt   und  durch   eingeschlagene  Keile   befestigt     Sie  sind  11  cm 

Beck.  11 


1G2  Georgius  Agricola.' 

breit  und  dick,  ihre  Enden  abgerundet  und  mit  eisernen  Schienen  von  gleicher  Breite 
beschlagen,  welche  an  beiden  Seiten  30  cm  herabreichen  und  mit  eisernen  Nägeln 
befestigt  sind.     Diese  Köpfe  haben   runde  Löcher,   in  welche  ein   eisernes  Aexcheii 

eingesclilossen  wird,  das  durch  eine  broncene  Walze 

^j. hindurchgeht     Das  eiserne  Aexchen  hat  am  einen 

/^"~'7^  .^^  Ende  einen  breiten  Kopf  und  am  anderen  ein  Loch, 

durch  das  ein  eiserner  Nagel  gesteckt  wird,   damit 
es  nicht  aus  den  Zähnen  herausfalle.    Die  broncene 
Röhre  ist  15  cm  (?)  lang  und  75  mm  dick.    Durch 
Fig.  181.  ihr  rundes  Loch    von  37  nun   dringt    das  eiserne 

Aexchep  und  ist  in  sie  eingeschlossen.  Aber  nicht 
allein  die  broncene  Walze  dreht  sich  um  das  eiserne  Aexchen,  sondern  dieses  dreht 
sich  auch,  und  wenn  die  Welle  sich  dreht,  so  heben  die  broncenen  Walzen  abwechselnd 
den  Zahn  (Hebling)  des  Stempels  .  .  .  ." 

Die  Hebedaumen  waren  also  hier  mit  AntifriktionsroUen  versehen.  Wir 
haben  auch  diesen  Fallhammer  in  Fig.  180  möglichst  genau  nach  der  Be- 
schreibung darzustellen  gesucht,  während  in  dem  Kupferstiche  bei  dieser  Be- 
schreibung das  Eisen  unten  am  Stempel  und  der  sogenannte  ;,StuhP,  auf  den 
die  Kupferrosetten  gelegt  wurden,  um  zerschlagen  zu  werden,  unverhältniss- 
massig  gross  gezeichnet  sind. 

Wir  schliessen  diese  Betrachtung  mit  dem  Wunsche,  der  Leser  möge  ver- 
zeihen, wenn  ihm  von  den  Detail-  und  Massangaben  Agricola^s  im  Vorstehen- 
den zu  viele  citirt  zu  sein  scheinen.  Denn  bei  allen  Anderen,  welche  im  sech- 
zehnten und  siebzehnten  Jahrhundert  über  Maschinen  geschrieben  haben,  fehlt 
es  gerade  an  solchen  Angaben,  und  bei  Vielem,  was  sie  beschrieben  haben,  an 
der  Garantie,  dass  es  auch  praktisch  angewendet  wurde,  so  sehr,  dass  man 
sich  nur  nach  genauerem  Studium  Agricola's  ein  ungefähres  Bild  von  dem 
damaligen  Stande  des  Maschinenbaues  machen  kann. 


Hieronimus  Cardanus  (1501—1576). 


Beuleatjx  sagt  auf  Seite  11  seiner  Kinematik:  ;,In  früheren  Zeiten  be- 
trachtete man  jede  Maschine  als  ein  Ganzes,  bestehend  aus  ihm  eigenthüm- 
lichen  Theilen;  jene  Gruppen  von  Theilen,  welche  man  Mechanismen  nennt, 

sah  das  geistige  Auge  an  der  Maschine  noch  gar  nicht,  oder  nur  selten 

Der  Begriff  ;, Wasserrad^  ist  allerdings  so  ziemlich  vorhanden,  man  begegnete 
doch  solchen  Rädern  auf  Weg  und  Steg,  allein  der  Begriff  ;,Pumpe^,  und  des- 
halb auch  das  Wort  dafür,  fehlte  noch  gänzlich  ....  Erst  bei  Leüpold  1724 
finden  wir  eine  Abtrennung  einzelner  Mechanismen  von  den  Maschinen  vor, 
welche  für  sich  nur  mit  nebensächlicher  Rücksicht  auf  ihre  mannigfache  Ver- 
wendung betrachtet  werden'*. 

Nachdem  wir  in  unserer  ersten  Abhandlung  über  Leonardo  da  Vinci  eine 
Anzahl  Skizzen  desselben  reproducirt  haben,  welche  einzelne  Mechanismen 
behandeln,  und  in  unserer  Abhandlung  über  Georgius  Agricola  erwähnt  haben, 
dass  dieser  die  Pumpen,  welche  er  im  lateinischen  Texte  ;,siphones^  und  in 
dem  beigegebenen  Verzeichnisse  deutscher,  technischer  Ausdrücke  ;,Pompen^ 
nennt,  als  eine  eigene  Unterabtheilung  der  Wasserfordermaschinen  behandelt, 
dürfte  es  Obigem  gegenüber  nicht  uninteressant  sein,  zunächst  das,  was  Car- 
danus über  einzelne  Mechanismen  geschrieben  hat,  zu  betrachten,  zumal 
seine  Behandlungsweise  dieses,  allerdings  damals  noch  nicht  umfangreichen 
Gegenstandes  eine  kaum  zu  verkennende  Aehnlichkeit  mit  dem  hat,  was  man 
heutigen  Tages  die  Lehre  von  den  Bewegungsmechanismen  oder  auch  Kine- 
matik nennt.  Auch  der  Begriff  ^Pumpen^  fehlt  ihm  nicht,  wenngleich  er 
solche  ^ytubae''  nennt,  anstatt  ;,siphones^,  und  er  betrachtet  sie  sogar  ganz  für 
sich  allein,  abgelöst  von  den  Mechanismen,  welche  zur  Einleitung  der  Kolben- 
bewegung dienen.  Auch  finden  wir  noch  einige  andere,  seither,  wie  es  scheint, 
unbeachtet  gebliebene  Mittheilungen  über  Maschinen  in  den  Werken  dieses 
Zeitgenossen  Agricola's.  . 

Geronimo  Cardano  (lateinisch:  Hieronimus  Cardanus)  wurde  1501  zu 
Mailand  geboren,  bezog  1521  die  Universität  Pavia,  wo  er  Mathematik,  Philo- 
sophie und  Medicin  studirte,  erklärte  bereits  zwei  Jahre  darauf  den  Euclides, 


164  Hieronimos  Cardanns. 

wurde  in  Padua  als  Doktor  der  Medicin  promovirt,  nahm  1534  eine  Professur 
der  Mathematik  in  Mailand  an,  las  aber  gleichzeitig  Kollegien  über  Medicin 
und  prakticirte  als  Arzt,  ging  dann  nach  Schottland,  wo  er  den  Erzbischof 
Hamilton  von  St.  Andrew's,  der  an  Asthma  litt,  behandelte,  bereiste  bei  seiner 
Rückkehr  die  Niederlande  und  Deutschland,  blieb  1559  in  Mailand,  wurde  in 
diesem  Jahre  Professor  der  Medicin  in  Pavia  und  1562  in  Bologna,  wurde 
wegen  eines  Versuches,  das  Leben  Jesu  astrologisch  zu  erklären,  eingekerkert 
und  erst  1571  wieder  frei  gelassen,  ging  dann  nach  Rom,  wo  er  vom  Papsto 
eine  Pension  erhielt  und  starb  1576. 

Cärdaxus  war  ein  Mann  von  grossem  Geiste  und  Wissen,  aber  dem  Hange 
zum  Wunderbaren  sehr  ergeben.  In  der  Mathematik  ist  sein  Name  durch  die 
Veröffentlichung  der  sogenannten  cardanischen  Regel  zur  Auflösung  von  Gleich- 
ungen dritten  Grades  berühmt  geblieben,  obgleich  es  wahrscheinlich  ist,  dass 
diese  von  Tartaglia  herstammt,  der  sie  aber  geheim  hielt.  Des  Cardanus 
Schriften  gehören  zu  den  wichtigsten  Denkmälern  seines  Jahrhunderts,  obgleich 
sie  oft  zusammenhanglos  imd  nicht  frei  von  Widersprüchen  sind.  Sein  natur- 
wissenschaftliches und  metaphysisches  Wissen  legte  er  in  den  beiden  umfang- 
reichen Werken:  „De  subtilitate  libri  XXI"  und  „De  remm  varietate  libri 
XVII"  nieder.  Ersteres^  erschien  zu  Nürnberg  1550  und  in  vervollständigter 
Ausgabe  ebendaselbst  1554,  dann  zu  Basel  1583  und  1664.  Das  zweite  Werk: 
„de  rerum  varietate"  erschien  zu  Basel  1557,  Avignon  1558  und  1581  und  in 
deutscher  Uebersetzung  zu  Basel  1559  und  1591.  Eine  Gesammtausgabe  der 
Werke  des  Cardanus  in  10  Foliobänden  erschien  1663  zu  Paris. 

Wir  entnehmen  zunächst  dem  Werke  de  subtilitate  einen  Abschnitt,  der 

sich  in  der  Baseler  Ausgabe  von  1664  auf  Seite  20  findet  und  überschrieben 

ist:   ;,Von  der  hin-  und  hergehenden  Bewegung  (de  motu  aliei'nanteY 

und  folgendermassen  lautet: 

„Die  wiederkehrende  Bewegung  eines  materiellen  Körpers  wird  zur  abwechseln- 
den Hin-  und  Herbewegung  von  Blasbälgen  und  anderen  Maschinen  .  benutzt,  wie 
sich  beispielsweise  bei  der  Ktesibischen  Maschine  zu  zeigen  Gelegenheit  bot,  dass 
die  Kolben  in  den  Stiefeln  abwechselnd  auf  und  nieder  gehen.  Dies  wird  so 
erreicht:  Ein  Schaufelrad  wird  in  dem  Gefälle  eines  herabschiesscnden  Wassers  so 
aufgestellt^  dass  es  durch  den  kontinuirlichen  Abfluss  des  Wassers  über  die  Schaufeln 
umgedreht  wird.  In  diesem  befindet  sich  die  Axe  A  (Fig.  182)*),  welche  offenbar 
mit  umgedreht  werden  muss.  Die  Beschaffenheit  des  Wasserrades  setze  ich  al» 
etwas,  was  man  bei  jeder  Mühle  sehen  kann,  als  bekannt  voraus.  Der  auf  Pfosten 
ruhende  (sehr  dick  gedachte,  hölzerne)  Wellbaum  i?  ist  so  gelagert,  dass  er  sich  auf 
Zapfen  drehen  kann.  Nahe  bei  seinem  äussersten  Ende  ist  eine  Oese  E  darin 
befestigt  und  darin  die  Oese  einer  Eisenstange  F,  welche  wiederum  in  einer  Oese 
endigt.  Diese  nimmt  eine  Oese  G  auf,  welche  an  der  Stange  H  gebildet  ist  Mit 
dem  Ende  von  A  ist  eine  Oese  verbunden,   welche  vermittelst  eines  Hakens  (unco. 


*)  Die  Abbildungen  in  den  Werken  des  Garoanus  sind  zwar  so  mangelhaft,  dass  sie 
viel  zu  errathcn  übrig  lassen;  andererseits  sind  aber  auch  die  Beschreibungen  oft  nicht  aus- 
führlich genug,  um  jene  mit  einiger  Zuverlässigkeit  darnach  verbessern  zu  können.  Wir 
geben  sie  daher  fast  anverändert  wieder. 


Lebensbeschreibung.    Von  der  hin-  und  hergehenden  Bewegung. 


165 


worunter  ein  gekröpftes  Eisen,  hier  eine  Kurbel  zu  verstehen  ist)  so  mit  einem  Nagel 
(dem  Kurbelzapfen)  in  der  Höhe  der  höchsten  Stelle  der  Welle  A  verbunden  j&t> 
dass  sie  sich  mit  ihm  bewegt  Aber  wenn  sich  die  Axe  zurück  bewegt  (d.  h.  nach 
ihrer  ersten  Stellung  zurückkehrt),  kehrt  auch  die  Oese  in  ihre  vorige  Stellung  imd 
Lage  zurück.  An  einer  anderen  Stelle  des  Wellbaumes  B  werden  zwei  Oesen  C 
und  2)  einander  gegenüber  angebracht.  Man  kann  auch  zwei  oder  drei  Paare  auf 
diese  Weise  einander  gegenüber  anbringen.  Wenn  nun  von  den  Pumpenkolben  oder 
Blasbalgen  der  eine  bei  (7,  der  andere  bei  D  mit  einem  Seile  angehängt  wird  und 
bei  der  Umdrehung  der  Wasserradwelle  der  Wellbaum  B  auf  der  Seite  von  D 
angezogen  wird,  so  wird  der  eine  Blasbalg  von  C  gehoben,  während  der  von  D  fällt . . . 
und  so  werden  durch  abwechselnde  Wirkung  die  Bälge  bewegt,  denn  der  Wellbaum 
B  neigt  sich  abwechselnd  zur  Rechten  und  Linken,  dreht  sich  aber  nicht  um.  Man 
kann  auf  diese  Weise  viele  Blasbälge  durch  viele  Oesen,  welche  an  dem  Wellbaume 
einander  gegenüber  angebracht  sind,  bewegen,  doch  ist  dazu  eine  starke  Wasserkraft 
nöthig.  Man  kann  auch  noch  eine  zweite  Welle  an  der  linken  Seite  derselben 
Wasserradaxe  anhängen,  was  die  Schmiede  zu  thun  pflegen,  imd  so  die  Zahl  der 
Blasbälge  noch  verdoppeln.  Es  ist  hierzu  kein  anderes  Hilfsmittel  erforderlich,  als 
was  bei  einem  einzigen  Betriebe  nothwendig  ist^  aber  eine  grössere  Kraft^' 


MTjy     i/X^ 


Fig.  Iö2. 


Fig.  183. 


Fig.  184. 


Der  hier  beschriebene  Mechanismus  ist  eine  Vereinfachung  desjenigen, 
welchen  Biringuccio  zum  gleichzeitigen  Bewegen  einer  grösseren  Zahl  von 
Blasbälgen  angab  und  welchen  wir  in  Fig.  134,  S.  120  der  Abhandlung  über 
ihn  skizzirt  haben. 

Der  nun  folgende  Abschnitt,  welcher  sich  jedoch  in   der  ersten  Ausgabe 

von   1550  noch  nicht  findet,  ist  überschrieben:   ;,Die  Uebertragung  der 

Bewegungen  (motunm  translatioY  und  lautet: 

„Die  Bewegungsübertragung,  welche  sowohl  bei  Mühlen,  als  auch  bei  Uhren 
gebraucht  wird,  ist  zwar  eine  sehr  gewöhnliche,  aber  doch  von  subtilerer  Konstruktion. 
Es  sei  ^JB  (Fig.  183)  ein  Rad,  w^elches  entweder  durch  ein  Schaufelrad  umgedreht 
werde,  wie  es  bei  Mühlen  zu  geschehen  pflegt,  oder  durch  eine  Handkurbel  C.  Auf 
derjenigen  seiner  Flächen,  welche  nach  der  auf  der  Ebene  FH  senkrecht  stehenden 
Welle  FG  hingekehrt  ist^  befinden  sich  Zähne.  Auf  jener  Ebene  FH  ist  auch 
ein  hervorragender  Pflock  für  das  Rad  befestigt,  dessen  Axe  darin  gelagert  wird. 
Auf  der  stehenden  Welle  F G  aber  befindet  sich  das  gezahnte  Getriebe  DE.  Wenn 
daher  das  Rad  AB  auf  der  Axe  CK  gedreht  wird,  so  wird  durch  die  Bewegung 
von  A  die  Welle  FG   in   der   Richtung  von  DE  nach  K,    oder  von  rechts   nach 


1G6  Hieronimus  Cardanns. 

links  gedreht  und  dadurch  die  Uebertragung  der  Bewegung  erreicht,  welche  eine  um 
80  schnellere  sein  wird,  je  grösser  die  Zahl  der  Zähne  von  AB  im  Vergleiche  zu 
derjenigen  der  Zähne  des  Getriebes  DJE  ist.  Hiervon  werden  wir  bei  der  Erklärung 
der  „Augsburger  Maschine"  Gebmuch  machen  .  •  .  ." 

Auf  Seite  613  der  genannten  Ausgabe  wird  eine  ;,Seiltransmission^ 
(Fig.  184)  mit  folgenden  Worten  beschrieben: 

„Wir  kehren  zur  Beschreibung  der  Räderwerke  zurück.  Die  Gemmen  werden 
mit  einer  l)ewunderungswürdigen  Kunst  gebohrt  und  geschnitten.  Diese  besteht  in 
folgendem:  Ein  grosses  hölzernes  Rad  wird  mit  einem  dünnen  Seile  umschlungen, 
und  mit  demselben  wieder  ein  kleines,  welches  sich  über  dem  grossen  befindet,  auf 
die  Weise,  wie  man  es  hier  neben  abgebildet  findet  Wenn  nun  (das  grosse  Rad) 
ABC  um  einen  Theil  AB,  der  dem  ganzen  (Umfange  des  kleinen  Rades)  DEF 
gleich  ist,  gedreht  wird,  so  macht  das  kleine  Rad  G  eine  Umdrehung.  Soviel  mal 
daher  AB  in  ABC  enthalten  ist,  soviel  mal  wird  sich  bei  einer  Umdrehung  des 
grossen  Rades  H  das  kleine  Rad  DEF  umdrehen.  Wie  sich  daher  die  Grosso 
des  Umfanges  von  H  zur  Grösse  des  Umfanges  von  G  verhält,  so  verhält  sich  die 
Umdrehungszahl  von  G  zu  der  von  H.  G  wird  daher  mit  dem  grössten  Ungestüm 
(maximo  impetu)  umgedreht,  weil  dies  in  kürzester  Zeit  geschieht,  wodurch  die  Axe 
die  Gremme  bohrt  und  abschleift  {coinminuet). 

Wenn  auf  G  Zähne  gesetzt  werden,  welche  die  Axe  des  anderen  Rades  durch 
Zähne,  welche  in  jene  eingreifen,  lundrehen,  so  wird  in  demselben  Verhältniss,  in 
welchem  jenes  Rad  grösser  ist,  dieses  schneller  umgedreht.  Wenn  aber  das  Ver- 
hältniss des  grösseren  Rades  zum  kleineren  öfters  wiederholt  wird,  dann  wird  die 
Bewegung  der  Axe  eine  sehr  schnelle  imd  heftige,  jedoch  nur,  wenn  die  Kraft,  welche 
das  erste  Rad  treibt,  eine  sehr  grosse  imd  die  Räder  leicht  sind '^ 

Bei  letzter  Stelle  muss  man  sich  daran  erinnern,  dass  die  Zähne  damals 
verhältnissmässig  schwach  und  von  unvollkommener  Form  waren,  so  dass  sie 
bei  Bewegung  grosser  Massen  mit  grosser  Geschwindigkeit  leicht  brachen. 

In  dem  Werke  de  rerum  varietate  lib.  IX,  Kap.  47,  Seite  185  der  Pariser 
Gesammtausgabe  findet  sich  folgende  Stelle: 

„ Was  das  Bewegte  bewegt,  muss  nothwendiger  Weise  berühren  („Stützung** 

nennt  es  Reüleaux).  Der  Zug  (oder  Druck)  aber  wird  durch  Zahnräder  oder  ein 
Seil  hervorgebracht  Ueber  das  Seil  haben  wir  früher  schon  gesprochen.  Die  Zahn- 
räder aber  verwandeln  einestheils  eine  Bewegung  wie  diejenige  von  oben  nach  unten 
(d.  h.  eine  Drehung  um  eine  horizontale  Axe)  in  eine  solche  von  rechts  nach  links 
(d.  h.  in  eine  Drehung  mn  eine  vertikale  Axe),  und  diese  Art  ist  ebenfalls  anderswo 
bereits  beschrieben  worden,  aber  andemtheils  werden  sie  in  demselben  Sinne  bewegt 
(d.  h.  beide  auf  parallelen  Axen),  und  davon  soll  jetzt  gesprochen  werden. 

AB  (Fig.  185)  sei  eine  Axe,  welche  durch  Wasser  vermittelst  Radschaufeln 
bewegt  werde.  Auf  ihr  sitze  das  Rad  CD,  welches  mit  Zähnen  versehen  ist.  Wenn 
diese  nach  dem  Gentrum  A  hin  gerichtet  sind  und  ihre  Axen  in  dem  äusseren 
Umfange  (d.  h.  in  der  Ebene  des  Umfangskreises)  liegen,  bringen  sie  eine  Bewegimg 
in  demselben  Sinne  (d.  h.  Drehung  um  eine  parallele  Axe)  hervor;  wenn  sie  aber 
senkrecht  auf  der  seitlichen  Fläche  CD  und  parallel  der  Axe  stehen,  so  bewirken 
sie  eine  Verwandlung  der  Bewegimg.  Es  wird  aber  die  Bewegung  eines  jeden  der 
beiden  Räder  im  Verhältniss  zu  den  Zähnezahlen  stehen  .  .  ." 

Es  wird  nun  nachgewiesen,  dass,  wenn  das  Rad  CD  84  Zähne  und  das 
Getriebe  E  7  Zähne  hat,  dieses  12  mal  umgedreht  wird,  während  CD  eine 
Umdrehung  macht,  dass  durch  einmalige  Wiederholung  dieser  Uebersetzimg 
eine  dritte  Axe   144   und   durch   abermalige  Wiederholung    eine   vierte  Axe 


Von  der  Uebertragung  der  Bewegungen.    Räderwerke. 


167 


1728  Touren  in   derselben  Zeit  macht.     Dann  wird  gesagt,   dass,   wenn  man 

noch  ein  viertes  und  fünftes  Räderpaar  derselben  Art  anwende,  die  erste  Axe 

259  Touren   in  der  Stunde  machen  lasse  und  au(  die  letzte  Axe  ein  Rad  von 

fünf  Schritten  im  Durchmesser  setze,  dass  dann  die  Peripheriegeschwindigkeit 

dieses  Rades   so  gross  sein  würde,  wie   die  Geschwindigkeit   des  Mondes  auf 

seiner  Bahn  um  die  Erde.     Dann  fährt  Cardanus  fort: 

„Doch   wenden   wir    uns   zu   nützlicheren   Dingen,    da    diese   Bewegung   nicht  . 
hervorgebracht  werden  kann,  weil  es  nöthig  ist,  dass  die  Rader  durch  Getriebe  oder 
ein  Seil  an  einander  angeschlossen  werden,   ein  Seil   aber,    wenn   es  sich   überstürzt,  :] 
eine  so  grosse  Bewegung  nicht  überträgt,  sondern  auf  der  Stelle  zerreisst;  anderseits 
aber  bei  Verbindung   der   Räder   und    Getriebe   durch   Zähne   das   Rad   in   eine   so   - 
schnelle  Bewegung,   ja  selbst  in  eine  viel   langsamere   noch   nicht  übergeht,   sondern 
die  Zähne   plötzlich    brechen.     Denn  was   mit   dem  Verstände   ausgedacht  wird  und 
der  Vernunft  wahrscheinlich  dünkt,  ist  oft  trügerisch,  wie  das,  was  wir  soeben  gesagt 
haben.  .  .  ,     Zur  Verlangsaniung  der  Bewegung   wendet   man   die   entgegengesetzte 


Fig.  185. 


Fig.  18Ö. 


Methode  von  der  zur  Erzeugung  der  Schnelligkeit  an.  So  wie  die  Räder  zum  Zwecke 
der  Schnelligkeit  die  Getriebe  bewegen,  so  bewegen  die  Getriebe  zur  Erzielujig  der 
Langsamkeit  die  Räder.  Wenn  wir  daher  beispielsweise  wollen,  dass  irgend  ein  Rad 
in  60  Tagen  einmal  umgedreht  werde*),  und  die  Schnecke  oder  das  Gewichtsrad 
wird  in  einem  Tage  umgedreht,  dann  nmss  das  zweite  Rad  in  derselben  Zeit  einmal 
herumgedreht  werden,  in  der  das  erste  60  mal  umläuft.  Daher  müsste  die  Zähne- 
zahl des  zweiten  Rades  das  Sechzigfache  der  Zähnezahl  des  ersten  Getriebes  sein. 
Da  dies  aber  nicht  möglich  ist,  oTler  doch  aus  Gründen,  die  wir  später  angeben 
werden,  grosse  Schwierigkeiten  hat,  so  suchen  wir  zwei  Zahlen,  welche  mit  einander 
multiplizirt  die  Zahl  60  ergeben.  Es  seien  diese  6  und  10.  Dann  werden  wir  auf 
die  ersje  Axe  ein  Getriebe  mit  beliebig  vielen  Zähnen  setzen,  auf  die  zweite  Axe 
&n  Rad  mit  sechsmal  so  viel  und  ein  Getriebe  mit  beliebig  vielen  Zähnen  und  auf 
eine  dritte  Axe  ein  Rad  mit  zehnmal  so  viel  Zähnen,  als  das  Getriebe  auf  der 
zweiten  Axe  hat  Beispiel :  Es  werde  auf  die  erste  Axe  ein  Getriebe  mit  7,  auf  die 
zweite  ein  solches  mit  8  Zähnen  gesetzt,  alsdann  werden  wir  das  Rad  auf  der  zweiten 


*)  Gardanus  hat  hier  und  bei  den  folgenden  Betrachtungen  Uhrwerke  im  Auge,  die 
nicht  nur  Standen,  sondern  auch  astronomische  Zeitperioden,  Avie  z.  B.  die  Umlaufszeiten 
des  Mondes  und  der  Planeten  angeben. 


168  Hieronimus  Cardanos. 

Axe  mit  42  und  das  dritte  mit  80  Zähnen  aufsetzen.  Alsdann  wird  das  Rad  auf 
der  dritten  Axe  in  60  Tagen  einmal  umgedreht  werden,  und  die  allgemeine  Regel 
ist:  Multiplicire  die  Zähnezahlen  der  Getriebe,  z.  B.  7.8  =  56,  dann 
multiplicirc  mit  der  Uehersetzungszahl,  welche  in  unserem  Beispiele  60 
ist,  macht  8360.  Dies  Produkt  ist  dann  gleich  dem  Produkte  der 
Zähnezahlen  der  Räder,  42  und  60,  denn  diese  Zahlen  mit  einander  multiplicirt 
geben  auch  3360. 

Daraus  folgt  weiter,  dass  wenn  die  Uehersetzungszahl  eine  Primzahl,  z.  B.  73 
ist,  und  wir  die  erste  Axe  mit  einem  Getriebe  mit  beliebig  vielen,  z.  B.  15  Zahnen, 
und  die  zweite  Axe  mit  einem  so  vielfachen  Rade  versehen,  als  wir  wollen,  z.  B. 
mit  einem  sechsfachen  mit  90  Zähnen,  dass  wir  dann  auf  die  zweite  Axe  ein  Getriebe 
mit  sechs  Zähnen  und  ein  Rad  mit  73  Zähnen  setzen  müssen.'* 

Es  folgt  der  Beweis,  dass  dann  die  letzte  Axe  in  73  Tagen  einmal  um- 
läuft und  dass  eine  vierte  Axe  mit  einem  Rade  P  (Fig.  186)  mit  35  Zähnen, 
in  welches  ein  Getriebe  N  mit  sieben  Zähnen  eingreift,  in  365  Tagen  eine 
Umdrehung  macht,  wodurch  die  Bewegung  der  Sonne  (nach  dem  Ptolemäischen 
Systeme,  welches  damals  noch  bei  weitem  die  meisten  Anhänger  hatte)  dar- 
gestellt werden  könne.    Es  heisst  dann  weiter: 

„Es  sei  nun  die  Uehersetzungszahl  einerseits  so  gross,  dass  an  einem  Rade  so 
viele  Zähne  nicht  angebracht  werden  können,  anderseits  könne  sie  auch  nicht  in 
Faktoren  zerlegt  werden,  wie  etwa  229,  welches  die  Zahl  der  Tage  ist>  in  welchen 
Mars  sich  durch  den  dritten  Theil  des  Himmels  bewegt,  so  dass  wir  durch  diese 
Zahl,  indem  wir  sie  verdreifachen,  die  mittlere  Bewegung  des  Mars  ohne  merklichen 
Fehler  darstellen  können.  Da  sie  nicht  in  kleinere  Zahlen  zerlegt  werden  kann  und 
auch  so  viele  Zähne  in  einem  Rade  nicht  angebracht  werden  können,  so  nehmen 
wir  12  .  19,  was  228  macht  und  der  verlangten  Zahl  sehr  nahe  kommt,  konstruiren 
die  Räder  nach  der  angegebenen  Regel  und  lassen  das  Rad  JP,  wenn  es  nur  zu 
dieser  einen  Bewegung  dient,  einen  Tag  ruhen,  wenn  es  aber  gleichzeitig  zu  mehreren 
Bewegungen  dient,  fügen  wir  noch  ein  anderes  Rad  für  den  Tag  zu,  welches  Addi- 
tions-  oder  Verminderungsrad  genannt  wird.  Dieses  wird  zwischen  F  und  L  auf 
eine  eigene  Axe  gesetzt  Wenn  nun  die  Zahl  der  Tage  der  (verlangten)  Bewegung 
um  einen  oder  zwei  Tage  kleiner  ist  als  die  thcilbare  Zahl  (nehmen  wir  z.  B.  187, 
welches  kleiner  ist  als  189,  dessen  Theiler  21  der  Uehersetzungszahl  9  entspricht), 
so  bewirken  "wir  durch  den  Nagel  eines  eingeschalteten  Rades  wie  bei  D  (vermittelst 
eines  Uhrschlüssels),  dass  das  Rad  H  um  zwei  Tage  fortschreitet  (Es  wird  nach- 
her erklärt,  wie  die  beiden  Zwischenräder  auf  der  besonderen  Axe  zwischen  F  und  L 
miteinander  verkuppelt  werden  müssen,  damit  die  Bewegung  von  L  sowohl  von  der 
Schnecke  aus,  als  auch  vermittelst  des  Uhrschlüssels  geschehen  kann).  Oder  wir 
bewirken  es  durch  die  Ungleichförmigkeit  der  Bewegung  (vennittelst  des  spiralförmigen 
Rades  Fig.  187),  wovon  wir  weiter  unten  sprechen  werden. 

Wenn  aber  die  Zahl  der  Tage  keine  ganze  ist,  wie  etwa  für  den  Mond,  welcher 
sich  in  27  Tagen  und  acht  Stunden  in  seinem  Kreise  dreht,  so  hat  man  in  Betracht 
zu  ziehen,  dass  acht  Stunden  der  dritte  Theil  von  24  Stunden  oder  einem  Tage  ist 
Man  multiplicirt  daher  27^/3  mit  3  und  erhält  82.  Wird  nun  F  in  einem  Tage 
umgedreht,  so  setzt  man  ein  Rad  E  (Fig.  186)  mit  42  Zähnen  darauf,  welches  in 
ein  Getriebe  JJ  mit  14  Zähnen  eingreift,  so  dass  die  Axe  L  drei  Umdrehungen  in 
einem  Tage  macht.  Die  Zahl  der  Umdrehungen  von  L  (während  einer  Umdrehung 
<ler  letzten  Axe)  muss  dann  82  sein.  Wir  geben  daher  dem  Getriebe  K  fünf  Zähne, 
dieses  bewegt  das  Rad  M  mit  41  Zähnen,  auf  die  Axe  0  setzen  wir  das  Getriebe 
N  mit  vier  Zähnen,  welches  das  Rad  P  mit  40  Zähnen  treibt,  und  dieses  macht 
dann  die  Mondbewegung  (d.  L  eine  Umdrehung  in  27  Tagen  und  8  Stimden)  . .  .* 


Räderwerke,  Kuppelungen.  169 

Wir  fahren  mit  den  kinematischen  Betrachtungen  des  Cardanüs  fort,  in- 
dem wir  die  hier  zunächst  folgenden  „ührmacherregeln"  bis  später  versparen. 
Nach  diesen  heisst  es: 

„Wenn  man  aber  eine  Scheibe  machen  will,  die  mit  doppelter  oder  dreifacher 
Bewegung  umgedreht  werden  soll  (oder  auch:  welche  von  zwei  oder  drei  Angriffs- 
punkten, oder  auch  Kraftquellen  bewegt  werden  soll,  da  es  sich  zunächst  um  ein 
Sperrwerk  handelt,  welches  im  Prinzip  mit  der  sogenannten  ÜHLnoRN'schen  Kraft- 
maschinen-Kuppelung übereinstimmt,  wie  sie  in  Reuleaux's  Konstrukteur  Seite  404 
abgebildet  ist),  so  wird  es  nöthig  sein,  die  Scheibe  in  eine  andere  zu  setzen,  entweder 
beide  auf  ein  und  dieselbe  Axe,  oder  auf  verschiedene  Axen,  worauf  nichts  ankommt, 
und  dass  die  Scheiben  einzeln  sich  nur  nach  einer  Richtung,  aber  nicht  rückwärts 
bewegen  können.  So  sei  die  Scheibe  cd  (Fig.  188)  in  die  Scheibe  ah  eingelassen, 
und  wir  wollen  beispielsweise  annehmen,  dass  c  d  durch  zwei  ähnhche  (gleichlaufende) 
Bewegungen  bewegt  werde,  etwa  mit  Scheibe  ab  von  a  nach  k  und  von  k  nach  b 
(das  ist  Linksdrehung)  und  auch  durch  eigene  Bewegung  (das  heisst  durch  eine  direkt 
auf  sie  übertragene  Bewegung)  von  c  nach  m  und  von  m  nach  d  (das  ist  ebenfalls 
Linksdrehung).  Alsdann  steht  fest,  dass,  wenn  sie  durch  eigene  Bewegung  von  c 
nach  m  und  von  m  nach  d  gelangen  und   auch   von  der  Scheibe  ab  mitgenommen 


Fig.  187.  Fig.  188. 


werden  spll,  dass  erstere  bei  der  Bewegung  von  a  nach  k  und  von  k  nach  b  mit 
der  Scheibe  ab  verbunden  bleibt  (das  heisst  ihre  relative  Lage  gQgen  dieselbe  nicht 
ändert).  Deshalb  muss  die  Scheibe  cd  in  der  Scheibe  ab  in  der  Richtung  von  c 
nach  m  und  von  m  nach  d  beweglich  sein,  aber  nicht  umgekehrt  Dies  wird 
folgendermassen  bewerkstelligt:  Die  konkave  Fläche  von  a 6- wird  da,  wo  sie  die 
konvexe  Fläche  von  cd  berührt,  mit  kleinen  Einschnitten  versehen,  welche  von  der 
Seite  c  nach  m  und  d  allmählich  ansteigen.  Derjenige  Theil  derselben,  welcher 
entfernter  von  dem  Punkte  c  ist,  berührt  cd;  derjenige  aber,  w^elcher  gegen  c  hin 
liegt,  ist  um  die  Hälfte  der  Dicke  eines  Hirsekornes  tiefer.  Die  Figur  (des  Ein- 
schnittes) hat  die  Fomi  eines  L.  An  der  konvexen  Fläche  der  Scheibe  cd  sind 
zwei  Zähnchen  (kleine  Sperrklinken)  e/ und  gh  einander  gegenüber  eingesetzt,  welche 
mit  den  Enden  e  und  g  an  die  Scheibe  befestigt  sind,  bei  f  und  g  aber  überstehen, 
indem  sie  beinahe  in  den  Tangenten  des  Kreises  cd  liegen,  wie  man  aus  der  ersten 
Figur  ersieht  Sie  sind  aber  biegsam  und  entsprechende  Ausschnitte  befinden  sich 
am  äusseren  Umfange  (von  cd),  so  dass  sie,  wenn  sie  zusammengedrückt  werden,  den 
Kreis  genau  vervollständigen.  Wenn  dies  so  angeordnet  ist  und  c  nach  m  hin  be- 
wegt wird,  werden  ef  und  g  h  an  ihren  Enden  bewegt  und  zusammengedrückt  und 
steigen  allmählich  durch  die  i-förmigen  Einschnitte.  Sie  finden  daher  kein  Hinderniss 
und  schreiten  vorwärts.  Will  man  aber  die  Scheibe  in  entgegengesetzter  Richtung 
bewegen,  oder,  wenn  cd  unbewegt  bleibt,  a6  so  bewegen,  dass  a  gegen  k  hin  fort- 
schreitet, so  dringen  /  und  h  aÜmähhch  in  die  Einschnitte  von  a  b  nach  der  Seite 
hin,  wo  diese  am  tiefsten  sind,  und  es  kann  daher  die  Scheibe  ab  nicht  umgedreht 
werden,  ohne  dass  sie  die  Scheibe  cd  mitnimmt;  noch  kann  die  Scheibe  cd,  während 
sie  sich  (in  der  ersten  Richtung)  dreht,  die  Scheibe  a  b  mitnehmen,  weil  sie  von  jener 


170  HieronimoB  Cardanas. 

getrennt  ist  und  sanft  fortschreitet,  wie  erklärt  wurde,  und  weil  die  Scheibe  ab  von 
den  Rädern  zurückgehalten  wird,  welche  mit  ihr  verbunden  sind  und  von  welchen 
sie  bewegt  wird. 

Es  bleiben  aber  noch  zwei  Schwierigkeiten  zu  über^^-inden.  Erstens,  wenn  wir 
wollen,  dass  die  Scheibe  ab  auch  in  entgegengesetzter  Richtung  bewegt  werden  könne 
und  die  mit  ihr  verbundene  Scheibe  mitnehme,  so  sage  ich,  dies  muss  ohne  Zähne 
und  Vertiefungen  geschehen,  indem  man  die  Scheibe  cd  fest  in  die  »Scheibe  ob  ein- 
schliesst  {inserendo  fimiiter,  wodurch  das  entsteht,  was  wir  eine  Reibungskuppelung 
nennen). 

Die  zweite  Schwierigkeit  ist  beiden  Bewegungen  eigen,  sowohl  der  entgegen- 
gesetzten, als  auch  der  gleichlaufenden.  Denn  aus  demselben  Grunde,  aus  welchem 
cd  die  Scheibe  ab  bei  gleichlaufender  Bewegung  nicht  mitnehmen  kann,  weil  sie 
nämlich  von  den  Zähnen  anderer  Räder,  welche  in  sie  eingreifen,  zurückgehalten  wird, 
aus  demselben  Gnmde  wird  auch  die  Scheibe  ab  die  Scheibe  cd  nicht  herumführen 
können,  ohne  dass  alles  zerbricht,  wenn  letztere  bei  der  Bewegung  nach  gleicher 
Richtung  (mit  einem  sie  bewegenden  Räderwerke)  fest  verbunden  ist,  während  erstere 
überhaupt  nicht  mitnimmt,  wenn  sie  sich  in  der  Bewegung  nach  entgegengesetzter 
Richtung  befindet  Dies  (nämlich  dass  in  die  Scheibe  cd  ein  Räderwerk  eingreift) 
ist  vornehmlich  der  Fall,  wenn  der  Ursprung  der  Bewegiuig  (oder  vielmehr  beider 
Bewegungen)  in  einem  einzigen  Hauptrade,  oder  einer  Schnecke  liegt.  (Ein  solcher 
Fall  wird  nachher  näher  betrachtet)  Deshalb  sage  ich,  dass  in  diesem  Falle  und 
aus  den  genannten  Ursachen  nur  die  äussere  Scheibe  verzahnt  werden;  in  die  be- 
wegenden Räder  eingreifen  und  fest  mit  ihnen  verbunden  werden  kann,  nicht  aber 
die  innere,  vielmehr  kann  diese  nur  lose  (das  heisst  durch  Reibung)  mit  den  Zahn- 
rädern verbunden  werden,  damit  sie  von  diesen  und  auch  durch  entgegengesetztes 
Anstemmen  von  der  grösseren  Scheibe  bewegt  werden  kann,  indem  sie  für  die  gleich- 
laufende Bewegung  mit  zwei  Zähnchen  (Sperrklinken)  versehen  ist,  die  in  Ein- 
schnitte eingreifen. 

Aber  bei  entgegengesetzter  Bewegung  ist  es  dann  nicht  möglich,  dass  die 
beiden  Scheiben,  wie  sie  hier  für  Uhnverke  beschrieben  wurden,  auf  einer  Axe 
bewegt  werden  und  die  eine  (wie  vorhin  gesagt,  durch  Reibung)  mitgenommen  wird. 
Denn  wenn  Scheibe  ab  die  Scheibe  cd  mitnimmt,  so  dass  d  sich  nach  m  hin  be- 
wegt, so  muss  cd  fester  mit  ab  (durch  Reibung)  zusammenhängen,  als  mit  dem 
eigenen  bewegenden  Rade,  und  dann  wird  das  eigene  Rad  die  Scheibe  cd  nicht  in 
entgegengesetzter  Richtung  bewegen  können.  Es  geschieht  dies  aber  durch  Ab- 
wechseln (fit  tarnen  alteitiando,  worunter  wohl  nichts  Anderes  verstanden  werden 
kann,  als  dass  die  Reibungskuppelungen  aus-  imd  eingerückt  werden)  mit  der  Hand 
oder  durch  Zähne. 

Es  werden  nun  2  Scheiben  d*)  (Fig.  189)  auf  die  Axe  a  gesetzt,  c  aber  auf 
&,  und  es  werde  die  Axe  von  c  auf  der  Scheibe  d  befestigt,  nicht  aber  die  Scheibe 
C  selbst  Alsdann  wird  eine  Drehung  von  d  die  Axe  6  um  a  bewegen  und  daher 
auch  den  Punkt  c;  c  aber  kann  durch  seine  Räder  um  die  eigene  Axe  in  entgegen- 
gesetzter Richtung  bewegt  werden,  da  es  mit  d  nicht  zusammenhängt 

Nachdem  wir  dieses  betrachtet  haben,  wollen  wir  die  Bewegung  einer  achten 
Scheibe  (die  vermuthlich  zur  Darstellimg  der  Präcession  dienen  sollte)  in  36  000  Jahren 
bewirken.  Diese  enthalten  13149000  Tage.  Wenn  wir  daher  vier  Räder  (mit  ent- 
sprechenden Getrieben)  anwenden,  wovon  das  eine  in  44  Tagen  umgedreht  wird,  das 
zweite  aber  48  Zähne  hat,  wovon  ein  einzelner  eine  ganze  Umdrehung  des  ersten 
Rades  erfordert  (das  Getriebe  des  zweiten  Jahres  konnte  dann  nur  ein  sogenanntes 
Einzahnrad  sein).  Das  dritte  Rad  aber  75  Zähne,  wovon  ein  einzelner  genau 
nach  einer  ganzen  Umdrehung  des  zweiten  Rades  fortschreitet,  und  wenn  endlich  das 
vierte,  welches  mit  dem  Zeiger  verbunden  wird,  83  Zähne  hat,  welche  um  einen  vor- 


^)  Die  eine  Scheibe  ist  als  Haupttheil  des  Gehäuses,  also  feststehend  gedacht. 


Zusammengesetzte  Drehbewegungen.  171 

schreiten,  nacbdem  das  dritte  Rad  eine  ganze  Umdrehung  vollendet  hat,  so  folgt 
daraus,  dass  das  vierte  Rad  in  13  147  200  Tagen  (das  sind  35  995,3  Jahre,  wenn 
man  das  Jahr  zu  3  65  Vi  Tage  rechnet)  einmal  umgedreht  wird,  weshalb  bei  diesen 
35  995  Jahren  nur  5  Jahre  (an  der  verlangten  Zahl)  fehlen,  welche  Zeit,  oder  welcher 
Spielraum  bei  einer  so  langen  Zeit  nicht  von  Bedeutung  ist. 

Für  den  Fall  aber,  dass  man  die  Umdrehungen  von  einer  untheilbaren  Zahl 
ganz  genau  machen  wollte,  nehmen  wir  das  Beispiel  von  der  Bewegung  des  Mars 
wieder  auf,  welche  in  229  Tagen  zum  dritten  Theile  erfolgt.  Wir  wollen  sie  also 
auf  die  riditige  Zahl  bringen,  und  da  wir  sie  schon  auf  228  Tage  gebracht  haben, 
so  können  wir  diese  (sich  so  bewegende)  Scheibe  in  eine  andere  einschliessen,  welche 
in  51984  (das  ist  228  X  228)  Tagen  einmal  umgedreht  wird  und  daher  in  228  Tagen 
um  einen  Theil  (welcher  einen  Tag  repräsentirt)  zurückbewegt  wird,  wodurch  in 
229  Tagen  die  Umdrehung  (der  ersten  Scheibe)  vollendet  wird." 

Hier  musste  also  dieselbe  Räderübersetzung  noch  ein  zweites  Mal  aus- 
geführt und  an  die  erste  so  angeschlossen  werden,  dass  das  letzte  Rad  die 
langsame  Rückwärtsbewegung  der  zweiten  Scheibe  bewirkte,  welche  die  erste 
einschloss.  Hier  trat  der  Fall  ein,  dass  beide  Bewegungen  in  einem  einzigen 
Hauptrade  oder  einer  Schnecke  ihren  Ursprung  hatten.    Wie  aber  das  ganze 


Fig,  189.  Fig.  190. 

Uhrwerk  angeordnet  werden  musste,  wird  später  noch  weiter  erklärt  werden. 

Cardanus  fährt  fort: 

„Auf   andere  Weise   macht   es    sich   aber   mit   dem   letzten   Rade   (der  ersten 

Scheibe)    leichter.     Dieses   habe    114  Zähne,   das   zweite    72,    die   Getriebe  6  Zähne. 

Alsdann  wird  ein  jeder  Zahn  des  zweiten  (sollte  eigentlich  heissen :  des  letzten)  Rades 

114  .  72 

zwei  Tage  brauchen   (da  die  ganze  Uebersetzung : =  228).     Wir  versehen 

6  .  6 

nun  aber  das  Rad  mit  115  Zähnen,  indem  wir  es  spiralförmig  machen,  etwa  so, 
dass  der  115.  Zahn  auf  die  Hälfte  des  ersten  trifft  (das  heisst  in  radialer  Richtung 
etwa  um  die  halbe  Zahnhöhe  versetzt  ist),  wie  man  aus  der  Abbildung  (Fig.  187) 
ersieht,  und  in  dieser  Weise  thut  man  dem  Theil  von  der  Grösse  eines  Tages  Genüge. 
Nachdem  wir  dies  betrachtet  haben,  nehmen  wir  an,  wir  wollten  die  Bewegung 
irgend  eines  Sternes  hervorbringen,  indem  wir  sie  aus  drei  Bewegungen  zusammen- 
setzen, etwa  durch  die  der  Scheibe  A  (Fig.  190),  in  welcher  sich  B  und  in  dieser 
wiederum    C  bewegt.     Wenn   dies   mit   entgegengesetzter  Bewegung  geschehen   soll, 

60  ist,  wie  gesagt,  nöthig,    dass   man   sie   auf  verschiedene  Axen  setzt Und 

weil  diese  drei  Scheiben  bewegt  werden  sollen,  muss  man  noch  eine  andere  fest- 
stehende Scheibe  machen,  welche  sie  einschliesst  (also  das  Gehäuse,  oder  Maschinen- 
gestell, oder  doch  den  Haupttheil  desselben  bildet).  Diese  sei  E.  Durch  die  Ver- 
gleichung  mit  dieser  erkennen  wir  die  Bewegung  der  anderen  vermittelst  eines  Zeigers 
und   die   Stellung   des   Sternes  D,   welche   aus  allen   Bewegungen  hervorgeht     Wir 


172  Hierommos  Cardanos. 

machen  zunächst  die  Räder,  welche  C  bewegen,  dann  diejenigen,  welche  C  sammt 
seinem  ganzen  Räderwerke  bewegen.  Denn  wenn  die  Räder  von  B  nur  dieses  mit 
der  Scheibe  C  bewegten,  könnte  C  nicht  durch  sein  eigenes  Räderwerk  bewegt  werden, 
weil  die  Räder  ruhen  (das  heisst  in  ruhenden  Lagern  laufen)  und  C  sich  bewegen 
würde.  Ebenso  müssen  die  Räder  von  A  auch  diejenigen  von  B  und  nicht  nur 
die  Scheibe  bewegen  und  damit  auch  das  Räderwerk  von  C,  und  dadurch  wird  die 
Bewegung  und  Ordnung  des  Himmels  nachgeahmt  Aber  die  Künstler  pflegen  den 
Planeten  nicht  die  tägliche  Bewegung  A  zuzufügen,  sondern  sie  machen  die  tägliche 
Bewegung  getrennt  davon  mit  den  Fixsternen.  Deshalb  muss  man  bei  allen  diesen 
(Uhrwerken)  nicht  nur  die  Zeiten  der  (einzelnen)  Bewegungen,  sondern  auch  die  Grösse 
der  Theile  und  die  Unterschiede,  mit  denen  sie  bewegt  werden,  beobachten." 

In  dieser  Beschreibung  der  Erzeugung  der  dreifachen  Bewegung  scheint 
angenommen  zu  sein,  dass  Scheibe  A  von  einem  Uhrwerke  bewegt  werden 
müsse,  welches  in  dem  Gestelle  E  gelagert  ist,  dass  A  ein  zweites  Uhrwerk 
trägt,  welches  die  Relativbewegung  zwischen  A  und  B  erzeugt  und  dass  B  ein 
drittes  Uhrwerk  trägt,  welches  die  relative  Bewegung  von  B  und  C  henor- 
bringt.  Das  erste  Uhrwerk  konnte  aber  auch  mit  dem  zweiten  vereinigt  werden, 
wenn  man  die  Axen  von  A  mit  dem  Gestelle  E  fest  verband  und  die  Scheibe 
A  sich  um  diese  feste  Axe  drehen  Hess.  Dann  konnte  ein  auf  Scheibe  A  ge- 
lagertes Uhrwerk  sowohl  die  relative  Bewegung  von  A  und  JB,  als  auch  die 
Drehung  von  A  um  die  feste  Axe  bewirken.  Der  Fall  war  dann  ein  ähnlicher, 
wie  wenn  man  eine  Taschenuhr  an  der  Axe  des  einen,  etwa  des  grossen 
Zeigers  fasst,  auf  hebt  und  festhält.  Alsdann  macht  das  Uhrgehäuse*)  in  einer 
Stunde  eine  Linksdrehung,  der  kleine  Zeiger  aber  wird  durch  das  Uhrwerk  in 
12  Stunden  einmal  relativ  zum  Uhrgehäuse  rechtsum  gedreht  und  daher  ist 
die  absolute  Bewegung  des  letzteren  eine  aus  beiden  genannten  Bewegungen 
kombinirte.  Infolgedessen  macht  der  kleine  Zeiger  in  einer  Stunde  ^Vi2  einer 
Linksdrehung  oder  in  iVn  Stunde  eine  volle  Linksdrehung.  Auch  ist  dieser 
Fall  ein  solcher,  in  welchem  der  Ursprung  der  beiden  Bewegungen,  aus  welchen 
die  kombinirte  entsteht,  in  einem  einzigen  Hauptrade  oder  Federgehäuse  seinen 
Ursprung  hat.  —  Der  nun  folgende  Abschnitt  führt  die  Ueberschrift:  „Mehrere 
entgegengesetzte  Bewegungen  aus  einer"  und  lautet: 

„Wie  aber  aus  einer  Hauptbewegung  mehrere  und  nach  entgegengesetzten  Seiten 
gerichtete  entstehen  können,  soll  nun  besprochen  werden.  Es  ist  bereits  gezeigt 
worden,  dass  es  drei  Lagen  (von  Axen)  giebt  und  in  jeder  zweierlei  Bewegungen, 
entweder  nach  einem  Orte  hin,  oder  von  demselben  weg  (Linksdrehung  und  Rechts- 
drehung), wobei  man  aber  nicht  die  Räder  und  die  Lagen  der  Axen  gleichzeitig 
entgegengesetzt  anordnen  darf,  sondern  nur  unter  sich  darf  man  sie  umkehren.  So 
sei  AB  (Fig.  191)  ein  Getriebe,  an  welchem  Zähne  in  zwei  umlaufenden  Reihen 
angebracht  seien.  Wenn  diese  nach  aussen  (wie  bei  Stirnrädern)  stehen,  bewirken 
die  beiden  Anordnungen  von  Getrieben  eine  entgegengesetzte  Bewegung  (das  heisst 
wenn  das  Rad  sich  rechts  dreht,  drehen  sich  alle  eingreifenden  Getriebe  links).  Wenn 
aber  die  Zähne  auf  einer  äusseren  Fläche  stehen  (das  heisst  auf  den  Seitenflächen, 
wodurch  die  alte  Form  des  Winkelrades  mit  Verzahnung  nach  rechts  und  links 
entsteht)  und  sich  in  einer  Richtung  drehen,  so   bewegen   sie  die  eingreifenden  Ge- 

*)  Vorausgesetzt,  dass  die  Feder  und  das  Räderwerk  stark  genug  sind,  um  den  ver- 
mehrten Reibungswiderstand  zu  überwinden. 


Umwandlung  einer  Drehbewegung  in  mehrere  entgegeDgesetzte. 


173 


triebe  in  verschiedenen  Richtungen  bei  dem  ersten  Unterschiede  (das  heisst^  wenn  jedes 
der  beiden  Getriebe  in  einen  anderen  Zahnkranz  eingreift  bei  symmetrischer  Lage). 
Dies  geschieht  aber  auch  dann,  wenn  das  aufrechte  Getriebe,  wie  wir  es  in  den 
Buchern  de  subtilitate  besprochen  haben  (siehe  Fig.  183),  eine  andere  Stellung  auf 
derselben  Seite  einnimmt  Allerdings  bewegen  sich  die  Zahne  (Fig.  191)  in 
entgegengesetzten  Stellungen  in  den  äusseren  Flächen  (den  Seitenflächen  des  Haupt- 
rades), wenn  man  sie  für  sich  allein  oder  nur  in  Bezug  auf  den  eigenen  Kreis 
betrachtet)  in  gleichem  Sinne,  weil  sie  sich  ebenso  bewegen  würden,  wenn  sie  (das 
heisst  je  zwei  in  einer  der  Axe  parallelen  Geraden  liegende  Zähne)  zusammenhängend 
wären  und  nichts  geändert  würde,  wenn  sie  (durch  Verlängerung  nach  rückwärts) 
zusammenhängend  gemacht  würden,  so  dass  sie  in  einen  Zahn  übergingen,  der  an 
beiden  Seiten  vorstünde.  Wenn  sie  aber  senkrecht  stehende  Getriebe  bewegen,  so 
drehen  sie  diese,  obgleich  sie  sich  selbst  in  gleichem  Sinne  drehen,  doch  wegen  des 
Gegenüberliegens  in  entgegengesetzten  Richtungen." 

Es  folgt  nun  noch  eine  genauere  Erklärung  aus  Fig.  J92,   wie  aus  der 

gleichlaufenden  Bewegung  der  Seitenflächen  AD  und  BF  des  Hauptrades  die 


Fig.  193. 


beiden  eingreifenden  Winkelgetriebe  ACD  und  BEF  in  entgegengesetzten 
Richtungen,  das  eine  linksum,  das  andere  rechtsum  gedreht  werden.  Dann 
heisst  es  weiter: 

„Auf  diese  Weise  erhalten  wir  entgegengesetzte  Bewegungen  nach  der  Methode 
der  vorgelegten  Axen.  Denn  wenn  in  ein  und  dasselbe  Getriebe  (Winkelgetriebe, 
welches  auf  beiden  Seiten  verzahnt  ist)  zwei  einander  gegenüber  (das  heisst  zu  beiden 
Seiten)  eingreifen,  werden  sie  sich  in  entgegengesetzten  Richtungen  bewegen.  Be- 
quemer ist  es  aber,  wenn  man  in  zwei  Getriebe  auf  derselben  Axe  zwei  Räder,  das 
eine  von  der  rechten,  das  andere  von  der  linken  Seite  her  eingreifen  lässt,  welche 
dicht  bei  derselben  Axe  stehen.  Die  Axe  selbst  aber  erstrecke  sich  von  der  Rechten 
zur  Linken.     Jene  Räder  werden  in  entgegengesetzten  Richtungen  bewegt. 

Räder  und  Getriebe  aber,  welche  schief  zur  Axe  stehen  (es  sind  vielleicht 
solche  gemeint,  deren  Zähne  geschränkt  zur  Axe  stehen),  treiben  die  eingreifenden 
(das  heisst  in  kinematischem  Zusammenhange  damit  stehenden)  Axen  durch  andere 
Räder  oder  Getriebe  in  schiefer  Richtung  imd  mit  mittlerer  Bewegung.  Dasselbe 
geschieht  aber  auch,  wenn  durch  geradestehende  Räder  oder  Getriebe  (das  heisst 
solche,  bei  welchen  die  Zähne  nicht  geschränkt  zur  Axe  stehen)  Axen,  welche  schräg 
zu  einander  stehen,  vermittelst  anderer  Räder  oder  Getriebe  in  Verbindung  gesetzt 
werden,  wie  es  die  Figur  (Fig.  193)  zeigt " 

Letzteres  konnte  bei  den  damaligen  Triebstockverzahnungen  ohne  weiteres 
geschehen,  zumal  wenn  man,  wie  dies  häufig  geschah,  cylindrische,  oben  kugelig 
abgerundete  Kämme  in  das  Rad  einsetzte  und  die  Zahnlücken  weiter  machte 
als  gewöhnlich. 

Der  vorhin  erwähnte  Abschnitt  über  ;,Uhrmacherregeln^  lautet 
wie  folgt: 


174  Hieronimus  Gardanns. 

„Nachdem  wir  diese  Regeln  betrachtet  haben,  gehen  wir  zu  denjenigen  in  der 
Uhrmacherei  über,  welche  auf  Gründen  der  Natur  beruhen.  Denn  diejenigen,  welche 
wir  seither  betrachtet  haben,  beruhen  auf  mathematischen  Gründen«  Sie  trügen  des* 
halb  an  und  für  sich  nicht,  aber  erstens  ist  es  schwer,  ja  sogar  unmöglich,  die  Be- 
wegung der  Schnecke  so  herzustellen,  dass  sie  genau  in  24  Stunden  eine  Umdrehung 
gleichnmssig  vollendet,  denn  die  Feder  zieht  im  Anfange  stärker  als  gegen  das  Ende, 
weil  sie  mehr  zusammengezogen  ist^  dann  auch,  weil  die  natürliche  Bewegung  gegen 
das  Ende  hin  schneller  wird,  wenn  alles  Uebrige  konstant  bleibt  (das  heisst  weil  eine 
konstante  Kraft  eine  bestimmte  Masse  in  beschleunigte  Bewegung  zu  versetzen  strebt), 
drittens  wegen  der  ungleichen  Härte  des  Seiles  (welches  damals  zur  Uebertragung 
der  Bewegung  des  Federhauses  auf  die  Schnecke  diente).  Dazu  kommt  noch  die 
Ungleichheit  der  Zähne  der  Räder  E  und  6r,  sowie  der  Getriebe,  welche  in  jene 
eingreifen.  Schmutz,  Rost  und  Staub  lähmen  die  Feder  mehr  und  mehr,  weil  es  ein 
lebloses  Ding  ist,  welches  stark  angestrengt  wird.  Belebte  Wesen  erholen  sich  wieder 
durch  Speise.  Deshalb  gehen  alle  Uhrwerke  mit  der  Zeit  langsamer,  keines  schneller. 
Auch  giebt  es  eine  natürliche  Ungleichheit  der  Tage,  wenngleich  sie  unbedeutend  ist. 
Da  aber  alles  davon  abhängt,  dass  jenes  erste  Rad  in  einem  natürlichen  Tage  eine 
Umdrehung,  oder  eine  bestimmte  Zahl  von  Umdrehungen  macht,  so  bringen  die 
Uhrwerke  unseres  Zeitalters  mehr  Zeit  bei  dem  Uhrmacher,  als  bei 
ihrem  Herrn  zu." 

Diese  Aeusserung  des  Cardanus  muss  man  im  Gedächtniss  behalten,  um 
erklären  zu  können,  warum  damals  selbst  in  umfangreichen  Abhandlungen  über 
Uhren,  wie  sie  Oroxtius  Fixeus  in  seinem  Werke :  ;,Protomathesis",  Paris  1532, 
und  Sebastian  Münster  in  seinem  Werke:  ;,Rudimenta  mathematica'',  Basel  1551, 
lieferten,  von  Räderuhren  gar  nicht,  oder  nur  vorübergehend  die  Rede  ist, 
woher  es  kommt,  dass  wir  über  die  Konstruktion  von  Räderuhren  damaliger 
Zeit  keine  eingehenderen  Nachrichten  haben.    Cardanus  fährt  fort: 

„Und  dies  ist  um  so  mehr  der  Fall,  je  mehr  Räder  mit  einander  verbunden 
und  je  verschiedener  ihre  Bewegungen  sind,  indess  ist,  wenn  die  erste  Bewegung 
von  einem  Tage  genau  bt,  der  Fehler,  welcher  durch  die  anderen  Räder  entsteht, 
nur  gering  und  leicht  zu  verbessern,  wenn  nicht  etwa  ein  Zahn  fehlt.  Auch  kann 
das  erste  Rad  E  nicht  einen  Umgang  in  einem  Tage  machen,  vielmehr  müssen 
mehrere  in  dieser  Zeit  gemacht  werden,  weil  fast  das  ganze  Seil  C  (Fig.  186)  um 
das  Federhaus  herumgewickelt  wird  und  F  ebensoviel  Mal  umdreht,  als  es  um  jenes 
herumgeschlungen  worden  ist      Demzufolge  drehen    sich  Federhaus   und 

T  Schnecke  F  sechs-  oder  mehrmals  in  einem  Tage  je  nach  Art  der  Uhr- 
werke um,  und  dies  ist  die  Ursache,  warum  in  den  Uhrwerken  wenigstens 
drei  Räder  (mit  ihren  Getrieben)  nothwendig  sind,  welche  bei  den  mehr- 
fachen Umgängen  von  F  das  letzte  Rad  so  verlangsamen,  dass  es  in 
Fig.  194.  einem  Tage  seine  Bewegung  macht  und  in  die  Stellung  zurückkehrt,  von 
der  es  ausging.  Um  die  Gleichmässigkeit  zu  regeln,  und  damit  die  Spann- 
kraft der  Feder  nicht  mehr  nachlässt,  als  recht  ist,  trifft  man  scharfsinniger  Weise 
dadurch  Abhilfe,  dass  man  die  Feder  viel  stärker  macht,  als  eigentlich  angemessen 
wäre,  und  eine  Unruhe  (tempus)  über  die  Räder  setzt,  welche  die  Bewegung  der- 
selben verlangsamt  Als  Merkmal  davon  dient  es,  dass,  wenn  man  diese  Unruhe 
wegnimmt  (sie  ist  nämlich  von  dünnem  Eisen  und  von  der  Form,  wie  sie  Fig.  194 
zeigt),  alle  Räder  mit  überstürzter  Bewegung  herumgetrieben  werden  und  schnell 
ablaufen.  Wenn  aber  das  Zeigerrad  zu  sclmell  umgedreht  wird,  vermehrt  man  das 
Gewicht  der  Unruhe,  und  wenn  es  zu  langsam  geht,  vermindert  man  dieses,  voraus- 
gesetzt, dass  der  Fehler  nicht  wo  anders  liegt.  Wenn  dies  aber  der  Fall  ist,  muss 
man  die  Räder  und  das  Federgehäuse  schmieren  oder  abändern." 


Unruh«.    Hebmaschin«. 


175 


Die  Ton  Cardants  gegebene  Skizze  von  einer  Unrnhe  (Fig.  194)  ist  so 
wenig  verständlicli,  dass  vir  ia  Fig.  195,  die  Abbitdang  einer  solchen  znfiigen, 
wie  sie  eich  auf  des  „Künstlichen  Abriss  von  allerband  Wasser-,  Wind-,  Ross- 
und HandmÜblen"  von  Jacob  de  Strada  a  Kosberg,  Frankfurt  a.  M.  1618  und 
1629,  findet,  welche  Abbildung  auch  in  Boeckler's  „Theatrum  machinarom", 
Nümbei^  1661  und  1673,  abgedruckt  ist  Dieselbe  stellt  ein  Schöpfwerk  dar, 
welches  durch  aufgezogene  Gewichte  wie  eine  Buderuhr  bewegt  werden  soll. 
Die  Gewichte,  welche  in  dieser  Abbildung  an  den  Balancier  der  Unruhe  ange- 
hängt sind,  wurden  bei  Uhren  zuerst  als  löffelförmige  Knöpfe  an  den  Enden 
des  Balanciers  angebracht.  Solche  Unruhen  hieasen  daher  LötTeluuruhen. 
Später  erfand  man  die  ringförmige  Unruhe,  aber  erst  1657  gab  Hütchens  den 
grösseren  Uhren  das  Pendel  zum  Kegulator  and  liess  1674  durch  den  Uhr- 


=4\ 


^M^^ 


macher  TOret  in  Paris  zum  erstenmal  eine  Taschenuhr  mit  Spiralfeder  an 
der  Unruhe  machen.  (Vergl.  Dr.  J.  H.  M.  Poppe:  „Geschichte  der  Technologie". 
Göttingen  1810.  Bd.  II,  §  243,  250,  251.)    Cardancs  fthrt  fort: 

„Waa  aber  die  Getriebe  und  Räder  anlangt,  eo  ist  ausserdem,  dass  sie  in  ent- 
eprechender  Grösse  ausgearbeitet  werden,  auch  nöthig,  dass  sie  vom  besten  Stahl  sind, 
damit  sie  nicht  verbogen  werden,  go\vie  dass  eie  dick  und  nicht  dünn  sind,  dass  sie 
BUS  jedweder  Ursache  verletzt  werden.  Aus  diesem  Grunde  müssen  sie  auch  gross 
tan;  die  klonen  ergötzen  zwar,  sind  aber  nicht  zu  gebrauchen." 

Ans  dieser  Stelle  geht  ziemlich  deutlich  hervor,  dass  die  kleinen  Taschen- 
uhren, die  sogenannten  „Nürnberger  Eier"  damaliger  Zeit  mehr  Spielerei,  als 
von  wirklichem  Nutzen  waren.  Die  übrigen  Uhrmacherregeln  des  Cardanus 
übergehen  wir  und  wenden  uns  zu  dem  Abschnitte :  „de  subtilitate",  lib.  XVII, 
welcher  überschrieben  ist:  „Die  Lehre  vom  leichten  Heben  der  Ge- 
wichte". Dieser  bandelt  von  den  Flaschenzügen,  der  Schraube  und  dem  Gang- 
spill.   Einiges  Interesse  für  uns  hat  jedoch  nur  die  in  Fig.  196  abgebildete 


17» 


Hieroaimoa  Carduias. 


Hebmaschine,  in  deren  Beschreibnng  gesagt  wird,  dass  sie  nach  dem  Prinzipa 
der  Schranbe  konstruirt  worden  Bei,  um  ungeheuere  Lasten  zu  heben.  Ihre 
Konstruktion  dürfte  ans  der  Abbildung  ersichthch  sein  und  man  wird  leicht 
erkennen,  dass  dieselbe  auf  einer  Umkehning  der  altrömischen  Kelterpresse 
oder  Trotte  beruht,  wie  sie  Pusifs  beschreibt.  (Vergl.  S.  67  unserer  Abband* 
lang  über  Cato). 

Von  Wasserhebemascbinen  beschreibt  Cahdasus  zunächst  die  Ktesibische 
Pumpe  nach  der  in  Fig.  197     wiedergegebenen  schematischen  Skizze.     Wir 
haben  in  unserer  Abhandlung  über  Heron  -von   Alexandrien   auf  Seite    14 
dessen  Beschreibung  seiner  Feuerspritze,  welche  nach  dem  Muster  der  Ktesi- 
biscben  Pumpe  konstruirt  war,  wiedergegeben  und  dabei  darauf  hingewiesen, 
das6  aus  der  Bezugnahme  auf  das  vorhergegangene  Kap.  IX,  welches  einen  Wind* 
kessel  schildert,  geschlossen  werden  könnte,   dass 
HtiiON's    Feuerspritze    einen    Windkessel    gebäht 
habe.     Wenn    dem    aber    auch   so    gewesen    sein 
sollte,  so   geht  doch   aus  der  Beschreibung  des 
Cabdakus  deutlich  hervor,  dass  das  Verständniss 
für  diese  Vorrichtung  bei  den  späteren  Nachahmern 
des  Ktesibios  und   des  Heron  vollständig  verloren 
gegangen  war,  so  dass  der  Windkessel  später  von 
Neuem  erfunden  werden  musste,   was   erst  gegen 
Ende  des  siebzehnten  Jahrhunderts  geschah.  Schon 
bei  ViTRuv  erscheint  es  zweifelhaft,   ob  der  von 
ihm  erwähnte  Kessel  (catinus)  ein  eigentlicher  Wind- 
ig. »7.  kessel  war,  obgleich  er  sagt,  dass  das  Wasser  durch 
den   Luftdruck   in  dem   Steigrohr   in  die  Höhe 
getrieben  werde;   Cardanus  aber  betrachtet  den  Kessel  A  (Fig.  197)  an  seiner 
Ktesibischen  Maschine  entschieden  nur  als  Ventilgehäuse,  denn  er  sagt:  „  .  .  .  . 
und  indem  es  (das  Wasser)  durch  die  Röhre  i'  aufsteigt,    tritt   es,   indem   es 
das   Ventil   Öffnet,    durch   OeETnung   C  in    den  Kessel,    bis   dieser   voll   ist. 
Nachdem  der  Druck  aus  E  aufhört,  setzt  sich  das  Ventil  mit  dem  Leder  aut 
C  nieder  und  das  Gefäss  A  bleibt  gefüllt .  .  ." 

Es  folgt  nun  die  Beschreibung  einer  Pumpe,  deren  Hohlkolben  ein  in 
die  Mitte  sitzendes  Ventil  hat.    Diese  Beschreibung  lautet: 

„Auf  demselben  Prinzipo  beruht  die  Schiffspunipo  (Tuba  navium),  womit  man 
Sfhiffe,  die  durch  Wasser  in  Gefjilir  gebracht  sind,  lu  entleeren  pflegt,  und  nach 
deren  Beispiel  die  Maschine  den  Bartholomaeus  Brambilla  konsitruirt  ist,  welche 
wir  in  Mailand  gesehen  haben  und  welche  den  älteren  Konstruktionen  bezüglich  der 
Kunstfertigkeit  in  keiner  Weise  nachgteht. 

SD  (Fig.  198)  ist  eine  inwendig  leere,  runde,  hölzemc  Röhre,  die  an  Trag- 
stangen oder  Brettern  befestigt  wird.  Der  obere  Theil  derselben  ist  weiter,  der  untere 
enger  und  das  unterst«  Endo  wird  von  einem  Gefäss  (dem  Saugkorbe)  C  aufgenommen, 
welches  In  das  Wasser  getaucht  und  an  den  Seiten  ringsum  durchlöchert  ist,  damit 
daa  Wasser  eintreten  kann,  Steinchen  und  Sand  aber  nicht,  am  wenigsten  wegen  des 


Etesiliische  Pumpe,  Pumpe  des  Brsmbilla,  Schiffspumpeu 


177 

vorstehenden  massiven  Bodens.  So  kann  die  Röhre  reines  Wasser,  wie  erforderlich 
ist,  auB  dem  Gefässe  schöpfen,  nicht  aber  Steinchen  und  Sand,  durch  welches  die 
Haschine  behindert  werden  würde.  An  der  Stelle  Jtf,  wo  der  engere  Theil  an  den. 
weiteren  angeechloesen  ist,  wird  ein  Tjeder  auf  der  einen  Seite  M  befestigt,  auf 
welchem  eine  dünne  Bleiplatte  vorsteht,  damit  es  auf  der  Seite  Q  emporgehoben, 
durch  sein  Gewicht  wieder  herabfällt  und  den  Kanal  L  vollkommen  bedeckt.  Die 
Kolbenstange  AE  ist  dünner  als  die  Weite  der  Röhre,  füllt  aber  oben  bei  D  die 
Oeffnung  der  Röhre  regelrecht  auä.  (Dies  ist  aus  der  Zeichnung  nicht  ergichdich.) 
Der  Raum  OP  ist  leer.  Von  dem  unteren  Ende  der  Kolbenstange  gehen  drä 
massive  eiserne  Stäbchen  aus  und  reichen  bis  an  die  Seiten 
der  Bohre.  Sie  Bind  mit  Leder  bekleidet,  damit  sie  nicht 
durch  die  Berührung  die  Röhren  verletzen.  Sie  bilden  die 
Figur  eines  Dreifusscs,  der  unten  iiei  F  breiter  und  mehr 
auseinandergespreizt  ist,  als  oben  bei  E.  Daraus  ist  ersicht- 
lich, dasB  der  ganze  Raum  bei  N  leer  ist,  da  ausser  den 
Stäbchen  nichts  darin  ist,  woraus  folgt,  dass  der  Weg  von 
OPnach  J/'frei  ist,  sowie  umgekehrt  von  JVnach  OP,  denn 
der  ganze  Raum  über  F  ist  leer,  da  nichts  darin  enthalten 
ist,  als  die  Kolbenstange  und  die  Stäbchen,  An  den  unteren 
Enden  der  Stäbchen  wird  der  Reif  F  befestigt,  doch  ist 
derselbe  nicht  ganz  leer,  sondern  nur  in  der  Mitte  (d.  h.  es 
war  weniger  ein  Reif  als  eine  in  der  Mitte  durehlochte 
Platte),  und  wo  das  Ixich  bleibt,  liegt  ein  Leder  darüber 
und  darauf  kommt  eine  dünne  Bleiplatte,  wie  vorbin  gesagt 
nurde,  dass  es  bei  3f  der  Fall  sei,  so  dass  keine  Luft 
hindurchgehe  wenn  das  Loch  bedeckt  wird,  und  doch  das 
Leder  mit  dem  Blei  gegen  N  hin  gehoben  und  das  Loch 
frei  werden  kann.  Dies  wird  dadurch  erreicht,  dass  das 
Leder  etwa  bis  zur  Hälfte  an  dem  Ringe,  der  die  Enden 
der  Stäbchen  aufnimmt,  befestigt  wird,  im  Uebrigen  alier 
unbefestigt  bleibt  und  den  Boden,  wenn  es  regelrecht  auf- 
sitzt, schliesst  Von  diesem  Boden  gehen  wieder  drei  andere 
Stäbchen  aus,  welche  an  der  Innenwand  der  Röhre  anliegen. 
Diese  umschliesst  ein  Ijeder  von  allen  Seiten,  vom  oberen 
Theile  F  bis  nach  G,  genau  an  der  Innenwand  der  Köhre 
anliegend,  so  dass  keine  Luft  von  K  nach  N  hindurch- 
gehen kann.  Dadureh  entsteht  bei  F  gleichsam  eni  Becher 
(modiolus),  aber  ein  umgekehrter,  und  zwar  Ist  F  sein  Boden, 
ringsum  mit  Leder  von  runder  Form  umkleidet,  und  bei  G 
ist  die  Oeffnung.  Wenn  dies  geschehen,  wird  der  Kolben 
BO  auegerüstet,    dass    er   hin   und  her  bewegt  werden  kann, 

indem  er  mit  dem  unteren  Ende  des  umgekehrten  CylinOers  bald  bis  M  herabgeht^ 
bald  bis  zu  der  Stellung,  in  welcher  er  gezeichnet  Ist,  wieder  in  die  Höhe  gezogen 
«erden  kann "     (Siehe  Nachtrag  S.  185.) 

Es  folgt  nun  eine  Beschreibung  der  Wirkungsweise  dieser  Pumpe  und 
dann  die  folgende  Stelle,  welche  jedoch  in  der  Angabe  von  1550  noch  nicht 
enthalten  ist: 

„Die  Pumpen  ober,  mit  welchen  Schiffe  und  hervorquellende  Wasser  aus- 
gepumpt werden,  and  von  einfacherer  Eonslrukdon.  Bei  gleichbleibender  fjnrichtung 
bei  B  und  C,  damit  nicht  Steine  die  Maschine  behindern,  hat  der  Kolben  (oder  die 
Kolbenstange)  unten  vier  Stücke  Leder  und  ebenso  viele  an  der  Seite,  aber  dureh 
einen  Zwischenraum  von  zwei  Ellen  (^  888  mm)  oder  etwas  mehr  davon  getrennt^ 
welche  oben  befestigt  werden.  Die  lÄnge  derselben  beträgt  '/«'  (=  70  mm),  und 
B«k.  12 


Fis.  ite. 


178  Hieronimus  Cardanos. 

wenn  sie  in  die  Höhe  gezogen  werden,  tritt  das  Wasser  wegen  des  luftleeren  Raumes 
(von  unten)  ein;  wenn  sie  aber  niedergehen,  werden  sie  durch  den  Druck  der  Luft 
ausgedehnt.  Aber  wegen  der  Schnelligkeit  drückt  auch  etwas  von  dem  Wasser  das 
obere  Leder  zurück,  und  so  steigt  das  Wasser  nicht  nur  beim  Ziehen,  sondern  auch 
beim  Drücken  in  die  Höhe.*' 

Es  waren  dies  also  Druckpumpen  mit  langen  Massivkolben,  die  unten 
durch  vier  Lederscheiben  und  weiter  oben  durch  Ledermanschetten,  die  mit 
dem  oberen  Rande  am  Kolben  befestigt  waren,  abgedichtet  wurden.  Eine 
andere  Wasserhebemaschine,  welche  in  dem  Werke  de  snbtilitate  beschrieben 
wird,  nennt  Cardanus  zwar  „Cochlea  Archimedis",  doch  ist  sie  von  der  Wasser- 
schraube, welche  Vitrüv  beschreibt  (vergl.  Fig.  57,  S.  50),  verschieden.  Weisbach 
nennt  sie  auf  Seite  228,  Bd.  III,  Abth.  H,  seiner  Ingenieur-  und  Maschinen- 
mechanik „Spiralpumpe'S  auf  Seite  811  ebendaselbst  aber  allerdings  auch 
„Archimedische  Wasserschnecke".  (Vergl.  auch  Nachtrag  S.  185.)  Der  betreffende 
Abschnitt  lautet: 

„  .  .  .  .  Und  das  Erste  dieser  Art  ist  die  Erfindung  des  Archimedes,  welche 
Cochlea  genannt  wird,  und  welche  Diodorus  Siculus  in  der  alten  Geschichte  zwei- 
mal erwähnt,  indem  er  sagt,  dass  Aegypten  mit  Hilfe  dieser  von  Archimedes  erfun- 
denen Wasserschraube  trocken  gelegt  worden  sei.  Wenn  dem  so  wäre,  so  wüsste 
ich  nicht,  wie  in  alten  Zeiten  Aegypten  bewohnt  werden  konnte,  da  Archimedes 
zur  Zeit  des  zweiten  punischen  Krieges  lebte.  Wie  sich  die  Sache  aber  auch  ver- 
halten mag,  so  ist  es  ohne  Zweifel  ein  sehr  sinnreiches  Instrument  und  wäre  eines 
solchen  Künstlers  nicht  unwürdig.  VrrRUV  erwähnt  dasselbe  am  Schlüsse  seines 
Werkes.  Aber  Galeazzo  de  Rubeis,  einer  unserer  Mitbürger,  ein  Eisenschmied, 
verlor  vor  Freude  den  Verstand,  da  er  die  schon  lang  erfundene  gleichsam  als  erster 
Autor  erfunden  zu  haben  glaubte.  Wir  haben  ihn  gesehen,  wie  er  (durch  Wasser, 
das  er  mit  seiner  Schnecke  gehoben  hatte),  eine  Mühle  in  Umdrehung  versetzte,  und 
kurz  nachher  kam  er  von  Sinnen.     Die  Maschine  aber  war  wie  folgt  beschaffen: 

Das  Holz  ÄH  (Fig.  199)  ist  fest,  ge- 
rade,  gleichniässig,  rund  und  so  lang,  dass  es 
gegen  die  Oberfläche  des  Wassers  geneigt  und 
an  einem  Nachen  soviel  wie  nöthig  befestigt» 
über  das  Wasser  hervorragt.  Es  wird,  wie 
man  sieht,  von  einem  einfachen  Metallkanale, 
der  nach  einer  Schnecken linie  geformt  ist» 
ringsum  bedeckte  Es  werden  jedoch  auch 
mehrfache  Kanäle  angewendet,  und  drei, 
welche  allmälig  so  ansteigen,  scheinen  mir 
Flg.  iw.  nothwendig,   damit   aUe  Zwischenräume  aus- 

gefüllt werden.  Der  Kanal  hat  zwei  Mün- 
dungen, und  zwar  ist  die  untere  weit»  die  obere  enger.  Diese  werde  K  genannt. 
Es  ist  nun  zu  zeigen,  dass,  wenn  der  Balken  an  den  Enden  Ä  und  H  so 
umschlossen  (d.  h.  in  Lager  gelegt)  wird,  dass  er  sich  drehen  kann,  er  durch  die 
Bewegung  des  Wassers  umgedreht  wird.  Zweitens,  dass,  wenn  er  umgedreht  wird, 
das  Wasser  in  die  Höhe  steigt  und  bei  K  ausfliesst.  Die  Schaufeln  BGDEFG 
aber,  welche  entweder  in  den  Zwischenräumen  oder  an  den  Verbindungen  des  Kanales 
mit  dem  Balken  befestigt  sind,  drehen,  indem  das  Wasser  daran  stösst»  das  Instrument 
nothwendiger  Weise  um,  weil  sie  in  der  Länge  sowohl,  als  auch  in  der  Breite  beliebig 
vergrössert  werden  können,  der  Widerstand  von  AH  aber  klein  ist»  zumal  er  durch 
die  Neigung  der  Axe  und  dadurch,  dass  die  Zapfen  sich  in  Ringen  drehen,  noch 
verkleinert  wird.     Dies  zeigen  auch  die  Mühlen  in  den  Flüssen  Po  und  Ticino,  wo, 


Wasserschraube  des  Galeazzo  de  Rubeis,  Augsburger  Maschine.  179 

obgleich  die  Wasser  sehr  langsam  fliessen,  doch  vermöge  dieses  Hilfsmittels  die  Mühl- 
steine so  umgedreht  werden,   dass  sie  den  Weizen  zerreissen  und   zermahlen  .  .  .  ." 

Demgemäss  waren  ohne  Zweifel  damals  solche  vom  Flusse  selbst  umge- 
triebene Wasserschnecken  im  Gebrauche.  Da  aber  der  Zeichnung  nach  die 
Schaufeln  an  der  Schneckenwelle  ganz  unter  Wasser  gingen,  so  konnte  eine 
Drehung  durch  den  Fluss  nur  dann  erfolgen,  wenn  die  Schaufeln  entweder 
nach  einer  Schraubenlinie  gestellt  waren  und  die  Axe  der  Schnecke  längs  des 
Flusses  in's  Wasser  gelassen  wurde,  oder  wenn  sie  bei  quer  in  den  Fluss  ge- 
stellter Axe  so  in  Gelenken  aufgehängt  waren,  dass  sie  sich  nach  einer  Seite 
hin  umlegen  konnten,  so  dass  immer  nur  die  untenstehenden  Schaufeln  den 
Wasserdruck  auffingen,  die  oberen  aber  demselben  auswichen.  Windräder 
wurden  zu  damaliger  Zeit  nach  beiden  Methoden  gebaut,  wie  wir  nachher 
sehen  werden.  Auch  fanden  sich  in  Besson's  Werk :  „Theatre  des  instruments 
mathem.  et  mech.",  welches  1578,  also  24  Jahre  später  als  die  hier  in  Rede 
stehende  Beschreibung  des  Cardanüs  erschien,  Wasserräder  sowohl  nach  dem 
einen  als  auch  nach  dem  anderen  Prinzipe  konstruirt.  Von  dem  Wasserrade 
aber,  bei  welchem  das  Wasser  wie  bei  einer  Turbine  ohne  Leitschaufeln  gegen 
Schranbenflächen  stösst,  sagt  Besson,  dass  es  in  Toulouse  und  anderen  Orten 
gewöhnlich  sei.  Daher  ist  wohl  anzunehmen,  dass  solche  Wasserräder  auch 
schon  zu  der  Zeit  im  Gebrauche  waren,  als  Galeazzo  de  Rübeis  seine  Spiral- 
pumpe konstruirte.  Der  Gedanke,  eine  der  beiden  erwähnten  Methoden  zur 
Bewegung  derselben  anzuwenden,  lag  also  damals  nicht  fern.  —  Die  Begründung 
des  Cakdanus,  warum  das  Wasser  in  einer  solchen  Spiralpumpe  in  die  Höhe 
gefördert  wird,  können  wir  übergehen.  Zum  Schlüsse  wird  noch  einmal  her- 
vorgehoben: 

„Die  Schraube,  welche  Vftruv  kennen  lehrte,  bedarf  fremder  Hilfe,  die  unserige 
aber  dreht  sich  von  selbst,  und  zwar  um  so  leichter,  je  zahh^icher  die  Windungen 
sind  und  je  sanfter  die  Maschine  ansteigt.  Je  leichter  sie  aber  umzudrehen  ist, 
desto  langsamer  arbeitet  sie,  denn  dies  ist  beinahe  allgemein  bei  allen  Maschinen, 
der  FaU.*' 

Es  folgt  nun  die  Beschreibung  der  früher  erwähnten  „Augsburger 
Maschine". 

Paul  von  Stetten  sagt  in  seinem  aus  urkundlichem  Material  zusammen- 
gestellten Werke :  „Kunst-,  Gewerbe-  und  Handwerksgeschichte  der  Reichsstadt 
Augsburg",  Augsburg  1779,  über  die  Wasserversorgung  dieser  Stadt: 

„Im  Jahre  1412  gab  Leopold  Karg  dazu  den  ersten  Anschlag.  Er  wolhe 
von  einem  Thurme  bei  dem  Schwibbogen  das  Wasser  in  sieben  Rohrkasten,  die  in 
der  Stadt  vertheilt  sein  sollten,  leiten,  allein  sein  Werk  that  nicht  lange  gut  — 
Vier  Jahre  später  liess  man  Hans  Felber,  einen  Werkmeister  von  Ulm,  kommen 
und  dieser  führte  den  Gedanken  besser  aus.  Er  legte  sein  Werk  bei  dem  rothen 
Thore  an.  —  Man  verbesserte  lange  Zeit  an  dieser  Einrichtung.  —  Im  Jahre  1480 
liess  die  Stadt  die  Brunnenquellen  in  der  Au  und  auf  dem  Lechfelde  zusammen 
und  vermittelst  eines  Kanals,  welcher  der  Brunnenbach  genannt  wird,  in  die  Stadt 
leiten.  —  Im  Jahre  1538  erbaute  man  den  unteren  Brunnenthurm  unten  an  dem 
Mauerberge.   —   Endlich,    nachdem   man   genug   Wasser  hatte    und   durch   den    im 

12* 


180 


Hieronimus  Cardanas, 


Jahre  1558  mit  Bayern  geschlossenen  Vertrag  deswegen  gesichert  war,  leitete  man 
es  nicht  nur  in  öffentliche  Springbrunnen,  davon  einige  nachgehends  sehr  prächtig 
ausgeführt  wurden,  sondern  auch  in  die  meisten  Häuser  der  Stadt '' 

In  die  Periode  zwischen  1538  und  1558  nun  fällt  die  Beschreibung  der 
„Augsburger  Maschine"  des  Cardanus,  die  er  wahrscheinlich  gesehen  hatte,  als 
er,  von  Schottland  zurückkehrend,  Deutschland  bereiste.  Nachdem  er  von  der 
Spiralpumpe  des  Galeazzo  de  Rübeis  gesprochen  hat,  fährt  er  fort: 

„Eine  andere  Art  Maschine  ist  die  von  Augsburg,  wie  ich  wohl  einsehe,  welcho 
man  aber  doch  zu  dieser  Klasse  rechnen  muss. 

Die  stehende  Welle  AB  (Fig.  200)  wird  durch  ein  Kammrad  von  dem  Flusse 
umgedreht,  und  zwar  in  der  Weise,  wie  es  oben  von  uns  beschrieben  wiurde  (nämlich 

in  dem  Werke:  de  subtilitate),  als  wir  von 
der  üebertragung  der  Bewegungen  redeten. 
Auf  dieser  Welle  sitzen  Getriebe  von  gleicher 
Anzahl  wie  die  Schnecken,  z.  B.  CDEF  GIIK, 
die  Schnecken  sind  von  gleicher  Anzahl  wie 
die  Becken,  und  die  Zahl  der  Becken  richtet 
sich  nach  der  Höhe.  Die  Becken  Zilf^YOP^JR 
sind  aber  an  der  Säule  ST  befestigt.  Wenn 
nun  AB  gedreht  wird,  werden  durch  die  Ge- 
triebe alle  Schnecken  lungedreht,  von  denen 
die  unterste  C  das  Wasser  aus  dem  darunter 
befindlichen  Flusse  schöpft  und  es  in  das 
Becken  L  übergiesst^  aus  welchem  die  Schnecke 
D  schöpft,  indem  sie  das  Wasser  in  das 
Gefäss  M  übergiesst,  und  so  giessen  infolge 
der  Bewegung  der  einen  stehenden  Welle  A  B 
die  Schnecke  C  das  Wasser  nach  L,  D  nach 
M,  E  nach  N,  F  nach  0,  G  nach  P,  H 
nach  Qy  K  nach  R,  indem  sie  es  aus  den 
djuiinter  befindlichen  Gefässen  schöpfen.  R 
aber  bringt  das  Wasser  durch  die  Mündung 
V  nach  dem  Bestimmungsort. 

Der  Zweifel  liegt  wieder  nahe,  ob  die 
Schnecke  aus  der  nach  oben  aufsteigenden 
Mündung  (d.  h.  wenn  das  obere  Ende  der 
Schnecke  aufwärts  gerichtet  ist)  das  Wasser 
auch  ausfliessen  lasse,  weshalb  wir  die  erste 
dreifach  gemacht  haben  (dann  ist  nämlich 
immer  eines  der  oberen  Enden  der  drei  Spiral- 
i-ohre  abwärts  gerichtet),  aber  man  sah,  dass 
sie  das  Wasser  in  dieHöhe  springend  ausgössen,  während  sie  aufwärts  gerichtet 
waren,  weil,  wie  gezeigt  worden  ist,  die  Theilchen  herabsinken  und  alles  Wasser 
herabsinkt,  weshalb  es  mit  Pressung  heraustritt.  Nicht  nur  aus  der  ab- 
wärts geneigten  Mündung  der  Schnecke,  sondern  aus  mehreren  um  dieselbe  Axe 
angeordneten  Schnecken  entstand  ein  gleichförmiger  Wasserausfluss.  Und  dies  gilt  auch 
von  den  Maschinen  der  ersten  Art." 

Cardanus  war  also  durch  Ueberlegung  und  Experimente  zu  der  Kenntniss 
gelangt,  dass  das  Wasser  mit  einem  gewissen  Drucke  aus  der  Spiralpumpe 
austritt,  was  Weisbagh  in  der  oben  angegebenen  Stelle  Seite  828,  Bd.  UI,  Abth.  2, 
seiner  Ingenieur-  und  Maschinenmechanik  genauer  nachweist. 


Fig.  200. 


Augsburger  Maschine,  Mehlaichtmaschine.  181 

Wir  gehen  nun  zur  Betrachtung  einer  Mehlsichtmaschine  über,  welche 
Cardanüs  in  lib.  II  de  subtilitate  beschreibt,  welcher  aber  seither  wenig  Be- 
achtung geschenkt  worden  zu  sein  scheint.  Johann  Beckmann  sagt  in  seinen 
„Beiträgen  zur  Geschichte  der  Erfindungen",  Leipzig  1788,  über  diesen 
Gegenstand : 

„Zuerst  geschah  dies  (das  Scheiden  des  Mehls  von  der  Kleie)  durch  Siebe,  die 
man  mit  der  Hand  bewegte,  und  man  hat  auch  noch  jetzt  in  Frankreich 
bei  der  sogenannten  Mouture  engrosse  eine  besondere  Beutelkammer, 
worin  das  Sieb  mit  der  Hand  durch  eine  Kurbel  gedreht  wird.  Eben- 
falls ist  auch  noch  in  manchen  Gegenden  von  Niedersachsen  und  Elsass  die  G^ 
irohnheit,  das  Mehl  besonders  auszubeutein,  wozu  denn  verschiedene  Siebe  nöthig 
sind.  Die  Römer  hatten  vornehmlich  zwei  Arten  (Handsiebe) :  cribra  excussoria  und 
pollinaria,  letztere  lieferten  das  feinste  Mehl,  pollinem,  welches  noch  jetzt  unsere 
Müller  und  Bäcker  „Pol*'  nennen.  Siebe  aus  Pferdehaar  sollen  zuerst  die  alten 
Grallier,  Siebe  aus  Leinen  zuerst  die  alten  Hispanier  gemacht  haben  (Plinius,  lib.  18, 
cap.  n,  p.  113).  Die  Einrichtung,  ein  Sieb  von  Gestalt  eines  ausgespannten  Beutels 
an  die  Mühle  selbst  anzubringen,  in  selbiges  das  Mehl,  wenn  es  die  Steine  verlässt, 
fallen  und  den  Beutel  durch  das  Mühlwerk  drehen  und  erschüttern  zu  lassen,  diese 
vortheilhafte  Einrichtung  ist  erst  im  Anfange  des  sechszebnten  Jahrhunderts  bekannt 
geworden,  welches  man  in  etlichen  Chroniken  ausdrücklich  angemerkt  findet,  (Chro- 
nica Cygnea,  oder  Beschreibung  der  Stadt  Zwickau  durch  M.  Tobiam  Schmidten, 
Zwickau  1656:  Im  Jahre  1502  Mittwoch  vor  Job.  Baptistae  ist  das  Räderwerk  der 
Beutel  in  Mühlen  allhier  in  Zwickau  erstlich  aufgekommen  und  gebraucht  worden.)'' 

Aehnlich  spricht  sich  auch  Poppe  in  seiner  „Geschichte  der  Technologie", 
Göttingen  1807,  aus.  Man  sieht,  dass  beide  Schriftsteller  den  zu  ihrer  Zeit  in 
Deutschland  am  meisten  gebrauchten  Beutelkasten  in  Verbindung  mit  dem 
Mahlgange  für  die  vollkommnere  Vorrichtung  hielten  und  daraus,  wie  es  häufig 
geschieht,  den  Schluss  zogen,  dass  dies  die  neuere  Erfindung  sein  müsse.  Ver- 
gleicht man  aber  obige  Jahreszahl  1502  mit  dem  Jahre,  in  welchem  Cardanüs 
über  seine  Siebmaschine,  als  einer  noch  nicht  drei  Jahre  alten  Erfindung 
schrieb,  so  wird  man  jetzt,  wo  die  alten  Beutelkästen  aus  unseren  besseren 
Mühlen  verschwunden  sind  und  die  Sortirung  oder  Sichtung  getrennt  vom  Mahl- 
gange erfolgt,  vielleicht  geneigt  sein,  die  entgegengesetzte  Ansicht  für  richtig 
zu  halten  und  der  Mittheilung  des  Cardanus  mehr  Beachtung  zu  schenken, 
worin  gesagt  wird: 

„Wenn  man  es  auch  gewissermassen  einen  Luxusgegenstand  nennen  kann,  so 
will  ich  doch,  um  von  einer  kunstreichen  Erfindung  zu  reden,  die  von  der  Natur 
der  Luft  ihren  Ausgang  nimmt,  eine  sehr  schöne  Vorrichtung  besprechen, 
durch  welche  das  Mehl  gebeutelt  wird  und  welche  innerhalb  der  letzten  drei 
Jahre  erfunden  worden  ist,  damit  man  daraus  ersehe,  wie  auch  durch  gering- 
fügige Dinge,  wenn  sie  nur  geistreich  sind,  etwas  erreicht  werden  kann.  Denn  jetzt, 
da  adle  Müller  diese  Vorrichtung  wegen  ihrer  Nützlichkeit  haben,  jener  (Erfinder)  aber 
das  Privilegium  vom  Kaiser  erlangt  hat,  dass  Keiner  ohne  seine  Zustimmung  sie 
erhalten  kann,  zieht  er  seinen  Lebensunterhalt  aus  dieser  Industrie  und  hat  sich  vor 
Kurzem  ein  Haus  gekauft.  Denn  nicht  nur  die  Müller,  sondern  auch  Mönchs-  und 
Nonnenklöster  und  Adelige,  welche  ein  grosses  Hauswesen  haben,  besitzen  diese  Vor- 
richtung wegen  ihrer  grossen  Nützlichkeit,  um  nicht  zu  sagen  Unentbehrlichkeit.  Auch 
viele  andere  haben  sie  machen  lassen,  welche  nicht  so  sehr  durch  den  Nutzen,  als 


182 


Hieronimus  Cardanus. 


durch  die  Bewunderung  der  Sache   dazu  veranlasst  wurden.     Die  Konstruktion   der- 
selben ist  aber  folgende: 

B  ist  ein  kleines  Rad,  in  dessen  äusserem  Rande  ein  Handgriff  Ä  angebracht 
ist  (Fig.  201),  mit  welchem  es  herumgedreht  werden  kann.  Beide  ragen  aus  der 
Maschine  hervor.  In  dem  Rade  ist  die  Axe  C,  welche  mit  ihm  umgedreht  wird. 
An  dieser  sitzen  zwei  hölzerne  Zahne  einander  gegenüber  und  zwei  andere  nahe  dabei, 
ebenfalls  einander  gegenüber,  aber  gleichsam  in  der  Mittelstellung  der  ersteren,  damit^ 
wenn  das  Rad  eine  Umdrehung  macht,  sie  viermal  das  breite  Holz  oder  vielmehr 
das  Brettchen  DE  berühren,  welches  an  beiden  Seiten  an  dem  Grehäuse  aufgehangen 
ist,  so  dass  durch  das  sich  drehende  Rad  das  Brettchen  in  eine  bestandig  zitternde 
Bewegung  versetzt  wird,  während  es  von  den  Zähnen  berührt  wird.  Die  Axe  C 
und  ein  kleiner  Theil  des  Brettes  werden  durch  ein  kleines  Gehäuse  umschlossen. 
Auf  dem  Holze  oder  Brette  DE  steht  das  Beutelsieb  FG  schief  und  von  G  aus 
in  dem  Punkte  H  aufgehängt,  damit  es  nicht  herabfallt  Es  besteht  an  allen  Seiten 
auy  dünnen  und  unten  aus  sehr  dünnen  und  leichten  Brettchen,  ausgenommen  in 
dei*  Mitte,  wo  das  Mehl  durch  das  Sieb  hindurchgeschüttielt  wird,  denn  dieser  Theil 
besteht  wie  gewöhnlich  aus  leinenem  Grewebe.  Alle  diese  Theile  werden  mit  einem 
überall  geschlossenen  Gehäuse  umgeben,  in  dessen  oberen  Theil  das  Kästchen  K 
hereinragt,  und  in  diesem  befindet  sich  eine  beinahe  quadratische  Schüssel  (der  Schuh), 


Fig.  202. 

in  welche  das  Mehl  fällt.  Diese  ist  so  aufgehängt,  dass  sie  leicht  geschüttelt  werden 
kann,  und  zwar  geschieht  dies  durch  ein  Seilchen,  welches  einerseits  an  der  Schüssel, 
anderseits  bei  JB  an  dem  Rade  befestigt  ist  (sollte  wohl  heisscn  an  einer  Kröpfung 
der  Axe  von  JB).  Man  beachte  auch,  dass  das  Sieb  FG  ^n  beiden  Enden  offen 
ist,  am  oberen,  damit  es  das  Mehl  von  der  Schüssel  aufnehme,  und  am  unteren, 
damit  die  Kleie  bei  G  ausgeworfen  werde.  Das  ganze  Gehäuse  aber  ist  durch  auf- 
rechte Scheidewände  aus  Brettern  bei  Z  Jf  und  N,  welche  unbeweglich  sind,  dreifach 
getheilt;  doch  kann  man,  wenn  man  will,  auch  vierfach  abtheilen.  Ist  dies  so  her- 
gerichtet und  wird  das  Rad  B  gedreht,  so  schüttelt  das  Seilchen  die  Schüssel  und 
die  Zähne  schütteln  das  Brettchen  ED,  die  Schüssel  schüttelt  das  Mehl  auf  das 
Sieb  FG  und  das  Brettchen  schüttelt  das  Sieb.  Dadurch  wird  nun  bewirkt,  dass 
die  feinste  Blume  des  Mehles  zuerst  ausgeschüttelt  wird  und  in  die  Abtheilung  NM 
des  Gehäuses  fällt,  wenn  es  aber  nach  abwärts  geht,  wo  es  heftiger  geschüttelt  wird, 
wrd  ein  geringwerthigerer  Theil  von  weniger  reinem  Mehl  in  die  Abtheilung  LM 
ausgeschüttelt,  bis  zuletzt  durch  die  untere  Oeffnung  des  Siebes  bei  G  die  ganze 
Kleie  in  die  Abtheilung  LO  fällt,  und  so  werden  drei  getrennte  Sorten  gesammelt, 
die  Blume  des  Mehles  in  MN,  das  grobe  Mehl  in  LM  und  die  Kleie  in  LO. 
Alles  Mehl  aber,  welches  verstäubt,  kehrt  nothwendiger  Weise  wieder  an  seinen  Ort 
zurück,  so  dass  innerhalb  nichts  verloren  gehen  kann,  weil  das  Gehäuse  nirgends 
etwas  durchlässt.  Es  ist  aber,  wie  man  leicht  einsieht,  erforderlich,  dass  das  Sieb 
FG  nicht  zu  sehr  geneigt  ist,  denn  das  Mehl  würde  dann  bis  G  gelangen  und  mit 
der  Kleie  ausgeworfen  werden,  weshalb  man  auch,  wenn  die  Scheidewand  L  bis  an 


Mehlsichtmaschine,  Windmühle.  183 

den  Auswurf  des  Siebes  versetzt,  oder  noch  eine  andere  Scheidewand  P  eingefügt 
wird,  den  Auswurf  G  selbst  etwas,  wenn  auch  nur  wenig,  nach  aufwärts  biegen 
muss,  damit  man  nicht  einen  Theil  des  Mehles  zum  Opfer  bringt. 

Wie  viele  Vortheile  sich  aus  dieser  Vorrichtung  ergeben,  sehe  ich  wohl  ein. 
Erstens  wird  durch  die  Arbeit  eines  einzigen  Menschen,  der  das  Rad  dreht,  das  Mehl 
auf  die  Schüssel  aufschüttet  und  das  Gesiebte,  sowie  die  Kleie  sammelt,  wenn  die 
Abtheilungen  voll  sind,  die  Arbeit  von  drei  Siebern  ersetzt  Zweitens,  weil  die 
Arbeit  weder  so  mühsam  noch  so  schadh'ch  ist  (als  die  des  Siebens  mit  der  Hand), 
so  kann  ein  beliebiger  Arbeiter  genügen  und  man  kann  Tagelöhner  (geruli,  eigent- 
lich Trager)  verwenden,  welche  für  viel  geringeren  Lohn  zu  haben  sind,  als  Sieber. 
Drittens  wird  alles  Mehl  gesammelt  und  es  geht  nichts  verloren,  während  es,  wenn 
von  Hand  gesiebt  wird,  nothwendig  ist,  dass  so  grosse  Oeffnungen  (in  dem  Grehäuse) 
bleiben,  dass  man  die  Arme  hineinstecken  kann,  wodurch  ein  nicht  geringer  Theil 
des  Mehles  verloren  geht  Dazu  kommt,  dass  das  leinene  Sieb,  weil  es  nur  zittert 
nicht  so  sehr  abgerieben  wird,  viel  weniger,  als  wenn  von  Hand  gesiebt  wird,  denn 
hierbei  ist  nothwendig,  dass  man  das  Sieb  so  heftig  stösst,  wie  man  es  zu  thun 
pflegt.  Kurz,  das  Mehl  wird  besser  gesichtet  und  die  Kleie  wird  vollkommen  rein. 
Und  alles  dies  ohne  Besudelung  des  Hauses  und  Aufopferung  oder  Unbequemlich- 
keit der  Arbeiter.  Auch  hat  diese  Vorrichtung  die  Eigenschaft,  dass  sie  zweierlei 
Oiler  dreierlei  Mehl  (ausser  der  Kleie)  ausscheidet,  was  von  Siebern  anfangs  nur  mit 
unsicherem  Urtheile  und  auch  später  nur  unzuverlässig  geschehen  kann." 

Letztere  Bemerkung  könnte  auffallend  erscheinen,  da  man  geneigt  ist,  zu 
glauben,  es  könne  keinerlei  Schwierigkeiten  haben,  durch  verschiedene  Hand- 
ßiebe,  wie  das  Cribrum  excussorium  und  das  Cribrum  pollinarium  der  alten 
Römer,  verschiedene  Mehlsorten  zu  erhalten,  wenn  man  nicht  weiss,  dass  das 
Produkt  des  Siebens  unter  sonst  gleichen  Umständen  gröber  wird,  wenn  die 
Operation  des  Siebens  länger  andauert,  oder  w^eniger  Mahlgut  auf  das  Sieb 
gebracht,  oder  kräftiger  geschüttelt  wird.  Das  stärkere  Rütteln  giebt  Cardanüs 
in  seiner  Beschreibung  sogar  allein  als  Grund  davon  an,  dass  die  tiefer  ge- 
legenen Theile  des  Siebes  ein  gröberes  Produkt  ergeben,  als  die  höher  gelegenen. 
Sehr  bemerkenswerth  erscheint  uns  aber,  dass  Cardanüs  in  der  Einleitung  seiner 
Beschreibung  der  Sichtmaschine  sagt,  diese  Erfindung  nehme  von  der  Natur 
der  Luft  ihren  Ursprung.  Sollte  denn  etwa  Cardanus  vor  350  Jahren  schon 
daran  gedacht  haben,  dass  durch  das  in  senkrechter  Richtung  zur  Siebfläche 
erfolgende  Schütteln  des  Siebes  die  Luft  auf  beiden  Seiten  desselben  abwechselnd 
verdichtet  und  verdünnt  und  dadurch  der  Durchgang  des  Mehles  durch  die 
Maschen  des  Siebes  befördert  werde,  während  doch  in  unseren  Tagen  diese 
sichtende  Wirkung  von  Luftwellen  für  eine  neue,  von  Friedr.  Georg 
WiXKLER  in  Zschopau  gemachte  Erfindung  gehalten  wird? 

Zum  Schlüsse  müssen  wir  noch  die  AVindmühle  erwähnen,  welche 
Cardanus  in  lib.  I  de  rerum  varietate  bespricht  und  abbildet,  da  man  diese 
schlechte  Abbildung  (Fig.  202)  vielfach  für  die  älteste  gehalten  hat,  welche  sich 
von  einer  Windmühle  in  wissenschaftlichen  Werken  findet. 

JoH.  Beckmann  sagt:  „Ich  meine,  die  deutschen  Mühlen  (die  sogenannten 
Bockmühlen)  sind  älter  als  die  holländischen  (mit  drehbarem  Dach),  denn  die 
ältesten  Beschreibungen,  deren  ich  mich  erinnern  kann,  reden  sämmtlich  nur 


ISA  HieroDimDa  Curdanna. 

von  ereteren.  Hieromnus  CAUDAims,  zu  dessen  Zeiten  Windmühlen  in  Italiea 
und  Frankreich  längst  gemein  waren,  bat  doch  nur  der  ersteren  gedacht". 
Das  ist  wohl  richtig,  aber  in  dem  Werke:  „Der  fümebmbsten,  nothwendigsten, 
der  ganzen  Architektur  angehörigen,  mathematischen  und  mechanischen  Kunst 
eigentlicher  Bericht"  von  Gualthebius  H.  Ritids,  Nürnberg  1647,  findet  sich 
in  lib.  UI,  p.  41  neben  einer  viel  schöneren  Abbildung  einer  gewöhnlichen 
Bockmühle  (Fig.  203)  auch  die  Abbildung  einer  Mühle  mit  horizontalem 
Windrade,  wie  sie  unsere  Fig.  204,  wiedergiebt.  Die  Flügel  des  Windrades 
bestehen  hier  aus  einem  in  viele  Felder  eingetheilten  Rahmenwerk.  Auf  den 
Feldern  sind  Ventilklappen  angebracht,    welche  sich  alte  nach  ein  und  der- 


selben Seite  hin  öffnen.  Auf  der  einen  Seite  des  Rades  werden  sie  durch  den 
Winddmck  geschlossen  and  dieser  wirkt  auf  die  ganze  Fläche  des  Flügels; 
dreht  sich  aber  das  Rad  infolge  dessen  um  und  kommt  der  Flügel  auf  die 
andere  Seite  des  Rades,  so  werden  die  Klappen  in  demselben  durch  den  Wind- 
druck geöffnet  und  dieser  wirkt  nur  auf  den  kleinsten  Theil  der  Flügelääche. 
Riva's  zeichnete  diese,  sowie  die  zuerst  genannte  Windmühle  nur  zur  Aus- 
füllung eines  leeren  Raumes  aaf  dasselbe  Blatt  mit  einem  Stadtplane,  ohne 
ein  Wort  der  Erklärung  im  Texte  zuzufügen.  Gewiss  hätte  er  dies  nicht  wagen 
können,  ohne  befürchten  zu  müssen,  dass  man  nicht  verstehen  würde,  was 
seine  Zeichnung  bedeute,  wenn  nicht  solche  Mühlen  bei  den  Architekten  seiner 
Zeit  sehr  bekannt  gewesen  waren.  Wenn  daher  Rühlhann  im  ersten  Bande 
seiner  allgemeinen  Maschinenlehre  sagt:  „Als  Gegenstand  besonderer  Aufmerk- 
samkeit wurde  schon  am  Ende  des  siebzehnten  Jahrhunderts  an  die  Kon- 


Horizontales  Windrad  des  G.  H.  Rivius,  Nachtrag.  185 

stmktion  horizontaler,  d.  h.  solcher  Windräder  betrachtet,  wobei  die  betreffende 
Welle  vertikal  steht,  die  Flügel  also  in  horizontaler  Ebene  laufen",  so  ist  dies 
nicht  so  aufzufassen,  als  ob  nicht  auch  schon  anderthalb  Jahrhunderte  früher 
solche  Windräder  bekannt  gewesen  wären.  Die  Konstruktion  des  horizontalen 
Windrades,  wie  es  Rnrios  1547  abbildete,  muss  man  sich  aber  auch  um  des- 
willen merken,  weil,  wie  schon  erwähnt,  etwa  30  Jahre  später  von  Besson 
horizontale  Wasserräder  abgebildet  wurden,  die  nach  demselben  Prinzipe  kon- 
struirt  sind.    (Vergl.  den  letzten  Absatz  des  Nachtrags.) 

Nachtrag^. 

Als  wir  vorstehende  Abhandlung  über  Cardanus  schrieben,  waren  uns  die 
nachstehend  besprochenen  ;,Skizzen  aus  der  Zeit  der  Hussitenkriege^,  sowie 
die  in  der  nachstehenden  ;,zweiten^  und  ^dritten  Abhandlung  über  Leonardo  da 
ViNQ*'  besprochenen  Skizzen  desselben  noch  unbekannt.  Wir  können  nun  auf 
Folgendes  hinweisen: 

Eine  Pumpe  mit  Hohlkolben,  ähnlich  Fig.  198,  findet  sich  schon  unter 
den  Skizzen  aus  der  Zeit  der  Hussitenkriege  (um  1430)  Blatt  63  R  abgebildet. 

Von  den,  wie  in  Fig.  199,  aus  gebogenen  Metallrohren  hergestellten  Wasser- 
schrauben findet  sich  schon  eine  einfache  unter  den  in  der  ^zweiten  Abhandlung^ 
(E  13  V  und  13  h  und  14  v)  und  eine  dreigängige  unter  den  in  unserer  ^dritten 
Abhandlung^  (Fol.  7  h)  besprochenen  Skizzen  von  Leonardo  da  Vinci. 

Die  Abbildungen  von  Bockwindmühlen,  welche  sich  unter  den  „Skizzen 
aus  der  Zeit  der  Hussitenkriege^  (Blatt  47  V  und  19  V  und  19  R)  finden,  sind 
etwa  um  120  Jahre  älter,  als  die  von  Gardanus,  und  unter  den  in  unserer 
„zweiten  Abhandlung  über  Leonardo  da  Vinci  besprochenen  Skizzen  desselben 
findet  sich  (L  35  h  und  36  v)  sogar  schon  eine  Windmühle  mit  drehbarem 
Dache  (sogenannte  ^^Holländische  Windmühle^]. 


Jaques  Besson  (f  1569). 


Im  Jahre  1578  erschien  zu  Lyon  ein  Werk  unter  dem  Titel:  Theatre  des 
Instruments  mathematiques  et  mechaniques  de  Jaques  Besson,  Dauphinois, 
docte  Mathematicien,  avec  interpretation  des  figures  d'iceluy  par  Francois 
Beroald.  Gleichzeitig  erschien  auch  eine  lateinische  Ausgabe  dieses  Werkes. 
Dasselbe  enthält  auf  60  sauber  in  Kupfer  gestochenen  Tafehi  in  gross  Folio- 
format Entwürfe  von  Maschinen  und  mathematischen  Instrumenten.  Aus 
ersteren  erkennt  man,  dass  der  Autor  mehr  Kinematiker  als  Maschinenbauer 
war,  die  Erklärungen  Beroald^s  aber  verrathen  ein  nur  mangelhaftes  Ver- 
ständniss  der  Figuren,  sowie  der  beiden  genannten  Disciplinen. 

lieber  das  Leben  des  Jaques  Besson  ist  wenig  bekannt.  Aus  der  Wid- 
mung Beroald^s  an  einen  Monsieur  d'Hastings  geht  hervor,  das  Besson  bereits 
gestorben  war,  als  diese  geschrieben  wurde,  und  dass  man  es  hier  mit  nach- 
gelassenen Skizzen  desselben  zu  thun  hat. 

In  der  Vorrede  an  den  Leser  nennt  Beroald  den  Jaques  Besson  einen 
;,Ingenieur  und  Mathematiker  des  Königs^,  woraus  vielleicht  geschlossen  werden 
darf,  dass  er  ein  Nachfolger  Leonardo  da  Vixcrs  in  diesem  Amte  gewesen,  der 
bekanntlich  im  Jahre  1519  als  Ingenieur  des  Königs  Franz  I.  von  Frankreich 
starb.  Dass  Besson  aus  der  Dauphine  gebürtig  war,  geht  schon  aus  dem  Titel 
seines  Werkes  hervor.  Ferner  wird  in  der  Vorrede  des  Beroald  gesagt:  ;,Ce- 
pendant  nous  voulons  bien,  que  chacun  sache,  qu'il  n'y  a  aucun  instrument  ni 
machine  portraitee,  qui  n^ait  ete  ou  inventee  ou  enrichie  par  Besson  et  qui  ne 
soit  ferme  et  munie  de  toutes  pars  de  raisons  pregnantes  et  necessaires,  tirees 
des  Mathematiques  et  de  la  physique.^  Wie  weit  namentlich  der  letzte  Theil 
dieser  Behauptungen  richtig  ist,  überlassen  wir  dem  Leser,  zu  beurtheilen. 

In  dem  Werke :  „Nouvelle  Biographie  generale,  i)ubliee  par  M.  M.  FmMui 
DiDOT  freres  sous  direction  de  M.  Le  Dr.  Höfer.  Paris  1862^  wird  angegeben, 
dass  Besson  aus  Grenoble,  der  Hauptstadt  der  Dauphine,  gebürtig  und  im 
Jahre  1569  Professor  der  Mathematik  in  Orleans  gewesen  sei.  lieber  sein  in 
Rede  stehendes  Werk  wird  nur  gesagt:  ^il  inventa  pour  de  demonstrations 
mathematiques  plusieurs  instruments  ingenieux.^     In  dem  ;,Lehrbuche  der  all- 


Lebensbeschreibung,  Proportionalzirkel,  EurvenzirkeL  187 

gemeinen  Litterargeschichte  von  Dr.  J.  G.  F.  GrXsse"  wird  gesagt,  B&sson 
habe  die  Erfindungen^  welche  er  auf  seinen  Reisen  kennen  gelernt  hatte,  ab- 
zeichnen lassen,  was  gewiss  nur  theilweise  richtig  ist  und  obiger  Behauptung 
Beroald*s  geradezu  widerspricht. 

Was  diesen  Herausgeber  des  in  Rede  stehenden  Werkes  betri£ft,  so  wird 
er  in  dem  oben  citirten  Werke:  ;,NouvelIe  Biographie  generale*'  ein  Philosoph 
und  Mathematiker  genannt,  geboren  1558  zu  Paris  als  Sohn  des  Mathieu 
Beroald,  eines  Theologen  und  Geschichtsschreibers  und  gestorben  etwa  1612. 
Es  beisst  ferner  von  ihm:  ;,er  pflegte  alle  Wissenschaften,  wenn  auch  nicht 
mit  gleichem  Erfolge,  so  doch  mit  gleichem  Eifer.  Im  Jahre  1593  wurde  er 
zum  Domherrn  von  St.  Gratien  de  tours  ernannt,  trotz  der  Unanständigkeit 
und  dem  wenig  religiösen  Geiste  seines  in  vielen  Auflagen  erschienenen  Buches: 
;,Moyen  de  parvenir.*'  —  Jedenfalls  ist  dieser  Francois  Beroald  nichts  weniger 
als  ein  praktischer  Ingenieur  und  erst  20  Jahre  alt  gewesen,  als  er  das  hier 
in  Rede  stehende  Werk  herausgab.  Man  wird  daher  seinen  ohnehin  meist 
unklaren  und  dürftigen  Interpretationen  von  Besson's  Skizzen  keine  grosse  Be- 
deutung beizumessen  haben  und,  wo  eine  hinterlassene  Skizze  des  letzteren 
eine  bessere  Deutung  zulässt,  als  sie  Beroald  giebt,  wird  man  annehmen  dürfen, 
dass  dieser  ihn  missverstanden  hat. 

Das  erste  Blatt  Besson's  zeigt  einen  Zirkel,  auf  dessen  Schenkeln  ein 
Massstab  eingravirt  ist,  ein  Lineal,  welches  zur  sicheren  Auflage  auf  der 
unteren  Seite  so  ausgehöhlt  ist,  dass  es  nur  mit  den  beiden  Längskanten  auf- 
liegt. Ferner  eine  Schraube  und  Mutter  mit  scharfgängigem  Gewinde  und  die 
Werkzeuge  zur  Herstellung  der  ersteren.  Diese  Werkzeuge  bestehen  nur  aus 
einem  Pergamentstreifen,  mit  dessen  Hilfe  die  Schraubenlinie  durch  vorge- 
zeichnete Punkte  vorgerissen  wurde  und  aus  einer  dreikantigen  Feile  oder 
Raspel,  womit  die  Gewindegänge  ausgefeilt  wurden.  Schneidwerkzeuge  und 
Ge¥rindeschneidmaschinen  zur  Herstellung  von  Schrauben  und  Schraubenmuttern 
scheint  demnach  Besson  nicht  gekannt  zu  haben,  obgleich  Leonardo  da  Vinci, 
wie  wir  in  unserer  zweiten  Abhandlung  über  ihn  zeigen  werden,  solche  in 
seinen  Skizzen  dargestellt  hat.  Metallene  Muttern  wurden  wohl  über  eiserne 
Schrauben  gegossen  oder  dadurch  hergestellt,  dass  man  eine  Drahtspirale  in 
eine  Hülse  löthete. 

Das  zweite  Blatt  zeigt  die  Konstruktion  eines  Proportionalzirkels,  das 
dritte  den  in  Fig.  205  dargestellten  Zirkel  zum  Zeichnen  von  Kurven  ver- 
mittelst feststehender  Patrone  oder  Schablone.  Derselbe  besteht  aus  einer 
Axe  («6),  welche,  mit  einer  Hand  vertikal  auf  die  Zeichenfläche  gesetzt, 
durch  drei  Spitzen  am  unteren  Ende  an  der  Drehung  verhindert  wird.  Auf 
dieser  Axe  ist  die  Patrone  befestigt,  welche  hier  aus  einer  dreiseitigen,  ab- 
gestumpften Pyramide  besteht.  Der  horizontale  Arm  (c  d)  mit  der  daran  fest- 
geklemmten Stange  (ef)  dreht  sich  lose  auf  dieser  Axe.  Der  den  zeichnen- 
den Stift  tragende  horizontale  Arm  {gh)   und  der  am  rechten  Ende  mit  einer 


ISS  JM[iiea  Bmsod. 

Anf  der  Patrone  lanfenden  Rolle  verBehene  horizootale  Arm  [ii)  sind  beide  an 
dem  vertikalen  Stabe  {Im)  festgeklemmt,  der  sich  auf  dem  horizontalen  Arme 
{ed)  hin  und  her  schieben  läset;  (ik)  aber  wird  durch  eine  an  (e/)  befestigte 
Feder  stets  g^en  die  Patrone  gedrückt,  während  {ed)  mit  allen  daranhängen- 
den  Theilen  um  [a  b)  gedreht  wird.  Während  die  Rolle  bei  (t)  über  eine  der 
ebenen  Flächen  der  Patrone  läuft,  beschreibt  die  Spitze  des  zeichnenden  Stiftes 
ein  Stuck  einer  oberen  Konchoide  und  während  sie  um  eine  der  Ecken  läaft, 
einen  Kreisbogen. 

Je  nach  Gestaltung  der  Patrone  können  mit  diesem  Zirkel  verschiedene 
Knrven  gezt^n  werden.  Auf  Bessqn's  viertem  Blatte  ist  ein  ebensolcher 
Zirkel  dargestellt,  bei  dem  die  Patrone  drei  nach  aussen  gewölbte  Flächen 
hat  Wenn  Beboald  dabei  schreibt,  diese  Vorrichtung  sei  dazn  geeignet,  gerad- 
linige Figuren  zu  zeichnen,  so  ist  dies  ein  Irrthum,  denn  dazu  wäre  erforder- 
lich, dase  die  Seiten  des  Querschnittes  der  Patrone  nach  einer  Aeqnidistanten 


Flg.  2 


Fig.  a». 


von  einer  unteren  Konchoide  gekrümmt,  dass  sie  also  konkav  wären,  und  selbst 
dann  blieben  noch  die  kreisförmigen  Uebergänge  von  einer  Geraden  zor  anderen 
bestehen. 

Das  fünfte  Blatt  zeigt  den  in  Fig.  206  wiedergegebenen  Ellipsenzirkel. 
Derselbe  hat,  wie  der  oben  beschriebene  Kurvenzirkel,  eine  festgehaltene,  ver- 
tikale Axe  (ab),  um  welche  der  Rahmen  (cdef)  sich  drehen  lässt.  Die  den 
zeichnenden  Stift  tragende  Stange  {g  h)  lässt  sich  auf  den  horizontalen  Stangen 
(cd)  und  (e/)  hin  und  her  schieben.  Auf  der  fesstehenden  Axe  (ab)  sind 
zwei  parallele,  zur  Achse  schräg  stehende,  runde  Scheiben  festgeklemmt.  Um 
diese  dreht  sich  je  ein  Ring,  an  welchem  je  ein  Arm  befestigt  ist,  der  die 
Stange  {gh)  mit  seinen  Enden  umfasst.  Diese  Enden  beschreiben,  wenn  der 
Rahmen  (cde/)  um  (ab)  gedreht  wird,  gleiche,  parallele,  gegen  die  Horizontal- 
ebene geneigte  Kreise  imd  die  Spitze  des  zeichnenden  Stiftes  beschreibt  die 
Horizontalprojektion  derselben,  das  ist  eine  Ellipse.  Da  die  Neigung  der 
runden  Scheiben  auf  der  Axe  (a  b)  und  die  Länge  der  Schubstangen  an  den 
Ringen  verstellbar  sind,  so  lassen  sich  mit  diesem  Zirkel  viele  verschiedene 
Ellipsen  ziehen. 


EUipsenzirkely  Spiralenzirkel,  Drehbank  zum  Passigdrehen.  189 

Das  sechste  Blatt  zeigt  den  Fig.  207  wiedergegebenen  Zirkel  zum  Ziehen 
von  Spirallinien.  Derselbe  besteht  ans  einer  horizontalen  Hülse,  die  am  linken 
Ende  eine  vertikale  Spitze  hat,  welche  in  den  Mittelpunkt  der  zu  ziehenden 
Spirale  eingesetzt  wird.  In  der  Hülse  ist  eine  Schraube  konaxial  gelagert, 
welche  am  rechten,  aus  der  Hülse  hervorragenden  Ende  eine  runde,  aussen  ge- 
rändelte Scheibe  trägt,  welche  auf  der  Zeichenfläche  im  Kreise  herumrollt, 
wenn  man  die  Hülse  um  ihre  Spitze  dreht,  und  die  Schraube  im  Inneren  wird 
dadurch  gleichzeitig  um  ihre  Axe  gedreht.  Eine  Schraubenmutter,  welche 
sich  nicht  mit  der  Schraube  um  deren  Axe  drehen  kann,  wird  dadurch  in 
deren  Axenrichtung  verschoben.  An  dieser  ist  eine  Stange  befestigt,  welche 
durch  den  Boden  am  linken  Ende  der  Hülse  geht  und  an  dem  aus  der  Hülse 
hervorragenden  Ende  den  zeichnenden  Stift  trägt.  Die  Spitze  dieses  Stiftes 
dreht  sich  also  um  die  Spitze  der  Hülse  und  bewegt  sich  gleichzeitig  in  radia- 
ler Richtung  fort,  beschreibt  daher  eine  Spirallinie.  Ist  die  Schraube  in  der 
Hülse  eine  gewöhnliche,  so  ist  die  Spirale  eine  archimedische.  Durch  Aenderung 
des  Durchmessers  des  Laufrades,  oder  durch  Einsetzen  einer  gewöhnlichen 
Schraube  mit  anderer  Steigung  erhält  man  andere  .  archimedische  Spiralen. 
Setzt  man  aber  Schrauben  ein,  die  an  verschiedenen  Stellen  verschiedene 
Steigung  haben,  so  entstehen  Spirallinien  anderer  Art.  In  diesem  Falle  kann 
die  Mutter  selbstverständlich  nur  mit  einem  abgerundeten  Zapfen,  oder  ver- 
mittelst eines  um  einen  zylindrischen  Zapfen  drehbaren  Gleitstückes  in  die 
Schraube  eingreifen. 

Das  siebente  Blatt  zeigt  den  Entwurf  einer  Drehbank  zum  Passigdrehen 
vermittelst  Patronen  (Fig.  208).  Das  hölzerne  Werkstück  ist  zwischen  zwei 
gleichen,  an  den  einander  zugekehrten  Enden  mit  mehreren  Spitzen  versehenen 
Spindeln  eingespannt  und  erhält  seine  Drehung  in  der  damals  und  bis  zu  An- 
fang unseres  Jahrhunderts  bei  Holzdrehbänken  üblichen  Weise  durch  eine 
darum  geschlungene  Schnur,  welche  zwischen  einer  Wippe  an  der  Decke  des 
Arbeitsraumes  und  einem  Trittbrette  unter  der  Drehbank  gespannt  ist.  Beim 
Niedertreten  des  Trittbrettes  dreht  sich  das  Werkstück  in  einer  Richtung,  und 
der  mit  den  Händen  angedrückte  Stahl  schneidet;  während  der  Fuss  gehoben 
wird,  wird  der  Stahl  etwas  zurückgezogen  und  das  Werkstück  dreht  sich  in 
entgegengesetzter  Richtung.  Die  beiden  Spindeln,  welche  sich  mit  dem  Werk- 
stücke umdrehen,  tragen  gleiche  Patronen,  welche  im  vorliegenden  Falle,  da 
elliptisch  gedreht  werden  soll,  aus  zwei  gleichen,  schräg  zur  Axe  gestellten 
Kreisscheiben  bestehen,  deren  Schräge  verstellbar  ist.  Auf  diesen  Patronen 
liegt  ein  in  zwei  Schlitzen  der  vorderen  Docken  geführtes,  breites  Lineal, 
welches  während  des  Drehens,  je  nach  der  Form  der  Patronen,  bald  durch 
diese  gehoben  wird,  bald  durch  seine  Schwere  und  den  Druck  des  Arbeiters 
auf  den  Drehstahl  niedergeht.  In  diesem  Lineale  ist  eine  Nute  von  der  Form 
der  erzeugenden  Linie  des  zu  drehenden  Rotationskörpers.  Der  Drehstahl  ist 
am  Ende  gabelförmig,   wie  unter   der  Drehbank  in  Fig.  208  abgebildet.    Die 


190 


Jaqucs  Bmmd. 


obere  Zinke  der  Gabel  wird  mit  ihrem  Ende  in  die  Nute  des  Lineals  einge- 
setzt und  in  dieser  nach  nnd  nach  fortgeschoben,  v&hrend  die  Schneide  an 
der  unteren  Zinke,  welche  immer  lothrecht  onter  dem  oberen  Gabelende  bleiben 
mnss,  die  Späne  von  dem  Werkstücke  wegnimmt. 

Dass  übrigensEnde  des  sechszehntenJahrhanderts  bei  der  Metalldreherei 
schon  Drehbänke  gebräncblicb  waren,  bei  denen  vermittelst  eines  Handschwnng- 
rades  nnd  Sctmurtriebes  das  Werkstück  in  eine  stetige  Drehung  nach  einer 
Richtung  versetzt  wurde,  ersieht  man  aus  der  Abbildung  einer  Zinogiesser- 
werkstatte  in  Thom.  Garzom's  „Piazza  untTersale" ,  Venedig  160t,  in  der 
deutschen  Uebersetznng  Frankfurt  a.  M.  1619  auf  Seite  531. 

Die  auf  dem  achten  Blatte  Bessoü'b  dargestellte  Methode  des  Passig- 
drehens  durfte  wohl  noch  schwieriger  gewesen  sein,  als  die  vorhin  besprochene. 
Hier  ist  nur  auf  einer  Seite  des  Werkstückes  eine  Patrone.    Beide  Docken 


Fl«,  m. 


sind  auf  dieser  Seite  nach  oben  verlängert  und  mit  einem  Schlitze  versehen. 
Der  Arbeiter  steht  vor  diesem  Ende  der  Drehbank,  hat  das  Heft  eines  sehr 
langen,  durch  beide  Schlitze  reichenden  Drehstahles  auf  der  Schulter  ruhen 
nnd  drückt  ihn  auf  die  Patrone  nieder,  während  die  Schneide  am  Ende  des 
langen  Stahles  den  Span  von  dem  Werkstücke  wegnimmt. 

Anf  dem  neunten  Blatte  ist  die  in  unserer  Fig.  209  wiedergegebene,  nach 
Beroald  von  Bbsson  erfundene  Drehbank  zum  Schneiden  von  Schrauben,  und 
sogar  von  konischen  Schrauben,  abgebildet,  bei  welcher  bereits  eine  Leitspindel 
zur  Anwendung  kommt.  Hoch  über  dem  Drehbankbette  ist  eine  horizontale 
Welle  mit  drei  Schnurrollen  gelagert.  Zieht  der  Arbeiter  an  dem  einen  Ende 
der  um  die  mittlere  Rolle  geschlungenen  Schnur,  so  dreht  er  dadurch  die 
Welle  in  einer  Richtung;  hebt  er  dann  den  Arm  wieder  auf,  so  dreht  das 
Gegengewicht  am  anderen  Ende  der  Schnur  sie  in  entgegengesetzter  Richtimg. 
Auf  der  linken  Rolle  ist  eine  Schnur  mit  einem  Ende  befestigt,  dann  mehr- 
mals um  die  Rolle  und  einmal  um  das  Ende  des  Werkstückes  geschlungen  und 
durdi  ein  an  ihrem  freien  Ende  hängendes  Gewicht  gespannt.    Anf  diese  Weise 


Drehbank  zum  Gewindeschneiden,  Marmorschleifmaschine.  191 

wird  diis  Bewegung  der  oberen  Welle  auf  das  Werkstück  übertragen.  Rechts 
unter  diesem  ist  eine  Schraube  in  einem  mit  dem  Drehbankbette  fest  ver- 
bundenen Holzrahmen  horizontal  gelagert.  Sie  ist  an  ihrem  rechten,  über  den 
Holzrahmen  vorstehenden  Ende  mit  einer  Schnurrolle  fest  verbunden,  und  diese 
wird  ebenso  wie  das  Werkstück  und  gleichzeitig  mit  diesem  von  der  oberen 
Welle  aus  in  hin  und  her  drehende  Bewegung  versetzt.  Dadurch  wird  die  in 
dem  Holzrahmen  sich  führende  Schraubenmutter  abwechselnd  von  rechts  nach 
links  und  von  links  nach  rechts  geschoben.  An  dieser  ist  ein  horizontaler 
Arm  befestigt,  an  dessen  linkem  Ende  eine  unter  dem  Werkstücke  sich  hin 
und  her  bewegende,  vertikale,  prismatische  Hülse  befestigt  ist.  Diese  Hülse 
dient  einem  vertikalen  Prisma  zur  Führung,  in  dessen  oberem  Ende  der  Dreh- 
stahl befestigt  ist,  während  sein  unteres  Ende  mit  einer  horizontalen  Hülse 
versehen  ist,  die  einen  Trittbalken  umfasst.  Dieser  wird  an  beiden  Enden 
durch  über  Rollen  geleitete  Schnüre  mit  Gegengewichten  in  die  Höhe  gezogen 
und  dadurch  der  Drehstahl  gegen  das  Werkstück  gedrückt,  während  der 
Arbeiter  an  der  Schnur  in  seiner  Hand  zieht,  und  der  Stahl  schneidet.  Den 
einen  Fuss  aber  hat  der  Arbeiter  in  dem  am  Trittbalken  hängenden  Bügel, 
und  während  er  die  Hand  mit  der  Schnur  hebt,  drückt  er  mit  dem  Fusse  den 
Trittbalken  nieder  und  bringt  dadurch  den  Drehstahl  ausser  Angriff.  Durch 
die  Rotation  des  Werkstückes  während  des  ersten  Theiles  der  Bewegung  und 
die  gleichzeitige  Verschiebung  des  Stahles  wird  das  Gewinde  in  das  Werkstück 
geschnitten.  Da  aber  der  Hub  des  Stahles  nach  oben  nur  durch  den  Wider- 
stand des  Werkstückes  begrenzt  wird,  so  kann  das  Gewinde  ebenso  gut  in  ein 
konisches  oder  sonst  geeignet  profilirtes,  wie  in  ein  zylindrisches  Werkstück 
geschnitten  werden. 

Das  zehnte  Blatt  zeigt  eine  Maschine  zum  Schleifen  und  Poliren  von 
Marmor  und  dergleichen.  Der  Mechanismus,  durch  welchen  hier  der  Schleif- 
backen hin  und  her  geschoben  werden  soll,  ist  aus  Fig.  210  ersichtlich.  Er 
besteht  aus  einer  sogenannten  Nürnberger  Scheere  und  einem  schweren,  anker- 
formigen  Pendel,  beides  Maschinenbestandtheile,  welche  Besson  über  die  Maassen 
liebte,  wie  wir  später  noch  sehen  werden.  Von  den  mittleren  Scharnierbolzen 
der  Scheere  ist  der  linke  im  Maschinengestelle  befestigt,  die  anderen  sind 
zwischen  zwei  Leitschienen  geführt,  und  am  rechten  ist  der  Schleifbacken  an- 
gehängt, welcher  den  darunter  liegenden  Stein  schleift  und  polirt.  Die  nach 
links  vorragenden  Arme  der  Nürnberger  Scheere  sind  nach  oben  abgekröpft 
und  werden  von  zwei  Oesen  umfasst,  welche  durch  eine  an  dem  über  die  Axe 
hinaus  verlängerten  Pendelarme  angeschweisste  oder  angegossene  Querstange 
fest  mit  einander  verbunden  sind.  Der  Arbeiter  steht  vor  der  rechten  Seite 
des  Maschinengestelles  und  setzt  durch  abwechselndes  Anziehen  und  Nachlassen 
der  aus  Fig.  210  ersichtlichen  Schnur  das  Pendel  in  Schwingungen,  die  Oesen 
an  seinem  oberen  Ende  setzen  die  Scheerenarme  in  Schwingungen  und  der  rechte 
Schamierbolzen  der  Scheere  bewegt  den  Schleif  backen  in  langen  Schüben  hin  und  her. 


192 


Jaqoes  Beuoa. 


Hierbei  sei  bemerkt,  dass  die  Bogenaimte  Nürnberger  Scheere  lange  Tor 
Besson  bekannt  war.  In  dem  Werke:  „de  re  militari"  Ton  Bobebtcs  VALTtmius. 
welches,  wie  aiiB  der  Vorrede  der  verbesserten  Pariser  Ausgabe  von  1532  her- 
Toi^eht,  im  Jahre  1483  zom  ersten  Male  erschien,  findet  sich  in  Hb.  10, 
Kap.  IV,  S.  259  eine  Maschine  znm  Emporheben  von  Mannschaften  auf  Festnngs- 
mauent  abgebildet,  welche  aas  zwei  gleichen  Nürnberger  Scheeren  besteht,  die 
durch  Traversen,  deren  Enden  die  Schamierbolzen  beider  Scheeren  bilden,  mit 
einander  verbunden  sind.  Die  untersten  Enden  der  Scheeren  sind  durch  Schar- 
niere mit  zwei  Schienen  verbunden,  welche  sich  in  einem  horizontalen,  auf 
Rädern  laufenden  Holzrahmen  hin  und  her  schieben  lassen.  Diese  Bew^ung 
erfolgt  durch  zwei  in  demselben  Rahmen  gelagerte  Schranben.  Werden  dnrch 
diese  die  unteren  Enden  der  Scheeren  einander  genähert,  so  steigt  der  an  den 


oberen  Enden  derselben  befestigte  Korb  mit  der  darin  sitzenden  Mannschaft 
in  die  Höhe.  Ein  ähnlicher  Apparat  soll  kürzlich  neu  erfunden  (?)  worden 
sein ,  um  Feuerwehrmannschaften  bequemer  als  auf  der  Letter  in  die  Höhe  zu 
befördern. 

Das  elfte  Blatt  Besson'b  zeigt  ein  mit  dem  oben  erwähnten  schweren 
ankerfonnigen  Pendel  ausgestattetes  Hebelwerk  zur  Bewegung  zweier  Blasbälge. 
Das  Pendel  wird  durch  zwei  Arbeiter  hin  und  her  gezogen,  und  Beroald,  so- 
wie nach  seiner  Angabe  auch  Besson,  versprachen  sich  von  dieser  Arbeitsweise 
solche  Vortheile,  doss  sie  meinten,  die  zwei  Arbeiter  könnten  dabei  so  viel 
leisten,  wie  sonst  nur  durch  Pferde-  oder  Wasserkraft  geleistet  würde. 

Auf  ähnlichen  irrigen  Voraussetzungen  beruht  die  Anordnung  der  auf 
dem  zwölften  Blatte  dargestellten  Maschine,  die  wir  deshalb  übergehen. 

Das  dreizehnte  Blatt  zeigt  ein  Sägegatter  für  Handbetrieb.  Die  Kon- 
struktion desselben  ist  aus  unserer  Fig.  211  ersichtlich.  Der  Vorschub  des  zu 
schneidenden  Holzes  erfolgt  durdi  zwei  Ketten,   welche  tun  eine  Walze  ge- 


Sägern Qble,  Baggerrechen.  193 

scUungen  sind,  die  eine  rechtsum,  die  andere  linksnm,  und  welche  mit  Haken 
an  ihren  Enden  je  ein  Ende  des  zu  schneidenden  Holzes  erfassen.  Die  Walze 
wird  durch  ein  grosses  Spillenrad  ruckweise  umgedreht,  indem  ein  Zapfen  im 
Kranze  des  Schwungrades  bei  jeder  Umdrehung  einmal  gegen  eine  der  Spillen 
stösst  und  sie  um  eine  Theilung  weiterschiebt.  Bergald  sagt,  diese  Maschine 
solle  in  Wäldern  und  an  Orten  gebraucht  werden,  wo  es  an  Wasser  mangele, 
und  wo  die  Maschine  so  tief  gestellt  werden  könne,  dass  man  das  Holz  von 
dem  Erdboden  direkt  auf  die  Maschine  schieben  könne.  ;,Denn,  fährt  er  fort, 
an  Orten,  wo  Wasser  reichlich  vorhanden  ist,  wie  in  Deutschland,  wo  man 
grosse  Mengen  Bretter  damit  schneidet,  sind  die  Maschinen  ganz  andere,  als 
diese  hier.*' 

Aus  dieser  Stelle  geht  hervor,  dass  Sägemühlen  damals  in  Deutschland 
besonders  häufig  waren.  Pacl  von  Stetten  fand  unter  den  Bauamtsrechnungen 
der  St^dt  Augsburg  schon  unter  der  Jahreszahl  1322  und  hernach  noch  öfter 
eine  Ausgabe  unter  der  Rubrik:  ;,Molitori  dicto  Hanrey  pro  asseribus  et  swaert- 
lingis'',  d.  h.  ^dem  Müller,  genannt  Hanrey,  für  Bretter  und  Schwarten^  und 
sagt:  ;,Diese  Worte  machen  das  Dasein  einer  Sägemühle  ziemlich  gewiss. 
Hierzu  kommt,  dass  wir  noch  eine  solche  Mühle  haben,  die  bis  auf  den  heutigen 
Tag  die  Hanrey-Mühle,  sowie  der  Kanal,  der  ihr  Wasser  giebt,  der  Hanrey- 
Bach  heisst."  Um's  Jahr  1427  hatte  die  Stadt  Breslau  schon  eine  Sägemühle, 
welche  jährlich  3  Mark  Pacht  gab,  und  1490  kaufte  der  Magistrat  zu  Erfurt 
einen  Wald  und  Hess  in  demselben  eine  Schneidemühle  anlegen.  (Vergl.  „Bei- 
träge zur  Geschichte  der  Erfindungen"  von  Jon.  Beckmann.  Leipzig  1788. 
Bd.  n,  S.  269—271.)  Diese  deutschen  Holzsägemühlen  sind  die  ältesten,  von 
denen  wir  Kunde  haben.  Die  Stelle  des  Ausonius  (310—390  n.  Chr.),  welche 
JoH.  Beckmann,  Bd.  H,  S.  265,  anführt,  bezieht  sich  oftenbar  auf  eine  Stein- 
sägemühle, und  seine  Annahme,  dass  die  Erfindung  der  Holzsägemühle  der- 
jenigen der  Steinsägemühle  vorausgegangen  sein  müsse,  scheint  uns  allzu  gewagt. 
Das  vierzehnte  Blatt  Besson's  zeigt  ebenfalls  eine  Holzsägemühle  für 
Handbetrieb,  die  aber  zu  seinen  kinematischen  Spielereien  zu  rechnen  ist,  denn 
er  hängt  das  Sägegatter  hier  an  den  in  unserer  Fig.  212  wiedergegebenen 
Mechanismus,  das  ist  eine  Nürnberger  Scheere,  deren  obere  Endglieder  durch 
eine  links-  und  rechtsgängige  Schraube  bewegt  werden.  Letztere  trägt  rechts 
das  bekannte  schwere  Pendel,  links  einen  horizontalen  Hebel,  der  durch  eine 
Schnur  niedergezogen  und  dann  wieder  losgelassen  wird. 

Die  Blätter  15  bis  20  können  wir  übergehen,  da  sie  für  uns  kein  Interesse 
haben.  Blatt  21  ist  in  unserer  Fig.  213  wiedergegeben.  Diese  Vorrichtung 
soll  dazu  dienen,  einen  See-  oder  Flusshafen,  oder  einen  Teich  vermittelst  eines 
grossen  eisernen  Rechens  von  Steinen,  Wasserpflanzen  und  dergleichen  zu  reinigen. 
Blatt  22  ist  in  unserer  Fig.  214  wiedergegeben.  Es  zeigt  eine  Kunst- 
ramme, bei  welcher  zwei  Rammklötze  durch  zwei  schräg  liegende  Schrauben, 
eine  rechtsgängige  und  eine  linksgängige,  abwechselnd  gehoben  werden  sollen. 

BMk.  13 


194 


Jaqnes  Beuon. 


Sie  sind  an  ibrem  tiefer  liegenden  Ende  dnrcb  zwei  Stirnräder  nnd  ein 
Zwischenrad  mit  einander  verbunden,  velch'  letzteres  durch  einen  Arbeiter  ver- 
mittelst einer  Kurbel  erst  in  der  einen,  dann  in  der  anderen  Richtung  gedreht 
-wird.  An  jeder  der  beiden  Schranbenmnttem  ist  ein  Seit  befestigt,  das  über 
eine  Rolle  geleitet  und  am  Ende  mit  einem  Haken  versehen  ist,  welcher  die 
Oese  des  Kammklotees  erfasst.  Ist  dieser  aufgezogen,  so  bewirkt  ein  zweiter 
Arbeiter  durch  Zug  an  einem  Seile,  welches  von  einem  seitlichen  Anne  am 
Haken  herabhängt,  die  Auslösung  des  letzteren. 


Beboald  sagt  in  seiner  Beschreibung:  „Die  gewöhnliche  Art  Pfthle  ein- 
zuschlagen, um  Brücken  und  andere  Bauwerke  darauf  zu  setzen,  ist  eine  ziemlich 
einfache  und  leichte  Sache,   aber  wegen  des  grossen  Rades  und  der  übrigen 


Stücke,  welche  viel  Raum  einnehmen,  ist  es  schwer,  sie  auf  ein  Boot  zu  bringen, 
was  hier  mit  Leichtigkeit  geschehen  kann  "  Unter  dem  hier  erwähnten  „grossen 
Rade"  ist  wahrscheinlich  em  Tretrad  zu  \  erstehen 

Eine  sehr  schöne  Abbildung  in  gross  Folioformat  von  einer  Kunstramme 
für  Handbetrieb  mit  Schwungrad  findet  sich  in  dem  Werke:  „Delle  fortificationi" 
von  BoNAJUTO  LoRiNi  (Venedig  1597)  Seite  206,  worauf  wir  später  zurückkommen 
werden.  Rvhlhann  sagt  in  seiner  „Allgemeinen  Maschinenlehre",  Bd.  4,  S.  235: 
„Bestimmte,  namentlich  mit  Abbildungen  begleitete  Angaben  über  bemerkens- 
werthe  Kunstrammen  habe  ich  in  keinem  alteren  Werke,   als  in  den  vorhin 


Kunatniininen,  boriiontaJei  Wasieirad. 


195 


citirten  Pariser  Memoiren  von  1707  finden  können."  Aber,  wenn  auch  Bessos's 
KuQstramme  nicht  Terdient,  nnter  die  bemerkenawerthen  gezählt  zn  werden, 
60  ist  dies  doch  sicherlich  bei  der  unter  den  später  zu  betrachtenden  „Skizzen 
ans  der  Zeit  der  Hussitenkriege"  befindlichen  und  bei  der  von  Loriki  beschriebenen 
nnd  abgebildeten  der  Fall. 

Das  23.  Blatt  Besson's  zeigt  die  in  unserer  Fig.  215  dargestellte  Zug- 
ramme  zum  Setzen  schräger  Pfähle,  und  zwar  ist  zu  diesem  Zwecke  projektirt, 
anstatt  eines  Fall-  oder  Rammklotzes  einen  grossen,  hölzernen  Schlägel  anzu- 
wenden, dessen  Stiel  durch  ein  Paar  zusammengedrehter  Taue  gesteckt  ist,  die 
als  Wrill-  oder  Wringfeder  wirken  und  den  Schlag  beim  Niedergänge  des 
Schlägels  verstärken,    nachdem   derselbe  durch  Zug   an  den  am   Ende    des 


Schlägelstieles  befestigten  Seilen  gehoben  und  losgelassen  wurde.  Dass  der 
Stiel  des  Schlägels  dabei  leicht  abprellt,  hat  Besson  übersehen. 

Das  24.  Blatt  zeigt  einen  Pfahlrost,  in  dem  senkrechte  und  schräg  ein- 
geschlagene  Pfahle  zum  Zwecke  grösserer  Stabilität  mit  einander  verbunden 
sind.  Das  25.  Blatt  zeigt  ein  Stampfwerk,  welches  nach  Beroald  zum  Walken 
von  Tüchern,  Stampfen  von  Papierzeug  u.  s.  w.  dienen  soll.  Die  Stempel  haben 
keulenförmig  runde  Köpfe  und  fallen  in  halbkugelig  ausgehöhlte,  steinerne  Tröge. 
Blatt  26  zeigt  einMühlwerk  mit  zwei  Mahlgängen,  das  von  einer  Schwungrad- 
Welle  aus  vermittelst  Schnurtrieb  durch  zwei  Mann  betrieben  werden  soll. 
Blatt  27  zeigt  einen  Mahlgang,  bei  welchem  die  Mühlspindel  auf  einer  grossen 
hölzernen  Schraube  ruht,  die  als  Aufhelfe  dient.  ImUebrigen  ist  der  Mechanis- 
mus für  uns  ohne  Interesse. 

Das  28.  Blatt  zeigt  einen  Mahlgang,  dessen  Mühlspindel  direkt  durch  ein 
horizontales  Wasserrad  (Fig.  216}  betrieben  wird.  Dies  hat  einen  balbeiförmigen 
Körper  und  ist  mit  schraubenförmig  gekrümmten  Schaufeln  versehen.  Es  ist 
anzunehmen,  dass  dasselbe  nnr  deshalb  über  sein  steinernes  Gehäuse  vorstehend 


106 


Jaqaes  BessoD. 


gezeichnet  ist,  um  die  Art  dieser  Beschaufelung  besser  zu  zeigen*),  nnd  dass 
die  Scbanfeln  die  InnenwaDd  dieses  Gehäuses  nahezu  berühren  würden,  wenn 
es  in  seine  richtige  Stellung  herabgelasEen  würde,  sowie  dass  das  Aufschlag- 
wasser mit  starkem  Gefalle  tangential  zum  Radkörper  eintrat,  und  dass  es  nur 
eine  Mangelhaftigkeit  der  Zeichnung  ist,  wenn  dies  aus  ihr  nicht  klar  ersicht- 
lich ist.  Denn  diese  Räder  waren,  wie  Beroald  sagt,  damals  schon  in  ausge- 
dehntem Gebrauche,  müssen  also  leistungsfähig  gewesen  sein.  Derselbe  sagt: 
„Was  diese  Form  von  Mühlen  betrifft,  so  sind  sie,  wenn  sie  auch  Vielen  un- 
bekannt sein  mögen,  doch  an  mehreren  Orten  nnd  namentlich  in  Toulouse 
(Tholoze)  und  anderwärts  in  einigen  Dörfern,  wo  ich  sie  gesehen  habe,  in 
häufigem  Gebrauche.  Bei  alledem  hat  unser  Autor  sie  verbessert  (enricbi), 
dadurch,  dass  die  Flügel  gerundet  sind  (vont  en  rond),"  Es  bleibt  zweifelhaft, 
ob  mit  diesem  Ausdrucke  gemeint  ist,  dass  die  Flügel  von  Besson  nach  der 
Schraubenlinie  angeordnet,  oder  ob  nur  das  Anpassen  derselben  an  einen  halb- 


eiförmigen  Radkörper  von  ihm  herrühren  soll.  {Vergl.  Leonardo  da  Vinq's 
Skizzen  Fig.  124  und  125  S.  109,  sowie  Blatt  18  R  der  nachstehend  abge- 
handelten „Skizzen  aus  der  Zeit  der  Hussitenkriege".  Bezüglich  des  von  diesem 
Turbinenrade  betriebenen  Mahlganges  erscheint  uns  bemerkenswerth,  dass  er, 
sowie  alle  anderen  von  Besson  aufgezeichneten  Mahlgänge,  noch  ohne  Schuh 
und  Schüttelwerk  arbeitet. 

Auf  dem  39.  Blatte  ist  ein  musikalisches  Saiteninstrument  und  auf  den 
Blättern  30  bis  33  sind  Vorrichtungen  zum  Horizontaltransporte  schwerer  Lasten 
abgebildet,  deren  Konstruktionen  auf  irrthümHchen  Voraussetzungen  beruhen, 
weshalb  wir  sie  übergehen. 

Das  34.  Blatt  zeigt  eine  schwere  Mange  mit  Pferdebetrieb,  welche  unsere 
Fig.  217  wiedergiebt.  Die  in  unserer  Skizze  al^ebrochen  gezeichnete  Göpel- 
welle  geht  von  dem  Räume,  in  dem  das  Pferd  geht,  in  einen  Keller  herab, 
in  dem  die  Mange  aufgestellt  ist.     Dieselbe  trägt  an  ihrem  unteren  Ende  ein 

*)  Vergl,  Beudor's  Architecturo  bydraalica.    Tbeil  I,  Buch  II,  Tab.  I,  Flg.  5. 


UiiDge  für  Pferdebetrieb,  Drebkrahuen. 


197 


grosses,  nur  am  halben  Umfange  verzahntes  und,  wie  es  der  Zeichnung  nach 
scheint,  aus  Eisen  gegossenes  Winkelrad.  Unter  demselben  liegt  eine  horizontale 
Welle  mit  zwei  Getrieben,  in  welche  die  Zähne  des  grossen  Winkelradea  ab- 
wechselnd eingreifen  und  die  horizontale  Welle  bald  rechts-,  bald  linksam 
drehen.  Ausserdem  tragt  diese  noch  zwei  gleiche  Seiltrommeln  und  ein  Stirn- 
rad, welches  in  ein  gleich  grosses,  auf  einer  weiter  nnten  liegenden  Welle  sitzen- 
des Stirnrad  eingreift.  Diese  zweite  horizontale  Welle  trägt  zwei  ebensolche 
Seiltrommeln  wie  die  erste.  Anstatt  des  bei  Hangen  jetzt  üblichen,  mit  Steinen 
gefiillten,  hölzernen  Kastens  ist  hier  ein  massiver,  unten  geglätteter  Steinblock 
angewendet.  Wie  dieser  durch  vier  Seile,  welche  um  die  vier  genannten  Seil- 
trommeln geschlungen  und  andererseits  mit  dem  Steinblocke  verbunden  sind, 


hin  und  her  gezogen  wird,  ist  ans  Fig.  217  und  dem  Gesagten  ersichtlich. 
Hangen,  die  durch  Pferde  getrieben  und  zur  Glättung  von  Webwaaren  ge- 
braucht wurden,  sind  nach  Fall  von  Stetten's  „Kunst-  und  Handwerksgeschichte 
der  freien  Reichsstadt  Augsburg  (Augsburg  1779.  S.  143)  daselbst  schon  im 
Jahre  1320  und  1451  auf  Gemeindekosten  angeschafft  worden. 

Besson'b  35.  Blatt  zeigt  eine  Vorrichtung,  um  für  mehrere  auf  einem 
Baugerüste  arbeitende  Maurer  gleichzeitig  Mulden  mit  Steinen  und  Speis  auf- 
zuziehen. Der  dabei  angewendete  Mechanismus  ist  dem  von  Vmtuv  zum  Auf- 
ziehen von  Riesenlasten  angegebenen  mit  grossem  Seiirade  (Amphieryon  oder 
Peritrochion)  nachgebildet.     (Vergl.  Fig.  43,  S.  43.) 

Das  36.  Blatt  zeigt  den  in  unserer  Fig.  218  wiedergegebenen  Drehkrahn, 
der  allerdings  nur  vom  Standpunkte  des  Kineraatikers  aus  einiges  Interesse 


198  Jaques  Besson. 

bietet.  Auf  einem  Fundamente  ist  eine  kurze  runde  Säule  befestigt,  um  welche 
sich  eine  Plattform  und  unabhängig  davon  eine  Hülse  dreht,  die  den  unteren 
Theil  einer  starken,  vertikalen  Schraube  bildet.  Mit  der  Plattform  ist  ein 
Balkengestell  fest  verbunden,  in  welchem  die  Schraube  unterhalb  und  ober- 
halb des  Gewindes  durch  Halslager  gehalten  ist.  Unter  dem  oberen  Halslager 
ist  ein  stärkerer  Zapfen  an  die  Schraube  angedreht,  auf  den  eine  Hülse  ge- 
schoben ist,  welche  mit  zwei  einander  gegenüber  stehenden,  horizontalen  Zapfen 
versehen  ist.  Um  diese  Zapfen  schwingt  ein  aus  zwei  fest  mit  einander  ver- 
bundenen Stangen  gebildeter  Balancier,  an  dessen  beiden  Enden  je  ein  Förder- 
gefäss  hängt.  Zwischen  den  beiden  Stangen,  welche  den  Balancier  bilden, 
gehen  zwei  Säulen  des  mit  der  Plattform  verbundenen  Gestelles  durch,  welche 
den  Balancier  mitnehmen,  sobald  sie  sammt  der  Plattform  um  die  feste  Säule 
gedreht  werden.  Zum  Zwecke  dieser  Drehung  ist  die  Plattform  mit  einem 
seitlich  herausstehenden  Handhebel  versehen.  Mit  der  das  Gewinde  der  Schraube 
umschliessenden  Mutter  sind  zwei  gebogene  Arme  fest  verbunden,  wie  aus 
Fig.  218  ersichtlich.  Jeder  derselben  endigt  oben  in  eine  Gabel,  welche  eine 
der  beiden  den  Balancier  bildenden  Stangen  umfasst.  Jede  dieser  Stangen  ist 
ausserdem  durch  eine  darüber  und  eine  darunter  in  der  Gabel  gelagerte  Anti- 
friktionsroUe  eingeschlossen.  Wird  die  Schraube  durch  den  auf  der  Plattform 
im  Kreise  herumgehenden  Arbeiter  vermittelst  eines  in  die  Wandung  ihres 
hohlen  Fusses  gesteckten  Hebels  gedreht,  so  wird  die  Mutter,  wenn  sie  dadurch 
in  die  Höhe  geschraubt  wird,  auch  den  Arm  des  Balanciers,  mit  dem  sie  durch 
die  Arme  verbunden  ist,  heben. 

Mancherlei  Umstände,  nämlich  1.  dass  der  Druck  auf  jeden  der  Balancier- 
zapfen so  gross  ist,  dass  die  Zapfenlöcher  bei  einigermassen  grosser  Förder- 
last die  Balken  des  Balanciers  zu  sehr  verschwächen,  oder  die  Zapfen  über- 
haupt nicht  genügend  stark  hergestellt  werden  können,  2.  dass  beim  Heben 
der  Last  ein  Drehungsmoment  auf  die  Mutter  wirkt,  infolge  dessen  sehr  un- 
günstige Reibungswiderstände  entstehen,  3.  dass  die  Schraube  auf  Bruch  in 
Anspruch  genommen  wird  und  4.  dass  infolge  der  Kürze  der  Drehsäule  beim 
Wenden  des  Krahnens  starke  Reibungswiderstände  zu  überwinden  sind,  machen 
diese  Konstruktion  zu  einer  unpraktischen. 

Etwas  besser  in  dieser  Beziehung  ist  der  auf  dem  37.  Blatte  dargestellte 
Drehkahn,  dessen  oberen  Theil  unsere  Figur  219  zeigt.  Hier  dreht  sich  das 
Gestell  um  eine  höhere  Säule,  indem  es  oben  auf  einem  Zapfen  ruht,  in  den 
die  Säule  ausläuft.  Mit  dem  Gestelle  sind  ein  horizontaler  Rahmen  und  weiter 
oben  zwei  einander  gegenüber  stehende,  horizontale  Zapfen  fest  verbunden,  um 
welche  ein  zweiter  Rahmen  als  Balancier  schwingt.  In  dem  festen  Rahmen  ist 
eine  diametral  durchbohrte,  um  zwei  Endzapfen  drehbare  Walze  gelagert. 
Durch  diese  ist  eine  lange  Schraube  gesteckt  und  durch  Vorsteckstifte  an  Ver- 
schiebung in  ihrer  Axenrichtung  verhindert.  Die  Mutter,  durch  welche  diese 
Schraube  geht,  ist  mit  zwei  einander  gegenüber  stehenden,  horizontalen  Zapfen 


Hebemaschinen,  Ziehbrunnen.  199 

in  dem  Balancier  nahe  bei  dessen  Ende  gelagert,  während  an  dem  anderen 
Ende  desselben  die  Last  angehängt  wird.  Doch  gilt  auch  hier  das  vorhin  be- 
züglich der  Stärke  der  Balancierzapfen  und  der  Yerschwächung  der  Balancier- 
balken Gesagte. 

Diese  Konstruktion  ist  eine  Modifikation  der  von  Cardanüs  beschriebenen 
Hebmaschine,  welche  wir  in  Fig.  196,  S.  175  abgebildet  haben,  und  welche 
wiederum  als  eine  Umkehrung  der  von  Plinius  beschriebenen  Kelterpresse  oder 
Trotte  zu  betrachten  ist. 

Das  38.  Blatt  zeigt  eine  Maschine,  welche,  wie  es  in  der  Ueberschrift 
heisst,  dazu  dienen  soll,  Erde  aus  einem  Festungsgraben  über  die  Festungs- 
mauer zu  heben.  Es  ist  ein  starkes  Becherwerk,  ähnlich  denen,  welche  man 
heutigen  Tages  bei  Baggermaschinen  anwendet.  Zwei  endlose  Ketten,  die  über 
zwei  Trommeln  laufen,  sind  durch  Querstäbe  verbunden,  welche  deren  Scharnier- 
bolzen bilden,  zwischen  den  Ketten  die  kastenförmigen  Fördergefässe  tragen 
und  ausserhalb  der  Ketten  mit  Rollen  auf  zwei  parallelen,  schräg  stehenden 
Führungsbalken  laufen,  die  so  eingekehlt  sind,  dass  sie  die  Rollen  und  Quer- 
stabe auch  an  seitlicher  Verschiebung  hindern.  Die  obere  Kettentrommel  wird 
durch  eine  Schraube  ohne  Ende  gedreht  und  an  der  unteren  noch  durch  einen 
Arbeiter  an  einem  Spillenkreuze  nachgeholfen.  Die  zu  fördernde  Erde  wird 
von  Arbeitern  in  die  Fördergefässe  geschaufelt,  weshalb  die  Maschine  nicht 
als  Bagger  zu  betrachten  ist. 

Das  40.  Blatt  zeigt  eine  Vorrichtung,  um  einen  Obelisken  umzulegen  und 
wieder  aufzurichten.  Dieser  ist  mit  eisernen  Schienen  und  Bändern  armirt. 
Eines  der  letzteren  umgürtet  ihn  oberhalb  des  Schwerpunktes  und  hat  zwei 
einander  gegenüber  stehende,  horizontale  Zapfen,  deren  gemeinschaftliche  Achse 
etwas  seitlich  von  der  Vertikalen  durch  den  Schwerpunkt  des  Obelisken  liegt. 
An  diesen  Zapfen  soll  letzterer  durch  eine  Hebelvorrichtung  aufgehoben  werden, 
wobei  er  wegen  der  excentrischen  Stellung  der  Zapfen  in  eine  schräge  Lage 
kommen  würde.  Domenico  Fontana,  welcher  im  Jahre  1585  den  vatikanischen 
Obelisken  von  seinem  früheren  Standorte  entfernte  und  mitten  auf  dem 
St.  Peters-Platze  in  Rom  wieder  aufstellte,  scheint  dieses  Projekt  Besson's  ge- 
kannt zu  haben,  denn  es  finden  sich  bei  seinen  Anordnungen  zu  diesem  Zwecke, 
welche  er  in  seinem  Werke :  „Della  trasportatione  dell'  obelisco  Vaticano  etc.", 
Roma  1590,  genau  beschrieben  und  abgebildet  hat,  mehrere  Details,  welche 
mit  solchen  aus  Besson's  Projekt  übereinstimmen.  Foxtana  berechnete  aber, 
ehe  er  seine  berühmte  Arbeit  begann,  das  Gewicht  des  Obelisken  auf  nahezu 
eine  Million  Pfund  und  sah  wohl  ein,  dass  von  Aufhängen  desselben  an  zwei 
eisernen  Zapfen  von  ausführbaren  Dimensionen  keine  Rede  sein  könne.  (Vergl. 
unsere  Abhandlung  über  Fontana.) 

Das  42.  und  das  43.  Blatt  haben  für  uns  kein  Interesse.  Das  44.  bietet 
solches  wiederum  nur  für  den  Kinematiker.  Es  zeigt  einen  Ziehbrunnen,  bei 
dem  die  hin  und  her  schwingende  Bewegung  des  bekannten  schweren  Pendels 


Fig.  220. 


200  Jaques  Besson. 

durch  den  aus  Fig.  220  ersichtlichen  Mechanismus  in  die  stetig  drehende  einer 
Kettentrommel,  resp.  in  die  aufsteigende  Bewegung  des  an  der  Kette  hängen- 
den Eimers  umgesetzt  werden  soll.  Zu  diesem  Zwecke  sitzt  auf  der  Trommel- 
welle ein  Laternengetriebe,  in  welches  rechts  und  links  zwei  Räder  eingreifen, 
die  an  einem  entsprechenden  Theile  ihres  Umfanges  mit  Ratschenzähnen  ver- 
sehen sind,  welche  die  Zähne  des  Latemengetriebes  nur  in  einer  Richtung  mit- 
nehmen, sich  aber  umlegen,  sobald  sie  bei  entgegengesetzter  Drehung  diesen 
begegnen.     Die  beiden  Wellen,  auf  welchen  diese  Ratschenräder  sitzen,  sind  an 

ihren  Enden  auf  einer  Seite  durch  zwei 
gleiche  Stirnräder  verbunden,  die  je- 
doch nur  so  weit  verzahnt  sind,  als  die 
Verzahnung  bei  der  schwingenden  Be- 
wegung zur  Wirksamkeit  kommt.  Mit 
der  einen  dieser  Axen  ist  ausserdem 
das  Pendel  fest  verbunden,  welches 
durch  intermittirenden  Zug  an  einem 
seitlichen  Arme  in  schwingende  Bewegung 
gesetzt  wird.  Da  die  beiden  Axen,  die 
durch  Stirnräder  mit  einander  verbunden  sind,  sich  stets  in  einander  ent- 
gegengesetzter Richtung  drehen  müssen,  so  wird  die  Kettentrommel  kontinnir- 
lich,  bald  von  dem  einen,  bald  von  dem  anderen  Ratschenrade  in  einer  be- 
stimmten Richtung  umgedreht.  In  welcher  Weise  das  Herablassen  des  Eimers 
bewirkt  werden  soll,  ist  weder  aus  der  Zeichnung  noch  aus  Bcroald^s  Be- 
schreibung ersichtlich. 

Das  45.  Blatt  zeigt  den  in  Fig.  221  skizzirten  Apparat,  vermittelst  dessen 
Arbeiter  sich  selbst  aus  einem  Schachte  herausziehen  können.  Eine  Winde, 
welche  durch  Schraube  ohne  Ende  und  Handkurbel  bewegt  wird,  ist  in  dem 
Fördergefasse  befestigt,  während  zwei  Seile  von  der  Trommel  derselben  mit 
zwei  festen  Punkten  über  dem  Schachte  fest  verbunden  sind.  Auch  dieser 
Apparat  liefert  den  Beweis,  dass  die  Umkehrung  der  Mechanismen  den  Kine- 
matikern des  16.  Jahrhunderts  schon  geläufig  war. 

Das  46.  Blatt  zeigt  die  in  Fig.  222  wiedergegebene  Maschine  zum  selbst- 
thätigen  Heben  von  Wasser  aus  einem  Flussbette  und  Ableiten  desselben  auf 
das  Ufer.  Dieselbe  besteht  aus  einer  im  Flussbette  stehenden,  vertikalen  Welle, 
mit  welcher  am  unteren  Ende  ein  horizontales  Wasserrad,  am  oberen  Ende 
ein  nach  einem  halben  Schraubengange  gekrümmter  Kranz  fest  verbunden  sind. 
Das  Wasserrad  besteht  aus  einer  grösseren  Zahl  radialer  Arme,  von  welchen 
Flügel  herabhängen,  die  durch  Scharniere  so  mit  den  Armen  verbunden  sind, 
dass  sie  sich  nach  einer  Seite  hin  aufklappen  und  horizontal  stellen,  wenn  das 
Wasser  des  Flusses  in  diesem  Sinne  gegen  sie  stösst,  während  sie  bei  dessen 
Druck  in  entgegengesetztem  Sinne  in  vertikaler  Stellung  verharren.  Auf  diese 
Weise  wird  bewirkt,  dass  die  Flügel  auf  einer  Seite  des  Rades  dem  Wasser- 


Fabistubl,  SchUpfwerk  mit  homootalem  Wuserrnd. 


201 


^ucke  ausweichen,  während  derselbe  auf  der  anderen  Seite  voll  auf  die  Flügel 
virkt  und  das  Rad  umdreht.  Dieses  Wasserrad  ist  nach  demselben  Prinzipe 
konstruirt,  wie  das  von  Gdaltekius  Iüvius  abgebildete  horizontale  Windrad.  (Vergl, 
Fig.  204,  S.  184  unserer  Abhandlung  über  CAnoANUs.)  Ueber  dem  oben  erwähnten 
schraubenförmigen  Kranze  ist  ein  Balancier  in  einem  mit  dem  Maschinengestelle 
fest  yerbondenen,  vertikalen  Balken  gelagert  und  das  untere  Ende  des  letzteren 
dient  gleichzeitig  dem  oberen  Zapfen  der  Wasserradwelle  als  Lager.  Sobald 
das  tiefsteEnde  des  schraubenförmigen  Kranzes  unter  einenAnn  des  Balanciers 
tritt,  wird  der  andere  Ann  desselben  frei.  Ersterer  wird  bei  weiterer  Drehung 
dieses  Kranzes  gehoben,  während  letzterer  herabsinkt.    Die  Arme  des  Balancierg 


sind  an  den  Stellen,  unter  welchen  der  schraubenförmige  Kranz  hingleitet,  mit 
Antifriktionsrollen  versehen.  Auf  diese  Weise  wird  die  rotirende  Bewegung 
des  Wasserrades  in  eine  schwingende  des  Balanciers  ven\andelt.  An  den 
beiden  Enden  desselben  hängen  Eimer,  welche  bei  ihrer  tiefsten  Stellung  Wasser 
aus  dem  Flusse  schöpfen,  bei  ihrer  höchsten  Stellung  aber  durch  Anstoss  an 
einen  oben  auf  dem  Maschinengestelle  angebrachten  Trog  umkippen  und  das 
Wasser  in  diesen  ausgiessen,  welches  von  da  durch  eine  hölzerne  Rinne  auf 
das  Ufer  geleitet  wird. 

Das  47.  Blatt  zeigt  ein  Pumpwerk,  bei  dem  die  Pumpenstiefel  aus  vier- 
seitig prismatischen,  aus  Brettern  gebildeten  und  mit  eisernen  Bändern  ge- 
bundenen Rühren  bestehen,  ohne  Zweifel,  weil  die  Bohrung  bei  runden  Röhren 
damals  nur  einen  kleinen  Durchmesser    erhalten    konnte.    Bei  dieser  Form 


202  Jaqaes  Besson. 

mosste  die  Mangelhaftigkeit  des  Kolbenschlasses  doppelt  fühlbar  werden,  und 
deshalb  stellt  Besson  zwei  solche  Stiefel,  die  oben  durch  ein  Druckventil  ab- 
geschlossen sind,  ganz  unter  Wasser.  Am  unteren  Ende  sind  dieselben  Yom 
und  hinten  aufgeschlitzt  und  die  Schlitze  dienen  den  an  beiden  Seiten  des 
Massivkolbens  hervorstehenden  Stiften  zur  Führung.  Bei  der  tiefsten  Stellung 
des  Kolbens  gestattet  dieser  dem  Wasser  durch  den  oberen  Theil  der  beiden 
Führungsschlitze  in  den  Stiefel  einzudringen  und  diesen  zu  füllen;  beim  Auf- 
gange aber  schliesst  der  Kolben  erst  das  Wasser  in  dem  oberen  Theile  des 
Stiefels  ab  und  drückt  es  dann  durch  das  Ventil  am  oberen  Ende  desselben. 
Es  tritt  in  ein  horizontales  Querrohr,  welches  auf  den  beiden  genannten  Stiefeln 
liegt  und  in  der  Mitte  eine  dritte  Pumpe  trägt,  der  das  Wasser  in  der  ange- 
gebenen Weise  zugebracht  wird  und  die  es  dann  aus  dem  Brunnenschachte 
heraushebt.  Um  die  Kolben  der  unteren  Pumpen  abwechselnd  auf  und  nieder 
zu  bewegen,  sind  die  aus  den  Führungsschlitzen  hervorragenden  Führungsstifte 
der  Kolben  paarweise  durch  zwei  parallele  Balanciers  mit  einander  verbunden, 
deren  gemeinschaftliche  Drehaxe  durch  einen  zwischen  den  beiden  Stiefeln 
stehenden  und  das  Querrohr  unterstützenden  Pfosten  geht.  Parallel  mit  dieser 
ist  eine  grosse,  starke  Axe  in  angemessener  Höhe  über  dem  Brunnenschächte 
gelagert,  welche  zwei  ebensolche  Balanciers  trägt,  wie  die  untere.  Durch  vier 
Ketten,  deren  Länge  der  Entfernung  der  beiden  Axenmittel  von  einander 
gleich  ist,  sind  die  Enden  des  Balanciers  paarweise  so  mit  einander  verbunden, 
dass  die  unteren  stets  die  gleiche  Bewegung  machen  müssen,  wie  die  oberen. 
Mit  Hilfe  des  schon  oft  erwähnten  Pendels  wird  die  obere  Axe  bewegt;  auf 
ihrem  mittleren  Theile  aber  ist  rechts  und  links  üewinde  eingeschnitten  und 
der  in  Fig.  212  skizzirte  Mechanismus  angewendet,  um  den  Kolben  der  dritten, 
höher  stehenden  Pumpe  zu  bewegen. 

Das  48.  Blatt  zeigt  die  in  Fig.  223  dargestellte  ;,Wasserzange^  oder 
^  Kluppkunst''  mit  Wasserradbetrieb.  Leüpold  giebt  in  seinem  ^Theatrum 
machinarum  hydraulicarum*'  (Ausgabe  von  1774,  Kap.  XIV)  eine  Längenschnitt- 
zeichnung  und  Beschreibung  einer  solchen  ;,Wasserzange^* ,  wobei  er  richtig  an- 
giebt,  dass  jeder  der  beiden  zwischen  zwei  parallelen  Wänden  schwingenden 
Kolben  seine  besondere  Drehaxe  haben  und  zwischen  den  Naben  der  Kolben 
genügender  Zwischenraum  bleiben  müsse,  um  dem  austretenden  Wasser  den 
Durchgang  zu  gestatten,  was  aus  Be&son's  Zeichnung  nicht  ersichtlich  ist.  Die 
beiden  parallelen  Wände  sind  unten  durch  eine  bogenförmige  Querwand  mit 
einander  verbunden,  welche  innen  so  gestaltet  ist,  dass  die  Enden  der  Kolben 
sie  in  allen  Stellungen  berühren.  Die  mit  den  schwingenden  Kolben  fest  ver- 
bundenen Axen  sind  ausserhalb  der  Seitenwände  mit  je  einem  langen,  ge- 
bogenen Hebel  fest  verbunden,  wie  aus  Fig.  223  ersichtlich  ist,  so  dass  diese 
Hebel  mit  den  Kolben  zusammen  gleichsam  eine  Zange  bilden.  Wird  diese 
Zange  geöfifnet,  so  kann  das  Wasser  durch  ein  in  der  Mitte  angebrachtes  Saug- 
ventil, oder,  wie  Leupold  angiebt,  erst  bei  ganz  geöffneter  Zange  durch  zwei 


Wasseriange  oder  Eluppkanst,  borizontales  Windrad.  203 

Oeffnnngen  ohne  Ventile  nahe  an  den  Enden  der  bogenförmigen  Querwand  in 
das  Pampengehäuse  dringen  nnd  dieses  ausfüllen ;  wird  dagegen  die  Zange  ge- 
BcUossen,  so  wird  das  Wasser  durch  ein  oberhalb  der  Kolbenaxen  ange- 
brachtes Steigventil  tn  die  Höhe  gedrückt.  Die  Wasserzange  dient  jedoch  in 
vorliegender  Pnmpenanlage  Besson's  nur  als  Zubringer  für  eine  in  dem  Steig- 
rohre weiter  oben  angebrachte  Kolbenpumpe.  Die  Bewegung  der  Hebelarme 
der  Wasserzange  durch  das  Wasserrad  erfolgt  in  der  Weise,  dass  dieses  zu- 
nächst durch  Stimräderübersetzung  eine  Kurbelwelle  in  Umdrehung  versetzt, 
welche  dnrch  eine  Kreuzschleife  eine  lange,  senkrecht  geführte  Schiene  auf 
nnd  nieder  bewegt.  An  dieser  ist  eine  kurze,  horizontale  Schiene  kreuzweise 
befestigt ,  welche  an  beiden  Enden 
Schlitze  hat,  in  denen  die  symmetrisch 
angeordneten  Hebelarme  der  Wasser- 
zange gleiten,  und  da  diese  an  dieser 
Stelle  nach  oben  divergiren,  so  werden 
sie  beim  AnfwÜrtsgange  der  Schienen 
einander  genähert  und  beim  Abwärts- 
gange Ton  einander  entfernt,  und  wird 
so  die  Wasserzange  abwechselnd  geöffnet 
nnd  geschlossen.  Die  oberen  Enden  der 
symmetrischen  Zangenhebel  aber  sind 
mit  seitlichen  Zapfen  versehen,  und  von 
diesen  gehen  zwei  gleich  lange  Schub- 
stai^n  schräg  aufwärts  nach  dem 
oberen  Ende  der  Kolbenstange  der  höher 
stehenden  Kolbenpumpe.  Dieses  Stangen- 
ende wird  auf  solche  Weise  stets  gerad- 
linig nnd  senkrecht  auf  und  nieder 
bewegt. 

Das  49.  Blatt  zeigt  eine  ähnliche  Fi«  22x 

Pumpenanlage,  deren  Beschreibung  wir 

übergehen  können.  Das  50.  Blatt  zeigt  ein  Paternosterwerk,  welches  durch 
ein  horizontales  Windrad  betrieben  wird.  Die  Flügel  desselben  bestehen  aus 
drei  übereinander  angeordneten  Annkreuzen,  deren  senkrecht  übereinander 
stehende  gekrümmte  Arme  mit  Segeltuch  überspannt  sind.  Die  eine  Hälfte 
des  Badnmfanges  ist  durch  die  Mauer  des  runden  Thurmes,  in  welchem  das 
Windrad  aufgestellt  ist,  gegen  den  Wind  geschützt,  während  die  andere  Hälfte 
offen  ist,  indem  hier  das  Thurmdach  nur  durch  einige  dünne  Säulen  gestützt 
ist.  Ans  der  Zeichnung  ist  ersichtlich,  dass  die  Windflügel  auf  der  offenen 
Thurmseite  dem  Winde  die  konkave  Seite  zukehren  sollen,  und  es  darf  daraus 
geschlossen  werden,  dass  man  zu  Besson's  Zeit  schon  wusste,  dass  der  Wind 
anf  eine  solche  Fläche  stärker  drückt,  als  auf  eine  gleich  grosse  konvexe  Fläche. 


2M 


Jaqoes  Beason. 


Da  aber  die  den  halben  Radumfang  bedeckende  Mauer  nicht  TerGteübar  ist, 
80  ist  die  hier  in  Rede  stehende  Anordnung  nur  für  eine  beBtimmte  Wind- 
richtung geeignet. 

Das  51.  Blatt  ist  unverEtändlicb.  Das  52.  Blatt  zeigt  die  Fig.  224  dar- 
gestellte Feuerspritze.  In  unserer  Abhandlung  über  Cardanus  haben  vir  bereits 
erwähnt,  dass  die  Feuerspritzen  im  16.  Jahrhundert  keine  Windkessel  hatten, 
weshalb  sie  keinen  gleicbmässigen  Wasserstrahl  liefern  konnten.  Ans  dem  Be- 
streben, einen  solchen  wenigstens  für  einen  längeren  Zeitabschnitt  zu  erzielen, 
ist  offenbar  die  vorliegende  Konstruktion  Bessok's  hervorgegangen.  Zu  diesem 
Zwecke  projektirt  er  eine  sehr  voluminöse  fahrbare  Spritzbiichse ,  die  bei  zu- 
rückgezogenem Kolben  durch  einen  unten  mit  Hahnenverschluss  versebenen 
Trichter  gefüllt  werden  kann.  Das  Auspressen  soll,  nachdem  der  Trichterhahn 
geschlossen  worden  ist,  durch  gleicbmässiges  Verschieben  des  Kolbens  ver- 
mittelst einer  Schraube  mit  Handkurbel  geschehen.    Um  möglichste  Gleicli- 


Fig.  22*.  Flg.  KS. 

mässigkeit  dieser  Bewegung  zu  erzielen,  \Yäre  die  Anwendung  eines  Schwung- 
rades am  Platze  gewesen,  was  aber  Besson  in  seiner  Skizze  weggelassen  hat. 
Von  Interesse  ist  die  Konstruktion  des  Kolbens,  welcher  nach  Beroald's  Be- 
schreibung bei  dieser  Spritze  angewendet  worden  sein  soll,  die  er  aber  wahr- 
scheinlich anderswo  gesehen  hatte,  da  Besson's  Skizze  darüber  keinen  Auf- 
Echluss  giebt.  Behoald  sagt:  „Am  Ende  der  Schraube  ist  ein  Stiel,  welcher 
ein  Stück  Holz  fortschiebt,  das  in  vier  Theile  zerlogt  ist,  und  welches  sich 
innen  an  das  Gehäuse  anschliesst.  Genanntes  Stück  Holz  ist  mit  Federn  ver- 
sehen, durch  welche  seine  Theile  zurückgedrängt  werden,  um  das  Gehäuse  aus- 
zufüllen, wenn  das  Stück  Holz  gegen  die  Basis  zurückgezogen  wird.  Am  vor- 
deren Ende  ist  es  mit  einem  Stücke  Leder  versehen,  damit,  wenn  es  sich  in- 
folge der  Weite  oder  Enge  des  Gehäuses  ausdehnt  und  zusammendrückt,  das 
Wasser  nicht  in  dasselbe  eindringt,  sondern  vorwärts  getrieben  wird,  wie  es 
erforderlich  ist,"  Es  ist  dies  die  älteste  Beschreibung  eines  Federkolbens, 
die  wir  besitzen. 

Das  53.  Blatt  zeigt  eine  Vorrichtung,  mit  welcher  untergegangene  Schiffe 
imd  Waaren  gehoben  werden  sollen.    Sie  besteht  ans  einer  grossen  vertikalen 


Feuerspritze,  Log.  205 

Schraube,  deren  Mutter  mit  Spillen  versehen  und  in  einem  auf  zwei  Pontons 
errichteten  Balkengerüste  so  eingeschlossen  ist,  dass  sie  sich  nur  drehen,  aber 
nicht  vertikal  verschieben  kann.  Unten  an  der  Schraube  hängt  eine  doppelte, 
selbstschliessende  Zange  mit  vier  Seilen  an  einem  Ringe. 

Das  54.  Blatt  zeigt,  wie  Besson  dachte,  dass  die  Maschine  des  Archimedes 
hätte  beschaffen  sein  können,  womit  dieser  im  Hafen  von  Syrakus  grosse 
Schiffe  vom  Lande  in  das  Meer  gezogen  haben  soll.  Die  auf  einem  Schiffe 
montirte  Maschine  besteht  aus  einer  grossen  Winde  mit  dreimaliger  Ueber- 
setzung  durch  Schrauben  ohne  Ende. 

Dass  den  alten  Griechen  die  Schraube  ohne  Ende  bekannt  war,  geht  aus 
S.  29 — 32  unserer  Abhandlung  über  Pappus  hervor.  Die  Schraubenmutter  da- 
gegen, welche  uns  heutigen  Tages  als  so  einfach  und  unzertrennlich  von  der 
Schraube  erscheint,  ist,  ihrer  schwierigeren  Herstellung  wegen,  viel  später  in 
Gebrauch  gekommen. 

Das  55.  Blatt  Besson's  zeigt  einen  hölzernen,  freistehenden  Drehkrahn, 
bei  welchem  die  Seiltrommel  vermittelst  einer  Schraube  ohne  Ende  bewegt  wird. 

Das  56.  Blatt  zeigt  einen  solchen  Krahn,  bei  dem  die  Last  durch  eine 
Kombination  von  Hebeln  gehoben  wird. 

Das  57.  Blatt  zeigt  das  in  unserer  Fig.  225  wiedergegebene  Instrument 
zum  Messen  der  Fahrgeschwindigkeit  eines  Schiffes,  das  ist  ein  Log.  Wenn 
Beroald  in  seiner  Erklärung  sagt,  dasselbe  solle  in  den  Kiel  des  Schiffes  ein- 
gesetzt werden,  so  ist  dies  wohl  nur  ein  Irrthum  seinerseits,  denn  ganz  unter 
Wasser  würde  sich  das  Flügelrad  des  Instruments  nicht  drehen.  Dieses  muss 
vielmehr  so  auf  dem  Wasser  schwimmen,  dass  das  Flügelrad  nur  mit  seiner 
unteren  Hälfte  in  das  Wasser  taucht,  und  es  sollte  wahrscheinlich  zu  diesem 
Zwecke  zwischen  zwei  schwimmenden  Balkenstücken  oder  anderen  Schwimmern 
befestigt  werden.  Das  Flügelrad  ist  so  in  zwei  Rahmen  gehängt,  dass  es  sich 
ausser  um  seine  eigene  auch  noch  um  zwei  senkrecht  zu  einander  stehende 
Axen  drehen  kann,  so  dass  die  Schwimmer,  zwischen  welchen  das  Instrument 
vermuthlich  befestigt  werden  sollte,  auf  dem  Wasser  schaukeln  konnten,  während 
das  Instrument  in  vertikaler  Stellung  erhalten  wurde.  Die  drehende  Bewegung 
des  Flügelrades  wird  durch  ein  Räderwerk  nach  oben  auf  einen  Zeiger  mit 
Zifferblatt  übertragen  und  aus  der  Zahl  der  Umdrehungen  dieses  Zeigers  inner- 
halb einer  bestimmten  Zeit  die  Fahrgeschwindigkeit  des  Schiffes  bestimmt. 

Die  Drehbarkeit  des  Instrumentes  um  zwei  aufeinander  senkrechte,  in 
einer  Ebene  liegende  Axen  ist  von  besonderem  Interesse,  weil  dies  die  älteste 
uns  bekannte  Anwendung  des  Prinzipes  ist,  auf  welchem  die  Konstruktion  des 
üniversalgelenkes,  oder  des  sogenannten  HooK'schen  Schlüssels  beruht. 

Die  übrigen  drei  Blätter  Besson's  bieten  kein  Interesse.  Das  letzte  der- 
selben ist  ganz  unverständlich  und  beruht  offenbar  auf  falschen  Voraussetzungen. 


Agostino  Ramelli  (etwa  1530—1590). 


Ein  ausserordentlich  reich  ausgestattetes  Werk,  betitelt:  ^^Le  diverse 
et  artificiose  machine  del  capitano  Agostino  Ramelli,  dal  Ponte  della  Tresia, 
ingeniero  del  christianissimo  Re  di  Francia  et  di  Pollonia^,  erschien  im  Jahre 
1588  zu  Paris  im  Selbstverlage  des  Verfassers.  Es  enthält  195  in  Linien- 
manier vollständig  schattirte  Kupferstiche  in  Grossfolioformat  und  zu  jedem 
Blatte  eine  italienische  und  eine  französische  Beschreibung.  Dem  Verfasser 
müssen  bedeutende  Mittel  zu  Gebote  gestanden  haben,  um  ein  solches  W^erk 
im  Selbstverlage  herausgeben  zu  können.  Sein  Porträt  auf  der  Rückseite  des 
Titelblattes  zeigt  ihn  in  reicher  Ritterkleidung,  die  linke  Hand  auf  einem  vor 
ihm  stehenden  Helme  ruhend,  während  die  rechte  mit  einem  Zirkel  ein  Maass 
auf  einem  Festungsplane  abgreift.  Die  künstlerische  Umrahmung  dieses  Por- 
träts trägt  die  Inschrift:  ;, Augustinus  de  Ramellis  de  Masanzana  aetatis  suae 
LVn^,  woraus  hervorgeht,  dass  unser  Autor  etwa  1530  geboren  und  dass  Ma- 
sanzana sein  Geburtsort  war.  Man  könnte  jedoch  auch  den  Beisatz:  ^dal  Ponte 
della  Tresia^,  welcher  sich  auf  dem  Titel  bei  seinem  Namen  findet,  als  Be- 
zeichnung seines  Geburtsortes  ansehen.  Das  heutige  Ponte  Tresa  liegt  am 
Ausflusse  der  Tresa  aus  dem  Lago  di  Lugano,  während  Mesenzana,  in  gerader 
Luftlinie  gemessen,  etwa  8Vs  km  westlich  davon  in  dem  kleinen  Seitenthale 
^Val  S.  Michele^  liegt,  welches  in  das  Thal  der  Margorabbia  mündet.  Mesen- 
zana ist  der  unbekanntere  von  beiden  Orten,  und  dies  spricht  dafür,  dass  es 
der  eigentliche  Geburtsort  Ramelü's  ist. 

In  der  Vorrede  zu  seinem  Werke  sagt  dieser,  dass  er  fast  die  ganze 
;,Blüthe  seiner  Jahre^  in  dem  Dienste  des  Marchese  di  Marignano,  eines  der 
ausgezeichnetsten  Heerführer  Kaiser  Karl's  V.  zugebracht  und  unter  seiner 
Leitung  Mathematik  und  Kriegswissenschaften,  zu  welchen  auch  das  Ingenieur- 
wesen gehörte,  studirt  habe. 

GiACOMO  Medichino,  Marchese  di  Marignano,  war  als  Sohn  Bernhardts  von 
Medici  (Medichino)  1495  zu  Mailand  geboren  und  gehörte  dem  in  dieser  Stadt 
sesshaft  gewordenen  Zweige  der  berühmten  Florentiner  Familie  dei  Medici  an. 
Er  trat   1529  in  kaiserliche  Dienste,  kämpfte  ruhmreich  gegen  die  Türken, 


Inhalt  seines  Werkes.  207 

züchtigte  1543  den  Herzog  Yon  Cleve,  befehligte  bei  der  Einnahme  von  Luxem- 
burg und  bei  der  von  St.  Dizier  1544,  sowie  bei  der  Belagerung  von  Metz, 
schlug  die  Franzosen  1554  bei  Marciano,  belagerte  Siena  und  Porto  Ercole  und 
starb  in  demselben  Jahre  zu  Mailand.    Ranelli  war  damals  etwa  25  Jahre  alt. 

Während  äIarignano's  früher  Kindheit  war  Leonardo  da  Vjnci  als  Ingenieur 
und  Lehrer  an  der  von  ihm  gegründeten  Akademie  der  Wissenschaften  in 
Mailand  thätig,  ging  1499  nach  seiner  Vaterstadt  Florenz,  kehrte  1507  in  seine 
frühere  Stellung  nach  Mailand  zurück,  ging  1512  wieder  nach  Florenz,  dann 
nach  Rom,  war  1515  bis  1517  nochmals  in  Mailand  und  siedelte  1517,  als 
Marignano  22  Jahre  alt  war,  nach  Frankreich  über.  Es  ist  daher  kaum  zu 
bezweifeln,  dass  Marignano,  wenn  nicht  bei  Leonardo  selbst,  so  doch  in  dessen 
Schule  und  unter  seinen  Augen  die  Ingenieurwissenschaft  studirte,  und  deshalb 
ist  auch  sein  Zögling  Ramelli  zu  dieser  Schule  zu  rechnen.  Auch  in  dem 
Amte  als  Ingenieur  des  Königs  von  Frankreich  war  dieser  einer  von  Leonardo's 
Nachfolgern. 

Heinrich  III. ,  der  französische  König,  welchem  Ramelli  diente,  war  der 
dritte  Sohn  Hel^righ's  IL  und  im  Jahre  1551  geboren.  In  seinem  achtzehnten 
Jahre,  als  Herzog  von  Anjou,  erhielt  er  den  Oberbefehl  in  dem  Kriege  gegen 
die  Hugenotten,  siegte  1569  bei  Jamac  und  Montcontour,  belagerte  aber  1572 
La  Rochelle  acht  Monate  lang  vergeblich.  Durch  Intriguen  und  Bestechungen 
von  Seiten  seiner  Mutter,  Katharina  von  Medici,  zum  König  von  Polen  er- 
wählt, reiste  er  1573  dorthin,  kehrte  aber  im  folgenden  Jahre  auf  die  Nach- 
richt von  dem  Tode  seines  zweiten  Bruders  Karl  IX.  heimlich  nach  Frank- 
reich zurück,  um  dessen  Krone  in  Besitz  zu  nehmen. 

Dem  jugendlichen  Herzoge  von  Anjou  wurden  bei  seinem  Kriegszuge  gegen 
die  Hugenotten  die  berühmtesten  und  erfahrensten  Hauptleute  mitgegeben,  und 
unter  diesen  muss  Ramelu  ihm  besonders  nahe  gestanden  haben,  denn  in  der 
Widmung  an  den  König  sagt  er: 

„Da  ich  (vor  langer  Zeit)  gerufen  und  im  Namen  Eurer  Majestät  in 
Italien  eindringlich  gebeten  wurde,  unter  ehrenhaften  Bedingungen  in  die  Dienste 
von  Ew.  Majestät  unbesiegbarer  Krone  zu  treten,  und  da  ich  weiss,  dass  ich 
dem  grossmüthigsten  und  ruhmreichsten  Könige  der  Christenheit,  der  heute 
Europa  beherrscht,  begegnet  bin,  und  wie  unendlich  viel  ich  den  göttlichen 
Eigenschaften  und  seltenen  Gaben  verdanke,  die  der  Himmel  Ew.  Majestät 
verliehen  hat,  wollte  ich  Ew.  Majestät  kluger  und  geheiligter  Tapferkeit  diese 

meine  mathematischen  Demonstrationen  widmen Und  wenn 

auch  meine  Augen  nicht  so  blind  sind,  um  nicht  zu  sehen,  dass  mein  geringes 
Verständniss  mit  der  Höhe  Ew.  Majestät  Tugenden  nicht  zu  vergleichen  ist, 
so  haben  doch  die  ausserordentlichen  Gunstbezeugungen,  welche  mir  Ew.  Majestät 
königliche  Güte  stets  angedeihen  Hess,  und  die  besondere  Zuneigung,  welche 
Ew.  Majestät  mir  vor  La  Rochelle  bewiesen,  als  ich  in  Ew.  Majestät  Diensten 
in  Gefangenschaft  und  zum  Tode  verwundet  in  die  Hände  der  Feinde  fiel,  die 


206  Agostino  Ramelli. 

ausserordentliche  Fürsorge  und  der  Schutz,  welche  Ew.  Majestät  meinem  Sohne 
zuerst  in  Paris  angedeihen  Hessen  und  die  liebenswürdigen  Briefe,  welche  Ew. 

Majestät  mir  aus  Polen  zu  schreiben  geruhten mich  mit  dem  sehn* 

liehen  Wunsche  erfüllt,  Ew.  Majestät  meine  Dankbarkeit  wenigstens  zum  Theile 
zu  beweisen,  so  gut  ich  es  vermag*^. 

In  der  Vorrede  an  den  Leser  kommt  eine  Stelle  vor,  worin  unser  Autor 
sagt,  es  seien  ihm  Zeichnungen  zu  einem  Werke  über  Befestigungskunst  ent- 
wendet und  in  verstümmelter  Form  veröflFentlicht  worden,  er  hoffe  aber,  die- 
selben eines  Tages  in  unverdorbener  Gestalt,  wie  er  sie  erfunden  habe,  der 
Welt  zu  zeigen.  Hieraus  und  aus  dem  Umstände,  dass  ein  solches  Werk 
KABiELLrs  nicht  erschienen  ist,  hat  man  wohl  geschlossen,  dass  er  nach  der 
Herausgabe  seiner  ^Machine  diverse  et  artificiose^  nicht  mehr  lange  gelebt 
habe,  und  dies  mag  Michaud  veranlasst  haben,  in  seiner  „Biographie  universelle*^ 
zu  sagen,  Ramelli  sei  um  das  Jahr  1590  im  Alt^r  von  etwa  60  Jahren  ge- 
storben. Michaud  hat,  soweit  uns  bekannt  ist,  die  ausführlichste  Biographie 
unseres  Autors  geliefert,  aber  an  thatsächlichem  Material  enthält  sie  nichts, 
was  nicht  aus  den  angeführten  Stellen  des  Titelblattes,  der  Widmung  und  der 
Vorreden  seines  Werkes  herausgelesen  werden  kann. 

