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BEITRÄGE
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GESCHICHTE DES MASCHINENBAUES.
BEITEÄ'tE
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BEITRÄGE
ZUR
GESCHICHTE DES MASCHINENBAUES.
VON
THEODOR BECK,
INGENIEUR rXD PRIVATDOCENT AN DER OR09SIIERZ00L. TECIIXISCIIEN 110« HSCIIILE
IN »ARMSTADT.
%
MIT 827 IN DEN TEXT GEDRUCKTEN FIGUREN.
ZWEITE VERMEHRTE AUFLAGE,
ZU BEZIEHEN DURCH
J i: L I U S SPRING E R I N H E R L I N.
1000.
IK'ratiNjLroucbi'ii
im Auftrage des Voreiiies deutscher Iiicenieun-
zu Hcrlin.
Druck der Kgl. l'nivcniitütK-Dniokcrvi von II. Stürtz in WUrzburg.
Vorwort zur ersten Auflage.
Die Technik hat sieh in dem zur Neige gehenden Jahrhundert so rasch
entwickelt, und auch in der Gegenwart ist ihr Fortschritt so gewaltig, dass
denen, die in ihr und für sie thätig sind, meist keine Zeit bleibt, den Blick
zurückzuwenden; sie müssen ihre ganzen Kräfte anspannen, um mitzu-
schreiten ; ihr eifriges Streben für die Zukunft lässt ihnen keine Müsse, sich
mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Um so erfreulicher ist es, wenn unter
uns dennoch Einzelne Zeit hierzu finden und uns die Ergebnisse ihrer
Forschungen kurz und doch mit wissenschaftlicher Gründlichkeit und sach-
kundiger Auswahl vorführen.
Die nachfolgende Sammlung historischer Abhandlungen über In-
genieure und Ingenieurwerke früherer Zeiten und ihre Herausgabe durch
den Verein deutscher Ingenieure ist einer Anregung des Herrn Professors
Riedler zu verdanken. Herr Riedler machte den Vorstand des Vereines
deutscher Ingenieure darauf aufmerksam, dass diese von Herrn Tn. Beck in
den Jahren 1886 bis 1896 einzeln in der Zeitschrift „Civilingenieur" ver-
öffentlichten Aufsätze einen werthvollen Beitrag zu der so spärlich bebauten
Geschichte der Ingenieurkunst bilden, und dass es in hohem Maasse erwünscht
wäre, wenn die auf eine grosse Zahl von Zeitschriftenheften verstreuten Auf-
sätze in einer Gesammtausgabe vereinigt und damit dem grossen Kreise
unserer Fachgenossen zugänglich gemacht würden. Der Vorstand des
Vereines deutscher Ingenieure hat dieser Anregung bereitwilligst entsprochen,
und der Verfasser der Aufsätze hat Erlaubniss und Mitwirkung zur erneuten
Herausgabe auf das Freundlichste gewährt. Dadurch, dass der Verein
deutscher Ingenieure einen namhaften Beitrag zu den Herstellungskosten
leistete, ist es möglich geworden, diese werthvollen Arbeiten mit ihren zahl-
reichen Abbildungen in ansehnlicher Ausstattung und doch zu ausserordent-
lich billigem Preise den VereinsmitgUedern zur Verfügung zu stellen.
Berlin, im August 1899.
Th. Peters.
Inhalts-Verzeichniss.
— . *
Meitc
Heron der Aeltere von Alexandria (um 120 v. Chr.) und seine Vorgänger . 1
Pappus der Alexandriner 27
Marcus Vitruvius Pollio (um 16 v. Chr.) 37
Sext. JuL Frontinus (lun 97 n. Chr.) 58
Cato der Aeltere (234—149 v. Chr.) 66
Leonardo da Vinci (1452—1519 n. Chr.). (Erste Abhandlung) 88
Vanuccio Biringuccio (um 1640 n. Chr.) 111
Georgius Agricola (1490—1555) 127
Hironimus Gardanus (1501— 1576) 163
Jaques Besson (r 1569) 186
Agostino Ramelli (etwa 1530—1590) 206
Buonaiuto Lorini (geb. um 1545) 235
Giambattista della Porta (1538—1615) 254
Skizzen aus der Zeit der Hussitenkriege (um 1430) 270
Vittorio Zonca (1568—1602) 293
Leonardo <la Vinci (1452—1519). (Zweite Abhandlung) 318
Juanelo Turriano (1500—1585) 365
Heinrich Zeising (1613) 391
Leonardo da Vinci (1452 — 1519). (Dritte Abhandlung: Codice atlantico) . . 411
Domenico Fontana (1543 — 1607) und der Tmnsport der Vaticanischen Obelisken 485
Salomon de Caus (etwa 1576—1630) 502
Faustus Verantius (um 1617) 513
Jacob de Strada (etwa 1523—1588) 529
Giovanni Branca (um 1629) 538
Marinus Mersenne (1588—1648) 544
Georg Philipp Harstörffer (1607—1658) 548
James Watt und die Erfindung der Dampfmaschine. (Vortrag am 9. Febr. 1894
im Ortsg<> werbe verein Darmstadt) 552
Namen- und Sach-Register 577
Heron der Aeltere von Alexandria (um 120 v. Chr.)
und seine Vorgänger.
Das Interesse für die Entwicklungsgeschichte der Mechanik und des
Maschinenbaues ist erfreulicher Weise im Wachsen begriffen. Die ehedem
üblichen geringschätzigen Aeusserungen über die Leistungen früherer Jahr-
hunderte beginnen zu verstummen und sorgfältiger erwogene Urtheile werden
immer häufiger ausgesprochen.
Unter diesen Umständen dürfte es keine undankbare Aufgabe sein, zur
Verbreitung der Kenntniss älterer Schriftsteller auf dem Gebiete des Maschinen-
baues beizutragen, um so mehr, als deren Werke in der Regel nicht leicht
zugänglich und der fremden Sprache und Anschauungsweise wegen schwer ver-
ständlich sind, so dass es nur nach eingehendem Studium zu gelingen pflegt,
über deren Inhalt eine Uebersicht und ein Urtheil zu erlangen.
Kurzgefasste und doch klare, das Wesentliche enthaltende Berichte über
den Inhalt der wichtigeren alten Werke über Maschinenbau dürften zur Ver-
breitung kulturhistorischer Kenntnisse wesentlich beitragen, und soweit es in
unseren Kräften steht, wollen wir solche Berichte liefern, wobei wir jedoch
weniger die Entwicklungsgeschichte der mechanischen Theorien, als vorzugs-
weise die Kenntniss mechanischer Hilfsmittel der Alten vor Augen haben.
Von diesem Gesichtspunkte aus bietet das älteste auf uns gekommene
Werk, welches mechanische Fragen behandelt, die ;, Mechanischen Probleme des
Aristoteles^ (geb. 384 v. Chr.), nicht dasjenige Interesse, welches es als einer
der frühesten Versuche zur theoretischen Behandlung mechanischer Fragen
erweckt. Wir können ihm als solchem unsere Bewunderung nicht versagen,
denn, wenn auch jetzt, nach mehr als zweitausendjähriger Weiterentwicklung
der Wissenschaft, selbstverständlich Vieles in diesem Werke als verfehlt erscheint,
so finden sich doch mehrere bis auf den heutigen Tag gültige Grundsätze und
Behandlungsweisen darin. Auch bleibt es stets ein nicht zu unterschätzendes
Verdienst des Aristoteles, im Gegensatze zu der damals herrschenden Schule
Beck. 1
2 Heron der Aeltere von Alexandria und seine Vorgänger.
des Plato, auf die Wirklichkeit, die Erfahrung und auf praktische Dinge hin-
gewiesen zu haben.
Die in seinen „Mechanischen Problemen^ betrachteten oder erwähnten
mechanischen Hilfsmittel sind: der Hebel, der Schwengel mit Gegengewicht am
Ziehbrunnen, die gleicharmige Waage, die Schnell waage, die Zange, der Keil,
die Axt, die Kurbel, die Walze, das Wagenrad, die Rolle, der Flaschenzug, die
Töpferscheibe, die Schleuder, das Ruder, sowie auch Drehräder von Erz oder
Eisen zur Umkehrung der drehenden Bewegung, worunter wahrscheinlich Zahn-
räder zu verstehen sind.
Von allen diesen mechanischen Hilfsmitteln spricht Aristoteles wie von
bekannten Dingen. Die Schraube ist nicht erwähnt, soll aber zur Zeit des
AiicmMEDEs (geb. 287 v. Chr.) bekannt gewesen sein und es w^ird dieser von
Vielen für den Erfinder der Schraube und des Schraubenrades gehalten. Leider
hat AncmMEDES, weil er, vfie Plutarch sagt, die Beschäftigung mit mechanischen
Arbeiten als ein unedles Handwerk betrachtete, über die ihm bekannten mechani-
schen Hilfsmittel Nichts geschrieben und es fehlt daher der Beweis für jene
Annahme.
Um das Jahr 140 v. Chr. lebte Ktesibios in Alexandria, von dem Vitrüv
in seinen von 16 bis 13 v. Chr. geschriebenen ;,Zehn Büchern über Architektur*^
erzählt*):
„Er war der Sohn eines Barbiers. An Talent und Fleiss hervorragend, hatte
er^ wie berichtet wird, an mechanischen Künsten seine Freude. Da er nun in der
Barbierstube seines Vaters einen Spiegel so aufhängen wollte, dass, wenn man ihn
herabgezogen hatte und ihn wieder hinauf schieben wollte, eine verborgene Schnur das
Grewicht des Spiegels aufwärts zöge, brachte er zu diesem Zwecke folgende Vorrichtung
an: Er stellte unter einem Deckbalken der Stube einen hölzernen Kanal her und
setzte in diesen Rollen ein. Durch diesen Kanal zog er dann die Schnur bis zur
Ecke des Zimmers und stellte dort eine senkrechte Röhre her, in welcher er eine an
die Schnur befestigte Bleikugel hinabliess. Als nun das Bleigewicht durch sein Herab-
sinken in der engen Höhlung der Röhre auf die darin enthaltene Luftmenge drückte,
drängte sie diese mit grosser Geschwindigkeit durch die Mündung in die freie Luft
und die erstere erzeugte, sobald sie mit der Letzteren in Berührung trat, einen lauten
Ton. Nachdem so Ktesibios beobachtet hatte, dass aus dem mit der freien Luft in
Berührung kommenden gepressten Luftstrom Töne entstünden, erbaute er zuerst, auf
dieser Grundlage fussend, Wasserorgeln, später auch Wasserdruckwerke, die soge-
nannten Automaten und viele Arten von auf die Verschönemng des Lebens berech-
neten Werken, unter welchen er namentlich auch die Herstellung der durch Wasser
getriebenen Uhrwerke entwickelte."
Die Wasseruhren bestanden nach Vitruv's Beschreibung aus zwei über-
einander angeordneten Gefässen. Das obere wurde täglich bis zu einer bestimmten
Höhe mit Wasser gefüllt, welches durch ein zur Vermeidung der Oxydation
aus Gold oder Edelstein hergestelltes Mündstück in das vorher bis zu einem
bestimmten niedrigsten Wasserstande entleerte untere Gefäss abfloss. Das
*) Wir entnehmen diese Stelle der üebersetzung von Dr. Franz Reber, Stuttgart bei
Krals & Hoffinann, 1865.
Wasserorgeln, Wasserdruckwerke, Wasseruhren. 3
Wasserniveau in dem unteren (jefässe stieg innerhalb einer bestimmten Zeit
auf eine bestimmte Höhe, und aus dem Wasserstande war daher stets die seit
Ingangsetzung der Uhr verflossene Zeit zu erkennen. Um diese Zeit von
aussen sofort erkennbar zu machen, brachte man in das untere Gefäss einen
Schwimmer, der sich durch den Zufluss mit dem Wasserniveau emporhob. Bei
den einfachsten Wasseruhren dürfte wohl nur ein Zeiger in Form eines senk-
rechten, aus dem Gefäss hervorragenden Stabes auf dem Schwimmer befestigt
gewesen sein, hinter welchem eine Skala angebiracht war, auf welcher man je
nach dem Stande des Zeigerendes die verflossene Zeit ablesen konnte. Dieser
auf dem Schwimmer befestigte Zeiger wurde aber, wie Vitrüv angiebt, künst-
lerisch ausgebildet, indem man ihm die Gestalt einer menschlichen Figur gab,
welche, von unten heraufsteigend, auf die an einer Säule angebrachte Skala
zeigte. Oder es wurde anstatt des einfachen Zeigers eine senkrecht stehende
Zahnstange auf dem Schwimmer befestigt, welche in eine gezahnte Drehscheibe
(ein Zahnrad) eingriff und es beim Aufsteigen langsam umdrehte. Durch dieses
oder durch noch mehrere Zahnräder-Uebersetzungen bewirkte man dann, dass
Figuren sich bewegten, Kegelsäulen sich drehten, Kügelchen oder Eier in Inter-
vallen herabfielen oder Blasinstrumente ertönten, um den Ablauf eines bestimmten
Zeitabschnittes anzuzeigen.
Da es zur damaligen Zeit jedoch kein konstantes Zeitmaass gab, sondern
der natürliche Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang in zwölf Stunden
getheilt wurde, so musste entweder die Skala der Uhr im Sommer länger sein
als im Winter, wenn ein an dem Schwimmer befestigter Zeiger angewendet
wurde, oder es musste bei sich drehender kreisrunder Skala und feststehendem
Zeiger der Drehungswinkel der Skala im Winter ein kleinerer sein, als im
Sommer, oder es musste endlich, wenn nur eine Skala für alle Jahreszeiten
angewendet werden sollte, die Ausfiussöffnung am oberen Gefässe im Sommer
kleiner gemacht werden als im Winter.
Im ersten Falle brachte man viele verschiedene Skalen, etwa für jeden
Monat eine, auf dem Mantel eines senkrechten Cylinders an und drehte diesen
immer so, dass die der jeweiligen Jahreszeit entsprechende Skala hinter dem
Zeiger stand. Im zweiten Falle liefen die Skalen um einen Kegelmantel und
zwar scheint die konische Form einer solchen Walze oder Säule gewählt worden
zu sein, damit die Theilung der Skala für die kurzen Wintertage, in denen
der Drehungswirikel der Walze bedeutend kleiner war, nicht zu fein würde.
Demnach hätte die Skala für den längsten Tag, der Kegelspitze am nächsten,
den ganzen Umfang des Kegels umspannt, während die Skala für den kürzesten
Tag, der Kegelbasis am nächsten, nur einen Theil des Umfanges umspannte,
und der Zeiger hätte vom längsten bis zum kürzesten Tage immer mehr von
der Spitze nach der Basis hin verstellt werden müssen und umgekehrt.
Anstatt die verschiedenen Skalen auf einem Kegelmantel aufzutragen,
bediente man sich jedoch auch ebener, durch koncentrische Kreise in ring-
le
4, Heron der Aeltere von Alexandria und seine Vorgflnger.
förmige Skalen eingetheilter Scheiben, die als Kegel von unendlich kleiner
Höhe betrachtet werden können, und zwar geschah dies bei der sogenannten
Amphorika, einer Wasseruhr« die auch in einigen anderen Punkten von den
seither beschriebenen abwich. Es war nämlich der Schwimmer an einem
kupfernen Drahtseile aufgehangen, dieses war um eine horizontale Walze ge-
schlungen (wenn die Walze nicht hoch über dem Wasser lag, musste sie noch
über eine Leitrolle geführt werden, was bei Vitruy nicht erwähnt ist) und am
anderen Ende an ein Gegengewicht befestigt, welches herabsank und die Walze
umdrehte, wenn der Schwimmer durch den Wasserzufluss gehoben wurde. Auf
dem einen Ende der Walze, welches durch eine senkrechte Wandung ging^ war
eine koncentrische, runde Scheibe befestigt. Ein in diese Scheibe gestecktes
metallenes Knöpfchen diente als Zeiger und war verstellbar, indem die Scheibe
mit einer grinsen Anzahl Löcher versehen war, in die das Knöpfchen gesteckt
werden konnte. Die Skalenscheibe aber (gleichsam das Zifferblatt) war durch
ein Netz von koncentrischen Drahtringen und radialen Drähten gebildet und
vor der beschriebenen Zeigerscheibe befestigt. Es ist anzunehmen^ dass die
Skala für den längsten Tag zwischen den beiden innersten Drahtringen ganz
herumlief, während die Skala für den kürzesten Tag zwischen den beiden
äusseren Kreisen nur einen Theil des Umfanges einnahm, und dass daher das
Zeigerknöpfchen vom kürzesten bis zum längsten Tage immer mehr nach dem
Mittelpunkte hin versteckt wurde und umgekehrt.
Nach der Beschreibung des Vitruv könnte angenommen werden, dass das
Kupferdrahtseil nur um die Walze herumgeschlungen und nicht weiter daran
befestigt gewesen wäre, so dass man es hier mit einer Kraftübertragung durch
Reibung zu thun hätte.
Vitruv beschreibt auch konische Regulirventile, um den Ausfluss des
Wassers aus dem oberen Gefäss der Wasseruhren zu reguliren, mit den Worten:
;,Man lasse zwei Kegel, von welchen der eine massiv, der andere hohl ist, drehen,
so dass der erstere in den letzteren genau hineinpasst und dass das weitere
oder engere Zusammenstellen vermittelst eines Regulatorstabes (worunter viel-
leicht ein ungleicharmiger Hebel zu verstehen ist) den Ausiluss des Wassers
lebhafter oder sanfter macht.^ Ob diese Regulirventile dazu dienten, bei An-
wendung von nur einer Skala den Wasserausfluss monatlich oder täglich der
Tageslänge entsprechend zu ändern, was jedenfalls sehr schwierig gewesen
wäre, oder ob sie bei Anwendung der oben beschriebenen verschiedenen Skalen
nur dazu dienten, den Wasserabfluss für eine bestimmte Uhr ein für allemal
zu reguliren, ist aus Vitruv's Beschreibung nicht ersichtlich.
Dagegen erscheint es unzweifelhaft, dass ein Regulirhahn, den man an
der Amphorika anzubringen pflegte (siehe nachstehende Fig. 1), dem ersteren
Zwecke dienen sollte. Dieser bestand aus einem vor der Mündung des oberen
Gefässes befestigten horizontalen broncenen Hohlcylinder, an einem Ende ge-
schlossen und mit einem Loch versehen» durch welches das Wasser einströmte»
Ampliorika, Regulirventile, Regulivhahnen. 5
In diesen war ein kleinerer Hohlcylinder schliessend eingepasst, der am anderen
Ende mit einer Scheibe verschlossen war, in welcher sich in radialer Richtung
eine Austlussö£fnung befand. Der Band des Hahnenkörpers an diesem Ende
war in 365 jedenfalls ungleiche, durch Versuche zu bestimmende Theile einge-
theilt (ViTRUV spricht von gleichen Theilen, was aber nicht richtig sein kann).
Ein Zeiger auf der Verschlussscheibe des inneren
Cylinders wies auf diese Theilstriche. Stellte
man den Zeiger auf den Theilstrich, der dem
kürzesten Tage entsprach und als solcher be-
zeichnet war, so stand die Ausflussöffnung am
tiefsten Punkte und senkrecht nach unten, da-
her floss das Wasser rascher aus; stellte man
dagegen den Zeiger durch Drehung des inneren
Cylinders auf den Theilstrich, der dem längsten rig. i.
Tage entsprach, so stand die Ausflussöffnung
am höchsten Punkte der Verschlussscheibe und senkrecht nach oben, daher
floss das Wasser bedeutend langsamer aus. In mittleren Stellungen ergaben
sich auch mittlere Ausflussgeschwindigkeiten. Charakteristisch für den da-
maligen Stand der Wissenschaft ist es, dass das langsamere Ausfliessen des
Wassers nur aus der Abweichung des Wasserstrahles von der Richtung der
Schwerkraft erklärt wird und die Verminderung der Druckhöhe durch das Um-
drehen der Scheibe mit der Ausflussöffnung unbeachtet bleibt.
Zweifelhaft ist es, ob diese Regulirhahnen und Ventile schon von Ktesibios
angewendet wurden. Sie machen eher den Eindruck späterer Zuthat und nicht
einmal den einer Verbesserung. Denn der Zweck, dem sie dienen sollten,
musste durch die Anwendung verschiedener Skalen bei konstanter Ausflussöffnung
weit sicherer erreicht werden. Wahrscheinlich hat Vitruv, der über hundert
Jahre später lebte als Ktesibios, mehr die Wasseruhren seiner Zeit als die-
jenigen des Erfinders beschrieben. Wir haben trotzdem diese Beschreibung
seinen Schriften entnommen, weil uns ältere über diesen Gegenstand nicht
bekannt sind. Denn des Ktesibios Schriften sind verloren gegangen, ebenso
die Schrift über Wasseruhren von seinem Schüler Heron dem Aelteren von
Alexandria, der etwa um 120 v. Chr. lebte. Des Letzteren ;,Mechanica^ und
^Barülkon^, wovon erstere von der Theorie der sogenannten fünf einfachen
Maschinen, letztere von den Hebemaschinen handelte, sind wahrscheinlich auch
verloren. Ein Auszug aus ;,Barülkon'' findet sich in »Pappi Alexandrini col-
lectionis liber VIII", welches wir in der nächstfolgenden Abhandlung besprechen
werden. Dagegen ist dessen Werk: ;,Pneumatica'' noch erhalten, und da in
diesem sowohl eine Wasserorgel, als auch ein Wasserdruckwerk in Form einer
Feuerspritze beschrieben ist, und es wahrscheinlicher ist, dass des Ktesibios
Schüler Heron diese Dinge so beschrieb, wie sie sein Lehrmeister herstellte,
als dies von Vitruv anzunehmen ist, so wollen wir auf des Letzteren Beschreibung
i> Heron der Äoltere von Alexandria ond seine Vorgänger.
von den Ktesibischen Druckwerken und Wasserorgeln hier nicht eingehen,
sondern uns zu dem Werke: „Pneumatica^ des Heron wenden.**
Es liegt uns die im Jahre 1688 zu Frankfurt a. M. erschienene deutsche
XJebersetzung dieses Werkes von Carion vor, der wir das Nachfolgende entnehmen.
In der Vorrede des Verlegers wird gesagt, dass die Schriften des Heron
zuerst von Abt Bernhard Baldo von Urbino mit Erklärungen und Abbildungen
versehen in griechischer Sprache zu Augsburg gedruckt wurden, dass darnach
eine lateinische üebersetzung vorf Commandino (geb. 1509 zu Urbino) im Jahre
1575, dem Todesjahre des Uebersetzers, erschienen sei, dann im Jahre 1680
eine ebenfalls lateinische Ausgabe mit Zusätzen von Aleotti zu Amsterdam
und darnach (1688) die uns vorliegende erste deutsche Üebersetzung heraus-
gegeben worden sei. Es scheint daher, dass die in dem uns vorliegenden Buche
enthaltenen Figuren von Abt Baldo von Urbino herrühren*), jedenfalls nicht
von Heron, und man hat sich daher zur Beurtheilung des Letzteren nur an
den Text zu halten. Jeder Leser hat das Recht, und wir möchten sagen die
Pflicht, die Figuren zu verbessern, wo dies nach den Textesworten angezeigt
erscheint. Denn man würde unseres Erachtens dem berühmten griechischen
Mechaniker Unrecht thun, wenn man seine Schrift nur durch die Brille jenes
geistlichen Herrn betrachten wollte. Deshalb haben wir in den unserer Ab-
handlung beigegebenen Figuren die Gegenstände so skizzirt, wie es uns nach
den Textesworten am angemessensten schien; werden aber, wo es zweifel-
haft erscheinen dürfte, ob wir das Richtige getroffen haben, die Textesworte
citiren, damit jeder Leser, wenn er sich darnach eine bessere Vorstellung von
den betreffenden Dingen bilden kann, dies thun möge.
Heron beginnt sein Buch mit folgenden Worten:
„Die Beschäftigung mit Luft- und Wasserkünsten ist von den alten Philo-
sophen und Mechanikern hoch geschätzt worden, von den letzteren wegen der Gewalt
und Kraft des Wassers, von ersteren aber wegen der sinnlich wahrnehmbaren Ursachen
jener Künste. Es erscheint mir daher nothwendig, das von Altera her darüber Be-
kannte in gehörige Ordnung zu bringen und das von uns selbst Erfundene zu ver-
öffentlichen, da solches allen denen von Nutzen sein dürfte, die sich in mathematischen
Dingen unterrichten wollen. Es dürfte aber das, was wir jetzt schreiben wollen,
demjenigen gleichartig und zugehörig sein, was wir in den vier Büchern von den
Wasseruhren abgehandelt haben, indem auch hier durch das Zusammenwirken von
Luft, Feuer, Wasser und Erde, welche in gegenseitigem Widerstreite entweder zu
dreien oder alle vier zusammengebracht werden, allerlei Anordnungen zu Wege
gebracht werden, die theils von grossem praktischen Nutzen sind, theils unsere grösste
Venvunderung erregen."
„Von dem Vakuum."
„Ehe wir über unseren eigentlichen Gegenstand schreiben, müssen wir etwas
über das Vakuum vorausschicken. Einige geben überhaupt nicht zu, dass ein leerer
Baum von Natur existire; Andere dagegen sind der Ansicht, dass zwar kein grösserer
*) Sie finden sich ebenso in der lateinischen üebersetzung des Commandino, mit der
wir nach dem ersten Erscheinen unserer Abhandlung die Üebersetzung des Carion verglichea
und mehrere Stellen darnach abgeändert haben.
Von dem Vakuum. 7
leerer Raum von Natur vorhanden sei, wohl aber ganz kleine leere Räume in den
Flüssigkeiten, dem Feuer und anderen Körpern vertheilt seien, welch letzterer Ansicht
man füglich beistimmen muss, indem die Erscheinungen sich dadurch vernünftig
erklären lassen, wie wir im Nachfolgenden zeigen werden.
Geschirre, welche Vielen als leer erscheinen, sind nicht leer, sondern enthalten
Luft. Diese besteht aber nach der Ansicht der Naturforscher aus kleinen leichten,
meist unsichtbaren Körperchen."
Zum Beweise für diesen Satz wird angeführt, dass aus einem Gefasse,
indem es mit Wasser gefüllt wird, Luft entweicht, was bei enger Mündung des
Gefässes besonders wahrnehmbar sei; femer, dass in ein umgekehrt ins Wasser
getauchtes Gefäss das Wasser wegen der darin enthaltenen Luft nicht eindringt,
so dass der Boden des Gefässes, selbst bei gänzlichem Untertauchen desselben,
innen trocken bleibt.
Von einem theilweisen Eindringen des Wassers infolge der Kompression
der eingeschlossenen Luft erwähnt Hebon nichts. Der Gedanke, dass sich die
Spannkraft der Luft mit dem Wasserdrucke ins Gleichgewicht setzen muss, ist
ihm fremd und seine Begriffe von Hydro- und Aerostatik erweisen sich über-
haupt manchmal als mangelhaft, wie nicht anders zu erwarten ist.
Dafür, dass zwischen den die Körper bildenden materiellen Theilchen
kleine leere Räume vertheilt sein müssen, dass also die Körpertheilchen von
Natur einen gewissen Abstand von einander haben, nur durch äussere Gewalt
enger zusammengeschoben oder weiter von einander entfernt werden können,
in ihre natürliche Lage zurückzukehren streben und dies thun, sobald jene
gewaltsame Einwirkung aufhört, wird die Elasticität als Beweis angeführt,
welche sich ohne diese Hypothese nicht erklären lasse.
Zum Beweis dafür, dass die Körpertheilchen in ein künstlich vergrössertes
Vakuum wieder einzudringen streben (was man im Mittelalter den Horror vacui
nannte) wird auf folgende Erscheinungen hingewiesen : Dass ein leichtes Gefäss
mit enger Oeffnung, aus dem man mit dem Munde Luft aussaugt, an den
Lippen hängen bleibt; dass eine so ausgesaugte und schnell mit dem Finger
verschlossene Glasviole, umgekehrt mit der Mündung in Wasser gehalten, sich
mit diesem füllt, das Wasser also ;, widernatürlicher Weise" in die Höhe steigt;
ferner, dass ein Schröpf köpf, in dem man durch Feuer die Luft verdünnt hat,
saugend wirkt; dass in eine blecherne Hohlkugel mit einem nicht ganz bis zum
Boden reichenden, dicht eingelötheten Röhrchen Luft eingeblasen werden kann,
ohne dass Luft aus der Kugel entweicht, und dass die so komprimirte Luft
mit Gewalt und Geräusch ausströmt, sobald die enge Oeffnung des Röhrchens
frei wird.
Auch der Umstand, dass das Licht durch Luft und Wasser, und dass
die Wärme („Feuer") durch die Körper dringt, erscheint dem Heron nur durch
das Vorhandensein kleiner Vakua in den Körpern erklärlich und selbst die
Durchdringung von Wasser und Wein, sowie von Erde und Wasser bei deren
Mischung, auch die Mischbarkeit von Gasen und die Absorption geringer Luft-
8
Heron der Aeltere von Alexandria und seine Vorgänger.
mengen durch grosse Wassermengen gelten ihm als Beweise für die Richtig-
keit seiner Hypothese, wobei er alle Mischungen für Substanzveränderungen hält.
Gelegentlich der Erwähnung der Schröpf köpfe spricht sich Heron über
die Wirkung des Feuers folgendermassen aus:
„Das Feuer zerstört und vertreibt in den Schropfkopfen die Luft, sowie es auch
andere Körper zerstört und kleiner macht Dies gilt von Luft, Wasser und Erde.
Denn dass diese von dem Feuer zerstört oder verzehrt werden, ist aus den zurück-
bleibenden Kohlen ersichtlich, welche entweder die gleiche Gestalt behalten, die sie
vor der Verbrennung hatten, oder kleiner werden, jedenfalls aber ihr Gewicht ändern."
— „Was aber durch den Rauch an den Körpern sich ändert, nimmt ein feuriges,
luftiges oder erdiges Wesen an. Das, was dünn ist, wird in die Höhe, wo das
Feuer ist, gefülirt." (Es liegt hier die Ansicht zu Grunde, dass das Feuer seinen
natürlichen Platz, zu dem es immer hinstrebt, über der Luftregion habe). „Das, was
ein wenig dichter ist, erhebt sich zwar etwas, sinkt aber wegen steter Vergrösserung**
(sollte wohl heissen Verdichtung?) „dann wieder herab und vereinigt sich wieder mit
dem Erdigen. Das Wasser, wenn es von dem Feuer umgewandelt wird, geht in Luft
über. Die Dämpfe aus erhitzten Tiegeln sind nichts Anderes als ausgedehnte Flüssig-
keit, die sich in Luft verwandelt hat, denn das Feuer löst alles Dichte auf und
wandelt es um."
Zum Schlüsse seiner Einleitung fasst Heron nochmals seine Hypothesen
zusammen und sagt dann:
„Nach dieser Erklärung wollen wir über das Zusammenwirken der erwähnten
Elemente Theoreme zusammenstellen, durch welche sehr wunderbare Bewegungen zum
Vorschein gebracht werden. Zuvor wollen wir aber von den umgebogenen oder
krummen Wasserröhren reden, die von den Hydraulikern Kranichhälse (das sind
Heberröhren) genannt werden und zu vielen Luft- und Wasserkünsten von Nutzen sind."
Es werden dann in 76 Kapiteln ebenso viele, meist hydraulische und
pneumatische Apparate beschrieben. Die wesentlichen und interessantesten
pavon dürften in nachstehenden Figuren abgebildet sein, indem die fehlenden
meist nur unwesentliche Modifikationen der von uns ausgewählten Apparate sind.
11
'^"^
'^
MB^
J
C~:
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. e.
Fig. 2 ist eine gewöhnliche Heberröhre.
Fig. 3 ist der sogenannte „gedoppelte Heber", dessen Konstruktion aus
der Abbildung vollständig ersichtlich sein dürfte.
Fig. 4 ist eine Heberröhre, deren kürzerer Schenkel in einen Schwimmer
befestigt ist, um eine stets gleichgrosse Ausflussgeschwindigkeit zu erzielen.
Fig. 5 ist eine ähnliche Vorrichtung, bei welcher der Heber vermittelst
einer Stellschraube in dem Schwimmer auf und nieder geschoben werden kann,
Wirkung des Feuers, Heber, Gefäss .Prochyta". 9
damit man verschieden grosse, während des Ausfliessens aber konstante Aus-
flussgeschwindigkeiten erhalten kann.
Fig. 6 ist ein Heber mit Ansaugevorrichtung. Am unteren Ende des
längeren Schenkels des Hebers ist ein bimförmiges Gefäss angesteckt. Dies
wird zuerst unten mit dem Finger zugehalten und durch die obere Oefifnung
mit Wasser gefüllt. Dann wird die obere Oeffnung geschlossen, die untere
geöffnet und das ausfiiessende Wasser saugt die Flüssigkeit aus dem Haupt-
gefasse nach sich. Es wird von Heron nicht erwähnt, dass die Ausflussöffnung
mindestens um soviel tiefer, als die Oberfläche des Wassers im Sauggefässe
liegen muss^ wie das Wasser in dem kürzeren Heberschenkel steigen muss.
Fig. 7. Fi?. & Fig. 9. Fig. 10.
Fig. 7 zeigt noch eine andere Form des Hebers, bei der das obere Knie
der Heberröhre durch eine übergestülpte Glasglocke, resp. durch einen halb-
kugelförmigen geschlossenen Raum ersetzt ist.
Fig. 8 ist ein Stechheber, jedoch nicht wie jetzt gebräuchlich, sondern
in Kugelform.
Fig. 9 ist ein ebensolcher Stechheber, durch eine vertikale Scheidewand
in zwei Kammern getheilt. Jede Kammer hat oben eine mit den Fingern ver-
schliessbare Oeffnung. Füllt man beide Kammern mit verschiedenen Flüssig-
keiten, so kann man nach Belieben bald die eine, bald die andere aus der
Kugel auslaufen lassen.
Fig. 10 ist das Gefäss „Prochyta" genannt, aus dem man zwei ver-
schiedene Flüssigkeiten nach Belieben entweder nacheinander oder gemischt
ausgiessen kann. Die zuletzt auszugiessende Flüssigkeit wird zuerst in die
untere Abtheilung des Gefasses gefüllt, wobei die Oeffnung am Henkel offen
bleibt, damit die Luft daraus entweichen kann. Dann wird diese Oeffnung mit
dem Finger geschlossen und die zuerst auszugiessende Flüssigkeit in die obere
Abtheilung des Gefasses gegossen. Hält man nun die Oeffnung am Henkel
geschlossen, so kann man die obere Flüssigkeit allein ausgiessen. Ist diese
ausgegossen und öffnet man dann das Loch am Henkel, so kann die Luft in
die untere Abtheilung des Gefasses dringen und die dor^ befindliche Flüssigkeit
fliesst aus. Oeffnet man aber das Loch am Henkel, che die obere Abtheilung
des Gefasses leer ist, so fliessen beide Flüssigkeiten vermischt aus. (Hier ist
der uns vorliegende Text jedenfalls fehlerhaft, indem darin gesagt ist, das
10
Hei'on der Aeltere Ton Alexandria und seine Vorgänger.
Rohr, welches durch die Mitte des Querbodens geht, solle bis beinahe auf den
Gefassboden reichen und die Oeffnungen am Rande des Qnerbodens sollten
siebartig ringsum angebracht sein. Beides kann jedoch den Apparat nur
verschlechtem. Uebrigens ist in der CARioN'schen Ausgabe die hierher gehörige
Abbildung noch mit der zum folgenden Kapitel gehörigen verwechselt.)
Fig. 11.
Fig. 12.
Fig. 11 zeigt einen Windkessel mit einer Luft-Kompressionspumpe und
mit einem um eine horizontale Achse drehbaren Ausspritzrohre, durch dessen
Drehung der Zufluss zum Ausspritzrohre geöffnet oder geschlossen wird. Der
Text dazu lautet in unsere jetzige Sprache übersetzt:
,,Man stelle eine Kugel, etwa sechs Maass haltend, aus starkem Blech her,
so dass sie der Gewalt der komprimirten Luft zu widerötoheii vermöge, wie A B, auf
einem Fusse stehend. Oben in diese Kugel wird eine Oeffnung gemacht, durch
welche man eine Röhre einsetzt, die um etwas von dem gerade gegenüberliegenden
Boden absteht, sowie es der Ausfluss des Wassers erfordert. Auch stehe das Rohr
ein wenig über der Kugel vor und sei mit dieser dicht verlöthet, wie auch gleicher-
massen oben mit seiner Ausflussröhre, welche zwei Theile DF und DG mit zwei
einander gegenüberstehenden gleichen hohlen Mundstücken GH KL und FMNX
bildet (Siehe Fig. 12.) In diese zwei Mundstücke wird eine andere Röhre, die in
der Mitte ein in die Höhe gehendes Röhrchen BS tragt, bei 0 und P eingesteckt,
in deren Wandung Löcher sind, welche mit den Löchern der Röhren G HKL und
FMNX korrespondiren. Das in die Höhe stehende Röhrclien muss spitz zulaufen
und sich in ein kleines Mundloch verlieren, wie bei s zu sehen.
Wenn man nun dieses Röhrchen ergreift und damit das Rohr PO umwendet»
80 verschliesst man damit die korrespondiren den Oeffnungen, so dass die Flüssigkeit»
welche durch dieselben herausgedrückt werden soll, keinen Ausgang findet
Durch ein anderes Loch wird eine andere Röhre TYV (siehe Fig. 11) in die
Kugel eingebracht und festgemacht, deren unteres Ende V verschlossen ist, an der
Seite aber zunächst dem Boden wird ein rundes Loch gemacht, vor dem ein Klappen-
ventil (Assarium) befestigt wiixl, wie solches nachher beschriel)eii werden soll. In
diese Röhre wird ein Stempel zu) gesteckt, der genau hineinpasst Wenn nun dieser
runde Stempel ganz herausgezogen und die Röhre TYV mit Flüssigkeit gefüllt
wird, dann wird solche durch das Loch Q und bei Eröffnung des Ventils durch die
Windkessel, Klappenventil, kommunicirende Gefässe. U
Ausflussröhre in die Kugel dringen und die darin enthaltene Luft (zunächst) durch
der Röhre Mundlöcher bei OP austreiben, wenn dieselben bei GH KL und FMNX
so stehen, dass sie offen sind. Wenn nun die eingeschüttete Flüssigkeit die halbe
Kugel ausfüllt (diese Stelle ist ungenau, da ohne Nachhilfe durch die Pumpe die
Flüssigkeit nur wenig über die untere Mündung des Steigrohres steigen kann^ wird
die Bohre JR8 gewendet, so dass die Löcher, welche seither aufeinander trafen, ver-
schlossen werden. Dann wird der Stempel zo) in die Röhre gesteckt und mit dem*
selben die in der Röhre befmdliche Flüssigkeit eingepumpt, so dass sie mit Gewalt
durch das Ventil in die Kugel eindringt, weil diese mit Luft und Flüssigkeit angefüllt
ist Es erfolgt aber das Ausspritzen infolge der Anhäufung und Zusammendrückung
der Lufttheilchen in die zwischen denselben befindlichen Vakua. Wenn man den
Stempel eo) wieder herauszieht, so dass sich die Röhre TYV von neuem mit Luft
füllt (der Stempel muss zu diesem Zwecke ganz aus dem Pumpenstiefel herausgezogen
werden, da dieser kein Saugventil hat) imd den Stempel dann wieder hineinstösst
und 80 die Luft in die Kugel presst und solches mehrmals wiederholt, so wird
dadurch viel Luft in der Kugel komprimirt Dass aber beim Herausziehen des
Stempels die so eingeschlossene Luft nicht herausgezogen wird, ist leicht einzusehen,
weil das Ventil beim Herausziehen des Stempels vor das Loch gezogen und dieses
verschlossen wird.
Wenn nun das oberste Röhrchen RS ergriffen und senkrecht in die Höhe
gerichtet wird, so dass die Löcher gerade aufeinander kommen, wird die Flüssigkeit
ausgetrieben, weil die gepresste Luft wieder ihren vorigen Ramn einnimmt und die
darunter befindliche Flüssigkeit austreibt Ist viel Luft in der Kugel, so wird sie
alle Flüssigkeit austreiben imd es wird selbst mit dieser noch die überschüssige Luft
ausgetrieben werden."
Zu diesem Texte hat, wie wir annehmen, Abt Baldo von Urbino eine
höchst unklare Figur geliefert, die ausserdem in der Ausgabe von Carion noch
von dem Buchdrucker mit der zum vorigen Kapitel gehörigen verwechselt
wurde. Es dürfte daher bis jetzt wenig bekannt geworden sein,
dass dieser wohldurchdachte Apparat von Hehon beschrieben
worden ist.
Fig. 13 zeigt das im vorigen Kapitel erwähnte Klappen-
ventil (Assarium) im Schnitt skizzirt. Die Beschreibung des Heron
lautet:
„Das im vorigen Kapitel erwähnte Ventil wird folgendermassen hergestellt:
Man macht zwei viereckige Plättchen oder Flügel von Metall oder Kupfer, an denen
jede Seite einen Finger lang ist Die Dicke nimmt man nach Lage der Sache im
richtigen Verhältnisse. Diese Plättchen werden der Fläche nach an- und ineinander-
gefügt und so zugerichtet, dass weder Luft noch Flüssigkeit sich dazwischen auf-
halten kann. Von diesen beiden hat das eine Plättchen AB DG m der Mitte ein
rundes Loch, dessen Durchmesser gleich dem dritten Theile einer Fingerlänge ist
Wenn der Flügel AD an dem Flügel EH anliegt, werden beide in den Angeln
mit einander verbunden, so dass die Flächen genau aneinander schliesscn. Bei der
Anwendung wird der Flügel ABGD an die Mündung der Röhre gelöthet, dass
man dim^h das Ventil die eingepresste Luft oder Flüssigkeit zurückhalten kann«
Denn bei dem Einpressen wu-d der Flügel EF G H bewegt, so dass sich das Scharnier
schnell öffnet und die Luft oder Flüssigkeit in die Kugel einlässt und fest darin
verschliesst, indem der Flügel EF G H dem in der Kugel Eingeschlossenen wider-
steht und das Loch, durch welches die Luft hereingepresst wurde, fest verschHesst"
Fig. 14 sind die sogenannten ;, Gefässe der Einigkeit^. Zwei gleiche, auf
einer Horizontalebene stehende Gefässe sind durch eine kommunicirende
Fig. la.
12
Heron der Aeltere von Alexandria und seine Vorgänger.
Röhre verbunden, deren Schenkel beide gleich hoch, beinahe bis zn den
Mündungen der Gefässe reichen. In jedem Gefässe ist femer eine Heberöhre
angebracht, wovon die Mündung des kurzen Schenkels nur wenig über dem
Boden des Gefässes, der höchste Punkt der Biegung aber in gleicher Höhe
mit der Mündung der kommunicirenden Röhre liegt. Das eine Gefäss kann
bis beinahe zu dieser Höhe gefüllt werden, ohne dass Flüssigkeit herausfliesst ;
giesst man aber dann in das andere Gefass Flüssigkeit bis über diese Höhe, so
tiiessen beide Gefässe gleichzeitig aus.
Fig. 15. Dass zwei neben einem Altare stehende Priesterfiguren Trank-
opfer bringen, sobald auf dem Altare das Feuer brennt, soll nach Heron
folgendermassen bewirkt werden:
Der ein ringsum geschlossenes Gefäss bildende Altar und die Prioster-
figuren stehen auf einem gemeinschaftlichen Fussgestell, welches ebenfalls ein
Fig. 14.
Fig. 15.
ringsum geschlossenes Gefass bildet. Die Scheidewand zwischen Altar und
Fussgestell ist durchbohrt. Durch jede Priesterfigur geht ein Röhrchen, welches
einerseits nahe über dem Boden des Fussgestells, andererseits in der Opfer-
schale der Priesterfigur endigt. Das Fussgestell wird mit der Flüssigkeit, von
welcher geopfert werden soll, nahezu angefüllt. Wird nun das Feuer auf dem
Altare angezündet, so erwärmt sich dieser und die darin eingeschlossene Luft
dehnt sich durch die Wärme aus, drückt auf die Flüssigkeit im Fussgestell
und presst sie durch die Röhren nach den Opferschalen der Priesterfiguren,
aus denen sie in das Opferfeuer fliesst.
Dieser Apparat wird in Pierer's Konversationslexikon in dem geschicht-
lichen Theile des Artikels „Dampfmaschine" emähnt als: „eine mit Wasser
gefüllte Figur eines Priesters aus Erz, die erwärmt durch die Opferflamme
Wasser ausgiesst'*. Wie wir sehen ist aber Heron's Apparat, wenn man ihn
zu den Maschinen zählen will, nicht als Dampfmaschine, sondern als kalorische
oder Heissluftmaschine zu bezeichnen.
Fig. 16 ist eine recht nette pneumatisch-hydrostatische Spielerei, wie
solche schon damals und noch mehr im 16. und 17. Jahrhunderte unserer Zeit*
Kalorische Maschine, pneumatisch-hydrostatische Spielereien.
13
rechnimg beliebt waren. ÄLEOirfs Zusätze zu Heron's Pneumatica bestehen
nur aus derartigen, jedoch komplicirteren Kunststückeben. Die Aufgabe ist
folgende :
Ein künstlicher Vogel soll pfeifen, solange eine in seiner Nähe sitzende
Eule nicht nach ihm hinschaut, soll verstummen, wenn diese sich umwendet
und ihn ansieht, soll wieder singen, wenn die Eule sich wieder abwendet u. s. f.
Dies wird folgendermassen erreicht: In ein ringsum geschlossenes Gefass lässt
man Wasser durch einen Trichter einströmen, dessen Röhre nahezu bis auf
den Boden des Gefässes reicht. Dadurch
wird die Luft in demselben komprimirt
und indem sie durch ein in die Trichter-
wand eingelöthetes Pfeifenröhrchen , das
oben übergebogen ist und auf dem der
Vogel sitzt, entweicht, macht sie diesen
scheinbar singen. Es ist aber in dem Wind-
gefäss ein sogenannter „gedoppelter Heber"
(wie in Fig. 3 dargestellt) angebracht, durch
welchen das Wasser, sobald es in dem Ge-
fässe bis zu einer bestimmten Höhe gestiegen
ist, schneller abfliesst, als neues zufliesst.
Das Wasser fliesst von da in einen Eimer,
der an einer Schnur aufgehangen ist, welche
über eine Leitrolle läuft, um eine stehende
Welle geschlungen und mit dem Ende an
diese befestigt ist. Ein Gegengewicht, welches etwas schwerer ist als der leere
Eimer und ebenso an einer in entgegengesetzter Richtung um die stehende
Welle geschlungenen Schnur aufgehangen ist, hielt die stehende Welle, auf
welcher die künstliche Eule sitzt, bis jetzt in ihrer Stellung. Sobald aber
Wasser in den Eimer fliesst, sinkt dieser herab und dreht die stehende Welle
mit der Eule so um, dass diese nach dem Vogel sieht, welcher aufhört zu
singen, weil die Spannung der Luft in dem Windgefasse sehr rasch auf die
der äusseren Atmosphäre herabsinkt. In dem aufgehangenen, jetzt herabge-
sunkenen Eimer ist wiederum ein gedoppelter Heber, durch den das Wasser
abläuft, wenn es in dem Eimer auf eine gewisse Höhe gestiegen ist. Sobald
das Windgefäss vom Wasser ganz oder theilweise entleert ist, wird sich daher
auch der Eimer wieder entleeren. Das Gegengewicht zieht den Eimer in die
Höhe, dreht die Eule dabei in ihre ursprüngliche Stellung und der Vogel fängt
wieder an zu pfeifen, weil dem Windgefasse jetzt wieder mehr Wasser zu-
fliesst, als daraus abfliesst. Die Weiten und Druckhöhen der beiden Heber
müssen natürlich entsprechend gewählt werden.
Fig. 17 zeigt eine Feuerspritze, das ist ein Wasserdruckwerk, wie sie
nach dem Berichte Vitruv's der Lehrer des Heron, Ktesibios, zuerst gebaut
Fig. 16.
14
Heron der Acltere von Alexandria und seine Vorgänger.
haben soll. Da diese Feuerspritze zu den interessantesten Apparaten Heron's
gehört und der Verdacht nahe liegen könnte, dass wir dieselbe in allzu moderni-
sirter Gestalt skizzirt hätten, lassen wir die Beschreibung des Heron in der
Uebersetzung hier folgen.
„Die Feuerspritzen, welche «um Löschen der Feuersbrünste gebraucht
werden, macht man wie folgt:
Es werden zwei metallene Cylinder auf der Innenfläche mit dem Drehstahle
nach dem Kolben ausgedreht, gleichwie die „Stiefel" der Brunnen macher. Die genau
passenden Kolben seien KL und MN. Die Cylinder aber sind durch eine Röhre
XODi^ mit einander verbunden und aussen innerhalb der Röhre XODF sind
sie mit aufgesetzten Ventilen P und R versehen, wie die oben besprochenen, so dass
sie sich nach der Aussenseite der Cylinder öffnen. Die Cylinder haben auch in den
Böden runde Löcher s und /, welche durch glatte Scharnierstücke (Ventilklappen)
YPQR verschlossen sind. Durch diese sind Bolzen gesteckt, welche festgelöthet
Fig. 17.
oder dadurch mit dem Cylinderboden fest verbunden werden, dass man sie an den
äussersten Enden mit SehÜessen versieht, damit die Achsen nicht mehr herausgezogen
werden können. Die Kolben aber sind mit Stangen S versehen, die in ihrer Mitte
eingefügt sind. Mit diesen wird die Schiene (der Balancier) Za verbunden, die sich
in der Mitte um den festen Bolzen d dreht Die Stangen S aber drehen sich um
die Bolzen b und v. Auf eine Bohrung in dem Rohre XODF wird ein anderes
senkrechtes Rohr 6^ gesetzt, welches sich gabelförmig theilt und mit hahnenartigen
Ansätzen versehen ist, durch welche die Flüssigkeit ausgetrieben wird, wie wir es
früher bei dem Gefässe besprochen haben, welches vermöge der in ihm komprimirten
Luft Wasser auszuspritzen vermag."
Da hier auf den in Kapitel IX beschriebenen und in unserer Fig. 11
dargestellten Windkessel Bezug genommen wird, so liegt die Vermuthung nahe,
dass diese Feuerspritze mit einem Windkessel versehen gewesen sei, wie wir
ihn in unsere Fig. 17 eingezeichnet haben, obgleich in der vorliegenden Be-
schreibung nur von einem umlegbaren Standrohre die Rede ist. (Da zur Ver-
bindung der Kolbenstange mit dem Balancier eine Gelenk- oder Flügelstange
nicht erwähnt ist, haben wir diese Verbindung so skizzirt, wie sie von Maschinen-
Feneispriize, Almmappiirst, HohnanverschlOBae. 15
banem des 16. und 17. Jahrhunderts meist abgebildet wurde. Die Oese an
der Kolbenstange ist hier so weit gemacht, dass sie für die geringe seitliche
Abweichung des Schamierbolzens von der Vertikalen Spielraum bietet.)
„Wenn nun die beschriebenen Cylinder oder Stiefel mit Zubehör in einen mit
Wn.sser gefüllten Tn^ oxjjn gesetzt und der Baiander daran angemacht, auch an
dessen äusseren Enden bei den Bcharnierbolzen d die Stempel beweglich angehängt
und in die Cylinder gepasst werden, dann werden sie das Wasser durch die Röhre eC
und die obere getheilte, sich hin und her bewegende Röhre X austreiben. Denn
wenn der Stempel KL in die Höhe gehoben wird, öffnet er da'» Loch bei t und
schliesst zugleich das Ventil P. Wenn er aber niedergedrückt wird, schliesat er das
Loch bei s und öffnet das Ventil bei P, durch welches das gepresste Wasser aus-
gespritzt wird. Ebendasselbe geschieht bei dem Stempel MN.
Die sich neigende und aufrichtende Röhre X gestattet, das Wasser nach einer
g^bcnen Höhe zu spritzen, nicht aber nach einer gegebenen Himmelsgegend umzu-
kehren, es sei denn, dass man diß ganze Maschine umwende, was nur langsam und
beschwerlich im Nothfalle geschehen kann. Damit aber das Ausspritzen nach jeder
lUchtung leichter geschieht, wollen wir die Röhre öf in zwei gut mit einander ver-
bundene Theile zerl^n. Der untere Theil ist mit der Röhre XODF (das ist die
die beiden Cylinder verbindende Röhre) fest verbunden, während der oljerc Theil, an
den sich das gabelförmige Rohr ^ sammt der Röhre X anschücsst, drehbar damit
verbunden wird, damit man vermt^e dieser Drehung und Neigung des Rohres X
nach jeder beliebigen Richtung spritzen kann. Und zwar erhält die anj^machte
Röhre Schlieasnägel (die hakenförmig gestaltet sind wie der Buchstabe r, dimit sie
nicht aus den Scharnieren herausgetrieben werden können) und wird vermittelst eines
Scham ierstuckes festgemacht, welches wie ein Ring gestaltet die imtere Röhre um-
BchlicssL"
Fig. 18 ist ein Apparat zu dem Zwecke, dass bei EröfTnung der Fenster-
laden eines Tempels ein Trompetenklang erschalle.
Neben dem Fenster ist ein Gefäss mit Wasser aufgestellt, lieber dem-
selben ist ein enghalsiges Gefäss mit der Mündung nach unten vermittelst eines
Hakens an einem zweiarmigen Hebel mit Gegengewicht aufgehängt. In den
16 HeroD der Aeltere too Alezandria und seine Vorgingrer.
nach oben gerichteten Boden des aufgehangenen Gefasses ist eine Trompeten-
röhre (vielleicht eine Zangenpfeife) gelöthet Der Hebelarm mit Gegengewicht
ist yermittelst einer über eine Leitrolle laufenden Schnur so mit einem Fenster-
laden verbunden, dass er durch das Oeffnen desselben in die Höhe gezogen
wird. Infolge davon geht der andere Hebelarm abwärts, der Haken daran
gleitet ab, das daran hängende Gefass fallt in das Wasser, dieses drängt die
Luft durch die Trompetenröhre heraus, welche dadurch ertönt.
Fig. 19 ist ein Gefass mit eigenthümUcbem Hahnenverschluss. Der Text
dazu lautet:
y,Man findet bei den bedeckten Eingangen der ägyptischen Tempel drehbare
Rader von Erz angebracht, damit die Eintretenden dieselben unHliehen, weil man
glaubt, dass das Erz eine reinigende Wirkung habe. Es sind aber auch Greschirre
zum Besprengen der flintretenden da. Es wäre daher zweckmässig, wenn durch das
Umdrehen des Rades Wasser zur Besprengung aus denselben flösse.
Es stehe bei dem bedeckten Ein- oder Kreuzgange ein verborgenes Grefass mit
Wasser AB CD, dessen Boden ein Loch E habe und es sei an dem Boden dne
Rohre FGHK angelöthet, die gleichfalls in der Gegend E ein Loch P habe, so
dass beide Lödier aufeinander treffen. In diese Röhre kommt eine andere ZrJlf, die
bei L mit der Röhre FGHK verbunden ist und ^eichfalls in der Gegend von E
ein Loch P hat. Zwischen diese beiden Röhren komme die dritte JVXOiJ, so dass
sie die beiden ersteren berühre und auch sie habe ein Loch S bei dem Loche E
Wenn nun die erwähnten Löcher alle aufeinander gerichtet sind, wird Wasser, welches
man in das Gefass AB CD schüttet, durch die Rohre LM ausfliessen, wenn man
aber die Röhre NX OB dreht, wird es aufhören zu fliessen. Weil aber das Rad
an die Röhre NXOB befestigt ist, wird vermittelst dessen das Ausfliessen bewirkt
oder verhindert."
Fig. 20 ist ein in drei Kammern getheiltes Gefass mit darunter liegendem
Vierweghahn, welcher ermöglicht, nach Belieben Flüssigkeit aus einer der drei
Kammern ausfliessen zu lassen. Die Beschreibung dieses Hahnes lautet:
„Es geht aus des Geschirres Boden aus jeder Kammer ein RGhrchen qq*, wß
imd vt, wovon das äusserste Ende ip, £, t in eine andere Röhre einmündet, und in
diese ist wiederum eine andere Röhre fleissig eingepasst, am Ende G mit einem Boden
verschlossen und in der Gegend, wo die kleinen Röhrchen y, z, t anschliessen, mit
Löchern versehen, so dass bei Umdrehung der Röhre B G \q eines der Löcher mit
einem der Röhrchen zusammentrifft und die Flüssigkeit aufninunt, mn sie durch die
Röhre ausfliessen zu lassen u. s. w."
Fig. 21 ist dem Wesen nach eine Heissluftmasckine zum selbstthätigen
Oeffnen und Schliessen einer Thüre. Die zu lösende Aufgabe lautet:
„Einen Tempel so einzurichten, dass nach dem Anzünden des Opferfeuers
dessen geschlossene Thüre von selbst aufgeht und sich nach dem Verlöschen
des Feuers wieder selbstthätig schliesst."
Unter dem Tempel befindet sich ein „Fussgestell" *) (Souterrain?), auf dem
auch der hohle Altar steht. Dieser steht durch eine Röhre mit einem im
Souterrain befindlichen kugelförmigen, zur Hälfte mit Wasser gefüllten Gefass
in Verbindung. In dieses ist ausserdem eine ü-förmige Röhre so eingelöthet,
*) Aas diesem Ausdrucke muss man schliessen, dass es sich hier um die Demonstration
an einem Modell handelt.
Heisslnftm aschioen.
17
dass deren einer Schenkel nahe bis zum tiefsten Punkte der Kugel reicht. Die
Drehazen der beiden Flügel der Thüre sind abwärts verlängert bis zum Fues-
boden des Souterrains, wo sie in Pfannen laufen. Um die Axen sind zwei
Ketten geschlungen and über Leitrollen geführt. Die eine Kette trägt am Ende
ein Gewicht, welches die Thürflügel zu schlies&en strebt, an der anderen, welche
in entgegengesetzter Richtnug um die Thüraxen geschlungen ist, hängt ein
Gefäss, welches in leerem Zustande leichter ist, als jenes Gewicht. In dieses
Gefäss mündet der eine Schenkel der oben erwähnten ü-förmigen Röhre so
ein, dass er bei geschlossener Thüre beinahe bis auf den Boden des Gefässes
reicht
Wird auf dem Altar Feuer angezündet, so erwärmt eich dieser, die ein-
geschlossene Luft dehnt sich aus, drückt auf das Wasser in dem Ballon im
18 Heron der Aeltere von Alexandria und seine Vorginger.
Souterrain, dieses steigt durch die C-förmige Röhre in das aufgehängte Gefass,
zieht dieses nieder und öffnet dadurch die Thüre. Das Gefass sinkt aber nur
so weit, dass die Mündung der Heberröhre doch noch unter dem Wasserspiegel
des angefüllten Gefasses bleibt. Nachdem das Feuer auf dem Altare erloschen
ist, zieht sich die Luft in demselben infolge des Erkaltens wieder zusammen
und saugt das Wasser aus dem aufgehangenen Gefasse zurück in den Ballon,
und das Gegengewicht sinkt herab und schliesst die Thür wieder.
Fig. 22 ist ein ganz ähnlicher Apparat, nur dadurch von dem vorigen
unterschieden, dass der Hohlraum des Altars mit einem im Souterrain liegenden
Schlauche (das ist ein aus einer zusammengenähten Ziegenhaut bestehender
Ballon) durch eine Röhre verbunden ist. Auf dem Schlauche ruht ein Gewicht,
das die Stelle des aufgehangenen Gefasses im vorigen Apparate vertritt und
schwerer sein muss. als das Gegengewicht. Ist der Altar kalt, so drückt dies
Gewicht den Schlauch zusammen und hält die Thüre geschlossen; wird aber
das Feuer angezündet, so erwärmt sich die Luft in dem Altar, dehnt sich aus
und bläht den Schlauch auf, hebt das darauf rahende Gewicht und das Gegen-
wicht sinkt nieder und öffnet die Thüre.
Fig. 23 ist ein Schröpfkopf, in dem die Luft durch Aussaugen mit dem
Munde verdünnt wird, ehe man ihn aufsetzt.
Der grösste Theil des inneren Raumes des Schröpfkopfes ist durch eine
der Mündung parallele Querwand abgeschlossen. Durch zwei aus der Zeichnung
ersichtliche, aus je zwei in einander gepassten Röhren be-
stehende Hähne kann dieser abgeschlossene Raum nach
Belieben mit der zweiten Abtheilung des Schröpfkopfes einer-
seits und mit der äusseren Luft andererseits in Kommuni-
kation gesetzt werden. Man schliesst zuerst die Oeffnung
in der Querwand, öffnet den zweiten Hahn, und indem man
durch diesen mit dem Munde Luft aus dem abgeschlossenen
Theile des Schröpf kopfes aussaugt, schliesst man ihn wieder.
Fig. 2S. Alsdann setzt man den Schröpfkopf auf und öffnet den Hahn
an der Querwand, wodurch Luftverdünnung im ganzen Schröpf-
kopfe entsteht und dieser ansaugt. Die beiden Hahnen sind beschrieben als:
„spritzenförmige Ventile" aus einer äusseren und einer inneren Röhre bestehend,
wovon die letztere am äusseren Ende geschlossen und wirbelförraig gestaltet ist."
Von einer Konicität solcher Röhren ist bei Heron's Beschreibungen von
Hahnen niemals die Rede; doch wäre es immerhin möglich, dass solche nur
als etwas Selbstverständliches nicht ausdrücklich erwähnt wird. Wendete man
cylindrische Röhren an, so war ein Ineinanderschleifen derselben nicht mög-
lich, und man musste dann durch konsistente Schmiere oder ähnliche Mittel
die Dichtigkeit des Hahnes erreichen.
Fig. 24 ist ein Apparat, der für uns hauptsächlich deshalb interessant
ist, weil dabei durch eine Zahnradübersetzung eine drehende Bewegung von
SchrSpfkopf, Winkelräderübersetzung, Abflossregelnng.
19
einer horizontalen auf eine vertikale Axe übertragen wird. Die Aufgabe lautet:
„Eine Schatztrube oder einen Gotteskasten zu machen mit einem Rade von
Metall, das sich hin und her drehen lässt, sonst Agnisterion genannt, welches
diejenigen, welche zum Gottesdienste gehen, umzudrehen pflegen. Wenn das
Rad gedreht wird, soll dies einen Vogelgesang yerursachen, und der Vogel,
welcher anf dem Kasten sitzt, soll sich gleichzeitig nmdrehen. Wenn sich aber
der Vogel einmal umgewendet hat, soll er eich nicht weiter umwenden nnd
mit Pfeifen aufhören."
Die Beschreibung lautet etwa wie folgt: ABGD sei der Gotteskasten,
in welchem eine Welle EF liegt, an der ein Rad HK befestigt ist, das man
umdreht. Ferner ist auf dieser Welle eine Trommel L angebracht und ein
Rad M, das mit Zähnen oder Spitzen versehen ist. Um die Trommel ist ein
Seil gewunden, an dessen Ende eine metallene Kuppel (oder Glocke) hängt, aus
der eine Röhre hervorragt, die oben in eine Vogelpfeife endigt. Unter diese
Kuppel (oder Glocke) wird ein Gefäss mit Wasser gesetzt. Von der Spitze
des Kastens bis zu dessen Boden wird eine andere Welle angebracht, anf
welcher bei S der Vogel sitzt, bei T aber ein mit Speichen (Triebstöcken?)
versehenes Drehrad, das mit den Zähnen des Rades M in Eingriff ist. Wird
das Rad HK gedreht, so schlingt sich das Seil um die Trommel und hebt
die Kuppel oder Glocke. Wird dann das Rad losgelassen, so sinkt diese herab
in das Wasser, welches die Luft verdrängt und den Vogelgesang verursacht;
gleichzeitig aber wird durch die Bäderüberset}:nng der Vogel umgewendet.
Die beiden Axen sind in unserer Skizze rechtwinkelig geschränkt
gezeichnet. Diese Anordnnng war bei den Maschinenbauern des 16. und
17. Jahrhunderts die gebräuchlichste und wegen der damals üblichen Trieb-
stock Verzahnungen zulässig.
Fig. 25 ist ein Apparat, vermittelst dessen man durch Einstellen eines
Gewichtes bewirken kann, dass aus einem Gefasse eine beliebige, bestimmte
Flüssigkeitsnienge ausfliesst.
20 Heron der Aeltere von Alezandria and Mine Vorgiager.
Die Beschreibung lautet:
„AB sei ein Grefäss, in welches man Wein einschüttet, dessen Auslaufrohre
D nahe dem Boden sei. Der Hals des Gefässes ist mit einem Querboden EF ver-
sdilossen, durch welchen eine Röhre GH geht, die vom Boden des Gelasses nur
so weit absteht, wie es für den Ausfluss des Weines nöthig ist Das Fussgestell,
auf welchem dies Gefäss steht, sei KJMN. Ein zweites Rohr X 0 geht durch das
Geschirr in das Fussgestell und steht von dem Querboden ein wenig ab. In das
Fussgestell wird Wasser geschüttet, durch welches man die untere Oeffnung der
Röhre XO verschliesst Femer bt JBP ein hölzerner Hebel (Waagbalken), dessen
eine Hälfte sich innerhalb und dessen andere Hälfte sich ausserhalb des Fussgestelles
befindet und welcher seinen Drehpunkt in dem Scharniere S hat An diesen Hebel
wird bei 'P ein Eimer gehängt, der im Boden ein Loch T hat Wenn nun das
Hauptgefäss durch die Röhre GH gefüllt wird, ehe in das Fussgestell Wasser ge-
schüttet wird, entweicht die Luft durch die Röhre XO, dabei verschliesst man die
Auslaufröhre und schüttet dann durch ein Loch Wasser in das Fussgestell, bis das
Mundloch 0 bedeckt wird. Dann öffnet man die Auslaufröhre (am Hauptgefiss).
Der Wein kann nun nicht ausfliessen, weil keine Luft in das Gefass eindringen
kann. Wenn man aber den äusseren Theil des Hebels It niederdrückt, wird der
Eimer (mit der darin enthaltenen Wassermenge) si<*h theil weise aus dem Wasser
erheben, das Mundloch 0 von Wasser befreien und dadurch das Ausflussrohr fliessen
machen, bis die in die Höhe gezogene Wassermenge aus dem Eimer (durch das Loch
im Boden desselben) ausgelaufen und das Mundloch 0 wieder geschlossen ist u. s. w.*^
Je nachdem nun durch ein Laufgewicht der äussere Theil des Waagbalkens
mehr oder weniger niedergedrückt wird, wird eine grössere oder geringere
Menge des Weines aus dem Hauptgeiasse ausfliessen und durch eine geeignete
Skala auf dem Waagbalken kann man die Ausflussmenge beliebig bestimmen.
Bei dieser Lösung der Aufgabe ist der Umstand übersehen, dass der Ab-
schlnss des Mundloches 0 durch das Wasser im Fussgestell nicht sofort den
Anslauf des Weines verhindert, sondern erst dann, wenn die im Hauptgefässe
befindliche Luft sich soweit ausgedehnt und soweit Wasser aus dem Fussge-
stell angesogen hat, dass in der Röhre X 0 eine Wassersäule steht, deren Höhe
gleich ist der Druckhöhe des Weines im Hauptgefässe. Auch ist der Umstand
übersehen, dass diese Wassersäule, wenn die Röhre XO nicht sehr weit ist,
in derselben stehen bleibt, wenn auch der Wasserspiegel im Fussgestelle das
Mundloch 0 nicht mehr verschliesst, dass sie dem Flüssigkeitsdrucke im Haupt-
gefässe dann immer noch das Gleichgewicht halt und deshalb ein Ausfliessen
des Weines nicht zulässt. Um dies zu vermeiden, dürfte der Abschluss des
Mundloches 0 nicht durch das Wasser selbst, sondern er müsste durch ein
Schwimmerventil erfolgen, etwa durch ein solches, wie es in unserer
Fig. 26 abgebildet und im zwanzigsten Kapitel der „Pneumatica" von
Heron beschrieben ist, wo es sich darum handelt, dass aus einem höher stehen-
den Wasserreservoir in ein tiefer stehendes stets soviel Wasser wieder zufliesst,
als aus letzterem entnommen worden ist Der Schwimmer von Kork bildet
hier selbst das Ventil und schliesst die nach unten gerichtete Mündung der
Zuflussröhre, sobald das Niveau des ihn tragenden Wassers wieder bis zur
ursprünglichen Höhe gestiegen ist.
Abflu9s-Regel Ventile, Herona-Bronnen.
21
Fig. 27 ist eine andere Form des ächwimmerventils, zum gleichen Zwecke
dienend. {Hehos's Kap. 67.) Das Absperrventil ist glockenförmig und, ab-
weichend von unseren jetzt üblichen Anordnungen, über die Rohrmündung
gestülpt, welche es verschliessen boII.
Fig. 28 ist ein einfaches, vermittelst eines Hebels mit der Hand zu
bewegendes Absperrventil dieser Art. (Kap. 51.)
Fig. 29 ist ein Apparat, welcher denselben Zweck erfüllt, wie der für
Fig. 25 angegebene.
Das zu füllende Gefass steht auf einem Waagbalken mit Laufgewicht.
Sobald die gewünschte Flüssigkeitsmenge in dies Gefäss gelaufen ist, sinkt es
nieder und schliesst vermittelst des aus der Abbildung ersichtlichen Hebel-
Fig. 29.
Flg. 81.
mechanismus das glockenförmige Abschlussventil über dem aufwärts gebogenen
Ende der Auslaufröhre in dem Hauptgefässe.
Ein konisches Ventil kommt bei Heron nur im Kap. 40 in Gestalt
eines Pfropfens vor, der in einen konischen Ventilsitz eingepasst ist.
Fig. 30 ist diejenige Form des sogenannten Herons- Brunnens, welche
sich in Heron's Pnenmatica wirklich findet. Bekanntlich bezeichnet man mit
Heron der Aelter« i
1 Alex&ndria und seine Vorgftnger.
diesem Namen heutzutage eineo Apparat, wie ihn unsere Fig. 31 zeigt. In
Heron's Werk ündet man den Apparat in dieser Form nicht und Ulierhaapt
keinen Springbrunnen, bei dem das Wasser durch hydraulischen Druck empor-
getrieben wird.
Fig. 32 ist das in Kap. 57 von Heron beschriebene chirurgische In-
strument „Piuleus", welches ühnlich dem Schröpf köpfe zum Saugen diente,
nachdem man die feine Spitze desselben durch die Haut gestochen und den
Stempel zurückgezogen hatte. Es kann als primitive Form der „Luftpumpe"
zur Erzeugung eines luftverdünnten Raumes angesehen werden.
^^
A
Fig. 33. Flg. 31. l'ig. X,.
Wir gehen nun zu den von Hekon beschriebenen Apparaten über, bei
welchen die Expansivkraft des Dampfes zur Anwendung kommt.
Wird das Wassergefass (Fig. 33) über ein Feuer gesetzt, so versetzen die
aus dem Wasser entweichenden Dämpfe eine leichte, in dem auf dem Geföss-
deckel angebrachten Trichter liegende Kugel in hüpfende Bewegung.
Fig. 34 soll die bekannte, durch die Reaktion des ausstrümonden Dampfes
in Rotation versetzte Kugel zeigen. Das oben auf der Kugel befindliche Ana-
strömungsröhrchen ist nach vorwärts, das unten befindliche nach rückwärts
gekrümmt.
Fig. 35 ist ein im Kap. 73 von Heron beschriebener Dampf- und
Wasserkessel, welcher in konstruktiver Hinsicht so viel Interessantes bietet,
dass wir den Text vollständig wiedergeben.
Die gestellte Aufgabe lautet:
„Einen Kochtopf herziuichten und eine Thiijrstatue diimn zu neUen, welcbe
bläst und sognr dJo Kohlen auhlöst, dnss sie brennen. Ueberdies die EinrichtuDg
Pialens, Dampfstrahl-Reaktionsrad, Röhrenkesscl. 23
zu treffen, dass eine an dem Halse des Topfes angebrachte offene Röhre nicht eher
nusfliesse, als wenn kaltes Wasser in einen Trichter geschüttet wird. Es soll sich
aber das kalte Wasser erst dann mit dem warmen vereinigen, wenn es auf den Boden
des Topfes gelangt und dort durch eine Röhre ausgeflossen ist."
Es folgt nun erst eine mehr allgemeine Beschreibung des Apparates,
welche in unsere heutige Sprache übersetzt also lautet:
„Der Kochtopf kann eine beliebige Form haben. An den Raum, in den man
das Wasser einschüttet^ schliesst sich ein anderer, durch zwei Scheidewände ringsum
abgegrenzter Raum, aus welchem zunächst dem Boden eine Röhre herausgeht, deren
eines Ende (welches verschlossen ist) zwischen den Kohlen liegt, während das andere
Ende gut verdichtet ist, damit kein Wasser von dem Thierbilde in die Kohlen komme.
Die übrigen Röhren schliessen sich an den Raum an, in dem sich das (zu erwärmende)
Wasser befindet, so dass der Rauch der verbrannten Kohlen in dem kleinen Zwischen-
räume zwischen den Röhren hindurch gelange und eine Verdampfung bewirke.
Die Form des Kessels ist eine beliebige. In dem Räume, welcher das Wasser
aufnimmt, wird ein kleiner Raum durch zwei senkrechte Scheidewände abgegrenzt, so
dass er ringsum abgeschlossen ist Mit diesem wird nahe dem Boden ein Rohr in
Verbindung gesetzt, welches als eines von denen auftritt, die den Kohlen untergelegt
werden*), und dessen anderes Ende verschlossen wird, damit kein Wasser aus dem
Kessel in die Kohlen läuft. Die übrigen Röhren schliessen an den Raum an, worin
das Wasser ist So erzeugen die brennenden Kohlen in dem einen Rohre, das sich
an den kleinen Raum anschliesst. Dampf, der vermittelst eines durch den Deckel
des Kessels gehenden Rohres durch das Maul des Thierbildes in die Kohlen geleitet
wird, weshalb das Thierbild so niedergebeugt ist, dass es abwärts bläst Da aber
fortwährend Dampf erzeugt wird, bläst das Thierbild beständig und durch das Feuer
wird wiederum Dampf erzeugt. Weil wir aber nur wenig Wasser in den kleinen
Raum giessen, erzeugen wir sehr viel (d. h. sehr rasch) Dampf, und je stärker das
Thierbild bläst, desto stärker wird der Kessel erhitzt, so wie wir auch bei Koch-
töpfen, welche erhitzt sind, sehen, dass der Dampf aus dem Wasser in die Höhe
getrieben wird.
Das Thierbild muss wie ein Hahnwirbel gestaltet sein, den man wegnehmen
kann, um die geringe Quantität Wasser eingiessen zu können, sowie auch, damit
durch Umwenden des Wirbels die Röhre verschlossen werden kann, wenn man will,
dass das Thier nicht mehr in die Kohlen blase.
Auf dem Deckel des Hauptgefässes ist ein kleiner Trichter angebracht, . von
welchem eine Röhre bis über den Boden geht, durch welche das eingeschüttete Wasser
ausfliesst Damit aber der Kochtopf durch das eingeschüttete Wasser ganz gefüllt
werden kann, ohn^ dass das zugleich aufsiedende Wasser überlaufe, wird eine andere
Röhre angebracht und oben mit einer sanften Krümmung nach dem Trichter hhi-
geführt"
Eine specielle Beschreibung einer besonderen Anordnung dieses Apparates
wird nun eingeleitet mit den Worten:
„Wie ein solcher Apparat herzurichten sei, wollen wir nun beschreiben:
Es wnrd ein Hohlcylinder gemacht, dessen untere Endfläche A3 und dessen
obere Endfläche CD sei. In diesen wird ein zweiter Hohlcylinder gestellt, so dass
seine Endflächen mit denen des ersten in einer Horizontalen liegen und dessen untere
Endfläche EFy die obere dagegen GR heissen möge. Die durch beide Cy linder
gebildeten (ringförnjigen) Oeffnungen werden durch Querböden verschlossen.
In dem Cylinder EFGH sind cylindrische Röhren OK, LX und MN
angebracht, wovon die eine Röhre LX nur mit einem Ende bei X durch (die Wandung)
*) Daraus geht hervor, dass röhrenförmige Roststäbe, durch welche wahrscheinlich Luft
zur Abkühlung cirkulirte, gebräuchlich waren.
24 Heron der Aeltere von Alexandria und seine Vorgänger.
geht, während die anderen Rohren beiderseits in den Hohlraum zwisschen den Cylindem
münden, in welchen Hohlraum zwei Scheidewände EG und FH eingesetzt sind, um
den Raum GEFH abzutrennen, in den diejenige Röhre einmündet, welche nur auf
einer Seite offen durchgeht
Auf dem oberen Deckelboden, das ist bei GB, wird das Thierbild, durch
welches eine enge Röhre geht, aufgesteckt; das Röhrchen aber, welches durch das
Thierbild geht, ist vom nach dem Orte hin gekrümmt, wo die Kohlen liegen. Will
man, dass das Thierbild zeitweilig nicht blase, dann muss das Röhrchen, welches
durch das Thierbild geht, wie der Zapfen eines Hahnes in eine andere Röhre gesteckt
werden, damit das Thierbild nicht in die Kohlen bläst, wenn man es (d. h. die
Mündung des Röhrchens) nach aussen dreht. Die zuletzt genannte feststehende Röhre
ist auch zum Eingiessen des Wassers in den. Raum GEFH von grossem Nutzen,
denn wenn das Thierbild mit seiner Röhre herausgenommen wird, kann man das
Wasser durch die feststehende Röhre einschütten, dessen Dampf durch das Bild aus-
strömen solL
Auf den Deckelboden wird der Trichter BS gemotzt, dessen Röhre bis nahezu
an den Boden des Topfes reicht, von dem es nur so viel absteht, wie für den Aus-
fluss des Wassers nothwendig ist
Will man nun das warme Wasser ausfliessen lassen, so giesst man hei PS
kaltes Wasser ein, welches das warme Wasser verdningt und in die Höhe steigen
macht, bis es durch die gebogene Röhre ausfliesst Denn das kalte Wasser vermischt
sich nicht sogleich mit dem wannen, und auf diese Weise erhalten wir immer so viel
heisses Wasser, als wir kaltes eingiessen.
Damit man aber erkenne, wann der Kochtopf siedet wird eine durchgehende
Oeffnung für den Dampf gemacht auf welche sich über dem Deckel eine gekrümmte
Röhre setzt, die nach dem Trichter BS hinweist damit überkochendes Wasser sich
in den Trichter ergiesse u. s. w."
In dieser Kombination eines Kessels zur Erzeugung siedenden Wassers
und eines solchen zur Erzeugung von Dampf zum Anblasen des Feuers finden
wir bereits innere Feuerung wie bei den heutigen Cornwall-Kesseln, während
die durch das Feuerrohr gezogenen, beiderseits offenen Röhren dem Princip
nach mit den Galloway-Röhren übereinstimmen, und die im Feuer liegende,
auf einer Seite geschlossene Röhre mit den heutigen Field-llöhren grosse Aehn-
lichkeit hat.
Im folgenden Kap. 74 beschreibt IIeron den gleichen Apparat mit der
Abänderung, dass der einfache Dampf hahn durch einen Vierweghahn, ähnlich
dem in Fig. 20 dargestellten, ersetzt ist, um durch den erzeugten Dampf ab-
wechselnd und nach Belieben einen Trompeter blasen, einen Vogel pfeifen, oder
das Thierbild, wie im vorigen Kapitel, das Feuer anfachen zu machen. Dass
der Trompeter dabei „durch den seiner Trompete ausströmenden Dampf lustig
umhergewirbelt wird", wie in Pierer's Konversationslexikon in dem geschicht-
lichen Theile des Artikels: „Dampfmaschine" gesagt wird, ist nicht richtig.
Die beiden letzten Kapitel der „Pneumatica" handeln von der, wie
wir gesehen haben, von Ktesibios erfundenen Wasserorgel. Dieselbe führt
diesen, Namen, weil die Regulirung des Winddruckes durch Wasser ge-
schieht. Zur Erzeugung des Windes dient eine Kompressionspumpe mit
Cylinder A (Fig. 36), dem Massivkolben 2?, einem Saugventil im oberen
Cylinderboden C, bestehend aus einer dünnen, federnden Metallzunge über der
Wasserorgel, Windrad.
25
Saugöffnung. Ein gleiches Ventil wird wohl vor der Ausströmungsöffnung am
Cylinder gewesen sein, obgleich dies in der Beschreibung des Heron nicht erwähnt
ist. Der Kolben wird durch eine starke Kolbenstange und einen doppelarmigen
Hebel, indem man mit dem Fusse dessen äusseres Ende H niederdrückt, nach
aufwärts getrieben imd sinkt dann durch sein eigenes Gewicht wieder nieder.
Die Luft geht aus dem Pumpencylinder durch eine Il-förmig gebogene Röhre
von oben in eine metallene Glocke Z), welche in einem theilweise mit Wasser
gefüllten Reservoir so aufgestellt ist, dass sie dessen Boden nicht berührt. Die
in die Glocke gepresste Luft verdrängt das in derselben stehende Wasser,
Fig. 3ö.
welches unten aus der Glocke entweicht, ausserhalb in dem Reservoir in die
Höhe steigt und durch den hydraulischen Druck eine um so gleichmässigere
Windpressung in der Glocke erhält, je grösser die Wasseroberfläche im Re-
servoir, je geringer also der so erzeugte Unterschied der Wasserstände in dem-
selben ist. Durch eine zweite, oben in die Glocke einmündende Röhre wird
die Luft von da nach der Windlade E geführt. Die Einrichtung der Tastatur
der Orgel bietet nichts besonders Bemerkenswerthes. Durch Niederdrücken
der Tasten F wird vermittelst eines Winkelhebels ein Schieberventil am Fusse
der Orgelpfeife G geöffnet. Wird die Taste wieder frei, so schiebt eine Feder
aus Hörn das Schieberventil wieder zu.
Im folgenden letzten Kapitel der „Pneumatica" endlich ist ein eben-
solches Orgelwerk beschrieben, bei dem die Luftkompressionspumpe jedoch
{
20 Heron der Aeltere von Alexandria und seine Vorgüngcr.
nicht durch Menschenkraft, sondern durch ein Windrad in Bewegung gesetzt
wird. Hier befinden sich die Ventile am unteren Ende des vertikalen Pumpen-
cylinders, die Kolbenstange geht nach oben und hängt an einem zweiarmigen
Hebel, dessen anderes Ende durch Stifte oder Daumen niedergedrückt wird,
welche in einer auf der Axe des Windrades befestigten Scheibe sitzen.
Kommen die Daumen ausser Eingriff, so sinkt der Kolben durch sein Gewicht
nieder und treibt die Luft in die Glocke. Das Windrad ist in einem dreh-
baren Gestelle gelagert, um nach der Windrichtung verstellt werden zu können.
Leider ist das Windrad gar nicht und dessen mechanische Verbindung mit der
of Luftkompressionspumpe nur mit wenigen Worten und sehr unklar beschrieben.
Es muss daraus wohl geschlossen werden, dass das W' indrad und ähnliche Be-
wegungsübertragungen wie die hier erwähnte zur damaligen Zeit sehr bekannt
gewesen sind, da Heron sie sonst wohl einer eingehenderen Beschreibung ge-
würdigt haben würde.
Pappus der Alexandriner.
Obgleich der alexandrinische Mathematiker Pappus erst tim die Zeit von
234 bis 305 n. Chr. schrieb, wollen wir eine Besprechung des achten Buches
seines mathematischen Sammelwerkes unmittelbar auf unsere Abhandlung über
IIeron folgen lassen^ weil Pappus darin selbst sagt, dass ein grosser Theil dieses
Buches den Schriften Heron's, namentlich dessen „Barülkon" und „Mechanik"
entnommen sei. In der Vorrede zu diesem Buche spricht Pappus zu seinem
Sohne Hekmodor:
„Die mechanische Wissenschaft wird, da sie bei wichtigen Dingen im Leben
Anwendung findet, von den Philosophen sehr hoch geachtet und von allen Mathe-
matikern mit besonderem Eifer betrieben, weil sie uns zuerst in die Lehre von der
Natur der Materie und den Elementen der Welt einfülirt. Denn indem sie die Lage
und Schwere der Körper und ihre Bewegung im Kaume im allgemeinen bespricht,
untersucht sie nicht nur die Ursachen, warum sich Körper von Natur bewegen,
sondern lehrt auch, wie man ruhende Körper zur Bewegung aus ihrer Lage zwingt,
die ihrer Natur zuwider ist, und um dies zu erreichen, macht sie von Lehrsätzen
Gebrauch, welche die Materie selbst an die Hand giebt
. Diejenigen, welche dem Heron folgen, sind der Ansicht, dass der eine Theil
der Mechanik die mathematischen Demonstrationen, der andere die Handarbeiten
umfasst, und zwar soll jener Theil, den sie den rationellen nennen, die Geometrie,
Arithmetik, Astronomie und die physikalischen Demonstrationen in sich begreifen,
der andere aber, welcher die Handarbeiten umfasst, soll die Kunst des Erz- und
Eisenarbeiters, des Bauhandwerkers, des Holzarbeiters, sowie die des Malers und
Alles, was Handarbeit betrifft, lehren. Sie sagen, derjenige, welcher vom frühen
Alter an sich diesen Discipünen widmet und in diesen Künsten geübt wird und
einen regsamen Geist hat, wird in der Folge der beste Erfinder (und Konstrukteur)
mechanischer Werke sein, aber da es nicht möglich ist, dass Einer die vielumfassende
mathematische Wissenschaft vollständig in sich aufnehme und alle die genannten
Künste erlerne, rathen sie denjenigen, welche sich mit einem mechanischen Werke
beschäftigen wollen, sie möchten sich das, was in diesem Fache noth wendig
iüt, von Leuten, die der betreffenden speciellen Kunst mächtäg sind, an die Hand
geben lassen.
Von allen Künsten, welche auf der Mechanik beruhen, sind folgende für das
praktische Leben am wichtigsten: Die Kunst der Flaschenzugmacher (ars manga-
nariorum), nach den alten auch Mechaniker genannt, denn diese heben grosse Lasten,
welche von Natur (d. h. ohne künstliche Hilfsmittel) unbeweglich sind, in die Höhe,
28 Pappus der Alexandriner.
indem sie sie durch kleinere Kräfte bewegen; dann die Kunst derer, welche Wurf-
maschinen (tormenta) bauen, wie nie im Kriege nöthig sind, und welche auch Mechaniker
genannt werden, denn Geschosse von Stein, Eisen oder anderem Material waden
durch katapultenartige Maschinen, welche diese anfertigen, auf weite Entfernungen
geworfen. Dann die Kunst derer, welche eigentlich Maschinenbauer (machinarum
fabri) genannt werden, denn durch Maschinen, welche diese zum Wasserschöpfen
bauen, wird das Wasser aus grosser Tiefe sehr leicht in die Höhe gehoben.
Mechaniker wurden aber auch von den Alten die Wunderkun stier genannt^
wovon die Einen die Lehre von der Luft fleissig anwenden, wie Herox in seiner
Pneumatica, Andere durch Saiten und dünne Schnüre die Bewegungen belebter Wesen
nachzuahmen suchen, wie Heron in seiner Lehre von den Automaten und seiner
Aequilibristik , andere auch durch solche, die durch Wasser bewegt werden, wie
Archimedes in seinen oxovfievoig , oder durch Wasseruhren, wie Heron in seinen
vögeioig, deren Lehre mit der von den Sonnen- und Wasseruhren verwandt zu sein
scheint Mechaniker werden endlich auch diejenigen genannt, welche die Anfertigung
von Globen verstehen und eine Darstellung der Himmelsbewegung durch gleichmässige
kreisförmige Bewegung von Wasser her\'^orbringen.
Einige sagen, dass die Ursachen und Gesetze von alle dem seit Archimedes
von Sjrakus bekannt seien. Denn dieser vor Allen, deren Andenken sich bis in
unsere Zeit erhalten hat, behandelte jeden Gegenstand mit ausserordentlicher Greistes-
schärfe, wie unter Anderen Geminus in seinem Buche über den Rang der Mathe-
matiker bezeugt Carpus aus Antiochien aber schreibt, dass Archimedes nur ein
mechanisches Buch verfasst habe, welches von der Konstruktion der Himmelsgloben
handele, alles Uebrige dieser Art aber habe er nicht für der Mühe werth gehalten,
dass man darüber schreibe. Doch hat dieser göttliche Mann, der von den Meisten
wegen der Scharfe seines Gi?istes und seiner mechanischen Wissenschaft so gerühmt
wird, dass sein Andenken bei allen Sterblichen ewig fortleben wird, so zu sagen die
Haupt- und Grundlehren der Geometrie und Arithmetik auf das Kürzeste ge^isst
und auf das Genaueste zusammengestellt und diese Disciplinen scheinen von ihm so
geliebt worden zu sein, dass er sich nicht entschliessen konnte, etwas Anderes hinein-
zubringen. Carpus selbst aber und mehrere Andere haben mit Recht die Greometrie
zu gewissen Künsten und zum Gebrauche im Leben herangezogen. Denn die Greo-
metrie, die bei vielen Künsten und Anforderungen des Lebens zu helfen vermag,
ist weit davon entfernt, dadurch irgend welchen Schaden zu nehmen, oder, indem
sie diese Künste fördert, von der Ehre, die man ihr schuldet und von ihrem Schmucke
etwas einzubüssen.
Nachdem ich so der mechanischen Wissenschaft ihre Stellung angewiesen und
ihre Eintheilung dargelegt habe, glaube ich mich einer löblichen Arbeit zu unter-
ziehen, wenn ich sowohl das, wovon die Alten mit geometrischen Gründen bewiesen,
dass es zum Bewegen von Lasten noth wendig sei, als auch die Lehrsatze, welche
ich selbst hierzu brauchbar gefunden habe, kürzer und klarer darstelle und besser
begründe, als es Diejenigen gethan haben, welche vonlem über solche Dinge schrieben.
Hierzu gehören folgende Probleme:"
Die nun folgenden neun ersten Kapitel behandeln Aufgaben, die zu der
Lehre vom Schwerpunkte gehören; mehr Interesse hat für uns das zehnte,
worin die Theorie der schiefen Ebene, welche bekanntlich erst von Stevin im
Jahre 1586 richtig aufgestellt wurde, zu entwickeln versucht wird. Es lautet:
Kap. X. „Gegeben eine Last, welche von einer gegebenen Kraft auf der Hori-
zontalebene bewegt wird, und eine andere gegen die daninterliegende (horizontale)
so geneigte Ebene, dass sie mit ersterer einen gegebenen Winkel bildet. Es soll
gefunden werden, von einer wie grossen Kraft die Last auf der geneigten Ebene
bewegt wird.
Schiefe Ebene, Winde mit Zahnrädern und Schraubenrad.
29
Es «ei nin die Horizontalebene, mk die geneigte Ebene, welche mit jener den
Winkel kmn bildeL Irgend eine Last a werde von der Kraft P^ auf der Hori-
zontalen bewegt Man denke sich um e (als Mittelpunkt) eine Kugel von dem gleichen
Gewichte a. Diese lege man auf die geneigte Ebene, welche sie in dem Punkte l
berührt Verbindet man e mit 7, so steht el senkrecht auf mJc. Man ziehe durch
den Mittelpunkt e die Horizontale ed und von l aus senkrecht nach c, so ist
Winkel elc = edl = kmn. Deshalb ist auch das Dreieck elc gegeben und daher
auch das Verhältniss von el zu ec und folglich auch (da ei = el) das Verhältnisa
von ei zu ec, sowie das Verhältniss von ei — ec = ct
zu e c. Nun mache man, dass sich das Gewicht a zu einem
Gewichte 6, sowie auch die Kraft Pj zu einer Kraft Pg
wie ci zu ec verhalte. Und da P| die Kraft ist, welche
das Gewicht a auf der Horizon talebene bewegt, so wird
Pj die Kraft sein, die b auf derselben bewegt. Und weil
das Gewicht a sich zu dem Grewichte b wie ci zu ec ver-
hält, so werden diese Gewichte, wenn sie so angebracht
werden, dass e der Schwerpunkt von a und i der Schwer-
punkt von b ist, sich das Gleichgewicht halten, indem sie
in dem Punkte c ihren Stützpunkt haben. Da aber das
Gewicht a (d. i. die Kugel) seinen Schwerpunkt in e hat,
wird das bei i angebrachte Grewicht b ihm das Gleichgewicht
halten, so dass die Kugel nicht wegen der Neigung der
Ebene herabrollt, sondern in Ruhe und stabil bleibt, als ob
sie auf der Ebene stände. Da aber das Gewicht a auf der Horizontalebene von
der Kraft P^ bewegt wird, so wird es auf der geneigten Ebene von einer Kraft
P bewegt werden, die gleich ist P^ plus der zur Bewegung von b nöthigen Kraft Pj."
Es folgt nun ein Beispiel. Dann heisst es:
Kap. XI. „Zu derselben Lehre gehört das Problem, wie ein gegebenes Gewicht
durch eine gegebene Kraft zu bewegen sei. Es ist dies die mechanische Erfindung
des Archimedes, welche ihn bewog, voll Freude auszurufen: „Gieb mir einen Ort,
wo ich stehe, und ich werde die Erde bewegen I" Dann hat Hero der Alexandriner
in seinem Buche „Barülkon*^ die Konstruktion desselben sehr klar beschrieben.
Fig. 37.
%>^^:^-^^^;^%v;^^^m/^
Fig. 38.
Noch ausführlicher behandelte er den Stoff in seiner „Mechanik" an der Stelle, wo
er von den fünf Potenzen spricht, nämlich von dem Keile, dem Hebel, der Schraube,
dem Flaschenzuge und dem Rade auf der Welle, mit denen ein gegebenes Gewicht
durch eine gegebene Kraft bewegt wird. In dem „Barülkon" zeigt er, wie eine
gegebene Last durch eine gegebene Kraft gehoben wird in der Weise, dass er das
Verhältniss des Raddurchmessers zum Axendurchmesser wie 5 : 1 angiebt, nachdem
er angenommen hat, dass das Gewicht, welches gehoben werden soll, 1000 Talente
sei und die bewegende Kraft 5 Talente; von uns aber soll nun dasselbe gezeigt
werden mit der Proportion 2 : 1 und das zu bewegende Gewicht sei nicht 1000,
30 Pappus der Alexandriner.
sondern 160 Talente und die bewegende Kraft wollen wir nicht zu 5, sondern zu
4 Talenten annehmen, weil ein Mensch als Motor ohne Maschine 4 Talente aufriehen
kann. Das, was von Jenem ylcjoooxoftov*) genannt wird, besteht zunächst aus einem
Kasten ab cd. Innerhalb desselben zwischen den langen parallelen Wänden sei die
leicht bewegliche Axe e gelagert und darauf das Zahnrad wi befestigt, dessen Durch-
messer zweimal so gross ist, als der Durchmesser der Axe (Seiltrommel). Wenn
daher ein Seil an das aufzuziehende Gewicht gebunden, durch ein Loch in der Kasten-
wand gestockt und um die Walze i geschlungen wird, und man dreht das Rad um,
80 drcht sich gleichzeitig die darin befestigte Axe, deren äusserste Enden von ehernen
Zapfen gebildet werden, welche in ebenfalls ehernen Büchsen gelagert sind, die in
den Wänden abdc angebracht sind. Wenn nun das an die Last gebundene Seil
fort und fort auf die Walze gewunden wird, so bewegt sich das Gewicht Damit
aber das Rad m bewegt werde, wird eine Kraft von 80 Talenten anzuwenden sein,
weil der Durchmesser des Rades doppelt so gross ist, als der der Walze, denn dieses
Problem winrde von Heron in seiner „Mechanik" gelöst — Weil aber die g^ebene
Kraft nicht 80 Talente, sondern nur 4 Talente beträgt, so wird eine andere Axe n
parallel der Axe e gelagert und auf letzterer ein Getriebe o befestigt, dessen Zahne
denen des Rades m kongruent sind. Daraus folgt aber, dass die Zähnezahl von
diesem zur Zähnezahl von jenem sich verhält, wie der Durchmesser des Rades m zu
dem des (Jetriebes o, wie aus dem Nachfolgenden (Kap. XXV) ersichtlich sein winL
Daher ist auch das Getriebe o gegeben. Auf der Axe n aber wird das Rad r be-
festigt, dessen Durchmesser doppelt so gros» ist, als der des Getriebes o, weshalb
der, welcher das Gewicht durch das Rad r bewegen will, eine Kraft von 40 Talenten
nöthig haben wird "
Es werden nun noch zwei Axen mit ebensolchen Zahnrädern zugefügt,
und dann noch eine dritte Axe mit Getriebe und einem Rade q, dessen
Durchmesser sich zu dem dieses Getriebes wie 10 : 4 verhält. Dieses Rad
erhält schiefe Zähne (als Schraubenrad). Pappus fährt fort:
„Wenn dies so konstruirt ist und wir stellen uns vor, dass der Kasten ab cd
in erhöhter Lage aufgestellt, die Last an die Walze i und die bewegende Kraft an
dem Rade q angehängt wird, sowie dass die Axen sich leicht drehen und die Rad-
zähne genau in einander passen, so wird weder die Last von 160 Talenten, noch
die Kraft von 4 Talenten sich abwärts bewegen, sondern sie werden sich, wie bei
einer Waage, das Gleichgewicht halten; wenn wir aber ein kleines Gewicht zufügen,
so wird dasjenige, welchem dies zugefügt worden ist, sich alsbald abwärts bewegen.
Wenn wir z. B. der Kraft von 4 Talenten noch das Gewicht von einer Mine zufügen,
so wird es das Gewicht von 160 Talenten übenvältigen und niedergehen**). Aber
anstatt eines angehängten Gegengewichtes fügen wir eine Schraube st zu, deren
Gewinde in die Zähne des Rades q passt. Wie dies zu machen ist, hat Heron
ebenfalls in seiner „Mechanik" auseinandergesetzt und wird auch von uns im Nach-
folgenden (Kap. XXVIII) ausführlich beschrieben werden. Die Schraube niuss sich
leicht in ihren Zapfen drehen, die in runden Löchern laufen. Von diesen Zapfen
ragt der eine aus der Kasten wand cd hervor, und dieser vorstehende Theil von
quadratischem Querschnitte nimmt eine Kurbel u v auf "
Die Kap. XII — XXIV behandeln geometrische Aufgaben. Kap. XXV
lautet :
„Wie aber die Anordnung der Räder geschieht, von welchen wir oben (Kap. XI)
gespi-ochen haben, werden wir jetzt erklären:
*) Abgeleitet von yÄcjaaoTiOfieTov die Kiste, der Kast<?n.
**) Man pflegte auch im Mittelalter bei Hebmaschinon oft durch Gegengewichte zunächst
Gleichgewicht herzustellen, um dann mit einer geringen Kraft die Bewegung bewirken zu können.
Herstellang der Zabnrädcr und Schraubenradgetriebe.
31
Es seien a und 6 zwei gedrehte, ineinander greifende Rüder. Der Durchmesser
des Rades a niuss sich zu dem von h verhalten wie die Zähnezahl von a zu der
von ht denn so ist es zum Ineinandergreifen der Räder erforderlich , weil sich die
Umfange zu einander verhalten wie die Durchmesser.
Nehmen wir nun an, das Rad a habe 60 Zähne und h deren 40, so sage ich:
Wie sich die Zähnezahl des Rades i zu der von a verhält, so verhält sich die Ge-
schwindigkeit von a zu der von i. Denn da die Räder a und h ineinander greifen,
werden so viele Zähne des Rades a fortbewegt werden, wie sich solche von 6 fort-
bewegen. Wenn daher 6 eine Umdrehung macht, wird a um 40 Zähne fortbewegt,
und wenn i 60 Umdrehungen macht, was die 2^hnezahl von i ist, wird es sich um
2400 Zähne bewegt haben, was die Zähnezahl von a multiplicirt mit der von 6 ist
Ebenso wird aber, wenn a 40 Umdrehungen macht, was die Zähnezahl von h ist,
h sich um 2400 Zähne bewegt haben, was die Zühnezahl von i multiplicirt mit der
von a ist Wenn daher a 40 Umdrehungen gemacht hat, was die Zähnezahl von h
ist, so hat auch i 60 Umdrehungen vollendet, was die Zähnezahl von a ist Wie
sich daher die Geschwindigkeit des Rades a zur Geschwindigkeit des Rades i ver-
hält, so verhält sich die Zähnezahl des Rades h zur Zähnezahl des Rades a/'
In Kap. XXVI wird bewiesen, dass sich die Umfange zweier Kreise, wie
deren Durchmesser zu einander verhalten. In Kap. XXVII wird die Aufgabe
gelöst: Es sei ein Rad mit bestimmter Zähnezahl und die Zähnezahl eines
eingreifenden Rades gegeben. Der Durchmesser des letzteren soll bestimmt
werden.
Kap. XXVIII. „Wie aber die Schraube hergestellt wird, deren Schraubengänge
in die schiefen Zähne eines gegebenen Rades passen, wird so gezeigt:
Fig. 39.
Es werde ein gleichmässig abgedrehter Cylinder adfe hergerichtet, auf dessen
Seite ae die Steigung der Schraube angegeben wird. Dann stelle man ein Bronce-
blech her, wovon der Theil hih ein rechtwinkeliges Dreieck bildet mit dem rechten
Winkel bei Ä, und dessen übriger Theil ein Parallelogramm hhlm bildet hi aber
mache man gleich der Steigung a 6 imd hh gleich dem Umfange des Cylinders ad/e.
Dann wird das Blech so um den Cylinder gebogen, dass das Parallelogramm hhlm
einen Hohlcy linder bildet, der den Cylinder ad/e, wenn er hineingesteckt wird, genau
umschliesst Dann wird Punkt h auf Punkt a und Punkt i auf Punkt h gebracht
und nach der gebogenen Hypothenuse Tci die Schraubenlinie auf den Cylinder gerissen,
die wir einen Schraubengang nennen, weil sie aus einem Umgänge besteht. Darauf
verschiebt man das Blech so, dass h mit i und i mit c zusammenfällt und reisst
einen anderen Schraubengang auf, so dass die Schraube nun zwei Schraubengänge
hat, d. h. zwei Umgänge umfasst Wenn wir nun die Geraden a6, he u. s. f.
bis e halbiren, durch die Theilpunkte mit dem Bleche eingängige Schraubenlinien
32 Pappus der Alexandriner.
aufreissen und die Tiefe der Gewindgungt^ beliebig bestimmen, können wir in dieser
Tiefe die Schraubenlinie leicht ausarbeiten, und wenn wir dann noch die G^ewinde-
gange durch Ausfeilen linsenförmig gestaltet haben, ist die Schraube fertig.
Kap. XXIX. Femer werde auf der einen Seite eines gegebenen Rades ein
Kreis beschrieben, rvt sei der Radumfang, c sein Mittelpunkt Die Punkte r, v
und t haben gleiche Abstände von einander (am Schlüsse des Kapitels wird gesagt,
dass diese der Steigung der Schraube gleich sein müssen). Der ganze Kreis sei z. B.
in 24 gleiche Theile getheilL Von den Punkten r, t;, t bis zu dem um den Mittel-
punkt c beschriebenen Kreise werden gerade Linien ro, ro, to nach dem Mittel-
punkte hin gezogen und von den Punkten, welche die Unifangstheile oo halbiren,
werden die Linien mr, nr^ tir, pt\ pt, qt nach den Punkten r, t;, / gezogen. Von
einer dieser Linien, z. B. or, wird auf der cylindrischen Umfangsflache des Rades
(h'e kürzeste gerade Linie rs bis zum Umfange des
Kreises xy gezogen, welcher auf der anderen Seite des
Rades, dein Kreise rvt gleich, die Begrenzung bildet,
und von dem Punkte 8 aus winl «x, der Hälfte des
Umf angstheiles rv gleich, aufgetragen, sowie arjf = rr,
zy zzzvt u. s. f. Wenn wir nun die Punkte r mit
.r, V mit 2, t mit y u. s. f. verbinden, eiiialten wir
die Schräge der Zähne. Und da die Kreise rvt und
xzy einander gleich sind, beschreiben wir auch auf
der anderen Seite des Rades um den Mittelpunkt c
einen dem Kreise mnpq gleichen Kreis, und indem
wir von den Punkten xzy u. s. w. bis zu diesem
^^^' ^' Kreise gerade Linien nach dem Mittelpunkte hin ziehen
und dasselbe thun, was wir innerhalb der Umfan^linie
rvt gethan haben, erhalten wir die Aufzeichnung des anderen Theiles des Rades. Nach-
dem man dann die Prismen herausgeschnitten hat, die zwischen den so gezeichneten
Linien liegen, wie z. B. zwischen rnv und vpt einerseits und den Gegenüberli^n-
den, erhalten wir das Rad mit schiefen 21ähnen. Je ein Zahn tritt in das Grewinde
der Schraube, weshalb die Theilung r v der Ganghöhe der Schraubenlinie gleich sein
muss, und offenbar wird das Rad durch eine Umdrehung der Schraube um einen
Zahn weiter bewegt Dies ist von Heron in seiner „Mechanik" gezeigt worden und
soll auch von uns beschrieben werden, damit man niclit anderwärts danach zu
suchen hat"
In Kap. XXX wurd dieser Nachweis geliefert. Dann giebt Pappus in
Kap. XXXI und XXXII noch weitere Auszüge aus Heuon's „Mechanik'', indem
er sagt:
Kap. XXXI. „Denn dies (d. h. Kap. XI und die zu dessen näherer Erklärung
dienenden Kap. XXV — XXIX) ist aus dem „Barülkon", aber auch eine kurze
Darstellung dessen, was wir die fünf Potenzen nennen, die zu >vissenschaft]ichen
Erklärungen benutzt werden, entnehmen wir den Büchern des Heron (in Kap. XI
sagte Pappus, Heron habe die fünf Potenzen in seiner „Mechanik" abgehandelt)
und fügen auch das bei, was über einbeinige Maschinen, sowie über zwei-, drei- und
vierbeinige zu l)emerken ist, damit du nicht Bücher, worin diese beschrieben sind,
zwecklos nachschlägst, denn wir begegnen vielen verdorbenen Büchern, die am An-
fange oder am Endo verstümmelt sind.
Da es fünf Potenzen giebt, mit welchen eine gegebene Last durch eine gegebene
Kraft gehoben werden kann, so ist erforderlich, deren Form, Gebrauch und Namen
anzugeben. Aber Heron und Philon haben auch nachgewiesen, dass die sogenannten
Potenzen, obschon sie in der Form sehr von einander abweichen, alle auf eine Form
zurückgeführt werden können. Ihre Namen sind die folgenden: Axe mit Kad,
Hebel, Flaschenzug, Keil und die sogenannte Schraube ohne Ende.
Axe mit Rad, Flaschenzug, Keil. 33
Was zunächst die Axe mit Rad betrifft, so wird sie wie folgt konstniirt:
Man muss ein festes Holz nehmen, quadratisch (wie ein Balken) und seine Enden
abrunden (so dass sie Zapfen bilden), um welche man Büchsen (oder Bleche) von
Erz so befestigt, dass sie, wenn sie in runde, in dem Gestell befindliche Locher
gesteckt werden, da diese Löcher eherne Unterlagfutter für die Büchsen (auf den
Zapfen) haben, sich leicht drehen. Das Holz, wie wir es beschrieben haben, wird
die Axe genannt, um welche als Mitte das Rad gesetzt wird, das mit einem qua-
dratischen, auf die Axe passenden Loche versehen ist, so dass sich die Axe zugleich
mit dem Rade dreht
Nachdem nun die Konstruktion dieser Maschine beschrieben ist, wollen wir
von ihrem Gebrauche reden. Wenn wir eine grosse Last durch eine kleine
Kraft bewegen wollen, schlingen wir ein Seil, woran die Last gebunden ist, um
den abgerundeten Theil der Axe. Alsdann stecken wir Speichen (oder Spillen)
in die Löcher des Rades und drehen dieses um, indem wir jene niederdrücken,
wodurch die Last leicht von einer kleinen Kraft bewegt wird, während das Seil
sich um die Axe schlingt Die Grösse dieser Maschine muss man den Lasten,
die zu bewegen sind, anpassen; wie sich aber das Grössen verhältniss aus dem
Verhältniss der zu bewegenden Last zu der bewegenden Kraft ergiebt, wird nachher
gezeigt werden.
Die zweite Potenz bildet der Hebel. Wenn man nämlich eine grosse Last
bewegen wollte, die vom Boden aufzuheben war, die aber, weil die Basis der Last
in allen Theilen auf dem Boden auflag, keinen Angriffspunkt bot^ so untergrub man
sie ein wenig, schob das Ende eines langen Holzes darunter, dann legte man nahe
bei jener Last einen Stein unter, welcher Hypomochlion (Stützpunkt) genannt wird,
und drückte das Holz am anderen Ende nieder. Man sah, dass man auf diese Art^
welche keinerlei Schwierigkeiten bietet, die grössten Lasten heben konnte. Jenes
Holz aber, das sowohl quadratischen als auch nmden Querschnitt haben kann, wird
Hobel genannt Wo man am geeignetsten das Hypomochlion unterlegt, werde ich
nachher zeigen.
* Die dritte Potenz ist der Flaschenzug. Denn wenn wir irgend eine Last
aufziehen wollen, müssen wir an einem danm gebundenen Seile mit einer Kraft ziehen,
die der Last gleich ist; wenn wir aber das eine Ende des Zugseiles an einem festen
Orte anbinden, das andere Ende um eine an der Last befestigte Rolle legen und
anziehen, so werden wir die Last leichter bewegen, und wenn wir an dem festen
Orte eine andere Rolle anbinden, das Seil darumlegen und anziehen, so werden wir
die Last ebenso leichter bewegen. Wenn wir aber wieder eine andere Rolle an der
Last anbinden, das Zugseil darumlegen und anziehen, so werden wir die Last wiederum
um Vieles leichter bewegen, und wenn wir immer mehr Rollen sowohl an dem festen
Orte, als auch an der Last anbinden und das Zugseil darumlegen, werden wir die
Last immer leichter bewegen. Aber wir binden nicht die einzelnen Rollen an den
festen Ort einerseits und die Last andererseits, sondern schliesscn diejenigen, welche
an den festen Orten gehängt werden sollen, um ihre Axe drehbar in ein hölzernes
Gehäuse ein, was wir eine Flasche (manganum) nennen und binden diese Flasche
mit einem anderen Seile an den festen Ort; diejenigen Rollen aber, welche an die
Last gehängt werden sollen, schliessen wir in eine andere, der oberen gleiche Flasche
ein. Die Rollen müssen in den Flaschen so angeordnet sein, dass sich die Stränge
nicht verschlingen und nicht einander stören. Aus welchen Gründen die Bewegimg
leichter erfolgt, wenn mehr Stränge da sind, und warum das andere Seilende an einen
festen Ort angebunden werden muss, werde ich später zeigen.
Die nächste Potenz ist der Keil. Dieser erweist sich sowohl bei den Oel-
pressen (pressiones unguentarias), als auch bei den grossen Verleimungen, wie sie
Tischler zu machen haben, sehr nützlich ; seine wichtigste Anwendung findet er aber
in den Steinbrüchen, wenn man kleinere Theile von einer kompakten Steinmasse los-
trennen wilL Dies kann keine der anderen Potenzen, weder für sich allein noch
Beck. 3
34
Pappua der Alexandriner.
in Verbindung mit anderen, bewirken, sondern nur der Keil, bei dem kein Nach-
lassen der Arbeiter vorkommt und die Spannung stark und wirksam ist, leistet es
mit Leichtigkeit. Man ersieht dies daraus, dass der Keil, auch während er nicht
angetrieben wird, Krachen und Brüche verursacht Je kleiner der Winkel des Keiles
ist, um so rascher, das heisst bei um so leichterem Schlage, übt er seine Grewalt aus,
wie wir später beweisen werden.
Die Instrumente, welche wir bisher besprochen haben, sind von leicht verständ-
licher, einfacher Konstruktion und der Gebrauch derselben füllt an vielen Orten in
die Augen; die Schraube aber bietet grössere Schwierigkeiten, in der Konstruktion
sowohl, als auch im Gebrauche, denn sie wirkt bald für sich allein, bald in Ver-
bindung mit anderen Potenzen. Eigentlich ist sie nichts als ein gewundener Keil,
der nicht geschlagen, sondern vermittelst eines Hebels und durch Drehung in Bewe-
gung gesetzt wird, wie aus dem, was ich erklären werde, hervorgeht. Ihr Gebrauch,
ihre Begründung und Natur sind folgende:"
Es wird nun zunächst die Herstellung einer Schraube ähnlich beschrieben
wie in Kap. XXVIII und dann heisst es weiter:
„Nachdem man nach dieser Schraubenlinie einen Kanal in den Cylinder ein-
geschnitten und so ausgehöhlt hat, dass ein starker Nagel (Zapfen oder Zahn) genau
Ö
Flg. 41.
hinein passt, wird die Schraube so gebraucht: Die runden gemachten Enden derselben
werden in ein mit runden Löchern versehenes Gestell gelagert, so dass sich die
Schraube leicht dreht (Fig. 41). Dann wird über sie und parallel mit ihr ein Lineal
gelegt, in dessen der Schraube zugekehrter Seite in der Mitte eine Nute ht, in die der
genannte Nagel gefügt wird, so dass sich sein eines Ende in dem Schraubenkanal
befindet, das andere aber in der Nute im Lineal bleibt. Wenn man mit dieser
Maschine eine Last bewegen will, nimmt man ein Seil, bindet sein eines Ende an
die Last und das andere an den Nagel, und da in dem Kopfe der Schraube Locher
sind, steckt man Speichen (Spillen) hinein und drückt diese nieder, infolgedessen
der Nagel, von der Schraube in dem Kanal geführt, das Seil und dadurch auch die
Last mit sich fortzieht. Anstatt der Speiehen kann man auch eine Kurbel auf das
aus dem Gestelle hen-orragende Ende der Schraube setzen, um sie damit umzudrehen
und die Last anzuziehen. Das Gewinde wird bald in quadratischer Foim, bald linsen-
förmig konstruirt, quadratisch nämlich, wenn der Kanal dun-h senkrechte Schnitte,
linsenförmig aber, wenn er durch schiefe Schnitte, die in einer Linie zusammenlaufen,
hergestellt wird. Jene Schraube wird eine (juadratische (flachgängige), diese eine
linsenförmige (scharfgängige) genannt
Diese Konstruktion hat die Schraube, wenn sie für sich allein arbeitet, doch
sind auch andere im Gebrauche. Denn es wird eine andere Potenz, nämlich die
genannte Axe mit Rad zugefügt, und zwar so umgestaltet, dass das auf der Axe
sitzende Rad gezahnt ist Die Schraube wird entweder senkrecht oder parallel lum
Schrauben, Schlitten, Holzbahnen, Walzen, Rollwagen, Erahnen. ^
Boden so daran gesetzt , dass deren Gewinde in die 2^hne des Rades greift Ihre
Enden drehen sich in runden, im Gestelle befindlichen Lochern, wie oben gesagt
wurde, und da das eine £nde der Schraube aus dem Gestelle ragt, wird entweder
eine Kurbel darauf gesetzt^ womit man die Schraube umdreht, oder es werden Löcher
hineingemacht, um mit hineingesteckten Spillen die Schraube drehen zu können. An
der Last befestigte Seile werden zu beiden Seiten (des Schraubenrades) um eine
Trommel geschlungen, und wenn wir dann die Schraube und dadurch das gezahnte
Rad drehen, ziehen wir die Last auf.
Die Konstruktion und den Gebrauch der genannten fünf Potenzen haben wir
nun auseinandergesetzt^ was aber die Ui^sache ist, warum durch irgend eine derselben
ein grosses Gewicht durch eine geringe Kraft bewegt werden kann, zeigt Hbron in
seiner Mechanik."
Hier scheint der auf uns gekommene Text lückenhaft zu sein, da die in
früheren Kapiteln wiederholt in Aussicht gestellte Begründung der genannten
Eigenschaft der fünf Potenzen fehlt. Unser Text fährt weiter fort:
„Nun wollen wir aus dem dritten Buche des Heron Maschinen beschreiben,
welche leicht und vortheilhaft zu gebrauchen sind und mit welchen man ebenfalls
grosse Lasten bewegen kann.
Diejenigen (Lasten), sagt er, welche auf dem Boden hingezogen werden sollen,
werden mit dem Schlitten (chelona) bewegt. Der Schlitten (oder die Schleife) ist
ein aus quadratischen, an den Enden abgerundeten Hölzern zusammengesetztes Grestell.
Auf diese werden die Lasten gelegt und an die Enden entweder Flaschenzüge oder
Seile gebunden. Die Seile werden entweder mit der Hand angezogen, oder es werden
Göpel (Gangspille) dazu verwendet, welche, wenn sie umgedreht werden, den Schlitten
entweder auf Walzen oder auf Bohlen über den Boden ziehen. Wenn die Last
klein (d. h. nicht sehr gross) ist, sind Walzen zu gebrauchen, wenn sie aber gross
ist, Bohlen, obgleich auf diesen die Last weniger leicht fortgezogen wird. Denn die
Walzen bilden, indem sie sich drehen, eine Gefahr, wenn die Last eine vorwärts-
schiessende Bewegung (impetus) annimmt. Einige aber wenden weder Walzen noch
Bohlen an, sondern setzen dichte Rader an die Schlitten und bewegen sie so (d. h. sie
benützten anstatt des Schlittens oder der Schleife einen Rollwagen mit Scheiben-
rädern).
Kap. XXXII. Ahor um Lasten in die Höhe zu heben, sagt er, konstruirt man
entweder einbeinige (/novoKCükoi), oder zwei-, oder drei-, oder vierbeinige Maschinen.
Was die einbeinige Maschine betrifft, so nimmt man ein festes Holz, dessen Länge
grösser ist als die Höhe, bis zu welcher man die Last aufziehen will Wenn es
auch an und für sich fest ist, so umschnürt man es doch mit einem in Windungen
darum geschlungenen Seile. Die Zwischenräume dieser Windungen sollen nicht grösser
sein als vier Handbreiten. So wird nicht nur das Holz fester, sondern die Windungen
können auch den Arbeitern wie Leitersprossen dienen, wenn sie in die Höhe steigen
wollen. Wenn das Holz nicht stark genug zu haben ist, setzt man es aus mehreren
Hölzern zusammen. Diese Säule wird dann in einer Bohle aufgerichtet, und an ihrer
Spitze werden drei oder vier Seile befestigt, herabgeführt und an irgend einem festen
Gegenstande angebunden, so dass die Holzsäule, wenn nach irgend einer Seite hin
gezogen wirkt, nicht wankt, sondern von den gespannten Seilen festgehalten wird.
An der Spitze angebundene Flaschenzüge werden nach der Last hingezogen und
ziehen, entweder mit der Hand oder durch Göpel in Bewegung gesetzt, die Last an,
bis sie zur gewünschten Höhe gehoben ist. Wenn ein Stein (der die Last bildet)
auf eine Mauer, oder wo man sonst hin will, gel^ werden soll, so lässt man, nach-
dem Vorstehendes geschehen, eines von den an der Spitze befestigten Seilen, und
zwar dasjenige, welches sich auf der der Last gegenüberliegenden Seite befindet, nach
und neigt die Säule. Auch legt man Walzen unter solche Stellen der Last, wo das
Bindseil nicht herumgeschlungen ist, und lässt dann die angespannten Flaschenzug-
(
36 Pappus der Alexandriner.
seile nach, bis die La^^t auf den Walzen sitzt Nachdem dann das Bindeseil gelöst
ist, bewegt man die Last mit Hebeln, bis sie an die Stelle gebracht ist, wo man sie
haben will. Dann bringt man die Bohle, worauf die Säule steht, indem man sie
mit Seilen mit den Händen fortzieht, an eine andere Stelle des Gebäudes, lässt die
Seile wieder herab, bindet sie wieder an und gebraucht die Maschine wieder auf die
selbe Weise, wie wir es beschrieben haben."
Abbildungen und Beschreibungen dieser und der zweibeinigen Hebemaschine
finden sich in der hier folgenden Abhandlung über Vitklv.
Marcus Vitruvius PoUio (um 16 v. Chr.).
ViTRüv, unter Julius Cäsar und Kaiser Augustus Ingenieur und Bau-
meister, schrieb in den Jahren 16 — 13 v. Chr. ein Handbuch: ,,De architectura"
in 10 Büchern. Im ersten Buche, Kap. III, sagt er: „Die Architektur umfasst
3 Theile: Das Bauen, die Herstellung von Uhren und die Herstellung von
Maschinen" und behandelt demgemiiss in seinem Werke auch die beiden letzteren
Gegenstände, für welche wir uns besonders interessiren. Ueber die benutzten
Quellen macht er namentlich im Vorworte zum siebenten Buche ausführliche
Mittheilungen, nennt zuerst eine Reihe griechischer Baumeister, welche zur
Entwicklung der Baukunst beigetragen oder Vorschriften über die Massverhält-
nisse der Bauwerke gegeben haben und fährt dann fort:
„Ebenso schrieben über das Maschinenwesen: Dfades, Archytas (Pythagoräer,
einer von Platon's Lehrern, etwa 400 v. Chr.), Archimedes, Ktesibios, Nympho-
DOROS, der Byzantiner Philo, Diphilos, Democles, Charitas, Polyidos (nach
Athenäus Lehrer der Kriegsmaschinenkunde zur Zeit Alexanders des Grossen),
Pyrrhos, Agesistratos.
„Was ich nun in deren Abhandlungen hierfür brauchbar erachtete, habe ich
zusammengetragen und für dieses Handbuch verarbeitet, und zwar besonders deshalb,
weil ich wahrgenommen, dass von den Griechen hierüber viele Bücher, von unseren
Landsleuten aber um so weniger herausgegeben worden sind."
Man ersieht hieraus, dass die Römer, wie in der Architektur und den
Künsten überhaupt, so auch im Maschinenwesen nichts Originelles aufzuweisen
hatten, sondern von den Griechen lernten, und dass die von Vitrüv beschriebenen
Maschinen, mit Ausnahme der Wassermühlen, auf die wir später zurückkommen
werden, den Griechen längst bekannt waren. Vitrüv füllt also nur einen Theil
der Lücke aus, welche durch den Verlust so vieler griechischer Werke ent-
standen ist, seine Schriften sind aber gerade aus diesem Grunde von besonderer
Wichtigkeit. Was wir nachstehend davon mittheilen, entnehmen wir der
deutschen Uebersetzung von Dr. Franz Reber, Stuttgart bei Krais & Hoffmann,
1865. Die Figurentafeln, welche Vitruv seinem Werke beigegeben hatte, sind
verloren. Wir müssen dieselben daher nach dem Texte rekonstruiren.
Aus den sieben ersten Büchern, welche von dem Bauen handeln, führen
38 Marcus Vitruvius Poliio.
wir nur eine Stelle an, welche für uns besonderes Interesse bietet. Im sechsten
Buche, Kap. VI, welches von der Anlage landwirthschaftlicher Gebäude handelt,
heisst es u. A.:
„Die Kel terkammer lege man, wenn nicht durch Schraubendrehung^
sondern mit Hebel Stangen und mit der Presse gekeltert wird, mindestens 40'
lang an (ein altrömischer Fuss = 29 cm, ein altrömischer Zoll o<ler Querfinger =
^/i6 Fuss = 18,5 mm), denn so wird dem Manne an der Hebelstange der Raum
unbeengt sein; ihre Breite aber mindestens 16% denn so winl zur ganzen Arbeit den
damit Beschäftigten die Bewegung frei und unbeongt sein."
Daraus geht hervor, dass das gebräuchlichste Mittel zum Auspressen von
Most, Oel und dergleichen zur damaligen Zeit die Hebelpresse mit langem
Balken als Hebel war. Denn wenn ein Lokal von 40' = 11,6 m Länge noth-
wendig war, nm für eine solche Presse Raum zu bieten, so lässt sich daraus
auf eine bedeutende Länge des Hebels schliessen. Die erwähnten Schrauben-
pressen für den gleichen Zweck müssen wohl von ähnlicher Mächtigkeit gewesen
sein. Die Kelterschrauben haben wir uns von Holz zu denken, wie solche noch
bis in die jüngste Vergangenheit üblich waren, da Schrauben aus Bronce oder
geschmiedetem Eisen von genügender Stärke damals zu kostspielig gewesen
wären.
Das achte Buch handelt von der Auffindung des Wassers und den
Wasserleitungen. Es interessirt uns davon zunächst das fünfte Kapitel,
welches von dem Nivelliren handelt. Als Nivellirinstrument wird das
sogenannte Chorobat besonders empfohlen. Es bestand aus einem etwa 20'
langen Richtscheite, an dessen Enden gleiche Schenkel senkrecht abwärts
weisend eingefugt und durch je eine Strebe im rechten Winkel zum Richt-
scheite erhalten wurden. Auf den Schenkeln waren Linien senkrecht zurVisir-
fläche des Richtscheites aufgezeichnet und über diesen hing je ein Senkel
mit Bleigewicht von dem Richtscheite herab. Dieses stand wagrecht, sobald
es so eingestellt war, dass die beiden Senkel auf den genannten Linien ein-
spielten.
Für den Fall aber, dass der Wind die Senkel hin und her trieb und
dadurch deren Gebrauch verhinderte, war eine Rinne von 6' (= 1,74 m) Länge,
1'' (=18,5 mm) Breite und P/2" (= 28 mm) Tiefe in dem Richtscheite ange-
bracht, in welche man Wasser goss. Wenn das Wasser in durchaus gleicher
Höhe den Rand der Rinne berührte, stand das Richtscheit wagrecht.
ViTRUV fügt noch die Bemerkung bei, es könne Jemand, der des Archi-
BiEDEs Bücher gelesen habe, einwenden, dass man mit Wasser keine zuver-
lässige Nivellirung vornehmen könne, weil das Wasser nach dessen Ansicht
keine wagerechte, ebene Oberfläche bilde, sondern eine Kugelfläche, deren
Mittelpunkt mit dem der Erde zusammenfalle, und weist darauf hin, dass dann
doch die Enden der gekrümmten Oberfläche in einer Horizontalebene liegen
müssen.
Eelterkammern, Nivelliren, Wasserleitungen. 39
Das sechste Kapitel handelt von der Leitung des Wassers, dem
Brunnengraben und den Cysternen. Es werden drei Arten von Wasser-
leitungen unterschieden: die Leitung im Kanal, in Bleiröhren und inThon-
r Öhren. Erstere sollen ein Gefälle von V200 erhalten, der Kanal soll über-
wölbt sein, um die Sonnenstrahlen abzuhalten, in der Nähe der Stadt soll ein
Sammelraum und mit ihm verbunden ein dreifaches Reservoir angelegt werden.
An der mittleren Kammer desselben werden diejenigen Röhren angebracht,
welche zu allen Basinbrunnen und Springbrunnen führen, aus der zweiten
sollen sie zu den Bädern führen, aus der dritten zu den Privathäusem.
Während wir in Heron's des Aelteren Pneumatica keine Springbrunnen
erwähnt fanden, erscheinen sie zu Vitruv's Zeiten als etwas so Verbreitetes,
dass man bei Anlagen städtischer Wasserleitungen besondere Rücksicht darauf
nimmt.
Die Wasserleitungskanäle mussten mit gleichmässigem Gefälle an Bergen
entlang, oder, wenn der dadurch vorgezeichnete Weg zu weit wurde, vermittelst
Stollen durch dieselben und vermittelst Aquädukten über die Thäler geführt
werden. Solche Bauten waren jedoch auch bei Rohrleitungen nicht ganz zu
umgehen, weil die aus Blei oder Thon gefertigten Rohre nicht die genügende
Festigkeit hatten, um bei grösserem Durchmesser einen bedeutenden Wasser-
druck aushalten zu können.
ViTRUV sagt über die Bleirohre zu Wasserleitungen:
„Die Röhren sollen nicht unter 10' (^ 2,90 m) Länge erhalten und diese
sollen einzeln, wenn sie hundertzöllig sind, ein Gewicht von 1200 Pfund, wenn
achtzigzöllig von 960, wenn fünfzigzöllig von 600 u. s. f. . . . . ., wenn fünfzöllig
von 60 Pfund haben. Die Grössenbezeichnung dieser Röhren wird aus der Breite
nach Zollen genommen, welche die Bleibleche haben, bevor sie zu Röhren zusammen-
gebogen werden. Wenn man z. B. aus einem Bleche, welches fünfzig Zoll (= 925 mm)
breit ist, eine Röhre macht, so wird diese eine fünfzigzöllige genannt (ihr Durch-
messer war 16" = 295 nun) und auf dem entsprechende Weise die übrigen."
Daraus folgt, dass Bleiröhren von circa 30 bis 600 mm Durchmesser
gebräuchlich waren, aber alle von der gleichen Metallstärke von etwa 8 mm,
so dass beispielsweise ein 300 mm weites Rohr nur für etwa 2V» Atmosphären,
ein 600 mm weites aber nur für etwa P/4 Atmosphären Wasserdruck genügte,
und die Anwendbarkeit weiterer Röhren dieser Art eine sehr beschränkte
bleiben musste*).
Dasselbe, gilt von den Thonröhren, welche mit 2" (= 37 mm) Wand-
stärke einfach konisch angefertigt wurden, so dass das engere Ende des einen
Rohres in das weitere des anderen passte. Sie wurden mit Kitt aus gebranntem
*) In besonderen Fällen wandten indess die alten Römer weit stärkere Bleirohre an.
Bei der Wasserleitung von Alatri beispielsweise, wo die Leitungsrohre bis zu 10 Atmo-
sphären Druck auszuhalten hatten, betrug die Wandstärke der 10 cm weiten Leitungsrohre
theils 10, theüs 32—35 mm. Auch pflegte man bleierne Wasserleitungsröhren durch Ein-
mauerung widerstandsfähiger zu machen.
40 Marcus Vitruvius Pollio.
Kalk nnd Oel gedichtet. Kniestücke verfertigte man nicht aus Thon, sondern
nahm dafür Steinblöcke, in welche die betreffende Höhlung gemeisselt war.
ViTRUV weist auch darauf hin, dass thöneme Wasserleitungen ein ge-
sünderes und wohlschmeckenderes Wasser liefern als bleierne, weil das aus
letzteren sich bildende Bleiweiss dem Körper schade.
Bei der Herstellung von Brunnenschachten warnt er vor Stickluft und
bösen Wettern und räth, vor dem Besteigen des Schachtes eine brennende
Lampe hinabzulassen. Bleibe diese brennend, so könne man ohne Gefahr
hinabsteigen, werde sie aber durch die Dünste ausgelöscht, so solle man neben
dem Brunnenschachte zur Rechten und Linken Wetterschächte graben.
Das neunte Buch handelt von den Sonnen- und Wasseruhren.
Da aber an ersteren nichts Maschinelles vorkommt und wir die letzteren als
eine Erfindung des Ktesibios schon besprochen haben, so wenden wir uns
direkt zum zehnten Buche, das von den Maschinen handelt.
Zum besseren Verständniss muss vorausgeschickt werden, dass der Be-
griff „Maschine^ vor Alters kein so begrenzter war als jetzt und dass der Be-
griflf „Maschinenbau^ namentlich auch den Theil der heutigen „Ligenieur-
wissenschaft umfasste, welcher sich mit der Herstellung hölzerner Tragkon-
struktionen, Gerüsten, Spundwänden und dergleichen befasst. Deshalb sagt
ViTRUV in der Vorrede zum zehnten Buche, nachdem er den Wunsch nach Ver-
schärfung der Bauverträge ausgesprochen, damit nur wirklich Sachverständige
Bauarbeiten übemehuicn könnten:
„Dies sollte nicht nur bei GehfiiKlon so sein, sondern auch bei den Gerüsten
für Festspiele, die von den Ohriji^koiten entwe<lcr in Form von Gladiatoren-
kämpfen auf dem Forum oder von Theatervorstellungen gegeben wenlen, bei welchen
weder Verzögerung noch Bedenkzeit zugestanden wird, wo vielmehr der Drang der
Verhältnisse zur Vollendung des Werkes in bestimmbarer Zeit zwingt, nämlich bei
der Herstellung der Sitzbänke im Zuschauerraum, des Zugwerkes der Segeltuch-
bespannung, wie auch alles dessen, was nach dem Gebrauche bei Theatervorstellungen
durch Maschinerie an dekorativer Ausstiittung dem Volke geboten wird. Dabei bedarf
es eines geübten Verständnisses und der Erfindungsgabe eines sehr ausgebildeten
Geistes, weil nichts der Art ohne Kunde des Maschinenbaues und ohne mannig-
fache und tüchtige Fachkenntnisse hergestellt werden kann Und weil denn ....
alljährlich sowohl Priitoren als Aedilen zum Zwecke der abzuhaltenden Spiele künst-
liche Gerüste aufschlagen müssen, so scheint es mir nicht ungehörig, nun, nach-
dem ich bereits in den vorausgehenden Büchern von den Gebäuden gehandelt habe,
in diesem, das den Abschluss meines Gesain mtwerkes bilden soll, die Grundsätze des
Maschinenwesens durch Vorschriften zu erläutern."
Nur der Umstand, dass die heutigen Begriffe : Ingenieur und Maschinen-
bauer damals ganz zusammenflössen und dass daher auch die Holzkonstruk-
tionen des ersteren mit dem Namen ..Maschinen" belegt wurden, machen den
Anfang des nun folgenden ersten Kapitels des zehnten Buches einigermassen
verständlich, wobei man ausserdem im Auge behalten muss, dass auch die
eigentlichen Maschinen damals fast ganz aus Holz konstruirt waren, sowie dass
man sich zur Erklärung mechanischer Erscheinungen der Sätze des Aristoteles
Brunnenschachte, der Begriff «Maschine* im Alterthum. 41
bediente, welcher in seinen ^jMechaniachen Problemen '^ das Wunderbare der-
selben auf die ;,wunderbaren Eigenschaften des Kreises" zurückgeführt zu
haben glaubte.
Der Anfang des ersten Kapitels lautet:
„Eine Maschine ist eine zusammenhängende Verbindung von Holz, welche zum
Heben von Lasten die grössten Vortheile gewährt. Sie wird auf künstliche Weise
in Thätigkeit gesetzt, nämlich durch Kreisumdrehung (auch die Wirkung des Keiles
und dergleichen suchte Aristoteles auf Hebelumdrehungen zurückzuführen), welche
die Griechen Kyklike Kinesis nennen. Es giebt aber eine besondere Art von
solchen Konstruktionen, nämlich den Stufensitzbau, welcher auf griechisch Akrobatikon
(Stufen werk) heisst. Dann die Luftdruckmaschinen, welche die Griechen Pneumatica
nennen, drittens die Hebemaschinen, von den Griechen Barülkon (Lastenheber)
genannt.
Ein Sitzstufenbau entsteht, wenn man die Gerüste so aufgestellt hat, dass man,
nachdem die Balken in ansteigender Höhe aufgestellt und durch Querbalken ver-
bunden sind, ohne Gefahr zur Beschauung der vorbereiteten Vorstellung hinauf-
steigen kann."
Lässt diese Stelle auch Manches dunkel, so geht doch mit Deutlichkeit
daraus hervor, dass Vitruv die in der Vori^ede erwähnten „Gerüste für Fest-
spiele" als eine besondere Klasse von Maschinen betrachtet.
Auf die weiter folgenden Definitionen Vitruv's wollen wir uns nicht ein-
lassen. Er sucht unter anderm den Unterschied der Begrifi'e „Maschine" und
„Instrument" festzustellen und glaubt diesen darin gefunden zu haben, dass
zur Ingangsetzung einer Maschine mehrere Handgriffe resp. „Arbeiten" oder
ein „grösserer Kraftaufwand" nothig wäre, wie beispielsweise bei den Balisten
und Katapulten, während die Instrumente bei kundiger Behandlung durch eine
einzige Arbeit ihre Bestimmung erfüllten, wie dies durch einfache Kurbel-
umdrehung beim Skorpion und bei den Anisokyklen geschähe.
Die Skorpione waren Wurfmaschinen ähnlich den Katapulten, die wir
später eingehend beschreiben werden. Unter dem Worte „Anisokyklen",
welches buchstäblich übersetzt „ungleiche Kreise" bedeutet, sind Räderwerke,
vielleicht Zahnräderwerke, zu verstehen.
Als Beispiele von nützlichen Maschinen und Instrumenten finden wir am
Schlüsse des ersten Kapitels noch angeführt: Webeinstrumente, Joche und
Pflüge für Rinder und anderes Zugvieh, Winden, Pressen und Hebel zum
Keltern, oflFene und geschlossene Frachtwagen, Schifl'e, Schnellwaagen und
andere Waagen, Räder, Blasbälge für Schmiede, vierräderige Personenwagen,
zweiräderige, zweisitzige Reisewagen und Drehbänke.
Das zweite Kapitel handelt von den Hebemaschinen. Es lautet:
„An erster Stelle wollen wir über die Herstellung derjenigen Vorrichtungen,
welche zur Ausführung von Tempeln und Staatsgebäuden nothwendig sind, Auskunft
geben.
Man richtet zwei Balken zu von einer der Grösse der Last entsprechenden
Starke, verbindet sie am oberen Ende mit einem Bolzen, stellt sie so auf, dass sie
nach unten auseinandergespreizt sind und hält sie durch Seile, welche am oberen
Ende herumgeschlungen und ringsum angespannt sind, aufrecht (siehe Fig. 42). Man
40 Marcus Vitravius Pollio.
Kalk und Oel gedichtet. Kniestücke verfertigte man nicht aus Thon, sondern
nahm dafür Steinblocke, in welche die betreffende Höhhmg gemeisselt war.
ViTRirv' weist auch darauf hin, dass thöneme Wasserleitungen ein ge-
sünderes und wohlschmeckenderes Wasser liefern als bleierne, weil das aus
letzteren sich bildende Bleiweiss dem Körper schade.
Bei der Herstellung von Brunnenschachten warnt er vor Stickluft und
bösen Wettern und räth, vor dem Besteigen des Schachtes eine brennende
Lampe hinabzulassen. Bleibe diese brennend, so könne man ohne Gefahr
hinabsteigen, werde sie aber durch die Dünste ausgelöscht, so solle man neben
dem Brunnenschachte zur Rechten und Linken Wetterschächte graben.
Das neunte Buch handelt von den Sonnen- und Wasseruhren.
Da aber an ersteren nichts Maschinelles vorkommt und wir die letzteren als
eine Erfindung des Ktesibios schon besprochen haben, so wenden wir uns
direkt zum zehnten Buche, das von den Maschinen handelt.
Zum besseren Verständniss nmss vorausgeschickt werden, dass der Be-
griff ^Maschine^ vor Alters kein so begrenzter war als jetzt und dass der Be-
griff ^Maschinenbau^ namentlich auch den Theil der heutigen ^Ligenieur-
wissenschaft umfasste, welcher sich mit der Herstellung hölzerner Tragkon-
struktionen, Gerüsten, Spundwänden und dergleichen befasst. Deshalb .«^agt
ViTRUv in der Vorrede zum zehnten Buche, nachdem er den Wunsch nach Ver-
schärfung der Bauverträge ausgesprochen, damit nur wirklich Sachverständige
Bauarbeiten übernehmen könnten:
„Dies sollte nicht nur bei Gelmuden so sein, jiondcrn auch bei den Gerüsten
für Festspiele, die von den Obrigkeiten entweder in Form von Gladiatoren-
kämpfen auf dorn Forum oder von Theatervorstellungen gegei)en wenlen, bei welchen
weder Verzögerung noch Bedenkzeit zugestanden wird, wo vielmehr der Drang der
Verhältnisse zur Vollendung des Werkes in bestimmbarer Zeit zwingt, nämlich bei
der Herstellung der Sitzbänke im Zuschauerraum, des Zugwerkes der Segeltuch-
bespannung, wie auch alles dessen, was nach dem Gebrauche bei Theatervorstellungen
durch Maschinerie an dekorativer Ausstattung dem Volke geboten wird. Dal)ei bedarf
es eines geübten Verständnisses und der p]rfindungsgabe eines sehr ausgebildeten
Geistes, weil nichts der Art ohne Kunde des Maschinenbaues und ohne mannig-
fache und tüchtige Fachkenntnisse hergestellt werden kann Und weil denn ....
alljährlich sowohl Priitoren als Aedilen zum Zwecke der abzuhaltenden Spiele künst-
liche Gerüste aufschlagen müssen, so scheint es mir nicht ungehörig, nun, nach-
dem ich bereits in den vorausgehenden Büchern von den Gebäuden gehandelt habe,
in diesem, das den Abschluss meines Gesanimtwerkes bilden soll, die Grundsätze des
Maschinenwesens durch Vorschriften zu erläutern."
Nur der Umstand, dass die heutigen Begriffe: Ingenieur und Maschinen-
bauer damals ganz zusammenflössen und dass daher auch die Holzkonstruk-
tionen des ersteren mit dem Namen ;. Maschinen^ belegt wurden, machen den
Anfang des nun folgenden ersten Kapitels des zehnten Buches einigermassen
verständlich, wobei man ausserdem im Auge behalten muss, dass auch die
eigentlichen Maschinen damals fast ganz aus Holz konstruirt waren, sowie dass
man sich zur Erklärung mechanischer Erscheinungen der Sätze des Aristoteles
Brannenschachte, der Begriff .Maschine* im Altert lium. 41
bediente, welcher in seinen „Mechanischen Problemen^ das Wunderbare der-
selben auf die „wunderbaren Eigenschaften des Kreises'' zurückgeführt zu
haben glaubte.
Der Anfang des ersten Kapitels lautet:
„Eine Maschine ist eine zusammenhängende Verbindung von Holz, welche zum
Heben von Lasten die grössten Vortheile gewährt. Sie wird auf künstliche Weise
in Thätigkeit gesetzt, nämhch durch Kreisumdrehung (auch die Wirkung des Keiles
und dergleichen suchte Aristoteles auf Hebelumdrehungen zurückzuführen), welche
die Griechen Kyklike Kinesis nennen. Es giebt aber eine besondere Art von
solchen Konstruktionen, nämlich den Stufensitzbau, welcher auf griechisch Akrobatikou
(Stufenwerk) heisst. Dann die Luftdruckmaschinen, welche die Griechen Pneumatica
nennen, drittens die Hebemaschinen, von den Griechen Barülkon (Lastenheber)
genannt.
Ein Sitzstufenbau entsteht^ wenn man die Gerüste so aufgestellt hat, dass man,
nachdem die Balken in ansteigender Höhe aufgestellt und durch Querbalken ver-
bunden sind, ohne Gefahr zur Beschauung der vorbereiteten Vorstellung hinauf-
steigen kann."
Lässt diese Stelle auch Manches dunkel, so geht doch mit Deutlichkeit
daraus hervor, dass Vitrlv die in der Vori^ede erwähnten „Gerüste für Fest-
spiele" als eine besondere Klasse von Maschinen betrachtet.
Auf die weiter folgenden Definitionen Vitrüv's wollen wir uns nicht ein-
lassen. Er sucht unter anderm den Unterschied der BegriflFe „Maschine" nnd
„Instrument" festzustellen und glaubt diesen darin gefunden zu haben, dass
zur Ingangsetzung einer Maschine mehrere Handgriffe resp. „Arbeiten" oder
ein „grösserer Kraftaufwand" nöthig wäre, wie beispielsweise bei den Balisten
und Katapulten, während die Instrumente bei kundiger Behandlung durch eine
einzige Arbeit ihre Bestimmung erfüllten, wie dies durch einfache Kurbel-
umdrehung beim Skorpion und bei den Anisokyklen geschähe.
Die Skorpione waren Wurfmaschinen ähnlich den Katapulten, die wir
später eingehend beschreiben werden. Unter dem Worte „Anisokyklen",
welches buchstäblich übersetzt „ungleiche Kreise" bedeutet, sind Räderwerke,
vielleicht Zahnräderwerke, zu verstehen.
Als Beispiele von nützlichen Maschinen nnd Instrumenten finden wir am
Schlüsse des ersten Kapitels noch angeführt: Webeinstrumente, Joche und
Pflüge für Rinder und anderes Zugvieh, Winden, Pressen und Hebel zum
Keltern, offene und geschlossene Frachtwagen, Schifl'e, Schnellwaagen und
andere Waagen, Räder, Blasbälge für Schmiede, vierräderige Personenwagen,
zweiräderige, zweisitzige Reisewagen und Drehbänke.
Das zweite Kapitel handelt von den Hebemaschinen. Es lautet:
„An erster Stelle wollen wir über die Herstellung derjenigen Vorrichtungen,
welche zur Ausführung von Tempeln und Staatsgebäuden noth wendig sind, Auskunft
geben.
Man richtet zwei Balken zu von einer der Grösse der Last entsprechenden
Stärke, verbindet sie am oberen Ende mit einem Bolzen, stellt sie so auf, dass sie
nach unten auseinandergespreizt sind und hält sie durch Seile, welche am oberen
Ende herumgeschlungen und ringsum angespannt sind, aufrecht (siehe Fig. 42). Man
42 Marcus Vitruvius Pollia.
bindet dann oben einen Flascheiizugk loben (gcheere) an, fügt in denselben «wei aich
um besondere Axen drehende Rollen ein und ijclilügt das Zugseil um die obere
Rolle. Dnnn zieht man das Seil herab, schlägt es um die Rolle einer unteren Scbeere,
führt es dann wieder hinauf biä lu der unteren Rolle der oberen Scheere und von
dort abermals herab zu der unteren Scheere, an deren Ring ea festgebunden wird.
Das andere Ende des Seiles wird zwischen den beiden Balken nach deren unterem
Ende geführt
An der Rückseite der rechtwinkelig behnucneu Balken befestigt man da, wo
sie schon weit genug auseinander gespreizt sind, Zapfenlager, in welche man die
Zapfen «nes Haspels einsteckt, so dass dessen Axe eiuh leicht dreht. Dieser Haspel
hat in der Nähe der Zupfen je zwei Löcher, die eo einge^hnitten sind, dass Hebel
in dieselben geäteikt werden können. An der unteren Flasche aber wird ein «aemer
Doppelhaken angebunden, dessen Zähne in die Bohrlöcher der Bausteine greifen. Ist
aber das Ende des Seiles an dem Haspel befestigt und dreht man den leUleren
FlB- 43.
vermittelst der Hebul um, so winl das Seil, indem es sich um den Haspel henun-
schlingt, straff gespannt und hebt dann die Lasten in die Höhe bis zum gehörigen Platze.
Diese Art von Hebmaschinen, welche mit drei Rollen arbeitet, wird Trispastos
(drcizügig) genannt; wenn dagegen in der unteren Scheere zwei und in der oberen
drei Rollen laufen, so nennt man die Mascliinc Pentaspaslos (fünfzügig)."
Es folgt nun die Beschreibung einer Methode, nach welcher man echvere
Aufzüge dieser Art mit Benutzung des Haspels an der Maschine selbst auf-
richten kann. Dann heisst es weiter:
„Wenn aber Riesenlasten an Gröstic und Gewicht zu versetzen sind, so ist die
Anwendung des Haspels nicht zulässig, sondcni wie seither ein Haspel in die Zapfen-
lager eingelegt war, lege man nun einen Wellbamn ein, der In der >Iitte eine Seil-
trommel hat, welche von einigen „Rad", von den Griechen aber Amphierj-on oder
Peritrochion (Kreisläufer) genannt wird (Fig. 43). Die Flaschen aber werden bei
diesen Maschinen nicht auf dieselbe Weise wie oben, Bondern etwas davon abweichend
eingerichtet, denn sie haben unten und oben doppelt nebcneiinuuler gestellte Rollen
(Fig. 44). Das Zugseil wird so weit durch den Ring der unteren Flasche gezi^en,
bis die beiden Enden bei ausgei^panuteni Seile gleich lang sind. Diese werden dann
an der unleren Flasche mit einem dünnen Stricke so umwunden und tusammen-
geschnürt und beide Thcile des Seiles so zusammengefügt, dass dieses ach veder
HebemascbiDeu, inabeaonderB Krabnc
43
uacb rechts noch nach links verrücken kann. Hierauf hebe man die beiden Enden
des Seiles zur oberen Flascbe hinauf und schlage sie von der äusseren Seite aus um
die beiden unteren Rollen derselben, führe sie dann wieder herab und schlinge sie
von der inneren Seite um die Rollen der unteren Flasche, führe sie dann abermals
hinauf rechls und linkä bis an das obere Ende der oberen Flasche und lege sie um
das obere Rollenpaiir doräclbcn, und nachdem dies vou der äusseren Seite aus geschehen,
führe man sie zum Wellbaum herab und binde sie dort rechte und links von der
Seiltrommel fest an. Dann aber schlingt man um die Seiltrommel ein anderes Tau
und führt dies zu einem Göpel (Gangspill). Mit diesem dann aufgewunden, dreht
das Tau auch die Trommel und den Wellbaum, die Zugseile werden dadurch, daas
sie sich um den Wellbaum winden, gleichniässig gespannt und heben so die Last
leicht und gefahrlos auf.
Hat man aber ein grösseres Trommelrad, entweder in der Mitte oder an
einem Ende des Welibaumes angebracht, so wird man ohne Göpel dadurch, dass
Männer dieses Rad durch Treten in Bewegung setzen, rascher zum Ziele gelangen
können (Fig. 45).
44 Marcus Vitruvius Pollio.
Rs gicl)t ausserdem noch eine andere ziemlich »innreichc Art von Hebmaschinen,
welche den Vortheil der Arbeitsbe^*chleunigung bietet die aber nur von kundiseii
Leuten gehandhabt werden kann. Man stellt nämlich nur einen Baum auf und
spannt ihn auf vier Seiten mit Haltseilen fest (Fig. 46)*), unter den Haltseilen be-
festigt man zwei Backen (Auffütterungshölzer), knüpft die Flasche mit Seilen über
denselben fest und legt der (ol)eren) Flasche ein etwa zwei Fuss langes, sechs Zoll
breites und vier Zoll dickes Querholz unter. Die Flaschen werden so eingerichtet,
dass die Rollen zu je drei nebeneinander laufen. Nun werden drei Zugseile an der
oberen Flasche festgeknüpft, dann zur unteren Flasche herabgeführt und von innen
um die drei oberen Rollen derselben geschlungen, dann werden sie wieder zur oberen
Flasche hinaufgeführt und von aussen nach innen über die unteren Rollen derselben
geschlungen. Wenn dann die Seile wieder auf den Boden herab gelangt sind, schlägt
man sie von innen nach aussen über die drei Rollen, die an zweiter Stelle stehen,
führt sie wieder nach oben, zu den zweiten Rollen daselbst, schlingt sie über diese^
führt sie abermals nach unten und von unten noch einmal nach oIk^ und nachdem
ßie über die ol)crsten Rollen geschlagen sind, leitet man sie bis an den Fuss des
Hebebocks (Standbaums). Am unteren Ende der Maschine aber ist ein drittes
Rollengehäuse angebracht, welches die Griechen Epagon (Zieher), wir Römer aber
Artemon (Leitflasche) nennen. Dieses Rollengehäuse wird am Fusse des Standbaumes
festgeknüpft und enthält drei Rollen, um welche die Seile geschlungen werden imd
dann ihre Enden den Leuten zum Ziehen darbieten. So können ohne Gropel drei
Reihen von Leuten ziehen und die Last wird schnell in die Höhe gebracht
Diese Art von Ma.**chinen winl Polyspastos (vielzügig) genannt, weil sie, in
vielen Rollen gehend, sowohl leichte als rasche Handhabung zulusst. Der Umstand
aber, dass nur ein Baum dabei aufgestellt ist, gewährt den Vortheil, dass man
vorher, ehe man eine Last versetzt, die Maschine nach Belieben nach der rechten
oder linken Seite hin neigen kann.
Alle Maschinenarten, welche oben beschrieben worden sind, finden nicht nur
in der angegebenen Weise, sondern auch bei Verladung und Ausladung von Schiffen
Anwendung, bald aufrecht stehend, bald wagerecht auf „Krahndrehscheiben'^ ange-
bracht. Kicht minder werden auch ohne Aufstellung von Standbäumen nach dem-
selben Verfahren vermittelst Zugseilen und Flaschen die Schiffe ans Land gezogen."
Wir ersehen aus dieser Stelle, dass man zu Vitrüv's Zeiten bereits Dreh-
krahnen hatte, die sich jedoch nicht, wie die meisten heutigen Erahnen
dieser Art, um feststehende Säulen oder in einem Pfannen- und in einem Hals-
lager drehten, sondern auf Drehscheiben montirt w^aren. Wie man sich eine
solche Drehscheibe etwa vorzustellen hat, geht aus unseren Figuren 47
und 48, hervor, welche einem Werke aus dem sechzehnten Jahrhunderte
unserer Zeitrechnung entnommen sind. Die Drehscheibe besteht hier aus
einem starken, hölzernen, horizontal liegenden Rade, dessen Kranz an vier
auf dem Umfange gleichmässig vertheilten Stellen zwischen AntifriktionsroUen
gepackt ist, wie aus dem Schnitte Fig. 48 zu ersehen ist. Aus Vituüv's An-
gabe geht hervor, dass man sowohl Drehkrahnen mit aufrecht stehender
Krahnensäule auf der Drehscheibe hatte, wie auf unserer Skizze angedeutet
ist, als auch solche, bei welchen die Drehscheibe oben auf einem Gerüste oder
auf dem Mauerwerke eines Thurmes angebracht und nur der horizontale Arm
des Krahnens fest mit derselben verbunden war.
*) In unserer Skizze enthalt jede Flasche nur zweimal drei Rollen, während die von
ViTRUV beschriebene Maschine mit Flaschen von je dreimal drei Rollen ausgerüstet war.
Drehkrahoen, Uoriiontaltnnsport. 4B
ViTnuv führt fort:
„Ea dürfte hier am Platze san, auch der sinnreichen Erfindung de« Chersiphron
lu gedenken. Als nämlich dieser die Säulenschäft« für den ephesischen Ärtemia-
teinpel aus den Steinbrüchen schaffen wollte und w^en der Grösse der Last und
der Weichheit der Wege in der Ebene dem Transporte zu Wagtn nicht traute aus
Furcht, die Räder wünlen einBinken, so ersann er folgendes Auskunftsmittel. Er
fügte vier Holzbalken zusammen und verkämnite sie (Fig. 40), nämlich zw« Quer-
balken und zwei lÄngebnlken, deren Länge den Säulenscbäften entsprach und irelche
so behauen waren, dass ihre Dicke ein Drittel ihrer Breite betrug; dann befestigte
er «serne Zapfen, die in Doppelschwalbenschwänzen endigten, vermittelst Bleiverguss
in die Stirnen der Schäfte und Hess metallene Futterringe, in welchen die Zapfen
liefen, in das Holzwerk ein; ausaerdcm verband er die Enden mit Strängen aus
„Rind9riemeD"(?) geflochten; die Drehung der in die Futterringe eingeschlossenen
Zupfen aber konnte ganz unbehindert erfolgen, so dass die Säulen schifte, als sie von
vorgespannten Ochsen gezogen wurden, ohne Anstand fortrollten."
Bei der Stelle: „ausserdem verband er die Enden mitSträngen ausRinds-
riemen geflochten" tindet sich in Dr. Keder's Uebersetzung die Bemerkung,
dass die Worte: „ans Rindsriemen*' nach Mabini'b Emendatlon anstatt des
früheren schwer erklärbaren: „baculis ligneis" gesetzt worden seien. Dr. Reber
fährt fort: „Es bleibt unsicher, wo dieser Verband angelegt war. Marini glaubt,
dass die verkämmten Ecken des Rahmens noch mit diesen Riemen verschnürt
gewesen seien. Da aber dies höchst überflüssig erscheint, so dürfte die Ver-
muthung wahrscheinlich sein, dass man den Scbaftenden, um die Kanten vor
dem Abstossen zu schützen, mit solchen Riemen umwickelt habe".
Dem möchten wir noch hinzufügen, dass ein Bandagiren der Säulenenden
auch um deswillen nothwendig erscheint, weil der Säutenschaft nicht cylin-
drisch, sondern nach einer Seite hin verjüi^ war und daher nicht in gerader
Richtung fortrollen konnte, wenn nicht durch verschie,dene Dicke umgelegter
Bandagen die Differenz der Durchmesser ausgeglichen war, wie dies in nnserer
Skizze (Fig. 49) angedeutet ist. Es scheint uns aber viel wahrscheinlicher, dass
diese Bandagen aus Weiden- oder sonstigem Holzgefiechte , als dass sie aus
einem Geflechte von Rindsriemen hergestellt waren, und wir halten deshalb die
vermeintliche Emendation MARrai's für unberechtigt. Wir möchten vielmehr
4S Maren« Vitrnviaa Polli«.
die betreffende Stelle, nachdem die ursprünglichen Textwortfe: bacnlis ligneis
wieder an ihre Stelle gesetzt sind, in dem Sinne übersetzen: ausserdem b&nda-
girte er die Enden des SänlenscUaftes mit Strängen ans hökemero Riithen-
geflechte. Diese Bandagen bildeten gleichsam zwei Räder, auf denen der
Sänlenscbaft rollte, und erst dies giebt Virttuv das volle Recht, wie folgt fort-
zufahren :
„Nachdem aber die SehÜfle alle eo berheigeiogen waren und die Beschaffung
der (steinernen) Gebälk Stücke bevorstand, übertrug des Chersiphron Sohn Metaqenes
dasselbe Verfahren von dem Tmiiüporte der Schäfte auf ilen der Gebälk^tücke. Er
lieBs nämlicli Räder von ungefähr 12 Fasit DurchmeM>er linunem und Bcldoes die
beiden Enden der Gcbäik^tücke mitten in die Räder ein (Fig. 50), und auf diesel^
Welse liess er auch die Zapfen einerseits in die Stirnen der Gebälkstücke, anderedt«
in die Futtetringe ein. Als daher jener Rahmen aus den dritteldicken Balken voa
den Ochsen gezogen wurde, brachten die in den Futterringen eingeschlossenen ZfKptea
die Räder zur Drehung, die Gebälk^tücke aber, welche wie Axen in die Räder an-
gefügt waren, kamen auf diese Weise wie die Säulen^^häfle ohne Hindemisa auf
den Bauplatz. Eine Vorstellung davon können wir uns nach den Walzen machen,
mit welchen man in den PMlästn.'n (Ringschulen) die Gänge ebneL Dodi wäre
dies nicht ausfuhrbar gewesen, wenn nicht ztmächst die geringe Entfernung die Sache
erleichert hätte, denn von den Steinbrüchen bis zun) Tenipel sind nicht mdir als
8000 Fuss. Dann ist aber auch kein Hügel <lort, äondern eine ununterbrochene
Ebene."
Aus der Anführung der ^Walzen, mit denen man in den I'alUstren die
Gänge ebnet", ersieht man, dass Strassenwalzen zur Zeit Vitruv's wohl-
bekannt waren.
Auch die nun folgende Beschreibung einer misslungenen Konstruktion
ähnlicher Art ist nicht uninteressant. Vithlv sagt :
„Als dann zu meiner Zeit in jenem Tem|H.'l das FussgertcU des Kolossalutand-
bildes des Apollon vor Alter geborsten war und man fürchtete, es möchte jenes Stand-
bild stürzen und zertrümmern, gab man den Auftrug, in denselben Steinbrüchen ein
neues Fussgestell zu brechen. Es iibi-rnahm dies ein gewisser Paeonios. Dieses
Fussgestcll aber, wulchcB 12 Fuss Iniig, 8 Fuss breit und ä Fuss hoch war (das
Gewicht berechnet sich auf etwa 2200U kg), wollte der ehi^izige Paeonios nicht
auf dieselbe Art wie Metauenes nn Ort unil SU'lle bringen, sondern beschloss, dazu
zwar noch demselben G rund verf ahn? n , aber in einer anderen Art eine Vorrichtung
zu konslrwren. Er liess nämlich Räder von ungi.-fälir 15 Fuss Durchmesser zimmern
und schloss in diesen Rädern die Enden des Mannorblockes ein (Fig. 51). Dann
brachte er rings um den Block 2 Zoll starke Dielen nn, die von einem Rade zum
StrSHBen walze
n W»8serscliüpfen
anderen reichten und liess sie im Kreieo herum j» die Räder ein, so dasa a!
einen Fuss von einander abstanden. Hierauf nJckello er um diese Dielensprossen
ein Tan und licsa dies durch vorgespannte Ochsen nehen, und als es sich so abwickelte,
rollten zwar die Räder, aber er konnte die Last nicht auf dem rechten Wege in
gerader Linie führen, sondern sie wich bald nach der einen, bald nach der anderen
Seite vom Wege ab, und so wurde es nöthig, sie wieder rückwärts zu ziehen. So
vergeudete Paeonios mit dem Hin- und Herziehen sein Geld, bo dass er seine Zah-
lungen einstellen musste u. s. w."
Im dritten Kapitel, welches überschrieben ist: „Die Elemente aller
Bewegung, die Gerade und der Kreis" giebt Vithuv nur einen Auszug
aus des Aristoteles „Mechanischen Problemen", den wir übergehen können.
Das vierte Kapitel, überschrieben „Verschiedene Arten von Wasser-
scfaöpfmaschinen", lantet wie folgt:
„Nun will ich die Herstellung der verschiedenen zum Wasserschöpfen erfun-
denen Vorrichtungen schildern und zuerst vom Scböpfrade sprechen.
Dieses hebt zwar das Wasser nicht hoch, schöpft aber sehr rasch und leicht
eine grosse Wassermenge, Es wird dazu ein Wcllbaum entweder auf der Drehbank
bearbeitet^ oder nach dem Zirkel behauen, an den beiden Enden mit Eisen beschlagen
und um die Mitte wird ein Trojnmelrad herumgelegt (Fig. 52). welches aus zusammen-
gefügten Dielen gemacht wird. Der Wellbaum wird auf Pfähle gelegt, welche da,
wo die Enden des eräteren ihre Lager haben, ebenfalls mit Eisenblech beklddet Bind.
In dem inneren Räume des Trommelrades werden acht Bohlen radial eingefügt^ welche
von der Welle bis an den Cylindermantel der Trommel reichen und das Innere des
Trommelradcs in gleiche Räume theilen. Der Cylindermantel ringsum wird durch
zusammengefugte Dielen gebildet, die halbfussbreite Oeffnungen freilassen, durchweiche
das Wasser in das Innere aufgefangen wird. Dann werden zunächst am Wellbaume
auf einer Seite des Trommelradcs rundliche Löcher eingeschnitten, jedem einzelnen
der (acht) Räume entsprechend. Das nach Art der Schiffe getheerte Trommelrad
wird durch Treten von Menschen umgedreht, und indem es durch die Oeffnungen
an dem Cylindermantel des Trommelradcs das Wasser schöpft, giebt es dasselbe durch
die rundlichen Löcher zunächst an den Wetlbaum wieder in ein darunter gesetzlea
18 Varcus Vitrnviu* Follio.
hiibenHK' Bivkon aK mii wrl<-ht-iii «-int? Abflu— liniie in VefMiidtiDg rti-hl. So wtnl
lur Bewäsiierung Ton Gärten unil für Saliiifii zum Au^laupra «ine M<-ng^ Wasser
WVnn aber <Lv Was?«T b>'^r p-hotien ««Jen kiIL io bar dasselbe Verfahien
folpt-mle AbäiuliTunp zu erli'i'lt* n. Mau liniohfl rinp* um die Welle ein Trooimelrad
viMi einer der (TfopliTlii-Kn FC-piiThT-he ent-ptvcli'-n'JeD Giüme: rinps am den äuMeren
Rand desselben N'fr^Ii)^ nian iieitKärir kublT-ebe KäHcben. die mit Theer und
Wai'hs wa-senlicht v.-rMrii-hen -.ind iFlg. 53 ^ Wenn dann da$ Rail ron den IVeten
uiufrdivhl «ii>l. s> werden ilii- <uulrni p-füllti-u Kä.-ieben naeh oben gebracht nnd
pi-«üeii. i^t-h wieder nai-h unten kehrend. ihi>n Inhalt in den ^«nimelkasien.
Wenn abiT daf Wa^^T an n*ieh hiVi--p- Punkti- eeJiefert vriden will, so schlingt
man um die Welle «ine^ i^'U-ht^n (Tivi-i Rad*-» ein Paar eiserner Kelten
lFi^. 54). welches mi i-incerii-htel ii4. da^:^ r^ iÜ! unti-r den Wafaenpie^ hinab-
iviefa! und anp:-hänine Broin-i-Kiiner tii^. dir et«a einen C«d^u$ (etwa 3 1)
fairen. Si^ winl die l^rehuni: de? Ra>W dadanh, -ia&s die DoppelkeOe »ch um die
T.e K. Tif M,
Wt"f SiT-.;r.:w;;-:.^vi. .:>-. Ki::.': i.a.V. .-xn V'n^- ; . :.><fc al-« w«*ien. »obald sie über
.iff Wili, p:;.';»ir. !-;;i'., •.i.^hn ■,:;-.:!: u='^.-s:::r:: .:--i e-ü^üs :hÄa Wa$B<ennhall in
dl« Saüun^'.kasli :: <-..i.««r. "
Da* f«r.::e K:i:>i:«l. i:Ser».-V.r:i*va: .I»,-.« >'!->s*cbipir»d. di* Wasser-
_M*:: :-.ia.':.i *.)->. :;; F',>k S.>.-.;:ri i-.i. »r i>.-r <iti^ C>es<hjitbai wvnien
IM. N-.;r K-orii :v_v.-, sv.^«:-, ,i-,-. •;t, Sr;': 'S ii^t^. ?\ä»:;:t'.E FV ^ w*W»e *tf.
i-.y^-Mrif:; \.:; .i.r lir^u« .i-.r /_i>.-..rk -.it. ..r; Ki.j.rx-K-b:-. r-.-Srmifninf eomehaient,
»li/lii *.^'., ii'.v, >;r;-iv.i:-.iU " WaM<? ci'ä«!-t, .',urx ir V.-cainapfbea die Bäder
j».-..p;-.. >i.:. j.; ..^^ r-.i'.-., uii.i, ■.v.mv.: >t. > ■.:: j- ". KIM'.'Ä-:-- ias Wasser <cböpfen
i;-,!.; •.■;».>. .Nr. ":-; ;:^:-. ■n,'.:<:-. r-n ,i:.: :. . Av>.-' 'a* TTtt'-:.^. ÖOR^ die Snötminf
A.;: .;->"* Wf^it- «,r... -...,: ■■ ^\ ^^.t.. ..:^-.:. ji=i<i«ff- Wt «vkitea soo«
A:u> .S".-. ■»:. ■.■-:: A■.:-v..^V■ . .^~ l > >-j.: ,t^ -.'.s* t- =-.:,-.sr. IJ>ie ö*r Welle ein
'at.-.t-,:. '..■,,;;; K,; Tm- IV.^s.:- ?: Ä:.k?'.v:: c-^.Va -r.i äii.i sici ^öAmtäf
'.'.vi .;c;-.- S,-.-..i:.;.'.VÄ-. ;■..; ,;rs. .:nrü . ;..v^ l~ üt** iT«n *in kleiaTre*(?k
*V'^-'''"'* !.-■'■•■"'«> .'.ö-ixÄ. »i'-bo i.:: :..■■■'■: ^ :.'KnKir,es. W*ile Üah. die an
»'iwv. W.io f-\T.iV. lV',:v".-,>.»r,',>.:.Ä;-»,'.r.: '^i. 'r.z :=. ' ""' ~ '
FluasschOpfrBder, WaasemiOhleD. 48
So zwingen die Zähne des an die Welle (des ächautelnides) angefügten Zahnrades
dadurch, dass sie in die Zähne dea wagerechten Zahnrades eingreifen und dieses
treiben, den Mühlstein zur Umdrehung. Die über dieser Maschine hängende Gosse
führt den Mühlsteinen das Getreide ste^g zu und durch die Umdrehung wird das
Mehl gemahlen."
Zn der Stelle: „in dieees greift ein kleineres vagerecht gestelltes
Zahnrad" finden wir in der KEBER'schen Uebersetzung die Anmerknng: „Die
Handschriften geben: tympanum majus anstatt tympanus minus Doch bereits
Pebrault undGALiANi haben bemerkt, dass dies sachlich unvernünftig sei Man
denke sich nämlich die relativ langsame Umdrehung eines Schaufelrades einer
Mühle. Wird nun diese Umdrehung von einem kleineren Zahnrade auf em
grösseres transmittirt , so wird die Umdrehung der Muhlsteme dadurch noch
langsamer als die Umdrehung des Schaufelrades. Da das Unpraktische dieser
Anordnung selbst jedem Nichtsachverständigen in die Augen springt, so be-
greift sich schwer, wie Rode, Schsöueb und Marini bei der alten Lesart ver-
harren konnten".
Erwägen wir aber, dass gerade zu Vitriiv's Zeit die ersten Wasser-
mühlen aufkamen (siehe Pierer's Konversationslexikon, Artikel „Mühle"), dass
vorher nnr Hand- und Eselsmühlen im Gebrauch waren, bei denen einfach
eine Stange am oberen Läufer horizontal befestigt war, deren Ende eine Sklavin
oder ein angespannter Esel, um die Mühle hemmgebend, im Kreise herum-
führte, so scheint es ans durchaus wahrscheinlich, dass auch jene ersten
Wassermühlen, indem sie die übliche Mahlmethode nachahmten, den Läufer-
stein ganz langsam umdrehten. Erwägen vir femer, dass die Wasserräder in
alten Zeiten in der Regel kleine Durchmesser erhielten, während man das
60 Marcu VitruviuB Folli«.
WaBser mit grosBer Geschwindigkeit zuzuführen päegte, und dut sich d»nn8
eine verhältnissmässig grosse Umdrehungszahl der Wasserräder per Mionte
ergah, so scheint es durchaus wahrscheinlich, dass zur Zeit Vithdv'b, wenn
auch nicht alle, so doch vielleicht die meisten Wassermühlen eine Räderüber-
setzung in's Langsamere hatten. Wir schenken daher der dahin gehenden
Angabe der alten Handschriften Glauben und halten die Aenderungen des
Wortes majus in minus für nicht angezeigt.
Im sechsten Kapitel giebt Vitrvv eine genaue Beschreibung von der
Wasserschraube oder Schnecke (Fig. 57} und der Art ihrer Anfertigung.
Es erscheint ons bemerkenswerth, dasa bei dieser (und noch viel ToUkonunener
bei der später folgenden Beschreibung der Katapulte) die Methodeder-Ver-
hnltnisszahleo angewendet ist, durch deren konsequente Durchfühmng sieb
Fls- 5J,
Redtenbacher in unserer Zeit so bedeutende Verdienste um die Entwicklung
des rationellen Maschinenbaues erworben hat. Vitruv sagt;
„Es giebt nuch eine Maschine, die Sclinccke genannt, welche zwar eine grosse
Wassemiasse schöpft, aber nicht so hoch hebt, \vie das Schöpfrad. Diese Maschine
wird folgendennassen heimstellt: Man nimmt einen Balken von so viel Fubb Länge
ale er Zoll in der Dicke misst (d. Ii. L ^ I6d) und behnut ihn nach dem Zirkel
walzenförmig. Ah den beiden Slirnflächen thtilt man die Peripherie in acht Th«le
und zwar so, dass, wenn man die Walze flach auf den Boden logt, die Linien an
beiden Enden sich nach der Setzwaage enUpreehcn (soll heissen : dasa mit einer Th^*
linie der einen Endfläche inmier gleichzeitig eine solche der anderen Endfläche hori-
zontal liegt). Dann zieht man auf der wagerecht auf den Boden gelegten Walze
nach Massgabe der SeUwaage Gerade von einem Ende zum anderen (d, h, die wage-
rechten Verbindungslinien zwischen den Endpunkten der korrespondirenden TTieil-
Btriche auf den Endflächen) und theilt hierauf auch die Länge der Walze in Theile
ab, welche so gross sind, wie der achte Theil der Peripherie. Durch diese Eintbei-
lung werden sowohl in der Richtung der Peripherie, nl3 auch in der Längsrichtung
gleich grosse Abstände (der Linien) erzielt. Wo nun diese Kreislinien gezogen werden,
treffen sie auf die Geraden und Bchnotden sie in bestimmten Durchschnittspunkten.
Nachdem diese sorgfältig aufgezeichnet sind, ninimt man eine dünne Leiet«
von Weidenholz oder eine gespaltene Latte von Keuschbau niholz (es mussten recht
Wasserschrauben. 51
biegsame, geschmeidige Leisten sein), taucht sie in flüssigen Theer und heftet sie (mit
einem Ende) in dem ersten jener Durchschnittspunkte an (ohne Zweifel vermittelst
eines Nagels von Holz oder Metall), dann führt man sie schräg zu den folgenden
Durchschnittspmikten der Langslinien mit den Kreislinien, und indem sie regelmässig
vorwärts geführt die einzelnen Punkte berühren und sich rings herum winden, wird
sie an den einzelnen Durchschnittspunkten befestigt (angenagelt) und gelangt so,
wenn sie, von ihrem Anfang an gezählt, den achten Punkt berührt, wieder zu der-
selben Geraden (Längslinie), von welcher sie ausgegangen und an welcher ihr unteres
Ende (ihr Anfang) festgenagelt wurde. Ebenso erreicht sie auch, nachdem sie schräg
den Raum von acht Punkten durchzogen hat, der Länge nach den achten Punkt
Die nach demselben Schema an den acht Abtheilungen des Kreises wiederholten, an
den Durchschnittspunkten der Längslinien und der Kreislinien schräg festgehefteten
Leisten bilden dann spiralförmige Rinnen in richtiger, naturgetreuer Nachahmung
eines spiralförmigen Schneckengehäuses. Auf der so hergestellten Grundlage (oder
Grundleiste werden dann wieder andere in flüssigen Theer getauchte Leisten eine
über die andere aufgeheftet und damit so lange aufgehöht, bis der Durchmesser des
Ganzen den achten Theil der Lange beträgt (2) = — = 2 d). Auf diese Spiralen
o
legt und nagelt man dann ringsum eine Dielen Verschalung, um die Spiralgänge zu
schliessen, alsdann wird diese Verschalung mit Theer gesättigt und mit eisernen Reifen
zusammengehalten, so dass sie nicht mehr durch den Einfluss des Wassers bersten
kann. Die Enden der Walze werden mit festgenagelten Eisenbeschlägen gebunden
und erhalten eingeschlagene, eiserne Zapfen. Zur Rechten und Linken der Wasser-
schraube aber werden Balken angebracht, welche an den beiderseitigen Enden durch
Querbalken zu einem Rahmen verbunden sind, in die beiden Querbalken sind eiserne
Zapfenlager eingelassen, in welche die Zapfen gesteckt werden und so wird die Wasser-
schraube „durch Treten von Menschen" gedreht. (Die Verbindung der Wasserschnecke
mit dem Tretrade ist nicht beschrieben. Wir haben in unserer Skizze der Einfach-
heit halber die Schnecke mit einer Kurbel versehen.) Sie soll aber unten in einem
spitzen Winkel aufgestellt werden, und zwar der Abbildung des pythagoräischen,
rechtwinkeligen Dreieckes entsprechend, d. h. so, dass man die Länge der Wasser-
schraube in fünf Theile theilt und drei davon der Höhe der Erhebung des oberen
Endes der Schraube giebt, wonach der Raum von der senkrechten Linie des Drei-
eckes bis zu der unteren Mündung der Schraube vier von jenen Theilen gleich
sein wird."
Warum Yitbuv ein rechtwinkeliges Dreieck mit den Seitenlangen 3, 4
und 5 ein „pythagoräisches^' nennt, gebt aus einer Stelle des Vorworts zum
neunten Buche hervor, welche also lautet:
„Pythagoras femer zeigt uns, wie man einen rechten Winkel ohne die Mani-
pulation eines Handwerkers finden kann, und während die Werkleute das Winkel-
maass mit grosser Mühe kaum zur Vollkommenheit bringen können, wird der rechte
Winkel, wenn man ihn nach seinen Vorschriften berechnet und beschreibt, leicht
und fehlerfrei hergestellt. Nimmt man nämlich drei Lineale, von welchen das eine
drei, das andere vier, das dritte fünf Fuss lang ist, und verbindet dieselben so mit
einander, dass sie, ein Dreieck bildend, an den äusseren Spitzen sich treffen, so
werden sie einen ganz fehlerfreien, rechten Winkel bilden."
Das siebente Kapitel handelt von dem „Ktesibischen Druckwerke", d. h.
einer zweistiefeligen Druckpumpe ähnlich der von Heron dem Aelteren
beschriebenen Feuerspritze (siehe Seite 14). Da die Beschreibung des Vitruv
jedoch in einigen Punkten von der des Heron abweicht und da sie nur kurz
ist, so setzen wir sie wörtlich hier her. Vitrüv sagt:
Marcaa Vitruvius PullJo.
„Dieee Maechine wird aus Broiice hergestellt. Sie besteht aus zntä gleichen,
bis uiit«ii hin reichenUeii Punipencylinilem (Stiefeln), die nicht weit von einander
abstehen und gabelförmig ahzuejgciide Verbindungeröhren haben, welche in ähnlicher
Welse aich vereinigend in den mitten li^enden Windkessel münden; In dieaem
Windkegeel bringt man Ventilklappen an der oberen Mündung der
Verbindungsröhren an (Fig. 58), welche exakt sitzen, die Mündungalücher ver^
schliessen und das, wns durch den Lufldnick in den Windkessel gepresst ist, nicht
mehr zurücktreten lassen. Auf dem Windkessel l^t eine Kappe, einem umge-
Gtürztcn Trichter ähnlich, aufgepasst und durch Ohren mit durchgetriebenem Keil
(Splint) mit demselben zusammengesdiloe-
sen, damit nicht die Gewalt des hia- (an-
gepumpten Wassers «e aufzuheben vei^
möge. Darüber wird eine senkrechte Röhie^
welche Bleigröhre genannt wird, angenietet
Die Pumpencylinder haben unterhalb der
unteren Stundung der Verbind ungsrShren
X'entil klappen über den nm unteren Ende
befindlidien Einmündungen. Von oben
herab aber werden massive, abgedrehte, ge-
sc'Idiffene und mit Oel geschmierte Kolben,
welche in die Pumpencylinder eingeschlos-
^n sind, vermittelst Kolbenstangen und
Hebeln in Bewegung gesetzt Diese drücken
in rascher Bewegung in beiden Puropen-
c}-lindem abwcch^lnd auf die mit dem
Wasser dort eingeschlossene Luft, schliesBen
*■!» w- die Ventil klappen an den unteren Oeff-
nungen und drängi'n durch die I^ft-
pressung das Wasser durch die Mündungen der Verbindungsröhren in den Wind-
kessel, von welchem sie in die Kappe steigt und durch den Luftdrack durch das
Steigrohr in die Höhe getrieben wird. So wird von einer tieferliegcnden Stelle aus,
nachdem man einen Sammelraum angelegt hat, das Wasser zu einem Brunnenstrabl
geliefert"
Es ist in dieser Beschreibung nicht gesagt, dass in der „Kappe" anf
dem Windkessel, welche den Fuss des Steigrohres bildete, ein Steigrentil an-
gebracht war, wie es bei heutigen Pumpen dieser Art in der Kegel der Fall
ist ; es scheint vielmehr, dass die Kappe nur zum Zwecke einer stahileren Ver-
bindung des abnehmbaren Steigrohres mit dem Windkessel diente. Dass aber
das Steigrohr nur als leicht löslich mit der Pumpe verbunden geschildert wird,
erklärt sich daraus, dass Vitruv bei Abfassung seines Werkes über Architektur,
vornehmlich Pumpen für Bauzwecke, also transportable Pumpen im Auge
haben musste.