Wirft  man  einen  flüchtigen  Blick  in  Ramelli's  Werk,  so  fällt  zunächst  die 
Komplizirtheit  vieler  seiner  Maschinen  auf,  weshalb  die  meisten  Biographen 
ihn  als  „Freund  komplizirter  Maschinen"  oder  mit  der  Bemerkung:  „seine 
Maschinen  würden  besser  sein,  wenn  sie  weniger  komplizirt  wären'',  kurz  ab- 
fertigen. Auch  werden  gebildete  Ingenieure  unserer  Zeit  seine  Beschreibungen 
höchst  langweilig  finden,  denn  die  Schilderung,  welche  Reuleaux  auf  Seite  11 
seiner  Kinematik  irrthünilicher  Weise  von  allen  älteren  Büchern  über  Maschinen- 
bau entwirft,  passt  auf  diejenigen  Ramelli^ s  und  seiner  späteren  Kopisten  und 
Nachahmer.  Doch  ist  zu  berücksichtigen,  dass  unser  Autor  weder  Maschinen- 
bauer noch  Gelehrter  vom  Fach  war  und  auch  weniger  für  Fachleute,  als  für 
reiche  Liebhaber  der  Mechanik  schrieb,  wie  man  sie  damals  unter  den  höchsten 
Herrschaften  fand.  So  war  beispielsweise  Kaiser  Karl  V.  Dilettant  in  mecha- 
nischen Künsten,  insbesondere  ein  leidenschaftlicher  Liebhaber  von  Räderuhren. 
Kaiser  Rudolph  IL  soll  einige  sinnreiche,  mechanische  Apparate  selbst  erfunden 
haben,  und  nicht  nur  die  französischen  Könige,  sondern  auch  viele  andere 
Fürsten  und  Herren  hielten  Hofmechaniker  so  gut  wie  Hofalchimisten.  Das 
kostbare  Werk  Ramelli's  aber  konnten  nur  reiche  Leute  kaufen.  Bezüglich 
der  Pumpwerke,  welchen  ein  grosser  Theil  desselben  gewidmet  ist,  muss  man 
ferner  berücksichtigen,  dass  Cylinder  mit  grosser  Bohrung  damals  nicht  her- 
gestellt werden  konnten,  was  zur  Folge  hatte,  dass  viele  Pumpen  gleichzeitig 
betrieben  werden  mussten,  wenn  es  sich  um  Förderung  eines  grösseren  Wasser- 
quantimis  handelte.  Sah  sich  doch  hundert  Jahre  nach  Ramelu  der  Ingenieur 
des  Königs  Levis  XIV.  noch  genöthigt,  sieben  Pumpen  im  Niveau  der  Seine 
aufzustellen,  um  das  Wasser  für  die  Fontänen  und  Kaskaden  in  den  Versailler 


Inhalt  seines  Werkes.  203 

Gartenanlagen  anf  halbe  Bergeshöhe  zu  heben,  von  wo  es  wieder  sieben 
Pumpen  bis  zum  Gipfel  des  Berges  bei  Marly  und  abermals  sieben  Pumpen 
auf  den  Wasserthurm  heben  mussten.  Dass  der  gleichzeitige  Betrieb  vieler 
Pumpen  eine  komplizirte  Transmissionsanlage  erfordert,  liegt  in  der  Natur  der 
Sache.  Auch  erscheinen  Ramelows  Maschinenanlagen  oft  dadurch  komplizirt, 
dass  er  bestrebt  ist,  dieselben  auf  einen  möglichst  kleinen  Kaum  zusammen  zu 
drängen.  Dieses  Streben  war  aber  zu  jener  Zeit,  in  der  die  meisten  indu- 
striellen Anlagen  in  eng  gebauten,  befestigten  Städten  untergebracht  werden 
mussten,  sehr  berechtigt.  Endlich  kann  man  es  auch  unserem  Autor  kaum 
zum  Vorwurfe  machen,  wenn  seine  Kenntnisse  Lücken  und  seine  Konstruk- 
tionen Irrthümer  enthalten,  die  seiner  Zeit  eigen  waren.  Wenn  er  z.  B.  von 
der  naiven  Ansicht  ausgeht,  dass  man  Bäderübersetzungen  in's  Langsame  und 
solche  in^s  Schnelle  bei  einer  Maschine  gleichzeitig  anwenden  solle,  weil  erstere 
sie  befähigen,  grosse  Widerstände  zu  überwinden  und  letztere  ihr  die  Fähig- 
keit verleihen,  mit  grosser  Geschwindigkeit  zu  arbeiten,  so  folgt  er  hierin  nur 
einer  damals  sehr  verbreiteten  irrigen  Anschauungsweise. 

Lässt  man  sich  die  Mühe  nicht  verdriessen,  Ramelli^s  Werk  auf  seinen 
kinematischen  Inhalt  zu  prüfen,  so  findet  man  so  viel  Interessantes  und 
Anerkennenswerthes  darin,  dass  man  geneigt  ist,  zu  glauben,  es  seien  hier 
nicht  sowohl  die  Erfindungen  des  Autors,  sondern  vielmehr  ein  beträchtlicher 
Theil  der  kinematischen  Kenntnisse  der  LEONARDo'schen  Schule  zusammenge- 
stellt, wofür  auch  der  Umstand  spricht,  dass  in  den  Beschreibungen  von  den 
195  Maschinen  nur  drei  als  neu  bezeichnet  werden. 

Andererseits  kann  man  freilich  auch  schon  von  Ramelli  lernen,  wohin  es 
führt,  wenn  man  reine  Kinematik  für  die  Theorie  des  Maschinenbaues  hält, 
denn  seine  Kinematik  ist  so  abstrakt,  dass  er  in  vielen  Fällen  nicht  nur  von 
der  Festigkeit,  welche  die  Maschinentheile  haben  mussten  und  ihrer  technischen 
Ausführbarkeit,  sondern  sogar  von  der  Geschwindigkeit  der  Bewegung,  welche 
zur  Verrichtung  der  betreffenden  Arbeit  nothwendig  wäre,  abstrahirt  und  zu- 
frieden ist,  wenn  er  die  gegebene  Bewegungsart  in  die  verlangte  umgesetzt 
hat.  Dadurch  werden  viele  seiner  Konstruktionen,  die  er  allerdings  in  der 
Widmung  an  den  König  nur  als  mathematische  Demonstrationen  bezeichnet, 
unausführbar  oder  unbrauchbar. 

Bei  unserer  Betrachtung  des  RAMEixi'schen  Werkes  würde  es  zu  weit 
fuhren,  wenn  wir  sämmtliche  Kupfertafeln  desselben  besprechen  wollten.  Wir 
müssen  uns  im  wesentlichen  auf  das  beschränken,  was  von  den  Motoren,  Be- 
wegungsmechanismen und  Arbeitsmaschinen,  welche  darin  enthalten  sind,  als 
neu  erscheint,  d.  h.  was  uns  bei  früheren  Autoren  noch  nicht  begegnet  ist. 

Von  den  Motoren  für  Menschenkraft  sind  zunächst  in  dieser  Be- 
ziehung als  neu  zu  betrachten:  Die  in  Fig.  226  zum  Betriebe  einer  Getreide- 
mühle benutzten  horizontalen  Schwengel  mit  Flügelstangen  und 
Axenkröpfungen,   letztere  um  180^  gegen  einander  verstellt.    Sie  sind  als 

BMk.  14 


210 


AgoBtiDO  ßunelli. 


eine  Modifikation  des  vertikalen  Schwengels  mit  Flügelstange  und  Axenkröpfung 
zn  betrachten,  welchen  wir  bei  Bibinguccio  znm  Betriebe  einer  Amalgamirmühle 
angewandt  sahen.  (Vergl.  Fig.  140.)  Femer  die  über  ein  Kettenrad  ge- 
bängte Kette  ohne  Ende  (Fig.  227),  wie  man  sie  heute  namentlich  bei 
FlascbenzUgen  oft  angewendet  findet.  Treträder  für  Menschen  finden  sich 
bei  Rahelli  in  den  mannigfachsten  Formen,  nicht  nur  die  bekannten,  bei 
welchen  der  Arbeiter  nicht  weit  Ton  der  Vertikalebene  durch  die  Axe  ent- 
weder in  oder  auf  dem  Rade  gebt  und  dasselbe  hauptsächlich  durch  sein  Ge- 
wicht umdreht,  sondern  auch  solche,  bei  denen  er  vor  dem  vertikalen  Rade  in 
der  Axenbühe  oder  über  dem  horizontalen  Rade  auf  einer  Bank  sitzt  und  nur 
durch  die  Muskelkraft  seiner  Beine,  aber  mit  grösserem  Hebelarme  auf  das 


Rad  wirkt.  Zu  letzterer  Gattung  war  auch  das  horizontale  Tretrad  zn  rechnen, 
welches  wir  bei  Agricdla  angewendet  sahen.  (Vergl.  Fig.  144,  S.  130.)  Eine 
Zwischenstufe  zwischen  den  genannten  beiden  Gattungen  bildet  das  bei  Ramelu 
angewendete  geneigte  Tretrad  (Fig.  228),  auf  dessen  Kreisfläche  der  Arbeiter 
aufwärts  zu  schreiten  sucht,  indem  er  sich  mit  den  Händen  an  einer  festen, 
horizontalen  Stiinge  hält. 

Von  Perdegüpetn  finden  wir  keine  neuen  Formen  in  dem  uns  vor* 
liegenden  Werke. 

Bei  den  ober-  und  unterschlächtigen  Wasserrädern  Rahelu's 
ist  bemerkenswerth,  dass  letztere  öfters  auf  Hölzer  gelagert  sind,  welche  durch 
je  zwei  Schrauben,  dem  Wasserstande  entsprechend,  gehoben  oder  herabgelassen 
werden  können,  oder  dass  diese  Hölzer  zu  dem  gleichen  Zwecke  einarmige 
Hebel  bilden,  deren  Enden,  durch  einen  Querbalken  mit  einander  verbunden, 


Motoren.  211 

durch  einen  Flaschenzng  und  ein  Amphieryon  oder  Peritrochion  gehoben  nnd 
abgelassen  werden  können  (Pansterräder). 

Ein  Löffelrad,  wie  wir  ähnliche  Bchon  bei  Leonardo  da  Vinci  skizzirt 
sahen,  findet  sich  auf  Rahelli's  Blatt  114;  dagegen  scheint  ihm  das  beiBESSON 
abgebildete  Turbinenrad  (Fig.  216,  S.  195)  unbekannt  gewesen  zu  sein.  Mit  Vor- 
liebe skizzirt  er  ein  horizontales  Wasserrad  (Fig.  229),  welches  er  dem 
bei  Besson' abgebildeten  Windrade,  dessen  halber  Umfang  durch  die  Thurm- 
mauer  vor  dem  Winde  geschützt  ist  (vergl.  S.  203),  nachgebildet  hat.  Dass 
ein  solches  Rad  keinen  guten  Effekt  geben  konnte,  scheint  selbst  einem  Zeisgig 
nnd  einem  Boeckleh  eingeleuchtet  zu  haben,  denn  obgleich  diese  Rahelu  stark 
plünderten,  haben  sie  doch  keines  seiner  Blätter  kopirt,  auf  welchen  ein 
solches  Wasserrad  vorkommt. 

Windräder  mit  Leinwand  bespannt  finden  sich  auf  den  Blättern  73, 
132  und  133,  und  zwar  zeigen  die  beiden  ersteren  Mühlen  mit  bew^icbem 


Klg.  229. 


Dache,  sogenannte  holländische  Windmühlen,  während  das  letztere  eine  deutsche 
oder  sogenannte  Bock-Windmülile  darstellt.  Die  holländischen  Windmühlen 
sollen  in  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  von  einem  Flanderer  erfunden  worden 
sein  (vergl.  Jon.  Beckmann,  „Beitrage  zur  Geschichte  der  Erfindungen",  Leipzig 
1788,  Bd.  II,  S.  38),  während  die  Bock-Windmtthle,  wie  wir  sie  bei  GuALTHEBnis 
Rivius  abgebildet  fanden  (Fig.  202  unserer  Abhandlung  über  Cardanus),  wahr- 
scheinlich ält«ren  Ursprunges  ist.  Windflügel  oder  Windräder  waren  den  alten 
Griechen  schon  als  Motoren  bekannt,  wie  aus  dem  76.  Kapitel  der  „Pneu- 
matica"  von  Heron  dem  Aelteren  ersichtlich  ist.  Auch  geht  daraus  hervor, 
dass  diese  Windflügel  oder  Windräder  damals  schon  auf  drehbaren  Gestellen 
gelagert  waren.  Nach  der  lateinischen  Uebersetzung  des  Federicus  GoHUAitoiMis 
(Urbino  1575)  lautet  dieses  Kapitel,  in  welchem  eine  Orgel  beschrieben  wird, 
deren  Balg  durch  Wind  bewegt  werden  soll,  wie  folgt: 

„Es  seien  A  die  Pfeifen,  BC  ein  Quorrohr,  welches  mit  ihnen  kommunizirt, 
DE  ein  senkrechtes  Rohr,  von  dem  wiederum  ein  Querrohr  ausgeht,  das  bis  zu  dem 
Fumpcncf  linder  GB  reicht    In  diesen  wüd  der  Kolben  KL  gepasst,  welcher  leicht 


212  Agostino  RamellL 

in  denselben  eindrinpen  kann.  Mit  dem  Kolben  ist  ein  Stab  (eine  Kolbenstange) 
MN  verbunden,  welcher  sich  an  einen  anderen  Stab  (Balancier)  NX  anschliesst, 
der  um  eine  Axe  PR  drehbar  ist  Bei  N  (wo  die  Kolbenstange  mit  dem  Balancier 
verbunden  ist)  ist  ein  leicht  löslicher  kleiner  Nagel  (Schamierstift),  bei  X  (dem  anderen 
Ende  des  Balancier)  aber  ist  eine  Platte  (platismation  von  nXdxvCfia)  aufgesetzt  und 
mit  XO  (dem  Endstücke  des  Balanciers)  fest  verbunden.  Daran  liegt  eine  Axe  Ä 
welche  sich  in  einem  Gestelle  (in  pegmate  von  ntiY^ial  das  beweglich  ist,  um  eiserne 
Zapfen  (cnodaces  von  xwJda^  dreht  Mit  der  Axe  S  aber  «ind  zwei  Scheiben 
(tympanula,  eigentlich:  Trommelchen)  YV  fest  verbunden,  von  denen  Y  kleine 
Keulen  (scytalas  von  axvrdkf],  das  sind  hier  „Hebedaumen")  hat;  welche  sich  auf 
die  Platte  X  0  legen.  Die  Scheibe  V  aber  hat  Flachen  (platas  von  yiAariy,  das 
smd  hier  Flügel)  wie  die,  welche  Windflügel  (anemaria,  sollte  wohl  anemuria  heissen 
von  dve^oiQiov)  genannt  werden.  Wenn  diese  von  dem  Winde  getroffen  werden, 
eilen  sie  vorwärts,  drehen  die  Scheibe  V  um  und  daher  wird  auch  die  Axe  und  die 
Scheibe  Y  gedreht  Da  sich  in  dieser  Keulen  (Hebedaumen)  befinden,  welche  in 
Intervallen  auf  die  Platte  XO  schlagen,  so  heben  sie  KL  (den  Kolben)  auf,  und 
wenn  die  Keulen  die  Platte  verlassen,  so  sinkt  der  Kolben  nieder  und  drückt  die 
in  dem  Cylinder  enthaltene  Luft  in  die  Röhren  und  Pfeifen  und  bringt  den  Ton 
hervor.    Es  ist  aber  erforderlich,  dass  das  Gestell,   welches  die  Axe 


Fig.  28a  F!g.  231.  Fig.  282. 

hält,    immer  nach    dem   Winde   gedreht  werde,    damit   die  Drehung 
heftiger  und  kontinuirlicher  erfolgt" 

Ob  man  zu  damaliger  Zeit  schon  Getreidemühlen  durch  Windräder  be- 
trieb, ist  eine  andere  Frage,  und  liegen  hierfür  keinerlei  Beweise  vor. 

Endlich  sind  noch  die  bei  Ramelli  zuerst  erscheinenden  Gewichts- 
mühlen zu  erwähnen,  bei  welchen  ein  aufgewundenes  Gewicht  zum  Betriebe 
eines  Mühlwerkes  dienen  soll.  Denn  obgleich  solche  Mühlen  niemals  einen 
praktischen  Nutzen  haben  konnten,  sind  sie  doch  im  17.  Jahrhundert  von 
Jacob  de  Strada,  Zeising,  Boeckler  u.  A.  so  oft  wieder  abgebildet  worden,  dass 
es  immerhin  einiges  Interesse  hat,  zu  wissen,  dass  sie  auf  Ramelli  zurückzu- 
führen sind. 

Von  den  Bewegungsmechanismen  unseres  Autors  erwähnen  wir  zu- 
nächst ein  Stirnrad  mit  innerer  Verzahnung  auf  Blatt  78.  Winkel- 
räder kommen  mit  drei  verschiedenen  Arten  von  Verzahnung  vor,  welche  wir 
in  den  Figuren  230,  231  und  232  dargestellt  haben. 

Das  am  halben  Umfange  verzahnte  Rad  (Fig.  233),  wie  wir  es  bei 
Besson  zur  Erzeugung  der  hin-  und  hergehenden  Bewegung  einer  Mange  fanden 
(Fig.  217,  S.  196),  sowie  die  in  Fig.  234  dargestellte  Modifikation,  bei  der  zwei 
auf  einer  Axe  sitzende,  am  halben  Umfange  verzahnte  Räder  abw^echselnd  in  ein 


Radvcrzahnungen,  halbverzahnte  Rftder. 


213 


Latemengetriebe  eingreifen,  werden  von  Bamelli  mit  besonderer  Vorliebe  zur 
Erzeugung  fast  aller  kreisförmig  und  geradlinig  hin-  und  hergehenden  Beweg- 
ungen in  seinen  Mechanismen  verwendet. 

Der  in  Fig.  23ö  dargestellte  Mechanismus  zur  Umwandlung 
einer  rotirenden  in  eine  geradlinig  hin-  und  hergehende  Be- 
wegung, welcher  sich  auf  den  Blättern  19  und  20  angewendet  findet,  ist 
ebenfalls  als  eine  Modifikation  des  Mechanismus,  Fig.  233,  zu  betrachten, 
entstanden  durch  Unendlichwerden  der  Radien  der  beiden  Getriebe  und 
entsprechende  Aenderung  der  Verzahnung.  Hier  sind  die  beiden  in  ein  halb- 
verzahntes Rad  eingreifenden  Zahnstangen  durch  zwei  Traversen  zu  einem 
viereckigen  Rahmen  fest  mit  einander  verbunden  und  machen  daher  stets 
zwangläufig  die  gleiche  Bewegung.  Sollen  sie  sich  aber  stets  in  einander  ent- 
gegengesetzter Richtung  bewegen,  so  wendet  Ramelli  eine  analoge  Modifikation 


Fig    233. 


Fig.  231. 


Fig.  235. 


Fig.  238. 


des  Mechanismus,  Fig.  234,  an.  Denkt  man  sich,  dass  hier  der  Durchmesser 
des  Laternengetriebes  unendlich  gross  werde,  so  gehen  die  in  Eingriff  kommen- 
den Theile  desselben  in  zwei  unendlich  weit  von  einander  entfernte  parallele  Zahn- 
stangen über,  von  denen  stets  eine  durch  eines  der  halbverzalmten  Räder  bewegt, 
die  andere  aber  durch  den  Zusammenhang  des  unendlich  grossen  Rades  mit- 
genommen und  in  entgegengesetzter  Richtung  bewegt  wird.  Dieses  Mitnehmen 
erfolgt  auf  der  einen,  z.  B.  der  oberen  Radseite  stets  durch  Zug,  auf  der  an- 
deren gleichzeitig  durch  Druck.  Eine  von  den  beiden  Uebertragungen  genügt, 
und  man  kann  sich  daher  die  gedrückte  Radseite  weggeschnitten  und  die  ge- 
zogene durch  ein  Zugkraftorgan  (eine  Kette,  oder  ein  Seil)  ersetzt  denken, 
welches  über  eine  Leitrolle  gelegt  ist.  Die  Grösse  des  Durchmessers  dieser 
Leitrolle  ist  für  die  Bewegung  der  Zahnstangen  von  keiner  Bedeutung,  wenn 
diese  einander  so  weit  näher  gerückt  werden,  dass  ihre  Mittellinien  die  Leit- 
rolle tangiren.  Durch  Verkleinerung  des  Leitrollendurchmessers  gelangt  man 
dann  zu  dem  in  Fig.  236  dargestellten  Mechanismus,  welchen  Ramelli 
auf  Blatt  71  zum  Betriebe  einer  zweistiefeligen  Pumpe  benutzt. 


2U 


AgoBtino  RamellL 


Man  kEmn  auch  auf  der  anderen  Seite  der  beiden  balbverzabnten  R&ler 
ein  zweites  Zabnstangenpaar  eingreifen  lassen  nnd  durch  ein  über  eine  Leit- 
rolle gelegtes  Zugkraftorgsn  mit  einander  verbinden,  docb  muss  bier  die  Leit- 
rolle  unterhalb  der  Verbindungsstellen  desselben  mit  den  Zahnstangen  liegen, 
wenn  sie  bei  dem  ersten  Zabnstangenpaar  oberhalb  lag.  Hierdurch  entsteht 
der  Mechanismas  Fig.  237,  welchen  Rahelli  auf  Blatt  70  zum  Betriebe 
eines  vierstiefol^en  Pumpwerkes  verwendet.  Die  Bewegung  ist  übrigens  hier 
ganz  dieselbe,  als  ob  die  in  je  ein  halbverzabntes  Rad  eingreifenden  beiden 
Zahnstangen,  wie  in  Fig.  235,  fest  mit  einander  verbunden  und  die  Zugkraft- 
oi^ane  and  Leitrollen  weggelassen  wären. 

Für  die  in  Geradfühmngen  gehenden  Zahnstangen  kann  man  Zahnbogen  sub- 
stituiren,  die  nm  ihren  Mittelpunkt  schwingen,  und  gelangt  dann  zn  dem 


Flg.  231. 


Fl«.  23& 


Fig.  238  dargestellten  Mechanismas  Raxelu's.  Doch  wäre  es  besser, 
die  Stellen,  an  welchen  die  Zahnbogen  mit  den  Eettenenden  verbunden  sind, 
in  die  Mittellinien  der  ersteren  zu  verlegen  und  nicht,  wie  hier  geschehen,  an 
die  Bogenenden. 

Selbstverständlich  lassen  sich  auch  mehrere  solcher  Zahnbogenpaare  von 
einer  Welle  aus  bewegen,  wie  auf  RAMELu'a  Blatt  31  gezeigt  ist. 

Die  Schraube  wird  von  unserem  Autor  ebenfalls  mit  Vorliebe  in  seinen 
Bewegungsmechanismen  angewendet,  nicht  nur  in  Verbindung  mit  dem  Scbrauben- 
rade,  als  sogenannte  Schraube  ohne  Ende,  oder  dem  gezahnten  Bogen,  sondern 
auch  in  Verbindung  mit  der  Zahnstange  und  der  Mutter.  Die  Verbindung  von 
Zahnstange  und  Schraube  kommt  uns  heutigen  Tages  am  auffallendsten  vor, 
ist  aber,  wie  wir  in  unserer  letzten  Abhandlung  über  Jaqdes  Blsson  schon  zu 
erwähnen  Gelegenheit  hatten,  bereits  von  Heron  dem  Aelteren  beschrieben 
worden  und  wohl  die  älteste  Art  der  Anwendung  der  Schraube.     Den   in 


Fig.  239  wiedergegebenen  Meclianismns,  bei  welchem  auf  einer  ver- 
mittelst des  Mechanismus  Fig.  234  bald  links-,  bald  rechtsum  gedrehten  ver- 
tikalen Aze  eine  linksgängige  und  eine  rechtsgängige  Schraube  sitzen,  in  welche 
je  eine  Zahnstange   eingreift ,   benutzt  Ramelu   beispielsweise  auf  Blatt  1   zur 


Bewegung  einer  zweistiefeligen  Pumpe,  Auf  anderen  Blättern  sind  mehrere 
Kolbenstangen  vermittelst  Balanciers  an  jede  der  beiden  nach  oben  verlängerten 
Zahnstangen  angehängt.  Auf  Blatt  47,  welche  der  Hauptsache  nach  in  unserer 
Fig.  240  wiedergegeben  ist,  sind  Zahnstangen  und  Schraubenaxe  horizontal  an- 


Fi(.  SU. 


geordnet.  Tritt  an  Stelle  der  Zahnstange  ein  Zahnbogen,  so  bildet  dieser  bei 
lUsiELLi  entweder  das  Ende  eines  Balanciers  (Fig.  241),  oder  er  sitzt  mit 
mehreren  Balanciers  auf  einer  gemeinschaftlichen  Welle  (Fig.  242). 

Die  Schraube  mit  Matter  tindet  eich  auf  den  Blättern  3,  4,  63,  64 
und  74  als  ßewegnngsmechanismns  angewendet.    Das  Wesentliche  des  Mecha- 


316  Aßostino  Ramelli. 


Dismus  auf  Blatt  3  ist  in  unserer  Fig.  243  wiedergegeben.  Die  Stiefel  des 
hier  dargestellten  Pumpwerkes  haben  Tiereckigen  Querschnitt,  so  dass  sich  die 
Kolben  darin  verschiehen,  aber  nicht  drehen  lassen.  In  die  Kialbenstange  ist 
Schraubengewinde  eingeschnitten,  welches  in  eine  Mutter  eingreift,  die  den 
[ioden  eines  Hohlcj linders  bildet.  Dieser  ist  in  den  oberen  cylindrischen  Theil 
des  Stiefels  gejiasst  und  lässt  sich  darin  drehen,  aber  nicht  verschieben.  Mit 
dem  Deckel  des  genannten  Hohlcylinders  ist  ein  senkrechter  Zapfen  koncen- 
trisch  fest  verbunden,  welcher  durch  den  Deckel  des  Stiefels  geht  und  mit 
welchem  über  diesem  ein  Schraubenrad  fest  verbanden  ist.  Die  in  dasselbe 
eingreifende  Schraube  wird  durch  den  Mechanismus  Fig.  234  abwechselnd 
rechts-  nnd  linksuni  gedroht  und  bewegt  daher  den  Punipenkolben  auf  und 
nieder. 

Der  Mechanismus  auf  Blatt  63  zum  Betriebe  einer  zweistiefeligen 
Pumpe  ist  in  Fig.  244  angedeutet.     Auch   hier   haben  die  Pumpenkolben  eine 


soldie  Form ,  dass  sie  sich  nicht  drehen  können.  Auf  die  eine  Kolbenstange 
ist  rechtsgängiges,  auf  die  audere  linksgängiges  Gewinde  geschnitten.  Diese 
Gewinde  gehen  durch  Mattem,  welche,  an  der  Verschiebung  gehindert,  sich 
nur  drehen  können  und  in  ihrer  äusseren  Form  Latemengetriebe  bilden.  Da 
dieso  durch  ein  Zwisohenrad  mit  einander  verbunden  sind,  welches  durch  den 
Mechanismus  Fig.  -34  bald  rechts-  bald  linksum  gedreht  wird,  so  bewegen  sich 
die  KoU>enstangeu  in  stets  einander  entgegengesetzter  Richtung  auf  und  nieder. 
Den  auf  Blatt  74  dargestellten  Mechanismus  zeigt  unsere  Fig.  245. 
Hier  sind  die  Kolbonstangen  der  zweistiefeligen  Pumpe  hohl  und  dienen  gleich- 
zeitig als  Steigrohre.  Nahe  dem  oberen,  umgebogenen  Ende  ist  die  eine  au&sen 
mit  reoht^singigem.  die  andere  mit  linksgängigem  Gewinde  versehen.  Die  durch 
feststehende  rmhülluiu:  an  der  Verschiebung  gehinderten  Muttern  bilden  aussen 
^'hraubenräder,  Ton  denen  das  eine  von  rechts,  das  andere  von  links  in  eine 
horiwnlalo  Schraube  eingreift.  Da  diese  durch  einen  Arbeiter  vermittelst  eines 
horiiontAlejt  Tretrades  und  durch  Winkelräder-Uebersetzung  bald  rechtsum. 
bald  Unksum  gedi«ht  wird,  so  bew^en  sich  die  röhrentonnigen  Kolbenstangen 


Seh  raubenmechRD  iemeD. 


217 


auf  Dnd  nieder.  Da  aber  die  Drehungen  der  Muttern  in  stets  einander  ent- 
gegengeaetzten  Riclitungen  erfolgen,  so  miissten  die  Gewinde  beide  rechts-  oder 
beide  linksgängig  sein,  um  die  Kolben  in  stets  einander  entgegengesetzten  Rich- 
tungen zu  bewegen,  wie  es  offenbar  beabBichtigt  ist.  Die  Abbildung  ist  daher 
in  diesem  Punkte  fehlerhaft. 

In  dem  auf  Blatt  62  dargestellten  und  in  unserer  Fig.  246 
wiedergegebenen  Mechanismus  zur  Bewegung  mehrerer  vertikaler  Kolben- 
stangen ist  das  auf  einer  stehenden  Welle  sich  drehende  Hauptrad  mit  keil- 
förmigen Aufsiitzen  als  eine  vielgängige  Schraube  zu  betrachten,  von  der  nur 
so  kurzes,  scheibenförmiges  Stück  zur  Ausführung  gekommen  ist,  dass  die  Ge- 
winde^inge  nicht  übereinander  reichen.  In  jedem  Gang,  d.  h.  über  jeden  der 
keilförmigen  Aufsätze,  greift  eine  Zahnstange  mit  einem  Zahn  oder  Stift,  der 


W- 

W^Mmmn 

Fig,  a»7. 


mit  Antifriktionsrolle  versehen  ist.  Hat  dieser  das  obere  Ende  eines  Gewinde- 
gai^es  oder  keilförmigen  Aufsatzes  passirt,  so  sinkt  die  betreffende  Stange 
mit  ihrem  Kolben  durch  das  eigene  Gewicht  nieder,  und  wird  darauf  von  dem 
folgenden  keilfomigen  Aufsatze  gehoben. 

Sollen  aber  die  um  die  Schraube  herumgestellten  Zahnstrangen  bei  jeder 
Umdrehung  des  Hauptrades  nur  einmal  auf  und  nieder  gehen,  so  können  die 
Zähne  von  einem  Schraubengange  gehoben  werden,  der  während  einer  halben 
Umdrehung  ansteigt ,  und  beim  Herabgeben  kann  man  sie  wieder  auf  einem 
Schraubengange  gleiten  lassen,  der  während  einer  halben  Umdrehung  um  eben- 
soviel herabsteigt. 

Diese  Kombination  von  zwei  Schraabenlinien  lässt  sich  ersetzen  durch 
eine  schräggestellte  Ellipse,  deren  Horizontatprojektion  einen  Kreis  bildet,  und 
man  erlangt  dadurch  den  Vortheil,  dass  der  Ucbergang  von  der  aufsteigenden 
in  die  absteigende  Bewegung  ein  allmäliger  ist,  so  dass  man  die  Bewegungen 
zwan^ufig  machen  kann,  ohne  Stösse  befürchten  zn  müssen.    Man  geUngt 


218  Agostino  RamellL 

dann  zu  dem  anf  Blatt  57  abgebildeten  und  in  nnserer  Fig.  247 
wiedergegebenen  Mechanismas,  bei  welchem  dnrcti  Hinznfügung  des 
oberen  Bandes  der  elliptischen  Scheibe  der  Auf-  und  Niedergang  der  Zahn- 
stange zwanglänfig  gemacht  sind. 

Soll  die  Verschiebung  des  eingreifenden  Zahnes  während  der  Drehung 
der  Hauptaxe  nicht  parallel,  sondern  senkrecht  dazn  erfolgen,  so  müssen  die 
Schranbenflächen  durch  Flachen  ersetzt  werden,  die  nach  archimedischen  Spiral- 
linien gekrümmt  sind,  wie  sie  Rahelu  auf  Blatt  60  in  einem  Mecha- 
nismus anwendet,  den  unsere  Fig.  248  zeigt.  Doch  ist  hier  für  die  gerad- 
linige Bewegung  des  eingreifenden  Zahnes  die  Bewegung  in  einem  flachen 
Kreisbogen  enbstituirt,  indem  die  beiden  einander  gegenüber  liegenden  Zähne 
die  Enden  von  zwei  am  vertikale  Axen  schwingenden  Hebeln  bilden.  Um  auch 
die  Bewegung  bei  dem  Bückgange  der  Hebel  von  dem  Mechanismus  abhängig 


zu  machen,  hat  Rauelli  diese  beiden  Hebelenden  in  der  aus  der  Zeichnui^ 
erBichtlichen  Weise  so  mit  einander  verbunden,  dass  sie  stets  die  gleiche  Ent- 
fernung von  einander  behalten  müssen.  Doch  kommt  alsdann  nur  die  Hälfte 
jeder  spiralförmig  gekrümmten  Flache  in  Wirksamkeit,  denn  während  der  eine 
Zahn  auf  der  Spiralfläche  von  A  nach  B  (Fig.  249)  gleitet,  beschreibt  der 
andere  den  punktirten  Bogen  CD  relativ  zur  KurvenEcheibe.  Aber  wenn  auch 
hier  der  Rückgang  jedes  Zahnes  durch  die  Verkettung  mit  dem  anderen  er- 
zwungen ist,  60  ist  der  Mechanismus  doch  nicht  zwanglänfig,  denn  er  hindert 
nicht,  dass  der  Zahn,  welcher  relativ  zur  Kurvenschoibe  den  punktirten  Bc^en 
beschreiben  soll,  in  diesen  hineintritt  und  der  andere  Zahn  gleichzeitig  die 
Kurvenscheibe  verlässt.  Zur  zwangläuflgeu  Bewegung  wäre  nöthig,  dass  die 
einspringenden  Winkel  der  Kurvenscheibe  so  ausgefüllt  würden,  wie  es  die 
punktirten  Bogen  in  Fig.  249  anzeigen.  Obgleich  dieser  Mechanismus  auf  den 
ersten  Blick  wie  ein  Sperrrad  mit  zwei  Sperrklinken  erscheint,  ist  er  doch 
thatsächlich  einKurvenschubgetriebe  nach  Art  des  in  REULEAi'x'sKine* 
matik  Fig.  332  abgebildeten.   Erwähnenswerth  ist  noch  die  Schrauben- 


Eurvenscbobgetri«!)«,  Sjwrr  werke,  Kurbel  Vierecke. 


219 


mutter  mit  linksgängigem  und  rechtsgängigem  Gewinde  bei  o 
(F'ig.  248)  zur  ReguUning  der  Länge  der  Kuppelstange  zwischen  den  beiden 
Hebeln. 

Das  inREULEAUx'sKinematikFig. 334 dargestellte  paarachlüssige 
Kurvenschubgetriebe  findet  sich  bei  Ranelli  auf  den  Blättern  27  und  28 
so,  wie  wir  es  in  unserer  Fig.  250  ßkizzirt  haben,  und  zwar  ist  es  auf  Blatt  27 
paarweise,  wie  in  unserer  Fig.  251  angeordnet,  um  zum  gleichzeitigen  Betriebe 
zweier  Pumpengestänge  zu  dienen. 

EineModifikation  diesesMechanismuB  ist  der  in  unserer  Fig.  252 
dargestellte,  bei  welchem  die  in  der  Ebene  der  Kurve  geradlinig  hin-  und  her- 
gehende Klinke  durch  eine  bogenförmig  hin-  und  herschwingende,  in  der 
mittleren  Stellung  auf  der  Kurvenebene  senkrecht  stehende  ersetzt  ist.  Rakelli 
wendet  auf  Blatt  55  diesen  Mechanismus  zur  Bewegung  eines  Pumpwerkes  mit 
vier  Stiefeln  an. 


Das  Sperrrad  mit  Sperrklinke  findet  sich  auf  Blatt  177  ähnlich 
wie  bei  Caruanus  (Fig.  188,  S.  169}  als  einseitig  wirkende  Kuppelung  zwischen 
zwei  Trommeln,  von  denen  die  eine  fest,  die  andere  lose  auf  einer  und  der- 
selben Welle  sitzt  (Fig.  253),  Auf  Blatt  147  dagegen  finden  wir  es  an  einer 
AVinde  zur  Verhinderung  der  rückgängigen  Bewegung  angebracht. 

Kurbeln  kommen  bei  Ramelli  sowohl  in  der  gewöhnlichen  Form,  sowie 
als  ein-  oder  mehrfache  Axenkröpfungen  vor.  Häufig  ist  die  Kurbel  durch  eine 
Fitigelstange  mit  einem  Balancier  zu  einem  sogenannten  Kurbelviereck  ver- 
bunden. Die  Verbindung  der  Fliigelstange  mit  der  Kurbel  ist  meist  paar- 
schlUssig,  die  mit  dein  Balancier  aber  nur  kraftschlüssig,  indem  die  ringförmigen 
Enden  dieser  beiden  Theile  wie  gewöhnliche  Kettenglieder  ineinander  gehängt 
sind.  Auf  Blatt  94  (siehe  Fig.  354)  findet  man  jedoch  auch  einmal  Paarschluss 
an  beiden  Enden  der  Flügelstange,  und  auf  Blatt  137  ist  sogar  das  Ende  der 
Fliigelstange  zum  Zwecke  der  Schamierbildung  zu  einer  Gabel  ausgebildet, 
welche  das  Ende  des  Balanciere  einschliesst.  Die  kettengiiedartige  Verbindung 
wurde  wohl  um  deswillen  mit  Vorliebe  angewendet,  weil  sie  als  die  einfachste 


220  Agoitino  Ramelli. 

Form  des  Universalgelenkes  bei  Formänderungen  der  hölzernen  Gestelle  und 
sonstigen  Maschinentlieile  Klemmungen  in  den  Gelenken  verhinderte. 

Die  OBcillirende  Knrbelschleife,  vie  sie  Fig.  219  in  Reuleaux's 
Kinematik  zeigt,  findet  sieb  auf  Blatt  97  angen-endet,  wie  aus  unserer  Fig.  255 
zu  ersehen  ist. 

Die  Uebertragung  der  schwingenden  Bewegung  eines  Balan- 
ciers  auf  einen  anderen  vermittelst  einer  Kuppelstange  kommt  selbstver- 
ständlich bei  Raheuj  häufig  vor;  interessant  ist  aber  die  Art,  wie  er  die 
Kuppelstange,  welche  bald  schiebend,  bald  ziehend  wirkt,  bei  grosser  Länge 
durch  ein  Zugkraftorgan  ersetzt.    Er  gestaltet  nämlich  den  treibenden  Balan- 


cier zu  einer  Kettenrolle  ans,  bringt  senkrecht  darunter  und  unterhalb  des  zu 
treibenden  Hebels  eine  gleiclie  Rolle  an,  legt  um  beide  eine  Kette  ohne  Ende 
und  verbindet  den  zu  treibenden  Hebel  mit  dieser  in  der  aus  Fig.  254  er- 
sichtlichen Art. 

Eine  Modifikation  dieses  Mechanismus  ist  in  der  Fig.  256 
wiedergegeben. 

Seiltrommeln  findet  man  bei  Rabelli  zunächst  zum  Aufwickeln  von 
Aufzugsseilen  nicht  nur  in  cylindriscber  Form,  sondern  auch  in  konischer  so 
angeordnet,  dass  mit  zunehmender  Aufwickelung  und  abnehroendeoi  Gewichte 
des  herabhängenden  Seiles  der  Durchmesser  der  Trommel  zunimmt.  Häufig 
ist  bei  ihm  auch  die  Anwendung  des  von  Vitblt  schon  beschriebenen  Am- 
phieryon  oder  Peritrochion  zur  üebersetzung  der  drehenden  Bewegung 


OsciUirende  Kurbelscbleife,  KettentraDsmissioD,  Ventile.  221 

einer  kleinen  Trommel  auf  eine  grosse  vermittelst  eines  Seiles,  das  sieh  von 
der  grossen  Trommel  auf  die  kleine  wickelt.  Auch  findet  sich  die  Ueber- 
gangsform  Yon  Amphieryon  zar  eigentlichen  Seiltranamissioo, 
wobei,  wie  bei  letzterer,  ein  Seil  ohne  Ende  über  beide  Trommeln  gelegt,  aber 
einigemal  um  jede  derselben  geschlungen  ist.  Diese  Anordnung  hat  mit  der 
eigentlichen  Seiltransmission  die  Uebertragung  der  Bewegung  durch  Reibung 
gemein,  mit  dem  Amphieryon  aber  das  Fortschreiten  des  Seiles  in  der  Rich- 
tung der  Trommelbreite  und  die  daraus  folgende  Beschränktheit  der  Zahl  der 
möglichen  Umdrehungen.  Die  eigentliche  Seiltransmission  findet  sich  auf- 
fallender Weise  bei  Ramelu  nicht,  während  Cahdasus  sie  als  in  der  Diamant- 


scbleiferei  gebräuchlich  beschreibt  (vei^I.  Fig.  184,  S.  165).  Daraus  darf  wohl 
geschlossen  werden ,  dass  diese  Art  der  Kraftübertragung  zu  jener  Zeit  noch 
wenig  und  nur  für  geringe  Kräfte  gebräuchlich  war.  Dagegen  findet  man  aaf 
den  Blättern  39,  93  und  126  die  Kette  ohne  Ende  mit  Kettenrädern 
zur  Transmission  kontinnirlich  drehender  Bewegung  angewendet,  und  zwar  in 
der  aus  Fig.  267  ersichtlichen  Forrä. 

Was  die  Bremewerke  betrifft,  so  findet  sich  an  den  Windmühlen  anf 
den  Blättern  133  und  133  eineUebergangsform  Ton  der  Backenbremse, 
wie  sie  Agricola  beschreibt  (vergl.  S.  132),  zur  Bandbremse,  indem  der 
Kranz  des  Hauptwinkelrades  auf  der  Windradwelle  von  einem  halben  Holz- 
teif  umschlossen  wird ,  von  dem  in  der  Beschreibung  gesagt  ist,  dass  er  sich 


222  Agostino  Ramelli. 

beim  Anziehen  der  Bremse  zusammenziehe  und  beim  Loslassen  derselben  wieder 
erweitere. 

Von  den  Arbeitsmaschinen  nehmen  die  Pumpen  den  grösstenRaum 
in  Ramelli's  Werk  ein.  Sie  erscheinen  in  den  mannigfaltigsten,  einige  auch 
in  so  abenteuerlichen  Formen,  wie  sie  nur  dem  Kopfe  eines  Jüngers  der  ab- 
strakten Kinematik  entspringen  können;  doch  findet  sich  auch  ebensoviel  Be- 
merkenswerthes  und  Vorzügliches  darunter. 

Zunächst  ist  das  konische  Ventil  hervorzuheben,  welches  von  Ramelu 
vorzugsweise  angewendet  wird,  und  zwar  in  der  Fig.  258  angegebenen  Form, 
die  heute  noch  zu  den  besten  gehört.  In  dem  Texte  zu  Blatt  1  wird 
darüber  gesagt:  ^Es  ist  zu  bemerken,  dass  diese  Art  von  Ventilen  viel  besser 
ist,  als  diejenigen,  deren  sich  zu  bedienen  viele  gewohnt  sind,  denn  diese 
Ventile  sind  dauerhafter  und  verschliessen  die  Oeffhung  besser^. 

Auch  bei  Hohlkolben  werden  diese  Ventile  angewendet,  wie  Fig.  259  zeigt. 
Sonst  bieten  die  Kolbenkonstruktionen  Ramelli^s  nichts  Bemerkenswerthes.  Die 
Dichtung  erfolgt  stets  durch  Leder. 

Die  auf  Blatt  3  dargestellte  und  in  Fig.  243  wiedergegebene  Pumpe 
haben  wir  bezüglich  ihres  Bewegungsmechanismus  bereits  betrachtet.  Dass 
die  Kolbenbewegung  derselben  bei  dem  mangelhaften  Kolbenschluss  eine  viel 
zu  langsame  ist,  nmss  man  dem  Kinematiker  Ramelu  zu  gute  halten. 

Auf  dieselbe  Weise  werden  auch  die  Pumpenkolben  auf  den  Blättern  24 
und  25  bewegt;  doch  sind  die  Cylinder  hier  sehr  weit  und  sind  vier,  be- 
ziehungsweise zwei  Saugventile  im  Cylinderboden  angebracht.  Bei  der  Pumpe 
auf  Blatt  24  schliessen  auch  vier  Steigrohre  mit  Druckventilen  an  die  Seiten- 
wand des  Gylinders  an,  während  bei  der  Pumpe  auf  Blatt  25  zwei  unten  mit 
Löchern  versehene  Steigrohre  vom  Boden  des  oben  offenen  Gylinders  aus  senk- 
recht aufsteigen  und  dem  Kolben,  der  sie  mit  aufgegossenen  Hülsen  umschliesst, 
gleichzeitig  als  Führung  dienen. 

Eine  ähnliche  Pumpe  auf  Blatt  23  hat  dagegen  nur  ein  weites,  derartiges 
Steigrohr  in  der  Mitte  des  Gylinders.  An  der  dasselbe  umschliessenden  Hülle 
sind  zwei  Zahnstangen  einander  gegenüber  befestigt,  in  welche  zwei  Getriebe 
eingreifen,  die  gleichzeitig  so  bewegt  werden,  dass  sie  die  Hülse  mit  dem 
Kolben  auf  und  nieder  schieben.  Die  weiten  Gylinder  sind  bei  diesen  Pumpen 
innen  mit  Längsnuten  und  die  Kolben  mit  da  hinein  passenden  Nasen  ver- 
sehen, um  die  Drehung  derselben  zu  verhindern. 

Bei  der  auf  Blatt  74  dargestellten  Pumpe,  deren  Bewegungsmechanismus 
in  Fig.  245  skizzirt  ist,  ist  ein  sehr  weiter  Gylinder  durch  eine  diametrale 
Scheidewand  in  zwei  halbcylindrische  Pumpenstiefel  getheilt  und  die  röhren- 
förmigen Kolbenstangen  sind  über  den  Schwerpunkten  der  halbmondförmigen 
Kolben  befestigt,  wodurch  sie  nahe  zusammenkommen. 

Die  Blätter  5,  6,  7,  9,  10  und  11  zeigen  Pumpen,  bei  denen  das  Steig- 
rohr   mit  dem  Gylinder   durch    ein    kastenförmiges  Gehäuse    verbunden   ist. 


Oscillirende  KurbelBchlufe,  Kettentransmiasion,  Ventile.  223 

irelcbes  den  Ben-egungsmechaiusmus  (eine  gekröpfte  Axe  mit  Flügelstange, 
oder  eine  vertikale  Scbraubenaxe  mit  eingreifenden  Zahnstangen,  oder  Zahn- 
räder mit  Zahnstangen)  utnschliesst ,  wie  wir  eine  solche  Pumpe  schon  bei 
Agricola  (vergl.  S.  136  unten)  kennen  gelernt  haben. 

Als  Kuriositäten  mögen  auch  Eamelu's  Pumpen  mit  ringförmig  ge- 
bogenen Cylindern  erwähnt  werden,  wie  sie  sich  auf  den  Blättern  13  und 
H  durch  Schrauben  mit  Zahnbogen  und  auf  Blatt  15  durch  Latemengetriebe 
mit  Zabnbogen  bewegt,  abgebildet  finden.  Die  erstere  dieser  Pumpen  ist  in 
unserer  Fig.  260  wiedergegeben.  Es  etossen  hier  zwei  gekrümmte  Pumpen- 
cylinder  mit  den  Böden  zusammen,  so  dass  sie  zusammen  einen  halben  Ring 
bilden.    Im  Üebrigen  bedarf  die  Zeichnung  wohl  keiner  Erklärung. 


Noch  kühner  ist  die  Konstruktion  der  auf  Blatt  54  abgebildeten  und 
durch  ansere  Fig.  261  wiedergegebenen  Pumpe  mit  ringförmig  gebogenen 
Cylindern.  Diese  sind  auf  der  Innenseite  aufgeschlitzt.  Ueber  dem  Schlitze 
bewegt  sich  ein  an  die  äussere  ringförmige  CylinderSäche  dicht  anschliessender 
Schieber,  an  welchem  der  Kolben  befestigt  ist.  Gegen  das  Ende  seines  Hubes 
hin  lässt  der  Schieber  den  Schlitz  an  einem  Ende  offen,  und  da  die  Pumpe 
unter  Wasser  steht,  dringt  dieses  durch  die  so  entstandene  Oeffnung  in  den 
Cylinder.  Beim  Rückgänge  schliesst  der  Schieber  zunächst  den  Schlitz  und 
der  Kolben  drückt  dann  das  Wasser  durch  das  Steigventil  in  die  Höhe.  Das 
Pumpwerk  hat  zwei  doppeltwirkende  derartige  Cylinder. 

Giebt  man  bei  dieser  Pumpe  dem  gekrümmten  Pumpenstiefel  einen  vier- 
eckigen Querschnitt  und  macht  den  Schlitz  so  breit  wie  die  Stiefelweite,  d.  h. 
nimmt  man  an  seiner  Statt  einen  gekrümmten,  nach  innen  offenen  Kasten,  so 
erhält  man  die  auf  Kahelu's  Blatt  104  dargestellte  und  in  unserer  Fig.  262 
wiedergegebene  Pumpe. 


234  Agostino  Ram«lli. 

Läüst  man  alsi]ann  den  KriimmungsradiuB  des  Kastens  unendlich  gross 
werden,  so  gelangt  man  za  der  auf  Blatt  102  abgebildeten  und  in  Fig.  263 
wiedergegebenen  einfach  kastenförmigen  Pumpe.  Hierbei  ist  die  Ein- 
richtung getroffen,  dass  sich  die  eine  Seitenwaad  und  der  Deckel  durch  SteU- 
schrauben  etwas  nach  innen  verschieben  lassen,  wodurch  nach  erfolgter  Ab- 
nutzung des  Kolbens  wieder  ein  dichter  Schluss  hergestellt  werden  soll. 

Auf  Blatt  103  ist  dieselbe  Pumpe  mit  der  Abänderung  dargestellt,  dass 
der  Kastendeckel  mit  dem  Kolben  durch  ein  Seil  hin-  und  hergezogen  wird, 
welches  einigemal  um  eine  Walze  geschlungen  ist,  und  dessen  beide  Enden 
über  Leitrollen  geführt  und  mit  den  Enden  des  schiebbaren  Deckels  verbunden 
sind.  Durch  abwechselndes  Rechtsum-  und  Linksumdrehen  dieser  Walze  wird 
1  der  Deckel  mit  dem  Kolben  hin-  nnd  hergeschoben. 


Bei  diesen  Kastenpumpen  sind  innerhalb  darch  Kanäle  die  AnsstrÖmongen 
von  den  beiden  Enden  in  ein  gemeinschaftliches  Anströmungsrobr  zusammen- 
geführt. Ranelu  empfiehlt  dieselben  zum  Entleeren  von  Baugruben,  bei  denen 
das  Wasser  unrein  nnd  die  Förderhöhe  gering  ist 

Die  Pumpen  mit  gekrümmtem  Stiefel  von  rechteckigem  Querschnitt  bilden 
den  Uebei^ang  von  den  gewöhnlichen  Kolbenpumpen  zu  denjenigen  mit 
schwingenden  Kolben  nach  Art  der  sogenannten  Bramah- Pampen, 
denn  diese  entstehen,  wenn  man  bei  jenen  den  Krümmungsradius  des  Stiefels 
SU  klein  wählt,  dass  der  Krümmungsmittelpunkt  in  den  Kasten  hineinfällt,  be- 
ziehungsweise der  schiebbare  Deckel  des  Kastens  durch  die  Nabe  des  schwingen- 
den Kolbens  ersetzt  wird.  Solche  Pumpen  sind  auf  den  Blättern  67,  68  nnd 
69  von  Ramelli  abgebildet  und  die  erstere  in  unserer  Fig.  240  wiedergegeben. 

Selbstverständlich  lassen  sich  solche  Pumpen  auch  mit  vertikaler 
Aze  anordnen  und  lassen  sich  auch  zwei  diametral  einander  gegenüber  ao- 


Eastenpampeu,  Pampen  mit  schwingenden  Kolben,  Eorbel-Kapselnerke.  225 

geordnete  Pumpen  dieser  Art  von  einer  gemeinschaftlichen  Aze  aus  betreiben. 
Werden  dabei  die  Kolbendicken  und  die  Amplituden  der  Kolbenschwingungen 
fio  gewählt,  dass  die  beiden  Gehäuse  zu  einem  Cylinder  mit  diametraler  Scheide- 
wand zusammenwachsen,  macht  man  die  vertikale  Kolbenaxe  hohl,  stellt  sie 
fest  und  benutzt  sie  als  Steigrohr,  während  die  KolbAi  mit  gemeinschaftlicher 
Nabe  darum  drehbar  gemacht  werden  und  versiebt  den  Kolben  und  den  Fuss 
des  Steigrohres  mit  den  nöthigen  Kanälen  und  OefTnungen,  damit  das  Wasser 
bei  geeigneten  Stellungen  der  Kolben  in  die  Steigröhre  hineingetrieben  werden 
kann,  so  erhält  man  die  auf  den  Blättern  53  und  105  dargestellte  Pumpe 
Ramelu's,  von  welcher  unsere  Fig.  264  einen  nahe  dem  unteren  Cylinderboden 
genommenen,  von  oben  gesehenen  Querschnitt  zeigt.  Bei  der  hier  gezeichneten 
Kolbenstellung  tritt  das  Wasser  durch  die  offenen  Schlitze  im  Boden  in  den 
Cylinder.  Bei  Eechtsdrehung  der  Kolben  werden  diese  Schlitze  abgesperrt,  der 
Weg  nach  dem  Steigrohre  geöffnet  und  das  im  Cylinder  eingeschlossene  Wasser 


in  dieses  gedrückt.  Gegen  Ende  des  Hubes  öffnen  sich  die  Schlitze  im  Boden 
wieder  und  das  Wasser  dringt  nun  hinter  den  Kolben  in  den  Cylinder,  um 
beim  Rückgange  derselben  in  die  Steigröhre  gedrückt  zu  werden. 

Von  sogenannten  rotirenden  Pumpen  oder  Kurbel-Kapsel  werken 
findet  man  bei  Bahelli  drei,  beziehungsweise  vier  verschiedene  Arten,  von  denen 
zwei  in  Reuleaux's  Kinematik  S.  361  und.374  beschrieben  sind.  Die  erste  ist 
die  bekannte  Konstruktion  Fig.  265.  Wenn  Reuleaux  sagt,  Rahiixli  habe  sich 
bei  dieser  Pumpe  mit  dem  einigermassen  ausreichenden  Scblnss  durch  die 
Schwere  der  Schieber  begnügt,  so  erscheint  dies  insofern  einigermassen  zweifel- 
haft, als  auf  dem  Blatte  38  des  letzteren,  welches  eine  solche  Pumpe  dar- 
stellt, ein  einzelner  Schieber,  wie  bei  A  (Fig.  265]  herausgezeichnet  ist,  und 
diese  Form  es  wahrscheinlich  macht,  dass  in  den  Ansechnitt  a  des  Flügels 
eine  mit  dem  Boden  des  Gehäuses  fest  verbundene  und  mit  dem  Umfange  des- 
selben koncentrische  Rippe  passte,  welche  die  Flügel  so  führte,  dass  sie  mit 
der  cylindrischen  Anssenwand  stets  in  Berührung  bleiben  mussten.  Weitere 
Anhaltspunkte  finden  sich  allerdings  hierfür  nicht,  im  Gegentheile  spricht  die 
B«ck.  15 


236 


AgMtiDo  Ramelli. 


Äbbildnng  (Fig.  265,  Hauptfigur)  insofern  dagegen,  als  der  linksstehende  Flügel 
nicht  mit  der  Aussenwand  in  Berüfarang  stehend  gezeichnet  ist. 

Die  zweite  Art  rotirender  Ftunpen,  welche  Beuleauz  auf  Seite  374  seiner 
Kinematik  bespricht,  ist  auf  den  Blättern  39  und  107  abgebildet  und  in 
unserer  Fig.  266  wiedergegeben,  und  Pumpe  Fig.  267,  welche  dem  Blatte  51 


Ramelu^s  entnommen  ist,  zeigt  in  ihrer  Konstruktion  nur  eine  geringe  Ab- 
weichung von  ersterer.  Hier  sagt  unser  Autor  in  der  Beschreibung  von  den 
Flügeln  ausdrücklich;  „sie  öffnen  sich  durch  ihre  Schwere",  nnd  es  wird  femer 
gesagt:   „indem  besagte  Fl^cl  sich  dieser  Ei^e  (d.  h.  der  Berührungsstelle 


zwischen  dem  rotirenden  Cylinder  und  dem  Gehiiuse)  nahem  (d.  h.  wenn  die 
Enden  der  Flügel  die  Mündung  des  Steigrohres  passirt  haben),  schliessen  sie 
sich,  einer  nach  dem  andern,  dnrch  den  Druck  des  Wassers,  welcher  von  dem 
Steigrohre  aus  über  sie  kommt."  Der  Umstand,  dass  die  Flügel  in  dieser 
Stellung  durch  die  vereinigte  Wirkung  des  Wasserdrnckes  und  der  eigenen 
Schwere  energisch  gegen  den  rotirenden  Cylinder  gepresst  werden,  gab  wohl 
die  Veranlassung,  bei  der  Konstruktion  Fig.  267  den  rotirenden  Cylinder  koQ- 


Lederbdlgpuinpen,  Scb&pfrader,  WasseTScIiraubeD. 


227 


oentrmch  in  das  Gehäuse  zu  setzen  imd  dieses  innen  bei  a  mit  einem  Stege 
za  versehen,  welcher  die  Beriihmog  zwischen  beiden  herstellt.  Dieser  Steg  ist 
zwar  ans  lUuELirs  Abbildung  nicht  ersichtlich,  in  der  Beschreibung  aber  wird 
gesagt :  „neben  der  Einmündung  des  Steigrohres  befindet  sich  ein  Steg  (traverse) 
von  der  Höbe,  welche  die  Flügel  haben,  wenn  sie  geöffnet  sind." 

Auf  den  Blättern  40,  49  und  109  ist  eine  andere  Art  rotirender  Pampen 
dargestellt,  welche  Reuleaux  in  seiner  Kinematik  nicht  als  BAMELu'sche  an- 
führt. Wir  geben  die  beiden  Modifikationen  von  Blatt  40  und  109  in  unseren 
Figuren  268  und  269  wieder.  Sie  stimmen  im  wesentlichen  mit  dem  Mechanis- 
mus überein,  welchen  Reuleaux  auf  Seite  351  seiner  Kinematik  als  rotirende 
Dampfmaschine  von  Yule  (1836)  und  von  Hall  (1869)  bezeichnet;  nur  hat  bei 
dieser  der  rotirende  Cylindec  nur  eine  Erhöhung,  die  sich  über  den  ganzen 


Flg.  £72. 

Umfang  erstreckt,  so  dass  er  die  Form  einer  excentrischen  Kreisscheibe  an- 
nimmt, während  er  bei  Kakelm  mit  mehreren  Erhöhungen  versehen  ist,  so 
dass  sein  Umfang  mehrfach  gewellt  erscheint 

Es  ist  jedoch  hervorzuheben ,  dass  Kahelu  die  rotirenden  Pumpen  nie- 
mals Wasser  ansaugen  lasst.  Ein  SaugvermÖgen  war  bei  der  mangelhaften 
Ausführung  derselben  in  damaliger  Zeit  entweder  nicht  vorhanden  oder  unserem 
Autor  unbekannt.  Er  stellt  diese  Pumpen  immer  so  weit  nnter  Wasser,  dass 
dieses  von  selbst  in  die  Pumpe  fiiesst  und  spricht  nur  von  der  fortschieben- 
den Wirkung  derselben. 

Lederbalgpumpen  dagegen,  wie  wir  sie  dem  Blatte  66  entnommen 
und  in  Fig.  270  dargestellt  haben,  werden  von  Bahelli  immer  nur  als  reine 
Säugpumpen  angeordnet.  Auf  Blatt  65  ist  ein  grösseres  Pumpwerk  mit  zwei 
solcher  Pumpen,  die  durch  ein  horizontales  Wasserrad  betriehen  werden,  dar- 
gestellt.   Solche  Balgpumpeo  finden  sidi  schon  unter  den  nachfolgend  von  uns 


228  Agostino  Ramelli. 

abgehandelten  Skizzen  ans  der  Zeit  der  Hussitenkriege,  sowie  anch  anter  den 
vorstehend  abgehandelten  Skizzen  von  Leonardo  da  Vinci  dargestellt. 

Von  anderen  Wasserfördermaschinen  findet  man  bei  Ramelli  zunächst 
das  Schöpfrad  und  die  Archimedische  Schraube,  wie  sie  Vftruv  be- 
schreibt. Meist  werden  mehrere  Exemplare  der  einen  oder  der  anderen  Art 
so  übereinander  angeordnet,  dass  sie  das  Wasser  einander  zubringen,  um  eine 
grössere  Förderhöhe  zu  erzielen.  Auf  Blatt  57  findet  sich  eine  Anordnung, 
welche  von  der  von  Cardanus  beschriebenen  ^^Augsburger  Maschine^  (Fig.  200, 
S.  180)  nur  dadurch  abweicht,  dass  die  Schnecken  die  von  Vitruy  angegebene 
Konstruktion  haben  und  nicht  aus  spiralförmigen  gebogenen  Bohren  herge- 
stellt sind. 

Die  Konstruktion  der  Schöpfräder  Ramelu^s  ist  die  in  Fig.  271  wieder- 
gegebene. Oft  findet  man  sie  auf  verstellbare  Hölzer  gelagert,  welche  zwischen 
zwei  Pfosten  geführt  sind  und  durch  zwei  Schrauben  dem  jeweiligen  Wasser- 
stande entsprechend  gehoben  oder  gesenkt  werden  können  (Pansterräder). 

Auf  Blatt  98  ist  ein  durch  ein  unterschlächtiges  Wasserrad  betriebenes 
Becherwerk  (Eimerkunst]  dargestellt,  um  das  Wasser  aus  dem  Flusse  zu 
schöpfen,  auf  Blatt  87  aber  ein  durch  ein  Tretrad  betriebenes  Becherwerk  zum 
Fördern  des  Wassers  aus  einem  Brunnen.  Neu  daran  erscheint,  dass  die  Eimer 
mit  einer  Yentilationsvorrichtung  versehen  sind,  durch  welche  die  Luft  ent- 
weichen kann,  wenn  die  Eimer  mit  der  Mündung  zu  unterst  in  das  Wasser 
getaucht  werden.  Diese  besteht,  soweit  sich  aus  der  Abbildung  und  Beschreibung 
erkennen  lässt,  aus  zwei  übereinander  gestülpten  Röhren  (Fig.  272).  Die  innere 
Röhre  geht  durch  den  Boden  des  Eimers  und  ist  oben  durch  einen  Deckel  mit 
einem  kleinen  Loche  theilweise  geschlossen.  Die  darüber  gestülpte  Bohre  lässt 
am  Boden  des  Eimers  einen  Durchgang  für  die  Luft  offen  und  muss  oben  ge- 
schlossen sein.  Die  Luft  dringt  zunächst  in  den  Zwischenraum  zwischen  beiden 
Bohren  und  entweicht  durch  das  Loch  im  Deckel  der  inneren  Röhre.  Wäre 
diese  oben  ganz  offen  und  der  Zwischenraum  genügend  w^eit,  so  würde  diese 
Vorrichtung  als  sogenannter  ;ygedoppelter  Heber^  yrirken  und  während  des 
Aufsteigens  des  gefüllten  Eimers  Wasser  aus  demselben  ziehen.  Ist  aber  der 
Zugang  zu  dem  inneren  Rohre  so  eng,  dass  das  Wasser  dieses  nicht  ausfüllen 
kann,  so  hört  diese  nachtheilige  Wirkung  auf. 

Ein  Paternoster  werk,  durch  ein  Windrad  betrieben,  findet  sich  auf 
Blatt  73.  Dasselbe  stimmt  in  seiner  Konstruktion  mit  dem  von  Agricola  be- 
schriebenen überein  (vergl.  Fig.  156,  S.  138). 

Ziehbrunnen  sind  auf  den  Blättern  75  bis  92  in  17  verschiedenen 
Konstruktionen  abgebildet.  Als  weiterer  Beweis  dafür,  dass  die  Umkehrung 
der  Mechanismen  den  Kinematikem  des  16.  Jahrhunderts  geläufig  war,  er- 
wähnen wir  davon  besonders  diejenigen,  bei  welchen  umgekehrte  Potenzflaschen- 
züge oder  Rollenzüge  angewendet  werden,  um  einen  kleinen  Eimer  voll  Wasser 
rasch  zu  heben. 


Becherwerke,  Fs<eraoBter werke,  Zielibrunnen,  ichwingende  Binnen.  229 

Ganz  eigenthümliche  Wasserhebmaschinen  sind  die  ans  echwingendea 
Binnen  zusammengesetzten  Apparate  Ramelu'b.  Die  einfache  schwingende 
Rinne,  wie  sie  anf  Blatt  112  angewendet  wird,  um  Wasser  in  einem  durch 
Spundwände  abgegrenzten  Theile  eines  Flusses  auszuschöpfen,  ist  in  unserer 
Fig.  273  abgebildet,  die  wohl  keiner  weiteren  Erklärung  bedarf.  Blatt  95 
zeigt,  wie  durch  eine  fortlaufende  Reibe  solcher  Rinnen,  die  alle  gleichzeitig 
in  verschiedenen  Richtungen  durch  ein  Wasserrad  bewegt  werden,  Wasser  einen 
Berg  hinan  gefördert  werden  kann  (vergl.  nachstehende  Abhandlung  Über 
JrANELO  Ttriano),  Und  Blatt  96  zeigt,  wie  durch  eine  Anzahl  senkrecht  über- 
einander angeordneter,  schwingender  Rinnen,  bei  ähnlicher,  gleichzeitiger  Be- 
wegung Wasser  in  einer  Zickzacklinie  nach  einem  Punkte  befördert  werden 
kann,  der  in  beliebiger  Höhe  senkrecht  über  dem  Ausgangspunkte  liegt. 

Auf  den  Blättern  113  bis  133  sind  21  verschiedene  Anordnungen  tou 
Getreidemühlen  abgebildet,    welche  durch  die  verschiedenen,   bereits  ge- 


nannten Motoren  bewegt  werden  sollen.  Wir  begegnen  hier  zum  ersten  Male 
dem  Schuh  mit  Ruttelwerk  über  dem  Läufersteine,  während  wir  denselben 
als  Bestandtheil  einer  Beutelmaschine  schon  bei  Cardanus  beschrieben  fanden 
(vergl.  S.  182).  Der  Schuh  ist  bei  Rahelli  mit  Schnüren  an  den  Trichter 
gehängt.  Das  Rüttelweilchen  ist  horizontal  Über  dem  Läufersteine  in  dem 
Trichterstuhle  gelagert  nnd  ist  nach  unten  mit  einem  Daumen  versehen,  an 
welchen  ein  anderer  in  den  Läuferstein  eingelassener  Daumen  bei  jeder  Um- 
drebong  einmal  anstösst  und  das  Rüttelwellcben  in  pendelnde  Bewegung  ver- 
setzt. Diese  wird  entweder  durch  einen  zweiten  Daumen  an  dem  Rüttelwellcben, 
wie  aus  Fig.  226  ersichtlich,  oder  durch  Schnüre  auf  den  Schuh  übertrafen. 
Bei  dieser  Einrichtung  musste  die  Zarge  oben  offen  sein,  wie  bei  den  Mühlen, 
welche  Agricola  beschreibt,  während  wir  bei  Besson  schon  oben  geschlossene 
Zargen,  aber  noch  keinen  Schuh  mit  Rüttelwerk  fanden. 

Die  Aufhelfe  besteht  bei  RAweLLi  entweder  in  einem  Keil,  welcher  unter 
das  eine  Ende  des  andererseits  um  einen  Scbamierbolzen  drehbaren  Spur- 
pfannenträgers  geschlagen  wird,  oder  in  einem  doppeUrmigen  Hebel,  welcher 


230  Agostino  Ramelli. 

das  bewegliche  Ende  des  Spurpfannenträgers  aufwärts  zieht,  indem  sein  anderer 
Arm  durch  Gegengewichte  belastet  wird.  Letztere  Anordnung  dürfte  schwer- 
lich in  der  Praxis  angewendet  worden  sein,  da  es  sich  bei  einer  Aufhelfe  darum 
handelt,  den  Lfäufer  in  eine  bestimmte  Entfernung  vom  Bodenstein  zu  stellen, 
nicht  aber  darum,  sein  Gewicht  ganz  oder  theilweise  abzubalanciren. 

Auf  Blatt  119  hat  Ramelli  auch  einen  Mahlgang  mit  Beutelkasten 
und  Stellvorrichtung  für  den  Schuh  zur  Regulirung  des  Einlaufes  ab- 
gebildet. Leider  ist  aber  diese  Abbildung  in  sehr  kleinem  Massstabe  ausge- 
führt und  stellenweise  unklar.  Dass  solche  Beutelkasten  schon  zu  Anfang  des 
16.  Jahrhunderts  in  Deutschland  gebräuchlich  wurden,  haben  wir  bereits  in 
unserer  Abhandlung  über  Cardanus  S.  181  erwähnt. 

Was  die  Frage  anbelangt,  wie  schnell  Ramglu  die  Läufersteine  von  Ge- 
treidemühlen umlaufen  liess,   so  lässt  sich   darüber  zwar  nichts  Bestimmtes 
sagen,    da  Ramelu  in  seinen  Beschreibungen  keinerlei  Zahlen-  und  Massan- 
gaben macht,  aber  schätzungsweise  lässt  sich  sagen,  dass  die  Umdrehungszahl 
der  Läufersteine  kaum  30  in  der  Minute  überstiegen  haben  dürfte.    Eine  auf 
Blatt  120  dargestellte  Rossmühle  hat  siebenfache  Räderübersetzung.    Die  Um- 
drehungszahl des  Göpels   darf  etwa  auf  vier  in  der  Minute  geschätzt  werden 
und  dann  ergeben  sich  für  den  Läuferstein  28  Touren.    Bei  einer  Mühle  für 
Handbetrieb  wird  erst  fünffach  ins  Langsame  und  dann  wieder  dreifach  ins 
Schnelle    übersetzt.    Für  die  Handkurbel   wird   man   höchstens  45  Touren  in 
der  Minute  annehmen  dürfen  und  erhält  dann  für  den  Läuferstein  27  Touren 
in  der  Minute.    Auf  Blatt  116   ist  ein  Mahlgang   mit  oberschlächtigem,    auf 
Blatt  118   ein  solcher    mit  unterschlächtigem  Wasserrade  abgebildet.    Beide 
haben  3  Vs  fache  Räderübersetzung.    Wenn  man  annimmt,  dass  die  Mühlsteine 
etwa  1  m  Durchmesser  gehabt  hätten,  so  ergiebt  sich  aus  der  Zeichnung  für 
die  Wasserräder  etwa  ein  Durchmesser  von  3Vs  m.    Die  Umfangsgeschwindig- 
keit  derselben  wird  man  etwa  zu  1,5  m  annehmen  dürfen   und   erhält  dann 
etwa  8  Umdrehungen  in  der  Minute  für  das  Wasserrad  und  wiederum  etwa 
28  Touren  für  den  Läuferstein  (vergl.  hiermit  die  Angaben  von  Zonca).    Diese 
geringe  Umdrehungszahl  wird  weniger  auffallend  erscheinen,    wenn   man   in 
Betracht  zieht,   dass  Belidor   (1737)  in  seiner  „Architectura  hydraulica^  die- 
selbe für  einen  Mahlgang  für  Pferdebetrieb  zu  42  (§  685),  für  eine  Mühle  mit 
Wasserrad   zu  60  (§  662)  angiebt.     Berücksichtigt    man    femer,    dass    diese 
Umdrehungszahl  seitdem  auf  das  Zwei-  bis  Dreifache  gestiegen  ist,    so  wird 
es  wahrscheinlich ,   dass  dieselbe  überhaupt  mit  der  Zeit  immer  mehr  zuge- 
nommen hat  und  damit  wird  auch  wahrscheinlich,  was  wir  über  die  ersten,  in 
der  Abhandlung  von  Vitrüv  (S.  49)  beschriebenen  \yassermühlen  gesagt  haben, 
dass  man  nämlich  nicht  zu  glauben  brauche,  es  sei  ein  Schreibfehler,  wenn  in 
der  handschriftlichen  Kopie  von  Vitrüv's  Werk  zu  lesen  ist,   in  das  Zahnrad 
auf  der  Wasserradwelle  habe  ein  grösseres  auf  der  Mühlspindel  sitzendes 
gegriffen.    Denn  es  ist  anzunehmen,  dass  die  Läufersteine  dieser  ersten  Wasser- 


OntreidemÜbleD,  eiMme  Walzen  roQhlen.  231 

miiblen  nicht  viel  schaeller  gingen,  als  die  der  Hand-  \md  Eselsmüblen,  welche 
bei  ihrer  Konstruktion  als  Muster  dienten  und  bei  welcben  der  Stein  nicht 
Echneller  als  die  Hand  oder  der  Esel  im  Kreise  berumging. 

Rahelli  hat  übrigens  nicht  nur  Stelnmuhlen  zum  Zermahlen  von  Getreide 
gekannt,  sondern  auf  seinem  Blatte  129  ist  auch  eine  eiserne  Walzen- 
mühle für  Handbetrieb  abgebildet,  welche  in  unserer  Fig  274  im  Langen- 
Ecbnitte  dargestellt  ist.  Das  Getreide  wird  hier  zwischen  einer  geriffelten,  nach 
einer  Seite  hin  etwas  verjüngten  Stahlwalze  und  einem  umschliessenden,  eben- 
falls geriffelten  Hohlkegel  aus  dem 
gleichen  Material  zerrieben.  Durch 
Stellschrauben  kann  das  hintere 
Zapfenlager  verschoben  und  die 
Mühle  dadurch  enger  oder  weiter 
gestellt  werden. 

Bevor  wir  die  Getreidemühlen 
verlassen,  wollen  wir  noch  erwähnen, 
dass  auf  Blatt  116  ein  Mahlgang 
mit  oberschlächtigem  Wasserrade 
abgebildet  ist,  welches  gleichzeitig 
eine  Pumpe  betreibt.  Dieses  fordert  einen  Theil  des  Unterwassers  wieder 
in  den  Obergraben,  um,  wie  es  in  der  Beschreibung  heisst,  dem  Wasserrade 
behüläich  zu  sein.  Da  dieser  verfehlte  Gedanke  bei  Scliriflstellem  des  folgen- 
den Jahrhunderts  und  hier  und  da  wobl  auch  in  unklaren  Köpfen  unserer 
Zeit  immer  wieder  auftaucht  und  oft  zu-  dem  Glauben  an  die  Erfindung 
des  Perpetuum  mobile  geführt  hat,  ist  es  nicht  ganz  ohne  Interesse,  zu 
wissen,  dass  er  sich  schon  bei  Rahelli  findet  und  bei  Späteren  nicht  ein- 
mal  mehr  als  neu  gelten  kann. 

Vielfach  hat  man  auch  ein  Rad  dadurch  in  immerwährende  Bewegung 
setzen  zu  können  geglaubt,  dass  man  darin  Gewichte  anbrachte,  welche  sich 
auf  der  einen  Seite  von  der  Vertikalebene  durch  die  Drehnngsaze  durch 
Fortrollen  oder  Umschlagen  eines  Hebels,  an  dem  sie  befestigt  waren,  weiter 
entfernten  und  sich  auf  der  anderen  Seite  der  Mittelebene  wieder  näherten. 
Auch  diese  verfehlten  Ideen  liegen  schon  bei  Rahelli  der  Konstruktion  eines 
Schöpfrades  auf  Blatt  43  zu  Grunde;  doch  bemerkt  er  in  der  Beschreibung  dazu : 

„Ihr  niüsst  aber  wissen,  dass  das  Innere  dieses  Rades  einem  hohen  Herrn  zu 
Gefallen  so  gemacht  wurde,  welcher  mich  darum  bat,  weil  er  dachte,  da  der  Lauf 
des  Flusses  zu  langsam  war,  dies  mQsste  dem  Rade  helfen.  Nun  mag  sich  Jeder 
desselben  bedienen,  je  nachden)  er  glaubt,  dass  ea  dem  Zwecke  entspreche." 

Auf  den  Blättern  134  und  135  sind  zwei  Arten  von  Steinsägen  ab- 
gebildet, deren  Bewegungsmechanismen  in  den  Fig.  275  und  276  wiedergegeben 
sind.  Dass  Steinsägen  mit  Wassen-adbetrieb  schon  im  vierten  Jahrhundert  in 
Deutschland  an  dem  Flusse  Roer  (Regierungsbezirk  Aachen)  vielfach  im  Be- 


iEB  AgoBtino  RamellL 

triebe  waren,  geht  aas  einer  Stelle  des  Ausomus  hervor,  welcher  378  n.  Chr. 
Fräfekt  von  Gallien  w-orde.  In  seinem  Gedichte  „Mosella"  sagt  dieser  von 
dem  Flusse  Erebrus  (Roer): 

„Da  er  mit  schnell  gedrehten  St^nen  Getreide  zerreiBst  und  knirschende  Sägen 
durch  glatten  Marmor  zieht,  hört  das  Ufer  den  immerwährenden  Länn  von  beiden." 


Fig.  27S. 

Auf  Blatt  136  ist  eine  Holz-Sägemühle  abgebildet,  wie  aus  Fig.  277 
ersichtlich.  Dieselbe  unterscheidet  sich  wenig  Ton  den  älteren,  einfachen 
Schneidemühlen  unserer  Zeit,  doch  erfolgt  der  Vorschub  des  Blockwagens  noch 
durch  ein  Seil,  welches  sich  ebenso,  wie  die  Kette  bei  Besson's  Uandsägemühle 


FlB.  !7S. 

{Fig.  211,  S.  192),  um  eine  Walze  schlingt  und  mit  Haken  an  seinen  Enden 
je  ein  Ende  des  Blockwagens  erfasst.  Die  Walze  erhält  ihre  Bewegung  durch 
das  aas  Fig.  277  ersichtliche  Schaltwerk. 

Blatt  137  zeigt  eine  Schmiede,  in  der  vier  Blasebälge  durch  ein  Wasser- 
rad vermittelst  einer  Hebeltransmission  (eines  Kunstgestänges)  betrieben  werden. 
Diese  hat  Aehnlichkeit  mit  der  von  BnuNGUccio  angegebenen  (vergl.  Fig.  134,  S.  120). 


stein-  and  EolzsAge werke,  HebemBachioen.  233 

Blatt  138  zeigt  einen  Anfang  mit  direktem  Pferdebetrieb  zur  Förderung 
Ton  Erde  aus  einem  Festutigsgraben,  Blatt  139  ein  Becbern-erk  zu  dem  gleichen 
Zwecke,  wie  wir  es  schon  bei  Besson  gefunden  haben. 

Auf  den  Blättern  140  bis  153  sind  verschiedene  fahrbare  Brücken  und 
Pontons  zum  Ueberschreiten  trockener  und  nasser  Festungsgräben  dargestellt. 

Auf  den  Blättern  154  bis  167  sind  verschiedene  kompendiöse,  leicht 
transportable  Winden  nnd  Brechwerkzeuge  abgebildet,  um  Riedel  und  Angeln 
Ton  Festungsthoren  und  Gitterstäbe  zu  zerbrechen  oder  aacb  gleichzeitig  die 
Thore  auszuheben. 


Die  Blätter  168  bis  183  zeigen  verschiedene  Winden  nnd  Drehkrahnen 
iur  Bauzwecke,  sowie  zum  Ent-  nnd  Beladen  von  Schiffen  u.  s.  w.,  die  für  uns 
venig  Interessantes  mehr  bieten,  nachdem  wir  die  von  unserem  Autor  ange- 
wendeten Mechanismen  bereits  kennen  gelernt  haben.  Diese  sind  hier  auf  die 
mannigfaltigste  Weise  kombinirt,  wobei  Ramelu  mit  seinen  Uebersetznngen  oft 
bis  ins  Ungeheuerliche  geht.  Schon  Leupold  (1724)  hat  darauf  hingewiesen, 
dass  weder  die  MaschinengeBtelle,  noch  die  übrigen  Konstniktionstheile  für  die 
Kräfte  genügen  konnten,  welche  bei  solchen  Uebersetzungen  auftreten  müssten, 
nnd  dass  die  Arbeiter  bei  vielen  dieser  Maschinen  ihr  Leben  lang  an  der 
Kurbel  drehen  müssten,  um  die  angehängt«  Last  eine  nennenswerthe  Strecke 
weit  fortzubewegen. 


234  AgosÜDO  Ranielli. 

Auf  den  Bliittern  184  bis  187  finden  sich  einige  künstlerisch  ausgestattete 
pneumatische  Spielwerke  nach  der  Art  Heron's  des  Aelteren. 

Blatt  188  zeigt  eine  grosse  Trommel,  die  sich  um  eine  feststehende 
horizontale  Axe  dreht.  Am  Umfange  der  Trommel  gleichmässig  vertheilt, 
ist  eine  grössere  Anzahl  von  Lesepulten  angebracht,  welche  stets  die  gleiche 
Neigung  g^en  den  Horizont  behalten,  während  ein  vor  der  Trommel  sitzender 
Leser  diese  dreht,  um  verschiedene  auf  die  Pulte  gestellte  Bücher  nacheinander 
zu  Gesicht  zu  bekommen.  Zu  diesem  Zwecke  ist  jedes  Lesepult  auf  einer  in 
den  Böden  der  Trommel  gelagerten  horizontalen  Axe  befestigt,  auf  welche 
aussen  ein  Stirnrad  aufgekeilt  ist,  das  mit  einem  ebenso  grossen,  auf  der  festen 
Hauptaxe  befestigten  Stimrade  durch  ein  Zwischenrad  verbunden  ist. 

Blatt  189  zeigt,  wie  mit  Hilfe  eines  transportablen  Bockgestelles,  an 
welchem  Flaschenzüge  befestigt  sind,  durch  wenige  Pferde  ein  schweres  Ge- 
schütz einen  steilen  Berg  hinan  gezogen  werden  kann. 

Die  Blätter  190  bis  193  zeigen  Wurf-  und  Schleudermaschinen  für  Kriegs- 
zwecke, Blatt  194  eine  Vorrichtung,  um  mit  einer  Kanone  auch  bei  Nacht 
nach  einem  bestimmten  Ziele  schiessen  zu  können,  und  auf  dem  letzten  Blatte 
ist  nochmals  eine  transportable  Pontonbrücke  dargestellt. 


Buonaiuto  Lorini  (geb.  um  1545). 


BüONAiüTO  LoRixi,   ein  Edelmann  aus  Florenz,   wie  aus  dem  Titelblatte 

seines  im  Jahre  1597   zu  Venedig  erschienenen  Werkes  „Delle  Fortificationi" 

hervorgeht,  erweist  sich  in  diesem  durchaus  als  ein  praktischer  Ingenieur.    In 

der  Widmung  an  den  Fürsten  und  die  Signoria  von  Venedig  sagt  er: 

„Sowie  ein  Jeder  dmich  seine  Neigungen  bewogen  wird,  sich  vorzugsweise  einer 
Sache  zu  befleissigen,  entstand  in  mir  während  meiner  Jugendzeit  der  Wunsch,  mich 
dem  Studium  der  Mathematik  und  derjenigen  Arbeiten  zu  widmen,  welche  dem 
Kriegsingenieur  obliegen,  und  gab  mir  den  Muth,  durch  Fleiss  und  Mühe  danach 
zu  streben,  christlichen  Fürsten  dienen  und  Hilfe  leisten  zu  können.  Durch  diese 
natürliche  Neigung  wurde  ich  bewogen,  Flandern  und  andere  Länder  zu  besuchen, 
um  die  verschiedenen  Wirkungen  des  Kri^es  kennen  zu  lernen.  Alsdann  stieg  nach 
mancherlei  Erfolgen  der  Wunsch  in  mir  auf,  in  Euerer  Durchlaucht  und  dieses  hohen 
Senates  Dienste  zu  treten  .  .  .  .,  weil  Ew.  Durchlaucht  den  Staat  gegen  den  mächtigsten 
und  allgemeinen  Feind*  der  Christenheit  vertheidigt  und  deshalb  überall  die  stärksten 
Festungswerke  errichten  liess,  auch  auf  dem  Festlande  viele  edle  Städte  besitzt^ 
welche  durch  Befestigungen,  die  Ew.  Durchlaucht  hat  anlegen  lassen,  nun  fast  alle 
wohl  vertheidigt  sind Bei  diesen  Arbeiten  habe  ich  Ew.  Durchlaucht  sech- 
zehn Jahre  lang  gedient  und  schulde  für  Auftrage  und  Gunstbezeugungen,  die  mir 
zu  Theil  geworden  sind,  unbegrenzten  Dank.  Vornehmlich  war  ich  während  dieser 
Zeit  bei  der  Befestigung  von  Zara  und  dem  Castell  von  Brescia  thätig,  wo  man  aus 
den  verrichteten  Arbeiten  ersehen  kann,  wie  ich  diente,  und  dass  ich  kein  anderes 
Ziel  dabei  im  Auge  hatte,  als  die  gewissenhafte  Erfüllung  meiner  Pflicht  .  .  .  .^ 

In  der  Vorrede  an  den  Leser  sagt  er: 

......  Ueber  diesen  G^enstand  zu  schreiben,  habe  ich  mich  in  der  Hoffnung 

^itschlossen,  die  Gründe  und  Erklärungen,  welche  zum.  Verständniss  der  leichtesten 
und  sichersten  Befestigungsart  beitragen  können,  mit  der  nöthigen  Klarheit  vortragen 
zu  können,  \md  ich  beabsichtige,  dies  mit  allen  Regeln  und  Winken  zu  thun,  welche 
ich  aus  einer  dreissigjährigen,  in  verschiedenen  Ländern  Italiens  und  in  Flandern 
erworbenen  Praxis  ableiten  kann,  wo  ich  mich  bei  denjenigen  Fürsten  und  Herren 
aufhielt,  welche  sich  der  Kriegskunst  am  meisten  widmeten.  Ein  besonders  glück- 
lieber  Anfang  war  es,  als  ich  im  Alter  von  zweiundzwanzig  Jahren  durch  die  Gnade 
des  CosiMO  BEI  Medict,  Grossherzogs  von  Toscana  ruhmreichen  Andenkens  begünstigt» 
in  diesen  Beruf  eingefiünt  wurde,  welcher  Fürst,  wie  allbekannt^  in  allen  königlichen 
und  kriegerischen  Tugenden  mustergiltig  ist  Dadurch  wurde  ich  noch  über  meine 
natürliche  Neigung  hinaus  angetrieben,  jede  Grelegenheit  zur  Erwerbung  derjenigen 
Kenntnisse  aufzusuchen,  welche  mein  Stand  erfordert,  insbesondere  aber  auch  durch 
den  sechzehnjährigen  Dienst  unter  der  hohen  Signoria  von  Venedig,   der  Herrin  so 


236  Baonaiato  Lorini. 

vieler  Grenzfestungen  gegen  den  mächtigsten  Feind,  während  dessen  ich  stets  Be- 
festigungen auszuführen  hatte  und  bei  allen  Gelegenheiten  in  Betreff  von  Festungs- 
werken zu  Rathe  gezogen  wurde ^ 

Mehr,  als  aus  diesen  Stellen  hervorgeht,  ist  über  LoRixfs  Leben  nicht 
bekannt.  Da  er  nm  die  Zeit,  als  er  schrieb,  eine  dreissigjährige  Praxis  hinter 
sich  hatte,  welche  in  seinem  zweiundzwanzigsten  Lebensjahre  unter  Cosimo  dEi 
Medici  begann,  und  da  sein  Werk  1597  erschien,  so  dürfte  etwa  das  Jahr  1545 
als  sein  Geburtsjahr  anzusehen  sein. 

Aus  diesem  Werke  ist  zunächst  das  achte  Kapitel  des  zweiten  Buches, 

welches  von  Hinterladungsgeschützen  handelt,    für  uns   von  Interesse. 

Lorini  sagt: 

yyGeschütze,  welche  von  hinten  geladen  werden,  sind  auf  Galeeren  und  Kriegs- 
schiffen zur  Bequemlichkeit  der  Kanoniere  sehr  gebräuchlich,  damit  diese  beim  Laden 
eine  gedeckte  Stellung  haben  und  schneller  schiessen  können:  bei  der  üblichen  Be- 
schaffenheit aber  werden  sie  durch  das  Entweichen  von  Pulvergas  durch  das  Boden- 
stück  in  ihrer  Wirkung  geschwächt  und  leisten  nicht»  was  sie  leisten  sollten.  Da 
man  indess  die  Ursache  kennt,  so  behaupte  ich,  dass  man  so  nachdrücklich  abhelfen 
könnte,  dass  sie  nicht  nur  für  die  genannten  Kriegsschiffe  tauglich,  sondern  auch 
zur  Vertheidigung  von  Festungen  sehr  geeignet  sein  würden.  Jene  Fehler  entspringen 
niur  aus  ungenügender  Festigkeit  des  Bodenstückes  und  schlechtem  Einpassen  des 
Verschlussstückes  in  die  Geschützkammer  ....  Demzufolge  vermindert  sich  die 
Kraft  des  Schusses  im  Verhältniss  zur  Gasentweichung.  Wäre  diese  beseitigt^  so 
würde  der  Schuss  ebenso  kräftig  sein,  wie  bei  Vorderladern.  Sollte  dies  aber  auch 
bezüglich  eines  minimalen  Theiles  nicht  gelingen,  so  würde  doch  der  Vortheil,  welcher 
aus  der  Sicherheit  der  Bedienungsmannschaft  beim  Laden  und  aus  dem  schnelleren 
Schiessen  entspringt,  so  gross  sein,  dass  man  einige  Unvollkommenheiten  dafür  hin- 
nehmen könnte.  Um  diese  Abhilfe  zu  treffen,  giesse  man  das  Geschützrohr  mit  der 
Seele  so,  dass  diese  sowohl  durch  das  Bodenstück,  als  auch  -durch  das  Vorderstück 
geht,  wie  man  aus  der  Abbildung  (Fig.  278)  ersieht  Durch  die  Mitte  des  Vorder- 
stückes geht  die  Kugel,  welche  bei  dieser  Art  von  Greschützen  acht  Pfund  Gewicht 
nicht  übersteigen  sollte,  am  nützlichsten  aber  sind  solche  von  sechs  und  von  drei 
Pfund " 

Es  folgt  die  Beschreibung  des  Verschlussstückes  mit  genauer  Angabe  der 
Massverhältnisse,  wie  solche  der  Hauptsache  nach  aus  unserer  Zeichnung  er- 
sichtlich sind.  Der  Kugeldurchmesser  bildet  dabei  die  Bezugeinheit.  Dann 
wird  weiter  gesagt: 

„Die  Kammer   und  das  Keilloch  werden  mit  dem  Bohrer,   der  Keil   auf  der 

Drehbank  bearbeitet Letzterer  muss   so  lang  sein,   dass  er  auf  jeder  Seite 

des  Bodenstückes  etwa  um  die  Länge  eines  Kugeldurchmessers  vorsteht  Um  das 
Geschütz  zu  laden,  sind  drei  Dinge  nöthig:  ein  Hammer  von  Eichenholz,  ein  Wischer, 
welcher  genügt,  um  die  Hälfte  des  Rohres,  wie  gebräuchlich,  auszuwischen,  und  die 
Pulversäcke  oder  Kartuschen  mit  dem  Pulver  und  der  Kugel  als  Ladung  darin. 
Diese  werden  so  in  die  Höhlung  der  Bodenstückes  gesteckt,  dass  ihr  Ende  in  die 
Pulverkammer  hineinreicht,  und  wenn  man  dann  das  Verschlussstück  einschiebt,  drückt 
es  die  Klartusche  so  weit,  wie  nöthig,  vor " 

In  Kap.  IX  werden  zwei  andere  Verschlüsse  für  Hinterladungsgeschütze 

in  folgender  Weise  beschrieben: 

„Geschütze  nur  mit  einem  Keil  zu  verschliessen,  ist  sehr  bequem,  aber  keine 
so  sichere  Verschlussart»   wie  die  soeben   beschriebene;  doch  leistet  sie  bei   kleinen 


Leben  »beschreib  nng,  HinUrlsdungsgeachlltze.  237 

Stücken  von  drd  Pfund  Kugelgewicht  genügende  Dienste.  Der  Eeil  kann  von  Eisen, 
von  rechteckiger,  nach  einer  Seite  hin  etwas  verjüngter  Form  gemacht  werden.  Er 
musa  ebenso  wie  das  Kniloch,  in  welchem  er  quer  durch  das  Bodenatück  geschoben 
wird,  auf  das  Genaueste  bearb^tet  sein.  In  der  Mitte  der  schmäleren  Seite  macht 
man  ihn  so  dick,  wie  die  Kugel,  und  giebt  der  anderen  Seite  l'/i  Kugeldurchmesser. 
Diesse  grössere  Breite  kommt  aufrecht  zu  stehen,  so  dass  sie  nach  jeder  Seite  hin 
um  ein  Viertel  Kugeldurchmesser  über  die  Weite  der  Pulverkammer  vorspringt  und 
die  Pulvergase  besser  zurückgehalten  werden  (siehe  Fig.  279).  Die  Länge  des  Keiles 
muss  so  gross  sein,  dass  man  ihn  bequem  herausnehmen  und  einsetzen  kann,  indem 
man  ihn  mit  einem  Hammer  von  Blei  oder  Eichenholz  in  seine  richtige  Stellung  im 

Bodenstücke  bringt Man  kann    sich  auch  bei    dem  vierseitigen  Keile  dnes 

Propfens  {A)  (Fig.  279)  bedienen,  ähnlich  denen,  womit  man  Flaschen  verschliesst 
San  vorderer  Theil  tritt  auf  die  Länge  von  ein  Drittel  Kugeldurchmesser  in  die 
Pulverkammer  herein,  und  B«n  breiterer  Theil,  welcher  nach  jeder  Seite  hin  um  ein 
Viertel  Kugeldurchmesser  vorspringt,  also  im  Ganzen  l*-/!  Kugeldurchmesser  ha^ 
muss  ^ch  nach  innen  an  das  Metall  gut  anschli essen.  Alsdann  kann  man  mit  dieser 
Art  von  Geschützen  mit  Sicheiiieit  und  grossem  Vortheil  operiren  .... 


««■  ™.  Hb.  «90. 

Wenn  wir  aber  em  besonders  vollkommenes  HinlerladungsgesohÜtz  herstellen 
und  sicher  sein  wollen,  dass  kein  Gas  entweicht,  so  müssen  wir  die  Thole,  durch 
welche  man  aich  die  Kraft  des  Schusses  sichert^  mit  Hilfe  von  Bohrern  und  der 
Drehbank  in  der  Wräse  bearbeiten,  dass  üe  so  volikoomien  andnander  schliessen, 
als  ob  sie  ein  Stück  wären,  und  dies  kann  man  am  besten  erreichen,  wenn  man  d»i 
Keil  rund  und  ein  wenig  konisch,  das  Versehlussstück  aber,  der  mittleren  Dicke  des 
Keiles  entsprechend,  halbmondf&rmig  macht  und  das  Kopfende  mit  Vorsprüngen 
versieht,  wie  aus  Fig.  280  zu  ersehen  ist " 

Es  folgt  Bun  wiederum  eine  genaue  Beschreibung  mit  Angabe  der  Mass- 
verhältnisse,  wie  solche  im  wesentlichen  ans  unserer  Abbildung  ersichtlidi 
sind.    Dann  fährt  Lorini  fort; 

„Man  muas  jedoch  darauf  achten,  dass  die  Weite  der  Bohrung  nach  aussen 
ein  wenig  gr&sser  wird,  als  innen,  damit  das  Verschlussstück  herausgenommen  werden 
kann,  indem  man  mit  zw«  oder  mehr  Fingern  in  die  Löcher  (ab)  greife  nachdem 
man  den  Keil  herausgeschlagen  und  den  Arm  in  die  Höhlung  des  Bodenstückes 
gesteckt  hat.  Wenn  aber  das  Geschütz  warm  geworden  ist,  kann  man  dies  nicht 
einfach  mit  der  Hand  thun,  Bondem  bedient  sich  am  besten  eines  eisernen  Schlüssels, 
-  welcher  am  Ende  mit  etwas  Schraubengewinde,  das  aus  dnem  einzigen  Gange  besteh^ 


238  Buonaiuto  Lorini. 

versehen  idt  und  der  einen  Zoll  tief  mitten  in  das  Verschlussstück  hineinreicht  Auf 
diese  Weise  kann  man  es  leicht  herausnehmen  und  einsetzen,  indem  man  den  Griff 
des  Schlüssels  so  lang  macht,  nvie  die  Bohrung  des  Bodenstückes.  Auch  kann  man 
vermittelst  eines  solchen  Schlüssels  sehr  kleine  Geschütze  laden,  während  dies  ohne 
einen  solchen  nicht -möglich  ist,   weil   man   den  Arm   hineinstecken  müs^tc '' 

Es  folgt  nun  eine  Beschreibung  des  Formens  und  der  Bearbeitung  dieser 
Geschütze  und  Yerschlusstheile,  es  werden  die  Manipulationen  beim  Laden  ge- 
schildert und  dann  wird  gesagt: 

„Da  aber  der  Keil  schwer  zu  handhaben  ist,  namentlich  bei  Geschützen  von 
grossem  Kaliber,  so  muss  man  dafür  sorgen,  dass  man  ihn  nicht  in  die  Höhe  zu 
heben,  sondern  nur  vor-  und  zurückzuschieben  hat,  weshalb  man  ihn  niemals  ganz 
aus  der  Greschützwandung  herausziehen  darf  und  auf  zwei  eisernen  oder  hölzernen 
Lagern  ruhen  lassen  muss,  welche  an  der  Wand  der  Lafette  befestigt  sind.  Diese 
sind  mit  Bollen  versehen,  damit  man  den  Keil  lun  so  leichter  einschieben  und  heraus- 
treiben kann,  indem  man  mit  dem  Hammer  gegen  das  dünnere  Ende  schlägt  Und 
damit  er  nicht  niederfallen  und  aus  seiner  Stellung  kommen  kann,  muss  man  ihn 
mit  einer  an  seinem  Ende  befestigten  Kette  halten,  deren  anderes  Ende  unten  an 
der  Wand  der  Lafette  befestigt  ist  Diese  Kette  hat  eine  solche  Länge,  dass  der 
stets  mit  Talg  geschmiert  erhaltene  Keil  nur  um  die  angegebene  Länge  heraustreten 
kann  und  auf  seinen  Lagern  ruht '^ 

Lib.  X,  Kap.  VIII  lehrt:  „Wie  man  Mauern  unter  Wasser  funda- 
mentirt  oder  einen  Hafendamm  auf  dem  Meeresgrunde  erbaut^' 
und  bietet  viel  Interessantes,  doch  glauben  wir  uns  hier  auf  Wiedergabe  der- 
jenigen Stelle  beschränken  zu  müssen,  welche  von  der  Anwendung  der  Taucher- 
glocke handelt.    Diese  lautet: 

„ Da  man  solche  Bauwerke  mit  besonderer  Sorgfalt  fundamentiren  muss, 

so  ist  zunächst  darauf  zu  achten,  dass  die  Quadersteine  sich  unten  wohl  abgeglichen 
aneinander  setzen  und  so  viel  wie  möglich  in  Verband  kommen.  Zu  diesem  Zwecke 
schickt  man  einen  Mann  hinab,  der  sie  in  der  angegebenen  Weise  ordnet  Man 
macht  nämlich  aus  sehr  starkem  Holze  eine  mit  eisernen  Reifen  beschlagene  Bütte, 
oder  einen  Bottich,  welcher  mit  dem  Boden  nach  oben  und  mit  der  Mündung  nach 
unten  gerichtet  und  mit  einem  so  grossen  Gewichte  beschwert  wird,  dass  dieses  ihn 
unter  Wasser  hält  Oben  wird  er  an  ein  Seil  gehängt^  welches  unten  (d.  h«  zunächst 
über  dem  Bottich)  um  dne  Rolle  läuft  Mit  seiner  Mündung  bleibt  er  etwa  drei 
Fuss  von  einem  Steine  entfernt,  auf  welchem  der  Mann  stehen  und  mit  einem  Eisen- 
stäbchen  jeden  Quaderstein  dirigiren  kann,  während  er  mit  einem  Theile  seines 
Körpers  und  hauptsächlich  mit  dem  Kopfe  in  dem  genannten  Bottiche  steht^  dessen 
innerer  Raum  voll  Luft  ist,  wie  wir  es  im  fünfzehnten  Kapitel  des  fünften  Buches 
näher  angeben  werden." 

In  diesem  Kapitel  wird  gesagt: 

„Bei  allen  Arbeitsprocessen  besteht  die  höchste  Vervollkommnung  darin,  sie 
mit  Leichtigkeit  so  ausführen  zu  können,  dass  sie  die  Vortheile  bringen,  welche 
dabei  bezweckt  werden.  Die  genannten  Vorrichtungen,  um  sich  unter  Wasser  auf- 
halten zu  können,  muss  man,  obgleich  ihre  Ausführung  schwierig  erscheinen  könnte, 
daher  sehr  hoch  schätzen,  weil  man  durch  Erfahrung  weiss,  welche  Leichtigkeit  und 
Sicherheit  des  Arbeitens  durch  sie  herbeigeführt  werden  kann.  Sie  leisten  sehr  schätz- 
bare Dienste,  wenn  es  sich  darum  handelt,  Geschütze  oder  andere  Gegenstände,  welche 
sich  auf  Schiffen  oder  anderen  Fahrzeugen  befanden,  aus  dem  Meere  zu  fischen. 
Auch  kann  man  mit  ihrer  Hilfe  solche  Fahrzeuge  mit  Tauen  verbinden,  um  sie 
herauszuziehen.     Ueberdies  gewähren   sie  grossen  Nutzen   bei  der  KorallenfischereL 


Taacherglocke,  Twcherhelm.  230 

Was  die  Herstellung  dieser  Ap|Nirate,  und  zwar  zunichat  die  grSsseren  (Fig.  381) 
betrifft,  ao  macht  man  einen  Länglich  vi^eckigen  Kasten  aus  besten  Bohlen,  im 
Lichten  l'/s  Ellen  breit,  2  Ellen")  hoch  und  lang.  Derselbe  muss  so  zusammen- 
gefügt und  mit  Eisen  gebunden  werden,  daas  auf  keine  Weise  Wasser  hineindringen, 
oder  besser  gesagt,  dass  auf  keine  Weii^e  Luft  entweichen  kann,  welche  darin  ein- 
geschlossen wird,  wenn  man  ihn  mit  nach  unten  gekehrter  Mündung  herablässt. 
Hierbri  wird  er  durch  ein  Gewicht  (.^4)  herabgezogen,  wovon  wir  annehmen,  daae  es 
aus  einem  genügend  schweren  Steine  bestehe,  welcher  daran  aufgehängt  ist,  oder 
besser  gesagt,  welcher  den  genannten  Apparat  durch  die  eisernen  Bänder  an  allen 
Seilen  herabzieht  Oben  in  der  Mitte,  wo  die 
Bänder  sich  kreuzen,  wird  eine  Flasche  mit  einer 
Bolle  befestigt,  in  welche  sich  ein  Seil  einlegt, 
dessen  eines  Ende  an  der  Seitenwand  einea 
Schiffes  befestigt  ist,  während  man  mit  dem 
anderen  den  Apparat  nach  Bedürfnisa  auf  den 
Grund  des  Wnssere  herablässt,  oder  Ihn  auf- 
weht Die  Höhe  (BK)  ist  so  zu  wählen,  dasa 
ein  Mann,  welcher  in  dem  Apparate  ist,  durch  ' 
die  Fensterchen  {JH),  in  welche  Gläser  einge- 
setzt sind,  herausschauen,  und  doss  er  hnraua- 
gehen  und  wieder  in  das  Innere,  wo  das  Wasser 
die  HiJhe  (LK)  nicht  übersteigt,  zurückkehren 
kann." 

„Der  zwdte  Apparat  (Fig.  282)  wird  aus 
einem  ledernen  Schlauche  {OR)  hergeslelll^  wel- 
cher im  Inneren  mit  eisernen  Ringen  und  Längs- 
stäben armirt  ist,  wie  man  aus  {HG)  ersieht 
Dieser  Schlauch  muss  so  lang  sein,  wie  das 
Wasser  tief  ist  Er  wird  durch  ein  umgewickeltes 
Beil  an  die  Stange  (PR)  gebunden,  an  deren 
unterem  Ende  (II)  der  starke  eiserne  Bügel 
{RS}  und  das  Gewicht  (S)  von  Blei  oder 
Stein  befestigt  sind.  Darauf  sitzt  ntllings  der  Mann,  mit  einer  Jacke  aus 
Ziegenfell  bekleidet,  wie  man  es  gebraucht,  um  OeWhIäuchc  daraus  zu  machen. 
Diese  Jacke  muss  mit  Aermeln  versehen  sein,  wie  ein  Panzerhemd,  und  muss  an 
den  Verbandstellcn  eng  und  wohl  angepasst  sein,  so  dasa  kein  Wasser  eindringen 
kann,  wenn  man  den  Kopf  in  den  leeren  Raum  unter  dem  Schlauche  steckt,  in 
welchem  Glasscheiben  angebracht  sind,  die  das  Licht  einfallen  lassen.  Und  da  er 
die  Arme  frei  hat,  kann  er  jede  beliebige  Arbeit  verrichten.  Auch  kann  er  uch 
durch  Sprechen  mit  denjenigen,  welche  sich  oben  bd  der  Mündung  (OP)  hefmdea, 
nach  Belieben  verständigen,  während  er  durch  das  Seil  {PTV),  welches  um  die  in 
der  Oeee  (ST)  gelagerte  Rolle  geschlungen  ist,  getragen  wird.  Dies  ist  längs  der 
Stange  b«  {TYj)  geführt,  und  da  das  Ende  (P)  desselben  an  einer  Segelstange 
der  Barke  gebunden  ist,  kann  man  mit  dem  anderen  (F)  den  Hann  mit  dem  Apparate 
nach  Bedürfniss  herablassen  und  aufziehen." 

Hier  sei  bemerkt,  dass  sich  schon  in  des  Ahistoteles  problem  XXXU, 
§  6,  eine,  wenn  auch  unklare  und  schwer  zu  übersetzende  Stelle  findet,  aus 
der  hervorgeht,  dass  kleine  Taucherglocken  (Kessel)  den  Griechen  schon  im 
vierten  Jahrhundert  vor  Christi  Geburt  bekannt  waren.  Nachdem  Aristoteles 
die  Frage  behandelt  hat,  warum  die  Taucher,  um  sich  das  Athmen  zu  er- 
leichtem,  Nase  und  Ohren  aufritzen,  sagt  er: 

*)  Eine  florentiner  Elle  war  gl«tch  58  om. 


Fi«.  281. 


240  Buonaiuto  LorinL 

„Aehnlich  scheint  es  bei  den  Tauchern  zu  sein,  welche  sich  das  Athmen  ermög- 
lichen, indem  sie  einen  Kessel  herablassen.  Denn  dieser  füllt  sich  nicht  mit  Wasser, 
sondern  hält  die  Luft  zurück.  Mit  Kraftanstrengung  geschieht  nämlich  das  senk- 
rechte Herablassen  (des  Kessels),  denn  wenn  die  gerade  Richtung  nur  ein  wenig 
verschoben  wird,  fliesst  es  (nämlich  das  Wasser)  ein.^ 

Nächst  dieser  ist  die  älteste  Nachricht  vom  Gebrauche  der  Taucherglocke 
in  Europa  die  in:  „J.  Taisnierii  opusculo  perpetua  memoria  dignissimo  etc/^, 
Coloniae  1562,  pag.  40  und  44,  enthaltene.  Dieser  Johann  Taisnier,  aus  dem 
Hennegau  gebürtig,  war,  als  er  schrieb,  Doktor  der  Rechte,  poeta  laureatus 
und  Dirigent  der  Musikkapelle  des  Erzbischofs  von  Köln  und  soll  vordem  Pagen- 
Informator  und  Kapellan  bei  Kaiser  Karl  V  gewesen  sein.  Die  betreffende 
Stelle  auf  Seite  40  seines  Werkchens  lautet  in  der  Uebersetzung : 

yyWenn  man  unwissenden  Leuten  sagen  würde,  es  könne  Jemand  mitten  in 
den  Wellen  und  Fluthen  mit  trockenen  Kleidern  und  ohne  den  geringsten  Theil 
seines  Körpers  zu  benetzen,  auf  den  Grund  des  Rheines  hinabsteigen  und  auch  ein 
brennendes  Feuer  vom  Grunde  des  Wassers  heraufbringen,  so  würde  ihnen  dies 
lächerlich  und  ganz  unmöglich  erscheinen.  Nichtsdestoweniger  habe  ich  solches  im 
Jahre  1538  in  der  spanischen  Stadt  Toledo  in  dem  Flusse  Tajo  ....  in  G^en- 
wart  des  Kaisers  Karl  V  seligen  Andenkens  und  von  etwa  zehntausend  Menschen 
bei  einer  Probe  gesehen ** 

Dann  wird  auf  Seite  44  gesagt: 

„Nun  komme  ich  zu  dem  vorhin  erwähnten  Experiment»  welches  zu  Toledo 
von  zwei  Griechen  gezeigt  wurde.  Diese  nahmen  einen  Kessel  von  grosser  Weite, 
und  nachdem  sie  ihn  mit  der  Mündung  nach  unten  an  Seilen  aufgehangen  hatten, 
befestigten  sie  mitten  in  dem  hohlen  Kessel  einen  Balken  mit  Brettern,  auf  welche 
sie  sich  mit  dem  Feuer  begaben.  Durch  ringsum  angebrachte  Bleistücke  von  gleicher 
Schwere  brachten  sie  den  Rand  des  Kessels  ins  Gleichgewicht,  damit  nicht»  wenn 
dieser  in  das  Wasser  herabgelassen  werde,  irgend  ein  Theil  des  Kessclrandes  das 
Wasser  eher  berühre,   weil  es   dann   leicht  geschehen  könne,   dass  das  Wasser  über 

die  in  dem  Kessel  eingeschlossene  Luft  die  Oberhand  gewänne Wenn  aber 

der  so  vorbereitete  Kessel  entsprechend  langsam  in  das  Wasser  herabgelassen  wird, 
verschafft  sich  die  in  dem  Kessel  eingeschlossene  Luft»  da  das  Wasser  Widerstand 
leistet^  gewaltsam  Platz  (d.  h.  die  eingeschlossene  Luft  verdrängt  das  Wasser).  Auf 
diese  Weise  bleiben  die  eingeschlossenen  Menschen  hier  inmitten  des  Wassers  voll- 
ständig trocken,   bis   mit  der  Zeit  die  eingeschlossene  Luft  durch  wiederholtes  Ein- 

athmen  verdorben  wird Wenn   aber  der  Kessel   zu  richtiger  Zeit  langsam 

herausgezogen  wird»  bleiben  die  Menschen  trocken  und  das  Feuer  unbeschädigt  • .  .** 

Bezüglich  des  zweiten  von  Lorini  beschriebenen  Taucherapparates  ist 
darauf  hinzuweisen,  dass  lederne  Taucheranzüge  und  Taucherhelme  mit  einem 
Luftzuführungsschlauche,  dessen  oberes  Ende  durch  einen  Schwimmer  von  Holz 
und  dergl.  über  Wasser  gehalten  wird,  schon  in  dem  Werke :  „De  re  militari" 
des  Robertus  Valturius  (1483  und  1532),  sowie  in  Flava  Vegetii  Renati  „vier 
Büchern  der  Rytterschaft",  Augsburg  1529,  gedruckt  durch  Heinr.  Stainer,  ab- 
gebildet sind.  Es  war  nämlich  zu  damaliger  Zeit  üblich,  das  Werk  des  ge- 
nannten altrömischen  Schriftstellers  mit  Abbildungen  der  im  fünfzehnten  Jahr- 
hundert gebräuchlichen  Kriegsgeräthschaften  zu  illustriren.  Auch  erinnern  wir 
an  die  Abbildungen  eines  solchen  Taucherhelmes,  welche  sich  unter  den  Skizzen 
von  Leonardo  da  Vinci  fand  (Fig.  97,  S.  98)   und  weisen  auf  denjenigen  hin? 


Die  fünf  mechanischen  Potenzen.  241 

welcher  unter  den  nachfolgend  abgehandelten  Skizzen  ans  der  Zeit  der  Hussiten- 
kriege dargestellt  ist. 

In  der  Einleitung  zu  lib.  Y,  welches  von  den  mechanischen  Gesetzen 
und  verschiedenen  Hebmaschinen  handelt,  sagt  Lorini: 

„ Da  hierüber  von   berühmten  Autoren   weitläufig  geschrieben  worden 

ist,  wie  in  letzter  Zeit  namentlich  von  Guido  Ubaldi  del  Monte  .  .  .  .,  und  ich 
mir  die  Arbeiten  Anderer  nicht  aneignen  will,  so  verweise  ich  auf  diesen  und  werde 
nur  summarisch,  kurz  und  möglichst  klar  von  den  Wirkungen  des  Hebels  bd 
Flaschenzügen,  Schrauben,  dem  Rade  auf  der  Welle  und  dem  Zahnrade  sprechen, 
deren  Erkenntniss  am  meisten  zum  Verständniss  dessen  beiträgt,  was  über  die  Her- 
stellung und  Beurtheilung  von  Maschinen  zu  sagen  ist,  und  wie  diese  nicht  nur  mit 
richtigen  Verhältnissen  anzuordnen  sind,  sondern  auch  wie  man  mit  Hilfe  des  ZirkeU 
ihre  Kraft^  d.  h.  ihre  Hebelübersetzungen  mit  der  wünschenswerthen  Sicherheit  &den 
kann,  damit  man  sich  bei  der  Ausführung  solcher  Werke  in  realer  Form  über  ihre 
Leistungsfähigkeit  nicht  täuscht,  wie  es  denen  oft  begegnet,  welche,  ohne  die  nöthigen 
Grundsätze  zu  kennen,  auf  die  Leichtigkeit  vertrauen,  womit  kleine  Modelle  arbeiten.'' 

Da  hier  von  den  sogenannten  einfachen  Maschinen  oder  mecha- 
nischen Potenzen  die  Rede  ist,  und  Reuleaux  in  §  64  seiner  Kinematik 
von  diesen  sagt: 

;,Li  der  Mehrzahl  der  Lehrbücher  werden  sie  seit  Galh^ei,  oder  noch 
früher,  mehr  oder  weniger  als  diejenigen  Einrichtungen  angegeben,  auf  welche 
man  alle  Maschinen  zurückführen,  nämlich  als  aus  welchen  man  sie  alle  zu- 
sammengesetzt nachweisen  könne^,  so  glauben  wir  hier  daran  erinnern  zu  sollen, 
dass  in  dem  Auszuge  aus  Heron's  Mechanik,  welcher  sich  in  „Pappi  Alexan- 
drini collectionis",  lib.  VIII,  herausgegeben  von  Fridericus  Hültsch,  Berlin  1878, 
findet,  die  fünf  mechanischen  Potenzen:  Rad  auf  der  Welle,  Hebel,  Flaschen- 
zug, Keil  und  Schraube,  als  solche  aufgezählt  und  ausführlich  behandelt  werden 
(vergl.  S.  32  u.  33).   Dieser  Heron  aber  lebte  mehr  als  1700  Jahre  vor  Gaulel 

Lorini  fährt  fort: 

„Denn  ehe  ich  weiter  gehe,  muss  ich  auf  den  Unterschied  hinweisen,  welcher 
zwischen  einem  rein  spekulativen  Mathematiker  und  einem  praktischen  Mechaniker 
besteht  Dieser  Unterschied  hat  seinen  Grund  darin,  dass  Demonstrationen  und 
Proportionen,  welche  von  Linien,  Flachen  und  imaginären,  von  der  Materie  abge- 
lösten Körpern  hergeleitet  sind,  nicht  mehr  genau  zutreffen,  wenn  sie  auf  materidle 
Dinge  angewendet  werden,  mit  denen  der  Mechaniker  aibeitet»  weil  die  geistigen  Ge- 
bilde des  Mathematikers  von  den  hindernden  Einflüssen  frei  sind,  denen  die  Materie 
ihrer  Natur  nach  unterworfen  ist  Wenn  beispielsweise  aus  der  mathematischen 
Demonstration  mit  Nothwendigkeit  folgt,  dass  eine  viermal  kleinere  Kraft  eine  Last 
heben  könne,  wenn  die  Entfernung  zwischen  Drehpunkt  und  Ejraft  viermal  so  gross 
ist,  als  zwischen  Drehpunkt  und  Last,  so  werden  wir  doch,  wenn  wir  mit  materiellen 
Körpern  operiren,  wenn  wir  uns  beispielsweise  eines  Balkens  als  Hebel  bedienen 
wollen,  auch  das  Grewicht  desselben  in  Betracht  ziehen  müssen,  welches,  da  sich  der 

grösste  Theil  des  Balkens  auf  der  Seite  der  Kraft  befindet,  diese  unterstützt 

Und  deshalb  besteht  die  Kunst  des  Mechanikers,  welcher  anordnen  und  denen,  welche 
ein  Werk  ausführen  sollen,  befehlen  muss,  hauptsächlich  darin,  dass  er  die  Schwierig- 
keiten veraussieht,  welche  die  verschiedenen  Eigenschaften  der  Materie  mit  aidi 
bringen " 

B«ek.  16 


242  Buonaiuto  Lorini. 

Lorini  bespricht  hierauf  die  Hauptsätze  aus  der  Lehre  vom  Hebel,  wie 
sie  Guido  Ubaldi  entwickelte,  der  zuerst  die  Schwere  und  den  Schwerpunkt  des 
Waagbalkens  mit  in  die  Betrachtung  zog  und  dadurch  Klarheit  in  diesen  Lehr- 
gegenstand brachte*).  Alsdann  geht  er  zu  den  Flaschenzügen  über,  und  nach- 
dem er  gezeigt  hat,  dass  bei  einer  festen  Rolle  die  Kraft  der  Last  gleich  sein 

muss,  sagt  er: 

„ woraus   wir   schliessen   könnten,    dass  uns    ein   solches   Instrument 

nichts  hilft,  sondern  nur  die  Bequemlichkeit  bietet,  dass  wir  unsere  Kraft  um  es 
herum  ausüben  können.  Aber  gerade  dadurch  gewährt  es  auch  beim  Heben  der 
Last  einigen  Nutzen,  indem  wir  dabei  das  Seil  niederziehen  und  hierin  durch  die 
Schwere  und  Bewegung  unseres  Körpers  unterstützt  werden;  während  beim  Heben 
der  Last  durch  Aufwärt^fziehen  nicht  nur  die  Kraft  unserer  Arme,  sondern  auch  die- 
jenige zum  Aufrichten  des  Eigengewichtes  unseres  Körpers  erforderlich  ist  .  .  .  ." 

Nachdem  dann  die  Theorie  der  Flaschenzüge  vollständig  entwickelt  ist, 

wird  weiter  bemerkt: 

„Was  aber  den  Effekt  anbelangt,  den  man  erreicht,  wenn  man  diese  Maschine 
praktisch  anwendet,  so  kann  er  hiervon  in  vielen  Beziehungen  verschieden  sein  .... 
Dieser  Unterschied  rührt  hauptsächlich  von  dem  Gewichte  der  unteren  Flasche  und 
von  dem  Seile  her,  besonders  wenn  letzteres  dick  und  neu,  d.  h.  ungebraucht  ist, 
woraus  dem  Flaschenzuge  ein  Widerstand  erwächst,  und  dies  um  so  mehr,  wenn  die 
Aezchen,  welche  die  Rollen  tragen  und  um  welche  diese  sich  drehen,  nicht  durch 
deren  Mitte  gehen  und  nicht  mit  der  nöthigcn  Sorgfalt  abgedreht  sind.  Auch  dürfen 
die  Seile  sich  nicht  aneinander  reiben,  wenn  sie  die  Last  aufziehen.  Doch  findet 
sich  für  alles  Abhilfe.  Was  die  Flaschen  betrifft,  so  muss  man  ihr  Gewicht  in  ein 
richtiges  Verhältniss  zur  Last  und  Zugkraft  bringen  und  das  Seil  so  dünn  wie  mög- 
lich nehmen ,   doch  nmss   es  immerhin   so  stark  sein,   dass  es  die  Last  mit 

Sicherheit  trägt,  entsprechend  der  Zahl  der  Rollen,  welche  sich  auf  jeder  Seite  in 
den  beiden  Flaschen  befinden,  denn  je  zahlreicher  diese  sind,  desto  geringer  ist  das 
Gewicht,  welches  jedes  einzelne  Seil  zu  tragen  hat  Und  damit  die  Seile  sich  nicht 
aneinander  reiben,  muss  man  (in  der  oberen  Flasche)  die  untere  Seilrolle  immer  um 
die  doppelte  Seildicke  kleiner  machen,  als  die  obere Was  aber  die  Schnellig- 
keit des  Arbeitens  betrifft,  so  ist  offenbar,  dass  bei  der  grösseren  Kraft  die  kleinere 
Geschwindigkeit  und  umgekehrt  bei  der  grösseren  Geschwindigkeit  die  kleinere  Kraft 
zu  finden  ist,  in  dem  Verhältniss  der  Vergrösserung  der  Hebelanne  oder  der  Ver- 
mehrung der  Seile,  von  denen  jedes  seinen  Theil  der  Last  in  der  angegebenen  Weise 
aufnimmt.  Und  dies  gilt  von  allen  Arten  von  Maschinen,  wie  anderen  Ortes  noch 
weiter  ausgc»fühit  werden  wird." 

Da  in  den  Werken  damaliger  Theoretiker  von  Berücksichtigung  des 
Eigengewichtes  von  Maschinentheilen  (ausgenommen  Guido  Ubaldi's  Waagbalken), 
von  Steifigkeit  der  Seile  und  dergl.  nirgends  die  Rede  ist,  so  dürften  diese 
Erwägungen  eines  ausführenden  Ingenieurs  nicht  ohne  Interesse  sein.  Nach- 
sätze, wie  der  zuletzt  citirte,  finden  sich  bei  Guroo  Ubaldi  häufig,  und  bei 
einem  solchen,  welchen  er  zu  seiner  Prop.  VI  macht,  fügt  er  an:  „Hieraus 
wird  sich  die  Lehre  von  der  Schnellwaage  ebenfalls  leicht  entwickeln  lassen.^' 
Dies  ist  unseres  Wissens  die  einzige  Stelle,  welche  Dr.  E.  DChring  im  Auge 
haben   konnte,    als   er   in   seiner  „Kritischen  Geschichte  der  Principien  der 

*)  Aus  unserer  „dritten  Abhandlung  Qbcr  Leonardo  da  Vinci  ist  jedoch  ersichtlich,  dass 
dieser  bei  der  ßevechnung  einer  Hcbelpresse  (Codice  atlaniico  Fol.  49  v)  das  Eigengewicht 
des  Hebels  auch  schon  berücksichtigt  hat. 


Eigengewicht  der  Maschinentheile,  Princip  der  viiiuellen  Geschwindigkeiten.         243 

Mechanik"  auf  Seite  16  sagte,  Guido  Ubaldi  gebrauche  die  Verhältnisse  der 
virtuellen  Geschwindigkeiten  am  Hebel  als  Erklärungsprincip.  Bei  der  Lehre 
vom  Keil  beweist  er,  nachdem  er  die  Demonstrationen  des  Aristoteles  und 
des  Pappüs  wiedergegeben  hat,  dass  zwei  Körper,  die  durch  einen  Keil  mit 
grösserem  Schneidewinkel  auseinander  getrieben  werden,  sich  schneller  bewegen 
müssen,  als  wenn  dies  in  der  gleichen  Zeit  vermittelst  eines  Keiles  mit  kleinerem 
Schneidewinkel  geschieht,  und  sagt:  da  ein  Körper  durch  eine  Kraft  in  einer 
bestimmten  Zeit  leichter  durch  einen  kleinen  Raum  bewegt  werde,  als  durch 
einen  grossen,  wenn  alle  sonstigen  Umstände  die  gleichen  bleiben,  so  könne 
man  auch  sagen,  dass  vermittelst  eines  Keiles  um  ebenso  viel  leichter  Lasten 
bewegt  oder  Körper  gespalten  würden,  als  der  Schneidewinkel  des  Keiles  kleiner 
sei.  Bei  Erklärung  der  Schraube  dagegen  beruft  sich  Guido  Ubaldi  ganz  auf 
Pappüs.  Dessen  Demonstration  ist  zwar  fehlerhaft,  aber  doch  sachgemässer  als 
die  des  Aristoteles,  welcher  sagt,  die  konvergirenden  Seiten  des  Keiles  wirkten 
wie  zwei  Hebel,  deren  Drehpunkt  in  der  Oberfläche  des  zu  spaltenden  Körpers 
liege,  und  es  ist  immerhin  als  ein  Verdienst  Guido  Ubaldi's  zu  betrachten,  dass 
er  die  erstere  der  letzteren  mindestens  als  gleichberechtigt  an  die  Seite  stellte 
und  damit  dem  Glauben  der  Scholastiker  an  die  unbedingte  Autorität  des 
Aristoteles  entgegentrat.  Lorini  aber  musste  als  praktischer  Mann  sofort 
einsehen,  dass  ihn  sein  Gewährsmann  Guido  Ubaldi  hier  im  Stiche  lässt,  denn 
nach  dem  Beweise  des  Pappus  (vergl.  S.  28  u.  29)  wird  für  den  Neigungswinkel 
einer  schiefen  Ebene  /J  =  90^  die  Zugkraft  Z=ao,  während  doch  jeder  prak- 
tische Mann  wissen  musste,  dass  sie  in  diesem  Falle  ebenso  gross  wie  die  Last 
ist.  Mit  richtigem  Blicke  greift  er  deshalb  das  von  Guido  Ubaldi  nur  schüchtern 
in  Zusätzen  (corollaria)  angedeutete  Princip  der  virtuellen  Geschwindigkeiten 
heraus,  um  es  an  die  Spitze  seiner  Erklärung  der  Schraube  zu  stellen,  und 
wenn  auch  das  Resultat,  zu  dem  er  gelangt,  noch  nicht  ganz  richtig  ist,  so 
entfernt  es  sich  doch  nur  wenig  von  der  Wahrheit.  Er  sagt  nämlich  über  die 
vermittelst  eines  Hebels  umgedrehte  Schraube: 

„ Bei  ihr  kommt  der  doppelte  Hebel,  wie  beim  Handgöpel  in  An- 
wendung, und  man  hat,  was  von  grosser  Bedeutung  ist,  durch  die  Kraft  die  Last 
nicht  direkt  senkrecht  in  die  Höhe  zu  heben,  in  welchem  Falle  die  Kraft  der  Last 
gleich  sein  musste,  sondern  man  hat  sie  auf  einer  Ebene  mit  geringer  Neigung  hin- 
zuschieben, wie  sie  die  Gewindgänge  haben,  mit  welchen  die  Schrauben  hergestellt 
werden.  Und  mit  je  geringerer  Steigung  ihre  Gewindgänge  hergestellt  sind,  um  so 
leichter  wird  man  die  grösste  Last  vermittelst  des  Hebels  heben  und  niederlassen 
können;  wenn  auch  mit  langsamerer  Bewegung,  wie  dies  die  gewohnte  Folge  ist 
Denn  man  muss  die  Ursachen,  von  welchen  die  grössere  oder  geringere  Kraft 
abhängt,  wohl  einsehen,  und  diese  sind:  die  Schnelligkeit  einerseits  und  die  Lang- 
samkeit anderseits,  womit  die  Last  vermittelst  des  Hebels,  des  Flaschenzuges  oder  der 
Schraube  gehoben  wird." 

Es  werden  nun  zunächst  Hebel  und  Flaschenzüge  in  diesem  Sinne  be- 
trachtet, und  dann  fährt  Lorini  fort: 

„Es  bleibt  uns  noch  übrig,  die  Schraube  zu  betrachten,  und  zur  Verglcichung 
nehmen  wir  an,   wir  hätten  ein  Gewicht  auf  die  Höhe  eines  Berges  zu  transportiren 

16* 


244  Bnonaiuto  Lorini. 

und  es  sei  nur  eine  Strasse  vorhanden,  welche  direkt  auf  die  Höhe  des  Bei]^  führt. 
Eine  solche  Strasse  ist  zwar  die  kürzeste  und  die  am  schnellsten  zum  Ziele  führende, 
allein  gerade  deshalb  die  am  meisten  Kraft  erfordernde,  und  in  vielen  Fällen  wird 
hier  die  Kraft  der  Last  gleich  sein  müssen.  Aber  wenn  die  Strasse  in  einer  Sclinecken- 
linie,  wie  man  zu  sagen  pflegt^  um  den  Berg  herumgeführt  wird,  so  wird  das  Ver- 
mögen, das  Gewicht  zu  ziehen,  im  Verhältniss  der  Lange  des  Weges  und  der 
geringeren  Steigung  der  Strasse  grösser  sein,  ebenso  wie  die  Langsamkeit  (womit  man 
die  Höhe  erreicht).  Es  liegt  aber  in  unserer  Aufgabe,  den  Unterschied  der  Kräfte 
kennen  zu  lernen,  welche  angewendet  werden  müssen,  um  Gewichte  auf  verschiedenen 
Ebenen  hinzuziehen  oder  zu  heben.  Was  zunächst  das  direkte  Heben  derselben  in 
senkrechter  Richtung  betrifft,  so  wissen  wir  schon,  dass  dabei  die  Kraft  der  Last 
gleich  sein  muss;  wenn  man  sie  aber  auf  einer  horizontalen  Strasse  ohne  Beihilfe 
von  Rollen  und  dergleichen  fortschleifen  will,  so  wird  eine  Kraft  das  Vierfache  fort- 
schleifen (den  Reibungskoefficienten  nahm  schon  Leonardo  da  Vinci  gleich  ein 
Viertel  an.  Vergl,  S.  97),  so  dass,  wenn  ein  Mensch  fünfzig  Pfund  heben  kann, 
er  deren  zweihundert  fortschleifen  wurd.  Wenn  man  aber  mit  Hilfe  von  Rollen  oder 
Wagenrädern  ein  Gewicht  auf  der  genannten  Strasse  fortziehen  will,  so  wird  die 
genannte  Kraft  das  Vierundzwanzigfache  ziehen,  und  um  so  mehr,  wenn  das  Gewicht 
in  Bewegung  gekommen  und  die  Strasse  eben  ist  und  keine  Hindernisse  bietet,  d.  h. 
wenn  sie  so  fest  ist,  dass  sie  gleichmässig  tragen  kann,  wie  zum  Beispiele,  wenn 
man  über  wohlabgeglichene,  horizontale,  eichene  Bohlen  fährt,  wobei  das  Gewicht^ 
welches  von  den  Rollen  oder  Rädern  getragen  wird,  immer  auf  einem  Punkte  ruht, 
wegen  der  Rundung  der  Räder  einerseits  und  der  Ebenheit  der  Horizontalen,  auf 
welcher  sie  laufen,  anderseits.  Aus  der  Verhältnisszahl  aber,  welche  wir  für  die 
senkrechte,  und  derjenigen,  welche  wir  für  die  horizontale  Strasse  gefunden  haben, 
können  wir  die  Regel  für  die  Kraft  ableiten,  welche  bei  einer  beliebigen  Steigung 
nothwendig  ist»  und  da  wir  vermittelst  solcher  Proportionen  die  Kraft  der  Schraube 
erklären  wollen,  müssen  wir  zunächst  ihre  Herstellung  kennen  lernen " 

Es  wird  nun  beschrieben,  wie  eine  hölzerne  Schraube  mit  Mutter  zu 
konstmiren  sei,  und  zwar  ergiebt  sich  aus  dieser  Beschreibung,  dass  die  Gang- 
höhe gleich  dem  zwölften  Theile  des  Umfanges  angenommen  wurde.  Nachdem 
dann  zunächst  berechnet  ist,  um  wieviel  die  Kraft  durch  die  Hebelübersetzung 
vermehrt  wird,  sagt  Loiuni: 

„ nun  ist  noch  die  Kraft  der  Schraube  zu  bestimmen,  welche  infolge 

der  Ganghöhe  und  aus  den  angegebenen  Gründen  summarisch  das  Dreifache  der 
durch  die  Hebelübersetzung  erlangten  Kraft  beträgt  ....** 

Dies  ist  wohl  so  zu  verstehen:  Da  beim  Heben  um  die  ganze  Weglänge, 
d.  h.  bei  direktem,  senkrechtem  Aufheben,  die  Kraft  gleich  der  Last  sein  muss, 
so  muss  beim  Heben  um  ein  Zwölftel  der  Weglänge  auf  der  schiefen  Ebene 
die  Kraft  gleich  ein  Zwölftel  der  Last  sein.  Hierzu  den  Reibungswiderstand 
mit  nahezu  ein  Viertel  der  Last  gerechnet,  ergiebt  nahezu  ein  Drittel  der  Last. 

Li  lib.  V,  Kap.  V  beschreibt  Lorini  die  in  Fig.  283  abgebildete  Winde 
mit  Zahnstange  nnd  sagt  darüber: 

„Dieses  Instrument  wird  von  Kanonieren  und  Frachtfuhrleuten  viel  gebraucht^ 
namentlich  in  Flandern,  wo  ich  oft  gesehen  habe,  dass  man  die  schwersten  Geschütz- 
rohre damit  hob  und  sie  auf  die  Lafette  setzte  Doch  waren  diese  Instrumente  klein 
von  Gestalt,  d.  h.  sie  hatten  ein  langes,  schmales  Gehäuse  aus  starkem  Holze,  worin 
die  eiserne  Zahnstange,  sowie  die  Räder  und  Getriebe  sich  befanden  und  verdeckt 
waren.  Die  Last  wurde  mit  dem  Kopfe  der  Stange  gehoben,  welcher,  um  sie  erfassen 
zu  können,  halbmondförmig  war.     Aber   wenn    man   das   Instrument   in  grösseren 


Schrauben,  Winden,  Becherwerke. 


245 


Dimensionen  von  Holz  ausführen  will,  um  auf  einem  Bocke  damit  zu  arbeiten,  mu33 
die  Zahnstange  durch  das  von  dem  Bocke  unterstützte  Gehäuse  hindurchgehen,  um 
die  Last  vermittelst  der  beiden  Räder  und  dreier  Gretriebe  zu  heben  .  .  .  /' 

In  obiger  Schilderung  der  flandrischen  Maschine  haben  wir  die  älteste 

Beschreibung  einer  Wagenwinde,  wie  sie  noch  heute  von  Fuhrleuten  u.  A. 

gebraucht  wird,  vor  uns.    Pater  Casparüs  Schottus  sagt  darüber  in  seiner  1657 

zu  Würzburg  erschienenen  „Magia  universalis  naturae  et  artis",  lib.  HI,  mach.  V: 

„Von  den  Hebmaschinen,  welche  wir  bis  dahin  erklärt  haben,  ist  eine  besonders 
kompendiöse  das  Instrument,  dessen  sich  die  Fuhrleute  bedienen,  um  beladene  Karren 
zu  heben,  wenn  sie  in  weiche  Wege  eingesunken  sind,  sowie  die  Winzer  bei  Wein- 
gefässen  und  die  Architekten  bei  schweren  Lasten  und  selbst  zum  Heben  ganzer 
Häuser.     Die  Deutschen  nennen  es  eine  „Winde",   die  Franzosen  „cric".     Wie  es 


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Flg.  283. 


Fig.  284. 


die  Italiener  nennen,  weiss  ich  nicht»  idelleicht  haben  sie  keinen  Namen  dafür,  weil 
sie  dessen  Gebrauch  nicht  kennen.  Gewiss  ist,  dass  ich  in  dem  2^itraume  von  zwei- 
undzwanzig Jahren,  während  dessen  ich  in  Sicilien  und  Italien  an  verschiedenen 
Orten  lebte,  nur  eines  zu  Rom  gesehen  habe,  welches  ein  Kardinal  als  eine  Selten- 
heit aus  Polen  mitgebracht  hatte,  wo  er  als  apostolischer  Legat  funktionirt  hatte." 

In  Kapitel   YII  beschreibt  Lorini  eine  transportable  Eimerkunst 

zum  Ausschöpfen  von  Baugruben  und  dergl.    Zum  Antriebe  derselben  wird  ein 

Rad  benutzt,  welches  halb  Tret-,  halb  Spillenrad  ist,  denn  es  wird  folgender- 

massen  beschrieben: 

„Den  Badkranz  macht  man  doppelt  aus  Brettern  und  setzt  von  einem  zum 
andern  Sprossen  ein,  welche  einen  halben  Fuss  von  einander  entfernt  sind,  damit 
man  das  Rad  mit  den  Händen  und  Füssen  umdrehen  kann " 

Von  den  Ketten,  welche  die  Eimer  tragen,  wird  gesagt: 

„ .  .  .  .  Die  beiden  Ketten  macht  man  in  der  Weise,  wie  aus  TX  (Fig.  284) 


246  Baonaiuto  Lonni. 

ersicbdicb  ist,  die  eisernen  Stäbchen  '/i'  lang,  d.  h.  ebenso  lang  \rie  ane  der  vier 
Säten  des  Quadrates  der  Axe,  und  die  Köpfe  hängt  mau  in  einander,  ins  irenti  es 
dn  deutscher  Zirkel  wäre " 

In  Kapitel  YIII  wird  gezeigt,  vie  man  vermittelst  einer  Kette  ohne  Ende, 
welche  über  eine  horizontale  Welle  gehängt  ist  und  durch  diese  bewegt  wird, 
auch  Erde  rasch  und  bequem  fördern  kann,  indem  man  sie  in  Körben 
an  den  aufsteigenden  Theil  der  Kette  hängt  und  die  Körbe  oben  durch  andere 
Arbeiter  abnehmen,  entleeren  und  dann  an  den  abwärts  gehenden  Theil  der 
Kette  bäjigen  läeat. 

In  Kapitel  IX  ist  der  in  unserer  Fig.  285  abgebildete  Apparat  zum 
Transportiren  von  Erde  bei  der  Umwallung  von  Festungen  beschrieben. 
Die  gefüllten  Erdkarren  werden  auf  einer  stark  ansteigenden  Holzbahn  ver- 
mittelst eines  Haspels  mit  Spillen-  und  Tretrad  auf  den  Wall  gezogen,  dort 


abgenommen  und  entleert  und  alsdann  auf  der  geneigten  Holzbahn  wieder 
hinabgelassen.  Die  Zuführungsbahn  unten  im  Graben  hat  Fall  nach  der  Rampe, 
die  Abführungsbahn  oben  auf  dem  Walle  Fall  nach  der  Entleerungstelle  hin, 
60  dass  die  gefüllten  Karren  auf  beiden  bergab  laufen.  Dieser  Apparat  bietet 
besonders  dadurch  Interesse,  dass  die  Balken  der  ansteigenden  Bahn  mit  einer 
Spur  versehen  sind,  durch  welche  die  Karrenräder  geführt  werden,  während 
bei  dem  „Hund",  wie  ihn  Agricola  beschrieb  (vergl  S.  129),  ein  Nagel  zwischen 
den  Vorderrädern  des  Karrens  sich  in  einer  Nnte  zwischen  den  Balken,  welche 
die  Bahn  bilden,  führte. 

Am  Schlüsse  dieses  Kapitels  sagt  Lorini: 

„Man  kann  mit  Erde  bcladenc  Karren  auch  noch  in  anderer  Weise  fort- 
bew^en,  wenn  es  »ich  darum  handelt,  die  Erde  aus  dem  Graben  zu  schaffen,  oder 
sie  uns  der  Contrescarpc  zu  nehmen  und  über  den  Graben  zu  schaffen,  nämlich  auf 
zwei  an  starken  Stützpfählen  befestigten  und  durch  Handgö]>el  und  Flaschenzüge 
gespannten  Seilen,  oder  sonst  etwas,  das  zur  Unterstützung  geeignet  und  leicht 
transportabel  ist;     Alsdann   müssen  jedoch  die  Räder  der  genannten  Karren  etwas 


ErdfStderuiig,  Seilbtilin 


m 


breiter  sein,  als  gewöhnlich,  von  weichein  Holze  und  ausgehöhlt,  wie  die  Rollen  etnea 
Flaschenzuges.  Diese  Rinne  niu^  durch  starke  Bretter  heimstellt  werden,  die  man 
auf  jeder  Seite  anpaaat;  und  die  Kanten  müssen  innen  so  abgeschtägt  werden,  dass 
der  Kanal  nach  aussen  viel  weiter  ist,  als  auf  dem  Grunde,  d.  h.  als  die  Breite  des 
Rades.  Und  um  mit  diesem  Apparate  zu  arbeiten,  muss  man  wissen,  dasa  der 
Karren  immer  auf  den  beiden  Seilen  stehend  be-  und  entladen  werden  muss.  Ob- 
gleich hieraus  hervorgeht,  dass  das  Herbeibringen  der  Erde,  um  die  Karren  zu  füllen, 
und  das  Verbringen  derselben  an  ihren  Bestimmungsort,  nachdem  der  Karren  ent- 
leert ist,  als  zwei  gesonderte  Arbeiten  behandelt  werden  müssen,  so  ist  diese  Arbeita- 
weise  doch  von  grossem  Vortheile,  weil  man  bei  der  Herrichtung  des  Apparalea 
nichts  zu  thun  hat,  als  die  Seile  zu  spannen,  tmd  die  Vertheidigungswerko  der  Festung 
dabei  nicht  verletzt  werden.     Wenn  die  Karren  oben  umgestürzt  werden,  müssen  ue 


etwas  über  dem  Walle  stehen  und  umkippen,  ohne  rückwärts  fahren  zu  können 
bevor  sie  entleert  sind;  unten  aber  müssen  sie  so  tief  sieben,  dass  sie  mit  Schub- 
karren oder  anderen  Instrumenten  bequem  gefüllt  werden  können,  und  zwar  geschieht 
dies  vermittelst  eines  Steges.  Das  Ganze  muss,  wie  gesagt,  transportabel  sein  und 
leicht  von  einem  Orte  zum  anderen  bewegt  werden  können." 

Dies  ist  die  älteste  Nachriebt  von  einer  Seilbahn*). 

In  Kapitel  X  wird  das  in  Fig.  286  dargestellte  Becherwerk  mit  eigen- 
thünilichem  BewegungamechaDismus  beschrieben.  Die  Bescbreibang 
beginnt  mit  folgenden  Worten: 

„Wenn  mit  der  Kraft  zum  Heben  des  Wassers  ein  Rad  oder  Schwungrad  In 
geeigneter  Weise  verbunden  wird,  so  dass  es  vermöge  seiner  Bewegung  oder  Schwere 


*)  Abgesehen  von  der  ganz  primitiven,  die  sich  in  den  Dsehfolgenden 
der  Zeit  der  Hussitenkriege*  findet. 


.äkizz 


248  Buonkiuto  Lorini. 

die  Kraft  unterstützen  kdtin,  so  vird  eine  solche  Vorrichtung  uim  WuKtlirfMn  aenr 
l«cht  geben  und  von  grosBeni  Xutzen  sein.  Und  dies  um  so  mehr,  wenn  wir  »le 
□ach  dem  Principe  anordnen,  den  ganzen  Druck  der  Schwere  der  beweglichen  Maschinen- 
Iheile,  sowie  des  zu  hebenden  Wassers  auf  «meine  Punkte  xu  redudien  (d.  h.  auf 
dünne  Brehzapfen  vertheilen)  ....  Zu  diesem  Zwecke  wird  das  Schwungrad  von 
Blei  mit  einer  eisernen  Spindel  veneben  (Fig.  28ß)  ....  E«  ist  jedoch  darauf 
hinsuweisen,  daae  das  obere  Ende  dieser  Spindel  nicht  aus  der  Zeichnung  «Mlchtbch 
isl;  weU  diese  von  d^n  unteren  Balken  so  gehalten  wird,  dass  ihr  oberes  Ende  die 
Scheibe  oder  das  kleinere  Zahnrad  aufnehmen  und  dieses  sich  mit  dem  6chwung»»de 
frei  bew^jen  kann,  während  der  obere  Balken  dam  dient,  die  auf  dem  in  da-  Zeich- 
nung sichtbaren  Zapfen  sitzende  Zange  zu  halten.  IXe  an  dem  äuaseren  £nde  des 
Hebels  angreifende  Kraft  öffnet  und  schliesst  die  Zange,  wobei  je  ein  Sperrhaken 
an  den  Enden  derselben  den  eisernen  Zahnkranz  fortstöset  und  auf  die«  Weise  die 
Scheibe  und  das  Schwungrad  in  Bewegung  setzt,  wie  es  in  einem  späteren  KafHiel 
gezeigt  werden  wird " 

In  Kapitel  XXI  wird  nämlich  mit  Hilfe  einer  Zeidmung  in  rergrüsaertem 
Massstabe,  die  wir  in  Fig.  287  wiedergeben,  der  hier  angewendete  Bewegungs- 
mechaaismus  ausführlicher  erläutert 
Es  ist  ein  doppeltwirkendes 
Schaltwerk,  und  da  wir  einem 
derartigen  Mechanismus  bei  keinem 
Siteren  Autor  begegnet  sind,  so 
scheint  es,  daes  LoniM,  der  ihn 
empfiehlt,  um  die  Kraft  m^lichst 
"  -J  gleichmässig  auf  das  Rad  wirken 
zu  lassen,  der  Erfinder  desselben  ist. 
Das  Becherwerk  an  diesem 
Apparate  zeichnet  sich  dadurch  aus, 
dass  die  jeweilig  mit  den  gefüllten 
Bechern  belasteten  Theile  der  schräg 
ansteigenden  Ketten  von  drei  um 
Zapfen  leicht  drehbaren  Trommeln 
getragen  werden,  und  dass  die 
Becher  gleichzeitig  zwischen  zwei  schräg  ansteigenden  Balken  des  Gestelles 
geführt  und  an  seitlicher  Verschiebung  gebindert  sind.  Auf  den  beiden  Ketten 
sind  Brettchen,  wie  ans  Fig.  284  ersichtlich,  nnd  auf  diesen  die  Becher 
durch  Oesen  und  Schliessen  eo  befestigt,  dass  sie  leicht  ausgewechselt  werden 
können,  wenn  sie  schadhaft  geworden  sind. 

In  den  KapitelnXI  bis  XIV  werden  Wasserpumpen  beschrieben,  welche 
die  Eigenthümlichkeit  haben,  dass  das  Wasser  durch  den  Ventilkolhen  in  den 
Pumpenkörper  eintritt,  wie  aus  Fig.  288  ersichtlich  ist,  wo  der  Pumpenstiefel 
im  Wasser  hegt,  während  er  in  Fig.  289  stehend,  mit  dem  offenen  Ende  nach 
unten  gekehrt,  angeordnet  ist.  Auch  ersieht  man  aus  Fig.  288,  dass  sich 
LoBiHi  des   schweren  Pendels  bedient,   welches  Besscv  empfahl  {vergl.  S.   191). 


Doppelt wirkondea  Spaltwerk,  gestOrzte  Pumpen 


2tö 


Kapitel  XVI  handelt  von  den  Kammmascbinen  uml  lautet  folgender- 
massen: 

„Aut  Terschiedene  Arten  kann  man  in  Flüssen  cxler  anderen  Gewässern  oder 
in  eumpfigem  Terrain  Pfähle  änrammen,  um  Fundamente  für  Brücken  oder  Schutz- 
wehren herzuBtellen,  doch  ist  der  Apparat,  welchen  man  das  Gerüst  mit  dem  Ramm- 
bär (castello  co'l  maglio)  nennt,  der  gebräuchlichste,  welcher  mit  Eciner  Brsjb  auf 
flache  Barken  oder  das  Terran  gestellt,  durch   die  Kraft  von  26  his  30  Mann  in 


Tbätigkeit  gesetzt  wird,  von  welchen  jeder  an  einer  Leine  zieht,  deren  eines  Ende 
in  ein  starkes  Seil  übergeht,  welchem  oben  über  eine  Holle  läuft  und  mit  dem  anderen 
Ende  unten  an  den  Ring  des  Rammbären  befestigt  isL  Hierbei  arbeitet  man  mit 
grossen  Kosten  und  die  Arbeiter  werden  sehr  ermüdet.  Deshalb  habe  ich  gedacht, 
vermittelst  desselben  Gerüstes,  aber  mit  anderer  Hebelübersetzung 
und  Kraft  den  Rammbär  zu  beben,  die  Kosten  für  so  viele 
Menfichen  zu  vermeiden  und  denselben  Effekt  oder  selbst  einen 
besseren  durch  die  Bew^ung  und  Hebelkraft  eines  Schivungiades,  die 
Verthcilungdes  Gewichtes  durch  Rollen  uud  die  Art  der  Aufhängung 
des  Rammbären  zu  erreichen.  Es  sei  {OF)  (Fig.  290)  der  Durch- 
messer des  Schwungrades  von  sehn  Fuas*),  welches  ai<ji  mit  seinen 
Armen  auf  die  Welle  {A)  stutzt.  Diese  ist  zu  beiden  Seiten  durch 
Pfosten  (B)  aut  der  Basis  des  genannten  Gerüstes  unterstützt, 
welches  man  aus  der  Z^cbnung  ersieht  (K)  ist  der  Rammbär,  au 
dessen  Ring  {J]  das  Ende  des  Seiles  befestigt  ist.  Oben  in  der 
Höhe  (R)  geht  dieses  über  die  Rolle  {S)  und  an  seinem  Ende 
ist  eine  Rolle  befestigt,  in  welche  sich  ein  zweites,  dünneres  Seil 
legt^  das  mit  seinem  einen  Ende  bei  (L)  an  dem  Fussgestelle  an- 
gebunden wird,  während  das  andere  sich  um  die  Welle  {A) 
schlingt.  An  dieser  stehen  auf  jeder  Seite  zwei  Mann  und 
drehen  das  Rad  vermittelst  der  Kurbeln  (DE).  Ein  anderer 
Mann  foast  mit  seiner  rechten  Hand  den  Seillrum  {H)  uud  indem  er  ihn  In 
der  Kichtung  anzieht,  in  der  die  Welle  sich  dreht,  hebt  «eh  Atx  Rammbär  bb 
zur  gewünschten  Höhe.  Sobald  es  aber  dem  Arbeiter  passend  erscheint,  den 
Rammbär  fallen  zu  lassen,  um  auf  den  Pfahl  zu  schlagen,  wirft  er  den  Seiltrum, 
den   er  in  seiner  linken  Hand  angesammelt  bat,   über  die  Welle  hinüber,  während 

*)  Ein  vouetianiBclier  Fuss  war  gleich  34'/*  cm> 


Rg.  !8». 


^0  BuoDoiato  LorinL 

er  das  Ende  festhält,  und  giebt  so  den  Schlag.  Durch  wiederholtes  Anziehen  ecfalSgt 
er  den  Pfahl  nach  trcinem  Gefallen  ein.  AVas  die  Kraft  dieses  Apparates  betrifft,  so 
ivige  icb:  Da  vier  Mann  an  den  beiden  Kurbeln  stehen  und  jeder  eine  Kraft  ron 
40  Pfund  ausübt,  und  da  der  Kurbelhalbmeseer  um  ein  Drittel  grösser  ist,  als  der 
Halbmesser  der  Welle,  so  üben  sie  zusammen  eine  Kraft  von  212  Pfund  aus  (richtiger 
wäre:  213  Pfund),  und  brä  dem  Hebelanne  des  Schwungrades,  welches  ich  von  Blei 
annehme  und  von  gehörigem  Gewichte,  nämlich  gleich  dem  des  Rammbären,  können 


wir  annehmen,  dass  die  Kraft  um  die  Hälfte  vermehtt  winl,  was  303  Pfund  macht 
(212  X  '/«  iflt  eigentlich  =  318),  und  weil  die  Spannung  an  der  Biütae  [L)  eben^ 
gross  sein  wird,  so  werden  die  Arbeiter  mit  dem  Rade  eine  Zugkrnft  von  606  Pfund 
auf  die  Rollo  ausülwn,  und  so  schwer  könnte  man  den  Ranmibär  machen;  doch 
genügt  CS,  wenn  er  400  Pfund  wiegt.  Wenn  man  will,  dasa  der  Rammbär  allein 
herunterfallt  und  das  Seil  nur  die  Auslös uiigs Vorrichtung  {NP}  zurückhält,  inuss  man 
ersteren  so  machen,  wie  man  bei  (M)  sieht,  wo  in  das  Loch  in  der  Mitte  der  eiserne 
Haken  (P)  sich  einaetet;  (abc)  ist  das  Eisen,  welches  den  Rammbär  erfasst,  (rf)  der 


EunstrH 


Lie,  Baggeimasciline. 


^ 


Ring  oder  Bügel  und  (e)  der  BolzeB,  um  diese  beiden  Thcile  an  ihrem  Orte  so  teet- 
zuhalten,  wie  sie  hei  (QNOP)  mit  der  Feder  (U)  darunter  zu  sehen  ist.  (TV) 
siod  die  Führungen,  welche  denen  am  Rammbäre  gleich  und.  Auch  sieht  man  das 
Zugseil  (in  unserer  Zeichnung  ist  es  weggelassen)  und  die  bei  (Q)  angebundene  Leine 
in  der  Figur.  Wird  diese  Leine  von  unten  angezogen,  so  fällt  der  Rammbär  herab, 
und  wenn  man  dann  die  Auslösungs Vorrichtung  berunterlässl^  erfasst  sie  den  Kamm- 
bär seihet thätig  wieder." 

In  Kapitel  XVII  wird  eine  ArtBaggermaschine  (Fig.  291)  beschrieben 
■wie  folgt : 

„Die  Städte,  welche  die  Wohlthat  eines  schiffbaren  Hafens  geniessen,  sind 
wegen  der  Bequemlichkeit  und  dem  allgemeinen  Vonheile,  den  ein  solcher  gewährt, 


von  der  Katur  sehr  begünstigt  Deshalb  ist  es  aber  auch  Pflicht,  diese  Bequeinlich- 
k^t  durch  Kunst  zu  erhalten  und  zu  vermehren.  Man  erreicht  dies  hauptsächlich 
dadurch,  dass  man  die  Hefe  seines  Wassers  erhält,  damit  die  Schiffe  nicht  nur 
bequem,  soudcm  such  sicher  darin  veiweilen  können,  und  darum  ist  es  nothwendig, 
gute  Vorrichtungen,  wie  die  gegenwärtige,  für  diesen  Zweck  herzustellen.  Diese  habe 
ich  in  einer  Zeichnung  darstellen  wollen,  weil  sie  mehr  als  irgend  eine  andere  nütz- 
lich und  leicht  zu  handhaben  ist,  obgleich  nichts  weiter  von  mir  daran  erfunden  ist, 
als  die  Schaufel  oder  doppelte  Zange  und  die  Vergrösserung  des  Hebels.  Dieselbe 
ist  unter  andern  im  Gebrauche,  um  die  Kanäle  von  Venedig  auszubaggern  (cavare). 
Der  Apparat  wird  auf  eine  lange,  viereckige  Fähre  gestellt,  wie  sie  am  bequemsten 
und  sichersten  ist,  um  ihn  auf  dem  Wasser  zu  tragen.  Darauf  steht  in  der  Mitte 
des  Verdeckes  die  Schraube  (AB),  welche  durch  die  Mutter  (C)  geht.     Diese  ist  in 


2S2  UuoDkiato  Lariat 

dem  Hebel  (CB)  gelagert,  welcher  auf  der  Axe  {FG)  nibl,  die  von  den  Tfadlen 
(J*  und  G)  gestützt  wird.  An  das  Ende  b«  (B)  «erden  zwei  senkrechte  Hölier 
{BXf  und  {VS)  gehängt,  an  deren  unteren  Enden  man  die  Tbeile  der  Zange  auf- 
hängt, welche  doppelte  Anne  {MH)  von  gleicher  lÄnge  hat  Dann  ai^t  man  die 
beiden  Streben  {Tq)  cur  Verstärkung  häm  Oeffnen  und  Schliesaen  der  Zange.  Was 
die  Handhabung  betrifft,  so  wird  die  Zange  ao  geöffnet,  wie  sie  abgebildet  ist,  auf 
den  Grtind  herabgelasäen,  wobä  die  lÄnge  ihres  Hebelannes  {BT)  durch  den  Aus- 
schnitt (Oj  hindurchgeht  Dann  wird  mit  dem  Göpel  {ß)  das  Ende  des  Sälea  (/} 
angezogen,  welches  durch  die  Rolle  (S)  gehen  muss  (eigentlich  müsste  es  von  der 
Rolle  (d)  aus  erst  über  die  Axe  des  Balancien  laufen,  damit  es  während  der  Be- 
wegung des  letzteren  ohne  Nachhilfe  immar  ^eichmäoMg  gespannt  bliebe)  und  über 
die  Rollen  (X)  und  {,R)  läuft,  sowie  über  dne  solche  auf  d»  anderen  Seite,  welche 
man  in  der  Zeichnung  nicht  sieht,  um  die  Zange  zu  acbliessen.  Diese  greift  mit 
Quem  ^laule  unter  den  Schlamm  und  füllt  eich,  da  äe  sich  nicht  heben  kann,  weil 
der  Hebel  {CB)  Ton  der  Schraube  unbeweglich  festgehalten  wird.  I^t  die  Zange 
geschlossen   und  dreht  man  die  Schraube  {AD)  durch  ihre  Hebel  (Q),  so  wird  das 


Vermin,  die  gefüllte  Zange  zu  heben,  aus  der  Proportion  gefunden,  welche  zwischen 
der  Kraft  in  (C)  und  d«u  Gewichte  in  {B)  bei  der  Drehung  um  die  Axe  {FG) 
besteht,  und  aus  der  Vergrösserun^  welche  es  durch  die  Schraube  und  ihre  Hebel 
erfährt  Wenn  die  Zange  gehoben  und  der  Transport nocheu  darunter  gefahren  ist, 
öffnet  man  sie  mit  dem  Göpel  iß).  Man  muss  aber  darauf  achten,  daas  an  der 
Seite  bei  {J)  ein  Ajihallepuukt,  etwa  ein  eingerammter  Pfahl  sein  muss,  damit  der 
Apparat  nicht  zurückweichen  kann,  und  dass  der  grosse  Kasten  (die  Fähre)  am 
vorderen  Theile  bei  {t\  wo  die  Last  hängt,  viel  höher  ist,  als  hinten  bei  {^).  Will 
man  den  genannten  Göpel,  wegen  der  Unbequemlichkeit  infolge  des  grossen  Raumes, 
den  er  für  die  Arbeiter  beim  Unidrebcsi  beansprucht,  nicht  anwenden,  so  kann  man 
ein  Zahnrad  auf  einer  Welle  gebrauchen,  au  welcher  man  das  Ende  des  Seiles  ver- 
mittelt eines  Hakens  befestigt,  welches  Rad  man  durch  ein  Getriebe  und  Kurbeln 
imidreht " 

In  Kapitel XVIII  wird  einePalvermühle  beschrieben,  deren  eigentbfim- 
Itcher  Bewegungsmechanismas  zum  Heben  der  hölzernen  Stempel  aus  Fig.  292 
ersichtlich  ist.    Am  Schlüsse  des  Kapitels  wird  aber  gesagt: 

„Wenn  man  die  Anfertigung  des  genannten  Hebels  mit  der  Schnur  (welche 
fiber  eine  Rolle  läuft  und  den  Stempel  in  der  Mitte  seines  oberen  Endes  erfasst) 


Stampf  werk,  um  90®  verstellte  Schubstangen.  253 

vermeiden  will,  so  kann  man  die  Stempel  länger  machen  und  oben  einen  jeden  mit 
einem  Arme  versehen,  so  dass  die  Axe,  wenn  sie  nun  in  entgegengesetzter  Richtung 
umgedreht  wird,  mit  dem  Hebedaumen  den  Stempel  in  derselben  Weise  heben  und 
herabfallen  lassen  kann,  was  dann  freier  geschieht  und  viel  besser  ist,  namentlich^ 
wenn  man  an  dem  Ende  des  Hebedaumens  eine  Rolle  anbringt,  welche  umlaufen 
kann  tmd  beim  Heben  des  Stempels  keinen  Widerstand  leistet'* 

In  der  zuletzt  angedeuteten  Weise  wurde  der  von  Agricola  angegebene 
Fallhammer  (Fig.  180,  S.  160)  betrieben. 

In  den  Kapiteln  XIX  und  XX  beschreibt  Lorini  Getreidemühlen  für  Hand- 
betrieb. Bei  der  ersten  sitzt  ein  Schwungrad  auf  einer  horizontalen  Kurbel- 
axe, deren  Bewegung  durch  eine  Winkelräderübersetzung  wie  1 :  3  in's  Schnelle 
auf  die  Mühlspindel  übertragen  wird.  Bei  der  in  Kapitel  XX  beschriebenen 
erfolgt  die  Bewegung  durch  einen  in  einer  Horizontalebene  schwingenden  Hand- 
hebel. Durch  Flügelstange  und  Kurbel  wird  dessen  Bewegung  in  Drehung  einer 
vertikalen  Axe  umgesetzt,  welche  ein  Schwungrad,  wie  das  in  Fig.  286  dar- 
gestellte trägt.  Durch  Stimräderübersetzung  wie  1 :  2  in's  Schnelle  wird  die 
Bewegung  von  dieser  Axe  auf  die  Mühlspindel  übertragen. 

In  Kapitel  XXI  wird  das  Schwungrad  als  das  beste  Mittel  bezeichnet, 
um  bei  Anwendung  animalischer  Kräfte  eine  Maschine  in  eine  Bewegung  von 
ähnlicher  Gleichmässigkeit  zu  versetzen,  wie  sie  beim  Betriebe  mit  Wasser- 
rädern erreicht  wird;  doch,  sagt  Lorini,  sei  es  schwer,  eine  animalische  Kraft 
(namentlich  bei  Handbetrieb)  gleichmässig  auf  das  Schwungrad  wirken  zu  lassen. 
Dies  werde  am  besten  durch  die  bei  Beschreibung  von  Fig.  286  erwähnte  und 
in  Fig.  287  in  vergrössertem  Massstabe  abgebildete  doppeltwirkende 
Schaltung  erreicht,  sowie  auch  durch  die  in  Fig.  293  dargestellte  Anordnung, 
bei  welcher  die  Bewegung  von  zwei  Hebebi  durch  zwei  in  ihren  mittleren  Lagen 
rechtwinklig  zu  einander  stehende  Flügelstangen  auf  eine  Kurbel  übertragen 
wird.  Auch  der  Idee,  auf  welcher  diese  zweite  Anordnung  beruht,  sind  wir 
bei  keinem  früheren  Autor  begegnet,  und  müssen  sie  daher  als  eine  Erfindung 
LoRiNi's  betrachten.  Denn  wo  wir  vor  ihm  Doppelkurbeln  angewendet  fanden, 
waren  sie  um  180^  gegeneinander  verstellt. 

In  den  letzten  Kapiteln  seines  Werkes  bespricht  Lorini  transportable 
Pontonbrücken  und  zusammenlegbare  Leitern,  wie  sie  sich  schon  bei  Robertus 
Valturius  a.  a.  0.  abgebildet  finden. 


Giambattista  della  Porta  (1538-1615). 


GunB&TTisTA  DTi.i  \  PoRTA.  SOS  altadelieem  Geschlechte  mn  153S  za 
Neapel  geboren,  wurde  mit  seinem  Bruder  Vckcctt  unter  der  Leitung  eines 
Oheims,  der  sehr  unterrichtet  war.  erzogen.  Beide  Brüder  beseelte  gleicher 
Eifer  für  das  Stadium  der  Naturwissenschaften,  und  sie  blieben  für  ihr  ganzes 
Leben  die  treuesten  Getahrten  und  Freunde.  Nachdem  GiAM&imsTA  sich  früh* 
zeitig,  namentlich  durch  das  Lesen  der  Werke  alter  Naturforscher,  gebildet  und 
alle  Quellen,  die  Neapel  ihm  für  sein  Studium  bieten  konnte,  erschöpft  hatte^ 
reiste  er  durch  Italien.  Frankreich  und  Spanien,  wo  er  Bibliotheken  darck- 
forschte,  durch  Unterredung  mit  Gelehrten.  Künstlern  und  Handwerkern  sich 
weiter  zu  bilden  suchte  und  riele  Notizen  zur  späteren  Verwerthuw  sammelte. 
In  seine  Vaterstadt  zurücksekehrt.  wurde  er  Mitbegründer  der  Akademie  der 
•«!>tiosi*  und  errichtete  kurze  Zeit  darauf  in  seinem  Hause  diejenige  der 
•Secreti*.  in  welche  Niemand  aufgenommen  wurde,  der  sich  nicht  durch  eine 
nützliche  Entdeckuu  oder  Erfindung  auf  dem  Gebiete  der  Naturwissenschaften 
angezeichnet  hatte.  Des  geheimnisiSToUen  Namens  wegen  w::rJe  diese  Gesell- 
schalt  bald  der  Zauberei  verdächtigt  und  ihr  Grönder  und  Leiter  naA  Rom 
Toreeladen.  um  sich  zu  rechuertigen.  Infolge  des  gro>§sen  Rufes,  den  er  sich 
in  der  Geie'-rtenwelt  erworl^n  hatte.  gelaK  ihm  dies  leicht:  doch  k5>ste  Papcst 
Paul  IIL  die  Akademie  der  .Secreti*  auf  und  Porta  musste  ihm  Tersprechen. 
<icL  fir  die  Folee  unerlaubter  Künste  zu  enthalten,  was  ihn  icdess  nicht  ab- 
fcifh.  a-ch  :Vmer  physikalische  Studien  in  seiner  Heimath  ra  pde^n. 

Schon  IcoS.  im  n-e:inzchn:en  Lebensjahre  unseres  A-:ors.  erschien  zu 
Near-rl  dir  ri^:-?  Audi^e  >einTrr  .M^^ljk  naturalis*,  die  jrdvvh  ■^*^*^  nur  ass 
drei  Fü/i-r::  :*r>::in-i.  Einiinddrvissii:  Jahre  SMter  lC>.Sv»  cib  er  dassribe 
Werk  erw-fitcn  in  nranzig  B.l:irni  hfra:is.  In  difSier  TjüsTinüren  Atisabe 
indrii  sich  rici:  zlit  SeziTrk-rCSWrnhe  F:r>ch::ni?rn  über  «>r::£.  die  den  Ver- 
fasser :i:i:rr  iniTrr=i  nr  Err:Lizr:z  drr  Ciziera  rbscuri  zzi:,r:^:i  ;ind  ihn  der 
Erizi-::irj:  irs  Ffnr:hres  s^hr  z^if  br:i:h:en.  s:-irm  auch  eize  fjx  jene  Ze;t 
sehr  T:.;ii:n:ziTi:T  AV:anil:iiL£  über  MaznrtisziiiSw 


Lebensbeschreibung,  Aeolipyle.  255 

Später  verarbeitete  Porta  einzelne  Abschnitte  seiner  ^.Magia  naturalis^ 
zu  selbständigen  Traktaten,  welche  weitere  Deduktionen  aus  den  dort  aufge- 
stellten Lehrsätzen  enthalten.  Von  diesen  werden  wir  ;,Pneumaticorum  libri  IIP, 
Neapel  1601,  im  Nachstehenden  näher  betrachten.  Sein  Traktat  „De  aeris 
transmutationibus^,  Rom  1604,  ist  die  vollständigste  Meteorologie  jener  Zeit, 
und  seine  Bemerkungen  über  Ebbe  und  Fluth  nach  Beobachtungen,  die  er  zu 
Venedig  gemacht  hatte,  sind  fast  die  ersten,  welche  wir  über  diesen  Gegen- 
stand besitzen. 

Trotz  seines  Hanges  zum  Wunderbaren  und  vieler  naiver  Anschauungs- 
weisen, die  unseren  Autor  als  Kind  seiner  Zeit  beherrschten,  leistete  er  den 
Naturwissenschaften  grosse  Dienste  und  trug  zur  Verbreitung  des  Geschmackes 
an  ihnen  mehr  bei,  als  irgend  einer  seiner  Zeitgenossen ;  nicht  nur  durch  seine 
Schriften,  sondern  auch  dadurch,  dass  er  jedem  Freunde  der  Wissenschaft  den 
Zutritt  zu  seinem  reich  ausgestatteten  physikalischen  Kabinette  gestattete. 

Porta  starb  in  seiner  Vaterstadt  am  4.  Februar  1615  und  wurde  in  einer 
Kapelle,  die  er  in  der  Kirche  des  heiligen  Laurenzius  hatte  errichten  lassen, 
beigesetzt. 

Aus  seiner  ;,Magia  naturalis^  haben  für  uns  nur  wenige  Abschnitte  des 
neunzehnten  Buches  hier  Interesse. 

Im  dritten  Kapitel  wird  zunächst  gelehrt,  dass  ein  Gefäss,  in  dem  die 
Luft  durch  Wärme  verdünnt,  und  das  mit  der  Mündung  in  Wasser  getaucht 
worden  ist,  dieses  ansaugt,  während  die  darin  befindliche  Luft  sich  abkühlt. 
Es  entspricht  dies  in  der  Wirkungsweise  dem  Schröpfkopfe,  den  schon  Heron 
der  Aeltere  um  120  v.  Chr.  beschrieben  hatte.     (Vergl.  S.  8.) 

Dann  wird  die  Aeolipyle  besprochen,  die  Vitrüv  im  sechsten  Kapitel  des 

zweiten  Buches  seiner  ;,Architectura^  erwähnt,  wo  er  von  den  Winden  spricht 

und  sagt: 

„Der  Wind  ist  eine  strömende  Luftwelle  mit  unbestimmt  überfluthcnder  Be- 
wegung. Er  entsteht,  wenn  Hitze  auf  Feuchtigkeit  trifft  und  der  Andrang  der  Er- 
wärmung einen  gewaltig  wehenden  Hauch  herauspresst  Dass  dies  der  FaU  ist,  kaun 
man  aus  den  ehernen  Aeolipylen  (Luftgefässen)  ersehen  und  so  hinsichtlich  der  ver- 
borgenen Gesetze  des  Himmds  durch  künstlich  erfundene  Dinge  die  göttliche  Wahr- 
heit erkennen.  Man  macht  nämlich  eherne,  hohle  Gefässe,  die  eine  möglichst  enge 
Oeffnung  haben.  Durch  diese  werden  sie  mit  Wasser  gefüllt  und  dann  stellt  man 
sie  an's  Feuer.  Bevor  sie  warm  werden,  zeigt  sich  keinerlei  Hauch,  sobald  sie  aber 
anfangen,  sich  zu  erhitzen,  bewirken  sie  am  Feuer  ein  heftiges  Blasen,  und  so  kann 
man  aus  diesem  kleinen  Schauspiele  Kenntniss  imd  Urtheil  über  die  grossen,  unermess- 
lichen  Naturgesetze  erlangen." 

Von  der  hier  zu  Grunde  liegenden  Ansicht,  dass  das  aus  erhitztem  Wasser 

aufsteigende  Gas  atmosphärische  Luft  sei,  geht  auch  Porta  aus. 

Schon  Heron  sagte: 

„Das  Wasser,  wenn  es  von  dem  Feuer  umgewandelt  wird,  geht  in  Luft  über. 
Die  Dämpfe  aus  erhitzten  Tiegeln  sind  nichts  Anderes,  als  ausgedehnte  Flüssigkeit, 
die  sich  in  Luft  verwandelt  hat,  denn  das  Feuer  löst  alles  Dichte  auf  und  wandelt 
es  um." 


256  GiamUttistm  della  Porta. 

Und  diese  Ansicht  hat  sich  bis  gegen  das  achtzehnte  Jahrhundert  er- 
halten. Nichtsdestoweniger  ist  die  Aeolipjle,  welche  früher  in  keinem  physi- 
kalischen Kabinet  fehlte,  von  historischem  Interesse,  weil  sie  allmälig  zu  besserer 
nnd  allgemeinerer  Kenntniss  der  Dampfkraft  führte.  So  bespricht  beispiels- 
weise schon  Albertus  Magnus  (geb.  tun  1200  zu  Lauingen  in  Schwaben  als 
Albrecht  Graf  yon  Bollstäot)  in  seiner  Abhandlmig  .,De  Meteoris''  fib.  IV, 
cap.  m  die  Art,  wie  man  durch  Dampf  die  Elntstehung  eines  Erdbebens  an- 
schaulich machen  könne,  mit  folgenden  Worten: 

^an  hat  ein  starkes  Gefiss  von  Erz,  das  eine  Oeffnung  im  Kopfe  und  eine 
im  Bauche  hat  und  auf  Füssen  steht  Es  wird  mit  Wasser  gefüllt,  die  Oeffnungen 
weiden  verstopft,  und  dann  stellt  man  es  an's  Feuer.  Es  entsteht  Dampf  im  Gefasse 
und  dieser  ninunt  imm^  mehr  an  Starke  zu,  bis  er  durch  dne  der  Oeffnungen 
gewaltsam  herausbricht  und  das  Wasser  weit  über  die  umliegenden  Dinge  hinans- 
stösst  Oder  wenn  es  unten  herausbricht,  schleudot  es  durch  die  Gewalt  des  Dampfes 
Brände,  Kohlen  und  heisee  Asche  weithin.  Man  nennt  ein  solches  Ge&s  „snfflator" 
und  giebt  ihm  gewöhnlich  die  Grestalt  eines  blasenden  Mannes.'^ 

Doch  möchten  wir  hier  auch  an  die  Dampfkanone  erinnern,  die  sich  in 
den  Skizzen  des  Leonardo  da  Vixa  findet,  und  welche  dieser  als  eine  Erfindung 
des  ARcmMEDEs  bezeichnet  (vergl.  S.  99),  und  möchten  auch  darauf  aufmerk- 
sam machen,  dass  AyniEMirs  aus  Tralles,  der  Erbauer  der  Sophienkirche  in 
Konstantinopel,  im  sechsten  Jahrhundert  n.  Chr.  schon  besser  ein  Erdbeben 
durch  Dampfkraft  nachzuahmen  verstand,  als  Albertus  3Iagnts. 

Der  byzantinische  Historiker  Agatkas,  der  unter  Kaiser  Justinian  lebte 

und  eine  Geschichte  jener  Zeit  geschrieben  hat,  erzahlt  (nach  der  lateinischen 

Uebersetzung  des  Bconavextcra  Vclcakius,  Paris  1660)  im  fünften  Buche  dieses 

Welkes  von  Ayrmoiius  und  dem  Redner  Zexo,  die  mit  einander  im  Streite 

lebten«  Folgendes: 

JZeso  hatte  ein  hohes  Bbuis,  sehr  geräumig  und  schön  und  sorgfiltig  ans- 
geschmückt»  worin  er  selbst  oft  verweilte  und  gute  Freunde  als  Gaste  zu  empfangen 
pfl^Ste.  Aber  die  unteren  Wohnräume  desselben,  gleicher  Erde,  bildeten  xom  Tbeil 
das  Haus  des  A^cthehius»  so  dass  die  Decke  dazwischen  einestheik  eine  AbdjKhmi^ 
andeientheils  eine  Basb  (für  das  darüber  li^ende  Stockwerk  des  Zeso)  war.  Hier 
nun  stellte  er  grosse,  mit  Wasser  gefüllte  Kessel  in  verschiedenen  Räumen  des 
Hauses  auf.  Diese  umgab  er  aussen  mit  ledernen  Röhren,  und  zwar  waren  ae  an 
ihrem  unteren  Theile  so  weit,  dass  sie  den  ganzen  Umfang  des  Kessels  umscUossen, 
Ainn  nach  Art  von  Trompeten  in  oigere  Form  übergeführt  und  im  ricbt^en  Ver> 
haltniss  verlaufend,  befestigte  er  ihre  Enden  an  den  Balken  und  Bretten,  laad  heftete 
$ie  so  genau  an,  dass  die  von  den  Röhren  aufgenommene  Luft  (Dampf)  zwar  ans 
frwm  Antriebe  aufstieg;  indem  sie  in  deren  Höhlung  in  die  Höhe  stzeble  ond  an 
die  nackte  Dachfläche  anstiess^  soweit  sie  es  bei  der  Umschliessung  mit  Leder  vcr- 
mochte«  nach  ansehen  aber  auf  keine  Weise  entwich  oder  durchbrach.  Nachdem  dies 
im  Geheimen  hergerichtet  war,  brachte  er  ein  machtiges  Feuer  unter  den  Boden  der 
Kessel  und  erzeugte  eine  grosse  Flamme.  Allmälig  wurde  aus  dem  siedenden,  wallen- 
den Wasser  viel  Dampf  (vapor>  ennnckelt.  der  ebenso  schnell  als  dicht  in  ^m  Höba 
stieg.  Und  da  er  keine  Gelegenheit  zum  Ausströmen  batte,  wurde  er  in  die  Röhre 
secrieben  und  strebte,  durch  die  Enge  zusammengepresst»  mit  um  so  gröcsserer  Gewall 
aufwärts,  bis  er  mit  heftigem  Anprall  an  die  I^ke  stiess  und  das  Oninie  ersekattert 
und  bewegt  wurde,    so  dass   die  Balken  allmälig  zitterten  und  knarrten.     Dia 


Kenntniss  der  Dampfkraft  im  Alterthum,  Spritzflasche.  257 

bei  Zexo  waren,  wurden  von  Furcht  und  Schrecken  ergriffen  und  h'efen,  die  (Jotter 
anrufend,  laut  schreiend  imd  von  der  Schwere  des  Unglücks  erschüttert  auf  die 
Strasse " 

Es  wird  auch  erzählt,  wie  Anthemius  seinen  Feind  noch  durch  künstliche 
Blitze  und  Donner  erschreckte;  doch  wollen  wir  zu  unserem  Thema  zurückkehren. 

Während  bei  der  von  Vitrüv  beschriebenen  Aeolipyle  die  Oeflfnung  noch 
eben  gross  genug  sein  musste,  um  Wasser  eingiessen  zu  können,  sagt  Porta, 
man  solle  sie  sehr  fein  machen,  und  wenn  es  alsdann  zu  schwierig  sei,  das 
Wasser  einzugiessen,  solle  man  das  vorher  besprochene  Experiment  anwenden, 
um  die  Aeolipyle  zu  füllen,  d.  h.  man  solle  sie  erst  erwärmen  und  dann  in 
Wasser  tauchen,  damit  sie  beim  Erkalten  der  eingeschlossenen  Luft  Wasser 
ansauge.  Auf  diese  Weise  findet  man  die  Aeolipyle  bei  späteren  Schriftstellern 
meist  beschrieben. 

Der  folgende  Abschnitt  ist  überschrieben:   ;,£in  Gefäss,  welches  Wasser 

fortschleudert"  und  lautet: 

„Es  wird  bei  uns  ein  Gefäss  von  pyramidaler  Form  und  mit  sehr  enger,  läng- 
licher Mündung  feilgeboten  (circumfertur),  womit  Wasser  in  die  Ferne  geschleudert 
wird.  Damit  dieses  durch  die  Mündung  Wasser  einziehe,  sauge  man  mit  dem  Munde 
nach  Kräften  Luft  aus  und  tauche  die  Mündimg  plötzlich  imter  Wasser.  Dann 
zieht  es  das  Wasser  so  lange  an,  bis  dieses  den  dritten  Theil  ausfüllt  Wenn  Du 
willst,  dass  das  Wasser  in  die  Feme  geschleudert  werde>  fülle  das  Gefäss  mit  Luft, 
indem  Du  so  stark,  als  Du  kannst,  hineinbläst.  Neige  die  Mündung  des  Gefässes, 
sobald  Du  sie  vom  Munde  thust,  so  dass  das  Wasser  in  sie  hineinläuft  und  ein 
Hindemiss  bildet,  so  schleudert  die  Luft,  indem  sie  herauszuströmen  sucht,  das  Wasser 
weit  fort  Wenn  Du  aber  ohne  Heranziehung  der  Luft  das  Wasser  in  die  Feme 
schleudern  willst,  erhitze  den  Boden  des  Gefässes  ein  Weilchen,  denn  die  ausgedehnte 
Luft  verlangt  einen  grösseren  Raum,  und  indem  sie  sich  auszudehnen  strebt,  treibt 
sie  das  Wasser  heraus.  Auf  diese  Weise  machen  die  Tmnksüchtigen  ein  kleines 
Loch  in  das  Weinfass,  und  weil  der  Wein  nicht  herausläuft,  indem  das  Spundloch, 
durch  welches  Luft  eintreten  sollte,  durch  einen  Stöpsel  verschlossen  ist,  blasen  sie, 
so  stark  sie  können,  in  jenes  Loch,  und  sobald  sie  von  ihm  zurücktreten,  fliesst  so 
viel  Wein  aus,  als  Luft  eingeblasen  wurde.*^ 

Die  hier  beschriebene  Flasche  ist  eine  unvollkommene  Form  des  soge- 
nannten Heronsballes  (der  Spritzflasche).  Offenbar  fehlte  die  beinahe  bis  zum 
Boden  herabreichende  Spritzröhre,  weshalb  die  verdichtete  Luft  nur  Wasser 
fortschleudern  konnte,  wenn  das  Gefäss  so  geneigt  wurde,  dass  das  Wasser  in 
die  Mündung  trat;  aber  immerhin  muss  man  den  Apparat  als  eine  Art  Herons- 
ball  betrachten. 

Bekanntlich  hat  sich  Arago  seiner  Zeit  bemüht,  Salomon  de  Gaus  zum 
Erfinder  der  Dampfmaschine  zu  machen.  Der  Apparat  zum  Heben  des  Wassers 
durch  Feuer,  den  dieser  beschreibt,  stimmt  mit  dem  überein,  den  man  erhält, 
indem  man  einen  Heronsball  so  erhitzt,  wie  es  Porta  hier  angiebt. 

Die  übrigen  Gegenstände  des  neunzehnten  Buches  der  „Magia  naturalis^, 
die  für  uns  Interesse  bieten,  sind  in  dem  Traktate  ;,Pneumaticorum  libri  IIP' 
ausführlicher  und  besser  behandelt,  weshalb  wir  uns  zu  diesem  wenden.  Es 
liegt  uns  die  italienische  Uebersetzimg,  welche  1606  zu  Neapel  erschienen  ist,  vor. 

Beck.  17 


258 


GiambattisU  dellm  Porta. 


Das  erste  Bach  enthält  Betrachtungen  über  das  Yaknum,  das  Gleich* 

gewicht  Ton  Flüssigkeiten  und  den  Heber. 

Im  ersten  Kapitel  des  zweiten  Buches  wird  gesagt: 

„Wenn  wir  Wasser  um  100  Fuss*)  heben  wollen,  so  a«  (DC)  (Fig.  294)  ein 
hochgestellleä  Geias?,  in  welches  das  Wasser  ans  einem  um  100  Fuss  tiefer  striienden 
ersten  Crefasse  (AB)  zu  stetgien  habe.  Es  sei  {BC)  eine  Röhre^  wddie  so  weit 
zum  Boden  des  Gefasses  (AB)  herabreicht,  dass  das  Wasser  nodi  eben  nadi  dem 
Gelasse  (CD)  ablaufen  kann.  Sie  sei  mit  dem  Gefasse  {CD)  veriöthet.  Der  andere 
Schenkel  des  Hebers,  d.  L  die  Röhre  mit  dem  Gefasse  {EF)  gehe  von  demsdben 
Deckel  nach  abwärts  und  sei  oben  veriöthet  Femer  gehe  eine  ebentsUs  lOO'  lange 
Röhre  von  dem  Boden  des  Ge&ses  (EF)  senkrecht  herab  und  sei  zum  beliebigen 
Schliessen  und  Oeffnen  bei  ihrer  Einmündung  mit  einem  Hahne  (F)  versehen.    Auf 


Fig.  2M. 


Fig.  205. 


dem  Gefässe  (EF)  sei  ein  Trichter  (H)  mit  Hahnen  verschluss,  durch  welchen  wir 
es  mit  Wasser  füllen  können.  Man  fülle  die  beiden  Gefä.^se  (AB)  und  (EF)  und 
verschliesse  den  Hahn  (H),  dass  er  keine  Luft  einläs&t  Wird  dann  der  Hahn  (F) 
geöffnet  imd  das  Wasser  beginnt  durch  den  Kanal  (FJ)  abzulaufen,  so  sucht  das 
Gefäss  (EF)y  da  es  die  durch  das  Wasser  entstandene  Leere  mit  Luft  wieder  füllen 
muss,  diese  auf  jedem  Wege  und  zieht  daher  die  Luft  aus  der  Rohre  {ED)  und 
diese  zieht  sie  aus  dem  Gefässe  {CD).  Ist  aber  die  Luft  aus  (CD)  gesogen,  so 
wird  das  Walser  gezwungen,   von   seinem  Orte  aus  gegen   seine  natürliche  Neigung 

*)  Im  Texte  steht  100  palmi  anstatt  100  piedi,  was  aber,  wie  ans  dem  Nachfolgenden 
hervorgeht,  ein  Schreib-  oder  Druckfehler  ist.  —  In  den  Figuren  des  vor  uns  liegenden  Werkes 
stimmen  die  Bachstaben  sehr  häufig  nicht  mit  denen  im  Text  überein  oder  sind  in  diesem 
fehlerhaft.  Wir  haben  uns  erlaubt,  diese  Buchstabenbezeichnnngen  in  Uebereinstimmung  su 
bringen. 


Einfache  hydraulische  Saug-  und  Druckapparate.  259 

in  die  Höhe  zu  steigen  und  einen  hoher  gelegenen  Ort  einzunehmen^  So  gelangt  es 
in  das  Gefass  (CD).  Und  wenn  aus  dem  Gefässe  (EF)  alles  Wasser  ausfliesst, 
zieht  es  ebensoviel  Wasser  aus  dem  Gefässe  (A  JB),  welches  nach  (CD)  gelangt  und 
dort  verbleibt  Wenn  wir  dann  das  Gefäss  (DC)  öffnen,  können  wir  uns  des 
Wassers  zu  unserem  Gebrauch  bedienen  und  haben  erreicht,  was  wir  uns  vorge- 
nommen hatten.  Die  Druckhöhe  (il  perpendicolo)  des  herabfliessenden  Wassers  sei 
100',  so  wird  es  durch  die  Röhre  (BC)  auf  dieselbe  oder  auf  eine  um  Weniges 
geringere  Höhe  steigen " 

Im  zweiten  Kapitel  weist  Porta  darauf  hin,  dass  Heron  der  Aeltere  in 
Kapitel  53  seiner  „Pneumatica"  einen  ähnlichen  Apparat  beschreibt,  aber  nicht 
angiebt,  dass  die  Länge  der  Ausflussröhre  mindestens  ebenso  gross  sein  muss, 
wie  die  Steigröhre,  während  die  Abbildung  vermuthen  lässt,  er  habe  es  für  ge- 
nügend gehalten,  wenn  das  Wasser  nur  etwas  tiefer  abfliesst,  als  das  anzu- 
saugende Wasser  steht.  „Daher",  sagt  Porta,  „irrt  Heron.  Doch  könnte  man 
auch  sagen,  Heron  habe  nicht  geirrt,  aber  die  Abbildung  sei  falsch."  Letzteres 
ist  um  so  wahrscheinlicher,  als  diese  Abbildungen  erst  im  sechzehnten  Jahr- 
hundert von  Bernhard  Baldo  oder  von  Federico  Commandino  dem  Texte  beige- 
geben wurden.  Dies  thut  indess  dem  Verdienste  Porta's  keinen  Eintrag,  die 
nothwendige  Länge  der  Abflussröhre  für  solche  Apparate  annähernd  festgestellt 
zu  haben.  Unbekannt  war  ihm  dagegen  der  erst  von  Toricelli  (1643)  entdeckte 
Atmosphärendruck^  durch  welchen  das  Wasser  in  die  Saugröhre  emporgetrieben 
wird,  und  der  höchstens  ein  Ansaugen  auf  etwa  10  m  gestattet,  während  der 
horror  oder  metus  vacui,  wodurch  die  früheren  Physiker  das  Ansaugen  er- 
klärten, als  unbegrenzt  gedacht  wurde.  Unbekannt  war  imserem  Autor  auch, 
dass  bei  dem  in  Rede  stehenden  Apparat  die  gehobene  Wassermenge  wegen 
der  Elasticität  der  eingeschlossenen  Luft  eine  geringere  ist,  als  die  ausgeflossene. 
Und  es  scheint  ihm  auch  nicht  klar  gewesen  zu  sein,  dass  das  obere  Gefass 
{D  C)  nur  dann  um  die  Länge  der  Ausflussröhre  höher  gestellt  werden  darf, 
als  das  untere  Gefäss  (AB)^  wenn  dieses  stets  gefüllt  erhalten  wird,  dass  es 
anderenfalls  aber  um  so  viel  tiefer  gestellt  werden  muss,  als  der  Wasserspiegel 
in  (A  B)  während  der  Thätigkeit  des  Apparates  sinkt.  Sein  Glaube,  dass  der 
Apparat  seinen  Angaben  gemäss  funktionire,  konnte  nur  daraus  entspringen,  dass 
€r,  wie  LoRiNi  sagt,  auf  die  Leichtigkeit  vertraute,  womit  kleine  Modelle  arbeiten. 

In  Kapitel  HI  weist  Porta  darauf  hin,  dass  Herox  auch  bei  dem  ge- 
wöhnlichen Heber  mit  Ansaugegefäss  versäumt  hat,  zu  sagen,  dass  die  Ausfluss- 
röhre  des  letzteren  dieselbe  Länge  haben  muss,  wie  der  aufsteigende  Schenkel 
des  Hebers. 

Kapitel  IV  zeigt,  „wie  Wasser  durch  Verdrängung  in  die  Höhe  getrieben 
werden  kann".  Sind  die  Gefässe  {AB)  und  (EF)  (Fig.  295)  mit  Wasser  ge- 
füllt und  wird  der  Hahn  bei  (B)  geöffnet,  so  fliesst  das  Wasser  von  (AB) 
nach  (D  C),  und  die  in  (D  C)  und  (E  F)  komprimirte  Luft  drückt  das  Wasser 
yoii  (EF)  nach  ((?^),  vorausgesetzt,  dass  die  Wassersäule  zwischen  (JB  ^)  und 
(DC)  gleich  der  Druckhöhe  zwischen  (EF)  und  (GH)  ist  oder  etwas  höher. 

17* 


2G0 


Giambattista  della  Porta. 


In  Kapitel  Y  wird  darauf  hingewiesen,  dass  Heron  auch  bei  Apparaten 
dieser  Art,  insbesondere  bei  dem  sogenannten  Heronsbnumen,  versäumt  hat, 
die  nöthige  Druckhöhe  anzugeben  oder  zu  berücksichtigen. 

In  Kapitel  VI  wird  ausgeführt,  dass  bei  den  beschriebenen  Apparaten 
die  Länge  der  Röhren,  sofern  sie  ohne  Einfluss  auf  die  Druckhöhe  ist,  die 
Wirkungsweise  des  Apparates  nicht  beeinflusse,  was  jedoch  wegen  der  Elasti- 
cität  der  eingeschlossenen  Luft  bezüglich  der  Fördermenge  bei  gegebener  Be- 
triebswassermenge nicht  ganz  richtig  ist. 

In  Kapitel  YII  wird  gezeigt,  wie  man  durch  Kombination  (Fig.  296)  eines 
Druck-  und  eines  Saugapparates,  wie  beschrieben,  Wasser  auf  das  Doppelte  der 


iir 


SSL 


-/£ 


Fi«.  296. 


fl 

Fig.  297. 


PU 


Gefällhöhe  des  Betriebswassers  emporheben  kann.  Es  geschieht  dies  in  der 
Weise^  dass  der  eine  Apparat  das  Wasser  nach  dem  hochstehenden,  ganz  ge- 
schlossenen Gefässe  hindrückt,  während  der  zweite  die  Luft  aus  demselben  saugt. 

In  Kapitel  VIII  wird  darauf  hingewiesen,  dass  bei  dem  Saugapparate  das 
Betriebswasser  ins  Freie  und  nicht  etwa  in  ein  geschlossenes  Gefäss  ausströmen 
muss,  um  seine  Wirkung  zu  thun. 

In  Kapitel  IX  wird  eine  Kombination  von  zwei  Saugapparaten  zu  dem 
in  Kapitel  YII  angegebenen  Zwecke  so  beschrieben,  wie  aus  Fig.  297  ersicht- 
lich ist,  und  dann  wird  gesagt: 

„Nachdem  diese  Dinge  hergerichtet  sind,  füllt  man  das  Gefäss  (AB)  mit 
Wasser  und  öffnet  den  Hahn  {F).  Indem  das  Wasser  durch  die  Röhre  (FH)  ans- 
fliesst,  wird  das  Wasser  von  (AB)  durch  die  Luft  gehoben,  die  nun  in  (EF)  mid 


Kombinirte  hydraulische  Saug-  und  Dnickapparate. 


261 


der  Rohre  (EC)  eingeschlossen  ist,  und  das  Wasser  steigt  daher  nach  (CD).  Man 
dreht  alsdann  den  Hahn  (0)  um,  der  dem  Gefässe  (AB)  gegenübersteht,  und  das 
Wasser  bewirkt  durch  (OP)  und  die  Röhre  (OL),  dass  das  Wasser  aus  dem  Ge- 
fässe (CD)  nach  (LM)  steigt,  indem  durch  den  Kanal  (CH)  Luft  in  das  G^fäss 
(CD)  tritt.  Denn  wenn  hier  keine  Luft  eintritt^  zieht  es  nicht  Und  so  kann  man 
fortfahren  bis  zu  einer  beliebigen  Höhe,  weil  bei  jedem  weiteren  Apparat  dasselbe 
stattfindet,  wie  wir  es  bei  dem  ersteren  beschrieben  haben." 

Hier  ist,  ausser  dem  früher  Erwähnten,  übersehen,  dass  durch  die  grössere 
Luftmenge,  welche  in  dem  längeren  Verbindungsrohre  zwischen  dem  hochstehen- 
den und  dem  tiefstehenden  Gefässe  eingeschlossen  ist,  der  Effekt  jedes  folgen- 


: 


D 


a 


s 


i 


l^HT^^e— lA: 


HJ 


B 


A\ 


Fig.  298. 


Fig.  299. 


Fig.  800. 


den  Apparates  kleiner  wird,  als  der  des  vorhergehenden,  sowie,  dass  das  Wasser 
durch  die  Röhre  (FH)  wegen  Verdünnung  der  darüber  befindlichen  Luft  nicht 
vollständig  ablaufen  kann,  weshalb  Lufthähne  auf  den  Gefässen  (D  C),  {ML) 
n.  s.  w.  erforderlich  sind. 

In  Kapitel  X  soll  gezeigt  werden,  wie  man  bei  einem  gegebenen  Gefälle 
durch  einen  Druckapparat  der  beschriebenen  Art  Wasser  auf  beliebige  Höhe 
heben  kann.  Zunächst  wird  der  Apparat  beschrieben,  wie  ihn  Fig.  298  zeigt. 
Der  Fassungsraum  eines  jeden  der  Gefässe  (OJB),  (-E),  (G)  u.  s.  f.  entspricht 
der  Wassermenge,  die  gehoben  werden  soll.  Das  Gefäss  (DA)  aber  fasst  so 
viel,  wie  die  Gefässe  (E)^  (G)  n.  s.  w.  zusammengenommen.  Man  füllt  die 
Gefässe  (DA)  und  (J^)  mit  Wasser  und  öffnet  den  Hahn  unter  dem  ersteren, 
nachdem  man  das  letztere  abgeschlossen  hat 


2G2  Giainbaitista  della  Porta. 

^Wenn  dann^,  sagt  Porta,  ^jdas  Wasser  von  (Ä  D)  nach  (B  C)  herab- 
fliesst,  treibt  die  verdrängte  Luft  das  Wasser  ans  dem  Gefasse  (E)  und  hebt 
es  nach  {G),  Und  wenn  wir  uns  wiederholt  in  derselben  Weise  der  Maschine 
bedienen,  können  wir  allein  mit  der  Druckhöhe  (DB)  das  Wasser  bis  zu  den 
Sternen  heben.  ^  Er  meint  offenbar,  man  solle  den  Hahn  unter  (D  A)  schliessen, 
das  in  (C  B)  befindliche  Wasser  ablassen,  (CB)  schliessen  und  den  Hahn  unter 
(D  A)  wieder  öffnen,  so  würde  das  Wasser  von  (G)  nach  (M)  gedrückt,  und  so 
könne  man  es  stufenweise  immer  höher  und  höher  heben.  Es  ist  ihm  unbe- 
kannt, dass  die  eingeschlossene  Luft  erst  bis  zu  einer  gewissen  Spannung  kom- 
primirt  werden  muss,  um  den  nöthigen  Druck  ausüben  zu  können,  und  dass 
hierzu  von  Stufe  zu  Stufe  eine  immer  grössere  Betriebswassermenge  nöthig  wird. 

Kapitel  XI  führt  die  Ueberschrift :  ;,Wie  man  durch  Luft  die  Saughöhe 
vermehren  kann.^  Mit  einem  Saugapparate,  wie  beschrieben  (Fig.  299),  wird 
Wasser  angesaugt;  sobald  dies  aber  in  der  Saugröhre  ein  wenig  gestiegen  ist, 
entfernt  man  das  Wassergefäss  einen  Augenblick  von  der  Mündung  des  Saug- 
rohres, so  dass  etwa  das  gleiche  Volumen  Luft  eingesaugt  wird.  Dann  lässt 
man  wieder  etwas  Wasser,  dann  wieder  etwas  Luft  einsaugen  u.  s.  f.  Auf 
diese  Weise  kann  die  abwechselnd  aus  Luft  und  Wasser  bestehende  Säule  etwa 
doppelt  so  hoch  werden,  bis  sie  der  abwärts  fliessenden,  ununterbrochenen 
Wassersäule  das  Gleichgewicht  hält. 

Li  den  Kapiteln  XH  und  XIY  wird  analog  dem  soeben  Gesagten  gezeigt, 
dass  das  Eindringen  von  etwas  Luft  in  den  anderen  Schenkel  des  Hebers  den 
Lauf  des  Wassers  nicht  unterbricht,  wenn  die  Fallhöhe  in  diesem  die  Steig- 
höhe im  ersten  Schenkel  um  mehr  als  die  Länge  der  Luftblasen  übertrifft 
(siehe  Fig.  300). 

Kapitel  XIU  lautet: 

„Nun  werden  wir  eine  Art  des  Wasserhebens  beschreiben,  die  den  Alten  nicht 
bekannt  war,  viehnehr  von  ihnen  für  unmöglich  gehalten  ii^-urde.  Denn  Jeder,  der 
versuchte,  in  der  Biegung  eines  Hebers  an  seiner  höchsten  Stelle  eine  kleine  Oeffnung 
zu  machen,  fand,  dass  durch  plötzliches  Eindringen  von  Luft,  die  den  Lauf  des 
Wassers  unterbrach,  die  Wassersäule  ihres  Gewichtes  beraubt  wurde,  das  Wasser  zu 
beiden  Seiten  herabfiel  und  der  Heber  nicht  nur  aufhörte  zu  wirken,  sondern  plötz- 
lich  leer  wurde Man  nehme   einen  gebogenen  Heber,  an    dessen   höchster 

Stelle  im  Halse  (B)  (Fig.  301)  eine  kleine  Oeffnung  ist,  an  die  ein  G^fäss  sich 
anschliesst  oder  angelöthet  ist,  so  dass  keine  Luft  eindringen  kann.  Am  Halse 
bringen  wir  einen  Hahn  (D)  an,  so  dass  durch  diesen  ein  Weg  in  das  Oefäss  geht 
Wenn  nun  die  Strömung  des  Wassers  in  dem  Heber  eine  kontinuirliche  geworden 
ist,  öffnen  wir  das  Hähnchen  und  von  dem  durch  den  Hals  des  Hebers  strömenden 
Wasser  wird  ein  wenig  durch  die  kleine  Oeffnung  in  das  Innere  des  Gefässes  fliessen, 
während  ebensoviel  Luft  daraus  entweicht  und  Luft  imd  Wasser  gemischt  durch  den 
Schenkel  {B  A)  herabfliessen  *).  Und  auf  diese  Weise  wird  sein  Lauf  nicht  unter- 
brochen, wie  wir  oben  gezeigt  haben  (d.  h.  wenn  der  Schenkel,  worin  das  Wasser 
herabfliesst,  genügend  lang  ist).  Beim  Oeffnen  imd  Schliessen  des  Hahnes  ist  nöthig, 
dass  es  im  richtigen  Verhältniss  zu  der  W^asserströmung  imd  der  Grosse  des  Heber- 

*)  Wir  haben  in  unserer  Abbildung  der  besseren  VerstfindHchkeit  wegen  für  Wasser 
und  Luft  je   ein  besonderes  Verbindungsröhrchen  zwischen  Gefäss  und  Heber  eingezeichnet. 


WuserfOrderuDg  durch  Heber,  quantitative  BcslimmQng  einer  Verdampfoug.        'XS 

schenkeis  geschehe,  so  üass  die  Oeffniing  nicht  zu  groio  wird  (und  nicht  ZU  lange 
Zeit  offen  bleibt).  Denn  wenn  zu  viel  Wasser  in  das  Gcfäss  dringt,  wird  der  Heber 
eine  zu  grosse  Luftmenge  aus  diesem  aufnehmen,  und  indem  diese  durch  den  Schenkel 
Bbfliesst,  könnte  sie  diiB  Gewicht  der  Wassersäule  zu  sehr  beeinträchtigen  und  die 
Wasserströmung  aufhören.     Um  dies  zu  venneiden,    uiuss  man    die  Mündung  immer 

nur  wenig  offnen  und  rasch  schlicssen So  wird  das  Gefäss  in  abgebrochenen 

Zwischenräumen  gefüllt,  und  wenn  es  voll  und  der  Hnls  geschlossen  ist,  öffnet  man 

eine  untei«  Mündung  und  nimmt  das  Wasser  heraus " 

Selbstverständlich  muss  auch  durch  ein  Hähnchen  Lnft  in  das  Gefäss  ein- 
gelassen werden  können,  wenn  das  Wasser  daraus  abüiessen  soll.  Da  die 
mangelhafte  Abbildung  von  diesem  Apparate  aus  Fobta'b  Werk  in  diejenigen 


vieler  späterer  Schriftsteller  übergegangen  ist,  und  diese  meist  noch  mangel- 
haftere Erklärungen  dazu  gesetzt  haben,  glaubten  wir  die  Besühreibung  Porta's, 
soweit  es  nns  für  die  Verständlichkeit  nöthig  schien,  hier  wiedergeben  zu  sollen. 
In  Kapitel  XV  -wird  gezeigt,  wie  man  durch  den  soeben  beschriebenen 
Heber  Wasser  aus  einem  Bache  auf  einen  Thurm  schaffen  kann.  Es  ist  hier 
offenbar  Torausgesetzt,  dass  bei  dem  Thurme  ein  genügend  grosses  Gefälle  in 
dem  Bache  vorhanden  sei  (siehe  Fig.  302).  Das  Ende  des  kürzeren  Heber- 
schenkels ist  gegen  die  Strömung  horizontal  umgebogen  und  in  das  Oberwasser 
eingetaucht,  so  dass  dieses  nicht  nur  von  dem  Heber  angesaugt,  sondern  aucli 
durch  die  Strüraung  hineingetrieben  wird.  Das  Ende  des  längeren  Schenkels 
ist  in  das  Unterwasser  eingetaucht  und  mit  der  Strömung  horizontal  umge- 
bogen, so  dass  diese  das  aus  dem  Heber  fliessende  Wasser  rasch  wegführt 


264  GiambatÜBU  della  Porto. 

Hier,  sowie  in  dem  nun  folgenden  ersten  Kapitel  des  zweiten  Buches, 
tritt  wieder  deutlich  hervor,  dass  Porta  von  der  bei  etwa  10  m  gelegenen  Grenze 
der  Saughöhe  nichts  wusste.  Denn  in  dem  letztgenannten  Kapitel  will  er  zeigen, 
dass  man  yermittelst  eines  Hebers  Wasser  über  einen  Berg  aus  einem  Thale 
in  ein  benachbartes,  tiefer  gelegenes  Thal  bringen  könne,  und  es  ist  kaum  zu 
bezweifeln,  dass  er  sich  den  Berg  höher  als  den  vorhin  genannten  Th^rm  und 
diesen  mehr  als  10  m  hoch  vorstellte.  Am  höchsten  Punkte  des  über  den  Berg 
geführten  Hebers  soll  ein  Trichter  mit  Hahnverschluss  angebracht  sein,  um 
ersteren  füllen  zu  können.  Die  Heberöhre  soll  aus  Thon,  Blei  oder  Kupfer 
hergestellt  werden.  Eisen  ist  nicht  genannt,  denn  gusseiserne  Röhren  kamen, 
wie  wir  schon  früher  zu  bemerken  Gelegenheit  hatten,  erst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  siebzehnten  Jahrhunderts  in  Gebrauch  und  schmiedeiseme  noch  später. 

Femer  ist  aus  dem  zweiten  Buche  das  siebente  Kapitel  bemerkenswerth, 
in  dem  ein  Apparat  beschrieben  wird,  mit  dessen  Hilfe  untersucht  werden  soll, 
in  wie  viel  Luft  (Dampf)  eine  bestimmte  Wassermenge  sich  auflöst.    Es  lautet: 

„Man  mache  einen  Kasten  (BC)  (Fig.  303)  von  Glas  oder  Zinn.  Im  Boden 
habe  er  ein  Loch,  wodurch  die  Röhre  einer  Destillirblnse  geht,  die  wir  mit  (2))  be- 
zeichnen. 6ie  enthalte  ein  oder  zwei  Unzen  Wasser.  Der  Hals  sei  in  dem  Boden 
des  Kastens  verlöthet  (oder  verkittet),  so  dass  nichts  aus  ihm  herauslaufen  kann. 
Eine  Röhre  stehe  vom  Boden  dieses  Kastens  so  weit  ab,  als  zum  Auslaufen  des 
Wassers  genügt,  gehe  durch  den  Deckel  und  ein  wenig  über  seine  Oberfläche  hinaus. 
Man  fülle  den  Kasten  durch  das  Loch  {A)  und  verscbliesse  es  gut,  so  dass  keine 
Luft  entweichen  kann.  Endlich  setze  man  die  Destillirblasc  über  ein  Feuer  und 
erwärme  sie  langsam,  damit,  wenn  das  Wasser  sich  in  Luft  auflöst,  diese  auf  das 
Wasser  in  dem  Kasten  drückt  und  es  zwingt,  in  der  Röhre  (0)  in  die  Höhe  zu 
steigen,  aus  der  es  dann  herausläuft  Man  erwärme  das  Wasser  (in  der  DesUllir- 
blase)  so  lange,  bis  es  alle  geworden  ist  Während  es  verdampft,  drückt  es  fort- 
während auf  das  Wasser  im  Kasten  und  treibt  dieses  aus.  Wenn  die  Verdampfung 
(l'essalatione)  beendigt  ist,  messe  man,  wieviel  Wasser  (dem  Volumen  nach)  aus  dem 
Kasten  geflossen  ist,  denn  an  die  Stelle  des  ausgeflossenen  Wassers  wird  ebensoviel 
Luft  (Dampf)  getreten  sein,  und  aus  der  Menge  des  ausgeflosseneu  Wassers  erkennt 
man,  dass  das  (verdampfte)  Wasser  sich  in  ebensoviel  Luft  aufgelöst  hat  Man  kann 
auch  (mit  diesem  Apparat)  bequem  messen,  in  wieviel  Theile  dünnerer  Luft  eine 
gegebene  Menge  dichter  Luft  sich  ausdehnen  lässt,  und  obgleich  wir  dieses  Thema 
schon  in  unserer  Meteorologie  behandelt  haben,  so  soll  es  uns,  da  es  unserem  Zwecke 
hier  entspricht,  doch  nicht  verdriessen,  noch  einmal  darüber  zu  sprechen.* 

Es  folgt  die  Beschreibung  des  betreflfenden  Experiments. 

Trotz  aller  Mangelhaftigkeit  des  Apparates  ist  der  vorstehend  beschriebene 
Versuch  Porta's  als  der  erste  zur  quantitativen  Bestimmung  einer  Verdampfung 
von  Interesse.  Auch  möchten  wir  schon  jetzt  darauf  hinweisen,  dass  man  nach 
einer  kleinen  Veränderung  des  Steigrohres  diesen  Apparat  dazu  benutzen  kann, 
um  das  Wasser  aus  dem  Kasten  durch  den  Dampf  hoch  in  die  Höhe  zu  treiben. 
Er  ist  als  eine  Modifikation  des  Heronsballes  zu  betrachten.  Wendet  man  zwei 
Kasten  an,  versieht  deren  Steigrohre  mit  einem  Hahn  und  schleift  sie  in  eines 
zusammen,  so  kann  man  einen  kontinuirlichen  Wasserstrahl  erhalten,  wenn 
man  abwechselnd  den  einen  Kasten  füllt,  während  der  andere  sich  entleert. 


Die  Dampfmaschine  des  Marquis  of  Worcester.  265 

In  dieser  Form  gross  und  stark  ausgeführt,  stimmt  der  Apparat  wahrscheinlich 

mit  der  Dampfmaschine  überein,  welche  der  Marquis  of  Worcester   erfand, 

denn  in  seiner  Schrift  „a  Century  of  the  Names  and  Scantlings  of  the  Marquis 

of  Worcester's  Inventions.     1663"  sagt  er*): 

68.  „Eine  wunderbare  und  höchst  kraftvolle  Art,  Wasser  durch  Feuer  in  die 
Höbe  zu  treiben,  nicht  durch  Anziehen  oder  Ansaugen,  denn  das  kann,  wie  die 
Philosophen  sagen,  nur  „Infra  sphaeram  activitatis",  d.  h.  nur  auf  eine  gewisse  Ent- 
fernung (Höhe)  geschehen,  sondern  diese  Art  hat  keine  Grenzen,  wenn  die  Gefässe 
stark  genug  sind;  denn  ich  habe  ein  Stück  von  einer  ganzen  Kanone,  deren  Ende 
zersprungen  war,  genommen  und  zu  drei  Viertel  mit  Wasser  gefüllt,  und  nachdem  ich  das 
zerbrochene  Ende,  sowie  das  Zündloch  verstopft  und  verschraubt  und  ein  anhaltendes 
Feuer  darunter  gemacht  hatte,  barst  es  innerhalb  24  Stunden  mit  einem  lauten  Knall ; 
so  dass,  nachdem  ich  ein  Mittel  gefunden  hatte,  meine  Gefässe  so  zu  machen,  dass 
sie  durch  die  Kraft  darin  verstärkt  werden  imd  sich  eines  nach  dem  anderen  füllt, 
ich  das  Wasser  in  einem  andauernd  40  Fuss  hohen  Springbrunnenstrahle  ausströmen 
sah.  Ein  Gefäss  voll  Wasser,  das  durch  Feuer  verdünnt  wird,  treibt  40  (Grefässe) 
kalten  Wassere  in  die  Höhe.  Und  ein  Mann,  der  den  Apparat  bedient,  hat  nur 
zwei  Hahnen  zu  drehen,  dmnit,  wenn  ein  Gefäss  voll  Wasser  verbraucht  ist,  ein 
anderes  zu  drücken  anfängt  und  es  sich  wieder  mit  kaltem  Wasser  füllt,  und  so 
abwechselnd,  wobei  das  Feuer  gewartet  und  gleichmässig  erhalten  wird,  was  dieselbe 
Person  gleichfalls  in  der  Zwischenzeit  zwischen  den  nothwendigen  Umdrehungen  der 
genannten  Hahnen  besorgen  kann. 

Da  hier  das  Zersprengen  eines  Kanonenrohres  als  Beweis  für  die  Grösse 
der  Kraft  angeführt  wird,  welche  bei  der  Maschine  angewendet  wurde,  so  ist 
wohl  nicht  zu  bezweifeln,  dass  diese  eine  Hochdruck-Dampfmaschine  war, 
und  die  oft  wiederholte  Behauptung,  dass  die  ersten  brauchbaren  Dampf- 
maschinen Niederdruck  oder  vielmehr  atmosphärische  Maschinen  gewesen  seien, 
dürfte  danach  einzuschränken  sein.  Denn  brauchbar  sind  auch  Maschinen 
nach  Art  derjenigen  des  Marquis  dp  Worcester,  da  sie  thatsächlich  noch  heute, 
z.  B.  als  Monte-jus  in  Zuckerfabriken,  gebraucht  werden.  Die  Stelle  obigen 
Citats:  „damit,  wenn  ein  Gefäss  voll  Wasser  verbraucht  ist,  ein  anderes  zu 
drücken  anfangt  imd  es  sich  wieder  mit  kaltem  Wasser  füllt*',  scheint  sagen 
zu  wollen,  dass  das  ausgetriebene  Wasser  heiss  gewesen  sei,  dass  also  die 
Maschine  wohl  nur  aus  einer  Kombination  zweier  direkt  erhitzter  Heronsbälle 
nach  Art  des  Salomon  de  Caus  bestand.  Da  es  aber  doch  kaum  möglich  ge- 
wesen sein  dürfte,  das  kalte  Wasser  bis  zur  Siedhitze  zu  bringen,  ehe  das  aus 
dem  anderen  Gefässe  getriebene  zu  Ende  gegangen  war,  und  auf  diese  Weise 
einen  kontinuirlichen  Wasserstrahl  zu  erhalten,  so  neigen  wir  zu  der  Ansicht 
hin,  dass  die  Dampferzeugung,  wie  bei  dem  soeben  besprochenen  Apparate 
Pgrta's,  in  einem  besonderen  Dampfkessel  erfolgte. 

Wenden  wir  uns  dem  in  Rede  stehenden  Werke  desselben  wieder  zu, 
so  finden  wir  das  neunte  Kapitel  des  zweiten  Buches  überschrieben:  „Wie  wir 
starken  Wind  für  Schmiede  und  zum  Kühlen  von  Zimmern  erhalten  können, 
ohne  dass  er  jemals  abnimmt,  sowie  über  einige  Irrthümer  des  Hergn.'^  Es  lautet: 

*)  Nach  der  Kopie  der  betrefFenden  Schrift,  welche  sich  findet  in:  The  life,  times  and 
laboars  of  the  second  Marquis  of  WoRCEäTER  bj  Henry  Dircks,  London  1865. 


264  GiambatÜBta  della  Porta. 

Hier,  sowie  in  dem  nun  folgenden  ersten  Kapitel  des  zweiten  Buches, 
tritt  wieder  deutlich  hervor,  dass  Porta  von  der  bei  etwa  10  m  gelegenen  Grenze 
der  Saughöhe  nichts  wusste.  Denn  in  dem  letztgenannten  Kapitel  will  er  zeigen, 
dass  man  vermittelst  eines  Hebers  Wasser  über  einen  Berg  aus  einem  Thale 
in  ein  benachbartes,  tiefer  gelegenes  Thal  bringen  könne,  und  es  ist  kaum  zu 
bezweifeln,  dass  er  sich  den  Berg  höher  als  den  vorhin  genannten  Thurm  und 
diesen  mehr  als  10  m  hoch  vorstellte.  Am  höchsten  Punkte  des  über  den  Berg 
geführten  Hebers  soll  ein  Trichter  mit  Hahnverschluss  angebracht  sein,  um 
ersteren  füllen  zu  können.  Die  Heberöhre  soll  aus  Thon,  Blei  oder  Kupfer 
hergestellt  werden.  Eisen  ist  nicht  genannt,  denn  gusseiserne  Röhren  kamen, 
wie  wir  schon  früher  zu  bemerken  Gelegenheit  hatten,  erst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  siebzehnten  Jahrhunderts  in  Gebrauch  und  schmiedeiserne  noch  später. 

Femer  ist  aus  dem  zweiten  Buche  das  siebente  Kapitel  bemerkenswerth, 
in  dem  ein  Apparat  beschrieben  wird,  mit  dessen  Hilfe  untersucht  werden  soll, 
in  wie  viel  Luft  (Dampf)  eine  bestimmte  Wassermenge  sich  auflöst.    Es  lautet: 

„Man  mache  einen  Kasten  (BC)  (Fig.  303)  von  Glas  oder  Zinn.     Im  Boden 
habe  er  ein  Loch,   wodurch  die  Rohre  einer  Destillirblase  geht,   die  wir  mit  (D)  be- 
zeichnen.    Sie  enthalte  ein  oder  zwei  Unzen  Wasser.     Der  Hals  sei  in  dem  Boden 
des  Kastens  verlÖthet   (oder  verkittet),   so  dass   nichts   aus  ihm   herauslaufen  kann. 
Eine  Röhre  stehe  vom  Boden  dieses  Kastens  so  weit  ab,  als  zum  Auslaufen   des 
Wassers  genügt,  gehe  durch  den  Deckel  und  ein  wenig  über  seine  Oberfläche  hinaus. 
Man  fülle  den  Kasten  durch  das  Loch  (Ä)  und  verscbliesse  es  gut,   so  dass  keine 
Luft  entweichen  kann.     Endlich   setze   man   die  Destillirblase  über  ein  Feuer  und 
erwärme  sie  langsam,   damit,   wenn   das  Wasser  sich  in  Luft  auflöst,  diese  auf  das 
Wasser  in  dem  Kasten  drückt  und  es   zwingt,   in   der  Rohre  (0)  in  die  Höhe  zu 
steigen,  aus  der  es   dann  herausläuft     Man  erwärme  das  Wasser  (in   der  Destillir- 
blase) so  lange,   bis  es  alle  geworden  ist     Während  es  verdampft,   drückt  es  fort- 
während auf  das  Wasser  im  Kasten  imd  treibt  dieses  aus.    Wenn  die  Verdampfung 
(ressalatione)  beendigt  ist,  messe  man,  wieviel  Wasser  (dem  Volumen  nach)  aus  dem 
K^ten  geflossen  ist,  denn  an  die  Stelle  des  ausgeflossenen  Wassers  wird  ebensoviel 
Luft  (Dampf)  getreten  sein,  und  aus  der  Menge  des  ausgeflossenen  Wassers  erkennt 
man,  dass  das  (verdampfte)  Wasser  sich  in  ebensoviel  Luft  aufgelöst  hat     Man  kann 
auch  (mit  diesem  Apparat)  bequem  messen,   in   wieviel  Theile   dünnerer  Luft  eine 
gegebene  Menge  dichter  Luft  sich  ausdehnen  lässt,   mid  obgleich  wir  dieses  Thema 
schon  in  imserer  Meteorologie  behandelt  haben,  so  soll  es  uns,  da  es  imserem  Zwecke 
hier  entspricht,  doch  nicht  verdriessen,  noch  einmal  darüber  zu  sprechen.* 

Es  folgt  die  Beschreibung  des  betreflfenden  Experiments. 

Trotz  aller  Mangelhaftigkeit  des  Apparates  ist  der  vorstehend  beschriebene 
Versuch  Porta's  als  der  erste  zur  quantitativen  Bestimmung  einer  Verdampfung 
von  Interesse.  Auch  möchten  wir  schon  jetzt  darauf  hinweisen,  dass  man  nach 
einer  kleinen  Veränderung  des  Steigrohres  diesen  Apparat  dazu  benutzen  kann, 
um  das  Wasser  aus  dem  Kasten  durch  den  Dampf  hoch  in  die  Höhe  zu  treiben. 
Er  ist  als  eine  Modifikation  des  Heronsballes  zu  betrachten.  Wendet  man  zwei 
Kasten  an,  versieht  deren  Steigrohre  mit  einem  Hahn  und  schleift  sie  in  eines 
zusammen,  so  kann  man  einen  kontinuirlichen  Wasserstrahl  erhalten,  wenn 
man  abwechselnd  den  einen  Kasten  füllt,  während  der  andere  sich  entleert. 


Die  Dampfmaschine  des  Marquis  of  Worcester.  265 

In  dieser  Form  gross  und  stark  ausgeführt,  stimmt  der  Apparat  wahrscheinlich 

mit  der  Dampfmaschine  überein,  welche  der  Marquis  of  Worcester   erfand, 

denn  in  seiner  Schrift  „a  Century  of  the  Names  and  Scantlings  of  the  Marquis 

of  Worcester's  Inventions.     1663"  sagt  er*): 

68.  „Eine  wunderbare  und  höchst  kraftvolle  Art,  Wasser  durch  Feuer  in  die 
Höhe  zu  treiben,  nicht  durch  Anziehen  oder  Ansaugen,  denn  das  kann,  wie  die 
Philosophen  sagen,  nur  ,Jnfra  sphaeram  activitatis",  d.  h.  nur  auf  eine  gewisse  Ent- 
fernung (Höhe)  geschehen,  sondern  diese  Art  hat  keine  Grenzen,  wenn  die  Gefässe 
stark  genug  sind;  denn  ich  habe  ein  Stück  von  einer  ganzen  Kanone,  deren  Ende 
zersprungen  war,  genommen  und  zu  drei  Viertel  mit  Wasser  gefüllt,  und  nachdem  ich  das 
zerbrochene  Ende,  sowie  das  Zündloch  verstopft  und  verschraubt  und  ein  anhaltendes 
Feuer  darunter  gemacht  hatte,  barst  es  innerhalb  24  Stunden  mit  einem  lauten  Knall ; 
30  dass,  nachdem  ich  ein  Mittel  gefunden  hatte,  meine  Gefässe  so  zu  machen,  dass 
sie  durch  die  Kraft  darin  verstärkt  werden  imd  sich  eines  nach  dem  anderen  füllt, 
ich  das  Wasser  in  einem  andauernd  40  Fuss  hohen  SpringbrunnenstnUile  ausströmen 
sah.  Ein  Gefäss  voll  Wasser,  das  durch  Feuer  verdünnt  wird,  treibt  40  (Gefässe) 
kalten  Wassere  in  die  Höhe.  Und  ein  Mann,  der  den  Apparat  bedient,  hat  nur 
zwei  Hahnen  zu  drehen,  damit,  wenn  ein  Gefäss  voll  Wasser  verbraucht  ist,  ein 
anderes  zu  drücken  anfängt  und  es  sich  wieder  mit  kaltem  Wasser  füllt,  und  so 
abwechselnd,  wobei  das  Feuer  gewartet  und  gleichmässig  erhalten  wird,  was  dieselbe 
Person  gleichfalls  in  der  Zwischenzeit  zwischen  den  nothwendigen  Umdrehungen  der 
genannten  Hahnen  besorgen  kann. 

Da  hier  das  Zersprengen  eines  Kanonenrohres  als  Beweis  für  die  Grösse 
der  Kraft  angeführt  wird,  welche  bei  der  Maschine  angewendet  wurde,  so  ist 
wohl  nicht  zu  bezweifeln,  dass  diese  eine  Hochdruck-Dampfmaschine  war, 
und  die  oft  wiederholte  Behauptung,  dass  die  ersten  brauchbaren  Dampf- 
maschinen Niederdruck  oder  vielmehr  atmosphärische  Maschinen  gewesen  seien, 
dürfte  danach  einzuschränken  sein.  Denn  brauchbar  sind  auch  Maschinen 
nach  Art  derjenigen  des  Marquis  op  Worcester,  da  sie  thatsächlich  noch  heute, 
z.  B.  als  Monte-jus  in  Zuckerfabriken,  gebraucht  werden.  Die  Stelle  obigen 
Gitats:  „damit,  wenn  ein  Gefäss  voll  Wasser  verbraucht  ist,  ein  anderes  zu 
drücken  anfangt  und  es  sich  wieder  mit  kaltem  Wasser  füllt'^  scheint  sagen 
zu  wollen,  dass  das  ausgetriebene  Wasser  heiss  gewesen  sei,  dass  also  die 
Maschine  wohl  nur  aus  einer  Kombination  zweier  direkt  erhitzter  Heronsbälle 
nach  Art  des  Salomon  de  Caus  bestand.  Da  es  aber  doch  kaum  möglich  ge- 
wesen sein  dürfte,  das  kalte  Wasser  bis  zur  Siedhitze  zu  bringen,  ehe  das  aus 
dem  anderen  Gefässe  getriebene  zu  Ende  gegangen  war,  und  auf  diese  Weise 
einen  kontinuirlichen  Wasserstrahl  zu  erhalten,  so  neigen  wir  zu  der  Ansicht 
hin,  dass  die  Dampferzeugung,  wie  bei  dem  soeben  besprochenen  Apparate 
Porta's,  in  einem  besonderen  Dampfkessel  erfolgte. 

Wenden  wir  uns  dem  in  Rede  stehenden  Werke  desselben  wieder  zu, 
so  finden  wir  das  neunte  Kapitel  des  zweiten  Buches  überschrieben:  „Wie  wir 
starken  Wind  für  Schmiede  und  zum  Kühlen  von  Zimmern  erhalten  können, 
ohne  dass  er  jemals  abnimmt,  sowie  über  einige  Irrthümer  des  Heron."  Es  lautet : 

*)  Nach  der  Kopie  der  betreffenden  Schrift,  welche  sich  findet  in:  The  life,  times  and 
laboars  of  the  second  Marquis  of  Worcester  bj  Henry  Dircks,  London  1865. 


266  Giambattista  della  PorU. 

n{AB)  (Fig.  304)  sei  ein  grosses  Gefäss  oder  eine  Kammer.  Am  Boden  habe 
sie  ein  Loch  (E)  und  darüber  erhebe  sich  ein  Kanal  (F)  von  einem  Fuss  Lange. 
Die  Kammer  habe  femer  eine  Mündung  {G\  wodurch  der  Wind  blasen  soll,  und 
oben  einen  Trichter  (C).  Wenn  sich  nun  Wasser  aus  einem  Kanäle  (D)  in  diesen 
Trichter  ergiesst,  so  führt  es  Luft  mit  sich  und  diese  stürzt  gleichzeitig  mit  dem 
Wasser  in  die  Kammer  (AB).  Das  Wasser  wird  durch  die  Mündung  (E)  entweichen, 
in  dem  Kanäle  (F)  in  die  Höhe  steigen  und  ausfliessen.  In  das  Innere  aber  fliesse 
ebensoviel  Wasser  durch  (C)  ein,  als  durch  (F)  austritt,  so  dass  die  Kammer  immer 
bis  zu  (F)  gefüllt  sei.  Und  da  das  Wasser  unausgesetzt  in  die  Kammer  (AB) 
herabstürzt  und  bestandig  Luft  mitführt,  so  wird  stets  Wind  durch  die  Mündung 
(G)  ausströmen." 

Eine  unvollständigere  Beschreibung  desselben  Apparates  findet  sich  schon 

in  Porta's  „Magia  naturalis^'  von  1589.    Dort  wird  im  sechsten  Kapitel  des 

neunzehnten  Buches  gesagt: 

„Wie  Luft  die  Dienste  von  Blasbälgen  leistet,  haben  wir  zu  Rom  gesehen. 
Es  wird  eine  überall  verschlossene  Kammer  zusammengefügt  Von  oben  nimmt  sie 
durch  einen  Trichter  eine  Quantität  Wasser  auf.  In  der  Wandung  ist  oben  ein 
kleines  Loch,  wodurch  die  Luft  mit  grosser  Gewalt  ausströmt  Sie  wird  mit  solcher 
Kraft  ausgetrieben,  dass  sie  ein  Feuer  aufs  Beste  in  Brand  setzt  und  in  Kupfeiv 
und  Eisen^chmieden  die  Stelle  von  Blasbalgen  leicht  ausfüllt,  indem  der  Einlauf 
so  konstruirt  ist,  dass  er  je  nach  Bedürfniss  abgewendet  oder  das  Wasser  hinein- 
geleitet wird." 

Dies  ist  die  älteste  Beschreibung  eines  Wassertrommelgebläses. 

In  „Pneumaticorum  libri  III"  fahrt  Pohta  fort: 

„Aber  in  Nettuno  bei  Rom*)  sind  zwei  Kammern  errichtet,  damit,  während  die 
eine  sich  mit  Wind  füllt,  die  andere  sich  von  Wasser  entleert^  und  während  die.se 
sich  wieder  füllt,  die  andere  sich  von  Wind  entleert  Und  auf  diese  Weise  fehlt 
der  Wind  niemals  dem  Feuer,  sondern  bläst  es  aufs  Heftigste  an.  Auf  unsere 
Weise  aber  haben  wir  zwar  immer  anhaltend  Wind,  jedoch  nicht  so  starken.*^ 

Diese  Stelle  scheint  uns  nur  dann  einen  Sinn  zu  haben,  wenn  unter 
„Wind"  gepresste  Luft  zu  verstehen  ist,  und  diese  entsteht,  indem  die  Kammer 
sich  mit  Wasser  füllt,  sowie  dass  unter  „Entleeren  von  Wind"  das  Ver- 
schwinden dieser  Luftpressung  zu  verstehen  ist  und  dieses  gleichzeitig  mit  der 
Entleerung  von  Wasser  erfolgt.  Beides  ist  sowohl  bei  Wassertrommel-  als 
auch  bei  Wassersäulengcbläsen  der  Fall,  imd  es  bleibt  daher  zweifelhaft, 
welcher  von  beiden  Gattungen  das  Gebläse  von  Nettuno  angehörte.  Wir  halten 
es  indessen  für  das  Wahrscheinlichste,  dass  das  Wasser  in  der  vorhin  be- 
schriebenen Weise  in  die  Kammern  hineinstürzte,  aber  nicht  kontinuirlich  ablief. 
Anstatt  des  stets  offenen  Auslaufes  (F)  dürfte  ein  Hahn  angebracht  gewesen 
sein,  durch  welchen  das  Wasser  nur  zeitweilich  abgelassen  wurde,  nachdem  es 
die  Kammer  gefüllt  hatte.  Während  des  Wasserzuflusses  würde  alsdann  eine 
solche  Kammer  gleichzeitig  als  Wassersäulen-  und  als  Wassertrommelgebläse 
gewirkt  haben,  woraus  sich  die  stärkere  Windpressung  erklären  Hesse. 
Porta  fährt  fort: 

„Ich  will  auch  nicht  unterlassen,  eine  Art  anzugeben,  auf  welche  wir  einen 
sehr  starken  Windstrom  dadurch  erzeugen  können,  dass  wir  Wasser  durch  eine  Röhre 

*)  Nettuno  liegt  nahe  der  Küste  des  Tyrrhenischen  Meeres,  etwa  50  km  südlich  von  Rom. 


Wassertrommelgebläse. 


267 


in  eine  Kammer  (camera)  herableiten,  und  je  langer  die  Röhre  ist  (d.  h.  je  grösser 
die  Druckhöhe),  desto  starker  wird  der  Wind  sein.  Man  kann  auf  diese  Weise  bei 
der  grössten  Sommerhitze,  um  Zimmer  (camere)  zu  kühlen,  einen  sehr  starken  Luft- 
strom erzeugen,  wie  wir  es  in  Tivoli  gesehen  haben. 

Es  sei  (AB)  (Fig.  305)  ein  Zimmer  und  darunter  ein  tiefer  Brunnen  (pozzo) 
{CF)f  dessen  Mündung  mit  einem  Deckel  (GJ)  geschlossen  ist,  so  dass  keine  Luft 
daraus  entweichen  kann.  Durch  diesen  gehe  ein  grosser  offener  Trichter  (H),  der 
mit  ihm  verlöthet  ist  und  aus  einer  grossen  Röhre  (canale)  Wasser  aufnimmt  (in  der 
Abbildung  ist  dieser  Trichter  seitlich  angebracht).  Je  höher  die  Röhre  (oder  je  höher 
der  Kanal  gelegen  ist)  und  mit  je  grösserer  Gewalt  das  Wasser  in  den  Trichter 
stürzt,  desto  besser  wird  es  sein,  weil  dieses  dann  eine  grössere  Menge  und  kühlere 
Luft  mitführt     Von  dem  Brunnen   gehen  Röhren  (CA)  und  (FB)  in  das  Zimmer, 


Fig.  304. 


Fig.  305. 


die  den  Wind  in  dasselbe  führen.  In  halber  Höhe  des  Brunnens  sei  eine  Scheide- 
wand, durch  welche  ein  Heber  (DE)  geht,  damit,  wenn  die  Brunnenabtheilung  (CF) 
mit  Wasser  gefüllt  ist,  dieses  durch  den  Heber  in  den  unteren  Brunnen  herabfliesst. 
Durch  andere  Röhren  werde  der  in  dem  Zimmer  (oder  der  Schachtabtheilung,  camera) 
aufgefangene  Wind  abgeführt,  damit  durch  vermehrte  Röhren  der  Wind  vermehrt 
werde.  Wenn  man  nun  den  Luftstrom  erzeugen  will,  lasse  man  den  Wasserstrom 
(il  fiume)  sich  in  den  Trichter  ergiessen,  und  sofort  wird,  indem  die  Luft  aus  dem 
Schachte  entweicht  und  in  das  Zimmer  tritt,  dieses  so  abgekühlt,  dass  diejenigen, 
welche  sich  schlafend  darin  beenden,   eine  scharfe  Kälte   in  allen  Gliedern  fühlen.'' 

Dadurch,   dass  „pozzo^'  sowohl  durch  Brunnen,  als  auch  durch  Schacht, 

das  Wort  „canale"  sowohl  durch  Kanal,  als  auch  durch  Röhre  übersetzt  werden 

kann,  und  dass  hier  offenbar  unter  „camera"  ein  Mal  ein  Zimmer,  das  andere 

Mal  eine  Schachtabtheilung   oder  ein  sonstiger  Behälter  verstanden  wird,  ist 

diese  Beschreibung  unklar.     Da  jedoch  vom  Ablassen   des  Wassers  aus  der 


GumfattttkU  ^Oa  Porta. 


unteren  Schachtabtbeilnng  Iceine  Rede  ist,  glaaben  vir  annehmen  zn  müssen 
dass  hier  ein  Brunnen  gemeint  ist,  worin  der  natürliche  Wasserspiegel  nicht 
sti^,  irenn  da&  Wasser  ans  der  oberen  Abtbeilong  in  die  untere  abäoss,  und 
dass  wir  es  daher  einfach  mit  einem  Wassertrommelgebläse  za  thun  haben, 
dessen  Kasten  dorch  die  obere  Schacbtabtheihmg  gebildet  wurde. 

Wollt«  man  annebmai,  der  Schacht  sei  unten  geschlossen  gewesen  und 
das  durch  den  Heber  in  die  nntere  Abtheilm^  fliessende  Wasser  habe  die 
daraus  Terdrängte  Luft  ebenfalls  in  das  Zimmer  getrieben,  so  wäre  zeitweiliges 
Ablassen  des  Waasers  aus  dieser  unteren  .\btheUung  nothwendig  gewesen.  Es 
wäre  zwar  möglich,  dass  man  zunächst  Wasser  in  die  obere  Kammer  stürzen 
liess,  bis  der  Wasserspi^el  den  höchsten  Punkt  des  Hebers  erreichte,  während- 
dessen die  obere  Abtheilung  dann  theils  als  Wassersäulen-,  theils  als  Wasser- 
trommelgebläse gewirkt  haben  würde;  dass  man  alsdann  den  Zufloss  so  lange 
abstellte,  wie  das  Wasser  aus  der  oberen  Schachtabtbeilnng  in  die  untere  floss 
ond  diese  als  Wassersäulengebläse  wirkte,  indem  das  eindringende  Wasser  die 
hier  Terdrängte  Luft  in  das  Zimmer  trieb,  und  dass  man  dann  wieder  Wasser 
in  die  obere  Kammer  fliessen  liess,  während  das  untere  abfloss.  Es  wäre  aber 
hierzu  die  beständige  Aufmerksamkeit  eines  Wärters  nöthig  gewesen,  und  da 
der  Schacht  ausdrücklich  als  ein  tiefer  bezeichnet  wird,  würde  das  Ablassen 
des  Wassers  aus  der  unteren  Abtheilong  desselben  jedenfalls  schwierig,  wenn 
nicht  unmöglich  gewesen  sein.  Deshalb  halten  wir  diese  Annahme  für 
unzulässig. 

In  Kapitel  XII,  welches  die  Ueberschrift  führt:  „Art,  wie  man  machen 
kann,  dass  Wasser  sehr  hoch  in  die  Luft  springt,"  sagt  Porta: 

„Ich  will    nicht   unterlag^«!),    eine  Art  zu  zeigen,    wie   nian  Was^r  aus   einer 

Hündung  bis  zu  hundert  oder  zweihundert  Fuss  Höhe  in  die  Luft  treiben  kann,  was 

man    nicht   ohne  Verwunderung   und  Vergnügen 

A-  y  sieht.    Es  wird  dies  eine  grosae  Zierde  für  Gärten 

'*^r*  I  sein,  JQgbeäondere  wenn  Gäste  anwe^nd  sind. 

Man  nehme  einen  Kasten  {DE)  (Fig.  306) 
je  nach  der  Wassermenge,  welche  man  in  die  Luft 
springen  lassen  wilL  Er  muss  von  sehr  starkem 
Kupfer  oder  Eisen  g«n,  damit  die  Luft  und  die 
Gewalt  des  Waasers  ihn  nicht  zersprengen,  wie 
ich  es  oft  gesehen  habe,  und  ringsum  muss  er 
gut  verlöthet  sein.  Vom  Boden  steige  eine  Röhre 
iGF)  auf,  die  so  weit  vom  Boden  absteht,  als 
genügt,  um  das  Wasser  durchzulassen.    Sie  reiche 

^_  bis   über   den  Deckel    des  Kastens   und   sei  wohl 

pjg_  ^^  verlöthet,   so  dass  sie  keine  Luft  entweichen  lässL 

In  den  Kasten  münde  eine  Röhre,  welche  das 
Wasser  und  die  Luft  aus  einer  Klesibischen  Maschine  (einer  Pumpe)  hineinführt. 
Wenn  man  nun  will,  dass  das  Wasser  in  die  Luft  springe,  bewege  man  den  Hand- 
griff (A.),  wie  gewöhnlich,  auf  und  nieder,  damit  der  Kolben,  indem  er  das  Wasser 
anzieht,  gleichzeitig  Luft  anziehe  mid  beim  Niedei^nange  da^i  mit  Luft  gemischte 
Wasser  in  den  Kasten  treibe.  Kaum  erfüllt  dies  den  Kasten,  so  treibt  die  Luft, 
welche  in  grösserer  Menge  hineingekommen  ist,  das  eingepresste  Wasser  in  die  Höhe. 


JbB 

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F      i 

^ 

"s. 

Windkessel.  269 

Je  rascher  man  die  genannte  Ktesibische  Maschine  bewegt^  desto  mehr  Luft  und 
Wasser  wird  hineinkommen  und  mit  um  so  grösserer  Gewalt  wird  letzteres  in  die 
Höhe  geschleudert  und  wird  niemals  aufhören  zu  springen,  solange  die  Bew^ung 
der  Ktesibischen  Maschine  nicht  aufhört" 

Diese  Beschreibung  einer  Pumpe  mit  Windkessel  stimmt  im  Wesent- 
lichen mit  derjenigen  überein,  welche  schon  Heron  der  Aeltere  etwa  1700  Jahre 
früher  gegeben  hatte  (vergl.  Fig.  11,  S.  10),  aber  noch  weitere  hundert 
Jahre  mussten  vergehen,  bis  die  Feuerspritzen  mit  Windkesseln 
versehen  wurden.  Charakteristisch  für  die  Auffassung  der  genannten 
beiden  Autoren  ist  es,  dass  sie  von  Elasticität,  Kompression  und  Expansion 
der  in  dem  Windkessel  von  Anfang  an  eingeschlossenen  Luft  nicht  reden, 
sondern  die  Austreibung  des  Wassers  dem  Umstände  zuschreiben,  dass  neue 
Luft,  die  von  dem  Wasser  mitgeführt  wird,  in  den  Windkessel  gelangt. 

Kapitel  XIII  führt  die  Ueberschrift:  „Wie  nur  durch  Wasser  und  die 
Bewegung  der  Tasten  eine  Orgel  ertönf  Der  Kasten  eines  Wassertrommel? 
gebläses  umschliesst  die  Windlade  nnd  die  Walze  einer  Drehorgel,  deren  Pfeifen 
luftdicht  durch  den  Deckel  des  ersteren  gehen.  Das  durch  den  Trichter  in 
den  Kasten  strömende  Wasser  setzt  ein  kleines  Wasserrädchen  und  durch 
dieses  die  Walze  in  Umdrehung,  während  die  von  dem  Wasser  mitgerissene 
Luft  durch  die  geöffneten  Pfeifen  entweicht  und  die  Orgel  ertönen  lässt. 

In  Kapitel  XIV  giebt  Porta  zum  ersten  Male  eine  richtige  Darstellung  der 
von  Ktesibius  erfundenen  und  von  Heron  und  VrrRuv  beschriebenen  Wasserorgel 
der  Alten.  Diese  Darstellung  stimmt  im  Wesentlichen  mit  derjenigen  überein, 
die  wir  in  unserer  Abhandlung  über  Heron  (S.  25)  gegeben  haben.  Schon  in 
seiner  „Magia  naturalis,"  lib.  XIX,  Cap.  II,  schrieb  Porta  über  diesen  Gegen- 
stand, ohne  jedoch  damals  zu  einer  richtigen  Vorstellung  von  der  Wasserorgel 
der  Alten  kommen  zu  können. 

Die  übrigen  Kapitel  von  Porta's  „Pneumaticorum  libri  IH"  haben  für 
uns  hier  weniger  Interesse: 


Skizzen  aus  der  Zeit  der  Hussitenkriege  (um  1430). 


Durch  eine  Abhandlung  von  M.  Berthelot,  betitelt:  „Pour  Thistoire  des 
arts  mecaniques  et  de  rartillerie  vers  le  fin  du  moyen-ltge'',  welche  in  „Annales 
de  Chimie  et  Physic",  sixieme  serie,  Tome  XXIV,  Paris  1881,  veröffentlicht 
wurde,  sind  wir  auf  mehrere  Handschriften  aufmerksam  gemacht  worden, 
welche  neue  Gesichtspunkte  zur  Beurtheilung  alter  Werke  über  Maschinenbau 
eröffnen.    Berthelot  sagt: 

„Bei  Untersuchungen  über  die  Brandmassen  der  Alten  imd  das  „Griechische 
Feuer*'  hatte  ich  Gelegenheit,  verschiedene  Handschriften  mit  Abbildungen  über 
Mechanik  und  Artillerie  zu  studiren,  welche  interessante  Urkunden  für  die  Greschichte 
der  angewandten  Wissenschaften,  insbesondere  der  Mechanik  und  Artillerie,  ent- 
halten. Ich  hielt  es  für  nützlich,  wenigstens  eine  Auswahl  von  diesen  Abbildungen 
in  Lichtdruck  reproduciren  zu  lassen,  da  die  Wiedergabe  aller  zu  grosse  Auslagen 
verursacht  haben  würde.  Diese  umfasst  nahezu  sämmtliche  Abbildimgen,  die  sich 
auf  Artillerie  beziehen. 

Das  eine  Manuskript  befmdet  sich  in  der  Königlichen  Bibliothek  in  München 
(lateinisch  Nr.  197).  Herr  Direktor  Laubmann  machte  mich  darauf  aufmerksam 
und  sandte  mir  es  zu.  £s  ist  aus  zwei  Manuskripten,  einem  deutschen  und  einem 
italienischen,  zusammengesetzt,  welche  nichts  mit  einander  gemein  haben,  als  den 
Einband,  der  sie  verbindet 

L  Das  erste  Heft,  welches  ich  mit  I  bezeichne,  umfasst  48  Blätter  von 
220  mm  auf  320  mm,  die  auf  beiden  Seiten  mit  Abbildungen  von  Apparaten 
bedeckt  sind*).  Die  Striche  sind  etwas  grob,  aber  sorgfaltig  und  bestimmt  Die 
Numerirung  der  Blätter  ist  fortlaufend  ohne  Lücken  oder  Einschiebungen.  Bei 
einigen  der  Skizzen  befinden  sich  Bemerkungen  in  altdeutscher  Sprache.  Darin  werden 
München  und  Nürnberg  und  die  Wagenburgen  der  Hussiten  als  der  gleichen  Zeit 
angehörig  erwähnt,  woraus  hervorgeht,  dass  die  Zeichnungen  aus  der  Zeit  um  1430 
stammen,  da  Ziska,  der  sich  dieser  Geräthe  bediente,  1424  starb  und  die  Taboriten 
1434  untergingen.  Es  ist  darin  auch  von  einem  historischen  Ereignisse  (der  Be- 
lagerung von  Saaz   durch  Archinger  von  Seinsheim)  die  Rede,   das  nach  einer 

beigefügten    Bleistiftnotiz    im    September    1421    stattfand Der  Name    des 

Autors  ist  unbekannt 

IL  Das  zweite  Heft  hat  etwa  den  dreifachen  Umfang.  Die  Blätter  haben 
220  mm  auf  300  mm.  Ihre  Nummerining  hat  mehrere  Korrekturen  erfahren,  die 
Veränderungen    und  Verstümmelungen   anzuzeigen    scheinen,   die   das    Heft  zu   ver- 

*)  Wir  bezeichnen  im  Folgenden  mit  V  die  Vorderseite,  mit  R  die  Rückseite  eines 
Blattes. 


Auffindung  nnd  allgemeiDe  Beschreibuntt  dieser  SkizzAD. 


271 


schiedenen  Zeiten  erlitt  Wie  dem  auch  sei,  jedenfallä  haben  wir  es  hier  mit  dem 
Hand-  oder  SLizzenhuch  eines  italienischen  Ligenieurs  zu  thun,  das  Skizzen  aller 
Art  von  mechanischen  und  militärischen  Konstniktionen  enthält  und  nicht  nut  einem 
gelehrten  Werke,  nie  die  gleichzdtige  Abhandlung  „De  re  militari"  des  Robertus 
Valturius  eine  ist,  die  1472  zu  Verona  und  mehrmals  im  XV.  und  XVI.  Jahr- 
hundert gedruckt  wurde  und  wovon  eine  Handschrift  aus  der  Mitte  des  XV,  Jahr- 
hunderts existirt.  Die  Zeichnungen  sind  theils  bestimmt  ausgeführt,  Ibeils  flüchtig 
auf  das  Papier  gevorfen  mit  bald  kürzeren,  bald  ausführlicheren  Bemerkungen,  die 
lateinisch  oder  italienisch  geschrieben  sind.  Einige  davon,  welche  ich  vollständig 
anführen  werde,  geben  die  Daten  1438  und  1441  an.  Sie  nennen  glrächzeitig  den 
Autor  der  Zeichnungen  Uariamus  Jacobus  aus  Biena,  sowie  mehrere  seiner  Zei^ 
genossen  aus  dieser  Stadt 

Der  Name  ist  von  grösster  Wichtigkeit.     In  der  That  scheint  das  Münchener 
Manuskript  dos  Brouillon  oder  Notizbuch  zu  sein,  mit  deesen  Hilfe  das  Manuskript 


Flg.  3»7. 


in  Venedig  verfasst  wurde,  von  dem  ich  sogleich  sprechen  werde  ....  Mabiabus 
Jacobub,  genannt  Taccou,  gcnoss  im  XV.  Jahrhundert  grossen  Ruf.  Er  war  Er- 
finder und  wurde  von  seinen  Zeitgenossen  der  Abcbihedeb  von  Siena  genannt 
Mehrere  seiner  Zeichnungen  stellen  ohne  Zweifel  unausgeführte  Projekte  dar,  haben 
aber  doch  einen  durchaus  praktischen  Charakter.  JedenMls  ist  daa  Mflncheaer 
Manuskript  von  seiner  eigenen  Hand  und  erinnert  in  dieser  Beziehung  an  die  be- 
rühmten Skizzen  von  Leomabdo  da  ViKCi,  die  augenblicklich  von  H.  RataibsOk 
herausgaben  werden " 

Da  die  veröffeDtlichten  Lichtdrucke  hier  als  eine  hauptsächlich  artilleriatisobe 
Skizzen  umfassende  Auswahl  bezeichnet  werden,  so  war  zn  vennnthen,  dass  die 
betreffende  Handschrift  noch  andere  Abbildungen  enthalte,  die  für  ans  vielleicht 
noch  grösseres  Interesse  haben  möchten,  als  die  von  Berthelot  aasgewählten. 
Bei  Durchsicht  des  Manuskriptes  in  der  Königlichen  Hof-  und  Staatsbibliothek 
in  München  fanden  wir  diese  Vermuthung  vollanf  bestätigt  und  legen  hiermit 
eine  Auswahl  von  Skizzen  vor,  die  wir  dieser  Handschrift  entnommen  und  hier 
in  verkleinertem  Massstabe  wiedei^egeben  haben. 


272 


SkiixeD  Bua  der  Zeit  dei  Uuwitonkriege. 


Im  ersten  Hefte  findet  sich: 

Fig.  307  (Blatt  2  V  des  Originals).  Ein  DrehkraKn,  bei  dem  die 
horizontale  Seiltrommel  durch  zwei  Spillenräder  direkt  angetrieben  und  deren 
Zugkraft  dur^h  eine  lose  Flaschenrolle  verdoppelt  wird. 

Fig.  308  (Blatt  2  R).  Ein  dreifüssiger  Krahn  mit  Seilhaspel  und  sechs- 
fachem Flaschenzug. 

Schon  Uebon  der  Aeltere  von  Alexandrien  sagt;  „Um  Lasten  in  die  Höhe 
zu  heben,  konstruirt  man  einfuBsige  (ftovöxuiloi),  zweifttsslge,  dreifüssige  oder 
vierfüssige  Maschinen  (siehe  S.  35  unserer  Abhandlung  über  Pappl's).  Vitrut 
spricht  in  seinem  Werke  „de  arcbitectura"  nur  von  zweifiissigen  und  einfüssigen 
Krahnen,   da  die   drei-  und  vierfüssigen  sieb  für  Bauzwecke  weniger  eigneten. 


Nach  ViTRUv's  Beschreibung  von  dem  zweifüssigen  Krabn  ist  es  jedoch  wahr- 
scheinlich, dass  bei  dem  dreifüssigen  der  Römer  und  Griechen  die  drei  Beine 
ans  drei  gleicbUngen  Balken  gebildet  nnd  oben  zusammengehalten  wurden, 
während  hier  zwei  Füsse  in  halber  Höhe  durch  einen  eisernen  Schob  zusammen- 
gefasst  sind  und  von  da  nur  ein  Balken  aufwärts  geht. 

Fig.  309  (Blatt  3  V).  Ein  vierfüssiger  Krahn,  bei  dem  ebenfalls  zwei 
Beine  in  halber  Höhe  durch  einen  eisernen  Schuh  zusammengefa£st  sind.  Die 
Last  hängt  an  einem  dreiziigigen  Flascbenzuge  (TQioTiaatos],  dessen  Seilende 
von  einem  am  Krahnenfasse  befestigten  zweizügigen  Flaschenzuge  erfasst  wird. 
Das  Seilende  des  letzteren  schlingt  sich  am  eine  horizontale  Haspelwelle.  Dabei 
steht  die  Bemerkung: 

,J)az  ist  der  tziig  der  von  munchen  der  gehört  tzu  der  puchssen"  (das  ist  der 
Aufeug  derer  von  München,  der  gehört  zu  dem  Geschütz). 

Fig.  310  (Blatt  3  R).  Doppelter  Drehkrahn  mit  zwei  drehbaren  Krabn- 
sänlen,  zwischen  denen  eine  vertikale  Seiltrommel  auf  einer  GÖpelwelle  sitzt. 


Erahnen.  273 

Der  mittlere  TbeU  des  Zugseiles  ist  mehrmals  nm  die  Seiltrommel  gescUmigeii, 
jedes  Ende  geht  von  da  nach  einer  Leitrolle  am  Fusse  einer  Krahnsänle,  über 
eine  zweite  an  deren  oberem  Ende  und  über  eine  dritte  am  Ende  des  Auslegers. 
Die  beiden  Krahnsäulen  stehen  in  der  Skizze  viel  zn  nahe  bei  einander,  da  die 
Scbvengel  des  Göpels  zwischen  ihnen  durchgehen  müssen.  Bei  dieser  Skizze 
steht  die  Notiz : 

^tem  daz  ist  ain  tzug  mit  Izwain  kästen  unn  d'ain  auff  der  ander  ab  tzu 
nurenberg  auch  dem  graben  den  treyben  tiween  pfard."  {Das  ist  ein  Aufzug  mit 
zwei  Kasten,  der  eine  geht  auf,  der  andere  ab,  zu  Nümb^  auf  dem  Graben,  den 
treiben  zwei  Pferde). 

Fig.  311  (Blatt  38  V).  Ein  einfacher  Drehkrabn  ähnlicher  Konstrnktion, 
bei  dem  aber  der  Göpel  unterhalb  des  Krahnes  aufgestellt  ist 


Fii.  au. 


Fis.  312. 


Fig.  312  (Blatt  4  R).    Bei  dieser  Maschine  steht  die  Notiz: 

„Daz  ist   ein   tzug  daman   turn  mit  abtragt  oder  ander  paw  abtregt  get  da 

tmch  auff  dj  ander  ab.     (Das  ist  ein  Zu^  womit  man  Thürme  oder  andere  Gebäude 

abträgt     Es  geht  ein  Trog  auf,  der  andere  ab). 

Diese  Maschine  diente  also  nicht  zum  Aufziehen,  sondern  nur  zum  Ab- 
lassen TOD  Lasten,  wobei  es  hauptsächlich  daraof  ankommt,  zu  rerhindem, 
dass  sie  in  zu  raschen  Gang  kommt,  nnd  zu  ermöglichen,  dass  sie  mit  einer 
Bremse  angehalten  werden  kann.  Ein  Seil  ist  um  eine  horizontale  Trommel 
geschlungen,  jedes  Ende  ist  über  eine  LeitroUe  geführt  und  trägt  einen  Trog 
zur  An&ahme  der  abzulassenden  Last.  Ein  mit  dieser  Trommel  fest  ver- 
bundenes Zahnrad  greift  in  ein  Getriebe,  das  auf  einer  darüber  gelagerten  hori- 
zontalen Welle  befestigt  ist.  Rechts  auf  deren  Ende  sitzt  ein  Windäügel,  wie 
man  solche  noch  heute  anwendet^  um  zu  verhindern,  dass  Schlagwerke  tmi 


274 


Skiueo  aus  der  Zeit  der  Uiuaitankriege. 


Ulireii  in  zu  raschen  Gang  kommen.  Ausserdem  ist  links  aaf  der  Voi^elegs- 
welle  eine  Seiltrommel  befestigt,  die  als  Bremsscheibe  diest  Ueber  sie  ist  ein 
Seil  gelegt,  dessen  beide  Enden  unten  in  einem  Gewichte  befestigt  sind.  An 
diesem  Gewichte  hängt  eine  Quaste  oder  ein  zweites  qnastenformiges  Gewicht, 
am  es  bequem  erfassen  und  das  Bremaseil  n5thigenfalls  mit  der  Hand  noch 
schärfer  anziehen  zu  können.  Hinter  dem  Maschinengestelle  bemerkt  man 
einen  schrägen  Hebel,  dessen  linkes,  höherstehendes  Ende  hinter  der  Brems- 
Bcheibe  unter  das  Bremsseil  greift,  während  am  rechten,  tiefer  stehenden  Ende 
eine  Zugleine  befestigt  ist.  Wird  diese  angezogen,  so  wird  das  Bremsseil 
theilweise  von  der  Bremsschetbe  al^ehoben  nnd  die  Last  sinkt  herab.  Lässt 
man  die  Zugleine  los,  so  rermehrt  sich  die  Reibung  des  Bremsseiles  auf  der 


Bremsrolle  und  die  Maschine  kommt  zum  Stillstande.  Es  ist  sehr  bemerkens- 
werth,  dass  hier  schon  das  richtige  Prinzip  befolgt  ist,  die  Bremse  in  volle 
Wirksamkeit  treten  zu  lassen,  wenn  der  Arbeiter  die  Zugleine  am  Steuerhebel 
loslässt,  nnd  der  Maschine  nur  so  lange  die  Bew^ung  zu  gestatten,  als  der 
Arbeiter  die  Steuerleine  in  der  Hand  hält. 

Fig.  313  (Blatt  9  Y).  Eine  Schraubenwinde  zum  Heben  eines  Geschütz- 
rohres. Die  hölzerne  Schraube,  an  der  das  Geschützrohr  hängt,  geht  frei 
durch  eine  Tischplatte  nnd  durch  das  in  eine  daraufliegende  starke  Bohle  ge- 
schnittene Muttergewinde.  An  den  Enden  dieser  Bohle  sind  abwärts  gebogene 
starke  Eisenstangen  befestigt,  deren  untere  Enden  die  Arbeiter  erfassen  nnd 
damit  um  den  Tisch  herumgehen,  um  die  Schraube  zu  heben  oder  abzulassen. 
Das  an  der  Schraube  hängende  Geschütz  ist  eine  jener  alten  Bombarden,  mit 
denen  grosse  steinerne  Kugeln  abgeschlossen  wurden.  Der  hintere  Theil  der- 
Klben,  welcher  die  Pulverkammer  bildete  und  mit  dem  Zündlocbe  veraehen 


BchnrabeowiDde,  HUhleo  fOc  Handbetrieb. 


276 


war,  hatte  einen  bedeutend  kleineren  Durchmesser  als  der  vordere  Theil, 
welcher  die  grosse  Kagel  aufnahm.  Eiserne  Geschützkugeln  kamen  erst  gegen 
Ende  des  XV.  Jahrhunderts  auf.  (Vergl.  S.  115  unserer  Abhandlung  über 
BiRiNGUccio.)  Schraubenwinden  derselben  Art  und  zu  dem  glrächen  Zwecke 
dienend  findet  man  in  dem  Werke  Lorini'b  (1597)  abgebildet. 

Fig.  314  (Blatt  18  V).  Ein  Mahlgang  für  Handbetrieb.  Dabei  findet  sich  die 
Bemerkung : 

„Item  wer  dy  mul  machen  will  der  boI  nemen  zwo  echin  teucheleyaai  nun 
Bol  machen  dy  funn  des  eyeen  als  sy  da  gemalt  ist  unn  sol  oben  sein  haupt  uiin 
unttn  stahln  sein  dy  sulln  da  das  eysen  nein  geht  sol  auch  Btaehln  sein  unn  dy 
mulstain  dreyer  scbuch  prayt  unn  man  eol  ey  tzychn  mit  den  tzwayen  tzugen  y 
tiwyen  man  so  mald  sie  vertJg."  (Wer  die  Mühle  machen  will,  soll  zwei  ESsen- 
schienen   nehmen  und  ein  Eisen  von  der  Form  machen,  wie  sie  da   abgemalt  ist 


Fig.  3ia. 


Oben  sein  Haupt  und  unten  soll  es  stählern  sein.  Die  Sohle,  wo  das  Eisen  darin 
gebt^  soll  auch  stählern  sein,  und  die  Mühlsteine  drei  Schuh  breit,  und  man  ecdl  die 
Mühle  ziehen  mit  den  zwei  Zügen  je  zw»  Mann,  so  mahlt  sie  tüchtig.) 

Da  hier  von  zwei  Zug-  oder  Schubstangen  die  Rede  ist,  so  unterscheidet 
sich  diese  Mühle  von  der  in  der  ersten  Figur  unserer  Abhandlui^  über  Baublu 
(Fig.  326,  S.  210)  al^bildeten  nur  dadurch,  dass  hier  die  Schubstangen  direkt 
von  den  Arbeitern  erfasst  werden,  während  sie  dort  mit  je  einem  Handhebel 
verbunden  sind.  Auch  ist  bei  Ramelu  das  Mühleisen  doppelt,  hier  aber  nur 
einfach  gekröpft.  Bei  der  Amalgamirmühle  des  Bibingdcgio  (Fig.  140,  S.  125) 
war  das  Mühleisen  einfach  gekröpft,  wurde  aber  nur  durch  eine  Schubstange 
mit  Handhebel  bewegt. 

Fig.  315  (Blatt  42  V)  zeigt  eine  ähnliche  Mühle.  Die  Mühlsteine  sind  in 
Horizontalprojektion,  der  untere  Theil  der  Mühle  ist  dagegen  in  der  Seiten* 
ansieht  gezeichnet.    Auf  dem  Mühleisen  sitzt  ein  Ärmkreuz  mit  angehängten 

18* 


378 


Skiixen  an«  d«r  Z«it  der  UnwiteDkri«g«. 


ScbwuBggewichten.  Solche  finden  eich  häufig  an  Schwungrädern  in  dem 
„Künstlichen  Abriss  allerhand  Wasser-,  Hand-  und  Bossmühlen"  von  Jagobus 
DE  Str&da  a  Rosbei^,  Frankfurt  a.  M.  1618  und  1629,  von  wo  sie  in  BQckler's 
„Theatnun  Maschinarum",  Nümbei^  1661,  welches  überhaupt  nur  Abdrücke 
der  Kupfertafeln  von  Stiuda,  Bamelli  u.  A.  enthält,  übei^egangen  sind.  Ans 
der  hier  TOtli^enden  Skizze  erkennt  man,  dasa  solche  angehängte  Schwung- 
gewicbtd  schon  zweihundert  Jahre  vor  dem  Erscheinen  des  Werkes  von  de  Strada 
gebräuchlich  und  zn  seiner  Zeit  wohl  schon  eine  veraltete  Einrichtung  waren. 
Fig.  316.  Eine  Mühle  fUr  Handbetrieb  mit  einer  Vorgelegswelle,  worauf 
ein  Armkreuz  mit  feBten,  hammerfonnigen  Schwunggewichten  und  einem 
Kurbelzapfen  sitzt,  der  vermittelst  einer  über  dem  Armkrenze  skizzirten  Schub- 
stange bewegt  werden  soll.    Um  diese  Drehung  zu  ermöglichen,  müsste  die 


Fig  317. 


Flg.  31&. 


Welle  über  das  Endl^er  vorstehen  und  das  Kreuz  mit  den  Schwuuggewichten 
auf  dem  überEtehenden  Wellenende  sitzen,  was  in  der  Skizze  nicht  berücksichtigt 
ist.    Bei  dieser  steht  die  Bemerkung: 

„Item  ze  machen  ein  mul  man  sei  machen  ein  mulgesCcll  4  schuch  lanck  unn 
acht  schuch  weyt  unn  daz  gesteil  sol  acht  schuch  wayt  sein  unn  dy  siegel  dy  sol 
man  auff  seinen  wellpnwm  gen  mitten  an  dem  wcllpawin  da  sol  ein  knniprad  sten 
vier  schuch  hoch  eng  kompt  init  LII  kamen  unn  sein  für  getrib  mit  sex  tribeln  unn 
sein  Steg  unn  sein  muleysen  gesfalt  als  ein  ander  muleysen  unn  sein  niulstein  der 
obrist  dreyer  schuch  prayt  unn  ain  band  praj-t  unn  aines  haU>en  schuch  dick  so 
Wirt  ea  ein  recht  vertigen  niul  dye  da  nielt  als  vil  als  ain  halbe  pachniul."  (Item 
eine  Mühle  zu  machen.  Man  soll  ein  Mühlengestell  machen  i  Schuh  lang  und 
acht  Schuh  weit  [das  Gestell  soll  acht  Schuh  weit  sein]  und  die  Schlegel  soll  man 
auf  ihren  Wellbauni  setzen.  Gegen  die  Mitte  auf  dem  Wellbaum  soll  ein  Kamm- 
rad  stehen,  vier  Schuh  hoch,  eng  gekämmt  mit  62  Kämmen,  und  sein  vorgel^toe 
Getriebe  mit  6  Tricli Blöcken,  und  ihr  Steg  und  ihr  Mühleiaen  gesteltet  wie  bei  einem 
anderen  Mühleisen.     Und  von  den  Mühlstänen  soll  der  oberste  drei  Schuh  und  äna 


HQhlen  fOt  Pferdebetrieb,  Windmahlen. 


277 


Hand  breit  sein' und  einen  halben  Schuh  dick,  so  wird  es  eine  recht  tüchtige  Mühle 
werden,  die  halb  so  viel  mahlt,  nie  ^e  Bachmühla) 

Bei  den  nun  foigeoden  drei  Skizzen  ist  es  besonders  nothwecdig,  sich 
IQ  die  kindliche  Darstellungsweise  des  Autors  hineinzufinden,  um  sie  verstehen 
zu  können. 

Fig.  317  (Slatt  21  R).  Eine  Mühle  für  Himdbetrieb  mit  eigentbümlichem 
Bewegungsmechanismua.    Dabei  steht  die  Bemerkung: 

„Daz  ist  ain  mid  dj  man  lewt  mit  den  saylln  an  den  stangen."  (Das  ist  eine 
Mühle,  die  man  läutet  mit  den  Seilen  an  den  Stangen.) 

Daraus  geht  hervor,  dass  an  den  Seilen  wie  an  Glockenseilen  gezogen 
werden  soll,  um  die  Mühle  zu  bewegen.  Man  hat  sich  daher  den  im  unteren 
Thetle  der  Skizze  in  horizontaler  Lage  skizzirten  Bock,  bestehend  aas  einem 


Pfosten  mit  einer  darunter  und  einer  darüber  liegenden  verstrebten  Schwelle, 
vor  der  doppelt  gekröpften  Vorgelegswelle  senkrecht  stehend  zu  denken,  und 
die  beiden  Stangen,  an  deren  Enden  die  Zugleinen  befestigt  sind,  auf  der  oberen 
Schwelle  desselben  liegend  und  auf  irgend  welche  Weise  an  seitlicher  Vei^ 
Schiebung  verhindert,  sonst  aber  frei  beweglich.  Wird  nun  an  den  beiden 
Zugseilen  abwechselnd,  wie  an  Glockenseilen,  gezogen,  so  beschreiben  die  mit 
den  Kurbeln  verbundenen  Stangenköpfe  Kreise,  die  Stangen  schieben  sich  auf 
der  Kopfscbwelle  des  Bockes  hin  und  her  and  ihre  Enden,  an  denen  die  Zug* 
seile  befestigt  sind,  beschreiben  eigenthumliche  Kurven,  die  wir  hier  nicht 
näher  zu  betrachten  haben.  Nach  Reuleaux  ist  der  Mechanismus  als  eine 
schwingende  oder  oscillirende  Kurbelscbleife  zu  bezeichnen,  bei  welcher  der 
Schieber  nicht  ausgebildet,  vielmehr  der  Lenkstab  nur  kraftscblüssig  mit  dem 
feststehenden  Gliede  gepaart  ist. 

Fig.  318  (Blatt  22  V).    Ein  Mahlgang  mit  Göpelbetrieb,  bei  dem  das 
doppelte  Rädervorgelege  in  einem  Schachte  unterhalb  der  Ebene,  anf  der  das 


278 


Skiiun  miiB  der  Zeit  der  HnButankriegs. 


Pferd  gebt  und  die  Mühlsteine  liegen,  angeordnet  ist  Daa  Schachtmanerwerk 
nod  die  Zahnräder  sind  in  Horizoatalprojektion  in  die  Skizze  eingezeichnet,  die 
doch  eine  Seitenamicht  des  Mühlverkes  darstellen  soll. 

Fig.  319  (Blatt  22  R).  Zwei  Mahlgänge,  gleichzeitig  durch  einen  Pferde- 
göpel mit  doppelter  WiakelräderübersetznDg  betrieben.  Im  TJebrigen  ist  die 
Anordnung  and  sind  auch  die  Zeichenfehler  dieselben  wie  bei  der  vorher- 
gehenden Figur. 

Fig.  320  (Blatt  47  V).  Aeussere  Ansicht  einer  Windmühle,  und  zwar 
einer  sogenannten  deutschen  Windmühle  oder  Bockmühle,  mit  Sackaufzug.  In 
unserer  Abhandlung  über  Cardands  (S.  184)  wiesen  wir  auf  die  Abbildnng  einer 
Bolchen  Windmühle  von  Gcalthehius  Rivids,  Nürnberg  1547,  als  die  älteste,  die 


I^Jh 

CT 

Fig.  322. 


uns  damals  bekannt  war,  hin.  Die  hier  in  Rede  stehende  Abbildnng  aber  ist 
um  mehr  als  hundert  Jahre  älter,  imd 

Fig.  321  und  322  (Blatt  19  V  und  Blatt  19  R),  zeigen  auch  noch  zwei 
verschiedene  innere  Einrichtungen  von  solchen  Windmühlen.  Fig.  321  stellt 
eine  kleine  Windmühle  mit  einfachem,  Fig.  322  eine  grössere  mit  doppeltem 
Winkelräderroi^elege  dar. 

Fig.  323  (Blatt  23  V],  zeigt  eine  Wassermühle  mit  zwei  Mabl^bigen,  die 
von  einem  gemeinschaftlichen  Wasserrade  getrieben  werden.  Die  beiden  Mahl- 
gänge mit  ihren  Rädervoi^elegen,  welche  in  der  Zeichnung,  einer  Seitenansicht, 
hintereinander  stehen  müssten,  sind  nach  der  naiven  Darstellungsweise  des 
Autors  übereinander  gezeichnet  und  der  Wasaerradvellbaum  mit  dem  Haupl- 
sahnrade  dazwischengesetzt.  Dass  man  schon  zu  Anfang  des  XV.  Jahrhundrarta 
zwei  Mahlgänge  durch  einen  Motor  betrieb,  ist  bemerkensnerth. 

Fig.  324  (Blatt  18  R).  Ein  Mahlgang,  durch  ein  horizontales  Wasserrad 
betrieben,  welches  kein  Löffelrad  zu  sein  scheint  und  an  die  Konstruktion  er> 


Wassennahle  mit  iiT«i  MahlgEngen,  Mflhle  mit  horizoDtalem  WiaaerrBd«. 


279 


innert,  welche  Beudor  in  seiner  „Architectura  hydranlica"  lib.  11,  Cap.  1  §  669 
als  die  Betriebsräder  der  „Basacle-Mühlen"  za  Toulonse  beschreibt. 

Bei  ansererSkizze  steht  die  Notiz: 

„Item  das  ist  ain  wassmull  da  das  Rad  nach  der  prayt  auff  dem  wass  leyt 
unn  sein  wellpawin  stet  ob  sich  uun  ist  auch  ein  gerechte  mull  uon  sy  darf  chfun 
chomprad  ain  pabst  von  Rom  der  hat  sy  erdacht"  (Item  das  ist  eine  Wassennühle, 
b^  der  das  Rad  der  Breite  nach  auf  dem  Wasser  liegt  und  sein  Wellbauin  aufrecht 
steht  Und  es  ist  auch  eine  richfjge  Mühle  und  sie  bedarf  keines  Knmmrade«.  Ein 
Papst  von  Rom  hat  sie  erdacht) 

Fig.  325  (Blatt  10  R).  Ein  Stampfwerk  für  Handbetrieb.  Dabei  Bteht 
bemerkt : 

„Item  daz  ist  ein  stamptf  damit  man  pulver  stost  unn  dye  etampff  gent  all 
drey  in  ain  loch  ainer  auff  der  ander  ab."  (Item  das  ist  ein  Stampfnerk,  vomit 
man  Pulver  stösst,  und  die  Stempel  geben  alle  in  ein  Loch,  einer  auf,  der  andere  ab.) 


Wir  erinnern  hier  an  die  Stelle  BiRisGucao'a  (S.  125),  wo  er  vom  Zer- 
mablen  des  Pulvers  spricht  tmd  sagt:  „Andere,  welche  nicht  die  BequetDÜch- 
keit  des  Wassers  haben,  thon  dies  mit  einem  grossen  Rade,  welches  so  aus- 
gerüstet ist,  dass  es  mehrere  Stempel  von  Eichenholz  hebt,  die  beim  Nieder- 
fallen in  verschiedene  liölzeme  Mörser  schlagen,  welche  in  einem  Balken  von 
Eichenholz  ansgehöhlt  sind.  Einige  von  diesen  haben  Böden  von  Bronce." 
Dieser  Beschreibung  entspricht  allerdii^ 

Fig.  336  (Blatt  17  V),  besser,  da  hier  hammerförmige  Stempel  in  je  einen 
hölzernen  Mörser  schlagen,  welche  Mörser  alle  in  einem  Balken  ausgehöhlt  sind; 
allein  bei  dieser  Skizze  steht  im  Original  die  Bemerkung : 

„Item  daz  sein  stampff  damit  man  körn  stampfft  wan  man  nit  mul  gehabn 
mag,  den  sie  treibt  ein  man  umb  an  dem  rad.  D'aina  get  auff  der  ander  nyder  etc." 
(Item  das  ist  ein  Stampfwerk,  womit  man  Korn  stampft,  wenn  man  etwa  keine  Mühle 
hat,  denn  dieses  trei^  ein  Mann  an  dem  Rade  um.  Der  eine  Stempel  geht  hinauf, 
der  andere  herab  u.  s.  w.) 


280  SkizMD  »08  der  Zeit  der  HnBiitoiikriege, 

lodess  schliesat  dies  nicht  ans,  doBS  solche  StAmpfwerke  anch  zum  Mahleo 
von  Pulver  gebraucht  werden  koimteD. 

Fig.  327  (Blatt  15  V).  Eine  Bohrmaschine  zum  Ausbohren  hölzerner 
Brunnenrobre.    Dabei  steht  die  Bemerkung: 

^az  ist  ein  gestell  damit  man  mit  roren  prot  (soll  heiaeen:  port)  das  habn 
äj  TOD  nureDbei^  eins  gemacht  damit  port  man  alltag  XV  roren  daz  jeglichen  acht- 
zehn Bchuch  lank  ist  von  den  roren  macht  man  prunnen  mit  etc."  (Das  ist  ein  Gestell, 
womit  man  Rohre  bohrt,  so  haben  die  von  Nürnberg  eines  gemacht,  nomit  man  alle 
Tag  15  Rohre  bohrt,  deren  jeglichee  achtzehn  Schuh  lang  ist  Aus  diesen  Rohren 
macht  man  Brunnen  u.  e.  w.) 

Soweit  sich  aus  der  Skizze  erkennen  lässt,  bestand  diese  Maschine  aus 
einem  hölzernen  Rahmen,  auf  dem  die  Bohrspindel  gelagert  war  und  ver- 
mittelst eines  Spillenrades  umgedreht  wurde.    Das  zu  bohrende  Rohr  war  aof 


[züzlk^ 


einer  Zahnstange  befestigt,  die  vermittelst  eines  unter  dem  Rahmen  gelagerten 
Getriebes  mit  lilienlÖrmigen  Handhaben  an  der  Axe  fortgeachoben  wurde. 

Fig.  328  (Blatt  36  B)  stellt  unseres  Erachtens  einen  Erdbohrer  zum  Ver- 
tiefen eines  Schachtbrunnens  dar. 

Fig.  329  (Blatt  8  V,  ist  eine  rohe  Skizze  von  einer  Knnstramme.  Das 
Seil  mit  Haken,  an  dem  der  Rammbär  hängt,  geht  über  eine  oben  im 
Maschinenges  teile  gelagerte  Leitrolle  und  dann  herab  nach  einer  horizontalen 
Haspelwelle,  die  an  beiden  Enden  Räder  trägt,  von  denen  das  vordere  wohl 
als  Spillenrad,  das  hintere  als  Schwangrad  za  betrachten  ist.  Im  zweiten  Hefte 
der  in  Rede  stehenden  Handschrift  befindet  sich  eine  flüchtige  Skizze  von  einer 
weit  au^ebildeteren  Kunstramme,  die  wir  nachher  betrachten  werden.  Auf 
S.  250  besprachen  wir  eine  Kunstramme  von  Lorini  (1597)  und  eine  auf  S.  194 
von  Besson  (11569)  als  die  älteste,  die  wir  damals  kannten.  Die  heute  vor- 
liegenden Skizzen  von  Kunstrammen  sind  etwa  um  140  Jahre  älter  als  diejenige 


Slunpfwerke,  Bohrmaaehinen,  KanBtrarame.  Ü81 

Bbsson's  und  um  280  Jahre  älter  als  die  von  RChlhann  in  seiner  „Allgemeinen 
Maschinenlehre",  Bd.  IV,  S.  235  angeführte  aus  den  „Pariser  Memoiren"  von  1707. 
Fig.  330  (Blatt  13  V),  zeigt  einen  ledernen,  mit  Luft  aufgeblasenen 
Schwimmgiirtel  and  links  zvei  Strickleitern  mit  Haken  an  dem  oberen  Ende, 
die  der  Schwimmer  zum  Hinanfklettem  auf  das  Schiff  oder  das  Ufer  nöthig 
hatte.  In  der  Originalskizze  sind  rechts  unten  auch  noch  ein  Pnar  Stiefel 
mit  schweren  Sohlen  abgebildet,  wie  sie  der  Schwimmer  tri^en  musste,  nm  die 
Füsse  unten  und  den  Kopf  oben  zu  behalten.  In  der  Schrift  „De  re  militari" 
des  RoBERTüs  Valtoriüs  sind  Schwimmer  mit  solchen  Gürteln  abgebildet  und 
ein  solcher  findet  sich  auch  wieder  auf  Taf  39  der  „Machinae  novae"  des 
Faustus  Vebastius  {am  1628). 


Fig.  328. 


Fig.  331  (Blatt  14  V)  zeigt  einen  mit  einem  Taucherhelme  angerüsteten 
Taucher  auf  dem  Grande  des  Meeres  oder  Flusses.  In  unserer  Abhandlung 
über  Leonardo  da  Vma  betrachteten  wir  mit  Dr.  Hermann  Grothe  den  dort 
skizzirten  Taucherhelm  (Fig.  97,  S.  98)  als  eine  Konstruktion  Leonabdo's;  die  hier 
vorliegende  Skizze  aber  lehrt,  dass  solche  Taucherhelme  schon  früher  bekannt 
waren. 

Fig.  332  (Blatt  17  R).  Ein  Boot,  durch  Ruderräder  fortbewegt.  Dabei 
steht  die  Bemerkung: 

„Item  daz  ist  eiu  schiff  daz  get  auf  stillen  waesem  und  hat  4  vettig  da  geboren 
4  man  tzu  tzwen  hinten  unn  tzween  fom  unn  daz  mag  wol  XX  wappen  tragen 
min  dy  vier  man  dy  daz  schiff  tzyehn  unn  dy  vettich  gen  in  daz  wass  unn  inwendig 
hat  ydlich  vettich  ein  wendl  den  man  umb  treybt  inwendig  in  dem  schiff  so  mag 
man  fam  auff  dem  wass  ab  und  zw  unn  daz  schiff  boI  verdeckt  sein  daz  man  dy 
leyt  nicht  gesehen  müg  unn  sol  fomen  ein  staehlen  spitz  habn  un  an  yedlich  seyten 
ein  nebenspitz  ain  puchsen  daz  hayst  ein  stmytachiff  daman  dye  von   katalon  all 


283  Skiiun  mu  der  Zeit  der  HaatitciikiieBe. 

Hndera  schiffen  obligen.  (Item  das  ist  ein  Schiff,  das  geht  auf  eüllen  WaBsetn  nnd 
hat  4  Flügelräder  [Fittiche].  Da  geh&ren  4  Mann  dazu,  zyiä  hinten  und  zwei  vomen. 
Dieses  Sdiiff  kann  wc^  20  Gewappnete  tragen  und  die  vier  Mann,  die  es  ziehen. 
Die  FlQgeltäder  gehen  in  das  Wasser  und  inwendig  [im  Schiffe]  hat  jegliches  Flügel- 
rad «ne  Kurbel,  die  man  inwendig  im  Schiffe  umdreht.  Bo  kann  mao  auf  dem 
Wasser  ab  und  zu  fahren.  Und  das  Schiff  soll  verdeckt  s^n,  damit  man  die  Leute 
darin  nicht  sehen  möge,  und  vomen  soll  es  eine  stählerne  Spitze  haben  und  an  jeder 
Sdte  eine  Nebenspitze  und  ein  Geschütz.  Dies  heisst  man  ein  Stralachif^  worin 
die  von  Katalonien  allen  anderen  Schiffen  überlegen  find.) 


Fig.  330. 


In  dem  schon  öfters  erwähnten  Werke  des  Robertus  Valtubiüs,  üb.  10, 
Cap.  4.  S.  314  und  315  tinden  sich  abgebildet:  1.  Ein  Boot  mit  ein  Paar 
Ruderrädem.  2.  Ein  Schiff  mit  iant  Paar  Ruderrädem.  3.  Ein  in  sechs 
kastenartige  Theile  zerlegbares  Boot  mit  gewöhnlichen  Rudern.    4,  Ein  in  zwei 


Fl(.332. 


Flg.  33S. 


cylinderförmige  und  zwei  paraboloidformige,  nach  allen  Seiten  hin  geschlossene 
Theile  zerlegbares  Schiff,  das,  wie  es  scheint,  dazu  bestimmt  war,  mit  dem 
grössten  Theile  des  Schiffammpfes  unter  Wasser  zu  fahren.  Seitlich  sind 
zwei  Ruderräder  angebracht,  die  ganz  unter  Wasser  nicht  hätten  wirken 
können. 

Fig.  333  (Blatt  23  R).  Eine  Edelsteinschleifmaschine.  Dabei  steht  die 
Notiz : 

„Item  daz  ist  ein  polier  mull  als  dy  hochn  maister  tzu  Venedig  habn  darauff 
man  allerley  gestain  poliert  dy  bedarf  III  schuhen  dy  erst  ist  pleyen  dy  ander 


Schwimmgürtel,  Taucherhelm,  Ruderräder,  Edelsteinschleifmaschine.  283 

zynen  dj  tritt  kupffem/'  (Item  das  ist  eine  Poliermühle,  wie  sie  die  hohen  Meister  zu 
Venedig  haben,  worauf  man  allerlei  Steine  poliert  Dazu  sind  drei  Scheiben  nöthig, 
die  erste  bleiern,  die  zweite  zinnern^  die  dritte  kupfern.) 

Von  dem  übrigen  Inhalte  des  ersten  Heftes  der  in  Rede  stehenden  Hand- 
schrift wollen  wir  nur  noch  die  beiden  schriftlichen  Bemerkungen  wiedergeben, 
aus  denen  zu  schliessen  ist,  dasis  dieses  Heft  zur  Zeit  der  Hussitenkriege  ent- 
standen ist.  Die  erste  befindet  sich  auf  Blatt  16  R  bei  einer  Skizze  von  einem 
fahrbaren  Schirm  für  eine  Bombarde  und  lautet: 

„Item  den  schirrem  hat  her  arking  vor  satz  gehabt  da  gen  hundert  man  wol 
darunter  sicher  der  haspel  ist  inwending  unn  wan  man  tzw  der  stat  kumt  so  tzeugt 
man  den  schirm  auff  unn  schiust  unn  lat  in  den  wider  tzu  gien  wint  den  haspel 
wider  hinter  sich  so  get  der  schirm  wider  von  stat  unn  dye  lewt  stien  dar  hinter  an 
schad.'*  (Item  den  Schirm  hat  Herr  Archinoer  vor  Saaz  gehabt  Da  stehen  wohl 
hundert  Mann  dahinter  sicher.  Der  Haspel  ist  inwendig,  und  wenn  man  zu  der 
Stadt  kommt,  so  zieht  man  den  Schirm  auf  und  schiesst  und  lässt  ihn  dann  wieder 
zugehen;  windet  den  Haspel  wieder  hinter  sich,  so  geht  der  Schirm  wieder  von  der 
Stadt  weg  und  die  Leute  stehen  dahinter,  ohne  Schaden  zu  nehmen.) 

Die  zweite  Bemerkung  findet  sich  auf  Blatt  23  R  bei  einer  Skizze,  welche 

ein  Fuhrwerk  darstellt,   das  ringsum  mit  Pallisaden  verkleidet  ist  und  ohne 

Zweifel  auch  durch  Drehen  eines  Haspels  im  Innern  des  Wagens  fortbewegt 

werden  konnte.    Sie  lautet: 

„Item  daz  ist  der  hussen  wagenburgk  darauf  dy  hussen  vechtn  dy  ist  gut 
und  gerecht  (Item  das  ist  der  Hussiten  Wagenburg,  worauf  die  Hussiten  fechten. 
Die  ist  gut  und  recht) 

Aus  der  ersten  dieser  beiden  Bemerkungen  geht  hervor,  dass  die  Be- 
lagerung von  Saaz  durch  Archinger  von  Seinsheim,  welche  im  September  1421 
stattfand,  der  vergangenen  Zeit  angehörte,  als  diese  Bemerkung  niedergeschrieben 
wurde,  und  da  in  der  zweiten  Bemerkung  das  Verbum  „fechten  in  der  gegen- 
wärtigen Zeit  gebraucht  wird,  so  ist  daraus  zu  schliessen,  dass  die  Kämpfe  der 
Hussiten  noch  nicht  vorüber  waren,  als  diese  zweite  Bemerkung  niedergeschrieben 
wurde. 

Was  das  zweite  Heft  der  in  Rede  stehenden  Handschrift  betrifft,  so 
sind  die  schriftlichen  Bemerkungen,  welche  über  die  Zeit  seiner  Entstehung 
und  den  Namen  seines  Autors  Aufschluss  geben,  die  folgenden: 

Auf  Blatt  70  resp.  73  steht  bei  der  Skizze  von  einer  durch  Saumthiere 
getragenen  Bombarde: 

„Die  3A  mensis  septembris  hanc  bombardam  anno  1438  indicavi  Daniello 
Nicolay  Romaneltb  de  Sen.<'  (Am  dritten  September  des  Jahres  1438  habe  ich  diese 
Bombarde  dem  Daniel  Nikolaus  Romaneltis  aus  Siena  gezeigt) 

Auf  Blatt  79  resp.  82  V  steht  geschrieben: 

„Dominus  Marianus  Scizun  de  Sen  die  8±  mensis  decembris  vidit  omnia  ista 
in  domo  suo  habitans. 

Anno  1438  et  at  9  dl  dicembre  de  mo  domino  Petro  de  Micheglis  de  Sen  in 
designis  bombardam  ad  bossulam  ad  ciconiam  ao  at  vitem  tunc  dixit  volebat  immediate 
conferre  un  famulo  Francisci  Piccini  etc."     (Herr  Marianus  Scizun  aus  Siena  hat  am 

8.  Dezember  alle  diese  Sachen  in   seinem  Hause  gesehen.  —  Im  Jahre  1438   am 

9.  Dezember  zeigte  ich  dem  Herrn  Petro  de  Micheglis  aus  Siena  in  Zeichnungen  die 


m 


Skiiien  kqb  der  Zeit  der  fluMitenkriege. 


Binibarde  mit  Bussole,  RichUchcit  und  Schraube,  worauf  er  sagte,  er  wolle  sofort  mit 
einem  Diener  des  Francesco  Piccini  konferiren  u.  a.  w.) 

Auf  Blatt  98  resp.  96  V  endlich  steht  geschriebea : 

1441.  —  DoHmns  Antonius  Catelonds,  presbiter  de  civitate  Tortose  die 
XV  mensis  Aognsti.Tidit  haec  dis^na  oc  etiam  rotulum,  in  quo  emnt  macbinae 
et  tonnenta  antiqua  designata  ex  mann  mei  Maruhi  Jacobi  de  Sek.  (Herr 
Antonius  Catelohds,  Priester  der  Stadt  Tortosa,  hat  am  15.  Angnst  diese 
Zeichnnngen  gesehen  und  auch  eine  Rolle,  auf  der  Maschinen  nnd  alte 
Schteudermaschinen  gezeichnet  waren,  von  meiner,  des  Marianus  Jacobus  von 
SiEKA,  Hand.) 

Von  den  in  diesem  Hefte  enthaltenen  Skizzen  heben  wir  hervor: 

Fig.  334  (Blatt  32—22  R).    Ein  fahrbarer  doppelter  Aufzug. 


Fi«.  SU. 


Fig.  335  (Blatt  22  R).  Eine  Schraubenwinde  zum  Heben  von  Geschützen, 
von  der  in  Fig.  313  dargestellten  nar  dadurch  verschieden,  dass  hier  die 
Schraube,  dort  aber  die  Schraubenmutter  gedreht  wird. 

Fig.  336  (Blatt  21  V).  Ein  doppelter  Aufzug,  durch  einen  Göpel  direkt 
betrieben.  Das  Maschinengesteli  wird  wie  bei  den  altrömischen  Keltern  (S.  71 
unserer  Abhandlung  über  Cato]  nicht  durch  Befestigung  an  einem  Fundament, 
sondern  durch  Belastung  mit  Steinen  niedergehalten. 

Fig.  337  (Blatt  4  V).  Ein  Drehkabn  einfachster  Art  zum  Ent-  oder  Be- 
laden von  SchifTen.  Derselbe  besteht  aus  einer  feststehenden  Säule  mit  verti- 
kalem Zapfen  am  oberen  Ende  und  einem  darauf  gesteckten  horizontalen  Hebel. 
Da  der  Durchmesser  der  Bohrung  im  Hebel  grösser  ist  als  der  Zapfendurch- 
messer, aber  kleiner  als  der  Durchmesser  des  oberen  Säulenendes,  so  stützt 
sich  der  Hebel  auf  dieses,  kann  um  den  Vertikalzapfen  gedreht  werden  und 


KnfaDen,  Schnnben winde. 


286 


seine  Enden  können  innerhalb  gewieser  Grenzen  aaf  und  nieder  schwingen. 
An  dem  der  Last  gegenüber  liegenden  Hebelende  ist  ein  Kasten  befestigt,  der 
mit  Steinen  gefüllt  werden  kann,  nm  die  Last  tbeilweise  oder  ganz  abzuwuchten. 
Rechts  von  dem  Krahn  ist  durch  eine  kleine  Skizze  gezeigt,  wie  dieselbe  Be- 
weglichkeit des  Hebels  dadurch  erreicht  werden  kann,  dass  man  ihn  um  eine 
vertikale  und  horizontale  Axe  drehbar  macht.  In  unserer  Abhandlung  über 
Besson  (S.  205)  sagten  wir  nach  der  Beschreibung  seines  Logs:  „Die  Drehhsr- 
keit  des  Instrumentes  um  zwei  aufeinander  senkrechte  in  einer  Ebene  liegende 
Axen  ist  von  besonderem  Interesse,  weil  dies  die  älteste  uns  bekannte  Anwendung 


des  Frincipes  ist,  auf  welchem  die  Konstruktion  des  Universalgelenkes  oder  des 
sogenannten  HooK'schen  Schlüssels  beruht"  Hier  haben  wir  nun  eine  um  140  Jahre 
ältere  Anwendung  dieses  Frincipes  vor  uns;  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  die 
beiden  Azen  in  einer  senkrechten,  anstatt  in  einer  waagrechten  Ebene  liegen. 

Fig.  338  (Blatt  23  V).  Ein  Aufzog  für  Geschütze,  der  als  eine  Um- 
kehrung der  altrömischen  Kelter,  wie  sie  Cato  beschreibt,  zu  betrachten  ist. 
In  unserer  Abhandlung  über  Cahdanus  gaben  wir  eine  Hebmaschine  wieder,  die 
als  analoge  Umkehrung  der  späteren  römischen  Kelter  zu  betrachten  ist. 
(Fig.  196,  S.  175.) 

Fig.  339  (Blatt  31  V).  Ein  Krahn  zum  Heben  von  Baumaterialien  auf 
im  Bau  begriffene  Thünne  oder  andere  Gebäude.    Er  ist  nach  demselben  Prin- 


28B  Skisieo  otu  der  Zeit  der  UaButenkriage, 

cipe  konstruirt,  wie  die  im  dritten  Theile  von  Weisbach's  „Ingeoieor-  ond 
Maschinen-Mechanik"  §  223  beschriebenen  Hängemaschinen  oder  sogenannten 
„Drops",  womit  man,  wie  Weisbach  sagt,  in  England  die  Wagen,  welche  auf 
einer  Eisenhahn  zugefahren  werden,  sammt  ihrer  Last  herablässt  in  die  Kohlen- 
schiffe.    Auch  dieses  Frincip  ist  also  sehr  alt 

Fig.  340  (Blatt  74  R)  zeigt  die  Konstruktion  eines  Uebedanmens  damaliger 
Zeit.  Soweit  es  sich  nach  dieser  Skizze  beurtheilen  lässt,  war  die  Konstruk- 
tionsregel:  Beschreibe  den  Umfang  der  Danmenwelle  nnd  den  Umfang  des 
Kreises,  den  der  äosserste  Punkt  des  Daumens  beschreiben  mnss,  damit  der 
verlangte  Hub  erzielt  wird.  Ziehe  einen  Radius,  theile  das  Stfick  desselben, 
welches  zwischen  den  beiden  Kreisen  liegt,  in  drei  Theile  und  ziehe  durch  den 
Tfaeilnngspunkt   zunächst  der  Welle  einen  koncentrischen  Hilfskreis.    Theile 


diesen  Hilfskreis  in  sechs  Theile  und  beschreibe  aus  den  Theilpunkten  mit  dem 
Radius  des  Hilfskreises  Kreisbogen  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Kreise, 
so  geben  diese  die  Krümmung  der  arbeitenden  Flächen  der  Hebedanmen  an. 
Fig.  341  (Blatt  5S  V).  Ein  Perpetuum  mobile.  In  unserer  Abhandlung 
über  Rahelu  (S.  231}  sagten  wir:  „Vielfach  hat  man  auch  ein  Rad  dadurch 
in  immerwährende  Bewegui^  setzen  zu  können  geglaubt,  dass  man  darin  Ge- 
wichte anbrachte,  welche  sich  auf  der  einen  Seite  von  der  Vertikalebene  durch 
Fortrollen  oder  Umschlagen  eines  Hebels,  an  dem  sie  befestigt  waren,  weiter 
entfernten  nnd  sich  auf  der  anderen  Seite  der  Mittelebene  wieder  näherten. 
Auch  diese  verfehlten  Ideen  liegen  schon  bei  Ramelli  der  Konstruktion  eines 
Schöpfrades  auf  Blatt  43  zu  Grunde."  —  Eine  Skizze  von  einem  solchen  Rade, 
das  durch  Umschlagen  von  Hebeln  in  immerwährende  Bewegung  kommen  soll, 
sehen  wir  aber  hier  schon  in  einer  Skizze  aus  dem  Anfange  des  XV.  Jahr- 
hunderts vor  uns. 


HebedanmeD,  Perpetunm  mobile,  Schraubenanfhelfe.  287 

Fig.  342  (Blatt  125 — 134  R).  Eine  kompendiöso  Konstruktion  eines 
Stampfwerkes.  Die  Daumenwelle  liegt  dicht  an  dem  Stempd,  aus  dem  ein 
Schlitz  herausgearbeitet  iat,  durch  den  der  Daumen  bei  seiner  Drehung  bin- 
durchgeht.  Oben  in  diesem  Schlitze  iat  eine  Antifriktionsrolle  angebracht, 
gegen  die  der  Daumen  drückt,  wodurch  der  Stempel  gehoben  wird. 

Fig.  343  (Blatt  36—26  V).  Eine  Schraubenaufhelfe  für  eine  stehende 
Welle,  beispielsweise  für  ein  Mühleisen. 

Fig.  344  (Blatt  86 — 87  V).  Ein  Ziehbrunnen  mit  zwei  Eimern,  durch 
ein  horizontales  Windrad  betrieben.  Da  dieses  feste  Flügel  hat  und  sich  da- 
her nicht  drehen  kann,  wenn  es  ganz  dem  Winde  ausgesetzt  ist,  so  moss  an- 
genommen werden,  dass  seine  eine  Hälfte  durch  einen  Schirm  vor  dem  Winde 
geschützt  sein  sollte,  wie  bei  dem  horizontalen  Windrade  Besson's.  {S.  203.) 
Und  da  bei  dem  Ziehbrunnen  mit  zwei  Eimern  immer  abwechselnd  der  eine 


Flg.  311. 


Pig.  W2. 


auf-,  der  andere  abwärts  geben  muss  und  daher  eine  Umsteuerung  des  Mechanis- 
mus unumgänglich  nöthig  ist,  so  muss  man  sich  diesen  Schirm  hier  verstellbar 
denken. 

Fig.  345  (Blatt  80  R).  Ein  Patemosterwerk  mit  flachen  Kolben.  Ein 
flacher  Kolben  zu  einem  Pastemosterwerke  findet  sich  unter  den  Skizzen  Ton 
Leonardo  da  Vinci  (Fig.  113,  S.  102)  und  da  wir  solche  in  anderen  älteren 
Werken  seither  nicht  angetroffen  hatten,  hielten  wir  diese  Konstruktion  fUr 
eine  dem  Leonardo  eigenthümlicbe ;  die  vorliegende  Skizze  beweist  jedoch,  dass 
sie  schon  früher  bekannt  war. 

Fig.  346  (Blatt  21—20  R).  Ein  Ziehbrunnen  mit  Räderübersetznng  und 
einer  um  ein  Rad  geschlungenen  Kette,  woran  der  Arbeiter  zieht  Diese  Kette 
iat  hier  noch  ganz  um  das  Rad  herumgeschlungea,  während  wir  sie  bei  Rahelu 
schon  einfach  darüber  gelegt  sahen.    (Fig.  297,  S.  210.) 

Fig.  347  (Blatt  58  R).  Eine  nicbt  sangende  (nnr  drückende)  Plunger- 
pumpe  für  geringe  Förderhöhe,  wie  man  ähnliche  in  alten  Werken  öfters  abr 
gebildet  findet.     Der  Pumpenkörper  steht  mit  seinem  unteren  Theile  unter 


288  Skiiien  ans  der  Zeit  der  HnsaitMikiicge. 

Wasser  ond  hat  im  Boden  oder  in  der  Seitenwand  dicht  ober  demselben  ein 
oder  mehrere  sich  nach  innen  öffnende  Ventile  und  in  einiger  Entfeninng  vom 
oberen  Rande  ein  ÄwtUnfrohr.  Der  Plongerkolben  schliesst  nicht  an  den 
Pompenkörper  an,  zwischen  den  Seitenwänden  beider  bleibt  aber  nnr  ein  enger 


Fi(.  SM. 


Fl«   SM. 


Zwifichenraom.  Hebt  man  den  Hebel  über  den  Kolben,  so  dringt  das  Wasser 
TOn  selbst  durch  die  Ventile  in  den  Pamj>enkörper ,  bis  der  innere  Wasser- 
spiegel  mit  dem  äasseren  gleich  hoch  steht.     Wird  dann   der  Kolben   nieder- 


gedrückt,  so  schliessen  sich  alle  Ventile,  das  Wasser  im  unteren  Räume  des 
Pumpenkörperi  wird  verdrangt  und  in  dem  Zwischenräume  zKiscben  den  Seiten- 
wanduugen  des  Pampenkörper^  und  des  Kolbens  in  die  Hohe  gepresst,  bis  es 
durch  das  Ansiaufrohr  oder  über  den  Kand  des  Pumpenkörpers  ausdiesst.  Bei 
besseren  Konstruktionen   dieser  Art   ist   der  obere   Theil   des   Pompenköipers 


Ziehbniimeti,  PitterDOBterwark,  sebwingeDde  Rinne,  Geblflse.  289 

Ton  einem  schalenförmigen  Gefäss  umschloBsen,  von  dem  daa  über  den  Rand 
des  PumpenkörperB  ausfliegsende  Wasser  aufgefangen  wird  und  an  welches  sich 
dann  das  Auslaufrohr  erst  anschliesst,  während  bei  der  hier  vorliegenden  Skizze 
das  über  den  Rand  des  Pumpenkörpers  ausfliessende  Wasser  verloren  geht. 

Fig.  348  (Blatt  31  R).  Ein  Paar  Balgpumpen  in  Form  von  gewöhnlichen 
Schmiedeblasbälgen  und  in  derselben  Weise  betrieben  wie  die  von  Biringdccio 
beschriebenen  Giessereiblasbälge.     (Fig.  130,  S.  118.) 

Fig.  349  (Blatt  55  V).  Schwingende  Rinnen  zur  WasseriÖrdenmg  auf 
geringe  Höhe,  ähnlich  denen,  welche  Ramelli  beschreibt.    (Vergl.  S.  22!).) 

Fig.  350  (Blatt  25-30  R).  Ein  Paar  Schmiedeblasbälge,  durch  ein  ober- 
schlächtiges  Wasserrad  in  derselben  Weise  betrieben,  wie  es  BmiNGücao  als 
erste  .\rt  angiebt.  {Fig.  126,  S.  116.)  In  unserer  Abhandlung  über  Leonardo 
DA  \LNia  (S.  109)  sagten  wir  bei  Besprechung  einer  Skizze  von  einem  ober- 


Bchlachtigen  Wasserrade:  „Was  zunächst  die  schiefe  Schaufelstellung  zur  Ver- 
grösserung  des  wasserhaltenden  Bogens  anbelangt,  welche  Dr.  H.  Grothe  foc 
eine  Verbesserung  des  Leonabdo  zu  halten  scheint,  so  möchten  wir  darauf  hin- 
weisen, dass  in  Agricola's  Werk  „De  re  metallica",  Basel  1530,  alle  ober- 
Bchlächtigen  Räder  mit  schräg  gestellten  Schaufeln  abgebildet  sind  a.  s.  w."' 
Die  hier  vorliegende  Skizze  des  Marunus  Jacobus  aber  liefert  den  direkten 
Beweis,  dass  oberscblächtige  Wasserräder  mit  schräggestellten  Schaofeln  auch 
in  Italien  lange  vor  Leonardo  bekannt  waren. 

Fig.  351  (Blatt  87  V)  zeigt  eine  Methode,  wie  durch  die  Wasserkraft 
eines  Flusses  ein  darauf  schwimmendes  Schiff  stromaufwärts  bewegt  werden 
kann.  Quer  über  einem  Boote  ist  ein  Wellbanm  gelagert,  an  dessen  über  die 
Schiffswandungen  hervorragenden  Enden  je  ein  Flügelrad  oder  unterschlächtiges 
Wasserrad  angebracht  ist,  das  mit  seinen  Schaufeln  in  den  Strom  tAucht, 
Oberhalb  der  Stelle,  wo  das  Boot  sich  befindet,  ist  ein  Seil  über  den  Fluss 
gespannt.    An  diesem  ist  ein  zweites  langes  Seil  befestigt,  nach  dem  Boote 

B*ek.  19 


200  Skiizen  aus  der  Zeit  der  HoMitenkriege. 

hingefülirt  und  einigemal  um  den  Wasserradwellbaum  geschlungen.  Zieht  der 
Bootsmann  das  freie  Ende  dieses  Seiles  etwas  an,  so  kann  die  Strömung  des 
Flusses  das  Boot  nicht  mit  sich  fortführen,  dreht  vielmehr  die  Wasserräder 
mit  ihrem  Wellbaume  um  und  windet  das  Boot  stromaufwärts,  wenn  das  Seil 
in  der  entsprechenden  Richtung  um  den  Wellbaum  geschlungen  ist  In  der 
vorliegenden  Skizze  ist  letzteres  allerdings  nicht  der  Fall  and  man  mnss  sich 
diesen  Zeichenfehler  verbessert  denken.  Diese  Art,  zu  machen,  dasa  ein  Schiff 
„von  selbst"  gegen  den  Strom  fährt,  wird  auch  in  des  Faustus  Vebantidb 
„Novae  Machinae"  (1628)  beschrieben  (Probl.  40),  man  ersieht  aber  aus  der 
hier  vorliegenden  Skizze,  dasa  dies  zu  des  Veb&ntius  Zeit  keine  nova  machina 


mehr  gewesen  ist.    Doch  giebt  dieser  gleichzeitig  noch  eine  verbesserte  Methode 
an,  die  ihm  eigenthümHch  sein  mag. 

Fig.  352  (Blatt  119—128),  zeigt  die  vorhin  erwähnte  flüchtige  Skizze  einer 
KuDStramme.  Der  Rammbär  ist  hier  vermittelst  eines  Hakens  an  das  Zugseil 
gehängt,  der  sich  selbstthätig  aushängt,  wenn  der  Bär  auf  die  richtige  Höhe 
gezogen  ist,  wie  man  aus  der  Hauptskizze  ersieht,  wo  der  nach  rückwärts  ver- 
längerte Stiel  des  Hakens  eben  an  einen  im  Gestelle  befestigten  Stift  von  unten 
anstösst.  Aus  der  rechts  neben  der  Hauptskizze  befindlichen  kleineren  Skizze 
ersieht  man,  dass  der  Haken  sich  auch  selbstthätig  einhängen  sollte,  wenn  er 
wieder  bis  zur  entsprechenden  Höbe  herabgelassen  war.  Denn  der  Haken  ist 
hier  in  dem  Momente  gezeichnet,  wo  sein  Stiel  von  oben  gegen  einen  Stift 
stösst  und  er  sich  demzufolge  in  die  vor  ihm  stehende  Oese  des  Rammhärs 
einhängen  muss.  Das  Zugseil  geht  in  der  Hauptskizze  über  eine  Leitrolle  oben 
im  Maschinengestell  und  dann  herab  zu  einer  Seiltrommel,  ist  einigemal  am 


Scbifffahrt  gegen  den  Strom,  Kunstramme,  Seilbahn. 


291 


diese  geschlungen  und  geht  dann  wieder  aufwärts.  Hinter  dem  am  erstge- 
nannten Seilende  hängenden  Rammbär  sieht  man  das  zweite  Seilende  mit  einem 
zweiten  Fangbaken  herabhängen.  Es  liegt  daher  dieser  Skizze  offenbar  die 
Idee  zu  Grunde,  durch  die  Maschine  zwei  Rammbären  zu  bewegen  und  in  der 
Weise  wirken  zu  lassen,  dass  immer  der  eine  von  seinem  Fanghaken  wieder 
erfasst  wird,  sobald  ier  andere  ausgelöst  wird. 

Fig.  353  (Blatt  23  R)  zeigt,  wie  man  eine  Bombarde  oder  eine  andere 
Last  durch  Zugthiere  über  einen  Fluss  oder  eine  Schlucht  schaffen  kann,  welche 
die  Zugthiere  nicht  überschreiten  können.  Zwischen  einem  Baume  auf  dem 
linken  und  einem  eingeschlagenen  Pflocke  auf  dem  rechten  Flussufer  ist  ein 
Seil  gespannt,  an  das  die  Bombarde  vermittelst  eines  Ringes  gehängt  ist.  An 
den  Baum  ist  eine  Flasche  mit  einer  Rolle  gebunden,  über  welche  ein  Zugseil 
geht,  dessen  eines  Ende  an  dem  Ringe,  der  die  Bombarde  trägt,  befestigt  ist, 
während  an  dem  anderen  Ende, 
welches  ebenfalls  über  den  Fluss 
hinübergeführt  ist,  die  Zugthiere 
angespannt  sind.  Gehen  diese 
landeinwärts,  so  ziehen  sie  die 
Bombarde  über  den  Fluss,  indem 
der  Ring,  an  welchem  sie  hängt, 
über  das  gespannte  Seil  hingleitet. 

In  unserer  Abhandlung  über 
Lorini  (S.  246)  gaben  wir  die  Be- 
schreibung   einer    Seilbahn    zum 

Erdtransport  in  Karren  wieder  und  sagten,  dies  sei  die  älteste  Beschreibung 
einer  Seilbahn.  Man  ist  jedoch  berechtigt,  auch  den  in  vorliegender,  um  etwa 
170  Jahre  älteren  Skizze  dargestellten  Apparat  als  eine  Seilbahn  zu  bezeichnen. 

Fig.  3ö4  (Blatt  82  R).  Eine  Pumpe  mit  einem  hohlen  Ventilkolben.  In 
unserer  Abhandlung  über  Cardanus  (S.  176)  findet  sich  die  dortige  Beschreibung 
der  Pumpe  des  Bartholomäus  Brahbilla,  die  wir  damals  für  die  älteste  Be- 
schreibung einer  Pumpe  hielten,  deren  Hohlkolben  ein  in  der  Mitte  sitzendes 
Ventil  hat.  Wir  haben  jedoch  hier  eine  um  etwa  120  Jahre  ältere  Skizze  von 
einer  Pumpe  dieser  Art  vor  uns. 

Fig.  355  (Blatt  63  R)  zeigt  einen  Mahlgang,  durch  einen  Göpel  betrieben, 
der  durch  eine  in  der  Erde  gelagerte  Transmissionswelle  mit  ersterem  ver- 
bunden ist. 

Von  den  übrigen  in  diesem  Heft^  enthaltenen  Skizzen  sind  hier  etwa 
noch  zu  erwähnen : 

Blatt  98—96  R.  Eine  schön  ausgeführte  grössere  Zeichnung  von  einem 
Becherwerke,  mit  Ochsengöpel  betrieben. 

Blatt  30—35  R  und  Blatt  31—36  V.    Schöpfräder. 

Blatt  37 — 27  V.    Ein  fahrbarer  Aufzug  mit  grossem  Tretrade,  ähnlich 

19* 


Fig.  3Ö3. 


203  Sküun  ans  der  Zeit  der  Hiuwitonkriege. 

desen  in  den  Figuren  62  n.  53,  S.  47  n.  48;  jedoch  hält  eich  der  Arbeiter  nicht 
direkt  an  einer  Querstange,  Tiebnehr  ist  diese  in  höherer  Lage  angebracht,  und 
es  hängt  von  ihr  ein  Strick  herab,  den  der  Arbeiter  mit  den  Händen  erfasst. 
Blatt  105^99  R  zeigt  einen  Teich  in  der  Nähe  des  Meeres,  das  durch 
das  eingeschriebene  Wort  „Mare"  kenntlich  gemacht  ist.  Der  Teich  steht  durch 
zwei  Kanäle,  die  durch  Schleusen  abgeschlossen  «erden  können,  mit  dem  Meere 
in  Verbindung.  Bei  dem  Kanäle  rechte,  wo  die  Schleuse  zunächst  des  Meeres 
angebracht  ist,  steht:  „Introitua"  (Einlauf)  und  die  Bemerkong:  „per  sex  horas 
crescit  et  per  sex  horas  decrescit  intra  diem  et  noctem,  d.  h.  während  sechs 
Standen  steigt  es  (das  Wasser)  und  während  sechs  Standen  fällt  es  bei  Tag 
und  bei  Nacht.    Bei  der  Schleuse  des  linken  Kanales,  welche  zunächst  des 


Teiches  angebracht  ist,  steht:  „exitus"  (Auslauf)  und  zwischen  dieser  Schleuse 
und  dem  Meeresufer  an  zwei  verschiedenen  Stellen:  „hie  molendam"  (hier  soll 
gemahlen  werden). 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  durch  diese  Skizze  gezeigt  werden 
soll,  wie  man  mit  Hilfe  von  Fluth  und  Ebbe  des  Meeres  Mühlen  betreiben 
kann.  Auch  Belidob  bebandelte  in  seiner  „Architectura  hjdraulica",  die  1737 
erschien,  dieses  Thema  ausführlich. 

Als  vor  Kurzem  die  Zeitungen  von  einem  französischen  Ingenieur  be- 
richteten, der  den  Plan  habe,  Fluth  und  Ebbe  als  Kraftquelle  zu  benutzen  nnd 
die  so  gewonnene  Kraft  in  Form  von  Elektricität  in  das  Binnenland  za  leiten, 
schien  Vielen  die  Idee,  das  periodisch  wiederkehrende  Steigen  nnd  Sinken  des 
Meerwassers  als  Kraftquelle  nutzbar  zu  machen,  als  eine  der  neuesten  und 
genialsten  des  neunzehnten  Jahrhunderts.  Die  soeben  beschriebene  Skizze  lehrt 
ans,  dasB  diese  Idee  mindestens  vierbondert  und  siebzig  Jahre  alt  ist. 


Vittorio  Zonea  (1568-1602). 


In  unserer  Abhandlung  über  Cato  den  Aelteren  haben  wir  auf  Seite  69 

eine  Kelter  römischer  oder  eigentlich  griechischer  Art  aus  Zonca's  „Novo  Teatro 

di   Machine  et  Edificii''   (Padua   1621)  besprochen    und   daselbst   in  Fig.  67 

abgebildet.    Wir  glaubten  damals,  dass  diese  Auflage  die  älteste  sei,  haben 

aber  inzwischen  gefunden,   dass  sich  in  der  Kgl.  Hof-  und  Staatsbibliothek  in 

München   eine   solche   von  1607   befindet,    deren   Inhalt   mit  Ausnahme   der 

Widmung   mit  der  vorhin  genannten  übereinstimmt.    Diese  Widmungen  der 

Verleger  bilden  in  beiden  Auflagen  die  einzige  Vorrede.    In  der  von  1607  folgt 

nach  einem  Lobe  der  Ingenieurkunst  die  Stelle: 

„Diese  Erwägung,  erlauchter  Herr,  hat  mich  zuerst  bewogen,  die  ehrenwerthe 
Arbeit  des  Herrn  VrrTORio  Zonca,  Architekten  von  Padua,  die  mir  in  die  Hände 
gefallen  war,  nicht  umkommen  und  in  Vergessenheit  gerathen  zu  lassen.*' 

Auf  dem  Titelblatte  wird  der  Autor  noch  genauer  als:  „Architetto  della 
Magnifica  Communitä  di  Padua"  bezeichnet. 

Damach  war  zu  yermuthen,  dass  Zonga  vor  1607  als  Stadtbaumeister 
von  Padua  gestorben  sei,  und  weil  wir  Genaueres  über  seine  Person  in  Büchern 
nicht  finden  konnten,  wandten  wir  uns  an  Herrn  K.  Keller,  Professor  der 
Technischen  Hochschule  in  Karlsruhe,  Doctor  honoris  causa  der  Universität 
Padua,  mit  der  Bitte,  dort  Erkundigungen  darüber  einzuziehen.  Durch  ihn 
gelangte  unser  Gesuch  an  Dr.  Garolo  Ferraris,  Rector  Magnificus  der  Uni- 
versität, Professor  Gloria,  Archivinspektor,  und  Sign.  A.  Capello,  Archivar 
des  Museo  Civico  in  Padua.  Der  Güte  dieser  Herren  verdanken  wir  die  Mit* 
theilung  folgenden  Briefes  des  Letzteren  an  Dr.  C.  Ferraris: 

„.  .  •  .  In  der  Liste  der  Verstorbenen  des  Gesundheitsamtes  Bd.  I  finde  ich, 
dass  am  15.  November  1602  ein  Vittorio  Zunoo  in  der  Pfarrei  8.  Giacomo  an  der 
Ruhr  starb.  Er  war  34  Jahre  alt  und  daher  1568  geboren.  Dass  der  Name  Zuvco 
und  nicht  ZoxcA  geschrieben  ist,  hat  nichts  zu  bedeuten,  da  auch  die  anderen 
Glieder  dieser  Familie  bald  Zonca,  bald  Zonchi  und  auch  ZcJNcei  genannt  werden, 
und  Vittorio  in  den  Akten  des  Stadtrathes  Zünca  genannt  wird.  Aus  diesen  ist 
ersichtlich,  dass  er  auf  sein  Gresuch  durch  Rathsbeschlnss  vom  12.  Februar  1597  zum 
Architekten  der  Stadt  ernannt  wurde.  Doch  war  dies  nur  ein  Ehrenamt,  und  an 
seine  Ernennung  wurde  die  Bedingung  geknüpft,    dass  daraus  für  Privatpersonen 


2dl  Ymorio  ZoBca. 

k^iiHfriti  V-rpflx-fatiug  eiwmchsen  solle,  s<v^  Dieii?le  in  As7pr.xii  za  Dclmien  imd 
4e  d&Den  Acdener  vorzuziehen.  —  Von  deineiD  Werke  ^oro  Teatro  di  HacUDe  etc.' 
•ind  adMT  rier  Aufla^n  erschienen:  die  Ton  1607.  velcbe  in  dem  an  Sie  gefiditeten 
Briefe  erwähnt  i?t.  etoe  zveite  von  162  U  «eldie  sich  in  der  UniTerstitebioIiodidc 
befindet,  eine  dritte  von  1627  wird  von  Vedova  in  seinen  ^^iognfie  degli  serittori 
Padovml^  and  von  PETBCoa  in  seinen  «Biografie  de^  anisti  Padovani*  erwähnt, 
eine  vierte  endlich  von  1656  besitzt  unaere  Bibliothek.  Da«  Erscheinen  so  vieler 
Auflagen  dieses  Werkes  beweist  den  hohen  Werth.  welcher  ihm  za  seiner  Zeit  bei- 
gelegt wople  and  die  Tüchtigkeit  seines  Yerfas-sers.  —  Uebcr  Gebäude,  welche  nadi 
Zeichnungen  demelben  ausgeführt  worden,  konnte  ich  keine  Aofieichniingen  finden.*' 

Das  Werk  Zoxca's  bildet  einen  kleinen  Folioband  von  115  Seiten,  wovon 
42  mit  je  einem  Kupferstiche  und  die  übrigen  mit  Beschreibongen  angefüllt 
sind.  Seine  theoretischen  Betrachtungen  haben  für  uns  keinen  Werth  mehr, 
aber  interessant  bleibt  sein  Werk,  weil  es  über  die  damalige  Anwendung  von 
Maschinen  auf  mehreren  Gebieten  der  Industrie  die  ersten  genaueren  Auf- 
schlüsse giebt.  Wir  haben  deshalb  hier  die  meisten  seiner  Abbildungen  in 
verkleinertem  Massstabe  wiedergegeben  und  werden  im  Nachfolgenden  das 
Wichtigste  aus  seinen  Beschreibungen  mittheilen. 

Seite  1   zeigt  eine  Winde   mit   Schraube    ohne   Ende   (Fig.  356), 

worüber  unter  anderm  gesagt  wird: 

„ .  .  .  .  Die  Arbeiter  pflegten  mit  einer  solchen  Maschine  jedesmal  ein  Crewicht 
von  20000  Pfund   durch  <Üe  Kraft  von  zwei  Mann  auf  die  grössten  Gebäude  der 

Stadt  Padua  zu  heben,  als  Steine.  Kalk,  Eisenwerk 
und  andere  zum  Bau  erforderliche  ^laterialien. 
Jetzt  aber  hat  man  sie  verlassen,  weil  eine  andere 
3faschinc  in  die  Praxis  eingeführt  worden  ist»  die 
mit  einem  Göpel  und  Rollen  dieselbe  Arbeit  leistet. 
Die  Schraube  ist  von  gutem  Metall  (Bronce)  gemacht 
und  in  einem  Stücke  gegossen.  An  ihren  Enden 
sind  eiserne  Kurbeln  von  IV«'  Länge  (der  Hand- 
griffe) aufgesteckt»  damit  auf  jeder  Seite  ein  Arbeiter 
Platz  findet  .  .  .  Das  Rad,  welches  auf  der  Seil- 
trommel befestigt  ist  und  durch  die  Schraube  um- 
gedreht wird,  ist  von  Eisen,  damit  es  sich  an  dem 
Metalle  wenig  abnutzt,  und  hat  einen  Duichmesaer 
Fis.S56.  von    9",    eine   Breite    von    P  t'    und    18    schräg 

laufende  Zähne  von  abgerundeter  Fonn,  so  dass 
ae  genau  in  die  Vertiefungen  der  Schraube  passen.  In  der  Mitte  hat  es  ein 
quadratisches  Loch  von  knapp  4^  Seitenlänge.  Dieses  umschliesst  einen  Zapfen 
der  Seiltrommel,  die  2'/4'  lang  und  so  dick  ist,  dass  sie  die  Zähne  des  Rades  frei 
lässt  An  dem  Ende  gegen  das  Rad  hin  muss  die  Trommel  dicker  sein  als  an  dem 
anderen,  wo  das  Seil  befestigt  wird,  damit  dieses,  wenn  es  die  Last  ruckwase  anzidit, 
«ich  um  das  dünnere  Ende  wickelt  und  langsam  bew^t  Die  Zlapfen  der  Trommel 
nind  von  demselben  Holze  aus  einem  Stücke  mit  dieser.  Der  eine,  und  zwar  der 
längere,  hat  dieselben  Abmessimgen  wie  das  Loch  im  Rade  und  eine  Länge  von  V«'. 
Auf  diesem  wird  das  Rad  mit  einigen  hakenförmigen  Eisen  befestigt,  die  auf  die 
Trommel  genagelt  werden.  Dann  setzt  man  noch  eine  hölzerne  Scheibe  von  solcher 
Grösse  davor,  dass  sie  die  Lücken  der  Zähne  hei  lässt,  während  sie  die  Köpfe  der 
Haken  bedeckt  Der  übrige  Thdl  des  Zapfens  ist  rund,  wie  der  andere  kürzere  Zapfen. 
Die  Lager,  d.  h.  die  Löch^,  worin  sich  die  Zapfen  drehen,  füttert  man  mit 
Leder  aus,  damit  das  Holz  sich  nicht  abreibt     Die  ganze  Maschine  ist  von  iSchen» 


WJDden  mit  Schraube  ohne  Ende. 


höh.     Die  Pfosten,  inabesondere  die,  welche  die  Schraube  trogen,  sind  mit  dsemen 
aufgenagelten  Bändern  gebunden  .  .  .  ." 

Das  Gewicht,  welches  mit  dieser  Maschine  durch  zwei  Mann  gehoben 
worden  sein  soll,  scheint  mit  20000  Pfund  zu  gross  angegeben  zu  sein,  was 
sich  jedoch  dadurch  erklären  lüsst,  dass  man  das  damals  allgemein  übliche 
Einschalten  eines  Flaschenzuges  bei  Beschreibungen  von  Hebmascbinen  oft  un- 
erwähnt Hess. 

Seite  3  zeigt  die  durch  unsere  Fig.  357  wiedergegebene  Vorrichtung 
zum  Heben  eines  eisernen  Fallthores  Eine  am  unteien  tnde  einer 
Handgöpelwelle  angebrachte  Schraube  greift 
in  ein  auf  horizontaler  Welle  sitzendes 
Schraubenrad.  Am  anderen  Ende  dieser 
Welle  greift  ein  Zahnrad  in  eine  am 
Gittertbore  befestigte  senkrechte  Zahn- 
stange. Mehrere  SpeiTklinken,  die  sich  auf 
Quadersteine  im  Fussboden  stützen,  ver- 
hindern sein  Herabfallen,  nenn  der  Druck 
der  Arbeit«r  aufhört  oder  während  des 
Hebens  ein  Bruch  vorkonunt.  Die  horizon- 
tale Welle  liegt  unter  dem  Fussboden  und 
ist  nur  darüber  abgebildet,  um  sie  besser 
sichtbar  zu  machen. 

Seite  6  zeigt  die  Hebmascbine, 
woron  gesagt  wurde,  dass  sie  die  Winde 
mit  Schraube  ohne  Ende  bei  Bauarbeiten 
verdrängt  habe.  Es  ist  ein  siebender 
Pferdegöpel ,  dessen  Seiltrommel  gleich- 
zeitig ein  Seil  auf-  und  ein  anderes  abwickelt.  Beide  Seile  gehen  horizontal 
unter  Leitrollen  durch  und  aufwärts  nach  Flaschenzügen  über  der  Baustelle. 
Die  Vorrichtung  entspricht  der  Fördermaschine  Agbicola's,  die  wir  auf  S.  131 
besprochen  haben;  doch  ist  das  Maschinengestell  aus  einem  Balkengerüste 
gebildet,  das  man  leicht  auf-  nnd  abschlagen  kann. 

Seite  14  zeigt  eine  Schiffmühle.  Zwischen  zwei  Pontons  ist  ein  unter- 
schlächtiges  Wasserrad  gelagert,  das  einen  Mahlgang  und  einen  Schleifstein 
auf  dem  einen  Ponton  und  einen  hammerförmigen  Stempel  an  dem  anderen 
treibt.  Solche  Stempel  fanden  wir  unter  den  Skizzen  aus  der  Zeit  der  Hussiten- 
kriege (Fig.  326,  S.  280).  Bei  diesen  steht  die  Bemerkung,  man  könne  sich 
ihrer  bedienen,  wenn  man  keine  Mfihle  habe;  Zonca  sagt,  dass  der  Hammer 
dazu  diene,  das  Getreide  in  einem  steinernen  Mörser  zu  zerstampfen,  ehe  es 
auf  die  Mühle  gebracht  werde.  Es  ist  erstaunlich,  dass  sich  diese  primitivste 
Art  der  Getreidezerkleinerung  so  lange  erhalten  hat.  —  Den  Durchmesser  des 
Wasserrades  giebt  er  zu  12  bis  14' an  und  sagt  bezüglich  des  übrigen  Räderwerkes : 


FiB.  3i7. 


296  Vittorio  Zone«. 

„Das  Zahnrad  am  Ende  der  Waaeerradwelle  hat  5^/4'  Durehmesser  und  54  Zähna 
Das  Getriebe  erhält  sechs  Triebstöcke.  Die  Zähne  der  Räder  und  die  Triebstöcko 
der  Getriebe  pflegt  man  je  nach  der  Oertlichkeit  auf  dreierlei  Art  einzutheilen.  Man 
giebt  nämlich  dem  Rade  48,  54  oder  60  Zähne  und  den  (Jetrieben  6,  9  oder 
12  Triebstocke  .  .  .  ." 

Für  das  unterschlächtige  Wasserrad  von  12 — 14'  Durchmesser  kann  man 
etwa  sieben  Umdrehungen  in  der  Minute  annehmen  und  erhält  dann  bei  der 
von  ZoNCA  als  normal  angegebenen  Uebersetzung  6  :  54  =  1 : 9  für  den  Läufer- 
stein etwa  63  Umdrehungen  in  der  Minute.  Dies  stimmt  mit  Belidor's  An- 
gabe überein,  der  in  seiner  „Architectura  hydraulica"  vom  Jahre  1737,  erster 
Theil,  §  638  sagt,  dass  der  Läufer  in  einer  Minute  höchstens  sechzig  Mal  um- 
laufen solle,  damit  das  Mehl  nicht  erhitzt  werde.  Aus  den  Abbildungen 
Ramelli^ s  schlössen  wir  seiner  Zeit,  dass  die  Läufersteine  seiner  Wassermühlen 
nur  28  Touren  in  der  Minute  gemacht  hätten  (S.  230);  es  scheint  aber  nach 
den  Angaben  Zonga's,  verglichen  mit  denen  Belidor^s,  als  ob  Ramelli  auch 
hier  seine  Konstruktionen  nur  kinematisch  behandelt  und  von  der  erforderlichen 
Geschwindigkeit  des  Werkzeuges  abstrahirt  habe. 

Die  Mühlsteine  sind  bei  Zonca  noch  nicht  mit  Zargen  umkleidet,  sondern 
liegen  in  grossen,  oben  offenen  Kasten,  worin  sich  das  Mehl  sammelt,  insoweit 
es  nicht  verstäubt,  während  wir  bei  Ramelli  oben  offene  und  bei  Besson  schon 
ganz  geschlossene  Zargen  fanden.  Auch  fehlt  bei  Zonca  meist  der  Schuh  unter 
dem  Einlauftrichter,  den  Ramelli  stets  anbrachte;  doch  ist  an  dem  Trichter 
selbst  eine  Rühr-  oder  Schüttelvorrichtung. 

Auf  Seite  18  ist  eine  gewöhnliche  Mühle  mit  einem  unter- 
schlächtigen,  auf  Seite  21  eine  solche  mit  mehreren  oberschläch- 
tigen  Wasserrädern  dargestellt,  wovon  jedes  einen  Mahlgang  treibt.  In 
der  Beschreibung  wird  gesagt,  dass  man  das  Wasser  für  letztere  Mühlen  in 
Teichen  sammele,  von  denen  es  durch  Schleusen  und  steinerne  oder  hölzerne 
Kanäle  auf  die  Räder  geleitet  werde.  Der  Kanal  soll  zunächst  dem  Reservoir 
IV«'  breit  sein  und  auf  10  bis  12  Ellen  Länge  wenigstens  2'  Fall  haben;  zu- 
nächst dem  Rade  aber  soll  er  sich  verengen  und  doppelt  so  viel  Fall  haben, 
damit  das  Wasser  mehr  Zusammenhalt  und  grössere  Gewalt  erlange.  Femer 
sagt  Zonca: 

iJndem  nun  hier  das  zusammengezogene  Wasser  rasend  (furiosamente)  auf  die 
Zellen  der  Räder  stürzt^  fängt  es  an,  sie  in  Bewegung  zu  setzen.  Aber  weil  der 
Durehmesser  dieser  Räder  so  gross  ist  (16  bis  20')i  werden  sie  sehr  schwer,  und 
deshalb  macht  man  Löcher  in  je  drei  oder  vier  Zellenwände,  damit  das  Ausfliessen 
des  Wassers  die  Bewegung  des  Rades  erleichtere." 

Er  hält  also  möglichst  starken  Stoss  des  Wassers  gegen  die  Zellenwände 
für  das  Wesentlichste,  um  einen  guten  Effekt  mit  oberschlächtigen  Wasser- 
rädern zu  erzielen,  und  in  diesem  Irrthume  war  auch  Beudou  noch  befangen, 
der  a.  a.  0.  lib.  II,  Kap.  1,  §  644  das  Wasser  durch  eine  schräge  Röhre  auf 
die  halbe  Radhöhe  herabstürzen  und  durch  ein  Gerinne  nach  dem  tiefsten 
Punkte  des  Rades  gelangen  lässt.     Die  deutschen  Bergleute   aber  hatten  das 


WauermQhlRn,  Mnhle  mit  Tretrad  fUr  OcbBen. 


207 


richtige  Princip,  wonach  oberecblachtige  Wasserräder  zu  konstruiren  Bind,  in 
der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  schon  erkannt,  wie  ans  äoricola'b  Ab- 
bildui^en  bervorgebt  (vergl.  die  Figuren  156,  157  u.  166,  S.  138,  142  u.  149). 
Bezüglicb  der  Zabnrädeniberaetzung  bei  diesen  Mühlen  sagt  Zonca: 

„Wei!  die  grösseren  Wasserräder  eine  langsamere  Bewegung  haben,  vermehrt 
man  die  Radzähne  und  rergTÖi<!-ert  den  Umfang  des  Zahnrades.     Es  erhält  48  Zähne 

und   7'/s'  Fuss  Durchmesser Das   Getriebe  erhält  sechs  Triebstöcke,   und 

eine  volle  Umdrehung  des  Wasserrades  erzeugt  daher  14  Umdrehungen  des  Mühl- 
steines .  .  .  ." 

Für  ein  oberscblächtiges  Wasserrad  von  der  angegebenen  Grösse  darf  man 
etwa  4'/»  Umdrebangen  in  der  Minute  annehmen  und  erhält  alsdann  mit  der 
angegebenen  Uebersetznng  wieder  63  Umdrehungen  für  den  Mühlstein. 

Bei  einem  der  dargestellten  Mahlgänge  greift  ausser  dem  Mühlengetriebe 
noch  ein  auf  horizontalem  Wellchen  sitzendes  Getriebe  mit  12  Zähnen  in  das 


\£^p^^=^ — -^ 


grosse  Zahnrad.  Auf  das  andere  Ende  dieses  Wellchens  ist  ein  Rädchen  mit 
20  Zähnen  gekeilt,  das  in  ein  Getriebe  mit  10  Zähnen  auf  einem  stehenden 
Wellchen  greift.  Dieses  ragt  in  einen  Kasten  und  trägt  am  oberen  Ende  ein 
sternförmiges  Rädchen  (SchUttelrädchen)  mit  10  Strahlen.  In  der  Beschreibung 
wird  gesagt,  dass  es  „Mehl  siebe  in  der  Art,  wie  die  Bäcker  arbeiten".  Es 
ist  wahrscheinlich  eine  Beutelma,schine  damit  gemeint,  wie  sie  Caddanus  be- 
schreibt (vergl.  S.  182). 

Auf  Seite  25  ist  eine  Mühle  mit  schrägem  Tretrade  für  Ocbsen- 
betrieb  (Fig.  358)  dargestellt.  Ein  ähnliches  Tretrad  für  Menschenkraft 
fanden  wir  schon  bei  Ramelli  (Fig.  228,  S.  211).  In  der  Beschreibung  wird 
gesagt,  dass  die  Mühle  in  Venedig  (wo  Wasserräder  nicht  angewandt  werden 
konnten)  das  Getreide  bequem  mahle.    Dann  heisst  es  weiter: 

„Der  Wcllbaum  des  Tretrades  von  15'  lÄnge  neigt  sich  mit  einem  Ende  um 
den  dritten  Theil  derselben  gegen  den  Horizont,  In  seiner  Mitte  sitzt  das  Rad  von 
21'  Durchmesser,  welches  geeignete  Neigung  ha^  dass  die  Thiere  dnrnuf  geben  können. 


298  Vittorio  Zodca. 

Währen«!  sie  gehen,  giebt  d&a  Rad  nach,  und  eie  bleiben  immer  an  dersdben  Stelle. 
Doch  ermüden  hc  sehr,  und  de.-hnlb  auiBS  bmh  iwei  Piiare  davon  halten,  um  alle 
IV»  Stunden  abzuwech!«ln.  Da^  Rad  hat  an  der  geile  eine  Unizäununf,  danüt  die 
Thiere  durch  seine  Höhe  nicht  erschreckt  werden.  Der  Wellbaum  hat  oben  einen 
hölzernen,  unten  daen  eisernen  Zapfen,  der  in  einem  metallenen  Lager  steht,  weil 
er  die  ganze  Last  trägt  und  das  Eisen  in  Metall  Stand  hält,  wie  i>tahl  in  Messinf. 
Unter  dem  Tretrade  auf  derselben  Welle  sitzt  ein  Rad  mit  kleinerem  Durchmesser 
und  144  Zähnen,  dnaä  ein  Gc-Iriebe  mit  zwölf  Triebstücken  auf  horizontaler  Welle 
treibt,  an  deren  anderem  Ende  ein  Rad  mit  48  Zähnen  $iut,  wie  dies  bei  anderen 
Mühlen  meistens  der  Fall  isL  Aber  Eein  Getriebe,  das  den  Mühlstein  tr«bt,  bat 
twölf  Triebstücke,  so  dass  der  ^fühlstein  48  Umdrehungen  macht,  während  das  Tret- 
rad sich  einmal  umdreht  .  .  .  -" 

Seite  28  zeigt  einen  Pferdegöpel,   durch  den  Yermittelst  einer  unter 
dem  Fnssboden   liegenden  Traosmissions^elle   ein  Mahlgang  getrieben  wird. 


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entsprechend  der  äkizze  des  Maiua.\cs  Jacobus  ans  der  Zeit  der  Hussitenkriege 
(Fig.  355,  S.  2921. 

Auf  Seite  30  ist  der  durch  unsere  Fig.  359  wiedei^egebene  KoUergang 
mit  einem  Läuferstein  dargestellt,  der  durch  ein  Wasserrad  tob  unten 
betrieben  wird.     In  der  Beschreibung  wird  gesagt: 

„Die  gegenwärtige  Maschine,  Quetächmühle  (pistrino)  genannt,  dient  zum  Zer- 
kleinem Terschiedener  Materialien,  welche  die  Meister  nöihig  haben,  die  Felle  mrichten 
und  Leder  bereiten  (d.  h.  zum  Zerkleinern  Ton  Knoppem,  Galläpfeln  und  dergL  für 
Gerber),   eowie   jene  anderen,   die  Leinsamen   zerquetschen,    um   Oel    daraus    xu  ge- 


Der  Durchmesser  des  Wasserrades  wird  zu  12',  die  Zähnezahl  des  Zahn- 
rades zu  48  und  die  des  Getriebes  zu  12  angegeben. 

Auf  Seite  33  ist  eine  Mühle  mit  Pferdebetrieb  dargestellt,  ähnlich 
der  auf  Seite  2S;  nur  wird  von  dem  Zahnrade  ans  gleichzeitig  noch  eine  hori- 
zontale Welle  mit  einem  Schleifsteine  betrieben. 


QoetschmQhle,  Scbleifereien,  WalkmQble. 


299 


Seite  36  zeigt  eine  durch  ein  Wasserrad  betriebene  Sclileiferei 
(Fig.  360).    In  der  Beschreibung  wird  gesagt: 

„ .  .  .  .  Man  kann  zwei  Schleifsteine  und  einige  Folirscbeiben  aufätecken,  nie 
man  es  in  der  Abbildung  aieht  Durch  Oeffnen  einer  Schütze  setzt  man  das  Wasser- 
rad in  Bewegung.  Durch  eie  tritt  das  Wasser  in  einen  Kanal  von  2'  Breite,  worin 
das  Rad  von  15'  Durchmesser  eingeschlossen  ist  und  sich  rasch  bewegt^  indem  das 
Wasser  gegen  seine  Schaufeln  stösät.  Zwischen  diesen  sind  einige  Kästehen  mit 
Ijöchem  angebracht,  um  Wasser  aufzunehmen  und  durch  einen  Kanal  nach  einem 
auf  der  anderen  Seite  der  Bretterwand  der  Schleifraühlo  gegenüberliegenden  Trog  zu 
leiten,  no  es  durch  ein  Röhrchen  ausflicsst,  um  den  Meistern  zum  Schleifen  zu  dienen. 
Am  anderen  Ende  der  Wasscrradwelle  sitzt  ein  Zahnrad  mit  60  Zähnen,  das  zwei 
Getriebe  mit  je  15  Zähnen  umtreibt,  die  mit  der  Schleifstein  welle  fest  verbunden 
sind*).  Diese  ist  von  Eisen,  damit  sie  bei  ihrer  fortwährenden  und  raseben  Bewegung 
«eher  widersteht     Die  Schleifsteine  drehen  sich  viermal,   während   das   grosse  Rad 


eine  Umdrehung  macht Aber  es  ist  zu  beachten,  dass  keine  Räderüber- 
setzung nöthig  ist,  wenn  man  Wasser  im  Ueberflusse  hat." 

Paul  von  Stetten  weist  in  seiner  „Kunst-  und  Handwerksgescbichte  der 
Stadt  Augsburg"  (Augsburg  1779)  S.  141  nrkundlicli  nach,  dass  im  Jahre  1389 
eine  Schleifmüble  auf  dem  Stadtgraben  daselbst  betrieben  wurde. 

Seite  39  zeigt  eine  Schleiferei  für  Handbetrieb  (Fig.  361).  Dass 
der  hier  angewandte  Schnurtrieb  zu  jener  Zeit  noch  nicht  häufig  gebraucht 
wurde,  geht  daraus  hervor,  dass  Zonca  ihn  im  Anfange  seiner  Beschreibung 
als  eine  schöne  Konstrulction  bezeichnet  und  am  Ende  derselben  sagt,  seine 
Erfindung  sei  eine  sehr  kunstreiche  gewesen,  er  habe  Aehnlichkeit  mit  dem 
Instrumente,  das  man  Drillbohrer  (Trappano)  nenne,  womit  man  Eisen,  Stahl, 

*]  f]ier  ist  ein  Fehler  in  Beschreibimg  und  Abbildang  und  daber  zweifelhaft,  ob  zwei 
Schleifstein  wellen  sich  in  entgegengesetzten  Kichtungoo  drebteu,  oder  ob  nur  ein  Getrieb« 
nnd  eine  Welle  vorhanden  wnron. 


300  Vittorio  Zonca. 

Knochen  und  andere  Dinge  bohre.     Wir  erinnern  daran,   dass  Cabdanus  in 

seinem  Werke  „de  subtilitate"  (Nürnberg  1550)  den  Schnurtrieb  als  eine  „be- 

i^Tinderswürdige  Kunst"   bezeichnet,  mit  der  Gemmen  gebohrt  würden  (vergl. 

S.  166  und  Fig.  184).    In  unserer  Abhandlung  über  Besson  haben  wir  erwähnt, 

dass  in  Garzoni's  „Piazza  universale"  (Venedig  1601)  eine  Zinngiesserwerkstätte 

abgebildet  ist,   worin  eine   Drehbank  mit  Schwungrad  und  Schnur  betrieben 

wird.    Inzwischen  haben  wir  aber  erfahren,   dass  die  Abbildungen  in  diesem 

Werke   aus  Jost  Abiman^s    „Stände   und  Handwerker   mit  Versen   von  Hans 

Sachs"  entnommen  sind,    das  1568  erschien  und  kürzlich  durch  G.  HiRTifs 

Verlag  in  München  reproducirt  worden  ist. 

Seite  42  zeigt  eine  Walkmühle  (Fig.  362).     In  der  Beschreibung  wird 

gesagt : 

„Gegenwärtige  Maschine  dient  zum  Drücken  und  Walken  von  Tüchern  und 
Mützen  aus  \Volle,  Hemden,  Strümpfen  und  anderen  Dingen,  um  sie  von  Fett  zu 
reinigen.  (Es  scheint  daraus  hervorzugehen,  dass  die  Walkmühlen  auch  als  Wasch- 
anstalten dienten  und  als  die  älteste  Fonn  der  AVascbmaschinen  zu  betrachten  sind). 
Diese  Konstruktion  hält  man  für  sehr  nlterthümlich ;  nichtsdestoweniger  ist  sie  im 
Gebrauche  und  wird  von  vielen  Handwerkern  in  der  Stadt  Padua  benutzt.  Sie  hat 
ehi  kleines  Wasserrad  von  nur  7  bis  8'  Durchmesser.  Demzufolge  wird,  wenn  der 
Fluss  anschwillt,  das  Rad  vom  Wasser  bedeckt  und  unbeweglich.  Ausserdem  scheint 
sie  den  Mangel  zu  haben,  dass  nur  wenige  Hebedaumen  an  dem  AVcllbaume  sind, 
wodurch  die  Bewegung  der  Hämmer  sehr  langsam  wird." 

Auf  der  Abbildung  ist  im  Vordergrunde  ein  einzelner  Hammerkopf  dar- 
gestellt. Bechts  im  Hintergrunde  sieht  man  ein  Schöpfrad,  das  Wasser  aus 
dem  Flusse  in  einen  Kanal  hebt,  der  es  durch  ein  Fenster  in  den  Arbeitsraum 
leitet  und  in  den  Walktrog  fallen  lässt.  Links  im  Hintergrunde  ist  das 
Wasserrad,  das  ein  Paar  Walkhämmer  durch  vier  Hebedaumen  in  Bewegung  setzt. 

Es  möchte  scheinen,  als  ob  zur  Zeit  Hiskias'  (725  v.  Chr.)  bei  Jerusalem 
schon  Walkmühlen  gewesen  seien,  denn  im  zweiten  Buche  der  Könige,  Kap. 
18,  Vers  17  heisst  es  nach  Luther's  Uebersetzung:  ;,Und  da  sie  kamen,  hielten 
sie  an  der  Wassergrube  bei  dem  oberen  Teiche,  der  da  liegt  an  der  Strasse 
auf  dem  Acker  des  Walkmüllers."  Ein  gründlicher  Kenner  der  hebräischen 
Sprache,  Herr  Dr.  S.  Bär,  schrieb  uns  indess  auf  Befragen  über  die  Stelle: 
;,Lüther's  Uebersetzung  ,auf  dem  Acker  des  Walkmüllers'  ist  falsch,  auch 
inkonsequent,  denn  in  Jes.  7,  3  und  36,  2  giebt  er  die  ganz  gleichlautende 
Stelle  mit  ,Acker  des  Färbers*.  Richtig  heisst  sie  ,Feld  der  Wäscher',  wie 
auch  AuGUSTi  und  de  Witte  richtig  übersetzen."  Diese  ungenaue  Uebersetzung 
Luthers  bestärkt  uns  in  der  Annahme,  dass  zu  seiner  Zeit  die  Walkmühleu 
auch  Waschanstalten  waren. 

In  der  ^Geschieht«  der  Technologie^  von  J.  H.  M.  Poppe,  Goettingen 
1807,  Bd.  I,  S.  287  wird  gesagt:  „Schon  zu  Ende  des  zehnten  Jahrhunderts 
haben  Walkmühlen  existirt^;  jedoch  fehlt  die  Quellenangabc. 

Dass  im  Jahre  1389  zu  Augsburg  auf  dem  Stadtgraben  auch  eine  Walk- 
mühle gewesen  ist,  weist  Paul  von  Stetten  a.  a.  0.  urkundlich  nach. 


SchnabenpresM,  Maage  mit  PferdegOpel. 


301 


Auf  Seite  45  ist  die  durch  unsere  Fig.  363  wiedergegebene  Schrauben- 
presse  dargestellt,  die  dazu  diente,  der  Leinwand  und  anderen  Artßn  von 
Gewehen  Glanz  zu  geben  und  Falten  daraus  zu  entfernen,  wenn  sie  vom 
Webstuhle  kamen. 

Auf  Seite  47  ist  die  Kelter  altrömischer  oder  eigentlich 
griechischer  Art  dargestellt,  wie  sie  Plinius  beschreibt,  und  wie  sie 
damals  in  Italien  noch  allgemein  ge- 
bräuchlich gewesen  zu  sein  scheint 
Wir  haben ,  wie  eingangs  erwähnt, 
unserer  Abhandlung  über  Cato  den 
Aelteren  bereits  eine  verkleinerte  Kopie 
dieser  Kupfertafel  beigegeben  (Fig.  67, 
S.  69). 

Die  auf  Seite  50  dargestellte  Oel- 
presse  unterscheidet  sich  im  wesent- 
lichen nicht  von  der  vorhergehenden 
Weinkelter. 

Auf  Seite  53  ist  eine  Mange  mit  n«.  ata. 

Tretrad,  und  auf  Seite  56  eine  ähn- 
liche Mange  mit  Pferdegöpel  (Fig.  364)  dai^stellt.    Wir  begegnen  hier- 
bei zum  erstenmal  einer  Umsteuerung  durch  zwei  auf  einer  liegenden  Welle 


einander  gegenüber  sitzende  Winkelräder,  in  die  ein  am  oberen  Ende  der 
Göpelwelle  angebrachtes  Getriebe  abwechselnd  eingreift,  je  nachdem  es  durch 
Verschiebung  des  Balkens,  in  dem  der  obere  Zapfen  der  Göpelwelle  gela{;ert 
ist,  an  das  eine  oder  das  andere  Winkelrad  gerückt  wird.  In  der  Beschreibung 
der  Mange  auf  Seite  53  wird  gesagt: 

„Das  Wichtigste  bei  dieser  Maschine  ist,   wie  die  Mraster   sagen,  der  Thril, 
welcher  Arbeitstisch   (lavorativa)  häast,   über   dem   aich  auf  einigen,   mit   dem  zu 


VsEiöft  Z*: 


•  •    • 


Dirs-rr   Ajie>>d^?i   i«   eii   ii«  -isÄ  T«t»üi   criabenei  Holigecifel  Yoa 
lÄ*  15  t«  16   Lir:2^-    MacL:  kas  «Sw  w«i3  «  cie  Oatfichkat  erijuibt,  noch 

«o  b«^.     Mjj:  iist  ii^  G««x^t  sc^  Toaren  ^anf  dem  Stoffe) 
fri.  Ojtt  LTa*  r»*L  ^^er  yy^  zjtCt  m  zs  rw  i-if.  j?  nacL  Gmdänken  der  Meuler 
n.:   St  =ji.i    ^  Art   des  Steffen    f«:  mia   Bti:«  rfL     3iin   k«im  ««gen:   bei 
iz.'iizsi  ffzb^  saa  firf  b»  secLä,  b«  Kxziskc  =>i  -kr;^  nur  iwei  Touren.     Ke 
.2*   VET  MAäccirre  kir.n  Esaa  et»»  £3  44*  aiizrffiaeE-- 

W  r  erinnern  hier  an  die  M^nz^  fir  Pferdrbeaieb  ron  Bcssos  (Fig.  217, 

Seite  62  zeiz:  ein  S:i:örfrid  mit  Pferdebetrieb,  ibnlicb  dem  von 
V.TtiT  beschriebenen,  das  wir   Fiz.  5i  S.  47   &be<ebildet  haben. 


F:^  X.-. 


Seite  64  zeigt  die  durcb  onsere  Fig.  3ti5  viedeigebene  Buchdrucker- 
presse. Die  Beschreibung  Zoncll^s  stimmt  insofern  nicht  mit  der  Abbildung 
-h-irr'eii:.  als  iz:  di-eser  die  Schraube  mit  einem  Tierecki^en  Kopfe  in  die  obere 
Tri^ers^  des  Misihicengestelles  eingelassen  ist,  also  feststeht  und  eine  lange 
M -tter.  an  der  iis  F-hrunzsstürk  mit  der  Pressrlatte  hln^rt«  ihren  unteren  Theil 
-nschlirsst  xmd  e^drrht  wird,  während  in  der  Beschreibuns  die  Schraube  ak 
drehbir  -ni  die  Mutter  ais  in  der  oberen  Trarerse  des  Gestelles  festsitzend 
geschildert  wird.     Wir  entnehmen  der  Beschreibung  folgende«: 

-  .  .  -  .  EKe  Schraube  s.;lite  von  Metall  e^Ecoissen  w^rien.  weil  sie  dann  besser 
»:r-:  sÄii^rrer  wird.     Mm  kau::  sie  rwar  von  Eisca  machen,  aber  es  ist  nicht  so  gut» 

M-r.  5«:Li:e  sie  mi:  vierfa^hezi  Gewinie  versehen Die  Schraube  geht  in  oner 

M.-.£cr.  Lk  ebe^ialls  von  MetiU  ist  und  cfster«  zischt  über  die  Traverse  hinaosgehen 


Buchdruckerpresse.  903 

lasst.  Auch  die  Pressplattc  wird  aus  Metall  gegossen,  damit  sie  glatter  wird,  weil 
sie  die  I^ettern  gleichniässig  anzudrücken  hat.  Von  Eisen  würde  sie  weniger  gut 
sein,  weil  man  sie  mit  dem  Hammer  nicht  so  eben  machen  kann  ....  Will  man 
die  Pressplatte  aber  von  Holz  machen,  so  nehme  man  Olivenholz.  Unten  an  der 
Schraube  (nach  der  Abbildung  an  der  Mutter)  hängt  eine  vierkantige  eiserne  Büchse, 
die  nur  vermittelst  einer  Schnur  die  Pressplatte  in  die  Höbe  hebt.  Diese  Büchse 
hat  vierkantige  Form,  damit  die  Schraube  (resp.  die  Mutter)  mit  ihrem  konischen 
Stnhlzapfen  besser  drückt  (d.  h.  die  Büchse  diente  zur  Versteifung  des  von  der 
Schraube,  resp.  der  Mutter,  bis  zur  Pressplatte  herabreichenden  konischen  Stahl- 
zapfens. Ausserdem  diente  sie  aber  auch  zur  Greradführung).  Die  Büchse  ist  an 
dem  dickeren  Theile  des  Zapfens  mit  einem  durch  ein  Loch  gehenden  Stifte  be- 
festigt, das  sich  an  der  Stelle  des  Schraubenschaftes  (oder  des  Zapfens  an  der  Mutter) 
befindet,  welche  um  zwei  Finger  Breite  in  die  Büchse  eintritt  (es  durfte  hierdurch 
nur  die  Verschiebung,  nicht  aber  die  Drehung  des  Zapfens  in  der  Büchse  verhindert 
werden).  Unter  dieser  Vorrichtung  ist  in  der  Höhe  von  2^/2',  in  der  ein  Mensch 
bequem  arbeiten  kann,  ein  Tisch  mit  Rädern  angebracht,  der  die  Breite  zwischen 
den  Pfosten  einnimmt,  welche  die  ganze  Konstruktion  einschliessen.  Auf  dem  Tische 
bewegt  sich  der  Karren,  in  dem  die  Lettern  eingeschlossen  sind.  Er  wird  von  dem 
Arbeiter  mit  einer  Kurbel  vennittelst  einer  Schnur,  die  sich  um  eine  Walze  schlingt, 
vor  und  zurück  bewegt.  Unten  an  dem  Karren  sind  der  Länge  nach  einige  Eisen 
befestigt  und  ebenso  einige  auf  dem  Tische,  über  die  jener,  wenn  sie  mit  Oel  geschmiert 
sind,  leicht  gleitet  Nachdem  der  Arbeiter  mit  dem  Pressbengel  der  Schraube  zwei 
Drehungen  gegeben  hat,  zieht  er  mit  der  Kurbel  den  Karren  nach  rechts,  öffnet  einen 
Rahmen,  gleichsam  wie  ein  Fenster,  nimmt  daraus  die  bedruckten  Blätter,  nimmt  mit 
beiden  Händen  die  mit  Wolle  gefüllten  Druckballen,  befeuchtet  sie  mit  Schwärze 
aus  Lampenruss,  Harz  und  Leinöl,  stösst  sie  zwei-  oder  mehrmals  gegen  einander 
und  dann  auf  die  Lettern  in  dem  Rahmen,  verschliesst  diesen,  führt  ihn  nach  links 
zurück,  drückt  mit  dem  Pressbengel  die  Schraube  nieder  und  wiederholt  so  das 
Drucken.  Auf  diese  Weise  druckt  man  Blatt  für  Blatt  eine  unbegrenzte  Zahl  von 
Bogen." 

Die  nun  folgende  genauere  Beschreibung  des  Mechanismus,  mit  dem  der 
Karren  hin  und  her  bewegt  wird,  ist  nicht  ganz  richtig;  aus  den  Detail- 
abbildungen geht  aber  deutlich  hervor,  dass  es  derselbe  ist,  den  Besson  bei 
einem  Sägegatter  zum  Vorschieben  des  Holzes  anwendete  (vergl.  Fig.  211,  S.  192), 
und  der  auch  heute  noch  bei  Handpressen  gebraucht  wird  (siehe  Karmarsch  und 
Heeren's  „Technologisches  Wörterbuch",  3.  Auflage,  Fig  673). 

J.  H.  M.  Poppe  sagt  a.  a.  0.,  Bd.  HI,  §  277  : 

„Die  Presse  des  Guttenberg,  welche  Conrad  Sasbach  verfertigte,  war  schon 
1436  fertig.  Vorher  hatte  man  Holztafeln  bloss  mit  einem  Reiber  von  Hom  abge- 
drückt. Die  erste  Abbildung  dieser  Presse  findet  man  hinter  dem  Titel  von  Plautus' 
Komoedien,  Daventriae  1518  a.  p.  Theod.  de  Borne.  Der  Nüniberger  Mechaniker 
Leonhard  Danner  fühi'te  um  1550  zuerst  die  messingenen  Spindeln  in  den  Buch- 
druckerpressen ein." 

Ausführliches  über  Leonhard  Danner  findet  man  in  J.  6.  Doppelmeteir's 
„Historische  Nachrichten  von  Nürnbergischen  Mathematicis  und  Künstlern" 
(Nürnberg  1730). 

Auf  den  Seiten  68  bis  75  schreibt  Zonca  eine  durch  Wasserkraft 
betriebene  Seidenzwirnei.  Sonderbare  Weise  bespricht  er  zuerst  den 
Bewegungsmechanismus  und  dann  erst  die  zu  bewegenden  Theile  der  Zwim- 
maschine.     Des  leichteren  Verständnisses  wegen  wollen  wir  zuerst  die  letzteren 


301  Vjttorio  ZoDca. 

betrachten,  die  auf  Seite  74  seines  Werkes  und  durch  unsere  Fig.  366  ab- 
gebildet sind. 

In  Karharsch  und  Heeren'b  „Technologischem  Wörterbuche",  Bd.  VIÜ, 
S.  134  wird  gesagt: 

„Die  Zwimmaachine  für  Seide  reigt  meist  die  durch  Fig.  4217  angegebenen 
Organe.  Auf  der  Benkrechten  Spindel  steckt  die  mit  duplirten  Fäden  gefüllte  Spule 
fest  Auf  dem  oberen  schwächeren  Spindeltheile  kann  Mch  ein  mit  zwei  Drahtflägeln 
Teraehenes  Hütchen  frei  drehen  und  auf  und  ab  bew^n.  Me  horizontal  liegende, 
durch  Räder  getriebene  Spule  (bei  Zokca  «n  Haspel)  nimmt  das  g«wimte  Garn 
auf,  und  ein  Fadenführer  dicht  unter  der  Spule  (der  bei  Zonca  fehlt,  weil  bä  ihm 


das  Garn  in  Striihne  gewickelt  wird)  erhält,  wie  bei  der  Spulmaschine  beschrieben 
wurde,  Bewegung  ....  Die  Zwimmaschinen  wurden  früher  kreisförmig  oder  oval 
gebaut,  jetzt  au  schliesslich  rechteckig,  sind  zweiseitig  und  erhalten  auf  jeder  2  bis 
3  Eiagen  mit  je  60  Spindeln  .  .  .  ." 

Wir  haben  es  hier  mit  einer  kreisförmigen  Zwimmascfaine  zu  thun, 
wovon  in  unserer  Abbiidmig  nur  einige  Vertikalabtheilungen  zu  sehen  sind. 
Diese  Maschine  hat  zwei  Etagen.    Zonca  sagt  auf  Seite  70  seines  Werkes: 

„Nachdem  wir  nun  die  Boschreibung  der  Guirlande  (das  ist  der  innere  Theil 
des  Bewegwigsmechanismus)  beendigt  haben,  bleibt  noch  übrig,  den  Theil  der  Ein- 
richtung zu  betrachten,  der  um  diese  herumläuft  und  von  einigen  die  Strassen  oder 
Etagen  (vaighi)   genannt  wird.     Jede  Strasse   enthält  eine  Reihe   von  Haspeln   und 


Eine  durch  Wasserkraft  betriebene  Seidenzwirnerei.  305 

Spindeln  und  man  macht  mehr  oder  weniger  solcher  Beihen,  je  nach  der  Höhe  des 
Raumes,  worin  man  die  Maschine  aufstellt  Sie  sind  von  kreisrunder  Form  und  die 
Abtheilungen  haben  eine  Breite,  welche  genügt,  um  je  einen  Haspel  aufzunehmen. 
Deshalb  werden  16  oder  17  Säulchen  um  die  Guirlande  gestellt,  welche  18  Zwischen- 
räume ergeben,  in  die  man  die  Haspel  legt  An  die  Säulchen  setzt  man  Konsole 
oder  Lagerböcke  nach  innen  gegen  die  Guirlande  hin.  In  diese  Eonsole,  die  am 
Ende  aufgespalten  sind  (vergL  die  Detailzeichnung  in  der  Abbildung  links  unten) 
werden  Scheiben  mit  sieben  oder  acht  Strahlen  oder  Bolzen  (Schraubenräder)  gelagert« 
die  von  schraubenförmig  gekrümmten  Hölzern  auf  der  Guirlande^  die  man  Schlangen 
(serpi)  nennt,  bewegt  werden.  Auf  der  Axe  dieser  Scheiben  sitzen  kleine  Zahnräder 
mit  18  Zähnen  und  greifen  in  Zahnrädchen  mit  12  Zähnen,  die  auf  den  tiefer 
liegenden  Haspelaxen  befestigt  sind.  Die  Zahl  der  Scheiben  ist  so  gross  wie  die 
der  Haspel,  während  die  Konsole  mit  Scheiben  mit  solchen  ohne  Scheiben  abwechseln. 
Jeder  Haspel  fasst  sechs  Seidensträhne  und  darunter  läuft  eine  kreisförmige  Traverse 
mit  einer  mitten  darauf  befestigten  Glasröhre  von  Säulchen  zu  Säulchen.  Auch  sind 
daran  imterhalb  der  Glasröhre  kleine  M-förmig  gebogene  Eisendrähte,  Pferdchen 
(cavaletU)  genannt,  die  den  Seidenfaden  durch  ihre  mittlere  Vertiefung  in  der  Bichtung 
erhalten.  Dieser  läuft  über  die  Glasröhre,  damit  er  nicht  zerreisst,  und  gelangt  zuletzt 
auf  den  sich  drehenden  Haspel.  Weiter  unten  sind  andere  Konsole  an  der  Innen- 
seite der  Säulchen  befestigt,  welche  eine  ringsum  laufende  ebene  Holzleiste  tragen, 
die  in  jeder  Abtheilung  sechs  Löcher  hat,  um  ebenso  viele  gläserne  Pfännchen  auf- 
zunehmen, worin  sich  die  eisernen  Spindeln  mit  Oel  geschmiert  drehen.  Wie  man 
aus  der  Detailzeichnung  ersieht,  sind  die  Spindeln  rund,  unten  zugespitzt,  aber  an 
dem  Theile,  der  in  die  Spule  eintritt,  vierkantig,  damit  diese  sich  nicht  auf  ihnen 
dreht  Auch  sitzt  unter  der  Spule  ein  Eisenbutzen,  der  durch  seine  Schwere  bewirkt, 
dass  die  Spindel  nicht  in  die  Höhe  springt.  Oberhalb  der  gläsernen  Pfännchen 
bringt  man  eine  andere  ringsum  laufende  Holzleiste  an,  die  oben  nach  der  Form 
von  Geigenstegen  ausgeschnitten  ist  und  in  welche  sich  ändere  vierkantige  Brettchen 
setzen,  die  innen  durch  einen  hölzernen  Stift  befestigt  werden  und  an  den  aus  der 
Leiste  herausragenden  Enden  Ausschnitte  haben.  In  diese  passen  die  Spindeln  und 
werden  durch  Vorsteckstifte  darin  gehalten.  Diese  Brettchen,  Muschelchen  (conchette) 
genaimt,  können  etwa  in  die  halbe  Höhe  der  Spindeln  gesetzt  werden.  Ist  die  Spule 
mit  der  Seide  auf  der  Spindel  befestigt,  so  setzt  man  auf  ihr  oberes  Ende  ein  glocken- 
förmiges Hütchen  mit  zwei  Aermchen  von  gebogenem  Eisendraht,  wovon  das  obere 
nicht  über  die  Mitte  des  Hütchens,  das  untere  nicht  über  die  Mitte  der  Spule  hinaus- 
ragt Beide  bilden  Oesen,  durch  die  der  Seidenfaden  läuft,  wenn  er  von  der  Spule 
kommt,  um  dann  über  die  Pferdchen  und  das  Glasrohr  auf  den  darüber  liegenden 
Haspel  zu  gelangen.'' 

Wir  erinnern  hier  an  die  verbesserte  Spindel  von  Leonardo  da  Vinci 
(Fig.  122,  S.  108). 

Der  Bewegungsmechanismus  der  Maschine  (Fig.  367)  wird  von  Zonca,  nach- 
dem er  von  der  Anlage  des  Wasserrades  gesprochen  hat,  folgendermassen 
beschrieben: 

„Am  Ende  der  Wasserradwelle  sitzt  ein  Zahnrad  mit  40  Zähnen,  das  ein  senk- 
rechtes Getriebe  mit  zehn  Triebstöcken  treibt.  XJeber  diesem  auf  derselben  Welle 
sitzt  ein  Zahnrad  mit  36  Zähnen  und  treibt  ein  Getriebe  mit  neun  Triebstöcken  auf 
einer  quer  darüber  liegenden  eisernen  Welle.  An  deren  anderem  Ende  sitzt  ein 
Getriebe  mit  zwölf  Triebstöcken,  welches  ein  Rad  mit  108  Zahnen  treibt  Dieses 
befindet  sich  innerhalb  der  Guirlande,  eines  Maschinentheiles,  wovon  viele  Hölzer 
auf  das  Zahnrad  gesetzt  sind,  imd  der  sich  um  einen  mit  einem  oberen  und  einem 
unteren  Zapfen  versehenen,  in  seiner  Mitte  befindlichen  Wellbaum  dreht  Von  dem 
Wellbaume  aus  gehen  nämlich  acht  Hölzer  sternförmig  quer  über  das  Rad  und  stehen 

Beek.  20 


906  Vittorio  Zonca. 

etwas  darüber  vor.  Auf  ihren  Enden  stehen  acht  hölzerne  Säulchen,  die  am  oberen 
Ende  durch  ein  Rad  wie  das  untere  und  ebenso  viele  Traversen  wieder  mit  dem 
Wellbaume  verbunden  sind.  Wenn  die  Guirlnnde  sehr  hoch  ist  und  für  zwei  oder 
drei  Etagen  dient,  hat  man  noch  ein  solches  Rad  mit  ebenso  vielen  Traversen  in  der 
Mitte  nöthig.  Um  die  Säulchen  sind  Hölzer  in  schräger  Richtung  gesetzt,  die  man 
6«^langen  nennt  Sie  werden  von  einem  Säulchen  zum  anderen  mit  den  rechten 
Enden  etwas  höher,  mit  den  linken  Enden  et¥m8  tiefer  befesügt  (Sie  bildeten  eine 
achtgängige  Schraube  von  sehr  grossem  Durchmesser,  deren  Höhe  wenig  mehr  als 
ein  Achtel  der  Steigung  betrug.)  Diese  erfassen  mit  ihren  tiefer  lieg^iden  Enden 
die  Bolzen  an  den  Scheiben,  welche  nach  innen  über  die  Haspel  vorragen,  und 
drehen  sie  gegen  uns.  Mit  diesen  dreht  sich  ein  grösseres  Zahnrädchen  und  treibt 
ein  darunter  liegendes,  das  auf  der  Haspelwelle  sitzt,  daher  dreht  sich  der  Haspel 
in  entgegengesetzter  Richtung.  —  An  dem  Wellbaume  der  Guirlande  sind  noch  vier 
Querhölzer  befestigt,  die  weiter  vorragen  als  die  Schlangen  und  bis  an  die  Spindeln 
reichen.  Sie  tragen  an  ihren  Enden  je  ein  bogenförmiges  Querholz  (so  dass  diese 
zusammen  nahezu  einen  Ring  bilden),  das  aussen  mit  Leder  überzogen  ist»  womit 
sie  an  den  Spindeln  hinstreichen  und  sie  umdrehen,  wenn  sie  mit  dem  Wellbaume 
der  Guirlande  herumgehen.  An  dem  rechten  Ende  von  jedem  dieser  Hölzer  ist  eine 
Schnur  befestigt,  die  über  eine  an  dem  Wellbaume  befestigte  Rolle  geht  und  ein 
Gewicht  von  Blei  oder  Stein  trägt,  welches  das  re<'hte  Ende  der  Hölzer  anzieht, 
damit  es  nicht  an  die  Spindeln  stösst  und  das  linke  Ende  sie  um  so  stärker  antreibt 
Diese  Hölzer  werden  Bügel  (straffinazzi)  genannt*^ 

In   der  Abbildung  ist  nur  ein  Armkreuz  mit  solchen.  Bügeln  angegeben, 

während    für  jede  Etage,   mit   der   man   zwirnen   wollte,    eines   nöthig    war. 

Auch  sind  die  drei  Kränze  von  Schlangen  (Schraubengewinde)  ihrer  Zahl  und 

ihren  Höhenlagen  nach  nicht  der  Abbildung  der  Etagen  entsprechend.     Zonca 

fährt  fort: 

„Wenn  man  einen  sehr  starken  Motor  hat,  kann  man  noch  eine  zweite  Zwirn- 
maschine  damit  betreiben,  nachdem  man  ein  zweites  Zahnrad,  wie  das  untere,  in  die 
Mitte  der  Guirlande  gesetzt  hat,  das  durch  ein  Getriebe  auf  horizontaler  Welle  mit 
einem  zweiten  Getriebe  am*  anderen  Ende  eine  gleiche  Zwirnmaschine  auf  dieselbe 
Weise  in  Bewegung  setzt." 

Das  Wasserrad  trieb  alsdann  zwei  Maschinen,  jede  mit  2  bis  3  Etagen 
von  16  bis  18  Abtheilungen  ä  6  Spindeln.     Das  macht  384  bis  648  Spindeln. 

Nach  der  bei  Zonca  nun  folgenden,  von  uns  aber  vorausgeschickten  Be- 
schreibung der  Strassen  oder  Etagen  spricht  er  noch  von  einer  anderen  Art, 
die  Spindeln  umzudrehen,  indem  er  sagt: 

„Wenn  man  die  Seide  auch  drehen  (zwirnen)  will,  legt  man  aussen  um  die 
Spindeln  einen  zwei  Finger  breiten  Ledergürtel  (Riemen),  welcher  durch  ein  gebogenes 
Eisen  auf  einer  der  Traversen  der  Guirlande  an  einer  Stelle  gehalten  wird.  Dieser 
Riemen  ist  an  acht  von  den  16  Säulchen  durch  einen  dazwischen  gesetzten  Zapfen 
(oder  ein  Röllchen,  pemetto)  gehalten.  Aber  nicht  immer  legt  man  den  Gürtel  um. 
Wenn  die  Zwirn  maschine  durch  den  Lauf  des  Wassers  links  herumgeht,  wird  die 
Seide  durch  die  Bügel  (straffinazzi)  im  Innern  gezwirnt,  und  nur  wenn  die  Maschine 
rechts  herumgeht,  thut  man  es  in  der  soeben  beschriebenen  Weise." 

Wir  finden  hier  zum  erstenmal  einen  Riemenantrieb  erwähnt.  Unter 
dem  „gebogenen  Eisen,  das  ihn  auf  einer  Stelle  hält",  ist  vermuthlich  ein 
eiserner  Reif  zu  verstehen,  der  um  eines  der  Armkreuze  der  Guirlande  gelegt 
war  und  verhinderte,  dass  der  Riemen  abglitt.    Ein  solcher  Riemen  lief,  der 


Eupferdmckpresse,  Waliwerk  für  Fensterblei.  307 

Beschreibung  nacb,  nur  über  die  Hälfte  einer  Etage.  Wenn  mit  allen  Spindebi 
geznimt  werden  sollte,  musBten  daher  für  jede  Etage  zwei  Riemen  angewandt 
werden.    Zonca  sagt  ferner: 

„Man  zwirnt  nber  die  Seide  mehr  oder  weniger,  je  nach  dem  Bedarfe  für  ver- 
schiedene Arbeiten,  und  diee  geschieht  in  folgender  Weise:  Sie  Zahnrädchen,  welche 
mitten  auf  den  Scheiben  (Schraubenrädern)  sitzen,  lassen  sich  wegnehmen,  und  man 
setzt  grössere  oder  kleinere  auf,  je  nachdem  man  mehr  oder  weniger  zwirnen  viü. 
Das  Aufsetzen  der  Räder  geschieht  vermittelst  mehrerer  eiswner  Spitzen;  die  in  einem 
in  die  Scheibe  eingelassenen  und  durch  einen  Splint  gehaltenen  Stücke  von  quadra- 
tischer FOTm  befestigt  sind,  wie  man  es  auä  der  DetaÜzeichnung  ersieht." 


Auf  Seite  70  ist  eine  Kupferdrnckpresse  (Fig.  368)  abgebildet.  Es 
ist  eine  ganz  von  Holz  konstruirte  Walzenpresse.  Für  die  Walzen  wird  ast- 
freies Buchs-  oder  auch  Bimbaumholz  empfohlen.  Sie  sind  in  hölzernen  L^em 
so  gelagert,  dass  man  sie  enger  oder  weiter  stellen  oder  herausnehmen  kann. 
Zwischen  den  Walzen  geht  ein  gleichmässiges,  glattes  Brett  geschlossen  durch, 
das  mit  Papier  belegt  wird,  ehe  man  die  Knpferplatte  darauf  bringt.  Das  zu 
bedruckende  Papier  wird  zuvor  etwas  angefeuchtet,  mit  einem  gleicbmassigen 
Filze  bedeckt  und  dann  durcbgewalzt.  Diese  Schwärze  wurde  bereitet  aus  ver- 
kohlten Nuss-  oder  ßittermandelschalen  oder  Weinhefe,  insbesondere  von 
Malvasier,  oder  aus  Lampenruse,  mit  Wasser  auf  einem  Porphyrsteine  fein 
^rrieben,  getrocknet  und  dann  mit  Fimiss,  und  zwar  am  besten  mit  Bemstein- 
fimiss  [vernice  d'ambra),  angerieben.    Die  Kupferplatte  wurde,  ebe  man  die 


908  Vittorio  Zonca. 

Schwärze  auftrug,  erwärmt,  indem  man  sie  mit  der  Rückseite  über  ein  Kohlen- 
becken hielt. 

Die  ältesten  Kupferstiche  sind  aTis  der  Zeit  am  die  Mitte  des  fünfzehnten 
Jahrhunderts. 

Auf  Seite  80  beschreibt  Zonca   ein  kleines  Walzwerk  zum  Auswalzen 
von  Fensterblei  (Fig.  369),  indem  er  sagt: 

„ .  .  .  .  Nur  die  Scheiben  bearbdten  das  Blei  beim  Betriebe.  Sie  sind  mit 
den  Zapfen  oder  der  Axe  in  einem  Stücke  aus  Stahl  geschmiedet  •  .  •  .  An  den 
Enden  sind  die  Axen  quadratisch,  damit  sich  hier  die  Kurbel  anschliesst,  um  die 
Scheibe  herumzudrehen,  wenn  die  Maschine  geschlossen  ist  Die  Scheiben  sieht  man 
(rechts  oben)  im  Inneren  der  Bretter  durch  ihren  Zapfen  gehalten,  sowie  in  der 
Seitenansicht  (unten)  die  Kurbel  ausserhalb  der  Bretter.  In  der  anderen  Figur  (links 
oben),  welche  eine  Innenseite  darstellt,  sowie  theilweise  in  der  ersten,  sieht  man  sieben 
Locher,  wovon  die  mittleren  dazu  dienen,  die  Zapfen  der  Scheiben  ao&unehmen. 
Diese  stecken  in  Messinghülsen,  damit  sie  und  die  Stahlzapfen  Stand  halten,  denn 
bei  einer  anderen  Art  von  Metall  nutzen  sie  sich  ab.  Das  einzelne  Kanälchen  (in 
der  Mitte  der  Figur  links  oben)  ist  von  Stahl,  damit  es  das  Blei  schneiden  kann, 
wie  es  die  Scheiben  thun.  Die  anderen  beiden  Kanälchen  (die  es  beim  Ein-  und 
Austritte  umschliessen)  sind  aus  demselben  Nussbaumholze  g^chnitten,  aus  dem  die 
Maschinenwände  bestehen.  Diese  werden  mit  vier  durch  die  anderen  Löcher  gehen- 
den Schrauben  zusanunengehalten.  Die  ganze  Maschine  befestigt  man  mit  einer  von 
innen  herausgehenden  Schraube  auf  ein  stabiles  Untergestell,  damit  die  Werkleote 
daran  arbeiten  können.  Von  oben  gebt  eine  Schraube  durch  das  ausgeschnittene 
Kanälchen  hinein,  welche  am  unteren  Ende  mit  einem  Gleitstücke  versehen  ist,  das 
sich,  wenn  die  Schraube  angezogen  wird,  auf  die  obere  Scheibe  setzt  und  bdde 
Scheiben  fest  zusammenhält.  In  der  unteren  Figur  sieht  man  die  Werkleute  arbeiten 
und  das  Fensterblei  aus  einem  abnehmbaren  Röhrchen  austreten,  das  mit  Yorsteck- 
stiften  befestigt  ist  .  •  •  .^ 

Mit  einer  unserer  nächsten  Abhandlung  werden  wir  eine  neue  Auswahl 
von  Skizzen  von  Leonardo  da  Yma  bringen,  worunter  sich  ein  Walzwerk  zur 
Herstellung  von  Zinn-  oder  Bleiblech  befindet,  während  Leonardo,  soweit  wir 
es  bis  jetzt  beurtheilen  können,  zur  Darstellung  gleichmässig  dünner  Kupfer- 
platten und  dergl.  nur  Ziehbänke  kannte,  womit  bandförmige  Streifen  von 
höchstens  Handbreite  erzeugt  werden  konnten. 

Seite  82  zeigt  eine  Mühle  zum  Zermahlen  von  Holzkohle  für 

die  Bereitung  von  Schiesspulver  (Fig.  370).  In  der  Beschreibung  wird 

gesagt: 

„Diese  Mühle  ist  von  der  früher  beschriebenen  zum  Zerquetschen  von  Knoppem 
oder  Galläpfeln  nur  dadurch  verschieden,  dass  sie  zwei  Mahlgänge  hat^  die  durch 
einen  Motor  betrieben  werden  ....  und  dass  der  Läuferstein  eines  jeden  Ganges 
nur  den  dritten  Theil  eines  Umkreises  beschreibt,  während  das  Wasserrad  einmal 
herumgebt  ....  Aber  solche  Langsamkeit  ist  zweckentsprechend,  weil  die  Arbeiter 
die  Kohlen  besser  regieren  können,  indem  sie  sie  zurückziehen  imd  umwenden,  und 
weil  grosse  Feinheit  derselben,  besonders  zum  Gebrauche  der  Artillerie,  nicht  erforder- 
lich ist,  während  die  Galläpfel  stark  zermahlen  werden  müssen.  Alle  Zahnräder, 
ausser  dem  auf  der  Wasserradwelle,  haben  36  Zähne  und  ihre  Getriebe  zwölf  Trieb- 
ötöcke.  Das  Wasserrad  hat  16'  Durchmesser,  das  Zahnrad  auf  seiner  Welle  64  Zähne 
und  seine  Getriebe  18  Triebstöcke  ....  Die  Zapfen  der  stehenden  Welle  sind 
von  Eisen  und  eicheiförmig,  damit  sie  sich  leichter  drehen,  und  die  Pfannen  dazu 
von  Metall  .  .  .  ." 


Holzt  ohleninDhle,  Stampfwerk  zor  PalverfabrikBtioD.  309 

Auf  Seite  85  ist  ein  Starapfwerk  zn  Mahlen  von  Palver  für 
Bombarden  dargestellt  (Fig.  371).  Es  hat  zwei  Reihen  von  je  sechs  Stempeln 
aus  Hainbuchenholz  von  quadratischem  Querschnitte,  '/i'  dick  und  6  bis  7'  lang, 
unten  mit  einem  Kopfe  aus  Bronce  versehen,  der  mit  einem  ünrchsteckkeile 
befestigt  ist.  Die  Stempel  der  einen  Reihe  werden  direkt  von  der  Wasseirad- 
welle  durch  je  vier  Hehedaumen,  die  aus  hainbnchenen  Brettchen  von  */*' 
Länge  gebildet  sind,  gehoben,  während  dies  hei  der  gegenüberstehenden  Reihe 
durch  einen  dem  genannten  parallelen  Wellbaum  geschieht.  Die  24  Hebe- 
danmen  auf  jedem  Wellbaume  greifen  wie  Radzähne  ineinander  und  übertragen 
die  Bewegung  von  dem  ersten  auf  den  zweiten.  Zu  diesem  Zwecke  muesten 
sie  auf  jedem  Wellbaiune  so  gegeneinander  versetzt  sein,  dass  nach  je  '/a* 
Umdrehung  zwei  andere  Daumen  mit  einander  in  Eingriff  kamen,   was   weder 


Vis  310- 


ia  der  Abbildung,  noch  in  der  Beschreibung  berücksichtigt  ist.  Die  Mörser 
unter  den  Stempeln  waren  ebenfalls  von  Bronce.  Der  Durchmesser  des 
Wasserrades  war  13',  die  Länge  seines  Wellbaumes  20',  die  Hohe  des  Gestelles 
des  Stampfwerkes  5'. 

Zwischen  den  Seiten  88  und  89  enthält  Zokca's  Werk  zwei  Blätter, 
die  nicht  zu  der  übrigen  Paginirung  passen.  Das  erste  davon  zeigt  auf  der 
Vorderseite,  die  ebenfalls  mit  88  numerirt  ist,  einen  Drehkrahn  (Fig.  372) 
zum  Ansheben  von  Erde  aus  Festungsgräben,  ohne  dass  eine  Be- 
schreibung beigegeben  wäre.  Das  Maschinengestell  mit  dem  Ausleger  dreht 
sich  hier  um  eine  feststehende  Säule.  Die  von  VrrRDT  beschriebenen,  sowie 
die  von  Leonardo  da  Vinq  und  Rahblu  dargestellten  Drehkrabnen  standen 
oder  lagen  auf  Drehscheiben  (vei^.  S.  45).  Unter  den  Skizzen  aus  der  Zeit 
der  Hussitenkriege  (Fig.  307, 310, 311,  S.  271—273)  fanden  wir  nur  Erahnen,  deren 
Ausleger  sich  mit  der  Krabnensäale  drehten.  Nur  bei  Bessoh  fanden  wir 
einen  Krahnen  mit  feststehender  S&ule,  drehbarem  Gestelle  und  einem  Anslc^^ 


310 


Vittorio  ZoDca. 


in  Form  eines  Balanciers  (Fig.  219,  S.    197),   den  wir  aber  als  ziemlicll  nu- 
praktisch  bezeichnen  mussten. 

Die  Rückseite  desselben  Blattes  trägt  keine  Seitenzahl  und  zeigt 
die  durch  unsere  Fig.  373  wiedei^egebene  Abbildiing.  Sie  ist  überschrieben: 
.,Neue  Erfindung  einer  Mahlmühle  zum  Mitführen  im  Kriege,  erfunden 


Ton  PoMPEO  Tabcoxe,  Ingenieur  Seiner  Excellenz  des  Herrn  Ahbrosio  Spkola, 
General  Seiner  katholischen  Majestät  in  Flandern."  Eine  kleine  Skizze  aof 
derselben  Seite  zeigt  die  Mühle  vührend  des  Transportes  mit  at^enommenem 
und  seitlich  angehängtem  Schwei^el.  Die  Beschreibung  zu  dieser  Abbildung 
fehlt  ebenfalls. 


Tit.  3^. 

Jon.  Beckna-vs  s;igt  a,  a.  0..  Bd.  I,  S.  356,  wo  er  Ton  dieser  Feldmfihle 
spricht : 

„Der  ErfitiiltT  vrar,  wie  schon  der  Xame  anzeigt,  ein  Italiener,  der  aidi  Tor- 
nehniUch  bei  lier  füix-hterlichen  Belagerung  von  Rochelle  unter  Ludwig  XITT,  bekannt 
gemacht  hat,  wozu  er  gi-nähli  nanl,  tr«l  er  schon  vorher  1603  unter  Spikola,  dec 
sellwi  vor  Roclielle  zu  Rathe  jrez<^n  ward,  in  der  langweiligen  Belagmmg  von 
Oeionde  dun-h  einen  Damm  den  Hafen  hatte  sperren  las^n.  Alle  diejen^n.  weldie 
die  Schicksale  der  Hugenotten,  die  Geschichte  de^  Richelieu  und  LuBwra's  XIIL  und 
die  Belagerung  von  Rochelle  ausführlich  besclirielHn  hnl>en,  haben  auch  des  Taroos« 
gedacht  £r  ward  in  französischen  DienMen  ^Intendant  des  machines";  doch  leisteten 
snne  vielen  imd  kostbaren  Unteraebmungen  nicht  so  tM.  als  er  daviHi  boffta" 


Drehkralu),  fahrbare  GetreidcmQble,  mechanischar  Bratenwender. 


311 


Die  hier  erwähnte  Belagerung  von  La  Rochelle  ist  die  dreizehnmonatlicho, 
welche  am  29.  Oktober  1638  mit  der  Uebergabe  der  Stadt  endigte.  Wie  wir 
in  unserer  Abhandlung  über  Rahelli  erwähnt  haben,  gehörte  dieser  während 
der  achtmonatlichen  vergeblichen  Belagemng  derselben  Stadt  im  Jahre  1572 
zum  Gefolge  des  damaligen  Herzogs  von  ANion,  nachmaligen  Königs  Louis  XIII. 

Ueber  äjibhosio  Marquis  de  Spinola,  einen'  der  grössten  Feldherm  setner 
Zeit,  entnehmen  wir  MiaiADD's  „Biographie  universelle"  Folgendes:  Er  ent- 
stammte einer  Familie,  die  seit  dem  zwölften  Jahrhundert  in  der  Republik 
Genua  den  ersten  Rang  einnahm,  wurde  1571  geboren  und  war  bis  zn  seinem 
dreissigsten  Jahre  nur  bestrebt,  seine  ererbten  Relcbthümer  zn  vermehren, 
während  er  es  seinem  jüngeren  Bruder  Fedehico  überliess,  seiner  Neigung  für 
die  Waffen  zn  folgen.  Dieser  trat  1598  in  die  Dienste  Philipi-'s  IIL,  Königs 
von  Spanien,  wurde  nach  kurzer  Zeit  Grossadmiral  und  bestimmte  nnn  seinen 
Bruder  ebenfalls  in  spanische  Dienste  zu  treten.  Mit  einem  Theile  seines  Ver^ 
mögens  warb  Ambbosio  innerhalb  zwei  Monaten  eine  Truppe  von  9000  Mann 
erfahrener  Kriegsleute  nnd  rückte  im  Mai  1602  mit  diesen  seinen  eigenen 
Söldnern  von  Genua  aus,  während  gleichzeitig  10  Galeeren  unter  dem  Kommando 
und  auf  Kosten  seines  jüngeren  Bruders  von  da  ausliefen,  um  in  den  Nieder- 
landen für  Philifp^s  Sache  zu  kämpfen. 

ZoNCA  kann  daher  die  Konstruktion  der  MUhle,  die  Ambrosio  Spinola  im 
Felde  mitführte,  erst  im  Jahre  1602  kennen  gelernt  liaben,  und  da  er  im 
November  desselben  Jahres  vom  Tode  Überrascht  wurde,  so  lässt  sich  daraus 
erklären,  warum  zu  dieser  Abbildung 
die  Beschreibung  fehlt.  Die  gleiche  Be- 
wandniss  dürfte  es  dann  auch  mit  der 
vorhergehenden  Abbildung  gehabt  haben ; 
doch  wäre  es  immerhin  auch  möglich, 
dass  das  Blatt  nicht  von  Zonca  herrührt, 
sondern  erst  von  dem  Verleger  einge- 
schoben worden  ist. 

Das  zweite  der  zwischen  den  Seiten 
88  und  89  belindlichen  Blätter  ist  auf 
einer  Seite  leer  und  zeigt  auf  der 
anderen  die  auf  Seite  89  beschriebene 
und   durch  unsere  Fig.  374  wiederge-  ^  j,^ 

gebene  Abbildung    eines   durch   eine 
Uhrfeder  getriebenen  Bratenwenders.    In  der  Beschreibung  wird  gesagt: 

„Gegenwärtige  Maachine  ist  geistreich  und  Idcht  konstruirt,  würdig  des  deut- 
schen Erfindungsgeistes,  ganz  von  Eisen  mit  Ausnahme  der  Schnecke.... 
Bie  hat  nicht  die  Bew^ung  durch  Gewichte  nölfaig,  die  viel  Raum  einzunehmen 
pflegt,  sonilem  diese  wird  durch  eine  Feder  hervorgebracht,  die  mit  vielen  Windungen 
um  eine  eiserne  Ase  gewunden  und  in  eine  so  weite  eiserne  Trommel  eingeschlossen 
iat,  iasa  die  Feder  sich  ausdehnen  kann,  wenn  ihre  Spannung  nacblässt     Wenn  muu 


VJ,  ViUMi» 


ffMumen  vül,  dreht  man  die  Kurbel  an   der  Scbnedce  so   lange  um,  daas  die 

:i2r  «ich  ron  der  Trommel  abwickele  deren  eine»  Ende  mit  einem  Xagd.  daran 
M^^dgt  i=t.  der  gleichieitig  zur  Befestigung  der  Feder  im  Inneren  dienL  Indem 
die  Sdinor  ?idi  in  die  Gewindgänge  der  Sdmecke  legt,  wird  fie  Feder  in  der  Trommd 
cm  dSe  Axe  gewunden,  währrad  die  anderen  Bäder  stellen  bleiben.  Dies  geacfaiebc 
Tfinijij^  einrrr  kleinen  Stahlfeder  am  dickeren  Ende  der  Schnecke^  woran  das  innere 
Zthnn-i  ach  dicht  anschliesst ** 

Das  zuletzt  genannte  Rad  setzt  durch  Getriebe  und  Zahnräder  die  darüber 
li^eoden  Axen  in  Bewegung,  und  darüber  befindet  sich  eine  sogenannte  Löffel- 
Unruhe,  welche  ihre  Geschwindigkeit  regulirt.  Auf  das  der  Kurbel  gegenüber 
stphende  vierkantige  Ende  der  Schneckenwelle  wird  ein  Bratspiess  gesteckt 
Hinter  diesc-m  sitzt  ein  Stirnrad  ausserhalb  des  Gestelles,  djLS  durch  zwei  ein- 
greifende Rader  einen  darüber  und  einen  darunter  befindlichen  Zapfen  umdreht, 
auf  welche  ebenfalls  Bratspiesse  gesteckt  werden  können. 

Aus   der  Ueberschrift   eines  Sonnets  des  italienischen  Dichters   Gaspar 

Vkxcomes  geht  henror,    dass  transportable  Uhren,  die   wahrscheinlich  durch 

Federn  bewegt  wurden,  schon  gegen  Ende  des  fünfzehnten  Jahunderts  bekannt 

waren.    Diese  Ueberschrift  lautet: 

^>[an  macht  gewisse  kleine  tragbare  (portativi;  Uhren,  welche  sehr  kunstreich 
sich  beständig  bewegen,  die  Stunden,  die  Umläufe  der  Planeten  und  die  Festtage 
anzeigen  und  schlagen,  wenn  es  die  Zeit  erfordert  Dieses  Sonnet  ist  einem  Ver- 
liebten in  den  Mund  gel^t,  der,  indem  er  eine  solche  Uhr  betrachtet,  sich  selbst 
damit  vergleicht"     (VergL  Jon.  Beckmanx  a.  a.  O^  Bd.  I,  8.  177.) 

Indem  man  diese  tragbaren  Uhren  für  Taschenuhren  hielt,  glaubte  man, 

bestreiten   zu  müssen,   dass  Peter  Hele  um  das  Jahr  1510  zu  Nürnberg  die 

Taschenuhren  erfunden  habe.    Zum  Beweise  hierfür  citirt  Gab.  Doppelmatr  a.  &.  0. 

eine  Stelle  aus   des  Joannes  Coclaeus  ..Commentario  über  die  Cosmographie 

des  PoMPOMi  Melae'',  welches   1511  zu  Nürnberg  erschien.    Sie  lautet  in  der 

üebersetzung: 

„Von  Tag  zu  Tag  werden  kunstreichere  Dinge  erfunden,  und  in  der  That  hat 
der  junge  Peter  Hele  bisher  solche  Werke  gemacht  welche  die  gelehrtesten  Mathe- 
matiker bewimdem.  Denn  aus  Eisen  machte  er  kleine  Uhren,  mit  vielen  Rädern 
angeordnet»  die  beliebig  umgedreht  werden  können,  kein  Gewicht  haben,  40  Stunden 
anzeigen  imd  schlagen  und  im  Busen  oder  im  Geldbeutel  getragen  werden  können.^ 

Da  in  der  vorhin  citirten  Ueberschrift  des  Gaspar  Yicecomes  nur  einfach 
von  „tragbaren''  Uhren  gesprochen  und  gesagt  wird,  dass  sie  auch  die  Um- 
läufe der  Planeten  und  die  Festtage  angezeigt  hätten,  so  ist  doch  wohl  anzu- 
nelimen,  dass  er  nicht  von  Taschenuhren,  sondern  von  Stand-  oder  Tischuhren 
spricht. 

Dieselbe  Abbildung  von  einem  durch  eine  Uhrfeder  getriebenen  Braten* 
Wender,  wie  sie  ZoncA  giebt,  findet  sich  schon  in  des  Bartolomeo  Scappi,  „Opera" 
(Venedig  1570).  Dieser  war  Mundkoch  des  Papstes  Pins  V.  Sein  Werk  ist 
ein  umfangreiches  Kochbuch  mit  vielen  Abbildungen  von  Eüchengeräthen. 

J.  H.  M.  Poppe  (a.  a.  0.,  Bd.  II,  S.  451)  sagt,  dass  Montaigne,  der  1580 
Deutschland,  Italien  und  die  Schweiz  bereiste,  und  dessen  „Journal  du  Voyage^^ 


Dnrali  Ranch  betriebener  ßratuiwender,  Fspiermfihle.  313 

TOD  Gderlon  1774  in  Paris  heraosgegebeo  wurde,  auf  dieser  Reise  in  Brixen 
einen  durch  ein  Gewicht  vermittelst  eines  Rädemerkes  getriebenen  Braten- 
wender gesehen  habe,  wie  solche  von  Zonca  anch  erwähnt  werden.  Ein  Irrthum 
ist  es,  dass  Poppe  ebendaselbst  S.  450,  Anm.  59  sagt,  Scappi's  Buch  enthalte 
die  Abbildung  eines  Bratenwenders,  welchen  der  Rauch  betreibt. 
Eine  solche  findet  sich  bei  Zonca  anf  Seite  90  and  ist  durch  unsere  Fig  375 
wiedergegeben.    lieber  den  Motor  dieser  Maschine  wird  gesagt 

„  Oben  auf  das   Eisen   setzt   man   ein   HQtehen   oder  Wmdradchen 

ivinmdola)  von  dünnem  Weissblech  wie  es  aus  Deutschland  kommti  weil  dies 
eichter  ist.  Man  nietet  es  auf  ein  Kreuz  von  gewundenem  Eisen  mit  einem  vier 
eckigen  Loche  in  der  Mitte  damil^  wenn  es  herumgeht  auch  das  Wellchen  sich 
dreht.    Das  Windradchen  wird  von  runder  Form  gemacht  und  soll  die  Kammoffnung 


ausfüllen  damit  aller  Rauch  hmeintntt  Ist  aber  die  Kammoffnung  zu  gross,  so 
verenge  man  sie  durch  ein  Brett  oder  etwas  Aehnliches,  so  dass  nur  das  AVind 
radchen  frei  bleibt  " 

Wir  erinnern  daran,  dass  sich  schon  unter  den  Skizzen  von  Leonardo 
DA  ViNa  diejenige  eines  solchen  Bratenwenders  befinden  soll  (Siehe  S  100, 
sowie  auch  die  in  der  nachstehenden  zweiten  Abhandlung  über  Leonardo  da 
Vutci  wiedergegebene  Skizze  dieses  Bratenwenders) 

Auf  Seite  94  giebt  Zonca  die  Abbildung  von  einer  PapiermOhle 
(Fig  376}  und  sagt 

Das  Gebäude  emchtet  man  an  einem  Flusse  und  legt  das  Wasseirad 
an  einer  geeigneten  Stelle  an  damit  er  das  nothige  Wasser  in  das  Gebäude  bringt. 
Je  klarer  dieses  Wasser  isl^  desto  schöner  und  besser  wird  das  Papier  Die  zu  zer 
mahlenden  Lumpen  bringt  man  in  h&lzeme  Troge,  wo  sie  von  Stempeln  die  durch 
Wasser  betrieben,  so  lange  zerstampft  werden    bis  sie  sich  in  einen  ganz  fernen  und 


3U  Vtttorio  Zone». 

wachen  Ttäg  verwandelt  haben.  Diesen  nimmt  man  heraiu  und  nüadit  Um  «a  ciDan 
andeien  geeigneten  Orte  mit  Wasser.  Alsdann  fonnt  der  Meüter  mit  Hilfe  gewisser, 
zu  diesem  Zwecke  hergestellter  Formen  die  Papierbogen  daraus  ,  .  .  .- 

Seite  9t)  zeigt  eine  Maschine  zum  Kratzen  wollener  Tücher 
(Fig.  377).     In  der  Beschreibung  wird  gesagt: 

„Sehr  nützlich  i«t  die  Erfindung  der  gegenwärtigen  Maachiae  gewesen,  weil 
damit  «n  Mann  in  kurier  Zeit  viele  Ellen  Tuch  bearbeitet,  und  weit  besaer,  als  dies 
die  Meiner  nach  ihrer  früheren  Gewohnheit  tu  thun  pflegte.  Denn  nadidem  eie 
das  Zeug  ausgespannt  hatten,  hoben  sie  die  Arme  in  die  Höht:  und  kratxten  e^  mit 
vieler  >fühe  von  unten,  was  grosse  Kosten  rerursachte.  Bei  der  g^enwirtigeu 
Maschine  legt  man  die  Karden  um  einige  Wellbäume,  die  von  etnein  Arbeiter,  der 
öne  Kurbel  mit  einem  Scbwungrade  hnumdrebt,  vcnnitleUt  einiger  Zahnräder  bewegt 


iif-sn 


Fit.  an: 


wervlen.  Un<.l  ^1  kratxt  nian  die  Tücher  und  andere  W<tllenieuge  mit  geringer  Mühe. 
Die  Räder  werden  von  einem  Manne  bewept.  wenn  die  Meister  nur  «n  Tuch  kratzen 
wollen,  aber  von  zweien,  wenn  sie  zwei  Tücher  krauen  wollen,  zu  welchem  Zwecke 
man  die  Maschine  durch  zwei  Wellbäume  niil  Zahntidem  vergrös^ert.  Zunächst  dreht 
der  Mann  mii  der  Kurbel  da^  St-hwunpraJ,  das  zwischen  vier  der  senkrediten  Pfosten 
in  der  Ablnldung  einge^'hlo^sen  i>i,  «i'lcbe  die  Bearbeitung  eines  Tuches  zeigL  Anf 
der  Seh wungnd welle  sitzt  ein  Geniebe.  das  ein  Zahnrad  von  1  palmo  (etwa  215  mm) 
oder  n>ehr  in)  Durchmesser  uvibt.  Mit  ihm  ist  ein  kldneies  Zahntädchen  fe^  v»- 
buoden.  das  ein  grössiefes.  auf  deni  Zapfen  der  darüber  liegenden  Kardenwalie  Mixen- 
des umdreht,  so  dass  sie  das  Tuch  caiiz  Ltrpsani  herabUs^st  AuswKlein  dr^t  das 
kleine  Rädchen  ein  andei^  auf  der  unteren  Kardeufi^lze  sitzendes  kleines  Rädeben 
oder  Geniebe,  Diese  kratzt  daher  das  Tm-h  si-hneller,  während  es  in  Wasecc  gebadet 
wird.  Weiler  unien  bt  noeh  eine  Welle  ^*la^fi.  auf  deren  linketn  Ende  ein  Rad 
nüt  einigen  Sohauftln  sitzt,  worauf  ein  Knabe  steigt  und  so  <las  Rad  mit  der  Welle 
umdreht.  Er  hält  mit  einer  Hand  das  Tuch,  damit  es:  gut  ausgebreitet  win),  tritt 
gleichxeii^  das  Rad  und  wickelt  das  Tuch  auf  den  Wellhenun  ...,•' 


Mechan lache  Erstw  fDr  wolleoe  l'Qcher,  FumpeiL 


315 


Auf  Seite  100  ist  das  durch  unsere  Fig.  378  wiedergegebene  M  od  eil 
einer  Pumpe  mit  schwingendem  Kolben  abgebildet.  Die  Anordnung 
entspricht  im  Ganzen  der  Skizze  des  Marianus  Jacobus  (Fig.  348,  S.  288),  wo 
mit  einem  Paare  gewöhnlicher  Blasebälge  Wasser  gepumpt  wird ;  nur  sind  hier 
die  Blasebälge  durch  zwei  Pumpen  mit  schwingenden  Kolben  ersetzt,  wie  sie 
Ramrlli  beschreibt  {Fig.  240,  S.  216).  Dadoroh,  dass  die  Kolben  in  dem  Ge- 
häuse bewegt  werden  müssen,  ist  ein  zweiter  Balancier,  auf  den  der  Arbeiter 
tritt,  mit  zwei  nach  dem  Kolben  berabgebenden  Schubstangen  bedingt.  Dartiber 
liegt  der  Balancier,  woran  er  sich  mit  den  Händen  hält.  Dieser  ist  von  Zonca 
mit  Schwunggewichten  versehen  worden,  weil  er  glaubte,  dass  dadurch  der 
Betrieb  erleichtert  würde ;  doch  kann  dies  nur  zur  Folge  haben,  dass  die  Kolben 
mit  Kraft  terzehrenden,  heftigen  Stössen  auf  den  Boden  des  Gehäuses  schlagen. 