Das achte Kapitel handelt von der ebenfalls von Ktesibios erfundenen
Wasserorgel, von der wir die Beschreibung Heron's des Aelteren auch be-
reits in unserer letzten Abhandlung der Hauptsache nach mitgetheilt haben.
In der Besehreibung des Vitruv finden wir folgende Abweichungen, wahrschein-
lich Neuerungen, die seit Heron's Zeit eingeführt worden waren.
Die Ventile an den Luftpumpen bestehen nicht mehr aus dünnen, federn-
den Metallzungen, sondern Vitruv sajjt darüber;
Druckpampen, Wasserorgeln, Wegmesser.
63
Fig. 59.
„In der oberen, ebenen Decke des Pumpencylinders sind Locher von ungefähr
drei Zoll (45 mm) Durchmesser. Nahe bei cÜeseii sind broncene Delphine an Ge-
lenken angebracht, welche in ihrem Munde an Ketten herabhängende unterhalb der
Löcher der Pumpencylinder hängende Schilddeckel tragen."
Wir werden uns diese Ventile so vorzustellen haben, wie sie die der
REBER'schen Uebersetzung entnommene Skizze Fig. 59 zeigt.
Ferner giebt Vitrüv die Beschreibung einer Windlade für mehrere Re-
gister, was beweist, dass der Orgelbau seit Heron's Zeiten
wesentliche Fortschritte gemacht hatte. Doch bietet dieselbe
für uns kein besonderes Interesse, weshalb wir sie übergehen.
Das neunte Kapitel handelt von der selbstthätigen
Messung eines zu Wagen oder Schiff zurückgelegten Weges.
Den für Strassenfuhrwerk angegebenen Messapparat haben wir
in Fig. 60 skizzirt. Die Beschreibung lautet:
„Wenn es sich um einen Wagen handelt^ sollen die Räder einen Durchmesser
von 4^/6 Fuss (1,208 m) haben, so dass das Rad bei jeder Umdrehung 12 V« Fuss
zurücklegt. In die Nabe des Rades treibe man an
der Innenseite eine Scheibe unverrückbar ein, welche
einen Zahn hat, der über ihrem Umfange hervorragt
Darüber an dem Wagenkasten ist ein Gehäuse festge-
heftet mit einem senkrecht gestellten, um eine Axe dreh-
baren Zahnrade mit vierhundert Zähnchen, in welche
der Zahn der unteren Scheibe eingreift Ausser den
vierhundert Zähnchen der oberen Scheibe erhält diese
noch einen anderen Zahn seitlich angeheftet, welcher
über die ersten hervorragt Darüber wird ein drittes
Zahnrad der letzteren Art wagerecht^ in ein anderes
Gehäuse eingeschlossen, angebracht, in dessen Zähnchen
jener an der Seite des zweiten Zahnrades angeheftete
Zahn eingreift. In demselben (dem dritten) Zahn-
rade bohre man so viele Löcher (je hinter einem Zahne), als ein Wagen Meilen in
einer Tagereise zurücklegen kann, lege in alle diese Löcher runde Steinchen und in
den Boden des Gehäuses (auf welchem dieses horizontale Rad beinahe aufliegt) mache
man ein Loch, an das sich ein Röhrchen anschliesst, durch welches die in das Zahn-
rad gelegten Steinchen, wenn sie an jene Stelle kommen, einzeln in den Wagenkasten
und in ein untergestelltes Broncegefäss fallen Während durch die vier-
hundert Umdrehungen der unteren Scheibe das darüber befindliche Zahnrad einmal
umgedreht wird, ergiebt sich eine zurückgelegte Wegstrecke von fünftausend Fuss,
d. h. von einer Meile (== 1480 m). Es werden daher die einzeln klingend herab-
fallenden Steinchen die Zurücklegung der einzelnen Meilen zu erkennen geben, die
Zahl der Steinchen aber, welche man dann zusanmien unten herausnimmt, wird die
Anzahl der während einer Tagereise zurückgelegten Meilen anzeigen.
Auch bei der Schifffahrt wird eine ähnliche Wegmessung nach demselben Ver-
fahren mit geringen Abänderungen bewerkstelligt Man steckt nämlich durch die
Seitenwände des Schiffes einen Wellbaum, dessen Ende noch über das Schiff hinaus-
ragt^ und zimmert um diese Enden Räder von 4^/6 Fuss Durchmesser, welche an
ihrer Peripherie ringsum Schaufeln haben, welche in das Wasser eintauchen."
An der Axe dieser Schaufelräder wird nun derselbe Zählapparat ange-
bracht, wie oben für das Strassenfuhrwerk angegeben.
Wir entnehmen nun noch zum Schlüsse dem zehnten Kapitel die Be-
Fig. 60.
51 31arcua Vitravin« PoUio.
Schreibung der Katapulte (Fig. Ol, 62 und 63), welche, wie bereite er-
wähnt, hauptsächlich wegen der dabei ToHkommen durchgeführten „Method«
der Verhältnisszahlen" für uns Interesse hat. Sie lautet:
„Alle Ma^^rerhältni^täe der wagrecht gerichteten Geschütze berechnea äcfa
auä der gegebenen Länge des Pfeiles, welchen <Iie fragliche Maschine schlendern scdl
Fig. «1. Fig. M.
und Ewar soll dem neunten Tlieile dieser Pfeillange die Gröissc der Löcher, durch
welche die die Bogenarme umschliesBendeD Spannstränge gespannt werden, entsprechen.
(Die Spannstränge waren, wie aus Kap. 11 ersichtlich ist, aus Haaren, und iwar
vorzugsweise aus Frauenhaaren oder aus Sehnen gedrehL) Nach Grösse dieser Spann-
Pig. «3.
töcher aber bemisst sich die Höhe und Breite des Spannrahmens (äe bildet über-
haupt, wie wir heute zu sagen pflegen, die „Bezugseinheit" und wir wollen daher für
die Folge anstatt des sich sehr oft wiederholenden Wortes: „SpannlochdurchmesBer"
das Zeichen d setzen). Die wagerechten Stücke, welche das Ober- und Untertheil
des Spannrahmens bilden und Peritreta (die Durchbohrten) genannt werden, sollen
eine Dicke ^ d und eine Breite, welche an den Enden = l'/t d und sonst ^ l'/* d
haben. Die senkrechten Stücke des Spannrahmens rechts und links sollen 4 d hoch
säa, die Zapfen ungerechnet, und ^/s d dick; die Zapfen aber sollen '/i d dick sein.
Vom senkrecht«! Rahmeustück bis zum Spannloch soll ein Absland ^ ^U d srin
imd derselbe Abstand soll zwischen dem Spannloche und dem senkrechten Mittel*
stücke sein. Die Breite dieses Mitlelstückes betrage 1'/« d, die Dicke 1 (f. Der
Ausschnitt im senkrechten Mittelstücke, wo der Pfeil aufgelegt; wird, sei ^ ^U ä. Die
vier Ecken rings um den Spanntahmen beschlage und befestige man an den Sdten
und am äusseren Umfange mit Escnblech und broncenen Bolzen und Nägeln.
Katapulten. 55
Der Lauferbahn, welche auf Griechisch Syrinx (Pfeife) heisst, gebe man eine
Lange = 19 rf, die Leisten, welche einige die Backen nennen und welche rechts
und links an die Lauf erbahn genagelt werden, sollen eine Länge von 17 d, eine
Höhe = d und eine Dicke von (^/s r??) haben. Es werden auch zwei Leisten
angenagelt, in welche der Haspel eingelegt wird, die eine Lange von 3 d und eine
Breite von ^/2 d haben sollen. Die Dicke jenes Leisten Stückes, welches „Bänkchen''
oder, wie einige wollen, „Gehäuse" genannt, angeheftet und mit Schwalbenschwänzen
eingezapft wird (dieses Bänkchen schloss vermuthlich das Haspelgehäuse nach hinten
ab), soll eine Länge = d und eine Höhe = ^js d haben. Die Länge des Haspels
soll = 3 d, die Dicke desselben = */4 d sein. Die Länge des Drückers (Schnäppers)
soll */* d, dessen Dicke ^/i d betragen, ebensoviel die Dicke seines Zapfenlagers. Die
Länge des Hebels, welcher auch Handhabe genannt wird (des Abzugs), 3 d, dessen
Breite und Dicke ^/a rf; die I^änge des Läufers (es war dies eine Leiste, in der
Läuferbahn verschiebbar, oben mit einer Rinne versehen, in welcher der Pfeil ruhte,
welche beim Spannen der Katapulte zugleich mit der Bogensehne und dem Pfeile
zurückgezogen wurde und beim Abschiessen ein Stück Weges mit diesem vorschnellte.
Ausführlicheres enthält eine Anmerkung in Dr. Reber's Uebersetzung) aber soll
= 16 rf, die Dicke = ^/g rf, die Höhe = '/i rf sein. Die Basis des Ständers am
Boden soll 8 rf betragen, die Breite der unteren Ständerplatte, in welche der Ständer
gesteckt wird, == ^'4 rf, die Dicke = ^/s rf, die Höhe des Ständers bis zum
Zapfen = 12 rf, die Breite */4 rf und die Dicke = '/4 rf. Die drei Streben des
Ständers sollen eine Länge =^ 8 rf, eine Breite = ^/j rf und eine Dicke = '/le rf
haben. Die Länge des Zapfens des Ständers soll 1^/2 dj die Länge des
Ständeraufsatzes 2 rf, die Breite des vorgehefteten Stückes ^/4 rf, dessen
Dicke Va rf betragen. Die hintere kleine Stütze, welche auf Griechisch Antibasis
(Gegenstütze, auf welcher das hintere Ende der Läuferbahn ruhte) heisst, soll eine
Länge von 8 rf, eine Breite von ^U rf, eine Dicke von ^/s rf haben. Die darunter
gestellte Strebe eine Länge von 12 rf und eine Breite und Dicke wie jene kleinere
Stütze. lieber der kleineren Stütze befindet sich das Tragstück oder Aufl«^r 2V« rf
lang, 1^/2 rf hoch, '/4 rf breit. Die Handspeichen des Haspels sollen 2^/2 rf lang;
*/2 rf dick und ^js rf breit sein. Die Querstücke (transversaria) sollen mit
den Zapfen eine Länge von 10 rf, eine Breite von ^/a rf und eine Dicke von ^/2 rf
haben. Die Länge des Bogenarmes soll 7 rf, die Dicke am inneren Ende */8 rf, am
äusseren ^/2 rf und die Krümmung des Armes ^/s rf betragen."
Unsere nach diesen Angaben entworfene Skizze Fig. 61 weicht bezüg-
lich des Untergestelles und der sogenannten Querstücke (transversaria) von der
in Dr. Reber 's Uebersetzung gegebenen ab. In letzterer ist ein starres Ge-
stell unter die Katapulte gesetzt, während es uns für jedes Gestell zu einer
SchusswaflFe (Lafette) unbedingt nöthig erscheint, dass dasselbe Drehung des
Geschützes um eine Horizontalaxe zulasse, um den Elevationswinkel verstellen
zu können. Dies " veranlasst uns, unter dem „Zapfen des Ständers" in den
Stellen: „Die Höhe des Ständers bis zum Zapfen" und „Die Länge des Zapfens
des Ständers" einen horizontalen Drehzapfen zu verstehen, und wir finden dann
auch sehr passende Verwendung für den „Ständeraufsatz" und die „vorgehef-
teten Stücke" zur Bildung des Charniers zu diesem Drehzapfen, wie aus unserer
Skizze ersichtlich, während diese Theile in der REBER'schen Skizze keinen Platz
gefunden haben. Dem entsprechend müssen wir aber dann auch die Verbin-
dungen vom Ständer mit der Antibasis und von dieser mit der untergestellten
Strebe chamierartig machen und müssen in drei Streben des Ständers (von
56 Marcus Vitruvius Pollio.
denen nur zwei in der REBER'schen Skizze Verwendung fanden) so anordnen,
dass der Drehzapfen der Katapulte durch den Stander allein schon festgestellt
ist, während die untergestellte Strebe je nach ihrer Schrägstellung das Trag-
stück oder Auflager für den hinteren Theil der Katapulte in einer höheren
oder tieferen Stellung erhält und dadurch die Elevation des Geschützes be-
stimmt.
Bezüglich der transversaria widerlegt Dr. Reber in einer Anmerkung
die Ansicht von Köchly und Rüstow, welche darunter die durch den Haspel
gesteckten Hebel verstehen wollen und fährt dann fort: „Bezüglich dieser Quer-
stücke eine andere annehmbare Vermuthung auszusprechen, ist um so schwerer,
als hier bei Vitruv der Zusammenhang zerrissen ist und die Beschreibung von
dem Gestelle plötzlich auf die Handspeichen des Haspels und dann nach diesen
fraglichen Querstücken auf die Bogenarme überspringt. Einen Zweck aber
mussten sie haben, und es fehlt in der bisherigen Beschreibung noch ein
wichtiges Glied, das gerade zum Haspel gehört. War nämlich mit dem Haspel
der Läufer zurückgezogen und die Sehne gespannt, wie wurde dann der Haspel
eingesetzt und gehemmt? Ich vermuthe, dass dies durch diese Querhölzer ge-
schah, welche man nur z. B. in den Winkel t oder an einer anderen Stelle
einzulegen brauchte, um die Speichen am Zurückgehen zu verhindern."
Nun sollen aber die transversaria Hölzer sein von 10 d Länge inclusive
Zapfen. Für einen Spannlochdurchmesser von 120 mm, welcher einer Pfeil-
länge von 1,08 m entspricht, giebt dies beispielsweise eine Länge der trans-
versaria von 1,20 m und die Breite und Dicke wird nach Vitruv's Angabe
= 60 mm. So lange und starke Hölzer aber als Sperrklinken für den kleinen
Haspel von 3/4d = 90 mm Walzendurchmesser zu verwenden, wäre doch un-
nöthiger Ballast.
Auch wir stimmen damit überein: „einen Zweck mussten die transversia
haben", wenn wir aber die bis dahin nach Vitruv's Angaben konstruirte Kata-
pulte betrachten, fallt uns auf, dass die Verbindung des schweren Spann-
rahmens mit der Läuferrinne eine gar zu schwache ist, so dass die grösste Ge-
fahr besteht, dass diese Verbindung durch das Gewicht des Spannrahmens, die
heftigen Erschütterungen desselben beim Anschlagen der Bogenarme und durch
Stösse beim Transport und dergleichen sich lockern oder brechen möchte, wenn
die Winkel zwischen Spannrahmen und Läuferrinne nicht durch Streben ver-
streift und verstärkt werden. Zu einer solchen Verstrebimg sind aber die
beschriebenen Hölzer gerade passend, und da man unter einer Transversalen
im allgemeinen eine Linie versteht, welche ein beliebiges System von Linien
oder Flächen schneidet, so ist der Käme transversaria auch für solche Streben
sehr geeignet, welche die beiden Schenkel eines Winkels schneiden*). Wir haben
*) Auch in der Beschreibung des Nivellirinstrumentea ,Chorobat* nennt Vitruv die
Streben zwischen dem Richtscheite und den senkrechten Schenkeln (vergl. S. 38) , trans-
versaria".
Balisten. 57
deshalb die betreflfenden Hölzer als Streben zwischen Läuferrinne und Spann-
rahmen in unserer Skizze eingezeichnet und sie scheinen uns an diesem Platze
unentbehrlich.
Im elften Kapitel beschreibt Vitruv die Balisten, das sind ähnliche Wurf-
maschinen wie die Katapulten, welche jedoch nicht Pfeile, sondern Steine oder
Steinkugeln schleuderten und „vermittelst Hebeln und Haspeln, einige auch ver-
mittelst Flaschenzügen, andere mit Göpeln, oder auch vermittelst verzahnter
Bäder gespannt wurden". Vitruv's Beschreibung der Balisten ist jedoch weniger
klar als die soeben citirte der Katapulten und bietet ebenso wie die vier
letzten Kapitel seines Werkes, w^elche vom Belagerungswesen, den zum Aus-
füllen von Festungsgräben dienenden sogenannten Schildkröten und vom Ver-
theidigungswesen handelt, für uns nichts von besonderem Interesse.
Sext. Jul. Frontinus (um 97 n. Chr.).
Als spätere römische Schriftsteller über Mechanik werden meist ange-
führt: Sext. Jul. Frontinus und Vegetius Renatüs.
Frontinus wurde unter Kaiser Nerva im Jahre 97 n. Chr. Curator
aquarum, und hinterliess eine Schrift über die Wasserleitungen Roms, welche,
wie er in der Einleitung sagt, den Zweck hatte, ihm selbst und seinen Nach-
folgern als Richtschnur im Amte zu dienen.
Die Wasserleitungen, welche Frontinus als zu seiner Zeit bestehend auf-
führt, sind:
1. Die Appische, erbaut 312 vor Chr. Ihre Quellenfassung lag zwischen
dem siebenten und achten Meilensteine der Strasse nach Praeneste (eine Meile
= 1478,7 m) und zwar 1154 m links von der Strasse, wenn man von Rom
kam. Die Leitung war fast ganz unterirdisch angelegt, ihre Gesammtlänge
betrug 16,56 km; nur etwa 90 m davon waren über der Erde gelegen. In
sie mündete eine unterirdische Zweigleitung der Augusta (siehe weiter unten),
woher der Name Gemellen (Zwillingsgewässer) für die Vereinigungsstelle beider
Leitungen sich erklärt. Die Länge dieser Zweigleitung betrug 12,4 km.
Der Wasserquerschnitt bei den Gemellen betrug 0,74 qm, was einem
runden Röhren querschnitte von 97 cm Durchmesser im Lichten entsprechen
würde.
2. Der Alte Anio, 272 vor Chr. an einen Bauunternehmer verdungen, aber
wiegen kriegerischer Zeiten erst 263 begonnen. Die Fassung war oberhalb
Tibur (dem heutigen Tivoli) beim 20. Meilensteine ausserhalb des Baraner
Thores, wo ein Theil des Wassers zum Gebrauche der Tiburter abgegeben
wurde. Die ganze Länge der Leitung betrug 63,6 km, wovon nur 327 m über
der Erde waren. Der Wasserquerschnitt betrug bei den Sammelteichen inner-
halb des siebenten Meilensteines der Latinischen Strasse 0,95 qm, was einem
runden Röhrenquerschnitte von 1,10 m im Durchmesser entsprechen würde.
3. Marcia, erbaut 145 vor Chr. durch 3000 Arbeiter für 180 Millionen
Sesterzien (eine Sesterzie etwa = 20 Pfg.), also etwa für 36 Millionen Mark.
Die Fassung war beim 38. Meilensteine der Sublacensischen Strasse 296 m
Die Wasserleitungen Roms. 59
links. Ganze Länge der Leitung: 91 Vs km, davon 80 Vs km unterirdisch,
10,25 km auf Bogenbau. Der Wasserquerschnitt bei obengenannten Sammel-
teichen betrug 1,18 qm, entsprechend einem runden Querschnitte von 1,23 m
Durchmesser.
4. Tepula, 127 vor Chr. auf das Kapitel geleitet, beginnt beim 10. Meilen-
steine der Latinischen Strasse 2960 m rechts. Der Wasserquerschnitt: 0,178 qm,
entsprechend einem runden Querschnitte von 0,476 m Durchmesser. Diese Lei-
tung wurde früher in eigenem Gerinne in die Stadt geführt; zur Zeit des
Frontinus aber vereinigte sie sich mit:
6. der Julia, erbaut 35 vor Chr. Die Fassung befand sich beim zweiten
Meilensteine der Latinischen Strasse 2960 m rechts. Das vereinigte Wasser
hiess Julia, doch blieb auch der Name Tepula noch im Gebrauche. Die ganze
Länge der Julia betrug 22,8 km; davon waren unterirdisch 12^/2 km, auf
Bogenwerk 9^2 km. Der Wasserquerschuitt betrug bei den oben genannten
Sammelteichen 0,485 qm, entsprechend einem runden Querschnitte von 0,785 m
im Durchmesser.
6. Virgo, erbaut 22 vor Chr. Die Fassung befand sich am 8. Meilen-
steine der CoUatinischen Strasse in sumpfiger Gegend. Durch eine Fassung
aus einer Mischung von gestossenen Scherben und Kalk (eine Art Beton) wurden
die Sprudelquellen zusammengehalten und durch eine Menge anderer Zuflüsse
unterstützt. Die ganze Länge der Leitung betrug 20'/8 km, wovon 19 km
unterirdisch waren, 1,03 km auf Bogenbau. Der Wasserquerschnitt betrug
1 qm, entsprechend einem runden Querschnitte von 1,13 m Durchmesser.
7. Die Alsietinischen Wasser, von Kaiser Augustus (30 vor Chr. bis 14
nach Chr.) erbaut, enthielten nur schlechtes Wasser, und es scheint, dass dies
hauptsächlich zur Speisung der Naumachie diente, d. h. des Amphitheaters,
in welchem als Schauspiel Seegefechte aufgeführt wurden, bei denen Gefangene
und Verbrecher bis zum Tode mit einander kämpfen mussten, wenn sie der
Kaiser nicht begnadigte. Auch wurden die Alsietinischen Wasser zur Be-
wässerung von Gärten und zu ähnlichen Zwecken benutzt. Gespeist wurde die
Leitung aus dem Alsietinischen See, welcher nördlich von Rom und wenig öst-
lich von dem weit grösseren Sabatinischen See liegt. Die Leitung begann beim
14. Meilensteine der Claudischen Strasse 9620 m rechts. Die ganze Länge
derselben betrug 32,8 km, wovon etwa 32,27 unterirdisch und 0,53 km auf
Bogenbau liefen. Die Wassermenge war sehr variabel, da aus dem Alsieti-
nischen und dem Sabatinischen See beliebig viel Wasser eingelassen werden
konnte.
8. Augusta, eine Leitung, die zur Ergänzung der Marcia und später auch
der unter 10. angeführten Claudia diente, wurde ebenfalls von Kaiser Augustus
erbaut. Ihre Quellen lagen jenseits derer der Marcia. Die ganze Länge be-
trug 1184 m unterirdisch.
00 Sext. Jal. Frontinus.
9. Der Neue Anio, erbaut 35 bis 49 nach Chr., hatte schlechtes Wasser.
Die ganze Länge betrug 86'/» km, wovon 73 km unterirdisch waren, 13 km
auf Bogenbau. Der Wasserquerschnitt betrug 1,90 qm, entsprechend einem
runden Querschnitte von 1,56 ra Durchmesser. Der neue Anio führte daher
die grösste Wassermenge in die Stadt, jedoch von geringer Qualität.
10. Claudia, ebenfalls erbaut von 35 bis 49 nach Chr. Die Fassung
befand sich beim 38. Meilensteine des Sublacensischen Weges 444 m links, also
nur 148 m von der Fassung der Marcia entfernt, und wurde durch die zwei sehr
schönen und ausgiebigen Quellen, welche man die caerulischen oder blauen
nannte, sowie durch die ebenfalls sehr gute Quelle Albudinus gespeist. Die
ganze Länge der Leitung betrug 68*/8 km, wovon 53*/8 km unterirdisch waren,
13 km auf Bogenbau. Der Wasserquerschnitt betrug bei den oben genannten
Sammelteichen 1,33 qm, entsprechend einem runden Querschnitte von 1,30 m
im Durchmesser. Diese Leitung hatte die höchsten Bogen, deren Höhe 31,61 m
betrug.
Addirt man die Längen der angeführten Wasserleitungen zusammen, so
erhält man die Summe 404 km, das ist in gerader Luftlinie gemessen gleich
den Entfernungen von Frankfurt a. M. bis Salzburg, oder von Berlin nach
Danzig. Die Summe der unterirdischen Tlieile der Leitungen ist 351,6 km
gleich der Entfernung von Frankfurt a. 0. bis Danzig und die Summe der
Bogenbauten ist 47,36 km, gleich der Entfernung von Berlin nach Eberswalde.
Addirt man die Wasserquerschnitte, wobei Augusta und Tepula als Zu-
flüsse zu Marcia und Julia nicht gerechnet werden dürfen und die Alsietinischen
Wasser nicht gerechnet werden können, weil ihr Wasserquerschnitt nicht an-
gegeben ist, so ergiebt sich aus den übrigen die Summe von 7,587 qm, ent-
sprechend einem runden Röhrenquerschnitte von 3,11 m Durchmesser im
Lichten.
Dem praktisch denkenden Römer Frontinus darf man daher den Ausruf
am Schlüsse seines Berichtes wohl gestatten: .,Kann man mit diesen Wunder-
bauten der Wasserleitungen, welche so vielen Bedürfnissen der Menschen dienen,
die müssigen Pyramiden oder sonstige unnütze, obwohl durch Ruf gefeierten
Werke der Griechen vergleichen!?*'
Bezüglich der Höhenlagen der verschiedenen Leitungen sagt Frontinus:
„Fünf Gewässer giebt es, deren Hohe sie bis zu allen Theilen der Stadt ge-
langen lüsst, jedoch haben einige stärkeres, einige schwächeres Gefälle. Am höchsten
geht der Neue Anio, diesem folgt: 2. Claudia, 3. Julia, 4. Tepula, 5. Marcia, welche
an der Fassung sogar in gleicher Höhe mit der Claudia liegt. Allein die Alten
haben in geringerer Höhe geleitet, sei es, weil die Kunst des Nivellirens noch nicht
Eur Genauigkeit ausgtibildet war, sei es, weil sie absichtlich die Gewässer unter die
Erde versenkten, damit sie, da noch häufig Kriege mit den Italikern geführt wurden,
nicht leicht von den Feinden abgefangen würden. Jetzt jedoch werden sie an einigen
Orten, wo etwa eine Leitung vor Alter verfallen ist, mit Venneidung der unter-
irdischen Umgehung der Thäler der Kürze wegen auf Untermauerungeu und Bogen-
bauten fortgeführt."
Wassermessung. 61
Hätte man damals eine Ahnung davon gehabt, dass das stolze Rom einst
von Barbaren erobert und geplündert werden virürde, so hätte man die Vor-
sicht der Altvorderen wohl nicht so gering geachtet.
Frontinus fährt fort:
„Die sechste Stufe der Höhe nimmt der Alte Anio ein, welcher gleichfalls für
höhere Stadttheile zureichen würde, wenn er, wo die Beschaffenheit der Thäler und
Niederungen es erfordert, durch Untermauerung und Bogenbauten oder Strebwerke
gehoben würde Auf dessen Höhe folgt: 7. die Virgo, 8. die Appia , 9. die
Alsiedna, welche dem jenseits der Tiber gelegenen Stadttheile und den besonders tief
liegenden Orten dient"
Von diesen wurden sechs an der Latinischen Strasse innerhalb des
siebenten Meilensteines in bedeckten Teichen (den früher erwähnten Sammel-
teichen) gefasst, damit sie darin den Schlamm absetzten. Virgo, Appia und
Alsietina dagegen hatten keine Sammelteiche.
Das Wasser der Leitungen wurde, mit Ausnahme eines schon vorher zur
Verwendung gekommenen Theiles, innerhalb der Stadt in 247 sogenannten
Wasserkastellen gegen einen Wasserzins an die sogenannten Wasserer oder
Wassermeister abgegeben und diese vertheilten es für ihre Rechnung vermittelst
Rohrleitungen gegen Entgeld an die Konsumenten.
Zu einer einigermassen zuverlässigen Messung der herbeigeleiteten und
abgegebenen Wassermengen fehlte es aber an der nöthigen Kenntniss hydrau-
lischer Naturgesetze. Von dem Einfluss der Druckhöhe auf die Ausflussge-
schwindigkeit und dieser auf die Wassermenge hatte man nur sehr vage BegriflFe.
Man bemass die Grösse des Wasserzuflusses und Verbrauches einzig und
allein nach dem Wasserquerschnitte in den betreffenden Kanälen und Röhren ;
von den Geschwindigkeiten aber, mit denen das Wasser floss, ist in dem
ganzen Werke des Frontinüs keine Rede, auch dass er nur einen schwachen
Begriff von dem Einfluss der Druckhöhe, des Gefälles, der Widerstände in den
Kanälen und der Geschwindigkeit des Wassers auf die Ausflussmenge gehabt
habe, lässt sich nur aus den folgenden Stellen schliessen. Er sagt einmal:
„Vergessen wir nicht, dass jedes Wasser, so oft es von einem höheren Orte
kommt und nach kurzem Laufe in das Kastell fällt, nicht nur seinem Gemäss
entspricht, sondern sogar Ueberfluss liefert, so oft es aber aus einem niedrigen Orte,
also mit geringerem Gefälle einen weiteren Weg geleitet wird, durch die Trägheit der
Leitung auch an Maass einbüssf
Ein anderes Mal sagt er bezüglich Anbringung der sogenannten Kelche,
d. h. broncener, geaichter Rohrstutzen von bestimmter Weite an den Reservoirs
der Wasserkastelle, an welchen die Bleirohre zur Weiterleitung angelöthet
wurden :
„Bei der Anbringung der Kelche ist zu beobachten, dass sie nach der Linie
geordnet werden, und nicht der Kelch des einen mehr unten, der des anderen mehr
oben angeordnet werde. Denn der Niedrigere verschlingt mehr; der Höhere saugt
weniger, weil der Lauf des Wassers von dem Niederen angezogen wird."
Hieraus erhellt, dass Frontinus zwar wusste, dass beim Ausfluss des
Wassers durch eine Oeffnung in der Gefässwand die Ausflussmenge mit zu-
62 Sezt. Jul. Frontinas.
nehmender Drnckhöhe zunimmt, dass er aber nicht wnsste, dass beim Ansflnss
durch eine Röhre diese Druckhöhe vom Wasserspiegel im Reserroir bis zur
Höhe der Röhrenmündung zu bemessen, und die Höhe des Anschlusses der
Röhre an das Reservoir ohne Einfluss auf die Ausflussgeschwindigkeit ist.
Unter diesen Umständen musste das Amt eines Curator aquarum ein
besonders schwieriges sein. Frontinus bemüht sich, die Gründe nachzuweisen,
warum seine Rechnungen nicht stimmen, was er natürlich neben der Undichtig-
keit der Leitungen nur der Spitzbüberei seiner Mitbürger zuschreibt. Er hat
durch schärfere Kontrolle und Wachsamkeit zahlreiche Unterschleife durch
heimliches Anbohren der Leitungen und dergleichen entdeckt und ist nicht
wenig stolz darauf, dass unter seiner Amtsführung viel mehr Wasser aus den
Leitungen offiziell abgegeben werden kann als bei seinen Vorgängern, bei denen
nach des Frontinus Rechnung etwa die Hälfte für den Staatssäckel verloren
ging. Er lebte in der Ueberzeugung, dass, wenn man die Leitungen ganz
dicht halten und alle Unredlichkeit ausrotten könne, die nach seiner Rechnung
abgegebene Wassermenge mit der in die Stadt geleiteten übereinstimmen
müsse. Da er aber, wie bereits erwähnt, die Wassermenge einzig und allein
nach den Wasserquerschnitten bemisst, das Wasser aber wahrscheinlich durch
die Vertheilungsröhren unter höherem Drucke schneller floss, als in den weiten
Zuführungskanälen, so können wir einen beträchtlichen Theil jenes Deficits
der fehlerhaften Berechnungsweise des Frontinus und seiner Zeit zuschreiben,
ohne der Geschicklichkeit der alten Römer im Stehlen und Unterschlagen zu
nahe treten zu wollen.
Um für seine Berechnungsweise festere Grundlagen zu bekommen, sucht
Frontinus eine rationelle Skala für die anzuwendenden Röhrenquerschnitte auf-
zustellen und durchzuführen; doch zeigt sich auch hier, wie schwierig es ist,
das Publikum von hergebrachten Gewohnheiten ab- und besseren Einrichtungen
zuzuwenden. Wir erfahren zunächst von Frontinus, dass die alte Eintheilung
des Fusses in 16 digiti (Fingerbreiten) noch fortbesteht, obgleich die Eintheil-
ung des Fusses in 12 Zoll (Daumenbreiten) offiziell eingeführt war. Und ob-
gleich Frontinus die weiteren Röhren, mit denen er als Regierungsbeamter das
Wasser austheilt, nach der Grösse des lichten Querschnittes bemisst und
benennt, und danach seine Skala aufstellt, so muss er doch bei den engeren
Röhren, durch welche das Wasser von den Wassermeistern an das Publikum
vertheilt wird, der hergebrachten Gewohnheit Rechnung tragen und diese nach der
Grösse des Durchmessers (oder Urafanges) bemessen, benennen und rangiren.
Die alte Angabe des Vitruv, wonach eine Röhre nach der Breite des
Bleistreifens, aus dem sie zusammengerollt wurde, benannt werden soll, passt
nur noch auf die als Masseinheit von den Wassermeistern angenommene, so-
genannte Fünferröhre.
Ein Streifen Blei von 5 digiti = 91 mm Breite bei 8 mm Dicke ergab
beim Zusammenrollen, indem das Blei sich aussen, wo durch Schlag oder Druck
Wasserleitungsröhren. 63
auf dasselbe eingewirkt wurde, etwas mehr streckte, als es sich innen zu-
sammenstauchte, die sogenannte Fünferröhre von 22,ö mm = ^U digiti lichte
Weite. Im Laufe der Zeit hatte man aber ofifenbar vergessen, dass dieser
Name von der Breite des betreffenden Bleistreifens hergeleitet war und war
zu der Meinung gekommen, derselbe bezöge sich auf die fünf Yiertelfinger des
lichten Durchmessers, und dieser Ansicht huldigt auch Frontinus und nennt
eine Sechser-, Siebener- u. s. w. Röhre eine solche von ^U, ''U u. s. w. digiti
Durchmesser im Lichten, und stellt danach seine Skala für kleinere Röhren
auf. Für die grösseren Röhren, die er nach dem Querschnitte im Lichten
bemisst, wählt er als Masseinheit den Ddigitus. Er nennt also beispielsweise
eine Hunderter-Röhre eine solche , deren Querschnitt im Lichten 100 D digiti
hat und berechnet alsdann den Durchmesser, der einer Hunderter-Röhre ge-
geben werden muss, auf 11 ^'/48 digiti. Die beiden Berechnungsarten für die
kleineren Röhren einerseits und für die grösseren Röhren andererseits ergeben
nahezu das gleiche Resultat für die Zwanziger-Röhre, denn 20 Vierteldigiti im
Durchmesser ergeben nahezu auch 20 D digiti im Querschnitte , und deshalb
wird die Zwanziger-Röhre von Fromtimjs als die Grenze zwischen beiden Be-
rechnungsarten aufgestellt, d. h. bis zur Zwanziger-Röhre ist der Durchmesser
und von da aufwärts der Querschnitt für die Benennung der Röhre und den
betreffenden Theil der Skala massgebend.
Wie wir früher berechneten, war die Summe aller Wasserquerschnitte
der Leitungen Roms mit Ausnahme der Alsietina = 7,585 qm; also, da das
Fünfer-Rohr 402 qmm Querschnitt hat, gleich: 18868 Fünfer. Nach des
Frontinus Angaben wurden abzüglich der Alsietina 13626 Fünfer offiziell ab-
gegeben; folglich wären 5242 Fünfer oder 27 Proc. in Verlust gerathen. Ein-
schliesslich der Alsietina betrug die offizielle Abgabe 14018 Fünfer, oder
5,63 qm Wasserquerschnitt. Da Vitruv angiebt, dass man den Leitungs-
kanälen eine Gefälle von ^/soo geben solle, was erstaunlich viel ist, und Fron-
TLxus darauf hinweist, dass die Alten mehr Gefälle gegeben hätten, als später
üblich wurde, so dürfte vielleicht angenommen werden, dass das Wasser in den
Kanälen und Röhren mit etwa Vh m Geschwindigkeit floss, und unter dieser
Voraussetzung würde sich die in der Stadt offiziell vertheilte Wassermenge auf
etwa 720000 cbm per Tag berechnen*), und da die Zahl der Einwohner des
alten Rom in der späteren Kaiserzeit zu etwa 1^2 Millionen angenommen
wird, so kämen auf den Kopf der Bevölkerung 0,48 cbm, oder nahezu 5 hl in
24 Stunden. Die der Stadt zugeleitete Wassermenge aber ist nach dem
*) Die gegenwärtige Wasserversorgung Roms erfolgt durch nachverzeicbnete fünf
Hauptleitungen mit den beigefügten, auf 24 Stunden berechneten Liefermengen in Kubik-
metern: L'acqua Vergine (oder Trevi): 60000, L'acqua Telia: 8000, L'acqua Paola: 60000,
L'acquaPia: 120000, L'acqua Paolina : 30 000. Zusammen: 268000 cbm. (Angabe des Oberst
Blumenstihl, Direktors der römischen Wasserversorgung, März 1886, mitgetheilt durch Riggek-
BACH, Erinnerungen eines alten Mechanikers, S. 114.)
64 Sezt Jul. FrontinoB.
Vorhergehenden noch um etwa 27 Proc. höher zu yeranschlagen, ungerechnet
den grössten Theil der Alsietina^ der nicht näher angegeben ist und meist zq
ö£fentlichen Zwecken benutzt worden zu sein scheint.
Von den verschiedenen, von Frontlvus angeführten Arten des Unter-
schleifes, als: Anbringung zu weiter Kelche, oder Weglassung derselben und
nachträgliche Erweiterung der Bleirohre, unbefugtes Anbohren der Gerinne und
dergleichen ist folgende Manipulation interessant:
Bei einigen Wasserkastellen, wo zwar Kelche von gesetzlicher Weite an-
gebracht waren, fanden sich weitere Röhren unmittelbar angeschlossen, was
zur Folge hatte, dass das Wasser nicht auf die gesetzlich vorgeschriebene Ent-
fernung zusammengehalten wurde. Denn durch Senatsbeschluss war vorge-
schrieben, dass innerhalb 50 Fuss vom Wasserkastell ab keine weitere Söhre
von der Hauptleitung abgezweigt werden durfte, als ein Fünfer. Von der
oben beschriebenen Anschlussweise aber berichtet Froniinus, dass das Wasser,
indem es durch den kurzen Kelch in die rasch sich erweiternde Röhre strömte,
diese ganz ausfüllte, und auf diese Weise der Leitung mehr Wasser entnommen,
worden sei, als dem Querschnitte des Kelches entsprach. Es scheint, als ob
sich hierin bereits eine praktische Erfahrung über den Einfluss konisch-diver-
girender Ansatzröhren auf die Ausflussmenge des Wassers aus einem Gefässe
ausspräche, worüber erst Ende des vorigen Jahrhunderts von Venturi und
Eytelwein wissenschaftliche Versuche angestellt wurden.
Von Interesse ist femer folgende Stelle:
„In demselben Jahre (nämlich dem Erbauungsjahre der Julia, 35 v. Chr.)
stellte Agrippa (als Aedil nach seinem ersten Konsulate) die beinahe verfallenen
Leitungen der Appia, des Anio und der Marcia wieder her und versah mit aus-
gezeichneter Fürsorge die Stadt mit einer grossen Zahl von Spring-
brunnen."
Die Vorschrift Vitruv's, dass man bei Anlage städtischer Wasserleitungen
auf Springbrunnen besondere Rücksicht nehmen solle, dürfte daher auf das
Jahr 35 vor Chr. zurückzuführen sein.
Ferner sagt Frontinüs, indem er von den neuen Einrichtungen sprichti
die er getroffen hatte, um sein Amt besser verwalten zu können:
„Auch Grundrisse der Leitungen haben wir machen lassen, aus denen ersicht-
lich ist, wo Thäler und wie grosse, imd wo Flüsse überbaut wurden, und wo die an
Berghängen angebrachten Hohlgerinne eine grössere und andauerndere Sorgfalt in
der Beschinnung und Instandhaltung erfordern. Dadurch wird der Vortheil gewährt,
dass wir den Gegenstand unmittelbar wie vor Augen haben und zu Rathe gehen
können, als ob wir dabei ständen."
Das Planzeichnen müssen demnach die Römer anno 97 schon wohl ver-
standen haben.
Das ist im Wesentlichen der Inhalt der Schrift des Frontinus. So
interessant dieselbe auch für Ingenieure sein mag, so enthält sie doch Nichts
von eigentlicher Mechanik, und es ist deshalb nicht recht verständlich, warum
Vegetius Renatus. 65
Frontinus unter die Schriftsteller über diese Wissenschaft gerechnet zu wer-
den pflegt.
Noch mehr gilt dies von Flav. Vegetius Renatus, der um das Jahr 375
nach Chr. über ;, Kriegs Wissenschaft und Kriegskunst^ schrieb. Aus seinem
Werke erfahrt man viel Interessantes über römischen Soldatendienst, aber
seine Angaben über Kriegsmaschinen und andere technische Dinge sind äusserst
dürftig und von Mechanik ist nichts darin zu finden. In dem Werke des
PuBLius Vegetius Renatus über Thier-Arzneikunde können Leistungen auf
mechanischem Gebiete noch weniger gesucht werden.
Beck.
Cato der Aeltere (234—149 v. Chr.).
Allgemein bekannt sind Cato's oft wiederholte Worte: „Cetenim censeo,
Carthaginem esse delendam'^; weniger bekannt ist, dass er ein im Alterthame
hochgeschätzt gewesenes Werk über Landwirthschaft geschrieben hat, und am
wenigsten, dass darin interessante Angaben über Maschinen zu finden sind,
namentlich über Olivenquetschen, Wein- und Oelpressen.
Der chronologischen Reihenfolge nach hätten wir diese Schrift vor der
des Heron von Alexandrien betrachten müssen, allein wir thaten dies nicht,
weil Cato's Angaben nur verständlich werden, wenn man spätere Schriftsteller
und archäologische Funde mit zu Rathe zieht. Denn Cato giebt keine Be-
schreibungen von den Maschinen, deren Konstruktion er als bekannt voraus-
setzt, sondern nur Rathschläge über deren Detailkonstruktion, Aufstellung und
Behandlung, sowie Inventarien von Presshäusem verschiedener Grösse, wie sie
für Landwirthe von Interesse sind, welche ein Presshaus einrichten wollen.
Auch wird das Verständniss dieser Angaben durch eine äusserst knappe Aus-
drucksweise, mancherlei Fehler der Abschreiber, welche uns das Werk über-
lieferten und durch zahlreich darin vorkommende technische Namen erschwert,
deren Bedeutung nur errathen werden kann.
Hierbei kommt uns jedoch der Umstand zu statten, dass Weinpressen
altrömischer Art bis zur Stunde in manchen Gegenden im Gebrauche geblieben
sind, wenn auch vielleicht nirgends mehr in der Form, wie sie Cato beschreibt,
so doch in der etwas abgeänderten, welche Plixius der Aeltere (23 — 79 n, Chr.)
beschrieben hat*).
Als Beispiel zeigen unsere Fig. 64. 65 und 66 eine solche Presse (Trotte),
welche sich zu Malans im Canton Graubünden befindet. Die an Ort und Stelle
aufgenommene Originalzeichnung wurde mir von Herrn Prof. F. Ijngke zur
Benutzung gütigst überlassen. Laut einer auf der Presse befindlichen Inschrift
♦) Vgl. Rculeaux, Theoretische Kinematik, 1875, S. 226. Dem in Aomerknng 89
dieses anregenden Werkes ausgesprochenen Wunsche dürfte durch die Yorliegende Stadie,
inshesondere durch die heigefügten Abbildungen entsprochen sein.
Heute noch gebnuchte Eeltsm BltrSmiwher Art
67
wurde sie im Jahre 1767 anfgestellt. Es ist eine Hebelpresse, deren einarmiger
Presshebel a aas einem Balken von 0,6 m Höbe, 0,6 m Breite und 11,2 m
Gesamintlänge besteht, auf welchem zur Verstärkung noch ein zweiter Balken
von gleicher Breite, 0,4 m Höhe und 9,3ö m Länge
aufgeschraubt ist. An dem yorderen Ende des Haupt-
balkens ist eine Gabel durch Stümpfe Ton den Aosten
gebildet, in welche der den Balken abgebende Baum
sich theilte, wie aus Fig. 64 ersichtlich. Seinen Stütz-
punkt findet der Hebel zwischen zwei, in starkem
Fundament verankerten Bäumen bh (Fig 6& und <
von einander abstehen und je 0,6 m Durchmesser haben
Fig. »4.
«eiche etwa 0,63 m
Zur \ erstärkung der
oberen Enden hat man auch hier Stumpfe von den Hauptästen der Bamne
stehen gelassen. Unterhalb derselben ist ein Schlitz von etwa 1,3 m Länge
und 110 mm Breite aus jedem Baume so
ausgehanen, dass zwei oder mehr Querriegel
oder Keile gleichzeitig dm'ch beide Baume
gesteckt werden können, welche das Ende
des Presshebels nach oben stützen. Durch
Einschieben einer grösseren oder kleineren
Zahl solcher Kiegel kann die Hohe des Stütz-
punktes über dem Presstische regulirt werden
und es werden mit fortschreitendem Aus-
pressen immer mehr Riegel eingeschoben, bis
dasPressgntentsprechendausgepresst ist. Vier
solcher Keile oder Riegel haben etwa Platz.
Damit der Presshebel sich während der Arbeit nicht der Länge nach
verschieben kann, ist derselbe da, wo er sich gegen den Querriegel stützt,
etwas eingekerbt. Der Presstisch besteht ans einem niederen Balkengerüate,
68 Cato der Aeltere.
auf welchem durch dicht aneinandergefügte Hölzer die Tischplatte gebildet ist
In diese sind Rinnen zum Ablaufen des Mostes eingeschnitten.
Körbe, wie sie die Römer anwendeten, um die gestampften Trauben
darin auszupressen, sind, wie uns mitgetheilt wurde, in Malans nicht im
Gebrauche, vielmehr werden dort die Weintrestem ohne jede Umhüllung ge-
presst. Auch sind die Bretter und Querhölzer, welche auf den Trestem liegen
und auf welche der Presshebel zunächst drückt, nicht wie bei den Römern
zu einem Deckel sorgfältig und fest zusammengefügt, sondern nur neben und
auf einander gelegt.
Eine Führung fiir den Presshebel, bestehend aus zwei verstrebten und
oben durch ein Querholz mit einander verbundenen Pfosten d (Fig. 65) ist am
vorderen Ende des Presstisches angebracht. Durch die Gabel am vorderen
Ende des Presshebels geht eine hölzerne Schraube senkrecht herab, deren
Mutter auf der Gabel befestigt ist. Die Schraube hat 0,24 m äusseren Durch-
messer, 0,16 m Kemdurchmesser und 75 mm Steigung. Das Holz, aus welchem
die Schraube geschnitten worden, ist unten vierkantig und am Ende ist ver-
mittelst eines eisernen Bolzens ein schwerer Stein, ähnlich einem Mühlsteine,
von etwa 1600 kg Gewicht angehängt. Durch den unteren, vierkantigen Theil
der Schraube sind lange Hebel gesteckt, und um den Belastungsstein ist eine
Laufbahn für die Arbeiter gemauert, welche, indem sie die Hebelenden erfassen
und auf der Laufbahn in entsprechender Richtung im Kreise herumgehen, den
Presshebel niederschrauben, bis der Stein sich hebt. Dieser dient nicht nur
zur Vermeidung eines Bruches durch übermässige Anstrengung, sondern auch
zur Erhaltung eines konstanten Druckes, nachdem der Stein in die Höhe
geschraubt ist. Durch die Führungspfosten kann bei c (Fig. 65) ein Querriegel
geschoben werden, was dann geschieht, wenn man das hintere Ende des Press-
hebels heben will, indem man die Mitte desselben auf diesem Riegel aufsitzen
lässt und das vordere Ende mit der Schraube niederzieht.
Dass ganz ähnliche Pressen anderthalb Jahrhunderte vor der Aufstellung
der soeben beschriebenen, sowohl zum Auspressen von Wein als auch von
Olivenöl, in Italien gebräuchlich waren, ersehen wir aus Vittorio Zonca's „Novo
Teatro di Machine et Ediücii'^, erschienen zu Padua 1621, in welchem Seite 46
bis 52 Zeichnungen von einer Wein- und einer Oelpresse zu finden sind. Erstere
ist in unserer Fig. 67 in kleinerem Massstabe wiedergegeben. Seine Oelpresse
ist kaum davon verschieden. Man erkennt sofort, dass dies eine Presse der-
selben Art ist, wie die oben beschriebene, dass aber die Zeichnung, wie in der
Perspektive, so auch in den Massverhältnissen fehlerhaft ist. Insbesondere
müssen die Bäume GG viel näher bei einander stehen, um die in der Ab-
bildung auf der Erde liegenden Querricgel B aufnehmen zu können, diese kurz
zu fassen, damit sie nicht brechen, dem Hebelende eine sichere Stütze zu geben
und es an seitlicher Verschiebung zu hindern. Auch sind die Bäume im Ver-
hältnisse zum Hebel oiTenbar viel zu schwach gezeichnet.
ZoQca's Bescbreibuag der Presse altrOmischer Art G9
Interessant ist aber für uns, aus dieser Zeichnung zu ersehen, wie die
Bäume oberhalb und unterhalb der Sehlitze und wie der Presahebel an mehreren
Stellen mit eisernen Bändern gebunden wurden. Zonca sagt, dass das Binden
der Bäiune nothwendig sei, damit die Querriegel, indem sie sich beim Fressen
EU drehen suchen, nicht die Bäume spalten, und es dürfte kaum zu bezweifeln
sein, dass die „Fibulae" des Cato eben solche eiserne Bänder waren. Zokca
nennt diese Presse „Pistrino prelo", während der Presshebel bei Cato „Prelum"
heisst. Die Grube F neben der Kelter, in welcher der Most in eine Kufe
aufgefangen wird, heisst bei Zonca „Lago", was dem „Lacus" des Cato entspricht;
doch sagt letzterer Kap. 66 von dem Vorarbeiter im Oelpresshause: „Den
Fi«. «T.
bleiernen Kessel setze er in die Cisterne (Lacus), in den das Oel äiesst",
während hier E>tatt des bleiernen Kessels eine hölzerne Kufe eingesetzt ist.
Zonca sagt, dass solche Pressen seit alten Zeiten im Gebrauche seien, und ist
offenbar auch der Ansicht, dass sie schon zur Zeit des Plimus im Gebrauche
waren, denn indem er von dem Einflüsse der Hebellänge auf die Wirksamkeit
der Presse spricht, fügt er bei : „was auch Plinius, wie es scheint, ausdrücken
wollte, welcher bei Beschreibung der Weinpresse sagte, dass es auf die Länge
und nicht auf die Dicke ankomme, wobei er diesen Presshebel meinte."
Die Hebellänge giebt Zonca für Oelpressen zu 40' an, die Bäume sollen
8 — 9' in das Fundament hinabgehen und unten mit einander verankert werden.
Die Schraube soll die gleiche Länge haben wie die Bäume, der Durchm
der Schraube soll ^W betragen, das Gewicht des Belastungssteines bei %
Pressen 2(XX) Pfund, bei kleineren lOOÜ Pfund. Bei ersteren soll die Drehung
der Schraube durch Pferde erfolgen, bei letzteren durch zwei Mann.
70
Cftto der Aeltan.
Wir wenden uns nao zn einigen archaolt^scheD Funden, die anf PR88-
bänser Bezug haben.
Im Jahre 1882 sandte die französische Regierung eine Konunission,
bestehend ans den Herren Henri Saladin und M. Cagnat nach Tunis zur Vnter-
Bucbung der dort befindlichen Alterthümer. In dem darüber erstatteten Berichte:
„Description des antiquites de la regence de Tunis, par Hesri Saladdi. Paris,
Imprimerie nationale 1884" finden sich Seite 12Ö Notizen und Abbildungen
über aufgefundene Reste einer grossen römischen Kelteranlage bei Hencbir
Choud-el-Battal. Die betreffenden Reisenotizen Iaut«n in der TTebersetzung
wie folgt:
„Zahlreiche Ruinen von Häusern zwei Kilometer von Henchir-Hammaja. Skulp-
turfragmente aus christlicher Zeit inmitten von Säulen und Pfeilern einer kleinui
Kirche. Es stehen hier noch vier wohlerhaltone Gestelle von Pressen mit einer Rmhe
von steinernen Sturzen B (siehe Fig. 68), welche sie unter einander veibinden und
die Steine D mit den Einschnitten E tmgeii. Letztere waren dazu bestimmt, die
Dachsparren aufzunehmen, welche von beiden Seiten her Schimidächer bildeten,
um die Arbeiter zu schützen. Vor diesen Pressgestellen liegen die runden (?) Stüne 0,
auf die man Körbe setzte, welche die Trauben oder Oliven enthielten. Wir haben
keine Spur von einer Oliven quetsche gefunden, vielleicht befinden wir uns daher vor
Weinkeltern. Die Kufen S, oder Reservoirs, befinden sich davor. Sie sind aus vier
grossen, mit einander verbundenen Steinen gebildet" ....
Dem Umstände, dass hier, wahrscheinlich aus Mangel an starkem Holze,
die Bäume der Pressen mit ihren Kapitalen von Stein hergestellt worden sind,
verdanken wir es, dass diese uns soweit erhalten blieben, um uns aus diesen
üeberreste altrömischer Predsen in Tunis. 71
Ueberresten eine bestimmte Vorstellung von den betreffenden Theilen der alt-
römischen Pressen bilden zu können. Wir ersehen daraus, dass die Bäume
ausser den Schlitzen, durch welche die Querriegel geschoben wurden, noch
andere Löcher enthielten, und dass man deshalb bei der Stelle, wo Cato von
einem „Foramen primum" spricht, nicht zu der künstUchen Deutung seine
Zuflucht zu nehmen braucht, dass darunter der Anfang des Schlitzes zu ver-
stehen sei, wie dies vielfach geschehen ist, sondern dass damit einfach das
erste Loch, d. h. das aus Fig. 68 ersichtliche, quadratische Loch unterhalb des
Schlitzes gemeint ist. Oberhalb des Schlitzes befindet sich in den Pressständern
von Henchir Choud-el-Battal ein ebensolches quadratisches Loch, und dieser
Umstand bestätigt die Vermuthxmg des Herrn Saladin, dass wir es hier mit
Weinpressen und nicht mit Oelpressen zu thun haben. Denn bei den Oelpressen
genügte eine geringere Auf- und Niederbewegung des Hebels und deshalb waren,
wie Cato angiebt, die Räume niedriger und schon an der Stelle, wo in Fig. 68
die obersten Löcher angegeben sind, durch die Kapitale zusammengefasst und
in richtiger Entfernung von einander gehalten, wie wir später genauer sehen
werden. Es kann kaum zweifelhaft sein, dass durch diese quadratischen Löcher
hölzerne Bolzen gingen, welche entweder, wie in Fig. 79 angegeben, am einen
Ende mit einem Kopfe, am anderen Ende mit einem Durchsteckkeil, oder
beiderseits mit solchen Keilen versehen waren und dazu dienten, die Bäume
in möglichst geringer Entfernung von den Schlitzen zusammenzuhalten, damit
sie nicht auseinander gezwängt werden konnten, wenn der Hebel dazwischen
sich eckte. Der Zwischenraum zwischen den Bäumen aber wurde, soweit er
für die Hebelbewegung und die Querriegel überflüssig war, wie Cato angiebt,
mit Holz ausgefüllt, so dass man die Keile in den Bolzen fest anziehen konnte,
ohne Gefahr zu laufen, dass die Bäume nach innen gebogen oder geschoben
wurden. Unter Cato's Bezeichnung: „Cönfibula lignea'* dürfte daher ein solcher
hölzerner Bolzen mit mindestens einem Durchsteckkeil zu verstehen sein. Ferner
erscheint der Fund von Henchir Choud-el-Battal für die Entscheidung der
Präge wichtig, in welcher Weise man sich die Belastung der Bäume mit Balken
und Mauerwerk und die Verbindung desselben mit den Dachsparren zu denken
hat, welche nach Cato's Angabe zu jener Zeit anstatt der später gebräuch-
lichen Verankerung der Bäume im Fundamente angewendet wurde, um eine
Hebung derselben durch den Presshebel zu verhindern. Sowie hier über die
Kapitale von je zwei Paar neben einander stehenden Bäumen Stürze oder
steinerne Balken gelegt und auf diesen das Belastungsmauerwerk in der
Richtung der Kapitale aufgeführt ist, wird man auch annehmen müssen,
dass in gewöhnlichen Presshäusem mit hölzernen Bäumen und Balken die
Belastungsmauem in gleicher Richtung aufgeführt wurden, und dass die Dach-
sparren mit je einem Ende so in diese Mauern gesteckt wurden, dass sie in
der Regel über zwei neben einander stehenden Pressen ein gemeinschaft-
liches Schirmdach bildeten.
72
C»to d«- A«ltaM.
Die Steinplatten mit des kreisninden Rinnen vor den PressstSndern in
Henchir Ch<md-el-Battal vertreten die Stelle der bei Cato aus einer Art Beton
hergestellten „Area" und die aus Tier Steinplatten gebildete Cisterae d»Tor
entspricht dem „Lacus" des Cato. —
Zwei kleine römische Oelpresshäuser wurden in den Jahren 1779 und
1780 zu Stabiae ausgegraben. Der Bericht des die Ausgrabungen leitenden
Ingenieurs Frakosco da Veca lautet in der Uebersetzung wie folgt:
„Ale man auf königlichen Befehl die Gebäude des alten Stabue aosgrub,
wurden mehrere Landhäuser gefunden. Eines derselben begann man Anfangs des
Jahres 1779 auf dem Xiandgute, genannt: „„DieOelmühle der Nonnen des heiligen
Michael, des Erzengels der Stadt Gragnano"", auszugraben. In einer gewissen Ent-
fernung von diesem Gebäude fand man Anfangs Februar des genannten Jahiea die
Btane einer Oelmüble (Oliven quetsche), bestehend aus einem ausgehöhlten Becken
(siehe Fig. 69) mit einem Süulchcn in der Mitte und nus xwei lÄufersteiaen in
Form von konvexen Kugel seginenten , jeder in der Mitte durchbohrt, alle von sehr
hartem, löcherigem, vulkanischem Gesteine. Ausser diesen Steinen fand man onlge
Eisenfregmcnte von der Armatur, welche die Läufer führte. In dem Baume, wo
diese Maschine stand, war auch ein Btissln mit einem kleineu Rande ringsum und
einem durch dne Thonröhre gebildeten Abflusäe nach aussen."
Den Ausdruck „Vasca" des Italieners, entsprechend dem „Vasa" des Cato
übersetze ich hier und in der Folge in Ermangelung eines besseren Ausdruckes
mit „Bassin". 'Es ist dies der durch einen niedrigen Wall ans Mauerwerk
oder Beton und die Gebäudemauer ringsum eingefriedigte Platz, auf dem die
Presse steht,
„Dieses Bn^-^lu war ganz mit einem Gemisch aus Knlk und gestossenen llion-
Echerben bekleidet, sowie nuch das Becken der Mühle (der Olivenquetsdie) aussen
mit dieser Tünche bekleidet war, und zwar bis zu seinem Rande, welcher üch so
hoch über dem Estrich befmid, dass man die Maschine bequem mit den Annen be-
wegen kounle. Der Estrich des Raumes war aus geschlagenen) Mörtel gebildet Die
Mauern fanden sich ohne Tüiiche, wahrscheinlich, weil diese bei der Eruption abge-
fallen war, welche das Gebäude begrub.
In Stibiae ftnegegrabeiia PreuhBuser.
73
lo einem anderen Rauma desselben Hauses entdeckte man auch ein Bassin
mit Spuren der Presse und dem Behälter, in den das aus den Oliven gepresste Oel
floss. Viele, aber meist zerbrochene Thongefässe sind in diesem Hause gefunden
worden.
Ein anderes grosses Landhaus fing man Ende 1779 an auszugrahen, und
zwar auf einem Gute, genannt: „Casa di Miri", demselben Kloster gehörig. Man
entdeckte im Monat März 1780 einen ziemlich grossen Raum darin mit «ner Oel-
mühle (Olivenquetsche), welche in Allem der früher gefundenen ähnlich war, mit
kleinen Eisentheilen von ihrer Armatur. In demselben Räume waren zwd ]
mit den Spuren von zwei Pressen (siehe Flg. 70, 71 und 72). Alle Wände dieses
Raumes, sowie der Estrich und die Bassins waren mit einer Mischung aus Kalk
und gestossenen Thonscherbeu bekleidet." ....
Von der Olivenquetsche heisst es dann weiter:
,Jn dem Centrum des Säulchens (welches, wie oben gesagt^ den mittelsten
Thdl des beckenförmigen Mühisteina bildete, wie aus Fig. 69 ersichtlich) war ein
eiserner Zapfen eingebleit, um welchen sich eine Platte von rechteckiger Form drehte
(Fig. 73 und 74). Die gegenwärtige fand sich jedoch durch Rost mit der oberen
Fläche des Säulchens (des mittelsten Theiles des beckenförmigen Mühlsteines) ver-
einigte Man erkennt, dasa sich diese rechteckige Platte längs der beiden grösseren
Seiten im rechten Ijl'inkel umbog, um ^ne hölzerne Äxo zu umschliessen, von welcher
Spuren sowohl in den im Roste befindlichen Eindrücken zu erkennen waren, als
auch in den Kägeln, welche durch die eiserne Platte gingen, um diese zu befestigen.
Diese hölzerne Axe war in dem Tbeile, welcher sich in die Iiöcher der I4ufeistdne
74
Cato der Aeltere.
steckte, cyllndrisch, wie man aus einigen von seiner Bekleidung übrig gebliebenen
Eisenfragmenten erkennt Jeder dieser cylindrischen Theile war mit einem doppelten
Futter bedeckt (Fig. 75 und 76), von welchen das innere mit dem Holze vert>unden
gewesen sein muss, weil an ihm die oben genannten Spuren zu sehen waren. An
dem Äusseren Futter, welches jetzt durch den Rost gleichsam einen einzigen Körper
mit dem inneren bildet, unterscheidet man einen stark hervortretenden Rand ^oder
Kragen) nach dem Ende hin und jenseits desselben einen Stift, welcher diametral
durch die ganze Dicke der Axe geht*' ....
Nach der Beschreibung, welche Cato von der Olivenquetsche (Trapetum)
giebt, muss angenommen werden, dass dieses Fundstück durch Znsammenrosten
von fünf bis sechs Eisentheilen entstanden war, nämlich: 1. der aus zwei
Fig. 73.
Flg. 74.
Theilen bestehenden Eisenumkleidung der hölzernen Axe, 2. einer in die aus-
gelaufen gewesene Ilolzbüchse des Liiufersteines eingesetzten Eisenbüchse,
3. einer gegen den Läuferstein gelegten Unterlegscheibe, welche am Fundstücke
Fig 75.
Fig. 76.
den stark hervortretenden Rand oder Kragen bildete, 4. einem davor gesteckten,
mit durch die Axe gehendem Stifte befestigten Stellringe, wozu vielleicht 5. noch
eine an dem Läufersteine befestigt gewesene eiserne Scheibe kam.
Francisco da Vega berichtet zum Schlüsse noch:
„Das Loch in jedem der Läufersteino ist quadrati.^h, aber nach der ebenen
Seite des Steines hin etwas enger. In dem engeren Theile des Loches des einen
dieser Läufersteine ist ein eiserner King eingebleit und im Uebrigen enthielt es ein
etwas konisches Holz." (Das kt die von Cato mit dem Namen ^Modiolus" be-
zeichnete hölzerne Büchse, mit welcher der Läufer bei neuer Maschine auf der Axe
lief, die aber wieder mit Eisten ausgebüchst wurde, wenn sie ausgelaufen war.)
Dem Vorstehenden fügen wir noch einige xVngaben der Akademie von
Herculanum über die betrettenden Funde bei. Diese sagt:
„Die Länge des (zuletzt erwähnten) Riumies ist 46 ^'« Fuss (= 13,75 m)*),
seine Breite 16 \ 4 Fuss (= 4,80 m) und der Estrich zwischen den beiden Bassins
171/4 Euss (= 5,10 m) auf tlem Estrich des Bassins / (Fig. 72) waren
♦) 1 altrömischer Fuss = 0,296 m.
Olivenquetschen und Presshäuser von Stabiae. 75
vier eiserne Ringe zu je zwei mit einander vereinigt, welche in dem Plane mit dem
Buchstaben i bezeichnet sind Die Entfernung zwischen den Bäumen und
Pfosten ist in dem Presshause (von Stabiae) 13 Fuss, während sie in dem des Cato
16 Fuss beträgt, und da in diesem der Presshebel mit dem Endstücke 25 Fuss lang
ist, so erhält man diesen, wenn man sich für unser Presshaus derselben Verhältniss-
zahlen zwischen der genannten Entfernung und der Länge des Hebels bedient^
20^4 Fuss lang.
Ausserdem ersieht man aus den Ringpaaren, welche in Fig. 72 mit t bezeichnet
sind, dass der Presshebel rund war und der Durchmesser da^ wo die Ringe
sassen, l*/4 Fuss betrug."
„Das Bassin, welches man in unserem Presshause sieht, diente dazu, die in die
Presskörbe gelten Oliven aufzunehmen und das ausgepresste Oel wegflieasen zu
lassen, und anderseits diente es dazu, diese nach der Zerquetschung (im Trapetum)
aufzunehmen, ehe sie in die Presskörbe gethan wurden Cato sagt, dass das
Oel von dem „Kanal" in den „Lacus" lief, wo es in einem bleiernen Qefasse auf-
gefangen wurde, aber in dem Presshause von Stabiae lief das Oel vermittelst der
Röhre b (Fig. 71) in ein irdenes Gefäss c. Aehnlich sieht man es in anderen
Presshäusem für Oel oder Wein, die in Stabiae ausgegraben wurden. Nur in einem
derselben fand sich der „Lacus", wie ihn Cato veriangt, welcher so tief ist, dass
man auf einigen Stufen auf seinen Boden hinabstieg."
Hieraus, sowie aus dem Umstände, dass Cato die Dicke des Presshebels
zu 2 Fuss angiebt, folgt, dass das Presshaus yon Stabiae nur als eine kleine,
notbdürftig ausgestattet gewesene Anlage zu betrachten ist. Aus der Stellung
der Löcher in den Fundamenten dieses Presshauses schloss die Akademie von
Herculanura, dass anstatt zweier Bäume, wie sie Cato vorschreibt, und wie wir
sie auch bei der Presse von Malans gesehen haben, bei diesen kleineren Pressen
nur ein starker Baum in Anwendung gewesen sei, welcher nicht nur in der
Richtung der Querriegel, sondern auch in der Richtung des Presshebels einen
Schlitz enthalten habe, in welchen dieser passte; es wäre jedoch auch mög-
lich, dass ein zweiter Baum dicht an der Wandung des weiten Loches hinab-
gegangen wäre, durch welches man zu den Ankern in dem Fundamente
gelangte.
Bezüglich der kleinen, etwas geneigten Fläche e neben dem in den Boden
eingelassenen Thongefässe war die Akademie von Herculanum der Ansicht,
dass sie dazu diente, ein Gefäss darauf zu stellen, welches Cato bald Labrum,
bald Dolium (?) nenne, in welches der Capulator oder Abscböpfer, das ist der
Vorarbeiter im Oelpresshause , das Oel that, welches er aus dem im Boden
eingelassenen Gefässe schöpfte, um es in andere Fässer oder Gefässe zu thun
und von da schliesslich in den Lacus (das Reservoir) im Keller zu bringen,
wenn es von dem Oelrückstande (Amurca) abgezogen war.
Cato sagt nämlich in Kap. 66 (67) über das Amt des Wächters und Ab-
schöpf ers:
„Er bediene fleissig den Keller und das Pres^haus. Er sorge dafür, dass das
Presshaus und der Keller so wenig wie möglich betreten werden und dass die Ge-
fässe und das Mettill so rein und nett wie möglich gehalten werden, sowie dass mau
keine Kerne zu dem Oel verwendet, denn wenn dies geschieht, bekommt das Oel
einen schlechten GeschnmcL Den bleiernen Kessel, in welchen das Oel fliesst, setze
76 Cato der Aeliere.
er in die Cieterne (Lacud). Wenn die Oelmacher (Factores) mit den Hebeln drAcken,
nehme der Abschöpfer so fleissig als er kann mit der Muschel das Oel weg und
säume nicht Er habe Acht, dass er den Oelrückstand (den wässerigen Bestandthetl
der Oliven, Amurca genannt) nicht mit wegnehme. Das Oel wird in die erste Wanne
(Labrum) gethan und kommt von da in ein anderes Grefäss (Dolium). Von jenen
Wannen (Labris) wird die Oelhefe (die festeren Bestandtheile aus den Oliven) und
der Oelrückstand (die wässerigen Bestandtheile) unten abgezogen. Wenn man Gel
von dem Kessel abzieht, wird der Rückstand herausgeschöpft"
Von den Ausgrabungen in Stabiae wenden wir uns zu der ^Uistoria
naturalis^ von Plinius dem Aelteren, der bekanntlich bei demselben Ausbruche
des Vesuvs seinen Tod fand, welcher Stabiae verschüttete. Dieser sagt im
achtzehnten Buche des genannten Werkes über die Weinpressen:
„Eine Pressung soll 20 Kuleus (= 105 hl) ergeben, das ist das richtige Maass.
Für ebenso viele Kuleus genüge auch die Kufe (Lacus) und für 20 Jugera (= ö ha)
Weinberg eine Presse. Einige pressen mit einer Presse, besser ist es mit zwei,
mag auch die eine noch so gross sein. Auf die Länge kommt es dabei an, nicht
auf die Dicke. Die grossen drücken besser. Die Alten zogen sie mit Seilen und
ledernen Riemen und Hebeln nieder. Innerhalb der letzten 100 Jahre sind die
Griechischen (Pressen) erfunden worden mit Schraubengängen, welche durch Muttern
gehen, von den Enden aus (ab alis) ist ein Armkreuz (Stella) an den Schaft befestigt
und von den Enden herab (ab alis) hängen Körbe mit Steinen, welche sich mit dem
Schafte in die Höhe schrauben, was sich sehr bewährt hat.'*
Letztere Stelle ist ohne Kenntniss der älteren Konstruktionen von Wein-
und Oelpressen nicht zu übersetzen, viel weniger zu verstehen ; wirft man aber
einen Blick auf unsere Fig. 67, so wird sofort klar, dass Plinius von derselben
Konstruktion der Weinkeltern spricht, welche Zoxca anno 1621 abbildete, was
letzterer ja in seinem Texte auch andeutet. Nur wurde statt des einen
grossen Belastungssteines des Zonga ein Korb voll gewöhnlicher Steine zur Zeit
des PuNius ans Ende der Schraube gehängt. Wie die Angabe des PuNius und
die Presse von Malans beweisen, ist diese Konstruktion etwa vom Jahre 50
vor Chr. bis auf den heutigen Tag, also fast 2000 Jahre im Gebrauch ge-
blieben. Sie hat sich also sicherlich bewährt und scheint sich unter gewissen
örtlichen Verhältnissen, namentlich wo Raum und starke Hölzer leicht zu haben
sind, noch immer zu bewähren.
Pllnius fährt fort:
„Innerhalb der letzten 22 Jahre sind Pressen mit kleinem Presshebel und
kleinerem Presshaus erfunden worden, mit kürzerer Spindel, welche auf die Mitte
des Deckels gerichtet ist, den man auf die Weintrester legt, auf den sie mit dem
ganzen Drucke wirkt, während man über dem Presshebel den Steinhaufen anbringt**
Von solchen kleineren Pressen spricht auch schon Vithuv. Es ist aber
gewiss nicht richtig, wenn man annimmt, Plixius beschreibe hier eine Presse
von moderner Form mit feststehendem, die Mutter enthaltendem Querbalken.
Plixius spricht offenbar nur von einer Modifikation der zuvor geschilderten
Presse und wir werden uns an dieser weiter nichts geändert denken dürfen, als
was ausdrücklich angegeben ist, oder was sich daraus als unumgänglich noth-
wendig ergiebt. Wir haben nur die Schraubenspindel mit ihrer Mutter vom
Plinins über Keltern, Cato über Pressseile. 77
Ende des Hebels über die Mitte des Pressdeckels zu versetzen und das Be-
lastungsgewicht, welches seither vermittelst der Schraubenspindel an das Ende
des Hebels gehängt war, nun oben auf dasselbe zu setzen. Dadurch konnte
das Presshaus zunächst um die Länge der Handhebel verkürzt werden, und
da man oben auf den Balken ein grösseres Gewicht legen konnte, als man
unten an die bewegliche Spindel zu hängen wagen durfte, konnten vielleicht
der Hebel und das Presshaus auch noch dem entsprechend weiter verkürzt
werden. Den Presshebel werden wir uns aber immer noch beweglich und ähn-
lich dem Hebel eines gewöhnlichen Sicherheitsventils wirkend denken müssen.
Es handelt sich also hier um eine Uebergangsform von der alten Hebelpresse
zu der moderneren Schraubenpresse mit feststehender Mutter. Dass diese
Uebergangsform sich bewährt habe, sagt Plinius nicht, und es ist dies auch
nicht sehr wahrscheinlich.
Die oben citirten Worte: „Die Alten zogen sie (die Presshebel) mit
Seilen, ledernen Riemen und Hebeln nieder^, zeigen uns an, was wir uns an
den Pressen des Zonca oder der von Malans verändert denken müssen, um zu
der Vorstellung einer CAXo'schen Presse zu gelangen. Dass dabei zur üeber-
tragung der Bewegung der Handhebel auf die niederziehenden ßiemen am
Presshebel noch eine liegende Haspelwelle angewendet werden musste, ist fast
selbstverständlich.
Ueber das Seil, welches den Presshebel zunächst niederzog, sagt Cato
Kap. 135, in dem er die besten Bezugsquellen für verschiedene landwirthschaft-
liche Geräthe angiebt:
„Pressseile, wenn sie Jemand macht, so sind es L. Tünniüs zu Casinum und
E. Mennius zu Venafnim. Diesem muss man acht inländische Häute geben, welche
geknetet imd möglichst wenig gesalzen sein müssen. Man muss sie zuvor kneten,
einsalben imd trocknen. Das Seil muss 72Fuss lang^ dreidrahtig angezettelt werden;
die Riemen in den einzelnen Drahten werden 9 Fuss lang und 2 Finger (= 37 mm)
breit Mit der Drehung wird das Seil 49 Fuss lang. Durch die Verbindung werden
3 Fuss absorbirt und bleiben 46 Fuss übrig. Wenn es gestreckt wird, kommen
5 Fuss dazu und es wird 51 Fuss lang. Das ausgestreckte Pressseil soll für die
grössten Geschirre 55 Fuss lang sein, für die kleinereu 51 Fuss.''
Das Pressseil war also aus Lederriemen zusammengedreht und die Enden
waren zusammengepleisst, so dass ein Seil ohne Ende entstand. Nimmt man
an, dass die einzelnen Riemen, aus denen das Seil zusammengedreht war, bei
37 mm Breite 4 mm dick waren, so ist die Summe der Querschnitte von drei
solchen Riemen 444 qmm. Ein kreisrunder Querschnitt von 444 qmm hat
im Durchmesser 24 mm. Man wird daher annehmen dürfen, dass das Press-
seil ungefähr 25 mm dick war. Aus der angegebenen Seillänge und den
Dimensionen der Presse, welche wir später näher kennen lernen werden, geht
hervor, dass das Seil vierfach vom Presshebel nach dem Haspel herabging, und
wenn man erwägt, dass sich die vier Seilstränge auf dem Haspel glatt auf-
wickeln mussten, ohne sich über einander zu legen, kommt man zu dem Schlüsse,
78
Cato der Aeltere.
dass das Seil in der in Fig. 77, skizzirten Art über das Ende des Pressbebeis
gelegt und an dem Haspel befestigt gewesen sein mnss. Der Haspel betsst
bei Cato „Sncula", der Seilhalter auf dem Haspel aber „PorcDlum" und aus
dem soeben Gesagten nnd Fig. 77 ist ersichtlich, dass dieses „Porculnm" wahr-
scheinlich aus zwei Hacken bestand, welche durch eine Schiene mit einander
verbunden waren, die auf die hölzerne Haspelwelle aufgenagelt wurde.
Um das Pressseil nach und nach starker zu spanneo und aufzuwinden
vnA nach erfolgter Pressung wieder zu lösen, hatte man Handhebel von ver-
schiedenen Längen. In Kap. 19 heisst es: „Die längsten Hebel erhalten 18 Fuss,
die zweiten 16, die dritten 14, die zum Zurückdrehen 12 Fuss, die zweiten
10 Fuss, die dritten 8 Fuss". Demnach wurden mindestens sechs Handhebel
zur Bedienung einer Presse gebraucht, wie auch in Kap. 3 angegeben ist, wo
die Bestandtheile einer Presse aufgezählt sind. In Kap. 12 freilich, wo das
Inventar für ein Presshaus mit fünf Pressen zusammengestellt ist, beisst es,
«s seien 40 Handhebel nöthig, also acht Stück für jede Presse. Da aber bei
Aufstellung dieses Inventars von Anfang an Bedacht auf Reservestücke für
den Fall eines Bruches genommen ist, so liegt darin kein Widerspruch.
'W^en der bedeutenden Länge der Handhebel mussten dieselben durch
einen am Ende befestigten Handriemen niedergezogen werden, wie aus Fig. SO
ersichtlich und dieser Handriemen dürfte es sein, was Cato unter dem Namen
„Medipontus" oder „MeHpontus" versteht.
Da mit dem Riemenseil am Haspel das vordere Ende des l'ressbebels
nicht wieder gehoben werden konnte, wenn es niedergezogen war, so hatte man
dazu einen Flaschenzug nöthig, und noch ein zweiter wurde zeitweilig am
hinteren Ende des Presshebels gebraucht, um dieses zu heben, indem eine
Einrichtung zum Unterstützen des Hebels in der Mitte, wie sie an der Presse des
ZoNCA' und der von Malans zu sehen ist, nicht vorhanden war. Deshalb giebt
Cato in Kap. 3 zwei Flaschenzüge als zu einer Presse gehörig an. Da aber
diese Flaschenzüge an einer Presse während des grössten Theiles der Zeit nicht
gebraucht wurden, leicht transportabel waren und überall leicht aufgehängt
Die von Csto besebriebenen Oel- nnd WeinpreBBen. 79
■werden konnten, bo ist auch leicht begreiflich, warum Cato in Kap. 12 zu einer
Anlage von fünf Pressen nur fünf Flaschenzüge als nothwendig bezeichnet.
Nachdem wir uns nun durch einen historischen Rückblick eine möglichst
deutliche Vorstellung von den Pressen, und Olivenquetschen alter Zeit gemacht
laben, werden ans die Detailangaben des Cato nicht mehr unverständlich sein.
Derselbe sagt in Kap. 3:
^ . . . . Die Geriiüie müssen doppelt vorhanden sein. Wenn der Olivengarten
gat, wohl besetzt und kultivirt is^ müssen die Olivenquetscben gut und von einander
VeTschieden am, damit man die Läufersteinc , wenn sie abgenutzt sind, verwcchsehi
kann. Kemeaseile braucht man je eins, Handhebel je sechs, Bänder (Fibulas) je
zwöll« - .
Es sind nämlich auf jeden der beiden Bäume vier Bänder zu rechnen,
wie man aus Fig. 78, 79 nnd 80 ersieht. Erstere stellt einen Baum zu einer
Weinpresse dar, analog des steinernen Bäumen von Hencbir Chond-el-Battal.
Und fertaer sind auf den Presshebel vier Bänder zu rechnen, die in Fig. 80
analog der Stellung eingezeichnet sind, wie sie in dem Presshause von Stabiae
)>ei ii (Fig. 72) gefunden wurden. Cato fährt fort: ,
„Handiiemen (Medipontos) braucht man je ein^, griechische Flaschcnzüge je
zwei, welche mit Esjmrto-Seilen arbeiten. Mit je acht oberen RoUeu (also wahrschein-
lich Yiea in jeder oberen Flasche) und je Sechs unteren (also drei iu jeder unteren
Flasche) arbeitet man ziemlich schnell. Wenn man Räder anwenden will, ailwitct
man langsamer, aber mit geringerer Mühe." —
80 Cato der Aeltere.
Es ist wahrscheinlich, dass hier unter „Räder" Seiltrommeln zu verstehen
sind, wie wir sie an dem Krahne Vitruv's (Fig. 43) abgebildet haben. Femer
sagt Cato in Kap. 12:
„In Presshäusem, welche mit fünffachem Greschirre arbeiten, sind nöthig: fünf
ausgerüstete Presshebel und drei überzählige, fünf Haspel und ein überzähliger, fünf
Riemenseile, fünf Flaschenzugseile, fünf Handriemen (Medipontos), fünf Halfterriemen
(die wahrscheinlich um die Presshebel geschlungen werden, wenn diese an die Flaschen-
züge gehängt werden sollten), fünf Querriegel (Traghölzer Assercula) und fünf, auf
denen die Presshebel aufsitzen (das wären zusammen zehn 8tück Querriegel, also
für jede Presse nur zwei), drei Kufen (? Serias), 40 Handhebel und 40 Bänder
(Fibulas)." —
Es sind nur acht Bänder für jede Presse extra aufgeführt, weil oben aus-
gerüstete oder armirte Presshebel genannt sind, d. h. solche, welche mit
den zugehörigen Bändern versehen sind. Deshalb durften die vier Bänder an
jedem Presshebel hier am Schlüsse nicht nochmals aufgeführt werden. Es
heisst weiter:
„Sechs hölzerne Bolzen (Confibulas) mit Keilen, welche die Bäume zusammen-
pressen, wenn sie sich auseinander thun wollen."
Es ist hier nur eine Confibula für jede Presse gerechnet, was für die
kurzen Bäume der Oelpresse, welche in Fig. 79 und 80, dargestellt sind, und
welche oben durch das Kapital kurz über dem Schlitze zusammengepackt waren,
genügte. Ausserdem ist noch eine Confibula als Reservestück gerechnet.
Endlich erachtet Cato in einem Presshause mit fünf Pressen noch für
nöthig: „Fünf Olivenquetschen (Trapeta), zehn Büchsen (Cupas minusculas, ein
Ausdruck, dessen Bedeutung hier sehr zweifelhaft ist. Eigentlich bedeutet er:
kleine Kufen oder Tönnchen. Wir werden bei einer späteren Gelegenheit an-
geben, was uns bewog, dafür „Büchsen^' zu setzen), zehn Wannen, zehn hölzerne
Schaufeln und fünf eiserne Grabscheite".
Es könnte auffallig erscheinen, dass Cato zu jeder Presse eine Oliven-
quetsche verlangt, während in dem Presshause von Stabiae für zwei Pressen
nur eine solche vorhanden war. Dies erklärt sich dadurch, dass die Pressen
von Stabiae viel kleiner und schwächer, die Olivenquetsche aber ebenso gross
war, wie bei Cato. Dieser sagt femer in Kap. 18:
„Wenn man ein Presshaus für vier Geschirre (oder mit vier Bassins, Quadrinis
vasis) bauen will, so dass sie einander gegenüber stehen, werden die Geschirre in
folgender Weise aufgestellt: Die Bäume 2 Fuss (= 60 cm) dick, 9 Fuss hoch ein-
schliesslich der Zapfen, die Schlitze SV* Fuss lang und 6 digiti (=11 cm) weit
ausgeschnitten (siehe Fig. 79 und 80). Vom Boden ist das erste Loch 1 Fuss
entfernt Zwischen den Mumen und der Wand 2 Fuss, zvrischen den beiden Bäumen
l^/i Fuss, zwischen den beiden Bäumen und den ersten Pfosten 16 Fuss (als zweite
Pfosten wären wohl die der gegenüber liegenden Presse anzusehen, siehe Fig. 81).
Die Pfosten 2 Fuss dick, 10 Fuss hoch, einschliesslich der Zapfen. Der Haspel,
bis über die Zapfen gemessen, 9 Fuss. Der Presshebel 25 Fuss (= 7,40 m) lang,
einschliesslich der Zunge von 2 Fuss.*'
Unter Zunge (Lingula) scheint hier der über den Stützpunkt hinausragende
hintere Theil des Presshebels zu verstehen zu sein, wenigstens gelangt man so
AltrSmische Pressen und Presshänser.
81
za einer besseren Vertheilung der gegebenen Presshebellänge, als wenn man die
2 Foss der Zunge von der Stelle an rechnet, wo der Presshebel zwischen die
Bänme tritt. Gato sagt weiter:
tjDer Estrich für je zwei Greschirre (oder Bassins) mit je zwei Kanälen erhält
34 Fufls (siehe Fig. 81). Die Stellen für die Olivenquetschen zur Hechten und
Linken ergeben 20 Fuss Estrich. Der Platz für die Handhobel zwischen je zwei
Pfosten 22 Fuss, vom Ende des Pfostens des anderen Geschirres quer hinüber nach
der Wand jönsdts der Bäume 20 Fuss. Die grosste Breite des Pressraumes für
vier Geschirre 66 Fuss, die Länge 62 Fuss zwischen den Wänden.''
Dieses letzte Maass ist offenbar verschrieben und sollte 54 Fuss heissen,
wie aus Fig. 81 ersichtlich ist, während man daraus auch ersieht, dass die
anderen Maasse gut zu einander stimmen. Es heisst weiter:
Fig. 81.
mWo man die Bäume stellt, werden gute, 5 Fuss hohe Fundamente gemacht
Da hinein kommen harte Steine, deren ganze obere Fläche 5 Fuss lang und 2 Fuss
breit ist und welche 1 Fuss dick sind. In diese werden die Bäume mit den Fuss-
zapfen gestellt. Nachdem das, was zwischen den beiden Bäumen an Raum über-
flüssig ist^ mit Eichenholz ausgefüllt wurde (siehe diese Ausfüllung bei a in Fig. 79)^
werden sie mit Blei ausgegossen."
Das Maass von 5 Fuss Länge für die Oberfläche des Fundamentsteines
der Bäume wurde vielfach für unrichtig gehalten, indem man von der Ansicht
ausging, dass die Bäume einen quadratischen Querschnitt von 2 Fuss Seiten-
länge gehabt hätten. Addirte man zwei Baumdicken von je 2 Fuss zu der
Breite des Zwischenraumes von P/^Fuss, so ergab sich 5^/4 Fuss als geringste
Länge des Fundamentsteines. Einige waren sogar der Ansicht, der Zwischen-
raum zwischen den Bäumen habe 2 Fuss betragen und berechneten danach
die nöthige Länge des Fundamentsteines auf 6 Fuss. Es geht aber zunächst
aus der Form der in dem Presshause von Stabiae gefundenen eisernen Bänder
6
SB Cafo der Aelfer«.
Tom Presshebel benror, dass dieser nmd war, dass man also nicht 8Ö thöricht
war, das rund gewachsene Holz durch mühsames Bebauen zu schwächen.
Dagegen war es, um eine Drehung des Hebels nm seine Längsaxe zu rer-
hindem, nothwendig, den Theil desselben, welcher zwischen den Bäumen durch-
ging, beiderseits abzuflachen. Indem man so die Breite dieses Hebelendes auf
etwa 1 Fuss 2 Zoll reducirte, verlor dasselbe nur wenig von seiner Bmcli-
festigkeit und ausserdem war die Schwächuug hier am Ende unbedenklich, weil
der gefährliche Querschnitt des Hebels über dem Pressgute lag. Man erreichte
also auf diese Weise auf die müheloseste und praktischste Art seinen Zweck.
Ebenso ist aber auch anzunehmen, dass man von den Bäumen nicht un-
nöthiger, ja schädlicher Weise Holz herunterhieb, sondern sie nur da beschlug,
wo es einen Zweck hatte, wie ja anch der Erbauer der Presse von Malans
verfuhr. Die Bäume etwas flach zu behauen, war nor auf der Innenseite und
der gegenüber liegenden Aussenseite nothwendig, damit innen eine richtige
Führungsfliiche für «lits Ende des Presshebels entstand ; andererseits, damit an
den Rändern der St-hütm keine spitzwinkeligen, sondern rechtwinkelige Kanten
entstanden und ani-li Kopf und Keil des liol/erneu Bolzens, der Confibula,
richtige AuflugoiHiiclicn fanden. Deshalb ist der auf zwei Seifen etwas abge-
fiacUto, kn'isfiirmigo Querschnitt, wie er in dem Grundrisse (Fig. 82) ange-
geben ist, »1h der natürlichste untl praktischste für die Bäume anzunehmen.
Bei diesem Querschnitt e und 1','* Fuss Zwischenraum ist aber eine Liinge von
6 FusK für den l<'unditnit'nt.slcin genügend. Dass Cato die geringen .VbHach-
ungen sin den zwei Seiten der Itäume nicht erwähnt, iüt nicht antfallend, da
es nicht seine AKsielit ist, oinu genaue Beschreibung der Presse zu geben.
Auch ist es nur mitiirlieh. diisa in solchem Falle der Durchmesser des Kreises
als die Italkenstärke augegeln-n wird, (.'ato sagt ferner:
„Den oUTsteu Tlieil (Zikpfen) der Bnuiiic mache man 6 liijihi (=11 cm)
hoch und setse ein Kapital von Eichenholz danmf (siehe bei h in l"\^. >'J). El^ni^o
wini <la, wo die Pfosten scehen sollen, ein 5 Fuss holiesi Funilaiiifui ^■uincht und
ein harter Stein von 2 Fu*!» iJingc und 2 Fiiss Kcko, in welchen der Pfo.^ten zu
Btchen konmit, daselbst in die Waage gestellt,"
AltrOmische Pressen und Presshäuscr.
83
Warum diese Fundamentsteine einen Fuss höher waren als derjenige,
worin die Bäume standen, ergiebt sich aus Fig. 71 und Fig. 80. In letzterer
ist nämlich der Boden des Bassins, ebenso wie in dem Presshause von Stabiae
(Fig. 71), etwas höher gelegt, als der Boden zwischen den Bassins, auf dem
die Arbeiter standen, welche die Handhebel bedienten und in welchem auch,
wie man aus Fig. 71 ersieht, die Fundamentsteine der Pfosten standen. Es
heisst in unserem Texte weiter:
„Auf gleiche Weise wird der andere Pfosten gestellt Ueber die Bäume, sowie
über die Pfosten wird ein horizontaler Balken gelegt, 2 Fuss breit, 1 Fuss dick und
37 Fuss lang. Unter diese Balken zwischen die Kanäle und die äussersten Wände,
wo die Olivenquetschen stehen, wird ein Balken von 23 Fuss gelegt, l*/i Fuss dick,
oder es werden je zwei anstatt des einzelnen darunter gelegt Auf diese kürzeren
Balken kommen die Balken, welche über den Bäumen und den Pfosten sind, zu
liegen. Auf diesen Hölzern werden Mauern errichtet und mit dem Dachgebälk ver-
bunden, damit sie (nämlich die Hölzer) genügende Belastung haben.'' —
Durch Vergleich dieser Stelle mit den Gebäuderesten von Henchir-Choud-
el-Battal gelangt man zu der Ansicht, dass die Belastung der Bäume mit
■ J7i-
Fig. 83.
Hauer- und Dachwerk etwa so erfolgt sein mag, wie in Fig. 80 und 83 ange-
geben. Auch wird es wahrscheinlich, dass man bei dieser Stelle unter „Canales'^
zwei Rinnsteine a b und a^ b^ (Fig. 81} zu verstehen hat, die das von den
Dachflächen ablaufende Begenwasser wegführten, und dass hier unter den
äussersten Wänden (Parietes extremos), an denen die Olivenquetschen stehen,
diejenigen parallelen Wände zu verstehen sind, welche den grössten Abstand
von 66 Fuss von einander hatten. Durch diese Stelle in Verbindung mit der
oben citirten: „Die Stellen für die Olivenquetschen zur Hechten und Linken
= 20 Fuss Estrich", sieht man sich dann veranlasst, die Olivenquetschen in
die vier Ecken des Gebäudes zu placiren (siehe den Grundriss Fig. 81). Cato
fahrt fort:
„Wo man die „Area" (das ist die Fläche, auf welche man die Presskörbe mit
den gequetschten Oliven stellte) machen will, wird 5 Fuss hoch fundamentirt, 4 ^/2 Fuss
breit Der ganze übrige Estrich erhält 2 Fuss Fundament (siehe Fig. 80). Das
erste Fundament wird gerammt, dann eine halb- bis einfüssige Schichte von kleinen
Steinen und Kalk mit Sand aufgetragen. Der Estrich selbst wird, nachdem gerammt
und die erste Schichte auf getitigen ist, so gemacht: mit einem Siebe wird eine zwei
Pinger dicke Kalkschichte aufgetragen und darauf aus gebrannten Thonscherben der
Estrich zusammengesetzt; wenn er zusammengesetzt ist, wird er gestampft und mit
84 Cato der A«ltere.
Gel «ngerieben, damit er gut wird. Die Pressbäume und Pfoeten werden von Eichcn-
(xlcr THinionhok gemacht Wenn man kleinere Balken machen will, werden die
Kanä](i auHHCThalb der Säulen gelegt, und wenn man dies thut, werden Balken von
22 FuHH Länge nothig." —
Diese letzte Stelle wird nur durch die Annahme verständlich, dass man,
um Holz zu 8])aren, die kürzeren Balken, welche direkt auf den Pfosten und
den Kapitalen der Bäume liegen, um einen rechten Winkel in der Horizontal-
(*l)ene drehen soll, so dass sie gleichlaufend mit den langen Balken einerseits
über das Kapital der Bäume und andererseits tiber die beiden Pfosten zu
liegen kommen und diese mit den 66 Fuss langen Mauern verbinden. Da
die PfoHt(«n einer Presse etwa 6^'9 Fuss von einander abstanden, 2 Fuss dick
waren und die Entfernung von der Wand bis zu dem zunächst stehenden
PfoHten 10 Fuss betrug (siehe Fig. 81 und 82), so genügte alsdann für die
kürzten Haiken die Länge von 22 Fuss. Da aber nun eine Querverbindung
/wiNrhen dem Mauerwerke über den Bäumen und demjenigen über den Pfosten
(lun*h diese Balken nicht mehr hergestellt war, so musste eine solche durch
die I)aehpietten und das Dach hergestellt werden. Deshalb wird man die
KinuNteine (l'anales) nicht mehr innerhalb der beiden Pfosten- (oder Säulen-)
HtMlien, Kondern quer in der Richtung cd und c^d^ (Fig. 81) und die Dächer
dt^nt entHprechend gelegt haben. Da bei dieser Anordnung die Dachsparren
in d(«niNelben Verhältnisse kürzer wurden als die genannten Balken, so konnte
liierdur(*h ziemlich an Holz gespart werden, doch war diese Anordnung weniger
Mulid und zweckmässig. Cato fahrt fort:
„!>or Pn»ssdwkel wird 4 Fuss breit mit phönizischer Fügung, 6 digiti (== 11 cm)
difk mit liiilzorneii Schwalbonschwanzklanimern. Diese werden eingefügt und mit
NH^«*lit von Kornelkirschholz befestigt Mit dem Deckel werden drei Querhölzer
((*at(^im<0 Hufgt^legt (Catenae sind wahrscheinlich drei Querhölzer, wie wir sie auf der
Znii'hnung dvr Pn»sso von Malans zu oberst auf dem Pressgute liegen sehen). Diese
(^111 iliAl/or wtTtltMi niittvlst eiserner Nägel mit dem Deckel verbunden. Den Deckel
nun lu< iiiiui auM Uhnon- wler Has<dholz. Wenn man beide Holzarten hat, verwende
luan bio ahwtH'hm^lud neben einander.*'
Wit^ sich die Weinkelter von der seither beschriebenen Oelpresse anter-
hdiied, erllihrt man aus dem Anfange des Kap. 19, also lautend:
„Ht'i WeinkolUTu macht man die Pfosten und Bäume um je zwei Fuss höher,
HO (liirHrt übt^r die Löcher der Bäume hinaus l)ei<leröt»its ein Fuss Abstand ist. In
Imlbfii^.si^nn Abstiuule nach jeder Seite bringt man ein eisernes Band an (siehe
Fig. 78)."
Dann heisst es weiter:
„In den HHsj)el wenlen sechs Locher geniHcht (KiclH» den (irundriss Fig. 82),
diiH i\mU^ */j» Fuss vom Zapfen, die übrigen rielitig ««ingf'lheilL Der Seilhalter (Por-
euhnu) wini mitten auf den Haspel gesetzt, Dii« MitI«» zwin^hen den Bäumen wird
auf die Mitte der Stelle gerichtet, wo der Seilhidh'r hi»fi«Hligt werden soll, damit der
Presshehel richtig über der Mitte sitze. — Wi^nn niini die Zunge (am hinteren Ende
lies Presshebels) macht, misst man sie von diT MiM4» de« Pix»ssliel)els aus so ab,
tlans sie gut zwischen die Bäume passt. Minen Zoll giel»t ninn Spielraum. — Die
längsten Handhebel erhalten 18 Fuhh, die zweiten 10 Fumm. die dritten 14 Fuss,
die zum Zurückdrehen 12 Fuss, die zweiten U) I^'unh, di«» chiHen 8 Fus.s."
Altrömische Olivenquetsche (hrapetum).
85
Die folgenden Kapitel handeln yon der Olivenquetsche (trapetum) Fig. 69
nnd lauten:
Kap. 20: ,^Die Olivenquetsche ist folgendennassen zusammenzusetzen: Die
kleine eiserne Säule, welche auf dem Mittelpfeiler steht, muss gerade stehen, in der
Mitte und senkrecht Man muss sie ringsum mit Keilen aus Weidenholz befestigen
und dann mit Blei das Loch ausgiessen, damit das Säulchen nicht wackelt Falls
es sich in der Folge bewegen sollte, muss man, nachdem es herausgenommen, von
Neuem auf die gleiche Weise verfahren, damit es sich nicht bewegt. Die Büchsen
in den Laufersteinen werden von Oel baumholz (ex orchite olea) gemacht und mit
Blei umgössen, wobei man darauf achte, dass sie nicht lose seien. Wenn sie aber
auf der Quecaxe (Cupa) wackeln, muss man feste Hülsen (vermuthlich eiserne Futter-
ringe) von 1 Zoll Breite hineinschlagen. Dann mache man die Randscheibe (Labeam
eigentlich Lippe), deren sie (die Büchsen) je zwei haben müssen, und befestige sie mit
doppelten Biolzen, damit sie nicht abfallen.''
Von solchen Scheiben, welche eine Verschiebung der hölzernen Büchse
in dem Läufersteine verhinderten, fand Francisco da Veca in den Läufersteinen
von Stabiae noch eine vor, worüber er mit den Worten berichtet: ;,In dem
engeren Theile des Loches des einen dieser Läufersteine ist ein eiserner Ring
Fig. 84.
eingebleit^. Cato befestigte die Scheiben mit zwei jedenfalls eingebleiten
Bolzen auf den Steinen. Er fahrt fort:
Kap. 21: „DieQueraxe (Cupa) muss 10 Fuss (=2,96 m) lang gemacht werden
und so dick, wie es die Büchsen verlangen; das Mittelstück zwischen den Läufer-
Bteinen passe zur Dicke des eisernen Säulchens, es wird in der Mitte durchbohrt,
damit das Säulchen hindurchgesteckt werden kann (siehe Fig. 84). In das Mittel-
stück wird eine eiserne Röhre gesteckt, welche auf das Säulchen und in die Quer-
Bxe passt."
Diese Röhre war bei dem Funde in Stabiae jedenfalls mit dem eisernen
Säulchen (Zapfen) zu einem Stücke zusammengerostet. Cato fährt fort:
„Der durchbohrte Theil zwischen dem rechten und linken Schenkel der Quer-
axe wird 4 ZoU (= 10 cm) breit und 3 Zoll (= 75 mm) hoch. Unter der Quer-
axe wird eine eiserne durchbohrte Platte von der Breite des Mittelstückes der Quer-
aze befestigt, welche auf das Säulchen passt Zur Rechten und Linken der Stelle,
wo man die Locher macht, werden Schienen umgelegt., und zwar werden vier solcher
Schienen um den inneren Theil jeder Queraxe gebogen (siehe Fig. 84). Unter diese
Schienen werden kleine, schwache Unterlagsschienen gelegt und alle so mit einander
verbunden, dass keine grösseren Oeffnungen entstehen, wo die Büchsen (? Cupulae
minuscnlae) durchgesteckt werden.^'
Wie bereits früher erwähnt, ist die Bedeutung des Ausdruckes Cupae
minuscnlae oder Cupulae minusculae sehr zweifelhaft, aber bei dem Bandagiren
des Mittelstückes mit eisernen Schienen und Bändern musste es sich vorzugs-
weise darum handeln, die Büchse oder Röhre, welche den vertikalen, fest-
stehenden Zapfen umschloss, in der hölzernen Queraxe so zu befestigen und
S6 Cato der Aeltere.
sie 80 mit Eisen zu umscbliessen, dass sie nicht lose werden konnte. Durch
diese Erwägung wurden wir veranlasst, Cupulae minusculae durch „Büchsen"
zu übersetzen , und wenn in Kap. 12 neben fünf Olivenquetschen zehn Cupae
minusculae im Inventar des Presshauses mit fünf Geschirren aufgeführt werden,
so scheint eine grössere Zahl solcher eiserner Büchsen als Reservestücke auch
sehr am Platze, da diese bei der Arbeit ohne Zweifel viel leiden mussten.
Cato fährt fort:
„Die (hölzerne) Qucraxe belegt man da, wo sie in den Büchsen (der Läufer-
steine) steckt, beide Seiten entlang mit vier eisernen Rinnen (je zwei solche halb-
cylindrische Rinnen umschlossen einen Äxschenkel, siehe Fig. 84) und wenn dies
auf beiden Seiten (d. h. an beiden Axschenkeln) geschehen ist, befestigt man die
Rinnen mit kleinen Nägeln. Jenseits der Rinnen nach aussen hin durchbohrt man
die Queraxe, wo der Nagel (Vorsteckstift) hindurchgeht, welcher den Lauferstein
zurückhält Ueber das Loch wird ein 6 digiti (= 11 cm) breiter Ring (Librarium)
gezogen, beiderseits mit Durchbohrungen, durch welche der Nagel geht ÄUes dies
dient dazu, dass die Queraxe in den Steinen nicht abgerieben wird. Vier Unter-
legringe (Armillae) werden zu beiden Seiten des Läufersteines aufgesteckt, damit die
Queraxe und der Nagel nach beiden Seiten hin nicht abgerieben werden. Die Quer-
axe wrd von Ulmen- oder Buchenholz gemacht Für das nöthige Eisenwerk, fertig
zum Anschlagen durch ilen Schmied, sind 60 Sestertien f= 12 M.) erforderlich, für
das Blei und die (hölzerne) Queraxe deren 4 (= 80 Pf.), für die Arbeiten des
Schmiedes, soweit sie das Zusammensetzen der Queraxe und das Einsetzen und Ver-
bleien der Büchsen betrifft, 8 Sestertien (= 1 M. 60 Pf.). Auch muss er die
Olivenquetsche mondren. Alles zusammen 72 Sestertien (= 14 M. 40 Pf.).
Kap. 22: „Die Olivenquetsche muss folgendermassen aufgestellt werden: Der
Nivellirer muss dafür sorgen, dass sie gleichmässig gestellt werde. Der Läuferstein
muss von der Aussenwand um die Dicke eines kleinen Fingers abstehen, den Boden
des Mörsers muss er meiden, damit er den Mörser nicht abreibt. Zwischen Läufer-
stein und Mittelpfeiler soU ein Finger breit Spielraum sein. (Die Zwischenräume
hatten den Zweck, dass die Kerne der Oliven nicht zerbrochen wurden, denn diese
verdarben den Geschmack des Speiseöls). Wenn mehr Zwischenraum da ist und
die Läufersteine zu weit abstehen, wickele man ein Seil in vielen Windungen um
den Mittelpfeiler, damit ausgefüllt werde, was an Zwischenraum zu viel da ist Wenn
die Läufersteine höber sind und durch das Zuviel den Boden unten reiben, schiebe
man durchbohrte Holzscheiben über das Säulchen (den vertikiüen Zapfen), lege sie
auf dem Mittelpfeiler unter und regulire dadurch die Höhe. Auf dieselbe Weise
wird die Breite (über die Läufersteine gemessen) durch Holzscheiben oder eiserne
Ringe r^uliit, bis sie richtig ist Für eine Olivenquetsche bezahlt man in Suessa
400 Sestertien (= 80 M.) und an Oel für die Arbeit (p. 1. = pro lal>ore) der Auf-
stellung 40 Sestertien (= 8 M.; für diesen Betrag wunle also Oel an Zahlungsstatt
gegeben), für das Ochsenfuluwerk und die [Mühewaltung von sechs Mann mit den
Ochsen 62 Sestertien (= 12 ^L 40 Pf.), für die Quenixe mit Beschlag 72 Sestertien
»= 14 M. 40 Pt) und an Oel 25 Sestertien (= 5 M.). Alles zusanmion 629 Sester-
tien (= 125 M. 80 Pf.).**
Hier muss ein Schreibfehler mit unterlaufen sein, da die Summe eigent-
lich 619 Sestertien ist. Es heisst weiter:
„In Pompeji kauft man sie mit Zubehör zu 384 Sestertien. Dor Fuhrlohn
K'trägt 280 Sestertien. Zu Hause wird sie besser rusammengepasst und ai;:^:esielli.
Dafür sind 60 Sestertien nölhig. Summa 724 Sestertien {= 144 M. 80 Pf.«.
Wenn man Läufer^teme in alte Olivenquetschen anschaffen will, niir.ir.i nu^n
die Dicke 1 Fuss 3 digiti Die Höhe 1 Fuss (dies ist ein Sohivibfohlor: i!or Duivh-
Altröroische Olivenquetsche (trapetum). 87
messer wird spater zu 3 Fuss bis 3 Fuss 5 digiti angegeben), das Loch V2 Fuss
weit nach jeder Richtung. Wenn man sie herbeigefcihren hat, werden sie je nach
der Olivenquetsche auf das richtige Maass gebracht Sie werden zu Rufri roh für
180 Sestertien (36 M.) verkauft und werden für 30 Sestertien (= 6 M.) auf das
richtige Maass bearbeitet Ebenso werden sie zu Pompeji verkauft"
In Kap. 135 heisst es hierüber noch: „Die Olivenquetschen erhalten
4 Fuss (= 1,18 m) grösste Breite, die Läufersteine 3 Fuss (=^ 90 cm) Höhe,
die Mitte, so wie man sie aus dem Steinbruche bezieht, IV* Fuss (= 37 cm)
Dicke. Die Weite zwischen dem Mittelpfeiler und der Wandung beträgt 1 Fuss
2 digiti (= 33 cm). Die Wandung (oben am Rande) 5 digiti (= 9 cm).
Die zweite Olivenquetsche wird 4^* Fuss breit. Zwischen dem Mittel-
pfeiler und der Wandung erhält sie 1 Fuss 1 digitus. Die Wandung 5 digiti.
Die Läufersteine erhalten eine Höhe von 3 Fuss 5 digiti und eine Dicke von
1 Fuss 3 digiti. Das Loch des Läufers macht man ^J2 Fuss weit nach jeder
Richtimg.
Die dritte Olivenquetsche wird 4 Fuss breit. Zwischen Mittelpfeiler und
Wandung 1 Fuss. Die Dicke der Wandung oben 5 digiti. Der Läufer wird
3 Fuss 3 digiti hoch und 1 Fuss 2 digiti dick.
Die Olivenquetsche wird, wenn sie herbeigefahren ist, da, wo sie stehen
soll, hergerichtet und zusammengesetzt". —
Gato giebt nicht an, dass das Loch in den Läufersteinen nach der flachen
Innenseite des Läufers hin eine geringere Weite haben solle, wie es bei den
Läufersteinen in Stabiae gefunden wurde, und es mag dies eine spätere Ver-
besserung gewesen sein, um die hölzerne Büchse fester in den Stein eintreiben
zu können.
Wir schliessen hiermit unsere Betrachtung. Viele unserer Leser dürften
wohl dem dritten Jahrhunderte^ vor Christi Geburt den Gebrauch so grosser
Maschineneinrichtungen, wie sie die römischen Presshäuser enthielten, nicht
zugetraut haben.
Leonardo da Vinoi (1452—1519 n. Chr.).
(Erste Abhandlang.)
Im Jahre 375 n. Chr., als Flav. Vegetius schrieb, erschienen die Hunnen
in Europa. Das Jahrhundert der Völkerwanderung und die Zerstörung der
römischen Herrschaft über den Westen Europas begann. Diese wurde 476 durch
Odoaker vollendet. Es folgte die ebenso blutige Zeit der germanischen Staaten-
bildung imd der Ausbreitung des Christenthums mit dem Schwerte. Die Völker,
welche Bom besiegt hatten, suchten dessen Weltherrschaft nachzuahmen, die
römische Hierarchie auszubilden, römisches Wissen und römische Bildung zu
erlangen. Da aber die Bömer für die exakten Wissenschaften nur wenig Be-
gabung gehabt hatten, so konnte auf diesem Gebiete nichts geleistet werden,
80 lange man ihnen nur nachstrebte; es bedurfte dazu der Anregung von
anderwärts.
Diese Anregung gaben zunächst die Araber durch die Ausbildung der aus
Indien stammenden Algebra und Trigonometrie und ihr besseres Verständniss
griechischer Klassiker. Fast aus ganz Europa zogen im zehnten Jahrhundert
Wissbegierige nach Spanien, um von den Arabern zu lernen. Auch das Be-
kanntwerden des Abendlandes mit dem Osten durch die Kreuzzüge wirkte in
diesem Sinne anregend. Denn während bei uns die Theologie die angesehenste
Wissenschaft war, beschäftigten sich arabische Gelehrte vorzugsweise mit Mathe-
matik, Sternkunde imd Arzneiwissenschaft. Dem alles beherrschenden Klerus
im Abendlande aber waren diese Wissenschaften, aus welchen ohnedies dem
kirchlichen Despotismus Gefahr drohte, als „heidnische^' besonders verhasst.
Anatomie war ihm ein Gräuel, Physiker imd Chemiker waren in seinen und
der grossen Menge Augen Zauberer, Hexenmeister und arge Ketzer, und
ketzerische Schriften verbrannte man nicht selten sammt den Autoren.
Die Gefahren, welchen selbständig denkende Menschen im Mittelalter
ausgesetzt waren, sobald sie ihren Gedanken öffentlich Ausdruck gaben, lassen
vermuthen, dass damals Viele mehr dachten und wussten, als sie veröffent-
lichten. Bezüglich technischer Hilfsmittel ist dies um so wahrscheinlicher, als
ja auch in unserer Zeit Erfindungen und Entdeckungen auf technischem Gebiete
Einleitung. 89
oft lieber geheim gehalten und verwerthet, als pnblicirt nnd theoretisch be-
handelt werden. Es ist nicht anzunehmen, dass mit der Herrschaft der Römer
gleichzeitig alle ihre Kenntnisse und Fertigkeiten in solchen Dingen unter-
gingen, sondern dass diese von den Siegern gern benutzt imd von Geschlecht
zu Geschlecht überliefert wurden. Auch dass darin im Verlaufe eines Jahr-
tausends keinerlei Fortschritte gemacht worden seien, ist nicht wahrscheinlich.
Bezüglich der theoretischen Mechanik hat man bis vor Kurzem ange-
nommen, dass die Zeit von ÄRcmMEDEs bis Galilei eine geschichtliche Wüste
sei, aus der kein Schritt zur Vervollkommnung zu verzeichnen wäre, und dass
Galu^ei eine völlig neue Wissenschaft ohne Vermittlung ins Leben gerufen habe.
Seitdem man aber den Nachlass des Leonardo da Vinci, den man bis dahin
nur als grossen Maler imd Bildhauer gekannt hatte, genauer studirte, erkannte
man in ihm einen würdigen Vorgänger Galilei's, der als praktischer Ingenieur,
Naturforscher und theoretischer Mechaniker ebenso gross war, wie als Künstler'*').
Ist aber damit der Beweis der Stetigkeit geschichtlicher Entwicklung
bezüglich Gaule^s erbracht, so darf man sich auch durch die Freude über
Leonardo^s Genie und den Stolz, ihn einen der Unserigen nennen zu dürfen,
nicht verleiten lassen, dasselbe Gesetz bezüglich seiner zu ignoriren.
Die meisten Schriften des Leonardo, namentlich diejenigen, welche er in
den auf uns gekommenen Notizen erwähnt, vne das „Buch von der Bewegung'^,
eine „Abhandlung über den Stoss'^, die „Maschinenelemente", das „Buch von
der Schwere" und das „Buch vom Kraftmoment (libro del impeto)", sind ver-
loren. Was von seinen Schriften für uns übrig geblieben ist, sind nur Hand-
skizzen und handschriftliche Notizen, imd man muss im Auge behalten, dass
solche ebenso oft gemacht zu werden pflegen, um Gesehenes und Gehörtes fest-
zuhalten, oder Anderen zu verdeutlichen, als wie um eigene Gedanken zu
Papier zu bringen. Die Lehrthätigkeit, der sich Leonardo, wie wir später sehen
werden, in ausgedehntem Maasse widmete, sowie seine Thätigkeit als praktischer
Ingenieur mussten ihm häufig Gelegenheit zu Skizzen der ersteren Art geben.
Leonardo war 1452 zu Vinci, einem Marktflecken im Gebiete von Florenz,
geboren. Sein Vater war Notar der Signoria dieser Stadt, während für sie
unter der von Cosimo dei Medici geleiteten Regierung das „Mediceische Zeit-
alter^' begann, insofern man mit diesem Namen die Zeit der höchsten Blüthe
von Kunst, Wissenschaft, Handel und Industrie bezeichnet.
Was letztere betrifft, so waren besonders die Tuchfabrikation, Färberei
und Appretur von Alters her in Florenz gepflegt und zu jener Zeit weltberühmt
geworden. Auch die Seidenmanufaktur blühte damals in ganz Italien.
^) Für ans ist iD dieser Hinsicht namentlich Dr. Hermann Grothe's Schrift: .Leonardo
DA Vinci als Ingenieur und Philosoph', Berlin 1874, von Wichtigkeit, der wir das Meiste des
Nachstehenden entnehmen. Von dem LEONARoo'schen Ovalwerk wurde an diesem Orte um
deswillen abgesehen, weil dasselbe in Reuleaux's Kinematik § 72 erschöpfend dargestellt und
nftch seiner technischen Bedeutung gebührend gewürdigt worden ist.
90 Leonardo da Vinci.
Ein Jahr iiach Leonardo's Geburt fiel Könstantinopel in die Hände der
Türken. Tausende gebildeter Griechen flohen nach dem Westen und verbreiteten
die Kenntniss ihrer Muttersprache und ihrer Klassiker. Die gelehrtesten dieser
griechischen Flüchtlinge fanden bei Cosimo dei Medici würdige Aufnahme, um
zur Verherrlichung seines Hofes und als Lehrer in Florenz zu wirken. Die
kurz zuvor (1440 — 1450) erfundene Buchdruckerkunst machte die durch die
griechischen Lehrer übermittelten besseren Kenntnisse weiteren Kreisen zugäng-
lich, ein kräftiger, wissenschaftlicher Sinn erwachte, und der blinde Autoritäts-
glaube der Scholastiker musste allgemach der exakten Forschung weichen.
Florenz war der Mittelpunkt der griechischen Klassicität, und Leoxardo's wunder-
bare Begabung und grosse Liebe für alles Schöne und Wahre gestatten keinen
Zweifel, dass er in dieser Umgebung ein gründlicher Kenner der altgriechischen
und römischen Schriftsteller wurde. Auch darf vielleicht angenommen werden,
dass jenen griechischen Gelehrten noch einiges mehr von ihren Klassikern
bekannt war, als uns, was sie ihren Schülern mittheilten.
Bekannt ist, dass Leonardo als Knabe nicht nur von Verochio in allen
freien Künsten, als: Malerei, Bildhauerei, Metallguss, anderen Metallarbeiten
und Weberei, unterrichtet wurde und alsbald seinen Meister übertraf, sondern
dass er auch mathematische Studien und Musik eifrig pflegte. Dabei war er
bemüht, die Kunst auf sichere Regeln zu gründen, und bald umgab ihn eine
grosse Zahl von Schülern, so dass er als Lehrer mehr noch wirkte, denn als
Künstler.
Im Violinspiel erlangte er eine solche Virtuosität, das Ludovico Sforza
ihn in seinem 30. Jahre zunächst als Violinist an seinen Hof nach Mailand
berief. Er gründete dort eine Akademie der Wissenschaften und war thätig
als Ingenieur, Architekt, Maler und Bildhauer. In letzterer Eigenschaft sghuf
er das berühmte Modell zu einer Reiterstatue des Francesco Sforza, wovon
eine Zeichnung sich noch in München befindet. 1490 begann er seine Abhand-
lung über Licht und Schatten zu schreiben, 1497 beschäftigte ihn die Schiff-
barmachung des Kanals von Martesana, ein bedeutendes Werk, das zum Reich-
thume der Stadt viel beitrug. Ebenso segensreich wirkte er für die Land-
wirthschaft durch die Kanalisation des Ticino. Dabei schuf er sein berühm-
testes Gemälde: Das heilige Abendmahl im Refektorium des Dominikanerklosters
St. Maria delle grazie, eine Reihe anderer Gemälde und Porträts, sowie Zeich-
nungen der verschiedensten Art, nicht nur künstlerische, sondern auch solche
von Oefen, Geräthen für die Schifffahrt und hydraulischen Maschinen. Auch
beschäftigte er sich eingehend mit anatomischen Studien. 1499 in seinem
47. Lebensjahre, als Ludovico Sforza durch Louis XH. von Frankreich ver-
trieben worden war, verliess er Mailand und wandte sich zunächst wieder nach
Florenz, wo er die schönen Porträts: Ginevra de Benei und Mona Lisa del
Giocundo malte, welch' letzteres Franz L von Frankreich für die damals enorme
Summe von 45000 Frcs. ankaufte.
Lebensbeschreibung. 91
Die Unsicherheit der politischen Zustände mochte jedoch Leonardo den
längeren Aufenthalt in seiner Vaterstadt verleiden. Lobenzo, genannt „der
Prächtige", der Enkel des vorhin genannten Cosimo dei Medici war 1492 ge-
storben, nachdem er durch zu grossen Aufwand dem Bankerotte nahe ge-
kommen war, der Staat aber in Anerkennung der Verdienste seines Hauses
um das Gemeinwesen seine Schulden übernommen hatte. Sein Sohn Pietro
war 1494 von dem Mönche Savonarola vertrieben worden, der jedoch mit
seiner republikanischen Partei nur kurze Zeit am Ruder geblieben und 1498
als Ketzer verbrannt worden war. Jetzt stand Pietro Solderini an der Spitze
der Regierung, hatte aber in einem Kriege gegen Pisa seine Kräfte so er-
schöpft, dass er den Eroberungsplänen des Cesare Borgia, welcher Louis XII.
auf seinem Zuge nach Mailand begleitet und sich der Romagna bemächtigt
hatte, nun aber als Verbündeter des Pietro dei Medici Florenz bedrohte, keinen
Widerstand entgegenzusetzen hatte. 1502 trat Leonardo da Vikci als Ingenieur
in die Dienste dieses Cesare Borgia, als welcher er die Festungswerke des
Herzogs zu verstärken, neue zu errichten und Kriegsmaschinen zu bauen hatte.
Der Herzog aber gab nach dem zwei Jahre später erfolgten Tode des Pietro
DEI MEDia seine Pläne gegen Florenz auf.
1507 kehrte Leonardo auf Bitten seiner Freunde und infolge der Auf-
forderung des Königs Loüis XII. nach Mailand zurück, wo ihn der Martesana-
Kanal und das Bassin St. Cristoforo aufs neue beschäftigten, insbesondere aber
der Ersatz des Wassers, welches zu Berieselungen den Flüssen entnommen
wurde, durch Quellenbohrungen, wie sie noch heute in der Ebene von Lodi-
Giano zu finden sind. Auch leitete er .die Ausschmückung der Stadt zum
Triumphzuge des Königs und wurde Hofmaler desselben.
Im Jahre 1512, als Maximilian Sforza, Ludovigo's Sohn, mit Hilfe der
Schweizer Mailand wieder eroberte, war Leonardo in Florenz und ging 1514
in seinem 62. Lebensjahre zur Inthronisation des Papstes Leo X. nach Rom,
wo damals der 31jährige Rafael und der 39 jährige Michel Angelo auf der
Höhe ihres Ruhmes standen. Dieser Umstand, Misshelligkeiten mit Michel
Angelo und die Ungunst des Papstes gegen Leonardo, der für einen Franzosen-
freund galt, Hessen ihn hier nicht zu befriedigender Wirksamkeit kommen.
Missvergnügt Hess er Pinsel und Palette ruhen und vergrub sich in das Stu-
dium des Fluges der Vögel und des Problemes der Luftschifffahrt. Im folgenden
Jahre aber kehrte er zum Einzüge des Königs Franz I. von Frankreich nach
Mailand zurück und die grosse Verehrung und aufrichtige Freundschaft, welche
dieser ritterliche König ihm entgegen brachte, bewogen ihn, in seinem 65. Lebens-
jahre mit ihm nach Frankreich zu ziehen.
Dort lebte er noch zwei Jahre ruhig und hochgeehrt in Amboise, mit dem
Projekte des Kanals von Romorantin beschäftigt, von dem uns die Zeichnungen
noch erhalten sind, und starb 1519.
Ist es auch nur eine Sage, dass Leonardo in den Armen Franz I. ge-
92 Leonardo da Vinci.
storben sei, so ist sie doch bezeichnend für das schöne Verhältniss zwischen
diesem weltlichen und jenem geistigen Fürsten.
Leonardo hinterliess ein Testament, demzufolge Francesco da Melzo als
Belohnung für seine Freundschaft sammtliche nachgelassene Schriften und
Handzeichnungen erhielt. Dieser verwahrte sie ängstlich bis zu seinem Tode;
seine Nachkommen aber hatten keine Ahnung von deren Werth. Sie ver-
schenkten 13 Bände davon an Mazenta, einen Ingenieur und Festungsbaumeister ;
einen anderen Theil erhielt Aretin, Sohn des Kardinals Leoni und Bronzegiesser
am Hofe Philipps H. von Spanien. Durch dessen Begehrlichkeit auf den Werth
der Manuskripte aufmerksam geworden, bat Dr. Horatio Melzi den Bruder
des Mazenta um Rückgabe der 13 geschenkten Bände und erhielt sieben davon
zurück. Von den übrigen kam einer später in die Ambrosianische Bibliothek
nach Mailand, einer an Herkules BiANcm, einer an den Herzog von Savoyen
und drei an Aretin. Dieser formte aus einer Reihe von Bänden ein grosses
Volum von 392 Blättern, welches später, sowie ein weiterer vollständiger Band
und einige einzelne Manuskripte ebenfalls in die Ambrosianische Bibliothek
kam. Eine Anzahl LEONARDo'scher Manuskripte kam 1610 durch Graf Arundel
nach London in das British Museum, ebenso einige anatomische Studien, wahr-
scheinlich aus dem Codex des BiANcm stammend. Eine Reihe solcher Schriften,
die im Besitze des Melzi geblieben war, kam an das Florentiner Museum.
Auch befinden sich einige Blätter in Venedig.
Die Sammlung der Ambrosianischen Bibliothek wurde 1796 von den
Franzosen als Kriegsbeute nach Paris gebracht mit Ausnahme des grossen,
von Aretin zusammengestellten Codex atlanticus.
Aus diesem Nachweise über den Verbleib der Manuskripte des Leonardo
geht schon hervor, warum deren Inhalt so lange unbekannt blieb. Zwar wurden
einige Bände mehrfach kopirt, und auch die Ambrosianische Bibliothek ent-
hält einen solchen kopirten Band, zwar erwähnte Vasari 1568 die nachge-
lassenen Schriften des Leonardo über Mechanik, Physik und Maschinen, und
seine Abhandlung über Malerei wurde 1651 zu Paris gedruckt, aber im
Uebrigen geht aus dem Stillschweigen der naturwissenschaftlichen Schriftsteller
des 16. und 17. Jahrhunderts hervor, dass sie jene Schriften nicht kannten.
Erst Ventüri verbreitete durch sein ;,Essai sur les ouvrages physicoraathe-
matiques^ Paris 1797, die Kunde davon. Er hatte die Schriften in Paris ge-
sehen und trotz der Schwierigkeit, welche aus der Eigenheit des Leonardo, von
rechts nach links zu schreiben, erwächst, dieselben studirt und gefunden, dass
deren Verfasser ein würdiger Vorgänger Galilei's sei. 1828 wurde Leonardo's
Schrift über Wasserbewegung und Wassermessung zu Bologna gedruckt und
Elia Lombardini sagt später in seinen „Oservazioni storico-critiche" von ihm,
dass er der Urheber einer systematischen Hydraulik gewesen sei. Libri nahm
1840 in seiner „Geschichte der mathematischen Wissenschaften" bereits ein-
gehender Rücksicht auf ihn, aber erst 1872 veröffentlichte Dr. Hermann Grothe
Verbleib seiner Handschriften und Skizzen. 93
eine Reihe von Abhandlungen über Leonardo mit Kopien von technischen und
physikalischen Handzeichnungen desselben und danach seine Schrift „Leonardo
da Vinci als Ingenieur und Philosoph", Berlin 1874, welche den Zweck ver-
folgt, die hohe Bedeutung Leonardo's als Ingenieur und Naturforscher zu be-
weisen. Diese fand dann auch in der „Kritischen Geschichte der allgemeinen
Prinzipien der Mechanik" von Dr. E. Dühring, Leipzig 1877, volle Anerkennung.
Leonardo war frei von der Büchergelehrsamkeit der Scholastiker ; eigene
Beobachtung und Mathematik waren die Grundlagen seines Forschens. Er war
einer der ersten in Italien, die bei mathematischen Betrachtungen das Plus-
und Minuszeichen gebrauchten. Auf vielen künstlerischen Entwürfen und
anderen Blättern seiner Manuskripte, welche eine mathematische Betrachtung
nicht vermuthen lassen, finden sich geometrische Figuren in den Ecken, an
den Rändern oder mitten darauf.
Wir können hier auf die ausserordentlich mannigfaltigen mathematischen
und physikalischen Untersuchungen Leonardo^s, welche Dr. Grotue mittheilt,
nicht näher eingehen und müssen uns auf wenige Bemerkungen darüber be-
schränken.
Es bedarf keines besonderen Hinweises darauf, dass Leonardo das Hebel-
gesetz kannte, denn des Aristoteles „Mechanische Probleme" waren ihm ge-
wiss bekannt, und darin heisst es in Kap. 4: „Die bewegte Last steht zu der
bewegenden im umgekehrten Verhältniss der Entfernungen^ (vom Drehpunkt).
Und von der Schnellwaage mit verschiebbarer Stütze heisst es darin Kap. 21 :
^Jederzeit wird die grössere Nähe der Stütze bei der Schale ein grösseres
Gewicht der darin abzuwägenden Last angeben ^ weil die ganze Waage ein
nach entgegengesetztem Verhältniss der Gewichte getheilter Hebel ist, dessen
Unterlage der Auf hängehaken der Waage ist, während die Last in der Waag-
schale liegt.^ Das Faktum, dass Aristoteles das Hebelgesetz kannte und klar
aussprach, wird dadurch nicht alterirt, dass sein Versuch, es auf einfachere
Grundsatze zurückzuführen, misslungen ist. Ebenso findet sich auch die Zurück-
fuhrung der Rollen, Walzen, Kurbeln, Zangen u. s. w. auf das Hebelgesetz,
sowie der Satz vom Parallelogramm der Bewegungen, beziehungsweise dem
Parallelogramm der Kräfte schon bei Aristoteles. Dagegen scheint der Be-
griff vom „potentiellen Hebel" bei Leonardo neu und eigenthümlich zu sein.
Er sagt: Es sei AT ein Hebel (Fig. 85), sein Drehpunkt sei in -4, das Ge-
wicht 0 in T aufgehängt, und die Kraft N, welche dem Gewichte 0 die Waage
hält. Man ziehe Ä B senkrecht nach B 0 und Ä C senkrecht auf C N. Ich
nenne AT den reellen Hebel AB^ AC potentielle Hebel und man
hat die Proportion N: 0 = AB: AC.^^ (D. h. die Kräfte müssen sich um-
gekehrt verhalten wie ihre potentiellen Hebel.)
„Sei nun M das Gewicht, gehalten durch das Seil in A Jlf, dessen Ende
in -4. (Fig. 86) befestigt ist; sei femer das Gewicht und das Seil in J. Jlf ausser-
halb der senkrechten Stellung A B mittelst der Ivraft F zurückgehalten, deren
94
Leonardo da Vinci.
Richtung MF mit AM einen rechten Winkel bildet, so wird die Kraft F
sich zum Gewichte Jtf" verhalten, wie AC zu AM''' (weil nämlich F als an
dem potentiellen Hebel A M und M als an dem potentiellen Hebel A C wirkend
zu betrachten ist).
Dr. E. DüHRiNG sagt in seiner „Kritischen Geschichte der allgemeinen
Principien der Mechanik" S. 16 von J. B. Benedetti, einem Nachfolger des
Leonardo (gest. 1570): „Bei Gelegenheit des nicht geraden Hebels bekundet
er (Benedetti) eine Kenntniss von dem Begriffe des Momentes im heute üblichen
Sinne des Wortes, indem er S. 143 sagt: „»dass die Grösse eines behebigen
Gewichtes oder die bewegende Kraft (virtus movens) in Beziehung auf eine
andere Grösse durch den Nutzen (beneficio) der Senkrechten erkannt werde, die
vom Mittelpunkte der Waage auf die Linie der Neigung gezogen würden.^ " —
„Dies ist die Grundlage der gegenwärtigen Theorie der Momente*^, sagt
DDhring; es ist aber dabei übersehen, dass Leonardo da ViNa in den oben
citirten Sätzen dieses Princip bereits deutlicher ausspricht als Bexedetti.
Fig. 85.
Fig. 80.
Fig. 87.
Von Guido Ubaldi (geb. 1545) sagt Dr. E. Dührixg auf derselben Seite
genannten Werkes: „In seinem Buche über Mechanik gebraucht er die Ver-
hältnisse der virtuellen Geschwindigkeiten am Hebel als Erklärungsprincip u. s. w.^
Dass aber Leonardo bei statischen Berechnungen schon eine Methode anwandte,
welche dem Principe der virtuellen Geschwindigkeiten nahe kam, ersieht man
aus folgendem Beispiele. Er sagt:
„Ist die Schnur FM (Fig. 87) durch zwei gleiche Kräfte an F und 31
gespannt, und befestigt man in der Mitte der Schnur in X ein kleines Ge-
wicht C, so wird dieses den Punkt N bis A herabziehen, während die Gewichte
FM hinaufsteigen. Mit dem Iladius MN beschreibe man einen Kreis. Der-
selbe schneidet AM in B und es wird nun die Bewegung des Gewichtes S an
Jlf gleich Ali sein. Der Punkt N steigt herab bis die Proportion eintritt:
C:S = BAiNA^^ (d. h. bis die zurückgelegten Wege der beiden Gewichte
sich umgekehrt verhalten wie diese selbst). — Dieser Satz ist in dem vor-
liegenden Falle unrichtig, weil die zurückgelegten Wege NA und AB^ trotz
des während der Bewegung stets wechselnden Verhältnisses der momentanen
Geschwindigkeiten anstatt der virtuellen Geschwindigkeiten in der Gleich-
Seine theoretischen Kenntnisse. 85
gewichtslage in die Gleichung eingesetzt werden; wo aber das Verhältniss der
jeweiligen Momentangeschwindigkeiten während der Bewegung konstant bleibt,
wie dies beim Hebel thatsächlich der Fall, ist diese Verwechslung zulässig und
für solche Fälle stimmt die hier angewendete Methode im Resultate mit dem
Principe der virtuellen Geschwindigkeiten überein.
Der Grundgedanke zu diesem Principe ist noch deutlicher in folgender
Stelle von Seite 185 des Codex N in Paris ausgesprochen :
„Wenn man irgend eine Maschine zum Bewegen schwerer Körper gebraucht^
80 haben alle Theile der Maschine, welche eine gleiche Bewegung mit derjenigen des
schweren Körpers haben^ eine dem ganzen Gewichte des ganzen Körpers gleiche
Belastung. Wenn der Theil, welcher der bewegende ist, in derselben Zeit mehr Be-
wegung äussert, als der bewegte Körper, so hat er mehr Kraft als der bewegte
Körper** (d. h. er kann mit geringerer Anstrengung bewegt werden und die Last
heben) „und er wird sich um so viel schneller (soll heissen: leichter) l)ewegen, als
der Körper selbst Wenn der Theil, welcher der bewegende ist, weniger Schnellig-
keit hat, als der bewegte, so wird er um so viel weniger Kraft haben" (d. h. um so
viel schwerer zu bewegen sein) „als der bewegte Körper**.
Tis- 8iJ. Fig. 8y.
Es fehlt hier nur die Präcisirung, dass bei stetig wechselndem Verhält-
niss der beiden zu vergleichenden Geschwindigkeiten die Betrachtung auf einen
bestimmten Zeitmoment beschränkt werden rauss, um das Princip der virtuellen
Geschwindigkeiten klar zum Ausdruck zu bringen.
Ventüri theilt aus den Manuskripten in Paris folgende Stelle mit:
„Der Herabgang des Körpers A (Fig. 88) auf der Linie A C hat im Ver-
gleiche zu dem Falle AB eine um so grösjsere Zeit nöthig, als AC länger als ^42?,"
woraus hervorgeht, dass Leonardo die Fallzoit eines Körj>er.s auf der schiefen P^bene
richtig zu bestimmen wusste. Dass er diese Erkenntnij^s auch auf das Pendel anzu-
wenden verstand, ergiebt sich aus dem Satze:
„Der schwere Körper A (Fig. 89) steigt schneller auf dem Kreisbogen ACE
herab, als auf der Linie ^7t."
Zieht man ferner eine von Libri mitgetheilte Aeusserung Leonardo's in
Betracht, der zur Folge er sich beim Falle die Geschwindigkeiten in arith-
metischer Progression wachsend dachte, so kommt man zu dem Schlüsse, dass
ihm die Grundzüge der Theorie des Falles bekannt gewesen sein müssen.
Im Hinblick auf obige Sätze darf man auch annehmen, dass er aus den
drei seinen Manuskripten entnommenen Skizzen Fig. 90, 91 und 92 die üleich-
gewichtsbedingungen für eine auf eine schiefe Ebene gestellte Kugel richtig
herleitete. Denn oftenbar soll durch Fig. 90 gezeigt werden, dass bei einer
auf horizontaler Ebene stehenden Kugel die durch den Schwerpunkt gehende
96 Leonardo da VincL
Senkrechte durch den Stützpunkt der Kugel geht, während Fig. 91 zeigt, dass
dies bei der schiefen Ebene nicht der Fall ist. Es ist nach obigem wahrschein-
lich, dass Leonardo in der Entfernung des Stützpunktes von dieser Senkrechten
den potentiellen Hebel der Schwere der Kugel erkannte und daraus die Gleich-
gewichtsbedingung ableitete. Fig. 92 bestärkt in dieser Ansicht, indem hier
das im Schwerpunkte resultirende Gewicht Q der Kugel nach dem Beispiele
des Archimedes bei Begründung des Hebelgesetzes in zwei parallele Kräfte -^
zerlegt zu sein scheint, wovon die eine durch den Stützpunkt geht, die andere
aber an einem potentiellen Hebel wirkt, welcher doppelt so gross ist, als die
a
Fig. 90. Fig. 91. Fig. 92.
Entfernung des Stützpunktes von der Senkrechten durch den Schwerpunkt der
Kugel. Waren daher Angriflfspunkt und Richtung der Kraft gegeben, welche
das Herabrollen der Kugel verhindern sollten^ so war ihre nothwendige Grösse
nach der oben angegebenen Methode des Leonardo leicht zu bestimmen. Dass
Fig. 93. Fig. M.
er dabei das Rollen der Kugel auf Drehungen um Momentanaxen zurückführte,
ist um so wahrscheinlicher, als schon Aristoteles in Kap. 9 seiner „Mecha-
nischen Probleme" den Gedanken aussprach, dass man das Rollen eines Kreises
betrachten könne, wie ein fortwährendes „Umsinken" desselben nach der Rich-
tung der Bewegung, was mit anderen Worten dasselbe sagt wie „Drehung
um die durch den jeweiligen Stützpunkt gehende Momentanaxe nach der
Richtung der Bewegung." —
Die Kugelgestalt der Erde war schon von den altgriechischen Philosophen
angenommen worden. Vitruv sagt in lib. 8, Kap. 5, seines Werkes „de archi-
tectura": „Es könnte aber Jemand, der des ARcmNEDES Bücher gelesen, ein-
wenden, dass man mit Wasser keine verlässliche Nivellirung vornehmen könnte,
weil das Wasser nach dessen Ansicht keine wagerechte Oberfläche bilde, sondern
eine sphärische Figur beschreibe, die dort ihren Mittelpunkt
habe, wo ihn die Erde hat", und Heron von Alexandrien sagt in Kap. 1
Schiofu Ebene, Rotation der Erde, relative Bewegung, Reibung. 87
seiner „Paeumatica" : „Wenn die Oberfläche einer Flüssigkeit mnd ist und den
gleichen Mittelpunkt mit der Erde hat, wird sie stehen bleiben,'^ Aus folgender
Betrachtang des Leonardo aber geht hervor, dass zu seiner Zeit auch die
Drehung der Erde um ihre Äxe bekannt war, während man gewöhnlich an-
nimmt, dass bis zu Copkbn'icus (dessen Buch : „De orbium coelestium revolutio*
nibos" im Jahre 1543, dem Todesjahre des Autors, im Drucke erschien) die
Astronomie seit anderthalb Jahrtausenden unverändert, und das Ptolemäische
System mit seiner im Mittelpunkte des Weltalles bewegungslos ruhenden Erde
das allgemein anerkannte geblieben sei. (Vergleiche beispielsweise den Artikel
„Copemicus" in Piereh's Conversationslexicon). Auch ersieht man aus nach-
stehender Betrachtung, dass dem Leonardo der Begriff der „relativen Bewegung"
und die Herleitung einer resultirenden aus zwei gegebenen, gleichzeitigen Be-
wegungen nicht fremd war. Er sagt:
»Sei A (Fig. 96} der Körper, welcher in den Elementen fällt, die er durcheilt
um nach dem Mittelpunkte M der Welt zu kommen. Ich sage, dass diese Last^
(relativ zur Erde) in einer Spirale herabsteigend, nicht aus
der geraden Linie herausgehen wird, welche sie ala Weg ^
nach dem Mittelpunkte der Erde verfolgen musa. Denn
nenn der Körper von A ausgeht, um nach B zu kommen,
eo wird, während er nach B geht und in die Lage C
kommt, der Punkt Ä bei Drehung in D ankommen;
betrachtet man nun die Lage des Körpers, so fmdet man,
dass er sich immer in der geraden Linie befindet, welche
ferst Ä) jetzt D mit dem Mittelpunkte der Welt verbindet.
Wenn der Körper nach F weiter geht, wird zu gleicher
Zeit der Punkt D nach £! wandern. Während des
Herabsteigens von F nach G dringt dlo Drehung E
iu die Lage H. So steigt der Körper auf die Erde ri«. vs.
herab immer unterhalb des Ausgangspunktes. Es ist
dies eine lusammengeaetzte Bewegung, sie ist zu gleicher Zeit geradlinig und kurven-
förmig etc."
Dass die Erde sich dreht, wird hier offenbar als bekaimt vorausgesetzt;
wie gefährlich es aber war, dies drucken zu lassen, lehrt das Schicksal
Gaulei'b.
Ueber die Reibung, welche noch lange nach Leonardo von den meisten
Schriftstellern über Mechanik nicht berücksichtigt wurde, sagt er:
„Die Reibungen der Körper sind von so verschiedener Starke, als es Ver-
schiedenheiten in der Schlüpfrigkeit der sich reibenden Körper giebt. Die Körper,
welche auf der Oberfläche mehr geglättet sind, haben eine geringere Reibung. Jeder
Körper widersteht, eine glatte Ebene und polirte Oberfläche vorausgesetzt, mit einem
Vieith«! seiner Schwere. Wenn ein polirter Körper eine polirte schiefe Ebene lu
passiren hat mit dem Viertheil seiner Schwere, so ist er von selbst geneigt zur- Be-
w^ung auf diesem Abhänge." (Also war auch der Begriff: „Reibungswinkel" dem
Leohabdo nicht fremd.) „Die Reibung irgend eines Körpers mit verschiedenen
Seitenflächen verursacht den gleichen Widerstand, gleichviel auf welcher Seite er
Begti wenn es nur eine Ebene ist, auf welcher er sich reibt" fd. h. mit anderen
Worten: Die Grösse der Reibung ist von der Grösse der sich reibenden Flachen
anabh&ngig).
06
Leonardo da Vinci.
O
Gegen die Möglichkeit des Perpetuum mobile, das noch Jahrhunderte lan
in den Köpfen vieler Mechaniker spukte, spricht sich Leonardo mehrfach ganz
entschieden aus.
Auch mit der Festigkeit der Materialien und der zur Haltbarkeit
nöthigen Dimensionirung derselben hat er sich viel beschäftigt, wie aus zahl-
reichen Skizzen hervorgeht, welche mit den Figuren grosse Aehnlichkeit haben,
die wir heute in den betreffenden Abschnitten unserer Lehrbücher zu finden
gewohnt sind. Seine Resultate kommen dabei unseren heutigen Annahmen
sehr nahe. Auch von Betrachtungen dieser Art findet sich noch Jahrhunderte
nach Leonardo nichts in den Büchern.
Als Wasserbau-Ingenieur, von welchem Werke, wie der Adda-Kanal und
der Kanal von Martesana im Yeltlin heute noch bestehen, musste er auch die
üg. M.
Fig. »7.
Fig. 98.
Eigenschaften des Wassers studirt haben. Des Archimedes Schrift über die
schwimmenden Körper und Heron's Fneumatica wird er gekannt haben und
aus ersterer das, was man heute mit dem Namen: „Auftrieb^' des Wassers
bezeichnet, aus Heron's Schrift aber die Gesetze von den Hebern und von den
konmiunicirenden Röhren. Er musste daraus wissen, dass sich die Ausfluss-
geschwindigkeit aus dem Heber nach der Höhendiff^erenz richtet zwischen der
AusflussöfiTnung'und der Oberfläche des Wassers, in welches der andere Schenkel
eintaucht, und bezüglich der kommunicirenden Röhren sagt Heron im 1. Kap.
der Fneumatica ganz allgemein: „Weil jede zusammenhängende Flüssigkeit eine
runde Oberfläche bildet, wie die Erde und auch den gleichen Mittelpunkt mit
ihr hat, fliesst die sich bewegende Flüssigkeit so lange bis beide Theile (mit
ihren Oberflächen) in der gleichen Kugelfläche stehen." Ebenso musste ihm
aus § 73 der Fneumatica bekannt sein, dass das erwärmte und durch die
Wärme „aufgelockerte" Wasser sich über das kalte erhebt. Es kann uns
Festigkeit, Lampe, Taacherhelm, Fallschirm, Dampfkanone. d9
daher auch nicht wundem, dass dahingehende Notizen und Skizzen sich bei
Leonario finden. Weitergehend aber sind seine Bemerkungen über die Wirbel-
bewegung des Wassers beim Ausfliessen aus einem Gefässe durch eine in der
Mitte des Bodens befindliche Oeffnung und seine treffliche Abhandlung über die
Wellenbewegung des Meeres.
lieber die Luft lehrte schon Heron, dass sie aus Molekülen bestehe und
Elasticität besitze, und dass das Feuer sie zerstöre, so dass dadurch z. B. in
einem Schröpf köpfe ein luftverdünnter Raum entstehe, und Vitrüv erwähnt in
lib. 8, Kap. 6, dass die Luft so sehr mit Dünsten geschwängert sein könne,
dass weder ein Licht darin brennen, noch ein Mensch darin leben könne.^ Da-
gegen weist Leonardo entschiedener und deutlicher darauf hin, dass die Luft
die Flamme ernährt, dass ein stärkerer Luftstrom sie leuchtender machen kann
und konstruirt, auf diese Beobachtung gestützt, eine Lampe mit Glas-
cy lind er (Fig. 96). Leider schreibt er auf die beiden Hälften der kugel-
förmigen Glasglocke: „acqua, acqua", weil er ohne Zweifel meinte, der Glas-
cylinder müsse durch Wasser kühl erhalten werden, und daran mag wohl die
praktische Verwendbarkeit seiner Lampe gescheitert sein.
Auf den Eigenschaften der Luft basirt auch ein von ihm konstruirter
Schwimmgürtel und der Taucherhelm (Fig. 97), welcher mit der Luft
über dem Wasser durch einen Schlauch in Verbindung gesetzt ist, dessen Ende
durch ein schwimmendes Brett über dem Wasser gehalten wird.
Wie schon erwähnt, beschäftigte sich Leonardo auch mit dem Probleme
der Luftschifffahrt und suchte Flügel für Menschen, ähnlich denen der Vögel,
zu konstruiren, wobei ihm seine anatomischen Studien zu Statten kamen.
Interessanter, als diese fruchtlosen Bemühungen dürfte für uns jedoch die Skizze
(Fig. 98) von einem Fallschirme sein mit der Bemerkung:
„Wenn man ein dichtes Zeltdach hat von 12 Ellen Seitenlänge und 12 Ellen
Höhe, kann man sich von jeder grossen Höhe herablassen, ohne Schaden zu
nehmen."
Seine Notizen über Akustik, Optik, Wärme und Befestigungskunst können
wir hier nicht besprechen. Unter den zahlreichen Geschützen, welche er
skizzirte, ist der Architronito, oder die Dampfkanone von besonderem
Interesse, welche er als eine Erfindung des Archimedes bezeichnet, obgleich in
den auf uns gekommenen Schriften desselben nichts davon zu finden ist. Wir
geben in Fig. 99 eine der Skizzen dieser Dampfkanone wieder. Die dazu
gehörige Beschreibung lautet:
„Der Architronito ist eine Maschine von feinem Kupfer, welche eiserne Kugeln
mit grossem Geräusche und vieler Gewalt fortschleudert. Man macht so Gebrauch
von dieser Maschine: Das Dritttheil des Instrumentes steht in einer grossen Menge
Feuer und Kohlen. Wenn das Wasser recht erhitzt ist, wird die Schraube des mit
Wasser gefüllten Gefässes abc niedergeschraubt, und in demselben Augenblicke,
wo dies geschieht, entweicht das ganze Wasser nach unten, fliesst in den erhitzten
Tbeil des Instrumentes und verwandelt sich sofort in Dampf, der so bedeutend und
7*
103
LeoDirdo da VincL
Als weitere Konsequenzen ans den Globoid-Schranbenrädern mit ivelligen
Schraub enSächen sind die kraftscblüssigen Mechanismen Fig. 107 und Fig. 108
m betrachten, von welchen Leonahdo ersteren zur Bewegung einer Zange,
letzteren zu der eines Hammers projektirt.
Fig. 109 zeigt eigecthümliche Hebedaumen, die zur Vei^rösserung
des Hubes und Vermeidung grösserer Reibungswiderstände mit mehreren Zähnen
versehen sind. Möglich, dass aus diesen die um hundert Jahre später von
Rahelu mit Vorliebe angewendeten, zur Hälfte verzahnten Räder entstanden sind.
Fig. 110 zeigt ein eigenthümlicheB Schaltwerk, bei welchem das
innen gezahnte Schaltrad die hin- und herschwingende Bewegung macht und
eine darin liegende, mit Sperrklinken versehene Scheibe in absetzend rotirende
Bewegung versetzt. Bei dieser Anordnung kann das Spiel des Mechanismus
leicht durch eine auf das Zahnrad befestigte Deckplatte verborgen werden, und
yig. lt:>.
Fi«. 111
es ist wahrscheinlich, dass darin der Grund zu dieser Anordnung zu suchen
ist, denn aus verschiedenen Bemerkungen Leoxardo's geht hervor, dass er es
liebte, den Beschauern seiner Maschinen die Einsicht in deren Zusammenhang
zu erschweren.
Von bemerkenswertben Maschinenelementen finden sich ferner in Leonardo's
Skizzen :
Die in Fig. 111 dargesteliten Ketten, welche man heutigen Tages Vaucan-
sOüf'sche und GALL'scbe Ketten zu nennen pflegt.
Fig. 112. Haken und selbst sich schÜessende Zangen zum
Anhängen von Lasten an Krahnen.
In Fig. 113 sehen wir eigenthumlich gebildete Kolben und Becher,
erstere für ein Patemosterwerk, letztere für ein Schöpfwerk bestimmt.
Die Fig. 114 ist bemcrkenswerth, weil dieselbe einen Schubstangen-
oder Charnierkopf mit verstellbarem Inlager darzustellen scheint, während
gerade die Charnierbildung bei den Maschinen bis ins vorige Jahrhundert hinein
eine sehr unvollständige, meist nur kraftschlüssige blieb.
Ueb«<]Bameii, Eetteo, Steilhange, Erdbohrer, Tuchscheere. 103
Von VTerkzeug^n and WerkzengmaschiDen , welche sicli in Leonabdo's
Skizzen finden, heben wir femer hervor:
Fig. 115. Ein Erdbohrer zur UersteUung artesischer Brunnen, von
Leonardo genannt: „Trivella per forar pozzi alla Modeneee". Ans der. Be-
zeichnung: pozzi alla Modenese scheint hervorzi^ehen, dass das Bohren von
Brunnen damals namentlich in Modena gebräuchlich war.
Fig. 116. Eigentbümhche Form eines Federhammer8(?).
Fig. 117. Entwurf einer Tuchscheerraascbine, bei welcher der
Scheertiscb in einen rotirenden Cylinder verwandelt ist, während die Scbeere
fest liegt. Leonahdo giebt zahlreiche Skizzen von Tuchscheermaschinen. Die
grösste Anordnung zeigt vier Scbeer-
tische mit vier Tuchscheeren von
der alten Form. Diese sucht Leo-
nardo bei seinen verschiedenen Ent-
würfen abwechselnd durch Kurbeln,
Doppelkurbeln, Daumenräder, Federn
u. s. w. zn bewegen. Wahrscheinlich
waren solche Maschinen in den zahl-
reichen Tuchfabriken zu Florenz im p^g, ^g^
Gebrauche.
Fig. 118. Eine Maschine zum Ziehen von Metallfedern. Mittelst
Tau und Zange wird die Feder durch die Presse (eine verstellbares Zieheisen)
gezogen. Dies geschieht vermittelst einer Kurbel, einer Zahnriiderübersetzung
und einer Seiltrommel auf der Axe des Zahnrades. Die Presse ist durch einen
Keil und eine Schraube verstellbar.
Es sei hier erwähnt, dass das Drahtziehen mit Wasserkraft etwa um
1350 anfktun, das Drahtziehen von Hand dagegen schon früher betrieben wurde.
IM
IieoDardo d« ViiieL
(Vergleiche: Dr. Ludwig Beck, „Geschichte des Eisens". Bratinschweig 1884.
Seite 888).
Fig. 119. Eine Bohrmaschine zum Bahren von Bninnenrohren ans
Holz. Auf einem kräftigen Gestalle ist in einem Gerüste die Bohrwelle mit
dem Bohrer gelagert, der gegen das Ende bin durch eine Führung gestützt
wird. Der zu durchbohrende Baum wird in eine Art Klemmfutter eingespannt.
Dasselbe besteht aus einem Hohtcylinder mit dicken, achteckigen Endflanschen,
durch welche je vier Stellschrauben gehen. Diese sind durch Bügel an der
Drehung Terhindert und werden durch drehbare, aber durch die Bügel an der
Verschiebung gehinderte Muttern bewegt. Diese sind aussen verzahnte, cylin-
drische Körper und je Tier an einer Flansche befindliche Uuttem werden durch
einen in üe eingreifenden, verzahnten Iting gleichzeitig gedreht, so dass sie den
auszubohrenden Baum stets richtig centriren. Die Einspannvorrichtung sitzt
auf einem Schlitten, welcher durch eine Leitspindel in der Richtung des Bohrers
verschoben wird.
Diese Bohrvorrichtnng steht in Bezug auf mechanische Vollständigkeit
erstaunlich viel höher als die Bohrvorrichtungen, welche man noch Jahrhunderte
später zum Bohren von Brunnenrohren u. s. w. anwendete. Wahrscheinlich
konnte den Anforderungen, welche dieselbe an die Genauigkeit der Ausführung
und die Unveränderlichkeit des Konstruktionsmateriales stellte, damals noch
nicht entsprochen werden. Gusseisen kannte man damals wenig und verwendete
es nur zu Kanonenkugeln, ordinären Geschützen und Ofenplatten (vergleiche:
Dr. Ludwig Beck, „Geschichte des Eisens". Braunschweig 1884. Seite948),
Ziehbank, Bolinnascbine, Steinsäge. 105
und Holz, welches das Hauptmaterial zum Bau der Maschinen war, verzieht
sich bekanntlich zu sehr, um exakte Ausführungen zu gestatten. Die Ent-
wicklung der Eisengiesserei machte den modernen Maschinenbau erst möglich.
Es sei noch bemerkt, dass der Gebrauch hölzerner Brunnenröhren im
westlichen Europa kurz nach Christi Geburt aufgekommen zu sein scheint, denn
ViTRüv zählt für Wasserleitungen nur Blei- und Thonröhren auf; Pllmus der
Aeltere aber sagt in seiner ,5Historia naturalis", lib. XVI, § 79: „Die Fichte,
Weisstanne und Erle werden zu Wasserröhren ausgebohrt und halten sich
unter der Erde viele Jahre." Gusseiserne Wasserleitungsröhren kamen erst in
der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf und blieben für Trinkwasser-
leitungen wegen des Eostes, der sich darin bildet, noch lange Zeit unbeliebt.
Die Wasserleitung, welche Louis XIV. von Marly nach Versailles in seine gross-
artigen Gartenanlagen führen Hess, war wohl eine der ersten, bei welchen guss-
eiseme Röhren angewendet wurden.
Da Dr. H. Grothe an dieser Stelle sagt, dass Böckler, dessen Theatrum
machinarium novum 1661 erschien, der erste bisher bekannte Schriftsteller sei,
welcher „Bohrmühlen" abbildete, sei darauf hingewiesen, dass dieselbe Zeich-
nung, wie sie Böckler's Theatrum enthält, schon in Salomon de Caus: „Les
raisons de forces mouvantes", Frankfurt a. M. 1615, deutsch ebendaselbst 1624,
lib. I, Problem XIX, zu finden ist*). Eine ganz ähnliche Bohrmaschine mit
Tretrad-Betrieb, aber zum Ausbohren von Geschützen, findet sich dagegen
in der 1540 zu Venedig erschienenen „Pyrotechnia" des Vanuccio Biringüccio,
lib. VII, Kap. Vin, skizzirt und beschrieben, worauf wir später zurückkommen
werden.
Fig. 120. Eine Maschine zum Zersägen von Steinen resp.
Marmor. Die Kunst des Marmorsägens ist schon alt. Plimus sagt darüber
in lib. 36, § 6, seiner 9,historia naturalis": „Ich weiss nicht, ob es eine Er-
findung Kariens ist, dass man den Marmor in dünne Platten schneidet. So
viel ich etwa auffinden kann, ist der Palast des Mausolus zu Halicarnassus das
älteste Gebäude, das mit prokonnesischem Marmor ausgeschmückt und von
Backsteinen erbaut war. Dieser starb im zweiten Jahre der Olympiade 106,
im Jahre Roms 404." (Also um 350 vor Chr.)
Dann sagt er weiter in § 9 desselben Buches:
„Wer aber auch der Erfinder des Marmorschneidens sein mag, so war es jeden-
falls ein unglücklicher Einfall, eine Materie des Luxus noch zu zertheilen. Das
Marmorschneiden geschieht mit Sand, es scheint aber, als ob es mit Eisen geschähe.
Eine Säge drückt in einer sehr engen Riefe auf den Sand und schneidet, indem sie
hin- und hergezogen wird. Den äthiopischen Sand hält man hierzu für den besten . . . ."
Unsere Fig. 120 ist dem Blatte 195 (Nr. II) des Codex atlanticus ent-
nommen. Leonardo giebt von der Steinsäge auf der Mitte des Blattes eine
flüchtige Skizze, daneben und darunter noch einige andere, wobei bemerkens-
*) Auch nnter den nachstehend ahgehandelten , Skizzen aus der Zeit der Hussitenkriege*
findet sich eine solche von einer Maschine zum Bohren hölzerner Brunnenrohre.
106 Leonardo da Vinci.
werth ist, dass in diesen flüchtigen Skizzen der Sägr&bmen an über Rcillen
geleiteten nnd mit Gegengewichten verBehenen Schnüren oder Ketten aufgehäi^
ist. Bei einer Skizze von eiDem einseitigen Sägerahmen steht die Bemerkung:
„barbera stainpa!" d. h. barbarische Form! Ausserdem befinden sich etwa
32 Detailakizzen über die Befestigung iler Sägeblätter in dem Rahmen, die
Spannvorrichtung derselben und die tivradführung des Rahmens auf dem Blatte,
und endlich gelangt dann Leonardo zw der in unserer Fig. 120 wiedergogebenen,
ausführlichen Zeichnung, die mit Sepia schattirt ist, und welche mit der noch
heute in C-arrara u. s. w. gebrauchten Slarmorsäge übereinstimmen soll. Die
Idee, die Säge au Schnüren aufzuhängen und mit tiegengewichten abznbalanciren.
ist hier nicht beibehalten.
stein sSge, FeilenbanniascbiDe.
107
Nach Vollendung dieser Zeicbnong Bcheint Leonardo noch auf den Ge-
danken gekommen zu sein, die zwei Sägeblätter zu einem Blatte ohne Ende zu
vereinigen und anstatt der sogenannten Zange a (Fig. 120} die Zange b anzu-
wenden, mit herausnehmbarem Bolzen, um welchen sich das Sägeblatt ohne
Ende herumlegt, was das Herausnehmen der Sägeblätter erleichtert. Dies gebt
aus einer der schriftlichen Bemerkungen auf dem betreffenden Blatt« hervor.
Eine andere dieser Bemerkungen lautet:
„Wenn nur eine von den zwei Sägen den Stein berührt" (im Anfange des
Schnitten wegen Unebenheit der Oberfläche), „so sorge man dafür, dsss 8ie in der
Mitte dea Rahmens sei, damit das Gewicht dei Rahmens immer im Gleichgewicht
über der Schn«de der Sago sei. Dies ihuC man, bis die zweite Sage mit dem zu
schneidenden Steine in Berührung kommt und dann setze man die zwei Sägen in
die MlUe dea Rahmens. Der Schub der Säge musä so weit gehen, biä der Schwer-
punkt derselben am Ende des zu schneidenden Steines ankommt und noch etwas
weiter, damit die Säge sich am leichteren Theile erhebe und dem Sande '.
gewähre. Deswegen muss die Bewegung der Säge so lang sein, wie die Länge
Steines, den man schneiden eoU, wenigstens bei diesem hier, aber nicht bei allen,
denn er könnte so klein oder so gross sein, dasa eine solche Regel nicht gut wäre.
100
LeoDudo dm Tinci.
werth ist, daea in dieEen flüchtigen Skizzen der SägrahmeD an über Itollen
geleiteten and mit Gegengewichten versehenen Schnüren oder Ketten aufgehängt
ist. Bei einer Skizze Ton einem einseitigen Sägerabmen steht die Bemerkung:
„barbera stampa!" d. h. barbarische Form! Ausserdem befinden sich etwa
32 Detailskizzen über die Befestigung der Sägeblätter in dem Rahmen, die
Spannvorrichtung derselben und die tleradführung des Rahmens auf dem Blatte,
und endlich gelangt dann Leonardo zu der in unserer Fig. 120 wiedergegehenen,
ansfilhrlichen Zeichnung, die mit Sepia scbattirt ist, und welche mit der noch
heute in Carrara u. s. w. gebrauchten Marmorsilge übereinstimmen soll. Die«
Idee, die Sage an Schnüren aufzuhängen und mit Gegengewichten abznbalanciren,
ist hier nicht beibehalten.
stein lAge, FeiltnhaumsBchine.
107
Nach Votleodung dieser ZeichnuDg Bcheint Leonardo noch auf den Ge-
danken gekommen zu sein, die zwei Sägeblätter zu einem Blatte ohne Ende zu
vereinigen und anstatt der sogenannten Zange a (Fig. 130) die Zange b anzu-
wenden, mit herauBnehmbarem Bolzen, um welchen sich das Sägeblatt ohne
Ende hemmlegt, was das Herausnehmen der Sägeblätter erleichtert. Dies geht
aus einer der schriftlichen Bemerkungen auf dem betreffenden Blatte herror.
Eine andere dieser Bemerkungen lautet:
„Wenn nur eine von den zwei Sägen den Stelo berührt" (im Anfange des
Schnitten wegen Unebenheit der Oberfläche), „so sorge mau dafür, dtiäa sie in der
Mitte des Rahmens sei, damit das Gewicht des Kahmens immer im Gleichgewicht
über der Schneide der Säge sei. Dies thut man, hU die zweite Sage mit dem zu
schnddenden Steine in Berührung kommt und dann setze man die zwei Sägen in
die Mitte des Rahmens. Der Schub der Säge niuss so weit geben, bis der Schwer-
punkt derselben am Ende des zu schneidenden Steines aukonmit und noch etwas
weiter, damit die Säge sich am leichteren Theile erhebe und dem Sande Zugang
gewähre. Deswegen muss die Bewegung der Säge so lang sein, wie die Länge des
Steines, den man schneiden eoll, wenigstens bei diesem hier, aber nicht bei allen,
denn er könnte so klein oder so gross sein, dass eine solche Regel nicht gut wäre.
108 Leonardo da Vinci.
Sorge (In für, dass die Unterlage des Steines, welcher geschnitten werden soll,
wenn du sie zusammenleimst, einen 2iOll höher sei, als die Oberfläche des Tisches;
man liiuss dies thun, damit die Säge sich lüften und den Schmirgel unter sich
nehmen kann."
Bezüglich des Trittbrettes vor dem Sägegestelle und der Verbindung beider
mit einander sagt eine andere Bemerkung:
„a ß sind Schrauben, um die Bank an den Schemel anfügen und befestigen zu
können, auf welchem der Säger sägt, und diese Bänder bewirken, dass der Tisch
sich beim Sägen nicht hin- und herschieben kann."
Fig. 121. Eine Feilenhaumaschine von Leonardo schon vor dem
Jahre 1505 entworfen. Die Konstruktion derselben dürfte aus der Zeichnung
klar genug hervorgehen und keiner weiteren Erklärung bedürfen, nur muss
erwähnt werden, dass die Kurbel an der Vorgelegwelle nicht während der
Arbeit, sondern vor Beginn derselben gedreht wird, um das Gewicht A (welches
an einem oben über eine in der Zeichnung nicht sichtbare Rolle gehenden Seile
aufgehangen ist) zu heben und so die Maschine wie eine Thurmuhr aufzuziehen;
während der Arbeit soll dagegen die Bewegung der Maschine durch das Herub-
^ü
lig. 122.
sinken dieses Gewichtes bewirkt werden. Neben der von uns wiedergegebenen
Zeichnung befinden sich noch zwei Hammerköpfe mit nach verschiedenen Rich-
tungen schräg gestallten Schneiden skizzirt, welche auf den Hammerstiel gesteckt
werden sollen, um die kreuz weisen Hiebe für Metallfeilen hervorzubringen,
während der auf den Hammerstiel gezeichnete Kopf einen Hieb hervorbringt,
wie er für Homraspeln geeignet ist. Merkwürdig ist es gewiss, dass mit dem
Problem des Feilenhauens mit Maschine, das bis auf den heutigen Tag noch
nicht ganz befriedigend gelöst ist, Leonardo schon vor etwa 400 Jahren sich
beschäftigte.
Fig. 122. Eine Spindel zu einer Spinnmaschine. Diese ist mit einem
Flügel versehen, der mit unserem modernen Vorspinnflügel übereinstimmt Die
Spule erhält nur Drehung; die Spindel dagegen bei rascherer Drehung auch
Hin- und Herverschiebung in der Axenrichtung. Für Spindel und Spule kommen
gesonderte Bewegungsübertragungen zur Anwendung. In der Zeichnung (Fig. 122)
ist aa der Flügel, h die Spindel, c die Spule, d die Spulwelle, e der Spulen-
wertel, g der Spindelwertel, i das Spindellager, h ein Muff auf der Spindel für
die Gabel tw, welche (wahrscheinlich von einer Kurvennutenscheibe her) den
Muff k umfasst und der Spindel die hin- und hergehende Bewegung ertheilt,
welche für die Vertheilung des Fadens auf der Spule nothwendig ist.
Spindel zu einer Spinnmaschine, Wasserräder.
109
Diese Skizze Leonardo^s mag etwa aus dem Jahre 1490 stammen, während
doch die Flügelspindel von Jon. Jürgens aus dem Dorfe Watenbüttel bei Braun«
schweig um das Jahr 1530 erfunden sein soU, (Vergleiche Pierer's Konver-
sationslexikon, Artikel „Spinnen''.)
In Zonca's „Novo Theatro di Machine'% Padua 1621, finden sich Ab-
bildung und Beschreibung einer Seide- Zwirnmaschine mit ganz ähnlichen Spindeln
und Spulen wie bei der in „Karmarscu und Heeren^s Technologischem Wörter-
buche''. Dritte Auflage. Band YIU, S. 134, beschriebenen Seide-Zwimmaschine,
und es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Zwimmaschine schon zu Leo-
KARDo's Zeit im Gebrauche war und dass deren Spindel und Spule ihm als
Grundlage zu vorliegender Konstruktion diente. Originell und seiner Zeit weit
vorauseilend scheint hierbei das Hin- und Herschieben der Spindel zur gleich-
massigen Vertheilung des Fadens auf der Spule zu sein» denn gewöhnlich nimmt
Fig. 123.
Fig. 124.
Fig. 125.
man an, dass erst 1792 und 1795 der Engländer Antis eine Vorrichtung an-
gegeben habe, um eine gleichmässige Aufwickelung des Fadens durch Hin- und
Herschieben der Garnspule zu bewirken«
Zum Schlüsse betrachten wir noch einige flüchtige Skizzen Leonardo's
tber Wasserräder.
Fig. 123 scheint ein oberschlächtiges Wasserrad darzustellen. Was
zunächst die schiefe Schaufelstellung ziu: Vergrösserung des wasserhaltenden
Bogens anbelangt, welche Dr. H. Grothe für eine Verbesserung des Leonardo
zu halten scheint, so möchten wir darauf hinweisen, dass in Agricola^s Werk
^de re metallica^, Basel 1530, das wir demnächst näher betrachten werden,
alle oberschlächtigen Räder mit schräg gestellten Schaufeln abgebildet sind.
Da aber dieses Werk den Beweis liefert, dass der Maschinenbau und besonders
der Bau oberschlächtiger Wasserräder in den deutschen Berg- und Hütten-
werken damals schon weit entwickelt war, imd da auch Vanugcio Biringucgio
in seiner „Pyrotechnia" sagt, dass er hauptsächlich in Deutschland gereist sei,
am seine Kenntnisse im Berg- und Hüttenwesen zu vermehren, so darf man
annehmen, dass oberschlächtige Wasserräder mit schräggestellten Schaufeln
audi zu IiBONARno^s Zeit, wenigstens in Deutschland, nichts Neues mehr ge-
110 Leonardo da Vinci.
wesen sind. In anderen Ländern waren sie vielleicht weniger in Gcbranch,
und jedenfalls standen sie bei den Theoretikern noch lange Zeit in Misskredit,
denn selbst Belidor räth noch in seiner 1737 — 1751 erschienenen „Architectura
hydraulica" lib. IL Kap. I, § 644, das Wasser in einer weiten, schrägen Holz-
röhre auf die halbe Höhe des Rades herabstürzen, es da erst auf die Schaufeln
treffen und durch ein Radgerinne nach dem tiefsten Punkte des Rades ge-
langen zu lassen, anstatt es oberschlächtig wirken zu lassen.
Bei a scheint in Fig. 123 ein Spannschütze vorgesehen zu sein, bestehend
aus einem Brett, das sich über einer Oeffnung im Boden des Zuleitungskanales
vermittelst einer Zugstange ab und eines Hebels verschieben lässt. Die An-
nahme, dass eine solche Regulirung selbstthätig durch das Rad geschehen sollte,
dürfte wohl zu gewagt erscheinen.
Noch verdient Erwähnung, dass die Radschaufeln in Fig. 123 gekrümmt
sind. Es scheint, als ob Leonardo dabei von dem Gefühle geleitet gewesen
wäre, dass das Wasser möglichst ohne Stoss in die Zellen eintreten müsse.
Fig. 124 ist ein Löffelrad von der Form wie es Beudor 1737 in seiner
„Architectura hydraulica" lib. IL Kap. 1, § 666 besonders deutlich abbildete.
Die Löffel sind hier wie doppelt gekrümmte Schaufeln geformt. Beudor sagt,
dass diese Räder in der Provence und Dauphinc einheimisch seien. Auch
in Werken des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts findet man solche
häufig abgebildet, doch ohne Angabe des Ursprunges. Der Gedanke, das
Wasser in einer stehenden Röhre anzusammeln, um es von da horizontal auf
das Rad ausströmen zu lassen, ist beachtenswert!! und scheint dem Leonardo
eigenthümlich zu sein, da anderwärts der Wasserzufluss in offenem Gerinne
mit starker Neigung angegeben wird.
Fig. 125 zeigt ein Rad derselben Gattung mit einer Beschaufelung, die
sich durch ihre Einfachheit auszeichnet.
Mag auch manches in Leonardo's maschinellen Skizzen uns nur deshalb
überraschen, weil wir von dem damaligen allgemeinen Stande der praktischen
Mechanik nichts wissen, so ist doch auffallend, wie sehr seine Genialität ihn
dem modernen Maschinenbau näher stehend erscheinen lässt, als die meisten
seiner Nachfolger auf diesem Gebiete in den nächsten zweihundert Jahren.
Vanueeio Biringueeio (um 1540 n. Chr.).
Vanugcio Biringuccio, ein Edelmann aus Siena, war der erste Schrift-
steller, welcher über Metallurgie in italienischer Sprache schrieb. Sein jetzt
sehr selten gewordenes Werk „Pirotechnia" erschien zum erstenmal 1540 zu
Venedig, spätere Auflagen 1550, 58 und 59. Letzterer entnehmen wir das
Is'achstehende. Biringuccio's Werk hat, abgesehen von seinem hohen Alter,
deshalb besonderen Werth, weil die darin enthaltenen Mittheilungen auf eigenen
Beobachtungen des Verfassers beruhen, wie beispielsweise aus einer Stelle des
ersten Buches hervorgeht, wo er in der Einleitung zu seinen Angaben über
Messinggiesserei sagt: „Da ich keine anderen Kenntnisse besitze, als solche,
die ich mit eigenen Augen gewonnen habe, so spreche ich mit Gewissheit^^
Ueber das Leben unseres Autors ist nur wenig bekannt. Mazuchelli
nennt ihn in seinem 1760 zu Brescia erschienenen Werke: „Gii scrittori d'Italia"
einen Mathematiker, welche Bezeichnung man aber damals auch allen Me-
'Chanikem und Ingenieuren beilegte, und sagt: „er wurde von vielen Fürsten
berufen, um bei ihnen zu arbeiten, und diente dem Pier Luigi Farxese, Herzog
von Parma, dann dem Hercules von Este, Herzog von Ferrara, und den
Venetianem".
Pier Luigi Farxese, ein natürlicher Sohn des Papstes Paul HL, war Herzog
Ton Parma während der Zeit von 1545 — 1547, und wenn Mazuchelli fortfährt,
dass BmiNGUccio dann bei Hercules von Kste gedient habe, so kann damit
nur Hercules IL gemeint sein, der von 1534 bis 1559 Herzog von Ferrara
war; nicht aber Hercules L, wie Joh. Beckmann in seinen „Beiträgen zur Ge-
schichte der Erfindungen", Leipzig 1782, meint. Es ist daher anzunehmen,
dass BmiNGUGCio diese Staatsanstellungen erst erhielt, nachdem er durch seine
..Pirotechhia" berühmt geworden war. Ueber sein früheres Leben geben nur
einige Stellen seines Werkes geringen Aufschluss.
Zunächst ist in dieser Beziehung eine Stelle aus lib. I, Kap. VI, be-
merkenswerth, wo davon die Rede ist, dass alle anderen italienischen Eisenerze
schwerer zu verhütten seien, als das von der Insel Elba, und gesagt wird:
„Dies habe ich in unserer Gegend von Siena erfahren, als ich noch als an-
^hender Jüngling (giovanettp) in dem Thale von Bocheggiano war, wo von dein
112 Vanuceio Biringuccio.
reichen Fürsten Pandolfo mehrere Gebäude zu einer Eisenhütte eingerichtet waren.
Und da mir die Fürsorge für den Betrieb übertragen war, nahm ich ausser den
Eisenerzen von Elba auch von denen, welche sich in der Nachbarschaft jenes Ortes
finden und gelangte dazu, sowohl mit den einen als mit den anderen gute Geschäfte
zu machen/'
Da Pandolpo aus der Familie der Petrucci etwa von 1490 — 1510 an der
Spitze der Regierung von Siena stand, so muss BiRiXGucao, da er sagt, dass
er damals ein Jüngling gewesen sei, etwa zwischen 1473 und 1493 geboren sein.
Aus mehreren Stellen seines Werkes geht hervor, dass er viele seiner
Erfahrungen in Deutschland und namentlich in Oesterreich gesammelt hat. In
lib. III, Kap. II, wo von der Aufbereitung der Erze die Bede ist, sagt er:
„. ... durch solche Massregeln muss man es dahin bringen, wenn das Erz
nicht von Natur leicht schmelzbar ist, dass man den Widerstand seiner Härte besiegt,
indem man dabei stets Geduld und die Voraussicht des Meisters walten lässt Und
diesem Zwecke entsprechend, erinnere ich mich, in Deutschland, wo solche
Kunst vielleicht am meisten in der ganzen Christenheit blüht und
geübt wird, nicht nur die Anordnung der Schacht- und Flammöfen, sondern auch
die Aufbereitungsarbeiten gesehen zu haben.'*
Auch beschreibt er in der Vorrede seines Werkes Bergwerke auf silber-
haltige Kupfer- und Bleierze, die er im Herzogthume Oesterreich zwischen
„IspurcV^ und „Alla'' gesehen habe (wir werden später auf die Bedeutung
dieser Namen zurückkommen), und giebt noch bestimmtere Nachrichten hierüber
in lib. I, Kap. II, wo von den Silbererzen die Rede ist und es heisst:
„Von den Sorten, welche ich im Venetianischen gesehen habe, wie in Carnia
(Krain) und an mehreren anderen Orten, kann ich nicht sagen, dass ich je bessere
gesehen hätte; auch sind viele Gruben dort, und zwar sind die meisten auf Kupfer
mit Silber. So unter anderen in dem Berge „Auanzo'^ (wahrscheinlich das heutige
Auronzo im oberen Piave-Thal, wo noch heute Bergbau auf Galmei und Blei betrieben
wird), wo ich mit gewissen Edelleuten in Kompagnie tra^ um längere Zeit darin
arbeiten zu lassen. Und da mir die ganze Sorge dafür oblag, suchte ich Gelegenheit,
von Anderen etwas abzusehen, und ging deshalb zwei Mal nach Deutschland, um
die Gruben zu sehen, welche in diesem Lande sind und imi mir Erfahrung zu
sammeln. Bald durch Abgesandte, bald durch eigenes Sehen und bald von Solchen,
von denen ich wusste, dass sie praktisch seien, suchte ich zu lernen, so dass ich
dort so viele Kenntnisse sammelte, als ich bei der Sache, die wir zu prakticiren hatten,
bedurfte. Und diese Sache war eine gute, denn wir hatten mehr als 3^/s Unzen
Silber auf jeden Centner Erz, und gewiss hätten wir gute Früchte davon geemtet,
wenn das Schicksal uns damals nicht einen Krieg zwischen Kaiser Maximilian und
der Signoria von Vendig gebracht hätte, welcher bewirkte, dass jene Gegenden von
Friaul und Carnia unbewohnbar wurden und uns zwang, unser Unternehmen auf-
zugeben und jede Einrichtung, die wir dort getroffen hatten, zu zerstören. Und da
dieser Krieg Längere Zeit dauerte, kam es zur Auflösung unserer Gesellschaft, und
ich schlug einen anderen Weg ein, verfolgte aber jenen immer noch in Gedanken.
Und als es später dazu kam, dass ich wieder nach Hochdei.tschland zurückkehrte,
suchte ich mit noch grösserem Fleisse als zuerst mich dort umzusehen, und zwar
in Sbozzo, Plaiper, Ispruch, Alla und Arotimbergh und dann bin ich in Italien an
mehreren Orten gewesen, und schliesslich kann ich sagen: Das Meiste und Beste,
was ich gesehen habe, was das reinste Silber enthält, sind die Gruben, welche sich
in Vicentina (dem Gebiete von Vicenza) in einem aschgiauen Gesteine befinden, wie
ich oben schon sagte.**
Lebensgeschichte. 113
Daraus geht hervor, dass der Berg „Auanzo", in welchem die Grube
war, bei der Biringuccio betheiligt gewesen, im Gebiete von Vicenza lag; der
genannte Krieg aber, wegen dessen diese Gruben aufgegeben wurden, muss der
der Ligue von Cambrai gegen Venedig gewesen sein, welcher 1509 begann, und
es ist deshalb anzunehmen, dass Biringuccio in den Jahren vor 1509 jenes Berg-
werk betrieb und kurz nach 1509 seine wichtigste Reise in Deutschland machte.
In Betreff dieser ist auch noch eine Stelle aus lib. II, Kap. VIU, von Interesse,
wo über Salzwerke gesprochen wird und wo es heisst:
y,Aber so viele Gegenden es auch giebt, die sich keines anderen Salzes bedienen
als desjenigen, welches man aus den Bergen gräbt (Steinsalz), so gebraucht man doch
auch noch andere Hilfsmittel als die Arbeit des Ausgrabens, und als beste Bestätigung
hiervon will ich, ausser anderen Orten, von denen ich reden könnte, Euch erzählen,
dass ich mich erinnere, zu Halla im Herzogthum Oesterreich gesehen zu haben, wie
ein kleiner Bach mit süssem Wasser nur dadurch, dass man ihn durch einen Berg
fliessen lässt, in dem Steinsalz ist, so salzig wird, dass dieses Wasser in gewisse
Kessel gebracht wird, die aus Eisenplatten etwa 4 Ellen gross im Durchmesser über
einem Ofen angebracht sind u. s. w."
Da nun Hall am Inn das älteste und berühmteste Salzwerk in Tirol
hatte, was heute noch ungefähr 300000 Ctr. Kochsalz in einem Jahre liefert,
wobei die Salzsohle aus dem etwa 8 km nördlich gelegenen Salzberg nach der
Saline geleitet wird, da femer Ispruch (ch wird im Italienischen wie unser k
ausgesprochen) ohne Zweifel Innsbruck (Innspruck, im Volksmunde Spruck) be-
deutet, wo 1480 eine bedeutende Silberschmelze angelegt wurde, so ist klar,
dass BmiNGUCcio im Innthale war. Der grossartigste Hüttenbetrieb im Innthale
aber war zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts zu Schwaz, was die Tiroler
wie Schwoz aussprechen, und da die italienische Sprache weder ein Seh noch
ein w kennt und BmiNGUCCio die Namen jedenfalls nach dem Klange derselben,
wie sie von den Eingeborenen gesprochen wurden, niederschrieb, so konnte er
dies kaum anders als Sbozzo schreiben. Femer bestanden um das Jahr 1500
bei dem heutigen Rattenberg im Innthal etwa 100 Silbergruben und 15 Silber-
hütten. Sagt der Tiroler: „zu Rattenberg", so klingt dies wie „zua Rotem-
berg" und unser Italiener machte daraus begreiflicherweise Arotimbergh. Der
Name Alla dürfte wohl nur eine andere Schreibweise für Halla oder Hall sein,
da das h im Italienischen lautlos ist und ausser huomo und einigen Ausrufen
kein italienisches Wort mit h anfängt. Was endlich den Namen Plaiper betriflft,
so dürfte dieser für Bleiberg stehen und wohl Bleiberg in Kärnthen, Regierungs-
bezirk Villach gemeint sein, wo das nachweislich seit mehr als 300 Jahren
betriebene Bergwerk noch jetzt jährlich 35—40000 Ctr. Blei und Galmei liefert.
Da sich in der Pfarrkirche zu Hall am Inn ein Gemälde von Albrecht
DöRER (geb. 1471, gest. 1528) befindet und BmiNGUCCio in lib. IX, Kap. XH,
seiner „Pirotechnia", wo von sphärischen Spiegeln die Rede ist, sagt:
„ViTELLTO, ein ausgezeichneter Mathematiker, schrieb ausführlich über deren
Proportionen und unter den Neueren Albrecht DCrer, ein Deutscher, in seinem
Buche über Architektur.
Beck. 8
114 Vanuccio Biringuccio.
Ausserdem erinnere ich mich aber auch an diejenige (Proportion), von welcher
mein Freund, jeuer deutsche Ehrenmann (gendlhuomo), mir sagte, dass er sie dem
Seinigen (nämlich seinem sphärischen Spiegel) gegeben habe u. s. w/*
80 darf man vielleicht annehmen, dass Biringuccio zu Hall mit Dürer bekannt
und befreundet wurde.
Aus einer Stelle in lib. VII, Kap. VIII, wo von der Benagelung der
Lafettenräder die Rede ist, geht hervor, dass unser Autor auch mit Alfonso I.
VON Este, Herzog von Ferrara, bekannt war und vielleicht in dessen Diensten
stand. Diese lautet:
„ , . . . und deshalb sind für solche Gegenden jene (Nägel) am besten, welche
ebene Köpfe haben, die mit einem Stempel in die Dicke des Reifes eingelassen
werden, so dass sie ausserhalb desselben keine Erhöhungen bilden. ^lit diesen machte
jener weise Alfonso, Herzog von Ferrara, Erfahrungen, der mir mit eigenem Munde
pagte, dass er zu Artillerie-Fahrzeugen bei so gemachten Rädern nur ein Paar nöthig
habe und zwei Pferde oder Ochsen."
Alfonso I. regierte von 1505—1534.
An einer anderen Stelle, lib. VI, Kap. IV, wo von der Herstellung von
Hautrelief-Formen die Rede ist, wird gesagt:
„Und auf ähnliche Weise machte idi zur Zeit der Belagerung von Florenz im
Dienste der Republik das Bodenstück einer doppelten Feldschlange, an welchem ein
grosser Kopf von einem Elephanten (Leofante) angebracht war, gross und in Pro-
portion zu der Grösse des Geschützes, welches 11 ^/s Ellen lang war, aus einem Guss,
von 18000 Pfd. Gewicht"
Im Jahre 1527 kam in Florenz die republikanische Partei unter Führung
der Familie Strozzi wieder einmal ans Ruder ; der Kaiser aber versprach dem
Papste, dieTlorentiner wieder den Medici zu unterwerfen, und ein kaiserliches
Heer unter Führung des Prinzen Phiupp von Oranien belagerte vom 14. Okt.
1529 bis 12. Aug. 1530 die Stadt, welche schliesslich kapituliren musste.
BmiNGUCGio muss also zu dieser Zeit in den Diensten der Republik Florenz
gestanden haben.
Endlich sagt noch eine Stelle, lib. VI, am Schlüsse von Kap. XIV, wo
von der Aufhängung der Glocken die Rede ist, und insbesondere davon, dass
man diese auch unbeweglich aufhängen und nur den Klöppel bewegen kann:
„Auch ich that dies, um die Glocke auf der Engelsburg zu erhalten, welche bei
dem fortwährenden Lauten durch die Schläge oft zerbrochen wurde. Und als ich
zur Zeit des Papstes Paul HL diese Glocke wieder gemacht hatte, musste ich über
viele Arten (der Aufhängung) nachdenken.^'
Paul III. war Papst von 1534 — 1549, folglich muss BmiNcuccio kurz vor
dem Jahre 1540, in welchem sein Werk im Drucke erschien, zu Rom beschäftigt
gewesen sein.
Dies ist Alles, was wir über sein Leben in Erfahrung bringen konnten,
und wir wenden uns nun zur Betrachtung des Inhaltes seines Werkes.
Von den zehn Büchern desselben handelt das erste von den Erzen und
den Eigenschaften des Goldes, Silbers, Bleies und Eisens, vom Stahl und vom
Inhalt Beines Werkes «Pirotechnia*. 115
Messing. Das zweite handelt vom Quecksilber, dem Schwefel, Antimon, den
Kiesen der Metalle, dem Vitriol, Alaun, Arsenik, Auripigment, Realgar, Koch-
salz, Salpeter, Salmiak, Steinsalz, Soda, Galmei, Safifara, Braunstein, Magnet-
stein, Oker, Bolus, Borax, Ultramarin (aus lapis lazuli), von den Edelsteinen
und dem Glase. Dabei wird von den verschiedenen Arten der Schmelzöfen
und insbesondere von der Konstruktion der Schachtöfen, die für Eisen zu
schmelzen 7 bis 8 Ellen Höhe erhielten, mit den dazugehörigen grossen Blas*
bälgen gesprochen. Die Bereitung des Messings und seine Bearbeitung schildert
der Verfasser, wie er sie in Mailand gesehen hat, und war der beschriebene
Betrieb bereits ein ganz fabrikmässiger. In der Abtheilung desselben, wo die
kleinen Gegenstände geformt wurden , musste ein Arbeiter je acht Tage lang
immer ein und dasselbe Modell abformen. Vom Eisen wird unter anderem
gesagt, dass es in Stahl verwandelt werde, indem man es längere Zeit in ge-
schmolzenem Eisen (Gusseisen) eingetaucht halte, was von Reaumur in seinem
Werke: „L'art de convertir le fer en acier", Paris 1722, nach eigenen Ver-
suchen bestätigt wurde.
Das dritte Buch der „Pirotechnia" giebt Anleitung zum Probiren der
Erze und der Aufbereitung, zur Einrichtung der eigentlichen Hüttenwerke und
der Konstruktion der Schacht- und Schmelzöfen und behandelt den Schmelz-
prozess, das Saigem des Schwarzkupfers, das Affiniren des Silbers und Goldes
und die Darstellung der Holzkohlen. Das vierte Buch handelt von der
Scheidung des Goldes und der Bereitung des Scheidewassers, das fünfte Buch
von der Legirung des Goldes, Silbers, Kupfers und Zinns, das sechste Buch
von der Giesserei, dem Modelliren und Formen, insbesondere von Geschütz-
und Glockengiesserei, von der Aufhängung der Glocken und dem Löthen ge-
borstener Glocken. Das siebente Buch beschreibt ausführlich die Konstruk-
tion grosser Flammöfen, sowie anderer kleiner Schmelzöfen und geht dann zu
den mechanischen Einrichtungen, zum Betriebe der Blasbälge und zum Aus-
bohren und Montiren der Geschütze über und lehrt schliesslich noch die Her-
stellung guss eiserner Geschützkugeln, von denen gesagt wird, dass sie anno
1495 in dem Feldzuge von König Karl VHI. von Frankreich gegen König
Ferdinand H. von Neapel zum erstenmal in Italien gesehen worden seien. Das
achte Buch lehrt, wie kleine Gegenstände zu^ formen und zu giessen sind;
das neunte handelt von Alchemie, vom Destilliren und Sublimiren, von Münz-
kunst, von der Gold-, Silber- und Kupferschmiedekunst, von Eisen- und Zinn-
bearbeitung, von der Schriftgiesserei, der Drahtzieherei, dem Vergolden, der
Verfertigung von Metallspiegeln, der Töpferei und der Kalkbrennerei. Wenn
wir aber sagten, es handelt zuerst von Alchemie, so müssen wir auch hervor-
heben, dass BmiNGUCCio, ebenso wie alle einsichtigeren Männer der Wissen-
schaft jener Zeiten, die Goldmacher und Diejenigen, welche nach dem Steine
der Weisen suchen, ganz entschieden für Phantasten oder Schwindler erklärt.
Auch der Glaube an Wünschelruthen und dergl. liegt ihm fern. Das zehnte
8*
116 Yanaecio Biringnecto.
und letzte Bach der „Pirotechnia" lehrt die Bereitung des Schiesgpulvers , die
Handhabung der Geschütze, das Anlegen von Minen nnd die Feuerwerkerei.
Wir müssen uns hier auf die Mittheilong folgender, mechanische Ein-
richtungen betreffender Stellen ans diesem interessanten Werke beschränken
Oib. VII, Kap. VII):
„Verschiedene Arten von Maschinen, um Blasbälge zum Metall-
echmelien eiuEurichten. Wichtige und nothwendige Hilfämittel für die meisten
Schmelzungen sind die Blasbälge, bei welchen nicht nur darauf zu sehen ist, dass
sie geschmeidig und reichlich mit Leder (panno, eigentlich Tuch) ausgestattet, sondern
auch, dasa sie lang und von gutem Aussehen sind, grossen Hub, gute Ventile und
lange, gut« Düsen haben, sotrie, dass sie nicht etwa durch Risse Wind verlieren. Es
ist für den Erfolg (des Schmelzprocesses) wichtig, sie so einzurichten, dass sie leicht
arbeiten, und deshalb will ich einige der gebräuchlichsten Maschinen angeben, deren
man sich bedient, um Blasbälge durch Wasser- Oiler Menschenkraft zu bewegen,
damit der Leser sich vorkommenden Falles derselben bedienen kann. Denn obgleich
jeder Meister jenen Erfolg nach seinem Dafürhalten zu erringen sucht, so stimmen
doch alle darin überein, dasa sie das Material schnell und kräftjg zu erhitzen suchen,
indem sie einen starken, mächtigen Wind anstreben, damit auch das Feuer stark
Fii. \x.
und mächtig werde. Da aber die Kräfte der Menschen grossen Dingen gegenüber
schwach sind, so sucht man nach Maschinen, indem man Hobel verschiedener Art
anwendet, oder sich der Hilfe des Wassers bedient.
Einige ordnen ein Kübelrad (Fig. 126), je nach der Lokalität und Wasser-
menge von sechs, sieben oder acht Ellen Durchmesser, so an, dass seine Welle unter
den Enden der unteren Deckel der Bälge durchgeht und dass an den geeigneten
Stellen je zwei einander gegenüber stehende Hebedaumen in dieser Welle befestigt
sind. Der obere Deckel der Blasbätge ist fest, der untere aber, durch nichts gehalten,
sinkt herab nnd Sffnet den Balg, welcher sich ausdehnt, bis er über der Welle des
Wasserrades angekommen ist, worauf der Hebedaumen der Welle, durch die Wasser-
kraft gedreht^ das Ende des unteren Deckels am Blasbalge hebt und es gegen den
oberen Tbeil drückt Wenn der Hebedaumen vorübergegangen ist, fällt der Balg
wieder zurück, und so wird das Ende des unteren Balgdeckels immer von Neuem
von dem Ende des Hebedaumens mitgenommen, wie aus der Zeichnung ersicht-
lich ist"
Schon hier sei bemerkt, dass Biringuccio in einer Stelle, die wir später
citiren werden, selbst sagt, dass er nur ungenügende Fertigkeit im Zeichnen
habe. Seine Abbildungen sind daher oft sehr mangelhaft, namentlich auch in
Betreff der Perspektive, und haben wir geglanbt, offenbare Zeichenfeliler bei
MechaDismen zur Bewegung voa Blasbälgen.
117
sonst möglichst treuer Wiedergabe des Originales den Beschreibungen ent-
Eprechend verbessern zu sollen. Bibincuccio lahrt fort:
„Man riclitet Blasbälge für Wasserkraft auch noch auf mehrere andere Arten
an, wovon Ich zwei beschreiben will, damit der Leser sich vorkommenden Falles mit
<Ueaen Einrichtungen oder Thellcn derselben aufrüsten könne.
Man mache zuerst ein Kübelrad, wie das oben erwäiinte, und an das Ende
des Zapfens, auf welchem es ruht, eine Kurbel (Fig. 127), wie die ^nes Schleif-
tlräies, welche, indem sie sich bebt, einen Hebel (mit seinem entgegengesetzten Ende)
niederdrückt, und indem sie herabgcht, denselben in die Höhe ziebt Dieser Hebel
(oder diese Stange) ist über den Blasbälgen gelagert und hat zwei Arme wie ein
Kreuz (d. h, die beiden Hebelanne bilden mit dem Pfosten, in dem sie gelagert sind,
ein Kreuz), an welchem die oberen Deckel der Blasbälge angebängt smd, wovon das
Rad, indem es sieb dreht, immer einen in die Hohe zieht.
Die zweite Art macht man der soeben beschriebenen ähnlich. Auch sie besteht
aus einem Wasserrade mit einer ähnlichen Kurbel am Ende des Zapfens und einer
auf Zapfen ruhenden Traverse über den Blasbälgen. Diese trägt am einen Ende
ein G^ngewicht und hat am anderen Ende auf der Seite dea Krummzapfens einen
Stiel (Fl&gelstange ?). Indem der Krummzapfen sich dreht, zieht er diesen Stiel herunter
und lässt ihn hinaufgeben, und da die Traverse an den geeigneten Stellen mit den
Bälgen verbunden ist, wird der eine davon niedergedrückt, wenn das Gegengewicht
gehoben wird, und der andere bebt weh, wenn dieser niedersinkt"
Hier hat der Drucker der uns vorliegenden Ausgabe der „Pirotecbnia"
die hierher gehörige Abbildung mit der in unserer Fig. 132 wiedergegebenen
verwechselt. Uebrigens unterscheidet sich die in Rede stehende Anordnung
TOD der Torhei^ebenden nur durch ein am Hebel oder Balancier angebrachtes
Gegengewicht, und wir haben deshalb nnr eine der beiden Abbildungen in
Fig. 127, wiedergegeben. Es heisst weiter:
„Für Menschenkraft macht man mehrere andere Hebvonichtungen an Blasbälge
durch verschiedene Hebel. Die gewöhnlichste und gebräuchlichste ist die mit einem
aufrechten, in Zapfen gelagerten Kreuze und mit einer Stange, welche an dem oberen
Anne des Kreuzes befestigt ist und, an dem Querarme vorbeigehend, bis zur Höhe
von aner halben Elle vom Boden herabreicbt {Fig. 128). An die Querarme des
Kreuzes hängt man die Blasbälge an. Ein Mann, welcher sich einen Schritt hin
und hex bewegt, schiebt den Griff der Stange vor- und rückwärts und bewegt dadurch
die Bälg^ welche aufsteigen, wenn de gezogen werden, und niedersinken, wenn sie
losgelaräen werden.
118
Vaouccio Bii'JDguccio.
Eine zweite Art (Fig. 129) wird viel gebraucht, A-eil der Schmied selbst^ während
er nicht mit Schmieden dea Eiaena beschäftigt ist, ohne die Hülfe eines Arbeiterä
die Blasbälge bewegen luinn, wann er wiU. Zu diesem Znecke stellt man mitten
zwischen die Blasbälge einen Pfosten, darüber legt man ein HoU in Drehzapfcii mit
einem Gegengewicht an einem Ende, während man am anderen einen Strick anbindet,
welcher zu einer Suinge herabgeht^ die längs der ganzen E^se auf die Erde gelegt
ist und so angebunden wird, dafis sie etwas Steigung von der Erde ab hat. Wenn
man nun mit einem Fusse darauf tritt und so das Seil anspannt^ so wirkt es wie
auf das Scbwungholz einer Glocke, und indem man abwechselnd auf die Stange tritt
und sie wieder loslässl, werden die Bälge gezogen und herabgelassen und niachen
dadurch Wind. Diese Einrichtung ihut seht gute Dienste."
Aehnliche Vorrichtungen sind noch heute im Gebrauch, wo man über-
haupt noch Schmiedeblasbälge hat. Auch heute wird hierbei die Trittstange,
welche längs der Eseb hinläuft, mit dem Ende, welches den Drehpunkt des
einarmigen Hebels bildet, in der Regel einfach auf die Erde gelegt, wie Bmm-
fluccio es in seiner Beschreibung angiebt, nicht aber in ein Chamier, wie ea
in der Abbildung ungegeben ist. Solche Verschiedenheiten zwischen Abbildung
nnd Beschreibung, welche den Eindruck machen, als habe der betreffende Holz-
schneider oder Kupferstecher den Autor nicht richtig verstanden, kommen in
der „Pirotechnia" öfters vor. BmiNGticao fahrt fort:
„Auch bringt man häufig, und namentlich thun dies die Giesser, die Bälge in
Bewegung, indem man ein Stück Hanfseil an der Decke oder einem anderen, über
den Bälgen befindlichen Gegenstände (festem Punkte) befestigt, so dass er mitten
über sie zu hängen kommt (Fig. 130). An diesem SeiUtücke befestigt man ein
Querholz," (Wie aus der Abbildung ersichtlich, wurden dio Enden dieses Querholzes
oder Balanciers durch Stricke mit je einem Blasbalgdeckel verbunden, und dieser
Balancier diente gleichzeitig dem Arbeiter aU Anhalt.) „Und indem man auf die
Bälge springt, biüd auf den einen, bald auf den anderen, bewirkt man, dass sie Wind
erzeugen, indem man sie belastet, und zwar entsteht so viel davon, dass man eine
beliebige Menge Material schmelzen kann.
Auch legt man, um je einen der Bälge aufsteigen zu machen, eine horizontale,
hölzerne Welle mit Zapfen über den Ort, wo die Blasbalge aufgestellt sind (Fig. 131).
Diese hat zwei Arme und wird durch einen Hebel bewegt, welcher zunächst dem
äusseren Zapfen von unten in das Ende des Holzes (der Welle) gesteckt ist. Wird
dieser Hebel von einem oder zwei Mann zwei Schritte vor und zurück bewegt, so
hebt sich bald der eine, bald der andere Balg, wie aus der Zeichnung zu ersehen.
HechaDiBinea zur Bewegung von Blasbalgen.
119
In folgender Vfeiae, neben vielen anderen, kann man es auch machen: Man ma<^t
ein grosses doppeltes Rad, so daes ein Mann darin geben kann (ein Tretrad). Ausser-
halb an einer Seite sei es stellenweise verzahnt Auch \Terde ein Holz aufrecht
gestellt von der Form eines halben Radep, welches einen Hebel in die Höhe hebt
Dieser treibt eine in der Mitte in Zapfen gelagerte Stange, an welche die Ringe der
Blasbälge angehängt sind. Wenn dann das grosse Rad sich dreht, so greifen die
Zähne in die Leiter des Hebels und bewegen ihn aufwärts und treiben den Wag-
balken, an dem die Blasbälge angehängt sind. Der eine bewegt sich durch diesen
Antrieb aufwärts und der andere durch sein Fallen abwärts und so verrichten sie
die erforderliche Arbeit."
Zu dieser Beschreibung kann von den in der uns vorliegenden Auflage
der „Pirotechnia" befindlichen Abbildungen nur die in Fig. 132 wiedergegeben«
geboren. Dieselbe ist jedoch sehr unklar, und überdies scheint es uns, als ob
eine Anordnung, wie die in Fig. 133 skizzirte, obiger Beschreibung besser ent-
sprechen würde. Bebinguccio fährt fort:
„Es giebt unendlich viele Arten, zu heben, niederzudrücken und zu ziehen,
welche man sämmllich zur Hervorbringung derartiger Wirkungen anwenden könnte,
und als ich über diese Maschine nachdachte, kam ich zu dem Schlüsse, dass alle
jene Wirkungen, welche sich durch Wasser hervorbringen lassen, im Falle der Noth
auch durch Sien seh enkräfle hervorgebracht werden könnten, und dass ebenso Alles,
was man mit Meuschenkraft macht, viel leichter durch das Wasser gethan werden
kann ; luid viele solche Dinge fand ich in Gednnkcii aus.
Unter anderem habe ich eine Äfaschinerie in dem Thale von Bocheggiano
angeordnet, welche mit einem einzigen Rade in ein und demselben Räume vier ver-
120
Vrodccio Biriogacdo.
«diiedene Essen bediente^ und diese Maschinerie that dieselben Dienste, ^ie vier
Wasserräder (mit den bis dahin beschriebenen einfachen ^lechanianien). Sie bestand
BUB einem Kübelrade der gewöhnlichen Ai% aber viel grösser, und an seiner Welle
iraren Daumen angebracht^ welche die Blasbälge der ersten Esse hoben. An dem
Ende der Welle aber, wo der Zapfen sich befand, war eine Kurbel wie bei einem
Schleifrade (ruota), welche, indem sie sich in einer hölzernen Dnickstange (stampaturn)
umdrehte, einen Hebel in die Höbe hob und beim Bückgango wieder ab\Tärt8 l»ewegte.
Dieser schob einen anderen Wellenarm, der mit seinem Ende über die Blasbälge
einer anderen Welle reichte, welche Blasbälge bei einer anderen Ease lagen, und
indem er diese Welle antrieb, bewirkte er, dass diese bald den einen, bald den
anderen der Anne in die Höhe hob, an welchem die Blesbälge hingen. Von dieser
Welle ^ng wieder ein anderer Stiel heraus, der wieder eine andere Welle trieb, welche
horizontal über einem anderen Paar Blasbälge lag und welche auf gleiche Weise
durch den Schub die Blasbälge hob, welche an den anderen beiden Armen angehängt
waren. So brachte die eine Welle, indem sie auf Reiche Weise eine andere antrieb,
von einem Geräthe zum anderen die Wirkung hervor, dass alle vier, oder zwei, oder
drei derselben, je nach dem Willen des Meisters, sich bewegten, und ich glaube, dass
mau es mit noch mehr so machen könnte, wenn das Wasser mächtig genug ist, um
die die Welle treibenden Hebel zu bewegen, worauf man zu achten bat Was die
Anordnung anbelangt, so ist sie nicht schwer zu treffen, denn von der ersten Be-
wegung kann man zu vielen übergehen. Aber was bei dieser Anordnung der Dauer-
haftigkeit entgegen zu stehen scheint, ist das Besteben derselben aus so vielen Theilen
und dass so viele Gewichte zu stützen und so viele Kräfte fortzupflanzen sind. Dies
hatte zur Folge, dass bei jedem Spiele der Maschinerie durch die Stöpse der Hölzer
«n grosser Lärm entstand. Ich kann diese Anordnung nicht durch Zeichnung deut-
lich machen, denn es ist für mich eine zu schwierige Sache, es zu zeichnen."
Es ist dies für uns eine der intereseantesten Stellen in Biringuccio's
Werk, denn sie beschreibt vielleicht die älteste Transmissionaanlage
zum gleichzeitigen Betriebe mehrerer Werkzeugmaschinen durch einen Motor,
von der wir Kunde haben, und von der ganzen anspruchslosen Schilderung
scheint hervorzugeben, dass die Idee einer solchen Transmissionsanlage neu
und unserem Autor eigenthümlich war, so dass man vielleicht sagen dürfte,
dass solche Transmission um das Jahr 1500 von BmiNGUccio erfunden worden
sei*). Wir haben versucht, in Fig. 134, eine der obigen Beschreibung ent-
•) Frsglich bleibt nur, ob die etwas spiter von Aoricola beschriebenen TranninissionB-
ulageD, welche den sKchsiBcheD HQttenlenteD zam gleichen Zwecke dienten, nicht echoD
frthsr im Gebrauche waren.
Transmission, Ausbohren von Geschützen. 121
sprechende Anordnung der Hebel-Transmission des Biringucgio zu skizziren.
Aus den Schlussbemerkungen desselben geht femer hervor, dass er bereits
ziemlich richtige Vorstellungen von dem Einflüsse der bewegten Massen auf
den Gang einer Maschine hatte.
Wir gehen nun zu lib. VII, Kap. VE! über, welches von dem Aus-
bohren der Geschütze handelt. Birlngüccio sagt darüber:
„Wo ich konnte, habe ich ein grosses, doppeltes Rad gemacht, so dass ein
Mensch darin gehen konnte, um es in Bewegung zu setzen (ein Tretrad). Wenn ich
dies aber nicht konnte, so habe ich ein Lafettenrad (als Schwungrad) angewendet In
die Nabe habe ich dann ein Holz eingepasst und in der Mitte desselben eine Eisen-
stange durchgesteckt mit einer Kurbel, ähnlich der, welche von dem früher erwähnten
Wasserrade bewegt wurde. Am anderen Ende habe ich einen guten, vierkantigen
Kopf angebracht und habe das Rad auf diesen Zapfen gelegt In den Kopf des-
selben habe ich eine starke Stange eingesetzt, so lang, als nöthig war, um den Boden
der Höhlung des Geschützes zu erreichen, und an das Ende derselben habe ich ein
vierkantiges Stück Stahl schweissen (saldare, eigentlich löthen) lassen, dessen vier
Kanten gerade, scharf und gut gehärtet waren, damit, wenn es in das Geschütz
gesetzt und gedreht wurde, es genau die Rundung hervorbrachte. Dies ist die gewöhn-
liche Art Man hat sie (nämlich die Bohrstange oder den Bohrkopf) aber auch aus
Bronce mit Vertiefimgen gemacht und vierkantigen Stahl eingesetzt, um die Unbe-
quemlichkeit zu vermeiden, welche das Härten, Schleifen und genaue Justiren jener
Eisen- und Stahlmasse verursacht. Alsdann habe ich das Geschütz, welches ich
bohren wollte, auf eine Schablone (Fig. 135) (d. i., wie uns die Zeichnung belehrt,
ein Rahmen mit nach der äusseren Rundung des Geschützes ausgehöhlten Lager-
Etellen für dasselbe) von Ulmen-, Nuss- oder anderem Holz aufgepasst, welche unten
eben und wie ein kleiner Karren gemacht war, und habe das Geschütz mit eisernen
Bändern, oder mit Seilen, wie es mir gut schien, befestigt, damit es der Bohrer beim
Schneiden nicht bewegen konnte. Dann habe ich diesen Karren auf ein Gerüste
(ein Untergestell oder Bett) gesetzt, welches aus mehreren Hölzern gemacht und
wenigstens doppelt so lang war, als das Geschütz, und habe es stark und fest gemacht
Zwischen das Bett, auf welchem das Geschütz ruhte (den Schlitten), und die genannte
Ebene (das Untergestell) habe ich drei Querwalzen gelegt, damit das Geschütz, wenn
es gezogen wurde, leicht vorwärts ging. Und um es ziehen zu können, habe ich
quer davor einen leichten Haspel angebracht, so dass er zwei Stricke gleichmässig
anzog, welche an beiden Seiten mit guten, eisernen Oesen an dem Bette befestigt
waren. Auch habe ich einen zweiten Haspel hinten angebracht, um das Geschütz
zurückziehen zu können, wenn es verlief, und um die Bohrspäne und den Bohrer
herausziehen zu können. Als ich mit dieser Vorrichtung fertig war, liess ich durch
drei oder vier Menschen das Rad drehen. Zuvor habe ich aber den eisernen Schaft
in den Kopf oben und unten gut eingesetzt (soll wohl heissen: sowohl in den Kopf
an der Radwelle, als auch in den Bohrkopf) und durch ein Loch, welches quer durch-
ging, einen Keil geschlagen. Dann habe ich mit dem vor der Mündung des Ge-
schützes befindlichen Haspel dieses angezogen und habe es, indem ich ganz langsam
drehte, bis zum Grunde gehen lassen (d. h. bis der Bohrer den Grund der Geschütz-
höhlung berührte). Und so habe ich nach zwei oder dreimaliger Wiederholung, wobei
ich die Schneiden des vierkantigen Stahles jedesmal um eine Bindfadendicke wachsen
liess, das Geschütz sehr gut und sauber ausgebohrt Aber das Bohren mit
dem Doppelrade (Tretrade), worin ein oder zwei Menschen gehen können, gefällt mir
besser, als das Bohren mit dem Lafettenrade, weil sich auf seiner Axe Kämme (Holz-
zähne) anbringen lassen, welche in eine Walze (ein Getriebe mit Triebstöcken) ein-
greifen, der ein zweiter Bohrer als Axe dient Mit diesem kann man, da er sich
gleichzeitig mit dem Bohrer dreht, auch gleichzeitig ein zweites Geschütz ausbohren,
und zwar hat dieser Bohrer einen weit grösseren Effekt (weil er sich nämlich infolge
123
Vsnaccio Biringuccio.
der RäderQbersetiung schneller dreht), als der, welcher an der eigentlichen üadaxo
sitzt. So etwas lä^Et ^ich bei dem Lafetlenrode nicht anbringen, weil die Menschen
mit den Annen keinen so grossen Effekt hervorbriogen können."
Die hier beschriebeneo Bohrvorrichtungen sind dnrch die in unseren
Fig. 135 und 136 wiedergegebenen Abbildui^en dargestellt; doch zeigen dieselben
wieder mehrere Abweichungen von der Beschreibung. Namentlich ist in
Fig. 135 A das Lafettenrad mit Spillen versehen, während es nach der Be-
schreibung durch eine Kurbel gedreht wurde. Ausserdem sind in den Abbil-
dungen die Bohrer mit den Badaxen als ein Stück gezeichnet, während in
der BeschreiboDg gesagt wird, dass die Bohrer in die Köpfe an den Axen ein-
gesteckt und durch Keile befestigt wurden, und endlich sind die Bohrer aU
sogenannte Kronenbohrer abgebildet, während sie in dem Texte wie Beibahlen
beschrieben sind. Es ist nämlich nachträglich noch zu bemerken, dass die
Seelen der Geschütze nicht aus dem Vollen gebohrt, tondem, wie aus Berin-
ssgsgt
Firf. ia7.
Guccio's Beschreibung der Gescbützgiesserei hervorgehrt, eingegossen und durch
das Bohren nur egalisirt und auf die genaue Weite gebracht wurden. Es heissti
dann weiter:
„Dasselbe Resultat habe ich auch heim Bohren mit mehreren anderen Sorten
von Bohrern erhalten, welche ich hier beschreiben will, damit man vorkommendeii
Falles nicht auf eine einzige Sorte beschrankt sei. In Florenz habe ich mit ver-
schiedenen Arten Erfahrungen gemacht Unter anderem nahm ich, um eine Feld-
schlange auszubohren, einen Schaft von trockenem Eichenholz, der einen etwas
kleineren Durchmesser hatte, als die Höhlung des Geschützes. In diesen liess Ich
acht Schneiden von gehärtetem Stahle, anstatt des stählernen Meissels, einander
gegenüberstehend ein (Fig. 137 a). Darum wurden drei eiserne Ringe gelegt, einer
unten, einer in der Mitte und einer oben, mit geeigneten Verbindungen, um sie nach
Belieben anlegen und abnehmen zu können. Von den Schneiden sasscn vier am
Ende und vier etwas weiter zurück, und so leistete mir dieser Schaft beim Bohren
der Feldschlange sehr gute Dienste.
Ferner machte ich, um das Geschütz „Leofante'' („Elephant") selbst zu bohren,
nach dem Gutachten eines klugen Schmiedes einen Bohrer, ähnlich denen, deren
ach einige Drehermeister bedienen und welche sie Bohrer »ach französischer Art
nennen. Diese sehen aus wie Buckel, aber der meinige war wie ein Stück von einer
Rinne (Fig. 137b) mit scharfen Schneiden aus gehärtetem Stahl. Dieser Bohrer wurde
mit einem grossen Rade gedreht und schnitt sehr gut, aber manchmal schnitt er mehr
oder weniger und enteprach nicht allen gerechten Anforderungen. — '\yenn man
Bohrer, Drahtzieherei.
123
anen stählernen Bohrer zuni Bohren von Kanonen oder doppelten Feldschlangen
machen will, oder wenn man einen solchen an das Ende einer Eisenstange ansch weissen
will, so ist es, wie ich schon erwähnt habe, immer schwer, ihn so herzustellen, dass
er vierkantig bleibt und scharfe Kanten behält Dies betrifft nicht nur die eigent-
liche Anfertigung, sondern auch das Seh weissen, Härten und Schleifen auf dem
Schleifrade und hat seinen Grund darin, dass der Bohrer eine zu grosse Masse hat
Deshalb muss man darauf bedacht sein, diese leichter zu machen, und zu diesem
Zwecke macht man einen Kopf von Bronce, der einen etwas geringeren Durchmesser
als die Kanonenkugel hat und macht in diesen vier, oder höchstens sechs Kanäle,
welche auf dem Grunde schwalbenschwanzförmig sind, und in diese werden vier
stählerne, gut gehärtete und geschliffene Messer gesetzt (Fig. 137 c), und zwar sage
ich vier, weil vier besser arbeiten, als wenn es mehr sind, da man sich nur um so
mehr ermüdet, je mehr solcher Messer eingreifen. Nachdem dann dieser Kopf an
eine viereckige Eisenstange oder eine dicke Holzstange von genügender Länge gesteckt
imd oben eine Schliesse durchgesteckt ist, damit sie nicht herausgehen kann, bohrt
man damit vermittelst des Hebelarmes eines grossen Handrades, oder eines Rades, in
oder auf welchem Menschen gehen (eines Tretrades), oder welches von einem Pferde
oder durch Wasser getrieben wird, nicht nur Geschütze, wie sie heute zu Tage am
gebräuchlichsten sind, sondern auch Mörser, und nimmt daraus alles Ueberflüssige
Fig. 138.
und jedes Hinderniss, welches die Kugel beim Herausgehen finden könnte, weg.
Dieses sind die verschiedenen Arten des Geschützbohrens, welche man anordnet und
welche ich entweder selbst angewendet oder gesehen habe, oder von denen ich gehört
habe, dass sie angewendet werden."
Ein anderes Kapitel der „Pirotechnia" , in welchem mechanische Vor-
richtungen beschrieben sind, ist das von der Drahtzieherei (lib. IX, Kap. VÜIj:
„Zwei Arten, aus Gold und Silber Draht zu machen. — Man ver-
fährt dabei auf zwei verschiedene Arten. Die eine besteht darin, dass man mit
einem starken vertikalen oder horizontalen Haspel zieht, und die andere darin, dass
man dies mit kleinen Rollen, welche direkt mit der Hand bewegt werden, thut
Nachdem man den langen, runden Stab so viel wie möglich mit dem Hammer
dünner gemacht hat, muss man ihn wieder erwärmen. Alsdann bringt man ihn
gewöhnlich auf einen horizontalen Haspel, welcher in einem Tischgestelle gelagert
ist (Fig. 138 A), oder man setzt ihn der Kraft einer Schraube aus, oder bringt ihn auf
einen grossen, renkrecht gelagerten Haspel (Fig. 138B). Welcher Maschine man sich
aber auch bedienen mag, stets passt man die stählernen ^/2 palmo (=» 125 mm)
langen, mit mehreren Reihen der Weite nach abgestuften Löchern versehenen Zieh-
eisen in feste Holzklötze ein, um ziehen zu können. Das Ende des Gold- oder
Silberdrahtes wird, nachdem es von dem Arbeiter durch eines der Löcher des Zieh-
eisens gesteckt und mit frischem Wachs bestrichen worden ist, mit einer starken
Zange mit grossem Maule und auseinander stehenden Schenkeln gefasst Um letztere
124 Vanuecio Biringnccio.
ist ein gewundenes Eisen gelegt^ welches unten einen Haken hat An dem Haken
ist das Ende einer Gurte oder eines Hanfseiles befestigt, welches sich auf einen
Haspel aufwickelt, wenn man diesen umdreht Und auf diese Weise zieht man
zunächst die Zange zusammen, wenn sie das Ende des Gold- oder Silberdrahtes
gefasst hat. Indem man dann die Maschine durch Menschenkraft vermittelst Hebeln
weiter umdreht, zieht man den genannten Metalldraht und lässt ihn nach und nach
durch alle Löcher des Zieheisens passiren.
Da aber die grossen Maschinen schlechte Dienste leisten, sobald der Draht auf
eine gewisse Dicke reducirt ist, so macht man sich zwei Rollen (Fig. 138C), die sich
horizontal auf einer Bank drehen, und befestigt ein Zieheisen zwischen beiden mit
kleinen Löchern, die der Reihe nach immer feiner werden, damit man den Draht
immer dünner machen kann. Durch Drehen der einen Rolle wickelt man den Draht
auf, während er durch das Zieheisen hindurchgeht Dann nimmt man ihn aus dem
Zieheisen heraus, steckt ihn in ein anderes Loch desselben und befestigt ihn an der
anderen Rolle, und indem man so von Loch zu Loch fortschreitet, bald die eine,
bald die andere Rolle dreht und den Draht immer gut gespannt hält, damit er sich
nicht verwirrt, führt man ihn zur grössten Feinheit und dann auf die Spulen, indem
man stets darauf bedacht ist, ihn während der Arbeit mit frischem Wachs bestrichen
zu halten, was nicht nur den Durchgang durch die Löcher erleichtert, sondern auch
die gelbe und schöne Farbe erhält — Nach meinem Dafürhalten besteht die Kun$t
dabei in zwei Dingen^ nämlich erstens im guten Herrichten der Zieheisen, so dass
deren Löcher sich^ jji erhalttfti zu welchem Zwecke die Zieheisen vom feinsten
Stahle sein müsMpRmd zweitihbd^n, dass das Gold oder Silber, welches man
ziehen will, fein und ua$-tiß TsSm gewählt und immer gut warm gehalten wird,
bis zu dem Grade^ mtiWßti' es eben nodk in der Hand halten kann. — Auf ähn-
liche Weise lässt ddlT^^es andere Metall ziehen, wie Stahl, Messing, Eisen und
Kupfer. Von dem Eisen aber werde ich später eingehender reden und alles auf
das Genaueste behandeln.^'
Es wird nun die Anfertigung vergoldeter und versilberter Drähte be-
sprochen und dann fährt Biringuccio fort:
„Für dickeren Eisendraht errichtet man ein Gebäude mit einem Wasserrade.
Am Ende des Zapfens desselben wird eine gekröpfte Axe angebracht mit einem
Ringe, der einen Haken hat, an den sich eine Gurte mit einer Schleife anschliesst.
In einiger Entfernung davon setzt man einen festen Klotz in die Erde mit dem
Zieheisen und in der Mitte zwischen beiden macht man eine Grube in die Erde
(Fig. 139), so tief, dass ein Mensch bis an die Kniee darin stehen kann. In diese
Grube steigt der Arbeiter mit einer starken Zange. Diese ist mit einer Strippe von
Eisen versehen, welche an der Gurte befestigt ist Auf solche Weise packt diese
Strippe die Schenkel der Zange, presst sie beim Ziehen zusammen und öffnet sie
beim Rückgange. Der Arbeiter, nachdem er die Gurte in der Mitte zusammen-
gebunden hat, lässt sich, indem er Wasser auf das Rad giebt, durch die gekröpfte
Welle zurückziehen und vorwärts schnellen, wobei er Sorge trägt, bei jeder Rückkehr
mit dem Maule der Zange das Ende des Drahtes zu fassen, welcher durch das Zieh-
eisen geht Er bewerkstelligt dies aber dadurch, dass er in der Grube auf einem
Brette sitzt, welches an den Seiten durch zwei lange, an Zapfen hängende Eisen an
einem Balken aufgehängt ist, so dass er, je nachdem das Rad schiebt oder zieht,
hierhin oder dorthin bewegt wird, während er die Zange festhält Indem man bei
dieser Einrichtung das Eisen immer wieder aufwickelt, wird es, wie das Gold oder
Silber, in beliebige Länge und Dicke gezogen. — Ausserdem habe ich Eisen auch
in anderer Art ziehen sehen, ohne Einrichtung mit Wasserrad mit horizontalen (d. h.
in der Horizontalebene, um eine vertikale Axe sich drehenden) Rollen, wie ich gesagt
habe, dass man es bei dem Golde macht. Man muss aber dazu sehr dünnes, gut
aufgewickeltes Eisen haben.''
Drahtzieheret, AmBlgaminnahle. 125
„In Ermangelung des Wassers könnte man dasselbe durch ein grosses Rad
erreichen, welches man vermittelst Spillen, oder durch ein Pferd umdrehen läsat, oder
durch einen Mann im Inneren (Tretrad), oder durch Gewichte, oder Hebel, welche
die Kraft liefern; doch möge von diesen Künsten genug gesagt sein."
In Fig. 140 theilen wir noch die Abbildung einer Mühle ans BmuiGDCcio'a
„Pirotecbnia" hauptsächlich deshalb mit, weil die hier dargestellte, jetzt nicht
mehr gebräuchliche Bewegungsweise der Mühle durch einen Arbeiter vermittelst
eines Schwengels tind einer Flügelstange, welche diesen mit einer Kröpfung
der Mühlenspindel verbindet, bei späteren Schriftstellern des sechzehnten and
siebzehnten Jahrhunderts häufig wiederkehrt und es daher immer von Interesse
ist, ZQ wissen, dass sich eine solche Mühle schon in dem hier in Rede stehen-
den Werke skizzirt findet. Der Text hierzu findet sich in lib. IX, Kap. XI:
„Vom Ausziehen aller Gold- und Silbersubstanz aus Schlacken,
Kehricht von Münzstätten, Goldschläger- und Goldschmiede-
werkstätten". (Durch Amalgamiren.}
„Man nimmt ein grosses Becken von Holz oder Stein, untermauert es und
setzt einen Mühlstein passend hinein, der sich dreht, wie bei einer gewöhnlichen
Mühle. In die Höhlung deeselben bringt man das goldhaltige Material, nachdem es
in einem Mörser gut gostossen (dies kann sich natürlich nur auf Schlacken beziehen)
und dann gewaschen und getrocknet ist Man mahlt es nochmals mit der genannten
Maschine und feuchtet es mit Essig oder mit Wasser an, worin Sublimat, Grünspan
und gewöhnliches Salz aufgelöst sind. Dann thut man so viel Quecksilber hinzu,
als genügt, um es zu bedecken und rührt während einer oder zwei Stunden um, indem
man die Mühle je nach ihrer Konstruktion mit der Hand oder durch ein Pferd um-
drehen lässt Denn je mehr man das Material mit dem Quecksilber unter dem
Mühlsteine reibt, desto mehr nimmt es von der Gold- und Silbersubstanz auf, welche
das genannte Material enthält."
Zum Schlüsse theilen wir noch eine Stelle aus lih. X, Kap. II über das
Mahlen des Schiesspulvers mit, weil die verschiedenen hier beschriebenen
Arten des Pulvermahlens in den Abbildungen späterer Schriftsteller von
maschinellen Einrichtungen für Pulvermühlen wieder zu erkennen sind,
BffiuiGUCCio sagt:
„Man pflegte das Pulver vor Alters mit gewissen kleinen Mühlen und Hand-
mühlfltdnen wie das Mehl zu mahlen, aber dies war, abgesehen von der Mühe, sehr
126 Tanuccio Biringuccio.
gefährlich, denn, indem man die Kompoäition mit den Steinen zusammenrieb, erhitzte
sie sich ßo, dass sie leicht Feuer fing, da die ganze Masse besonders geneigt war,
dies zu thun, sowie es sich ja auch ereignet, dass dies schnell zum Vorschein kommt,
wenn man zwei Stückchen trocknen Lorbeerholzes mit einiger Gewalt aneinander
reibt Deshalb zerkleinern und zerquetschen Einige dieses Pulver auf Mühlsteinen,
ähnlich denen für die Oliven, und Einige mahlen mit derselben Einrichtung durch
Wasser.'*
Bei „Mühlsteinen, ähnlich denen für die Oliven^', hat man an das alt-
römische Trapetum (siehe S. 85 unserer Abhandlung über Cato) zu denken,
bei welchem die Arbeiter weiter von den Mühlsteinen entfernt waren, als bei
gewöhnlichen, kleinen Handmühlen; die Worte aber: „Einige mahlen mit der-
selben Einrichtung durch Wasser" lassen es als gewiss erscheinen, dass Koller-
gänge mit Wasserradbetrieb schon im fünfzehnten oder doch wenigstens zu
Anfang des sechzehnten Jahrhunderts im Gebrauche waren. Biringuccio fährt fort :
„. . . . und diese Art ist von allen die beste und sicherste, auch sind dies
diejenigen Mühlen, welche am besten zemiahlen und zwar geschieht dies ohne An-
strengung und Ermüdung. Andere, welche nicht die Bequemlichkeit der Wasserkraft
haben, thun dies mit einem grossen Rade (Tretrad?), welches so ausgerüstet ist, dass
es mehrere Stempel von Eichenholz hebt, die beim Niederfallen in verschiedene hölzerne
Mörser schlagen, welche in einem Balken von Eichenholz ausgehöhlt sind. Einige
von diesen haben Böden von Bronce. Andere stampfen mit der Hand mit einem
grossen Stempel von Eichenholz, welcher an dem einen Ende einer Stange (eines
Hebels) gerade über einem Mörser von Holz oder Bronce aufgehängt ist und zer-
stossen so das Pulver leicht. Noch Andere zerstossen es in einem Mörser von Stein
mit etwas weiter Mündung mit einem grossen hölzernen Stempel, in den ein Stiel,
wie bei einem Hammer, eingesteckt ist'^
Näheren Aufschluss über manche von BmiNcuccio erwähnte Maschinen giebt
sein Zeitgenosse Georg Agricola, der zu Chemnitz sein grosses Werk: „De re
metallica^ schrieb, w^elches 1556 erschienen und welches wir demnächst be-
trachten w^erden.
Georgias Agrieola (1490—1555).
Wer den Ausspruch Biringucqo's kennt, dass Berg- und Hüttenwesen zu
seiner Zeit in Deutschland am meisten unter allen Völkern der Christenheit
blühte und gepflegt wurde, muss sich freuen, dass wir in Agricola einen Schrift-
steller besitzen, der dieses deutsche Berg- und Hüttenwesen auf das Sorg-
fältigste beschrieben hat.
Georg Bauer, der sich als Schriftsteller Agricola nannte, war 1490 zu
Glauchau geboren. 1518 wurde er Rector Ordinarius der griechischen Sprache
zu Zwickau; doch trieb ihn seine Wissbegierde, diese Stelle 1522 aufzugeben
und zunächst zwei Jahre in Leipzig und dann in Bologna und Padua Medizin,
Chemie und Philosophie zu studiren. 1527 Hess er sich als Arzt in Joachims-
thal nieder, und zwar aus Gründen, welche aus seiner im folgenden Jahre ver-
öflfentlichten Schrift: „Bermannus, sive de re metallica'' ersichtlich sind. Durch
das Studium der Medizin hatte er erkannt, dass bei Griechen und Römern
vor Alters mineralische und metallische Heilmittel im Gebrauche gewesen
waren, von welchen man zu seiner Zeit nur noch die Namen kannte, und das
Streben, diese Heilmittel wieder aufzufinden, war, wie er an der bezeichneten
Stelle sagt, „vornehmlich der Grund, dass er sich an Orte begab, wo Metalle
reichlich vorhanden waren". Durch Verkehr mit praktischen Berg- und Hütten-
leuten und durch eigene Beobachtung suchte er in Erfahrung zu bringen, was
ihm Gelehrte nicht sagen konnten, und so wurde aus dem nach mineralischen
Heilmitteln suchenden Arzt allmälig ein epochemachender Mineraloge und der
gediegendste technologische Schriftsteller seines und des folgenden Jahrhunderts.
Im Jahre 1531 wurde Agricola als Stadtphysikus nach Chemnitz berufen,
wahrscheinlich auf Veranlassung des Herzogs Moritz von Sachsen, der ihn zum
Historiographen des sächsischen Fürstenhauses ernannte und ihm stets be-
freundet blieb. 1546 wurde er in den Chemnitzer Stadtrath und alsbald auch
zum Bürgermeister gewählt. Dieses Ehrenamt wurde ihm dreimal von Neuem
übertragen; und doch brachten ihn die religiösen Wirren jener Zeit und sein
konservativer Sinn schliesslich um Glück und Volksgunst. Er hatte die Refor-
mation anfangs freudig begrüsst und sich auf die Seite Luther's gestellt; als
128 Georgius Agvicola.
aber die protestantischen Fürsten im schmalkaldischen Bunde offen gegen
Kaiser und Reich die Waffen ergriffen, wandte er sich von dieser Seite wieder
ab and brachte dadurch die protestantische Bürgerschaft von Chemnitz gegen
sich auf. 1552 wurde er aller seiner Aemter entsetzt, wurde als Papist ver-
folgt, gerieth in Armuth und starb 1555 während eines heftigen Disputes mit
protestantischen Mitbürgern am Schlagflusse. Doch auch im Tode wollten seine
Feinde ihm keine Ruhe gönnen, und man verweigerte ihm ein ehrliches Be-
gräbniss, bis endlich Bischof Julius von Pflug seine Leiche in der Stiftskirche
zu Zeitz bestatten liess.
Ausser der erwähnten Schrift: „Bermannus'^ hinterlies Agricola folgende
Abhandlungen: Ueber Entstehung und Ursache unterirdischer Dinge. — Ueber
Heilquellen. — Von den Bädern. — Ueber die Natur der Erdausströmungen.
Ueber unterirdisch lebende Wesen. — Ueber die Natur der Fossilien. — Ueber
alte und neue Metalle. — Aber während er diese zum Theile für die Minera-
ogie grundlegenden Abhandlungen veröffentlichte, arbeitete er ununterbrochen
an seinem Hauptwerke: „De re metallica libriXH'^, in welchem er seine reichen
Erfahrungen über das Berg- und Hüttenwesen seiner Zeit niederlegte. Im
Jahre 1550 scheint dieses Werk im Manuskripte fertig gewesen zu sein, da ein
demselben als Vorrede vorgedruckter Brief an die Herzöge Moritz und August
von Sachsen dieses Datum trägt; doch erschien es erst 1556, ein Jahr nach
dem Tode des Verfassers, zu Basel im Drucke. Dass so lange Zeit zur Her-
stellung erforderlich war, erklärt sich daraus, dass 292 Kupferstiche, zum Theil
in Grossfolioformat, darin enthalten sind. Das Werk fand solchen Beifall, dass
es im Jahre seines Erscheinens drei Auflagen erlebte. Bis zum Jahre 1624
sind deren sieben gedruckt worden, und ausserdem ist eine deutsche Ueber-
setzung von Philipp Bechius in zwei Ausgaben erschienen, die eine zu Frank-
furt a. M. , die andere 1621 zu Basel. Leider ist diese einzige Uebersetzung
in einem so gräulichen Deutsch geschrieben, dass der Urtext für Jeden, der
nur halbwegs Lateinisch gelernt hat, verständlicher ist. Bei dem grossen kultur-
historischen Werthe, den dieses Werk Agricola's unstreitig hat, wäre daher
sehr zu wünschen, dass eine neue deutsche Uebersetzung veranstaltet würde.
Dies würde Deutschland und Sachsen insbesondere zur Ehre gereichen, während
unter obwaltenden Umständen, da das Studium der lateinischen Sprache immer
weniger und von Technikern fast nicht mehr gepflegt wird, zu befürchten steht,
dass Agricola's Werk und die Verdienste um Berg- und Hüttenwesen, welche
Sachsen sich in früheren Jahrhunderten erworben hat, mehr und mehr in Ver-
gessenheit gerathen.
Den Inhalt der zwölf Bücher de re metallica giebt der Autor selbst in
der Vorrede folgendermassen an: Das erste Buch enthält das, was man
gegen das Berg- und Hüttenwesen und die Berg- und Hüttenarbeit und zu
ihren Gunsten sagen kann. — Das zweite belehrt den Bergmann und ver-
breitet sich in einem Gespräche über das Auffinden der Erzgänge. — Das
Lebensgeschichte, Inhalt des Werkes, der .Hiiiid*. 129
dritte handelt von den Erzgängen und Adem und ihrem Bau. — Daa vierte
handelt vom Ausmessen der Erzgänge und von den PHichten des Bergmannes.
— Das fünfte lehrt das Graben der Erze und die Markscheidekunst. — Das
sechste beschreibt die bergmännischen Werkzeuge und Maschinen. — Das
siebente bandelt von dem Probiren der Erze. — Das achte lehrt die Kunst,
die Erze zu rösten, zu pochen und zu waschen, — Das neunte setzt die
Lehre vom Ausschmelzen der Erze auseinander. — Das zehnte unterweist
die Stadirenden der Metallurgie im Scheiden des Silbers von dem Golde und
des Bleies von diesem und dem Silber. — Das elfte zeigt, wie das Silber von
dem Kupfer geschieden wird. — Das zwölfte giebt Vorschriften über die
Bereitung des Salzes, der Soda, des Alaunes, des Eisenvitriols, des Schwefels,
des Bitumens und des Glases.
Uns interessirt zunächst das sechste Buch. Hier werden erst die Werk-
zeuge des Bergmannes, als Schlägel, Eisen, Brechstangen und Hauen beschrieben ;
dann Fördergefässe, als Kürbe, Tröge, hölzerne Eimer und lederne Eimer oder
„Bulgen", dann Schubkarren und der vierrädrige, offene Kastenwagen oder
„Hund".
Da Holzbahnen und der Hund als Vorfahren unserer Eisenbahnen und
Waggons viel genannt, aber oft unrichtig beschrieben werden, so führen wir
die betreffenden Stellen aus Agricola's Werk hier an. Im fünften Buche, wo
er von dem Auszimmern der Stollen spricht, sagt er:
„Wenn die FelsKtücke oder Erdsehollen mit dem Schubkarren heraus-
gefahren werden sollen, legt nmn Bretter, welche unter sich verbunden werden, auf
die unteren Schwellen; wenn sie ober mit „Hunden" herausgefahren werden sollen,
legt man zwei Balken von 22 cm Dicke und Breite*), welche an der Seite, mit der
sie aneinander liegen, ausgehöhlt (oder ausgekehlt) zu werden pflegen (siehe Fig. 141a),
damit in dieser Höhlung (oder Nute), gleichsam wie in voi^sehri ebenem Wege, die
eisernen Nägel (Spumägel, ferrei clavi) der „Hunde" sich fortbewegen können, durch
welche Nägel thatsäehlich verhindert winl, dass die „Hunde" von dem richtigen Wege,
d. h. der Höhlung (oder Nute) zur Rechten oder Linken abweichen,"
Die im sechsten Buche enthaltene Beschreibung des „Hundes" lantflt:
t^Der offene Kastenwagen (capsa patens) fasst um die Hälfte mehr als der
Schubkarren, ist ungefähr 1,20 in lang und 7ö cm breit und hoch. Da seine Form
*) Die Haasse, wonach Agricola Dimensionen angiebt, sind: pedes, unciae and digiti.
Unter der VorauSBetzung, dass lateioiBchea Haoss gemeint ist, dass also 1 pes = 12 unciae
= 18 digiti = 296 mm, haben wir Aenicon'B Maaasangaben des leichteren Verständnisses
wegen sbgenuidet in Metermaaas Qbersetzt.
Briu 9
130
Georgius Agricola.
viereckig ist, vird er auch mit drei viereckig gebogenen Ei^nschienea gebunden und
ausserdem auf allen Seiten mit Ei^iistäben beschlagen {siehe Fig. 142). Am Boden
desselben sind zwei Äcxchen befestigt (das vordere mit Durchbohrung für den Spur-
nagel zeigt Fig. 141b), um deren Enden sich beiderseits hSlierne,
kreisrunde Scheiben (Räder) drehen, welche, damit sie nicht von
den unbeweglichen Axen herabfallen, durch kleine, eiserne Nägel
verwahrt wenlen, sowie durch den grossen (den Spur-
nagel) verhütet wird, dass sie von dem vorgeschrie-
benen Wege, d, h. von der Höhlung (oder Nute) der
Balken abweichen. Diesen Kastenwagen fährt der Fuhrmann
mit Mineralien beladen heraus, indem er den hinteren Tbeil de:^-
sclbcn mit den Händen fasst und fortuchiebt; und leer fährt er
ihn wieder zurück. Weil er aber, wenn er bewegt wird, einen Ton
hervorbringt, der von Einigen dem Bellen eines Hundes für ähnlich
gehalten wird, so nennt man ihn „Hund".
Bei der Abbildung ist bemerkt, dass / der Spumagcl
sei. Es ist also irrig, wenn man meint, die Hader dieses
„Hundes" seien mit Spurkränzen versehen gewesen. Bezüg-
lich des Alters der Holzbahnen wird manchmal, z. B. in der
Anmerkung auf Seite 231 von Relleaux's Kinematik, darauf
hingewiesen, dass dieselben schon 1G76 auf den Graben von
Newcastle im Gebrauche waren; aus den angeführten Stellen
Aghicola's ersieht man dagegen, dass sie in sächsischen Gruben
schon 125 Jahre früher nichts Neues mehr gewesen sind.
Von den Gefässen zur Wasserlorderung, welche Agricola
aufführt, sind sehr grosse, lederne Eimer oder „Bnigen",
Flg. 143. welche aus 2 bis 2'/i Stierhauten zusammengenäht waren, be-
merkenswerth. Diese wurden, wie wir später sehen werden, durch Wasserkraft ver-
mittelst Kehr-Rädem gefüllt aus der Grube gezogen und leer wieder hinabgelassen.
Die beim Bergbau gebrauchten Maschinen
theilt Agricola ein in: Fördermaschinen (trac-
toriae), Wetterkünste (spiritales) und Fahrten
(scansoriae). Von den ersteren sagt er, dass fünf
Formen derselben am meisten im Gebrauche
seien, von denen er genaue Beschreibungen mit
Massangaben und Abbildungen folgen lässt,
nämlich :
Erste Maschine: Ein Homhaspel mit
z^vei um 180" gegen einander versetzten Kurbeln.
Zweite Maschine: Ein Haspel mit
Schwungrad, einer Kurbel einerseits und einem
Spillenkreuze andererseits.
*^-'**' Beide Maschinen sind aus Holz konstruirt
mit Zapfen und Lagerfuttem von Eisen. Der hölzerne Kranz des Schwung-
rades ist durch eingegossenes Blei beschwert. In der Beschreibung wird
. Förde rmaschioeD. 131
gesagt, dasa man statt dessen auch Schnningkugeln anwende, welche man an
den Enden zweier oder dreier kreuzweise durch den Haspel gesteckter Eisen-
Stäbe anbringe, wie bei der Fig. 143 dargestellten Pumpe.
Dritte Maschine: Der in Fig. 144 abgebildete Aufzug mit horizon-
talem Tretrade.
Vierte Maschine: Der in Fig. 145 abgebildete Aufzug mit direktem
Pferdeantrieb, dessen ausführlicher Beschreibung wir Folgendes entnehmen:
Diese Maschine hob sechsmal so schwere Lasten, wie die beiden zuerst
beschriebenen. Um sie herzustellen, wurden zunächst 16 Balken von ca. 12 m
Länge, 30 cm Breite und Dicke oben mit Bändern verbunden und unten aus-
einandergespreizt auf untergelegte Hölzer von ca. 1,50 m Länge, 45 cm Breite
and 30 cm Höbe gestellt, in die sie eingezapft und mit welchen sie verstrebt
■wurden. Auf solche Weise grenzte man eme krei'sfürmige Grundfläche von
ca. 15 m Durchmesser ab In der Mitte derselben \surde eine Grube etwa
3 m tief ausgegriben und mit Kämmen festgestampft oder ausgezimmert.
Unten in diese Grul e w urde eine fechwelle von 09 bis 12m Länge und
45 cm Breite und Dicke unbeweglich befestigt Diese trug die eiserne, stahl-
harte Spurpfanne In ähnlicher Weise enthielt ein Querholz welches oben
unterhalb der eisernen B<inder in zwei der autgerichteten Balken eingezapft
war, ein eisernes Lager für den oberen Zapfen des Wellbaumes. Diese Zapfen
waren Blatt- oder Flügelzapfen, wie man sie noch heute bei hölzernen Wasser-
radwellen anwendet. Der stehende Wellbaum war etwa 12 m lang, 46 cm dick. Die
Schwengel, an welchen die Pferde zogen, waren 7 m lang und nach unten mit
dem Wellbaume verstrebt (was in der Abbildung nicht angegeben ist). An
ihren Enden war je ein Holz, 1,20 m lang, abwärts hängend eingezapft und
an diesem ein kurzes Brett befestigt, auf welchem der Fuhrmann sass (wie
133 Geoigiua Agricola.
ans Fig. 146, ersiclitlich ist). Daran war vermttt«lst eines Nf^cls eine kurze
Kette mit dem Ortscheite angehängt. Die Seiltrommel wurde aus drei ebenso
mit dem Wellbanme verstrebten, vierarmigen , hölzernen Rädern, die je 2 m
Ton einander abstanden und ringsum mit Stäben benagelt waren, gebildet. Das,
mit Ausnahme des viereckigen, dem Schachte zugekehrten Theiles, kegelförmige
Gebäude wurde mit Schindeln bedeckt. Die beiden um die Trommel ge-
schlungenen und daran befestigten Zugseile liefen zunächst über je eine Holz-
walze von 11 cm Dicke and dann über hölzerne, mit eisernen Axen ver-
sehene Leitrollen bis zum Schachte. Diese Walzen und Leitrollen waren in
horizontalen Balken gelagert, welche auf durch Pfosten unterstützten Quer-
balken ruhten. Die Schwengel wurden in der Regel durch zwei , bei tiefen
Schachten aber durch vier Pferde abwechselnd in der einen oder in der anderen
Richtung gezogen, so dass abwechselnd immer das eine Gefass aus der Grube
gezogen wurde, während das andere hinabging. Bei jedem Wechsel wurden
die Pferde nmgespannt. Um das anfgezogene Gefäss zu entleeren, zog es ein
Arbeiter vermittelst eines eisernen Hakens zu sich hin, welcher mit einer
Kette von drei oder vier Gliedern an einem neben der SchachtötTnung stehen-
den Pfosten befestigt war.
Förder- und Wasserhaltungsmascbincn. 133
Fünfte Maschine: Der in Fig. 146 abgebildete Aufzug mit Pferde-
gopel, horizontaler Trommelwelle mit Winkelräder-Uebersetzung und Bremsvor-
richtung, welche das Umspannen der Pferde entbehrlich machte.
Wie aus der Zeichnung ersichtlich ist, befindet sich der Göpel über Tag,
die horizontale Trommelwelle mit der Bremsvorrichtung in einem oberen und
der die Bremse bedienende Arbeiter in einem darunter gelegenen Grubenraume.
Agricola's Beschreibung der Bremsvorrichtung lautet:
„Die andere (nämlich die Bremsscheibe), welche nahe bei der aus Triebstöcken
bestehenden Trommel (d. h. nahe bei dem Getriebe) sitzt, ist nach allen Seiten um
die Axe herum (d. h. von der Ol)erfläche der Welle bis zum Scheibenrande gemessen)
etwa 60 cm hoch und 30 cm dick. Auf diese wirkt die Bremse, welche die Maschine
je nach Bedürfniss zum Stillstande bringt . . . Dieses Bedürfniss tritt ein, so oft
entweder die mit Steinstucken gefüllten Ledersacke (oder Bulgen), nachdem sie heraus-
gezogen sind, umgeleert werden, oder das Wasser in den aufgezogenen Gefässen aus-
gegossen wird . . ."
Daraus geht hervor, dass diese fünfte Maschine auch zur Wasserbeför-
derung mit Bulgen benutzt wurde, während dies später in dem Abschnitte über
die Wasserhaltung nur von der vierten Maschine gesagt wird. Die Beschrei-
bung fahrt fort:
„ . . . und deshalb gehen von der Bremse aus Balken (d. h. ein Balkenstrang)
in die Grube hinab, welche mit einer Kette an der Bremse angebunden sind. Der
30 cm dicke Bremsklotz ragt 15 cm über den Balken vor, welcher an einer Kette
von dem einen Ende jenes Balkens herabhängt, der sich um die eiserne Axe drehte
die in der Scheere des Pfostens gelagert ist. An dem anderen Ende dieses beweg-
lichen Balkens aber ist der lange Balken (der Balkenstrang) mit der Kette angehängt
Aus diesem ragt an dem der Kette gegenüberliegenden (dem unteren) Ende ein kurzer
Balken her\'or, auf den der Arbeiter sich setzt, wenn die Maschine stillgestellt werden
soll. Dann schiebt er sofort ein Brett oder einen Prügel ein, welcher bis unter zwei
Deckenbalken reicht und von diesen zurückgehalten wird, so dass er nicht in die
Höhe gezogen werden kann. Wenn der Bremsklotz, auf diese Weise gehoben, die
Bremsscheibe fasst, greift er sie so fest an, diiss oft Funken aus ihr herausfliegen*).
Der herabhängende Balken, an welchem der Bremsklotz hängt, hat verschiedene
Löcher zum Einhängen der Kette, damit derselbe nach Belieben gehoben werden
kann. Ueber der Bremsscheibe ist ein Bretterverschlag, damit das herabträufelnde
Wasser sie nicht befeuchtet, denn wenn sie befeuchtet würde, so würde die Bremse
die Maschine weniger zurückhalten ..."
Nachdem Agricola dann den Transport der Erze auf der Erdoberfläche
und das Hinablassen von Gegenständen in Gruben besprochen hat, geht er zur
Beschreibung der Wasserhaltungsmaschinen über, indem er sagt:
*) In dem Werke: „De suhtilitate"* von Hierontmus Cardanus, welches zuerst 1550 in
Nürnberg erschien, kommt im siebzehnten Buche, welches „vom leichten Heben der Gewichte**
handelt, die Stelle vor : „Munsterls berichtet, dass mit zweispännigen Rädern und mit Förder-
gefässen aus Ochsenleder im Elsass Wasser aus den tiefsten Schächten mit solcher Gewalt
aufgezogen werde, dass die Räder, obgleich sie von Holz und nass seien, Feuer von sich
gäben. Es scheint, dass dieses Instrument wegen dreier Vorzöge geschätzt wird, nämlich der
Höhe, dem Fassungsraume (capacitas) und der Schnelligkeit wegen.*
Diese Stelle findet in obiger Beschreibung AnRicoLA^s ihre Erklärung, denn ohne Zweifel
handelt es sich hier um die oben beschriebene Maschine.
131
Georfjius Agricolo.
„Die Waswr werden aus den Gruben entweder herausgezogen oder heraus-
gesch&pft Das Herausziehen geschieht mit Eimcni oder Bulgen, in welche das Wasser
hineingegossen Vird. Letztere werden vomehniiich vermittelfit einer Jklaschine, deren
Wasserrad doppelt beschaufelt ist (ein Kehrrad) aufgezogen; erslere aber durch die
fünf Maschinen, welche ich schon beschrieben habe, wiewohl die vierte an gewissen
Orten auch mittelgrosse Bulgen aufzieht. Herausgeschöpft aber wird das Wasser
entweder mit Bechern (Becherwerke) oder mit Scheiben, in denen Loclier sind (d, s.
Pumpen kolben), oder mit Bällen (Patemosterwerke). \A'enn wenig Wasser da ist,
wird es mit Eimern heraufgezogen, oder mit Bechern oder Scheiben geschöpft; wenn
dagegen viel Wasser da ist, wird es mit Bulgen hernusgezogeu oder mit Bällen (Puter-
nosterwerken)."
Man ersieht hieraus, dass Pumpen damals nur eine untergeortlnete Bolle
bei der Wasserhaltung spielten und weniger leisteten als Patemosterwerke,
nicht nur wegen des unvollkommenen Kolbcnsehlusses, sondern auch weil man
nur hülzcme Pumpen von nicht mehr als 130 mm Bohrung hatte.
Zuerst behandelt Agricola das in Fig. 147 abgebildete Becherwerk mit
doppelter Stimräderübersetzung, Schwungrad und Kurbel für Handbetrieb. Sehr
bemerkenswerth ist, dasa bei jeder Maschine schon ein eisernes Maschinen-
gestell, eiserne (und wie aus der Zeichnung zu scliliessen ist, wahrscheinlich
sogar gusseiscme) Zahnriidur mit eingeschraubten Stahlzülincn, sowie auch Anti-
friktionsroUen von Stahl vorkommen. £s hcisst nämlich in der Beschreibung:
Schöpfwerke. 135
„Das viereckige Gehäuse (des Räderwerkes) besteht aus ganz eisernen Gittern
von 75 cm Höhe, 80 cm Breite und 85 cm Dicke, in welchen drei eiserne Axen
liegen, die sich in Lagern, oder breiten, eisernen, stahlharten Ringen drehen, sowie
vier eisernen Rädern, wovon zwei aus Triebstöcken bestehen (Getriebe) und ebenso
viele gezahnt sind. Auf der unteren Axe sitzt ausserhalb des Gehäuses ein hölzernes
Rad (Schwungrad), damit sie zur Bewegung geneigter werde. Innerhalb des Gehäuses
sitzt das kleinere Rad der ersten Art, welches aus 8 Triebstöcken von 6 cm Länge
besteht Auf der zweiten Axe, welche nicht aus dem Gehäuse hervorragt und daher
nur 77 cm lang ist, sitzt einestheils das kleinere von den gezahnten Rädern, welches
48 Zahne hat, anderentheils das grössere der Räder der ersten Art, welches aus
12 Triebstöcken von 75 mm Länge besteht Auf der dritten (vierkantigen) Axe von
35 mm Dicke sitzt das grössere gezahnte Rad, welches nach allen Seiten 30 cm
hervorragt (d. h. 35 -f- 2.300 = 635 mm Durchmesser) und 72 Zähne hat An
den Zähnen beider Räder sind Schraubengewinde, deren Gänge in die Gewindgänge
der Rader eingeschraubt werden, so dass an Stelle von zerbrochenen andere ein-
geschraubt werden können. Sowohl die Zähne als auch die Triebstöcke sind von
angelassenem Stahle. Anderentheils aber ist die obere Axe, wo sie aus dem Grehäuse
hervortritt, so kunstgerecht in eine Matrize einer anderen Axe eingeschlossen, dass
sie damit Eins zu sein scheint (d. h. beide Axen sind piit einander verkuppelt).
Fig. 148. Fig. 149. Fig. 150.
Diese geht durch ein Balkengerüsto, welches den Schacht unigiebt und dreht sich in
eisernen Haken (U-formigen Futtern), welche in dicke, eichene Klötze eingelassen
sind, auf Rollen von Stahl (siehe die Details zu Fig. 147) . . ."
Ausserdem ist noch aus der Beschreibung hervorzuheben, dass die Schöpf-
becher von der aus P'ig. 148 ersichtlichen Form aus Eisen- oder Bronceblech
gemacht und mit Riemen an der Kette befestigt wurden, deren Form aus der
Uauptzeichnung ersichtlich ist.
Die zweite Wasserhaltungsmaschine, welche Agricola beschreibt, ist ein
einfaches Schöpfwerk mit Tretrad, wie man es schon bei Vitrüv beschrieben
findet (Fig. 54 S. 48). Bemerkenswerth ist dabei höchstens die Form der Kette,
welche in Fig. 149 skizzirt ist.
Die dritte Maschine dieser Art ist ein ebensolches Schöpfwerk mit
Wasserrad, hölzernen Schöpfeimern imd einer Kette wie bei Fig. 147.
Agricola geht dann zu den Pumpen über und beschreibt zuerst eine ein-
fache, hölzerne Pumpe mit Handgriff direkt an der Kolbenstange, wie Fig. 150
zeigt. Die Pumpenröhre ist unten mit einem hölzernen Saugkopfe versehen
(Fig. 151 A), dessen untere Oeffnung jedoch durch einen Holzpfropfen ver-
schlossen wurde. Ferner -wird in der Beschreibung gesagt:
„In seinem (des Saugkopfes) oberen Theile wird, wenn die Pumpenröhre nur
aus einem Stücke besteht, eine eiserne oder messingene oder broncene Büchse ein-
136
Gcorgius Agricola.
geschlossen, welche 75 mm hoch ist, aber keinen Boden hat, und welche eine rando
Klappe so dicht vorschliesst, dass das durch die Luft in die Höhe geführte Wasser
nicht wieder zurückfallen kann. Wenn das Pumpenrohr aber aus zwei mit einander
verbundenen Stücken besteht, wird die Büchse in das untere Stück eingeschlossen. . . .
Das unterste Ende der Kolbenstange ist mit einem „Schuh" versehen. So nennt
man nämlich ein Leder von beinahe Kreisform, welches in der Weise zusammen-
genäht ist, dass es am unteren Ende, wo es an der Stange befestigt wird, eng ist,
während es am oberen Ende, mit dem es das Wasser schöpft, auseinander steht
Oder es wird eine eiserne kreisrunde Scheibe von 18 mm Dicke, oder eine Holz-
Bcheibe von 1 1 cm Dicke, welche ringsum über den „Schuh" (womit in diesem Falle
nur eine einfache, runde Lederscheibe gemeint sein kann) vorsteht, an dem unteren
Ende der Stange, welche sie durchdringt, mit einem durchgesteckten eisernen Nagel
befestigt, oder das Ende der Stange wird zu einer Schraube geformt und in die
Scheibe eingeschraubt. Die Scheibe (d. i. der Pumpenkolben), welche oben ringsum
mit Leder bedeckt ist, hat fünf oder sechs Löcher, entweder runde oder längliche,
welche zusammen eine Art Stern bilden (siehe Fig. 151 B, D und H) . . ."
Der zuerst beschriebene Kolben oder „Schuh", welcher aus einer trichter-
förmigen Lederkappe mit nach unten gerichteter Spitze bestand, ist auf der
Fig. lol.
Fig. 152.
ZU dieser Beschreibung gehörigen Abbildung nicht dargestellt; dagegen findet
sich dort die in der Beschreibung nicht angegebene Form Fig. 151 E. Ob dies
auf einem Irrthume des Kupferstechers beruht, bleibt zweifelhaft. Auch
Fig. 151 F und J sind unverständlich.
Die zweite und dritte der von Agricola beschriebenen Pumpen unter-
scheiden sich von der ersten nur durch die Art des Antriebes. Bei der zweiten
erfolgt dieser durch einen geraden, zweiarmigen Hebel mit quer gestellter Hand-
habe, wie Fig. 152 zeigt, bei der dritten durch den in Fig. 153 dargestellten
Schwengel von eigenthümlicher, nicht unpraktischer, aber heutigen Tages nicht
mehr gebräuchlicher Form.
Die vierte ist die in Fig. 143 und 154 dargestellte, doppeltwirkende
Pumpe mit zwei Stiefeln, zwei Saug- und einer Steigröhre von Holz, welche
durch ein kastenförmiges, eine Doppelkurbel mit Gestänge umschliessendes Ge-
häuse mit einander verbunden waren. Dieses Gehäuse bestand aus zwei Theilen,
zwischen denen die Kurbelaxe eingelegt wurde, und jeder Theil in der Regel
aus einem innen entsprechend ausgehöhlten Klotze von Buchenholz (Fig. 154 A
und B). Diese beiden Theile wurden, nachdem die Kurbelaxen mit Gestänge
137
(Fig. 154 D) eingelegt und starke , eiserne Scliienen darum gelegt waren , mit
breiten eisernen Keilen fest zusammengetrieben und dann durch eiserne Bänder
mit einander verbunden. Doch beisst es am Schlüsse der Beschreibung:
„Da das hölzerne Gehäuse durch Risse auseinander zu gehen pflegt, so ist es
dienlicher, dasselbe aus geschmolzenem Blei, Bronce oder Messing herzustellen."
Man ersieht hieraus, wie wenig das Gusseisen damals im Gebrauche war.
— Nach einer Seite ging die Kurbelaxe obiger Pumpe durch die Wandung des
Gehäuses und war hier durch kreisförmige Eisenplättchen , mit denen Leder-
stiickchen von gleicher Form und Grösse verbunden waren, abgedichtet, von
welchen Plättchen das eine innerhalb, das andere ausserhalb des Klotzes die
Axe nmschloss. Ausserhalb des Gehäuses war die Axe vierkantig, mit zwei
kreuzweise durchgesteckten Eisenstäben mit Schwungkugeln und am Ende mit
einer Handkurbel versehen.
Das fünfte Pumpwerk besteht aus drei in gerader Richtung nebeneinander
aufgestellten Holzpumpen, deren Kolbenstangen in drei Holzstempeln befestigt
sind, welche durch eine horizontale Daumcnwelle mit Kurbel und Spillenkreuz
für Handbetrieb abwechselnd gehoben werden und durch ihre Schwere wieder
herabsinken.
Das sechste ist ein ebensolches Pumpwerk; jedoch durcli ein Wasser-
rad getrieben.
Das siebente ist das in Fig. 155 abgebildete, aus mehreren über-
einander angeordneten Sätzen bestehende Pumpwerk. Agricola sagt, dass
dieses vor zehn Jahren erfunden worden sei, also etwa um das Jahr 1540,
und dasB es bei weitem das künstlichste, dauerhafteste und nützlichste sei.
Da bei den später beschriebenen, übereinander angeordneten Patemosterwerken,
von denen jedes einzelne für sich durch Pferde angetrieben wurde, nicht ge-
sagt wird, dass sie erst kürzlich erfunden worden seien, so ist der gleichzeitige
J38 Georgiua Agricola.
Antrieb dieser Pumpen durch einen gemeinschaftlichen Motor als das Nene bei
dieser Erfindung zn betrachten.
Ein solches, ans drei Sätzen Ton 130 mm Bohrung und 60 cm Hub be-
stehende Pumpwerk wurde durch ein Wasserrad Yon 4,50 m Durchmesser ge-
trieben. Die sichelförmige Kurbel war mit dem einen Blattzapfen der Wasser-
radwelle aus einem Stücke geschmiedet Die Beschreibimg des Gestänges
aber Uutet:
„Von dem vorderen Theile der Kurbel (der Kurbelwarae) hängt die erste breite
Stange {die Flügdstange) herab, denn jener ist durch den oberen Kopf dieser Stange
Flg. lU.
gesteckt, aowie auch der «seme Ifagcl der erston Sclieere fdcs ersten Ijcnkersl nn
dem unteren Ende durchgeateckt wird. Damit aber die Stange nicht aus ihm heraus-
falle, wie es leicht geschehen könnte, und sie, wenn es die Umstände erfordern,
herau^nommen werden kann, pflegt man das Loch derselben weiter zu machen als
diesen Eisentheil (namentlich auch, damit keine Klemmung eintrat, wenn die Holz-
theile der Maschine sich verzogen) und sie auf jeder Seile durch einen durchgesteckten
Stift ranzuschli essen. Damit sich aber diese Stifte nicht reiben, pflegt man den Kopf
der Stange durch eiserne Plättchen oder zwiBcbcngelcgte Lederstückchen zu schützen.
Diese erste Stange (die Flügelstange) ist ungefähr 3,ö m lang, aber die übrigen zwei
haben 7,7 m Länge. Jede ist 76 mm breit und 66 mm dick. Jeder Theil der-
Pumpwerke, Paternosterwerke. 139
selben ist durch eine eiserne Platte bedeckt und verwahrt, welche mit ebenfalls
eisernen Schrauben zusammengehalten werden (d. h. die Tlieile, aus welchen jede
Stange zusammengesetzt war, wurden durch Laschen mit einander verbunden), damit
ein Theil, welcher schadhaft wird, erneuert werden kann. Aber die Scheeren (oder
Ledk^) sind in einer hölzernen, runden Axe von 45 cm Länge und 1 50 mm Dicke
befestigt. Diese ist beiderseits mit eisernen Ringen umgürtet, damit die eisernen
Zapfen, welche sich in eisernen Ringen in den Balken drehen, nicht herausgehen.
Aus diesen Axen stehen die beiden hölzernen Theile der Scheere 60 cm heraus und
sind 11 cm breit und dick. Der eine steht von dem anderen 22 cm ab und beide
Theile sind sowohl innen als aussen mit Eisen beschlagen. In der Scheere aber
sind zwei runde, gedrehte, 37 mm dicke eiserne Nägel unbeweglich befestigt Der
hintere derselben dringt durch den unteren durchbohrten, unver-
schiebbaren Kopf der ersten und den oberen durchbohrten, unver-
schiebbaren Kopf der zweiten breiten Stange; der vordere Nagel aber
ebenso durch den eisernen, un verschiebbaren , gebogenen Kopf der ersten runden
Stange (d. h. der ersten Kolbenstange). Jede solche Stange ist 3,85 m lang und
55 mm dick und geht in das erste Rohrstück jeder Pumpe so tief herab, dass ihre
Scheibe (der Pumpenkolben) die Klappe der Büchse (des Saugventils) beinahe berührt,**
Die gesperrt gedruckte Stelle dieser Beschreibung stimmt mit der Ab-
bildung nicht überein. Bei dem beschriebenen Gestänge bildeten die flachen
Stangen eine gerade fortlaufende Kette, deren Gelenkbolzen die hinteren Scheeren-
bolzen waren, während an den vorderen Scheerenbolzen nur je eine Kolben-
stange hing, so dass alle Kolben den gleichen Hub hatten. Die Abbildung
dagegen, welche in Fig. 155 wiedergegeben ist, zeigt eine Anordnung des Ge-
stänges, bei der die vorderen Scheerenbolzen die oberen Drehpunkte der
flachen Stangen und die Aufhängepunkte der Kolbenstangen; die hinteren
Scheerenbolzen aber nur die unteren Drehpunkte der flachen Stangen bilden.
Diese Anordnung hat zur Folge, dass die untere Pumpe immer einen grösseren
Hub erhält, als die darüber stehende. Da dies aber bei dem schlechten
Schlüsse der damaligen Kolben und den daraus und aus anderen Undichtig-
keiten sich ergebenden Wasserverlusten jedes Pumpensatzes zweckmässig w^ar,
so ist nicht anzunehmen, dass die Abweichung der Abbildung von der Be-
schreibung auf einem Irrthurae des Kupferstechers beruht, sondern dass die
Abbildung eine spätere Konstruktion darstellt, durch welche man die be-
schriebene Maschine zu verbessern suchte.
lieber die Verbindung der hölzernen Pumpenröhre sagt Agricola:
„Die Röhren werden durch zwei 75 mm breite eiserne Ringe mit einander ver-
bunden, einen inneren und einen äusseren. Der Innere ist beiderseits scharf, damit
er in beide Röhren eindringen und sie zusammenhalten kann. Jetzt erhalten indess
die Rohren keine inneren Ringe mehr, sondern werden zusammengefugt. Und zwar
umfasst der untere Kopf des oberen Rohres den oberen Kopf des unteren Rohres,
denn beide sind 130 mm hoch ausgeschnitten, jener von innen und dieser von aussen,
80 dass der eine in den anderen hineingeht."
Unser Autor betrachtet alsdann den Fall, dass Wasser aus einer Grube
durch eine Pumpe bis zu einem Stollen gehoben werden soll, durch den es
abfliesst, und dass auf der Erdoberfläche über dem Stollen die Wasserkraft
eines Baches zu Gebote stehe, welche jedoch bei Anwendung eines Wasserrades
140 Georgias Agricola.
über Tag für die erforderliche Arbeit zu schwach sei. Er sagt, in diesem
Falle lege man ein der Wassermenge und dem natürlichen Gefälle des Baches
entsprechendes Wasserrad über Tag und ein zweites grösseres in dem Stollen
an, welch letzteres ein Pumpwerk treibe, das die verlangte Arbeit leiste. Das
nöthige Wasser erhalte das grössere Rad dadurch, dass nicht nur das von
dem oberen Rade abfliessende auf das untere geleitet, sondern auch durch eine
von dem oberen Rade getriebene Pumpe das durch das Hauptpumpwerk bis
zur Stollensohle geforderte Wasser noch auf das Rad gepumpt werde, von dem
es wieder zur Stollensohle zurückkehrt, nachdem es die Arbeit des Gefälles
über Tag auf diese Weise mit derjenigen des Gefälles im Stollen vereinigt
hat. Zu Anfang der Arbeit ist erforderlich, dass das Wasser aus dem Bache
in das Saugreservoir der Hilfspumpe im Stollen geleitet wird.
Zum Schlüsse des Abschnittes über Pumpwerke wird noch ein solches
beschrieben, bei welchem die Kraft eines starken Wasserrades zunächst durch
Stirnräder auf eine Vorgelegewelle übertragen wird, welche an jedemEnde
eine Kurbel hat. Diese beiden Kurbeln bewegen zwei Pumpwerke von der
in Fig. 155 abgebildeten Art, so dass ein Wasserrad zum gleichzeitigen Be-
triebe von sechs Pumpensätzen dient.
Es folgt nun die Beschreibung der Patemosterwerke , welche, wie wir
bereits gesehen haben, damals eine sehr wichtige Rolle spielten, weil Kolben-
pumpen noch nicht so viel leisteten, wie sie. Agricola unterscheidet sechs
solcher Maschinen, welche jedoch wiederum nur durch die Art des Antriebes
von einander abweichen.
Die erste Maschine ist das in Fig. 156 dargestellte einfache Pater-
nosterwerk mit oberschlächtigem Wasserrade. Dieses wurde in geringer Tiefe
unter der Erdoberfläche in einem ausgezimmerten Grubenraume angelegt; es
war meistens 7 m, selten 9 m hoch und etwas schmäler als ein gewöhnliches
Mühlenrad. Die hölzerne Kettentrommel war an dem ausgehöhlten Umfange
mit vielen eisernen Querstegen armirt, welche die Kette des Paternosters mit-
nahmen. Dieses zog das Wasser durch eine Röhre herauf und ging durch
ausgehölilte Balken (tigna excavata) wieder hinab. Auch ist in der Beschrei-
bung angegeben, dass sie an der tiefsten Stelle um eine zweite Trommel auf
einer eisernen Axe lief, deren Zapfen sich in starken, an einem Balken be-
festigten Eisen drehten. In der Detailzeichnung der Pumpenröhre (Fig. 156)
ist diese unten mit einer Leitrolle versehen. Die Rohrstücke waren zusammen-
gefugt und ausserhalb über die Fuge ein eiserner Ring von 75 mm Breite und
18 mm Dicke gelegt. Ausserdem war jedes Rohrstück noch mit drei solchen
Ringen gebunden. Die Bälle des Paternosters waren so dick, dass man sie
mit beiden Händen umspannen konnte, standen 1,80 m von einander ab und
waren aus Schwanzhaaren von Pferden mit einem Lederüberzuge hergestellt. Mit
einem 7 m hohen Wasserrade wurde ein solches Patemosterwerk bei Förderhöhen
bis zu 62 m angewendet; mit 9 m hohem Wasserrade bis zu 71 m Förderhöhe.
Patemosterwerke. 141
Die zweite Maschine besteht aus zwei Paternosterwerken derselben
Art auf einer gemeinschaftlichen Wasserradwelle.
Ehe Agricola zur dritten Maschine übergeht, beschreibt er noch eine
Schwimmervorrichtung mit Gegengewicht im Wärterraume, welche den Wasser-
stand unten im Sumpfe anzeigte, damit der Wärter danach die Maschine in
und ausser Gang setzen konnte. Auch wird ein Läutewerk beschrieben, welches
durch Glockenschläge beständig anzeigte, ob die Maschine noch in regelmässigem
Gange war. Dieses wurde durch einen Daumen an der Maschinenwelle bewegt.
Die dritte Maschine ist ein einfaches Paternosterwerk, welches durch
einen Pferdegöpel ebenso betrieben wurde, wie der Aufzug Fig. 14G, aber ohne
Brems-Vorrichtung. Hierbei ist angegeben, dass die senkrechten Holzzähne
des Rades 22 cm hoch, 15 cm breit und 11 cm dick waren und das Getriebe
12 Triebstöcke von 90 cm Länge (wahrscheinlich einschliesslich der in die
Scheiben eingezapften Enden) und 11 cm Breite und Dicke hatte. Die Zahn-
theilnng betrug daher 22 cm. Die Zähnezahl ist leider nicht, dagegen der
Durchmesser (? linea dimetiens) mit 3,55 m angegeben, was aber mit der
weiteren Angabe, dass die Radarme (radii) 4,44 m lang gewesen seien, nicht
in Uebereinstimmung zu bringen sein dürfte. Diese Maschine hob das Wasser
auf 71 m Höhe und wurde durch 8 Pferde bewegt. Da diese aber immer
nach vierstündiger Arbeit wieder 8 Stunden ruhen mussten, so mussten 32
Pferde für den ständigen Betrieb einer solchen Maschine unterhalten werden.
Agricola sagt ferner:
„Wenn es die Umstände erfordern, werden mehrere solche Maschinen beim
Ausgraben einer Erzader verwendet, und zwar pflegen die folgenden an immer tieferer
Stelle angelegt zu werden, wie z. B. in den Karpathen bei Schemnitz deren drei
sind, von denen die unterste das Wasser aus dem tiefsten Sumpfe in den ersten
Kanal hebt, durch welchen es nach dem zweiten Sumpfe fliesst. Die mittlere hebt
es aus dem zweiten Sumpfe nach dem zweiten Kaiuüe, durch welchen es in den
dritten Sumpf fliesst Die oberste aber hebt es aus der Erde in den Kanal des
Stollens, dvich welchen es ausfliesst Auf solche Weise werden drei Maschinen durch
96 Pferde l)ewegt, welche durch einen geneigten Schacht auf einer Schraubenfläche,
gleichwie auf einer Wendeltreppe zu den Maschinen hinabsteigen, deren unterste 195 m
unter der Erdoberflache steht."
Die vierte Maschine ist ein Patemosterwerk mit direktem Hand-
betrieb, d. h. mit Handkurbel und Spillenkreuz an der Welle der Ketten-
trommel. Sie wurde bis zu 14 m Förderhöhe benutzt.
Die fünfte Maschine unterscheidet sich von der vierten nur durch
eine Stimräderübersetzung.
Die sechste Maschine ist ein Patemosterwerk mit Tretrad, Stim-
räderübersetzung in's Schnelle und Schwungrad auf der Trommelwelle. Das
Tretrad war 7 m hoch und 1,20 m breit, damit zwei Menschen darin gehen
konnten. Diese Maschine wurde bis zu 20 m Förderhöhe benutzt.
Die Beschreibung der grossen Wasseraufzugmaschine mit Kehr-
rad (Fig. 157) beginnt mit den Worten:
1^
Georgius Agricola.
„Aber die grösste von RÜen Maschinen, weiche Wasser aufuohcn, wird so
konstniirt: Zuerst wird dns Wasserreservoir in einem ausgezimmerten Grubenraume
aufgestellt, 5,30 m lang und 3,50 m breit und hoch, in velches ein Bach durch
oberirdische Kanäle oder einen Stollen eingeführt wird" . . .
Ferner heben wir hervor: Das Kehrrad hatte 10,70 m Durcbmesser, die
Welle war 60 cm dick und 10,40 m lang. Bezüglich der Bremse, womit die
Maschine versehen war, wird gesagt:
„Ausser der Kettentrommel ist nicht weit von dein Ende der Welle eine andere
Trommel (die Bremsscheibe), rings um die Axe 60 cm hoch (sie hatte also, da dio
l
Flg 1S7.
Welle auch 60 cm dick war, 3 . 60 ^ 180 cm Durchmesser) und 30 cm breit Eine
Bremsp, welche dagt^n gedrückt wird, so oft es die Umstände erfordern, hält die
Maschine zurück, wie ich oben beschrieben habe."
Daraus darf wohl geschlossen werden, dass die Bremse ebenso beschaffen
war, wie die in Fig. 146 dargestellte, während sie in der Abbildung (Fig. 157)
nur durch eine zwischen Kettentrommel und Kehrrad sitzende Bremsscheibe
und eine darunter befindliche, als Bremsklotz dienende, starke Bohle ange-
deutet ist. Nachdem noch der Bretterrerschlag um die Schachtoffnung be-
schrieben ist, fährt Agricola fort:
Wasseraufzugmaschine mit EehrracL 143
„Diese Maschine wird von fünf Männern regiert Einer bedient den Schützen
des Reservoirs (durch den das Wasser diesem zuströmt), indem er den Schieber
schliesst oder öffnet .... Der Maschinenführer aber steht in einem hangenden
Häuschen neben dem Reservoir. Wenn die eine Bulge ungefähr bis an den Bretter-
verschlag herausgezogen ist, schliesst er die Schützenöffnung, damit das Wasser still
stehe, und wenn die Bulge ausgegossen ist, zieht er die andere Schützenöffnung auf,
damit die anderen Schaufeln des Rades, von dem Stosse des Wassers getroffen, das
Rad in entgegengesetzter Richtung bewegen. Wenn er aber die Schützenöffaiung
nicht bei Zeit schliessen und den Strom des Wassers hemmen kann, ruft er dem
Gehilfen zu und lässt ihn den aufgehobenen Bremsklotz gegen die zweite Trommel
drücken und so das Rad einhalten. Zwei aber giessen abwechselnd die Bulgen aus,
wovon der eine auf der Seite des Bretterverschlages steht, welche auf der Vorderseite
des Schachtes ist; der andere aber auf der hinteren Seite. Wenn die Bulge beinahe
herausgezogen ist, was ein gewisser Ring der Zugkette, welcher an der anderen Seite
des Bretterverschlages (d. h. in dem abwärts gehenden Theile der Kette) erscheint,
anzeigt, so steckt der eine einen Enterhaken, d. i. ein grosses, gekrümmtes Eisen, in
einen Ring der Zugkette und zieht den ganzen nachfolgenden Theil bis zu sich an
den Bretterverschlag, worauf die Bulge von dem Anderen ausgegossen wird. Dies
thut Ersterer deshalb, damit der Theil der Zugkette, welcher mit der anderen Bulge
vermöge des eigenen Gewichtes herabgegangen ist, den übrigen Theil der Kette nicht
von der Welle herunterziehe und nicht die ganze Kette in den Schacht hinabfällt
(Diese Manipulation ist in der Abbildung unrichtig dargestellt Es geht aber aus
der Beschreibung hervor, dass die Kette nicht an der Trommel befestigt war, sondern
dass man bereits wusste, dass die Reibung der mehrfach umgeschlungenen Kette
genüge, um sie mitzunehmen, wenn das abwärts gehende Ende derselben nur mit
dem leeren Eimer belastet war, während der volle hemufgezogen wurde.) Aber der
Gehilfe bei dieser Arbeit, wenn er wahrnimmt, dass die mit Wasser gefüllte Bulge
beinahe herausgezogen ist, ruft dem Maschinenwärter zu und lässt ihn die Schützen-
öffnung schliessen, damit er Zeit zum Ausgicssen hat. Wenn die Bulge ausgegossen
ist, öffnet der Maschinenführer die andere Schützenöffnung des Reservoirs nur ein
wenig, damit der Theil der Zugkette mit der leeren Bulge wieder in den Schacht
gelassen werden kann, und dann zieht er sie ganz auf. Wenn nämlich der Theil
der Kette, welcher nach dem Bretterverschläge hingezogen war, wieder aufgewickelt
ist (was durch das Uebergewicht der in den Schacht herabhängenden Kette geschehen
konnte) und dasselbe durch die Trommel in den Schacht gelassen worden ist, zieht
der eine den grossen Enterhaken heraus, welchen er in den Ring der Kette gesteckt
hatte. Der fünfte Arbeiter aber steht neben dem Sumpfe in einer verborgenen
Grube, damit er, wenn etwa ein Theil der Kette durch Brechen eines Ringes oder
sonst etwas herabfallen sollte, nicht verletzt werde. Dieser regiert die Bulge mit
einer eisernen Schaufel und giesst Wasser hinein, wenn sie dasselbe nicht selbst
schöpft. Da man aber jetzt in den oberen Theil jeder Bulge einen eisernen Ring
einnäht, so dass sie immer offen steht und, in den Sumpf eingetaucht, das Wasser
schöpft, so hat man keinen Bulgenlenker mehr nöthig. (Man machte solche Bulgen
zum Selbstschöpfen unten halbkugelförmig.) Weil aber ausserdem in jetziger
Zeit von denen, welche bei dem Bretterverschläge stehen, der eine die Bulgen aus-
leert, der andere durch Zugstangen die Schützenöffnungen des Reservoirs öffnet und
schliesst und auch den Enterhaken in den Ring der Kette zu werfen pflegt, so
regieren dann drei Leute die Maschine. Und weil manchmal derjenige, welcher die
Bulgen ausgiesst, sogar noch das Wasserrad zum Stillstande bringt, indem er den
aufgehobenen Bremsklotz gegen die zweite Tronunel drückt^ so übernehmen in diesem
Falle zwei Personen die ganze Arbeit.
Von Maschinen zur Ventilation der Gruben zählt Agrigola drei Gattungen
auf: 1. Vorrichtungen, welche den natürlichen Wind in die Gruben ablenken,
2. Facberwerke (Ventilatoren?) und 3. Blasbälge.
141
Geoi^ins Agricoln.
Von den Windungen der ersten Gattung erwähnen wir den in Fig. 15S
abgebildeten, dessen Beschreibung lautet:
„Die dritte Maschine besteht aus einer oder mehreren KOhrca (einem Rohr-
etrange) und einem Gefässe. Denn auf die oberete Röhre wird ein höhernes Fass
gesetzt, 1,20 di hoch und 90 cm breit, dessen stets offene, viereckige Mündung den
Windstrom aufnimmt und Ihn entweder durch ein Rohr in einen Kanal, oder dureli
mehrere Rühren {einen Röhrenstrang) in die Grube abführt. Der obere Theil der
Rühre ist in eine runde Scheibe eingeschlossen, welche
m dick ist, wie der Fassljoden und etwas weniger breit,
damit das Fass sich um die3elt>e drehen kann. Die aus
der 8cheibe hervorstehende Köhre wird durch ein in
der Mitte des Fassbodens befindliches Loch gesteckt,
und an diesem Theilc ist ein stehendes Aoxcheu an die
Röhre befestigt, welches durch die Mitte des Fasses
beimihe hindurchgeht und bis zu einem Loche im Deckel
des Fasses reicht, von dem es umschlossen wird. Um
dieses fest« Aexchcu und die Si'hcibe an der Röhre
kann das bewegliche Fhss durch den Wind leicht ge-
dreht werden, weil es durch einen aus dünnen Brettclien
, bestehenden, am oberen Theile des Fasses der Richtung
Fifi- 158. des Lufdoches gegenüber befestigten Flügel regiert wird.
Und deshalb stellt der Wind, aus welcher Weltgegcnd er
auch blasen mag, den Flügel in die ihm gerade gegenüberliegende Richtung, und dos
Fass kehrt ihm das Luftloch zu, nimmt den Luftstrom auf und leitet ihn durch die
Röhre in einen langen Kanal oder durch mehrere Röhren (einen Röhrenstrang) in
die Grube."
lieber die zweite Gattung von Wettermaschinen wird gesagt:
„Die Fächer (oder Windflügel, flabella) werden entweder in einen Haspel
(d. h. eine liegende Welle mit Handkurbel) oder in eine Welle (die auf andere Art
Flg. IS«.
Fig. 180.
I
getrieben wird) eingezapft. In ersterem Falle ist der Haspel entweder in einer hohlen
Trommel, welche aus zwei runden Scheiben und mehreren aneinander gefügten
Brettern (Dauben) besteht (siehe Fig. 169), oder in einem viereckigen Gehäuse (siehe
Fig. 160) angeschlossen. Die unbewegliche Trommel, welche an den Seiten geschlossen
ist, hat daselbst runde Löcher von solcher Grösse und Zahl, dass der Haspel steh
darin drehen kann, und ausserdem hat sie zwei viereckige Luftlöcher, von denen
das oberste die Luft aufnimmt, das unterste sie herausläss^ wodurch sie in den
Schacht geführt whd. Die Enden des Haspels aber, welche auf beiden Seiten aua
Ventilatoren. 145
der Trommel ragen, werden von Pfosten- oder Balkenlagem, die mit Eisen beschlagen
sind, unterstützt Das eine derselben ist mit einer Kurbel versehen, in dem anderen
sind vier Stäbe befestigt, welche dicke, schwere Köpfe (Schwungkugeln) haben, damit
durch ihr Gewicht der Haspel, wenn man ihn umdreht, zur Bewegung geneigter
gemacht werde. Wenn daher der Arbeiter den Haspel mit der Kurbel umdreht, so
treiben die Flügel, von denen sogleich berichtet werden wird, wie sie beschaffen sind,
die Luft, welche sie durch das eine Luftloch schöpfen, durch das andere, an welches
sich der lange Kanal anschliesst» durch den sie in die Grube dringt/^
Wenn die Abbildung zu dieser Beschreibung, welche nur zwei Oefif-
nungen in dem Cylindermantel der Trommel zeigt, richtig wäre, so müsste
diese Maschine absolut unbrauchbar gewesen sein, denn es fehlte dann jeg-
licher Grund, warum die Luft beim Gange der Maschine zur einen Oeflfnung
hinein und zur anderen herausgegangen sein sollte. Da aber diese Maschinen
Dienste geleistet haben müssen, weil Agricola sie sonst nicht im Gebrauche
gesehen und beschrieben haben würde, so folgt daraus, dass er bei dieser Be-
schreibung oder der Kupferstecher bei Anfertigung der Abbildung sich geirrt
haben mnss. Die Saugöffnung muss sowohl
in dem runden, als auch in dem viereckigen
Gehäuse der Axe näher gewesen sein, als die
Ausströmungsöffnung. Alsdann waren aber die
_ , Fig. 162.
hier in Rede stehenden Maschinen „Venti- ^ ^^
latoren". "^"""^"^^B^ £38^
Im folgenden Abschnitte werden von pj^ ^^j ^ ^^
Agricola zunächst Gründe angegeben, warum
bei solchen Ventilatoren runde Gehäuse den viereckigen vorzuziehen sind.
Dann wird eine solche Maschine mit Windmühlenflügeln, welche direkt auf
der Ventilatoraxe sassen, beschrieben; doch wird dazu bemerkt, dass diese
weniger zweckmässig sei, als die mit Handbetrieb, weil man oft wegen Mangel
an Wind die Grube nicht ventiliren könne. Dagegen wird die folgende
Maschine, ein Ventilator mit rundem Gehäuse, Antrieb durch ein Wasserrad
und Stimräderübersetzung in's Schnelle, für alle Fälle empfohlen, in denen
genügende Wasserkraft vorhanden sei. Von den Ventilatorflügeln wird gesagt:
„Es giebt von diesen Flügeln, welche in Zapfenlöchern eines Haspels oder
einer Welle befestigt werden, drei Arten. Die erste besteht aus dünnen Brettchen,
80 lang imd breit, wie es die Länge und Breite der Trommel, oder des Gehäuses
erfordert (siehe Fig. 161). Die zweite besteht aus ebenso breiten, aber weniger hohen
Brettchen, an welchen lange, dünne Späne aus Pappelholz oder einem anderen Baume
befestigt sind (Fig. 162). Die dritte besteht aus Brettchen, wie die vorigen, an
welchen doppelte oder dreifache Gänseflügel befestigt sind (Fig. 163). Diese Art
ist weniger im Gebrauche, als die zweite, und diese wieder weniger als die erste . . ."
Durch Blasbälge, und zwar durch einfache, aus Holz und Leder kon-
stmirte Spitzbälge, wurde entweder frische Luft in Gruben geblasen, oder die
schlechte Luft herausgesaugt, indem man den Kanal oder die Röhre, welche
in die Grube hinabging, entweder an der Düse oder von unten an das Saug-
ventil des Blasbalges anschloss. Das Ansaugen schwerer, übelriechender Dünste
B««k. 10
146
Georgin« Agricola.
konnte auf diese Weise bis auf 35 m Höhe geschebeo. Die Bälge wurden
durch Menschen, Pferde oder Wasserkraft getrieben, und zwar wurde der obere
Balgdeckel durch den Motor gehoben und, da er mit einem schweren Steine
belastet war, durch diesen wieder herabgedruckt. Wo es sich um Bewältigung
grösserer Luftmengen bandelte, wurden mehrere solcher Bälge nebeneinander
gelegt und gleichzeitig betrieben. Agbicola's Abbildungen zeigen:
1. Einen durch Handhebel betriebenen Balg zum Aussaugen schlechter
Luft ans einem Schachte.
2. Einen ebensolchen Balg zum Eintreiben guter Luft in einen Stollen.
3. Drei nebeneinander liegende Bälge ohne Düsen, welche abwechselnd,
wie die Bälge einer Kirchenorgel, von einem Arbeiter getreten werden. Jeder
ist mit einer Saugleitong versehen, durch welche schlechte Luft aus der Grube
von unten eingesaugt und dann durch ein Klappenventit im oberen Balgdeckel
Kg. ist.
wird. Die schlechte Luft kannte auf diese Art auf 355 m Ent-
fernung durch Stollen angesaugt werden.
4. Zwei Bälge, durch einen stehenden Pferdpgöpel vermittelst Winkel-
ndem, Daumenwelle und zwei Hebeln betrieben, um frische Luft in einen
Schacht zu treiben.
5. Ein Tretrad (Fig. 164), welches ein Pferd mit den Vorderfüssen trat
und welches zum Betriebe zweier Blasbälge benutzt wurde. Vor demselben
wurde ein Futterkorb aufgehängt, damit es nicht zurück ging.
Endlich envähnt auch Agricola noch die schon von Plimus beschriebene,
primitive Methode zum Ventiliren kleiner Gruben, welche darin bestand, dass
zwei Arbeiter in der Grube ein grosses viereckiges Tuch mit jeder Hand an
einer Ecke fassten und kräftig auf und nieder schwangen, um die Luft in Be-
wegung zu bringen und theilweise auszutreiben.
Unter den Vorrichtungen zum Befahren der Gruben, welche Agricola
beschreibt, befindet sich keine mechanische; indem er aber Leitern (Fahrten),
Blasbälge zur Gruben Ventilation, Tretrad für ein Pferd. 147
Treppen, Rutschen u. dergl. zu den Maschinen rechnet, steht er bezüglich des
Sinnes, den er diesem Worte beilegt, ganz auf dem Standpunkte Vitruv's.
Am Schlüsse des sechsten Kapitels spricht Agricola über die Krankheiten
und Gefahren, denen Bergleute durch ihren Beruf ausgesetzt sind, und er-
wähnt dabei unter anderen auch der bösen Geister (Dämonen), welche in den
Gruben hausen. Man sagt wohl, es sei merkwürdig, dass unser sonst unbe-
fangener Autor an die Existenz böser Geister geglaubt habe; aber merkwürdiger
wäre es, wenn er nicht daran geglaubt hätte, da dies seine Zeitgenossen alle
mit wenigen, kaum nachweisbaren Ausnahmen thaten. Warf doch auch Luther
auf der Wartburg sein Tintenfass nach dem Teufel, weil er an dessen leib-
haftiger Gegenwart nicht zweifelte. Das hier in Rede stehende Werk Agricola's
aber ist gerade deshalb für uns von ausserordentlichem Werthe, weil er darin
nicht neue Ideen zu entwickeln, sondern das von erfahrenen Berg- und Hütten-
leuten Gehörte und Gelernte wiederzugeben und Gesehenes genau und getreu-
lich zu beschreiben sich bestrebt
Aus dem achten Buche von Agricola's Werk : „De re metallica", welches
von der Aufbereitung der Erze handelt, heben wir zunächst die Pochwerke
hervor. Man hatte solche zum Trocken- und auch solche zum Nasspochen.
Letztere waren im Jahre 1512 in Sachsen erfunden worden. Die Trockenpoch-
werke werden folgendermassen beschrieben:
„Ein eichener Klotz (der Grubenstock), 1,80 m lang, 67 cm breit und hoch,
wird auf den Boden gelegt, in dessen Mitte ein Hohlraum (die Grube) ist, 70 cm
lang, 40 cm hoch. Eine Stirnseite desselben ist offen, man könnte dies die Thüre
(ostium) nennen. Der Boden des Hohlraumes wird mit einer Eisenplatte von 75 mm
Dicke und 185 mm Breite bedeckt, deren beide keÜfönnig zulaufende Seiten in den
Grubenstock geschoben werden. Der vordere und der hintere Theil dieser Eisen-
platte wird mit eisernen Nägeln befestigt. An den Seiten der Grube werden zwei
Balken auf den Grubenstock gestellt, deren obere, etwas eingeschnittene Enden in
Löcher von Durchzügen des Gebäudes eingezapft werden. 74 cm von der Grube
entfernt werden zwei Querbalken der ganzen Länge nach mit einander verbunden,
deren innen etwas ausgeschnittene Enden sich in äussere Ausschnitte jener aufrecht
stehenden Balken legen. Hier werden sie sammt diesen durchbohrt und ein eiserner
Bolzen durch das Loch gesteckt, dessen eines Ende zwei Homer bildet, während
das andere so durchbohrt ist, dass ein durchgesteckter Keil eingetrieben und dadurch
die Hölzer fest zusammengezogen werden können, da von den Hörnern das eine
nach aufwärts, das andere nach abwärts steht. Ueber diesen Querbalken in einem
Abstände von 1 m sind wieder zwei solche in gleicher Weise mit den stehenden
Balken verbunden. In den Querbalken aber sind viereckige Löcher, in welche die
vom mit Eisen versehenen Stempel eingesetzt werden. Diese stehen nicht weit von
einander ab und sind schliessend in den Querbalken gehalten. Jeder Stempel hat
nach hinten einen Zahn (Hebling), den man von unten mit Seife schmieren muss,
damit er leicht gehoben werden kann. Diesen heben zwei lange, abgemndete Zähne
(Hebedaumen) einer kantigen (hölzernen) Welle abw^echselnd in die Höhe, damit der
in die Grube herabfallende Stempel mit seinem eisernen Kopfe die hineingeworfenen
Steine stösst und zerkleinert. Die Welle aber ist mit einem Schaufelrade versehen,
welches durch den Stoss des Wassers getrieben wird. An der Grube dient ein Brett
als Thüre, welches in Nuten des Grubenstockes auf und nieder bewegt werden kann,
damit der Arbeiter durch dessen geöffnete Thüre den Sand, zu welchem die Steine
10*
148 Georgias Agricola.
zerstampft worden sind, sowie den Gries und Kies mit der Schaufel herausnehmen
kann, worauf er das Brett wieder herablässt» damit bei geschlossener Thüre wieder
andere eingeworfene Steine zerstossen werden. — Wenn aber ein eichener Klotz (für
den Grubenstock) nicht zur Hand sein sollte, ao werden zwei Balken auf den Boden
gelegt und durch eiserne Bänder mit einander verbunden, wovon ein jeder 1,80 m
lang, 30 cm breit und 45 cm hoch ist, welche Höhe die Grube haben muss. Diese
wird zuvor in der Breite von 22 cm und der Lange von 70 cm ausgeschnitten. Auf
den ausgegrabenen Boden unter derselben wird ein sehr harter Stein von 30 cm
Dicke und 22 cm Breite gel^t, und wenn dabei noch irgend welche Höhlung bleibt,
so wird sie mit Erde oder feinem Sande ausgefüllt und ausgestampft Der Boden
vor der Grube wird mit Brettern bedeckt Wenn der Stein zerbrochen ist, wird er
entfernt und durch einen andern ersetzt Man kann aber auch die Grube kleber
machen, so dass sie nur drei Stempel fassf
Aus der Abbildung ist nämlich ersichtlich, dass diese und die nächst-
folgenden Angaben sich auf Pochwerke mit 4 Stempeln beziehen.
„Die Stempel aber werden aus 2,70 m langen, kantigen, nach jeder Seite
15 cm breiten Balken gemacht. Jeder derselben hat einen eisernen Kopf, der so
beschaffen ist: Der untere (ausserhalb des Balkens befindliche) Theil hat 22 cm
fi
^
^
El
ä
a^ ff
Fig. las,
Länge imd der obere ebenso viel (siehe Fig. 165). Der untere Theil hat in der
Mitte auf die Länge von 15 cm eine Breite und Dicke von 75 mm, nach unten
schwillt er an, so dass er auf die Länge von 37 mm eine Breite imd Dicke von
9 cm hat; nach oben aber schwillt er ebenfalls an und hat auf eine Länge von
37 mm eine Breite und Dicke von 11 cm (dies ist in der Abbildung nicht ange-
geben). Der obere, in den Stempel eingeschlossene Theil ist ebenso wie dieser durch-
bohrt, und durch die gemeinschaftliche Bohrung geht ein breiter eiserner Keil, welcher
den Kopf hält, so dass er nicht aus dem Stempel herausfallen kann .... Wenn
man aber nur drei Stempel mac^t, wie es gewöhnlich geschieht, so macht man sie
viel grösser. Die vierkantigen Holzstempel macht man dann nach jeder Seite 22 cm
breit» den eisernen Kopf derselben im Ganzen 67 cm lang, unten sechseckig 13 cm
breit und dick. Dieser imtere Theil, welcher aus dem (hölzernen) Stempel heraus-
steht, wird 45 cm, der obere, welcher in ihn eingeschlossen ist, 22 cm lang. Dieser
(eingeschlossene Theil) ist unten 75 mm breit und dick und wird allmälig dünner,
so dass er oben noch 65 mm Breite und 37 mm Dicke hat Hier sind die Kanten
etwas gebrochen und an dieser Stelle ist er durchbohrt Das Keilloch aber ist 55 mm
lang, 18 mm breit und steht 18 mm von dem oberen Ende ab. Diesen oberen
Theil des Kopfes, welcher in den ausgeschnittenen imteren Theil des Stempels ein-
geschlossen wird, versieht man gleichsam mit Widerhaken und Biefen, damit er durch
die in den Stempel eingreifenden Haken und die in die Riefen eintretenden Wülste
in demselben vollständig unbeweglich gehalten wird, zumal der Stempel mit zwei
vierkantigen eisernen Schienen lungürtet wird. Den Umfang der Welle aber theilen
Pochwerke.
149
rinige in sechs Theile (sie madien sie sechskanUg), andere In neun; besser ist es
aber, ihn in 12 Theile einzutheilen, damit abwechselnd ein Theil einen Zahn auf-
nehme, der andere keinen.
Damit im Winter weder hoher Schnee, noch Eis, noch Stürme den Lauf und
die Drehung des Wasserrades hemmen, scbliesst man es gänzlich in ein vieieckiges
Holzgefaäuse dn (siehe Fig. 166). Die Balken desselben, trelche unter sich zusammen-
gefügt sind, stopft man auf allen Seiten mit Moos aus. Eine der Balkenwände
aber hat eine Oeffnung, durch welche ein Kanal geht, der das Wasser zuführt,
welches auf die Schaufeln des Rades fällt und es umdreht, während es durch einen
unteren Kanal wieder abfliesst. Die Arme des Wasserrades werden aber auch nicht
selten in der Mitte einer langen W^elle eingezapft, deren Hebedaumen zu beiden
Seiten Stempel heben (siehe Fig. 166), welche entweder beide trockene oder lieide
nasse Erze pochen, wie die Umstände es erfordern; wenn nicht etwa, nachdem die
dneo gehoben und mit eisernen Nägeln in ihren und der Querbalken Locher fest^
gehalten sind, die anderen allein Erze pochen,"
Wir schliessen hier die bei Agbicola erst später folgende Beschreibung
des Pochwerkes zum Nasspochen (Fig. 167) an. Es wird darüber gesagt;
„Als im Jahre 1612 Herzog Georg von Suclisen in Meissen dem edlen und
klugen Herrn Sigmund ÄIalthiz (dem Vater des Johann, Bischofs von Meissea
nnd des Heinrich) das Recht auf alle aus den Gruben herausgeschafften Erdhaufen
gab, erfand dieser zu Dippoldiswalde und Altenburg, an welchem Orte die schwarzen
Stcinchen gegraben wurden, aus denen das Zinn gewonnen wird, nachdem er die
trockenen Stempel, die weiten Siebe und die Mühle verworfen hatte, eine Maschine,
welche nasse Erze mit Stempeln, die vornen mit Eisen versehen sind, pocht ....
Diese Maschine ist derjenigen übnlich, welche die trockenen Erze mit Stempeln pocht;
doch sind ihre Slempelköpfe um die Hälfte schwerer, als die von jenen. Auch ist
der Pochtrog, welcher aus einem eichenen oder buchenen Klotze gemacht ist und in
den Zwischenraum zwischen den stehenden Balken gestellt wird, nicht vornen offen,
sondern auf der Seite. Derselbe ibt 90 cm lang, 22 cm breit und 40 cm hoch (im
Idchten). Wenn er keinen Bo<len hat, wird er ebenso über einen harten, ebenen
Stein geatellt, etwas in die Erde eingegraben, luid wo sie zusammengtossen, werden
ne ringsum mit Moos und dünnen Leinenlappen verstopft. Wenn der Pochtrog al>er
einen Boden hat, wird eine eiserne Sohle, 30 cm lang, 22 cm breit und 75 mm dick,
in denselben gesetzt, und da, wo er offen steht, wird eine Eisenplatte, voll von
Löchern, in denselben befestigt, so dass zwischen ihr und dem Kopfe des nächsten
' ' i Zwischenraum von 37 mm bleibt und ebenso viel zwischen der Platt«
150
GeorgiuB Agricola.
und dem stehenden Balken, in de^^en Oeffnung der kleine längliche KnnRl eingesetzt
ist, durch welchen das feingepochte Silbererz mit Wawer in ika Be^rvoir abflies^t.
Das, was zurückbleibt, wird mit einer hölzernen Schaufel auf den nächsten Boden
herausgeworfen, der mit Brettern bedeckt ist; das aber, was sich in den» Reser\'oir
abgesetzt, wird mit einer eisernen Bchaufel abgesondert auf diesen Boden gelegt.
Auch machen Viele zwei Kanäle, damit, wenn der Arbeiter den einen gefüllten
Kanal von dem, was sich darin abgesetzt hat, entleert, anderes sich inzwischen in
dem zweiten Kanäle absetzt An der anderen, dem Waaserrade, welches die Maschine
treibt, zunächst liegeuden Seite fliesst das Wasser durch ein Kanälchen herein, uud
Fig. 107.
auf dieser Seite wirft auch der Arbeiter das zu pochende Erz ein, damit die Stücke
nicht zwischen die Stempel geworfen werden und für diese ein Hindoniis« bilden.
Auf diese Weise wird das Silber- imd Golderz feingepocht"
Es wird femer eine datnale gebräuchliche Art von Einrichtungen be-
schrieben, wobei vier Pochwerke auf einer Horizontalebene hintereinander
etanden. Die beiden hinteren hatten sehr hohe und daher schwere Stempel
mit Hebungen nahe dem oberen Ende; die anderen beiden hatten niedere
Stempel mit tief sitzenden Hebungen. Jedes Pochwerk wurde durch ein eigenes
Wasserrad getrieben, und das von den oberen Rädern abfliessende Wasser
fiel auf die unteren Räder. Wo jedoch die Terrainverhältnisse eine solche An-
lage nicht gestatteten, wnrden zwei Paare gewöhnlicher Pochwerke auf zwei
Nasspochwerk. 151
in Terschiedenen Höhen gelegenen Ebenen aufgestellt, das Wasser von den
oberen den unteren zugeführt und Alles unter ein gemeinschaftliches Dach ge-
bracht. Hier war jedoch die Bedienung weniger leicht und daher kostspieliger,
als bei den vorher beschriebenen Anlagen. Es wird femer gesagt:
„Und wenn kein Bach herbeigeleitet werden kann, welcher von einem höheren
Orte aus auf den oberen Theil des Wasserrades stürzt, wird einer herbeigeleitet»
welcher den unteren Theil derselben umdreht Es wird viel Wasser desselben an
einem Orte, der zu dessen Aufnalime geeignet ist, gesammelt, aus dem es bei geöff-
netem Schützen auf das Rad geschickt wird, welches in dem Kanäle umgedreht wird.
Die Schaufeln eines Rades dieser Art sind höher und die rückwärts liegenden stehen
nach oben; die Schaufeln der anderen Art aber sind niedriger und die nach vom
überhangenden neigen sich nach abwärts."
Daraus geht hervor, dass oberschlächtige Wasserräder damals in Sachsen
die gebräuchlicheren waren, dass man nur da unterschlächtige anwendete, wo
die Anlage eines oberschlächtigen Rades unmöglich war, und dass man wohl
wusste^ dass unterschlächtige Räder mehr Wasser brauchten, d. h. einen
schlechteren Effekt gaben, weshalb man für diese vorzugsweise Sammelteiche
anlegte, um kein Wasser, welches der Bach lieferte, unbenutzt zu lassen. Daraus
erklärt sich auch, warum man in Agrigola's Werk fast nur oberschlächtige
Räder abgebildet findet. Es ist aber auch aus der soeben citirten Stelle er-
sichtlich, dass die sächsischen Berg- und Hüttenleute die Schaufeln unter-
schlächtiger Räder damals schon nicht radial, sondern etwas schräg stellten,
um einen besseren Effekt zu erzielen. Endlich wird noch in Betreff der Poch-
werke gesagt:
„In den julischen und rhätischen Alpen und in den Karpathen werden jetzt
Gold- und Silbererze mit Stempeln, von denen manchmal mehr als zwanzig in
einer Reihe stehen, in langen Trögen nass gepocht, welche zwei Platten voll
von Lochern haben, durch welche das zerkleinerte Erz gleichzeitig mit dem Wasser
in einen darunter liegenden Querkanal fjiessf' ....
Die sehr mannigfaltigen Vorrichtungen zum Waschen und Schlemmen
der Erze, wie Setzsiebe u. dergl, welche in diesem Kapitel besprochen werden,
können wir übergehen und wenden uns zu den Mühlen zum Zermahlen der Gold-
und Zinnerze.
Die erste Mühle dieser Art (Fig. 168) ist wie eine Getreidemühle gebaut,
und zwar aus Holz; nur hat die Wasserradwelle eiserne Zapfen und Lager-
futter, der Läuferstein eine eiserne Haue und Spindel. Damit er höher oder
tiefer gestellt werden kann, unterstützen zwei Balken, welche mit Hebstangen
aufgehoben und niedergelassen und durch Einsteckstifte festgestellt werden
können, denjenigen Balken, in dem die eiserne Pfanne für den Zapfen der
Mühlspindel eingelassen ist. Die Zuführung des Mahlgutes geschieht durch
einen über dem Auge des Läufersteines an Stricken aufgehängten Trichter, in
dem ein Arbeiter mit einem Stäbchen henimrührt. Anstatt der Zarge ist nur
ein niederer Kranz von dünnem Holze in geeigneter Entfernung um den Boden-
stein gelegt, und das Mehl, welches sich in dem Zwischenräume sammelt, wird
1E8
Georgius Agricola.
TOD Zeit zu Zeit vod dem Aibeiter nach dem abwärts gerichteten Auslaufe
geschoben, durch den es auf den Boden des Arbeitsraumes fällt, um von da
zur Wäsche gefahren zu werden.
Man bewegte solche Mühlen, wo es an Wasserkraft fehlte, auch durch
Treträder, sowohl durch horizontale (wie in Fig. 144 dargestellt), als auch
durch vertikale für Menschen, Pferde, Esel oder starke Ziegenböcke.
Doch benutzte man auch Uandmühlen nach Fig. 169, zum Mahlen von
Golderzen, deren Beschreibung lautet:
„Zwischen dieser und den übrigen Mühlen ist ein grosser Unterschied, denn
der untere Mühlstein ist oben eo ausgehöhlt, dass er den Läufcrst^in, der eich auf
dner eisernen Axe dreht, umBcIihesst, Diese Axe, welche in der Mitte der Aus-
höhlung eingezapft ist, geht durch den I^uferstein. Der Arbeiter aber dreht den
aufrecht stehenden Handgriff, welcher au dem oberen Steine ist, indem er ihn mit
Fig. ISS.
der Hand fasst, im Krdse hemm. Der Läuferst«dn ist in der Mitte durchbohrt, und
in dieses Loch wird das Erz geworfen und fällt in den unteren Stein, wo es zu
Mehl zennahlen wird. Dieses fällt allmälig aus dessen Oeffnung und wird auf ver-
pchiedeno Arten, die ich nachher beschreiben werde, gewaschen, ehe es mit Queck-
ailber vermischt (amalgamlrt) wird.
Mühlsteine der hier beschriebenen Form benutzt man noch heute zu
manchen Zwecken, z. B. zum Mahlen des Tafelsenfes oder Mostrichs.
Es folgt nun die Beschreibung der in Fig. 170 abgebildeten Mühle also
lautend :
„Es wird jedoch auch eine gewisse Maschine gebaut, welche das Golderz gleich-
zeltig pocht, mahlt^ durch Waschen reinigt und das Gold mit Quecksilber mischt.
Diese einzig dastehende Maschine hat ein Rad, welches vom Stosse des Wassers
getroffen und umgedreht wird. Aus der Axe stehen auf der einen Seite des Wasser-
rades lange Zähne (Hebedaumen) heraus, welche Stempel heben, die das trockene
Erz pochen. Dann wird es in den runden Hohlraum des Mühlsteines geworfen, und
indem es allmälig duroh die runde Oeffnung desselben hindurch schlüpft^ wd es zu
ind AmalgamirmDhlen, Transmissioii.
153
H^ lennahlen. Der Bodenstein iät viereckig, hat aber eine runde Aushöhlung, in
welcher der rande Lauferstein sich dreht, und ein Loch, durch welches das Mehl
in die erste Bütte fällL Die Haue des Mühlei^ns wird in den Laufersteln, der
obere Zapfen desselben aber in ein Lager in einem Balken eingeschlossen. Das Rad
auf dieser Axe, welches aus Triebstöcken besteht, wird von einem Zahnrade au! der
Welle getrieben und dreht die Mühle um. Mit dem Mehle fliesst aber auch Wasser
in die erste Bütte und von dieser dann in die zweite, welche niedriger steht, und
von der zweiten in eine dritte, welche am tiefsten steht Aus der dritten Bütte aber
flresBt es wieder in ein kleines Reservoir, welches aus einem Baume ausgehöhlt wird.
In jeder der Butten aber ist Quecksilber und über jede ein Brett gelegt und daran
befestjgl, durch dessen Loch in der Mitte eine stehende Axe dringt. Diese reicht
nicht weiter als nothwendig in die Bütte, und wo sie das Brett berührt, schwillt sie
nn (d. h. die Welle hat einen Bund, mit dem sie sich auf das Brett stützt). An
ihrem unteren Ende werden iwei sich kreuzende Brettehen liefestigt, welche noch ein
drittes schneidet. Der Zapfen des oberen Endes ist in ein Lager iu einem Balken
Fig. 170.
«ngeschlossen. Auf jeder Axe sitzt ein kleines Rad, welches aus Triebstücken besteht,
und jedes dereelben wird von einem kleinen gezahnten Rade umgedreht, welches auf
der liegenden Welle sitzt, deren eines Ende in der grossen Welle eingeschlossen (mit
ihr verkuppelt) ist Das andere aber ist in der Höhlung eines Balkens eingeschlossen,
welche stark mit Eisen ausgefüttert ist. Und so rühren die Brctlchcn, von denen
eich drei in einer Bütte drehen, das mit Wasser gemischte Mehl um, trennen die
Goldtheilchen davon, welche das Quecksilber aufsaugt und reinigt; die Verunreinigungen
aber nimmt das Wasser mit fort . . ."
Das Bemerkenswerthe an dieser, wie Aghicola sagt, einzig dastehen-
den Maschine besteht offenbar darin, dass, wie wir zu sagen pflegen, mehrere
rerscbiedenartige Arbeitsmaschinen, nämlich ein Stampfwerk, eine Mühle und
drei Rührwerke durch ein einziges Wasserrad vermittelst einer Trans missions-
anlage betrieben werden. Die Idee der Transmissionsanlage aber, oder des
Betriebes verschiedener Arbeitsmaschinen durch einen Motor, welche sich allem
Anscheine nach zu Bjringuccio's und Acricola's Zeit erst ausbildete, war eine
der wichtigsten für die Entwickelung des Maschinenwesens.
IUI
Geargius Agricola.
Wir müssen auch bei dieser Gelegenheit hervorheben, dass man Winkel-
räder-Uebersetzungen in friilieren Zeiten sehr häufig mit verschränkt über-
einander Hegenden Axen anordnete, wie es hier und in Fig. 171 die Abbil-
dungen zeigen. Dies konnte bei den damak üblichen Triebstockverzahnungen
ohne besondere Schwierigkeit geschehen; nur waren, da hierbei die Zähne noch
mehr längs der Triebstöcke glitten als gewöhnlich, etwas längere Triebstöcke
erforderlich.
Im neunten Buche spricht Aghicola zunächst von der Einrichtung der
Hüttenwerke und beginnt mit den Schmelzöfen. Er sagt:
„Die Erze werden entweder in Oefen oder ohne solche ausgcschniolzen (exco-
(juuntur), und weim in Oefen, entweder in solchen, deren Abstichloch (os) zeitweilig
geschlossen ist, oder in Bolchen, bei denen es immer offen steht; wenn dagegen ohne
Oefon, entweder in Tiegeln oder in Kanälen."
Flg. ITl.
Fig. 172.
Es folgt dann eine Beschreibung der Oefen der ersten Art, wie sie in
Silberhätten gebräuchlich waren. Es waren kleine Schachtöfen, welche unten
zwischen den Seitenwänden 37 cm und zwischen Vorder- und Hinterwand 4(! cm
lichte Weite und 22 cm Mauerstärke hatten. Nach oben wurden sie etwas
weiter. Die Vorderwand, über welche ein Arbeiter die Beschickung ein-
schüttete, war 1,50 ra hoch, die Seitenwände 30 cm höher und die Hinter-
wand abermals um so viel höber, also 2,10 hoch. In der Hinterwand lag eine
eiserne oder broncene Form, in welche die Düsen von zwei Blasebälgen ein-
mündeten; in der Vorderwand dagegen war das Abstichloch, durch welches
das Metall in einen Vorherd abfloss. Es standen immer mehrere, aber selten
mehr als sechs solcher Oefen in einer Reihe an einer Mauer, durch welche
TbürÖßfnungen nach dem Räume fährten, in welchem die Blasbälge in einer
Blasbälge für Schmelzöfen. 155
Reihe auf einem Balkengerüste lagen. Diese waren einfache Spitzbälge, au8
Holz und Leder gemacht. Sie hatten eine grösste Breite von 75 cm, der obere
Deckel war 1,70 m, das Kopfstück 45 cm lang, so dass die Gesammtlänge ohne
die Düse und das Schwanzholz 2,15 m betrug. Die Konstruktion dieser Bälge
ist von Agricola bis in die kleinsten Details beschrieben, worauf wir jedoch
nicht eingehen wollen. Ihre Bewegung erhielten die Bälge durch ein Wasser-
rad, welches vermittelst Winkelrädem eine Daumenwelle umdrehte (Fig. 171).
Diese lief hinter dem Gerüste her, auf welchem die Bälge mit ihren unteren
Deckeln befestigt waren. In der Mittelebene jedes Balges hatte die Welle
zwei einander gegenüberstehende Daumen, mit welchen sie einen im Gerüste
unterhalb des Balges gelagerten einarmigen Hebel niederdrückte (Fig. 172),
von dem die Bewegung durch eine Zugstange und eine dreigliederige Kette
mit entsprechenden Oesen auf das Schwanzholz des oberen Balgdeckels und
auf einen darüberliegenden doppelarmigen Hebel mit Gegengewicht übertragen
wurde. Dieses hob den Deckel wieder, sobald der Druck des Daumens auf
den unteren Hebel aufhörte. Die Zugstange hatte am oberen Ende mehrere
Löcher, in welche der Haken am unteren Ende der dreigliederigen Kette je
nach Bedürfniss höher oder tiefer eingehängt werden konnte. Wurde dieser
Haken ausgehängt, so stand der betreffende Balg still. Die Konstruktion
dieses Bewegungsmechanismus, welche Agricola sehr ausführlich beschreibt,
dürfte klar genug aus dem Gesagten und den Fig. 171 und 172 hervorgehen,
doch sei bezüglich der Dimensionen noch folgende Stelle angeführt:
„Das Rad, welches aus Triebstöcken besteht, wird aus zwei doppelten, kreis-
runden Scheiben gebildet, welche oO cm von einander abstehen, 9 cm dick und
etwa 33 cm hoch sind. Sie sind aber doppelt, weil sie aus zwei gleich dicken, kreis-
runden Scheiben zusammengesetzt sind, die mit hölzernen Nägeln zusammengeleimt
und ringsum mit einer eisernen Schiene überzogen werden. Die Triebstöcke sind
30 an der Zahl, 48 cm lang, beiderseits in die Scheiben eingezapft^ rund und 55 mm
dick. Auch stehen sie ebensoviel von einander ab . . . Ferner hat das Zahnrad
60 2«ahne . . . Sie sind 30 cm lang, und zwar stehen sie 75 mm aus der inneren
Kreisfläche des Rades vor imd 55 mm aus der äusseren (der Radkranz aus doppelten
Felgen war 17 cm dick und 30 cm breit). Ferner sind sie 75 mm breit und 45 mm
dick . . . Die Axe muss so dick gemacht werden, wie es mit den Radarmen und
Kranztheilen im Verhältnisse steht. Weil aber je zwei Hebedaumeu einen Hebel
niederdrücken, so muss die Axe (bei 6 Oefen) 24 Daumen haben, von denen jedw
37 cm aus ihr heraussteht. Sie haben eine nahezu kreisrunde Gestalt (sind nach
einem Kreisbogen gekrümmt), ihr breiter Theil ist 24 cm breit und jeder 75 mm dict"
Wir haben die hier angegebenen Massverhältnisse in unserer Fig. 171
möglichst einzuhalten gesucht, während der betreffende Kupferstich in Agricola's
Werk in manchen Stücken unvortheilhaft davon abweicht. Uebrigens wird
am Schlüsse von dessen Beschreibung bemerkt, dass oft auch nur eine Welle
angewendet werde, auf welcher die Daumen zugleich mit dem Wasserrade sässen.
Es wird femer das Mahlen und Sieben der Kohlen und der Erde be-
schrieben, welche gemischt zur Herstellung der Herde und Vorherde der
Schmelzöfen dienten. Ersteres geschah mit einem Stampfwerke mit vier
ISS Georgiua Agrico]».
hölzernen Stempeln, welche keine eiserneD Köpfe hatten, sondern nnr rait einem
eisernen Ringe an ihrem unteren Theile umgürtet waren.
Ans den nun folgenden Beschreibungen verschiedener anderer Schmelz-
öfen heben wir nur hervor, dass man zum Verhütten schwer schmelzbarer Erze
und insbesondere der Eisenerze auch grössere Oefen und Bläsbälge anwendete,
als die oben beschriebenen; doch werden die Dimensionen derselben leider
nicht angegeben. Folgende Stelle am Schlüsse des betreffenden Abschnittes ist
der eigenthümlichen Form der darin beschriebenen BlashÜlge wegen für uns
benierkenswerth :
„Die Lusitanier (im Westen der pyrenäischen Halbinsel) pflegen das Zinn aus
echwarzen ßteinchen in kleinen Oefcn zu erblaseu. Sie gubmucheu runde Btasbülgo
von Leder (Fig. 173 und 174), deren vorderer Theil aus einer kreisrunden, ei^enii^n
Scheibe besteht, der hinterste aber aus einer solchen von Holz. In einem Lochu
der ereteren ist die Düse eiiigefchloaseo, in der Mitte der letzteren aber befindet sieh
die Saugöffnung und darüber ein Handgriff oder Bügel. Wird der Balg uiit dessen
Hilfe auaelnandergczogeo, so nimmt er Luft auf, wird er aber zuaanimengepresst, so
atöaat er sie aus. Zwischen den Scheiben hat der Balg einige eiserne Ringe, an
denen das Leder so befestigt ist, doss es Fallen macht, wie man sie an einer Pii))ier-
lateme sieht, die man zusammenlegen kann. Da aber Blasbälge dieser Art keinen
starken Wind ausstossen imd sie nur langsam auseinandcrgezogeu und zusaminen-
gepresst werden, so kann der Schmelzer in einem ganzen Tage wenig mehr als einen
halben Centner Zinn erblasen."
Bei der Darstellung des Eisens, von welcher Agbicola nun zunächst
spricht, spielten damals Hammerwerke eine besonders wichtige Rolle, denn
diese geschah nach dem sogenannten direkten Verfahren, d. h. aus den Erzen
wurde tmmittelbar schmiedbares Eisen erzeugt, aber in einem Klumpen (massa),
der je nach der Qualität der betreffenden Erzstücke, den verschiedenen Tempe-
raturen, denen diese bei ihrem Niedergänge im Ofen ausgesetzt waren u. s. w.,
aus einem Conglomerate sehr verschiedener Eisen- oder Stahlsorten bestand.
Erst durch wiederholtes Zertheilen, Sortiren, Zusammenschweisscn und Aus-
scbmieden konnten daraus brauchbare Eisensorten gewonnen werden. Zu
diesem Zwecke bediente man sich etwa seit der Mitte des dreizehnten Jahr-
Hammerwerke.
157
honderts der dnrcb Wasserkraft betriebenen Bämmer (siebe Dr. Ludivio Beck:
„Geschichte des Eisens", S. 752 \ind 754), während man erat zn Anfang des
fünfzehnten Jahrhundert anfing, die Wasserkraft zur Bewegung der Blasbälge
zo benutzen (siehe ebendaselbst S. 781). Hieraus dürfte es sich erklären,
wunra Agbicola die Eisenhämmer, wie er sie gelegentlich der Besprechung
von Eisen- und Stahlwerken erwähnt und abbildet, und wie wir sie in den
Fig. 175 ond 176 reproducirt haben, nicht beschreibt. Eisenhämmer waren
damals wahrscheinlich so bekannt, dass unser Autor eine nähere Beschreibung
derselben für überflüssig hielt. Die abgebildeten sind sogenannte Anfwerf-
hämmer, bei denen die Wasserradwelle mit dem Hammerstiele parallel ge-
lagert ist und die Hebedaumen denselben in der Nähe des Kopfes von unten
fassen tmd in die Höhe werfen.
Im zehnten Buche von Agiiicola's Werk interessiren uns zunächst die
Drehkrahnen, welche dort zum Abheben der Hüte von Treibherden angegeben
werden ond deren Beschreibung also lautet:
^
Fig. 175.
„Der Kranich (Fig. 178), mit dem man den Deckel aufhebt, damit ich audi
diese Maschine beechreibe, ist so beschaffen: Zuerst wird eine (hölzerne) Welle auf-
gerichtet, vierkantig, auf jeder Seite 30 cm breit und 3,50 m lang, Ihr unterer
Zapfen dreht sich in einer Pfanne von Broncc, welche in ein anderes eichenes Hobs
angelassen ist Zwei solcher Hölzer sind uämbch verschränkt so übereinander gelegt^
dass die Vertiefung in der MitI« des einen in die Vertiefung in der Mitt« des
anderen eingeschlossen ist und beide ein Kreuz bilden. Jedes dieser Hölzer ist 90 cm
lang und 30 cm breit und dick. Das obere Ende der Welle iat rund, tmd zwar
so ausgeschnitten, dass es 22 cm dick ist (d, h. am oberen Ende war ma Dreh-
zapfen von dieser Dicke angeschnitten); es dreht sich in einem halbirten eisernen
Bmge, der zu beiden Seiten an einem auf die Seitenwand der Feuerstätte sich stützen-
den Balken befestigt ist. An dieser Welle ist ein Gehäuse befestigt^ imd zwar ist
tunächst in der Höhe von einer Elle (= Vk' = 44 cm) ein Holz in ein Zapfen-
loch der Axe angezapft, welches mit Ausnahme des Kopfes 50 cm lang und 15 cm
breit und dick ist. Alsdann ist wiederum in der Höhe von 1,50 m nach auftvärts
«n zweites ebenso langem, breites und dickes Holz in die Axe eingezapft. Die anderen
Enden dieser bdden Hölzer sind in die Zapfenlöcher «nes senkrechten Balkenstückes
168 GeorgiuB Agricola.
eingezapft, welches 2 m hoch, 22 cm breit und dick ist, und beide sind von hölsemea
Nägeln durchdrungen. Femer sind vom untere» Holze aufwärts in einer Höhe von
32 cm in seitlichen Zapfenlöchern nieder zwei Hölzer eingezapft, 37 cm lang mit
Ausnahme des Kopfes, 13 cm breit und 75 mm dick, und ebenso unter dem oberen
Holze zwei Hölzer von derselben Grösse. Auch in Zapfenlöchern des senkrechten
Balkenstückes sind ebenso viele Hölzer eingezapft von derselben Länge wie die
vorhergehenden, aber 65 mm dick und 11 cm breit, und zwar die unteren quer über
dem unteren Holze, die oberen aber in gerader Richtung mit den beiden oberen
Hölzern, welche in die Beilen der Welle eingezapft sind. Ausserbalb sind Bretter
an die Hölzer befestigt (diese bildeten ein kastenfönniges Gehäuse um das Räder*
werk des Krahn^ eind aber in der Abbildung weggelassen, um letzteres nicht zu
verdecken). Aber der vordere und der hintere Theil des Gehäuses haben Thürflügel,
Fi«. 17?. Fig. na.
deren Angeln an den Brettern befestigt sind, welche an den in die Seiten der Welle
eingezapften Hölzern angeschlagen sind. Ueber die unteren Hölzer sind Bretter
quer gelegt^ von welchen 15 cm nach oben entfernt eine vierkantige eiserne Axe
liegt, deren Seitenflächen 37 mm breit sind. Die Enden derselben sind beide rund
und drehen sich in bronceuen oder eisernen Ringen, von denen der eine in der
Welle, der andere in dein senkrechten Balkenstücko eingeschlossen ist Auf jeder
Seile dieser Axe sitzt eine hölzerne runde Scheibe, 24 cm hoch, 75 mm dick, obenauf
mit Eisen beschlagen. Diese beiden Bebeiben stehen 18 cm von einander ab und
haben 5 Trieliatöcke, welche 46 mm dick sind und 55 mm von einander abstehen.
Auf diese Weise wird ein Rad erzeugt, welches von dem senkrechten Balkenstücko
9 cm, von der Welle aber etwas weiter, nämlich 13 cm absteht Oberhalb dieser
Äxo in einer Höbe von 87 cm liegt eine zweite vierkantige eiserne Axe, von der
jede Seite 55 mm breit ist. Sie dreht sich ebenso wie die erste in bronceneu oder
eisernen Ringen. Auf dieser sitzt ein gezahntes Rad, aus zwei runden Schdben
zusammengesetzt, 52 cm breit und 11 cm dick, welches auf der Stimflächo 23 Zähne
DrehkrahneD. 159
hat) 7ö mm breit, 37 mm dick und 75 mm aus dem Rade stehend. Sie stehen
55 mm von einander ab. Auch ist auf derselben Axe gegen das senkrechte Balken-
stück hin bei 18 cm Länge eine andere runde Scheibe von gleichem Durchmesser,
wie die Scheibe des Getriebes und . 75 mm dick. Diese dreht sich in dem senk-
rechten Balkenstücke, welches an dieser Stelle ausgeschnitten ist Aus dieser Scheibe
und der Scheibe des Rades wird ein anderes Rad gebildet, welches fünf Triebstöcke
hat. Von dieser zweiten Axe aufwärts in einer Höhe von einer Elle (ca. 45 cm)
liegt eine hölzerne Axe, welche eiserne Zapfen hat und deren Enden mit eisernen
Ringen gebunden sind, damit die Zapfen in ihnen fest bleiben. Letztere drehen sich
ebenso, wie die eisernen Axen in broncenen oder eisernen Ringen. Diese Axe steht
von dem oberen Querholze etwa 45 cm ab imd hat nahe bei dem senkrechten Balken-
stücke ein Zahnrad von 74 cm Durchmesser, welches auf der Stirnfläche 27 Zähne
hat. Der andere Theil der Axe (welcher die Ketten trommel bildet) nach der Welle
zu ist mit Eisenblech beschlagen, damit er von der Kette, welche sich darum schlingt,
nicht abgerieben wird. Der äusserste Ring dieser Kette ist in eine Klammer ein-
geschlossen und auf der Axe befestigt Diese Kette geht aus dem Gehäuse heraus
und wird über eine Rolle geschlagen, welche zwischen den Balken des Schnabels
gelagert ist. Denn IV*' (soll wohl heissen 2^/4' = 67 cm) über dem Gehäuse ist der
Schnabel des Kranichs, welcher aus zwei in die AVelle eingelassenen Balken besteht,
von 4,50 m Länge, 22 cm Breite und 15 cm Dicke, welche an der Rückseite der
senkrechten Welle 45 cm herausstehen. Dort werden sie mit eisernen Bändern
gebunden und ausserdem mit einem hölzernen Nagel, welcher durch sie und die
Welle dringt, verbunden. Dieser Nagel hat an einer Seite einen breiten Kopf, an
der anderen ein Loch, in welches ein eiserner Keil eingeschlagen ist, damit er die
Balken mit der Welle fest zusammenpresst Die Balken des Schnabels aber sind
durch zwei andere Balken verstrebt und unterstützt, welche 1,90 m lang und 15 cm
breit und dick sind. Diese sind unten in die Welle und oben in die Balken des
Schnabels eingelassen, wo sie von der Welle etwa 1,20 m abstehen, und sind mit
eisernen Nägeln befestigt. Hinter dem oberen Ende dieser Balken nach der Welle
hin ist ein Eisenband unterhalb über die Balken des Schnabels gelegt, welches sie
zusammenhält und zusammenzieht Das vordere Ende dieser Balken ist in viereckig
gebogene Eisenschienen eingeschlossen, zwischen welchen eine dritte viereckig gebogene
Eisenschiene eingesetzt ist, so dass die Balken des Schnabels weder auseinander
gehen, noch sich einander nähern können. Diese Balken sind oben auf 1,80 m
Länge mit Eisenblech beschlagen, damit die „Zunge" (das ist der Körper des kleinen
Wagens, welcher die vordere Kettenrolle trägt) in ihnen fortbewegt werden kann.
Dieses Holz wird von Hainbuche oder einem anderen harten Baume 45 cm lang,
30 cm breit und 22 cm dick gemacht und auf beiden Seiten der untere Theil auf
75 mm Höhe imd Breite herausgeschnitten, damit das Stehenbleibende zwischen den
beiden Balken des Schnabels hin und her gehen kann. Der vordere Theil (der
Zunge) aber wird in der Mitte auf 18 cm Länge ausgeschnitten, so dass eine broncene
Rolle, welche auf einem eisernen Aexchen sitzt, sich darin drehen kann. Ausserdem
hat die Zunge nahe bei den vier Ecken vier Löcher, in welchen ebenso viele Rollen
befestigt sind, die auf den Balken des Schnabels fortbewegt werden, indem sie sich
drehen. Aber weil die Zunge, wenn sie hin und her gezogen wird, einem dem Bellen
eines Hundes einigermassen ähnlichen Ton von sich giebt, so kommt bei uns ihr
Name davon her (d. h. man nannte den kleinen Krahnenwagen den „Hund"). Mit
einer Stange (vectis, eigentlich Hebel) wird die Zunge vorwärts bewegt und durch
die Kette wird sie zurückgezogen. Es ist aber ein eiserner Haken ange-
bracht, dessen Auge sich auf einem eisernen Bolzen dreht, welcher
in der rechten Seite der Zunge eingeschlagen ist Dieser Haken
wird in einen von mehreren eisernen Nägeln (in unum aliquem
ferreum clavum) eingehängt, welche in dem rechten Balken des
Schnabels eingeschlagen sind. — Vorn vor der (s^teheuden) Welle befindet
ICO
Geoif Ins Agricola.
sich mne broncene Rolle, deren eisernes Aezchen in die Balken des Schnabels
gelagert ist, in welcher Rolle die aus den) Gehäuse herauskommende Kette läuft
Nachdem diese dann durch den ausgehöhlten Rucken der Zunge bis zu deren broncener
Rolle gelangt ist, schlingt sie sich um diese ....'*
Es wird nun noch beschrieben, wie der Hut des Treibherdes an die
Krahoenkctte gehängt und wie die Handkurbel beschaffen war, mit welcher
das Räderwerk bewegt wurde, was wir übergehen.
Wir haben nna bemUht, in Fig. 178 diesen Drehkrahnen der Beschrei-
bung gemäss darzustellen und haben diese deshalb bis hierher unverkürzt wieder-
gegeben, damit wir nicht in den Verdacht kommen möchten, hierbei willkür-
lich Terfahren zu sein, da der Kupferstich, welcher sich in Agricoi.a'6 Werk
befindet, mit unserer Fig. 178 keine Aehnlicbkeit hat und nur ein Zerrbild des
Flg. 17>. Fig. IHO.
beschriebenen Krahnen ist. Die in der oben gesperrt gedruckten Stelle ange-
gebenen Nagel an der Seite des Schnabels aber und der Haken am „Hunde",
welcher diesen während des Aufziehens in seiner Stellung hielt, sind in dem
Kupferstiche gar nicht angegeben. Interessant ist es, aus dieser Beschreibung,
sowie aus mehrereu anderen Abbildungen von Krahnen in Agricola's Werk
zu ersehen, dass die sächsischen Hüttenleute schon Anfang des sechzehnten
Jahrhunderts Räderwerke mit Gehäusen umschlossen, die keinen anderen Zweck
haben konnten, als die Arbeiter vor Unfällen zu schlitzen, während heutigen
Tages die Fabrikinspektoren oft Mühe haben, die Anbringung solcher Schutz-
vorrichtungen durchzusetzen.
Einen sehr einfachen, damals gebräuchlichen Drehkrahnen zum Abheben
des Hutes von Treiblierden zeigt noch Fig. 177, dessen Beschreibung also lautet:
„Die Zapfen der auf rechts lebenden Welle drehen eich auf dieselbe Weise (wie
bei dem soeben beschriebenen Kr&hn), der eine in einer eisernen Pfanne, der andere
in einem Ringe. An dieser Welle steht ein Balken quer heraus, welchen ein schtiger
Fallhammer. 161
onterBtützt. Am Ende des Querbalkens ist ein starker, eiserner Ring befestigt, von
dem ein anderer, in ihn eingeschlossener Bing ausgeht, in welchen wiederum ein
starker hölzerner Hebel eingeschlossen ist, dessen Ende ein dritter eiserner Ring um«
sdiliesst, von dem ein eiserner Haken herabhängt, der in den oberen Ring der Kette
des Hutes eingehängt wird. Am anderen Ende des Hebels aber ist eine Kette,
welche, wenn sie niedergezogen wird, den anderen Arm des Hebels und damit den
Hut hebt . . . ."
Im elften Buche beschreibt Agricola noch einen Drehkrahnen mit ein-
facher Raderübersetzung und einer selbstschliessenden Zange am Ende der
Krahnenkette, dessen Abbildung wir in. Fig. 179, wiedergeben, wobei wir uns
aber erlaubt haben, die Räderübersetzung, welche hier nicht näher beschrieben
ist, der früheren Beschreibung zu Fig. 178 gemäss einzuzeichnen, während in
dem Kupferstiche Rad und Getriebe gleich gross gezeichnet sind, was keinen
Sinn hat. Die Beschreibung dieses Krahnen aber können wir übergehen, da
diese Konstruktion der früher beschriebenen Fig. 178 analog ist.
Endlich müssen wir noch den in Fig. 180, dargestellten Fallhammer be-
trachten, welcher zum Zerkleinern des Schwarzkupfers benutzt wurde, um es
zur Saigerung vorzubereiten. Die Beschreibung lautet:
„Die Brode von Kupfer werden auf einen Karren geworfen, in die dritte Ab-
thdlung der Hütte gefahren und hier einzeln auf einen „Stuhl" gelegt, wo sie von
wiederholten Schlägen eines vorn mit einem Eisen versehenen Stempels getroffen und
zerbrochen werden. Diese Maschine macht man so: Ein Klotz von Eichenholz,
1,50 m lang, 90 cm breit und dick, wird auf den Boden gelegt. Derselbe hat in
der Mitte einen nach vorn offenen Hohlraum von 75 cm Länge, 60 cm Breite und
26 cm Höhe. Der sich erhebende Theil ragt dahinter vor, während die Breite des
Hohlraumes in den Klotz hineinfällt In die Mitte desselben wird ein broncener
JStuhl" gestellt Dessen etwas eingelassener Theil von 11 cm Breite wird zwischen
zwei Bleiklumpen gesetzt. Der höhere Theil desselben grenzt beiderseits 75 mm breit
daran, so dass der ganze Stuhl 26 cm breit ist, 30 em lang und 15 cm dick. Ueber
den Klotz wird zu beiden Seiten des Hohlraumes je ein 45 cm breiter Balken
gestellt . . . ."
Die weitere Beschreibung des Maschinengestelles ist nicht wesentlich ver-
schieden von der bei dem Pochwerke gegebenen. Von dem Stempel w4rd gesagt:
„Dieser ist vierkantig, 3,25 m lang, 22 cm breit und dick. Der Kopf des
37 cm langen Eisens ist 15 cm lang und breit, oben 11 cm, unten 37 mm dick,
denn er wird allmälig schmäler. Der Schwanz desselben ist 22 cm lang und da,
wo er von dem Kopfe aus aufsteigt, 15 cm breit und dick. Je weiter er sich aber
von dem Kopfe entfernt, desto schmäler wird er . . . ."
Die Art der Befestigung dieses Eisens und der Hebling im Stempel waren
ebenso, wie bei den Pochstempeln. Um den Stempel abstellen zu können, war
auch hier ein Loch in solcher Höhe durch denselben gebohrt, dass es bei der
höchsten Stellung über den unteren Querbalken erschien und ein durchgesteckter
Bolzen den Stempel in dieser Stellung erhielt. Bezüglich der Hebedaumen
an der Wasserradwelle wird gesagt:
JDie Welle, welche die Stempel hebt, hat beiderseits zwei Zähne (siehe Fig. 181),
welche 20 cm von einander abstehen und 40 cm aus ihr hervorragen. Sie werden
durch die Axe gesteckt und durch eingeschlagene Keile befestigt Sie sind 11 cm
Beck. 11
1G2 Georgius Agricola.'
breit und dick, ihre Enden abgerundet und mit eisernen Schienen von gleicher Breite
beschlagen, welche an beiden Seiten 30 cm herabreichen und mit eisernen Nägeln
befestigt sind. Diese Köpfe haben runde Löcher, in welche ein eisernes Aexcheii
eingesclilossen wird, das durch eine broncene Walze
^j. hindurchgeht Das eiserne Aexchen hat am einen
/^"~'7^ .^^ Ende einen breiten Kopf und am anderen ein Loch,
durch das ein eiserner Nagel gesteckt wird, damit
es nicht aus den Zähnen herausfalle. Die broncene
Röhre ist 15 cm (?) lang und 75 mm dick. Durch
Fig. 181. ihr rundes Loch von 37 nun dringt das eiserne
Aexchep und ist in sie eingeschlossen. Aber nicht
allein die broncene Walze dreht sich um das eiserne Aexchen, sondern dieses dreht
sich auch, und wenn die Welle sich dreht, so heben die broncenen Walzen abwechselnd
den Zahn (Hebling) des Stempels . . . ."
Die Hebedaumen waren also hier mit AntifriktionsroUen versehen. Wir
haben auch diesen Fallhammer in Fig. 180 möglichst genau nach der Be-
schreibung darzustellen gesucht, während in dem Kupferstiche bei dieser Be-
schreibung das Eisen unten am Stempel und der sogenannte ;,StuhP, auf den
die Kupferrosetten gelegt wurden, um zerschlagen zu werden, unverhältniss-
massig gross gezeichnet sind.
Wir schliessen diese Betrachtung mit dem Wunsche, der Leser möge ver-
zeihen, wenn ihm von den Detail- und Massangaben Agricola^s im Vorstehen-
den zu viele citirt zu sein scheinen. Denn bei allen Anderen, welche im sech-
zehnten und siebzehnten Jahrhundert über Maschinen geschrieben haben, fehlt
es gerade an solchen Angaben, und bei Vielem, was sie beschrieben haben, an
der Garantie, dass es auch praktisch angewendet wurde, so sehr, dass man
sich nur nach genauerem Studium Agricola's ein ungefähres Bild von dem
damaligen Stande des Maschinenbaues machen kann.
Hieronimus Cardanus (1501—1576).
Beuleatjx sagt auf Seite 11 seiner Kinematik: ;,In früheren Zeiten be-
trachtete man jede Maschine als ein Ganzes, bestehend aus ihm eigenthüm-
lichen Theilen; jene Gruppen von Theilen, welche man Mechanismen nennt,
sah das geistige Auge an der Maschine noch gar nicht, oder nur selten
Der Begriff ;, Wasserrad^ ist allerdings so ziemlich vorhanden, man begegnete
doch solchen Rädern auf Weg und Steg, allein der Begriff ;,Pumpe^, und des-
halb auch das Wort dafür, fehlte noch gänzlich .... Erst bei Leüpold 1724
finden wir eine Abtrennung einzelner Mechanismen von den Maschinen vor,
welche für sich nur mit nebensächlicher Rücksicht auf ihre mannigfache Ver-
wendung betrachtet werden'*.
Nachdem wir in unserer ersten Abhandlung über Leonardo da Vinci eine
Anzahl Skizzen desselben reproducirt haben, welche einzelne Mechanismen
behandeln, und in unserer Abhandlung über Georgius Agricola erwähnt haben,
dass dieser die Pumpen, welche er im lateinischen Texte ;,siphones^ und in
dem beigegebenen Verzeichnisse deutscher, technischer Ausdrücke ;,Pompen^
nennt, als eine eigene Unterabtheilung der Wasserfordermaschinen behandelt,
dürfte es Obigem gegenüber nicht uninteressant sein, zunächst das, was Car-
danus über einzelne Mechanismen geschrieben hat, zu betrachten, zumal
seine Behandlungsweise dieses, allerdings damals noch nicht umfangreichen
Gegenstandes eine kaum zu verkennende Aehnlichkeit mit dem hat, was man
heutigen Tages die Lehre von den Bewegungsmechanismen oder auch Kine-
matik nennt. Auch der Begriff ^Pumpen^ fehlt ihm nicht, wenngleich er
solche ^ytubae'' nennt, anstatt ;,siphones^, und er betrachtet sie sogar ganz für
sich allein, abgelöst von den Mechanismen, welche zur Einleitung der Kolben-
bewegung dienen. Auch finden wir noch einige andere, seither, wie es scheint,
unbeachtet gebliebene Mittheilungen über Maschinen in den Werken dieses
Zeitgenossen Agricola's. .
Geronimo Cardano (lateinisch: Hieronimus Cardanus) wurde 1501 zu
Mailand geboren, bezog 1521 die Universität Pavia, wo er Mathematik, Philo-
sophie und Medicin studirte, erklärte bereits zwei Jahre darauf den Euclides,
164 Hieronimos Cardanns.
wurde in Padua als Doktor der Medicin promovirt, nahm 1534 eine Professur
der Mathematik in Mailand an, las aber gleichzeitig Kollegien über Medicin
und prakticirte als Arzt, ging dann nach Schottland, wo er den Erzbischof
Hamilton von St. Andrew's, der an Asthma litt, behandelte, bereiste bei seiner
Rückkehr die Niederlande und Deutschland, blieb 1559 in Mailand, wurde in
diesem Jahre Professor der Medicin in Pavia und 1562 in Bologna, wurde
wegen eines Versuches, das Leben Jesu astrologisch zu erklären, eingekerkert
und erst 1571 wieder frei gelassen, ging dann nach Rom, wo er vom Papsto
eine Pension erhielt und starb 1576.
Cärdaxus war ein Mann von grossem Geiste und Wissen, aber dem Hange
zum Wunderbaren sehr ergeben. In der Mathematik ist sein Name durch die
Veröffentlichung der sogenannten cardanischen Regel zur Auflösung von Gleich-
ungen dritten Grades berühmt geblieben, obgleich es wahrscheinlich ist, dass
diese von Tartaglia herstammt, der sie aber geheim hielt. Des Cardanus
Schriften gehören zu den wichtigsten Denkmälern seines Jahrhunderts, obgleich
sie oft zusammenhanglos imd nicht frei von Widersprüchen sind. Sein natur-
wissenschaftliches und metaphysisches Wissen legte er in den beiden umfang-
reichen Werken: „De subtilitate libri XXI" und „De remm varietate libri
XVII" nieder. Ersteres^ erschien zu Nürnberg 1550 und in vervollständigter
Ausgabe ebendaselbst 1554, dann zu Basel 1583 und 1664. Das zweite Werk:
„de rerum varietate" erschien zu Basel 1557, Avignon 1558 und 1581 und in
deutscher Uebersetzung zu Basel 1559 und 1591. Eine Gesammtausgabe der
Werke des Cardanus in 10 Foliobänden erschien 1663 zu Paris.
Wir entnehmen zunächst dem Werke de subtilitate einen Abschnitt, der
sich in der Baseler Ausgabe von 1664 auf Seite 20 findet und überschrieben
ist: ;,Von der hin- und hergehenden Bewegung (de motu aliei'nanteY
und folgendermassen lautet:
„Die wiederkehrende Bewegung eines materiellen Körpers wird zur abwechseln-
den Hin- und Herbewegung von Blasbälgen und anderen Maschinen . benutzt, wie
sich beispielsweise bei der Ktesibischen Maschine zu zeigen Gelegenheit bot, dass
die Kolben in den Stiefeln abwechselnd auf und nieder gehen. Dies wird so
erreicht: Ein Schaufelrad wird in dem Gefälle eines herabschiesscnden Wassers so
aufgestellt^ dass es durch den kontinuirlichen Abfluss des Wassers über die Schaufeln
umgedreht wird. In diesem befindet sich die Axe A (Fig. 182)*), welche offenbar
mit umgedreht werden muss. Die Beschaffenheit des Wasserrades setze ich al»
etwas, was man bei jeder Mühle sehen kann, als bekannt voraus. Der auf Pfosten
ruhende (sehr dick gedachte, hölzerne) Wellbaum i? ist so gelagert, dass er sich auf
Zapfen drehen kann. Nahe bei seinem äussersten Ende ist eine Oese E darin
befestigt und darin die Oese einer Eisenstange F, welche wiederum in einer Oese
endigt. Diese nimmt eine Oese G auf, welche an der Stange H gebildet ist Mit
dem Ende von A ist eine Oese verbunden, welche vermittelst eines Hakens (unco.
*) Die Abbildungen in den Werken des Garoanus sind zwar so mangelhaft, dass sie
viel zu errathcn übrig lassen; andererseits sind aber auch die Beschreibungen oft nicht aus-
führlich genug, um jene mit einiger Zuverlässigkeit darnach verbessern zu können. Wir
geben sie daher fast anverändert wieder.
Lebensbeschreibung. Von der hin- und hergehenden Bewegung.
165
worunter ein gekröpftes Eisen, hier eine Kurbel zu verstehen ist) so mit einem Nagel
(dem Kurbelzapfen) in der Höhe der höchsten Stelle der Welle A verbunden j&t>
dass sie sich mit ihm bewegt Aber wenn sich die Axe zurück bewegt (d. h. nach
ihrer ersten Stellung zurückkehrt), kehrt auch die Oese in ihre vorige Stellung imd
Lage zurück. An einer anderen Stelle des Wellbaumes B werden zwei Oesen C
und 2) einander gegenüber angebracht. Man kann auch zwei oder drei Paare auf
diese Weise einander gegenüber anbringen. Wenn nun von den Pumpenkolben oder
Blasbalgen der eine bei (7, der andere bei D mit einem Seile angehängt wird und
bei der Umdrehung der Wasserradwelle der Wellbaum B auf der Seite von D
angezogen wird, so wird der eine Blasbalg von C gehoben, während der von D fällt . . .
und so werden durch abwechselnde Wirkung die Bälge bewegt, denn der Wellbaum
B neigt sich abwechselnd zur Rechten und Linken, dreht sich aber nicht um. Man
kann auf diese Weise viele Blasbälge durch viele Oesen, welche an dem Wellbaume
einander gegenüber angebracht sind, bewegen, doch ist dazu eine starke Wasserkraft
nöthig. Man kann auch noch eine zweite Welle an der linken Seite derselben
Wasserradaxe anhängen, was die Schmiede zu thun pflegen, imd so die Zahl der
Blasbälge noch verdoppeln. Es ist hierzu kein anderes Hilfsmittel erforderlich, als
was bei einem einzigen Betriebe nothwendig ist^ aber eine grössere Kraft^'
MTjy i/X^
Fig. Iö2.
Fig. 183.
Fig. 184.
Der hier beschriebene Mechanismus ist eine Vereinfachung desjenigen,
welchen Biringuccio zum gleichzeitigen Bewegen einer grösseren Zahl von
Blasbälgen angab und welchen wir in Fig. 134, S. 120 der Abhandlung über
ihn skizzirt haben.
Der nun folgende Abschnitt, welcher sich jedoch in der ersten Ausgabe
von 1550 noch nicht findet, ist überschrieben: ;,Die Uebertragung der
Bewegungen (motunm translatioY und lautet:
„Die Bewegungsübertragung, welche sowohl bei Mühlen, als auch bei Uhren
gebraucht wird, ist zwar eine sehr gewöhnliche, aber doch von subtilerer Konstruktion.
Es sei ^JB (Fig. 183) ein Rad, w^elches entweder durch ein Schaufelrad umgedreht
werde, wie es bei Mühlen zu geschehen pflegt, oder durch eine Handkurbel C. Auf
derjenigen seiner Flächen, welche nach der auf der Ebene FH senkrecht stehenden
Welle FG hingekehrt ist^ befinden sich Zähne. Auf jener Ebene FH ist auch
ein hervorragender Pflock für das Rad befestigt, dessen Axe darin gelagert wird.
Auf der stehenden Welle F G aber befindet sich das gezahnte Getriebe DE. Wenn
daher das Rad AB auf der Axe CK gedreht wird, so wird durch die Bewegung
von A die Welle FG in der Richtung von DE nach K, oder von rechts nach
1G6 Hieronimus Cardanns.
links gedreht und dadurch die Uebertragung der Bewegung erreicht, welche eine um
80 schnellere sein wird, je grösser die Zahl der Zähne von AB im Vergleiche zu
derjenigen der Zähne des Getriebes DJE ist. Hiervon werden wir bei der Erklärung
der „Augsburger Maschine" Gebmuch machen . • . ."
Auf Seite 613 der genannten Ausgabe wird eine ;,Seiltransmission^
(Fig. 184) mit folgenden Worten beschrieben:
„Wir kehren zur Beschreibung der Räderwerke zurück. Die Gemmen werden
mit einer l)ewunderungswürdigen Kunst gebohrt und geschnitten. Diese besteht in
folgendem: Ein grosses hölzernes Rad wird mit einem dünnen Seile umschlungen,
und mit demselben wieder ein kleines, welches sich über dem grossen befindet, auf
die Weise, wie man es hier neben abgebildet findet Wenn nun (das grosse Rad)
ABC um einen Theil AB, der dem ganzen (Umfange des kleinen Rades) DEF
gleich ist, gedreht wird, so macht das kleine Rad G eine Umdrehung. Soviel mal
daher AB in ABC enthalten ist, soviel mal wird sich bei einer Umdrehung des
grossen Rades H das kleine Rad DEF umdrehen. Wie sich daher die Grosso
des Umfanges von H zur Grösse des Umfanges von G verhält, so verhält sich die
Umdrehungszahl von G zu der von H. G wird daher mit dem grössten Ungestüm
(maximo impetu) umgedreht, weil dies in kürzester Zeit geschieht, wodurch die Axe
die Gremme bohrt und abschleift {coinminuet).
Wenn auf G Zähne gesetzt werden, welche die Axe des anderen Rades durch
Zähne, welche in jene eingreifen, lundrehen, so wird in demselben Verhältniss, in
welchem jenes Rad grösser ist, dieses schneller umgedreht. Wenn aber das Ver-
hältniss des grösseren Rades zum kleineren öfters wiederholt wird, dann wird die
Bewegung der Axe eine sehr schnelle imd heftige, jedoch nur, wenn die Kraft, welche
das erste Rad treibt, eine sehr grosse imd die Räder leicht sind '^
Bei letzter Stelle muss man sich daran erinnern, dass die Zähne damals
verhältnissmässig schwach und von unvollkommener Form waren, so dass sie
bei Bewegung grosser Massen mit grosser Geschwindigkeit leicht brachen.
In dem Werke de rerum varietate lib. IX, Kap. 47, Seite 185 der Pariser
Gesammtausgabe findet sich folgende Stelle:
„ Was das Bewegte bewegt, muss nothwendiger Weise berühren („Stützung**
nennt es Reüleaux). Der Zug (oder Druck) aber wird durch Zahnräder oder ein
Seil hervorgebracht Ueber das Seil haben wir früher schon gesprochen. Die Zahn-
räder aber verwandeln einestheils eine Bewegung wie diejenige von oben nach unten
(d. h. eine Drehung um eine horizontale Axe) in eine solche von rechts nach links
(d. h. in eine Drehung mn eine vertikale Axe), und diese Art ist ebenfalls anderswo
bereits beschrieben worden, aber andemtheils werden sie in demselben Sinne bewegt
(d. h. beide auf parallelen Axen), und davon soll jetzt gesprochen werden.
AB (Fig. 185) sei eine Axe, welche durch Wasser vermittelst Radschaufeln
bewegt werde. Auf ihr sitze das Rad CD, welches mit Zähnen versehen ist. Wenn
diese nach dem Gentrum A hin gerichtet sind und ihre Axen in dem äusseren
Umfange (d. h. in der Ebene des Umfangskreises) liegen, bringen sie eine Bewegimg
in demselben Sinne (d. h. Drehung um eine parallele Axe) hervor; wenn sie aber
senkrecht auf der seitlichen Fläche CD und parallel der Axe stehen, so bewirken
sie eine Verwandlung der Bewegimg. Es wird aber die Bewegung eines jeden der
beiden Räder im Verhältniss zu den Zähnezahlen stehen . . ."
Es wird nun nachgewiesen, dass, wenn das Rad CD 84 Zähne und das
Getriebe E 7 Zähne hat, dieses 12 mal umgedreht wird, während CD eine
Umdrehung macht, dass durch einmalige Wiederholung dieser Uebersetzimg
eine dritte Axe 144 und durch abermalige Wiederholung eine vierte Axe
Von der Uebertragung der Bewegungen. Räderwerke.
167
1728 Touren in derselben Zeit macht. Dann wird gesagt, dass, wenn man
noch ein viertes und fünftes Räderpaar derselben Art anwende, die erste Axe
259 Touren in der Stunde machen lasse und au( die letzte Axe ein Rad von
fünf Schritten im Durchmesser setze, dass dann die Peripheriegeschwindigkeit
dieses Rades so gross sein würde, wie die Geschwindigkeit des Mondes auf
seiner Bahn um die Erde. Dann fährt Cardanus fort:
„Doch wenden wir uns zu nützlicheren Dingen, da diese Bewegung nicht .
hervorgebracht werden kann, weil es nöthig ist, dass die Rader durch Getriebe oder
ein Seil an einander angeschlossen werden, ein Seil aber, wenn es sich überstürzt, :]
eine so grosse Bewegung nicht überträgt, sondern auf der Stelle zerreisst; anderseits
aber bei Verbindung der Räder und Getriebe durch Zähne das Rad in eine so -
schnelle Bewegung, ja selbst in eine viel langsamere noch nicht übergeht, sondern
die Zähne plötzlich brechen. Denn was mit dem Verstände ausgedacht wird und
der Vernunft wahrscheinlich dünkt, ist oft trügerisch, wie das, was wir soeben gesagt
haben. . . , Zur Verlangsaniung der Bewegung wendet man die entgegengesetzte
Fig. 185.
Fig. 18Ö.
Methode von der zur Erzeugung der Schnelligkeit an. So wie die Räder zum Zwecke
der Schnelligkeit die Getriebe bewegen, so bewegen die Getriebe zur Erzielujig der
Langsamkeit die Räder. Wenn wir daher beispielsweise wollen, dass irgend ein Rad
in 60 Tagen einmal umgedreht werde*), und die Schnecke oder das Gewichtsrad
wird in einem Tage umgedreht, dann nmss das zweite Rad in derselben Zeit einmal
herumgedreht werden, in der das erste 60 mal umläuft. Daher müsste die Zähne-
zahl des zweiten Rades das Sechzigfache der Zähnezahl des ersten Getriebes sein.
Da dies aber nicht möglich ist, oTler doch aus Gründen, die wir später angeben
werden, grosse Schwierigkeiten hat, so suchen wir zwei Zahlen, welche mit einander
multiplizirt die Zahl 60 ergeben. Es seien diese 6 und 10. Dann werden wir auf
die ersje Axe ein Getriebe mit beliebig vielen Zähnen setzen, auf die zweite Axe
&n Rad mit sechsmal so viel und ein Getriebe mit beliebig vielen Zähnen und auf
eine dritte Axe ein Rad mit zehnmal so viel Zähnen, als das Getriebe auf der
zweiten Axe hat Beispiel : Es werde auf die erste Axe ein Getriebe mit 7, auf die
zweite ein solches mit 8 Zähnen gesetzt, alsdann werden wir das Rad auf der zweiten
*) Gardanus hat hier und bei den folgenden Betrachtungen Uhrwerke im Auge, die
nicht nur Standen, sondern auch astronomische Zeitperioden, Avie z. B. die Umlaufszeiten
des Mondes und der Planeten angeben.
168 Hieronimus Cardanos.
Axe mit 42 und das dritte mit 80 Zähnen aufsetzen. Alsdann wird das Rad auf
der dritten Axe in 60 Tagen einmal umgedreht werden, und die allgemeine Regel
ist: Multiplicire die Zähnezahlen der Getriebe, z. B. 7.8 = 56, dann
multiplicirc mit der Uehersetzungszahl, welche in unserem Beispiele 60
ist, macht 8360. Dies Produkt ist dann gleich dem Produkte der
Zähnezahlen der Räder, 42 und 60, denn diese Zahlen mit einander multiplicirt
geben auch 3360.
Daraus folgt weiter, dass wenn die Uehersetzungszahl eine Primzahl, z. B. 73
ist, und wir die erste Axe mit einem Getriebe mit beliebig vielen, z. B. 15 Zahnen,
und die zweite Axe mit einem so vielfachen Rade versehen, als wir wollen, z. B.
mit einem sechsfachen mit 90 Zähnen, dass wir dann auf die zweite Axe ein Getriebe
mit sechs Zähnen und ein Rad mit 73 Zähnen setzen müssen.'*
Es folgt der Beweis, dass dann die letzte Axe in 73 Tagen einmal um-
läuft und dass eine vierte Axe mit einem Rade P (Fig. 186) mit 35 Zähnen,
in welches ein Getriebe N mit sieben Zähnen eingreift, in 365 Tagen eine
Umdrehung macht, wodurch die Bewegung der Sonne (nach dem Ptolemäischen
Systeme, welches damals noch bei weitem die meisten Anhänger hatte) dar-
gestellt werden könne. Es heisst dann weiter:
„Es sei nun die Uehersetzungszahl einerseits so gross, dass an einem Rade so
viele Zähne nicht angebracht werden können, anderseits könne sie auch nicht in
Faktoren zerlegt werden, wie etwa 229, welches die Zahl der Tage ist> in welchen
Mars sich durch den dritten Theil des Himmels bewegt, so dass wir durch diese
Zahl, indem wir sie verdreifachen, die mittlere Bewegung des Mars ohne merklichen
Fehler darstellen können. Da sie nicht in kleinere Zahlen zerlegt werden kann und
auch so viele Zähne in einem Rade nicht angebracht werden können, so nehmen
wir 12 . 19, was 228 macht und der verlangten Zahl sehr nahe kommt, konstruiren
die Räder nach der angegebenen Regel und lassen das Rad JP, wenn es nur zu
dieser einen Bewegung dient, einen Tag ruhen, wenn es aber gleichzeitig zu mehreren
Bewegungen dient, fügen wir noch ein anderes Rad für den Tag zu, welches Addi-
tions- oder Verminderungsrad genannt wird. Dieses wird zwischen F und L auf
eine eigene Axe gesetzt Wenn nun die Zahl der Tage der (verlangten) Bewegung
um einen oder zwei Tage kleiner ist als die thcilbare Zahl (nehmen wir z. B. 187,
welches kleiner ist als 189, dessen Theiler 21 der Uehersetzungszahl 9 entspricht),
so bewirken "wir durch den Nagel eines eingeschalteten Rades wie bei D (vermittelst
eines Uhrschlüssels), dass das Rad H um zwei Tage fortschreitet (Es wird nach-
her erklärt, wie die beiden Zwischenräder auf der besonderen Axe zwischen F und L
miteinander verkuppelt werden müssen, damit die Bewegung von L sowohl von der
Schnecke aus, als auch vermittelst des Uhrschlüssels geschehen kann). Oder wir
bewirken es durch die Ungleichförmigkeit der Bewegung (vennittelst des spiralförmigen
Rades Fig. 187), wovon wir weiter unten sprechen werden.
Wenn aber die Zahl der Tage keine ganze ist, wie etwa für den Mond, welcher
sich in 27 Tagen und acht Stunden in seinem Kreise dreht, so hat man in Betracht
zu ziehen, dass acht Stunden der dritte Theil von 24 Stunden oder einem Tage ist
Man multiplicirt daher 27^/3 mit 3 und erhält 82. Wird nun F in einem Tage
umgedreht, so setzt man ein Rad E (Fig. 186) mit 42 Zähnen darauf, welches in
ein Getriebe JJ mit 14 Zähnen eingreift, so dass die Axe L drei Umdrehungen in
einem Tage macht. Die Zahl der Umdrehungen von L (während einer Umdrehung
<ler letzten Axe) muss dann 82 sein. Wir geben daher dem Getriebe K fünf Zähne,
dieses bewegt das Rad M mit 41 Zähnen, auf die Axe 0 setzen wir das Getriebe
N mit vier Zähnen, welches das Rad P mit 40 Zähnen treibt, und dieses macht
dann die Mondbewegung (d. L eine Umdrehung in 27 Tagen und 8 Stimden) . . .*
Räderwerke, Kuppelungen. 169
Wir fahren mit den kinematischen Betrachtungen des Cardanüs fort, in-
dem wir die hier zunächst folgenden „ührmacherregeln" bis später versparen.