Seite  103  zeigt  eine  Pumpe  mit  Massivkolben  (Fig.  379).  Wir  be- 
gegnen hier  zum  erstenmal  der  „rechtwinkeligen  Kurbelkreuzschleife"; 
doch  ist  sie  hier  in  elliptischer  Form  ausgeführt,  wodurch  der  Hub  verringert 
wird,  und  das  Gleitstück  ist  durch  eine  Äntifriktionsrolle  ersetzt. 

Auf  Seite  105  ist  eine  zweistiefelige  Pumpe  (Fig.  380}  abgebildet, 
welche  nach  demselben  Principe  konstruirt  ist,  wie  diejenige  Pumpe,  welche 
wir  unter  den  Skizzen  des  Marianus  Jacobus  (yergl.  Fig.  347,  S.  288)  fanden; 
doch  ist  hier  der  enge  Zwischenraum  zwischen  Pumpenkörper  und  Kolben  auf 
eine  Xute  in  diesem  reducirt,  indem  er  sonst  genau  anschliesst.  Die  Ausäuss- 
öETnung  müsste  so  weit  vom  oberen  Rande  des  Pumpenkörpers  und  das  obere 
Ende  der  Xute  so  weit  vom  oberen  Ende  des  Kolbens  abstehen,  dass  die  Nnte 
abgeschlossen  wird,  wenn  das  Wasser  an  ihrem  oberen  Ende  ankommt.  Beim 
weiteren  Niedergange  des  Kolbens  würde  es  dann  nur  durch  die  Ausflussötfnung 
gepresst.  Allein  diese  Konstniktionsverhältnisse  sind  in  Zonca's  Abbildung 
nicht  berücksichtigt. 


316  Vittorio  ZoDcm. 

Aaf  den  letzten  Seiten  seines  Werkes  sind  noch  zwei  PnmpeD,  eine 
schwingende  Rinne  nnd  ein  auf  falschen  Voranseetzongen  beruhendes  Projekt 
von  einem  Perpetuom  mobile  abgebildet,  die  uns  nicht  interessiren.  Dagegen 
wollen  wir  zum  Schiasse  die  bisher  unerwähnt  gebliebenen  Abbildungen  auf 
den  Seiten  9,  12  und  68  noch  betrachten. 

Auf  Seite  9  ist  eine  Kamnierschlease(Fig.  381)  dargestellt,  und  Seite  12 
zeigt  Detaitabbildongen  der  Schleusenthore.    In  der  Beschreibung  wird  gesagt: 

„ .  .  .  ,  Die  Kammer  kann  man  von  rechteckiger  Form  machen,  oder  oral, 
wie  die  hier  abgebildete.  Die  beiden  Thore  müssen  mit  Schützen  veneben  sein,  die 
man  mit  Haspeln  öffnet,  oder  durch  ihr  Gewicht  sich  echliessen  lässt.  Vor  Allem 
aber  müssen  die  Thore  aufs   beste  zusammengefugt  und  aus  Holx  gemocht  weiden. 


das  nicht  leicht  fault ....  Auf  solche  Weise  sind  sie  in  dem  durch  Padua  f 
den  Flusse  zur  Bequemlichkeit  der  Stadt  angelegt,  und  ähnlich  sind  sie  auch  bei 
dem  Orte  Strä,  5  Meilen  von  Padua,  wo  man  durch  Theilung  des  Flusses  Brenta 
das  Wasser  für  die  Schiffahrt  nach  Venedig  und  andere  Bequemlichkeiten  sammelt 
Aehnlich  sind  auch  die  bei  dem  Ort«  Dolo,  aber  von  diesen  behaupten  Einige,  «e 
eeien  überflüssig  und  hätten  nur  dea  Zweck,  das  Wasser  rriner  naii  den  Lagunen 
von  Venedig  zu  führen,  um  sie  vor  Veränderung  zu  bewahren  ....  Wenn  ach 
die  Schiffe  nähern,  um  in  die  Thore  einzufahren,  öffnet  man  zuerst  ein  kleines 
Thürcheii,  das  sich  um  eine  in  seiner  Mitte  sitzende  Axe  dreht,  vermittelst  einer 
Kette,  die  um  einen  Haspcl  geschlungen  ist,  oder  man  6ffnet  die  andere  Ausfluss- 
Sffnung  (Schütze)  nnt  einem  Hebeisen,  damit  sich  das  Wasser  in  der  Kammer  mit 
dem  oberhalb  be^ndlichen  gleichstellt  Dann  öffnet  man  die  Thore,  damit  die  Schiffe 
hereinfahren,  und  schliesst  sie  wieder  .  .  .  ." 

Ausführliche  Beschreibungen  verschiedener  Schleusen  finden  sich  in  Simon 
Stevin's  „Oeuvres  de  Matematiques",  herausgegeben  von  Albert  Girard(Le7den 


Eammcrschleuse,  schiefe  Ebene  fOr  EaDal-Schifffahrt.  317 

1634).  Bühlmann  giebt  in  seiner  „Geschichte  der  Technischen  Mechanik^'  an, 
Steyin  sei  geboren  1548  zu  Brügge,  gestorben  1620  zu  Haag  und  habe  1586 
seine  Theorie  der  schiefen  Ebene  und  des  Hebels  aufgestellt. 

Nachdem  Steyin  (S.  601  a.  a.  O.)  einfache  Schleusen  und  Kammershleusen 
mit  sogenannten  „Umläufen"  zum  Ein-  und  Auslassen  des  Wassers  beschrieben 
hat,  sagt  er:  „Wir  haben  bis  dahin  von  Dingen  gesprochen,  die  seit  langer 
Zeit  im  Gebrauche  sind,  um  dadurch  die  neue  Erfindung,  die  nun  folgt, 
leichter  verständlich  zu  machen."  Es  wird  dann  eine  zweiflügelige  Schleuse 
an  der  Ausmündung  eines  Kanales  in  einen  Hafen  beschrieben,  die  rasch  ge- 
öffnet werden  kann,  um  durch  das  herausstürzende  Wasser  den  Hafen  auszu- 
spülen und  zu  vertiefen. 

Auf  Seite   58  ist   ein  Aufzug  mit  Pferdebetrieb   dargestellt,  um 

Boote  auf  schiefen  Ebenen  über  einen  Deich  zu  transportiren. 

Hierbei  ruht  das  Boot  auf  einem  niederen  Rollwagen,  und  die  Abbildung  (Fig.  382) 

ist  überschrieben:  „Der  Karren  von  Zafosina".    Fusina  heisst  heute  ein  Ort 

an  der  Mündung  des  Canale  di  Brenta.    Zonca  sagt  in  der  Beschreibung: 

„Bei  den  Lagunen,  fünf  Meilen  von  Venedig  entfeml^  wo  der  Fluss  Brenta 
endigt,  ist  das  vorliegende  Bauwerk,  „carro''  genannt,  errichtet^  welches  die  Barken 
zur  Bequemlichkeit  der  Beisenden  vom  Flusse  nach  der  Lagune  und  zurück  befördert. 
Dieser  Rarren  ist  aus  quadratischen  Hölzern  konstruirt,  zwei  langen,  die  an  ihren 
Enden  mit  eisernen  Bingen  versehen  sind,  um  die  Haken  des  Beiles  hineinzuhängen, 
und  zwei  kürzeren,  welche  diese  so  mit  einander  verbinden,  dass  sie  einen  quadra- 
tischen Baum  einschliessen.  In  der  Mitte  der  letzteren  sind  noch  zwei  Hölzer  von 
derselben  Länge  (gleichlaufend  mit  den  langen  Hölzern)  eingefügt.  Li  dem  qua- 
dratischen inneren  Baume  sind  vier  Bollen  mit  eisernen  Zapfen  und  starken  eisernen 
Beifen  von  solchem  Durchmesser  gelagert,  dass  sie  nicht  über  die  Hölzer  hinaus- 
ragen, damit  die  Barken  auf  dem  Karren  ihre  Bewegung  nicht  hindern«  Sie  können 
einen  Durchmesser  von  einem  Fuss  und  eine  Breite  von  dreiviertel  Fuss  haben'.  Die 
übrige  Vorrichtung  wird  auf  dem  Lande  aufgestellt  Sie  besteht  aus  einer  senk- 
rechten Welle  mit  zwei  kreuzweise  hindurch  gehenden  Stangen,  woran  die  Pferde 
gespannt  werden,  imd  einem  darüber  sitzenden  Getriebe.  Dieses  setzt  ein  Zahnrad 
in  Bewegung,  das  so  auf  einer  Welle  befestigt  ist^  dass  sich  das  Seil  mit  den  eisernen 
Haken  zum  Anziehen  der  Barke  darum  wickelt  ....  Das  Pferd  auf  der  rechten 
Seite  des  Flusses  zieht  die  Barke  nach  der  Lagune  und  das  auf  seiner  linken  nach 
dem  Flusse  hin,  um  Verwirrung  zu  vermeiden  ....  Wir  fügen  noch  bei,  dass 
zwischen  dem  Flusse  Brenta  und  der  Lagune,  wo  der  Karren  das  Trajekt  bildet^  ein 
dachförmiges  Mauerwerk  mit  sehr  stumpfem  Winkel  errichtet  ist^  von  der  Höhe,  bis 
zu  welcher  das  Wasser  bei  der  höchsten  Fluth  steigt  Die  Form  des  höchsten 
Theües  desselben  ersieht  man  aus  der  Abbildung.  Da  wo  die  Bäder  des  Karrens 
laufen,  stellt  man  zwei  etwas  erhöhte  Geleise  von  Stein  her.  An  ihrem  Fusse,  da 
wo  «e  beiderseits  im  Wasser  endigen,  setzt  man  zwei  sehr  grosse  Steinplatten  von 
derselben  Härte,  so  dass  der  Karren  sie  beim  Darüberfahren  nicht  zerbricht  und 
abnutzt  ....*' 

In  neuerer  Zeit  werden  schiefe  Ebenen  beispielsweise  am  Elbing-Ober- 

ländischen  und  an  dem  nordamerikanischen  Morris-Kanäle  betrieben,  und  zwar 

erstere  mit  Lokomotiven,  letztere  mit  Wasserkraft. 


Leonardo  da  Vinoi  (1452-1519). 

(Zweite  Abhandlung.) 


Als  wir  die  erste  Abhandlung  über  Leonardo  da  Vinci -für  den  Jahrgang 
1888  des  ^^Civilingenieur^  schrieben,  stand  uns  nur  Dr.  Hermann  Grothe's  Schrift 
;,Leonardo  da  Vixa  als  Ingenieur  und  Philosoph''  als  Quelle  zu  Gebote.  In- 
zwischen sind  durch  M.  Rayaisson-Mouen  die  Manuskripte  Leonardo's,  die  sich 
in  der  Bibliothek  de  Plnstitut  zu  Paris  befinden,  durch  Heliogravüre  verviel- 
fältigt, mit  einer  genauen  Wiedergabe  des  Textes  in  Druckschrift  und  mit  einer 
französischen  Uebersetzung  versehen,  in  sechs  Foliobänden  herausgegeben  worden. 
Durch  diese  grosse^  mühevolle  und  höchst  dankenswerthe  Arbeit  sind  wir 
in  den  Stand  gesetzt,  unsere  früheren  Angaben  zu  vervollständigen  und  zu 
berichtigen. 

Beim  Anblicke  der  genannten  Manuskripte  Leonardo^s  ist  man  erstaunt 
darüber,  dass  sie  fast  ausschliesslich  wissenschaftlichen  Studien  gewidmet  sind, 
malerische  und  architektonische  Skizzen  aber  nur  sehr  wenige  enthalten.  Die 
früher  von  uns  gehegte  Ansicht,  was  von  seinen  Schriften  für  uns  übrig  geblieben 
ist,  seien  nur  solche  Skizzen  und  Notizen,  welche  sich  zwischen  künstlerischen 
Entwürfen  zu  uns  durchstahlen,  erweist  sich  als  irrig.  Hätten  wir  den  Ver- 
fasser nur  nach  diesen  Manuskripten  zu  beurtheilen,  so  müssten  wir  ihn  für 
einen  Mathematiker,  Ingenieur  und  Physiker  von  Beruf  halten,  der  zwar  ausser- 
ordentliches Talent  zum  Zeichnen  besass,  aber  sich  nur  gelegentlich  mit  Malerei 
und  Architektur  praktisch  beschäftigte. 

Seine  wissenschaftlichen  Notizen  und  Abhandlungen  sind  so  sorgsam  zu- 
sammengetragen, dass  es  wohl  möglich  sein  dürfte,  den  wesentlichen  Inhalt 
seiner  verloren  gegangenen  Lehrbücher  daraus  wieder  herzustellen;  wenn  es 
auch  eine  schwierige  Aufgabe  ist,  diese  ungeregelte  Masse  gelegentlich  zusanunen- 
geschriebener  Notizen  zu  sichten  und  so  zu  ordnen,  dass  man  sich  daraus  ein 
Bild  von  dem  Wissen  des  Autors  machen  kann.  Der  Geist  der  freien  Forschung 
aber,  der  aus  Leonardo  spricht,  erhebt  ihn,  auch  wenn  er  hundertmal,  sich 
wiederholt  oder  irrt,  so  weit  über  die  Schulweisheit  seiner  Zeit  und  bringt  seine 
Denkweise  der  unserigen  so  nahe,  dass  wir  beim  Lesen  seiner  Schriften  Mühe 


Winkel-  und  Schraubenrftder-Getriobe.  319 

hatten,  die  Zeit,  in  der  er  lebte,  st^ts  in  Gedanken  festzuhalten.  Und  dieser 
freie  Forschergeist  unter  Scholastikern  und  kirchlichen  Fanatikern  in  seinem 
Ringen  nach  Erkenntniss  der  Naturgesetze  hat  etwas  so  Anziehendes,  dass  wir, 
nachdem  die  Manuskripte  Leonardg's  allgemein  zugänglich  gemacht  sind,  an 
der  baldigen  Lösung  jener  Aufgabe  nicht  zweifeln. 

In  Anbetracht  des  Zieles,  das  wir  bei  unseren  Abhandlungen  hier  ver- 
folgen, und  des  beschränkten  Raumes,  der  uns  für  diese  zu  Gebote  steht,  müssen 
wir  uns  versagen,  auf  seine  rein  theoretischen  Betrachtungen  einzugehen  und 
uns  auf  das  beschränken,  was  in  das  Gebiet  des  Maschinenbaues  und  der 
mechanischen  Technologie  gehört. 

Um  die  Gegenstände,  worüber  wir  zu  berichten  haben,  einigermassen  über- 
sichtlich zu  ordnen,  müssen  wir  oft  Skizzen  und  Bemerkungen,  die  in  den 
Manuskripten  weit  auseinander  liegen,  neben  einander  stellen.  Diese  sind  in 
der  Bibliothek  de  Plnstitut  mit  grossen  lateinischen  Buchstaben  bezeichnet  und 
deren  Folien  numerirt.  Zur  Bezeichnung  der  Stelle,  wo  eine  Skizze  oder  Notiz 
zu  finden  ist,  werden  wir  den  Buchstaben  des  betreffenden  Manuskripts  und 
die  Nummer  des  Foliums  mit  angehängtem  v  für  die  vordere  und  h  für  die 
hintere  Seite  jedesmal  angeben,  so  dass  z.  B.  B43h  die  hintere  Seite  von  Folio  43 
des  Manuskriptes  B  bezeichnet.  Das  Zeichen  L:  bedeutet:  Leonardo  bemerkt 
hierzu,  was  folgt: 

Von  einzelnen  Mechanismen,  die  sich  a.  a.  0.  finden,  führen  wir  an: 

Ein  Winkelrädergetriebe  mit  sich  schneidenden  Axen 
(Fig.  383),  I  26  h. 

L:  ,,Je  näher  das  Getriebe  bei  dem  Durchmesser  des  Rades  gelegen  ist  (näm- 
lich in  der  skizzirten  Ansicht,  d.  h.  je  näher  die  beiden  Axen  aneinander  vorbei- 
gehen), desto  geringer  ist  die  Reibung,  die  die  Zähne  des  Rades  längs  der  Trieb- 
stöcke des  Getriebes  erzeugen.  Und  umgekehrt  wird  die  Reibung  um  so  grosser  sein, 
je  weiter  das  Getriebe  von  dem  Durchmesser  des  Rades  entfernt  ist" 

Wir  haben  bereits  darauf  hingewiesen,  dass  man  früher,  als  die  Trieb- 
stockverzahnungen noch  üblich  waren,  Winkelrädergetriebe  sehr  häufig  mit 
geschränkten  Axen  anordnete.  Leonardo  weist  hier  auf  den  Nachtheil  hin, 
den  diese  Anordnung  hat,  im  Vergleiche  mit  Getrieben,  deren  Axen  sich  schneiden. 
Dies  führt  er  im  Folgenden  noch  weiter  aus. 

Ein  Winkelrädergetriebe  mit  geschränkten  Axen  (Fig. 384),  127v. 

L:  „Wenn  das  Getriebe  ausserhalb  des  Durchmessers  des  Rades  liegt,  macht 
es  die  drehende  und  die  gleitende  Bewegung  (moto  della  confregatione).  —  Dieses 
ausserhalb  des  Raddurchmessers  gelegene  Getriebe  konsumirt  seine  Triebstocke  stark 
und  ebenso  die  Zähne  des  Rades.  Im  Anfange  der  Berührung,  in  die  dieses  mit 
dem  Getriebe  tritt,  berührt  es  die  Triebstöcke  an  ihrem  oberen  Theile,  und  wenn  es 
sie  verlässt,  verlässt  es  sie  an  ihrem  unteren  Theile,  so  dass  es  vom  Angreifen  bis 
zum  Auslassen  zweierlei  Bewegungen  macht,  nämlich  die  drehende  und  die  gleitende. 
—  Du  siehst,  dass  der  Zahn  {a)  über  der  Mitte  des  Getriebes  eintritt  und  unterhalb 
der  Mitte  in  der  Stellung  (h)  es  verlässt." 

Dieselben  Skizzen  mit  fast  denselben  Bemerkungen  finden  sich  auf  H  86  h. 


320 


Leonardo  da  VidcL 


Eine  Schraube  ohne  Ende  mit  so  starker  Steigung,   dass  das 

Rad  die  Schraube  zu  drehen  vermag  (Fig.  385),  126h. 

L:  y,Der  einfache  steile  Schraubengang  ist  es,  der  in  einer  grosseren  Ent- 
fernung vom  Durchmesser,  als  irgend  eine  andere  Art  von  Getrieben,  von  dem  Rade 
bewegt  wird.  Aber  ein  solches  Getriebe  wird  niemals  das  Rad  mit  der  Leichtigkeit 
bewegen,  mit  der  das  Rad  es  in  Drehung  versetzt" 

Eine  gewöhnliche  Schraube  ohne  Ende  (Fig.  386),  I26v. 

L:  ,,Diese3  ist  die  beste  Art  von  Schraubengetrieben,  die  man  machen  kann. 
Hier  kann  das  Rad  niemals  die  Schraube  bewegen.'' 

Eine  Schraube  mit  sogenanntem  Trapezgewinde  (Fig.  387),  B 73 v. 
Sie  soll  bei  einem  Windwerke  zur  Uebertragung  starken  Druckes  dienen  und 
wird  hierzu  noch  heute  empfohlen. 

Ein  Einzahnrad  (Fig.  388),  I28v. 

L:  „Paoolo  sagt,  dass  man  bei  keinem  Instrumente,  das  ein  anderes  beröhren- 
des  Instrument  bewegt,  machen  können  dass  dieses  nicht  auch  jenes  bew^t»  sowie, 
wenn  ein  Rad  sein  Getriebe  bewegt,  dieses  auch  das  Rad  bewegen  wird.  Aber  dies 
ist  nicht  allgemein  gültig,  denn  wenn  auch  der  Zahn  (n)  das  Rad  bew^t»  so  wird 
doch  das  Rad  nicht  den  Zahn  (n)  während  einer  ganzen  Umdrehung  bewegen.** 


Fig.  383. 


Fig.  384. 


Fig.  385. 


Fig.  386, 


Fig.  887. 


Ein  Spiralrad  (Fig.  389),  H103v.  Diesen  Mechanismus  will  Leonardo 
zum  Spannen  einer  Armbrust  benutzen.  In  seiner  Skizze  greift  die  Spirale  in 
eine  vollständige  Zahnstange,  und  es  scheint,  als  ob  Leonardo  die  Idee  gehabt 
habe,  die  Spirale  solle  die  Zahnstange  dadurch  ihrer  ganzen  Länge  nach  ver- 
schieben, dass  sie  in  immer  neue  Zähne  derselben  eingreift.  Dazu  wäre  er- 
forderlich, dass  die  Spirale  in  einer  zur  Zahnstange  geneigten  Ebene  läge,  so 
dass  nur  der  jeweils  obere  oder  der  jeweils  untere  Theil  derselben  in  die 
Zahnstange  eingriffe.  Die  Berücksichtigung  dieses  Umstandes  ist  weder  aus 
der  Skizze,  noch  aus  einer  beigefügten  Bemerkung  zu  erkennen. 

Ein  Mangelrad  (Fig.  390),  H  110  v,  zur  Verwandlung  einer  kontinuirlich 
drehenden  in  eine  geradlinig  hin-  und  hergehende  Bew^ung. 

Das  am  halben  Umfange  verzahnte  Rad  in  zwei  auf  einer  Axe 
sitzende  Getriebe  eingreifend  (Fig.  391),  Hllöv,  zur  Verwandlung  einer 
kontinuirlich  drehenden  in  eine  hin-  und  hergehende  Bewegung.  Dieser  und 
ähnliche  Mechanismen  wurden  später  von  Ramelu  mit  besonderer  Vorliebe  benutzt. 
(Vergl.  Fig.  233,  234  u.  a.  S.  213). 

Zwei  am  halben  Umfange  verzahnte,  in  gleichem  Sinne  sich 
drehende  und  von  gegenüberliegenden  Seiten  abwechselnd  in 


Einzahnrad,  Spiralrad,  halbverzahnte  Räder. 


321 


ein  Getriebe  eingreifende  Räder  (Fig.  392),  H112h,  zu  dem  gleichen 
Zwecke;  jedoch  sitzt  das  sich  hin-  und  herdrehende  Getriebe  hier  auf  einer  an 
der  Drehung  verhinderten  Schraubenspindel,  während  es  selbst  an  Verschiebung 
verhindert  gedacht  werden  muss,  wodurch  die  hin-  und  herdrehende  Bewegung 
noch  in  eine  geradlinig  hin-  und  hergehende  verwandelt  wird. 

Auch  diese  sehr  komplicirte  Art,  eine  kontinuirlich  drehende  in  eine 
geradlinig  hin-  und  hergehende  Bewegung  umzuwandeln,  wird  von  Ramelu  mit 
grosser  Vorliebe  und  einigen  Modifikationen  angewendet,  und  wenn  wir  in  unserer 
Abhandlung  über  ihn  die  Vermuthung  aussprachen,  dass  die  Kenntnisse,  die 
ihm  durch  Marignano  übermittelt  wurden,  aus  der  LEONARDo'schen  Schule 
stammten  und  er  deshalb  dieser  zuzuzählen  sei,  so  dürfte  dies  hierin  eine  Be- 
stätigung finden.  Auch  wird  sich  ergeben,  dass  noch  vieles  andere,  was  wir 
bei  Ramelli  für  ihm  eigentümlich  hielten,  in  Leonardo's  Manuskripten  zu 
finden  ist. 


Fig.  389. 


Fig.  390. 


Fig.  391. 


Fig.  392. 


Fig.  303. 


Eine  sehr  nahe  liegende  Modifikation,  die  Ramelli  hauptsächlich  anwendet, 
ist  die,  dass  man  anstatt  der  halb  verzahnten  Stimränder  halb  verzahnte 
Winkelräder  nimmt,  die  man  auf  eine  gemeinschaftliche  Axe  setzen  kann. 

Nimmt  man  anstatt  der  halb  verzahnten  Räder  solche,  bei  denen  zwei 
gegenüberliegende  Viertelskreise  verzahnt  sind,  so  macht  das  Getriebe  bei  jeder 
Umdrehung  zwei  kürzere  Schwingungen.  Man  kann  dann  auch  die  Zähne  je 
eines  Viertelkreises  durch  einen  einzigen  längeren  Zahn  und  das  Getriebe  durch 
einen  gleicharmigen  Hebel  ersetzen.  Diese  Modifikation  finden  wir  bei  Leonardo 
auf  H  130  h  (Fig.  393)  dargestellt,  jedoch  mit  der  weiteren  Komplikation,  dass 
der  hin-  und  herschwingende  Doppelhebel  mit  einem  Stirnrade  auf  einer  ge- 
meinschaftlichen Axe  befestigt  ist,  das  in  zwei  einander  gegenüberliegende 
Getriebe  eingreift,  die  die  Muttern  zweier  gleichzeitig  auf-  und  niedergehenden 
Schrauben  bilden. 

Wird  der  in  Fig.  391  dargestellte  Mechanismus  in  ähnlicher  Weise  modi- 
ficirt,  so  dass  abwechselnd  ein  Sechzehntel  des  Radumfanges  verzahnt  wird  und 
ein  Sechzehntel  unverzahnt  bleibt,  so  braucht  man  jedes  der  Getriebe  nur  mit 
so  viel  Zähnen  zu  versehen,  als  auf  einem  Sechzehntel  des  Radumfanges  Platz 
finden,  und  kann  auch  jede  dieser  Zähnegruppen  durch  einen  einzigen  längeren 


Beck. 


21 


322 


Leonardo  da  Vind. 


Zahn  ersetzen.  Auf  diese  Weise  entsteht  der  Mechanismus,  der  bei  den  alten 
Löffelunruhen  angewendet  wurde  (Fig.  394),  H114v.  Die  sich  hin-  und  her- 
drehende  Axe  trägt  oben  ein  Stirnrad,  wodurch  offenbar  angedeutet  werden 
soll,  dass  man  durch  Zufügung  einer  eingreifenden  Zahnstange  auch  eine  gerad- 
linig hin-  und  hergehende  Bewegung  erzeugen  kann. 

Eine  weitere  Modifikation  dieses  Mechanismus  zeigt  Fig.  395,  die  im 
Original  auf  derselben  Seite  steht,  wie  die  soeben  besprochene.  Hier  ist  der 
untere  Zahn  der  sich  hin-  und  herdrehenden  Vertikalaxe  rückwärts  verlängert 
und  setzt  einen  auf  der  horizontalen  Radaxe  sich  drehenden  Hebel  in  pendel- 
artige Schwingungen.  Dieser  Hebel  ist  an  seinem  oberen  Ende  mit  einem  Zahn- 
segment versehen,  wodurch  offenbar  wieder  angedeutet  werden  soll,  dass  durch 
Zufügung  einer  in  dieses  eingreifenden  Zahnstange  auch  eine  geradlinig  hin- 
und  hergehende  Bewegung  erzeugt  werden  kann. 

Der  Mechanismus  (Fig.  396),  H  110  h,  unterscheidet  sich  von  dem  in  Fig.  394 
dargestellten  nur  dadurch,   dass  er  um  90®  gedreht  ist,   so   dass   die  seither 


Fig.  394. 


Fig.  395. 


Fig.  S97. 


vertikale,  sich  hin-  und  herdrehende  Axe  nun  horizontal  zu  liegen  kommt. 
Mit  dieser  ist  ein  hammerförmiges  Pendel  fest  verbunden.  Der  Radkranz  ist 
sägeförmig  gestaltet,  und  der  ganze  Mechanismus  hat  eine  solche  Aehnlichkeit 
mit  einer  Pendelunruhe,  dass  man  ihn  für  eine  solche  halten  könnte,  wenn 
nicht  die  Pendelgesetze  zu  Leonardo's  Zeit  noch  unbekannt  gewesen  wären. 

Ein  eigenthümlicher  Mechanismus  zur  Verwandlung  einer  kontinuirlich 
drehenden  in  eine  hin-  und  herdrehende  Bewegung  zeigt  Fig.  397,  H115v. 
Dadurch,  dass  in  der  Originalskizze  der  Drehpunkt  des  kurzen  einarmigen 
Hebels  weiter  links  liegt,  als  in  unserer  Fig.  397,  ist  erstere  nicht  ganz  ver- 
ständlich. Da  aber  derartige  Ungenauigkeiten  bei  flüchtigen  Handskizzen  fast 
unvermeidlich  sind,  glauben  wir  annehmen  zu  dürfen,  dass  die  beiden  Hebcl- 
drehpunkte  so  liegen  sollen,  dass  in  der  abgebildeten  Stellung  das  untere  Ende 
des  linken  Hebels  frei  wird,  während  der  folgende  Triebstock  des  Rades  d&s  des 
rechten  Hebels  erfasst.  Dieser  ist  mit  dem  oberen  Arme  des  linken  Hebels 
durch  eine  Schubstange  so  verbunden,  dass  sein  unterer  Arm  sich  nach  rechts 
bewegt,  während  der  einarmige  rechte  Hebel  durch  den  Triebstock  nach  links 
geschoben  wird.     Treffen   die  unteren  Enden  der  beiden  Hebel   in  der  Mitte 


Umwandlimg  rotirender  in  aohwiiiguida  Bewegung  nnd  nmgekebrt.  323 

zusammen,  ho  mass  der  rechte  Hebel  frei  und  der  linke  erfasst  werden,  bo  dass 
das  untere  Ende  des  letzteren  nun  von  dem  Triebstocke  nach  links  und  das 
des  rechten  Hebels  vermittelst  der  Schubstange  nach  rechts  geschoben  wird. 
Auf  diese  Weise  entsteht  durch  kontinuirliche  Drehung  des  Rades  pendelartiges 
Schwingen  der  beiden  Hebel.  Der  eine  endigt  oben  in  ein  Zahnsegment,  das 
in  ein  kleines  Getriebe  eingreift,  das  folglich 
sine  oder  mehrere  volle  Umdrehungen  ab- 
wechselnd rechts-  und  linfcsum  macht. 

Die  Umwandlung  kontinuirlich  drehender 
in  geradlinig  hin-  und  hergehende  Bewegung 
durch  Kurbel  nnd  Pleuelstange  findet  sich  in 
den  drei  Skizzen  von  Sägegattern  (Fig.  398) 
H109h,    (Fig.  399}  H  120  h  und  (Fig.  400)  n«.  m 

H120h. 

In  Fig.  399  ist  das  Sägegatter  an  einer  Stange  befestigt,  die  über  eine 
Führungsrolle  läuft  und  vermittelst  einer  Pleuelstange  durch    eine    einfache 


Fig.  399.  Flg.  400.  Fl«.  M3. 

Kurbel  in  Form  einer  gekröpften  Äxe  bewegt  wird.  In  Fig.  398  wird  die  Be- 
wegung des  Gatters  durch  zwei  gleichgerichtete  Kurbeln  an  einer  Welle  ver- 
mittelst zweier  Pleuelstangen  hervorgebracht.  In  Fig.  400  werden  zwei  Gatter 
durch  zwei  um  180'  gegeneinander  versetzte  Kurbeln  und  je  eine  Pleuelstange 
stets  in  entgegengesetzten  Sichtungen  hin-  und  hergeschoben. 

21» 


3QQ  Leonarda  da  TincL 

L:  „Die  leere  Röhre  (ab)  bildet  die  Füfanuig  für  den  Torderen  TbeQ  des  ^Saeaa, 
das  die  gende  Richtung  erhält" 

Auf  derselben  Seite  findet  sich  das Kegehentil  (Fig.  412)  und  auf  E76t 
die  in  unserer  Fig.  413  wiedergegebene  Konstrulition.  Diese  beiden  Eegelventile 
wendet  Raxelu  vorzugsweise  an.  Die  Torliegenden  Skizzen  lassen  aber  keinen 
Zweifel  darüber,  dass  sie  ihm  durch  Mabigkano  aus  der  I^oNARDo'scben  Schale 
bekannt  geworden  waren. 

Bei  einem  Cylindergebläse,  das  wir  später  betrachten  werden,  findet  sich 
ferner  skizzirt: 

Eiii  mehrfaches  Klappenventil  (Fig.  414),  E34v. 

L:  „Der  Ausfluss  wird  um  eo  reichlicher  sein,  je  schmälere  Schddewände  die 
Durchgangaöffnungen  haben.  Der  Flächeninhalt  aller  DurcfagangBÖffnungen  zusammen 
wird  dem  freien  Querschnitte  des  Rohres  gleich  gemacht** 

Motoren. 

Ueher  den  Vortheil  des  Schwungrades  beim  Betriebe  von  Maschinen 
durch  belebte  Motoren  findet  sich  auf  B26h  folgende  Notiz: 


Flg.  410. 


L:  „Da  ein  in  heftige  Bewegung  versetztes  Rnd,  das  der  Motor  verlässt,  von 
selbst  noch  viele  Umdrehungen  macht,  so  wird,  wenn  der  Motor  mit  der  oben- 
genannten Gescliwindigkcit  zu  drehen  fortführt,  dtc^o  Erhaltung  der  Geschwindigkeit 
mit  wenig  Kraftaufwand  erfolgen.  Und  ich  schlicnsc  daraus,  dass,  wenn  man  die 
Bewegung  nur  erhalten  will,  der  Motor  wenig  Mfihe  haben  wird,  um  so  mehr,  als  ca 
(das  Schwungrad)  sich  von  Natur  atitn.'ibt." 

Das  Beharren  in  der  Bewegung  wird  hier  als  ein  eigener  Antrieb  auf- 
gefasst.  Uebrigeiis  erinnern  wir  daran,  dass  wir  in  den  Sltizzen  aus  der  Zeit 
der  Hussitenkriege  schon  vielfach  Schwungräder  angewendet  sahen. 

Ueber  Wasserräder  findet  sich  nur  wenig  in  den  in  Rede  stehenden 
Manuskripten. 

Ein  oberschlächtiges  Wasserrad  {Fig.  415),  F44v. 

L:  „Es  fragt  sich,  indem  das  Wasser  (ab)  den  Zellen  des  Rades  einen  StosB 
giebt,  ob  das  Rad  ihn  aufnimmt  und  er  <lem  Gewichte  des  Waas.'rs,  welches  auf  der 
gestossenen  Seite  iu  den  Zellen  ist,  zuEuzälden  ist;  ob  man  ihn  als  ein  Mehr  der 
Wassermonge  zu  betrachten  hat,  indem  niau  die  Kraft  de^  Stos^s  dieser  zufQgt  — 
Wenn  dem  so  wäre,  würde  das  Rad  das  Wasser  (vorausgesetzt,  dass  es  so  lange  in 
dem  Rade  bUehe)  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  höher  heben,  als  ea  herabfällt. 


Ventile,  WasBeirSder,  WaMerachrftubenrad.  327 

Wenn  auch  der  Stoae  kein  Getvicht  ixt,  überwindet  er  doch  die  Kraft  dnee  Ge- 
wichtes, welches  ungef^r  so  gross  ist^  wie  seine  eigene  Kraft" 

Ein  oberschlächtiges  Wasserrad,  das  eine  Wasserschnecke 
bewegt  (Fig.  416  und  417),  I21h. 

L:  ;, Während  das  zu«st  bew^;te  Rad*)  eine  volle  Umdrehung  ausführt,  macht 
die  Bchnecke  vier  volle  Umdrehungen  nach  den  Regeln  über  die  Ursachen  solcher 
Bewegungen  (der  Kinematik).  —  Man  musa  das  Wasser  über  dem  Viertel  (an) 
(Fig.  416)  des  Rndcs  ausgiessen,  damit  das  Gewicht  möglichst  weit  vom  Mittelpunkte 
(eigentlich  der  senkrechten  Mittellinie)  des  Rades  entfernt  bleibt  —  Und  wenn  das 
(geuannte)  Viertel  acinon  Lauf  vollendet  hat,  muss  die  Sehraube  eine  volle  Um- 
drehung gemacht  haben.  Um  dies  zu  bewirken,  gebe  man  dem  Rade  32  Zähne  und 
jedem  Getriebe  acht  Triebstöcke.    Das  genügt" 

WeoD  auch  die  hier  aufgestellten  Regeln  nicht  zutreffend  sind,  so  ist  doch 
IfONARDo's  Ansicht,  dass  es  bei  einem  oberschlächtigen  Bade  Iiauptsächlich  auf 
richtige  Äosnutzong  des  Wassergewichtes  ankomme,  viel  richtiger  als  jene  bis 
ins  achtzehnte  Jahrhundert  hinein  namentlich  von  italienischen  und  französischen 


Flg.  41«. 


Fig   IIS. 


Ingenieuren  vertretene  Ansicht,  dass  auch  bei  oberschläcbtigen  Rädern  ein 
starker  Wast-erstoss  das  Wesentlichste   zur  Erzielung  eines  guten  Effektes  sei. 

Die  Schraube  als  Wassermotor  {Fig.  418),  F88h. 

Windmühle  mit  drehbarem  Dache,  sogenannte  „holländische  Wind- 
mühle" (Fig.  419  und  420),  L35h  und  36v.  Diese  beiden  Skizzen  stehen  in 
dem  Manuskripte  nebeneinander.  Es  ist  daher  nicht  zu  bezweifeln,  dass  Fig.  419 
eine  Detailzeichnung  zu  der  in  Fig.  420  dargestellten  Windmühle  ist.  Unter 
Fig.  420  stehen  die  Worte:  „II  tetto  e  posato  sulla  rota  (das  Dach  ruht  auf 
dem  Rade),  und  aus  der  Skizze  ist  erkenntlich,  dass  aus  der  Oberfläche  des 
Mauerwerkes  eine  kreisrund  gebogene  Schiene  ragt,  worauf  das  Dach  auf  Rollen 
läuft,  und  dass  zwischen  den  koncentrischen  Holzringen,  worin  die  Axen  dieser 
Rollen  lagern,  leiterartige  Sprossen  eingesetzt  sind.  Nahe  dem  oberen  Mauer- 
rande ist  ein  nach  innen  gerichteter  horizontaler  Zapfen  befestigt  und  dient 


*)  La  rota  dcl  primo  moto.  Die  Alten  fasaten  den  Begriff  .Motor'  anders  auf,  ala  es 
jetzt  gebrauclilicli  ist,  wo  man  WesserrSder  Motoren  Dennen  darf;  damals  war  das  Wasser 
der  Hotor. 


328 


Leonuäo  dt  VineL 


L:  „Die  leere  Röhre  (ah)  bildet  die  Fohmng  für  den  vorderen  Thdl  des  ESseni^ 
das  die  gerade  Kohtung  erhält" 

Auf  derselben  Seite  findet  sich  das  Kegekentil  (Fig.  413}  imd  auf  £76t 
die  in  unserer  Fig.  413  viedergegebene  Konstruktion.  Diese  beiden  K^ehentile 
vendet  Rahelu  vorzugsweise  an.  Die  vorliegenden  Skizzen  laasen  aber  keinen 
Zweifel  darüber,  dass  sie  ihm  durch  Marignamo  aus  der  LsoNARDo'schen  Sehnte 
bekannt  geworden  waren. 

Bei  einem  Cylindergebläse,  das  wir  später  betrachten  werden,  findet  sich 
ferner  skizzirt: 

Ein  mehrfaches  Klappenventil  {Fig.  414),  E34t. 

L:  „Der  AusÜuss  wird  um  bo  rechlicher  sein,  je  schmälere  Schddewände  die 
Durchgangsöffnungen  haben.  Der  Flächeninhalt  aller  DurchgangaÖffnungen  zusammeit 
wird  dem  freien  Querschnitte  des  Rohres  glnch  gemachL" 

Motoren. 

Ueber  den  Vortheil  des  Schwnngrades  beim  Betriebe  von  Maschinen 
durch  belebte  Motoren  findet  sich  auf  B26h  folgende  Notiz: 


Klg.  tu. 


L:  „Da  ein  in  heftige  Bewegung  versetztes  Rad,  das  der  Motor  verlösst,  von 
selbst  noch  viele  Umdrehungen  macht,  so  wird ,  wenn  der  Motor  mit  der  oben- 
genannten Gesell  windigkeit  ku  drehen  fortfährt,  diese  Erhaltung  der  Geschwindigkeit 
mit  wenig  Kraftaufwand  erfolgen.  Und  ich  schliessc  daraus,  dnse,  wenn  man  die 
Bewegung  nur  erhalten  will,  der  Motor  wenig  Mühe  haben  wird,  um  so  mehr,  als  es 
(das  Schwungrad)  sich  von  Natur  antreibt." 

Das  Beharren  in  der  Bewegung  wird  hier  als  ein  eigener  Antrieb  auf- 
gefasst.  Uebrigens  erinnern  wir  daran,  dass  wir  in  den  Skizzen  aus  der  Zeit 
der  Hussitenkriege  schon  vielfach  Schwungräder  angewendet  salien. 

Ueber  Wasserräder  findet  sich  nur  wenig  in  den  in  Rede  steliendea 
Manuskripten. 

Ein  oberschläcbtiges  Wasserrad  (Fig.  415),  F44v. 

L:  „Es  fragt  i^tch,  indem  das  Wasser  (ab)  den  Zellen  des  Rades  einen  Stoss 
giebt,  ob  das  Rad  ihn  aufnininit  und  er  dem  Gewichte  des  Wassers,  welches  auf  der 
gestossenen  Seile  in  den  Zellen  ist,  zuzuzälden  ist;  ob  man  ihn  als  ein  Mehr  der 
Waasermonge  zu  betrachten  hat,  indem  iiinn  die  Kraft  des  Stoases  dieser  zufügt  — 
Wenn  dem  so  wäre,  würde  das  Riid  das  Wasser  (voraiisgesetst,  dass  es  so  lange  in 
dem  Rade  bliebe)  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  höher  heben,   als  es  herabfällt. 


Ten^«,  Waaserriider,  WuMrachrRubenrad.  327 

Wenn  auch  der  Stoes  kein  Grenicht  ixt,  überwindet  er  doch  die  Kraft  eines  Ge- 
wichtes, welches  ungefähr  so  gross  ist,  wie  seine  eigene  Kraft" 

Ein  oberschlächtiges  Wasserrad,  das  eine  Wasserschnecke 
bewegt  (Fig.  416  und  417),  121  b. 

L:  ;,Während  das  zu»^t  bew^le  Rad*)  eine  volle  Umdrehung  ausführt^  macht 
die  Schnecke  vier  volle  Umdrehungen  nach  den  Regeln  über  die  Uraachen  solcher 
Bewegungen  (der  Kinematik).  —  Man  muBs  das  Wasser  über  dem  Viertel  (an) 
(Fig.  416)  des  R^idcs  ausgiessen,  damit  daa  Gewicht  möglichst  weit  vom  Mittelpunkt« 
(eigentlich  der  senkrechten  Mittellinie)  des  Rades  entfernt  bleibt  —  Und  wenn  das 
(genannte)  Viertel  seinen  Lauf  vollendet  hat,  muss  die  Schraube  eine  volle  Um- 
drehung gemacht  haben.  Um  dies  zu  bewirken,  gebe  man  dem  Rade  32  Zähne  und 
jedem  Getriebe  acht  Triebstücke.     Das  genügt" 

Wenn  auch  die  hier  aufgestellten  Regeln  nicht  zntrefTend  sind,  so  ist  doch 
Leonabdo's  Ansicht,  dass  es  bei  einem  oberEchlächtigen  Rade  hauptsächlich  auf 
richtige  Aosnutzung  des  Wassergewichtes  ankomme,  viel  richtiger  als  jene  bis 
ins  achtzehnte  Jahrhundert  hinein  namentlich  von  italienischen  und  französischen 


Ingenieuren  vertretene  Ansicht,  dass  auch  bei  oberschlächtigen  Rädern  ein 
starker  Wasserstoss  das  Wesentlichste   zur  Erzielung  eines  guten  Effektes   sei. 

Die  Schraube  als  Wassermotor  (Fig.  418),  F88h. 

Windmühle  mit  drehbarem  Dache,  sogenannte  „holländische  Wind- 
mühle" (Fig.  419  lind  420),  L35h  und  36  t.  Diese  beiden  Skizzen  stehen  in 
dem  Manuskripte  nebeneinander.  Es  ist  daher  nicht  zu  bezweifeln,  dass  Fig.  419 
eine  Detailzeichnung  zu  der  in  Fig.  420  dargestellten  Windmühle  ist.  Unter 
Fig.  420  stehen  die  Worte:  „II  tetto  e  posato  sulla  rota  (das  Dach  ruht  auf 
dem  Rade),  und  aus  der  Skizze  ist  erkenntlich,  dass  aus  der  Oberfläche  des 
Mauerwerkes  eine  kreisrund  gebogene  Schiene  ragt,  worauf  das  Dach  auf  Rollen 
läuft,  und  dass  zwischen  den  koncentrischen  Holzringen,  worin  die  Axen  dieser 
Rollen  lagern,  leiterartige  Sprossen  eingesetzt  sind.  Nahe  dem  oberen  Mauer- 
rande  ist  ein  nach  innen  gerichteter  horizontaler  Zapfen  befestigt  und   dient 


*)  La  roto  äe\  primo  nioto.  Die  Alten  fassten  den  Begriff  .Motor'  anders  aar,  ala  es 
jetit  gebräucblich  ist,  wo  mau  Wasserräder  Motorea  neaneti  darf;  damals  war  daa  Wasser 
der  Hotor. 


Leonardo  da  VincL 


einem  losen  Hebel  als  Stützpunkt,  der  mit  seinem  oberen  Ende  in  die  ge- 
nannten Sprossen  greift.  Es  bedarf  keiner  weiteren  Erklärung,  vie  ein  Arbeiter 
Termittelst  dieses  lo!>en  Hebels  das  Dach  der  Windmühle  drehen  kann. 

Allgemein  wird  angenommen,  dai^s  die  Windmühlen  mit  drehbarem  Dache 
nm  die  Mitte  des  sechzehnten  Jahrhunderts  Ton  einem  Flanderer  erfanden 
worden  seien,  dass  aber  Lexinardo  solche  Mühlen  etwa  50  Jahre  früher  kanntCi 


i  t 


fm-  *i-^ 


Fig   4ä. 


Fi^.  421. 


oder  doch  entwarf,  ist  in  An1>etracht  dieser  Skizzen  nicht  zu  bestreiten.    Wir 

fügen  hier  an: 

Den  inneren  Mechanismus  zu  einer  Windmühle  (Fig.  421),  L341l. 

In  unserer  Abhandlung  über  Kanelu  sagten  wir  (S.  221} : 

^Was  die  Bremswerke  betrifft,  so  findet  s^ich  an  den  Windmühlen  auf  den 
Blättern  132  und  133  eine  Uebergangsfomi  von  der  Backenbremse,  wie 
sie  AoRicOLA   beschreibt   zur   Bandbremse,    indem   der   Kranz  des   Haupt- 


'vmmmfm^^i 


Fi«.  422. 


Fig.  423. 


Fig.  421. 


winkelradei*  auf  der  Windradaxe  von  einem  halben  Holzreife  umschlossen  ist,  von 
dem  in  der  Bejächreibung  gesagt  wird,  dass  er  sich  beim  Anziehen  der  Bremse  zusammen- 
ziehe und  beim  Loslassen  derselben  wieder  erweitere." 

Die  hier  vorliegende  Skizze  spricht  dafür,  dass  Ramelu  auch  die  Kenntniss 
von  dieser  Bremse  aus  der  LEONARDo'schen  Schule  geschöpft  hatte. 

Femer  ist  beachtenswerth ,  dass  bei  dem  Mahlgange  (Fig.  421),  wie  aus 
der  links  danebenstehenden  Detailskizze  ersichtlich  ist,  die  Haue  auf  das  vier- 
kantige Ende  eines  ganz  kurzen  Mühleisens  gesteckt  ist  und  nur  durch  einen 
Mitnehmer  am  unteren  Ende  der  von  oben   in  das  Läuferauge  hereinragenden 


WindmDIile  mit  drehbarem  Dache,  Bandbremse,  HebevorrichtnngeD.  329 

Antricbwelle  umgedreht  wurde.    Diese  Konstruktion  gestattet  dem  Läufer  etwas 
freie  Bewegung,  ähnlich  vie  bei  einer  Balancierhaue. 

Hebmaschinen    und    Hebvorrichtungen.     Heben    von   Baum- 
stämmen und  dergl.  (Fig.  422,  423  und  424),  F46h. 

Zu  Fig.  424.  L:  „Es  soll  ein  Raum  mit  Leiciuigkeit  un<1  Sclinelligkdt  aus 
dorn  Wasser  gezogen  werden,  —  (kh)  sei  der  gegebene  Kaum,  (6)  eoi  der  Befestigiings- 
punkt  eines  Seiles,  das  bei  (n)  den  ßnuni  umfasst  uiiil 
pich  nach  (c)  wendet  in  die  Hnndc  eines  J[nniiea.  Das 
Gleiche  Üiut  (eia)tun  anderen  Ende  des  Baumes.  Gleicli- 
zeitig  wpnle  der  Hebel  (fg]  liergerichtet,  der  den  Baum 
in  der  Mitte  fasst.  Werden  gleichzeitig  (c)  und  (e)  nnge- 
zogen  und  (/)  niedergedrückt,  so  wird  sich  der  Baum  auf 
das  Ufer  (ml)  bewegen,  indem  er  sich  auf  dem  HcIkI 
(fg)  vnhf 

7m  Fig.  423.     L:    „(a)   und    (b)    wirken  wie  eine 
Bperrlciinke  (fattorino)  in  der  Weise,   dass  die  Säule  eich   nicht  rückwärts  bewegen 
kann." 

Ein  Gangspill  (Fig.  425),  BÖ3v,  in  der  Form,   wie  es  sich  in  vielen 
snäleren  Werken  abgebildet  ändot. 


Flg.  m. 


Fig.  4ä0, 


Fig.  4 


Ein  Haspel  mit  Schwungrad,  auf  dessen  Welle  sich  gleichzeitig  ein 
Seil  auf-  und  ein  anderes  abwickelt,  B  71  v. 

L:  „Dieses  Rad  ist  gut,  um  eine  Arbeit  rasch  auszuführen.  Es  sind  zwei 
Seile  daran,  und  wenn  das  eine  umkehrt,  steigt  das  andere." 

Hebvorrichtung  zum  Verbringen  einer  Glocke  in  einen  Thurm 
(Fig.  426  und  427),  B71v. 

L:  „Wein»  die  Glocke  in  ihrer  Höhe  angekommen  ist,  setze  die  Hülzer  au  die 
Stelle,  wo  die  Seile  aufgehangen  waren,  die  ue  mit  zwei  starken  Haken  herauf- 
gezogen haben.  Dann  drehe  die  Mutter  (m)  (Fig.  427),  und  die  Glocke,  feat- 
verbunden  mit  (n),  wird  dadurch  unter  den  Balken  durchgehen,  die  die  Schraube 
zwischen  sich  nehmen,  bis  an  ihren  Ort,  —  Wenn  der  Kasten  (der,  mit  Steinen 
gefüllt,  am  anderen  Ende  des  Zugseiles  hängt)  ein  nur  um  10  Pfund  grßsseres  Ge- 


33fi  Leonardo  d«  Vinci. 

wicht  hit,  als  die  Glocke,  wird  er  niedersinken  und  die  Glocke  aufzielien.  Aber 
halt«  das  Gewicht  von  10  Pfucd  vermittel.''t  einer  Schnur  auf  uDd  lasse  den  Kaeteo 
nur  nach  und  nach  herabsiukcn." 

Wir  fügen  hier  an: 

Aufhängung  von  Glocken  (Fig.  428,  429  und  430),  B70h. 


Z«  Fig.  429.  L:  „Mncho,  da?«  die  Zn^fei)  des  Glockenbalken  so  tief  liegen, 
diiws  sie  beinahe  in  die  Mille  der  Glocke  treffen  und  der  Theil  unter  der  Ase  nur 
10  Pfund  mehr  wiegt,  als  der  über  der  Axe,  und  ein  kleiner  Junge  wird  ae  läuten." 


Fig.  *ai.  Fi«.  »SS. 

Zu  Fi>;.  AM  (Skizze  eines  Biunnes  mit  einem  Haupla^te).  L:  „Der  Tbeil  (a  h) 
ist   gut   für  .len   OWkeiibiilkeii." 

Zwt'i  Drehkralinen  (Fi^'.  431  nnd  432,  It4l>v  und  li,  auf  Drehscheiben 
iilinlich  ilenon.  die  schon  \'itri"v  erwähnt  (vergl.  S.  44'. 

^obraubenwinde  zum  Auseinanderbiegen  oder  Zerbrechen 
eiserner  (Ütterstäbe  iFig.  433.  434  und  43r>',  BTlh  und  72  v.    Diebeiden 


Drehkrahnen,  Schraubenwinden  zum  Zerbrechen  von  Gittern.  331 

Gabeln,  die  über  die  beiden  Gitterstäbe  gesteckt  sind,  so  dass  sie  diese  mit 
dem  Grunde  ihrer  Zinken  berühren,  sind  an  ihren  Stielen  mit  Gewinde  ver- 
sehen, das  eine  rechts-,  das  andere  linksgängig  und  in  der  Nabe  eines  Hebels 
eingeschraubt.  Wird  der  Hebel  angezogen,  so  werden  die  Gitterstäbe  etwas 
auseinander  gebogen.  Der  Hebel  wird  dann  zurückbewegt  und,  nachdem  ein 
T-förmiger  Keil  zwischen  einen  Gitterstab  und  den  Grund  der  ihn  umfassenden 
Gabel  geschoben  ist,  abermals  angezogen.  Auf  diese  Weise  wird  fortgefahren 
und  werden  immer  mehr  Keile  eingeschoben,  bis  die  Gitterstäbe  genügend  weit 
auseinander  gebogen  oder  zerbrochen  sind.  Durch  die  Schraubenmutter  (F) 
können  nach  Belieben  verschieden  lange  gerade  Hebel  oder  ein  Hebel  mit 
Zahnbogen  an  die  Nabe  mit  rechts-  und  linksgängigem  Gewinde  gekuppelt  werden. 

L:  „Thue  erst,  was  Du  kannst,  mit  dem  einfachen  Hebel,  dann  setze  den 
Feuerkasten  (um  die  Gitterstäbe  glühend  zu  machen)  und  thue,  was  Du  kannst,  mit 
dem  einfachen  Hebel,  und  nöthigenfalls  wird  der  verzahnte  Hebel  gut  sein.  —  Der 
erste  Hebel  sei  l^/s,  der  zweite  2  Ellen  lang,  so  dass  60  Pfund  40000  Pfund  heben. 
—  Mache  sechs  Zähne  auf  Vs  Elle  des  Hebels,  der  ein  verzahntes  Kreuz  bildet. 
Und  wenn  Du  dem  Hebel  (A  B)  jedesmal  eine  Bewegung  von  einer  Elle  geben  wirst, 
wird  zuletzt  die  ganze  Drehung  erzielt,  wenn  der  Hebel  (AB)  1944  Drehungen 
(Schwingungen?)  gemacht  haben  wird.  —  (m)  dient  dazu,  den  Schraubenhebel  nach 
Bedarf  zu  verlängern.  —  {N)  wird  in  der  richtigen  Weise  eingeschoben:  T.  —  (F) 
dient  dazu,  das  gezahnte  Kreuz  wegzunehmen  und  einen  längeren  Hebel  einzu- 
schrauben." 

Zu  Fig.  433.  L:  „(A)  sei  so  beschaffen,  dass  man  es  wegnehmen  und  wieder 
ansetzen  kann." 

Fig.  435,  mit  noch  mehreren  anderen  Detailzeichnungen  auf  B  72  v  skizzirt, 
zeigt  das  Schaltwerk  zwischen  dem  Hebel  {A  B)  und  der  Schraube  ohne  Ende. 
Wir  haben  ein  gleiches  Schaltwerk  schon  in  unserer  ersten  Abhandlung  über 
Leonardo  besprochen  und  abgebildet  (Fig.  110,  S.  102). 

Ramelli  stellt  auf  den  Blättern  154  bis  167  seines  Werkes  verschiedene 
kompendiöse  Brechwerkzeuge  dar,  um  Riegel  und  Angeln  von  Festungsthoren 
und  Gitterstäbe  zu  zerstören.  Wir  sehen  aus  Vorstehendem,  dass  auch  diese 
Aufgabe  schon  in  der  LEONARDo'schen  Schule  behandelt  wurde. 

Heben  schwerer  Lasten  durch  Wasserauftrieb  (Fig.  436),  F49h. 

L:  „Um  jedes  noch  so  schwere  Ge- 
wicht aus  einem  Stücke  auf  ein  wider- 
standsfähiges Boot  zu  laden,  muss  man  das 
Gewicht  an  das  Meeresufer  ziehen,  mit  seiner 
Längsseite  nach  dem  Ufer  gerichtet  imd  in 
der  Richtung  desselben.  Alsdaim  mache 
man  einen  Kanal,  der  unter  dem  Gewichte  ^^s-  *3ö- 

durch-    und    so    viel    darüber    hinausgeht, 

als  die  Hälfte  der  Länge  des  Bootes  beträgt,  das  das  Gewicht  tragen  soll.  Und 
in  ähnlicher  Weise  mache  man  die  Breite  des  Kanales  der  Breite  des  Bootes  ent- 
sprechend. Dieses  wird  mit  Wasser  gefüllt  und  unter  das  Gewicht  gezogen.  Dann 
wird  das  Wasser  herausgeschöpft.  Das  Fahrzeug  wird  sich  dann  bis  zu  einer  solchen 
Höhe  heben,  dass  es  das  Gewicht  von  selbst  von  der  Erde  hebt,  und  Du  wirst  dann 
die  Last  in  das  Meer  ziehen  und  nach  dem  Oite  führen  können,  der  dafür  be- 
stimmt ist." 


Leonardo  da  Vind. 


Diese  Stelle  liefert  einen  Beweis  dafür,  iass  Leonardo  nicht  immer  eigene 
Gedanken  und  Eründungen  in  seine  Maanskripte  niederschrieb,  sondern  anch 
Dinge,  die  zu  seiner  Zeit  längst  bekannt  waren,  darin  notirte.  Denn  Plixics 
schreibt,  im  14.  Kapitel  des  36.  Buches  seiner  „Historia  nataralis' : 

„Zu  Akxandricu  EtcUte  Ptolemaeus  Philadelpbus  (geb.  309  r.  Chr.)  einen 
Obelisken  von  60  Ellen  auf.  Ihn  hatte  der  König  zu  Nethebis  glatt  ausbauen  lassen, 
und  man  hatte  grössere  Mühe  mit  dem  Transportiren  und  Aufalellen,  als  mit  dem 
Ausbauen  desselben.  Einige  berichten,  dass  er  von  dem  Architekten  Sat\'ri;b  auf 
einem  Fahrzeuge  fortgeschafft  worden  sei.  Kachdem  Kalisthenes  aus  Phönizien 
vom  Nil  aus  bis  zu  dem  daliegenden  Steine  einen  Kanal  gegraben  hatte,  seien  zwei 
breite  offene  Fahrzeuge  mit  fuaagrosäen  Quadern  von  demselben  Gesteine  derart  be- 
laden worden,  doss  sie  das  doppelte  Gewicht  (des  Obelisken)  hatten,  und  die  Fahr- 
zeuge unter  dem  auf  den  beiden  Ufern  aufliegenden  Obelisken  hindurch  gingen. 
Nachdem  dann  die  Qiuider  herausgenommen  worden  seien,  hätten  die  Fahraeuge  die 
Last  aufgehoben." 

Hier  reihen  wir  an: 

Einen  Apparat  zum  Messen  hydraulischen  oder  auch  pneu- 
matischen Druckes  (Fig.  437),  B53h. 


Fig.  <3T.  Fig.  438. 

Tj:  „Es  sei  ein  VentJl  an  der  Mündung  (A)  nach  aussen.  —  Das  Wasser,  das 
sich  zwischen  (m)  und  (m)  befindet,  sei  26  Pfund  und  das  Wasser,  welches  das  Gegen- 
geitieht  bildet  (sollt«  wohl  heisi^n:  das  Gegengewicht,  welches  das  Wasser  bildet), 
sei  1000  Pfund." 

Ein  hydraulischer  Wecker  (Fig.  438),  B20h. 

L:  „Dies  ist  eine  Uhr  für  Solche,  die  in  der  Verwendung  ihrer  Zeit  geizig 
sind,  und  wirkt  so:  Wenn  der  Wassert richter  so  viel  Wasser  in  das  GefSss  (e)  hat 
fliessen  lassen,  wie  in  der  gegenüberliegenden  Wagachale  ist,  giesst  diese,  indem  «e 
eich  hebt,  ihr  Wasser  in  das  erstgenannte  Gefäss,  das,  indem  es  sein  Gewicht  ver- 
doppelt, die  Füase  des  Schlafenden  mit  Gewalt  bebt  Dieser  erwacht  und  geht  seinen 
Geschäften  nach," 

Ist  dieser  Apparat  als  Wecker  auch  kaum  ernsthaft  zn  nehmen,  so  ist 
er  doch  um  deswillen  interessant,  weil  er  auf  demselben  Grundgedanken  beruht, 
wie  unsere  sogenannten  „ Krafteinschalter "  oder  „mechanischen  Relais'', 
d.  U.  Mechanismen,  bei  denen  durch  die  geringe  Kraft  eines  Regulators  oder 
Indikators  (hier  einer  Wasseruhr)  eine  leicht  bewegliche  Steuerung  in  eine  solche 
Stellung  gebracht  wird,  dass  eine  vorhandene  grössere  Kraft  in  Wirksamkeit 
tritt  und  die  eigentlich  beabsichtigte  Bewegung  erzeugt. 


Ilebea  durch  Wasserauftrieb,  hydraulischer  Wecker,  Höllenmaschine.  333 

Eine  Höllenmaschine.    Auf  G44h  und  48v  finden  sich  Skizzen  von 

einem  Heber,  dessen  kürzerer  Schenkel  in  einem  Schwimmer  befestigt  ist,  wie  ihn 

schon  Heron  angab,  um  einen  gleichmässigen  Abfluss  zu  erzielen  (vergl.  Fig.  4, 

S.  8),  und  aus   dessen  nur  sehr  wenig   längerem  Schenkel  die  Flüssigkeit  in 

ein  anderes  Gefäss  tropft. 

Zu  G  44  h.  L:  „Präparirtes  Quecksilber,  das  durch  äusserst  dünnes  Kupfer 
angezogen  wird,  welches  als  Heber  dient  und  dessen  Schenkel,  vermöge  deren  die 
Flüssigkeit  steigt  und  fällt,  von  kaum  fühlbarer  Dicke  sind,  wird  eine  Uhr  beim 
Gebrauche  von  Pulver  abgeben.  Es  ist  dies  das  langsamste  und  feinste  Herabfliessen, 
das  man  bewirken  kann,  so  dass  man  machen  kann,  dass  in  einer  Stunde  noch  kein 
Gran  Gewicht  von  dem  Quecksilber  aus  dem  emen  Gefässe  in  das  andere  gelangt. 
—  Die  Oberfläche  seines  Bades  ist  eine  sichtbare  (sensibile)  wegen  der  Undurch- 
sichtigkeit  des  Quecksilbers.  Die  Haut  dieses  Quecksilbers  sei  unmerklich  niedriger 
als  der  Stand  des  ausserhalb  nach  dem  Heber  hin  befindlichen  (?  la  pelle  del  quäl 
mercurio  sia  di  basezza  insensibile  colla  basezza,  ch'ö  di  fuori  verso  la  cicognola),  und 
so  wirst  Du  am  Ende  eines  Jahres  Feuer  geben  können,  das  durch  einen  Stoss 
entsteht,  und  zwar  ohne  irgend  ein  Greräusch  bis  zu  dem  Zeitpunkte  der  Entstehung 
des  Feuers.  —  Unten  am  Rande  des  vierten  Blattes  (das  ist  FoL  48)  ist  aufgezeichnet, 


Fig.  439.  Fig.  4W. 

wie  man  dieses  Gefäss  stellen  muss,  damit  es  mit  der  erwähnten  Gewalt  die  Wirkung 
thue,  die  es  schliesslich  verspricht.** 

Zu  G  48  V.  L:  „Vom  Quecksilberheber  zum  Feuergeben.  Je  mehr  das  Wasser 
(das  durch  einen  gewöhnlichen  Heber  abfliesst)  in  dem  Gefässe  abnimmt,  um  so  mehr 
sinkt  seine  Oberfläche,  und  je  mehr  die  Oberfläche  des  Wassers  sinkt,  um  so  weniger 
schnell  giesst  der  Heber  aus.  Aber  wenn  der  Heber  gleichzeitig  mit  der  Oberfläche 
des  Wassers  niedergeht,  die  ihn  trägt,  wird  ohne  Zweifel  die  Bewegung  des  Wassers, 
das  durch  den  Heber  abfliesst,  sich  immer  gleich  bleiben.  Um  diese  Gleichmässig- 
keit  zu  erreichen,  setzen  wir  daher  das  Gefäss  (n)  auf  das  Quecksilberbad  (m).  Dieses 
Gefäss  (n)  ist  (gleichsam)  ein  den  Heber  tragendes  Boot,  durch  dessen  Boden  er  aus 
der  Luft  in  das  Quecksilber  dringt  Dieses  Quecksilber  fliesst  durch  den  Heber 
(nst)  in  das  Gefäss  (/),  und  so  viel  die  Oberfläche  des  Quecksilbers  sinkt,  um  so 
viel  sinkt  auch  das  Boot  herab,  das  mit  dem  Heber  darauf  sitzt.  Dieser  besteht  aus 
einem  ganz  feinen,  im  Feuer  vergoldeten  Kupferdrahte,  und  das  Quecksilber  fällt  in 
ein  Gefäss,  das,  wenn  es  das  nöthige  Gewicht  erlangt  hat,  herabfällt  und  durch 
einen  Schlag  Feuer  giebt." 

Eine   sich  selbst  regulirende  Lampe  (Fig.  439  und  440),  G41v. 

Zu  Fig.  439.  L:  „Lampe,  bei  der  der  Docht  sich  um  ebensoviel  hebt,  als 
das  Oel  sinkt  Dieses  geschieht  dadurch,  dass  das  Kad,  welches  die  2^ichnung  dar- 
stellt>  auf  dem  Oele  schwimmt  Um  so  viel  als  das  Oel  abnimmt,  sinkt  das  Rad, 
und  indem  es  niedersinkt,  dreht  es  sich  von  selbst,  wegen  des  Fadens,  der  um  seine 
Axe  gesclilungen  ist  (und  dessen  eines  Ende  über  der  Axe  befestigt  ist),  und  die 
Zähne  des  Rades  schieben  die  verzahnte  Röhre  vor,  die  den  Docht  enthält" 

Zu  Fig.  440.  L:  „Auch  wird  man  dasselbe  erreichen,  wenn  die  Axe  (a)  des 
Rades  nicht  niedergeht,   sondern  nur  der  Schwimmer  (6),  der  auf  dem  Oele  obenauf 


S3A  Leonardo  da  Viod. 

iet  Dieser  Schwimmer  geht  mit  der  Oberfläche  dee  Ödes  nieder  und  bringt  das 
Rad  io  Drehung,  das  vermc^  seiner  Veizabnung  die  genannte  geuhnte  Röhre  Ifuigsam 
in  die  Hötie  treibt." 

Dieses  Problem  ist  das  zweiunddreissigste,  das  Hcroü  in  seioem  Werke 
„Pneumatica"  behandelt.  Auch  zu  einigen  anderen  Problemen  Heron's  entwirft 
Leonardo  im  Manuskripte  G  bessere  Skizzen,  als  sie  CoHHANDiinis  (1575)  seiner 
Uebersetzuug  des  {genannten  Werkes  beigegeben  bat. 

Durch  einen  Heber  Wasser  auf  einen  Berg  zn  bringen  [Fig.  441), 
B26v. 

L:  „Wenn  Du  das  Wasser  um  eine  Meile  (miglio)  heben  willst,  damit  es 
oben  auf  dem  Berge  bleibe,  mache  ee,  wie  hier  abgebildet.  Wenn  Du  den  Waseer- 
Btrahl  so  diele  haben  willst,  wie  Dein  Bein,   mache  die  Iieitung  »o  dick,  wie  Deinen 


Flg.  «I. 


y«.  MC 


Oberschenkel,  und  wenn  es  eine  Äleile  in  die  Höhe  steigen  soll,  lasse  es  zwei  M^en 
herabfallen.  Die  Gcwnll  dee  Waasers,  das  i^ich  in  (&c)  befindet,  wird  so  gross  aeao, 
dasB  es  das  Waä^r,  welches  sich  in  (de)  befindel,  heben  und  das  Rad  der  Pumpen 
(oder  Spritaen,  scizaroli,  wohl  verwandt  mit  dem  heutigen  schixiare,  spritzen)  um- 
drehen wird.  Und  wisse,  dass  durch  die  Pumpen  keine  Luft  in  den  Kanal  (?  bottino) 
dringen  kann,  denn  jedesmal,  wenn  der  Kolben  (l'anima,  die  Seele,  das  Innere,  der 
Kern)  der  Pump«  zuriickkchrt,  sehliesät  sich  das  Ventil,  welches  im  Boden  des 
Kttnales  ht,  und  selbst,  wenn  es  nicht  gut  aung^putzt  wäre,  würde  es  doch  noch  keine 
Luft  zulassen,  weil  es  sich  zwei  Ellen  unter  Wasser  befindet,  so  dass  es  keine  Luft 
zulassen  kann,  wenn  es  nicht  zuvor  zwei  Ellen  Wai^ser  zugelassen  hat  Wenn  Du 
von  Anfang  an  die  Leitung  füllen  willst,  sammle  von  Felsen  einen  kleinen  See 
Wasser  (vemiuthlich  Regenwasser)  und  verstopfe  die  Röhren  am  Fusse  mit  Erde 
(Thon?),  d,  h.  bei  (c)  und  (c).  Dann  lasse  den  See  in  die  I^eitung  ausQiessen.  Wenn 
das  Rad  eine  halbe  Elle  im  Wasser  steht,  verechliesse  den  Kasten  gut  und  öffne 
die  Leitung  bei  (e)  und  (e)  gleichzeitig.    Das  Rad  mache  vier  Ellen  gross." 


WaaaerßnleniDg  darob  Heber,  Pumpen  mit  Balud«».  335 

Heatigen  Tages  ist  aUgemein  bekannt,  dass  vom  Heben  des  Wassers  auf 
«inen  Berg  vermittelst  eines  Hebers  nicht  die  Rede  sein  kann.  Wer  sich  aber 
anf  den  wissenschaftliclien  Standpunkt  der  Zeiten  vor  Toricelu  zurückzuver- 
setzen vermag,  wird  zugeben,  dass  vorliegende  Konstruktion  aus  den  damals 
gültigen  physikalischen  Lehrsätzen  logisch  richtig  entwickelt  und  geistreich  aus- 
gedacht ist. 

Pumpen. 

Eine  doppeltwirkende  Druckpumpe  mit  zwei  Stiefeln  (Fig.  442], 
B20v. 

L:  „Dies  thut  genau  die  Dienste  einer  Spritze  (wie  sie  Heron  beschreibt 
ßcigatojc^  vennuthhch  gleichbedeutend  mit  dem  vorhin  erwähnten  scizaiolo  und  dem 
heutigen  schizzatoja]." 

Die  Umwandlung  der  schwingenden  Bewegung  des  Schwengels,  der  als 


«in  schweres  Pendel  angeordnet  ist,  erfolgt  durch  Zahnbogen  und  Zahnstangen. 
Dieser  Mechanismus  findet  sich  auch  angewendet  bei : 

Einer  einfachwirkenden  Druckpumpe  (Fig.  443),  B53h. 

L:  „Dasselbe  kann  man  mit  Seilen  machen,  wie  mit  dem  gezahnten  Rade." 

Diese  Bemerkung  deutet  auf  die  Konstruktionen  Fig.  444  und  44Ö,  B  64  v, 
hin.  Die  Anordnung  Fig.  445  hat  sich  bekanntlich  bei  den  Dampfmaschinen 
bis  zur  Erfindung  des  WAir'schen  Parallelogrammes  erhalten. 

Bei  Fig.  444  ist  an  Stelle  der  beiden  Bogen  oder  Krümmlinge  eine  volle 
Kreisscheibe  gesetzt.  Das  Gewicht  des  schweren  Pendels  ist  durch  ein  wie 
«in  Boot  geformtes,  mit  Steinen  gefülltes  Gefäss  hergestellt.  Eine  andere 
Anordnung  einer  Pumpe  mit  Balancier  zeigt  Fig.  446,  B53h.  Die  Be- 
wegung des  letzteren  wird  durch  ein  Wasserrad  vermittelst  Kurbel  und  Pleuel- 
stange hervorgebracht. 

Pumpe  mit  zwei  feststehenden  Kolben  und  beweglichen 
Stiefeln  (Fig.  447),  B20v. 

L:  „Bei  diesem  Instrumente  bewegt  sich  die  Hohlform  (la  femina).'* 


336  Leonardo  da  VincL 

Das  Heben  der  Stiefel  geschieht  durch  einen  doppelten  Balancier  ver- 
mittelst vier  Ketten.  Dnrch  ihr  eigenes  Geiricht  sinken  sie  wieder  herab. 
Aas  dieser  Skizze  und  der  dabei  stehenden  Bemerkung  Leosardo's  ist  ersichtlich, 
dass  ihm,  vie  seinen  Schalem,  die  Umkehrong  der  Mechanismen  nnd  der  Be- 
griGF  „Hohlforni^'  geläaäg  waren. 

Pumpe  mit  gebogenem  Cf  linder  (Fig.  44S),  B20t.  Diese  sonderbare 
Pampenkonstruktion  haben  wir  in  unserer  Abhandlung  über  Raheixi  (S.  223), 
bereits  beschrieben.  Sie  spricht  wohl  am  deutlichsten  für  den  Zusammenhang 
Rahelu's  mit  der  LEO\.iROo'schen  Schule. 

Aoffallend  bei  den  meisten  LEOSARDO'scheo  PumpenkonstruktioneD  sind 
auch  die  schweren  Pendel,  die  als  Schwengel  dienen.  In  onserer  Abhandlung 
über  Bessos  (S,  Ulli,  sagten  wir.  dass  er  solche  schwere  Pendel  über  die 
Maasson  litbte,  and  di«s  scheint  darauf  hinzudeuten,  dass  anch  er  ein  Schüler 


Leonardo's  war,  sowie  wir  in  dem  Umstände,  das*  ihn  Besoald  ab  jjngemear 
und  Mathematiker  des  Koni^  Ton  Frankreich."  bezeichnet,  schliessen  xa  ddr£en 
glaubten,  das«  er  ein  Nachfolger  Leoxarco's  in  diesem  Ante  war. 

Fine  Schiffspnmpe  ^Fig.  449'.  LSäh.  Leosahoo  bezeichnet  sie  als 
,.(,iaUt>renpumpe" ,  trouiba  da  galea.  Der  Xiae  ..tronib*'^  für  den  Begriff 
„l'umpe"  entspricht  dem  lateiniscien  ^t.:ba"  des  Hie»osi«C3  C&rdaxcs 
IvergL  S.  16;l'. 

Künstliche  Wir  bei.  eine  Art  Ton  Cen:r::c|ilpttmpen(Fig-45(^ 
4öl.  4öi,  -i:';!.  4M.  4ÖÖ,  45p,  457.  45S.  FX3<.  15t  u=d  I6t, 

Auf  F15t  steht  g;eicr.w=i  aU  Utfc^rsc'-rlf: :  „Hilfsxiltel.  sn  Sümpf« 
i-.;s.:r.ri.vk::-j=.  die  an  das  Meer  grtr-:-'2."" 

Z-J.  Fi    4Ä\     L;    _1V  Ha:ri   ia    -;t=.:c:   halb    e-s  W*ää«  gsrilLw  GeSa» 

Au:  F  15  V.  AS  Sisiea  ju  F;^  451  posiecd: 


Bewegliche,  sowie  gebogene  FampeDStiefel,  Schiffapampe,  kOustlicher  Wirbel.        SSI 

L:  „Ea  ist  möglich,  in  an  und  demselben  Genässer  (pelago)  die  WaBserfläche-, 
die  der  Boden  eines  Wirbeb  bildet,  niedriger  zu  machen,  ala  diejenige  Oberfläche  die 
TOD  der  Strömung  einen  anderen  (eiumOndenden)  Wassers  getroffen  vird." 

Fig.  451  zeigt  einen  Damm  am  Meeresufer.  Rechts  davon  let  das  Meer, 
links  der  Sumpf.  In  dem  Meere  ist  ein  knnstlicher  Wirbel  erzeugt.  Eine 
Heberröhre  führt  von  dem  Sumpfe  über  den  Damm  nach  dem  tiefer  liegenden 
Boden  des  Wirbels.  Das  Snmpfwasser  kann  durch  den  Heber  in  den  Wirbel 
und  damit  in  das  Meer  abfliessen. 

Zu  Fig.  456  (die  Ellipse  über  der  Maschine  stellt  ein  Schwungrad,  rota 
d'aumento,  vor). 

L:  „Gefäss,  überall  verschlossen  mit  Ausnahme  eines  Loches  im  Boden,  wo 
das  Wasser  nur  durch  den  Heber  eintritt,  der  von  dem  Sumpfe  da  hinein  geleitet  ist" 

Letzteres  ist  aus  Fig.  458  ersichtlich. 


„Zu  Fig.  462.  L:  „Gegeben  e^:  Ein  Wirbel  im  Meere,  dessen  Bodenfläche 
doppelt  so  tief  liege,  als  der  Boden  des  niedrigsten  Temüns,  das  der  Sumpf  annimmt, 
der  in  gleichem  Niveau  an  das  Meer  grenzt  —  (aomn)  sei  der  Sumpf,  dessen 
Oberfläche  mit  der  des  angrenzenden  Meeres  (h)  gleich  steht  Ich  werde  den  künst- 
lichen Wirbel  (efdg)  herstellen,  der  doppelt  so  tief  ist  als  (ao),  und  werde  den 
Heber  {abcd)  einführen.  Dieser  muss  durch  das  Getriebe  ohne  Wt^lle  gehen  und 
über  den  Damm  des  Sumpfes.  Er  mündet  über  dem  Grunde  des  Wirbels  und  führt 
das  Wasser  hinein. 

Zu  Fig.  453.  L:  „Aach  der  Heber  (nmopr)  ist  gut^  wenn  das  Getriebe  «ne 
Welle  hat,  wie  hier  gezeichnet  Aber  besser  ist  der  andere^  weil  der  Stose  dee  Wassers 
auf  den  Grund  (des  Wirbels]  trifft  und  seine  Bewegung  noch  mitwirkt" 

Zu  Fig.  45?  (Vertikalschoitt  und  Grundriss).  L:  „(am»)  (od  Grundrisse)  ist 
das  Gefiiss  des  künstlichen  Wirbels,  das  l'/i  Elle  im  Durchmesser  und  'jj  Elle  am 
Boden  hat  und  in  das  die  Mündung  des  Hebers  eintritt  Das  Brett,  das  sich  auf 
dem  Zapfen  drehl,  hat  eine  grössere  Geschwtndigkät  (am  Umfange?)  als  das  Wasser 
heim  Eintritte  in  das  Gefäss,  oder  auch  die  gleiche  Geschwindigkeit,  damit  die  Be- 
wegung  des  Wassers  es  begleite  und  süner  Bewegung  behülflich  sei.     Wenn  Du  aber 


^ 


Lmoat^  dM  T\ 


izfi:  ÄJA  iAD^>5Lrr  irAoi  mUst,  aL*  «Im  <  Ler  Bew^simz  «i«9  Waaers  entsprechende) 
Bi»:^'>:fr:^e  'i^  Br^oes  «ri;  isi;  wir^c  Da  mehr  ermu^i«,  «i-  h.  dad  Brett  wird  seinen 
V'V>:r  sirhr  «nr.lien.  U:xi  9j  vicL  wie  «ikäer  äccn«»ILer  kt  als  dft»  Brets»  am  so  viel 
2r.i*tr  wiri  *r  enriä«iet.  W^rm  abirr  -iiir  Ges<:awia.iijzkrtt  des  Brettes  und  des  Wassers 
zirich  •in«i,  «o  wiri  er  w^niz  c*ier  fi?«  keine  Enna'JTing  sparen.  —  Der  Heber  soll 
vÄn  Wn^K-er  hinter  dem  bew>r^a  Bcv-ne  fÄ  her  stoi«:?en,  and  dieses  Aasstossen  muss 
nrxrh  nach  aufwärts  in  der  Riehmaz  6ar  Schräge  des  Gefissea  (d.  h.  der  schrägen 
Seiten  wandt  gdschehen.  Zwischen  «iezi  Gexasise  and  dem  Brette  sei  ein  Finger  breit 
ZvL-i#^enraiim  and  nicht  mehr,  damic  nicht  das  za  grosse  Gewidit  des  Wassers  die 
Bewrgang  des  Brenes  hindere,  dessen  Schneide  schief  stehen  mnsBy  wie  es  die  Figur 

Zu  Fig.  455.  L:  Jahct  sei  das  Meeresofer,  (im»  d»  Ansmündong  des 
Sumpfes,  (fg)  der  Floss,  der  den  Sumpf  erzeugt.  roAiii  ein  Kanal  in  der  Höhe  des 
nui«es  (f\.  h.  eines  höher  gelegenen  Punktes  desselben,  mit  möglichst  wenig  Gefälle) 
naeh  der  Mühle  geföhn  (die  den  Wirbel  erzeugt  v   {cdej  der  goade  (dL  h.  möglichst 


Fig.  4:;«. 


Fi«.  458. 


horizontale)  Kanal  vom  Meere  nach  dem  Gefalle  (das  ist  der  Untergraben),  {r()  die 
f^nmündungssielle  des  Hebers,  (/)  der  Wirbel.  —  Man  verschliesse  die  Mündung  (m6). 
Bei  der  Arbeit  werde  das  Geheimniss  des  Hebers  und  des  Wirbels  verdeckt  und 
übermauert,  und  dieser  werde  von  dem  Meere  getrennt  angelegt"  —  Femer  auf 
F  16  v:  „Mache  eine  Schütze  in  den  geraden  Kanal  (den  UntergrabenX  der  von  dem 
Meere  kommt,  um  ihn  bei  Stürmen  und  während  der  Fluth  verschliessen  und  während 
der  Ebl>e  öffnen  zu  können." 

Fig.  454  zeigt  den  „künstlichen  Wirbel*'  für  Pferdebetrieb  auf  ein  Boot 
montirt. 

Ein  Ziehbrunnen  mit  umgekehrtem  Flaschenzage  zum  raschen 
Aufziehen  leichter  Eimer  (Fig.  459),  L18v. 

L:  „Art,  wie  man  mit  12  Ellen  Seil  in  eine  Brunnen  tiefe  von  24  Ellen  ge- 
langen kann.  Aber  man  zieht  um  die  Hälfte  weniger  Wasser,  was  nicht  geschehen 
würde  mit  24  Ellen  Seil  aus  einem  Stücke." 

Aehnlichc  Ziehbrunnen,  auch  mit  mehrfachen  umgekehrten  Flaschenzügen, 
finden  sich  bei  Ramelu  (vergl.  S.  228). 

Eine  Archimedische  Wasserschnecke,  wie  sie  VrrRUV  beschreibt, 
mit  Winkelrädervorgelege  and  Schwangrad  für  Handbetrieb  (Fig.  460),  B  52  h. 


Ziehbrnnneu,  VVoBserschneckeii,  Paternoeterwerk,  Becherwerk.  339 

Eine  Wasserechnecke,  aus  einer  aufgewickelten  Rühre  be< 
stehend  (Fig.  461),  E13t  und  131i  und  14  t. 

Cardands  beschreibt  diese  Art  von  Wasserechnecken ,  und  nach  seiner 
Erzählung  (vergl.  S.  178}  hielten  wir  Galsazzo  de  Bubeis  für  deren  Erfinder, 
allein  wir  sehen  nun,  dass  Leonahdo  sie  schon  ein  halbes  Jahrhundert  früher 
kannte. 


Ein  Paternosterwerk  mit  Tretrad  {Fig.  462  und  463),  B64h. 

L:  ,J>as  Seil  für  obiges  Ingtrumeut  mu«3  von  Drabt  aus  geglübtun  Eisen 
oder  Kupfer  sein,  anderenfalls  ist  ea  von  geringer  Dauer,  und  die  genannten  Drähte 
müssen  so  dick  sein,  wie  Bogenschnur.  Die  Kt^eln  müsaen  aus  Schwamm  oder 
Werg  gemacht  sein,  aussen  mit  ausg^lühtem  Eisendrabte  gebunden.  Ein  Mann  mit 
seinem  Gewichte  in  dem  Rade  sei  die  Betnebskraft."  Bei  dem  im  Wasser  liegenden 
Armkreuze  steht:  „Vtm  Strandche  oder  wildem  Wön,  die  dem  Wasser  widerstehen." 

22» 


310 


Laouardo  da  Vinci 


Die  Erwähnung  eines  Drahtseiles  in  dieser  Stelle  ist  beachtenswerth, 
da  man  solche  wohl  allgemein  für  eine  Erfiadnng  neuerer  Zeit  zu  halten  pflegt 

Becher  nnd  Kette  zu  einem  Becherwerke  (Fig.  464),  I16t.  Die 
Konstruktion  ist  ähnlich  der,  welche  BDOH&nrro  Lorini  angiebt  (vergl.  Fig.  284, 
S.  245),  indem  auch  hier  die  Becher  nicht  direkt  an  der  Kette,  sondern  auf 
Brettchen  so  befestigt  sind,  dass  sie  behufs  raschen  Auswechselna  leicht  ab- 
genommen werden  können. 

Gebläse.  , 

Eine  Uebergangsform  vom  Balg- zum  Cylinderge blase  (Fig.  465), 
E  33  h  und  34  t.  Es  ist  ein  Cjlindergebläse,  dessen  Kolben  durch  zusammen- 
gepresste  Lederplatten  gedichtet  ist.  Zar  grösseren  Sicherheit  aber  ist  eine 
lederne  Röhre  eingeschaltet,  die  sich,  wie  der  Finger  eines  Uandscbolies ,  mn- 
btUlpen  lässt,  und  deren  eines  Ende  an  dem  Kolben,  das  andere  an  der  oberen 
Cylinderwand  befestigt  ist.    Die  Ventile  sind  Kegelventile  eigentümlicher  Art 


L:  „Zwischen  (m)  und  (n)  (in  der  Detailzeichnung)  wird  das  Leder  (tela,  eigent- 
lich Tuch)  (a)  immer  doppelt  sein,  und  zwischen  (c)  und  (6)  ad  es  onfoch.  Habe 
Acht  dass  es  nicht  aneinander  reibt,  wo  es  doppelt  ist,  aber  doch  eo  nahe  wie  mög- 
lich beisammen  liegt" 

Neben  der  Detailzeichnung  auf  E  34  v  findet  sich  das  obenerwähnte  mehi^ 
fache  Klappenventil  (Fig.  414)  abgebüdet. 

Ein  cjlindrischer  Kastenbalg  (Fig.  466),  E75v. 

L:  „Diese  Maschine  rnuas  gerade  niedergehen  ohne  irgend  welche  Reibung  so 
düHH  das  Leder  nicht  abgenutzt  wird  (deshalb  ist  oben  auf  dem  Balge  eine  runde 
Scheibe  von  grösserem  Durchmesser  befestigt,  die  in  einem  den  Balg  umschliesaeDden 
Hoblcylinder  geführt  wird).  Die  Ringe,  die  dieses  Leder  umgürten  und  verstärken, 
mfissen  darum  gelegt  sein,  damit  sie  eine  übermässige  Ausdehnung  des  Leders 
verhüten." 

Ein  Spitzbalg  mit  Wasserdichtung  (Fig.  467),  B40h. 

L:  „Zu  Brescia*)  auf  der  Eii^enhütte  sind  Bälge  aus  einem  Stücke^  d.  h.  ohne 
Leder.  Wenn  man  sie  in  die  Höhe  hebt,  diingt  die  Luft  durch  das  Fensterchea 
(Ventil)  {«)  ein,  und  wenn  man  sie  niederlasst,  entwicht  die  Luft  durch  die  Düse.** 


') 


brescia.     Ravaisson   glaubt   brecda  (Bresche)    lesen    in   sollen.     Wir    airsifaln 
Stadt   Brescia  gemeiot  ist,    zumal   der   beste   Stahl  Italiens    noch  hent* 


,Bres«iaDer  Stahl*  heisst. 


BftlggeblBse,  Haner  Wettereatz,  TonneDgeblftse. 


Sil 


In  Weisbach's  „logenieur-  und  Mascbinenmecbanik"  Bd.  HI,  S.  999  wird 
diese  Art  vod  Gebläsen  als  eine  Modifikation  des  sogenannten  „Harzer  Wetter- 
satzes" oder  des  BAADBR'schen  Gebläses  beschrieben. 

Ein  Paar  abwechselnd  wirkender  Gebläse  derselben  Art 
(Fig.  468\  E34v. 


Ein  sogenannter  „Harzer  Wettersatz"    oder  BAADEn'suhes   Ge- 
bläse (P'ig.  469),  E34t. 

L:  „Haltbare  Blasbälge.    Gesalzenes  Wasser,  damit  me  nicht  verderben." 
Die  beiden  Bälge  sind  mit  Schnüren  an  die  Enden  eines  Bal&nciers  ge> 
hängt,  am  in  der  bereits  bekannten  Weise  durch  einen  Mann,  der  abwechselnd 


Fig.  471. 


von  einem  anf  den  anderen  springt,  bewegt  zu  werden,  wobei  ihm  der  Balancier 
als  Anhalt  dient. 

EinRückschlagYentil  für  ein  Paar  Blasbälge  (Fig.  470),  L34t. 

L:  „Wenn  der  Balg  (8)  bläst,  öffnet  sich  die  Klappe  (oj>)  und  er  bläst  durch 
(«).  Dadurch  schliesst  die  Klappe  {mc)  das  Loch  (h),  damit  das  Feuer  nicht  m  den 
Balg  trete." 

RotirendesTonnengebläsemit  zwei  Kammern  (Fig.  471),  B81  t. 

L:  »Gebläse  ohne  Leder  und  nur  von  Holz.  IHeaes  Gebläse  ist  wie  em 
Znckerhut  gestaltet  und  mit  einer  Scheidewand  versehen,  die  es  der  Länge  nach  in 


312 


LctfBudo  da  Viai 


swei  TlMile  Ih^ilt.  Der  öne,  Biinlich  der  oboie,  irt  toH  Waawr,  der  mrtae  toS 
Luft  Dm  nV-r^r  fällt  durcfa  tJa  Loch  nahe  Aer  Du»  in  den  Ijtiftbehälier  henbk 
und  durch  du  Hti^fKn  d«a  Wuäen  wird  die  Lafi  dnn^  die  Hündang  des  Balge« 
getriebeD.  Wa.^  <>Pit:n  an  Wa^^er  abgehl,  fOUt  »cfa  dorch  an  VentO,  das  wm 
andere  beschaffen  i^t,  mit  Lnft  IMes  Ut  das  nfiulichste  Gebliae,  das  man  g^ 
braticbfin  kann." 

Rotirendes  Tonnengebläse  mit  Tier  Kammero  (Fig.  472,  473. 
474,  475,  476,  477».  B^2v. 

L:  „Dies  eind  Oebläae  ohne  Leder  von  bemindenifveither  Nützlidikflt  mtd 
groRifer  EtauerhaftigLeit.  Ihre  Wirkung^wei^  i^t  folgende:  Das  Geblä^  ^terht  inuDV 
von  der  Mitte  nach  unten  toU  Walser,  d.  h.  HI)  und  (A*).  Beim  kootinnirlicbai 
Drehen  des  GebÜM«  steigt  fy)  in  die  Höhe  und  erreicht  das  Luftloch  {ST),  das  in 
'li:m  zwdten,  äu>-wren  >[antel  angebracht  i^t,  wie  man  es  in  der  unteren  A.bEMldnng 
der  Jlaschine  (Fig.  477(  eiehl.  Da^  Loch  (oi  in  der  Kammer  (A")  begegnet  dem 
^blitze  tS  T),  und  m  viel  Wasser,  wie  von  (Jf )  nach  (X)  flieeet,  ao  viel  Lult  tritt 


Fifrtn. 


durch  daa  Loch  (o)  in  die  Kammer  (X).  Und  ebensoviel  Luft  tritt  au9  der  Kamm« 
(M)  aus,  als  ihr  Wasser  von  (N)  abgegeben  vird.  Die  Luft  aber,  die  durch  das 
Wa!<Kr  aus  (3f)  vertrieben  nirJ,  ist  diejenige,  nelcfae  macht,  dass  das  Gebläse  bläst 
—  Das  genannte  Gebläse  muss  von  Eichenholz  sein,  damit  es.  im  Verianfe  der  Zdt 
dem  Wasser  widersteht,  und  innen  muss  es  einen  Ueberzug  von  Terpentin  und  Pech 
haben,  damit,  wenn  es  nicht  arbeitet,  der  obere  Theil,  der  ohne  Wasser  ist,  sieb 
nicht  öffnet  (verlechzt).  —  Dieses  Gebläse  wird  durch  das  Gewicht  »nes  Mannes 
t>eweg^  der  auf  den  daran  befindlichen  Treppenstufen  fortschreitet.  Auch  würde  ea 
von  grossem  Nutzen  sein,  ea  durch  die  Kraft  eines  Wassergefälles  umzudrehen.  Der 
Boden  des  (äusseren)  Mantels  steht  unterhalb  des  Schlitzes  (ST)  fest  auf  und  ruht 
Da»  Gebläse  dreht  sich  darin,  wie  eine  Schachtel  in  ihrem  Deckel.  —  Ntoim  Salz- 
wasser, damit  es  in  dem  Gebläse  nicht  verdirbt." 

Eine  Baggermaschine  (Fig.  478),  E  75  h. 

L:  „MiiäcLine  zum  Ausgraben  des  Gruniles.  Die  Berechnung  der  Leietungs- 
fShigkcit  wird  liier  nicht  beabsichtigt,  aber  Du  musst  wissen,  dass  dasjenige  nützlich 
ist,  was  mit  Abkürzung  der  Zeit  geschieht  Und  diese  Abkürzung  «rfolgt  daraus, 
dass  die  Mnscliine,  die  den  Grund  von  unten  heraufhebt,  während  dieser  Thätigkeit 
des  Hebens  sich  niemala  rückwärts  bewegt  Der  Gegner  engt  in  diesem  Falle,  dass 
man  so  viel  zu  drehen  und  ohne  Nutzen  im  Kreise  henuDzuführen   habe,  wie  bei 


BaggeimaachiDe,  KuDstramme,  Erdbohrer,  Rahren-BohrmaBchiiie. 


343 


einem  Zurückgehen,  das  dieselbe  Zeit  erfordert,  wie  dag  Vorgehen.  Aber  wenn  anch 
die  Zeiträume,  die  zwischen  die  nützlich  venvendeten  fallen,  bei  dieser  und  allen 
anderen  Erfindungen  gleich  sind,  so  hat  man  hier  eine  Art  und  Weise  zu  suchen, 
wie  die  Zeit  möglichst  ausgiebig  zu  nützlicher  Arbeit  verwendet  wird,  und  die  uns 
eine  Maschine  finden  lääst,  welche  mehr  Grund  aufnimmt,  wie  sie  nachstehend  auf 
dieser  Seite  dargestellt  ist,  —  Durch  das  Drehen  der  Kurbel  (n)  wird  ein  Getriebe 
bewegt  Dieses  dreht  das  Zahnrad  (f),  das  mit  dem  Kreuze  für  die  Kaäton  fest 
verbunden  ist,  die  das  Erdreich  des  Sumpfes  aufnehmen,  welches  man  auf  die  Boote 
bringen  will.  Die  beiden  Seile  (mf)  und  (mb)  winden  sich  auf  die  Welle  (f),  um 
die  Maschine  mit  den  beiden  Barken  gegen  (ni)  hin  zu  bewegen.  Die  Seile  sind  für 
diesen  Zweck  von  grossem  Nutzen.  Die  Welle  ist  mit  einer  Vorrichtung  versehen, 
dass  man  sie  so  weit  herablassen  kann,  wie  das  Rad  herabgelassen  werden  musa,  um 
das  Wasser  zu  vertiefen." 

Eine  Kunstramme  (Fig.  479),  B70v. 

L:  „Um  Pfahle  mit  dem  Rammgerüste  einzuschlagen.  Aber  mache,  dass  {ah) 
das  gleiche  Gewicht  hat,  wie  {6c)" 


Erdbohrer  (Fig.  480  und  481),  B65t. 

Zu  Fig.  481.  L:  „Wenn  Du  mit  Leichtigkeit  ein  Loch  in  die  Erde  bohren 
willst,  bediene  Dich  des  oben  abgebildeten  Instrumentes.  Um  das  Loch  zu  machen, 
drehe  mit  der  Hand  vermittelst  des  Hebels  [mn)  die  Scbmube,  so  wird  sie  eindringen, 
'  '  n  sie  sich  selbst  das  Muttergewinde  in  der  Erde  macht.  Wenn  sie  eingedrungen 
ist  nach  Deinem  Gutdünken,  halte  den  Hebel  (mn)  fest  und  drehe  den  Hebel  (fg) 
entgegengesetzter  Richtung  nach  links,  so  wird  die  Schraube  zurückkehren,'  indem 
sie  sich  herauszieht,  ohne  sich  zu  drehen,  und  wird  das  Erdreich  mitführen,  das 
darauf  lag." 

Zu  Fig.  480.  L:  „Auch  dieses  Instrument  ist  gut  zu  obengenanntem  Zwecke, 
indem  die  Schraube  am  unteren  Ende  die  Bahn  macht,  während  der  darüber  befmd- 
liche  Thcil  das  Erdreich  abschneidet,  wodurch  das  Loch  entsteht.  Der  Hebel  (cd) 
lüftet  das  Instrument  im  Anfange,  und  dann  zieht  man  es  mit  Leichtigkeit  heraus. 
Es  dient  dies  zum  Pflanzen  von  Weinstöcken  und  Obstbäumen." 

Wir  erinnern  hier  an  den  Erdbohrer  zur  Herstellung  artesischer  Brunnen, 
den  wir  in  unserer  ersten  Abhandlang  über  Leonardo  erwähnten  (vergl.  Fig.  115, 
S.  103). 


3!4 


Leonardo  da  VincL 


Eine  Bohrmaschine  für  hölzerne  Brnnnenrohre(Fig.  482),  B47L 

L:  „Um  einen  Stamm  zu  durchbohreD,  muss  man  ihn  senkrecht  steUen,  damit 
das  Loch  sich  von  selbst  entleere.  Und  man  macht  jenes  Zeltdach,  damit  die  Spane 
dem,  der  die  Schraube  dreht,  nicht  auf  den  Kopf  fallen.  Die,  welche  den  Bohrer 
drehen,  steigen  mit  der  genannten  Schraube  in  die  Höhe.  Das  Loch  macht  man 
zuerst  mit  einem  dünnen  Bohrer  und  dann  mit  einem  dickeren.*' 

Zur  Detailskizze.  L:  „Eisen  des  Bohrers.  Man  versieht  es  mit  Kerben  (wie 
einen  Fräser),  damit  er  sich  von  selbst  entleerf 

Ein  Rundfräser  (Fig.  483),  G45v. 

L:  „Drehscheibe  (d.  h.  Scheibe  zum  Drehen),  bei  der  eine  Stange  durch  ein 
Loch  geht  und  alle  Theile,  oder  alle  Dicken,  die  die  Gleichförmigkeit  des  Ganzen 
überragen,  durch  eine  quergehauene  Raspel*)  weggenommen  werden  und  die  Späne 
durch  die  beiden  Löcher  (a)  und  (6)  fallen." 

Eine  Säge  mit  Stockzähnen  (Fig.  484),  B66h. 

L:  „Doppelte  Säge,  die  sowohl  beim  Ziehen  als  beim  Stossen  schneidet.^ 

Auf  derselben  Seite  sind  noch  Skizzen  von  Hämmern,  Keilen,  Gabeln  und 

Hacken  für  Erd-   und  Maurerarbeiten,   und  auf  der  folgenden  (B60v)    eine 

Wasserwurfschaufel  und  eine  ganze  Sammlung  von  Hacken,  Rechen,  Schaufeln, 

Tragbahren  und  Schiebkarren,  sowie  ein  Pflug  für  Erdarbeiten. 


Y^n^^rT^r>>n'<><>>rV 


Fig.  483. 


Fig.  484. 


^ 


•)im\\vo\vmi 


cJ^^ 


Fig.  485. 


Ein  Schneidzeug  für  Schraubenmuttern  (Fig.  485),  B71v. 

L:  „Um  eine  Schraubenmutter  herzustellen,  mache  man  zuerst  ein  Loch  in 
das  Holz  (m)  so  weit,  wie  die  Schraube  (fr)  dick  ist,  ehe  sie  eingeschnitten  wird. 
Dann  nagele  ein  Eisen  darauf,  zwei  Finger  breit  und  so  dick,  wie  Bogenschnur,  und 
zwar  setze  es  an  die  Stelle  (ab),  so  dass  es  dass  Loch  um  ^/s  Fingerbreite  über- 
deckt Dann  mache  in  das  Holz  (fr)  ringsum  einen  Kanal  von  der  Form,  die  der 
Schraube  entspricht  In  diesen  Kanal  tritt  das  Eisen  (ah)  ein,  und  indem  er  sich 
umdreht,  wird  er  fortschreiten,  und  der  Stahl  (cd)  wird  schneiden  und  die  Mutter 
herstellen." 

Da  wir  bisher  in  keinem  alten  Werke  ein  Schneidzeug  für  Schrauben- 
muttern abgebildet  oder  auch  nur  erwähnt  gefunden  hatten,  hielten  wir  es  für 
eine  neuere  Erfindung.    Leonardo  belehrt  uns  eines  Besseren. 

Eine  Schraubenschneidmaschine  (Fig.  486),  B70h. 

L:  „Dies  ist  die  Art,  eine  Schraube  zu  machen.  Man  dreht  das  mitdere  Rad, 
das  auf  der  Schraube  sitzt,  die  man  neu  machen  will.  Wenn  Du  eine  Schraube  mit 
tiH^hr  oder  weniger  steilen  Gewindgängen  machen  willst,  so  nimm  die  Rader  {s)  und 
(/)  ^'^ß  ^^^  s®^®  ^*®  Räder  (a)  und  (6),  oder  die  Räder  (c)  und  (d)  auf,  und  dem 
entsprechend  schiebe  die  Bügel  (h)  und  (/)  weiter  auseinander  oder  näher  zusammen. 


*)  Una  asspa  overo  scuffina  abbarimata.  Da  scuffina  die  Holzraspel  heisst,  ist  anzu- 
nehmen, dass  asspa  für  raspa  steht,  was  ebenfalls  Raspel  heisst  Abbarimata  dürfte  wohl 
einen  ähnlichen  Sinn  haben,  wie  burelato,  quergestreift. 


Rundfräser,  Sfige  mit  Stockzähnen,  Gewindbohrer,  SchraabenschDeidmasclune.       345 


und  ebenso  diejenigen  an  dem  Hobel  (der  Schneidkluppe)  (4)  und  dem  Lagerholze  (g). 
Der  Hobel  ist  der  Theil,  der  die  beiden  Schneidbacken  (le  2  femine)  enthält,  und 
der,   indem  er  fortgeschoben  wird,   das  Gewinde  der  neuen  Schraube  (m)  schneidet'' 

Da  Besson  auf  dem  ersten  Blatte  seines  ^^Theatre  des  Instruments^,  Lyon 
1578,  nur  einen  Pergamentstreifen  zum  Yorzeichnen  und  eine  dreikantige  Feile 
zum  Ausarbeiten  eines  Schraubenganges  abbildet  und  wir  andere  Vorrichtungen 
zum  Schraubenschneiden  um  diese  Zeit  nirgends  erwähnt  fanden,  so  glaubten 
wir  annehmen  zu  müssen,  dass  vor  1570  solche  nicht  bekannt  gewesen  wären. 
Doch  war  das,  was  J.  G.  Doppelmayr  (1730)  von  Nürnberger  Mechanikern  be- 
richtet, hiermit  nicht  in  Einklang  zu  bringen.  Denn  dieser  sagt  von  Hans 
DANNer  (gest.  1545): 

„Er  war  geschickt,  allerlei  starke  Hebzeuge  und  grosse  Schraubenwerke,  womit 
man  die  schwersten  Sachen  mit  leichter  Mühe  zu  heben  vermag^  aus  Eisen  und 
Messing  zu  machen." 

Von  dessen  Bruder  Leoniiard  Danner  (gest.  1585  im  88.  Lebensjahre)  sagt 

er  dasselbe  mit  dem  Zusätze: 

„ .  .  .  .  wozu  ihm  seine  ordentliche  Profession  als  Schraubenmacher  Anlass 
gab.  Er  erfand  um  15öO  eine  Maschine,  die  er  die  Brechschraube  (davon  die  4.  und 
5.  Figur  in  der  XHI.  Kupfertabelle  zweierlei 
Gattungen,  und  zwar  die  letztere  eine  ge- 
ringere zeigt*))  benennte  und  zur  Aus- 
übung übermässiger  Forcen  brauchte,  da 
er  mit  Beihilfe  derselben  die  dicksten 
Mauern  von  Thürmen  und  anderen  Ge- 
bäuden zu  brechen  und  über  den  Haufen 
zu  werfen  vermochte,  wie  er  sowohl  in 
Nürnberg  1558  an  einer  starken  Thurm- 
mauer,  als  ausserhalb  an  den  dicksten 
Mauern  alter  Gebäude  rühmlichst  erwiesen. 
Erstbemeldte  Livention  gab  ihm  auch  An- 
lass, dass  er  die  messingenen  Spindeln  zur  mehreren  Beförderung  der  Buchdruckerei, 
dabei  ein  Drucker  alsdann  nur  eine  halbe  Stärke  anzuwenden  hatte,  am  ersten  bei 
dergleichen  Pressen  ganz  glücklich  anbrachte.'* 

Von  Hans  Lobsinger  (gest.  1570)  berichtet  er  unter  anderem: 

„Er  war  auch  wohl  geübt,  grosse  messingene  Platten  mit  dem  Hobel  (vielleicht 
auf  einer  Hobelmaschine,  wahrscheinlich  aber  durch  Plandrehen  mit  Hilfe  eines 
Supports,  der  hier  als  Hobel  bezeichnet  wird)  so  schön  eben  zu  machen,  als  man 
immer  auf  dem  Holze  zu  thun  vermochte,  vielerlei  Gattungen  von  Schrauben,  starken 
Spindeln  zu  allerhand  Pressen  zu  verfertigen,  ja  sonsten  Alles,  was  man  verlangte 
von  Metall,  wie  auch  von  Bein,  Holz,  Hom  und  Stein  auf  einem  von  ihm  ange- 
gebenen Drehwerke  zu  drehen  und  darzustellen." 

Auch  sagt  Daniel  Speckle,  Stadtbaumeister  von  Strassburg,  in   seiner 

^Architectura  von  Vestungen^,  Strassburg  1599,  L  Thl.,  Kap.  3  unter  anderem: 

„Da  aber  Gebäu  zuvor  von  Mauern  und  Thürmen  dastünden,  muss  solches 
(was  nicht  zu  Nutzen  kommen  kann)  hinweggebrochen  werden,  darzu,  ob  man  wohl 
allerhand  Instrumente  hat^  ist  keins  tauglicher  noch  besser,  dann  die  grossen  Brech- 
schrauben, so  der  alt  Meister  Lienhard  Danner  zu  Nürnberg  erstlich  erfunden 


Fig.  480. 


*)  Es  sind  einfache,  stark  gebaute  Schraabenwinden. 


316 


Leonardo  da  Vin 


und  gemacht  hat,  welche  auf  5  oder  6  Scliuh  lang,  im  Dtameter  auf  4  Zoll  dick 
und  in  einem  Stock  wohl  geftisät  und  verliehen  Bind,  wie  mit  Lit  T.  im  Kupferpktt 
Num.  2  zu  scheu.  Hintzu  in':»  Erdreich  da  werden  gut«  atarke  Bäume  eingeltp 
oder  gesetzt  uiid  nach  der  Seiten  auf  Schrägen  gelegt  (d.  h.  vermuthlich:  schräg  ein- 
gerammt), oben  mit  einer  mefsingenen  Platten,  darauf  man  starke  Bäume  wider  die 
Mftuer  setzt  und  also  demnach  mit  einem  oder  zwei  laugen  Schlüsseln  anzogen,  so 
wirft  es  die  Mauern,  die  10,  12  bis  über  16  Schuh  dick  sind,  hernieder,  wie  daim 
er,  Danner,  im  fränkischen  Kriege  Blassenburg,  Landsberg  und  andere  Markgräf- 
lichc  Schlösser,  Mnucm  und  Thünne,  so  auf  16  Schuh  dick  gewesen  und  man  nicht 
brechen  hat  können,  hernieder  geworfen  lint." 

Wir  konnten  uns  seither  nicht  erklären,  wie  man  mit  so  unvoIlkommeneD 
Werkzeugen,  wie  wir  sie  uns  nach  Besson'b  Angaben  vorstellten,  bo  mächtige 
Schrauben  herstellen  konnte.  Die  Skizze  und  Beschreibung  Leonardo's  lehrt 
uns  nun,  dass  schon  um  das  Jahr  1500  recht  gut  ausgebildete  Schraubenscbneid- 
maschinen  bekannt  oder  auch  von  Leonabdo  erfunden  worden  waren.  Wahr- 
scheinlich hielten  aber  die  ^feister,  die  sie  benutzten,  deren  Konstruktion  geheim, 
wie  ja  auch  aus  Leonardo 's  Manuskripten  ersichtlich  ist,  dass  er  bestrebt  war, 
seine  Konstruktionen  geheim  zu  halten. 


Vorrichtungen  zum  Münzenscblagen  (Fig.  487,  488,  489  und  490), 
G437. 

Zu  Fig.  489  und  490.  L:  „Die  Münzstülte  vou  Rom.  Man  kann  es  auch 
ohne  die  Fwier  machen,  aber  iimiier  muss  der  obere  Stempel  mit  dem  beweglichen 
Hfdscnthcile  verbuiulen  sein.  —  Alle  >fünzen,  die  nicht  den  vollständigen  Zirkel 
haben,  sind  nicht  ah  gut  anzunehmen,  und  um  die  Vollkommenheit  ihres  Zirkels  zu 
erreichen,  ist  es  nothwendig,  dass  die  Muniplallen  von  Anfang  an  ganz  kreisrund 
sind.  Um  dies  zu  erreichen,  muss  man  zuerst  eine  Münzplatte  machen,  die  voll- 
kommeu  ist  im  Gewichte,  der  Breite  und  Dicke.  Von  dieser  Breite  und  Dicke  mache 
niaii  dann  viele  Schienen,  alle  dun'h  dasst'lbe  Zieheisi'n  gezogen,  die  Linealen  ähnlich 
sehen.  Aus  tlen  so  beschaffenen  Linealen  slaiizt  man  runde  Münzplatten  in  der 
Art  heraus,  wie  man  Kasta)iionsiel>e  macht,  und  diese  Platten  prägt  man  in  da  oben 
angegebenen  Weise." 

Zu  Fig.  4S7  (ein  Locheisen  dnrslellend,  womit  die  runden  MüuzplaUen  aus- 
pestoi'hen  minien), 

L:  „Die  Höhlung  des  Slenii>els  wenle  nach  oben  gleiohmä.«sig  und  unmerklich 
weiter  als  unten.  —  Dieser  schneidet  die  Fl.itlen  vollkommen  rund,  von  richtiger 
Dicke  und  richtigem  Gowichie,  und  erspart  den  Mann,  der  ausschneidet  tmd  wagt, 
sonie  den  Mann,  der  die  Platten  rund  macht.  Denn  die^  gehen  nur  durch  <Ue 
}län<le  des  Ziehers  und  des  Stanzers  und  g«'ben  sehr  schöne  Münzen." 

Zu  Fig.  489  tind  490  wäre  etwa  noch  zu  bemerken,  dass  der  untere 
Stemp«!  in  der  einen  Hälfte  der  Hülse  festsitzt,  und  der  obere  Stempel  in  der 


MaDzenschlagen,  Eagelformmaschine,  Zinnwalzwerk,  Kollergang. 


347 


anderen  Hälfte  durch  einen  federnden  Arm  in  solcher  Höhe  gehalten  wird, 
dass  er  gerade  über  die  Münzplatte  zu  stehen  kommt,  wenn  diese  auf  den 
unteren  Stempel  gelegt  wird  und  die  beiden,  durch  Scharniere  verbundenen 
Hälften  der  Hülse  zusammengeklappt  werden,  wonach  eine  federnde  Falle  sie 
zusammenhält.  Die  Prägung  erfolgte  durch  kräftige  Schläge  auf  den  oberen 
Stempel,  wozu  vielleicht  ein  Fallwerk  benutzt  wurde.  Alsdann  konnte  rasch 
die  Hülse  geöffnet,  die  Münze  herausgenommen  und  eine  neue  Platte  ein- 
gelegt werden. 

Eine  Kugelformmaschine  (Fig.  491),  B72v. 

L:  „Um  Formen  für  Flintenkugeln  (balotte  da  scoppietti)  zu  machen." 

Ein  Walzwerk  für  Zinnfolie  u.  dergl.  (Fig.  492  und  493),  I48h. 

L:  „Art,  eine  dünne  und  gleichmässige  Zinnplatte  zu  machen.  —  Diese  (Walzen) 
sollen  von  Glockenmetall  sein,  damit  sie  harter  sind,  und  man  versehe  sie  mit  eisernen 


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Fig.  491. 


Fig.  492. 


Fig.  493. 


Fig.  494. 


Fig.  495. 


Fig.  49«. 


Axen,  damit  sie  sich  nicht  verwinden.    Indem  so  die  eine  die  andere  umdreht,  strecken 
sie  eine  Platte  aus,  die  etwa  ^/2  Elle  breit  ist" 

Ein  Kollergang  für  Handbetrieb  (Fig.  494).    Wir  erinnern  hier  an 

die  Stelle  Biringüccio's  : 

„Deshalb  zerquetschen  Einige  dieses  Pulver  auf  Mühlsteinen,  ähnlich  denen  für 
die  Oliven,  und  Einige  mahlen  mit  derselben  Einrichtung  durch  Wasser." 

In  unserer  Abhandlung  über  diesen  Autor  (S.  126)  wiesen  wir  darauf  hin, 
dass  unter  ,,Mühlsteinen  für  die  Oliven^'  das  altrömische  trapetum  zu  verstehen 
sei.  Der  hier  abgebildete  Kollergang  für  Handbetrieb  dürfte  dem  von  BmiNGUccio 
angeführten  entsprechen.  Damit  vergleiche  man  die  in  Fig.  370,  S.  309  dargestellte 
Wassermühle  zum  Zermahlen  von  Holzkohlen  für  Schiesspulver,  wie  sie  Zonga 
abbildet.    Auch  bei  dieser  arbeiten  die  Kollergänge  nur  mit  einem  Läufer. 

Ein  Hinterladungsgeschütz  (Fig.  495,  496  und  497),  B24h. 


348 


Leonardo  da  VincL 


L:  „Grosse  Bombarde,  die  man  von  hinten  lad  und  die  rin  emriger  Mann 
zusammen-  und  auseinanderschraubt  —  Die  Kurbel  (b)  bildet  eine  Schraube  ohne 
Ende,  die  das  balancirende  Verschlussstück  vermittelst  ihres  Getriebes  umdreht»  das 
80  lang  sein  muss,  wie  die  Schraube,  die  in  das  Bohr  eintritt  Die  Aze  (an)  ist  mit 
dem  Yerschlusstücke  durch  einen  broncenen  Ring  verbunden,  der  es  umfaasL  Aber 
mache,  dass  dieser  Ring  um  so  viel  mehr  nach  der  Bombarde  hin  liegt^  daas  das 
Yerschlussstück  darin  beinahe  im  Gleichgewichte  ist  und  der  hintere  Iheil  nur  vier 
Pfund  mehr  wiegt^  als  der  vordere,  damit,  wenn  das  VerschlussstQck  zurückgezogen 
ist  und  sich  in  der  Aussparung  (c)  befindet,  es  in  gerader  Richtimg  bleibt,  und  man 
leicht  laden  und  es  richten  kann,  und  dass  es  beim  Drehen  der  Schraube  ohne  £nde 


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3: 


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Fig.  407. 


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Fig.  498. 


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Fig.  41'0. 


in  dem  Getriebe  sich  in  das  Rohr  schiebt  und  einschraubt  Alsdann  setzt  man  hinten 
einen  Keil  (Fig.  496)  zwischen  das  Verschlussstück  und  das  Widerlager.  Dies  ist 
gut  für  Galeeren/' 

Die  Dampfkanone  (Architronito)  (Fig.  498,  499,  500  mid  501), 
B33v. 

Wir  haben  die  Skizze  und  Uebersetzung  des  Textes  über  diesen  Gegen- 
stand, wie  sie  Dr.  Herm.  Grothe  gab,  in  unsere  erste  Abhandlung  über  Leonardo 
aufgenommen ;  da  aber  dort  beides  mangelhaft  ist,  geben  wir  hier  bessere  Kopien 
der  Skizzen  und  eine  getreuere  Uebersetzung  des  Textes. 

Unterhalb  Fig.  499.  L:  „Erfindung  des  Akchimedes.  Architronito  ist  dne 
Maschine  von  dünnem  Kupfer  und  wirft  Kugeln  von  Eisen  mit  grossem  Geräusche 
und  grosser  Gewalt     Man  gebraucht  sie  in  folgender  Weise:   Der  dritte  Theil  des 


HiotoiladaiigBgBchQti  DunpfkanoDS.  819 

InstrumeateB  befindet  eich  innerhalb  einer  grosaen  Menge  Kohlenfeuer,  und  wenn  er 
durch  dieses  gut  erhitzt  ist,  schraube  die  Schraube  nieder,  die  sich  über  dem  Wasser- 
gehäuse (ab)  befindet.  Wenn  man  die  Schraube  darüber  niederschraubt,  öffnet  es 
sich  nach  unten,  und  nachdem  das  Wasser  berabgefloBsen  ist,  fliesst  es  in  den 
eriiitzten  Theil  des  Instruments  und  verwandelt  sich  plötzlich  in  eine  Menge  Dampf 
(fumo,  eigentlich  Rauch),  so  dass  es  ein  Wunder  zu  sein  scheint  und  namentlich,  die 
Wuth  zu  sehen  und  den  Lärm  zu  hören.  Dies  warf  eine  Ki^el,  die  dn  Talent 
wog,  sechs  Stadien  weit." 


Oberhalb  Fig.  499.  L:  „Mache,  dass  das  Eisen  (cn)  mitten  auf  der  Tafel 
steht,  die  unten  darangehängt  ist,  damit  das  Wasser  zu  gleicher  Zeit  rings  um  die 
Tafel  herum  herabfallen  kann." 

Das  Wort  mira,  Visier,  in  Fig.  499  deutet  an,  dass  man  beim  Richten 
des  Geschützes  durch  die  Röhre  blicken  soll,  die  durch  den  Wasserkastea  und 
den  Feuerraum  hindurchgeht. 


Flg.  H». 


Zii  Fig.  498.    L:  „Wie  man  den  Architronito  im  Felde  transportirt," 

Mit  den  Worten  carboue  und  acqna  in  der  Skizze  ist  der  Kohlen-  und 
der  Wasserbehälter  bezeichnet. 

Aus  Fig.  500  and  ÖOI  ist  ersichtlich,  dass  in  dem  Feaerraume  ein  eiserner 
Kasten  mit  Füssen  und  vermuthlich  einem  Roste  stand,  worunter  sich  die  Äsche 
Bammeln  konnte. 

Flugmaschinen  (Fig.  502,  503,  504,  505,  506  nnd  507},  B73h,  74 v, 
74  h  nnd  83  h. 

Schier  zahllos  sind  die  Notizen  und  Skizzen  über  den  Flug  der  Vögel 
und  anderer  fliegender  Tiere,  sowie  fiber  Flngmaechineo,  die  Leonardo  in  seinen 


352  '  LeoDardo  da  Vinci. 

Wie  Leonardo  sich  dachte,  dass  die  grosse  Luftschraube  bewegt  werden 
sollte,  ist  unverständlich.  Würden  bei  der  Anordnung  Fig.  507  Arbeiter  gegen 
die  horizontalen  Hebel  drücken,  während  der  Apparat  frei  in  der  Luft  schwebt, 
so  würden  sie  eher  den  Boden  unter  ihren  Füssen  in  der  entgegengesetzten, 
als  die  Schraube  in  der  beabsichtigten  Richtung  drehen.  Doch  scheint  auch 
unten  an  der  Schraubenaxe  eine  Seiltrommel  angebracht  zu  sein,  vermittelst 
deren  Leonardo  den  ganzen  Apparat  vielleicht  wie  einen  Luftkreisel  umdrehen 
und  nur  für  kurze  Zeit  in  die  Höhe  steigen  lassen  wollte. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  einer  Reihe  von  Skizzen  und  Notizen  im  Manu- 
skript (G)y  die  besonders  schwer  zu  verstehen  sind,  weil  Leonardo  offenbar 
bestrebt  war,  sie  möglichst  geheim  zu  halten.    Sind  seine  Manuskripte  im  all- 
gemeinen schon  dadurch  für  Uneingeweihte  unlesbar,  dass  er  von  rechts  nach 
links  schrieb  (wahrscheinlich  mit  der  linken  Hand)  und  die  Worte  oft  willkür- 
zusammenzog"'),   so  wendet  er  hier  noch  zwei  besondere  Kunstgriffe  an,   um 
seine  Notizen  Anderen  unverständlich  zu  machen.    Der  erste   besteht  darin, 
dass  er  für  Metalle  oft  die  Namen  gebraucht,  womit  sie  die  Alchimisten   be- 
zeichneten.   Die  gebräuchlichsten  waren:  Sonne  für  Gold,   Mond  (italienisch 
Luna)  für  Silber,  Merkur  (Mercurio)  für  Quecksilber,  Venus  (Venere)  für  Kupfer, 
Mars  für  Eisen,  Jupiter  (Giove)  für  Zinn,  Saturn  (Satumio)  für  Blei.    Alle  die 
italienisch  angegebenen  Namen  kommen  in  Leonardo's  Notizen  vor,  und  ausserdem 
findet  sich  noch  Nectunno  (Neptun),  was  dem  Zusammenhange  nach  zu  urtheilen, 
Bronce  bedeutet.    Aus  solchen  Namen  bildet  aber  Leonardo  auch  noch  Zeit- 
wörter, z.  B.  alunata,  versilbert;  s^innectunnare,  sich  in  Bronce  verwandeln. 
Dem  entsprechend  bildet  er  auch  aus  den  Namen  des  Feuergottes  Vulkan  das 
Zeitwort  invulghanare,  im  Feuer  erhitzen  oder  glühen.  —  der  zweite  Kunstgriff 
besteht  darin,  dass  er  die  Namen  von  Materialien,  die  verwendet  werden  sollen, 
ausserdem  dass  er  sie   von  rechts  nach  links  schreibt,   auch   noch  umkehrt. 
So  schreibt  er:  osseg  für  gesso,  Gyps;  ortev  für  vetro,  Glas;  emar  für  rame, 
Kupfer;  obmoip  für  piombo,  Blei;  olgirems  für  smeriglo,  Schmirgel,  enimalli 
für  il  lamine,  das  Metallband;  enoiserpni  für  impressione,  der  Eindruck  oder 
Abdruck.    Auch  die  obengenannten  alchimistischen  Namen  kehrt  er  oft  um 
und  schreibt  z.  B.  erenev  für  venere,  evoig  für  giove,  oirucrem  für  mercurio.  — 
Eine  weitere  Schwierigkeit  bietet  die  Uebersetzung  des  häufig  wiederkehrenden 
Wortes  sagoma  (oder  saghoma,  wie  Leonardo  schreibt).     Dies  ist  ein  lombar- 
disches Wort,  das  im  allgemeinen  „Form''  bedeutet**).    Leonardo  gebrauchtes 
aber  nicht  nur  in  dieser  Bedeutung,   sondern   bezeichnet   damit  Schablonen, 
Schleifbacken  und  ganze  Vorrichtungen  zum  Schabloniren,  sowie  zum  Glätten 


*)  £r  schreibt  z.  B.  eichelanopo  fQr  sich'ella  non  puo,  oder  lastrada  fiesole,  was  Ravaissor 
liest:   la  strada  Fiesole,   während  dem  Sinne  nach  gelesen  werden  muss:  lastra  da  Flesole. 

**)  So  sagt  ZoNCA  in  seiner  Beschreibung  des  «Carro  delle  Zafosina',  wo  von  der  dach- 
förmigen Steinbahn  die  Rede  ist,  »vorauf  der  Karren  läuft:  la  sacoma  della  qnale  si  vede 
ne  disegno  (deren  Form  aus  der  Zeichnung  ersichtlich  ist). 


Geheimschrift,  die  Worte  «ignia*  und  «piramide".  353 

und  Schleifen  konvexer  und  konkaver  Flächen.  —  Der  Gegenstand  aber,  von 
dessen  Herstellung  die  betreffenden  Notizen  handeln,  wird  ignia,  oder  umgekehrt 
aingi,  genannt.  Das  lateinische  Wort  ignea  bezeichnet  feurige  oder  brennende 
Dinge.  Wir  wollen  sehen,  ob  wir  nachweisen  können,  was  Leonardo  hier  mit 
ignia  oder  aingi  gemeint  hat. 

Auf  G85h  steht  die  Notiz: 

L :  „Von  der  Natur  der  Wärme.  Wenn  eine  Grundfläche  von  4  Ellen  (Seiten- 
länge oder  Durchmesser)  ihre  Kraft. auf  eine  Stelle  von  1  Elle  sendet,  so  wächst  die 
Hitze  dieser  Fläche  auf  das  IBfache,  und  wenn  diese  Fläche  sich  auf  ein  Viertel 
reduclrt,  so  erreicht  die  Ej^ft  das  64fache  auf  dieser  Fläche.  Diese  Abnahme  der 
Grundflächen  und  Zunahme  der  Kraft  sind  hier  unten  notirt  Es  folgt  die  Aus- 
rechnung der  Potenzen  von  4,  nämlich  4,  16,  64,  256,  1024,  4096,  16384,  65536, 
262144,  1048576,  4194304.)  —  Wenn  Du  die  Fläche  von  4  Ellen  Durchmesser 
reducirst  auf  die  Grösse  einer  Wicke  (duveccia,  vermuthlich  anstatt  d'una  veccia),  so 
wirst  Du  die  4  194  304  fache  Kjaft  erlangen,  indem  Du  immer  vervierfachst.  —  So 
wie  der  Querschnitt  abnimmt,  so  wächst  die  Kraft  der  Pyramide  (piramide),  und 
so  wie  dieser  Querschnitt  wächst,  vermindert  sich  die  Kraft  der  Pyramide." 

Zu  Fig.  508.  L:  lieber  aingi.  Dieselbe  Proportion  besteht  zwischen  Wirkung 
und  Wirkung,  wie  zwischen  Ursache  und  Ursache.     Daraus   folgt,  dass  der  Schnitt 


Fig.  508.  Fig.  509.  Fig.  510. 

(en)  des  Dreiecks  (eigentlich  der  Pyramide)  und  der  Säule  bezüglich  der  Kräfte  in 
demselben  Verhältnisse  steht,  wie  das  ist  zwischen  den  Flächen  (a  b)  und  (c  d).  Diese 
(d.h.  die  Längen  der  Linien  (ah)  und  {cd))  verhalten  sich  wie  10:1,  was  bezüglich 
des  Verhältnisses  der  Kreisflächen  zu  einander  das  Hundertfache  ergiebt" 

Nacb  diesen  beiden  Bemerkungen  unterliegt  es  wohl  keinem  Zweifel,  dass 
unter  aingi  oder  ignia  Brennspiegel  zu  verstehen  sind,  und  dass  mit  „piramide'' 
der  Strahlenkegel  eines  solchen  bezeichnet  wird. 

Wenn  sich  aber  Leonardo  so  eifrig  mit  dem  Probleme  der  Herstellung 
grosser  Brennspiegel  beschäftigte,  wie  wir  es  in  dem  Nachfolgenden  zeigen 
werden,  und  so  sehr  bestrebt  war,  seine  Gedanken  darüber  Anderen  nicht  preis- 
zugeben, so  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  er  das  Ziel  verfolgte,  die  sagen- 
haften Brennspiegel  des  Archimedes,  womit  dieser  feindliche  Schiflfe  im  Hafen 
von  Syrakus  verbrannt  haben  soll,  nachzubilden. 

Um  die  Schwierigkeit  der  Herstellung  grosser  Brennspiegel  in  damaliger 
Zeit  zu  begreifen  und  die  Projekte  Leonardo's  recht  zu  verstehen,  muss  man 
sich  vergegenwärtigen,  dass  man  für  härtere  Metalle  als  Zinn  oder  Blei  keine 
Walzwerke  hatte  und  Bleche  nur  in  kleineren  Platten  und  mit  Unebenheiten 
durch  Treiben  mit  dem  Hammer,  oder  gleichmässig,  aber  nur  in  schmalen 
Streifen,  auf  der  Ziehbank  herstellen  konnte.  Ob  die  Benutzung  von  Zieh- 
bänken zur  Herstellung  von  Metallbändem  schon  vor  Leonardo  bekannt  war, 

Beck.  23 


354  Leonardo  d«  Vinci. 

oder  von  ihm  erdacht  wurde,  wieseii  wir  nicht.  Um  die  Art  kennen  zu  lernen, 
wie  er  aus  solchen  gezogenen  Metatibändem  grosse  Brennspiege]  herstellen 
wollte,  betrachten  wir  zunächst: 

Fig.  509,  G82h. 

L:  „Vom  Drücken.  Nehme  Kupfer,  das  in  Bänder  gezogen  is^  die  1  palmo 
(etwa  75  mm)  breit  sind.  Diese  befeedge  über  der  Form  (stanipa).  Es  ad  (ahc) 
eine  solche.  Sie  werden  mit  verschiedenen  Hel>eln  nacheinander  angelogen,  und  so 
fest  aneinander  liegend,  löthest  Du  sie  mit  der  Pyramide  (das  wäre  nach  Obigem: 
mit  dem  Strahlenkegel  eines  Brenn  spiegeis).  Dann  schlägst  Du  eie  mit  hölzernen 
Hämmern,  indem  Du  sie  über  einem  flachen  Koblenfeuer  öfters  erwärmst.  Die  Form 
sei  von  Mannor  oder  einem  anderen  dichten  Stein.  Und  diese  wirst  Du  sechs  oder 
acht  Ellen  im  Durchmesser  machen  (ob  hier  etwa  der  Durchmesser  des  Krünunungs- 
kreiaes  gemeint  ist,  bleibt  dahingestellt).  Und  mache  es  vollkommen,  indem  Du  die 
Schienen  zuerst  glättest." 

Jedes  über  die  genannte  Form  gezogene  Band  bildet  einen  Tbeil  des 
Mantels  einer  Kugelzone.  Der  Apparat  zum  Glätten  oder  Abschleifen  desselben 
{Fig.  ÖIO,  511  und  512),  B82h,  wird  wie  folgt  beschrieben: 

Zu  Fig.  511  und  512.  L:  „(ii)  ist  der  Schleifbackcn,  (tiift)  ist  die  Stelle,  WO 
dieser  sich  transversal  bewegt,  und  je  enger  (nni)  au  diis  Holz  nnschlJesst,  worauf  «■ 


sich  bewegt,  um  so  genauer  und  richtiger  bewegt  sich  (6).  —  Das  Abschleifen  wird 
auf  Kupfer  mit  Blei  und  Schmii^l  bewirkt." 

Zu  Fig.  510.  L:  „Derjenige  Kreis,  welcher  den  kleineren  Halbmesser  hat, 
hat  geringere  Bewegung,  daher  beschreibt  der  Halbmesser  (cn)  (mit  seinem  Endpunkte) 
einen  grö.sseren  Kreis  als  der  Halbmesser  {cb),  und  deshalb  vtird  der  Brcnnspiegel 
am  Fusse  enger  als  oben." 

Ueber  das  Löthen  und  die  Herstellung  der  steinernen  Formen  wird  gesagt: 

Bei  Fig.  513,  G  81  h.  L:  „Man  lötbe  mit  geschmolzenem  Kupfer  (?  rame 
arso)  oder  Zinn.  —  Der  Lehrbogeri  (^s)  wird  nur  gemacht,  um  die  Oberfläche  (pqsl) 
herzustellen.  —  Mache  die  Bänder  ein  Viertel  (vermuthlJch  ^U  Fuss  ^  1  palmo 
breit),  dann  schlage  sie  mit  dem  Hammer  über  die  Form,  und  dann  löthe  sie  mit 
Zinn.  —  Dnrt  Mauerwerk  ipqst)  sei  dicht  aus  Mannor  oder  einem  anderen  St^nc^ 
der  sich  poUrl,  jedes  Stück  gut  zusammengefügt  und  dann  nach  der  Fonn  des  Lehr* 
bogens  (ps)  Iwarbeitet,  der  sich  von  (a)  nach  (b)  bewegt.  Dieser  Lehrbogen  werde 
mit  den  Führungsleisten  (pq)  und  (st)  in  Kontakt  erhalten.  Die  Umfange  dieser 
Führung  haben  den  gemeinschaftlichen  Mittelpunkt  (r).  Du  kannst  auch  die  Bänder 
zwischen  der  Führung  (dem  Lehrbogen)  (ps)  und  dem  bearbeiteten  Steine  durch- 
ziehen, aber  zuerst  mache,  dass  der  Stein  nach  der  Bewegung  des  genannten  Lehr- 
bogens  gut  bearbeitet  wird." 

Von  Ziehbänken  zur  Herstellung  der  Kupferbänder  enthält  Mannskript  G 
mehrere  Skizzen,  nämlich: 


Berstcllung  groBMT  Breniupiogel,  Ziehbinke.  806 

Fig.  514,  G  72  v.  Das  Kupferband  wird  vermittelst  eines  starken  Seile« 
durch  die  Ziehbacken  gezogen.  Es  läuft  über  eine  Leitrolle  am  linken  Ende 
der  Ziehbank  nnd  wickelt  sich  nm  die  Trommel  einer  Winde  an  ihrem  rechten 
Ende.  Die  Winde  wird  durch  ein  Schraubenrad  bewegt,  in  das  eine  Schraube 
mit  senkrechter  Aze  eingreift.  Von  letzterer  ist  nur  das  obere  Ende  mit  der 
Kurbel  in  der  Skizze  sichtbar.    Auf  derselben  Seite  steht: 

Fig.  515.  Hier  wird  das  Kupferband  vermittelst  einer  langen  Schraube 
durch  die  Ziehbacken  gezogen.  Die  drehbare,  aber  nicht  versriiiebbare  Mutter 
dieser  Schraube  bildet  die  Nabe  eines  Schraubenrades,  in  das  eine  Schraube 
mit  horizontaler  Axe  greift.     Diese  wird  mit  einer  Kurbel  umgedreht. 

L:  „Für  ebene  (glatte)  Breunspiegel  aus  Kupfer,  fiberzogen  mit  einem  Material, 
das  nicht  trübe  wird." 


Flg.  EIS.  FiE.  SIT. 

Fig.  516  and  617,  G70h,  zeigt  eine  Ziehbank,  bei  der  sich  das  gezogene 
Metallband  auf  eine  Welle  aufwickelt,  die  durch  ein  aus  zwei  Schrauben  ohne 
Ende  zusammengesetztes  Getriebe  umgedreht  wird. 

L:  „Die  Räder  hier  unteu  haben  eine  Elle  im  Durcbmesser  und  je  36  Zähne. 
Wenn  die  Kräfte  geringer  Bind,  wird  luan  das  zweite  Rad  auswechgeln  und  an  seine 
Stelle  auf  dieselbe  Axe  ein  um  die  Hälfte  kleineres  Rad  setzen.  Mache  die  Ver- 
zahnung sehr  stark  von  Eisen.  Und  wenn  Du  i^  Zeit  wissen  willst^  in  der  die 
Welle,  die  das  Metallband  aufnimmt,  sich  drehte  multiplizire  die  Zahl  der  Zähne  des 
einen  Rades  mit  der  des  anderen,  indem  Du  sagst:  36  X  36  macht  1296.  Und  so 
wird  die  Kurbel  des  Motors  1296  Umdrehungen  machen,  während  die  Welle  mit 
dner  Umdrehung  ^/i  BUe  des  Metallbandes  aufnimmt  Das  Metallband,  das  von 
dem  Ende  der  Welle  aufgenommen  wird,  behält  diese  Krümmung.  Auch  kann  man 
die  Metallbänder  vergolden  und  polireo,  nachdem  sie  in  das  Werk  an  richtiger  Stella 
eingesetzt  sind.  —  (abc),  die  Kurbel,  sollte  ein  Wasserrad  sein." 

Zu  dieser  Ziehbank  gehören  auch  die  Detailzeichnnngen : 

Fig.  bis,  G73v.  L;  „(a)  ist  die  Welle,  die  das  ganze  Metallband  mit  drehen- 
dsr  Bewegung  aufwindet.    Dieses  Metallband  ist  an   seinem  Ende  dick  und   rund, 


4a  Vi 


wie  CS  die  AbbiMinig  tagt  (Fig.  bld\  und  setzt  bcIi  fnnt  fiesen  Ende)  m  die  Wdle^ 
die  SOS  dem  Rade  hervorragt,  Tennoge  eines  Kanales  (einer  XateX  gefonnft  wie  eine 
ßchleose  (?  a  uao  di  cateratta;,  der  id  die  Weile  gemacht  ist* 

Bei  Fig.  51  d,  C77h,  steht  dann  noch  die  Notiz: 

L:  „Die  eräle  Bewegung  werde  dieser  Ziehbank  ertheih,  wenn  das  Meiellhand 
die  Verkeilung  ila  ulivella,  eigentlich  die  Steinzange)  (a)  bedeckt,  denn  alsdann  noacht 
der  Druck  die^iea  Ban^Ifr«  die  Verkolang  fe&t  schlieseend  and  giebt  ihr  Haltbarkeif 

Bei  den   Detailzeichnongen  zo   Köpfen  Ton  Ziehbänken  (Fig.   520,   521, 

522,  523,  524,  525  and  526,  G72h  and  73  t,  stehen  folgende  Bemerknngen: 

Zu  Fig.  524.  L :  „Die«e  G^enkeile  werden,  da  sie  von  Eisen  sind  und  gioest 
Schräge  (d.  h.  wenig  Anzug)  haben,  sowie  auch  wegen  des  Stosses*)  (womit  sie  an- 
getrieben wenJen),  eehr  gro»^  Kraft  ani>üben." 

Zu  Fig.  525.  L:  ,,Die  innere  Kante  (bc)  des  eisernen  Bügels  muss  scharf 
and  gut  gehärtet  sein,  da  «ie  eine  von  denen  ist,  welche  die  Seiten  des  Bandes 
erzeugen.  Unterhalb  der  Linie  (a  h)  seien  die  Schneiden  der  Ziehbank,  die  die  obere 
and  untere  Seite  des  Bandes  zu  bilden  haben. '^ 


Fi«.  518. 


Fig.  519. 


Fig.  5i0. 


FI«.  5*1. 


Fi«.  522. 


Fig.  523. 


Fig.  534. 


Fig.  535w 


Fig.  526. 


Zu  Fig.  526.  L:  „Dies  i.«t  die  dritte  Darstellung  der  scharfen  Kante  bei  (o) 
und  (c)  des  Maulcs  der  Ziehbank,  welche  die  Seitenflächen  des  Bandes  erzeugt. 
Es  genügt,  wenn  die  Kante  auf  die  Länge  eines  Querfingers  aus  gehärtetem  Stahle 
Ijestehf" 

Zu  Fig.  520  (die  Messer  darstellend,  die  die  obere  und  untere  Fläche  des  Bandes 
erzeugen).  L:  y,(a)  tritt  durch  eine  Nute  in  seinen  Gogentheil  (la  sua  madre)  ein 
(d.  h.  in)  wird  in  den  Theil,  der  es  aufnimmt,  versenkt)." 

Zu  Fig.  522  (eine  andere  Konstruktion  dieser  Mcs.«er  darstellend).  L:  nDer 
grösstfi  Fleiss  muss  daniuf  verwendet  werden,  die  Schneiden  (labbri,  eigentlich  Lippen) 
der  Ziehbank  vollkommeu  gerade  zu  machen  und  zu  schmirgeln,  und  dann  werden 
sie  gehärtet'* 

Zu  Fig.  523.  L:  „Dies  erfüllt  denselben  Zweck,  wie  jener  Theil,  der  die 
einander  entgegengesetzten  Keile  enthält  (Fig.  524),  ist  aber  nicht  so  widerstands- 
fähig." 

Fig.  527,   G71v,   zeigt  eine  andere  Konstruktion   zur  Regulirang   der 

Maulweite  der  Ziehbank. 

L:  „Hier  zieht  der  Keil  (a)  das  Zieheisen  (m)  mit  grosser  Gewalt  zusammen, 
aber  die  Balken,    die  Handhaben  der  so  gebildeten  Zange,   müssen  sehr  stark  sein." 


*)  Die   Lehre  vom   Stoss  bildet  ein  Lieblingsthema  der  theoretischen  Betrachtangan 
Leonardos 


Ziehen  qdiI  gleich  zeitiges  Aufziehen  der  Xupferblnder. 


357 


In  Fig.  528  und  529,  G74h,  ist  die  Idee  behandelt,  das  Hetallband, 
Bobald  es  aas  dem  Manie  der  Ziehbank  kommt,  direkt  über  die  Bremispiegel- 
form  zu  ziehen.  In  der  Skizze  ist  alles  stehend  angeordnet,  and  za  dieser 
Anordnung  gehören  die  Bemerkungen: 

L:  „Es  tat  eine  Kurve  zu  machen,  die  die  Platte  (das  Band)  genau  parallel 
führt,  denn  das  gezogene  Band  würde  «nen  Bogen  nach  abnärla  bilden.  —  Das 
Mauerwerk  und  der  Zug  stehen  dicht  nebeneinander.  —  Die  Welle  hat  allea  Ge- 
legene bei  einer  vollen  Umdrehung  aufzunehmen." 

Eine  kleine  Skizze  (Fig.  529),  die  im  Original  Über  der  Hauptzeichnung 
steht,  zeigt  eine  Verbesserung,  die  durch  dte  Bemerkung  erklärt  wird: 

L :  „Das  Band  sollte  durch  eine  einzige  Schnur  in  der  Mitte  s^er  Endfläche 
angezogen  werden,  damit  ea  gleichmasaig  gezogen  wird." 

Nachträglich  aber  kam  Leon&hdo  zu  der  Ueberzeugung,  dass  diese  stehende 
Anordnung  nicht  gut  sei,  v^oraus  sich  folgende  Bemerkung  erklärt: 


% 


L:  „Dieses  Mauerwerk  musa  horizontal  liegen  zur  grösseren  Bequemlichkeit  dee 
Arbeiters." 

Darunter  steht  geschrieben: 

L:  „Von  verailbertem  Kupfer  (di  venere  nlunata)  werden  die  Metallbänder  gut 
geglättet," 

Zar  weiteren  Erklärung,  wie  das  Ueberziehea  der  Form  mit  den  Kapfei^ 
bändem  erfolgen  sollte,  dient  folgende  Bemerkung  anter  dieser  Skizze: 

L:  „Es  sei  ein  Rahmen  von  starkem  Nussbaumholz,  worauf  man  einen  Rahmen 
für  das  Quadrat  der  gemauerten  Form  machen  solL  Auf  diesen  befestige  man  den 
Anfang  und  das  Ende  des  gezogenen  Bandes.  Derselbe  wird  schliesslich  (d.  h.  nach- 
dem die  Bänder  zusammengelöthet  mnd  und  der  Spiegel  mit  hölzernen  Hämmern 
gerichtet  ist)  von  dem  Mauerwerke  abgenommen  und  tragt  und  hält  alle  die  Bänder, 
die  darauf  befestigt  sind.  Und  dieser  Rahmen  bleibt' immer  an  den  polirten  Metall- 
bandern," 

Dass  die  Metallspiegel  jedoch  noch  weitere  Versteifungen  erhalten  sollten, 
ersieht  man  aus: 

Fig.  530,  G711l 


3SS  Leonardo  da  Vfnri. 

L:  «Von  den  BrerniBpiegeln.  Hier  zeigt  man  das  Verl&Uien  der  Uetallbinder 
dvirch  die  Pyramide  (den  Strahlenk^^el  eines  Brenn  epiegela  T)  mit  dem  Kamme  oder 
den  lUppen,  an  die  man  die  hökomen  Lehrbügen  befestigt,  nur  damit  der  Bienn- 
epiegel  nicht  biegsam  ea.  Aber  diese  Armaturen  mOesen  vollständig  fertig  seio,  ehe 
der  Brennspiegel  von  s^nem  Mauerwerke  (d,  h.  von  seiner  Form)  al^ehoben  wird." 

Deber  das  Verlöthen' findet  sieb  noch:  Fig.  631,  G  77  h. 

L:  „Was  Du  zu  löthen  hast,  l5the  auf  diese  Weise,  indem  Du  mit  dem  Material 
ISthest,  womus  das  Ganze  besteht  —  Um  die  gebogenen  Platten  {op)  zusammeo* 
nulöthen,  wenn  sie  von  Kupfer  sind,  nimm  den  Kupferdmht  (tn  e)  und  schmelze  ihn 
mit  der  Pyramide  (n).  Aber  zuerst  binde  die  vier  Theile  des  Rohres  fest  zusammen 
und  envärme  es.  Dann  fülle  es  mit  flüssiger  Erde  (terra  liquida,  vermuthlich  Tbon- 
brei)  mit  ßcheerwoUe,  und  nachdem  es  etwas  gestanden,  öffne  es  unten,  so  vrird  die 
Flüssigkeit  hentusfliessen  und  das  Trockene  zurückbleiben.     Dann  l&th^   wie   oben 


Za  Fig.  532,  G  84  h. 

L:   „Vom  Lölhen.     Die  Bänder  von   gezogenem  Kupfer   auf  der  Fliehe  tob 
gebrannter  Erde  mit  Suhecrwolle  stosscn  an  ihren  Seiteiiflüc-hGii  zusammen,  welche  von 


Fig.  530. 


Flg.  581. 


Fie.  5». 


der  Pyramide  (bq)  berührt  werden.  Die  Metallbänder  seien  (cfdg).  Ihre  Seiten  sind 
geradlinig  mit  gleich  massiger  Berührung.  Die  Erde  wird  uiiler  diesen  Seitenflädien 
berührt  und  ein  Kupferdraht  über  dieser  Berührungsstelle  flüssig  gemacht  Wenn 
diese  verlfitheten  Verbindungsstellen  dick  geworden  sein  sollten,  und  Du  könntest  sie 
durch  denselben  Ziehbacken  ziehen,  durch  den  die  Bnnder  gezogen  worden  sind,  eo 
würde  die  ganze  Verbindung  dieser  Bänder  von  gleicher  Dicke  werden." 

Wie  die  innere  Flüche  der  Brennspiegel  behandelt  werden  sollte,  geW 
zunächst  aus  einer  Stelle  auf  G53v  hervor,  wo  vom  GlÜtten  und  Poliren  die 
Sede  ist: 

L:  „Der  Schleifbacken  sei  von  Kupfer,  Zinn  oiier  Blei  und  werde  oft  in  dem 
Bchoosae  seiner  Matrize  umgegossen.  Er  n^ird  mit  feinem  Schmirgel  benutzt  Und 
das  Geschliffene*)  sei  von  Kupfer  und  Zinn  (Bronce),  aufgetragen  auf  Kupfer.  Aber 
zuerst  wirst  Du  Kupfer  und  Quecksilber  gemischt  mit  Zinn  (d,  h.  ein  Kupfer-Zinn- 
Amalgam)  versuchen  und  so  verfahren,  dass  das  Quecksilber  sich  verflüchtigt.  Dann 
erhitze  gut,  so  dasa  das  Kupfer  und  dos  Zinn  sich  In  ganz  dünne  Bronce  verwandelt, 
wenn  es  möglich  ist." 

Hier  ist  der  Ausdruck  gebraucht:  „s'innectunni  sotilissemente."  Und  da 
ans  Kupfer  und  Zinn  durch  Zusammenschmelzen  Bronce  entsteht,  so  geht  aus 
dieser  Stelle  hervor,  dass  Leonardo  mit  dem  Namen  Nettunno  (Neptun)  Bronce 
bezeichnet. 

*)  Hier  steht  zwar  im  Orieioal  sagomB,  wofQr  aber  dem  Sinne  n*ch  eaf^oinata  stehen  sollte. 


Versteifung,  VerlöthoDg  und  Glättimg  der  BrennspiegeL 


369 


Eine  dem  Obigen  entsprechende  Notiz  findet  sich  auf  G46h: 

L:  „Fimiss  (Ueberzug)  von  Brennspiegeln:  Quecksilber  mit  Zinn  und  Kupfer, 
Nachdem  das  Gemenge  daraus  gemacht  ist,  wird  es  (wenn  es  aufgetragen  ist)  nnt 
der  Schablone  fortgesetzt  korrigirt,  bis  das  Quecksilber  sich  von  dem  Zinne  und 
Kupfer  vollständig  getrennt  hat" 

Dies  macht  denn  auch  Fig.  533,  G47v,   wo  ein  Herd  mit  abhebbarem 

Helme  und  einer  darüber  aufgehängten  Schablone  abgebildet  ist,  die  vielleicht 

gleichzeitig  als  Schleifbacken  dient,  und  die  dabei  stehende  Notiz  verständlich : 

L:  „Mit  dem  Krahn  {kq)  hebt  man  den  Deckel  (srt)  von  seinem  Sitze  und 
zieht  ihn  durch  seitliche  Bewegung  weg,  indem  man  die  konkave  Fläche  seines  Mauer- 
werkes (des  Herdes)  rasch  entblösst  Ueber  dieses  Mauerwerk  fährt  die  Schablone 
mit  Schnelligkeit  hin.  Aber  mache,  dass  erst  der  Grund  (fondo,  d.  h.  die  Kupfer- 
schale  des  Spiegels)  mit  reiner  Masse  ohne  Feuchtigkeit  (d.  h,  mit  Amalgam,  woraus 
alles  Quecksilber  verdunstet  ist)  ausgeschlagen  sei,  und  mache  die  Probe,  ob  sie  gar 


Fig.  584. 


Fig.  535. 


Fig.  533. 


Fig.  530. 


Fig   537.         Fig.  538. 


ist,  wie  man  es  bei  den  Oefen  für  Pokale  macht  (nämlich  bei  der  Feuervergoldung, 
die  bekanntlich  auch  durch  „Abrauchen''  eines  Ueberzuges  von  Amalgam  bewirkt 
wird).  Alsdann  wirst  Du  die  Schablone  so  viel  mal  hin  und  her  bewegen,  bis  die 
Masse  (auf  der  Kupferschale)  ihre  Starke  verliert  Und  wisse,  dass  das  Mauer^verk, 
welches  das  Schablonirte  unterstützt,  die  Form  von  diesem  haben  muss,  d.  h.  von 
seiner  Rückseite.  Und  so  wird  man  es  gut  zu  Ende  führen.  —  Mache,  dass  die 
Schablone  (v)  in  (/)  ist  und  sofort  den  Kreisbogen  über  dem  Räume  (ts)  des  Brenn- 
spiegelgrundes (d.  h.  der  Kupferschale)  beschreibt,  wenn  der  Deckel  (rst)  entfernt 
ist  Dann  falire  mit  wiederkehrender,  einschneidender  Bewegung  mehrmals  über  die- 
selbe Stelle  mit  gelegentlicher  Hilfe  der  Hände  des  Nachhelfers  (aumentatore,  ver- 
muthlich:  eines  Hilfsarbeiters).  —  Die  konkave  Fläche  werde  erst  mit  der  Schablone 
mehrmals  hin  und  her  überfahren,  bevor  man  sie  furnisst  (d.  h.  mit  dem  oben  be- 
schriebenen Amalgam  überzieht^  und  dann  gebe  man  den  Firniss  auf  die  gebadete 
(d.  h.  gebeizte,  dekapirte)  Fläche,  und  zwar  gebe  man  ihn  mit  dem  Haarsiebe  auf 
und  überfahre  sie  zwei-  oder  dreimal  mit  der  Schablone.  Dann  erhitze  man  sie,  und 
wenn  sie  Glanz  annimmt  glätte  nmn  sie  sofort  mit  der  Schablone,  während  sie  heiss 
ist  —  Die  Axe  des  drehbaren  Theiles,  der  die  Schablone  trägt,  muss  an  der  Decke 
fest  sein  und  muss  sich  auf  und  nieder,  sowie  hin  und  her  bewegen  lassen,  damit 
ihr  Mittelpunkt  über  die  Mitte  der  Form  (des  konkaven  Herdes)  falle.  —  Der  Boden 
des  Herdes  sei  von  derselben  Gestalt»  welche  die  in  den  Herd  eingesetzte  Sache  hat 


I 


300  Leonardo  da  Vinci. 

Es  ist  gut,  wenn  er  von  Tuffstein  aus  einem  Stücke  gebildet  ist»    damit  er,   wie  ein 
Amboss,  den  Querstössen  der  schweren  Schablone  widerstehen  kann.*' 

Die  oben  erwähnte  künstliche  Steinmasse  beabsichtigte  Leonardo  nicht 
nur  zum  Formen  metallener,  sondern  auch  zum  Formen  und  Pressen  gläserner 
Hohlspiegel  zu  benutzen.    Dies  ist  ersichtlich  aus: 

Fig.  534,  535,  536,  537  und  538,  G  52  v  und  47  h. 

L:  JFormen  (vesti)  von  Thon  (oilcr  Kreide,  creta),  mit  I^cim  getränkt^  and 
Schnitt  mit  dem  Diamant  Mache  sie  aus  Gips  zum  Mauern  (d.  h.  wie  Ihn  die 
Maurer  gebrauchen),  erwärme  sie  und  tränke  sie  mit  Leim  (dies  bezieht  sich  auf  die 
Formen),  schneide  aus,  wende  um,  lege  Gold  auf  und  polire  (dies  bezieht  sich  vei^ 
muthlich  auf  geformte  metallene  oder  auch  gläserne  Spiegel).  —  Diese  Masse,  gut 
getrocknet,  gut  erwärmt  und  gut  mit  Leim  getränkt»  wird  gute  Abdrücke  in  dünnes 
Kupfer  machen  (Fig.  534  deutet  die  Idee  zu  einer  Keilpresse  zu  diesem  Zwecke  an). 
—  Brenne  das  Konvexe,  tränke  es  mit  Leim  und  trockne  es  wieder  in  einem  lau- 
wannen Ofen,  oder  in  der  Sonne,  oder  im  Winde.  Und  dieser  Gips  sei  mit  Scheer- 
woUe  gemischt  Aber  Fasern  von  roher  Leinwand,  klein  gehackt  und  mit  Gips  oder 
Thon  gemischt,  würden  besser  sein.     Diese  (Fasern)  werden  in  grosserer  Menge  gesiebt 


Ttt 


Fig   539.  Fig.  MO.  Fig.  541. 

und  immer  mit  Wasser  und  zarter,  nicht  zu  fetter  Erde  gemischt  Dies  trockne  und 
brenne  gut»  und  es  wird  immer  porös  bleiben  und  das  Glas  wird  sich  darin  auf- 
blasen.'* 

In  Fig.  535  sieht  man  eine  mit  konvexen  Körpern  aus  solcher  Masse 
ausgefütterte  Form,  in  die  ein  Glasballon  geblasen  worden  ist.  Die  Figuren  537 
und  538  zeigen  die  Gestalt,  die  ein  solcher  Glasbalion  annimmt.  Durch  die 
Punkte  darauf  soll  wohl  angedeutet  werden,  welche  Linien  der  Diamant  be- 
schreiben soll,  um  die  Hohlspiegel  aus  dem  Glasballon  zu  schneiden. 

Zu  Fig.  536,  eine  Hebelpresse  darstellend. 

L:  „Glas,  heiss  gepresst  und  wieder  er^värmt  —  oder  Kupfer  im  Feuer  erhitzt, 
zusammen  mit  seinem  ausgeglichenen  Belege.*' 

Auch  scheint  Leonardo  mit  der  Idee  umgegangen  zu  sein,  metallene  Hohl- 
spiegel ganz  aus  Kupferamalgam  herzustellen.  Denn  auf  G  75  h  findet  sich 
die  Notiz: 

L:  „Bringe  Stuck,  der  aus  Kupfer  und  Queck^ilbiT  zu:?animengesetzt  ist,  auf 
den  Brennspiegclbuckel  von  Gips,  und  trage  ihn  gleichmässig  in  der  Dicke  eines 
Messerrückens  auf  den  Buckel,  was  mit  der  Schablone  gemacht  wird.  Dies  bedecke 
mit  einem  glockenförmigen  De.-^tillirheline,  und  Du  wirst  die  Feuchtigkeit  (das  ist  hier 
das  Quecksilber),  womit  Du  eingeteigt  (anialgiunirt)  hast,  wieder  erhalten.  Das  zurück- 
bleibende trockne  gut  und  setze  es  ins  Feuor.  Schlage  und  glätte  es  gut  mit  einem 
Glätter  und  mache  es  stark  an  den  Seiten." 

Man  erkennt  aus  dem  Gesagten,  dass  zur  Durchführung  des  vorliegenden 

Planes  konkave  und  konvexe  Schablonen  und  Schieilbacken  mit  Vorrichtungen 


OlSserne  Hohlepirgel,  Sehleiren  ni«tKlleD«T  Ho^ilspiegel. 


SCI 


zu  ihrer  richtigen  Bewegung  nicht  nur  zum  Glätten  und  Poliren  der  Spiegel- 
flächen, sondern  auch  zur  Herstellung  der  Formen,  über  welche  die  Spiegel 
gezogen  und  gehämmert  werden  sollten,  nothwendig  waren.  Dem  entsprechend 
finden  sich  im  Manuskript  G  verschiedene  Entwürfe  von  solchen  Schablonir- 
und  Schleifvorrichtungen. 

Fig.  539,  540  und  541,  G16t. 

Zu  Fig.  639.  L:  „Die  Bchablone  mit  dner  Schneide  dient  nur  dazu,  dem 
Schablonirten  die  Form  zu  geben  mit  <lrei  oder  vier  Bewegungen,  die  Bie  vollständig 
herdtollen." 

Zu  Fig.  640  und  541.  L:  „Das  Schleifen  des  Schleifbackens  auf  dem  Ge- 
schliffenen darf  bei  der  Herelellung  des  letzteren  nicht  mit  einer  Schneide  des  Schleif- 
backens geschehen,  sondern,  wenn  das  Geschliffene  polirt  werden  soll,  darf  der  Scbleif- 
bftcken  keine  geringere  Breite  haben,  als  die  Hälfte  des  Geschliffenen.  Um  dies  zu 
beweisen,  sei  (fedc)  der  Schleifbacken  und  (fennt)  das  Geschliffene.  Wenn  ein 
solcher  Schlei fbacken  nur  eine  Scbneide  bildet,  wie  {abdc),  80  würde  er  in  der  senk- 


Pig.  H2. 


rechten  Stellung  über  dem  Theilo  (de)  des  Geschliffenen  (einen  geringen  Spielraum 
der  Axe  vorausgesetzt)  mit  eüiem  viel  grösseren  Gewichte  drücken,  als  wenn  er  über 
der  Stelle  (fe)  desselben  stände,  und  er  würde  daher  viel  mehr  wegnehmen,  wenn 
die  sich  reibenden  Theile  senkrecht  auf  einander  stehen,  und  die  Konkavität  des 
Geschliffenen  würde  ungleich  werden,  welche  Ungleichheit  bei  einer  grossen  Berührungs- 
fläche des  Schleifbackens  mit  dem  Geschliffenen  nicht  entstehen  kann.  Am  besten 
würde  es  sein,  wenn  der  Schleifbacken  und  das  Geschliffene  einander  gleich  wären. 
Denn  wenn  alsdann  die  Seite  des  Schleifbackens  in  der  Mitte  des  Geschliffenen  wäre, 
würde  das  Ende  des  Geschliffenen  das  ganze  betreffende  Gewicht  des  Schleifbackens 
aufzunehmen  haben." 

Auf  G43h  findet  sich  noch  eine  Skizze,  wie  Fig.  539,  wobei  die 
Notiz  steht; 

L:  „Die  Schablone  sei  Steinplatte  aus  Fiesole  (lastra  da  fieeole)  mit  Waseer," 
d.  h.  diese  Schablonen  zum  Glätten  sollten  ans  Schleifstein  gemacht  und  es 
sollte  mit  Wasser  geschliiTen  werden. 

Fig.  542,  543  und  544,  G  43  h. 

Zu  Fig.  542.  L:  „{da)  ist  die  Axe  des  drehbaren  Theiles  (abc),  und  dl« 
Bewegimg  der  Kun'e  {abc)  (d.  h.  des  Theiles  davon,  der  die  untere  Kante  der 
Schablone  bihlet}  ist  um  so  langsamer,  je  kürzer  er  (numhch  der  drehbore  Theil] 
ist,  und  um  so  kürzer,  je  höher  sie,  d.  h.  die  mitere  Kaute  der  Schablone)  liegt" 


803  L«oDardu  da  VineL 

Zu  Fig.  648  und  544.  L;  „Dn  en  nSthig  ist,  data  die  Schablone  nm  M  vid 
nic<ifr([i'lui>iH^n  werden  kann,  ela  (sie  sich  abnutzt,  und  daas  sie,  wenn  uEedergelasBeo, 
Bohr  fiiit  dt^ht,  so  ist  es  erfonierlich,  die  Seilrollen  mit  Muttergewinde  darin  fwie  man 
sio  in  der  Skiiie  sieht)  zu  machen,  unil  Anas  ue  (die  Schablone  oder  eigentlich  ihr 
obcivr  Scharniertheil)  eich  zwischen  (a)  und  (e)  klemmt,  wie  es  (b)  thut  zwischen 
{a)  unil  (f).  Diese  Rollen,  welche  die  Multcm  der  Bchrauben  bilden,  werden  durdi 
dio  Schnür»?  (tlffg)  gezogen  (und  umgwlreht)," 

Leonaiiuo  beabsichtigte  zuerst,  diese  Schablone  durch  zwei  Gelenkgtangen 
mit  einem  horizontalen  Bolzen  zu  verbinden,  der  in  einer  Geradfiibniog  laufen 
sollte,  denn  bei  diesem  ßolzen  stehen  in  der  Skizze  die  Worte :  „va  per  canalfl" 
(läuft  in  einem  Kanal).  Eine  dritte  Gclenkstange  sollte  diesen  Bolzen  mit  der 
Kurliel  verbinden.  Nachher  liel  ihm  ein,  dass  die  GeradfUhning  wegfallen  and 
man  alle  die  Stangen  mit  dem  Bolzen  dnrch  eine  starre  Gelenkstange  ersetzen 
könne.  Denn  darülier  steht  geschrieben:  „qnesti  ferri  Bon  d'un  pezzo"  (diese 
Eisen  sind  aus  einem  Stücke). 

yig.  54Ü.  (t53v  zeigt  einen  Apparat  mm  Glätten  der  bleiernen  Scbleif- 


hacko«  fär  die  Hohlspiegel.  Darunter  ist  eine  Schubstange  mit  Handgriffen 
(Fig.  ;>4t>1  abgebildet,  womit  die  Schablonen  bewegt  werden  sollen. 

I.:  »In  doD  GläitiT  mu^  mau  den  Schleifbaeken  von  Blei  legen,  den  man 
«ujiwtvh^'ln  können  mu:^  je  nachdem  »ie  »ich  abnutzen,  und  so  «ird  man  die  Pairize 
des  Bn>nnf[Hegiels  lur  Yollkommenheit  bringon.  auf  die  »ch  das  Eupfer  pre^^en  wird, 
damit  sie  ToHki>mnw>n  g«.vbnei  wt'»\ie.  —  D*r  Motor  (J.  L  die  Schubstange  FTg.  546) 
i^  von  Bivntv.- 

DaninTor  Wlindct  sich  Fig.  Ö4«  und  MS,  Vorrichtungen  zum  Glätten  von 
Bri'nn^pi^ccln  daritcllvud. 

Zu  Fig.  ^4^,  I.:  ..FKi^  wiid  das.  wa*  zu  jvliwn  i*i.  unten  und  den  Schktf- 
tuh'ko;)  olvii  haben.  Die  Prih^xe  mus*  ^ivn  iU^,:\  i-:-  nlr-i  <las  Instrumeni  fidi 
ki^nsiTviwn.  »<nl  vÜo  Axi'  nii-hi  beschwen  ist  »ie  <i;t  Jer  ibtu  ab^etttld^en  Mafchioe 
iFig  ;>4T.  rn,i  »loÜ  s.:e  viie  Aie  «ch  r.whi  abr.üui.  «iri  die  Artieii  eine  toU- 
koiv.-.-.ii :-.i-:\'  t^'.T..  IVr  GigtKstar.-i.  Jia  2".a:i  ;■  lin.  wir.:  d.::  ,:arjht*  bif.nü'icben.  der 
iis  ivlin,  ur.iiKiiKi-r..    l\rSchI;i;>ai-k;T:  r-r.  v.:-,  li.ri,  cf;  u^■.;^v^■'?!*n  vnd  adjusÜL* 

I.  ..l'^':s  r.v.:»s  .lr.J^k^^.n  «i'r.ir..  .la-r.it  *:>■'::  3fr  SvhlTÖbÄrkeB  nüt  »önan 
iwr.kr:\':;  ».rk;-,'.i:-.  Om  tu  .iu:  is*  OiS-hli-ffr.;-  seiiL  .\rnn  so  wird  6x  Ax*  dea 
dKC-.ri*:^ ■-:  Tr^i'.cf  m.V.  v  .:.;  sb-.v.;Trt:;.  »:  I  *:«  iii:;  Gt«>,-r.:  »-.::  sici  hat.  und  was 
ih=     ,";ir.  S>::l..:'rA.k;:.    iri^t.    w_-i  r.l.;:;:  t,r;:f7 j-:r.   w;-;   kL  r.iVi«-  geiaigt  haba.** 

FuT  j^;-.-;;^'.  v.:;:  m.  t  ;T.>?;r  l^rr:: :."r  :■.  ■a..-r.-:z  ;iii.>rli  Seh]«-!!»;!!)«!«!« 
3«  *vV'^a   r^?r.-;i:-n;i  Ar   r:;  ^.'fj^r   r'.nrr.>.:r.iL   trii::*a  baben.   oad   fs 


Schlsifen  metallener  BrennepiegeL  383 

finden  sich  daher  für  solche  Fälle  im  Maiiuskripte  Q  verscbiedene  Entwürfe 
von  Schlei  fapparaten ,  bei  deoen  der  Schleif  backen  sich  Dicht  um  eine  durch 
den  Krümmungsmittelpmikt  gehende  Welle  dreht,  sondern  anf  andere  Art 
geführt  wird.  Zunächst  gehört  hierher  die  Scbleifvorrichtung  mit  Wasser- 
radbetrieb. 

Fig.  549,  G45h. 

L :  „Der  Schwanenhals  oder  die  Kurbel  des  WassemideB  greift  mit  ihrem  Ende 
(Zapfen)  in  einen  Ring,  an  den  die  Enden  der  beiden  Seile  gegenüberstehend  an- 
gebunden sind,  wie  man  es  bei  8ägen  mit  Wasserradbetrieb  eieht.  Und  so  geschieht 
auch  Aehnlichea  (wie  mit  solchen  Sägen)  mit  dem  konkaven  Theilp,  den  man  auf 
dem  konvexen  polirt.  Die  Winde  an  dem  Oestclle,  dns  vor  der  konvexen  Brücke 
aufgestellt  ist^  dient  dazu,  den  geschliffenen  konkaven  Theil  aufrecht  lu  stellen,  nm 


Fig.  MB. 


Fig.  SM. 


innen  zu  echen,  wie  das  Poliren  erfolgt.  Man  hängt  diesen  Theil  nn  die  Solle  der 
Winde  mit  den  Hnken  {s)  und  {t),  die  sich  in  die  beiden  Ringe  einhängen,  die  an 
den  Enden  der  Seile  der  genannten  Winde  befestigt  sind.  Das  Bett  sei  von  Blei 
and  nach  der  angegebenen  Regel  adjustirt." 

Ferner  gehört  hierher  Fig.  550,  G  47  h. 
L:  „{ab)  ist  der  Gegenstand,  der  durch  die  Schablone  (n)  zu  gleichmässiger 
Konkavität  gebracht  werden  soll.  Dieser  muss  sicher  und  fest  aufgestellt  werden. 
Icä)  ist  eine  Führung  der  Schablone  (»),  die  sich  mit  ihrer  gleichmäasig  konkaven 
Seitenwand  gegen  die  Rollen  stützt,  die  zu  ihrer  genauen  und  passenden  krumm- 
linigen Bewegung  die  Führung  bilden,  (ef)  ist  ein  Lehrliogen,  woran  die  RoUen 
befestigt  sind.  —  Dns  Schablonirte  will  nach  Art  eines  Betltuchea  (?  al  leuzulo)  gegen 
die  Schablone  gezogen  sein." 

Darüber  steht  noch  die  Bemerkung: 

L:  „Die  zwölf  Rollen  hier  unten  befestigt  man  mit  konischen  Schrauben,  woraus 
sich  die  Bequemlichkeit  ergiebt,  dass  dieselben  Rollen  zu  den  verschiedenen  Krüm- 
mungen verschiedener  Lehrhögen  benutzt  werden  können." 

Kinematisch  interessant  sind: 

Fig.  551 ,  552  und  553 ,  G  83  h.  Der  Schleifbacken  soll  hier  in  das  in 
der  Mitte  auf  einer  Unterlage  stehende  und  durch  bogenförmige  Schlitze  ge- 
führte   Gleitstück    eingespannt   werden.      Die    Bewegung   erfolgt    durch    vier 


804 


l*on%T3o  du  ViocL 


konische  Walzen,  die  an  ihren  beiden  Enden  von  Riemen  nmschlungen  werden, 
welche  an  dem  Gleitstücke  befestigt  sind.  Die  beiden  Walzen  des  rechten, 
Bowie  die  des  linken  Paares  sind  an  ihrem  dickeren  Ende  durch  je  einen 
gekreuzten  Riemen  mit  einander  verbunden.  Auf  diese  Weise  bew^en  sich 
alle  Walzen  gleichzeitig,  wenn  eine  mit  der  Kurbel  gedreht  wird,  und  du 
hintere  Ende  des  Gleitstückes  durchläuft  eine  kürzere  Bahn,  als  das  vordere. 
Zu  Fig.  551  und  662.  L:  „Der  Schleifbackenhalter  bewegt  sich  nach  recht» 
and  links,  geführt  durch  iwra  krumme  Kanäle,  die  Ewei  Zähne  in  sich  aufnehmen. 
—  Die  Spitzen  der  vier  Pyramiden  (d.  h,  der  konischen  Walzen)  müssen  alle  in 
einem  und  demsell>en  Punkte  zusammenlaufen.  —  (Am  Schlüsse  der  Bemerkungen:) 
Der  Schleifbackenhalter  (nm)  musa  sich  in  krummen  Leitkanälen  bin  und  her  be- 
wegen, deren  Krümmungen  einen  gemein  sc  baftlicben  Mittelpunkt  haben,  in  d«n  audi 
die  Mantelflächen  aller  der  konischen  Walzen  zusammenlaufen.  —  Soi^  dafür,  dasa 
die  Gurt«l  nicht  mehr  als  eine  ganze  Umdrehung  auf  den  konischen  Walzen  macboi 
(d.  b.  dosa  sie  sieb  nur  einmal  darum   achlingcn),   denn  die  Dicke   dieser  Walzen 


würde  son^t  wachsen  und  die  Proportion  des  Zusammenlaufes  verderben,  welcben  die 
Seiten  dieser  Pyramiden  haben.  Dieses  beweist  man  durch  einen  der  £Ilementanät>4 
welcher  sagt:  Wenn  zwei  ungleichen  Grössen  gleiche  Grössen  zugefügt  werden,  ändert 

«ch  ihre  Proportion Und  dies  sage  ich  in  Betreff  dar  konischeo  Walzen, 

die  die  Gürtel  während  der  XTmdiehung  ungleich  aufwickeln.  Denn  bei  einer  iweiteB 
Umdrehung  l^gen  ^'h  Jio  Gürtel  überebander  und  die  Dicke  der  Walzen  ist  versnderl" 
Bei  der  kleinen  Skizze  Fig.  553.  die  sich  auch  in  dem  Manuskript  tmt^ 
der  Skixie  Fig.  552  befindet,  steht  die  Bemerkung: 

L:  ..Die  R-Hder  [n)  und  (b)  drehen  sich  in  ein  und  derselben  Ricfatun^  sowohl 
auf  der  r«t-hien,  als  auch  auf  der  linken  Seite  (i.  B.  redits  beide  abwärts  nnd  Imks 
beide  aufwärts^  und  die  hier  oben  (in  Fig.  552)  geinchuetm  Räder  (oder  eigentlidt 
Walionl  tbun  das  Gt'gentheiL" 

Ol^leich  wir  mx-h  anderthalb  Jahrbnndert  nach  Leokabdo  nur  Schnni^ 
Scheiben  mit  gekreuzten  Solmur«n  angewendet  sahen,  finden  wir  den  kin»- 
matist-hen  Unterschied  zwischen  offenen  und  gekreuzten  Schnur-  oder  Riemen- 
felrieK'n  hier  schon  festgestellt. 

Damit  gUuben  wir,  aus  den  in  der  Bibliothek  de  Tlnstitat  befindlichen 
Ifanuskripten  altes  Wesentliche,  was  in  das  Gebiet  des  Haschinenbanes  und 
der  mechan:sohen  Teohni>\>gie  gehört,  in  einigemiassen  öbeisichtlicher  Ordnong 
tasammen^'^teJlt  lu  haben. 


Juanelo  Turriano  (1500—1585). 


Auf  Taf.  95  von  Ramelu's  Werk:  „Le  diverse  et  artificiose  machine** 
findet  sich  die  in  unserer  Fig.  554  wiedergegebene  Maschine  abgebildet,  die 
vermittelst  zweier  Reihen  (bezw.  einer  Reihe)  schwingender  Rinnen,  die  durch 
ein  unterschlächtiges  Rad  gleichzeitig  in  verschiedenen  Richtungen  hin  und  hei 
gedreht  werden,  Wasser  einen  Berg  hinan  fördert. 

Als  wir  unsere  Abhandlung  über  Ramelli  für  den  Jahrgang  1890  des 
„Civilingenieur"  schrieben,  erschien  uns  die  Form  dieser  Maschine  so  sonderbar, 
dass  wir  sie  nur  für  ein  Produkt  theoretischer  Spekulation  hielten  und  nicht 
glaubten,  dass  sie  jemals  praktisch  angewendet  worden  sei,  weshalb  wir  sie 
nur  mit  wenigen  Worten  erwähnten.  Inzwischen  sind  wir  durch  Herrn  Dr.  Nick, 
Bibliothekar  der  Grossherzoglich  Hessischen  Hoftibliothek ,  auf  eine  Abhand- 
lung des  Bergingenieurs  Don  Luis  de  la  Escosura  t  Morrogh  aufmerksam 
gemacht  worden,  die  im  Jahrgange  1888  der  „Memorias  de  la  Real  Academia 
de  Ciencias  exactas  etc.^'  zu  Madrid  erschienen  ist  und  woraus  sich  ergiebt, 
dass  eine  solche  Maschine  im  16.  Jahrhundert  nicht  nur  ausgeführt,  sondern 
etwa  achtzig  Jahre  lang  im  Betriebe  war  und  solche  Berühmtheit  erlangte, 
dass  der  Scharfsinn  und  die  Kunstfertigkeit  ihres  Erbauers  in  Spanien  sprüch- 
wörtlich wurde,  dass  Chronisten  sie  priesen  und  Dichter  sie  besangen. 

Diese  Abhandlung  ist  überschrieben :  „El  Artificio  de  Juanelo  j  el  Puente 

de  Julio  Cesar''  (Die  „Kunst"  des  Juanelo  und  die  Brücke  des  Julius  Cesar). 

In  der  Einleitung  wird  gesagt: 

„  Janelo  oder  Juanelo  Turriano,  Uhrmacher  und  Mechaniker  Kaiser  ELarl's  V., 
gelangte  während  der  Regierung  Philipp's  IL  dahin,  ein  berühmter  Ingenieur  zu 
werden*),  indem  er,  um  das  Wasser  des  Tajo  nach  dem  Alcäzar  von  Toledo  zu 
heben,  die  »Künste  (Maschine)  konstruirte,  die  seinen  Namen  trägt  Die  Wasser- 
kunst hatte  einen  breiten  Strassenzug  zu  überschreiten,  wie  der  Chronist  Ambrosio 
MoRALES  berichtet,  und  Juanelo  löste  diese  schwierige  Aufgabe  dadurch,  dass  er 
die  Röhren  und  Gefässe  seiner  Maschine   auf  eine  hölzerne  Brücke  setzte,  die  eine 


*)  In  unserer  Abhandlung  über  Ramelli  (S.  208)  erwähnten  wir,  dass  viele  der  damaligen 
Fürsten  und  Herren  sowohl  Hüfmechaniker,  als  Hofalchimisten  hielten.  Wir  werden  nun 
einige  genauere  Nachrichten  über  die  Stellung  eines  solchen  Hofmechanikei-s  geben  können. 


IHM  Juanelo  Turrinno. 

Kotn'ua  WiiilcrKiilto  (k-rjenigen  war,  welche  Juuue  Caesar  über  den  Rhein  aiülBgea 

Viit  ilfirfUi  nicht  fiborriÜNsig  sein,  dem  Leser  mitzuth eilen,  doss  die  Kaths- 
viirMuiiiTiluiiK  vun  Tolndo  unter  (lern  Vorditse  von  DoN  Rodkioo  Aleore  mich  im 
•iiilir»  IHOl  lH>iiiiftniKUt,  ilio  Versorgung  der  Stadt  mit  Waeser  zu  studiren,  und  dass 
dtiiTinU  iH'iin  Ikilnii-liKm  der  jetzt  venuhwun denen  Mauerreste  der  »Kunst«,  die  bd 
der  hrikcko  von  AlritnUim  »ttuidcn,  der  Wunsch  in  mir  erwachte,  die  fast  als  wunder- 
Ixir  p'rühiuUt  MiiM-hiii«  ileM  Jvaüelo  kennen  ta  lernen,  so  dass  ich  tod  jener  Zdt 
HU  ki'in  mir  »u  Gebotti  »u-bcnde»  Mittel  uubenutzi  liess,  um  diese  Wisabegieide  «u 
lK.rriwlip.u " 

Auf  di«'  Kinli'itiiiig  folgen  in  der  Abhandlung:  Notizen  über  Werke 
und  l'rojokte  zur  Wasaervorsorgung  Toledo's  in  der  Zeit  vor  der 
Aufsti'lluiii;  von  Ji'axelo's  ..Kunst".     Darin  wird  gesAgt: 


^M' 


r4  IM- 


IXt  >VT«.U.'r>irj?  iS^wr  Jv-i:if  Tif.-.-if!^  r*3;c-^',-i  i-if  bic  Il^Kc  Fi«,  nefar  k=.ib- 

vV..'rHj),-i*.  "tJtT-.  t.t?  -rr.i.-  t.-L:~  «t*  js«  sta-f-  lir^.  fw  iwir  ^  T  ite^  <  «>■ 
•  ".V  "Avtf  ,\i-.>-  .-.f  :>.:.:  V.;.:.--.:;  .-öfr  »'.>  IVx-«  „'ij.-««  iur  iw^  Kosdajf» 
2aitri't.'-itmi  uih  ^^  i^swr  l.L^  :tfl.':    Tiv  r-on   'ü^.i^dKi-*  K-'^i^ss    xtx  ibb  F^&n  äs* 


JnaDdo'a  WasserkoiiBt,  Wasserversorgung  Toledo'i 


1  Älterthiun. 


JTotiien  in  einem  EinnKhmebuche  des  KloBters  »de  Is  Conception  Froncisca«  hervor- 
geht,  worüber  Farro  {>Tole<lo  en  la  mano',  t  II,  p.  659)  berichtet,  dachte  man  bis 
lu  Anfang  des  Jahres  1626  nicht  daran,  dieses  primitive  System  der  Versorgung  «u 
ändern.  »Damals  fing  man  an*,  sagen  die  Notizen,  >ein  Werk  lum  Hinauf  seh  äffen 
des  Wassers  von  den  Mülilen  von  Gazi-Sanchei  bei  der  Brücke  von  Alcäntara  an 
bis  zu  dem  Platze  von  Zocodover  auszuführen.  Es  kamen  zu  diesem  Zwecke  Ingenieure 
aus  Deutschland,  die  Graf  Mascio,  Marquis  von  Zenete  und  Camarero,  Verwalter 
unseres  Herrn,  des  Kiusers,  hatte  kommen  lassen.  Vom  Beginne  des  Werkes  nn 
legte  man  sehr  hohe  Steuern  zur  Deckung  der  Kosten  auf  ....  Diese  Erfindung 
bestand  aus  grossen  Stempeln,  die  das  Wasser  wütbend  (furiosamente)  stampften  und 
mit  solcher  Gewalt  durch  metallene  Röhren  hinauftrieben,  dass  alle  Leitungen  zer- 
brachen, und  man  kein  genügend  starkes  Material  hatte,  um  sie  daraus  zu  Jessen. 
So  kam  es,  dass  dieser  Apparat  von  sehr  kurzer  Dauer  war.'" 

Wahrscheinlich  gebrauchten  die  deutschen  Ingenteure  Pumpen  mit  lanf^en 
Massivkolben,  ähnlich  Fig.  555,  denn  die  Benennung  „Stempel"  ist  für  solche 
Kolben  passend.  Der  Ausdruck :  „wüthend 
stampfen"  ist  für  die  heftigen  Stösse,  die  beim 
Arbeiten  solcher  Pumpen  ohne  Windkessel  bei 
grosser  Dnickhöhe  und  Länge  der  Leitung  ent- 
stehen mussten,  bezeichnend.  Don  Luis  de  la 
EscosDRA  fahrt  fort; 

„Welche  Art  von  Metall  wird  das  der  Röhren 
gewesen  sein  ?  Was  für  Pumpen  gebrauchten  die 
Deutschen?  Aus  den  »Notizen*  kann  man  nichts 
entnehmen.  Wenn  man  das  Wort  Metall  nicht  im 
allgemeinen  Sinne  nimmt,  sondern  Bronce  oder 
Messing  daranter  versteht,  so  überrascht  es,  dass 
der  Ausgang  ein  so  uji  glücklieb  er  und  rascher  ge- 
wesen ist  Die  Länge  der  Rohrleitung  zwischen 
den  Mühlen  von  Gazi-Sanchez  nnd  Zocodover  ülier- 
steigt  niciit  600  m,  und  der  Höhen  unterechied  ist 
etwa  80  m,  so  dass  die  Rühren  zunächst  des  Flusses 
einen  permanenten  Druck  von  8  Atmosphären  und 
den  zufälligen  des  Antriebes  auszuhalten  hatten, 
der  durch  die  Fumpenkolben  hervorgebrai^t  wurde. 
Auch  wenn  diese  müthend  stampften',  wie  die  Notizen  des  Klosters  sagen,  mussten 
sie  doch  nicht  die  sofortige  Zerstörung  von  Röhren  aus  gegossenem  Messing  bewü'ken." 

Uns  scheint  es,  als  ob  die  Gewalt  der  Wasserstösse ,  wie  sie  unter  den 
obwaltenden  Umständen  eintreten  mussten,  hier  unterschätzt  würde.  Wenn 
broncene  oder  messingene  Röhren  angewendet  wurden,  gab  man  ihnen  wegen 
der  Kostspieligkeit  des  Materials  nnd  ans  Mangel  an  Erfahrung  wahrscheinlich 
geringe  Wandstärke,  und  es  scheint  uns  durchaus  nicht  unglaublich,  dass  solche 
Röhren  bei  8  bis  9  Atmospltären  konstantem  Wasserdmcke  (später  wird  nämlich 
die  Dmckhöhe  zu  90  m  angegeben),  verbunden  mit  heftigen  Wasserstössen,  sehr 
bald  barsten.     Unser  Autor  fährt  fort; 

„Man  kann  nicht  annehmen,  dass  die  Röhren  von  Gusseisen  gewesen  wären, 
denn  ausser,  dass  seine  Widerstandsfähigkeit  den  Bruch  verhindert  haben  würde, 
erscheint  es  auch  als  eine  erwiesene  Thatsacbe,  dass  die  ersten  Gegenstände  von  diesem 
Metalle  in  England  von  Raij'h  Haqe  und  Petek  Bawdb  im  Jahre  1554  gegossen 


3G8  Juanelo  Turriano. 

wurden  (Baker  Chronikles  of  the  Kings  of  England  Edit  1665,  pag.  317,  cit  per 
Ewbank:  A  description  and  historicol  account  of  hydraulic  and  other  machines  for 
raising  water.     London  1842.     pag.  553).^ 

Letztere  Behauptung  dürfte  insofern  unrichtig  sein,  als  gusseiseme  Kugeln, 

Geschütze,   Ofenplatten  und  Feuerböcke  schon  gegen  Ende  des    15.    und  zu 

Anfang  des  16.  Jahrhunderts  in  Deutschland  und  Frankreich  gegossen  wurden 

(vergl.  Dr.  Ludwig  Beck,  „Geschichte  des  Eisens",  Bd.  I,  S.  910,  912,  948  und 

Bd.  II,  S.  293,  318,   319);    doch    stimmen   wir  darin,   dass   die  Herstellung 

gusseisemer  Röhren  um  1526  unwahrscheinlich  ist,  mit  unserem  Autor  überein. 

Dieser  fährt  fort: 

,,Nnch  dem,  was  ich  gesagt  habe,  und  dem  Wenigen,  was  man  aus  den  »Notizen« 
herleiten  kann,  bin  ich  geneigt  zu  glauben,  dass  die  Röhren  von  Blei  waren;  ent^ 
weder  aus  Platten  von  diesem  Metalle  hergestellt,  oder  in  kurzen  Stücken  gegossen 
und  durch  Blei  oder  Loth  mit  einander  verlöthet  .  .  .  .^ 

Es  wird  darauf  hingewiesen,  was  Vitrüv  über  Bleirohre  zu  Wasser- 
leitungen angiebt,  aber  dabei  irrthümlich  behauptet,  dass  die  Wandstärke  der 
Röhren  nach  diesen  Angaben  dem  Durchmesser  proportional  gewesen  sei, 
während  VrrRUv  das  Gewicht  bei  gleicher  Röhrenlänge  dem  Durchmesser 
proportional  angiebt,  was  für  alle  Durchmesser  ein  und  dieselbe  Wandstärke 
ergiebt,  und  zwar  annähernd  8  mm.  Nachdem  dann  das  hohe  Alter  der  Kunst 
des  Bleigiessens  nachgewiesen  worden  ist,  heisst  es  weiter: 

„In  der  Zeit,  worauf  sich  die  Notizen  des  Klosters  bezieben,  waren  die  Pumpen, 
die  man  in  den  Bergwerken  Deutschlands,  Ungarns  und  in  Almaden,  sovrie  xum 
Auspumpen  von  Wat^stor  aus  Schiff srumpfen  gebrauchte,  von  Holz  (vergl.  Aoricola: 
De  re  metallica  und  Murales:  Las  Antig.  de  Espafia,  t  IX,  p.  167),  während  die 
von  Metall  wenig  in  Gebrauch  sein  musstcn,  weil  am  9.  November  des  Jahres  1526, 
in  dem  die  Deutschen  in  Toledo  ankamen,  eine  königliche  Verordnung  zu  Gunsten 
des  Diego  Ribero,  Kosmographen  und  Meisters  in  nautischen  Instrumenten,  erlassen 
wurde  in  Betreff  einer  neuen  metallenen  Pumpe  seiner  Erfindung,  wie  Don  Martik 
Fernandez  de  Navarete  berichtet*).  Es  ist  ersichtlich,  dass  die  Pumpe  aus- 
gezeichnete Resultate  ergab.  Diese  königliche  Verordnung  und  die  Sorge  des  Fer- 
nandez Navarete,  jede  sich  bietende  Gelegenheit  zu  benutzen,  um  das  Genie  unseier 
Landsleute  zu  preisen,  sind  That^^achen,  die  man  anführen  könnte,  um  zu  beweisen, 
wie  riskirt  es  bei  vielen  gewerblichen  Erfindungen  ist^  ihnen  Originalität  zuzuerkennen. 
Die  Druckpumpe  des  Ktesibius,  die  Vitruv  in  seiner  »Architectura«  unter  dem 
Namen  »Ktesibische  Maschine«  beschreibt,  war  von  Metall.  »Ea  (die  Maschine)  fit 
ex  aere«  sind  seine  Worte.  So  dass  man  drei  Jahrhunderte  vor  Christus  in  Alexandrien 
Pumpen  von  Bronce  konstruirte  und  1800  Jahre  nach  dem  Erscheinen  der  »Kommen- 
tarien« des  Ktesibius  in  Spanien  eine  königliche  Verordnung  in  Betreff  der  Er- 
findung einer  solchen  Pumpe  erliess  .... 

Die  Deutschen,  welche  im  Jalire  1526  nach  Toledo  kamen,  könnten  broncene 
Pumpen  gebniucht  haben,  da  solche  bekannt  waren ;  allein  ich  bin  geneigt  zu  glauben, 
dass  sie  von  Holz  waren;  da  in  den  Bergwerken  ihres  Landes,  sowie  Spaniens^ 
gewöhnlich  hölzerne  Pumpen  gebraucht  wurden  .... 

Das  Werk  der  Deutschen,  wovon  das  Manuskript  berichtet,  war  nicht  daa 
letzte,  das  man  plante,  um  Wasser  aus  dem  Tajo  nach  Toledo  hinaufzuschaffen,  ehe 
man  die  »Künast*  des  Juanelo  aufstellte.    Denn  m  einer  Verordnung  vom  20.  Oktober 


*)  «Coleccion  de  viajes  y  descubrimientos  qae  hizieron  por  mar  loa  Espaiiolos*,  i.  J^ 
iluBt.  IV,  pag.  1J4.     Madrid  1825. 


Eintritt  in  die  Dienste  des  Kaisers  Karl  V.  369 

1670,  registrirt  auf  Fol  211  des  Buches  »De  Obras  y  Bosques«*),  befahl  der  König 
den  Rechnungsführern,  auf  Konto  des  Zahlmeisters  von  Toledo  117  640  maravedis 
(692  e^)  einzutragen,  die  er  an  die  Pächter  der  Mühle  bezahlt  hatte,  die  unterhalb 
der  Brücke  von  Alcdntara  stand,  »für  865  Tage,  die  im  vergangenen  Jahre  1562 
nach  unserem  Befehle  Juan  Coten  und  Meister  Jorge,  ein  Flamländer,  unsere  Diener, 
zum  Hinauf  schaffen  von  Wasser  nach  der  genannten  Stadt  an  der  Herstellung 
gewisser  Maschinen  arbeiteten,  die  nicht  den  Effekt  hatten,  wie  diejenige,  welche 
JuANELO  TuRRiANO,  unscr  Uhrmacher,  vom  I.Januar  1564  bis  14.  Mai  1566  seit- 
dem gemacht  hatc.  Aus  welchem  Dokumente  der  Leser  ersehen  wird,  ohne  dass  ich 
ausführlichere  Nachricht  geben  könnte,  dass  Juan  de  CkxrEN  und  Meister  Jorge 
im  Jahre  1562  irgend  eine  Maschine  zum  Heben  von  Wasser  nach  Toledo  pro- 
jcktirten  und  die  Mühle  bei  der  Brücke  von  Alcäntara  benutzten  oder  bewohnten. 
Man  weiss  nicht,  ob  sie  Proben  anstellten,  oder  ob  die  Maschine  im  Stadium  des 
Projektes  gelassen  wurde  .  .  .  ." 

Unter  der  Ueberschrift  „Juane lo  tritt  in  die  Dienste  des  Kaisers** 
wird  berichtet: 

„Jüanelo  wurde  zu  Cremona  geboren,  entweder  im  letzten  Jahre  des  15.  oder 
im  ersten  des  16.  Jahrhunderts.  Als  Kaiser  Karl  V.  1529  zu  Bologna  gekrönt 
ward,  wurde  Juanelo  mit  anderen  Künstlern  gerufen,  um  eine  Uhr  von  komplicirter 
Konstruktion  zu  prüfen,  die  man  dem  Kaiser  überreicht  hatte  und  die,  weil  ihre 
Theile  verrostet  und  unvollständig  waren,  nicht  funktioniren  konnte.  Von  den  Ge- 
rufenen verstand  nur  Juanelo  das  Werk,  das  als  ein  wunderbares  geschildert  wird, 
und  erbot  sich,  es  wieder  herzustellen,  doch  hielt  er  es  für  rathsamer,  eine  neue 
gleiche  Uhr,  von  derselben  Gestalt  wie  die  alte,  zu  machen.  Dieser  Beweis  seiner 
einzig  dastehenden  Geschicklichkeit,  verbunden,  wie  es  scheint,  mit  der  Protektion, 
die  ihm  Don  Alonso  de  Avales,  Marqu^  de  Vasto,  angedeihen  liess,  bestimmten 
den  Kaiser,  ihn  in  seine  Dienste  zu  nehmen.  Er  musste  mit  dem  übrigen  Grefolge 
den  Kaiser  in  seine  Feldzüge  und  auf  seine  Reisen  in  Spanien  begleiten. 

Von  der  alten  Uhr,  die  Juanelo  wieder  herstellte,  oder  die  ihm  als  Muster 
diente,  berichten  Alle,  die  über  das  Leben  des  Kaisers  oder  über  die  Werke  Juanelo's 
geschrieben  haben.  Doch  finden  sich  in  den  Nachrichten  dieser  Autoren  grosse 
Widersprüche  und  in  den  Citaten,  meines  Erachtens,  unbegreifliche  Irrthümer.  Und 
da  diese  Uhr  violleicht  das  wichtigste  Werk  ist,  das  Juanelo  in  seinem  Leben  aus- 
führte, insofern  es  ihm  zuerst  Berühmtheit  als  Mechaniker  und  Mathematiker  ver- 
schaffte und  ihm  den  Eintritt  in  die  Dienste  des  Kaisers  eröffnete,  wodurch  er  dann 
dazu  gelangte,  die  Wasserkunst  in  Spanien  zu  konstruiren,  so  glaube  ich,  keine 
Nachricht  über  dieses  berühmte  Werk  aufnehmen  zu  dürfen,  ohne  sie  sorgfältig  zu 
prüfen.  Ich  beginne  diese  Prüfung  damit,  dass  ich  kopire,  was  Ambrosio  Morales, 
ein  begeisterter  Verehrer  und  Freund  Juanelo's,  in  seinen  »Antiguedades  de  las 
ciudades  de  Espaila«,  t.  IX,  de  la  Cronica  general  de  Espafia,  pag.  337  sagt:  »Da 
ich  angefangen  habe,  von  den  Werken  dieses  ausserordentlichen  und  berühmten 
Ingenieurs  zu  sprechen,  so  will  ich  für  den,  der  sie  nicht  gesehen  hat,  hier  einige 
Aufzeichnungen  darüber  hinterlassen  . .  •  .,  und  es  wird  mir  dabei  zu  statten  kommen, 
was  Juanelo  selbst  mir  davon  gezeigt  und  erklärt  hat  Denn  wenn  ich  fähig  war, 
es  zu  verstehen  und  Vergnügen  daran  zu  haben,  beliebte  es  ihm  manchmal,  mich 
zu  belehren  und  mich  dadurch  zu  erfreuen.  Er  fasste  den  Plan,  eine  Uhr  mit  allen 
Bewegungen  des  Himmels  zu  machen,  sodass  sie  die  des  Archimedes  überträfe,  die 
Plutarcii  beschreibt,  sowie  die  eines  anderen  Italieners  jener  Zeit^  worüber  ein  Brief 
des  Hermolao  Barbaro  an  Angelo  Policiano  berichtet     Und  er  übertraf  sie  so 


*)  Noticias  de  los  Arquitectos  y  de  la  Arquitcctura  de  Espaua,  por  el  Ezcm.  Sr.  Don 
EuGENio  Llaguno,  illustradas  y  acrecentadas  por  D.  Juan  Augustin  Caen-Bermudez,  t.  II, 
pag.  246.    Madrid  1829. 