Nach diesen heisst es:
„Wenn man aber eine Scheibe machen will, die mit doppelter oder dreifacher
Bewegung umgedreht werden soll (oder auch: welche von zwei oder drei Angriffs-
punkten, oder auch Kraftquellen bewegt werden soll, da es sich zunächst um ein
Sperrwerk handelt, welches im Prinzip mit der sogenannten ÜHLnoRN'schen Kraft-
maschinen-Kuppelung übereinstimmt, wie sie in Reuleaux's Konstrukteur Seite 404
abgebildet ist), so wird es nöthig sein, die Scheibe in eine andere zu setzen, entweder
beide auf ein und dieselbe Axe, oder auf verschiedene Axen, worauf nichts ankommt,
und dass die Scheiben einzeln sich nur nach einer Richtung, aber nicht rückwärts
bewegen können. So sei die Scheibe cd (Fig. 188) in die Scheibe ah eingelassen,
und wir wollen beispielsweise annehmen, dass c d durch zwei ähnhche (gleichlaufende)
Bewegungen bewegt werde, etwa mit Scheibe ab von a nach k und von k nach b
(das ist Linksdrehung) und auch durch eigene Bewegung (das heisst durch eine direkt
auf sie übertragene Bewegung) von c nach m und von m nach d (das ist ebenfalls
Linksdrehung). Alsdann steht fest, dass, wenn sie durch eigene Bewegung von c
nach m und von m nach d gelangen und auch von der Scheibe ab mitgenommen
Fig. 187. Fig. 188.
werden spll, dass erstere bei der Bewegung von a nach k und von k nach b mit
der Scheibe ab verbunden bleibt (das heisst ihre relative Lage gQgen dieselbe nicht
ändert). Deshalb muss die Scheibe cd in der Scheibe ab in der Richtung von c
nach m und von m nach d beweglich sein, aber nicht umgekehrt Dies wird
folgendermassen bewerkstelligt: Die konkave Fläche von a 6- wird da, wo sie die
konvexe Fläche von cd berührt, mit kleinen Einschnitten versehen, welche von der
Seite c nach m und d allmählich ansteigen. Derjenige Theil derselben, welcher
entfernter von dem Punkte c ist, berührt cd; derjenige aber, w^elcher gegen c hin
liegt, ist um die Hälfte der Dicke eines Hirsekornes tiefer. Die Figur (des Ein-
schnittes) hat die Fomi eines L. An der konvexen Fläche der Scheibe cd sind
zwei Zähnchen (kleine Sperrklinken) e/ und gh einander gegenüber eingesetzt, welche
mit den Enden e und g an die Scheibe befestigt sind, bei f und g aber überstehen,
indem sie beinahe in den Tangenten des Kreises cd liegen, wie man aus der ersten
Figur ersieht Sie sind aber biegsam und entsprechende Ausschnitte befinden sich
am äusseren Umfange (von cd), so dass sie, wenn sie zusammengedrückt werden, den
Kreis genau vervollständigen. Wenn dies so angeordnet ist und c nach m hin be-
wegt wird, werden ef und g h an ihren Enden bewegt und zusammengedrückt und
steigen allmählich durch die i-förmigen Einschnitte. Sie finden daher kein Hinderniss
und schreiten vorwärts. Will man aber die Scheibe in entgegengesetzter Richtung
bewegen, oder, wenn cd unbewegt bleibt, a6 so bewegen, dass a gegen k hin fort-
schreitet, so dringen / und h aÜmähhch in die Einschnitte von a b nach der Seite
hin, wo diese am tiefsten sind, und es kann daher die Scheibe ab nicht umgedreht
werden, ohne dass sie die Scheibe cd mitnimmt; noch kann die Scheibe cd, während
sie sich (in der ersten Richtung) dreht, die Scheibe a b mitnehmen, weil sie von jener
170 HieronimoB Cardanas.
getrennt ist und sanft fortschreitet, wie erklärt wurde, und weil die Scheibe ab von
den Rädern zurückgehalten wird, welche mit ihr verbunden sind und von welchen
sie bewegt wird.
Es bleiben aber noch zwei Schwierigkeiten zu über^^-inden. Erstens, wenn wir
wollen, dass die Scheibe ab auch in entgegengesetzter Richtung bewegt werden könne
und die mit ihr verbundene Scheibe mitnehme, so sage ich, dies muss ohne Zähne
und Vertiefungen geschehen, indem man die Scheibe cd fest in die »Scheibe ob ein-
schliesst {inserendo fimiiter, wodurch das entsteht, was wir eine Reibungskuppelung
nennen).
Die zweite Schwierigkeit ist beiden Bewegungen eigen, sowohl der entgegen-
gesetzten, als auch der gleichlaufenden. Denn aus demselben Grunde, aus welchem
cd die Scheibe ab bei gleichlaufender Bewegung nicht mitnehmen kann, weil sie
nämlich von den Zähnen anderer Räder, welche in sie eingreifen, zurückgehalten wird,
aus demselben Gnmde wird auch die Scheibe ab die Scheibe cd nicht herumführen
können, ohne dass alles zerbricht, wenn letztere bei der Bewegung nach gleicher
Richtung (mit einem sie bewegenden Räderwerke) fest verbunden ist, während erstere
überhaupt nicht mitnimmt, wenn sie sich in der Bewegung nach entgegengesetzter
Richtung befindet Dies (nämlich dass in die Scheibe cd ein Räderwerk eingreift)
ist vornehmlich der Fall, wenn der Ursprung der Bewegiuig (oder vielmehr beider
Bewegungen) in einem einzigen Hauptrade, oder einer Schnecke liegt. (Ein solcher
Fall wird nachher näher betrachtet) Deshalb sage ich, dass in diesem Falle und
aus den genannten Ursachen nur die äussere Scheibe verzahnt werden; in die be-
wegenden Räder eingreifen und fest mit ihnen verbunden werden kann, nicht aber
die innere, vielmehr kann diese nur lose (das heisst durch Reibung) mit den Zahn-
rädern verbunden werden, damit sie von diesen und auch durch entgegengesetztes
Anstemmen von der grösseren Scheibe bewegt werden kann, indem sie für die gleich-
laufende Bewegung mit zwei Zähnchen (Sperrklinken) versehen ist, die in Ein-
schnitte eingreifen.
Aber bei entgegengesetzter Bewegung ist es dann nicht möglich, dass die
beiden Scheiben, wie sie hier für Uhnverke beschrieben wurden, auf einer Axe
bewegt werden und die eine (wie vorhin gesagt, durch Reibung) mitgenommen wird.
Denn wenn Scheibe ab die Scheibe cd mitnimmt, so dass d sich nach m hin be-
wegt, so muss cd fester mit ab (durch Reibung) zusammenhängen, als mit dem
eigenen bewegenden Rade, und dann wird das eigene Rad die Scheibe cd nicht in
entgegengesetzter Richtung bewegen können. Es geschieht dies aber durch Ab-
wechseln (fit tarnen alteitiando, worunter wohl nichts Anderes verstanden werden
kann, als dass die Reibungskuppelungen aus- imd eingerückt werden) mit der Hand
oder durch Zähne.
Es werden nun 2 Scheiben d*) (Fig. 189) auf die Axe a gesetzt, c aber auf
&, und es werde die Axe von c auf der Scheibe d befestigt, nicht aber die Scheibe
C selbst Alsdann wird eine Drehung von d die Axe 6 um a bewegen und daher
auch den Punkt c; c aber kann durch seine Räder um die eigene Axe in entgegen-
gesetzter Richtung bewegt werden, da es mit d nicht zusammenhängt
Nachdem wir dieses betrachtet haben, wollen wir die Bewegung einer achten
Scheibe (die vermuthlich zur Darstellimg der Präcession dienen sollte) in 36 000 Jahren
bewirken. Diese enthalten 13149000 Tage. Wenn wir daher vier Räder (mit ent-
sprechenden Getrieben) anwenden, wovon das eine in 44 Tagen umgedreht wird, das
zweite aber 48 Zähne hat, wovon ein einzelner eine ganze Umdrehung des ersten
Rades erfordert (das Getriebe des zweiten Jahres konnte dann nur ein sogenanntes
Einzahnrad sein). Das dritte Rad aber 75 Zähne, wovon ein einzelner genau
nach einer ganzen Umdrehung des zweiten Rades fortschreitet, und wenn endlich das
vierte, welches mit dem Zeiger verbunden wird, 83 Zähne hat, welche um einen vor-
^) Die eine Scheibe ist als Haupttheil des Gehäuses, also feststehend gedacht.
Zusammengesetzte Drehbewegungen. 171
schreiten, nacbdem das dritte Rad eine ganze Umdrehung vollendet hat, so folgt
daraus, dass das vierte Rad in 13 147 200 Tagen (das sind 35 995,3 Jahre, wenn
man das Jahr zu 3 65 Vi Tage rechnet) einmal umgedreht wird, weshalb bei diesen
35 995 Jahren nur 5 Jahre (an der verlangten Zahl) fehlen, welche Zeit, oder welcher
Spielraum bei einer so langen Zeit nicht von Bedeutung ist.
Für den Fall aber, dass man die Umdrehungen von einer untheilbaren Zahl
ganz genau machen wollte, nehmen wir das Beispiel von der Bewegung des Mars
wieder auf, welche in 229 Tagen zum dritten Theile erfolgt. Wir wollen sie also
auf die riditige Zahl bringen, und da wir sie schon auf 228 Tage gebracht haben,
so können wir diese (sich so bewegende) Scheibe in eine andere einschliessen, welche
in 51984 (das ist 228 X 228) Tagen einmal umgedreht wird und daher in 228 Tagen
um einen Theil (welcher einen Tag repräsentirt) zurückbewegt wird, wodurch in
229 Tagen die Umdrehung (der ersten Scheibe) vollendet wird."
Hier musste also dieselbe Räderübersetzung noch ein zweites Mal aus-
geführt und an die erste so angeschlossen werden, dass das letzte Rad die
langsame Rückwärtsbewegung der zweiten Scheibe bewirkte, welche die erste
einschloss. Hier trat der Fall ein, dass beide Bewegungen in einem einzigen
Hauptrade oder einer Schnecke ihren Ursprung hatten. Wie aber das ganze
Fig, 189. Fig. 190.
Uhrwerk angeordnet werden musste, wird später noch weiter erklärt werden.
Cardanus fährt fort:
„Auf andere Weise macht es sich aber mit dem letzten Rade (der ersten
Scheibe) leichter. Dieses habe 114 Zähne, das zweite 72, die Getriebe 6 Zähne.
Alsdann wird ein jeder Zahn des zweiten (sollte eigentlich heissen : des letzten) Rades
114 . 72
zwei Tage brauchen (da die ganze Uebersetzung : = 228). Wir versehen
6 . 6
nun aber das Rad mit 115 Zähnen, indem wir es spiralförmig machen, etwa so,
dass der 115. Zahn auf die Hälfte des ersten trifft (das heisst in radialer Richtung
etwa um die halbe Zahnhöhe versetzt ist), wie man aus der Abbildung (Fig. 187)
ersieht, und in dieser Weise thut man dem Theil von der Grösse eines Tages Genüge.
Nachdem wir dies betrachtet haben, nehmen wir an, wir wollten die Bewegung
irgend eines Sternes hervorbringen, indem wir sie aus drei Bewegungen zusammen-
setzen, etwa durch die der Scheibe A (Fig. 190), in welcher sich B und in dieser
wiederum C bewegt. Wenn dies mit entgegengesetzter Bewegung geschehen soll,
60 ist, wie gesagt, nöthig, dass man sie auf verschiedene Axen setzt Und
weil diese drei Scheiben bewegt werden sollen, muss man noch eine andere fest-
stehende Scheibe machen, welche sie einschliesst (also das Gehäuse, oder Maschinen-
gestell, oder doch den Haupttheil desselben bildet). Diese sei E. Durch die Ver-
gleichung mit dieser erkennen wir die Bewegung der anderen vermittelst eines Zeigers
und die Stellung des Sternes D, welche aus allen Bewegungen hervorgeht Wir
172 Hierommos Cardanos.
machen zunächst die Räder, welche C bewegen, dann diejenigen, welche C sammt
seinem ganzen Räderwerke bewegen. Denn wenn die Räder von B nur dieses mit
der Scheibe C bewegten, könnte C nicht durch sein eigenes Räderwerk bewegt werden,
weil die Räder ruhen (das heisst in ruhenden Lagern laufen) und C sich bewegen
würde. Ebenso müssen die Räder von A auch diejenigen von B und nicht nur
die Scheibe bewegen und damit auch das Räderwerk von C, und dadurch wird die
Bewegung und Ordnung des Himmels nachgeahmt Aber die Künstler pflegen den
Planeten nicht die tägliche Bewegung A zuzufügen, sondern sie machen die tägliche
Bewegung getrennt davon mit den Fixsternen. Deshalb muss man bei allen diesen
(Uhrwerken) nicht nur die Zeiten der (einzelnen) Bewegungen, sondern auch die Grösse
der Theile und die Unterschiede, mit denen sie bewegt werden, beobachten."
In dieser Beschreibung der Erzeugung der dreifachen Bewegung scheint
angenommen zu sein, dass Scheibe A von einem Uhrwerke bewegt werden
müsse, welches in dem Gestelle E gelagert ist, dass A ein zweites Uhrwerk
trägt, welches die Relativbewegung zwischen A und B erzeugt und dass B ein
drittes Uhrwerk trägt, welches die relative Bewegung von B und C henor-
bringt. Das erste Uhrwerk konnte aber auch mit dem zweiten vereinigt werden,
wenn man die Axen von A mit dem Gestelle E fest verband und die Scheibe
A sich um diese feste Axe drehen Hess. Dann konnte ein auf Scheibe A ge-
lagertes Uhrwerk sowohl die relative Bewegung von A und JB, als auch die
Drehung von A um die feste Axe bewirken. Der Fall war dann ein ähnlicher,
wie wenn man eine Taschenuhr an der Axe des einen, etwa des grossen
Zeigers fasst, auf hebt und festhält. Alsdann macht das Uhrgehäuse*) in einer
Stunde eine Linksdrehung, der kleine Zeiger aber wird durch das Uhrwerk in
12 Stunden einmal relativ zum Uhrgehäuse rechtsum gedreht und daher ist
die absolute Bewegung des letzteren eine aus beiden genannten Bewegungen
kombinirte. Infolgedessen macht der kleine Zeiger in einer Stunde ^Vi2 einer
Linksdrehung oder in iVn Stunde eine volle Linksdrehung. Auch ist dieser
Fall ein solcher, in welchem der Ursprung der beiden Bewegungen, aus welchen
die kombinirte entsteht, in einem einzigen Hauptrade oder Federgehäuse seinen
Ursprung hat. — Der nun folgende Abschnitt führt die Ueberschrift: „Mehrere
entgegengesetzte Bewegungen aus einer" und lautet:
„Wie aber aus einer Hauptbewegung mehrere und nach entgegengesetzten Seiten
gerichtete entstehen können, soll nun besprochen werden. Es ist bereits gezeigt
worden, dass es drei Lagen (von Axen) giebt und in jeder zweierlei Bewegungen,
entweder nach einem Orte hin, oder von demselben weg (Linksdrehung und Rechts-
drehung), wobei man aber nicht die Räder und die Lagen der Axen gleichzeitig
entgegengesetzt anordnen darf, sondern nur unter sich darf man sie umkehren. So
sei AB (Fig. 191) ein Getriebe, an welchem Zähne in zwei umlaufenden Reihen
angebracht seien. Wenn diese nach aussen (wie bei Stirnrädern) stehen, bewirken
die beiden Anordnungen von Getrieben eine entgegengesetzte Bewegung (das heisst
wenn das Rad sich rechts dreht, drehen sich alle eingreifenden Getriebe links). Wenn
aber die Zähne auf einer äusseren Fläche stehen (das heisst auf den Seitenflächen,
wodurch die alte Form des Winkelrades mit Verzahnung nach rechts und links
entsteht) und sich in einer Richtung drehen, so bewegen sie die eingreifenden Ge-
*) Vorausgesetzt, dass die Feder und das Räderwerk stark genug sind, um den ver-
mehrten Reibungswiderstand zu überwinden.
Umwandlung einer Drehbewegung in mehrere entgegeDgesetzte.
173
triebe in verschiedenen Richtungen bei dem ersten Unterschiede (das heisst^ wenn jedes
der beiden Getriebe in einen anderen Zahnkranz eingreift bei symmetrischer Lage).
Dies geschieht aber auch dann, wenn das aufrechte Getriebe, wie wir es in den
Buchern de subtilitate besprochen haben (siehe Fig. 183), eine andere Stellung auf
derselben Seite einnimmt Allerdings bewegen sich die Zahne (Fig. 191) in
entgegengesetzten Stellungen in den äusseren Flächen (den Seitenflächen des Haupt-
rades), wenn man sie für sich allein oder nur in Bezug auf den eigenen Kreis
betrachtet) in gleichem Sinne, weil sie sich ebenso bewegen würden, wenn sie (das
heisst je zwei in einer der Axe parallelen Geraden liegende Zähne) zusammenhängend
wären und nichts geändert würde, wenn sie (durch Verlängerung nach rückwärts)
zusammenhängend gemacht würden, so dass sie in einen Zahn übergingen, der an
beiden Seiten vorstünde. Wenn sie aber senkrecht stehende Getriebe bewegen, so
drehen sie diese, obgleich sie sich selbst in gleichem Sinne drehen, doch wegen des
Gegenüberliegens in entgegengesetzten Richtungen."
Es folgt nun noch eine genauere Erklärung aus Fig. J92, wie aus der
gleichlaufenden Bewegung der Seitenflächen AD und BF des Hauptrades die
Fig. 193.
beiden eingreifenden Winkelgetriebe ACD und BEF in entgegengesetzten
Richtungen, das eine linksum, das andere rechtsum gedreht werden. Dann
heisst es weiter:
„Auf diese Weise erhalten wir entgegengesetzte Bewegungen nach der Methode
der vorgelegten Axen. Denn wenn in ein und dasselbe Getriebe (Winkelgetriebe,
welches auf beiden Seiten verzahnt ist) zwei einander gegenüber (das heisst zu beiden
Seiten) eingreifen, werden sie sich in entgegengesetzten Richtungen bewegen. Be-
quemer ist es aber, wenn man in zwei Getriebe auf derselben Axe zwei Räder, das
eine von der rechten, das andere von der linken Seite her eingreifen lässt, welche
dicht bei derselben Axe stehen. Die Axe selbst aber erstrecke sich von der Rechten
zur Linken. Jene Räder werden in entgegengesetzten Richtungen bewegt.
Räder und Getriebe aber, welche schief zur Axe stehen (es sind vielleicht
solche gemeint, deren Zähne geschränkt zur Axe stehen), treiben die eingreifenden
(das heisst in kinematischem Zusammenhange damit stehenden) Axen durch andere
Räder oder Getriebe in schiefer Richtung imd mit mittlerer Bewegung. Dasselbe
geschieht aber auch, wenn durch geradestehende Räder oder Getriebe (das heisst
solche, bei welchen die Zähne nicht geschränkt zur Axe stehen) Axen, welche schräg
zu einander stehen, vermittelst anderer Räder oder Getriebe in Verbindung gesetzt
werden, wie es die Figur (Fig. 193) zeigt "
Letzteres konnte bei den damaligen Triebstockverzahnungen ohne weiteres
geschehen, zumal wenn man, wie dies häufig geschah, cylindrische, oben kugelig
abgerundete Kämme in das Rad einsetzte und die Zahnlücken weiter machte
als gewöhnlich.
Der vorhin erwähnte Abschnitt über ;,Uhrmacherregeln^ lautet
wie folgt:
174 Hieronimus Gardanns.
„Nachdem wir diese Regeln betrachtet haben, gehen wir zu denjenigen in der
Uhrmacherei über, welche auf Gründen der Natur beruhen. Denn diejenigen, welche
wir seither betrachtet haben, beruhen auf mathematischen Gründen« Sie trügen des*
halb an und für sich nicht, aber erstens ist es schwer, ja sogar unmöglich, die Be-
wegung der Schnecke so herzustellen, dass sie genau in 24 Stunden eine Umdrehung
gleichnmssig vollendet, denn die Feder zieht im Anfange stärker als gegen das Ende,
weil sie mehr zusammengezogen ist^ dann auch, weil die natürliche Bewegung gegen
das Ende hin schneller wird, wenn alles Uebrige konstant bleibt (das heisst weil eine
konstante Kraft eine bestimmte Masse in beschleunigte Bewegung zu versetzen strebt),
drittens wegen der ungleichen Härte des Seiles (welches damals zur Uebertragung
der Bewegung des Federhauses auf die Schnecke diente). Dazu kommt noch die
Ungleichheit der Zähne der Räder E und 6r, sowie der Getriebe, welche in jene
eingreifen. Schmutz, Rost und Staub lähmen die Feder mehr und mehr, weil es ein
lebloses Ding ist, welches stark angestrengt wird. Belebte Wesen erholen sich wieder
durch Speise. Deshalb gehen alle Uhrwerke mit der Zeit langsamer, keines schneller.
Auch giebt es eine natürliche Ungleichheit der Tage, wenngleich sie unbedeutend ist.
Da aber alles davon abhängt, dass jenes erste Rad in einem natürlichen Tage eine
Umdrehung, oder eine bestimmte Zahl von Umdrehungen macht, so bringen die
Uhrwerke unseres Zeitalters mehr Zeit bei dem Uhrmacher, als bei
ihrem Herrn zu."
Diese Aeusserung des Cardanus muss man im Gedächtniss behalten, um
erklären zu können, warum damals selbst in umfangreichen Abhandlungen über
Uhren, wie sie Oroxtius Fixeus in seinem Werke : ;,Protomathesis", Paris 1532,
und Sebastian Münster in seinem Werke: ;,Rudimenta mathematica'', Basel 1551,
lieferten, von Räderuhren gar nicht, oder nur vorübergehend die Rede ist,
woher es kommt, dass wir über die Konstruktion von Räderuhren damaliger
Zeit keine eingehenderen Nachrichten haben. Cardanus fährt fort:
„Und dies ist um so mehr der Fall, je mehr Räder mit einander verbunden
und je verschiedener ihre Bewegungen sind, indess ist, wenn die erste Bewegung
von einem Tage genau bt, der Fehler, welcher durch die anderen Räder entsteht,
nur gering und leicht zu verbessern, wenn nicht etwa ein Zahn fehlt. Auch kann
das erste Rad E nicht einen Umgang in einem Tage machen, vielmehr müssen
mehrere in dieser Zeit gemacht werden, weil fast das ganze Seil C (Fig. 186) um
das Federhaus herumgewickelt wird und F ebensoviel Mal umdreht, als es um jenes
herumgeschlungen worden ist Demzufolge drehen sich Federhaus und
T Schnecke F sechs- oder mehrmals in einem Tage je nach Art der Uhr-
werke um, und dies ist die Ursache, warum in den Uhrwerken wenigstens
drei Räder (mit ihren Getrieben) nothwendig sind, welche bei den mehr-
fachen Umgängen von F das letzte Rad so verlangsamen, dass es in
Fig. 194. einem Tage seine Bewegung macht und in die Stellung zurückkehrt, von
der es ausging. Um die Gleichmässigkeit zu regeln, und damit die Spann-
kraft der Feder nicht mehr nachlässt, als recht ist, trifft man scharfsinniger Weise
dadurch Abhilfe, dass man die Feder viel stärker macht, als eigentlich angemessen
wäre, und eine Unruhe (tempus) über die Räder setzt, welche die Bewegung der-
selben verlangsamt Als Merkmal davon dient es, dass, wenn man diese Unruhe
wegnimmt (sie ist nämlich von dünnem Eisen und von der Form, wie sie Fig. 194
zeigt), alle Räder mit überstürzter Bewegung herumgetrieben werden und schnell
ablaufen. Wenn aber das Zeigerrad zu sclmell umgedreht wird, vermehrt man das
Gewicht der Unruhe, und wenn es zu langsam geht, vermindert man dieses, voraus-
gesetzt, dass der Fehler nicht wo anders liegt. Wenn dies aber der Fall ist, muss
man die Räder und das Federgehäuse schmieren oder abändern."
Unruh«. Hebmaschin«.
175
Die Ton Cardants gegebene Skizze von einer Unrnhe (Fig. 194) ist so
wenig verständlicli, dass vir ia Fig. 195, die Abbitdang einer solchen znfiigen,
wie sie eich auf des „Künstlichen Abriss von allerband Wasser-, Wind-, Ross-
und HandmÜblen" von Jacob de Strada a Kosberg, Frankfurt a. M. 1618 und
1629, findet, welche Abbildung auch in Boeckler's „Theatrum machinarom",
Nümbei^ 1661 und 1673, abgedruckt ist Dieselbe stellt ein Schöpfwerk dar,
welches durch aufgezogene Gewichte wie eine Buderuhr bewegt werden soll.
Die Gewichte, welche in dieser Abbildung an den Balancier der Unruhe ange-
hängt sind, wurden bei Uhren zuerst als löffelförmige Knöpfe an den Enden
des Balanciers angebracht. Solche Unruhen hieasen daher LötTeluuruhen.
Später erfand man die ringförmige Unruhe, aber erst 1657 gab Hütchens den
grösseren Uhren das Pendel zum Kegulator and liess 1674 durch den Uhr-
=4\
^M^^
macher TOret in Paris zum erstenmal eine Taschenuhr mit Spiralfeder an
der Unruhe machen. (Vergl. Dr. J. H. M. Poppe: „Geschichte der Technologie".
Göttingen 1810. Bd. II, § 243, 250, 251.) Cardancs fthrt fort:
„Waa aber die Getriebe und Räder anlangt, eo ist ausserdem, dass sie in ent-
eprechender Grösse ausgearbeitet werden, auch nöthig, dass sie vom besten Stahl sind,
damit sie nicht verbogen werden, go\vie dass eie dick und nicht dünn sind, dass sie
BUS jedweder Ursache verletzt werden. Aus diesem Grunde müssen sie auch gross
tan; die klonen ergötzen zwar, sind aber nicht zu gebrauchen."
Ans dieser Stelle geht ziemlich deutlich hervor, dass die kleinen Taschen-
uhren, die sogenannten „Nürnberger Eier" damaliger Zeit mehr Spielerei, als
von wirklichem Nutzen waren. Die übrigen Uhrmacherregeln des Cardanus
übergehen wir und wenden uns zu dem Abschnitte : „de subtilitate", lib. XVII,
welcher überschrieben ist: „Die Lehre vom leichten Heben der Ge-
wichte". Dieser bandelt von den Flaschenzügen, der Schraube und dem Gang-
spill. Einiges Interesse für uns hat jedoch nur die in Fig. 196 abgebildete
17»
Hieroaimoa Carduias.
Hebmaschine, in deren Beschreibnng gesagt wird, dass sie nach dem Prinzipa
der Schranbe konstruirt worden Bei, um ungeheuere Lasten zu heben. Ihre
Konstruktion dürfte ans der Abbildung ersichthch sein und man wird leicht
erkennen, dass dieselbe auf einer Umkehning der altrömischen Kelterpresse
oder Trotte beruht, wie sie Pusifs beschreibt. (Vergl. S. 67 unserer Abband*
lang über Cato).
Von Wasserhebemascbinen beschreibt Cahdasus zunächst die Ktesibische
Pumpe nach der in Fig. 197 wiedergegebenen schematischen Skizze. Wir
haben in unserer Abhandlung über Heron -von Alexandrien auf Seite 14
dessen Beschreibung seiner Feuerspritze, welche nach dem Muster der Ktesi-
biscben Pumpe konstruirt war, wiedergegeben und dabei darauf hingewiesen,
das6 aus der Bezugnahme auf das vorhergegangene Kap. IX, welches einen Wind*
kessel schildert, geschlossen werden könnte, dass
HtiiON's Feuerspritze einen Windkessel gebäht
habe. Wenn dem aber auch so gewesen sein
sollte, so geht doch aus der Beschreibung des
Cabdakus deutlich hervor, dass das Verständniss
für diese Vorrichtung bei den späteren Nachahmern
des Ktesibios und des Heron vollständig verloren
gegangen war, so dass der Windkessel später von
Neuem erfunden werden musste, was erst gegen
Ende des siebzehnten Jahrhunderts geschah. Schon
bei ViTRuv erscheint es zweifelhaft, ob der von
ihm erwähnte Kessel (catinus) ein eigentlicher Wind-
ig. »7. kessel war, obgleich er sagt, dass das Wasser durch
den Luftdruck in dem Steigrohr in die Höhe
getrieben werde; Cardanus aber betrachtet den Kessel A (Fig. 197) an seiner
Ktesibischen Maschine entschieden nur als Ventilgehäuse, denn er sagt: „ . . . .
und indem es (das Wasser) durch die Röhre i' aufsteigt, tritt es, indem es
das Ventil Öffnet, durch OeETnung C in den Kessel, bis dieser voll ist.
Nachdem der Druck aus E aufhört, setzt sich das Ventil mit dem Leder aut
C nieder und das Gefäss A bleibt gefüllt . . ."
Es folgt nun die Beschreibung einer Pumpe, deren Hohlkolben ein in
die Mitte sitzendes Ventil hat. Diese Beschreibung lautet:
„Auf demselben Prinzipo beruht die Schiffspunipo (Tuba navium), womit man
Sfhiffe, die durch Wasser in Gefjilir gebracht sind, lu entleeren pflegt, und nach
deren Beispiel die Maschine den Bartholomaeus Brambilla konsitruirt ist, welche
wir in Mailand gesehen haben und welche den älteren Konstruktionen bezüglich der
Kunstfertigkeit in keiner Weise nachgteht.
SD (Fig. 198) ist eine inwendig leere, runde, hölzemc Röhre, die an Trag-
stangen oder Brettern befestigt wird. Der obere Theil derselben ist weiter, der untere
enger und das unterst« Endo wird von einem Gefäss (dem Saugkorbe) C aufgenommen,
welches In das Wasser getaucht und an den Seiten ringsum durchlöchert ist, damit
daa Wasser eintreten kann, Steinchen und Sand aber nicht, am wenigsten wegen des
Etesiliische Pumpe, Pumpe des Brsmbilla, Schiffspumpeu
177
vorstehenden massiven Bodens. So kann die Röhre reines Wasser, wie erforderlich
ist, auB dem Gefässe schöpfen, nicht aber Steinchen und Sand, durch welches die
Haschine behindert werden würde. An der Stelle Jtf, wo der engere Theil an den.
weiteren angeechloesen ist, wird ein Tjeder auf der einen Seite M befestigt, auf
welchem eine dünne Bleiplatte vorsteht, damit es auf der Seite Q emporgehoben,
durch sein Gewicht wieder herabfällt und den Kanal L vollkommen bedeckt. Die
Kolbenstange AE ist dünner als die Weite der Röhre, füllt aber oben bei D die
Oeffnung der Röhre regelrecht auä. (Dies ist aus der Zeichnung nicht ergichdich.)
Der Raum OP ist leer. Von dem unteren Ende der Kolbenstange gehen drä
massive eiserne Stäbchen aus und reichen bis an die Seiten
der Bohre. Sie Bind mit Leder bekleidet, damit sie nicht
durch die Berührung die Röhren verletzen. Sie bilden die
Figur eines Dreifusscs, der unten iiei F breiter und mehr
auseinandergespreizt ist, als oben bei E. Daraus ist ersicht-
lich, dasB der ganze Raum bei N leer ist, da ausser den
Stäbchen nichts darin ist, woraus folgt, dass der Weg von
OPnach J/'frei ist, sowie umgekehrt von JVnach OP, denn
der ganze Raum über F ist leer, da nichts darin enthalten
ist, als die Kolbenstange und die Stäbchen, An den unteren
Enden der Stäbchen wird der Reif F befestigt, doch ist
derselbe nicht ganz leer, sondern nur in der Mitte (d. h. es
war weniger ein Reif als eine in der Mitte durehlochte
Platte), und wo das Ixich bleibt, liegt ein Leder darüber
und darauf kommt eine dünne Bleiplatte, wie vorbin gesagt
nurde, dass es bei 3f der Fall sei, so dass keine Luft
hindurchgehe wenn das Loch bedeckt wird, und doch das
Leder mit dem Blei gegen N hin gehoben und das Loch
frei werden kann. Dies wird dadurch erreicht, dass das
Leder etwa bis zur Hälfte an dem Ringe, der die Enden
der Stäbchen aufnimmt, befestigt wird, im Uebrigen alier
unbefestigt bleibt und den Boden, wenn es regelrecht auf-
sitzt, schliesst Von diesem Boden gehen wieder drei andere
Stäbchen aus, welche an der Innenwand der Röhre anliegen.
Diese umschliesst ein Ijeder von allen Seiten, vom oberen
Theile F bis nach G, genau an der Innenwand der Köhre
anliegend, so dass keine Luft von K nach N hindurch-
gehen kann. Dadureh entsteht bei F gleichsam eni Becher
(modiolus), aber ein umgekehrter, und zwar Ist F sein Boden,
ringsum mit Leder von runder Form umkleidet, und bei G
ist die Oeffnung. Wenn dies geschehen, wird der Kolben
BO auegerüstet, dass er hin und her bewegt werden kann,
indem er mit dem unteren Ende des umgekehrten CylinOers bald bis M herabgeht^
bald bis zu der Stellung, in welcher er gezeichnet Ist, wieder in die Höhe gezogen
«erden kann " (Siehe Nachtrag S. 185.)
Es folgt nun eine Beschreibung der Wirkungsweise dieser Pumpe und
dann die folgende Stelle, welche jedoch in der Angabe von 1550 noch nicht
enthalten ist:
„Die Pumpen ober, mit welchen Schiffe und hervorquellende Wasser aus-
gepumpt werden, and von einfacherer Eonslrukdon. Bei gleichbleibender fjnrichtung
bei B und C, damit nicht Steine die Maschine behindern, hat der Kolben (oder die
Kolbenstange) unten vier Stücke Leder und ebenso viele an der Seite, aber dureh
einen Zwischenraum von zwei Ellen (^ 888 mm) oder etwas mehr davon getrennt^
welche oben befestigt werden. Die lÄnge derselben beträgt '/«' (= 70 mm), und
B«k. 12
Fis. ite.
178 Hieronimus Cardanos.
wenn sie in die Höhe gezogen werden, tritt das Wasser wegen des luftleeren Raumes
(von unten) ein; wenn sie aber niedergehen, werden sie durch den Druck der Luft
ausgedehnt. Aber wegen der Schnelligkeit drückt auch etwas von dem Wasser das
obere Leder zurück, und so steigt das Wasser nicht nur beim Ziehen, sondern auch
beim Drücken in die Höhe.*'
Es waren dies also Druckpumpen mit langen Massivkolben, die unten
durch vier Lederscheiben und weiter oben durch Ledermanschetten, die mit
dem oberen Rande am Kolben befestigt waren, abgedichtet wurden. Eine
andere Wasserhebemaschine, welche in dem Werke de snbtilitate beschrieben
wird, nennt Cardanus zwar „Cochlea Archimedis", doch ist sie von der Wasser-
schraube, welche Vitrüv beschreibt (vergl. Fig. 57, S. 50), verschieden. Weisbach
nennt sie auf Seite 228, Bd. III, Abth. H, seiner Ingenieur- und Maschinen-
mechanik „Spiralpumpe'S auf Seite 811 ebendaselbst aber allerdings auch
„Archimedische Wasserschnecke". (Vergl. auch Nachtrag S. 185.) Der betreffende
Abschnitt lautet:
„ . . . . Und das Erste dieser Art ist die Erfindung des Archimedes, welche
Cochlea genannt wird, und welche Diodorus Siculus in der alten Geschichte zwei-
mal erwähnt, indem er sagt, dass Aegypten mit Hilfe dieser von Archimedes erfun-
denen Wasserschraube trocken gelegt worden sei. Wenn dem so wäre, so wüsste
ich nicht, wie in alten Zeiten Aegypten bewohnt werden konnte, da Archimedes
zur Zeit des zweiten punischen Krieges lebte. Wie sich die Sache aber auch ver-
halten mag, so ist es ohne Zweifel ein sehr sinnreiches Instrument und wäre eines
solchen Künstlers nicht unwürdig. VrrRUV erwähnt dasselbe am Schlüsse seines
Werkes. Aber Galeazzo de Rubeis, einer unserer Mitbürger, ein Eisenschmied,
verlor vor Freude den Verstand, da er die schon lang erfundene gleichsam als erster
Autor erfunden zu haben glaubte. Wir haben ihn gesehen, wie er (durch Wasser,
das er mit seiner Schnecke gehoben hatte), eine Mühle in Umdrehung versetzte, und
kurz nachher kam er von Sinnen. Die Maschine aber war wie folgt beschaffen:
Das Holz ÄH (Fig. 199) ist fest, ge-
rade, gleichniässig, rund und so lang, dass es
gegen die Oberfläche des Wassers geneigt und
an einem Nachen soviel wie nöthig befestigt»
über das Wasser hervorragt. Es wird, wie
man sieht, von einem einfachen Metallkanale,
der nach einer Schnecken linie geformt ist»
ringsum bedeckte Es werden jedoch auch
mehrfache Kanäle angewendet, und drei,
welche allmälig so ansteigen, scheinen mir
Flg. iw. nothwendig, damit aUe Zwischenräume aus-
gefüllt werden. Der Kanal hat zwei Mün-
dungen, und zwar ist die untere weit» die obere enger. Diese werde K genannt.
Es ist nun zu zeigen, dass, wenn der Balken an den Enden Ä und H so
umschlossen (d. h. in Lager gelegt) wird, dass er sich drehen kann, er durch die
Bewegung des Wassers umgedreht wird. Zweitens, dass, wenn er umgedreht wird,
das Wasser in die Höhe steigt und bei K ausfliesst. Die Schaufeln BGDEFG
aber, welche entweder in den Zwischenräumen oder an den Verbindungen des Kanales
mit dem Balken befestigt sind, drehen, indem das Wasser daran stösst» das Instrument
nothwendiger Weise um, weil sie in der Länge sowohl, als auch in der Breite beliebig
vergrössert werden können, der Widerstand von AH aber klein ist» zumal er durch
die Neigung der Axe und dadurch, dass die Zapfen sich in Ringen drehen, noch
verkleinert wird. Dies zeigen auch die Mühlen in den Flüssen Po und Ticino, wo,
Wasserschraube des Galeazzo de Rubeis, Augsburger Maschine. 179
obgleich die Wasser sehr langsam fliessen, doch vermöge dieses Hilfsmittels die Mühl-
steine so umgedreht werden, dass sie den Weizen zerreissen und zermahlen . . . ."
Demgemäss waren ohne Zweifel damals solche vom Flusse selbst umge-
triebene Wasserschnecken im Gebrauche. Da aber der Zeichnung nach die
Schaufeln an der Schneckenwelle ganz unter Wasser gingen, so konnte eine
Drehung durch den Fluss nur dann erfolgen, wenn die Schaufeln entweder
nach einer Schraubenlinie gestellt waren und die Axe der Schnecke längs des
Flusses in's Wasser gelassen wurde, oder wenn sie bei quer in den Fluss ge-
stellter Axe so in Gelenken aufgehängt waren, dass sie sich nach einer Seite
hin umlegen konnten, so dass immer nur die untenstehenden Schaufeln den
Wasserdruck auffingen, die oberen aber demselben auswichen. Windräder
wurden zu damaliger Zeit nach beiden Methoden gebaut, wie wir nachher
sehen werden. Auch fanden sich in Besson's Werk : „Theatre des instruments
mathem. et mech.", welches 1578, also 24 Jahre später als die hier in Rede
stehende Beschreibung des Cardanüs erschien, Wasserräder sowohl nach dem
einen als auch nach dem anderen Prinzipe konstruirt. Von dem Wasserrade
aber, bei welchem das Wasser wie bei einer Turbine ohne Leitschaufeln gegen
Schranbenflächen stösst, sagt Besson, dass es in Toulouse und anderen Orten
gewöhnlich sei. Daher ist wohl anzunehmen, dass solche Wasserräder auch
schon zu der Zeit im Gebrauche waren, als Galeazzo de Rübeis seine Spiral-
pumpe konstruirte. Der Gedanke, eine der beiden erwähnten Methoden zur
Bewegung derselben anzuwenden, lag also damals nicht fern. — Die Begründung
des Cakdanus, warum das Wasser in einer solchen Spiralpumpe in die Höhe
gefördert wird, können wir übergehen. Zum Schlüsse wird noch einmal her-
vorgehoben:
„Die Schraube, welche Vftruv kennen lehrte, bedarf fremder Hilfe, die unserige
aber dreht sich von selbst, und zwar um so leichter, je zahh^icher die Windungen
sind und je sanfter die Maschine ansteigt. Je leichter sie aber umzudrehen ist,
desto langsamer arbeitet sie, denn dies ist beinahe allgemein bei allen Maschinen,
der FaU.*'
Es folgt nun die Beschreibung der früher erwähnten „Augsburger
Maschine".
Paul von Stetten sagt in seinem aus urkundlichem Material zusammen-
gestellten Werke : „Kunst-, Gewerbe- und Handwerksgeschichte der Reichsstadt
Augsburg", Augsburg 1779, über die Wasserversorgung dieser Stadt:
„Im Jahre 1412 gab Leopold Karg dazu den ersten Anschlag. Er wolhe
von einem Thurme bei dem Schwibbogen das Wasser in sieben Rohrkasten, die in
der Stadt vertheilt sein sollten, leiten, allein sein Werk that nicht lange gut —
Vier Jahre später liess man Hans Felber, einen Werkmeister von Ulm, kommen
und dieser führte den Gedanken besser aus. Er legte sein Werk bei dem rothen
Thore an. — Man verbesserte lange Zeit an dieser Einrichtung. — Im Jahre 1480
liess die Stadt die Brunnenquellen in der Au und auf dem Lechfelde zusammen
und vermittelst eines Kanals, welcher der Brunnenbach genannt wird, in die Stadt
leiten. — Im Jahre 1538 erbaute man den unteren Brunnenthurm unten an dem
Mauerberge. — Endlich, nachdem man genug Wasser hatte und durch den im
12*
180
Hieronimus Cardanas,
Jahre 1558 mit Bayern geschlossenen Vertrag deswegen gesichert war, leitete man
es nicht nur in öffentliche Springbrunnen, davon einige nachgehends sehr prächtig
ausgeführt wurden, sondern auch in die meisten Häuser der Stadt ''
In die Periode zwischen 1538 und 1558 nun fällt die Beschreibung der
„Augsburger Maschine" des Cardanus, die er wahrscheinlich gesehen hatte, als
er, von Schottland zurückkehrend, Deutschland bereiste. Nachdem er von der
Spiralpumpe des Galeazzo de Rübeis gesprochen hat, fährt er fort:
„Eine andere Art Maschine ist die von Augsburg, wie ich wohl einsehe, welcho
man aber doch zu dieser Klasse rechnen muss.
Die stehende Welle AB (Fig. 200) wird durch ein Kammrad von dem Flusse
umgedreht, und zwar in der Weise, wie es oben von uns beschrieben wiurde (nämlich
in dem Werke: de subtilitate), als wir von
der üebertragung der Bewegungen redeten.
Auf dieser Welle sitzen Getriebe von gleicher
Anzahl wie die Schnecken, z. B. CDEF GIIK,
die Schnecken sind von gleicher Anzahl wie
die Becken, und die Zahl der Becken richtet
sich nach der Höhe. Die Becken Zilf^YOP^JR
sind aber an der Säule ST befestigt. Wenn
nun AB gedreht wird, werden durch die Ge-
triebe alle Schnecken lungedreht, von denen
die unterste C das Wasser aus dem darunter
befindlichen Flusse schöpft und es in das
Becken L übergiesst^ aus welchem die Schnecke
D schöpft, indem sie das Wasser in das
Gefäss M übergiesst, und so giessen infolge
der Bewegung der einen stehenden Welle A B
die Schnecke C das Wasser nach L, D nach
M, E nach N, F nach 0, G nach P, H
nach Qy K nach R, indem sie es aus den
djuiinter befindlichen Gefässen schöpfen. R
aber bringt das Wasser durch die Mündung
V nach dem Bestimmungsort.
Der Zweifel liegt wieder nahe, ob die
Schnecke aus der nach oben aufsteigenden
Mündung (d. h. wenn das obere Ende der
Schnecke aufwärts gerichtet ist) das Wasser
auch ausfliessen lasse, weshalb wir die erste
dreifach gemacht haben (dann ist nämlich
immer eines der oberen Enden der drei Spiral-
i-ohre abwärts gerichtet), aber man sah, dass
sie das Wasser in dieHöhe springend ausgössen, während sie aufwärts gerichtet
waren, weil, wie gezeigt worden ist, die Theilchen herabsinken und alles Wasser
herabsinkt, weshalb es mit Pressung heraustritt. Nicht nur aus der ab-
wärts geneigten Mündung der Schnecke, sondern aus mehreren um dieselbe Axe
angeordneten Schnecken entstand ein gleichförmiger Wasserausfluss. Und dies gilt auch
von den Maschinen der ersten Art."
Cardanus war also durch Ueberlegung und Experimente zu der Kenntniss
gelangt, dass das Wasser mit einem gewissen Drucke aus der Spiralpumpe
austritt, was Weisbagh in der oben angegebenen Stelle Seite 828, Bd. UI, Abth. 2,
seiner Ingenieur- und Maschinenmechanik genauer nachweist.
Fig. 200.
Augsburger Maschine, Mehlaichtmaschine. 181
Wir gehen nun zur Betrachtung einer Mehlsichtmaschine über, welche
Cardanüs in lib. II de subtilitate beschreibt, welcher aber seither wenig Be-
achtung geschenkt worden zu sein scheint. Johann Beckmann sagt in seinen
„Beiträgen zur Geschichte der Erfindungen", Leipzig 1788, über diesen
Gegenstand :
„Zuerst geschah dies (das Scheiden des Mehls von der Kleie) durch Siebe, die
man mit der Hand bewegte, und man hat auch noch jetzt in Frankreich
bei der sogenannten Mouture engrosse eine besondere Beutelkammer,
worin das Sieb mit der Hand durch eine Kurbel gedreht wird. Eben-
falls ist auch noch in manchen Gegenden von Niedersachsen und Elsass die G^
irohnheit, das Mehl besonders auszubeutein, wozu denn verschiedene Siebe nöthig
sind. Die Römer hatten vornehmlich zwei Arten (Handsiebe) : cribra excussoria und
pollinaria, letztere lieferten das feinste Mehl, pollinem, welches noch jetzt unsere
Müller und Bäcker „Pol*' nennen. Siebe aus Pferdehaar sollen zuerst die alten
Grallier, Siebe aus Leinen zuerst die alten Hispanier gemacht haben (Plinius, lib. 18,
cap. n, p. 113). Die Einrichtung, ein Sieb von Gestalt eines ausgespannten Beutels
an die Mühle selbst anzubringen, in selbiges das Mehl, wenn es die Steine verlässt,
fallen und den Beutel durch das Mühlwerk drehen und erschüttern zu lassen, diese
vortheilhafte Einrichtung ist erst im Anfange des sechszebnten Jahrhunderts bekannt
geworden, welches man in etlichen Chroniken ausdrücklich angemerkt findet, (Chro-
nica Cygnea, oder Beschreibung der Stadt Zwickau durch M. Tobiam Schmidten,
Zwickau 1656: Im Jahre 1502 Mittwoch vor Job. Baptistae ist das Räderwerk der
Beutel in Mühlen allhier in Zwickau erstlich aufgekommen und gebraucht worden.)''
Aehnlich spricht sich auch Poppe in seiner „Geschichte der Technologie",
Göttingen 1807, aus. Man sieht, dass beide Schriftsteller den zu ihrer Zeit in
Deutschland am meisten gebrauchten Beutelkasten in Verbindung mit dem
Mahlgange für die vollkommnere Vorrichtung hielten und daraus, wie es häufig
geschieht, den Schluss zogen, dass dies die neuere Erfindung sein müsse. Ver-
gleicht man aber obige Jahreszahl 1502 mit dem Jahre, in welchem Cardanüs
über seine Siebmaschine, als einer noch nicht drei Jahre alten Erfindung
schrieb, so wird man jetzt, wo die alten Beutelkästen aus unseren besseren
Mühlen verschwunden sind und die Sortirung oder Sichtung getrennt vom Mahl-
gange erfolgt, vielleicht geneigt sein, die entgegengesetzte Ansicht für richtig
zu halten und der Mittheilung des Cardanus mehr Beachtung zu schenken,
worin gesagt wird:
„Wenn man es auch gewissermassen einen Luxusgegenstand nennen kann, so
will ich doch, um von einer kunstreichen Erfindung zu reden, die von der Natur
der Luft ihren Ausgang nimmt, eine sehr schöne Vorrichtung besprechen,
durch welche das Mehl gebeutelt wird und welche innerhalb der letzten drei
Jahre erfunden worden ist, damit man daraus ersehe, wie auch durch gering-
fügige Dinge, wenn sie nur geistreich sind, etwas erreicht werden kann. Denn jetzt,
da adle Müller diese Vorrichtung wegen ihrer Nützlichkeit haben, jener (Erfinder) aber
das Privilegium vom Kaiser erlangt hat, dass Keiner ohne seine Zustimmung sie
erhalten kann, zieht er seinen Lebensunterhalt aus dieser Industrie und hat sich vor
Kurzem ein Haus gekauft. Denn nicht nur die Müller, sondern auch Mönchs- und
Nonnenklöster und Adelige, welche ein grosses Hauswesen haben, besitzen diese Vor-
richtung wegen ihrer grossen Nützlichkeit, um nicht zu sagen Unentbehrlichkeit. Auch
viele andere haben sie machen lassen, welche nicht so sehr durch den Nutzen, als
182
Hieronimus Cardanus.
durch die Bewunderung der Sache dazu veranlasst wurden. Die Konstruktion der-
selben ist aber folgende:
B ist ein kleines Rad, in dessen äusserem Rande ein Handgriff Ä angebracht
ist (Fig. 201), mit welchem es herumgedreht werden kann. Beide ragen aus der
Maschine hervor. In dem Rade ist die Axe C, welche mit ihm umgedreht wird.
An dieser sitzen zwei hölzerne Zahne einander gegenüber und zwei andere nahe dabei,
ebenfalls einander gegenüber, aber gleichsam in der Mittelstellung der ersteren, damit^
wenn das Rad eine Umdrehung macht, sie viermal das breite Holz oder vielmehr
das Brettchen DE berühren, welches an beiden Seiten an dem Grehäuse aufgehangen
ist, so dass durch das sich drehende Rad das Brettchen in eine bestandig zitternde
Bewegung versetzt wird, während es von den Zähnen berührt wird. Die Axe C
und ein kleiner Theil des Brettes werden durch ein kleines Gehäuse umschlossen.
Auf dem Holze oder Brette DE steht das Beutelsieb FG schief und von G aus
in dem Punkte H aufgehängt, damit es nicht herabfallt Es besteht an allen Seiten
auy dünnen und unten aus sehr dünnen und leichten Brettchen, ausgenommen in
dei* Mitte, wo das Mehl durch das Sieb hindurchgeschüttielt wird, denn dieser Theil
besteht wie gewöhnlich aus leinenem Grewebe. Alle diese Theile werden mit einem
überall geschlossenen Gehäuse umgeben, in dessen oberen Theil das Kästchen K
hereinragt, und in diesem befindet sich eine beinahe quadratische Schüssel (der Schuh),
Fig. 202.
in welche das Mehl fällt. Diese ist so aufgehängt, dass sie leicht geschüttelt werden
kann, und zwar geschieht dies durch ein Seilchen, welches einerseits an der Schüssel,
anderseits bei JB an dem Rade befestigt ist (sollte wohl heisscn an einer Kröpfung
der Axe von JB). Man beachte auch, dass das Sieb FG ^n beiden Enden offen
ist, am oberen, damit es das Mehl von der Schüssel aufnehme, und am unteren,
damit die Kleie bei G ausgeworfen werde. Das ganze Gehäuse aber ist durch auf-
rechte Scheidewände aus Brettern bei Z Jf und N, welche unbeweglich sind, dreifach
getheilt; doch kann man, wenn man will, auch vierfach abtheilen. Ist dies so her-
gerichtet und wird das Rad B gedreht, so schüttelt das Seilchen die Schüssel und
die Zähne schütteln das Brettchen ED, die Schüssel schüttelt das Mehl auf das
Sieb FG und das Brettchen schüttelt das Sieb. Dadurch wird nun bewirkt, dass
die feinste Blume des Mehles zuerst ausgeschüttelt wird und in die Abtheilung NM
des Gehäuses fällt, wenn es aber nach abwärts geht, wo es heftiger geschüttelt wird,
wrd ein geringwerthigerer Theil von weniger reinem Mehl in die Abtheilung LM
ausgeschüttelt, bis zuletzt durch die untere Oeffnung des Siebes bei G die ganze
Kleie in die Abtheilung LO fällt, und so werden drei getrennte Sorten gesammelt,
die Blume des Mehles in MN, das grobe Mehl in LM und die Kleie in LO.
Alles Mehl aber, welches verstäubt, kehrt nothwendiger Weise wieder an seinen Ort
zurück, so dass innerhalb nichts verloren gehen kann, weil das Gehäuse nirgends
etwas durchlässt. Es ist aber, wie man leicht einsieht, erforderlich, dass das Sieb
FG nicht zu sehr geneigt ist, denn das Mehl würde dann bis G gelangen und mit
der Kleie ausgeworfen werden, weshalb man auch, wenn die Scheidewand L bis an
Mehlsichtmaschine, Windmühle. 183
den Auswurf des Siebes versetzt, oder noch eine andere Scheidewand P eingefügt
wird, den Auswurf G selbst etwas, wenn auch nur wenig, nach aufwärts biegen
muss, damit man nicht einen Theil des Mehles zum Opfer bringt.
Wie viele Vortheile sich aus dieser Vorrichtung ergeben, sehe ich wohl ein.
Erstens wird durch die Arbeit eines einzigen Menschen, der das Rad dreht, das Mehl
auf die Schüssel aufschüttet und das Gesiebte, sowie die Kleie sammelt, wenn die
Abtheilungen voll sind, die Arbeit von drei Siebern ersetzt Zweitens, weil die
Arbeit weder so mühsam noch so schadh'ch ist (als die des Siebens mit der Hand),
so kann ein beliebiger Arbeiter genügen und man kann Tagelöhner (geruli, eigent-
lich Trager) verwenden, welche für viel geringeren Lohn zu haben sind, als Sieber.
Drittens wird alles Mehl gesammelt und es geht nichts verloren, während es, wenn
von Hand gesiebt wird, nothwendig ist, dass so grosse Oeffnungen (in dem Grehäuse)
bleiben, dass man die Arme hineinstecken kann, wodurch ein nicht geringer Theil
des Mehles verloren geht Dazu kommt, dass das leinene Sieb, weil es nur zittert
nicht so sehr abgerieben wird, viel weniger, als wenn von Hand gesiebt wird, denn
hierbei ist nothwendig, dass man das Sieb so heftig stösst, wie man es zu thun
pflegt. Kurz, das Mehl wird besser gesichtet und die Kleie wird vollkommen rein.
Und alles dies ohne Besudelung des Hauses und Aufopferung oder Unbequemlich-
keit der Arbeiter. Auch hat diese Vorrichtung die Eigenschaft, dass sie zweierlei
Oiler dreierlei Mehl (ausser der Kleie) ausscheidet, was von Siebern anfangs nur mit
unsicherem Urtheile und auch später nur unzuverlässig geschehen kann."
Letztere Bemerkung könnte auffallend erscheinen, da man geneigt ist, zu
glauben, es könne keinerlei Schwierigkeiten haben, durch verschiedene Hand-
ßiebe, wie das Cribrum excussorium und das Cribrum pollinarium der alten
Römer, verschiedene Mehlsorten zu erhalten, wenn man nicht weiss, dass das
Produkt des Siebens unter sonst gleichen Umständen gröber wird, wenn die
Operation des Siebens länger andauert, oder w^eniger Mahlgut auf das Sieb
gebracht, oder kräftiger geschüttelt wird. Das stärkere Rütteln giebt Cardanüs
in seiner Beschreibung sogar allein als Grund davon an, dass die tiefer ge-
legenen Theile des Siebes ein gröberes Produkt ergeben, als die höher gelegenen.
Sehr bemerkenswerth erscheint uns aber, dass Cardanüs in der Einleitung seiner
Beschreibung der Sichtmaschine sagt, diese Erfindung nehme von der Natur
der Luft ihren Ursprung. Sollte denn etwa Cardanus vor 350 Jahren schon
daran gedacht haben, dass durch das in senkrechter Richtung zur Siebfläche
erfolgende Schütteln des Siebes die Luft auf beiden Seiten desselben abwechselnd
verdichtet und verdünnt und dadurch der Durchgang des Mehles durch die
Maschen des Siebes befördert werde, während doch in unseren Tagen diese
sichtende Wirkung von Luftwellen für eine neue, von Friedr. Georg
WiXKLER in Zschopau gemachte Erfindung gehalten wird?
Zum Schlüsse müssen wir noch die AVindmühle erwähnen, welche
Cardanus in lib. I de rerum varietate bespricht und abbildet, da man diese
schlechte Abbildung (Fig. 202) vielfach für die älteste gehalten hat, welche sich
von einer Windmühle in wissenschaftlichen Werken findet.
JoH. Beckmann sagt: „Ich meine, die deutschen Mühlen (die sogenannten
Bockmühlen) sind älter als die holländischen (mit drehbarem Dach), denn die
ältesten Beschreibungen, deren ich mich erinnern kann, reden sämmtlich nur
ISA HieroDimDa Curdanna.
von ereteren. Hieromnus CAUDAims, zu dessen Zeiten Windmühlen in Italiea
und Frankreich längst gemein waren, bat doch nur der ersteren gedacht".
Das ist wohl richtig, aber in dem Werke: „Der fümebmbsten, nothwendigsten,
der ganzen Architektur angehörigen, mathematischen und mechanischen Kunst
eigentlicher Bericht" von Gualthebius H. Ritids, Nürnberg 1647, findet sich
in lib. UI, p. 41 neben einer viel schöneren Abbildung einer gewöhnlichen
Bockmühle (Fig. 203) auch die Abbildung einer Mühle mit horizontalem
Windrade, wie sie unsere Fig. 204, wiedergiebt. Die Flügel des Windrades
bestehen hier aus einem in viele Felder eingetheilten Rahmenwerk. Auf den
Feldern sind Ventilklappen angebracht, welche sich alte nach ein und der-
selben Seite hin öffnen. Auf der einen Seite des Rades werden sie durch den
Winddmck geschlossen and dieser wirkt auf die ganze Fläche des Flügels;
dreht sich aber das Rad infolge dessen um und kommt der Flügel auf die
andere Seite des Rades, so werden die Klappen in demselben durch den Wind-
druck geöffnet und dieser wirkt nur auf den kleinsten Theil der Flügelääche.
Riva's zeichnete diese, sowie die zuerst genannte Windmühle nur zur Aus-
füllung eines leeren Raumes aaf dasselbe Blatt mit einem Stadtplane, ohne
ein Wort der Erklärung im Texte zuzufügen. Gewiss hätte er dies nicht wagen
können, ohne befürchten zu müssen, dass man nicht verstehen würde, was
seine Zeichnung bedeute, wenn nicht solche Mühlen bei den Architekten seiner
Zeit sehr bekannt gewesen waren. Wenn daher Rühlhann im ersten Bande
seiner allgemeinen Maschinenlehre sagt: „Als Gegenstand besonderer Aufmerk-
samkeit wurde schon am Ende des siebzehnten Jahrhunderts an die Kon-
Horizontales Windrad des G. H. Rivius, Nachtrag. 185
stmktion horizontaler, d. h. solcher Windräder betrachtet, wobei die betreffende
Welle vertikal steht, die Flügel also in horizontaler Ebene laufen", so ist dies
nicht so aufzufassen, als ob nicht auch schon anderthalb Jahrhunderte früher
solche Windräder bekannt gewesen wären. Die Konstruktion des horizontalen
Windrades, wie es Rnrios 1547 abbildete, muss man sich aber auch um des-
willen merken, weil, wie schon erwähnt, etwa 30 Jahre später von Besson
horizontale Wasserräder abgebildet wurden, die nach demselben Prinzipe kon-
struirt sind. (Vergl. den letzten Absatz des Nachtrags.)
Nachtrag^.
Als wir vorstehende Abhandlung über Cardanus schrieben, waren uns die
nachstehend besprochenen ;,Skizzen aus der Zeit der Hussitenkriege^, sowie
die in der nachstehenden ;,zweiten^ und ^dritten Abhandlung über Leonardo da
ViNQ*' besprochenen Skizzen desselben noch unbekannt. Wir können nun auf
Folgendes hinweisen:
Eine Pumpe mit Hohlkolben, ähnlich Fig. 198, findet sich schon unter
den Skizzen aus der Zeit der Hussitenkriege (um 1430) Blatt 63 R abgebildet.
Von den, wie in Fig. 199, aus gebogenen Metallrohren hergestellten Wasser-
schrauben findet sich schon eine einfache unter den in der ^zweiten Abhandlung^
(E 13 V und 13 h und 14 v) und eine dreigängige unter den in unserer ^dritten
Abhandlung^ (Fol. 7 h) besprochenen Skizzen von Leonardo da Vinci.
Die Abbildungen von Bockwindmühlen, welche sich unter den „Skizzen
aus der Zeit der Hussitenkriege^ (Blatt 47 V und 19 V und 19 R) finden, sind
etwa um 120 Jahre älter, als die von Gardanus, und unter den in unserer
„zweiten Abhandlung über Leonardo da Vinci besprochenen Skizzen desselben
findet sich (L 35 h und 36 v) sogar schon eine Windmühle mit drehbarem
Dache (sogenannte ^^Holländische Windmühle^].
Jaques Besson (f 1569).
Im Jahre 1578 erschien zu Lyon ein Werk unter dem Titel: Theatre des
Instruments mathematiques et mechaniques de Jaques Besson, Dauphinois,
docte Mathematicien, avec interpretation des figures d'iceluy par Francois
Beroald. Gleichzeitig erschien auch eine lateinische Ausgabe dieses Werkes.
Dasselbe enthält auf 60 sauber in Kupfer gestochenen Tafehi in gross Folio-
format Entwürfe von Maschinen und mathematischen Instrumenten. Aus
ersteren erkennt man, dass der Autor mehr Kinematiker als Maschinenbauer
war, die Erklärungen Beroald^s aber verrathen ein nur mangelhaftes Ver-
ständniss der Figuren, sowie der beiden genannten Disciplinen.
lieber das Leben des Jaques Besson ist wenig bekannt. Aus der Wid-
mung Beroald^s an einen Monsieur d'Hastings geht hervor, das Besson bereits
gestorben war, als diese geschrieben wurde, und dass man es hier mit nach-
gelassenen Skizzen desselben zu thun hat.
In der Vorrede an den Leser nennt Beroald den Jaques Besson einen
;,Ingenieur und Mathematiker des Königs^, woraus vielleicht geschlossen werden
darf, dass er ein Nachfolger Leonardo da Vixcrs in diesem Amte gewesen, der
bekanntlich im Jahre 1519 als Ingenieur des Königs Franz I. von Frankreich
starb. Dass Besson aus der Dauphine gebürtig war, geht schon aus dem Titel
seines Werkes hervor. Ferner wird in der Vorrede des Beroald gesagt: ;,Ce-
pendant nous voulons bien, que chacun sache, qu'il n'y a aucun instrument ni
machine portraitee, qui n^ait ete ou inventee ou enrichie par Besson et qui ne
soit ferme et munie de toutes pars de raisons pregnantes et necessaires, tirees
des Mathematiques et de la physique.^ Wie weit namentlich der letzte Theil
dieser Behauptungen richtig ist, überlassen wir dem Leser, zu beurtheilen.
In dem Werke : „Nouvelle Biographie generale, i)ubliee par M. M. FmMui
DiDOT freres sous direction de M. Le Dr. Höfer. Paris 1862^ wird angegeben,
dass Besson aus Grenoble, der Hauptstadt der Dauphine, gebürtig und im
Jahre 1569 Professor der Mathematik in Orleans gewesen sei. lieber sein in
Rede stehendes Werk wird nur gesagt: ^il inventa pour de demonstrations
mathematiques plusieurs instruments ingenieux.^ In dem ;,Lehrbuche der all-
Lebensbeschreibung, Proportionalzirkel, EurvenzirkeL 187
gemeinen Litterargeschichte von Dr. J. G. F. GrXsse" wird gesagt, B&sson
habe die Erfindungen^ welche er auf seinen Reisen kennen gelernt hatte, ab-
zeichnen lassen, was gewiss nur theilweise richtig ist und obiger Behauptung
Beroald*s geradezu widerspricht.
Was diesen Herausgeber des in Rede stehenden Werkes betri£ft, so wird
er in dem oben citirten Werke: ;,NouvelIe Biographie generale*' ein Philosoph
und Mathematiker genannt, geboren 1558 zu Paris als Sohn des Mathieu
Beroald, eines Theologen und Geschichtsschreibers und gestorben etwa 1612.
Es beisst ferner von ihm: ;,er pflegte alle Wissenschaften, wenn auch nicht
mit gleichem Erfolge, so doch mit gleichem Eifer. Im Jahre 1593 wurde er
zum Domherrn von St. Gratien de tours ernannt, trotz der Unanständigkeit
und dem wenig religiösen Geiste seines in vielen Auflagen erschienenen Buches:
;,Moyen de parvenir.*' — Jedenfalls ist dieser Francois Beroald nichts weniger
als ein praktischer Ingenieur und erst 20 Jahre alt gewesen, als er das hier
in Rede stehende Werk herausgab. Man wird daher seinen ohnehin meist
unklaren und dürftigen Interpretationen von Besson's Skizzen keine grosse Be-
deutung beizumessen haben und, wo eine hinterlassene Skizze des letzteren
eine bessere Deutung zulässt, als sie Beroald giebt, wird man annehmen dürfen,
dass dieser ihn missverstanden hat.
Das erste Blatt Besson's zeigt einen Zirkel, auf dessen Schenkeln ein
Massstab eingravirt ist, ein Lineal, welches zur sicheren Auflage auf der
unteren Seite so ausgehöhlt ist, dass es nur mit den beiden Längskanten auf-
liegt. Ferner eine Schraube und Mutter mit scharfgängigem Gewinde und die
Werkzeuge zur Herstellung der ersteren. Diese Werkzeuge bestehen nur aus
einem Pergamentstreifen, mit dessen Hilfe die Schraubenlinie durch vorge-
zeichnete Punkte vorgerissen wurde und aus einer dreikantigen Feile oder
Raspel, womit die Gewindegänge ausgefeilt wurden. Schneidwerkzeuge und
Ge¥rindeschneidmaschinen zur Herstellung von Schrauben und Schraubenmuttern
scheint demnach Besson nicht gekannt zu haben, obgleich Leonardo da Vinci,
wie wir in unserer zweiten Abhandlung über ihn zeigen werden, solche in
seinen Skizzen dargestellt hat. Metallene Muttern wurden wohl über eiserne
Schrauben gegossen oder dadurch hergestellt, dass man eine Drahtspirale in
eine Hülse löthete.
Das zweite Blatt zeigt die Konstruktion eines Proportionalzirkels, das
dritte den in Fig. 205 dargestellten Zirkel zum Zeichnen von Kurven ver-
mittelst feststehender Patrone oder Schablone. Derselbe besteht aus einer
Axe («6), welche, mit einer Hand vertikal auf die Zeichenfläche gesetzt,
durch drei Spitzen am unteren Ende an der Drehung verhindert wird. Auf
dieser Axe ist die Patrone befestigt, welche hier aus einer dreiseitigen, ab-
gestumpften Pyramide besteht. Der horizontale Arm (c d) mit der daran fest-
geklemmten Stange (ef) dreht sich lose auf dieser Axe. Der den zeichnen-
den Stift tragende horizontale Arm {gh) und der am rechten Ende mit einer
ISS JM[iiea Bmsod.
Anf der Patrone lanfenden Rolle verBehene horizootale Arm [ii) sind beide an
dem vertikalen Stabe {Im) festgeklemmt, der sich auf dem horizontalen Arme
{ed) hin und her schieben läset; (ik) aber wird durch eine an (e/) befestigte
Feder stets g^en die Patrone gedrückt, während {ed) mit allen daranhängen-
den Theilen um [a b) gedreht wird. Während die Rolle bei (t) über eine der
ebenen Flächen der Patrone läuft, beschreibt die Spitze des zeichnenden Stiftes
ein Stuck einer oberen Konchoide und während sie um eine der Ecken läaft,
einen Kreisbogen.
Je nach Gestaltung der Patrone können mit diesem Zirkel verschiedene
Knrven gezt^n werden. Auf Bessqn's viertem Blatte ist ein ebensolcher
Zirkel dargestellt, bei dem die Patrone drei nach aussen gewölbte Flächen
hat Wenn Beboald dabei schreibt, diese Vorrichtung sei dazn geeignet, gerad-
linige Figuren zu zeichnen, so ist dies ein Irrthum, denn dazu wäre erforder-
lich, dase die Seiten des Querschnittes der Patrone nach einer Aeqnidistanten
Flg. 2
Fig. a».
von einer unteren Konchoide gekrümmt, dass sie also konkav wären, und selbst
dann blieben noch die kreisförmigen Uebergänge von einer Geraden zor anderen
bestehen.
Das fünfte Blatt zeigt den in Fig. 206 wiedergegebenen Ellipsenzirkel.
Derselbe hat, wie der oben beschriebene Kurvenzirkel, eine festgehaltene, ver-
tikale Axe (ab), um welche der Rahmen (cdef) sich drehen lässt. Die den
zeichnenden Stift tragende Stange {g h) lässt sich auf den horizontalen Stangen
(cd) und (e/) hin und her schieben. Auf der fesstehenden Axe (ab) sind
zwei parallele, zur Achse schräg stehende, runde Scheiben festgeklemmt. Um
diese dreht sich je ein Ring, an welchem je ein Arm befestigt ist, der die
Stange {gh) mit seinen Enden umfasst. Diese Enden beschreiben, wenn der
Rahmen (cde/) um (ab) gedreht wird, gleiche, parallele, gegen die Horizontal-
ebene geneigte Kreise imd die Spitze des zeichnenden Stiftes beschreibt die
Horizontalprojektion derselben, das ist eine Ellipse. Da die Neigung der
runden Scheiben auf der Axe (a b) und die Länge der Schubstangen an den
Ringen verstellbar sind, so lassen sich mit diesem Zirkel viele verschiedene
Ellipsen ziehen.
EUipsenzirkely Spiralenzirkel, Drehbank zum Passigdrehen. 189
Das sechste Blatt zeigt den Fig. 207 wiedergegebenen Zirkel zum Ziehen
von Spirallinien. Derselbe besteht ans einer horizontalen Hülse, die am linken
Ende eine vertikale Spitze hat, welche in den Mittelpunkt der zu ziehenden
Spirale eingesetzt wird. In der Hülse ist eine Schraube konaxial gelagert,
welche am rechten, aus der Hülse hervorragenden Ende eine runde, aussen ge-
rändelte Scheibe trägt, welche auf der Zeichenfläche im Kreise herumrollt,
wenn man die Hülse um ihre Spitze dreht, und die Schraube im Inneren wird
dadurch gleichzeitig um ihre Axe gedreht. Eine Schraubenmutter, welche
sich nicht mit der Schraube um deren Axe drehen kann, wird dadurch in
deren Axenrichtung verschoben. An dieser ist eine Stange befestigt, welche
durch den Boden am linken Ende der Hülse geht und an dem aus der Hülse
hervorragenden Ende den zeichnenden Stift trägt. Die Spitze dieses Stiftes
dreht sich also um die Spitze der Hülse und bewegt sich gleichzeitig in radia-
ler Richtung fort, beschreibt daher eine Spirallinie. Ist die Schraube in der
Hülse eine gewöhnliche, so ist die Spirale eine archimedische. Durch Aenderung
des Durchmessers des Laufrades, oder durch Einsetzen einer gewöhnlichen
Schraube mit anderer Steigung erhält man andere . archimedische Spiralen.
Setzt man aber Schrauben ein, die an verschiedenen Stellen verschiedene
Steigung haben, so entstehen Spirallinien anderer Art. In diesem Falle kann
die Mutter selbstverständlich nur mit einem abgerundeten Zapfen, oder ver-
mittelst eines um einen zylindrischen Zapfen drehbaren Gleitstückes in die
Schraube eingreifen.
Das siebente Blatt zeigt den Entwurf einer Drehbank zum Passigdrehen
vermittelst Patronen (Fig. 208). Das hölzerne Werkstück ist zwischen zwei
gleichen, an den einander zugekehrten Enden mit mehreren Spitzen versehenen
Spindeln eingespannt und erhält seine Drehung in der damals und bis zu An-
fang unseres Jahrhunderts bei Holzdrehbänken üblichen Weise durch eine
darum geschlungene Schnur, welche zwischen einer Wippe an der Decke des
Arbeitsraumes und einem Trittbrette unter der Drehbank gespannt ist. Beim
Niedertreten des Trittbrettes dreht sich das Werkstück in einer Richtung, und
der mit den Händen angedrückte Stahl schneidet; während der Fuss gehoben
wird, wird der Stahl etwas zurückgezogen und das Werkstück dreht sich in
entgegengesetzter Richtung. Die beiden Spindeln, welche sich mit dem Werk-
stücke umdrehen, tragen gleiche Patronen, welche im vorliegenden Falle, da
elliptisch gedreht werden soll, aus zwei gleichen, schräg zur Axe gestellten
Kreisscheiben bestehen, deren Schräge verstellbar ist. Auf diesen Patronen
liegt ein in zwei Schlitzen der vorderen Docken geführtes, breites Lineal,
welches während des Drehens, je nach der Form der Patronen, bald durch
diese gehoben wird, bald durch seine Schwere und den Druck des Arbeiters
auf den Drehstahl niedergeht. In diesem Lineale ist eine Nute von der Form
der erzeugenden Linie des zu drehenden Rotationskörpers. Der Drehstahl ist
am Ende gabelförmig, wie unter der Drehbank in Fig. 208 abgebildet. Die
190
Jaqucs Bmmd.
obere Zinke der Gabel wird mit ihrem Ende in die Nute des Lineals einge-
setzt und in dieser nach nnd nach fortgeschoben, v&hrend die Schneide an
der unteren Zinke, welche immer lothrecht onter dem oberen Gabelende bleiben
mnss, die Späne von dem Werkstücke wegnimmt.
Dass übrigensEnde des sechszehntenJahrhanderts bei der Metalldreherei
schon Drehbänke gebräncblicb waren, bei denen vermittelst eines Handschwnng-
rades nnd Sctmurtriebes das Werkstück in eine stetige Drehung nach einer
Richtung versetzt wurde, ersieht man aus der Abbildung einer Zinogiesser-
werkstatte in Thom. Garzom's „Piazza untTersale" , Venedig 160t, in der
deutschen Uebersetznng Frankfurt a. M. 1619 auf Seite 531.
Die auf dem achten Blatte Bessoü'b dargestellte Methode des Passig-
drehens durfte wohl noch schwieriger gewesen sein, als die vorhin besprochene.
Hier ist nur auf einer Seite des Werkstückes eine Patrone. Beide Docken
Fl«, m.
sind auf dieser Seite nach oben verlängert und mit einem Schlitze versehen.
Der Arbeiter steht vor diesem Ende der Drehbank, hat das Heft eines sehr
langen, durch beide Schlitze reichenden Drehstahles auf der Schulter ruhen
nnd drückt ihn auf die Patrone nieder, während die Schneide am Ende des
langen Stahles den Span von dem Werkstücke wegnimmt.
Anf dem neunten Blatte ist die in unserer Fig. 209 wiedergegebene, nach
Beroald von Bbsson erfundene Drehbank zum Schneiden von Schrauben, und
sogar von konischen Schrauben, abgebildet, bei welcher bereits eine Leitspindel
zur Anwendung kommt. Hoch über dem Drehbankbette ist eine horizontale
Welle mit drei Schnurrollen gelagert. Zieht der Arbeiter an dem einen Ende
der um die mittlere Rolle geschlungenen Schnur, so dreht er dadurch die
Welle in einer Richtung; hebt er dann den Arm wieder auf, so dreht das
Gegengewicht am anderen Ende der Schnur sie in entgegengesetzter Richtimg.
Auf der linken Rolle ist eine Schnur mit einem Ende befestigt, dann mehr-
mals um die Rolle und einmal um das Ende des Werkstückes geschlungen und
durdi ein an ihrem freien Ende hängendes Gewicht gespannt. Anf diese Weise
Drehbank zum Gewindeschneiden, Marmorschleifmaschine. 191
wird diis Bewegung der oberen Welle auf das Werkstück übertragen. Rechts
unter diesem ist eine Schraube in einem mit dem Drehbankbette fest ver-
bundenen Holzrahmen horizontal gelagert. Sie ist an ihrem rechten, über den
Holzrahmen vorstehenden Ende mit einer Schnurrolle fest verbunden, und diese
wird ebenso wie das Werkstück und gleichzeitig mit diesem von der oberen
Welle aus in hin und her drehende Bewegung versetzt. Dadurch wird die in
dem Holzrahmen sich führende Schraubenmutter abwechselnd von rechts nach
links und von links nach rechts geschoben. An dieser ist ein horizontaler
Arm befestigt, an dessen linkem Ende eine unter dem Werkstücke sich hin
und her bewegende, vertikale, prismatische Hülse befestigt ist. Diese Hülse
dient einem vertikalen Prisma zur Führung, in dessen oberem Ende der Dreh-
stahl befestigt ist, während sein unteres Ende mit einer horizontalen Hülse
versehen ist, die einen Trittbalken umfasst. Dieser wird an beiden Enden
durch über Rollen geleitete Schnüre mit Gegengewichten in die Höhe gezogen
und dadurch der Drehstahl gegen das Werkstück gedrückt, während der
Arbeiter an der Schnur in seiner Hand zieht, und der Stahl schneidet. Den
einen Fuss aber hat der Arbeiter in dem am Trittbalken hängenden Bügel,
und während er die Hand mit der Schnur hebt, drückt er mit dem Fusse den
Trittbalken nieder und bringt dadurch den Drehstahl ausser Angriff. Durch
die Rotation des Werkstückes während des ersten Theiles der Bewegung und
die gleichzeitige Verschiebung des Stahles wird das Gewinde in das Werkstück
geschnitten. Da aber der Hub des Stahles nach oben nur durch den Wider-
stand des Werkstückes begrenzt wird, so kann das Gewinde ebenso gut in ein
konisches oder sonst geeignet profilirtes, wie in ein zylindrisches Werkstück
geschnitten werden.
Das zehnte Blatt zeigt eine Maschine zum Schleifen und Poliren von
Marmor und dergleichen. Der Mechanismus, durch welchen hier der Schleif-
backen hin und her geschoben werden soll, ist aus Fig. 210 ersichtlich. Er
besteht aus einer sogenannten Nürnberger Scheere und einem schweren, anker-
formigen Pendel, beides Maschinenbestandtheile, welche Besson über die Maassen
liebte, wie wir später noch sehen werden. Von den mittleren Scharnierbolzen
der Scheere ist der linke im Maschinengestelle befestigt, die anderen sind
zwischen zwei Leitschienen geführt, und am rechten ist der Schleifbacken an-
gehängt, welcher den darunter liegenden Stein schleift und polirt. Die nach
links vorragenden Arme der Nürnberger Scheere sind nach oben abgekröpft
und werden von zwei Oesen umfasst, welche durch eine an dem über die Axe
hinaus verlängerten Pendelarme angeschweisste oder angegossene Querstange
fest mit einander verbunden sind. Der Arbeiter steht vor der rechten Seite
des Maschinengestelles und setzt durch abwechselndes Anziehen und Nachlassen
der aus Fig. 210 ersichtlichen Schnur das Pendel in Schwingungen, die Oesen
an seinem oberen Ende setzen die Scheerenarme in Schwingungen und der rechte
Schamierbolzen der Scheere bewegt den Schleif backen in langen Schüben hin und her.
192
Jaqoes Beuoa.
Hierbei sei bemerkt, dass die Bogenaimte Nürnberger Scheere lange Tor
Besson bekannt war. In dem Werke: „de re militari" Ton Bobebtcs VALTtmius.
welches, wie aiiB der Vorrede der verbesserten Pariser Ausgabe von 1532 her-
Toi^eht, im Jahre 1483 zom ersten Male erschien, findet sich in Hb. 10,
Kap. IV, S. 259 eine Maschine znm Emporheben von Mannschaften auf Festnngs-
mauent abgebildet, welche aas zwei gleichen Nürnberger Scheeren besteht, die
durch Traversen, deren Enden die Schamierbolzen beider Scheeren bilden, mit
einander verbunden sind. Die untersten Enden der Scheeren sind durch Schar-
niere mit zwei Schienen verbunden, welche sich in einem horizontalen, auf
Rädern laufenden Holzrahmen hin und her schieben lassen. Diese Bew^ung
erfolgt durch zwei in demselben Rahmen gelagerte Schranben. Werden dnrch
diese die unteren Enden der Scheeren einander genähert, so steigt der an den
oberen Enden derselben befestigte Korb mit der darin sitzenden Mannschaft
in die Höhe. Ein ähnlicher Apparat soll kürzlich neu erfunden (?) worden
sein , um Feuerwehrmannschaften bequemer als auf der Letter in die Höhe zu
befördern.
Das elfte Blatt Besson'b zeigt ein mit dem oben erwähnten schweren
ankerfonnigen Pendel ausgestattetes Hebelwerk zur Bewegung zweier Blasbälge.
Das Pendel wird durch zwei Arbeiter hin und her gezogen, und Beroald, so-
wie nach seiner Angabe auch Besson, versprachen sich von dieser Arbeitsweise
solche Vortheile, doss sie meinten, die zwei Arbeiter könnten dabei so viel
leisten, wie sonst nur durch Pferde- oder Wasserkraft geleistet würde.
Auf ähnlichen irrigen Voraussetzungen beruht die Anordnung der auf
dem zwölften Blatte dargestellten Maschine, die wir deshalb übergehen.
Das dreizehnte Blatt zeigt ein Sägegatter für Handbetrieb. Die Kon-
struktion desselben ist aus unserer Fig. 211 ersichtlich. Der Vorschub des zu
schneidenden Holzes erfolgt durdi zwei Ketten, welche tun eine Walze ge-
Sägern Qble, Baggerrechen. 193
scUungen sind, die eine rechtsum, die andere linksnm, und welche mit Haken
an ihren Enden je ein Ende des zu schneidenden Holzes erfassen. Die Walze
wird durch ein grosses Spillenrad ruckweise umgedreht, indem ein Zapfen im
Kranze des Schwungrades bei jeder Umdrehung einmal gegen eine der Spillen
stösst und sie um eine Theilung weiterschiebt. Bergald sagt, diese Maschine
solle in Wäldern und an Orten gebraucht werden, wo es an Wasser mangele,
und wo die Maschine so tief gestellt werden könne, dass man das Holz von
dem Erdboden direkt auf die Maschine schieben könne. ;,Denn, fährt er fort,
an Orten, wo Wasser reichlich vorhanden ist, wie in Deutschland, wo man
grosse Mengen Bretter damit schneidet, sind die Maschinen ganz andere, als
diese hier.*'
Aus dieser Stelle geht hervor, dass Sägemühlen damals in Deutschland
besonders häufig waren. Pacl von Stetten fand unter den Bauamtsrechnungen
der St^dt Augsburg schon unter der Jahreszahl 1322 und hernach noch öfter
eine Ausgabe unter der Rubrik: ;,Molitori dicto Hanrey pro asseribus et swaert-
lingis'', d. h. ^dem Müller, genannt Hanrey, für Bretter und Schwarten^ und
sagt: ;,Diese Worte machen das Dasein einer Sägemühle ziemlich gewiss.
Hierzu kommt, dass wir noch eine solche Mühle haben, die bis auf den heutigen
Tag die Hanrey-Mühle, sowie der Kanal, der ihr Wasser giebt, der Hanrey-
Bach heisst." Um's Jahr 1427 hatte die Stadt Breslau schon eine Sägemühle,
welche jährlich 3 Mark Pacht gab, und 1490 kaufte der Magistrat zu Erfurt
einen Wald und Hess in demselben eine Schneidemühle anlegen. (Vergl. „Bei-
träge zur Geschichte der Erfindungen" von Jon. Beckmann. Leipzig 1788.
Bd. n, S. 269—271.) Diese deutschen Holzsägemühlen sind die ältesten, von
denen wir Kunde haben. Die Stelle des Ausonius (310—390 n. Chr.), welche
JoH. Beckmann, Bd. H, S. 265, anführt, bezieht sich oftenbar auf eine Stein-
sägemühle, und seine Annahme, dass die Erfindung der Holzsägemühle der-
jenigen der Steinsägemühle vorausgegangen sein müsse, scheint uns allzu gewagt.
Das vierzehnte Blatt Besson's zeigt ebenfalls eine Holzsägemühle für
Handbetrieb, die aber zu seinen kinematischen Spielereien zu rechnen ist, denn
er hängt das Sägegatter hier an den in unserer Fig. 212 wiedergegebenen
Mechanismus, das ist eine Nürnberger Scheere, deren obere Endglieder durch
eine links- und rechtsgängige Schraube bewegt werden. Letztere trägt rechts
das bekannte schwere Pendel, links einen horizontalen Hebel, der durch eine
Schnur niedergezogen und dann wieder losgelassen wird.
Die Blätter 15 bis 20 können wir übergehen, da sie für uns kein Interesse
haben. Blatt 21 ist in unserer Fig. 213 wiedergegeben. Diese Vorrichtung
soll dazu dienen, einen See- oder Flusshafen, oder einen Teich vermittelst eines
grossen eisernen Rechens von Steinen, Wasserpflanzen und dergleichen zu reinigen.
Blatt 22 ist in unserer Fig. 214 wiedergegeben. Es zeigt eine Kunst-
ramme, bei welcher zwei Rammklötze durch zwei schräg liegende Schrauben,
eine rechtsgängige und eine linksgängige, abwechselnd gehoben werden sollen.
BMk. 13
194
Jaqnes Beuon.
Sie sind an ibrem tiefer liegenden Ende dnrcb zwei Stirnräder nnd ein
Zwischenrad mit einander verbunden, velch' letzteres durch einen Arbeiter ver-
mittelst einer Kurbel erst in der einen, dann in der anderen Richtung gedreht
-wird. An jeder der beiden Schranbenmnttem ist ein Seit befestigt, das über
eine Rolle geleitet und am Ende mit einem Haken versehen ist, welcher die
Oese des Kammklotees erfasst. Ist dieser aufgezogen, so bewirkt ein zweiter
Arbeiter durch Zug an einem Seile, welches von einem seitlichen Anne am
Haken herabhängt, die Auslösung des letzteren.
Beboald sagt in seiner Beschreibung: „Die gewöhnliche Art Pfthle ein-
zuschlagen, um Brücken und andere Bauwerke darauf zu setzen, ist eine ziemlich
einfache und leichte Sache, aber wegen des grossen Rades und der übrigen
Stücke, welche viel Raum einnehmen, ist es schwer, sie auf ein Boot zu bringen,
was hier mit Leichtigkeit geschehen kann " Unter dem hier erwähnten „grossen
Rade" ist wahrscheinlich em Tretrad zu \ erstehen
Eine sehr schöne Abbildung in gross Folioformat von einer Kunstramme
für Handbetrieb mit Schwungrad findet sich in dem Werke: „Delle fortificationi"
von BoNAJUTO LoRiNi (Venedig 1597) Seite 206, worauf wir später zurückkommen
werden. Rvhlhann sagt in seiner „Allgemeinen Maschinenlehre", Bd. 4, S. 235:
„Bestimmte, namentlich mit Abbildungen begleitete Angaben über bemerkens-
werthe Kunstrammen habe ich in keinem alteren Werke, als in den vorhin
Kunatniininen, boriiontaJei Wasieirad.
195
citirten Pariser Memoiren von 1707 finden können." Aber, wenn auch Bessos's
KuQstramme nicht Terdient, nnter die bemerkenawerthen gezählt zn werden,
60 ist dies doch sicherlich bei der unter den später zu betrachtenden „Skizzen
ans der Zeit der Hussitenkriege" befindlichen und bei der von Loriki beschriebenen
nnd abgebildeten der Fall.
Das 23. Blatt Besson's zeigt die in unserer Fig. 215 dargestellte Zug-
ramme zum Setzen schräger Pfähle, und zwar ist zu diesem Zwecke projektirt,
anstatt eines Fall- oder Rammklotzes einen grossen, hölzernen Schlägel anzu-
wenden, dessen Stiel durch ein Paar zusammengedrehter Taue gesteckt ist, die
als Wrill- oder Wringfeder wirken und den Schlag beim Niedergänge des
Schlägels verstärken, nachdem derselbe durch Zug an den am Ende des
Schlägelstieles befestigten Seilen gehoben und losgelassen wurde. Dass der
Stiel des Schlägels dabei leicht abprellt, hat Besson übersehen.
Das 24. Blatt zeigt einen Pfahlrost, in dem senkrechte und schräg ein-
geschlagene Pfahle zum Zwecke grösserer Stabilität mit einander verbunden
sind. Das 25. Blatt zeigt ein Stampfwerk, welches nach Beroald zum Walken
von Tüchern, Stampfen von Papierzeug u. s. w. dienen soll. Die Stempel haben
keulenförmig runde Köpfe und fallen in halbkugelig ausgehöhlte, steinerne Tröge.
Blatt 26 zeigt einMühlwerk mit zwei Mahlgängen, das von einer Schwungrad-
Welle aus vermittelst Schnurtrieb durch zwei Mann betrieben werden soll.
Blatt 27 zeigt einen Mahlgang, bei welchem die Mühlspindel auf einer grossen
hölzernen Schraube ruht, die als Aufhelfe dient. ImUebrigen ist der Mechanis-
mus für uns ohne Interesse.
Das 28. Blatt zeigt einen Mahlgang, dessen Mühlspindel direkt durch ein
horizontales Wasserrad (Fig. 216} betrieben wird. Dies hat einen balbeiförmigen
Körper und ist mit schraubenförmig gekrümmten Schaufeln versehen. Es ist
anzunehmen, dass dasselbe nnr deshalb über sein steinernes Gehäuse vorstehend
106
Jaqaes BessoD.
gezeichnet ist, um die Art dieser Beschaufelung besser zu zeigen*), nnd dass
die Scbanfeln die InnenwaDd dieses Gehäuses nahezu berühren würden, wenn
es in seine richtige Stellung herabgelasEen würde, sowie dass das Aufschlag-
wasser mit starkem Gefalle tangential zum Radkörper eintrat, und dass es nur
eine Mangelhaftigkeit der Zeichnung ist, wenn dies aus ihr nicht klar ersicht-
lich ist. Denn diese Räder waren, wie Beroald sagt, damals schon in ausge-
dehntem Gebrauche, müssen also leistungsfähig gewesen sein. Derselbe sagt:
„Was diese Form von Mühlen betrifft, so sind sie, wenn sie auch Vielen un-
bekannt sein mögen, doch an mehreren Orten nnd namentlich in Toulouse
(Tholoze) und anderwärts in einigen Dörfern, wo ich sie gesehen habe, in
häufigem Gebrauche. Bei alledem hat unser Autor sie verbessert (enricbi),
dadurch, dass die Flügel gerundet sind (vont en rond)," Es bleibt zweifelhaft,
ob mit diesem Ausdrucke gemeint ist, dass die Flügel von Besson nach der
Schraubenlinie angeordnet, oder ob nur das Anpassen derselben an einen halb-
eiförmigen Radkörper von ihm herrühren soll. {Vergl. Leonardo da Vinq's
Skizzen Fig. 124 und 125 S. 109, sowie Blatt 18 R der nachstehend abge-
handelten „Skizzen aus der Zeit der Hussitenkriege". Bezüglich des von diesem
Turbinenrade betriebenen Mahlganges erscheint uns bemerkenswerth, dass er,
sowie alle anderen von Besson aufgezeichneten Mahlgänge, noch ohne Schuh
und Schüttelwerk arbeitet.
Auf dem 39. Blatte ist ein musikalisches Saiteninstrument und auf den
Blättern 30 bis 33 sind Vorrichtungen zum Horizontaltransporte schwerer Lasten
abgebildet, deren Konstruktionen auf irrthümHchen Voraussetzungen beruhen,
weshalb wir sie übergehen.
Das 34. Blatt zeigt eine schwere Mange mit Pferdebetrieb, welche unsere
Fig. 217 wiedergiebt. Die in unserer Skizze al^ebrochen gezeichnete Göpel-
welle geht von dem Räume, in dem das Pferd geht, in einen Keller herab,
in dem die Mange aufgestellt ist. Dieselbe trägt an ihrem unteren Ende ein
*) Vergl, Beudor's Architecturo bydraalica. Tbeil I, Buch II, Tab. I, Flg. 5.
UiiDge für Pferdebetrieb, Drebkrahuen.
197
grosses, nur am halben Umfange verzahntes und, wie es der Zeichnung nach
scheint, aus Eisen gegossenes Winkelrad. Unter demselben liegt eine horizontale
Welle mit zwei Getrieben, in welche die Zähne des grossen Winkelradea ab-
wechselnd eingreifen und die horizontale Welle bald rechts-, bald linksam
drehen. Ausserdem tragt diese noch zwei gleiche Seiltrommeln und ein Stirn-
rad, welches in ein gleich grosses, auf einer weiter nnten liegenden Welle sitzen-
des Stirnrad eingreift. Diese zweite horizontale Welle trägt zwei ebensolche
Seiltrommeln wie die erste. Anstatt des bei Hangen jetzt üblichen, mit Steinen
gefiillten, hölzernen Kastens ist hier ein massiver, unten geglätteter Steinblock
angewendet. Wie dieser durch vier Seile, welche um die vier genannten Seil-
trommeln geschlungen und andererseits mit dem Steinblocke verbunden sind,
hin und her gezogen wird, ist ans Fig. 217 und dem Gesagten ersichtlich.
Hangen, die durch Pferde getrieben und zur Glättung von Webwaaren ge-
braucht wurden, sind nach Fall von Stetten's „Kunst- und Handwerksgeschichte
der freien Reichsstadt Augsburg (Augsburg 1779. S. 143) daselbst schon im
Jahre 1320 und 1451 auf Gemeindekosten angeschafft worden.
Besson'b 35. Blatt zeigt eine Vorrichtung, um für mehrere auf einem
Baugerüste arbeitende Maurer gleichzeitig Mulden mit Steinen und Speis auf-
zuziehen. Der dabei angewendete Mechanismus ist dem von Vmtuv zum Auf-
ziehen von Riesenlasten angegebenen mit grossem Seiirade (Amphieryon oder
Peritrochion) nachgebildet. (Vergl. Fig. 43, S. 43.)
Das 36. Blatt zeigt den in unserer Fig. 218 wiedergegebenen Drehkrahn,
der allerdings nur vom Standpunkte des Kineraatikers aus einiges Interesse
198 Jaques Besson.
bietet. Auf einem Fundamente ist eine kurze runde Säule befestigt, um welche
sich eine Plattform und unabhängig davon eine Hülse dreht, die den unteren
Theil einer starken, vertikalen Schraube bildet. Mit der Plattform ist ein
Balkengestell fest verbunden, in welchem die Schraube unterhalb und ober-
halb des Gewindes durch Halslager gehalten ist. Unter dem oberen Halslager
ist ein stärkerer Zapfen an die Schraube angedreht, auf den eine Hülse ge-
schoben ist, welche mit zwei einander gegenüber stehenden, horizontalen Zapfen
versehen ist. Um diese Zapfen schwingt ein aus zwei fest mit einander ver-
bundenen Stangen gebildeter Balancier, an dessen beiden Enden je ein Förder-
gefäss hängt. Zwischen den beiden Stangen, welche den Balancier bilden,
gehen zwei Säulen des mit der Plattform verbundenen Gestelles durch, welche
den Balancier mitnehmen, sobald sie sammt der Plattform um die feste Säule
gedreht werden. Zum Zwecke dieser Drehung ist die Plattform mit einem
seitlich herausstehenden Handhebel versehen. Mit der das Gewinde der Schraube
umschliessenden Mutter sind zwei gebogene Arme fest verbunden, wie aus
Fig. 218 ersichtlich. Jeder derselben endigt oben in eine Gabel, welche eine
der beiden den Balancier bildenden Stangen umfasst. Jede dieser Stangen ist
ausserdem durch eine darüber und eine darunter in der Gabel gelagerte Anti-
friktionsroUe eingeschlossen. Wird die Schraube durch den auf der Plattform
im Kreise herumgehenden Arbeiter vermittelst eines in die Wandung ihres
hohlen Fusses gesteckten Hebels gedreht, so wird die Mutter, wenn sie dadurch
in die Höhe geschraubt wird, auch den Arm des Balanciers, mit dem sie durch
die Arme verbunden ist, heben.
Mancherlei Umstände, nämlich 1. dass der Druck auf jeden der Balancier-
zapfen so gross ist, dass die Zapfenlöcher bei einigermassen grosser Förder-
last die Balken des Balanciers zu sehr verschwächen, oder die Zapfen über-
haupt nicht genügend stark hergestellt werden können, 2. dass beim Heben
der Last ein Drehungsmoment auf die Mutter wirkt, infolge dessen sehr un-
günstige Reibungswiderstände entstehen, 3. dass die Schraube auf Bruch in
Anspruch genommen wird und 4. dass infolge der Kürze der Drehsäule beim
Wenden des Krahnens starke Reibungswiderstände zu überwinden sind, machen
diese Konstruktion zu einer unpraktischen.
Etwas besser in dieser Beziehung ist der auf dem 37. Blatte dargestellte
Drehkahn, dessen oberen Theil unsere Figur 219 zeigt. Hier dreht sich das
Gestell um eine höhere Säule, indem es oben auf einem Zapfen ruht, in den
die Säule ausläuft. Mit dem Gestelle sind ein horizontaler Rahmen und weiter
oben zwei einander gegenüber stehende, horizontale Zapfen fest verbunden, um
welche ein zweiter Rahmen als Balancier schwingt. In dem festen Rahmen ist
eine diametral durchbohrte, um zwei Endzapfen drehbare Walze gelagert.
Durch diese ist eine lange Schraube gesteckt und durch Vorsteckstifte an Ver-
schiebung in ihrer Axenrichtung verhindert. Die Mutter, durch welche diese
Schraube geht, ist mit zwei einander gegenüber stehenden, horizontalen Zapfen
Hebemaschinen, Ziehbrunnen. 199
in dem Balancier nahe bei dessen Ende gelagert, während an dem anderen
Ende desselben die Last angehängt wird. Doch gilt auch hier das vorhin be-
züglich der Stärke der Balancierzapfen und der Yerschwächung der Balancier-
balken Gesagte.
Diese Konstruktion ist eine Modifikation der von Cardanüs beschriebenen
Hebmaschine, welche wir in Fig. 196, S. 175 abgebildet haben, und welche
wiederum als eine Umkehrung der von Plinius beschriebenen Kelterpresse oder
Trotte zu betrachten ist.
Das 38. Blatt zeigt eine Maschine, welche, wie es in der Ueberschrift
heisst, dazu dienen soll, Erde aus einem Festungsgraben über die Festungs-
mauer zu heben. Es ist ein starkes Becherwerk, ähnlich denen, welche man
heutigen Tages bei Baggermaschinen anwendet. Zwei endlose Ketten, die über
zwei Trommeln laufen, sind durch Querstäbe verbunden, welche deren Scharnier-
bolzen bilden, zwischen den Ketten die kastenförmigen Fördergefässe tragen
und ausserhalb der Ketten mit Rollen auf zwei parallelen, schräg stehenden
Führungsbalken laufen, die so eingekehlt sind, dass sie die Rollen und Quer-
stabe auch an seitlicher Verschiebung hindern. Die obere Kettentrommel wird
durch eine Schraube ohne Ende gedreht und an der unteren noch durch einen
Arbeiter an einem Spillenkreuze nachgeholfen. Die zu fördernde Erde wird
von Arbeitern in die Fördergefässe geschaufelt, weshalb die Maschine nicht
als Bagger zu betrachten ist.
Das 40. Blatt zeigt eine Vorrichtung, um einen Obelisken umzulegen und
wieder aufzurichten. Dieser ist mit eisernen Schienen und Bändern armirt.
Eines der letzteren umgürtet ihn oberhalb des Schwerpunktes und hat zwei
einander gegenüber stehende, horizontale Zapfen, deren gemeinschaftliche Achse
etwas seitlich von der Vertikalen durch den Schwerpunkt des Obelisken liegt.
An diesen Zapfen soll letzterer durch eine Hebelvorrichtung aufgehoben werden,
wobei er wegen der excentrischen Stellung der Zapfen in eine schräge Lage
kommen würde. Domenico Fontana, welcher im Jahre 1585 den vatikanischen
Obelisken von seinem früheren Standorte entfernte und mitten auf dem
St. Peters-Platze in Rom wieder aufstellte, scheint dieses Projekt Besson's ge-
kannt zu haben, denn es finden sich bei seinen Anordnungen zu diesem Zwecke,
welche er in seinem Werke : „Della trasportatione dell' obelisco Vaticano etc.",
Roma 1590, genau beschrieben und abgebildet hat, mehrere Details, welche
mit solchen aus Besson's Projekt übereinstimmen. Foxtana berechnete aber,
ehe er seine berühmte Arbeit begann, das Gewicht des Obelisken auf nahezu
eine Million Pfund und sah wohl ein, dass von Aufhängen desselben an zwei
eisernen Zapfen von ausführbaren Dimensionen keine Rede sein könne. (Vergl.
unsere Abhandlung über Fontana.)
Das 42. und das 43. Blatt haben für uns kein Interesse. Das 44. bietet
solches wiederum nur für den Kinematiker. Es zeigt einen Ziehbrunnen, bei
dem die hin und her schwingende Bewegung des bekannten schweren Pendels
Fig. 220.
200 Jaques Besson.
durch den aus Fig. 220 ersichtlichen Mechanismus in die stetig drehende einer
Kettentrommel, resp. in die aufsteigende Bewegung des an der Kette hängen-
den Eimers umgesetzt werden soll. Zu diesem Zwecke sitzt auf der Trommel-
welle ein Laternengetriebe, in welches rechts und links zwei Räder eingreifen,
die an einem entsprechenden Theile ihres Umfanges mit Ratschenzähnen ver-
sehen sind, welche die Zähne des Latemengetriebes nur in einer Richtung mit-
nehmen, sich aber umlegen, sobald sie bei entgegengesetzter Drehung diesen
begegnen. Die beiden Wellen, auf welchen diese Ratschenräder sitzen, sind an
ihren Enden auf einer Seite durch zwei
gleiche Stirnräder verbunden, die je-
doch nur so weit verzahnt sind, als die
Verzahnung bei der schwingenden Be-
wegung zur Wirksamkeit kommt. Mit
der einen dieser Axen ist ausserdem
das Pendel fest verbunden, welches
durch intermittirenden Zug an einem
seitlichen Arme in schwingende Bewegung
gesetzt wird. Da die beiden Axen, die
durch Stirnräder mit einander verbunden sind, sich stets in einander ent-
gegengesetzter Richtung drehen müssen, so wird die Kettentrommel kontinnir-
lich, bald von dem einen, bald von dem anderen Ratschenrade in einer be-
stimmten Richtung umgedreht. In welcher Weise das Herablassen des Eimers
bewirkt werden soll, ist weder aus der Zeichnung noch aus Bcroald^s Be-
schreibung ersichtlich.
Das 45. Blatt zeigt den in Fig. 221 skizzirten Apparat, vermittelst dessen
Arbeiter sich selbst aus einem Schachte herausziehen können. Eine Winde,
welche durch Schraube ohne Ende und Handkurbel bewegt wird, ist in dem
Fördergefasse befestigt, während zwei Seile von der Trommel derselben mit
zwei festen Punkten über dem Schachte fest verbunden sind. Auch dieser
Apparat liefert den Beweis, dass die Umkehrung der Mechanismen den Kine-
matikern des 16. Jahrhunderts schon geläufig war.
Das 46. Blatt zeigt die in Fig. 222 wiedergegebene Maschine zum selbst-
thätigen Heben von Wasser aus einem Flussbette und Ableiten desselben auf
das Ufer. Dieselbe besteht aus einer im Flussbette stehenden, vertikalen Welle,
mit welcher am unteren Ende ein horizontales Wasserrad, am oberen Ende
ein nach einem halben Schraubengange gekrümmter Kranz fest verbunden sind.
Das Wasserrad besteht aus einer grösseren Zahl radialer Arme, von welchen
Flügel herabhängen, die durch Scharniere so mit den Armen verbunden sind,
dass sie sich nach einer Seite hin aufklappen und horizontal stellen, wenn das
Wasser des Flusses in diesem Sinne gegen sie stösst, während sie bei dessen
Druck in entgegengesetztem Sinne in vertikaler Stellung verharren. Auf diese
Weise wird bewirkt, dass die Flügel auf einer Seite des Rades dem Wasser-
Fabistubl, SchUpfwerk mit homootalem Wuserrnd.
201
^ucke ausweichen, während derselbe auf der anderen Seite voll auf die Flügel
virkt und das Rad umdreht. Dieses Wasserrad ist nach demselben Prinzipe
konstruirt, wie das von Gdaltekius Iüvius abgebildete horizontale Windrad. (Vergl,
Fig. 204, S. 184 unserer Abhandlung über CAnoANUs.) Ueber dem oben erwähnten
schraubenförmigen Kranze ist ein Balancier in einem mit dem Maschinengestelle
fest yerbondenen, vertikalen Balken gelagert und das untere Ende des letzteren
dient gleichzeitig dem oberen Zapfen der Wasserradwelle als Lager. Sobald
das tiefsteEnde des schraubenförmigen Kranzes unter einenAnn des Balanciers
tritt, wird der andere Ann desselben frei. Ersterer wird bei weiterer Drehung
dieses Kranzes gehoben, während letzterer herabsinkt. Die Arme des Balancierg
sind an den Stellen, unter welchen der schraubenförmige Kranz hingleitet, mit
Antifriktionsrollen versehen. Auf diese Weise wird die rotirende Bewegung
des Wasserrades in eine schwingende des Balanciers ven\andelt. An den
beiden Enden desselben hängen Eimer, welche bei ihrer tiefsten Stellung Wasser
aus dem Flusse schöpfen, bei ihrer höchsten Stellung aber durch Anstoss an
einen oben auf dem Maschinengestelle angebrachten Trog umkippen und das
Wasser in diesen ausgiessen, welches von da durch eine hölzerne Rinne auf
das Ufer geleitet wird.
Das 47. Blatt zeigt ein Pumpwerk, bei dem die Pumpenstiefel aus vier-
seitig prismatischen, aus Brettern gebildeten und mit eisernen Bändern ge-
bundenen Rühren bestehen, ohne Zweifel, weil die Bohrung bei runden Röhren
damals nur einen kleinen Durchmesser erhalten konnte. Bei dieser Form
202 Jaqaes Besson.
mosste die Mangelhaftigkeit des Kolbenschlasses doppelt fühlbar werden, und
deshalb stellt Besson zwei solche Stiefel, die oben durch ein Druckventil ab-
geschlossen sind, ganz unter Wasser. Am unteren Ende sind dieselben Yom
und hinten aufgeschlitzt und die Schlitze dienen den an beiden Seiten des
Massivkolbens hervorstehenden Stiften zur Führung. Bei der tiefsten Stellung
des Kolbens gestattet dieser dem Wasser durch den oberen Theil der beiden
Führungsschlitze in den Stiefel einzudringen und diesen zu füllen; beim Auf-
gange aber schliesst der Kolben erst das Wasser in dem oberen Theile des
Stiefels ab und drückt es dann durch das Ventil am oberen Ende desselben.
Es tritt in ein horizontales Querrohr, welches auf den beiden genannten Stiefeln
liegt und in der Mitte eine dritte Pumpe trägt, der das Wasser in der ange-
gebenen Weise zugebracht wird und die es dann aus dem Brunnenschachte
heraushebt. Um die Kolben der unteren Pumpen abwechselnd auf und nieder
zu bewegen, sind die aus den Führungsschlitzen hervorragenden Führungsstifte
der Kolben paarweise durch zwei parallele Balanciers mit einander verbunden,
deren gemeinschaftliche Drehaxe durch einen zwischen den beiden Stiefeln
stehenden und das Querrohr unterstützenden Pfosten geht. Parallel mit dieser
ist eine grosse, starke Axe in angemessener Höhe über dem Brunnenschächte
gelagert, welche zwei ebensolche Balanciers trägt, wie die untere. Durch vier
Ketten, deren Länge der Entfernung der beiden Axenmittel von einander
gleich ist, sind die Enden des Balanciers paarweise so mit einander verbunden,
dass die unteren stets die gleiche Bewegung machen müssen, wie die oberen.
Mit Hilfe des schon oft erwähnten Pendels wird die obere Axe bewegt; auf
ihrem mittleren Theile aber ist rechts und links üewinde eingeschnitten und
der in Fig. 212 skizzirte Mechanismus angewendet, um den Kolben der dritten,
höher stehenden Pumpe zu bewegen.
Das 48. Blatt zeigt die in Fig. 223 dargestellte ;,Wasserzange^ oder
^ Kluppkunst'' mit Wasserradbetrieb. Leüpold giebt in seinem ^Theatrum
machinarum hydraulicarum*' (Ausgabe von 1774, Kap. XIV) eine Längenschnitt-
zeichnung und Beschreibung einer solchen ;,Wasserzange^* , wobei er richtig an-
giebt, dass jeder der beiden zwischen zwei parallelen Wänden schwingenden
Kolben seine besondere Drehaxe haben und zwischen den Naben der Kolben
genügender Zwischenraum bleiben müsse, um dem austretenden Wasser den
Durchgang zu gestatten, was aus Be&son's Zeichnung nicht ersichtlich ist. Die
beiden parallelen Wände sind unten durch eine bogenförmige Querwand mit
einander verbunden, welche innen so gestaltet ist, dass die Enden der Kolben
sie in allen Stellungen berühren. Die mit den schwingenden Kolben fest ver-
bundenen Axen sind ausserhalb der Seitenwände mit je einem langen, ge-
bogenen Hebel fest verbunden, wie aus Fig. 223 ersichtlich ist, so dass diese
Hebel mit den Kolben zusammen gleichsam eine Zange bilden. Wird diese
Zange geöfifnet, so kann das Wasser durch ein in der Mitte angebrachtes Saug-
ventil, oder, wie Leupold angiebt, erst bei ganz geöffneter Zange durch zwei
Wasseriange oder Eluppkanst, borizontales Windrad. 203
Oeffnnngen ohne Ventile nahe an den Enden der bogenförmigen Querwand in
das Pampengehäuse dringen nnd dieses ausfüllen ; wird dagegen die Zange ge-
BcUossen, so wird das Wasser durch ein oberhalb der Kolbenaxen ange-
brachtes Steigventil tn die Höhe gedrückt. Die Wasserzange dient jedoch in
vorliegender Pnmpenanlage Besson's nur als Zubringer für eine in dem Steig-
rohre weiter oben angebrachte Kolbenpumpe. Die Bewegung der Hebelarme
der Wasserzange durch das Wasserrad erfolgt in der Weise, dass dieses zu-
nächst durch Stimräderübersetzung eine Kurbelwelle in Umdrehung versetzt,
welche dnrch eine Kreuzschleife eine lange, senkrecht geführte Schiene auf
nnd nieder bewegt. An dieser ist eine kurze, horizontale Schiene kreuzweise
befestigt , welche an beiden Enden
Schlitze hat, in denen die symmetrisch
angeordneten Hebelarme der Wasser-
zange gleiten, und da diese an dieser
Stelle nach oben divergiren, so werden
sie beim AnfwÜrtsgange der Schienen
einander genähert und beim Abwärts-
gange Ton einander entfernt, und wird
so die Wasserzange abwechselnd geöffnet
nnd geschlossen. Die oberen Enden der
symmetrischen Zangenhebel aber sind
mit seitlichen Zapfen versehen, und von
diesen gehen zwei gleich lange Schub-
stai^n schräg aufwärts nach dem
oberen Ende der Kolbenstange der höher
stehenden Kolbenpumpe. Dieses Stangen-
ende wird auf solche Weise stets gerad-
linig nnd senkrecht auf und nieder
bewegt.
Das 49. Blatt zeigt eine ähnliche Fi« 22x
Pumpenanlage, deren Beschreibung wir
übergehen können. Das 50. Blatt zeigt ein Paternosterwerk, welches durch
ein horizontales Windrad betrieben wird. Die Flügel desselben bestehen aus
drei übereinander angeordneten Annkreuzen, deren senkrecht übereinander
stehende gekrümmte Arme mit Segeltuch überspannt sind. Die eine Hälfte
des Badnmfanges ist durch die Mauer des runden Thurmes, in welchem das
Windrad aufgestellt ist, gegen den Wind geschützt, während die andere Hälfte
offen ist, indem hier das Thurmdach nur durch einige dünne Säulen gestützt
ist. Ans der Zeichnung ist ersichtlich, dass die Windflügel auf der offenen
Thurmseite dem Winde die konkave Seite zukehren sollen, und es darf daraus
geschlossen werden, dass man zu Besson's Zeit schon wusste, dass der Wind
anf eine solche Fläche stärker drückt, als auf eine gleich grosse konvexe Fläche.
2M
Jaqoes Beason.
Da aber die den halben Radumfang bedeckende Mauer nicht TerGteübar ist,
80 ist die hier in Rede stehende Anordnung nur für eine beBtimmte Wind-
richtung geeignet.
Das 51. Blatt ist unverEtändlicb. Das 52. Blatt zeigt die Fig. 224 dar-
gestellte Feuerspritze. In unserer Abhandlung über Cardanus haben vir bereits
erwähnt, dass die Feuerspritzen im 16. Jahrhundert keine Windkessel hatten,
weshalb sie keinen gleicbmässigen Wasserstrahl liefern konnten. Ans dem Be-
streben, einen solchen wenigstens für einen längeren Zeitabschnitt zu erzielen,
ist offenbar die vorliegende Konstruktion Bessok's hervorgegangen. Zu diesem
Zwecke projektirt er eine sehr voluminöse fahrbare Spritzbiichse , die bei zu-
rückgezogenem Kolben durch einen unten mit Hahnenverschluss versebenen
Trichter gefüllt werden kann. Das Auspressen soll, nachdem der Trichterhahn
geschlossen worden ist, durch gleicbmässiges Verschieben des Kolbens ver-
mittelst einer Schraube mit Handkurbel geschehen. Um möglichste Gleicli-
Fig. 22*. Flg. KS.
mässigkeit dieser Bewegung zu erzielen, \Yäre die Anwendung eines Schwung-
rades am Platze gewesen, was aber Besson in seiner Skizze weggelassen hat.
Von Interesse ist die Konstruktion des Kolbens, welcher nach Beroald's Be-
schreibung bei dieser Spritze angewendet worden sein soll, die er aber wahr-
scheinlich anderswo gesehen hatte, da Besson's Skizze darüber keinen Auf-
Echluss giebt. Behoald sagt: „Am Ende der Schraube ist ein Stiel, welcher
ein Stück Holz fortschiebt, das in vier Theile zerlogt ist, und welches sich
innen an das Gehäuse anschliesst. Genanntes Stück Holz ist mit Federn ver-
sehen, durch welche seine Theile zurückgedrängt werden, um das Gehäuse aus-
zufüllen, wenn das Stück Holz gegen die Basis zurückgezogen wird. Am vor-
deren Ende ist es mit einem Stücke Leder versehen, damit, wenn es sich in-
folge der Weite oder Enge des Gehäuses ausdehnt und zusammendrückt, das
Wasser nicht in dasselbe eindringt, sondern vorwärts getrieben wird, wie es
erforderlich ist," Es ist dies die älteste Beschreibung eines Federkolbens,
die wir besitzen.
Das 53. Blatt zeigt eine Vorrichtung, mit welcher untergegangene Schiffe
imd Waaren gehoben werden sollen. Sie besteht ans einer grossen vertikalen
Feuerspritze, Log. 205
Schraube, deren Mutter mit Spillen versehen und in einem auf zwei Pontons
errichteten Balkengerüste so eingeschlossen ist, dass sie sich nur drehen, aber
nicht vertikal verschieben kann. Unten an der Schraube hängt eine doppelte,
selbstschliessende Zange mit vier Seilen an einem Ringe.
Das 54. Blatt zeigt, wie Besson dachte, dass die Maschine des Archimedes
hätte beschaffen sein können, womit dieser im Hafen von Syrakus grosse
Schiffe vom Lande in das Meer gezogen haben soll. Die auf einem Schiffe
montirte Maschine besteht aus einer grossen Winde mit dreimaliger Ueber-
setzung durch Schrauben ohne Ende.
Dass den alten Griechen die Schraube ohne Ende bekannt war, geht aus
S. 29 — 32 unserer Abhandlung über Pappus hervor. Die Schraubenmutter da-
gegen, welche uns heutigen Tages als so einfach und unzertrennlich von der
Schraube erscheint, ist, ihrer schwierigeren Herstellung wegen, viel später in
Gebrauch gekommen.
Das 55. Blatt Besson's zeigt einen hölzernen, freistehenden Drehkrahn,
bei welchem die Seiltrommel vermittelst einer Schraube ohne Ende bewegt wird.
Das 56. Blatt zeigt einen solchen Krahn, bei dem die Last durch eine
Kombination von Hebeln gehoben wird.
Das 57. Blatt zeigt das in unserer Fig. 225 wiedergegebene Instrument
zum Messen der Fahrgeschwindigkeit eines Schiffes, das ist ein Log. Wenn
Beroald in seiner Erklärung sagt, dasselbe solle in den Kiel des Schiffes ein-
gesetzt werden, so ist dies wohl nur ein Irrthum seinerseits, denn ganz unter
Wasser würde sich das Flügelrad des Instruments nicht drehen. Dieses muss
vielmehr so auf dem Wasser schwimmen, dass das Flügelrad nur mit seiner
unteren Hälfte in das Wasser taucht, und es sollte wahrscheinlich zu diesem
Zwecke zwischen zwei schwimmenden Balkenstücken oder anderen Schwimmern
befestigt werden. Das Flügelrad ist so in zwei Rahmen gehängt, dass es sich
ausser um seine eigene auch noch um zwei senkrecht zu einander stehende
Axen drehen kann, so dass die Schwimmer, zwischen welchen das Instrument
vermuthlich befestigt werden sollte, auf dem Wasser schaukeln konnten, während
das Instrument in vertikaler Stellung erhalten wurde. Die drehende Bewegung
des Flügelrades wird durch ein Räderwerk nach oben auf einen Zeiger mit
Zifferblatt übertragen und aus der Zahl der Umdrehungen dieses Zeigers inner-
halb einer bestimmten Zeit die Fahrgeschwindigkeit des Schiffes bestimmt.
Die Drehbarkeit des Instrumentes um zwei aufeinander senkrechte, in
einer Ebene liegende Axen ist von besonderem Interesse, weil dies die älteste
uns bekannte Anwendung des Prinzipes ist, auf welchem die Konstruktion des
üniversalgelenkes, oder des sogenannten HooK'schen Schlüssels beruht.
Die übrigen drei Blätter Besson's bieten kein Interesse. Das letzte der-
selben ist ganz unverständlich und beruht offenbar auf falschen Voraussetzungen.
Agostino Ramelli (etwa 1530—1590).
Ein ausserordentlich reich ausgestattetes Werk, betitelt: ^^Le diverse
et artificiose machine del capitano Agostino Ramelli, dal Ponte della Tresia,
ingeniero del christianissimo Re di Francia et di Pollonia^, erschien im Jahre
1588 zu Paris im Selbstverlage des Verfassers. Es enthält 195 in Linien-
manier vollständig schattirte Kupferstiche in Grossfolioformat und zu jedem
Blatte eine italienische und eine französische Beschreibung. Dem Verfasser
müssen bedeutende Mittel zu Gebote gestanden haben, um ein solches W^erk
im Selbstverlage herausgeben zu können. Sein Porträt auf der Rückseite des
Titelblattes zeigt ihn in reicher Ritterkleidung, die linke Hand auf einem vor
ihm stehenden Helme ruhend, während die rechte mit einem Zirkel ein Maass
auf einem Festungsplane abgreift. Die künstlerische Umrahmung dieses Por-
träts trägt die Inschrift: ;, Augustinus de Ramellis de Masanzana aetatis suae
LVn^, woraus hervorgeht, dass unser Autor etwa 1530 geboren und dass Ma-
sanzana sein Geburtsort war. Man könnte jedoch auch den Beisatz: ^dal Ponte
della Tresia^, welcher sich auf dem Titel bei seinem Namen findet, als Be-
zeichnung seines Geburtsortes ansehen. Das heutige Ponte Tresa liegt am
Ausflusse der Tresa aus dem Lago di Lugano, während Mesenzana, in gerader
Luftlinie gemessen, etwa 8Vs km westlich davon in dem kleinen Seitenthale
^Val S. Michele^ liegt, welches in das Thal der Margorabbia mündet. Mesen-
zana ist der unbekanntere von beiden Orten, und dies spricht dafür, dass es
der eigentliche Geburtsort Ramelü's ist.
In der Vorrede zu seinem Werke sagt dieser, dass er fast die ganze
;,Blüthe seiner Jahre^ in dem Dienste des Marchese di Marignano, eines der
ausgezeichnetsten Heerführer Kaiser Karl's V. zugebracht und unter seiner
Leitung Mathematik und Kriegswissenschaften, zu welchen auch das Ingenieur-
wesen gehörte, studirt habe.
GiACOMO Medichino, Marchese di Marignano, war als Sohn Bernhardts von
Medici (Medichino) 1495 zu Mailand geboren und gehörte dem in dieser Stadt
sesshaft gewordenen Zweige der berühmten Florentiner Familie dei Medici an.
Er trat 1529 in kaiserliche Dienste, kämpfte ruhmreich gegen die Türken,
Inhalt seines Werkes. 207
züchtigte 1543 den Herzog Yon Cleve, befehligte bei der Einnahme von Luxem-
burg und bei der von St. Dizier 1544, sowie bei der Belagerung von Metz,
schlug die Franzosen 1554 bei Marciano, belagerte Siena und Porto Ercole und
starb in demselben Jahre zu Mailand. Ranelli war damals etwa 25 Jahre alt.
Während äIarignano's früher Kindheit war Leonardo da Vjnci als Ingenieur
und Lehrer an der von ihm gegründeten Akademie der Wissenschaften in
Mailand thätig, ging 1499 nach seiner Vaterstadt Florenz, kehrte 1507 in seine
frühere Stellung nach Mailand zurück, ging 1512 wieder nach Florenz, dann
nach Rom, war 1515 bis 1517 nochmals in Mailand und siedelte 1517, als
Marignano 22 Jahre alt war, nach Frankreich über. Es ist daher kaum zu
bezweifeln, dass Marignano, wenn nicht bei Leonardo selbst, so doch in dessen
Schule und unter seinen Augen die Ingenieurwissenschaft studirte, und deshalb
ist auch sein Zögling Ramelli zu dieser Schule zu rechnen. Auch in dem
Amte als Ingenieur des Königs von Frankreich war dieser einer von Leonardo's
Nachfolgern.
Heinrich III. , der französische König, welchem Ramelli diente, war der
dritte Sohn Hel^righ's IL und im Jahre 1551 geboren. In seinem achtzehnten
Jahre, als Herzog von Anjou, erhielt er den Oberbefehl in dem Kriege gegen
die Hugenotten, siegte 1569 bei Jamac und Montcontour, belagerte aber 1572
La Rochelle acht Monate lang vergeblich. Durch Intriguen und Bestechungen
von Seiten seiner Mutter, Katharina von Medici, zum König von Polen er-
wählt, reiste er 1573 dorthin, kehrte aber im folgenden Jahre auf die Nach-
richt von dem Tode seines zweiten Bruders Karl IX. heimlich nach Frank-
reich zurück, um dessen Krone in Besitz zu nehmen.
Dem jugendlichen Herzoge von Anjou wurden bei seinem Kriegszuge gegen
die Hugenotten die berühmtesten und erfahrensten Hauptleute mitgegeben, und
unter diesen muss Ramelu ihm besonders nahe gestanden haben, denn in der
Widmung an den König sagt er:
„Da ich (vor langer Zeit) gerufen und im Namen Eurer Majestät in
Italien eindringlich gebeten wurde, unter ehrenhaften Bedingungen in die Dienste
von Ew. Majestät unbesiegbarer Krone zu treten, und da ich weiss, dass ich
dem grossmüthigsten und ruhmreichsten Könige der Christenheit, der heute
Europa beherrscht, begegnet bin, und wie unendlich viel ich den göttlichen
Eigenschaften und seltenen Gaben verdanke, die der Himmel Ew. Majestät
verliehen hat, wollte ich Ew. Majestät kluger und geheiligter Tapferkeit diese
meine mathematischen Demonstrationen widmen Und wenn
auch meine Augen nicht so blind sind, um nicht zu sehen, dass mein geringes
Verständniss mit der Höhe Ew. Majestät Tugenden nicht zu vergleichen ist,
so haben doch die ausserordentlichen Gunstbezeugungen, welche mir Ew. Majestät
königliche Güte stets angedeihen Hess, und die besondere Zuneigung, welche
Ew. Majestät mir vor La Rochelle bewiesen, als ich in Ew. Majestät Diensten
in Gefangenschaft und zum Tode verwundet in die Hände der Feinde fiel, die
206 Agostino Ramelli.
ausserordentliche Fürsorge und der Schutz, welche Ew. Majestät meinem Sohne
zuerst in Paris angedeihen Hessen und die liebenswürdigen Briefe, welche Ew.
Majestät mir aus Polen zu schreiben geruhten mich mit dem sehn*
liehen Wunsche erfüllt, Ew. Majestät meine Dankbarkeit wenigstens zum Theile
zu beweisen, so gut ich es vermag*^.
In der Vorrede an den Leser kommt eine Stelle vor, worin unser Autor
sagt, es seien ihm Zeichnungen zu einem Werke über Befestigungskunst ent-
wendet und in verstümmelter Form veröflFentlicht worden, er hoffe aber, die-
selben eines Tages in unverdorbener Gestalt, wie er sie erfunden habe, der
Welt zu zeigen. Hieraus und aus dem Umstände, dass ein solches Werk
KABiELLrs nicht erschienen ist, hat man wohl geschlossen, dass er nach der
Herausgabe seiner ^Machine diverse et artificiose^ nicht mehr lange gelebt
habe, und dies mag Michaud veranlasst haben, in seiner „Biographie universelle*^
zu sagen, Ramelli sei um das Jahr 1590 im Alt^r von etwa 60 Jahren ge-
storben. Michaud hat, soweit uns bekannt ist, die ausführlichste Biographie
unseres Autors geliefert, aber an thatsächlichem Material enthält sie nichts,
was nicht aus den angeführten Stellen des Titelblattes, der Widmung und der
Vorreden seines Werkes herausgelesen werden kann.
Wirft man einen flüchtigen Blick in Ramelli's Werk, so fällt zunächst die
Komplizirtheit vieler seiner Maschinen auf, weshalb die meisten Biographen
ihn als „Freund komplizirter Maschinen" oder mit der Bemerkung: „seine
Maschinen würden besser sein, wenn sie weniger komplizirt wären'', kurz ab-
fertigen. Auch werden gebildete Ingenieure unserer Zeit seine Beschreibungen
höchst langweilig finden, denn die Schilderung, welche Reuleaux auf Seite 11
seiner Kinematik irrthünilicher Weise von allen älteren Büchern über Maschinen-
bau entwirft, passt auf diejenigen Ramelli^ s und seiner späteren Kopisten und
Nachahmer. Doch ist zu berücksichtigen, dass unser Autor weder Maschinen-
bauer noch Gelehrter vom Fach war und auch weniger für Fachleute, als für
reiche Liebhaber der Mechanik schrieb, wie man sie damals unter den höchsten
Herrschaften fand. So war beispielsweise Kaiser Karl V. Dilettant in mecha-
nischen Künsten, insbesondere ein leidenschaftlicher Liebhaber von Räderuhren.
Kaiser Rudolph IL soll einige sinnreiche, mechanische Apparate selbst erfunden
haben, und nicht nur die französischen Könige, sondern auch viele andere
Fürsten und Herren hielten Hofmechaniker so gut wie Hofalchimisten. Das
kostbare Werk Ramelli's aber konnten nur reiche Leute kaufen. Bezüglich
der Pumpwerke, welchen ein grosser Theil desselben gewidmet ist, muss man
ferner berücksichtigen, dass Cylinder mit grosser Bohrung damals nicht her-
gestellt werden konnten, was zur Folge hatte, dass viele Pumpen gleichzeitig
betrieben werden mussten, wenn es sich um Förderung eines grösseren Wasser-
quantimis handelte. Sah sich doch hundert Jahre nach Ramelu der Ingenieur
des Königs Levis XIV. noch genöthigt, sieben Pumpen im Niveau der Seine
aufzustellen, um das Wasser für die Fontänen und Kaskaden in den Versailler
Inhalt seines Werkes. 203
Gartenanlagen anf halbe Bergeshöhe zu heben, von wo es wieder sieben
Pumpen bis zum Gipfel des Berges bei Marly und abermals sieben Pumpen
auf den Wasserthurm heben mussten. Dass der gleichzeitige Betrieb vieler
Pumpen eine komplizirte Transmissionsanlage erfordert, liegt in der Natur der
Sache. Auch erscheinen Ramelows Maschinenanlagen oft dadurch komplizirt,
dass er bestrebt ist, dieselben auf einen möglichst kleinen Kaum zusammen zu
drängen. Dieses Streben war aber zu jener Zeit, in der die meisten indu-
striellen Anlagen in eng gebauten, befestigten Städten untergebracht werden
mussten, sehr berechtigt. Endlich kann man es auch unserem Autor kaum
zum Vorwurfe machen, wenn seine Kenntnisse Lücken und seine Konstruk-
tionen Irrthümer enthalten, die seiner Zeit eigen waren. Wenn er z. B. von
der naiven Ansicht ausgeht, dass man Bäderübersetzungen in's Langsame und
solche in^s Schnelle bei einer Maschine gleichzeitig anwenden solle, weil erstere
sie befähigen, grosse Widerstände zu überwinden und letztere ihr die Fähig-
keit verleihen, mit grosser Geschwindigkeit zu arbeiten, so folgt er hierin nur
einer damals sehr verbreiteten irrigen Anschauungsweise.
Lässt man sich die Mühe nicht verdriessen, Ramelli^s Werk auf seinen
kinematischen Inhalt zu prüfen, so findet man so viel Interessantes und
Anerkennenswerthes darin, dass man geneigt ist, zu glauben, es seien hier
nicht sowohl die Erfindungen des Autors, sondern vielmehr ein beträchtlicher
Theil der kinematischen Kenntnisse der LEONARDo'schen Schule zusammenge-
stellt, wofür auch der Umstand spricht, dass in den Beschreibungen von den
195 Maschinen nur drei als neu bezeichnet werden.
Andererseits kann man freilich auch schon von Ramelli lernen, wohin es
führt, wenn man reine Kinematik für die Theorie des Maschinenbaues hält,
denn seine Kinematik ist so abstrakt, dass er in vielen Fällen nicht nur von
der Festigkeit, welche die Maschinentheile haben mussten und ihrer technischen
Ausführbarkeit, sondern sogar von der Geschwindigkeit der Bewegung, welche
zur Verrichtung der betreffenden Arbeit nothwendig wäre, abstrahirt und zu-
frieden ist, wenn er die gegebene Bewegungsart in die verlangte umgesetzt
hat. Dadurch werden viele seiner Konstruktionen, die er allerdings in der
Widmung an den König nur als mathematische Demonstrationen bezeichnet,
unausführbar oder unbrauchbar.
Bei unserer Betrachtung des RAMEixi'schen Werkes würde es zu weit
fuhren, wenn wir sämmtliche Kupfertafeln desselben besprechen wollten. Wir
müssen uns im wesentlichen auf das beschränken, was von den Motoren, Be-
wegungsmechanismen und Arbeitsmaschinen, welche darin enthalten sind, als
neu erscheint, d. h. was uns bei früheren Autoren noch nicht begegnet ist.
Von den Motoren für Menschenkraft sind zunächst in dieser Be-
ziehung als neu zu betrachten: Die in Fig. 226 zum Betriebe einer Getreide-
mühle benutzten horizontalen Schwengel mit Flügelstangen und
Axenkröpfungen, letztere um 180^ gegen einander verstellt. Sie sind als
BMk. 14
210
AgoBtiDO ßunelli.
eine Modifikation des vertikalen Schwengels mit Flügelstange und Axenkröpfung
zn betrachten, welchen wir bei Bibinguccio znm Betriebe einer Amalgamirmühle
angewandt sahen. (Vergl. Fig. 140.) Femer die über ein Kettenrad ge-
bängte Kette ohne Ende (Fig. 227), wie man sie heute namentlich bei
FlascbenzUgen oft angewendet findet. Treträder für Menschen finden sich
bei Rahelli in den mannigfachsten Formen, nicht nur die bekannten, bei
welchen der Arbeiter nicht weit Ton der Vertikalebene durch die Axe ent-
weder in oder auf dem Rade gebt und dasselbe hauptsächlich durch sein Ge-
wicht umdreht, sondern auch solche, bei denen er vor dem vertikalen Rade in
der Axenbühe oder über dem horizontalen Rade auf einer Bank sitzt und nur
durch die Muskelkraft seiner Beine, aber mit grösserem Hebelarme auf das
Rad wirkt. Zu letzterer Gattung war auch das horizontale Tretrad zn rechnen,
welches wir bei Agricdla angewendet sahen. (Vergl. Fig. 144, S. 130.) Eine
Zwischenstufe zwischen den genannten beiden Gattungen bildet das bei Ramelu
angewendete geneigte Tretrad (Fig. 228), auf dessen Kreisfläche der Arbeiter
aufwärts zu schreiten sucht, indem er sich mit den Händen an einer festen,
horizontalen Stiinge hält.
Von Perdegüpetn finden wir keine neuen Formen in dem uns vor*
liegenden Werke.
Bei den ober- und unterschlächtigen Wasserrädern Rahelu's
ist bemerkenswerth, dass letztere öfters auf Hölzer gelagert sind, welche durch
je zwei Schrauben, dem Wasserstande entsprechend, gehoben oder herabgelassen
werden können, oder dass diese Hölzer zu dem gleichen Zwecke einarmige
Hebel bilden, deren Enden, durch einen Querbalken mit einander verbunden,
Motoren. 211
durch einen Flaschenzng und ein Amphieryon oder Peritrochion gehoben nnd
abgelassen werden können (Pansterräder).
Ein Löffelrad, wie wir ähnliche Bchon bei Leonardo da Vinci skizzirt
sahen, findet sich auf Rahelli's Blatt 114; dagegen scheint ihm das beiBESSON
abgebildete Turbinenrad (Fig. 216, S. 195) unbekannt gewesen zu sein. Mit Vor-
liebe skizzirt er ein horizontales Wasserrad (Fig. 229), welches er dem
bei Besson' abgebildeten Windrade, dessen halber Umfang durch die Thurm-
mauer vor dem Winde geschützt ist (vergl. S. 203), nachgebildet hat. Dass
ein solches Rad keinen guten Effekt geben konnte, scheint selbst einem Zeisgig
nnd einem Boeckleh eingeleuchtet zu haben, denn obgleich diese Rahelu stark
plünderten, haben sie doch keines seiner Blätter kopirt, auf welchen ein
solches Wasserrad vorkommt.
Windräder mit Leinwand bespannt finden sich auf den Blättern 73,
132 und 133, und zwar zeigen die beiden ersteren Mühlen mit bew^icbem
Klg. 229.
Dache, sogenannte holländische Windmühlen, während das letztere eine deutsche
oder sogenannte Bock-Windmülile darstellt. Die holländischen Windmühlen
sollen in der Mitte des 16. Jahrhunderts von einem Flanderer erfunden worden
sein (vergl. Jon. Beckmann, „Beitrage zur Geschichte der Erfindungen", Leipzig
1788, Bd. II, S. 38), während die Bock-Windmtthle, wie wir sie bei GuALTHEBnis
Rivius abgebildet fanden (Fig. 202 unserer Abhandlung über Cardanus), wahr-
scheinlich ält«ren Ursprunges ist. Windflügel oder Windräder waren den alten
Griechen schon als Motoren bekannt, wie aus dem 76. Kapitel der „Pneu-
matica" von Heron dem Aelteren ersichtlich ist. Auch geht daraus hervor,
dass diese Windflügel oder Windräder damals schon auf drehbaren Gestellen
gelagert waren. Nach der lateinischen Uebersetzung des Federicus GoHUAitoiMis
(Urbino 1575) lautet dieses Kapitel, in welchem eine Orgel beschrieben wird,
deren Balg durch Wind bewegt werden soll, wie folgt:
„Es seien A die Pfeifen, BC ein Quorrohr, welches mit ihnen kommunizirt,
DE ein senkrechtes Rohr, von dem wiederum ein Querrohr ausgeht, das bis zu dem
Fumpcncf linder GB reicht In diesen wüd der Kolben KL gepasst, welcher leicht
212 Agostino RamellL
in denselben eindrinpen kann. Mit dem Kolben ist ein Stab (eine Kolbenstange)
MN verbunden, welcher sich an einen anderen Stab (Balancier) NX anschliesst,
der um eine Axe PR drehbar ist Bei N (wo die Kolbenstange mit dem Balancier
verbunden ist) ist ein leicht löslicher kleiner Nagel (Schamierstift), bei X (dem anderen
Ende des Balancier) aber ist eine Platte (platismation von nXdxvCfia) aufgesetzt und
mit XO (dem Endstücke des Balanciers) fest verbunden. Daran liegt eine Axe Ä
welche sich in einem Gestelle (in pegmate von ntiY^ial das beweglich ist, um eiserne
Zapfen (cnodaces von xwJda^ dreht Mit der Axe S aber «ind zwei Scheiben
(tympanula, eigentlich: Trommelchen) YV fest verbunden, von denen Y kleine
Keulen (scytalas von axvrdkf], das sind hier „Hebedaumen") hat; welche sich auf
die Platte X 0 legen. Die Scheibe V aber hat Flachen (platas von yiAariy, das
smd hier Flügel) wie die, welche Windflügel (anemaria, sollte wohl anemuria heissen
von dve^oiQiov) genannt werden. Wenn diese von dem Winde getroffen werden,
eilen sie vorwärts, drehen die Scheibe V um und daher wird auch die Axe und die
Scheibe Y gedreht Da sich in dieser Keulen (Hebedaumen) befinden, welche in
Intervallen auf die Platte XO schlagen, so heben sie KL (den Kolben) auf, und
wenn die Keulen die Platte verlassen, so sinkt der Kolben nieder und drückt die
in dem Cylinder enthaltene Luft in die Röhren und Pfeifen und bringt den Ton
hervor. Es ist aber erforderlich, dass das Gestell, welches die Axe
Fig. 28a F!g. 231. Fig. 282.
hält, immer nach dem Winde gedreht werde, damit die Drehung
heftiger und kontinuirlicher erfolgt"
Ob man zu damaliger Zeit schon Getreidemühlen durch Windräder be-
trieb, ist eine andere Frage, und liegen hierfür keinerlei Beweise vor.
Endlich sind noch die bei Ramelli zuerst erscheinenden Gewichts-
mühlen zu erwähnen, bei welchen ein aufgewundenes Gewicht zum Betriebe
eines Mühlwerkes dienen soll. Denn obgleich solche Mühlen niemals einen
praktischen Nutzen haben konnten, sind sie doch im 17. Jahrhundert von
Jacob de Strada, Zeising, Boeckler u. A. so oft wieder abgebildet worden, dass
es immerhin einiges Interesse hat, zu wissen, dass sie auf Ramelli zurückzu-
führen sind.
Von den Bewegungsmechanismen unseres Autors erwähnen wir zu-
nächst ein Stirnrad mit innerer Verzahnung auf Blatt 78. Winkel-
räder kommen mit drei verschiedenen Arten von Verzahnung vor, welche wir
in den Figuren 230, 231 und 232 dargestellt haben.
Das am halben Umfange verzahnte Rad (Fig. 233), wie wir es bei
Besson zur Erzeugung der hin- und hergehenden Bewegung einer Mange fanden
(Fig. 217, S. 196), sowie die in Fig. 234 dargestellte Modifikation, bei der zwei
auf einer Axe sitzende, am halben Umfange verzahnte Räder abw^echselnd in ein
Radvcrzahnungen, halbverzahnte Rftder.
213
Latemengetriebe eingreifen, werden von Bamelli mit besonderer Vorliebe zur
Erzeugung fast aller kreisförmig und geradlinig hin- und hergehenden Beweg-
ungen in seinen Mechanismen verwendet.
Der in Fig. 23ö dargestellte Mechanismus zur Umwandlung
einer rotirenden in eine geradlinig hin- und hergehende Be-
wegung, welcher sich auf den Blättern 19 und 20 angewendet findet, ist
ebenfalls als eine Modifikation des Mechanismus, Fig. 233, zu betrachten,
entstanden durch Unendlichwerden der Radien der beiden Getriebe und
entsprechende Aenderung der Verzahnung. Hier sind die beiden in ein halb-
verzahntes Rad eingreifenden Zahnstangen durch zwei Traversen zu einem
viereckigen Rahmen fest mit einander verbunden und machen daher stets
zwangläufig die gleiche Bewegung. Sollen sie sich aber stets in einander ent-
gegengesetzter Richtung bewegen, so wendet Ramelli eine analoge Modifikation
Fig 233.
Fig. 231.
Fig. 235.
Fig. 238.
des Mechanismus, Fig. 234, an. Denkt man sich, dass hier der Durchmesser
des Laternengetriebes unendlich gross werde, so gehen die in Eingriff kommen-
den Theile desselben in zwei unendlich weit von einander entfernte parallele Zahn-
stangen über, von denen stets eine durch eines der halbverzalmten Räder bewegt,
die andere aber durch den Zusammenhang des unendlich grossen Rades mit-
genommen und in entgegengesetzter Richtung bewegt wird. Dieses Mitnehmen
erfolgt auf der einen, z. B. der oberen Radseite stets durch Zug, auf der an-
deren gleichzeitig durch Druck. Eine von den beiden Uebertragungen genügt,
und man kann sich daher die gedrückte Radseite weggeschnitten und die ge-
zogene durch ein Zugkraftorgan (eine Kette, oder ein Seil) ersetzt denken,
welches über eine Leitrolle gelegt ist. Die Grösse des Durchmessers dieser
Leitrolle ist für die Bewegung der Zahnstangen von keiner Bedeutung, wenn
diese einander so weit näher gerückt werden, dass ihre Mittellinien die Leit-
rolle tangiren. Durch Verkleinerung des Leitrollendurchmessers gelangt man
dann zu dem in Fig. 236 dargestellten Mechanismus, welchen Ramelli
auf Blatt 71 zum Betriebe einer zweistiefeligen Pumpe benutzt.
2U
AgoBtino RamellL
Man kEmn auch auf der anderen Seite der beiden balbverzabnten R&ler
ein zweites Zabnstangenpaar eingreifen lassen nnd durch ein über eine Leit-
rolle gelegtes Zugkraftorgsn mit einander verbinden, docb muss bier die Leit-
rolle unterhalb der Verbindungsstellen desselben mit den Zahnstangen liegen,
wenn sie bei dem ersten Zabnstangenpaar oberhalb lag. Hierdurch entsteht
der Mechanismas Fig. 237, welchen Rahelli auf Blatt 70 zum Betriebe
eines vierstiefol^en Pumpwerkes verwendet. Die Bewegung ist übrigens hier
ganz dieselbe, als ob die in je ein halbverzabntes Rad eingreifenden beiden
Zahnstangen, wie in Fig. 235, fest mit einander verbunden und die Zugkraft-
oi^ane and Leitrollen weggelassen wären.
Für die in Geradfühmngen gehenden Zahnstangen kann man Zahnbogen sub-
stituiren, die nm ihren Mittelpunkt schwingen, und gelangt dann zn dem
Flg. 231.
Fl«. 23&
Fig. 238 dargestellten Mechanismas Raxelu's. Doch wäre es besser,
die Stellen, an welchen die Zahnbogen mit den Eettenenden verbunden sind,
in die Mittellinien der ersteren zu verlegen und nicht, wie hier geschehen, an
die Bogenenden.
Selbstverständlich lassen sich auch mehrere solcher Zahnbogenpaare von
einer Welle aus bewegen, wie auf RAMELu'a Blatt 31 gezeigt ist.
Die Schraube wird von unserem Autor ebenfalls mit Vorliebe in seinen
Bewegungsmechanismen angewendet, nicht nur in Verbindung mit dem Scbrauben-
rade, als sogenannte Schraube ohne Ende, oder dem gezahnten Bogen, sondern
auch in Verbindung mit der Zahnstange und der Mutter. Die Verbindung von
Zahnstange und Schraube kommt uns heutigen Tages am auffallendsten vor,
ist aber, wie wir in unserer letzten Abhandlung über Jaqdes Blsson schon zu
erwähnen Gelegenheit hatten, bereits von Heron dem Aelteren beschrieben
worden und wohl die älteste Art der Anwendung der Schraube. Den in
Fig. 239 wiedergegebenen Meclianismns, bei welchem auf einer ver-
mittelst des Mechanismus Fig. 234 bald links-, bald rechtsum gedrehten ver-
tikalen Aze eine linksgängige und eine rechtsgängige Schraube sitzen, in welche
je eine Zahnstange eingreift , benutzt Ramelu beispielsweise auf Blatt 1 zur
Bewegung einer zweistiefeligen Pumpe, Auf anderen Blättern sind mehrere
Kolbenstangen vermittelst Balanciers an jede der beiden nach oben verlängerten
Zahnstangen angehängt. Auf Blatt 47, welche der Hauptsache nach in unserer
Fig. 240 wiedergegeben ist, sind Zahnstangen und Schraubenaxe horizontal an-
Fi(. SU.
geordnet. Tritt an Stelle der Zahnstange ein Zahnbogen, so bildet dieser bei
lUsiELLi entweder das Ende eines Balanciers (Fig. 241), oder er sitzt mit
mehreren Balanciers auf einer gemeinschaftlichen Welle (Fig. 242).
Die Schraube mit Matter tindet eich auf den Blättern 3, 4, 63, 64
und 74 als ßewegnngsmechanismns angewendet. Das Wesentliche des Mecha-
316 Aßostino Ramelli.
Dismus auf Blatt 3 ist in unserer Fig. 243 wiedergegeben. Die Stiefel des
hier dargestellten Pumpwerkes haben Tiereckigen Querschnitt, so dass sich die
Kolben darin verschiehen, aber nicht drehen lassen. In die Kialbenstange ist
Schraubengewinde eingeschnitten, welches in eine Mutter eingreift, die den
[ioden eines Hohlcj linders bildet. Dieser ist in den oberen cylindrischen Theil
des Stiefels gejiasst und lässt sich darin drehen, aber nicht verschieben. Mit
dem Deckel des genannten Hohlcylinders ist ein senkrechter Zapfen koncen-
trisch fest verbunden, welcher durch den Deckel des Stiefels geht und mit
welchem über diesem ein Schraubenrad fest verbanden ist. Die in dasselbe
eingreifende Schraube wird durch den Mechanismus Fig. 234 abwechselnd
rechts- nnd linksuni gedroht und bewegt daher den Punipenkolben auf und
nieder.
Der Mechanismus auf Blatt 63 zum Betriebe einer zweistiefeligen
Pumpe ist in Fig. 244 angedeutet. Auch hier haben die Pumpenkolben eine
soldie Form , dass sie sich nicht drehen können. Auf die eine Kolbenstange
ist rechtsgängiges, auf die audere linksgängiges Gewinde geschnitten. Diese
Gewinde gehen durch Mattem, welche, an der Verschiebung gehindert, sich
nur drehen können und in ihrer äusseren Form Latemengetriebe bilden. Da
dieso durch ein Zwisohenrad mit einander verbunden sind, welches durch den
Mechanismus Fig. -34 bald rechts- bald linksum gedreht wird, so bewegen sich
die KoU>enstangeu in stets einander entgegengesetzter Richtung auf und nieder.
Den auf Blatt 74 dargestellten Mechanismus zeigt unsere Fig. 245.
Hier sind die Kolbonstangen der zweistiefeligen Pumpe hohl und dienen gleich-
zeitig als Steigrohre. Nahe dem oberen, umgebogenen Ende ist die eine au&sen
mit reoht^singigem. die andere mit linksgängigem Gewinde versehen. Die durch
feststehende rmhülluiu: an der Verschiebung gehinderten Muttern bilden aussen
^'hraubenräder, Ton denen das eine von rechts, das andere von links in eine
horiwnlalo Schraube eingreift. Da diese durch einen Arbeiter vermittelst eines
horiiontAlejt Tretrades und durch Winkelräder-Uebersetzung bald rechtsum.
bald Unksum gedi«ht wird, so bew^en sich die röhrentonnigen Kolbenstangen
Seh raubenmechRD iemeD.
217
auf Dnd nieder. Da aber die Drehungen der Muttern in stets einander ent-
gegengeaetzten Riclitungen erfolgen, so miissten die Gewinde beide rechts- oder
beide linksgängig sein, um die Kolben in stets einander entgegengesetzten Rich-
tungen zu bewegen, wie es offenbar beabBichtigt ist. Die Abbildung ist daher
in diesem Punkte fehlerhaft.
In dem auf Blatt 62 dargestellten und in unserer Fig. 246
wiedergegebenen Mechanismus zur Bewegung mehrerer vertikaler Kolben-
stangen ist das auf einer stehenden Welle sich drehende Hauptrad mit keil-
förmigen Aufsiitzen als eine vielgängige Schraube zu betrachten, von der nur
so kurzes, scheibenförmiges Stück zur Ausführung gekommen ist, dass die Ge-
winde^inge nicht übereinander reichen. In jedem Gang, d. h. über jeden der
keilförmigen Aufsätze, greift eine Zahnstange mit einem Zahn oder Stift, der
W-
W^Mmmn
Fig, a»7.
mit Antifriktionsrolle versehen ist. Hat dieser das obere Ende eines Gewinde-
gai^es oder keilförmigen Aufsatzes passirt, so sinkt die betreffende Stange
mit ihrem Kolben durch das eigene Gewicht nieder, und wird darauf von dem
folgenden keilfomigen Aufsatze gehoben.
Sollen aber die um die Schraube herumgestellten Zahnstrangen bei jeder
Umdrehung des Hauptrades nur einmal auf und nieder gehen, so können die
Zähne von einem Schraubengange gehoben werden, der während einer halben
Umdrehung ansteigt , und beim Herabgeben kann man sie wieder auf einem
Schraubengange gleiten lassen, der während einer halben Umdrehung um eben-
soviel herabsteigt.
Diese Kombination von zwei Schraabenlinien lässt sich ersetzen durch
eine schräggestellte Ellipse, deren Horizontatprojektion einen Kreis bildet, und
man erlangt dadurch den Vortheil, dass der Ucbergang von der aufsteigenden
in die absteigende Bewegung ein allmäliger ist, so dass man die Bewegungen
zwan^ufig machen kann, ohne Stösse befürchten zn müssen. Man geUngt
218 Agostino RamellL
dann zu dem anf Blatt 57 abgebildeten und in nnserer Fig. 247
wiedergegebenen Mechanismas, bei welchem dnrcti Hinznfügung des
oberen Bandes der elliptischen Scheibe der Auf- und Niedergang der Zahn-
stange zwanglänfig gemacht sind.
Soll die Verschiebung des eingreifenden Zahnes während der Drehung
der Hauptaxe nicht parallel, sondern senkrecht dazn erfolgen, so müssen die
Schranbenflächen durch Flachen ersetzt werden, die nach archimedischen Spiral-
linien gekrümmt sind, wie sie Rahelu auf Blatt 60 in einem Mecha-
nismus anwendet, den unsere Fig. 248 zeigt. Doch ist hier für die gerad-
linige Bewegung des eingreifenden Zahnes die Bewegung in einem flachen
Kreisbogen enbstituirt, indem die beiden einander gegenüber liegenden Zähne
die Enden von zwei am vertikale Axen schwingenden Hebeln bilden. Um auch
die Bewegung bei dem Bückgange der Hebel von dem Mechanismus abhängig
zu machen, hat Rauelli diese beiden Hebelenden in der aus der Zeichnui^
erBichtlichen Weise so mit einander verbunden, dass sie stets die gleiche Ent-
fernung von einander behalten müssen. Doch kommt alsdann nur die Hälfte
jeder spiralförmig gekrümmten Flache in Wirksamkeit, denn während der eine
Zahn auf der Spiralfläche von A nach B (Fig. 249) gleitet, beschreibt der
andere den punktirten Bogen CD relativ zur KurvenEcheibe. Aber wenn auch
hier der Rückgang jedes Zahnes durch die Verkettung mit dem anderen er-
zwungen ist, 60 ist der Mechanismus doch nicht zwanglänfig, denn er hindert
nicht, dass der Zahn, welcher relativ zur Kurvenschoibe den punktirten Bc^en
beschreiben soll, in diesen hineintritt und der andere Zahn gleichzeitig die
Kurvenscheibe verlässt. Zur zwangläuflgeu Bewegung wäre nöthig, dass die
einspringenden Winkel der Kurvenscheibe so ausgefüllt würden, wie es die
punktirten Bogen in Fig. 249 anzeigen. Obgleich dieser Mechanismus auf den
ersten Blick wie ein Sperrrad mit zwei Sperrklinken erscheint, ist er doch
thatsächlich einKurvenschubgetriebe nach Art des in REULEAi'x'sKine*
matik Fig. 332 abgebildeten. Erwähnenswerth ist noch die Schrauben-
Eurvenscbobgetri«!)«, Sjwrr werke, Kurbel Vierecke.
219
mutter mit linksgängigem und rechtsgängigem Gewinde bei o
(F'ig. 248) zur ReguUning der Länge der Kuppelstange zwischen den beiden
Hebeln.
Das inREULEAUx'sKinematikFig. 334 dargestellte paarachlüssige
Kurvenschubgetriebe findet sich bei Ranelli auf den Blättern 27 und 28
so, wie wir es in unserer Fig. 250 ßkizzirt haben, und zwar ist es auf Blatt 27
paarweise, wie in unserer Fig. 251 angeordnet, um zum gleichzeitigen Betriebe
zweier Pumpengestänge zu dienen.
EineModifikation diesesMechanismuB ist der in unserer Fig. 252
dargestellte, bei welchem die in der Ebene der Kurve geradlinig hin- und her-
gehende Klinke durch eine bogenförmig hin- und herschwingende, in der
mittleren Stellung auf der Kurvenebene senkrecht stehende ersetzt ist. Rakelli
wendet auf Blatt 55 diesen Mechanismus zur Bewegung eines Pumpwerkes mit
vier Stiefeln an.
Das Sperrrad mit Sperrklinke findet sich auf Blatt 177 ähnlich
wie bei Caruanus (Fig. 188, S. 169} als einseitig wirkende Kuppelung zwischen
zwei Trommeln, von denen die eine fest, die andere lose auf einer und der-
selben Welle sitzt (Fig. 253), Auf Blatt 147 dagegen finden wir es an einer
AVinde zur Verhinderung der rückgängigen Bewegung angebracht.
Kurbeln kommen bei Ramelli sowohl in der gewöhnlichen Form, sowie
als ein- oder mehrfache Axenkröpfungen vor. Häufig ist die Kurbel durch eine
Fitigelstange mit einem Balancier zu einem sogenannten Kurbelviereck ver-
bunden. Die Verbindung der Fliigelstange mit der Kurbel ist meist paar-
schlUssig, die mit dein Balancier aber nur kraftschlüssig, indem die ringförmigen
Enden dieser beiden Theile wie gewöhnliche Kettenglieder ineinander gehängt
sind. Auf Blatt 94 (siehe Fig. 354) findet man jedoch auch einmal Paarschluss
an beiden Enden der Flügelstange, und auf Blatt 137 ist sogar das Ende der
Fliigelstange zum Zwecke der Schamierbildung zu einer Gabel ausgebildet,
welche das Ende des Balanciere einschliesst. Die kettengiiedartige Verbindung
wurde wohl um deswillen mit Vorliebe angewendet, weil sie als die einfachste
220 Agoitino Ramelli.
Form des Universalgelenkes bei Formänderungen der hölzernen Gestelle und
sonstigen Maschinentlieile Klemmungen in den Gelenken verhinderte.
Die OBcillirende Knrbelschleife, vie sie Fig. 219 in Reuleaux's
Kinematik zeigt, findet sieb auf Blatt 97 angen-endet, wie aus unserer Fig. 255
zu ersehen ist.
Die Uebertragung der schwingenden Bewegung eines Balan-
ciers auf einen anderen vermittelst einer Kuppelstange kommt selbstver-
ständlich bei Raheuj häufig vor; interessant ist aber die Art, wie er die
Kuppelstange, welche bald schiebend, bald ziehend wirkt, bei grosser Länge
durch ein Zugkraftorgan ersetzt. Er gestaltet nämlich den treibenden Balan-
cier zu einer Kettenrolle ans, bringt senkrecht darunter und unterhalb des zu
treibenden Hebels eine gleiclie Rolle an, legt um beide eine Kette ohne Ende
und verbindet den zu treibenden Hebel mit dieser in der aus Fig. 254 er-
sichtlichen Art.
Eine Modifikation dieses Mechanismus ist in der Fig. 256
wiedergegeben.
Seiltrommeln findet man bei Rabelli zunächst zum Aufwickeln von
Aufzugsseilen nicht nur in cylindriscber Form, sondern auch in konischer so
angeordnet, dass mit zunehmender Aufwickelung und abnehroendeoi Gewichte
des herabhängenden Seiles der Durchmesser der Trommel zunimmt. Häufig
ist bei ihm auch die Anwendung des von Vitblt schon beschriebenen Am-
phieryon oder Peritrochion zur üebersetzung der drehenden Bewegung
OsciUirende Kurbelscbleife, KettentraDsmissioD, Ventile. 221
einer kleinen Trommel auf eine grosse vermittelst eines Seiles, das sieh von
der grossen Trommel auf die kleine wickelt. Auch findet sich die Ueber-
gangsform Yon Amphieryon zar eigentlichen Seiltranamissioo,
wobei, wie bei letzterer, ein Seil ohne Ende über beide Trommeln gelegt, aber
einigemal um jede derselben geschlungen ist. Diese Anordnung hat mit der
eigentlichen Seiltransmission die Uebertragung der Bewegung durch Reibung
gemein, mit dem Amphieryon aber das Fortschreiten des Seiles in der Rich-
tung der Trommelbreite und die daraus folgende Beschränktheit der Zahl der
möglichen Umdrehungen. Die eigentliche Seiltransmission findet sich auf-
fallender Weise bei Ramelu nicht, während Cahdasus sie als in der Diamant-
scbleiferei gebräuchlich beschreibt (vei^I. Fig. 184, S. 165). Daraus darf wohl
geschlossen werden , dass diese Art der Kraftübertragung zu jener Zeit noch
wenig und nur für geringe Kräfte gebräuchlich war. Dagegen findet man aaf
den Blättern 39, 93 und 126 die Kette ohne Ende mit Kettenrädern
zur Transmission kontinnirlich drehender Bewegung angewendet, und zwar in
der aus Fig. 267 ersichtlichen Forrä.
Was die Bremewerke betrifft, so findet sich an den Windmühlen anf
den Blättern 133 und 133 eineUebergangsform Ton der Backenbremse,
wie sie Agricola beschreibt (vergl. S. 132), zur Bandbremse, indem der
Kranz des Hauptwinkelrades auf der Windradwelle von einem halben Holz-
teif umschlossen wird , von dem in der Beschreibung gesagt ist, dass er sich
222 Agostino Ramelli.
beim Anziehen der Bremse zusammenziehe und beim Loslassen derselben wieder
erweitere.
Von den Arbeitsmaschinen nehmen die Pumpen den grösstenRaum
in Ramelli's Werk ein. Sie erscheinen in den mannigfaltigsten, einige auch
in so abenteuerlichen Formen, wie sie nur dem Kopfe eines Jüngers der ab-
strakten Kinematik entspringen können; doch findet sich auch ebensoviel Be-
merkenswerthes und Vorzügliches darunter.
Zunächst ist das konische Ventil hervorzuheben, welches von Ramelu
vorzugsweise angewendet wird, und zwar in der Fig. 258 angegebenen Form,
die heute noch zu den besten gehört. In dem Texte zu Blatt 1 wird
darüber gesagt: ^Es ist zu bemerken, dass diese Art von Ventilen viel besser
ist, als diejenigen, deren sich zu bedienen viele gewohnt sind, denn diese
Ventile sind dauerhafter und verschliessen die Oeffhung besser^.
Auch bei Hohlkolben werden diese Ventile angewendet, wie Fig. 259 zeigt.
Sonst bieten die Kolbenkonstruktionen Ramelli^s nichts Bemerkenswerthes. Die
Dichtung erfolgt stets durch Leder.
Die auf Blatt 3 dargestellte und in Fig. 243 wiedergegebene Pumpe
haben wir bezüglich ihres Bewegungsmechanismus bereits betrachtet. Dass
die Kolbenbewegung derselben bei dem mangelhaften Kolbenschluss eine viel
zu langsame ist, nmss man dem Kinematiker Ramelu zu gute halten.
Auf dieselbe Weise werden auch die Pumpenkolben auf den Blättern 24
und 25 bewegt; doch sind die Cylinder hier sehr weit und sind vier, be-
ziehungsweise zwei Saugventile im Cylinderboden angebracht. Bei der Pumpe
auf Blatt 24 schliessen auch vier Steigrohre mit Druckventilen an die Seiten-
wand des Gylinders an, während bei der Pumpe auf Blatt 25 zwei unten mit
Löchern versehene Steigrohre vom Boden des oben offenen Gylinders aus senk-
recht aufsteigen und dem Kolben, der sie mit aufgegossenen Hülsen umschliesst,
gleichzeitig als Führung dienen.
Eine ähnliche Pumpe auf Blatt 23 hat dagegen nur ein weites, derartiges
Steigrohr in der Mitte des Gylinders. An der dasselbe umschliessenden Hülle
sind zwei Zahnstangen einander gegenüber befestigt, in welche zwei Getriebe
eingreifen, die gleichzeitig so bewegt werden, dass sie die Hülse mit dem
Kolben auf und nieder schieben. Die weiten Gylinder sind bei diesen Pumpen
innen mit Längsnuten und die Kolben mit da hinein passenden Nasen ver-
sehen, um die Drehung derselben zu verhindern.
Bei der auf Blatt 74 dargestellten Pumpe, deren Bewegungsmechanismus
in Fig. 245 skizzirt ist, ist ein sehr weiter Gylinder durch eine diametrale
Scheidewand in zwei halbcylindrische Pumpenstiefel getheilt und die röhren-
förmigen Kolbenstangen sind über den Schwerpunkten der halbmondförmigen
Kolben befestigt, wodurch sie nahe zusammenkommen.
Die Blätter 5, 6, 7, 9, 10 und 11 zeigen Pumpen, bei denen das Steig-
rohr mit dem Gylinder durch ein kastenförmiges Gehäuse verbunden ist.
Oscillirende KurbelBchlufe, Kettentransmiasion, Ventile. 223
irelcbes den Ben-egungsmechaiusmus (eine gekröpfte Axe mit Flügelstange,
oder eine vertikale Scbraubenaxe mit eingreifenden Zahnstangen, oder Zahn-
räder mit Zahnstangen) utnschliesst , wie wir eine solche Pumpe schon bei
Agricola (vergl. S. 136 unten) kennen gelernt haben.
Als Kuriositäten mögen auch Eamelu's Pumpen mit ringförmig ge-
bogenen Cylindern erwähnt werden, wie sie sich auf den Blättern 13 und
H durch Schrauben mit Zahnbogen und auf Blatt 15 durch Latemengetriebe
mit Zabnbogen bewegt, abgebildet finden. Die erstere dieser Pumpen ist in
unserer Fig. 260 wiedergegeben. Es etossen hier zwei gekrümmte Pumpen-
cylinder mit den Böden zusammen, so dass sie zusammen einen halben Ring
bilden. Im Üebrigen bedarf die Zeichnung wohl keiner Erklärung.
Noch kühner ist die Konstruktion der auf Blatt 54 abgebildeten und
durch ansere Fig. 261 wiedergegebenen Pumpe mit ringförmig gebogenen
Cylindern. Diese sind auf der Innenseite aufgeschlitzt. Ueber dem Schlitze
bewegt sich ein an die äussere ringförmige CylinderSäche dicht anschliessender
Schieber, an welchem der Kolben befestigt ist. Gegen das Ende seines Hubes
hin lässt der Schieber den Schlitz an einem Ende offen, und da die Pumpe
unter Wasser steht, dringt dieses durch die so entstandene Oeffnung in den
Cylinder. Beim Rückgänge schliesst der Schieber zunächst den Schlitz und
der Kolben drückt dann das Wasser durch das Steigventil in die Höhe. Das
Pumpwerk hat zwei doppeltwirkende derartige Cylinder.
Giebt man bei dieser Pumpe dem gekrümmten Pumpenstiefel einen vier-
eckigen Querschnitt und macht den Schlitz so breit wie die Stiefelweite, d. h.
nimmt man an seiner Statt einen gekrümmten, nach innen offenen Kasten, so
erhält man die auf Kahelu's Blatt 104 dargestellte und in unserer Fig. 262
wiedergegebene Pumpe.
234 Agostino Ram«lli.
Läüst man alsi]ann den KriimmungsradiuB des Kastens unendlich gross
werden, so gelangt man za der auf Blatt 102 abgebildeten und in Fig. 263
wiedergegebenen einfach kastenförmigen Pumpe. Hierbei ist die Ein-
richtung getroffen, dass sich die eine Seitenwaad und der Deckel durch SteU-
schrauben etwas nach innen verschieben lassen, wodurch nach erfolgter Ab-
nutzung des Kolbens wieder ein dichter Schluss hergestellt werden soll.
Auf Blatt 103 ist dieselbe Pumpe mit der Abänderung dargestellt, dass
der Kastendeckel mit dem Kolben durch ein Seil hin- und hergezogen wird,
welches einigemal um eine Walze geschlungen ist, und dessen beide Enden
über Leitrollen geführt und mit den Enden des schiebbaren Deckels verbunden
sind. Durch abwechselndes Rechtsum- und Linksumdrehen dieser Walze wird
1 der Deckel mit dem Kolben hin- nnd hergeschoben.
Bei diesen Kastenpumpen sind innerhalb darch Kanäle die AnsstrÖmongen
von den beiden Enden in ein gemeinschaftliches Anströmungsrobr zusammen-
geführt. Ranelu empfiehlt dieselben zum Entleeren von Baugruben, bei denen
das Wasser unrein nnd die Förderhöhe gering ist
Die Pumpen mit gekrümmtem Stiefel von rechteckigem Querschnitt bilden
den Uebei^ang von den gewöhnlichen Kolbenpumpen zu denjenigen mit
schwingenden Kolben nach Art der sogenannten Bramah- Pampen,
denn diese entstehen, wenn man bei jenen den Krümmungsradius des Stiefels
SU klein wählt, dass der Krümmungsmittelpunkt in den Kasten hineinfällt, be-
ziehungsweise der schiebbare Deckel des Kastens durch die Nabe des schwingen-
den Kolbens ersetzt wird. Solche Pumpen sind auf den Blättern 67, 68 nnd
69 von Ramelli abgebildet und die erstere in unserer Fig. 240 wiedergegeben.
Selbstverständlich lassen sich solche Pumpen auch mit vertikaler
Aze anordnen und lassen sich auch zwei diametral einander gegenüber ao-
Eastenpampeu, Pampen mit schwingenden Kolben, Eorbel-Kapselnerke. 225
geordnete Pumpen dieser Art von einer gemeinschaftlichen Aze aus betreiben.
Werden dabei die Kolbendicken und die Amplituden der Kolbenschwingungen
fio gewählt, dass die beiden Gehäuse zu einem Cylinder mit diametraler Scheide-
wand zusammenwachsen, macht man die vertikale Kolbenaxe hohl, stellt sie
fest und benutzt sie als Steigrohr, während die KolbAi mit gemeinschaftlicher
Nabe darum drehbar gemacht werden und versiebt den Kolben und den Fuss
des Steigrohres mit den nöthigen Kanälen und OefTnungen, damit das Wasser
bei geeigneten Stellungen der Kolben in die Steigröhre hineingetrieben werden
kann, so erhält man die auf den Blättern 53 und 105 dargestellte Pumpe
Ramelu's, von welcher unsere Fig. 264 einen nahe dem unteren Cylinderboden
genommenen, von oben gesehenen Querschnitt zeigt. Bei der hier gezeichneten
Kolbenstellung tritt das Wasser durch die offenen Schlitze im Boden in den
Cylinder. Bei Eechtsdrehung der Kolben werden diese Schlitze abgesperrt, der
Weg nach dem Steigrohre geöffnet und das im Cylinder eingeschlossene Wasser
in dieses gedrückt. Gegen Ende des Hubes öffnen sich die Schlitze im Boden
wieder und das Wasser dringt nun hinter den Kolben in den Cylinder, um
beim Rückgange derselben in die Steigröhre gedrückt zu werden.
Von sogenannten rotirenden Pumpen oder Kurbel-Kapsel werken
findet man bei Bahelli drei, beziehungsweise vier verschiedene Arten, von denen
zwei in Reuleaux's Kinematik S. 361 und.374 beschrieben sind. Die erste ist
die bekannte Konstruktion Fig. 265. Wenn Reuleaux sagt, Rahiixli habe sich
bei dieser Pumpe mit dem einigermassen ausreichenden Scblnss durch die
Schwere der Schieber begnügt, so erscheint dies insofern einigermassen zweifel-
haft, als auf dem Blatte 38 des letzteren, welches eine solche Pumpe dar-
stellt, ein einzelner Schieber, wie bei A (Fig. 265] herausgezeichnet ist, und
diese Form es wahrscheinlich macht, dass in den Ansechnitt a des Flügels
eine mit dem Boden des Gehäuses fest verbundene und mit dem Umfange des-
selben koncentrische Rippe passte, welche die Flügel so führte, dass sie mit
der cylindrischen Anssenwand stets in Berührung bleiben mussten. Weitere
Anhaltspunkte finden sich allerdings hierfür nicht, im Gegentheile spricht die
B«ck. 15
236
AgMtiDo Ramelli.
Äbbildnng (Fig. 265, Hauptfigur) insofern dagegen, als der linksstehende Flügel
nicht mit der Aussenwand in Berüfarang stehend gezeichnet ist.
Die zweite Art rotirender Ftunpen, welche Beuleauz auf Seite 374 seiner
Kinematik bespricht, ist auf den Blättern 39 und 107 abgebildet und in
unserer Fig. 266 wiedergegeben, und Pumpe Fig. 267, welche dem Blatte 51
Ramelu^s entnommen ist, zeigt in ihrer Konstruktion nur eine geringe Ab-
weichung von ersterer. Hier sagt unser Autor in der Beschreibung von den
Flügeln ausdrücklich; „sie öffnen sich durch ihre Schwere", nnd es wird femer
gesagt: „indem besagte Fl^cl sich dieser Ei^e (d. h. der Berührungsstelle
zwischen dem rotirenden Cylinder und dem Gehiiuse) nahem (d. h. wenn die
Enden der Flügel die Mündung des Steigrohres passirt haben), schliessen sie
sich, einer nach dem andern, dnrch den Druck des Wassers, welcher von dem
Steigrohre aus über sie kommt." Der Umstand, dass die Flügel in dieser
Stellung durch die vereinigte Wirkung des Wasserdrnckes und der eigenen
Schwere energisch gegen den rotirenden Cylinder gepresst werden, gab wohl
die Veranlassung, bei der Konstruktion Fig. 267 den rotirenden Cylinder koQ-
Lederbdlgpuinpen, Scb&pfrader, WasseTScIiraubeD.
227
oentrmch in das Gehäuse zu setzen imd dieses innen bei a mit einem Stege
za versehen, welcher die Beriihmog zwischen beiden herstellt. Dieser Steg ist
zwar ans lUuELirs Abbildung nicht ersichtlich, in der Beschreibung aber wird
gesagt : „neben der Einmündung des Steigrohres befindet sich ein Steg (traverse)
von der Höbe, welche die Flügel haben, wenn sie geöffnet sind."
Auf den Blättern 40, 49 und 109 ist eine andere Art rotirender Pampen
dargestellt, welche Reuleaux in seiner Kinematik nicht als BAMELu'sche an-
führt. Wir geben die beiden Modifikationen von Blatt 40 und 109 in unseren
Figuren 268 und 269 wieder. Sie stimmen im wesentlichen mit dem Mechanis-
mus überein, welchen Reuleaux auf Seite 351 seiner Kinematik als rotirende
Dampfmaschine von Yule (1836) und von Hall (1869) bezeichnet; nur hat bei
dieser der rotirende Cylindec nur eine Erhöhung, die sich über den ganzen
Flg. £72.
Umfang erstreckt, so dass er die Form einer excentrischen Kreisscheibe an-
nimmt, während er bei Kakelm mit mehreren Erhöhungen versehen ist, so
dass sein Umfang mehrfach gewellt erscheint
Es ist jedoch hervorzuheben , dass Kahelu die rotirenden Pumpen nie-
mals Wasser ansaugen lasst. Ein SaugvermÖgen war bei der mangelhaften
Ausführung derselben in damaliger Zeit entweder nicht vorhanden oder unserem
Autor unbekannt. Er stellt diese Pumpen immer so weit nnter Wasser, dass
dieses von selbst in die Pumpe fiiesst und spricht nur von der fortschieben-
den Wirkung derselben.
Lederbalgpumpen dagegen, wie wir sie dem Blatte 66 entnommen
und in Fig. 270 dargestellt haben, werden von Bahelli immer nur als reine
Säugpumpen angeordnet. Auf Blatt 65 ist ein grösseres Pumpwerk mit zwei
solcher Pumpen, die durch ein horizontales Wasserrad betriehen werden, dar-
gestellt. Solche Balgpumpeo finden sidi schon unter den nachfolgend von uns
228 Agostino Ramelli.
abgehandelten Skizzen ans der Zeit der Hussitenkriege, sowie anch anter den
vorstehend abgehandelten Skizzen von Leonardo da Vinci dargestellt.
Von anderen Wasserfördermaschinen findet man bei Ramelli zunächst
das Schöpfrad und die Archimedische Schraube, wie sie Vftruv be-
schreibt. Meist werden mehrere Exemplare der einen oder der anderen Art
so übereinander angeordnet, dass sie das Wasser einander zubringen, um eine
grössere Förderhöhe zu erzielen. Auf Blatt 57 findet sich eine Anordnung,
welche von der von Cardanus beschriebenen ^^Augsburger Maschine^ (Fig. 200,
S. 180) nur dadurch abweicht, dass die Schnecken die von Vitruy angegebene
Konstruktion haben und nicht aus spiralförmigen gebogenen Bohren herge-
stellt sind.
Die Konstruktion der Schöpfräder Ramelu^s ist die in Fig. 271 wieder-
gegebene. Oft findet man sie auf verstellbare Hölzer gelagert, welche zwischen
zwei Pfosten geführt sind und durch zwei Schrauben dem jeweiligen Wasser-
stande entsprechend gehoben oder gesenkt werden können (Pansterräder).
Auf Blatt 98 ist ein durch ein unterschlächtiges Wasserrad betriebenes
Becherwerk (Eimerkunst] dargestellt, um das Wasser aus dem Flusse zu
schöpfen, auf Blatt 87 aber ein durch ein Tretrad betriebenes Becherwerk zum
Fördern des Wassers aus einem Brunnen. Neu daran erscheint, dass die Eimer
mit einer Yentilationsvorrichtung versehen sind, durch welche die Luft ent-
weichen kann, wenn die Eimer mit der Mündung zu unterst in das Wasser
getaucht werden. Diese besteht, soweit sich aus der Abbildung und Beschreibung
erkennen lässt, aus zwei übereinander gestülpten Röhren (Fig. 272). Die innere
Röhre geht durch den Boden des Eimers und ist oben durch einen Deckel mit
einem kleinen Loche theilweise geschlossen. Die darüber gestülpte Bohre lässt
am Boden des Eimers einen Durchgang für die Luft offen und muss oben ge-
schlossen sein. Die Luft dringt zunächst in den Zwischenraum zwischen beiden
Bohren und entweicht durch das Loch im Deckel der inneren Röhre. Wäre
diese oben ganz offen und der Zwischenraum genügend w^eit, so würde diese
Vorrichtung als sogenannter ;ygedoppelter Heber^ yrirken und während des
Aufsteigens des gefüllten Eimers Wasser aus demselben ziehen. Ist aber der
Zugang zu dem inneren Rohre so eng, dass das Wasser dieses nicht ausfüllen
kann, so hört diese nachtheilige Wirkung auf.
Ein Paternoster werk, durch ein Windrad betrieben, findet sich auf
Blatt 73. Dasselbe stimmt in seiner Konstruktion mit dem von Agricola be-
schriebenen überein (vergl. Fig. 156, S. 138).
Ziehbrunnen sind auf den Blättern 75 bis 92 in 17 verschiedenen
Konstruktionen abgebildet. Als weiterer Beweis dafür, dass die Umkehrung
der Mechanismen den Kinematikem des 16. Jahrhunderts geläufig war, er-
wähnen wir davon besonders diejenigen, bei welchen umgekehrte Potenzflaschen-
züge oder Rollenzüge angewendet werden, um einen kleinen Eimer voll Wasser
rasch zu heben.
Becherwerke, Fs<eraoBter werke, Zielibrunnen, ichwingende Binnen. 229
Ganz eigenthümliche Wasserhebmaschinen sind die ans echwingendea
Binnen zusammengesetzten Apparate Ramelu'b. Die einfache schwingende
Rinne, wie sie anf Blatt 112 angewendet wird, um Wasser in einem durch
Spundwände abgegrenzten Theile eines Flusses auszuschöpfen, ist in unserer
Fig. 273 abgebildet, die wohl keiner weiteren Erklärung bedarf. Blatt 95
zeigt, wie durch eine fortlaufende Reibe solcher Rinnen, die alle gleichzeitig
in verschiedenen Richtungen durch ein Wasserrad bewegt werden, Wasser einen
Berg hinan gefördert werden kann (vergl. nachstehende Abhandlung Über
JrANELO Ttriano), Und Blatt 96 zeigt, wie durch eine Anzahl senkrecht über-
einander angeordneter, schwingender Rinnen, bei ähnlicher, gleichzeitiger Be-
wegung Wasser in einer Zickzacklinie nach einem Punkte befördert werden
kann, der in beliebiger Höhe senkrecht über dem Ausgangspunkte liegt.
Auf den Blättern 113 bis 133 sind 21 verschiedene Anordnungen tou
Getreidemühlen abgebildet, welche durch die verschiedenen, bereits ge-
nannten Motoren bewegt werden sollen. Wir begegnen hier zum ersten Male
dem Schuh mit Ruttelwerk über dem Läufersteine, während wir denselben
als Bestandtheil einer Beutelmaschine schon bei Cardanus beschrieben fanden
(vergl. S. 182). Der Schuh ist bei Rahelli mit Schnüren an den Trichter
gehängt. Das Rüttelweilchen ist horizontal Über dem Läufersteine in dem
Trichterstuhle gelagert nnd ist nach unten mit einem Daumen versehen, an
welchen ein anderer in den Läuferstein eingelassener Daumen bei jeder Um-
drebong einmal anstösst und das Rüttelwellcben in pendelnde Bewegung ver-
setzt. Diese wird entweder durch einen zweiten Daumen an dem Rüttelwellcben,
wie aus Fig. 226 ersichtlich, oder durch Schnüre auf den Schuh übertrafen.