Be«k.  24 


370  Juanelo  Turriano. 

weit,  (lass,  wer  die  Uhr  des  Juanelo  gesehen  und  über  die  der  anderen  Künstler 
gelesen  hatte,  sofort  einsah,  dass  diese  alle  zu  unbedeutend  waren,  um  ihn  mit  den 
linderen  vergleichen  zu  können.  Denn  es  giebt  keine  Bewegung  am  Himmel,  welche 
die  Astronomie  (nach  dem  Ptolemä  ischen  System)  betrachtet,  so  geringfügig;  ver- 
schiedenartig oder  entgegengesetzt  sie  auch  sein  möge,  die  hier  nicht  auf  Jahre,  Monate, 
Tage  und  Stunden  sicher  bestimmt  wäre.  Nichts  gab  es,  was  ihm  als  Muster  hätte 
dienen  können.  Ich  will  nur  erwähnen,  dass  man  hier  das  primum  mobile  (d.  L  in 
der  alten  Astronomie  die  tägliche,  scheinbare  Bewegung  des  Himmels)  mit  seiner 
entgegengesetzten  Bewegung  fand,  die  acht  Sphären  mit  ihren  Schwingungen,  die 
Bewegungen  der  sieben  Planeten  mit  allen  ihren  Verschiedenheiten,  Sonnen  stunden, 
Mondstunden,  die  Erscheinung  der  2jeichen  des  Thierkreises  und  vieler  anderer  Haupt- 
sterne, dazu  noch  viele  andere  äusserst  erstaunliche  Dinge,  die  ich  nicht  im  Ge- 
dächtniss  habe.  Er  verbrachte,  wie  er  mir  sagte,  zwanzig  Jahre  damit,  sie  sich  im 
Greiste  vorzustellen  und  den  Plan  dazu  auszuarbeiten,  und  infolge  dieser  grossen 
Anstrengung  und  Versenkung  in  seine  Betrachtungen  erkrankte  er  zu  jener  Zeit  zwei- 
mal und  kam  dem  Tode  nahe  ....  alsdann  aber  brachte  er  nicht  mehr  als  drei 
Jahre  damit  zu,  diesen  Plan  mit  seinen  Händen  auszuführen  ....  Das  war  viel, 
denn  die  Uhr  enthält  1800  Räder.  Er  musstc  daher  jeden  Tag  (die  Festtage  aus- 
genommen) wenigstens  drei  liäder  ausarbeiten  ohne  das  Uebrige.  Die  Räder  aber 
waren  nicht  nur  in  der  Grosso,  sondern  auch  in  der  Zahl  und  Form  der  Zähne  ver- 
schieden. Aber  so  bewundernswerth  diese  Schnelligkeit  (des  Arbeitens)  ist>  so  setzt 
doch  eine  geistreiche  Drehbank,  die  er  erfand,  noch  mehr  in  Erstaunen.  Auch  sahen 
wir  ihn  Räder  von  Eisen  mit  der  Feile  in  den  Zirkel  arbeiten  und  die  Gleichheit  der 
Zähne  herstellen,  wie  sie  erforderlich  war ....  Juanelo  sagte,  dass  er  die  grössten 
Schwierigkeiten  in  drei  Dingen  gehabt  habe,  nämlich  in  der  Bewegung  des  primum 
mobile,  in  der  Bewegung  des  Merkur  und  in  den  ungleichen  Stunden  des  Mondes. 
Um  diese  Schwierigkeiten  zu  überwinden  und  diese  Bewegungen  mit  aller  Grenauig* 
keit  und  allen  ihren  widersprechenden  Verschiedenheiten  in  die  Ulir  zu  bringen,  sagte 
er,  habe  er  die  Kunst  dahin  gebracht-,  wohin  die  Zahlen  nicht  kommen  könnten,  und 
er  würde  dies,  wo  es  erforderlich  sei,  mit  aller  Klarheit  beweisen.  Dies  ist  ein  merk- 
würdiges, unerhörtes  Vorauserfassen  und  Eindringen  mit  dem  Verstände.  Und  wenn 
ein  solches  im  allgemeinen  bewundernswerth  ist,  so  ist  es  bei  Juanelo  um  so  höher 
anzuschlagen,  weil  er  die  Arithmetik  kannte  und  wusste,  wieviel  man  bei  vollständiger 
Kenntniss  derselben  ausrichten  kann  .  .  .  ." 

„Ich  wundere  mich,  dass  ein  Schriftsteller  von  so  viel  Gelehrsamkeit  und  Ver- 
stand, wie  MoRALES,  sich  bemühen  konnte,  den  Archimedes,  den  ersten  Geometer 
und  den  geistreichsten  und  tiefsinnigsten  Weisen,  den  es  auf  der  Welt  gab,  dadurch 
herabzusetzen,  dass  er  erklärte,  seine  wichtigen  Entdeckungen  und  seine  für  bewunderns- 
werth gehaltenen  Werke  seien  im  Vergleiche  mit  der  Uhr  des  Juanelo  geringfügig. 
Die  Aninaassung  Juanelo's,  zu  behaupten,  dass  er  die  Kunst  dahin  gebracht  habe, 
wo  Zahlen  nicht  hinreichen,  eine  Aeusserung,  die  in  jedem  Lichte  betrachtet  dunkel 
und  prätentiös  ist,  nimmt  das  Wohlwollen  des  Morales,  seines  entschiedensten  und 
enthusiastischsten  Bewunderers,  bis  aufs  Aeusserste  in  Anspruch  .  .  .  ." 

Es  scheint,   als  ob  unser  Autor   durch  seine  Verehrung  für  Archimedes, 

die  wir  vollkommen  theilen,  hier  zu  einem  unbilligen  Urtheile  gegen  Morales 

und  Turriano  verleitet  würde.    Denn  in  den  citirten  Stellen  des  Ersteren  wird 

nicht  gesagt,  dass  die  Entdeckungen  und  Werke  des  Archimedes  im  allgemeinen 

im  Vergleiche  mit  der  Uhr  des  Juanelo  geringfügig  seien,  sondern  es  wird  nur 

gesagt,  dass  dieser  eine  weit  vollständigere  und  bessere  Uhr  gemacht  habe,  als 

Archimedes,  und  dies  ist  sehr  wahrscheinlich.    Was  aber  die  Aeusserung  Juanelo's 

anbelangt,  er  habe  die  Kunst  dahin  gebracht,  wohin  die  Zahlen  nicht  reichten, 

so  dürfte  er  damit  die  Kunst  gemeint  haben,  durch  mechanische  Mittel  Um- 


Astronomische  Uhr.  371 

drehungen  von  einer  „untheilbaren  Zahl"  zu  erzeugen,  worüber  Cord anus 
in  seinem  Werke:  „De  subtilitate"  schreibt(vergl.  S.  168u.  171).  Und  in  diesem 
Sinne  finden  wir  seine  Aeusserung  zwar  dem  damaligen  Zeitgeschmacke  ent- 
sprechend etwas  mysteriös,  aber  doch  nicht  so  dunkel  und  prätentiös,  wie 
Don  Luis  de  la  Escosura  sie  hinstellt.    Dieser  sagt  femer: 

,,Uuter  allen  Umstanden  beweist  die  Erzählung  dieses  Schriftstellers  (Morales), 
dass,  wenn  er  diejenige  von  der  Uhr  von  Bologna  kannte,  er  es  nicht  für  angezeigt 
hielt,  sie  in  den  »Antiguedades  de  Espaüac  wiederzugeben;  und  wenn  er  sie  nicht 
kannte,  dass  Juanelo  Sorge  trug,  ihn  nicht  mit  der  Gelegenheit  und  den  Umstanden 
bekannt  zu  machen,  die  seinen  Eintritt  in  die  Dienste  des  Kaisers  veranlassten.^ 

Auch  dieses  Urtheil  erscheint  uns  zu  hart.  Morales  sagt,  Juanelo  habe 
den  Plan  gefasst,  eine  vollkommenere  Uhr  zu  bauen,  als  alle  seine  Vor- 
gänger, und  es  ist  anzunehmen,  dass  er  während  der  zwanzig  Jahre,  die  er 
auf  die  Feststellung  ihrer  Konstruktion  verwendete,  seine  Aufgabe  mehr  und 
mehr  erweiterte,  so  dass  schliesslich  seine  Uhr  die  von  Bologna  weit  übertraf 
und  er  berechtigt  war,  sie  als  seine  eigene  Erfindung  zu  betrachten.  Auf  die 
Untersuchung  unseres  Autors,  ob  die  in  Bologna  dem  Kaiser  überreichte  alte 
Uhr  von  Boecius,  der  von  470  bis  525  n.  Chr.  lebte,  herstammte,  wie  ein 
Schriftsteller  behauptet,  oder  ob  sie  aus  Paris  gekommen  sei,  wie  ein  anderer 
sagt,  wollen  wir  nicht  näher  eingehen.  Es  wird  dadurch  erwiesen,  dass  diese 
Behauptungen  auf  nachlässigem  Lesen  einer  Stelle  aus  Bernardo  Sacco's  Werk: 
„De  Italicarum  Rerum  Varietate",  Papiae  1565,  beruhen,  in  welcher  Stelle 
ausdrücklich  gesagt  wird,  dass  man  nicht  wisse,  wer  die  Uhr  gemacht  habe 
(„Cujus  operis  auctor  ignoratur").  Ueber  die  Beschaffenheit  der  Uhr  des 
Juanelo  berichtet  unser  Autor: 

„Die  Uhr  hatte  etwa  zwei  Fuss  Durchmesser,  war  beinahe  kugelförmig,  ein 
wenig  breiter,  als  hoch.  Sie  endigte  nach  oben  in  eine  Kuppel,  und  darüber  war  ein 
Thürmchen  mit  Stundcnglöckchen  und  Wecker  gesetzt.  Das  äussere  Gehäuse  von 
vergoldetem  Messing  liess  einige  Oeffnungen  frei,  wodurch  man  die  Bewegungen  grössten- 
theils  sehen  konnte.  Durch  das  Spiel  von  zwei  oder  drei  Federn,  sagt  Morales, 
ging  alles  mit  seinen  verschiedenen  Umlaufszeiten:  Saturn  in  seinen  dreissig  Jahren, 
das  primum  mobile  in  einem  Tage,  die  Sonne  in  einem  Jahre,  der  Mond  in  einem 
Monate  durch  die  Ekliptik,  und  so  wie  diese  auch  die  übrigen  init  den  ihnen  eigen- 
thümlichen  Bewegungen. 

Als  der  Kaiser  ihn  fragte,  was  er  als  Inschrift  auf  die  Uhr  zu  setzen  dächte, 
antwortete  er:  »Juanelus  Turianus  Cremonensis  horologiorum  architector«.  Und  da 
er  hier  innehielt,  fügte  Se.  Majestät  bei:  »Facile  Princeps  (das  Leichte  machte  der 
Fürst)«,  und  so  steht  es  nebeneinander.  —  An  eine  andere  Stelle,  wo  das  Portrait 
Juanelö's  angebracht  ist,  schrieb  er:  »Qui  sim  scies,  si  par  opus  facere  conaberis 
(Wer  ich  bin,  wirst  Du  verstehen,  wenn  Du  ein  ähnliches  Werk  zu  machen  ver- 
suchen wirst)«. 

„Wenn  auch  die  Messingplatten  die  Bewegungen  der  Planeten  und  viele  andere 
unbedeckt  lassen,  so  bedecken  sie  doch  die  ganze  innere  Bewegung  der  Hader.  Des- 
halb machte  er  noch  eine  quadratische,  etwas  kleinere  Uhr  mit  weniger  Bewegungen 
und  bedeckte  sie  mit  Deckeln  von  Kry stall,  durch  die  man  alle  Bewegungen  der 
Räder  sieht  Auf  diese  Uhr  setzte  er  den  philosophischen  Spruch:  »ut  me  fugientem 
flgnoscam  (damit  ich  mich  den  Flüchtigen  erkenne)«. 

24« 


372  Juanelo  Turriano. 

• 

„Auch  erzählt  Morales,  dass  Juanelo  eine  kleine  eiserne  Mühle  erfand,  die 
man  im  Mantelsacke  bei  eich  tragen  konnte  und  welche  zwei  celemines  (etwa  8  kg) 
Getreide  im  Tage  mahlen  konnte.  »Ich  glaube,«  sagt  er,  »dass  sie  für  das  Heer 
bei  Belagerungen  und  auf  Seefahrten  von  grossem  Nutzen  ist,  da  sie  sich  selbst 
bewegt,  ohne  angetrieben  zu  werden.«  Man  weiss  nicht,  was  man  mehr  bewundern 
soll,  die  Geschicklichkeit,  womit  Juanelo  die  Feder  verbarg,  oder  die  Naivität  de« 
Morales  beim  Untersuchen  der  Mühle." 

Wir  sehen  uns  durch  die  angeführte  Stelle  des  Morales  nicht  veran- 
lasst, anzunehmen,  dass  er  die  treibende  Feder  nicht  als  nothwendig  erkannt, 
oder  dass  Juanelo  sie  ihm  verheimlicht  habe.  Auch  heute  noch  ist  es  bei 
Feder-  und  Gewichtsuhren,  sowie  bei  vielen  Maschinen  und  Mechanismen  üblich 
zu  sagen,  sie  bewegten  sich  von  selbst,  oder  sie  seien  selbstthätig ,  ¥?obei  es 
Niemanden  einfällt,  Den  als  zu  naiv  oder  als  betrogen  hinzustellen ,  der  sich 
dieser  Ausdrucksweise  bedient.     Unser  Autor  fährt  fort: 

„Er  erzahlt  ferner,  dass  Juanelo  die  alten,  sich  bewegenden  Statuen,  die  die 
Griechen  Automaten  nannten,  wieder  hergestellt  und  eine  Frau  gemacht  habe  von 
mehr  als  ein  Drittel  der  natürlichen  Grösse,  die,  auf  einen  Tisch  gestellt,  nach  den 
Klängen  eines  Tambourins,  das  sie  selbst  schlug,  darüber  hin  tanzte  und  sich  drehend 
dahin  zurückkehrte,  von  wo  sie  ausgegangen  war.  Obgleich  dies  nur  ein  Spielzeug 
zum  Lachen  gewesen  sei,  zeuge  es  doch  von  seinem  grossen  Geiste. 

EsTRADA*)  fügt  zu  den  Wunderwerken,  die  Morales  beschreibt,  noch  andere 
zu,  wie  Figürchen  von  Soldaten,  die  kämpften,  von  Pferden,  die  sich  bäumten,  von 
Kriegern,  die  Trommeln  schlugen  und  Trompete  bliesen,  und  von  Vögeln,  die  wie 
lebend  durch  das  Haus  flogen. 

Es  gelang  mir  nicht,  die  Zeit  festzustellen,  wann  er  diese  Spielzeuge  machte, 
die  bei  seinen  Zeitgenossen  so  viel  Bewundening  erregten.  Man  weiss,  dass  er  in 
den  27  Jahren  zwischen  1529,  als  er  bei  der  Krönung  in  Bologna  die  Uhr  prüfte, 
und  1556,  als  er  mit  dem  Kaiser  in  Yuste**)  in  der  Zurückgozogcnheit  lebte,  an  den 
beiden  Uhren,  der  grossen  und  der  mit  krystallenen  Deckeln,  arbeitete;  aber  es  ist 
nicht  erwiesen,  ob  er  während  dieser  Zeit  noch  alle  oder  auch  nur  einige  der  erwähnten 
Maschinen  konstruirte. 

Der  Kaiser  lebte  knapp  zwei  Jahre  in  Yuste,  und  während  der  Stunden,  welche 
ihm  die  Erfüllung  der  religiösen  Uebungen,  die  man  ihm  auferlegt  hatte,  und  seine 
Korrespondenzen  und  Staatsgeschäfte  frei  liessen,  ging  er  in  die  Werkstätte  Jüanel.o's, 
der  für  die  beiden  grossen  Uhren  und  für  Taschenuhren,  die  damals  auch  schon  im 
Gebrauche  waren,  zu  sorgen  hatte,  und  half  seinem  Mechaniker  bei  der  Reparatur 
und  Konstruktion  dieser  Instrumente,  deren  Räder,  wie  Estrada  sagt,  er  leichter  im 
Zaume  halten  konnte,  als  die  des  Schicksals. 

Ein  Autor  versichert,  dass  Juanelo  die  erste  Person  gewesen  sei,  die  der 
Kaiser  des  Morgens  empfangen  habe ;  allein  die  Angaben  des  Fr.  J.  Siquenza,  Priors 
des  Escurial  und  Geschichtsschreibers  des  Ordens  des  Hieronimus,  scheinen  den  Vor- 
zug zu  verdienen,  und  danach  trat  zuerst  Pater  Regia  ein,  um  sich  zu  erkundigen, 
wie  Se.  Majestät  die  Nacht  zugebracht  habe,  um  ihm  bei  seinen  Privatgebeten  zu 
assistiren.  Alsdann  kam  der  Arzt,  Dr.  Mathys.  Turriano,  den  Mechaniker,  zahlte 
man  zu  den  ersten  Besuchern,  die  Se.  Majestät  empfing. 

Ich  weiss  nicht,  wo  man  die  beiden  Uhren  seit  dem  Tode  des  Kaisers  (1558) 
hingebracht  hat,   noch    kenne   ich   den   Aufenthaltsort   der  Spielzeuge.     Das   einzige 


*)  Famiani  Stradae,  Romani  e  Societate  Jesu  „Do  Bello  Belgico",  decas  prima,  pag.  8. 
An.  1708. 

**)  St.  Juste,  Hieronimitenklost^r  in  Estramadiira,  worin  Karl  V.  die  beiden  letzten 
Jahre  seines  Lebens  zubrachte. 


ik 


Eintritt  in  die  Dienste  de»  Königs  Philipp  II.  373 

Dokument,  worin  von  diesen  Werken  geredet  wird,  ist  eine  Verordnung  vom  26.  Mai 
1566,  worin  der  König  (Philipp  II.)  befiehlt,  dem  Juanelo  2750  Dukaten  (6066  t^) 
für  eine  Uhr  von  Kr}'stall,  die  er  gemacht  habe,  zu  zahlen,  indem  er  den  Unter- 
schied zwischen  2500  und  3000  Dukaten,  wozu  sie  durch  verschiedene  Taxatoren 
gei^chätzt  worden  war,  theilte.  Was  die  grosse  Uhr  betrifft,  so  ist  anzunehmen,  dass 
sie  der  Kaiser  (Karl  V.)  bezahlte  .  .  .  ." 

Unter  der  Ueberschrift :  „Juanelo  tritt  in  die  Dienste  des  Königs 

Philipp  II.     Beschreibung  der  Wasserkunst"    berichtet  Don  Luis  de 

LA  Escosura: 

„Nach  dem  Tode  des  Kaisers  lud  der  König,  Don  Philipp  II.,  der  sich  in 
Flandern  l)efand,  Juanelo  ein,  in  seinen  Diensten  zu  bleiben,  mit  der  Verpflichtung, 
in  seinen  Landen  zu  wohnen.  Dafür  wies  er  ihm  jälu-lich  200  Dukaten  au,  die  ihm 
bis  1561  durch  den  Generalschatzmeister  Domingo  Orbea  gutgeschrieben  wurden. 
Danach  ging  Juanelo  zu  dem  Könige  und  bat  ihn,  den  Gehalt  zu  erhöhen,  da  er 
nicht  davon  leben  könne  und  er  geringer  sei  als  derjenige,  welcher  ihm  von  dem 
Kaiser,  seinem  Vater,  bewilligt  worden  wäre.  Und  in  Anbetracht  der  Dienste,  der 
Tüchtigkeit  und  Geschicklichkeit  Jüanelo's   befahl   der  König,   dass   dessen  Gehalt 

vom  1.  Juli  1562  an  verdoppelt  werde, wogegen  er  die  Verpflichtung  hatte, 

bei  Hofe  zu  leben  und  Uhren  und  andere  Dinge  seiner  Profession  zu  machen.  Doch 
bezaliltc  man  ihm  ausserdem  alle  Arbeiten,  die  er  für  den  König  machte,  so,  wie  sie 
trtxirt  wurden. 

In  einer  anderen  Verordnung,  datirt:  en  el  Bosque  de  Segovia  (Valsain)  den 
26.  Mai  1563,  giebt  der  König  dem  Juanelo  Turriano  die  Erlaubniss,  dass  er 
in  Madrid  oder  Toledo  bleiben  könne,  um  »gewisse  Dinge«  seiner  Profession,  die 
den  Dienst  des  Königs  angingen,  nach  dessen  Anordnungen  zu  machen,  während 
dieser  nach  Aragonien  ging,  um  dort  den  Landtag  der  Krone  abzuhalten.  Aus  dem 
Vergleiche  des  Datums  dieser  Verordnung  mit  der  oben  citirten  vom  20.  Oktober 
1570,  wonach  Juanelo  vom  1.  Januar  1564  bis  14.  Mai  1566  die  Mühle  bei  der 
Brücke  von  Alcdntara  bewohnte,  schliesse  ich,  dass  jene  »gewissen  Dinge«  die  »Kunst« 
waren,  um  Wasser  vom  Tajo  nach  dem  Alcuzar  zu  fördern. 

Auch  ist  noch  zuzufügen,  dass  der  König  durch  eine  andere  Verordnung  vom 
gleichen  Datum  (20.  Oktober  1570)  befahl,  die  Mühle,  die  Juanelo  ausgewählt  und 
bezeichnet  hatte,  um  seine  Wasserkunst  zu  entwerfen  und  aufzustellen,  zu  kaufen. 
Es  hi^isst  darin:  »Und  weil  der  genannte  Ingenieur  sich  da  befindet,  wie  schon  früher, 
und  an  dem  genannten  Platze  bleiben  und  verweilen  muss,  haben  wir  beschlossen, 
die  genannte  Mühle  für  uns  zum  Gebrauche  des  genannten  Ingenieurs  ankaufen  zu 
lassen.«  *) 

Danach  ist  klar  und  gewiss,  dass  Juanelo  Mitte  1563  vom  Könige  die  Er- 
laubniss bekam,  in  Madrid  oder  Toledo  zu  leben,  dass  er  vom  1.  Januar  1564  an 
die  Mühle  bewohnte,  und  dass  1570  die  Wasserkunst  funktionirte,  die  nach  dem, 
was  Juanelo  in  einer  Vollmacht  erklärte,  die  er  zu  Gunsten  der  Juan  Antonio 
Fassole  ausstellte,  wovon  wir  später  noch  sprechen  werden,  im  Jahre  1568  vollendet 
wurde  .... 

Juanelo  erzählte  dem  Morales,  als  er  einst  in  Italien  gewesen  sei,  habe  er 
den  Marques  del  Vasto  über  den  Wassennangel  klagen  hören,  den  die  Einwohner 
von  Toletlo  litten  wegen  der  Schwierigkeit,  das  Wasser  aus  dem  Tajo  auf  die  grosse 
Höhe  zu  heben,  auf  der  die  Stadt  liegt.  Seit  diesem  Tage  habe  er  sich  damit  be- 
schäftigt, die  Wasserkunst  zu  entwerfen,  die  er  erst  nach  38  Jahren  aufgestellt  sah. 
EsTRADA  bestätigt  dies,  indem  er  von  den  Erlebnissen  des  Kaisers  in  Yusle  spricht, 
denn  er  setzt  voraus,  dass  der  Kaiser  an  dem  Studium  der  Wasserkunst  theilnahm 
und  über  die  Maschine  das  grösste  Lob  aussprach,  worüber  Turriano  fortwährend 
nachsann. 


*)  Noticias  de  los  Arquitectos,  t.  II,  pag.  246. 


374 


JuaDelo  Tarriano. 


„Der  Lombarde  machte  zuerst  ein  Modell  von  der  Maschine,  nnd  Morales, 
der  Gelegenheit  hatte,  es  zu  sehen,  beschreibt  das,  was  er  »die  Grösse  und  ausser- 
ordentliche Tiefe  der  Erfindung«  nennte  folgendennassen: 

„Das  Wesentliche  davon  besteht  darin,  einige  kreuzweise  Bälk- 
chen  in  der  Mitte  und  mit  den  Enden  in  der  Art  zusammenzubolzen 
oder  durch  Zapfen  zu  verbinden,  wie  sich  eine  Maschine  bei  Robertus 
Valturius  findet,  um  einen  Mann  in  die  Höhe  zu  heben.  Indem  die 
ganze  Strecke  so  zusammengekettet  ist,  bewegen  sich,  wenn  man 
die  beiden  ersten  beim  Flusse  bewegt,  die  zunächst  dem  Alcäzar  be- 
findlichen mit  grosser  Ruhe  und  Zartheit  Dies  scheint  schon  von 
Valturio  gefunden  worden  zu  sein,  aber  das,  was  ganz  sein  (Juanelo's) 
Eigen  ist,  ist,  dass  er  mit  diesem  Bewegungsmechanismus  von  Holz 
gewisse  weite  Messingröhren,  beinahe  eine  Klafter  (braza)  lang*), 
zusammengebolzt  oder  verzapft  hat  mit  zwei  Gefässen  von  demselben 
Metalle  an  den  Enden,  die  bei  der  Bewegung  des  Holzwerkes  auf 
und  ab  gehen.  Beim  Niedergehen  füllt  sich  das  eine  und  das  andere 
entleert  sich,  indem  beide  in  seitliche  Verbindung  treten  und  während 
der  ganzen  Zeit  ruhig  stehen,  welche  nothwendig  ist,  damit  das  volle 
sich  in  das  leere  ausgiesst  Sobald  dies  geschehen  ist,  geht  das  volle 
an  die  Höhe,   um   dann  wieder  niederzugehen   und   mit  dem   hinteren 


Fig.  Ifbü. 


vollen  in  Verbindung  zu  treten,  das  ebenfalls  niedergeht,  um  es 
zu  füllen  .... 

Ich  gestehe,  als  ich  die  Erklärung  des  Murales  mehrmals  gelesen  hatte  und 
versuchte,  die  Maschine  des  Juanelo  aufzuzeichnen,  gelang  mir  dies  nicht  Die 
Autoren,  welche  von  der  Wasserkunst  sprechen,  müssen  nicht  glücklicher  gewesen 
sein,  denn  alle  beschränken  sich  darauf,  die  Nachricht  des  Murales  oder  einen  Aus- 
zug daraus  ohne  Beifügung  irgend  einer  Erklärung  abzuschreiben.  Vergeblich  suchte 
ich  in  Archiven  imd  Bibliotheken  nach  einer  Abbildung  der  Wasserkunst,  imd  nach- 
dem ich  die  Hoffnung  aufgegeben  hatte,  auf  diesem  Wege  zur  Befriedigung  meiner 
Wissbegierde  zu  gelangen,  beschloss  ich,  Werke  über  Architektur,  Mechanik  und 
Kriegsbaukunst  aus  jener  Zeit  durchzusehen,  um  Abbildungen  oder  Beschreibungen 
von  etwas  der  Wasserkunst  Vergleichbarem  zu  suchen.  Was  ich  mit  Fleiss  und 
Arbeit  nicht  erreichen  konnte,  spielte  mir  zuletzt  der  Zufall  in  die  Hände,  indem  ich 
ein  sehr  seltenes  Buch  besah,  das  D.  Constantin  Ardanaz,  ein  Freund  von  mir, 
....  aus  Italien  mitbrachte  ....  Der  Titel  dieses  Werkes  ist:  »Le  diverse  et 
artificiose  machine«  del  capitano  Aoostino  Ramelli.  1588.  Der  Zufall  wollte,  dass 
ich  dieses  Buch  gerade  bei  dem  Kupferstiche,  der  zu  Kap.  95  gehört,  aufschlug, 
worin  ich  sofort  die  »Kunst«  des  Juanelo  erkannte,  wie  sie  Murales  beschreibt, 
....  die  auch  der  Leser  bei  der  einfachen  Betrachtung  der  Abbildung  (Fig.  554) 
sofort  verstehen  wird,  ....  und  damit  er  sich  in  die  wahre  Stellung  der  (schwingen- 
den) Rinnen  hineindenken  kann,  habe  ich  die  Skizze  Fig.  556  entworfen,  welche 
zeigte  wie  diese  sich  in  der  Horizontalprojektion  über  den  Hölzern  {N)  und  (S) 
darstellen  und  beide  »seitlich  in  Verbindung  treten«,  wie  der  Chronist  sagt 

Wenn  der  Leser  an  die  Stelle  der  Mulden  und  Rinnen  (iT,  B)  (Fig.  554)  im 
Geiste  Gefässe  und  Röhren  von  Messing  auf  die  Schwingen  (MM)  .  .  .  (0  0)  .  .  • 


*)  Aus  einer  spftter  folgenden  Stelle  scheint  hervorzugehen,  dass  1  braza  =  1,5  m. 


Flg.  S57. 


WaBserkunat,  aus  Bchwiagenden  Rinnen  febilüet.  375 

Kill,  BO  wird  er  bem^ken,  dass  sie  mit  der  abgebildeten  Maschinerie  diejenigen  Be- 
vi^inigen  und  Pausen  auafübren,  wie  sie  Mosales  bei  der  iKunstc  des  Juanelo 
beschreibt. 

Diese  hatte  auch  ihr  Wasserrad,  denn,  wenn  en  auch  der  Chronist  in  der  Be- 
Bchrcibung  mit  der  Ueberechrift:  »Die  Art  der  Wasserleitung«  nicht  erwähnt,  so 
kommt  doch  später  ein  Abschnitt,  die  >  Vergleich ung<  genannt,  worin  er  sich  folgcnder- 
nins?cn  ausdrückt;  »Merkwürdige  Einzelhnten  an  der  »Kunst«  giebt  es  viele,  aber 
zwei  davon  setzen  uns  ganz  besondere  in  Erstaunen,  Die  erste  ist  die  Harmonie 
der  Bewegungen  in  Moossen  und  Verhält- 
nissen, so  dass  sie  zu  einander  passen  und 
alle  von  der  ersten  Bewegung  des  Rades 
abhängen,  welches  durch  das  Wasser 
des  Flusses  bewegt  wird  ...  .<  An 
dem  Wasserrad e  der  »Kunst«  waren  jedoch 
die  Schöpfkaaten  {hl)  von  Ramelli's  Kupfer- 
stich nicht  angebracht,  denn  in  einem  anderen 
Paragraphen,  betitelt:  »Merkwürdige  Einzel- 
heiten der  Wasserleitung«,  sagt  Morales, 
diiss  die  Form  der  Kette  und  der 
kupfernen  Schöpibecher,  die  das 
Wasser  zuerst  aus  dem  Flusse 
nehmen,  auch  eine  Erfindung  Juanklo's 
Eci,  die  vieles  Neue  biete  und  Erleichtening 
in  der  Bewegung  gewähre,  wie  sich  an  ähn- 
lichen Schöpfwerken  zeige,  die  Juanelo 
später  in  Madrid  ausgeführt  hnbe.  Fig.  657, 
ebenso  wie  Fig.  555,  dem  handschriftlichen 
Werke  Juanei.o's  entnommen,  stellt  eines  dieser  Schöpf  werke  in  Madrid  dar. 

Es  existirt  nämlich  In  der  »Bibliolheca  nacionaU  ein  handschriftliches  Werk, 
betitelt:  »31  Bücher  über  Maschinen  und  Apparate  des  Juanelo«,  die  der  katho- 
lisclic  König  Don  Püilifp  II.,  zu  beschreiben  und  m  erklären  befahl,  dem  Serenissimus 
Don  Juan  de  Austkia,  Botin  des  Königs  Philipp  IL,  gewidmet.  Die  Widmung 
kann  jedoch  nicht  von  JuASEtX)  herrühren,  weil  dieser  viel  früher  starb,  als  der  Prini 
geboren  wurde.  Dieser  Unistai»!,  verbunden  mit  einigen  verstand  liehen  und  önigen 
unverständlichen  Stellen,  die  man  in  dem  Werke  findet,  haben  den  Verdaclit  erweckt, 
dass  dieses  Manuskript  kein  Original,  sondern  eine  Abschrift  von  dem  sei,  was 
JuAKELO  verfasste.  Llagunu  uiid  Caen  Bekmudez  geben  in  ihren  „Noticias  de  loa 
Arquitectos  y  de  la  Ärquitectura  de  Espnüa",  Bd.  II,  pag.  250  eine  von  D.  BRNrro 
BAltiB  geschriebene  Nachricht,  worin  jeder  der  fünf  Bände,  woraus  das  Werk  Juanel.o's 
besteht,  für  sich  geprüft  wird.  Der  erste  enthält  drei  Bücher,  worin  das,  was  zum 
Aufsuchen,  Prüfen  und  Leiten  von  Wasser  gehört,  sowie  das  Nivelliren  behandelt 
wird.  Auch  finden  sich  darin  mehr  als  vierzig  Recepte  von  Kitten  zum  Verbinden 
von  Röhren.  In  dem  zweiten  Bande,  der  fünf  Bücher  enthält,  werden  erklärt: 
Aquädukte,  unterirdische  Kanäle,  um  Wasser  zu  Tage  zu  leiten,  Bewässerungsgräben, 
Schiffskanäle,  Werke  zum  Schiff  barmachen  von  Flüssen,  Wasserleitungen,  Trocken- 
anlagen und  Drainagen,  Anlagen  von  Fischplätzen,  Fischteichen,  Deichen,  Wehren, 
Cistemen,  kalten  und  wannen  Bädern.  Der  dritte  Band  enthalt  drei  Bücher,  welche 
unifassen:  die  Konstruktion  von  Getreide-  und  Oelmühlen,  Walkmühlen,  die  Fabri- 
kation von  Stärke,  Zuckerap parate,  Ajipnrate  zum  Schleifen  von  Waffen,  zum  Waschen 
von  Wolle  und  gefärbten  Tüchern,  die  Fabrikation  von  Alaun  und  Salz  und  ver- 
schiedene Methoden,  um  Wasser  aufzuziehen  und  auf  gewisse  Höhen  zu  heben, 
worunter  sich  jedoch  weder  eine  Beschreibung  der  »Kunst«,  noch  eine  Erwähnung 
von  Toledo  oder  dem  Tajo  findet.  Der  viert«  Band  ist  in  fünf  Bücher  gethelll, 
worin  die  Mittel   zum  Uebersctzen  über  Flüsse  besprochen  werden,   wie  Boote  und 


S78 


JuimIo  TwTuno, 


Fäbren,  hölzerne,  steinerne  und  Schiff-Brücken.  Auch  irird  bd  dieser  Gelegenli^ 
von  Holzwerk,  Steinen,  Fnbrikation  von  Ziegelsteinen  und  Dachzie|irelii,  Kalk  und 
Gyps  ausführlich  gesprochen,  und  zuletzt  beschreibt  der  Verfasser  eine  durchbrochene 
Brücke  seiner  Erfindung  für  Flüsse,  vorauf  Schiffe  mit  hohen  Masten  zu  vei^ehren 
haben.  Die  drei  Bücher  des  fünften  und  letzten  Buches  enthalten  maritiine  Weikev 
Wasseruhren  und  Bewässerungsanlagen.  Bails  bezeichnet  diesen  Band  als  den 
dürftigsten.  Er  ist  der  Meinung,  das  Werk  sei  wenig  methodisch  geschrieben,  und 
über  den  Strl  sagt  er,  er  sei  negen  seiner  erstaunlichen  SchwerfälLgkeit  und  ermüden' 
den  Wiederholungen  fast  durchweg  barbarisch." 

Man  vergleiche  hiermit  die  weiter  unten  folgende  Charakteristik  Jüaselo's 
von  EüTABAN'  Garibat,  worin  gesagt  wird,  daEs  er  das  Spanische  niemals  gut 
erlernt  habe  und  in  seiner  Rede  breit  gewesen  sei.  Don  Luis  de  la  Escoscra 
fährt  fort; 


„Die  einzige  Neuerung,  die  sich  n  hm  (lernen  ah  ten  Schopf  verke,  Fig.  557) 
zfflgt,  ist  die  auf  dem  Grunde  de.^  Bru  ne  s  angebrachte  ^\  ake  zur  Führung  der 
Kette,  als  ob  sich  Jüanelo  vorgeiiomn  en  hatte  1  e  Re  bu  g  den  Apparate  ohne 
Noth  zu  vermehren.  Die  kupferne  Kette  leren  Konatrukl  on  man  aus  der  Abbildung 
nicht  erkennet»  kann,  ist  eine  wirkliche  Verbesserung  gegenüber  den  Hanfseilen,  und 
die  Form  der  Becher  weit  besser,  um  nach  1er  =le  e  nu  zugicisen  als  die  thöneraen 
Eimer  ilcr  gewöhnlichen  Schöpfwerke.' 

Dem  gegenüber  ist  auf  das  Schopf  \erk  n  (  eokg  ArniroLA  s  Werk:  „De 
re  metallica"  hinzuweisen,  das  wir  in  t  g  147  S  134  edergegeben  haben,  woran 
sich  diese  sogenannten  Neuerungen  bereits  in  ausgebildeterer  Form  yortinden. 
Unser  Autor  fährt  fort: 

„allein  die  untere  Walze  konnte  hei  To!e<lo  keine  Anwendung  fuiden,  weil  die 
Kette  am  Umfange  des  Wasserrades  angebracht  war," 

Wenn  dies  der  Fall  gewesen  wäre,  so  hätte  die  Kette  ohne  Ende  um 
den  Kranz  des  Wasserrades  und  eine  darüber  liegende  Walze  laufen  müssen. 


BeweguDgsmechanismua  der  Wasserkunst.  H77 

Die  gefüllten  Becher  hätten  dann  von  dem  schlafferen  Theile  der  Kette 
gehoben  werden  müssen,  was  starke  Schwankungen  und  Verschüttungen  zur 
Folge  gehabt  hätte.  Unseres  Erachtens  geben  aber  die  citirten  Stellen  des 
Murales  keine  Veranlassung  zu  der  Annahme,  dass  Juanelo  sein  Becherwerk 
so  mangelhaft  angeordnet  habe.    Don  Luis  de  la  Escosura  fährt  fort: 

„Aber  nach  dem  Ersetzen  der  Rinnen  durch  Röhren  imd  Gefässe  von  Messing 
und  der  Sohöpfkästen  des  Wasserrades  von  R\melli  durch  die  Kette  mit  kupfernen 
Bechern  bleibt  noch  die  Stelle  zu  erklaren  übrig:  »einige  kreuzweise  Balkchen  in  der 
Mitte  und  mit  den  Enden  in  der  Art  zusammenzubolzen  oder  durch  Zapfen  zu  ver- 
binden, wie  sich  eine  Maschine  bei  Robertus  Valturius  findet,  um  einen  Maim  in 
die  Höhe  zu  heben«,  mit  welchen  Worten  Morales  die  Beschreibung  der  »Kunst« 
beginnt^ 

Die  aus  dem  Werke  des  Valturius:  »De  re  militari«,  IIb.  X,  pag.  259, 
Parisiis  1534,  entnommene  Fig.  558  zeigt  eine  aus  dünnen,  kreuzweise  in  der  Mitte 
und  an  den  Enden  zusammengebolzten  Hölzern  gebildete  Leiter,  deren  Erfindung 
dem  Valturius  nicht  zugeschrieben  werden  kann,  weil  man  in  dem  Werke  des 
Vegetius,  ebenfalls  betitelt:  »De  re  militari«  und  mehr  denn  tausend  Jahre  älter 
als  das  des  Valturius,  niclit  nur  eine  solche  Leiter  fmdet,  sondern  auch  einen  Krieger, 
der  daran  hinaufsteigt^  wie  man  es  aus  Fig.  559  ersielit*).  Vegetius  widmete  sein 
Werk  dem  Kaiser  Valentini^n  II.  im  4.  Jahrhundert  n.  Chr." 

Wir  begegnen  hier  wieder  dem  häufig  vorkommenden  Irrthume,  dass  die 
Abbildungen  in  den  im  sechzehnten  Jahrhundert  erschienenen  Ausgaben  des 
Werkes  des  Vegetius  von  diesem  herrührten,  während  sie  doch  nur  von  dem 
Herausgeber  beigefügt  sind  und  Apparate  aus  dem  Mittelalter  darstellen,  wie 
sie  diesem  bekannt  waren.  Gerade  bei  der  hier  wiedergegebenen  Abbildung 
(Fig.  559),  erkennt  man  doch  deutlich,  dass  die  darin  abgebildeten  Krieger 
keine  alten  Römer,  sondern  Landsknechte  sind,  zumal  einer  davon  offenbar 
damit  beschäftigt  ist,  eine  Muskete  zu  laden.  Auch  scheint  uns  nur  Fig.  559 
eine  zusammenlegbare  Leiter  darzustellen,  worauf  Mannschaften  in  die  Höhe 
steigen,  während  wir  Fig.  558  für  eine  Maschine  zum  Heben  von  Mann- 
schaften auf  Festungsmauern  halten,  wie  ja  auch  Murales  sagt.  Unser  Autor 
fährt  fort: 

„In  welcher  Weise  Juanelo  diese  Leiter  von  dünnen  Hölzern  bei  seiner  »Kunst« 
verwendete,  kann  aus  der  Beschreibung  des  Morales  nicht  erkannt  werden.  Nur 
wenn  man  sich  auf  das  Gebiet  der  Vermuthungen  begiebt,  wird  es  möglich,  sich  die 
Maschine  nach  dieser  Beschreibung  vorzustellen,  indem  man  den  Zweck  und  die  Lage 
der  Leiter  bestimmt.  Glücklicherweise  sind  das  bewegende  Rad  mit  seinen  Bechern, 
die  Zahnräder  und  Latemengetriebe  und  die  Bewegungen  und  Pausen  der  Röhren 
und  Gefässe,  welche  das  W^esentliche  ausmachen,  bereits  erklärt.  Die  Leiter  aus 
dünnen  Hölzern  diente,  nach  meiner  Meinung,  als  Schubstange  oder  Pleuelstange, 
wie  man  heutigen  Tages  sagt,  zur  Uebertragung  der  Bewegung  auf  die  Messingrohre 
und  Pfannen,  indem  sie  die  Stelle  der  eisernen  Stangen  (P)  und  (F)  des  Kupfer- 
stiches von  Ramelli  vertrat.  Es  dürfte  das  Einfachste  und  deshalb  Wahrschein- 
lichste sein,  wenn  man  annimmt,  dass  die  Leiter  aus  dünnen  Hölzern  in  der  Stellung, 
welche  Fig.  560  dar^5tellt,  als  Stange  diente,  um  den  Messingröhren  die  auf  und 
nieder  gehende  Bewegung  vermittelst  der  Räder  zu  ertheilen,  die  mit  (V)  bezeichnet 


*)  Flavii  Vegetii  Renati:  „De  re  militari",  IIb.  V,  apud  Christianum  Vechelum.  Lutetiae 
1532.    pag.  161. 


378  Jaftnelo  Turriano. 

eind,  um  anzudeuten,  dass  sie  wie  diejenigen  funktJoniren,  h&  welchen  in  Ramelli'h 
Apparat  die  gleicbeti  Buchstaben  stehen  und  die  dazu  dienen,  die  Rinnen  (KK)  zu 
bewegen  ....  Sclbätverständlich  ist  ein  anderes  gleiches  und  parallelem  Rad  für 
die  zweit«  Reihe  von  Rinnen  nöthig,  wovon  Fig.  560  nur  einen  Tlidl  {E)  zeigt,  weil 
das  Rad  (K)  das  Uebrige  bedeckt  Von  den  beiden  Abbildungen,  die  Fig.  560 
zeigt,  stellt  die  obere  ein  einziges  Gestänge  in  den  beiden  äueseraten  Stellungen  der 
Bew^ung  dar,  die  es  von  dem  Rade  ( V)  empfängt.  In  der  äussersten  Stellung  ijach 
vorwärta  sind  das  Gestänge,  die  Röhren  und  Gefässe  in  punktirten  Linien  dai^esteJIt, 
und  man  sieht  weiter  nichts  (vollständig  dai^stellt)  als  das  Rad  {V)  und  dag  Holz 
(N).  Diese  Stellung  entspricht  dem  Zeitpunkte,  worin  die  Gefässe  Wasser  von  der 
anderen  Reihe  aufnehmen.  Die  äuEserste  Stellung  des  Gestänges  mit  den  Röhren 
und  GefÜssen  nach  rückwärts  ist  mit  vollen  Linien  dargestellt.  In  beiden  Fällen 
drehen  sich   die  Schwingen,  welche   die  Rühren   mit  d(;n  Gefüssen  tmgen,  um  dio 


Zapfen  (aaa) . . .,  die  ihren  Ort  nicht  ändern,  wie  man  es  in  dem  Apparate  Ramelu's 
(Fig.  654)  sieht.  In  den  Verein igungspunkten  der  Schwingen  mit  dem  Gestänge 
nehmen  wir  Scharniere  an,  die  mit  den  Buchstaben  {hbb)  ....  bezeichnet  «nd. 

In  der  unteren  Abbildung  sind  mit  punkthten  Linien  dargestellt:  das  Rad  (E), 
das  Holz  {S)  und  die  Röhren  (ooo) . . . .,  die  von  den  Röhren  {mhh)  ....  Wasser 
autnehmen,  die  mit  ihrem  Gestänge,  dem  Rade  (V)  und  dem  Hohe  {N)  mit  vollen 
Linien  dargestellt  sind.  Bei  den  Vor-  und  Rücltwärtsbeivegungen  werden  die  Rhomben, 
die  das  Gestänge  bilden,  weder  länger  noch  kürzer,  d,  h.  die  Lüugen  ihrer  Diagonalen 
bleiben  unverändert. 

Nähme  man  nicht  an,  dasa  die  I^citer  des  ValtdeiÜS  als  steifes  Gestänge 
wirkte,  sondern  daas  sie  als  ein  aus  gegliederten  Hebeln  zuaamniengesetztes  Gestänge 
{eine  sc^nannte  »Nürnberger  Scheerc»)  gebraucht  worden  wäre,  so  worden  die  Hölzer 
(if)  und  (S)  unnöthig  sein. 

In  Fig.  561  sind  die  äusscrsten  Stellungen  dargestellt,  welche  die  aus  ge- 
gliederten Hebeln  zusammengesetzten  Gestänge  annclnnen  würden.  In  der  oberen 
Abbildung  der  Figur  ist  angenommen,  dass  die  Gefäs^o  Wasser  aufnehmen  und  in 


BewegangBmechBDjginus  der  WaBserkunsL 


379 


■  lidil 


der  unteren,  daas  sie  Wasser  abgeben ;  jedocli  ist  es  schwierig,  ircnn  nicht  unmöglich, 
die  Reihe  der  Röhren,  welche  Wasser  aufnehmen,  und  diejenigen,  welche  Wasser 
abgeben,  gleichz^tig  darzustellen.  Ich  gei^tehc,  Oass  es  mir  nicht  gelungen  is^  diese 
Bew^^UDgen  zu  tombiniren,  denn  beim  Bewegen  der  Räder  (V)  und  (E)  (Fig.  560) 
drehen  sich  die  Schwingen,  woran  die  Rinnen  befestigt  ^ind,  die  das  Wasser  ab- 
wechselnd aufnehmen  und  abgeben,  um  Axen  oder  Zapfen,  die  ein  und  dieselbe 
Stellung  beibehalten;  in  dem  durch  Fig.  561  dargestellten  Falle  aber  ändern  diese 
Axen  oder  Zapfen  {rrr .  .  .  .)  ihre  Stellungen,  d.  h,  sie  schreiten  vor  und  zurück, 
je  nachdem  das  System  von  gegliederten  Hebeln  sich  öffnet  oder  schliesst.  Und 
daraus  folgt,  dass  die  Entfernung  zwischen  zwei  aufeinander  folgenden  Röhren  bei 
der  Rück  Wartsbewegung  grosser  wird(untere 
Abbildung),  weil  die  aus  dünnen  Höliem 
gehildelen  Rhomben  sich  nach  der  Richtung 
doä  ganzen  Gestänges  ausdehnen.  Bei  der 
Vorwärtsbewegung  (obere  Abbildung)  ver- 
kürzt sich  die  Entfernung,  weil  die  Rhom- 
ben sich  in  vertikaler  Richtung  zur  Axc 
des  Gestänges  ausdehnen.  Wenn  dieLeiti>r 
als  Gestänge  aus  gegliederten  Hebeln  funk- 
tionirt  hätte,  was  nicht  anzunehmen  ist, 
würden  die  Hölzer  [N)  und  (S)  nicht  in 
der  Maschine  vorgekommen  sein,  und  das 
Gestänge  müsste  mit  der  grossen  starken 
flauer  verbunden  gewesen  sein,  die  sich 
vom  Flusse  nach  dem  Alcdzar  hinzog  und  ' 
deren  Ueberreste,  die  bis  vor  einigen  Jahren 
erhalten  waren,  in  Fig.  562  dargestellt  sind. 

Wegen  der  dargelegten  Schwierig- 
ketten, worauf  ich  gestos^cn  bin,  und  wegen 
der  Unklarheit  womit  Mohales  die  Kunst  beschreibt,  sehe  ich  mich  genöthigt  zu 
erklären,  dass  die  einzige  Möglichkeit  der  Anwendung  der  Leiter  des  Valturius 
auf  die  Maschine  des  Juanelo  meiner  Meinung  nach  diejenige  ist,  welche  Fig.  560 
darstellt,  worin  die  Schwingen,  die  die  Röhren  und  Gefäsae  unterstützen,  sieh  in  fest- 
stehenden Logeni  (aaa)  ....  drehen,  die  in  den  Balken  {N)  und  {8)  angebracht 
sind,  wie  bei  der  Maschine  Rahelli's. 

Das  aus  dünnen  Hölzern  zusammengesetzte  Gestänge  der  iKunsti  ist  ein 
vervollkommnetes,  den  eisernen  Stangen  und  Ringen  Rauelli'b  weit  überlegenes  Organ, 
da  diese  bei  den  häufigen  Wechseln  der  Maschine  noth wendigerweise  Stösse  und  Er- 
schütterungen verursachen  mussten,  welche  die  Dauerhaftigkeit  beeinträchtigten." 

Es  ist  aber  zu  berücksichtigen,  dass  bei  einem  federnden  Gestiuige,  wie 
unser  Autor  es  annimmt,  die  Bewegung  jeder  folgenden  Rinne  kleiner  geworden 
wäre,  als  die  der  vorhergehenden,  und  dass  sich  hieraus  bei  einer  Bewegungs- 
iibertragung  auf  so  grosse  Elntfemung,  wie  vom  Tajo  bis  zum  Alcdzar,  be- 
deutende Bewegungsdifferenzen  und  nicht  zu  unterschätzende  Schwierigkeiten 
ergeben  haben  wfirder.  Auch  hat  der  Gedanke,  durch  ein  federndes  Gestänge 
Stösse  zu  vermeiden,  im  sechzehnten  Jahrhundert  den  Ingenieuren  gewiss  viel 
femer  gelegen,  als  dies  jetzt  vielleicht  der  Fall  sein  mag.  Uns  scheint  es,  als 
ob  Don  Luis  de  la  EscostmA  an  der  Idee,  die  Abbildung  Valturio's  stelle  eine 
Leiter  dar,  zu  fest  hielte,  während  die  Worte  des  Morales:  „in  der  Art,  wie 
sich  bei  Robertus  Valturius  eine  Maschine  findet,  um  einen  Mann  in  die 
Höbe  zu  heben"  darauf  hinweisen,  dass  er  die  Abbildung  als  einen  Bewegunga- 


Fig.  X± 


380 


Joanelo  Tarriano. 


mechanismns  anffasste,  womit  der  Juanelo^s  Aehnlichkeit  hatte.  Es  ist  das 
der  Mechanismus,  den  wir  „die  Nürnberger  Scheere^^  zu  nennen  pflegen.  Diese 
Aehnlichkeit  aber  kann  sehr  wohl  nur  eine  äusserliche  gewesen  sein,  denn 
MoRALEs,  der  Chronist  des  Königs,  ist  in  mechanischen  Dingen  den  Dilettanten 
zuzurechnen,  die  mehr  nach  dem  Aussehen  als  nach  dem  Wesen  der  Dinge 
urtheilen.  Wenn  sich  aus  sachlicher  und  gründlicher  Behandlung  der  in  Rede 
stehenden  Aufgabe  naturgemäss  ein  Mechanismus  ergäbe,  der  mit  der  „Nürn- 
berger Scheere"  grosse,  wenn  auch  nur  äusserliche  Aehnlichkeit  hätte,  so 
dürften  wir  daher  unseres  Erachtens  annehmen,  dass  es  der  des  Juanelo  sei, 
dessen  klarer  Verstand  und  dessen  Gründlichkeit  nach  den  Aussagen  seiner 
Zeitgenossen  ausser  Zweifel  stehen. 


Fig.  £63 


Flg.  5Ci. 

Bei  der  Betrachtung  von  Ramelli's  Abbildung  drängt  sich  uns  die  Frage 
auf:  Warum  bildete  Ramelli  zwei  Reihen  aus  den  schwingenden  Röhren  und 
bewegte  sie  durch  zwei  parallele  Gestänge?  Liegt  nicht  der  Gedanke  näher, 
nur  eine  Reihe  aus  den  Rinnen  zu  bilden  und  die  Bewegung  von  der  ersten 
auf  die  zweite,  von  der  zweiten  auf  die  dritte  u.  s.  w.  in  der  Art  zu  über- 
tragen, dass  die  Bewegungsrichtung  durch  jede  dieser  Uebertragungen  umgiB- 
gekehrt  wird?  Um  dies  zu  erreichen,  würde  man  wohl  zunächst  den  untersten 
Punkt  einer  jeden,  in  der  mittleren  Stellung  senkrecht  zum  Terrain  stehenden 
Schwinge  mit  einem  in  gleicher  Entfernung  über  dem  Drehzapfen  gelegenen 
Punkte  der  nächsten  Schwinge  durch  eine  Stange  verbinden,  wodurch  der 
in  Fig.  563  dargestellte  Mechanismus  entstünde.  Bei  diesem  fällt  aber  vor 
allem  der  Fehler  in  die  Augen,  dass  die  Stangen  in  der  mittleren  Stellung  nicht 
rechtwinkelig  zu  den  Schwingen  stehen,  wie  es  die  Konstruktionsregel  für  Kunst- 


BewegangsmechaDismos  der  Wasserkonst. 


381 


gestänge  verlangt.  Dieser  Regel  kann  nur  dadurch  entsprochen  werden,  dass 
man  die  Schwingen  in  der  mittleren  Stellung  um  45^  gegen  das  Terrain  geneigt 
anordnet.  Will  man  dann  die  Rinne  so  mit  der  Schwinge  verbinden,  dass  bei 
der  mittleren  Stellung  ihr  Mittelpunkt  senkrecht  über  dem  Drehpunkte  bleibt, 
so  muss  man  noch  eine  zweite  Stütze  anbringen,  wodurch  der  Mechanismus 
die  in  Fig.  564  dargestellte  Form  annimmt.  Rein  kinematisch  betrachtet  könnte 
er  so  genügen.  Da  aber  die  Schamierbolzen  durch  Abnutzung  während  der 
Arbeit  etwas  Spielraum  erhalten^  so  wird,  da  die  Stangen  hier  abwechselnd 
ziehen  und  drücken,    bei   jedem   Wechsel   der  Bewegungsrichtung   in  jedem 


Fig.  M5 


Fig.  5G«. 

Scharnier  etwas  todter  Gang  und  ein  kleiner  Stoss  entstehen,  und  bei  der 
grossen  Zahl  der  Stangen  werden  sich  diese  vielen  kleinen  Fehler  zu  einem 
grossen  summiren.  Wenn  der  Mechanismus  ruhig  arbeiten  soll,  wie  es  von 
dem  JüANELo's  gerühmt  wird,  muss  Vorkehrung  getroflfen  werden,  dass  jede 
Stange  nur  auf  Zug  in  Anspruch  genommen  wird.  Das  bereits  vorhandene 
System  von  Stangen  darf  daher  die  Schwingen  nur  nach  einer  Richtung  hin 
ziehen,  und  es  muss  ein  zweites,  dem  ersten  symmetrisches,  eingeschaltet  werden, 
welches  das  Ziehen  der  Schwingen  nach  der  entgegengesetzten  Richtung  über- 
nimmt. Daraus  erklärt  sich  auch,  warum  Morales  sagt,  dass  man  von  den 
kreuzweise  verbundenen  Hölzern  die  beiden  ersten  beim  Flusse  bewege.  Auf 
diese  Weise  ergiebt  sich  der  in  Fig.  565  dargestellte  Mechanismus.  Ist  Vor- 
kehrung getroffen,  dass  man  die  Lagerfutter  in   den  Enden   der  Stangen   so 


382  Juanelo  Tuniano. 

verstellen  kann,  dass  sie  sich  einander  nähern,  so  kann  man  die  Stangenlängen 
so  reguliren,  dass  jeder  todte  Gang  in  den  Stangenlagem  vermieden  virird. 
Dieser  Mechanismus  sieht  in  seiner  mittleren  Stellung  einer  „Nürnberger  Scheere" 
vollkommen  ähnlich.  Zwar  nimmt  die  Aehnlichkeit  mit  der  Entfernung  aus 
der  mittleren  Stellung  ab  und  ist  in  der  äussersten  Stellung  (Fig.  567),  sehr 
beeinträchtigt,  doch  glauben  vrir  nach  Erwägung  aller  Umstände  annehmen  zu 
müssen,  dass  dies  der  Mechanismus  der  „Kunst"  des  Juanelo  gewesen  sei. 
Seine  Befestigung  an  einer  Seitenfläche  einer  starken  Mauer  würde  sehr  praktisch, 
und  der  Gedanke,  noch  eine  zweite  Maschine  derselben  Art  an  der  anderen 
Seitenfläche  der  Mauer  zu  befestigen,  sehr  naheliegend  gewesen  sein.  Don 
Luis  de  la  Escosura  fahrt  fort: 

„Ich  muss  gestehen,  dass  ich  die  Nothweudigkeit  der  (zwei)  Gefässe  an  jedem 
Rohre,  wovon  Morales  spricht,  nicht  versiehe.  Wenn  man  annimmt^  dass  sich  alle 
an  dem  dem  Flusse  zugekehrten  Ende  füllen,  sowohl  die  der  einen,  füs  auch  die  der 
anderen  Reihe,  so  würde  ein  G^fäss  (an  jedem  Rohre)  genügen,  weil  das  Rohr  das 
Wasser  mit  dem  entgegengesetzten  Ende  direkt  in  das  Gefäss  des  nächstfolgenden 
der  anderen  Reihe  ausgiessen  konnte,  wie  in  dem  Apparate  Ramelli's. 

Murales  erklärt  weder  die  Form  der  Gefässe,  die  das  Volk  »Pfannen  (cazos)< 
und  »Löffel  (cucharas)«  nannte,  noch  giebt  er  uns  eine  Idee  davon,  aber  indem  er 
von  den  bewundern swerthen  Einzelheiten  der  Wasserleitung  spricht,  sagt  er,  dass  eine 
davon  die  Form  der  Gefässe  sei,  die  mit  eigen thümlicher  Gestalt  ausgerüstet  seien, 
um  das  Wasser  abzugeben  und  aufzunehmen,  ohne  dass  ein  Tropfen  verschüttet 
werde  .  .  .  ." 

Wenn  man  erwägt,  dass  die  Aufnahmegefässe  einen  grossen  Fassnngs- 
raum  haben  müssen,  um  eine  ansehnliche  Fördermenge  zu  ermöglichen,  dass 
aber  mit  der  Höhe  dieser  Gefässe  sowohl  die  nothwendige  Schwingungsampli- 
tude, als  auch  der  Arbeitsverlust  beim  Herabfliessen  des  Wassers  von  einer 
Rinne  in  das  Aufnahmegefäss  der  nächstfolgenden  wächst,  gelangt  man  mit 
logischer  Nothweudigkeit  dazu,  den  Gefässen  geringe  Höhe  und  grosse  hori- 
zontale Dimensionen  zu  geben,  d.  h.  sie  pfannen-  oder  löfl^elförmig  zu  machen. 
Wahrscheinlich  waren  sie  mit  einem  festen  Deckel  grösstentheils  bedeckt,  der 
nur  eine  so  grosse  OefFnung  hatte,  als  sich  für  den  Einguss  des  Wassers  als 
nothwendig  erwies.  Um  das  Wasser  in  den  Eingussgefässen  nicht  höher  als 
nothwendig  zu  heben  und  den  hierdurch  bedingten  Arbeitsverlust  möglichst 
zu  vermeiden,  musste  Vorkehrung  getroffen  werden,  dass  das  Wasser  aus  dem 
aufsteigenden  Gefässe  mögUchst  bald  nach  dem  abwärts  gehenden  Ende  der 
Röhre  abfliessen  konnte,  während  der  Ausfluss  in  das  Aufnahmegefäss  der 
folgenden  Röhre,  um  Verschütten  und  unnöthig  hohes  Herabfallen  beim  Ab- 
fliessen von  einem  Gefässe  in  das  andere  zu  vermeiden,  erst  dann  erfolgen 
durfte,  wenn  das  abwärts  gehende  Ende  seiner  tiefsten  Stelle  nahe  war.  Es 
musste  insbesondere  dafür  gesorgt  werden,  dass  sich  das  Wasser  bei  der  hori- 
zontalen Stellung  der  Röhre  symmetrisch  auf  beiden  Seiten  der  Vertikalen 
durch  die  Drehaxe  vertheilen  konnte',  so  dass  es  bei  der  Weiterbewegung 
in  derselben  Richtung  nicht  mehr  zu  heben  war.    Daher  musste  ein  auf  gute 


Die  pfannenfSrmigen  Oefässe  an  den  schwingenden  Rinnen.  383 

Leistung  des  Apparates  bedachter  Ingenieur  auch  an  dem  Ausgussende  der 
Röhre  ein  pfannenförmiges  Gefäss  anbringen,  worin  sich  das  Wasser  sammeln 
und  die  Weiterbewegung  unterstützen  konnte,  bis  es  seiner  tiefsten  Stellung 
nahe  dicht  über  dem  folgenden  Ausflussgefässe,  wahrscheinlich  erst  nachdem 
sich  ein  Ventil  durch  Anstoss  geöffnet  hatte,  in  dieses  abfloss.  Unser  Autor 
sagt  weiter: 

„JuANELO  legte  eine  Probe  seines  Genies  ab,  indem  er  einen  so  komplicirten 
Apparat,  wie  die  „Kunst",  in  Gang  setzte,  wozu  zweihundert  Fuhren  »dünner  Hölzer« 
und  fünfhundert  Centner  (quintales)  Messing  verwendet  wurden.  Denn  da  eine  jede 
Röhre  nicht  länger  als  1  braza  und  der  Alcdziu*  600  m  vom  Fluss  entfernt  war, 
60  befanden  sich  nicht  weniger  als  400  Röhren  gleichzeitig  in  Bewegung  (demnach 
wäre  1  braza  =  1,5  m).  Und  dazu  kam,  dass  sie  nicht  in  gerader  Linie  geführt 
werden  konnten,  was  grosse  Schwierigkeiten  verursacht  haben  muss.  Denn  Morales 
sagt:  »sie  bewegten  sich,  indem  sie  Krümmungen,  Winkel  und  Ecken  machten,  und 
es  war  ein  weiterer  Aufwand  von  Kunst  erforderlich,  um  die  Bewegimg  an  solchen 
Stellen  fortzupflanzen  und  passend  zu  machen.« 

,,Es  ist  daher  nicht  auffallend,  dass  die  Maschine  grosse  Bewunderung  unter 
den  Zeitgenossen  erregte.  Aber  mehr  noch  als  durch  die  Erfindung  wurde  diese  durch 
die  Aufstellung  der  Maschine  erregt,  wodurch  es  Juanelo  gelang,  das  Wasser  des 
Flusses  90  m  hoch  zu  heben  . .  .  Der  Effekt,  den  die  Wasserkunst  gab,  entsprach, 
ökonomisch  betrachtet,  nicht  dem  Lobe,  das  die  Schriftsteller  ihr  spendeten,  denn  sie 
hob  nicht  mehr  als  400  cargas  (Lasten)  Wasser  den  Tag,  oder  162  hl  in  24  Stunden, 
was  eine  geringe  Ergiebigkeit  ist,  wie  sie  die  Quelle  jedes  beliebigen  Dorfes  im  Sommer 
erreicht 

Juanelo  hatte  sich  durch  einen  Vertrag  von  1565  verpflichtet,  die  Stadt  mit 
einem  gewissen  Wasserquantum  zu  versehen*),  das  neben  dem  Alcäzar  fortwährend 
ausfliessen  sollte,  um  von  da  in  die  ganze  Stadt  gebracht  zu  werden.  Dafür  ver- 
pflichtete sich  diese,  vierzehn  Tage,  nachdem  das  Wasser  in  den  Alcäzar  fliesse, 
8000  Dukaten  (17  647  Ji)  an  Juanelo  zu  zahlen  und  ausserdem  jährlich  1900  Dukaten 
für  die  Wartung  und  Reparatur  der  Maschine,  die  Juanelo  zu  besorgen  hatte.  Da 
sich  die  Stadt  durch  diesen  Vertrag  für  ausserordentlich  belastet  hielt,  weigerte  sie 
sich,  ihn  zu  erfüllen,  und  der  König  befahl  mit  Verordnung  vom  12.  Dezember  1578, 
fünf  Jahre  nach  Inbetriebsetzung  der  Wasserkunst,  dass  Toledo  Jemanden  bevoll- 
mächtigte, um  mit  Juanelo  zu  unterhandeln  und  diesen  Streit  zu  Ende  zu  bringen. 
Die  Stadt  ernannte  am  29.  Oktober  1574  ihren  Schöffen  Luis  Gaytan  de  Ayla 
zu  diesem  Zwecke,  und  Juanelo,  der  krank  zu  Bette  lag,  am  24.  Dezember  des- 
selben Jahres  seinen  Freimd  Jüan  Antonio  Fassole.  Der  König  war  ebenfalls 
hierbei  interessirt,  da  er  dem  Juanelo  8  400  769  maravedis  (49416  e^)  vorgeschossen 
hatte  und  weil  der  Alcdzar  den  grössten  Theil  des  Wassers  verbrauchte.  Für  den 
König  wurde  daher  der  Lizenüat  Juan  Diaz  de  Fuentemayor,  Mitglied  seines 
Konseils  imd  seiner  Kammer,  als  Bevollmächtigter  ernannt.  Darauf  befahl  er,  die 
Sache  vor  die  Kommission  für  Gebäude  und  Gärten  zu  bringen,  und  vor  dieser  kamen 
sie  am  20.  Mai  1575  dahin  überein: 

1.  dass  Juanelo  von  dem  Vertrage,  den  er  mit  der  Stadt  geschlossen  hatte^ 
abstehe,  und  dass  der  König,  in  Anbetracht^  dass  er  das  Wasser,  das  durch  die 
Maschine  gehoben  wurde  und  für  den  Alcäzar  diente,  für  sich  nahm,  dem  Juanelo 
die  Schuld  von  8400  769  maravedis,  die  man  ihm  zur  Anfertigung  der  Maschine  aus 
dem  königlichen  Schatze  vorgeschossen  hatte,  erlasse; 

2.  dass  Se.  Majestät  das  Wasser  beanspruche,  das  durch  die  Maschine  gehoben 
werde  und  das  während  eines  Tages  und  einer  Nacht  1600  Kannen  h,  4  Maass 
betragen  solle,  und  dass  Juanelo  sich  verpflichte,  diese  Menge  vollständig  zu  liefern; 

*)  Noticias  de  los  Arquitectos,  t.  II,  pag.  103. 


381  Juanelo  Tnrriano. 

3.  in  Anbetracht,  dass  sechs  Jahre  verflossen  seien,  seit  Jüanelo  die  erste 
Maschine  vollendet  habe,  durch  die  der  Alcäzar  versorgt  werde,  und  man  dem  Jüanelo 
das  Nothwendige  dazu  gegeben  hatte,  werde  man  ihn  jetzt  mit  dem  Weiteren  ver- 
sehen, was  nothwendig  sei,  um  eine  zweite  Maschine  zu  machen,  die  er  bereits 
angefangen  habe  und  in  fünf  Jahren  vollenden  solle; 

4.  dass  Juanelo  sie  auf  Kosten  seiner  Majestät  in  der  Art  mache,  dass  sie 
das  Wasser  sechs  bis  acht  Fuss  höher  als  das  Pflaster  des  Hofes  hebe,  damit  man 
es  im  Alcäzar  vertheilen  könne; 

5.  dass  er  sich  verpflichte,  die  zweite  Maschine  in  fünf  Jahren  fertigzustellen, 
wozu  Se.  Majestät  das  Geld  geben  werde,  das  sich  bis  zur  Vollendung  auf  8000 
bis  10000  Dukaten  (20000  Jlf)  belaufen  werde.  Das  Wasser,  welches  sie  liefern 
würde,  solle  dem  Juaneix)  zu  gute  kommen*); 

6.  dass  man  das  Terrain,  worauf  die  erste  Maschine  aufgestellt  worden  war  und 
die  zweite  aufgestellt  werden  sollte,  unentgeltlich  abtrete; 

7.  dass  die  Stadt  dem  Juanelo  6000  Dukaten  (13235  JIC)  auf  einmal,  oder 
die  Zinsen  davon  im  Verhältniss  von  14000  :  1000  (das  sind  7  Proz.)  zahlen  werde 
und  keinen  anderen  Nutzen  aus  der  Anlage  ziehen  wolle,  als  dem  Könige  zu  dienen, 
da  das  Wasser  dem  Juanelo  zu  gute  kommen  solle. 

Der  König  bestätigte  diesen  Vertrag  durch  eine  Verordnung  vom  folgenden  Tage, 
dem  21.  März  1575  (Reg.  4^  de  Obras  y  Bosques,  fol.  168,  citirt  durch  Llaguno  y 
Caen  Bermudez  in  Noticias  de  los  Arquitectos,  t.  II,  pag.  248)  .... 

Unter  diesen  Umständen  werden  wohl  einige  glückliche  Nachbarn  Wasser  aus 
dem  Alcdzar  für  ihren  Gebrauch  bezogen  haben,  aber  es  sind  keine  Ueberreste  von 
Rohrleitungen  oder  Brunnen  in  der  Stadt  gefunden  worden,  die  für  eine  Vertheilung 
des  Wassers  aus  dem  Tajo  sprächen. 

Trotzdem  begeisterte  die  Maschine  alle,  die  Gelegenheit  hatten,  sie  zu  sehen, 
so  dass  man  sich  vornahm,  die  Statue  des  Erbauers  in  der  Wasserkunst  aufzustellen, 
und  für  sie  liess  Juanelo  die  Inschrift  abfassen:  »Virtus  nunquam  quiescat«,  was 
MoRALES  übersetzt:  »Die  Kraft  eines  grossen  Geistes  kann  niemals  ruhen«.  Und  voll 
Bewunderung  für  das  Modell,  die  Ausführung  des  Wasserwerks,  die  Statue  und  ihre 
schöne  Inschrift,  sandte  er  dem  Juanelo  ein  Epigranmi  mit  einer  Widmung  in 
lateinischer  Sprache,  worin  er  ihn  bis  in  die  Wolken  erhebt,  indem  er  sagt,  Juanelo 
beherrsche  die  Natur  durch  die  Kunst,  habe  sich  den  Tajo  unterthan  gemacht  und 
bis  zu  den  Sternen  hinaufsteigen  heissen.  Dieses  Epigramm  und  die  Widmung  kann 
man  im  neunten  Bande  der  »Cronica  general  de  Espafia«  lesen. 

Die  Statue  hat  man  nicht  auffinden  können,  aber  in  dem  Provinzialmuseum 
von  Toledo  sieht  man  eine  Büste  Juanelo's  in  weissem  Marmor,  die  wir  dem  Meissel 
des  Berruquete  verdanken,  mit  der  Inschrift :  »Juanellus  Turrianus  Cremen.  Horolog. 
Architect«  ....  und  in  dem  Museum  von  Madrid  sieht  man  eine  Broncemedaille, 
die  auf  der  Vorderseite  das  Bildniss  des  Juanelo  mit  der  gleichen  Inschrift,  wie 
die  der  Büste  des  Berruquete,  imd  auf  der  Rückseite  die  bekannte  Allegorie  des 
Brunnens  der  Weisheit  und  die  Inschrift  tragt:     »Virtus  nunquam  deficit«. 

In  dem  Kloster  des  Escurial  über  der  Thüre  einer  Zelle  sieht  man  das  Brust- 
bild Juanelo's,  in  Oel  gemalt,  mit  der  Inschrift:  »Nunquam  deficit  virtus«.  Auch 
in  Madrid  hat  man  dem  Gedächtniss  des  Erbauers  der  »Kunst«  ein  Andenken  ge- 
widmet, indem  man  einer  Strasse  der  Hauptstadt  seinen  Namen  gab.  Und  in  Toledo 
nennt  man  die  Strasse,  worin  er  starb,  noch  heute  »De  la  estatua«  oder  »Hombre 
de  Palo«  (Strasse  der  Statue  oder  des  hölzernen  Mannes),  weil  er  in  ihr  einen 
hölzernen  Automaten  herumgehen  liess. 

Die  Einwohner  von  Toledo  versahen  sich,  während  die  Wasserkunst  funktio- 
nirte,  wie  gewohnt,  mit  Flusswasser,  das  durch  Lastthiere  heraufgebracht  wurde." 


*)  Darunter  dürfte  zu  verstehen  sein,  dass  Jlaxelo  es  an  die  Bewohner  der  Stadt  ver- 
kaufen oder  der  Stadt  verpachten  duifte. 


Vertrag  über  die  Waaserkunat.    Stichen  der  Bewunderung  derselben.  385 

Unser  Autor  führt  zum  Beweise  hierfür  eine  Stelle  aus  der  Novelle  des 
Cervantes:  „La  illustre  Fregona"  an  und  fahrt  dann  fort: 

„Als  ich  im  Jahre  1861  in  Toledo  war,  war  die  Zahl  der  Einwohner  viel 
geringer  als  in  der  Zeit  des  Cervantes*),  und  man  beschäftigte  dessen  ungeachtet 
zum  Hinaufschaffen  des  Wassers  zu  der  Einwohnerschaft  230  Lastthiere,  ohne  die, 
welche  im  Dienste  der  Wohlthätigkeit  und  des  Militärs  standen,  imd  alle  zusammen 
schafften  nach  meiner  Berechnung  sieben  oder  acht  mal  so  viel  Wasser  hinauf,  als 
die  Wasserkunst  hob. 

In  einem  anderen  Buche  jener  Zeit,  das  die  »Socicdad  de  Bibli6fdos«  heraus- 
gab betitelt:  »ElPelegrino  curioso  y  Grandezas  de  Espafiac  von  Bartholom6  de  Vil- 
lalba y  Estaiia,  wird  die  Wasserkunst  beinahe  in  denselben  Ausdrücken  beschrieben, 
die  Morales  gebraucht:  ....  sie  verdiene  unter  die  Weltwunder  gerechnet  zu  werden, 
und  dass  man  viele  Meilen  weit  gehe,  um  sie  zu  sehen,  denn  zur  Bezeichnung  von 
etwas  Unmöglichem  habe  man  in  Castilien  die  Redensart :  »Es  ist,  wie  Wasser  nach 
Zocodover  zu  heben  .  .  .  .« 

Auch  andere  Autoren  sprechen  sich  lobend  über  die  Wasserkunst  aus  und 
bezeichnen  sie  als  bewundernswerth ;  nur  Quevedo  behandelt  in  seinem  »Itinerario 
de  Madrid  a  su  Torre  de  Juan  Abadc  (Poesias,  Romance  75)  den  Juanelo  unbe- 
sonnen.    Denn  als  er  durch  Toledo  kam,  fiel  ihm  ein  zu  schreiben: 

»Ich  sah  die  Kunst  aus  Kochgeschirr,  —  wo  in  so  vielen  Pfannen  —  Janelo 
Wasser  schwingen  lässt,  gleich  wie  in  lauter  Schaukeln.  —  Flamlander  war  er  von 
Geburt,  —  ein  Trinker  alles  Klaren;  —  allein  dem  Wasser  war  er  Feind,  —  da 
er's  so  grausam  quälte.« 

Er  macht  Juanelo  zu  einem  Flamländer,  um  ihn  dann  einen  Trinker  zu 
nennen,  ohne  dass  irgend  ein  Grund   eine  solche  Beleidigung  rechtfertigte  ....**) 

Meister  Valdivieso ***)  widmet  der  »Kunst«  Verse  folgenden  Inhalts: 

» JuANELo's  Wunderwerk  betrachte  —  ehrerbietig,  das,  wie  eine  Uhr,  —  selbst 
sich  treibt,  und  das  mit  seinen  Rädern  —  eine  Kette  zieht,  die  Wasser  schöpft,  — 
das  in  Schwengeln  steigt  zu  unserm  Staunen,  —  weil  bis  zum  Alcdzar  es  sich  wagt,  — 
fast  der  Wolken  hohes  Reich  berühret,  —  wo  dem  Munde  es  sich  dienstbar  macht.« 

Weder  die  Verse,  noch  was  er  über  die  Wasserkunst  sjigt,  verdient  besondere 
Erwähnung;  es  zeigt  aber,  mit  welcher  Hochachtung  Juanelo,  obgleich  er  längst 
gestorben  war,  von  Allen  behandelt  wurde,  die  über  Toledo  schrieben. 

Luis  Qinones  de  Benayente,  gebürtig  aus  Toledo,  setzte  in  seinem  Zwischen- 
spiele: »El  Mago«  (Coleccion  de  entremeses,  Madrid  1645)  die  Wasserkunst  sogar 
in  Scene.  Alle  Mitspielenden  in  einer  Reihe  singen,  indem  jeder  mit  einem  hölzernen, 
blattförmigen  Löffel  die  Arme  hebt  und  senkt,  als  ob  sie  Wasser  schöpften: 

»Das  Wasser  kommt  mit  Kraft  —  und  dreht  das  Wasserrad  —  zum  Treiben 
der  Maschine  —  aus  Pumpen  und  aus  Löffeln.  —  Und  wenn  die  einen  steigen,  — 
so  geh'n  die  andern  nieder,  —  so  dass  vom  tiefsten  Punkte  —  bis  zu  der  höchsten 
Stelle  —  die  einen  übernehmen,  —  was  aus  den  andern  fliesset^  bis  dass  das  Wasser 
konunt  —  zum  Ausfluss  im  Alcdzar.  c 

Diese  Beschreibung  ist  klarer  und  genauer  als  die  des  »Peleqrino«,  allein 
der  Autor  nennt  das  Wasserrad  »rodezno«,  welchen  Namen  man  den  horizontalen 
Wasserrädern  oder  Turbinen  zu  geben  pfegt  Die  »Pumpen«  sind  eine  reine  Erfindung 
des  QuiNONES. 

*)  Toledo  hatte  zur  Maurenzeit  gegen  200000  Einwohner,  im  Jahre  1860:  17633  Ein- 
wohner. 

**)  Wir  erinnern  an  Juan  Goten  und  Meister  Jorge,  ein  Flamländer,  die  1562  mit 
dem  Projekte,  Toledo  mit  Wasser  zu  versorgen,  beschäftigt  waren.  Vielleicht  hat  Qukvedo 
den  Meister  Jorge  mit  Juanelo  verwechselt. 

♦*♦)  Sagrario  de  Toledo.  Poema  horoico  per  el  maestro  Joseph  de  Valdivieso,  Capellän 
del  Ulmo.  de  Toledo.    Madrid  1616. 

Beck.  25 


386  Jaanelo  Tniriano. 

Ein  anderer  Autor*)  verwandelt  des  Reimes  wegen  die  Pfannen  (caxos)  in 
grosse  Kübel  (gamellas),  indem  er  sagt: 

»Die  Verwicklung  macht  man  Dir  nach  Wunsch,  —  man  verwandelt  Mädchen 
Dir  in  Krieger,  —  wenn  Du  in  das  spanische  Schauspiel  gehst  —  Du  wirst  sehen, 
dass  der  Mienenkünstler  —  gross're  Kunst  Dir  seeigt,  als  Jüanelo,  —  wenn  er 
Wasser  hebt  in  grossen  Kübebi.« 

Ich  will  diese  Citate  aus  Gedichten,  worin  die  Maschine  von  Toledo  erwähnt 
wird ,  mit  einigen  Versen  des  Lope  de  Veoa  schliessen ,  worin  er  von  der  Wasser- 
förderung, ohne  sie  zu  nennen,  spricht,  wie  nur  er  es  vermochte: 

»Wenn  zum  Preis  berühmter  Männer,  —  Stolzer,  Du,  das  Haupt  bekränztest, 
—  König  der  Ströme,  würdiger  Tajo,  —  kannst  Du  jetzt  Dich  füglich  krönen  — 
wegen  himmelsgleicher  SchönheitI  —  Wenn  am  Fusse  des  Aleäzar  früher  die  Wellen 
hingeglitten,  —  steigen  jetzt  sie  wie  auf  Treppen  aus  der  Tiefe  in  die  Höhe.  — 
Dich  verzehrend,  wie  die  Wolke,  —  schenkst  den  herrlichsten  Kry stall  Du  —  diesem 
Schlosse,  und  die  Vögel  —  baden  ihre  dunklen  Schwingen  —  in  den  silberweissen 
Wellen  .  .  .  .« 

Im  Jahre  1573  Hess  der  König  dem  Juanelo  in  Anbetracht  seiner  guten 
Dienste  und  seiner  Bedürftigkeit  400  Dukaten  (882  tA)  als  Beitrag  zu  den  Kosten 
auszahlen.  "Es  steht  fest,  dass  1581  die  zweite  Maschine  fertig  war,  und  dass  die 
erste  im  folgenden  Jahre  (dem  vierzehnten  nach  ihrer  Aufstellung)  sich  in  schlechtem 
Zustande  befand  und  bereits  anfing  zu  zerfallen,  weshalb  der  König  sie  zu  reparireu 
befahl.  Seit  der  Zeit  um  1585,  in  der  Juanelo  starb,  erscheinen  in  den  Dokumenten 
keine  Nachrichten  mehr  über  die  Wasserkunst 

EsTABAN  Gakibay**)  berichtet  über  die  Beerdigung  Juanelo's  wie  folgt:  »Der 
Einzige,  der  meiner  Meinung  war  in  Bezug  auf  die  Schiffahrt  auf  dem  Tajo,  war 
Juanelo  Turriano,  gebürtig  aus  der  Lombardei,  der  die  bewundernswerthe  Vor- 
richtung zum  Heben  des  Wassers  aus  dem  Tajo  nach  dem  Alcazar  gemacht  hatte. 
Bevor  jedoch  diese  Schiffahrt  sich  verwirklichte,  starb  dieser  ausgezeichnete  Mann  in 
derselben  Stadt  am  13.  Juni  1585  im  85.  Lebensjahre  (wenig  darüber  oder  darunter) 
und  wurde  daselbst  in  der  Kirche  »del  Carmen«  in  der  Kai>elle  »de  nuestra  Seflora 
de  Soteraöo«  begraben,  wo  ich  zugegen  war,  ohne  das  schuldige  Geleite,  das  ein  so 
hervorragender  Mann  verdient  hätte,  der  in  allen  Dingen,  womit  sein  klarer  Geist 
und  seine  Hände  sich  beschäftigten,  sehr  anerkannt  war. 

Er  war  gross  und  stark  von  Körper,  karg  an  Worten  und  reich  an  Wissen, 
von  grosser  Freimüthigkeit  in  allen  Dingen,  von  etwas  groben  Gesichtszügen,  etwas 
breit  in  der  Rede  und  sprach  das  Spanische  niemals  gut.  Der  katholische  König, 
Don  Philipp  II.,  hielt  viel  auf  ihn,  behandelte  ihn  stets  freundlich  und  ehrte  ihn 
wie  Einer,  der  wohl  wusste,  was  er  verdiente.  Er  that,  was  sein  Vater,  der  erlauchte 
Kaiser  Don  Carlos,  für  ihn  gethan  hatte. 

Juanelo  hinterliess  eine  Tochter  und  einzige  Erbin,  Barbara  Medea  Turriano, 
der  der  König  am  20.  Dezember  1585,  sechs  Monate  nach  ihres  Vaters  Tod, 
200  Dukaten  als  Vergütung  des  Wcrtlies  der  Instmmente  und  anderer  Sachen 
JuANELo's  auszahlen  licss.  Später,  am  23.  Dezember  1586,  empfing  sie,  ebenfalls 
auf  Befehl  des  Königs,  2000  Dukaten  als  Abschlagszahlimg  auf  die  Gesammtsumme 
von  6000,  die  er  für  die  Gefiüle,  die  ihr  Vater  von  der  einen  der  beiden  Maschinen 
bezogen  hatte,  zu  zahlen  befahl. 

Er  hinterliess  aucli  einen  Enkel  Namens  Juanelo  Turriano,  dem  man  die 
Wartung  der  »Kunst«  gogen  vier  Reales  täglich  übertrug,  welche  Vergütung  der 
König  am  6.  November  1593  auf  100  Dukaten  jährlich  erhöhte.  Von  dieser  Wohl- 
tbat  genoss  er  jedoch  sehr  wenig,  da  er  1597  starb  und  eine  Frau  und  einen  Bohn 
in  grosser  Dürftigkeit  hinterliess  .... 

*)  Las  Eroticas  de  D.  Estaban  Manuel  Villeqas.    Madrid  Sancha  1774,  1. 1,  pag.  828. 
**)  Obras  Genoalogicas  de  Estaban  Garibat,  t.  V,  parte  2,  IIb.  38,  cit.  por  Llaguho  y 
Berhudez:  Noticias  de  los  Arquitectos,  t.  II,  pag.  250. 


Sein  Tod  nnd  seine  Nachkommen.    Kritik  der  WasserkiuBt.  387 

Ansser  dem  Sohne  Juanelo  hatte  Dona  Babbara  noch  einen  zweiten  Sohn 
Samens  Gabriel,  der,  nachdem  er  da89elbe  Amt  bekleitet  hatte,  wie  sein  Bruder, 
nach  Flandern  ging»  um  in  dem  Heere  zu  dienen.  Von  da  begab  er  sich  nach  Sicilien, 
wo  er  1516  im  E^ege  durch  eine  Musketenkugel  getodtet  wurde  .... 

Im  Jahie  1598  wurde  Juan  Fernandez  de  Cabtillo,  Diener  Seiner  Majestät, 
^azu  ernannt,  die  Wartung  und  Unterhaltung  der  Maschine  zu  übernehmen  .  .  .  . 
Er  machte  einige  Jahre  danach  eine  Vorstellung  dass  die  alte  Maschine  von  keinem 
Nutzen  mehr  sei,  wenn  sie  nicht  erneuert  würde.  Die  Kosten  dieser  Erneuerung 
könne  man  aber  vermeiden,  wenn  man  ihm  erlaube,  aus  den  Uebcrresten  der  Maschine 
nach  der  Zeichnung  imd  dem  Plane,  die  er  einreichte,  einen  neuen  Apparat  zu 
machen,  womit  man  mehr  Wasser  mit  grösserer  Leichtigkeit  und  geringeren  Kosten 
heben  würde^  als  mit  denen  Juanelo's  .  .  .  .'^ 

Der  König  billigte  diesen  Vorschlag,  doch  wurden  von  anderer  Seite 
Bedenken  dagegen  erhoben.  Das  letzte  Aktenstück,  das  davon  handelt^  ist 
-eine  königliche  Verordnung  vom  Jahre  1606.  Dann  ist  von  dieser  neuen  Vor- 
richtung nicht  mehr  die  Rede,  und  es  ist  wahrscheinlich,  dass  sie  niemals 
vollendet  wurde.    Unser  Autor  sagt  weiter: 

„Im  Jahre  1626  starb  Castillo.  Ihm  folgte  sein  Sohn  Juan  de  Castillo 
Rivadeneira  in  der  Beaufsichtigung  der  Maschine  und  diesem  1639  Luis  Maestre, 
zu  dessen  Zeit,  wie  man  annimmt,  die  »Kunst«  aufgegeben  werden  musste." 

Don  Luis  de  la  Escosura  behandelt  nun  die  Frage,  ob  ein  Ingenieur  in 
•der  Mitte  des  sechzehnten  Jahrhunderts  eine  andere,  bessere  Maschine  zum 
Heben  des  Wassers  auf  so  grosse  Höhe  hätte  wählen  können,  als  jene  „Kunst*' 
<[es  Juanelo.    Er  sagt: 

Zur  Zeit  Juanelo's  waren,  wie  wir  angedeutet  haben,  hölzerne  Pumpen  am 
meisten  im  Gebrauche  ....  In  Schachten  halten  sich  diese,  der  beständigen  Feuchtig- 
keit wegen,  gut,  aber  die  freie  Luft  trocknet  sie  aus,  und  das  Wasser  entweicht  so- 
wohl aus  den  Pumpen,  als  auch  aus  den  Röhren.  Auch  ist  es,  wegen  der  geringen 
Widerstandsfähigkeit  des  Materials,  mit  Pumpen  und  Röhren  von  Holz  unmöglich, 
Wasser  durch  einen  Pumpensatz  auf  90"*  zu  heben  .... 

Fig.  555  ist  die  Kopie  einer  Druckpumpe,  die  Juanelo  in  den  dritten  Band, 
lib.  13,  pag.  354  seines  handschriftlichen  Werkes  »Los  Ingeniös  y  Maquinas«  auf- 
nahm .... 

„Juanelo  sah  ohne  Zweifel  ein,  welche  Schwierigkeiten  und  grosse  Kosten 
-es  verursachen  würde,  die  Röhren  und  Pumpen  zum  Heben  des  AVassers  bis  zum 
Alcäzar  aus  Bronze  zu  giessen,  und  seine  Entschliessung  musste  nicht  nur  durch 
<las  Missgeschick  der  Deutschen  im  Jahre  1526,  wovon  die  »Apuntes  del  Monasterio« 
erzählen,  beeinflusst  werden,  sondern  wohl  auch  durch  die  Erwägung,  dass  eine  Pumpe 
imd  Rohrleitung,  so  gewagt  ihre  Konstruktion  auch  sein  mochte,  doch  nicht  die  Ge- 
legenheit bieten  könne,  seinen  Geist  und  seine  Geschicklichkeit  so  zu  zeigen,  wie  es 
mit  den  Gefässen  und  Röhren  der  Fall  sein  würde,  wobei  er,  wie  »El  Pelegrino« 
sagt,  nur  Wenige  das  bewegende  Wasserrad  mid  die  Zahnräder  sehen  liess,  wodurch 
die  abgemessenen  Bewegungen  und  Pausen  hervorgebracht  wurden,  die  die  Bewunde- 
rung seiner  Zeitgenossen  so  sehr  erregten  .... 

In  Paris,  London  und  anderen  grossen  Städten  Europas  waren,  als  Juaselo 
seine  »Kunst«  aufstellte,  Maschinen  zum  Wasserheben  noch  nicht  im  Gebrauche, 
und  berühmte  Wasserwerke,  wie  die  von  Augsburg  und  von  Bremen,  wodurch  das 
Wasser  sich  auf  nicht  mehr  als  vierzig  Meter  Höhe  hob,  sind  aus  späterer  Zeit,  als 
•die  Maschine  von  Toledo." 

25* 


388  Joanelo  Turriano. 

Bezüglich  der  „Augsburger  Maschine''  müssen  wir  auf  das  hinweisen, 
was  wir  in  unserer  Abhandlung  über  Cardanus  S.  179  gesagt  haben.  Da- 
nach hatte  Augsburg  schon  seit  1412  eine  Maschine  für  Wasserversorgong, 
und  die  berühmte,  aus  übereinander  angeordneten  Archimedischen  Schnecken 
und  Reservoirs  bestehende  „Augsburger  Maschine'^  die  auch  Juanelo  in  seinem 
handschriftlichen  Werke  abgebildet  hat,  war  um  1640,  also  vor  Juanelo's 
„Kunst''  gebaut  worden.  Aber  richtig  ist,  dass  die  Maschine  für  die  in  Toledo 
gegebenen  Verhältnisse  nicht  geeignet  gewesen  wäre.    Unser  Autor  fahrt  fort : 

„ .  .  .  .  Juanelo  hat  sich  schon  dadurch,  dass  es  ihm  gelang,  das  Wasser 
bis  zum  Alcdzar  zu  heben,  des  Lobes  seiner  Zeitgenossen  werth  gemacht  ....  Er 
wusste  ausserdem  seinem  Werke  einen  gewissen  Schein  des  Wunderbaren  und  ge- 
wissermassen  Uebematürlichen  zu  geben,  wodurch  es  ihm  gelang,  eine  Gesellschaft 
zu  fesseln,  die  für  diese  Art  von  Schauspielen  eine  Vorliebe  hatte  tmd  sich  nicht 
darum  kümmerte,  ob  es  wenig  oder  viel  Wasser  war,  was  gehoben  wurde,  wofern 
es  nur  durch  verborgene  Künste  gehoben  wurde,  die  ausserhalb  ihres  Bereiches  lagen, 
aber  ihren  Enthusiasmus  erregten  und  der  Bewunderung  würdig  waren  ....  Und 
indem  ich  mich  in  Gedanken  in  jene  Zeit  versetze,  zögere  ich  nicht  zu  erklären, 
dass  dieser  berühmte  Ingenieur  -  die  geeignetste  und  passendste  Maschine  adoptirte, 
um  das  zu  jener  Zeit  sehr  schwierige  Problem  zu  lösen,  Wasser  des  Tajo  bis  zum 
Alcdzar  zu  heben." 

Mit  dieser  Beurtheilung  sind  wir  im  allgemeinen  einverstanden,  aber  die 
Andeutung,  als  habe  Juanelo  es  darauf  abgesehen,  seiner  Maschine  den  Schein 
des  Wanderbaren  zu  geben,  halten  wir  nicht  für  gerechtfertigt.  Don  Luis  de 
LA  EscosuRA  sagt  selbst  in  einer  Stelle,  die  wir  noch  nicht  angeführt  haben, 
dass  Juanelo  und  Ramelli,  die  beide  aus  der  Gegend  von  Mailand  waren,  wo 
Leonardo  da  Vinci  gelehrt  hatte,  Zeichnungen  oder  irgend  eine  ausgeführte 
Maschine  in  Italien  gesehen  haben  dürften,  wovon  sie  beide  die  Idee  von  der 
Wasserkunst  genommen  und  Jeder  sie  in  seiner  Weise  ausgearbeitet  hätte. 
Und  wir  glauben  gezeigt  zu  haben,  dass  sich  einfach  aus  sachgemässer  Be- 
handlung der  Aufgabe  ein  Apparat  ergiebt,  von  dem  wir  annehmen  dürfen, 
dass  er  dem  Juanelo's  entspricht.  Dass  dieser  seine  Konstruktion  nicht  jedem 
zeigen  mochte,  ist  aus  praktischen  Gründen  sehr  erklärlich;  die  Annahme  da- 
gegen, dass  es  ihm  dabei  nur  um  die  Bewunderung  seiner  Zeitgenossen  zu 
thun  gewesen  sei,  erscheint  uns  willkürlich.  Unter  der  Ueberschrift :  „Von 
anderen  Werken  und  Arbeiten,  die  dem  Juanelo  aufgetragen 
waren",  theilt  unser  Autor  noch  Folgendes  mit: 

„Die  Tradition  erzählt,  Juanelo  habe  im  Sinne  gehabt,  zu  Aranjuez  über 
dem  Tajo  einen  prächtigen  Palast  für  den  König  zu  bauen,  und  habe  beabsichtigt, 
ihn  auf  grosse  Pfeiler  von  Granit  zu  stellen,  die  die  Bevölkerung  noch  heute  die 
„Pfosten  des  Juanelo"  nennt.  Man  stellte  vier  davon  in  den  Steinbrüchen  von 
Sonseca  her,  wo  sich  noch  einer  befindet,  während  man  die  übrigen  drei  auf  dem 
Wege  liegen  liess.  Man  sieht  sie  noch  in  der  Nähe  von  Nambroca,  etwa  elf  Kilo- 
meter von  Toledo  entfernt.  Jemand  der  sie  gesehen  hat,  versicherte  mir,  dass  sie 
vierzig  und  einige  Meter  hätten*),  genügend,  um  bei  dem  höchsten  Wasserstande 
des  Tajo  noch  einen  Theil  unbedeckt  zu  lassen. 

*)  Dies  ist  kaum  glaublich,  da  der  grössto  altilgyptischo  Obelisk  ohne  Postament  nur 
82  m  hoch  ist. 


Andere  Werke  desselben.    Spfitere  Wasserversorgung  Toledos.  389 

Im  Jahre  1571  wurde  Juanelo  durch  Befehl  des  Königs  beauftragt,  die 
Richtung  des  Kanals  von  Colemar,  zu  prüfen,  dessen  Ausführung  Juan  .  Franciboo 
SiTON  leitete.    Sowohl  Juanelo  als  Benito  Morales  meinten,  er  gehe  fehl  .  .  .  . 

Am  26.  Januar  1580  benachrichtigte  der  Abt  Biseno  den  König  brieflich, 
dass  Se.  Heiligkeit  den  Kalender  mit  möglichst  geringen  Abänderungen  reformirt 
haben  wolle,  sobald  die  Instrumente  und  Tabellen,  die  Juanelo  darüber  ausgearbeitet 
habe,  ankämen.  (In  dem  Archiv  von  Simancas,  Staat  Rom,  Aktenheft  934  und  938) .... 

Das  Ei  des  Juanelo.  Bei  irgend  einer  Gelegenheit,  die  ich  nicht  näher 
kenne,  brachte  es  Juanelo  dahin,  dass  ein  Ei  auf  einem  Tische  stehen  blieb,  indem 
er  es  so  aufschlug,  dass  nur  die  Spitze  zerbrach  und  sich  eine  genügende  Grund- 
fläche bildete,  um  es  im  Gleichgewicht  zu  halten.  So  sagt  Calderon  (geb.  1600, 
gest.  1681)  im  »zweiten  Tage«  seines  Lustspieles  »La  Dama  Duende«:  Angela: 
»Doch  weisst  Du  —  von  dem  Ei  des  Juanelo,  —  das  so  viele  grosse  Geister  — 
lang'  vergeblich  sich  bemühten,  —  aufzustellen.  Und  Juanelo  —  kommt  hinzu. 
Mit  leichtem  Schlage  —  stellt  er  gleich  es  auf  die  Spitze.  —  Grosse  Schwierigkeiten 
sind  es  —  nur  so  lang*  wir  sie  nicht  kennen;  —  was  man  weiss,  ist  immer  leicht.« 

Die  Aufgabe,  ein  Ei  auf  die  Spitze  zu  stellen,  indem  man  sie  zerbricht,  hat 
zwar  sehr  geringe  Bedeutung  und  etwas  Vulgäres,  aber  da  aus  der  Begebenheit  ein 
Sprichwort  hervorgegangen  ist,  das  den  Namen  des  Erbauers  der  »Kunst«  trägt, 
und  es  Leute  giebt,  die  behaupten,  dass  Columbus  der  Erfinder  dieses  knaben- 
haften Räthsels  gewesen  sei,  habe  ich  geglaubt,  dass  das  Gesagte  am  Platze  sei  und 
es  nicht  auffallend  erschemen  dürfte,  wenn  hier  einige  Erklärungen  über  diesen  Streit 
gegeben  werden,  worüber,  soweit  er  Columbus  betrifft,  Don  Maktin  FernÄndez  de 
Navarete  in  seiner  »Coleccion  de  los  Viajes  y  Descubrimientos«  (Madrid  1825, 
t  n,  pag.  141  der  Einleitung)  ausführlich  berichtet  und  massgebende  Erläute- 
rungen giebt 

Bossi,  der  das  Leben  des  Columbus  in  italienischer  Sprache  beschrieben  hat, 
liess  sich  durch  einen  Kupferstich  von  Bray,  der  1570  in  Frankfurt  lebte,  zu  der 
Erzählung  verleiten,  dass  unter  den  Festen,  womit  die  Grossen  des  Hofes  den  Ent- 
decker der  neuen  Welt  feierten,  als  er  von  seiner  ersten  Reise  zurückgekommen  war, 
ein  Banquet  des  Kardinals  Mendoza  gewesen  sei.  Während  der  Mahlzeit  habe  einer 
der  Grossen  behauptet,  wenn  Columbus  Amerika  nicht  entdeckt  hätte,  so  wären  in 
Spanien  genug  Leute  von  Talent  und  Geschicklichkeit,  um  dasselbe  Unternehmen 
auszuführen.  Darauf  habe  Columbus  ein  Ei  genommen  und  gefragt,  ob  einer  der 
Anwesenden  machen  könne,  dass  es  ohne  irgend  eine  Unterstützung  aufrecht  stehen 
bliebe.  Niemand  habe  es  vermocht,  und  Columbus  habe  durch  einen  Schlag,  wo- 
durch er  eines  der  Enden  des  Eies  abgeplattet  habe,  erreicht,  dass  es  auf  dem  Tische 
stehen  geblieben  sei.  Seüor  Fernandez  de  Navarete,  der  diese  Erzählung  als  eine 
abgeschmackte  und  unwahrscheinliche  Fabel  bezeichnet,  beweist,  dass  sie  keinen 
Grund  hat,  da  weder  die  Geschichtsschreiber  des  Columbus  von  einem  derartigen 
Gastmahle  oder  Ereigniss  sprechen,  noch  diejenigen,  welche  über  Westindien,  noch 
die,  die  über  Kardinal  Mendoza  geschrieben  haben." 

Unter  der  Ueberschrif t :  Von  den  Werken  und  Projekten  zur 
Wasserversorgung  Toledos  zur  Zeit  nach  der  Aufgabe  der 
„Kunst"  berichtet  unser  Autor: 

„Im  Anfange  des  achtzehnten  Jahrhunderts  beabsichtigte  eine  englische  Ge- 
sellschaft, Wasser  vom  Tajo  mit  eisernen  Pumpen  zu  heben.  Aber  wenn  sie  auch 
Röhren  von  quadratischem  Querschnitte  herbeigeschafft  hat,  wovon  man  später  einige 
in  den  Spazienvegen  der  Stadt  benutzte,  andere  am  Flussufer,  etwa  an  der  Stelle, 
von  der  die  »Wasserkunst«  ausgegangen  war,  liegen  liess,  so  konnte  das  Werk 
doch  nicht  vollendet  werden.  Man  kennt  indess  die  Ursachen  nicht,  die  Toledo  damals 
der  grossen  Wohlthat  beraubten,  die  man  sich  von  dem  Vorhaben  versprochen  hatte. 


390  Jaanelo  Tam'ano. 

Seitdem  haben  Bich  viele  Projektemacher  angeboten,  die  verlangten,  dass  ihnen 
ihre  meiet  sehr  hohen  Remunerationen  bezahlt  würden,  ehe  sie  noch  zu  einem  defi- 
nitiven Studium  der  Projekte  übergegangen  waren.  Allein  dies  hätte  weder  zu  einem 
praktischen  Resultate  für  die  Einwohnerschaft  führen  können,  noch  erlaubten  die 
Verwaltungsgesetze  der  Rathsversanimlung,  unter  solchen  Bedingungen  Vertrage  ab- 
zuschliessen. 

Im  Jahre  1861  verhandelte  man  von  Neuem  über  das  Heben  von  Wasser 
nach  der  Stadt  Damals  war  Don  Rodrigo  Aleore  Vorsitzender  des  Rathes.  Er 
war  eifrig  um  die  Wohlfahrt  der  Bevölkerung,  deren  Interesse  er  zu  vertreten  hatte, 
bemüht  und,  mit  Talent  und  energischem  Charakter  begabt,  nahm  er  sich  vor,  die 
nöthigen  Schritte  zur  Ausführung  eines  so  wichtigen  Werkes  zu  thun.  Es  gelang 
ihm,  seine  Begeisterung  für  die  Sache  den  meisten  Rathsmitgliedem  und  Beisteuern- 
den mitzutheilen,  so  dass  Alle  sein  Vorhaben  unterstützten.  Dieses  lief  darauf  hinaus, 
das  Wasser  der  Quelle  »del  Cardenal«,  die  etwa  4^"  von  der  Stadt  entfernt  auf 
dem  Weideplatze  von  Pozuela  gelegen  ist,  nach  dem  höchsten  Punkte  der  Häuser- 
masse zu  leiten  und  Wasser  aus  dem  Tajo  vermittelst  einer  geeigneten  Maschine 
nach  dem  Alcdzar  zu  heben.  Ersteres  sollte  als  Trinkwasser  dienen,  letzteres  zu 
industriellen  und  ähnlichen  Zwecken  ....  Er  schaffte  die  Mittel  zur  Ausführung 
der  Arbeiten  herbei  und  beauftragte  mich  mit  dem  Studium  der  beiden  Projekte. 
Meine  Denkschriften,  Pläne  und  Voranschläge  wurden  in  der  Sitzung  vom  30.  Juni  1861 
gebilligt  und  die  Leitung  der  Quelle  »del  Cardenal«  am  15.  März  1863  vollendet .... 
Ein  Reservoir  und  drei  Brunnen  mit  sieben  Röhren  besorgen  die  Vertheilung  des 
Wassers  ....  Die  Wasserförderung  aus  dem  Tajo  kam  damals  nicht  zur  Aus- 
führung. Politische  Ereignisse  gaben  Veranlassung,  dass  Don  Rodrigo  Alegre 
aus  dem  Stadtrathe  ausschied,  und  der  neue  Alcalde  verzichtete  auf  mein  Projekt, 
das  darin  bestand,  eine  Dampfmaschine  über  dem  Niveau,  das  der  Fluss  beim 
höchsten  Wasserstande  erreichte,  aufzustellen,  um  die  Pumpen  zu  bewegen,  die  das 
Wasser  aus  dem  Tajo  heben  sollten.  Er  begründete  seine  Entscheidung  mit  den 
Kosten  des  Brennmaterials  und  dem  Gehalte  für  einen  Maschinen wäiter.  Ein  durch 
den  Tajo  getriebenes  Wasserrad  schien  ihm  ökonomischer,  rationeller  und  mehr  der 
Tradition  über  die  »Kunst«  entsprechend,  ohne  dass  ihn  der  Misserfolg  der  Deutschen 
abgeschreckt  hätte. 

Die  Wünsche  des  neuen  Würdenträgers  venvirklichten  sich  im  Jahre  1869. 
Eine  Turbine,  die  seitdem  Wasser  aus  dem  Tajo  bis  zu  dem  höchsten  Punkte  der 
Stadt  hebt,  löst  die  Aufgabe  ohne  Dampfmaschine.  In  den  Sommern  pflegen  Repa- 
raturen nothwendig  zu  werden,  um  Beschädigungen  auszubessern,  die  durch  die  An- 
schwellungen des  Flusses  veranlasst  werden.  Und  in  einigen  Sommern,  in  denen  die 
Trockenheit  anhielt,  konnte  man  nur  wenige  Stunden  des  Tages  arbeiten. 

Die  Einwohnerschaft  wünscht  heute  im  Rückblicke  auf  die  Römer  die  Her- 
stellung eines  Aquäduktes  (soll  wohl  heissen  einer  Rohrleitung?),  um  die  Wasser 
von  Castaöar  nach  Toledo  zu  leiten,  und  nur  die  grossen  Kosten  dieser  Anlage 
werden  die  Ausführung  des  Projektes  verzögern  können." 

Don  Luis  de  la  Escosura  geht  nun  zur  Betrachtung  der  hölzernen  Brücke 
über,  die  Jüuus  Caesar  über  den  Rhein  schlug.  Da  jedoch  über  diesen  Gegen- 
stand schon  viel  geschrieben  worden  ist  und  die  Bedeutung  unklarer  Stellen 
in  Caesar's  Beschreibung  wohl  immer  zweifelhaft  bleiben  wird,  wollen  wir 
schliessen. 


Heinrich  Zeising  (gest.  1613). 


Zu  den  in  Deutschland  bekanntesten  alten  Werken  über  Maschinenbau 
gehört  das  in  den  Jahren  1612  bis  1614  in  klein  Quartformat  erschienene 
i^Tbeatrum  Machinarum  etc.  durch  Henricum  Zeisl\gk,  der  Architektur  Stu- 
diosum,  in  Verlegung  Henning  Grossen  des  jüngeren,  Buchhändler  inLeipzigk^; 
doch  kann  es  dem  grössten  Theile  seines  Inhaltes  nach  nicht  als  Originalwerk 
gelten. 

lieber  den  Autor  ist  nichts  Näheres  bekannt;  nur  geht  aus  der  vom 
1.  September  1613  datirten  Vorrede  zum  zweiten  Theile  des  Werkes  hervor, 
dass  er  vor  dessen  Vollendung  starb.  Die  Herausgabe  des  dritten  Theiles 
scheint  von  dem  Verleger  allein  besorgt  worden  zu  sein,  denn  erst  in  der 
Vorrede  des  vierten  wird  gesagt,  dass  dieser  „Mehrestheils  aus  Italienischer 
und  Französischer  Sprache  durch  Hieronimum  Megiserum,  churfürstlich  säch- 
sischen Historicum''  übersetzt  sei. 

Was  Zeising  zur  Herausgabe  seines  Buches  bewog,   ersieht  man  aus  der 

Vorrede  an  den  Leser,  wovon  wir  folgende  Stellen  hervorheben*): 

„ Nicht  ohne  grosse  Mühe  und  Arbeit  kann  es  geschehen,  wenn  man 

die  Maschinen,  welche  von  scharfsinnigen  Leuten  erfunden  worden  sind,  aus  den 
von  ihnen  und  Anderen  hinterlassenen  Schriften  zusammenbringen 

und  aus  vielen  ein  Buch  machen  will " 

„ Damit  auch   dem   geneigten  und  kunstliebenden   Leser  nicht  irgend 

etwas  Fremdes  und  Unbekanntes  begegnen  möge,  was  ihn  an  dem  richtigen  Ver- 
standniss  der  Maschinen  verhindern  könnte,  ist  zuvörderst  in  diesem  Theatrum,  gleichsam 
als  Einleitung,  das  Büchlein  „Vom  rechten  Grund  und  Verstand  Waag  und  Gewichts", 
das  vor  dieser  Zeit  von  dem  hochgelehrten  und  berühmten  Mathematico  und  Medico 
D.  GüALTHERO  Herminio  Rivio  in  deutscher  Sprache  in  den  Druck  gegeben  worden 

ist,  abgedruckt 

Es  werden  auch  vielerlei  künstliche  Mühlwerke,  Schrauben  und  sonstige 

Inventiones  und  vortheilhafte  Bewegungen  in  den  künftigen  Theilen  gefunden  werden. 
Diese  und  noch  andere  nützliche  Dinge,  bin  ich  gesonnen,  in  kurzer  Zeit  auch  zu 
publiciren  und  hoffe  zuversichtlich,  es  werde  dem  kunstliebenden  Leser  ein  Gefallen 
damit  geschehen,  zumal  die  Autores,  so  von  diesen  Dingen  geschrieben 

*)  Schwer  verständliche  veraltete  Worte  und  Redewendungen  erlauben  wir  uns  durcli 
moderne  zu  ersetzen. 


3d2  Heinrich  Zeising. 

haben,  in  deutscher  Sprache  nicht  wohl  zu  bekommen  auch  meisten- 
theils  in  grossem  Format  gedruckt  und  sehr  theuer  sind;  dieses  Theatnim 
aber  in  bequemer  Form  und  mit  geringen  Kosten  zu  erzeugen  ist" 

Aus  der  Vorrede  an  Bürgermeister  und  Rath  der  Stadt  Leipzig  wollen  wir 
noch  folgende  kulturhistorisch  nicht  uninteressante  Stelle  erwähnen: 

„  .  .  .  .  deshalb  habe  ich  mich  keine  Arbeit  noch  Fleiss  verdriessen  lassen, 
dieses  löbliche  Werk  mit  Roiss(»n  und  Kupferstechen  zu  fördern,  fümehmlich  weil  ich 
gesehen,  dass  diese  nützliche  Kunst  des  Kupferstechens  und  Drückens  vor  dieser 
Zeit  all  hier  in  Leipzig  noch  fast  fremd  und  unbekannt  war,  und  ich  es  für  unbillig 
erachtete,  dass  diese  löbliche  Stadt  dieser  Kunst  noch  länger  ermangeln  sollte . . .  ."*) 

In  der  Unterschrift  dieser  Vorrede  ist  der  Name  Zeising  ohne  k  am 
Ende  geschrieben  und  wir  haben  diese  Schreibweise  beibehalten. 

Dem  angegebenen  Zwecke  entsprechend  sind  bei  weitem  die  meisten  der 
in  Zeising's  „Theatnim"  enthaltenen  Kupferstiche  verkleinerte  Kopien  aus 
Werken  älterer  Autoren,  oder  nach  Angaben  solcher  entworfene  Zeichnungen; 
nur  voa  36  unter  den  128  Kupfern  können  wir  dies  nicht  nachweisen  und 
lassen  sie  als  Originale  gelten. 

Der  erste  Theil  enthält  25  Tafeln.  Davon  sind  die  Nummern  1,  2,  3 
dem  Werke  des  Gualtherus  Rivius  entnommen,  die  Nummern  8,  9,  10,  13, 
15,  17,  21,  22  von  Ressons  Tafeln:  21,  33,  30,  35,  31,  15,  38,  53  (vergL 
S.  186 — 205).  Nach  Vitruv's  Angaben  sind  11,  12  und  14  entworfen  und 
nach  denen  des  Cardanus  die  Nummern  20,  23,  24  und  25.  Für  Originale 
können  4,  5,  6,  7,  16,  18  und  19  gelten. 

Der  zweite  Iheil  enthält  ebenfalls  25  Abbildungen.  Davon  zeigt  die 
erste  ein  nach  Vitruv's  Angaben  konstruirtes  Nivellirinstrument  (Chorobat, 
S.  38).  Die  Nummern  2  und  12  bis  18  einschliesslich  sind  kopirt  von  Zonga^s 
Seiten  Gl,  100,  103, 105,  107,  110,  112,  114  (vergl.  S.  293—317),  die  Nummern 
6  bis  10  von  Besson's  Tafeln  47  bis  50  und  44.    Für  Originale  können  gelten: 

3,  4,  5,  11,  19  und  20  bis  25. 

Von  den  26  Tafeln  des  dritten  Theils  sind  die  Nummern  1,  2,  3,  5, 
8,  10  bis  14  und  16  kopirt  von  Ramelli's  Tafeln:  128,  127,  123,  124,  132, 
114,  115,  116,  135,  134,  136  (vergl.  S.  206—234),  die  Nummern  6,  7,  18,  21, 
22,  23  von  Zonca's  Seiten:  25,  89,  43,  83,  85,  94,  die  Nummern  9  und  15  von 
Besson's  Tafeln  28  und  13.  Für  Originale  können  gelten:  4,  17,  19,  20, 
24  bis  26. 

Der  vierte  Theil  enthält  28  Tafebi.     Davon  sind  die  Nummern  1  bis 

4,  6,  7,  27,  28  kopirt  von  Zonca's  Seiten :  45,  47,  50,  64,  76,  96,  1  und  3, 
die  Nummern  8  bis  11  von  Besson's  Tafeln:  7,  8,  9,  59,  die  Nummern  12  bis 
26  von  Ramelli's  Tafeln:  169,  170,  168,  173  bis  183  und  189.  Nummer  5 
zeigt  eine  Buchdruckerei,  ähnlich  der  von  Zonca  abgebildeten. 


*)  Schon  hundert  Jahre  früher  blühte  die  Kupferstecherkunst  in  Nürnberg. 


ZnsammcDsetzung  seiDes  Werkes.    Kleine  Uehrlein.    Segelwagen.  393 

Der  fünfte  Theil  enthält  24  Tafeln.  Davon  sind  die  Nummern  1,  2, 
3,  13  bis  21  kopirt  von  Ramelli's  Tafeln:  185,  184,  187,  88,  85,  86,  79,  76, 
64,  73,  9  und  95,  Nummer  11  von  Besson's  Tafel  19.  Die  übrigen  Nummern, 
nämlich  4  bis  10,  12  und  22  bis  24,  mögen  Originale  sein,  zeigen  aber  nur 
hydraulische  und  pneumatische  Spielereien,  ähnlich  denen,  welche  man  bei 
Hero  von  Alexandria  findet. 

In  der  Einleitung  zum  ersten  Theile  giebt  Zeising  zunächst  die  Definition 
des  Begriffes  „Maschine"  nach  Vitruv  wieder  und  spricht  nach  Aristoteles 
von  der  „wunderbaren  Natur"  des  Kreises.  Dann  theilt  er  die  Maschinen 
nach  den  sie  bewegenden  Kräften  ein. 

Die  erste  Klasse  bilden  die  sich  selbst  bewegenden  (d.  h.  die  durch  eine 

gespannte  Feder  bewegten)  Maschinen.    Darunter  werden  genannt: 

„kleine  schlagende,  die  Stunden  zeigende  und  weckende  Uehrlein,  welche 
auch  etliche  der  Planeten  Lauf  weisen,  so  jetziger  Zeit  mit  grossem  Fleiss  und  Sub- 
tilität  in  Deutschland  gemacht  werden.  Da  es  auch  so  hoch  mit  dieser  Kunst  gebracht 
worden,  dass  man  dieselben'  auch  aufs  allerfleissigste  und  subülste  in  einem  Daumen- 
ring gemacht,  bekommen  kami." 

J.  H.  M.  Poppe  sagt  in  seiner  „Geschichte  der  Technologie",   Göttingen 

1810,  Bd.  II,  §  247,  wo  er  von  Taschenuhren  spricht: 

„Gleich  nach  der  Erfindung  dieser  Maschinen  wurde  es  für  etwas  Vorzügliches 
gehalten,  sehr  kleine  Uhren  zu  haben,  z.  B.  in  Knöpfen,  an  Halsketten  etc.  So 
vermachte  der  Erzbischof  Parker  in  seinem  Testament  vom  5.  April  1575  seinen 
Stock,  in  dessen  Knopf  eine  Uhr  war,  seinem  Bruder  Richard  (Sommer's  Canter- 
bur}'.  Supplement  Nr.  14.  p.  36).  Diese  Liebhaberei  erhielt  sich  bis  ins  siebzehnte 
Jahrhundert  Besonders  waren  im  siebzehnten  Jahrhundert  die  Halsuhren,  welche 
man  vermittelst  einer  feinen  kostbaren  Kette  um  den  Hals  hängte,  sehr  beliebt. 
PA^'CIR0LLU3  (renim  memorabilimn  etc.  P.  I.  Francof.  1660.  Tit.  X.  p.  168)  und 
Fludd  (utriusque  Cosmi  ....  Historia.  Oppenh.  1618.  cap.  4)  sprechen  von  den 
Hals-  und  Binguhren  als  von  etwas  sehr  schätzbarem." 

Unter  den  Maschinen,  die  vom  Winde  getrieben  werden,  sind  angeführt: 

„die  grossen  Lastwägen,  welche  durch  Aufspannung  der  Segel 
von  den  Winden  auf  trockenem  Lande  in  geschwinder  Eil  fortge- 
trieben werden.  Diese  sind  zu  unserer  Zeit  in  den  Niederlanden  von  dem  vor- 
trefflichen Mathematico  Simon  Stevixo  erfunden  worden." 

Im  „Buch  von  der  Weltpost"  von  Veredarius  (Pseudonym  des  General- 
postdirektors Heinrich  Stephan),  dritte  Auflage,  Berlin  1894,  S.  95  wird  über 
diese  Segelwagen  gesagt: 

„  .  .  . .  Besonders  liegen  aus  dem  siebzehnten  Jahrhundert  Nachrichten  über  die 
Benutzung  von  Segel  wagen  vor;  auch  sind  einige  Abbildungen  aus  jener  Zeit  vor- 
handen, die  über  die  Bauart  und  die  Benutzung  dieser  Fuhrwerke  Aufschluss  geben. 
Unsere  Abbildung  nach  einem  alten  Kupferstiche  stellt  „den  Segelwagen  von  Scheve- 
LiNG"  vor.  Bischof  Wilkins  schreibt  über  diese  Art  von  Verkehrsmitteln  in  seiner 
„Mathematical  Magic",  London  1648,  Folgendes:  „Die  auf  Segel  wirkende  Kraft  des 
Windes  kann  auch  zum  Forttreiben  eines  Wagens  benutzt  werden,  sodass  man  auf 
diese  Weise  ebensogut  zu  Lande  segeln  kann,  wie  mit  einem  Schiffe  auf  dem  Wasser. 
Solche  Wagen  sind  seit  undenklichen  Zeiten  auf  den  Ebenen  von  China,  sowie  in 
Spanien  im  Gebrauche;  ihren  grössten  Erfolg  aber  haben  sie  in  Holland  erzielt,  wo 
sie  die  Geschwindigkeit  der  schnellsten  Schiffe  weit  übertreffen.     Dort  sind  mit  diesen 


3d4  Heinrich  Zeising. 

Wagen  in  wenigen  Stunden  6  bis  10  Personen  auf  Entfernungen  bis  zu  20 — 30 
holläudischen  Meilen  befördert  worden,  wobei  der  am  Stern  sitzende  Steuermann  dem 
Fahrzeuge  mit  Leichtigkeit  jede  beliebige  Richtung  geben  konnte."  —  Femer  sind 
Abbildungen  eines  ähnlichen  Segelwagens  vorhanden  (eine  solche  befindet  sich  im 
Berliner  Postmuseum),  welchen  der  Mathematiker  Simon  Stevdojs  für  den  Grafen 
Moritz  von  Nassau  (1567 — 1625)  erbaut  haben  soll" 

Die  Eingangs  als  Original  bezeichneten  Kupfer  des  ersten  Theiles  von 
Zeising's  „Theatrum"  sind  unbedeutend.  Nr.  4  zeigt  einen  Hebel  und  eine 
Schnellwaage.  Nr.  5  zeigt,  wie  mit  zwei  langen  Hebeln,  die  am  Ende  durch 
einen  darüber  gestellten,  mit  Steinen  gefüllten  Kasten  belastet  werden,  eine 
Mauer  umgeworfen  werden  kann,  Nr.  6  wie  man  mit  Hebeln  einen  Baumstamm 
fortwälzt,  Nr.  7  einen  liegenden  und  einen  stehenden  Haspel  einfachster  Kon- 
struktion, Nr.  16  eine  Ramme  einfachster  Art,  Nr.  18  und  19  eine  liegende 
und  stehende  Winde  mit  Schraube  ohne  Ende. 

Im  zweiten  Theil  zeigt  Nr.  3  ein  Schöpf rad  für  Handbetrieb,  Nr.  4 
ein  Becherwerk  mit  Göpelbetrieb,  Nr.  5  ein  Schöpf-  und  Wasserrad. 

Nr.  11  (Fig.  5G7)  wird  bezeichnet  als: 

„Eine  gar  schöne  Machina,  wie  das  Wasser  mit  Hilfe  eines 
Wasserrades  mit  drei  Gestängen  in  einem  Triangel  (d.h.  einer  dreifach 
gekröpften  Axe,  deren  Kurbclanne  um  120®  g^^gen  einander  versetzt  sind)  auf  einen 
Thurm  gehoben  und  von  da  durch  den  Fall  in  eine  Stadt  geführt 
werden  kann." 

In  der  Beschreibung  wird  gesagt: 

„  ....  je  stärker  das  Wasser,  desto  mehr  Gestänge  an  dem  Rade,  mit  welchem 
das  Wasser  gepumpt  wird,   kann  es  regieren,    sodass  es  anstatt  des  Triangels    auch 
mit  einem  Pentaculo  oder  fünfeckigen  Werke  (d.  h.  einer  fünffach  gekröpften  Axe) 
regiert  werden   kann.     Hier   wird  es   aber   nur  mit  einem  Triangel,   der   mit  A  be- 
zeichnet ist,  getrieben.     Dieser  nmss  sehr  stark  sein,  von  Messing  gegossen,  sodass 
sein  Gewicht  zum  Wenigsten  7  Centner  ist    Und  ob  nun  wohl  das  Rad  vom  wilden 
und  fliessenden  Wasser  getrieben  wird,   so  hebt  es  doch  das  Wasser  nicht  aus  dem 
Flusse,    sondern   aus   einem  schönen   hellen  Quollbrunnen,  aus  dem    die   mit   C  be- 
zeichnete Röhre  heraufgeht  in  die  liegende  Röhre  D,  worauf  drei  Stockröhren  (hölzerne 
Röhren)  Q,  mit  Eisenringen  wohl  verwahret,  stehen.     In  diesen  Stöcken  aber  stehen 
starke  messingene  Stiefel  P,    worauf   die  f urfallenden  Ventile  ruhen.     Die    drei 
Stöcke  0  aber  über   den  messingenen  Stiefeln,   welche  von  Holz,   unten  und  oben 
mit  starken   eisernen  Ringen  verwahrt,    sind,    kann  man   herausnehmen,    denn    über 
denselben  sind  die  Pumpleder  (Kolben).     Wenn  die  Gestänge  mit  neuen  Pumpledem 
versehen  (d.  h.  die  Kolben  neu  geliedert)  werden  sollen,  so  macht  man  sie  oben  von 
der  Waage  (dem  Balancier  H)   los  und   lässt  also   die  Stiefel  herunter.     Wann  sie 
neu  geliedert  sind,  so  schlägt  man  den  Stock  0  wieder  hinein  und  verwahrts  mit  den 
Stützen  jR  und  verdämmet  (dichtet)  es  wohl  mit  alter  Leinwand  und  Hadern  .... 
Die    Röhren    über   den   Stöcken  0  aber,    welche   mit  S  bezeichnet   sind,    sind    von 
Messing  gegossen,  inwendig  ^U  Elle  weit     Darin  gehen  die  Ventile  mit  den   Pump- 
ledern (d.  h.  die  Ventilkolben  mit  Lederdichtung).     Auf  diesen  messingenen   Röhren 
stehen   die    hölzernen   Röhren  F,    mit   eisernen  Ringen  wohl  verwahrt,   dass    sie    das 
Wasser   nicht   auseinander   treiben   kann,   das  wegen   der  Höhe  ein   grosses   Grewicht 
hat.     Oben   aus   diesen   Röhren   fällt  das  Wasser  in  einen   kupfernen  Trog  J",    aus 
dem   es  wieder  in  die  Röhren  K  hinabfällt  imd   unter  der  Erde   in   die  Stadt 
leitet  winl.** 


FnmpweTke.  396 

Diese  Besclireibiuig  ist  hauptsScblicli  deshalb  schwer  TerstäDdlich ,  weil 
wir  henttgen  Tages  unter  dem  „Stiefel"  einer  Pumpe  die  Röhre  Tersteheo,  in 
der  sich  der  Kolben  bewegt,  während  hier  die  untere,  das  Säugventil  tragende 
R5hre  so  genannt  wird;  die  darüber  befindliche,  ^U  Elle  weite  Messingröhre 
S  aber,  worin  sich  der  Kolben  bewegt,  keinen  besonderen  Namen  führt. 


Wir  haben  versucht,  in  Fig.  568  die  Konstruktion  der  Pampe  nach 
dieser  Beschreibung  darzustellen.  Der  messingene  Pumpencylinder  S  ist  an 
dem  hölzernen  Steigrohre  F  befestigt.  Das  Mesaingrohr  P,  welches  das  Saug- 
ventil trägt,  lässt  sich  in  der  Holzröhre  Q  etwas  auf  und  nieder  schieben. 
Das  kurze  hölzerne  Rohrstnck  0  umschliesst  das  Saugventil  und  bildet  daher 
gewissermassen  das   Ventilgehäuse.     Die   Stützen  oder  Spreizen  R  drücken 


39S 


Heinricb  Zeiüng. 


einerseits  die  lose  Flansche  2  (die  in  der  Beschreibung  nicht  ervähnt  ist) 
nach  unten  gegen  das  Saugrohr  Q,  anderseits  das  Rohr  P  mit  dem  Ventil- 
gehänse  0  nach  oben  gegen  den  Pumpencylinder  iS'  und  pressen  die  Dichtungen 
zwischen  S,  0  und  P,  sowie  zwischen  T,  Q  und  P  zusammen.  Werden  diese 
Spreizen  entfernt,  so  sinkt  das  Messingrohr  P  etwas  herab  und  das  Ventil- 
gehäuse 0  kann  leicht  herausgenommen  werden.  Löst  man  dann  das  Gestänge 
vom  Balancier  und  lässt  es  herab,  so  erscheint  der  Kolben  in  der  Lücke 
zwischen  dem  Saugventile  und  dem  Gylinder  imd  kann  frisch  geliedert  werden. 

Eigenthümlich  bei  dieser  Konstruktion  ist  das  Fehlen  jeglicher  Schrauben- 
verbindung. 

Bei  Fig.  567  ist  noch  darauf  hinzuweisen,  dass  in  der  Detailzeichnung 
in  der  Ecke  rechts  unten  die  dreifache  Kurbel  A  mit  einem  vierten,  der  Kabe 


konzentrischen  Zapfen  endigt,  während  dieser  sammt  dem  zugehörigen  Lager 
in  der  Hanptzeichnung  weggelassen  ist,  vermuthlich  weil  man  befärchtete,  das 
Lager  würde  die  dreifache  Kurbel  zu  sehr  verdecken. 

Nr.  19  zeigt  einen  ans  Heizrohren  and  metallenen  Verbindungsstücken 
zusammengesetzten  Heber  zur  Entleerung  eines  erhöht  gelegenen  Teiches. 

Nr.  20  (Fig.  569}  ist  überschrieben: 

„Eine  andere  Machina,  um  durch  ein  Wasserrad  das  Wasser  mit 
einer  Pumpen  in  einen  Trog  zu  beben  und  dasselbige  ferner  mit  einem 
Druckwerk  einen  hohen  Berg  hinauf  la  bringen." 

In  der  Beschreibung  wird  gesagt : 
„  ....  die  hülzeraen  Eöhren  E  müssen  wohl  mit  eisernen  Banden  und  Ringen 
verwahrt  sein,  damit  eis  von  dem  AVasser,  welches  eine  grosse  Gewalt  hat^  nicht  zer- 
trieben  werden  .  .  .  ." 

Da  auch  hier,  wo  es  sich  um  die  Förderung  von  Wasser  auf  einen  hohen 
Bei^  handelt,   nur  von  hölzernen,  mit  Eiseuringen  verstärkten  Steigröhren 


Feneispritzen. 


907 


gesprocbeii  vird,  ist  anzunebmea,  d&ss  gasseiserne  Wasserleitangsröhren  zu 
Anfang  des  mebzehnten  JabrhnDderts  noch  unbekannt  waren. 

Nr.  21  zeigt  eine  WasserBchraal»  [Ardiimedische  Schnecke),  deren  Eon- 
sirnktion  von  den  Angaben  Vrmuv's  (vergL  S.  60)  nur  dadnrcli  abweicht,  dass 
dieSchranbeng&nge  nicht  durch  anfeinandergenagelte  und  mit  Theer  verklebte, 
gebogene  Holzleistchen,  sondern  durch  seitlich  aneinander  getilgte,  sektoren- 
förmige  Brettchen  gebildet  werden.  Diese  sind  in  den  Kern  und  in  den  Mantel 
etwas  eingelassen,  letzterer  mit  eisernen  Reifen  gebunden  and  das  Ganze 
innerlich  nnd  äusserlich  durch  einen  Pechüberzug  gedichtet.  Die  eisernen 
Zapfen  laufen  in  Lagern  mit  messingenen  Antifrikttonsrollen. 

Nr,  22  bis  25  sind  {abgesehen  von  der  Zeichnung,  die  Baldo  ton  Urbing 
nadi  Hero^s  Beschreibung  entworfen  hat}  die  ältesten  .\bbildnngen  von 


Feuerspritzen,  die  wir  kennen.  Die  Nummern  22,  23  und  24  sind  in 
unseren  Figuren  570,  571,  572  und  573  wiedergegeben.  Nr.  25  zeigt  die 
Anwendung  einer  solchen  Spritze  bei  einem  Brande. 

Die  Ueberschrift  Zeising's  lautet: 

„Eine  sch&ne  neue  lavention  einer  Machinae  oder  Feuerspritze, 
welche  in  Feuersnoth  sehr  nützlich  zu  gebrauchen  ist,  also  eins  ihres 
Gleichen  zuvor  noch  nie  erfunden  gewesen  ist,,  denn  jetzt  kann  man 
trefflich  grosse  Rettung  dadurch  thun." 

Und  die  Beschreibung  hebt  an: 

„Es  ist  nicht  genugsam  zu  loben  und  auszusprechen,  was  diese  nachstehenden 
Feuerspritzen  für  grossen  Nutzen  und  Errettung  in  Feuersnöthen  gethan  haben,  denn 
ea  können  5  oder  6  Personen,  die  eines  Thells  Wasser  in  die  Spritze  tragen,  anderen 
Theils  die  Spritze  regieren  und  das  Wasser  in  das  Feuer  spritzen,  mehr  ausrichten, 
als  etliche  Hundert  Mann  sonst  thun  können." 

In  der  Beschreibung  zu  der  Detailzeichnung  Nr.  24  (Fig.  573)  wird  gesagt : 

„Man  lasset  zwo  starke  messingene  Röhren  (Cyllnder)  Jessen,  wie  sie  im 
Kupferstiche  mit  A  bezeichnet  sind  ....  sie  müssen,  je  nachdem  man  das  Werk 


aOB  H«inricb  Zeiaing. 

stark  haben  will,  2 — 10  oder  mehr  Zoll  weit  sdn und  müssen  cptwa  öne  Elle 

oder  anderthalb  Ellen  hoch  und  iunendig  gleich  w«t  und  fäa  g^tt  angedreht  srän, 
auch  unten  einen  starken  Boden  haben.  Auch  musa  unten  eine  jede  ein  ziemlich 
grosses  rundes  oder  viereckiges  Loch  haben  und  inwendig  auf  jedem  Loch  ein  Ventil  B 
darülKT.  Solch  Loch  aber  mag  man  entweder  auf  der  Seite  unten  bei  dem  Boden, 
oder  unten  im  Boden  machen,  was  bequemer  und  besser  isL  Denn  die  Pumpen 
(-kolben),  die  inwendig  sn  die  ^semen  Stangen  M  gemacht  und  recht  justirt  sind, 
müssen  das  Wasser  durch  diese  Löcher  ziehen,  und  es  müssen  die  Röhren  (C^Under) 
in  einem  kupfernen  Kessel  stehen,  wie  er  im  Kupferstich  Nr.  22  (Fig.  B71)  mit  B, 
oder  in  einer  kupfernen  Wonn^  wie  sie  im  Kapferetich  Nr.  23  (Fig.  672)  ebenfalls 
mit  B  bezeichnet  ht,  und  also  mit  dem  Kessel  oder  ntit  Ihm  in  einem  höbemen 
starken  Kasten  stehend  unten  mit  starken  Schraubenbolzen  und  Schraubbanden  von 
Messing  wohl  angemacht  und  befestigt  sein,  damit  sie  feststehen  ....  Es  mOssen 
danach  noch  andere  Robrlöcher,  eines  in  jeder  der  genannten  Röhien  (der  Cylinder) 
sein,  durch  welche  das  eingezogene  Wasser  wieder  herausgedrückt  wird.     Diese  haben 


Fig.  571 


Rfihrlein,  die  nHoli  oben  gegen  einander  zuMnimcn gehen,  wie  sie  im  Kupferstich 
Nr.  24  (Fig  673)  mit  C  bczeiclinet  sind,  und  oben  an  eines  jeden  Ende  angesetzte 
VenlJle.  Diese  Kölircn  werden  unten  nn  den  Zwiesel  (die  gabelförmige  Röhre)  der 
Spritze  gesiossen  ....  Die  eisernen  Pumpcustangcn  sind  mit  M  Ix'zeichnet  und 
unten  daran  sind  messingene  Kolben  L.  Das  ÖtKrtlieil  der  Fumpenkolben  ist  an 
den  Stangen  unbeweglich,  dos  Unlcrtheil  aber  steckt  man  darauf,  zwängt  das  Pump- 
kder  dazwi^^chen  und  schraubt  die  Stücke  so  mit  einer  Schraube  N  (d.  i.  eine  Mutter) 
zusammen.  Die  Putn|X'nstangGn  sind  aber  oben  in  einen  starken  Qucrbnlken  (Balancier) 
1  eingemacht  Dieser  stoht  auf  einem  starken  Stock  oder  Quercisen  F.  Derselbe 
ist  auf  dem  Kasten  querüber  wohl  befestigt,  denn  er  muss  die  ganze  Gewalt  der 
Bewegung  anshalu-u.  Er  hat  Löcher  P,  dtircli  welche  theils  die  Schrauben  bolzen  O, 
die  ihn  nnd  zugleich  die  grosse  Rölire  (den  Cylinder)  In  dem  Kasten  befestigen,  thräla 
auch  die  Pumpensljmgen  in  die  Pumpenröhren  gehen.  —  Wenn  nun  das  Wasser 
durch  die  unbren  V<!ntile  in  die  Pumpenröhron  gezogen  ist,  so  wird  es  durch  die 
Arme  oder  kleinen  Seilcnröhren  C,  die  in  die  Höhe  gerielifet  sind,  in  den  Zwiesel  Z> 
horaufgedrückt,  wo  es  in  einem  Stock  (Eohrsliicke)  zusammenkommt  und  zu  dem 
oberen  Ende  der  Zwieselröhrc  getrieben  wird.  Auf  diese  ist  oben  ein  Hut  (Knierohr) 
geateckL     Dieser  muas  zwar  geheb  angesteckt  sein,  aber  doch   so,  dass  man   ihn 


Feaenpritzen.  3d9 

herumdrehen  kann,  gleichwie  die  Theile  eines  Bierhahnes  geheb  in  einander  herum- 
gedreht werden.  Dieser  Hut  hat  seinen  Ausgang  oder  seine  Mündung  nach  der  Seite 
hin,  sodass  er  wie  ein  Winkelmaass  geformt  ist,  und  damit  er  nicht  abfahre  von  dem 
Halse  der  Röhre,  daran  ^  stecket,  muss  die  Röhre  um  und  um  eine  Kerbe  haben 
und  durch  den  Hut  (d.  h.  durch  seine  Wandung)  müssen  ein  Paar  Schraublein  auf 
beiden  Seiten  in  die  Kerbe  geschraubt  werden.  Dieselben  halten  dann  den  Hut^ 
sodass  er  von  der  Gewalt  des  Wassers  und  beim  Herumdrehen  nicht  weggetrieben 
oder  abgestossen  wird.  In  die  Mündung  des  Hutes  wird  das  letzte  Stück  der  Spritz- 
röhre H  gesteckt;  doch  ist  es  besser,  dass  das  Mundloch  des  Hutes  in  die  letzte 
Spritzröhre  H  gesteckt  und  wohl  gefügt  werde.  Und  gleichwie  man  den  Hut  G  auf 
seiner  Röhre  D  herumdrehen  kann,  so  muss  auch  die  Röhre  H,  worin  die  Schnautze 
des  Hutes  geht,  herumgedreht  werden  können.  Dann  kann  man,  wegen  der  Beweg- 
lichkeit des  Hutes,  das  Wasser  in  jedem  Augenblicke  hinlenken  und  spritzen,  wohin 
man  will,  wegen  der  Beweglichkeit  des  Spritzrohres  H  aber  kann  man  das  Spritz- 
wasser in  die  Hohe  oder  Tiefe  bringen,  wie  man  will ....  Es  ist  auch  zu  merken, 
dass  man  in  den  Waagbalken  (Balancier)  i  gegen  beide  Enden  hin  Querhölzer  steckt 
oder  mit  eisernen  Bändern  umfasst,  auf  dass  12  oder  14  Personen,  je  nachdem  man 
das  Wasser  mit  Gewalt  spritzen  will,  daran  ziehen  können;  ....  auch  ist  noch  zu 
merken,  dass  die  letzte,  mit  H  bezeichnete  Röhre  sehr  lang  sein  muss,  etwa  drei 
Ellen  und  nicht  viel  darunter,  denn  je  länger  sie  ist,  desto  höher  kann  das  Wasser 
getrieben  werden,  gleichwie  auch  ein  Blasrohr  um  so  weiter  trägt,  je  länger  es  ist  .  . 
Und  solche  Spritzen  mit  allen  ihren  Theilen  kann  man  entweder  in  einen  Kessel, 
der  in  einem  dazu  verfertigten  Kasten  auf  einem  Wagen  steht,  setzen,  wie  Nr.  22 
(Fig.  571)  zeigt,  oder  man  kann  sie  in  eine  kupferne  Wanne  in  einem  starken  Kasten 
auf  eine  starke  Schleife  oder  einen  Schlitten  setzen,  wie  im  Kupferstich  Nr.  23 
(Fig.  572)  zu  sehen  ist  Auch  kann  man  kleine  Spritzen  in  der  Art  machen,  dass 
man  die  beiden  Röhren  (C}Tmder)  auf  ein  starkes  Messing-  oder  Kupferblech  schraubt, 
wie  im  Kupferstich  Nr.  22  bei  A  (Fig.  570)  dargestellt  ist,  dass  man  sie  hernach  in 
ein  Wasserfass  setzen  und  daraus  in  die  Zimmer,  die  Feuermauer,  den  Schornstein, 
oder  wohin  es  Noth  thut,  spritzen  möge  .  .  .  ." 

Am  Schlüsse  der  speziellen  Beschreibung  der  Kupfertafel  Nr.  22  (Fig.  571) 

ist  bemerkt: 

„Es  muss  auch  der  Kessel  S  oben  einen  löcherigen  Messingdeckel  haben,  damit 
nicht  Unreines  von  Holz,  Steinen  oiler  grobem  Koth,  sondern  nur  das  Wasser  in 
die  Spritzröhre  kommt" 

In  der  speziellen  Beschreibung  des  Kupfers  Nr.  23  (Fig.  572)  findet  sich 

die  Stelle: 

„Allhier  ist  auch  noch  zu  bemerken,  dass  unten  aus  der  kupfernen  Wanne 
■eine  mit  I  bezeichnete  Röhre  herausgeht,  ferner  das  links  unten  abgebildete 
Stück  P*),  welches  ein  hohler  kupferner  Kolben  oder  Knopf  ist,  in  welchen  viele 
kleine  Löcher  gemacht  sind.  Dieser  Kolben  biegt  sich  mit  seinem  Halse  (der  in  der 
Abbildung  nicht  dargestellt  ist)  unter  sich,  wenn  man  ihn  an  die  Röhre  steckt,  die 
aus  der  Wanne  herausgeht,  und  ist  Solches  an  einer  ausgeführten  Spritze  gemacht 
worden,  damit  man  auch  das  Wasser  aus  dem  Gerinne  auf  der  Gasse,  welches  man 
mit  einem  Schutzbrette  abgedämmt  hat,  von  unten  in  die  Pumpenröhren  ziehen  kann. 
Aber  diese  ausgeführte  Spritze  hat  unten  im  Kessel  eine  messingene  Querröhre,  worauf 
die  zwo  grossen  messingenen  Pumpröhren  (Cylinder)  ruhen  und  das  Wasser  von  unten 
aus  dem  Kessel  (oder  aus  dem  Strassengerinne)  in  sich  ziehen  ....  Man  muss 
auch  einen  Stöpsel  gar  fest  vor  denselben  Kanal  oder  die  Röhre  I  schlagen,  wenn 
man  kein  Wasser  aus  dem  Geriime  oder  fliessenden  Wasser  hineinziehen  lassen  will." 


*)  Diese  gesperrt  gedruckten,  nothwendigen  Worte  fehlen  im  Texte,  wahrscheinlich 
in  Folge  eines  Versehens  des  Setzers. 


400  Heinrich  Zeising. 

Aus  alledem  geht  hervor,  dass  diese  Feuerspritzen  weder  Windkessel 
noch  Spritzenschläuche  hatten,  und  es  ist  daher  nicht  recht  verständlich,  was 
unter  der  „neuen  Invention^'  gemeint  ist,  die  Zeising  so  sehr  rühmt 

Bekanntlich  sind  Feuerspritzen  ähnlicher  Art  von  Hero  dem  Aelteren 
von  Alexandria,  einem  Schüler  des  Ctesibios,  schon  im  zweiten  Jahrhundert 
vor  Christi  Geburt  beschrieben  worden  (siehe  S.  14). 

„Aber  zweifelhafter  ist  es  (sagt  Jon.  Beckmann  in  seinen  ,Beiträgen  zur 
Geschichte  der  Erfindungen',  Leipzig  1799,  Bd.  IV,  S.  431),  ob  deren  Gebrauch 
bald  allgemein  geworden  sei,  und  ob  schon  das  alte  Rom  diese  vortheilhafte 
Maschine  gehabt  habe.  Pliniüs  der  Jüngere,  welcher  vom  Jahre  111  n.  Chr. 
an  Legat  in  Bythinien  war,  meldete  dem  Kaiser  Trajan,  dass  die  Stadt 
Nikomedien  grösstentheils  abgebrannt  sei  und  sagt  (Epistel.  42,  lib.  10): 

„Der  Brand  hat  sich  weiter  ausgebreitet,  erstens  durch  die  Heftigkeit  der  Windes 
und  dann  wegen  der  Trägheit  der  Leute.  Denn  es  steht  fest,  dass  die  Zuschauer 
bei  diesem  grossen  Unglücke  müssig  und  unbeweglich  blieben.  Uebrigens  war  auch 
nirgends  in  der  Gemeinde  eine  Spritze  (et  alioqui  nullus  usquam  in  publice  sipho), 
nirgends  ein  Feucreimer  und  überhaupt  kein  Instrument  zum  Unterdrücken  von 
Branden,  und  zwar  waren  diese,  wie  ich  schon  angeordnet  habe,  in  der  Vorbereitung 
begriffen." 

„Unter  diesen  Löschgeräthschaften  scheint  sipho  allerdings  die  Feuer- 
spritze des  Ctesibiüs  gewesen  zu  sein,  obgleich  Einige  darunter  nur  Wasser- 
leitungen, Kanäle,  Röhren  zur  Vertheilung  des  Wassers  in  der  Stadt  haben 
verstehen  wollen.  Nun  möchte  ich  nicht  leugnen,  dass  das  Wort  auch  solche 
Röhren  bedeutet  hätte,  zumal  wegen  einer  Stelle  des  Strabo,  wo  er  von  den 
unterirdischen  Wasserleitungen  zu  Rom  redet  und  sagt  (lib.  5  ed  Almel  p.  360): 

„Soviel  Wasser  wird  durch  den  Aquaeduct  in  die  Stadt  geleitet,  dass  Ströme 
durch  die  Stadt  und  die  Kloaken  fliessen  und  fast  jedes  Haus  reichlich  Cistemen, 
Röhren  (aiqxovag)  und  Kanäle  haf 

„Aber  einen  starken  Beweis  (fährt  Jon.  Beckmann  fort),  dass  Puntcs 
allerdings  Feuerspritzen  gemeint  hat,  kann  ich  aus  einem  gleichzeitigen  Schrift- 
steller beibringen.  Nämlich  Apollodor,  der  Baumeister,  dessen  Hülfe  Kaiser 
Trajan  bei  Erbauung  der  berühmten  Donaubrücke  und  bei  Aufführung  einiger 
grossen  Werke  in  Rom  brauchte,  sagt  in  dem  Ueberbleibsel  seines  Buches  vott 
Kriegswerkzeugen  (Poliorcetica  p.  32  in  Veterum  mathematic.  opera): 

„Wenn  der  obere  Theil  eines  Grebäudes,  zu  dem  der  Aufstieg  schwierig  ist^ 
stark  brennt  und  jenes  Instrument,  welches  sipho  genannt  wird,  nicht  in  der  Nähe 
ist,  passt  man  nochmals  durchbohrte  Rohre,  wie  die  der  Vogeljäger*),  an  denjenigen 
Stellen  an,  wo  sie  Wasser  hinbringen  sollen,  und  Schläuche  voll  Wasser,  welche 
zusammeng(»prerfst  werden,  werfen  das  Wasser  nach  der  Stelle  aus,  die  von  Feuer 
verzehrt  wird." 


*)  Arundines  rursos  perforatae,  cuiusmodl  sunt  aucapam,  sind  Schilf-,  Bambas-  oder 
dergleichen  gewachsene  Rohre,  die  ausgebohrt  wurden,  um  die  Knoten  aus  der  inneren 
Höhlung  zu  entfernen  und  diese  gleichmässig  zu  machen,  und  deren  sich  die  Yogeljäger  al» 
Blasrohre  bedienten. 


Gebrauch  von  Feuerspritzen  im  Alterthum.  401 

Wir  erinnern  daran,  dass  eine  zusammengenähte  Thierhant,  d.  i.  der 
Schlauch,  die  älteste  Form  des  Blasbalges  ist  (vergl.  Dr.  Ludwig  Beck,  „Ge- 
schichte des  Eisens",  Bd.  I,  S.  97  und  75),  und  dass  der  Balg  auch  eine  der 
ältesten  Formen  der  Wasserpumpen  ist  (vergl.  „Skizzen  aus  der  Zeit  der 
Hussitenkriege",  Fig.  348,  S.  288). 

„Dass  man  wenigstens  im  vierten  Jahrhundert  unter  sipho  eine  eigent* 
liehe  Feuerspritze  verstand  (fährt  Joh.  Beckmann  fort),  beweist  Hesyciiius  völlig 
sowie  IsiDORUs*),  der  jedoch  erst  im  Anfange  des  siebenten  Jahrhunderts  lebte." 

Ersterer  schrieb  ein  Lexikon,  worin  er  sagt: 

„Sipho  ist  ein  Instrument,  um  Wasser  nach  den  Branden  hin  zu  werfen." 

Letzterer  sagt  in  seinem  Werke  „Origines  s.  Etimologiae"  XX,  6: 

„Sipho  wird  ein  Gefäss  (vas)  genannt,  welches  Wasser  durch  Ausblasen  aus- 
giesst  Solche  gebrauchen  nämlich  die  Orientalen.  Denn  wo  sie  merken,  dass  ein 
Haus  brennt,  laufen  sie  mit  Spritzen  (cum  siphonis)  hinzu  und  löschen  den  Brand, 
aber  sie  reinigen  auch  damit  Altäre  (oder  Steindenkmäler,  aras)  durch  das  nach  den 
obersten  Theilen  hin  ausgepresstc  Wasser." 

„Aus  den  Worten:  ,solche  gebrauchen  die  Orientalen'  sollte  man  schliessen, 
dass  Feuerspritzen  im  Occident  selbst  im  siebenten  Jahrhundert  noch  nicht 
gebräuchlich  gewesen  wären." 

„Nur  eine  Stelle   des  Ulpianus**)   pflegt  man  zum  Beweise   anzuführen, 

dass  man  schon  zu  seiner  Zeit  in  Kom  Feuerspritzen  gehabt  habe.     Da  wo 

er  diejenigen  Dinge  nennt,  welche  zu  einem  Hause,  das  verkauft  wird'  gehören, 

sagt  er  (Digest.  XXXIH,  7,  18): 

„Auch  Essig  (acetum),  welcher  wegen  zu  löschender  Brände  bereit  gehalten 
wird,  sowie  aus  Lappen  zusammengeflickte  Decken  (centones,  womit  man  das  Feuer 
zu  ersticken  suchte),  Spritzen  (siphones),  Stangen  und  Leitern,  Matten,  Schwämme 
und  Besen  soll  es  enthalten,  sagen  die  meisten  und  auch  Pegasus." 

„Auch  Alexander  ab  Alexandro***),  dessen  ürtheil  freilich  nichts  ent- 
scheidet, hat  dort  S])ritzen  verstanden,  denn  er  sagt  in  seinem  Werke  ,Dies 
geniales*  V,  24,  p.  342: 

„Siphones  nennt  man  mit  Lederschläuchen  (oder  Bälgen,  follibus)  verbundene 
Röhren  oder  hydraulische  Maschinen,  durch  deren  Bewegung  sie  Wasser  nach  den 
oberen  Theilen  der  Gebäude  ausweripen,  und  welche  auch  pneumatische  Maschinen 
genannt  werden." 

Diese  fistulae  follibus  junctae,  sagt  Joh.  Beckmann,  sind  diejenigen  Röhren, 
welche  schon  Appollodor  vorgeschlagen  hat ;  wir  aber  möchten  dabei  auch  auf 
die  vorhin  schon  erwähnte  Balgpumpe  (Fig.  348,  S.  288)  hinweisen,  welche 
von  Jacobus  Marianus  um  1440,  also  etwa  80  Jahre  früher  als  Alessandro 
Alessandri  Obiges  schrieb,  von  einem  seiner  Landsleute  skizzirt  wurde. 


♦)  Hesyciiius  aus  Alexaodria,  Grammatiker  des  vierten   oder  sechsten  Jahrhunderts 
n.  Chr.    St.  Isidorus  Hispalensis  wurde  um  594  Bischof  von  Sevilla  in  Spanien  und  starb  636. 
**)  Berühmter  römischer  Rechtsgelehrter,  geb.  um  170  n.  Chr.  in  Tyrus,  um  228  als 
Präfekt  der  Prätorianer  von  diesen  ermordet. 

***)  Eigentlich  Alessandro  Alessandri,  Advokat  in  Neapel,  lebte  von  1461  bis  1523. 

Beck.  26 


402  Heinrich  Zeirnng. 

Ueber  die  angeführte  Stelle  Ulpian's  sagt  Joe.  Beckmann  im  G^ensatze 
zu  Denen,  welche  daraus  entnehmen,  dass  man  zu  Anfang  des  dritten  Jahr* 
hunderts  n.  Chr.  in  Rom  Feuerspritzen  gehabt  habe: 

„Aber  wenn  dieses  Wort  (siphones)  Spritzen  bedeuten  soll,  so  scheint 
diese  Stelle  zuviel  zu  beweisen ;  dann  müsste  man  es  als  einen  damals  gewohn- 
lichen Fall  annehmen,  dass  einzelne  Häuser  eigene  Spritzen  gehabt  hatten. 
Das  müssten  denn  doch  nur  kleine  Handspritzen  gewesen  sein,  dergleichen 
auch  hier  manche  Häuser  haben,  und  die  Stelle  könnte  wenigstens  nicht  als 
ein  Zeugniss  von  öffentlichen  Spritzen,  dergleichen  Puntcs  in  Nikomedien  ver- 
misste,  gedeutet  werden.  Allein  viel  wahrscheinlicher  ist,  dass  Ulpian  nur 
diejenigen  siphones  gemeint  hat,  welche  nach  des  Strabo  Bericht  fast  jedes 
Haus  zu  Rom  hatte,  das  ist:  Röhren,  welche  das  Wasser  zum  häuslichen 
Gebrauche  hinführten". 

Ohne  diese  Ansicht  Becknann's  bestreiten  zu  wollen,  müssen  wir  doch 
darauf  hindeuten,  dass  diese  Stelle  an  Inkonsequenz  leidet.  Vorher  war  nur 
die  Frage,  ob  der  Gebrauch  der  von  Hero  beschriebenen  Feuerspritzen 
bald  allgemein  geworden  sei  und  ob  das  alte  Rom  schon  solche  gehabt  habe; 
hier  aber  wird  die  „öffentliche  Spritze"  der  „kleinen  Haudspritze"  g^enüber- 
gestellt,  und  der  Satz  so  gefasst,  als  ob  es  sich  nur  um  die  Frage  handle,  ob 
das  alte  Rom  „öffentliche  Spritzen"  gehabt  habe,  worunter  ohne  Zweifel  grosse 
fahrbare  Spritzen  verstanden  werden  sollen. 

Hero  erwähnt  aber  in  seiner  Beschreibung  weder  einen  Wagen  noch 
einen  Schlitten,  und  es  ist  daher  anzunehmen,  dass  er  keine  fahrbare,  sondern 
eine  tragbare  Spritze  gemeint  hat,  und  daraus  folgt,  dass  ihr  Gewicht  und 
ihre  Dimensionen  nicht  gross  gewesen  sein  können.  Zu  der  Annahme,  dass 
diese  nicht  öffentlichen  Zwecken  dienen  könnten,  ist  kein  Grund  vorhanden. 
Beckmann  scheint  der  Ansicht  gewesen  zu  sein,  dass  die  kleinen  Handspritzen 
eine  modernere  Erfindung  seien,  weil  zu  seiner  Zeit  nur  manche  Häuser  in 
seiner  Umgebung  sie  hatten.  Naturgemässer  dürfte  aber  die  Annahme  sein, 
dass  man  zuerst  kleine  Spritzen  baute  und  später  zu  grösseren  überging,  und 
es  ist  zu  berücksichtigen,  dass  die  Häuserbesitzer  im  alten  Rom  in  andern 
Verhältnissen  lebten  als  die  deutschen  des  vorigen  Jahrhunderts,  und  dass 
bei  diesen,  gerade  weil  bessere  öffentliche  Spritzen  vorhanden  waren,  ein  so 
grosses  Bedürfniss  zur  Anschaffung  eigener  Handspritzen  nicht  bestand,  wie 
es  im  alten  Rom  der  Fall  gewesen  sein  dürfte.  Der  Grund,  warum  Beckmann 
sich  eine  öffentliche  Feuerspritze  nur  als  eine  grosse  fahrbare  denken  konnte, 
dürfte  darin  zu  suchen  sein,  dass  diese  zu  seiner  Zeit  mit  Windkessel  und 
Spritzenschläuchen  versehen  waren,  und  er  sich  keine  Vorstellung  davon 
machen  konnte,  von  wie  geringem  Nutzen  gerade  die  grossen  fahrbaren  Spritzen 
waren,  ehe  sie  diese  Vervollkommnungen  erfahren  hatten.  Will  man  hierüber 
zu  einer  richtigen  Vorstellung  gelangen,  so  sollte  man  nicht  versäumen,  das 
nachzulesen,   was  die  Erfinder   der  Spritzenschläuche,    Jan  van  der  Heu»  und 


Wichtigkeit  der  Schläache  nnd  Windkessel  an  grossen  Feuerspritzen.  403 

Jan  van  der  Heide  der  Jüngere,  General-Brandmeister  der  Stadt  Amsterdam, 
in  ihrem  mit  vielen  ausserordentlich  schönen  Kupfern  ausgestatteten  Werke 
in  Grossfolio  ;,Beschrijving  der  nieuwlijks  uitgevonden  en  geoctrojeerde  Slang- 
Brand-Spuiten  etc.^,  Amsterdam  1690,  über  die  alten  fahrbaren  Spritzen  sagen, 
die  diese  Verbesserung  noch  nicht  hatten.  Da  heisst  es  zunächst  in  der  Vor- 
rede an  Bürgermeister  und  Kath  der  Stadt  Amsterdam: 

„  •  .  .  •  Sie  (die  Verbesserungen)  wurden  auf  Ew.  Hoch  wohlgeboren  Befehl  in's 
Werk  gesetzt  und  vorerst  zur  Probe  an  alten  städtischen  Feuerspritzen  angebracht, 
als  im  Jahre  1672  •••  .  uns  die  Aufsicht  über  die  alten  Spritzen  übertragen  wurde, 
weil  diese  damals,  wie  £w.  Hochwohlgeboren  mit  Recht  bemerkten, 
mehr  Kachtheil  als  Nutzen  bei  den  Bränden  brachten.*' 

Das  zweite  Kapitel  des   ersten  Theiles   handelt   ausführlich   ^^von   den 

alten  Spritzen^  und  lautet: 

„Dieses  Instrument  verhiess  zuerst  sehr  viel.  Es  ist  gross  und  ansehnlich,  und 
man  kann  damit  das  Wasser  von  der  Strasse  bis  auf  die  Dächer  der  Häuser  werfen 
und  es  vermittelst  des  Spritzrohres,  welches  auf  oder  an  der  Spritze  befestigt,  aber 
drehbar  ist,  nach  allen  Seiten  hinsenden.  Damit  schien  dem  Mangel  der  Feuereimer, 
welcher  für  den  grössten  gehalten  wird,  weil  er  am  meisten  in  die  Augen  fällt^  ab- 
geholfen zu  sein,  und  man  machte  sich  so  grosse  Erwartungen  davon,  dass  sie  in 
sehr  vielen  Städten  angewendet  und  auch  in  dieser  Stadt  bis  zu  ungefähr  sechzig  an 
der  Zahl  angeschafft  wurden.  Aber  diese  Erfindung  entsprach  den  darauf  gesetzten 
Erwartungen  so  schlecht  imd  ihre  Wirkung  bei  Bränden  war  von  so  geringem  Nutzen, 
dass  einer  der  ältesten  Bürgermeister  von  Amsterdam,  der  damals  genaue  Beobach- 
tungen über  die  Brände  angestellt  hatte,  uns  sagte,  er  habe  klar  herausgefunden,  dass 
sie  bei  dem  Gebrauche  von  diesen  Spritzen  durchweg  schwerer  würden,  als  zuvor, 
und  dass  man  sie  jetzt  weniger  oft  löschen  könne,  ehe  ein  oder  mehrere  Häuser  ver- 
nichtet seien,  als  damals,  als  man  sich  noch  mit  Eimern  allein  behalf  ....  Der 
Grund  davon  ist,  dass  die  alten  Spritzen,  auf  der  Strasse  stehend,  das  Wasser  nicht 
anders,  als  von  unten  gerade  von  sich  weg  gegen  die  Vordergiebelmauer*)  und  selbst 
darüber  hinaus,  oder  durch  die  Fenster  und  Glasscheiben,  wenn  sie  offen  waren, 
nur  kurz  hinter  die  Giebelmauer  spritzen  konnten  •  .  •  .  Die  Strahlen 
endigten  oder  prallten  (an  die  Zimmerdecken)  kurz  hinter  der  Giebelmauer  an,  wo 
sie  herabfielen  .  •  .  •  folglich  konnten  sie  nur  die  Vorderseite  der  Brande,  die  in 
den  vorderen  Zimmern  entstanden,  treffen,  während  sie  die  hinteren  Theile  dieser 
Brände  nicht  erreichen  konnten  und  diesen  volle  Freiheit  liessen,  sich  nach  hinten 
und  seitwärts  auszudehnen.  So  wird  die  ganze  Wirkung  dieser  Spritzen  auf  die  Giebel- 
mauer verwendet,  und  diese  etwas  länger  stehend  erhalten,  obgleich  sie  für  diese 
Spritzen  besser  zuerst  aus  dem  Wege  geräumt  würde.  Und  wenn  sie  bei  solchen 
Bränden,  die  in  den  vorderen  Zimmern  entstehen  und  die  bequemsten  und  erreich- 
barsten sind,  offenbar  keinen  Vortheil  gewähren  können,  so  ist  sicher,  dass  sie  gegen 
alle  anderen,  die  in  inneren  Zimmern  und  in  Hinterhäusern  fern  von  der  Strasse 
entstehen,  nichts  in  der  Welt  ausrichten  können  ....  In  allen  diesen  Fällen,  die 
bei  weitem  die  häufigsten  sind,  weil  die  Küchen  und  anderen  Rämne,  worin  das  meiste 
Holzwerk  ist  und  am  meisten  mit  Feuer  und  Licht  imigegangen  wird,  gewöhnlich  in 
den  hinteren  Theilen  der  Häuser  liegen,  können  diese  Spritzen,  weil  dann  der  vordere 
Theil  des  Hauses  im  Wege  steht,  nichts  thun,  bevor  der  Brand,  indem  er  das  Innere 
durchgebrannt  hat,  schwerer  geworden  ist  und,  sich  nach  allen  Seiten  ausbreitend,  bis 
zur  vorderen  Giebelmauer  durchgedrungen  ist." 


*)  Za  damaliger  Zeit  pflegte  man  bekanntlich  die  Häuser  mit  einer  Giebelseite  an  die 
Strasse  zu  stellen. 

9fi* 


4C4  Heinrich  Zeiung. 

Hat  man  in  Amsterdam,  nachdem  man  die  Spritzen  alter  Konstruktion 
in  so  grossen  Dimensionen  angeschafft  hatte,  dass  sie  gefahren  und  auf  die 
Strasse  gestellt  werden  mussten,  alsbald  diese  schlechten  Erfahrungen  gemacht, 
so  wird  man  sie  wohl  in  Rom  im  gleichen  Falle  auch  gemacht  haben,  zumal 
die  Häuser  dort  sehr  hoch  und  die  Strassen  eng  waren.  Denn  Seneca  tadelte 
dort  (Controvers.  9,  libri  2,  pag.  153): 

„Die  Wohnhauser,  welche  man  so  sehr  in  die  Höhe  baut,  dass  die  Wohnungen, 
welche  man  zum  Nutzen  und  Schutze  errichtet,  jetzt  eine  Gefahr  und  kein  Schutx 
sind.  Die  Höhe  der  Grebäude  und  die  Enge  der  Strassen  sind  so  gross,  dass  es 
weder  einen  Schutz  gegen  Feuer  noch  nach  irgend  einer  Seite  hin  einen  Ausweg  aus 
den  Ruinen  giebt" 

Deshalb  ist  anzunehmen,  dass  sich  in  alten  Zeiten  nur  tragbare  Spritzen 
einbürgern  konnten,  und  es  scheint,  dass  solche  nicht  nur  von  Gemeinden^ 
sondern  mehr  noch  von  wohlhabenden  Hausbesitzern  zum  Schutze  einzelner 
Häuser  angeschafft  wurden.  Wohlhabend  mussten  die  Hausbesitzer  gewiss 
sein,  welche  alle  die  von  Ulpianus  aufgezählten  Dinge  für  den  Fall  eines 
Brandes  bereit  halten  sollten.  Denn  wer  einen  Brand  mit  Essig  löschen  will, 
braucht  viel  davon,  und  wenn  man  ihn  mit  nassen  Decken  und  Matten  ersticken 
will,  müssen  diese  zahlreich  oder  so  gross  sein,  wie  die  Segeltücber,  die 
Jan  van  der  Heide  in  seinen  Abbildimgen  der  früher  üblichen  Löschweisen 
darstellt.  Man  sieht  da  oft  das  ganze  Dach  des  brennenden  Hauses  mit  einem 
oder  mehreren  solcher  Tücher  bedeckt. 

Wohl  darf  aber  angenommen  werden,  dass  man  schon  in  alten  Zeiten 
hin  und  wieder  auf  den  Bau  grosser,  nur  auf  Fuhrwerk  transportabler  Spritzen 
verfiel,  indem  man  sich  von  ihrem  mächtigen  Wasserstrahle  grossen  Nutzen 
versprach. 

Paul  von  Stetten  berichtet  in  seiner  ;,Kunst  und  Handwerksgeschichte 
der  Reichsstadt  Augsburg^,  die  1779  daselbst  erschien,  dass  man  in  den  Bau- 
amtsrechnungen dieser  Stadt  zuerst  im  Jahre  1518  Feuerspritzen  genannt 
findet.  Sie  heissen  dort  ;,Instrumente  zu  Brünsten''  oder ;, Wasserspritzen  zum 
Feuer  dienlich''  und  wurden  von  einem  Goldschmied,  Axton  Blatner  zu  Fried- 
berg, der  aber  in  dem  genannten  Jahre  Bürger  von  Augsburg  ward,  verfertigt. 
Aus  dem  Zusätze,  dass  die  Räder  und  Stangen  dazu  von  einem  Rademacher 
gemacht  werden,  und  aus  der  Grösse  der  dafür  angesetzten  Ausgaben  kann 
man  schliessen,  dass  es  grosse  fahrbare  Spritzen  gewesen  sind.  Aber  vor 
der  Erfindung  der  Spritzenschläuche  mussten  praktische  Versuche  mit  diesen 
immer  zu  derselben  Enttäuschimg  führen,  die  Jan  van  der  HEmE  schildert,  und 
die  Begeisterung,  womit  Zeising  von  solchen  Spritzen  als  einer  neuen  Invention 
spricht,  beweist  nur,  dass  frühere  Versuche  dieser  Art  zu  seiner  Zeit  wieder 
in  Vergessenheit  gerathen  waren,  oder  dass  doch  unserem  Autor  die  Kennt- 
niss  davon,  sowie  die  praktische  Erfahrung  zur  richtigen  Beurtheilung  derselben 
abging. 


Grosses  hoTizontaleB  Tretrad  für  Menschen. 


405 


Im  dritten  Tbeile  seines  Werkesdst  auf  der  Kupfertafel  Nr.  4  eine 
Mühle  mit  zwei  Mahlgängen,  die  vermittelst  eines  grossen 
horizontalen  Tretrades  durch  Menschenkraft  betrieben  wird, 
abgebildet  (Fig.  574).  Ein  kleines  horizontales  Tretrad  für  Menschen  sahen 
wir  schon  bei  Agricola  (siehe  Fig.  144,  S.  130);  dieses  aber  erinnert  durch 
seine  Grösse  mehr  an  das  schrägstehende,  venezianische  Tretrad  für  Ochsen- 
betrieb,  welches  Zonoa  beschreibt  (siehe  Fig.  358,  S.  297). 

Die  Kupfertafel  Nr.  16  zeigt,  wie  Eingangs  erwähnt  wurde,  eine  Kopie 
der  auf  Rahelli's  Taf.  136  abgebildeten  Holzsägemtihle  (siehe  Fig.  277, 
S,  233),  Nr.  17,   die  durch   unsere    Fig.  575  wiedergegebene.     Diese   unter- 


scheidet sich  vortheilhaft  von  der  vorhergehenden.  Die  Kurbel,  welche  das 
Sägegatter  bewegt,  sitzt  bei  Rahelli  auf  der  Wasserradwelle,  hier  aber  auf 
einer  rascher  gehenden  Vorgelegewelle  mit  Schwungrad.  Der  Blockwagen, 
der  bei  Bahexli  wie  eine  grosse  Schraubzwinge  den  zu  schneidenden  Block 
einklemmt,  bildet  hier  einen  festen  Rahmen,  worauf  der  Block  liegt  und  mit 
einigen  Eisenklammem  befestigt  wird.  Bei  Rahelli  wird  dieser  Blockwagen 
durch  ein  Seil  bewegt,  das  mehrmals  um  die  Welle  des  Schaltrades  geschlungen 
nnd  dessen  eines  F,nde  am  hinteren,  das  andere  am  vorderen  Ende  des  Block- 
wagens befestigt  ist;  hier  aber  ist  das  Seil  durch  eine  Kette  ersetzt,  deren 
Enden  auf  Spannwalzen  hinten  und  vom  am  Blockwagen  befestigt  sind.  Die 
Rückwärtsbewegung  des  letzteren  muss  bei  Rahelli  mit  der  Hand  geschehen, 
während  hier  ein  aus-  und  einrückbares  Rädervorgelege  angebracht  ist,  ver- 
mittelst dessen  diese  Rückwärtsbewegung  durc^  das  Wasserrad  erfo^t. 


ioe 


Heinrich  Z«isiiig> 


Nr.  18  ist,  wie  Eingangs  bemerkt,  eine  Kopie  der  Watkmfllilc,  die 
ZoscA  auf  Seite  18  seines  Werkes  darstellt  {siehe  Fig.  362,  S.  299).  Sie  führt 
bei  Zeising  die  Ueberschrift : 

„Eine  Machina  oder  Rüstung,  den  Tuchmachern  die  Tuch  zu  walken,  desgleichen 
auch  die  gebleichten  Schetter." 

Nr.  19  unterscheidet  sich  hiervon  nur  dadurch,  dass  die  Hebedaumen 
der  Walkbämmer  nicht  direkt  auf  der  Wasserradwelle,  sondern  auf  einer  Vor- 
gelegewelle sitzen,  und  dass  diese  anderer- 
seits noch  mit  der  Welle  eines  grossen 
Schleifsteins  durch  Zahnräder  verbunden 
ist.     Die  Ueberschrift  lautet; 

„Eine  andere  Art  und  Manier  einer 
Walkmühle,  darinnen  die Weiaagerber  ihrLeder 
walken,  mit  dem  Eischtrog  (oder  Liachtrog), 
dabei  auch  ein  Schleifstein  hängt" 

Nr.  20:  „Eine  Machina  oder  Oel- 
m  ü  b  1  e ,  dadurch  man  allerhand  Oel 
schlagen  kann,  als  Mandeln,  Nuss,  Lein 
und  Rübsaat"  (Fig.  576). 

Dies  ist  die  älteste  Abbildung 
einer  Keilpresse  für  Oelfabrikation. *) 
Pressen  dieser  Art,  welche  man  heute 
noch  in  kleinen  Oelmühlen  findet,  unter- 
scheiden sich  von  der  hier  abgebildeten 
nur  dadurch,  dass  bei  ihnen  die  Keile  von 
oben  durch  schwere  Stempel  hinein-  oder 
herausgetrieben  werden,  während  dies  hier 
in  horizontaler  Richtung  durch  einen 
schweren  Holzhammer  geschieht,  der  an 
einer  horizontalen  Welle  über  der  Presse 
aufgehangen  ist,  und  den  man  vermittelst 
einer  Stellvorrichtung  bald  auf  die  eine, 
bald  auf  die  andere  der  beiden  in  der 
Oellade  angebrachten  Pressvorrichtungen  wirken  lassen  kann.  Die  Beschreibung 
Zeising's  lautet: 

„Es  wird  aber  solche  Mühle  mit  einem  Waaserrade  umgetneben,  an  dessen 
Wellbaum  du3  Kammrad  S  ist.  Dieses  ergreift  mit  seinen  Zähnen  das  Stirnrad,  in 
dessen  Wellbautn  die  Hörner  (Hebedaumen)  kreuzweise  eingezapft  sind,  ja  nach  der 
Zahl  der  Stempel,  welche  unten  mit  eisernen  Küpfen  beschlagen  sind  und  ihrer 
Schwere  halber,  wenn  die  Heber  durch  die  Homer  erreicht  und  die  Stempel  in  die 


Flg.  m. 


*)  Eid«  sehr  primitiv  koustrairt«  Keilpresse  zum  Weinkeltern,  die  wohl  Mch  som 
AnspreueD  vod  Oliven  verwendet  werden  konate,  zeigt  allerdings  schon  ein  in  HercnUnom 
aufgefandenes  Gemülde.  (Siehe  Antony  Ricn'a  lllustrirtes  Wörterbuch  der  ROmiaclMn 
AlterthOmer,  Artikel:  torcular.) 


SBgemDUeo,  OelmfllileD,  deuticbe  and  hoIUndiicIia. 


407 


Höhe  gehoben  Bind,  sbacks  unter  sich  Blossen  In  die  auggehauenen  Vena,  die  nnten 
am  Boden  mit  starken  Eisen  beschlagen  eind.  Darin  stösset  man  die  Materie  daraos 
man  Oel  haben  will,  klein.  Biese  wird  nachmals  in  einem  Kessd  geröstet  und  also 
warm  swischen  zwei  haarenen  Tüchern  VZ  in  die  Eonn  BC  gelegt  und  in  den 
dchenen  Baum  A  gesteckt,  in  den  man  einen  anderen  viereckigen  Klotz  D  von  oben 
herab  einsenkt  ond  von  hinten  einen  Keil  E  du^chstöss^  der  vomen  etwas  schmäler 
ist,  als  lünten.  Danach  steckt  man  den  Keil  F  dazwischen  und  richtet  den  Schlegel 
durch  den  Arm  G,  der  Löcher  hat,  wie  der  Balken  (Stiel),  woran  der  Schlegel  hängte 
auf  den  Keil.  So  ergreifet  das  eine  Hom  (ein  Hebedaumen)  am  Wellbaum  das  eine 
Holz  M  an  der  Wand  (welches  in  der  Abbildung  nicht  sichtbar  ist)  und  zieht  solches 
herab,  und  in  solcher  Bewegung  ergreift  das  andere  Hom  (vermuthlich  ein  anderer 


Hebelann,  der  mit  dem  Holze  M  auf  einer  Axe  sass)  auch  das  obere  Holz  (in  dem 
horizontalen  Wellbaume),  von  dem  der  Strick  nach  dem  unteren  gehl^  und  zieht  es 
nach,  hebt  den  Schlegel  sehr  hoch  und  schnappt  los.  So  schlägt  der  Schlegel  den 
K«l  hinein  und  zwinget  also  das  Oel  mit  grosser  Macht  heraus,  welches  unten  durch 
den  grossen  eichenen  Baum  A,  der  ein  Loch  bat,  heraus  in  ein  untergesetztes  Ge- 
schirr fliesst." 

Geoaa  dieselbe  Einrichtung  wird  noch  in  Beyer's  j,Tbeatrum  Machinanim 
Molamm  oder  Schauplatz  der  Mühlenbaukunst",  Leipzig  1735,  S.  81,  als  die 
in  Deutschland  für  Oeloiiihlen  allgemein  gebräuchliche  ausführlicher  beschrieben 
und  abgebildet.  Auf  S.  S3  folgt  dann  die  Beschreibung  der  ^Holländischen 
Oehniihlen",  die  mit  einem  Kollergang  und  schwereren  Stampfen  die  Oelsaat 
zerkleinem  nnd  das  erwärmte  Mahlgut  in  Keilpressen  auspressen,  deren  Keile 
durch  schwere  Stempel  von  oben  angetrieben  werden.  Wie  wenig  aber  diese 
Art  von  Oelmüblen  im  Jahre  1735  noch  in  Deutschland  im  Gebrauche  waren, 


4oe 


Eeinricli  Zeising. 


geht  ans  der  Einleitung  und  der  Schlussbemerkung  zu  Beteh's  Beschreibung 
hervor,     Erstere  lautet; 

„Nnchdem  irir  die  Beschaffenheit  hiesiger  Oelmühlen  deutlich  abgehandelt  haben, 
wollen  wir  nun  dem  geneigten  Leser  auch  ein  Modell  der  Holländischen  Invention 
mittheilen  und  dabei  zeigen,  wie  solche  von  Wasser  ihre  Bewegung  erhaltea  können, 
während  in  Holland  meist  alle  Maschinen  vom  Winde  getrieben  werden,  hier  zu 
Lande  aber  auf  denselben  nicht  viel  zu  bauen  ist.  Die  Zeichnung  t£t  aus  Pieter 
Limperch's  Moele-Boek  genommen." 

Am  Schlüsse  sagt  Beveh: 

„Und  also  würde  man  das  Wasserrad  noch  einmal  so  breit  erbauen  müssen, 
als  es  Tab.  XXVIII  (welche  die  vorhin  beschriebene  Einrichtung  darstellt)  ist  und 
auch  doppelt  so  viel  Wasser  dazu  nöthig  haben.  Es  wäre  demnach  ja  ebenso  wohl- 
getban,  wenn  man  ein  so  weites  Wasserrad  mit  dem  dazu  erforderlichen  Wasser  an- 
logen wollte,  wenn  man  an  demselben  zwei  solche  Stampfwerke  anbrächte,  wie  wir 
eines  hei  unserer  Oclinüble  dargestellt  haben,  und  es  wäre  dann  vielleicht  ebensoviel 
damit  auszurichten,  als  mit  einer  Holländischen  Oelmüble,  wie  wir  denn  in  der  That 


hier  lu  Laude  viele  derselben  mit  doppeltem  Zeuge  gar  nutzbar  gebrauchen.  Wir 
lassen  inzwischen  die  Holländische  Oelmühle  in  ihrem  Werth.  Dass  sie  in  Holland 
gute  Dienste  thut,  Ist  gewiss;  ob  wir  sie  aber  mit  dem  Trieb  des  Wassers  (weil  auf 
die  Kraft  des  Windes  hier  zu  Lande  nicht  wie  in  Holland  gebaut  werden  kann)  so 
gut  nützen  würden,  ist  nicht  ausgemacht." 

Zeising's  Nr.  24  zeigt  eine  Schmiede,  worin  ein  Paar  Blasbälge  und 
ein  Schwanzhammer  durch  ein  Wasserrad  und  eine  ziemlich  koniplicirte  Trans- 
mission mit  Zahnräderübersetzungen  betrieben  werden. 

Nr.  25  zeigt  eine  Schleiferei  mit  Wasserradbetrieb,  wovon  in  nnserer 
Fig.  bll  die  wesentlichen  Theile  wiedergegeben  sind.  Der  Teit  hierzu 
ist  hauptsächlich  dadurch  interessant,  dass  wir  darin  zum  ersten  Male 
Riemen  zur  Uebertragung  einer  drehenden  Bewegung  erwähnt  linden.  Aus 
der  eigentlichen  Beschreibung  ist  dies  zwar  nicht  ersichtlich,  denn  darin 
heisst  es: 

„An  der  anderen  (d.  h.  der  zweiten)  Scheibe  ist  ein  Rad  F  mit  einer  Holen 
(Höhlung)  ausgedreht,  daran  leit  (liegt)  eine  Röhren  G  und  treibet  also  das  Rad  H", 
an  dessen  eiserner  Ase  drei  kleine  Rüder  K  stocken,  welches  man  den  Stechzeug 
nennet,  zu  gar  subtilen  Dingen  uud  hohlen  Rappier-  und  Dolchklingen." 


Sebroiede.    Sclileiferei.    Betrietmiemen.    Bao!idnid:erpreaM. 


«» 


DaDsch  folgt  aber  noch  eine  „Erklärung  der  Stück",  d.  b.  eine  Erklärung 
der  in  der  Abbildung  durch  Bachstaben  bezeichneten  Theile,  worunter  aufge- 
zählt werden. 

Die  gross  te  grobe  Schelb  E. 

Die  ander  Scheib,  daran  der  Riemen  leit  F. 

Der  Riemen  G. 

Daa  Rad,  das  vom  Riemen  nunbgczogen  wird  H, 

Dass  der  Theil  G  im  eigentlichen  Text  „eine  Röhre"  genannt  wird, 
während  in  der  „Erklärung  der  Stück"  dafür  immer  „der  Riemen''  steht, 
könnte  auf  einem  Druckfehler  beruhen.  Es  könnte  aber  auch  andeuten,  dass 
der  Riemen  nach  einer  Schraubenlinie  zusammengedreht  war,  so  dass  er  auch 


als  Rühre  bezeichnet  werden  konnte.  Diese  Art  des  Ueberganges  von  dem 
schon  lange  bekannten  Schnurtrieb  zum  Riementrieb  ist  nicht  unwahrscheinlich 
und  der  Umstand,  dass  von  der  Riemenscheibe  gesagt  wird,  sie  sei  mit  einer 
Holen  (Höhlung)  ausgedreht,  scheint  auch  darauf  hinzudeuten,  dass  man  sich 
den  Querschnitt  des  Riemens  rund  vorzustellen  habe.  Aus  der  Abbildung  ist 
in  dieser  Beziehung  nichts  zu  ersehen. 

Nr.  26  ist  überschrieben: 

„Eine  andere  Art  einer  Machinae,  dardurch  die  Waffen  und 
allerhand  Werkzeug  geschliffen  wird,  ist  fast  der  vorhergehenden 
zu  vergleichen," 

Aus  der  Beschreibung  führen  wir  folgende  Stellen  an: 

„  .  .  .  .  dicweil  aber  die  Steine  täglich  (d.  h.  den  ganzen  Tag)  Wasser  haben, 
müssen,  so  ist  eine  Rinne  über  den  Steinen  angemacht^  darein  von  dem  Wasserrad 


410 

datA  sween  SdkSfür  ti^icfa  ^ceam  wird,  wdAea  Wasser  djon  mal  c>  Schle&tefDpe 
filli  .  .  .   - 

Diese  Vonicbtimg  sahen  wir  sdiofn  bei  Zosci  abgebildet  nzid  beschrieben 

(S.  299  n-  Fig,  3*50;. 

ZsisüfG  flhrt  aber  hier  fort: 

„&  wird  axKh  eb^nennaaäen  c-rr  kleine  Zecg;  danuif  man  heSL  grhlwL  diurrh 
«inen  Biemen  wie  der  Siechieaz  in  der  Poliermählen  «die  Tcoiln  beschrieben  wardst 


Und  in  der  .ErUänuur  der  Stäck^  findet  man: 

fjHA  Bad,  Aann  man  den  Btenxn  legt  f.'' 

Ans  dem  Tierten  nnd  fünften  Theile  des  uns  rorliesenden Werkes 
beben  wir  noch  die  Knpfertafel  Nr.  5  des  rierten  Theiles  herror.  deren  wesent- 
liche Theile  in  unseren  Figuren  573  nnd  5T9  wiedergegeben  sind,  weil 
daraus  deutlicher  ab  aus  Zo^tCA's  Abbildung  einer  Buchdruckerpresse 
Tig.  365.  S.  302;.  zu  ersehen  ist.  wie  damals  bei  diesen  Press^i  die  Pressplatte 
nur  durch  Schnure  an  die  Tierkantige  Führungshulse  gehängt  war  (Fig.  579;, 
damit  die  Pressplatte  nachgeben  konnte,  bis  sie  gleichmassig  auf  die  Press- 
flache druckte.  Im  Uebrigen  Terweisen  wir  auf  die  Beschreibung  Zoxca^s 
(S.  302;. 


k 


Leonardo  da  Vinei  (1452-1519). 

(Dritte  Abhaodlung:  Codice  atlaütico.) 


Die  Accademia  dei  Lincei  zu  Rom  hat  im  Jahre  1894  begonnen,  den 
Codice  atlantico,  die  grösste  Sammlung  LEONARDo'scher  Handschriften  und 
Skizzen,  unter  dem  Schutze  und  mit  Unterstützung  des  Königs  von  Italien 
und  der  italienischen  Regierung  in  ähnlicher  Weise  zu  veröffentlichen,  wie 
dies  mit  den  im  Institut  de  la  France  befindlichen  Manuskripten  Leonardo's 
durch  Ravaisson-Molien  geschehen  ist. 

Man  beabsichtigt,  das  ganze  Werk  in  35  Lieferungen  herauszugeben, 
wovon  jährlich  fünf  erscheinen  sollen.  Wollten  wir  sämmtliche  Maschinen 
und  Mechanismen,  die  im  Godice  atlantico  enthalten  sind,  in  einer  Abhand- 
lung behandeln,  so  könnten  wir  erst  nach  sieben  Jahren  damit  beginnen.  Wir 
ziehen  deshalb  vor,  uns  zunächst  auf  die  Besprechung  der  im  verflossenen 
Jahre  erschienenen  fünf  Lieferungen  zu  beschränken  und  weitere  Abhandlungen 
folgen  zu  lassen,  sobald  wieder  genügendes  Material  dazu  vorliegt. 

lieber  die  Entstehung  und  die  Schicksale  des  Codice  atlantico  entnehmen 
wir  der  Einleitung  der  Accademia  dei  Lincei  Folgendes: 

Leonardo,  dem  der  König  von  Frankreich  gestattet  hatte,  über  sein  Ver- 
mögen frei  zu  verfügen,  vermachte  durch  ein  in  Amboise  aufgesetztes  Testament  vom 
23.  April  1518  alle  seine  Manuskripte,  Listrumente  und  Gemälde,  die  er  nach 
Frankreich  gebracht  hatte,  seinem  Lieblingsschüler  Francesco  Melzi,  der  ihm  dahin 
gefolgt  war. 

Nach  dem  Tode  Leonardo's,  der  am  2.  Mai  1519  in  Cloux  erfolgte,  brachte 
Melzi  die  ererbten  Gegenstände  nach  Italien  in  die  Villa  di  Vaprio,  wo  er  seinen 
Meister  oftmals  bewirthet  hatte.  Fünfzig  Jahre  lang,  bis  zn  seinem  Tode,  bewahrte 
er  diese  theuren  Andenken  mit  grösster  Sorgfalt,  aber  als  sie  in  den  Besitz  seiner 
Erben  gekommen  waren,  die,  wie  Giov.  Ambrooio  Mazzenta  berichtet,  ganz  andere 
Neigungen  und  Beschäftigungen  hatten,  waren  sie  den  mannigfachsten  Wechselfällen 
ausgesetzt. 

Einige  Jahre  nach  Francesco  Melzi's  Tode  kamen  einem  gewissen  Lelio 
Gavardi  da  Asola,  Vorsteher  von  S.  Zeno  m  Pavia,  in  seiner  Eigensäiaft  als  Haus- 
lehrer der  Familie  Melzi  dreizehn  Bände  von  Leonardo's  Manuskripten  und  Zeich- 
nungen in  die  Hände.  Er  missbrauchte  das  geringe  Literesse  der  Melzi  für  die 
Handschriften  und  brachte  sie  nach  Florenz;  wo  er  sie  in  der  Hoffnung  auf  reichen 


412  Leonardo  da  Vicci. 

Gewinn  ilom  Grossherzog  Fraxcesco,  einem  leidenschaftlichen  Sammler  Ton  Kon^ 
l^^:^>n^tänden.  anbieten  wollte. 

Durch  den  unenrarteten  Tod  dieses  Fürsten  wurde  Gatabdi**  Plan  vereiielt, 
und  er  begab  sich  nach  Pisa  zu  seinem  Verwandten  AiDO  Maxtzio,  der  dort  die 
Rechte  studirte.  Er  hoffte,  ihn  bereit  zu  finden«  die  Manuskripte  zu  erwerben.  Der 
Zufall  wollte,  dass  mit  Maxuzio  der  Mailänder  Giov.  Ambrogio  Mazzexta  stndirte. 
Dii^er,  wie  er  selbst  in  einer  Schrift  über  die  damaligen  Schicksale  der  Leo^abdo- 
sehon  Handschriften  erzählt,  hob  Gavardls  Bedenken  wegen  des  unreditnoäsigen 
Besitzes  der  Bände,  indem  er  den  Auftrag  übernahm,  s:e  d^r  Fanülie  Mfizt  zarück- 
zubringen.  sobald  er  nach  Vollendung  seiner  Studien  nach  Mailand  zurückgekehrt 
sein  würde.  Aber  Dr.  Orazio  Melzi,  erstaunt  über  diese  unerwanete  Rückgabe, 
glaubte  dem  Ueberbringer  als  Belohnung  für  seine  Bemühung  die  Man*.iskr:pte  schenken 
zu  sollen,  indem  er  beifügte,  es  befänden  sich  noch  viele  Zeichnungen  LEO^AKDO'ä 
unter  dem  Dache  der  Villa  di  Vapn.-^,  als  ob  er  sie  dem  Mazzexta  auch  noch  rar 
Verfügung  stellen  wollte. 

Xachdem  sich  die  Kunde  von  diesem  Geschenke  uni  dem  g«=rin2'=:n  Intesesse 
der  Melzi  für  die  Andenken  an  Leoxardo  verbreitet  hane,  eriielten,  w>?  Mazziz^a 
sagt,  noch  viele  Personen  Zeichnungen,  plastische  und  ar.a:o=::'-:he  Mv-i-ellt:  ui:i  and-ere 
kostbare  Rehquien  von  Leonardo's  Stu*iien. 

Unter  den  Sammlern  dieser  Zeichnungen  zeichnete  sich  Po3fPBO  Lec-xi.  <ier 
bevorzugte  Bil<ihauer  des  Königs  Philipp  IL  von  Sfdiniea,  aus;,  der  in  se-iuec::  FaLtsÄ 
in  Mailand  eine  werihvolle  Kunstsammlung  zusammengebracht  ha::e-  Er  veranlasste 
Melzi.  die  Rückzabe  der  dreizehn  Bände,  die  dieser  s»?  leichrferdr  vers-^he^ki  baue, 
voo  Mazzenta  rj  verlangen,  indem  er  ihm  vorstellte,  dass  er  Aemter  cn  i  Wärosa 
im  Senate  v:-n  Mailand  erlangen  könnte,  wenn  er  diese  Bände  dem  KSniz*  v:n 
Spanien  anbCie.  D.ir?h  s«?Iche  Lockungen  angefügt,  brachte  es  Melzi  durcii  viel*« 
Betten  dahin,  dass  M  \Z7Fxta  ihm  sieben  Bände  zurückgab,  •!:•?  walrs-rbeinli-h  ^s:2rT 
danach  6ein  Lecxi  ut^riassen  wurden.  Drei  Bände  von  den  5e«-hsen.  ci-e  Mnxi 
nSciLS  zunickefiiirl:.  -^-äl  sie  schon  in  das  E^nthum  der  Briier  Mazzesta  über- 
gegar.jyn  waren,  kennten  später  in  die  Hände  Leoxi's  gelangen. 

Um  seine  Samml-ing  LEO>~ABDO*schcr  Manuskripte  au^nralliger  la  n^^bssu 
15es*s  säch  dieser  beik  :cin>en,  «ii-e  Originalhan-ischriften  anseinan  ier  zu  reissöu  izi  Bä^^-it 
ifva  sn^?«?efefc  Fcmas  daraus  n  bÜ*ien  und  aoch  zr^aser?  Zrärhrsr-gea  Lsyys.kBX)o\ 
die  er  hier  un-i  da  ggsaTirelt  hatte«  darin  unterbringen  n  kl-cnec  S>  biliefir  Leosi 
ans  Esehr  denn  ITw  ZeiÄnungen  Venen  Band  v:n  67  »rm  H'.hr  und  45  cni  Brate, 
oer  w»^Ki  seines  Frcmaces  un*l  «ier  Manni^talnzkeit  -ler  «lar^  enir.i.Le 
nuniren  oec  Xam-rc  „C.'il-.v  atlan&.-o-  d.  hl  AtlasfTfmize  Han-isehr'f:.  erhie-Ii, 
Z:isa=:aaensjeII-.inz  «ier  vielen  Zei^nun^en  auf  den  4*Ji  F;lien  des  Rar.iesf  ^escsak 
cfcme  V*de  Ke«eL  so  •iass  mziaDehmen  Is:.  Lrjujci  hare  •«  ier  WHüir  ie*  Bca^b- 
binifrs  "iberlassen-  iüe^enl;^  An^x^inuni:  zu  aeffen.  -Üe  ''"'^  -üe  S'.'ineilsse  L*!« 
LiT  X'zfr%z*^  ^stinece,  üe  TrTrchie-ienen  DIsirnsD:-en  der  Zfk^-rz^^n  Ircz  V:i 
i-fs  Rmirs  annrassen.  Es  erra?  s;«:h  iabiri  ile  Ni-il-TTnil^kf*!':-  rir  Bl^ärser.  CDt 
iu:  rnri'iT^n  seilen  ^:nr.r:  :iiii  Zri':iin:ir^n  r-j^z^n.  Y-r^--^ — ---^.  -_z.  ue  Fcoea 
.".es  Bkinies  zu  s^.'iLnelie^  uni  wiirscbriülcii  r*l:ic   üe  W"_!V':*   i-es  Bii-JC-tin-ifirs  5*:sa 

f."    '^"fil.     fLTLZtiJIie    /;r^i '■*•  —  '?—  ^r:     rj.     lTrS»JC^'r--lTCl,      "~*      ■L'tZ^ZL     •  2.-L.e     •fl" 

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Codice  atlant.,  seine  Entstehung  and  Schenkung  an  die  Bibl.  ambros«  413 

deren  Ueberfühnmg  Bermudez  in  seinem  „Dizzionario"  bezeugt,  auch  seine  Leonardo- 
schen  Zeichnungen  nach  Madrid  brachte,  denn  Vincenzo  Carducho  berichtet  in 
seinen  „Dialogos  de  la  pintura",  Madrid  1633,  dass  nach  dem  gegen  1610  erfolgten 
Tode  Leoni's,  bei  dem  Verkaufe  seiner  Hinterlassenschaft,  zwei  Bände  Leonardo- 
scher  Schriften  und  Zeichnungen  von  Don  Juan  da  Espina  erworben  wurden.  Davon 
kam  einer  nach  langen  Verhandlungen  in  den  Besitz  des  Königs  von  England.  Es 
ist  der  jetzt  in  Windsor  befindliche  von  236  Folien  mit  der  goldenen  Aufschrift: 
„Disegni  di  Leonardo  da  Vinci,  restaurati  da  Pompeo  Leoni." 

Der  Codice  atlantico  dürfte  von  Madrid  nach  Italien  zurückgebracht  worden 
.«ein,  als  Leoni  gegen  1604  sich  für  kurze  Zeit  wieder  in  Mailand  aufhielt,  denn 
nach  seinem  Tode  fiel  dieser  Band  „hereditario  jure",  wie  P.  P.  Bosca  in  seinem 
AVerke:  „De  origine  et  statu  Bibl.  ambros."  sagt,  an  Cleodoro  Calchi,  der  ihn  dem 
Grafen  Galeazzo  Arconati  für  300  scudi  verkaufte. 

Aus  der  Art,  wie  Leoni  den  Codice  atlantico  Zusammensetzte,  ersieht  man,  dass 
den  Schriften  Leonardo's  bis  zu  Anfang  des  siebzehnten  Jahrhunderts  keine  besondere 
Wichtigkeit  beigelegt  wurde.  Es  waren  hauptsächlich  seine  Zeichnungen,  die  das 
Interesse  der  Sammler  erregten.  Als  aber  der  Codice  atlantico  mit  anderen  Leonardo- 
schen  Schriften  einen  Theil  der  Kunstsammlung  des  Arconati  bildeten,  begannen 
sie  die  Aufmerksamkeit  der  Gelehrten  auf  sich  zu  ziehen.  Dies  beweist  die  That- 
sache,  dass  der  Kardinal  Francesco  Barberini,  der  die  von  ihm  in  Rom  gegründete 
Bibliothek  nicht  mit  Originalhandschriften  Leonardo's  bereichern  konnte,  weil  sie 
sich  alle  in  Händen  von  Sammlern  befanden,  Kopien  davon  zu  erhalten  suchte  und 
durch  Vermittelung  des  Kardinals  Federico  Borromeo  die  Erlaubniss  erhielt,  die 
dem  Arconati  gehörigen  Manuskripte  abschreiben  zu  lassen,  womit  gegen  1626 
begonnen  wurde. 

Die  Dazwischenkunft  des  Federico  Borromeo,  des  Gründers  der  Bibliotheca 
Ambrosiana,  war  wahrscheinlich  der  Ausgangspunkt  zu  der  berühmten  Schenkung 
LEONARDo'scher  Handschriften,  die  Galeazzo  Arconati  dieser  Bibliothek  machte. 
In  dem  vom  22.  Januar  1637  datirten  Schenkungsakte  ist  der  Codice  atlantico  wie 
folgt  beschrieben: 

„Ersteres  ist  ein  grosses  Buch,  nämlich  13  Zoll  lang  in  Holz  und  9V2  Zoll 
breit,  mit  rothem  Leder  überzogen,  das  bedruckt  ist  mit  zwei  Streifen  in  Gold,  vier 
Wappen  mit  Adlern  und  Löwen  und  vier  Blumen  Verzierungen  in  den  Ecken,  sowohl 
auf  der  einen,  als  auch  auf  der  anderen  Seite,  und  mit  goldenen  Aufschriften  auf 
beiden  Seiten,  die  lauten:  „Disegni  di  machine  et  delle  arti  secreti  et  altri  cose  di 
Leonardo  da  Vinci,  racolta  da  Pompeo  Leoni."  Auf  dem  Rücken  sind  7  Blumen- 
verzierungen und  14  Groldstreifen.  Das  Buch  enthält  nach  der  Nummerirung  393 
Folien  Realpapier,  aber  es  sind  noch  sechs  Folien  mehr  darin,  als  nummerirt  sind, 
das  macht  im  Ganzen  399  Folien.  Darauf  sind  verschiedene  Papierblätter  mit  1750 
Zeichnungen  geklebt.** 

Die  LEONARDo'schen  Handschriften  wurden  von  1637  bis  zum  letzten  Decennium 
des  vorigen  Jahrhunderts  mit  aller  Sorgfalt  in  der  Bibl.  ambros.  aufbewahrt,  und 
man  kann  nicht  sagen,  dass  sie  dort  150  Jahre  lang  „dans  Tobscurit^**  geblieben 
wären,  wie  Ravaisson-Molien  behauptet,  gleichsam  um  die  späteren  Schicksale,  denen 
diese  Handschriften  ausgesetzt  waren,  zu  rechtfertigen.  Denn  während  alle  anderen 
Schriften  Leonardo's,  die  sozusagen  über  ganz  Europa  zerstreut  waren,  von  ein- 
gehenden Studien  vor  Beginn  unseres  Jahrhunderts  unberührt  blieben,  veranlasste  in 
Mailand  Antonio  David  schon  zu  Anfang  des  siebzehnten  Jahrhunderts  den  Lüdo- 
vico  Muratori,  ihm  über  einige  im  Codice  atlantico  enthaltene  Zeichnungen  über 
Mechanik  Notizen  zu  verschaffen.  Später  suchte  Baldassare  Oltrocchi,  Vorstand 
der  Bibl.  ambros.,  in  den  Handschriften  Leonardo*s  alle  diejenigen  Bemerkungen 
auf,  die  über  das  Leben  dieses  grossen  Künstlers  Aufschluss  geben  konnten,  um 
Material  zu  einer  Lebensbeschreibung  zu  sammeln,  die  Graf  Antonio  della  Torre 
DI  Rezzonico  schreiben,  wollte.   Dieses  Material  wurde  später  zu  den  „Memorie  Storiche 


414  Leonardo  da  VittcL 

di  Leonardo  da  Vinci"  benutzt,  die  Amoretti  im  Jahre  1804  veröffentlichte.  Gleich- 
zeitig suchte  in  Mailand  Giuseppe  Geru  durch  eine  Reihe  üeissig  gestochener  Kupfer- 
tafeln die  Zeichnungen  Leonardo's  öffentlich  bekannt  zu  machen.  Diese  Publikation 
ist  der  erste  Versuch  einer  getreuen  Nachbildung,  soweit  die  Vervielfältigungsmethoden 
der  damaligen  Zeit  eine  solche  gestatteten. 