Bei dieser Einrichtung musste die Zarge oben offen sein, wie bei den Mühlen,
welche Agricola beschreibt, während wir bei Besson schon oben geschlossene
Zargen, aber noch keinen Schuh mit Rüttelwerk fanden.
Die Aufhelfe besteht bei RAweLLi entweder in einem Keil, welcher unter
das eine Ende des andererseits um einen Scbamierbolzen drehbaren Spur-
pfannenträgers geschlagen wird, oder in einem doppeUrmigen Hebel, welcher
230 Agostino Ramelli.
das bewegliche Ende des Spurpfannenträgers aufwärts zieht, indem sein anderer
Arm durch Gegengewichte belastet wird. Letztere Anordnung dürfte schwer-
lich in der Praxis angewendet worden sein, da es sich bei einer Aufhelfe darum
handelt, den Lfäufer in eine bestimmte Entfernung vom Bodenstein zu stellen,
nicht aber darum, sein Gewicht ganz oder theilweise abzubalanciren.
Auf Blatt 119 hat Ramelli auch einen Mahlgang mit Beutelkasten
und Stellvorrichtung für den Schuh zur Regulirung des Einlaufes ab-
gebildet. Leider ist aber diese Abbildung in sehr kleinem Massstabe ausge-
führt und stellenweise unklar. Dass solche Beutelkasten schon zu Anfang des
16. Jahrhunderts in Deutschland gebräuchlich wurden, haben wir bereits in
unserer Abhandlung über Cardanus S. 181 erwähnt.
Was die Frage anbelangt, wie schnell Ramglu die Läufersteine von Ge-
treidemühlen umlaufen liess, so lässt sich darüber zwar nichts Bestimmtes
sagen, da Ramelu in seinen Beschreibungen keinerlei Zahlen- und Massan-
gaben macht, aber schätzungsweise lässt sich sagen, dass die Umdrehungszahl
der Läufersteine kaum 30 in der Minute überstiegen haben dürfte. Eine auf
Blatt 120 dargestellte Rossmühle hat siebenfache Räderübersetzung. Die Um-
drehungszahl des Göpels darf etwa auf vier in der Minute geschätzt werden
und dann ergeben sich für den Läuferstein 28 Touren. Bei einer Mühle für
Handbetrieb wird erst fünffach ins Langsame und dann wieder dreifach ins
Schnelle übersetzt. Für die Handkurbel wird man höchstens 45 Touren in
der Minute annehmen dürfen und erhält dann für den Läuferstein 27 Touren
in der Minute. Auf Blatt 116 ist ein Mahlgang mit oberschlächtigem, auf
Blatt 118 ein solcher mit unterschlächtigem Wasserrade abgebildet. Beide
haben 3 Vs fache Räderübersetzung. Wenn man annimmt, dass die Mühlsteine
etwa 1 m Durchmesser gehabt hätten, so ergiebt sich aus der Zeichnung für
die Wasserräder etwa ein Durchmesser von 3Vs m. Die Umfangsgeschwindig-
keit derselben wird man etwa zu 1,5 m annehmen dürfen und erhält dann
etwa 8 Umdrehungen in der Minute für das Wasserrad und wiederum etwa
28 Touren für den Läuferstein (vergl. hiermit die Angaben von Zonca). Diese
geringe Umdrehungszahl wird weniger auffallend erscheinen, wenn man in
Betracht zieht, dass Belidor (1737) in seiner „Architectura hydraulica^ die-
selbe für einen Mahlgang für Pferdebetrieb zu 42 (§ 685), für eine Mühle mit
Wasserrad zu 60 (§ 662) angiebt. Berücksichtigt man femer, dass diese
Umdrehungszahl seitdem auf das Zwei- bis Dreifache gestiegen ist, so wird
es wahrscheinlich , dass dieselbe überhaupt mit der Zeit immer mehr zuge-
nommen hat und damit wird auch wahrscheinlich, was wir über die ersten, in
der Abhandlung von Vitrüv (S. 49) beschriebenen \yassermühlen gesagt haben,
dass man nämlich nicht zu glauben brauche, es sei ein Schreibfehler, wenn in
der handschriftlichen Kopie von Vitrüv's Werk zu lesen ist, in das Zahnrad
auf der Wasserradwelle habe ein grösseres auf der Mühlspindel sitzendes
gegriffen. Denn es ist anzunehmen, dass die Läufersteine dieser ersten Wasser-
OntreidemÜbleD, eiMme Walzen roQhlen. 231
miiblen nicht viel schaeller gingen, als die der Hand- \md Eselsmüblen, welche
bei ihrer Konstruktion als Muster dienten und bei welcben der Stein nicht
Echneller als die Hand oder der Esel im Kreise berumging.
Rahelli hat übrigens nicht nur Stelnmuhlen zum Zermahlen von Getreide
gekannt, sondern auf seinem Blatte 129 ist auch eine eiserne Walzen-
mühle für Handbetrieb abgebildet, welche in unserer Fig 274 im Langen-
Ecbnitte dargestellt ist. Das Getreide wird hier zwischen einer geriffelten, nach
einer Seite hin etwas verjüngten Stahlwalze und einem umschliessenden, eben-
falls geriffelten Hohlkegel aus dem
gleichen Material zerrieben. Durch
Stellschrauben kann das hintere
Zapfenlager verschoben und die
Mühle dadurch enger oder weiter
gestellt werden.
Bevor wir die Getreidemühlen
verlassen, wollen wir noch erwähnen,
dass auf Blatt 116 ein Mahlgang
mit oberschlächtigem Wasserrade
abgebildet ist, welches gleichzeitig
eine Pumpe betreibt. Dieses fordert einen Theil des Unterwassers wieder
in den Obergraben, um, wie es in der Beschreibung heisst, dem Wasserrade
behüläich zu sein. Da dieser verfehlte Gedanke bei Scliriflstellem des folgen-
den Jahrhunderts und hier und da wobl auch in unklaren Köpfen unserer
Zeit immer wieder auftaucht und oft zu- dem Glauben an die Erfindung
des Perpetuum mobile geführt hat, ist es nicht ganz ohne Interesse, zu
wissen, dass er sich schon bei Rahelli findet und bei Späteren nicht ein-
mal mehr als neu gelten kann.
Vielfach hat man auch ein Rad dadurch in immerwährende Bewegung
setzen zu können geglaubt, dass man darin Gewichte anbrachte, welche sich
auf der einen Seite von der Vertikalebene durch die Drehnngsaze durch
Fortrollen oder Umschlagen eines Hebels, an dem sie befestigt waren, weiter
entfernten und sich auf der anderen Seite der Mittelebene wieder näherten.
Auch diese verfehlten Ideen liegen schon bei Rahelli der Konstruktion eines
Schöpfrades auf Blatt 43 zu Grunde; doch bemerkt er in der Beschreibung dazu :
„Ihr niüsst aber wissen, dass das Innere dieses Rades einem hohen Herrn zu
Gefallen so gemacht wurde, welcher mich darum bat, weil er dachte, da der Lauf
des Flusses zu langsam war, dies mQsste dem Rade helfen. Nun mag sich Jeder
desselben bedienen, je nachden) er glaubt, dass ea dem Zwecke entspreche."
Auf den Blättern 134 und 135 sind zwei Arten von Steinsägen ab-
gebildet, deren Bewegungsmechanismen in den Fig. 275 und 276 wiedergegeben
sind. Dass Steinsägen mit Wassen-adbetrieb schon im vierten Jahrhundert in
Deutschland an dem Flusse Roer (Regierungsbezirk Aachen) vielfach im Be-
iEB AgoBtino RamellL
triebe waren, geht aas einer Stelle des Ausomus hervor, welcher 378 n. Chr.
Fräfekt von Gallien w-orde. In seinem Gedichte „Mosella" sagt dieser von
dem Flusse Erebrus (Roer):
„Da er mit schnell gedrehten St^nen Getreide zerreiBst und knirschende Sägen
durch glatten Marmor zieht, hört das Ufer den immerwährenden Länn von beiden."
Fig. 27S.
Auf Blatt 136 ist eine Holz-Sägemühle abgebildet, wie aus Fig. 277
ersichtlich. Dieselbe unterscheidet sich wenig Ton den älteren, einfachen
Schneidemühlen unserer Zeit, doch erfolgt der Vorschub des Blockwagens noch
durch ein Seil, welches sich ebenso, wie die Kette bei Besson's Uandsägemühle
FlB. !7S.
{Fig. 211, S. 192), um eine Walze schlingt und mit Haken an seinen Enden
je ein Ende des Blockwagens erfasst. Die Walze erhält ihre Bewegung durch
das aas Fig. 277 ersichtliche Schaltwerk.
Blatt 137 zeigt eine Schmiede, in der vier Blasebälge durch ein Wasser-
rad vermittelst einer Hebeltransmission (eines Kunstgestänges) betrieben werden.
Diese hat Aehnlichkeit mit der von BnuNGUccio angegebenen (vergl. Fig. 134, S. 120).
stein- and EolzsAge werke, HebemBachioen. 233
Blatt 138 zeigt einen Anfang mit direktem Pferdebetrieb zur Förderung
Ton Erde aus einem Festutigsgraben, Blatt 139 ein Becbern-erk zu dem gleichen
Zwecke, wie wir es schon bei Besson gefunden haben.
Auf den Blättern 140 bis 153 sind verschiedene fahrbare Brücken und
Pontons zum Ueberschreiten trockener und nasser Festungsgräben dargestellt.
Auf den Blättern 154 bis 167 sind verschiedene kompendiöse, leicht
transportable Winden nnd Brechwerkzeuge abgebildet, um Riedel und Angeln
Ton Festungsthoren und Gitterstäbe zu zerbrechen oder aacb gleichzeitig die
Thore auszuheben.
Die Blätter 168 bis 183 zeigen verschiedene Winden nnd Drehkrahnen
iur Bauzwecke, sowie zum Ent- nnd Beladen von Schiffen u. s. w., die für uns
venig Interessantes mehr bieten, nachdem wir die von unserem Autor ange-
wendeten Mechanismen bereits kennen gelernt haben. Diese sind hier auf die
mannigfaltigste Weise kombinirt, wobei Ramelu mit seinen Uebersetznngen oft
bis ins Ungeheuerliche geht. Schon Leupold (1724) hat darauf hingewiesen,
dass weder die MaschinengeBtelle, noch die übrigen Konstniktionstheile für die
Kräfte genügen konnten, welche bei solchen Uebersetzungen auftreten müssten,
nnd dass die Arbeiter bei vielen dieser Maschinen ihr Leben lang an der
Kurbel drehen müssten, um die angehängt« Last eine nennenswerthe Strecke
weit fortzubewegen.
234 AgosÜDO Ranielli.
Auf den Bliittern 184 bis 187 finden sich einige künstlerisch ausgestattete
pneumatische Spielwerke nach der Art Heron's des Aelteren.
Blatt 188 zeigt eine grosse Trommel, die sich um eine feststehende
horizontale Axe dreht. Am Umfange der Trommel gleichmässig vertheilt,
ist eine grössere Anzahl von Lesepulten angebracht, welche stets die gleiche
Neigung g^en den Horizont behalten, während ein vor der Trommel sitzender
Leser diese dreht, um verschiedene auf die Pulte gestellte Bücher nacheinander
zu Gesicht zu bekommen. Zu diesem Zwecke ist jedes Lesepult auf einer in
den Böden der Trommel gelagerten horizontalen Axe befestigt, auf welche
aussen ein Stirnrad aufgekeilt ist, das mit einem ebenso grossen, auf der festen
Hauptaxe befestigten Stimrade durch ein Zwischenrad verbunden ist.
Blatt 189 zeigt, wie mit Hilfe eines transportablen Bockgestelles, an
welchem Flaschenzüge befestigt sind, durch wenige Pferde ein schweres Ge-
schütz einen steilen Berg hinan gezogen werden kann.
Die Blätter 190 bis 193 zeigen Wurf- und Schleudermaschinen für Kriegs-
zwecke, Blatt 194 eine Vorrichtung, um mit einer Kanone auch bei Nacht
nach einem bestimmten Ziele schiessen zu können, und auf dem letzten Blatte
ist nochmals eine transportable Pontonbrücke dargestellt.
Buonaiuto Lorini (geb. um 1545).
BüONAiüTO LoRixi, ein Edelmann aus Florenz, wie aus dem Titelblatte
seines im Jahre 1597 zu Venedig erschienenen Werkes „Delle Fortificationi"
hervorgeht, erweist sich in diesem durchaus als ein praktischer Ingenieur. In
der Widmung an den Fürsten und die Signoria von Venedig sagt er:
„Sowie ein Jeder dmich seine Neigungen bewogen wird, sich vorzugsweise einer
Sache zu befleissigen, entstand in mir während meiner Jugendzeit der Wunsch, mich
dem Studium der Mathematik und derjenigen Arbeiten zu widmen, welche dem
Kriegsingenieur obliegen, und gab mir den Muth, durch Fleiss und Mühe danach
zu streben, christlichen Fürsten dienen und Hilfe leisten zu können. Durch diese
natürliche Neigung wurde ich bewogen, Flandern und andere Länder zu besuchen,
um die verschiedenen Wirkungen des Kri^es kennen zu lernen. Alsdann stieg nach
mancherlei Erfolgen der Wunsch in mir auf, in Euerer Durchlaucht und dieses hohen
Senates Dienste zu treten . . . ., weil Ew. Durchlaucht den Staat gegen den mächtigsten
und allgemeinen Feind* der Christenheit vertheidigt und deshalb überall die stärksten
Festungswerke errichten liess, auch auf dem Festlande viele edle Städte besitzt^
welche durch Befestigungen, die Ew. Durchlaucht hat anlegen lassen, nun fast alle
wohl vertheidigt sind Bei diesen Arbeiten habe ich Ew. Durchlaucht sech-
zehn Jahre lang gedient und schulde für Auftrage und Gunstbezeugungen, die mir
zu Theil geworden sind, unbegrenzten Dank. Vornehmlich war ich während dieser
Zeit bei der Befestigung von Zara und dem Castell von Brescia thätig, wo man aus
den verrichteten Arbeiten ersehen kann, wie ich diente, und dass ich kein anderes
Ziel dabei im Auge hatte, als die gewissenhafte Erfüllung meiner Pflicht . . . .^
In der Vorrede an den Leser sagt er:
...... Ueber diesen G^enstand zu schreiben, habe ich mich in der Hoffnung
^itschlossen, die Gründe und Erklärungen, welche zum. Verständniss der leichtesten
und sichersten Befestigungsart beitragen können, mit der nöthigen Klarheit vortragen
zu können, \md ich beabsichtige, dies mit allen Regeln und Winken zu thun, welche
ich aus einer dreissigjährigen, in verschiedenen Ländern Italiens und in Flandern
erworbenen Praxis ableiten kann, wo ich mich bei denjenigen Fürsten und Herren
aufhielt, welche sich der Kriegskunst am meisten widmeten. Ein besonders glück-
lieber Anfang war es, als ich im Alter von zweiundzwanzig Jahren durch die Gnade
des CosiMO BEI Medict, Grossherzogs von Toscana ruhmreichen Andenkens begünstigt»
in diesen Beruf eingefiünt wurde, welcher Fürst, wie allbekannt^ in allen königlichen
und kriegerischen Tugenden mustergiltig ist Dadurch wurde ich noch über meine
natürliche Neigung hinaus angetrieben, jede Grelegenheit zur Erwerbung derjenigen
Kenntnisse aufzusuchen, welche mein Stand erfordert, insbesondere aber auch durch
den sechzehnjährigen Dienst unter der hohen Signoria von Venedig, der Herrin so
236 Baonaiato Lorini.
vieler Grenzfestungen gegen den mächtigsten Feind, während dessen ich stets Be-
festigungen auszuführen hatte und bei allen Gelegenheiten in Betreff von Festungs-
werken zu Rathe gezogen wurde ^
Mehr, als aus diesen Stellen hervorgeht, ist über LoRixfs Leben nicht
bekannt. Da er nm die Zeit, als er schrieb, eine dreissigjährige Praxis hinter
sich hatte, welche in seinem zweiundzwanzigsten Lebensjahre unter Cosimo dEi
Medici begann, und da sein Werk 1597 erschien, so dürfte etwa das Jahr 1545
als sein Geburtsjahr anzusehen sein.
Aus diesem Werke ist zunächst das achte Kapitel des zweiten Buches,
welches von Hinterladungsgeschützen handelt, für uns von Interesse.
Lorini sagt:
yyGeschütze, welche von hinten geladen werden, sind auf Galeeren und Kriegs-
schiffen zur Bequemlichkeit der Kanoniere sehr gebräuchlich, damit diese beim Laden
eine gedeckte Stellung haben und schneller schiessen können: bei der üblichen Be-
schaffenheit aber werden sie durch das Entweichen von Pulvergas durch das Boden-
stück in ihrer Wirkung geschwächt und leisten nicht» was sie leisten sollten. Da
man indess die Ursache kennt, so behaupte ich, dass man so nachdrücklich abhelfen
könnte, dass sie nicht nur für die genannten Kriegsschiffe tauglich, sondern auch
zur Vertheidigung von Festungen sehr geeignet sein würden. Jene Fehler entspringen
niur aus ungenügender Festigkeit des Bodenstückes und schlechtem Einpassen des
Verschlussstückes in die Geschützkammer .... Demzufolge vermindert sich die
Kraft des Schusses im Verhältniss zur Gasentweichung. Wäre diese beseitigt^ so
würde der Schuss ebenso kräftig sein, wie bei Vorderladern. Sollte dies aber auch
bezüglich eines minimalen Theiles nicht gelingen, so würde doch der Vortheil, welcher
aus der Sicherheit der Bedienungsmannschaft beim Laden und aus dem schnelleren
Schiessen entspringt, so gross sein, dass man einige Unvollkommenheiten dafür hin-
nehmen könnte. Um diese Abhilfe zu treffen, giesse man das Geschützrohr mit der
Seele so, dass diese sowohl durch das Bodenstück, als auch -durch das Vorderstück
geht, wie man aus der Abbildung (Fig. 278) ersieht Durch die Mitte des Vorder-
stückes geht die Kugel, welche bei dieser Art von Greschützen acht Pfund Gewicht
nicht übersteigen sollte, am nützlichsten aber sind solche von sechs und von drei
Pfund "
Es folgt die Beschreibung des Verschlussstückes mit genauer Angabe der
Massverhältnisse, wie solche der Hauptsache nach aus unserer Zeichnung er-
sichtlich sind. Der Kugeldurchmesser bildet dabei die Bezugeinheit. Dann
wird weiter gesagt:
„Die Kammer und das Keilloch werden mit dem Bohrer, der Keil auf der
Drehbank bearbeitet Letzterer muss so lang sein, dass er auf jeder Seite
des Bodenstückes etwa um die Länge eines Kugeldurchmessers vorsteht Um das
Geschütz zu laden, sind drei Dinge nöthig: ein Hammer von Eichenholz, ein Wischer,
welcher genügt, um die Hälfte des Rohres, wie gebräuchlich, auszuwischen, und die
Pulversäcke oder Kartuschen mit dem Pulver und der Kugel als Ladung darin.
Diese werden so in die Höhlung der Bodenstückes gesteckt, dass ihr Ende in die
Pulverkammer hineinreicht, und wenn man dann das Verschlussstück einschiebt, drückt
es die Klartusche so weit, wie nöthig, vor "
In Kap. IX werden zwei andere Verschlüsse für Hinterladungsgeschütze
in folgender Weise beschrieben:
„Geschütze nur mit einem Keil zu verschliessen, ist sehr bequem, aber keine
so sichere Verschlussart» wie die soeben beschriebene; doch leistet sie bei kleinen
Leben »beschreib nng, HinUrlsdungsgeachlltze. 237
Stücken von drd Pfund Kugelgewicht genügende Dienste. Der Eeil kann von Eisen,
von rechteckiger, nach einer Seite hin etwas verjüngter Form gemacht werden. Er
musa ebenso wie das Kniloch, in welchem er quer durch das Bodenatück geschoben
wird, auf das Genaueste bearb^tet sein. In der Mitte der schmäleren Seite macht
man ihn so dick, wie die Kugel, und giebt der anderen Seite l'/i Kugeldurchmesser.
Diesse grössere Breite kommt aufrecht zu stehen, so dass sie nach jeder Seite hin
um ein Viertel Kugeldurchmesser über die Weite der Pulverkammer vorspringt und
die Pulvergase besser zurückgehalten werden (siehe Fig. 279). Die Länge des Keiles
muss so gross sein, dass man ihn bequem herausnehmen und einsetzen kann, indem
man ihn mit einem Hammer von Blei oder Eichenholz in seine richtige Stellung im
Bodenstücke bringt Man kann sich auch bei dem vierseitigen Keile dnes
Propfens {A) (Fig. 279) bedienen, ähnlich denen, womit man Flaschen verschliesst
San vorderer Theil tritt auf die Länge von ein Drittel Kugeldurchmesser in die
Pulverkammer herein, und B«n breiterer Theil, welcher nach jeder Seite hin um ein
Viertel Kugeldurchmesser vorspringt, also im Ganzen l*-/! Kugeldurchmesser ha^
muss ^ch nach innen an das Metall gut anschli essen. Alsdann kann man mit dieser
Art von Geschützen mit Sicheiiieit und grossem Vortheil operiren ....
««■ ™. Hb. «90.
Wenn wir aber em besonders vollkommenes HinlerladungsgesohÜtz herstellen
und sicher sein wollen, dass kein Gas entweicht, so müssen wir die Thole, durch
welche man aich die Kraft des Schusses sichert^ mit Hilfe von Bohrern und der
Drehbank in der Wräse bearbeiten, dass üe so volikoomien andnander schliessen,
als ob sie ein Stück wären, und dies kann man am besten erreichen, wenn man d»i
Keil rund und ein wenig konisch, das Versehlussstück aber, der mittleren Dicke des
Keiles entsprechend, halbmondf&rmig macht und das Kopfende mit Vorsprüngen
versieht, wie aus Fig. 280 zu ersehen ist "
Es folgt Bun wiederum eine genaue Beschreibung mit Angabe der Mass-
verhältnisse, wie solche im wesentlichen ans unserer Abbildung ersichtlidi
sind. Dann fährt Lorini fort;
„Man muas jedoch darauf achten, dass die Weite der Bohrung nach aussen
ein wenig gr&sser wird, als innen, damit das Verschlussstück herausgenommen werden
kann, indem man mit zw« oder mehr Fingern in die Löcher (ab) greife nachdem
man den Keil herausgeschlagen und den Arm in die Höhlung des Bodenstückes
gesteckt hat. Wenn aber das Geschütz warm geworden ist, kann man dies nicht
einfach mit der Hand thun, Bondem bedient sich am besten eines eisernen Schlüssels,
- welcher am Ende mit etwas Schraubengewinde, das aus dnem einzigen Gange besteh^
238 Buonaiuto Lorini.
versehen idt und der einen Zoll tief mitten in das Verschlussstück hineinreicht Auf
diese Weise kann man es leicht herausnehmen und einsetzen, indem man den Griff
des Schlüssels so lang macht, nvie die Bohrung des Bodenstückes. Auch kann man
vermittelst eines solchen Schlüssels sehr kleine Geschütze laden, während dies ohne
einen solchen nicht -möglich ist, weil man den Arm hineinstecken müs^tc ''
Es folgt nun eine Beschreibung des Formens und der Bearbeitung dieser
Geschütze und Yerschlusstheile, es werden die Manipulationen beim Laden ge-
schildert und dann wird gesagt:
„Da aber der Keil schwer zu handhaben ist, namentlich bei Geschützen von
grossem Kaliber, so muss man dafür sorgen, dass man ihn nicht in die Höhe zu
heben, sondern nur vor- und zurückzuschieben hat, weshalb man ihn niemals ganz
aus der Greschützwandung herausziehen darf und auf zwei eisernen oder hölzernen
Lagern ruhen lassen muss, welche an der Wand der Lafette befestigt sind. Diese
sind mit Bollen versehen, damit man den Keil lun so leichter einschieben und heraus-
treiben kann, indem man mit dem Hammer gegen das dünnere Ende schlägt Und
damit er nicht niederfallen und aus seiner Stellung kommen kann, muss man ihn
mit einer an seinem Ende befestigten Kette halten, deren anderes Ende unten an
der Wand der Lafette befestigt ist Diese Kette hat eine solche Länge, dass der
stets mit Talg geschmiert erhaltene Keil nur um die angegebene Länge heraustreten
kann und auf seinen Lagern ruht '^
Lib. X, Kap. VIII lehrt: „Wie man Mauern unter Wasser funda-
mentirt oder einen Hafendamm auf dem Meeresgrunde erbaut^'
und bietet viel Interessantes, doch glauben wir uns hier auf Wiedergabe der-
jenigen Stelle beschränken zu müssen, welche von der Anwendung der Taucher-
glocke handelt. Diese lautet:
„ Da man solche Bauwerke mit besonderer Sorgfalt fundamentiren muss,
so ist zunächst darauf zu achten, dass die Quadersteine sich unten wohl abgeglichen
aneinander setzen und so viel wie möglich in Verband kommen. Zu diesem Zwecke
schickt man einen Mann hinab, der sie in der angegebenen Weise ordnet Man
macht nämlich aus sehr starkem Holze eine mit eisernen Reifen beschlagene Bütte,
oder einen Bottich, welcher mit dem Boden nach oben und mit der Mündung nach
unten gerichtet und mit einem so grossen Gewichte beschwert wird, dass dieses ihn
unter Wasser hält Oben wird er an ein Seil gehängt^ welches unten (d. h« zunächst
über dem Bottich) um dne Rolle läuft Mit seiner Mündung bleibt er etwa drei
Fuss von einem Steine entfernt, auf welchem der Mann stehen und mit einem Eisen-
stäbchen jeden Quaderstein dirigiren kann, während er mit einem Theile seines
Körpers und hauptsächlich mit dem Kopfe in dem genannten Bottiche steht^ dessen
innerer Raum voll Luft ist, wie wir es im fünfzehnten Kapitel des fünften Buches
näher angeben werden."
In diesem Kapitel wird gesagt:
„Bei allen Arbeitsprocessen besteht die höchste Vervollkommnung darin, sie
mit Leichtigkeit so ausführen zu können, dass sie die Vortheile bringen, welche
dabei bezweckt werden. Die genannten Vorrichtungen, um sich unter Wasser auf-
halten zu können, muss man, obgleich ihre Ausführung schwierig erscheinen könnte,
daher sehr hoch schätzen, weil man durch Erfahrung weiss, welche Leichtigkeit und
Sicherheit des Arbeitens durch sie herbeigeführt werden kann. Sie leisten sehr schätz-
bare Dienste, wenn es sich darum handelt, Geschütze oder andere Gegenstände, welche
sich auf Schiffen oder anderen Fahrzeugen befanden, aus dem Meere zu fischen.
Auch kann man mit ihrer Hilfe solche Fahrzeuge mit Tauen verbinden, um sie
herauszuziehen. Ueberdies gewähren sie grossen Nutzen bei der KorallenfischereL
Taacherglocke, Twcherhelm. 230
Was die Herstellung dieser Ap|Nirate, und zwar zunichat die grSsseren (Fig. 381)
betrifft, ao macht man einen Länglich vi^eckigen Kasten aus besten Bohlen, im
Lichten l'/s Ellen breit, 2 Ellen") hoch und lang. Derselbe muss so zusammen-
gefügt und mit Eisen gebunden werden, daas auf keine Weise Wasser hineindringen,
oder besser gesagt, dass auf keine Weii^e Luft entweichen kann, welche darin ein-
geschlossen wird, wenn man ihn mit nach unten gekehrter Mündung herablässt.
Hierbri wird er durch ein Gewicht (.^4) herabgezogen, wovon wir annehmen, daae es
aus einem genügend schweren Steine bestehe, welcher daran aufgehängt ist, oder
besser gesagt, welcher den genannten Apparat durch die eisernen Bänder an allen
Seilen herabzieht Oben in der Mitte, wo die
Bänder sich kreuzen, wird eine Flasche mit einer
Bolle befestigt, in welche sich ein Seil einlegt,
dessen eines Ende an der Seitenwand einea
Schiffes befestigt ist, während man mit dem
anderen den Apparat nach Bedürfnisa auf den
Grund des Wnssere herablässt, oder Ihn auf-
weht Die Höhe (BK) ist so zu wählen, dasa
ein Mann, welcher in dem Apparate ist, durch '
die Fensterchen {JH), in welche Gläser einge-
setzt sind, herausschauen, und doss er hnraua-
gehen und wieder in das Innere, wo das Wasser
die HiJhe (LK) nicht übersteigt, zurückkehren
kann."
„Der zwdte Apparat (Fig. 282) wird aus
einem ledernen Schlauche {OR) hergeslelll^ wel-
cher im Inneren mit eisernen Ringen und Längs-
stäben armirt ist, wie man aus {HG) ersieht
Dieser Schlauch muss so lang sein, wie das
Wasser tief ist Er wird durch ein umgewickeltes
Beil an die Stange (PR) gebunden, an deren
unterem Ende (II) der starke eiserne Bügel
{RS} und das Gewicht (S) von Blei oder
Stein befestigt sind. Darauf sitzt ntllings der Mann, mit einer Jacke aus
Ziegenfell bekleidet, wie man es gebraucht, um OeWhIäuchc daraus zu machen.
Diese Jacke muss mit Aermeln versehen sein, wie ein Panzerhemd, und muss an
den Verbandstellcn eng und wohl angepasst sein, so dasa kein Wasser eindringen
kann, wenn man den Kopf in den leeren Raum unter dem Schlauche steckt, in
welchem Glasscheiben angebracht sind, die das Licht einfallen lassen. Und da er
die Arme frei hat, kann er jede beliebige Arbeit verrichten. Auch kann er uch
durch Sprechen mit denjenigen, welche sich oben bd der Mündung (OP) hefmdea,
nach Belieben verständigen, während er durch das Seil {PTV), welches um die in
der Oeee (ST) gelagerte Rolle geschlungen ist, getragen wird. Dies ist längs der
Stange b« {TYj) geführt, und da das Ende (P) desselben an einer Segelstange
der Barke gebunden ist, kann man mit dem anderen (F) den Hann mit dem Apparate
nach Bedürfniss herablassen und aufziehen."
Hier sei bemerkt, dass sich schon in des Ahistoteles problem XXXU,
§ 6, eine, wenn auch unklare und schwer zu übersetzende Stelle findet, aus
der hervorgeht, dass kleine Taucherglocken (Kessel) den Griechen schon im
vierten Jahrhundert vor Christi Geburt bekannt waren. Nachdem Aristoteles
die Frage behandelt hat, warum die Taucher, um sich das Athmen zu er-
leichtem, Nase und Ohren aufritzen, sagt er:
*) Eine florentiner Elle war gl«tch 58 om.
Fi«. 281.
240 Buonaiuto LorinL
„Aehnlich scheint es bei den Tauchern zu sein, welche sich das Athmen ermög-
lichen, indem sie einen Kessel herablassen. Denn dieser füllt sich nicht mit Wasser,
sondern hält die Luft zurück. Mit Kraftanstrengung geschieht nämlich das senk-
rechte Herablassen (des Kessels), denn wenn die gerade Richtung nur ein wenig
verschoben wird, fliesst es (nämlich das Wasser) ein.^
Nächst dieser ist die älteste Nachricht vom Gebrauche der Taucherglocke
in Europa die in: „J. Taisnierii opusculo perpetua memoria dignissimo etc/^,
Coloniae 1562, pag. 40 und 44, enthaltene. Dieser Johann Taisnier, aus dem
Hennegau gebürtig, war, als er schrieb, Doktor der Rechte, poeta laureatus
und Dirigent der Musikkapelle des Erzbischofs von Köln und soll vordem Pagen-
Informator und Kapellan bei Kaiser Karl V gewesen sein. Die betreffende
Stelle auf Seite 40 seines Werkchens lautet in der Uebersetzung :
yyWenn man unwissenden Leuten sagen würde, es könne Jemand mitten in
den Wellen und Fluthen mit trockenen Kleidern und ohne den geringsten Theil
seines Körpers zu benetzen, auf den Grund des Rheines hinabsteigen und auch ein
brennendes Feuer vom Grunde des Wassers heraufbringen, so würde ihnen dies
lächerlich und ganz unmöglich erscheinen. Nichtsdestoweniger habe ich solches im
Jahre 1538 in der spanischen Stadt Toledo in dem Flusse Tajo .... in G^en-
wart des Kaisers Karl V seligen Andenkens und von etwa zehntausend Menschen
bei einer Probe gesehen **
Dann wird auf Seite 44 gesagt:
„Nun komme ich zu dem vorhin erwähnten Experiment» welches zu Toledo
von zwei Griechen gezeigt wurde. Diese nahmen einen Kessel von grosser Weite,
und nachdem sie ihn mit der Mündung nach unten an Seilen aufgehangen hatten,
befestigten sie mitten in dem hohlen Kessel einen Balken mit Brettern, auf welche
sie sich mit dem Feuer begaben. Durch ringsum angebrachte Bleistücke von gleicher
Schwere brachten sie den Rand des Kessels ins Gleichgewicht, damit nicht» wenn
dieser in das Wasser herabgelassen werde, irgend ein Theil des Kessclrandes das
Wasser eher berühre, weil es dann leicht geschehen könne, dass das Wasser über
die in dem Kessel eingeschlossene Luft die Oberhand gewänne Wenn aber
der so vorbereitete Kessel entsprechend langsam in das Wasser herabgelassen wird,
verschafft sich die in dem Kessel eingeschlossene Luft» da das Wasser Widerstand
leistet^ gewaltsam Platz (d. h. die eingeschlossene Luft verdrängt das Wasser). Auf
diese Weise bleiben die eingeschlossenen Menschen hier inmitten des Wassers voll-
ständig trocken, bis mit der Zeit die eingeschlossene Luft durch wiederholtes Ein-
athmen verdorben wird Wenn aber der Kessel zu richtiger Zeit langsam
herausgezogen wird» bleiben die Menschen trocken und das Feuer unbeschädigt • . .**
Bezüglich des zweiten von Lorini beschriebenen Taucherapparates ist
darauf hinzuweisen, dass lederne Taucheranzüge und Taucherhelme mit einem
Luftzuführungsschlauche, dessen oberes Ende durch einen Schwimmer von Holz
und dergl. über Wasser gehalten wird, schon in dem Werke : „De re militari"
des Robertus Valturius (1483 und 1532), sowie in Flava Vegetii Renati „vier
Büchern der Rytterschaft", Augsburg 1529, gedruckt durch Heinr. Stainer, ab-
gebildet sind. Es war nämlich zu damaliger Zeit üblich, das Werk des ge-
nannten altrömischen Schriftstellers mit Abbildungen der im fünfzehnten Jahr-
hundert gebräuchlichen Kriegsgeräthschaften zu illustriren. Auch erinnern wir
an die Abbildungen eines solchen Taucherhelmes, welche sich unter den Skizzen
von Leonardo da Vinci fand (Fig. 97, S. 98) und weisen auf denjenigen hin?
Die fünf mechanischen Potenzen. 241
welcher unter den nachfolgend abgehandelten Skizzen ans der Zeit der Hussiten-
kriege dargestellt ist.
In der Einleitung zu lib. Y, welches von den mechanischen Gesetzen
und verschiedenen Hebmaschinen handelt, sagt Lorini:
„ Da hierüber von berühmten Autoren weitläufig geschrieben worden
ist, wie in letzter Zeit namentlich von Guido Ubaldi del Monte . . . ., und ich
mir die Arbeiten Anderer nicht aneignen will, so verweise ich auf diesen und werde
nur summarisch, kurz und möglichst klar von den Wirkungen des Hebels bd
Flaschenzügen, Schrauben, dem Rade auf der Welle und dem Zahnrade sprechen,
deren Erkenntniss am meisten zum Verständniss dessen beiträgt, was über die Her-
stellung und Beurtheilung von Maschinen zu sagen ist, und wie diese nicht nur mit
richtigen Verhältnissen anzuordnen sind, sondern auch wie man mit Hilfe des ZirkeU
ihre Kraft^ d. h. ihre Hebelübersetzungen mit der wünschenswerthen Sicherheit &den
kann, damit man sich bei der Ausführung solcher Werke in realer Form über ihre
Leistungsfähigkeit nicht täuscht, wie es denen oft begegnet, welche, ohne die nöthigen
Grundsätze zu kennen, auf die Leichtigkeit vertrauen, womit kleine Modelle arbeiten.''
Da hier von den sogenannten einfachen Maschinen oder mecha-
nischen Potenzen die Rede ist, und Reuleaux in § 64 seiner Kinematik
von diesen sagt:
;,Li der Mehrzahl der Lehrbücher werden sie seit Galh^ei, oder noch
früher, mehr oder weniger als diejenigen Einrichtungen angegeben, auf welche
man alle Maschinen zurückführen, nämlich als aus welchen man sie alle zu-
sammengesetzt nachweisen könne^, so glauben wir hier daran erinnern zu sollen,
dass in dem Auszuge aus Heron's Mechanik, welcher sich in „Pappi Alexan-
drini collectionis", lib. VIII, herausgegeben von Fridericus Hültsch, Berlin 1878,
findet, die fünf mechanischen Potenzen: Rad auf der Welle, Hebel, Flaschen-
zug, Keil und Schraube, als solche aufgezählt und ausführlich behandelt werden
(vergl. S. 32 u. 33). Dieser Heron aber lebte mehr als 1700 Jahre vor Gaulel
Lorini fährt fort:
„Denn ehe ich weiter gehe, muss ich auf den Unterschied hinweisen, welcher
zwischen einem rein spekulativen Mathematiker und einem praktischen Mechaniker
besteht Dieser Unterschied hat seinen Grund darin, dass Demonstrationen und
Proportionen, welche von Linien, Flachen und imaginären, von der Materie abge-
lösten Körpern hergeleitet sind, nicht mehr genau zutreffen, wenn sie auf materidle
Dinge angewendet werden, mit denen der Mechaniker aibeitet» weil die geistigen Ge-
bilde des Mathematikers von den hindernden Einflüssen frei sind, denen die Materie
ihrer Natur nach unterworfen ist Wenn beispielsweise aus der mathematischen
Demonstration mit Nothwendigkeit folgt, dass eine viermal kleinere Kraft eine Last
heben könne, wenn die Entfernung zwischen Drehpunkt und Ejraft viermal so gross
ist, als zwischen Drehpunkt und Last, so werden wir doch, wenn wir mit materiellen
Körpern operiren, wenn wir uns beispielsweise eines Balkens als Hebel bedienen
wollen, auch das Grewicht desselben in Betracht ziehen müssen, welches, da sich der
grösste Theil des Balkens auf der Seite der Kraft befindet, diese unterstützt
Und deshalb besteht die Kunst des Mechanikers, welcher anordnen und denen, welche
ein Werk ausführen sollen, befehlen muss, hauptsächlich darin, dass er die Schwierig-
keiten veraussieht, welche die verschiedenen Eigenschaften der Materie mit aidi
bringen "
B«ek. 16
242 Buonaiuto Lorini.
Lorini bespricht hierauf die Hauptsätze aus der Lehre vom Hebel, wie
sie Guido Ubaldi entwickelte, der zuerst die Schwere und den Schwerpunkt des
Waagbalkens mit in die Betrachtung zog und dadurch Klarheit in diesen Lehr-
gegenstand brachte*). Alsdann geht er zu den Flaschenzügen über, und nach-
dem er gezeigt hat, dass bei einer festen Rolle die Kraft der Last gleich sein
muss, sagt er:
„ woraus wir schliessen könnten, dass uns ein solches Instrument
nichts hilft, sondern nur die Bequemlichkeit bietet, dass wir unsere Kraft um es
herum ausüben können. Aber gerade dadurch gewährt es auch beim Heben der
Last einigen Nutzen, indem wir dabei das Seil niederziehen und hierin durch die
Schwere und Bewegung unseres Körpers unterstützt werden; während beim Heben
der Last durch Aufwärt^fziehen nicht nur die Kraft unserer Arme, sondern auch die-
jenige zum Aufrichten des Eigengewichtes unseres Körpers erforderlich ist . . . ."
Nachdem dann die Theorie der Flaschenzüge vollständig entwickelt ist,
wird weiter bemerkt:
„Was aber den Effekt anbelangt, den man erreicht, wenn man diese Maschine
praktisch anwendet, so kann er hiervon in vielen Beziehungen verschieden sein ....
Dieser Unterschied rührt hauptsächlich von dem Gewichte der unteren Flasche und
von dem Seile her, besonders wenn letzteres dick und neu, d. h. ungebraucht ist,
woraus dem Flaschenzuge ein Widerstand erwächst, und dies um so mehr, wenn die
Aezchen, welche die Rollen tragen und um welche diese sich drehen, nicht durch
deren Mitte gehen und nicht mit der nöthigcn Sorgfalt abgedreht sind. Auch dürfen
die Seile sich nicht aneinander reiben, wenn sie die Last aufziehen. Doch findet
sich für alles Abhilfe. Was die Flaschen betrifft, so muss man ihr Gewicht in ein
richtiges Verhältniss zur Last und Zugkraft bringen und das Seil so dünn wie mög-
lich nehmen , doch nmss es immerhin so stark sein, dass es die Last mit
Sicherheit trägt, entsprechend der Zahl der Rollen, welche sich auf jeder Seite in
den beiden Flaschen befinden, denn je zahlreicher diese sind, desto geringer ist das
Gewicht, welches jedes einzelne Seil zu tragen hat Und damit die Seile sich nicht
aneinander reiben, muss man (in der oberen Flasche) die untere Seilrolle immer um
die doppelte Seildicke kleiner machen, als die obere Was aber die Schnellig-
keit des Arbeitens betrifft, so ist offenbar, dass bei der grösseren Kraft die kleinere
Geschwindigkeit und umgekehrt bei der grösseren Geschwindigkeit die kleinere Kraft
zu finden ist, in dem Verhältniss der Vergrösserung der Hebelanne oder der Ver-
mehrung der Seile, von denen jedes seinen Theil der Last in der angegebenen Weise
aufnimmt. Und dies gilt von allen Arten von Maschinen, wie anderen Ortes noch
weiter ausgc»fühit werden wird."
Da in den Werken damaliger Theoretiker von Berücksichtigung des
Eigengewichtes von Maschinentheilen (ausgenommen Guido Ubaldi's Waagbalken),
von Steifigkeit der Seile und dergl. nirgends die Rede ist, so dürften diese
Erwägungen eines ausführenden Ingenieurs nicht ohne Interesse sein. Nach-
sätze, wie der zuletzt citirte, finden sich bei Guroo Ubaldi häufig, und bei
einem solchen, welchen er zu seiner Prop. VI macht, fügt er an: „Hieraus
wird sich die Lehre von der Schnellwaage ebenfalls leicht entwickeln lassen.^'
Dies ist unseres Wissens die einzige Stelle, welche Dr. E. DChring im Auge
haben konnte, als er in seiner „Kritischen Geschichte der Principien der
*) Aus unserer „dritten Abhandlung Qbcr Leonardo da Vinci ist jedoch ersichtlich, dass
dieser bei der ßevechnung einer Hcbelpresse (Codice atlaniico Fol. 49 v) das Eigengewicht
des Hebels auch schon berücksichtigt hat.
Eigengewicht der Maschinentheile, Princip der viiiuellen Geschwindigkeiten. 243
Mechanik" auf Seite 16 sagte, Guido Ubaldi gebrauche die Verhältnisse der
virtuellen Geschwindigkeiten am Hebel als Erklärungsprincip. Bei der Lehre
vom Keil beweist er, nachdem er die Demonstrationen des Aristoteles und
des Pappüs wiedergegeben hat, dass zwei Körper, die durch einen Keil mit
grösserem Schneidewinkel auseinander getrieben werden, sich schneller bewegen
müssen, als wenn dies in der gleichen Zeit vermittelst eines Keiles mit kleinerem
Schneidewinkel geschieht, und sagt: da ein Körper durch eine Kraft in einer
bestimmten Zeit leichter durch einen kleinen Raum bewegt werde, als durch
einen grossen, wenn alle sonstigen Umstände die gleichen bleiben, so könne
man auch sagen, dass vermittelst eines Keiles um ebenso viel leichter Lasten
bewegt oder Körper gespalten würden, als der Schneidewinkel des Keiles kleiner
sei. Bei Erklärung der Schraube dagegen beruft sich Guido Ubaldi ganz auf
Pappüs. Dessen Demonstration ist zwar fehlerhaft, aber doch sachgemässer als
die des Aristoteles, welcher sagt, die konvergirenden Seiten des Keiles wirkten
wie zwei Hebel, deren Drehpunkt in der Oberfläche des zu spaltenden Körpers
liege, und es ist immerhin als ein Verdienst Guido Ubaldi's zu betrachten, dass
er die erstere der letzteren mindestens als gleichberechtigt an die Seite stellte
und damit dem Glauben der Scholastiker an die unbedingte Autorität des
Aristoteles entgegentrat. Lorini aber musste als praktischer Mann sofort
einsehen, dass ihn sein Gewährsmann Guido Ubaldi hier im Stiche lässt, denn
nach dem Beweise des Pappus (vergl. S. 28 u. 29) wird für den Neigungswinkel
einer schiefen Ebene /J = 90^ die Zugkraft Z=ao, während doch jeder prak-
tische Mann wissen musste, dass sie in diesem Falle ebenso gross wie die Last
ist. Mit richtigem Blicke greift er deshalb das von Guido Ubaldi nur schüchtern
in Zusätzen (corollaria) angedeutete Princip der virtuellen Geschwindigkeiten
heraus, um es an die Spitze seiner Erklärung der Schraube zu stellen, und
wenn auch das Resultat, zu dem er gelangt, noch nicht ganz richtig ist, so
entfernt es sich doch nur wenig von der Wahrheit. Er sagt nämlich über die
vermittelst eines Hebels umgedrehte Schraube:
„ Bei ihr kommt der doppelte Hebel, wie beim Handgöpel in An-
wendung, und man hat, was von grosser Bedeutung ist, durch die Kraft die Last
nicht direkt senkrecht in die Höhe zu heben, in welchem Falle die Kraft der Last
gleich sein musste, sondern man hat sie auf einer Ebene mit geringer Neigung hin-
zuschieben, wie sie die Gewindgänge haben, mit welchen die Schrauben hergestellt
werden. Und mit je geringerer Steigung ihre Gewindgänge hergestellt sind, um so
leichter wird man die grösste Last vermittelst des Hebels heben und niederlassen
können; wenn auch mit langsamerer Bewegung, wie dies die gewohnte Folge ist
Denn man muss die Ursachen, von welchen die grössere oder geringere Kraft
abhängt, wohl einsehen, und diese sind: die Schnelligkeit einerseits und die Lang-
samkeit anderseits, womit die Last vermittelst des Hebels, des Flaschenzuges oder der
Schraube gehoben wird."
Es werden nun zunächst Hebel und Flaschenzüge in diesem Sinne be-
trachtet, und dann fährt Lorini fort:
„Es bleibt uns noch übrig, die Schraube zu betrachten, und zur Verglcichung
nehmen wir an, wir hätten ein Gewicht auf die Höhe eines Berges zu transportiren
16*
244 Bnonaiuto Lorini.
und es sei nur eine Strasse vorhanden, welche direkt auf die Höhe des Bei]^ führt.
Eine solche Strasse ist zwar die kürzeste und die am schnellsten zum Ziele führende,
allein gerade deshalb die am meisten Kraft erfordernde, und in vielen Fällen wird
hier die Kraft der Last gleich sein müssen. Aber wenn die Strasse in einer Sclinecken-
linie, wie man zu sagen pflegt^ um den Berg herumgeführt wird, so wird das Ver-
mögen, das Gewicht zu ziehen, im Verhältniss der Lange des Weges und der
geringeren Steigung der Strasse grösser sein, ebenso wie die Langsamkeit (womit man
die Höhe erreicht). Es liegt aber in unserer Aufgabe, den Unterschied der Kräfte
kennen zu lernen, welche angewendet werden müssen, um Gewichte auf verschiedenen
Ebenen hinzuziehen oder zu heben. Was zunächst das direkte Heben derselben in
senkrechter Richtung betrifft, so wissen wir schon, dass dabei die Kraft der Last
gleich sein muss; wenn man sie aber auf einer horizontalen Strasse ohne Beihilfe
von Rollen und dergleichen fortschleifen will, so wird eine Kraft das Vierfache fort-
schleifen (den Reibungskoefficienten nahm schon Leonardo da Vinci gleich ein
Viertel an. Vergl, S. 97), so dass, wenn ein Mensch fünfzig Pfund heben kann,
er deren zweihundert fortschleifen wurd. Wenn man aber mit Hilfe von Rollen oder
Wagenrädern ein Gewicht auf der genannten Strasse fortziehen will, so wird die
genannte Kraft das Vierundzwanzigfache ziehen, und um so mehr, wenn das Gewicht
in Bewegung gekommen und die Strasse eben ist und keine Hindernisse bietet, d. h.
wenn sie so fest ist, dass sie gleichmässig tragen kann, wie zum Beispiele, wenn
man über wohlabgeglichene, horizontale, eichene Bohlen fährt, wobei das Gewicht^
welches von den Rollen oder Rädern getragen wird, immer auf einem Punkte ruht,
wegen der Rundung der Räder einerseits und der Ebenheit der Horizontalen, auf
welcher sie laufen, anderseits. Aus der Verhältnisszahl aber, welche wir für die
senkrechte, und derjenigen, welche wir für die horizontale Strasse gefunden haben,
können wir die Regel für die Kraft ableiten, welche bei einer beliebigen Steigung
nothwendig ist» und da wir vermittelst solcher Proportionen die Kraft der Schraube
erklären wollen, müssen wir zunächst ihre Herstellung kennen lernen "
Es wird nun beschrieben, wie eine hölzerne Schraube mit Mutter zu
konstmiren sei, und zwar ergiebt sich aus dieser Beschreibung, dass die Gang-
höhe gleich dem zwölften Theile des Umfanges angenommen wurde. Nachdem
dann zunächst berechnet ist, um wieviel die Kraft durch die Hebelübersetzung
vermehrt wird, sagt Loiuni:
„ nun ist noch die Kraft der Schraube zu bestimmen, welche infolge
der Ganghöhe und aus den angegebenen Gründen summarisch das Dreifache der
durch die Hebelübersetzung erlangten Kraft beträgt ....**
Dies ist wohl so zu verstehen: Da beim Heben um die ganze Weglänge,
d. h. bei direktem, senkrechtem Aufheben, die Kraft gleich der Last sein muss,
so muss beim Heben um ein Zwölftel der Weglänge auf der schiefen Ebene
die Kraft gleich ein Zwölftel der Last sein. Hierzu den Reibungswiderstand
mit nahezu ein Viertel der Last gerechnet, ergiebt nahezu ein Drittel der Last.
Li lib. V, Kap. V beschreibt Lorini die in Fig. 283 abgebildete Winde
mit Zahnstange nnd sagt darüber:
„Dieses Instrument wird von Kanonieren und Frachtfuhrleuten viel gebraucht^
namentlich in Flandern, wo ich oft gesehen habe, dass man die schwersten Geschütz-
rohre damit hob und sie auf die Lafette setzte Doch waren diese Instrumente klein
von Gestalt, d. h. sie hatten ein langes, schmales Gehäuse aus starkem Holze, worin
die eiserne Zahnstange, sowie die Räder und Getriebe sich befanden und verdeckt
waren. Die Last wurde mit dem Kopfe der Stange gehoben, welcher, um sie erfassen
zu können, halbmondförmig war. Aber wenn man das Instrument in grösseren
Schrauben, Winden, Becherwerke.
245
Dimensionen von Holz ausführen will, um auf einem Bocke damit zu arbeiten, mu33
die Zahnstange durch das von dem Bocke unterstützte Gehäuse hindurchgehen, um
die Last vermittelst der beiden Räder und dreier Gretriebe zu heben . . . /'
In obiger Schilderung der flandrischen Maschine haben wir die älteste
Beschreibung einer Wagenwinde, wie sie noch heute von Fuhrleuten u. A.
gebraucht wird, vor uns. Pater Casparüs Schottus sagt darüber in seiner 1657
zu Würzburg erschienenen „Magia universalis naturae et artis", lib. HI, mach. V:
„Von den Hebmaschinen, welche wir bis dahin erklärt haben, ist eine besonders
kompendiöse das Instrument, dessen sich die Fuhrleute bedienen, um beladene Karren
zu heben, wenn sie in weiche Wege eingesunken sind, sowie die Winzer bei Wein-
gefässen und die Architekten bei schweren Lasten und selbst zum Heben ganzer
Häuser. Die Deutschen nennen es eine „Winde", die Franzosen „cric". Wie es
y
sSBs
aaBBB
0X
Flg. 283.
Fig. 284.
die Italiener nennen, weiss ich nicht» idelleicht haben sie keinen Namen dafür, weil
sie dessen Gebrauch nicht kennen. Gewiss ist, dass ich in dem 2^itraume von zwei-
undzwanzig Jahren, während dessen ich in Sicilien und Italien an verschiedenen
Orten lebte, nur eines zu Rom gesehen habe, welches ein Kardinal als eine Selten-
heit aus Polen mitgebracht hatte, wo er als apostolischer Legat funktionirt hatte."
In Kapitel YII beschreibt Lorini eine transportable Eimerkunst
zum Ausschöpfen von Baugruben und dergl. Zum Antriebe derselben wird ein
Rad benutzt, welches halb Tret-, halb Spillenrad ist, denn es wird folgender-
massen beschrieben:
„Den Badkranz macht man doppelt aus Brettern und setzt von einem zum
andern Sprossen ein, welche einen halben Fuss von einander entfernt sind, damit
man das Rad mit den Händen und Füssen umdrehen kann "
Von den Ketten, welche die Eimer tragen, wird gesagt:
„ . . . . Die beiden Ketten macht man in der Weise, wie aus TX (Fig. 284)
246 Baonaiuto Lonni.
ersicbdicb ist, die eisernen Stäbchen '/i' lang, d. h. ebenso lang \rie ane der vier
Säten des Quadrates der Axe, und die Köpfe hängt mau in einander, ins irenti es
dn deutscher Zirkel wäre "
In Kapitel YIII wird gezeigt, vie man vermittelst einer Kette ohne Ende,
welche über eine horizontale Welle gehängt ist und durch diese bewegt wird,
auch Erde rasch und bequem fördern kann, indem man sie in Körben
an den aufsteigenden Theil der Kette hängt und die Körbe oben durch andere
Arbeiter abnehmen, entleeren und dann an den abwärts gehenden Theil der
Kette bäjigen läeat.
In Kapitel IX ist der in unserer Fig. 285 abgebildete Apparat zum
Transportiren von Erde bei der Umwallung von Festungen beschrieben.
Die gefüllten Erdkarren werden auf einer stark ansteigenden Holzbahn ver-
mittelst eines Haspels mit Spillen- und Tretrad auf den Wall gezogen, dort
abgenommen und entleert und alsdann auf der geneigten Holzbahn wieder
hinabgelassen. Die Zuführungsbahn unten im Graben hat Fall nach der Rampe,
die Abführungsbahn oben auf dem Walle Fall nach der Entleerungstelle hin,
60 dass die gefüllten Karren auf beiden bergab laufen. Dieser Apparat bietet
besonders dadurch Interesse, dass die Balken der ansteigenden Bahn mit einer
Spur versehen sind, durch welche die Karrenräder geführt werden, während
bei dem „Hund", wie ihn Agricola beschrieb (vergl S. 129), ein Nagel zwischen
den Vorderrädern des Karrens sich in einer Nnte zwischen den Balken, welche
die Bahn bilden, führte.
Am Schlüsse dieses Kapitels sagt Lorini:
„Man kann mit Erde bcladenc Karren auch noch in anderer Weise fort-
bew^en, wenn es »ich darum handelt, die Erde aus dem Graben zu schaffen, oder
sie uns der Contrescarpc zu nehmen und über den Graben zu schaffen, nämlich auf
zwei an starken Stützpfählen befestigten und durch Handgö]>el und Flaschenzüge
gespannten Seilen, oder sonst etwas, das zur Unterstützung geeignet und leicht
transportabel ist; Alsdann müssen jedoch die Räder der genannten Karren etwas
ErdfStderuiig, Seilbtilin
m
breiter sein, als gewöhnlich, von weichein Holze und ausgehöhlt, wie die Rollen etnea
Flaschenzuges. Diese Rinne niu^ durch starke Bretter heimstellt werden, die man
auf jeder Seite anpaaat; und die Kanten müssen innen so abgeschtägt werden, dass
der Kanal nach aussen viel weiter ist, als auf dem Grunde, d. h. als die Breite des
Rades. Und um mit diesem Apparate zu arbeiten, muss man wissen, dasa der
Karren immer auf den beiden Seilen stehend be- und entladen werden muss. Ob-
gleich hieraus hervorgeht, dass das Herbeibringen der Erde, um die Karren zu füllen,
und das Verbringen derselben an ihren Bestimmungsort, nachdem der Karren ent-
leert ist, als zwei gesonderte Arbeiten behandelt werden müssen, so ist diese Arbeita-
weise doch von grossem Vortheile, weil man bei der Herrichtung des Apparalea
nichts zu thun hat, als die Seile zu spannen, tmd die Vertheidigungswerko der Festung
dabei nicht verletzt werden. Wenn die Karren oben umgestürzt werden, müssen ue
etwas über dem Walle stehen und umkippen, ohne rückwärts fahren zu können
bevor sie entleert sind; unten aber müssen sie so tief sieben, dass sie mit Schub-
karren oder anderen Instrumenten bequem gefüllt werden können, und zwar geschieht
dies vermittelst eines Steges. Das Ganze muss, wie gesagt, transportabel sein und
leicht von einem Orte zum anderen bewegt werden können."
Dies ist die älteste Nachriebt von einer Seilbahn*).
In Kapitel X wird das in Fig. 286 dargestellte Becherwerk mit eigen-
thünilichem BewegungamechaDismus beschrieben. Die Bescbreibang
beginnt mit folgenden Worten:
„Wenn mit der Kraft zum Heben des Wassers ein Rad oder Schwungrad In
geeigneter Weise verbunden wird, so dass es vermöge seiner Bewegung oder Schwere
*) Abgesehen von der ganz primitiven, die sich in den Dsehfolgenden
der Zeit der Hussitenkriege* findet.
.äkizz
248 Buonkiuto Lorini.
die Kraft unterstützen kdtin, so vird eine solche Vorrichtung uim WuKtlirfMn aenr
l«cht geben und von grosBeni Xutzen sein. Und dies um so mehr, wenn wir »le
□ach dem Principe anordnen, den ganzen Druck der Schwere der beweglichen Maschinen-
Iheile, sowie des zu hebenden Wassers auf «meine Punkte xu redudien (d. h. auf
dünne Brehzapfen vertheilen) .... Zu diesem Zwecke wird das Schwungrad von
Blei mit einer eisernen Spindel veneben (Fig. 28ß) .... E« ist jedoch darauf
hinsuweisen, daae das obere Ende dieser Spindel nicht aus der Zeichnung «Mlchtbch
isl; weU diese von d^n unteren Balken so gehalten wird, dass ihr oberes Ende die
Scheibe oder das kleinere Zahnrad aufnehmen und dieses sich mit dem 6chwung»»de
frei bew^jen kann, während der obere Balken dam dient, die auf dem in da- Zeich-
nung sichtbaren Zapfen sitzende Zange zu halten. IXe an dem äuaseren £nde des
Hebels angreifende Kraft öffnet und schliesst die Zange, wobei je ein Sperrhaken
an den Enden derselben den eisernen Zahnkranz fortstöset und auf die« Weise die
Scheibe und das Schwungrad in Bewegung setzt, wie es in einem späteren KafHiel
gezeigt werden wird "
In Kapitel XXI wird nämlich mit Hilfe einer Zeidmung in rergrüsaertem
Massstabe, die wir in Fig. 287 wiedergeben, der hier angewendete Bewegungs-
mechaaismus ausführlicher erläutert
Es ist ein doppeltwirkendes
Schaltwerk, und da wir einem
derartigen Mechanismus bei keinem
Siteren Autor begegnet sind, so
scheint es, daes LoniM, der ihn
empfiehlt, um die Kraft m^lichst
" -J gleichmässig auf das Rad wirken
zu lassen, der Erfinder desselben ist.
Das Becherwerk an diesem
Apparate zeichnet sich dadurch aus,
dass die jeweilig mit den gefüllten
Bechern belasteten Theile der schräg
ansteigenden Ketten von drei um
Zapfen leicht drehbaren Trommeln
getragen werden, und dass die
Becher gleichzeitig zwischen zwei schräg ansteigenden Balken des Gestelles
geführt und an seitlicher Verschiebung gebindert sind. Auf den beiden Ketten
sind Brettchen, wie ans Fig. 284 ersichtlich, nnd auf diesen die Becher
durch Oesen und Schliessen eo befestigt, dass sie leicht ausgewechselt werden
können, wenn sie schadhaft geworden sind.
In den KapitelnXI bis XIV werden Wasserpumpen beschrieben, welche
die Eigenthümlichkeit haben, dass das Wasser durch den Ventilkolhen in den
Pumpenkörper eintritt, wie aus Fig. 288 ersichtlich ist, wo der Pumpenstiefel
im Wasser hegt, während er in Fig. 289 stehend, mit dem offenen Ende nach
unten gekehrt, angeordnet ist. Auch ersieht man aus Fig. 288, dass sich
LoBiHi des schweren Pendels bedient, welches Besscv empfahl {vergl. S. 191).
Doppelt wirkondea Spaltwerk, gestOrzte Pumpen
2tö
Kapitel XVI handelt von den Kammmascbinen uml lautet folgender-
massen:
„Aut Terschiedene Arten kann man in Flüssen cxler anderen Gewässern oder
in eumpfigem Terrain Pfähle änrammen, um Fundamente für Brücken oder Schutz-
wehren herzuBtellen, doch ist der Apparat, welchen man das Gerüst mit dem Ramm-
bär (castello co'l maglio) nennt, der gebräuchlichste, welcher mit Eciner Brsjb auf
flache Barken oder das Terran gestellt, durch die Kraft von 26 his 30 Mann in
Tbätigkeit gesetzt wird, von welchen jeder an einer Leine zieht, deren eines Ende
in ein starkes Seil übergeht, welchem oben über eine Holle läuft und mit dem anderen
Ende unten an den Ring des Rammbären befestigt isL Hierbei arbeitet man mit
grossen Kosten und die Arbeiter werden sehr ermüdet. Deshalb habe ich gedacht,
vermittelst desselben Gerüstes, aber mit anderer Hebelübersetzung
und Kraft den Rammbär zu beben, die Kosten für so viele
Menfichen zu vermeiden und denselben Effekt oder selbst einen
besseren durch die Bew^ung und Hebelkraft eines Schivungiades, die
Verthcilungdes Gewichtes durch Rollen uud die Art der Aufhängung
des Rammbären zu erreichen. Es sei {OF) (Fig. 290) der Durch-
messer des Schwungrades von sehn Fuas*), welches ai<ji mit seinen
Armen auf die Welle {A) stutzt. Diese ist zu beiden Seiten durch
Pfosten (B) aut der Basis des genannten Gerüstes unterstützt,
welches man aus der Z^cbnung ersieht (K) ist der Rammbär, au
dessen Ring {J] das Ende des Seiles befestigt ist. Oben in der
Höhe (R) geht dieses über die Rolle {S) und an seinem Ende
ist eine Rolle befestigt, in welche sich ein zweites, dünneres Seil
legt^ das mit seinem einen Ende bei (L) an dem Fussgestelle an-
gebunden wird, während das andere sich um die Welle {A)
schlingt. An dieser stehen auf jeder Seite zwei Mann und
drehen das Rad vermittelst der Kurbeln (DE). Ein anderer
Mann foast mit seiner rechten Hand den Seillrum {H) uud indem er ihn In
der Kichtung anzieht, in der die Welle sich dreht, hebt «eh Atx Rammbär bb
zur gewünschten Höhe. Sobald es aber dem Arbeiter passend erscheint, den
Rammbär fallen zu lassen, um auf den Pfahl zu schlagen, wirft er den Seiltrum,
den er in seiner linken Hand angesammelt bat, über die Welle hinüber, während
*) Ein vouetianiBclier Fuss war gleich 34'/* cm>
Rg. !8».
^0 BuoDoiato LorinL
er das Ende festhält, und giebt so den Schlag. Durch wiederholtes Anziehen ecfalSgt
er den Pfahl nach trcinem Gefallen ein. AVas die Kraft dieses Apparates betrifft, so
ivige icb: Da vier Mann an den beiden Kurbeln stehen und jeder eine Kraft ron
40 Pfund ausübt, und da der Kurbelhalbmeseer um ein Drittel grösser ist, als der
Halbmesser der Welle, so üben sie zusammen eine Kraft von 212 Pfund aus (richtiger
wäre: 213 Pfund), und brä dem Hebelanne des Schwungrades, welches ich von Blei
annehme und von gehörigem Gewichte, nämlich gleich dem des Rammbären, können
wir annehmen, dass die Kraft um die Hälfte vermehtt winl, was 303 Pfund macht
(212 X '/« iflt eigentlich = 318), und weil die Spannung an der Biütae [L) eben^
gross sein wird, so werden die Arbeiter mit dem Rade eine Zugkrnft von 606 Pfund
auf die Rollo ausülwn, und so schwer könnte man den Ranmibär machen; doch
genügt CS, wenn er 400 Pfund wiegt. Wenn man will, dasa der Rammbär allein
herunterfallt und das Seil nur die Auslös uiigs Vorrichtung {NP} zurückhält, inuss man
ersteren so machen, wie man bei (M) sieht, wo in das Loch in der Mitte der eiserne
Haken (P) sich einaetet; (abc) ist das Eisen, welches den Rammbär erfasst, (rf) der
EunstrH
Lie, Baggeimasciline.
^
Ring oder Bügel und (e) der BolzeB, um diese beiden Thcile an ihrem Orte so teet-
zuhalten, wie sie hei (QNOP) mit der Feder (U) darunter zu sehen ist. (TV)
siod die Führungen, welche denen am Rammbäre gleich und. Auch sieht man das
Zugseil (in unserer Zeichnung ist es weggelassen) und die bei (Q) angebundene Leine
in der Figur. Wird diese Leine von unten angezogen, so fällt der Rammbär herab,
und wenn man dann die Auslösungs Vorrichtung berunterlässl^ erfasst sie den Kamm-
bär seihet thätig wieder."
In Kapitel XVII wird eine ArtBaggermaschine (Fig. 291) beschrieben
■wie folgt :
„Die Städte, welche die Wohlthat eines schiffbaren Hafens geniessen, sind
wegen der Bequemlichkeit und dem allgemeinen Vonheile, den ein solcher gewährt,
von der Katur sehr begünstigt Deshalb ist es aber auch Pflicht, diese Bequeinlich-
k^t durch Kunst zu erhalten und zu vermehren. Man erreicht dies hauptsächlich
dadurch, dass man die Hefe seines Wassers erhält, damit die Schiffe nicht nur
bequem, soudcm such sicher darin veiweilen können, und darum ist es nothwendig,
gute Vorrichtungen, wie die gegenwärtige, für diesen Zweck herzustellen. Diese habe
ich in einer Zeichnung darstellen wollen, weil sie mehr als irgend eine andere nütz-
lich und leicht zu handhaben ist, obgleich nichts weiter von mir daran erfunden ist,
als die Schaufel oder doppelte Zange und die Vergrösserung des Hebels. Dieselbe
ist unter andern im Gebrauche, um die Kanäle von Venedig auszubaggern (cavare).
Der Apparat wird auf eine lange, viereckige Fähre gestellt, wie sie am bequemsten
und sichersten ist, um ihn auf dem Wasser zu tragen. Darauf steht in der Mitte
des Verdeckes die Schraube (AB), welche durch die Mutter (C) geht. Diese ist in
2S2 UuoDkiato Lariat
dem Hebel (CB) gelagert, welcher auf der Axe {FG) nibl, die von den Tfadlen
(J* und G) gestützt wird. An das Ende b« (B) «erden zwei senkrechte Hölier
{BXf und {VS) gehängt, an deren unteren Enden man die Tbeile der Zange auf-
hängt, welche doppelte Anne {MH) von gleicher lÄnge hat Dann ai^t man die
beiden Streben {Tq) cur Verstärkung häm Oeffnen und Schliesaen der Zange. Was
die Handhabung betrifft, so wird die Zange ao geöffnet, wie sie abgebildet ist, auf
den Grtind herabgelasäen, wobä die lÄnge ihres Hebelannes {BT) durch den Aus-
schnitt (Oj hindurchgeht Dann wird mit dem Göpel {ß) das Ende des Sälea (/}
angezogen, welches durch die Rolle (S) gehen muss (eigentlich müsste es von der
Rolle (d) aus erst über die Axe des Balancien laufen, damit es während der Be-
wegung des letzteren ohne Nachhilfe immar ^eichmäoMg gespannt bliebe) und über
die Rollen (X) und {,R) läuft, sowie über dne solche auf d» anderen Seite, welche
man in der Zeichnung nicht sieht, um die Zange zu acbliessen. Diese greift mit
Quem ^laule unter den Schlamm und füllt eich, da äe sich nicht heben kann, weil
der Hebel {CB) Ton der Schraube unbeweglich festgehalten wird. I^t die Zange
geschlossen und dreht man die Schraube {AD) durch ihre Hebel (Q), so wird das
Vermin, die gefüllte Zange zu heben, aus der Proportion gefunden, welche zwischen
der Kraft in (C) und d«u Gewichte in {B) bei der Drehung um die Axe {FG)
besteht, und aus der Vergrösserun^ welche es durch die Schraube und ihre Hebel
erfährt Wenn die Zange gehoben und der Transport nocheu darunter gefahren ist,
öffnet man sie mit dem Göpel iß). Man muss aber darauf achten, daas an der
Seite bei {J) ein Ajihallepuukt, etwa ein eingerammter Pfahl sein muss, damit der
Apparat nicht zurückweichen kann, und dass der grosse Kasten (die Fähre) am
vorderen Theile bei {t\ wo die Last hängt, viel höher ist, als hinten bei {^). Will
man den genannten Göpel, wegen der Unbequemlichkeit infolge des grossen Raumes,
den er für die Arbeiter beim Unidrebcsi beansprucht, nicht anwenden, so kann man
ein Zahnrad auf einer Welle gebrauchen, au welcher man das Ende des Seiles ver-
mittelt eines Hakens befestigt, welches Rad man durch ein Getriebe und Kurbeln
imidreht "
In Kapitel XVIII wird einePalvermühle beschrieben, deren eigentbfim-
Itcher Bewegungsmechanismas zum Heben der hölzernen Stempel aus Fig. 292
ersichtlich ist. Am Schlüsse des Kapitels wird aber gesagt:
„Wenn man die Anfertigung des genannten Hebels mit der Schnur (welche
fiber eine Rolle läuft und den Stempel in der Mitte seines oberen Endes erfasst)
Stampf werk, um 90® verstellte Schubstangen. 253
vermeiden will, so kann man die Stempel länger machen und oben einen jeden mit
einem Arme versehen, so dass die Axe, wenn sie nun in entgegengesetzter Richtung
umgedreht wird, mit dem Hebedaumen den Stempel in derselben Weise heben und
herabfallen lassen kann, was dann freier geschieht und viel besser ist, namentlich^
wenn man an dem Ende des Hebedaumens eine Rolle anbringt, welche umlaufen
kann tmd beim Heben des Stempels keinen Widerstand leistet'*
In der zuletzt angedeuteten Weise wurde der von Agricola angegebene
Fallhammer (Fig. 180, S. 160) betrieben.
In den Kapiteln XIX und XX beschreibt Lorini Getreidemühlen für Hand-
betrieb. Bei der ersten sitzt ein Schwungrad auf einer horizontalen Kurbel-
axe, deren Bewegung durch eine Winkelräderübersetzung wie 1 : 3 in's Schnelle
auf die Mühlspindel übertragen wird. Bei der in Kapitel XX beschriebenen
erfolgt die Bewegung durch einen in einer Horizontalebene schwingenden Hand-
hebel. Durch Flügelstange und Kurbel wird dessen Bewegung in Drehung einer
vertikalen Axe umgesetzt, welche ein Schwungrad, wie das in Fig. 286 dar-
gestellte trägt. Durch Stimräderübersetzung wie 1 : 2 in's Schnelle wird die
Bewegung von dieser Axe auf die Mühlspindel übertragen.
In Kapitel XXI wird das Schwungrad als das beste Mittel bezeichnet,
um bei Anwendung animalischer Kräfte eine Maschine in eine Bewegung von
ähnlicher Gleichmässigkeit zu versetzen, wie sie beim Betriebe mit Wasser-
rädern erreicht wird; doch, sagt Lorini, sei es schwer, eine animalische Kraft
(namentlich bei Handbetrieb) gleichmässig auf das Schwungrad wirken zu lassen.
Dies werde am besten durch die bei Beschreibung von Fig. 286 erwähnte und
in Fig. 287 in vergrössertem Massstabe abgebildete doppeltwirkende
Schaltung erreicht, sowie auch durch die in Fig. 293 dargestellte Anordnung,
bei welcher die Bewegung von zwei Hebebi durch zwei in ihren mittleren Lagen
rechtwinklig zu einander stehende Flügelstangen auf eine Kurbel übertragen
wird. Auch der Idee, auf welcher diese zweite Anordnung beruht, sind wir
bei keinem früheren Autor begegnet, und müssen sie daher als eine Erfindung
LoRiNi's betrachten. Denn wo wir vor ihm Doppelkurbeln angewendet fanden,
waren sie um 180^ gegeneinander verstellt.
In den letzten Kapiteln seines Werkes bespricht Lorini transportable
Pontonbrücken und zusammenlegbare Leitern, wie sie sich schon bei Robertus
Valturius a. a. 0. abgebildet finden.
Giambattista della Porta (1538-1615).
GunB&TTisTA DTi.i \ PoRTA. SOS altadelieem Geschlechte mn 153S za
Neapel geboren, wurde mit seinem Bruder Vckcctt unter der Leitung eines
Oheims, der sehr unterrichtet war. erzogen. Beide Brüder beseelte gleicher
Eifer für das Stadium der Naturwissenschaften, und sie blieben für ihr ganzes
Leben die treuesten Getahrten und Freunde. Nachdem GiAM&imsTA sich früh*
zeitig, namentlich durch das Lesen der Werke alter Naturforscher, gebildet und
alle Quellen, die Neapel ihm für sein Studium bieten konnte, erschöpft hatte^
reiste er durch Italien. Frankreich und Spanien, wo er Bibliotheken darck-
forschte, durch Unterredung mit Gelehrten. Künstlern und Handwerkern sich
weiter zu bilden suchte und riele Notizen zur späteren Verwerthuw sammelte.
In seine Vaterstadt zurücksekehrt. wurde er Mitbegründer der Akademie der
•«!>tiosi* und errichtete kurze Zeit darauf in seinem Hause diejenige der
•Secreti*. in welche Niemand aufgenommen wurde, der sich nicht durch eine
nützliche Entdeckuu oder Erfindung auf dem Gebiete der Naturwissenschaften
angezeichnet hatte. Des geheimnisiSToUen Namens wegen w::rJe diese Gesell-
schalt bald der Zauberei verdächtigt und ihr Grönder und Leiter naA Rom
Toreeladen. um sich zu rechuertigen. Infolge des gro>§sen Rufes, den er sich
in der Geie'-rtenwelt erworl^n hatte. gelaK ihm dies leicht: doch k5>ste Papcst
Paul IIL die Akademie der .Secreti* auf und Porta musste ihm Tersprechen.
<icL fir die Folee unerlaubter Künste zu enthalten, was ihn icdess nicht ab-
fcifh. a-ch :Vmer physikalische Studien in seiner Heimath ra pde^n.
Schon IcoS. im n-e:inzchn:en Lebensjahre unseres A-:ors. erschien zu
Near-rl dir ri^:-? Audi^e >einTrr .M^^ljk naturalis*, die jrdvvh ■^*^*^ nur ass
drei Fü/i-r:: :*r>::in-i. Einiinddrvissii: Jahre SMter lC>.Sv» cib er dassribe
Werk erw-fitcn in nranzig B.l:irni hfra:is. In difSier TjüsTinüren Atisabe
indrii sich rici: zlit SeziTrk-rCSWrnhe F:r>ch::ni?rn über «>r::£. die den Ver-
fasser :i:i:rr iniTrr=i nr Err:Lizr:z drr Ciziera rbscuri zzi:,r:^:i ;ind ihn der
Erizi-::irj: irs Ffnr:hres s^hr z^if br:i:h:en. s:-irm auch eize fjx jene Ze;t
sehr T:.;ii:n:ziTi:T AV:anil:iiL£ über MaznrtisziiiSw
Lebensbeschreibung, Aeolipyle. 255
Später verarbeitete Porta einzelne Abschnitte seiner ^.Magia naturalis^
zu selbständigen Traktaten, welche weitere Deduktionen aus den dort aufge-
stellten Lehrsätzen enthalten. Von diesen werden wir ;,Pneumaticorum libri IIP,
Neapel 1601, im Nachstehenden näher betrachten. Sein Traktat „De aeris
transmutationibus^, Rom 1604, ist die vollständigste Meteorologie jener Zeit,
und seine Bemerkungen über Ebbe und Fluth nach Beobachtungen, die er zu
Venedig gemacht hatte, sind fast die ersten, welche wir über diesen Gegen-
stand besitzen.
Trotz seines Hanges zum Wunderbaren und vieler naiver Anschauungs-
weisen, die unseren Autor als Kind seiner Zeit beherrschten, leistete er den
Naturwissenschaften grosse Dienste und trug zur Verbreitung des Geschmackes
an ihnen mehr bei, als irgend einer seiner Zeitgenossen ; nicht nur durch seine
Schriften, sondern auch dadurch, dass er jedem Freunde der Wissenschaft den
Zutritt zu seinem reich ausgestatteten physikalischen Kabinette gestattete.
Porta starb in seiner Vaterstadt am 4. Februar 1615 und wurde in einer
Kapelle, die er in der Kirche des heiligen Laurenzius hatte errichten lassen,
beigesetzt.
Aus seiner ;,Magia naturalis^ haben für uns nur wenige Abschnitte des
neunzehnten Buches hier Interesse.
Im dritten Kapitel wird zunächst gelehrt, dass ein Gefäss, in dem die
Luft durch Wärme verdünnt, und das mit der Mündung in Wasser getaucht
worden ist, dieses ansaugt, während die darin befindliche Luft sich abkühlt.
Es entspricht dies in der Wirkungsweise dem Schröpfkopfe, den schon Heron
der Aeltere um 120 v. Chr. beschrieben hatte. (Vergl. S. 8.)
Dann wird die Aeolipyle besprochen, die Vitrüv im sechsten Kapitel des
zweiten Buches seiner ;,Architectura^ erwähnt, wo er von den Winden spricht
und sagt:
„Der Wind ist eine strömende Luftwelle mit unbestimmt überfluthcnder Be-
wegung. Er entsteht, wenn Hitze auf Feuchtigkeit trifft und der Andrang der Er-
wärmung einen gewaltig wehenden Hauch herauspresst Dass dies der FaU ist, kaun
man aus den ehernen Aeolipylen (Luftgefässen) ersehen und so hinsichtlich der ver-
borgenen Gesetze des Himmds durch künstlich erfundene Dinge die göttliche Wahr-
heit erkennen. Man macht nämlich eherne, hohle Gefässe, die eine möglichst enge
Oeffnung haben. Durch diese werden sie mit Wasser gefüllt und dann stellt man
sie an's Feuer. Bevor sie warm werden, zeigt sich keinerlei Hauch, sobald sie aber
anfangen, sich zu erhitzen, bewirken sie am Feuer ein heftiges Blasen, und so kann
man aus diesem kleinen Schauspiele Kenntniss imd Urtheil über die grossen, unermess-
lichen Naturgesetze erlangen."
Von der hier zu Grunde liegenden Ansicht, dass das aus erhitztem Wasser
aufsteigende Gas atmosphärische Luft sei, geht auch Porta aus.
Schon Heron sagte:
„Das Wasser, wenn es von dem Feuer umgewandelt wird, geht in Luft über.
Die Dämpfe aus erhitzten Tiegeln sind nichts Anderes, als ausgedehnte Flüssigkeit,
die sich in Luft verwandelt hat, denn das Feuer löst alles Dichte auf und wandelt
es um."
256 GiamUttistm della Porta.
Und diese Ansicht hat sich bis gegen das achtzehnte Jahrhundert er-
halten. Nichtsdestoweniger ist die Aeolipjle, welche früher in keinem physi-
kalischen Kabinet fehlte, von historischem Interesse, weil sie allmälig zu besserer
nnd allgemeinerer Kenntniss der Dampfkraft führte. So bespricht beispiels-
weise schon Albertus Magnus (geb. tun 1200 zu Lauingen in Schwaben als
Albrecht Graf yon Bollstäot) in seiner Abhandlmig .,De Meteoris'' fib. IV,
cap. m die Art, wie man durch Dampf die Elntstehung eines Erdbebens an-
schaulich machen könne, mit folgenden Worten:
^an hat ein starkes Gefiss von Erz, das eine Oeffnung im Kopfe und eine
im Bauche hat und auf Füssen steht Es wird mit Wasser gefüllt, die Oeffnungen
weiden verstopft, und dann stellt man es an's Feuer. Es entsteht Dampf im Gefasse
und dieser ninunt imm^ mehr an Starke zu, bis er durch dne der Oeffnungen
gewaltsam herausbricht und das Wasser weit über die umliegenden Dinge hinans-
stösst Oder wenn es unten herausbricht, schleudot es durch die Gewalt des Dampfes
Brände, Kohlen und heisee Asche weithin. Man nennt ein solches Ge&s „snfflator"
und giebt ihm gewöhnlich die Grestalt eines blasenden Mannes.'^
Doch möchten wir hier auch an die Dampfkanone erinnern, die sich in
den Skizzen des Leonardo da Vixa findet, und welche dieser als eine Erfindung
des ARcmMEDEs bezeichnet (vergl. S. 99), und möchten auch darauf aufmerk-
sam machen, dass AyniEMirs aus Tralles, der Erbauer der Sophienkirche in
Konstantinopel, im sechsten Jahrhundert n. Chr. schon besser ein Erdbeben
durch Dampfkraft nachzuahmen verstand, als Albertus 3Iagnts.
Der byzantinische Historiker Agatkas, der unter Kaiser Justinian lebte
und eine Geschichte jener Zeit geschrieben hat, erzahlt (nach der lateinischen
Uebersetzung des Bconavextcra Vclcakius, Paris 1660) im fünften Buche dieses
Welkes von Ayrmoiius und dem Redner Zexo, die mit einander im Streite
lebten« Folgendes:
JZeso hatte ein hohes Bbuis, sehr geräumig und schön und sorgfiltig ans-
geschmückt» worin er selbst oft verweilte und gute Freunde als Gaste zu empfangen
pfl^Ste. Aber die unteren Wohnräume desselben, gleicher Erde, bildeten xom Tbeil
das Haus des A^cthehius» so dass die Decke dazwischen einestheik eine AbdjKhmi^
andeientheils eine Basb (für das darüber li^ende Stockwerk des Zeso) war. Hier
nun stellte er grosse, mit Wasser gefüllte Kessel in verschiedenen Räumen des
Hauses auf. Diese umgab er aussen mit ledernen Röhren, und zwar waren ae an
ihrem unteren Theile so weit, dass sie den ganzen Umfang des Kessels umscUossen,
Ainn nach Art von Trompeten in oigere Form übergeführt und im ricbt^en Ver>
haltniss verlaufend, befestigte er ihre Enden an den Balken und Bretten, laad heftete
$ie so genau an, dass die von den Röhren aufgenommene Luft (Dampf) zwar ans
frwm Antriebe aufstieg; indem sie in deren Höhlung in die Höhe stzeble ond an
die nackte Dachfläche anstiess^ soweit sie es bei der Umschliessung mit Leder vcr-
mochte« nach ansehen aber auf keine Weise entwich oder durchbrach. Nachdem dies
im Geheimen hergerichtet war, brachte er ein machtiges Feuer unter den Boden der
Kessel und erzeugte eine grosse Flamme. Allmälig wurde aus dem siedenden, wallen-
den Wasser viel Dampf (vapor> ennnckelt. der ebenso schnell als dicht in ^m Höba
stieg. Und da er keine Gelegenheit zum Ausströmen batte, wurde er in die Röhre
secrieben und strebte, durch die Enge zusammengepresst» mit um so gröcsserer Gewall
aufwärts, bis er mit heftigem Anprall an die I^ke stiess und das Oninie ersekattert
und bewegt wurde, so dass die Balken allmälig zitterten und knarrten. Dia
Kenntniss der Dampfkraft im Alterthum, Spritzflasche. 257
bei Zexo waren, wurden von Furcht und Schrecken ergriffen und h'efen, die (Jotter
anrufend, laut schreiend imd von der Schwere des Unglücks erschüttert auf die
Strasse "
Es wird auch erzählt, wie Anthemius seinen Feind noch durch künstliche
Blitze und Donner erschreckte; doch wollen wir zu unserem Thema zurückkehren.
Während bei der von Vitrüv beschriebenen Aeolipyle die Oeflfnung noch
eben gross genug sein musste, um Wasser eingiessen zu können, sagt Porta,
man solle sie sehr fein machen, und wenn es alsdann zu schwierig sei, das
Wasser einzugiessen, solle man das vorher besprochene Experiment anwenden,
um die Aeolipyle zu füllen, d. h. man solle sie erst erwärmen und dann in
Wasser tauchen, damit sie beim Erkalten der eingeschlossenen Luft Wasser
ansauge. Auf diese Weise findet man die Aeolipyle bei späteren Schriftstellern
meist beschrieben.
Der folgende Abschnitt ist überschrieben: ;,£in Gefäss, welches Wasser
fortschleudert" und lautet:
„Es wird bei uns ein Gefäss von pyramidaler Form und mit sehr enger, läng-
licher Mündung feilgeboten (circumfertur), womit Wasser in die Ferne geschleudert
wird. Damit dieses durch die Mündung Wasser einziehe, sauge man mit dem Munde
nach Kräften Luft aus und tauche die Mündimg plötzlich imter Wasser. Dann
zieht es das Wasser so lange an, bis dieses den dritten Theil ausfüllt Wenn Du
willst, dass das Wasser in die Feme geschleudert werde> fülle das Gefäss mit Luft,
indem Du so stark, als Du kannst, hineinbläst. Neige die Mündung des Gefässes,
sobald Du sie vom Munde thust, so dass das Wasser in sie hineinläuft und ein
Hindemiss bildet, so schleudert die Luft, indem sie herauszuströmen sucht, das Wasser
weit fort Wenn Du aber ohne Heranziehung der Luft das Wasser in die Feme
schleudern willst, erhitze den Boden des Gefässes ein Weilchen, denn die ausgedehnte
Luft verlangt einen grösseren Raum, und indem sie sich auszudehnen strebt, treibt
sie das Wasser heraus. Auf diese Weise machen die Tmnksüchtigen ein kleines
Loch in das Weinfass, und weil der Wein nicht herausläuft, indem das Spundloch,
durch welches Luft eintreten sollte, durch einen Stöpsel verschlossen ist, blasen sie,
so stark sie können, in jenes Loch, und sobald sie von ihm zurücktreten, fliesst so
viel Wein aus, als Luft eingeblasen wurde.*^
Die hier beschriebene Flasche ist eine unvollkommene Form des soge-
nannten Heronsballes (der Spritzflasche). Offenbar fehlte die beinahe bis zum
Boden herabreichende Spritzröhre, weshalb die verdichtete Luft nur Wasser
fortschleudern konnte, wenn das Gefäss so geneigt wurde, dass das Wasser in
die Mündung trat; aber immerhin muss man den Apparat als eine Art Herons-
ball betrachten.
Bekanntlich hat sich Arago seiner Zeit bemüht, Salomon de Gaus zum
Erfinder der Dampfmaschine zu machen. Der Apparat zum Heben des Wassers
durch Feuer, den dieser beschreibt, stimmt mit dem überein, den man erhält,
indem man einen Heronsball so erhitzt, wie es Porta hier angiebt.
Die übrigen Gegenstände des neunzehnten Buches der „Magia naturalis^,
die für uns Interesse bieten, sind in dem Traktate ;,Pneumaticorum libri IIP'
ausführlicher und besser behandelt, weshalb wir uns zu diesem wenden. Es
liegt uns die italienische Uebersetzimg, welche 1606 zu Neapel erschienen ist, vor.
Beck. 17
258
GiambattisU dellm Porta.
Das erste Bach enthält Betrachtungen über das Yaknum, das Gleich*
gewicht Ton Flüssigkeiten und den Heber.
Im ersten Kapitel des zweiten Buches wird gesagt:
„Wenn wir Wasser um 100 Fuss*) heben wollen, so a« (DC) (Fig. 294) ein
hochgestellleä Geias?, in welches das Wasser ans einem um 100 Fuss tiefer striienden
ersten Crefasse (AB) zu stetgien habe. Es sei {BC) eine Röhre^ wddie so weit
zum Boden des Gefasses (AB) herabreicht, dass das Wasser nodi eben nadi dem
Gelasse (CD) ablaufen kann. Sie sei mit dem Gefasse {CD) veriöthet. Der andere
Schenkel des Hebers, d. L die Röhre mit dem Gefasse {EF) gehe von demsdben
Deckel nach abwärts und sei oben veriöthet Femer gehe eine ebentsUs lOO' lange
Röhre von dem Boden des Ge&ses (EF) senkrecht herab und sei zum beliebigen
Schliessen und Oeffnen bei ihrer Einmündung mit einem Hahne (F) versehen. Auf
Fig. 2M.
Fig. 205.
dem Gefässe (EF) sei ein Trichter (H) mit Hahnen verschluss, durch welchen wir
es mit Wasser füllen können. Man fülle die beiden Gefä.^se (AB) und (EF) und
verschliesse den Hahn (H), dass er keine Luft einläs&t Wird dann der Hahn (F)
geöffnet imd das Wasser beginnt durch den Kanal (FJ) abzulaufen, so sucht das
Gefäss (EF)y da es die durch das Wasser entstandene Leere mit Luft wieder füllen
muss, diese auf jedem Wege und zieht daher die Luft aus der Rohre {ED) und
diese zieht sie aus dem Gefässe {CD). Ist aber die Luft aus (CD) gesogen, so
wird das Walser gezwungen, von seinem Orte aus gegen seine natürliche Neigung
*) Im Texte steht 100 palmi anstatt 100 piedi, was aber, wie ans dem Nachfolgenden
hervorgeht, ein Schreib- oder Druckfehler ist. — In den Figuren des vor uns liegenden Werkes
stimmen die Bachstaben sehr häufig nicht mit denen im Text überein oder sind in diesem
fehlerhaft. Wir haben uns erlaubt, diese Buchstabenbezeichnnngen in Uebereinstimmung su
bringen.
Einfache hydraulische Saug- und Druckapparate. 259
in die Höhe zu steigen und einen hoher gelegenen Ort einzunehmen^ So gelangt es
in das Gefass (CD). Und wenn aus dem Gefässe (EF) alles Wasser ausfliesst,
zieht es ebensoviel Wasser aus dem Gefässe (A JB), welches nach (CD) gelangt und
dort verbleibt Wenn wir dann das Gefäss (DC) öffnen, können wir uns des
Wassers zu unserem Gebrauch bedienen und haben erreicht, was wir uns vorge-
nommen hatten. Die Druckhöhe (il perpendicolo) des herabfliessenden Wassers sei
100', so wird es durch die Röhre (BC) auf dieselbe oder auf eine um Weniges
geringere Höhe steigen "
Im zweiten Kapitel weist Porta darauf hin, dass Heron der Aeltere in
Kapitel 53 seiner „Pneumatica" einen ähnlichen Apparat beschreibt, aber nicht
angiebt, dass die Länge der Ausflussröhre mindestens ebenso gross sein muss,
wie die Steigröhre, während die Abbildung vermuthen lässt, er habe es für ge-
nügend gehalten, wenn das Wasser nur etwas tiefer abfliesst, als das anzu-
saugende Wasser steht. „Daher", sagt Porta, „irrt Heron. Doch könnte man
auch sagen, Heron habe nicht geirrt, aber die Abbildung sei falsch." Letzteres
ist um so wahrscheinlicher, als diese Abbildungen erst im sechzehnten Jahr-
hundert von Bernhard Baldo oder von Federico Commandino dem Texte beige-
geben wurden. Dies thut indess dem Verdienste Porta's keinen Eintrag, die
nothwendige Länge der Abflussröhre für solche Apparate annähernd festgestellt
zu haben. Unbekannt war ihm dagegen der erst von Toricelli (1643) entdeckte
Atmosphärendruck^ durch welchen das Wasser in die Saugröhre emporgetrieben
wird, und der höchstens ein Ansaugen auf etwa 10 m gestattet, während der
horror oder metus vacui, wodurch die früheren Physiker das Ansaugen er-
klärten, als unbegrenzt gedacht wurde. Unbekannt war imserem Autor auch,
dass bei dem in Rede stehenden Apparat die gehobene Wassermenge wegen
der Elasticität der eingeschlossenen Luft eine geringere ist, als die ausgeflossene.
Und es scheint ihm auch nicht klar gewesen zu sein, dass das obere Gefass
{D C) nur dann um die Länge der Ausflussröhre höher gestellt werden darf,
als das untere Gefäss (AB)^ wenn dieses stets gefüllt erhalten wird, dass es
anderenfalls aber um so viel tiefer gestellt werden muss, als der Wasserspiegel
in (A B) während der Thätigkeit des Apparates sinkt. Sein Glaube, dass der
Apparat seinen Angaben gemäss funktionire, konnte nur daraus entspringen, dass
€r, wie LoRiNi sagt, auf die Leichtigkeit vertraute, womit kleine Modelle arbeiten.
In Kapitel HI weist Porta darauf hin, dass Herox auch bei dem ge-
wöhnlichen Heber mit Ansaugegefäss versäumt hat, zu sagen, dass die Ausfluss-
röhre des letzteren dieselbe Länge haben muss, wie der aufsteigende Schenkel
des Hebers.
Kapitel IV zeigt, „wie Wasser durch Verdrängung in die Höhe getrieben
werden kann". Sind die Gefässe {AB) und (EF) (Fig. 295) mit Wasser ge-
füllt und wird der Hahn bei (B) geöffnet, so fliesst das Wasser von (AB)
nach (D C), und die in (D C) und (E F) komprimirte Luft drückt das Wasser
yoii (EF) nach ((?^), vorausgesetzt, dass die Wassersäule zwischen (JB ^) und
(DC) gleich der Druckhöhe zwischen (EF) und (GH) ist oder etwas höher.
17*
2G0
Giambattista della Porta.
In Kapitel Y wird darauf hingewiesen, dass Heron auch bei Apparaten
dieser Art, insbesondere bei dem sogenannten Heronsbnumen, versäumt hat,
die nöthige Druckhöhe anzugeben oder zu berücksichtigen.
In Kapitel VI wird ausgeführt, dass bei den beschriebenen Apparaten
die Länge der Röhren, sofern sie ohne Einfluss auf die Druckhöhe ist, die
Wirkungsweise des Apparates nicht beeinflusse, was jedoch wegen der Elasti-
cität der eingeschlossenen Luft bezüglich der Fördermenge bei gegebener Be-
triebswassermenge nicht ganz richtig ist.
In Kapitel YII wird gezeigt, wie man durch Kombination (Fig. 296) eines
Druck- und eines Saugapparates, wie beschrieben, Wasser auf das Doppelte der
iir
SSL
-/£
Fi«. 296.
fl
Fig. 297.
PU
Gefällhöhe des Betriebswassers emporheben kann. Es geschieht dies in der
Weise^ dass der eine Apparat das Wasser nach dem hochstehenden, ganz ge-
schlossenen Gefässe hindrückt, während der zweite die Luft aus demselben saugt.
In Kapitel VIII wird darauf hingewiesen, dass bei dem Saugapparate das
Betriebswasser ins Freie und nicht etwa in ein geschlossenes Gefäss ausströmen
muss, um seine Wirkung zu thun.
In Kapitel IX wird eine Kombination von zwei Saugapparaten zu dem
in Kapitel YII angegebenen Zwecke so beschrieben, wie aus Fig. 297 ersicht-
lich ist, und dann wird gesagt:
„Nachdem diese Dinge hergerichtet sind, füllt man das Gefäss (AB) mit
Wasser und öffnet den Hahn {F). Indem das Wasser durch die Röhre (FH) ans-
fliesst, wird das Wasser von (AB) durch die Luft gehoben, die nun in (EF) mid
Kombinirte hydraulische Saug- und Dnickapparate.
261
der Rohre (EC) eingeschlossen ist, und das Wasser steigt daher nach (CD). Man
dreht alsdann den Hahn (0) um, der dem Gefässe (AB) gegenübersteht, und das
Wasser bewirkt durch (OP) und die Röhre (OL), dass das Wasser aus dem Ge-
fässe (CD) nach (LM) steigt, indem durch den Kanal (CH) Luft in das G^fäss
(CD) tritt. Denn wenn hier keine Luft eintritt^ zieht es nicht Und so kann man
fortfahren bis zu einer beliebigen Höhe, weil bei jedem weiteren Apparat dasselbe
stattfindet, wie wir es bei dem ersteren beschrieben haben."
Hier ist, ausser dem früher Erwähnten, übersehen, dass durch die grössere
Luftmenge, welche in dem längeren Verbindungsrohre zwischen dem hochstehen-
den und dem tiefstehenden Gefässe eingeschlossen ist, der Effekt jedes folgen-
:
D
a
s
i
l^HT^^e— lA:
HJ
B
A\
Fig. 298.
Fig. 299.
Fig. 800.
den Apparates kleiner wird, als der des vorhergehenden, sowie, dass das Wasser
durch die Röhre (FH) wegen Verdünnung der darüber befindlichen Luft nicht
vollständig ablaufen kann, weshalb Lufthähne auf den Gefässen (D C), {ML)
n. s. w. erforderlich sind.
In Kapitel X soll gezeigt werden, wie man bei einem gegebenen Gefälle
durch einen Druckapparat der beschriebenen Art Wasser auf beliebige Höhe
heben kann. Zunächst wird der Apparat beschrieben, wie ihn Fig. 298 zeigt.
Der Fassungsraum eines jeden der Gefässe (OJB), (-E), (G) u. s. f. entspricht
der Wassermenge, die gehoben werden soll. Das Gefäss (DA) aber fasst so
viel, wie die Gefässe (E)^ (G) n. s. w. zusammengenommen. Man füllt die
Gefässe (DA) und (J^) mit Wasser und öffnet den Hahn unter dem ersteren,
nachdem man das letztere abgeschlossen hat
2G2 Giainbaitista della Porta.
^Wenn dann^, sagt Porta, ^jdas Wasser von (Ä D) nach (B C) herab-
fliesst, treibt die verdrängte Luft das Wasser ans dem Gefasse (E) und hebt
es nach {G), Und wenn wir uns wiederholt in derselben Weise der Maschine
bedienen, können wir allein mit der Druckhöhe (DB) das Wasser bis zu den
Sternen heben. ^ Er meint offenbar, man solle den Hahn unter (D A) schliessen,
das in (C B) befindliche Wasser ablassen, (CB) schliessen und den Hahn unter
(D A) wieder öffnen, so würde das Wasser von (G) nach (M) gedrückt, und so
könne man es stufenweise immer höher und höher heben. Es ist ihm unbe-
kannt, dass die eingeschlossene Luft erst bis zu einer gewissen Spannung kom-
primirt werden muss, um den nöthigen Druck ausüben zu können, und dass
hierzu von Stufe zu Stufe eine immer grössere Betriebswassermenge nöthig wird.
Kapitel XI führt die Ueberschrift : ;,Wie man durch Luft die Saughöhe
vermehren kann.^ Mit einem Saugapparate, wie beschrieben (Fig. 299), wird
Wasser angesaugt; sobald dies aber in der Saugröhre ein wenig gestiegen ist,
entfernt man das Wassergefäss einen Augenblick von der Mündung des Saug-
rohres, so dass etwa das gleiche Volumen Luft eingesaugt wird. Dann lässt
man wieder etwas Wasser, dann wieder etwas Luft einsaugen u. s. f. Auf
diese Weise kann die abwechselnd aus Luft und Wasser bestehende Säule etwa
doppelt so hoch werden, bis sie der abwärts fliessenden, ununterbrochenen
Wassersäule das Gleichgewicht hält.
Li den Kapiteln XH und XIY wird analog dem soeben Gesagten gezeigt,
dass das Eindringen von etwas Luft in den anderen Schenkel des Hebers den
Lauf des Wassers nicht unterbricht, wenn die Fallhöhe in diesem die Steig-
höhe im ersten Schenkel um mehr als die Länge der Luftblasen übertrifft
(siehe Fig. 300).
Kapitel XIU lautet:
„Nun werden wir eine Art des Wasserhebens beschreiben, die den Alten nicht
bekannt war, viehnehr von ihnen für unmöglich gehalten ii^-urde. Denn Jeder, der
versuchte, in der Biegung eines Hebers an seiner höchsten Stelle eine kleine Oeffnung
zu machen, fand, dass durch plötzliches Eindringen von Luft, die den Lauf des
Wassers unterbrach, die Wassersäule ihres Gewichtes beraubt wurde, das Wasser zu
beiden Seiten herabfiel und der Heber nicht nur aufhörte zu wirken, sondern plötz-
lich leer wurde Man nehme einen gebogenen Heber, an dessen höchster
Stelle im Halse (B) (Fig. 301) eine kleine Oeffnung ist, an die ein G^fäss sich
anschliesst oder angelöthet ist, so dass keine Luft eindringen kann. Am Halse
bringen wir einen Hahn (D) an, so dass durch diesen ein Weg in das Oefäss geht
Wenn nun die Strömung des Wassers in dem Heber eine kontinuirliche geworden
ist, öffnen wir das Hähnchen und von dem durch den Hals des Hebers strömenden
Wasser wird ein wenig durch die kleine Oeffnung in das Innere des Gefässes fliessen,
während ebensoviel Luft daraus entweicht und Luft imd Wasser gemischt durch den
Schenkel {B A) herabfliessen *). Und auf diese Weise wird sein Lauf nicht unter-
brochen, wie wir oben gezeigt haben (d. h. wenn der Schenkel, worin das Wasser
herabfliesst, genügend lang ist). Beim Oeffnen imd Schliessen des Hahnes ist nöthig,
dass es im richtigen Verhältniss zu der W^asserströmung imd der Grosse des Heber-
*) Wir haben in unserer Abbildung der besseren VerstfindHchkeit wegen für Wasser
und Luft je ein besonderes Verbindungsröhrchen zwischen Gefäss und Heber eingezeichnet.
WuserfOrderuDg durch Heber, quantitative BcslimmQng einer Verdampfoug. 'XS
schenkeis geschehe, so üass die Oeffniing nicht zu groio wird (und nicht ZU lange
Zeit offen bleibt). Denn wenn zu viel Wasser in das Gcfäss dringt, wird der Heber
eine zu grosse Luftmenge aus diesem aufnehmen, und indem diese durch den Schenkel
Bbfliesst, könnte sie diiB Gewicht der Wassersäule zu sehr beeinträchtigen und die
Wasserströmung aufhören. Um dies zu venneiden, uiuss man die Mündung immer
nur wenig offnen und rasch schlicssen So wird das Gefäss in abgebrochenen
Zwischenräumen gefüllt, und wenn es voll und der Hnls geschlossen ist, öffnet man
eine untei« Mündung und nimmt das Wasser heraus "
Selbstverständlich muss auch durch ein Hähnchen Lnft in das Gefäss ein-
gelassen werden können, wenn das Wasser daraus abüiessen soll. Da die
mangelhafte Abbildung von diesem Apparate aus Fobta'b Werk in diejenigen
vieler späterer Schriftsteller übergegangen ist, und diese meist noch mangel-
haftere Erklärungen dazu gesetzt haben, glaubten wir die Besühreibung Porta's,
soweit es nns für die Verständlichkeit nöthig schien, hier wiedergeben zu sollen.
In Kapitel XV -wird gezeigt, wie man durch den soeben beschriebenen
Heber Wasser aus einem Bache auf einen Thurm schaffen kann. Es ist hier
offenbar Torausgesetzt, dass bei dem Thurme ein genügend grosses Gefälle in
dem Bache vorhanden sei (siehe Fig. 302). Das Ende des kürzeren Heber-
schenkels ist gegen die Strömung horizontal umgebogen und in das Oberwasser
eingetaucht, so dass dieses nicht nur von dem Heber angesaugt, sondern aucli
durch die Strüraung hineingetrieben wird. Das Ende des längeren Schenkels
ist in das Unterwasser eingetaucht und mit der Strömung horizontal umge-
bogen, so dass diese das aus dem Heber fliessende Wasser rasch wegführt
264 GiambatÜBU della Porto.
Hier, sowie in dem nun folgenden ersten Kapitel des zweiten Buches,
tritt wieder deutlich hervor, dass Porta von der bei etwa 10 m gelegenen Grenze
der Saughöhe nichts wusste. Denn in dem letztgenannten Kapitel will er zeigen,
dass man yermittelst eines Hebers Wasser über einen Berg aus einem Thale
in ein benachbartes, tiefer gelegenes Thal bringen könne, und es ist kaum zu
bezweifeln, dass er sich den Berg höher als den vorhin genannten Th^rm und
diesen mehr als 10 m hoch vorstellte. Am höchsten Punkte des über den Berg
geführten Hebers soll ein Trichter mit Hahnverschluss angebracht sein, um
ersteren füllen zu können. Die Heberöhre soll aus Thon, Blei oder Kupfer
hergestellt werden. Eisen ist nicht genannt, denn gusseiserne Röhren kamen,
wie wir schon früher zu bemerken Gelegenheit hatten, erst in der zweiten
Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts in Gebrauch und schmiedeiseme noch später.
Femer ist aus dem zweiten Buche das siebente Kapitel bemerkenswerth,
in dem ein Apparat beschrieben wird, mit dessen Hilfe untersucht werden soll,
in wie viel Luft (Dampf) eine bestimmte Wassermenge sich auflöst. Es lautet:
„Man mache einen Kasten (BC) (Fig. 303) von Glas oder Zinn. Im Boden
habe er ein Loch, wodurch die Röhre einer Destillirblnse geht, die wir mit (2)) be-
zeichnen. 6ie enthalte ein oder zwei Unzen Wasser. Der Hals sei in dem Boden
des Kastens verlöthet (oder verkittet), so dass nichts aus ihm herauslaufen kann.
Eine Röhre stehe vom Boden dieses Kastens so weit ab, als zum Auslaufen des
Wassers genügt, gehe durch den Deckel und ein wenig über seine Oberfläche hinaus.
Man fülle den Kasten durch das Loch {A) und verscbliesse es gut, so dass keine
Luft entweichen kann. Endlich setze man die Destillirblasc über ein Feuer und
erwärme sie langsam, damit, wenn das Wasser sich in Luft auflöst, diese auf das
Wasser in dem Kasten drückt und es zwingt, in der Röhre (0) in die Höhe zu
steigen, aus der es dann herausläuft Man erwärme das Wasser (in der DesUllir-
blase) so lange, bis es alle geworden ist Während es verdampft, drückt es fort-
während auf das Wasser im Kasten und treibt dieses aus. Wenn die Verdampfung
(l'essalatione) beendigt ist, messe man, wieviel Wasser (dem Volumen nach) aus dem
Kasten geflossen ist, denn an die Stelle des ausgeflossenen Wassers wird ebensoviel
Luft (Dampf) getreten sein, und aus der Menge des ausgeflosseneu Wassers erkennt
man, dass das (verdampfte) Wasser sich in ebensoviel Luft aufgelöst hat Man kann
auch (mit diesem Apparat) bequem messen, in wieviel Theile dünnerer Luft eine
gegebene Menge dichter Luft sich ausdehnen lässt, und obgleich wir dieses Thema
schon in unserer Meteorologie behandelt haben, so soll es uns, da es unserem Zwecke
hier entspricht, doch nicht verdriessen, noch einmal darüber zu sprechen.*
Es folgt die Beschreibung des betreflfenden Experiments.
Trotz aller Mangelhaftigkeit des Apparates ist der vorstehend beschriebene
Versuch Porta's als der erste zur quantitativen Bestimmung einer Verdampfung
von Interesse. Auch möchten wir schon jetzt darauf hinweisen, dass man nach
einer kleinen Veränderung des Steigrohres diesen Apparat dazu benutzen kann,
um das Wasser aus dem Kasten durch den Dampf hoch in die Höhe zu treiben.
Er ist als eine Modifikation des Heronsballes zu betrachten. Wendet man zwei
Kasten an, versieht deren Steigrohre mit einem Hahn und schleift sie in eines
zusammen, so kann man einen kontinuirlichen Wasserstrahl erhalten, wenn
man abwechselnd den einen Kasten füllt, während der andere sich entleert.
Die Dampfmaschine des Marquis of Worcester. 265
In dieser Form gross und stark ausgeführt, stimmt der Apparat wahrscheinlich
mit der Dampfmaschine überein, welche der Marquis of Worcester erfand,
denn in seiner Schrift „a Century of the Names and Scantlings of the Marquis
of Worcester's Inventions. 1663" sagt er*):
68. „Eine wunderbare und höchst kraftvolle Art, Wasser durch Feuer in die
Höbe zu treiben, nicht durch Anziehen oder Ansaugen, denn das kann, wie die
Philosophen sagen, nur „Infra sphaeram activitatis", d. h. nur auf eine gewisse Ent-
fernung (Höhe) geschehen, sondern diese Art hat keine Grenzen, wenn die Gefässe
stark genug sind; denn ich habe ein Stück von einer ganzen Kanone, deren Ende
zersprungen war, genommen und zu drei Viertel mit Wasser gefüllt, und nachdem ich das
zerbrochene Ende, sowie das Zündloch verstopft und verschraubt und ein anhaltendes
Feuer darunter gemacht hatte, barst es innerhalb 24 Stunden mit einem lauten Knall ;
so dass, nachdem ich ein Mittel gefunden hatte, meine Gefässe so zu machen, dass
sie durch die Kraft darin verstärkt werden imd sich eines nach dem anderen füllt,
ich das Wasser in einem andauernd 40 Fuss hohen Springbrunnenstrahle ausströmen
sah. Ein Gefäss voll Wasser, das durch Feuer verdünnt wird, treibt 40 (Grefässe)
kalten Wassere in die Höhe. Und ein Mann, der den Apparat bedient, hat nur
zwei Hahnen zu drehen, dmnit, wenn ein Gefäss voll Wasser verbraucht ist, ein
anderes zu drücken anfängt und es sich wieder mit kaltem Wasser füllt, und so
abwechselnd, wobei das Feuer gewartet und gleichmässig erhalten wird, was dieselbe
Person gleichfalls in der Zwischenzeit zwischen den nothwendigen Umdrehungen der
genannten Hahnen besorgen kann.
Da hier das Zersprengen eines Kanonenrohres als Beweis für die Grösse
der Kraft angeführt wird, welche bei der Maschine angewendet wurde, so ist
wohl nicht zu bezweifeln, dass diese eine Hochdruck-Dampfmaschine war,
und die oft wiederholte Behauptung, dass die ersten brauchbaren Dampf-
maschinen Niederdruck oder vielmehr atmosphärische Maschinen gewesen seien,
dürfte danach einzuschränken sein. Denn brauchbar sind auch Maschinen
nach Art derjenigen des Marquis dp Worcester, da sie thatsächlich noch heute,
z. B. als Monte-jus in Zuckerfabriken, gebraucht werden. Die Stelle obigen
Citats: „damit, wenn ein Gefäss voll Wasser verbraucht ist, ein anderes zu
drücken anfangt imd es sich wieder mit kaltem Wasser füllt*', scheint sagen
zu wollen, dass das ausgetriebene Wasser heiss gewesen sei, dass also die
Maschine wohl nur aus einer Kombination zweier direkt erhitzter Heronsbälle
nach Art des Salomon de Caus bestand. Da es aber doch kaum möglich ge-
wesen sein dürfte, das kalte Wasser bis zur Siedhitze zu bringen, ehe das aus
dem anderen Gefässe getriebene zu Ende gegangen war, und auf diese Weise
einen kontinuirlichen Wasserstrahl zu erhalten, so neigen wir zu der Ansicht
hin, dass die Dampferzeugung, wie bei dem soeben besprochenen Apparate
Pgrta's, in einem besonderen Dampfkessel erfolgte.
Wenden wir uns dem in Rede stehenden Werke desselben wieder zu,
so finden wir das neunte Kapitel des zweiten Buches überschrieben: „Wie wir
starken Wind für Schmiede und zum Kühlen von Zimmern erhalten können,
ohne dass er jemals abnimmt, sowie über einige Irrthümer des Hergn.'^ Es lautet:
*) Nach der Kopie der betrefFenden Schrift, welche sich findet in: The life, times and
laboars of the second Marquis of WoRCEäTER bj Henry Dircks, London 1865.
264 GiambatÜBta della Porta.
Hier, sowie in dem nun folgenden ersten Kapitel des zweiten Buches,
tritt wieder deutlich hervor, dass Porta von der bei etwa 10 m gelegenen Grenze
der Saughöhe nichts wusste. Denn in dem letztgenannten Kapitel will er zeigen,
dass man vermittelst eines Hebers Wasser über einen Berg aus einem Thale
in ein benachbartes, tiefer gelegenes Thal bringen könne, und es ist kaum zu
bezweifeln, dass er sich den Berg höher als den vorhin genannten Thurm und
diesen mehr als 10 m hoch vorstellte. Am höchsten Punkte des über den Berg
geführten Hebers soll ein Trichter mit Hahnverschluss angebracht sein, um
ersteren füllen zu können. Die Heberöhre soll aus Thon, Blei oder Kupfer
hergestellt werden. Eisen ist nicht genannt, denn gusseiserne Röhren kamen,
wie wir schon früher zu bemerken Gelegenheit hatten, erst in der zweiten
Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts in Gebrauch und schmiedeiserne noch später.
Femer ist aus dem zweiten Buche das siebente Kapitel bemerkenswerth,
in dem ein Apparat beschrieben wird, mit dessen Hilfe untersucht werden soll,
in wie viel Luft (Dampf) eine bestimmte Wassermenge sich auflöst. Es lautet:
„Man mache einen Kasten (BC) (Fig. 303) von Glas oder Zinn. Im Boden
habe er ein Loch, wodurch die Rohre einer Destillirblase geht, die wir mit (D) be-
zeichnen. Sie enthalte ein oder zwei Unzen Wasser. Der Hals sei in dem Boden
des Kastens verlÖthet (oder verkittet), so dass nichts aus ihm herauslaufen kann.
Eine Röhre stehe vom Boden dieses Kastens so weit ab, als zum Auslaufen des
Wassers genügt, gehe durch den Deckel und ein wenig über seine Oberfläche hinaus.
Man fülle den Kasten durch das Loch (Ä) und verscbliesse es gut, so dass keine
Luft entweichen kann. Endlich setze man die Destillirblase über ein Feuer und
erwärme sie langsam, damit, wenn das Wasser sich in Luft auflöst, diese auf das
Wasser in dem Kasten drückt und es zwingt, in der Rohre (0) in die Höhe zu
steigen, aus der es dann herausläuft Man erwärme das Wasser (in der Destillir-
blase) so lange, bis es alle geworden ist Während es verdampft, drückt es fort-
während auf das Wasser im Kasten imd treibt dieses aus. Wenn die Verdampfung
(ressalatione) beendigt ist, messe man, wieviel Wasser (dem Volumen nach) aus dem
K^ten geflossen ist, denn an die Stelle des ausgeflossenen Wassers wird ebensoviel
Luft (Dampf) getreten sein, und aus der Menge des ausgeflossenen Wassers erkennt
man, dass das (verdampfte) Wasser sich in ebensoviel Luft aufgelöst hat Man kann
auch (mit diesem Apparat) bequem messen, in wieviel Theile dünnerer Luft eine
gegebene Menge dichter Luft sich ausdehnen lässt, mid obgleich wir dieses Thema
schon in imserer Meteorologie behandelt haben, so soll es uns, da es imserem Zwecke
hier entspricht, doch nicht verdriessen, noch einmal darüber zu sprechen.*
Es folgt die Beschreibung des betreflfenden Experiments.
Trotz aller Mangelhaftigkeit des Apparates ist der vorstehend beschriebene
Versuch Porta's als der erste zur quantitativen Bestimmung einer Verdampfung
von Interesse. Auch möchten wir schon jetzt darauf hinweisen, dass man nach
einer kleinen Veränderung des Steigrohres diesen Apparat dazu benutzen kann,
um das Wasser aus dem Kasten durch den Dampf hoch in die Höhe zu treiben.
Er ist als eine Modifikation des Heronsballes zu betrachten. Wendet man zwei
Kasten an, versieht deren Steigrohre mit einem Hahn und schleift sie in eines
zusammen, so kann man einen kontinuirlichen Wasserstrahl erhalten, wenn
man abwechselnd den einen Kasten füllt, während der andere sich entleert.
Die Dampfmaschine des Marquis of Worcester. 265
In dieser Form gross und stark ausgeführt, stimmt der Apparat wahrscheinlich
mit der Dampfmaschine überein, welche der Marquis of Worcester erfand,
denn in seiner Schrift „a Century of the Names and Scantlings of the Marquis
of Worcester's Inventions. 1663" sagt er*):
68. „Eine wunderbare und höchst kraftvolle Art, Wasser durch Feuer in die
Höhe zu treiben, nicht durch Anziehen oder Ansaugen, denn das kann, wie die
Philosophen sagen, nur ,Jnfra sphaeram activitatis", d. h. nur auf eine gewisse Ent-
fernung (Höhe) geschehen, sondern diese Art hat keine Grenzen, wenn die Gefässe
stark genug sind; denn ich habe ein Stück von einer ganzen Kanone, deren Ende
zersprungen war, genommen und zu drei Viertel mit Wasser gefüllt, und nachdem ich das
zerbrochene Ende, sowie das Zündloch verstopft und verschraubt und ein anhaltendes
Feuer darunter gemacht hatte, barst es innerhalb 24 Stunden mit einem lauten Knall ;
30 dass, nachdem ich ein Mittel gefunden hatte, meine Gefässe so zu machen, dass
sie durch die Kraft darin verstärkt werden imd sich eines nach dem anderen füllt,
ich das Wasser in einem andauernd 40 Fuss hohen SpringbrunnenstnUile ausströmen
sah. Ein Gefäss voll Wasser, das durch Feuer verdünnt wird, treibt 40 (Gefässe)
kalten Wassere in die Höhe. Und ein Mann, der den Apparat bedient, hat nur
zwei Hahnen zu drehen, damit, wenn ein Gefäss voll Wasser verbraucht ist, ein
anderes zu drücken anfängt und es sich wieder mit kaltem Wasser füllt, und so
abwechselnd, wobei das Feuer gewartet und gleichmässig erhalten wird, was dieselbe
Person gleichfalls in der Zwischenzeit zwischen den nothwendigen Umdrehungen der
genannten Hahnen besorgen kann.
Da hier das Zersprengen eines Kanonenrohres als Beweis für die Grösse
der Kraft angeführt wird, welche bei der Maschine angewendet wurde, so ist
wohl nicht zu bezweifeln, dass diese eine Hochdruck-Dampfmaschine war,
und die oft wiederholte Behauptung, dass die ersten brauchbaren Dampf-
maschinen Niederdruck oder vielmehr atmosphärische Maschinen gewesen seien,
dürfte danach einzuschränken sein. Denn brauchbar sind auch Maschinen
nach Art derjenigen des Marquis op Worcester, da sie thatsächlich noch heute,
z. B. als Monte-jus in Zuckerfabriken, gebraucht werden. Die Stelle obigen
Gitats: „damit, wenn ein Gefäss voll Wasser verbraucht ist, ein anderes zu
drücken anfangt und es sich wieder mit kaltem Wasser füllt'^ scheint sagen
zu wollen, dass das ausgetriebene Wasser heiss gewesen sei, dass also die
Maschine wohl nur aus einer Kombination zweier direkt erhitzter Heronsbälle
nach Art des Salomon de Caus bestand. Da es aber doch kaum möglich ge-
wesen sein dürfte, das kalte Wasser bis zur Siedhitze zu bringen, ehe das aus
dem anderen Gefässe getriebene zu Ende gegangen war, und auf diese Weise
einen kontinuirlichen Wasserstrahl zu erhalten, so neigen wir zu der Ansicht
hin, dass die Dampferzeugung, wie bei dem soeben besprochenen Apparate
Porta's, in einem besonderen Dampfkessel erfolgte.
Wenden wir uns dem in Rede stehenden Werke desselben wieder zu,
so finden wir das neunte Kapitel des zweiten Buches überschrieben: „Wie wir
starken Wind für Schmiede und zum Kühlen von Zimmern erhalten können,
ohne dass er jemals abnimmt, sowie über einige Irrthümer des Heron." Es lautet :
*) Nach der Kopie der betreffenden Schrift, welche sich findet in: The life, times and
laboars of the second Marquis of Worcester bj Henry Dircks, London 1865.
266 Giambattista della PorU.
n{AB) (Fig. 304) sei ein grosses Gefäss oder eine Kammer. Am Boden habe
sie ein Loch (E) und darüber erhebe sich ein Kanal (F) von einem Fuss Lange.
Die Kammer habe femer eine Mündung {G\ wodurch der Wind blasen soll, und
oben einen Trichter (C). Wenn sich nun Wasser aus einem Kanäle (D) in diesen
Trichter ergiesst, so führt es Luft mit sich und diese stürzt gleichzeitig mit dem
Wasser in die Kammer (AB). Das Wasser wird durch die Mündung (E) entweichen,
in dem Kanäle (F) in die Höhe steigen und ausfliessen. In das Innere aber fliesse
ebensoviel Wasser durch (C) ein, als durch (F) austritt, so dass die Kammer immer
bis zu (F) gefüllt sei. Und da das Wasser unausgesetzt in die Kammer (AB)
herabstürzt und bestandig Luft mitführt, so wird stets Wind durch die Mündung
(G) ausströmen."
Eine unvollständigere Beschreibung desselben Apparates findet sich schon
in Porta's „Magia naturalis^' von 1589. Dort wird im sechsten Kapitel des
neunzehnten Buches gesagt:
„Wie Luft die Dienste von Blasbälgen leistet, haben wir zu Rom gesehen.
Es wird eine überall verschlossene Kammer zusammengefügt Von oben nimmt sie
durch einen Trichter eine Quantität Wasser auf. In der Wandung ist oben ein
kleines Loch, wodurch die Luft mit grosser Gewalt ausströmt Sie wird mit solcher
Kraft ausgetrieben, dass sie ein Feuer aufs Beste in Brand setzt und in Kupfeiv
und Eisen^chmieden die Stelle von Blasbalgen leicht ausfüllt, indem der Einlauf
so konstruirt ist, dass er je nach Bedürfniss abgewendet oder das Wasser hinein-
geleitet wird."
Dies ist die älteste Beschreibung eines Wassertrommelgebläses.
In „Pneumaticorum libri III" fahrt Pohta fort:
„Aber in Nettuno bei Rom*) sind zwei Kammern errichtet, damit, während die
eine sich mit Wind füllt, die andere sich von Wasser entleert^ und während die.se
sich wieder füllt, die andere sich von Wind entleert Und auf diese Weise fehlt
der Wind niemals dem Feuer, sondern bläst es aufs Heftigste an. Auf unsere
Weise aber haben wir zwar immer anhaltend Wind, jedoch nicht so starken.*^
Diese Stelle scheint uns nur dann einen Sinn zu haben, wenn unter
„Wind" gepresste Luft zu verstehen ist, und diese entsteht, indem die Kammer
sich mit Wasser füllt, sowie dass unter „Entleeren von Wind" das Ver-
schwinden dieser Luftpressung zu verstehen ist und dieses gleichzeitig mit der
Entleerung von Wasser erfolgt. Beides ist sowohl bei Wassertrommel- als
auch bei Wassersäulengcbläsen der Fall, imd es bleibt daher zweifelhaft,
welcher von beiden Gattungen das Gebläse von Nettuno angehörte. Wir halten
es indessen für das Wahrscheinlichste, dass das Wasser in der vorhin be-
schriebenen Weise in die Kammern hineinstürzte, aber nicht kontinuirlich ablief.
Anstatt des stets offenen Auslaufes (F) dürfte ein Hahn angebracht gewesen
sein, durch welchen das Wasser nur zeitweilich abgelassen wurde, nachdem es
die Kammer gefüllt hatte. Während des Wasserzuflusses würde alsdann eine
solche Kammer gleichzeitig als Wassersäulen- und als Wassertrommelgebläse
gewirkt haben, woraus sich die stärkere Windpressung erklären Hesse.
Porta fährt fort:
„Ich will auch nicht unterlassen, eine Art anzugeben, auf welche wir einen
sehr starken Windstrom dadurch erzeugen können, dass wir Wasser durch eine Röhre
*) Nettuno liegt nahe der Küste des Tyrrhenischen Meeres, etwa 50 km südlich von Rom.
Wassertrommelgebläse.
267
in eine Kammer (camera) herableiten, und je langer die Röhre ist (d. h. je grösser
die Druckhöhe), desto starker wird der Wind sein. Man kann auf diese Weise bei
der grössten Sommerhitze, um Zimmer (camere) zu kühlen, einen sehr starken Luft-
strom erzeugen, wie wir es in Tivoli gesehen haben.
Es sei (AB) (Fig. 305) ein Zimmer und darunter ein tiefer Brunnen (pozzo)
{CF)f dessen Mündung mit einem Deckel (GJ) geschlossen ist, so dass keine Luft
daraus entweichen kann. Durch diesen gehe ein grosser offener Trichter (H), der
mit ihm verlöthet ist und aus einer grossen Röhre (canale) Wasser aufnimmt (in der
Abbildung ist dieser Trichter seitlich angebracht). Je höher die Röhre (oder je höher
der Kanal gelegen ist) und mit je grösserer Gewalt das Wasser in den Trichter
stürzt, desto besser wird es sein, weil dieses dann eine grössere Menge und kühlere
Luft mitführt Von dem Brunnen gehen Röhren (CA) und (FB) in das Zimmer,
Fig. 304.
Fig. 305.
die den Wind in dasselbe führen. In halber Höhe des Brunnens sei eine Scheide-
wand, durch welche ein Heber (DE) geht, damit, wenn die Brunnenabtheilung (CF)
mit Wasser gefüllt ist, dieses durch den Heber in den unteren Brunnen herabfliesst.
Durch andere Röhren werde der in dem Zimmer (oder der Schachtabtheilung, camera)
aufgefangene Wind abgeführt, damit durch vermehrte Röhren der Wind vermehrt
werde. Wenn man nun den Luftstrom erzeugen will, lasse man den Wasserstrom
(il fiume) sich in den Trichter ergiessen, und sofort wird, indem die Luft aus dem
Schachte entweicht und in das Zimmer tritt, dieses so abgekühlt, dass diejenigen,
welche sich schlafend darin beenden, eine scharfe Kälte in allen Gliedern fühlen.''
Dadurch, dass „pozzo^' sowohl durch Brunnen, als auch durch Schacht,
das Wort „canale" sowohl durch Kanal, als auch durch Röhre übersetzt werden
kann, und dass hier offenbar unter „camera" ein Mal ein Zimmer, das andere
Mal eine Schachtabtheilung oder ein sonstiger Behälter verstanden wird, ist
diese Beschreibung unklar. Da jedoch vom Ablassen des Wassers aus der
GumfattttkU ^Oa Porta.
unteren Schachtabtbeilnng Iceine Rede ist, glaaben vir annehmen zn müssen
dass hier ein Brunnen gemeint ist, worin der natürliche Wasserspiegel nicht
sti^, irenn da& Wasser ans der oberen Abtbeilong in die untere abäoss, und
dass wir es daher einfach mit einem Wassertrommelgebläse za thun haben,
dessen Kasten dorch die obere Schacbtabtheihmg gebildet wurde.
Wollt« man annebmai, der Schacht sei unten geschlossen gewesen und
das durch den Heber in die nntere Abtheilm^ fliessende Wasser habe die
daraus Terdrängte Luft ebenfalls in das Zimmer getrieben, so wäre zeitweiliges
Ablassen des Waasers aus dieser unteren .\btheUung nothwendig gewesen. Es
wäre zwar möglich, dass man zunächst Wasser in die obere Kammer stürzen
liess, bis der Wasserspi^el den höchsten Punkt des Hebers erreichte, während-
dessen die obere Abtheilung dann theils als Wassersäulen-, theils als Wasser-
trommelgebläse gewirkt haben würde; dass man alsdann den Zufloss so lange
abstellte, wie das Wasser aus der oberen Schachtabtbeilnng in die untere floss
ond diese als Wassersäulengebläse wirkte, indem das eindringende Wasser die
hier Terdrängte Luft in das Zimmer trieb, und dass man dann wieder Wasser
in die obere Kammer fliessen liess, während das untere abfloss. Es wäre aber
hierzu die beständige Aufmerksamkeit eines Wärters nöthig gewesen, und da
der Schacht ausdrücklich als ein tiefer bezeichnet wird, würde das Ablassen
des Wassers aus der unteren Abtheilong desselben jedenfalls schwierig, wenn
nicht unmöglich gewesen sein. Deshalb halten wir diese Annahme für
unzulässig.
In Kapitel XII, welches die Ueberschrift führt: „Art, wie man machen
kann, dass Wasser sehr hoch in die Luft springt," sagt Porta:
„Ich will nicht unterlag^«!), eine Art zu zeigen, wie nian Was^r aus einer
Hündung bis zu hundert oder zweihundert Fuss Höhe in die Luft treiben kann, was
man nicht ohne Verwunderung und Vergnügen
A- y sieht. Es wird dies eine grosae Zierde für Gärten
'*^r* I sein, JQgbeäondere wenn Gäste anwe^nd sind.
Man nehme einen Kasten {DE) (Fig. 306)
je nach der Wassermenge, welche man in die Luft
springen lassen wilL Er muss von sehr starkem
Kupfer oder Eisen g«n, damit die Luft und die
Gewalt des Waasers ihn nicht zersprengen, wie
ich es oft gesehen habe, und ringsum muss er
gut verlöthet sein. Vom Boden steige eine Röhre
iGF) auf, die so weit vom Boden absteht, als
genügt, um das Wasser durchzulassen. Sie reiche
^_ bis über den Deckel des Kastens und sei wohl
pjg_ ^^ verlöthet, so dass sie keine Luft entweichen lässL
In den Kasten münde eine Röhre, welche das
Wasser und die Luft aus einer Klesibischen Maschine (einer Pumpe) hineinführt.
Wenn man nun will, dass das Wasser in die Luft springe, bewege man den Hand-
griff (A.), wie gewöhnlich, auf und nieder, damit der Kolben, indem er das Wasser
anzieht, gleichzeitig Luft anziehe mid beim Niedei^nange da^i mit Luft gemischte
Wasser in den Kasten treibe. Kaum erfüllt dies den Kasten, so treibt die Luft,
welche in grösserer Menge hineingekommen ist, das eingepresste Wasser in die Höhe.
JbB
^
'
F i
^
"s.
Windkessel. 269
Je rascher man die genannte Ktesibische Maschine bewegt^ desto mehr Luft und
Wasser wird hineinkommen und mit um so grösserer Gewalt wird letzteres in die
Höhe geschleudert und wird niemals aufhören zu springen, solange die Bew^ung
der Ktesibischen Maschine nicht aufhört"
Diese Beschreibung einer Pumpe mit Windkessel stimmt im Wesent-
lichen mit derjenigen überein, welche schon Heron der Aeltere etwa 1700 Jahre
früher gegeben hatte (vergl. Fig. 11, S. 10), aber noch weitere hundert
Jahre mussten vergehen, bis die Feuerspritzen mit Windkesseln
versehen wurden. Charakteristisch für die Auffassung der genannten
beiden Autoren ist es, dass sie von Elasticität, Kompression und Expansion
der in dem Windkessel von Anfang an eingeschlossenen Luft nicht reden,
sondern die Austreibung des Wassers dem Umstände zuschreiben, dass neue
Luft, die von dem Wasser mitgeführt wird, in den Windkessel gelangt.
Kapitel XIII führt die Ueberschrift: „Wie nur durch Wasser und die
Bewegung der Tasten eine Orgel ertönf Der Kasten eines Wassertrommel?
gebläses umschliesst die Windlade nnd die Walze einer Drehorgel, deren Pfeifen
luftdicht durch den Deckel des ersteren gehen. Das durch den Trichter in
den Kasten strömende Wasser setzt ein kleines Wasserrädchen und durch
dieses die Walze in Umdrehung, während die von dem Wasser mitgerissene
Luft durch die geöffneten Pfeifen entweicht und die Orgel ertönen lässt.
In Kapitel XIV giebt Porta zum ersten Male eine richtige Darstellung der
von Ktesibius erfundenen und von Heron und VrrRuv beschriebenen Wasserorgel
der Alten. Diese Darstellung stimmt im Wesentlichen mit derjenigen überein,
die wir in unserer Abhandlung über Heron (S. 25) gegeben haben. Schon in
seiner „Magia naturalis," lib. XIX, Cap. II, schrieb Porta über diesen Gegen-
stand, ohne jedoch damals zu einer richtigen Vorstellung von der Wasserorgel
der Alten kommen zu können.
Die übrigen Kapitel von Porta's „Pneumaticorum libri IH" haben für
uns hier weniger Interesse:
Skizzen aus der Zeit der Hussitenkriege (um 1430).
Durch eine Abhandlung von M. Berthelot, betitelt: „Pour Thistoire des
arts mecaniques et de rartillerie vers le fin du moyen-ltge'', welche in „Annales
de Chimie et Physic", sixieme serie, Tome XXIV, Paris 1881, veröffentlicht
wurde, sind wir auf mehrere Handschriften aufmerksam gemacht worden,
welche neue Gesichtspunkte zur Beurtheilung alter Werke über Maschinenbau
eröffnen. Berthelot sagt:
„Bei Untersuchungen über die Brandmassen der Alten imd das „Griechische
Feuer*' hatte ich Gelegenheit, verschiedene Handschriften mit Abbildungen über
Mechanik und Artillerie zu studiren, welche interessante Urkunden für die Greschichte
der angewandten Wissenschaften, insbesondere der Mechanik und Artillerie, ent-
halten. Ich hielt es für nützlich, wenigstens eine Auswahl von diesen Abbildungen
in Lichtdruck reproduciren zu lassen, da die Wiedergabe aller zu grosse Auslagen
verursacht haben würde. Diese umfasst nahezu sämmtliche Abbildimgen, die sich
auf Artillerie beziehen.
Das eine Manuskript befmdet sich in der Königlichen Bibliothek in München
(lateinisch Nr. 197). Herr Direktor Laubmann machte mich darauf aufmerksam
und sandte mir es zu. £s ist aus zwei Manuskripten, einem deutschen und einem
italienischen, zusammengesetzt, welche nichts mit einander gemein haben, als den
Einband, der sie verbindet
L Das erste Heft, welches ich mit I bezeichne, umfasst 48 Blätter von
220 mm auf 320 mm, die auf beiden Seiten mit Abbildungen von Apparaten
bedeckt sind*). Die Striche sind etwas grob, aber sorgfaltig und bestimmt Die
Numerirung der Blätter ist fortlaufend ohne Lücken oder Einschiebungen. Bei
einigen der Skizzen befinden sich Bemerkungen in altdeutscher Sprache. Darin werden
München und Nürnberg und die Wagenburgen der Hussiten als der gleichen Zeit
angehörig erwähnt, woraus hervorgeht, dass die Zeichnungen aus der Zeit um 1430
stammen, da Ziska, der sich dieser Geräthe bediente, 1424 starb und die Taboriten
1434 untergingen. Es ist darin auch von einem historischen Ereignisse (der Be-
lagerung von Saaz durch Archinger von Seinsheim) die Rede, das nach einer
beigefügten Bleistiftnotiz im September 1421 stattfand Der Name des
Autors ist unbekannt
IL Das zweite Heft hat etwa den dreifachen Umfang. Die Blätter haben
220 mm auf 300 mm. Ihre Nummerining hat mehrere Korrekturen erfahren, die
Veränderungen und Verstümmelungen anzuzeigen scheinen, die das Heft zu ver-
*) Wir bezeichnen im Folgenden mit V die Vorderseite, mit R die Rückseite eines
Blattes.
Auffindung nnd allgemeiDe Beschreibuntt dieser SkizzAD.
271
schiedenen Zeiten erlitt Wie dem auch sei, jedenfallä haben wir es hier mit dem
Hand- oder SLizzenhuch eines italienischen Ligenieurs zu thun, das Skizzen aller
Art von mechanischen und militärischen Konstniktionen enthält und nicht nut einem
gelehrten Werke, nie die gleichzdtige Abhandlung „De re militari" des Robertus
Valturius eine ist, die 1472 zu Verona und mehrmals im XV. und XVI. Jahr-
hundert gedruckt wurde und wovon eine Handschrift aus der Mitte des XV, Jahr-
hunderts existirt. Die Zeichnungen sind theils bestimmt ausgeführt, Ibeils flüchtig
auf das Papier gevorfen mit bald kürzeren, bald ausführlicheren Bemerkungen, die
lateinisch oder italienisch geschrieben sind. Einige davon, welche ich vollständig
anführen werde, geben die Daten 1438 und 1441 an. Sie nennen glrächzeitig den
Autor der Zeichnungen Uariamus Jacobus aus Biena, sowie mehrere seiner Zei^
genossen aus dieser Stadt
Der Name ist von grösster Wichtigkeit. In der That scheint das Münchener
Manuskript dos Brouillon oder Notizbuch zu sein, mit deesen Hilfe das Manuskript
Flg. 3»7.
in Venedig verfasst wurde, von dem ich sogleich sprechen werde .... Mabiabus
Jacobub, genannt Taccou, gcnoss im XV. Jahrhundert grossen Ruf. Er war Er-
finder und wurde von seinen Zeitgenossen der Abcbihedeb von Siena genannt
Mehrere seiner Zeichnungen stellen ohne Zweifel unausgeführte Projekte dar, haben
aber doch einen durchaus praktischen Charakter. JedenMls ist daa Mflncheaer
Manuskript von seiner eigenen Hand und erinnert in dieser Beziehung an die be-
rühmten Skizzen von Leomabdo da ViKCi, die augenblicklich von H. RataibsOk
herausgaben werden "
Da die veröffeDtlichten Lichtdrucke hier als eine hauptsächlich artilleriatisobe
Skizzen umfassende Auswahl bezeichnet werden, so war zn vennnthen, dass die
betreffende Handschrift noch andere Abbildungen enthalte, die für ans vielleicht
noch grösseres Interesse haben möchten, als die von Berthelot aasgewählten.
Bei Durchsicht des Manuskriptes in der Königlichen Hof- und Staatsbibliothek
in München fanden wir diese Vermuthung vollanf bestätigt und legen hiermit
eine Auswahl von Skizzen vor, die wir dieser Handschrift entnommen und hier
in verkleinertem Massstabe wiedei^egeben haben.
272
SkiixeD Bua der Zeit dei Uuwitonkriege.
Im ersten Hefte findet sich:
Fig. 307 (Blatt 2 V des Originals). Ein DrehkraKn, bei dem die
horizontale Seiltrommel durch zwei Spillenräder direkt angetrieben und deren
Zugkraft dur^h eine lose Flaschenrolle verdoppelt wird.
Fig. 308 (Blatt 2 R). Ein dreifüssiger Krahn mit Seilhaspel und sechs-
fachem Flaschenzug.
Schon Uebon der Aeltere von Alexandrien sagt; „Um Lasten in die Höhe
zu heben, konstruirt man einfuBsige (ftovöxuiloi), zweifttsslge, dreifüssige oder
vierfüssige Maschinen (siehe S. 35 unserer Abhandlung über Pappl's). Vitrut
spricht in seinem Werke „de arcbitectura" nur von zweifiissigen und einfüssigen
Krahnen, da die drei- und vierfüssigen sieb für Bauzwecke weniger eigneten.
Nach ViTRUv's Beschreibung von dem zweifüssigen Krabn ist es jedoch wahr-
scheinlich, dass bei dem dreifüssigen der Römer und Griechen die drei Beine
ans drei gleicbUngen Balken gebildet nnd oben zusammengehalten wurden,
während hier zwei Füsse in halber Höhe durch einen eisernen Schob zusammen-
gefasst sind und von da nur ein Balken aufwärts geht.
Fig. 309 (Blatt 3 V). Ein vierfüssiger Krahn, bei dem ebenfalls zwei
Beine in halber Höhe durch einen eisernen Schuh zusammengefa£st sind. Die
Last hängt an einem dreiziigigen Flascbenzuge (TQioTiaatos], dessen Seilende
von einem am Krahnenfasse befestigten zweizügigen Flaschenzuge erfasst wird.
Das Seilende des letzteren schlingt sich am eine horizontale Haspelwelle. Dabei
steht die Bemerkung:
,J)az ist der tziig der von munchen der gehört tzu der puchssen" (das ist der
Aufeug derer von München, der gehört zu dem Geschütz).
Fig. 310 (Blatt 3 R). Doppelter Drehkrahn mit zwei drehbaren Krabn-
sänlen, zwischen denen eine vertikale Seiltrommel auf einer GÖpelwelle sitzt.
Erahnen. 273
Der mittlere TbeU des Zugseiles ist mehrmals nm die Seiltrommel gescUmigeii,
jedes Ende geht von da nach einer Leitrolle am Fusse einer Krahnsänle, über
eine zweite an deren oberem Ende und über eine dritte am Ende des Auslegers.
Die beiden Krahnsäulen stehen in der Skizze viel zn nahe bei einander, da die
Scbvengel des Göpels zwischen ihnen durchgehen müssen. Bei dieser Skizze
steht die Notiz :
^tem daz ist ain tzug mit Izwain kästen unn d'ain auff der ander ab tzu
nurenberg auch dem graben den treyben tiween pfard." {Das ist ein Aufzug mit
zwei Kasten, der eine geht auf, der andere ab, zu Nümb^ auf dem Graben, den
treiben zwei Pferde).
Fig. 311 (Blatt 38 V). Ein einfacher Drehkrabn ähnlicher Konstrnktion,
bei dem aber der Göpel unterhalb des Krahnes aufgestellt ist
Fii. au.
Fis. 312.
Fig. 312 (Blatt 4 R). Bei dieser Maschine steht die Notiz:
„Daz ist ein tzug daman turn mit abtragt oder ander paw abtregt get da
tmch auff dj ander ab. (Das ist ein Zu^ womit man Thürme oder andere Gebäude
abträgt Es geht ein Trog auf, der andere ab).
Diese Maschine diente also nicht zum Aufziehen, sondern nur zum Ab-
lassen TOD Lasten, wobei es hauptsächlich daraof ankommt, zu rerhindem,
dass sie in zu raschen Gang kommt, nnd zu ermöglichen, dass sie mit einer
Bremse angehalten werden kann. Ein Seil ist um eine horizontale Trommel
geschlungen, jedes Ende ist über eine LeitroUe geführt und trägt einen Trog
zur An&ahme der abzulassenden Last. Ein mit dieser Trommel fest ver-
bundenes Zahnrad greift in ein Getriebe, das auf einer darüber gelagerten hori-
zontalen Welle befestigt ist. Rechts auf deren Ende sitzt ein Windäügel, wie
man solche noch heute anwendet^ um zu verhindern, dass Schlagwerke tmi
274
Skiueo aus der Zeit der Uiuaitankriege.
Ulireii in zu raschen Gang kommen. Ausserdem ist links aaf der Voi^elegs-
welle eine Seiltrommel befestigt, die als Bremsscheibe diest Ueber sie ist ein
Seil gelegt, dessen beide Enden unten in einem Gewichte befestigt sind. An
diesem Gewichte hängt eine Quaste oder ein zweites qnastenformiges Gewicht,
am es bequem erfassen und das Bremaseil n5thigenfalls mit der Hand noch
schärfer anziehen zu können. Hinter dem Maschinengestelle bemerkt man
einen schrägen Hebel, dessen linkes, höherstehendes Ende hinter der Brems-
Bcheibe unter das Bremsseil greift, während am rechten, tiefer stehenden Ende
eine Zugleine befestigt ist. Wird diese angezogen, so wird das Bremsseil
theilweise von der Bremsschetbe al^ehoben nnd die Last sinkt herab. Lässt
man die Zugleine los, so rermehrt sich die Reibung des Bremsseiles auf der
Bremsrolle und die Maschine kommt zum Stillstande. Es ist sehr bemerkens-
werth, dass hier schon das richtige Prinzip befolgt ist, die Bremse in volle
Wirksamkeit treten zu lassen, wenn der Arbeiter die Zugleine am Steuerhebel
loslässt, nnd der Maschine nur so lange die Bew^ung zu gestatten, als der
Arbeiter die Steuerleine in der Hand hält.
Fig. 313 (Blatt 9 Y). Eine Schraubenwinde zum Heben eines Geschütz-
rohres. Die hölzerne Schraube, an der das Geschützrohr hängt, geht frei
durch eine Tischplatte nnd durch das in eine daraufliegende starke Bohle ge-
schnittene Muttergewinde. An den Enden dieser Bohle sind abwärts gebogene
starke Eisenstangen befestigt, deren untere Enden die Arbeiter erfassen nnd
damit um den Tisch herumgehen, um die Schraube zu heben oder abzulassen.
Das an der Schraube hängende Geschütz ist eine jener alten Bombarden, mit
denen grosse steinerne Kugeln abgeschlossen wurden. Der hintere Theil der-
Klben, welcher die Pulverkammer bildete und mit dem Zündlocbe veraehen
BchnrabeowiDde, HUhleo fOc Handbetrieb.
276
war, hatte einen bedeutend kleineren Durchmesser als der vordere Theil,
welcher die grosse Kagel aufnahm. Eiserne Geschützkugeln kamen erst gegen
Ende des XV. Jahrhunderts auf. (Vergl. S. 115 unserer Abhandlung über
BiRiNGUccio.) Schraubenwinden derselben Art und zu dem glrächen Zwecke
dienend findet man in dem Werke Lorini'b (1597) abgebildet.
Fig. 314 (Blatt 18 V). Ein Mahlgang für Handbetrieb. Dabei findet sich die
Bemerkung :
„Item wer dy mul machen will der boI nemen zwo echin teucheleyaai nun
Bol machen dy funn des eyeen als sy da gemalt ist unn sol oben sein haupt uiin
unttn stahln sein dy sulln da das eysen nein geht sol auch Btaehln sein unn dy
mulstain dreyer scbuch prayt unn man eol ey tzychn mit den tzwayen tzugen y
tiwyen man so mald sie vertJg." (Wer die Mühle machen will, soll zwei ESsen-
schienen nehmen und ein Eisen von der Form machen, wie sie da abgemalt ist
Fig. 3ia.
Oben sein Haupt und unten soll es stählern sein. Die Sohle, wo das Eisen darin
gebt^ soll auch stählern sein, und die Mühlsteine drei Schuh breit, und man ecdl die
Mühle ziehen mit den zwei Zügen je zw» Mann, so mahlt sie tüchtig.)
Da hier von zwei Zug- oder Schubstangen die Rede ist, so unterscheidet
sich diese Mühle von der in der ersten Figur unserer Abhandlui^ über Baublu
(Fig. 326, S. 210) al^bildeten nur dadurch, dass hier die Schubstangen direkt
von den Arbeitern erfasst werden, während sie dort mit je einem Handhebel
verbunden sind. Auch ist bei Ramelu das Mühleisen doppelt, hier aber nur
einfach gekröpft. Bei der Amalgamirmühle des Bibingdcgio (Fig. 140, S. 125)
war das Mühleisen einfach gekröpft, wurde aber nur durch eine Schubstange
mit Handhebel bewegt.
Fig. 315 (Blatt 42 V) zeigt eine ähnliche Mühle. Die Mühlsteine sind in
Horizontalprojektion, der untere Theil der Mühle ist dagegen in der Seiten*
ansieht gezeichnet. Auf dem Mühleisen sitzt ein Ärmkreuz mit angehängten
18*
378
Skiixen an« d«r Z«it der UnwiteDkri«g«.
ScbwuBggewichten. Solche finden eich häufig an Schwungrädern in dem
„Künstlichen Abriss allerhand Wasser-, Hand- und Bossmühlen" von Jagobus
DE Str&da a Rosbei^, Frankfurt a. M. 1618 und 1629, von wo sie in BQckler's
„Theatnun Maschinarum", Nümbei^ 1661, welches überhaupt nur Abdrücke
der Kupfertafeln von Stiuda, Bamelli u. A. enthält, übei^egangen sind. Ans
der hier TOtli^enden Skizze erkennt man, dasa solche angehängte Schwung-
gewicbtd schon zweihundert Jahre vor dem Erscheinen des Werkes von de Strada
gebräuchlich und zn seiner Zeit wohl schon eine veraltete Einrichtung waren.
Fig. 316. Eine Mühle fUr Handbetrieb mit einer Vorgelegswelle, worauf
ein Armkreuz mit feBten, hammerfonnigen Schwunggewichten und einem
Kurbelzapfen sitzt, der vermittelst einer über dem Armkrenze skizzirten Schub-
stange bewegt werden soll. Um diese Drehung zu ermöglichen, müsste die
Fig 317.
Flg. 31&.
Welle über das Endl^er vorstehen und das Kreuz mit den Schwuuggewichten
auf dem überEtehenden Wellenende sitzen, was in der Skizze nicht berücksichtigt
ist. Bei dieser steht die Bemerkung:
„Item ze machen ein mul man sei machen ein mulgesCcll 4 schuch lanck unn
acht schuch weyt unn daz gesteil sol acht schuch wayt sein unn dy siegel dy sol
man auff seinen wellpnwm gen mitten an dem wcllpawin da sol ein knniprad sten
vier schuch hoch eng kompt init LII kamen unn sein für getrib mit sex tribeln unn
sein Steg unn sein muleysen gesfalt als ein ander muleysen unn sein niulstein der
obrist dreyer schuch prayt unn ain band praj-t unn aines haU>en schuch dick so
Wirt ea ein recht vertigen niul dye da nielt als vil als ain halbe pachniul." (Item
eine Mühle zu machen. Man soll ein Mühlengestell machen i Schuh lang und
acht Schuh weit [das Gestell soll acht Schuh weit sein] und die Schlegel soll man
auf ihren Wellbauni setzen. Gegen die Mitte auf dem Wellbaum soll ein Kamm-
rad stehen, vier Schuh hoch, eng gekämmt mit 62 Kämmen, und sein vorgel^toe
Getriebe mit 6 Tricli Blöcken, und ihr Steg und ihr Mühleiaen gesteltet wie bei einem
anderen Mühleisen. Und von den Mühlstänen soll der oberste drei Schuh und äna
HQhlen fOt Pferdebetrieb, Windmahlen.
277
Hand breit sein' und einen halben Schuh dick, so wird es eine recht tüchtige Mühle
werden, die halb so viel mahlt, nie ^e Bachmühla)
Bei den nun foigeoden drei Skizzen ist es besonders nothwecdig, sich
IQ die kindliche Darstellungsweise des Autors hineinzufinden, um sie verstehen
zu können.
Fig. 317 (Slatt 21 R). Eine Mühle für Himdbetrieb mit eigentbümlichem
Bewegungsmechanismua. Dabei steht die Bemerkung:
„Daz ist ain mid dj man lewt mit den saylln an den stangen." (Das ist eine
Mühle, die man läutet mit den Seilen an den Stangen.)
Daraus geht hervor, dass an den Seilen wie an Glockenseilen gezogen
werden soll, um die Mühle zu bewegen. Man hat sich daher den im unteren
Thetle der Skizze in horizontaler Lage skizzirten Bock, bestehend aas einem
Pfosten mit einer darunter und einer darüber liegenden verstrebten Schwelle,
vor der doppelt gekröpften Vorgelegswelle senkrecht stehend zu denken, und
die beiden Stangen, an deren Enden die Zugleinen befestigt sind, auf der oberen
Schwelle desselben liegend und auf irgend welche Weise an seitlicher Vei^
Schiebung verhindert, sonst aber frei beweglich. Wird nun an den beiden
Zugseilen abwechselnd, wie an Glockenseilen, gezogen, so beschreiben die mit
den Kurbeln verbundenen Stangenköpfe Kreise, die Stangen schieben sich auf
der Kopfscbwelle des Bockes hin und her and ihre Enden, an denen die Zug*
seile befestigt sind, beschreiben eigenthumliche Kurven, die wir hier nicht
näher zu betrachten haben. Nach Reuleaux ist der Mechanismus als eine
schwingende oder oscillirende Kurbelscbleife zu bezeichnen, bei welcher der
Schieber nicht ausgebildet, vielmehr der Lenkstab nur kraftscblüssig mit dem
feststehenden Gliede gepaart ist.
Fig. 318 (Blatt 22 V). Ein Mahlgang mit Göpelbetrieb, bei dem das
doppelte Rädervorgelege in einem Schachte unterhalb der Ebene, anf der das
278
Skiiun miiB der Zeit der HnButankriegs.
Pferd gebt und die Mühlsteine liegen, angeordnet ist Daa Schachtmanerwerk
nod die Zahnräder sind in Horizoatalprojektion in die Skizze eingezeichnet, die
doch eine Seitenamicht des Mühlverkes darstellen soll.
Fig. 319 (Blatt 22 R). Zwei Mahlgänge, gleichzeitig durch einen Pferde-
göpel mit doppelter WiakelräderübersetznDg betrieben. Im TJebrigen ist die
Anordnung and sind auch die Zeichenfehler dieselben wie bei der vorher-
gehenden Figur.
Fig. 320 (Blatt 47 V). Aeussere Ansicht einer Windmühle, und zwar
einer sogenannten deutschen Windmühle oder Bockmühle, mit Sackaufzug. In
unserer Abhandlung über Cardands (S. 184) wiesen wir auf die Abbildnng einer
Bolchen Windmühle von Gcalthehius Rivids, Nürnberg 1547, als die älteste, die
I^Jh
CT
Fig. 322.
uns damals bekannt war, hin. Die hier in Rede stehende Abbildnng aber ist
um mehr als hundert Jahre älter, imd
Fig. 321 und 322 (Blatt 19 V und Blatt 19 R), zeigen auch noch zwei
verschiedene innere Einrichtungen von solchen Windmühlen. Fig. 321 stellt
eine kleine Windmühle mit einfachem, Fig. 322 eine grössere mit doppeltem
Winkelräderroi^elege dar.
Fig. 323 (Blatt 23 V], zeigt eine Wassermühle mit zwei Mabl^bigen, die
von einem gemeinschaftlichen Wasserrade getrieben werden. Die beiden Mahl-
gänge mit ihren Rädervoi^elegen, welche in der Zeichnung, einer Seitenansicht,
hintereinander stehen müssten, sind nach der naiven Darstellungsweise des
Autors übereinander gezeichnet und der Wasaerradvellbaum mit dem Haupl-
sahnrade dazwischengesetzt. Dass man schon zu Anfang des XV. Jahrhundrarta
zwei Mahlgänge durch einen Motor betrieb, ist bemerkensnerth.
Fig. 324 (Blatt 18 R). Ein Mahlgang, durch ein horizontales Wasserrad
betrieben, welches kein Löffelrad zu sein scheint und an die Konstruktion er>
Wassennahle mit iiT«i MahlgEngen, Mflhle mit horizoDtalem WiaaerrBd«.
279
innert, welche Beudor in seiner „Architectura hydranlica" lib. 11, Cap. 1 § 669
als die Betriebsräder der „Basacle-Mühlen" za Toulonse beschreibt.
Bei ansererSkizze steht die Notiz:
„Item das ist ain wassmull da das Rad nach der prayt auff dem wass leyt
unn sein wellpawin stet ob sich uun ist auch ein gerechte mull uon sy darf chfun
chomprad ain pabst von Rom der hat sy erdacht" (Item das ist eine Wassennühle,
b^ der das Rad der Breite nach auf dem Wasser liegt und sein Wellbauin aufrecht
steht Und es ist auch eine richfjge Mühle und sie bedarf keines Knmmrade«. Ein
Papst von Rom hat sie erdacht)
Fig. 325 (Blatt 10 R). Ein Stampfwerk für Handbetrieb. Dabei Bteht
bemerkt :
„Item daz ist ein stamptf damit man pulver stost unn dye etampff gent all
drey in ain loch ainer auff der ander ab." (Item das ist ein Stampfnerk, vomit
man Pulver stösst, und die Stempel geben alle in ein Loch, einer auf, der andere ab.)
Wir erinnern hier an die Stelle BiRisGucao'a (S. 125), wo er vom Zer-
mablen des Pulvers spricht tmd sagt: „Andere, welche nicht die BequetDÜch-
keit des Wassers haben, thon dies mit einem grossen Rade, welches so aus-
gerüstet ist, dass es mehrere Stempel von Eichenholz hebt, die beim Nieder-
fallen in verschiedene liölzeme Mörser schlagen, welche in einem Balken von
Eichenholz ansgehöhlt sind. Einige von diesen haben Böden von Bronce."
Dieser Beschreibung entspricht allerdii^
Fig. 336 (Blatt 17 V), besser, da hier hammerförmige Stempel in je einen
hölzernen Mörser schlagen, welche Mörser alle in einem Balken ausgehöhlt sind;
allein bei dieser Skizze steht im Original die Bemerkung :
„Item daz sein stampff damit man körn stampfft wan man nit mul gehabn
mag, den sie treibt ein man umb an dem rad. D'aina get auff der ander nyder etc."
(Item das ist ein Stampfwerk, womit man Korn stampft, wenn man etwa keine Mühle
hat, denn dieses trei^ ein Mann an dem Rade um. Der eine Stempel geht hinauf,
der andere herab u. s. w.)
280 SkizMD »08 der Zeit der HnBiitoiikriege,
lodess schliesat dies nicht ans, doBS solche StAmpfwerke anch zum Mahleo
von Pulver gebraucht werden koimteD.
Fig. 327 (Blatt 15 V). Eine Bohrmaschine zum Ausbohren hölzerner
Brunnenrobre. Dabei steht die Bemerkung:
^az ist ein gestell damit man mit roren prot (soll heiaeen: port) das habn
äj TOD nureDbei^ eins gemacht damit port man alltag XV roren daz jeglichen acht-
zehn Bchuch lank ist von den roren macht man prunnen mit etc." (Das ist ein Gestell,
womit man Rohre bohrt, so haben die von Nürnberg eines gemacht, nomit man alle
Tag 15 Rohre bohrt, deren jeglichee achtzehn Schuh lang ist Aus diesen Rohren
macht man Brunnen u. e. w.)
Soweit sich aus der Skizze erkennen lässt, bestand diese Maschine aus
einem hölzernen Rahmen, auf dem die Bohrspindel gelagert war und ver-
mittelst eines Spillenrades umgedreht wurde. Das zu bohrende Rohr war aof
[züzlk^
einer Zahnstange befestigt, die vermittelst eines unter dem Rahmen gelagerten
Getriebes mit lilienlÖrmigen Handhaben an der Axe fortgeachoben wurde.
Fig. 328 (Blatt 36 B) stellt unseres Erachtens einen Erdbohrer zum Ver-
tiefen eines Schachtbrunnens dar.
Fig. 329 (Blatt 8 V, ist eine rohe Skizze von einer Knnstramme. Das
Seil mit Haken, an dem der Rammbär hängt, geht über eine oben im
Maschinenges teile gelagerte Leitrolle und dann herab nach einer horizontalen
Haspelwelle, die an beiden Enden Räder trägt, von denen das vordere wohl
als Spillenrad, das hintere als Schwangrad za betrachten ist. Im zweiten Hefte
der in Rede stehenden Handschrift befindet sich eine flüchtige Skizze von einer
weit au^ebildeteren Kunstramme, die wir nachher betrachten werden. Auf
S. 250 besprachen wir eine Kunstramme von Lorini (1597) und eine auf S. 194
von Besson (11569) als die älteste, die wir damals kannten. Die heute vor-
liegenden Skizzen von Kunstrammen sind etwa um 140 Jahre älter als diejenige
Slunpfwerke, Bohrmaaehinen, KanBtrarame. Ü81
Bbsson's und um 280 Jahre älter als die von RChlhann in seiner „Allgemeinen
Maschinenlehre", Bd. IV, S. 235 angeführte aus den „Pariser Memoiren" von 1707.
Fig. 330 (Blatt 13 V), zeigt einen ledernen, mit Luft aufgeblasenen
Schwimmgiirtel and links zvei Strickleitern mit Haken an dem oberen Ende,
die der Schwimmer zum Hinanfklettem auf das Schiff oder das Ufer nöthig
hatte. In der Originalskizze sind rechts unten auch noch ein Pnar Stiefel
mit schweren Sohlen abgebildet, wie sie der Schwimmer tri^en musste, nm die
Füsse unten und den Kopf oben zu behalten. In der Schrift „De re militari"
des RoBERTüs Valtoriüs sind Schwimmer mit solchen Gürteln abgebildet und
ein solcher findet sich auch wieder auf Taf 39 der „Machinae novae" des
Faustus Vebastius {am 1628).
Fig. 328.
Fig. 331 (Blatt 14 V) zeigt einen mit einem Taucherhelme angerüsteten
Taucher auf dem Grande des Meeres oder Flusses. In unserer Abhandlung
über Leonardo da Vma betrachteten wir mit Dr. Hermann Grothe den dort
skizzirten Taucherhelm (Fig. 97, S. 98) als eine Konstruktion Leonabdo's; die hier
vorliegende Skizze aber lehrt, dass solche Taucherhelme schon früher bekannt
waren.
Fig. 332 (Blatt 17 R). Ein Boot, durch Ruderräder fortbewegt. Dabei
steht die Bemerkung:
„Item daz ist eiu schiff daz get auf stillen waesem und hat 4 vettig da geboren
4 man tzu tzwen hinten unn tzween fom unn daz mag wol XX wappen tragen
min dy vier man dy daz schiff tzyehn unn dy vettich gen in daz wass unn inwendig
hat ydlich vettich ein wendl den man umb treybt inwendig in dem schiff so mag
man fam auff dem wass ab und zw unn daz schiff boI verdeckt sein daz man dy
leyt nicht gesehen müg unn sol fomen ein staehlen spitz habn un an yedlich seyten
ein nebenspitz ain puchsen daz hayst ein stmytachiff daman dye von katalon all
283 Skiiun mu der Zeit der HaatitciikiieBe.
Hndera schiffen obligen. (Item das ist ein Schiff, das geht auf eüllen WaBsetn nnd
hat 4 Flügelräder [Fittiche]. Da geh&ren 4 Mann dazu, zyiä hinten und zwei vomen.
Dieses Sdiiff kann wc^ 20 Gewappnete tragen und die vier Mann, die es ziehen.
Die FlQgeltäder gehen in das Wasser und inwendig [im Schiffe] hat jegliches Flügel-
rad «ne Kurbel, die man inwendig im Schiffe umdreht. Bo kann mao auf dem
Wasser ab und zu fahren. Und das Schiff soll verdeckt s^n, damit man die Leute
darin nicht sehen möge, und vomen soll es eine stählerne Spitze haben und an jeder
Sdte eine Nebenspitze und ein Geschütz. Dies heisst man ein Stralachif^ worin
die von Katalonien allen anderen Schiffen überlegen find.)
Fig. 330.
In dem schon öfters erwähnten Werke des Robertus Valtubiüs, üb. 10,
Cap. 4. S. 314 und 315 tinden sich abgebildet: 1. Ein Boot mit ein Paar
Ruderrädem. 2. Ein Schiff mit iant Paar Ruderrädem. 3. Ein in sechs
kastenartige Theile zerlegbares Boot mit gewöhnlichen Rudern. 4, Ein in zwei
Fl(.332.
Flg. 33S.
cylinderförmige und zwei paraboloidformige, nach allen Seiten hin geschlossene
Theile zerlegbares Schiff, das, wie es scheint, dazu bestimmt war, mit dem
grössten Theile des Schiffammpfes unter Wasser zu fahren. Seitlich sind
zwei Ruderräder angebracht, die ganz unter Wasser nicht hätten wirken
können.
Fig. 333 (Blatt 23 R). Eine Edelsteinschleifmaschine. Dabei steht die
Notiz :
„Item daz ist ein polier mull als dy hochn maister tzu Venedig habn darauff
man allerley gestain poliert dy bedarf III schuhen dy erst ist pleyen dy ander
Schwimmgürtel, Taucherhelm, Ruderräder, Edelsteinschleifmaschine. 283
zynen dj tritt kupffem/' (Item das ist eine Poliermühle, wie sie die hohen Meister zu
Venedig haben, worauf man allerlei Steine poliert Dazu sind drei Scheiben nöthig,
die erste bleiern, die zweite zinnern^ die dritte kupfern.)
Von dem übrigen Inhalte des ersten Heftes der in Rede stehenden Hand-
schrift wollen wir nur noch die beiden schriftlichen Bemerkungen wiedergeben,
aus denen zu schliessen ist, dasis dieses Heft zur Zeit der Hussitenkriege ent-
standen ist. Die erste befindet sich auf Blatt 16 R bei einer Skizze von einem
fahrbaren Schirm für eine Bombarde und lautet:
„Item den schirrem hat her arking vor satz gehabt da gen hundert man wol
darunter sicher der haspel ist inwending unn wan man tzw der stat kumt so tzeugt
man den schirm auff unn schiust unn lat in den wider tzu gien wint den haspel
wider hinter sich so get der schirm wider von stat unn dye lewt stien dar hinter an
schad.'* (Item den Schirm hat Herr Archinoer vor Saaz gehabt Da stehen wohl
hundert Mann dahinter sicher. Der Haspel ist inwendig, und wenn man zu der
Stadt kommt, so zieht man den Schirm auf und schiesst und lässt ihn dann wieder
zugehen; windet den Haspel wieder hinter sich, so geht der Schirm wieder von der
Stadt weg und die Leute stehen dahinter, ohne Schaden zu nehmen.)
Die zweite Bemerkung findet sich auf Blatt 23 R bei einer Skizze, welche
ein Fuhrwerk darstellt, das ringsum mit Pallisaden verkleidet ist und ohne
Zweifel auch durch Drehen eines Haspels im Innern des Wagens fortbewegt
werden konnte. Sie lautet:
„Item daz ist der hussen wagenburgk darauf dy hussen vechtn dy ist gut
und gerecht (Item das ist der Hussiten Wagenburg, worauf die Hussiten fechten.
Die ist gut und recht)
Aus der ersten dieser beiden Bemerkungen geht hervor, dass die Be-
lagerung von Saaz durch Archinger von Seinsheim, welche im September 1421
stattfand, der vergangenen Zeit angehörte, als diese Bemerkung niedergeschrieben
wurde, und da in der zweiten Bemerkung das Verbum „fechten in der gegen-
wärtigen Zeit gebraucht wird, so ist daraus zu schliessen, dass die Kämpfe der
Hussiten noch nicht vorüber waren, als diese zweite Bemerkung niedergeschrieben
wurde.
Was das zweite Heft der in Rede stehenden Handschrift betrifft, so
sind die schriftlichen Bemerkungen, welche über die Zeit seiner Entstehung
und den Namen seines Autors Aufschluss geben, die folgenden:
Auf Blatt 70 resp. 73 steht bei der Skizze von einer durch Saumthiere
getragenen Bombarde:
„Die 3A mensis septembris hanc bombardam anno 1438 indicavi Daniello
Nicolay Romaneltb de Sen.<' (Am dritten September des Jahres 1438 habe ich diese
Bombarde dem Daniel Nikolaus Romaneltis aus Siena gezeigt)
Auf Blatt 79 resp. 82 V steht geschrieben:
„Dominus Marianus Scizun de Sen die 8± mensis decembris vidit omnia ista
in domo suo habitans.
Anno 1438 et at 9 dl dicembre de mo domino Petro de Micheglis de Sen in
designis bombardam ad bossulam ad ciconiam ao at vitem tunc dixit volebat immediate
conferre un famulo Francisci Piccini etc." (Herr Marianus Scizun aus Siena hat am
8. Dezember alle diese Sachen in seinem Hause gesehen. — Im Jahre 1438 am
9. Dezember zeigte ich dem Herrn Petro de Micheglis aus Siena in Zeichnungen die
m
Skiiien kqb der Zeit der fluMitenkriege.
Binibarde mit Bussole, RichUchcit und Schraube, worauf er sagte, er wolle sofort mit
einem Diener des Francesco Piccini konferiren u. a. w.)
Auf Blatt 98 resp. 96 V endlich steht geschriebea :
1441. — DoHmns Antonius Catelonds, presbiter de civitate Tortose die
XV mensis Aognsti.Tidit haec dis^na oc etiam rotulum, in quo emnt macbinae
et tonnenta antiqua designata ex mann mei Maruhi Jacobi de Sek. (Herr
Antonius Catelohds, Priester der Stadt Tortosa, hat am 15. Angnst diese
Zeichnnngen gesehen und auch eine Rolle, auf der Maschinen nnd alte
Schteudermaschinen gezeichnet waren, von meiner, des Marianus Jacobus von
SiEKA, Hand.)
Von den in diesem Hefte enthaltenen Skizzen heben wir hervor:
Fig. 334 (Blatt 32—22 R). Ein fahrbarer doppelter Aufzug.
Fi«. SU.
Fig. 335 (Blatt 22 R). Eine Schraubenwinde zum Heben von Geschützen,
von der in Fig. 313 dargestellten nar dadurch verschieden, dass hier die
Schraube, dort aber die Schraubenmutter gedreht wird.
Fig. 336 (Blatt 21 V). Ein doppelter Aufzug, durch einen Göpel direkt
betrieben. Das Maschinengesteli wird wie bei den altrömischen Keltern (S. 71
unserer Abhandlung über Cato] nicht durch Befestigung an einem Fundament,
sondern durch Belastung mit Steinen niedergehalten.
Fig. 337 (Blatt 4 V). Ein Drehkabn einfachster Art zum Ent- oder Be-
laden von SchifTen. Derselbe besteht aus einer feststehenden Säule mit verti-
kalem Zapfen am oberen Ende und einem darauf gesteckten horizontalen Hebel.
Da der Durchmesser der Bohrung im Hebel grösser ist als der Zapfendurch-
messer, aber kleiner als der Durchmesser des oberen Säulenendes, so stützt
sich der Hebel auf dieses, kann um den Vertikalzapfen gedreht werden und
KnfaDen, Schnnben winde.
286
seine Enden können innerhalb gewieser Grenzen aaf und nieder schwingen.
An dem der Last gegenüber liegenden Hebelende ist ein Kasten befestigt, der
mit Steinen gefüllt werden kann, nm die Last tbeilweise oder ganz abzuwuchten.
Rechts von dem Krahn ist durch eine kleine Skizze gezeigt, wie dieselbe Be-
weglichkeit des Hebels dadurch erreicht werden kann, dass man ihn um eine
vertikale und horizontale Axe drehbar macht. In unserer Abhandlung über
Besson (S. 205) sagten wir nach der Beschreibung seines Logs: „Die Drehhsr-
keit des Instrumentes um zwei aufeinander senkrechte in einer Ebene liegende
Axen ist von besonderem Interesse, weil dies die älteste uns bekannte Anwendung
des Frincipes ist, auf welchem die Konstruktion des Universalgelenkes oder des
sogenannten HooK'schen Schlüssels beruht" Hier haben wir nun eine um 140 Jahre
ältere Anwendung dieses Frincipes vor uns; nur mit dem Unterschiede, dass die
beiden Azen in einer senkrechten, anstatt in einer waagrechten Ebene liegen.
Fig. 338 (Blatt 23 V). Ein Aufzog für Geschütze, der als eine Um-
kehrung der altrömischen Kelter, wie sie Cato beschreibt, zu betrachten ist.
In unserer Abhandlung über Cahdanus gaben wir eine Hebmaschine wieder, die
als analoge Umkehrung der späteren römischen Kelter zu betrachten ist.
(Fig. 196, S. 175.)
Fig. 339 (Blatt 31 V). Ein Krahn zum Heben von Baumaterialien auf
im Bau begriffene Thünne oder andere Gebäude. Er ist nach demselben Prin-
28B Skisieo otu der Zeit der UaButenkriage,
cipe konstruirt, wie die im dritten Theile von Weisbach's „Ingeoieor- ond
Maschinen-Mechanik" § 223 beschriebenen Hängemaschinen oder sogenannten
„Drops", womit man, wie Weisbach sagt, in England die Wagen, welche auf
einer Eisenhahn zugefahren werden, sammt ihrer Last herablässt in die Kohlen-
schiffe. Auch dieses Frincip ist also sehr alt
Fig. 340 (Blatt 74 R) zeigt die Konstruktion eines Uebedanmens damaliger
Zeit. Soweit es sich nach dieser Skizze beurtheilen lässt, war die Konstruk-
tionsregel: Beschreibe den Umfang der Danmenwelle nnd den Umfang des
Kreises, den der äosserste Punkt des Daumens beschreiben mnss, damit der
verlangte Hub erzielt wird. Ziehe einen Radius, theile das Stfick desselben,
welches zwischen den beiden Kreisen liegt, in drei Theile und ziehe durch den
Tfaeilnngspunkt zunächst der Welle einen koncentrischen Hilfskreis. Theile
diesen Hilfskreis in sechs Theile und beschreibe aus den Theilpunkten mit dem
Radius des Hilfskreises Kreisbogen zwischen dem ersten und zweiten Kreise,
so geben diese die Krümmung der arbeitenden Flächen der Hebedanmen an.
Fig. 341 (Blatt 5S V). Ein Perpetuum mobile. In unserer Abhandlung
über Rahelu (S. 231} sagten wir: „Vielfach hat man auch ein Rad dadurch
in immerwährende Bewegui^ setzen zu können geglaubt, dass man darin Ge-
wichte anbrachte, welche sich auf der einen Seite von der Vertikalebene durch
Fortrollen oder Umschlagen eines Hebels, an dem sie befestigt waren, weiter
entfernten nnd sich auf der anderen Seite der Mittelebene wieder näherten.
Auch diese verfehlten Ideen liegen schon bei Ramelli der Konstruktion eines
Schöpfrades auf Blatt 43 zu Grunde." — Eine Skizze von einem solchen Rade,
das durch Umschlagen von Hebeln in immerwährende Bewegung kommen soll,
sehen wir aber hier schon in einer Skizze aus dem Anfange des XV. Jahr-
hunderts vor uns.
HebedanmeD, Perpetunm mobile, Schraubenanfhelfe. 287
Fig. 342 (Blatt 125 — 134 R). Eine kompendiöso Konstruktion eines
Stampfwerkes. Die Daumenwelle liegt dicht an dem Stempd, aus dem ein
Schlitz herausgearbeitet iat, durch den der Daumen bei seiner Drehung bin-
durchgeht. Oben in diesem Schlitze iat eine Antifriktionsrolle angebracht,
gegen die der Daumen drückt, wodurch der Stempel gehoben wird.
Fig. 343 (Blatt 36—26 V). Eine Schraubenaufhelfe für eine stehende
Welle, beispielsweise für ein Mühleisen.
Fig. 344 (Blatt 86 — 87 V). Ein Ziehbrunnen mit zwei Eimern, durch
ein horizontales Windrad betrieben. Da dieses feste Flügel hat und sich da-
her nicht drehen kann, wenn es ganz dem Winde ausgesetzt ist, so moss an-
genommen werden, dass seine eine Hälfte durch einen Schirm vor dem Winde
geschützt sein sollte, wie bei dem horizontalen Windrade Besson's. {S. 203.)
Und da bei dem Ziehbrunnen mit zwei Eimern immer abwechselnd der eine
Flg. 311.
Pig. W2.
auf-, der andere abwärts geben muss und daher eine Umsteuerung des Mechanis-
mus unumgänglich nöthig ist, so muss man sich diesen Schirm hier verstellbar
denken.
Fig. 345 (Blatt 80 R). Ein Patemosterwerk mit flachen Kolben. Ein
flacher Kolben zu einem Pastemosterwerke findet sich unter den Skizzen Ton
Leonardo da Vinci (Fig. 113, S. 102) und da wir solche in anderen älteren
Werken seither nicht angetroffen hatten, hielten wir diese Konstruktion fUr
eine dem Leonardo eigenthümlicbe ; die vorliegende Skizze beweist jedoch, dass
sie schon früher bekannt war.
Fig. 346 (Blatt 21—20 R). Ein Ziehbrunnen mit Räderübersetznng und
einer um ein Rad geschlungenen Kette, woran der Arbeiter zieht Diese Kette
iat hier noch ganz um das Rad herumgeschlungea, während wir sie bei Rahelu
schon einfach darüber gelegt sahen. (Fig. 297, S. 210.)
Fig. 347 (Blatt 58 R). Eine nicbt sangende (nnr drückende) Plunger-
pumpe für geringe Förderhöhe, wie man ähnliche in alten Werken öfters abr
gebildet findet. Der Pumpenkörper steht mit seinem unteren Theile unter
288 Skiiien ans der Zeit der HnsaitMikiicge.
Wasser ond hat im Boden oder in der Seitenwand dicht ober demselben ein
oder mehrere sich nach innen öffnende Ventile und in einiger Entfeninng vom
oberen Rande ein ÄwtUnfrohr. Der Plongerkolben schliesst nicht an den
Pompenkörper an, zwischen den Seitenwänden beider bleibt aber nnr ein enger
Fi(. SM.
Fl« SM.
Zwifichenraom. Hebt man den Hebel über den Kolben, so dringt das Wasser
TOn selbst durch die Ventile in den Pamj>enkörper , bis der innere Wasser-
spiegel mit dem äasseren gleich hoch steht. Wird dann der Kolben nieder-
gedrückt, so schliessen sich alle Ventile, das Wasser im unteren Räume des
Pumpenkörperi wird verdrangt und in dem Zwischenräume zKiscben den Seiten-
wanduugen des Pampenkörper^ und des Kolbens in die Hohe gepresst, bis es
durch das Ansiaufrohr oder über den Kand des Pumpenkörpers ausdiesst. Bei
besseren Konstruktionen dieser Art ist der obere Theil des Pompenköipers
Ziehbniimeti, PitterDOBterwark, sebwingeDde Rinne, Geblflse. 289
Ton einem schalenförmigen Gefäss umschloBsen, von dem daa über den Rand
des PumpenkörperB ausfliegsende Wasser aufgefangen wird und an welches sich
dann das Auslaufrohr erst anschliesst, während bei der hier vorliegenden Skizze
das über den Rand des Pumpenkörpers ausfliessende Wasser verloren geht.
Fig. 348 (Blatt 31 R). Ein Paar Balgpumpen in Form von gewöhnlichen
Schmiedeblasbälgen und in derselben Weise betrieben wie die von Biringdccio
beschriebenen Giessereiblasbälge. (Fig. 130, S. 118.)
Fig. 349 (Blatt 55 V). Schwingende Rinnen zur WasseriÖrdenmg auf
geringe Höhe, ähnlich denen, welche Ramelli beschreibt. (Vergl. S. 22!).)
Fig. 350 (Blatt 25-30 R). Ein Paar Schmiedeblasbälge, durch ein ober-
schlächtiges Wasserrad in derselben Weise betrieben, wie es BmiNGücao als
erste .\rt angiebt. {Fig. 126, S. 116.) In unserer Abhandlung über Leonardo
DA \LNia (S. 109) sagten wir bei Besprechung einer Skizze von einem ober-
Bchlachtigen Wasserrade: „Was zunächst die schiefe Schaufelstellung zur Ver-
grösserung des wasserhaltenden Bogens anbelangt, welche Dr. H. Grothe foc
eine Verbesserung des Leonabdo zu halten scheint, so möchten wir darauf hin-
weisen, dass in Agricola's Werk „De re metallica", Basel 1530, alle ober-
Bchlächtigen Räder mit schräg gestellten Schaufeln abgebildet sind a. s. w."'
Die hier vorliegende Skizze des Marunus Jacobus aber liefert den direkten
Beweis, dass oberscblächtige Wasserräder mit schräggestellten Schaofeln auch
in Italien lange vor Leonardo bekannt waren.
Fig. 351 (Blatt 87 V) zeigt eine Methode, wie durch die Wasserkraft
eines Flusses ein darauf schwimmendes Schiff stromaufwärts bewegt werden
kann. Quer über einem Boote ist ein Wellbanm gelagert, an dessen über die
Schiffswandungen hervorragenden Enden je ein Flügelrad oder unterschlächtiges
Wasserrad angebracht ist, das mit seinen Schaufeln in den Strom tAucht,
Oberhalb der Stelle, wo das Boot sich befindet, ist ein Seil über den Fluss
gespannt. An diesem ist ein zweites langes Seil befestigt, nach dem Boote
B*ek. 19
200 Skiizen aus der Zeit der HoMitenkriege.
hingefülirt und einigemal um den Wasserradwellbaum geschlungen. Zieht der
Bootsmann das freie Ende dieses Seiles etwas an, so kann die Strömung des
Flusses das Boot nicht mit sich fortführen, dreht vielmehr die Wasserräder
mit ihrem Wellbaume um und windet das Boot stromaufwärts, wenn das Seil
in der entsprechenden Richtung um den Wellbaum geschlungen ist In der
vorliegenden Skizze ist letzteres allerdings nicht der Fall and man mnss sich
diesen Zeichenfehler verbessert denken. Diese Art, zu machen, dasa ein Schiff
„von selbst" gegen den Strom fährt, wird auch in des Faustus Vebantidb
„Novae Machinae" (1628) beschrieben (Probl. 40), man ersieht aber aus der
hier vorliegenden Skizze, dasa dies zu des Veb&ntius Zeit keine nova machina
mehr gewesen ist. Doch giebt dieser gleichzeitig noch eine verbesserte Methode
an, die ihm eigenthümHch sein mag.
Fig. 352 (Blatt 119—128), zeigt die vorhin erwähnte flüchtige Skizze einer
KuDStramme. Der Rammbär ist hier vermittelst eines Hakens an das Zugseil
gehängt, der sich selbstthätig aushängt, wenn der Bär auf die richtige Höhe
gezogen ist, wie man aus der Hauptskizze ersieht, wo der nach rückwärts ver-
längerte Stiel des Hakens eben an einen im Gestelle befestigten Stift von unten
anstösst. Aus der rechts neben der Hauptskizze befindlichen kleineren Skizze
ersieht man, dass der Haken sich auch selbstthätig einhängen sollte, wenn er
wieder bis zur entsprechenden Höbe herabgelassen war. Denn der Haken ist
hier in dem Momente gezeichnet, wo sein Stiel von oben gegen einen Stift
stösst und er sich demzufolge in die vor ihm stehende Oese des Rammhärs
einhängen muss. Das Zugseil geht in der Hauptskizze über eine Leitrolle oben
im Maschinengestell und dann herab zu einer Seiltrommel, ist einigemal am
Scbifffahrt gegen den Strom, Kunstramme, Seilbahn.
291
diese geschlungen und geht dann wieder aufwärts. Hinter dem am erstge-
nannten Seilende hängenden Rammbär sieht man das zweite Seilende mit einem
zweiten Fangbaken herabhängen. Es liegt daher dieser Skizze offenbar die
Idee zu Grunde, durch die Maschine zwei Rammbären zu bewegen und in der
Weise wirken zu lassen, dass immer der eine von seinem Fanghaken wieder
erfasst wird, sobald ier andere ausgelöst wird.
Fig. 353 (Blatt 23 R) zeigt, wie man eine Bombarde oder eine andere
Last durch Zugthiere über einen Fluss oder eine Schlucht schaffen kann, welche
die Zugthiere nicht überschreiten können. Zwischen einem Baume auf dem
linken und einem eingeschlagenen Pflocke auf dem rechten Flussufer ist ein
Seil gespannt, an das die Bombarde vermittelst eines Ringes gehängt ist. An
den Baum ist eine Flasche mit einer Rolle gebunden, über welche ein Zugseil
geht, dessen eines Ende an dem Ringe, der die Bombarde trägt, befestigt ist,
während an dem anderen Ende,
welches ebenfalls über den Fluss
hinübergeführt ist, die Zugthiere
angespannt sind. Gehen diese
landeinwärts, so ziehen sie die
Bombarde über den Fluss, indem
der Ring, an welchem sie hängt,
über das gespannte Seil hingleitet.
In unserer Abhandlung über
Lorini (S. 246) gaben wir die Be-
schreibung einer Seilbahn zum
Erdtransport in Karren wieder und sagten, dies sei die älteste Beschreibung
einer Seilbahn. Man ist jedoch berechtigt, auch den in vorliegender, um etwa
170 Jahre älteren Skizze dargestellten Apparat als eine Seilbahn zu bezeichnen.
Fig. 3ö4 (Blatt 82 R). Eine Pumpe mit einem hohlen Ventilkolben. In
unserer Abhandlung über Cardanus (S. 176) findet sich die dortige Beschreibung
der Pumpe des Bartholomäus Brahbilla, die wir damals für die älteste Be-
schreibung einer Pumpe hielten, deren Hohlkolben ein in der Mitte sitzendes
Ventil hat. Wir haben jedoch hier eine um etwa 120 Jahre ältere Skizze von
einer Pumpe dieser Art vor uns.
Fig. 355 (Blatt 63 R) zeigt einen Mahlgang, durch einen Göpel betrieben,
der durch eine in der Erde gelagerte Transmissionswelle mit ersterem ver-
bunden ist.
Von den übrigen in diesem Heft^ enthaltenen Skizzen sind hier etwa
noch zu erwähnen :
Blatt 98—96 R. Eine schön ausgeführte grössere Zeichnung von einem
Becherwerke, mit Ochsengöpel betrieben.
Blatt 30—35 R und Blatt 31—36 V. Schöpfräder.
Blatt 37 — 27 V. Ein fahrbarer Aufzug mit grossem Tretrade, ähnlich
19*
Fig. 3Ö3.
203 Sküun ans der Zeit der Hiuwitonkriege.
desen in den Figuren 62 n. 53, S. 47 n. 48; jedoch hält eich der Arbeiter nicht
direkt an einer Querstange, Tiebnehr ist diese in höherer Lage angebracht, und
es hängt von ihr ein Strick herab, den der Arbeiter mit den Händen erfasst.
Blatt 105^99 R zeigt einen Teich in der Nähe des Meeres, das durch
das eingeschriebene Wort „Mare" kenntlich gemacht ist. Der Teich steht durch
zwei Kanäle, die durch Schleusen abgeschlossen «erden können, mit dem Meere
in Verbindung. Bei dem Kanäle rechte, wo die Schleuse zunächst des Meeres
angebracht ist, steht: „Introitua" (Einlauf) und die Bemerkong: „per sex horas
crescit et per sex horas decrescit intra diem et noctem, d. h. während sechs
Standen steigt es (das Wasser) und während sechs Standen fällt es bei Tag
und bei Nacht. Bei der Schleuse des linken Kanales, welche zunächst des
Teiches angebracht ist, steht: „exitus" (Auslauf) und zwischen dieser Schleuse
und dem Meeresufer an zwei verschiedenen Stellen: „hie molendam" (hier soll
gemahlen werden).
Es unterliegt keinem Zweifel, dass durch diese Skizze gezeigt werden
soll, wie man mit Hilfe von Fluth und Ebbe des Meeres Mühlen betreiben
kann. Auch Belidob bebandelte in seiner „Architectura hjdraulica", die 1737
erschien, dieses Thema ausführlich.
Als vor Kurzem die Zeitungen von einem französischen Ingenieur be-
richteten, der den Plan habe, Fluth und Ebbe als Kraftquelle zu benutzen nnd
die so gewonnene Kraft in Form von Elektricität in das Binnenland za leiten,
schien Vielen die Idee, das periodisch wiederkehrende Steigen nnd Sinken des
Meerwassers als Kraftquelle nutzbar zu machen, als eine der neuesten und
genialsten des neunzehnten Jahrhunderts. Die soeben beschriebene Skizze lehrt
ans, dasB diese Idee mindestens vierbondert und siebzig Jahre alt ist.
Vittorio Zonea (1568-1602).
In unserer Abhandlung über Cato den Aelteren haben wir auf Seite 69
eine Kelter römischer oder eigentlich griechischer Art aus Zonca's „Novo Teatro
di Machine et Edificii'' (Padua 1621) besprochen und daselbst in Fig. 67
abgebildet. Wir glaubten damals, dass diese Auflage die älteste sei, haben
aber inzwischen gefunden, dass sich in der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek in
München eine solche von 1607 befindet, deren Inhalt mit Ausnahme der
Widmung mit der vorhin genannten übereinstimmt. Diese Widmungen der
Verleger bilden in beiden Auflagen die einzige Vorrede. In der von 1607 folgt
nach einem Lobe der Ingenieurkunst die Stelle:
„Diese Erwägung, erlauchter Herr, hat mich zuerst bewogen, die ehrenwerthe
Arbeit des Herrn VrrTORio Zonca, Architekten von Padua, die mir in die Hände
gefallen war, nicht umkommen und in Vergessenheit gerathen zu lassen.*'
Auf dem Titelblatte wird der Autor noch genauer als: „Architetto della
Magnifica Communitä di Padua" bezeichnet.
Damach war zu yermuthen, dass Zonga vor 1607 als Stadtbaumeister
von Padua gestorben sei, und weil wir Genaueres über seine Person in Büchern
nicht finden konnten, wandten wir uns an Herrn K. Keller, Professor der
Technischen Hochschule in Karlsruhe, Doctor honoris causa der Universität
Padua, mit der Bitte, dort Erkundigungen darüber einzuziehen. Durch ihn
gelangte unser Gesuch an Dr. Garolo Ferraris, Rector Magnificus der Uni-
versität, Professor Gloria, Archivinspektor, und Sign. A. Capello, Archivar
des Museo Civico in Padua. Der Güte dieser Herren verdanken wir die Mit*
theilung folgenden Briefes des Letzteren an Dr. C. Ferraris:
„. . • . In der Liste der Verstorbenen des Gesundheitsamtes Bd. I finde ich,
dass am 15. November 1602 ein Vittorio Zunoo in der Pfarrei 8. Giacomo an der
Ruhr starb. Er war 34 Jahre alt und daher 1568 geboren. Dass der Name Zuvco
und nicht ZoxcA geschrieben ist, hat nichts zu bedeuten, da auch die anderen
Glieder dieser Familie bald Zonca, bald Zonchi und auch ZcJNcei genannt werden,
und Vittorio in den Akten des Stadtrathes Zünca genannt wird. Aus diesen ist
ersichtlich, dass er auf sein Gresuch durch Rathsbeschlnss vom 12. Februar 1597 zum
Architekten der Stadt ernannt wurde. Doch war dies nur ein Ehrenamt, und an
seine Ernennung wurde die Bedingung geknüpft, dass daraus für Privatpersonen
2dl Ymorio ZoBca.
k^iiHfriti V-rpflx-fatiug eiwmchsen solle, s<v^ Dieii?le in As7pr.xii za Dclmien imd
4e d&Den Acdener vorzuziehen. — Von deineiD Werke ^oro Teatro di HacUDe etc.'
•ind adMT rier Aufla^n erschienen: die Ton 1607. velcbe in dem an Sie gefiditeten
Briefe erwähnt i?t. etoe zveite von 162 U «eldie sich in der UniTerstitebioIiodidc
befindet, eine dritte von 1627 wird von Vedova in seinen ^^iognfie degli serittori
Padovml^ and von PETBCoa in seinen «Biografie de^ anisti Padovani* erwähnt,
eine vierte endlich von 1656 besitzt unaere Bibliothek. Da« Erscheinen so vieler
Auflagen dieses Werkes beweist den hohen Werth. welcher ihm za seiner Zeit bei-
gelegt wople and die Tüchtigkeit seines Yerfas-sers. — Uebcr Gebäude, welche nadi
Zeichnungen demelben ausgeführt worden, konnte ich keine Aofieichniingen finden.*'
Das Werk Zoxca's bildet einen kleinen Folioband von 115 Seiten, wovon
42 mit je einem Kupferstiche und die übrigen mit Beschreibongen angefüllt
sind. Seine theoretischen Betrachtungen haben für uns keinen Werth mehr,
aber interessant bleibt sein Werk, weil es über die damalige Anwendung von
Maschinen auf mehreren Gebieten der Industrie die ersten genaueren Auf-
schlüsse giebt. Wir haben deshalb hier die meisten seiner Abbildungen in
verkleinertem Massstabe wiedergegeben und werden im Nachfolgenden das
Wichtigste aus seinen Beschreibungen mittheilen.
Seite 1 zeigt eine Winde mit Schraube ohne Ende (Fig. 356),
worüber unter anderm gesagt wird:
„ . . . . Die Arbeiter pflegten mit einer solchen Maschine jedesmal ein Crewicht
von 20000 Pfund durch <Üe Kraft von zwei Mann auf die grössten Gebäude der
Stadt Padua zu heben, als Steine. Kalk, Eisenwerk
und andere zum Bau erforderliche ^laterialien.
Jetzt aber hat man sie verlassen, weil eine andere
3faschinc in die Praxis eingeführt worden ist» die
mit einem Göpel und Rollen dieselbe Arbeit leistet.
Die Schraube ist von gutem Metall (Bronce) gemacht
und in einem Stücke gegossen. An ihren Enden
sind eiserne Kurbeln von IV«' Länge (der Hand-
griffe) aufgesteckt» damit auf jeder Seite ein Arbeiter
Platz findet . . . Das Rad, welches auf der Seil-
trommel befestigt ist und durch die Schraube um-
gedreht wird, ist von Eisen, damit es sich an dem
Metalle wenig abnutzt, und hat einen Duichmesaer
Fis.S56. von 9", eine Breite von P t' und 18 schräg
laufende Zähne von abgerundeter Fonn, so dass
ae genau in die Vertiefungen der Schraube passen. In der Mitte hat es ein
quadratisches Loch von knapp 4^ Seitenlänge. Dieses umschliesst einen Zapfen
der Seiltrommel, die 2'/4' lang und so dick ist, dass sie die Zähne des Rades frei
lässt An dem Ende gegen das Rad hin muss die Trommel dicker sein als an dem
anderen, wo das Seil befestigt wird, damit dieses, wenn es die Last ruckwase anzidit,
«ich um das dünnere Ende wickelt und langsam bew^t Die Zlapfen der Trommel
nind von demselben Holze aus einem Stücke mit dieser. Der eine, und zwar der
längere, hat dieselben Abmessimgen wie das Loch im Rade und eine Länge von V«'.
Auf diesem wird das Rad mit einigen hakenförmigen Eisen befestigt, die auf die
Trommel genagelt werden. Dann setzt man noch eine hölzerne Scheibe von solcher
Grösse davor, dass sie die Lücken der Zähne hei lässt, während sie die Köpfe der
Haken bedeckt Der übrige Thdl des Zapfens ist rund, wie der andere kürzere Zapfen.
Die Lager, d. h. die Löch^, worin sich die Zapfen drehen, füttert man mit
Leder aus, damit das Holz sich nicht abreibt Die ganze Maschine ist von iSchen»
WJDden mit Schraube ohne Ende.
höh. Die Pfosten, inabesondere die, welche die Schraube trogen, sind mit dsemen
aufgenagelten Bändern gebunden . . . ."
Das Gewicht, welches mit dieser Maschine durch zwei Mann gehoben
worden sein soll, scheint mit 20000 Pfund zu gross angegeben zu sein, was
sich jedoch dadurch erklären lüsst, dass man das damals allgemein übliche
Einschalten eines Flaschenzuges bei Beschreibungen von Hebmascbinen oft un-
erwähnt Hess.
Seite 3 zeigt die durch unsere Fig. 357 wiedergegebene Vorrichtung
zum Heben eines eisernen Fallthores Eine am unteien tnde einer
Handgöpelwelle angebrachte Schraube greift
in ein auf horizontaler Welle sitzendes
Schraubenrad. Am anderen Ende dieser
Welle greift ein Zahnrad in eine am
Gittertbore befestigte senkrechte Zahn-
stange. Mehrere SpeiTklinken, die sich auf
Quadersteine im Fussboden stützen, ver-
hindern sein Herabfallen, nenn der Druck
der Arbeit«r aufhört oder während des
Hebens ein Bruch vorkonunt. Die horizon-
tale Welle liegt unter dem Fussboden und
ist nur darüber abgebildet, um sie besser
sichtbar zu machen.
Seite 6 zeigt die Hebmascbine,
woron gesagt wurde, dass sie die Winde
mit Schraube ohne Ende bei Bauarbeiten
verdrängt habe. Es ist ein siebender
Pferdegöpel , dessen Seiltrommel gleich-
zeitig ein Seil auf- und ein anderes abwickelt. Beide Seile gehen horizontal
unter Leitrollen durch und aufwärts nach Flaschenzügen über der Baustelle.
Die Vorrichtung entspricht der Fördermaschine Agbicola's, die wir auf S. 131
besprochen haben; doch ist das Maschinengestell aus einem Balkengerüste
gebildet, das man leicht auf- nnd abschlagen kann.
Seite 14 zeigt eine Schiffmühle. Zwischen zwei Pontons ist ein unter-
schlächtiges Wasserrad gelagert, das einen Mahlgang und einen Schleifstein
auf dem einen Ponton und einen hammerförmigen Stempel an dem anderen
treibt. Solche Stempel fanden wir unter den Skizzen aus der Zeit der Hussiten-
kriege (Fig. 326, S. 280). Bei diesen steht die Bemerkung, man könne sich
ihrer bedienen, wenn man keine Mfihle habe; Zonca sagt, dass der Hammer
dazu diene, das Getreide in einem steinernen Mörser zu zerstampfen, ehe es
auf die Mühle gebracht werde. Es ist erstaunlich, dass sich diese primitivste
Art der Getreidezerkleinerung so lange erhalten hat. — Den Durchmesser des
Wasserrades giebt er zu 12 bis 14' an und sagt bezüglich des übrigen Räderwerkes :
FiB. 3i7.
296 Vittorio Zone«.
„Das Zahnrad am Ende der Waaeerradwelle hat 5^/4' Durehmesser und 54 Zähna
Das Getriebe erhält sechs Triebstöcke. Die Zähne der Räder und die Triebstöcko
der Getriebe pflegt man je nach der Oertlichkeit auf dreierlei Art einzutheilen. Man
giebt nämlich dem Rade 48, 54 oder 60 Zähne und den (Jetrieben 6, 9 oder
12 Triebstocke . . . ."
Für das unterschlächtige Wasserrad von 12 — 14' Durchmesser kann man
etwa sieben Umdrehungen in der Minute annehmen und erhält dann bei der
von ZoNCA als normal angegebenen Uebersetzung 6 : 54 = 1 : 9 für den Läufer-
stein etwa 63 Umdrehungen in der Minute. Dies stimmt mit Belidor's An-
gabe überein, der in seiner „Architectura hydraulica" vom Jahre 1737, erster
Theil, § 638 sagt, dass der Läufer in einer Minute höchstens sechzig Mal um-
laufen solle, damit das Mehl nicht erhitzt werde. Aus den Abbildungen
Ramelli^ s schlössen wir seiner Zeit, dass die Läufersteine seiner Wassermühlen
nur 28 Touren in der Minute gemacht hätten (S. 230); es scheint aber nach
den Angaben Zonga's, verglichen mit denen Belidor^s, als ob Ramelli auch
hier seine Konstruktionen nur kinematisch behandelt und von der erforderlichen
Geschwindigkeit des Werkzeuges abstrahirt habe.
Die Mühlsteine sind bei Zonca noch nicht mit Zargen umkleidet, sondern
liegen in grossen, oben offenen Kasten, worin sich das Mehl sammelt, insoweit
es nicht verstäubt, während wir bei Ramelli oben offene und bei Besson schon
ganz geschlossene Zargen fanden. Auch fehlt bei Zonca meist der Schuh unter
dem Einlauftrichter, den Ramelli stets anbrachte; doch ist an dem Trichter
selbst eine Rühr- oder Schüttelvorrichtung.
Auf Seite 18 ist eine gewöhnliche Mühle mit einem unter-
schlächtigen, auf Seite 21 eine solche mit mehreren oberschläch-
tigen Wasserrädern dargestellt, wovon jedes einen Mahlgang treibt. In
der Beschreibung wird gesagt, dass man das Wasser für letztere Mühlen in
Teichen sammele, von denen es durch Schleusen und steinerne oder hölzerne
Kanäle auf die Räder geleitet werde. Der Kanal soll zunächst dem Reservoir
IV«' breit sein und auf 10 bis 12 Ellen Länge wenigstens 2' Fall haben; zu-
nächst dem Rade aber soll er sich verengen und doppelt so viel Fall haben,
damit das Wasser mehr Zusammenhalt und grössere Gewalt erlange. Femer
sagt Zonca:
iJndem nun hier das zusammengezogene Wasser rasend (furiosamente) auf die
Zellen der Räder stürzt^ fängt es an, sie in Bewegung zu setzen. Aber weil der
Durehmesser dieser Räder so gross ist (16 bis 20')i werden sie sehr schwer, und
deshalb macht man Löcher in je drei oder vier Zellenwände, damit das Ausfliessen
des Wassers die Bewegung des Rades erleichtere."
Er hält also möglichst starken Stoss des Wassers gegen die Zellenwände
für das Wesentlichste, um einen guten Effekt mit oberschlächtigen Wasser-
rädern zu erzielen, und in diesem Irrthume war auch Beudou noch befangen,
der a. a. 0. lib. II, Kap. 1, § 644 das Wasser durch eine schräge Röhre auf
die halbe Radhöhe herabstürzen und durch ein Gerinne nach dem tiefsten
Punkte des Rades gelangen lässt. Die deutschen Bergleute aber hatten das
WauermQhlRn, Mnhle mit Tretrad fUr OcbBen.
207
richtige Princip, wonach oberecblachtige Wasserräder zu konstruiren Bind, in
der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts schon erkannt, wie ans äoricola'b Ab-
bildui^en bervorgebt (vergl. die Figuren 156, 157 u. 166, S. 138, 142 u. 149).
Bezüglicb der Zabnrädeniberaetzung bei diesen Mühlen sagt Zonca:
„Wei! die grösseren Wasserräder eine langsamere Bewegung haben, vermehrt
man die Radzähne und rergTÖi<!-ert den Umfang des Zahnrades. Es erhält 48 Zähne
und 7'/s' Fuss Durchmesser Das Getriebe erhält sechs Triebstöcke, und
eine volle Umdrehung des Wasserrades erzeugt daher 14 Umdrehungen des Mühl-
steines . . . ."
Für ein oberscblächtiges Wasserrad von der angegebenen Grösse darf man
etwa 4'/» Umdrebangen in der Minute annehmen und erhält alsdann mit der
angegebenen Uebersetznng wieder 63 Umdrehungen für den Mühlstein.
Bei einem der dargestellten Mahlgänge greift ausser dem Mühlengetriebe
noch ein auf horizontalem Wellchen sitzendes Getriebe mit 12 Zähnen in das
\£^p^^=^ — -^
grosse Zahnrad. Auf das andere Ende dieses Wellchens ist ein Rädchen mit
20 Zähnen gekeilt, das in ein Getriebe mit 10 Zähnen auf einem stehenden
Wellchen greift. Dieses ragt in einen Kasten und trägt am oberen Ende ein
sternförmiges Rädchen (SchUttelrädchen) mit 10 Strahlen. In der Beschreibung
wird gesagt, dass es „Mehl siebe in der Art, wie die Bäcker arbeiten". Es
ist wahrscheinlich eine Beutelma,schine damit gemeint, wie sie Caddanus be-
schreibt (vergl. S. 182).
Auf Seite 25 ist eine Mühle mit schrägem Tretrade für Ocbsen-
betrieb (Fig. 358) dargestellt. Ein ähnliches Tretrad für Menschenkraft
fanden wir schon bei Ramelli (Fig. 228, S. 211). In der Beschreibung wird
gesagt, dass die Mühle in Venedig (wo Wasserräder nicht angewandt werden
konnten) das Getreide bequem mahle. Dann heisst es weiter:
„Der Wcllbaum des Tretrades von 15' lÄnge neigt sich mit einem Ende um
den dritten Theil derselben gegen den Horizont, In seiner Mitte sitzt das Rad von
21' Durchmesser, welches geeignete Neigung ha^ dass die Thiere dnrnuf geben können.
298 Vittorio Zodca.
Währen«! sie gehen, giebt d&a Rad nach, und eie bleiben immer an dersdben Stelle.
Doch ermüden hc sehr, und de.-hnlb auiBS bmh iwei Piiare davon halten, um alle
IV» Stunden abzuwech!«ln. Da^ Rad hat an der geile eine Unizäununf, danüt die
Thiere durch seine Höhe nicht erschreckt werden. Der Wellbaum hat oben einen
hölzernen, unten daen eisernen Zapfen, der in einem metallenen Lager steht, weil
er die ganze Last trägt und das Eisen in Metall Stand hält, wie i>tahl in Messinf.
Unter dem Tretrade auf derselben Welle sitzt ein Rad mit kleinerem Durchmesser
und 144 Zähnen, dnaä ein Gc-Iriebe mit zwölf Triebstücken auf horizontaler Welle
treibt, an deren anderem Ende ein Rad mit 48 Zähnen $iut, wie dies bei anderen
Mühlen meistens der Fall isL Aber Eein Getriebe, das den Mühlstein tr«bt, bat
twölf Triebstücke, so dass der ^fühlstein 48 Umdrehungen macht, während das Tret-
rad sich einmal umdreht . . . -"
Seite 28 zeigt einen Pferdegöpel, durch den Yermittelst einer unter
dem Fnssboden liegenden Traosmissions^elle ein Mahlgang getrieben wird.
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entsprechend der äkizze des Maiua.\cs Jacobus ans der Zeit der Hussitenkriege
(Fig. 355, S. 2921.
Auf Seite 30 ist der durch unsere Fig. 359 wiedei^egebene KoUergang
mit einem Läuferstein dargestellt, der durch ein Wasserrad tob unten
betrieben wird. In der Beschreibung wird gesagt:
„Die gegenwärtige Maschine, Quetächmühle (pistrino) genannt, dient zum Zer-
kleinem Terschiedener Materialien, welche die Meister nöihig haben, die Felle mrichten
und Leder bereiten (d. h. zum Zerkleinern Ton Knoppem, Galläpfeln und dergL für
Gerber), eowie jene anderen, die Leinsamen zerquetschen, um Oel daraus xu ge-
Der Durchmesser des Wasserrades wird zu 12', die Zähnezahl des Zahn-
rades zu 48 und die des Getriebes zu 12 angegeben.
Auf Seite 33 ist eine Mühle mit Pferdebetrieb dargestellt, ähnlich
der auf Seite 2S; nur wird von dem Zahnrade ans gleichzeitig noch eine hori-
zontale Welle mit einem Schleifsteine betrieben.
QoetschmQhle, Scbleifereien, WalkmQble.
299
Seite 36 zeigt eine durch ein Wasserrad betriebene Sclileiferei
(Fig. 360). In der Beschreibung wird gesagt:
„ . . . . Man kann zwei Schleifsteine und einige Folirscbeiben aufätecken, nie
man es in der Abbildung aieht Durch Oeffnen einer Schütze setzt man das Wasser-
rad in Bewegung. Durch eie tritt das Wasser in einen Kanal von 2' Breite, worin
das Rad von 15' Durchmesser eingeschlossen ist und sich rasch bewegt^ indem das
Wasser gegen seine Schaufeln stösät. Zwischen diesen sind einige Kästehen mit
Ijöchem angebracht, um Wasser aufzunehmen und durch einen Kanal nach einem
auf der anderen Seite der Bretterwand der Schleifraühlo gegenüberliegenden Trog zu
leiten, no es durch ein Röhrchen ausflicsst, um den Meistern zum Schleifen zu dienen.
Am anderen Ende der Wasscrradwelle sitzt ein Zahnrad mit 60 Zähnen, das zwei
Getriebe mit je 15 Zähnen umtreibt, die mit der Schleifstein welle fest verbunden
sind*). Diese ist von Eisen, damit sie bei ihrer fortwährenden und raseben Bewegung
«eher widersteht Die Schleifsteine drehen sich viermal, während das grosse Rad
eine Umdrehung macht Aber es ist zu beachten, dass keine Räderüber-
setzung nöthig ist, wenn man Wasser im Ueberflusse hat."
Paul von Stetten weist in seiner „Kunst- und Handwerksgescbichte der
Stadt Augsburg" (Augsburg 1779) S. 141 nrkundlicli nach, dass im Jahre 1389
eine Schleifmüble auf dem Stadtgraben daselbst betrieben wurde.
Seite 39 zeigt eine Schleiferei für Handbetrieb (Fig. 361). Dass
der hier angewandte Schnurtrieb zu jener Zeit noch nicht häufig gebraucht
wurde, geht daraus hervor, dass Zonca ihn im Anfange seiner Beschreibung
als eine schöne Konstrulction bezeichnet und am Ende derselben sagt, seine
Erfindung sei eine sehr kunstreiche gewesen, er habe Aehnlichkeit mit dem
Instrumente, das man Drillbohrer (Trappano) nenne, womit man Eisen, Stahl,
*] f]ier ist ein Fehler in Beschreibimg und Abbildang und daber zweifelhaft, ob zwei
Schleifstein wellen sich in entgegengesetzten Kichtungoo drebteu, oder ob nur ein Getrieb«
nnd eine Welle vorhanden wnron.
300 Vittorio Zonca.
Knochen und andere Dinge bohre. Wir erinnern daran, dass Cabdanus in
seinem Werke „de subtilitate" (Nürnberg 1550) den Schnurtrieb als eine „be-
i^Tinderswürdige Kunst" bezeichnet, mit der Gemmen gebohrt würden (vergl.
S. 166 und Fig. 184). In unserer Abhandlung über Besson haben wir erwähnt,
dass in Garzoni's „Piazza universale" (Venedig 1601) eine Zinngiesserwerkstätte
abgebildet ist, worin eine Drehbank mit Schwungrad und Schnur betrieben
wird. Inzwischen haben wir aber erfahren, dass die Abbildungen in diesem
Werke aus Jost Abiman^s „Stände und Handwerker mit Versen von Hans
Sachs" entnommen sind, das 1568 erschien und kürzlich durch G. HiRTifs
Verlag in München reproducirt worden ist.
Seite 42 zeigt eine Walkmühle (Fig. 362). In der Beschreibung wird
gesagt :
„Gegenwärtige Maschine dient zum Drücken und Walken von Tüchern und
Mützen aus \Volle, Hemden, Strümpfen und anderen Dingen, um sie von Fett zu
reinigen. (Es scheint daraus hervorzugehen, dass die Walkmühlen auch als Wasch-
anstalten dienten und als die älteste Fonn der AVascbmaschinen zu betrachten sind).
Diese Konstruktion hält man für sehr nlterthümlich ; nichtsdestoweniger ist sie im
Gebrauche und wird von vielen Handwerkern in der Stadt Padua benutzt. Sie hat
ehi kleines Wasserrad von nur 7 bis 8' Durchmesser. Demzufolge wird, wenn der
Fluss anschwillt, das Rad vom Wasser bedeckt und unbeweglich. Ausserdem scheint
sie den Mangel zu haben, dass nur wenige Hebedaumen an dem AVcllbaume sind,
wodurch die Bewegung der Hämmer sehr langsam wird."
Auf der Abbildung ist im Vordergrunde ein einzelner Hammerkopf dar-
gestellt. Bechts im Hintergrunde sieht man ein Schöpfrad, das Wasser aus
dem Flusse in einen Kanal hebt, der es durch ein Fenster in den Arbeitsraum
leitet und in den Walktrog fallen lässt. Links im Hintergrunde ist das
Wasserrad, das ein Paar Walkhämmer durch vier Hebedaumen in Bewegung setzt.
Es möchte scheinen, als ob zur Zeit Hiskias' (725 v. Chr.) bei Jerusalem
schon Walkmühlen gewesen seien, denn im zweiten Buche der Könige, Kap.
18, Vers 17 heisst es nach Luther's Uebersetzung: ;,Und da sie kamen, hielten
sie an der Wassergrube bei dem oberen Teiche, der da liegt an der Strasse
auf dem Acker des Walkmüllers." Ein gründlicher Kenner der hebräischen
Sprache, Herr Dr. S. Bär, schrieb uns indess auf Befragen über die Stelle:
;,Lüther's Uebersetzung ,auf dem Acker des Walkmüllers' ist falsch, auch
inkonsequent, denn in Jes. 7, 3 und 36, 2 giebt er die ganz gleichlautende
Stelle mit ,Acker des Färbers*. Richtig heisst sie ,Feld der Wäscher', wie
auch AuGUSTi und de Witte richtig übersetzen." Diese ungenaue Uebersetzung
Luthers bestärkt uns in der Annahme, dass zu seiner Zeit die Walkmühleu
auch Waschanstalten waren.
In der ^Geschieht« der Technologie^ von J. H. M. Poppe, Goettingen
1807, Bd. I, S. 287 wird gesagt: „Schon zu Ende des zehnten Jahrhunderts
haben Walkmühlen existirt^; jedoch fehlt die Quellenangabc.
Dass im Jahre 1389 zu Augsburg auf dem Stadtgraben auch eine Walk-
mühle gewesen ist, weist Paul von Stetten a. a. 0. urkundlich nach.
SchnabenpresM, Maage mit PferdegOpel.
301
Auf Seite 45 ist die durch unsere Fig. 363 wiedergegebene Schrauben-
presse dargestellt, die dazu diente, der Leinwand und anderen Artßn von
Gewehen Glanz zu geben und Falten daraus zu entfernen, wenn sie vom
Webstuhle kamen.
Auf Seite 47 ist die Kelter altrömischer oder eigentlich
griechischer Art dargestellt, wie sie Plinius beschreibt, und wie sie
damals in Italien noch allgemein ge-
bräuchlich gewesen zu sein scheint
Wir haben , wie eingangs erwähnt,
unserer Abhandlung über Cato den
Aelteren bereits eine verkleinerte Kopie
dieser Kupfertafel beigegeben (Fig. 67,
S. 69).
Die auf Seite 50 dargestellte Oel-
presse unterscheidet sich im wesent-
lichen nicht von der vorhergehenden
Weinkelter.
Auf Seite 53 ist eine Mange mit n«. ata.
Tretrad, und auf Seite 56 eine ähn-
liche Mange mit Pferdegöpel (Fig. 364) dai^stellt. Wir begegnen hier-
bei zum erstenmal einer Umsteuerung durch zwei auf einer liegenden Welle
einander gegenüber sitzende Winkelräder, in die ein am oberen Ende der
Göpelwelle angebrachtes Getriebe abwechselnd eingreift, je nachdem es durch
Verschiebung des Balkens, in dem der obere Zapfen der Göpelwelle gela{;ert
ist, an das eine oder das andere Winkelrad gerückt wird. In der Beschreibung
der Mange auf Seite 53 wird gesagt:
„Das Wichtigste bei dieser Maschine ist, wie die Mraster sagen, der Thril,
welcher Arbeitstisch (lavorativa) häast, über dem aich auf einigen, mit dem zu
VsEiöft Z*:
• • •
Dirs-rr Ajie>>d^?i i« eii ii« -isÄ T«t»üi criabenei Holigecifel Yoa
lÄ* 15 t« 16 Lir:2^- MacL: kas «Sw w«i3 « cie Oatfichkat erijuibt, noch
«o b«^. Mjj: iist ii^ G««x^t sc^ Toaren ^anf dem Stoffe)
fri. Ojtt LTa* r»*L ^^er yy^ zjtCt m zs rw i-if. j? nacL Gmdänken der Meuler
n.: St =ji.i ^ Art des Steffen f«: mia Bti:« rfL 3iin k«im ««gen: bei
iz.'iizsi ffzb^ saa firf b» secLä, b« Kxziskc =>i -kr;^ nur iwei Touren. Ke
.2* VET MAäccirre kir.n Esaa et»» £3 44* aiizrffiaeE--
W r erinnern hier an die M^nz^ fir Pferdrbeaieb ron Bcssos (Fig. 217,
Seite 62 zeiz: ein S:i:örfrid mit Pferdebetrieb, ibnlicb dem von
V.TtiT beschriebenen, das wir Fiz. 5i S. 47 &be<ebildet haben.
F:^ X.-.
Seite 64 zeigt die durcb onsere Fig. 3ti5 viedeigebene Buchdrucker-
presse. Die Beschreibung Zoncll^s stimmt insofern nicht mit der Abbildung
-h-irr'eii:. als iz: di-eser die Schraube mit einem Tierecki^en Kopfe in die obere
Tri^ers^ des Misihicengestelles eingelassen ist, also feststeht und eine lange
M -tter. an der iis F-hrunzsstürk mit der Pressrlatte hln^rt« ihren unteren Theil
-nschlirsst xmd e^drrht wird, während in der Beschreibuns die Schraube ak
drehbir -ni die Mutter ais in der oberen Trarerse des Gestelles festsitzend
geschildert wird. Wir entnehmen der Beschreibung folgende«:
- . . - . EKe Schraube s.;lite von Metall e^Ecoissen w^rien. weil sie dann besser
»:r-: sÄii^rrer wird. Mm kau:: sie rwar von Eisca machen, aber es ist nicht so gut»
M-r. 5«:Li:e sie mi: vierfa^hezi Gewinie versehen Die Schraube geht in oner
M.-.£cr. Lk ebe^ialls von MetiU ist und cfster« zischt über die Traverse hinaosgehen
Buchdruckerpresse. 903
lasst. Auch die Pressplattc wird aus Metall gegossen, damit sie glatter wird, weil
sie die I^ettern gleichniässig anzudrücken hat. Von Eisen würde sie weniger gut
sein, weil man sie mit dem Hammer nicht so eben machen kann .... Will man
die Pressplatte aber von Holz machen, so nehme man Olivenholz. Unten an der
Schraube (nach der Abbildung an der Mutter) hängt eine vierkantige eiserne Büchse,
die nur vermittelst einer Schnur die Pressplatte in die Höbe hebt. Diese Büchse
hat vierkantige Form, damit die Schraube (resp. die Mutter) mit ihrem konischen
Stnhlzapfen besser drückt (d. h. die Büchse diente zur Versteifung des von der
Schraube, resp. der Mutter, bis zur Pressplatte herabreichenden konischen Stahl-
zapfens. Ausserdem diente sie aber auch zur Greradführung). Die Büchse ist an
dem dickeren Theile des Zapfens mit einem durch ein Loch gehenden Stifte be-
festigt, das sich an der Stelle des Schraubenschaftes (oder des Zapfens an der Mutter)
befindet, welche um zwei Finger Breite in die Büchse eintritt (es durfte hierdurch
nur die Verschiebung, nicht aber die Drehung des Zapfens in der Büchse verhindert
werden). Unter dieser Vorrichtung ist in der Höhe von 2^/2', in der ein Mensch
bequem arbeiten kann, ein Tisch mit Rädern angebracht, der die Breite zwischen
den Pfosten einnimmt, welche die ganze Konstruktion einschliessen. Auf dem Tische
bewegt sich der Karren, in dem die Lettern eingeschlossen sind. Er wird von dem
Arbeiter mit einer Kurbel vennittelst einer Schnur, die sich um eine Walze schlingt,
vor und zurück bewegt. Unten an dem Karren sind der Länge nach einige Eisen
befestigt und ebenso einige auf dem Tische, über die jener, wenn sie mit Oel geschmiert
sind, leicht gleitet Nachdem der Arbeiter mit dem Pressbengel der Schraube zwei
Drehungen gegeben hat, zieht er mit der Kurbel den Karren nach rechts, öffnet einen
Rahmen, gleichsam wie ein Fenster, nimmt daraus die bedruckten Blätter, nimmt mit
beiden Händen die mit Wolle gefüllten Druckballen, befeuchtet sie mit Schwärze
aus Lampenruss, Harz und Leinöl, stösst sie zwei- oder mehrmals gegen einander
und dann auf die Lettern in dem Rahmen, verschliesst diesen, führt ihn nach links
zurück, drückt mit dem Pressbengel die Schraube nieder und wiederholt so das
Drucken. Auf diese Weise druckt man Blatt für Blatt eine unbegrenzte Zahl von
Bogen."
Die nun folgende genauere Beschreibung des Mechanismus, mit dem der
Karren hin und her bewegt wird, ist nicht ganz richtig; aus den Detail-
abbildungen geht aber deutlich hervor, dass es derselbe ist, den Besson bei
einem Sägegatter zum Vorschieben des Holzes anwendete (vergl. Fig. 211, S. 192),
und der auch heute noch bei Handpressen gebraucht wird (siehe Karmarsch und
Heeren's „Technologisches Wörterbuch", 3. Auflage, Fig 673).
J. H. M. Poppe sagt a. a. 0., Bd. HI, § 277 :
„Die Presse des Guttenberg, welche Conrad Sasbach verfertigte, war schon
1436 fertig. Vorher hatte man Holztafeln bloss mit einem Reiber von Hom abge-
drückt. Die erste Abbildung dieser Presse findet man hinter dem Titel von Plautus'
Komoedien, Daventriae 1518 a. p. Theod. de Borne. Der Nüniberger Mechaniker
Leonhard Danner fühi'te um 1550 zuerst die messingenen Spindeln in den Buch-
druckerpressen ein."
Ausführliches über Leonhard Danner findet man in J. 6. Doppelmeteir's
„Historische Nachrichten von Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern"
(Nürnberg 1730).
Auf den Seiten 68 bis 75 schreibt Zonca eine durch Wasserkraft
betriebene Seidenzwirnei. Sonderbare Weise bespricht er zuerst den
Bewegungsmechanismus und dann erst die zu bewegenden Theile der Zwim-
maschine. Des leichteren Verständnisses wegen wollen wir zuerst die letzteren
301 Vjttorio ZoDca.
betrachten, die auf Seite 74 seines Werkes und durch unsere Fig. 366 ab-
gebildet sind.
In Karharsch und Heeren'b „Technologischem Wörterbuche", Bd. VIÜ,
S. 134 wird gesagt:
„Die Zwimmaachine für Seide reigt meist die durch Fig. 4217 angegebenen
Organe. Auf der Benkrechten Spindel steckt die mit duplirten Fäden gefüllte Spule
fest Auf dem oberen schwächeren Spindeltheile kann Mch ein mit zwei Drahtflägeln
Teraehenes Hütchen frei drehen und auf und ab bew^n. Me horizontal liegende,
durch Räder getriebene Spule (bei Zokca «n Haspel) nimmt das g«wimte Garn
auf, und ein Fadenführer dicht unter der Spule (der bei Zonca fehlt, weil bä ihm
das Garn in Striihne gewickelt wird) erhält, wie bei der Spulmaschine beschrieben
wurde, Bewegung .... Die Zwimmaschinen wurden früher kreisförmig oder oval
gebaut, jetzt au schliesslich rechteckig, sind zweiseitig und erhalten auf jeder 2 bis
3 Eiagen mit je 60 Spindeln . . . ."
Wir haben es hier mit einer kreisförmigen Zwimmascfaine zu thun,
wovon in unserer Abbiidmig nur einige Vertikalabtheilungen zu sehen sind.
Diese Maschine hat zwei Etagen. Zonca sagt auf Seite 70 seines Werkes:
„Nachdem wir nun die Boschreibung der Guirlande (das ist der innere Theil
des Bewegwigsmechanismus) beendigt haben, bleibt noch übrig, den Theil der Ein-
richtung zu betrachten, der um diese herumläuft und von einigen die Strassen oder
Etagen (vaighi) genannt wird. Jede Strasse enthält eine Reihe von Haspeln und
Eine durch Wasserkraft betriebene Seidenzwirnerei. 305
Spindeln und man macht mehr oder weniger solcher Beihen, je nach der Höhe des
Raumes, worin man die Maschine aufstellt Sie sind von kreisrunder Form und die
Abtheilungen haben eine Breite, welche genügt, um je einen Haspel aufzunehmen.
Deshalb werden 16 oder 17 Säulchen um die Guirlande gestellt, welche 18 Zwischen-
räume ergeben, in die man die Haspel legt An die Säulchen setzt man Konsole
oder Lagerböcke nach innen gegen die Guirlande hin. In diese Eonsole, die am
Ende aufgespalten sind (vergL die Detailzeichnung in der Abbildung links unten)
werden Scheiben mit sieben oder acht Strahlen oder Bolzen (Schraubenräder) gelagert«
die von schraubenförmig gekrümmten Hölzern auf der Guirlande^ die man Schlangen
(serpi) nennt, bewegt werden. Auf der Axe dieser Scheiben sitzen kleine Zahnräder
mit 18 Zähnen und greifen in Zahnrädchen mit 12 Zähnen, die auf den tiefer
liegenden Haspelaxen befestigt sind. Die Zahl der Scheiben ist so gross wie die
der Haspel, während die Konsole mit Scheiben mit solchen ohne Scheiben abwechseln.
Jeder Haspel fasst sechs Seidensträhne und darunter läuft eine kreisförmige Traverse
mit einer mitten darauf befestigten Glasröhre von Säulchen zu Säulchen. Auch sind
daran imterhalb der Glasröhre kleine M-förmig gebogene Eisendrähte, Pferdchen
(cavaletU) genannt, die den Seidenfaden durch ihre mittlere Vertiefung in der Bichtung
erhalten. Dieser läuft über die Glasröhre, damit er nicht zerreisst, und gelangt zuletzt
auf den sich drehenden Haspel. Weiter unten sind andere Konsole an der Innen-
seite der Säulchen befestigt, welche eine ringsum laufende ebene Holzleiste tragen,
die in jeder Abtheilung sechs Löcher hat, um ebenso viele gläserne Pfännchen auf-
zunehmen, worin sich die eisernen Spindeln mit Oel geschmiert drehen. Wie man
aus der Detailzeichnung ersieht, sind die Spindeln rund, unten zugespitzt, aber an
dem Theile, der in die Spule eintritt, vierkantig, damit diese sich nicht auf ihnen
dreht Auch sitzt unter der Spule ein Eisenbutzen, der durch seine Schwere bewirkt,
dass die Spindel nicht in die Höhe springt. Oberhalb der gläsernen Pfännchen
bringt man eine andere ringsum laufende Holzleiste an, die oben nach der Form
von Geigenstegen ausgeschnitten ist und in welche sich ändere vierkantige Brettchen
setzen, die innen durch einen hölzernen Stift befestigt werden und an den aus der
Leiste herausragenden Enden Ausschnitte haben. In diese passen die Spindeln und
werden durch Vorsteckstifte darin gehalten. Diese Brettchen, Muschelchen (conchette)
genaimt, können etwa in die halbe Höhe der Spindeln gesetzt werden. Ist die Spule
mit der Seide auf der Spindel befestigt, so setzt man auf ihr oberes Ende ein glocken-
förmiges Hütchen mit zwei Aermchen von gebogenem Eisendraht, wovon das obere
nicht über die Mitte des Hütchens, das untere nicht über die Mitte der Spule hinaus-
ragt Beide bilden Oesen, durch die der Seidenfaden läuft, wenn er von der Spule
kommt, um dann über die Pferdchen und das Glasrohr auf den darüber liegenden
Haspel zu gelangen.''
Wir erinnern hier an die verbesserte Spindel von Leonardo da Vinci
(Fig. 122, S. 108).
Der Bewegungsmechanismus der Maschine (Fig. 367) wird von Zonca, nach-
dem er von der Anlage des Wasserrades gesprochen hat, folgendermassen
beschrieben:
„Am Ende der Wasserradwelle sitzt ein Zahnrad mit 40 Zähnen, das ein senk-
rechtes Getriebe mit zehn Triebstöcken treibt. XJeber diesem auf derselben Welle
sitzt ein Zahnrad mit 36 Zähnen und treibt ein Getriebe mit neun Triebstöcken auf
einer quer darüber liegenden eisernen Welle. An deren anderem Ende sitzt ein
Getriebe mit zwölf Triebstöcken, welches ein Rad mit 108 Zahnen treibt Dieses
befindet sich innerhalb der Guirlande, eines Maschinentheiles, wovon viele Hölzer
auf das Zahnrad gesetzt sind, imd der sich um einen mit einem oberen und einem
unteren Zapfen versehenen, in seiner Mitte befindlichen Wellbaum dreht Von dem
Wellbaume aus gehen nämlich acht Hölzer sternförmig quer über das Rad und stehen
Beek. 20
906 Vittorio Zonca.
etwas darüber vor. Auf ihren Enden stehen acht hölzerne Säulchen, die am oberen
Ende durch ein Rad wie das untere und ebenso viele Traversen wieder mit dem
Wellbaume verbunden sind. Wenn die Guirlnnde sehr hoch ist und für zwei oder
drei Etagen dient, hat man noch ein solches Rad mit ebenso vielen Traversen in der
Mitte nöthig. Um die Säulchen sind Hölzer in schräger Richtung gesetzt, die man
6«^langen nennt Sie werden von einem Säulchen zum anderen mit den rechten
Enden etwas höher, mit den linken Enden et¥m8 tiefer befesügt (Sie bildeten eine
achtgängige Schraube von sehr grossem Durchmesser, deren Höhe wenig mehr als
ein Achtel der Steigung betrug.) Diese erfassen mit ihren tiefer lieg^iden Enden
die Bolzen an den Scheiben, welche nach innen über die Haspel vorragen, und
drehen sie gegen uns. Mit diesen dreht sich ein grösseres Zahnrädchen und treibt
ein darunter liegendes, das auf der Haspelwelle sitzt, daher dreht sich der Haspel
in entgegengesetzter Richtung. — An dem Wellbaume der Guirlande sind noch vier
Querhölzer befestigt, die weiter vorragen als die Schlangen und bis an die Spindeln
reichen. Sie tragen an ihren Enden je ein bogenförmiges Querholz (so dass diese
zusammen nahezu einen Ring bilden), das aussen mit Leder überzogen ist» womit
sie an den Spindeln hinstreichen und sie umdrehen, wenn sie mit dem Wellbaume
der Guirlande herumgehen. An dem rechten Ende von jedem dieser Hölzer ist eine
Schnur befestigt, die über eine an dem Wellbaume befestigte Rolle geht und ein
Gewicht von Blei oder Stein trägt, welches das re<'hte Ende der Hölzer anzieht,
damit es nicht an die Spindeln stösst und das linke Ende sie um so stärker antreibt
Diese Hölzer werden Bügel (straffinazzi) genannt*^
In der Abbildung ist nur ein Armkreuz mit solchen. Bügeln angegeben,
während für jede Etage, mit der man zwirnen wollte, eines nöthig war.
Auch sind die drei Kränze von Schlangen (Schraubengewinde) ihrer Zahl und
ihren Höhenlagen nach nicht der Abbildung der Etagen entsprechend. Zonca
fährt fort:
„Wenn man einen sehr starken Motor hat, kann man noch eine zweite Zwirn-
maschine damit betreiben, nachdem man ein zweites Zahnrad, wie das untere, in die
Mitte der Guirlande gesetzt hat, das durch ein Getriebe auf horizontaler Welle mit
einem zweiten Getriebe am* anderen Ende eine gleiche Zwirnmaschine auf dieselbe
Weise in Bewegung setzt."
Das Wasserrad trieb alsdann zwei Maschinen, jede mit 2 bis 3 Etagen
von 16 bis 18 Abtheilungen ä 6 Spindeln. Das macht 384 bis 648 Spindeln.
Nach der bei Zonca nun folgenden, von uns aber vorausgeschickten Be-
schreibung der Strassen oder Etagen spricht er noch von einer anderen Art,
die Spindeln umzudrehen, indem er sagt:
„Wenn man die Seide auch drehen (zwirnen) will, legt man aussen um die
Spindeln einen zwei Finger breiten Ledergürtel (Riemen), welcher durch ein gebogenes
Eisen auf einer der Traversen der Guirlande an einer Stelle gehalten wird. Dieser
Riemen ist an acht von den 16 Säulchen durch einen dazwischen gesetzten Zapfen
(oder ein Röllchen, pemetto) gehalten. Aber nicht immer legt man den Gürtel um.
Wenn die Zwirn maschine durch den Lauf des Wassers links herumgeht, wird die
Seide durch die Bügel (straffinazzi) im Innern gezwirnt, und nur wenn die Maschine
rechts herumgeht, thut man es in der soeben beschriebenen Weise."
Wir finden hier zum erstenmal einen Riemenantrieb erwähnt. Unter
dem „gebogenen Eisen, das ihn auf einer Stelle hält", ist vermuthlich ein
eiserner Reif zu verstehen, der um eines der Armkreuze der Guirlande gelegt
war und verhinderte, dass der Riemen abglitt. Ein solcher Riemen lief, der
Eupferdmckpresse, Waliwerk für Fensterblei. 307
Beschreibung nacb, nur über die Hälfte einer Etage. Wenn mit allen Spindebi
geznimt werden sollte, musBten daher für jede Etage zwei Riemen angewandt
werden. Zonca sagt ferner:
„Man zwirnt nber die Seide mehr oder weniger, je nach dem Bedarfe für ver-
schiedene Arbeiten, und diee geschieht in folgender Weise: Sie Zahnrädchen, welche
mitten auf den Scheiben (Schraubenrädern) sitzen, lassen sich wegnehmen, und man
setzt grössere oder kleinere auf, je nachdem man mehr oder weniger zwirnen viü.
Das Aufsetzen der Räder geschieht vermittelst mehrerer eiswner Spitzen; die in einem
in die Scheibe eingelassenen und durch einen Splint gehaltenen Stücke von quadra-
tischer FOTm befestigt sind, wie man es auä der DetaÜzeichnung ersieht."
Auf Seite 70 ist eine Kupferdrnckpresse (Fig. 368) abgebildet. Es
ist eine ganz von Holz konstruirte Walzenpresse. Für die Walzen wird ast-
freies Buchs- oder auch Bimbaumholz empfohlen. Sie sind in hölzernen L^em
so gelagert, dass man sie enger oder weiter stellen oder herausnehmen kann.
Zwischen den Walzen geht ein gleichmässiges, glattes Brett geschlossen durch,
das mit Papier belegt wird, ehe man die Knpferplatte darauf bringt. Das zu
bedruckende Papier wird zuvor etwas angefeuchtet, mit einem gleicbmassigen
Filze bedeckt und dann durcbgewalzt. Diese Schwärze wurde bereitet aus ver-
kohlten Nuss- oder ßittermandelschalen oder Weinhefe, insbesondere von
Malvasier, oder aus Lampenruse, mit Wasser auf einem Porphyrsteine fein
^rrieben, getrocknet und dann mit Fimiss, und zwar am besten mit Bemstein-
fimiss [vernice d'ambra), angerieben. Die Kupferplatte wurde, ebe man die
908 Vittorio Zonca.
Schwärze auftrug, erwärmt, indem man sie mit der Rückseite über ein Kohlen-
becken hielt.
Die ältesten Kupferstiche sind aTis der Zeit am die Mitte des fünfzehnten
Jahrhunderts.
Auf Seite 80 beschreibt Zonca ein kleines Walzwerk zum Auswalzen
von Fensterblei (Fig. 369), indem er sagt:
„ . . . . Nur die Scheiben bearbdten das Blei beim Betriebe. Sie sind mit
den Zapfen oder der Axe in einem Stücke aus Stahl geschmiedet • . • . An den
Enden sind die Axen quadratisch, damit sich hier die Kurbel anschliesst, um die
Scheibe herumzudrehen, wenn die Maschine geschlossen ist Die Scheiben sieht man
(rechts oben) im Inneren der Bretter durch ihren Zapfen gehalten, sowie in der
Seitenansicht (unten) die Kurbel ausserhalb der Bretter. In der anderen Figur (links
oben), welche eine Innenseite darstellt, sowie theilweise in der ersten, sieht man sieben
Locher, wovon die mittleren dazu dienen, die Zapfen der Scheiben ao&unehmen.
Diese stecken in Messinghülsen, damit sie und die Stahlzapfen Stand halten, denn
bei einer anderen Art von Metall nutzen sie sich ab. Das einzelne Kanälchen (in
der Mitte der Figur links oben) ist von Stahl, damit es das Blei schneiden kann,
wie es die Scheiben thun. Die anderen beiden Kanälchen (die es beim Ein- und
Austritte umschliessen) sind aus demselben Nussbaumholze g^chnitten, aus dem die
Maschinenwände bestehen. Diese werden mit vier durch die anderen Löcher gehen-
den Schrauben zusanunengehalten. Die ganze Maschine befestigt man mit einer von
innen herausgehenden Schraube auf ein stabiles Untergestell, damit die Werkleote
daran arbeiten können. Von oben gebt eine Schraube durch das ausgeschnittene
Kanälchen hinein, welche am unteren Ende mit einem Gleitstücke versehen ist, das
sich, wenn die Schraube angezogen wird, auf die obere Scheibe setzt und bdde
Scheiben fest zusammenhält. In der unteren Figur sieht man die Werkleute arbeiten
und das Fensterblei aus einem abnehmbaren Röhrchen austreten, das mit Yorsteck-
stiften befestigt ist . • • .^
Mit einer unserer nächsten Abhandlung werden wir eine neue Auswahl
von Skizzen von Leonardo da Yma bringen, worunter sich ein Walzwerk zur
Herstellung von Zinn- oder Bleiblech befindet, während Leonardo, soweit wir
es bis jetzt beurtheilen können, zur Darstellung gleichmässig dünner Kupfer-
platten und dergl. nur Ziehbänke kannte, womit bandförmige Streifen von
höchstens Handbreite erzeugt werden konnten.
Seite 82 zeigt eine Mühle zum Zermahlen von Holzkohle für
die Bereitung von Schiesspulver (Fig. 370). In der Beschreibung wird
gesagt:
„Diese Mühle ist von der früher beschriebenen zum Zerquetschen von Knoppem
oder Galläpfeln nur dadurch verschieden, dass sie zwei Mahlgänge hat^ die durch
einen Motor betrieben werden .... und dass der Läuferstein eines jeden Ganges
nur den dritten Theil eines Umkreises beschreibt, während das Wasserrad einmal
herumgebt .... Aber solche Langsamkeit ist zweckentsprechend, weil die Arbeiter
die Kohlen besser regieren können, indem sie sie zurückziehen imd umwenden, und
weil grosse Feinheit derselben, besonders zum Gebrauche der Artillerie, nicht erforder-
lich ist, während die Galläpfel stark zermahlen werden müssen. Alle Zahnräder,
ausser dem auf der Wasserradwelle, haben 36 Zähne und ihre Getriebe zwölf Trieb-
ötöcke. Das Wasserrad hat 16' Durchmesser, das Zahnrad auf seiner Welle 64 Zähne
und seine Getriebe 18 Triebstöcke .... Die Zapfen der stehenden Welle sind
von Eisen und eicheiförmig, damit sie sich leichter drehen, und die Pfannen dazu
von Metall . . . ."
Holzt ohleninDhle, Stampfwerk zor PalverfabrikBtioD. 309
Auf Seite 85 ist ein Starapfwerk zn Mahlen von Palver für
Bombarden dargestellt (Fig. 371). Es hat zwei Reihen von je sechs Stempeln
aus Hainbuchenholz von quadratischem Querschnitte, '/i' dick und 6 bis 7' lang,
unten mit einem Kopfe aus Bronce versehen, der mit einem ünrchsteckkeile
befestigt ist. Die Stempel der einen Reihe werden direkt von der Wasseirad-
welle durch je vier Hehedaumen, die aus hainbnchenen Brettchen von */*'
Länge gebildet sind, gehoben, während dies hei der gegenüberstehenden Reihe
durch einen dem genannten parallelen Wellbaum geschieht. Die 24 Hebe-
danmen auf jedem Wellbaume greifen wie Radzähne ineinander und übertragen
die Bewegung von dem ersten auf den zweiten. Zu diesem Zwecke muesten
sie auf jedem Wellbaiune so gegeneinander versetzt sein, dass nach je '/a*
Umdrehung zwei andere Daumen mit einander in Eingriff kamen, was weder
Vis 310-
ia der Abbildung, noch in der Beschreibung berücksichtigt ist. Die Mörser
unter den Stempeln waren ebenfalls von Bronce. Der Durchmesser des
Wasserrades war 13', die Länge seines Wellbaumes 20', die Hohe des Gestelles
des Stampfwerkes 5'.
Zwischen den Seiten 88 und 89 enthält Zokca's Werk zwei Blätter,
die nicht zu der übrigen Paginirung passen. Das erste davon zeigt auf der
Vorderseite, die ebenfalls mit 88 numerirt ist, einen Drehkrahn (Fig. 372)
zum Ansheben von Erde aus Festungsgräben, ohne dass eine Be-
schreibung beigegeben wäre. Das Maschinengestell mit dem Ausleger dreht
sich hier um eine feststehende Säule. Die von VrrRDT beschriebenen, sowie
die von Leonardo da Vinq und Rahblu dargestellten Drehkrabnen standen
oder lagen auf Drehscheiben (vei^. S. 45). Unter den Skizzen aus der Zeit
der Hussitenkriege (Fig. 307, 310, 311, S. 271—273) fanden wir nur Erahnen, deren
Ausleger sich mit der Krabnensäale drehten. Nur bei Bessoh fanden wir
einen Krahnen mit feststehender S&ule, drehbarem Gestelle und einem Anslc^^
310
Vittorio ZoDca.
in Form eines Balanciers (Fig. 219, S. 197), den wir aber als ziemlicll nu-
praktisch bezeichnen mussten.
Die Rückseite desselben Blattes trägt keine Seitenzahl und zeigt
die durch unsere Fig. 373 wiedei^egebene Abbildiing. Sie ist überschrieben:
.,Neue Erfindung einer Mahlmühle zum Mitführen im Kriege, erfunden
Ton PoMPEO Tabcoxe, Ingenieur Seiner Excellenz des Herrn Ahbrosio Spkola,
General Seiner katholischen Majestät in Flandern." Eine kleine Skizze aof
derselben Seite zeigt die Mühle vührend des Transportes mit at^enommenem
und seitlich angehängtem Schwei^el. Die Beschreibung zu dieser Abbildung
fehlt ebenfalls.
Tit. 3^.
Jon. Beckna-vs s;igt a, a. 0.. Bd. I, S. 356, wo er Ton dieser Feldmfihle
spricht :
„Der ErfitiiltT vrar, wie schon der Xame anzeigt, ein Italiener, der aidi Tor-
nehniUch bei lier füix-hterlichen Belagerung von Rochelle unter Ludwig XITT, bekannt
gemacht hat, wozu er gi-nähli nanl, tr«l er schon vorher 1603 unter Spikola, dec
sellwi vor Roclielle zu Rathe jrez<^n ward, in der langweiligen Belagmmg von
Oeionde dun-h einen Damm den Hafen hatte sperren las^n. Alle diejen^n. weldie
die Schicksale der Hugenotten, die Geschichte de^ Richelieu und LuBwra's XIIL und
die Belagerung von Rochelle ausführlich besclirielHn hnl>en, haben auch des Taroos«
gedacht £r ward in französischen DienMen ^Intendant des machines"; doch leisteten
snne vielen imd kostbaren Unteraebmungen nicht so tM. als er daviHi boffta"
Drehkralu), fahrbare GetreidcmQble, mechanischar Bratenwender.
311
Die hier erwähnte Belagerung von La Rochelle ist die dreizehnmonatlicho,
welche am 29. Oktober 1638 mit der Uebergabe der Stadt endigte. Wie wir
in unserer Abhandlung über Rahelli erwähnt haben, gehörte dieser während
der achtmonatlichen vergeblichen Belagemng derselben Stadt im Jahre 1572
zum Gefolge des damaligen Herzogs von ANion, nachmaligen Königs Louis XIII.
Ueber äjibhosio Marquis de Spinola, einen' der grössten Feldherm setner
Zeit, entnehmen wir MiaiADD's „Biographie universelle" Folgendes: Er ent-
stammte einer Familie, die seit dem zwölften Jahrhundert in der Republik
Genua den ersten Rang einnahm, wurde 1571 geboren und war bis zn seinem
dreissigsten Jahre nur bestrebt, seine ererbten Relcbthümer zn vermehren,
während er es seinem jüngeren Bruder Fedehico überliess, seiner Neigung für
die Waffen zn folgen. Dieser trat 1598 in die Dienste Philipi-'s IIL, Königs
von Spanien, wurde nach kurzer Zeit Grossadmiral und bestimmte nnn seinen
Bruder ebenfalls in spanische Dienste zu treten. Mit einem Theile seines Ver^
mögens warb Ambbosio innerhalb zwei Monaten eine Truppe von 9000 Mann
erfahrener Kriegsleute nnd rückte im Mai 1602 mit diesen seinen eigenen
Söldnern von Genua aus, während gleichzeitig 10 Galeeren unter dem Kommando
und auf Kosten seines jüngeren Bruders von da ausliefen, um in den Nieder-
landen für Philifp^s Sache zu kämpfen.
ZoNCA kann daher die Konstruktion der MUhle, die Ambrosio Spinola im
Felde mitführte, erst im Jahre 1602 kennen gelernt liaben, und da er im
November desselben Jahres vom Tode Überrascht wurde, so lässt sich daraus
erklären, warum zu dieser Abbildung
die Beschreibung fehlt. Die gleiche Be-
wandniss dürfte es dann auch mit der
vorhergehenden Abbildung gehabt haben ;
doch wäre es immerhin auch möglich,
dass das Blatt nicht von Zonca herrührt,
sondern erst von dem Verleger einge-
schoben worden ist.
Das zweite der zwischen den Seiten
88 und 89 belindlichen Blätter ist auf
einer Seite leer und zeigt auf der
anderen die auf Seite 89 beschriebene
und durch unsere Fig. 374 wiederge- ^ j,^
gebene Abbildung eines durch eine
Uhrfeder getriebenen Bratenwenders. In der Beschreibung wird gesagt:
„Gegenwärtige Maachine ist geistreich und Idcht konstruirt, würdig des deut-
schen Erfindungsgeistes, ganz von Eisen mit Ausnahme der Schnecke....
Bie hat nicht die Bew^ung durch Gewichte nölfaig, die viel Raum einzunehmen
pflegt, sonilem diese wird durch eine Feder hervorgebracht, die mit vielen Windungen
um eine eiserne Ase gewunden und in eine so weite eiserne Trommel eingeschlossen
iat, iasa die Feder sich ausdehnen kann, wenn ihre Spannung nacblässt Wenn muu
VJ, ViUMi»
ffMumen vül, dreht man die Kurbel an der Scbnedce so lange um, daas die
:i2r «ich ron der Trommel abwickele deren eine» Ende mit einem Xagd. daran
M^^dgt i=t. der gleichieitig zur Befestigung der Feder im Inneren dienL Indem
die Sdinor ?idi in die Gewindgänge der Sdmecke legt, wird fie Feder in der Trommd
cm dSe Axe gewunden, währrad die anderen Bäder stellen bleiben. Dies geacfaiebc
Tfinijij^ einrrr kleinen Stahlfeder am dickeren Ende der Schnecke^ woran das innere
Zthnn-i ach dicht anschliesst **
Das zuletzt genannte Rad setzt durch Getriebe und Zahnräder die darüber
li^eoden Axen in Bewegung, und darüber befindet sich eine sogenannte Löffel-
Unruhe, welche ihre Geschwindigkeit regulirt. Auf das der Kurbel gegenüber
stphende vierkantige Ende der Schneckenwelle wird ein Bratspiess gesteckt
Hinter diesc-m sitzt ein Stirnrad ausserhalb des Gestelles, djLS durch zwei ein-
greifende Rader einen darüber und einen darunter befindlichen Zapfen umdreht,
auf welche ebenfalls Bratspiesse gesteckt werden können.
Aus der Ueberschrift eines Sonnets des italienischen Dichters Gaspar
Vkxcomes geht henror, dass transportable Uhren, die wahrscheinlich durch
Federn bewegt wurden, schon gegen Ende des fünfzehnten Jahunderts bekannt
waren. Diese Ueberschrift lautet:
^>[an macht gewisse kleine tragbare (portativi; Uhren, welche sehr kunstreich
sich beständig bewegen, die Stunden, die Umläufe der Planeten und die Festtage
anzeigen und schlagen, wenn es die Zeit erfordert Dieses Sonnet ist einem Ver-
liebten in den Mund gel^t, der, indem er eine solche Uhr betrachtet, sich selbst
damit vergleicht" (VergL Jon. Beckmanx a. a. O^ Bd. I, 8. 177.)
Indem man diese tragbaren Uhren für Taschenuhren hielt, glaubte man,
bestreiten zu müssen, dass Peter Hele um das Jahr 1510 zu Nürnberg die
Taschenuhren erfunden habe. Zum Beweise hierfür citirt Gab. Doppelmatr a. &. 0.
eine Stelle aus des Joannes Coclaeus ..Commentario über die Cosmographie
des PoMPOMi Melae'', welches 1511 zu Nürnberg erschien. Sie lautet in der
üebersetzung:
„Von Tag zu Tag werden kunstreichere Dinge erfunden, und in der That hat
der junge Peter Hele bisher solche Werke gemacht welche die gelehrtesten Mathe-
matiker bewimdem. Denn aus Eisen machte er kleine Uhren, mit vielen Rädern
angeordnet» die beliebig umgedreht werden können, kein Gewicht haben, 40 Stunden
anzeigen imd schlagen und im Busen oder im Geldbeutel getragen werden können.^
Da in der vorhin citirten Ueberschrift des Gaspar Yicecomes nur einfach
von „tragbaren'' Uhren gesprochen und gesagt wird, dass sie auch die Um-
läufe der Planeten und die Festtage angezeigt hätten, so ist doch wohl anzu-
nelimen, dass er nicht von Taschenuhren, sondern von Stand- oder Tischuhren
spricht.
Dieselbe Abbildung von einem durch eine Uhrfeder getriebenen Braten*
Wender, wie sie ZoncA giebt, findet sich schon in des Bartolomeo Scappi, „Opera"
(Venedig 1570). Dieser war Mundkoch des Papstes Pins V. Sein Werk ist
ein umfangreiches Kochbuch mit vielen Abbildungen von Eüchengeräthen.
J. H. M. Poppe (a. a. 0., Bd. II, S. 451) sagt, dass Montaigne, der 1580
Deutschland, Italien und die Schweiz bereiste, und dessen „Journal du Voyage^^
Dnrali Ranch betriebener ßratuiwender, Fspiermfihle. 313
TOD Gderlon 1774 in Paris heraosgegebeo wurde, auf dieser Reise in Brixen
einen durch ein Gewicht vermittelst eines Rädemerkes getriebenen Braten-
wender gesehen habe, wie solche von Zonca anch erwähnt werden. Ein Irrthum
ist es, dass Poppe ebendaselbst S. 450, Anm. 59 sagt, Scappi's Buch enthalte
die Abbildung eines Bratenwenders, welchen der Rauch betreibt.
Eine solche findet sich bei Zonca anf Seite 90 and ist durch unsere Fig 375
wiedergegeben. lieber den Motor dieser Maschine wird gesagt
„ Oben auf das Eisen setzt man ein HQtehen oder Wmdradchen
ivinmdola) von dünnem Weissblech wie es aus Deutschland kommti weil dies
eichter ist. Man nietet es auf ein Kreuz von gewundenem Eisen mit einem vier
eckigen Loche in der Mitte damil^ wenn es herumgeht auch das Wellchen sich
dreht. Das Windradchen wird von runder Form gemacht und soll die Kammoffnung
ausfüllen damit aller Rauch hmeintntt Ist aber die Kammoffnung zu gross, so
verenge man sie durch ein Brett oder etwas Aehnliches, so dass nur das AVind
radchen frei bleibt "
Wir erinnern daran, dass sich schon unter den Skizzen von Leonardo
DA ViNa diejenige eines solchen Bratenwenders befinden soll (Siehe S 100,
sowie auch die in der nachstehenden zweiten Abhandlung über Leonardo da
Vutci wiedergegebene Skizze dieses Bratenwenders)
Auf Seite 94 giebt Zonca die Abbildung von einer PapiermOhle
(Fig 376} und sagt
Das Gebäude emchtet man an einem Flusse und legt das Wasseirad
an einer geeigneten Stelle an damit er das nothige Wasser in das Gebäude bringt.
Je klarer dieses Wasser isl^ desto schöner und besser wird das Papier Die zu zer
mahlenden Lumpen bringt man in h&lzeme Troge, wo sie von Stempeln die durch
Wasser betrieben, so lange zerstampft werden bis sie sich in einen ganz fernen und
3U Vtttorio Zone».
wachen Ttäg verwandelt haben. Diesen nimmt man heraiu und nüadit Um «a ciDan
andeien geeigneten Orte mit Wasser. Alsdann fonnt der Meüter mit Hilfe gewisser,
zu diesem Zwecke hergestellter Formen die Papierbogen daraus , . . .-
Seite 9t) zeigt eine Maschine zum Kratzen wollener Tücher
(Fig. 377). In der Beschreibung wird gesagt:
„Sehr nützlich i«t die Erfindung der gegenwärtigen Maachiae gewesen, weil
damit «n Mann in kurier Zeit viele Ellen Tuch bearbeitet, und weit besaer, als dies
die Meiner nach ihrer früheren Gewohnheit tu thun pflegte. Denn nadidem eie
das Zeug ausgespannt hatten, hoben sie die Arme in die Höht: und kratxten e^ mit
vieler >fühe von unten, was grosse Kosten rerursachte. Bei der g^enwirtigeu
Maschine legt man die Karden um einige Wellbäume, die von etnein Arbeiter, der
öne Kurbel mit einem Scbwungrade hnumdrebt, vcnnitleUt einiger Zahnräder bewegt
iif-sn
Fit. an:
wervlen. Un<.l ^1 kratxt nian die Tücher und andere W<tllenieuge mit geringer Mühe.
Die Räder werden von einem Manne bewept. wenn die Meister nur «n Tuch kratzen
wollen, aber von zweien, wenn sie zwei Tücher krauen wollen, zu welchem Zwecke
man die Maschine durch zwei Wellbäume niil Zahntidem vergrös^ert. Zunächst dreht
der Mann mii der Kurbel da^ St-hwunpraJ, das zwischen vier der senkrediten Pfosten
in der Ablnldung einge^'hlo^sen i>i, «i'lcbe die Bearbeitung eines Tuches zeigL Anf
der Seh wungnd welle sitzt ein Geniebe. das ein Zahnrad von 1 palmo (etwa 215 mm)
oder n>ehr in) Durchmesser uvibt. Mit ihm ist ein kldneies Zahntädchen fe^ v»-
buoden. das ein grössiefes. auf deni Zapfen der darüber liegenden Kardenwalie Mixen-
des umdreht, so dass sie das Tuch caiiz Ltrpsani herabUs^st AuswKlein dr^t das
kleine Rädchen ein andei^ auf der unteren Kardeufi^lze sitzendes kleines Rädeben
oder Geniebe, Diese kratzt daher das Tm-h si-hneller, während es in Wasecc gebadet
wird. Weiler unien bt noeh eine Welle ^*la^fi. auf deren linketn Ende ein Rad
nüt einigen Sohauftln sitzt, worauf ein Knabe steigt und so <las Rad mit der Welle
umdreht. Er hält mit einer Hand das Tuch, damit es: gut ausgebreitet win), tritt
gleichxeii^ das Rad und wickelt das Tuch auf den Wellhenun ...,•'
Mechan lache Erstw fDr wolleoe l'Qcher, FumpeiL
315
Auf Seite 100 ist das durch unsere Fig. 378 wiedergegebene M od eil
einer Pumpe mit schwingendem Kolben abgebildet. Die Anordnung
entspricht im Ganzen der Skizze des Marianus Jacobus (Fig. 348, S. 288), wo
mit einem Paare gewöhnlicher Blasebälge Wasser gepumpt wird ; nur sind hier
die Blasebälge durch zwei Pumpen mit schwingenden Kolben ersetzt, wie sie
Ramrlli beschreibt {Fig. 240, S. 216). Dadoroh, dass die Kolben in dem Ge-
häuse bewegt werden müssen, ist ein zweiter Balancier, auf den der Arbeiter
tritt, mit zwei nach dem Kolben berabgebenden Schubstangen bedingt. Dartiber
liegt der Balancier, woran er sich mit den Händen hält. Dieser ist von Zonca
mit Schwunggewichten versehen worden, weil er glaubte, dass dadurch der
Betrieb erleichtert würde ; doch kann dies nur zur Folge haben, dass die Kolben
mit Kraft terzehrenden, heftigen Stössen auf den Boden des Gehäuses schlagen.
Seite 103 zeigt eine Pumpe mit Massivkolben (Fig. 379). Wir be-
gegnen hier zum erstenmal der „rechtwinkeligen Kurbelkreuzschleife";
doch ist sie hier in elliptischer Form ausgeführt, wodurch der Hub verringert
wird, und das Gleitstück ist durch eine Äntifriktionsrolle ersetzt.
Auf Seite 105 ist eine zweistiefelige Pumpe (Fig. 380} abgebildet,
welche nach demselben Principe konstruirt ist, wie diejenige Pumpe, welche
wir unter den Skizzen des Marianus Jacobus (yergl. Fig. 347, S. 288) fanden;
doch ist hier der enge Zwischenraum zwischen Pumpenkörper und Kolben auf
eine Xute in diesem reducirt, indem er sonst genau anschliesst. Die Ausäuss-
öETnung müsste so weit vom oberen Rande des Pumpenkörpers und das obere
Ende der Xute so weit vom oberen Ende des Kolbens abstehen, dass die Nnte
abgeschlossen wird, wenn das Wasser an ihrem oberen Ende ankommt. Beim
weiteren Niedergange des Kolbens würde es dann nur durch die Ausflussötfnung
gepresst. Allein diese Konstniktionsverhältnisse sind in Zonca's Abbildung
nicht berücksichtigt.
316 Vittorio ZoDcm.
Aaf den letzten Seiten seines Werkes sind noch zwei PnmpeD, eine
schwingende Rinne nnd ein auf falschen Voranseetzongen beruhendes Projekt
von einem Perpetuom mobile abgebildet, die uns nicht interessiren. Dagegen
wollen wir zum Schiasse die bisher unerwähnt gebliebenen Abbildungen auf
den Seiten 9, 12 und 68 noch betrachten.
Auf Seite 9 ist eine Kamnierschlease(Fig. 381) dargestellt, und Seite 12
zeigt Detaitabbildongen der Schleusenthore. In der Beschreibung wird gesagt:
„ . . . , Die Kammer kann man von rechteckiger Form machen, oder oral,
wie die hier abgebildete. Die beiden Thore müssen mit Schützen veneben sein, die
man mit Haspeln öffnet, oder durch ihr Gewicht sich echliessen lässt. Vor Allem
aber müssen die Thore aufs beste zusammengefugt und aus Holx gemocht weiden.
das nicht leicht fault .... Auf solche Weise sind sie in dem durch Padua f
den Flusse zur Bequemlichkeit der Stadt angelegt, und ähnlich sind sie auch bei
dem Orte Strä, 5 Meilen von Padua, wo man durch Theilung des Flusses Brenta
das Wasser für die Schiffahrt nach Venedig und andere Bequemlichkeiten sammelt
Aehnlich sind auch die bei dem Ort« Dolo, aber von diesen behaupten Einige, «e
eeien überflüssig und hätten nur dea Zweck, das Wasser rriner naii den Lagunen
von Venedig zu führen, um sie vor Veränderung zu bewahren .... Wenn ach
die Schiffe nähern, um in die Thore einzufahren, öffnet man zuerst ein kleines
Thürcheii, das sich um eine in seiner Mitte sitzende Axe dreht, vermittelst einer
Kette, die um einen Haspcl geschlungen ist, oder man 6ffnet die andere Ausfluss-
Sffnung (Schütze) nnt einem Hebeisen, damit sich das Wasser in der Kammer mit
dem oberhalb be^ndlichen gleichstellt Dann öffnet man die Thore, damit die Schiffe
hereinfahren, und schliesst sie wieder . . . ."
Ausführliche Beschreibungen verschiedener Schleusen finden sich in Simon
Stevin's „Oeuvres de Matematiques", herausgegeben von Albert Girard(Le7den
Eammcrschleuse, schiefe Ebene fOr EaDal-Schifffahrt. 317
1634). Bühlmann giebt in seiner „Geschichte der Technischen Mechanik^' an,
Steyin sei geboren 1548 zu Brügge, gestorben 1620 zu Haag und habe 1586
seine Theorie der schiefen Ebene und des Hebels aufgestellt.
Nachdem Steyin (S. 601 a. a. O.) einfache Schleusen und Kammershleusen
mit sogenannten „Umläufen" zum Ein- und Auslassen des Wassers beschrieben
hat, sagt er: „Wir haben bis dahin von Dingen gesprochen, die seit langer
Zeit im Gebrauche sind, um dadurch die neue Erfindung, die nun folgt,
leichter verständlich zu machen." Es wird dann eine zweiflügelige Schleuse
an der Ausmündung eines Kanales in einen Hafen beschrieben, die rasch ge-
öffnet werden kann, um durch das herausstürzende Wasser den Hafen auszu-
spülen und zu vertiefen.
Auf Seite 58 ist ein Aufzug mit Pferdebetrieb dargestellt, um
Boote auf schiefen Ebenen über einen Deich zu transportiren.
Hierbei ruht das Boot auf einem niederen Rollwagen, und die Abbildung (Fig. 382)
ist überschrieben: „Der Karren von Zafosina". Fusina heisst heute ein Ort
an der Mündung des Canale di Brenta. Zonca sagt in der Beschreibung:
„Bei den Lagunen, fünf Meilen von Venedig entfeml^ wo der Fluss Brenta
endigt, ist das vorliegende Bauwerk, „carro'' genannt, errichtet^ welches die Barken
zur Bequemlichkeit der Beisenden vom Flusse nach der Lagune und zurück befördert.
Dieser Rarren ist aus quadratischen Hölzern konstruirt, zwei langen, die an ihren
Enden mit eisernen Bingen versehen sind, um die Haken des Beiles hineinzuhängen,
und zwei kürzeren, welche diese so mit einander verbinden, dass sie einen quadra-
tischen Baum einschliessen. In der Mitte der letzteren sind noch zwei Hölzer von
derselben Länge (gleichlaufend mit den langen Hölzern) eingefügt. Li dem qua-
dratischen inneren Baume sind vier Bollen mit eisernen Zapfen und starken eisernen
Beifen von solchem Durchmesser gelagert, dass sie nicht über die Hölzer hinaus-
ragen, damit die Barken auf dem Karren ihre Bewegung nicht hindern« Sie können
einen Durchmesser von einem Fuss und eine Breite von dreiviertel Fuss haben'. Die
übrige Vorrichtung wird auf dem Lande aufgestellt Sie besteht aus einer senk-
rechten Welle mit zwei kreuzweise hindurch gehenden Stangen, woran die Pferde
gespannt werden, imd einem darüber sitzenden Getriebe. Dieses setzt ein Zahnrad
in Bewegung, das so auf einer Welle befestigt ist^ dass sich das Seil mit den eisernen
Haken zum Anziehen der Barke darum wickelt .... Das Pferd auf der rechten
Seite des Flusses zieht die Barke nach der Lagune und das auf seiner linken nach
dem Flusse hin, um Verwirrung zu vermeiden .... Wir fügen noch bei, dass
zwischen dem Flusse Brenta und der Lagune, wo der Karren das Trajekt bildet^ ein
dachförmiges Mauerwerk mit sehr stumpfem Winkel errichtet ist^ von der Höhe, bis
zu welcher das Wasser bei der höchsten Fluth steigt Die Form des höchsten
Theües desselben ersieht man aus der Abbildung. Da wo die Bäder des Karrens
laufen, stellt man zwei etwas erhöhte Geleise von Stein her. An ihrem Fusse, da
wo «e beiderseits im Wasser endigen, setzt man zwei sehr grosse Steinplatten von
derselben Härte, so dass der Karren sie beim Darüberfahren nicht zerbricht und
abnutzt ....*'
In neuerer Zeit werden schiefe Ebenen beispielsweise am Elbing-Ober-
ländischen und an dem nordamerikanischen Morris-Kanäle betrieben, und zwar
erstere mit Lokomotiven, letztere mit Wasserkraft.
Leonardo da Vinoi (1452-1519).
(Zweite Abhandlung.)
Als wir die erste Abhandlung über Leonardo da Vinci -für den Jahrgang
1888 des ^^Civilingenieur^ schrieben, stand uns nur Dr. Hermann Grothe's Schrift
;,Leonardo da Vixa als Ingenieur und Philosoph'' als Quelle zu Gebote. In-
zwischen sind durch M. Rayaisson-Mouen die Manuskripte Leonardo's, die sich
in der Bibliothek de Plnstitut zu Paris befinden, durch Heliogravüre verviel-
fältigt, mit einer genauen Wiedergabe des Textes in Druckschrift und mit einer
französischen Uebersetzung versehen, in sechs Foliobänden herausgegeben worden.
Durch diese grosse^ mühevolle und höchst dankenswerthe Arbeit sind wir
in den Stand gesetzt, unsere früheren Angaben zu vervollständigen und zu
berichtigen.
Beim Anblicke der genannten Manuskripte Leonardo^s ist man erstaunt
darüber, dass sie fast ausschliesslich wissenschaftlichen Studien gewidmet sind,
malerische und architektonische Skizzen aber nur sehr wenige enthalten. Die
früher von uns gehegte Ansicht, was von seinen Schriften für uns übrig geblieben
ist, seien nur solche Skizzen und Notizen, welche sich zwischen künstlerischen
Entwürfen zu uns durchstahlen, erweist sich als irrig. Hätten wir den Ver-
fasser nur nach diesen Manuskripten zu beurtheilen, so müssten wir ihn für
einen Mathematiker, Ingenieur und Physiker von Beruf halten, der zwar ausser-
ordentliches Talent zum Zeichnen besass, aber sich nur gelegentlich mit Malerei
und Architektur praktisch beschäftigte.
Seine wissenschaftlichen Notizen und Abhandlungen sind so sorgsam zu-
sammengetragen, dass es wohl möglich sein dürfte, den wesentlichen Inhalt
seiner verloren gegangenen Lehrbücher daraus wieder herzustellen; wenn es
auch eine schwierige Aufgabe ist, diese ungeregelte Masse gelegentlich zusanunen-
geschriebener Notizen zu sichten und so zu ordnen, dass man sich daraus ein
Bild von dem Wissen des Autors machen kann. Der Geist der freien Forschung
aber, der aus Leonardo spricht, erhebt ihn, auch wenn er hundertmal, sich
wiederholt oder irrt, so weit über die Schulweisheit seiner Zeit und bringt seine
Denkweise der unserigen so nahe, dass wir beim Lesen seiner Schriften Mühe
Winkel- und Schraubenrftder-Getriobe. 319
hatten, die Zeit, in der er lebte, st^ts in Gedanken festzuhalten. Und dieser
freie Forschergeist unter Scholastikern und kirchlichen Fanatikern in seinem
Ringen nach Erkenntniss der Naturgesetze hat etwas so Anziehendes, dass wir,
nachdem die Manuskripte Leonardg's allgemein zugänglich gemacht sind, an
der baldigen Lösung jener Aufgabe nicht zweifeln.
In Anbetracht des Zieles, das wir bei unseren Abhandlungen hier ver-
folgen, und des beschränkten Raumes, der uns für diese zu Gebote steht, müssen
wir uns versagen, auf seine rein theoretischen Betrachtungen einzugehen und
uns auf das beschränken, was in das Gebiet des Maschinenbaues und der
mechanischen Technologie gehört.
Um die Gegenstände, worüber wir zu berichten haben, einigermassen über-
sichtlich zu ordnen, müssen wir oft Skizzen und Bemerkungen, die in den
Manuskripten weit auseinander liegen, neben einander stellen. Diese sind in
der Bibliothek de Plnstitut mit grossen lateinischen Buchstaben bezeichnet und
deren Folien numerirt. Zur Bezeichnung der Stelle, wo eine Skizze oder Notiz
zu finden ist, werden wir den Buchstaben des betreffenden Manuskripts und
die Nummer des Foliums mit angehängtem v für die vordere und h für die
hintere Seite jedesmal angeben, so dass z. B. B43h die hintere Seite von Folio 43
des Manuskriptes B bezeichnet. Das Zeichen L: bedeutet: Leonardo bemerkt
hierzu, was folgt:
Von einzelnen Mechanismen, die sich a. a. 0. finden, führen wir an:
Ein Winkelrädergetriebe mit sich schneidenden Axen
(Fig. 383), I 26 h.
L: ,,Je näher das Getriebe bei dem Durchmesser des Rades gelegen ist (näm-
lich in der skizzirten Ansicht, d. h. je näher die beiden Axen aneinander vorbei-
gehen), desto geringer ist die Reibung, die die Zähne des Rades längs der Trieb-
stöcke des Getriebes erzeugen. Und umgekehrt wird die Reibung um so grosser sein,
je weiter das Getriebe von dem Durchmesser des Rades entfernt ist"
Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass man früher, als die Trieb-
stockverzahnungen noch üblich waren, Winkelrädergetriebe sehr häufig mit
geschränkten Axen anordnete. Leonardo weist hier auf den Nachtheil hin,
den diese Anordnung hat, im Vergleiche mit Getrieben, deren Axen sich schneiden.
Dies führt er im Folgenden noch weiter aus.
Ein Winkelrädergetriebe mit geschränkten Axen (Fig. 384), 127v.
L: „Wenn das Getriebe ausserhalb des Durchmessers des Rades liegt, macht
es die drehende und die gleitende Bewegung (moto della confregatione). — Dieses
ausserhalb des Raddurchmessers gelegene Getriebe konsumirt seine Triebstocke stark
und ebenso die Zähne des Rades. Im Anfange der Berührung, in die dieses mit
dem Getriebe tritt, berührt es die Triebstöcke an ihrem oberen Theile, und wenn es
sie verlässt, verlässt es sie an ihrem unteren Theile, so dass es vom Angreifen bis
zum Auslassen zweierlei Bewegungen macht, nämlich die drehende und die gleitende.
— Du siehst, dass der Zahn {a) über der Mitte des Getriebes eintritt und unterhalb
der Mitte in der Stellung (h) es verlässt."
Dieselben Skizzen mit fast denselben Bemerkungen finden sich auf H 86 h.
320
Leonardo da VidcL
Eine Schraube ohne Ende mit so starker Steigung, dass das
Rad die Schraube zu drehen vermag (Fig. 385), 126h.
L: y,Der einfache steile Schraubengang ist es, der in einer grosseren Ent-
fernung vom Durchmesser, als irgend eine andere Art von Getrieben, von dem Rade
bewegt wird. Aber ein solches Getriebe wird niemals das Rad mit der Leichtigkeit
bewegen, mit der das Rad es in Drehung versetzt"
Eine gewöhnliche Schraube ohne Ende (Fig. 386), I26v.
L: ,,Diese3 ist die beste Art von Schraubengetrieben, die man machen kann.
Hier kann das Rad niemals die Schraube bewegen.''
Eine Schraube mit sogenanntem Trapezgewinde (Fig. 387), B 73 v.
Sie soll bei einem Windwerke zur Uebertragung starken Druckes dienen und
wird hierzu noch heute empfohlen.
Ein Einzahnrad (Fig. 388), I28v.
L: „Paoolo sagt, dass man bei keinem Instrumente, das ein anderes beröhren-
des Instrument bewegt, machen können dass dieses nicht auch jenes bew^t» sowie,
wenn ein Rad sein Getriebe bewegt, dieses auch das Rad bewegen wird. Aber dies
ist nicht allgemein gültig, denn wenn auch der Zahn (n) das Rad bew^t» so wird
doch das Rad nicht den Zahn (n) während einer ganzen Umdrehung bewegen.**
Fig. 383.
Fig. 384.
Fig. 385.
Fig. 386,
Fig. 887.
Ein Spiralrad (Fig. 389), H103v. Diesen Mechanismus will Leonardo
zum Spannen einer Armbrust benutzen. In seiner Skizze greift die Spirale in
eine vollständige Zahnstange, und es scheint, als ob Leonardo die Idee gehabt
habe, die Spirale solle die Zahnstange dadurch ihrer ganzen Länge nach ver-
schieben, dass sie in immer neue Zähne derselben eingreift. Dazu wäre er-
forderlich, dass die Spirale in einer zur Zahnstange geneigten Ebene läge, so
dass nur der jeweils obere oder der jeweils untere Theil derselben in die
Zahnstange eingriffe. Die Berücksichtigung dieses Umstandes ist weder aus
der Skizze, noch aus einer beigefügten Bemerkung zu erkennen.
Ein Mangelrad (Fig. 390), H 110 v, zur Verwandlung einer kontinuirlich
drehenden in eine geradlinig hin- und hergehende Bew^ung.
Das am halben Umfange verzahnte Rad in zwei auf einer Axe
sitzende Getriebe eingreifend (Fig. 391), Hllöv, zur Verwandlung einer
kontinuirlich drehenden in eine hin- und hergehende Bewegung. Dieser und
ähnliche Mechanismen wurden später von Ramelu mit besonderer Vorliebe benutzt.
(Vergl. Fig. 233, 234 u. a. S. 213).
Zwei am halben Umfange verzahnte, in gleichem Sinne sich
drehende und von gegenüberliegenden Seiten abwechselnd in
Einzahnrad, Spiralrad, halbverzahnte Räder.
321
ein Getriebe eingreifende Räder (Fig. 392), H112h, zu dem gleichen
Zwecke; jedoch sitzt das sich hin- und herdrehende Getriebe hier auf einer an
der Drehung verhinderten Schraubenspindel, während es selbst an Verschiebung
verhindert gedacht werden muss, wodurch die hin- und herdrehende Bewegung
noch in eine geradlinig hin- und hergehende verwandelt wird.
Auch diese sehr komplicirte Art, eine kontinuirlich drehende in eine
geradlinig hin- und hergehende Bewegung umzuwandeln, wird von Ramelu mit
grosser Vorliebe und einigen Modifikationen angewendet, und wenn wir in unserer
Abhandlung über ihn die Vermuthung aussprachen, dass die Kenntnisse, die
ihm durch Marignano übermittelt wurden, aus der LEONARDo'schen Schule
stammten und er deshalb dieser zuzuzählen sei, so dürfte dies hierin eine Be-
stätigung finden. Auch wird sich ergeben, dass noch vieles andere, was wir
bei Ramelli für ihm eigentümlich hielten, in Leonardo's Manuskripten zu
finden ist.
Fig. 389.
Fig. 390.
Fig. 391.
Fig. 392.
Fig. 303.
Eine sehr nahe liegende Modifikation, die Ramelli hauptsächlich anwendet,
ist die, dass man anstatt der halb verzahnten Stimränder halb verzahnte
Winkelräder nimmt, die man auf eine gemeinschaftliche Axe setzen kann.
Nimmt man anstatt der halb verzahnten Räder solche, bei denen zwei
gegenüberliegende Viertelskreise verzahnt sind, so macht das Getriebe bei jeder
Umdrehung zwei kürzere Schwingungen. Man kann dann auch die Zähne je
eines Viertelkreises durch einen einzigen längeren Zahn und das Getriebe durch
einen gleicharmigen Hebel ersetzen. Diese Modifikation finden wir bei Leonardo
auf H 130 h (Fig. 393) dargestellt, jedoch mit der weiteren Komplikation, dass
der hin- und herschwingende Doppelhebel mit einem Stirnrade auf einer ge-
meinschaftlichen Axe befestigt ist, das in zwei einander gegenüberliegende
Getriebe eingreift, die die Muttern zweier gleichzeitig auf- und niedergehenden
Schrauben bilden.
Wird der in Fig. 391 dargestellte Mechanismus in ähnlicher Weise modi-
ficirt, so dass abwechselnd ein Sechzehntel des Radumfanges verzahnt wird und
ein Sechzehntel unverzahnt bleibt, so braucht man jedes der Getriebe nur mit
so viel Zähnen zu versehen, als auf einem Sechzehntel des Radumfanges Platz
finden, und kann auch jede dieser Zähnegruppen durch einen einzigen längeren
Beck.
21
322
Leonardo da Vind.
Zahn ersetzen. Auf diese Weise entsteht der Mechanismus, der bei den alten
Löffelunruhen angewendet wurde (Fig. 394), H114v. Die sich hin- und her-
drehende Axe trägt oben ein Stirnrad, wodurch offenbar angedeutet werden
soll, dass man durch Zufügung einer eingreifenden Zahnstange auch eine gerad-
linig hin- und hergehende Bewegung erzeugen kann.
Eine weitere Modifikation dieses Mechanismus zeigt Fig. 395, die im
Original auf derselben Seite steht, wie die soeben besprochene. Hier ist der
untere Zahn der sich hin- und herdrehenden Vertikalaxe rückwärts verlängert
und setzt einen auf der horizontalen Radaxe sich drehenden Hebel in pendel-
artige Schwingungen. Dieser Hebel ist an seinem oberen Ende mit einem Zahn-
segment versehen, wodurch offenbar wieder angedeutet werden soll, dass durch
Zufügung einer in dieses eingreifenden Zahnstange auch eine geradlinig hin-
und hergehende Bewegung erzeugt werden kann.
Der Mechanismus (Fig. 396), H 110 h, unterscheidet sich von dem in Fig. 394
dargestellten nur dadurch, dass er um 90® gedreht ist, so dass die seither
Fig. 394.
Fig. 395.
Fig. S97.
vertikale, sich hin- und herdrehende Axe nun horizontal zu liegen kommt.
Mit dieser ist ein hammerförmiges Pendel fest verbunden. Der Radkranz ist
sägeförmig gestaltet, und der ganze Mechanismus hat eine solche Aehnlichkeit
mit einer Pendelunruhe, dass man ihn für eine solche halten könnte, wenn
nicht die Pendelgesetze zu Leonardo's Zeit noch unbekannt gewesen wären.
Ein eigenthümlicher Mechanismus zur Verwandlung einer kontinuirlich
drehenden in eine hin- und herdrehende Bewegung zeigt Fig. 397, H115v.
Dadurch, dass in der Originalskizze der Drehpunkt des kurzen einarmigen
Hebels weiter links liegt, als in unserer Fig. 397, ist erstere nicht ganz ver-
ständlich. Da aber derartige Ungenauigkeiten bei flüchtigen Handskizzen fast
unvermeidlich sind, glauben wir annehmen zu dürfen, dass die beiden Hebcl-
drehpunkte so liegen sollen, dass in der abgebildeten Stellung das untere Ende
des linken Hebels frei wird, während der folgende Triebstock des Rades d&s des
rechten Hebels erfasst. Dieser ist mit dem oberen Arme des linken Hebels
durch eine Schubstange so verbunden, dass sein unterer Arm sich nach rechts
bewegt, während der einarmige rechte Hebel durch den Triebstock nach links
geschoben wird. Treffen die unteren Enden der beiden Hebel in der Mitte
Umwandlimg rotirender in aohwiiiguida Bewegung nnd nmgekebrt. 323
zusammen, ho mass der rechte Hebel frei und der linke erfasst werden, bo dass
das untere Ende des letzteren nun von dem Triebstocke nach links und das
des rechten Hebels vermittelst der Schubstange nach rechts geschoben wird.
Auf diese Weise entsteht durch kontinuirliche Drehung des Rades pendelartiges
Schwingen der beiden Hebel. Der eine endigt oben in ein Zahnsegment, das
in ein kleines Getriebe eingreift, das folglich
sine oder mehrere volle Umdrehungen ab-
wechselnd rechts- und linfcsum macht.
Die Umwandlung kontinuirlich drehender
in geradlinig hin- und hergehende Bewegung
durch Kurbel nnd Pleuelstange findet sich in
den drei Skizzen von Sägegattern (Fig. 398)
H109h, (Fig. 399} H 120 h und (Fig. 400) n«. m
H120h.
In Fig. 399 ist das Sägegatter an einer Stange befestigt, die über eine
Führungsrolle läuft und vermittelst einer Pleuelstange durch eine einfache
Fig. 399. Flg. 400. Fl«. M3.
Kurbel in Form einer gekröpften Äxe bewegt wird. In Fig. 398 wird die Be-
wegung des Gatters durch zwei gleichgerichtete Kurbeln an einer Welle ver-
mittelst zweier Pleuelstangen hervorgebracht. In Fig. 400 werden zwei Gatter
durch zwei um 180' gegeneinander versetzte Kurbeln und je eine Pleuelstange
stets in entgegengesetzten Sichtungen hin- und hergeschoben.
21»
3QQ Leonarda da TincL
L: „Die leere Röhre (ab) bildet die Füfanuig für den Torderen TbeQ des ^Saeaa,
das die gende Richtung erhält"
Auf derselben Seite findet sich das Kegehentil (Fig. 412) und auf E76t
die in unserer Fig. 413 wiedergegebene Konstrulition. Diese beiden Eegelventile
wendet Raxelu vorzugsweise an. Die Torliegenden Skizzen lassen aber keinen
Zweifel darüber, dass sie ihm durch Mabigkano aus der I^oNARDo'scben Schale
bekannt geworden waren.
Bei einem Cylindergebläse, das wir später betrachten werden, findet sich
ferner skizzirt:
Eiii mehrfaches Klappenventil (Fig. 414), E34v.
L: „Der Ausfluss wird um eo reichlicher sein, je schmälere Schddewände die
Durchgangaöffnungen haben. Der Flächeninhalt aller DurcfagangBÖffnungen zusammen
wird dem freien Querschnitte des Rohres gleich gemacht**
Motoren.
Ueher den Vortheil des Schwungrades beim Betriebe von Maschinen
durch belebte Motoren findet sich auf B26h folgende Notiz:
Flg. 410.
L: „Da ein in heftige Bewegung versetztes Rnd, das der Motor verlässt, von
selbst noch viele Umdrehungen macht, so wird, wenn der Motor mit der oben-
genannten Gescliwindigkcit zu drehen fortführt, dtc^o Erhaltung der Geschwindigkeit
mit wenig Kraftaufwand erfolgen. Und ich schlicnsc daraus, dass, wenn man die
Bewegung nur erhalten will, der Motor wenig Mfihe haben wird, um so mehr, als ca
(das Schwungrad) sich von Natur atitn.'ibt."
Das Beharren in der Bewegung wird hier als ein eigener Antrieb auf-
gefasst. Uebrigeiis erinnern wir daran, dass wir in den Sltizzen aus der Zeit
der Hussitenkriege schon vielfach Schwungräder angewendet sahen.
Ueber Wasserräder findet sich nur wenig in den in Rede stehenden
Manuskripten.
Ein oberschlächtiges Wasserrad {Fig. 415), F44v.
L: „Es fragt sich, indem das Wasser (ab) den Zellen des Rades einen StosB
giebt, ob das Rad ihn aufnimmt und er <lem Gewichte des Waas.'rs, welches auf der
gestossenen Seite iu den Zellen ist, zuEuzälden ist; ob man ihn als ein Mehr der
Wassermonge zu betrachten hat, indem niau die Kraft de^ Stos^s dieser zufQgt —
Wenn dem so wäre, würde das Rad das Wasser (vorausgesetzt, dass es so lange in
dem Rade bUehe) auf der gegenüberliegenden Seite höher heben, als ea herabfällt.
Ventile, WasBeirSder, WaMerachrftubenrad. 327
Wenn auch der Stoae kein Getvicht ixt, überwindet er doch die Kraft dnee Ge-
wichtes, welches ungef^r so gross ist^ wie seine eigene Kraft"
Ein oberschlächtiges Wasserrad, das eine Wasserschnecke
bewegt (Fig. 416 und 417), I21h.
L: ;, Während das zu«st bew^;te Rad*) eine volle Umdrehung ausführt, macht
die Bchnecke vier volle Umdrehungen nach den Regeln über die Ursachen solcher
Bewegungen (der Kinematik). — Man musa das Wasser über dem Viertel (an)
(Fig. 416) des Rndcs ausgiessen, damit das Gewicht möglichst weit vom Mittelpunkte
(eigentlich der senkrechten Mittellinie) des Rades entfernt bleibt — Und wenn das
(geuannte) Viertel acinon Lauf vollendet hat, muss die Sehraube eine volle Um-
drehung gemacht haben. Um dies zu bewirken, gebe man dem Rade 32 Zähne und
jedem Getriebe acht Triebstöcke. Das genügt"
WeoD auch die hier aufgestellten Regeln nicht zutreffend sind, so ist doch
IfONARDo's Ansicht, dass es bei einem oberschlächtigen Bade Iiauptsächlich auf
richtige Äosnutzong des Wassergewichtes ankomme, viel richtiger als jene bis
ins achtzehnte Jahrhundert hinein namentlich von italienischen und französischen
Flg. 41«.
Fig IIS.
Ingenieuren vertretene Ansicht, dass auch bei oberschläcbtigen Rädern ein
starker Wast-erstoss das Wesentlichste zur Erzielung eines guten Effektes sei.
Die Schraube als Wassermotor {Fig. 418), F88h.
Windmühle mit drehbarem Dache, sogenannte „holländische Wind-
mühle" (Fig. 419 und 420), L35h und 36v. Diese beiden Skizzen stehen in
dem Manuskripte nebeneinander. Es ist daher nicht zu bezweifeln, dass Fig. 419
eine Detailzeichnung zu der in Fig. 420 dargestellten Windmühle ist. Unter
Fig. 420 stehen die Worte: „II tetto e posato sulla rota (das Dach ruht auf
dem Rade), und aus der Skizze ist erkenntlich, dass aus der Oberfläche des
Mauerwerkes eine kreisrund gebogene Schiene ragt, worauf das Dach auf Rollen
läuft, und dass zwischen den koncentrischen Holzringen, worin die Axen dieser
Rollen lagern, leiterartige Sprossen eingesetzt sind. Nahe dem oberen Mauer-
rande ist ein nach innen gerichteter horizontaler Zapfen befestigt und dient
*) La rota dcl primo moto. Die Alten fasaten den Begriff .Motor' anders auf, ala es
jetzt gebrauclilicli ist, wo man WesserrSder Motoren Dennen darf; damals war das Wasser
der Hotor.
328
Leonuäo dt VineL
L: „Die leere Röhre (ah) bildet die Fohmng für den vorderen Thdl des ESseni^
das die gerade Kohtung erhält"
Auf derselben Seite findet sich das Kegekentil (Fig. 413} imd auf £76t
die in unserer Fig. 413 viedergegebene Konstruktion. Diese beiden K^ehentile
vendet Rahelu vorzugsweise an. Die vorliegenden Skizzen laasen aber keinen
Zweifel darüber, dass sie ihm durch Marignamo aus der LsoNARDo'schen Sehnte
bekannt geworden waren.
Bei einem Cylindergebläse, das wir später betrachten werden, findet sich
ferner skizzirt:
Ein mehrfaches Klappenventil {Fig. 414), E34t.
L: „Der AusÜuss wird um bo rechlicher sein, je schmälere Schddewände die
Durchgangsöffnungen haben. Der Flächeninhalt aller DurchgangaÖffnungen zusammeit
wird dem freien Querschnitte des Rohres glnch gemachL"
Motoren.
Ueber den Vortheil des Schwnngrades beim Betriebe von Maschinen
durch belebte Motoren findet sich auf B26h folgende Notiz:
Klg. tu.
L: „Da ein in heftige Bewegung versetztes Rad, das der Motor verlösst, von
selbst noch viele Umdrehungen macht, so wird , wenn der Motor mit der oben-
genannten Gesell windigkeit ku drehen fortfährt, diese Erhaltung der Geschwindigkeit
mit wenig Kraftaufwand erfolgen. Und ich schliessc daraus, dnse, wenn man die
Bewegung nur erhalten will, der Motor wenig Mühe haben wird, um so mehr, als es
(das Schwungrad) sich von Natur antreibt."
Das Beharren in der Bewegung wird hier als ein eigener Antrieb auf-
gefasst. Uebrigens erinnern wir daran, dass wir in den Skizzen aus der Zeit
der Hussitenkriege schon vielfach Schwungräder angewendet salien.
Ueber Wasserräder findet sich nur wenig in den in Rede steliendea
Manuskripten.
Ein oberschläcbtiges Wasserrad (Fig. 415), F44v.
L: „Es fragt i^tch, indem das Wasser (ab) den Zellen des Rades einen Stoss
giebt, ob das Rad ihn aufnininit und er dem Gewichte des Wassers, welches auf der
gestossenen Seile in den Zellen ist, zuzuzälden ist; ob man ihn als ein Mehr der
Waasermonge zu betrachten hat, indem iiinn die Kraft des Stoases dieser zufügt —
Wenn dem so wäre, würde das Riid das Wasser (voraiisgesetst, dass es so lange in
dem Rade bliebe) auf der gegenüberliegenden Seite höher heben, als es herabfällt.
Ten^«, Waaserriider, WuMrachrRubenrad. 327
Wenn auch der Stoes kein Grenicht ixt, überwindet er doch die Kraft eines Ge-
wichtes, welches ungefähr so gross ist, wie seine eigene Kraft"
Ein oberschlächtiges Wasserrad, das eine Wasserschnecke
bewegt (Fig. 416 und 417), 121 b.
L: ;,Während das zu»^t bew^le Rad*) eine volle Umdrehung ausführt^ macht
die Schnecke vier volle Umdrehungen nach den Regeln über die Uraachen solcher
Bewegungen (der Kinematik). — Man muBs das Wasser über dem Viertel (an)
(Fig. 416) des R^idcs ausgiessen, damit daa Gewicht möglichst weit vom Mittelpunkt«
(eigentlich der senkrechten Mittellinie) des Rades entfernt bleibt — Und wenn das
(genannte) Viertel seinen Lauf vollendet hat, muss die Schraube eine volle Um-
drehung gemacht haben. Um dies zu bewirken, gebe man dem Rade 32 Zähne und
jedem Getriebe acht Triebstücke. Das genügt"
Wenn auch die hier aufgestellten Regeln nicht zntrefTend sind, so ist doch
Leonabdo's Ansicht, dass es bei einem oberEchlächtigen Rade hauptsächlich auf
richtige Aosnutzung des Wassergewichtes ankomme, viel richtiger als jene bis
ins achtzehnte Jahrhundert hinein namentlich von italienischen und französischen
Ingenieuren vertretene Ansicht, dass auch bei oberschlächtigen Rädern ein
starker Wasserstoss das Wesentlichste zur Erzielung eines guten Effektes sei.
Die Schraube als Wassermotor (Fig. 418), F88h.
Windmühle mit drehbarem Dache, sogenannte „holländische Wind-
mühle" (Fig. 419 lind 420), L35h und 36 t. Diese beiden Skizzen stehen in
dem Manuskripte nebeneinander. Es ist daher nicht zu bezweifeln, dass Fig. 419
eine Detailzeichnung zu der in Fig. 420 dargestellten Windmühle ist. Unter
Fig. 420 stehen die Worte: „II tetto e posato sulla rota (das Dach ruht auf
dem Rade), und aus der Skizze ist erkenntlich, dass aus der Oberfläche des
Mauerwerkes eine kreisrund gebogene Schiene ragt, worauf das Dach auf Rollen
läuft, und dass zwischen den koncentrischen Holzringen, worin die Axen dieser
Rollen lagern, leiterartige Sprossen eingesetzt sind. Nahe dem oberen Mauer-
rande ist ein nach innen gerichteter horizontaler Zapfen befestigt und dient
*) La roto äe\ primo nioto. Die Alten fassten den Begriff .Motor' anders aar, ala es
jetit gebräucblich ist, wo mau Wasserräder Motorea neaneti darf; damals war daa Wasser
der Hotor.
Leonardo da VincL
einem losen Hebel als Stützpunkt, der mit seinem oberen Ende in die ge-
nannten Sprossen greift. Es bedarf keiner weiteren Erklärung, vie ein Arbeiter
Termittelst dieses lo!>en Hebels das Dach der Windmühle drehen kann.
Allgemein wird angenommen, dai^s die Windmühlen mit drehbarem Dache
nm die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts Ton einem Flanderer erfanden
worden seien, dass aber Lexinardo solche Mühlen etwa 50 Jahre früher kanntCi
i t
fm- *i-^
Fig 4ä.
Fi^. 421.
oder doch entwarf, ist in An1>etracht dieser Skizzen nicht zu bestreiten. Wir
fügen hier an:
Den inneren Mechanismus zu einer Windmühle (Fig. 421), L341l.
In unserer Abhandlung über Kanelu sagten wir (S. 221} :
^Was die Bremswerke betrifft, so findet s^ich an den Windmühlen auf den
Blättern 132 und 133 eine Uebergangsfomi von der Backenbremse, wie
sie AoRicOLA beschreibt zur Bandbremse, indem der Kranz des Haupt-
'vmmmfm^^i
Fi«. 422.
Fig. 423.
Fig. 421.
winkelradei* auf der Windradaxe von einem halben Holzreife umschlossen ist, von
dem in der Bejächreibung gesagt wird, dass er sich beim Anziehen der Bremse zusammen-
ziehe und beim Loslassen derselben wieder erweitere."
Die hier vorliegende Skizze spricht dafür, dass Ramelu auch die Kenntniss
von dieser Bremse aus der LEONARDo'schen Schule geschöpft hatte.
Femer ist beachtenswerth , dass bei dem Mahlgange (Fig. 421), wie aus
der links danebenstehenden Detailskizze ersichtlich ist, die Haue auf das vier-
kantige Ende eines ganz kurzen Mühleisens gesteckt ist und nur durch einen
Mitnehmer am unteren Ende der von oben in das Läuferauge hereinragenden
WindmDIile mit drehbarem Dache, Bandbremse, HebevorrichtnngeD. 329
Antricbwelle umgedreht wurde. Diese Konstruktion gestattet dem Läufer etwas
freie Bewegung, ähnlich vie bei einer Balancierhaue.
Hebmaschinen und Hebvorrichtungen. Heben von Baum-
stämmen und dergl. (Fig. 422, 423 und 424), F46h.
Zu Fig. 424. L: „Es soll ein Raum mit Leiciuigkeit un<1 Sclinelligkdt aus
dorn Wasser gezogen werden, — (kh) sei der gegebene Kaum, (6) eoi der Befestigiings-
punkt eines Seiles, das bei (n) den ßnuni umfasst uiiil
pich nach (c) wendet in die Hnndc eines J[nniiea. Das
Gleiche Üiut (eia)tun anderen Ende des Baumes. Gleicli-
zeitig wpnle der Hebel (fg] liergerichtet, der den Baum
in der Mitte fasst. Werden gleichzeitig (c) und (e) nnge-
zogen und (/) niedergedrückt, so wird sich der Baum auf
das Ufer (ml) bewegen, indem er sich auf dem HcIkI
(fg) vnhf
7m Fig. 423. L: „(a) und (b) wirken wie eine
Bperrlciinke (fattorino) in der Weise, dass die Säule eich nicht rückwärts bewegen
kann."
Ein Gangspill (Fig. 425), BÖ3v, in der Form, wie es sich in vielen
snäleren Werken abgebildet ändot.
Flg. m.
Fig. 4ä0,
Fig. 4
Ein Haspel mit Schwungrad, auf dessen Welle sich gleichzeitig ein
Seil auf- und ein anderes abwickelt, B 71 v.
L: „Dieses Rad ist gut, um eine Arbeit rasch auszuführen. Es sind zwei
Seile daran, und wenn das eine umkehrt, steigt das andere."
Hebvorrichtung zum Verbringen einer Glocke in einen Thurm
(Fig. 426 und 427), B71v.
L: „Wein» die Glocke in ihrer Höhe angekommen ist, setze die Hülzer au die
Stelle, wo die Seile aufgehangen waren, die ue mit zwei starken Haken herauf-
gezogen haben. Dann drehe die Mutter (m) (Fig. 427), und die Glocke, feat-
verbunden mit (n), wird dadurch unter den Balken durchgehen, die die Schraube
zwischen sich nehmen, bis an ihren Ort, — Wenn der Kasten (der, mit Steinen
gefüllt, am anderen Ende des Zugseiles hängt) ein nur um 10 Pfund grßsseres Ge-
33fi Leonardo d« Vinci.
wicht hit, als die Glocke, wird er niedersinken und die Glocke aufzielien. Aber
halt« das Gewicht von 10 Pfucd vermittel.''t einer Schnur auf uDd lasse den Kaeteo
nur nach und nach herabsiukcn."
Wir fügen hier an:
Aufhängung von Glocken (Fig. 428, 429 und 430), B70h.
Z« Fig. 429. L: „Mncho, da?« die Zn^fei) des Glockenbalken so tief liegen,
diiws sie beinahe in die Mille der Glocke treffen und der Theil unter der Ase nur
10 Pfund mehr wiegt, als der über der Axe, und ein kleiner Junge wird ae läuten."
Fig. *ai. Fi«. »SS.
Zu Fi>;. AM (Skizze eines Biunnes mit einem Haupla^te). L: „Der Tbeil (a h)
ist gut für .len OWkeiibiilkeii."
Zwt'i Drehkralinen (Fi^'. 431 nnd 432, It4l>v und li, auf Drehscheiben
iilinlich ilenon. die schon \'itri"v erwähnt (vergl. S. 44'.
^obraubenwinde zum Auseinanderbiegen oder Zerbrechen
eiserner (Ütterstäbe iFig. 433. 434 und 43r>', BTlh und 72 v. Diebeiden
Drehkrahnen, Schraubenwinden zum Zerbrechen von Gittern. 331
Gabeln, die über die beiden Gitterstäbe gesteckt sind, so dass sie diese mit
dem Grunde ihrer Zinken berühren, sind an ihren Stielen mit Gewinde ver-
sehen, das eine rechts-, das andere linksgängig und in der Nabe eines Hebels
eingeschraubt. Wird der Hebel angezogen, so werden die Gitterstäbe etwas
auseinander gebogen. Der Hebel wird dann zurückbewegt und, nachdem ein
T-förmiger Keil zwischen einen Gitterstab und den Grund der ihn umfassenden
Gabel geschoben ist, abermals angezogen. Auf diese Weise wird fortgefahren
und werden immer mehr Keile eingeschoben, bis die Gitterstäbe genügend weit
auseinander gebogen oder zerbrochen sind. Durch die Schraubenmutter (F)
können nach Belieben verschieden lange gerade Hebel oder ein Hebel mit
Zahnbogen an die Nabe mit rechts- und linksgängigem Gewinde gekuppelt werden.
L: „Thue erst, was Du kannst, mit dem einfachen Hebel, dann setze den
Feuerkasten (um die Gitterstäbe glühend zu machen) und thue, was Du kannst, mit
dem einfachen Hebel, und nöthigenfalls wird der verzahnte Hebel gut sein. — Der
erste Hebel sei l^/s, der zweite 2 Ellen lang, so dass 60 Pfund 40000 Pfund heben.
— Mache sechs Zähne auf Vs Elle des Hebels, der ein verzahntes Kreuz bildet.
Und wenn Du dem Hebel (A B) jedesmal eine Bewegung von einer Elle geben wirst,
wird zuletzt die ganze Drehung erzielt, wenn der Hebel (AB) 1944 Drehungen
(Schwingungen?) gemacht haben wird. — (m) dient dazu, den Schraubenhebel nach
Bedarf zu verlängern. — {N) wird in der richtigen Weise eingeschoben: T. — (F)
dient dazu, das gezahnte Kreuz wegzunehmen und einen längeren Hebel einzu-
schrauben."
Zu Fig. 433. L: „(A) sei so beschaffen, dass man es wegnehmen und wieder
ansetzen kann."
Fig. 435, mit noch mehreren anderen Detailzeichnungen auf B 72 v skizzirt,
zeigt das Schaltwerk zwischen dem Hebel {A B) und der Schraube ohne Ende.
Wir haben ein gleiches Schaltwerk schon in unserer ersten Abhandlung über
Leonardo besprochen und abgebildet (Fig. 110, S. 102).
Ramelli stellt auf den Blättern 154 bis 167 seines Werkes verschiedene
kompendiöse Brechwerkzeuge dar, um Riegel und Angeln von Festungsthoren
und Gitterstäbe zu zerstören. Wir sehen aus Vorstehendem, dass auch diese
Aufgabe schon in der LEONARDo'schen Schule behandelt wurde.
Heben schwerer Lasten durch Wasserauftrieb (Fig. 436), F49h.
L: „Um jedes noch so schwere Ge-
wicht aus einem Stücke auf ein wider-
standsfähiges Boot zu laden, muss man das
Gewicht an das Meeresufer ziehen, mit seiner
Längsseite nach dem Ufer gerichtet imd in
der Richtung desselben. Alsdaim mache
man einen Kanal, der unter dem Gewichte ^^s- *3ö-
durch- und so viel darüber hinausgeht,
als die Hälfte der Länge des Bootes beträgt, das das Gewicht tragen soll. Und
in ähnlicher Weise mache man die Breite des Kanales der Breite des Bootes ent-
sprechend. Dieses wird mit Wasser gefüllt und unter das Gewicht gezogen. Dann
wird das Wasser herausgeschöpft. Das Fahrzeug wird sich dann bis zu einer solchen
Höhe heben, dass es das Gewicht von selbst von der Erde hebt, und Du wirst dann
die Last in das Meer ziehen und nach dem Oite führen können, der dafür be-
stimmt ist."
Leonardo da Vind.
Diese Stelle liefert einen Beweis dafür, iass Leonardo nicht immer eigene
Gedanken und Eründungen in seine Maanskripte niederschrieb, sondern anch
Dinge, die zu seiner Zeit längst bekannt waren, darin notirte. Denn Plixics
schreibt, im 14. Kapitel des 36. Buches seiner „Historia nataralis' :
„Zu Akxandricu EtcUte Ptolemaeus Philadelpbus (geb. 309 r. Chr.) einen
Obelisken von 60 Ellen auf. Ihn hatte der König zu Nethebis glatt ausbauen lassen,
und man hatte grössere Mühe mit dem Transportiren und Aufalellen, als mit dem
Ausbauen desselben. Einige berichten, dass er von dem Architekten Sat\'ri;b auf
einem Fahrzeuge fortgeschafft worden sei. Kachdem Kalisthenes aus Phönizien
vom Nil aus bis zu dem daliegenden Steine einen Kanal gegraben hatte, seien zwei
breite offene Fahrzeuge mit fuaagrosäen Quadern von demselben Gesteine derart be-
laden worden, doss sie das doppelte Gewicht (des Obelisken) hatten, und die Fahr-
zeuge unter dem auf den beiden Ufern aufliegenden Obelisken hindurch gingen.
Nachdem dann die Qiuider herausgenommen worden seien, hätten die Fahraeuge die
Last aufgehoben."
Hier reihen wir an:
Einen Apparat zum Messen hydraulischen oder auch pneu-
matischen Druckes (Fig. 437), B53h.
Fig. <3T. Fig. 438.
Tj: „Es sei ein VentJl an der Mündung (A) nach aussen. — Das Wasser, das
sich zwischen (m) und (m) befindet, sei 26 Pfund und das Wasser, welches das Gegen-
geitieht bildet (sollt« wohl heisi^n: das Gegengewicht, welches das Wasser bildet),
sei 1000 Pfund."
Ein hydraulischer Wecker (Fig. 438), B20h.
L: „Dies ist eine Uhr für Solche, die in der Verwendung ihrer Zeit geizig
sind, und wirkt so: Wenn der Wassert richter so viel Wasser in das GefSss (e) hat
fliessen lassen, wie in der gegenüberliegenden Wagachale ist, giesst diese, indem «e
eich hebt, ihr Wasser in das erstgenannte Gefäss, das, indem es sein Gewicht ver-
doppelt, die Füase des Schlafenden mit Gewalt bebt Dieser erwacht und geht seinen
Geschäften nach,"
Ist dieser Apparat als Wecker auch kaum ernsthaft zn nehmen, so ist
er doch um deswillen interessant, weil er auf demselben Grundgedanken beruht,
wie unsere sogenannten „ Krafteinschalter " oder „mechanischen Relais'',
d. U. Mechanismen, bei denen durch die geringe Kraft eines Regulators oder
Indikators (hier einer Wasseruhr) eine leicht bewegliche Steuerung in eine solche
Stellung gebracht wird, dass eine vorhandene grössere Kraft in Wirksamkeit
tritt und die eigentlich beabsichtigte Bewegung erzeugt.
Ilebea durch Wasserauftrieb, hydraulischer Wecker, Höllenmaschine. 333
Eine Höllenmaschine. Auf G44h und 48v finden sich Skizzen von
einem Heber, dessen kürzerer Schenkel in einem Schwimmer befestigt ist, wie ihn
schon Heron angab, um einen gleichmässigen Abfluss zu erzielen (vergl. Fig. 4,
S. 8), und aus dessen nur sehr wenig längerem Schenkel die Flüssigkeit in
ein anderes Gefäss tropft.
Zu G 44 h. L: „Präparirtes Quecksilber, das durch äusserst dünnes Kupfer
angezogen wird, welches als Heber dient und dessen Schenkel, vermöge deren die
Flüssigkeit steigt und fällt, von kaum fühlbarer Dicke sind, wird eine Uhr beim
Gebrauche von Pulver abgeben. Es ist dies das langsamste und feinste Herabfliessen,
das man bewirken kann, so dass man machen kann, dass in einer Stunde noch kein
Gran Gewicht von dem Quecksilber aus dem emen Gefässe in das andere gelangt.
— Die Oberfläche seines Bades ist eine sichtbare (sensibile) wegen der Undurch-
sichtigkeit des Quecksilbers. Die Haut dieses Quecksilbers sei unmerklich niedriger
als der Stand des ausserhalb nach dem Heber hin befindlichen (? la pelle del quäl
mercurio sia di basezza insensibile colla basezza, ch'ö di fuori verso la cicognola), und
so wirst Du am Ende eines Jahres Feuer geben können, das durch einen Stoss
entsteht, und zwar ohne irgend ein Greräusch bis zu dem Zeitpunkte der Entstehung
des Feuers. — Unten am Rande des vierten Blattes (das ist FoL 48) ist aufgezeichnet,
Fig. 439. Fig. 4W.
wie man dieses Gefäss stellen muss, damit es mit der erwähnten Gewalt die Wirkung
thue, die es schliesslich verspricht.**
Zu G 48 V. L: „Vom Quecksilberheber zum Feuergeben. Je mehr das Wasser
(das durch einen gewöhnlichen Heber abfliesst) in dem Gefässe abnimmt, um so mehr
sinkt seine Oberfläche, und je mehr die Oberfläche des Wassers sinkt, um so weniger
schnell giesst der Heber aus. Aber wenn der Heber gleichzeitig mit der Oberfläche
des Wassers niedergeht, die ihn trägt, wird ohne Zweifel die Bewegung des Wassers,
das durch den Heber abfliesst, sich immer gleich bleiben. Um diese Gleichmässig-
keit zu erreichen, setzen wir daher das Gefäss (n) auf das Quecksilberbad (m). Dieses
Gefäss (n) ist (gleichsam) ein den Heber tragendes Boot, durch dessen Boden er aus
der Luft in das Quecksilber dringt Dieses Quecksilber fliesst durch den Heber
(nst) in das Gefäss (/), und so viel die Oberfläche des Quecksilbers sinkt, um so
viel sinkt auch das Boot herab, das mit dem Heber darauf sitzt. Dieser besteht aus
einem ganz feinen, im Feuer vergoldeten Kupferdrahte, und das Quecksilber fällt in
ein Gefäss, das, wenn es das nöthige Gewicht erlangt hat, herabfällt und durch
einen Schlag Feuer giebt."
Eine sich selbst regulirende Lampe (Fig. 439 und 440), G41v.
Zu Fig. 439. L: „Lampe, bei der der Docht sich um ebensoviel hebt, als
das Oel sinkt Dieses geschieht dadurch, dass das Kad, welches die 2^ichnung dar-
stellt> auf dem Oele schwimmt Um so viel als das Oel abnimmt, sinkt das Rad,
und indem es niedersinkt, dreht es sich von selbst, wegen des Fadens, der um seine
Axe gesclilungen ist (und dessen eines Ende über der Axe befestigt ist), und die
Zähne des Rades schieben die verzahnte Röhre vor, die den Docht enthält"
Zu Fig. 440. L: „Auch wird man dasselbe erreichen, wenn die Axe (a) des
Rades nicht niedergeht, sondern nur der Schwimmer (6), der auf dem Oele obenauf
S3A Leonardo da Viod.
iet Dieser Schwimmer geht mit der Oberfläche dee Ödes nieder und bringt das
Rad io Drehung, das vermc^ seiner Veizabnung die genannte geuhnte Röhre Ifuigsam
in die Hötie treibt."
Dieses Problem ist das zweiunddreissigste, das Hcroü in seioem Werke
„Pneumatica" behandelt. Auch zu einigen anderen Problemen Heron's entwirft
Leonardo im Manuskripte G bessere Skizzen, als sie CoHHANDiinis (1575) seiner
Uebersetzuug des {genannten Werkes beigegeben bat.
Durch einen Heber Wasser auf einen Berg zn bringen [Fig. 441),
B26v.
L: „Wenn Du das Wasser um eine Meile (miglio) heben willst, damit es
oben auf dem Berge bleibe, mache ee, wie hier abgebildet. Wenn Du den Waseer-
Btrahl so diele haben willst, wie Dein Bein, mache die Iieitung »o dick, wie Deinen
Flg. «I.
y«. MC
Oberschenkel, und wenn es eine Äleile in die Höhe steigen soll, lasse es zwei M^en
herabfallen. Die Gcwnll dee Waasers, das i^ich in (&c) befindet, wird so gross aeao,
dasB es das Waä^r, welches sich in (de) befindel, heben und das Rad der Pumpen
(oder Spritaen, scizaroli, wohl verwandt mit dem heutigen schixiare, spritzen) um-
drehen wird. Und wisse, dass durch die Pumpen keine Luft in den Kanal (? bottino)
dringen kann, denn jedesmal, wenn der Kolben (l'anima, die Seele, das Innere, der
Kern) der Pump« zuriickkchrt, sehliesät sich das Ventil, welches im Boden des
Kttnales ht, und selbst, wenn es nicht gut aung^putzt wäre, würde es doch noch keine
Luft zulassen, weil es sich zwei Ellen unter Wasser befindet, so dass es keine Luft
zulassen kann, wenn es nicht zuvor zwei Ellen Wai^ser zugelassen hat Wenn Du
von Anfang an die Leitung füllen willst, sammle von Felsen einen kleinen See
Wasser (vemiuthlich Regenwasser) und verstopfe die Röhren am Fusse mit Erde
(Thon?), d, h. bei (c) und (c). Dann lasse den See in die I^eitung ausQiessen. Wenn
das Rad eine halbe Elle im Wasser steht, verechliesse den Kasten gut und öffne
die Leitung bei (e) und (e) gleichzeitig. Das Rad mache vier Ellen gross."
WaaaerßnleniDg darob Heber, Pumpen mit Balud«». 335
Heatigen Tages ist aUgemein bekannt, dass vom Heben des Wassers auf
«inen Berg vermittelst eines Hebers nicht die Rede sein kann. Wer sich aber
anf den wissenschaftliclien Standpunkt der Zeiten vor Toricelu zurückzuver-
setzen vermag, wird zugeben, dass vorliegende Konstruktion aus den damals
gültigen physikalischen Lehrsätzen logisch richtig entwickelt und geistreich aus-
gedacht ist.
Pumpen.
Eine doppeltwirkende Druckpumpe mit zwei Stiefeln (Fig. 442],
B20v.
L: „Dies thut genau die Dienste einer Spritze (wie sie Heron beschreibt
ßcigatojc^ vennuthhch gleichbedeutend mit dem vorhin erwähnten scizaiolo und dem
heutigen schizzatoja]."
Die Umwandlung der schwingenden Bewegung des Schwengels, der als
«in schweres Pendel angeordnet ist, erfolgt durch Zahnbogen und Zahnstangen.
Dieser Mechanismus findet sich auch angewendet bei :
Einer einfachwirkenden Druckpumpe (Fig. 443), B53h.
L: „Dasselbe kann man mit Seilen machen, wie mit dem gezahnten Rade."
Diese Bemerkung deutet auf die Konstruktionen Fig. 444 und 44Ö, B 64 v,
hin. Die Anordnung Fig. 445 hat sich bekanntlich bei den Dampfmaschinen
bis zur Erfindung des WAir'schen Parallelogrammes erhalten.
Bei Fig. 444 ist an Stelle der beiden Bogen oder Krümmlinge eine volle
Kreisscheibe gesetzt. Das Gewicht des schweren Pendels ist durch ein wie
«in Boot geformtes, mit Steinen gefülltes Gefäss hergestellt. Eine andere
Anordnung einer Pumpe mit Balancier zeigt Fig. 446, B53h. Die Be-
wegung des letzteren wird durch ein Wasserrad vermittelst Kurbel und Pleuel-
stange hervorgebracht.
Pumpe mit zwei feststehenden Kolben und beweglichen
Stiefeln (Fig. 447), B20v.
L: „Bei diesem Instrumente bewegt sich die Hohlform (la femina).'*
336 Leonardo da VincL
Das Heben der Stiefel geschieht durch einen doppelten Balancier ver-
mittelst vier Ketten. Dnrch ihr eigenes Geiricht sinken sie wieder herab.
Aas dieser Skizze und der dabei stehenden Bemerkung Leosardo's ist ersichtlich,
dass ihm, vie seinen Schalem, die Umkehrong der Mechanismen nnd der Be-
griGF „Hohlforni^' geläaäg waren.
Pumpe mit gebogenem Cf linder (Fig. 44S), B20t. Diese sonderbare
Pampenkonstruktion haben wir in unserer Abhandlung über Raheixi (S. 223),
bereits beschrieben. Sie spricht wohl am deutlichsten für den Zusammenhang
Rahelu's mit der LEO\.iROo'schen Schule.
Aoffallend bei den meisten LEOSARDO'scheo PumpenkonstruktioneD sind
auch die schweren Pendel, die als Schwengel dienen. In onserer Abhandlung
über Bessos (S, Ulli, sagten wir. dass er solche schwere Pendel über die
Maasson litbte, and di«s scheint darauf hinzudeuten, dass anch er ein Schüler
Leonardo's war, sowie wir in dem Umstände, das* ihn Besoald ab jjngemear
und Mathematiker des Koni^ Ton Frankreich." bezeichnet, schliessen xa ddr£en
glaubten, das« er ein Nachfolger Leoxarco's in diesem Ante war.
Fine Schiffspnmpe ^Fig. 449'. LSäh. Leosahoo bezeichnet sie als
,.(,iaUt>renpumpe" , trouiba da galea. Der Xiae ..tronib*'^ für den Begriff
„l'umpe" entspricht dem lateiniscien ^t.:ba" des Hie»osi«C3 C&rdaxcs
IvergL S. 16;l'.
Künstliche Wir bei. eine Art Ton Cen:r::c|ilpttmpen(Fig-45(^
4öl. 4öi, -i:';!. 4M. 4ÖÖ, 45p, 457. 45S. FX3<. 15t u=d I6t,
Auf F15t steht g;eicr.w=i aU Utfc^rsc'-rlf: : „Hilfsxiltel. sn Sümpf«
i-.;s.:r.ri.vk::-j=. die an das Meer grtr-:-'2.""
Z-J. Fi 4Ä\ L; _1V Ha:ri ia -;t=.:c: halb e-s W*ää« gsrilLw GeSa»
Au: F 15 V. AS Sisiea ju F;^ 451 posiecd:
Bewegliche, sowie gebogene FampeDStiefel, Schiffapampe, kOustlicher Wirbel. SSI
L: „Ea ist möglich, in an und demselben Genässer (pelago) die WaBserfläche-,
die der Boden eines Wirbeb bildet, niedriger zu machen, ala diejenige Oberfläche die
TOD der Strömung einen anderen (eiumOndenden) Wassers getroffen vird."
Fig. 451 zeigt einen Damm am Meeresufer. Rechts davon let das Meer,
links der Sumpf. In dem Meere ist ein knnstlicher Wirbel erzeugt. Eine
Heberröhre führt von dem Sumpfe über den Damm nach dem tiefer liegenden
Boden des Wirbels. Das Snmpfwasser kann durch den Heber in den Wirbel
und damit in das Meer abfliessen.
Zu Fig. 456 (die Ellipse über der Maschine stellt ein Schwungrad, rota
d'aumento, vor).
L: „Gefäss, überall verschlossen mit Ausnahme eines Loches im Boden, wo
das Wasser nur durch den Heber eintritt, der von dem Sumpfe da hinein geleitet ist"
Letzteres ist aus Fig. 458 ersichtlich.
„Zu Fig. 462. L: „Gegeben e^: Ein Wirbel im Meere, dessen Bodenfläche
doppelt so tief liege, als der Boden des niedrigsten Temüns, das der Sumpf annimmt,
der in gleichem Niveau an das Meer grenzt — (aomn) sei der Sumpf, dessen
Oberfläche mit der des angrenzenden Meeres (h) gleich steht Ich werde den künst-
lichen Wirbel (efdg) herstellen, der doppelt so tief ist als (ao), und werde den
Heber {abcd) einführen. Dieser muss durch das Getriebe ohne Wt^lle gehen und
über den Damm des Sumpfes. Er mündet über dem Grunde des Wirbels und führt
das Wasser hinein.
Zu Fig. 453. L: „Aach der Heber (nmopr) ist gut^ wenn das Getriebe «ne
Welle hat, wie hier gezeichnet Aber besser ist der andere^ weil der Stose dee Wassers
auf den Grund (des Wirbels] trifft und seine Bewegung noch mitwirkt"
Zu Fig. 45? (Vertikalschoitt und Grundriss). L: „(am») (od Grundrisse) ist
das Gefiiss des künstlichen Wirbels, das l'/i Elle im Durchmesser und 'jj Elle am
Boden hat und in das die Mündung des Hebers eintritt Das Brett, das sich auf
dem Zapfen drehl, hat eine grössere Geschwtndigkät (am Umfange?) als das Wasser
heim Eintritte in das Gefäss, oder auch die gleiche Geschwindigkeit, damit die Be-
wegung des Wassers es begleite und süner Bewegung behülflich sei. Wenn Du aber
^
Lmoat^ dM T\
izfi: ÄJA iAD^>5Lrr irAoi mUst, aL* «Im < Ler Bew^simz «i«9 Waaers entsprechende)
Bi»:^'>:fr:^e 'i^ Br^oes «ri; isi; wir^c Da mehr ermu^i«, «i- h. dad Brett wird seinen
V'V>:r sirhr «nr.lien. U:xi 9j vicL wie «ikäer äccn«»ILer kt als dft» Brets» am so viel
2r.i*tr wiri *r enriä«iet. W^rm abirr -iiir Ges<:awia.iijzkrtt des Brettes und des Wassers
zirich •in«i, «o wiri er w^niz c*ier fi?« keine Enna'JTing sparen. — Der Heber soll
vÄn Wn^K-er hinter dem bew>r^a Bcv-ne fÄ her stoi«:?en, and dieses Aasstossen muss
nrxrh nach aufwärts in der Riehmaz 6ar Schräge des Gefissea (d. h. der schrägen
Seiten wandt gdschehen. Zwischen «iezi Gexasise and dem Brette sei ein Finger breit
ZvL-i#^enraiim and nicht mehr, damic nicht das za grosse Gewidit des Wassers die
Bewrgang des Brenes hindere, dessen Schneide schief stehen mnsBy wie es die Figur
Zu Fig. 455. L: Jahct sei das Meeresofer, (im» d» Ansmündong des
Sumpfes, (fg) der Floss, der den Sumpf erzeugt. roAiii ein Kanal in der Höhe des
nui«es (f\. h. eines höher gelegenen Punktes desselben, mit möglichst wenig Gefälle)
naeh der Mühle geföhn (die den Wirbel erzeugt v {cdej der goade (dL h. möglichst
Fig. 4:;«.
Fi«. 458.
horizontale) Kanal vom Meere nach dem Gefalle (das ist der Untergraben), {r() die
f^nmündungssielle des Hebers, (/) der Wirbel. — Man verschliesse die Mündung (m6).
Bei der Arbeit werde das Geheimniss des Hebers und des Wirbels verdeckt und
übermauert, und dieser werde von dem Meere getrennt angelegt" — Femer auf
F 16 v: „Mache eine Schütze in den geraden Kanal (den UntergrabenX der von dem
Meere kommt, um ihn bei Stürmen und während der Fluth verschliessen und während
der Ebl>e öffnen zu können."
Fig. 454 zeigt den „künstlichen Wirbel*' für Pferdebetrieb auf ein Boot
montirt.
Ein Ziehbrunnen mit umgekehrtem Flaschenzage zum raschen
Aufziehen leichter Eimer (Fig. 459), L18v.
L: „Art, wie man mit 12 Ellen Seil in eine Brunnen tiefe von 24 Ellen ge-
langen kann. Aber man zieht um die Hälfte weniger Wasser, was nicht geschehen
würde mit 24 Ellen Seil aus einem Stücke."
Aehnlichc Ziehbrunnen, auch mit mehrfachen umgekehrten Flaschenzügen,
finden sich bei Ramelu (vergl. S. 228).
Eine Archimedische Wasserschnecke, wie sie VrrRUV beschreibt,
mit Winkelrädervorgelege and Schwangrad für Handbetrieb (Fig. 460), B 52 h.
Ziehbrnnneu, VVoBserschneckeii, Paternoeterwerk, Becherwerk. 339
Eine Wasserechnecke, aus einer aufgewickelten Rühre be<
stehend (Fig. 461), E13t und 131i und 14 t.
Cardands beschreibt diese Art von Wasserechnecken , und nach seiner
Erzählung (vergl. S. 178} hielten wir Galsazzo de Bubeis für deren Erfinder,
allein wir sehen nun, dass Leonahdo sie schon ein halbes Jahrhundert früher
kannte.
Ein Paternosterwerk mit Tretrad {Fig. 462 und 463), B64h.
L: ,J>as Seil für obiges Ingtrumeut mu«3 von Drabt aus geglübtun Eisen
oder Kupfer sein, anderenfalls ist ea von geringer Dauer, und die genannten Drähte
müssen so dick sein, wie Bogenschnur. Die Kt^eln müsaen aus Schwamm oder
Werg gemacht sein, aussen mit ausg^lühtem Eisendrabte gebunden. Ein Mann mit
seinem Gewichte in dem Rade sei die Betnebskraft." Bei dem im Wasser liegenden
Armkreuze steht: „Vtm Strandche oder wildem Wön, die dem Wasser widerstehen."
22»
310
Laouardo da Vinci
Die Erwähnung eines Drahtseiles in dieser Stelle ist beachtenswerth,
da man solche wohl allgemein für eine Erfiadnng neuerer Zeit zu halten pflegt
Becher nnd Kette zu einem Becherwerke (Fig. 464), I16t. Die
Konstruktion ist ähnlich der, welche BDOH&nrro Lorini angiebt (vergl. Fig. 284,
S. 245), indem auch hier die Becher nicht direkt an der Kette, sondern auf
Brettchen so befestigt sind, dass sie behufs raschen Auswechselna leicht ab-
genommen werden können.
Gebläse. ,
Eine Uebergangsform vom Balg- zum Cylinderge blase (Fig. 465),
E 33 h und 34 t. Es ist ein Cjlindergebläse, dessen Kolben durch zusammen-
gepresste Lederplatten gedichtet ist. Zar grösseren Sicherheit aber ist eine
lederne Röhre eingeschaltet, die sich, wie der Finger eines Uandscbolies , mn-
btUlpen lässt, und deren eines Ende an dem Kolben, das andere an der oberen
Cylinderwand befestigt ist. Die Ventile sind Kegelventile eigentümlicher Art
L: „Zwischen (m) und (n) (in der Detailzeichnung) wird das Leder (tela, eigent-
lich Tuch) (a) immer doppelt sein, und zwischen (c) und (6) ad es onfoch. Habe
Acht dass es nicht aneinander reibt, wo es doppelt ist, aber doch eo nahe wie mög-
lich beisammen liegt"
Neben der Detailzeichnung auf E 34 v findet sich das obenerwähnte mehi^
fache Klappenventil (Fig. 414) abgebüdet.
Ein cjlindrischer Kastenbalg (Fig. 466), E75v.
L: „Diese Maschine rnuas gerade niedergehen ohne irgend welche Reibung so
düHH das Leder nicht abgenutzt wird (deshalb ist oben auf dem Balge eine runde
Scheibe von grösserem Durchmesser befestigt, die in einem den Balg umschliesaeDden
Hoblcylinder geführt wird). Die Ringe, die dieses Leder umgürten und verstärken,
mfissen darum gelegt sein, damit sie eine übermässige Ausdehnung des Leders
verhüten."
Ein Spitzbalg mit Wasserdichtung (Fig. 467), B40h.
L: „Zu Brescia*) auf der Eii^enhütte sind Bälge aus einem Stücke^ d. h. ohne
Leder. Wenn man sie in die Höhe hebt, diingt die Luft durch das Fensterchea
(Ventil) {«) ein, und wenn man sie niederlasst, entwicht die Luft durch die Düse.**
')
brescia. Ravaisson glaubt brecda (Bresche) lesen in sollen. Wir airsifaln
Stadt Brescia gemeiot ist, zumal der beste Stahl Italiens noch hent*
,Bres«iaDer Stahl* heisst.
BftlggeblBse, Haner Wettereatz, TonneDgeblftse.
Sil
In Weisbach's „logenieur- und Mascbinenmecbanik" Bd. HI, S. 999 wird
diese Art vod Gebläsen als eine Modifikation des sogenannten „Harzer Wetter-
satzes" oder des BAADBR'schen Gebläses beschrieben.
Ein Paar abwechselnd wirkender Gebläse derselben Art
(Fig. 468\ E34v.
Ein sogenannter „Harzer Wettersatz" oder BAADEn'suhes Ge-
bläse (P'ig. 469), E34t.
L: „Haltbare Blasbälge. Gesalzenes Wasser, damit me nicht verderben."
Die beiden Bälge sind mit Schnüren an die Enden eines Bal&nciers ge>
hängt, am in der bereits bekannten Weise durch einen Mann, der abwechselnd
Fig. 471.
von einem anf den anderen springt, bewegt zu werden, wobei ihm der Balancier
als Anhalt dient.
EinRückschlagYentil für ein Paar Blasbälge (Fig. 470), L34t.
L: „Wenn der Balg (8) bläst, öffnet sich die Klappe (oj>) und er bläst durch
(«). Dadurch schliesst die Klappe {mc) das Loch (h), damit das Feuer nicht m den
Balg trete."
RotirendesTonnengebläsemit zwei Kammern (Fig. 471), B81 t.
L: »Gebläse ohne Leder und nur von Holz. IHeaes Gebläse ist wie em
Znckerhut gestaltet und mit einer Scheidewand versehen, die es der Länge nach in
312
LctfBudo da Viai
swei TlMile Ih^ilt. Der öne, Biinlich der oboie, irt toH Waawr, der mrtae toS
Luft Dm nV-r^r fällt durcfa tJa Loch nahe Aer Du» in den Ijtiftbehälier henbk
und durch du Hti^fKn d«a Wuäen wird die Lafi dnn^ die Hündang des Balge«
getriebeD. Wa.^ <>Pit:n an Wa^^er abgehl, fOUt »cfa dorch an VentO, das wm
andere beschaffen i^t, mit Lnft IMes Ut das nfiulichste Gebliae, das man g^
braticbfin kann."
Rotirendes Tonnengebläse mit Tier Kammero (Fig. 472, 473.
474, 475, 476, 477». B^2v.
L: „Dies eind Oebläae ohne Leder von bemindenifveither Nützlidikflt mtd
groRifer EtauerhaftigLeit. Ihre Wirkung^wei^ i^t folgende: Das Geblä^ ^terht inuDV
von der Mitte nach unten toU Walser, d. h. HI) und (A*). Beim kootinnirlicbai
Drehen des GebÜM« steigt fy) in die Höhe und erreicht das Luftloch {ST), das in
'li:m zwdten, äu>-wren >[antel angebracht i^t, wie man es in der unteren A.bEMldnng
der Jlaschine (Fig. 477( eiehl. Da^ Loch (oi in der Kammer (A") begegnet dem
^blitze tS T), und m viel Wasser, wie von (Jf ) nach (X) flieeet, ao viel Lult tritt
Fifrtn.
durch daa Loch (o) in die Kammer (X). Und ebensoviel Luft tritt au9 der Kamm«
(M) aus, als ihr Wasser von (N) abgegeben vird. Die Luft aber, die durch das
Wa!<Kr aus (3f) vertrieben nirJ, ist diejenige, nelcfae macht, dass das Gebläse bläst
— Das genannte Gebläse muss von Eichenholz sein, damit es. im Verianfe der Zdt
dem Wasser widersteht, und innen muss es einen Ueberzug von Terpentin und Pech
haben, damit, wenn es nicht arbeitet, der obere Theil, der ohne Wasser ist, sieb
nicht öffnet (verlechzt). — Dieses Gebläse wird durch das Gewicht »nes Mannes
t>eweg^ der auf den daran befindlichen Treppenstufen fortschreitet. Auch würde ea
von grossem Nutzen sein, ea durch die Kraft eines Wassergefälles umzudrehen. Der
Boden des (äusseren) Mantels steht unterhalb des Schlitzes (ST) fest auf und ruht
Da» Gebläse dreht sich darin, wie eine Schachtel in ihrem Deckel. — Ntoim Salz-
wasser, damit es in dem Gebläse nicht verdirbt."
Eine Baggermaschine (Fig. 478), E 75 h.
L: „MiiäcLine zum Ausgraben des Gruniles. Die Berechnung der Leietungs-
fShigkcit wird liier nicht beabsichtigt, aber Du musst wissen, dass dasjenige nützlich
ist, was mit Abkürzung der Zeit geschieht Und diese Abkürzung «rfolgt daraus,
dass die Mnscliine, die den Grund von unten heraufhebt, während dieser Thätigkeit
des Hebens sich niemala rückwärts bewegt Der Gegner engt in diesem Falle, dass
man so viel zu drehen und ohne Nutzen im Kreise henuDzuführen habe, wie bei
BaggeimaachiDe, KuDstramme, Erdbohrer, Rahren-BohrmaBchiiie.
343
einem Zurückgehen, das dieselbe Zeit erfordert, wie dag Vorgehen. Aber wenn anch
die Zeiträume, die zwischen die nützlich venvendeten fallen, bei dieser und allen
anderen Erfindungen gleich sind, so hat man hier eine Art und Weise zu suchen,
wie die Zeit möglichst ausgiebig zu nützlicher Arbeit verwendet wird, und die uns
eine Maschine finden lääst, welche mehr Grund aufnimmt, wie sie nachstehend auf
dieser Seite dargestellt ist, — Durch das Drehen der Kurbel (n) wird ein Getriebe
bewegt Dieses dreht das Zahnrad (f), das mit dem Kreuze für die Kaäton fest
verbunden ist, die das Erdreich des Sumpfes aufnehmen, welches man auf die Boote
bringen will. Die beiden Seile (mf) und (mb) winden sich auf die Welle (f), um
die Maschine mit den beiden Barken gegen (ni) hin zu bewegen. Die Seile sind für
diesen Zweck von grossem Nutzen. Die Welle ist mit einer Vorrichtung versehen,
dass man sie so weit herablassen kann, wie das Rad herabgelassen werden musa, um
das Wasser zu vertiefen."
Eine Kunstramme (Fig. 479), B70v.
L: „Um Pfahle mit dem Rammgerüste einzuschlagen. Aber mache, dass {ah)
das gleiche Gewicht hat, wie {6c)"
Erdbohrer (Fig. 480 und 481), B65t.
Zu Fig. 481. L: „Wenn Du mit Leichtigkeit ein Loch in die Erde bohren
willst, bediene Dich des oben abgebildeten Instrumentes. Um das Loch zu machen,
drehe mit der Hand vermittelst des Hebels [mn) die Scbmube, so wird sie eindringen,
' ' n sie sich selbst das Muttergewinde in der Erde macht. Wenn sie eingedrungen
ist nach Deinem Gutdünken, halte den Hebel (mn) fest und drehe den Hebel (fg)
entgegengesetzter Richtung nach links, so wird die Schraube zurückkehren,' indem
sie sich herauszieht, ohne sich zu drehen, und wird das Erdreich mitführen, das
darauf lag."
Zu Fig. 480. L: „Auch dieses Instrument ist gut zu obengenanntem Zwecke,
indem die Schraube am unteren Ende die Bahn macht, während der darüber befmd-
liche Thcil das Erdreich abschneidet, wodurch das Loch entsteht. Der Hebel (cd)
lüftet das Instrument im Anfange, und dann zieht man es mit Leichtigkeit heraus.
Es dient dies zum Pflanzen von Weinstöcken und Obstbäumen."
Wir erinnern hier an den Erdbohrer zur Herstellung artesischer Brunnen,
den wir in unserer ersten Abhandlang über Leonardo erwähnten (vergl. Fig. 115,
S. 103).
3!4
Leonardo da VincL
Eine Bohrmaschine für hölzerne Brnnnenrohre(Fig. 482), B47L
L: „Um einen Stamm zu durchbohreD, muss man ihn senkrecht steUen, damit
das Loch sich von selbst entleere. Und man macht jenes Zeltdach, damit die Spane
dem, der die Schraube dreht, nicht auf den Kopf fallen. Die, welche den Bohrer
drehen, steigen mit der genannten Schraube in die Höhe. Das Loch macht man
zuerst mit einem dünnen Bohrer und dann mit einem dickeren.*'
Zur Detailskizze. L: „Eisen des Bohrers. Man versieht es mit Kerben (wie
einen Fräser), damit er sich von selbst entleerf
Ein Rundfräser (Fig. 483), G45v.
L: „Drehscheibe (d. h. Scheibe zum Drehen), bei der eine Stange durch ein
Loch geht und alle Theile, oder alle Dicken, die die Gleichförmigkeit des Ganzen
überragen, durch eine quergehauene Raspel*) weggenommen werden und die Späne
durch die beiden Löcher (a) und (6) fallen."
Eine Säge mit Stockzähnen (Fig. 484), B66h.
L: „Doppelte Säge, die sowohl beim Ziehen als beim Stossen schneidet.^
Auf derselben Seite sind noch Skizzen von Hämmern, Keilen, Gabeln und
Hacken für Erd- und Maurerarbeiten, und auf der folgenden (B60v) eine
Wasserwurfschaufel und eine ganze Sammlung von Hacken, Rechen, Schaufeln,
Tragbahren und Schiebkarren, sowie ein Pflug für Erdarbeiten.
Y^n^^rT^r>>n'<><>>rV
Fig. 483.
Fig. 484.
^
•)im\\vo\vmi
cJ^^
Fig. 485.
Ein Schneidzeug für Schraubenmuttern (Fig. 485), B71v.
L: „Um eine Schraubenmutter herzustellen, mache man zuerst ein Loch in
das Holz (m) so weit, wie die Schraube (fr) dick ist, ehe sie eingeschnitten wird.
Dann nagele ein Eisen darauf, zwei Finger breit und so dick, wie Bogenschnur, und
zwar setze es an die Stelle (ab), so dass es dass Loch um ^/s Fingerbreite über-
deckt Dann mache in das Holz (fr) ringsum einen Kanal von der Form, die der
Schraube entspricht In diesen Kanal tritt das Eisen (ah) ein, und indem er sich
umdreht, wird er fortschreiten, und der Stahl (cd) wird schneiden und die Mutter
herstellen."
Da wir bisher in keinem alten Werke ein Schneidzeug für Schrauben-
muttern abgebildet oder auch nur erwähnt gefunden hatten, hielten wir es für
eine neuere Erfindung. Leonardo belehrt uns eines Besseren.
Eine Schraubenschneidmaschine (Fig. 486), B70h.
L: „Dies ist die Art, eine Schraube zu machen. Man dreht das mitdere Rad,
das auf der Schraube sitzt, die man neu machen will. Wenn Du eine Schraube mit
tiH^hr oder weniger steilen Gewindgängen machen willst, so nimm die Rader {s) und
(/) ^'^ß ^^^ s®^® ^*® Räder (a) und (6), oder die Räder (c) und (d) auf, und dem
entsprechend schiebe die Bügel (h) und (/) weiter auseinander oder näher zusammen.
*) Una asspa overo scuffina abbarimata. Da scuffina die Holzraspel heisst, ist anzu-
nehmen, dass asspa für raspa steht, was ebenfalls Raspel heisst Abbarimata dürfte wohl
einen ähnlichen Sinn haben, wie burelato, quergestreift.
Rundfräser, Sfige mit Stockzähnen, Gewindbohrer, SchraabenschDeidmasclune. 345
und ebenso diejenigen an dem Hobel (der Schneidkluppe) (4) und dem Lagerholze (g).
Der Hobel ist der Theil, der die beiden Schneidbacken (le 2 femine) enthält, und
der, indem er fortgeschoben wird, das Gewinde der neuen Schraube (m) schneidet''
Da Besson auf dem ersten Blatte seines ^^Theatre des Instruments^, Lyon
1578, nur einen Pergamentstreifen zum Yorzeichnen und eine dreikantige Feile
zum Ausarbeiten eines Schraubenganges abbildet und wir andere Vorrichtungen
zum Schraubenschneiden um diese Zeit nirgends erwähnt fanden, so glaubten
wir annehmen zu müssen, dass vor 1570 solche nicht bekannt gewesen wären.
Doch war das, was J. G. Doppelmayr (1730) von Nürnberger Mechanikern be-
richtet, hiermit nicht in Einklang zu bringen. Denn dieser sagt von Hans
DANNer (gest. 1545):
„Er war geschickt, allerlei starke Hebzeuge und grosse Schraubenwerke, womit
man die schwersten Sachen mit leichter Mühe zu heben vermag^ aus Eisen und
Messing zu machen."
Von dessen Bruder Leoniiard Danner (gest. 1585 im 88. Lebensjahre) sagt
er dasselbe mit dem Zusätze:
„ . . . . wozu ihm seine ordentliche Profession als Schraubenmacher Anlass
gab. Er erfand um 15öO eine Maschine, die er die Brechschraube (davon die 4. und
5. Figur in der XHI. Kupfertabelle zweierlei
Gattungen, und zwar die letztere eine ge-
ringere zeigt*)) benennte und zur Aus-
übung übermässiger Forcen brauchte, da
er mit Beihilfe derselben die dicksten
Mauern von Thürmen und anderen Ge-
bäuden zu brechen und über den Haufen
zu werfen vermochte, wie er sowohl in
Nürnberg 1558 an einer starken Thurm-
mauer, als ausserhalb an den dicksten
Mauern alter Gebäude rühmlichst erwiesen.
Erstbemeldte Livention gab ihm auch An-
lass, dass er die messingenen Spindeln zur mehreren Beförderung der Buchdruckerei,
dabei ein Drucker alsdann nur eine halbe Stärke anzuwenden hatte, am ersten bei
dergleichen Pressen ganz glücklich anbrachte.'*
Von Hans Lobsinger (gest. 1570) berichtet er unter anderem:
„Er war auch wohl geübt, grosse messingene Platten mit dem Hobel (vielleicht
auf einer Hobelmaschine, wahrscheinlich aber durch Plandrehen mit Hilfe eines
Supports, der hier als Hobel bezeichnet wird) so schön eben zu machen, als man
immer auf dem Holze zu thun vermochte, vielerlei Gattungen von Schrauben, starken
Spindeln zu allerhand Pressen zu verfertigen, ja sonsten Alles, was man verlangte
von Metall, wie auch von Bein, Holz, Hom und Stein auf einem von ihm ange-
gebenen Drehwerke zu drehen und darzustellen."
Auch sagt Daniel Speckle, Stadtbaumeister von Strassburg, in seiner
^Architectura von Vestungen^, Strassburg 1599, L Thl., Kap. 3 unter anderem:
„Da aber Gebäu zuvor von Mauern und Thürmen dastünden, muss solches
(was nicht zu Nutzen kommen kann) hinweggebrochen werden, darzu, ob man wohl
allerhand Instrumente hat^ ist keins tauglicher noch besser, dann die grossen Brech-
schrauben, so der alt Meister Lienhard Danner zu Nürnberg erstlich erfunden
Fig. 480.
*) Es sind einfache, stark gebaute Schraabenwinden.
316
Leonardo da Vin
und gemacht hat, welche auf 5 oder 6 Scliuh lang, im Dtameter auf 4 Zoll dick
und in einem Stock wohl geftisät und verliehen Bind, wie mit Lit T. im Kupferpktt
Num. 2 zu scheu. Hintzu in':» Erdreich da werden gut« atarke Bäume eingeltp
oder gesetzt uiid nach der Seiten auf Schrägen gelegt (d. h. vermuthlich: schräg ein-
gerammt), oben mit einer mefsingenen Platten, darauf man starke Bäume wider die
Mftuer setzt und also demnach mit einem oder zwei laugen Schlüsseln anzogen, so
wirft es die Mauern, die 10, 12 bis über 16 Schuh dick sind, hernieder, wie daim
er, Danner, im fränkischen Kriege Blassenburg, Landsberg und andere Markgräf-
lichc Schlösser, Mnucm und Thünne, so auf 16 Schuh dick gewesen und man nicht
brechen hat können, hernieder geworfen lint."
Wir konnten uns seither nicht erklären, wie man mit so unvoIlkommeneD
Werkzeugen, wie wir sie uns nach Besson'b Angaben vorstellten, bo mächtige
Schrauben herstellen konnte. Die Skizze und Beschreibung Leonardo's lehrt
uns nun, dass schon um das Jahr 1500 recht gut ausgebildete Schraubenscbneid-
maschinen bekannt oder auch von Leonabdo erfunden worden waren. Wahr-
scheinlich hielten aber die ^feister, die sie benutzten, deren Konstruktion geheim,
wie ja auch aus Leonardo 's Manuskripten ersichtlich ist, dass er bestrebt war,
seine Konstruktionen geheim zu halten.
Vorrichtungen zum Münzenscblagen (Fig. 487, 488, 489 und 490),
G437.
Zu Fig. 489 und 490. L: „Die Münzstülte vou Rom. Man kann es auch
ohne die Fwier machen, aber iimiier muss der obere Stempel mit dem beweglichen
Hfdscnthcile verbuiulen sein. — Alle >fünzen, die nicht den vollständigen Zirkel
haben, sind nicht ah gut anzunehmen, und um die Vollkommenheit ihres Zirkels zu
erreichen, ist es nothwendig, dass die Muniplallen von Anfang an ganz kreisrund
sind. Um dies zu erreichen, muss man zuerst eine Münzplatte machen, die voll-
kommeu ist im Gewichte, der Breite und Dicke. Von dieser Breite und Dicke mache
niaii dann viele Schienen, alle dun'h dasst'lbe Zieheisi'n gezogen, die Linealen ähnlich
sehen. Aus tlen so beschaffenen Linealen slaiizt man runde Münzplatten in der
Art heraus, wie man Kasta)iionsiel>e macht, und diese Platten prägt man in da oben
angegebenen Weise."
Zu Fig. 4S7 (ein Locheisen dnrslellend, womit die runden MüuzplaUen aus-
pestoi'hen minien),
L: „Die Höhlung des Slenii>els wenle nach oben gleiohmä.«sig und unmerklich
weiter als unten. — Dieser schneidet die Fl.itlen vollkommen rund, von richtiger
Dicke und richtigem Gowichie, und erspart den Mann, der ausschneidet tmd wagt,
sonie den Mann, der die Platten rund macht. Denn die^ gehen nur durch <Ue
}län<le des Ziehers und des Stanzers und g«'ben sehr schöne Münzen."
Zu Fig. 489 tind 490 wäre etwa noch zu bemerken, dass der untere
Stemp«! in der einen Hälfte der Hülse festsitzt, und der obere Stempel in der
MaDzenschlagen, Eagelformmaschine, Zinnwalzwerk, Kollergang.
347
anderen Hälfte durch einen federnden Arm in solcher Höhe gehalten wird,
dass er gerade über die Münzplatte zu stehen kommt, wenn diese auf den
unteren Stempel gelegt wird und die beiden, durch Scharniere verbundenen
Hälften der Hülse zusammengeklappt werden, wonach eine federnde Falle sie
zusammenhält. Die Prägung erfolgte durch kräftige Schläge auf den oberen
Stempel, wozu vielleicht ein Fallwerk benutzt wurde. Alsdann konnte rasch
die Hülse geöffnet, die Münze herausgenommen und eine neue Platte ein-
gelegt werden.
Eine Kugelformmaschine (Fig. 491), B72v.
L: „Um Formen für Flintenkugeln (balotte da scoppietti) zu machen."
Ein Walzwerk für Zinnfolie u. dergl. (Fig. 492 und 493), I48h.
L: „Art, eine dünne und gleichmässige Zinnplatte zu machen. — Diese (Walzen)
sollen von Glockenmetall sein, damit sie harter sind, und man versehe sie mit eisernen
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Fig. 491.
Fig. 492.
Fig. 493.
Fig. 494.
Fig. 495.
Fig. 49«.
Axen, damit sie sich nicht verwinden. Indem so die eine die andere umdreht, strecken
sie eine Platte aus, die etwa ^/2 Elle breit ist"
Ein Kollergang für Handbetrieb (Fig. 494). Wir erinnern hier an
die Stelle Biringüccio's :
„Deshalb zerquetschen Einige dieses Pulver auf Mühlsteinen, ähnlich denen für
die Oliven, und Einige mahlen mit derselben Einrichtung durch Wasser."
In unserer Abhandlung über diesen Autor (S. 126) wiesen wir darauf hin,
dass unter ,,Mühlsteinen für die Oliven^' das altrömische trapetum zu verstehen
sei. Der hier abgebildete Kollergang für Handbetrieb dürfte dem von BmiNGUccio
angeführten entsprechen. Damit vergleiche man die in Fig. 370, S. 309 dargestellte
Wassermühle zum Zermahlen von Holzkohlen für Schiesspulver, wie sie Zonga
abbildet. Auch bei dieser arbeiten die Kollergänge nur mit einem Läufer.
Ein Hinterladungsgeschütz (Fig. 495, 496 und 497), B24h.
348
Leonardo da VincL
L: „Grosse Bombarde, die man von hinten lad und die rin emriger Mann
zusammen- und auseinanderschraubt — Die Kurbel (b) bildet eine Schraube ohne
Ende, die das balancirende Verschlussstück vermittelst ihres Getriebes umdreht» das
80 lang sein muss, wie die Schraube, die in das Bohr eintritt Die Aze (an) ist mit
dem Yerschlusstücke durch einen broncenen Ring verbunden, der es umfaasL Aber
mache, dass dieser Ring um so viel mehr nach der Bombarde hin liegt^ daas das
Yerschlussstück darin beinahe im Gleichgewichte ist und der hintere Iheil nur vier
Pfund mehr wiegt^ als der vordere, damit, wenn das VerschlussstQck zurückgezogen
ist und sich in der Aussparung (c) befindet, es in gerader Richtimg bleibt, und man
leicht laden und es richten kann, und dass es beim Drehen der Schraube ohne £nde
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Fig. 407.
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Fig. 498.
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Fig. 41'0.
in dem Getriebe sich in das Rohr schiebt und einschraubt Alsdann setzt man hinten
einen Keil (Fig. 496) zwischen das Verschlussstück und das Widerlager. Dies ist
gut für Galeeren/'
Die Dampfkanone (Architronito) (Fig. 498, 499, 500 mid 501),
B33v.
Wir haben die Skizze und Uebersetzung des Textes über diesen Gegen-
stand, wie sie Dr. Herm. Grothe gab, in unsere erste Abhandlung über Leonardo
aufgenommen ; da aber dort beides mangelhaft ist, geben wir hier bessere Kopien
der Skizzen und eine getreuere Uebersetzung des Textes.
Unterhalb Fig. 499. L: „Erfindung des Akchimedes. Architronito ist dne
Maschine von dünnem Kupfer und wirft Kugeln von Eisen mit grossem Geräusche
und grosser Gewalt Man gebraucht sie in folgender Weise: Der dritte Theil des
HiotoiladaiigBgBchQti DunpfkanoDS. 819
InstrumeateB befindet eich innerhalb einer grosaen Menge Kohlenfeuer, und wenn er
durch dieses gut erhitzt ist, schraube die Schraube nieder, die sich über dem Wasser-
gehäuse (ab) befindet. Wenn man die Schraube darüber niederschraubt, öffnet es
sich nach unten, und nachdem das Wasser berabgefloBsen ist, fliesst es in den
eriiitzten Theil des Instruments und verwandelt sich plötzlich in eine Menge Dampf
(fumo, eigentlich Rauch), so dass es ein Wunder zu sein scheint und namentlich, die
Wuth zu sehen und den Lärm zu hören. Dies warf eine Ki^el, die dn Talent
wog, sechs Stadien weit."
Oberhalb Fig. 499. L: „Mache, dass das Eisen (cn) mitten auf der Tafel
steht, die unten darangehängt ist, damit das Wasser zu gleicher Zeit rings um die
Tafel herum herabfallen kann."
Das Wort mira, Visier, in Fig. 499 deutet an, dass man beim Richten
des Geschützes durch die Röhre blicken soll, die durch den Wasserkastea und
den Feuerraum hindurchgeht.
Flg. H».
Zii Fig. 498. L: „Wie man den Architronito im Felde transportirt,"
Mit den Worten carboue und acqna in der Skizze ist der Kohlen- und
der Wasserbehälter bezeichnet.
Aus Fig. 500 and ÖOI ist ersichtlich, dass in dem Feaerraume ein eiserner
Kasten mit Füssen und vermuthlich einem Roste stand, worunter sich die Äsche
Bammeln konnte.
Flugmaschinen (Fig. 502, 503, 504, 505, 506 nnd 507}, B73h, 74 v,
74 h nnd 83 h.
Schier zahllos sind die Notizen und Skizzen über den Flug der Vögel
und anderer fliegender Tiere, sowie fiber Flngmaechineo, die Leonardo in seinen
352 ' LeoDardo da Vinci.
Wie Leonardo sich dachte, dass die grosse Luftschraube bewegt werden
sollte, ist unverständlich. Würden bei der Anordnung Fig. 507 Arbeiter gegen
die horizontalen Hebel drücken, während der Apparat frei in der Luft schwebt,
so würden sie eher den Boden unter ihren Füssen in der entgegengesetzten,
als die Schraube in der beabsichtigten Richtung drehen. Doch scheint auch
unten an der Schraubenaxe eine Seiltrommel angebracht zu sein, vermittelst
deren Leonardo den ganzen Apparat vielleicht wie einen Luftkreisel umdrehen
und nur für kurze Zeit in die Höhe steigen lassen wollte.
Wir wenden uns nun zu einer Reihe von Skizzen und Notizen im Manu-
skript (G)y die besonders schwer zu verstehen sind, weil Leonardo offenbar
bestrebt war, sie möglichst geheim zu halten. Sind seine Manuskripte im all-
gemeinen schon dadurch für Uneingeweihte unlesbar, dass er von rechts nach
links schrieb (wahrscheinlich mit der linken Hand) und die Worte oft willkür-
zusammenzog"'), so wendet er hier noch zwei besondere Kunstgriffe an, um
seine Notizen Anderen unverständlich zu machen. Der erste besteht darin,
dass er für Metalle oft die Namen gebraucht, womit sie die Alchimisten be-
zeichneten. Die gebräuchlichsten waren: Sonne für Gold, Mond (italienisch
Luna) für Silber, Merkur (Mercurio) für Quecksilber, Venus (Venere) für Kupfer,
Mars für Eisen, Jupiter (Giove) für Zinn, Saturn (Satumio) für Blei. Alle die
italienisch angegebenen Namen kommen in Leonardo's Notizen vor, und ausserdem
findet sich noch Nectunno (Neptun), was dem Zusammenhange nach zu urtheilen,
Bronce bedeutet. Aus solchen Namen bildet aber Leonardo auch noch Zeit-
wörter, z. B. alunata, versilbert; s^innectunnare, sich in Bronce verwandeln.
Dem entsprechend bildet er auch aus den Namen des Feuergottes Vulkan das
Zeitwort invulghanare, im Feuer erhitzen oder glühen. — der zweite Kunstgriff
besteht darin, dass er die Namen von Materialien, die verwendet werden sollen,
ausserdem dass er sie von rechts nach links schreibt, auch noch umkehrt.
So schreibt er: osseg für gesso, Gyps; ortev für vetro, Glas; emar für rame,
Kupfer; obmoip für piombo, Blei; olgirems für smeriglo, Schmirgel, enimalli
für il lamine, das Metallband; enoiserpni für impressione, der Eindruck oder
Abdruck. Auch die obengenannten alchimistischen Namen kehrt er oft um
und schreibt z. B. erenev für venere, evoig für giove, oirucrem für mercurio. —
Eine weitere Schwierigkeit bietet die Uebersetzung des häufig wiederkehrenden
Wortes sagoma (oder saghoma, wie Leonardo schreibt). Dies ist ein lombar-
disches Wort, das im allgemeinen „Form'' bedeutet**). Leonardo gebrauchtes
aber nicht nur in dieser Bedeutung, sondern bezeichnet damit Schablonen,
Schleifbacken und ganze Vorrichtungen zum Schabloniren, sowie zum Glätten
*) £r schreibt z. B. eichelanopo fQr sich'ella non puo, oder lastrada fiesole, was Ravaissor
liest: la strada Fiesole, während dem Sinne nach gelesen werden muss: lastra da Flesole.
**) So sagt ZoNCA in seiner Beschreibung des «Carro delle Zafosina', wo von der dach-
förmigen Steinbahn die Rede ist, »vorauf der Karren läuft: la sacoma della qnale si vede
ne disegno (deren Form aus der Zeichnung ersichtlich ist).
Geheimschrift, die Worte «ignia* und «piramide". 353
und Schleifen konvexer und konkaver Flächen. — Der Gegenstand aber, von
dessen Herstellung die betreffenden Notizen handeln, wird ignia, oder umgekehrt
aingi, genannt. Das lateinische Wort ignea bezeichnet feurige oder brennende
Dinge. Wir wollen sehen, ob wir nachweisen können, was Leonardo hier mit
ignia oder aingi gemeint hat.
Auf G85h steht die Notiz:
L : „Von der Natur der Wärme. Wenn eine Grundfläche von 4 Ellen (Seiten-
länge oder Durchmesser) ihre Kraft. auf eine Stelle von 1 Elle sendet, so wächst die
Hitze dieser Fläche auf das IBfache, und wenn diese Fläche sich auf ein Viertel
reduclrt, so erreicht die Ej^ft das 64fache auf dieser Fläche. Diese Abnahme der
Grundflächen und Zunahme der Kraft sind hier unten notirt Es folgt die Aus-
rechnung der Potenzen von 4, nämlich 4, 16, 64, 256, 1024, 4096, 16384, 65536,
262144, 1048576, 4194304.) — Wenn Du die Fläche von 4 Ellen Durchmesser
reducirst auf die Grösse einer Wicke (duveccia, vermuthlich anstatt d'una veccia), so
wirst Du die 4 194 304 fache Kjaft erlangen, indem Du immer vervierfachst. — So
wie der Querschnitt abnimmt, so wächst die Kraft der Pyramide (piramide), und
so wie dieser Querschnitt wächst, vermindert sich die Kraft der Pyramide."
Zu Fig. 508. L: lieber aingi. Dieselbe Proportion besteht zwischen Wirkung
und Wirkung, wie zwischen Ursache und Ursache. Daraus folgt, dass der Schnitt
Fig. 508. Fig. 509. Fig. 510.
(en) des Dreiecks (eigentlich der Pyramide) und der Säule bezüglich der Kräfte in
demselben Verhältnisse steht, wie das ist zwischen den Flächen (a b) und (c d). Diese
(d.h. die Längen der Linien (ah) und {cd)) verhalten sich wie 10:1, was bezüglich
des Verhältnisses der Kreisflächen zu einander das Hundertfache ergiebt"
Nacb diesen beiden Bemerkungen unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass
unter aingi oder ignia Brennspiegel zu verstehen sind, und dass mit „piramide''
der Strahlenkegel eines solchen bezeichnet wird.
Wenn sich aber Leonardo so eifrig mit dem Probleme der Herstellung
grosser Brennspiegel beschäftigte, wie wir es in dem Nachfolgenden zeigen
werden, und so sehr bestrebt war, seine Gedanken darüber Anderen nicht preis-
zugeben, so ist es sehr wahrscheinlich, dass er das Ziel verfolgte, die sagen-
haften Brennspiegel des Archimedes, womit dieser feindliche Schiflfe im Hafen
von Syrakus verbrannt haben soll, nachzubilden.
Um die Schwierigkeit der Herstellung grosser Brennspiegel in damaliger
Zeit zu begreifen und die Projekte Leonardo's recht zu verstehen, muss man
sich vergegenwärtigen, dass man für härtere Metalle als Zinn oder Blei keine
Walzwerke hatte und Bleche nur in kleineren Platten und mit Unebenheiten
durch Treiben mit dem Hammer, oder gleichmässig, aber nur in schmalen
Streifen, auf der Ziehbank herstellen konnte. Ob die Benutzung von Zieh-
bänken zur Herstellung von Metallbändem schon vor Leonardo bekannt war,
Beck. 23
354 Leonardo d« Vinci.
oder von ihm erdacht wurde, wieseii wir nicht. Um die Art kennen zu lernen,
wie er aus solchen gezogenen Metatibändem grosse Brennspiege] herstellen
wollte, betrachten wir zunächst:
Fig. 509, G82h.
L: „Vom Drücken. Nehme Kupfer, das in Bänder gezogen is^ die 1 palmo
(etwa 75 mm) breit sind. Diese befeedge über der Form (stanipa). Es ad (ahc)
eine solche. Sie werden mit verschiedenen Hel>eln nacheinander angelogen, und so
fest aneinander liegend, löthest Du sie mit der Pyramide (das wäre nach Obigem:
mit dem Strahlenkegel eines Brenn spiegeis). Dann schlägst Du eie mit hölzernen
Hämmern, indem Du sie über einem flachen Koblenfeuer öfters erwärmst. Die Form
sei von Mannor oder einem anderen dichten Stein. Und diese wirst Du sechs oder
acht Ellen im Durchmesser machen (ob hier etwa der Durchmesser des Krünunungs-
kreiaes gemeint ist, bleibt dahingestellt). Und mache es vollkommen, indem Du die
Schienen zuerst glättest."
Jedes über die genannte Form gezogene Band bildet einen Tbeil des
Mantels einer Kugelzone. Der Apparat zum Glätten oder Abschleifen desselben
{Fig. ÖIO, 511 und 512), B82h, wird wie folgt beschrieben:
Zu Fig. 511 und 512. L: „(ii) ist der Schleifbackcn, (tiift) ist die Stelle, WO
dieser sich transversal bewegt, und je enger (nni) au diis Holz nnschlJesst, worauf «■
sich bewegt, um so genauer und richtiger bewegt sich (6). — Das Abschleifen wird
auf Kupfer mit Blei und Schmii^l bewirkt."