Aber  dieses  wachsende  Interesse  für  die  Werke  Leonardo's  musste  durch  die 
Wechselfälle  des  Krieges  in  seiner  Entwickelung  gestört  werden.  Am  15.  Mai  1796 
rückte  das  französische  Heer  imter  Bonaparte  in  Mmland  ein  und  vier  Tage  danach 
wurde  gleichzeitig  mit  der  Proklamation,  die  der  Lombardei  eine  Kriegskofi tribution 
von  zwanzig  Millionen  auferlegte,  ein  Befehl  erlassen,  der  unter  dem  Vorwande,  die 
Denkmäler  der  AVissenschaft  imd  Kunst,  die  sich  in  den  von  den  Armeen  eroberten 
Städten  fänden,  auf  die  sicherste  Weise  zu  konserviren,  bestimmte,  wie  vorgegangen 
werden  sollte,  um  die  von  den  Truppen  besetzten  Städte  aller  der  Gegenstande  der 
Kunst  und  Wissenschaft  zu  berauben,  die  die  Museen  und  Bibliotheken  von  Paris 
bereichern  konnten. 

Die  Easten,  die  die  in  Mmland  weggenommenen  Kunsf^egenstände  enthielten, 
wurden  schon  am  29.  Mai  nach  ihrem  Bestimmungsorte  abgesandt»  kamen  aber  erst 
am  25.  November  in  Paris  an,  und  aus  dem  Briefwechsel  dieser  langen  Zeit  geht 
hervor,  dass  man  einen  Augenblick  fürchtete,  die  Kisten  mit  Leonardo's  Zeichnungen 
seien  verloren  gegangen. 

Während  diese  sich  noch  auf  dem  Wege  befanden,  wurde  am  14.  August  die 
Kiste  Nr.  19,  die  unter  dem  Titel:  „carton  des  oeuvres  de  Leonardo  d'avinci**  (sie!) 
den  Codice  atlandco  enthielt,  für  die  Nationalbibliothek  bestimmt;  die  andere  Kiste 
aber,  welche  „Douze  petits  manuscrits  de  Leonardo  da  Vinci  sur  les  sciences"  enthielt, 
dem  Institut  de  la  France  zugewiesen.  Daher  schreibt  sich  die  Trennung  des  Codioe 
atlantico  von  den  anderen  kleineren  Handschriften,  und  diese  Trennung  sollte  die 
Ursache  werden,  warum  die  Rückgabe  an  die  Bibl.  ambros.  nur  unvollständig  erfolgte^ 
als  im  Jahre  1815  die  Truppen  der  Alliirten  Paris  besetzten. 

Während  in  dem  Friedensvertrage  von  1814  die  Rückgabe  der  Kunstg^en- 
stände,  die  man  in  den  Kriegen  der  Republik  und  des  Kaiserreiches  nach  Frankreich 
gebracht  hatte,  nicht  vorgesehen  war,  beeilten  sich  die  alliirten  Mächte,  als  sie  nach 
der  hunderttägigen  Herrschaft  Paris  besetzten,  diese  zu  verlangen,  und  die  Depesche 
Wellington's  vom  23.  September  spricht  ohne  Rückhalt  aus,  welchen  Werth  man 
darauf  legte. 

Jede  der  interessirten  Mächte  beauftragte  einen  besonderen  Kommissar,  die  ihr 
entrissenen  Kunstgegen stände  wieder  zu  erlangen.  De  Ribbentrop  und  Hamilton, 
die  Beauftragten  Preussens  und  Englands,  entwickelten  eine  militärische  Energie  in 
Erfüllung  ihrer  Aufgabe,  aber  Baron  Ottenfels,  der  von  Oesterreich  beauftragt  war, 
die  Kunstschätze  wieder  zu  erlangen,  die  der  unter  Oesterreichs  Herrschaft  xorück- 
gekehrten  Lombardei  genommen  worden  waren,  wusste  nicht  alle  der  Bibliotheca 
ambrosiana  entnommenen  LEONAKDo'schen  Manuskripte  zurückzuerhalten,  obgleich  er 
ein  genaues  Verzeichniss  davon  besass.  In  der  Königlichen  Bibliothek  fand  er  nur 
den  Codice  atlantico,  weil  die  anderen  Handschriften  in  das  Institut  de  la  France 
gebracht  worden  waren,  und  anstatt  geeignete  Schritte  zu  thun,  um  auch  diese  aus- 
findig zu  machen,  begnügte  er  sich  mit  drei  anderen  Bänden  alter  Kopieen  Leokardo- 
scher  Handschriften,  die  er  für  Originale  hielt,  und  stellte  am  5.  Oktober  1816  ohne 
Weiteres  eine  Quittung  über  die  Bände  aus  „ä  Texception  de  neuf  volumes  mss.  de 
la  main  de  Leonardo  da  Vinci,  lesquels  d'apres  la  d6claration  de  messieurs  les  con- 
servateurs  ne  seraient  point  arriv^s  ä  la  biblioth^que  du  Roi." 

So  nahm  der  Codice  atlantico  nach  19  Jahren  seinen  alten  Platz  in  der  BibL 
ambros.  wieder  ein,  während  die  anderen  kleinen  Handschriften  endgültig  in  Frank- 
reich blieben,  da  wiederholte  Schritte  zu  ihrer  Wiedererlangung,  die  Graf  BoRROMBO 
in  seiner  Eigenschaft  als  Patron  der  Ambrosiana  that,  erfolglos  blieben. 


BeDütznng  des  Cod.  atlant»  seine  EntfQhnmg  nach  Paris  und  Rückgabe.  415 

Nach  Italien  zurückgekehrt^  zog  der  Codice  atlantico  alsbald  von  Neuem  die 
Aufmerksamkeit  der  Gelehrten  auf  sich.  Im  Jahre  1839  hielt  sich  Güglielmo  Libri 
lange  Zeit  in  Mailand  auf,  um  aus  dem  Codice  diejenigen  Stellen  abzuschreiben,  die 
zu  der  „Stona  delle  sdence  mathematiche'',  woran  er  schrieb,  dienen  konnten.  Andere 
die  Kriegskunst  l)etreffende  Notizen  schrieb  Obrist  Omodei  aus,  der  sich  vorgenommen 
hatte,  eine  Geschichte  der  italienischen  Artillerie  zu  schreiben,  und  eine  Kopie  der 
militärischen  Zeichnungen  und  des  zugehörigen  Textes  liess  Erzherzog  Rainer,  Vice- 
könig  des  Lombardisch -Venezianischen  Königsreiches,  anfertigen.  In  neuerer  Zeit 
reproducirte  Obrist  Anoelucci  Schriften  und  Zeichnungen  aus  dem  Codice  atlantico 
in  seinem  Werke  über  die  Feuerwaffen  Italiens. 

Der  Entschluss  zu  einer  vollständigen  Reproduktion  dieser  wichtigsten  Leonardo- 
sehen  Handschrift  konnte  erst,  begünstigt  durch  besondere  Umstände,  im  Jahre  1870 
heranreifen.  Die  im  September  dieses  Jahres  bei  dem  Kongresse  zu  Parma  ver- 
einigten Künstler  bestimmten  Mailand  zum  Orte  ihrer  nächsten  Zusammenkunft  im 
Jahre  1872.  Zu  jener  Zeit  war  das  Monument  beinahe  vollendet,  das  die  Stadt 
Mailand  mehr  als  zwanzig  Jahre  zuvor  dem  Leonardo  da  Vinci  zu  errichten  be- 
schlossen hatte.  Der  Kongress  gestaltete  sich  demzufolge  zu  einem  Feste  zu  Ehren 
des  grossen  Künstlers,  der  die  arbeitsvollste  Zeit  seines  Lebens  in  Mailand  zugebracht 
hatte.  Sehr  zu  gelegener  Zeit  äusserte  Cesare  Correnti,  der  Minister  des  öffent- 
lichen Unterrichtes,  als  er  durch  eine  Note  vom  6.  November  1870  die  Königliche 
Akademie  der  schönen  Künste  in  Mailand  beauftragte,  den  Kongress  zu  organisiren, 
die  Ansicht^  dass  das  Leonardo's  und  der  Stadt  Mailand  würdigste  Denkmal  die 
Herausgabe  seiner  Werke  sein  würde.  Und  da  diese  Idee  günstige  Aufnahme  fand, 
betraute  er  am  5.  November  1871  eine  Kommission  mit  der  Aufgabe,  Notizen  über 
die  noch  nicht  veröffentlichten  Autographen  imd  Zeichnungen  Leonardo's  zu  sammeln 
und  die  Veröffentlichung  einer  Probe  von  diesen  kostbaren  Seltenheiten  der  italienischen 
Kunst  und  Wissenschaft  vorzubereiten. 

Der  Entschluss,  eine  Probe  aus  den  Werken  Leonardo's  zu  veröffentlichen, 
wurde  nicht  nur  dadurch  hervorgerufen,  dass  die  verfügbare  Zeit  sehr  kurz  war,  weil 
diese  Publikation  einen  Theil  der  Huldigungen  bilden  sollte,  die  man  Leonardo  ge- 
legentlich des  Kongresses  darbringen  wollte,  sondern  diese  Probe  sollte  auch  dazu 
dienen,  diejenige  Illustrationsmethode  zu  finden,  welche  für  ein  des  Leonardo  würdiges 
Resultat  die  meiste  Garantie  bot. 

Die  Erfahrungen,  die  man  aus  dieser  Publikation,  aus  der  von  Ravaisson- 
MoLiEN  imd  aus  J.  P.  Richter's  „The  literary  works  of  Leonardo  da  Vinci"  (1883) 
schöpfte,  bestimmten  mehr  und  mehr  die  Methode,  die  bei  der  Veröffentlichung  des 
Godice  atlantico  zu  befolgen  war.  Um  deren  Ausführung  zu  beschleunigen,  schrieb 
der  Minister  des  öffentlichen  Unterrichtes  Michele  Coppino,  der  die  Idee  des  Cesare 
Correnti  aufgegriffen  und  alle  möglichen  Schritte  gethan  hatte,  um  die  für  diese 
Publikation  nöthige  Summe  aufzubringen,  am  23.  Juni  1885  an  den  Präsidenten 
der  Königlichen  Akademie  „dei  Lincei": 

„Als  ich  mich  vor  einigen  Monaten  an  diese  ausgezeichnete  Akademie  wandte, 
um  ihren  Beistand  bezüglich  der  Kosten  der  Herausgabe  des  Codice  atlantico  zu  er- 
langen, deutete  ich  noch  andere  Schritte  an,  die  ich  gleichzeitig  gethan  hatte,  um  die 
entsprechenden  Mittel  zur  Ausführung  des  geplanten  Unternehmens  zu  sichern.  Ich 
freue  mich  nun,  Ihnen  mittheilen  zu  können,  dass  der  Erfolg  dieser  Schritte  meinen 
Hoffnungen  vollständig  entsprochen  hat  durch  die  Protektion  Sr.  Majestät  unseres 
erlauchten  Herrschers,  des  freigebigen  Förderers  alles  dessen,  was  zur  Zierde  des 
Vaterlandes  imd  zum  Wachsthume  der  Wissenschaft  beiträgt."  — 

Wenn  wir  zur  Betrachtung  der  in  dem  Codice  atlantico  enthaltenen 
Skizzen  von  Maschinen  und  Mechanismen  übergehen,  so  müssen  wir,  wie  bei 
unserer  früheren  Abhandlung  über  die  in  Paris  befindlichen  LEONARDO^schen 
Handschriften,  der  Uebersichtlichkeit  wegen  oft  Skizzen  nebeneinander  stellen, 


416 


Leonardo  da  VincL 


die  im  Codice  atlantico  weit  auseinander  liegen.  Zur  Bezeichnung  der  Stelle, 
wo  eine  Skizze  im  Original  zu  finden  ist,  werden  wir  die  Nummer  des  Foliums 
mit  angehängtem  v  für  die  vordere  und  h  für  die  hintere  Seite  jedesmal  bei- 
setzen, so  dass  z.  B.  7  V  andeutet,  dass  die  betreffende  Originalskizze  auf  der 
vorderen  Seite  von  Folio  7  des  Codice  atlantico  zu  finden  ist.  Das  Zeichen 
L:  bedeutet  auch  hier  wieder:  Leoxardo  bemerkt  hierzu,  was  folgt: 

Bewegungsmechanismen. 

Auf  Fol.  14v  findet  sich  ein  quadratisches  und  ein  dreieckiges 
Schraubengewinde  abgebildet. 

Zu  Ersterem  L:  Schraube  mit  rechteckigem  Gewmde.  Diese  Schraube  ist  starker 
und  kann  grösseres  Gewicht  heben,  als  irgend  eine  andere.  Während  die  gewöhn- 
liche Schraube  an  ihrem  Gewinde  zwei  Aussenflächen  hat,  hat  diese  drei,  und  während 
die  allgemein  üblichen  Schrauben  Gewinde  haben,  die  am  Fusse  breit  und  am  Kopfe 
schwach  sind,  sind  diese,  da  sie  gleichmässig  sind,  überall  gleich  stark.  Ich  habe 
schon  die  Erfahrung  gemacht,   dass   bei  einer  gewöhnlichen  Schraube  aus  Kisen  die 


Fig.  589. 


Fig.  581. 


Gewinde  durch  ein  nicht  allzu  grosses  Gewicht  losgerissen  wurden,    was    bei  dieser 
nicht  vorgekommen  sein  würde. 

Zu  Letzterem  L:  Dies  ist  die  Art  der  allgemein  gebräuchlichen,  gewöhnlichen 
Schrauben.  Wenn  sie  auch  in  ihren  dreieckigen  Grewindgangen  schwächer  sind,  als 
die  vorhergehenden  mit  quadratischen  Gewindgangen,  so  ziehen  sie  doch  leichter. 
Denn  wo  diese  quadratisch  sind,  muss  ihre  Mutter  drei  Aussenseiten  berühren;  die 
mit  dreieckigen  Gewindgängen  aber  hat  nur  mit  zwei  Aussenseiten  in  Berührung  za 
treten,  und  die  Erfahrung  lehrt,  dass  je  weniger  die  Mutter  die  Schraube  berührt; 
desto  leichter  hebt  sie  ein  nicht  zu  grosses  Gewicht. 

Wir  erinnern  daran,  dass  scharf-  und  flachgängige  Schrauben  schon  bei 
den  alten  Griechen  im  Gebrauche  waren,  wie  aus  einer  Stelle  des  Auszuges 
aus  Heron^s  Mechanik  hervorgeht,  der  in  den  Schriften  des  Alexandriners 
Pappus  enthalten  ist. 

Konische  Schrauben  (Fig.  580  und  581),  Fol.  34  v  und  23h,  wendet 
Leonardo  an,  um  bei  Geschützrohren,  die  aus  mehreren  Theilen  zusammen- 
geschraubt wurden,  einen  möglichst  dichten  Verschluss  zu  erzielen. 

Fig.  582,  Fol.  10h,  zeigt  eine  Vorrichtung  zum  festen  Anziehen 
solcher  Geschütz -Verschraubungen.  Die  beiden  Theile  des  Geschütz- 
rohres sind  an  den  zu  verschraubenden  Enden  mit  einem  Zahnkranze,  oder 
eigentlich   mit  einem   Kranze  von  Triebstöcken   versehen.    In  diese    werden 


Schraube  zur  Befestigung  und  als  Bewegungsmechanismus. 


417 


zwei  S-förmige  Sperrhaken  gelegt,  und  zwischen  die  aufwärts  gerichteten 
Enden  derselben  wird  das  Ende  eines  langen  Hebels  geschoben,  dessen  anderes 
Ende  auf  einer  horizontalen  Bohle  geführt  und  durch  das  Seil  eines  Gangspills 
angezogen  wird.  Dadurch  werden  die  aufrecht  stehenden  Enden  des  S-förmigen 
Sperrhakens  auseinander  gezwängt  und  die  beiden  Geschütztheile  fest  mit 
einander  verschraubt. 

Fig.  583,  Fol.  40 V  zeigt  drei  durch   Spannwirbel   verbundene 
Schrauben  mit   rechtem   und   mit  linkem   Gewinde  zur  Erzeugung 


Fig.  582. 

« 

eines  grosses  Schubes  bei  einer  Umdrehung.  Die  Schrauben  sind  mit  seit- 
lichen, durch  eine  Stange  verbundenen  Armen  versehen,  so  dass  man  sie 
gleichzeitig  umdrehen  kann,  während  man  die  ebenso  mit  einander  verbundenen 
Spannwirbel  festhält. 

Der  in  sich  selbst  zurückkehrende  Schraubengang  zur  Um- 
wandlung einer  drehenden  in  eine  in  der  Axenrichtung  hin-  und  hergehende 


Fig.  583. 


Fig.  584. 


Fig.  585. 


Bewegung  ist  dargestellt  in  Fig.  584,  585,  586  und  587,  Fol.  14  v.  Die  Mutter 
besteht  hier,  wie  bei  den  von  Heron  von  Alexandrien  beschriebenen  Schrauben, 
nur  aus  einem  in  den  Gewindegang  eingreifenden  Zapfen.  In  Fig.  584  ist  er 
von  einer  Antifriktionsrolle  umschlossen.  Hier  ist  an  den  Stellen,  wo  der 
rechtsgängige  und  der  linksgängige  Zweig  des  Schraubenganges  sich  schneiden, 
je  ein  drehbarer  Steg  angebracht,  der  immer  den  Theil  des  Gewindeganges 
überbrückt,  den  der  Zapfen  überschreiten  soll.  Ist  dies  geschehen,  so  stösst 
er  gegen  einen  hervorstehenden  Arm  des  Steges  und  wirft  ihn  herum,  so  dass 

Beck.  27 


418 


Leonardo  da  Vinci. 


dieser  bei  seiner  Rückkehr  zu  dieser  Stelle  den  zu  überschreitenden  Theil  des 

Gewindeganges  wieder  überbrückt  findet. 

L:  Dies  ist  eine  Schraube,  welche  die  Mutter  hin  und  her  bew^t,  während 
sie  sich  immer  in  derselben  Richtung  bewegt.  Beim  Hingange  schiebt  sie  und  beim 
Hergange  zieht  sie  mit  grosser  Gewalt.  In  der  Richtung,  in  der  der  Kanal  von 
der  eingeschriebenen  Zahl  1  bis  23  lauft^  legt  die  Mutter  ihren  Weg  (relativ  zur 
Walze)  zurück. 

In  Fig.  585  ist  der  Steg  so  angeordnet,  dass  er  dem  von  1,  2,  3  her- 
kommenden Zapfen  für  gewöhnlich  den  Weg  verschliesst.  Er  wird  aber  nur 
durch  eine  Feder  in  dieser  Lage  erhalten,  und  indem  der  Zapfen  ihn  zurück- 
drängt, dreht  er  sich  so,  dass  er  den  Theil  des  Kanales,  den  der  Zapfen  über- 
schreiten soll,  überbrückt.  Ist  dies  geschehen,  so  schnellt  der  Steg  wieder  in 
seine  erste  Lage  zurück  und  überbrückt  den  Theil  des  Kanales,  den  der  Zapfen 
auf  seinem  Rückwege  überschreiten  soll. 

L:  Auch  diese  Schraube  bewegt  die  Mutter  hin  und  her,  während  sie  in  ein 
und  derselben  Richtung  umgedreht  wird,  aber  beim  Hingange  schiebt  sie  und  beim 
Rückgange  unterstützt  sie  das,  was  sie  zuvor  geschoben  hat,  damit  es  nicht  nach 


Fig.  580. 


Fig.  587. 


der  früheren  Stelle,   wovon  es  ausging,  zurückläuft,   wenn  es  durch   die  Kraft  fort- 
geschoben worden  ist. 

Diese  Anordnung  wäre  also  beispielsweise  zu  wählen,  wenn  ein  Gewicht 

gleichmässig  auf  und  nieder  bewegt  werden  sollte. 

Zu  Fig.  586.  L:  Dies  ist  eine  Schraube,  die  die  Mutter  hin-  und  herschiebt 
in  welcher  Richtung  Du  willst,  während  sie  sich  in  ein  und  derselben  Richtung  dreht. 
Der  Zapfen  geht  nach  der  Spitze  des  Gewindganges  hin. 

Hier  soll  vermuthlich  nur  gezeigt  werden,  dass  durch  Umschlagen   der 

drehbaren    Stege   nach   Belieben    ein    rechtsgängiger    oder   ein   linksgängiger 

Schraubengang  hergestellt  werden  kann.   Es  ist  dies  wahrscheinlich  eine  frühere 

Skizze,  als  die  vorhin  besprochenen. 

Zu  Fig.  587.  L:  Dies  ist  die  Art^  wie  die  obengenannte  Schraube  zu  machen 
lat,  damit  ihr  Kanal  ein  einziger  werde,  und  das  Ende  desjenigen  (Zweiges),  der  nach 
der  einen  Richtung  gcht^  in  den  anderen  übergehe,  der  in  der  anderen  Richtung 
zurückkehrt,  sowohl  am  einen  Ende,  als  auch  am  anderen. 

Fig.  588,  Fol.  61h  zeigt  einen  anderen  Mechanismus  zur  Um- 
wandlung einer  kontinuirlich  drehenden  in  eine  in  der  Axen- 
richtung  geradlinig  hin-  und  hergehende  Bewegung.  Durch  eine 
Schraube  ohne  Ende  wird  eine  Welle  kontinuirlich  umged^pht.  Auf  dieser 
sind  zwei  um  180®  gegeneinander  versetzte  Hebedaumen  befestigt.  Der  eine 
schiebt  das  obere  Ende  eines  doppelarmigen,  der  andere  alsdann  das  eines 


Uebertragniig  von  Drehbewegung  auf  konaxiale  Rftder. 


419 


einarmigen  Hebels  vor.  Dieser  ist  durch  eine  Schubstange  mit  dem  unteren 
Ende  des  doppelarmigen  Hebels  verbunden  und  bewegt  daher  diesen  wieder 
zurück  in  seine  erste  Stellung.  Mit  dem  doppelarmigen  Hebel  ist  eine  zweite 
Schubstange  verbunden,  deren  Ende  auf  solche  Weise  geradlinig  hin  und  her 
geschoben  wird. 

Fig.  589,  Fol.  27  h.  Drei  Stirnräder  von  verschiedenen  Durch- 
messern, deren  Axen  mit  der  eines  Getriebes,  in  das  sie  ein- 
greifen, in  einer  Ebene  liegen.  Fig.  589  scheint  nur  eine  Vorstudie 
gewesen  zu  sein  zu  der  daneben  stehenden  Skizze  Fig.  590,  worin  dieser  Me- 
chanismus so  abgeändert  ist,  dass  die  Räder  konaxial  liegen.  Das  Getriebe 
ist  hier  konisch  gezeichnet,  was  jedoch  nur  zulässig  wäre,  wenn  die  Radzähne 
eine  minimale  Breite  hätten.  Andernfalls  muss  das  Getriebe  treppenförmig 
sein,  oder  mit  anderen  Worten:  es  müssten  drei  Getriebe  von  verschiedenen 
Durchmessern    auf    einer    Axe    fest    miteinander    verbunden    sein.     Solche 


Fig.  589. 


Fig.  588. 


Fig.  590. 


Fig.  59L 


Mechanismen,  jedoch  nur  mit   zwei  Rädern  und   Getrieben,  finden  beispiels- 
weise Anwendung  bei  Uhren,  um  den  kleinen  Zeiger  von  der  Axe  des  grossen 
aus  zu  bewegen ;  bei  Drehbänken,  um  der  Spindel  eine  geringere  Umdrehungs- 
zahl zu  geben,  als  dem  lose  darauf  sitzenden  Stufenwertel  u.  s.  w. 
Zu  Fig.  591,  Fol.  27  h. 

L:  Das  Rad  a  dreht  sich  rechtsum  und  b  linksum  und  c  wieder  rechtsum. 
Das  Rad  m  aber  dreht  sich  in  entgegengesetzter  Richtung  als  o,  denn  die  viereckige 
Axe  wird  rund,  und  das  Getriebe  b  hat  keine  feststehende  Axe  (pole),  sondern  das 
Rad  tn  hat  in  einem  seiner  Arme  eingesetzte  Zapfen  (impolati)  und  führt  sie  um  o, 
das  sich  in  entgegengesetzter  Richtung  dreht,  als  b. 

Zum  besseren  Yerständniss  sollte  hier  aus  der  Skizze  ersichtlich  sein, 
dass  das  Rad  c  in  einen  feststehenden,  innen  verzahnten  Kranz  von  demselben 
Durchmesser,  der  hier  dem  Rade  m  gegeben  ist,  eingreifen  muss,  und  die 
Beschreibung  müsste  etwa  folgendermassen  ergänzt  werden: 

Dreht  sich  das  Rad  a  rechtsum,  so  dreht  sich  b  linksum  und  c  wieder 
rechtsum.  Das  Rad  m  aber,  das  lose  auf  einer  runden  Stelle  der  hier  vier- 
kantig skizzirten  Welle  von  a  sitzt,  dreht  sich  in  entgegengesetzter  Richtung 
als  a,   weil  die  Getriebe  b  und  c  sich  nicht  um  feststehende  Axen,  sondern 

27* 


420 


Leonardo  da  VincL 


auf  Zapfen  drehen,  die  in  einem  Arme  des  Rades  m  befestigt  sind.    Da  sich 

e  in  gleicher  Richtung  dreht,   wie  a,  und  in  einen  feststehenden,   innen  Ter- 

zahnten  Kranz  eingreift,  so  werden  die  Zapfen  c  und  h  und  damit  das  ganze 

Rad  m  in  entgegengesetzter  Richtung  um  h  herumgeführt. 

Zu  Fig.  592,  Fol.  27  h. 

L:  Wenn  c  sich  umdreht  und  nach  a  bewegt,  geht  a  nach  h^  woraiis  folgt, 
dass  m  und  /  sich  berühren,  d.  h.  dass  /  sich  dreht  und  dem  m  begegnet,  und  zwar 
begegnet  m  dem  f  in  der  Weise,  dass  sie  ein  wenig  in  Berührung  bleiben  und  dann 
nach  imd  nach  in  die  erste  Entfernung  zurückkehren,  je  nach  der  Drehung  der 
Rader. 

In  Fig.  593,  Fol.  27  h,   ist  dieser  Mechanismus  dahin  abgeändert,   dass 

der  Zapfen  a  in  der  Flügelstange  drehbar  und  durch  ein  Stimräderpaar  und 


Fig.  592. 


ein  Zwischenrad  mit  dem  Kurbelzapfen  c  verbunden  ist.  Dadurch  wird  dem 
Zapfen  a  ausser  der  geradlinig  hin-  und  hergehenden  noch  eine  drehende 
Bewegung  ertheilt.  Am  unteren  Ende  dieser  Axe  a  sitzt  eine  Kurbel.  Dass 
diese  unter  der  Schleife  m  n  skizzirt  wurde,  ist  nicht  richtig,  denn  wenn  die 


Fig.  503. 


Flügelstange,  die  e  mit  a  verbindet,  um  ebensoviel  über  a  hinaus  verlängert 
ist,  80  bleibt  die  Schleife  mn  in  allen  Lagen  zu  der  Mittellinie  durch  ab 
parallel  und  liegt  immer  ebenso  weit  von  dieser  entfernt,  wie  e,  aber  auf  der 
entgegengesetzten  Seite.  Deshalb  müsste  die  Kurbel  oberhalb  der  Schleif  tnn 
sitzen,  wenn  diese  nicht  in  ihrer  Bewegung  gehindert  sein  soll.  Auch  muss 
man  sich  unterhalb  des  Räderwerkes  noch  eine  gleiche  Flügelstange  angebracht 
denken,  wie  die  darüber  liegende,  damit  die  vertikale  Stellung  der  Axe  a 
erhalten  bleibt. 

Fig.  594,  Fol.  8  h,  zeigt  links  die  Zusammenstellung  und  rechts  die 
Details  zu  einem  Mechanismus  zur  Umwandlung  einer  pendelnden 
in  eine  kontinuirlich  drehende  Bewegung.  Auf  dem  einen  Ende  der 
kontinuirlich  zu  drehenden  W'^elle  ist  ein  Getriebe  befestigt,  das  in  zwei  ein- 


UmwandiDDg  pendelnder  in  drehende  Bewegang.    SchrEubenrSder  mit  Äntifriktianarallen.    42L 

ander  gegenüberstehende  Winkelräder  eingreift,  deren  Zahnkränze  an  der 
Innenseite  mit  Sperrzähnen  versehen  sind,  die  bei  dem  einen  Rade  nach  der 
entgegengesetzten  Richtung  weisen,  als  bei  dem  anderen.  Diese  Winkelräder 
sitzen  lose  auf  einer  Welle,  worauf  zwei  Scheiben  mit  Sperrklinken  befestigt 


sind ,  die  in  die  Sperrzähne  der  Winkelräder  eingreifen  und  das  eine  nur  bei 
der  Recbtsdrehung,  Aas  andere  nur  bei  der  Linksdrehung  mitnehmen,  die  bei 
der  pendelnden  Bew^ung  des  am  Ende  der  Welle  befestigten  Hebels  entstehen. 
Da  aber  die  beiden  Winkelräder  auf  entgegengesetzten  Seiten  des  Getriebes 
eingreifen,  drehen  sie  dieses  immer  in  gleicher  Richtung  um. 


Rg.  SOS. 


Fig.  595,  Fol.  33v.  Ein  Schraubenräderwerk  mit  Antifriktions- 
walzen.  Ein  grosses  Schraubenrad  auf  einer  Göpelwelle  greift  in  zwei 
Schraubengetriebe,  wovon  jedes  durch  Winkelräderfibereetzung  einen  Mahl- 
gang treibt,  lim  die  starke  Zahnreibung  der  Scbraubengetriebe  zu  vermindern, 
liegen   auf  den  unteren  Enden  der  schräg  ansteigenden  Zähne  des  grossen 


422  Leonardo  da  Vinci. 

Rades  dünne  "Walzen  oder  kleine  Kugeln,  die  von  den  Zähnen  der  Getriebe 
während  des  Eingriffes  auf  den  Radzähnen  hinaufgerollt  werden  und  nach  dem 
Eingriffe  wieder  herabrollen. 

Fig.  596,  Fol.  51 V.  Eine  Umkehrung  des  gewöhnlichen  Schalt- 
werkes zum  Spannen  einer  grossen  Armbrust. 

L:  Dieses  ist  die  Art,  wie  man  eine  Bockarmbrust  (balestra  a  banca) 
spannt.  Man  thut  es  auf  diese  Weise:  Erfasse  den  Armbrustschaft  am  unteren  Ende 
bei  A  und  bewege  es  auf  und  nieder,  so  schiebt  die  Strebe  (Schaltklinke)  JV  <iie 
Zahnstange  vor  in  den  Sperrhaken  F,  und  da  verbleibt  sie,  bis  man  losschiessL  Und 
wenn  Du  willst,  dass  die  Nuss  zur  Bogensehne  zurückkehre,  bringe  die  Strebe  (Schalt- 
klinke)  in  den  Punkt  e  und  schraube  die  Schraube  B  nieder,  so  lässt  der  Sperr- 
haken jP  die  Zahnstange  los. 

Bei  dem  gewöhnlichen  Schaltwerke  gleitet  die  Zahnstange  in  einer  fest- 
stehenden Führung,  und  die  Schaltklinke  hängt  an  einem  auf-  und  nieder- 
gehenden Hebel;  hier  aber  ist  dieser  feststehend  und  die  Zahnstangenführung 
schwingt  auf  und  nieder. 

Eine  andere  Spannvorrichtung  zu  einer  Armbrust  iFig-  597) 

finden  wir  auf  Fol.  61  h. 


A ^ 


Fi«   590. 

L:  Wenn  der  Bügel  c  in  die  Nuss  eingetreten  sein  wird,  und  Du  fassest  mit 
dem  Halbmonde  a  in  die  schultemformige  Oeffnung  6»,  dann  wirst  Du  die  Schnur 
auf  die  Nuss  herabdrücken. 

Das  äusserste  Anspannen  der  Schnur  geschieht  also  mit  stärkerer  Hebel- 
übersetzung als  das  anfangliche.  Die  Oese,  in  die  der  Hebel  greift,  ist  zu 
einer  bajonnetartigen  Spitze  ausgebildet. 

Fig.  598  und  Fig.  599,  Fol.  56h,  zeigen  zwei  verschiedene  Rad- 
schlösser für  Musketen. 

Zu  Fig.  598.  L:  Es:  ::ind  drei  Federn  nothwendig,  wovon  die  erste  die  Um- 
drehung des  Rades  bewirkt,  die  zweite  den  Stein  gegen  das  Rad  drückt  und  die 
dritte  das  Rad  festhält. 

Ueber  die  Art,  dem  Rade  Bewegung  zu  ertheilen.  Die  Bewegimg 
geht  von  p,  der  Axe  des  Rades  aus,  und  zwar  von  dem  quadratischen  £nde  dieser 
Axe.  Dieses  tritt  in  eine  quadratische  Höhlung  ein.  die,  der  Form  der  Axe  ent- 
sprechend, in  der  Mitte  eines  Ringes  angebracht  ist,  der  den  glichen  I>urc^nieäjser 
hat  wie  das  Rad.  das  sich  auf  diese  Axe  setzt.  Auf  diese  Axe  wickelt  sich  mit 
einer  ganzen  Windung  die  aus  der  Zeichnung  ersichtliche  Kette.  Diese  wird  von 
ein^  schraubenförmigen  Feder  zurückgezogen,  die  um  einen  Zapfen  gewunden  ist, 
der  an  der  Kette  befestigt  ist.  Das  eine  Ende  der  Feier  stemmt  ach  bei  q  an  und 
bläht  hier  fest  stehen.     Das  Rnd  trini  durch  den  Zahn  r  festgehalten,  d^  in 


Torrichtungen  xnm  ArmbrnstspaaDen.    RadsoUSssei,  423 

Band  eingreife  Wenn  man  sualöst,  indem  man  /  gegen  h  drückt,  tritt  der  Zahn  r 
aus  dem  ßande  des  Kadea,  und  sobald  er  die  Seite  h  berührt,  dreht  sich  das  Rad 
schnellstens  um  und  reibt  eich  an  dem  Feuersteine,  der  in  g  eingesetzt  i^t,  nährend 
«ner  ganzen  Umdrehung  so  dass  es  viel  Feuer  ^ebt,  wodurch  sich  das  in  dem  Be- 
hälter k  befindliche  Pulver  entzündet 

Von  den  oben  genannten  drei  Federn  ist  die  erste  die  treibende  Feder  (molla 
della  potenzia),  welche  schraulienfönnig  um  eine  Säule  gewunden  ist  Sie  steht  bei  y 
fest  und  stützt  »ch  mit  dem  entgegengesetzten  Ende  gegen  das  Ende  der  Säule. 
Die  zwdte  Feder  ist  6  c  Diese  drückt  gegen  den  Absatz  a  und  hält  den  Zahn  r 
in  dem  Ausschnitte,  womit  der  oben  genannte  Rand  des  Rades  versehen  ist  Die 
dritte  Feder  ist  mo.  Diese  drückt  gegen  den  Vorsprung  n  und  presst  dadurch  den 
Stein  gegen  die  Schneide  des  Rades,  das  in  den  Pulverbehälter  h  eintritt 


Flg.  SST.  FiB-  599. 

Zu  den  Details  links  von  der  Hauptzeichnung  L:  Das  Rad  wird  von  dem 
Zahne  /  festgehalten,  der  in  den  Ausschnitt  6  eingreift 

Es  wird  in  der  Regel  angenommeD,  dass  das  RadBchloss  1515  za  Nürn- 
berg erfunden  worden  sei  (M.  Jahns,  Handbuch  einer  Geschichte  des  Kriega- 
wesensl880,  S.  1303);  da  aber  Leonardo  1619  im  siebennndsechzigsten  Lebens- 
jahre starb,  dürften  seine  hier  vorliegenden  Skizzen  von  Radschlössem  viel- 
leicht schon  vor  1515  entstanden  sein. 

Fig.  600,  Fol.  Iv  zeigt  einen  Schrittzähler. 

L:  .il  Ist  ein  Zahnrad  mit  60  Zähnen,  b  hat  deren  50  und  e  ebenfalls  60. 
Bei  jedem  Schritte,  den  der  Mann  oder  das  Pferd  macht,  stösst  der  Hebel  g  gegen 
den  Schenkel  dessen,  der  ihn  trägt  und  bei  seiner  Bewegung  bewegt  er  das  Rad 
um  einen  Zahn,  und  die  Sperrklinke  f  stützt  es,  so  dass  es  nicht  rückwärts  geht 
Also  macht  das  Rad  eine  Umdrehung  bei  60  Schritten,  und  zu  gleicher  Zeit  bewegt 
eich  das  Rad  b  nur  um  einen  Zahn,  da  das  Getriebe  a  von  A  nur  einen  Zahn  h^ 


424 


Leonudo  da  TincL 


Daa  Rad  A  hat  fünf  Zoll  Umfang  und  zwölf  Zähne  pr.  Zoll,  iras  60  Zähne  einlebt, 
und  es  hat  l'^/ii  Zoll  im  Durchmesser. 

Fig.  601,  Fol.  1t,  ein  Wegmesser  nach  Vitböv'b  Beschreibung 
(siehe  S.  53),  während  in  der  daaieben  stehenden  Skizze  Fig.  602  eine  ver- 
besserteKonstruktion  dieses  Wegmessers  dargestellt  ist,  bei  der  der 
Antrieb  des  ersten  Zahnrades  nicht  durch  einen  Zahn  mckweise,  sondern  durch 
eine  Schraube  kontinnirlich  gedreht  wird.  Auch  ist  ein  Zählwerk  angebracht, 
dessen  Zeiger  sich  kontinnirlich  dreht  und  die  zurückgelegte  Wegstrecke  auch 
noch  auf  eine  halbe  oder  Tiertet  Meile  genau,  wenigstens  schätzui^weise 
erkennen  lässt,  während  bei  dem  von  Yrrauv  beschriebenen  Wegmesser  die  in 
ein  klingendes  Geß^  herabfallenden  Steinchen  nur  die  Zahl  der  zurückgelegten 
ganzen  Meilen  angeben. 

L:  Das  Rad  des  Karrena  soll  10  Ellen  Umfang  haben,  daher  muss  der  Durch- 
messer 3'*/«  Ellen  hnben.  .  .  .  Hat  das  Kanimrad  eine  volle  Umdrehung  gemacht, 
BO  hat  eä  aledann  10  Ellen  des  Terrains  durchmessen,  d, !.  der  drei  hundertste  Tbeil 


Flg.  SOO. 


Flg.  «Ol. 


Flg.  OOi 


dner  Meile  (miglia),  die  3000  Ellen  lang  ist,  und  das  Rad  ivird  nur  um  einen  Zahn 
weiter  gegangen  sein.  Dieäes  hat  300  Zähne,  und  daraus  folgt,  dass  der  Karren 
gerade  eine  Meile  durchlaufen  hat,  wenn  das  Rad  m  eine  volle  Umdrehung  gemacht 
hat,  aber  das  Rad  /  hat  sich  dann  nur  um  einen  Zahn  wdter  beivegt,  und  daa 
Gleiche  hat  das  Rad  n  gethan.  Dieses  zeigt  mit  seinem  Zeiger  jede  Meile  an,  nicht 
die  Stunden,  wie  der  Zeiger  einer  Uhr.  Das  Rad  f  dagegen  läast,  anstatt  zu  zeigen, 
das  Ohr  ün  Geräusch  oder  einen  Ton  hören  durch  einen  kleinen  Stein,  der  in  ein 
lur  Abgabe  eines  Tones  geeignetes  Gefäss  fällt 

An  den  Wegmesaer  nach  Vitbuv's  Beschreibung  wollen  wir  den  selbst- 
fahrenden  Wagen  mit  Göpelwerk  anreihen,  der  in  Fig.  603,  Fol.  4h 
dargestellt  ist,  weil  sein  Bewegungsmechanismns  als  eine  Umkehrung  des- 
jenigen des  Wegmessers  betrachtet  werden  kann. 

L:  a  zeigt  die  Art,  wie  das  Karrenrad  umgedreht  wird;  h  ist  ein  quadratischer 
Zapfen,  worauf  das  Hauptrad  gesteckt  ist. 

Meist  wird  der  von  Hand  betriebende  selbstfahrende  Wagen  von  Joh. 
Hautsch  (1649),  wovon  Gg.  Fkl.  Harstürffer  in  seinen  „Mathematischen  und 
philosophischen  Erquickstunden",  Nürnberg  1651,  Tbl.  X,  Aafg.  XI,  be- 
richtet, für  daä  älteste  lelbstfahrende  Strassenfuhrwerk  gehalten.    Wir  haben 


Wegmeeser,  Mlbstrahrander  Wagen,  nechaniache  Briten  wendet. 


425 


aber  in  unseren  „Skizzen  aus  der  Zeit  der  Huasiteokriege"  (S.  283)  darauf 
hingewiesen,  dass  die  Wagenburgen,  worauf  die  Hussiten  fochten,  nach  einer 
solchen  Skizze  zu  nrtheilen,  selbstfahrende  Fuhr- 
werke von  ähnlicber  Konstraktion  gewesen  sind, 
wie  das  von  Leonardo  hier  flUcbtig  skizzirte.  — 
In  dem  Werke  des  Robertos  Valtdrids  „de  re 
militari",  dessen  erste  Auflage  1483  erschien,  findet 
sich  (lib.  X,  Cap.  IV,  p.  231  der  Auflage  von  1532) 
ein  selbstfahrender  Streitwagen  abgebildet,  der  durch 
Windräder  und  Zahnräderwerk  bewegt  werden  soll ; 
doch  dürfte  kanm  anzunehmen  sein,  dass  diese  Konstmktion  praktisch  anwend- 
bar war. 

Mechanische  Bratenwender. 
Fig.  €04,  Fol.  5h,  zeigt  einen  durch  ein  Gewicht  betriebenen 
Bratenwender,   dessen  Gang  durch  einen  Windflügel  regulirt  wird.    Die 
Dmckflächen  dieses  Windflügels  sind  durch  vier  in  die  Enden  des  Armkreuzes 
gesteckte  Schwungfedern  von  einem  Vogel  gebildet. 


PIg.  «03. 


Fig.  an. 


Fig.  SOS. 


Wie  wir  in  unserer  Abhandlung  über  VrrrORio  Zonca  (S.  312)  erwähnten 
betrachtete  man  seither  die  Nachricht  Montaigne's  über  einen  solchen  Braten- 
wender, den  er  auf  seinen  Beisen  1580  in  Brizen  gesehen  hatte,  als  die 
älteste  Kunde  hiervon.  Die  vorliegende  Skizze  Leonabso'b  aber  ist  fast  um 
hundert  Jahre  älter. 


426 


Leonardo  da  VincL 


Wir  wiesen  auch  in  unserer  ersten  Abhandlung  über  Leosardo  darauf 
hin,  <las8  sich  nach  Hermann  Grothe's  Angabe  unter  Leokardo's  Skizzen  eine 
von  einem  Bratenwender  befinde,  der  durch  den  Ranch  oder  riel- 
luehr  durch  die  aufsteigende  erwärmte  Luft  betrieben  wird. 
Unsere  Fig.  605,  giebt  nun  diese  Skizze  von  Fol.  5  b  wieder.  Sie  unterscheidet 
sich  von  der  /oxiu'schen  (Fig.  375,  S.  313)  im  wesentlichen  nur  dadurch, 
liass  hier  die  Uebertragung  der  Bewegung  vom  Fliigelrade  aaf  den  Bratspie« 
durch  eine  Winkelr&derübersetzung  und  einen  Schnurtrieb  erfolgt,  während 
dies  bei  ZoNCA  nur  durch  Räderübersetzungen  geschieht. 

1.:  Piost's  ist  di<.>  richtige  Art,  Fln^h  zu  braten,  weil  der  Braten  sich  langsam 
tvtcr  ^sohnoll  divht,  je  nachdem  dm  Feuer  niäs^tg  oder  stark  isL 

In  dieser  Anmerkung  Lkonabdo's  sind  die  Worte:  di  cnocer  U  arosti 
nnd  Tarosto  si  volge  so  durchstrichen,  dass  sie  kaum  lesbar  sind,  was  auf 
l.EuXARDo's  lte$treben  hindeuten  dürfte,  diese  Sache  geheim  zu  halten,  und 
daraus  dürfte  rielleicht  geschlossen  werden,  dass  es  sich  hier  um  eine  eigene 
Krfindung  Leo.\ari>o's  handelt. 

Werkzeuge  und  Werkieugmaschinen. 
Fig.  ÄW.   Fi>I,   Ä!v,   zeigt   eine  Schraubzwinge,  deren    Schranbe  mit 
linkem  nud  mit    reohteni  (lewinde  verüben  ist.  um  ein  rasches  Oetinen  und 
S.'!iUos*en  ru  cmiöirüchen. 


»st  tn  crer.;  ^i(«flif  S;:! 
WM  \:x-Xf:;:  ;:••„:  Mv'.:-,  :v. 


(irtrwSc  b*:'»-*!;!;». 


T.s  ZiTLZi.    i^rer   S.-henk^l    darcb   eine 

;   j,lc".:e  Zx-Z'i,  die  »BS  der   Ferne  ge- 

i»?  =A=.  j-:.  :Zi-':!U  ajf  eaea  bmsen  Balken 
^  Scäraabe  ist 
■  Min«  ist  ein  Süm- 


:  dis  .Us  t.Tfi  "r'^ö?  iiitr  /ti-s^Mg*  srüfk.  während  ihr 


d28 


Leonard»  d»  Vin 


L:  Das  Wasser  habe  tnindeetena  3  Elkn  Fall,  du  Wasiterrad  4  Ellen  und 
16  Schaufeln,  das  Zahnrad  iVs  Ellen  und  36  Zähne,  das  Getriebe  '/s  Elle  nnd 
6  Triobstöcke. 

Zu  der  Skizze  unter  der  Hauptzcichnung,  worin  die  verschiedenen  Scbmirget 
Scheiben,  auf  einer  Welle  sitzend,  angedeutet  sind.     L: 

a  von  Nusü baumholz,  auf  die  Schnittfläche  gestellte  Streifen  von  dickem  Leder, 
Talg  und  Schmirgel  in  Stücken  aufgegeben; 

b  von  Wcidenholz,  stemfömiig  zusammengesetzL  Man  trägt  auf  die  Schnin- 
flüche,  als  ob  sie  von  Stein  wäre,  Talg  und  Schmirgel; 

c,  d,  e  macht  man  von  Nuaabaumfaolz  mit  Oel  und  Schmirgel.  Bringe  immer 
den  Bchmiigcl  auf  Deine  Arbeit 

Zu  den  Details  rechts  von  diT  Hauptzt-ichnung  L:  (a)  Wie  man  da»  Leder 
auf  die  Scheibe  legt;  {b)  Scheibe  von  Weidenholz;  (d)  von  Xussbaumhol& 

Fig.  614,  Fol.  27  V,  eine  ha  mm  erförmige  Ramme. 
L:  Um  dnen  Pfahl  schräg  einzurannucn. 

In  unserer  Abhandlung  über  Jaques  Besson  (S.  195)  haben  wir  eine  ähnliclie, 
von  diesem  konstruirte  Bumme  mit  kbiilenfurmigem  Schlägel  besprochen.    Der 


-mn 


Fig.  CI3. 


bammerförmige  Schlägel  Leonahdo's  verdient  den  Yorzng,  weil  er  wegen  der 
günstigeren  Lage  seines  Schwerpunktes  wirksamere  Schlage  giebt  und  dabei 
das  Gestell  weniger  erschüttert 

Fig.  t>15,  Fol.  27  V,  ein  Werkzeug,  das  Aebnlichkeit  mit  eioem  Rohi- 
Schlüssel  hat  und  vermuthlich  zum  Erfassen  und  Losdrehen  von 
Gitterstäben  dienen  sollte.  Es  ist  jedoch  auch  möglich,  dass  die  Zahn 
dieses  Instrumente  die  Gitterstäbe  durchfräsen  sollten,  wie  dies  bei  dm 
folgenden  Werkzeugen  unzweifelhaft  der  Fall  ist. 

Fig.  616,  Fol.  16v  und  löh,  eine  Vorrichtung  zum  Durch- 
sSgen  oder  Durchfräsen  von  Gitterstäben.  Zwei  starke  Stge- 
oder  Fräseblätter  sind  in  einen  doppelten  Schamierkopf  so  eingehängt,  da» 
ihre  gezahnten  Seiten  einander  gegenüber  stehen.  Ihre  Breite  nimmt  lucli 
unten  so  zu,  dnss  ihre  äusseren  Seitenflächen  parallel  laufen,  wenn  ilin 
inneren  gezahnten  Seitenflächen,  die  oben  um  drai  Durchmesser  des  dicksten 
zu  zerschneidenden  StiUras  von  einander  abstehen,  sich  unten  berühren.  Da 
zu  zerschneidende  Stab  wird  zunächst  an  einer  solchen  Stelle    zwischen  dia 


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l^hiitt^rdi»  d*  ViAcL 


l'i|/  ^y,^!,  t'hl.lih^  yjui/i  i'AUfiU  f;infacheren  Apparat  znm  gleichen 
/wiirkfi  ilii'i  ifct  flm  Krhraiihfs  unten  hakenförmig  umgebogen«  Ein  nach 
mmImi  iiniutir  wUuiitlnr  wiinii^nrieN  Sägeblatt  führt  sich  an  der  Schraube  und 
Im  iiifKUM  ^'iflilit/.  in  tUuti  llakon  derart,  duss  sein  Rücken  mit  der  Schraube 
|ifiiiillii|  Mmlfl..  hur  zu  /«irHclmeidffnde  Stab  wird  in  dem  Haken  zwischen  die 
hiliiiiiilMi  iiimI  (hin  HiiKuhliiU  gefiiMHt  und  dieses  durch  eine  mit  Handhaben 
vitiniiliiiiiii  MiiIIki   iiinihirgndriic.kt,  wobei  seine  Zähne  mehr  und    mehr    in   den 

hliili  ntlimlitinHlnn. 

I'IH  «l'-M.  hil.  l'v.  MjiNrhino  zum  Ziehen  der  daubenartigen 
KluitiiblalMi,   wiiniiiN    im  IT».  Jahrhundert   die  Seelen    schmiede- 


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Ziehen  daubenartiger  Stäbe  fflr  schmiedeiserne  Geschütze.  431 

würde,  würde  sie  so  langsam  gehen»  dass  die  Arbeit  geringen  Erfolg  hätte,  und  zwar 
nicht,  weil  es  einer  solchen  Maschine  an  Kraft  fehlen  würde  (d.  h.  weil  man  den 
nöthigen  Zug  oder  Druck  nicht  erzeugen  könnte),  sondern  wegen  der  Länge  der  zur 
Arbeit  erforderlichen  Zeit  Deshalb  führt  das  Wasser  neben  der  ausserordentlichen 
Kraft  der  Schrauben  ohne  Ende,  welche  man  in  solcher  Weise  einfügt,  die  Voll- 
konmienheit  herbei.  Aber  wenn  das  gleichmässig  veränderte  Zieheisen  des  vierseitigen 
Gegenstandes  eine  gleichmässige  hohle  Seite  hat  (wie  es  bei  den  betreffenden  Stäben 
für  Greschütze  der  Fall  war),  so  muss  man  das  eine  Rad  b  weglassen  (d.  h.  drei 
Seiten  des  Zieheisens  werden  feststehend  und  nur  die  vierte  beweglich  gemacht),  und 
mit  dem  Rade  a  wirst  Du  es  dann  machen,  wie  unten  erklärt  wird. 

Aus  der  Detailzeichnung  D  rechts   von   der  Hauptzeichnung  Fig.  621  ist 

ersichtlich,  dass  der  bewegliche  obere  Theil  des  Zieheisens  scheerenartig  hinter 

dem  unteren  feststehenden  Theile  vorbeiging. 

L:  h  ist  abwärts  beweglich,  n  ist  unbeweglich  nach  jeder  Richtung.  —  6,  das 
obere  Glied  des  Zieheisens  bn,  bewegt  sich  mit  langsamer,  unwiderstehlicher  Be- 
wegung gegen  seinen  unteren  Theil  «.  Die  ganze  Bewegung  aber  macht  nur  die 
Breite  eines  Messerrückens  aus,  wenn  die  Bewegung  des  gezogenen  Eisens  20  Ellen 
Länge  hat  —  Da  die  Kanten  des  Zieheisens  sich  nicht  alle  in  gleicher  Entfernung 
von  dem  Motor  des  gezogenen  Gegenstandes  befinden,  muss  der  Anfang  des  Ziehens 
zu  verschiedenen  Zeiten  erfolgen,  d.  h.  von  den  vier  Seiten  des  gezogenen  Gegen- 
standes werden  die  drei  unteren  eher  gezogen  ^  als  die  vierte  obere  Seite.  Durch 
diese  Differenz  entsteht  an  den  gezogenen  Seiten,  die  mit  der  oberen  zusammenstossen, 
ein  wenig  Bart  Dieser  wird  zur  Vollkommenheit  der  Arbeit  beitragen,  wenn  alle 
die  gezogenen  Stäbe  mit  einander  verbunden  werden.  Denn  diese  werden  alsdann 
mit  dem  Hammer  geschlagen  und  bis  zur  gegenseitigen  Durchdringung  der  Barte, 
welche  die  aneinander  stossenden  Seiten  haben^  zusammengetrieben. 

Eine  kleine  Skizze^  wie   die   hier   in  Rede   stehende,    findet   sich   auch 

auf   Fol.  11h.     Von    den    dabei    stehenden  Bemerkungen    ist    folgende   be- 

achtenswertb : 

L:  Von  dem  Eindringen  der  Schneide  in  das  Eisen  ist  die  grosse  Sc  beere, 
welche  die  Rüstung  aus  Eisen  schneidet  (la  gran  cesora,  che  taglia  l'ar- 
madura  del  ferro),  ein  Beispiel. 

Cesora  ist  ohne  Zweifel  eine  alte  Form  des  heute  gebräuchlichen  Wortes 
cesoie  =  Scheere,  denn  dass  die  Bleche  zu  Rüstungen  zu  Leonardo's  Zeit  mit 
Blechscheeren  ausgeschnitten  wurden,  ersieht  man  aus  Hans  Burckmaier's 
Abbildung  einer  Plattnerwerkstätte  zu  Kapitel  48  des  ;,Weiss-Kunig^,  die  in 
Dr.  LuDW.  Beck's  ;,Geschichte  des  Eisens^,  zweite  Abtheilung  S.  351  wieder- 
gegeben ist.  Darin  ist  links  im  Hintergrunde  eine  Stockscheere  zum  Blech- 
Schneiden  abgebildet. 

Fig.    624,    Fol.   2v,     eine    andere    Konstruktion     derselben 

Maschine,    wobei  der  obere   bewegliche  Backen   des  Zieheisens  durch   eine 

scheibenförmige  Walze  mit  spiralförmiger  Umfangsfläche  ersetzt  ist. 

L:  Der  Eisenstab,  der  gezogen  werden  soll,  werde  zuerst  mit  dem  Hammer 
nahezu  in  die  Form  geschmiedet,  die  durch  das  Ziehen  erhalten  werden  solL  Dann 
zieht  man  die  erste  Seite,  indem  man  die  Rundung  der  Kugel  für  die  Seele  des 
Geschützes  eindrückt;  nlsdann  zieht  man  den  Stab  mit  den  richtigen  Seitenflächen, 
und  zuletzt  zieht  man  die  vierte  Seite,  die  die  Aussenfläche  des  Geschützes  bildet. 
Dies  geschieht  mit  dem  Spiralrade  o. 


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Leonardo  da  Vincu 


Zu  (l(*ii  ^N-iflr'ri  kifsinen  Kkizzf;n  rechts  von  der  Hauptfigur  Li:  n  ist  das  End- 
n^-tiiltat  (Im  iTHti'ii  y/uihiiUH,  m  ist  ilaa  Endresultat  des  zweiten  Ziehens,  wodurch  die 
l>iiiil)oii.  wurnUH  fliiH  («ffüchütz  zu.iammengesetzt  wird,  fertig  gestellt  werden.  •  .  .  • 
K«i  miihrii  MO  vi«!l(s  ZifshiMncn  gemacht  werden,  als  Dauben  für  ein  und  dasselbe 
ln«nt*hutx  zu  xitfhcn  HJnd.  Ich  sugo  dies,  weil  sich  jedes  Zieheisen  beim  Ziehen  einer 
l>milM»  rlwiiM  abfilitzt.  JiüJü  Daulx)  (zum  ersten  Geschütze)  wird  alsdann  durch  je 
v'\\\  /«ioh(«imiii  hindun:h  gegangen  sein,  das  durch  Abnützung  in  gleicher  Weiae  ver- 
«lulri't  IkI  (win  <lin  nnd«*n'n).  Dicwj  Zieheisen  werden  dann  für  ebenso  viele  Dauboi 
t\\  oiiuMii  iindorcn,  von  di;m  erHt<;n  etwas  verschiedenen  Geschütze  gut  sein,  und  so 
i\«rlfahh«nd,  wird  iiiaii  nllo  Dauben,  die  zu  einem  Geschütze  gebraucht  werden,  unter 
««ioli  gloirh  h4'r.-«(4*lt(*n. 

Zu  di^r  Ski/zr  linkrt  von  der  Hauptfigur  (Fig.  623),  die  die  vordere  Ansaht 
dor  npimlfurnii^cn  Walz«  darnti'llt  L:  Kad,  umgeben  von  einer  kombinirten  Schnecke. 


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H&minerwerka  fUr  GoUichliger.  4SB 

die  Fonn  des  änsseren  GeschiitzmantetB,  so  schleift  sie  die  richtige  Höhlung  in 
die  Spiralfläche,  die  sich  an  ihr  abwickelt 

Die  hier  folgenden  siebzehn  Figuren  zeigen  alle  kleine  Hammerwerke,  und 
man  sieht  bei  den  Figuren  626,  627,  628, 629  und  630  immer  die  gleiche  kurze 


71«.  «». 

Schiene  auf  dem  Amboss  liegen.  Für  welchen  Zweck  diese  Hammerwerke 
bestimmt  waren,  ist  am  klarsten  ersichtlich  aus  den  Bemerkungen  zu  Fig.  626, 
Fol.  38  h. 

L:  Mache,  dass  der  Hammer  bei  jeder  Umdrehung,  die  das  Getriebe  macht, 
acht  Schläge  giebt.  Und  da  das  Gold,  das 
mau  Bchlagen  will,  im  Anfange  Bchmäler  iat, 
als  gegen  das  Ende,  so  wirat  Du  jedeamal  die 
Schraube  ohne  Ende  (auf  der  Daumeuwelle,  wo- 
durch diese  sich  nach  links  schiebt)  auawechselu 
und  diese  AuawechseluDgeii  folgeudermassen  vor- 
nehmen: Die  eräte  ergebe  einen  halben  Umgang 
(auf  die  VerEchiebung  um  die  geringste  Schienen- 
breite)  und  der  HHmmer  gebe  vier  Schläge,  die 
zweite  Auswechselung  ei^be  fünf  Schläge,  die 
dritte  sechs,  die  vierte  sieben,  die  fünfte  acht 
Schläge,  und  das  Gold  sei  dann  in  seiner  Breite 
vollendet. 

Hieraus  geht  hervor,  dass  diese  Ham- 
merwerke für  Goldschläger  zum  Ausstrecken  der  Zaine  bestimmt 
waren,  was  jetzt  grösstentheils  durch  kleine  Walzwerke  geschieht 


P)«.  «21. 


Oi 


LtcaMtio  da  Visa. 


Fig.  G28,  Fol.  8  V,  zeigt   eine  ToUstandige  Abbildung  dieser    Masdüne, 

während  die  N'rebeo  besprochene  Figur  nnr  eine  scbematische  Ski^»  ist.  Am 
Fig.  (i28  ersieht  man,  dass  die  Fühlung  des  stempeifonDigen  Hammers  sich  an 
einem  Wagen  befindet,  der  aof  dem  Maschinraigestelle  hin  tmd  her  länfL  An 
diesem  Wagen  bat  man  sieb  aacb  zirei  I,ager  zn  denken,  die  die  eingedrehten 
Lagerstellen  der  Daumenwelle  nmschliessen.  In  ihren  übrigen  I^agem  ist  diese 
Welle  veracbiebbar.  Anf  ihr  ist  ein  kurzer  Schraabengang  befestigt,  in  den 
ein  am  Gestelle  befestigter  Zapfen  mit  Antifriktionsrolle  eingreift.  Dadorch 
verschiebt  sich  die  Welle,  indem  sie  sich  dreht,  sammt  Wagen  und  Hammer 
so  weit  nach  linkt«,  wie  der  Scliraubengang  reicht,  und  wird  dann  darcb  das 
rechts  an  der  Welle  hängende  Gegengewicht  rasch  wieder  zurückgezogen. 


Die  Detailzeiclinung  Fig.  631,  Fol.  38  h,  zeigt  den  am  Gestelle  sitzenden 
Zapren  mit  Antifriktionsrolle,  wie  er  in  den  Schraubengang  auf  der  Welle  greift. 

L:  Den  Zapfen  der  Rollo  n  muss  man  anschrauben,  damit  man  ihn  aus- 
net^hsc-ln  kann,  vrenu  er  Eich  abnützL 

rig.  632,  Fol.  38  h,  zeigt  die  Lagerung  der  Endzapfen  der  Welle  auf 
einci-  Antifriktionsrolle,  während  in  Fig.  628  das  rechte  Wellende  mit  einer 
Traverse  auf  Fülirungslinealen  gleitet. 

L:  Die  Zapfen  an  jedem  Ende  dieser  Hokwelle  müssen  ähnlich  gelagert  sein, 
nie  au  <lieK<^ni  Kiuie  a. 

Fig.  f>33,  Fol.  38  V,  zeigt  die  verschiedenen  Schraubengewinde  auf  der 
Welle,  die  je  nach  der  Hrt'ite  des  Zains  wechselweise  an  der  Stelle  auf  die 
Welle  geschraubt  werden,  wo  der  feste  Zapfen  mit  Antifriktionsrolle  in  aie 
eingreift. 


Haiti  menverke  fUr  Güldscliläger. 


435 


L:  Alle  die  Schtaubenstücke  von  verechiedeuer  Länge  je  nach  der  Verschieden- 
heit der  Broiu-  des  Goldes  durch  Zunahme.  Sorge  dafür,  dasa  jedes  mit  zwei  Schraub- 
chen  an  der  Stelle  mn  befestigt  werden  kann. 

Ferner  zu  Fig.  626,  Fol.  38  h. 

L:  Die  Anordnung  ist  so  getroffen,  dass  das  Gold  sich  plötzlich  auf  dem 
Amboss  verschiebt,  sobald  sich  der  Hammer  von  dem  Golde  erhebt. 

Diese  Bemerkong  ist  insofern  ungenau,  als  die  Längsverscbiebung  der 
Zaine  nicht  nach  jedem  Hammerscblage,  sondern  bei  jedem  Hin-  und  Hergange 
der  Welle  und   des  Hammers   einmal  erfolgt    Während  der  Hammerschläge 


:^ 


wird  der  Zain  durch  zwei  Zangenschenkel  auf  dem  Amboss  niedergehalten, 
deren  längere  Hebelarme  mit  einander  verbunden  sind  und  durch  eine 
Schnur  in  die  Höbe  gezogen  werden,  die  über  eine  feste  Rolle  länft  und  am 
Ende  ein  Gewicht  trägt. 

Die  Detailzeichnung  Fig.  634,  Fol.  38  b,  zeigt,  wie  von  diesem  Gewichte 
eine  Stange  aufwärts  geht,  die  am  oberen  Ende  mit  einer  Nase  zwischen  den 
Zähnen  eines  Sperrades  ruht.  Mit  dem  rechten  Ende  der  Daumenwelle  ist 
ein  langer  Sperrhaken  verbunden,  der  in  das  Sperrrad  eingreift.  Wird  die 
Daumenwelle  durch  das  Gegengewicht  rasch  nach  rechts  zurückgeschoben,  so 
schiebt  der  lange  Sperrhaken  das  Sperrrad  um  einen  Zahn  weiter,  die  Nase 
an  der  senkrechten  Stange  wird,  während  ein  Zahn  unter  ihr  hingleitet,   auf 


431 


Leonardo  d»  Vinci. 


Fig.  628,  Fol.  8v,  zeigt  eine  voltständige  Abbitdang  dieser  Maschine, 
während  die  soeben  besprochene  Fignr  nur  eine  schematische  Skizze  ist.  Ans 
Fig.  628  ersieht  man,  dass  die  Fühmng  des  stempeiförmigen  Hammers  sich  an 
einem  Wagen  befindet,  der  auf  dem  Mascbinengestelle  hin  und  her  länfL  An 
diesem  Wagen  hat  man  sich  auch  zwei  Lager  zu  denken,  die  die  eingedrehten 
Lagerstellen  der  Danmenwelle  umscblieEsen.  In  ihren  übrigen  Lagern  ist  diese 
Welle  verschiebbar.  Anf  ihr  ist  ein  kurzer  Schraubengang  befestigt,  in  den 
ein  am  Gestelle  befestigter  Zapfen  mit  Antifriktionsrolle  eingreift.  Dadurch 
verschiebt  sich  die  Welle,  indem  sie  sieb  dreht,  sammt  Wagen  und  Hammer 
so  vreit  nach  links,  wie  der  Scliraubengang  reicht,  und  wird  dann  durch  das 
rechts  an  der  Welle  hängende  Gegengewicht  rasch  wieder  znrückgezogen. 


Die  Detailzeichnung  Fig.  631,  Fol.  38  h,  zeigt  den  am  Gestelle  sitzenden 
Zapfen  mit  Antifriktionsrolle,  wie  er  in  den  Schraubengang  auf  der  Welle  greift. 

L:  Den  Zapfen  der  Rolle  n  muss  man  anschrauben,  damit  mnn  ihn  aus- 
wechäeln  kann,  trenn  er  eich  dbnützt. 

Fig.  632,  Fol.  38  h,  zeigt  die  Lagerung  der  Endzapfen  der  Welle  auf 
einer  Antifriktionsrolle,  während  in  Fig.  628  das  rechte  Wellende  mit  ein^ 
Traverse  auf  Führungslinealen  gleitet. 

L:  Die  Znpfen  an  jedem  Ende  dieser  Holzwelle  müssen  ähnlich  gelagert  Bön, 
wie  an  diesem  Endo  a. 

Fig.  633,  Fol.  38  V,  zeigt  die  verschiedenen  Schraubengewinde  auf  der 
Welle,  die  je  nach  der  Breite  des  Zains  wechselweise  an  der  Stelle  auf  die 
Welle  geschraubt  werden,  wo  der  feste  Zapfen  mit  Antifriktionsrolle  in  aie 
eingreift. 


Hammerwerk«  für  GuldBublileer. 


i3ö 


L:  Alle  die  Schraubenstücke  von  verBchiedener  Lange  je  nach  der  Verachieden- 
beit  der  Breiio  des  Goldes  durch  Zuoahnie.  Sorge  dafür,  daes  jedea  mit  zwei  ßchräub- 
chen  BD  der  Stelle  »in  befestigt  werden  kann. 

Ferner  zu  Fig.  626,   Fol.  38  h. 

L:  Die  Anordnung  ist  so  getroffen,  dasB  das  Gold  sich  plötzlich  auf  dem 
Amboss  verschiebt,  sobald  sich  der  Hammer  von  dem  Golde  erhebt 

Diese  Bemerkung  ist  insofern  ungenau,  als  die  Längsverschiebung  der 
Zaine  nicht  nach  jedem  Hajnmerschlage,  sondern  bei  jedem  Hin-  und  Hergange 
der  Welle  und   des  Hammers  einmal   erfolgt.    Während  der  Hammerschläge 


wird  der  Zain  durch  zwei  Zangenschenkel  auf  dem  Amboss  niedergehalten, 
deren  längere  Hebelarme  mit  einander  verbunden  sind  und  durch  eine 
Schnur  in  die  Höhe  gezogen  werden,  die  über  eine  feste  Rolle  läuft  und  am 
Ende  ein  Gewicht  trägt. 

Die  Detailzeichnting  Fig.  634,  Fol.  38  b,  zeigt,  wie  von  diesem  Gewichte 
«ine  Stange  aufwärts  geht,  die  am  oberen  Ende  mit  einer  Nase  zwischen  den 
Zähnen  eines  Sperrades  ruht.  Mit  dem  rechten  Ende  der  Daumenwelle  ist 
ein  langer  Sperrbaken  verbunden,  der  in  das  Sperrrad  eingreift.  Wird  die 
Danmenwelle  durch  das  Gegengewicht  rasch  nach  rechts  zurückgeschoben,  ao 
schiebt  der  lange  Sperrhaken  das  Sperrrsd  um  einen  Zahn  weiter,  die  Nase 
an  der  senkrechten  Stange  wird,  während  ein  Zahn  unter  ihr  hingleitet,  auf 


496 


Leonardo  da  Vinci. 


kurze  Zeit  gehoben  und  damit  das  Gewicht,  und  die  Zangenschenkel  lassen 
den  Zain  für  kurze  Zeit  los. 

Fig.  635,  Fol.  38  h,  zeigt  dasselbe,  wie  die  soeben  besprochene  Fig.  634. 

L:  Wenn  &  an  a  stosst,  fällt  b  in  die  Kerbe. 

Mit  dem  rechten  Ende  der  Daumenwelle  ist  aber  auch  ein  abwärts 
gehender,  doppelarmiger  Hebel  verbunden,  der  an  seinem  unteren  Ende  eine 
Schaltklinke  trägt.  Diese  greift  in  ein  Sperrrad^  das  auf  einer  horizontalen 
Welle  sitzt,  die  an  ihrem  vorderen  Ende  eine  Schnurrolle  trägt  Von  dieser 
läuft  eine  Schnur  horizontal  um  eine  Leitrolle  nach  dem  Zain,  an  dessen 
vorderem  Ende  sie  befestigt  ist.  Von  seinem  hinteren  Ende  läuft  ebenfalls 
eine  Schnur  horizontal  unter  einer  Leitrolle  durch,  dann  senkrecht  in  die  Höhe 
über  eine  zweite  Leitrolle  und  ist  an  ihrem  Ende  durch  ein  Gewicht  belastet, 
das  beide  Schnüre  gespannt  erhält.  Wenn  die  Daumenwelle  sich  von  links 
nach  rechts  bewegt,  d.  h.  in  dem  Momente,  wenn  die  Zangenschenkel  den  Zain 


V^ 


Flg.  634. 


Fig.  C3&. 


loslassen,    schiebt   die  Schaltklinke   an   dem   abwärts   gerichteten   Hebel    das 

Sperrrad  um  einen  Zahn  vor  und  zieht   dadurch  den  Zain   auf  dem  Amboss 

ungefähr  um  die  Hammerbreite  vor. 

Zu  Fig,  628.  L:  Die  Maschine  muss  so  angeordnet  werden,  dass,  wenn  der 
Hammer  den  letzten  Schlag  giebt,  ein  Gregenstand  berührt  wird,  der  ein  Gewicht 
herabfallen  lässt,  wodurch  das  Getriebe  von  dem  Rade  des  Motors  weggezogen  wird. 
Dies  muss  geschehen,  damit  nicht  ein  überflüssiger  Schlag  die  Arbeit  verderbe,  wenn 
der  Meister  nicht  sogleich  zur  Stelle  ist,  und  damit  das  Rad  des  Motors  keine  Zeit 
verliert,  um  die  Arbeiten  fertig  zu  machen. 

Aus  Fig.  628  ist  nämlich  ersichtlich,  dass  sechs  solcher  Maschinen  von 
einem  gemeinschaftlichen  Antriebsrade  aus  betrieben  werden  sollen.  Dies  ist 
durch  die  sechs  Getriebe  angedeutet,  die  in  das  Antriebsrad  eingreifen.  Da 
aber  nicht  anzunehmen  ist,  dass  diese  sechs  Maschinen  gleichzeitig  mit  der 
Streckung  der  Zaine  fertig  werden,  soll  jede  in  diesem  Moment  sich  selbst  abstellen. 

Fig.  630,  Fol.  21h,  zeigt  ein  ähnliches  Hammerwerk  für  Gold- 
schläger,  das  jedoch  nicht  mit  einem  stempeiförmigen,   sondern  mit  einem 


IIammerw«rke  fDr  GoldschlSger.  437 

kleinen  Schwanzhammer  arbeitet  Dadurch  ist  eine  höhere  Lage  des 
Ambosses  bedingt.  Das  zweite  Getriebe,  das  in  das  Antriebsrad  greift,  deutet 
an,  dass  zwei  Maschinen  von  diesem  Stimrade  getrieben  werden  sollen. 

Die  daneben  stehende  Fig.  629  zeigt  eine  andere  Einspannvorrichtung  für 
den  Zain.  Die  Zaogenscbenkel  sind  hier  durch  zwei  durch  den  Amboss 
gesteckte  Bügel  ersetzt,  die  den  Zain  festhalten,  wenn  sie  niedergezogen  werden. 

Fig.  63y,  Fol.  21 7,  zeigt  im  Grundrisse  sechs  solcher  Hammer- 
werke, die  von  einem  Winkelrade  getrieben  werden.  DasZurück* 
ziehen  der  Daumenwelle  geschieht  hier  durch  eine  bogenförmige  Feder. 


»g.  «M. 

Auf  derselben  Seite  des  Manuskriptes  findet  sich  das  Hammerwerk 
Fig.627,  sowie  Skizzen  von  verschiedenen  Hammeranordnungen,  die 
wir  in  den  Figuren  637  A,  B,  C  und  D  und  in  Fig.  638  Ä,  B,  C  wieder- 
gegeben haben. 

In  Fig.  637  A  wird  der  Schlag  des  Scbwanzhammers  dadurch  verstärkt, 
dass  eine  bogenförmige  Feder  den  Schwanz  des  Hammers  in   die  Höhe  zieht. 

In  Fig.  637  B  ist  diese  Feder  durch  zwei  elastische  Stäbe  ersetzt,  wovon 
der  eine  vor  der  Axe  über  dem  Hammerstiele,  der  andere  hinter  der  Axe 
unter  dem  Hammerschwanze  liegt. 

In  Fig.  637  C  wird  der  Hammer  durdi  eine  Feder  gehoben  und  durch 
die  Hebedanmen,  die  von  unten  gegen  den  Hammerscbwanz  drücken,  herab> 
geschnellt. 

In  Fig.  637  D  ist  diese  Feder  durch  ein  Gewicht  ersetzt,  das  an  einer 
am  die  Axe  geschlungenen  Schnur  hängt. 


438  Leonardo  d»  Vinci. 

L:  Es  (ins  Gewicht)  schlägt  auf  Sand  unter  Wasiwr. 

In  Fig.  638  C  geschieht  daseelbe,  indem  ein  elastiBcher  Stab  vor  der 
Axe  unter  dem  Hammerstiele,  ein  zweiter  hinter  der  Axe  aber  dem  Hammer- 
schwanze  angebracht  ist. 

L:  Diese  Kwei  Stäbe,  die  wie  F^em  wirken,  brauchen  nicht  sehr  stark  m  sein. 
TSb  genügt,  wenn  aie  bo  ^el  Kraft  haben,  dasa  sie  den  Hammer  nach  dem  Schlage 
knapp  in  die  Höhe  heben,  so  dase  er  sich  ^eicheam  selbst  hebt. 

In  Fig.  638  B  ist  die  Hammeraxe  weggelassen  und  der  Hammerstiel  nur 
zwischen  die  beiden  elastischen  Stäbe  eingeklemmt.  Vier  durch  die  Stäbe 
gesteckte  Stifte  verhindern  ihn  an  seitlicher  Abweichung  von  seiner  Bahn. 


Fig.  esT. 


Flg.  639. 


Fig.  638  A  unterscheidet  sich  von  Fig.  638  C  nur  dadarch,  dass  an 
Stelle  der  beiden  elastischen  Stäbe  zwei  durch  Gewichte  gespannte  Seile  an- 
geordnet sind. 

L:  Dies  ist  die  letzte  und  beste  Art,  weil  hier  die  Federn  von  6^1  niemals 
lahm  werden,  indem  die  Gewichte  daran  sich  niemals  veimindem. 

Die  beiden  Skizzen  Fig.  639,  Fol.  11  v,  hält  Hermann  Grothe  in  seiner  Schrift 
„Leonardo  da  Vinci  als  Ingenieur  und  Philosoph"  fUr  Darstellungen  eines  Feder- 
hammers  (vergl.  S.  103).  Wir  halten  für  wahrscheinlicher,  dass  das,  was  Dr.  Grothb 
hier  für  eine  Feder  hält,  eine  Gurte  sein  soll,  woran  ein  Gewicht  hängt,  das 
den  Schlag  des  Hammers  verstärkt.    Diese  Anordnung  schliesst  sich   dann 


HammoTwerke  (Or  Goldschlügar.  439 

ebenso  an  Fig.  637  A  und  B  an,  wie  Fig.  637  D  an  Fig.  637  C  und  Fig.  638  C, 
jedoch  mit  dem  Unterscliiede,  dass  Leoxahdo  in  l'ig.  637  D  ein  Abprellen  des 
Gewichtes  dadurch  zu  yenneiden  sucht,  dass  er  es  auf  Sand  und  Wasser  auf- 
stossen  lässt,  während  in  Fig.  639  dessen  Abwärtsbewegung  gegen  das  Ende 
hin  dadurch  verlangsamt  wird,  dass  sich  die  Gurte  von  einem  spiralförmigen 
Bogen  abwickelt.  Auch  ist  hier  die  Hammerbahn  eben,  was  darauf  hindeutet, 
dass  dieser  Hammer  entweder  zum  Ausstrecken  von  Bändern,  oder  von 
Quartieren  dienen  sollte. 

Zum  Ausstrecken  der  Bänder,  was  heutzutage  ebenfalls  durch 
Walzwerke  geschieht,  sollte  offenbar  Fig.  640,  Fol.  5  h,  dienen.  Hier  werden 
zwei  Bänder  von  einer  auf  eine  zweite  Walüe  gewickelt  und  gehen  dabei  über 
einen  polirten  Marmorblock,  wo  sie  von  zwei  kleinen  Schwanzhämmern  aus- 
gestreckt werden,  die  von  einem  Stimrade  bewegt  werden,  dass  auf  beiden 
Seiten  je  sechs  Zapfen  hat,  die  wie  Hebedaumen  wirken. 


Flg.  641.  Fol.  21h,  stellt  vermuthlich  ein  Hammerwerk  zum  Schlagen 
von  Quartieren  dar; 

L:  Hiev  ist  der  Hammer  über  seine  senkreehtü  Stellung  hinausgcgiuigen  und 
würde  umfallen,  nenn  die  Stütze  n  nicht  wäre,  die  den  Hebelarm  t  aufhält.  Als- 
dann bewegt  ihn  das  Rad  s  mit  Heftigkeit,  denn  durch  jeden  Zahn,  um  den  eich 
das  grosse  Rad  nach  rechta  bewegt,  bewegt  sich  das  Rad  s  mit  drei  Zähnen  um  einen 
nach  links. 

Auch  der  Mechanismus  Fig.  642,  Fol.  11  v,  sollte  vermuthlich  zum 
Schlagen  von  Quartieren  dienen.  Hier  wird  durch  das  Spiel  von  acht 
Hebedaumen  an  einer  langsam  gehenden  Axe  und  einen  Hebedaumen  an  einer 
rasch  gehenden  Axe  ein  kleiner  Schwanzhammer  mit  ebener  Bahn  abwechselnd 
gehoben  und  niedergeschnellt. 

L:  Dieses  ist  der  stärkste  Schlag,  den  man  für  den  Zweck  des  Goldachlägers 
(battiloro)  anwenden  kann,  und  dies  geschieht  in  folgender  Weise:  Wenn  das  Rad  it 
den  Hammer  o  durch  den  Zahn  m  vermittelst  des  Hebelarmes  n  gchoiion  hat,  stützt 
er  sich  einen  Moment  gegen  die  Stutze  /,  und  plötzlich  erfasst  der  Zahn  h  an  dem 
Getriebe  S  den  Zapfen  /  und  schleudert  den  Hammer  mit  Gewalt  auf  den  Amboss  g 


440  Leonanlo  d»  Viod. 

herab.  Alfldaoa  wird  von  dem  folgenden  Zahne  des  Radea  £  der  Hammer  von 
Neuem  gehoben.  Aber  achte  dnrauf,  dass  die  Mitte  des  HHnin:ere  nicht  über  den 
Punkt  c  hinausgeht.  Damit  der  Zahn  b  nicht  »u  viel  Mühe  hat,  ihn  zurückzutreiben, 
genüge  es,  daas  die  halbe  Hammerbreite  den  Perpendikel  überschreite,  der  auf  seinen 
Drehpunkt  gefällt  wird. 

Aber  hesser  ist  es,  wenn  sofort,  nachdem  der  Zahn  tit  den  Hebel  n  verlässt, 
der  Hebelann  /  eich  gegen  den  Zahn  b  stützt  und  die  Stütze  l  weggelassen  wird. 
Das  Rad  des  Motors  habe  128 
Zähne  und  sein  Getriebe  8  Triebstöcke, 
das  Rad  &  8  Hebedaumen,  das  Rad  x 
64  Zähne  und  sein  Getriebe  S  8  Trieb- 
stöcke. 

Obgleich  ich  sagt^  man  solle  das 
Holz  l  weglassen,  so  erkenne  ich  nun 
doch,  da.es  es  nützlicher  sein  wird,  ea 
stehen  zu  lassen  und  ea  anstatt  einer 
Feder  zu  gebrauchen,  so  dass,  wenn  der 
Hammer  o  gegen  das  Holz  l  schlägt, 
die  Feder  durch  den  Stoas  des  Hammers 
ziirückweichL  Wenn  sie  dann  wieder 
zurückkehrt,  fängt  «e  an,  dem  Hammer 
die  entgegengesetzte  Bewegung  zu  er- 
ihcilen,  so  dass,  wenn  der  Zahn  h  den 
Hebelarm  J"  berührt,  er  den  Hammer 
mit  grosser  Leichtigkeit  herabschnellt,  da 
dieser  durch  den  Rückprall  der  Feder 
bernta  angefangen  hat  zu  fallen. 
In  diesem  Falle  muss  man  das  Gold  bewegen  und  nicht  den  Hammer,  d.  h. 
wenn  man  das  Gold  breit  schlägt. 

Auch  die  letzte  Bemerkimg  deutet  darauf  hin,  dass  dieser  Hammer  zum 
Schlagen  von  Blättchen  in  der  Form  bestimmt  war,  da  diese  hierbei  bekannt- 
lich von  dem  Schläger  unabläasig  umgedreht  wird. 


Fig.  6-13,  Fol.  38h,  zeigt  eine  horizontale  Bohrmaschine.  Anf 
einem  Gestelle,  ähnlich  dem  einer  Drehbank,  ist  ein  Spindelkasten  vermittelst 
Schraube  verschiebbar.  Die  Bewegung  der  Spindel  erfolgt  durch  Drehrolle 
und  Bogen.  Das  zu  bohrende  Stück  ist  auf  dem  Gestelle  befestigt.  Bemerkens- 
werth  ist,   dass  der  Bohrer  wie  ein  Kembohrer  skizzirt   ist,  der  nicht  das 


Horizontale  Bobrinascbine,  Centrirapparat. 


441 


ganze  herauszubohrende  Material  in  Späne  verwandelt,  sondern  den  grössten 
Theil  davon  als  Cylinder  herausschneidet. 

Die  Figuren  644,  .645,  646  und  647,  Fol.  38h,  zeigen  verschiedene 
mechanische  Gentrirvorrichtungen,   und  zwar 

Fig.  644  und  Fig.  646  eine  kreuzförmige  Planscheibe  mit  vier  Backen, 
die  durch  vier  gleiche,  nach  der  Mitte  gerichtete  Schrauben  bewegt  werden. 
Da  auf  diesen  Schrauben  gleiche  Winkelräder  sitzen,  die  alle  in  ein 
Winkelrad  eingreifen,  das  sich  um  einen  in  der  Mitte  senkrecht  auf  dem 
Kreuze  sitzenden  Zapfen  dreht,  so  werden  durch  dessen  Drehung  die  vier 
Backen  stets  um  gleich  viel  und  nach  gleicher  Richtung  verschoben. 

Fig.  645  zeigt,  wie  die  gleichmässige  Verschiebung  der  vier  Backen  von 
einem  in  der  Mitte  der  Planscheibe  sitzenden  Stirnrade  aus  durch  vier  kreuz- 
weise angeordnete  Zahnstangen  geschehen  kann. 


Fig.  C45. 


Fig.  Gie. 


Fig.  cn. 


Fig.  647  zeigt  eine  Vorrichtung,  um  die  Bohrung  eines  Ringes 
eines  Rades  u.  s.  w.  zu  centriren.  In  einem  Cylinder,  worüber  der  Ring 
oder  die  Radnabe  geschoben  wird,  sind  vier  radial  und  rechtwinklig  zu  ein- 
ander gestellte  Platten  verschiebbar.  Diese  schliessen  sich  mit  ihren  Innen- 
flächen an  einen  in  dem  Cylinder  konaxial  verschiebbaren  Konus  an.  Wird 
dieser  Konus  durch  eine  Schraube  in  den  Cylinder  hineingeschoben,  so  werden 
die  vier  Platten  stets  um  gleich  viel  nach  aussen  geschoben  und  centriren  die 
Nabe  oder  den  Ring,  indem  sie  sich  gegen  deren  Innenwand  stemmen. 

Fig.  648,  Fol.  14 V,  zeigt  eine  Patronendrehbank  zum  Gewinde- 
schneiden. Die  Patrone  ist  bei  dieser  primitiven  Konstruktion  nur  an 
einem  Ende  gelagert  und  muss  mit  der  zu  schneidenden  Schraubenspindel  so 
fest  verbunden  werden,  dass  beide  zusammen  eine  steife  Stange  bilden.  Das 
zweite  Lager  befindet  sich  am  Ende  des  Werkstückes.  Das  erste  Lager  ist 
mit  einem  Bügel  fest  verbunden,  der  die  Patrone  umschliesst,  und  darin  ist 
ein  feststehender  Zahn,  der  von  oben  in  die  Patrone  eingreift.    Die  Bewegung 


H2 


LeoDuda  da  Vin 


des  Werkstückes  erfolgt  durch  eine  einmal  dämm  geschlnngene  Schnur,  die 
oben  an  einer  Bogensehne  und  unten  an  einem  Fusstritte  befestigt  ist. 

L:  Art,  eine  Schraube  auf  der  Drehbank  lu  machen. 

Wir  erinnern  daran,  dass  sich  unter  den  in  Paris  befindlichen  Skizzen 
Leonardo'b  eine  reclit  gut  ausgebildete  Schraubenschneidmaschine  befindet. 
{Siehe  Fig.  486,  S.  345). 

Fig.  649,  Fol.  3v,  zwei  Lochstempel,  die  durch  Hammerschläge 
niedergetrieben  und  durch  eine  Feder  gehoben  werden. 

Die  Figuren  650,  651,  652,  653,  654  und  655,  Fol.  38,  zeigen  eine 
Hobelvorrichtung.  Hebmass  Ghothe  theilt  a.  a.  0.  S.  79  eine  ähnliche 
Skizze  mit  und  spricht  die  Ansicht  aus,   sie  stelle   eine  Hobelmaschine   dar. 


indem  er  annimmt,  dass  hier  der  Hobel  durch  den  Mechanismus  bewegt  werden 
solle.  Dies  ist  aber  nicht  der  Fall.  In  der  Hanptzeichnung  Fig.  652  ist  der 
Hobel  an  den  beiden  Seiten  mit  Handhaben  versehen,  was  beweist,  dass  er 
direkt  mit  der  Hand  bewegt  werden  sollte.  Der  Mechanismus  an  der  Hobel- 
bank aber  kann  keinen  anderen  Zweck  haben,  als  den  abzuhobelnden  Balken 
rasch  und  richtig  einzuspannen.  Es  sind  zu  diesem  Zwecke  sechs  seitliche  und, 
wie  wohl  angenommen  werden  darf,  drei  von  unten  nach  oben  gehende 
Schrauben  anzuziehen.  Durch  den  Mechanismus  aber  soll  ermöglicht  werden, 
diese  neun  Schrauben  gleichzeitig  und  gleichmässig  anzuziehen. 

In  den  Figuren  651,  652  und  653  soll  dies  dadurch  erreicht  werden, 
dass  die  Muttergewinde  für  die  neun  Schrauben  in  gleiche  Schnurrollen  ein- 
geschnitten sind,  die  an  Verschiebung  in  der  Axenrichtung  verhindert  sind, 
und  dass  eine  Schnur  ohne  Ende  alle  diese  Schraubenmuttern,  die  nöthigen 
Leitrollen  und  eine  Antriebsrolle  umschlingt.   Wird  durch  Drehung  der  Antriebs- 


PatrooBudrehbank,  Loclut«iiipel,  Hobelvorrichtang. 


443 


rolle  die  Schnur  bewegt,  so  verschiebt  sie,  (abgesehen  von  der  Dehnbarkeit  der 
Schnar)  alle  SchrEiuben  am  gleich  viel. 

In  Fig.  654  sind  die  Muttergewinde  in  verzahnte  Getriebe  eingeschnitten 
nnd  die  Bewegungsübertragung  geschieht  durch  eine  Zahnstange. 


Fig.    650    zeigt    den    Grundrias 


Fig.     652    bei    weggenommenem 


Hobel. 

L :  a  ist  das  Holz,  nelcheä  man  abhobeln  soll,  n  ist  das  Brett,  das  den  ge- 
hobelten Gegenstand  festhält,  o  ist  die  Wand,  die  den  Hobel  unterstützt,  r  ist  der 
Znisehenraum ,  worin  das  Seil  läuft,  das  die  Schraubenmuttern  dreht  q  ist  die 
letzte  Wand. 


4M  LMnacdo  da  VincL 

Zu  Fig.  656,  Fol.  4  t. 

L;  Art,  eine  Hohlkugel  zu  mHchen,  um  Feuer  za  werfen.  Wo 
der  Buchstabe  T  angeschrieben  ist,  ist  die  Schablone,  welche  genau  die  Höhlung 
macht,  und  wo  S  eingeechrieben  ist,  ist  die  Kugel,  die  nch  unter  der  Schablone 
herumdreht. 

Da  die  hier  skizzirte  Maschine  grosse  Aehnlichkeit  mit  einer  Töpferscheibe 
hat,    so   ist  anzuBebmen,   dass  die  darauf  berziistellenden  Hälften  tod  Uobl- 


kugelnl  zum  Werfen  von  Brandmasse  aus  Thon  geformt  und  gebrannt  werden 
sollten.  Schon  im  Altertbume  kannte  man  Brandgeschosse.  Es  waren  dies 
irdene  Gefässe,  die  mit  brennenden  Stoffen  gefüllt  waren.  Diese  „Feuertöpfe" 
wurden  aus  Ballisten  geworfen.  (Ludwig  Beck,  „Geschichte  des  Eisens",  zweite 
Abtheilung  S.  338.) 

Zu  Fig.  657,  Fol.  9h  L:  Bohrer,  um  in  die  Erde  zu  bohren, 
um  Wasser  zu  finden.  Wir  erinneni  an  die  Eidbohrer  für  Löcher  von 
geringer  Tiefe,  die  sich  unter  den  in  Paris  befindlichen  Skizzen  Leonardo's 
finden.    (Siehe  Fig.  480  u.  481,  S.  343). 


Fig.  658,  Fol.  10  h,  zeigt  eine  Steinklaae  und  Terschiedene  Steiozangen 
zum  Versetzen  von  Quadern. 

L:  Das  Zangenmaul  ab  lat  viel  schwächer  als  das  Maul  cd. 

Fig.  659,  Fol.  33h,  eine  fahrbare  Schraubenwinde  zam  Auf- 
beben von  Geschützrohren. 

Fig.  660,  Fol.  27  b,  ein  Krabn  für  denselben  Zweck.  Der 
Schranbenmechanismus  ist  hier  umgekehrt  und  ziebt  das  eine  Ende  eines 
Balanciers  nieder,  an  dessen  anderem  Ende  das  Geschütz  hängt.  Die  Figuren 
661  und  662  zeigen  Details  zu  dem  Schranbenmechanismus  dieses  Krahns. 


TOpferMlitibe  fBr  Brand kngelD,  Erdbohrer,  Scliranbenwinden. 


415 


Fig.  663,  Fol.  49b,  eine  Schraubenwinde  zum  Anfrichtea  toh 
Sänleo.  Die  auf  der  Erde  liegende  Säule  wird  etwas  oberhalb  ihres  Schwer- 
punktes TOQ  der  Schraubenwinde  erfasst  und  an  ihrem  Fussende  mit  zwei 
Laufrollen  armirt.  Dann  wird  die  Schraubenwinde  angezogen,  der  SäulenFuES 
läaft  dabei  auf  den-  Laufrollen  bis  unter  den  Auf  hängepnnkt,  bis  die  Säule 
senkrecht  stehend  aufgezogen  wird.  Dann  wird  die  ganze  Maschine  auf  Walzen 


ng.ss2. 


Flg.  Mi. 


Plg.  Ui. 


Tonnittelst  einer  horizontalen  Schraube  über  den  Ort  der  Aufstellung  gezogen 
und  die  Säule  auf  ihre  Basis  herabgelassen. 

L;  Dieses  Gerüst  ist  dreieckig,  und  an  jeder  Ecke  (seiner  Basia)  kann  man 
die  Schraube  anhängen,  um  das  Gerüste  fortzuziehen.  Die  Säule  muss  mit  zwei 
Brettern  armirt  srän,  wenn  man  sie  aufrichtet 

Da  nämlich  die  Säule  nach  oben  Torjüngt  ist,  würde  sie  in  dem  Bie  um- 
fassenden Ringe  berabgleiten,  und  um  dies  zu  vermeiden,  werden  zwei  Bretter 
als  Spreizen  zwischen  den  Ring  und  den  Sänlenkopf  geklemmt. 


m 


Leoiutrdo  da  Tinci. 


Fig.  605,  Fol.  32t,  ein  Flaschenzag  mit  60  losen  und  60  festen, 
also  im  Ganzen  120  Rollen,  die  in  jeder  Flasche  in  zv-ei  Kreisen  an- 
geordnet sind,  deren  Durchmesser  am  etwas  mehr  als  das  Doppelte  des  BoUen- 
durchmessers  differiren. 

L:  Ein  Seidenfaden  hebt  bei  120  Rollen  mit  10  Pfund  Kraft  6  Menschen, 
wovon  jeder  200  Pfund  wiegt. 


Flg.  Ml. 

Fig.  666,  Fol.  32  V,  zeigt  einen  eben  solchen  l'laschenzug,  wobei  jedoch 
die  Bollen  in  Quadraten  angeordnet  sind. 

Fig.  667,  F'ol.  8v,  ein  Krahn  mit  einfacher,  aber  sehr  starker 
Stirnräderübersetzung.     Die  Last  wird  durch  einen  Balancier  gehoben, 


der  an  seinem  anderen  Ende  ein  Gegengewicht  trägt,  um  die  Arbeit  beim 
Auf-  und  Niedergange  auszugleichen.  Unten  an  dem  Balancier  ist  ein  halber 
Zahnkranz  befestigt,  dessen  Durchmesser  etwa  der  Ausladung  des  Balanciers 
gleich  ist  und  der  diesen  verstrebt  und  verstärkt.  In  diesen  grossen  halben 
Zahnkranz  greift  unten  ein  kleines  Getriebe,  das  durch  eine  Kurbel  gedreht  wird. 
Fig.  G68,  Fol.  53t,  eine  Winde,  die  durch  ein  Schaltwerk  be- 
wegt  wird.     Dieses   Schaltwerk  behandelten  wir  schon   in   unserer  ersten 


FlaschentDge,  Winden,  Baggarmaschine,  Krabnen.  417 

Abliandlung  ober  Leoxardo  da  Vikci  nach  einer  Skizze  von  Heh«.  Grothe 
(S.  102)  und  sagten:  „Bei  ihm  macht  das  innen  verzahnte  Schaltrad  die  hin- 
ond  herschwingende  Bewegnng  und  versetzt  eine  darin  liegende,  mit  Sperr- 
klinken versehene  Scheibe  in  absetzend  rotirende  Bewegung.  Bei  dieser 
Anordnung  kann  das  Spiel  des  Mechanismus  leicht 
durch  eine  auf  das  Zahnrad  befestigte  Deckplatte 
verborgen  irerden,  und  es  ist  wahrscheinlich,  dass 
darin  der  Grund  zu  dieser  Anordnung  zu  suchen 
ist."  Aus  der  hier  vorliegenden  Hauptskizze  ersehen 
wir  nun,  dass  die  innere  Scheibe  des  Schaltwerkes, 
woran  die  Sperrkltnken  sitzen,  mit  einer  Winde- 
trommel fest  verbunden  ist,  an  deren  anderem  Ende 
ein  Sperrad  sitzt,  in  das  ein  am  Gestelle  sitzender 
Sperrhaken  eingreift  und  den  Rückgang  der  Trommel  f^^  stq. 

verhindert. 

L:    Diese  Maschine  Ut  gut,  um   eine  Last   zu  heben,   aber  sie  ist  nicht  eo 
amiirt,  wie  es  seia  mute,   weil   man  ihr  GeheimnUs  lu  rasch  sieht.    Die  Flächen 


Jlfjf  sollten  aussen  und  innen,  d.  h.   auf  jeder  Seite,  eine  Scheibe  haben,   die  dns 
Geheininiss  der  Federn  (der  Sperrklinken)  umschlieasen,  armiren  und  verdecken. 

Der  Hebel,  der  die  Bewegung  verursacht^  hat  nur  eine  Elle  niederzugehen  und 
eich  um  ebensoviel  zu  heben. 

Zu  den  Details  links  von  der  Hauptskizze. 

L:  Dieses  sei  die  obige  Vorrichtung  A  in  ihren  Theilen  dai^estelli,  um  ihre 


443  Leonardo  da  VincL 

Verhältnisse  besser  verständlich  zu  machen.  Und  wisse,  dass  der  kleinere  Theil  an 
seiner  tiefsten,  mit  B  bezeichneten  Stelle  die  Feder  (Sperrklinke)  enthält,  \?elche  in 
die  mit  N  bezeichneten  Zähne  des  benachbarten  Theiles  eingreift 

Fig.  669,  Fol.  8v,  eine  Art  Baggermaschine  zum  Heben  Ton  Steinen 
und  Erde  aus  dem  Wasser.  Sie  ist  nach  demselben  Princip,  jedoch  viel 
leichter  konstruirt,  als  diejenige,  welche  Büqjiaiuto  Lorini  zu  Anfang  des  sieb- 
zehnten Jahrhunderts  beschrieb  und  abbildete.  (Siehe  Fig.  291,  S.  251.) 
LoRiNi  sagt  selbst,  dass  daran  nichts  weiter  von  ihm  erfunden  sei,  als  die 
Schaufeln  an  der  doppelten  Zange  und  die  Vergrösserung  des  Hebels,  was  so 
viel  sagen  will,  als  dass  er  diese  Maschine  zuerst  grösser  und  dem  entsprechend 
leistungsfähiger  gebaut  habe. 

Fig.  670,  Fol.  40v,  ein  dreifüssiger  Krahn  mit  dem  Mechanis- 
mus einer  gewöhnlichen  Wagenwinde,  der  indem  Gestelle  aufgehangen 
ist,  und  an  dessen  Zahnstange  die  zu  hebende  Last  hängt. 

L:   Doppelte  Wagenwinde  (martinello  doppio),   welche  jede  grosse  Last  hebt. 

Wir  erinnern  daran,  dass  Büonaiüto  Lorini  in  seinem  Werke  ;,delle 
fortificazioni^,  Venedig  1597,  denselben  Mechanismus  auf  einem  Bockgestelle 
stehend  beschreibt  und  abbildet,  dass  aber  Gasparüs  Schottus  in  seiner  „Magia 
universalis  naturae  et  artis",  Würzburg  1657,  erzählt,  er  habe  während  seines 
zweiundzwanzigj ährigen  Aufenthaltes  in  Italien  eine  Wagenwinde,  wie  er  sie 
in  Flandern  kennen  gelernt  habe,  nur  einmal  gesehen,  und  zwar  bei  einem 
Kardinal,  der  sie  als  Seltenheit  aus  Polen  mitgebracht  habe.     (Vergl.  S.  245.) 

Fig.  671,  Fol.  49  V,  ein  einsäuliger  Krahn.  Die  alten  Griechen 
nannten  diese  Maschinen  fiovuxiokoL  Wir  verweisen  auf  den  Schluss  unserer 
Abhandlang  über  Pappus  (S.  35). 

Nach  dieser,  sowie  nach  der  Beschreibung  Vitrüv's  (siehe  S.  44),  der 
bemerkt,  dass  diese  Maschine  nur  von  kundigen  Leuten  gehandhabt  werden 
könne,  hat  Leonardo  die  Skizze  Fig.  670  wahrscheinlich  entworfen. 

Bei  den  vier  Oesen  an  der  Spitze  der  Säule. 

L:  Zum  Anbinden  von  Seilen. 

Fig.  672,  Fol.  51 V,  ein  Drehkrahn  zum  Umladen  von  Waaren  aus 
Booten  auf  einem  höher  gelegenen  Kanal  in  solche  auf  einem  tiefer  liegenden 
Kanal,  oder  umgekehrt.  Li  der  Detailzeichnung  rechts  unter  der  Hauptzeich- 
nung ist  der  Drehkrahn  von  der  Seite  dargestellt  und  zwar  so,  dass  die  am 
Handgöpel  beschäftigten  Arbeiter  unter  Dach  arbeiten. 

Maschinen  zum  Horizontaltransport  grosser  Lasten. 

Die  Figuren  673,  674  und  675  zeigen  Maschinen,  die  eine  Platte,  v^orauf 
die  Last  liegt  und  die  auf  Walzen  und  Schienen  läuft,  vermittelst  mehrerer 
Schrauben  fortziehen. 

Bei  Fig.  675  sind  es  zwei  solcher  Schrauben,  deren  Muttergewinde  in 


Haschinen 


1  EorisonUltruiBport  grosser  Lasten. 


«9 


die  Naben  tob  Winkelrädern  emgesohnitten  sind,  die  durch  zwei  auf  einer 
Welle  sitzende  Getriebe  gedreht  werden. 

Fig.  674  onterscheidet  sich  hiervon  dadurch,  dass  die  Umdrehm^  der 
Mattem  durch  zwei  auf  einer  Welle  sitzende  Schrauben  ohne  Ende  erfolgt. 
Anf  dieser  Schranbenwelle  sitzt  ein  Schwungrad,  das  als  Hand-  oder  Spillen- 
rad dienen  könnte.    Ks  ist  aber  darunter  nochmals  eine  Schraube  ohne  Ende 


mit  Handgriff  angedeutet,  so  dass  das  Schwungrad  ebenfalls  aussen  verzahnt 
und  in  diese  Schraube  eingreifend  gedacht  werden  mnss.  Die  Räderübersetz- 
ung wird  dadurch  eine  allzu  groBse. 

Fig.  673  unterscheidet  sich  nur  dadurch  von  Fig.  674,  dass  Tier  Schrauben 
an  der  Platte  ziehen,  anstatt  zwei. 

Man  hat  es  RAMfxu  vielfach  zum  Vorwurf  gemacht,  dass  er  derartige 
Maschinen  mit  übertrieben  starken  Uebersetzungen  in  seinem  Werke  abge- 
bildet und  beschrieben  hat.    Wer  aber  die  hier  vorliegenden  Skizzen  Leokardo's 


(sowie  die  Fig.  665  und  666,  dargestellten  Flaschenzüge)  mit  den  betreSenden 
Kupfern  Rahelu'b  vergleicht,  wird  darin  einen  weiteren  Beweis  für  die  Zuge- 
hörigkeit Rahelu's  zur  LEONABOo'achen  Schule  finden. 

Fig.  676,  Fol.  53  t,  ist  eine  Abänderung  der  in  Fig.  668  da^estellten 
Winde  mit  Schaltwerk.  An  die  Stelle  der  Seiltrommel  ist  eine  Schraube 
gesetzt,  deren  Mutter  an  der  Drehung  Terbindert  und  horizontal  geführt  ist. 
An  diese  Mutter  wird  die  zn  verschiebende  Last  mit  einem  Seile  angehängt. 


Fig.  677,  Fol.  49t,  eine  Hebelpresse,  ähnlich  den  altrömiscben 
Keltern  und  Oelpressen.  Der  Fresshebel  wird  durch  den  Handhebel  d  c  nieder- 
gezogen, bis  das  Gewicht  an  der  Rolle  bei  c  sich  hebt.    Dieses  übt  dann 


450 


L— trio  iA  Vi»a. 


einen  konstanten  Dnck  aof  dd^s  Pressgnt   ais.    Durch  den  Handliebel   ab 
wird  der  Pre&äbebel  gehoben. 

L:  Der  B^ken  bu  100  Pfand  Gevichi  ixnd  9  Eilen  Länge  und  i/t  (EUe) 
als  GegenhebeL  Im  Ganzen  übe  er  for  äcfa  allein  einen  Druck  Ton  2700  Pfund 
ans  and  aof  der  anderen  Seite  von  dem  Drehponkie  ebenäOTiel,  nm  im  GkkligewicfaSn 
m  sein^  daher  lasten  aof  der  Drefaaze  5400  Pfand  Gevicht. 

Der  Balken  ist  100  Pfand  schwer,  so  da»  30  anf  b  wirken  and  (da  die  Hebd.- 
anne  von  ab  sich  wie  1  :  5  Terfaalteni  10  Pfand  aof  a  kommen. 

Der  Haopibalken  ist  9  Ellen  lang  and  hat  aosserdem  '  c  Elle  als  Gegen- 
hebel  ^d.  L  der  kurze  Hebelarm^  daher  bleibt  als  Hebelarm  9  Ellen,  was  ^eich  ist 
54  Sechstel  gegen  das  eine  dea  Gegenbebels ;  and  das  Doppelte  auf  den  Stat^Hinkt, 
macht  108  Pfond.  Daher  giebt  jedes  Pfund,  womit  auf  den  Hebel  gedruckt  wird, 
108  Druck  auf  den  Staupackt  des  Balkens.     Bringe  ich  nun  1000  Pfund  am  Ende 


Fig.  677. 

des  Hebel«)  an,  so  wird  gewiss  der  Stützpunkt  des  Hebels  108000  Pfund  verspüren. 
Der  Balken   für  sich  allein,   der  100  Pfund  wiegt,   drückt  für  sich  allein  mit 
6400  Pfund   auf  seinen  Stützpunkt      Diese   zu   den    108000  Pfund  gefügt,    giebt 
113  400  Pfund. 

Man  ersieht  hieraus,  dass  Leonabdo  bereits  das  Eigengewicht  des  Hebels 
bei  Berechnung  des  von  ihm  ausgeübten  Druckes  berücksichtigte,  während  wir 
seither  meinten,  dass  Guido  Ubaldi  dies  zuerst  gethan  hätte;  dagegen  ersieht 
man  auch  aus  dieser  Rechnung,  dass  Leonardo  den  Druck  des  Hebels  auf 
seinen  Stützpunkt  bedeutend  überschätzte,  indem  er  ihn  doppelt  so  gross 
annimmt,  als  die  an  dem  kleineren  Hebelarme  wirkende  Kraft. 

Fig.  678,  Fol.  11  V,  eine  Schraubenpresse  zum  Auspressen  von  Oel. 

L:  Eine  Oclpresse.  Jedesmal,  wenn  Du  die  Schraube  (direkt)  drehen  willst» 
nimm  jene  Traveräe  weg,  die  sich  über  den  Presskörben  befindet,  und  drehe  die 
Schmube  so,  doHs  Du  die  genannten  Presskörbe  so  stark  zusammenpressest»  wie  Du 
es  (auf  diese  Weise)  kannst.     Dann  setze  die  genannte  Traverse  wieder  ein,  spanne 


Hebel-  und  Schraabenpresseo,  Rosa-,  Hand-  und  FarbmUhlen. 


431 


ein  Pferd  an  den  grossen  Hebel  und  lasse  es  herumgehen,  und  ich  verspreche  Dir, 
dass  die  Oliven  so  stark  gepresst  werden,   dass  sie  gleichsam  trocken  zurückbleiben. 
Aber  wisse,  dass  diese  Presse  viel  starker  gemacht  sein  will,  als  die  anderen,  die  im 
Gebrauche  sind,  damit  sie  von  der  Kraft 
des  Pferdes  nicht  überwältigt  werde,  sondern 
ihr  Widerstand  leistet 

Mühlen. 

Die  Figuren  679  und  680  zeigen 
eine  Rossmühle  mit  sechs  Mahl- 
gängen, die  von  einem  Pferdegöpel 
aus  bewegt  werden. 

Fig.  681,  Fol.  32  V,  eine  Hand- 
mühle mit  gekröpftem  Mühleisen  und 

einer  Schubstange.    Eine  solche  Mühle  fanden  wir  schon  unter  den  Skizzen 
aus  der  Zeit  der  Hussitenkriege.    (Siehe  Fig.  314,  S.  274.) 

L:  Art,  Getreide  zu  mahlen. 

Fig.  682,  Fol.  60 V.    Vermuthlich  eine  Farbmühle. 

L:  Wenn  man  will,  dass  das  Gewicht  (der  Lauferstein)  sich  um  sich  selbst 
drehe,  ist  erforderlich,  dass  das  mit  a  bezeichnete  Loch  ein  wenig  breit,  d.  L 
weit  seL 

Fig.  683,  Fol.  60v,  Mühle  mit  oben  ausgehöhltem  Bodenstein. 

Auch  hier  möchten  wir  annehmen,  dass  die  Mühle  zum  Mahlen  von  Farben 


Fig.  678. 


£ 


Fig.  679. 

benutzt  werden  sollte.  Von  Georgiüs  Agricola  wurde  eine  Handmühle  mit 
solchen  Steinen  zum  Mahlen  von  Erzen  beschrieben.  (Siehe  Fig.  169,  S.  152). 
Fig.  684,  Fol.  60h,  ein  Mahlgang,  der  vermittelst  eines  schweren 
Pendels  von  Hand  betrieben  werden  soll.  Ein  sehr  schweres  Pendel 
soll  durch  eine  Winde  aus  seiner  Gleichgewichtslage  gebracht  und  dann  los- 
gelassen werden.  So  oft  es  auf  der  der  Winde  gegenüberliegenden  Seite  sich 
seiner  höchsten  Lage  nähert,  stösst  es  gegen  einen  Handhebel  und  ein  Arbeiter 
ertheilt  vermittelst  dieses  Hebels  dem  Pendel  einen  neuen  Impuls.  Auf  der 
Axe  des  Pendels  sitzt  ein  Winkelrad,  wovon  jedoch  rechts  und  links  etwa  je 
ein  Viertel  als  überflüssig  ausgeschnitten  ist.    Dieses  Winkelrad  greift  in  zwei 

29* 


4IS  Leojurdo  dk  Vind. 

auf  einer  senkrechten  Axe  sitzende  Getriebe.  Das  Winkelrad  hat  Ratecfaen* 
zahne,  die  die  Getriebe  nur  aach  einer  Richtung  umdrehen,  bei  der  en^^en- 
gesetzten  Bewegung  aber   sich  umlegen.    So  wird  durch  abwediselnde    Eio- 


wirknng  der  beiden  Winkelradquadranten  diese  erste  senkrechte  Welle  in 
kontinuirliche  Umdrehung  versetzt  und  diese  durch  drei  weitere  Räderütmr- 
setzungen  auf  das  Muhleisen  übertragen. 


In  der  links  von  der  Figur  stehenden  Detailskizze  von  der  Räderiiber- 
Hützung  mit  Ratsclienzähnen  ist  auch  das  Getriebe  nur  durch  ein  Sperrwerk 
mit  seiner  Axe  verbunden,  das  die  üebertragnng  der  Bewegung  auch  nur  nach 
einer  Richtung  gestattet,     üies  scheint   eine   Vorsichtsmassregel   zu  sein   für 


MOlilen  mit  BiiBgetiliUtem  Bodenstmii,  Bohir»rem  Pendsl,  Tretrad.    Geriime.         4S 

den  Fall,  dass  einer  der  Ratschenxsbne  in  den  Quadranten  sich  nioht  recht- 
leitig  umlegen  sollte. 

L:  Mache  daa  Cieivicht  am  unterea  Ende  (des  Pendela)  20000  Pfund  schwer 
und  den  Hebelarm,  der  bis  zu  seinem  Centnun  hinaufreicht,  30  Ellen  lang,  und  sein 
Gegentheil  1  Elle.  Und  so  habe  auch  das  erste  Getriebe  1  Elle  (im  Durchmesser) 
und  26  TriebstScke.  Du  Rad,  das  es  überdacht,  habe  8  Ellen  im  Durchmesser 
und  200  Zähne,  das  iweite  habe  150  und  das  dritte  100  Zähne  und  jedes  Oetriebe 
25  Triebstöcke,  Und  wis^  dass  der  Läuferstein  960  Umdrehungen  während  einer 
Umdrehung  des  ersten  Rades  macht,  da  das  leiste  Getriebe  6  Triebstdcke  hat 

Wenn  der  8tdn  (am  unteren  Ende  des  Pendels)  gegen  den  Oegenhehel  a  atösst, 
sdiiebt  er  den  Hebel  b  zurflck. 

Du  wirst  zuerst  den  Läufentein  '/■'  von  seinem  Kameraden  abstehend  in 
Umdrehung  vetwtzen.  Wenn  er  in  seiner  vollen  Geschwindigkeit  ist,  lasse  ihn  dann 
vermittelst  der  Schraube  herab,  die  unter  der  Aze  des  Läufersteina  ist,  und  dann 
gieb  das  Getreide  auf. 


Fis.  S8S. 


Fl(.  «ST. 


Diese  Skizze  Lbonabdo's  ist  znr  Beurtlieilnng  J*oi:es  Besson's  von  Wich- 
tigkeit, denn  man  ersiebt  daraus,  dass  aach  Bbsson's  Vorliebe  für  schwere 
Pendel  ana  der  LEONAitDO'achen  Schule  stammt. 

Fig.  685,  Fol.  13v,  ein  Mahlgang  durch  Tretrad  betrieben. 

Fig.  686  nnd687,  Fol.  24h,  eine  Ger inuan läge  fär  kleine  anter- 
schlächtige  Stossräder. 

Zu  flg.  d87,  eines  der  Wasserrädcben  darstellend.  L:  Mflhle  Tdn  Pavia. 
12  Schaufeln,  2  Ellen  lang  und  '/s  Elle  breit. 

Zu  Fig.  666.  L;  Das  Wasser  fällt  drei  Ellen.  Die  abgebildeten  Rinnen  haben 
hl  der  grösaten  Breite  I  Elle  und  an  der  engen  Stelle  */«  Elle  oder  mehr,  Ihre 
Seitenwände  sind  '/s  Ellen  hoch. 


Seilerei. 
Fig.  688,  Fol.  2h,  ein  Seilerrad,  das  im  Wesentlichen  mit  den  heute 
noch  gebräuchlichen  übereinstimmt,  und  rechts  davon  eine  Spannvorrichtung 
für  die  gesponnenen  Fäden. 


454 


Lcoiurdo  dl  Tinei. 


Fig.  689,  Fol.  2h,  ein  anderes  Seilerrad  znm  Spinnen  und  Zasacimen- 
drehen  einer  grossen  Zahl  von  Seilen,  deren  Anfänge  alle  in  einer  Hoiizontal- 
ebene  N^en. 

Seiden  twimereL 

Fig.  690,  Fol.  36h,  ein  Fadenwächter  für  Doplirmaschinen. 

L:  Eine  Art,  Seitenfäden  tu  dupliren,  die  dann  auf  der  Zwirn- 
roaechine  gedreht  «erden. 

Hier  ist  ein  Glied  der  Maschine  dai^estellt,  die  Seide  duplirt  tmd  «polt  Weil 
dn  «niiger  Mensch  deren  viele  xa  hedienen  hat,  i^t  erforderlich,  wenn  dner  der  beiden 
Fäden  reimen  sollte,  die  man  insammendieben  will,  da»  der  andae,  der  onn  für 
dch  allein  ist,  si(^  nicht  über  die  Stelle  wickelt,  die  jenen  aufnahm.  Deshalb  be- 
wirke ich,  da»  das  Getriebe  das  ihn  (von  der  ersten  Spule)  abwickelt,    sofort  EiiUs 


steht,    wenn   ein  Faden   zerreisst,    und  zwar  bewerkstellige    ich   es   folgender 
/t  und  die  beiden  Rollen  der  einfachen  Fäden  iFortsetzuag  fehlt). 

a  ist  die  Axe,  von  der  aus  die  Last  des  Krames,  der  die  (Rollen)  m  tifi^ 
gehoben  und  niedergelas^n  wird.  —  Es  ist  nothwendig^  dass  das  Getriebe  plötzlich 
angehalten  werde,  das  den  duplirten  Faden  aufwickelt 

Ans  der  Zeichnung  ist  zu  erkennen,  dass  jeder  der  beiden  einfachen 
Fäden,  ehe  er  auf  die  Spule  für  den  duplirten  Faden  gelangt,  unter  einer 
Fiihrungsrolle  durchläuft,  die  in  dem  Ende  eines  beinahe  Eenkrecht  stehenden 
Hebels  gelagert  ist.  Reisst  der  Faden,  so  fällt  dieser  Hebet  um,  und  sein 
kürzerer  Hebelarm  greift,  wenn  er  in  die  horizontale  Lage  gelangt,  in  die 
Zähne  des  Getriebes  und  verhindert  dessen  Drehung. 

Fig.  691,  Fol-  36h,  eine  andere  Konstruktion  dieses  Faden- 
wächters. 

L:  Hier  aetzt  man  die  Spule  zurück  (d.  h.  hinler  die  senkrecht  stehende, 
arretirende  Feder)  und  hält  ihre  Drehung  auf.  Ihr  Auf-  und  Niedergang  ^olgt.  nur 
durch  den  Kranz  S,  der  die  Spindel  unterstützt;  jeder  andere  Theil  aber  Bl«>Jit  fest 
in  seiner  Höhe. 


SeilerrSder,  Fadenwtchter. 


45S 


Bei  der  Torigen  AnordnuDg  blieb  die  Spule  in  derselben  Höhe  und  die 
Leitrolle  des  Fadens  bewegte  sieb  auf  nnd  nieder ;  hier  aber  bleibt  die  Leit- 
rolle des  Fadens  in  derselben  Höhe,  und  die  Spule  wird  auf  nnd  nieder 
bewegt,  um  den  Faden  gleichmässig  auf  ihre  Länge  zu  vertheilen.  Der  senk- 
rechte Hebel,  der  die  Leitrolle  für  den  einzelnen  Faden  trä^t,  ist  auch  hier 


innerhalb  des  Kreises,  in  dem  die  Spulen  stehen,  gelagert.  Fällt  er  infolge 
eines  Fadenbruches  nm,  so  zieht  er  rermittelst  einer  Schnur  einen  einarmigen 
Hebel  nieder,  dessen  Drehungsaxe  weiter  rechts  unten  an  einem  feststehenden 


Flg.  «0.  Fig.  091 

Brettchen  angebracht  ist.  Von  dem  Befestigungspunkte  der  Schnur  an  ist 
dieser  Hebet  senkrecht  in  die  Höhe  gebogen  und  schiebt  bei  der  genannten 
Bewegung  einen  auf  dem  Brettchen  gleitenden  Schieber  nach  hnka.  Dabei 
drückt  ein  am  rechten  Ende  des  Schiebers  befestigter,  abwärts  gebogener  Arm 
gegen  die  senkrechte  Feder  vor  der  Spule  und  schiebt  sie  zwischen  die 
Zähne  des  Getriebes,  das  die  Spule  bewegt,  wodurch  diese  sofort  angehalten  wird. 


498 


iMmatio  im  Tinci. 


TueUkbrilution. 
Fig.  693  nnd  692,  Fol.  38t,  eine  Ranhmaschitie. 
Zu  Fig.  602.     h:  A  Ut  die  Sl«Ue  (da- Balken),  an  der  sich  tuteo  die  Kratx- 
oder  Karde  befindet.     iV  ist  die  Stelle,  wo  die  Axe  die  Handkurbel  eine«  Schwoog- 


radea  bilden  könnte  für  den  Fall,  daäs  ei   nur  ein  oder  inei  Tücher  wären  ohne 
andere  Arbeit 

Zu   der  Walze  abcde.     L:   Jede  Walze,   welche  ein   darauf  gezogenes  Tuch 
trägt,  d.  h.  abcde,   sollte  getrennt  »^n,   und  zwar  zu  dem  Zwecke,  daaa  man    sie 


Fig.  SH. 


Fig.  SM, 


bei  Tüchern  von  verachiedener  Länge  in  verschiedene  Entfernungen  (von  der  gegeo- 
Qberliegendon  Walze)  ziehen  könnt«.  Und  dann  versetze  das  Antriebsrad  an  die 
Walze,  <lic  auri  einem  Btücke  beäteht,  nämlich  an  HO. 

Bei  Fig.  693  steht  das  Wort:  „cardi",  sie  stellt  daher  eine  der  Karden 
in  umgekehrter  Lage  dar. 

Die  Figuren  694,  695  und  696,  Fol.  5  v,  sowie  die  Figuren  697,  698, 
699,  700  und  701,  Fol.  11h,  sind  Skizzen  zu  Tuchsclieermaschinen  {sogen. 


Tachrauhmaaehioeo,  Tiieliscbaennaschineii. 


457 


„mechanische  Scheeren^).  In  den  Skizzen  Fig.  694,  695,  696  hat  die  Scheere 
noch  die  Form  der  alten  Handscheere  (Schafscheere).  In  Fig.  696  liegt  das 
Tuch  auf  einem  Tische,  nnd  nur  ein  Scheerenblatt  wird  mechanisch  bewegt. 
In  Fig.  695  erfolgt  die  Bewegung  ebenso,  aber  das  Tuch  läuft  über  einen 
Cylinder.  In  Fig.  694  werden  beide  Blätter  der  Scheere  mechanisch  bewegt. 
In  den  Figuren  698,  699,  700  und  701  sind  die  Scheerenblätter  nicht  direkt 


Fig.  096. 


Fig  «97. 


Fig.  699. 


mit  einander  verbunden.  Diese  Skizzen  zeigen  verschiedene  Arten  der  Beweg- 
ungsübertragung auf  das  obere  Scheerenblatt  (den  Läufer)  und  Stellvorricht- 
ungen für  das  untere  (den  lieger). 

Fig.  697  zeigt  einen  Mechanismus  zur  Bewegung  von  zwei  Scheerenblättem 
und  zum  Fortschieben  des  Tuches  durch  ein  Schaltwerk. 


Fig.  700. 


Fig.  701. 


Zu  Fig.  698. 

L:  ^  ist  ein  Keil,  der  die  Scheerenschneide  hebt  und  senkl;  je  nachdem  sie 
das  einemal  mehr  Wolle  wegzunehmen  hat  als  das  anderemaL 

In  Fig.  701  ist  dieser  Keil  durch  eine  Stellschraube  ersetzt, 
.     Zu  Fig.  699. 

L:  o,  weil  es  ohne  Rolle  ist,  wird  besser  sdn,  da  ein  Zapfen  weniger  vor- 
handen ist,  der  sich  abnützt  Auch  ist  es  die  einfachste  Art,  die  man  anwenden 
kann.  Da  das  Tuch  gegen  f  hin  fortschreitet,  bewegt  es  sich  gegen  die  Schneide 
der  Scheere  (des  Liegers),  die  die  liegende  Wolle  aufhebt  und  auf  das  Beste  arbeitet 

Zu  Fig.  700. 

L:  Es  scheint  in  diesem  Falle  nöthig  zu  sein,  dass  beim  Zugehen  der  Scheere 
die  untere  Schneide  niedergehe,  damit  sie  besser  an  die  Wurzel  der  Wolle  gelangt 
Bdm  Niedergehen  der  Schneide  hebt  sich  der  Rücken  o,  weil  sich  das  Blatt  bei  /  um 


4SB  Leonardo  da  Tinci. 

änen  Zapfen  dreht  Damit  aber  die  Schneide  nur  wenig  Niedergang  erfahre,  machen 
wir,  dass  der  Ring  n  an  das  Knie  m  BtÖBSt 

Zn  Fig.  697. 

L:  Von  den  beiden  Eisenstangen  m  und  n  kann  jede  der  Führer  einer  Scbeere 
eein,  oder  trenn  Du  willst,  von  zweien,  wenn  nur  m  ebensoviel  zu  arbeiten  hat,  wie  n. 
—  Die  Schnur  p  q  bewegt  das  Tuch  gegen  die  Scheere  hin,  wenn  diese  geöffnet  ist; 
wenn  aber  die  Scheere  sich  schlieset  und  schneidet,  musä  das  Tuch  fest  liegen.  Denn 
wenn  das  Tuch  sich  unaufhörlich  bewegte,  würde  der  Theil  des  Tuches,  der  beim 
Beginne  des  Scheerenschlusses  geschoren  wird,  schon  etwas  fortgerückt  sein,  wenn 
die  Scheere  aufhört,  sich  zu  schliessen,  und  wenn  man  ne  Eum  zweitenmal  schliessen 
wollte,  würde  sie  Tuch  dazwischen  ungeschoren  lasKn.  Daher  ist  nöthig,  dass  das 
Tuch  während  des  Schnittes  eich  nicht  bewegt,  damit  die  abgeschorene  Linie  gerade 
und  rechtwinkelig  zu  den  Seiten  des  Tuches  sei 

HUin&delschlelftnaschinen. 
Dass  die  in  dem  Codice  atlantico  zerstreuten  Skizzen,  die  in  den  Figuren 
702  bis  708,  wiedergegeben  sind,  zusammengehören  und  was  sie  bedeuten, 


kann  nur  mit  Hilfe  einer  Zusammenstellung  der  dabei  stehenden  Bemerkungen 
Leonardo's  errathen  werden. 


Zu  Fig.  707,  Fol.  31  h,  auf  dem  Rande  des  grossen,  um 
Axe  sich  drehenden  Rades: 

L:  Kranz  von  Blei  mit  Schmirgel. 

Daraus  ist  ersichtlich,  dass  dieses  Rad  ein  Scbleifrad  ist. 


NabDadelschleifmaschineii. 


459 


Zu  dem  in  der  Detailzeichnnng  707  A  angegebenen  Führnhgsstücke  f&r 
den  unteren  Zapfen  der  vertikalen  Axe: 

L:  Dieses  macht  man,  damit  die  Axe  beim  Heben  ihres  Rades  nicht  aas  der 
Senkrechten  kommt. 

Zu  der  Detailzeichnung  Fig.  707  B,  die  den  in  der  Vorrichtung  neben 

dem  Schleifrade  über  zwei  Rollen  laufenden  und  dazwischen  zusammen  gehaltenen, 

endlosen  Riemen  vorstellt: 

L:  Dies  sei  Sämischleder,  das  die  weniger  dichte  Seite  innen  hat  und  dessen 
Enden  durch  Zwimnähte  und  Leim  verbunden  sind,  so  dass  sie  wie  aus  einem 
Stucke  sind.  Seine  Bewegung  mache  es  von  b  nach  a  hin,  damit  seine  Verbindungs- 
stelle nicht  gegen  den  Strich  läuft 


Fig.  704. 

Die  in  Fig.  702,  Fol.  25  t,  dargestellte  Vorrichtung  unterscheidet  sich 
von  der  in  Fig.  707  neben  dem  Schleifrade  dargestellten  nur  dadurch,  dass 
an  Stelle  der  geraden,  übereinander  hingleitenden  Riementheile  zwei  Lineale 
gesetzt  sind  und  dem  entsprechend  die  Bewegung  nicht  kontinuirlich,  sondern 
hin-  und  hergehend  erfolgt 


^>HHk 


Flg.  705. 

Fig.  706,  Fol.  25  h,  zeigt  denselben  Mechanismus  mit  einigen  kleinen 
Aenderungen,  und  hier  sieht  man,  dass  zwischen  den  Linealen  kleine  Körper- 
chen mit  kreisrundem  Querschnitte  liegen,  die  durch  die  Bewegung  der  Lineale 
um  ihre  Axe  gedreht  werden. 

Zu  Fig.  702.  L:  Hier  legt  man  die  gehärteten  (temperate)  ein  und  macht  sie 
ganz  fertig,  und  wenn  man  die  Spitze  herstellen  will,  wird  der  Drehzapfen  des  Rades 
in  der  Mitte  (des  Schleifrades)  durch  den  Fuss  niedergelassen  und  gehohen.  Das 
Rad,  das  durch  einen  Schraubenfuss  (pi^  a  vite)  gehoben  wird,  sinkt  nieder,  um  die 
Spitze  zu  bilden,  und  diese  Vorrichtung  (Fig.  702)  beugt  sich  in  den  Scharnieren  AB. 

Da  aus  Fig.  707  ersichtlich  ist,  dass  das  Heben  des  Schleifrades  durch 

eine  Kröpfung  in  der  vertikalen  Axe  geschieht,  so  ist  auch  anzunehmen,  dass 

das  Wort  pie  (Fuss)  ein  Kunstausdruck  für  eine  solche  Abbiegung  war,  der 

Zusatz  „a  vite^   aber  deutet   darauf  hin,   dass   die  Einkerbungen  in   dieser 


Ahhi»rsBX  HD  Sc'mghBaggwinöe  bilda.  WafanekeiMäch  soQ»  dv  Binf. 
von::  d:'^  Zsz^se  b«:^<n£:  U:.  Anfiap  m  dea  «>h»>f  Thül  dioes  Gewindes 
«BAlKt  ««d«t  3nd  seil  «o  der  leiLflgt*  AUicfVK  der  An  bemuter- 
•c&n::b«a.  dircit  ^«  Sr-Lrisfssxes  d«s  Sch>tfndes  «ihreiid  dei  AxacfaleifeBS 
der  Sphze  ilhclhixh  vArhiez.  JL^ttin  e»  st  nickt  Terständhct.  vie  bevirfct 
vedea  soSte.  dus  du  Sddeifrsd 
seh  BOT  mäiT  msd  Bchr  nach 
abvSzts  beves^   iber  nidit  ober 


Ass  d:e£«ii  B«iB«rtaii^n  ist 

erscttlid».  düä  hi*r  dänne.    ge- 

r«  7X.  Linete   G«£eEf£üi<ie    lut    krei»- 

rudea   t^ei^'hnin«   and     einer 

Dvrr'-^ixr.-rax  iz:  ^-zfizi  E=le  «?t  rrmd  sn.i  duic  ic  .isdereD  ErJ*  ipia  «scfaliffra 

«crri-ia  Mi-zetu  «^lo  *ack  die  BeseiebnaBg  ,äae9tn*  fsr  ein  y,kdeÄ>iir  äeitte  nicät 


E-iir  zr^Ti-:^l:;i  ist  BeiD  .VEspi^ec  »ca  Nii^^s  toü  Hicd  wenJea  lirese  mit 
ie=  l'i:.^.-:-  i;ii  ::^d  h^r  i^r;'.:;,  däsh&lb  ist  i=iT:=T!ir.ec  dis  Fig.  103  ra 
den  inziz.  E2:Tir:'e3  L«C5i?:-:"ä  sehört,  weii  ^Itr  die  beiden  Lineale  4i«  Itm- 
imd  b^rz-ihende  Bewe^^sj  t:-  TTiei  ib^reinanier  *:ii:i'=::e::,ien  Fla^wn  nach:- 
a^^iz.     Wi2pscbeL'-.::ci   scW'.i   !::er.   wie  in  dea  Fig.  T'?T   ae-i   706,  das   An- 


461 

drücken  der  Tfadeln  auf  das  Schleifrad  durch  eine  Feder  geschehen.  Doch 
hatte  diese  Konstruktion  (Fig.  702)  den  Fehler,  dass  die  Äxe,  um  die  sich 
der  Rahmen  dreht«,  tod  seiner  Mitte  zu  weit  entfernt  lag.  Deshalb  wurde 
in  Fig.  706  die  Drehungsaxe  dem  Rahmenmittel  bedeutend  näher  geruckt 
Die  Zugstange,  die  das  untere  Lineal  bewegt,  geht  hier  durch  den  festen 
Zapfen  am  Gestelle,  nm  den  der  Rahmen  schwingt.  Zum  Andrücken  der 
Nadeln  auf  den  Schleifstein  ist  hier  ein  Gewicht  angewendet,  das  an  einer 
Gurte  hängt,  die  am  eine  an  dem  Rahmen  befestigt«  Scheibe  geschlungen  ist 
Bei  den  Anordnungen  Fig  703,  704  und 
706,  Fol.  25  V,  ist  die  Drehaxe  ganz  in  die 
Mitte  des  Rahmens  versetzt.  Bei  Fig.  704 
ist  tmten  ein  Arm  angebracht,  gegen  den 
bei  dem  Hin-  nnd  Hergänge  der  Lineale 
einmal  eine  Kurbel  stösst  und  dadurch  den 
Rahmen  in  Schwingung  versetzt.  Obgleich 
hei  diesen  Mechanismen,  abgesehen  von  der 
Riemenstreckung  zn  einer  seitlichen  Ver- 
schiebung oder  einem  Fortrollen  der  Nadeln 
kein«  Neigung  vorhanden  ist,  hat  Leonardo 
doch  an  den  Enden  der  Nadelreihe  Anti- 
friktioBsrollen  angebracht ,  die  im  Falle 
einer  Verschiebung  der  äussersten  Nadeln 
diese  zurückhalten  sollen,  ohne  einen  merk- 
lichen Reibungswiderstand  zu  veranlassen. 
Da  aber  bei  gleich  schneller  Bewegung  der  _  ,^ 

beiden  Lineale  in  entgegengesetzten  Rich- 
tungen nicht  seitliches  Fortschreiten,  sondern  nur  eine  Drehung  der  Nadeln 
erfolgt  und  die  Drehungarichtung  für  die  Schleiferei  gleichgültig  ist,  so  konnten 
die  Lineale  auch  weggelassen  und  die  Nadeln  zwischen  einen  kontinuirlich 
umlaufenden,  endlosen  Riemen  gefasst  werden,  wie  dies  die  Fig.  707  und  708 
zeigen.  Die  Bewegung  der  Antriebswalz«  dieses  Riemens  geschieht  in  Fig.  707 
durch  spiralförmige  Zähne  auf  der  Schleifscheibe.  Das  in  diese  Zähne  ein- 
greifende Getriebe  muss  der  auf-  und  niedergebenden  Bewegung  der  Schleif- 
scheibe folgen,  deshalb  ist  das  Rügellager,  das  die  Antriebsrolle  des  Riemens 
umfasst,  um  einen  horizontalen  Zapfen  drehbar.  Daraus,  dass  in  Fig.  707 
sechs  Axen  mit  Getrieben  angedeutet  sind,  die  in  die  spiralförmigen  Zähne 
anf  dem  Schleifrade  greifen,  ist  ersichtlich,  dass  sechs  solcher  Apparate,  wie 
sie  Fig.  708  darstellt,  um  die  Schleifscheibe  herum  gestellt  werden  sollten. 
Ytr  die  Annahme,  dass  Leonardo  die  Konstruktion  Fig.  707  als  die  endgültige 
betrachtete,  spricht  auch  der  Umstand,  dass  die  Zeichnung  Fig.  708,  Fol,  57  t, 
mit  besonderer  Sorgfalt  ausgeführt  ist. 


462 


Leonardo  da  VincL 


Formerei. 

Die  Fig.  709bi8  714,  Fol.  19  v,  nnd  Fig.  715,  Fol.  19  v,  über  die  Her- 
stellung des  Modells  und  die  Form  zu  einem  Geschütze  bilden  eine 
werthvoUe  Ergänzung  zu  den  Beschreibungen  und  Abbildungen  YANUcao 
BmiNGücao^s  über  Geschützformerei  im  15.  und  16.  Jahrhundert  (Siehe  Dr. 
Ludwig  Beck,  Geschichte  des  Eisens,  Abth.  11,  S.  270.) 

Fig.  709  zeigt  die  hölzerne  Spindel  des  Modells.  In  Fig.  710  sehen  wir 
diese  mit  einem  Seile  dicht  umwickelt.     Darauf  wurde  Lehm  in   mehreren 


Fig.  109. 


Fig.  712. 


Fig.  710. 


Fig.  711. 


Fig.  713. 


Fig.  714. 


Lagen  mit  Hülfe  von  Schablonen  aufgetragen.  Um  das  Thonmodell,  das  nach 
Vollendung  der  Form  zerschlagen  nnd  stückweise  herausgenommen  wurde, 
leicht  zerbrechlich  zu  machen,  wurde,  wo  es  erforderlich  schien,  die  zuletzt 
aufgetragene  Lehmschicht  mit  Holzasche  bestrichen,  ehe  man  eine  neue 
Schicht  auftrug,  so  dass  sich  diese  beiden  Schichten  nicht  mit  einander  ver- 
banden. Feine  Verzierungen  wurden  aus  Wachs  oder  Talg  hergestellt,  so  dass 
sie  bei  der  Trocknung  der  Form  über  Kohlenfeuer  schmolzen  und  von  dem 
Thone  aufgesogen  wurden. 

Zu  Fig.  711.  L:  Diese  Figur  t  sei  die  fertige  Bombarde  (d.  h.  das  fertige 
Modell)  mit  ihren  Karnisen,  die  man  durch  Seil  uiid  Lehm  bis  zur  Berührung  mit 
der  Schablone  bringt.  Wenn  sie  getrocknet  ist^  glättet  man  sie  mit  flüssigem  Lehm, 
trocknet  wieder  und  trägt  Talg  düiin  auf. 


Geschützformerei,  Oefen.  463 

Auf  das  Modell  wurde  flüssiger  Lehm,  d.  h.  dünner  Lehmbrei  mit  dem 

Pinsel    wiederholt    aufgetragen,    bis  die   Form   die   gewünschte    Wandstärke 

erreicht  hatte.    Dann  wurde  sie  wieder  mit  einer  Schablone  abgedreht,  wie 

Fig.  712  zeigt. 

L:  Wenn  die  Fonn  in  dem  hier  gezeichneten  Zustande  h  ist,  muss  man  sie 
der  Lange  nach  mit  Eisen  armiren,  die  den  Krümmungen  der  Form  so  gut  wie 
möglich  folgen.  Diese  Eisen  müssen  so  lang  sein,  wie  die  Form,  müssen  ^/s  Elle 
von  einander  abstehen,  2  Finger  breit  und  1  Finger  dick  sein.  Dann  nimm  von 
dem  Bandeisen,  das  die  Umschliessung  bildet,  und  nachdem  Du  es  in  die  richtigen 
Längen  zerschnitten  hast^  machst  Du  vier  Fiuger  breite  Gürtel  daraus.  Damit  bindest 
Du  die  genannten  Eisen  alle  ^/s  Elle  der  ganzen  Länge,  indem  Du  die  (aufgebogenen) 
Kopfenden  der  genannten  Gürtel  mit  Eisendraht  imiwickelst  Darüber  streichst  Du 
eine  dünne  Schicht  Lehm  und  armirst  wieder  mit  anderen  Gürteln  zwischen  den 
unteren,  imd  diese  oberen  lasse  imbedeckt,  und  Du  hast  die  Form  vollendet 

Fig.  713  zeigt  die  vollendete  Form. 

Zu  Fig.  714.  L:  Wenn  Du  die  Form  vollendet  hast,  nimm  zwei  Bretter, 
etwas  länger  als  die  Form,  und  verbinde  sie  an  ihren  Enden  mit  einander,  so  dass 
von  einem  zum  anderen  eine  Entfernung  von  einer  Elle 
bleibt  Dann  legst  Du  nahe  bei  jedem  ihrer  Enden  einen 
dünnen  Balken  darauf,  so  lang,  wie  die  beiden  Bretter 
mit  ihrem  Zwischenräume  breit  sind.  Dann  lege  auf 
jedes  dieser  Bälkchen  einen  Sack  voll  Werg.  Diese  Säcke 
müssen  etwas  länger  sein,  als  die  Dicke  der  Form.  Dann 
hebe  die  Form  mit  Hebeln  auf  und  lege  sie  auf  die 
Wergsäcke.  Aber  zuerst  sorge  dafür,  dass  der  Weg,  den 
sie  zu  durchlaufen  haben,  abgekehrt  imd  sauber  ist  Dann 
lege   drei  Walzen   unter   die  obengenannten  Bretter  und  ^*  '^^ 

mache  sie  mit  Hebeln  dahin  laufen,  wohin  Du  willst. 

Wenn  Du  sie  (die  Form)  nahe  bei  ihre  Grube  gebracht  hast,  treibe  die  Spindel 
heraus,  indem  Du  gegen  ihr  dünnes  Ende  stössest,  wie  oben  abgebildet,  imd  ziehe 
das  Seil  heraus,  fahre  hinein  und  reinige  sie,  so  gut  Du  kannst  (d.  h.  befreie  die 
Form  von  dem  Thonmodell  und  reinige  sie  sorgfältig).  Dann  binde  sie  ein  wenig 
unterhalb  der  Mitte  an,  hebe  sie  senkrecht  über  das  kleine  Loch,  das  neben  ihrer 
Grube  ist,  und  erhitze  sie  wie  abgebildet  (diese  Abbildung  ist  in  den  bis  jetzt  er- 
schienenen Lieferungen  des  Codice  atlantico  nicht  zu  finden). 

Fig.  715  zeigt  eine  Ansicht  der  Vorrichtung  zum  Schabloniren  der  Form. 

Oefen. 

Fig.  716,  Fol.  32 V,  zeigt  einen  Eesselofen,  bei  dem  die  Luft  nicht 

nur  durch  den  Rost,  sondern  auch  von  der  Seite  in  die  Flamme  geleitet  wird. 

L:  a  Mundloch,  von  dem  aus  die  Luft  eintritt.  Von  a  bis  6  sei  ein  Kanal, 
damit  die  Luft  es  sei,  die  dem  Feuer  Bewegung  ertheilt 

Demnach  verfolgte  Leonardo  bei  der  seitlichen  Einführung  der  Luft  in 
die  Flamme  nur  den  Zweck,  diese  nach  der  Seite  hin  zu  treiben,  von  wo  sie 
in  den  Kanal  gelangen  sollte,  der  unter  den  Kesseln  herzieht. 

Die  Fig.  717  und  718,  Fol.  32  v,  zeigen  den  Grundriss  und  die  Ansicht 
eines  Flammofens. 

Li  dem  Grundrisse  Fig.  717  ist  der  Feuerraum  mit  fuoco  =  Feuer, 
der  Herd  mit  bagnio  =  Bad  (hier:  das  Feuerbad),  der  Fuchs  mit  sfiatoio  =  Aus- 


461  LMDtrio  da  Vind. 

b1«aeüEFniing  bezeichnet  Bei  einer  dem  Fenerraame  gegenfiberliegenden  Oeff- 
nnng  steht  das  Wort:  zafifo  =  Spnnd  oder  Zapfen,  sie  dürfte  daher  ale  ein 
Abstichloch  zu  betrachten  sein. 

In  Fig.  718  ist  das  SchOrloch  auf  der  tiDken  Seite  des  Ofens,  darch  du 
die  Holzscheite  für  die  Feuening  eingeschoben  werden,  und  das  A&chenloch 


Ft|.  IIA. 


Fig.  718. 


darunter  mit  dem  Worte  fornello  ^  Ofen  bezeichnet.  Man  ersiebt  jedoch  ans 
der  Zeichnung,  dass  auch  von  der  gegenüber  liegenden  Seite  Brennmaterial 
eingeschoben  werden  sollte. 


Verschiedene  andere  Maschinen. 

Auf  derselben  Seite  mit  diesen  Oefen  findet  sich  Fig.  719.  FoL  32  v,  die 
eine  Schleifmaschine  für  Hohlkngelabscbnitte  darstellt 

L:  Diese  Kugel  mache  man  ron  Erde  <Thon),  dann  ertiitxe  (brenne)  man  sie 
und  bringe  sie  «ieder  auf  ot»ges  Instrument,  dann  übeipesse  man  ÖB  dick  mic  Glaa 


ur.tl  A'Ui'  $:('  un'p-ki'r.rt  in  ii<^ii  OtVn  auf  Afche  oml  auf  die  ebene  Fläche  gesielli, 
dam:t  iLis  iV..sr  ^h:-.!.''!!  heiauiläun. 

Zu  J.rt  litmt'Sen  «liAeihien  Petailskiiie  Fig.  719  J  L:  Bciesdpine  der  Ku^ 
l\!,  h.  l-■lj^ —■.ii:  ■.'.vr  i?:-;:;^:t'I.  to  das  GefisS  irägt,  «oriii  der  HoUkugvlabsckiiin  her- 

Ferr.tT  izii-.  sU-h  a:::  derse!ben  S*ite  Fig.  T'JO.  FoL  32  t,   eine  P&nbe) 


ScbleiünitcbiiM  fQr  HotiUpiegel,  Armbrust  mit  Kniebebel.  ifö 

L:  Wenn  man  eine  Hohlkugel  machen  vnll,  die,  indem  sie  die  Sonnenstrahlen 
zurückwirft,  das  Terbreont^  was  man  ihrem  Strahlenkegel  (piramida)  aussetzt^  mache 
man  zuerst  eine  Pyramide,  wie  oben  abgebildet,  so  dass  cd  zweimal  in  ab  geht. 
Dann  nehme  man  die  Mitte  der  I^e  db,  welche  e  ist,  und  säge  bis  zur  Mitte  der 
Grundfläche  der  Pyramide,  welche  e  'nt,  und  nach  diesem  Schnitte  mache  Deine 
Schablone.  Und  wisse,  dass  die  Pyramide  rund  wäa  musa,  vergleichbar  einem  Zucker- 
hute (d.  b.  es  ist  eigentlich  keine  Pyramide,  sondern  ein  Kegel). 

Bei  nnserer  Betrachtang  der  in  Paris  befindlichen  Mannskripte  Lgonahdo's 
haben  wir  gesehen,  wie  sehr  er  bestrebt  war,  grosse  Brennspiegel  herzustellen, 
sowohl  aus  Metall,  als  auch  aoB  Glas.  (Siehe  S.  353  bis  364.)  Es  scheint 
uns  danach  kaam  zweifelhaft,  dass  die  Schleifmaschine  Fig.  719  zur  versuchs- 
weisen Herstellung  tbönemer,  innen  mit  Glas  überzogener  Brennspiegel  dienen 
sollte  und  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  Oefen  Fig.  71ti  bis  718  ebenfalls 
für  diesen  Zweck  bestimmt  waren. 


An  dem  soeben  angegebenen  Orte  haben  wir  den  Beweis  zu  erbringen 
gesucht,  dass  Leonardo  den  Strahlenkegel  eines  Brennspiegels  mit  dem  Worte 
„piramida"  bezeichnet.  Seine  Bemerkung  zn  Fig.  720  zeigt  dies  auFa  Klarste. 
Es  geht  auch  daraus  hervor,  dass  ihm  ein  besonderer  Name  für  den  Begriff 
„Kegel",  wenn  nicht  unbekannt,  so  doch  nicht  geläufig  war,  denn  er  bedient 
sich  auch  hier,  wo  von  einem  zn  zerschneidenden  „Kegel"  die  Rede  ist,  des 
Namens  „Pyramide",  und  erst  am  Schlüsse  ßllt  ihm  ein,  den  Begriff  „Kegel" 
durch  die  Umschreibung  „runde  Pyramide"  besser  zum  Ausdrucke  zu  bringen. 

Von  den  vielen  Schleudermaschinen,  die  Leonardo  skizzirt  hat, 
wollen  wir  nnr  einige  hier  vorführen. 

Fig.  721,   Fol.  56  7,  eine  grosse  Armbrust,   die  durch   Kniehebel 

gespannt   wird.     Der  Haken,   der  die  Bogensehne   erfasst  (die  Nuss),    ist,   wie 

bei   den   von   Vithiiv    beschriebenen   Katapulten,    in    einem   langen    Schieber 

(Läufer)   gelagert   (vergl.  S.  öö).    Dieser  Läufer  wird  hier   durch  einen  Knie- 

BMk.  80 


tfß  Leomdo  i»  Tina. 

hebe)  bevegt,  der  bekanntlich  die  EÜgenschaft  hat.  dass  er  anfangs  eine  rasche 
Bewegung  mit  geringem  Dracke.  gegen  das  Ende  der  Bewegung  hin  aber  eine 
langsame  mit  sehr  starkem  Drucke  erzeugt,  und  dies  ist  es  gerade,  was 
LfOKARDO  bei  seinen  mechanischen  Spannvorrichtungea  für  Armbrüste  zu 
erreichen  sachte. 

Zur  Hnuptfigur.     L:  Diese  Annbnirt  hat  eine  Sjiss,   die  die  Schnor   ofasst. 

Zur  Detailietchnung  rechte  von  der  Hauptfigur.  L:  Wie  die  Ärmbmst  im 
laueren  beschaffen  ist 

Fig.  722,  Fol.  53  T,  eine  riesige  Armbrust  zum  Schleudern  von 
Steinen. 

Zur  Hauptfigur.  L:  Diese  Armbni-t  hat  zniscben  ihren  Anneo,  d.  h.  iro  die 
Schnur  befestigt  ist,  42  Ellen  und  an  der  dicksten  Stelle  ohne  die  Annatur  l*/s  EUen 


Ft«.  T£ä 


und  an  der  dfinnsten  ','3  Elle.  Sie  hat  eine  Höhe  (Pfeilhöhe  des  Bogens?)  von 
14  Eilet),  ihr  Schaft  ist  2  Ellen  breit  und  40  lang,  und  äe  schleudert  100  Pfund 
Stein.  Und  wenn  sie  auf  dem  Wege  ht,  wird  der  Schaft  niedriger  gemacht  und  den 
Bogen  stellt  man  der  Länge  des  Schaftes  nnch. 

Zu  der  DetniUktzze  links  oben.  L:  Diea  zeigt,  wie  die  VoTtichtung  gemacht 
wird,  die  die  Schnur  fassL  Ihr  Lo$liisseii  ninl  durch  einen  Schlag  mit  dem  Hammer 
über  der  Xuss  bewirkt. 

Zu  der  DeialUkizze  links  unten.  L:  Dieses  bringt  denselben  Effekt  hervor, 
wie  die  obigo  Vorrichtung,  nur  da^s  das  Auslösen  mit  dem  Hebel  und  ohne  Qoäusch 
erfolgt. 

Zu  der  Detatlskizze  rechts.     L:  Das  Anziehen  der  Annbnistschnur. 

Fig.  723,  Fol.  31t.  Eine  Schleudermascbine  nach  einem  System, 
das  Leonardo  rietfacb  bebandelt  hat.    Eine  Schleuder  ist  an  einem  Ende  eines 


SebleudennoachiDe,  Tancherapparat,  WesserlBarer. 


467 


gebogenen,  elaatischeo  Balkens  befestigt,  der  über  einem  horizontalen  Balken 
des  Gestelles  liegt.    Sein  anderes  Ende  ist  mit  dem  «ines  leiten  solchen 
Bogens   durch  Flaschenzng  verbunden.    Dieser   zweite  Bogen  geht  ebenfalls 
über  den  genannten  horizontalen  Gestell- 
balken   und    ist    mit  seinem  anderen 
Eaä»  wiederum  durch  Flaschenzug  mit 
dem  eines  dritten  Bogens  verbunden, 
dessen  anderes  Snde  mit  dem  Gestelle 
fest  verbunden  ist.    Die  Flaschenzüge 
können  durch  eine  Winde  gleichzeitig 
angezogen    werden.      Ist    vorher    die 
Schleuder  mit  dem  Gestelle  leicht  lös- 
bar  verbunden,  wie  aus  der  Figur  er- 
sichtlich ist,  so  spannt  man  durch  das 
Anziehen  der  Flascbenzüge  sämmtliche  fg.  i^. 

Bogen  gleichzeitig.     Werden  nun  die 

zusammengezogenen  Enden  in  dieser  relativen  Lage  erhalten  und  wird  die 
Verbindung  der  Schleuder  mit  dem  Gestelle  gelöst,  so  wird  die  Schleuder 
durch  einen  grossen  Bogen  mit  grosser  Kraft  bewegt. 


Hydraulik  und  Pneumatik. 
Fig.  724,  Fol.  7  v,  zeigt  einen  Taucherapparat,  unter  der  schwimmen- 
den Scheibe,  die  das  Ende  des  Respirationsscblanches  über  Wasser  hält,  steht 
das  Wort:  snghero  ^^  Kork.    Links  von  dem  Kopfe  des  Tauchers: 


L:  Unter  Wasser  zu  gehen. 

Die  daneben  stehende  Skizze  Fig.  725  zeigt  nur  eine  Verbesserung  dieser 
Taucherarmatnr.  Der  muscbelförmige  Mundabschluss  ist  vergrössert,  die 
Augen  sind  durch  eine  Brille  und  der  Schädel  durch  eine  Kappe  geschützt. 

Wir  erinnern  an  den  in  unserer  ersten  Abhandlung  über  Leonardo 
besprochenen    Taucherhelm   (siehe  Fig.  97,  S.  98},    besonders   aber  an  den- 

80» 


4lS8  LfMBArdo  iM  T 

jenigen.  welcher  sich  schon  in  den  .Skizzen  ans  der  Zeit  der  HnsBÜenkriege' 
findet  (Flg.  331,  S.  2^2 . 

Fig.  726,  FoL  7t.  zeigt  die  Ansrastnng  eines  Mannet,  der  anf 
dem  Wasser  gehen  soIL  An  seinen  Füssen  und  unten  an  zwei  Stocken, 
die  er  in  den  Händen  hält  sind  grosse  Korkstücke  oder  SchwimmUasen  be- 
festigt. Damit  soll  er  über  das  Wasser  schreiten,  indem  er  die  Lnst  seines 
Korpers  immer  auf  drei  Stützpunkte  Yertheilt.  wahrend  er  den  ▼ierten  TorsetzL 

Fiff.  727.  FoL  7  h.  zeist  links  eine  Archimedische  Schnecke,  ans 
einem  schraubenförmig  gebogenen  Rohre  gebildet,  das  am  unteren  Ende 
erweitert  ist. 

L:  So  müssen  die  Mündungen  solcher  Sdumben  geniaüit  werden. 

Fig.  727  rechts:  eine  doppelgängige  Wasserschraube,  ans  zwä 
gleich  gewundenen  R«Thren  gebildet 

L:  Die  zwri?^inge  idi  2  faccie^  lieht  mehr  Wasser  als  irgend  eine  nnd  ist 
(dem  entsprechexi'i;  schv^erEr  zu  drehen. 


FI;.  727.  ITj.  72SL 

Fiff.  72S,  FoL  7  a.  eine  einglnsrige  Wasserschraube  und  da- 
hinter eine  dreigängige   und  ein  dreiseitiges  Prisma  gewandene. 

Zu  Er^tcrer  L :  Art.  Wa:?5er  zu  heben  und  jeden  grossen  Sumpf  za  entleeren. 

Se  "i:e  Wa55er=*:hraube    entleert  sohr.elL  wie  eine  Pumpe  itiombaV. 

Zu  Letzterer  L:  Diese  Sohnecke  in  Drvieckstonn  würde  vid  mehr  Wasser 
fordern,  als  die  rinde  «einsdnjr'jei.  d:ch  ist  sie  weniger  leicht  umzodr^en.  Eis  ist 
weniger  mühsam,  sie  aus  Holz  zu  machen.  Bei  dieser  Schianbe  werfen  beim  Aus- 
triae  des  Wassers  zw-ri  von  den  «irei  Seiten  Wasser  aus. 

Fig.  129,  Fe!.  7  h.  ein  durch  ein  unterschlachtiges  Wasserrad 

Termittelst  Zahnriderübersetzung  betriebenes  Schöpfrad. 

L:  r^T  mit  a  bezeichnete  Tr.;^  hat  das  gr:sse  Bad  (Schöpfrad)  in  sich  auf* 
zunehmen,  und  der  mit  b  bezeichnete  muss  iziiorhalb  des  DuzchmeaaerB  (oder  eigent- 
lich des  Umfang«^  des  genannten  Bades  liegen. 

Die  Figuren  T3*J  und  731,   FoL   9h.    zeigen   ein  Schopfrad,    darch 

Handgopel  betrieben,  und  zwar  liej:t  bei  Fig.  730  die  TransmissionsireUe 

über,  bei  Fig.  731  aber  unter  dem  FussKden. 

Zu  Flg.  731.     L:   Wasser  schöpfen   mit  demselben  Erfolge,  wie    bei    ohmr 

Abbildung. 


echneoken,  SdiSpfrldw,  mtohwüscW  Zitbbniiuan. 


Fig.  732,  Fol.  7t,  eine  mecbaniacli  bewegte  Wippe  mit  ange- 
hängtem Eimer,  nm  Wasser  ans  einem  Bronnen  za  scIiöpfeD. 

L:  Alt,  Waas»  su  heben.  Bei  vier  Umdrehimgeii,  die  man  der  Kurbel  des 
Rades  giebt,  vnrd  die  Wippe  sich  heben  und  niedergehen. 

Das  Gegengewicht  der  Wippe  ist  hier  so  einem  Zahnbogen  mit  32  Zähnen 
{wie   die  in  der  Skizze  eingeschriebenen  Zahlen  andeuten)  ausgebildet.    In 


Rg.  TM. 


diesen  greift  ein  auf  einer  Kurbelaze  verschiebbares,  aber  nicht  darauf  dreh- 
bares Getriebe  mit  8  Zähnen.  Mit  der  Kurbelaze  fest  verbunden  ist  ein 
Getriebe  mit  6  Triebstöcken,  das  vermittelst  eines  Stirnrades  mit  64  Zähnen 
eine   unterhalb   der  Kurbelaxe   gelagerte  Welle   umdreht,   worauf  eine  Walze 


c^^ 


Fl«.  132. 


Flg.  7S3. 


befestigt  ist,  in  die  ein  in  sich  selbst  zurückkehrender  Schraubengang  einge- 
schnitten ist.  In  diesen  greift  ein  Mitnehmer,  der  das  zuerst  genannte  G«> 
triebe  auf  der  Kurbelaxe  soweit  hin  und  her  schiebt,  dass  es  nach  vier 
Kurbeldreh ungen,  wenn  die  Wippe  vollständig  gehoben  ist,  ausser  Eingriff 
kommt  und  die  Wippe  wieder  herabfällt. 

Die  von  uns  betgefügte  Detailskizze  A  zeigt  den  Mechanismus  zum  Uin- 
ond  Herschieben  etwas  deutlicher  als  die  Hauptfigur. 


470 


LtoDardo  dm  Vinci, 


Fig.  733,  Fol.  öv,  zeigt  einen  Apparat  znm  Messen  des  Druckes, 
den  ein  flie&sendes  Wasser  auf  eine  Scbattfel  ausübt. 

Fig.  734,  Fol.  20h,  ein  hydrauliBch'es  Füll-  nnd  Läutewerk  zo 
einer  Wasseruhr. 

L:  Wenn  es  24  Uhr  läutet,  haben  sich  die  Bottiche  /«  vollständig  gefüllt, 
nnil  so  entleeren  sie  sich  durch  Heber  alle  auf  einmal  und  verschlie«een  die  Bottiche 


Fig.  lat.  Fii.  7Ji. 

darüber,  die  sich  bei  der  gegebenen  Einrichtung  schnell  fallen.  —  Jfache,  dasa  der 
Schwimmer  (baga)  m  beim  Niedersinhen  vermöge  seinea  Gewichtes  ebensoviel  Kraft 
hat,  wie  beim  Aufsteigen  vermöge  seinea  Auftriebes  (levitä).  Er  musa  daher  einmal 
die  Schwere  für  das  Herabgehen  und  zweimal  soviel  Auftrieb  haben,  wovon  die  «ne 
Hälfte  dem  Gewichte  widersteht  und  die  andere  zum  Aufsteigen  frei  bleibte 

Die  ZifTerblätter   der   italienischen  Uhren   zeigten   24  Stunden.     24  Uhr 
war  die  Mittagszeit.    Die  sehr  zahlreichen  Hausgenossen  eines  römischen  Pa- 


FlB.  73«. 


Flg.  737, 


Flg.  738. 


trizierhauses  za  den  Mahlzeilen  durch  Glockengelänte  zusammenzurufen,  ■war 
eine  alte  Sitte,  die  schon  Lucianus  (120  bis  190  n.  Chr.)  erwähnt.  Auch  wird 
in  HiERONtMi  Maggii  „de  Tintinabulis",  Hannover  1608,  erwähnt,  dass  dies  in 
vornehmen  römischen  Hättsem  Sitte  sei.  Da  in  Leokardo's  Bemerkung  das 
Wort  „Bottiche"  stets  in  der  Mehrzahl  gebraucht  ist,  darf  man  vobl  annehmen, 
dass  mehrere  Läutwerke,  wie  Fig.  734  eines  zeigt,  in  dem  betreffenden  Patri- 
zierhause angebracht  werden  sollten. 

Die  Figuren   735   und   736,   Fol.   14h,  zeigen  zwei  Hebelmechanis- 
men  zur  Bewegung  von  Blasbälgen.    Wir  erinnern  an  die  verschiedenen 


Hydnraliaches  L&utewerk,  Blasebälge,  SpringlirnimeD  auf  den  Tiscb, 


471 


Mechanismen,  die  Vakuccio  Birlvguccio  za  diesem  Zwecke  aDgiebt  (Siehe 
S.  117  bis  121.) 

Fig.  737,  Fol.  7t,  zeigt  einen  gewöhnlichen  Lederbalg  zum 
Wasserpumpen.  Hier  soll  die  Bewegung  des  Deckels  durch  eine  Schraube 
mit  rechtem  and  linkem  Gen-inde  erfolgen,  die  vermittelst  eines  seitlichen 
Armes  hin  und  her  gedreht  wird. 

Zu  Fig.  738,  Fol.  7  h. 

L:  Aus  diesem  Apparat  könnte  man  ein  Gefäss  bilden,  das  swei  oder 
drei  Stunden  lang  Wasser  auswirft,  oder  einen  Kühler  aul  den  Tisch. 
Er  besteht  aus  einem  Gewichte  von  Blei,  das  auf  einen  mit  Wasser  gefüllten  ledernen 
Sack  (einen  cjlindrischen  Balg)  drückL  Und  dasselbe  Wasser  füllt  den  Sack  wieder, 
wenn  man  das  Blei  wieder  in  die  Höhe  zieht,  wie  es  abgebildet  ist,  aber  er  müseta 
zwei  Ventile  haben,  das  erste  über  dem  Blei,  das  zweite  über  dem  Sacke.  Und  dieser 
Sack  mflsste  von  Hundeleder  sein,  getränkt  mit  lieinGl  und  getrocknet. 


F)R.  710. 


Fig.  739,  Fol.  7v,  zeigt  einen  selbsttbiltigen  Apparat  für  ähn- 
liche Zwecke,  wie  der  vorige.  In  einem  ganz  gescblosseneo  Gefässe, 
dessen  oberer  Boden  eine  Schale  mit  zwei  nach  aussen  sich  öffnenden  Ven- 
tilen bildet,  stehen  zwei  kleine  Balgpumpen  mit  gemeinschaftlichem  Steigrohre. 
Von  diesen  trägt  jede  ein  Wassei^efäss,  das  oben  offen  und  weiter  ist,  als 
am  Boden,  und  nahe  bei  diesem  in  der  Seitenwand  ein  sich  nach  innen 
öffnendes  Ventil  hat.  Jede  der  Balgpumpen  mit  dem  Wassergefässe  ist  an 
einem  Arm  eines  Balanciers  mit  Schnüren  oder  Ketten  angehängt.  Dieser 
Balancier  ist  nach  jeder  Seite  hin  so  weit  verlängert,  dasa  er  beinahe  an  die 
Wand  des  die  Bälge  umschliessenden  Gefässea  reicht.  Kommt  eines  seiner 
stark  konisch  zugespitzten  Enden  in  seine  tiefste  Stellung,  so  Öffnet  sich  das 
Ventil  des  daranhängenden  Wassergefässes ,  indem  es  gegen  einen  schräg 
stehenden  Stift  stösst,  der  an  der  Wand  des  umschliessenden  Gefässes  befestigt 
ist.  An  dieser  Wand  ist  auch  ein  federnder  Haken  befestigt,  der  das  konische 
Ende  des  Balanciers  in  seiner  tiefsten  Stellung  erfasst.  Auf  dem  Balancier 
sind  zwei  in  die  Höhe  stehende  Stifte  befestigt,  wovon  jeder  in  seiner  höchsten 


473  Leonardo  da  Vinci. 

Stellung  eines  der  Ventile  im  Deckel  des  umschliessenden  Gefässes  anfstössL 
Diese  Ventile  sitzen  über  der  Mitte  der  Gefässe  auf  den  Balgpumpen. 

Ist  etwas  Wasser  in  dem  umschliessenden  Gefässe,  steht  der  Balancier 
so,  wie  in  Fig.  739  angegeben,  und  lässt  man  Wasser  auf  den  Deckel  des 
umschliessenden  Gefässes  fliessen,  so  läuft  es  durch  das  offene  Ventil  in  das 
Wassergefäss  auf  der  rechten  Balgpumpe.  Ist  dies  gefüllt,  so  drückt  es  den 
federnden  Haken  über  dem  konischen  Ende  des  linken  Balancierarmes  zurück 
und  beginnt  zu  sinken,  wodurch  sich  zunächst  das  seither  offene  Ventil 
schliesst.  Während  des  Niederganges  des  rechten  Wassergefasses  saugt  die 
^  linke  Balgpumpe  Wasser  aus  dem  umschliessenden  Gefässe.  Gelangt  das 
rechte  Wassergefäss  in  seine  tiefste  Stellung,  so  öffnet  sich  sein  Ventil  und 
das  über  dem  linken  Wassergefässe,  worauf  dieses  sich  füllt  und  das  andere 
sich  entleert.  Dann  treibt  die  linke  Pumpe  ihr  Wasser  in  ihr  Steigrohr, 
während  die  rechte  ansaugt  u.  s.  f.  Das  emporgetriebene  Wasser  fällt  in  den 
Deckel  des  umschliessenden  Gefässes  zurück  und  dient  wieder  als  Aufschlag- 
wasser;  doch  genügt  es  nicht,  um  die  Maschine  im  Gange  zu  halten,  sonst 
wäre  sie  ein  Perpetuum  mobile.  Es  muss  bedeutend  mehr  Wasser  in  den 
Gefassen  auf  den  Balgpumpen  niedersinken,  als  durch  diese  in  die  Höhe 
geworfen  werden  soll.  Deshalb  müssten  diese  Gefässe  im  Verhältniss  zu  den 
Balgpumpen  viel  grösser  sein,  als  sie  in  der  Skizze  angegeben  sind,  und  der 
Theil  des  Aufschlagwassers,  der  nicht  von  den  Pumpen  angesaugt  wird,  müsste 
aus  dem  umschliessenden  Gefässe  abfliessen. 

Fig.  740,  Fol.  7v,  zeigt  zwei  Wasserpumpen,  durch  einen  Ba- 
lancier getrieben,  der  zwei  einander  gegenüber  liegende  Arme  eines 
halben  Stirnrades  bildet,  das  durch  ein  Getriebe  auf  einer  Kurbelwelle  von 
Hand  bewegt  wird.  Die  Art,  wie  der  Balancier  hier  bewegt  wird,  ist  die- 
selbe, wie  bei  dem  Krahn  Fig.  667,  und  es  gilt  daher  auch  hier,  was  wir  zu 
Fig.  667  bemerkten. 

Fig.  741,  Fol.  7  h. 

L:  Art,  Wasser  in  ein  Haus  zu  ziehen  aus  einem  Brunnen,  der 
in  der  Strasse  ist 

An  der  Seite  eines  Fensters,  durch  das  der  gefüllte  Wassereimer  in  das 
Haus  gebracht  werden  soll,  ist  ein  eiserner  Arm  befestigt,  der  über  den 
Brunnen  in  der  Strasse  reicht  und  an  seinem  Ende  eine  feste  Leitrolle  trägt. 
Eine  zweite  Leitrolle  ist  beinahe  senkrecht  unter  diesem  Arme  an  der  Seite 
des  Fensters  befestigt.  Ueber  beide  Leitrollen  ist  ein  Seil  gelegt.  Darauf 
läuft  die  obere  Rolle  eines  Rollengehäuses,  woran  auch  das  über  dem  Brunnen 
herabhängende  Ende  des  genannten  Seiles  befestigt  wird,  während  ein  an 
seinem  anderen  Ende  befestigtes  Gewicht  das  Seil  spannt  und  das  Rollen- 
gehäuse nach  der  über  dem  Brunnen  befindlichen  festen  Leitrolle  hinzieht. 
Ueber  die  untere  Rolle  in  dem  Rollengehäuse  ist  ein  zweites  Seil  gelegt,  das 
am  einen  Ende  den  in  den  Brunnen  herabhängenden  Eimer  trägt,   während 


Wasunmfzug,  ZwbbraDDni,  Pumpe. 


473 


sein  anderes  Ende  an  einer  Seiltrommbl  befestigt  ist,  die  durch  eine  Hand- 
kurbel gedreht  wird  und  mit  einem  Spenrade  versehen  sein  muss.  Dreht  man 
dann  die  Kurbel  ao,  dass  letzteres  Seil  sich  auf  die  Trommel  windet,  so  wird 
der  Eimer  senkrecht  in  die  Höhe  gezogen,  bis  sein  Bügel  an  das  Rollengehänse 
stösst  and  er  nicht  veiter  steigen  kann.  Dreht  man  dann  die  Kurbel  in  der- 
selben Richtnng  weiter,  so  zieht  man  dadurch  das  Rollengehänse  mit  dem 
Eimer  nach  dem  Fenster  hin,  nnd  das  Gewicht  an  dem  Seile,  worauf  dieses 
läuft,  wird  gehoben.  Ist  der  Eimer  im  dem  Fenster  angelangt,  so  wird  er 
abgenommen,  entleert  nnd  wieder  angehängt.  Hebt  man  dann  die  Sperrkliuke 
aus  nnd  dreht  die  Handkurbel  rückwärts,  so  wird  zunächst  das  Rollengehänse 
durch  das  Gewicht  wieder  nach  aussen  gezogen,  bis  es  an  der  festen  Leitrolle 
über  dem  Brunnen  anstösst,  und  dann  geht  der  Eimer  wieder  nieder. 


Zu  Fig.  742,  Fol.  7  h. 

L:  Jedesmal,  wenn  der  Eimer  voll  ist,  lege  die  Hand  auf  da«  Getriebe  (s^rava 
la  niano  in  su  la  rocca),  und  der  Eimer  wird  von  selbst  heraufkommen,  überwältigt 
von  der  Schwere  des  Gegengewichtes. 

^yelchen  Vortheil  dies  bieten  sollte,  ist  schwer  verständlich,  da  die 
Arbeit,  die  man  beim  Aufziehen  des  Eimers  gespart  hatte,  beim  Herablassen 
desselben  oder  beim  Heben  des  Gegengewichtes  aufgewendet  werden  musste. 

Fig.  743,  Fol.  63t:  Zwei  Pumpen  durch  Balancier,  Flügel- 
stange und  Kurbelaxe  mit  Schwungrad  betrieben. 

Auf  derselben  Seite  findet  sich  Fig.  744,  Fol.  63t;  Zwei  Pumpen 
durch  zwei  in  parallelen  Ebenen  liegende  Hebel  betrieben. 
Diese  werden  Ton  einer  Scheibe  bewegt,  die  beiderseits  mit  je  zwei  Zapfen 
Tcrsehen  ist,  die  wie  Hebedaumen  wirken. 

li-,  ah  küner. 


474 


Leonardo  da  Tinci. 


Fig.  745,  Fol.  56  v:  eine  Pumpe,  dnrch  Korbelaxe  mit  Schwung- 
rad betrieben,  die  durch  eine  Schubstange  von  Hand  bewegt  wird. 

L:  Dieaes  Schwungrad  diubb  am  Kran»  (per  teata)  Backsteine  haben,  damit 
ea  schwer  seL 

Fig.  746,  Fol.  7v:  Zwei  Pumpen  ia  einem  Brunnen  mit  ge- 
krümmten C7I indem ,  deren  ebenso  gekrümmte  Plungerkolben 
direkt  an  zwei  Hebeln  festsitzen,  die  sie  bewegen.  Die  Krümmangs- 
mittelpunkte  der  Cylinder  fallen  mit  den  einander  gegenüber  liegenden  Dreh- 
punkten der  Hebel  zusammen.  Die  zu  bewegenden  Enden  der  Hebel  sind 
durch  Ketten  oder  Zugstangen  mit  zwei  über  dem  Brunnen  gelagerten  Balan* 
ciers  verbunden.  Am  anderen  Ende  dieser  Balanciers  sind  Zahnbogen  be- 
festigt,   die  beide    von    entgegengesetzten  Seiten  in  ein    Getriebe     greifen, 


Fl«.  744. 


Flg.  745, 


Fit.  TM. 


das  durch  eine  Handkurbel  vermittelst  einer  Stirnräderübersetzung  be- 
wegt wird. 

Wer  Bamelli's  Pumpenkonstruktionen  kennt,  dürfte  beim  Anblicke  dieser 
Skizze  kanm  mehr  zweifeln,  dass  Ramrlu's  Kunst  aus  Leonardo'»  Schule 
stammte. 

Fig.  747,  Fol.  5t:  Zwei  Pumpen,  die  in  einen  Tollständig  ge- 
schlossenen Kasten  eingesetzt  sind,  der  wie  ein  Saugwindkessel 
wirken  musste,  während  sie  mit  ihren  oberen  Enden  über  den  mit  Rand- 
leisten versehenen  Deckel  des  Kastens  hervorragen,  auf  den  das  Wasser  über- 
fliesst  und  seitlich  herabgeleitet  wird.  Die  Bewegung  der  beiden  Ventilkolben 
der  Pumpen  erfolgt  durch  einen  Balancier  mit  schwerem  Pendel,  dessen 
Gewicht  mit  zwei  Zugstangen  von  Hand  bewegt  wird. 

Leider  fehlt  zu  dieser  Skizze  jede  Erläuterung  von  Seiten  Lbonardo*8, 
so  dass  man  nicht  weiss,  ob  er  nicht  etwa  die  Absicht  hatte,  den  Kasten  ganz 
mit  Wasser  zu  füllen,  ehe  er  die  Pnmpenkolben  in  Bewegung  setzte.  Hätte 
er  vor  Ingangsetzung  der  Pumpen  kein  Wasser  in  den  Kasten  bringen  wollen, 


Pampen. 


476 


80  hätte  er  wissen  müssen,  dass  dann  die  Pnmpen  zunächst  Luft  aus  dem 
Kasten  saugen,  d.  h.  er  hätte  bereits  eine  Idee  von  einer  Luftpumpe  haben 
müssen,  während  angenommen  wird,  dass  diese  etwa  150  Jahre  später  von 
Otto  von  Guericke  erfunden  worden  sei.  In  diesem  Falle,  sowie  bei  nur  theil- 
weiser  vorheriger  Füllung  des  Kastens,  hätte  dieser  als  Saugwindkessel  funk- 
tionirt.  Der  Saugwindkessel  aber  gilt  für  eine  noch  viel  neuere  Erfindung  als 
die  Luftpumpe. 

Fig.  748,  Fol.  56v:  eine  schwingende  Rinne  zum  Wasser  heben. 
Solche  fanden  wir  schon  unter  den  ^Skizzen  aus  der  Zeit  der  Hussitenkriege^ 


Flg.  747. 

(siehe  Fig.  349,  S.  289);  doch  wird  die  hier  schwingende  Rinne  einfach  durch 
ein  Stück  Leder  oder  Tuch  gebildet. 

Fig.  749,  Fol.  22v:  ein  Apparat,  um  selbstthätig  einGefässmit 
einer  Flüssigkeit  abwechselnd  zu  füllen  und  zu  entleeren. 

L:  Wenn  g  bis  zur  äussersten  Höhe  steigt,  schaltet  sich  h  aus,  fällt  und 
zieht  a  nach  sich,  wodurch  sr  bewegt  wird.  Zu  gleicher  Zeit  öffnet  sich  a  und 
schliessen  sich  h  und  c  oben  und  d  und  e  unten  (?}. 

Wenn  f  bis  zum  tiefsten  Stande  niedergegangen  ist,  schaltet  sich  g  aus,  fällt 
und  stösst  mit  nm  auf  rs.  Daher  geht  rs  nieder,  hebt  h  und  schaltet  es  ein,  und 
zu  gleicher  Zeit  öffnet  sich  a  und  schliesst  sich  h  und  c  oben  und  d  und  e  unten. 

Ohne  Zweifel  sollen  A  A^  und  B  B^  Schwimmer  sein.  Steigt  die  Flüssig- 
keit bis  zur  äussersten  Höhe,  so  heben  sie  den  Konus  g  und  dieser  treibt  die 
beiden  Sperrklinken  auseinander,  die  den  Konus  h  unterstützen.    Alsdann  fallen 


Leooud«  d«  ViscL 


A  tind  a,  die  durch  eine  Stange  verbunden  sind,  und  bewegen  durch  die  Ver- 
läi^ernDg  ihrer  VerbindungsstaDge,  die  durch  g  geht,  die  Hebel  »  r.  Der  Satz 
Leokardo's  aber,  hinter  den  wir  ein  Fr^zeicfaen  gesetzt  haben,  müsste  offen- 


bar lauten:  zu  gleicher  Zeit  schliesst  sich  a  und  öffnet  sich  b  and  e  oben 
und  d  und  e  unten. 

Die  Flüssigkeit   fliesst  nun  durch  d  und  e  aus  und  durch  b  und  c  kann 
Luft  eindringen. 


Mit  dem  Sinken  der  Flüssigkeit  sinken  auch  die  Schwimmer  AA^  herab, 
bis  sich  ihre  Yerbindungsstange  auf  zwei  in  der  Zeichnung  angegebene  feste 
vierkantige  Stifte  setzt.  Der  Konus  g  aber  mit  seinen  abwärts  gebogenen 
Annen,  die  in  den  Gabeln  m  und  n  endigen,  bleibt  rorläuäg  in  seiner  Stelloi^, 


Schwingende  Rinne,  aelbstthfttiger  Fall-  nnd  Entleerapparat  477 

weil  er  ebenfalls  durch  zwei  Sperrklinken  gestützt  ist,  deren  weiter  oben  ge- 
legene Drehpunkte  in  der  Zeichnung  nicht  sichtbar  sind,  während  ihre  bis  auf 
den  Boden  des  Gefässes  herabreichenden  Arme  an  ihren  Enden  konvergirende 
schiefe  Ebenen  bilden. 

Hat  die  Oberfläche  der  Flüssigkeit  ihre  tiefste  Lage  erreicht,  so  sinken 
die  Schwimmer  B  B^  mit  dem  Konus  /.  Dieser  treibt  die  soeben  genannten 
schiefen  Ebenen  und  damit  die  Sperrklinken  unter  g  auseinander.  Dadurch 
wird  g  ausgeschaltet,  fällt,  stösst  mit  den  gabelförmigen  Enden  m  n  seiner 
Arme  die  Hebelenden  s  und  r  nieder  und  hebt  mit  den  gegenüberliegenden 
Hebelenden  und  der  Verlängerung  der  Yerbindungsstange  von  h  und  a  diese 
beiden  Organe,  so  dass  alles  wieder  in  die  ursprüngliche  Stellung  gelangt,  a  ist 
geöffnet,  e  und  d  sind  geschlossen,  das  Gefass  füllt  sich  von  oben  her.  Die 
Ventile  c  und  h  müssten  nun  soviel  freies  Spiel  behalten,  dass  die  Luft  in 
dem  Gefässe  sie  bei  geringer  Kompression  heben  könnte.  Beim  Entleeren  des 
Gefässes  würde  der  äussere  Luftdruck  sie  verschliessen,  weshalb  hierbei  ein 
Offenhalten  durch  den  Mechanismus  geboten  erscheint.  Doch  bleibt  unerklärt, 
weshalb  Leonardo  in  den  Oeffnungen  h  und  c  überhaupt  Ventile  anbrachte. 

Die  Detailzeichnung  Fig.  750  zeigt  eine  Abänderung  des  unteren  Theiles 
des  Mechanismus  Fig.  749.  Die  Drehpunkte  der  Sperrklinken,  welche  g  unter- 
stützen, sind  weiter  nach  unten  verlegt.  Die  Hebel  sind  in  Folge  dessen  hier 
zweiarmig  und  die  schiefen  Ebenen  daran  dementsprechend  divergirend  an- 
geordnet. 

Die  Detailzeichnung  Fig.  751  zeigt  von  der  Anordnung  Fig.  750  nur  die 
Sperrklinken,  so  dass  man  hier  die  Lage  ihrer  Drehpunkte  und  die  Befestigungs- 
weise ihrer  Zapfen  besser  erkennen  kann. 

Fig.  752,  Fol.  6h,  zeigt  einen  hydraulischen  Bewegungsmecha- 
nismus, der  nach  demselben  Princip  konstruirt  istj  wie  Fig.  739. 
Die  beiden  Wassergefässe,  durch  deren  abwechselnde  Füllung  und  Entleerung 
zwei  Balgpumpen  bewegt  werden  sollen,  stehen  hier  nicht  auf  diesen,  wie  in 
Fig.  739,  sondern  hängen  an  den  Enden  eines  doppelarmigen  Hebels,  dessen 
Arme  einen  stumpfen  Winkel  mit  einander  bilden.  Von  diesen  werden  die 
in  einer  Gisterne  oder  einem  Brunnen  stehenden,  mit  Gewichten  belasteten 
Balgpumpen  durch  Zugstangen  gehoben.  Jedes  der  Wassergefässe  steht  in 
seiner  höchsten  Stellung  nur  wenig  von  einer  festen  Wand  ab.  Nach  ihr  hin 
ist  in  dem  oberen  Teile  der  Gefässwand  ein  kleiner  Hebel  gelagert,  der  durch 
eine  schwache  Feder  und  durch  einen  an  derselben  Gefässwand  befestigten 
Sperrhaken  in  horizontaler  Lage  erhalten  wird,  so  dass  sein  anderer  Arm  wie 
ein  Zahn  aus  der  Gefässwand  hervorragt.  Dieser  ruht  bei  der  höchsten  Stellung 
des  Wassergefasses  auf  einer  in  der  festen  Wand  angebrachten  federnden 
Sperrklinke.  An  einem  Arme  des  Sperrhakens  in  dem  Wassergefässe  ist  ein 
Schwimmer  befestigt.  Ist  das  Gefäss  gefüllt,  so  hebt  sich  dieser  mit  dem 
Sperrhaken,  die  Feder  des  kleinen  Hebels  giebt  dem  Drucke  des  Wassers  nach, 


478 


Loonardo  da  Vinci. 


der  aus  der  Gefässwand  hervorragende  Zahn  weicht  zurück,  das  gefüllte  Gefass 
sinkt  nieder  und  zieht  mit  dem  gegenüberliegenden  Hebelarme  die  eine  Balg- 
pumpe  auf,  während  das  Gewicht  auf  der  anderen  diese  zusammendrückt.  Gelangt 
das  Wassergefass  in  seine  tiefste  Stellung,  so  kommt  es  auf  eine  nach  der  Mitte  der 
Maschine  hin  geneigte  Fläche  zu  stehen,  und  sein  Wasser  fliesst  xiach  dieser 
Richtung  über  die  Gefässwand.  Daran  ist  durch  Verdoppelungen  der  Wandung 
ein  Heber  hergestellt,  der  bewirkt,  dass  das  Ueberfliessen  erst  aufhört,   wenn 


Fig.  752. 


das  Gefäss  nahezu  leer  ist.  Inzwischen  ist  das  andere  Gefass  in  seine  höchste 
Stellung  gekommen,  der  daraus  hervorragende  Zahn  hat  die  federnde  Sperr- 
klinke in  der  festen  Wand  zurückgedrückt,  diese  ist,  sobald  der  Zahn  vorbei- 
gegangen war,  wieder  vorgeschnellt  und  unterstützt  ihn  nun,  während  das 
Gefäss  sich  füllt. 

In  der  Skizze  sind  die  Steigrohre  der  Balgpumpen  in  den  abgetheilten 
Kanal  geleitet,  der  die  Wassergefässe  an  der  Maschine  speist.  Auch  hier  soll 
der  Ausiluss  durch  Heber  erfolgen,  die  durch  Verdoppelungen  der  inneren  Kanal- 
wand an  der  betrefifenden  Stelle  gebildet  sind,  so  dass  der  Ansfluss  erfolgt, 
sobald  die  betre£fende  Abtheilung  des  Kanals  ganz  gefüllt  ist    Daraus  kann  man 


Fumpen  mit  hjdniuliBoben  Hotoren,  Wasaerheben  darch  Feasr,  479 

BChliessen,  dass  das  toq  einer  ßalgpuinpe  bei  einem  Niedergangs  ausgeworfene 
'Wasser  gerade  hinreichen  sollte,  um  die  gegenüberliegende  Abtbeiinng  des 
Kanales  und  aus  dieser  das  Wassergefäss  an  der  Maschine  ganz  za  füllen,  Iran, 
dass  diese  als  Perpetuum  mobile  gedacht  war,  und  dies  könnte  der  Gnmd  ge- 
wesen sein,  warum  Leonardo  daneben  schrieb:  nrusticaoa",  d.  h.  bäuerisch  oder 
tölpelhaft.  Uebrigens  hat  ihn  der  Gedanke  an  diese  Maschine  viel  beschäftigt, 
denn  es  finden  sich  mehrere  Skizzen  davon  in  dem  Codice  atiantico,  tbeils  mit, 
theüs  ohne  Abänderungen. 

Fig.  753,  Fol.  7b,  zeigt  einen  Mechanismus  zum  Betriebe  zweier 
Pumpen,    der  auch   auf  ein  Perpetuum  mobile  hinauszulaufen 


scheint.  Die  beiden  Pumpen,  die  man  sich  unten  im  Brunnen  stehend 
denken  muss,  haben  kurze  Stiefel  von  quadratischem  Querschnitt  und  horizontale 
Schlitze  in  der  Nähe  des  oberen  Randes,  durch  die  das  Wasser  eindringt,  wenn 
der  Kolben  hoch  gehoben  ist.  Die  Kolben  haben  die  Form  von  Gewichten 
und  gehen  durch  ihre  Schwere  nieder.  Ueber  dem  Brunnenrande  werden  zwei 
Hebel  durch  eine  Daumenwelle  abwechselnd  gehoben,  indem  diese  Hebel  durch 
Seile  oder  Ketten  mit  den  Pumpenkolben  verbunden  sind.  Auf  der  Daumen- 
welle sind  zwei  gleiche  Radkränze  befestigt,  zwischen  denen  drei  Kasten  gleich- 
massig  auf  den  Umfang  vertheilt,  so  mit  Zapfen  aufgehängt  sind,  dass  sie 
während  der  Drehung  des  Rades  stets  in  senkrechter  Stellung  verharren. 
Fig.  754  zeigt  einen  solchen  Kasten.  Sein  Boden  ist  um  zwei  Zapfen  drehbar  und 
wird  durch  ein  Gewicht  geschlosaen  gehalten,  so  lange  es  daran  herabhängt; 


4tß 


LeoüRrdo  d>  ViocL 


veno  es  aber  auf  einen  festen  Gegenstand  stösst  tind  demzufolge  nicht  nu 
den  Kaetenboden  wirkt,  wird  dieser  durch  eine  Feder  geöfTnet.  In  der  ans  de 
Skizze  ersichtlichen  Stellnng  füllt  sich  der  Kasten  mit  Wasser  und  treibt  dan 
das  Rad  nm.  Wenn  er  das  Rad  um  60"  gedreht  hat,  stösst  das  Gewicht  au 
ein  festes  Brett,  der  Kastenboden  öffnet  sich,  and  das  Wasser  aus  diesei 
Kasten  fliesst  in  einen  darunter  stehenden  Trog,  woraus  es  seitlich  abgeleite 
wird.  Indessen  ist  ein  zweiter  Kasten  in  die  Stellung  gekommen,  wo  er  sie 
füllt,  um  dann  das  Rad  wieder  um  60**  zu  drehen  u.  s.  w.  Auch  in  dies« 
Skizze  läuft  das  Wasser  aus  dem  Steigrohre  der  Pumpen  in  die  Kasten  a 
dem  Rade,  nnd  da  ein  anderer  Wasserzufluss  nicht  angegeben  ist,  so  mu< 
man  annehmen,  dass  auch  diese  Maschine  als  Perpetuum  mobile  gedacht  wa 


Zu  ilrn  Punippri,  L;  Dinse  Gopcii gewichte  (d.  b.  die  schweren  Kolben)  niüeist 
je  ein  Ventil  haben,  ähnlich  dorn  di?r  Kugeln  (simile  a  quella  delle  palle),  das  a 
Boden  von  unten  angepasst  und  befei-tigt  »ein  miiae,  dami^  wenn  sie  schnell  in  d 
Höbe  gezogen  werden,  die  Ventile  Luft  in  ^len  leeren  Raum  einlassen  können,  d' 
unter  dem  Gegengewichte  bleibt.  Denn  wenn  dies  nicht  geschähe,  würden  sie  mel 
als  (las  Doppelte  wiegen  {d.  h.  mehr  als  doppelt  so  schwer  lu  heben  eein),  den 
weil  Rie  genau  in  die  Kästen  (die  Piimpens'defd)  passen,  können  ue,  wenn  sie  alli 
Wasser  herausgedrückt  haben  und  «ch  schnell  heben  sollen,  nicht  BO  Bc^ell  Was» 
anziehen  als  Luft,  weil  es  schwerer  ist 

Zu  den  Steigröhren,  L:  Alles  Wasser,  was  in  der  Röhre  is^  soll  20  Pfun 
wiegen.  —  Dieses  Wasser  wird  so  hoch  steigen,  wio  Du  willst,  wenn  Du  das  Gegei 
gewicht,  welches  das  Wasser  treibt,  sechsmal  so  schwer  machst^  als  das  Wassc 
welches  steigt. 

Zu  der  Detailzeicbnung.  Fig.  754  L:  Dies  ist  die  Art  der  Kästchen,  cUe  di 
Wasser  aufnehmen.  Der  Boden  von  diesem  Kästchen  muss  gut  mit  Talg  besfariche 
sein,  damit  er  gut  venlichtet  ist,  wenn  er  »ich  schliesst. 

Fig.  755,  Fol.  7v:  Apparat  zum  Heben  von  Wasser  vermitteli 
Luft  Verdünnung  durch  Feuer.  Wir  sehen  hier  in  einem  Topfe  mitgeöffiiete 


Ei'dtmnsport  bei  KanalbRutcn.  481 

Deckel  Feaer  und  ein  dem  Topfe  ein  Holir,  das  in  einen  Bnmnen  (pozzo) 
hinabgeht.  Wird  der  Deckel  des  Topfes  dicht  geschloEsen,  so  erlischt  daa 
Feuer,  und  bei  der  darauffolgenden  Abkühlung  des  Topfes  und  der  darin  ent- 
haltenen Luft  wird  Wasser  aus  dem  Bnmnen  angesogen. 

Fig.  756,  Fol.  5  v,  zeigt  denselben  Apparat  in  etwas  deutlicherer  Ausiuhrung. 

Heron  von  Alexandrien  beschreibt  zwar  den  ähnlich  wirkenden  Schröpf- 
kopf, aber  ein  Apparat  zum  Ansaugen  von  Wasser  auf  diese  Art  findet  sich 
bei  ihm  nicht. 

Kanalbau. 

Fig.  757,  Fol.  1 V,  zeigt  ein  Gerüst  mit  zwei  Drehkrahnen,  die  auf 
dem  Ufer  eines  auszugrabenden  i^anales  aufgestellt  sind,  durch  ein  Tretrad  be- 


trieben werden  nnd  dazu  dienen,  die  Erde  aus  dem  Kanalbette  auf  das 
üfergelände  zu  fördern.  In  dem  Kanal  sieht  man  rechts  Reihen  von 
Hacken,  Schlägeln  und  Tragbahren,  die  andeuten,  wie  die  zu  entfernende  Erde 
losgelöst  und  nacli  den  Erdkasten  an  den  Krahnen  verbracht  werden  sollten. 
Fig.  758,  Fol.  Ih:  eine  andere  Vorrichtung  zu  dem  gleichen 
Zwecke.  Hier  sind  die  Drehkrahnen  mit  verschiedenen  Ausladungen  überein- 
BMk.  St 


4S2 


Leon&rdo  da  Tinci. 


ander  an  einer  hohen  Säule  befestigt.  Das  Gerüst,  das  die  Erahnen  hält,  ist 
in  dem  Kanal  so  aufgestellt,  dass  der  obere  mit  der  grössten  Ausladung  nach 
der  einen  Seite  hin  bis  an  das  Kanalufer  reicht,  während  nach  der  anderen 
Seite  hin  beide  Krahnen  über  das  Kanalufer  hinausreichen.  Das  ganze  Gerüst 
ist   auf  drei   hölzernen   Schienen    vermittelst  einer  langen  Schraube    in   der 


Kichtung,  in  der  die  Kanal  arbeit  fortschreiten  soll,  verschiebbar.  Das  Aus- 
graben erfolgt,  den  veiscliiedenon  Ausladungen  der  beiden  Krahne  entsprechend, 
kreisbogenfürmig  in  zwei  Etagen.     Ist  die  Arbeit  und  mit  ihr  der  Krahn    so 


MlT^ 


t?*- 


Fig.  7A3. 

weit  vorgeschritten,  wie  es  die  Schraube  erlaubt,  so  muss  das  Gerüst  durch 
Winden  oder  Unterkeihingen  ein  wenig  gehoben  und  müssen  die  Schienen  um 
die  Öcbraubeiilänge  vorgeschoben  werden,  weshalb  sie  mit  seitlichen  Zapfen 
zum  .Anfassen  ver'Süben  sind. 

Fig.  759,    Fol.  16v,  zeigt  einen  lileineren  Krabn   für  denselben 
Zweck  bei  engeren  Kanälen. 


Schleaaen  und  Schleusenthore.  483 

L:  Dieser  Maschine  bediene  siuh,  wer  Kanäle  in  die  Erde  graben  will     Das 
Zalmrad  erhält  seine  Belegung  von  einem  darunter  gelagerten  Getriebe. 

Fig.  760,  Fol.  33h,  zeigt  einen  kanalisirten  Fluss  mit  Kammer- 
schleuse. 

Auf  derselben  Seite  finden  eich  Fig.  761  und  Fig.  762,  eine  Schleuse 
darstellend,  die  in  aufgewundenem  Zustande  mit  der  Kettenwalze 


^— ^ 


80  um  einen  festen  Zapfen  gedreht  verden  kann,  dass  sie  die 
Passage  für  die  Schiffe  ganz  frei  laast,  so  dass  diese  mit  Maston  die 
Schleuse  passiren  können. 

L:  Der  Haspel  a  wird  so  lange  gedreht^  bis  seine  Welle  die  ganze  Kette, 
woran  die  Schütze  hängt,  aufgewickelt  hat.  Wenn  sie  aufgewickelt  ist  und  die  Schütze 
die  Welle  berülirt,  wird  diese  als  Hebel  benutzt 

Fig.  7G3,  Fol.  7h,  zeigt  ein  Schleusenthor  mit  einem  kleinen 
Thiirchen,  das  sich  um  eine  in  seiner  Mitte  sitzende  Aze  dreht, 
wie  wir  es  bei  Zünca  fanden  {vei^l.  S.  316). 

31" 


4S4  Leonardo  da  Viod. 

Fig.  7G4,  Fol.  7h,  zeigt  das  Mauerwerk  zu  einem  solchen 
Schleusenthore. 

Femer  finden  sich  auf  derselben  Seite: 

Fig.  765,  ein  ganz  einfaches  kleines  Schleusenthor. 

Fig.  766,  neben  Fig.  767:  Schleusen,  die  um  eine  ihrer  unteren 
Ecken  gedreht  werden  und  sich  in  einen  Einschnitt  im  Ufer  legen 
sollen,  damit  der  Kanal  ganz  frei  wird. 

Fig.  768  zeigt  eine  drehbare  Schleuse,  die  beimOeffnen  in  eine 
Vertiefung  versinkt,  so  dass  die  Schiffe  darüber  hinfahren  können. 

Fig.  769,  eine  drehbare  Schleuse,  die,  wenn  sie  geöffnet  ist, 
einen  äteg  über  den  Kanal  bildet. 


Domenieo  Fontana  (1543—1607)  und  der  Transport  des 

Vatieanisehen  Obelisken. 