Zu Fig. 510. L: „Derjenige Kreis, welcher den kleineren Halbmesser hat,
hat geringere Bewegung, daher beschreibt der Halbmesser (cn) (mit seinem Endpunkte)
einen grö.sseren Kreis als der Halbmesser {cb), und deshalb vtird der Brcnnspiegel
am Fusse enger als oben."
Ueber das Löthen und die Herstellung der steinernen Formen wird gesagt:
Bei Fig. 513, G 81 h. L: „Man lötbe mit geschmolzenem Kupfer (? rame
arso) oder Zinn. — Der Lehrbogeri (^s) wird nur gemacht, um die Oberfläche (pqsl)
herzustellen. — Mache die Bänder ein Viertel (vermuthlJch ^U Fuss ^ 1 palmo
breit), dann schlage sie mit dem Hammer über die Form, und dann löthe sie mit
Zinn. — Dnrt Mauerwerk ipqst) sei dicht aus Mannor oder einem anderen St^nc^
der sich poUrl, jedes Stück gut zusammengefügt und dann nach der Fonn des Lehr*
bogens (ps) Iwarbeitet, der sich von (a) nach (b) bewegt. Dieser Lehrbogen werde
mit den Führungsleisten (pq) und (st) in Kontakt erhalten. Die Umfange dieser
Führung haben den gemeinschaftlichen Mittelpunkt (r). Du kannst auch die Bänder
zwischen der Führung (dem Lehrbogen) (ps) und dem bearbeiteten Steine durch-
ziehen, aber zuerst mache, dass der Stein nach der Bewegung des genannten Lehr-
bogens gut bearbeitet wird."
Von Ziehbänken zur Herstellung der Kupferbänder enthält Mannskript G
mehrere Skizzen, nämlich:
Berstcllung groBMT Breniupiogel, Ziehbinke. 806
Fig. 514, G 72 v. Das Kupferband wird vermittelst eines starken Seile«
durch die Ziehbacken gezogen. Es läuft über eine Leitrolle am linken Ende
der Ziehbank nnd wickelt sich nm die Trommel einer Winde an ihrem rechten
Ende. Die Winde wird durch ein Schraubenrad bewegt, in das eine Schraube
mit senkrechter Aze eingreift. Von letzterer ist nur das obere Ende mit der
Kurbel in der Skizze sichtbar. Auf derselben Seite steht:
Fig. 515. Hier wird das Kupferband vermittelst einer langen Schraube
durch die Ziehbacken gezogen. Die drehbare, aber nicht versriiiebbare Mutter
dieser Schraube bildet die Nabe eines Schraubenrades, in das eine Schraube
mit horizontaler Axe greift. Diese wird mit einer Kurbel umgedreht.
L: „Für ebene (glatte) Breunspiegel aus Kupfer, fiberzogen mit einem Material,
das nicht trübe wird."
Flg. EIS. FiE. SIT.
Fig. 516 and 617, G70h, zeigt eine Ziehbank, bei der sich das gezogene
Metallband auf eine Welle aufwickelt, die durch ein aus zwei Schrauben ohne
Ende zusammengesetztes Getriebe umgedreht wird.
L: „Die Räder hier unteu haben eine Elle im Durcbmesser und je 36 Zähne.
Wenn die Kräfte geringer Bind, wird luan das zweite Rad auswechgeln und an seine
Stelle auf dieselbe Axe ein um die Hälfte kleineres Rad setzen. Mache die Ver-
zahnung sehr stark von Eisen. Und wenn Du i^ Zeit wissen willst^ in der die
Welle, die das Metallband aufnimmt, sich drehte multiplizire die Zahl der Zähne des
einen Rades mit der des anderen, indem Du sagst: 36 X 36 macht 1296. Und so
wird die Kurbel des Motors 1296 Umdrehungen machen, während die Welle mit
dner Umdrehung ^/i BUe des Metallbandes aufnimmt Das Metallband, das von
dem Ende der Welle aufgenommen wird, behält diese Krümmung. Auch kann man
die Metallbänder vergolden und polireo, nachdem sie in das Werk an richtiger Stella
eingesetzt sind. — (abc), die Kurbel, sollte ein Wasserrad sein."
Zu dieser Ziehbank gehören auch die Detailzeichnnngen :
Fig. bis, G73v. L; „(a) ist die Welle, die das ganze Metallband mit drehen-
dsr Bewegung aufwindet. Dieses Metallband ist an seinem Ende dick und rund,
4a Vi
wie CS die AbbiMinig tagt (Fig. bld\ und setzt bcIi fnnt fiesen Ende) m die Wdle^
die SOS dem Rade hervorragt, Tennoge eines Kanales (einer XateX gefonnft wie eine
ßchleose (? a uao di cateratta;, der id die Weile gemacht ist*
Bei Fig. 51 d, C77h, steht dann noch die Notiz:
L: „Die eräle Bewegung werde dieser Ziehbank ertheih, wenn das Meiellhand
die Verkeilung ila ulivella, eigentlich die Steinzange) (a) bedeckt, denn alsdann noacht
der Druck die^iea Ban^Ifr« die Verkolang fe&t schlieseend and giebt ihr Haltbarkeif
Bei den Detailzeichnongen zo Köpfen Ton Ziehbänken (Fig. 520, 521,
522, 523, 524, 525 and 526, G72h and 73 t, stehen folgende Bemerknngen:
Zu Fig. 524. L : „Die«e G^enkeile werden, da sie von Eisen sind und gioest
Schräge (d. h. wenig Anzug) haben, sowie auch wegen des Stosses*) (womit sie an-
getrieben wenJen), eehr gro»^ Kraft ani>üben."
Zu Fig. 525. L: ,,Die innere Kante (bc) des eisernen Bügels muss scharf
and gut gehärtet sein, da «ie eine von denen ist, welche die Seiten des Bandes
erzeugen. Unterhalb der Linie (a h) seien die Schneiden der Ziehbank, die die obere
and untere Seite des Bandes zu bilden haben. '^
Fi«. 518.
Fig. 519.
Fig. 5i0.
FI«. 5*1.
Fi«. 522.
Fig. 523.
Fig. 534.
Fig. 535w
Fig. 526.
Zu Fig. 526. L: „Dies i.«t die dritte Darstellung der scharfen Kante bei (o)
und (c) des Maulcs der Ziehbank, welche die Seitenflächen des Bandes erzeugt.
Es genügt, wenn die Kante auf die Länge eines Querfingers aus gehärtetem Stahle
Ijestehf"
Zu Fig. 520 (die Messer darstellend, die die obere und untere Fläche des Bandes
erzeugen). L: y,(a) tritt durch eine Nute in seinen Gogentheil (la sua madre) ein
(d. h. in) wird in den Theil, der es aufnimmt, versenkt)."
Zu Fig. 522 (eine andere Konstruktion dieser Mcs.«er darstellend). L: nDer
grösstfi Fleiss muss daniuf verwendet werden, die Schneiden (labbri, eigentlich Lippen)
der Ziehbank vollkommeu gerade zu machen und zu schmirgeln, und dann werden
sie gehärtet'*
Zu Fig. 523. L: „Dies erfüllt denselben Zweck, wie jener Theil, der die
einander entgegengesetzten Keile enthält (Fig. 524), ist aber nicht so widerstands-
fähig."
Fig. 527, G71v, zeigt eine andere Konstruktion zur Regulirang der
Maulweite der Ziehbank.
L: „Hier zieht der Keil (a) das Zieheisen (m) mit grosser Gewalt zusammen,
aber die Balken, die Handhaben der so gebildeten Zange, müssen sehr stark sein."
*) Die Lehre vom Stoss bildet ein Lieblingsthema der theoretischen Betrachtangan
Leonardos
Ziehen qdiI gleich zeitiges Aufziehen der Xupferblnder.
357
In Fig. 528 und 529, G74h, ist die Idee behandelt, das Hetallband,
Bobald es aas dem Manie der Ziehbank kommt, direkt über die Bremispiegel-
form zu ziehen. In der Skizze ist alles stehend angeordnet, and za dieser
Anordnung gehören die Bemerkungen:
L: „Es tat eine Kurve zu machen, die die Platte (das Band) genau parallel
führt, denn das gezogene Band würde «nen Bogen nach abnärla bilden. — Das
Mauerwerk und der Zug stehen dicht nebeneinander. — Die Welle hat allea Ge-
legene bei einer vollen Umdrehung aufzunehmen."
Eine kleine Skizze (Fig. 529), die im Original Über der Hauptzeichnung
steht, zeigt eine Verbesserung, die durch dte Bemerkung erklärt wird:
L : „Das Band sollte durch eine einzige Schnur in der Mitte s^er Endfläche
angezogen werden, damit ea gleichmasaig gezogen wird."
Nachträglich aber kam Leon&hdo zu der Ueberzeugung, dass diese stehende
Anordnung nicht gut sei, v^oraus sich folgende Bemerkung erklärt:
%
L: „Dieses Mauerwerk musa horizontal liegen zur grösseren Bequemlichkeit dee
Arbeiters."
Darunter steht geschrieben:
L: „Von verailbertem Kupfer (di venere nlunata) werden die Metallbänder gut
geglättet,"
Zar weiteren Erklärung, wie das Ueberziehea der Form mit den Kapfei^
bändem erfolgen sollte, dient folgende Bemerkung anter dieser Skizze:
L: „Es sei ein Rahmen von starkem Nussbaumholz, worauf man einen Rahmen
für das Quadrat der gemauerten Form machen solL Auf diesen befestige man den
Anfang und das Ende des gezogenen Bandes. Derselbe wird schliesslich (d. h. nach-
dem die Bänder zusammengelöthet mnd und der Spiegel mit hölzernen Hämmern
gerichtet ist) von dem Mauerwerke abgenommen und tragt und hält alle die Bänder,
die darauf befestigt sind. Und dieser Rahmen bleibt' immer an den polirten Metall-
bandern,"
Dass die Metallspiegel jedoch noch weitere Versteifungen erhalten sollten,
ersieht man aus:
Fig. 530, G711l
3SS Leonardo da Vfnri.
L: «Von den BrerniBpiegeln. Hier zeigt man das Verl&Uien der Uetallbinder
dvirch die Pyramide (den Strahlenk^^el eines Brenn epiegela T) mit dem Kamme oder
den lUppen, an die man die hökomen Lehrbügen befestigt, nur damit der Bienn-
epiegel nicht biegsam ea. Aber diese Armaturen mOesen vollständig fertig seio, ehe
der Brennspiegel von s^nem Mauerwerke (d, h. von seiner Form) al^ehoben wird."
Deber das Verlöthen' findet sieb noch: Fig. 631, G 77 h.
L: „Was Du zu löthen hast, l5the auf diese Weise, indem Du mit dem Material
ISthest, womus das Ganze besteht — Um die gebogenen Platten {op) zusammeo*
nulöthen, wenn sie von Kupfer sind, nimm den Kupferdmht (tn e) und schmelze ihn
mit der Pyramide (n). Aber zuerst binde die vier Theile des Rohres fest zusammen
und envärme es. Dann fülle es mit flüssiger Erde (terra liquida, vermuthlich Tbon-
brei) mit ßcheerwoUe, und nachdem es etwas gestanden, öffne es unten, so vrird die
Flüssigkeit hentusfliessen und das Trockene zurückbleiben. Dann l&th^ wie oben
Za Fig. 532, G 84 h.
L: „Vom Lölhen. Die Bänder von gezogenem Kupfer auf der Fliehe tob
gebrannter Erde mit Suhecrwolle stosscn an ihren Seiteiiflüc-hGii zusammen, welche von
Fig. 530.
Flg. 581.
Fie. 5».
der Pyramide (bq) berührt werden. Die Metallbänder seien (cfdg). Ihre Seiten sind
geradlinig mit gleich massiger Berührung. Die Erde wird uiiler diesen Seitenflädien
berührt und ein Kupferdraht über dieser Berührungsstelle flüssig gemacht Wenn
diese verlfitheten Verbindungsstellen dick geworden sein sollten, und Du könntest sie
durch denselben Ziehbacken ziehen, durch den die Bnnder gezogen worden sind, eo
würde die ganze Verbindung dieser Bänder von gleicher Dicke werden."
Wie die innere Flüche der Brennspiegel behandelt werden sollte, geW
zunächst aus einer Stelle auf G53v hervor, wo vom GlÜtten und Poliren die
Sede ist:
L: „Der Schleifbacken sei von Kupfer, Zinn oiier Blei und werde oft in dem
Bchoosae seiner Matrize umgegossen. Er n^ird mit feinem Schmirgel benutzt Und
das Geschliffene*) sei von Kupfer und Zinn (Bronce), aufgetragen auf Kupfer. Aber
zuerst wirst Du Kupfer und Quecksilber gemischt mit Zinn (d, h. ein Kupfer-Zinn-
Amalgam) versuchen und so verfahren, dass das Quecksilber sich verflüchtigt. Dann
erhitze gut, so dasa das Kupfer und dos Zinn sich In ganz dünne Bronce verwandelt,
wenn es möglich ist."
Hier ist der Ausdruck gebraucht: „s'innectunni sotilissemente." Und da
ans Kupfer und Zinn durch Zusammenschmelzen Bronce entsteht, so geht aus
dieser Stelle hervor, dass Leonardo mit dem Namen Nettunno (Neptun) Bronce
bezeichnet.
*) Hier steht zwar im Orieioal sagomB, wofQr aber dem Sinne n*ch eaf^oinata stehen sollte.
Versteifung, VerlöthoDg und Glättimg der BrennspiegeL
369
Eine dem Obigen entsprechende Notiz findet sich auf G46h:
L: „Fimiss (Ueberzug) von Brennspiegeln: Quecksilber mit Zinn und Kupfer,
Nachdem das Gemenge daraus gemacht ist, wird es (wenn es aufgetragen ist) nnt
der Schablone fortgesetzt korrigirt, bis das Quecksilber sich von dem Zinne und
Kupfer vollständig getrennt hat"
Dies macht denn auch Fig. 533, G47v, wo ein Herd mit abhebbarem
Helme und einer darüber aufgehängten Schablone abgebildet ist, die vielleicht
gleichzeitig als Schleifbacken dient, und die dabei stehende Notiz verständlich :
L: „Mit dem Krahn {kq) hebt man den Deckel (srt) von seinem Sitze und
zieht ihn durch seitliche Bewegung weg, indem man die konkave Fläche seines Mauer-
werkes (des Herdes) rasch entblösst Ueber dieses Mauerwerk fährt die Schablone
mit Schnelligkeit hin. Aber mache, dass erst der Grund (fondo, d. h. die Kupfer-
schale des Spiegels) mit reiner Masse ohne Feuchtigkeit (d. h, mit Amalgam, woraus
alles Quecksilber verdunstet ist) ausgeschlagen sei, und mache die Probe, ob sie gar
Fig. 584.
Fig. 535.
Fig. 533.
Fig. 530.
Fig 537. Fig. 538.
ist, wie man es bei den Oefen für Pokale macht (nämlich bei der Feuervergoldung,
die bekanntlich auch durch „Abrauchen'' eines Ueberzuges von Amalgam bewirkt
wird). Alsdann wirst Du die Schablone so viel mal hin und her bewegen, bis die
Masse (auf der Kupferschale) ihre Starke verliert Und wisse, dass das Mauer^verk,
welches das Schablonirte unterstützt, die Form von diesem haben muss, d. h. von
seiner Rückseite. Und so wird man es gut zu Ende führen. — Mache, dass die
Schablone (v) in (/) ist und sofort den Kreisbogen über dem Räume (ts) des Brenn-
spiegelgrundes (d. h. der Kupferschale) beschreibt, wenn der Deckel (rst) entfernt
ist Dann falire mit wiederkehrender, einschneidender Bewegung mehrmals über die-
selbe Stelle mit gelegentlicher Hilfe der Hände des Nachhelfers (aumentatore, ver-
muthlich: eines Hilfsarbeiters). — Die konkave Fläche werde erst mit der Schablone
mehrmals hin und her überfahren, bevor man sie furnisst (d. h. mit dem oben be-
schriebenen Amalgam überzieht^ und dann gebe man den Firniss auf die gebadete
(d. h. gebeizte, dekapirte) Fläche, und zwar gebe man ihn mit dem Haarsiebe auf
und überfahre sie zwei- oder dreimal mit der Schablone. Dann erhitze man sie, und
wenn sie Glanz annimmt glätte nmn sie sofort mit der Schablone, während sie heiss
ist — Die Axe des drehbaren Theiles, der die Schablone trägt, muss an der Decke
fest sein und muss sich auf und nieder, sowie hin und her bewegen lassen, damit
ihr Mittelpunkt über die Mitte der Form (des konkaven Herdes) falle. — Der Boden
des Herdes sei von derselben Gestalt» welche die in den Herd eingesetzte Sache hat
I
300 Leonardo da Vinci.
Es ist gut, wenn er von Tuffstein aus einem Stücke gebildet ist» damit er, wie ein
Amboss, den Querstössen der schweren Schablone widerstehen kann.*'
Die oben erwähnte künstliche Steinmasse beabsichtigte Leonardo nicht
nur zum Formen metallener, sondern auch zum Formen und Pressen gläserner
Hohlspiegel zu benutzen. Dies ist ersichtlich aus:
Fig. 534, 535, 536, 537 und 538, G 52 v und 47 h.
L: JFormen (vesti) von Thon (oilcr Kreide, creta), mit I^cim getränkt^ and
Schnitt mit dem Diamant Mache sie aus Gips zum Mauern (d. h. wie Ihn die
Maurer gebrauchen), erwärme sie und tränke sie mit Leim (dies bezieht sich auf die
Formen), schneide aus, wende um, lege Gold auf und polire (dies bezieht sich vei^
muthlich auf geformte metallene oder auch gläserne Spiegel). — Diese Masse, gut
getrocknet, gut erwärmt und gut mit Leim getränkt» wird gute Abdrücke in dünnes
Kupfer machen (Fig. 534 deutet die Idee zu einer Keilpresse zu diesem Zwecke an).
— Brenne das Konvexe, tränke es mit Leim und trockne es wieder in einem lau-
wannen Ofen, oder in der Sonne, oder im Winde. Und dieser Gips sei mit Scheer-
woUe gemischt Aber Fasern von roher Leinwand, klein gehackt und mit Gips oder
Thon gemischt, würden besser sein. Diese (Fasern) werden in grosserer Menge gesiebt
Ttt
Fig 539. Fig. MO. Fig. 541.
und immer mit Wasser und zarter, nicht zu fetter Erde gemischt Dies trockne und
brenne gut» und es wird immer porös bleiben und das Glas wird sich darin auf-
blasen.'*
In Fig. 535 sieht man eine mit konvexen Körpern aus solcher Masse
ausgefütterte Form, in die ein Glasballon geblasen worden ist. Die Figuren 537
und 538 zeigen die Gestalt, die ein solcher Glasbalion annimmt. Durch die
Punkte darauf soll wohl angedeutet werden, welche Linien der Diamant be-
schreiben soll, um die Hohlspiegel aus dem Glasballon zu schneiden.
Zu Fig. 536, eine Hebelpresse darstellend.
L: „Glas, heiss gepresst und wieder er^värmt — oder Kupfer im Feuer erhitzt,
zusammen mit seinem ausgeglichenen Belege.*'
Auch scheint Leonardo mit der Idee umgegangen zu sein, metallene Hohl-
spiegel ganz aus Kupferamalgam herzustellen. Denn auf G 75 h findet sich
die Notiz:
L: „Bringe Stuck, der aus Kupfer und Queck^ilbiT zu:?animengesetzt ist, auf
den Brennspiegclbuckel von Gips, und trage ihn gleichmässig in der Dicke eines
Messerrückens auf den Buckel, was mit der Schablone gemacht wird. Dies bedecke
mit einem glockenförmigen De.-^tillirheline, und Du wirst die Feuchtigkeit (das ist hier
das Quecksilber), womit Du eingeteigt (anialgiunirt) hast, wieder erhalten. Das zurück-
bleibende trockne gut und setze es ins Feuor. Schlage und glätte es gut mit einem
Glätter und mache es stark an den Seiten."
Man erkennt aus dem Gesagten, dass zur Durchführung des vorliegenden
Planes konkave und konvexe Schablonen und Schieilbacken mit Vorrichtungen
OlSserne Hohlepirgel, Sehleiren ni«tKlleD«T Ho^ilspiegel.
SCI
zu ihrer richtigen Bewegung nicht nur zum Glätten und Poliren der Spiegel-
flächen, sondern auch zur Herstellung der Formen, über welche die Spiegel
gezogen und gehämmert werden sollten, nothwendig waren. Dem entsprechend
finden sich im Manuskript G verschiedene Entwürfe von solchen Schablonir-
und Schleifvorrichtungen.
Fig. 539, 540 und 541, G16t.
Zu Fig. 639. L: „Die Bchablone mit dner Schneide dient nur dazu, dem
Schablonirten die Form zu geben mit <lrei oder vier Bewegungen, die Bie vollständig
herdtollen."
Zu Fig. 640 und 541. L: „Das Schleifen des Schleifbackens auf dem Ge-
schliffenen darf bei der Herelellung des letzteren nicht mit einer Schneide des Schleif-
backens geschehen, sondern, wenn das Geschliffene polirt werden soll, darf der Scbleif-
bftcken keine geringere Breite haben, als die Hälfte des Geschliffenen. Um dies zu
beweisen, sei (fedc) der Schleifbacken und (fennt) das Geschliffene. Wenn ein
solcher Schlei fbacken nur eine Scbneide bildet, wie {abdc), 80 würde er in der senk-
Pig. H2.
rechten Stellung über dem Theilo (de) des Geschliffenen (einen geringen Spielraum
der Axe vorausgesetzt) mit eüiem viel grösseren Gewichte drücken, als wenn er über
der Stelle (fe) desselben stände, und er würde daher viel mehr wegnehmen, wenn
die sich reibenden Theile senkrecht auf einander stehen, und die Konkavität des
Geschliffenen würde ungleich werden, welche Ungleichheit bei einer grossen Berührungs-
fläche des Schleifbackens mit dem Geschliffenen nicht entstehen kann. Am besten
würde es sein, wenn der Schleifbacken und das Geschliffene einander gleich wären.
Denn wenn alsdann die Seite des Schleifbackens in der Mitte des Geschliffenen wäre,
würde das Ende des Geschliffenen das ganze betreffende Gewicht des Schleifbackens
aufzunehmen haben."
Auf G43h findet sich noch eine Skizze, wie Fig. 539, wobei die
Notiz steht;
L: „Die Schablone sei Steinplatte aus Fiesole (lastra da fieeole) mit Waseer,"
d. h. diese Schablonen zum Glätten sollten ans Schleifstein gemacht und es
sollte mit Wasser geschliiTen werden.
Fig. 542, 543 und 544, G 43 h.
Zu Fig. 542. L: „{da) ist die Axe des drehbaren Theiles (abc), und dl«
Bewegimg der Kun'e {abc) (d. h. des Theiles davon, der die untere Kante der
Schablone bihlet} ist um so langsamer, je kürzer er (numhch der drehbore Theil]
ist, und um so kürzer, je höher sie, d. h. die mitere Kaute der Schablone) liegt"
803 L«oDardu da VineL
Zu Fig. 648 und 544. L; „Dn en nSthig ist, data die Schablone nm M vid
nic<ifr([i'lui>iH^n werden kann, ela (sie sich abnutzt, und daas sie, wenn uEedergelasBeo,
Bohr fiiit dt^ht, so ist es erfonierlich, die Seilrollen mit Muttergewinde darin fwie man
sio in der Skiiie sieht) zu machen, unil Anas ue (die Schablone oder eigentlich ihr
obcivr Scharniertheil) eich zwischen (a) und (e) klemmt, wie es (b) thut zwischen
{a) unil (f). Diese Rollen, welche die Multcm der Bchrauben bilden, werden durdi
dio Schnür»? (tlffg) gezogen (und umgwlreht),"
Leonaiiuo beabsichtigte zuerst, diese Schablone durch zwei Gelenkgtangen
mit einem horizontalen Bolzen zu verbinden, der in einer Geradfiibniog laufen
sollte, denn bei diesem ßolzen stehen in der Skizze die Worte : „va per canalfl"
(läuft in einem Kanal). Eine dritte Gclenkstange sollte diesen Bolzen mit der
Kurliel verbinden. Nachher liel ihm ein, dass die GeradfUhning wegfallen and
man alle die Stangen mit dem Bolzen dnrch eine starre Gelenkstange ersetzen
könne. Denn darülier steht geschrieben: „qnesti ferri Bon d'un pezzo" (diese
Eisen sind aus einem Stücke).
yig. 54Ü. (t53v zeigt einen Apparat mm Glätten der bleiernen Scbleif-
hacko« fär die Hohlspiegel. Darunter ist eine Schubstange mit Handgriffen
(Fig. ;>4t>1 abgebildet, womit die Schablonen bewegt werden sollen.
I.: »In doD GläitiT mu^ mau den Schleifbaeken von Blei legen, den man
«ujiwtvh^'ln können mu:^ je nachdem »ie »ich abnutzen, und so «ird man die Pairize
des Bn>nnf[Hegiels lur Yollkommenheit bringon. auf die »ch das Eupfer pre^^en wird,
damit sie ToHki>mnw>n g«.vbnei wt'»\ie. — D*r Motor (J. L die Schubstange FTg. 546)
i^ von Bivntv.-
DaninTor Wlindct sich Fig. Ö4« und MS, Vorrichtungen zum Glätten von
Bri'nn^pi^ccln daritcllvud.
Zu Fig. ^4^, I.: ..FKi^ wiid das. wa* zu jvliwn i*i. unten und den Schktf-
tuh'ko;) olvii haben. Die Prih^xe mus* ^ivn iU^,:\ i-:- nlr-i <las Instrumeni fidi
ki^nsiTviwn. »<nl vÜo Axi' nii-hi beschwen ist »ie <i;t Jer ibtu ab^etttld^en Mafchioe
iFig ;>4T. rn,i »loÜ s.:e viie Aie «ch r.whi abr.üui. «iri die Artieii eine toU-
koiv.-.-.ii :-.i-:\' t^'.T.. IVr GigtKstar.-i. Jia 2".a:i ;■ lin. wir.: d.:: ,:arjht* bif.nü'icben. der
iis ivlin, ur.iiKiiKi-r.. l\rSchI;i;>ai-k;T: r-r. v.:-, li.ri, cf; u^■.;^v^■'?!*n vnd adjusÜL*
I. ..l'^':s r.v.:»s .lr.J^k^^.n «i'r.ir.. .la-r.it *:>■':: 3fr SvhlTÖbÄrkeB nüt »önan
iwr.kr:\':; ».rk;-,'.i:-. Om tu .iu: is* OiS-hli-ffr.;- seiiL .\rnn so wird 6x Ax* dea
dKC-.ri*:^ ■-: Tr^i'.cf m.V. v .:.; sb-.v.;Trt:;. »: I *:« iii:; Gt«>,-r.: »-.:: sici hat. und was
ih= ,";ir. S>::l..:'rA.k;:. iri^t. w_-i r.l.;:;: t,r;:f7 j-:r. w;-; kL r.iVi«- geiaigt haba.**
FuT j^;-.-;;^'. v.:;: m. t ;T.>?;r l^rr:: :."r :■. ■a..-r.-:z ;iii.>rli Seh]«-!!»;!!)«!«!«
3« *vV'^a r^?r.-;i:-n;i Ar r:; ^.'fj^r r'.nrr.>.:r.iL trii::*a baben. oad fs
Schlsifen metallener BrennepiegeL 383
finden sich daher für solche Fälle im Maiiuskripte Q verscbiedene Entwürfe
von Schlei fapparaten , bei deoen der Schleif backen sich Dicht um eine durch
den Krümmungsmittelpmikt gehende Welle dreht, sondern anf andere Art
geführt wird. Zunächst gehört hierher die Scbleifvorrichtung mit Wasser-
radbetrieb.
Fig. 549, G45h.
L : „Der Schwanenhals oder die Kurbel des WassemideB greift mit ihrem Ende
(Zapfen) in einen Ring, an den die Enden der beiden Seile gegenüberstehend an-
gebunden sind, wie man es bei 8ägen mit Wasserradbetrieb eieht. Und so geschieht
auch Aehnlichea (wie mit solchen Sägen) mit dem konkaven Theilp, den man auf
dem konvexen polirt. Die Winde an dem Oestclle, dns vor der konvexen Brücke
aufgestellt ist^ dient dazu, den geschliffenen konkaven Theil aufrecht lu stellen, nm
Fig. MB.
Fig. SM.
innen zu echen, wie das Poliren erfolgt. Man hängt diesen Theil nn die Solle der
Winde mit den Hnken {s) und {t), die sich in die beiden Ringe einhängen, die an
den Enden der Seile der genannten Winde befestigt sind. Das Bett sei von Blei
and nach der angegebenen Regel adjustirt."
Ferner gehört hierher Fig. 550, G 47 h.
L: „{ab) ist der Gegenstand, der durch die Schablone (n) zu gleichmässiger
Konkavität gebracht werden soll. Dieser muss sicher und fest aufgestellt werden.
Icä) ist eine Führung der Schablone (»), die sich mit ihrer gleichmäasig konkaven
Seitenwand gegen die Rollen stützt, die zu ihrer genauen und passenden krumm-
linigen Bewegung die Führung bilden, (ef) ist ein Lehrliogen, woran die RoUen
befestigt sind. — Dns Schablonirte will nach Art eines Betltuchea (? al leuzulo) gegen
die Schablone gezogen sein."
Darüber steht noch die Bemerkung:
L: „Die zwölf Rollen hier unten befestigt man mit konischen Schrauben, woraus
sich die Bequemlichkeit ergiebt, dass dieselben Rollen zu den verschiedenen Krüm-
mungen verschiedener Lehrhögen benutzt werden können."
Kinematisch interessant sind:
Fig. 551 , 552 und 553 , G 83 h. Der Schleifbacken soll hier in das in
der Mitte auf einer Unterlage stehende und durch bogenförmige Schlitze ge-
führte Gleitstück eingespannt werden. Die Bewegung erfolgt durch vier
804
l*on%T3o du ViocL
konische Walzen, die an ihren beiden Enden von Riemen nmschlungen werden,
welche an dem Gleitstücke befestigt sind. Die beiden Walzen des rechten,
Bowie die des linken Paares sind an ihrem dickeren Ende durch je einen
gekreuzten Riemen mit einander verbunden. Auf diese Weise bew^en sich
alle Walzen gleichzeitig, wenn eine mit der Kurbel gedreht wird, und du
hintere Ende des Gleitstückes durchläuft eine kürzere Bahn, als das vordere.
Zu Fig. 551 und 662. L: „Der Schleifbackenhalter bewegt sich nach recht»
and links, geführt durch iwra krumme Kanäle, die Ewei Zähne in sich aufnehmen.
— Die Spitzen der vier Pyramiden (d. h, der konischen Walzen) müssen alle in
einem und demsell>en Punkte zusammenlaufen. — (Am Schlüsse der Bemerkungen:)
Der Schleifbackenhalter (nm) musa sich in krummen Leitkanälen bin und her be-
wegen, deren Krümmungen einen gemein sc baftlicben Mittelpunkt haben, in d«n audi
die Mantelflächen aller der konischen Walzen zusammenlaufen. — Soi^ dafür, dasa
die Gurt«l nicht mehr als eine ganze Umdrehung auf den konischen Walzen macboi
(d. b. dosa sie sieb nur einmal darum achlingcn), denn die Dicke dieser Walzen
würde son^t wachsen und die Proportion des Zusammenlaufes verderben, welcben die
Seiten dieser Pyramiden haben. Dieses beweist man durch einen der £Ilementanät>4
welcher sagt: Wenn zwei ungleichen Grössen gleiche Grössen zugefügt werden, ändert
«ch ihre Proportion Und dies sage ich in Betreff dar konischeo Walzen,
die die Gürtel während der XTmdiehung ungleich aufwickeln. Denn bei einer iweiteB
Umdrehung l^gen ^'h Jio Gürtel überebander und die Dicke der Walzen ist versnderl"
Bei der kleinen Skizze Fig. 553. die sich auch in dem Manuskript tmt^
der Skixie Fig. 552 befindet, steht die Bemerkung:
L: ..Die R-Hder [n) und (b) drehen sich in ein und derselben Ricfatun^ sowohl
auf der r«t-hien, als auch auf der linken Seite (i. B. redits beide abwärts nnd Imks
beide aufwärts^ und die hier oben (in Fig. 552) geinchuetm Räder (oder eigentlidt
Walionl tbun das Gt'gentheiL"
Ol^leich wir mx-h anderthalb Jahrbnndert nach Leokabdo nur Schnni^
Scheiben mit gekreuzten Solmur«n angewendet sahen, finden wir den kin»-
matist-hen Unterschied zwischen offenen und gekreuzten Schnur- oder Riemen-
felrieK'n hier schon festgestellt.
Damit gUuben wir, aus den in der Bibliothek de Tlnstitat befindlichen
Ifanuskripten altes Wesentliche, was in das Gebiet des Haschinenbanes und
der mechan:sohen Teohni>\>gie gehört, in einigemiassen öbeisichtlicher Ordnong
tasammen^'^teJlt lu haben.
Juanelo Turriano (1500—1585).
Auf Taf. 95 von Ramelu's Werk: „Le diverse et artificiose machine**
findet sich die in unserer Fig. 554 wiedergegebene Maschine abgebildet, die
vermittelst zweier Reihen (bezw. einer Reihe) schwingender Rinnen, die durch
ein unterschlächtiges Rad gleichzeitig in verschiedenen Richtungen hin und hei
gedreht werden, Wasser einen Berg hinan fördert.
Als wir unsere Abhandlung über Ramelli für den Jahrgang 1890 des
„Civilingenieur" schrieben, erschien uns die Form dieser Maschine so sonderbar,
dass wir sie nur für ein Produkt theoretischer Spekulation hielten und nicht
glaubten, dass sie jemals praktisch angewendet worden sei, weshalb wir sie
nur mit wenigen Worten erwähnten. Inzwischen sind wir durch Herrn Dr. Nick,
Bibliothekar der Grossherzoglich Hessischen Hoftibliothek , auf eine Abhand-
lung des Bergingenieurs Don Luis de la Escosura t Morrogh aufmerksam
gemacht worden, die im Jahrgange 1888 der „Memorias de la Real Academia
de Ciencias exactas etc.^' zu Madrid erschienen ist und woraus sich ergiebt,
dass eine solche Maschine im 16. Jahrhundert nicht nur ausgeführt, sondern
etwa achtzig Jahre lang im Betriebe war und solche Berühmtheit erlangte,
dass der Scharfsinn und die Kunstfertigkeit ihres Erbauers in Spanien sprüch-
wörtlich wurde, dass Chronisten sie priesen und Dichter sie besangen.
Diese Abhandlung ist überschrieben : „El Artificio de Juanelo j el Puente
de Julio Cesar'' (Die „Kunst" des Juanelo und die Brücke des Julius Cesar).
In der Einleitung wird gesagt:
„ Janelo oder Juanelo Turriano, Uhrmacher und Mechaniker Kaiser ELarl's V.,
gelangte während der Regierung Philipp's IL dahin, ein berühmter Ingenieur zu
werden*), indem er, um das Wasser des Tajo nach dem Alcäzar von Toledo zu
heben, die »Künste (Maschine) konstruirte, die seinen Namen trägt Die Wasser-
kunst hatte einen breiten Strassenzug zu überschreiten, wie der Chronist Ambrosio
MoRALES berichtet, und Juanelo löste diese schwierige Aufgabe dadurch, dass er
die Röhren und Gefässe seiner Maschine auf eine hölzerne Brücke setzte, die eine
*) In unserer Abhandlung über Ramelli (S. 208) erwähnten wir, dass viele der damaligen
Fürsten und Herren sowohl Hüfmechaniker, als Hofalchimisten hielten. Wir werden nun
einige genauere Nachrichten über die Stellung eines solchen Hofmechanikei-s geben können.
IHM Juanelo Turrinno.
Kotn'ua WiiilcrKiilto (k-rjenigen war, welche Juuue Caesar über den Rhein aiülBgea
Viit ilfirfUi nicht fiborriÜNsig sein, dem Leser mitzuth eilen, doss die Kaths-
viirMuiiiTiluiiK vun Tolndo unter (lern Vorditse von DoN Rodkioo Aleore mich im
•iiilir» IHOl lH>iiiiftniKUt, ilio Versorgung der Stadt mit Waeser zu studiren, und dass
dtiiTinU iH'iin Ikilnii-liKm der jetzt venuhwun denen Mauerreste der »Kunst«, die bd
der hrikcko von AlritnUim »ttuidcn, der Wunsch in mir erwachte, die fast als wunder-
Ixir p'rühiuUt MiiM-hiii« ileM Jvaüelo kennen ta lernen, so dass ich tod jener Zdt
HU ki'in mir »u Gebotti »u-bcnde» Mittel uubenutzi liess, um diese Wisabegieide «u
lK.rriwlip.u "
Auf di«' Kinli'itiiiig folgen in der Abhandlung: Notizen über Werke
und l'rojokte zur Wasaervorsorgung Toledo's in der Zeit vor der
Aufsti'lluiii; von Ji'axelo's ..Kunst". Darin wird gesAgt:
^M'
r4 IM-
IXt >VT«.U.'r>irj? iS^wr Jv-i:if Tif.-.-if!^ r*3;c-^',-i i-if bic Il^Kc Fi«, nefar k=.ib-
vV..'rHj),-i*. "tJtT-. t.t? -rr.i.- t.-L:~ «t* js« sta-f- lir^. fw iwir ^ T ite^ < «>■
• ".V "Avtf ,\i-.>- .-.f :>.:.: V.;.:.--.:; .-öfr »'.> IVx-« „'ij.-«« iur iw^ Kosdajf»
2aitri't.'-itmi uih ^^ i^swr l.L^ :tfl.': Tiv r-on 'ü^.i^dKi-* K-'^i^ss xtx ibb F^&n äs*
JnaDdo'a WasserkoiiBt, Wasserversorgung Toledo'i
1 Älterthiun.
JTotiien in einem EinnKhmebuche des KloBters »de Is Conception Froncisca« hervor-
geht, worüber Farro {>Tole<lo en la mano', t II, p. 659) berichtet, dachte man bis
lu Anfang des Jahres 1626 nicht daran, dieses primitive System der Versorgung «u
ändern. »Damals fing man an*, sagen die Notizen, >ein Werk lum Hinauf seh äffen
des Wassers von den Mülilen von Gazi-Sanchei bei der Brücke von Alcäntara an
bis zu dem Platze von Zocodover auszuführen. Es kamen zu diesem Zwecke Ingenieure
aus Deutschland, die Graf Mascio, Marquis von Zenete und Camarero, Verwalter
unseres Herrn, des Kiusers, hatte kommen lassen. Vom Beginne des Werkes nn
legte man sehr hohe Steuern zur Deckung der Kosten auf .... Diese Erfindung
bestand aus grossen Stempeln, die das Wasser wütbend (furiosamente) stampften und
mit solcher Gewalt durch metallene Röhren hinauftrieben, dass alle Leitungen zer-
brachen, und man kein genügend starkes Material hatte, um sie daraus zu Jessen.
So kam es, dass dieser Apparat von sehr kurzer Dauer war.'"
Wahrscheinlich gebrauchten die deutschen Ingenteure Pumpen mit lanf^en
Massivkolben, ähnlich Fig. 555, denn die Benennung „Stempel" ist für solche
Kolben passend. Der Ausdruck : „wüthend
stampfen" ist für die heftigen Stösse, die beim
Arbeiten solcher Pumpen ohne Windkessel bei
grosser Dnickhöhe und Länge der Leitung ent-
stehen mussten, bezeichnend. Don Luis de la
EscosDRA fahrt fort;
„Welche Art von Metall wird das der Röhren
gewesen sein ? Was für Pumpen gebrauchten die
Deutschen? Aus den »Notizen* kann man nichts
entnehmen. Wenn man das Wort Metall nicht im
allgemeinen Sinne nimmt, sondern Bronce oder
Messing daranter versteht, so überrascht es, dass
der Ausgang ein so uji glücklieb er und rascher ge-
wesen ist Die Länge der Rohrleitung zwischen
den Mühlen von Gazi-Sanchez nnd Zocodover ülier-
steigt niciit 600 m, und der Höhen unterechied ist
etwa 80 m, so dass die Rühren zunächst des Flusses
einen permanenten Druck von 8 Atmosphären und
den zufälligen des Antriebes auszuhalten hatten,
der durch die Fumpenkolben hervorgebrai^t wurde.
Auch wenn diese müthend stampften', wie die Notizen des Klosters sagen, mussten
sie doch nicht die sofortige Zerstörung von Röhren aus gegossenem Messing bewü'ken."
Uns scheint es, als ob die Gewalt der Wasserstösse , wie sie unter den
obwaltenden Umständen eintreten mussten, hier unterschätzt würde. Wenn
broncene oder messingene Röhren angewendet wurden, gab man ihnen wegen
der Kostspieligkeit des Materials nnd ans Mangel an Erfahrung wahrscheinlich
geringe Wandstärke, und es scheint uns durchaus nicht unglaublich, dass solche
Röhren bei 8 bis 9 Atmospltären konstantem Wasserdmcke (später wird nämlich
die Dmckhöhe zu 90 m angegeben), verbunden mit heftigen Wasserstössen, sehr
bald barsten. Unser Autor fährt fort;
„Man kann nicht annehmen, dass die Röhren von Gusseisen gewesen wären,
denn ausser, dass seine Widerstandsfähigkeit den Bruch verhindert haben würde,
erscheint es auch als eine erwiesene Thatsacbe, dass die ersten Gegenstände von diesem
Metalle in England von Raij'h Haqe und Petek Bawdb im Jahre 1554 gegossen
3G8 Juanelo Turriano.
wurden (Baker Chronikles of the Kings of England Edit 1665, pag. 317, cit per
Ewbank: A description and historicol account of hydraulic and other machines for
raising water. London 1842. pag. 553).^
Letztere Behauptung dürfte insofern unrichtig sein, als gusseiseme Kugeln,
Geschütze, Ofenplatten und Feuerböcke schon gegen Ende des 15. und zu
Anfang des 16. Jahrhunderts in Deutschland und Frankreich gegossen wurden
(vergl. Dr. Ludwig Beck, „Geschichte des Eisens", Bd. I, S. 910, 912, 948 und
Bd. II, S. 293, 318, 319); doch stimmen wir darin, dass die Herstellung
gusseisemer Röhren um 1526 unwahrscheinlich ist, mit unserem Autor überein.
Dieser fährt fort:
,,Nnch dem, was ich gesagt habe, und dem Wenigen, was man aus den »Notizen«
herleiten kann, bin ich geneigt zu glauben, dass die Röhren von Blei waren; ent^
weder aus Platten von diesem Metalle hergestellt, oder in kurzen Stücken gegossen
und durch Blei oder Loth mit einander verlöthet . . . .^
Es wird darauf hingewiesen, was Vitrüv über Bleirohre zu Wasser-
leitungen angiebt, aber dabei irrthümlich behauptet, dass die Wandstärke der
Röhren nach diesen Angaben dem Durchmesser proportional gewesen sei,
während VrrRUv das Gewicht bei gleicher Röhrenlänge dem Durchmesser
proportional angiebt, was für alle Durchmesser ein und dieselbe Wandstärke
ergiebt, und zwar annähernd 8 mm. Nachdem dann das hohe Alter der Kunst
des Bleigiessens nachgewiesen worden ist, heisst es weiter:
„In der Zeit, worauf sich die Notizen des Klosters bezieben, waren die Pumpen,
die man in den Bergwerken Deutschlands, Ungarns und in Almaden, sovrie xum
Auspumpen von Wat^stor aus Schiff srumpfen gebrauchte, von Holz (vergl. Aoricola:
De re metallica und Murales: Las Antig. de Espafia, t IX, p. 167), während die
von Metall wenig in Gebrauch sein musstcn, weil am 9. November des Jahres 1526,
in dem die Deutschen in Toledo ankamen, eine königliche Verordnung zu Gunsten
des Diego Ribero, Kosmographen und Meisters in nautischen Instrumenten, erlassen
wurde in Betreff einer neuen metallenen Pumpe seiner Erfindung, wie Don Martik
Fernandez de Navarete berichtet*). Es ist ersichtlich, dass die Pumpe aus-
gezeichnete Resultate ergab. Diese königliche Verordnung und die Sorge des Fer-
nandez Navarete, jede sich bietende Gelegenheit zu benutzen, um das Genie unseier
Landsleute zu preisen, sind That^^achen, die man anführen könnte, um zu beweisen,
wie riskirt es bei vielen gewerblichen Erfindungen ist^ ihnen Originalität zuzuerkennen.
Die Druckpumpe des Ktesibius, die Vitruv in seiner »Architectura« unter dem
Namen »Ktesibische Maschine« beschreibt, war von Metall. »Ea (die Maschine) fit
ex aere« sind seine Worte. So dass man drei Jahrhunderte vor Christus in Alexandrien
Pumpen von Bronce konstruirte und 1800 Jahre nach dem Erscheinen der »Kommen-
tarien« des Ktesibius in Spanien eine königliche Verordnung in Betreff der Er-
findung einer solchen Pumpe erliess ....
Die Deutschen, welche im Jalire 1526 nach Toledo kamen, könnten broncene
Pumpen gebniucht haben, da solche bekannt waren ; allein ich bin geneigt zu glauben,
dass sie von Holz waren; da in den Bergwerken ihres Landes, sowie Spaniens^
gewöhnlich hölzerne Pumpen gebraucht wurden ....
Das Werk der Deutschen, wovon das Manuskript berichtet, war nicht daa
letzte, das man plante, um Wasser aus dem Tajo nach Toledo hinaufzuschaffen, ehe
man die »Künast* des Juanelo aufstellte. Denn m einer Verordnung vom 20. Oktober
*) «Coleccion de viajes y descubrimientos qae hizieron por mar loa Espaiiolos*, i. J^
iluBt. IV, pag. 1J4. Madrid 1825.
Eintritt in die Dienste des Kaisers Karl V. 369
1670, registrirt auf Fol 211 des Buches »De Obras y Bosques«*), befahl der König
den Rechnungsführern, auf Konto des Zahlmeisters von Toledo 117 640 maravedis
(692 e^) einzutragen, die er an die Pächter der Mühle bezahlt hatte, die unterhalb
der Brücke von Alcdntara stand, »für 865 Tage, die im vergangenen Jahre 1562
nach unserem Befehle Juan Coten und Meister Jorge, ein Flamländer, unsere Diener,
zum Hinauf schaffen von Wasser nach der genannten Stadt an der Herstellung
gewisser Maschinen arbeiteten, die nicht den Effekt hatten, wie diejenige, welche
JuANELO TuRRiANO, unscr Uhrmacher, vom I.Januar 1564 bis 14. Mai 1566 seit-
dem gemacht hatc. Aus welchem Dokumente der Leser ersehen wird, ohne dass ich
ausführlichere Nachricht geben könnte, dass Juan de CkxrEN und Meister Jorge
im Jahre 1562 irgend eine Maschine zum Heben von Wasser nach Toledo pro-
jcktirten und die Mühle bei der Brücke von Alcäntara benutzten oder bewohnten.
Man weiss nicht, ob sie Proben anstellten, oder ob die Maschine im Stadium des
Projektes gelassen wurde . . . ."
Unter der Ueberschrift „Juane lo tritt in die Dienste des Kaisers**
wird berichtet:
„Jüanelo wurde zu Cremona geboren, entweder im letzten Jahre des 15. oder
im ersten des 16. Jahrhunderts. Als Kaiser Karl V. 1529 zu Bologna gekrönt
ward, wurde Juanelo mit anderen Künstlern gerufen, um eine Uhr von komplicirter
Konstruktion zu prüfen, die man dem Kaiser überreicht hatte und die, weil ihre
Theile verrostet und unvollständig waren, nicht funktioniren konnte. Von den Ge-
rufenen verstand nur Juanelo das Werk, das als ein wunderbares geschildert wird,
und erbot sich, es wieder herzustellen, doch hielt er es für rathsamer, eine neue
gleiche Uhr, von derselben Gestalt wie die alte, zu machen. Dieser Beweis seiner
einzig dastehenden Geschicklichkeit, verbunden, wie es scheint, mit der Protektion,
die ihm Don Alonso de Avales, Marqu^ de Vasto, angedeihen liess, bestimmten
den Kaiser, ihn in seine Dienste zu nehmen. Er musste mit dem übrigen Grefolge
den Kaiser in seine Feldzüge und auf seine Reisen in Spanien begleiten.
Von der alten Uhr, die Juanelo wieder herstellte, oder die ihm als Muster
diente, berichten Alle, die über das Leben des Kaisers oder über die Werke Juanelo's
geschrieben haben. Doch finden sich in den Nachrichten dieser Autoren grosse
Widersprüche und in den Citaten, meines Erachtens, unbegreifliche Irrthümer. Und
da diese Uhr violleicht das wichtigste Werk ist, das Juanelo in seinem Leben aus-
führte, insofern es ihm zuerst Berühmtheit als Mechaniker und Mathematiker ver-
schaffte und ihm den Eintritt in die Dienste des Kaisers eröffnete, wodurch er dann
dazu gelangte, die Wasserkunst in Spanien zu konstruiren, so glaube ich, keine
Nachricht über dieses berühmte Werk aufnehmen zu dürfen, ohne sie sorgfältig zu
prüfen. Ich beginne diese Prüfung damit, dass ich kopire, was Ambrosio Morales,
ein begeisterter Verehrer und Freund Juanelo's, in seinen »Antiguedades de las
ciudades de Espaila«, t. IX, de la Cronica general de Espafia, pag. 337 sagt: »Da
ich angefangen habe, von den Werken dieses ausserordentlichen und berühmten
Ingenieurs zu sprechen, so will ich für den, der sie nicht gesehen hat, hier einige
Aufzeichnungen darüber hinterlassen . . • ., und es wird mir dabei zu statten kommen,
was Juanelo selbst mir davon gezeigt und erklärt hat Denn wenn ich fähig war,
es zu verstehen und Vergnügen daran zu haben, beliebte es ihm manchmal, mich
zu belehren und mich dadurch zu erfreuen. Er fasste den Plan, eine Uhr mit allen
Bewegungen des Himmels zu machen, sodass sie die des Archimedes überträfe, die
Plutarcii beschreibt, sowie die eines anderen Italieners jener Zeit^ worüber ein Brief
des Hermolao Barbaro an Angelo Policiano berichtet Und er übertraf sie so
*) Noticias de los Arquitectos y de la Arquitcctura de Espaua, por el Ezcm. Sr. Don
EuGENio Llaguno, illustradas y acrecentadas por D. Juan Augustin Caen-Bermudez, t. II,
pag. 246. Madrid 1829.
Be«k. 24
370 Juanelo Turriano.
weit, (lass, wer die Uhr des Juanelo gesehen und über die der anderen Künstler
gelesen hatte, sofort einsah, dass diese alle zu unbedeutend waren, um ihn mit den
linderen vergleichen zu können. Denn es giebt keine Bewegung am Himmel, welche
die Astronomie (nach dem Ptolemä ischen System) betrachtet, so geringfügig; ver-
schiedenartig oder entgegengesetzt sie auch sein möge, die hier nicht auf Jahre, Monate,
Tage und Stunden sicher bestimmt wäre. Nichts gab es, was ihm als Muster hätte
dienen können. Ich will nur erwähnen, dass man hier das primum mobile (d. L in
der alten Astronomie die tägliche, scheinbare Bewegung des Himmels) mit seiner
entgegengesetzten Bewegung fand, die acht Sphären mit ihren Schwingungen, die
Bewegungen der sieben Planeten mit allen ihren Verschiedenheiten, Sonnen stunden,
Mondstunden, die Erscheinung der 2jeichen des Thierkreises und vieler anderer Haupt-
sterne, dazu noch viele andere äusserst erstaunliche Dinge, die ich nicht im Ge-
dächtniss habe. Er verbrachte, wie er mir sagte, zwanzig Jahre damit, sie sich im
Greiste vorzustellen und den Plan dazu auszuarbeiten, und infolge dieser grossen
Anstrengung und Versenkung in seine Betrachtungen erkrankte er zu jener Zeit zwei-
mal und kam dem Tode nahe .... alsdann aber brachte er nicht mehr als drei
Jahre damit zu, diesen Plan mit seinen Händen auszuführen .... Das war viel,
denn die Uhr enthält 1800 Räder. Er musstc daher jeden Tag (die Festtage aus-
genommen) wenigstens drei liäder ausarbeiten ohne das Uebrige. Die Räder aber
waren nicht nur in der Grosso, sondern auch in der Zahl und Form der Zähne ver-
schieden. Aber so bewundernswerth diese Schnelligkeit (des Arbeitens) ist> so setzt
doch eine geistreiche Drehbank, die er erfand, noch mehr in Erstaunen. Auch sahen
wir ihn Räder von Eisen mit der Feile in den Zirkel arbeiten und die Gleichheit der
Zähne herstellen, wie sie erforderlich war .... Juanelo sagte, dass er die grössten
Schwierigkeiten in drei Dingen gehabt habe, nämlich in der Bewegung des primum
mobile, in der Bewegung des Merkur und in den ungleichen Stunden des Mondes.
Um diese Schwierigkeiten zu überwinden und diese Bewegungen mit aller Grenauig*
keit und allen ihren widersprechenden Verschiedenheiten in die Ulir zu bringen, sagte
er, habe er die Kunst dahin gebracht-, wohin die Zahlen nicht kommen könnten, und
er würde dies, wo es erforderlich sei, mit aller Klarheit beweisen. Dies ist ein merk-
würdiges, unerhörtes Vorauserfassen und Eindringen mit dem Verstände. Und wenn
ein solches im allgemeinen bewundernswerth ist, so ist es bei Juanelo um so höher
anzuschlagen, weil er die Arithmetik kannte und wusste, wieviel man bei vollständiger
Kenntniss derselben ausrichten kann . . . ."
„Ich wundere mich, dass ein Schriftsteller von so viel Gelehrsamkeit und Ver-
stand, wie MoRALES, sich bemühen konnte, den Archimedes, den ersten Geometer
und den geistreichsten und tiefsinnigsten Weisen, den es auf der Welt gab, dadurch
herabzusetzen, dass er erklärte, seine wichtigen Entdeckungen und seine für bewunderns-
werth gehaltenen Werke seien im Vergleiche mit der Uhr des Juanelo geringfügig.
Die Aninaassung Juanelo's, zu behaupten, dass er die Kunst dahin gebracht habe,
wo Zahlen nicht hinreichen, eine Aeusserung, die in jedem Lichte betrachtet dunkel
und prätentiös ist, nimmt das Wohlwollen des Morales, seines entschiedensten und
enthusiastischsten Bewunderers, bis aufs Aeusserste in Anspruch . . . ."
Es scheint, als ob unser Autor durch seine Verehrung für Archimedes,
die wir vollkommen theilen, hier zu einem unbilligen Urtheile gegen Morales
und Turriano verleitet würde. Denn in den citirten Stellen des Ersteren wird
nicht gesagt, dass die Entdeckungen und Werke des Archimedes im allgemeinen
im Vergleiche mit der Uhr des Juanelo geringfügig seien, sondern es wird nur
gesagt, dass dieser eine weit vollständigere und bessere Uhr gemacht habe, als
Archimedes, und dies ist sehr wahrscheinlich. Was aber die Aeusserung Juanelo's
anbelangt, er habe die Kunst dahin gebracht, wohin die Zahlen nicht reichten,
so dürfte er damit die Kunst gemeint haben, durch mechanische Mittel Um-
Astronomische Uhr. 371
drehungen von einer „untheilbaren Zahl" zu erzeugen, worüber Cord anus
in seinem Werke: „De subtilitate" schreibt(vergl. S. 168u. 171). Und in diesem
Sinne finden wir seine Aeusserung zwar dem damaligen Zeitgeschmacke ent-
sprechend etwas mysteriös, aber doch nicht so dunkel und prätentiös, wie
Don Luis de la Escosura sie hinstellt. Dieser sagt femer:
,,Uuter allen Umstanden beweist die Erzählung dieses Schriftstellers (Morales),
dass, wenn er diejenige von der Uhr von Bologna kannte, er es nicht für angezeigt
hielt, sie in den »Antiguedades de Espaüac wiederzugeben; und wenn er sie nicht
kannte, dass Juanelo Sorge trug, ihn nicht mit der Gelegenheit und den Umstanden
bekannt zu machen, die seinen Eintritt in die Dienste des Kaisers veranlassten.^
Auch dieses Urtheil erscheint uns zu hart. Morales sagt, Juanelo habe
den Plan gefasst, eine vollkommenere Uhr zu bauen, als alle seine Vor-
gänger, und es ist anzunehmen, dass er während der zwanzig Jahre, die er
auf die Feststellung ihrer Konstruktion verwendete, seine Aufgabe mehr und
mehr erweiterte, so dass schliesslich seine Uhr die von Bologna weit übertraf
und er berechtigt war, sie als seine eigene Erfindung zu betrachten. Auf die
Untersuchung unseres Autors, ob die in Bologna dem Kaiser überreichte alte
Uhr von Boecius, der von 470 bis 525 n. Chr. lebte, herstammte, wie ein
Schriftsteller behauptet, oder ob sie aus Paris gekommen sei, wie ein anderer
sagt, wollen wir nicht näher eingehen. Es wird dadurch erwiesen, dass diese
Behauptungen auf nachlässigem Lesen einer Stelle aus Bernardo Sacco's Werk:
„De Italicarum Rerum Varietate", Papiae 1565, beruhen, in welcher Stelle
ausdrücklich gesagt wird, dass man nicht wisse, wer die Uhr gemacht habe
(„Cujus operis auctor ignoratur"). Ueber die Beschaffenheit der Uhr des
Juanelo berichtet unser Autor:
„Die Uhr hatte etwa zwei Fuss Durchmesser, war beinahe kugelförmig, ein
wenig breiter, als hoch. Sie endigte nach oben in eine Kuppel, und darüber war ein
Thürmchen mit Stundcnglöckchen und Wecker gesetzt. Das äussere Gehäuse von
vergoldetem Messing liess einige Oeffnungen frei, wodurch man die Bewegungen grössten-
theils sehen konnte. Durch das Spiel von zwei oder drei Federn, sagt Morales,
ging alles mit seinen verschiedenen Umlaufszeiten: Saturn in seinen dreissig Jahren,
das primum mobile in einem Tage, die Sonne in einem Jahre, der Mond in einem
Monate durch die Ekliptik, und so wie diese auch die übrigen init den ihnen eigen-
thümlichen Bewegungen.
Als der Kaiser ihn fragte, was er als Inschrift auf die Uhr zu setzen dächte,
antwortete er: »Juanelus Turianus Cremonensis horologiorum architector«. Und da
er hier innehielt, fügte Se. Majestät bei: »Facile Princeps (das Leichte machte der
Fürst)«, und so steht es nebeneinander. — An eine andere Stelle, wo das Portrait
Juanelö's angebracht ist, schrieb er: »Qui sim scies, si par opus facere conaberis
(Wer ich bin, wirst Du verstehen, wenn Du ein ähnliches Werk zu machen ver-
suchen wirst)«.
„Wenn auch die Messingplatten die Bewegungen der Planeten und viele andere
unbedeckt lassen, so bedecken sie doch die ganze innere Bewegung der Hader. Des-
halb machte er noch eine quadratische, etwas kleinere Uhr mit weniger Bewegungen
und bedeckte sie mit Deckeln von Kry stall, durch die man alle Bewegungen der
Räder sieht Auf diese Uhr setzte er den philosophischen Spruch: »ut me fugientem
flgnoscam (damit ich mich den Flüchtigen erkenne)«.
24«
372 Juanelo Turriano.
•
„Auch erzählt Morales, dass Juanelo eine kleine eiserne Mühle erfand, die
man im Mantelsacke bei eich tragen konnte und welche zwei celemines (etwa 8 kg)
Getreide im Tage mahlen konnte. »Ich glaube,« sagt er, »dass sie für das Heer
bei Belagerungen und auf Seefahrten von grossem Nutzen ist, da sie sich selbst
bewegt, ohne angetrieben zu werden.« Man weiss nicht, was man mehr bewundern
soll, die Geschicklichkeit, womit Juanelo die Feder verbarg, oder die Naivität de«
Morales beim Untersuchen der Mühle."
Wir sehen uns durch die angeführte Stelle des Morales nicht veran-
lasst, anzunehmen, dass er die treibende Feder nicht als nothwendig erkannt,
oder dass Juanelo sie ihm verheimlicht habe. Auch heute noch ist es bei
Feder- und Gewichtsuhren, sowie bei vielen Maschinen und Mechanismen üblich
zu sagen, sie bewegten sich von selbst, oder sie seien selbstthätig , ¥?obei es
Niemanden einfällt, Den als zu naiv oder als betrogen hinzustellen , der sich
dieser Ausdrucksweise bedient. Unser Autor fährt fort:
„Er erzahlt ferner, dass Juanelo die alten, sich bewegenden Statuen, die die
Griechen Automaten nannten, wieder hergestellt und eine Frau gemacht habe von
mehr als ein Drittel der natürlichen Grösse, die, auf einen Tisch gestellt, nach den
Klängen eines Tambourins, das sie selbst schlug, darüber hin tanzte und sich drehend
dahin zurückkehrte, von wo sie ausgegangen war. Obgleich dies nur ein Spielzeug
zum Lachen gewesen sei, zeuge es doch von seinem grossen Geiste.
EsTRADA*) fügt zu den Wunderwerken, die Morales beschreibt, noch andere
zu, wie Figürchen von Soldaten, die kämpften, von Pferden, die sich bäumten, von
Kriegern, die Trommeln schlugen und Trompete bliesen, und von Vögeln, die wie
lebend durch das Haus flogen.
Es gelang mir nicht, die Zeit festzustellen, wann er diese Spielzeuge machte,
die bei seinen Zeitgenossen so viel Bewundening erregten. Man weiss, dass er in
den 27 Jahren zwischen 1529, als er bei der Krönung in Bologna die Uhr prüfte,
und 1556, als er mit dem Kaiser in Yuste**) in der Zurückgozogcnheit lebte, an den
beiden Uhren, der grossen und der mit krystallenen Deckeln, arbeitete; aber es ist
nicht erwiesen, ob er während dieser Zeit noch alle oder auch nur einige der erwähnten
Maschinen konstruirte.
Der Kaiser lebte knapp zwei Jahre in Yuste, und während der Stunden, welche
ihm die Erfüllung der religiösen Uebungen, die man ihm auferlegt hatte, und seine
Korrespondenzen und Staatsgeschäfte frei liessen, ging er in die Werkstätte Jüanel.o's,
der für die beiden grossen Uhren und für Taschenuhren, die damals auch schon im
Gebrauche waren, zu sorgen hatte, und half seinem Mechaniker bei der Reparatur
und Konstruktion dieser Instrumente, deren Räder, wie Estrada sagt, er leichter im
Zaume halten konnte, als die des Schicksals.
Ein Autor versichert, dass Juanelo die erste Person gewesen sei, die der
Kaiser des Morgens empfangen habe ; allein die Angaben des Fr. J. Siquenza, Priors
des Escurial und Geschichtsschreibers des Ordens des Hieronimus, scheinen den Vor-
zug zu verdienen, und danach trat zuerst Pater Regia ein, um sich zu erkundigen,
wie Se. Majestät die Nacht zugebracht habe, um ihm bei seinen Privatgebeten zu
assistiren. Alsdann kam der Arzt, Dr. Mathys. Turriano, den Mechaniker, zahlte
man zu den ersten Besuchern, die Se. Majestät empfing.
Ich weiss nicht, wo man die beiden Uhren seit dem Tode des Kaisers (1558)
hingebracht hat, noch kenne ich den Aufenthaltsort der Spielzeuge. Das einzige
*) Famiani Stradae, Romani e Societate Jesu „Do Bello Belgico", decas prima, pag. 8.
An. 1708.
**) St. Juste, Hieronimitenklost^r in Estramadiira, worin Karl V. die beiden letzten
Jahre seines Lebens zubrachte.
ik
Eintritt in die Dienste de» Königs Philipp II. 373
Dokument, worin von diesen Werken geredet wird, ist eine Verordnung vom 26. Mai
1566, worin der König (Philipp II.) befiehlt, dem Juanelo 2750 Dukaten (6066 t^)
für eine Uhr von Kr}'stall, die er gemacht habe, zu zahlen, indem er den Unter-
schied zwischen 2500 und 3000 Dukaten, wozu sie durch verschiedene Taxatoren
gei^chätzt worden war, theilte. Was die grosse Uhr betrifft, so ist anzunehmen, dass
sie der Kaiser (Karl V.) bezahlte . . . ."
Unter der Ueberschrift : „Juanelo tritt in die Dienste des Königs
Philipp II. Beschreibung der Wasserkunst" berichtet Don Luis de
LA Escosura:
„Nach dem Tode des Kaisers lud der König, Don Philipp II., der sich in
Flandern l)efand, Juanelo ein, in seinen Diensten zu bleiben, mit der Verpflichtung,
in seinen Landen zu wohnen. Dafür wies er ihm jälu-lich 200 Dukaten au, die ihm
bis 1561 durch den Generalschatzmeister Domingo Orbea gutgeschrieben wurden.
Danach ging Juanelo zu dem Könige und bat ihn, den Gehalt zu erhöhen, da er
nicht davon leben könne und er geringer sei als derjenige, welcher ihm von dem
Kaiser, seinem Vater, bewilligt worden wäre. Und in Anbetracht der Dienste, der
Tüchtigkeit und Geschicklichkeit Jüanelo's befahl der König, dass dessen Gehalt
vom 1. Juli 1562 an verdoppelt werde, wogegen er die Verpflichtung hatte,
bei Hofe zu leben und Uhren und andere Dinge seiner Profession zu machen. Doch
bezaliltc man ihm ausserdem alle Arbeiten, die er für den König machte, so, wie sie
trtxirt wurden.
In einer anderen Verordnung, datirt: en el Bosque de Segovia (Valsain) den
26. Mai 1563, giebt der König dem Juanelo Turriano die Erlaubniss, dass er
in Madrid oder Toledo bleiben könne, um »gewisse Dinge« seiner Profession, die
den Dienst des Königs angingen, nach dessen Anordnungen zu machen, während
dieser nach Aragonien ging, um dort den Landtag der Krone abzuhalten. Aus dem
Vergleiche des Datums dieser Verordnung mit der oben citirten vom 20. Oktober
1570, wonach Juanelo vom 1. Januar 1564 bis 14. Mai 1566 die Mühle bei der
Brücke von Alcdntara bewohnte, schliesse ich, dass jene »gewissen Dinge« die »Kunst«
waren, um Wasser vom Tajo nach dem Alcuzar zu fördern.
Auch ist noch zuzufügen, dass der König durch eine andere Verordnung vom
gleichen Datum (20. Oktober 1570) befahl, die Mühle, die Juanelo ausgewählt und
bezeichnet hatte, um seine Wasserkunst zu entwerfen und aufzustellen, zu kaufen.
Es hi^isst darin: »Und weil der genannte Ingenieur sich da befindet, wie schon früher,
und an dem genannten Platze bleiben und verweilen muss, haben wir beschlossen,
die genannte Mühle für uns zum Gebrauche des genannten Ingenieurs ankaufen zu
lassen.« *)
Danach ist klar und gewiss, dass Juanelo Mitte 1563 vom Könige die Er-
laubniss bekam, in Madrid oder Toledo zu leben, dass er vom 1. Januar 1564 an
die Mühle bewohnte, und dass 1570 die Wasserkunst funktionirte, die nach dem,
was Juanelo in einer Vollmacht erklärte, die er zu Gunsten der Juan Antonio
Fassole ausstellte, wovon wir später noch sprechen werden, im Jahre 1568 vollendet
wurde ....
Juanelo erzählte dem Morales, als er einst in Italien gewesen sei, habe er
den Marques del Vasto über den Wassennangel klagen hören, den die Einwohner
von Toletlo litten wegen der Schwierigkeit, das Wasser aus dem Tajo auf die grosse
Höhe zu heben, auf der die Stadt liegt. Seit diesem Tage habe er sich damit be-
schäftigt, die Wasserkunst zu entwerfen, die er erst nach 38 Jahren aufgestellt sah.
EsTRADA bestätigt dies, indem er von den Erlebnissen des Kaisers in Yusle spricht,
denn er setzt voraus, dass der Kaiser an dem Studium der Wasserkunst theilnahm
und über die Maschine das grösste Lob aussprach, worüber Turriano fortwährend
nachsann.
*) Noticias de los Arquitectos, t. II, pag. 246.
374
JuaDelo Tarriano.
„Der Lombarde machte zuerst ein Modell von der Maschine, nnd Morales,
der Gelegenheit hatte, es zu sehen, beschreibt das, was er »die Grösse und ausser-
ordentliche Tiefe der Erfindung« nennte folgendennassen:
„Das Wesentliche davon besteht darin, einige kreuzweise Bälk-
chen in der Mitte und mit den Enden in der Art zusammenzubolzen
oder durch Zapfen zu verbinden, wie sich eine Maschine bei Robertus
Valturius findet, um einen Mann in die Höhe zu heben. Indem die
ganze Strecke so zusammengekettet ist, bewegen sich, wenn man
die beiden ersten beim Flusse bewegt, die zunächst dem Alcäzar be-
findlichen mit grosser Ruhe und Zartheit Dies scheint schon von
Valturio gefunden worden zu sein, aber das, was ganz sein (Juanelo's)
Eigen ist, ist, dass er mit diesem Bewegungsmechanismus von Holz
gewisse weite Messingröhren, beinahe eine Klafter (braza) lang*),
zusammengebolzt oder verzapft hat mit zwei Gefässen von demselben
Metalle an den Enden, die bei der Bewegung des Holzwerkes auf
und ab gehen. Beim Niedergehen füllt sich das eine und das andere
entleert sich, indem beide in seitliche Verbindung treten und während
der ganzen Zeit ruhig stehen, welche nothwendig ist, damit das volle
sich in das leere ausgiesst Sobald dies geschehen ist, geht das volle
an die Höhe, um dann wieder niederzugehen und mit dem hinteren
Fig. Ifbü.
vollen in Verbindung zu treten, das ebenfalls niedergeht, um es
zu füllen ....
Ich gestehe, als ich die Erklärung des Murales mehrmals gelesen hatte und
versuchte, die Maschine des Juanelo aufzuzeichnen, gelang mir dies nicht Die
Autoren, welche von der Wasserkunst sprechen, müssen nicht glücklicher gewesen
sein, denn alle beschränken sich darauf, die Nachricht des Murales oder einen Aus-
zug daraus ohne Beifügung irgend einer Erklärung abzuschreiben. Vergeblich suchte
ich in Archiven imd Bibliotheken nach einer Abbildung der Wasserkunst, imd nach-
dem ich die Hoffnung aufgegeben hatte, auf diesem Wege zur Befriedigung meiner
Wissbegierde zu gelangen, beschloss ich, Werke über Architektur, Mechanik und
Kriegsbaukunst aus jener Zeit durchzusehen, um Abbildungen oder Beschreibungen
von etwas der Wasserkunst Vergleichbarem zu suchen. Was ich mit Fleiss und
Arbeit nicht erreichen konnte, spielte mir zuletzt der Zufall in die Hände, indem ich
ein sehr seltenes Buch besah, das D. Constantin Ardanaz, ein Freund von mir,
.... aus Italien mitbrachte .... Der Titel dieses Werkes ist: »Le diverse et
artificiose machine« del capitano Aoostino Ramelli. 1588. Der Zufall wollte, dass
ich dieses Buch gerade bei dem Kupferstiche, der zu Kap. 95 gehört, aufschlug,
worin ich sofort die »Kunst« des Juanelo erkannte, wie sie Murales beschreibt,
.... die auch der Leser bei der einfachen Betrachtung der Abbildung (Fig. 554)
sofort verstehen wird, .... und damit er sich in die wahre Stellung der (schwingen-
den) Rinnen hineindenken kann, habe ich die Skizze Fig. 556 entworfen, welche
zeigte wie diese sich in der Horizontalprojektion über den Hölzern {N) und (S)
darstellen und beide »seitlich in Verbindung treten«, wie der Chronist sagt
Wenn der Leser an die Stelle der Mulden und Rinnen (iT, B) (Fig. 554) im
Geiste Gefässe und Röhren von Messing auf die Schwingen (MM) . . . (0 0) . . •
*) Aus einer spftter folgenden Stelle scheint hervorzugehen, dass 1 braza = 1,5 m.
Flg. S57.
WaBserkunat, aus Bchwiagenden Rinnen febilüet. 375
Kill, BO wird er bem^ken, dass sie mit der abgebildeten Maschinerie diejenigen Be-
vi^inigen und Pausen auafübren, wie sie Mosales bei der iKunstc des Juanelo
beschreibt.
Diese hatte auch ihr Wasserrad, denn, wenn en auch der Chronist in der Be-
Bchrcibung mit der Ueberechrift: »Die Art der Wasserleitung« nicht erwähnt, so
kommt doch später ein Abschnitt, die > Vergleich ung< genannt, worin er sich folgcnder-
nins?cn ausdrückt; »Merkwürdige Einzelhnten an der »Kunst« giebt es viele, aber
zwei davon setzen uns ganz besondere in Erstaunen, Die erste ist die Harmonie
der Bewegungen in Moossen und Verhält-
nissen, so dass sie zu einander passen und
alle von der ersten Bewegung des Rades
abhängen, welches durch das Wasser
des Flusses bewegt wird ... .< An
dem Wasserrad e der »Kunst« waren jedoch
die Schöpfkaaten {hl) von Ramelli's Kupfer-
stich nicht angebracht, denn in einem anderen
Paragraphen, betitelt: »Merkwürdige Einzel-
heiten der Wasserleitung«, sagt Morales,
diiss die Form der Kette und der
kupfernen Schöpibecher, die das
Wasser zuerst aus dem Flusse
nehmen, auch eine Erfindung Juanklo's
Eci, die vieles Neue biete und Erleichtening
in der Bewegung gewähre, wie sich an ähn-
lichen Schöpfwerken zeige, die Juanelo
später in Madrid ausgeführt hnbe. Fig. 657,
ebenso wie Fig. 555, dem handschriftlichen
Werke Juanei.o's entnommen, stellt eines dieser Schöpf werke in Madrid dar.
Es existirt nämlich In der »Bibliolheca nacionaU ein handschriftliches Werk,
betitelt: »31 Bücher über Maschinen und Apparate des Juanelo«, die der katho-
lisclic König Don Püilifp II., zu beschreiben und m erklären befahl, dem Serenissimus
Don Juan de Austkia, Botin des Königs Philipp IL, gewidmet. Die Widmung
kann jedoch nicht von JuASEtX) herrühren, weil dieser viel früher starb, als der Prini
geboren wurde. Dieser Unistai»!, verbunden mit einigen verstand liehen und önigen
unverständlichen Stellen, die man in dem Werke findet, haben den Verdaclit erweckt,
dass dieses Manuskript kein Original, sondern eine Abschrift von dem sei, was
JuAKELO verfasste. Llagunu uiid Caen Bekmudez geben in ihren „Noticias de loa
Arquitectos y de la Ärquitectura de Espnüa", Bd. II, pag. 250 eine von D. BRNrro
BAltiB geschriebene Nachricht, worin jeder der fünf Bände, woraus das Werk Juanel.o's
besteht, für sich geprüft wird. Der erste enthält drei Bücher, worin das, was zum
Aufsuchen, Prüfen und Leiten von Wasser gehört, sowie das Nivelliren behandelt
wird. Auch finden sich darin mehr als vierzig Recepte von Kitten zum Verbinden
von Röhren. In dem zweiten Bande, der fünf Bücher enthält, werden erklärt:
Aquädukte, unterirdische Kanäle, um Wasser zu Tage zu leiten, Bewässerungsgräben,
Schiffskanäle, Werke zum Schiff barmachen von Flüssen, Wasserleitungen, Trocken-
anlagen und Drainagen, Anlagen von Fischplätzen, Fischteichen, Deichen, Wehren,
Cistemen, kalten und wannen Bädern. Der dritte Band enthalt drei Bücher, welche
unifassen: die Konstruktion von Getreide- und Oelmühlen, Walkmühlen, die Fabri-
kation von Stärke, Zuckerap parate, Ajipnrate zum Schleifen von Waffen, zum Waschen
von Wolle und gefärbten Tüchern, die Fabrikation von Alaun und Salz und ver-
schiedene Methoden, um Wasser aufzuziehen und auf gewisse Höhen zu heben,
worunter sich jedoch weder eine Beschreibung der »Kunst«, noch eine Erwähnung
von Toledo oder dem Tajo findet. Der viert« Band ist in fünf Bücher gethelll,
worin die Mittel zum Uebersctzen über Flüsse besprochen werden, wie Boote und
S78
JuimIo TwTuno,
Fäbren, hölzerne, steinerne und Schiff-Brücken. Auch irird bd dieser Gelegenli^
von Holzwerk, Steinen, Fnbrikation von Ziegelsteinen und Dachzie|irelii, Kalk und
Gyps ausführlich gesprochen, und zuletzt beschreibt der Verfasser eine durchbrochene
Brücke seiner Erfindung für Flüsse, vorauf Schiffe mit hohen Masten zu vei^ehren
haben. Die drei Bücher des fünften und letzten Buches enthalten maritiine Weikev
Wasseruhren und Bewässerungsanlagen. Bails bezeichnet diesen Band als den
dürftigsten. Er ist der Meinung, das Werk sei wenig methodisch geschrieben, und
über den Strl sagt er, er sei negen seiner erstaunlichen SchwerfälLgkeit und ermüden'
den Wiederholungen fast durchweg barbarisch."
Man vergleiche hiermit die weiter unten folgende Charakteristik Jüaselo's
von EüTABAN' Garibat, worin gesagt wird, daEs er das Spanische niemals gut
erlernt habe und in seiner Rede breit gewesen sei. Don Luis de la Escoscra
fährt fort;
„Die einzige Neuerung, die sich n hm (lernen ah ten Schopf verke, Fig. 557)
zfflgt, ist die auf dem Grunde de.^ Bru ne s angebrachte ^\ ake zur Führung der
Kette, als ob sich Jüanelo vorgeiiomn en hatte 1 e Re bu g den Apparate ohne
Noth zu vermehren. Die kupferne Kette leren Konatrukl on man aus der Abbildung
nicht erkennet» kann, ist eine wirkliche Verbesserung gegenüber den Hanfseilen, und
die Form der Becher weit besser, um nach 1er =le e nu zugicisen als die thöneraen
Eimer ilcr gewöhnlichen Schöpfwerke.'
Dem gegenüber ist auf das Schopf \erk n ( eokg ArniroLA s Werk: „De
re metallica" hinzuweisen, das wir in t g 147 S 134 edergegeben haben, woran
sich diese sogenannten Neuerungen bereits in ausgebildeterer Form yortinden.
Unser Autor fährt fort:
„allein die untere Walze konnte hei To!e<lo keine Anwendung fuiden, weil die
Kette am Umfange des Wasserrades angebracht war,"
Wenn dies der Fall gewesen wäre, so hätte die Kette ohne Ende um
den Kranz des Wasserrades und eine darüber liegende Walze laufen müssen.
BeweguDgsmechanismua der Wasserkunst. H77
Die gefüllten Becher hätten dann von dem schlafferen Theile der Kette
gehoben werden müssen, was starke Schwankungen und Verschüttungen zur
Folge gehabt hätte. Unseres Erachtens geben aber die citirten Stellen des
Murales keine Veranlassung zu der Annahme, dass Juanelo sein Becherwerk
so mangelhaft angeordnet habe. Don Luis de la Escosura fährt fort:
„Aber nach dem Ersetzen der Rinnen durch Röhren imd Gefässe von Messing
und der Sohöpfkästen des Wasserrades von R\melli durch die Kette mit kupfernen
Bechern bleibt noch die Stelle zu erklaren übrig: »einige kreuzweise Balkchen in der
Mitte und mit den Enden in der Art zusammenzubolzen oder durch Zapfen zu ver-
binden, wie sich eine Maschine bei Robertus Valturius findet, um einen Maim in
die Höhe zu heben«, mit welchen Worten Morales die Beschreibung der »Kunst«
beginnt^
Die aus dem Werke des Valturius: »De re militari«, IIb. X, pag. 259,
Parisiis 1534, entnommene Fig. 558 zeigt eine aus dünnen, kreuzweise in der Mitte
und an den Enden zusammengebolzten Hölzern gebildete Leiter, deren Erfindung
dem Valturius nicht zugeschrieben werden kann, weil man in dem Werke des
Vegetius, ebenfalls betitelt: »De re militari« und mehr denn tausend Jahre älter
als das des Valturius, niclit nur eine solche Leiter fmdet, sondern auch einen Krieger,
der daran hinaufsteigt^ wie man es aus Fig. 559 ersielit*). Vegetius widmete sein
Werk dem Kaiser Valentini^n II. im 4. Jahrhundert n. Chr."
Wir begegnen hier wieder dem häufig vorkommenden Irrthume, dass die
Abbildungen in den im sechzehnten Jahrhundert erschienenen Ausgaben des
Werkes des Vegetius von diesem herrührten, während sie doch nur von dem
Herausgeber beigefügt sind und Apparate aus dem Mittelalter darstellen, wie
sie diesem bekannt waren. Gerade bei der hier wiedergegebenen Abbildung
(Fig. 559), erkennt man doch deutlich, dass die darin abgebildeten Krieger
keine alten Römer, sondern Landsknechte sind, zumal einer davon offenbar
damit beschäftigt ist, eine Muskete zu laden. Auch scheint uns nur Fig. 559
eine zusammenlegbare Leiter darzustellen, worauf Mannschaften in die Höhe
steigen, während wir Fig. 558 für eine Maschine zum Heben von Mann-
schaften auf Festungsmauern halten, wie ja auch Murales sagt. Unser Autor
fährt fort:
„In welcher Weise Juanelo diese Leiter von dünnen Hölzern bei seiner »Kunst«
verwendete, kann aus der Beschreibung des Morales nicht erkannt werden. Nur
wenn man sich auf das Gebiet der Vermuthungen begiebt, wird es möglich, sich die
Maschine nach dieser Beschreibung vorzustellen, indem man den Zweck und die Lage
der Leiter bestimmt. Glücklicherweise sind das bewegende Rad mit seinen Bechern,
die Zahnräder und Latemengetriebe und die Bewegungen und Pausen der Röhren
und Gefässe, welche das W^esentliche ausmachen, bereits erklärt. Die Leiter aus
dünnen Hölzern diente, nach meiner Meinung, als Schubstange oder Pleuelstange,
wie man heutigen Tages sagt, zur Uebertragung der Bewegung auf die Messingrohre
und Pfannen, indem sie die Stelle der eisernen Stangen (P) und (F) des Kupfer-
stiches von Ramelli vertrat. Es dürfte das Einfachste und deshalb Wahrschein-
lichste sein, wenn man annimmt, dass die Leiter aus dünnen Hölzern in der Stellung,
welche Fig. 560 dar^5tellt, als Stange diente, um den Messingröhren die auf und
nieder gehende Bewegung vermittelst der Räder zu ertheilen, die mit (V) bezeichnet
*) Flavii Vegetii Renati: „De re militari", IIb. V, apud Christianum Vechelum. Lutetiae
1532. pag. 161.
378 Jaftnelo Turriano.
eind, um anzudeuten, dass sie wie diejenigen funktJoniren, h& welchen in Ramelli'h
Apparat die gleicbeti Buchstaben stehen und die dazu dienen, die Rinnen (KK) zu
bewegen .... Sclbätverständlich ist ein anderes gleiches und parallelem Rad für
die zweit« Reihe von Rinnen nöthig, wovon Fig. 560 nur einen Tlidl {E) zeigt, weil
das Rad (K) das Uebrige bedeckt Von den beiden Abbildungen, die Fig. 560
zeigt, stellt die obere ein einziges Gestänge in den beiden äueseraten Stellungen der
Bew^ung dar, die es von dem Rade ( V) empfängt. In der äussersten Stellung ijach
vorwärta sind das Gestänge, die Röhren und Gefässe in punktirten Linien dai^esteJIt,
und man sieht weiter nichts (vollständig dai^stellt) als das Rad {V) und dag Holz
(N). Diese Stellung entspricht dem Zeitpunkte, worin die Gefässe Wasser von der
anderen Reihe aufnehmen. Die äuEserste Stellung des Gestänges mit den Röhren
und GefÜssen nach rückwärts ist mit vollen Linien dargestellt. In beiden Fällen
drehen sich die Schwingen, welche die Rühren mit d(;n Gefüssen tmgen, um dio
Zapfen (aaa) . . ., die ihren Ort nicht ändern, wie man es in dem Apparate Ramelu's
(Fig. 654) sieht. In den Verein igungspunkten der Schwingen mit dem Gestänge
nehmen wir Scharniere an, die mit den Buchstaben {hbb) .... bezeichnet «nd.
In der unteren Abbildung sind mit punkthten Linien dargestellt: das Rad (E),
das Holz {S) und die Röhren (ooo) . . . ., die von den Röhren {mhh) .... Wasser
autnehmen, die mit ihrem Gestänge, dem Rade (V) und dem Hohe {N) mit vollen
Linien dargestellt sind. Bei den Vor- und Rücltwärtsbeivegungen werden die Rhomben,
die das Gestänge bilden, weder länger noch kürzer, d, h. die Lüugen ihrer Diagonalen
bleiben unverändert.
Nähme man nicht an, dasa die I^citer des ValtdeiÜS als steifes Gestänge
wirkte, sondern daas sie als ein aus gegliederten Hebeln zuaamniengesetztes Gestänge
{eine sc^nannte »Nürnberger Scheerc») gebraucht worden wäre, so worden die Hölzer
(if) und (S) unnöthig sein.
In Fig. 561 sind die äusscrsten Stellungen dargestellt, welche die aus ge-
gliederten Hebeln zusammengesetzten Gestänge annclnnen würden. In der oberen
Abbildung der Figur ist angenommen, dass die Gefäs^o Wasser aufnehmen und in
BewegangBmechBDjginus der WaBserkunsL
379
■ lidil
der unteren, daas sie Wasser abgeben ; jedocli ist es schwierig, ircnn nicht unmöglich,
die Reihe der Röhren, welche Wasser aufnehmen, und diejenigen, welche Wasser
abgeben, gleichz^tig darzustellen. Ich gei^tehc, Oass es mir nicht gelungen is^ diese
Bew^^UDgen zu tombiniren, denn beim Bewegen der Räder (V) und (E) (Fig. 560)
drehen sich die Schwingen, woran die Rinnen befestigt ^ind, die das Wasser ab-
wechselnd aufnehmen und abgeben, um Axen oder Zapfen, die ein und dieselbe
Stellung beibehalten; in dem durch Fig. 561 dargestellten Falle aber ändern diese
Axen oder Zapfen {rrr . . . .) ihre Stellungen, d. h, sie schreiten vor und zurück,
je nachdem das System von gegliederten Hebeln sich öffnet oder schliesst. Und
daraus folgt, dass die Entfernung zwischen zwei aufeinander folgenden Röhren bei
der Rück Wartsbewegung grosser wird(untere
Abbildung), weil die aus dünnen Höliem
gehildelen Rhomben sich nach der Richtung
doä ganzen Gestänges ausdehnen. Bei der
Vorwärtsbewegung (obere Abbildung) ver-
kürzt sich die Entfernung, weil die Rhom-
ben sich in vertikaler Richtung zur Axc
des Gestänges ausdehnen. Wenn dieLeiti>r
als Gestänge aus gegliederten Hebeln funk-
tionirt hätte, was nicht anzunehmen ist,
würden die Hölzer [N) und (S) nicht in
der Maschine vorgekommen sein, und das
Gestänge müsste mit der grossen starken
flauer verbunden gewesen sein, die sich
vom Flusse nach dem Alcdzar hinzog und '
deren Ueberreste, die bis vor einigen Jahren
erhalten waren, in Fig. 562 dargestellt sind.
Wegen der dargelegten Schwierig-
ketten, worauf ich gestos^cn bin, und wegen
der Unklarheit womit Mohales die Kunst beschreibt, sehe ich mich genöthigt zu
erklären, dass die einzige Möglichkeit der Anwendung der Leiter des Valturius
auf die Maschine des Juanelo meiner Meinung nach diejenige ist, welche Fig. 560
darstellt, worin die Schwingen, die die Röhren und Gefäsae unterstützen, sieh in fest-
stehenden Logeni (aaa) .... drehen, die in den Balken {N) und {8) angebracht
sind, wie bei der Maschine Rahelli's.
Das aus dünnen Hölzern zusammengesetzte Gestänge der iKunsti ist ein
vervollkommnetes, den eisernen Stangen und Ringen Rauelli'b weit überlegenes Organ,
da diese bei den häufigen Wechseln der Maschine noth wendigerweise Stösse und Er-
schütterungen verursachen mussten, welche die Dauerhaftigkeit beeinträchtigten."
Es ist aber zu berücksichtigen, dass bei einem federnden Gestiuige, wie
unser Autor es annimmt, die Bewegung jeder folgenden Rinne kleiner geworden
wäre, als die der vorhergehenden, und dass sich hieraus bei einer Bewegungs-
iibertragung auf so grosse Elntfemung, wie vom Tajo bis zum Alcdzar, be-
deutende Bewegungsdifferenzen und nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten
ergeben haben wfirder. Auch hat der Gedanke, durch ein federndes Gestänge
Stösse zu vermeiden, im sechzehnten Jahrhundert den Ingenieuren gewiss viel
femer gelegen, als dies jetzt vielleicht der Fall sein mag. Uns scheint es, als
ob Don Luis de la EscostmA an der Idee, die Abbildung Valturio's stelle eine
Leiter dar, zu fest hielte, während die Worte des Morales: „in der Art, wie
sich bei Robertus Valturius eine Maschine findet, um einen Mann in die
Höbe zu heben" darauf hinweisen, dass er die Abbildung als einen Bewegunga-
Fig. X±
380
Joanelo Tarriano.
mechanismns anffasste, womit der Juanelo^s Aehnlichkeit hatte. Es ist das
der Mechanismus, den wir „die Nürnberger Scheere^^ zu nennen pflegen. Diese
Aehnlichkeit aber kann sehr wohl nur eine äusserliche gewesen sein, denn
MoRALEs, der Chronist des Königs, ist in mechanischen Dingen den Dilettanten
zuzurechnen, die mehr nach dem Aussehen als nach dem Wesen der Dinge
urtheilen. Wenn sich aus sachlicher und gründlicher Behandlung der in Rede
stehenden Aufgabe naturgemäss ein Mechanismus ergäbe, der mit der „Nürn-
berger Scheere" grosse, wenn auch nur äusserliche Aehnlichkeit hätte, so
dürften wir daher unseres Erachtens annehmen, dass es der des Juanelo sei,
dessen klarer Verstand und dessen Gründlichkeit nach den Aussagen seiner
Zeitgenossen ausser Zweifel stehen.
Fig. £63
Flg. 5Ci.
Bei der Betrachtung von Ramelli's Abbildung drängt sich uns die Frage
auf: Warum bildete Ramelli zwei Reihen aus den schwingenden Röhren und
bewegte sie durch zwei parallele Gestänge? Liegt nicht der Gedanke näher,
nur eine Reihe aus den Rinnen zu bilden und die Bewegung von der ersten
auf die zweite, von der zweiten auf die dritte u. s. w. in der Art zu über-
tragen, dass die Bewegungsrichtung durch jede dieser Uebertragungen umgiB-
gekehrt wird? Um dies zu erreichen, würde man wohl zunächst den untersten
Punkt einer jeden, in der mittleren Stellung senkrecht zum Terrain stehenden
Schwinge mit einem in gleicher Entfernung über dem Drehzapfen gelegenen
Punkte der nächsten Schwinge durch eine Stange verbinden, wodurch der
in Fig. 563 dargestellte Mechanismus entstünde. Bei diesem fällt aber vor
allem der Fehler in die Augen, dass die Stangen in der mittleren Stellung nicht
rechtwinkelig zu den Schwingen stehen, wie es die Konstruktionsregel für Kunst-
BewegangsmechaDismos der Wasserkonst.
381
gestänge verlangt. Dieser Regel kann nur dadurch entsprochen werden, dass
man die Schwingen in der mittleren Stellung um 45^ gegen das Terrain geneigt
anordnet. Will man dann die Rinne so mit der Schwinge verbinden, dass bei
der mittleren Stellung ihr Mittelpunkt senkrecht über dem Drehpunkte bleibt,
so muss man noch eine zweite Stütze anbringen, wodurch der Mechanismus
die in Fig. 564 dargestellte Form annimmt. Rein kinematisch betrachtet könnte
er so genügen. Da aber die Schamierbolzen durch Abnutzung während der
Arbeit etwas Spielraum erhalten^ so wird, da die Stangen hier abwechselnd
ziehen und drücken, bei jedem Wechsel der Bewegungsrichtung in jedem
Fig. M5
Fig. 5G«.
Scharnier etwas todter Gang und ein kleiner Stoss entstehen, und bei der
grossen Zahl der Stangen werden sich diese vielen kleinen Fehler zu einem
grossen summiren. Wenn der Mechanismus ruhig arbeiten soll, wie es von
dem JüANELo's gerühmt wird, muss Vorkehrung getroflfen werden, dass jede
Stange nur auf Zug in Anspruch genommen wird. Das bereits vorhandene
System von Stangen darf daher die Schwingen nur nach einer Richtung hin
ziehen, und es muss ein zweites, dem ersten symmetrisches, eingeschaltet werden,
welches das Ziehen der Schwingen nach der entgegengesetzten Richtung über-
nimmt. Daraus erklärt sich auch, warum Morales sagt, dass man von den
kreuzweise verbundenen Hölzern die beiden ersten beim Flusse bewege. Auf
diese Weise ergiebt sich der in Fig. 565 dargestellte Mechanismus. Ist Vor-
kehrung getroffen, dass man die Lagerfutter in den Enden der Stangen so
382 Juanelo Tuniano.
verstellen kann, dass sie sich einander nähern, so kann man die Stangenlängen
so reguliren, dass jeder todte Gang in den Stangenlagem vermieden virird.
Dieser Mechanismus sieht in seiner mittleren Stellung einer „Nürnberger Scheere"
vollkommen ähnlich. Zwar nimmt die Aehnlichkeit mit der Entfernung aus
der mittleren Stellung ab und ist in der äussersten Stellung (Fig. 567), sehr
beeinträchtigt, doch glauben vrir nach Erwägung aller Umstände annehmen zu
müssen, dass dies der Mechanismus der „Kunst" des Juanelo gewesen sei.
Seine Befestigung an einer Seitenfläche einer starken Mauer würde sehr praktisch,
und der Gedanke, noch eine zweite Maschine derselben Art an der anderen
Seitenfläche der Mauer zu befestigen, sehr naheliegend gewesen sein. Don
Luis de la Escosura fahrt fort:
„Ich muss gestehen, dass ich die Nothweudigkeit der (zwei) Gefässe an jedem
Rohre, wovon Morales spricht, nicht versiehe. Wenn man annimmt^ dass sich alle
an dem dem Flusse zugekehrten Ende füllen, sowohl die der einen, füs auch die der
anderen Reihe, so würde ein G^fäss (an jedem Rohre) genügen, weil das Rohr das
Wasser mit dem entgegengesetzten Ende direkt in das Gefäss des nächstfolgenden
der anderen Reihe ausgiessen konnte, wie in dem Apparate Ramelli's.
Murales erklärt weder die Form der Gefässe, die das Volk »Pfannen (cazos)<
und »Löffel (cucharas)« nannte, noch giebt er uns eine Idee davon, aber indem er
von den bewundern swerthen Einzelheiten der Wasserleitung spricht, sagt er, dass eine
davon die Form der Gefässe sei, die mit eigen thümlicher Gestalt ausgerüstet seien,
um das Wasser abzugeben und aufzunehmen, ohne dass ein Tropfen verschüttet
werde . . . ."
Wenn man erwägt, dass die Aufnahmegefässe einen grossen Fassnngs-
raum haben müssen, um eine ansehnliche Fördermenge zu ermöglichen, dass
aber mit der Höhe dieser Gefässe sowohl die nothwendige Schwingungsampli-
tude, als auch der Arbeitsverlust beim Herabfliessen des Wassers von einer
Rinne in das Aufnahmegefäss der nächstfolgenden wächst, gelangt man mit
logischer Nothweudigkeit dazu, den Gefässen geringe Höhe und grosse hori-
zontale Dimensionen zu geben, d. h. sie pfannen- oder löfl^elförmig zu machen.
Wahrscheinlich waren sie mit einem festen Deckel grösstentheils bedeckt, der
nur eine so grosse OefFnung hatte, als sich für den Einguss des Wassers als
nothwendig erwies. Um das Wasser in den Eingussgefässen nicht höher als
nothwendig zu heben und den hierdurch bedingten Arbeitsverlust möglichst
zu vermeiden, musste Vorkehrung getroffen werden, dass das Wasser aus dem
aufsteigenden Gefässe mögUchst bald nach dem abwärts gehenden Ende der
Röhre abfliessen konnte, während der Ausfluss in das Aufnahmegefäss der
folgenden Röhre, um Verschütten und unnöthig hohes Herabfallen beim Ab-
fliessen von einem Gefässe in das andere zu vermeiden, erst dann erfolgen
durfte, wenn das abwärts gehende Ende seiner tiefsten Stelle nahe war. Es
musste insbesondere dafür gesorgt werden, dass sich das Wasser bei der hori-
zontalen Stellung der Röhre symmetrisch auf beiden Seiten der Vertikalen
durch die Drehaxe vertheilen konnte', so dass es bei der Weiterbewegung
in derselben Richtung nicht mehr zu heben war. Daher musste ein auf gute
Die pfannenfSrmigen Oefässe an den schwingenden Rinnen. 383
Leistung des Apparates bedachter Ingenieur auch an dem Ausgussende der
Röhre ein pfannenförmiges Gefäss anbringen, worin sich das Wasser sammeln
und die Weiterbewegung unterstützen konnte, bis es seiner tiefsten Stellung
nahe dicht über dem folgenden Ausflussgefässe, wahrscheinlich erst nachdem
sich ein Ventil durch Anstoss geöffnet hatte, in dieses abfloss. Unser Autor
sagt weiter:
„JuANELO legte eine Probe seines Genies ab, indem er einen so komplicirten
Apparat, wie die „Kunst", in Gang setzte, wozu zweihundert Fuhren »dünner Hölzer«
und fünfhundert Centner (quintales) Messing verwendet wurden. Denn da eine jede
Röhre nicht länger als 1 braza und der Alcdziu* 600 m vom Fluss entfernt war,
60 befanden sich nicht weniger als 400 Röhren gleichzeitig in Bewegung (demnach
wäre 1 braza = 1,5 m). Und dazu kam, dass sie nicht in gerader Linie geführt
werden konnten, was grosse Schwierigkeiten verursacht haben muss. Denn Morales
sagt: »sie bewegten sich, indem sie Krümmungen, Winkel und Ecken machten, und
es war ein weiterer Aufwand von Kunst erforderlich, um die Bewegimg an solchen
Stellen fortzupflanzen und passend zu machen.«
,,Es ist daher nicht auffallend, dass die Maschine grosse Bewunderung unter
den Zeitgenossen erregte. Aber mehr noch als durch die Erfindung wurde diese durch
die Aufstellung der Maschine erregt, wodurch es Juanelo gelang, das Wasser des
Flusses 90 m hoch zu heben . . . Der Effekt, den die Wasserkunst gab, entsprach,
ökonomisch betrachtet, nicht dem Lobe, das die Schriftsteller ihr spendeten, denn sie
hob nicht mehr als 400 cargas (Lasten) Wasser den Tag, oder 162 hl in 24 Stunden,
was eine geringe Ergiebigkeit ist, wie sie die Quelle jedes beliebigen Dorfes im Sommer
erreicht
Juanelo hatte sich durch einen Vertrag von 1565 verpflichtet, die Stadt mit
einem gewissen Wasserquantum zu versehen*), das neben dem Alcäzar fortwährend
ausfliessen sollte, um von da in die ganze Stadt gebracht zu werden. Dafür ver-
pflichtete sich diese, vierzehn Tage, nachdem das Wasser in den Alcäzar fliesse,
8000 Dukaten (17 647 Ji) an Juanelo zu zahlen und ausserdem jährlich 1900 Dukaten
für die Wartung und Reparatur der Maschine, die Juanelo zu besorgen hatte. Da
sich die Stadt durch diesen Vertrag für ausserordentlich belastet hielt, weigerte sie
sich, ihn zu erfüllen, und der König befahl mit Verordnung vom 12. Dezember 1578,
fünf Jahre nach Inbetriebsetzung der Wasserkunst, dass Toledo Jemanden bevoll-
mächtigte, um mit Juanelo zu unterhandeln und diesen Streit zu Ende zu bringen.
Die Stadt ernannte am 29. Oktober 1574 ihren Schöffen Luis Gaytan de Ayla
zu diesem Zwecke, und Juanelo, der krank zu Bette lag, am 24. Dezember des-
selben Jahres seinen Freimd Jüan Antonio Fassole. Der König war ebenfalls
hierbei interessirt, da er dem Juanelo 8 400 769 maravedis (49416 e^) vorgeschossen
hatte und weil der Alcdzar den grössten Theil des Wassers verbrauchte. Für den
König wurde daher der Lizenüat Juan Diaz de Fuentemayor, Mitglied seines
Konseils imd seiner Kammer, als Bevollmächtigter ernannt. Darauf befahl er, die
Sache vor die Kommission für Gebäude und Gärten zu bringen, und vor dieser kamen
sie am 20. Mai 1575 dahin überein:
1. dass Juanelo von dem Vertrage, den er mit der Stadt geschlossen hatte^
abstehe, und dass der König, in Anbetracht^ dass er das Wasser, das durch die
Maschine gehoben wurde und für den Alcäzar diente, für sich nahm, dem Juanelo
die Schuld von 8400 769 maravedis, die man ihm zur Anfertigung der Maschine aus
dem königlichen Schatze vorgeschossen hatte, erlasse;
2. dass Se. Majestät das Wasser beanspruche, das durch die Maschine gehoben
werde und das während eines Tages und einer Nacht 1600 Kannen h, 4 Maass
betragen solle, und dass Juanelo sich verpflichte, diese Menge vollständig zu liefern;
*) Noticias de los Arquitectos, t. II, pag. 103.
381 Juanelo Tnrriano.
3. in Anbetracht, dass sechs Jahre verflossen seien, seit Jüanelo die erste
Maschine vollendet habe, durch die der Alcäzar versorgt werde, und man dem Jüanelo
das Nothwendige dazu gegeben hatte, werde man ihn jetzt mit dem Weiteren ver-
sehen, was nothwendig sei, um eine zweite Maschine zu machen, die er bereits
angefangen habe und in fünf Jahren vollenden solle;
4. dass Juanelo sie auf Kosten seiner Majestät in der Art mache, dass sie
das Wasser sechs bis acht Fuss höher als das Pflaster des Hofes hebe, damit man
es im Alcäzar vertheilen könne;
5. dass er sich verpflichte, die zweite Maschine in fünf Jahren fertigzustellen,
wozu Se. Majestät das Geld geben werde, das sich bis zur Vollendung auf 8000
bis 10000 Dukaten (20000 Jlf) belaufen werde. Das Wasser, welches sie liefern
würde, solle dem Juaneix) zu gute kommen*);
6. dass man das Terrain, worauf die erste Maschine aufgestellt worden war und
die zweite aufgestellt werden sollte, unentgeltlich abtrete;
7. dass die Stadt dem Juanelo 6000 Dukaten (13235 JIC) auf einmal, oder
die Zinsen davon im Verhältniss von 14000 : 1000 (das sind 7 Proz.) zahlen werde
und keinen anderen Nutzen aus der Anlage ziehen wolle, als dem Könige zu dienen,
da das Wasser dem Juanelo zu gute kommen solle.
Der König bestätigte diesen Vertrag durch eine Verordnung vom folgenden Tage,
dem 21. März 1575 (Reg. 4^ de Obras y Bosques, fol. 168, citirt durch Llaguno y
Caen Bermudez in Noticias de los Arquitectos, t. II, pag. 248) ....
Unter diesen Umständen werden wohl einige glückliche Nachbarn Wasser aus
dem Alcdzar für ihren Gebrauch bezogen haben, aber es sind keine Ueberreste von
Rohrleitungen oder Brunnen in der Stadt gefunden worden, die für eine Vertheilung
des Wassers aus dem Tajo sprächen.
Trotzdem begeisterte die Maschine alle, die Gelegenheit hatten, sie zu sehen,
so dass man sich vornahm, die Statue des Erbauers in der Wasserkunst aufzustellen,
und für sie liess Juanelo die Inschrift abfassen: »Virtus nunquam quiescat«, was
MoRALES übersetzt: »Die Kraft eines grossen Geistes kann niemals ruhen«. Und voll
Bewunderung für das Modell, die Ausführung des Wasserwerks, die Statue und ihre
schöne Inschrift, sandte er dem Juanelo ein Epigranmi mit einer Widmung in
lateinischer Sprache, worin er ihn bis in die Wolken erhebt, indem er sagt, Juanelo
beherrsche die Natur durch die Kunst, habe sich den Tajo unterthan gemacht und
bis zu den Sternen hinaufsteigen heissen. Dieses Epigramm und die Widmung kann
man im neunten Bande der »Cronica general de Espafia« lesen.
Die Statue hat man nicht auffinden können, aber in dem Provinzialmuseum
von Toledo sieht man eine Büste Juanelo's in weissem Marmor, die wir dem Meissel
des Berruquete verdanken, mit der Inschrift : »Juanellus Turrianus Cremen. Horolog.
Architect« .... und in dem Museum von Madrid sieht man eine Broncemedaille,
die auf der Vorderseite das Bildniss des Juanelo mit der gleichen Inschrift, wie
die der Büste des Berruquete, imd auf der Rückseite die bekannte Allegorie des
Brunnens der Weisheit und die Inschrift tragt: »Virtus nunquam deficit«.
In dem Kloster des Escurial über der Thüre einer Zelle sieht man das Brust-
bild Juanelo's, in Oel gemalt, mit der Inschrift: »Nunquam deficit virtus«. Auch
in Madrid hat man dem Gedächtniss des Erbauers der »Kunst« ein Andenken ge-
widmet, indem man einer Strasse der Hauptstadt seinen Namen gab. Und in Toledo
nennt man die Strasse, worin er starb, noch heute »De la estatua« oder »Hombre
de Palo« (Strasse der Statue oder des hölzernen Mannes), weil er in ihr einen
hölzernen Automaten herumgehen liess.
Die Einwohner von Toledo versahen sich, während die Wasserkunst funktio-
nirte, wie gewohnt, mit Flusswasser, das durch Lastthiere heraufgebracht wurde."
*) Darunter dürfte zu verstehen sein, dass Jlaxelo es an die Bewohner der Stadt ver-
kaufen oder der Stadt verpachten duifte.
Vertrag über die Waaserkunat. Stichen der Bewunderung derselben. 385
Unser Autor führt zum Beweise hierfür eine Stelle aus der Novelle des
Cervantes: „La illustre Fregona" an und fahrt dann fort:
„Als ich im Jahre 1861 in Toledo war, war die Zahl der Einwohner viel
geringer als in der Zeit des Cervantes*), und man beschäftigte dessen ungeachtet
zum Hinaufschaffen des Wassers zu der Einwohnerschaft 230 Lastthiere, ohne die,
welche im Dienste der Wohlthätigkeit und des Militärs standen, imd alle zusammen
schafften nach meiner Berechnung sieben oder acht mal so viel Wasser hinauf, als
die Wasserkunst hob.
In einem anderen Buche jener Zeit, das die »Socicdad de Bibli6fdos« heraus-
gab betitelt: »ElPelegrino curioso y Grandezas de Espafiac von Bartholom6 de Vil-
lalba y Estaiia, wird die Wasserkunst beinahe in denselben Ausdrücken beschrieben,
die Morales gebraucht: .... sie verdiene unter die Weltwunder gerechnet zu werden,
und dass man viele Meilen weit gehe, um sie zu sehen, denn zur Bezeichnung von
etwas Unmöglichem habe man in Castilien die Redensart : »Es ist, wie Wasser nach
Zocodover zu heben . . . .«
Auch andere Autoren sprechen sich lobend über die Wasserkunst aus und
bezeichnen sie als bewundernswerth ; nur Quevedo behandelt in seinem »Itinerario
de Madrid a su Torre de Juan Abadc (Poesias, Romance 75) den Juanelo unbe-
sonnen. Denn als er durch Toledo kam, fiel ihm ein zu schreiben:
»Ich sah die Kunst aus Kochgeschirr, — wo in so vielen Pfannen — Janelo
Wasser schwingen lässt, gleich wie in lauter Schaukeln. — Flamlander war er von
Geburt, — ein Trinker alles Klaren; — allein dem Wasser war er Feind, — da
er's so grausam quälte.«
Er macht Juanelo zu einem Flamländer, um ihn dann einen Trinker zu
nennen, ohne dass irgend ein Grund eine solche Beleidigung rechtfertigte ....**)
Meister Valdivieso ***) widmet der »Kunst« Verse folgenden Inhalts:
» JuANELo's Wunderwerk betrachte — ehrerbietig, das, wie eine Uhr, — selbst
sich treibt, und das mit seinen Rädern — eine Kette zieht, die Wasser schöpft, —
das in Schwengeln steigt zu unserm Staunen, — weil bis zum Alcdzar es sich wagt, —
fast der Wolken hohes Reich berühret, — wo dem Munde es sich dienstbar macht.«
Weder die Verse, noch was er über die Wasserkunst sjigt, verdient besondere
Erwähnung; es zeigt aber, mit welcher Hochachtung Juanelo, obgleich er längst
gestorben war, von Allen behandelt wurde, die über Toledo schrieben.
Luis Qinones de Benayente, gebürtig aus Toledo, setzte in seinem Zwischen-
spiele: »El Mago« (Coleccion de entremeses, Madrid 1645) die Wasserkunst sogar
in Scene. Alle Mitspielenden in einer Reihe singen, indem jeder mit einem hölzernen,
blattförmigen Löffel die Arme hebt und senkt, als ob sie Wasser schöpften:
»Das Wasser kommt mit Kraft — und dreht das Wasserrad — zum Treiben
der Maschine — aus Pumpen und aus Löffeln. — Und wenn die einen steigen, —
so geh'n die andern nieder, — so dass vom tiefsten Punkte — bis zu der höchsten
Stelle — die einen übernehmen, — was aus den andern fliesset^ bis dass das Wasser
konunt — zum Ausfluss im Alcdzar. c
Diese Beschreibung ist klarer und genauer als die des »Peleqrino«, allein
der Autor nennt das Wasserrad »rodezno«, welchen Namen man den horizontalen
Wasserrädern oder Turbinen zu geben pfegt Die »Pumpen« sind eine reine Erfindung
des QuiNONES.
*) Toledo hatte zur Maurenzeit gegen 200000 Einwohner, im Jahre 1860: 17633 Ein-
wohner.
**) Wir erinnern an Juan Goten und Meister Jorge, ein Flamländer, die 1562 mit
dem Projekte, Toledo mit Wasser zu versorgen, beschäftigt waren. Vielleicht hat Qukvedo
den Meister Jorge mit Juanelo verwechselt.
♦*♦) Sagrario de Toledo. Poema horoico per el maestro Joseph de Valdivieso, Capellän
del Ulmo. de Toledo. Madrid 1616.
Beck. 25
386 Jaanelo Tniriano.
Ein anderer Autor*) verwandelt des Reimes wegen die Pfannen (caxos) in
grosse Kübel (gamellas), indem er sagt:
»Die Verwicklung macht man Dir nach Wunsch, — man verwandelt Mädchen
Dir in Krieger, — wenn Du in das spanische Schauspiel gehst — Du wirst sehen,
dass der Mienenkünstler — gross're Kunst Dir seeigt, als Jüanelo, — wenn er
Wasser hebt in grossen Kübebi.«
Ich will diese Citate aus Gedichten, worin die Maschine von Toledo erwähnt
wird , mit einigen Versen des Lope de Veoa schliessen , worin er von der Wasser-
förderung, ohne sie zu nennen, spricht, wie nur er es vermochte:
»Wenn zum Preis berühmter Männer, — Stolzer, Du, das Haupt bekränztest,
— König der Ströme, würdiger Tajo, — kannst Du jetzt Dich füglich krönen —
wegen himmelsgleicher SchönheitI — Wenn am Fusse des Aleäzar früher die Wellen
hingeglitten, — steigen jetzt sie wie auf Treppen aus der Tiefe in die Höhe. —
Dich verzehrend, wie die Wolke, — schenkst den herrlichsten Kry stall Du — diesem
Schlosse, und die Vögel — baden ihre dunklen Schwingen — in den silberweissen
Wellen . . . .«
Im Jahre 1573 Hess der König dem Juanelo in Anbetracht seiner guten
Dienste und seiner Bedürftigkeit 400 Dukaten (882 tA) als Beitrag zu den Kosten
auszahlen. "Es steht fest, dass 1581 die zweite Maschine fertig war, und dass die
erste im folgenden Jahre (dem vierzehnten nach ihrer Aufstellung) sich in schlechtem
Zustande befand und bereits anfing zu zerfallen, weshalb der König sie zu reparireu
befahl. Seit der Zeit um 1585, in der Juanelo starb, erscheinen in den Dokumenten
keine Nachrichten mehr über die Wasserkunst
EsTABAN Gakibay**) berichtet über die Beerdigung Juanelo's wie folgt: »Der
Einzige, der meiner Meinung war in Bezug auf die Schiffahrt auf dem Tajo, war
Juanelo Turriano, gebürtig aus der Lombardei, der die bewundernswerthe Vor-
richtung zum Heben des Wassers aus dem Tajo nach dem Alcazar gemacht hatte.
Bevor jedoch diese Schiffahrt sich verwirklichte, starb dieser ausgezeichnete Mann in
derselben Stadt am 13. Juni 1585 im 85. Lebensjahre (wenig darüber oder darunter)
und wurde daselbst in der Kirche »del Carmen« in der Kai>elle »de nuestra Seflora
de Soteraöo« begraben, wo ich zugegen war, ohne das schuldige Geleite, das ein so
hervorragender Mann verdient hätte, der in allen Dingen, womit sein klarer Geist
und seine Hände sich beschäftigten, sehr anerkannt war.
Er war gross und stark von Körper, karg an Worten und reich an Wissen,
von grosser Freimüthigkeit in allen Dingen, von etwas groben Gesichtszügen, etwas
breit in der Rede und sprach das Spanische niemals gut. Der katholische König,
Don Philipp II., hielt viel auf ihn, behandelte ihn stets freundlich und ehrte ihn
wie Einer, der wohl wusste, was er verdiente. Er that, was sein Vater, der erlauchte
Kaiser Don Carlos, für ihn gethan hatte.
Juanelo hinterliess eine Tochter und einzige Erbin, Barbara Medea Turriano,
der der König am 20. Dezember 1585, sechs Monate nach ihres Vaters Tod,
200 Dukaten als Vergütung des Wcrtlies der Instmmente und anderer Sachen
JuANELo's auszahlen licss. Später, am 23. Dezember 1586, empfing sie, ebenfalls
auf Befehl des Königs, 2000 Dukaten als Abschlagszahlimg auf die Gesammtsumme
von 6000, die er für die Gefiüle, die ihr Vater von der einen der beiden Maschinen
bezogen hatte, zu zahlen befahl.
Er hinterliess aucli einen Enkel Namens Juanelo Turriano, dem man die
Wartung der »Kunst« gogen vier Reales täglich übertrug, welche Vergütung der
König am 6. November 1593 auf 100 Dukaten jährlich erhöhte. Von dieser Wohl-
tbat genoss er jedoch sehr wenig, da er 1597 starb und eine Frau und einen Bohn
in grosser Dürftigkeit hinterliess ....
*) Las Eroticas de D. Estaban Manuel Villeqas. Madrid Sancha 1774, 1. 1, pag. 828.
**) Obras Genoalogicas de Estaban Garibat, t. V, parte 2, IIb. 38, cit. por Llaguho y
Berhudez: Noticias de los Arquitectos, t. II, pag. 250.
Sein Tod nnd seine Nachkommen. Kritik der WasserkiuBt. 387
Ansser dem Sohne Juanelo hatte Dona Babbara noch einen zweiten Sohn
Samens Gabriel, der, nachdem er da89elbe Amt bekleitet hatte, wie sein Bruder,
nach Flandern ging» um in dem Heere zu dienen. Von da begab er sich nach Sicilien,
wo er 1516 im E^ege durch eine Musketenkugel getodtet wurde ....
Im Jahie 1598 wurde Juan Fernandez de Cabtillo, Diener Seiner Majestät,
^azu ernannt, die Wartung und Unterhaltung der Maschine zu übernehmen . . . .
Er machte einige Jahre danach eine Vorstellung dass die alte Maschine von keinem
Nutzen mehr sei, wenn sie nicht erneuert würde. Die Kosten dieser Erneuerung
könne man aber vermeiden, wenn man ihm erlaube, aus den Uebcrresten der Maschine
nach der Zeichnung imd dem Plane, die er einreichte, einen neuen Apparat zu
machen, womit man mehr Wasser mit grösserer Leichtigkeit und geringeren Kosten
heben würde^ als mit denen Juanelo's . . . .'^
Der König billigte diesen Vorschlag, doch wurden von anderer Seite
Bedenken dagegen erhoben. Das letzte Aktenstück, das davon handelt^ ist
-eine königliche Verordnung vom Jahre 1606. Dann ist von dieser neuen Vor-
richtung nicht mehr die Rede, und es ist wahrscheinlich, dass sie niemals
vollendet wurde. Unser Autor sagt weiter:
„Im Jahre 1626 starb Castillo. Ihm folgte sein Sohn Juan de Castillo
Rivadeneira in der Beaufsichtigung der Maschine und diesem 1639 Luis Maestre,
zu dessen Zeit, wie man annimmt, die »Kunst« aufgegeben werden musste."
Don Luis de la Escosura behandelt nun die Frage, ob ein Ingenieur in
•der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts eine andere, bessere Maschine zum
Heben des Wassers auf so grosse Höhe hätte wählen können, als jene „Kunst*'
<[es Juanelo. Er sagt:
Zur Zeit Juanelo's waren, wie wir angedeutet haben, hölzerne Pumpen am
meisten im Gebrauche .... In Schachten halten sich diese, der beständigen Feuchtig-
keit wegen, gut, aber die freie Luft trocknet sie aus, und das Wasser entweicht so-
wohl aus den Pumpen, als auch aus den Röhren. Auch ist es, wegen der geringen
Widerstandsfähigkeit des Materials, mit Pumpen und Röhren von Holz unmöglich,
Wasser durch einen Pumpensatz auf 90"* zu heben ....
Fig. 555 ist die Kopie einer Druckpumpe, die Juanelo in den dritten Band,
lib. 13, pag. 354 seines handschriftlichen Werkes »Los Ingeniös y Maquinas« auf-
nahm ....
„Juanelo sah ohne Zweifel ein, welche Schwierigkeiten und grosse Kosten
-es verursachen würde, die Röhren und Pumpen zum Heben des AVassers bis zum
Alcäzar aus Bronze zu giessen, und seine Entschliessung musste nicht nur durch
<las Missgeschick der Deutschen im Jahre 1526, wovon die »Apuntes del Monasterio«
erzählen, beeinflusst werden, sondern wohl auch durch die Erwägung, dass eine Pumpe
imd Rohrleitung, so gewagt ihre Konstruktion auch sein mochte, doch nicht die Ge-
legenheit bieten könne, seinen Geist und seine Geschicklichkeit so zu zeigen, wie es
mit den Gefässen und Röhren der Fall sein würde, wobei er, wie »El Pelegrino«
sagt, nur Wenige das bewegende Wasserrad mid die Zahnräder sehen liess, wodurch
die abgemessenen Bewegungen und Pausen hervorgebracht wurden, die die Bewunde-
rung seiner Zeitgenossen so sehr erregten ....
In Paris, London und anderen grossen Städten Europas waren, als Juaselo
seine »Kunst« aufstellte, Maschinen zum Wasserheben noch nicht im Gebrauche,
und berühmte Wasserwerke, wie die von Augsburg und von Bremen, wodurch das
Wasser sich auf nicht mehr als vierzig Meter Höhe hob, sind aus späterer Zeit, als
•die Maschine von Toledo."
25*
388 Joanelo Turriano.
Bezüglich der „Augsburger Maschine'' müssen wir auf das hinweisen,
was wir in unserer Abhandlung über Cardanus S. 179 gesagt haben. Da-
nach hatte Augsburg schon seit 1412 eine Maschine für Wasserversorgong,
und die berühmte, aus übereinander angeordneten Archimedischen Schnecken
und Reservoirs bestehende „Augsburger Maschine'^ die auch Juanelo in seinem
handschriftlichen Werke abgebildet hat, war um 1640, also vor Juanelo's
„Kunst'' gebaut worden. Aber richtig ist, dass die Maschine für die in Toledo
gegebenen Verhältnisse nicht geeignet gewesen wäre. Unser Autor fahrt fort :
„ . . . . Juanelo hat sich schon dadurch, dass es ihm gelang, das Wasser
bis zum Alcdzar zu heben, des Lobes seiner Zeitgenossen werth gemacht .... Er
wusste ausserdem seinem Werke einen gewissen Schein des Wunderbaren und ge-
wissermassen Uebematürlichen zu geben, wodurch es ihm gelang, eine Gesellschaft
zu fesseln, die für diese Art von Schauspielen eine Vorliebe hatte tmd sich nicht
darum kümmerte, ob es wenig oder viel Wasser war, was gehoben wurde, wofern
es nur durch verborgene Künste gehoben wurde, die ausserhalb ihres Bereiches lagen,
aber ihren Enthusiasmus erregten und der Bewunderung würdig waren .... Und
indem ich mich in Gedanken in jene Zeit versetze, zögere ich nicht zu erklären,
dass dieser berühmte Ingenieur - die geeignetste und passendste Maschine adoptirte,
um das zu jener Zeit sehr schwierige Problem zu lösen, Wasser des Tajo bis zum
Alcdzar zu heben."
Mit dieser Beurtheilung sind wir im allgemeinen einverstanden, aber die
Andeutung, als habe Juanelo es darauf abgesehen, seiner Maschine den Schein
des Wanderbaren zu geben, halten wir nicht für gerechtfertigt. Don Luis de
LA EscosuRA sagt selbst in einer Stelle, die wir noch nicht angeführt haben,
dass Juanelo und Ramelli, die beide aus der Gegend von Mailand waren, wo
Leonardo da Vinci gelehrt hatte, Zeichnungen oder irgend eine ausgeführte
Maschine in Italien gesehen haben dürften, wovon sie beide die Idee von der
Wasserkunst genommen und Jeder sie in seiner Weise ausgearbeitet hätte.
Und wir glauben gezeigt zu haben, dass sich einfach aus sachgemässer Be-
handlung der Aufgabe ein Apparat ergiebt, von dem wir annehmen dürfen,
dass er dem Juanelo's entspricht. Dass dieser seine Konstruktion nicht jedem
zeigen mochte, ist aus praktischen Gründen sehr erklärlich; die Annahme da-
gegen, dass es ihm dabei nur um die Bewunderung seiner Zeitgenossen zu
thun gewesen sei, erscheint uns willkürlich. Unter der Ueberschrift : „Von
anderen Werken und Arbeiten, die dem Juanelo aufgetragen
waren", theilt unser Autor noch Folgendes mit:
„Die Tradition erzählt, Juanelo habe im Sinne gehabt, zu Aranjuez über
dem Tajo einen prächtigen Palast für den König zu bauen, und habe beabsichtigt,
ihn auf grosse Pfeiler von Granit zu stellen, die die Bevölkerung noch heute die
„Pfosten des Juanelo" nennt. Man stellte vier davon in den Steinbrüchen von
Sonseca her, wo sich noch einer befindet, während man die übrigen drei auf dem
Wege liegen liess. Man sieht sie noch in der Nähe von Nambroca, etwa elf Kilo-
meter von Toledo entfernt. Jemand der sie gesehen hat, versicherte mir, dass sie
vierzig und einige Meter hätten*), genügend, um bei dem höchsten Wasserstande
des Tajo noch einen Theil unbedeckt zu lassen.
*) Dies ist kaum glaublich, da der grössto altilgyptischo Obelisk ohne Postament nur
82 m hoch ist.
Andere Werke desselben. Spfitere Wasserversorgung Toledos. 389
Im Jahre 1571 wurde Juanelo durch Befehl des Königs beauftragt, die
Richtung des Kanals von Colemar, zu prüfen, dessen Ausführung Juan . Franciboo
SiTON leitete. Sowohl Juanelo als Benito Morales meinten, er gehe fehl . . . .
Am 26. Januar 1580 benachrichtigte der Abt Biseno den König brieflich,
dass Se. Heiligkeit den Kalender mit möglichst geringen Abänderungen reformirt
haben wolle, sobald die Instrumente und Tabellen, die Juanelo darüber ausgearbeitet
habe, ankämen. (In dem Archiv von Simancas, Staat Rom, Aktenheft 934 und 938) ....
Das Ei des Juanelo. Bei irgend einer Gelegenheit, die ich nicht näher
kenne, brachte es Juanelo dahin, dass ein Ei auf einem Tische stehen blieb, indem
er es so aufschlug, dass nur die Spitze zerbrach und sich eine genügende Grund-
fläche bildete, um es im Gleichgewicht zu halten. So sagt Calderon (geb. 1600,
gest. 1681) im »zweiten Tage« seines Lustspieles »La Dama Duende«: Angela:
»Doch weisst Du — von dem Ei des Juanelo, — das so viele grosse Geister —
lang' vergeblich sich bemühten, — aufzustellen. Und Juanelo — kommt hinzu.
Mit leichtem Schlage — stellt er gleich es auf die Spitze. — Grosse Schwierigkeiten
sind es — nur so lang* wir sie nicht kennen; — was man weiss, ist immer leicht.«
Die Aufgabe, ein Ei auf die Spitze zu stellen, indem man sie zerbricht, hat
zwar sehr geringe Bedeutung und etwas Vulgäres, aber da aus der Begebenheit ein
Sprichwort hervorgegangen ist, das den Namen des Erbauers der »Kunst« trägt,
und es Leute giebt, die behaupten, dass Columbus der Erfinder dieses knaben-
haften Räthsels gewesen sei, habe ich geglaubt, dass das Gesagte am Platze sei und
es nicht auffallend erschemen dürfte, wenn hier einige Erklärungen über diesen Streit
gegeben werden, worüber, soweit er Columbus betrifft, Don Maktin FernÄndez de
Navarete in seiner »Coleccion de los Viajes y Descubrimientos« (Madrid 1825,
t n, pag. 141 der Einleitung) ausführlich berichtet und massgebende Erläute-
rungen giebt
Bossi, der das Leben des Columbus in italienischer Sprache beschrieben hat,
liess sich durch einen Kupferstich von Bray, der 1570 in Frankfurt lebte, zu der
Erzählung verleiten, dass unter den Festen, womit die Grossen des Hofes den Ent-
decker der neuen Welt feierten, als er von seiner ersten Reise zurückgekommen war,
ein Banquet des Kardinals Mendoza gewesen sei. Während der Mahlzeit habe einer
der Grossen behauptet, wenn Columbus Amerika nicht entdeckt hätte, so wären in
Spanien genug Leute von Talent und Geschicklichkeit, um dasselbe Unternehmen
auszuführen. Darauf habe Columbus ein Ei genommen und gefragt, ob einer der
Anwesenden machen könne, dass es ohne irgend eine Unterstützung aufrecht stehen
bliebe. Niemand habe es vermocht, und Columbus habe durch einen Schlag, wo-
durch er eines der Enden des Eies abgeplattet habe, erreicht, dass es auf dem Tische
stehen geblieben sei. Seüor Fernandez de Navarete, der diese Erzählung als eine
abgeschmackte und unwahrscheinliche Fabel bezeichnet, beweist, dass sie keinen
Grund hat, da weder die Geschichtsschreiber des Columbus von einem derartigen
Gastmahle oder Ereigniss sprechen, noch diejenigen, welche über Westindien, noch
die, die über Kardinal Mendoza geschrieben haben."
Unter der Ueberschrif t : Von den Werken und Projekten zur
Wasserversorgung Toledos zur Zeit nach der Aufgabe der
„Kunst" berichtet unser Autor:
„Im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts beabsichtigte eine englische Ge-
sellschaft, Wasser vom Tajo mit eisernen Pumpen zu heben. Aber wenn sie auch
Röhren von quadratischem Querschnitte herbeigeschafft hat, wovon man später einige
in den Spazienvegen der Stadt benutzte, andere am Flussufer, etwa an der Stelle,
von der die »Wasserkunst« ausgegangen war, liegen liess, so konnte das Werk
doch nicht vollendet werden. Man kennt indess die Ursachen nicht, die Toledo damals
der grossen Wohlthat beraubten, die man sich von dem Vorhaben versprochen hatte.
390 Jaanelo Tam'ano.
Seitdem haben Bich viele Projektemacher angeboten, die verlangten, dass ihnen
ihre meiet sehr hohen Remunerationen bezahlt würden, ehe sie noch zu einem defi-
nitiven Studium der Projekte übergegangen waren. Allein dies hätte weder zu einem
praktischen Resultate für die Einwohnerschaft führen können, noch erlaubten die
Verwaltungsgesetze der Rathsversanimlung, unter solchen Bedingungen Vertrage ab-
zuschliessen.
Im Jahre 1861 verhandelte man von Neuem über das Heben von Wasser
nach der Stadt Damals war Don Rodrigo Aleore Vorsitzender des Rathes. Er
war eifrig um die Wohlfahrt der Bevölkerung, deren Interesse er zu vertreten hatte,
bemüht und, mit Talent und energischem Charakter begabt, nahm er sich vor, die
nöthigen Schritte zur Ausführung eines so wichtigen Werkes zu thun. Es gelang
ihm, seine Begeisterung für die Sache den meisten Rathsmitgliedem und Beisteuern-
den mitzutheilen, so dass Alle sein Vorhaben unterstützten. Dieses lief darauf hinaus,
das Wasser der Quelle »del Cardenal«, die etwa 4^" von der Stadt entfernt auf
dem Weideplatze von Pozuela gelegen ist, nach dem höchsten Punkte der Häuser-
masse zu leiten und Wasser aus dem Tajo vermittelst einer geeigneten Maschine
nach dem Alcdzar zu heben. Ersteres sollte als Trinkwasser dienen, letzteres zu
industriellen und ähnlichen Zwecken .... Er schaffte die Mittel zur Ausführung
der Arbeiten herbei und beauftragte mich mit dem Studium der beiden Projekte.
Meine Denkschriften, Pläne und Voranschläge wurden in der Sitzung vom 30. Juni 1861
gebilligt und die Leitung der Quelle »del Cardenal« am 15. März 1863 vollendet ....
Ein Reservoir und drei Brunnen mit sieben Röhren besorgen die Vertheilung des
Wassers .... Die Wasserförderung aus dem Tajo kam damals nicht zur Aus-
führung. Politische Ereignisse gaben Veranlassung, dass Don Rodrigo Alegre
aus dem Stadtrathe ausschied, und der neue Alcalde verzichtete auf mein Projekt,
das darin bestand, eine Dampfmaschine über dem Niveau, das der Fluss beim
höchsten Wasserstande erreichte, aufzustellen, um die Pumpen zu bewegen, die das
Wasser aus dem Tajo heben sollten. Er begründete seine Entscheidung mit den
Kosten des Brennmaterials und dem Gehalte für einen Maschinen wäiter. Ein durch
den Tajo getriebenes Wasserrad schien ihm ökonomischer, rationeller und mehr der
Tradition über die »Kunst« entsprechend, ohne dass ihn der Misserfolg der Deutschen
abgeschreckt hätte.
Die Wünsche des neuen Würdenträgers venvirklichten sich im Jahre 1869.
Eine Turbine, die seitdem Wasser aus dem Tajo bis zu dem höchsten Punkte der
Stadt hebt, löst die Aufgabe ohne Dampfmaschine. In den Sommern pflegen Repa-
raturen nothwendig zu werden, um Beschädigungen auszubessern, die durch die An-
schwellungen des Flusses veranlasst werden. Und in einigen Sommern, in denen die
Trockenheit anhielt, konnte man nur wenige Stunden des Tages arbeiten.
Die Einwohnerschaft wünscht heute im Rückblicke auf die Römer die Her-
stellung eines Aquäduktes (soll wohl heissen einer Rohrleitung?), um die Wasser
von Castaöar nach Toledo zu leiten, und nur die grossen Kosten dieser Anlage
werden die Ausführung des Projektes verzögern können."
Don Luis de la Escosura geht nun zur Betrachtung der hölzernen Brücke
über, die Jüuus Caesar über den Rhein schlug. Da jedoch über diesen Gegen-
stand schon viel geschrieben worden ist und die Bedeutung unklarer Stellen
in Caesar's Beschreibung wohl immer zweifelhaft bleiben wird, wollen wir
schliessen.
Heinrich Zeising (gest. 1613).
Zu den in Deutschland bekanntesten alten Werken über Maschinenbau
gehört das in den Jahren 1612 bis 1614 in klein Quartformat erschienene
i^Tbeatrum Machinarum etc. durch Henricum Zeisl\gk, der Architektur Stu-
diosum, in Verlegung Henning Grossen des jüngeren, Buchhändler inLeipzigk^;
doch kann es dem grössten Theile seines Inhaltes nach nicht als Originalwerk
gelten.
lieber den Autor ist nichts Näheres bekannt; nur geht aus der vom
1. September 1613 datirten Vorrede zum zweiten Theile des Werkes hervor,
dass er vor dessen Vollendung starb. Die Herausgabe des dritten Theiles
scheint von dem Verleger allein besorgt worden zu sein, denn erst in der
Vorrede des vierten wird gesagt, dass dieser „Mehrestheils aus Italienischer
und Französischer Sprache durch Hieronimum Megiserum, churfürstlich säch-
sischen Historicum'' übersetzt sei.
Was Zeising zur Herausgabe seines Buches bewog, ersieht man aus der
Vorrede an den Leser, wovon wir folgende Stellen hervorheben*):
„ Nicht ohne grosse Mühe und Arbeit kann es geschehen, wenn man
die Maschinen, welche von scharfsinnigen Leuten erfunden worden sind, aus den
von ihnen und Anderen hinterlassenen Schriften zusammenbringen
und aus vielen ein Buch machen will "
„ Damit auch dem geneigten und kunstliebenden Leser nicht irgend
etwas Fremdes und Unbekanntes begegnen möge, was ihn an dem richtigen Ver-
standniss der Maschinen verhindern könnte, ist zuvörderst in diesem Theatrum, gleichsam
als Einleitung, das Büchlein „Vom rechten Grund und Verstand Waag und Gewichts",
das vor dieser Zeit von dem hochgelehrten und berühmten Mathematico und Medico
D. GüALTHERO Herminio Rivio in deutscher Sprache in den Druck gegeben worden
ist, abgedruckt
Es werden auch vielerlei künstliche Mühlwerke, Schrauben und sonstige
Inventiones und vortheilhafte Bewegungen in den künftigen Theilen gefunden werden.
Diese und noch andere nützliche Dinge, bin ich gesonnen, in kurzer Zeit auch zu
publiciren und hoffe zuversichtlich, es werde dem kunstliebenden Leser ein Gefallen
damit geschehen, zumal die Autores, so von diesen Dingen geschrieben
*) Schwer verständliche veraltete Worte und Redewendungen erlauben wir uns durcli
moderne zu ersetzen.
3d2 Heinrich Zeising.
haben, in deutscher Sprache nicht wohl zu bekommen auch meisten-
theils in grossem Format gedruckt und sehr theuer sind; dieses Theatnim
aber in bequemer Form und mit geringen Kosten zu erzeugen ist"
Aus der Vorrede an Bürgermeister und Rath der Stadt Leipzig wollen wir
noch folgende kulturhistorisch nicht uninteressante Stelle erwähnen:
„ . . . . deshalb habe ich mich keine Arbeit noch Fleiss verdriessen lassen,
dieses löbliche Werk mit Roiss(»n und Kupferstechen zu fördern, fümehmlich weil ich
gesehen, dass diese nützliche Kunst des Kupferstechens und Drückens vor dieser
Zeit all hier in Leipzig noch fast fremd und unbekannt war, und ich es für unbillig
erachtete, dass diese löbliche Stadt dieser Kunst noch länger ermangeln sollte . . . ."*)
In der Unterschrift dieser Vorrede ist der Name Zeising ohne k am
Ende geschrieben und wir haben diese Schreibweise beibehalten.
Dem angegebenen Zwecke entsprechend sind bei weitem die meisten der
in Zeising's „Theatnim" enthaltenen Kupferstiche verkleinerte Kopien aus
Werken älterer Autoren, oder nach Angaben solcher entworfene Zeichnungen;
nur voa 36 unter den 128 Kupfern können wir dies nicht nachweisen und
lassen sie als Originale gelten.
Der erste Theil enthält 25 Tafeln. Davon sind die Nummern 1, 2, 3
dem Werke des Gualtherus Rivius entnommen, die Nummern 8, 9, 10, 13,
15, 17, 21, 22 von Ressons Tafeln: 21, 33, 30, 35, 31, 15, 38, 53 (vergL
S. 186 — 205). Nach Vitruv's Angaben sind 11, 12 und 14 entworfen und
nach denen des Cardanus die Nummern 20, 23, 24 und 25. Für Originale
können 4, 5, 6, 7, 16, 18 und 19 gelten.
Der zweite Iheil enthält ebenfalls 25 Abbildungen. Davon zeigt die
erste ein nach Vitruv's Angaben konstruirtes Nivellirinstrument (Chorobat,
S. 38). Die Nummern 2 und 12 bis 18 einschliesslich sind kopirt von Zonga^s
Seiten Gl, 100, 103, 105, 107, 110, 112, 114 (vergl. S. 293—317), die Nummern
6 bis 10 von Besson's Tafeln 47 bis 50 und 44. Für Originale können gelten:
3, 4, 5, 11, 19 und 20 bis 25.
Von den 26 Tafeln des dritten Theils sind die Nummern 1, 2, 3, 5,
8, 10 bis 14 und 16 kopirt von Ramelli's Tafeln: 128, 127, 123, 124, 132,
114, 115, 116, 135, 134, 136 (vergl. S. 206—234), die Nummern 6, 7, 18, 21,
22, 23 von Zonca's Seiten: 25, 89, 43, 83, 85, 94, die Nummern 9 und 15 von
Besson's Tafeln 28 und 13. Für Originale können gelten: 4, 17, 19, 20,
24 bis 26.
Der vierte Theil enthält 28 Tafebi. Davon sind die Nummern 1 bis
4, 6, 7, 27, 28 kopirt von Zonca's Seiten : 45, 47, 50, 64, 76, 96, 1 und 3,
die Nummern 8 bis 11 von Besson's Tafeln: 7, 8, 9, 59, die Nummern 12 bis
26 von Ramelli's Tafeln: 169, 170, 168, 173 bis 183 und 189. Nummer 5
zeigt eine Buchdruckerei, ähnlich der von Zonca abgebildeten.
*) Schon hundert Jahre früher blühte die Kupferstecherkunst in Nürnberg.
ZnsammcDsetzung seiDes Werkes. Kleine Uehrlein. Segelwagen. 393
Der fünfte Theil enthält 24 Tafeln. Davon sind die Nummern 1, 2,
3, 13 bis 21 kopirt von Ramelli's Tafeln: 185, 184, 187, 88, 85, 86, 79, 76,
64, 73, 9 und 95, Nummer 11 von Besson's Tafel 19. Die übrigen Nummern,
nämlich 4 bis 10, 12 und 22 bis 24, mögen Originale sein, zeigen aber nur
hydraulische und pneumatische Spielereien, ähnlich denen, welche man bei
Hero von Alexandria findet.
In der Einleitung zum ersten Theile giebt Zeising zunächst die Definition
des Begriffes „Maschine" nach Vitruv wieder und spricht nach Aristoteles
von der „wunderbaren Natur" des Kreises. Dann theilt er die Maschinen
nach den sie bewegenden Kräften ein.
Die erste Klasse bilden die sich selbst bewegenden (d. h. die durch eine
gespannte Feder bewegten) Maschinen. Darunter werden genannt:
„kleine schlagende, die Stunden zeigende und weckende Uehrlein, welche
auch etliche der Planeten Lauf weisen, so jetziger Zeit mit grossem Fleiss und Sub-
tilität in Deutschland gemacht werden. Da es auch so hoch mit dieser Kunst gebracht
worden, dass man dieselben' auch aufs allerfleissigste und subülste in einem Daumen-
ring gemacht, bekommen kami."
J. H. M. Poppe sagt in seiner „Geschichte der Technologie", Göttingen
1810, Bd. II, § 247, wo er von Taschenuhren spricht:
„Gleich nach der Erfindung dieser Maschinen wurde es für etwas Vorzügliches
gehalten, sehr kleine Uhren zu haben, z. B. in Knöpfen, an Halsketten etc. So
vermachte der Erzbischof Parker in seinem Testament vom 5. April 1575 seinen
Stock, in dessen Knopf eine Uhr war, seinem Bruder Richard (Sommer's Canter-
bur}'. Supplement Nr. 14. p. 36). Diese Liebhaberei erhielt sich bis ins siebzehnte
Jahrhundert Besonders waren im siebzehnten Jahrhundert die Halsuhren, welche
man vermittelst einer feinen kostbaren Kette um den Hals hängte, sehr beliebt.
PA^'CIR0LLU3 (renim memorabilimn etc. P. I. Francof. 1660. Tit. X. p. 168) und
Fludd (utriusque Cosmi .... Historia. Oppenh. 1618. cap. 4) sprechen von den
Hals- und Binguhren als von etwas sehr schätzbarem."
Unter den Maschinen, die vom Winde getrieben werden, sind angeführt:
„die grossen Lastwägen, welche durch Aufspannung der Segel
von den Winden auf trockenem Lande in geschwinder Eil fortge-
trieben werden. Diese sind zu unserer Zeit in den Niederlanden von dem vor-
trefflichen Mathematico Simon Stevixo erfunden worden."
Im „Buch von der Weltpost" von Veredarius (Pseudonym des General-
postdirektors Heinrich Stephan), dritte Auflage, Berlin 1894, S. 95 wird über
diese Segelwagen gesagt:
„ . . . . Besonders liegen aus dem siebzehnten Jahrhundert Nachrichten über die
Benutzung von Segel wagen vor; auch sind einige Abbildungen aus jener Zeit vor-
handen, die über die Bauart und die Benutzung dieser Fuhrwerke Aufschluss geben.
Unsere Abbildung nach einem alten Kupferstiche stellt „den Segelwagen von Scheve-
LiNG" vor. Bischof Wilkins schreibt über diese Art von Verkehrsmitteln in seiner
„Mathematical Magic", London 1648, Folgendes: „Die auf Segel wirkende Kraft des
Windes kann auch zum Forttreiben eines Wagens benutzt werden, sodass man auf
diese Weise ebensogut zu Lande segeln kann, wie mit einem Schiffe auf dem Wasser.
Solche Wagen sind seit undenklichen Zeiten auf den Ebenen von China, sowie in
Spanien im Gebrauche; ihren grössten Erfolg aber haben sie in Holland erzielt, wo
sie die Geschwindigkeit der schnellsten Schiffe weit übertreffen. Dort sind mit diesen
3d4 Heinrich Zeising.
Wagen in wenigen Stunden 6 bis 10 Personen auf Entfernungen bis zu 20 — 30
holläudischen Meilen befördert worden, wobei der am Stern sitzende Steuermann dem
Fahrzeuge mit Leichtigkeit jede beliebige Richtung geben konnte." — Femer sind
Abbildungen eines ähnlichen Segelwagens vorhanden (eine solche befindet sich im
Berliner Postmuseum), welchen der Mathematiker Simon Stevdojs für den Grafen
Moritz von Nassau (1567 — 1625) erbaut haben soll"
Die Eingangs als Original bezeichneten Kupfer des ersten Theiles von
Zeising's „Theatrum" sind unbedeutend. Nr. 4 zeigt einen Hebel und eine
Schnellwaage. Nr. 5 zeigt, wie mit zwei langen Hebeln, die am Ende durch
einen darüber gestellten, mit Steinen gefüllten Kasten belastet werden, eine
Mauer umgeworfen werden kann, Nr. 6 wie man mit Hebeln einen Baumstamm
fortwälzt, Nr. 7 einen liegenden und einen stehenden Haspel einfachster Kon-
struktion, Nr. 16 eine Ramme einfachster Art, Nr. 18 und 19 eine liegende
und stehende Winde mit Schraube ohne Ende.
Im zweiten Theil zeigt Nr. 3 ein Schöpf rad für Handbetrieb, Nr. 4
ein Becherwerk mit Göpelbetrieb, Nr. 5 ein Schöpf- und Wasserrad.
Nr. 11 (Fig. 5G7) wird bezeichnet als:
„Eine gar schöne Machina, wie das Wasser mit Hilfe eines
Wasserrades mit drei Gestängen in einem Triangel (d.h. einer dreifach
gekröpften Axe, deren Kurbclanne um 120® g^^gen einander versetzt sind) auf einen
Thurm gehoben und von da durch den Fall in eine Stadt geführt
werden kann."
In der Beschreibung wird gesagt:
„ .... je stärker das Wasser, desto mehr Gestänge an dem Rade, mit welchem
das Wasser gepumpt wird, kann es regieren, sodass es anstatt des Triangels auch
mit einem Pentaculo oder fünfeckigen Werke (d. h. einer fünffach gekröpften Axe)
regiert werden kann. Hier wird es aber nur mit einem Triangel, der mit A be-
zeichnet ist, getrieben. Dieser nmss sehr stark sein, von Messing gegossen, sodass
sein Gewicht zum Wenigsten 7 Centner ist Und ob nun wohl das Rad vom wilden
und fliessenden Wasser getrieben wird, so hebt es doch das Wasser nicht aus dem
Flusse, sondern aus einem schönen hellen Quollbrunnen, aus dem die mit C be-
zeichnete Röhre heraufgeht in die liegende Röhre D, worauf drei Stockröhren (hölzerne
Röhren) Q, mit Eisenringen wohl verwahret, stehen. In diesen Stöcken aber stehen
starke messingene Stiefel P, worauf die f urfallenden Ventile ruhen. Die drei
Stöcke 0 aber über den messingenen Stiefeln, welche von Holz, unten und oben
mit starken eisernen Ringen verwahrt, sind, kann man herausnehmen, denn über
denselben sind die Pumpleder (Kolben). Wenn die Gestänge mit neuen Pumpledem
versehen (d. h. die Kolben neu geliedert) werden sollen, so macht man sie oben von
der Waage (dem Balancier H) los und lässt also die Stiefel herunter. Wann sie
neu geliedert sind, so schlägt man den Stock 0 wieder hinein und verwahrts mit den
Stützen jR und verdämmet (dichtet) es wohl mit alter Leinwand und Hadern ....
Die Röhren über den Stöcken 0 aber, welche mit S bezeichnet sind, sind von
Messing gegossen, inwendig ^U Elle weit Darin gehen die Ventile mit den Pump-
ledern (d. h. die Ventilkolben mit Lederdichtung). Auf diesen messingenen Röhren
stehen die hölzernen Röhren F, mit eisernen Ringen wohl verwahrt, dass sie das
Wasser nicht auseinander treiben kann, das wegen der Höhe ein grosses Grewicht
hat. Oben aus diesen Röhren fällt das Wasser in einen kupfernen Trog J", aus
dem es wieder in die Röhren K hinabfällt imd unter der Erde in die Stadt
leitet winl.**
FnmpweTke. 396
Diese Besclireibiuig ist hauptsScblicli deshalb schwer TerstäDdlich , weil
wir henttgen Tages unter dem „Stiefel" einer Pumpe die Röhre Tersteheo, in
der sich der Kolben bewegt, während hier die untere, das Säugventil tragende
R5hre so genannt wird; die darüber befindliche, ^U Elle weite Messingröhre
S aber, worin sich der Kolben bewegt, keinen besonderen Namen führt.
Wir haben versucht, in Fig. 568 die Konstruktion der Pampe nach
dieser Beschreibung darzustellen. Der messingene Pumpencylinder S ist an
dem hölzernen Steigrohre F befestigt. Das Mesaingrohr P, welches das Saug-
ventil trägt, lässt sich in der Holzröhre Q etwas auf und nieder schieben.
Das kurze hölzerne Rohrstnck 0 umschliesst das Saugventil und bildet daher
gewissermassen das Ventilgehäuse. Die Stützen oder Spreizen R drücken
39S
Heinricb Zeiüng.
einerseits die lose Flansche 2 (die in der Beschreibung nicht ervähnt ist)
nach unten gegen das Saugrohr Q, anderseits das Rohr P mit dem Ventil-
gehänse 0 nach oben gegen den Pumpencylinder iS' und pressen die Dichtungen
zwischen S, 0 und P, sowie zwischen T, Q und P zusammen. Werden diese
Spreizen entfernt, so sinkt das Messingrohr P etwas herab und das Ventil-
gehäuse 0 kann leicht herausgenommen werden. Löst man dann das Gestänge
vom Balancier und lässt es herab, so erscheint der Kolben in der Lücke
zwischen dem Saugventile und dem Gylinder imd kann frisch geliedert werden.
Eigenthümlich bei dieser Konstruktion ist das Fehlen jeglicher Schrauben-
verbindung.
Bei Fig. 567 ist noch darauf hinzuweisen, dass in der Detailzeichnung
in der Ecke rechts unten die dreifache Kurbel A mit einem vierten, der Kabe
konzentrischen Zapfen endigt, während dieser sammt dem zugehörigen Lager
in der Hanptzeichnung weggelassen ist, vermuthlich weil man befärchtete, das
Lager würde die dreifache Kurbel zu sehr verdecken.
Nr. 19 zeigt einen ans Heizrohren and metallenen Verbindungsstücken
zusammengesetzten Heber zur Entleerung eines erhöht gelegenen Teiches.
Nr. 20 (Fig. 569} ist überschrieben:
„Eine andere Machina, um durch ein Wasserrad das Wasser mit
einer Pumpen in einen Trog zu beben und dasselbige ferner mit einem
Druckwerk einen hohen Berg hinauf la bringen."
In der Beschreibung wird gesagt :
„ .... die hülzeraen Eöhren E müssen wohl mit eisernen Banden und Ringen
verwahrt sein, damit eis von dem AVasser, welches eine grosse Gewalt hat^ nicht zer-
trieben werden . . . ."
Da auch hier, wo es sich um die Förderung von Wasser auf einen hohen
Bei^ handelt, nur von hölzernen, mit Eiseuringen verstärkten Steigröhren
Feneispritzen.
907
gesprocbeii vird, ist anzunebmea, d&ss gasseiserne Wasserleitangsröhren zu
Anfang des mebzehnten JabrhnDderts noch unbekannt waren.
Nr. 21 zeigt eine WasserBchraal» [Ardiimedische Schnecke), deren Eon-
sirnktion von den Angaben Vrmuv's (vergL S. 60) nur dadnrcli abweicht, dass
dieSchranbeng&nge nicht durch anfeinandergenagelte und mit Theer verklebte,
gebogene Holzleistchen, sondern durch seitlich aneinander getilgte, sektoren-
förmige Brettchen gebildet werden. Diese sind in den Kern und in den Mantel
etwas eingelassen, letzterer mit eisernen Reifen gebunden and das Ganze
innerlich nnd äusserlich durch einen Pechüberzug gedichtet. Die eisernen
Zapfen laufen in Lagern mit messingenen Antifrikttonsrollen.
Nr, 22 bis 25 sind {abgesehen von der Zeichnung, die Baldo ton Urbing
nadi Hero^s Beschreibung entworfen hat} die ältesten .\bbildnngen von
Feuerspritzen, die wir kennen. Die Nummern 22, 23 und 24 sind in
unseren Figuren 570, 571, 572 und 573 wiedergegeben. Nr. 25 zeigt die
Anwendung einer solchen Spritze bei einem Brande.
Die Ueberschrift Zeising's lautet:
„Eine sch&ne neue lavention einer Machinae oder Feuerspritze,
welche in Feuersnoth sehr nützlich zu gebrauchen ist, also eins ihres
Gleichen zuvor noch nie erfunden gewesen ist,, denn jetzt kann man
trefflich grosse Rettung dadurch thun."
Und die Beschreibung hebt an:
„Es ist nicht genugsam zu loben und auszusprechen, was diese nachstehenden
Feuerspritzen für grossen Nutzen und Errettung in Feuersnöthen gethan haben, denn
ea können 5 oder 6 Personen, die eines Thells Wasser in die Spritze tragen, anderen
Theils die Spritze regieren und das Wasser in das Feuer spritzen, mehr ausrichten,
als etliche Hundert Mann sonst thun können."
In der Beschreibung zu der Detailzeichnung Nr. 24 (Fig. 573) wird gesagt :
„Man lasset zwo starke messingene Röhren (Cyllnder) Jessen, wie sie im
Kupferstiche mit A bezeichnet sind .... sie müssen, je nachdem man das Werk
aOB H«inricb Zeiaing.
stark haben will, 2 — 10 oder mehr Zoll weit sdn und müssen cptwa öne Elle
oder anderthalb Ellen hoch und iunendig gleich w«t und fäa g^tt angedreht srän,
auch unten einen starken Boden haben. Auch musa unten eine jede ein ziemlich
grosses rundes oder viereckiges Loch haben und inwendig auf jedem Loch ein Ventil B
darülKT. Solch Loch aber mag man entweder auf der Seite unten bei dem Boden,
oder unten im Boden machen, was bequemer und besser isL Denn die Pumpen
(-kolben), die inwendig sn die ^semen Stangen M gemacht und recht justirt sind,
müssen das Wasser durch diese Löcher ziehen, und es müssen die Röhren (C^Under)
in einem kupfernen Kessel stehen, wie er im Kupferstich Nr. 22 (Fig. B71) mit B,
oder in einer kupfernen Wonn^ wie sie im Kapferetich Nr. 23 (Fig. 672) ebenfalls
mit B bezeichnet ht, und also mit dem Kessel oder ntit Ihm in einem höbemen
starken Kasten stehend unten mit starken Schraubenbolzen und Schraubbanden von
Messing wohl angemacht und befestigt sein, damit sie feststehen .... Es mOssen
danach noch andere Robrlöcher, eines in jeder der genannten Röhien (der Cylinder)
sein, durch welche das eingezogene Wasser wieder herausgedrückt wird. Diese haben
Fig. 571
Rfihrlein, die nHoli oben gegen einander zuMnimcn gehen, wie sie im Kupferstich
Nr. 24 (Fig 673) mit C bczeiclinet sind, und oben an eines jeden Ende angesetzte
VenlJle. Diese Kölircn werden unten nn den Zwiesel (die gabelförmige Röhre) der
Spritze gesiossen .... Die eisernen Pumpcustangcn sind mit M Ix'zeichnet und
unten daran sind messingene Kolben L. Das ÖtKrtlieil der Fumpenkolben ist an
den Stangen unbeweglich, dos Unlcrtheil aber steckt man darauf, zwängt das Pump-
kder dazwi^^chen und schraubt die Stücke so mit einer Schraube N (d. i. eine Mutter)
zusammen. Die Putn|X'nstangGn sind aber oben in einen starken Qucrbnlken (Balancier)
1 eingemacht Dieser stoht auf einem starken Stock oder Quercisen F. Derselbe
ist auf dem Kasten querüber wohl befestigt, denn er muss die ganze Gewalt der
Bewegung anshalu-u. Er hat Löcher P, dtircli welche theils die Schrauben bolzen O,
die ihn nnd zugleich die grosse Rölire (den Cylinder) In dem Kasten befestigen, thräla
auch die Pumpensljmgen in die Pumpenröhren gehen. — Wenn nun das Wasser
durch die unbren V<!ntile in die Pumpenröhron gezogen ist, so wird es durch die
Arme oder kleinen Seilcnröhren C, die in die Höhe gerielifet sind, in den Zwiesel Z>
horaufgedrückt, wo es in einem Stock (Eohrsliicke) zusammenkommt und zu dem
oberen Ende der Zwieselröhrc getrieben wird. Auf diese ist oben ein Hut (Knierohr)
geateckL Dieser muas zwar geheb angesteckt sein, aber doch so, dass man ihn
Feaenpritzen. 3d9
herumdrehen kann, gleichwie die Theile eines Bierhahnes geheb in einander herum-
gedreht werden. Dieser Hut hat seinen Ausgang oder seine Mündung nach der Seite
hin, sodass er wie ein Winkelmaass geformt ist, und damit er nicht abfahre von dem
Halse der Röhre, daran ^ stecket, muss die Röhre um und um eine Kerbe haben
und durch den Hut (d. h. durch seine Wandung) müssen ein Paar Schraublein auf
beiden Seiten in die Kerbe geschraubt werden. Dieselben halten dann den Hut^
sodass er von der Gewalt des Wassers und beim Herumdrehen nicht weggetrieben
oder abgestossen wird. In die Mündung des Hutes wird das letzte Stück der Spritz-
röhre H gesteckt; doch ist es besser, dass das Mundloch des Hutes in die letzte
Spritzröhre H gesteckt und wohl gefügt werde. Und gleichwie man den Hut G auf
seiner Röhre D herumdrehen kann, so muss auch die Röhre H, worin die Schnautze
des Hutes geht, herumgedreht werden können. Dann kann man, wegen der Beweg-
lichkeit des Hutes, das Wasser in jedem Augenblicke hinlenken und spritzen, wohin
man will, wegen der Beweglichkeit des Spritzrohres H aber kann man das Spritz-
wasser in die Hohe oder Tiefe bringen, wie man will .... Es ist auch zu merken,
dass man in den Waagbalken (Balancier) i gegen beide Enden hin Querhölzer steckt
oder mit eisernen Bändern umfasst, auf dass 12 oder 14 Personen, je nachdem man
das Wasser mit Gewalt spritzen will, daran ziehen können; .... auch ist noch zu
merken, dass die letzte, mit H bezeichnete Röhre sehr lang sein muss, etwa drei
Ellen und nicht viel darunter, denn je länger sie ist, desto höher kann das Wasser
getrieben werden, gleichwie auch ein Blasrohr um so weiter trägt, je länger es ist . .
Und solche Spritzen mit allen ihren Theilen kann man entweder in einen Kessel,
der in einem dazu verfertigten Kasten auf einem Wagen steht, setzen, wie Nr. 22
(Fig. 571) zeigt, oder man kann sie in eine kupferne Wanne in einem starken Kasten
auf eine starke Schleife oder einen Schlitten setzen, wie im Kupferstich Nr. 23
(Fig. 572) zu sehen ist Auch kann man kleine Spritzen in der Art machen, dass
man die beiden Röhren (C}Tmder) auf ein starkes Messing- oder Kupferblech schraubt,
wie im Kupferstich Nr. 22 bei A (Fig. 570) dargestellt ist, dass man sie hernach in
ein Wasserfass setzen und daraus in die Zimmer, die Feuermauer, den Schornstein,
oder wohin es Noth thut, spritzen möge . . . ."
Am Schlüsse der speziellen Beschreibung der Kupfertafel Nr. 22 (Fig. 571)
ist bemerkt:
„Es muss auch der Kessel S oben einen löcherigen Messingdeckel haben, damit
nicht Unreines von Holz, Steinen oiler grobem Koth, sondern nur das Wasser in
die Spritzröhre kommt"
In der speziellen Beschreibung des Kupfers Nr. 23 (Fig. 572) findet sich
die Stelle:
„Allhier ist auch noch zu bemerken, dass unten aus der kupfernen Wanne
■eine mit I bezeichnete Röhre herausgeht, ferner das links unten abgebildete
Stück P*), welches ein hohler kupferner Kolben oder Knopf ist, in welchen viele
kleine Löcher gemacht sind. Dieser Kolben biegt sich mit seinem Halse (der in der
Abbildung nicht dargestellt ist) unter sich, wenn man ihn an die Röhre steckt, die
aus der Wanne herausgeht, und ist Solches an einer ausgeführten Spritze gemacht
worden, damit man auch das Wasser aus dem Gerinne auf der Gasse, welches man
mit einem Schutzbrette abgedämmt hat, von unten in die Pumpenröhren ziehen kann.
Aber diese ausgeführte Spritze hat unten im Kessel eine messingene Querröhre, worauf
die zwo grossen messingenen Pumpröhren (Cylinder) ruhen und das Wasser von unten
aus dem Kessel (oder aus dem Strassengerinne) in sich ziehen .... Man muss
auch einen Stöpsel gar fest vor denselben Kanal oder die Röhre I schlagen, wenn
man kein Wasser aus dem Geriime oder fliessenden Wasser hineinziehen lassen will."
*) Diese gesperrt gedruckten, nothwendigen Worte fehlen im Texte, wahrscheinlich
in Folge eines Versehens des Setzers.
400 Heinrich Zeising.
Aus alledem geht hervor, dass diese Feuerspritzen weder Windkessel
noch Spritzenschläuche hatten, und es ist daher nicht recht verständlich, was
unter der „neuen Invention^' gemeint ist, die Zeising so sehr rühmt
Bekanntlich sind Feuerspritzen ähnlicher Art von Hero dem Aelteren
von Alexandria, einem Schüler des Ctesibios, schon im zweiten Jahrhundert
vor Christi Geburt beschrieben worden (siehe S. 14).
„Aber zweifelhafter ist es (sagt Jon. Beckmann in seinen ,Beiträgen zur
Geschichte der Erfindungen', Leipzig 1799, Bd. IV, S. 431), ob deren Gebrauch
bald allgemein geworden sei, und ob schon das alte Rom diese vortheilhafte
Maschine gehabt habe. Pliniüs der Jüngere, welcher vom Jahre 111 n. Chr.
an Legat in Bythinien war, meldete dem Kaiser Trajan, dass die Stadt
Nikomedien grösstentheils abgebrannt sei und sagt (Epistel. 42, lib. 10):
„Der Brand hat sich weiter ausgebreitet, erstens durch die Heftigkeit der Windes
und dann wegen der Trägheit der Leute. Denn es steht fest, dass die Zuschauer
bei diesem grossen Unglücke müssig und unbeweglich blieben. Uebrigens war auch
nirgends in der Gemeinde eine Spritze (et alioqui nullus usquam in publice sipho),
nirgends ein Feucreimer und überhaupt kein Instrument zum Unterdrücken von
Branden, und zwar waren diese, wie ich schon angeordnet habe, in der Vorbereitung
begriffen."
„Unter diesen Löschgeräthschaften scheint sipho allerdings die Feuer-
spritze des Ctesibiüs gewesen zu sein, obgleich Einige darunter nur Wasser-
leitungen, Kanäle, Röhren zur Vertheilung des Wassers in der Stadt haben
verstehen wollen. Nun möchte ich nicht leugnen, dass das Wort auch solche
Röhren bedeutet hätte, zumal wegen einer Stelle des Strabo, wo er von den
unterirdischen Wasserleitungen zu Rom redet und sagt (lib. 5 ed Almel p. 360):
„Soviel Wasser wird durch den Aquaeduct in die Stadt geleitet, dass Ströme
durch die Stadt und die Kloaken fliessen und fast jedes Haus reichlich Cistemen,
Röhren (aiqxovag) und Kanäle haf
„Aber einen starken Beweis (fährt Jon. Beckmann fort), dass Puntcs
allerdings Feuerspritzen gemeint hat, kann ich aus einem gleichzeitigen Schrift-
steller beibringen. Nämlich Apollodor, der Baumeister, dessen Hülfe Kaiser
Trajan bei Erbauung der berühmten Donaubrücke und bei Aufführung einiger
grossen Werke in Rom brauchte, sagt in dem Ueberbleibsel seines Buches vott
Kriegswerkzeugen (Poliorcetica p. 32 in Veterum mathematic. opera):
„Wenn der obere Theil eines Grebäudes, zu dem der Aufstieg schwierig ist^
stark brennt und jenes Instrument, welches sipho genannt wird, nicht in der Nähe
ist, passt man nochmals durchbohrte Rohre, wie die der Vogeljäger*), an denjenigen
Stellen an, wo sie Wasser hinbringen sollen, und Schläuche voll Wasser, welche
zusammeng(»prerfst werden, werfen das Wasser nach der Stelle aus, die von Feuer
verzehrt wird."
*) Arundines rursos perforatae, cuiusmodl sunt aucapam, sind Schilf-, Bambas- oder
dergleichen gewachsene Rohre, die ausgebohrt wurden, um die Knoten aus der inneren
Höhlung zu entfernen und diese gleichmässig zu machen, und deren sich die Yogeljäger al»
Blasrohre bedienten.
Gebrauch von Feuerspritzen im Alterthum. 401
Wir erinnern daran, dass eine zusammengenähte Thierhant, d. i. der
Schlauch, die älteste Form des Blasbalges ist (vergl. Dr. Ludwig Beck, „Ge-
schichte des Eisens", Bd. I, S. 97 und 75), und dass der Balg auch eine der
ältesten Formen der Wasserpumpen ist (vergl. „Skizzen aus der Zeit der
Hussitenkriege", Fig. 348, S. 288).
„Dass man wenigstens im vierten Jahrhundert unter sipho eine eigent*
liehe Feuerspritze verstand (fährt Joh. Beckmann fort), beweist Hesyciiius völlig
sowie IsiDORUs*), der jedoch erst im Anfange des siebenten Jahrhunderts lebte."
Ersterer schrieb ein Lexikon, worin er sagt:
„Sipho ist ein Instrument, um Wasser nach den Branden hin zu werfen."
Letzterer sagt in seinem Werke „Origines s. Etimologiae" XX, 6:
„Sipho wird ein Gefäss (vas) genannt, welches Wasser durch Ausblasen aus-
giesst Solche gebrauchen nämlich die Orientalen. Denn wo sie merken, dass ein
Haus brennt, laufen sie mit Spritzen (cum siphonis) hinzu und löschen den Brand,
aber sie reinigen auch damit Altäre (oder Steindenkmäler, aras) durch das nach den
obersten Theilen hin ausgepresstc Wasser."
„Aus den Worten: ,solche gebrauchen die Orientalen' sollte man schliessen,
dass Feuerspritzen im Occident selbst im siebenten Jahrhundert noch nicht
gebräuchlich gewesen wären."
„Nur eine Stelle des Ulpianus**) pflegt man zum Beweise anzuführen,
dass man schon zu seiner Zeit in Kom Feuerspritzen gehabt habe. Da wo
er diejenigen Dinge nennt, welche zu einem Hause, das verkauft wird' gehören,
sagt er (Digest. XXXIH, 7, 18):
„Auch Essig (acetum), welcher wegen zu löschender Brände bereit gehalten
wird, sowie aus Lappen zusammengeflickte Decken (centones, womit man das Feuer
zu ersticken suchte), Spritzen (siphones), Stangen und Leitern, Matten, Schwämme
und Besen soll es enthalten, sagen die meisten und auch Pegasus."
„Auch Alexander ab Alexandro***), dessen ürtheil freilich nichts ent-
scheidet, hat dort S])ritzen verstanden, denn er sagt in seinem Werke ,Dies
geniales* V, 24, p. 342:
„Siphones nennt man mit Lederschläuchen (oder Bälgen, follibus) verbundene
Röhren oder hydraulische Maschinen, durch deren Bewegung sie Wasser nach den
oberen Theilen der Gebäude ausweripen, und welche auch pneumatische Maschinen
genannt werden."
Diese fistulae follibus junctae, sagt Joh. Beckmann, sind diejenigen Röhren,
welche schon Appollodor vorgeschlagen hat ; wir aber möchten dabei auch auf
die vorhin schon erwähnte Balgpumpe (Fig. 348, S. 288) hinweisen, welche
von Jacobus Marianus um 1440, also etwa 80 Jahre früher als Alessandro
Alessandri Obiges schrieb, von einem seiner Landsleute skizzirt wurde.
♦) Hesyciiius aus Alexaodria, Grammatiker des vierten oder sechsten Jahrhunderts
n. Chr. St. Isidorus Hispalensis wurde um 594 Bischof von Sevilla in Spanien und starb 636.
**) Berühmter römischer Rechtsgelehrter, geb. um 170 n. Chr. in Tyrus, um 228 als
Präfekt der Prätorianer von diesen ermordet.
***) Eigentlich Alessandro Alessandri, Advokat in Neapel, lebte von 1461 bis 1523.
Beck. 26
402 Heinrich Zeirnng.
Ueber die angeführte Stelle Ulpian's sagt Joe. Beckmann im G^ensatze
zu Denen, welche daraus entnehmen, dass man zu Anfang des dritten Jahr*
hunderts n. Chr. in Rom Feuerspritzen gehabt habe:
„Aber wenn dieses Wort (siphones) Spritzen bedeuten soll, so scheint
diese Stelle zuviel zu beweisen ; dann müsste man es als einen damals gewohn-
lichen Fall annehmen, dass einzelne Häuser eigene Spritzen gehabt hatten.
Das müssten denn doch nur kleine Handspritzen gewesen sein, dergleichen
auch hier manche Häuser haben, und die Stelle könnte wenigstens nicht als
ein Zeugniss von öffentlichen Spritzen, dergleichen Puntcs in Nikomedien ver-
misste, gedeutet werden. Allein viel wahrscheinlicher ist, dass Ulpian nur
diejenigen siphones gemeint hat, welche nach des Strabo Bericht fast jedes
Haus zu Rom hatte, das ist: Röhren, welche das Wasser zum häuslichen
Gebrauche hinführten".
Ohne diese Ansicht Becknann's bestreiten zu wollen, müssen wir doch
darauf hindeuten, dass diese Stelle an Inkonsequenz leidet. Vorher war nur
die Frage, ob der Gebrauch der von Hero beschriebenen Feuerspritzen
bald allgemein geworden sei und ob das alte Rom schon solche gehabt habe;
hier aber wird die „öffentliche Spritze" der „kleinen Haudspritze" g^enüber-
gestellt, und der Satz so gefasst, als ob es sich nur um die Frage handle, ob
das alte Rom „öffentliche Spritzen" gehabt habe, worunter ohne Zweifel grosse
fahrbare Spritzen verstanden werden sollen.
Hero erwähnt aber in seiner Beschreibung weder einen Wagen noch
einen Schlitten, und es ist daher anzunehmen, dass er keine fahrbare, sondern
eine tragbare Spritze gemeint hat, und daraus folgt, dass ihr Gewicht und
ihre Dimensionen nicht gross gewesen sein können. Zu der Annahme, dass
diese nicht öffentlichen Zwecken dienen könnten, ist kein Grund vorhanden.
Beckmann scheint der Ansicht gewesen zu sein, dass die kleinen Handspritzen
eine modernere Erfindung seien, weil zu seiner Zeit nur manche Häuser in
seiner Umgebung sie hatten. Naturgemässer dürfte aber die Annahme sein,
dass man zuerst kleine Spritzen baute und später zu grösseren überging, und
es ist zu berücksichtigen, dass die Häuserbesitzer im alten Rom in andern
Verhältnissen lebten als die deutschen des vorigen Jahrhunderts, und dass
bei diesen, gerade weil bessere öffentliche Spritzen vorhanden waren, ein so
grosses Bedürfniss zur Anschaffung eigener Handspritzen nicht bestand, wie
es im alten Rom der Fall gewesen sein dürfte. Der Grund, warum Beckmann
sich eine öffentliche Feuerspritze nur als eine grosse fahrbare denken konnte,
dürfte darin zu suchen sein, dass diese zu seiner Zeit mit Windkessel und
Spritzenschläuchen versehen waren, und er sich keine Vorstellung davon
machen konnte, von wie geringem Nutzen gerade die grossen fahrbaren Spritzen
waren, ehe sie diese Vervollkommnungen erfahren hatten. Will man hierüber
zu einer richtigen Vorstellung gelangen, so sollte man nicht versäumen, das
nachzulesen, was die Erfinder der Spritzenschläuche, Jan van der Heu» und
Wichtigkeit der Schläache nnd Windkessel an grossen Feuerspritzen. 403
Jan van der Heide der Jüngere, General-Brandmeister der Stadt Amsterdam,
in ihrem mit vielen ausserordentlich schönen Kupfern ausgestatteten Werke
in Grossfolio ;,Beschrijving der nieuwlijks uitgevonden en geoctrojeerde Slang-
Brand-Spuiten etc.^, Amsterdam 1690, über die alten fahrbaren Spritzen sagen,
die diese Verbesserung noch nicht hatten. Da heisst es zunächst in der Vor-
rede an Bürgermeister und Kath der Stadt Amsterdam:
„ • . . • Sie (die Verbesserungen) wurden auf Ew. Hoch wohlgeboren Befehl in's
Werk gesetzt und vorerst zur Probe an alten städtischen Feuerspritzen angebracht,
als im Jahre 1672 ••• . uns die Aufsicht über die alten Spritzen übertragen wurde,
weil diese damals, wie £w. Hochwohlgeboren mit Recht bemerkten,
mehr Kachtheil als Nutzen bei den Bränden brachten.*'
Das zweite Kapitel des ersten Theiles handelt ausführlich ^^von den
alten Spritzen^ und lautet:
„Dieses Instrument verhiess zuerst sehr viel. Es ist gross und ansehnlich, und
man kann damit das Wasser von der Strasse bis auf die Dächer der Häuser werfen
und es vermittelst des Spritzrohres, welches auf oder an der Spritze befestigt, aber
drehbar ist, nach allen Seiten hinsenden. Damit schien dem Mangel der Feuereimer,
welcher für den grössten gehalten wird, weil er am meisten in die Augen fällt^ ab-
geholfen zu sein, und man machte sich so grosse Erwartungen davon, dass sie in
sehr vielen Städten angewendet und auch in dieser Stadt bis zu ungefähr sechzig an
der Zahl angeschafft wurden. Aber diese Erfindung entsprach den darauf gesetzten
Erwartungen so schlecht imd ihre Wirkung bei Bränden war von so geringem Nutzen,
dass einer der ältesten Bürgermeister von Amsterdam, der damals genaue Beobach-
tungen über die Brände angestellt hatte, uns sagte, er habe klar herausgefunden, dass
sie bei dem Gebrauche von diesen Spritzen durchweg schwerer würden, als zuvor,
und dass man sie jetzt weniger oft löschen könne, ehe ein oder mehrere Häuser ver-
nichtet seien, als damals, als man sich noch mit Eimern allein behalf .... Der
Grund davon ist, dass die alten Spritzen, auf der Strasse stehend, das Wasser nicht
anders, als von unten gerade von sich weg gegen die Vordergiebelmauer*) und selbst
darüber hinaus, oder durch die Fenster und Glasscheiben, wenn sie offen waren,
nur kurz hinter die Giebelmauer spritzen konnten • . • . Die Strahlen
endigten oder prallten (an die Zimmerdecken) kurz hinter der Giebelmauer an, wo
sie herabfielen . • . • folglich konnten sie nur die Vorderseite der Brande, die in
den vorderen Zimmern entstanden, treffen, während sie die hinteren Theile dieser
Brände nicht erreichen konnten und diesen volle Freiheit liessen, sich nach hinten
und seitwärts auszudehnen. So wird die ganze Wirkung dieser Spritzen auf die Giebel-
mauer verwendet, und diese etwas länger stehend erhalten, obgleich sie für diese
Spritzen besser zuerst aus dem Wege geräumt würde. Und wenn sie bei solchen
Bränden, die in den vorderen Zimmern entstehen und die bequemsten und erreich-
barsten sind, offenbar keinen Vortheil gewähren können, so ist sicher, dass sie gegen
alle anderen, die in inneren Zimmern und in Hinterhäusern fern von der Strasse
entstehen, nichts in der Welt ausrichten können .... In allen diesen Fällen, die
bei weitem die häufigsten sind, weil die Küchen und anderen Rämne, worin das meiste
Holzwerk ist und am meisten mit Feuer und Licht imigegangen wird, gewöhnlich in
den hinteren Theilen der Häuser liegen, können diese Spritzen, weil dann der vordere
Theil des Hauses im Wege steht, nichts thun, bevor der Brand, indem er das Innere
durchgebrannt hat, schwerer geworden ist und, sich nach allen Seiten ausbreitend, bis
zur vorderen Giebelmauer durchgedrungen ist."
*) Za damaliger Zeit pflegte man bekanntlich die Häuser mit einer Giebelseite an die
Strasse zu stellen.
9fi*
4C4 Heinrich Zeiung.
Hat man in Amsterdam, nachdem man die Spritzen alter Konstruktion
in so grossen Dimensionen angeschafft hatte, dass sie gefahren und auf die
Strasse gestellt werden mussten, alsbald diese schlechten Erfahrungen gemacht,
so wird man sie wohl in Rom im gleichen Falle auch gemacht haben, zumal
die Häuser dort sehr hoch und die Strassen eng waren. Denn Seneca tadelte
dort (Controvers. 9, libri 2, pag. 153):
„Die Wohnhauser, welche man so sehr in die Höhe baut, dass die Wohnungen,
welche man zum Nutzen und Schutze errichtet, jetzt eine Gefahr und kein Schutx
sind. Die Höhe der Grebäude und die Enge der Strassen sind so gross, dass es
weder einen Schutz gegen Feuer noch nach irgend einer Seite hin einen Ausweg aus
den Ruinen giebt"
Deshalb ist anzunehmen, dass sich in alten Zeiten nur tragbare Spritzen
einbürgern konnten, und es scheint, dass solche nicht nur von Gemeinden^
sondern mehr noch von wohlhabenden Hausbesitzern zum Schutze einzelner
Häuser angeschafft wurden. Wohlhabend mussten die Hausbesitzer gewiss
sein, welche alle die von Ulpianus aufgezählten Dinge für den Fall eines
Brandes bereit halten sollten. Denn wer einen Brand mit Essig löschen will,
braucht viel davon, und wenn man ihn mit nassen Decken und Matten ersticken
will, müssen diese zahlreich oder so gross sein, wie die Segeltücber, die
Jan van der Heide in seinen Abbildimgen der früher üblichen Löschweisen
darstellt. Man sieht da oft das ganze Dach des brennenden Hauses mit einem
oder mehreren solcher Tücher bedeckt.
Wohl darf aber angenommen werden, dass man schon in alten Zeiten
hin und wieder auf den Bau grosser, nur auf Fuhrwerk transportabler Spritzen
verfiel, indem man sich von ihrem mächtigen Wasserstrahle grossen Nutzen
versprach.
Paul von Stetten berichtet in seiner ;,Kunst und Handwerksgeschichte
der Reichsstadt Augsburg^, die 1779 daselbst erschien, dass man in den Bau-
amtsrechnungen dieser Stadt zuerst im Jahre 1518 Feuerspritzen genannt
findet. Sie heissen dort ;,Instrumente zu Brünsten'' oder ;, Wasserspritzen zum
Feuer dienlich'' und wurden von einem Goldschmied, Axton Blatner zu Fried-
berg, der aber in dem genannten Jahre Bürger von Augsburg ward, verfertigt.
Aus dem Zusätze, dass die Räder und Stangen dazu von einem Rademacher
gemacht werden, und aus der Grösse der dafür angesetzten Ausgaben kann
man schliessen, dass es grosse fahrbare Spritzen gewesen sind. Aber vor
der Erfindung der Spritzenschläuche mussten praktische Versuche mit diesen
immer zu derselben Enttäuschimg führen, die Jan van der HEmE schildert, und
die Begeisterung, womit Zeising von solchen Spritzen als einer neuen Invention
spricht, beweist nur, dass frühere Versuche dieser Art zu seiner Zeit wieder
in Vergessenheit gerathen waren, oder dass doch unserem Autor die Kennt-
niss davon, sowie die praktische Erfahrung zur richtigen Beurtheilung derselben
abging.