Domenico  Fontana,  geboren  1543  zu  Mili  nahe  dem  Comersee,  kam  in 
seinem  zwanzigsten  Jahre  nach  Rom,  wo  sich  sein  um  drei  Jahre  älterer  Bruder 
GiACOMO  als  Architekt  und  Ingenieur  bereits  einen  Namen  erworben  hatte, 
führte  mehrere  Bauten  mit  ihm  aus  und  gelangte  bald  zu  gleichem  Ansehen. 
Kardinal  Montalto  wählte  ihn  zu  seinem  Architekten  und  betraute  ihn  mit 
dem  Bau  der  Gapella  de  Presepio  in  S.  Maria  Maggiore  und  dem  eines  kleinen 
Palastes  in  den  dazu  gehörigen  Gärten.  Der  Kardinal  stammte  aus  keiner 
reichen  Familie.  Gregor  XIII.  hatte  ihm  besondere  Einkünfte  zugewiesen, 
damit  er  standesgemäss  auftreten  könne;  die  Pracht  aber,  womit  er  jene  Bauten 
ausführen  Hess,  missbilligte  der  Papst  und  entzog  ihm  die  erwähnten  Einkünfte, 
wodurch  die  Arbeiten  Domenigo's  zum  Stillstande  gekommen  wären,  wenn  dieser 
sie  nicht  auf  eigene  Kosten  weitergeführt  hätte.  Nach  Kurzem  gelangte 
Montalto  als  Sixtus  V.  auf  den  päpstlichen  Stuhl,  bestätigte  D.  Fontana  als 
seinen  Architekten,  Hess  ihn  die  genannten  Bauten  vollenden  und  übertrug 
ihm  den  Bau  des  Laterans.  Auch  sollte  er  mit  Giacomo  della  Porta  die 
Kuppel  der  Peterskirche  vollenden,  zuvor  aber  wünschte  der  Papst,  dass  der 
einzige  damals  in  Rom  noch  aufrecht  stehende,  ohne  Piedestal  23  m  hohe  Obelisk, 
den  Caligüla  aus  Heliopolis  in  den  Cirkus  des  Nero  hatte  bringen  lassen,  von 
seinem  verborgenen  Standorte  bei  der  alten  Sakristei  von  St.  Peter  entfernt 
und  vor  dem  Hauptportal  dieser  grössten  Kirche  der  Christenheit  aufgestellt 
werde. 

Die  altägyptischen  Denksteine,  Obelisken  genannt,  sind  Monolithen  von 
quadratischem  Querschnitte  aus  den  Granitbrüchen  von  Assuan  oder  Syene, 
nach  oben  um  ein  Drittel  der  Quadratseite  verjüngt  und  in  eine  pyramidale 
Spitze  auslaufend,  deren  Höhe  Vjt  mal  so  gross  ist,  als  die  Breite  ihrer  Basis, 
während  die  Höhe  des  Schaftes  9^8  bis  10  mal  so  gross  ist,  als  seine  obere 
Dicke.  Gewöhnlich  sind  sie  auf  allen  vier  Seiten  mit  Hieroglyphen  bedeckt, 
die  den  Ruhm  ihres  Stifters  verkünden,  der  Vaticanische  aber  trägt  keine  solche 
Inschrift. 


4SG  Domenico  Fontana  und  der  Transport  des  Vaticanischen  Obelisken. 

Die  alten  Römer  entfernten  eine  grosse  Zahl  dieser  Denksteine  ans 
Aegypten  und  stellten  die  meisten  davon  in  Rom  auf,  wo  man  gegenwärtig 
deren  12  zählt,  während  sich  in  Aegypten  nnr  noch  drei  befinden. 

Schon  mehrere  Päpste  vor  Sixtus  Y.  waren  auf  den  Gedanken  gekommen, 
den  Obelisken  hinter  der  alten  Sakristei  von  St.  Peter  mitten  auf  den  Platz 
stellen  zu  lassen,  fanden  aber  niemand,  der  diese  Arbeit  auszuführen  wagte, 
denn  die  Art,  wie  die  alten  Römer  solche  Steinkolosse  bewegt  und  aufgerichtet 
hatten,  war  längst  in  Vergessenheit  gerathen.  Domenico  konnte,  indem  er  diese 
Arbeit  übernahm,  nur  seinem  eigenen  Urtheile  folgen,  und  es  zeugt  von  seltenem 
Scharfblicke  und  bewundemswerther  Umsicht,  dass  er  sie  ohne  jeglichen  Un- 
fall zu  Ende  führte. 

Nachdem  er  die  erste  Aufgabe  dieser  Art  so  gelöst  hatte,  erwachte  in 
dem  Papste  der  Wunsch,  auch  die  umgestürzten  und  verschütteten  Obelisken 
Roms  zur  Zierde  der  Stadt  und  Mehrung  seines  Ruhmes  wieder  aufgestellt  zu. 
sehen.  Von  zweien  solcher  Denksteine,  die  vor  dem  Mausoleum  des  Angnstus 
gestanden  hatten  und  die  ohne  Piedestal  14,8  und  15  m  hoch  sind,  wurde  der 
eine  im  folgenden  Jahre  1587  durch  Fontana  vor  S.  Maria  Maggiore  auf- 
gestellt, und  in  demselben  Jahre  grub  er  den  schönsten  und  grössten  aller 
noch  vorhandenen  Obelisken  aus  und  stellte  ihn  vor  den  Lateran.  Dieser  ist 
ohne  Piedestal  32  m  hoch  aus  rothem  Granit,  stammt  von  Tutmes  IIL  ans  dem 
16.  Jahrhundert  v.  Chr.  und  wurde  von  Constantius  aus  Theben  nach  Rom  in 
den  Gircus  Maximus  gebracht.  Bei  der  Ausgrabung  fand  man  ihn  in  drei 
Stücke  zerbrochen,  die  Fontana  bei  der  Aufstellung  durch  Schwalbenschwanz- 
formige,  eingebleite  Steinstücke  kunstreich  mit  einander  verband.  Einen  vierten 
Obelisken  aus  Heliopolis,  ohne  Postament  24  m  hoch,  der  unter  Augustns 
in  den  Gircus  Maximus  gebracht  worden  war,  stellte  er  1588  auf  die  Piazza 
del  Popolo. 

Ausser  den  genannten  Hess  Sixtus  Y.  noch  mehrere  bemerkenswerthe 
Bauten  durch  D.  Foxtana  ausführen,  darunter  die  Bibliothek  des  Yaticans.  Als 
Sixtus  1590  starb,  war  sie  noch  im  Bau  begriffen  und  wurde  erst  nnter 
Glemens  VIII.  vollendet.  Dieser  Hess  D.  Fontana  auch  den  Bau  des  Laterans 
fortsetzen  und  die  beiden  berühmten  Gruppen  der  Rossebändiger  vor  den 
Thermen  des  Diokletian  auf  den  Platz  davor  stellen.  Auch  leitete  Fontana  die 
Quellen  Aqua  felice  von  einem  22  km  entfernten  Berge  nach  Rom  und  erbaute 
eine  Fontaine  auf  der  Piazza  dei  Termini,  die  nicht  wenig  zur  weiteren  Ver- 
schönerung der  Stadt  beitrug. 

Trotz  alledem  siegten  hier  endlich  seine  Neider.  Während  er  mit  dem 
Bau  einer  Brücke  in  dem  Stadtviertel  Borghetto  beschäftigt  war,  erhob  man 
plötzlich  die  Anklage  gegen  ihn,  er  habe  bei  der  Ausführung  der  Bauten,  die 
man  ihm  anvertraut  hatte,  bedeutende  Summen  zu  seinem  Yortheile  verwendet. 
Der  Papst  schenkte  diesen  Anschuldigungen  Glauben  und  entliess  ihn  seines 
Dienstes.    Der  Vizekönig  von  Neapel   dagegen  liess   es  sich   angelegen   sein. 


Lebensbeschreibung,  Veranlassung  zum  Transport  des  Obelisken.  487 

einen  so  ausgezeichneten  Mann  für  sich  zu  gewinnen,  und  als  Architekt  und 
erster  Ingenieur  des  Königs  beider  Sicilien  trat  dieser  1592  in  seine  Dienste. 
Kanal-  und  Strassenbauten  beschäftigten  zunächst  Fontana  in  seiner  neuen 
Stellung,  später  wurde  er  mit  dem  Bau  des  königlichen  Palastes  beauftragt, 
und  am  Schlüsse  seines  Lebens  entwarf  er  die  Pläne  zu  dem  Hafen  von  Neapel, 
an  deren  Ausführung  er  durch  seinen  1607  erfolgten  Tod  verhindert  wurde; 
doch  benutzte  sie  Francesco  Picchiati,  als  er  unter  Peter  von  Aragonien 
dieses  Projekt  ausführte. 

Als  Schriftsteller  hat  Domenico  Fontana  ein  einziges  Werk  hinterlassen, 
betitelt:  Della  Transportatione  dell'  Obelisco  Vaticano  et  delle 
Fabriche  di  nostro  Signore  Papa  Sixto  V.  Roma  1590.  Es  ist  in 
gross  Folio  gedruckt  und  mit  19  Kupferstichen  gleichen  Formats  von  Bonifacio 
DI  Sebexico  ausgestattet,  lieber  den  Transport  und  die  Aufstellung  des  Vatica- 
nischen  Obelisken  sagt  Fontana  darin: 

„Die  Heiligkeit  unseres  Herrn  SiXTUS  V.  verabscheute  stets  den  Kultus  der 
heidnischen  Götter  und  war  vom  ersten  Jahre  seines  Pontifikats  an  bestrebt,  das 
Andenken  an  die  Idole  zu  unterdrücken,  die  von  den  Heiden  in  Form  von  Pyra- 
miden, Obelisken,  Säulen,  Tempeln  und  anderen  Gebäuden  in  grosser  Zahl  errichtet 
worden  waren.  Er  suchte  die  Mysterien  und  den  Gottesdienst  der  katholischen 
Religion  allerwege  zu  heben.  In  diesem  frommen  Streben  wollte  er  mit  dem  Vati- 
canischen  Obelisken,  jenem  bewundem swerthen  Steine,  der  gewöhnlich  Julia  genannt 
wurde,  weil  er  dem  Julius  Cäsar  gewidmet  war,  beginnen,  ihn  von  dem  Schimpfe 
des  Idols  zu  befreien  und  ihn  zu  einem  Träger  des  heiligen  Kreuzes  zu  machen,  zu 
dem  hervorragendsten  und  merkwürdigsten,  der  jemals  unter  ein  Kreuz  gestellt  worden 
war.  Er  wollte  dies  thun,  um  dem  Zeichen  des  Heiles,  das  von  den  Heiden  als 
Zeichen  der  Schmach  und  der  schimpflichsten  Strafe  verabscheut  worden  war,  die 
höchste  Ehre  zu  erweisen  und  dadurch  zu  zeigen,  dass  es  durch  den  Tod,  den  der 
Erlöser  daran  erlitt,  zum  Triumph-  und  Siegeszeichen  der  Könige  und  Kaiser  ge- 
worden ist.  Aber  nicht  nur  auf  die  Julia  hat  er  es  erhoben,  sondern  zum  Ruhm 
und  Glänze  dieser  heiligen  Standarte  des  Christenthums  befahl  er,  dass  es  auf  alle 
seine  grossen  Bauwerke  und  auf  die  anderen  Obelisken  bei  S.  Maria  Maggiore, 
S.  Giovanni  Laterano  und  S.  Maria  del  Popolo  gesetzt  werde. 

Da  mir  von  seiner  Heiligkeit. der  Transport  dieses  Obelisken,  der  an  einem 
von  Menschen  wenig  besuchten  Orte  stand,  und  seine  Aufstellung  mitten  auf  dem 
St.  Peters-Platze  übertragen  wurde,  so  will  ich  niederschreiben,  wie  ich  dies  vollführte, 
um  denen,  welchen  die  Bewegung  so  schwerer  Steine  künftig  obliegen  wird,  wobei 
die  Gefahr  des  Zerbrechens  so  gross  ist,  eine  Beschreibung  dieser  Arbeit  zu  hinter- 
lassen, die  ihnen  von  Nutzen  sein  möge.  Ich  habe  mich  dazu  um  so  mehr  veranlasst 
gesehen,  als  meines  Wissens  bis  jetzt  niemand  gefunden  wurde,  der  hierüber  geschrieben 
oder  Aufklärung  darüber  gegeben  hätte,  welche  Vorrichtungen  sich  für  ein  so 
schwieriges  Unternehmen  als  ausreichend  erwiesen  haben,  das  schon  seit  etwa  vier- 
zehnhundert Jahren  ausser  Gebrauch  gekommen  ist 

In  der  genannten  Absicht,  sowie  um  den  Platz  und  das  neue,  prachtvolle 
Gebäude  von  St.  Peter  zu  zieren,  befahl  Se.  Heiligkeit  der  Papst  am  24.  August  1585 
den  Zusammentritt  einer  Versammlung  von  Prälaten  und  den  intelligentesten  Herren, 
die  berathen  sollten,  welches  die  geeignetste  Stelle  für  den  Obelisken  sei  und  wie 
man  sich  zu  verhalten  habe,  um  dessen  Transport  mit  der  grösstmöglichen  Sicher- 
heit zu  bewerkstelligen.  Auch  sollten  sie  den  Künstler  nennen,  den  sie  wegen  seines 
Scharfsinnes  und  seiner  Erfahrung  für  den  geeignetsten  hielten,  das  Werk  zum  ge- 
wünschten Ende  zu  führen.     Das  Unternehmen  wurde  allgemein  für  äusserst  schwierig 


490  Domenico  Fontana  und  der  Transport  des  Vaticanischen  Obelisken. 

geeigneten  Orten  sich  befinden,  sie  mögen  gehören,  wem  sie  wollen,  wofür  er  jedoch 
den  Besitzern  angemessene  Preise  zu  zahlen  hat,  wie  sie  von  zwei  Schiedsmännern 
abgeschätzt  werden,  die  von  den  Parteien  zu  wählen  sind.  Und  dass  er  alle  Hölzer 
fällen  und  schneiden  lassen  kann,  die  in  irgend  einer  Weise  der  Kirche  von  S.  Peter, 
ihrem  Kapitel  oder  ihren  Kanonikern  gehören,  namentlich  auch  solche  im  Besitze 
des  Campo  morto,  des  Hospitals  von  San  Spirito  in  Sassia  oder  der  apostolischen 
Kammer  ohne  irgend  welche  Bezahlung.  Dass  er  sie  durch  irgend  welchen  beliebigen 
Ort  führen  und  die  Thiere,  die  ihm  zu  dieser  Arbeit  dienen,  darauf  weiden  lassen 
kann,  ohne  irgend  welche  Belästigung  deshalb  zu  erleiden,  wofür  er  jedoch  Ent- 
schädigung leisten  muss,  die  von  Experten  abgeschätzt  wird,  welche  für  diesen  Zweck 
zu  erwählen  sind.  Dass  er  die  genannten  und  alle  anderen  nöthigen  Sachen  kaufen 
und  wegführen  kann  von  jeder  beliebigen  Person,  ohne  Zölle  und  Abgaben  zu  be- 
zahlen. Dass  er  ohne  Lizenz  oder  Schein  in  Rom  oder  den  anderen  Städten  und 
benachbarten  Orten  alle  Arten  von  Lebensmitteln  für  seinen  Gebrauch  und  den  seiner 
Diener  und  Thiere  nehmen  kann;  dass  er  Winden,  Hanfseile  und  Flaschenzüge 
nehmen  und  wegtragen  kann,  wo  sie  sich  finden,  auch  wenn  sie  zerbrochen  werden 
sollten,  wobei  er  jedoch  versprechen  muss,  sie  wieder  herzustellen  und  ganz  zurück- 
zubringen, und  angemessene  Pacht  zahlen  muss.  und  dass  er  sich  ebenso  aller 
Instrumente  und  Sachen  der  Gebäude  von  St  Peter  bedienen  kann  und  den  Dienern 
und  Beamten  derselben  befehlen  kann,  dass  sie  innerhalb  eines  angemessenen  Zeit- 
raumes den  Platz  um  den  Obelisken  frei  machen,  um  ihn  dahin  führen  zu  können 
und  alles  vorbereiten,  was  für  diesen  Zweck  nöthig  ist  Dass  er  nöthigenfalls  die 
dem  Obelisken  benachbarten  Häuser  niederlegen  lassen  kann,  wobei  jedoch  zuvor  die 
Art  der  Entschädigung  festgesetzt  werden  muss,  die  zu  leisten  ist  In  Summa  geben 
wir  dem  genannten  Domenico  Fontana  Vollmacht,  zu  thun,  anzuordnen  und  zu 
verlangen  alles  Andere,  was  zu  genanntem  Zwecke  erforderlich  ist;  und  ausserdem, 
dass  er  und  seine  Agenten,  Diener  und  Hausburschen  allerorts  und  jederzeit  jede  Art 
von  Waffen  tragen  dürfen  ausser  den  verbotenen.  Und  wir  befehlen  allen  Magistrats- 
personen und  Beamten  des  ganzen  Kirchenstaates,  dass  sie  in  allen  vorgenannten 
Dingen  Hilfe  leisten  und  den  genannten  Domenico  Fontana  unterstützen.  Allen 
anderen  aber,  die  in  irgend  einer  Weise  dem  Apostolischen  Stuhle  unterthan  sind, 
wess  Ranges  und  Standes  sie  auch  seien,  befehlen  wir  bei  Grefahr  unserer  Ungnade 
und  500  Dukaten  Strafe  oder  mehr  nach  unserer  Entscheidung,  dass  sie  nicht  wagen, 
die  genannte  Arbeit  zu  hindern,  oder  jenen  Domenico  und  seine  Agenten  und 
Arbeiter  in  irgend  welcher  Weise  zu  belästigen,  sondern  ohne  Verzug  und  irgend 
welche  Entschuldigung  ihm  zu  helfen  und  zu  gehorchen,  ihn  zu  unterstützen  und  ihm 
beizustehen.     Gegeben  zu  Rom  am  5.  Oktober  1585."" 

Auf  Grund  dieser  Vollmacht  wurden  nun  Leute  nach  den  verschiedenen  um- 
liegenden Orten  geschickt,  um  Materialien  einzukaufen  und  sie  nach  Rom  zu  schaffen. 
In  Fulcigno  wurde  eine  grosse  Menge  Hanf  gekauft,  um  in  Rom  Seile  daraus  zu 
machen,  namentlich  44  Seile  von  70  mm  Dicke  und  je  200  Ellen  Länge.  Diese 
dienten  zu  den  doppelten  Flaschenzügen  mit  12  Rollen,  wovon  jeder  zwei  Göpeln 
entsprach,  worüber  wir  später  noch  reden  werden.  Auch  machte  man  eine  grosse 
Zahl  dünner  Seile  zum  Binden  und  zu  anderem  Gebrauche.  Bei  vielen  Schmieden 
wurden  eiserne  Bügel  zum  Binden  des  Gerüstes  bestellt  und  andere,  die  die  Flaschen 
der  Flaschenzüge  und  die  Leitrollen  umschliessen  sollten;  auch  lange  Bolzen  zum 
Zusammenziehen  der  Gerüstbalken,  sowie  kleine  Ringe,  um  die  Zapfen  der  Seilrollen 
darin  zu  lagern  und  grosse,  um  die  Seiltrommeln  der  Göpel  damit  zu  binden,  damit 
sie  sich  nicht  spalteten.  Grössere  und  kleinere  Zapfen  für  die  Rollen  der  ver- 
schiedenen Flaschenzüge  wurden  aus  Bronce  gegossen.  Auch  wurden  eine  grosse 
Menge  von  Nägeln,  Bändern,  Beilen,  Aexten,  Hämmern,  Schlägeln  und  Hebeisen 
verschiedener  Art  gemacht  Balken  von  Kastanien-,  Eichen-  und  Ulmenholz,  die  sich 
in  den  Magazinen  fanden,  wurden  angekauft,  um  daraus  die  Versteifungen  des  Gre- 
rüsles  herzustellen.     In  Ronciglione  wurden  die  dicksten  und  längsten  Eisenstäbe  zur 


Tollmachtoertheilimg,  Vor»rbeiten. 


.491 


Annining  des  Obeliakea  und  Eisen  für  die  Gehäuse  der  FlaschenzQge  bestellt.  Auch 
in  Subiaco  Castello,  dreissig  Meilen  von  Rom  entfernt,  oberhalb  Tivoli,  machte  man 
derartige  Eisen  für  die  Gehäuse  der  Flaschensüge.  Nach  Campomorto,  einem  Walde 
der  Kanoniker  von  St  Peter,  nach  Porto  die  Netuano  hin  gelegen,   28  Meilen  von 


Rom  entfernt,  wurden  viele  Leute  geschickt,  um  eine  grosse  Zahl  der  längsten  und 
stärksten  Eichenhölzer  zu  fällen  und  herzurichten.  Diese  wurden  auf  den  stärksten 
Karren  nach  Rom  geschafft  Jeder  Stamm  erforderte  7  Paar  Ocheen.  In  Terracina 
ffurde  eine  grosse  Menge  von  Bohlen  aus  Ulmenholz  gekauft,  um  den  Obelisken  zu 
verkleiden,  und  das  Bett  über  den  Balkeu  herzuricbten ,  über  die  er  hingeschleift 
werden  sollte.    In  Santa  Sivera  auf  den  Grundstücken  der  verehrlichen  Kammer  Uess 


492  Domenico  Fontana  und  der  Tran:iport  des  VaticaDischen  Obelisken. 

• 
man   die  Wellbäume  für  die  Göpel  und  die  Rollen  von  Steineichenholz  schneiden, 
sowie  Stangen  und  Bretter  aus  Ulmenholz.     Fast  an  ein  und  demselben  Tage  wurde 
an  allen  den  genannten  Orten  mit  diesen  Yorbereitungs-Arbeiten  begonnen. 

Ehe  wir  in  der  Beschreibung  der  Arbeiten  zum  Transport  des  Obelisken  weiter- 
gehen, wollen  wir  jedoch  diesen  und  den  Ort,  wo  er  stand,  etwas  näher  betrachten. 
Dieser  Ort  hinter  der  Sakristei  von  St  Peter  war  so  abgelegen,  schmutzig  und  wenig 
besucht,  dass  viele  Fremde,  die  nach  Rom  kamen,  um  die  Sehenswürdigkeiten  der 
Stadt  zu  betrachten,  wenn  sie  nicht  von  einem  erfahrenen  Führer  begleitet  wurden, 
ihn  entweder  schwer  fanden,  oder  abreisten,  ohne  dieses  seltene  Denkmal  gesehen  zu 
haben.  Ich  sage  „selten*^  weil  es  der  einzige  Obelisk  in  Rom  war,  der  damals  noch 
aufrecht  stand.  Durch  die  Länge  der  Zeit  war  aber  sein  ganzes  Piedestal  in  die 
Erde  begraben  (Fig.  770). 

Ehe  ich  mich  zu  dem  Unternehmen  des  Transportes  anschickte,  wollte  ich 
mich  vergewissern,  wie  viel  der  Obelisk  wiegt  Ich  Hess  1  palmo  von  derselben 
Steinart  würfelförmig  behauen  und  fand,  dass  dieser  Würfel  86  Pfund  wog.'* 

Da  nach  dem  früheren  Gesagten  1  palmo  =  217  mm  anzunehmen  und 
das  spec.  Gewicht  des  Granites  2,8  ist,  so  berechnet  sich  das  Gewicht  dieses 
Würfels  auf  28,6  kg,  und  danach  müsste  ein  damaliges  römisches  Pfund  etwa 
V«  kg  oder  */s  von  unserem  Pfund  gewesen  sein.  Der  Vaticanische  Obelisk 
hat  nach  Fontana's  Angabe  107  palmi  =  23,22  m  Höhe,  12*/«  p.  =  2,71  m  Dicke 
am  Fusse,  8V12  p.  =  1,75  m  am  oberen  Schaftende,  und  seine  Spitze  6  p. 
=  1,30  m  Höhe.  Er  berechnet  sein  Gewicht  auf  963537  damalige  Pfund, 
das  wären  nach  Obigem  etwa  321 180  kg;  die  genauere  Rechnung  ergiebt  je- 
doch ein  etwas  grösseres  Resultat.     Fontana  fährt  fort: 

„Ich  überlegte  nun,  dass  ein  Göpel  mit  guten  Seilen,  und  Flaschen zügen  etwa 
20000  ff  hebt,  und  dass  daher  40  Göpel  800000  S  heben  würden.  Für  den  Rest 
(von  163  537  8)  dachte  ich  o  Hebel  aus  starken  Balken  anzuwenden,  jeder  13  m 
lang,  so  dass  ich  nicht  nur  genug  Kraft,  sondern  noch  einen  Ueberschuss  hätte.  Auch 
konnte  man  bei  meiner  Anordnung  immer  leicht  Maschinen  zufügen,  wenn  die  ersten 
nicht  genügen  sollten. 

Als  meine  Erfindung  an  die  Oeffentlichkeit  kam,  zeigte  sich,  dass  fast  alle 
Sachverständige  bezweifelten,  dass  man  so  viele  Göpel  so  in  Uebereinstimmung  bringen 
könnte,  dass  sie  mit  vereinter  Kraft  wirkten,  um  ein  so  grosses  Gewicht  zii  heben. 
Sie  sagten,  die  Göpel  könnten  nicht  gleichmässig  anziehen,  der  am  stärksten  ange- 
zogene Göpel  müsse  zerbrechen,  und  dadurch  Verwirrung  entstehen,  die  die  ganze 
Maschinerie  in  Unordnung  bringen  würde.  Ich  aber,  obgleich  ich  noch  nie  so  viele 
Kräfte  hatte  zusammenwirken  lassen,  noch  etwas  dergleichen  gesehen  hatte,  noch 
durch  irgend  eine  Vergleichung  darüber  klar  werden  konnte,  fühlte  mich  doch  sicher, 
dass  ich  es  thun  könnte,  weil  ich  wusste,  dass  vier  Pferde,  die  an  einem  jener  Seile 
ziehen,  wie  ich  sie  angeordnet  hatte,  wenn  sie  sich  auch  noch  so  sehr  anstrengten, 
doch  niemals  im  Stande  sein  würden,  es  zu  zerreissen,  sondern  wenn  irgend  ein  Göpel 
zuviel  von  der  Last  zu  tragen  bekommen  würde,  könnte  er  sich  nicht  mehr  drehen, 
aber  ebenso  wenig,  wie  gesagt,  das  Seil  zerreissen;  die  anderen,  zurückgebliebenen 
Göpel  würden  inzwischen  gedreht  werden,  bis  jeder  wieder  seinen  richtigen  Theil  von 
der  Last  auf  sich  genommen  habe.  Dann  würde  jener  erste,  der  zu  sehr  belastet 
war,  auch  wieder  anfangen  können,  sich  zu  drehen,  und  alle  Kräfte  sich  vereinigen. 
Ausserdem  hatte  ich  angeordnet,  dass  nach  je  drei  oder  vier  Umdrehungen  der  Göpel 
angehalten  werden  sollte,  und  dass  die  Leute,  wenn  sie  die  Seile  dann  berührten 
und  eines  zu  stark  gespannt  fänden,  es  nachliessen."  (Die  Seile  wurden  nämlich 
nicht  an  den  GöpelwiUcn  befestigt,  sondern  nur  mehrmals  darum  geschlungen,  und 
ihr   freies   Ende   von    einem   Arbeiter   angezogen.      Es   waren    also   gewissermassen 


Gewicht  des  Obelisken,  Bedenken  Anderer  gegen  Foatana's  Projekt.  4äS 

Friktion 3 winden,  und  eine  übermässige  Spannung  des  Seiles  konnte  der  Arbeiter,  der 
das  freie  Ende  desselben  anzog,  leicht  korrigiren.)  „Alle  diese  Anordnungen  waren 
mir  nicht  neu,  und  ich  vermied  mit  ihnen  alle  Gefabren  und  war  sicher,  dass  kein 
6dl  brechen  werde. 

Da  es   nothwendig  war,  ein  hölzernes  Gerüste  zu   bauen   und  Raum  für  die 
Aufstellung  der  genannten  40  Göpel  zu  schaffen,  erwies  es  eich,  da  der  betreffende 


Platz  etwas  zu  eng  war,  als  nöthig,  einige  Häuser  niederzulegen  und  den  Platz  zu 
ebnen,  wie  man  aus  dem  Grundpinne  {Fig.  770)  eraieht,  auf  dem  die  Vertheilung  der 
Göpel  {C}  angegeben  ist.  Und  damit  dna  Gewicht  des  Gurüstea  und  der  dnmn 
hängenden  Last  die  Erde  nicht  eindrücke,  machte  man  um  den  Fuss  dos  Oheliiiken 
ein  Bett  von  doppelten  Balken,  tlic  einander  berührten.  Dieses  Bett  hatte  die  Form 
eines  Kreuzes,  wovon  jeder  Arm  an  einer  der  vier  Seiten  des  Obelisken  anfing  und 
sich  10,85  m   weit  erstreckte   und  an  jedem  Ende  eine  Breite   von   6,51  m  hatte. 


494  Domenico  Fontana  und  der  Transport  des  Vaticanisciien  Obelisken. 

Ueber  dieses  Kreuz  wurde  eine  andere  Lage  Balken  gelegt^  die  so  weit  von  einander 
entfernt  waren,  dass  sie  die  Fussenden  der  Säulen  und  der  Streben,  die  diese  zu 
stützen  hatten,  zwischen  sich  fassen  konnten.  Die  Streben  wurden  von  diesen  und 
anderen  Balken  so  zusammengehalten,  dass  sie  nach  keiner  Seite  ausweichen  konnten. 

Um  das  Gerüst  (Fig.  771)  herzustellen,  richtete  man  acht  hölzerne  Säulen 
oder  Pfosten  auf,  vier  auf  der  einen  und  vier  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  des 
Obelisken,  je  1,08  m  von  einander  entfernt.  Jede  Säule  bestand  im  Querschnitte 
aus  4  Balken  von  je  49  cm  Dicke,  so  dass  jede  Säule  nahezu  1  m  dick  war.  Die 
Balken  waren  so  mit  einander  verbunden,  dass  die  Stossfugen  nicht  zusammentrafen. 
Sie  waren  an  vielen  Stellen  durch  eiserne  Bolzen  mit  Schliessen  verbunden,  so  dass 
man  sie  leicht  wieder  auseinandernehmen  konnte.  Die  Entfernung  von  einem  Bolzen 
zum  anderen  betrug  2,60  m.  Ausserdem  waren,  je  2,60  m  von  einander  entfernt^ 
eiserne  Bänder  um  die  Säulen  gelegt  imd  Keile  zwischen  sie  und  die  Balken  ge- 
trieben, um  diese  fester  zusammenzuziehen.  Endlich  waren,  je  2,60  m  von  einander 
entfernt,  Seile  um  die  Säulen  gewickelt  und  Keile  zwischen  sie  und  die  Balken  ge- 
trieben. Die  so  gebildeten  Säulen  waren  um  2,17  m  höher  als  der  Obelisk,  d.  h. 
vom  Fundament  an  26,70  m  hoch.  Auf  diese  wurden  Träger  aus  dicksten  Balken 
gelegt  und  innerhalb  des  Gerüstes  mit  den  Säulen  verstrebt.  Sie  verbanden  die  Enden 
der  Säulen  so,  dass  diese  sich  nicht  nach  innen  neigen  oder  biegen  konnten.  Rings 
um  diese  acht  Säulen  waren  48  Streben  in  folgender  Weise  gestellt:  1,08  m  vom 
Fusse  jeder  Säule  entfernt  standen  die  Fussenden  der  kürzesten  Streben,  welche  bis 
zum  dritten  Theile  der  Seitenhöhe  hinaufreichten.  Sie  waren  Ö4  cm  dick,  aus  einem 
Balken  bestehend.  Jede  Säule  hatte  eine  solche  Strebe,  die  an  den  vier  Ecken  aber 
deren  zwei,  d.  h.  diese  waren  nicht  nur  nach  Norden  oder  Süden,  sondern  auch  nach 
Osten  oder  Westen  hin  verstrebt  Wieder  1,08  m  von  dem  Fusse  dieser  ersten  stand 
der  der  zweiten,  die  bis  zur  halben  Säulenhöhe  reichten,  und  abermals  1,08  m  davon 
entfernt  waren  die  dritten,  die  bis  zu  */8  der  Säulenhöhe  reichten.  Und  weil  sich 
keine  Balken  von  dieser  Länge  fanden,  wurden  sie  auf  dieselbe  Weise  zusammen- 
gesetzt wie  die  Säulen.  Und  wiederum  1,08  m  davon  entfernt  standen  die  äussersten 
Streben  auf,  die  bis  nahe  an  das  obere  Ende  der  Säulen  reichten.  Alle  diese  Streben 
wurden  durch  viele  Querbalken  und  gekreuzte  Balken  versteift  und  gehalten.  In 
den  Höben,  wo  die  Streben  auf  die  Säulen  trafen,  wurden  im  Innern  des  Gerüstes 
Querbalken  über  alle  vier  Säulen  angebracht  und  durch  Nägel  und  Verschnürung 
an  diesen  befestigt,  damit  die  Säulen  sich  nicht  nach  den  Seiten  ausbiegen  konnten. 
Und  zwischen  den  beiden  ersten  und  den  beiden  letzten  Säulen,  welche  nach  aussen 
standen,  wurden  zwischen  diesen  Balken  Spreizen  angebracht,  die  ein  Ausbi^en  der 
Säulen  nach  innen  verhüteten.  Dieses  Gerüst  war  so  fest,  dass  man  das  grösste 
Gebäude  darauf  hätte  stellen  können.  An  seinem  oberen  Ende  wurde  es  aber  noch 
durch  vier  Spannseile  (die  schräg  nach  der  Erde  herabliefen,  wo  sie  verankert  wurden, 
und  die  durch  Flaschenzüge  gespannt  wurden)  gehalten.  Auf  die  Träger  (oben  auf 
den  Säulen)  wurden  5  starke  Balken  gelegt,  jeder  6,51  m  lang  imd  nach  jeder 
Richtung  mehr  als  65  cm  dick,  an  welchen  zwischen  den  Trägern  40  Flaschenzüge 
aufgehängt  wurden,  die  man  durch  die  40  Göpel  bewegte.  Diese  Flaschenzüge  wurden 
nicht  in  der  Mitte  der  Zwischenräume,  sondern,  der  grösseren  Sicherheit  wegen,  nahe 
bei  den  Trägern  und  Säulen  aufgehängt 

Den  Obelisken  bedeckte  man  zunächst  mit  doppelten  Binsematten,  damit  er 
nicht  verletzt  würde.  Darüber  wiu*den  Bohlen  von  54  mm  Dicke  gelegt  Ueber 
diese  legte  man  auf  jeder  Seite  des  Obelisken  drei  eiserne  Längsstäbe  von  108  mm 
Breite  und  54  mm  Dicke,  deren  untere  umgebogene  Enden  unter  den  Obelisken 
fa:^5ten,  da  er  auf  broncenen  Knäufen  stand.  Diese  Eisenstäbe  reichten  bis  zum 
oberen  Drittel  der  Höhe  an  dem  Obelisken  hinauf,  indem  sie  aus  mehreren  scharnier- 
artig verbundenen  Stücken  zusammengesetzt  waren.  Sie  wurden  von  9  auf  ihre  Länge 
ungefähr  gleichmässig  vertheilten  Bändern  aus  demselben  Eisen  umschlossen.^  (Um 
(lieöü  an  Verschiebung  nach   oben   zu  hindern,    da   die  Flaschenzüge  an   ihnen  an- 


Das  Gerüst  zum  Aufheben  und  Niederlegen  des  Obelisken.  495 

greifen  sollten,  waren  eiserne  Stollen  über  ihnen  in  die  Längsschienen  geschraubt 
oder  genietet)  „Das  Eisenwerk  dieser  Verkleidung  wog  13  333  kg,  die  Bohlen, 
Flaschenzüge  und  Seile  etwa  ebensoviel,  so  dass  der  Obelisk  mit  dieser  Armatur 
etwa  348000  kg  wog.  Während  man  ihn  armirte,  wurde  der  Platz  geebnet^  die 
Göpel  wurden  aufgestellt,  die  Flaschenzüge  aufgehangen  und  mit  den  Göpeln  ver- 
bunden. Und  damit  diejenigen,  welche  mit  der  Ueberwachung  des  Gerüstes  beauf- 
tragt waren,  sofort  erkennen  könnten,  welcher  Göpel  zurückgeblieben  oder  voraus- 
geeilt war,  liess  ich  alle  Göpel  mit  Nummern  zeichnen  und  ebenso  die  zugehörigen 
Leitrollen  imd  Flaschenzüge,  so  dass  man  jedesmal,  wenn  es  nöthig  war,  von  der 
Spitze  des  Gerüstes  aus  einen  Wink  geben  konnte,  welcher  Göpel  nachgelassen  oder 
mehr  angezogen  werden  müsse,  uiid  dass  die  Aufseher  der  Göpel  ohne  die  geringste 
Verwirrung  in  jedem  Moment  diesen  Befehlen  entsprechen  konnten.  Wegen  der 
Enge  des  Platzes  aber  war  es  noth wendig,  drei  Göpel  in  der  Sakristei  {A  Fig.  770) 
aufzustellen,  und  die  Seile  an  vielen  Stellen  durch  Leitrollen  in  gebrochenen  Linien 
zu  führen,  wie  man  es  auf  dem  Plane  (Fig.  770)  sieht. 

Nachdem  alle  Göpel  gezeichnet  waren,  liess  man  einen  nach  dem  anderen  von 
drei  bis  vier  Pferden  ziehen,  um  die  Kraftäusserungen  der  Pferde  in  Ueberein Stimmung 
zu  bringen,  indem  man  nach  je  drei  bis  vier  Umgängen  revidirte,  bis  sie  alle  gleich- 
massig  anzogen.     Dieses  Ziel  erreichte  man  am  28.  April   1586." 

„Da  unendlich  viel  Volk  zusammenlief,  um  ein  so  merkwürdiges  Unternehmen 
anzusehen,  wurden,  um  Unordnung  zu  vermeiden,  die  Strassen  abgesperrt,  die  über 
den  Platz  führten,  und  eine  Bekanntmachung  erlassen,  dass  an  dem  zur  Hebung 
des  Obelisken  bestimmten  Tage  ausser  den  Arbeitern  Niemand  in  die  Schranken  ein- 
treten dürfe.  Wer  mit  Gewalt  eindränge,  würde  mit  dem  Tode  bestraft  Ferner 
dürfe  keiner  bei  schwerer  Strafe  die  Arbeiter  hindern,  keiner  dürfe  sprechen,  disputiren, 
oder  irgend  einen  Lärm  machen,  bei  schwerer  Strafe,  damit  die  prompte  Ausführung 
der  Bef(»hle  der  Bediensteten  nicht  gehindert  werde.  Zur  sofortigen  Vollstreckung 
dieser  Verordnung  wurde  der  Hauptmann  der  Häscher  mit  seinem  Korps  innerhalb 
der  Umschliessung  aufgestellt,  so  dass,  theils  wegen  der  Neuheit  der  Arbeit,  theils 
wegen  der  angedrohten  Strafen,  in  der  Volksmenge,  welche  zusammenlief,  die  grösste 
Stille  herrschte. 

Am  30.  April,  zwei  Stunden  vor  Tagesanbruch,  wurden  zwei  Messen  in  der 
Heiligengeistkirche  gelesen,  damit  Gott,  zu  dessen  und  des  heiligen  Kreuzes  Ehre 
dieses  merkwürdige  Unternehmen  ausgeführt  werden  sollte,  ihm  seine  Gunst  schenken 
und  es  gelingen  lassen  möge.  Und  damit  Er  die  Bitten  Aller  erhöre,  gingen  sämnit- 
liche  Arbeiter,  Aufseher  und  Fuhrleute,  die  bei  dem  grossen  Werke  zu  thun  hatten 
und  nach  meiner  Anordnung  Tags  zuvor  gebeichtet  hatten,  zur  Kommunion.  Auch 
hatte  unser  Herr  mir  den  Tag  vorher  seinen  Segen  gegeben  und  mir  anempfohlen, 
was  ich  zu  thun  habe.  Nachdem  alle  kommunicirt  hatten  und  angemessene  Reden 
gehalten  worden  waren,  trat  er  aus  der  Kirche  in  die  Umzäunung,  und  alle  Arbeiter 
wurden  an  ihre  Plätze  beordert.  Jeder  Göpel  erhielt  zwei  Aufseher,  deren  Anweisung 
besagte,  dass  jedesmal,  wenn  das  Signal  eines  Trompeters  gehört  würde,  den  ich  auf 
einem  erhöhten  Platze  aufstellte,  so  dass  er  allen  sichtbar  war,  die  Göpel  in  Gang 
zu  setzen  seien,  und  er  ein  scharfes  Auge  darauf  haben  müsse,  dass  richtig  gearbeitet 
werde;  wenn  aber  der  Ton  einer  Glocke  erklinge,  die  oben  an  dem  Gerüst  auf- 
gehangen war,  müsse  er  sofort  Halt  machen  lassen.  Lmerhalb  einer  Umzäunung 
am  Ende  des  Platzes  stand  der  Chef  der  Fuhrleute  mit  20  starken  Reservepferden 
und  20  Mann  zu  ihrer  Bedienung.  Ausserdem  hatte  ich  noch  acht  bis  zehn  tüchtige 
Männer  auf  dem  Platze  vertheilt,  die  herumgingen  und  überall  nachsahen,  dass  während 
der  Arbeit  keinerlei  Unordnung  vorkäme.  Femer  hatte  ich  eine  Abtheilung  von 
12  ^lann  angewiesen,  die  nöthigen  Reserveseile,  Flaschenzüge,  Rollen  u.  s.  w.  nach 
Bedarf  hin  und  her  zu  tragen.  Diese  waren  vor  dem  Vorrathshause  auf  einem  er- 
höhten Platze  aufgestellt,  wo  sie  auf  jeden  Wink  oder  Befehl  das  auszuführen  hatten, 
was  ihnen  aufgetragen  wurde,  so  dass  kein  Göpelaufseher  seinen  Platz  zu  verlassen 


49C  Domenico  Fontana  and  der  Transport  des  Vaticnnischen  Obelisken. 

brnuchte.  An  jeden  Göpel  aber  hatte  ich  sowohl  Menschen  als  Pferde  gestellt,  um 
ihn  zu  bewegen,  damit  erstere  ihn  mit  mehr  Vernunft  nach  den  Befehlen  der  Auf- 
seher regierten,  da  Pferde  allein  manchmal  stehen  bleiben  oder  sich  zu  rasch  bewegen. 
Unter  dem  Gerüste  waren  12  Zimmerleute  aufgestellt,  welche  fortwährend  hölzerne 
und  eiserne  Keile  unter  den  Obelisk  zu  schlagen  hatten,  einestheils  um  damit  heben 
zu  helfen,  anderentheils  um  ihn  fortwährend  zu  unterstützen,  so  dass  er  niemals  frei 
hing.  Diese  Zimmerleute  trugen  eiserne  Helme  auf  dem  Kopfe,  um  sie  zu  schützen, 
wenn  ein  Gegenstand  von  dem  Gerüste  herabfiel.  Zur  Beobachtung  des  Grerüstea, 
der  Flaschenzüge  und  Verschnürungen  daran  bestimmte  ich  30  ^lann.  An  die  drö 
Hebel  gegen  Westen  (nach  der  Sakristei  hin)  stellte  ich  35  Mann  zur  Bedienung 
und  an  die  gegenüberliegenden  zwei  Hebel  18  Mann  mit  einem  kleinen  HandgöpeL" 

„Nachdem  von  allen  ein  Patenioster  und  Ave  Maria  gesprochen  war,  gab  ich 
dem  Trompeter  das  Zeichen,  und  sobald  sein  Signal  ertönte,  begannen  die  5  Hebel 
und  40  Göpel  mit  907  Menschen  und  75  Pferden  zu  arbeiten.  Bei  der  ersten  Be- 
wegung schien  es,  als  ob  die  Erde  zittere,  und  das  Gerüst  krachte  laut>  indem  sich 
alle  Hölzer  durch  das  Gewicht  zusammendrückten,  und  der  Obelisk,  welcher  um 
44  cm  gegen  den  Chor  von  St  Peter  hin  geneigt  gewesen  war,  stellte  sich  senkrecht 
Als  man  sah,  dass  das  Gerüst,  trotz  dem  Krachen,  in  keinem  Theile  nachgab  und 
Niemandem  etwas  zugestossen  war,  fasste  Jeder  Muth,  und  nachdem  die  Glocke  das 
Zeichen  zum  Anhalten  gegeben  hatte,  fand  sich,  dass  die  oberste  der  eisernen  Ban- 
dagen, die  die  Längsstäbe  am  Obelisken  zusammenhielten  (und  an  der  mehrere  Flaschen- 
züge angriffen)  zerbrochen  war.  Man  half  dem  dadurch  ab,  dass  man  4  Flaschen- 
züge auf  jeder  Seite  an  einer  Seilumschlingung  befestigte,  deren  Enden  mehrmals 
unter  dem  Obelisken  durch  und  auf  der  anderen  Seite  wieder  zu  der  Umschlingung 
hinaufgeführt  wurden.  Alsdann  fuhr  man  fort  und  hob  den  Obelisken  in  12  Be- 
wegungen (Hitzen)  um  60  cm,  was  genügte,  um  die  Schleife  darunter  zu  schieben 
und  die  metallenen  Knäufe,  worauf  der  Obelisk  gestanden  hatte,  wegzunehmen.  In 
dieser  Höhe  wurde  daher  angehalten  und  wiutlen  die  vier  Ecken  des  Obelisken  mit 
sehr  starken  Unierlaghölzern,  hölzernen  und  eisernen  Keilen  unterschlagen.  Und  als 
dies  um  22  Uhr*)  desselben  Tages  geschehen  war,  wurde  mit  einigen  Mörsern  auf 
dem  Gerüste  das  Signal  gegeben  und  die  ganze  Artillerie  gab  mit  lautem  Donner  das 
Zeichen  der  Freude.  Und  man  brachte  dem  Befehle  gemäss  das  Mittagessen  in 
Körben  zu  jedem  Göpel,  damit  Keiner  seinen  Posten  verlasse. 

Aus  Erfahrung  wusste  man  nun,  dass  Seile  sicherer  sind,  als  eiserne  Bänder, 
und  deshalb  legte  man  nun  an  vielen  Stellen  starke  Taue  um  den  Obelisken,  die, 
wie  oben  beschrieben,  mit  unter  ihm  durchgehenden  Seilen  gehalten  wurden.  Der 
grösste  Theil  der  eisernen  Bänder  wurde  durch  das  grosse  Gewicht  zerbrochen  odor 
verbogen.  Andere  hatten  die  eisernen  Stollen,  die  in  den  Längsschienen  befestigt 
waren  und  gegen  die  sie  sich  stützten,  abgedrückt.  Es  schien,  als  ob  sie  mit  einem 
Messer  abgeschnitten  wären,  wenn  es  möglich  wäre.  Eisen  wie  andere  weiche  Dinge 
zu  schneiden.     Es  ist  dies  eine  erstaunliche  Wirkung  eines  so  grossen  Gewichtes. 

Wie  erwähnt,  wurde  der  Obelisk  während  des  Hebens  von  den  Zinunerleuten 
fortwährend  unterkeilt,  so  dass  er  wie  auf  einem  Piedestal  stand.  Als  dies  vollendet 
war,  machte  man  sich  daran,  die  Knäufe  wegzunehmen,  wovon  zwei  (Q  Fig.  770) 
nur  auf  die  Oberfläche  des  Piedestals  gelegt  waren.  Jeder  wog  200  kg.  Einer  davon 
wurde  sogleich  zu  Seiner  Heiligkeit  dem  Papste  gebracht,  welcher  grosse  Freude 
darüber  an  den  Tag  legte.  Die  beiden  anderen  waren  33  cm  tief  eingezapft  und 
eingobleit  (R  Fig.  770),  wie  man  es  aus  der  Zeichnung  ersieht.  Jeder  wog  266  kg. 
Diese  sassen  so  fest,  dass  man  sich  4  Tage  und  4  Nächte  lang  abmühen  musste, 
um  sie  herauszunehmen,  denn  es  war  schliesslich  nothwendig,  den  Stein  ringsum 
herauszumei^selii.  Daraus  lässt  sich  nach  meiner  Meinimg  schliessen,  dass  die  Alten 
sie  so  fest  machten,  um  den  Fuss  der  Julia  während  des  Aufrichtens  dagegen  zu 
stemmen.     Indem  sie  dann  an  der  Spitze  aufzogen,  musste  sie  sich  um  diese  Knäufe 

*i  Die  Uhren  in  Italien  hatten  damals  Zifferblätter  für  24  Stunden. 


Aufheben  und  Umlegen.  497 

auf  dem  Piedestal  drehen.  Man  erkennt  dies  auch  daran,  dass  diese  Knäufe  iam 
Rande  abgerieben  sind.  Diese  Art  des  Aufrichtens  muss  aber  mehr  Mühe  und  Kosten 
verursacht  haben,  als  die  Art,  in  der  es  jetzt  gemacht  wurde.  Mehr  Mühe,  weil  eine 
Kraft  der  anderen  entgegenwirkte,  da  man  die  Julia  gegen  die  Knäufe  hinzog,  gegen 
die  ihr  Fuss  sich  stützte,  und  mehr  Kosten,  weil  man  das  Gerüst  ebenso  lang  machen 
musste,  wie  die  auf  der  Erde  liegende  Julia.  Ich  bin  auch  der  Meinung,  dass 
Plinius  Recht  hat,  indem  er  sagt,  die  Julia  sei  beim  Aufrichten  zerbrochen  worden, 
und  zwar  aus  drei  Gründen.  Erstens  weil  die  Spitze  nicht  dieselben  Verhältnisse 
zeigt  wie  die  anderen,  welche  alle  1^/t  Kopfbreiten  hoch  sind.  Danach  müsste  die 
Spitze  der  Julia  12  palmi  hoch  sein;  sie  hat  aber  nur  6,  und  ich  glaube,  dass  die 
Alten,  nachdem  sie  abgebrochen  war,  sie  nicht  höher  machen  wollten,  um  den  Stein 
nicht  zu  sehr  zu  verkleinem.  Der  zweite  Grund  ist,  dass,  wie  man  sieht,  die  Spitze 
von  einem  anderen  Meister  bearbeitet  ist  Denn  sie  ist  nicht,  wie  der  übrige  Stein, 
polirt,  sondern  erscheint  wie  Bauemarbeit  dagegen.  Der  dritte  Grund  ist,  dass  die 
anderen  Obelisken  eine  Höhe  von  9^/9  bis  10  Kopfbreiten  haben,  während  diese 
Höhe  bei  dem  von  St  Pietro  nur  9  Kopfbreiten  beträgt 

Während  man  die  metallenen  Knäufe  aus  dem  Piedestal  nahm,  wurde  die 
Schleife  auf  die  Walzen  gelegt  Die  Schleife  war  schmäler  als  der  Fuss  des  Obelisken, 
so  dass  sie  zwischen  den  Unterlaghölzem  unter  den  Ecken  desselben  hindurch- 
geschoben werden  konnte. 

Der  Obelisk  war  nun  umzulegen,  was  wegen  der  Grösse  der  Bewegung  und 
der  Länge  des  Steines  eine  schwierigere  Arbeit  war  als  die  erste.  Zu  diesem  Zwecke 
ordnete  man  die  Flaschenzüge  und  Seile  anders  an,  so  dass  die  Westseite,  womit 
sich  der  Obelisk  auf  die  Schleife  legen  sollte,  frei  blieb.  Auch  wurden  die  Göpel 
anders  angeordnet,  weil  sie  nun  auf  andere  Weise  wirkten.  (Fig.  772).  Und  weil 
ich  voraussah,  dass  es  manchmal  nöthig  werden  würde,  anzuhalten,  lyähi-end  der 
Obelisk  schräg  stand,  um  Flaschenzüge,  ümschnürungen  und  andere  Dinge  nach 
Bedarf  zu  ordnen,  liess  ich,  damit  der  Obelisk  niemals  an  den  Seilen  hängend  ruhe, 
sondern  unterstützt  sei,  vier  Balken  von  je  13  m  Länge  herrichten,  die  an  den  Enden 
mit  starken  Schamierköpfen  versehen  waren,  welche  sich  zu  beiden  Seiten  dicht  an 
dem  Obelisken  um  eine  108  mm  dicke  Eisenstange  drehten,  welche  die  untere  Seite 
des  Obelisken  berührte  und  durch  eine  eiserne  Umgürtung  desselben  an  ihm  befestigt 
war.  Die  genannten  Balken  aber  ruhten  auf  einer  Walze  (wie  aus  Fig.  771  ersicht- 
lich ist)  und  der  Winkel,  den  die  Balken  mit  dem  Obelisken  bildeten,  öffnete  sich, 
indem  dieser  niedergelassen  wurde,  wie  ein  Zirkel.  Da  sie  aber  bei  zu  schräger 
Stellung  nicht  mehr  als  Stütze  dienen  konnten,  hatte  ich  noch  kürzere  Balken  zu 
demselben  Zwecke  herrichten  lassen.  Wenn  die  Arbeit  unterbrochen  werden  musste, 
wurde  der  Obelisk  durch  diese  Balken  unterstützt,  indem  man  sie  entweder  mit  einem 
Seile  festhielt,  das  an  ihre  Fussenden  gebunden  und  um  eine  Säule  geschlungen  war, 
oder  durch  einen  Eisenstab,  der  in  Löcher  der  Walze  gesteckt  wurde  und,  indem  er 
sich  gegen  die  Erde  stemmte,  die  Drehung  der  Walze  verhinderte.  Nachdem  die 
Göpel  anders  angeordnet  und  an  die  geeigneten  Plätze  gestellt  waren,  wurden  die- 
jenigen, an  deren  Fiaschenzügen  der  Obelisk  während  des  Ablassens  hängen  sollte, 
von  Neuem  angezogen  und  die  Seile  so  stark  gespannt  wie  sie  beim  Heben  gewesen 
waren.  Dann  wurden  sie  festgestellt  dass  sie  sich  nicht  mehr  drehen  konnten.'* 
(Das  Nachlassen  der  Flaschenzugseile  dieser  Göpel  sollte  also  nicht  durch  Rückwärts- 
drehen dieser  erfolgen,  sondern  durch  Nachlassen  des  von  einem  Arbeiter  angezogenen 
freien  Endes  des  mehrmals  um  die  nun  feststehende  Göpelwelle  geschlungenen  Seiles.) 
„Die  Ausführung  dieser  Vorarbeiten  nahm  acht  Tage  in  Anspruch,  und  am  Mittwoch, 
den  7.  Mai  1586,  am  Morgen  zu  guter  Zeit  war  die  ganze  Vorrichtung  in  Ordnung. 
Am  Fusse  des  Obelisken  waren  vier  Flaschenzüge  befestigt  und  die  sie  bedienenden 
Göpel  standen  hinter  der  Sakristei  nach  Westen.  Diese  fingen  an  jenem  Morgen  zu 
guter  Stunde  an  sich  zu  drehen  und  den  auf  einer  Schleife,  die  auf  Walzen  L'ef, 
ruhenden  Fuss  des  Obelisken  zu  sich  hin  zu  ziehen,  während  die  anderen  festgestellten 

Beck.  32 


498  Domenico  FonUna  niid  der  Truiaport  des  VeticatuBchen  Ob«lisken. 

Göpel  ihre  Seile  nachlieseen.  Eti  war  der  Befehl  ertheilt,  dass  gerade  m>  wie  beim 
Heben,  wenn  das  Trompetensi^al  erschallte,  die  Göpel  am  Fnase  anueben  und 
gleichzeitig  die  anderen  nachlassen  sollten;  wenn  aber  die  Glocke  ertonte,  hatten  sie 
anzuhalten.     Die  Spitze   des  Obelisken  war  nach  der  8eit«  bin,  nach  der  der  Faaa 


gezogen  wurili},  durch  leichte  Balkon,  die  an  den  Säulfii  befestigt  «raren,  gestützt, 
und  der  OI)olisk  neigte  sich  deshalb,  als  sein  Fuas  »ach  Westen  hin  gezogen  wurde, 
ohne  jeglicho  Erschütterung.  Fünf  Fhi:jchenzügc  rJ  aber  waten  einerueite  an  dem 
Gewölbe  der  Sakristei,  ainloaTseits  an  der  Spitze  des  (llK>Iiskun  befestigt  (Fig.  772) 
und  regelten,  wie  mit  eiiicui  Zügel,  das  Xiedei^'hen  desselben,  das  niemals  einen 
Stoss  verursachte.    Als  er  in  der  Hälfte  des  Niederganges  war,  fing  er  an  von  selbst 


Piedestaly  Horizontaltransport.  499 

auf  den  Walzen  naoh  hinten  zu  rutschen,  und  es  war  daher  nicht  mehr  nöthig,  ihn 
in  dieser  Richtung  zu  ziehen,  sondern  im  Gregentheil  einen  Flaschenzug  in  entgegen- 
gesetzter Richtung  am  Fusse  anzubringen,  um  ihn  nach  Gefallen  des  Aufsehers  zu 
regieren.  Um  22  Uhr  lag  er  wohlbehalten  und  ohne  dass  irgend  Jemand  verletzt 
worden  wäre  auf  der  Schleife,  welche  unter  ihn  gezogen  worden  war.  Dies  erfuhr 
unser  Herr  mit  grösster  Befriedigung  und  das  ganze  Volk  empfand  eine  solche  Freude 
<larüber,  dass  der  Architekt  mit  Trommel«  und  Trompetenschall  nach  Hause  geleitet 
imrde. 

Am  folgenden  Tage  fing  man  an,  alle  Flaschenzüge  und  Göpel  wegzunehmen, 
tmd  diese  Arbeit  nahm  vier  Tage  in  Anspruch.  Dann  zog  man  den  Obelisken  mit 
vier  Göpeln  und  Flaschenzügen  hervor,  bis  er  ganz  ausserhalb  des  Gestelles  lag,  um 
•es  auseinandernehmen  zu  können  ohne  Gefahr,  dass  ein  Balken  darauf  falle.  Als- 
dann machte  man  sich  daran,  das  Gerüst  auseinander  zu  nehmen,  indem  man  alle 
Keile,  Seile,  Bolzen  und  Bandagen  wegnahm  und  gesondert  aufbewahrte,  um  sich 
ihrer  beim  Wiederaufschlagen  auf  dem  Platze  sofort  bedienen  zu  können.  Sobald 
das  Gerüst  auseinandergenommen  war,  ^ng  man  an,  die  Erde  rings  um  das  Piedestal 
aufzugraben,  um  es  blosszulegen,  und  in  derselben  Zeit  fuhr  man  die  Hölzer  auf 
<len  St  Peters-Platz.  Als  das  Piedestal  zur  Hälfte  aufgedeckt  war,  fand  man,  dass 
sein  erster  Theil,  worauf  die  Knäufe  gesessen  hatten,  2,50  m  hoch  war,  auf  der 
Ostseite  2,66  m,  auf  der  Westseite  2,82  m,  auf  der  Nord-  und  Südseite  2,87  m 
breit  Man  zog  ihn  auf,  legte  ihn  auf  Walzen  und  beförderte  ihn  nach  dem  Platze. 
Unter  diesem  fand  sich  eine  Gesimsplatte  aus  einem  Stücke,  868  mm  hoch,  oben 
3,25  m,  unten  2,82  m  breit  Man  beförderte  sie  ebenfalls  auf  den  Platz.  Darunter 
fand  sich  ein  Sockelstein,  2,82  m  }ioch,  nach  Osten  2,55  m,  nach  Westen,  Norden 
und  Süden  2,88  m  breit  Darunter  war  eine  Grundplatte,  922  mm  hoch,  oben  2,82, 
imten  3,36  m  breit  Da  der  erste  Theil  breiter  war  als  der  untere,  wenn  auch  nicht 
so  hoch,  nach  den  Regeln  der  Architektur  aber  der  breitere  Theil  unten  liegen  sollte, 
veranlasste  mich  dies  zu  glauben,  dass  dieses  Piedestal  aus  Ueberresten  alter  Bau- 
werke gebildet  worden  wäre,  und  diese  Ansicht  wurde  dadurch  bestätigt,  dass  die 
Gesimsplatte  weniger  gut  modellirt  war,  als  die  Grundplatte,  woraus  man  schliessen 
konnte,  dass  sie  Werke  zweier  Architekten  seien.  Wenn  ich  beim  Aufrichten  des 
Piedestals  den  breiteren  Theil  unten  hin  hätte  legen  wollen,  würde  er  nicht  auf  die 
Grundplatte  gepasst  haben,  die  oben  schmäler  war,  und  wenn  man  eine  neue  Grund- 
platte hätte  machen  wollen,  hätte  man  in  Rom  keinen  so  grossen  Stein  gefunden, 
so  dass  ich  wegen  der  Kürze  der  Zeit  und  um  Unannehmlichkeiten  zu  vermeiden 
gezwungen  war,  alle  Theile  wieder  so  zu  legen,  wie  sie  von  den  Alten  angeordnet 
worden  waren.  Unter  der  genannten  Gnmdplatte  war  ein  Sockel  von  weissem  Marmor, 
976  mm  hoch,  gegen  Ost  und  West  4,88  m  lang,  gegen  Nord  und  Süd  3,25  m 
breit  Er  bestand  aus  drei  Stücken,  die  durch  eingebleite  Eisenklammem  verbunden 
waren,  und  stand  ganz  unter  Wasser.  Darunter  fand  sich  noch  eine  Doppellage  von 
Kalksteinen  und  ein  Fundament  von  Kieselsteinen.  Die  Kalksteine  konnten  nicht 
alle  herausgebracht  werden,  weil  es  die  Kosten  nicht  deckte,  da  sie  8,68  m  tief  in 
<ier  Erde  lagen  und  das  Wasser  überall  herausquoll. 

Da  man  den  Obelisken  von  dieser  Stelle  bis  zu  seinem  neuen  Standorte  auf 
eine  Entfernung  von  300  Ellen  transportiren  musste  und  man  durch  Nivellement 
fand,  dass  der  neue  Standort  um  8,68  m  tiefer  lag  als  der  Platz,  wo  er  seither  ge- 
standen (also  in  gleicher  Höhe  mit  der  Oberfläche  des  alten  Fundaments),  machte 
man  einen  ebenen  Damm  (d.  h.  einen  Damm  mit  horizontaler  Krone)  von  dem  alten 
bis  zu  dem  neuen  Standorte,  indem  man  die  Erde  dazu  hinter  den  Gebäuden  von 
St,  Peter  aus  dem  Monte  Vaticano  entnahm.  Unten  machte  man  ihn,  bei  10,85  m 
Kronenbreite  und  8,03  m  Höhe,  21,7  m  breit  Um  den  Standort  des  Gerüstes  herum, 
machte  man  ihn  aber  oben  um  20,61  m  und  am  Fusse  um  27,12  m  breiter.  Man 
verkleidete  ihn  mit  Balken  und  stützte  diese  durch  Pfosten  und  Streben,  zog  auch 
Bn  vielen  Stellen  Balken  quer  durch,  damit  er  nirgends  dem  grossem  Drucke  nachgebe. 

32* 


500  Domenico  Fontana  und  der  Transport  des  Vaticanischen  Obelisken. 

Während  alles  dies  ausgeführt  A\'urde,  legte  man  auf  das  Fundament,  das 
schon  auf  dem  Platze  von  St.  Peter  hergestellt  worden  war  und  den  Obelisken  tragen 
sollte,  eine  Lage  bearbeiteter  Kalksteine,  9,11  m  breit  und  nach  jeder  Seite  mit  drei 
Stufen  von  demselben  Steine  ringsum,  je  54  cm  breit  Aber  in  dieser  Lage  wurden 
gegen  Nord  und  Süd  acht  quadratische  Löcher  von  1,08  m  Seitenlange  ausgespart, 
in  welche  die  acht  Säulen  des  Gerüstes  gestellt  werden  sollten,  das  wieder  aufgestellt 
werden  musste.  In  der  Mitte  wurde  dann  zunächst  der  Sockel  von  verklammerten 
weissen  Marmorsteinen  wieder  aufgesetzt.  Unter  ihn  legte  man  Münzen,  ähnlich 
denen,  die  man  in  das  Fundament  gelegt  hatte.  Ebenso  zwischen  den  Sockel  und 
die  Fussplatte,  worauf  der  erste  Stein  des  Piedestals,  die  Gesimsplatte  und  der  oberste 
Stein  des  Piedestals  gesetzt  wurden,  alles  wie  es  zuvor  gestanden  hatte,  nur  musste 
dieser  letzte  Theil  um  54  mm  niedriger  gemacht  werden,  um  die  Locher  für  die 
Zapfen  der  Knäufe  neu  einhauen,  und  diese  wieder  gut  einbleien  zu  können,  denn 
beim  Herausnehmen  waren  die  Löcher  zu  weit  gemacht  worden.  Während  diese 
Theile  versetzt  wurden,  warf  man  ringsum  Erde  auf  (bis  zur  Höhe  der  Dammkrone, 
die  der  des  Piedestals  gleich  war)  und  begann  mit  der  Aufstellung  der  acht  Säulen, 
mit  denselben  Bändern  und  Bolzen  versehen,  wie  bisher,  auf  dem  Fundamente  stehend 
und  in  die  oben  genannten  ausgesparten  Löcher  eingelassen.  An  demselben  Tage, 
als  die  Knäufe  eingebleit  waren,  wurde  auch  die  Aufschüttung  bis  zur  Höhe  des 
Piedestals  fertig,  und  man  ging  sofort  daran,  die  Säulen  vollends  aufziuichten  und  auf 
der  Aufschüttung  das  Gerüst  aus  Balken  und  Streben  gleich  dem  ersten  herzustellen. 

Nachdem  das  Gerüst  vollendet  war,  zog  man  den  Obelisk  so  weit  vorwärts 
dass  seine  Spitze  auf  der  anderen  Seite  des  Gerüstes  herauskam,  armirte  ihn  an  zwei 
oder  drei  Stellen  und  befestigte  die  Flaschenzüge  an  den  drei  freien  Seiten.  Dann 
vertheilte  man  die  Göpel  auf  dem  Platze. 

Am  10.  September  1586,  da  alles  an  seiner  Stelle  stand,  vor  Tages  Anbruch, 
wurden  in  der  Kirche  im  Palaste  des  Priorates  zwei  Messen  gelesen,  und  Jeder,  der 
zu  arbeiten  hatte,  ging  zur  Kommunion,  wie  bei  der  Niederlegung  geschehen  war, 
und  bat  Gott  imi  guten  Erfolg.  Man  stellte  jeden  an  seinen  Platz.  Bei  Tages- 
anbruch war  alles  in  Ordnung,  und  begann  man,  mit  40  Göpeln,  140  Pferden  und 
800  Mann  zu  arbeiten,  mit  denselben  Trompeten-  und  Glockensignalen  zum  Arbeiten 
und  Stillehalten,  wie  zuvor.  Während  die  Spitze  des  Obelisken  sich  hob,  wurde  sein 
Fuss  durch  vier  Göpel,  die  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  standen,  angezogen, 
80  dass  die  Seile,  die  die  Spitze  aufzogen,  inuuer  senkrecht  blieben.  Die  zu  hebende 
Last  verminderte  sich  immer  mehr,  je  mehr  die  Spitze  sich  hob  und  der  Fuss  darunter 
gezogen  wurde.  Als  der  Obelisk  halb  aufgerichtet  war,  hielt  man  inne  und  unter- 
stützte ihn,  um  die  Arbeiter  zu  Mittag  essen  zu  lassen.  Nach  dem  Essen  begab 
sich  Jeder  wieder  mit  grossem  Eifer  an  die  Arbeit  In  52  Bewegungen  (Hitzen) 
wurde  der  Obelisk  aufgerichtet,  und  es  war  ein  sehr  schönes  Schauspiel  in  vielen 
Beziehungen.  Unzählig  viel  Volk  war  zusammengelaufen,  und  Viele  blieben,  xun 
ihren  Platz  zum  Sehen  nicht  zu  verlieren,  ohne  Mittagessen  bis  zum  Abend  stehen. 
Andere  machten  Tribünen  für  die  Leute,  die  zusammenströmten,  und  gewannen  viel 
Geld.  Bei  Sonnenuntergang  stand  der  Obelisk  aufrecht,  aber  die  Schleife,  welche, 
während  er  sich  hob,  darunter  gezogen  worden  war,  war  noch  darunter.  Sofort  gab 
man  mit  den  Böllern  auf  dem  Gerüste  das  Signal  hiervon,  was  durch  viele  Geschütze 
beantwoitet  wurde,  imd  die  ganze  Stadt  war  in  grosser  Freude.  Bei  dem  Hause  des 
Architekten  liefen  wieder  alle  Trommler  und  Trompeter  von  Rom  zusammen  und 
liessen  ihren  Applaus  erschallen.  Als  von  dem  Gerüste  die  Freude  verkündet  wurde, 
befand  sich  Se.  Heiligkeit  in  einer  Sitzung,  da  er  sich  von  Monte  Cavallo  nach 
S.  Pietro  begeben  hatte,  um  den  Gesandten  von  Frankreich  in  öffentlichem  Konsi- 
storium zu  empfangen.  Hier  wurde  Sr.  Heiligkeit  die  Nachricht  überbracht»  dass 
die  Julia  aufgerichtet  sei,  was  ihn  mit  grosser  Freude  erfüllte. 

Die  sieben  folgenden  Tage  gingen  darauf,  die  Göpel  umzusetzen  und  die 
Flaschenzüge  an  allen   vier  Seiten   der  Juha   zu  befestigen,   um   sie  adjustiren   zu 


Wiederaufrichtung.  601 

können.  Und  man  fügte  vier  Hebel  aus  dicken  Balken  von  13  m  Länge  bei.  An 
dem  Tage,  der  zum  Wegnehmen  der  Schleife  bestimmt  war,  fing  man  damit  an,  die 
Göpel  anzuziehen  und  die  Hebel  niederzuziehen,  so  dass  sich  die  Julia  ein  wenig 
hob,  und  sofort  wurde  sie,  da  ihr  Fuss  breiter  war  als  die  Schleife,  von  den  Zimmer- 
leuten mit  Keilen  so  unterschlagen,  dass  man  die  Schleife  herausziehen  konnte.  Dann 
setzte  man  die  broncenen  Knäufe  an  ihre  Stellen  und  bleite  diejenigen,  welche  Zapfen 
hatten,  ein.  Nachdem  dies  geschehen  war,  zog  man  an  demselben  Tage  die  Göpel 
Avieder  an  und  die  Hebel  nieder,  schlug  einen  Keil  nach  dem  andern  heraus  und 
liess  die  Julia  allmählich  nieder,  so  dass  sie  an  demselben  Abende  noch  auf  die 
Knäufe  zu  stehen  kam;  aber  da  es  spät  war,  konnte  man  sie  nicht  mehr  adjustiren. 
Am  folgenden  Tage  stellte  man  sie  senkrecht,  was  am  leichtesten  zu  geschehen  schien, 
so  lange  sie  noch  mit  Bohlen,  Eisen  und  Seilen  armirt  war.  Ich  wusste,  dass  sich 
die  Julia  auf  jeder  Seite  um  2  palmi  verjüngt,  deshalb  liess  ich  eine  Latte  von 
2  palmi  Länge  auf  die  Mitte  der  Seite  am  Fusse  der  Spitze  setzen  und  liess  den 
Senkel  auf  die  Mitte  der  Seite  des  Fusses  herabfallen,  und  so,  dass  er  diesen  eben 
berührte,  adjustirte  man  sie.  Da  die  Elnäufe  nicht  gleich  waren,  musste  man  auf 
einige  derselben  Bronceplatten  legen.  Alsdann  machte  man  sich  daran,  die  Julia 
zu  desarmiren  oder  abzuräumen.  Am  27.  September  wurde  sie  frei  und  unser  Herr 
befahl,  dass  man  eine  Procession  veranstalte,  um  die  Julia  zu  segnen  und  das  goldene 
Kreuz  darauf  zu  weihen.'' 

Es  folgt  nun  eine  genaue  Beschreibung  dieser  kirchlichen  Feier,  womit 
wir  uns  hier  nicht  zu  beschäftigen  haben. 


500  Domenico  FonUna  und  der  Transport  des  Vaticanischen  Obelisken. 

Während  alles  dies  ausgeführt  wnirde,  legte  man  auf  das  Fundament,  das 
schon  auf  dem  Platze  von  St.  Peter  hergestellt  worden  war  imd  den  Obelisken  tragen 
sollte,  eine  Lage  bearbeiteter  Kalksteine,  9,11  m  breit  und  nach  jeder  Seite  mit  drei 
Stufen  von  demselben  Steine  ringsum,  je  54  cm  breit.  Aber  in  dieser  Lage  wurden 
gegen  Nord  und  Süd  acht  quadratische  Locher  von  1,08  m  Seitenlange  ausgespart, 
in  welche  die  acht  Säulen  des  Gerüstes  gestellt  werden  sollten,  das  wieder  aufgestellt 
werden  musste.  In  der  Mitte  wurde  dann  zunächst  der  Sockel  von  verklammerten 
weissen  Marmorsteinen  wieder  aufgesetzt.  Unter  ihn  legte  man  Münzen,  ähnlich 
denen,  die  man  in  das  Fundament  gelegt  hatte.  Ebenso  zwischen  den  Sockel  und 
die  Fussplatte,  worauf  der  erste  Stein  des  Piedestals,  die  Gesimsplatte  und  der  oberste 
Stein  des  Piedestals  gesetzt  wurden,  alles  wie  es  zuvor  gestanden  hatte,  nur  musste 
dieser  letzte  Thell  um  54  mm  niedriger  gemacht  werden,  um  die  Locher  für  die 
Zapfen  der  Knäufe  neu  einhauen,  und  diese  wieder  gut  einbleien  zu  können,  denn 
beim  Herausnehmen  waren  die  Löcher  zu  weit  gemacht  worden.  Während  diese 
Theile  versetzt  wurden,  warf  man  ringsum  Erde  auf  (bis  zur  Höhe  der  Dammkrone, 
die  der  des  Piedestals  gleich  war)  und  begann  mit  der  Aufstellung  der  acht  Säulen, 
mit  denselben  Bändern  und  Bolzen  versehen,  wie  bisher,  auf  dem  Fundamente  stehend 
und  in  die  oben  genannten  ausgesparten  Löcher  eingelassen.  An  demselben  Tage, 
als  die  Knäufe  eingebleit  waren,  wurde  auch  die  Aufschüttung  bis  zur  Höhe  des 
Piedestals  fertig,  und  man  ging  sofort  daran,  die  Säulen  vollends  aufziuichten  und  auf 
der  Aufschüttung  das  Gerüst  aus  Balken  und  Streben  gleich  dem  ersten  herzustellen. 

Nachdem  das  Gerüst  vollendet  war,  zog  man  den  Obelisk  so  weit  vorwärts 
dass  seine  Spitze  auf  der  anderen  Seite  des  Gerüstes  herauskam,  armlrte  ihn  an  zwei 
oder  drei  Stellen  und  befestigte  die  Flaschenzüge  an  den  drei  freien  Seiten.  Dann 
vertheilte  man  die  Göpel  auf  dem  Platze. 

Am  10.  September  1586,  da  alles  an  seiner  Stelle  stand,  vor  Tages  Anbruch» 
wurden  in  der  Kirche  im  Palaste  des  Priorates  zwei  Messen  gelesen,  und  Jeder,  der 
zu  arbeiten  hatte,  ging  zur  Kommunion,  wie  bei  der  Niederlegung  geschehen  war, 
und  bat  Gott  imi  guten  Erfolg.  Man  stellte  jeden  an  seinen  Platz.  Bei  Tages- 
anbruch war  alles  in  Ordnung,  und  begann  man,  mit  40  Göpeln,  140  Pferden  und 
800  Mann  zu  arbeiten,  mit  denselben  Trompeten-  und  Glockensignalen  zum  Arbeiten 
und  Stillehalten,  wie  zuvor.  Während  die  Spitze  des  Obelisken  sich  hob,  wurde  sein 
Fuss  durch  vier  Göpel,  die  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  standen,  angezogen, 
so  dass  die  Seile,  die  die  Spitze  aufzogen,  immer  senkrecht  blieben.  Die  zu  hebende 
Last  verminderte  sich  immer  mehr,  je  mehr  die  Spitze  sich  hob  und  der  Fuss  darunter 
gezogen  wurde.  Als  der  Obelisk  halb  aufgerichtet  war,  hielt  man  inne  und  unter- 
stützte ihn,  lun  die  Arbeiter  zu  Mittag  essen  zu  lassen.  Nach  dem  Essen  begab 
sich  Jeder  wieder  mit  grossem  Eifer  an  die  Arbeit.  In  52  Bewegungen  (Hitzen) 
wurde  der  Obelisk  aufgerichtet,  und  es  war  ein  sehr  schönes  Schauspiel  in  vielen 
Beziehungen.  Unzählig  viel  Volk  war  zusammengelaufen,  und  Viele  blieben,  lun 
ihren  Platz  zum  Sehen  nicht  zu  verlieren,  ohne  Mittagessen  bis  zum  Abend  stehen. 
Andere  machten  Tribünen  für  die  Leute,  die  zusammenströmten,  und  gewannen  viel 
Geld.  Bei  Sonnenuntergang  stand  der  Obelisk  aufrecht,  aber  die  Schleife,  welche, 
während  er  sich  hob,  darunter  gezogen  worden  war,  war  noch  darunter.  Sofort  gab 
man  mit  den  Böllern  auf  dem  Gerüste  das  Signal  hiervon,  was  durch  viele  Geschütze 
beantwoitet  wurde,  imd  die  ganze  Stadt  war  in  grosser  Freude.  Bei  dem  Hause  des 
Architekten  liefen  wieder  alle  Trommler  und  Trompeter  von  Rom  zusammen  und 
liessen  ihren  Applaus  erschallen.  Als  von  dem  Gerüste  die  Freude  verkündet  wurde, 
befand  sich  Se.  Heiligkeit  in  einer  Sitzung,  da  er  sich  von  Monte  Cavallo  nach 
S.  Pietro  begeben  hatte,  um  den  Gesandten  von  Frankreich  in  öffentlichem  Konsi- 
storium zu  empfangen.  Hier  wurde  Sr.  Heiligkeit  die  Nachricht  überbrachte  dass 
die  Julia  aufgerichtet  sei,  was  ihn  mit  grosser  Freude  erfüllte. 

Die  sieben  folgenden  Tage  gingen  darauf,  die  Göpel  umzusetzen  und  die 
Flaschenzüge  an  allen  vier  Seiten  der  Julia   zu  befestigen,  um   sie  adjustiren   zu 


Wiederaufrichtung.  501 

können.  Und  man  fügte  vier  Hebel  aus  dicken  Balken  von  13  m  Länge  bei.  An 
dem  Tage,  der  zum  Wegnehmen  der  Schleife  bestimmt  war,  fing  man  damit  an,  die 
Göpel  anzuziehen  und  die  Hebel  niederzuziehen,  so  dass  sich  die  Julia  ein  wenig 
hob,  imd  sofort  wurde  sie,  da  ihr  Fuss  breiter  war  als  die  Schleife,  von  den  Zimmer- 
leuten mit  Keilen  so  unterschlagen,  dass  man  die  Schleife  herausziehen  konnte.  Dann 
setzte  man  die  broncenen  Knäufe  an  ihre  Stellen  und  bleite  diejenigen,  welche  Zapfen 
hatten,  ein.  Nachdem  dies  geschehen  war,  zog  man  an  demselben  Tage  die  Göpel 
wieder  an  und  die  Hebel  nieder,  schlug  einen  Keil  nach  dem  andern  heraus  und 
liess  die  Julia  allmählich  nieder,  so  dass  sie  an  demselben  Abende  noch  auf  die 
Knäufe  zu  stehen  kam;  aber  da  es  spät  war,  konnte  man  sie  nicht  mehr  adjustiren. 
Am  folgenden  Tage  stellte  man  sie  senkrecht,  was  am  leichtesten  zu  geschehen  schien, 
so  lange  sie  noch  mit  Bohlen,  Eisen  und  Seilen  armirt  war.  Ich  wusste,  dass  sich 
die  Julia  auf  jeder  Seite  um  2  palmi  verjüngt,  deshalb  liess  ich  eine  Latte  von 
2  palmi  Länge  auf  die  Mitte  der  Seite  am  Fusse  der  Spitze  setzen  und  liess  den 
Senkel  auf  die  Mitte  der  Seite  des  Fusses  herabfallen,  und  so,  dass  er  diesen  eben 
berührte,  adjustirte  man  sie.  Da  die  Elnäufe  nicht  gleich  waren,  musSte  man  auf 
einige  derselben  Bronceplatten  legen.  Alsdann  machte  man  sich  daran,  die  Julia 
zu  desarmiren  oder  abzuräumen.  Am  27.  September  wurde  sie  frei  und  unser  Herr 
befahl,  dass  man  eine  Procession  veranstalte,  um  die  Julia  zu  segnen  und  das  goldene 
Kreuz  darauf  zu  weihen.'' 

Es  folgt  nun  eine  genaue  Beschreibung  dieser  kirchlichen  Feier,  womit 
wir  uns  hier  nicht  zu  beschäftigen  haben. 


Salomon  de  Caus  (etwa  1576—1630). 


Um  die  Mitte  unseres  Jahrhunderts  wurde  der  Name  Salomon  de  Caus 
oft  genannt,  weil  der  berühmte  französische  Physiker  Arago  sich  bemühte^ 
ihn  zum  Erfinder  der  Dampfmaschine  zu  machen,  und  die  Ansicht  vertrat, 
der  Marquis  qf  Worcesteb  habe  dem  Salomon  de  Caus  sein  Geheimniss  Ton 
der  Kraft  des  Dampfes  abgelauscht  und  geraubt.  Als  Wahnsinniger  sollte  dc 
Caus  in  Bicetre  (Paris)  eingesperrt  worden  sein  und  ein  trauriges  Ende  ge- 
funden haben.  Für  letztere  Sage  fehlt  jeder  historische  Beweis  und  überhaupt 
sind  die  Nachrichten  über  das  Leben  unseres  Autors  so  dürftig,  dass  es  den 
Anschein  hat,  als  habe  man  sie  nur  aus  den  Titeln  seiner  Werke  abgeleitet. 
Diese  sind:  k 

1 .  La  Perspektive  avec  la  raison  des  ombres  et  des  miroirs.  Londres  1612. 

2.  Les  raisons  des  forces  mouvantes  avec  diverses  machines  et  plusieurs 
dessins  de  grottes  et  fontaines.  Francfort  1615. 

Etwa  um  dieselbe  Zeit  erschien  zu  Frankfurt  a.  M.  eine  deutsche 
Uebersetzung  dieses  Werkes,  welche  uns  vorliegt.  Darin  wird  der 
Autor  auf  dem  Titelblatte  als:  ;,Churfürstlich  pfälzischer  Ingenieur 
und  Baumeister^  bezeichnet. 

3.  Institution  harmoniques,  Francfort  1615,  dediee  a  la  reine  Anne 
d'Angleterre. 

Auch  dieses  Werk  wurde  in's  Deutsche  übersetzt. 

4.  Hortus  Palatinus,  Francfort  1620  mit  vielen  Kupferstichen  von  de  Brt. 
In  diesem  Werke  werden  die  Verschönerungen  beschrieben,  welche  der 
Autor  in  den  kurfürstlichen  Gärten  zu  Heidelberg  ausführte. 

5.  Neue  Ausgabe  von:  Les  raisons  des  forces  mouvantes  Paris  1624. 

6.  La  pratique  et  la  demonstration  des  horloges  solaires,  Paris  1624. 
Nimmt  man  an,   dass   der  Autor  jeweils   in   dem  Lande  lebte,  wo  seine 

Werke  erschienen,  so  ergiebt  sich  daraus,  dass  er  etwa  bis  1612  in  England, 
von  da  bis  1620  in  Deutschland  und  dann  bis  nach  1624  in  Frankreich  (Paris) 
lebte.  Der  Umstand,  dass  das  unter  3.  angeführte  Werk  der  Königin  von 
England  gewidmet   ist,  und  dass  Kurfürst  Friedrich  V.,   der  von  1610  an  in 


LcbensbescbreibuDg.    Definitionen.  603 

Heidelberg  regierte  und  im  Jahre  1619  zu  seinem  Unglücke  die  böhmische 
Krone  annahm  (^ Winterkönig ^),  mit  Elisabeth,  der  Tochter  Jakob's  I.  von 
England  verheirathet  war,  lässt  auf  nähere  Beziehungen  des  Autors  zum  eng- 
lischen Hofe  schliessen.  Als  kurfürstlicher  Ingenieur  und  Baumeister  wird 
er  auch  den  unter  FmEORiCH  V.  errichteten  ;,Elisabethenbau^  und  die  zu  Ehren 
der  Kurfürstin  errichtete  ;, Elisabethenpforte"  des  Heidelberger  Schlosses  ent- 
worfen und  ausgeführt  haben. 

MicHAUD  sagt  in  seiner  „Biographie  universelle",  dass  Salomon  de  Caus 
in  der  Normandie  gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  geboren  worden  sei,  wäh- 
rend Andere  1576  als  sein  Geburtsjahr  angeben.  Als  sein  Todesjahr  giebt 
MicHAüD  1630,  Andere  aber  geben  als  solche«  1626  oder  1641  an.  Fügt  man 
dies  den  Vermuthungen,  welche  sich  aus  den  Titeln  seiner  Werke  ergeben, 
bei,  so  hat  man  den  ganzen  Inhalt  der  uns  bekannt  gewordenen  Biographien 
unseres  Autors. 

Inwieweit  Salomon  de  Caus  an  der  Erfindung  der  Dampfmaschine  Theil 
hat,  wird  sich  aus  nachstehender  Betrachtung  seines  Werkes  „Les  raisons  des 
forces  mouvantes"  alsbald  ergeben. 

Das  erste  Buch  beginnt  mit  den  nach  Aristoteles  gefassten  Definitionen 

der  vier  Elemente,  nämlich: 

I.  „Das  Feuer  ist  ein  Element,  das  leuchtend,  heiss,  trocken  und  leicht  ist, 
und  welches  durch  seine  Hitze  grosse  Gewalt  ausübt" 

Zur  Illustration  der  letzteren  Eigenschaft  wird  auf  feuerspeiende  Berge, 

Kanonen  und  einige   später  zu  beschreibende  Apparate  hingewiesen,  in  denen 

durch  das  ^Elementarfeuer^  (d.  i.  die  Sonnenwärme)  Wasser  gehoben  werden  soll. 

IL  „Die  Luft  ist  ein  Element,  das  trocken  und  leicht  ist,  das  zusammen- 
gedrückt werden  kann  und  alsdann  grosse  Gewalt  ausübt." 

Als  Beweis  wird  zunächst  die  Spritzflasche,  wie  sie  della  Porta  beschrieben 
hat,  oder  der  Heronsball  besprochen  und  dann  zugefügt: 

„Es  wird  aber  solche  Gewalt  noch  grosser,  wenn  die  Luft  von  Wasser,  welches 
in  einem  Gefässe  erhitzt  wird,  exhalirt  und  diese  Exhalation  in  dem  Gefässe  ein- 
geschlossen bleibt  Nimm  z.  B.  eine  kupferne  Kugel,  welche  innen  einen  Fuss  im 
Durchmesser  hat  und  einen  Zoll  dick  ist  (d.  h.  1"  Wandstärke  hat),  fülle  sie  durch 
ein  enges  Löchlein  in  der  Wandung  mit  Wasser,  verstopfe  dasselbe  alsdann  gut  mit 
einem  Zapfen,  so  dass  kein  Wasser  (resp.  Dampf)  herauskommen  kann,  und  lege 
die  Kugel  in  ein  Feuer,  so  wirst  Du  finden,  dass  wenn  sie  wohl  erhitzt  ist,  sie  durch 
die  gewaltige  Pressung,  welche  darin  entsteht,  mit  lautem  Knalle,  wie  eine  Petarde 
zerspringt" 

In  unserer  Abhandlung  über  della  Porta  (S.  256)  haben  wir  auf  das 
von  Albertus  Magnus  schon  im  13.  Jahrhundert  beschriebene  Experiment  mit 
dem  ;,sufflator"  hingewiesen.  Von  diesem  unterscheidet  sich  das  hier  beschrie- 
bene nur  dadurch,  dass  die  Oeffnung  so  fest  verstopft  wird,  dass  nicht  der 
Zapfen  herausgetrieben,  sondern  die  Kugel  zersprengt  wird,  die  hier  ein  Zoll 
Wandstärke  hat.  Hierdurch  wurde  ohne  Zweifel  die  grosse  Kraft  des  Dampfes 
noch  drastischer  veranschaulicht.     Der  Marquis  of  Worcester  ging  darin  noch 


501 


8alomon  de  Caus. 


einen   Schritt  weiter,   indem   er   anstatt    der   hier   beschriebenen   Kugel   ein 
Kanonenrohr  mit  Dampf  zersprengte.     (Siehe  S.  265.) 

Nach  Aufstellung  ähnlicher  Definitionen  von  Wasser  und  Erde  geht  Sa- 
LOMON  DE  Cais  zur  Besprechung  von  achtzehn  sogenannten  „Theoremen^ 
über,  nämlich: 

I.  y,Die  Elemente  lassen  sich  eine  Zeit  lang  mit  einander  vermischen,  nachher 
aber  begiebt  sich  jedes  wiederum  an  seinen  Ort" 

Zur  Erläuterung  wird  u.  A.  gesagt: 

„Dafür  will  ich  auch  folgendes  Beispiel  anführen:  Nimm  ein  rundes  kupfernes 
Gefass  A  (Fig.  773),  das  überall  wohl  verwahrt  mid  dicht  verlöthet  ist  Setze  eine 
Röhre  jBC  hinein,  die  so  tief  herabgeht^  dass  das  Wasser  zwischen  ihr  und  dem 
Boden  des  Gefüsses  bei  B  hineinkommen  kann.  Das  obere  Ende  stehe  mit  dem 
Hähnchen  D  aus  dem  Gefässe  vor,  so  dass  man  es  nach  Bedürfniss  auf  und  zu 
drehen  kann.  Oben  bei  E  hat  das  Gefass  eine  Oeffnung  mit  einem  Zapfen,  um 
durch  dieselbe  Wasser  eingiessen  zu  können,  und  zwar  giesse  man,  wenn  die  Kugel 
etwa  drei  Maass  hält,   nur  ein  Maass  Wasser  ein,   setze  die  Kugel  drei   oder  vier 


Fig.  773. 


Fig.  774. 


Minuten  lang  auf  das  Feuer,  wobei  man  den  oberen  Zapfen  offen  lasst,  und  hebe 
sie  danach  wieder  von  dem  Feuer.  Giessest  Du  dann  über  eine  kleine  Weile  das 
Wasser  in  ein  anderes  Gefass  (ein  Maass),  so  wirst  Du  finden,  dass  ein  Theü  des 
Wassers,  welches  Du  in  die  Kugel  gethan  hattest,  evaporirt  und  verflogen  ist  — 
Fülle  danach  Dein  Gefass  wieder  wie  zuvor,  verwahre  den  Hahn  und  Zapfen  wohl, 
setze  die  Kugel  wieder  so  lang  auf  das  Feuer,  wie  zuvor,  thue  sie  danach  wieder 
davon,  lasse  sie  wohl  erkalten  und  giesse  dann  das  Wasser  wieder  heraus,  so  wirst 
Du  dasselbe  Maass  und  Gewicht  finden,  welches  Du  hinein  gethan  hattest  Daraus 
ist  mit  Gewissheit  zu  entnehmen,  dass  das  Wasser,  welches  in  dem  letzten  Falle  bei 
einander  gebheben  ist^  in  dem  ersten  Falle  da  der  vapor  hat  herauskommen  können, 
(zum  Theile)  durch  den  Trieb  des  Feuers  in  die  Höhe  geflogen  ist  —  Dies  ist  noch 
auf  eine  andere  Weise  zu  bestätigen,  nämlich  so:  Giesse  ein  Maass  Wasser  in  die 
genannte  Kugel,  mache  den  oberen  Zapfen  zu  und  lasse  den  Hahn  an  der  Bohre 
offen,  stelle  sie  auf  das  Feuer  und  setze  das  Gefass,  womit  das  Wasser  gemessen 
wurde,  darunter  (d.  h.  unter  die  Mündung  des  Hahns),  so  wirst  Du  fmden,  dass 
das  Wasser  in  die  Höhe  und  durch  den  Hahn  herausgetrieben  wird,  bis  etwa  auf 
den  sechsten  oder  achten  Theil,  welcher  den  Dampf  bildet,  der  das  Wasser  hebt, 
imd  nachher  auch  mit  Gewalt  herausdringen  wird.  Dasselbe  nimmt  man  auch  bei 
Quecksilber  wahr,  welches  durch  die  Hitze  vollständig  vei-flüchtigt  imd  evaporirt 
wird.  Wenn  aber  solcher  vapor  wieder  erkaltet,  so  kehrt  er  wieder  zu  seiner  eigenen 
Natur  zurück  und  wird  wieder  zu  Quecksilber  .  .  .  ." 


Eondensation  des  Dampfes,  TVasserheben  durch  Dampfdruck.  505 

Es  ist  beachtenswerth,  dass  hier  Versuche  über  die  Kondensation 
des  Dampfes  beschrieben  werden,  von  der  della  Porta  noch  keinen  rechten 
Begriff  hatte,  wie  aus  seinem  Apparat  hervorgeht,  der  zur  Bestimmung 
des  Dampfvolumens  dienen  sollte,  das  sich  aus  einer  gegebenen  Wassermenge 
entwickelt.  (Vergl.  Fig.  303,  S.  263.)  Salomon  de  Caus  sagt  klar,  dass  der 
Wasserdampf  verflüchtigtes,  evaporirtes  Wasser  ist,  das  sich  bei  der  Abkühl- 
ung wieder  in  dieselbe  Menge  flüssigen  Wassers  verwandelt,  woraus  es  durch 
Erhitzung  (d.  i.  nach  dem  Wortlaute  des  voranstehenden  Theorems :  Vermisch- 
ung des  Wassers  mit  Feuer  oder  Wärme)  entstanden  ist. 

In  den  drei  folgenden  ^Theoremen''  behandelt  de  Caus  den  hydraulischen 

Heber,  indem  er  darauf  hinweist,  dass  in  dessen  kürzerem  Schenkel  das  Wasser 

nur  deshalb  in  die  Höhe  steigt,  weil  es  in  dem  anderen  tiefer  herabfällt,  d.  h. 

zu  einem  Orte  gelangt,  der  tiefer  liegt,  als  einer  der  mit  dem  Ausgangspunkte 

in  der  Waage  steht.    Daran  anschliessend  folgt  als  weiteres  Theorem: 

V.  „Das  Wasser  wird  durch  Hilfe  des  Feuers  höher  getrieben,  als  es  in  seiner 
Waage  steht"  ^ 

Dies  ist  bei  dem  zuletzt  erwähnten  Versuche,  da  das  Wasser  dabei  ;,in 
die  Höhe  und  durch  den  Hahn  heraus  getrieben  wird^,  zwar  schon  der  Fall 
gewesen,  aber  nur  in  so  geringem  Maasse,  wie  bei  dem  von  della  Porta  be- 
schriebenen Apparat,  der  zum  Messen  des  aus  einer  gewissen  Wassermenge 
entwickelten  Dampfvolumens  dienen  sollte.  (Siehe  Fig.  303,  S.  263.)  Um  die 
Gewalt,  womit  der  Dampf  das  Wasser  in  die  Höhe  treibt,  besser  zu  veran- 
schaulichen, ändert  de  Caus  den  Versuchsapparat  ein  wenig  und  sagt  in  der 
Erläuterung  vorstehenden  Theorems  u.  a.: 

„.  .  .  .  Zum  dritt...  '.:ann  das  Wasser  auch  mit  Feuer  über  sich  getrieben 
werden,  wozu  man  vercvJiiedene  Maschinen  gebrauchen  kann,  von  denen  ich  hier  nur 
eine  beschreiben  will.  Nimm  eine  kupferne  Kugel  A  (Fig.  774),  welche  überall 
wohl  verwahrt  und  verlötbet  ist  Daran  sei  em  Zapfen  B  seitlich  in  der  Wandung, 
durch  den  man  das  Wasser  hinein  bringt  Von  oben  geht  eine  Röhre  BG  beinahe 
bis  auf  den  Boden  der  Kugel  herab.  Fülle  diese  Kugel  mit  Wasser,  mache  den 
Zapfen  wohl  zu  und  stelle  sie  auf  ein  Feuer,  so  wirst  Du  sehen,  wie  die  Hitze  das 
Wasser  in  die  Höhe  treibt" 

Dies  ist  die  einzige  ^jDampfmaschine'^,  die  de  Caus  beschreibt.  Sie  kann 
wohl  kaum  als  neue  Erfindung  gelten,  da  della  Porta  schon  14  Jahre  früher 
in  seinem  Werke  ;,Pneumaticorum  libri  HI^  bei  [Besprechung  der  Spritzflasche 
sagte :  „Wenn  du  aber  ohne  Heranziehung  der  Luft  das  Wasser  in  die  Feme 
schleudern  willst,  erhitze  den  Boden  des  Gefässes  ein  Weilchen^.  (Vergl.  S.  257.) 
Wenn  de  Caus  in  der  soeben  angeführten  Stelle  sagt,  man  könne  verschie- 
dene Maschinen  gebrauchen,  um  Wasser  mit  Feuer  über  sich  zu  treiben,  so 
dachte  er  dabei  wahrscheinlich  an  den  Apparat  Heron^s,  in  dem  zunächst  Luft 
durch  ein  Feuer  erwärmt  wird,  welche  bei  ihrer  Expansion  das  Wasser  in  die 
Höhe  treibt  (siehe  Fig.  15,  S.  12)  und  an  die  später  von  ihm  beschriebenen  Apparate, 
in  denen  dies  durch  das  ^.Elementarfeuer^  (die  Sonnenwärme)  geschehen  soll. 
Die  weiter  folgenden  ^Theoreme"  sind: 


506  Salomon  Ue  Caus. 

VI.  „Wasser  kann  nur  dann  mit  Beihilfe  von  Luft  gehoben  werden,  wenn  es 
tiefer  fällt,  als  es  in  seiner  Waage  steht" 

Zur  Erläuterung  dieses  Satzes  wird  der  Heronsbrunnen  beschrieben  und 
dabei  bemerkt,  dass  diese  Maschine,  wie  sie  Hchon  und  Cardano  aufgezeichnet 
haben,  das  Wasser  nicht  in  die  Höhe  heben  kann,  wenn  das  obere  Gefäss 
beinahe  leer  gelaufen  ist,  weil  die  beiden  Gefässe  nahe  auf  einander  stehen 
und  kein  Abstand  dazwischen  ist.  Auch  darauf  hat  schon  della  Porta  auf- 
merksam gemacht.    (Vergl.  S.  260.) 

VII.  „Wasser  kann  man  durch  verschiedene  Maschinen,  die  auch  durch  Wasser^ 
oder  auf  andere  Art  getrieben  werden,  heben.** 

Als  Beispiel  wird  eine  Wasserschraube  angeführt,  die  aus  einer  schrauben- 
förmig gebogenen  Blei-  oder  Kupferröhre  gebildet  ist. 

VIII.  „Bei  den  Wassermaschinen  wird  die  Schwere  des  Wassers  (i  h.  der 
Wasserdruck)  durch  die  Höhe  desselben  (d.  h.  der  „Wassersäule**)  ermessen. 

IX.  „Die  Luft  durchdringt  das  Wasser,  wenn  sie  stark  gepresst  wird.** 

In  den  Theoremen  X — XVU  werden  die  fünf  ;,mechanischen  Potenzen* 
mit  Anwendung  des  Princips  der  virtuellen  Gesch^Tindigkeiten 
erklärt  und  in  Theorem  XVIH  mit  Anwendung  dieses  Princips  der  Druck  be- 
rechnet, den  man  vermittelst  einer  Schraubenpresse  ausüben  kann. 

In  unserer  Abhandlung  über  Lorixi  wiesen  wir  darauf  hin,  dass  dieser 
in  seinem  1597  zu  Venedig  erschienenen  Werke  schon  das  Princip  der  vir- 
tueUen  Geschwindigkeiten  auf  die  Schraube  anw^andte.  Dieses  Princip  wird 
so  allgemein  als  von  Galilei  ausgegangen  betrachtet,  dass  spätere  Mathema- 
tiker, z.  B.  Carnot,  es  geradezu  ;,das  Princip  Galilei^s*  nannten.  Dieser 
erhielt  1589  seine  erste  Professur  in  Pisa  und  1592  eine  solche  in  Padua. 
Sein  Werk  ^Della  scienza  meccanica*',  worin  die  mechanischen  Potenzen  mit 
Anwendung  des  Princips  der  virtuellen  Geschwindigkeiten  behandelt  sind, 
erschien  erst  1649  nach  seinem  1642  erfolgten  Tode;  Mersexne  aber  hat  schon 
1634  nach  Heften,  die  Studirende  in  Galilei's  Vorlesungen  nachgeschrieben 
hatten,  eine  Uebersetzung  unter  dem  Titel:  ;,Les  mecaniques  de  Galileo**  in 
den  Druck  gegeben. 

Von  LoRiNi  ist  kaum  anzunehmen,  dass  er  die  Anwendung  des  Princips 
der  virtuellen  Geschwindigkeiten  von  Galilei  erlernt  habe,  da  er  zu  der  Zeit 
als  dieser  anfing  zu  dociren,  scbon  ungefähr  44  Jahre  alt  war.  Von  Salomon 
de  Caus  ist  dies  wahrscheinlicher;  doch  müsste  man  dann  auch  annehmen, 
dass  er  Galilei's  CoUegia  gehört,  oder  von  solchen,  die  sie  gehört  hatten,  ge- 
lernt habe. 

Die  weiter   folgenden  Abschnitte   des  ersten  Buches  seines  hier  in  Rede 

stehenden  Werkes  nennt  Salomon  de  Caus:  „Problema*'.     Diese  sind: 

I.  „Wie  Wnfjser  durch  einen  Fluss  oder  fliessendes  Wasser  zu  heben  ist,  und 
von  der  Wirkung  der  Pumpen." 

Hier  ist  die  in  unserer  Fig.  775  skizzirte  Pumpenanlage  abgebildet  und 

beschrieben.     Die  Welle    eines   unter3chlächtigen   Wasserrades  von  12   Fuss 


Frincjp  der  virtuellen  GMcbwindigkeiteD,  Pompwerka. 


607 


Durchmesser  uod  6  Fnss  Breite  ist  an  beiden  Enden  mit  4  Zoll  starken 
metallenen  Kurbeln  versehen.  Die  von  diesen  Kurbeln  vermittelst  zweier  Ba- 
lanciers  betriebenen,  in  gleicher  Höhe  stehenden  beiden  Säugpumpen  haben 
10—12  Zoll  weite,  oben  offene  Cylinder  und  sollen  8 — 9  Fuss  hoch  sein,  da- 
mit die  Kolben,  welche  4  Fuss  Hub  haben,  bei  ihrem  höchsten  Stande  noch 
4  Fuss  Wasser  über  sich  haben  {wegen  ihrer  mangelhaften  Dichtui^),  damit 
keine  Luft  in  den  Cylinder  dringe,  besonders  wenn  man  das  Wasser  über  15 
bis  20  Fuss  hochtreiben  (ansaugen]  will.  Die  Weite  der  Röhre  wird  bei  12 
Zoll  Kolbendurchmesser  zu  4  Zoll  angegeben,  dann  heisat  es  weiter: 

„Es  werden  auch  andere  Pumpen  gemacht,  welche  gestürzte  Pumpen  ge- 
nannt nenlen,  bei  denen  der  Stiefel  im  Wasser  steht  und  der  Heber  (die  Kolben- 
stange) unten  hinein  und  also  auf  und  nieder  geht," 


Eine  solche  Pumpe  hat  schon  Lorini  abgebildet  und  beschrieben  (siehe 
Fig.  289,  S.  249).    Salomon  de  Caus  fährt  fort: 

„Nach  meinem  Ratbe  aber  sollte  man  sich  dieser  Erfindung  nicht  bedienen, 
da  Eie  viele  Mängel  bat  und  man  allzeit  daran  flicken  muss,  denn  wenn  das  Wasser 
auf  solche  Weise  steigt,  setzen  Eich  die  Verunreinigungen,  die  es  mit  sich  fühi^ 
zwischen  die  Ventile,  so  dass  sie  nicht  richtig  schliessen.  Dies  kann  bei  unserer 
Art  Pumpen  nicht  leicht  vorkommen,  weil  das  Wasser  durch  die  Saugröhre  zu  dem 
Saugventile  in  die  Höhe  steigt  und  erstere  nur  einen  Fuaa  tief,  oder  je  nach  Um- 
ständen mehr,  unter  Wasser  steht,  und  also  die  Ventile  ausser  Gefahr  sind,  durch 
die  im  Wasser  befindlichen  Verunreinigungen  beschädigt  za  werden." 

II.  „Eine  andere  Art,  durch  ein  flieasendes  Bächlein  Wasser  zu  heben." 

Hier  zeigt  die  Abbildung  die  in  unserer  Fig.  776  skizzirte  Pumpenanlage. 
Sie  unterscheidet  sich  von  der  vorhergehenden  dadurch,  dass  das  Wasserrad 
oberschlächtig  ist  und  dass  die  Pumpen  in  verschiedenen  Höben  aufgestellt 
sind  und  die  untere  das  aus  dem  Obergraben  des  Wasserrades  angesaugte 
W&sser  in  einen  Behälter  ansgiesst,  aus  dem  es  die  obere  Pumpe  ansaugt. 


EOS  SalomoD  de  Caiu. 

HL  und  IV.  „Wie  das  Wasser  aus  mer  Quelle  oder  einem  Flusse  durch 
Pferde  zu  heben  ist" 

Die  hierbei  abgebildete  Pumpenanlage  (Fig.  777)  besteht  aas  einer  zwei- 
stiefeligen  Saug-  und  Druckpumpe  mit  Veotilkolben,  welche  an  Seilen  hängen, 
die  eich  um  zwei  parallel  gelagerte  Trommeln  schlingen.  Auf  den  Axen  dieser 
Seiltrommeln  ist  je  ein  balbverzabntes  Stirnrad  und  eine  Schnurscheibe  be- 
festigt. Diese  Räder  greifen  in  ein  ebenfalls  halbrerzahntes  Zwischenrad,  das 
vermittelst  eines  Pferdegöpets  mit  Winkelräderübersetzung  stets  in  ein  und 
derselben  Richtung  umgedreht  wird.  Um  die  Sctmurscbeiben  ist  eine  über 
eine  Leitrolle  gelegte   Schnur  in  der   Weise  geschlungen,   dass  das  jeweils 


getriebene  halbverzahnte  Rad  das  leerlaufende  vermittelst  dieser  Schnur  rück- 
wärts bewegt,  bis  ersteres  ausser  Eingriff  und  letzteres  gleichzeitig  in  Eingriff 
mit  dem  Zwischenrade  kommt.  Auf  diese  Weise  werden  die  Pumpenkolben 
abwechselnd  durch  die  in  Eingriff  befindlichen  Räder  aufgezogen;  beim  Rück- 
gange derselben  sinken  sie  dagegen  durch  ihre  Schwere  nieder. 

Dieser   Mechanismus  erinnert   an  Ramelli   (vei^l.  Fig.  236  und  S.  213), 
ist  aber  mit  keinem  seiner  Mechanismen  identisch. 

V.  „Wie  ein  Theil  Quellwassers  (durch  den  übrigen  Theil)  zu  heben  ist" 
Dies  geschieht  durch  einen  Heronsbrunnen  mit  Hahnensteuenmg,  ähnlich 
dem  in  nachstehendem  Problem  behandelten,  jedoch  werden  die  Hahnen  hier 
mit  der  Hand  bewegt. 


HeroDsbrunnen  mit  Sclbstsieuerung,  SonneDwfirme  als  Motor.  509 

VI.  y,Eine  sehr  artige  und  subtile  Erfindung,  durch  welche  die  Gefässe  der 
vorigen  Konstruktion  durch  das  Wasser  auf  und  zu  gemacht  werden." 

Der  nach  Art  eines  Heronsbronnen  konstruirte  Apparat  (Fig.  778)  funk- 
tionirt  wie  folgt :  Zuerst  sind  die  Hahnen  E  und  0  offen,  der  Hahn  K  aber 
geschlossen.  Das  Wasser  fliesst  durch  E  in  das  obere  Gefäss^,  während  die 
Luft  aus  A  durch  das  Rohr  C  und  den  Hahn  0  entweicht.  Wenn  A  voll 
ist,  steigt  Wasser  in  die  Röhre  L  und  fliesst  durch  y  in  den  an  einer  Schnur 
M  mit  Gegengewicht  Q  aufgehangenen  Eimer  N.  Ist  dieser  bis  zur  Hälfte 
gefüllt,  so  sinkt  er  nieder,  schliesst  die  Hahnen  E  und  0  und  öffnet  K. 
Durch  K  und  das  Rohr  D  fliesst  alsdann  das  Wasser  direkt  in  das  untere 
Gefäss  B  und  komprimirt  die  darin  befindliche  Luft,  diese  steigt  durch  das 
Rohr  C  in  den  oberen  Theil  des  Gefässes  A^  drückt  auf  das  hierin  befindliche 
Wasser  und  treibt  es  durch  die  Röhre  P  in  die  Höhe.  Gleichzeitig  steigt 
durch  den  Druck  der  komprimirten  Luft  das  Wasser  im  unteren  Gefässe  B 
in  der  Röhre  IL  in  die  Höhe  und  fliesst,  wenn  der  höchste  Grad  der  Luft- 
kompression erreicht  ist,  durch  das  Röhrchen  x  in  den  Eimer  N.  Die  Aus- 
lauföffnung X  muss  so  regulirt  sein,  dass  der  Eimer,  wenn  das  untere  Gefäss 
B  voll  Wasser  ist,  einen  bestimmten  Füllungsgrad  erreicht,  bei  dem  er  um- 
kippt, sich  entleert  und  dann  wieder  aufrecht  stellt.  Sobald  er  entleert  ist, 
zieht  ihn  das  Gegengewicht  0  in  die  Höhe,  schliesst  dabei  den  Hahnen  K  und 
öffnet  die  Hahnen  E  und  0.  Durch  0  fliesst  das  Wasser  aus  J3,  wobei  sich 
die  in  den  Gefässen  eingeschlossene  Luft  wieder  ausdehnt,  so  dass  das  Spiel 
von  Neuem  beginnen  kann. 

Das  siebente  und  achte  Problem  handeln  von  Wasseruhren,  das  neunte 
von  dem  Windkessel  und  das  zehnte  von  den  pfeifenden  Vögeln  Herons  (Fig. 
16  u.  24,  S.  13  u.  19).    Dann  folgt: 

XII.  „eine  Maschine,  womit  man  ein  Uhrwerk  treiben  kann.'* 

Sie  besteht  aus  einem  ringsum  geschlossenen,  zur  Hälfte  mit  Wasser 
gefüllten  Gefässe.  Durch  eine  Stopfbüchse  im  Deckel  geht  eine  senkrechte 
Röhre,  die  von  einem  Schwimmer  getragen  wird,  bis  in  das  Wasser.  Durch 
die  Sonnen-  oder  Tageswärme  soll  die  Luft  in  dem  Gefässe  ausgedehnt  werden, 
so  dass  sie  auf  das  Wasser  drückt,  dieses  in  der  Röhre  in  die  Höhe  steigt, 
und  der  Schwimmer  mit  der  Röhre  herabsinkt.  An  dem  Schwimmer  ist  eine 
Schnur  befestigt,  die  über  eine  Leitrolle  geht  und  am  anderen  Ende  ein  Ge- 
wicht trägt.  Mit  der  Leitrolle  ist  ein  Zeiger  verbunden,  der  sich  beim  Auf- 
oder. Niedergänge  des  Schwimmers  in  der  einen  oder  anderen  Richtung  dreht. 
Der  Apparat  ist  also  mehr  ein  Luftthermometer,  als  eine  Uhr. 

Xni.  „Eine  sehr  künstliche  Maschine,  mit  welcher  ein  stehendes  Wasser  zu 
heben  ist.'' 

Dies  soll,  ähnlich  wie  bei  dem  vorhergehenden  Apparat,  durch  Sonnen- 
wärme geschehen.  Im  vierzehnten  und  fünfzehnten  Problem  wird  vorgeschlagen, 
die  Kraft  dieser  Maschine  durch  Brenngläser  zu  vermehren.    Dann  folgt  wieder: 


610 


SalomoD  i»  Caai. 


XVL  und  XVn.  „Wie  Waaser  mit  Pumpen  und  einem  Wasserrade  lu 
heben  ist" 

Auf  der  Wasserradwelle  sitzt  ein  Zahnrad,  welches  in  ein  auf  einer  Vor- 
gelegvelle  sitzendes  Getriebe  greift.  Auf  der  Vorgelegwelle  sitzt  ein  zweites 
Getriebe  a  (Fig.  779),  welches  in  eine  innen  verzahnte  Schleife  b  greift  ood 
mit  dieser  ein  sogenanntes  Mangelrad  bildet.  Dicht  hinter 
dem  Getriebe  a  sitzt  ein  ebensolches  fest  auf  der  Vor- 
gelegswelle,  welches  in  zwei  rechts  und  linke  von  der 
Schleife  gelagerte  Zahnräder  c  und  d  eingreift,  deren 
Durchmesser  doppelt  so  gross  ist,  als  der  des  Getriebes  a. 
Auf  den  parallelen  Axen  dieser  Zahnräder  sitzen  ausser- 
dem zwei  unrunde  Scheiben  e  und  /  Ton  der  ans  der 
Zeichnung  ersichtlichen  Form,  welche  die  Schleife  des 
Mangelrades  in  ihrer  tiefsten  Stellung  nach  der  einen  und 
in  ihrer  höchsten  Stellung  nach  der  anderen  Seite  hin 
schieben,  so  dass  sie  abwechfielnd  auf  der  rechten  oder 
linken  Seite  mit  dem  Getriebe  a  in  Eingriff  kommt  nnd 
so  auf  nnd  nieder  bewegt  wird.  Durch  eine  Flügelstange 
und  einen  den  Cylinder  einer  sogenannten  „gestürzten 
Pumpe"  umschliessenden  Rahmen  wird  die  auf  und  nieder- 
gehende Bewegung  der  Schleife  des  Mangelrades  anf  den 
Kolben  dieser  Pumpe  übertragen.  Einigermassen  befremd- 
lich ist  es,  dasa  Saldhon  de  Caus  hier  eine  „gestürzte 
Pumpe"  abbildet  und  beschreibt,  obgleich  er  in  Problem  I 
.  vor  dem  Gebrauche  solcher  Pumpen  gewarnt  hat. 

XVIII.  „Eine  Maschine,  mit  welcher  man  durch  Wasser- 
kraft vermittelst  tanes  Wasserrades  gar  ges(;hwind  Holz  schneiden  kann." 

Es  ist  dies  ein  Sägegatter,  dem  der  Blockwagen  durch  niedersinkende 
Gewichte  zugeführt  wird,  die  an  einem  mit  dem  Wagen  verbundenen  und  über 
«ine  Leitrolle  geführten  Seile  hängen.     Salomon  de  Caus  bemerkt  hierzu: 

„Diese  Maschinen  sind  in  den  schweizer  Gebirgen  sehr  gebräuchlich  und  sägen 
Tannenholz  und  Dielen  in  grosser  Menge.  Sie  werden  auch  in  grossen  Städten  ge- 
braucht und  in  Wäklem,  wo  man  oftmals  Dielen  und  anderes  Holz  zum  Bauen 
schneiden  muss.  Diese  sind  aber  dEuin  denen,  welche  die  Schweizer  gebrauchen, 
nicht  in  Allem  gleich,  denn  sie  schieben  das  Holz  vcnnittclst  etlicher  Kammräder 
und  einem  Schaltrade  (roquet)  gegen  die  Sägeblätter.  Da  aber  unaufhörlich  daran 
zu  flicken  ist,  vermeide  ich  den  Gebrauch  derselben,  wo  ich  kann,  und  gehrauche 
statt  dessen  die  Gewichtsteine,  wo  jeder  zwei  oder  dreihundert  Pfund  wiegt  ...  Ea 
können  zwei,  drei  oder  höchstens  vier  Blätter  mit  einander  gebraucht  werden  .... 
wenn  das  Holz  am  Ende  ist,  ziehen  es  ein  oder  zwei  Männer  mit  einer  Winde  und 
einem  starken  Seile  wieder  zui-ück." 

XrX.  „Eine  sehr  nützliche  Maschine,  die  hölzernen  Wasserrohre  damit  zu 
bohren." 

Wir  gehen  in  Fig.  780  die  Abbildung  dieser  Bohrmaschine  in  kleinerem 
Massstabe    wieder.     In  imserer   ersten    Abhandlang  über  Leonardo  da  Vinci 


Pumpirerk,  Bobrniuchiu«,  Zinn -Walz  werte. 


511 


hftben  wir  bereits  darauf  hingewiesen,   dass  diese  Kupfertafel   von  Böckler  in 
seinem  ,Theatrum  macbinamm,  Nürnberg  1661"  abgedruckt  worden  ist. 

XX.  „Eine  Eehr  nothwendige  Maschine,  bei  Feuersbrflnsten  zu  gebrauchen." 
Es  ist  eine  einfache  Feuerspritze  ohne  Windkessel  in  einer  Butte  auf 
«inem  Schlitten. 


XXI.  „Eine  subtile  und  artige  Maschine,  um  oval  zu  drehen." 

Bei  dieser  Drehbank  ist  die  Spindel  in  einer  Schwinge  gelagert,  die  ihre 
Drehaxe  unterhalb  hat.  Auf  der  Spindel  sitzt  eine  ovale  Scheibe,  die  dadurch 
beständig  gegen  eine  feste  Stütze  gedrückt 
wird,  dass  die  Schwinge  durch  ein  Gewicht 
mit  einer  Schnur,  die  über  eine  Leitrolle 
gelegt  ist,  nach  der  Stütze  hingezogen  wird. 

Von  Problem  XXII  bis  XXV,  dem 
letzten  des  ersten  Buches,  behandelt  Salomon 
DE  Caus  mechanisch-musikalische  Spielereien 
von  der  Art,  wie  Heron's  pfeifende  Vögel; 
jedoch  mit  dem  Unterschiede,  dass  er  kleine 
Drehorgeln,  die  durch  kleine  Wasserrädeben 
betrieben  werden  sollen,  anwendet,  um  den 
Gesang  der  Vögel  u.  dgl.  nachzuahmen.  Der- 
artige Orgeln  durch  Wasserrädeben  betrieben, 
fanden  wir  schon  bei  della  Porta  (siehe  S.  269). 

Das  ganze  zweite  Buch  des  uns  vorliegenden  Werkes  handelt  von  Grotten 
and  Springbrunnen  zur  Zierde  fürstlicher  Häuser  und  Gärten. 

Das  dritte  und  letzte  Buch  handelt  vom  Orgelbau.    Daraus  hat  nur 
das  „zweite  Problem"  hier  einiges  Interesse,  welches  lautet: 

„Ein  Instrument,   womit  das  gegossene  Blei   oder  Zinn  {für  die  Orgelpfeifen) 
gleich  und  glatt  gemacht  wird." 

„Wenn  das  Blei  oder  Zinn  in  Tafeln  gegossen  ist,  hat  man  die  untenstehende 
Plättmühle  (Fig.  781)   zu  gebrauchen,    welche   also  eingerichtet  ist:    A  und  B  sind 


512  Salomon  de  Gaus. 

zwei  eiserne  oder  messingene  lange  Rollen  (Walzen),  welche  sehr  glatt  und  gidch 
sein  müssen.  Die  Axe  der  oberen  Rolle  A  geht  durch  den  Stander  und  ist  aus- 
wendig vierkantig,  so  dass  ein  Kreuz  darauf  gesteckt  und  sie  damit  mit  Grewalt 
herum  gedreht  werden  kann.  Zwischen  diese  zwei  Walzen  steckt  man  die  Tafel  mit 
einem  Ende,  dreht  mit  dem  Kreuze  die  oberste  Walze  herum  und  zieht  so  die  Tafel 
ganz  hindurch.  Diese  kann  man  auf  solche  Weise  nicht  nur  glatt,  sondern  auch 
so  dünn  machen,  wie  man  nur  will,  denn  C  und  D  sind  zwei  Schrauben,  welche 
man  auf  ein  darunter  liegendes  Stück  Eisen  oder  Kupfer  anzieht,  damit  die  oberste 
Walze  näher  an  die  unterste  gedrückt  wird,  bis  die  Tafel  so  dünn  wird,  wie  man 
sie  haben  will.     Dies  ist  noch  besser  aus  der  Figur  E  zu  ersehen.*^ 

Wir  erinnern  an  das  Walzwerk  für  Zinnfolie,  welches  wir  in  unserer 

zweiten  Abhandlung  über  Leonardo  da  Ymci  aus  dessen  Manuskripten  repro- 

ducirten  (Fig.  492  u.  493  und  S.  347),  sowie  an  das  Walzwerk  für  Fensterblei, 

welches  Zonca  beschreibt  (Fig.  369,  S.  307). 


Faustus  Verantius  (um  1617). 


Eines  der  sonderbarsten  alten  Bücher  über  Maschinen  ist  betitelt:  Mar 
chinae  novae  Fausti  Yerantii  Siceni  cum  declaratione  latina,  italica,  hispanica, 
gallica  et  germanica.  Yenetiis  cum  Privilegiis.  Die  Jahreszahl  des  Erscheinens 
fehlt;  doch  nimmt  man  in  der  Regel  1617  dafür  an.  In  dem  Werke:  Bio- 
graphie universelle  par  Michaud,  Paris  bei  Delagrave  &  Co.  wird  von  einem 
Antonius  Verantius  gesagt:  ;,Er  war  Erzbischof  von  Grauj  Primat  und  Vice- 
könig  von  Ungarn,  berühmt  durch  die  diplomatischen  Missionen,  die  er  an 
den  ersten  Höfen  Europas  ausführte,  stammte  aus  vornehmer  Familie,  war 
geboren  am  20.  Mai  1504  zu  Sebenico  in  Dalmatien  und  starb  am  15.  Juni 
1573^.  Dann  wird  von  Faustüs  Verantius  berichtet:  ;,Er  war  ein  Neffe  des 
vorigen,  Bischof  in  partibüs  de  Canadium  (d.  i.  das  ungarische  Komität  Csa- 
nad),  fiel  aber  bei  dem  Hofe  von  Ungarn  in  Ungnade,  weil  er  diesen  bei  der 
Verleihung  kirchlicher  Pfründen  mit  dem  Hofe  von  Rom  in  Streitigkeiten  ver- 
wickelt hatte,  veröffentlichte: 

1.  Wörterbuch  in  fünf  Sprachen,  Venedig  1595;  2.  Logica  suis  instm- 
mentis  formata,  Venedig  1616;  3.  Machinae  novae  addita  declaratione  latina, 
italica,  gallica,  hispanica  et  germanica,  Venedig  in  Folio.  Die  Figurentafeln 
in  letzterem  Werke  sind  zahlreich,  man  findet  darin  nicht  nur  Maschinen, 
sondern  auch  Brücken,  Kirchen  und  andere  merkwürdige  Konstruktionen,  die 
er  auf  seinen  Reisen  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte.  ^ 

Der  Umstand,  dass  die  Beschreibungen  der  ;,Machinae  novae^  ebenso, 
wie  das  unter  1.  erwähnte  Wörterbuch  in  fünf  Sprachen  abgefasst  sind,  macht 
es  wahrscheinlich,  dass  beide  Werke  ein  und  denselben  Verfasser  haben.  In 
Zedler's  Universallexikon,  Leipzig  und  Halle  1746,  wird  dies  bezweifelt,  aber 
ohne  Angabe  von  Gründen.  Sollte  der  geistliche  Stand  als  Grund  hierfür 
betrachtet  werden,  so  ist  darauf  hinzuweisen,  dass  sich  in  früheren  Zeiten 
viele  Geistliche  mit  Physik  oder  ;,Natürlicher  Magie  ^,  wie  man  es  damals 
nannte,  befassten.  Albertus  Magnus  war  Bischof  von  Regensburg  und  später 
Dominikanermönch  in  Köln,  Abt  Baldo  von  Urbino  Hess  zuerst  Heron's  Schriften 
im  Drucke  erscheinen,  im  17.  Jahrhundert  sind  besonders  die  Jesuiten  Atha- 
NASius  Kircher  und  Caspar  Schott  auf  diesem  Gebiete  berühmt  geworden« 

B«ck.  33 


514  FaiiBtas  Verantius. 

Dass  Faustus  Verantius  anf  dem  Titelblatte  seiner  „Machinae  noyae'  mit 
dem  Zusätze  ^^Sicenus^  näher  bezeichnet  wird,  dürfte  dadurch  zu  erklären 
sein,  dass  Sige  eine  der  sieben  Präfekturen  war,  in  die  Dalmatien  unter  vene- 
tianischer  Herrschaft  getheilt  wurde,  und  dieser  Namen  wahrscheinlich  bei  der 
Latinisirung  in  Sicae  umgewandelt  wurde. 

Ob  die  Ansicht  Michaud^s,  dass  Verantius  nur  Dinge  beschrieben  habe, 
die  er  auf  Reisen  gesehen  hatte,  richtig  ist,  mag  die  Betrachtung  des  Inhaltes 
seines  Werkes  lehren.  Der  Text  desselben  ist  überschrieben:  ^Erklärung 
unserer  erfundenen  Maschinen^.    Die  Einleitung  beginnt  mit  den  Worten: 

„Dass  die  Kunst,  welche  von  den  Maschinen  handelt,  in  der  Architektur  die 
vornehmste  sei,  ist  die  Meinung  vieler  Weltweisen,  weil  sie  einen  grösseren  Verstand 
erfordert  Wenn  aber  die  Kenntniss  derjenigen  Maschinen,  welche  schon  vor  alten 
Zeiten  gebraucht  wurden,  solches  Lob  erntet,  um  wieviel  grösseren  Ruhm  sollten  die 
erlangen,  welche  nach  so  vielen  Jahrhunderten  neue  hervorbringen ** 

Daraus  geht  hervor,  dass  Verantius,  noch  ebenso  wie  Vitruv,  den  Ma- 
schinenbau als  einen  Theil  der  Architektur  betrachtet.  Er  bespricht  daher  in 
seinem  Werke  ^^Machinae  novae^  auch  Ingenieur-  und  Kirchenbauten  und  fasst 
den  Begriff  ;,Maschine^  noch,  wie  die  Alten,  so  allgemein  auf,  dass  er  sich 
für  berechtigt  hält,  jedes  klug  ersonnene  Hilfsmittel  zu  den  Maschinen  zu 
zählen. 

In  den  nun  folgenden  Kapiteln  werden  besprochen: 

1.  Ueberschwemmungen  in  Rom.  Verantius  ist  der  Ansicht,  dass 
der  Tiber  deshalb  so  oft  Ueberschwemmungen  in  Rom  verursache,  weil  sein 
Bett  zu  viele  und  zu  starke  Krümmungen  habe  und  durch  die  alten  Brücken- 
bauten zu  sehr  verengt  sei.  Er  schlägt  vor,  die  Krümmungen  durch  gerade 
Durchstiche  abzuschneiden  und  das  Flussbett,  wo  man  es  überbrücken  will, 
breiter  zu  machen. 

2.  Venetianische  Brunnen.  Es  wird  darauf  hingewiesen,  dass 
Venedig  keine  Brunnen  mit  süssem  Wasser  habe,  unser  Autor  glaubt  ein  nicht 
zu  kostspieliges  Mittel  gefunden  zu  haben,  wodurch  diesem  Uebel  abgeholfen 
werden  könnte,  sagt  aber,  da  schon  manche  dieses  Projekt  vor  ihm  vergeblich 
verfolgt  und  viele  ein  Vorurtheil  dagegen  hätten,  übergehe  er  seinen  Plan  vor- 
läufig mit  Stillschweigen.  Auch  sei  er  überzeugt,  ein  Mittel  gefunden  zn  haben, 
wie  man  Getreide  viele  Jahre  aufbewahren  und  sowohl  vor  Feuer,  als  auch 
vor  Feuchtigkeit  schützen  könne;  doch  eigne  sich  diese  Erfindung  nur  für 
Fürsten,  die  das  öffentliche  Wohl  im  Auge  haben,  und  man  müsse  verhüten, 
dass  sich  Privatpersonen  zum  Nachtheile  des  Volkes  derselben  bedienen. 

3.  Die  Brücken  zu  Wien  in  Oesterreich.  Verantius  sagt:  ein 
Freund  von  ihm  wisse  zu  verhindern,  dass  Brücken,  insbesondere  solche  von 
Holz,  durch  Eisgang  zerstört  werden.  Die  zugehörige  Abbildung  zeigt  eine 
einfache  Holzbrücke  mit  Strebebalken  vor  jedem  Joche,  die  es  vor  heran- 
treibenden Eisschollen  schützen. 


FliuslcorrektioD,  Bnmiieii,  BrDcken,  Kirchen,  feaerahr,  Hudmahle. 


515 


4.  Die  Kircte  in  Sebecico.  Dieses  Kapitel  hat  nnr  insofern  Interesse 
für  uns,  als  daraus  hervorgeht,  dass  nnser  Autor  aus  Dalmatien  gebürtig  war 
und  zu  Sebenico,  dem  Geburtsorte  des  Eingangs  erwähnten  Ahtosius  Verantius, 
in  näheren  Beziehungen  stand. 

5.  Eine  schöne  Form  eines  Tempels.  Die  Abbildung  zeigt  .eine 
Kirche  in  Renaissancestyl,  vermuthlich  nach  eigenem  Entwürfe  des  Verfassers. 

6.  Eine  Feuerubr,  \ya3seruhr  und  Sonnenuhr.  Erstere  besteht 
«ua  einer  Zündschnur,  die  in  einer  bestimmten  Zeit  abbrennt  und  dann  ein 
Alarmsignal  giebt.  Die  Wasser-  und  die  Sonnenuhr  bieten  nichts  Bemerkens- 
werthes. 

7.  Eine  eiserne  Mühle,  welche  man  hin-  und  hertragen  kann 
^Fig.  782).  Sie  hat  Aehnlichkeit  mit  der  eisernen  Walzenmühle,  welche  Ba- 
MELU  beschrieben  und  abgebildet  hat  (siehe  Fig.  274,  S.  231). 


Mehr  Interesse  bieten  die  nun  folgenden  sechs  Kapitel,  aus  denen  her- 
vorgeht, dass  nicht  erst  zu  Ende  des  siebzehnten  Jahrhunderts,  wie  RDhlhann 
im  ersten  Bande  seiner  Maschinenlehre  sagt,  sondern  schon  weit  früher  die 
Konstruktion  horizontaler  Windräder  als  Gegenstand  besonderer  Aufmerksamkeit 
betrachtet  wurde.    Verantius  sagt: 

„Die  Maschinen,  die  vom  Winde  getrieben  Mühlen  bewegen,  haben,  wie  sie 
jetzt  im  Gebrauche  sind,  alle  dieselbe  Form,  eiad  aber  nicht  bequem,  neu  sie  den 
Wellbaum  in  der  Horizontalebene  haben  und  dieser  je  nach  der  Veränderung  des 
Windes  oft  hiu  und  her  gewendet  werden  muss.  Dies  erfordert,  dass  das  ganze 
Müblwerk  beweglich  ist  und  eich  dreh^  und  dass  es  sich  auf  täas  einzige  Spindel 
stützt^  von  der  es  aufrecht  erhalten  wird.  Deshalb  setzt  mau  die  Mühlsteine  in  den 
«beren  Theil  dieser  Mühle,  d.  h.  an  einen  Ort^  welcher  der  Natur  derselben  nicht 
«ntsprichL  Wir  aber  haben  einen  Weg  gefunden,  dass  unsere  Mühlen  fest  stehen 
bleiben  und  dennoch  der  Wind,  woher  er  auch  komme,  sich  ihnen  günstig  erweise, 
«o  dass  es  keiner  besonderen  Mühe  bedarf,   ihn  aufzufangen.     Zu  diesem  Zwecke 


616 


FauBfau  Verantiiu. 


hftben  eJe  einen  senkrechten  Wellbaum,  die  FlGgel  oder  Arme  aber  rind  so  eln- 
gerichtet,  dasa  sie  den  Wind  auf  der  einen  Seite  auffangen,  auf  der  anderen  aber 
leer  Torbdgehen  laaeen." 

Dem  gegenüber  ist  zn  erinnern  an  das  von  Gualtherius  H.  Kitibs  um 
1547  abgebildete  horizontale  Windrad  (siehe  Fig.  204  in  unserer  Abhandlung 
über  Cabdanus),  sowie  an  daB  von  Besson  um  1560  auf  seinem  Blatte  50  ab- 
gebildete (siehe  S.  203).    Verantids  föhrt  fort: 

„Ausserdem  haben  unsere  Mühlen  die  E^genthQmlichkeit,  dass,  obwohl  das 
Windräd  sich  auf  der  höchsten  Spitze  des  Tburmes  umdrebt,  sie  seibat  sich  doch  in 
dem  untersten  Tbeile  desselben  befinden,  und  zwar  können  es  ihrer  mehr  oder 
weniger  sein,  je  nachdem  der  Wind  stark  ist  Von  derartigen  Maschinen  wirst  Dn 
hier  mehrere  verschiedene  Arten  sehen: 

8.  Mühlen  durch  Segel  getrieben  (Fig.  783).  Die  Ersten  sind  solche, 
welche  einen  senkrechten  Wellbaum   haben,  womn  zwei  Segelstangen   quer  befestigt 


PIg.  784. 


Fig.  185. 


sind.  Diese  tragen  an  ihren  äuasersten  Enden  Rfthmen,  worin  Segel  ausgespannt 
sind.  Die  Rahmen  sind  so  in  Angeln  aufgehängt,  dass  sie  sich  darin  drehen  und 
sich  auf  einer  Seite  des  Wellbaumes  dem  Winde  widersetzen,  auf  der  anderen  Säte 
aber  dem  Winde  auswichen. 

g.  Mühlen  mit  dreikantigen  Flügeln  (Fig.  784).  Diese  Mühlen 
ballen  ebenfalb  einen  stehenden  Wellbaum,  woran  vier  Arme  kreuzweise  befestigt 
nnd.  Jeder  derselben  trägt  einen  Flügel  aus  Brettern,  die  in's  Dreieck  gestellt  nnd, 
so  dass  sie  auf  der  einen  Seite  dem  Winde  die  Schärfe  des  Winkels  darbieten,  damit 
er  ohne  zu  wirken  darüber  hinfährt,  auf  der  anderen  Seite  aber  stehen  dJe  Bretter 
offen,  um  den  Wind  aufnehmen  zu  können. 

10.  Mühlen  mit  beweglichen  Flügeln  (Fig.  786  und  766).  Dies  nnd 
noch  zwei  andere  Arten,  den  Wind  durch  bewegliche  Klappen  aufzufangen  und  ähn> 
lieh  diesen  könnten  wir  noch  viele  angeben. 

11.  Mühle  mit  beweglichem  Dache  (Fig.  787).  Diese  Mühlen  werden 
in  dnem  Thurme  von  dessen  Dach  umgetrieben,  das  durch  mehrere  Flügel  getheilt 
ist  Diese  sind  zwischen  zwei  Böden  eingeschlossen  und  so  gekrümmt,  dass  deren 
eine  Seite  den  Wind  auffängt^  während  die  andere  ihn  entweichen  lässt" 


HoriioDtale  WindmOhle,  Fanemore. 


517 


■  Der  Wind  wirkt  hier  ebenso,  wie  bei  der  unter  9.  bescliriebenen  „Mühle 
mit  dreikantigen  Flügeln".  Man  nennt  derartige  Windräder  heutzutage  ,Pa- 
nemoren".  Aus  den  Abbildungen  and  Beschreibungen  des  Verantius  ist  zu 
ersehen,  dass  der  Gedanke,  welcher  diesen  zu  Grunde  liegt,  schon  alt  ist. 

12.  Mühlen  in  viereckigem  Thurme  {Fig.  788).  „Diese  Mühlen  in 
«quadratischen)  Thunne  drehen  sich  um  eine  mitten  in  dem  Thurme  aufrecht  stebende 
Welle,  welche  vier  oder  mehr  aus  Brettern  hergestellte  Flügel  hat.  Diese  werden 
von  dem  Winde,  der  durch  die  Fenster  dea  Thurmes  eintritt,  getrieben.    Die  Fenster 


Fis-  187. 

Etehen  paarweise  einander  gegenüber,  so  dass  der  Wind  durch  das  eine  ein  und 
durch  das  andere  austritt.  Die  anderen  beiden  Fenster  werden  verschlossen,  damit 
der  Wind  mit  um  so  grösserer  Genalt  durch  die  geöffneten  strömt," 

In  der  Abbildung  sind  nur  zwei  Paar  Fenster  angegeben,   durch   welche 
bei  zwei  aufeinander  senkrechten  Windrichtungen  Linksdrehung   des  Kades 


n«.  788.  Fig.  78«. 

bewirkt  wird.  Soll  bei  den  entgegengesetzten  Windrichtungen  ebenfalls  Links- 
drehung des  Kades  erfolgen  können,  so  müssen  noch  zwei  Paar  Fenster  ange- 
bracht werden,  so  dass  dann  an  jede  Thurmecke  deren  zwei  kommen,  wie  sie 
jetzt  nur  an  einer  Ecke  zu  sehen  sind. 

13.  Mühlen  in  einem  runden  Thurme  (Fig.  789).  ,j:Ke8e  Mühlen  sind 
in  allen  ihren  Tbeilen  in  derselben  Art  angeordnet,  wie  in  den  vorhei^hendeu  Thürmen, 
aber  dieser  Thurm  ist  rand  und  sein  oberer  Theil,  wo  der  Wellbaum  a^ne  Flügel 
hat,  nach  allen  Seiten  hin  ganz  offen,  jedoch  durch  schräge  Wände  in  Fenster  ge- 
thdlt^  damit  der  Wind  nicht  in  senkrechter  Richtung,  sondern  schief  in  den  Thurm 


518  Faostas  Verantios. 

eintritt  und  so  die  Flügel  bewegt  und  antreibt  Diese  Maschine  hat  das  Eigenthüm* 
liehe,  dass,  wenn  alle  Winde  gleichzeitig  in  sie  eintreten  könnten,  daraus  keinerlei 
HindemisSi  sondern  vielmehr  ein  Vortheil  entstehen  würde.^ 

RDhlmann  sagt  in  seiner  ^Allgemeinen  Maschinenlehre^  Bd.  I,  S.  466, 
dass  diese  Art  Windräder  schon  in  ;,Recueil  des  Machines^  von  1699  als 
horizontale  Windmühlen  auf  polnische  Art^  beschrieben  sei,  die  hier  vorliegende 
Beschreibung  ist  aber  um  etwa  achtzig  Jahre  älter.    Yerantius  fahrt  fort: 

,,Bis  hierher  sei  genug  von  Windmühlen  gesagt,  nun  wollen  wir  von  denen 
reden,  die  durch  Wasserkraft  umgedreht  werden. 

14.  Mühlen  in  Bächen.  Es  sind  an  vielen  Orten  so  kleine  und  seichte 
Bäche,  dass  sie  Mühlen  nicht  treiben  können.  Deshalb  haben  wir  erdacht,  damit 
das  Wasser  einen  besseren  Fall  habe,  inmitten  des  Baches  unter  dem  Rade  einen 
Graben  auszuwerfen  und  das  Rad  soweit  herabzulassen,  dass  es  zum  vierten  Theile 
in  dem  Graben  stehe,  denn  wir  haben  geglaubt,  dass  dies  kein  Hindemiss  bieten 
könne,  wenn  es  nicht  etwa  darin  besteht,  dass  das  Rad  sich  im  Wasser  dreht  Doch 
würde  es  besser  sein,  solche  Bächlein  durch  einen  höheren  aufgeworfenen  Damm  oder 
eine  Scheidewand  aufzuhalten,  damit  es  einen  Teich  bilde,  worin  das  Wasser  sich 
einige  Stunden  sammelt  und,  wenn  der  Teich  geöffnet  wird,  durch  Kanäle  läuft  und 
gegen  den  unteren  Theil  des  Rades  stösst,  denn  so  wird  es  durch  einen  grösseren 
Raum  geführt  werden  und  mit  grösserer  Gewalt  gegen  das  Rad  stossen.'' 

Hier  mag  dem  Autor  vielleicht  die  Konstruktion  eines  Kropfrades  unklar 
vorgeschwebt  haben.    Er  fährt  fort: 

15.  Mühlen  inmitten  eines  Flusses.  „Man  pflegt  gemeiniglich  die 
Mühlen  an  das  Ufer  der  Flüsse  zu  setzen,  denen  bisweilen  das  Wasser  mangelt, 
während  es  zu  anderen  Zeiten  im  Ueberflusse  da  ist,  was  Beides  den  Mühlen  hinder- 
lich ist  Dieser  Ungelegenheit  habe  ich  dadurch  zuvorkommen  wollen,  dass  ich  die 
Mühle  mitten  in  den  Fluss,  wo  er  den  schnellsten  Lauf  hat,  setze,  was  füglich  neben 
einer  Brücke  geschehen  könnte.  Das  Rad  aber,  das  den  Mühlstein  treibt,  müsste 
ganz  in  den  Fluss  gesenkt  und  so  eingerichtet  sein,  dass  es  auf  der  einen  Seite  das 
Wasser  aufnehme  und  auf  der  anderen  Seite  frei  durchlasse.  Auf  diese  Weise  würde 
die  Mühle  niemals  ruhen,  sondern  allezeit  arbeiten,  mag  das  Wasser  gross  oder 
klein  sein/' 

Die  Abbildung  zu  dieser  Beschreibung  zeigt  ein  ganz  unter  Wasser  gehen- 
des horizontales  Rad,  das  oben  und  unten  mit  Klappschaufeln  versehen  ist, 
wie  sie  an  den  Windrädern  Fig.  785  und  786  angebracht  sind.  Ein  ähnliches 
horizontales  Wasserrad  findet  sich  schon  bei  Besson  (vergl.  Fig.  222,  S.  201). 
Es  folgen: 

16.  Mühlen  an  einen  Felsen  gehängt.  Sie  sind  mit  einem  horizon- 
talen Wasserrade  versehen,  das  die  Form  der  Panemore  Fig.  787  hat. 

17.  Mühlen,  in  eine  Enge  des  Meeres  gesetzt.    Yerantius  sagt: 

„Wer  hat  seither  das  Meer  so  bezwingen  können,  dass  es  Mühlen  treibe  und 
zu  anderen  Bewegungen  dienlich  sei  ?  Wir  glauben,  dass  dies  möglich  ist,  aber  nicht 
allenthalben,  sondern  nur  an  engen  Stellen  des  Meeres.  Man  muss  sich  jedoch  vor- 
sehen, dass  der  Ort  nicht  offen  und  jeglicher  Wellengewalt  ausgesetzt  sei.  Es  giebt 
auch  eine  andere  Art,  uns  das  Meer  hierin  dienstbar  zu  machen.  Man  sollte  an 
dem  Gestade  einen  Teich  ausgraben,  so  hoch,  wie  das  Meer  zu  wachsen  pflegt,  damit 
der  Teich  sich  füllt,  wenn  das  Meer  steigt,  und  das  Wasser,  wenn  das  Meer  wieder 
fällte  durch  Rinnen  oder  Kanäle  ablauft  und  die  Mühlen  treibt  ....*' 


Eroprrad,  horiioDtale  WoMerrlder,  Uühlen.  519 

In  der  zngehSrigen  AbbildoDg  ist  ein  Wasserrad  dargestellt,  das  wie  das 
horizontale  Windrad  (Fig.  783}  bonstniirt  ist.  Die  hier  erwähnte  zweite  Art, 
Ebbe  und  Flutb  des  Meeres  als  Betriebskraft  zo  benutzen,  fanden  wir  schon 
in  den  „Sldzzen  aus  der  Zeit  der  Hossitenkriege"  auf  Blatt  105 — 99  B  darge- 
stellt (vergl.  S.  292).    Es  folgen  weiter: 

18.  Mühlen  auf  Schiffbrücken  (Poatone).  „Die  Mühlen,  welche  auf 
Pontons  gesetzt  werden,  pflegen  ein  kleineres  Ponton  zu  haben,  welches  das  eine 
Ende  des  Wasserrad-Wellbaumes  unterstützt  Aber  warum  kann  man  dieses  nicht 
ebenso  gross  machen,  wie  das  andere  und  eine  zweite  Mahle  darauf  setzen,  die 
ebensoviel  Arbeit  verrichtet?  .... 

19.  Mühlen  auf  einem  Schiffe.  Aber  viel  bequemer  ist  diese  andere  Art 
von  uns,  denn  eine  einzige  Barke  wird  das  Mühlwerk  sicherer  tragen,  als  die  vorigen 
und  selbst  noch  mehr  Mühlen  besser  unterstützen,  wenn  noch  ein  Wellbaum  über 
den  Vordertheil  des  Schiffes  gelegt  wird  und  dieses  gross  genug  ist,  eine  so  schwere 
Last  zu  tragen  .  .  .  ." 

Die  Abbildung  zeigt  einen  atif  einer  breiten  Barke  gelagerten  Wellbanm, 
der  an  jedem  Ende  ein  Wasserrad  trägt.    Schräge  Abweiserbalken  schützen 


die  beiden  Räder  vor  etwa  beranschwimmenden  festen  Körpern.    Von  dem 
Wellbaome  aus  werden  zwei  auf  der  Barke  montirte  Mahlgänge  betrieben. 

20.  Ein  Wasserrad  (Fig.  790).  Dieses  Wasserrad  ist  so  eingerichtet, 
daas,  wenn  es  aufrecht  oder  liegend,  nur  zum  Theil,  oder  ganz  ins  Wasser  getaucht 
wird,  es  immer  seinen  Dienst  richtig  verrichtet  Und  dietes  veruriachen  die  Angeln, 
in  denen  die  Flügel  sich  drehen.  Wir  machen  aber  doppelte  Annkreuie,  die  das 
Rad  tragen  und  durch  welche,  entgegen  dem  gewöhnlichen  Gebrauche,  der  nicht  sehr 
dicke  Wellbaum  geht.  Denn  Andere  bohren  Löcher  durch  den  Wellbaum,  wodurch 
sie  die  Arme  stecken,  die  das  Rad  tragen.  Hierzu  sind  dann  gar  dicke  Wellbäume 
CTfMderlich,   damit  die  Löcher  nicht  ausreissen,  oder  der  Wellbaum  gespalten  wird." 

Solche  doppelte  Arme,  welche  die  Wasserradwelle  umfassen,  findet  man 
schon  bei  Agbicola  abgebildet  (vergl.  Fig.  157  and  171,  S.  142  n.  154). 

21.  Esel?mübien.  „Diese  Mühlen  werden  nach  den  Eieln  benunnt,  wefl 
sie  in  Italien  und  Griechenland  durch  solche  betrieben  werden.  In  anderen  Gegenden 
werden  sie  von  Pferden  oder  Och!*en  betrieben « 

Die  Abliildung  zeigt  ein  au'^Herordcntlich  gro^^ws  .Stirnrad,  auf  vertikaler  Welle, 
an  dessen  Armen  die  E«el  innerhalb  des  Zahnkranzes  Bnge«|>annt  sind. 


620 


Faust  US  Verantius. 


22.  Mühlen  mit  Schwungkugeln.  „Diese  Mühlen  werden  von  einem 
oder  zwei  Männern  getrieben,  aber  die  Gewichte,  welche  an  den  Enden  des  Kreuzes 
befestigt  sind,  vermehren  die  Kraft  (Fig.  791).  Wir  hätten  an  die  Stelle  des  Ejeuzes 
ein  Bad  setzen  und  diesem  das  Gewicht  geben  können,  allein  das  Kreuz  ist  leichter 
zu  machen  und  leistet  dasselbe *' 

Solche  Kreuze  mit  Schwunggewichten  finden  sich  ebenfalls  schon  an  den 
Mühlen,  welche  in  den  ;,Skizzen  aus  der  Zeit  der  Hussitenkriege^  dargestellt 
sind  (siehe  Fig.  315  und  316,  S.  275).  Im  Uebrigen  ist  der  in  Fig.  791  dar- 
gestellte Mechanismus  ähnlich  dem,  welchen  Biringuccio  bei  seiner  Amalgamir- 
mühle  (Fig.  140,  S.  125),  oder  welchen  Ramelu  an  seinem  Mahlgange  für 
Handbetrieb  (Fig.  226,  S.  210)  anbrachte. 

23.  Mühlen  mit  einem  Tretrade.  „Dieses  unser  Tretrad  (Fig.  792)  ist 
fast  in  Allem  denen  gleich,  welche  man  bisher  zu  gebrauchen  pflegte,  aber  wer  Acht 

darauf  hat»  wird  finden,  dass  dieses  viel  leichter 
zu  treiben  ist.  Dies  wird  durch  die  Art  des 
Angriffes  erreicht,  d.  h.  durch  die  Stelle,  auf 
.  welche  die  Männer  treten,  denn  bei  den  anderen 
Treträdern  gehen  die  Männer  im  Inneren  und 
im  untersten  Theile  des  Rades,  in  unserem 
Rade  aber  stehen  sie  ausserhalb  in  der  (hori- 
zontalen) Mittelebene  des  Rades  .  .  .  ." 

Diese  Anordnung  findet  sich  schon 
bei  Ramelli  (siehe  S.  210)  nur  mit  dem 
Unterschiede,  dass  die  Radtreter  sitzend 
abgebildet  sind. 

24.  Oelpressen  (eigentlich  Samenquetschen)  oder  Oeltrotten 
(Fig.  793).  „Gegenwärtiges  Rad  kann  bei  den  Pressen,  womit  man  das  Oel  aus- 
zudrücken (nach  dem  italienischen  Texte:  Oliven  zu  zerquetschen)  pflegt,  dienlich 
sein.  Denn  was  sonst  mit  gewöhnlichen  Oelmühlen  (Trottgängen),  die  einen  senk- 
recht stehenden  Wellbaum  haben  und  von  Thieren  herumgezogen  werden,  verrichtet 
werden  kann,  das  kann  unser  Rad  (unsere  Walze)  von  Männern  getrieben,  viel  Idchter 
zu  Weg  bringen,  denn  dieses  wird  gerade  umgetrieben,  während  die  anderen  schief 
gezogen  werden." 

Der  hier  angewandten  Umwandlung  einer  drehenden  Bewegung  in  eine 
fortwälzende  durch  Seiltransmission  sind  wir  noch  bei  keinem  früheren  Schrift- 
steller begegnet  und  sie  erscheint  uns  bemerkenswerth. 

25.  Torkel  oder  Presse.  Man  pflegt  gemeiniglich  die  Torkeln  (von  dem 
lateinischen  torculum)  mit  grossen  Bäumen  und  Schrauben  zu  machen  ....  Dieses 
unser  Torkel  aber  hat  einen  vielfachen  Flaschenzug,  wodurch  ein  einzelner  Mann 
einen  grossmächtigen  Stein  heben  und  ihn  allmählich  (auf  das  Pressgut)  wieder  nieder- 
lassen kann." 

Bezüglich  der  ersterwähnten  Presse  vergleiche  unsere  Abhandlung  über 

Cato.    Das  Pressen  durch  einen  schweren  Stein,  den  man  durch  eine  Maschine 

hebt  und  dann  auf  das  Pressgut  niederlässt,  bedeutet  eine  Rückkehr  zur  aller- 

ältesten   Methode.    Auf  einem   altgriechischen  Basrelief  im  neapoUtanischen 

Museum  ist  dargestellt,  wie   drei  Männer  mittelst  eines  langen  Hebels  einen 

Felsblock  über  einen  Korb  voll  Trauben  heben,  während  zwei  andere  Manner 


Fig.  792. 


Tretraä,  Samenquetaobe,  Abrentor,  GeisUachal«ii. 


621 


ihn  Ten  der  Seite  balteo,  ihm  gleichsam  als  Führung  dienen.  (Vergl,  äntont 
RicH,  Illustrirtes  Wörterbuch  der  römischen  Alterthiimer,  übersetzt  von  Dr. 
Carl  MOlleb,  Paris  und  Leipzig  1862,  Artikel:  torcular  &  torculum). 

Kapitel  26  handelt  vom  Abechneiden  und  Dreschen,  Kapitel  27  zunächst 
TOm  Waschen  des  Getreides.  Beides  hat  für  uns  kein  Interesse.  Dann  föhrt 
Vebamtil's  fort: 

Art,  das  Getreide  zu  reutern  (Fig.  794).  Es  gfebt  noch  eine  andere 
Ar^  das  Getreide  zu  eäubem,  welche  ich  in  Deutschland  gesehen,   und  weil  eie  mir 


sehr  bequem  scheint^  hierher  gesetzt  habe.  Denn  das  Getreide  bewegt  und  säubert 
eich  selbät  in  grossen  Mengen,  namentlich,  wo  viele  derartige  Instrumente  vorhanden 
sind,  wie  ich  »e  hier  aufgerissen  vor  Augen  führe. 

26.  Art,  das  Mehl  von  den  Kleien  zu  scheiden.  In  Wdschland 
arbeiten  die  Bäcker  den  ganzen  Tag,  um  das  Mehl  von  den  Kleien  zu  scheiden;  in 
Deutschland  aber  fällt  das  Getreide,  sobald  es  gemahlen  ist;  von  dem  Mühlstein  in 


einen  Beutel,  an  welchen  ein  ßtöckchen  gebunden  ist;  Dieses  Stöckchen  wird  von 
zwei  oder  drei  Zapfen,  die  im  Rüttelstocke  stecken,  geschüttelt,  und  fällt  auf  diese 
Weise  das  Mehl  in  den  Kasten,  die  Kleie  aber  ausserhalb  des  Kastens  heraus." 

Daraus  ersieht  man,  dass  der  um's  Jahr  1502  in  Deutschland  erfundene 
Bentelkasten  (vei^I,  S.  181  unserer  Abhandlung  über  Cahdakts)  über  100  Jahre 
später  in  Italien  noch  kaum  bekannt  war. 

29.  Art,  die  Gerste  oder  Anderes  zu  stampfen.  „In  Welschland 
können  sie  die  Gerste  nicht  gut  von  den  Hülsen  säubern  und  geschieht  solches  mit 
grosser  Mühe,  denn  die  Stempel,  welche  sie  gebrauchen,  sind  gar  zu  breit  und  taugen 
mehr  dazu,  die  Kürner  zu  zerquetschen,  als  sie  zu  schälen.  Wir  machen  spitzige 
Stempel,  die  auf  den  Seiten  überall  mit  viereckigen  Nägeln  beschlagen  sind,  welche 
die  Kömer  gar  fein  von  den  Häuten  befreien.  Die  Stempel  aber  werden  auf 
zweierlei  Art  betrieben:  entweder  von  einem  Manne,  der  einen  Wellbaum  (mit  Hebe- 
danmen)  auf  der  einen  Seile  umtreib^  während  am  anderen  Ende  Schwunggewichte 
angebracht  sind,  oder  indem  man  den  Stempel  an  eine  Stange  hängt  (Fig.  795), 


522  Fnstni  Vertntius. 

welche,  von  einem  Manne  angezogeii,  eich  beugt  und  den  Stempel  niederläast,  aber 
wenn  sie  losgelassen  wird,  den  Stempel  von  seibat  wieder  in  die  Höhe  tteht.  £• 
ist  dies  eine  leichte  Manier,  ein  solches  Gewicht  aufzuheben  und  nichts  Meuea;  doch 
wird  sie,  was  mich  sehr  wundert^  gar  selten  angewendet 

Eine  Handmühle.  Es  giebl  auch  eine  andere  Art,  die  Gerste  zu  rollen, 
nämlich  mit  einer  Handmühle  (ähnlich  der  von  Aobicola.  sum  Mahlen  von  Golden 
angegebenen  Fig.  169,  S.  153),  wobei  aber  der  obere  Mühlstein  etwas  gehoben  weiden 
musB,  wenn  er  tu  schwer  ist,  damit  die  Körner  nicht  zennahlen  werden,  und  eben 
dies  kann  man  auch  mit  grossen  Mühlen,  die  vom  ^yas3e^  getrieben  werden,  zu  We^ 
bringen.  Man  kann  auch  Nägel  an  einem  Rade  oder  Brette  anbringen,  mit  welchen 
die  Gerste  gerollt  und  von  Hülsen  gesäubert  wird.  Und  dies  sei  von  den  Mühlen 
genug.« 

Verantius  geht  onn  zu  Brückenkonstniktionen  aber  nnd  beschreibt  m- 
n&chst  ein  einfaches  HSjigewerk  mit  folgenden  Worten: 

30.  Eine  Brücke  mit  zwei  Balken  (Fig.  796).  „JeUt  wollen  wir  von 
den  Brücken  handeln,  welche  ohne  Pfeiler  oder  Stützen  von  einem  Ufer  zum  anderen 

über  eine  ziemliche  Breite  des  Wassers 
reichen.  Diese  erste  Brücke  hat  indes  nur 
die  Länge  von  zwei  Bäumen,  welche  nor 
an  den  zwei  Enden  Pfeiler  haben;  in  da 
Mitte  des  Flusses  aber  werden  sie  mit  den 
anderen  beiden  Enden  aufgehängt,  indem 
sie  von  zwei  anderen  oberen  Balken  getragen 
^'  werden,    die   mit   ihren   Enden    ein   wenig 

in  die  Höhe  gerichtet  sind  und  «ch  g^en  einander  atemmen,  gleichsam  wie  zwei 

Widder,  die  einander  stossen. 

31.  Eine  hölzerne  Brücke  (Fig.  797).  Diese  Brücke  (d.  b.  der  oben 
B(^en)  wud  aus  einer  doppelten  Ordnung  von  Balken  gemacht,  welche  gebogen  nnd 


mit  Sdiraaben  und  eisernen  Kägeln  verstärkt  sind  (im  italienischen  Texte  beiast  es: 
welche  bogenförmig  gekrümmt  und  fchwalbeu^hiranzfömiig  in  einander  gefugt  Bind). 
In  ihrem  unteren  Theile  ahex  hat  diese  Brücke  zur  Vermehrung  ihrer  Feetigkeil 
andne  Balken,  welche  entweder  stracks  gelegt  (fiehe  den  Träger  im  Voida^ruiide 
der  Abbildung^  oder  in  einem  Gegenbogen  gekhimmt  (fiehe  den  Ttäger  im  Hinter* 
gründe  der  Abbildung)  und  auch  mit  Nägeln  zusammengeheftet  sind.  Sie  vetfainden 
die  beiden  Enden  der  Brücke  (d.  h.  des  oberen  Bc^n^)  miteinander,  damit  ne  nidit 
durch  ibre  Schwere  auseinander  getrieben  werde  und  einstüne. 


Bifloken  von  Holx,  StMn  und  Uetall.  6^ 

32.  Eine  steinerne  Brücke  (flg  796)  Diese  Brücke  kann  aus  Ziegeln 
oder  anderen  lachten  Steinen  gebaut  «erden,  denn  je  leichter  sie  sind,  desto  sicherer 
wird  sie  sein.  Erstlich  soll  sie  am  Ufer  starke  Fundamente  (Widerlager)  haben,  die 
durch  andere  Gewölbe  unterstützt  sind  Dann  »^en  beide  Enden  am  unleren  Thrale 
dar  Brücke  (des   Brückenbogens)    durch   viele    und   starke   eiserne -Riegel    (Spann- 


Btangen)  zusammengeschlossen  werden.  Wenn  aber  die  Brücke  gar  zu  lange  sä 
sollte,  so  sollen  diese  Spannstangen  durch  andere  Riegel  (Hängestangen),  welche  i 
der  Brücke  befestigt  sind,  getragen  werden. 


Hj.  T«. 

33.  Eine  Brücke  von  Glockenspeise  (Bronce).  Fig.  799.  Diese  Brücke 
soll  aus  lauter  Glockenspeise  gemacht  sein,  sie  sei  nun  gerade  (wie  der  im  Vorder- 
gnmde  der  Figur  abgebildete  Träger),  oder  im  Bi^n  gewölbt  (wie  die  auf  den  Brücken- 
pfeilern abgebildeten  Träger.  Es  möchte  aber  Einer  sagen,  man  werde  viel  Glocken- 
speise dazu  haben  müssen  und  deshalb  würden  zu  grosse  Unkosten  entstehen.  Darauf 
erwidere  ich,  dass  viel  weniger  Unkosten  entstehen  werden,  als  wenn  die  Brücke  aus 


S24  Fausttu  VerantiuB. 

Stein  gemacht  irird  ....  Auf  dieselbe  Weiie  kann  man  aucb  mit  viel  geringeren 
Kosten  die  Dächer  und  Decken  der  grossen  Gebäude  und  Kirchen  machen.  (Im 
italienischen  Texte  heisgt  es:  Auf  dieselbe  Weise  und  mit  geringeren  Kosten  kann 
man  auch  Balken  von  grosser  Länge  machen,  um  Dächer  und  Decken  für  Kirchen 
und  8äle  herzustellen  und  die  Unbequemlichkeit  der  Pfeiler  und  Säulen  zu  vermeiden, 
welche  man  da  hinein  zu  stellen  pflegt)" 

Wenn  auch  Veraütius  die  Kosten  seiner  metallenen  Träger  unter- 
schätzt,  und  solche  erst  Anwendung  finden  konnten,  nachdem  man  gelernt 
hatte,  sie  aus  Gusseisen  herzustellen,  so  bleibt  ihm  doch  wohl  das  Verdienst, 
zuerst  die  Aufmerksamkeit  auf  diesen  Gegenstand  gelenkt  zu  haben. 

34.  Eine  eiserne  Brücke  {Fig.  800).  „Diese  Brücke  nennen  wir  deshalb 
„eisern",  weil  sie  in  zwei  Tbürmen,  die  an  beiden  Seiten  des  Wassers  aufgebaut  sind, 
mit  vielen  eisernen  Ketten  angehängt  ist  ,  .  ,  ," 


Dieser  Entwarf  einer  Kettenbrücke  ist  unseres  Wissens  der  erste, 
welcher  in  Europa  gemacht  wurde.  Ob  VBttANTiDS  Kunde  von  chinesischen 
Kettenbrücken  hatte,  die  seit  alter  Zeit  bestanden  haben  sollen,  erscheint  uns 
zweifelhaft.  In  Marco  Polo's  Reisebescbreibung  sind  sie  nicht  erwähnt,  der 
Tyroler  Martini  aber,  der  die  Strasse  über  den  Tsin-ling-shan  mit  einer  Ketten- 
brücke bei  Ma-tan-yi  beschrieb,  lebte  um  die  Mitte  des  siebzehnten  Jahrhunderts, 
also  später  als  Verantius.  Diese  chinesische  Kettenbrücke  besteht  aus  sechs 
straff  gespannten,  50  Fuss  laugen,  eisernen  Ketten,  die  in  geringem  Abstände 
neben  einander  liegen  und  zu  beiden  Seiten  in  dem  Fels  befestigt  sind.  Quer 
zu  den  Ketten  sind  auf  denselben  Bretter  verlegt.  Angaben  über  das  Alter 
dieser  Brücke  oder  dieser  Konstruktionaweise  liegen  nicht  vor.  (Vergl.  Cubt 
JdEBKEL,  Die  Ingenieurtechnik  im  Alterthum,  Berlin  1899,  S.  212). 

35.  Eine  hänfene  Brücke  (Fig.  801).  „Mese  Brücke  ist  aus  zwei  oder 
mehr  Scbiffstauen,  die  an  zwei  Pfählen  auf  beiden  Ufern  angehängt  sind,  gemacht. 


Eettenbracke,  Seilbiflcke,  Seabtlm.  {^ 

Damit  Bie  aber  gerade  auegeepannt  bleibe  und  von  d^  Schwere  der  Darübergehenden 
äeh  nicht  biege  kann  man  die  Stncke  welche  an  die  Schiffataue  geknüpft  mni, 
nach  Gefallen  anziehen  oder  nachlassen  Die  Brücke  kann  man  zusammenlegen  und 
Un  und  her  tragen    weshalb  man  sie  sehr  wohl  im  Felde  gebrauchen  kann. 


mmmm^mmmmm 


iWW 


Fi».  801. 


^,. 


Es  ist  dies  die  älteste  Konstruktion  einer  Seilbrücke,  oder  vielmehr 
eines  Seilsteges,  wenigstens  ist  uns  eine  frühere  bis  jetzt  nicht  bekannt 
geworden. 


Fi«.  802. 

36.  Eine  Brücke  mit  einem  Seil  (Fig.  8021.  „An  ein  dickes  Sdt  sali 
ein  Trog  oder  Korb  mit  umlaufenden  Rollen  gehängt,  und  daneben  ein  dünnes  Seil 
gespannt  werden,  welches,  wenn  ca  angezogen  wird ,  diejenigen,  welche  sich  in  dem 
Korbe  befinden,  ohne  alle  Gefahr  hinüber  bringen  wird." 


628  Fwutdi  Teraotiiu. 

Unter  den  „Skizzen  aas  der  Zeit  der  Hnssitenkriege"  befand  sich  bereits 
eine  von  einer  sehr  einfacbeD  Seilbalm  znm  Befordern  einer  Bombarde  über 
einen  FlnsB  oder  eine  Schlacht  (vergl.  Fig.  3ö3,  S.  291);  hier  sehen  wir  die 
Seilbahn  znm  Fersonentransport  weiter  aasgebildet 

Das  37.  Kapitel  hat  kein  Interesse  für  uns,  das  38.  Kapitel  ist  über- 
schrieben: Ein  Schiff,  welches  man  bei  sich  tragen  kann  (Fig.  803).  Es 
besteht  aas  einer  Kombination  von  einem  Schwinungärtel  mit 
Bachstiefeln.  Ersterer  findet  sich  schon  unter  den  „Skizzen 
aus  der  Zeit  der  Hussitenkriege"  (Fig.  330,  S.  282).  Kapitel  39 
handelt  von  einem  Fallschirme,  wie  ihn  schon  Leonardo  da 
Vwa  angab  (Fig.  98,  S.  98  der  1.  Abb.).  Kapitel  40  ist 
überschrieben:  Ein  Schiff,  welches  von  selbst  gegen 
den  Strom  fährt  (Fig.  804).  In  der  Beschreibung  wird 
gesagt,  man  könne  dies  auf  zweierlei  Art  machen.  Die  erste 
Methode,  die  dann  beschrieben  wird,  ist  uns  schon  aus  den 
"***  „Skizzen  aus  der  Zeit  der  Hussitenkriege"  (Fig.  361,  S.  290) 

bekannt,  nur  sagt  Verantius,  das  eine  Ende  des  Zugseiles  solle  an  einen  Pfahl 
gebunden  werden,  der  in  dem  Flusse  eingeschlagen  ist    Dann  fahrt  er  fort: 


Plg-SM. 

„Die  andere  Weise  ist  di<^  dass  man  dne  Rolle,  worin  ein  Seil  läufig  an  den 
Pfahl  hängt  und  das  aae  Ende  des  durchgezogenen  Seiles  an  dem  I^stschiffe, 
welches  stromaufwärts  gezogen  werden  soll,  anbindet^  das  andere  Ende  aber  an  ^em 
kleinen  Schiffe,  woran  zu  beiden  Seiten  zwei  Flügel,  die  etracka  in  das  Wasser  hinaua* 
stehen,  angebracht  sind,  und  die  Gewalt  des  Flusses  aufhalten.  So  wird  das  kleine 
Schiff  das  grosse  Lastschiff  hinaufziehen.  Dieses,  sowie  auch  die  oben  erwälinte 
Wasseruhr  habe  ich  von  einem  kunstreichen  Manne  (Fnmzoseu),  einem  Präsidenten 
von  Lyon,  zu  Rom  kennen  gelernt." 

In  Fig.  804  sind  diese  beiden  Methoden  kombinirt  dargestellt  Diese 
Kombination  ist  zulässig  und  das  Lastschiff  kann  dadurch  um  so  schneller 
bewegt  werden;  doch  erwähnt  Vebantius  in  seinem  Texte  nichts  davon.  Das 
folgende  Kapitel  lautet: 


SchwinuoMUQg,  Sohiffi'alirt  ttiomiuf,  Baggermucliiiia,  Seilerrad.  537 

41.  Ein  Werk,  den  Grund  des  Meeres  zu  räumen  (F^g.  806).  „Man 
hat  mancherlei  Instrumente,  um  den  Schlamm  und  Sand  von  dem  Boden  des  Meeres 
xa  BchSpfen,  wovon  man  viele  zu  Venedig  sieht,  aber  diese  Instrumente  sind  gar 
1  und  können  nicht  bei  mehr  als  sechs  Fuss  Tiefe  in  den  Grund  ^greifen." 


Flg.  SOS. 

Eine  solche  Maschine  beschreibt  Lobini  (siehe  Fig.  291,  S.  251).    Bei  ihm 
ist  die  Zange,  womit  der  Schlamm  gefasst  wird,  an  das  eine  Ende  eines  doppel- 


annigen  Hebels  gehängt,  dessen  anderes  Ende  auf  und  nieder  geschraubt  nird, 
wodurch  langsame  Bewegung  und  geringe  Hubhöhe  bedingt  sind.  Vebantius 
fährt  fort; 

„Das  Unserige  aber  kann   füglich   bei  jeder  Tiefe  des  Meeres   oder  Flusses 
den;  obwohl  man  in  Flüssen,  die  nicht  sehr  tief  sind,  auch  ein  anderes 


528  FaastoB  Veraniias. 

Instrumjent  gebrauchen  kann.  Dieses  besteht  aus  zwei  Wasserrädern,  die  zu  beiden 
Seiten  auf  einem  Wellbaume  sitzen,  der  Wellbaum  aber  ist  quer  über  ein  Schiff 
gelegt,  wie  der  oben  (Kap.  19)  genannte.  An  diesem  Wellbaume  muss  man  einige' 
Schöpfschaufeln  anbringen,  die  den  Grund  aufrühren  und  so  den  Sand  und  Schlamm 
in  die  Höhe  bringen,  die  dann  der  reissende  Fluss,  ehe  sie  an  die  Oberfläche  des 
Wassers  kommen,  wegschwemmt  und  die  Schaufeln  säubert. 

42.  Ein  Schiff  mit  offenem  Boden.  Für  das  soeben  beschriebene  In- 
strument, welches  den  Koth  durch  Zangen  vom  Grunde  des  Meeres  schöpf^  haben 
wir  ein  Schiff  erfunden,  welches  den  herausgezogenen  Letten,  indem  es  unter  das 
Instrument  hinfährt,  in  sich  aufnimmt,  auf  das  hohe  Meer  fährt  und  ohne  grosse 
Mühe  durch  eine  Oeffnung  im  Boden  ausleert  ohne  unterzugehen. 

43.  Ein  Instrument,  um  Seile  zu  drehen  (Fig.  806).  Bei  den  Instru- 
menten, welche  man  in  jetziger  Zeit  zu  gebrauchen  pflegt^  um  die  grossen  Schiffs- 
seile  durch  Menschenhand  zu  drehen,  kann  dies  nicht  ohne  grosse  Mühe  geschehen, 
weil  kein  (mechanischer)  Yortheil,  sondern  nur  die  Menschenkraft  dabei  angewendet 
wird.  Deshalb  habe  ich  ein  Instrument  erfunden,  welches  durch  mein  Tretrad  (wie 
oben  in  Kapitel  23  beschrieben,  bewegt  wird.  Durch  dieses  Rad  verrichtet  ein 
Mensch  mit  Leichtigkeit  mehr,  als  ohne  ein  solches  ihrer  viele,  die  alle  ihre  Kräfte 
aufwenden.'' 

Unsere  Fig.  806  zeigt  den  Apparat  nur  zum  Theil.  Ein  ebensolches 
Seilerrad,  wie  das  hier  abgebildete,  steht  diesem  gegenüber,  erfasst  die  anderen 
Enden  der  herzustellenden  Scbiffstaue  und  dreht  sie  in  entgegengesetzter  Rich- 
tung um,  was  die  Arbeit  beschleunigt.  Die  noch  folgenden  sechs  Kapiteln  sind 
für  uns  von  wenig  Interesse. 


Jacob  de  Strada  (etwa  1523—1588). 


Jacob  de  Strada  wird,  da  die  fast  allein  noch  bekannte  Ausgabe  seiner 
Maschinenzeichmingen  im  Jahre  1629  zu  Frankfurt  a.  M.  erschienen  ist,  meist 
für  einen  Schriftsteller  des  siebzehnten  Jahrhunderts  gehalten.  Der  vollständige 
Titel  dieses  Werkes  lautet  aber: 

„Künstlicher  Abriss  allerhand  Wasser-,  Wind-,  Ross-  und  Handmühlen 
beneben  schönen  und  nützUchen  Pompen  etc.,  verfertigt  durch  den  Edlen  und 
Vesten  Herrn  Jacobum  de  Strada  k  Rosberg,  Civem  Rom.  Impp.  Ferdinandi, 
Maximiliani  et  Rudolphi  H  Antiquarium,  Commissarium  Bellicum  et  Aulicum; 
nunmehr  aber  durch  den  Truck  publiciret,  an  den  Tag  gegeben  und  in  112 
folio  Kupfern  fürgebildet  durch  Octavium  de  Strada  a  Rosberg,  Civem  Rom.  etc., 
Jacobi  unicum  nipotem." 

Daraus  geht  hervor,  dass  Jacob  de  Strada  Archäologe,  Kriegs-  und  Hof- 
Kommissar  unter  den  drei  Kaisem  Ferdinand  I.,  Maximilian  H.  und  Rudolph  H. 
war,  deren  Regierungszeiten  sich  von  1556  bis  1612  erstrecken,  und  dass  seine 
Maschinenzeichnungen  erst  durch  seinen  Enkel  (unicum  nipotem)  Octavius  de 
Strada  veröflFentlicht  wurden. 

Georg  Andreas  Boeckler,  in  dessen  1661  zuerst  erschienenem  Theatrum 
Machinarum  fast  sämmtliche  Kupferplatten  von  de  Strada  abgedruckt  sind, 
sagt  in  seiner  Vorrede,  Octavius  de  Strada  habe  die  Mühl-  und  Wasserkünste 
anno  1618,  wie  dann  auch  anno  1629  zum  zweitenmal  ölfentlich  drucken  lassen. 

In  letztgenannter  Ausgabe  von  de  Strada's  Werk  findet  sich  hinter  der 

fünfzigsten  Kupfertafel  gleichsam   eine  Vorrede  zu  dem  nachfolgenden  Theile, 

worin  gesagt  wird: 

„Was  nun  die  Ordnung  dieses  Werkes  betrifft,  so  ist  zwar  nicht  ohn,  dass 
oftmals  das  Hinderste  zu  vorderst  und  was  vorgehen  sollte  zu  hinderst  gesetzt  ist, 
wobei  man  aber  aus  der  Ursachen  hat  bleiben  müssen,  weil  sie  im  ersten  Exemplar, 
80  ohne  Beschreibung  ausgegangen,  also  nach  einander  gefolgt  und  also  ohne 
Zweifel  vom  Autore  nach  einander  aufgezeichnet  worden  .  .  .  ." 

Diese  Vorrede  ist  unterzeichnet:  Benjamin  Bramerüs. 

Mit  dem  hier  erwähnten  „ersten  Exemplar*'  ist  ohne  Zweifel  die  Ausgabe 

BMk.  34 


530  Jacob  de  Strada. 

von  1618  gemeint,  welche  demnach  ohne  Beschreibung  erschien.  Die  in  der 
Ausgabe  von  1629  enthaltenen  Beschreibungen  dürften  von  dem  hier  unter- 
zeichneten Benjamin  Bramekis  herrühren. 

Ueber  Jacob  und  0(:tavius  de  Stkada  wird  in  dem  1744  bei  Joh.  Heinr. 
Zedier  in  Halle  und  Leipzig  erschienenen  Universal-Lexikon  gesagt: 

„Strada  (Jacob  de),  ein  Italiener  von  Mantua  gebürtig,  lebte  im  16.  Jahr- 
hundert und  machte  überaus  nette  Abzeichnungen  von  griechischen  und  römischen 
Münz<?n,  davon  in  der  kaiserlichen  Bibliothek  in  Wien  noch  10  Bände  übrig  sind. 
Man  zweifelt  nicht,  dass  die  Medaillen,  welche  ()cta\^us  dk  Strada,  sein  Sohn, 
nebst  dem  Leben  der  Kaiser  1615  bis  1619  an  den  Tag  gegeben,  nach  des  Jacx)b's 

2k?ichnungen  gesitochen  worden ^Man  hat  von  diesem  Werke  auch  eine  weit 

ältere  Ausgabe,  dessen  Titel  folgender  ist:  „Jacob  de  Strada:  Epitome  Thesauri 
Antiquitatum  S.  Icones  Imperat  Rom.  Orient.  &  Occident  ex  antiq.  Numismatibus 
delineatae.  Tiguri  1557"  (d.  h.  Auszug  aus  dem  Schatze  der  Alterthümer,  oder 
Porträts  der  ost-  und  weströmischen  Kaiser  nach  alten  Münzen  gezeichnet  Zürich  1557). 
Femer  hat  man  ein  Traktat  von  ihm,  in  welchem  blose  Maschinen  beschrieben 
werden,  welches  ebenfalls  dessen  Sohn  1618  herausgegeben.  Ueberdies  ist  auch  noch 
eine  lateinische  Uebersetzung  von  des  Sebastian  Serli  siebentem  Buche,  das  von 
den  Häusern  auf  dem  Lande  handelt,  bekannt,  1575  zu  Frankfurt  im  Druck  heraus- 
gekommen; ingleichen  eine  Abhandlung  von  Mühl werken,  die  zu  Köln  1623  in  Folio 
herausgekonunen  .  .  .  ." 

„Strada  (Octavius  de)  von  Rosbkrg  und  Sohn  Jacob  de  Strada's.  Er 
war  bei  dem  Kaiser  Rudolph  II.  überaus  wohl  angeschrieben  und  hatte  den  Titel 
Antiquarius.  Ob  er  beim  Kaiser  Fei-dinand  eben  die  Stelle  behalten  hat,  lässt  sich 
nicht  ausmachen,  soviel  ist  aber  gewiss,  dass  er  noch  1629  gelebt  hat,  denn  da  hat 
er  eben  seine  Genealogie  vom  Hause  Oesterreich,  welche  von  Rudolph  I.  anfängt 
und  mit  Kaiser  Ferdinand  II.  endigt^  in  Druck  gegeben.** 

In  Michaüd's  Biographie  Universelle  wird  über  Jacob  de  Strada  noch 
berichtet,  er  sei  am  6.  September  1588  in  Prag  gestorben.  Von  seinem  Werke 
„Epitome  Thesauri  Antiquitatum''  werden  drei  Ausgaben  aufgeführt,  erschienen 
in  Lyon  1553,  Zürich  1557,  Rom  1577,  und  zu  seinem  „Künstlichen  Abriss 
allerhand  Wasser-,  Wind-,  Boss-  und  Handmühlen"  wird  bemerkt:  „Tiraboschi 
und  Alle,  die  von  Octavius  (de  Strada)  schrieben,  haben  fälschlich  angenommen, 
dass  er  der  Sohn  des  Jacob  de  Strada  gewesen  sei;  er  war  aber  nur  der 
Enkel.     Siehe  das  Titelblatt  des  obigen  Werkes.** 

Wenn  Jacob  de  Strada's  Werk :  „Epitome  Thesauri  Antiquitatum*',  welches 
ungewöhnlich  viel  Vorstudium  und  Arbeit  erforderte,  1553  zum  erstenmal 
erschienen  ist,  so  wird  man  sein  Geburtsjahr  mindestens  30  Jahre  früher,  also 
etwa  1523  annehmen  müssen.  Auch  dürfte  er  bald  nach  dem  1556  erfolgten 
Regierungsantritte  Ferdinands  I.  in  dessen  Dienste  getreten  sein,  und  wenn  er 
1588  starb,  so  hat  er  etwa  30  Jahre  in  kaiserlichen  Diensten  gestanden  und 
ein  Alter  von  mindestens  65  Jahren  erreicht.  Die  manchmal  ausgesprochene 
Vermuthung,  dass  Jacob  de  Strada  jung  gestorben  sei,  erscheint  daher  unbe- 
gründet und  dürfte  nur  deshalb  aufgetaucht  sein,  weil  Boeckler  in  der  Vor- 
rede zu  seinem  Theatrum  Machinarum  bei  Erwähnung  der  Maschinenzeich- 
nungen  des   Jacob  de  Strada   die   nichtssagende  Bemerkung   einfliessen   Hess, 


Jjebensbeschreibung,  Löffelrad,  zweistiefeliges  Pumpwerk.  531 

dass  dieser  „zweifelsohne,  so  er  länger  leben  sollen,  dieselben  auch  ausführlich 
beschrieben  hätte." 

Jacob  de  Strada  war  demnach  ein  Zeitgenosse  Ramelli' s,  aber  etwa  zehn 
Jahre  älter  als  dieser.  Jedenfalls  war  ihm,  als  er  seine  Maschinenzeichnungen 
entwarf.  Rabielu's  Werk  nicht  bekannt,  denn  dieses  erschien  in  de  Strada's 
Todesjahr  1588. 

Einem  Octavius  de  Strada  ertheilte  Kaiser  Ferdinand  II.  ein  Patent, 
worin  es  heisst: 

„Wir  thun  zu  wissen,  dass  wir  unter  dem  18.  Juni  1625  an  Octavius  Dfe 
Strada,  böhmischen  Edelmann,  das  Hecht  und  die  Macht  übertragen  haben,  Eisen- 
erze und  alle  anderen  Metalle  zu  schmelzen,  zu  reinigen  und  für  den  Gebrauch 
herzurichten  mit  einem  Feuer  von  Steinkohlen,  für  den  Zeitraum  und  die  Frist 
von  25  Jahren."   (Vergl.  Dr.  Ludw.  Beck,  Geschichte  des  Eisens,  11.  Abth.  S.  1213.) 

Wenn  Jacob  de  Strada  in  Prag  starb,  wie  Michaud  angiebt,  so  ist  es 
wahrscheinlich,  dass  mit  dem  in  diesem  Patente  genannten  böhmischen  Edel- 
manne  Octavius  de  Strada  sein  Enkel  gemeint  ist,  und  daraus  wäre  ersicht- 
lich, dass  dieser  sich,  wie  sein  Grossvater,  neben  seinem  Amte  als  Archäologe 
angelegentlich  mit  technischen  Dingen  beschäftigte.  Mag  er  aber  darin  auch 
erfahren  gewesen  sein,  so  ist  es  doch  immer  für  einen  Autor  misslich,  wenn 
Entwürfe,  die  er  selbst  nicht  publicirt  hat,  dreissig  Jahre  nach  seinem  Tode 
von  seinem  Enkel  herausgegeben  werden  und  nach  weiteren  elf  Jahren  ein 
Dritter  schlechte  Beschreibungen  dazu  macht.  An  diesen  ist  der  Zeichner  der 
Entwürfe  nicht  schuld,  und  man  muss  ihm  auch  zu  gut  halten,  dass  er  wohl 
manche  seiner  Zeichnungen  vorher  ausgeschieden  haben  würde,  wenn  er  sie 
hätte  veröffentlichen  wollen. 

Wenn  Jacob  de  Strada  etwa  vor  1588  etwas  von  Ramelli's  Kupfertafehi 
zu  Gesicht  bekam,  so  könnte  ihn  dies  veranlasst  haben,  seine  Entwürfe  nicht 
zu  veröffentlichen,  denn  Ramelu  war  ihm  an  kinematischem  und  auch  an 
konstruktivem  Talent  überlegen. 

Unter  den  geschilderten  Umständen  ist  es  selbstverständlich,  dass  uns, 
nachdem  wir  die  imsechszehnten  Jahrhundert  erschienenen  Werke  über  Maschinen- 
bau betrachtet  haben,  die  Kupfertafeln  de  Strada's  wenig  Neues  bieten  können. 
Wir  betrachten  zunächst  diejenigen  seiner  Entwürfe,  welche  sich  an  Mit- 
theilungen älterer  und  uns  bereits  bekannter  Autoren  anlehnen. 

Auf  DE  Strada's  Taf.  6  finden  wir  zwei  Mahlgänge  abgebildet,  wovon 
der  eine  durch  ein  Löffelrad  direkt  betrieben  wird,  wie  es  sich  unter 
Leonardo  da  Vinci's  Skizzen  (Fig.  124,  S.  109)  findet,  während  der  andere 
durch  das  ebenfalls  von  Leonardo  skizzirte  Löffelrad,  Fig.  125,  S.  109,  betrieben 
wird.  Da  die  betreffenden  Skizzen  Leonardo's  sehr  flüchtig  sind,  geben  wir 
die  deutlichere  Abbildung  de  Strada's  in  F'ig.  807  wieder. 

Taf.  33  zeigt  ein  zweistiefeliges  Pumpwerk,  ähnlich  dem  in  Fig.  444, 
S.  335,  nach  einer  Skizze  LeOxNardo's  abgebildeten ;  doch  ist  das  schwere  Pendel 
weggelassen  und  sind  statt  dessen  zwei  Rollen  auf  die  obere  Welle   gesetzt 

34* 


5S> 


Jacob  de  Strada. 


und  ein  Riemen  mit  einem  Ende  an  eine  dieser  Rollen  befestig;!  und  einmal 
darum  geschlungen,  während  sein  anderes  Ende  vermittelst  eines  Handhebels 
heraI)gezogen  und  dadurch  die  obere  Welle  in  einer  Richtung  gedreht  wird. 
Ein  <ie};enf!ewiclit,  das  an  einem  um 
die  :)ndere  Rolle  geschlungenen  Seile 
hängt,  dreht  die  obere  Welle  in  ent- 
gegengesetzter Richtung ,  wenn  der 
Handhebvl  lose  gelassen  wird. 

Taf.  49  zeigt  einen  durch  den 
Ranch  betriebenen  Bratenwen- 
der nach  Leonardo's  Skizze.  Fig.  6(&, 
S.  425. 

■.\uf  Tai'.  13  ist  ein  Becherwerk 

und  ein  Mahlgang  dargeiitellt.  welche 

gleichzeitig  durch  eine  Windmühle 

Pij,  f,,.  mit    drehbarem    Dache,    ähnlich 

der  Skizze  Leonahdo's  (Fig.  419  u.  420. 

S.  328)  betrieben  wird.    Eine  ebensok-be  Windmühle  ist  auf  Taf  55.   die  wir 

in   Fig.   808   wiedergeben,    zum   Betriebe   eine.«   l'atemosterwerkes   entworfen. 


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Bei  Ra.mfj,li   findet   man   solche  „holländische  Windmühlen"  von  weit  besserer 
Konstruktion  abgebildet.     (Siehe  S.  211.) 

Taf.  4  zeigt  eine  Hebeltransniission  zum  gleichzeitigen  Betriebe 
eines  Schwanzhammors  und  zweier  Blasbälge  in  einer  Knpferscbmicde,  ähnlich 
der  von  Bmisciccio  beschriebenen  (Fig.  134,  S.  120);  doch  wird  hier  von  des 
Hebedaumen  an  der  Wasserradwelle  der  Schwanzhammer  and  von  der  Kurbel 


Bratenwender,  Windmühle,  Hebeltransmission,  Schwengel,  Mühlen.  533 

an  ihrem  Ende  eine  stehende  Welle  bewegt  und  durch  einen  Arm  am  oberen 
Ende  derselben  vermittelst  einer  Schubstange  die  über  den  Blasbälgen  liegende, 
horizontale  Hebelwelle  hin  und  her  gedreht. 

Der  vertikale  Schwengel  mit  Flügelstange,  wie  ihn  Biringugcio  zum 
Betriebe  einer  Amalgamirmühle  angab  (Fig.  140,  S.  125)  und  der  horizontale 
Schwengel,  wie  wir  ihn  von  Ramelli  an  einer  transportablen  Getreidemühle  für 
Handbetrieb  angebracht  sahen  (Fig.  226,  S.  210)  werden  von  de  Strada  oft 
angewendet.  So  auf  Taf.  88,  welche  wir  in  Fig.  809  wiedergeben.  Hier  wird 
ein  Mahlgang  durch  einen  horizontalen  Schwengel  betrieben  und  man  sieht  aus 
dieser  Abbildung  besonders  deutlich,  wie  de  Strada  unter  dem  Einlauftrichter 
seiner  Mahlgänge  einen  Schuh  mit  drei  Schnüren  aufhängt.  Die  Mühlsteine 
liegen  nicht  in  einer  geschlossenen  Zarge,  sondern  in  einem  oben  offenen 
Sammelkasten  und  an  dem  Schuh  ist  ein  seitlicher  Arm  angebracht,  der  wie 
ein  Hörn  gestaltet  ist  und  die  rauhe  Oberfläche  des  Läufersteins  berührt. 
Dadurch  wird  der  Schuh  beim  Umlaufen  des  Läufersteins  in  zitternde  Bewegung 
versetzt.  Aus  dem  Sammelkasten  wird  das  Mahlgut  durch  einen  Arbeiter  mit 
der  Hand  in  eine  Gosse  geschoben,  durch  die  es  in  einen  Beutelkasten  fällt. 
Dieser  kam  bekanntlich  zu  Anfang  des  sechszehnten  Jahrhunderts  in  Deutsch- 
land in  Gebrauch  (vergl.  S.  181);  de  Strada  bringt  ihn  bei  den  meisten  seiner 
Mühlen  an,  während  wir  ihn  bei  anderen  Autoren  aus  dieser  Zeit  nicht  abge- 
bildet sahen,  woraus  hervorgeht,  dass  de  Strada  dem  deutschen  Mühlenbau 
mehr  Aufmerksamkeit  schenkte,  als  andere  italienische  und  französiche  Schrift- 
steller. 

Taf.  86  zeigt  dieselbe  Mühlenanlage  ohne  Rädervorgelege. 

Die  gleiche  Art  des  Antriebes  findet  sich  auch  auf  der  durch  unsere 
Fig.  810  wiedergegebenen  Taf.  15;  doch  ist  die  hier  betriebene  Mühle 
eigenthümlicher  Art.  Sie  steht  gleichsam  in  der  Mitte  zwischen  den 
heutigen  konischen  Mühlen  (KaflFeemühlen)  und  den  Mörsermühlen.  Taf.  14 
zeigt  die  gleiche  Mühlenanlage,  nur  ist  ein  Zwischenrad  zwischen  der  Kurbel- 
welle und  der  Mühlspindel  angebracht  und  diese  sind  mit  gleichen  Getrieben 
versehen,  so  dass  sie  sich  gleich  schnell  drehen.  Auf  Taf.  89  ist  eine  Mühle 
dieser  Art  dargestellt,  die  durch  eine  Handkurbel  vermittelst  Winkelräderüber- 
setzung betrieben  wird. 

Auf  Taf.  29  wird  ein  Stampfwerk  mit  horizontalem  Schwengel  betrieben, 
während  mit  vertikalem  Schwengel  auf  Taf.  87  ein  Mahlgang  und  auf  Taf.  22 
ein  Becherwerk  betrieben  wird. 

Taf.  37  zeigt  ein  Paar  Balgpumpen  durch  Handkurbel  vermittelst  des 
von  Cardanüs  für  hin-  und  hergehende  Bewegung  beschriebenen 
Mechanismus  (Fig.  182,  S.  165).  Dieser  findet  sich  auch  auf  den  Tafeln 
36,  45,  80  und  81  zum  Betriebe  mehrstiefeliger  Pumpwerke  angewendet. 

Die  sogenannte  „xVugsburger  Maschine"  (Fig.  200,  S.  180),  welche 
Cardanüs  beschrieb,  ist  auf  Taf.  39  mit  der  Aenderung  abgebildet,  dass  zwei 


Jacob  d«  Stndft. 


Reihen  von  Wasserschrauben,  die  das  Wasser  stufenweise  in  Behälter  heben, 
gleichzeitig  durch  einen  Ochsengöpel  bewegt  werden  sollen.  Auf  den  Tafeln 
24,  65  und  104  sind  dagegen  die  Wasserschrauben  durch  Becherwerke  ersetzt. 
Auf  Taf.  24  soll  der  Antrieb  durch  einen  Göpel,  auf  Taf.  65  durch  ein  unter- 
schlächtiges  und  auf  Taf.  104  durch  ein  oberschlächtiges  Wasserrad  bewirkt 
Verden.  Da  das  Betriebswasser  für  letzteres  aus  dem  obersten  Behälter  herab- 
geleitet zu  sein  scheint,  so  ist  diese  Anordnung  wohl  als  perpetnum  mobile 
gedacht,  wie  viele  andere  Entwürfe  de  Sthada's  {Tafeln  101,  103,  105—110 
und  112). 

Die  Seiltransmission,  von  der  Cardants  nur  sagt,  dass  sie  beim 
Bohren  und  Schneiden  von  Gemmen  angewendet  werde  (vergl.  S.  166  u.  Fig.  184), 
sehen  wir  auf  de  Sthada's  Taf.  96,    die  wir  in  Fig.  811   wiedergeben,   zum 


'T^ 


Antriebe  eines  grossen  Schleifsteines  benutzt.  Durch  einen  Pferdegöpel  wird 
hier  vermittelst  einer  horizontalen  Transmissionswelle  ausser  dem  Schleifsteine 
auch  ein  Mahlgang  betrieben. 

Nach  Ar.RicoLA's  Angaben  sind  folgende  Tafeln  entworfen:  Taf.  7  zeigt 
ein  horizontales  Tretrad,  wie  unsere  Fig.  144,  S.  130,  Durch  dieses 
wird  ein  Becherwerk  betrieben,  welches  Wasser  in  einen  hochstehenden  Behälter 
fordert.  Von  da  wird  das  Wasser  auf  ein  oberschlächtiges  Wasserrad  geleitet* 
das  einen  Malilgang  treibt.  Warum  dieser  Umweg  des  Einschaitens' eines  ober- 
scblächtigen  Wasserrades,  wie  er  sich  auch  auf  den  Tafeln  18  und  32  findet, 
gewählt  wurde,  ist  schwer  zu  verstehen;  doch  dürfte  vielleicht  zur  Erklärung 
dienen,  was  Lobine  in  Kapitel  XXI  seines  Werkes  sagt  (vergl.  S.  253),  wo  er 
das  Schwungrad  als  das  beste  Mittel  bezeichnet,  um  bei  Anwendung  animalischer 
Kräfte  eine  Maschine  in  eine  Bewegung  von  ähnlicher  Gleichmässigkeit 
zu  versetzen,  wie   sie  beim  Betriebe  mit  Wasserrädern    erreicht 


SeiltrananiiaHioD,  Tretrad,  SeofmOUe. 


G35 


wird.     Das  Wasserrad   mit  dem  Wasserbehälter  dürfte   demnach   wohl   als 
Regulator  und  Akkumulator  zu  betrachten  sein. 

Tal".  28  zeigt  einen  Aufzug  nach  unserer  Fig.  145,  S.  131,  zur  Wasser- 
fÖrderung;  Taf.  31  ein  Pumpwerk  nach  unserer  Fig.  155,  S-  138,  mit  Pferde- 
göpel; Taf.  68  die  Maschine  Fig.  146,  S.  132,  Agricola's  mit  der  Aenderung, 
dass  das  Wasser  nicht  mit  Bulgen ,  sondern  durch  ein  Becherwerk  gehoben 
wird;  Taf,  75  das  Pumpwerk  Fig.  143,  S.  130;  Taf.  77  zwei  Pumpensätze 
nach  Fig.  155,  S.  138,  gleichzeitig  durch  ein  Tretrad  betrieben.  Taf.  74  zeigt 
eine  einfache  Pumpe,  wie  Fig.  150,  S.  135;  doch  ist  ihie  Kotbenstange  zur 
Erleichterung  des  Aufziehens  an  eine  biegsame  Stange  gehängt,  wie  der  von 


Faustus  Verastils  beschriebene  Stempel  zum  Stampfen  von  üerste:  (Fig.  795, 
S.  521). 

Taf.  00  wird  durch  Fig.  812  wiedergegeben.  Es  ist  eine  Mühle,  wie  sie 
AoRicoLA  zum  Mahlen  von  Golderzen  angiebt  (Fig.  169,  S.  152);  doch  wird  sie 
hier  nicht  direkt,  sondern  vermittelst  eines  Rädervorgeleges  betrieben  und  soll, 
wie  in  der  Beschreibung  gesagt  wird,  zu  verschiedenen  Zwecken,  namentlich 
zur  Bereitung  von  Druckerschwärze  dienen.  An  dem  Rädervorgelege  ist  auf- 
fallend, dass  die  Vorgelegswelte  zunächst  der  Mühle  nur  ein  Zwischenrad  trägt, 
durch  das  weder  die  Umdrehungszahl  noch  die  t'mdrehungsrichtung  geändert 
wird.  Es  kann  also  nur  den  Zweck  haben,  den  Standort  des  Arbeiters,  der 
die  Kurbel  dreht,  weiter  von  der  Mühle  weg  zu  rücken.  Dies  kann  in  allen 
Fällen  den  Vortheil  bieten,  dass  das  GefUss  zur  Aufnahme  des  Mahlgutes 
weniger  leicht  von  dem  Arbeiter  umgestossen  wird.  Wie  wir  auf  S.  152 
bemerkten,  werden  aber  solche  Mühlen  noch  heutigen  Tages  zum  Mahlen  von 


536  Jacob  de  Strads. 

Tafeleenf  Ijenutut,  wobei  durch  den  scharfen  Geruch  des  Senfes  die  Augen  des 
Arbeiters  leiden.  Wenn  wir  daher  annehmen,  dass  auch  de  äntADA  diese 
Mühle  zum  Mahlen  von  Tafelsenf  konstruirte,  wird  die  Einschaltung  dieses 
Zvischenrades  doppelt  zweckmässig  erscheinen. 

Taf.  99  zeigt  ein  Kehrrad  nach  Fig.  157,  S.  142,  welches  eine  schwere 
Mange  treibt.  Die  Bewegung  wird  durch  Winkelräder  anf  eine  stehende  Welle 
und  von  dieser  durch  Schnurgetriebe  auf  die  Mange  übertragen,  wobei 
aber  die  Schnüre  mehrfach  um  die  Ükihnurrollen  geschlungen  sind,  was  man 
auch  bei  Rahelli  findet  (vergl.  i^.  221). 

Wie  man  theilweise  schon  aus  dem  Gesagten  ersieht,  ist  der  gleich- 
zeitige Betrieb  mehrerer  Arbeitsmaschinen  durch  einen  Motor, 
oder  die  Transmissionsanlage,  welche,  wie  wir  auf  S.  153  bemerkten, 


Flg.  eis. 


zur  Zeit  Aühicola's  noch  etwas  Ungewöhnliches  war,  von  de  Strada  vielfach 
behandelt  worden.  So  zeigt  Fig.  8  ein  Stampfwerk,  einen  Mahlgang  und  eine 
zwei  Stiefel  ige  Pumjie  durch  ein  Tretrad  betrieben;  Taf.  17  einen  Mahlgang  und 
einen  Schleifstein  vermittelst  einer  stehenden  Transmissionswelle  durch  einen 
Ochsengöpel  betrieben ;  Taf.  30  zwei  Becherwerke,  ein  Paternosterwerk  und  eine 
zweistiefelige  Pumpe  durch  ein  nnterschlächtiges  Wasserrad  betrieben;  Taf,  70 
dasselbe  in  anderer  Anordnung;  Taf,  Üü  vier  Mahlgänge  durch  einen  Ochsen- 
göpel betrieben;  Taf.  97  einen  Mahlgang  und  ein  Sägegatter  vermittelst  einer 
stehenden  Transmissions  welle  durch  einen  Pferdegöpel  betrieben;  Taf.  102  zwei 
Wasserschrauben,  ein  Mahlgang  und  eine  zweistiefelige  Pumpe  durch  ein  olwr- 
schlächtiges  Wasserrad  betrieben, 

<ileich  seinem  Zeitgenossen  Rahelli  behandelt  auch  i>b  Strada  in  einer 
grossen  Zahl  von  Entwürfen  die  unfruchtbare  Idee,  Maschinen  durch  in  die 
Höhe  gewiindene  Crewiclite  betreiben  zu  wollen.  Solche  Gewichtsmühlen 
finden   sich    auf  den  Tafeln  11,  23,  27,  36,  38,  44,  59.  60,  Öl,  62,  80,  91, 


Transmission,  Tretrad  fUr  Pferde,  doppelte  Bohrmaschine.  537 

92,  93.  Zur  Kegulirung  des  Ganges  der  Rädens-erke  wendet  er  dabei  mehr- 
mals die  in  unserer  Fig.  195,  S.  175,  abgebildete  Unruhe  an. 

Auf  Taf.  5  bildet  de  Straüa  eine  Walkmühle  ab,  ähnlich  unserer 
Fig.  362,  S.  299,  nach  Zoxca  und 

Taf.  100  zeigt  eine  Papiermühle  ähnHch  der  von  Zonca  entnommenen 
Fig.  376,  S.  313. 

Ausserdem  erscheinen  uns  einer  näheren  Betrachtung  werth: 

Taf.  94,  ein  Tretrad,  von  einem  Pferde  mit  den  Hinter- 
füssen  getreten,  wie  in  Fig.  813  wiedergegeben,  zum  Betriebe  einer  Mühle. 
Ein  solches  Tretrad  fanden  wir  vor  etwa  30  Jahren  in  Holland  noch  im 
Gebrauche.  Die  von  de  Strada  hier,  sowie  auf  mehreren  anderen  Tafeln 
angegebene  Verzahnung  der  Winkelräder  ist  ebenfalls  eigenthümhch.  An 
einer  auf  der  Welle  des  Tretrades  sitzenden  Holzscheibe  ist  ein  metallener 
Zahnkranz  mit  halbkreisförmigen  Zahnlücken  befestigt,  und  die  hineingreifenden 
Hohszähne  sind  halbcylindrisch  geformt.  Taf.  78  zeigt  ein  ebensolches  Tretrad 
zum  Betriebe  einer  zweistiefeligen  Pumpe  vermittelst  einer  Daumenwelle. 

Auf  Taf.  83  ist  das  Löffelrad,  Fig.  814,  abgebildet,  welches  in  seiner 
Form  einigermassen  an  das  heutige  Pelton-Rad  erinnert.  Es  soll  hier  zum 
Betriebe  zweier  Kollergänge  dienen. 

Auf  Taf.  47  finden  wir  die  doppelte  Bohrmaschine,  Fig.  815, 
abgebildet.  In  der  Beschreibung  wird  gesagt,  sie  solle  zum  Bohren  von 
hölzernen  Brunnenröhren  (Deichelen)  dienen;  doch  ist  es  der  Zeichnung  nach 
wahrscheinlicher,  dass  de  Strada  die  Absicht  hatte,  mit  dieser  Maschine  zwei 
Büchsenläufe  gleichzeitig  auszubohren. 

Von  den  noch  nicht  erwähnten  Tafeln  de  Strada's  zeigen  Tafeln  1,  2, 
51  und  52  vier  Brunnen,  die  vielleicht  für  Architekten  aber  nicht  für  Maschinen- 
ingenieure Interesse  haben.  Taf.  111  ist  unverständlich  und  die  übrigen 
siebenunddreissig  Tafeln  enthalten  Entwürfe,  die  zum  Theil  gut,  aber  zu  ein- 
fach,  zum  Theil   aber  auch  zu  verfehlt  sind,   um  hier  betrachtet  zu  werden. 


Giovanni  Branea  (um  1629). 


Wenn  von  der  Geschichte  der  Erfindung  der  Dampfmaschinen  die  Rede 
ist,  pflegt  man  Giovanni  Branca  zu  nennen,  weil  in  seinem  1629  bei  Jacobo 
Maxuci  zu  Rom  erschienenen  Werkchen  „Le  Machine"  auf  Taf.  S5  der  in 
unserer  Fig.  816  dargestellte  Motor  zum  Betriebe  eines  kleinen  Stampfwerkes 
abgebildet  ist.  Er  besteht  aus  einem  „suflFlator"  (siehe  S.  256),  der  den  Dampf, 
welchen  man  damals  jedoch  meist  noch  für  atmosphärische  Luft  hielt,  gegen 
die  Schaufeln  eines  horizontalen  Zellenrädchens  bläst  und  es  dadurch  imidreht. 
Man  hat  bis  vor  Kurzem  bei  Erwähnung  dieser  Idee  Branca's  stets  die 
Bemerkung  beigefügt,  dass  durch  einen  Dampfstrahl  keine  nennenswerthe  Kraft 
erzeugt  werden  könne,  seit  Erfindung  der  „Dampfturbine''  haben  sich  aber  die 
Ansichten  hierüber  etwas  geändert.  Dass  ein  Rad,  welches  durch  einen  Dampf- 
strahl getrieben,  als  Motor  dienen  soll,  eine  grosse  Umdrehungszahl  erfordert, 
scheint  Branca  geahnt  zu  haben,  da  er  zwischen  seinem  Motor  und  der  Daumen- 
welle des  Stampfwerkes  drei  Rädervorgelege  angebracht  hat,  die  zusammen 
etwa  laOfache  Uebersetzung  ergeben. 

Ueber  das  Leben  des  Autors  ist  nichts  bekannt.  Auf  dem  Titelblatte 
seines  Werkchens  nennt  er  sich  „Cittadino  Romano,  Ingegniero  et  Architetto 
della  S'*  Casa  di  Loreto";  doch  kann  er  nicht  als  Erbauer  der  berühmten 
Wallfahrtskirche  von  Loreto  gelten,  w^eil  deren  Bau  schon  1464  vom  Papste 
Paul  III.  begonnen  und  1587  unter  Sixtus  V.  beendigt  wurde.  Höchstens  kann 
man  annehmen,  dass  er  während  der  letzten  Jahre  ihrer  Vollendung  daran 
tLätig  gewesen  ist. 

In  Zedler'<  Universal-Lexikon  von  1744  wird  gesagt: 

JJraxca  (Giovanni)  ein  italienischer  Architekt,  welcher  eine  besondere  Er- 
k'Jkrcs.z  von  den  architektonischen  Ordnungen  gegeben,  die  Carolus  Philipp 
InrrsAKT  in  ..Theatro  Architecturae  Civilis"  anführt  und  mit  anderer  Baumeister 
Efilirwingtn  vergleich L  Sein  Werk,  welches  „Manuale  di  Architettura*'  heisst  und 
ri  A.^>:li  an.  1629  herausgekommen,  ist  von  Salvioni  ru  Rom  an.  1719  in  Duodez 
TT/eti-rT  aafgtl»^^  worden.** 

Ob   aber  dieser  Giovanni  Branca    mit    dem   Autor   des  Werkchens    „Le 

MatLioe"  identisch  ist,  erscheint  zweifelhaft. 


Dampfi-ad,  Gleitstück,  Teigknetmaschinen. 


539 


Dieses  enthält  77  roh  in  Holzschnitt  ausgeführte  Figurentafeln  in  Quart, 
232  mm  hoch  und  165  mm  breit,  mit  sehr  dürftigen  Beschreibungen  in 
italienischer  und  lateinischer  Sprache.  Sie  zerfallen  in  drei  Serien,  wovon  die 
erste  40  Tafeln  enthält.  Die  folgenden,  wieder  von  1  bis  14  nummerirten 
Tafebi  zeigen  Pumpwerke  und  andere  Wasserhebmaschinen  und  die  dritte  Serie 
pneumatische  Apparate  auf  23,  ebenfalls  wieder  von  eins  an  nummerirten 
Tafeln. 

Davon  erscheinen  uns  folgende  Blätter  einer  näheren  Betrachtung  werth : 
Serie  I,  Taf.  1,  zeigt  die  Teigknetmaschine,  Fig.  817.  Durch  einen 
horizontalen  Schwengel  mit  Schubstange  w4rd  eine  vertikale  Kurbelwelle  mit 
Schwungrad  umgedreht.  Von  derselben  Kurbel  wird  vermittelst  einer  zweiten 
Schubstange  ein  Gleitstück  in  Gleit linealen  hin-  und  hergeschoben  und  von 
diesem  wird  ein  Winkelhebel  um  eine  auf  einem  Tische  gelagerte,  horizontale 


Fig.  81»i. 


Fig,  817. 


Achse  gedreht,  dessen  auf  und  nieder  schwingender  Arm  den  von  einem 
Arbeiter  auf  dem  Tische  hin-  und  hergeschobenen  Teig  knetet. 

An  dieser  Maschine  bietet  die  Einschaltung  eines  Gleitstückes  zur 
Uebertragung  der  Bewegung  von  der  um  senkrechte  Zapfen  schwingenden 
Schubstange  auf  den  um  eine  horizontale  Achse  schwingenden  Winkelhebel 
besonderes  Interesse,  weil  wir  einem  solchen  Gleitstücke  hier  zum  ersten  Male 
begegnen. 

Eine  andere  Maschine  zum  Teigkneten  mit  einem  auf  und  nieder- 
schwingenden Hebel  findet  sich  dagegen  schon  in  Jo.  Baptistae  Bexedicti  (Benedetti) 
„Speculationum  Mathematicura  et  Phisicarum  Liber",  weiches  1585  in  Turin 
erschienen  ist.  Dort  ist  in  Kapitel  VI  des  .Abschnittes  „De  Mechanicis"  eine 
Teigknetmaschine  skizzirt,  wie  sie  unsere  Fig.  818  zeigt.  Es  ist  eine  Knie- 
hebelpresse, womit  der  Hebel  niedergedrückt  wird,  der  den  Teig  auf  dem  Tisch 
knetet.  Benedetti  sagt,  dass  von  dieser  Maschine  an  einigen  Orten  Gebrauch 
gemacht  werde. 

Taf.  2  zeigt  das  Walzwerk,  Fig.  819,  zum  Auswalzen  verschiedener 
Metalle  und  zum  Prägen  von  Medaillen  und  Geld.    Solche  sogenannte  „Taschen- 


540  GioTanni  BntDca. 

werke",  auf  welchen  gleich  das  Gepräge  der  Münze  mittels  gesclinittener 
Walzen  hergestellt  wurde,  waren  zu  Branca's  Zeit  im  Gebrauche  (Siehe 
Dr.  Lldw,  Beck,  Geschichte  des  Eisens  Abth.  II,  S.  529.)  In  Branca's  Ab- 
bildung soll  das  Wahwerk  durch  die  von  einem  Schiniedefeuer  in  einem  eisernen 
Kamin  aufsteigende  warme  Luft  betrieben  werden,  und  daraus  ersieht  man  am 
deutlichsten,  dass  er  zu  den  Mechanikern  gehörte,  welche,  wie  LoBisi  sagt  „auf 
die  Leichtigkeit  vertrauen,  womit  kleine  Modelle  arbeiten".  (Siehe  S.  241.) 

Fig.  3  zeigt  eine  Kunstramme,  Fig.  820,  zum  Einschlagen  schräger 
Pfähle.  Daran  ist  die  lösbare  Klauen kuppelung  zum  Ein-  und  Ausrücken 
der  Seiltrommel  für  uns  interessant,  da  wir  einer  solchen  hier  zum  ersten  ^lale 
begegnen.  Auf  Taf,  35  finden  wir  eine  solche  Kunstramme  zum  Einschlagen 
senkrechter  Pfähle  abgebildet. 

Taf.   9  zeigt  einen  Mahlgang    durch    ein  horizontales  AVasserrad 


betrieben,  ähnlich  dem,  welches  Besson  beschrieb  (Fig.  222,  S.  201);  doch 
drehen  sich  die  Klaii]>en  desselben  hier  um  senkrechte  Axen  in  rahmenförmigen 
Flügeln. 

Taf.  10  zeigt  einen  selbstfahrenden  Wagen,  dessen  Mechanismus 
im  allgemeinen  mit  dem  von  Leonardo  skizzirten  (Fig.  603,  S.  435)  überein- 
stimmt, doch  ist  die  senkrechte  Axe  hier  nach  oben  verlängert,  um  ein  Wind- 
rad zum  Betriebe  des  Wagens  aufzunehmen. 

Auf  Taf.  11  wird  von  einer  stehenden  Welle  aus  ein  Mahlgang  und  die 
in  Fig.  821  dargestellte  Vorrichtung  zum  Einschleifen  von  Hahnen 
betrieben.  Der  Konus  des  Halms  ist  mit  seinem  Griffe  in  einen  Schraubstock 
gespannt  und  der  nach  Auftrag  des  Schmirgels  darüber  gestülpte  Hahnen- 
körper wird  durch  eine  unten  an  einer  senkrechten  Welle  angebrachte  Kurbel 
an  einem  seiner  Rohrstutzen  erfasst  und  umgedreht. 

Auf  den  Tafeln  14  und  15  ist  eine  Dreschmaschine  dargestellt,  bei 
deren  Konstruktion  der  Verfasser  wohl  an  das  altrömische  „tribulum"  gedacht 
haben  mag.    Dieses  bestand  nach  Varro  (Her.  rust.  I.  52)  ans  einer  Holzplatte, 


Tftschenirerk,  Kkaenkappelung,  Dreschmaschine,  UmBteaeningekuppelung. 


541 


die  unten  mit  Steinen  oder  eisernen  Zähnen  besetzt  war  („Id  fit  tabula  lapi- 
dibns  aut  ferro  asperata")  und  von  einem  vorgespannten  Thiere  über  das  auf 
der  Tenne  ausgebreitete  Getreide  gezogen  wurde.  Bei  der  hier  von  Branca 
entworfenen  Maschine  ist  da»  Tribulum  durch  sechs  geriffelte  Walzen  ersetzt. 
An  einer  stehenden  Welle,  um  welche  das  Getreide  ringförmig  ausgebreitet 
wird,  ist  ein  grosses  Rad  mit  sechs  Spillen  befestigt,  woran  die  Endzapfen  der 
Walzen  mit  Zugleinen  gehängt  sind,  sodass  sie  bei  Drehung  der  Welle  auf  dem 
Getreide  im  Kreise  herumgerollt  werden. 

Auf  den  Tafeln  16,  19  und  20  ist  ein  Motor  dargestellt,  wie  er  durch 
Umkehrung  aus  der  Archimedischen  Schnecke  oder  Wasserschraube  entsteht, 
indem  man  diese  senkrecht  stellt  und  Wasser  oben  hineinleitet  und  unten  aus- 


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fliessen  lässt.  Dem  analog  sind  auf  Taf.  17  ein  durch  Umkehrung  eines  Pater- 
nosterwerkes und  auf  Taf.  32  ein  durch  Umkehrung  eines  Becherwerkes  ent- 
stehender Motor  abgebildet. 

Taf.  21  zeigt  den  Aufzug  Fig.  822  mit  Umsteuerungskuppelung, 
die  für  uns  besonders  interessant  ist,  weil  wir  einer  solchen  hier  zum  ersten 
Mal  begegnen.  Auf  Taf.  31  ist  derselbe  Mechanismus  zur  Wasserförderung  aus 
einem  Schachtbrunnen  angewendet  und  hier  ist  die  Kuppelungsmuffe  auch  im 
Detail  abgebildet,  wie  sie  unsere  Fig.  823  wiedei^iebt. 

Taf.  22  zeigt  eine  Winde,  bei  der  das  Seil  nicht  an  der  Trommel 
befestigt,  sondern  nur  einige  Mai  darum  geschlungen  ist,  wie  wir  es  bei  den 
Gangspillen  sahen,  die  Fontana  benutzte  (siehe  S.  492  unten).  Hier  dient  die 
Winde  dazu,  eine  Kanone  einen  Berg  herauf  zu  ziehen ;  auf  Taf.  24  sehen  wir 
sie  dazu  benutzt,  Boote  aus  einem  Flusse  auf  das  Ufer  zu  ziehen. 

Taf.  23  zeigt  einen  Keisewagen,  bei  dem  das  Lager  für  den  Reisenden, 


5i2 


wie  das  Log  Besson's  (Fig.  225,  S.  204)  in  zwei  Itahmen  so  aufgehängt  ist, 
dass  es  sich  um  zwei  in  einer  Horizontalebene  »iif  einander  senkrecht  stehende 
Axen  drehen  kann,  wodurch  erreicht  werden  soll,  dass  der  Reisende  den 
Schwankungen  den  Wagens  nicht  ausgesetzt  ist. 

Taf.  26  zeigt  das  Wasserschöpfwerk  Fig,  824.  Während  sich  das 
grosse  (iefäss  Ä  durch  den  Kanal  J  mit  Wasser  füJlt ,  entleeren  sich  die  Ge- 
fässe  B  und  C  in  den  Kanal  E  und  das  kleinere  Gefäss  D  schöpft  Wasser  aus 
dem  Brunnen  G.  Ist  A  gefüllt,  so  sinkt  es  zu  dem  Kanal  E  und  mit  ihm  das 
kleinere  Gefäss  B  in  den  Brunnen  G  lierab,  während  es  D  zum  Kanal  E  und 
C  zum  Kanal  M  emi)orhebt.  Uann  entleeren  sich  die  Gefasse  A  und  D  in  den 
Kanal  E,  während  B  Wasser  aus  dem  Brunnen  schöpft   und  C  durch  den 


Kanal  M  gefüllt  wird.  Ist  es  voll,  so  kehren  die  Gefässe  in  die  abgebildeten 
Stellungen  zurück  und  das  Spiel  beginnt  von  nenem.  In  der  Beschreibung 
Bbanoa's  ist,  wie  in  seiner  Abbildung,  nar  diese  Idee  angegeben,  während  Detail- 
angaben fehlen. 

Auf  Taf.  30  ist  zum  Xivelliren  eine  Röhrenleitung  ans  ledernen 
Schläuchen  mit  metallenen,  geraden  und  knieförmigen  VerbiRdungs- 
stücken  abgebildet.  Eine  ähnliche  Wasserleitung  zu  Bewässerungszwecken 
findet  sich  auf  Taf.  10  der  Serie  II.  Im  übrigen  bieten  die  Tafeln  der 
zweiten  Serie  kein  Interesse. 

Uie  23  Tafeln  der  dritten  Serie  zeigen  pneumatische  Apparate  wie  sie 
Della  Torta  beschrieb  (Fig.  294  bis  302  auf  S.  258  bis  263  und  Fig.  304, 
S.  2t)7);  jedoch  mit  dem  Unterschiede,  dass  die  Gefässe  dariui  alle  ballon- 
fonnig  angegeben  sind.    Das  Wassertrommelgebläse  ist  auf  Taf.  18   mit  der 


Wasserschöpfwerk,  Schlauchverbindung,  hydraulischer  Saugapparat.  543 

Aenderung  abgebildet,  dass  sich  die  Luft  nicht  in  einem  ringsum  fest  ver- 
schlossenen Gefässe,  sondern  wie  bei  den  altgriechischen  Wasserorgeln  (Fig.  36, 
S.  25)  in  einer  Glocke  sammelt,  die  bis  zum  dritten  Theile  ihrer  Höhe  in 
Wasser  eingetaucht  ist,  was  zur  Regelung  des  Winddruckes  von  Vortheil  sein 
mag.  Taf.  19  zeigt  ein  solches  Wassertrommelgebläse,  das  den  Wind  für  eine 
Kirchenorgel  liefert. 

Auf  Taf.  22  ist  ein  Apparat  abgebildet,  der  dazu  dienen  soll,  Wein  aus 
einem  im  Keller  lagernden  Fasse  in  das  Parterre  hinaufzusaugen.  In  diesem 
stehen  zwei  Ballons  von  verschiedenen  Grössen  neben  einander  und  sind  oben 
durch  ein  Rohr  verbunden.  Neben  diesem  mündet  ein  zweites  Rohr  in  den 
kleineren  Ballon  und  geht  bis  zum  Zapfloche  des  etwas  höher  als  die  Keller- 
sohle liegenden  Fasses  herab.  Unten  an  dem  grösseren  Ballon  ist  ein  Rohr 
mit  Hahnenverschluss  angelöthet,  das  bis  in  eine  Gosse  in  der  Kellersohle 
herabreicht.  Oben  ist  der  grössere  Ballon  mit  einem  Ventil  versehen,  durch 
welches  er  mit  Wasser  gefüllt  wird.  Nachdem  dann  das  Ventil  geschlossen 
ist,  wird  der  Hahn  unter  dem  Ballon  geöffnet,  das  abHiessende  Wasser  saugt 
die  Luft  aus  dem  kleineren  Ballon  und  Wein  in  diesen.  Wird  dann  das 
Ventil  wieder  geöffnet,  so  kann  dieser  Wein  durch  einen  Hahn  unten  an  dem 
kleinen  Ballon  abgezapft  werden. 

Die  letzte  Tafel  des  uns  vorliegenden  Werkchens  zeigt  eine  Oellampe,  in 
deren  Fuss  das  Oel  gegossen  und  durch  Wasser,  das  man  in  einen  weiter  oben 
angebrachten,  mit  dem  geschlossenen  Oelgefässe  kommunicirenden Trichter  giesst, 
zum  Dochte  emporgetrieben  wird. 


Ein  Jahr  vor  der  Regierung  des  Kaisers  Ferdinand  H.,  während  welcher 
OcTAvius  DE  Strada  die  Maschinenentwürfe  seines  Grossvaters  und  Branca  sein 
kleines  Werkchen  veröffentlichte,  begann  die  schreckliche  Zeit  des  dreissigjährigen 
Krieges  in  Deutschland  und  der  konfessionellen  Verfolgungssucht  in  ganz 
Europa,  weshalb  von  da  an  bis  zum  Beginne  des  achtzehnten  Jahrhunderts 
nur  wenig  für  uns  Bemerkenswerthes  in  der  Litteratur  zu  finden  ist. 


Marinas  Mersenne  (1588—1648). 

Marinis  Mersenne  oder  Mersensis  war  am  8.  September  1588  io  dem 
Flecken  Oise  des  Uerzogthums  Maine  geboren,  besuchte  das  College  de  la  Fleche 
und  studirte  dann  in  der  Sorbonne  in  Paris  Theologie.  1611  trat  er  in  den 
Mönchsorden  der  Minimen  ein.  Von  Johann  Bruno  erlernte  er  die  hebräische 
Sprache,  welche  ihm  in  der  Theologie  von  Nutzen  war,  die  er  später  nebst 
Philosophie  in  Nevers  mit  grossem  Ruhme  lehrte.  Auch  wurde  er  hier  Superior. 
Besondere  Neigung  trieb  ihn  zur  Mathematik  und  Physik,  wovon  seine  Werke: 
De  Harmoniis,  Paris  1636  und  Cogitata  Phj'sico-mathematica ,  ebend.  1644, 
Zeugniss  ablegen.  Besonders  berühmt  wurde  aber  sein  Commentar  zum  ersten 
Buche  Mosis,  Paris  1623.  Ausserdem  yeröffentlichte  er  noch:  La  verite  des 
Sciences,  Paris  1635  und  Les  questions  inouies. 

In  seinen  Cogitata  physico-mathematica  findet  sich  in  dem  Abschnitte 
über  Hydrauhk,  Pneumatik  u.  s.  w.  unter  Prop.  49  ein  Corollarinm  II  „Ueber 
Schiffe,  die  unter  Wasser  schwimmen",  welches  in  der  Uebersetziing  lautet: 

„Bekannt  ist  tlas  von  Cornelius  DsEitELLius  in  England  kongtruirte  Schiff, 
welches  unter  Wasser  getaucht  schwanini,  was  auf  verschiedene  Art  geschehen  kann, 
und  zwar  erstens,  wenn  das  Schiff  mit  Allem,  was  darin  ist,  von  gleichem  Gewichte 
beigestellt  wird,  wie  das  Wasser  (welches  es  verdrängt),  so  dass  es  an  jedem  Orte 
unter  Wasser  verbleibt,  w&j  aber  kaum  jemals  gelingen  wini;  zweitens,  wenn  es  ein 
wenig  schwerer  gemacht  wird,  als  daa  Wasser,  so  tiasa  es  bis  zum  Grunde  herab- 
sinkt wenn  es  nöthig  ist,  und  da  bleibt  bis  mit  Hülfe  von  Kudem  und  Haken  die 
Dinge  gesammelt  sind,  welche  verloren  waren,  und  das  ausgeführt  worden  ist,  wes- 
wegen das  Schiff  gebaut  wimle.  So  oft  aber  der  Schiffer  zur  Oberfläche  zurück- 
kehren will,  thut  er  dies  mit  Hülfe  von  Hudeni  oder  genügender  Entlastung  des 
Schiffes.  Selbstverständlich  niues  das  Schiff  überall  verschlossen  sein,  so  dasa  kein 
Tropfen  Wasser  eindringen  kann,  und  dass  die  Ruder,  deren  Handhaben  innerhalb 
sind,  nach  aussen  so  mit  Leder  gedichtet  sein  müssen,  dass  sie  trotzdem  leicht  bewegt 
werden  können.  Ich  will  nicht  von  den  Fenstern  aus  Glas,  Hom,  Krj-stall,  Marien- 
glaa  oder  anderem  durchsichtigem  Material  reden,  welche  anzubringen  sind,  damit 
man  Dinge  auf  dem  Grunde  oder  inmittt-n  des  Meeres  deutlich  sehen  kann,  noch 
von  verschiedenen  Bohreni,  womit  feindliche  Schiffe  angebohrt  und  zum  Sinken  ge- 
bracht werden,  noch  von  den  verschiedenen  Arten,  wie  die  Luft  erneuert  werden 
ksnu,  <iatmX  -ie  nicht  durch  Dünste  und  Ausathmungen  im  Inneren  verdorben  wird, 
-h  lange  Schläuche  von  Leder  oder  anderem  Material,  die  bis  zur  Oberfläche 


Lebensbeschreibang,  Drebbers  Schiffahrt  anter  Wasser.  545 

des  Wassers  reichen,  zu  geschehen  pflegt,  indem  durch  solche  die  Taucher  in  ähn- 
licher Weise  athmen.  Die  Erfahrung  wird  lehren,  was  der  Unerfahrene  kaum  muth- 
massen  kann.*' 

Am  Schlüsse  dieses  Abschnittes  wird  dasselbe  Thema  von  Mersenne  noch 
ausführlicher  behandelt. 

üeber  den  hier   genannten  Drebellius   ist   in  Zedler's   Universallexikon 

von  1744  zu  lesen: 

„Drebbel  (Cornelius)  ein  berühmter  Philosoph  und  Mathematiker  war  zu 
Alkmaar  1572  geboren.  Er  legte  sich  frühzeitig  auf  die  Philosophie,  in  deren  Er- 
kenntniss  er  es  in  Kurzem  so  weit  brachte,  dass  der  Ruhm  von  seiner  besonderen 
Geschicklichkeit  sogar  vor  Kaiser  Ferdinand  II.  kam,  welcher  ihn  zum  Informator 
seines  Prinzen  bestellte  und  ihn  zu  seinem  Rath  ernannte.  Er  hatte  diese  Stellung 
bis  in  das  48.  Jahr  seines  Alters  inne.  Als  1620  in  den  böhmischen  Unruhen  die 
pfälzischen  Truppen  ihn  nebst  vielen  anderen  kaiserlichen  Dienern  gefangen  nahmen 
und  aller  seiner  Güter  beraubten,  gelang  es  ihm,  dass  er  auf  Fürbitte  des  Königs 
von  England  und  der  Generalstaaten  wieder  auf  freien  Fuss  gestellt  und  nach  London 
geschickt  ward.  Hier  brachte  er  nun  die  noch  übrige  Zeit  seines  Lebens  mit  mathe- 
mathischen  und  physikalischen  Erfindungen  zu,  entdeckte  zuerst  ein  Perpetuum  mobile, 
verfertigte  ein  Schiff,  in  welchem  er  unter  Wasser  auf  der  Themse  2  Meilen  von 
Westminster  bis  Greenwich  fuhr  und  stellte  zu  jedermanns  Verwunderung  noch  viele 
andere  optische  und  mechanische  Versuche  an.     Er  starb  zu  London  1634." 

Der  Vater  des  berühmten  Physikers  Huygens,   welcher  Rath  des  Prinzen 

von  Oranien  war,  sah  Drebbel's  Fahrt  unter  Wasser  mit  an  und  erzählte  seinem 

Sohne  eingehend  davon,   denn  dieser  schrieb  am  2.  November  1691  an  Papin, 

der  sich   ebenfalls    mit  Versuchen  über  submarine   Schiffahrt  angelegentlichst 

beschäftigte  und  Huygens  um  Begutachtung  seines  Planes  gebeten  hatte: 

„ .  .  .  die  Röhre  zur  Erneuerung  der  Luft,  die  von  einem  Stücke  leichten,  auf 
der  Oberfläche  des  Wassers  schwimmenden  Holzes  getragen  werden  muss,  könnte 
nach  meiner  Meinung  Euer  Boot  verrathen,  wenn  es  sich  feindlichen  Schiffen  nähert 
und  keine  grosse  Dunkelheit  herrscht.  Drebbel's  Boot  hatte  keine  solche  Röhre, 
wie  mir  mein  verstorbener  Vater  erzählte,  der  in  London  zugegen  war,  als  Dr£BB£L 
sich,  so  eingeschlossen,  selbst  in  die  Themse  hinabliess,  ohne  dass  man  etwas  auf 
dem  Wasser  zurückbleiben  sah,  aus  dem  er  nach  ziemlich  langer  Zeit  und  an  einem 
von  der  Stelle  des  Niederganges  weit  entfernten  Orte  auftauchte.  Man  sagte,  dass 
er  irgend  ein  Mittel  gehabt  habe,  die  Luft  in  seinem  Boote  zu  erneuern,  was  eine 
sehr  wichtige  Erfindung  sein  würde  .  .  ."  (Vergl.  Dr.  E.  Gerland,  Leibxitz  und 
HüYGENS  Briefwechsel  mit  Papin,  Berlin   1881.) 

In  demselben  Abschnitte  von  Mersenne's    Cogitata  physico-mathematica 

wird  unter  Prop.  53  gesagt: 

„Die  gewöhnliche  Art,  Brunnen  zu  graben,  will  ich  nicht  besprechen,  sondern 
nur  die  Art,  wie  ein  Amsterdamer  Brunnen  gebohrt  wurde,  erklären,  da  hier  ver- 
schiedenes Bemerkenswerthe  vorkam,  was  mir  der  sehr  edle  Ritter  des  hl.  Michael, 
D.  HüYGENS  mittheilte,  nämlich  erstens,  dass  dieser  Brunnen  232  Fuss  tief  gebohrt 
wurde;  zweitens,  dass  dies  in  folgenden  Erdarten  geschah;  Gartenerde  7',  schwarze, 
zur  Unterhaltung  des  Feuers  geeignete  Erde,  die  man  Torf  nennt,  9'.  .  .  . 

Die  Form  des  Bohrers  aber  war  folgende:  AC  (Fig.  825)  der  Rücken  l  Zoll 
dick  und  3"  breit.  ÄHI  ein  halbkreisförmiges  Eisen,  dessen  Schneide  HI  scharf 
sein  muss,  weil  sie  die  Erde  durchschneiden  soll.  Ueber  ÄHI  hält  es  ein  Netz,  der 
Halbmesser  von  HI  ist  11"  oder  ^Vi2  Fuss.  Mit  seiner  Hülfe  zieht  der  Brunnen- 
gräber bei  fettem  Thon   jedesmal  eine  Erdscholle   von  11"  Brei^   und  2^/*"  Höhe, 

Beek.  35 


546 


Marinus  Mersenne. 


Fig.  82r.. 


welche  kaum  den  vierten  Theil  ausfüllt,  empor;  von  beweglichem  Sande  aber  wird 
das  Netz  ausgefüllt.  Dieses  ist  so  gewoben,  dass  es  den  Sand  zurückhält,  während 
es   das  Wasser   durchlässt.     An    die  Maschine   pflegt   man   neun   Mann    zu    stellen, 

und  da  den  Stangen  fortwährend  neue  angefügt  werden  müssi^n, 
damit  der  Bohrer,  so  oft  er  heraufgezogen  wird,  innner  tiefer  bis 
zum  Grunde  reicht,  wird  das  Seil  FM  angebracht,  das  über  einen 
quer  über  der  Mündung  des  Bohrloches  liegenden,  hölzernen 
Cylinder  läuft,  während  die  Männer  bei  M  an  dem  Seile  ziehen, 
um  den  Bohrer  herau«?zuheben.  Mit  dem  Querholze  L  G  wird  der 
Bohrer  gedreht,  dessen  Höhe  CA  3^/4  Fuss  beträgt,  und  da  der 
Stock  AE  6  Fuss  Länge  hat,  so  beträgt  CE  d^U  Fuss.  Ebenso 
schätze  ich  die  übrigen  Stöcke,  die  nach  den  erfolgenden  Erd- 
aushebungen angefügt  werden  müssen.  Das  Holz  L  G  aber  wird 
durch  eines  der  Löcher  DNO  gesteckt,  so  dass  der  Bohrer  bei 
jeder  Höhe  gedreht  werden  kann.  Am  Ende  eines  jeden  der  sechs- 
füssigcn  Stöcke  wird  eine  Höhlung  PQIi  angebracht  und  dieses 
durch  eiserne  Ringe  verstärkt,  damit  das  Ende  des  anderen  Stockes 
in  diese  Höhlung  geschoben  und  ein  eiserner  Nagel  hindurch  ge- 
steckt werden  kann,  so  dass  alle  in  einander  gefügten  Stöcke  eine 
Stange  von  232  Fuss  Länge  bilden,  um  diesen  Brunnen  auszu- 
bohren. Doch  ist  es  nicht  nöthig,  dass  jeder  Stock  6'  lang 
sei,  sie  können  auch  10,  12  und  mehr  Fuss  haben.  Sie  sind 
quadratisch  und  ihre  Breite  beträgt  ^2  Fuss.  Sobald  der  Brunnen 
gebohrt  ist,  wird  eine  Cistenie  öder  Grube  hergestellt,  aus  der  du 
mit  einer  Ktesibischen  Maschine  (Pumpe)  soviel  Wasser  zu  deinem  Gebrauche  heraus- 
pumpst, wie  du  nöthig  hast,  oder  die  Wasserader  liefert. 

Es  kann  auch  geschehen,  dass  der  bewegliche  Sand  sich  zusanmienschiebt,  dass 
er  den  Bohrer  in  Unordnung  bringt  und  zurückhält,  so  dass  er  das  Herausziehen 
verhindert,  wie  es  in  Amsterdam  vorkam. 

Den  in  Rede  stehenden  Brunnen  haben  die  Arbeiter  in  32  Tagen  und  13  Nächten 
gebohrt,  und  oft  stieg  das  Wasser  während  ihrer  Mahlzeiten  auf  20  bis  30  Fuss.  Aber 
damit  die  Erdwandung  des  Brunnens  nicht  einfällt  wird  er  mit  Wasser  ausgefüllt, 
welches  die  Wandung  stützt." 

In    der    „Allgemeinen    Vorrede"   zu    den   Cogitata   physico-mathematica, 

welche  offenbar  nachträglich  geschrieben  ist,  fügt  Mepsenne  diesen  Mittheilungen 

einige  Bemerkungen  und  Korrekturen,  namentlich  eine  solche   des  letzten  der 

oben  citirten  Sätze  bei,  indem  er  sagt: 

„XVIII.  Zu  Prop.  53  der  Hydraulik  ist  zu  bemerken,  dass  das  Graben  von 
Brunnen  oftmals  sehr  gefährlich  ist,  nicht  nur  wegen  böser  Gerüche,  die  aus  gewissen 
Theilen  der  Erde  ausströmen,  sondern  auch  wegen  Luft,  die  sich,  wenn  sie  auch 
nicht  verpestet  ist,  doch  nicht  zum  Einathmen  eignet,  Licht  und  Feuer  auslöscht  und 
die  herabsteigenden  Menschen  tödtet,  wenn  du  diese  nicht  sofort,  nachdem  das  Zeichen 
dazu  durch  Anziehen  eines  Seiles  gegeben  ist,  herausziehest  und  den  Halbtodten  mit 
dem  Gesichte  und  Kopfe  an  ein  nach  Wegnahme  des  Rasens  frisch  gemachtes  Grüb- 
chen bringst,  denn  auf  diese  Weise  erweckt  man  sie  bei  den  Engländern  aus  der 
Ohnmacht,  welche  auch  einen  anderen  Schacht  auf  20'  Tiefe  graben,  damit  durch 
einen  Kamd  in  der  zwischen  den  beiden  Schächten  befindlichen  Erde  ein  Feuer  die 
genannte  Luft  anziehe  und  dann  jeder  ohne  Gefahr  in  dem  Schachte  zu  den  zu  för- 
dernden Kohlen  hinabsteigen  kann,  aus  denen  sie  grosse  Einkünfte  ziehen,  wie  dies 
zu  Leeds  und  an  mehreren  anderen  Orten  der  Fall  ist  .  .  . 

Wo  ferner  von  dem  Amsterdamer  Brunnen  die  Rede  ist,  füge  ich  bei,  da.ss 
die  Arbeiter  oder  Bninnengräber,  nachdem  das  Loch  bis  zu  dem  Grunde,  in  welchem 
trinkbares  Wasser  zufliesst,  hergestellt  ist,  hölzerne  Kanäle  hineindrücken,  die  so  zu- 


Amsterdamer  Brannenbobrang.  547 

sammcngefügt  sind,  dass  das  äussere  Meerwasser  nicht  hineindringen  kann.  Die  so 
verbundenen  Kanäle  bilden  dann  einen  Kanal,  aus  dem  du  nachher  so  oft  du  willst 
mit  Kolben  oder  Stempeln  Wasser  herauspumpen  kannst." 

Was  die  Wetterschächte  anbelangt,  so  erwähnt  solche  zwar  schon  Vitruv 
(siehe  S.  40),  sagt  aber  nicht,  dass  man  darin  Feuer  anzünden  solle. 

Bezüglich  des  Brunnenbohrers  erinnern  wir  an  die  Skizzen  von  Erdbohrern, 
die  wir  in  Manuskripten  Leonardo  da  Vingi's  sahen  (Fig.  115,  S.  103  und  Fig.  657 
S.  444),  hier  aber  finden  wir  einen  Erdbohrer  und  seine  Handhabung  zum 
ersten  Mal  genauer  beschrieben. 

Dass  Mersenne  schon  im  Jahre  1634  nach  Heften,  welche  Studirende  in 
Galilei's  Vorlesungen  nachgeschrieben  hatten,  eine  Uebersetzung  veröffentlichte, 
haben  wir  bereits  erwähnt  (siehe  S.  506).  Auch  in  seinen  Cogitata  physico- 
mathematica  ist  Galilei's  Lehre  von  der  schiefen  Ebene,  dem  Keile  und  der 
Schraube,  sowie  dessen  Festigkeitslehre  wiedergegeben. 


35^ 


Georg  Philipp  Harstörffer  (1607-1658). 


Wenn  von  Cornelius  Drebbel's  SchiflFahrt  unter  Wasser  die  Rede  ist, 
wird  nicht  selten  Harstörffer  als  der  Autor  angegeben,  welchem  man  die 
Nachricht  davon  verdankt,  obgleich  er  selbst  auf  Mersexne  verweist. 

Georg  Philipp  Harstörffer,  ein  Patrizier  von  Nürnberg,  war  daselbst  am 
1.  November  1607  geboren.  Er  studirte  zu  Altdorf  und  Strassburg,  reiste  dann 
in  Frankreich,  den  Niederlanden  und  England  und  wurde  nach  seiner  Rück- 
kehr Beisitzer  des  Stadtgerichtes  zu  Nürnberg.  In  der  deutschen  Redekunst 
besonders  geübt,  führte  er  in  der  „Fruchtbringenden  Gesellschaft*'  den  Namen 
des  „Spielenden''.  Er  veröffentlichte  eine  grössere  Zahl  der  verschiedenartigsten 
Schriften^  wovon  seine  „Deliciae  mathematicae  et  physicae  oder  Mathematische 
und  philosophische  Erquickstunden",  Nürnberg  1651,  einiges  Interesse  für  uns 
haben.     Aufgabe  9  im  zehnten  Theil  dieses  Werkes   enthält   die  Mittheilung: 

„Es  hat  allhier  ein  Zirkelschmied  Hans  H autsch  einen  Wagen  mit  vier  Radeni 
gemacht,  der  ohne  Pferde  hinter  sich  und  vor  sich  gehen  honnte.  Viele  haben  es 
als  ein  grosses  Kunstwerk  bewundert,  sobald  ich  aber  solchen  gesehen,  habe  ich  dem 
Meister  gesagt,  wie  es  mit  zwei  inwendigen  Rüdern  gemacht  sei,  in  welche  die  zwei 
hintc^ren  Räder  cingezahnt  seien.  Wenn  nun  dieselben  von  einem  darin  verborgenen 
Knaben  herumgedreht  werden,  greift  das  Getriebe  in  einander  und  die  hinteren  Räder 
treiben  die  vorderen.** 

Aus  JoH.  Gabr.  Doppelmayr's  „Historischen  Nachrichten  von  den  Nürn- 
berger Mathematikern  und  Künstlern"  Nürnberg  1730,  ist  über  Jon.  Kautsch 
noch  beizufügen: 

„Er  war  1595  geboren,  stellte  1640  eijien  künstlichen  Sessel  her,  auf  dem 
man  l)ei  geschwinder  Umdrehung  zweier  Kurbeln,  die  auf  beiden  Lehnen  angebracht 
waren,  sich  in  eincjm  Zimmer  sitzend  fortsohieben  konnte,  wohin  man  wollte.  Solche 
Sessel  kamen  Leuten,  die  das  Podagra  hatten,  bestens  zu  statten.  —  Diese  Erfindung 
gab  ihm  dann  zu  einer  anderen  grösseren  Ausf  ühnmg  Anlass,  indem  er  einen  Wagen 
mit  vier  Räder  verfertigte,  auf  dem  man  ohne  Pferd  nur  mit  Hülfe  eines  in  dem 
Wagen  verborgenen  Räderwerkes,  das  durch  etliche  auch  verborgene  Menschen  an- 
getrieben wurde,  auf  der  Strasse  sich  fahren  lassen  konnte,  wohin  man  wollte.  Mit 
diesem  Wagen  legte  er  1649  seine  Proben  in  Nürnberg  ab  und  gelangte  in  einer 
Stunde  2000  Schritte  weit.  Dabei  bestand  seine  eigene  Thätigkeit  niu*  darin,  dass 
er  den    Wagen   vermöge   eines    an   der  vorderen    Axe   angebrachten   Stangenwerkes 


Selbstfahrender  Wagen/  Spieldosen,  Webstühle,  Dreschmühle,  Seilbahn.  549 

lenkte.  Dann  auch  darin,  das:^  er,  wenn  das  Volk  bei  starkem  Zulaufe  den  Fort- 
gang des  Wagens  hemmte,  einen  an  dessen  Ende  befindlichen  Drachen  durch  einen 
Druck  Wasser  ausspeien  Hess  und  damit  die  Leute  vertrieb,  während  zu  noch 
grosserer  Belustigung  des  Publikums  besagter  Drache  die  Augen  verdrehte  und  ein 
paar  Engel  Posaunen  aufhoben  und  darauf  bliesen.  Dieser  'Wagen  wurde  für 
500  Thaler  an  den  Prinzen  Karl  Gustav  von  Schweden  verkauft  und  ein  zweiter 
dieser  Art  als  Triumphwagen  dem  Könige  von  Dänemark  geliefert." 

ArVir  haben  bereits  darauf  hingewiesen,  dass  dies  nicht  der  älteste  selbst- 
fahrende Wagen  ist,  von  dem  wir  Kunde  haben,  wie  vielfach  angenommen  wird. 
(Siehe  S.  424  unten.) 

In  Aufgabe  31,  wo  von  Wellen  und  Walzen   die  Rede  ist,   wird  gesagt: 

„.  .  .  .  Macht  man  solche  Wellen  mit  Schlägen,  d.  h.  eingekeilten  oder  ein- 
geleimten Zähnen,  so  dienen  sie  auf  mancherlei  Weise,  und  mit  ihnen  werden  die 
musikalischen  Instrumentchen  hergestellt,  welche  eine  gewundene  Feder,  wie  sie  an 
Bratenwendern  zu  sehen  sind,  treibt,  wenn  sie  aufgezogen  ist" 

Hier  sind  ohne  Zweifel  Spieldosen  gemeint.     IIarstörffer  fährt  fort: 

„Mit  solchen  Wellen  versieht  man  auch  die  Webstühle  zu  gemustertem 
und  geblümtem  Damast  oder  Bändern  und  hat  der  W^eber  weiter  keine 
Mühe,  als  dass  er  den  Eintrag  durchschiesst ,  wird  auch  nicht  müde,  weil  er  nur 
mit  den  Händen  arbeitet.  Es  muss  aber  das  Triebwerk  mit  einem  Wasserrade  oder 
einem  Windrade  verbunden  werden,  wie  dies  in  Holland  gebräuchlich  ist. 

Auf  diese  Weise  hat  auch  vor  Jahren  ein  berühmter  Künstler  einen  Dresch- 
stadel* gemacht,  in  welchem  sich  die  Dreschtenne  hin  und  her  bewegt,  die  Dresch- 
flegel aber  wechselsweise  sich  selbst  so  geschwungen  und  so  gedroschen  haben,  dass 
man  nur  unterlegen  und  aufsammeln  durfte." 

Eine    ähnliche  Dreschmaschine   findet    sich    in   Joh.   Math.    Bayer's 

Theatnim  Machinarum  Molarium,   Leipzig  und  Eudolstadt  1735,   auf  Taf.  42 

abgebildet.     Sie  wird  dort  „Dreschmühle"  genannt. 

.Aufgabe  35  lautet: 

„Berge  mit  leichter  Mühe  abzutragen.  Adam  Wybe  von  Harlem,  ein 
sehr  kunstreicher  Baumeister,  hat  zu  Danzig  einen  grossen  Berg,  nächst  der  Stadt 
gelegen,  in  folgender  Weise  abgetragen  und  in  der  Stadt  zur  Ausfüllung  einer  Bastei 
gebraucht.  Er  machte  ein  langes  Seil  mit  etlichen  hundert  kleinen  Eimerlein,  deren 
jedes  an  einem  Strange  ungefähr  einen  Schuh  lang  herab  und  ebenso  weit  von  dem 
anderen  entfernt  hing.  Dieses  Seil  war  über  mehrere  Scheiben  (fast  wie  sich  die 
Spule  an  einem  Spinnrade  dreht)  gespannt  und  wurde  von  einem  Pferde  auf  dem 
Berge  und  von  einem  anderen  in  der  Stadt  getrieben.  Wie  nun  drei  Männer  bestellt 
waren,  welche  die  Erdschollen  auf  dem  Berge  nach  und  nach  in  die  Eimer  füllten, 
80  waren  auch  etliche  andere  in  der  Stadt,  die  solche  im  Laufe  mnstürzten  und 
ausleerten  und  so  wurde  der  Berg  oder  dessen  Erde  ohne  Wunderwerk  versetzt. 
Weil  hiervon  ein  Kupferblatt  bei  allen  Kunsthändlern  zu  finden,  beziehen  wir  uns 
<larauf  und  häufen  nicht  die  Figuren,  deren  es  bereits  viele  geworden  sind." 

Wir  müssen  sehr  bedauern,  dass  unser  Autor  auf  die  Beifügung  einer 
Abbildung  dieser  Seilbahn  zum  Erdtransport  verzichtete. 

Der  neunte  Theil  des  in  Rede  stehenden  Werkes  handelt  von  der  „Feuer- 

kxinst",  und  darin  lautet  Aufgabe  20: 

„Die  W^ärme  von  dem  Rauche  zu  sondern.  Dieses  untersteht  sich  Fraxz 
KÖ88LER  in  seiner  „Holzsparkunst"  zu  leisten  und  zwar  besteht  die  Kunst  darin, 
dass  der  Rauch  schlangen  weise  geführt  und  die  in  dem  gemeinen  Ofen  schnell  hin- 


5G0 


Georg  Phiiipp  HaretOrffer. 


\reg  fliebeude  Hitze  also  geleitet  und  gefangen  wird,  dRi^x  nllo  subtile  Wäraie  zurück- 
bleibt und  nur  ein  grober  feuchter  Rauch  oben  aus  dem  Loche  heraus  dämpft  .... 
Bei  A  (Fig.  826)  ist  der  Asdienfall,  S  die  Ocffnung,  durch  welche  daa  Feuer  unter- 
halten wir«!,  C  der  Rost,  worauf  das  Holz  oder  die  Kohlen  l>rennon  und  durch 
welchen  die  Asche  in  den  Raum  A  fällt  1)  ist  der  Feuerraum,  E  der  erste  Zuft 
wodurch  sich  der  Rauch  schwenken  niusa  und  dann  wieder  bei  i*' fr,  während  er  bei 
der  Rauchröhre  H  austritt.     Die  Thürlein  DFG  dienen  zum  Säubern  des  Ofens. 

Ausführlicheres  ist  in  des  beaagten  Fbakz  KOh»ler's  „Holzsparkujist"  zu  leaeii, 
welcher  diese  Erfindung  auf  vielerlei  Weise  verändert  hat  und  iJ^t  ein  solcher  Ofen 
auf  dem  Ratlihause  zu  Augsburg  zu  sehen." 

Die  achte  Aufgabe  des  dreizehnten  Theiles  enthält  die  Eingangs  ervi-älinte 
Mittheilnng    über   Drebbel's    Schiffahrt  unter   Wasser.      Üa   wir   aber    nichts 


Fig.  m. 


Neues  daraus  erfahren,  wollen  wir  sie  nicht  hierher  setzen.  Die  neunte  Auf- 
gabe lantet: 

„Ohne  Ruder  und  Segel  zu  schiffen.  Auf  der  Insel  Malm  hat  ein  Ritter 
unternommen,  ohne  Ruder  und  Segel  auf  den)  Meere  zu  fahren  und  hat  ein  Schiff 
mit  zwei  augebängten  Wasserrädern,  wie  solche  die  Mühlen  treiben,  bauen  lassen: 
«uwäits  in  den  doppelten  Rädern  gin<l  zwei  Männer  gegangen,  so  dass  sie  solche 
umgedreht  und  das  Schiff  fortbewegt  haben.  Mit  diesem  Schiffe  kam  er  glücklich 
aus  dem  Hafen,  nicht  ohne  die  Bewunderung  Vieler.  Als  ihm  aber  in  der  offenen 
See  ein  starker  Wind  entgegenkam,  so  dass  die  Wellen  sich  hoch  erhoben  und  die 
Räder  zurücktrieben,  ist  er  nicht  ohne  Gefahr  wieder  zurück  in  den  Hafen  geworfen 
worden  und  hat  es  bei  dem  alten  Bniucho  verbleiben  lassen." 

Schiffe  mit  Ruderrädern  (die  hier  durch  zwei  Treträder  im  Innern  des 
Schiffes  bewegt  wurden)  waren  zu  damaliger  Zeit  nichts  Neues.  Wir  erinnern 
an  die  Skizze  Fig.  332,  S.  282  aus  der  Zeit  der  Hussitenkriege,  in  deren 
Beschreibung  gesagt  wird,  dass  solche  Schiffe,  durch  Menschenkraft  betrieben, 
nur  auf  stillen  Wassern  zu  gebrauchen  seien. 


Zimmerofen  mit  Zfigen,  Ruderräder,  Baggermaschine.  551 

In  Aufgabe  12  spricht  Harstörffer  dann  von  der  Amsterdamer  Brunnen- 
bohrung, welche  Mersexke  beschreibt  (siehe  S.  545),  und  die  fünfzehnte  Auf- 
gabe lautet: 

„Den  Sand  aus  einem  Schiffshafen  zu  räumen.  Wie  hinderlich  zu 
Zeiten  rler  Sand,  welcher  von  den  Meereswellen  in  die  Schiffshäfen  geführt  wird,  ist 
allen  Schiffern  wohl  bewusst.  Solchem  zu  steuern,  habe  ich  in  Genua  den  hier  bei- 
gesetzten Schlamm-  und  Sandheber  (Fig.  827)  gcsi^hen  und,  so  gut  ich  vermochte, 
zu  Papier  gebracht.  AB  ist  die  Hauptstange  mit  dem  scharfen  Grundeisen,  CD 
sind  die  Hebschaufeln,  welche  durch  die  Ketten  EJ,  und  wenn  es  von  Nöthen  ist^ 
mit  dem  Haspel  F  gegen  einander  gezogen  werden.  Dieser  Sandheber  wird  zwischen 
zwei  Schiffen  eingesenkt  und  der  emporgezog(jne  Sand  in  ein  drittes  Schiff  geladen." 

Wir   erinnern  an  die   Baggermaschinen    von  Lorixi  und  Verantr'S 

(Fig.  291,  S.  251  und  Fig.  805,  S.  527).  die  mit  ähnlichen  Zangen  arbeiteten. 


James  Watt  und  die  Erfindung  der  Dampfmasehine. 

Vortrag  am  9.  Februar  1894  gebalten  im  Ortsgewerbeverein  Darmstadt 


Meine  Herren!  Wenn  ich  versuche,  Ihnen  die  Lebensgeschichte  eines 
Mannes  wahrheitsgetreu  zu  erzählen,  der  berufen  war,  durch  seine  Erfindungen, 
insbesondere  durch  die  wesentlichste  Verbesserung  der  Dampfmaschine,  einer 
der  grössten  Wohlthäter  der  Menschheit  zu  werden,  so  geschieht  dies  vor- 
nehmlich, weil  ich  glaube,  dass  es  von  Nutzen  sein  wird,  in  unserer  Zeit,  wo 
so  viele  Erfinder  sein  möchten  und  von  so  vielen  über  das  Kapital  ge- 
hässige Beden  geführt  werden,  an  einem  klassischen  Beispiele  zu  zeigen,  was 
es  mit  dem  Erfinden  für  eine  Bewandtniss  hat,  welche  Bolle  das  Kapital  bei 
den  Fortschritten  der  Menschheit  spielt,  und  wie  sehr  der  Erfolg  einer  Er- 
findung von  dem  jeweiligen  Entwickelungsstadium  der  Technik  im  Allge- 
meinen abhängt. 

James  Watt  wurde  am  19.  Januar  1736  zu  Greenock  in  Schottland  ge- 
boren. Sein  Grossvater,  Sohn  eines  Landwirthes  in  der  Grafschaft  Aber- 
deen,  hatte  sich  zur  Zeit  der  Bevolution  unter  Karl  I.  zu  Cartsdyke,  einem 
Orte,  der  damals  von  Greenock  getrennt  war,  jetzt  aber  damit  vereinigt  ist, 
als  Lehrer  der  Mathematik  und  Schifffahrtskunde  niedergelassen,  wurde  1688 
zum  Amtmanne  ernannt  und  bald  danach  auch  in  den  Kirchenvorstand  ge- 
wählt, zog  sich  im  70.  Jahre  von  diesen  Aemtem  zurück  und  starb  1734  im 
92.  Lebensjahre. 

Sein  zweiter  Sohn,  James,  der  Vater  des  berühmten  Erfinders  wurde 
1730  Zimmermann  und  Schiflsbauer  in  Greenock  und  kaufte  nach  seines  Vaters 
Tod  ein  Haus  mit  Grundstück  an  der  dortigen  Meeresbucht,  wo  er  seine  Werk- 
stätte aufschlug. 

Der  damals  noch  sehr  kleine  Ort  Greenock  konnte  jedoch  einem  thätigen 
Manne  in  einem  speziellen  Fache  keine  genügende  Beschäftigung  gewähren. 
Vielseitigkeit  war  geboten  und  deshalb  wurden  in  der  Werkstätte  die  ver- 
schiedensten Dinge  angefertigt,  Möbel  und  Ausrüstungsgegenstände  für  SchifiFe, 
Särge  und  Schiffs  winden.  Auch  hielt  James,  der  Vater,  ein  Lager  von  Flaschen- 
zügen,  Pumpen,  Kanonenlafetten   für   Schiffe  u.  s.  w.,   war  Bauunternehmer, 


Vorfahren  und  Kindheit.  553 

Miteigenthümer  verschiedener  Schiffe  und  betheiligte  sich  gelegentlich  an  kauf- 
männischen Spekulationen.  Auch  er  wurde  zu  mehreren  Vertrauensämtern 
und  zuletzt  an  die  Spitze  der  Gemeindeverwaltung  berufen. 

Von  seinen  fünf  Kindern  verlor  er  drei  in  frühester  Jugend,  sein  jüngster 
Sohn  kam  auf  einer  Reise  nach  Amerika  um.  James,  sein  viertes  Kind,  war 
das  einzige,  das  ihm  blieb,  und  dieses  war  von  so  zarter  Konstitution,  dass 
es  die  sorglichste  Pflege  erheischte.  Es  konnte  an  den  Spielen  kräftiger 
Knaben  nicht  theilnehmen  und  empfing  daher  seinen  ersten  Unterricht  zu 
Hause.  Die  Mutter  lehrte  ihn  lesen  und  der  Vater,  um  ihn  zu  unterhalten, 
eiferte  ihn  an,  mit  Bleistift  auf  Papier  oder  mit  Kreide  auf  den  Fussboden 
zu  zeichnen,  lehrte  ihn  rechnen,  schreiben  u.  dergl.  und  gab  ihm  einige  Werk- 
zeuge, die  er  bald  mit  Geschicklichkeit  gebrauchen  lernte.  Das  Kind  litt  sehr 
an  Kopfschmerzen,  die  es  oft  wochenlang  an  das  Zimmer  fesselten. 

Unter  solchen  Umständen  ist  es  nicht  selten,  dass  sich  bei  Kindern  An- 
zeigen von  Frühreife  bemerkbar  machen.  Man  erzählt,  einmal  als  sich  der 
Knabe  mit  einem  Stück  Kreide  in  der  Hand  über  den  Herd  beugte,  habe  ein 
Freund  zum  Vater  gesagt:  ;,Sie  sollten  das  Kind  in  die  Schule  schicken  und 
nicht  zugeben,  dass  es  seine  Zeit  zu  Hause  vergeudet^.  —  „Sehen  Sie  erst 
zu,  womit  mein  Kind  sich  beschäftigt,  ehe  Sie  es  verurtheilen",  sagte  der 
Vater.  Und  als  man  hinzutrat,  gewahrte  man,  dass  der  sechsjährige  James 
mit  Lösung  einer  geometrischen  Aufgabe  beschäftigt  war. 

Ein  andermal  soll  er  von  einer  Tante  wegen  seiner  Faulheit  getadelt 
worden  sein.  ;,Jämes",  soll  sie  gesagt  haben,  „ich  sah  noch  niemals  einen  so 
faulen  Jungen,  wie  Du  bist,  nimm  ein  Buch  und  beschäftige  Dich  nützlich; 
seit  einer  Stunde  hast  Du  kein  Wort  gesprochen,  sondern  immer  nur  den 
Deckel  vom  Theekessel  genommen  und  ihn  wieder  daraufgesetzt,  bald  eine 
Tasse  und  bald  einen  Löffel  über  den  Dampf  gehalten  und  die  Tropfen  gezählt, 
in  die  er  sich  verwandelt.^  —  In  den  Augen  eines  Arago  und  der  meisten 
späteren  Biographen  Watts  wird  hier  der  kleine  James  vor  dem  Theekessel 
schon  zu  dem  grossen  Ingenieur,  der  sich  auf  die  Entdeckungen  vor- 
bereitet, die  ihn  unsterblich  machen  sollten.  Wahrscheinlich  war  aber  das 
Urtheil  der  Tante  richtiger.  Nichts  kommt  häufiger  vor,  als  dass  Kinder  sich 
mit  ähnlichen  Erscheinungen  beschäftigen,  wie  die  hier  erwähnte.  Wenn  sie 
z.  B.  Seifenblasen  machen  und  ihr  Aufsteigen  in  die  Luft  beobachten,  bis  sie 
platzen,  ist  deshalb  noch  nicht  anzunehmen,  dass  sie  dabei  an  das  Aufsuchen 
der  dieser  Erscheinung  zu  Grunde  liegenden  physikalischen  Gesetze  denken. 

Als  James  endlich  in  die  Schule  geschickt  wurde,  verursachte  ihm  dies 
viele  Leiden.  Er  fand  sich  unter  den  geräuschvollen  Kameraden  nicht  heimisch, 
besass  weder  Uebung  im  Auswendiglernen  noch  Selbstvertrauen,  um  sich  vor 
anderen  bemerklich  zu  machen  und  galt  daher  für  einen  vernachlässigten, 
dummen  Jungen.  Erst  im  dreizehnten  oder  vierzehnten  Jahre,  als  er  in  die 
mathematische  Klasse  gelangte,  machte  er  rasche  Fortschritte.    Im  vierzehnten 


554  James  Watt  und  die  Erfindung  der  Dampfmaschine. 

nahm  ihn  die  Mutter  einmal,  einer  Luftveränderung  wegen,  mit  zu  einer  Ver- 
wandten in  dem  benachbarten  Glasgow,  das  damals  noch  ein  kleines  Univer- 
sitätsstädchen  ohne  Fabriken  war.  Nach  kurzer  Zeit  aber  schrieb  die  Ver- 
wandte an  den  Vater:  ;,Ich  kann  die  Aufregung  nicht  länger  ertragen,  in  der 
er  mich  hält  und  bin  durch  Mangel  an  Schlaf  ganz  erschöpft.  Jeden  Abend, 
ehe  wir  zur  Ruhe  gehen,  fängt  er  eine  Unterhaltung  mit  mir  an  und  erzählt 
irgend  eine  packende  Geschichte.  Mag  sie  nun  scherz-  oder  ernsthaft  sein, 
immer  weiss  er  unser  Interesse  so  zu  fesseln,  dass  die  ganze  Familie  ihm  mit 
angehaltenem  Athem  zuhört  und  Stunde  auf  Stunde  unbeachtet  verstreichen 
lässf  Diese  Gabe,  interessant  zu  erzählen,  bewunderte  später  selbst 
Walter  Scott  an  ihm. 

Zur  Schule  zurückgekehrt,  ward  er  nun  in  der  Mathematik  der  erste 
seiner  Klasse.  In  seinen  freien  Stunden  zu  Hause  beschäftigte  er  sich  mit 
den  um  ihn  her  liegenden  Werkzeugen  und  wusste  so  geschickt  damit  zu  han- 
tiren,  dass  die  Arbeiter  zu  sagen  pflegten:  „Der  kleine  James  hat  ein  Ver- 
mögen in  seinen  Fingerspitzen. '^  Als  alter  Mann  erinnerte  er  sich  gern  an 
das  Vergnügen,  das  er  empfunden  hatte,  als  er  in  Hemdärmeln  arbeitend  in 
der  Werkstätte  seines  Vaters  stand.  Eine  kleine  Schmiede  und  eine  eigene 
Werkbank  wurden  für  ihn  hergerichtet  und  er  machte  kleine  Krahnen,  Flaschen- 
züge, Pumpen  u.  dergl.  Was  ihn  aber  am  meisten  anzog,  war  das  Eepariren 
mathematischer  Instrumente,  wie  Quadranten,  Schiffskompasse  u.  dergl. 
Es  war  eine  Eigenthümlichkeit,  die  ihn  durch's  ganze  Leben  begleitete,  dass 
er  kein  Instrument  und  keine  Maschine  ansehen  konnte,  ohne  von  dem  Ver- 
langen ergriffen  zu  werden,  sie  nach  jeder  Richtung  zu  verstehen. 

Ehe  er  15  Jahre  alt  war,  hatte  er  die  ^^Elemente  der  Physik''  von 
s'Gravesande,  ein  Buch,  das  sein  Vater  besass,  zweimal  dorchstudirt,  machte 
kleine  chemische  Experimente  und  brachte  eine  Elektrisirmaschine  zu  Stande, 
die  seine  Umgebung  in  Staunen  versetzte.  Doch  trieb  er  auch  botanische  und 
geologische  Studien.  Ueberhaupt  war  er  ein  Bücherverschlinger,  der  alles  las, 
was  ihm  in  den  Weg  kam.  Als  ein  Freund  ihm  rieth,  er  möchte  mit  mehr 
Auswahl  lesen,  antwortete  er:  ;,Ich  habe  noch  nie  ein  Buch  gelesen,  ohne 
Belehrung  oder  Vergnügen  daraus  zu  schöpfen.* 

So  kam  die  Zeit,  wo  James  ein  Geschäft  erlernen  musste.  Sein  Vater 
hatte  ursprünglich  die  Absicht  gehabt,  ihm  einmal  sein  eigenes  Geschäft  zu 
übergeben,  aber  da  er  durch  den  Untergang  eines  seiner  Schiffe  schwere  Ver- 
luste erlitten  hatte  und  er  die  ausgesprochene  Neigung  seines  Sohnes  für 
mathematische  Instrumente  kannte,  beschloss  er,  diesen,  als  er  18  Jahre  alt 
war,  nach  Glasgow  zu  schicken,  damit  er  dort  die  Verfertigung  solcher  In- 
strumente erlerne.  Als  er  dort  hinkam,  um  einen  Meister  dieser  Kunst  zu 
suchen,  fand  sich  aber,  dass  keiner  da  war.  Es  gab  nur  einen  Mann  in  der 
Stadt,  der  sich  Optiker  nannte.  Er  war  ein  Tausendkünstler,  machte  Zeichen- 
werkzeuge, Fischangeln,  Brillen  und  Geigen.     Auch  stimmte  er  Klaviere.     Ob- 


Lehrzeit,  Feinmechanikergeschäft  in  Glasgow.  555 

gleich  er  alles  geschickt  anzugreifen  wusste,  stellte  sich  doch  bald  heraus,  dass 
durch  seine  Lehre   das  vorgesteckte  Ziel  nicht  erreicht  werden  konnte. 

Unter  den  Herren,  bei  denen  der  junge  Watt  in  Glasgow  eingeführt 
war,  war  Dr.  Dick,  Professor  der  Universität.  Dieser  empfahl  ihm  dringend, 
sich  nach  London  in  die  Lehre  eines  richtigen  Meisters  zu  begeben.  Sein 
Vater  war  einverstanden  und  mit  einem  Empfehlungsbriefe  vom  Herrn  Pro- 
fessor in  der  Tasche,  machte  er  sich  auf  den  Weg  nach  der  grossen  Stadt. 

Eine  Postkutsche  dahin  gab  es  damals  noch  nicht,  und  man  beschloss, 
er  solle  dahin  reiten,  während  sein  KoflFer  per  Schiflf  geschickt  wurde.  Er 
reiste  in  Begleitung  eines  verwandten  Kapitäns,  dessen  Schiff  auf  der  Themse 
lag.  Sie  ritten  am  7.  Juni  1755  von  Glasgow  weg  und  kamen  nach  12 
Tagen  glücklich  in  London  an. 

Watt  suchte  sofort  nach  einem  Meister;  allein  es  war  Zunftregel,  dass 
ein  Lehrling  der  Feinmechaniker  sieben  Jahre  lang  lernen  müsse.    Das  würde 
dem  jetzt  wenig  bemittelten  Vater  zuviel  Geld  gekostet  haben  und  James  jun. 
hatte  auch  gar  nicht  den  Ehrgeiz,  Geselle  zu  werden;  sein  Plan  war,  das  Ge- 
schäft in  möglichst  kurzer  Zeit  zu  erlernen,  um  es  dann  in  Glasgow   selbst- 
ständig zu  treiben.    Er  suchte  Wochen  lang  vergebens  und  bot  zuletzt  einem 
Uhrmacher  seine  Dienste  gratis  an,  der  ihn  mit  Metallgraviren  beschäftigte. 
Auch  hierbei  muss  er  Proben  besonderer  Geschicklichkeit  abgelegt  haben,  denn 
nach  kurzer  Zeit  gelang  es  ihm,   einen  geeigneteren  Platz  bei  einem  respek- 
tablen  Mechaniker  Namens  Morgan  zu  finden,    der    es  gegen  unentgeltliche 
Arbeit  und  Zahlung  eines  Lehrgeldes  von  20  i?  =  400  Mark  übernahm,  ihn 
ein  Jahr  lang  zu  unterrichten.    James  erwies  sich  als  ein  sehr  gelehriger  Schüler. 
Nach  einem  Monate  war   er  schon   im  Stande,  einen  Quadranten  besser  zu 
machen,  als  irgend  ein  anderer  Lehrling  und  nach  einem  Jahre  schrieb  er  an 
seinen  Vater,  er  habe  einen  messingenen  Sektor  mit  französischem  Scharnier 
gemacht,  was  für  eine  der  schwierigsten  Arbeiten  seines  Faches  gehalten  werde. 
Er  sprach  die  HoflFnung  aus,  bald  im  Stande  zu  sein,  sein  Brot  durch  eigener 
Hände  Arbeit  zu  verdienen.    Um  dem  Vater  seinen  Unterhalt  zu  erleichtem, 
lebte  er  sehr  sparsam  und  verbrauchte  nur  acht  Schillinge  die  Woche.    Auch 
suchte  er  durch  Privatarbeiten  etwas  zu  verdienen,   und  wenn  er  solche  fand, 
benutzte  er  die  Nächte  zu  deren  Ausführung.     Es  zeigte  sich  aber  bald,  dass 
er  seinem  von  Natur  zarten  Körper  zuviel  zumuthete.     Wenn  er  Abends  er- 
müdet nach  Hause  ging,  zitterten  seine  Hände,  wie  die  eines  alten  Mannes, 
und  da  sein  Platz  in  der  Werkstätte  nahe  bei  der  Thüre  war,  die  oft  geöffnet 
wurde,  stellten  sich  im  Winter  rheumatische  Schmerzen  und  ein  heftiger  Husten 
ein.     Grosse  Niedergeschlagenheit  befiel  ihn,   und  mit  seines  Vaters  Genehmi- 
gung beschloss  er,  nach  Hause  zurückzukehren,  um  in  der  heimathlichen  Luft 
Genesung  zu  suchen.     Sein  Vater  sandte  ihm  noch   das  Geld,  um  einige  für 
sein   Geschäft   nöthige  Werkzeuge    und  Materialien  und  ein   Werk  über  die 
Konstruktion   mathematischer  Instrumente  zu  kaufen,  und  nachdem   er  dies 


556  James  Walt  und  die  Erfindung  der  Dampfmaschine. 

gethan,  reiste  er-  nach  Schottland  und  erreichte  Greenock  im  Herbste  1756. 
Dort  befestigte  sich  seine  Gesundheit  bald  wieder  soweit,  dass  er  zur  Arbeit 
zurückkehren  konnte  und,  zwanzig  Jahre  alt,  ging  er  nach  Glasgow,  um  mit 
dem  Beistande  seines  Vaters  selbständig  ein  Geschäft  zu  errichten.  Allein 
hier  stellten  sich  ihm  ähnliche  Schwierigkeiten  entgegen,  wie  in  London.  Ob- 
gleich es  keinen  Verfertiger  mathematischer  Instrumente  in  der  Stadt  gab  und 
man  froh  hätte  sein  sollen,  dass  ein  so  geschickter  Mechaniker  sich  dort  nieder- 
lassen wollte,  erhob  die  Zunft  der  Schmiede  Einspruch,  weil  er  weder  ein 
Bürgersohn  sei,  noch  eine  Lehre  in  der  Stadt  bestanden  habe.  Solcher  Art 
waren  die  Gepflogenheiten  der  damaligen  Zünfte.  Die  darin  waren,  boten 
Alles  auf,  um  Andere  auszuschliessen.  Watt  war  jedoch  von  Dr.  Dick,  dem 
Professor  der  Physik,  bereits  beauftragt  worden,  einige  mathematische  Instru- 
mente der  Universität  zu  repariren.  Und  da  die  Professoren  auf  dem  Areal 
des  Universitätsgebäudes  unbedingtes  Verfügungsrecht  hatten,  wurde  ihm  im 
Sommer  1757  ein  bescheidener  Kaum  im  Universitätsgebäude  angewiesen,  wo 
er  seine  Werkstätte  einrichten  durfte.  Auch  richtete  man  ihm  einen  nach  der 
Strasse  hin  gelegenen  Raum  als  Verkaufsladen  ein. 

Obgleich  Watt  wenig  Bedürfnisse  hatte  und  sehr  sparsam  lebte,  konnte 
er  doch  seinen  Unterhalt  hier  nicht  vollständig  erwerben.  Sein  Vater  schickte 
ihm  von  Zeit  zu  Zeit  Unterstützungen,  aber  wegen  der  Verluste,  die  er  erlitten 
hatte,  fiel  es  ihm  schwer. 

Nach  einem  Jahre  schrieb  der  Sohn  an  den  Vater:  „Ausser  mit  Hadley's 
Quadranten  ist  wenig  zu  verdienen.  Da  ich  bei  anderen  Arbeiten  fast  alles 
selbst  machen  muss  und  man  nicht  in  allem  erfahren  sein  kann,  kosten  sie 
mich  oft  zu  viel  Zeif  Für  die  Welt  war  das  vielleicht  gut.  Hätte  sein 
Instrumentenmachergeschäft  prosperirt,  so  würde  W^att  wohl  als  ein  guter 
Quadrantenmacher  bekannt  geworden  sein,  aber  nicht  als  Erfinder  der 
Kondensationsdampfmaschine.  Dadurch,  dass  sein  eigentliches  Geschäft  nicht 
prosperirte,  war  er  gezwungen,  andere  Ziele  zu  verfolgen,  was  ihn  schliesslich 
zu  der  Erfindung  brachte,  die  ihm  unsterblichen  Ruhm  verschaffte. 

Zunächst  verwandte  er  einen  Theil  seiner  freien  Zeit  auf  physikalische 
und  chemische  Experimente,  aber  da  sie  ihm  nichts  eintrugen,  war  er  genöthigt, 
nach  einem  Artikel  zu  suchen,  wofür  er  Abnehmer  finden  konnte.  Obgleich 
er  kein  musikalisches  Gehör  hatte  und  fast  keine  Note  kannte,  folgte  er  dem 
Beispiele  seines  ersten  Lehrmeisters  und  machte  Geigen,  Flöten  und  Guitarren. 
Sein  Freund,  Professor  Dr.  Black  bestellte,  um  ihm  einen  Verdienst  zuzuwenden, 
eine  Drehorgel  bei  ihm.  Sofort  studirte  er  die  Harmonielehre  von  Dr.  Smith 
in  Cambridge,  machte  dann  ein  Modell  und  baute  danach  eine  Orgel,  die 
sehr  gut  befunden  wurde.  Dies  ermuthigte  ihn,  nun  auch  die  Bestellung  einer 
Tastenorgel  für  die  Freimaurerloge  zu  übernehmen.  Watt  war,  wie  er  selbst 
zu  sagen  pflegte,  immer  mit  den  Arbeiten  anderer  sowohl,  wie  mit  seinen 
eigenen  unzufrieden  und  sann  auf  Verbesserungen.    So  brachte  er  auch  mehrere 


Kenntnisse  und  Charakter  Watt's.  557 

an  dieser  Orgel  an,  und  als  sie  fertig  war,    erregte  sie  die  Bewundenirg  der 
Musiker. 

Was  ihm  bei  solchen  Arbeiten  von  freier  Zeit  übrig  blieb,  verbrachte  er 
mit  Lesen.  An  Büchern  fehlte  es  ihm  nicht,  da  er  die  Universitätsbibliothek 
benutzen  durfte  und  sowohl  Professoren  als  Studirende  ihm  gern  ihre  Bücher 
liehen.  Alle  wurden  durch  die  geistreichen  Instrumente  und  Modelle  in  seiner 
Werkstätte  und  seinem  Laden,  sowie  durch  seine  leicht  dahinfiiessende,  be- 
scheidene und  originelle  Unterhaltung  angezogen,  und  obgleich  er  noch  sehr 
jung  war,  baten  doch  die  Professoren  bei  allen  mechanischen  Fragen  um  seinen 
Rath.  Die  Schärfe  seiner  Beobachtung,  die  Gründlichkeit  seiner  Kenntnisse 
und  die  Bereitwilligkeit,  womit  er  sie  anderen  mittheilte,  erwarben  ihm  die 
allgemeine  Zuneigung. 

Von  den  Freunden  Watt's  ist  keiner  so  eng  mit  seiner  Lebensgeschichte 
verbunden,  als  John  Bobison,  der  damals  in  Glasgow  studirte  und  nachher 
Professor  der  Physik  in  Edinburg  wurde.  Er  hat  seine  erste  Begegnung  mit 
Watt  beschrieben.  Nachdem  er  die  schon  gearbeiteten  Instrumente  in  dessen 
Laden  mit  Vergnügen  betrachtet  hatte,  imterhielt  er  sich  mit  ihm.  Er  hatte 
geglaubt,  zu  einem  einfachen  Handwerker  zu  sprechen  und  war  erstaunt, 
in  ihm  einen  Gelehrten  zu  finden.  „Ich  war  eitel  genügt,  sagt  Robisox, 
^zu  glauben,  dass  ich  in  dem  Studium  der  Mathematik  und  Mechanik  weit 
gekommen  sei  und  war  schmerzlich  berührt,  zu  sehen,  dass  Watt  viel  mehr 
wusste,  als  ich.  Aber  seine  Freude  an  solchen  Dingen  Hess  ihn  ein  Geplauder 
darüber  mit  Jedem  geniessen  und  mit  angeborener  GefäUigkeit  ertrug  er 
meine  Neugierde  und  ermuthigte  mich,  einen  intimeren  Verkehr  mit  ihm  an- 
zuknüpfen. Ich  verbrachte  viele  müssige  Stunden  bei  ihm  und  war  ihm  gewiss 
oft  lästig."  Ein  andermal  sagte  er  von  Watt:  ,.Ich  habe  viel  von  der  Welt 
gesehen  und  muss  bekennen,  dass  mir  niemals  eine  zweite  Person  vorgekommen 
ist,  deren  Ueberlegenheit  Alle  anerkannten  und  der  sie  doch  so  auf- 
richtig zugethan  waren.  Denn  seine  Ueberlegenheit  war  unter  der 
liebenswürdigsten  Aufrichtigkeit  und  der  bereitwilligsten  Anerkennung 
der  Verdienste  Anderer  verborgen.  Er  war  stets  bereit,  dem  Scharfsinne 
eines  Freundes  Dinge  zuzuschreiben,  die  nur  Ausarbeitungen  seiner 
eigenen  Andeutungen  waren.  Ich  bin  berechtigt,  dies  zu  sagen,  weil  ich  es 
oft  an  mir  selbst  erfahren  habe." 

Es  war  im  Jahre  1759  als  Roblsox  zuerst  die  Aufmerksamkeit  des 
23jälirigen  Watt  auf  die  Dampfmaschine  lenkte.  Robisox  hatte  die  Idee, 
einen  Wagen  durch  eine  Dampfmaschine  zu  bewegen.  Watt  giebt  zu,  dass 
er  damals  sehr  wenig  von  Dampfmaschinen  wusste,  doch  machte  er  ein  Modell 
von  Weissblech  nach  Robison's  Idee.  Da  dieses  den  Erwartungen  nicht  ent- 
sprach und  Robisox  noch  in  demselben  Jahre  Glasgow  verliess,  wurde  der  Plan 
nicht  weiter  verfolgt.  Da  aber  Dr.  Black,  Professor  der  Chemie,  zu  jener 
Zeit  Studien  über  Wasserverdampfung  machte   und  sich  oft  mit  Watt  unter- 


558  James  Watt  und  die  Erfindung  der  Dampfmaschine. 

hielt,  wurde  dessen  Aufmerksamkeit  immer  wieder  auf  diesen  Gegenstand  ge- 
gelenkt. Auch  wurde  um  jene  Zeit  auf  der  Govan-Kohlengrube  bei  Glasgow 
eine  NEWCoiiEx'sche  Dampfmaschine,  die  zweite  in  Schottland,  aufgestellt, 
was  Watt  wohl  erfahren  haben  dürfte.  Er  hatte  noch  nie  eine  solche 
Maschine  gesehen;  fand  jedoch  heraus,  dass  die  Universität  ein  Modell  von 
einer  besitze,  das  zur  Reparatur  nach  London  geschickt,  aber  nicht  zurück- 
gekommen war.  Er  stellte  dem  Professor  der  Naturwissenschaften  vor,  wie 
wünschenswerth  es  sei,  das  Modell  zurückzuerhalten  und  diesem  wurde  von 
dem  Senate  eine  Geldsumme  bewilligt,  um  es  auszulösen  und  kommen  zu  lassen. 

Bei  der  NEWCOMEN-Dampfmaschine,  die  nur  zum  Auspumpen  des  Wassers 
aus  Bergwerken  diente  und  keine  drehende  Bewegung  erzeugte,  wurde  Dampf 
ohne  Ueberdruck  in  einem  besonderen  Kessel  erzeugt,  gelangte  durch  ein 
kurzes  Rohr  mit  Ventil  in  einen  darüberstehenden  Cylinder  unter  den  darin 
beweglichen  Kolben.  Die  Kolbenstange  war  nach  oben  durch  eine  Kette  mit 
einem  hölzernen  Balancier  verbunden,  an  dessen  anderem  Ende  das  Pumpen- 
gestänge hing,  durch  welches  das  zu  fördernde  Wasser  gehoben  wurde.  Sobald 
der  Dampf  unter  den  Kolben  trat,  senkte  sich  das  Pumpengestänge  durch 
sein  Uebergewicht  und  der  Kolben  gelangte  in  seine  höchste  Stellung, 
dann  wurde  kaltes  Wasser  unter  dem  Kolben  in  den  Cylinder  eingespritzt. 
Der  Dampf  kondensirte  sich  und  in  Folge  der  dadurch  entstehenden  Luft- 
leere unter  dem  Kolben  drückte  die  äussere  Luft  diesen  nieder  und  ver- 
richtete dabei  die  gewünschte  Arbeit.  Der  Kolben  bestand  aus  einer  runden 
Scheibe  von  Eisen.  Auf  dieser  lag  ein  Lederring,  der  sich  mit  seiner  äusseren 
Kante  an  der  Cylinderwandung  rieb  und  durch  einen  aufgeschraubten  Eisen- 
ring festgehalten  wurde.  Wegen  der  Mangelhaftigkeit  dieser  Dichtung  wurde 
der  Kolben  mit  einer  Wasserschichte  bedeckt,  und  soviel  von  dem  Wasser 
zwischen  dem  Kolben  und  der  Cylinderwandung  durchdrang,  durch  neues  er- 
setzt. Auf  weitere  Details  der  Maschine  brauchen  wir  uns  hier  nicht  ein- 
zulassen. 

Bis  das  Modell  von  London  ankam,  suchte  Watt  kennen  zu  lernen,  was 
über  Dampfmaschinen  geschrieben  worden  war  und  fuhr  mit  eigenen 
Experimenten  über  diesen  Gegenstand  fort.  Seine  ersten  Versuchsapparate 
waren  von  der  allereinfachsten  Art.  Im  Jahre  1761  experimentirte  er  mit 
einem  kleinen  Papinianischen  Topfe  als  Dampfkessel  und  einer  Heberröhre  mit 
Kolben  und  Hahn,  und  es  gelang  ihm,  mit  diesem  rohen  Apparat,  einige  wich- 
tige Thatsachen  festzustellen,  die  zur  Konstruktion  einer  Hoch druckdampf- 
maschine  vielleicht  genügend  gewesen  wären,  doch  war  die  Herstellung  von 
Hoch  druck -Dampfkesseln  bei  dem  damaligen  Stande  der  Technik  zu  ge- 
fährlich. Aus  diesem  Grunde  und  weil  der  Betrieb  mit  hochgespanntem 
Dampf  theurer  erschien,  als  mit  solchem  von  geringer  Spannung,  wurde  der 
Plan  einstweilen  aufgegeben.  Endlich  im  Jahre  1763  kam  das  Modell  von 
London  an.    Sein  Kessel  war  etwas  kleiner  als  ein  gewöhnlicher  Theekessel, 


Newcomen's  Dampfmaschine.    Studien  an  dem  Modell  der  Universität.  559 

der  Kolben  hatte  2"  Durchmesser  und  6"  Hub.  Es  genügte  jedoch,  um  Watt 
auf  eine  Fährte  des  Nachdenkens  zu  bringen,  die  zu  den  wichtigsten  Resul- 
taten führte.  Als  er  es  reparirt  und  in  Gang  gesetzt  hatte,  fand  er,  dass  der 
Kessel  nicht  genug  Dampf  liefern  konnte  und  die  Maschine  deshalb  nach 
wenigen  Kolbenhüben  zum  Stillstand  kam,  auch  wenn  man  das  Feuer  noch  so 
heftig  anblies.  Gerade  dieser  Umstand,  der  einen  anderen  abgeschreckt  haben 
würde,  und  der  auch  wohl  dem  Londoner  Mechaniker  zu  viel  Schwierigkeit 
gemacht  haben  mag,  regte  Watt  aufs  Stärkste  an. 

Professor  Robison  sagt:  ;,Jedes  Ding  war  für  ihn  der  Anfang  eines 
ernsten  Studiums,  und  ich  wusste,  dass  er  nicht  davon  ablassen  würde, 
bis  er  entweder  seine  Nutzlosigkeit  bewiesen,  oder  etwas  daraus  gemacht 
haben  würde. '^ 

Watt  zog  seine  Bücher  zu  Rath,  um  festzustellen,  wie  er  das  Modell 
verbessern  könne,  aber  sie  gaben  keine  Auskunft.  Darauf  begann  er  mit 
einer  Reihe  selbständiger  Experimente,  um  die  Aufgabe  zu  lösen.  Dabei  fand 
er,  dass  eine  gewisse  Gewichts-Menge  Dampf  von  80®  Temperatur  eine  6 mal 
so  grosse  Wassermenge,  die  zum  Zwecke  der  Kondensation  in  den  Cylinder 
gespritzt  wurde,  auf  dieselbe  Temperatur  von  80**  erwärmte.  Watt  sagt: 
„Ueberrascht  durch  diese  Thatsache,  die  ich  mir  nicht  erklären  konnte,  sprach 
ich  mit  meinem  Freunde  Dr.  Black  darüber,  der  mir  darauf  seine  Lehre  von 
der  latenten  Wärme  auseinandersetzte  und  behauptete,  dass  er  sie  mir  früher 
schon  einmal  erklärt  hätte.  Aber  ich  hatte,  da  ich  zu  sehr  von  meinen  Ge- 
schäftsangelegenheiten in  Anspruch  genommen  war,  wenn  ich  es  überhaupt 
gehört  hatte,  nicht  darauf  geachtet,  bis  ich  nun  auf  eine  Erscheinung  stiess, 
wodurch  diese  schöne  Theorie  unterstützt  wird." 

Als  Watt  so  gefunden  hatte,  dass  Dampf  gleichsam  ein  Reservoir  für 
Wärme  bildet,  war  er  umsomehr  bestrebt,  sparsam  damit  umzugehen.  An 
dem  Modell  vergrösserte  er  zunächst  die  Heizfläche  des  Kessels  und  umkleidete 
alles  soviel  wie  möglich  mit  schlechten  Wärmeleitern,  aber  ohne  genügenden 
Erfolg.  Er  fand,  dass  der  gross te  Wärmeverlust  durch  die  Wiedererwär- 
mung des  Cylinders  entstand,  worin  der  Dampf  durch  kaltes  Wasser 
kondensirt  wurde  und  dass  */5  des  einströmenden  Dampfes  sich  hier  kondensirte, 
ehe  der  Rest  auf  den  Kolben  wirkte.  Er  erkannte  es  daher  als  erstes  Er- 
fordemiss  einer  vollkommenen  Dampfmaschine,  dass  der  Cylinder  immer 
so  warm  bleiben  müsse,  wie  der  eintretende  Dampf.  Aber  ebenso 
nothwendig  war,  dass  der  Dampf,  um  sich  vollständig  zu  kondensiren,  auf 
weniger  als  30®  R.  abgekühlt  würde.  Diese  Bedingungen  gleichzeitig  zu 
erfüllen,  erschien  anfangs  unmöglich. 

Wir  müssen  für  einen  Augenblick  die  Weiterentwickelung  von  Watt's  Fein- 
mechanikergeschäft betrachten.  Sein  Laden  in  dem  Universitätsgebäude  erwues 
sich  als  zu  abgelegen.  Einen  besser  gelegenen  Laden  zu  miethen,  überstieg 
seine  Geldmittel.    Er  associrte  sich  daher  um  1760  mit  einem  Mr.  Craig,  der 


TjGO  James  Watt  und  die  £i  findung  der  Dampfmaschine. 

die  Gescliäftsbüclier  führte  und  Ende  1764  hatte  sich  das  Geschäft  so  ver- 
grössert,  dass  es  16  Arbeiter  beschäftigte  und  Watt  etwas  Geld  zurücklegen 
konnte.  In  diesem  Jahre  verheirathete  er  sich  und  das  heitere  Temperament 
seiner  Frau  hatte  auf  ihn,  der  oft  an  nervösen  Kopfschmerzen  litt  und  zur 
Melancholie  hinneigte,  einen  wohlthätigen  Einfluss. 

Er  setzte  seine  Studien  über  die  Dampfmaschine  fort,  vernachlässigte 
aber  sein  eigentliches  Geschäft  nicht.  Er  erfand  ein  Instrument  zum  perspek- 
tivischen Zeichnen,  wovon  er  viele  Exemplare  absetzte.  In  Betreff  der  Dampf- 
maschine tappte  er  (um  seine  eigenen  Worte  zu  gebrauchen)  lange  Zeit  im 
Dunkeln,  von  vielen  Irrlichtem  irre  geleitet.  Endlich  wurde  es  Licht.  In 
einem  Briefe  erzählt  er: 

„An  einem  schönen  Sonntag  Nachmittag  ging  ich '  spazieren.  Ich  dachte 
über  meine  Maschine  nach  und  mir  kam  der  Gedanke,  dass  der  Dampf  als 
elastischer  Körper  in  einen  luftleeren  Baum  rasch  einströmen  würde.  Wenn 
daher  zwischen  dem  Dampfcylinder  und  einem  luftleer  gemachten  Gefass  eine 
Verbindung  hergestellt  würde,  so  würde  er  rasch  hineinströmen  und  darin 
kondensirt  werden  können,  ohne  dass  der  Cylinder  abgekühlt  würde. 
Ich  sah  dann  ein,  dass  ich  den  kondensirten  Dampf  und  das  Einspritzwasser, 
ebenso  wie  bei  der  Xewcomen-Maschine,  wegschaflen  müsse,  und  es  kamen 
mir  zwei  Wege  in  den  Sinn.  Erstlich  könne  das  Wasser  durch  eine  Röhre 
abfliessen,  wenn  der  AusHuss  in  einer  Tiefe  von  35  bis  36'  erfolgen  könne 
und  etwaige  Luft  könne  dann  durch  eine  kleine  Pumpe  entfernt  werden. 
Der  zweite  Weg  war,  eine  Pumpe  zu  machen  gross  genug,  um  das  Wasser 
mit  der  Luft  zusammen  herauszuschaffen.  Ich  war  noch  nicht  viel  weiter 
gegangen,  als  die  Sache  in  meinem  Geiste  feststand." 

Grosse  fruchtbringende  Gedanken  scheinen  nachträglich  immer  so  ein- 
fach, dass  wir  geneigt  sind,  uns  darüber  zu  wundem,  dass  sie  nicht  sc^Ieicli 
gefunden  wurden.  Watt  in  seiner  Bescheidenheit  sagte  in  späteren  Jahren 
selbst,  wenn  man  die  Sache  näher  betrachte,  sei  seine  Erfindung  nicht  so  gross, 
wie  es  scheine.  Die  Nachwelt  ist  gerechter  gegen  ihn  gewesen.  Seine  epoche- 
machende Erfindung  war  keine  zufälligeEntdeckung.  sondern  die  Frucht 
eingehender  Studien  und  angestrengtesten  Nachdenkens. 

Am  anderen  Morgen  begann  er,  einen  Versuchsapparat  zu  machen 
und  dieser  bewies  die  Bichtigkeit  seiner  neuen  Idee,  aber  viele  arbeitsvoUe 
Jahre  sollten  noch  vergehen,  bis  alle  Details  seiner  Kondensationsdampfmasdiizie 
gehörig  ausgearbeitet  waren. 

Watt  sah  femer  ein,  dass  bei  der  NEWCOMEX-Maschine  auch  die  de: 
Kolben  niederdrückende  Luft  dazu  beitrag,  den  Cylinder  abzukühlen.  Um  dies 
zu  vermeiden,  versah  er  den  Cylinder  mit  einem  Deckel,  um  den  Ko'.ben  äz> 
statt  durch  atmosphärische  Luft,  durch  Dampf  niederdrücken  zu  lasser. 
War  dies  geschehen,  so  wurde  eine  Verbindung  zwischen  den  Räumen  cbfr 
und  unter  dem  Kolben  hergestellt,  so  dass  der  Dampfdruck  mm  au  beiden 


Fundamentalsatz,  die  ersten  Verbesserungen.  i>Cl 

Seiten  des  Kolbens  gleich  war,  und  das  üebergewicht  des  Pumpengestänges 
den  Kolben  hob.  Alsdann  wurde  der  nun  unter  dem  Kolben  befindliche  Dampf 
in  den  Kondensator  gelassen  und  neuer  Dampf  über  dem  Kolben  aufgegeben, 
der  den  Kolben  wieder  niederdrückte.  Aus  der  atmosphärischen  Maschine 
Newcomen's  wurde  dadurch  eine  einfach  wirkende  eigentliche  Dampfmaschine, 
bei  der  der  Dampfdruck  jedoch  vorerst  nicht  grösser  war,  als  der  der  atmo- 
sphärischen Luft. 

Endlich,  um  den  Cylinder  noch  besser  vor  Abkühlung  zu  schützen,  brachte 
Watt  einen  Dampfmantel  an,  d.  h.  er  machte  den  Cylinder  doppelwandig  und 
Hess  zwischen  die  beiden  Cylinderwände  Dampf  einströmen.  Auch  brachte  er 
zum  Schmieren  und  völligen  Dichten  des  Kolbens  Oel  in  den  Cylinder,  wäh- 
rend Newcomen  zu  diesem  Zwecke  Wasser  angewendet  hatte. 

Alle  diese  Verbesserungen  resultirten  aus  dem  einen  Grundsatze:  Die 
Cylinderwandung  muss  auf  der  Temperatur  des  einströmenden 
Dampfes  erhalten  werden.  Bekanntlich  sind  die  allerneuesten  so- 
genannten Compound-Dampfmaschinen  auch  nur  durch  eine  weitere  Verfolgung 
dieses  ersten  WATT'schen  Grundsatzes  entstanden. 

Zunächst  musste  nun  ein  Modell  von  der  neu  erdachten  Maschine  gemacht 
nnd  diese  Arbeit  möglichst  geheim  gehalten  werden,  um  Nachahmungen  vor- 
zubeugen. Watt  miethete  einen  Kellerraum,  in  dem  er  eifrigst  ans  Werk 
ging.  Aber  wie  den  meisten  erfinderischen  Köpfen  war  ihm,  was  er  gemacht 
hatte,  immer  nicht  gut  genug  und  das  verzögerte  die  Fertigstellung.  Anderen- 
theils konnte  er  keine  geeigneten  Arbeiter  zur  Ausführung  seiner  Pläne  finden. 
Er  selbst  war  Feinmechaniker  und  konnte  mit  mechanischen  Arbeiten  im 
Grossen  nicht  umgehen.  Die  einzigen  Arbeiter,  deren  Hilfe  er  in  Anspruch 
nehmen  konnte,  waren  Schmiede,  Schlosser  tmd  Spengler  von  geringer  Geschick- 
lichkeit. Das  erste  Modell  war  deshalb  sehr  mangelhaft,  doch  genügte  es, 
die  Ueberlegenheit  der  neuen  Konstruktion  erkennen  zu  lassen.  Watt  musste 
die  Sache  weiter  verfolgen.  Er  schrieb  um  diese  Zeit  an  einen  Freund:  „Alle 
meine  Gedanken  sind  nur  auf  diese  Maschine  gerichtet,  ich  kann  nichts 
anderes  denken.'^ 

Er  miethete  nun  auf  einem  abgelegenen  Terrain  eine  verlassene  Töpferei 
und  schloss  sich  dort  mit  einem  Assistenten,  John  Gardiner,  ein,  um  eine 
Versuchsmaschine  von  5  bis  6"  Cylinderdurchmesser  und  2'  Hub  zu  bauen. 
Nach  zwei  Monaten  angestrengter  Arbeit  war  sie  fertig  und  wurde  in  Gang 
gesetzt,  zeigte  sich  aber  überall  undicht.  Der  Cylinder  war  nicht  ausgebohrt, 
sondern  nur  aus  Blech  gehämmert.  Die  gesammte  mechanische  Künstlerschafb 
Glasgow's  war  damals  nicht  im  Stande,  den  einfachsten  Cylinder  auszubohren, 
Newcomen's  Wasserdichtung  aber  konnte  in  dem  geschlossenen  Dampfcylinder 
nicht  angewendet  werden,  zumal  er  heiss  bleiben  sollte.  —  Während  Watt 
auf  neue  Mittel  sann,  um  diesen  Uebelständen  abzuhelfen,  starb  sein  geschick- 
tester Arbeiter,  ein  alter  Spengler.    Doch  war  er  entschlossen,  weiter  zu  arbeiten. 

36 


562  James  Watt  und  die  Erfindung  der  Dampfmaschino. 

Aber  wo  sollte  er  Mittel  dazu  finden?  Er  selbst  war  ein  verhältniss- 
mässig  armer  Mann  und  hatte  schon  zu  viel  auf  seine  Versuche  verwendet. 
Sein  Freund  Dr.  Black  interessirte  sich  zwar  lebhaft  hierfür  und  hatte  ihm 
schon  öfters  mit  kleinen  Summen  ausgeholfen,  aber  auch  seine  Mittel  waren 
zu  beschränkt,  um  mehr  thun  zu  können.  Black  dachte  darüber  nach,  ob  er 
Watt  nicht  einen  geeigneten  Associe  verschaffen  könne  und  glaubte  endlich 
in  Dr.  Roebuck,  dem  Gründer  der  Carron-Eisenwerke  die  richtige  Person  hier- 
für gefunden  zu  haben.  Dieser  betrieb  eine  Kohlengrube,  bei  der  er  bedeutende 
Schwierigkeiten  hatte,  das  Wasser  fem  zu  halten.  Eine  NEWCOMEX-Maschine, 
die  er  aufgestellt  hatte,  hatte  sich  als  ziemlich  nutzlos  erwiesen.  Als  ihm 
daher  Dr.  Black  von  Watt's  verbesserter  Dampfmaschine  sprach,  interessirte 
er  sich  sehr  dafür  und  begann  mit  Watt  zu  korrespondiren,  indem  er  ihn 
ermahnte,  seine  Erfindung  so  rasch  als  möglich  vorwärts  zu  bringen.  Im 
November  17G6  schickte  ihm  dieser  detaillirte  Zeichnungen  von  einem  Dampf- 
cylinder  und  Kolben,  die  auf  den  Carron-Eisenwerken  gegossen  werden  sollten. 
Sie  wurden  so  gut  gemacht,  wie  es  auf  dem  Eisenwerke  nur  möglich  war, 
und  mussten  doch  als  unbrauchbar  beiseite  gelegt  werden. 

Um  diese  Zeit  schrieb  Matthew  Boulton  von  Birmingham  an  Dr.  Roe- 
buck und  erkundigte  sich  über  Dampfmaschinen. 

Birmingham  ist  ein  uralter  Sitz  der  Eisen-  und  Metallindustrie.  Schon 
1538  werden  seine  Messer-  und  Nagelschmiede  rühmend  erwähnt.  Als  die 
Geschicklichkeit  der  Arbeiter  wuchs,  gab  man  die  gewöhnlichen  Schmiede- 
arbeiten auf  und  wandte  sich  feineren  Metallarbeiten  zu.  In  der  Zeit,  wo- 
von wir  reden,  war  diese  Geschicklichkeit  seit  Jahrhunderten  vom  Vater 
auf  den  Sohn  vererbt  und  ausgebildet  worden.  An  keinem  anderen  Orte 
waren  Leute  zu  finden,  die  so  fähig  gewesen  wären.  Neues  richtig  auszu- 
führen. 

Matthew  Boulton,  geboren  1728,  dessen  Vater  ein  Metall waarengeschäft 
betrieb,  führte  schon  in  seinem  17.  Lebensjahre  wesentliche  Verbesserungen  in 
der  Fabrikation  von  Metallknöpfen,  Uhrketten  u.  dergl.  ein,  worauf  ihn  sein 
Vater  als  Geschäftstheilhaber  annahm.  Er  war  stets  bestrebt,  nur  vorzüg- 
liche Fabrikate  zu  liefern  und  das  damals  zweifelhaft  gewordene  Renomme 
der  Birminghamer  Waaren  zu  heben.  1759  starb  sein  Vater  und  hinterHess 
ihm  ein  beträchtliches  Vermögen,  auch  heirathete  er  eine  reiche  Dame,  so 
dass  er  nicht  mehr  nöthig  gehabt  hätte,  ein  Geschäft  zu  treiben.  Aber  er 
fand  sein  Vergnügen  in  rastloser  Thätigkeit  und  nahm  sich  vor,  sein  Geschäft 
zu  dem  ersten  seiner  Zeit  zu  erheben.  Zu  diesem  Zwecke  kaufte  er  das 
Landgut  Soho,  zwei  englische  Meilen  nördlich  von  Birmingham  und  errichtete 
dort  seine  Fabrik  in  grossem  Massstabe.  Er  nahm  einen  Theilhaber,  John 
FoTHERGiLL,  der  nur  wenig  Vermögen  hatte,  nur  wegen  seiner  Kenntniss  aus- 
ländischer Märkte  an.  Sein  Geschäft  wurde  bald  durch  solide  Arbeit  und 
als  Stätte  wahrer  Kunstindustrie  weit  berühmt.     1770  beschäftigte  er  700  bis 


Dr.  Roobuck,  Mattbuw  ßoulton,  Dr.  Small.  5G3 

800  Arbeiter  und  zwei  Wassermühlen  zum  Walzen,  Drehen,  Poliren  und  Schleifen. 
Die  vornehmsten  und  berühmtesten  Männer  aus  allen  civilisirten  Staaten  besuchten 
das  Etablissement  imd  wurden  von  Boulton  stets  glänzend  bewirthet.  Es 
scheint  jedoch,  dass  er  sein  Geschäft  zu  rasch  ausdehnte,  denn  schon  1772 
als  ein  Herr  Tonson  in  London  starb,  der  ihm  10000  SS  (d.  s.  allerdings 
200000  M.)  geliehen  hatte,  fiel  es  ihm  schwer,  diese  zurückzuzahlen. 

Bei  dem  Anwachsen  des  Geschäftes  erwies  sich  die  vorhandene  Wasser- 
kraft als  ungenügend.  Sechs  bis  zehn  Pferde  wurden  zur  Beihülfe  eingestellt, 
aber  man  fand  ihre  Verwendung  sehr  unbequem.  Im  Februar  und  März  1766 
korrespondirte  deshalb  Boultox  mit  Benjamin  Franklin,  der  acht  Jahre  zuvor 
seine  Fabrik  besucht  hatte  und  sich  zu  jener  Zeit  in  London  befand,  über 
Dampf  kraft,  fertigte  auch  ein  Modell  von  einer  Dampfmaschine  nach  seiner 
eigenen  Idee  an  und  sandte  es  an  Fhaxklin  zur  Prüfung.  Unter  Anderen 
schrieb  er  auch  um  diese  Zeit  an  Dr.  Roebuck  und  richtete  die  vorhin  er- 
wähnte Anfrage  an  ihn,  worauf  er  Nachriclit  von  Watt's  Erfindung  erhielt 
und  den  Wunsch  äusserte,  dass  dieser  ihn  besuchen  möge. 

Watt  hatte  inzwischen  seinen  Theilhaber  im  Feinmechanikergeschäfte 
verloren.  Dieses  war  zurückgegangen,  und  um  den  Unterhalt  für  seine  Familie 
zu  erwerben,  entschloss  er  sich,  es  ganz  aufzugeben,  und  als  Geometer  und 
Civilingenieur  sein  Brod  zu  erwerben.  Er  erhielt  als  solcher  auch  Auf- 
träge, sowohl  von  der  Gemeinde,  als  von  Privaten.  Unter  anderem  arbeitete 
er  das  Projekt  zu  einem  Kanäle  zwischen  den  Flüssen  Clyde  und  Forth  aus 
und  reiste  in  dieser  Angelegenheit  1767  nach  London.  Auf  der  Rückreise 
besuchte  er  Soho. 

Boulton  war  gerade  abwesend,  aber  Dr.  Small,  der  sich  als  praktischer 
Arzt  in  Birmingham  niedergelassen  und  grossen  Ruf  erlangt  hatte,  zeigte  ihm 
die  Werke.  Watt  war  erstaunt  über  deren  Einrichtungen  und  erkannte  das 
grosse  Organisationstalent  ihres  Besitzers.  Auch  überzeugte  er  sich  von 
der  Ueberlegenheit  der  Arbeiter  im  Vergleiche  zu  denen  in  Glasgow. 
Eine  Unterhaltung  über  Dampfkraft  muss  zwischen  ihm  und  Dr.  Small  auch 
stattgefunden  haben,  denn  dieser  schrieb  kurze  Zeit  darauf  an  ihn  und  forderte 
ihn  auf,  nach  Soho  zu  kommen  und  sich  mit  ihm  und  Boulton  zum  Zwecke 
der  Fabrikation  von  Dampfmaschinen  zu  associren.  Vermuthlich  war  dies  die 
Veranlassung  dazu,  dass  Dr.  Roebuck  seinem  Birminghamer  Korrespondenten 
zuvorkam.  Er  zahlte  die  Schulden,  die  Watt  zur  Ausarbeitung  seines  Projekts 
bis  dahin  gemacht  hatte,  im  Betrage  von  1000  äS  und  versprach,  ihn  auch 
mit  den  nöthigen  Mitteln  zur  Fortsetzung  seiner  Versuche  und  zur  Er- 
langung des  Patentes  für  die  Maschine  zu  versehen,  wofür  ihm  von  Watt 
zwei  Drittel  des  Eigen thumsrechtes  daran  zugesagt  wurden. 

Zu  Anfang  des  Jahres  1768  machte  dieser  Versuche  mit  einem  Modell 
von  7  bis  8"  Cylinderdurchmesser,  aber  die  Resultate  waren  zunächst  unbe- 
friedigend. 

36* 


564  James  Watt  und  die  Erfindung  der  Dampfoiaschioo. 

Dr.  Roebuck  wurde  ungeduldig.  Nach  etwa  einem  Monate  gelang  es 
Watt,  das  Modell  dahin  zu  bringen,  dass  es  zu  seiner  Zufriedenheit  aibeitete, 
und  er  theilte  dies  seinem  Theilhaber  mit  den  Worten  brietiich  mit:  „Ich 
gratulire  Ihnen  von  Herzen  zu  diesem  guten  Erfolge  und  hoflfe,  dass  er  Ihnen 
Erfüllung  der  Verbindlichkeiten  bringen  wird,  die  ich  gegen  Sie  habe."  Beide 
beschlossen  nun,  sofort  ein  Patent  zu  nehmen.  Watt  reiste  nach  Berwick, 
um  bei  dem  zuständigen  Beamten  die  nöthigen  Erklärungen  zur  Erlangung 
eines  vorläufigen  Schutzes  abzugeben  und  im  August  1768  finden  wir 
ihn  in  London  zur  Betreibung  seiner  Patentangelegenheit.  Die  vielen  For- 
malitäten, die  hier  erfüllt  und  die  hohen  Spesen,  die  bezahlt  werden  mussten, 
erschöpften  seine  Geduld  und  er  schrieb  in  der  melancholischsten  Stimmung 
an  seine  Frau.  Diese  aber  antwortete :  „Ich  bitte  Dich,  mache  Dir  keine 
Sorgen,  wenn  auch  die  Dinge  nicht  so  gehen,  wie  Du  es  wünschst.  Geht's 
mit  der  Maschine  nicht,  so  wird  es  mit  etwas  Anderem  gehen.  Nur  ver- 
zweifle nicht!" 

Er  empfing  auch  einen  Brief  von  Dr.  Small,  der  ihm  schrieb:  „Nehmen 
Sie  Ihr  Patent,  kommen  Sie  nach  Birmingham  und  bleiben  Sie  da,  so  lang 
Sie  können."  Dieser  Einladung  leistete  er  Folge  und  sah  zum  erstenmal 
BouLTON.  Beide  fassten  sofort  eine  herzliche  Zuneigung  zu  einander,  sie 
sprachen  viel  über  die  Maschine,  und  es  freute  Watt,  dass  ein  so  scharf- 
sinniger praktischer  Fabrikant  sich  günstig  darüber  aussprach.  Trotz  alledem 
konnte  er  seine  Muthlosigkeit  nicht  abschütteln  und  nahm  sie  mit  nach  Hanse. 
Als  kurz  darauf  Dr.  iloBisox  nach  Soho  kam,  sagte  Boulton  zu  ihm,  wenn  er 
auch  angef^ingen  habe,  eine  Pumpmaschine  zu  konstruiren,  so  sei  er  doch  ent- 
schlossen, damit  nicht  fortzufahren,  bevor  der  Erfolg  oder  Misserfolg  von 
Watt  und  Roebück's  Maschine  erwiesen  sei.  ;,Wenn  ich  meine  projektirte 
Maschine  weiter  ausführen  wollte^,  sagt  er,  ;,müsste  ich  das  benutzen,  was 
ich  aus  der  Unterhaltung  mit  Herrn  Watt  gelernt  habe,  und  das  würde  ohne 
seine  Erlaubniss  nicht  recht  sein.^ 

Boulton's  Verhalten  in  diesem  Falle  ist  durchaus  charakteristisch 
für  ihn  und  giebt  ein  Bild  von  seiner  unwandelbaren  Ehrenhaftigkeit. 
Watt  untejrhielt  eine  Korrespondenz  mit  Boulton  und  Dr.  Small  über  die 
Fortschritte  seiner  Erfindung.  Letzteren  bat  er  wiederholt,  Boulton  zu 
veranlassen,  sich  mit  ihm  und  Roebuck  zu  associren,  aber  Boulton  war  zur 
Zeit  zu  sehr  von  seinen  eigenen  Geschäften  in  Anspruch  genommen,  um 
ernstlich  auf  diesen  Plan  einzugehen. 

Im  Gegensatze  zu  Watt  war  der  sanguinische  Dr.  Roebuck  durch  das 
gute  Arbeiten  des  Modells  begeistert  und  voller  Ungeduld,  die  Erfindung  in 
die  Praxis  einzuführen.  Er  schrieb  im  Oktober  an  Watt:  ^Sie  lassen  jetzt 
den  wichtigsten  Theil  Ihres  Lebens  unversehens  verstreichen.  Kein  Tag,  kein 
Augenblick  sollte  verloren  werden!  Sie  sollten  Ihre  Gedanken  weder  durch 
irgend  einen  anderen,  noch  durch  weitere  Verbesserungen  dieses  Gegen- 


Ib 


Erstes  Patent,  Calledonian  Kanal,  Maschine  zu  Kinneil.  565 

Standes  ablenken  lassen,  sondern  auf  schleunigste  Ausführung  einer  Maschine 
▼on  geeigneter  Grösse  nach  Ihrem  jetzigen  Plane  bedacht  sein.^ 

Wait  aber  hörte  nicht  auf,  zu  verbessern.  Er  machte  Versuche  mit 
Röhren-  und  Plattenkondensatoren,  neuen  Kolbendichtungen,  Luftpumpen, 
Speisepumpen,  Oelpumpen,  Ventilen,  Schiebern  u.  s.  w.  Roebuck  fing  an  zu 
furchten,  dass  die  Erfindung  niemals  zum  Abschlüsse  kommen  werde.  In 
seinen  späteren  Jahren  sagte  Watt  einmal  zu  einem  Bewunderer  seiner  Dampf- 
maschine: ;,Das  Publikum  sieht  nur  meinen  Erfolg,  aber  nicht  die  vorher- 
gegangenen Miss  erfolge  und  rohen  Konstruktionen,  die  mir  als  so  viele 
Sprossen  dienten,  worauf  ich  zum  Gipfel  der  Leiter  gelangte." 

Die  Abfassung  seiner  Patentschrift  zeugt  von  seinen  umfassenden 
Stadien.  Er  beleuchtet  darin  seinen  Gegenstand  von  allen  Seiten.  Er 
sah  alle  Verwendungsarten  des  Dampfes  voraus.  Hochdruck  dampf maschinen 
sah  er  für  den  Fall  vor,  dass  es  an  Wasser  zur  Kondensation  fehlen  sollte, 
Expansion  zur  Dampfersparniss.  Anfangs  1769  wurde  die  Patentschrift 
eingereicht. 

Watt  ging  nun  daran,  zu  Kinneil,  dem  Wohnorte  von  Dr.  Roebuck  eine 
Versuchsmaschine  nach  seiner  Patentbeschreibung  zu  bauen.  Aber,  um  den 
Unterhalt  seiner  Famile  bestreiten  zu  können,  hatte  er  bereits  früher  die  Ver- 
messungsarbeiten für  einen  Kanal  von  Monkland  nach  Glasgaw  ausgeführt 
und  jetzt  auch  dessen  Ausführung  zu  leiten.  Er  sicherte  sich  dadurch  wenig- 
stens für  einige  Zeit  ein  Einkommen  von  200  £  jährlich.  W^egen  dieser  Be- 
schäftigung konnte  er  nur  mit  häufigen  Unterbrechungen  den  Arbeiten  in 
Kinneil  beiwohnen.  Auch  wegen  der  Ungeschicklichkeit  der  Arbeiter  schritten 
sie  nur  langsam  vor  und  verursachten  ihm  viele  Sorgen  und  schlaflose  Nächte. 
Als  die  Maschine  endlich  nach  sechsmonatlicher,  angestrengter  Thätigkeit 
Watt's  fertig  wurde,  musste  er  sie  als  eine  tölpelhafte  Arbeit  bezeichnen, 
und  dement-sprechend  funktionirte  sie  schlecht.  „Sie  können  sich  nicht 
denken",  schrieb  er  an  Dr.  Small,  ^wie  peinlich  ich  durch  diese  Enttäusch- 
ung berührt  bin.  Es  ist  ein  verdammtes  Ding  für  einen  Menschen,  wenn 
sein  Alles  an  einem  Faden  hängt.  Wenn  ich  die  Verluste  bezahlen  könnte, 
würde  ich  einen  Misserfolg  nicht  so  sehr  fürchten,  aber  ich  kann  den  Ge- 
danken nicht  ertragen,  dass  Andere  durch  meine  Projekte  Verluste  erleiden 
sollen,  und  ich  habe  die  schöne  Gabe,  alles  schwarz  zu  sehen."  Dr.  Small 
schlug  vor,  Watt  möge  Zeichnungen  von  seiner  Maschine  nach  Soho  schicken 
und  BoüLTON  und  er  wollten  ihr  Möglichstes  thun,  um  eine  fertig  zu  stellen 
und  ihre  Arbeitskraft  zu  beweisen.     Watt  willigte  ein. 

Um  diese  Zeit  kam  Dr.  Roebuck  in  Geldverlegenheiten.  Steine  Kohlen- 
gruben waren  unter  Wasser,  und  Ruin  drohte,  ehe  Watt's  Maschine  ihm  zu 
Hülfe  kommen  konnte.  Er  wurde  so  sehr  um  Geld  gedrängt,  dass  er  die 
Kosten  von  Watt's  Patent  nicht  decken  konnte,  wie  er  versprochen  hatte. 
Watt's  treuer  Freund  Dr.   Black   half  diesem  wieder  aus  der  Verlegenheit. 


506  James  Watt  und  die  Erfindung  der  Dampfmaschine. 

Watt's  Schulden  wuchsen  aber  dadurch  noch  mehr  und  er  schrieb  an  Dr. 
Small:  ;,Es  giebt  nichts  Thö  richte  res  im  Leben,  als  zu  erfinden^  und 
am  31.  Januar  1770  schrieb  er:  ;, Heute  trete  ich  mein  35.  Lebensjahr  an, 
und  ich  glaube,  ich  habe  der  Welt  noch  nicht  für  35  Pfennige  genützt,  aber 
ich  kann  es  nicht  ändern''.  Er  konnte  seinem  inneren  Drange  nicht  wider- 
stehen und  war  unaufhörlich  mit  Erfindungen  aller  Art  beschäftigt,  die  wir 
nicht  aufzählen  wollen,  weil  sie  mit  der  Erfindung  der  Dampfmaschine  in 
keinem  Zusammenhange  stehen.  Doch  dürfte  es  vielleicht  für  viele  von  Liter- 
esse sein,  zu  erfahren,  dass  Watt  um  diese  Zeit  das  Kopiren  von  Briefen 
mit  der  Kopirpresse  erfand.  Die  versprochenen  Zeichnungen  einer  Dampf- 
maschine schickte  er  Anfangs  1770  nach  Soho.  Dort  ging  man  sofort  an  die 
Ausführung.  Modelle  wurden  gemacht  und  zum  Abgüsse  nach  Coalbrookdale 
geschickt,  aber  die  Abgüsse  fielen  so  schlecht  aus,  dass  man  sie  beiseite  stellen 
musste.  In  einer  zweiten  Giesserei  hatte  man  keinen  besseren  Erfolg.  Die 
Theile  zu  der  Maschine  kamen  zwar  endlich  zusammen,  aber  noch  ehe  sie 
zusammengestellt  werden  konnten,  brach  Roebuck's  Konkurs  aus. 

Dieser  schuldete  u.  a.  1200  jß  an  Boulton,  der  sich  erbot,  an  Stelle 
dieser  Summe  Roebuck's  Antheil  an  Watt's  Dampfmaschinenpatent  zu  über- 
nehmen. Die  übrigen  Gläubiger  hatten  nichts  dagegen  einzuwenden,  weil  sie 
dem  Patent  keinen  Werth  zuschrieben,  und  Watt  sagte  selbst,  es  würde 
nur  eine  schlechte  Forderung  durch  eine  andere  schlechte  gedeckt  werden. 

BoüLTON  schrieb  an  Watt,   dass  er  keine  sanguinischen  Hoffnungen  für 
den  Erfolg  der  Maschine  hege,  da  er  aber  in  der  Probirkunst  geübt  sei,  wolle 
er  sie  auf  ihren  Goldgehalt  prüfen.    Er   fügte    hinzu:    ;,Sie   ist  jetzt   ein 
Schatten,   eine  blosse  Idee,  und  es  wird  Zeit  und  Geld  kosten,  etwas 
daraus  zu  machen.     Wir  haben  noch  keinen  Versuch  damit  gemacht,  denn 
die  Zeiten  sind  so  schrecklich  schlecht,  dass  ich   meine  Gedanken  nicht  frei 
genug  hatte,   um  an  neue  Pläne  denken  zu  können.     Sobald  Boulton  und 
Dr.  Roebuck  sich  darüber  verständigt  hatten,  packte  Watt  die  Maschine  in 
Kinneil  zusammen  und  schickte  sie  nach  Soho.    Dr.  Small  drängte  ihn  wieder- 
holt, dorthin  überzusiedehi,  um  die  Arbeiten  an  den  Dampfmaschinen  selbst 
zu  überwachen,  aber  er  musste  zuvor  die  übernommenen  Vermessungsarbeiten 
für  den  Calledonian-Kanal  beendigen.    Dies  geschah  im  Herbste  1773  in  einer 
unwegsamen  Gegend.     „Unaufhörlicher  Regen^,  sagt  Watt,  ;,durchnässte  mich 
drei  Tage  lang,  wie  Wasser  es  nur  thun  kann.     Ich  konnte  kaum  mein  Jour- 
nal retten*'.    Mitten  in  dieser  trübseUgen  Arbeit  wurde  er  durch  die  Trauer- 
botschaft abgerufen,   dass  seine  Frau  gefährlich  erkrankt  sei.     Er  eilte  nach 
Hause   und   fand   sie  todt.    Von  allen   Schicksalsschlägen,  die  ihn  getroffen 
hatten,  empfand  er  diesen  am  schmerzlichsten.    Noch   geraume  Zeit   danach, 
wenn  er  seine  Schwelle  betrat,   blieb  er  stehen  und  konnte  den  Muth  nicht 
finden,  die  Räume  zu  betreten,  woraus  sein  Trost  und  die  Freude  seines  Lebens 
gewichen  war.     „Und  doch",  sagte  er  in  einem  Briefe  an  Dr.  Small,  „hätte 


Dr.  Roeback*s  Konkurs,  Patent- Verlängerung.  567 

dieser  Schlag  mich  zu  einer  anderen  Zeit  treffen  können,  wo  ich  weniger  fähig 
gewesen  wäre,  ihn  zu  ertragen  und  meine  Kinder  würden  dann  der  Barmher- 
zigkeit der  Welt  überlassen  gewesen  sein.^  Er  suchte  seine  Sorgen  in  ver- 
mehrter Arbeit  zu  vergessen,  aber  sein  Unglück  drohte  ihn  zu  überwältigen. 
Seine  Dampfmaschine,  die  er  als  die  Ursache  seines  Unglücks  fast  ver- 
fluchte, machte  keine  weiteren  Fortschritte.  Dr.  Roebuck  wurde  als  ruinirter 
Mann  seinen  Gläubigern  überantwortet.  ;,Mein  Herz  blutet  für  ihn^,  sagte 
Watt,  ^aber  ich  kann  nichts  für  ihn  thun.  Ich  habe  so  lange  bei  ihm  aus- 
gehalten, dass  ich  mir  selbst  schadete.^ 

Endlich  im  Frühjahr  1774  hatte  Watt  seine  Vermessungsarbeiten  in 
Schottland  vollendet  und  reiste  im  Mai  nach  Birmingham.  Die  von  Kinneil 
gekommenen  Maschinentheile  wurden  so  rasch  als  möglich  von  Bollton's  ge- 
schickten Leuten  unter  Watt's  Anleitung  verbessert  und  wieder  zusammen- 
gesetzt und  die  Maschine  arbeitete  viel  besser  als  zuvor. 

Sechs  Jahre  von  den  vierzehn,  für  die  das  Patent  lautete,  waren  indess 
schon  verflossen  und  wie  viel  Zeit  war  noch  erforderlich,  bis  man  Kapitalisten 
und  Industrielle  von  dem  praktischen  Nutzen  der  Erfindung  überzeugen  konnte? 
Es  war  nicht  unwahrscheinlich,  dass  das  Patentrecht  eher  erlöschen 
würde.  Deshalb  zögerte  Boulton,  die  nöthigen  Summen  für  die  Beschaffung 
von  Gebäuden,  Maschinen  und  Werkzeugen  zur  Fabrikation  von  Dampf- 
maschinen zu  bewilligen.  Anfangs  1775  schickte  er  Watt  nach  London,  um 
sich  zu  erkundigen,  ob  es  möglich  wäre,  eine  beträchtliche  Verlängerung  der 
Patentdauer  zu  erlangen.  Man  rieth  ihm,  eine  Petition  beim  Parlament  ein- 
zureichen. Nach  Watt's  Rückkehr  erklärten  sich  Boulton  und  Small  damit 
einverstanden  und  er  ging  ein  zweites  Mal  nach  London,  um  die  Eingabe  dort 
ausarbeiten  zu  lassen.  Kaum  war  er  dort  angekommen,  so  erreichte  ihn  die 
Trauerbotschaft,  dass  Dr.  Small  gestorben  sei.  Er  war  lange  kränklich  ge- 
wesen, sein  Tod  aber  war  ein  harter  Schlag  für  Watt  und  Boulton.  Er  war 
bei  allem  zu  Rathe  gezogen  worden  und  hatte  sich  an  dem  Dampfmaschinen- 
geschäfte betheiligen  wollen,  aber  es  war  noch  zu  keinen  festen  Abmachungen 
gekommen,  auch  nicht  zwischen  Boulton  und  Watt.  Alles  hing  von  dorn  Er- 
folge der  Eingabe  um  Verlängerung  des  Patentes  ab. 

Diese  wurde  am  28.  Februar  1775  dem  Parlamente  vorgelegt  und  be- 
gegnete heftiger  Opposition.  Die  Grubenbesitzer  wollten,  dass  die  Er- 
findung so  bald  als  möglich  freigegeben  werde  und  protestirten  laut  gegen  das 
,,MonopoP,  wie  sie  die  Verlängerung  des  Patentes  nannten.  Watt  legte  die 
Schwierigkeiten  dar,  womit  er  zu  kämpfen  gehabt  hatte,  und  dass  er  für  seine 
vieljährigen,  aufreibenden  Bemühungen  zum  Besten  der  Allgemeinheit  keinen 
Lohn  erwarten  könne,  wenn  ihm  nicht  durch  Verlängerung  des  Patentes  die 
nöthige  Zeit  vergönnt  werde,  seine  Erfindung  zu  vollenden  imd  diejenigen, 
welche  ihrer  bedürften,  von  deren  Vorzügen  zu  überzeugen.    Seine  Darlegungen 


5G8  James  Watt  und  die  £riindang  der  Dampfmaschine. 

verfehlten  auf  billig  denkende  Männer  ihre  Wirkung  nicht  und  sein  Pji- 
tentrecht  wurde  bis  zum  Jahre  1800  verlängert. 

Zuvor  war  ein  definitives  Abkommen  mit  Dr.  Roebuck  noch  nicht  ge- 
troffen worden.  Man  einigte  sich  nun  dahin,  dass  Boulton  ihm  für  seinen 
Patentantheil  von  zwei  Drittel  noch  1000  jß  von  den  ersten  Gewinnen 
ausbezahlen  sollte;  um  die  beständig  drängenden  Gläubiger  Roebuck^s  los  zu 
werden,  zahlte  Boülton  aber  in  der  Folge  diese  Summe  schon,  ehe  ihm  aus 
der  Verbindung  mit  Watt  Gewinn  erwachsen  war. 

Dieser  kehrte  von  London  nach  Birmingham  zurück. 

Während  seiner  Abwesenheit  war  Boülton  mit  Versuchen  an  der  vor- 
handenen Maschine  eifrigst  beschäftigt  gewesen.  Ein  neuer  18  zölliger  Cylinder 
war  von  dem  berühmten  Eisengiesser  John  Wilkinson  in  Bersham  dafür  ge- 
gossen worden,  und  dieser  hatte  auch  eine  Maschine  konstruirt,  um  ihn  richtig 
auszubohren.  Der  Cylinder  war  an  die  Stelle  des  alten  von  Kinneil  gesetzt, 
und  nach  mehreren  anderen  Verbesserungen  war  die  Maschine  mit  sehr  be- 
friedigendem Erfolge  in  Gang  gesetzt  worden.  Watt  fand  deshalb  und 
wegen  der  glücklich  erreichten  Verlängerung  des  Patentes  bei  seiner  Rückkehr 
Boulton  in  bester  Laune  und  es  wurden  sofort  die  nothigen  Vorkehrungen 
zur  Fabrikation  der  Dampfmaschine  getroffen.  Anfragen  und  Bestellungen 
aus  den  Bergwerksdistrikten  folgten  bald  und  nach  kurzer  Zeit  war  die  Dampf- 
maschinenfabrik von  Soho  in  Thätigkeit. 

Die  erste  Maschine,  die  gebaut  wurde,  war  für  oben  genannten  John 
Wilkinson  zum  Betriebe  seiner  Blasbälge  bestimmt.  Anfangs  1776  wurde  sie 
fertig  zum  Gebrauche.  Je  näher  dieser  Zeitpunkt  kam,  desto  ängstlicher 
wurde  Watt,  zumal  gar  viel  von  deren  Leistung  abhing.  Aber  Boulton  schrieb 
ihm,  er  möge  nichts  übereilen,  die  Maschine  nicht  eher  in  Gang  setzen, 
als  bis  jedes  denkbare  Hinderniss  beseitigt  wäre,  dann  aber  in  Gottes  Namen 
frisch  darauf  losgehen.  Die  ausserordentliche  Sorgfalt,  die  man  der 
Maschine  hatte  angedeihen  lassen,  wurde  belohnt.  Sie  erregte  die  Bew^under- 
ung  aller,  die  sie  sahen  und  der  Ruhm  der  Firma  Boulton  &  W^att  wurde 
gross  in  Mittel -England. 

Nach  Watt's  Rückkehr  ging  Boulton  nach  London.  Dort  hatte  sich  in 
Ingenieurkreisen  das  Gerücht  verbreitet,  die  neue  Maschine  habe  sich  nicht 
bewährt.  Namentlich  die  Gesellschaft  der  Ingenieure  in  Holborn,  w^ovon  der 
berühmte  Sbieaton  der  Führer  war,  behauptete,  dass  keine  Werkzeuge  und 
keine  Arbeiter  im  Stande  seien,  eine  so  komplicirte  und  difficile  Ma- 
schine mit  genügender  Genauigkeit  auszuführen.  Boulton  drängte  daher  darauf, 
dass  die  in  Arbeit  befindliche  Maschine  für  eine  Branntweinbrennerei  nahe 
bei  London  rasch  fertig  gestellt  werde. 

Im  Laufe  des  Sommers  verlobte  sich  Watt,  der  nun  40  Jahre  alt  war, 
zum  zweitenmale,  und  zwar  mit  der  Tochter  eines  Färbers,  Namens  Mc.  Gregor 
in  Glasgow.    Der  Vater  der  Braut  verlangte  den  Geschäftsvertrag  zwischen 


DampfmascbiDenfabrikation,  geschäftliche  Schwierigkeiten.  5G9 

BoüLTON  &  Watt  zu  sehen,  ehe  er  seine  Einwilligung  gab,  und  es  zeigte  sich, 
dass  keiner  existirte.  Als  aber  Watt  dem  mündlichen  Uebereinkommen 
zwischen  ihm  und  Boulton  gemäss  einen  aufsetzte,  unterschrieb  ihn  dieser 
sofort. 

Von  Schottland  brachte  Watt  wieder  mehrere  Bestellungen  mit.  Wenn 
es  aber  dem  jungen  Etablissement  nicht  an  Aufträgen  fehlte,  weil  der  Ruf  der 
neuen  Dampfmaschine  sich  rasch  über  alle  civilisirten  Staaten  verbreitete, 
so  fehlte  es  auch  nicht  an  Schwierigkeiten.  Watt  musste  alle  Zeichnungen 
selbst  machen,  überall  nachsehen  und  selbst  Hand  anlegen.  Die  alten 
Arbeiter  von  Soho  und  Birmingham  waren  zwar  verhältnissmässig  gut,  aber 
ihre  Zahl  sehr  bald  nicht  mehr  genügend.  Ungeschulte  Kräfte  mussten 
angenommen  und  erst  herangebildet  werden.  Dann  aber  begann  die  Schwie- 
rigkeit, sie  zu  halten.  Zwei  Monteure,  die  man  nach  London  geschickt  hatte, 
wurden  von  russischen  Agenten  bearbeitet,  nach  Russland  zu  gehen.  Ffan- 
zösische  Agenten  suchten  mehrere  der  besten  Arbeiter  nach  Paris  zu  locken, 
und  auch  deutsche  Emmissäre  drängten  sich  zu  ähnlichen  Zwecken  in  die 
Fabrik.  Dazu  kam  die  Unkenntniss  und  Unzuverlässigkeit  der  Leute,  welche 
als  Wärter  bei  den  abgelieferten  Maschinen  funktionirten.  Watt  lieferte 
von  Anfang  an  Exp an sions dampf maschinen,  aber  einige  Zeit  später  sagte 
er  zu  Robert  Hart:  ;,Wir  lieferten  früher  den  Cylinder  doppelt  so  gross, 
als  nöthig  und  schnitten  den  Dampf  bei  halben  Hube  ab,  wodurch  viel  Dampf 
gespart  wurde,  aber  wenn  unsere  Leute  fort  waren  und  die  Maschine  dem 
Wärter  überlassen  war,  wollte  dieser  oft  ihre  Leistung  vermehren,  indem  er 
mehr  Damf  aufgab.  Die  Maschine  leistete  dann  mehr,  solang  Dampf  da 
war,  aber  der  Kessel  konnte  ihn  auf  die  Dauer  nicht  liefern.  Dann  kamen 
Klagen,  und  wir  mussten  nachsehen  lassen.  Dies  war  so  kostspielig,  dass  wir 
uns  entschlossen,  die  Expansion  wegzulassen,  bis  wir  Wärter  bekommen 
würden,  die  etwas  davon  verstünden. 

Mitte  1777  lieferten  Boulton  &  Watt  die  erste  Dampfmaschine  in  die 
an  Bergwerken  sehr  reiche  Grafschaft  Cornwall.  Da  von  deren  guter  Leistung 
die  Bestellung  vieler  anderer  Grubenbesitzer  abhingen,  leitete  Watt  selbst 
die  Aufstellung.  Er  begegnete  dort  vielen  üblen  Nachreden,  als  aber  die  Ma- 
schine in  Gang  gesetzt  wurde,  arbeitete  sie  mit  solcher  Macht,  dass  sie  ver- 
stummen mussten.  Doch  setzte  Watt  in  dem  Briefe,  worin  er  dies  meldete, 
zu:  ;,Ich  habe  die  Maschine  ein-  oder  zweimal  so  regulirt,  dass  sie  ganz  ge- 
räuschlos arbeitete,  aber  der  Besitzer  der  Maschine  kann  nicht  schlafen, 
wenn  sie  nicht  tobt,  und  deshalb  habe  ich  sie  dem  Maschinenwärter  über- 
lassen.   Der  Lärm  erweckt  bei  den  Unwissenden  die  Idee  von  Kraft. '^ 

Nach  seiner  Rückkehr  häufte  sich  für  ihn  die  Arbeit  so,  dass  er  an 
seinen  Partner  schrieb:  ;,Ein  wenig  mehr  von  dieser  Hast  und  diesen  Aerger- 
nissen  wird  mich  zu  Grunde  richten.^  Im  Juni  1778  waren  sieben  von  zehn 
nach  Cornwall  bestellten  Maschinen  fertig.     Watt  reiste  dorthin,   musste  von 


570  James  Watt  und  die  Erfindung  der  Dampfmaschine. 

einer  Grube  zur  anderen  reiten  und  wurde  überall  mit  Klagen  und  Schelt- 
worten wegen  zu  langsamer  Lieferung  und  Aufstellung  empfangen. 

Eine  andere  Quelle  der  Angst  waren  grosse  Geldverlegenheiten,  in  die 
die  Firma  gerieth.  Boulton  hatte  zu  viel  unternommen.  Das  Dampfmaschinen- 
geschäft hatte  bis  jetzt  nur  Kapital  zu  Schüsse  gefordert  und  es  waren  im 
Allgemeinen  die  denkbar  schlechtesten  Geschäftszeiten.  Boulton  schrieb  an 
Watt,  er  solle  sich  Wechsel  für  die  nach  Comwall  gelieferten  Maschinen  geben 
lassen,  aber  die  Besteller  wollten  nichts  davon  hören,  weil  die  Maschinen  noch 
nicht  fertig  aufgestellt  waren.  Boulton  schlug  dann  vor,  Watt  solle  sich  von 
einem  Bankhause  in  Cornwall  einen  Vorschuss  auf  die  dort  lagernden  Ma- 
schinentheile  geben  lassen,  aber  Watt  schrieb  zurück:  „Das  kann  ich  nicht, 
weil  das  Bekanntwerden  unserer  Lage  unseren  Kredit  erschüttern  würde.  Auch 
ist  Niemand  vorsichtiger,  als  ein  komischer  Bankier.  Soweit  ich  es  beur- 
theilen  kann,  würde  keiner  auch  nur  500  jß  auf  einen  Pfandschein  leihen.'' 
Nach  vieler  Mühe  gelang  es  Boulton,  7000  £  gegen  Sicherheit  von  einem 
Herrn  Wiss  und  einen  Kredit  von  14000  £  gegen  Verpfändung  von  Einkünften, 
die  aus  dem  Patentrechte  erwuchsen,  von  einem  Londoner  Bankhause  zu  er- 
langen. Aber  wenn  auch  der  Kredit  der  Firma  dadurch  gerettet  war,  so 
drückten  doch  die  eingegangenen  Verbindlichkeiten  noch  lange  schwer  auf  sie. 

Als  Boulton  &  Watt  die  Fabrikation  von  Dampfmaschinen  antingen,  war 
ihnen  nur  darum  zu  thun  gewesen,  Bestellungen  zu  erhalten  und  sie  hatten 
nicht  genügend  auf  vorherige  Festsetzung  der  Bedingungen  geachtet,  unter 
denen  die  ihnen  patentirte  Maschine  sollte  gebraucht  werden  dürfen.  Erst 
als  sie  ihre  Kraft  im  Wasserheben  bewiesen  hatte,  um  die  Bergleute  in  Com- 
wall demzufolge  20  Faden  tiefer  in  die  Erde  eindringen  konnten,  wurde  die 
Frage  wegen  der  Gebrauchsbedingungen  aufgeworfen.  Watt  schrieb  an 
Boulton,  er  empfehle,  dass  in  Zukunft  keine  Bestellung  angenommen  werde, 
ohne  dass  diese  Bedingungen  zuvor  festgesetzt  seien  und  fügte  hinzu:  „Sie 
müssen  mich  entschuldigen,  wenn  ich  Ihnen  sage,  dass  ich  keine  Feder 
mehr  ansetzen  werde,  um  die  nöthigen  Zeichnungen  für  neue  Anordnungen 
zu  machen,  ohne  dass  dies  geschehen  ist.  Lassen  Sie  diese  Gebrauchs- 
bedingungen massig  sein,  womöglich  im  Voraus  in  Geld  ausgedrückt,  so  werden 
wir  wenigstens  genug  erhalten,  um  uns  vor  dem  Schul dgefängniss  zu  be- 
wahren, vor  dem  ich  in  beständiger  Furcht  lebe^. 

Es  wurde  daher  ein  Vertragsformular  entworfen,  das  in  allen  Fällen 
angewendet  werden  sollte  und  bestimmte,  dass  die  Patentinhaber  als  Entgelt 
für  die  Benutzung  der  Erfindung  ein  Drittel  des  Werthes  des  ersparten 
Brennmaterials  im  Vergleich  mit  der  NEWCOMEN-Maschine  erhalten  sollten. 
Zur  Kontrolle  brachte  Watt  einen  Hubzähler  an  den  Maschinen  an. 

Im  Oktober  1778  kam  Boulton  nach  Comwall  und  fand,  dass  die  neue 
Dampfmaschine  bei  dem  Publikum  sehr  in  Gunst  gekommen  war.  Es  gelang 
ihm  daher,   von  einem   dortigen  Bankier  2000  £  auf  die  in  der  Gegend  er- 


GeldverlegenheiteD,  Heizröhren.  571 

richteten  Maschinen  geliehen  zu  bekommen.  Auch  gelang  es  ihm,  für  einige 
der  wichtigsten  Maschinen  im  Betriebe  und  in  Arbeit  die  Gebrauchsbeding- 
ungen zu  vereinbaren.  Bei  der  einen  Maschine  in  Chacewater  wurde  eine 
Kohlenerspamiss  im  Werthe  von  2400  £  =  48000  Mark  jährlich  anerkannt 
und  eine  jährliche  Zahlung  von  700  jß  an  Boulton  &  Watt  zugestanden. 
Zwei  andere  Maschinen  brachten  400  jß  jährlich.  Trotz  diesen  und  vielen 
ähnlichen  Erfolgen  drückte  der  Gedanke  an  die  vielenSchulden  der  Firma 
schwer  auf  Watt's  Gemüth;  Boulton  dagegen  verlor  den  Muth  nicht  und 
schickte  Cirkulare  über  seine  bewunderungswürdige  Maschine  in  alle  Welt. 
Bald  kamen  Bestellungen  aus  Frankreich  und  Holland,  die  aber  Watt  mehr 
beunruhigten  als  freuten,  weil  dort  noch  keine  Patente  genommen  waren 
und  er  Nachahmung  befürchtete.  Er  sah  nicht  ein,  dass  sein  bester  Schutz 
in  der  Ueberlegenheit  seiner  Arbeiter  und  Arbeitsmaschinen  bestand. 

Watt's  Kräfte  waren  indess  beschränkt.  Er  litt  noch  viel  an  Kopf- 
schmerzen und  da  er  noch  immer  alle  Zeichnungen  selbst  machen  musste, 
schrieb  er  im  Mai  1779  an  seinen  Partner:  „Ich  bitte,  dass  Sie  vor  Weih- 
nachten keine  neue  Arbeit  übernehmen.  Es  ist  unmöglich,  wenigstens 
meinerseits;  ich  bin  ganz  zerschlagen.^ 

Bis  zum  Sommer  1780  hatte  die  Firma  40  Pumpmaschinen  verkauft, 
die  Hälfte  davon  nach  Comwall.  Trotzdem  war  sie  noch  in  ernstlichen 
Geldverlegenheiten.  Boulton  war  in  der  That  in  misslicherer  Lage,  als  Watt. 
Er  hatte  sein  ganzes  Vermögen  bei  ihrem  Unternehmen  riskirt  und  unter- 
hielt Watt,  bis  das  Maschinengeschäft  rentabel  wurde.  Man  ersieht  aus  den 
jährlichen  Bilanzen,  dass  Watt  bis  zum  Jahre  1785  jährlich  330  £  =  6600 
Mark  ausbezahlt  bekam,  die  dem  Metallwaarengeschäft  Boülton's  zur 
Last  fielen.  Bis  dahin  hatte  das  Dampfmaschinengeschäft  noch  immer 
mehr  an  Auslagen  erfordert  als  eingebracht.  Es  wurde  berechnet,  dass 
über  40000  £  =  800000  Mark  hineingesteckt  wurden  und  diese  ganze, 
für  die  damalige  Zeit  enorme  Summe  war  durch  Boulton  aufgebracht 
worden. 

Zu  der  Zeit,  als  es  endlich  klar  wurde,  dass  das  Geschäft  erfolgreich 
sein  würde,  erhob  sich  eine  neue  Gefahr,  die  selbst  Boulton  beängstigte, 
nämlich  eine  in  Comwall  auftauchende  Bewegung  zum  Sturze  des  Patents. 
Man  schrie,  die  Dampfmaschine  sei  unentbehrlich  für  den  Bergbau,  das  all- 
gemeine Wohl  erheische  die  Aufhebung  des  Patents.  Schliesslich  wurde 
eine  dahin  gehende  Petition  bei  dem  Parlament  nicht  eingereicht,  aber  es 
wurden  erhöhte  Anstrengungen  gemacht,  das  Patent  zu  umgehen. 

Um  diese  Zeit  beschäftigte  sich  auch  Boulton  mit  Verbesserung  der 
Dampfkessel.  Im  Herbst  1780  schrieb  er  an  Watt  über  eiserne  Feuer- 
röhren zur  Vermehrung  der  Heizfläche.  Dieser  antwortete:  ;,Ich  kann  Eisen 
für  Kesselröhren  nicht  empfehlen,  aber  man  kann  sie  im  Auge  behalten.'' 
Danach  schlug  Boulton  kupferne  Röhren  vor,  was  Watt  billigte  und  Boül- 


572  James  Watt  uod  die  Erfindung  der  Dampfmaschine. 

TÖN  versah  einen  Kessel  von  26'  Länge  mit  4  kupfernen  Heizröhren  von 
26"  Durchmesser. 

1781  schrieb  Boulton  an  Watt  und  ermahnte  ihn,  den  schon  oft  be- 
sprochenen Plan  auszuarbeiten,  durch  die  Dampfmaschine  eine  rotirende 
Bewegung  zu  erzeugen,  wodurch  sie  geeignet  würde,  Mühlen  und  andere  Ma- 
schinerien zu  treiben  und  Watt  machte  ein  Modell,  bei  dem  von  Balancier 
vermittelst  einer  Pleuelstange  eine  Kurbel  in  Umdrehung  gesetzt  wurde.  Watt 
sagte  selbst  darüber :  ^Der  wahre  Erfinder  dieses  Mechanismus  war  der  Mann, 
der  zuerst  eine  Drehbank  zum  Treten  machte;  ihn  bei  der  Dampfmaschine 
anzuwenden,  war  nicht  mehr,  als  wenn  einer  ein  Brotmesser  zum  Käse- 
schneiden  anwendet^.  Er  hielt  diese  Anwendung  der  Kurbel  nicht  für 
patentfähig,  aber  es  erwuchsen  ihm  grosse  Unannehmlichkeiten  daraus.  Ein 
Knopfmacher,  James  Pickard  aus  Birmingham,  der  wahrscheinlich  durch  Ar- 
beiter von  BoüLTON  &  Watt  davon  gehört  hatte,  erhielt  am  23.  August  1780 
ein  Patent  darauf.  Anfangs  wusste  Watt  nicht,  wie  er  diese  Schwierigkeit 
überwinden  sollte,  fand  aber  bald  andere  Mittel  zur  Erreichung  des  gleichen 
Zweckes.  Im  Februar  1782  erhielt  er  ein  Patent  auf  5  verschiedene  Mecha- 
nismen dieser  Art,  wovon  das  sogenannte  Planetenrad  den  Vorzug  erhielt. 
Wie  es  scheint,  war  dies  von  William  Murdock,  dem  besten  Monteur  von 
Boulton  &  Watt,  der  später  auch  die  Gasbeleuchtung  erfand,  zuerst  er- 
dacht worden. 

Im  Juli  desselben  Jahres  erhielt  Watt  ein  Patent  auf  seine  doppelt- 
wirkende Expansionsdampfmaschine.  Während  er  diese  bewundemswerthen 
Arbeiten  machte,  litt  er  beständig  an  Kopfschmerzen  und  an  Sorgen  wegen 
der  Geldverlegenheiten  der  Firma,  wegen  der  wiederholten  erfolgreichen  Ver- 
suche der  Grubenbesitzer,  die  Gebrauchsgebühren  für  die  Dampfmaschinen 
herabzudrücken  und  wegen  vielftich  drohender  Patentumgehungen.  Besonders 
schmerzte  ihn  die  der  Brüder  Horxblower,  mit  denen  er  befreundet  gewesen 
war  und  die  er  in  seinem  Geschäfte  herangezogen  hatte.  Zum  UeberHuss 
brach  noch  in  dem  Hause  des  Londoner  Agenten  zum  Verkaufe  der  von  Watt 
erfundenen  und  in  Soho  fabrizirten  Kopierpressen  Feuer  aus,  das  der  Firma 
einen  Schaden  von  mehr  als  1000  jß  verursachte. 

Während  Boulton  auf  Fertigstellung  von  Dampfmaschinen  mit  rotiren- 
der  Bewegung  drang,  bezweifelte  Watt,  dass  daraus  ein  Vortheil  erwachsen 
werde.  Gegen  Ende  1782  wurde  die  erste  Maschine  dieser  Art  für  einen 
Herrn  Reynolds  of  Ketley  zum  Betriebe  einer  Kommühle  in  Gang  gesetzt 
Die  erste  in  London  kam  in  die  Brauerei  von  Goodwyn  &  Co.  und  bald  waren 
alle  Brauereien  Londons  damit  versehen.  Bald  folgten  Bestellungen  solcher 
für  Betriebe  der  verschiedensten  Art,  selbst  für  Sägemühlen  in  Amerika  und 
Zuckermühlen  in  Westindien,  und  es  lag  so  viel  Arbeit  vor,  dass  Watt  an 
seinen  Partner  schrieb:  ;,Ich  sehe,  dass  jede  Maschine  mit  rotirender  Beweg- 
ung doppelt  so  viel  Arbeit  verursacht,   als  eine  Pumpmaschine  und  im  allge- 


k 


Dampfmaschinen  mit  rotirend^r  Bewegung,  Albion-MQhle.  573 

meinen  nur  halb  so  viel  Geld  einbringt.  Deshalb  bitte  ich,  nehmen  Sie  keine 
Bestellungen  auf  rotirende  mehr  an,  bis  wir  schuldenfrei  sind.*'  Ein 
anderer  Grund,  warum  Watt  damals  gegen  Ueberhäufung  mit  Arbeit  prote- 
stirte,  mag  der  gewesen  sein,  dass  er  mit  den  schönen  Erfindungen  be- 
schäftigt war,  die  sein  Patent  von  1784  umfasst.  Dies  enthält  u.  A.  die 
Beschreibung  des  sogenannten  WxTT'schen  Parallelogramms  zur  Geradeführung 
der  Kolbenstange  bei  Balancier-Dampfmaschinen,  worüber  er  selbst  sagte: 
^Obgleich  ich  nicht  sehr  auf  Ruhm  versessen  bin,  bin  ich  doch  stolzer  auf 
das  Parallelogramm  als  auf  irgend  eine  andere  meiner  mechanischen  Erfind- 
ungen*. Auch  die  Anwendung  des  Schwungkugelregulators  bei  der  Dampf- 
maschine ist  in  diesem  Patente  enthalten. 

BouLTON  und  Watt  blieben  allen  Rivalen  überlegen,  keiner  davon  war 
noch  im  Stande  gewesen,  eine  Maschine  erfolgreich  in  Betrieb  zu  setzen.  Die 
Gebrauchsgebühren,  die  der  Firma  zufliessen  sollten,  schätzte  Boulton  um 
diese  Zeit,  wenn  sie  richtig  bezahlt  würden,  auf  12000  i?  =  240000  Mark 
jährlich  und  es  war  Aussicht  vorhanden,  dass  ihre  finanziellen  Schwie- 
rigkeiten endlich  überwunden  werden  würden. 

1783  entwarf  Boulton  den  Plan,  in  London  eine  grosse  Dampfmühle  zu 
errichten.  Er  wollte  zu  diesem  Zwecke  eine  Aktiengesellschaft  bilden,  wegen 
der  Opposition  der  Wassermüller  und  Mehlhändler  wurde  aber  die  Genehmi- 
gung verweigert,  und  man  sah  sich  genöthigt,  die  Albion-Mill-Company  als  ein 
gewöhnliches  Company -Geschäft  zu  gründen,  wozu  Boulton  und  Watt  den 
grössten  Theil  des  Kapitals  beschaffen  mussten.  Während  des  ganzen  Jahres 
1785  wurde  an  dem  Baue  der  Albion-Mill  gearbeitet.  Die  Gebäude  wurden 
nach  Zeichnungen  des  berühmten  Architekten  Wyatt,  die  Dampfmaschinen 
nach  solchen  von  Watt  und  die  verbesserten  Müllereimaschinen  nach  Zeich- 
nungen des  genialen  jungen  Schottländers  John  Rennie  ausgeführt.  Im  Früh- 
jahr 1786  konnten  die  Maschinen  zum  ersten  Male  in  Betrieb  gesetzt  werden. 
Boulton,  der  zugegen  war,  schrieb  sehr  unbefriedigt  an  Watt  und  meinte 
namentlich,  es  wäre  besser  gewesen,  die  einfach  wirkende  Maschine  bei- 
zubehalten. Nachdem  Watt,  der  damals  nicht  von  Soho  abkommen  konnte, 
in  seinem  Antwortschreiben  dargelegt  hatte,  wie  die  Fehler  an  den  Maschinen 
aufzusuchen  und  zu  verbessern  seien,  fuhr  er  fort:  ;,Vor  allem  muss  man 
Geduld  haben  und  alles  kaltblütig  prüfen  und  richtig  stellen.  Man  sollte 
stets  darauf  bedacht  sein,  unschuldigen  Personen  keinen  Vorwurf  zu  machen. 
Ehe  man  anfängt  zu  murren,  sollte  man  bedenken,  dass  bei  neuen,  kompli- 
zirten  und  schwierigen  Dingen  menschliche  Voraussicht  unzulänglich  ist.  Zeit 
und  Geld  müssen  aufgewendet  werden,  um  etwas  zu  vervollkommnen  und 
seine  Fehler  aufzufinden.     Anders  können  sie  nicht  verbessert  werden.^ 

Die  Kosten  der  Mühle  beliefen  sich  weit  höher  als  anfangs  vorgesehen 
worden  war,  und  Watt  fürchtete  bald,  dass  sie  Verlust  bringen  würde,  nicht 
weil  er  an  der  Leistungsfähigkeit  der  Maschinen,  als  vielmehr   weil 


574  James  Watt  und  die  Erfiodung  der  Dampfmaschine. 

er  an  der  Richtigkeit  der  Gesoliäftsleitung  zweifelte.  Namentlich  war  es 
ihm  zuwider,  dass  man  ein  Schaustück  aus  der  Mühle  machen  wollte,  und 
als  er  hörte,  dass  man  einen  Maskenball  darin  halten  wollte,  um  sie  mit 
Pomp  zu  eröflFnen,  nannte  er  dies  ;,reinen  Humbug''  und  sagte:  ;,Was  haben 
maskirte  Herzöge,  Lords  und  Ladies  in  einer  Mehlmühle  zu  thun?  Da  wir 
von  allen  Seiten  mit  Neid  angesehen  werden,  sollte  alles  vermieden  wer- 
den, was  Aufsehen  erregt,  und  wir  sollten  uns  darauf  beschränken,  die  Sache 
zu  machen.'^  Als  die  Mühle  endlich  in  Betrieb  kam,  arbeitete  sie  zur 
vollsten  Zufriedenheit  und  ihr  Ruhm  verbreitete  sich  weithin.  Mit  der  Zeit 
würde  sie  vielleicht  auch  noch  rentabel  geworden  sein,  aber  als  die  Aussichten 
in  dieser  Richtung  sich  zu  bessern  anfingen,  wurde  sie  am  3.  März  1791  von 
Uebelwollenden  in  Brand  gesteckt.  Boültox  verlor  dadurch  6000  und  Watt  3000 i^. 

Das  Dampfmaschinengeschäft  wuchs  beständig,  aber  Watt,  für  den  es 
immer  grössere  Arbeitslast  brachte,  war  oft  bis  zum  Tode  ermüdet.  Gerade 
um  die  Zeit,  als  bereits  der  Glücksstern  über  dem  Geschäfte  leuchtete,  schrieb 
er  einmal  an  einen  Freund:  ;,Ich  habe  ernstlich  daran  gedacht,  die  Bürde 
niederzulegen,  die  zu  tragen  ich  zu  schwach  bin,  und  vielleicht,  wenn  nicht 
andere  Gefühle  stärker  gewesen  wären,  würde  ich  daran  gedacht  haben,  die 
sterbliche  Hülle  abzuwerfen;  aber  wenn's  nicht  schlechter  wird,  kann  ich  mich 
vielleicht  noch  fortschleppen.  Salomo  sagt:  Vermehrte  Kenntnisse  bringen 
vermehrte  Sorgen.  Hätte  er  gesagt:  vermehrte  Geschäfte,  anstatt  ver- 
mehrte Kenntnisse,  so  würde  er  vollkommen  Recht  haben.  ^ 

Wie  bereits  erwähnt,  musste  bis  zum  Jahre  1785  alles,  was  in  der  Dampf- 
maschinenfabrikation von  Boulton  und  Watt  verdient  wurde,  wieder  in  das 
Geschäft  gesteckt  werden,  und  der  Lebensunterhalt  Watt's  musste  aus  der 
Metallwaarenfabrikation  Boulton's  bestritten  werden.  Erst  von  da  ab 
besserte  sich  dies,  und  am  7.  Dezember  1787,  etwa  6  Wochen  vor  Watt's 
52.  Geburtstag,  hatte  Boulton  die  freudige  Genugthuung,  an  ihren  Agenten  in 
London  schreiben  zu  können:  ;,Da  Mr.  Watt  bei  Mr.  Mc.  Gregor  in  Glasgow 
ist,  bitte  ich  Sie,  ihm  einige  Zeilen  zu  schreiben  und  ihm  mitzutheilen,  dass 
Sie  ihm  4000  £  auf  sein  Conto  gutgeschrieben  haben,  dass  Sie  1000  £  für 
ihn  an  die  Albion-Mühle  bezahlt  haben  und  ihm  bis  Weihnachten  wahrschein- 
lich noch  2000  jß  werden  gutschreiben  können.^ 

Während  Watt  von  da  ab  allmälig  in  einen  sicheren  Hafen  einlief, 
trieb  Boulton  noch  auf  hoher  See.  Er  war  stets  unternehmend  und  stets 
bereit,  sich  an  einem  Geschäft  zu  betheiligen,  wenn  er  glaubte,  dadurch 
eine  Dampfmaschine  anbringen  zu  können.  Auch  hatte  er  von  den  kor- 
nischen Gruben-  und  Hüttenbesitzem  grosse  Mengen  Kupfer  an  Zahlungsstatt 
angenommen,  die  lange  in  Birmingham  liegen  blieben.  Als  nun  1788  eine 
Handelskrisis  ausbrach,  sah  er  sich  in  der  peinlichsten  Verlegenheit.  Dazu 
kam,  dass  sich  Gicht-  und  Steinleiden  bei  ihm  einstellten.  Es  war  die  trübste 
Zeit  in  Boulton's  Leben  und  der  Gedanke  quälte  ihn,  dass  er  seine  Familie,  trotz 


Weitere  fioanzielle  Schwierigkeiten  Boultons,  seine  Piägaostalt.  575 

aller  Arbeit,  unversorgt  zurücklassen  müsse.  Aber  kurze  Zeit  darauf  sehen  wir 
ihn  mit  aller  Energie  in  einer  ganz  neuen  Richtung  thätig. 

Um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  war  das  Münzwesen  sehr  in 
Verfall  gerathen,  und  es  wurde  viel  Falschmünzerei  getrieben,  namentlich  in 
Birmingham.  Boulton  hatte  sich  nie  daran  betheiligt,  sondern  sann  darüber 
nach,  wie  die  kursirenden  schlechten  Münzen  durch  so  gute  neue  ersetzt 
werden  könnten,  dass  deren  Nachahmung  schwierig  sei.  Er  hatte  mehrmals 
mit  den  Staatsministem  Unterredungen  über  diesen  Gegenstand.  Schon  1774 
hatte  er  mit  Watt  darüber  berathen  und  1786  zum  erstenmal  die  Dampf- 
maschine angewendet,  um  für  die  ostindische  Kompagnie  mehr  als  100  Tonnen 
Kupfermünzen  zu  prägen.  Er  verbesserte  darauf  seine  Präganstalt  noch  wesent- 
lich und  viele  Jahre  später  schrieb  Murdock:  ^Der  unermüdlichen  Ausdauer 
und  Energie  Boultgn's  in  der  Verfolgung  dieses  Zieles  ist  zum  grossen  Theile 
die  Vervollkommnung  zuzuschreiben,  die  das  Münzwesen  schliesslich  erreichte.^ 
Ende  1788  waren  sechs  Prägmaschinen  in  Soho  aufgestellt.  Nach  vielen  Be- 
mühungen Boulton's  wurde  er  von  der  englischen  Regierung  aufgefordert, 
Modelle  zu  neuen  Kupfermünzen  einzureichen.  Diese  befriedigten  auch  sehr 
und  wurden  zur  Ausführung  angenommen,  aber  die  königlichen  Münzbe- 
amten wussten  die  Sache  noch  10  Jahre  lang  hinzuhalten.  Boulton  musste 
in  der  Zwischenzeit  wieder  im  Auslande  Beschäftigung  für  seine  Präganstalt 
suchen  und  fand  sie  namentlich  bei  der  revolutionären  Regierung  in  Frank- 
reich. Erst  von  1797  an  erhielt  er  von  der  britischen  Regierung  Aufträge 
und  lieferte  ihr  von  da  bis  1806  etwa  4200  Tonnen  Kupfermünzen.  Auch 
lieferte  er  solche  nach  Russland,  Spanien,  Dänemark,  Mexiko  und  Calcutta,  so 
dass  Watt  mit  Recht  sagen  konnte :  ;,hätte  Boulton  nichts  in  der  Welt  gethan, 
als  das  Münzwesen  vervollkommnet,  so  verdiente  sein  Namen  unsterblich  zu  sein." 

Etwa  im  Jahre  1789  waren  die  Schwierigkeiten,  womit  Boulton  und 
Watt  zu  kämpfen  gehabt  hatten,  endlich  überwunden  und  sie  konnten  sich 
nun  in  ihrem  Alter  mehr  Ruhe  gönnen,  zumal  sie  mit  Befriedigung  und  voller 
Hoffnung  auf  ihre  beiden  Söhne  sehen  und  ihnen  alles  getrost  überlassen 
konnten.  Diese  traten  1794  als  Theilhaber  in  die  Firma  und  brachten  neue 
Kraft  und  neues  Leben  ins  Geschäft,  erwiesen  sich  auch  in  der  Vertheidig- 
ung  der  Patentrechte  sehr  geschickt.  Von  1796  bis  1799  wurden  mehrere 
Patentprozesse  geführt  und  endlich  zu  Gunsten  von  Boulton  und  Watt  ent- 
schieden. In  dem  wichtigsten,  gegen  die  Hornblower's,  legte  Professor  Robi- 
80N  zu  Gunsten  Wattes  Zeugniss  ab  und  als  er  bei  seiner  Heimkehr  dem  alten 
Dr.  Black  die  Nachricht  von  dem  für  Watt  günstigen  Ausgange  des  Prozesses 
erzählte,  war  dieser  zu  Thränen  gerührt.  „Es  ist  recht  albern*',  sagte  er 
dabei,  ^^aber  ich  kann  nicht  anders,  wenn  ich  von  etwas  Gutem  höre,  das 
unserm  lieben  James  begegnet  ist.^ 

Die  Grubenbesitzer  in  Cornwall  hatten  seit  Jahren  die  bedungenen  Ge- 
bühren nicht  bezahlt.    Nach  den  genannten  Prozessentscheidungen  wurden  nun. 


576  James  Watt  uud  dio  ErtiiKlan^  der  Dampfmaschine. 

wenn  auch  nicht  ohne  Schwierigkeiten,  30000  Ü?  solcher  rückständiger  Ge- 
bühren eingetrieben.  Von  dem  Theile,  der  Watt  hiervon  zukam,  kaufte  er 
sich  ein  Landgut  in  Wales. 

Das  Patent  erlosch  im  Jahre  1800,  als  Vater  Watt  64  und  Vater  Bgülton 
72  Jahre  alt  war,  aber  das  Geschäft  dehnte  sich  trotzdem  mehr  und  mehr 
aus.  Die  Firma  Boulton  und  Watt  vermochte  ihre  Ueberlegenheit  über  Kon- 
kurrenten noch  lange  Zeit  zu  behaupten. 

Der  alte  Watt  hatte  sich  1790  ein  Landhaus  bei  Birmingham  gebaut 
und  1794  einen  grösseren  Landkomplex  dazu  gekauft,  den  er  in  einen  hübschen 
Park  umwandelte.  Bei  seinem  Wohnhause  baute  er  eine  Schmiede  und  in 
einer  Dachstube  richtete  er  sich  eine  Werkstätte  für  mechanische  Studien  her. 
Während  Watt  sich  hierher  zurückzog,  war  Boulton,  obgleich  der  ältere,  noch 
immer  im  Geschäfte,  namentlich  in  seiner  Münzstätte  thätig,  bis  er  am 
17.  August  1809  im  Alter  von  81  Jahren  starb. 

Der  stets  schwächliche  Watt  überlebte  ihn.  Er  war  in  Schottland,  als 
ihn  die  Nachricht  von  Boulton's  Tod  erreichte  und  schrieb  an  dessen  Sohn, 
nachdem  er  ihm  sein  Beileid  ausgedrückt:  ;, Wenige  Männer  haben  seine 
Fähigkeiten  besessen  und  noch  weniger  haben  sie  so  angewendet,  wie  er. 
Und  wenn  wir  dazu  seine  Leutseligkeit,  seine  Grossmuth  und  seine  Liebe  zu 
seinen  Freunden  rechnen,  so  erhalten  wir  das  Bild  eines  seltenen  Charak- 
ters. Einen  solchen  Freund  haben  wir  verloren,  auf  dessen  Zuneigung  wir 
stolz  sein  können,  während  Sie  stolz  darauf  sein  können,  der  Sohn  eines 
solchen  Vaters  zu  sein.^ 

Watt's  Gesundheit  befestigte  sich  merkwürdiger  Weise  in  seinem  Alter. 
Sein  Wissensdurst  war  ungeschwächt  und  er  las  viel.  Sein  Eifer  zu  Unter- 
suchungen und  sein  Erfindungsgeist  waren  so  rege,  wie  zuvor.  Die  letzte  Er- 
findung, die  ihn  beschäftigte,  war  eine  Maschine  zum  Kopiren,  Vergrössern 
und  Verkleinem  von  Statuen  und  Medaillen.  Wir  finden  ihn  im  Jahre  1810 
in  seinem  74.  Lebensjahre  damit  beschäftigt  und  sieben  Jahre  später  scheint 
sie  beinahe  vollendet  gewesen  zu  sein.  Er  machte  sich  ein  Vergnügen  daraus, 
seinen  Freunden  Produkte  seiner  neuen  Maschine  zum  Geschenk  zu  machen, 
und  bezeichnete  diese  Statuetten  und  Medaillen  in  einem  Briefe  vom  Jahre 
1818  scherzweise  als  ;,Erzeugnisse  eines  jungen  Künstlers,  der  eben  in  sein 
83.  Jahr  eintritt.^ 

Im  Sommer  1819  wurde  er  von  seiner  letzten  Krankheit  befallen;  doch 
litt  er  wenig  und  behielt  seine  geistigen  Fähigkeiten  beinahe  bis  zum  letzten 
Augenblicke.  Er  war  sich  seines  nahenden  Endes  bewusst  und  drückte  von 
Zeit  zu  Zeit  seinen  Dank  gegen  die  göttliche  Vorsehung  aus  für  den  reichen 
Segen,  den  sie  ihm  auf  dieser  Welt  zu  gemessen  erlaubt  hatte  und  für  das 
hohe  Alter,  das  ihm  vergönnt  war,  ohne  dass  er  die  Schwächen  des  Alters 
zu  empfinden  gehabt  hätte. 

Am  19.  August  1819  verschied  er. 


Register. 


(Die  Zahlen  geb^n  die  Seiten  an,  worauf  wich  Naehriehten  Aber  den   betreffenden  Gegenstand  finden  und   sind 
bei  den  einzelnen  Gegenständen  nach  dem  Alter  dieser  Xacbrichten  geordnet). 


Aeolipyle  255,  257. 
aoathias  256. 
Agnisterion  19. 
Agricola  127. 
Alarmapparat  15. 
Albertus  Magnus  256. 
Albion  Mill  573. 
Aleotti  6. 

Amalgamirmühle  125. 
Ampliieryon  42. 
Ampborika  4. 
Anisokyklen  41. 
Ansaugevorrichtung  anHeberO. 
AiTTHEMius  VON  Tralles  256. 
AntifriktionsroUen    324,    325, 

134,  162. 
ADziehen    starker    Schrauben 

416. 
Archimedes  2,  28,  29. 
Archimedische    Schraube    50, 

339,  468,  178,  506. 
Archih-onito  99,  348. 
Aristoteles  1,  239. 
Artemon  44. 
Assarium  11. 
Aufhelfe  287,  220. 
Aufzug  mit   direktem  Pferde- 
betrieb 131. 
Augaburger  Maschine  179, 180, 

533. 
Augsburgs  Wasserversorgung 

179. 
Ausflusamenge,  Regulirung  der 

19-21. 
Ausziehen  starker  Nägel  427. 

Beck. 


Axe  mit  Rad  33. 
Axen,  geschränkte  19. 
Axt  2. 

BAADER'sches  Gebläse  341. 
Backenbremse  133. 
Baggermaschine  342,  448,251, 

527,  551. 
Baggerrechen  193. 
Baldo,   Beunh.  von  Urbixo  6. 
Balgpumpe  289,  101,  471,  227. 
Bullisten  57. 
Bandbremse  328,  221. 
Bai-ülkon  5,  27,  29,  32. 
Becherwerk  48,  291,  134,  228, 

245,  247. 

—  für  Erdförderung  199. 
Becher  zu  Schöpfwerken  102, 

340,  228,  245. 
Beckmann,    Johann    181,    183, 

193,  312. 
Belidor  279,  296. 
Bexedetti,  J.  B.  539. 
Bkroai.de,  Francois  186,    187. 
Besson,  Jacques  186. 
Beutelkasten  181,230,521,533. 
Bewegung,  hin-  und  hergehende 

164. 
Beyer,  Jon.  Matth.  407. 
BiRiNGuccio,  Vann.  111. 
Birmingham  562. 
Black,  Dr.  Professor  557. 
Blasbälge  41,  155. 

—  Mechanismus  zur  Bewegung 
von  289,  470,  116—120,  408. 


Blasbälge,c}  lindrische340,156. 

—  zur  Grubenventilation  145. 
Blatner,  Anton  404. 
Blechscheere  431. 
Bleirohre  39. 

Böckler,  G.  A.  276,  511,  529. 
Bohrmaschine,  horizontale  440. 

—  für  Brunnenrohre  280,  104, 
344,  510. 

—  für  Kanonen  121-122. 

—  doppelte  537. 

Bohrung   eines   Amsterdamer 

Brunnens  545,  546. 
Boot  mit  Ruderrädem  281. 
BoLLTON,  Matth.  562. 
Bram abpumpe  224. 
Bramerus,  Benjamin  529. 
Branca,  Giovanni  538. 
Bratenwender,     mit    Gewicht 

betrieben  425,  313. 

—  mit  Feder  betrieben  311. 

—  durch  den  Rauch  betrieben 
426,  313,  532. 

Brechschrauben  345. 

Brechwerkzeuge    für    Gitter- 
stäbe 330,  428,  233. 

Brennspiegel,   Herstellung 
grosser  353—364. 

Brückenbogen,  steinerne  ver- 
ankerte 523. 

Brückenträger,   hölzerne   und 
metallene  522,  523. 

Brunnengraben  40,  545. 

Brunnenröhren,  hölzerne  105. 

Buchdruckerpresse  302,  410. 

37 


o78 


Namen-  und  Sachregister. 


Cardanus,  Hierommus  163. 

Cato  der  Aeltero  66. 

Cäus,  Salomox  de  502. 

Centrifagalpumpen ,  eine  Art 
von  336. 

Centrirvorrichtangen  441. 

Charnierkopf  102. 

Chelona  (Schlitten)  35. 

Chersiphron  45. 

Chorobat  38. 

Coclaeus,  Joannes  312. 

commandinus,  f.  6,  211. 

Condensation  des  Dampfes 
504,  505. 

Condensator  zu  Dampfmaschi- 
nen 560. 

Cylindergebläse  (Uebergangs- 
form)  340. 

Dampf  8,  255,  250,  503—505, 

557,  559. 
Dampf-Ballspiel  des  Heron  22. 
Dampfkanone  99,  348. 
Dampfmaschine   des  Marquis 

OF   WORCESTER   265. 

—  des  Salomon  de  Caus  505. 

—  von  Nevvcomkx  558. 

—  Ei'findung  der  —  durch 
Watt  552. 

Dampf-  u.  Kochkessel  Ueron's 

22. 
Dampf- Reaktionsrad  Heron's 

22. 
Dampfvolumen  264. 
Danner,  Hans  345. 

—  Leonh.  803,  345. 
Dick,  Dr.  Professor  555. 
Doppelmeyer,  J.G.  803, 312, 345.  ; 
Drahtseil  340. 
Drahtziehen    aus    Gold    und 

Silber  123. 

—  dickeren  aus  Eisen  124. 
Drebelliüs  (Drebbel),   Corne- 
lius 544,  545,  550. 

Drehbänke  41. 

—  mit  kontinuirlicher  Dreh- 
ung 190,  300. 

—  zum  Passigdrehen  189, 190, 
511. 

—  zum  Schraubenschneiden 
441,  190. 

Drehkrahnen  44,  272,  273, 
284,  330,  448,  157-161, 
197-198,  309. 


Drehorgel  mit  Wassertrom- 
melgebläse und  Wasserräd- 
chen 269,  511. 

Drehräder  von  Erz  2. 

Drehscheiben  44,  330. 

Drehungen,  entgegengesetzte, 
erzeugt  aus  einer  172. 

Dres'.*hmaschine  540,  549. 

E:delstein-Schleifmaschine282, 

166. 
Eigengewicht  von  Maschinen- 

theilen  450,  241,  242. 
Eimerkunst  48,  135,  228,  245, 

247. 
Einscbleifen  von  Hahnen  540. 
Einzahnrad  320,  170. 
Ellipsenzirkel  188. 
Epagon  44. 

Erdbeben,  durch  Dampf  nach- 
geahmt 256. 
Erdbohrer  280,  103,  343,  444, 

545. 
Erdförderung  481,  246. 
Erz-  und  AmalgamirmQhlel53. 
Expansion  des   Dampfes  565, 

569. 
Expansions  •  Dampfmaschine, 

doppeltwirkende  572. 

Faden  Wächter  fQr  Duplirma- 
schinen  454. 

Fahrstuhl,  um  sich  selbst  auf- 
zuziehen 200. 

Fall  auf  der  schiefen  Ebene  95. 

Fallhammer  161,  162. 

Fallschirm  99. 

Feilenhaumaschine  108. 

Festigkeit  98. 

Feuer  8. 

Feuerröhren  22,  571. 

Feuerspritze  14,  52,  204,  397, 
511. 

—  die  alten  ohne  Windkessel 
und  Schläuche  403. 

—  Gebrauch  derselben  im 
Alterthum  400. 

Feucriöpfe  444. 
Flammofen  463. 
Flaschenzng  2,  33,  446,  242. 

—  umgekehrter  338,  228. 
Flugmaschinen  349—352. 
Fluth  und  Ebbe  als  Kraftquelle 

292,  518. 


Fördermaschine  mit  direktem 
Pferdebetrieb  131. 

—  Pferdebetrieb,  Vorgelege  u. 
Bremse  132. 

Fontana,  Domenico  485. 

Frachtwagen  41. 

Formerei  von  Geschützen  462. 

—  von  Kugeln  347. 
Frontinus,  Sext.  Jul.  58. 

Galilei,  Gal.  506. 

Gangspill  43,  329. 

Garzoni,  Thom.  190,  300. 

Gefässe  der  Einigkeit  11. 

Gehen  auf  dem  Wasser  468. 

Gerinnanlage  für  Wasserräder 
453. 

Getränkte  Axen  19. 

GeschQtz-Formerei  462. 

Geschatzkugeln,  eiserne  11.5. 

Gewichtsmahlen  212.  536. 

Gewindbohrer  344,  427. 

Gitter  •  Brech  Werkzeuge  330, 
428,  233. 

Gleitstück  529. 

"//.tüafTÖxo^ov  30. 

G  oldschl  ägerhäm  m  er433— 440. 

Gotteskasten  19. 

Gusseiserne  Wasserleitungs- 
röhren 105. 

Hängewerk-Brücke,    einfache 

522. 
Ilahnensteuei-ung  509. 
Hahnenverschlüsse  16. 
Hammerwerke  157. 

—  für  Goldschläger  433—440. 
Handmühlen  für  Golderze  152. 
HARSTöRFrER,GG. Phil.  424, 548. 
Harzer  Wettersatz  341. 
Hautsch,  Joh.  424,  548. 
Hebel  2,  33,  241. 
Hebelpressen  67,  68,  69,  71, 

76,  79,  450,  301. 

Hebeltransmissionl  19,120,582.^ 

Hebedaumen  286,  102. 

Hebemaschinen  29, 33-36, 41, 
284,  285,  291,  828,  829,  444, 
130-133,  175,  197, 199,  204, 
205,  233,  241,  294,  295. 

Heben  durch  Wasserauftrieb 
331. 

Heber,gewöhnliche,gedoppelte, 
im  Schwimmer  befestigte 
und  darin  verstellbare  8. 


Namen-  und  Sachregister. 


579 


Heber     mit    Ansaugevorrick- 

tung  9. 
Hkide,  Jan  van  der  403. 
Heissluftmaschine  12,  17. 
Hkle,  Peter  312. 
Heron  der  Aeltere  1,  5. 
HeroDsball  10,  257,  268,  503. 
Heronsbronnen  21,  260,   508, 

509. 
Hinterladangsgeschütze     347, 

348,  236-238. 
Hobelvorrichtung  442. 
Hochdmckdampfmaschine  265, 

558,  565. 
Hohlform,  der  Begriff  386. 
Hohlkolben  291,  176,  222. 
Höllenmaschine  333. 
Holzbahnen  129. 
Horizontal-Transport    grosser 

Lasten  448. 
Homhaspel  130. 
Horror  vacoi  7,  259. 

Joche  41. 

Kalorische  Maschine  12,  17. 
Kammerschleuse  483,  316. 
Katapulte  54. 
Kegelräder  100. 
Kegelventile  4,   53,  325,  326, 

222. 
Kehrrad  142,  536. 
Keil  2,  33. 
Keilpressen  zur  Oelfabrikation 

406. 
Keltern  nach  Cato  demAelteren 

79. 
—nachPuNiüsdem  Aelteren  76. 

—  antike  aus  dem  16.  Jahrh. 
69,  301. 

—  antike  aus  neuerer  Zeit  67. 
Kelterkammer  o8  (Siehe  auch 

unter  Presshäuser). 
Kembohrer  440. 
Kesselofen  463. 
Ketten  102,  340,  135,  245. 

—  anstatt  Schubstangen  220, 
221. 

—  ohne  Ende  für  Handbetrieb 
287,  210. 

KettenbrQcke  524. 
Kettentransmission  221. 
Kircher,  Athanasius  513. 
Klappen  Ventil  11. 


KlappenventU,  mehrfaches  326. 

Klauenkuppelung,  lösbare  540. 

Kochtopf  Heros 's  22. 

Kolben  zu  Patemosterwerken 
287,  102. 

Kolbenpumpe,  liegendelOl, 248. 

Kolbenstange,  hohle  als  Steig- 
rohr dienend  216.  222. 

Kollergänge  347,  126,  308. 

Kommunicirende  Röhren  11, 12. 

Kopirpressc  566. 

Krafteinschalter  332. 

Kraftmaschinenkuppelung 

(ÜHLHORN'sche)    169. 

Krabnen,  einbeinige,  zwei-,drei- 
und  vierbeinige  35,  42,  43, 
272,  445,  447,  448. 

—  zum  Herablassen  von  Lasten 
273. 

Kranichhälso  8. 
Kratzmaschinen    für    Tücher 

314,  456. 
Kropfrad  518. 
Ktesibios  2. 
Ktesibisches    Druckwerk    51, 

176. 
Kühler  auf  den  Tisch  471. 
Kugelformmaschine  347. 
Kugelgestalt  der  Krde  96.         | 
Kunstrammen   280,   290,  343,  . 

193,  249,  540. 

—  für  schräge  Pfähle  195, 428. 
Kupferdruckpresse  307. 
Kurbel  2.  219. 

—  an  Dampfmaschinen  572. 
Kurbel-Kapselwerke  225. 
Kurbelkreuz-Scbleife ,     recht- 
winklige 315. 

Kurbelschleife,  oscillirende220. 
Kurbelviereck  219. 
Kurvenschubgetriebe  218,  219. 
Kurvenzirkel  187,  188. 

Lampe  mit  Glascylinder  99. 

—  selbstregulirende  333. 
Lederbalgpumpen  289, 101,227. 
Leitern,  zusammenlegbare  253. 
Leo.xardo  Da  Vinci  88,  318, 411. 
Lesepult,  mechanischer  234. 
Leupold  202. 
Ldiperch,  Pieter  408. 
Lobsinger,  Haxs  345. 
Lochstempel  442. 
Löffelräder  531,  537. 


Löffelunruhe  175. 
Log  53,  205. 

LORIXI,    BUONAIUTO  235. 

Luftschraube  oder  Lnftkreisel 
351. 

Mahlen  des  Schiesspulvers  125, 
252. 

—  von   Gold-   und   Zinnerzen 
15L 

Mangen  196,  301. 

Mangelrad  320. 

Marianus,  Jacobus,   gen.  Tac- 

coLA  271,  284. 
Marionano  siehe  Medichino. 
Marmorschleifmaschine  19 1 . 
Maschine,  der  Begriff  im  Al- 

terthum  40. 
Mechanica  des  Heron  5,  27,  29, 

32. 
Mechanische     Probleme     des 

Arlstoteles  1. 
Medichino,  Giacomo  gen.  Ma- 

RIGNANO  206. 

Mehlmühlen    451—453,     196, 
229. 

—  für  Handbetrieb  275,   276, 
277,  451,  209,  253. 

—  für  Göpelbetrieb  277,  278, 
291,  451,  519. 

—  fahrbare  310. 
Mehlsichtmaschine  181,  297. 
Mehlsiebe  181. 
Mersennes  506,  544. 
Metagenes  46. 

Metus  vacui  259. 
Momententheorie  94. 
Motoren,  hydraulische  47 1, 477. 
Mühle  mit  oben  ausgehöhltem 
Bodenstein  152,  451. 

—  eigen thümlicher  Art  533. 
Münzen  schlagen  346. 

—  prägen  575. 

Nähnadel-Schleifmaschine 

458-461. 
Nasspochwerk  149,  150. 
Nürnberger  Scheere  191,  192, 

376,  377. 

Oefen  für  Silberhütten  154. 

—  für  Zimmer  mit  Zügen  550. 
Oehlmühle,  deutsche  407. 

—  holländische  408. 


37^ 


580 


Nameu-  und  Sachi-egister. 


Oelpressen,    altrömische    71, 

76,  79. 
—  im  16.  Jahrhundert  68,  69, 

301,  520. 
Oelsamenquetsche  520. 
Olivenqueische  (trapetuin)  72 

his  74,  85-87. 

Paeonios  46. 
Panemoren  517. 
Pansterräder  210. 
Papiermühle  313,  537. 
Pappus  der  Alexandriner  27. 
Passigdreben  189,  190,  511. 
Patemosterwerke    287 ,    339, 

140,  141,  228. 
Patronendrehbank     zum    Cie- 

windeschneidcn  441. 
Pendel,    schweres    333,    336, 

451,  191,  192. 
Pentaspastos  42. 
Peritrochion  42. 
Perpetuum  mobile   286,    472, 

479,  231. 
Personenwagen  41. 
Pferdegöpel    131,    132,     196, 

210. 
Pflug  41. 
Piuleus  22. 

Plungerpumpe  fQr  geringe  För- 
derhöhe 287,  315. 
Pneumatica  von  Hkrox  5,  6. 
Pochwerke     147 — 151     (siehe 

auch  „StampfmQhlen"). 

Pui.YIDOS  37. 

Polyspastos  44. 

Pontonbrücken ,  transportable 
253. 

Poppe,  J.  H.  M.  181,  312,  393. 

Porta,  Giambattista  deli.a  254. 

Potenzen,  die  fünf  mechani- 
schen 32,  241. 

Prägen  von  Münzen  346,  575. 

Pressen  41,  67—79,  449,  301, 
520. 

Presshäuser ,  altrömische  80 
bis  84,  70,  72—76  (siehe 
auch  unter  Kelterkammer"). 

Priesterfiguren, Trank  opfernde 
12. 

Princip  der  virtuellen  Ge- 
schwindigkeiten 94, 242, 243, 
506.- 

Prochyta  9. 


Proportionalzirkel  187. 
Pumpen,    einfache   287,    474, 
135,  136,  510. 

—  zweistiefelige  51,  176,  334 
bis  336,  472,  473,  479,  213 
biä  220,  396,  506-508,  531. 

—  zweistiefelig  in  kastenför- 
migem Gehäuse  136. 

—  dreistiefelige  137. 

—  mit  Hohlkolben,  291.  176, 
177. 

Pumpen  mit  schwingenden 
Kolben  202,  224,  315. 

—  mit  rotirenden  Kolben  225. 

—  gestürzte  248,  507,  510. 

Pumpensätze,  mehrere  gleich- 
zeitig betrieben  137,  140, 
507. 

Pumpen  Stiefel ,   halbcylin- 
drische  222. 

—  gebogene  336,  474,  223. 

—  kastenförmige  224. 
Pumpwerk  mit  prismatischen 

Stiefeln  201. 
Pythagoräisches   Dreieck    51. 

Radschlösser  an  Musketen  422. 

Räder  2. 

Ramki.li,  Agostino  206. 

Ramme,  hammerförmige  428. 

Regulirhahn  4. 

Regulirung  der  Ausflussmenge 

19-21. 
Regulirventile,  konische  4. 
Reibung  97. 

Reibungskuppelungen  170. 
Reise  wagen  41,  541. 
Relative  Bewegung  97. 
Reutern  des  Getreides  521. 
RiCH,  Antony  521. 
Riemenantrieb  864,   306,  408. 
Rinnen,  schwingende  289,  475, 

366,  (Figur)  229. 

RlVlUS,  GUALTHKRUS  H.  184, 391. 

RoBisoN,  John  557. 

Roebuck,  Dr.  562. 

Röhren,    kommunicirende   11. 

Rolle  2. 

Rollen  der  Gerste  522. 

Ruder  2. 

Ruderräder  281,  550. 

Rückschlagventil  für  Blasbälge 

341. 
Rundfräser  344. 


Säge  mit  Stockzähnen  344. 
Sägegatter     für    Handbetrieb 

192. 
Sägemühlen  193,  232,  405,  510. 
ScAppi,  Bartoi.omeo  312. 
Schälen  des  Getreides  521. 
Schaltwerk  102,  446. 

—  doppeltwirkendes  324,  248, 
253,  420.  421. 

Schatztruhe  Hero.n's  19. 
Schiefe  Ebene  29,  95.  243,  244. 
Schiffahrt  unter  Wasser   544. 

550. 
Schiffe  41. 

Sehiffmühlc  295,  519. 
Schiffspumpe  336. 

—  des  Bartolomals  Brambilla 
176,  177. 

—  mit  Massivkolben  und  Leder- 
dichtung 177,  178 

Schirm,  fahrbarer  des  Ar- 
chinger  von  Seinsheim   283. 

Schläuche,  lederne  mit  metal- 
lenen Verbindungsstücken 
542. 

Schleiferei  für  Handbetrieb  299. 

—  für  Wasserradbetrieb  299, 
408. 

Schleifen     von     Hohlspiegeln 

360-364,  464. 
Schleif,   und  PolirmQhle   427. 
Schleuder  2. 

Schleudermaschinen  466,  467. 
Schleusen  316,  483. 
Schleusenthore  316,  483,  484. 
Schlitten  (chelona)  35. 
Schmelzöfen  für  Silberhütten 

154. 
Schneidzeug    für    Scbrauben- 

muttem  344,  427. 
Schnei Iwaage  2. 
Schnurtrieb    siehe  „Seiltrans- 

mission'*. 
ScHOTTUs,  Kasp.  245,  448,  513. 
Schopfräder  47,  48,  291,  468, 

228,  302. 
Schöpfwerk  mit  horizontalem 

Wasserrade  200. 
Schraube  2,  31,  34,  243,  244. 

—  konische  416. 

—  als  Bewegungsmechanismus 
29,  34,  274,  284,  100,  32Ü, 
417,  448,  200,  215—217, 
251,  294,  295. 


Namen-  und  Sachregister. 


581 


Schraube  alsWassennotor327. 
»Schrauben,   rechts-  und  links- 

gängige   durch  Spannwirbel 

verbunden  417,  218. 
Schraubengang,  in  sich  selbst 

zurückkehrender  417. 
Schraubenkluppe  427. 
Schraubenpressen  451,  301. 
Schraubenräder  2,  82, 100,  320. 
Schraubenräderwerk  mit  Anti- 

friktionsrollen  421. 
Schraubenscbneiden    auf    der 

Drehbank  441,  190. 
Schraubenschneidmaschine 

344. 
Schraubenwinden  274, 284, 427, 

445. 
Schraubzange  426. 
Schraubzwinge  426. 
Schrittzähler  423. 
Schröpfkopf  7,  8,  18. 
Schubstangen,   um  90^  gegen 

einander  versetzt  253. 
Schubstangenkopf  102. 
Schuh     mit    Rüttelwerk    182, 

229,  230,  533. 
Schwengel ,    horizontaler    mit 

FiDgelstange  209,  533. 

—  vertikaler  mit  Flügelstange 
125,  533. 

—  mit  Gegengewicht  am  Zieh- 
brunnen 2. 

Schwimmei-ventil  20,  21. 

Schwimmgürtel  99,  281,   526. 

Schwingende  Rinne  289,  475, 
229,  366  (Figur). 

Schwunggewichte  275, 131,520 

Schwungrad  326,  130. 

Segelwagen  393. 

Seidezwirnerei  303. 

Seilbahn  291, 246, 247, 525, 549. 

Seilbrücke,  hänfene  524. 

Seilerrad  453,  528. 

SeUtransmission  282,  364,  426, 
166,  534. 

Seiltrommel  220,  221. 

Selbstfahrende  Wagen  283,424. 

Selbstthätiges  Füllen  und  Ent- 
leeren 475. 

Sichtmaschine  181,  297. 
Siederohre  22. 

Singende  Vögel  Hkron's  13,  19. 
Skizzen    aus     der    Zeit    der 
Hussitenkriege  270. 


Small,  Dr.  563. 

Soho  562. 

Sonnenwärme  als  Motor  509. 

Sonnenuhren  40. 

Spannhebel  für  eine  Armbrust 

422. 
Speckle,  Daniel  345. 
Sperrad  mit  Sperrklinke  219. 
Spindel    für    Spinnmaschinen 

108,  805. 
Spiralrad  320. 
Spiralziikel  189. 
Spitzbalg  mit  Wasserdichtung 

340. 
Springbrunnen  39. 
Spritzenschläuche  402. 
Spritzflasche  257. 
Stampfmühlen  279,   287,   126, 

195,  252,  295,  309. 
Standrohr,  umlegbares  10,  14, 

399. 
Stechheber  9. 

—  doppelter  9. 
Steinsägen  105,  231,  232. 
Stetten,  Paul  von    179,   193, 

197,  404. 
Stevin,  Simon  28,  316,  393,  394. 
Stirnräder,    konaxiale,    durch 

Räderübersetzung  verbunden 

419. 

—  parallele  oder  konaxiale,  in 
ein  Getriebe  eingreifend  419. 

Stirnräderübersetzungen     166, 

167. 
Stockscheere       zum      ßlech- 

schueiden  431. 
Strada,  Jacob  de  276,  529-531. 
Strada  (Ogtavius  de)  529—531. 
Stiomaufwärtsfahren  vermöge 

des  Stromes  289,  526. 
Stützung  166. 
Sükflator  256. 

Taisnier,  J.  240. 
Targone,  Pompeo  310. 
Taschenuhren  312. 
Taschenwerk  539,  540. 
Taucherglocke  238. 
Taucherhelm  281,  99,  467,  239, 

240. 
Teigknetmaschine  539. 
Thonröhren  39. 
Tonnengebläse,  rotirende  431, 

342. 


Töpferscheibe  2. 

—  für  Brandkugeln  444. 
Toricelli  259. 

Transmissionsanlage  153,  536. 
Transport    des    vatikanischen 

Obelisken  485. 
Trapetum  72-74,  85-87. 
Tretrad  43,  146,  210,  520. 

—  horizontal  131,  405. 

—  geneigtes  210,  297. 

—  für  Pferd  537. 
Tribulum  540. 
Trispastos  42. 
Trockenpochwerk  147—149. 
Trottgänge  347,  126,  298,  308. 
Tuch-Rauhmaschine  456,  314. 
Tuchscheeimaschine  103,  456. 
Turriaxo,  Juanelo  365. 

ÜBALDi,  Guido  del  Monte  241 — 

243. 
Uhr,  astronomische,des  Juanelo 

TuRRiANo  369-372. 
Uhren  in  Ringen  und  Knöpfen 

393. 

—  transportabel  312. 
Uhrmacherregeln  173,  174. 
Umdrehungszahl     von    Mühl- 
steinen 49,  230,  297. 

Umkehrung  von  Mechanismen 
285,  336,  338,  422,  176,  200, 
228,  541. 

Umsteuerungskuppelung    541. 

Umwandlung  drehender  in  eine 
in  der  Axenrichtung  hin- 
und  hergehende  ßewegung 
417,  418. 

—  drehender  in  geradlinig  hin- 
und  hergehende  Bewegung 
320-323,  213,  214,  508. 

—  drehender  in  schwingende 
Bewegung  320—323,  213. 

—  schwingender  in  drehende 
Bewegung  420,  199,  200. 

Unfallvcrhütungs  -Vorrichtung 

160. 
Universalgelenk  205. 
Unruhe  174,  175. 

—  mit  Spiralfeder  175. 

Vacuum  6. 

Valturius,  Rob.  192,  240,  253, 

282,  377,  425. 
Vegetius,  Renatus  65,  240. 


582 


Namen-  und  Sachregister. 


VeDtilatoren  144. 

Ventile,  glockenförmige  21.      j 

—  Klappen  11. 

—  konische  3,   53,   325,  326,  I 
222.  ; 

—  spritzenförmige  18. 
Ventilkolben  291,  176,  222. 
Verantiüs,  Faüstus  290,   513.  | 
Verdampfung  264,  504,  557. 
V'^erzabnung,  innere  212.  ' 

—  für  Winkelräder  100,   212.  , 

—  für  Schraubenräder  32.        ' 
Vierweghahn  16. 

Virtuelle     Geschwindigkeiten, 

Princip  der  94,  242,  243, 506.  | 
ViTRüv  2,  37. 
Vögel,  singende,  des  Uekon  13, 

511. 

I 

Waage,  gleicharmige  2.  41. 

—  römische  2,  41.  | 
Wärme,  latente  559. 
Wagenburg    der    Hussiten, 

selbstfahrende  283,  540,  548.  | 
Wagenrad  2. 

Walkmühle  300,  406,  537.        ' 
Walze  2,  35. 

Walzenmühle  231,  515.  ' 

Walzwerk  für  Fensterblei  308.  i 

—  für  Zinnfolio  347.  ' 

—  für  Zinn    zu   Orgelpfeifen  i 
511. 

—  für  Münzen  539.  i 
Warmhalten  der  Dampfcylin- 

der  559. 
Wasser  in's  Haus  ziehen  472. 
Wasseraufzug  mit  Kehrrad  142. 
Wasserdruck  332,  506. 

—  auf  Schaufeln  messen  470. 
Wasser  Förderung    durch   eine 

saugende  Wassersäule  258. 

—  durch  eine  drückende  Was- 
sersäule 259. 

—  durch  eine  saugende  und 
eine  drückende  Wassersäule 
260 

—  durch  mehrere  saugende 
Wassersäulen  260. 


Wasserförderung  auf  grössere 
Höhe  durch  Vermengung  der 
aufsteigenden  Wassersäule 
mit  Luft  262. 

—  durch  eine  mit  Luft  ver- 
mengte saugende  Wasser- 
säule 263. 

—  vermittelst  Luftverdünnung 
durch  Feuer  480. 

Wasserhaltung  134. 
Wasserkunst    des    Jianelo 

TüRHiAXo  373. 
Wasserleitungen     des     alten 

Rom  58—65. 
Wasserleitungsröhren,  bleierne 

39. 

—  hölzerne  105. 

—  gusseisernQ  105. 

—  thöneme  39. 

—  Wassermühlen  49,  278,  279, 
195,  230,  296. 

Wasserorgel  24,  25,   52,  269. 
Wasserräder,  horizontale  278, 

110,   195,    201,    211,    518, 

519,  540. 

—  oberschlechlige  289,  109 
326,  327,  151,  296. 

Wasserschöpfwerk  542. 
Wasserschraube  oder  Wassor- 

schnecke  50,  339,  468,  178, 

506. 

—  selbstthätige,  des  Galeazzo 
DE  Rübeis  178. 

Wassertrommelgebläse      266, 

267. 
Wasseruhren  2,  470. 
Wasserversorgung  Augsburg's 

179. 

—  ToLEDo's  vor  der  „Kunst' 
des  JuANELO  866. 

—  TüLEDo*s  nach  derselben  389. 
Wasserzange  202,  203. 
Webeinstrumente  41. 
Webstuhl     für     gemusterten 

Damast  549. 
Wecker,  hydraulischer  332. 
Wegmesser  53,  424. 
Weinpresse,  römische  79. 


Wein-Saugapparat  543. 

Wettersatz,  Harzer  341. 

Wetterschächte  40,  546 

Wichtigkeit  der  Schläuche  an 
Feuerspritzen  402 — 40 i. 

WiLKiNsoN,  John  545. 

Winden  29,  34,  427,  447,  245, 
294,  541. 

Windkessel  10,  269,  403. 

Windmühlen,  deutsche  (Bock- 
windmühlen) 277.  278,  183. 

—  holländische  mit  drehbarem 
Dache  327,  211,  532. 

Windräder,  vertikale  25,  188. 

—  horizontale  184, 203. 516, 517. 
Winkelrädergetriebe  19,   319, 

212. 
Wirbel,  künstlicher  337. 
Wirkung  des  Feuers  8. 

—  sichtende,  von  Luftwellen 
183. 

WORCKSTER,     MaROUIS     OK   265. 

Zahnformen  100. 
Zahnräder  2,  19,  30,  31. 

—  am  halben  Umfange  ver- 
zahnte 320,  212. 

—  eiserne,  mit  eingeschraubten 
Stahlzähnen  135. 

—  mit  geschränkten  Axen  19, 
154,  173. 

—  spiralförmige  824,  171. 
Zahnräderübersetzungen     166, 

168. 
Zangen  2. 

—  selbstschliessende  102. 
Zargen  229. 

Zentrir-Vorrichtung  441. 
Zeising,  Hkinr.  391. 
Ziehbänke    für     daubenartige 

Eisenstäbe  430. 

—  für  Metallbändor  355,  856. 
Ziehbrunnen  338,  473,  228. 

ZOXCA,  ViTTORIO  293. 

Zusammengesetzte      Drehung 

171. 
Zwirnerei  fürWasserrad  betrieb 

303. 


Banrao«  zur  GeacMchte  dae  Ma 
Sunlord  Unmmty  Li&rwies 


3  6105   030  413   574 


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STANFORD,  CALIFORNIA     94305-6004 


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