Grosses hoTizontaleB Tretrad für Menschen.
405
Im dritten Tbeile seines Werkesdst auf der Kupfertafel Nr. 4 eine
Mühle mit zwei Mahlgängen, die vermittelst eines grossen
horizontalen Tretrades durch Menschenkraft betrieben wird,
abgebildet (Fig. 574). Ein kleines horizontales Tretrad für Menschen sahen
wir schon bei Agricola (siehe Fig. 144, S. 130); dieses aber erinnert durch
seine Grösse mehr an das schrägstehende, venezianische Tretrad für Ochsen-
betrieb, welches Zonoa beschreibt (siehe Fig. 358, S. 297).
Die Kupfertafel Nr. 16 zeigt, wie Eingangs erwähnt wurde, eine Kopie
der auf Rahelli's Taf. 136 abgebildeten Holzsägemtihle (siehe Fig. 277,
S, 233), Nr. 17, die durch unsere Fig. 575 wiedergegebene. Diese unter-
scheidet sich vortheilhaft von der vorhergehenden. Die Kurbel, welche das
Sägegatter bewegt, sitzt bei Rahelli auf der Wasserradwelle, hier aber auf
einer rascher gehenden Vorgelegewelle mit Schwungrad. Der Blockwagen,
der bei Bahexli wie eine grosse Schraubzwinge den zu schneidenden Block
einklemmt, bildet hier einen festen Rahmen, worauf der Block liegt und mit
einigen Eisenklammem befestigt wird. Bei Rahelli wird dieser Blockwagen
durch ein Seil bewegt, das mehrmals um die Welle des Schaltrades geschlungen
nnd dessen eines F,nde am hinteren, das andere am vorderen Ende des Block-
wagens befestigt ist; hier aber ist das Seil durch eine Kette ersetzt, deren
Enden auf Spannwalzen hinten und vom am Blockwagen befestigt sind. Die
Rückwärtsbewegung des letzteren muss bei Rahelli mit der Hand geschehen,
während hier ein aus- und einrückbares Rädervorgelege angebracht ist, ver-
mittelst dessen diese Rückwärtsbewegung durc^ das Wasserrad erfo^t.
ioe
Heinrich Z«isiiig>
Nr. 18 ist, wie Eingangs bemerkt, eine Kopie der Watkmfllilc, die
ZoscA auf Seite 18 seines Werkes darstellt {siehe Fig. 362, S. 299). Sie führt
bei Zeising die Ueberschrift :
„Eine Machina oder Rüstung, den Tuchmachern die Tuch zu walken, desgleichen
auch die gebleichten Schetter."
Nr. 19 unterscheidet sich hiervon nur dadurch, dass die Hebedaumen
der Walkbämmer nicht direkt auf der Wasserradwelle, sondern auf einer Vor-
gelegewelle sitzen, und dass diese anderer-
seits noch mit der Welle eines grossen
Schleifsteins durch Zahnräder verbunden
ist. Die Ueberschrift lautet;
„Eine andere Art und Manier einer
Walkmühle, darinnen die Weiaagerber ihrLeder
walken, mit dem Eischtrog (oder Liachtrog),
dabei auch ein Schleifstein hängt"
Nr. 20: „Eine Machina oder Oel-
m ü b 1 e , dadurch man allerhand Oel
schlagen kann, als Mandeln, Nuss, Lein
und Rübsaat" (Fig. 576).
Dies ist die älteste Abbildung
einer Keilpresse für Oelfabrikation. *)
Pressen dieser Art, welche man heute
noch in kleinen Oelmühlen findet, unter-
scheiden sich von der hier abgebildeten
nur dadurch, dass bei ihnen die Keile von
oben durch schwere Stempel hinein- oder
herausgetrieben werden, während dies hier
in horizontaler Richtung durch einen
schweren Holzhammer geschieht, der an
einer horizontalen Welle über der Presse
aufgehangen ist, und den man vermittelst
einer Stellvorrichtung bald auf die eine,
bald auf die andere der beiden in der
Oellade angebrachten Pressvorrichtungen wirken lassen kann. Die Beschreibung
Zeising's lautet:
„Es wird aber solche Mühle mit einem Waaserrade umgetneben, an dessen
Wellbaum du3 Kammrad S ist. Dieses ergreift mit seinen Zähnen das Stirnrad, in
dessen Wellbautn die Hörner (Hebedaumen) kreuzweise eingezapft sind, ja nach der
Zahl der Stempel, welche unten mit eisernen Küpfen beschlagen sind und ihrer
Schwere halber, wenn die Heber durch die Homer erreicht und die Stempel in die
Flg. m.
*) Eid« sehr primitiv koustrairt« Keilpresse zum Weinkeltern, die wohl Mch som
AnspreueD vod Oliven verwendet werden konate, zeigt allerdings schon ein in HercnUnom
aufgefandenes Gemülde. (Siehe Antony Ricn'a lllustrirtes Wörterbuch der ROmiaclMn
AlterthOmer, Artikel: torcular.)
SBgemDUeo, OelmfllileD, deuticbe and hoIUndiicIia.
407
Höhe gehoben Bind, sbacks unter sich Blossen In die auggehauenen Vena, die nnten
am Boden mit starken Eisen beschlagen eind. Darin stösset man die Materie daraos
man Oel haben will, klein. Biese wird nachmals in einem Kessd geröstet und also
warm swischen zwei haarenen Tüchern VZ in die Eonn BC gelegt und in den
dchenen Baum A gesteckt, in den man einen anderen viereckigen Klotz D von oben
herab einsenkt ond von hinten einen Keil E du^chstöss^ der vomen etwas schmäler
ist, als lünten. Danach steckt man den Keil F dazwischen und richtet den Schlegel
durch den Arm G, der Löcher hat, wie der Balken (Stiel), woran der Schlegel hängte
auf den Keil. So ergreifet das eine Hom (ein Hebedaumen) am Wellbaum das eine
Holz M an der Wand (welches in der Abbildung nicht sichtbar ist) und zieht solches
herab, und in solcher Bewegung ergreift das andere Hom (vermuthlich ein anderer
Hebelann, der mit dem Holze M auf einer Axe sass) auch das obere Holz (in dem
horizontalen Wellbaume), von dem der Strick nach dem unteren gehl^ und zieht es
nach, hebt den Schlegel sehr hoch und schnappt los. So schlägt der Schlegel den
K«l hinein und zwinget also das Oel mit grosser Macht heraus, welches unten durch
den grossen eichenen Baum A, der ein Loch bat, heraus in ein untergesetztes Ge-
schirr fliesst."
Geoaa dieselbe Einrichtung wird noch in Beyer's j,Tbeatrum Machinanim
Molamm oder Schauplatz der Mühlenbaukunst", Leipzig 1735, S. 81, als die
in Deutschland für Oeloiiihlen allgemein gebräuchliche ausführlicher beschrieben
und abgebildet. Auf S. S3 folgt dann die Beschreibung der ^Holländischen
Oehniihlen", die mit einem Kollergang und schwereren Stampfen die Oelsaat
zerkleinem nnd das erwärmte Mahlgut in Keilpressen auspressen, deren Keile
durch schwere Stempel von oben angetrieben werden. Wie wenig aber diese
Art von Oelmüblen im Jahre 1735 noch in Deutschland im Gebrauche waren,
4oe
Eeinricli Zeising.
geht ans der Einleitung und der Schlussbemerkung zu Beteh's Beschreibung
hervor, Erstere lautet;
„Nnchdem irir die Beschaffenheit hiesiger Oelmühlen deutlich abgehandelt haben,
wollen wir nun dem geneigten Leser auch ein Modell der Holländischen Invention
mittheilen und dabei zeigen, wie solche von Wasser ihre Bewegung erhaltea können,
während in Holland meist alle Maschinen vom Winde getrieben werden, hier zu
Lande aber auf denselben nicht viel zu bauen ist. Die Zeichnung t£t aus Pieter
Limperch's Moele-Boek genommen."
Am Schlüsse sagt Beveh:
„Und also würde man das Wasserrad noch einmal so breit erbauen müssen,
als es Tab. XXVIII (welche die vorhin beschriebene Einrichtung darstellt) ist und
auch doppelt so viel Wasser dazu nöthig haben. Es wäre demnach ja ebenso wohl-
getban, wenn man ein so weites Wasserrad mit dem dazu erforderlichen Wasser an-
logen wollte, wenn man an demselben zwei solche Stampfwerke anbrächte, wie wir
eines hei unserer Oclinüble dargestellt haben, und es wäre dann vielleicht ebensoviel
damit auszurichten, als mit einer Holländischen Oelmüble, wie wir denn in der That
hier lu Laude viele derselben mit doppeltem Zeuge gar nutzbar gebrauchen. Wir
lassen inzwischen die Holländische Oelmühle in ihrem Werth. Dass sie in Holland
gute Dienste thut, Ist gewiss; ob wir sie aber mit dem Trieb des Wassers (weil auf
die Kraft des Windes hier zu Lande nicht wie in Holland gebaut werden kann) so
gut nützen würden, ist nicht ausgemacht."
Zeising's Nr. 24 zeigt eine Schmiede, worin ein Paar Blasbälge und
ein Schwanzhammer durch ein Wasserrad und eine ziemlich koniplicirte Trans-
mission mit Zahnräderübersetzungen betrieben werden.
Nr. 25 zeigt eine Schleiferei mit Wasserradbetrieb, wovon in nnserer
Fig. bll die wesentlichen Theile wiedergegeben sind. Der Teit hierzu
ist hauptsächlich dadurch interessant, dass wir darin zum ersten Male
Riemen zur Uebertragung einer drehenden Bewegung erwähnt linden. Aus
der eigentlichen Beschreibung ist dies zwar nicht ersichtlich, denn darin
heisst es:
„An der anderen (d. h. der zweiten) Scheibe ist ein Rad F mit einer Holen
(Höhlung) ausgedreht, daran leit (liegt) eine Röhren G und treibet also das Rad H",
an dessen eiserner Ase drei kleine Rüder K stocken, welches man den Stechzeug
nennet, zu gar subtilen Dingen uud hohlen Rappier- und Dolchklingen."
Sebroiede. Sclileiferei. Betrietmiemen. Bao!idnid:erpreaM.
«»
DaDsch folgt aber noch eine „Erklärung der Stück", d. b. eine Erklärung
der in der Abbildung durch Bachstaben bezeichneten Theile, worunter aufge-
zählt werden.
Die gross te grobe Schelb E.
Die ander Scheib, daran der Riemen leit F.
Der Riemen G.
Daa Rad, das vom Riemen nunbgczogen wird H,
Dass der Theil G im eigentlichen Text „eine Röhre" genannt wird,
während in der „Erklärung der Stück" dafür immer „der Riemen'' steht,
könnte auf einem Druckfehler beruhen. Es könnte aber auch andeuten, dass
der Riemen nach einer Schraubenlinie zusammengedreht war, so dass er auch
als Rühre bezeichnet werden konnte. Diese Art des Ueberganges von dem
schon lange bekannten Schnurtrieb zum Riementrieb ist nicht unwahrscheinlich
und der Umstand, dass von der Riemenscheibe gesagt wird, sie sei mit einer
Holen (Höhlung) ausgedreht, scheint auch darauf hinzudeuten, dass man sich
den Querschnitt des Riemens rund vorzustellen habe. Aus der Abbildung ist
in dieser Beziehung nichts zu ersehen.
Nr. 26 ist überschrieben:
„Eine andere Art einer Machinae, dardurch die Waffen und
allerhand Werkzeug geschliffen wird, ist fast der vorhergehenden
zu vergleichen,"
Aus der Beschreibung führen wir folgende Stellen an:
„ . . . . dicweil aber die Steine täglich (d. h. den ganzen Tag) Wasser haben,
müssen, so ist eine Rinne über den Steinen angemacht^ darein von dem Wasserrad
410
datA sween SdkSfür ti^icfa ^ceam wird, wdAea Wasser djon mal c> Schle&tefDpe
filli . . . -
Diese Vonicbtimg sahen wir sdiofn bei Zosci abgebildet nzid beschrieben
(S. 299 n- Fig, 3*50;.
ZsisüfG flhrt aber hier fort:
„& wird axKh eb^nennaaäen c-rr kleine Zecg; danuif man heSL grhlwL diurrh
«inen Biemen wie der Siechieaz in der Poliermählen «die Tcoiln beschrieben wardst
Und in der .ErUänuur der Stäck^ findet man:
fjHA Bad, Aann man den Btenxn legt f.''
Ans dem Tierten nnd fünften Theile des uns rorliesenden Werkes
beben wir noch die Knpfertafel Nr. 5 des rierten Theiles herror. deren wesent-
liche Theile in unseren Figuren 573 nnd 5T9 wiedergegeben sind, weil
daraus deutlicher ab aus Zo^tCA's Abbildung einer Buchdruckerpresse
Tig. 365. S. 302;. zu ersehen ist. wie damals bei diesen Press^i die Pressplatte
nur durch Schnure an die Tierkantige Führungshulse gehängt war (Fig. 579;,
damit die Pressplatte nachgeben konnte, bis sie gleichmassig auf die Press-
flache druckte. Im Uebrigen Terweisen wir auf die Beschreibung Zoxca^s
(S. 302;.
k
Leonardo da Vinei (1452-1519).
(Dritte Abhaodlung: Codice atlaütico.)
Die Accademia dei Lincei zu Rom hat im Jahre 1894 begonnen, den
Codice atlantico, die grösste Sammlung LEONARDo'scher Handschriften und
Skizzen, unter dem Schutze und mit Unterstützung des Königs von Italien
und der italienischen Regierung in ähnlicher Weise zu veröffentlichen, wie
dies mit den im Institut de la France befindlichen Manuskripten Leonardo's
durch Ravaisson-Molien geschehen ist.
Man beabsichtigt, das ganze Werk in 35 Lieferungen herauszugeben,
wovon jährlich fünf erscheinen sollen. Wollten wir sämmtliche Maschinen
und Mechanismen, die im Godice atlantico enthalten sind, in einer Abhand-
lung behandeln, so könnten wir erst nach sieben Jahren damit beginnen. Wir
ziehen deshalb vor, uns zunächst auf die Besprechung der im verflossenen
Jahre erschienenen fünf Lieferungen zu beschränken und weitere Abhandlungen
folgen zu lassen, sobald wieder genügendes Material dazu vorliegt.
lieber die Entstehung und die Schicksale des Codice atlantico entnehmen
wir der Einleitung der Accademia dei Lincei Folgendes:
Leonardo, dem der König von Frankreich gestattet hatte, über sein Ver-
mögen frei zu verfügen, vermachte durch ein in Amboise aufgesetztes Testament vom
23. April 1518 alle seine Manuskripte, Listrumente und Gemälde, die er nach
Frankreich gebracht hatte, seinem Lieblingsschüler Francesco Melzi, der ihm dahin
gefolgt war.
Nach dem Tode Leonardo's, der am 2. Mai 1519 in Cloux erfolgte, brachte
Melzi die ererbten Gegenstände nach Italien in die Villa di Vaprio, wo er seinen
Meister oftmals bewirthet hatte. Fünfzig Jahre lang, bis zn seinem Tode, bewahrte
er diese theuren Andenken mit grösster Sorgfalt, aber als sie in den Besitz seiner
Erben gekommen waren, die, wie Giov. Ambrooio Mazzenta berichtet, ganz andere
Neigungen und Beschäftigungen hatten, waren sie den mannigfachsten Wechselfällen
ausgesetzt.
Einige Jahre nach Francesco Melzi's Tode kamen einem gewissen Lelio
Gavardi da Asola, Vorsteher von S. Zeno m Pavia, in seiner Eigensäiaft als Haus-
lehrer der Familie Melzi dreizehn Bände von Leonardo's Manuskripten und Zeich-
nungen in die Hände. Er missbrauchte das geringe Literesse der Melzi für die
Handschriften und brachte sie nach Florenz; wo er sie in der Hoffnung auf reichen
412 Leonardo da Vicci.
Gewinn ilom Grossherzog Fraxcesco, einem leidenschaftlichen Sammler Ton Kon^
l^^:^>n^tänden. anbieten wollte.
Durch den unenrarteten Tod dieses Fürsten wurde Gatabdi** Plan vereiielt,
und er begab sich nach Pisa zu seinem Verwandten AiDO Maxtzio, der dort die
Rechte studirte. Er hoffte, ihn bereit zu finden« die Manuskripte zu erwerben. Der
Zufall wollte, dass mit Maxuzio der Mailänder Giov. Ambrogio Mazzexta stndirte.
Dii^er, wie er selbst in einer Schrift über die damaligen Schicksale der Leo^abdo-
sehon Handschriften erzählt, hob Gavardls Bedenken wegen des unreditnoäsigen
Besitzes der Bände, indem er den Auftrag übernahm, s:e d^r Fanülie Mfizt zarück-
zubringen. sobald er nach Vollendung seiner Studien nach Mailand zurückgekehrt
sein würde. Aber Dr. Orazio Melzi, erstaunt über diese unerwanete Rückgabe,
glaubte dem Ueberbringer als Belohnung für seine Bemühung die Man*.iskr:pte schenken
zu sollen, indem er beifügte, es befänden sich noch viele Zeichnungen LEO^AKDO'ä
unter dem Dache der Villa di Vapn.-^, als ob er sie dem Mazzexta auch noch rar
Verfügung stellen wollte.
Xachdem sich die Kunde von diesem Geschenke uni dem g«=rin2'=:n Intesesse
der Melzi für die Andenken an Leoxardo verbreitet hane, eriielten, w>? Mazziz^a
sagt, noch viele Personen Zeichnungen, plastische und ar.a:o=::'-:he Mv-i-ellt: ui:i and-ere
kostbare Rehquien von Leonardo's Stu*iien.
Unter den Sammlern dieser Zeichnungen zeichnete sich Po3fPBO Lec-xi. <ier
bevorzugte Bil<ihauer des Königs Philipp IL von Sfdiniea, aus;, der in se-iuec:: FaLtsÄ
in Mailand eine werihvolle Kunstsammlung zusammengebracht ha::e- Er veranlasste
Melzi. die Rückzabe der dreizehn Bände, die dieser s»? leichrferdr vers-^he^ki baue,
voo Mazzenta rj verlangen, indem er ihm vorstellte, dass er Aemter cn i Wärosa
im Senate v:-n Mailand erlangen könnte, wenn er diese Bände dem KSniz* v:n
Spanien anbCie. D.ir?h s«?Iche Lockungen angefügt, brachte es Melzi durcii viel*«
Betten dahin, dass M \Z7Fxta ihm sieben Bände zurückgab, •!:•? walrs-rbeinli-h ^s:2rT
danach 6ein Lecxi ut^riassen wurden. Drei Bände von den 5e«-hsen. ci-e Mnxi
nSciLS zunickefiiirl:. -^-äl sie schon in das E^nthum der Briier Mazzesta über-
gegar.jyn waren, kennten später in die Hände Leoxi's gelangen.
Um seine Samml-ing LEO>~ABDO*schcr Manuskripte au^nralliger la n^^bssu
15es*s säch dieser beik :cin>en, «ii-e Originalhan-ischriften anseinan ier zu reissöu izi Bä^^-it
ifva sn^?«?efefc Fcmas daraus n bÜ*ien und aoch zr^aser? Zrärhrsr-gea Lsyys.kBX)o\
die er hier un-i da ggsaTirelt hatte« darin unterbringen n kl-cnec S> biliefir Leosi
ans Esehr denn ITw ZeiÄnungen Venen Band v:n 67 »rm H'.hr und 45 cni Brate,
oer w»^Ki seines Frcmaces un*l «ier Manni^talnzkeit -ler «lar^ enir.i.Le
nuniren oec Xam-rc „C.'il-.v atlan&.-o- d. hl AtlasfTfmize Han-isehr'f:. erhie-Ii,
Z:isa=:aaensjeII-.inz «ier vielen Zei^nun^en auf den 4*Ji F;lien des Rar.iesf ^escsak
cfcme V*de Ke«eL so •iass mziaDehmen Is:. Lrjujci hare •« ier WHüir ie* Bca^b-
binifrs "iberlassen- iüe^enl;^ An^x^inuni: zu aeffen. -Üe ''"'^ -üe S'.'ineilsse L*!«
LiT X'zfr%z*^ ^stinece, üe TrTrchie-ienen DIsirnsD:-en der Zfk^-rz^^n Ircz V:i
i-fs Rmirs annrassen. Es erra? s;«:h iabiri ile Ni-il-TTnil^kf*!':- rir Bl^ärser. CDt
iu: rnri'iT^n seilen ^:nr.r: :iiii Zri':iin:ir^n r-j^z^n. Y-r^--^ — ---^. -_z. ue Fcoea
.".es Bkinies zu s^.'iLnelie^ uni wiirscbriülcii r*l:ic üe W"_!V':* i-es Bii-JC-tin-ifirs 5*:sa
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'„^■v'ss -SC. ij.s> fr "• " T"*'il'fn 5v\iz.sc^fr£rf;iscLz.'irii seinrrr
Codice atlant., seine Entstehung and Schenkung an die Bibl. ambros« 413
deren Ueberfühnmg Bermudez in seinem „Dizzionario" bezeugt, auch seine Leonardo-
schen Zeichnungen nach Madrid brachte, denn Vincenzo Carducho berichtet in
seinen „Dialogos de la pintura", Madrid 1633, dass nach dem gegen 1610 erfolgten
Tode Leoni's, bei dem Verkaufe seiner Hinterlassenschaft, zwei Bände Leonardo-
scher Schriften und Zeichnungen von Don Juan da Espina erworben wurden. Davon
kam einer nach langen Verhandlungen in den Besitz des Königs von England. Es
ist der jetzt in Windsor befindliche von 236 Folien mit der goldenen Aufschrift:
„Disegni di Leonardo da Vinci, restaurati da Pompeo Leoni."
Der Codice atlantico dürfte von Madrid nach Italien zurückgebracht worden
.«ein, als Leoni gegen 1604 sich für kurze Zeit wieder in Mailand aufhielt, denn
nach seinem Tode fiel dieser Band „hereditario jure", wie P. P. Bosca in seinem
AVerke: „De origine et statu Bibl. ambros." sagt, an Cleodoro Calchi, der ihn dem
Grafen Galeazzo Arconati für 300 scudi verkaufte.
Aus der Art, wie Leoni den Codice atlantico Zusammensetzte, ersieht man, dass
den Schriften Leonardo's bis zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts keine besondere
Wichtigkeit beigelegt wurde. Es waren hauptsächlich seine Zeichnungen, die das
Interesse der Sammler erregten. Als aber der Codice atlantico mit anderen Leonardo-
schen Schriften einen Theil der Kunstsammlung des Arconati bildeten, begannen
sie die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich zu ziehen. Dies beweist die That-
sache, dass der Kardinal Francesco Barberini, der die von ihm in Rom gegründete
Bibliothek nicht mit Originalhandschriften Leonardo's bereichern konnte, weil sie
sich alle in Händen von Sammlern befanden, Kopien davon zu erhalten suchte und
durch Vermittelung des Kardinals Federico Borromeo die Erlaubniss erhielt, die
dem Arconati gehörigen Manuskripte abschreiben zu lassen, womit gegen 1626
begonnen wurde.
Die Dazwischenkunft des Federico Borromeo, des Gründers der Bibliotheca
Ambrosiana, war wahrscheinlich der Ausgangspunkt zu der berühmten Schenkung
LEONARDo'scher Handschriften, die Galeazzo Arconati dieser Bibliothek machte.
In dem vom 22. Januar 1637 datirten Schenkungsakte ist der Codice atlantico wie
folgt beschrieben:
„Ersteres ist ein grosses Buch, nämlich 13 Zoll lang in Holz und 9V2 Zoll
breit, mit rothem Leder überzogen, das bedruckt ist mit zwei Streifen in Gold, vier
Wappen mit Adlern und Löwen und vier Blumen Verzierungen in den Ecken, sowohl
auf der einen, als auch auf der anderen Seite, und mit goldenen Aufschriften auf
beiden Seiten, die lauten: „Disegni di machine et delle arti secreti et altri cose di
Leonardo da Vinci, racolta da Pompeo Leoni." Auf dem Rücken sind 7 Blumen-
verzierungen und 14 Groldstreifen. Das Buch enthält nach der Nummerirung 393
Folien Realpapier, aber es sind noch sechs Folien mehr darin, als nummerirt sind,
das macht im Ganzen 399 Folien. Darauf sind verschiedene Papierblätter mit 1750
Zeichnungen geklebt.**
Die LEONARDo'schen Handschriften wurden von 1637 bis zum letzten Decennium
des vorigen Jahrhunderts mit aller Sorgfalt in der Bibl. ambros. aufbewahrt, und
man kann nicht sagen, dass sie dort 150 Jahre lang „dans Tobscurit^** geblieben
wären, wie Ravaisson-Molien behauptet, gleichsam um die späteren Schicksale, denen
diese Handschriften ausgesetzt waren, zu rechtfertigen. Denn während alle anderen
Schriften Leonardo's, die sozusagen über ganz Europa zerstreut waren, von ein-
gehenden Studien vor Beginn unseres Jahrhunderts unberührt blieben, veranlasste in
Mailand Antonio David schon zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts den Lüdo-
vico Muratori, ihm über einige im Codice atlantico enthaltene Zeichnungen über
Mechanik Notizen zu verschaffen. Später suchte Baldassare Oltrocchi, Vorstand
der Bibl. ambros., in den Handschriften Leonardo*s alle diejenigen Bemerkungen
auf, die über das Leben dieses grossen Künstlers Aufschluss geben konnten, um
Material zu einer Lebensbeschreibung zu sammeln, die Graf Antonio della Torre
DI Rezzonico schreiben, wollte. Dieses Material wurde später zu den „Memorie Storiche
414 Leonardo da VittcL
di Leonardo da Vinci" benutzt, die Amoretti im Jahre 1804 veröffentlichte. Gleich-
zeitig suchte in Mailand Giuseppe Geru durch eine Reihe üeissig gestochener Kupfer-
tafeln die Zeichnungen Leonardo's öffentlich bekannt zu machen. Diese Publikation
ist der erste Versuch einer getreuen Nachbildung, soweit die Vervielfältigungsmethoden
der damaligen Zeit eine solche gestatteten.
Aber dieses wachsende Interesse für die Werke Leonardo's musste durch die
Wechselfälle des Krieges in seiner Entwickelung gestört werden. Am 15. Mai 1796
rückte das französische Heer imter Bonaparte in Mmland ein und vier Tage danach
wurde gleichzeitig mit der Proklamation, die der Lombardei eine Kriegskofi tribution
von zwanzig Millionen auferlegte, ein Befehl erlassen, der unter dem Vorwande, die
Denkmäler der AVissenschaft imd Kunst, die sich in den von den Armeen eroberten
Städten fänden, auf die sicherste Weise zu konserviren, bestimmte, wie vorgegangen
werden sollte, um die von den Truppen besetzten Städte aller der Gegenstande der
Kunst und Wissenschaft zu berauben, die die Museen und Bibliotheken von Paris
bereichern konnten.
Die Easten, die die in Mmland weggenommenen Kunsf^egenstände enthielten,
wurden schon am 29. Mai nach ihrem Bestimmungsorte abgesandt» kamen aber erst
am 25. November in Paris an, und aus dem Briefwechsel dieser langen Zeit geht
hervor, dass man einen Augenblick fürchtete, die Kisten mit Leonardo's Zeichnungen
seien verloren gegangen.
Während diese sich noch auf dem Wege befanden, wurde am 14. August die
Kiste Nr. 19, die unter dem Titel: „carton des oeuvres de Leonardo d'avinci** (sie!)
den Codice atlandco enthielt, für die Nationalbibliothek bestimmt; die andere Kiste
aber, welche „Douze petits manuscrits de Leonardo da Vinci sur les sciences" enthielt,
dem Institut de la France zugewiesen. Daher schreibt sich die Trennung des Codioe
atlantico von den anderen kleineren Handschriften, und diese Trennung sollte die
Ursache werden, warum die Rückgabe an die Bibl. ambros. nur unvollständig erfolgte^
als im Jahre 1815 die Truppen der Alliirten Paris besetzten.
Während in dem Friedensvertrage von 1814 die Rückgabe der Kunstg^en-
stände, die man in den Kriegen der Republik und des Kaiserreiches nach Frankreich
gebracht hatte, nicht vorgesehen war, beeilten sich die alliirten Mächte, als sie nach
der hunderttägigen Herrschaft Paris besetzten, diese zu verlangen, und die Depesche
Wellington's vom 23. September spricht ohne Rückhalt aus, welchen Werth man
darauf legte.
Jede der interessirten Mächte beauftragte einen besonderen Kommissar, die ihr
entrissenen Kunstgegen stände wieder zu erlangen. De Ribbentrop und Hamilton,
die Beauftragten Preussens und Englands, entwickelten eine militärische Energie in
Erfüllung ihrer Aufgabe, aber Baron Ottenfels, der von Oesterreich beauftragt war,
die Kunstschätze wieder zu erlangen, die der unter Oesterreichs Herrschaft xorück-
gekehrten Lombardei genommen worden waren, wusste nicht alle der Bibliotheca
ambrosiana entnommenen LEONAKDo'schen Manuskripte zurückzuerhalten, obgleich er
ein genaues Verzeichniss davon besass. In der Königlichen Bibliothek fand er nur
den Codice atlantico, weil die anderen Handschriften in das Institut de la France
gebracht worden waren, und anstatt geeignete Schritte zu thun, um auch diese aus-
findig zu machen, begnügte er sich mit drei anderen Bänden alter Kopieen Leokardo-
scher Handschriften, die er für Originale hielt, und stellte am 5. Oktober 1816 ohne
Weiteres eine Quittung über die Bände aus „ä Texception de neuf volumes mss. de
la main de Leonardo da Vinci, lesquels d'apres la d6claration de messieurs les con-
servateurs ne seraient point arriv^s ä la biblioth^que du Roi."
So nahm der Codice atlantico nach 19 Jahren seinen alten Platz in der BibL
ambros. wieder ein, während die anderen kleinen Handschriften endgültig in Frank-
reich blieben, da wiederholte Schritte zu ihrer Wiedererlangung, die Graf BoRROMBO
in seiner Eigenschaft als Patron der Ambrosiana that, erfolglos blieben.
BeDütznng des Cod. atlant» seine EntfQhnmg nach Paris und Rückgabe. 415
Nach Italien zurückgekehrt^ zog der Codice atlantico alsbald von Neuem die
Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich. Im Jahre 1839 hielt sich Güglielmo Libri
lange Zeit in Mailand auf, um aus dem Codice diejenigen Stellen abzuschreiben, die
zu der „Stona delle sdence mathematiche'', woran er schrieb, dienen konnten. Andere
die Kriegskunst l)etreffende Notizen schrieb Obrist Omodei aus, der sich vorgenommen
hatte, eine Geschichte der italienischen Artillerie zu schreiben, und eine Kopie der
militärischen Zeichnungen und des zugehörigen Textes liess Erzherzog Rainer, Vice-
könig des Lombardisch -Venezianischen Königsreiches, anfertigen. In neuerer Zeit
reproducirte Obrist Anoelucci Schriften und Zeichnungen aus dem Codice atlantico
in seinem Werke über die Feuerwaffen Italiens.
Der Entschluss zu einer vollständigen Reproduktion dieser wichtigsten Leonardo-
sehen Handschrift konnte erst, begünstigt durch besondere Umstände, im Jahre 1870
heranreifen. Die im September dieses Jahres bei dem Kongresse zu Parma ver-
einigten Künstler bestimmten Mailand zum Orte ihrer nächsten Zusammenkunft im
Jahre 1872. Zu jener Zeit war das Monument beinahe vollendet, das die Stadt
Mailand mehr als zwanzig Jahre zuvor dem Leonardo da Vinci zu errichten be-
schlossen hatte. Der Kongress gestaltete sich demzufolge zu einem Feste zu Ehren
des grossen Künstlers, der die arbeitsvollste Zeit seines Lebens in Mailand zugebracht
hatte. Sehr zu gelegener Zeit äusserte Cesare Correnti, der Minister des öffent-
lichen Unterrichtes, als er durch eine Note vom 6. November 1870 die Königliche
Akademie der schönen Künste in Mailand beauftragte, den Kongress zu organisiren,
die Ansicht^ dass das Leonardo's und der Stadt Mailand würdigste Denkmal die
Herausgabe seiner Werke sein würde. Und da diese Idee günstige Aufnahme fand,
betraute er am 5. November 1871 eine Kommission mit der Aufgabe, Notizen über
die noch nicht veröffentlichten Autographen imd Zeichnungen Leonardo's zu sammeln
und die Veröffentlichung einer Probe von diesen kostbaren Seltenheiten der italienischen
Kunst und Wissenschaft vorzubereiten.
Der Entschluss, eine Probe aus den Werken Leonardo's zu veröffentlichen,
wurde nicht nur dadurch hervorgerufen, dass die verfügbare Zeit sehr kurz war, weil
diese Publikation einen Theil der Huldigungen bilden sollte, die man Leonardo ge-
legentlich des Kongresses darbringen wollte, sondern diese Probe sollte auch dazu
dienen, diejenige Illustrationsmethode zu finden, welche für ein des Leonardo würdiges
Resultat die meiste Garantie bot.
Die Erfahrungen, die man aus dieser Publikation, aus der von Ravaisson-
MoLiEN imd aus J. P. Richter's „The literary works of Leonardo da Vinci" (1883)
schöpfte, bestimmten mehr und mehr die Methode, die bei der Veröffentlichung des
Godice atlantico zu befolgen war. Um deren Ausführung zu beschleunigen, schrieb
der Minister des öffentlichen Unterrichtes Michele Coppino, der die Idee des Cesare
Correnti aufgegriffen und alle möglichen Schritte gethan hatte, um die für diese
Publikation nöthige Summe aufzubringen, am 23. Juni 1885 an den Präsidenten
der Königlichen Akademie „dei Lincei":
„Als ich mich vor einigen Monaten an diese ausgezeichnete Akademie wandte,
um ihren Beistand bezüglich der Kosten der Herausgabe des Codice atlantico zu er-
langen, deutete ich noch andere Schritte an, die ich gleichzeitig gethan hatte, um die
entsprechenden Mittel zur Ausführung des geplanten Unternehmens zu sichern. Ich
freue mich nun, Ihnen mittheilen zu können, dass der Erfolg dieser Schritte meinen
Hoffnungen vollständig entsprochen hat durch die Protektion Sr. Majestät unseres
erlauchten Herrschers, des freigebigen Förderers alles dessen, was zur Zierde des
Vaterlandes imd zum Wachsthume der Wissenschaft beiträgt." —
Wenn wir zur Betrachtung der in dem Codice atlantico enthaltenen
Skizzen von Maschinen und Mechanismen übergehen, so müssen wir, wie bei
unserer früheren Abhandlung über die in Paris befindlichen LEONARDO^schen
Handschriften, der Uebersichtlichkeit wegen oft Skizzen nebeneinander stellen,
416
Leonardo da VincL
die im Codice atlantico weit auseinander liegen. Zur Bezeichnung der Stelle,
wo eine Skizze im Original zu finden ist, werden wir die Nummer des Foliums
mit angehängtem v für die vordere und h für die hintere Seite jedesmal bei-
setzen, so dass z. B. 7 V andeutet, dass die betreffende Originalskizze auf der
vorderen Seite von Folio 7 des Codice atlantico zu finden ist. Das Zeichen
L: bedeutet auch hier wieder: Leoxardo bemerkt hierzu, was folgt:
Bewegungsmechanismen.
Auf Fol. 14v findet sich ein quadratisches und ein dreieckiges
Schraubengewinde abgebildet.
Zu Ersterem L: Schraube mit rechteckigem Gewmde. Diese Schraube ist starker
und kann grösseres Gewicht heben, als irgend eine andere. Während die gewöhn-
liche Schraube an ihrem Gewinde zwei Aussenflächen hat, hat diese drei, und während
die allgemein üblichen Schrauben Gewinde haben, die am Fusse breit und am Kopfe
schwach sind, sind diese, da sie gleichmässig sind, überall gleich stark. Ich habe
schon die Erfahrung gemacht, dass bei einer gewöhnlichen Schraube aus Kisen die
Fig. 589.
Fig. 581.
Gewinde durch ein nicht allzu grosses Gewicht losgerissen wurden, was bei dieser
nicht vorgekommen sein würde.
Zu Letzterem L: Dies ist die Art der allgemein gebräuchlichen, gewöhnlichen
Schrauben. Wenn sie auch in ihren dreieckigen Grewindgangen schwächer sind, als
die vorhergehenden mit quadratischen Gewindgangen, so ziehen sie doch leichter.
Denn wo diese quadratisch sind, muss ihre Mutter drei Aussenseiten berühren; die
mit dreieckigen Gewindgängen aber hat nur mit zwei Aussenseiten in Berührung za
treten, und die Erfahrung lehrt, dass je weniger die Mutter die Schraube berührt;
desto leichter hebt sie ein nicht zu grosses Gewicht.
Wir erinnern daran, dass scharf- und flachgängige Schrauben schon bei
den alten Griechen im Gebrauche waren, wie aus einer Stelle des Auszuges
aus Heron^s Mechanik hervorgeht, der in den Schriften des Alexandriners
Pappus enthalten ist.
Konische Schrauben (Fig. 580 und 581), Fol. 34 v und 23h, wendet
Leonardo an, um bei Geschützrohren, die aus mehreren Theilen zusammen-
geschraubt wurden, einen möglichst dichten Verschluss zu erzielen.
Fig. 582, Fol. 10h, zeigt eine Vorrichtung zum festen Anziehen
solcher Geschütz -Verschraubungen. Die beiden Theile des Geschütz-
rohres sind an den zu verschraubenden Enden mit einem Zahnkranze, oder
eigentlich mit einem Kranze von Triebstöcken versehen. In diese werden
Schraube zur Befestigung und als Bewegungsmechanismus.
417
zwei S-förmige Sperrhaken gelegt, und zwischen die aufwärts gerichteten
Enden derselben wird das Ende eines langen Hebels geschoben, dessen anderes
Ende auf einer horizontalen Bohle geführt und durch das Seil eines Gangspills
angezogen wird. Dadurch werden die aufrecht stehenden Enden des S-förmigen
Sperrhakens auseinander gezwängt und die beiden Geschütztheile fest mit
einander verschraubt.
Fig. 583, Fol. 40 V zeigt drei durch Spannwirbel verbundene
Schrauben mit rechtem und mit linkem Gewinde zur Erzeugung
Fig. 582.
«
eines grosses Schubes bei einer Umdrehung. Die Schrauben sind mit seit-
lichen, durch eine Stange verbundenen Armen versehen, so dass man sie
gleichzeitig umdrehen kann, während man die ebenso mit einander verbundenen
Spannwirbel festhält.
Der in sich selbst zurückkehrende Schraubengang zur Um-
wandlung einer drehenden in eine in der Axenrichtung hin- und hergehende
Fig. 583.
Fig. 584.
Fig. 585.
Bewegung ist dargestellt in Fig. 584, 585, 586 und 587, Fol. 14 v. Die Mutter
besteht hier, wie bei den von Heron von Alexandrien beschriebenen Schrauben,
nur aus einem in den Gewindegang eingreifenden Zapfen. In Fig. 584 ist er
von einer Antifriktionsrolle umschlossen. Hier ist an den Stellen, wo der
rechtsgängige und der linksgängige Zweig des Schraubenganges sich schneiden,
je ein drehbarer Steg angebracht, der immer den Theil des Gewindeganges
überbrückt, den der Zapfen überschreiten soll. Ist dies geschehen, so stösst
er gegen einen hervorstehenden Arm des Steges und wirft ihn herum, so dass
Beck. 27
418
Leonardo da Vinci.
dieser bei seiner Rückkehr zu dieser Stelle den zu überschreitenden Theil des
Gewindeganges wieder überbrückt findet.
L: Dies ist eine Schraube, welche die Mutter hin und her bew^t, während
sie sich immer in derselben Richtung bewegt. Beim Hingange schiebt sie und beim
Hergange zieht sie mit grosser Gewalt. In der Richtung, in der der Kanal von
der eingeschriebenen Zahl 1 bis 23 lauft^ legt die Mutter ihren Weg (relativ zur
Walze) zurück.
In Fig. 585 ist der Steg so angeordnet, dass er dem von 1, 2, 3 her-
kommenden Zapfen für gewöhnlich den Weg verschliesst. Er wird aber nur
durch eine Feder in dieser Lage erhalten, und indem der Zapfen ihn zurück-
drängt, dreht er sich so, dass er den Theil des Kanales, den der Zapfen über-
schreiten soll, überbrückt. Ist dies geschehen, so schnellt der Steg wieder in
seine erste Lage zurück und überbrückt den Theil des Kanales, den der Zapfen
auf seinem Rückwege überschreiten soll.
L: Auch diese Schraube bewegt die Mutter hin und her, während sie in ein
und derselben Richtung umgedreht wird, aber beim Hingange schiebt sie und beim
Rückgange unterstützt sie das, was sie zuvor geschoben hat, damit es nicht nach
Fig. 580.
Fig. 587.
der früheren Stelle, wovon es ausging, zurückläuft, wenn es durch die Kraft fort-
geschoben worden ist.
Diese Anordnung wäre also beispielsweise zu wählen, wenn ein Gewicht
gleichmässig auf und nieder bewegt werden sollte.
Zu Fig. 586. L: Dies ist eine Schraube, die die Mutter hin- und herschiebt
in welcher Richtung Du willst, während sie sich in ein und derselben Richtung dreht.
Der Zapfen geht nach der Spitze des Gewindganges hin.
Hier soll vermuthlich nur gezeigt werden, dass durch Umschlagen der
drehbaren Stege nach Belieben ein rechtsgängiger oder ein linksgängiger
Schraubengang hergestellt werden kann. Es ist dies wahrscheinlich eine frühere
Skizze, als die vorhin besprochenen.
Zu Fig. 587. L: Dies ist die Art^ wie die obengenannte Schraube zu machen
lat, damit ihr Kanal ein einziger werde, und das Ende desjenigen (Zweiges), der nach
der einen Richtung gcht^ in den anderen übergehe, der in der anderen Richtung
zurückkehrt, sowohl am einen Ende, als auch am anderen.
Fig. 588, Fol. 61h zeigt einen anderen Mechanismus zur Um-
wandlung einer kontinuirlich drehenden in eine in der Axen-
richtung geradlinig hin- und hergehende Bewegung. Durch eine
Schraube ohne Ende wird eine Welle kontinuirlich umged^pht. Auf dieser
sind zwei um 180® gegeneinander versetzte Hebedaumen befestigt. Der eine
schiebt das obere Ende eines doppelarmigen, der andere alsdann das eines
Uebertragniig von Drehbewegung auf konaxiale Rftder.
419
einarmigen Hebels vor. Dieser ist durch eine Schubstange mit dem unteren
Ende des doppelarmigen Hebels verbunden und bewegt daher diesen wieder
zurück in seine erste Stellung. Mit dem doppelarmigen Hebel ist eine zweite
Schubstange verbunden, deren Ende auf solche Weise geradlinig hin und her
geschoben wird.
Fig. 589, Fol. 27 h. Drei Stirnräder von verschiedenen Durch-
messern, deren Axen mit der eines Getriebes, in das sie ein-
greifen, in einer Ebene liegen. Fig. 589 scheint nur eine Vorstudie
gewesen zu sein zu der daneben stehenden Skizze Fig. 590, worin dieser Me-
chanismus so abgeändert ist, dass die Räder konaxial liegen. Das Getriebe
ist hier konisch gezeichnet, was jedoch nur zulässig wäre, wenn die Radzähne
eine minimale Breite hätten. Andernfalls muss das Getriebe treppenförmig
sein, oder mit anderen Worten: es müssten drei Getriebe von verschiedenen
Durchmessern auf einer Axe fest miteinander verbunden sein. Solche
Fig. 589.
Fig. 588.
Fig. 590.
Fig. 59L
Mechanismen, jedoch nur mit zwei Rädern und Getrieben, finden beispiels-
weise Anwendung bei Uhren, um den kleinen Zeiger von der Axe des grossen
aus zu bewegen ; bei Drehbänken, um der Spindel eine geringere Umdrehungs-
zahl zu geben, als dem lose darauf sitzenden Stufenwertel u. s. w.
Zu Fig. 591, Fol. 27 h.
L: Das Rad a dreht sich rechtsum und b linksum und c wieder rechtsum.
Das Rad m aber dreht sich in entgegengesetzter Richtung als o, denn die viereckige
Axe wird rund, und das Getriebe b hat keine feststehende Axe (pole), sondern das
Rad tn hat in einem seiner Arme eingesetzte Zapfen (impolati) und führt sie um o,
das sich in entgegengesetzter Richtung dreht, als b.
Zum besseren Yerständniss sollte hier aus der Skizze ersichtlich sein,
dass das Rad c in einen feststehenden, innen verzahnten Kranz von demselben
Durchmesser, der hier dem Rade m gegeben ist, eingreifen muss, und die
Beschreibung müsste etwa folgendermassen ergänzt werden:
Dreht sich das Rad a rechtsum, so dreht sich b linksum und c wieder
rechtsum. Das Rad m aber, das lose auf einer runden Stelle der hier vier-
kantig skizzirten Welle von a sitzt, dreht sich in entgegengesetzter Richtung
als a, weil die Getriebe b und c sich nicht um feststehende Axen, sondern
27*
420
Leonardo da VincL
auf Zapfen drehen, die in einem Arme des Rades m befestigt sind. Da sich
e in gleicher Richtung dreht, wie a, und in einen feststehenden, innen Ter-
zahnten Kranz eingreift, so werden die Zapfen c und h und damit das ganze
Rad m in entgegengesetzter Richtung um h herumgeführt.
Zu Fig. 592, Fol. 27 h.
L: Wenn c sich umdreht und nach a bewegt, geht a nach h^ woraiis folgt,
dass m und / sich berühren, d. h. dass / sich dreht und dem m begegnet, und zwar
begegnet m dem f in der Weise, dass sie ein wenig in Berührung bleiben und dann
nach imd nach in die erste Entfernung zurückkehren, je nach der Drehung der
Rader.
In Fig. 593, Fol. 27 h, ist dieser Mechanismus dahin abgeändert, dass
der Zapfen a in der Flügelstange drehbar und durch ein Stimräderpaar und
Fig. 592.
ein Zwischenrad mit dem Kurbelzapfen c verbunden ist. Dadurch wird dem
Zapfen a ausser der geradlinig hin- und hergehenden noch eine drehende
Bewegung ertheilt. Am unteren Ende dieser Axe a sitzt eine Kurbel. Dass
diese unter der Schleife m n skizzirt wurde, ist nicht richtig, denn wenn die
Fig. 503.
Flügelstange, die e mit a verbindet, um ebensoviel über a hinaus verlängert
ist, 80 bleibt die Schleife mn in allen Lagen zu der Mittellinie durch ab
parallel und liegt immer ebenso weit von dieser entfernt, wie e, aber auf der
entgegengesetzten Seite. Deshalb müsste die Kurbel oberhalb der Schleif tnn
sitzen, wenn diese nicht in ihrer Bewegung gehindert sein soll. Auch muss
man sich unterhalb des Räderwerkes noch eine gleiche Flügelstange angebracht
denken, wie die darüber liegende, damit die vertikale Stellung der Axe a
erhalten bleibt.
Fig. 594, Fol. 8 h, zeigt links die Zusammenstellung und rechts die
Details zu einem Mechanismus zur Umwandlung einer pendelnden
in eine kontinuirlich drehende Bewegung. Auf dem einen Ende der
kontinuirlich zu drehenden W'^elle ist ein Getriebe befestigt, das in zwei ein-
UmwandiDDg pendelnder in drehende Bewegang. SchrEubenrSder mit Äntifriktianarallen. 42L
ander gegenüberstehende Winkelräder eingreift, deren Zahnkränze an der
Innenseite mit Sperrzähnen versehen sind, die bei dem einen Rade nach der
entgegengesetzten Richtung weisen, als bei dem anderen. Diese Winkelräder
sitzen lose auf einer Welle, worauf zwei Scheiben mit Sperrklinken befestigt
sind , die in die Sperrzähne der Winkelräder eingreifen und das eine nur bei
der Recbtsdrehung, Aas andere nur bei der Linksdrehung mitnehmen, die bei
der pendelnden Bew^ung des am Ende der Welle befestigten Hebels entstehen.
Da aber die beiden Winkelräder auf entgegengesetzten Seiten des Getriebes
eingreifen, drehen sie dieses immer in gleicher Richtung um.
Rg. SOS.
Fig. 595, Fol. 33v. Ein Schraubenräderwerk mit Antifriktions-
walzen. Ein grosses Schraubenrad auf einer Göpelwelle greift in zwei
Schraubengetriebe, wovon jedes durch Winkelräderfibereetzung einen Mahl-
gang treibt, lim die starke Zahnreibung der Scbraubengetriebe zu vermindern,
liegen auf den unteren Enden der schräg ansteigenden Zähne des grossen
422 Leonardo da Vinci.
Rades dünne "Walzen oder kleine Kugeln, die von den Zähnen der Getriebe
während des Eingriffes auf den Radzähnen hinaufgerollt werden und nach dem
Eingriffe wieder herabrollen.
Fig. 596, Fol. 51 V. Eine Umkehrung des gewöhnlichen Schalt-
werkes zum Spannen einer grossen Armbrust.
L: Dieses ist die Art, wie man eine Bockarmbrust (balestra a banca)
spannt. Man thut es auf diese Weise: Erfasse den Armbrustschaft am unteren Ende
bei A und bewege es auf und nieder, so schiebt die Strebe (Schaltklinke) JV <iie
Zahnstange vor in den Sperrhaken F, und da verbleibt sie, bis man losschiessL Und
wenn Du willst, dass die Nuss zur Bogensehne zurückkehre, bringe die Strebe (Schalt-
klinke) in den Punkt e und schraube die Schraube B nieder, so lässt der Sperr-
haken jP die Zahnstange los.
Bei dem gewöhnlichen Schaltwerke gleitet die Zahnstange in einer fest-
stehenden Führung, und die Schaltklinke hängt an einem auf- und nieder-
gehenden Hebel; hier aber ist dieser feststehend und die Zahnstangenführung
schwingt auf und nieder.
Eine andere Spannvorrichtung zu einer Armbrust iFig- 597)
finden wir auf Fol. 61 h.
A ^
Fi« 590.
L: Wenn der Bügel c in die Nuss eingetreten sein wird, und Du fassest mit
dem Halbmonde a in die schultemformige Oeffnung 6», dann wirst Du die Schnur
auf die Nuss herabdrücken.
Das äusserste Anspannen der Schnur geschieht also mit stärkerer Hebel-
übersetzung als das anfangliche. Die Oese, in die der Hebel greift, ist zu
einer bajonnetartigen Spitze ausgebildet.
Fig. 598 und Fig. 599, Fol. 56h, zeigen zwei verschiedene Rad-
schlösser für Musketen.
Zu Fig. 598. L: Es: ::ind drei Federn nothwendig, wovon die erste die Um-
drehung des Rades bewirkt, die zweite den Stein gegen das Rad drückt und die
dritte das Rad festhält.
Ueber die Art, dem Rade Bewegung zu ertheilen. Die Bewegimg
geht von p, der Axe des Rades aus, und zwar von dem quadratischen £nde dieser
Axe. Dieses tritt in eine quadratische Höhlung ein. die, der Form der Axe ent-
sprechend, in der Mitte eines Ringes angebracht ist, der den glichen I>urc^nieäjser
hat wie das Rad. das sich auf diese Axe setzt. Auf diese Axe wickelt sich mit
einer ganzen Windung die aus der Zeichnung ersichtliche Kette. Diese wird von
ein^ schraubenförmigen Feder zurückgezogen, die um einen Zapfen gewunden ist,
der an der Kette befestigt ist. Das eine Ende der Feier stemmt ach bei q an und
bläht hier fest stehen. Das Rnd trini durch den Zahn r festgehalten, d^ in
Torrichtungen xnm ArmbrnstspaaDen. RadsoUSssei, 423
Band eingreife Wenn man sualöst, indem man / gegen h drückt, tritt der Zahn r
aus dem ßande des Kadea, und sobald er die Seite h berührt, dreht sich das Rad
schnellstens um und reibt eich an dem Feuersteine, der in g eingesetzt i^t, nährend
«ner ganzen Umdrehung so dass es viel Feuer ^ebt, wodurch sich das in dem Be-
hälter k befindliche Pulver entzündet
Von den oben genannten drei Federn ist die erste die treibende Feder (molla
della potenzia), welche schraulienfönnig um eine Säule gewunden ist Sie steht bei y
fest und stützt »ch mit dem entgegengesetzten Ende gegen das Ende der Säule.
Die zwdte Feder ist 6 c Diese drückt gegen den Absatz a und hält den Zahn r
in dem Ausschnitte, womit der oben genannte Rand des Rades versehen ist Die
dritte Feder ist mo. Diese drückt gegen den Vorsprung n und presst dadurch den
Stein gegen die Schneide des Rades, das in den Pulverbehälter h eintritt
Flg. SST. FiB- 599.
Zu den Details links von der Hauptzeichnung L: Das Rad wird von dem
Zahne / festgehalten, der in den Ausschnitt 6 eingreift
Es wird in der Regel angenommeD, dass das RadBchloss 1515 za Nürn-
berg erfunden worden sei (M. Jahns, Handbuch einer Geschichte des Kriega-
wesensl880, S. 1303); da aber Leonardo 1619 im siebennndsechzigsten Lebens-
jahre starb, dürften seine hier vorliegenden Skizzen von Radschlössem viel-
leicht schon vor 1515 entstanden sein.
Fig. 600, Fol. Iv zeigt einen Schrittzähler.
L: .il Ist ein Zahnrad mit 60 Zähnen, b hat deren 50 und e ebenfalls 60.
Bei jedem Schritte, den der Mann oder das Pferd macht, stösst der Hebel g gegen
den Schenkel dessen, der ihn trägt und bei seiner Bewegung bewegt er das Rad
um einen Zahn, und die Sperrklinke f stützt es, so dass es nicht rückwärts geht
Also macht das Rad eine Umdrehung bei 60 Schritten, und zu gleicher Zeit bewegt
eich das Rad b nur um einen Zahn, da das Getriebe a von A nur einen Zahn h^
424
Leonudo da TincL
Daa Rad A hat fünf Zoll Umfang und zwölf Zähne pr. Zoll, iras 60 Zähne einlebt,
und es hat l'^/ii Zoll im Durchmesser.
Fig. 601, Fol. 1t, ein Wegmesser nach Vitböv'b Beschreibung
(siehe S. 53), während in der daaieben stehenden Skizze Fig. 602 eine ver-
besserteKonstruktion dieses Wegmessers dargestellt ist, bei der der
Antrieb des ersten Zahnrades nicht durch einen Zahn mckweise, sondern durch
eine Schraube kontinnirlich gedreht wird. Auch ist ein Zählwerk angebracht,
dessen Zeiger sich kontinnirlich dreht und die zurückgelegte Wegstrecke auch
noch auf eine halbe oder Tiertet Meile genau, wenigstens schätzui^weise
erkennen lässt, während bei dem von Yrrauv beschriebenen Wegmesser die in
ein klingendes Geß^ herabfallenden Steinchen nur die Zahl der zurückgelegten
ganzen Meilen angeben.
L: Das Rad des Karrena soll 10 Ellen Umfang haben, daher muss der Durch-
messer 3'*/« Ellen hnben. . . . Hat das Kanimrad eine volle Umdrehung gemacht,
BO hat eä aledann 10 Ellen des Terrains durchmessen, d, !. der drei hundertste Tbeil
Flg. SOO.
Flg. «Ol.
Flg. OOi
dner Meile (miglia), die 3000 Ellen lang ist, und das Rad ivird nur um einen Zahn
weiter gegangen sein. Dieäes hat 300 Zähne, und daraus folgt, dass der Karren
gerade eine Meile durchlaufen hat, wenn das Rad m eine volle Umdrehung gemacht
hat, aber das Rad / hat sich dann nur um einen Zahn wdter beivegt, und daa
Gleiche hat das Rad n gethan. Dieses zeigt mit seinem Zeiger jede Meile an, nicht
die Stunden, wie der Zeiger einer Uhr. Das Rad f dagegen läast, anstatt zu zeigen,
das Ohr ün Geräusch oder einen Ton hören durch einen kleinen Stein, der in ein
lur Abgabe eines Tones geeignetes Gefäss fällt
An den Wegmesaer nach Vitbuv's Beschreibung wollen wir den selbst-
fahrenden Wagen mit Göpelwerk anreihen, der in Fig. 603, Fol. 4h
dargestellt ist, weil sein Bewegungsmechanismns als eine Umkehrung des-
jenigen des Wegmessers betrachtet werden kann.
L: a zeigt die Art, wie das Karrenrad umgedreht wird; h ist ein quadratischer
Zapfen, worauf das Hauptrad gesteckt ist.
Meist wird der von Hand betriebende selbstfahrende Wagen von Joh.
Hautsch (1649), wovon Gg. Fkl. Harstürffer in seinen „Mathematischen und
philosophischen Erquickstunden", Nürnberg 1651, Tbl. X, Aafg. XI, be-
richtet, für daä älteste lelbstfahrende Strassenfuhrwerk gehalten. Wir haben
Wegmeeser, Mlbstrahrander Wagen, nechaniache Briten wendet.
425
aber in unseren „Skizzen aus der Zeit der Huasiteokriege" (S. 283) darauf
hingewiesen, dass die Wagenburgen, worauf die Hussiten fochten, nach einer
solchen Skizze zu nrtheilen, selbstfahrende Fuhr-
werke von ähnlicber Konstraktion gewesen sind,
wie das von Leonardo hier flUcbtig skizzirte. —
In dem Werke des Robertos Valtdrids „de re
militari", dessen erste Auflage 1483 erschien, findet
sich (lib. X, Cap. IV, p. 231 der Auflage von 1532)
ein selbstfahrender Streitwagen abgebildet, der durch
Windräder und Zahnräderwerk bewegt werden soll ;
doch dürfte kanm anzunehmen sein, dass diese Konstmktion praktisch anwend-
bar war.
Mechanische Bratenwender.
Fig. €04, Fol. 5h, zeigt einen durch ein Gewicht betriebenen
Bratenwender, dessen Gang durch einen Windflügel regulirt wird. Die
Dmckflächen dieses Windflügels sind durch vier in die Enden des Armkreuzes
gesteckte Schwungfedern von einem Vogel gebildet.
PIg. «03.
Fig. an.
Fig. SOS.
Wie wir in unserer Abhandlung über VrrrORio Zonca (S. 312) erwähnten
betrachtete man seither die Nachricht Montaigne's über einen solchen Braten-
wender, den er auf seinen Beisen 1580 in Brizen gesehen hatte, als die
älteste Kunde hiervon. Die vorliegende Skizze Leonabso'b aber ist fast um
hundert Jahre älter.
426
Leonardo da VincL
Wir wiesen auch in unserer ersten Abhandlung über Leosardo darauf
hin, <las8 sich nach Hermann Grothe's Angabe unter Leokardo's Skizzen eine
von einem Bratenwender befinde, der durch den Ranch oder riel-
luehr durch die aufsteigende erwärmte Luft betrieben wird.
Unsere Fig. 605, giebt nun diese Skizze von Fol. 5 b wieder. Sie unterscheidet
sich von der /oxiu'schen (Fig. 375, S. 313) im wesentlichen nur dadurch,
liass hier die Uebertragung der Bewegung vom Fliigelrade aaf den Bratspie«
durch eine Winkelr&derübersetzung und einen Schnurtrieb erfolgt, während
dies bei ZoNCA nur durch Räderübersetzungen geschieht.
1.: Piost's ist di<.> richtige Art, Fln^h zu braten, weil der Braten sich langsam
tvtcr ^sohnoll divht, je nachdem dm Feuer niäs^tg oder stark isL
In dieser Anmerkung Lkonabdo's sind die Worte: di cnocer U arosti
nnd Tarosto si volge so durchstrichen, dass sie kaum lesbar sind, was auf
l.EuXARDo's lte$treben hindeuten dürfte, diese Sache geheim zu halten, und
daraus dürfte rielleicht geschlossen werden, dass es sich hier um eine eigene
Krfindung Leo.\ari>o's handelt.
Werkzeuge und Werkieugmaschinen.
Fig. ÄW. Fi>I, Ä!v, zeigt eine Schraubzwinge, deren Schranbe mit
linkem nud mit reohteni (lewinde verüben ist. um ein rasches Oetinen und
S.'!iUos*en ru cmiöirüchen.
»st tn crer.; ^i(«flif S;:!
WM \:x-Xf:;: ;:••„: Mv'.:-, :v.
(irtrwSc b*:'»-*!;!;».
T.s ZiTLZi. i^rer S.-henk^l darcb eine
; j,lc".:e Zx-Z'i, die »BS der Ferne ge-
i»? =A=. j-:. :Zi-':!U ajf eaea bmsen Balken
^ Scäraabe ist
■ Min« ist ein Süm-
: dis .Us t.Tfi "r'^ö? iiitr /ti-s^Mg* srüfk. während ihr
d28
Leonard» d» Vin
L: Das Wasser habe tnindeetena 3 Elkn Fall, du Wasiterrad 4 Ellen und
16 Schaufeln, das Zahnrad iVs Ellen und 36 Zähne, das Getriebe '/s Elle nnd
6 Triobstöcke.
Zu der Skizze unter der Hauptzcichnung, worin die verschiedenen Scbmirget
Scheiben, auf einer Welle sitzend, angedeutet sind. L:
a von Nusü baumholz, auf die Schnittfläche gestellte Streifen von dickem Leder,
Talg und Schmirgel in Stücken aufgegeben;
b von Wcidenholz, stemfömiig zusammengesetzL Man trägt auf die Schnin-
flüche, als ob sie von Stein wäre, Talg und Schmirgel;
c, d, e macht man von Nuaabaumfaolz mit Oel und Schmirgel. Bringe immer
den Bchmiigcl auf Deine Arbeit
Zu den Details rechts von diT Hauptzt-ichnung L: (a) Wie man da» Leder
auf die Scheibe legt; {b) Scheibe von Weidenholz; (d) von Xussbaumhol&
Fig. 614, Fol. 27 V, eine ha mm erförmige Ramme.
L: Um dnen Pfahl schräg einzurannucn.
In unserer Abhandlung über Jaques Besson (S. 195) haben wir eine ähnliclie,
von diesem konstruirte Bumme mit kbiilenfurmigem Schlägel besprochen. Der
-mn
Fig. CI3.
bammerförmige Schlägel Leonahdo's verdient den Yorzng, weil er wegen der
günstigeren Lage seines Schwerpunktes wirksamere Schlage giebt und dabei
das Gestell weniger erschüttert
Fig. t>15, Fol. 27 V, ein Werkzeug, das Aebnlichkeit mit eioem Rohi-
Schlüssel hat und vermuthlich zum Erfassen und Losdrehen von
Gitterstäben dienen sollte. Es ist jedoch auch möglich, dass die Zahn
dieses Instrumente die Gitterstäbe durchfräsen sollten, wie dies bei dm
folgenden Werkzeugen unzweifelhaft der Fall ist.
Fig. 616, Fol. 16v und löh, eine Vorrichtung zum Durch-
sSgen oder Durchfräsen von Gitterstäben. Zwei starke Stge-
oder Fräseblätter sind in einen doppelten Schamierkopf so eingehängt, da»
ihre gezahnten Seiten einander gegenüber stehen. Ihre Breite nimmt lucli
unten so zu, dnss ihre äusseren Seitenflächen parallel laufen, wenn ilin
inneren gezahnten Seitenflächen, die oben um drai Durchmesser des dicksten
zu zerschneidenden StiUras von einander abstehen, sich unten berühren. Da
zu zerschneidende Stab wird zunächst an einer solchen Stelle zwischen dia
i¥9
l^hiitt^rdi» d* ViAcL
l'i|/ ^y,^!, t'hl.lih^ yjui/i i'AUfiU f;infacheren Apparat znm gleichen
/wiirkfi ilii'i ifct flm Krhraiihfs unten hakenförmig umgebogen« Ein nach
mmImi iiniutir wUuiitlnr wiinii^nrieN Sägeblatt führt sich an der Schraube und
Im iiifKUM ^'iflilit/. in tUuti llakon derart, duss sein Rücken mit der Schraube
|ifiiiillii| Mmlfl.. hur zu /«irHclmeidffnde Stab wird in dem Haken zwischen die
hiliiiiiilMi iiimI (hin HiiKuhliiU gefiiMHt und dieses durch eine mit Handhaben
vitiniiliiiiiii MiiIIki iiinihirgndriic.kt, wobei seine Zähne mehr und mehr in den
hliili ntlimlitinHlnn.
I'IH «l'-M. hil. l'v. MjiNrhino zum Ziehen der daubenartigen
KluitiiblalMi, wiiniiiN im IT». Jahrhundert die Seelen schmiede-
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Ziehen daubenartiger Stäbe fflr schmiedeiserne Geschütze. 431
würde, würde sie so langsam gehen» dass die Arbeit geringen Erfolg hätte, und zwar
nicht, weil es einer solchen Maschine an Kraft fehlen würde (d. h. weil man den
nöthigen Zug oder Druck nicht erzeugen könnte), sondern wegen der Länge der zur
Arbeit erforderlichen Zeit Deshalb führt das Wasser neben der ausserordentlichen
Kraft der Schrauben ohne Ende, welche man in solcher Weise einfügt, die Voll-
konmienheit herbei. Aber wenn das gleichmässig veränderte Zieheisen des vierseitigen
Gegenstandes eine gleichmässige hohle Seite hat (wie es bei den betreffenden Stäben
für Greschütze der Fall war), so muss man das eine Rad b weglassen (d. h. drei
Seiten des Zieheisens werden feststehend und nur die vierte beweglich gemacht), und
mit dem Rade a wirst Du es dann machen, wie unten erklärt wird.
Aus der Detailzeichnung D rechts von der Hauptzeichnung Fig. 621 ist
ersichtlich, dass der bewegliche obere Theil des Zieheisens scheerenartig hinter
dem unteren feststehenden Theile vorbeiging.
L: h ist abwärts beweglich, n ist unbeweglich nach jeder Richtung. — 6, das
obere Glied des Zieheisens bn, bewegt sich mit langsamer, unwiderstehlicher Be-
wegung gegen seinen unteren Theil «. Die ganze Bewegung aber macht nur die
Breite eines Messerrückens aus, wenn die Bewegung des gezogenen Eisens 20 Ellen
Länge hat — Da die Kanten des Zieheisens sich nicht alle in gleicher Entfernung
von dem Motor des gezogenen Gegenstandes befinden, muss der Anfang des Ziehens
zu verschiedenen Zeiten erfolgen, d. h. von den vier Seiten des gezogenen Gegen-
standes werden die drei unteren eher gezogen ^ als die vierte obere Seite. Durch
diese Differenz entsteht an den gezogenen Seiten, die mit der oberen zusammenstossen,
ein wenig Bart Dieser wird zur Vollkommenheit der Arbeit beitragen, wenn alle
die gezogenen Stäbe mit einander verbunden werden. Denn diese werden alsdann
mit dem Hammer geschlagen und bis zur gegenseitigen Durchdringung der Barte,
welche die aneinander stossenden Seiten haben^ zusammengetrieben.
Eine kleine Skizze^ wie die hier in Rede stehende, findet sich auch
auf Fol. 11h. Von den dabei stehenden Bemerkungen ist folgende be-
achtenswertb :
L: Von dem Eindringen der Schneide in das Eisen ist die grosse Sc beere,
welche die Rüstung aus Eisen schneidet (la gran cesora, che taglia l'ar-
madura del ferro), ein Beispiel.
Cesora ist ohne Zweifel eine alte Form des heute gebräuchlichen Wortes
cesoie = Scheere, denn dass die Bleche zu Rüstungen zu Leonardo's Zeit mit
Blechscheeren ausgeschnitten wurden, ersieht man aus Hans Burckmaier's
Abbildung einer Plattnerwerkstätte zu Kapitel 48 des ;,Weiss-Kunig^, die in
Dr. LuDW. Beck's ;,Geschichte des Eisens^, zweite Abtheilung S. 351 wieder-
gegeben ist. Darin ist links im Hintergrunde eine Stockscheere zum Blech-
Schneiden abgebildet.
Fig. 624, Fol. 2v, eine andere Konstruktion derselben
Maschine, wobei der obere bewegliche Backen des Zieheisens durch eine
scheibenförmige Walze mit spiralförmiger Umfangsfläche ersetzt ist.
L: Der Eisenstab, der gezogen werden soll, werde zuerst mit dem Hammer
nahezu in die Form geschmiedet, die durch das Ziehen erhalten werden solL Dann
zieht man die erste Seite, indem man die Rundung der Kugel für die Seele des
Geschützes eindrückt; nlsdann zieht man den Stab mit den richtigen Seitenflächen,
und zuletzt zieht man die vierte Seite, die die Aussenfläche des Geschützes bildet.
Dies geschieht mit dem Spiralrade o.
m
Leonardo da Vincu
Zu (l(*ii ^N-iflr'ri kifsinen Kkizzf;n rechts von der Hauptfigur Li: n ist das End-
n^-tiiltat (Im iTHti'ii y/uihiiUH, m ist ilaa Endresultat des zweiten Ziehens, wodurch die
l>iiiil)oii. wurnUH fliiH («ffüchütz zu.iammengesetzt wird, fertig gestellt werden. • . . •
K«i miihrii MO vi«!l(s ZifshiMncn gemacht werden, als Dauben für ein und dasselbe
ln«nt*hutx zu xitfhcn HJnd. Ich sugo dies, weil sich jedes Zieheisen beim Ziehen einer
l>milM» rlwiiM abfilitzt. JiüJü Daulx) (zum ersten Geschütze) wird alsdann durch je
v'\\\ /«ioh(«imiii hindun:h gegangen sein, das durch Abnützung in gleicher Weiae ver-
«lulri't IkI (win <lin nnd«*n'n). Dicwj Zieheisen werden dann für ebenso viele Dauboi
t\\ oiiuMii iindorcn, von di;m erHt<;n etwas verschiedenen Geschütze gut sein, und so
i\«rlfahh«nd, wird iiiaii nllo Dauben, die zu einem Geschütze gebraucht werden, unter
««ioli gloirh h4'r.-«(4*lt(*n.
Zu di^r Ski/zr linkrt von der Hauptfigur (Fig. 623), die die vordere Ansaht
dor npimlfurnii^cn Walz« darnti'llt L: Kad, umgeben von einer kombinirten Schnecke.
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H&minerwerka fUr GoUichliger. 4SB
die Fonn des änsseren GeschiitzmantetB, so schleift sie die richtige Höhlung in
die Spiralfläche, die sich an ihr abwickelt
Die hier folgenden siebzehn Figuren zeigen alle kleine Hammerwerke, und
man sieht bei den Figuren 626, 627, 628, 629 und 630 immer die gleiche kurze
71«. «».
Schiene auf dem Amboss liegen. Für welchen Zweck diese Hammerwerke
bestimmt waren, ist am klarsten ersichtlich aus den Bemerkungen zu Fig. 626,
Fol. 38 h.
L: Mache, dass der Hammer bei jeder Umdrehung, die das Getriebe macht,
acht Schläge giebt. Und da das Gold, das
mau Bchlagen will, im Anfange Bchmäler iat,
als gegen das Ende, so wirat Du jedeamal die
Schraube ohne Ende (auf der Daumeuwelle, wo-
durch diese sich nach links schiebt) auawechselu
und diese AuawechseluDgeii folgeudermassen vor-
nehmen: Die eräte ergebe einen halben Umgang
(auf die VerEchiebung um die geringste Schienen-
breite) und der HHmmer gebe vier Schläge, die
zweite Auswechselung ei^be fünf Schläge, die
dritte sechs, die vierte sieben, die fünfte acht
Schläge, und das Gold sei dann in seiner Breite
vollendet.
Hieraus geht hervor, dass diese Ham-
merwerke für Goldschläger zum Ausstrecken der Zaine bestimmt
waren, was jetzt grösstentheils durch kleine Walzwerke geschieht
P)«. «21.
Oi
LtcaMtio da Visa.
Fig. G28, Fol. 8 V, zeigt eine ToUstandige Abbildung dieser Masdüne,
während die N'rebeo besprochene Figur nnr eine scbematische Ski^» ist. Am
Fig. (i28 ersieht man, dass die Fühlung des stempeifonDigen Hammers sich an
einem Wagen befindet, der aof dem Maschinraigestelle hin tmd her länfL An
diesem Wagen bat man sieb aacb zirei I,ager zn denken, die die eingedrehten
Lagerstellen der Daumenwelle nmschliessen. In ihren übrigen I^agem ist diese
Welle veracbiebbar. Anf ihr ist ein kurzer Schraabengang befestigt, in den
ein am Gestelle befestigter Zapfen mit Antifriktionsrolle eingreift. Dadorch
verschiebt sich die Welle, indem sie sich dreht, sammt Wagen und Hammer
so weit nach linkt«, wie der Scliraubengang reicht, und wird dann darcb das
rechts an der Welle hängende Gegengewicht rasch wieder zurückgezogen.
Die Detailzeiclinung Fig. 631, Fol. 38 h, zeigt den am Gestelle sitzenden
Zapren mit Antifriktionsrolle, wie er in den Schraubengang auf der Welle greift.
L: Den Zapfen der Rollo n muss man anschrauben, damit man ihn aus-
net^hsc-ln kann, vrenu er Eich abnützL
rig. 632, Fol. 38 h, zeigt die Lagerung der Endzapfen der Welle auf
einci- Antifriktionsrolle, während in Fig. 628 das rechte Wellende mit einer
Traverse auf Fülirungslinealen gleitet.
L: Die Zapfen an jedem Ende dieser Hokwelle müssen ähnlich gelagert sein,
nie au <lieK<^ni Kiuie a.
Fig. f>33, Fol. 38 V, zeigt die verschiedenen Schraubengewinde auf der
Welle, die je nach der Hrt'ite des Zains wechselweise an der Stelle auf die
Welle geschraubt werden, wo der feste Zapfen mit Antifriktionsrolle in aie
eingreift.
Haiti menverke fUr Güldscliläger.
435
L: Alle die Schtaubenstücke von verechiedeuer Länge je nach der Verschieden-
heit der Broiu- des Goldes durch Zunahme. Sorge dafür, dasa jedes mit zwei Schraub-
chen an der Stelle mn befestigt werden kann.
Ferner zu Fig. 626, Fol. 38 h.
L: Die Anordnung ist so getroffen, dass das Gold sich plötzlich auf dem
Amboss verschiebt, sobald sich der Hammer von dem Golde erhebt.
Diese Bemerkong ist insofern ungenau, als die Längsverscbiebung der
Zaine nicht nach jedem Hammerscblage, sondern bei jedem Hin- und Hergange
der Welle und des Hammers einmal erfolgt Während der Hammerschläge
:^
wird der Zain durch zwei Zangenschenkel auf dem Amboss niedergehalten,
deren längere Hebelarme mit einander verbunden sind und durch eine
Schnur in die Höbe gezogen werden, die über eine feste Rolle länft und am
Ende ein Gewicht trägt.
Die Detailzeichnung Fig. 634, Fol. 38 b, zeigt, wie von diesem Gewichte
eine Stange aufwärts geht, die am oberen Ende mit einer Nase zwischen den
Zähnen eines Sperrades ruht. Mit dem rechten Ende der Daumenwelle ist
ein langer Sperrhaken verbunden, der in das Sperrrad eingreift. Wird die
Daumenwelle durch das Gegengewicht rasch nach rechts zurückgeschoben, so
schiebt der lange Sperrhaken das Sperrrad um einen Zahn weiter, die Nase
an der senkrechten Stange wird, während ein Zahn unter ihr hingleitet, auf
431
Leonardo d» Vinci.
Fig. 628, Fol. 8v, zeigt eine voltständige Abbitdang dieser Maschine,
während die soeben besprochene Fignr nur eine schematische Skizze ist. Ans
Fig. 628 ersieht man, dass die Fühmng des stempeiförmigen Hammers sich an
einem Wagen befindet, der auf dem Mascbinengestelle hin und her länfL An
diesem Wagen hat man sich auch zwei Lager zu denken, die die eingedrehten
Lagerstellen der Danmenwelle umscblieEsen. In ihren übrigen Lagern ist diese
Welle verschiebbar. Anf ihr ist ein kurzer Schraubengang befestigt, in den
ein am Gestelle befestigter Zapfen mit Antifriktionsrolle eingreift. Dadurch
verschiebt sich die Welle, indem sie sieb dreht, sammt Wagen und Hammer
so vreit nach links, wie der Scliraubengang reicht, und wird dann durch das
rechts an der Welle hängende Gegengewicht rasch wieder znrückgezogen.
Die Detailzeichnung Fig. 631, Fol. 38 h, zeigt den am Gestelle sitzenden
Zapfen mit Antifriktionsrolle, wie er in den Schraubengang auf der Welle greift.
L: Den Zapfen der Rolle n muss man anschrauben, damit mnn ihn aus-
wechäeln kann, trenn er eich dbnützt.
Fig. 632, Fol. 38 h, zeigt die Lagerung der Endzapfen der Welle auf
einer Antifriktionsrolle, während in Fig. 628 das rechte Wellende mit ein^
Traverse auf Führungslinealen gleitet.
L: Die Znpfen an jedem Ende dieser Holzwelle müssen ähnlich gelagert Bön,
wie an diesem Endo a.
Fig. 633, Fol. 38 V, zeigt die verschiedenen Schraubengewinde auf der
Welle, die je nach der Breite des Zains wechselweise an der Stelle auf die
Welle geschraubt werden, wo der feste Zapfen mit Antifriktionsrolle in aie
eingreift.
Hammerwerk« für GuldBublileer.
i3ö
L: Alle die Schraubenstücke von verBchiedener Lange je nach der Verachieden-
beit der Breiio des Goldes durch Zuoahnie. Sorge dafür, daes jedea mit zwei ßchräub-
chen BD der Stelle »in befestigt werden kann.
Ferner zu Fig. 626, Fol. 38 h.
L: Die Anordnung ist so getroffen, dasB das Gold sich plötzlich auf dem
Amboss verschiebt, sobald sich der Hammer von dem Golde erhebt
Diese Bemerkung ist insofern ungenau, als die Längsverschiebung der
Zaine nicht nach jedem Hajnmerschlage, sondern bei jedem Hin- und Hergange
der Welle und des Hammers einmal erfolgt. Während der Hammerschläge
wird der Zain durch zwei Zangenschenkel auf dem Amboss niedergehalten,
deren längere Hebelarme mit einander verbunden sind und durch eine
Schnur in die Höhe gezogen werden, die über eine feste Rolle läuft und am
Ende ein Gewicht trägt.
Die Detailzeichnting Fig. 634, Fol. 38 b, zeigt, wie von diesem Gewichte
«ine Stange aufwärts geht, die am oberen Ende mit einer Nase zwischen den
Zähnen eines Sperrades ruht. Mit dem rechten Ende der Daumenwelle ist
ein langer Sperrbaken verbunden, der in das Sperrrad eingreift. Wird die
Danmenwelle durch das Gegengewicht rasch nach rechts zurückgeschoben, ao
schiebt der lange Sperrhaken das Sperrrsd um einen Zahn weiter, die Nase
an der senkrechten Stange wird, während ein Zahn unter ihr hingleitet, auf
496
Leonardo da Vinci.
kurze Zeit gehoben und damit das Gewicht, und die Zangenschenkel lassen
den Zain für kurze Zeit los.
Fig. 635, Fol. 38 h, zeigt dasselbe, wie die soeben besprochene Fig. 634.
L: Wenn & an a stosst, fällt b in die Kerbe.
Mit dem rechten Ende der Daumenwelle ist aber auch ein abwärts
gehender, doppelarmiger Hebel verbunden, der an seinem unteren Ende eine
Schaltklinke trägt. Diese greift in ein Sperrrad^ das auf einer horizontalen
Welle sitzt, die an ihrem vorderen Ende eine Schnurrolle trägt Von dieser
läuft eine Schnur horizontal um eine Leitrolle nach dem Zain, an dessen
vorderem Ende sie befestigt ist. Von seinem hinteren Ende läuft ebenfalls
eine Schnur horizontal unter einer Leitrolle durch, dann senkrecht in die Höhe
über eine zweite Leitrolle und ist an ihrem Ende durch ein Gewicht belastet,
das beide Schnüre gespannt erhält. Wenn die Daumenwelle sich von links
nach rechts bewegt, d. h. in dem Momente, wenn die Zangenschenkel den Zain
V^
Flg. 634.
Fig. C3&.
loslassen, schiebt die Schaltklinke an dem abwärts gerichteten Hebel das
Sperrrad um einen Zahn vor und zieht dadurch den Zain auf dem Amboss
ungefähr um die Hammerbreite vor.
Zu Fig, 628. L: Die Maschine muss so angeordnet werden, dass, wenn der
Hammer den letzten Schlag giebt, ein Gregenstand berührt wird, der ein Gewicht
herabfallen lässt, wodurch das Getriebe von dem Rade des Motors weggezogen wird.
Dies muss geschehen, damit nicht ein überflüssiger Schlag die Arbeit verderbe, wenn
der Meister nicht sogleich zur Stelle ist, und damit das Rad des Motors keine Zeit
verliert, um die Arbeiten fertig zu machen.
Aus Fig. 628 ist nämlich ersichtlich, dass sechs solcher Maschinen von
einem gemeinschaftlichen Antriebsrade aus betrieben werden sollen. Dies ist
durch die sechs Getriebe angedeutet, die in das Antriebsrad eingreifen. Da
aber nicht anzunehmen ist, dass diese sechs Maschinen gleichzeitig mit der
Streckung der Zaine fertig werden, soll jede in diesem Moment sich selbst abstellen.
Fig. 630, Fol. 21h, zeigt ein ähnliches Hammerwerk für Gold-
schläger, das jedoch nicht mit einem stempeiförmigen, sondern mit einem
IIammerw«rke fDr GoldschlSger. 437
kleinen Schwanzhammer arbeitet Dadurch ist eine höhere Lage des
Ambosses bedingt. Das zweite Getriebe, das in das Antriebsrad greift, deutet
an, dass zwei Maschinen von diesem Stimrade getrieben werden sollen.
Die daneben stehende Fig. 629 zeigt eine andere Einspannvorrichtung für
den Zain. Die Zaogenscbenkel sind hier durch zwei durch den Amboss
gesteckte Bügel ersetzt, die den Zain festhalten, wenn sie niedergezogen werden.
Fig. 63y, Fol. 21 7, zeigt im Grundrisse sechs solcher Hammer-
werke, die von einem Winkelrade getrieben werden. DasZurück*
ziehen der Daumenwelle geschieht hier durch eine bogenförmige Feder.
»g. «M.
Auf derselben Seite des Manuskriptes findet sich das Hammerwerk
Fig.627, sowie Skizzen von verschiedenen Hammeranordnungen, die
wir in den Figuren 637 A, B, C und D und in Fig. 638 Ä, B, C wieder-
gegeben haben.
In Fig. 637 A wird der Schlag des Scbwanzhammers dadurch verstärkt,
dass eine bogenförmige Feder den Schwanz des Hammers in die Höhe zieht.
In Fig. 637 B ist diese Feder durch zwei elastische Stäbe ersetzt, wovon
der eine vor der Axe über dem Hammerstiele, der andere hinter der Axe
unter dem Hammerschwanze liegt.
In Fig. 637 C wird der Hammer durdi eine Feder gehoben und durch
die Hebedanmen, die von unten gegen den Hammerscbwanz drücken, herab>
geschnellt.
In Fig. 637 D ist diese Feder durch ein Gewicht ersetzt, das an einer
am die Axe geschlungenen Schnur hängt.
438 Leonardo d» Vinci.
L: Es (ins Gewicht) schlägt auf Sand unter Wasiwr.
In Fig. 638 C geschieht daseelbe, indem ein elastiBcher Stab vor der
Axe unter dem Hammerstiele, ein zweiter hinter der Axe aber dem Hammer-
schwanze angebracht ist.
L: Diese Kwei Stäbe, die wie F^em wirken, brauchen nicht sehr stark m sein.
TSb genügt, wenn aie bo ^el Kraft haben, dasa sie den Hammer nach dem Schlage
knapp in die Höhe heben, so dase er sich ^eicheam selbst hebt.
In Fig. 638 B ist die Hammeraxe weggelassen und der Hammerstiel nur
zwischen die beiden elastischen Stäbe eingeklemmt. Vier durch die Stäbe
gesteckte Stifte verhindern ihn an seitlicher Abweichung von seiner Bahn.
Fig. esT.
Flg. 639.
Fig. 638 A unterscheidet sich von Fig. 638 C nur dadarch, dass an
Stelle der beiden elastischen Stäbe zwei durch Gewichte gespannte Seile an-
geordnet sind.
L: Dies ist die letzte und beste Art, weil hier die Federn von 6^1 niemals
lahm werden, indem die Gewichte daran sich niemals veimindem.
Die beiden Skizzen Fig. 639, Fol. 11 v, hält Hermann Grothe in seiner Schrift
„Leonardo da Vinci als Ingenieur und Philosoph" fUr Darstellungen eines Feder-
hammers (vergl. S. 103). Wir halten für wahrscheinlicher, dass das, was Dr. Grothb
hier für eine Feder hält, eine Gurte sein soll, woran ein Gewicht hängt, das
den Schlag des Hammers verstärkt. Diese Anordnung schliesst sich dann
HammoTwerke (Or Goldschlügar. 439
ebenso an Fig. 637 A und B an, wie Fig. 637 D an Fig. 637 C und Fig. 638 C,
jedoch mit dem Unterscliiede, dass Leoxahdo in l'ig. 637 D ein Abprellen des
Gewichtes dadurch zu yenneiden sucht, dass er es auf Sand und Wasser auf-
stossen lässt, während in Fig. 639 dessen Abwärtsbewegung gegen das Ende
hin dadurch verlangsamt wird, dass sich die Gurte von einem spiralförmigen
Bogen abwickelt. Auch ist hier die Hammerbahn eben, was darauf hindeutet,
dass dieser Hammer entweder zum Ausstrecken von Bändern, oder von
Quartieren dienen sollte.
Zum Ausstrecken der Bänder, was heutzutage ebenfalls durch
Walzwerke geschieht, sollte offenbar Fig. 640, Fol. 5 h, dienen. Hier werden
zwei Bänder von einer auf eine zweite Walüe gewickelt und gehen dabei über
einen polirten Marmorblock, wo sie von zwei kleinen Schwanzhämmern aus-
gestreckt werden, die von einem Stimrade bewegt werden, dass auf beiden
Seiten je sechs Zapfen hat, die wie Hebedaumen wirken.
Flg. 641. Fol. 21h, stellt vermuthlich ein Hammerwerk zum Schlagen
von Quartieren dar;
L: Hiev ist der Hammer über seine senkreehtü Stellung hinausgcgiuigen und
würde umfallen, nenn die Stütze n nicht wäre, die den Hebelarm t aufhält. Als-
dann bewegt ihn das Rad s mit Heftigkeit, denn durch jeden Zahn, um den eich
das grosse Rad nach rechta bewegt, bewegt sich das Rad s mit drei Zähnen um einen
nach links.
Auch der Mechanismus Fig. 642, Fol. 11 v, sollte vermuthlich zum
Schlagen von Quartieren dienen. Hier wird durch das Spiel von acht
Hebedaumen an einer langsam gehenden Axe und einen Hebedaumen an einer
rasch gehenden Axe ein kleiner Schwanzhammer mit ebener Bahn abwechselnd
gehoben und niedergeschnellt.
L: Dieses ist der stärkste Schlag, den man für den Zweck des Goldachlägers
(battiloro) anwenden kann, und dies geschieht in folgender Weise: Wenn das Rad it
den Hammer o durch den Zahn m vermittelst des Hebelarmes n gchoiion hat, stützt
er sich einen Moment gegen die Stutze /, und plötzlich erfasst der Zahn h an dem
Getriebe S den Zapfen / und schleudert den Hammer mit Gewalt auf den Amboss g
440 Leonanlo d» Viod.
herab. Alfldaoa wird von dem folgenden Zahne des Radea £ der Hammer von
Neuem gehoben. Aber achte dnrauf, dass die Mitte des HHnin:ere nicht über den
Punkt c hinausgeht. Damit der Zahn b nicht »u viel Mühe hat, ihn zurückzutreiben,
genüge es, daas die halbe Hammerbreite den Perpendikel überschreite, der auf seinen
Drehpunkt gefällt wird.
Aber hesser ist es, wenn sofort, nachdem der Zahn tit den Hebel n verlässt,
der Hebelann / eich gegen den Zahn b stützt und die Stütze l weggelassen wird.
Das Rad des Motors habe 128
Zähne und sein Getriebe 8 Triebstöcke,
das Rad & 8 Hebedaumen, das Rad x
64 Zähne und sein Getriebe S 8 Trieb-
stöcke.
Obgleich ich sagt^ man solle das
Holz l weglassen, so erkenne ich nun
doch, da.es es nützlicher sein wird, ea
stehen zu lassen und ea anstatt einer
Feder zu gebrauchen, so dass, wenn der
Hammer o gegen das Holz l schlägt,
die Feder durch den Stoas des Hammers
ziirückweichL Wenn sie dann wieder
zurückkehrt, fängt «e an, dem Hammer
die entgegengesetzte Bewegung zu er-
ihcilen, so dass, wenn der Zahn h den
Hebelarm J" berührt, er den Hammer
mit grosser Leichtigkeit herabschnellt, da
dieser durch den Rückprall der Feder
bernta angefangen hat zu fallen.
In diesem Falle muss man das Gold bewegen und nicht den Hammer, d. h.
wenn man das Gold breit schlägt.
Auch die letzte Bemerkimg deutet darauf hin, dass dieser Hammer zum
Schlagen von Blättchen in der Form bestimmt war, da diese hierbei bekannt-
lich von dem Schläger unabläasig umgedreht wird.
Fig. 6-13, Fol. 38h, zeigt eine horizontale Bohrmaschine. Anf
einem Gestelle, ähnlich dem einer Drehbank, ist ein Spindelkasten vermittelst
Schraube verschiebbar. Die Bewegung der Spindel erfolgt durch Drehrolle
und Bogen. Das zu bohrende Stück ist auf dem Gestelle befestigt. Bemerkens-
werth ist, dass der Bohrer wie ein Kembohrer skizzirt ist, der nicht das
Horizontale Bobrinascbine, Centrirapparat.
441
ganze herauszubohrende Material in Späne verwandelt, sondern den grössten
Theil davon als Cylinder herausschneidet.
Die Figuren 644, .645, 646 und 647, Fol. 38h, zeigen verschiedene
mechanische Gentrirvorrichtungen, und zwar
Fig. 644 und Fig. 646 eine kreuzförmige Planscheibe mit vier Backen,
die durch vier gleiche, nach der Mitte gerichtete Schrauben bewegt werden.
Da auf diesen Schrauben gleiche Winkelräder sitzen, die alle in ein
Winkelrad eingreifen, das sich um einen in der Mitte senkrecht auf dem
Kreuze sitzenden Zapfen dreht, so werden durch dessen Drehung die vier
Backen stets um gleich viel und nach gleicher Richtung verschoben.
Fig. 645 zeigt, wie die gleichmässige Verschiebung der vier Backen von
einem in der Mitte der Planscheibe sitzenden Stirnrade aus durch vier kreuz-
weise angeordnete Zahnstangen geschehen kann.
Fig. C45.
Fig. Gie.
Fig. cn.
Fig. 647 zeigt eine Vorrichtung, um die Bohrung eines Ringes
eines Rades u. s. w. zu centriren. In einem Cylinder, worüber der Ring
oder die Radnabe geschoben wird, sind vier radial und rechtwinklig zu ein-
ander gestellte Platten verschiebbar. Diese schliessen sich mit ihren Innen-
flächen an einen in dem Cylinder konaxial verschiebbaren Konus an. Wird
dieser Konus durch eine Schraube in den Cylinder hineingeschoben, so werden
die vier Platten stets um gleich viel nach aussen geschoben und centriren die
Nabe oder den Ring, indem sie sich gegen deren Innenwand stemmen.
Fig. 648, Fol. 14 V, zeigt eine Patronendrehbank zum Gewinde-
schneiden. Die Patrone ist bei dieser primitiven Konstruktion nur an
einem Ende gelagert und muss mit der zu schneidenden Schraubenspindel so
fest verbunden werden, dass beide zusammen eine steife Stange bilden. Das
zweite Lager befindet sich am Ende des Werkstückes. Das erste Lager ist
mit einem Bügel fest verbunden, der die Patrone umschliesst, und darin ist
ein feststehender Zahn, der von oben in die Patrone eingreift. Die Bewegung
H2
LeoDuda da Vin
des Werkstückes erfolgt durch eine einmal dämm geschlnngene Schnur, die
oben an einer Bogensehne und unten an einem Fusstritte befestigt ist.
L: Art, eine Schraube auf der Drehbank lu machen.
Wir erinnern daran, dass sich unter den in Paris befindlichen Skizzen
Leonardo'b eine reclit gut ausgebildete Schraubenschneidmaschine befindet.
{Siehe Fig. 486, S. 345).
Fig. 649, Fol. 3v, zwei Lochstempel, die durch Hammerschläge
niedergetrieben und durch eine Feder gehoben werden.
Die Figuren 650, 651, 652, 653, 654 und 655, Fol. 38, zeigen eine
Hobelvorrichtung. Hebmass Ghothe theilt a. a. 0. S. 79 eine ähnliche
Skizze mit und spricht die Ansicht aus, sie stelle eine Hobelmaschine dar.
indem er annimmt, dass hier der Hobel durch den Mechanismus bewegt werden
solle. Dies ist aber nicht der Fall. In der Hanptzeichnung Fig. 652 ist der
Hobel an den beiden Seiten mit Handhaben versehen, was beweist, dass er
direkt mit der Hand bewegt werden sollte. Der Mechanismus an der Hobel-
bank aber kann keinen anderen Zweck haben, als den abzuhobelnden Balken
rasch und richtig einzuspannen. Es sind zu diesem Zwecke sechs seitliche und,
wie wohl angenommen werden darf, drei von unten nach oben gehende
Schrauben anzuziehen. Durch den Mechanismus aber soll ermöglicht werden,
diese neun Schrauben gleichzeitig und gleichmässig anzuziehen.
In den Figuren 651, 652 und 653 soll dies dadurch erreicht werden,
dass die Muttergewinde für die neun Schrauben in gleiche Schnurrollen ein-
geschnitten sind, die an Verschiebung in der Axenrichtung verhindert sind,
und dass eine Schnur ohne Ende alle diese Schraubenmuttern, die nöthigen
Leitrollen und eine Antriebsrolle umschlingt. Wird durch Drehung der Antriebs-
PatrooBudrehbank, Loclut«iiipel, Hobelvorrichtang.
443
rolle die Schnur bewegt, so verschiebt sie, (abgesehen von der Dehnbarkeit der
Schnar) alle SchrEiuben am gleich viel.
In Fig. 654 sind die Muttergewinde in verzahnte Getriebe eingeschnitten
nnd die Bewegungsübertragung geschieht durch eine Zahnstange.
Fig. 650 zeigt den Grundrias
Fig. 652 bei weggenommenem
Hobel.
L : a ist das Holz, nelcheä man abhobeln soll, n ist das Brett, das den ge-
hobelten Gegenstand festhält, o ist die Wand, die den Hobel unterstützt, r ist der
Znisehenraum , worin das Seil läuft, das die Schraubenmuttern dreht q ist die
letzte Wand.
4M LMnacdo da VincL
Zu Fig. 656, Fol. 4 t.
L; Art, eine Hohlkugel zu mHchen, um Feuer za werfen. Wo
der Buchstabe T angeschrieben ist, ist die Schablone, welche genau die Höhlung
macht, und wo S eingeechrieben ist, ist die Kugel, die nch unter der Schablone
herumdreht.
Da die hier skizzirte Maschine grosse Aehnlichkeit mit einer Töpferscheibe
hat, so ist anzuBebmen, dass die darauf berziistellenden Hälften tod Uobl-
kugelnl zum Werfen von Brandmasse aus Thon geformt und gebrannt werden
sollten. Schon im Altertbume kannte man Brandgeschosse. Es waren dies
irdene Gefässe, die mit brennenden Stoffen gefüllt waren. Diese „Feuertöpfe"
wurden aus Ballisten geworfen. (Ludwig Beck, „Geschichte des Eisens", zweite
Abtheilung S. 338.)
Zu Fig. 657, Fol. 9h L: Bohrer, um in die Erde zu bohren,
um Wasser zu finden. Wir erinneni an die Eidbohrer für Löcher von
geringer Tiefe, die sich unter den in Paris befindlichen Skizzen Leonardo's
finden. (Siehe Fig. 480 u. 481, S. 343).
Fig. 658, Fol. 10 h, zeigt eine Steinklaae und Terschiedene Steiozangen
zum Versetzen von Quadern.
L: Das Zangenmaul ab lat viel schwächer als das Maul cd.
Fig. 659, Fol. 33h, eine fahrbare Schraubenwinde zam Auf-
beben von Geschützrohren.
Fig. 660, Fol. 27 b, ein Krabn für denselben Zweck. Der
Schranbenmechanismus ist hier umgekehrt und ziebt das eine Ende eines
Balanciers nieder, an dessen anderem Ende das Geschütz hängt. Die Figuren
661 und 662 zeigen Details zu dem Schranbenmechanismus dieses Krahns.
TOpferMlitibe fBr Brand kngelD, Erdbohrer, Scliranbenwinden.
415
Fig. 663, Fol. 49b, eine Schraubenwinde zum Anfrichtea toh
Sänleo. Die auf der Erde liegende Säule wird etwas oberhalb ihres Schwer-
punktes TOQ der Schraubenwinde erfasst und an ihrem Fussende mit zwei
Laufrollen armirt. Dann wird die Schraubenwinde angezogen, der SäulenFuES
läaft dabei auf den- Laufrollen bis unter den Auf hängepnnkt, bis die Säule
senkrecht stehend aufgezogen wird. Dann wird die ganze Maschine auf Walzen
ng.ss2.
Flg. Mi.
Plg. Ui.
Tonnittelst einer horizontalen Schraube über den Ort der Aufstellung gezogen
und die Säule auf ihre Basis herabgelassen.
L; Dieses Gerüst ist dreieckig, und an jeder Ecke (seiner Basia) kann man
die Schraube anhängen, um das Gerüste fortzuziehen. Die Säule muss mit zwei
Brettern armirt srän, wenn man sie aufrichtet
Da nämlich die Säule nach oben Torjüngt ist, würde sie in dem Bie um-
fassenden Ringe berabgleiten, und um dies zu vermeiden, werden zwei Bretter
als Spreizen zwischen den Ring und den Sänlenkopf geklemmt.
m
Leoiutrdo da Tinci.
Fig. 605, Fol. 32t, ein Flaschenzag mit 60 losen und 60 festen,
also im Ganzen 120 Rollen, die in jeder Flasche in zv-ei Kreisen an-
geordnet sind, deren Durchmesser am etwas mehr als das Doppelte des BoUen-
durchmessers differiren.
L: Ein Seidenfaden hebt bei 120 Rollen mit 10 Pfund Kraft 6 Menschen,
wovon jeder 200 Pfund wiegt.
Flg. Ml.
Fig. 666, Fol. 32 V, zeigt einen eben solchen l'laschenzug, wobei jedoch
die Bollen in Quadraten angeordnet sind.
Fig. 667, F'ol. 8v, ein Krahn mit einfacher, aber sehr starker
Stirnräderübersetzung. Die Last wird durch einen Balancier gehoben,
der an seinem anderen Ende ein Gegengewicht trägt, um die Arbeit beim
Auf- und Niedergange auszugleichen. Unten an dem Balancier ist ein halber
Zahnkranz befestigt, dessen Durchmesser etwa der Ausladung des Balanciers
gleich ist und der diesen verstrebt und verstärkt. In diesen grossen halben
Zahnkranz greift unten ein kleines Getriebe, das durch eine Kurbel gedreht wird.
Fig. G68, Fol. 53t, eine Winde, die durch ein Schaltwerk be-
wegt wird. Dieses Schaltwerk behandelten wir schon in unserer ersten
FlaschentDge, Winden, Baggarmaschine, Krabnen. 417
Abliandlung ober Leoxardo da Vikci nach einer Skizze von Heh«. Grothe
(S. 102) und sagten: „Bei ihm macht das innen verzahnte Schaltrad die hin-
ond herschwingende Bewegnng und versetzt eine darin liegende, mit Sperr-
klinken versehene Scheibe in absetzend rotirende Bewegung. Bei dieser
Anordnung kann das Spiel des Mechanismus leicht
durch eine auf das Zahnrad befestigte Deckplatte
verborgen irerden, und es ist wahrscheinlich, dass
darin der Grund zu dieser Anordnung zu suchen
ist." Aus der hier vorliegenden Hauptskizze ersehen
wir nun, dass die innere Scheibe des Schaltwerkes,
woran die Sperrkltnken sitzen, mit einer Winde-
trommel fest verbunden ist, an deren anderem Ende
ein Sperrad sitzt, in das ein am Gestelle sitzender
Sperrhaken eingreift und den Rückgang der Trommel f^^ stq.
verhindert.
L: Diese Maschine Ut gut, um eine Last zu heben, aber sie ist nicht eo
amiirt, wie es seia mute, weil man ihr GeheimnUs lu rasch sieht. Die Flächen
Jlfjf sollten aussen und innen, d. h. auf jeder Seite, eine Scheibe haben, die dns
Geheininiss der Federn (der Sperrklinken) umschlieasen, armiren und verdecken.
Der Hebel, der die Bewegung verursacht^ hat nur eine Elle niederzugehen und
eich um ebensoviel zu heben.
Zu den Details links von der Hauptskizze.
L: Dieses sei die obige Vorrichtung A in ihren Theilen dai^estelli, um ihre
443 Leonardo da VincL
Verhältnisse besser verständlich zu machen. Und wisse, dass der kleinere Theil an
seiner tiefsten, mit B bezeichneten Stelle die Feder (Sperrklinke) enthält, \?elche in
die mit N bezeichneten Zähne des benachbarten Theiles eingreift
Fig. 669, Fol. 8v, eine Art Baggermaschine zum Heben Ton Steinen
und Erde aus dem Wasser. Sie ist nach demselben Princip, jedoch viel
leichter konstruirt, als diejenige, welche Büqjiaiuto Lorini zu Anfang des sieb-
zehnten Jahrhunderts beschrieb und abbildete. (Siehe Fig. 291, S. 251.)
LoRiNi sagt selbst, dass daran nichts weiter von ihm erfunden sei, als die
Schaufeln an der doppelten Zange und die Vergrösserung des Hebels, was so
viel sagen will, als dass er diese Maschine zuerst grösser und dem entsprechend
leistungsfähiger gebaut habe.
Fig. 670, Fol. 40v, ein dreifüssiger Krahn mit dem Mechanis-
mus einer gewöhnlichen Wagenwinde, der indem Gestelle aufgehangen
ist, und an dessen Zahnstange die zu hebende Last hängt.
L: Doppelte Wagenwinde (martinello doppio), welche jede grosse Last hebt.
Wir erinnern daran, dass Büonaiüto Lorini in seinem Werke ;,delle
fortificazioni^, Venedig 1597, denselben Mechanismus auf einem Bockgestelle
stehend beschreibt und abbildet, dass aber Gasparüs Schottus in seiner „Magia
universalis naturae et artis", Würzburg 1657, erzählt, er habe während seines
zweiundzwanzigj ährigen Aufenthaltes in Italien eine Wagenwinde, wie er sie
in Flandern kennen gelernt habe, nur einmal gesehen, und zwar bei einem
Kardinal, der sie als Seltenheit aus Polen mitgebracht habe. (Vergl. S. 245.)
Fig. 671, Fol. 49 V, ein einsäuliger Krahn. Die alten Griechen
nannten diese Maschinen fiovuxiokoL Wir verweisen auf den Schluss unserer
Abhandlang über Pappus (S. 35).
Nach dieser, sowie nach der Beschreibung Vitrüv's (siehe S. 44), der
bemerkt, dass diese Maschine nur von kundigen Leuten gehandhabt werden
könne, hat Leonardo die Skizze Fig. 670 wahrscheinlich entworfen.
Bei den vier Oesen an der Spitze der Säule.
L: Zum Anbinden von Seilen.
Fig. 672, Fol. 51 V, ein Drehkrahn zum Umladen von Waaren aus
Booten auf einem höher gelegenen Kanal in solche auf einem tiefer liegenden
Kanal, oder umgekehrt. Li der Detailzeichnung rechts unter der Hauptzeich-
nung ist der Drehkrahn von der Seite dargestellt und zwar so, dass die am
Handgöpel beschäftigten Arbeiter unter Dach arbeiten.
Maschinen zum Horizontaltransport grosser Lasten.
Die Figuren 673, 674 und 675 zeigen Maschinen, die eine Platte, v^orauf
die Last liegt und die auf Walzen und Schienen läuft, vermittelst mehrerer
Schrauben fortziehen.
Bei Fig. 675 sind es zwei solcher Schrauben, deren Muttergewinde in
Haschinen
1 EorisonUltruiBport grosser Lasten.
«9
die Naben tob Winkelrädern emgesohnitten sind, die durch zwei auf einer
Welle sitzende Getriebe gedreht werden.
Fig. 674 onterscheidet sich hiervon dadurch, dass die Umdrehm^ der
Mattem durch zwei auf einer Welle sitzende Schrauben ohne Ende erfolgt.
Anf dieser Schranbenwelle sitzt ein Schwungrad, das als Hand- oder Spillen-
rad dienen könnte. Ks ist aber darunter nochmals eine Schraube ohne Ende
mit Handgriff angedeutet, so dass das Schwungrad ebenfalls aussen verzahnt
und in diese Schraube eingreifend gedacht werden mnss. Die Räderübersetz-
ung wird dadurch eine allzu groBse.
Fig. 673 unterscheidet sich nur dadurch von Fig. 674, dass Tier Schrauben
an der Platte ziehen, anstatt zwei.
Man hat es RAMfxu vielfach zum Vorwurf gemacht, dass er derartige
Maschinen mit übertrieben starken Uebersetzungen in seinem Werke abge-
bildet und beschrieben hat. Wer aber die hier vorliegenden Skizzen Leokardo's
(sowie die Fig. 665 und 666, dargestellten Flaschenzüge) mit den betreSenden
Kupfern Rahelu'b vergleicht, wird darin einen weiteren Beweis für die Zuge-
hörigkeit Rahelu's zur LEONABOo'achen Schule finden.
Fig. 676, Fol. 53 t, ist eine Abänderung der in Fig. 668 da^estellten
Winde mit Schaltwerk. An die Stelle der Seiltrommel ist eine Schraube
gesetzt, deren Mutter an der Drehung Terbindert und horizontal geführt ist.
An diese Mutter wird die zn verschiebende Last mit einem Seile angehängt.
Fig. 677, Fol. 49t, eine Hebelpresse, ähnlich den altrömiscben
Keltern und Oelpressen. Der Fresshebel wird durch den Handhebel d c nieder-
gezogen, bis das Gewicht an der Rolle bei c sich hebt. Dieses übt dann
450
L— trio iA Vi»a.
einen konstanten Dnck aof dd^s Pressgnt ais. Durch den Handliebel ab
wird der Pre&äbebel gehoben.
L: Der B^ken bu 100 Pfand Gevichi ixnd 9 Eilen Länge und i/t (EUe)
als GegenhebeL Im Ganzen übe er for äcfa allein einen Druck Ton 2700 Pfund
ans and aof der anderen Seite von dem Drehponkie ebenäOTiel, nm im GkkligewicfaSn
m sein^ daher lasten aof der Drefaaze 5400 Pfand Gevicht.
Der Balken ist 100 Pfand schwer, so da» 30 anf b wirken and (da die Hebd.-
anne von ab sich wie 1 : 5 Terfaalteni 10 Pfand aof a kommen.
Der Haopibalken ist 9 Ellen lang and hat aosserdem ' c Elle als Gegen-
hebel ^d. L der kurze Hebelarm^ daher bleibt als Hebelarm 9 Ellen, was ^eich ist
54 Sechstel gegen das eine dea Gegenbebels ; and das Doppelte auf den Stat^Hinkt,
macht 108 Pfond. Daher giebt jedes Pfund, womit auf den Hebel gedruckt wird,
108 Druck auf den Staupackt des Balkens. Bringe ich nun 1000 Pfund am Ende
Fig. 677.
des Hebel«) an, so wird gewiss der Stützpunkt des Hebels 108000 Pfund verspüren.
Der Balken für sich allein, der 100 Pfund wiegt, drückt für sich allein mit
6400 Pfund auf seinen Stützpunkt Diese zu den 108000 Pfund gefügt, giebt
113 400 Pfund.
Man ersieht hieraus, dass Leonabdo bereits das Eigengewicht des Hebels
bei Berechnung des von ihm ausgeübten Druckes berücksichtigte, während wir
seither meinten, dass Guido Ubaldi dies zuerst gethan hätte; dagegen ersieht
man auch aus dieser Rechnung, dass Leonardo den Druck des Hebels auf
seinen Stützpunkt bedeutend überschätzte, indem er ihn doppelt so gross
annimmt, als die an dem kleineren Hebelarme wirkende Kraft.
Fig. 678, Fol. 11 V, eine Schraubenpresse zum Auspressen von Oel.
L: Eine Oclpresse. Jedesmal, wenn Du die Schraube (direkt) drehen willst»
nimm jene Traveräe weg, die sich über den Presskörben befindet, und drehe die
Schmube so, doHs Du die genannten Presskörbe so stark zusammenpressest» wie Du
es (auf diese Weise) kannst. Dann setze die genannte Traverse wieder ein, spanne
Hebel- und Schraabenpresseo, Rosa-, Hand- und FarbmUhlen.
431
ein Pferd an den grossen Hebel und lasse es herumgehen, und ich verspreche Dir,
dass die Oliven so stark gepresst werden, dass sie gleichsam trocken zurückbleiben.
Aber wisse, dass diese Presse viel starker gemacht sein will, als die anderen, die im
Gebrauche sind, damit sie von der Kraft
des Pferdes nicht überwältigt werde, sondern
ihr Widerstand leistet
Mühlen.
Die Figuren 679 und 680 zeigen
eine Rossmühle mit sechs Mahl-
gängen, die von einem Pferdegöpel
aus bewegt werden.
Fig. 681, Fol. 32 V, eine Hand-
mühle mit gekröpftem Mühleisen und
einer Schubstange. Eine solche Mühle fanden wir schon unter den Skizzen
aus der Zeit der Hussitenkriege. (Siehe Fig. 314, S. 274.)
L: Art, Getreide zu mahlen.
Fig. 682, Fol. 60 V. Vermuthlich eine Farbmühle.
L: Wenn man will, dass das Gewicht (der Lauferstein) sich um sich selbst
drehe, ist erforderlich, dass das mit a bezeichnete Loch ein wenig breit, d. L
weit seL
Fig. 683, Fol. 60v, Mühle mit oben ausgehöhltem Bodenstein.
Auch hier möchten wir annehmen, dass die Mühle zum Mahlen von Farben
Fig. 678.
£
Fig. 679.
benutzt werden sollte. Von Georgiüs Agricola wurde eine Handmühle mit
solchen Steinen zum Mahlen von Erzen beschrieben. (Siehe Fig. 169, S. 152).
Fig. 684, Fol. 60h, ein Mahlgang, der vermittelst eines schweren
Pendels von Hand betrieben werden soll. Ein sehr schweres Pendel
soll durch eine Winde aus seiner Gleichgewichtslage gebracht und dann los-
gelassen werden. So oft es auf der der Winde gegenüberliegenden Seite sich
seiner höchsten Lage nähert, stösst es gegen einen Handhebel und ein Arbeiter
ertheilt vermittelst dieses Hebels dem Pendel einen neuen Impuls. Auf der
Axe des Pendels sitzt ein Winkelrad, wovon jedoch rechts und links etwa je
ein Viertel als überflüssig ausgeschnitten ist. Dieses Winkelrad greift in zwei
29*
4IS Leojurdo dk Vind.
auf einer senkrechten Axe sitzende Getriebe. Das Winkelrad hat Ratecfaen*
zahne, die die Getriebe nur aach einer Richtung umdrehen, bei der en^^en-
gesetzten Bewegung aber sich umlegen. So wird durch abwediselnde Eio-
wirknng der beiden Winkelradquadranten diese erste senkrechte Welle in
kontinuirliche Umdrehung versetzt und diese durch drei weitere Räderütmr-
setzungen auf das Muhleisen übertragen.
In der links von der Figur stehenden Detailskizze von der Räderiiber-
Hützung mit Ratsclienzähnen ist auch das Getriebe nur durch ein Sperrwerk
mit seiner Axe verbunden, das die üebertragnng der Bewegung auch nur nach
einer Richtung gestattet, üies scheint eine Vorsichtsmassregel zu sein für
MOlilen mit BiiBgetiliUtem Bodenstmii, Bohir»rem Pendsl, Tretrad. Geriime. 4S
den Fall, dass einer der Ratschenxsbne in den Quadranten sich nioht recht-
leitig umlegen sollte.
L: Mache daa Cieivicht am unterea Ende (des Pendela) 20000 Pfund schwer
und den Hebelarm, der bis zu seinem Centnun hinaufreicht, 30 Ellen lang, und sein
Gegentheil 1 Elle. Und so habe auch das erste Getriebe 1 Elle (im Durchmesser)
und 26 TriebstScke. Du Rad, das es überdacht, habe 8 Ellen im Durchmesser
und 200 Zähne, das iweite habe 150 und das dritte 100 Zähne und jedes Oetriebe
25 Triebstöcke, Und wis^ dass der Läuferstein 960 Umdrehungen während einer
Umdrehung des ersten Rades macht, da das leiste Getriebe 6 Triebstdcke hat
Wenn der 8tdn (am unteren Ende des Pendels) gegen den Oegenhehel a atösst,
sdiiebt er den Hebel b zurflck.
Du wirst zuerst den Läufentein '/■' von seinem Kameraden abstehend in
Umdrehung vetwtzen. Wenn er in seiner vollen Geschwindigkeit ist, lasse ihn dann
vermittelst der Schraube herab, die unter der Aze des Läufersteina ist, und dann
gieb das Getreide auf.
Fis. S8S.
Fl(. «ST.
Diese Skizze Lbonabdo's ist znr Beurtlieilnng J*oi:es Besson's von Wich-
tigkeit, denn man ersiebt daraus, dass aach Bbsson's Vorliebe für schwere
Pendel ana der LEONAitDO'achen Schule stammt.
Fig. 685, Fol. 13v, ein Mahlgang durch Tretrad betrieben.
Fig. 686 nnd687, Fol. 24h, eine Ger inuan läge fär kleine anter-
schlächtige Stossräder.
Zu flg. d87, eines der Wasserrädcben darstellend. L: Mflhle Tdn Pavia.
12 Schaufeln, 2 Ellen lang und '/s Elle breit.
Zu Fig. 666. L; Das Wasser fällt drei Ellen. Die abgebildeten Rinnen haben
hl der grösaten Breite I Elle und an der engen Stelle */« Elle oder mehr, Ihre
Seitenwände sind '/s Ellen hoch.
Seilerei.
Fig. 688, Fol. 2h, ein Seilerrad, das im Wesentlichen mit den heute
noch gebräuchlichen übereinstimmt, und rechts davon eine Spannvorrichtung
für die gesponnenen Fäden.
454
Lcoiurdo dl Tinei.
Fig. 689, Fol. 2h, ein anderes Seilerrad znm Spinnen und Zasacimen-
drehen einer grossen Zahl von Seilen, deren Anfänge alle in einer Hoiizontal-
ebene N^en.
Seiden twimereL
Fig. 690, Fol. 36h, ein Fadenwächter für Doplirmaschinen.
L: Eine Art, Seitenfäden tu dupliren, die dann auf der Zwirn-
roaechine gedreht «erden.
Hier ist ein Glied der Maschine dai^estellt, die Seide duplirt tmd «polt Weil
dn «niiger Mensch deren viele xa hedienen hat, i^t erforderlich, wenn dner der beiden
Fäden reimen sollte, die man insammendieben will, da» der andae, der onn für
dch allein ist, si(^ nicht über die Stelle wickelt, die jenen aufnahm. Deshalb be-
wirke ich, da» das Getriebe das ihn (von der ersten Spule) abwickelt, sofort EiiUs
steht, wenn ein Faden zerreisst, und zwar bewerkstellige ich es folgender
/t und die beiden Rollen der einfachen Fäden iFortsetzuag fehlt).
a ist die Axe, von der aus die Last des Krames, der die (Rollen) m tifi^
gehoben und niedergelas^n wird. — Es ist nothwendig^ dass das Getriebe plötzlich
angehalten werde, das den duplirten Faden aufwickelt
Ans der Zeichnung ist zu erkennen, dass jeder der beiden einfachen
Fäden, ehe er auf die Spule für den duplirten Faden gelangt, unter einer
Fiihrungsrolle durchläuft, die in dem Ende eines beinahe Eenkrecht stehenden
Hebels gelagert ist. Reisst der Faden, so fällt dieser Hebet um, und sein
kürzerer Hebelarm greift, wenn er in die horizontale Lage gelangt, in die
Zähne des Getriebes und verhindert dessen Drehung.
Fig. 691, Fol- 36h, eine andere Konstruktion dieses Faden-
wächters.
L: Hier aetzt man die Spule zurück (d. h. hinler die senkrecht stehende,
arretirende Feder) und hält ihre Drehung auf. Ihr Auf- und Niedergang ^olgt. nur
durch den Kranz S, der die Spindel unterstützt; jeder andere Theil aber Bl«>Jit fest
in seiner Höhe.
SeilerrSder, Fadenwtchter.
45S
Bei der Torigen AnordnuDg blieb die Spule in derselben Höhe und die
Leitrolle des Fadens bewegte sieb auf nnd nieder ; hier aber bleibt die Leit-
rolle des Fadens in derselben Höhe, und die Spule wird auf nnd nieder
bewegt, um den Faden gleichmässig auf ihre Länge zu vertheilen. Der senk-
rechte Hebel, der die Leitrolle für den einzelnen Faden trä^t, ist auch hier
innerhalb des Kreises, in dem die Spulen stehen, gelagert. Fällt er infolge
eines Fadenbruches nm, so zieht er rermittelst einer Schnur einen einarmigen
Hebel nieder, dessen Drehungsaxe weiter rechts unten an einem feststehenden
Flg. «0. Fig. 091
Brettchen angebracht ist. Von dem Befestigungspunkte der Schnur an ist
dieser Hebet senkrecht in die Höhe gebogen und schiebt bei der genannten
Bewegung einen auf dem Brettchen gleitenden Schieber nach hnka. Dabei
drückt ein am rechten Ende des Schiebers befestigter, abwärts gebogener Arm
gegen die senkrechte Feder vor der Spule und schiebt sie zwischen die
Zähne des Getriebes, das die Spule bewegt, wodurch diese sofort angehalten wird.
498
iMmatio im Tinci.
TueUkbrilution.
Fig. 693 nnd 692, Fol. 38t, eine Ranhmaschitie.
Zu Fig. 602. h: A Ut die Sl«Ue (da- Balken), an der sich tuteo die Kratx-
oder Karde befindet. iV ist die Stelle, wo die Axe die Handkurbel eine« Schwoog-
radea bilden könnte für den Fall, daäs ei nur ein oder inei Tücher wären ohne
andere Arbeit
Zu der Walze abcde. L: Jede Walze, welche ein darauf gezogenes Tuch
trägt, d. h. abcde, sollte getrennt »^n, und zwar zu dem Zwecke, daaa man sie
Fig. SH.
Fig. SM,
bei Tüchern von verachiedener Länge in verschiedene Entfernungen (von der gegeo-
Qberliegendon Walze) ziehen könnt«. Und dann versetze das Antriebsrad an die
Walze, <lic auri einem Btücke beäteht, nämlich an HO.
Bei Fig. 693 steht das Wort: „cardi", sie stellt daher eine der Karden
in umgekehrter Lage dar.
Die Figuren 694, 695 und 696, Fol. 5 v, sowie die Figuren 697, 698,
699, 700 und 701, Fol. 11h, sind Skizzen zu Tuchsclieermaschinen {sogen.
Tachrauhmaaehioeo, Tiieliscbaennaschineii.
457
„mechanische Scheeren^). In den Skizzen Fig. 694, 695, 696 hat die Scheere
noch die Form der alten Handscheere (Schafscheere). In Fig. 696 liegt das
Tuch auf einem Tische, nnd nur ein Scheerenblatt wird mechanisch bewegt.
In Fig. 695 erfolgt die Bewegung ebenso, aber das Tuch läuft über einen
Cylinder. In Fig. 694 werden beide Blätter der Scheere mechanisch bewegt.
In den Figuren 698, 699, 700 und 701 sind die Scheerenblätter nicht direkt
Fig. 096.
Fig «97.
Fig. 699.
mit einander verbunden. Diese Skizzen zeigen verschiedene Arten der Beweg-
ungsübertragung auf das obere Scheerenblatt (den Läufer) und Stellvorricht-
ungen für das untere (den lieger).
Fig. 697 zeigt einen Mechanismus zur Bewegung von zwei Scheerenblättem
und zum Fortschieben des Tuches durch ein Schaltwerk.
Fig. 700.
Fig. 701.
Zu Fig. 698.
L: ^ ist ein Keil, der die Scheerenschneide hebt und senkl; je nachdem sie
das einemal mehr Wolle wegzunehmen hat als das anderemaL
In Fig. 701 ist dieser Keil durch eine Stellschraube ersetzt,
. Zu Fig. 699.
L: o, weil es ohne Rolle ist, wird besser sdn, da ein Zapfen weniger vor-
handen ist, der sich abnützt Auch ist es die einfachste Art, die man anwenden
kann. Da das Tuch gegen f hin fortschreitet, bewegt es sich gegen die Schneide
der Scheere (des Liegers), die die liegende Wolle aufhebt und auf das Beste arbeitet
Zu Fig. 700.
L: Es scheint in diesem Falle nöthig zu sein, dass beim Zugehen der Scheere
die untere Schneide niedergehe, damit sie besser an die Wurzel der Wolle gelangt
Bdm Niedergehen der Schneide hebt sich der Rücken o, weil sich das Blatt bei / um
4SB Leonardo da Tinci.
änen Zapfen dreht Damit aber die Schneide nur wenig Niedergang erfahre, machen
wir, dass der Ring n an das Knie m BtÖBSt
Zn Fig. 697.
L: Von den beiden Eisenstangen m und n kann jede der Führer einer Scbeere
eein, oder trenn Du willst, von zweien, wenn nur m ebensoviel zu arbeiten hat, wie n.
— Die Schnur p q bewegt das Tuch gegen die Scheere hin, wenn diese geöffnet ist;
wenn aber die Scheere sich schlieset und schneidet, musä das Tuch fest liegen. Denn
wenn das Tuch sich unaufhörlich bewegte, würde der Theil des Tuches, der beim
Beginne des Scheerenschlusses geschoren wird, schon etwas fortgerückt sein, wenn
die Scheere aufhört, sich zu schliessen, und wenn man ne Eum zweitenmal schliessen
wollte, würde sie Tuch dazwischen ungeschoren lasKn. Daher ist nöthig, dass das
Tuch während des Schnittes eich nicht bewegt, damit die abgeschorene Linie gerade
und rechtwinkelig zu den Seiten des Tuches sei
HUin&delschlelftnaschinen.
Dass die in dem Codice atlantico zerstreuten Skizzen, die in den Figuren
702 bis 708, wiedergegeben sind, zusammengehören und was sie bedeuten,
kann nur mit Hilfe einer Zusammenstellung der dabei stehenden Bemerkungen
Leonardo's errathen werden.
Zu Fig. 707, Fol. 31 h, auf dem Rande des grossen, um
Axe sich drehenden Rades:
L: Kranz von Blei mit Schmirgel.
Daraus ist ersichtlich, dass dieses Rad ein Scbleifrad ist.
NabDadelschleifmaschineii.
459
Zu dem in der Detailzeichnnng 707 A angegebenen Führnhgsstücke f&r
den unteren Zapfen der vertikalen Axe:
L: Dieses macht man, damit die Axe beim Heben ihres Rades nicht aas der
Senkrechten kommt.
Zu der Detailzeichnung Fig. 707 B, die den in der Vorrichtung neben
dem Schleifrade über zwei Rollen laufenden und dazwischen zusammen gehaltenen,
endlosen Riemen vorstellt:
L: Dies sei Sämischleder, das die weniger dichte Seite innen hat und dessen
Enden durch Zwimnähte und Leim verbunden sind, so dass sie wie aus einem
Stucke sind. Seine Bewegung mache es von b nach a hin, damit seine Verbindungs-
stelle nicht gegen den Strich läuft
Fig. 704.
Die in Fig. 702, Fol. 25 t, dargestellte Vorrichtung unterscheidet sich
von der in Fig. 707 neben dem Schleifrade dargestellten nur dadurch, dass
an Stelle der geraden, übereinander hingleitenden Riementheile zwei Lineale
gesetzt sind und dem entsprechend die Bewegung nicht kontinuirlich, sondern
hin- und hergehend erfolgt
^>HHk
Flg. 705.
Fig. 706, Fol. 25 h, zeigt denselben Mechanismus mit einigen kleinen
Aenderungen, und hier sieht man, dass zwischen den Linealen kleine Körper-
chen mit kreisrundem Querschnitte liegen, die durch die Bewegung der Lineale
um ihre Axe gedreht werden.
Zu Fig. 702. L: Hier legt man die gehärteten (temperate) ein und macht sie
ganz fertig, und wenn man die Spitze herstellen will, wird der Drehzapfen des Rades
in der Mitte (des Schleifrades) durch den Fuss niedergelassen und gehohen. Das
Rad, das durch einen Schraubenfuss (pi^ a vite) gehoben wird, sinkt nieder, um die
Spitze zu bilden, und diese Vorrichtung (Fig. 702) beugt sich in den Scharnieren AB.
Da aus Fig. 707 ersichtlich ist, dass das Heben des Schleifrades durch
eine Kröpfung in der vertikalen Axe geschieht, so ist auch anzunehmen, dass
das Wort pie (Fuss) ein Kunstausdruck für eine solche Abbiegung war, der
Zusatz „a vite^ aber deutet darauf hin, dass die Einkerbungen in dieser
Ahhi»rsBX HD Sc'mghBaggwinöe bilda. WafanekeiMäch soQ» dv Binf.
von:: d:'^ Zsz^se b«:^<n£: U:. Anfiap m dea «>h»>f Thül dioes Gewindes
«BAlKt ««d«t 3nd seil «o der leiLflgt* AUicfVK der An bemuter-
•c&n::b«a. dircit ^« Sr-Lrisfssxes d«s Sch>tfndes «ihreiid dei AxacfaleifeBS
der Sphze ilhclhixh vArhiez. JL^ttin e» st nickt Terständhct. vie bevirfct
vedea soSte. dus du Sddeifrsd
seh BOT mäiT msd Bchr nach
abvSzts beves^ iber nidit ober
Ass d:e£«ii B«iB«rtaii^n ist
erscttlid». düä hi*r dänne. ge-
r« 7X. Linete G«£eEf£üi<ie lut krei»-
rudea t^ei^'hnin« and einer
Dvrr'-^ixr.-rax iz: ^-zfizi E=le «?t rrmd sn.i duic ic .isdereD ErJ* ipia «scfaliffra
«crri-ia Mi-zetu «^lo *ack die BeseiebnaBg ,äae9tn* fsr ein y,kdeÄ>iir äeitte nicät
E-iir zr^Ti-:^l:;i ist BeiD .VEspi^ec »ca Nii^^s toü Hicd wenJea lirese mit
ie= l'i:.^.-:- i;ii ::^d h^r i^r;'.:;, däsh&lb ist i=iT:=T!ir.ec dis Fig. 103 ra
den inziz. E2:Tir:'e3 L«C5i?:-:"ä sehört, weii ^Itr die beiden Lineale 4i« Itm-
imd b^rz-ihende Bewe^^sj t:- TTiei ib^reinanier *:ii:i'=::e::,ien Fla^wn nach:-
a^^iz. Wi2pscbeL'-.::ci scW'.i !::er. wie in dea Fig. T'?T ae-i 706, das An-
461
drücken der Tfadeln auf das Schleifrad durch eine Feder geschehen. Doch
hatte diese Konstruktion (Fig. 702) den Fehler, dass die Äxe, um die sich
der Rahmen dreht«, tod seiner Mitte zu weit entfernt lag. Deshalb wurde
in Fig. 706 die Drehungsaxe dem Rahmenmittel bedeutend näher geruckt
Die Zugstange, die das untere Lineal bewegt, geht hier durch den festen
Zapfen am Gestelle, nm den der Rahmen schwingt. Zum Andrücken der
Nadeln auf den Schleifstein ist hier ein Gewicht angewendet, das an einer
Gurte hängt, die am eine an dem Rahmen befestigt« Scheibe geschlungen ist
Bei den Anordnungen Fig 703, 704 und
706, Fol. 25 V, ist die Drehaxe ganz in die
Mitte des Rahmens versetzt. Bei Fig. 704
ist tmten ein Arm angebracht, gegen den
bei dem Hin- nnd Hergänge der Lineale
einmal eine Kurbel stösst und dadurch den
Rahmen in Schwingung versetzt. Obgleich
hei diesen Mechanismen, abgesehen von der
Riemenstreckung zn einer seitlichen Ver-
schiebung oder einem Fortrollen der Nadeln
kein« Neigung vorhanden ist, hat Leonardo
doch an den Enden der Nadelreihe Anti-
friktioBsrollen angebracht , die im Falle
einer Verschiebung der äussersten Nadeln
diese zurückhalten sollen, ohne einen merk-
lichen Reibungswiderstand zu veranlassen.
Da aber bei gleich schneller Bewegung der _ ,^
beiden Lineale in entgegengesetzten Rich-
tungen nicht seitliches Fortschreiten, sondern nur eine Drehung der Nadeln
erfolgt und die Drehungarichtung für die Schleiferei gleichgültig ist, so konnten
die Lineale auch weggelassen und die Nadeln zwischen einen kontinuirlich
umlaufenden, endlosen Riemen gefasst werden, wie dies die Fig. 707 und 708
zeigen. Die Bewegung der Antriebswalz« dieses Riemens geschieht in Fig. 707
durch spiralförmige Zähne auf der Schleifscheibe. Das in diese Zähne ein-
greifende Getriebe muss der auf- und niedergebenden Bewegung der Schleif-
scheibe folgen, deshalb ist das Rügellager, das die Antriebsrolle des Riemens
umfasst, um einen horizontalen Zapfen drehbar. Daraus, dass in Fig. 707
sechs Axen mit Getrieben angedeutet sind, die in die spiralförmigen Zähne
anf dem Schleifrade greifen, ist ersichtlich, dass sechs solcher Apparate, wie
sie Fig. 708 darstellt, um die Schleifscheibe herum gestellt werden sollten.
Ytr die Annahme, dass Leonardo die Konstruktion Fig. 707 als die endgültige
betrachtete, spricht auch der Umstand, dass die Zeichnung Fig. 708, Fol, 57 t,
mit besonderer Sorgfalt ausgeführt ist.
462
Leonardo da VincL
Formerei.
Die Fig. 709bi8 714, Fol. 19 v, nnd Fig. 715, Fol. 19 v, über die Her-
stellung des Modells und die Form zu einem Geschütze bilden eine
werthvoUe Ergänzung zu den Beschreibungen und Abbildungen YANUcao
BmiNGücao^s über Geschützformerei im 15. und 16. Jahrhundert (Siehe Dr.
Ludwig Beck, Geschichte des Eisens, Abth. 11, S. 270.)
Fig. 709 zeigt die hölzerne Spindel des Modells. In Fig. 710 sehen wir
diese mit einem Seile dicht umwickelt. Darauf wurde Lehm in mehreren
Fig. 109.
Fig. 712.
Fig. 710.
Fig. 711.
Fig. 713.
Fig. 714.
Lagen mit Hülfe von Schablonen aufgetragen. Um das Thonmodell, das nach
Vollendung der Form zerschlagen nnd stückweise herausgenommen wurde,
leicht zerbrechlich zu machen, wurde, wo es erforderlich schien, die zuletzt
aufgetragene Lehmschicht mit Holzasche bestrichen, ehe man eine neue
Schicht auftrug, so dass sich diese beiden Schichten nicht mit einander ver-
banden. Feine Verzierungen wurden aus Wachs oder Talg hergestellt, so dass
sie bei der Trocknung der Form über Kohlenfeuer schmolzen und von dem
Thone aufgesogen wurden.
Zu Fig. 711. L: Diese Figur t sei die fertige Bombarde (d. h. das fertige
Modell) mit ihren Karnisen, die man durch Seil uiid Lehm bis zur Berührung mit
der Schablone bringt. Wenn sie getrocknet ist^ glättet man sie mit flüssigem Lehm,
trocknet wieder und trägt Talg düiin auf.
Geschützformerei, Oefen. 463
Auf das Modell wurde flüssiger Lehm, d. h. dünner Lehmbrei mit dem
Pinsel wiederholt aufgetragen, bis die Form die gewünschte Wandstärke
erreicht hatte. Dann wurde sie wieder mit einer Schablone abgedreht, wie
Fig. 712 zeigt.
L: Wenn die Fonn in dem hier gezeichneten Zustande h ist, muss man sie
der Lange nach mit Eisen armiren, die den Krümmungen der Form so gut wie
möglich folgen. Diese Eisen müssen so lang sein, wie die Form, müssen ^/s Elle
von einander abstehen, 2 Finger breit und 1 Finger dick sein. Dann nimm von
dem Bandeisen, das die Umschliessung bildet, und nachdem Du es in die richtigen
Längen zerschnitten hast^ machst Du vier Fiuger breite Gürtel daraus. Damit bindest
Du die genannten Eisen alle ^/s Elle der ganzen Länge, indem Du die (aufgebogenen)
Kopfenden der genannten Gürtel mit Eisendraht imiwickelst Darüber streichst Du
eine dünne Schicht Lehm und armirst wieder mit anderen Gürteln zwischen den
unteren, imd diese oberen lasse imbedeckt, und Du hast die Form vollendet
Fig. 713 zeigt die vollendete Form.
Zu Fig. 714. L: Wenn Du die Form vollendet hast, nimm zwei Bretter,
etwas länger als die Form, und verbinde sie an ihren Enden mit einander, so dass
von einem zum anderen eine Entfernung von einer Elle
bleibt Dann legst Du nahe bei jedem ihrer Enden einen
dünnen Balken darauf, so lang, wie die beiden Bretter
mit ihrem Zwischenräume breit sind. Dann lege auf
jedes dieser Bälkchen einen Sack voll Werg. Diese Säcke
müssen etwas länger sein, als die Dicke der Form. Dann
hebe die Form mit Hebeln auf und lege sie auf die
Wergsäcke. Aber zuerst sorge dafür, dass der Weg, den
sie zu durchlaufen haben, abgekehrt imd sauber ist Dann
lege drei Walzen unter die obengenannten Bretter und ^* '^^
mache sie mit Hebeln dahin laufen, wohin Du willst.
Wenn Du sie (die Form) nahe bei ihre Grube gebracht hast, treibe die Spindel
heraus, indem Du gegen ihr dünnes Ende stössest, wie oben abgebildet, imd ziehe
das Seil heraus, fahre hinein und reinige sie, so gut Du kannst (d. h. befreie die
Form von dem Thonmodell und reinige sie sorgfältig). Dann binde sie ein wenig
unterhalb der Mitte an, hebe sie senkrecht über das kleine Loch, das neben ihrer
Grube ist, und erhitze sie wie abgebildet (diese Abbildung ist in den bis jetzt er-
schienenen Lieferungen des Codice atlantico nicht zu finden).
Fig. 715 zeigt eine Ansicht der Vorrichtung zum Schabloniren der Form.
Oefen.
Fig. 716, Fol. 32 V, zeigt einen Eesselofen, bei dem die Luft nicht
nur durch den Rost, sondern auch von der Seite in die Flamme geleitet wird.
L: a Mundloch, von dem aus die Luft eintritt. Von a bis 6 sei ein Kanal,
damit die Luft es sei, die dem Feuer Bewegung ertheilt
Demnach verfolgte Leonardo bei der seitlichen Einführung der Luft in
die Flamme nur den Zweck, diese nach der Seite hin zu treiben, von wo sie
in den Kanal gelangen sollte, der unter den Kesseln herzieht.
Die Fig. 717 und 718, Fol. 32 v, zeigen den Grundriss und die Ansicht
eines Flammofens.
Li dem Grundrisse Fig. 717 ist der Feuerraum mit fuoco = Feuer,
der Herd mit bagnio = Bad (hier: das Feuerbad), der Fuchs mit sfiatoio = Aus-
461 LMDtrio da Vind.
b1«aeüEFniing bezeichnet Bei einer dem Fenerraame gegenfiberliegenden Oeff-
nnng steht das Wort: zafifo = Spnnd oder Zapfen, sie dürfte daher ale ein
Abstichloch zu betrachten sein.
In Fig. 718 ist das SchOrloch auf der tiDken Seite des Ofens, darch du
die Holzscheite für die Feuening eingeschoben werden, und das A&chenloch
Ft|. IIA.
Fig. 718.
darunter mit dem Worte fornello ^ Ofen bezeichnet. Man ersiebt jedoch ans
der Zeichnung, dass auch von der gegenüber liegenden Seite Brennmaterial
eingeschoben werden sollte.
Verschiedene andere Maschinen.
Auf derselben Seite mit diesen Oefen findet sich Fig. 719. FoL 32 v, die
eine Schleifmaschine für Hohlkngelabscbnitte darstellt
L: Diese Kugel mache man ron Erde <Thon), dann ertiitxe (brenne) man sie
und bringe sie «ieder auf ot»ges Instrument, dann übeipesse man ÖB dick mic Glaa
ur.tl A'Ui' $:(' un'p-ki'r.rt in ii<^ii OtVn auf Afche oml auf die ebene Fläche gesielli,
dam:t iLis iV..sr ^h:-.!.''!! heiauiläun.
Zu J.rt litmt'Sen «liAeihien Petailskiiie Fig. 719 J L: Bciesdpine der Ku^
l\!, h. l-■lj^ —■.ii: ■.'.vr i?:-;:;^:t'I. to das GefisS irägt, «oriii der HoUkugvlabsckiiin her-
Ferr.tT izii-. sU-h a::: derse!ben S*ite Fig. T'JO. FoL 32 t, eine P&nbe)
ScbleiünitcbiiM fQr HotiUpiegel, Armbrust mit Kniebebel. ifö
L: Wenn man eine Hohlkugel machen vnll, die, indem sie die Sonnenstrahlen
zurückwirft, das Terbreont^ was man ihrem Strahlenkegel (piramida) aussetzt^ mache
man zuerst eine Pyramide, wie oben abgebildet, so dass cd zweimal in ab geht.
Dann nehme man die Mitte der I^e db, welche e ist, und säge bis zur Mitte der
Grundfläche der Pyramide, welche e 'nt, und nach diesem Schnitte mache Deine
Schablone. Und wisse, dass die Pyramide rund wäa musa, vergleichbar einem Zucker-
hute (d. b. es ist eigentlich keine Pyramide, sondern ein Kegel).
Bei nnserer Betrachtang der in Paris befindlichen Mannskripte Lgonahdo's
haben wir gesehen, wie sehr er bestrebt war, grosse Brennspiegel herzustellen,
sowohl aus Metall, als auch aoB Glas. (Siehe S. 353 bis 364.) Es scheint
uns danach kaam zweifelhaft, dass die Schleifmaschine Fig. 719 zur versuchs-
weisen Herstellung tbönemer, innen mit Glas überzogener Brennspiegel dienen
sollte und nicht unwahrscheinlich, dass die Oefen Fig. 71ti bis 718 ebenfalls
für diesen Zweck bestimmt waren.
An dem soeben angegebenen Orte haben wir den Beweis zu erbringen
gesucht, dass Leonardo den Strahlenkegel eines Brennspiegels mit dem Worte
„piramida" bezeichnet. Seine Bemerkung zn Fig. 720 zeigt dies auFa Klarste.
Es geht auch daraus hervor, dass ihm ein besonderer Name für den Begriff
„Kegel", wenn nicht unbekannt, so doch nicht geläufig war, denn er bedient
sich auch hier, wo von einem zn zerschneidenden „Kegel" die Rede ist, des
Namens „Pyramide", und erst am Schlüsse ßllt ihm ein, den Begriff „Kegel"
durch die Umschreibung „runde Pyramide" besser zum Ausdrucke zu bringen.
Von den vielen Schleudermaschinen, die Leonardo skizzirt hat,
wollen wir nnr einige hier vorführen.
Fig. 721, Fol. 56 7, eine grosse Armbrust, die durch Kniehebel
gespannt wird. Der Haken, der die Bogensehne erfasst (die Nuss), ist, wie
bei den von Vithiiv beschriebenen Katapulten, in einem langen Schieber
(Läufer) gelagert (vergl. S. öö). Dieser Läufer wird hier durch einen Knie-
BMk. 80
tfß Leomdo i» Tina.
hebe) bevegt, der bekanntlich die EÜgenschaft hat. dass er anfangs eine rasche
Bewegung mit geringem Dracke. gegen das Ende der Bewegung hin aber eine
langsame mit sehr starkem Drucke erzeugt, und dies ist es gerade, was
LfOKARDO bei seinen mechanischen Spannvorrichtungea für Armbrüste zu
erreichen sachte.
Zur Hnuptfigur. L: Diese Annbnirt hat eine Sjiss, die die Schnor ofasst.
Zur Detailietchnung rechte von der Hauptfigur. L: Wie die Ärmbmst im
laueren beschaffen ist
Fig. 722, Fol. 53 T, eine riesige Armbrust zum Schleudern von
Steinen.
Zur Hauptfigur. L: Diese Armbni-t hat zniscben ihren Anneo, d. h. iro die
Schnur befestigt ist, 42 Ellen und an der dicksten Stelle ohne die Annatur l*/s EUen
Ft«. T£ä
und an der dfinnsten ','3 Elle. Sie hat eine Höhe (Pfeilhöhe des Bogens?) von
14 Eilet), ihr Schaft ist 2 Ellen breit und 40 lang, und äe schleudert 100 Pfund
Stein. Und wenn sie auf dem Wege ht, wird der Schaft niedriger gemacht und den
Bogen stellt man der Länge des Schaftes nnch.
Zu der DetniUktzze links oben. L: Diea zeigt, wie die VoTtichtung gemacht
wird, die die Schnur fassL Ihr Lo$liisseii ninl durch einen Schlag mit dem Hammer
über der Xuss bewirkt.
Zu der DeialUkizze links unten. L: Dieses bringt denselben Effekt hervor,
wie die obigo Vorrichtung, nur da^s das Auslösen mit dem Hebel und ohne Qoäusch
erfolgt.
Zu der Detatlskizze rechts. L: Das Anziehen der Annbnistschnur.
Fig. 723, Fol. 31t. Eine Schleudermascbine nach einem System,
das Leonardo rietfacb bebandelt hat. Eine Schleuder ist an einem Ende eines
SebleudennoachiDe, Tancherapparat, WesserlBarer.
467
gebogenen, elaatischeo Balkens befestigt, der über einem horizontalen Balken
des Gestelles liegt. Sein anderes Ende ist mit dem «ines leiten solchen
Bogens durch Flaschenzng verbunden. Dieser zweite Bogen geht ebenfalls
über den genannten horizontalen Gestell-
balken und ist mit seinem anderen
Eaä» wiederum durch Flaschenzug mit
dem eines dritten Bogens verbunden,
dessen anderes Snde mit dem Gestelle
fest verbunden ist. Die Flaschenzüge
können durch eine Winde gleichzeitig
angezogen werden. Ist vorher die
Schleuder mit dem Gestelle leicht lös-
bar verbunden, wie aus der Figur er-
sichtlich ist, so spannt man durch das
Anziehen der Flascbenzüge sämmtliche fg. i^.
Bogen gleichzeitig. Werden nun die
zusammengezogenen Enden in dieser relativen Lage erhalten und wird die
Verbindung der Schleuder mit dem Gestelle gelöst, so wird die Schleuder
durch einen grossen Bogen mit grosser Kraft bewegt.
Hydraulik und Pneumatik.
Fig. 724, Fol. 7 v, zeigt einen Taucherapparat, unter der schwimmen-
den Scheibe, die das Ende des Respirationsscblanches über Wasser hält, steht
das Wort: snghero ^^ Kork. Links von dem Kopfe des Tauchers:
L: Unter Wasser zu gehen.
Die daneben stehende Skizze Fig. 725 zeigt nur eine Verbesserung dieser
Taucherarmatnr. Der muscbelförmige Mundabschluss ist vergrössert, die
Augen sind durch eine Brille und der Schädel durch eine Kappe geschützt.
Wir erinnern an den in unserer ersten Abhandlung über Leonardo
besprochenen Taucherhelm (siehe Fig. 97, S. 98}, besonders aber an den-
80»
4lS8 LfMBArdo iM T
jenigen. welcher sich schon in den .Skizzen ans der Zeit der HnsBÜenkriege'
findet (Flg. 331, S. 2^2 .
Fig. 726, FoL 7t. zeigt die Ansrastnng eines Mannet, der anf
dem Wasser gehen soIL An seinen Füssen und unten an zwei Stocken,
die er in den Händen hält sind grosse Korkstücke oder SchwimmUasen be-
festigt. Damit soll er über das Wasser schreiten, indem er die Lnst seines
Korpers immer auf drei Stützpunkte Yertheilt. wahrend er den ▼ierten TorsetzL
Fiff. 727. FoL 7 h. zeist links eine Archimedische Schnecke, ans
einem schraubenförmig gebogenen Rohre gebildet, das am unteren Ende
erweitert ist.
L: So müssen die Mündungen solcher Sdumben geniaüit werden.
Fig. 727 rechts: eine doppelgängige Wasserschraube, ans zwä
gleich gewundenen R«Thren gebildet
L: Die zwri?^inge idi 2 faccie^ lieht mehr Wasser als irgend eine nnd ist
(dem entsprechexi'i; schv^erEr zu drehen.
FI;. 727. ITj. 72SL
Fiff. 72S, FoL 7 a. eine einglnsrige Wasserschraube und da-
hinter eine dreigängige und ein dreiseitiges Prisma gewandene.
Zu Er^tcrer L : Art. Wa:?5er zu heben und jeden grossen Sumpf za entleeren.
Se "i:e Wa55er=*:hraube entleert sohr.elL wie eine Pumpe itiombaV.
Zu Letzterer L: Diese Sohnecke in Drvieckstonn würde vid mehr Wasser
fordern, als die rinde «einsdnjr'jei. d:ch ist sie weniger leicht umzodr^en. Eis ist
weniger mühsam, sie aus Holz zu machen. Bei dieser Schianbe werfen beim Aus-
triae des Wassers zw-ri von den «irei Seiten Wasser aus.
Fig. 129, Fe!. 7 h. ein durch ein unterschlachtiges Wasserrad
Termittelst Zahnriderübersetzung betriebenes Schöpfrad.
L: r^T mit a bezeichnete Tr.;^ hat das gr:sse Bad (Schöpfrad) in sich auf*
zunehmen, und der mit b bezeichnete muss iziiorhalb des DuzchmeaaerB (oder eigent-
lich des Umfang«^ des genannten Bades liegen.
Die Figuren T3*J und 731, FoL 9h. zeigen ein Schopfrad, darch
Handgopel betrieben, und zwar liej:t bei Fig. 730 die TransmissionsireUe
über, bei Fig. 731 aber unter dem FussKden.
Zu Flg. 731. L: Wasser schöpfen mit demselben Erfolge, wie bei ohmr
Abbildung.
echneoken, SdiSpfrldw, mtohwüscW Zitbbniiuan.
Fig. 732, Fol. 7t, eine mecbaniacli bewegte Wippe mit ange-
hängtem Eimer, nm Wasser ans einem Bronnen za scIiöpfeD.
L: Alt, Waas» su heben. Bei vier Umdrehimgeii, die man der Kurbel des
Rades giebt, vnrd die Wippe sich heben und niedergehen.
Das Gegengewicht der Wippe ist hier so einem Zahnbogen mit 32 Zähnen
{wie die in der Skizze eingeschriebenen Zahlen andeuten) ausgebildet. In
Rg. TM.
diesen greift ein auf einer Kurbelaze verschiebbares, aber nicht darauf dreh-
bares Getriebe mit 8 Zähnen. Mit der Kurbelaze fest verbunden ist ein
Getriebe mit 6 Triebstöcken, das vermittelst eines Stirnrades mit 64 Zähnen
eine unterhalb der Kurbelaxe gelagerte Welle umdreht, worauf eine Walze
c^^
Fl«. 132.
Flg. 7S3.
befestigt ist, in die ein in sich selbst zurückkehrender Schraubengang einge-
schnitten ist. In diesen greift ein Mitnehmer, der das zuerst genannte G«>
triebe auf der Kurbelaxe soweit hin und her schiebt, dass es nach vier
Kurbeldreh ungen, wenn die Wippe vollständig gehoben ist, ausser Eingriff
kommt und die Wippe wieder herabfällt.
Die von uns betgefügte Detailskizze A zeigt den Mechanismus zum Uin-
ond Herschieben etwas deutlicher als die Hauptfigur.
470
LtoDardo dm Vinci,
Fig. 733, Fol. öv, zeigt einen Apparat znm Messen des Druckes,
den ein flie&sendes Wasser auf eine Scbattfel ausübt.
Fig. 734, Fol. 20h, ein hydrauliBch'es Füll- nnd Läutewerk zo
einer Wasseruhr.
L: Wenn es 24 Uhr läutet, haben sich die Bottiche /« vollständig gefüllt,
nnil so entleeren sie sich durch Heber alle auf einmal und verschlie«een die Bottiche
Fig. lat. Fii. 7Ji.
darüber, die sich bei der gegebenen Einrichtung schnell fallen. — Jfache, dasa der
Schwimmer (baga) m beim Niedersinhen vermöge seinea Gewichtes ebensoviel Kraft
hat, wie beim Aufsteigen vermöge seinea Auftriebes (levitä). Er musa daher einmal
die Schwere für das Herabgehen und zweimal soviel Auftrieb haben, wovon die «ne
Hälfte dem Gewichte widersteht und die andere zum Aufsteigen frei bleibte
Die ZifTerblätter der italienischen Uhren zeigten 24 Stunden. 24 Uhr
war die Mittagszeit. Die sehr zahlreichen Hausgenossen eines römischen Pa-
FlB. 73«.
Flg. 737,
Flg. 738.
trizierhauses za den Mahlzeilen durch Glockengelänte zusammenzurufen, ■war
eine alte Sitte, die schon Lucianus (120 bis 190 n. Chr.) erwähnt. Auch wird
in HiERONtMi Maggii „de Tintinabulis", Hannover 1608, erwähnt, dass dies in
vornehmen römischen Hättsem Sitte sei. Da in Leokardo's Bemerkung das
Wort „Bottiche" stets in der Mehrzahl gebraucht ist, darf man vobl annehmen,
dass mehrere Läutwerke, wie Fig. 734 eines zeigt, in dem betreffenden Patri-
zierhause angebracht werden sollten.
Die Figuren 735 und 736, Fol. 14h, zeigen zwei Hebelmechanis-
men zur Bewegung von Blasbälgen. Wir erinnern an die verschiedenen
Hydnraliaches L&utewerk, Blasebälge, SpringlirnimeD auf den Tiscb,
471
Mechanismen, die Vakuccio Birlvguccio za diesem Zwecke aDgiebt (Siehe
S. 117 bis 121.)
Fig. 737, Fol. 7t, zeigt einen gewöhnlichen Lederbalg zum
Wasserpumpen. Hier soll die Bewegung des Deckels durch eine Schraube
mit rechtem and linkem Gen-inde erfolgen, die vermittelst eines seitlichen
Armes hin und her gedreht wird.
Zu Fig. 738, Fol. 7 h.
L: Aus diesem Apparat könnte man ein Gefäss bilden, das swei oder
drei Stunden lang Wasser auswirft, oder einen Kühler aul den Tisch.
Er besteht aus einem Gewichte von Blei, das auf einen mit Wasser gefüllten ledernen
Sack (einen cjlindrischen Balg) drückL Und dasselbe Wasser füllt den Sack wieder,
wenn man das Blei wieder in die Höhe zieht, wie es abgebildet ist, aber er müseta
zwei Ventile haben, das erste über dem Blei, das zweite über dem Sacke. Und dieser
Sack mflsste von Hundeleder sein, getränkt mit lieinGl und getrocknet.
F)R. 710.
Fig. 739, Fol. 7v, zeigt einen selbsttbiltigen Apparat für ähn-
liche Zwecke, wie der vorige. In einem ganz gescblosseneo Gefässe,
dessen oberer Boden eine Schale mit zwei nach aussen sich öffnenden Ven-
tilen bildet, stehen zwei kleine Balgpumpen mit gemeinschaftlichem Steigrohre.
Von diesen trägt jede ein Wassei^efäss, das oben offen und weiter ist, als
am Boden, und nahe bei diesem in der Seitenwand ein sich nach innen
öffnendes Ventil hat. Jede der Balgpumpen mit dem Wassergefässe ist an
einem Arm eines Balanciers mit Schnüren oder Ketten angehängt. Dieser
Balancier ist nach jeder Seite hin so weit verlängert, dasa er beinahe an die
Wand des die Bälge umschliessenden Gefässea reicht. Kommt eines seiner
stark konisch zugespitzten Enden in seine tiefste Stellung, so Öffnet sich das
Ventil des daranhängenden Wassergefässes , indem es gegen einen schräg
stehenden Stift stösst, der an der Wand des umschliessenden Gefässes befestigt
ist. An dieser Wand ist auch ein federnder Haken befestigt, der das konische
Ende des Balanciers in seiner tiefsten Stellung erfasst. Auf dem Balancier
sind zwei in die Höhe stehende Stifte befestigt, wovon jeder in seiner höchsten
473 Leonardo da Vinci.
Stellung eines der Ventile im Deckel des umschliessenden Gefässes anfstössL
Diese Ventile sitzen über der Mitte der Gefässe auf den Balgpumpen.
Ist etwas Wasser in dem umschliessenden Gefässe, steht der Balancier
so, wie in Fig. 739 angegeben, und lässt man Wasser auf den Deckel des
umschliessenden Gefässes fliessen, so läuft es durch das offene Ventil in das
Wassergefäss auf der rechten Balgpumpe. Ist dies gefüllt, so drückt es den
federnden Haken über dem konischen Ende des linken Balancierarmes zurück
und beginnt zu sinken, wodurch sich zunächst das seither offene Ventil
schliesst. Während des Niederganges des rechten Wassergefasses saugt die
^ linke Balgpumpe Wasser aus dem umschliessenden Gefässe. Gelangt das
rechte Wassergefäss in seine tiefste Stellung, so öffnet sich sein Ventil und
das über dem linken Wassergefässe, worauf dieses sich füllt und das andere
sich entleert. Dann treibt die linke Pumpe ihr Wasser in ihr Steigrohr,
während die rechte ansaugt u. s. f. Das emporgetriebene Wasser fällt in den
Deckel des umschliessenden Gefässes zurück und dient wieder als Aufschlag-
wasser; doch genügt es nicht, um die Maschine im Gange zu halten, sonst
wäre sie ein Perpetuum mobile. Es muss bedeutend mehr Wasser in den
Gefassen auf den Balgpumpen niedersinken, als durch diese in die Höhe
geworfen werden soll. Deshalb müssten diese Gefässe im Verhältniss zu den
Balgpumpen viel grösser sein, als sie in der Skizze angegeben sind, und der
Theil des Aufschlagwassers, der nicht von den Pumpen angesaugt wird, müsste
aus dem umschliessenden Gefässe abfliessen.
Fig. 740, Fol. 7v, zeigt zwei Wasserpumpen, durch einen Ba-
lancier getrieben, der zwei einander gegenüber liegende Arme eines
halben Stirnrades bildet, das durch ein Getriebe auf einer Kurbelwelle von
Hand bewegt wird. Die Art, wie der Balancier hier bewegt wird, ist die-
selbe, wie bei dem Krahn Fig. 667, und es gilt daher auch hier, was wir zu
Fig. 667 bemerkten.
Fig. 741, Fol. 7 h.
L: Art, Wasser in ein Haus zu ziehen aus einem Brunnen, der
in der Strasse ist
An der Seite eines Fensters, durch das der gefüllte Wassereimer in das
Haus gebracht werden soll, ist ein eiserner Arm befestigt, der über den
Brunnen in der Strasse reicht und an seinem Ende eine feste Leitrolle trägt.
Eine zweite Leitrolle ist beinahe senkrecht unter diesem Arme an der Seite
des Fensters befestigt. Ueber beide Leitrollen ist ein Seil gelegt. Darauf
läuft die obere Rolle eines Rollengehäuses, woran auch das über dem Brunnen
herabhängende Ende des genannten Seiles befestigt wird, während ein an
seinem anderen Ende befestigtes Gewicht das Seil spannt und das Rollen-
gehäuse nach der über dem Brunnen befindlichen festen Leitrolle hinzieht.
Ueber die untere Rolle in dem Rollengehäuse ist ein zweites Seil gelegt, das
am einen Ende den in den Brunnen herabhängenden Eimer trägt, während
Wasunmfzug, ZwbbraDDni, Pumpe.
473
sein anderes Ende an einer Seiltrommbl befestigt ist, die durch eine Hand-
kurbel gedreht wird und mit einem Spenrade versehen sein muss. Dreht man
dann die Kurbel ao, dass letzteres Seil sich auf die Trommel windet, so wird
der Eimer senkrecht in die Höhe gezogen, bis sein Bügel an das Rollengehänse
stösst and er nicht veiter steigen kann. Dreht man dann die Kurbel in der-
selben Richtnng weiter, so zieht man dadurch das Rollengehänse mit dem
Eimer nach dem Fenster hin, nnd das Gewicht an dem Seile, worauf dieses
läuft, wird gehoben. Ist der Eimer im dem Fenster angelangt, so wird er
abgenommen, entleert nnd wieder angehängt. Hebt man dann die Sperrkliuke
aus nnd dreht die Handkurbel rückwärts, so wird zunächst das Rollengehänse
durch das Gewicht wieder nach aussen gezogen, bis es an der festen Leitrolle
über dem Brunnen anstösst, und dann geht der Eimer wieder nieder.
Zu Fig. 742, Fol. 7 h.
L: Jedesmal, wenn der Eimer voll ist, lege die Hand auf da« Getriebe (s^rava
la niano in su la rocca), und der Eimer wird von selbst heraufkommen, überwältigt
von der Schwere des Gegengewichtes.
^yelchen Vortheil dies bieten sollte, ist schwer verständlich, da die
Arbeit, die man beim Aufziehen des Eimers gespart hatte, beim Herablassen
desselben oder beim Heben des Gegengewichtes aufgewendet werden musste.
Fig. 743, Fol. 63t: Zwei Pumpen durch Balancier, Flügel-
stange und Kurbelaxe mit Schwungrad betrieben.
Auf derselben Seite findet sich Fig. 744, Fol. 63t; Zwei Pumpen
durch zwei in parallelen Ebenen liegende Hebel betrieben.
Diese werden Ton einer Scheibe bewegt, die beiderseits mit je zwei Zapfen
Tcrsehen ist, die wie Hebedaumen wirken.
li-, ah küner.
474
Leonardo da Tinci.
Fig. 745, Fol. 56 v: eine Pumpe, dnrch Korbelaxe mit Schwung-
rad betrieben, die durch eine Schubstange von Hand bewegt wird.
L: Dieaes Schwungrad diubb am Kran» (per teata) Backsteine haben, damit
ea schwer seL
Fig. 746, Fol. 7v: Zwei Pumpen ia einem Brunnen mit ge-
krümmten C7I indem , deren ebenso gekrümmte Plungerkolben
direkt an zwei Hebeln festsitzen, die sie bewegen. Die Krümmangs-
mittelpunkte der Cylinder fallen mit den einander gegenüber liegenden Dreh-
punkten der Hebel zusammen. Die zu bewegenden Enden der Hebel sind
durch Ketten oder Zugstangen mit zwei über dem Brunnen gelagerten Balan*
ciers verbunden. Am anderen Ende dieser Balanciers sind Zahnbogen be-
festigt, die beide von entgegengesetzten Seiten in ein Getriebe greifen,
Fl«. 744.
Flg. 745,
Fit. TM.
das durch eine Handkurbel vermittelst einer Stirnräderübersetzung be-
wegt wird.
Wer Bamelli's Pumpenkonstruktionen kennt, dürfte beim Anblicke dieser
Skizze kanm mehr zweifeln, dass Ramrlu's Kunst aus Leonardo'» Schule
stammte.
Fig. 747, Fol. 5t: Zwei Pumpen, die in einen Tollständig ge-
schlossenen Kasten eingesetzt sind, der wie ein Saugwindkessel
wirken musste, während sie mit ihren oberen Enden über den mit Rand-
leisten versehenen Deckel des Kastens hervorragen, auf den das Wasser über-
fliesst und seitlich herabgeleitet wird. Die Bewegung der beiden Ventilkolben
der Pumpen erfolgt durch einen Balancier mit schwerem Pendel, dessen
Gewicht mit zwei Zugstangen von Hand bewegt wird.
Leider fehlt zu dieser Skizze jede Erläuterung von Seiten Lbonardo*8,
so dass man nicht weiss, ob er nicht etwa die Absicht hatte, den Kasten ganz
mit Wasser zu füllen, ehe er die Pnmpenkolben in Bewegung setzte. Hätte
er vor Ingangsetzung der Pumpen kein Wasser in den Kasten bringen wollen,
Pampen.
476
80 hätte er wissen müssen, dass dann die Pnmpen zunächst Luft aus dem
Kasten saugen, d. h. er hätte bereits eine Idee von einer Luftpumpe haben
müssen, während angenommen wird, dass diese etwa 150 Jahre später von
Otto von Guericke erfunden worden sei. In diesem Falle, sowie bei nur theil-
weiser vorheriger Füllung des Kastens, hätte dieser als Saugwindkessel funk-
tionirt. Der Saugwindkessel aber gilt für eine noch viel neuere Erfindung als
die Luftpumpe.
Fig. 748, Fol. 56v: eine schwingende Rinne zum Wasser heben.
Solche fanden wir schon unter den ^Skizzen aus der Zeit der Hussitenkriege^
Flg. 747.
(siehe Fig. 349, S. 289); doch wird die hier schwingende Rinne einfach durch
ein Stück Leder oder Tuch gebildet.
Fig. 749, Fol. 22v: ein Apparat, um selbstthätig einGefässmit
einer Flüssigkeit abwechselnd zu füllen und zu entleeren.
L: Wenn g bis zur äussersten Höhe steigt, schaltet sich h aus, fällt und
zieht a nach sich, wodurch sr bewegt wird. Zu gleicher Zeit öffnet sich a und
schliessen sich h und c oben und d und e unten (?}.
Wenn f bis zum tiefsten Stande niedergegangen ist, schaltet sich g aus, fällt
und stösst mit nm auf rs. Daher geht rs nieder, hebt h und schaltet es ein, und
zu gleicher Zeit öffnet sich a und schliesst sich h und c oben und d und e unten.
Ohne Zweifel sollen A A^ und B B^ Schwimmer sein. Steigt die Flüssig-
keit bis zur äussersten Höhe, so heben sie den Konus g und dieser treibt die
beiden Sperrklinken auseinander, die den Konus h unterstützen. Alsdann fallen
Leooud« d« ViscL
A tind a, die durch eine Stange verbunden sind, und bewegen durch die Ver-
läi^ernDg ihrer VerbindungsstaDge, die durch g geht, die Hebel » r. Der Satz
Leokardo's aber, hinter den wir ein Fr^zeicfaen gesetzt haben, müsste offen-
bar lauten: zu gleicher Zeit schliesst sich a und öffnet sich b and e oben
und d und e unten.
Die Flüssigkeit fliesst nun durch d und e aus und durch b und c kann
Luft eindringen.
Mit dem Sinken der Flüssigkeit sinken auch die Schwimmer AA^ herab,
bis sich ihre Yerbindungsstange auf zwei in der Zeichnung angegebene feste
vierkantige Stifte setzt. Der Konus g aber mit seinen abwärts gebogenen
Annen, die in den Gabeln m und n endigen, bleibt rorläuäg in seiner Stelloi^,
Schwingende Rinne, aelbstthfttiger Fall- nnd Entleerapparat 477
weil er ebenfalls durch zwei Sperrklinken gestützt ist, deren weiter oben ge-
legene Drehpunkte in der Zeichnung nicht sichtbar sind, während ihre bis auf
den Boden des Gefässes herabreichenden Arme an ihren Enden konvergirende
schiefe Ebenen bilden.
Hat die Oberfläche der Flüssigkeit ihre tiefste Lage erreicht, so sinken
die Schwimmer B B^ mit dem Konus /. Dieser treibt die soeben genannten
schiefen Ebenen und damit die Sperrklinken unter g auseinander. Dadurch
wird g ausgeschaltet, fällt, stösst mit den gabelförmigen Enden m n seiner
Arme die Hebelenden s und r nieder und hebt mit den gegenüberliegenden
Hebelenden und der Verlängerung der Yerbindungsstange von h und a diese
beiden Organe, so dass alles wieder in die ursprüngliche Stellung gelangt, a ist
geöffnet, e und d sind geschlossen, das Gefass füllt sich von oben her. Die
Ventile c und h müssten nun soviel freies Spiel behalten, dass die Luft in
dem Gefässe sie bei geringer Kompression heben könnte. Beim Entleeren des
Gefässes würde der äussere Luftdruck sie verschliessen, weshalb hierbei ein
Offenhalten durch den Mechanismus geboten erscheint. Doch bleibt unerklärt,
weshalb Leonardo in den Oeffnungen h und c überhaupt Ventile anbrachte.
Die Detailzeichnung Fig. 750 zeigt eine Abänderung des unteren Theiles
des Mechanismus Fig. 749. Die Drehpunkte der Sperrklinken, welche g unter-
stützen, sind weiter nach unten verlegt. Die Hebel sind in Folge dessen hier
zweiarmig und die schiefen Ebenen daran dementsprechend divergirend an-
geordnet.
Die Detailzeichnung Fig. 751 zeigt von der Anordnung Fig. 750 nur die
Sperrklinken, so dass man hier die Lage ihrer Drehpunkte und die Befestigungs-
weise ihrer Zapfen besser erkennen kann.
Fig. 752, Fol. 6h, zeigt einen hydraulischen Bewegungsmecha-
nismus, der nach demselben Princip konstruirt istj wie Fig. 739.
Die beiden Wassergefässe, durch deren abwechselnde Füllung und Entleerung
zwei Balgpumpen bewegt werden sollen, stehen hier nicht auf diesen, wie in
Fig. 739, sondern hängen an den Enden eines doppelarmigen Hebels, dessen
Arme einen stumpfen Winkel mit einander bilden. Von diesen werden die
in einer Gisterne oder einem Brunnen stehenden, mit Gewichten belasteten
Balgpumpen durch Zugstangen gehoben. Jedes der Wassergefässe steht in
seiner höchsten Stellung nur wenig von einer festen Wand ab. Nach ihr hin
ist in dem oberen Teile der Gefässwand ein kleiner Hebel gelagert, der durch
eine schwache Feder und durch einen an derselben Gefässwand befestigten
Sperrhaken in horizontaler Lage erhalten wird, so dass sein anderer Arm wie
ein Zahn aus der Gefässwand hervorragt. Dieser ruht bei der höchsten Stellung
des Wassergefasses auf einer in der festen Wand angebrachten federnden
Sperrklinke. An einem Arme des Sperrhakens in dem Wassergefässe ist ein
Schwimmer befestigt. Ist das Gefäss gefüllt, so hebt sich dieser mit dem
Sperrhaken, die Feder des kleinen Hebels giebt dem Drucke des Wassers nach,
478
Loonardo da Vinci.
der aus der Gefässwand hervorragende Zahn weicht zurück, das gefüllte Gefass
sinkt nieder und zieht mit dem gegenüberliegenden Hebelarme die eine Balg-
pumpe auf, während das Gewicht auf der anderen diese zusammendrückt. Gelangt
das Wassergefass in seine tiefste Stellung, so kommt es auf eine nach der Mitte der
Maschine hin geneigte Fläche zu stehen, und sein Wasser fliesst xiach dieser
Richtung über die Gefässwand. Daran ist durch Verdoppelungen der Wandung
ein Heber hergestellt, der bewirkt, dass das Ueberfliessen erst aufhört, wenn
Fig. 752.
das Gefäss nahezu leer ist. Inzwischen ist das andere Gefass in seine höchste
Stellung gekommen, der daraus hervorragende Zahn hat die federnde Sperr-
klinke in der festen Wand zurückgedrückt, diese ist, sobald der Zahn vorbei-
gegangen war, wieder vorgeschnellt und unterstützt ihn nun, während das
Gefäss sich füllt.
In der Skizze sind die Steigrohre der Balgpumpen in den abgetheilten
Kanal geleitet, der die Wassergefässe an der Maschine speist. Auch hier soll
der Ausiluss durch Heber erfolgen, die durch Verdoppelungen der inneren Kanal-
wand an der betrefifenden Stelle gebildet sind, so dass der Ansfluss erfolgt,
sobald die betre£fende Abtheilung des Kanals ganz gefüllt ist Daraus kann man
Fumpen mit hjdniuliBoben Hotoren, Wasaerheben darch Feasr, 479
BChliessen, dass das toq einer ßalgpuinpe bei einem Niedergangs ausgeworfene
'Wasser gerade hinreichen sollte, um die gegenüberliegende Abtbeiinng des
Kanales und aus dieser das Wassergefäss an der Maschine ganz za füllen, Iran,
dass diese als Perpetuum mobile gedacht war, und dies könnte der Gnmd ge-
wesen sein, warum Leonardo daneben schrieb: nrusticaoa", d. h. bäuerisch oder
tölpelhaft. Uebrigens hat ihn der Gedanke an diese Maschine viel beschäftigt,
denn es finden sich mehrere Skizzen davon in dem Codice atiantico, tbeils mit,
theüs ohne Abänderungen.
Fig. 753, Fol. 7b, zeigt einen Mechanismus zum Betriebe zweier
Pumpen, der auch auf ein Perpetuum mobile hinauszulaufen
scheint. Die beiden Pumpen, die man sich unten im Brunnen stehend
denken muss, haben kurze Stiefel von quadratischem Querschnitt und horizontale
Schlitze in der Nähe des oberen Randes, durch die das Wasser eindringt, wenn
der Kolben hoch gehoben ist. Die Kolben haben die Form von Gewichten
und gehen durch ihre Schwere nieder. Ueber dem Brunnenrande werden zwei
Hebel durch eine Daumenwelle abwechselnd gehoben, indem diese Hebel durch
Seile oder Ketten mit den Pumpenkolben verbunden sind. Auf der Daumen-
welle sind zwei gleiche Radkränze befestigt, zwischen denen drei Kasten gleich-
massig auf den Umfang vertheilt, so mit Zapfen aufgehängt sind, dass sie
während der Drehung des Rades stets in senkrechter Stellung verharren.
Fig. 754 zeigt einen solchen Kasten. Sein Boden ist um zwei Zapfen drehbar und
wird durch ein Gewicht geschlosaen gehalten, so lange es daran herabhängt;
4tß
LeoüRrdo d> ViocL
veno es aber auf einen festen Gegenstand stösst tind demzufolge nicht nu
den Kaetenboden wirkt, wird dieser durch eine Feder geöfTnet. In der ans de
Skizze ersichtlichen Stellnng füllt sich der Kasten mit Wasser und treibt dan
das Rad nm. Wenn er das Rad um 60" gedreht hat, stösst das Gewicht au
ein festes Brett, der Kastenboden öffnet sich, and das Wasser aus diesei
Kasten fliesst in einen darunter stehenden Trog, woraus es seitlich abgeleite
wird. Indessen ist ein zweiter Kasten in die Stellung gekommen, wo er sie
füllt, um dann das Rad wieder um 60** zu drehen u. s. w. Auch in dies«
Skizze läuft das Wasser aus dem Steigrohre der Pumpen in die Kasten a
dem Rade, nnd da ein anderer Wasserzufluss nicht angegeben ist, so mu<
man annehmen, dass auch diese Maschine als Perpetuum mobile gedacht wa
Zu ilrn Punippri, L; Dinse Gopcii gewichte (d. b. die schweren Kolben) niüeist
je ein Ventil haben, ähnlich dorn di?r Kugeln (simile a quella delle palle), das a
Boden von unten angepasst und befei-tigt »ein miiae, dami^ wenn sie schnell in d
Höbe gezogen werden, die Ventile Luft in ^len leeren Raum einlassen können, d'
unter dem Gegengewichte bleibt. Denn wenn dies nicht geschähe, würden sie mel
als (las Doppelte wiegen {d. h. mehr als doppelt so schwer lu heben eein), den
weil Rie genau in die Kästen (die Piimpens'defd) passen, können ue, wenn sie alli
Wasser herausgedrückt haben und «ch schnell heben sollen, nicht BO Bc^ell Was»
anziehen als Luft, weil es schwerer ist
Zu den Steigröhren, L: Alles Wasser, was in der Röhre is^ soll 20 Pfun
wiegen. — Dieses Wasser wird so hoch steigen, wio Du willst, wenn Du das Gegei
gewicht, welches das Wasser treibt, sechsmal so schwer machst^ als das Wassc
welches steigt.
Zu der Detailzeicbnung. Fig. 754 L: Dies ist die Art der Kästchen, cUe di
Wasser aufnehmen. Der Boden von diesem Kästchen muss gut mit Talg besfariche
sein, damit er gut venlichtet ist, wenn er »ich schliesst.
Fig. 755, Fol. 7v: Apparat zum Heben von Wasser vermitteli
Luft Verdünnung durch Feuer. Wir sehen hier in einem Topfe mitgeöffiiete
Ei'dtmnsport bei KanalbRutcn. 481
Deckel Feaer und ein dem Topfe ein Holir, das in einen Bnmnen (pozzo)
hinabgeht. Wird der Deckel des Topfes dicht geschloEsen, so erlischt daa
Feuer, und bei der darauffolgenden Abkühlung des Topfes und der darin ent-
haltenen Luft wird Wasser aus dem Bnmnen angesogen.
Fig. 756, Fol. 5 v, zeigt denselben Apparat in etwas deutlicherer Ausiuhrung.
Heron von Alexandrien beschreibt zwar den ähnlich wirkenden Schröpf-
kopf, aber ein Apparat zum Ansaugen von Wasser auf diese Art findet sich
bei ihm nicht.
Kanalbau.
Fig. 757, Fol. 1 V, zeigt ein Gerüst mit zwei Drehkrahnen, die auf
dem Ufer eines auszugrabenden i^anales aufgestellt sind, durch ein Tretrad be-
trieben werden nnd dazu dienen, die Erde aus dem Kanalbette auf das
üfergelände zu fördern. In dem Kanal sieht man rechts Reihen von
Hacken, Schlägeln und Tragbahren, die andeuten, wie die zu entfernende Erde
losgelöst und nacli den Erdkasten an den Krahnen verbracht werden sollten.
Fig. 758, Fol. Ih: eine andere Vorrichtung zu dem gleichen
Zwecke. Hier sind die Drehkrahnen mit verschiedenen Ausladungen überein-
BMk. St
4S2
Leon&rdo da Tinci.
ander an einer hohen Säule befestigt. Das Gerüst, das die Erahnen hält, ist
in dem Kanal so aufgestellt, dass der obere mit der grössten Ausladung nach
der einen Seite hin bis an das Kanalufer reicht, während nach der anderen
Seite hin beide Krahnen über das Kanalufer hinausreichen. Das ganze Gerüst
ist auf drei hölzernen Schienen vermittelst einer langen Schraube in der
Kichtung, in der die Kanal arbeit fortschreiten soll, verschiebbar. Das Aus-
graben erfolgt, den veiscliiedenon Ausladungen der beiden Krahne entsprechend,
kreisbogenfürmig in zwei Etagen. Ist die Arbeit und mit ihr der Krahn so
MlT^
t?*-
Fig. 7A3.
weit vorgeschritten, wie es die Schraube erlaubt, so muss das Gerüst durch
Winden oder Unterkeihingen ein wenig gehoben und müssen die Schienen um
die Öcbraubeiilänge vorgeschoben werden, weshalb sie mit seitlichen Zapfen
zum .Anfassen ver'Süben sind.
Fig. 759, Fol. 16v, zeigt einen lileineren Krabn für denselben
Zweck bei engeren Kanälen.
Schleaaen und Schleusenthore. 483
L: Dieser Maschine bediene siuh, wer Kanäle in die Erde graben will Das
Zalmrad erhält seine Belegung von einem darunter gelagerten Getriebe.
Fig. 760, Fol. 33h, zeigt einen kanalisirten Fluss mit Kammer-
schleuse.
Auf derselben Seite finden eich Fig. 761 und Fig. 762, eine Schleuse
darstellend, die in aufgewundenem Zustande mit der Kettenwalze
^— ^
80 um einen festen Zapfen gedreht verden kann, dass sie die
Passage für die Schiffe ganz frei laast, so dass diese mit Maston die
Schleuse passiren können.
L: Der Haspel a wird so lange gedreht^ bis seine Welle die ganze Kette,
woran die Schütze hängt, aufgewickelt hat. Wenn sie aufgewickelt ist und die Schütze
die Welle berülirt, wird diese als Hebel benutzt
Fig. 7G3, Fol. 7h, zeigt ein Schleusenthor mit einem kleinen
Thiirchen, das sich um eine in seiner Mitte sitzende Aze dreht,
wie wir es bei Zünca fanden {vei^l. S. 316).
31"
4S4 Leonardo da Viod.
Fig. 7G4, Fol. 7h, zeigt das Mauerwerk zu einem solchen
Schleusenthore.
Femer finden sich auf derselben Seite:
Fig. 765, ein ganz einfaches kleines Schleusenthor.
Fig. 766, neben Fig. 767: Schleusen, die um eine ihrer unteren
Ecken gedreht werden und sich in einen Einschnitt im Ufer legen
sollen, damit der Kanal ganz frei wird.
Fig. 768 zeigt eine drehbare Schleuse, die beimOeffnen in eine
Vertiefung versinkt, so dass die Schiffe darüber hinfahren können.
Fig. 769, eine drehbare Schleuse, die, wenn sie geöffnet ist,
einen äteg über den Kanal bildet.
Domenieo Fontana (1543—1607) und der Transport des
Vatieanisehen Obelisken.
Domenico Fontana, geboren 1543 zu Mili nahe dem Comersee, kam in
seinem zwanzigsten Jahre nach Rom, wo sich sein um drei Jahre älterer Bruder
GiACOMO als Architekt und Ingenieur bereits einen Namen erworben hatte,
führte mehrere Bauten mit ihm aus und gelangte bald zu gleichem Ansehen.
Kardinal Montalto wählte ihn zu seinem Architekten und betraute ihn mit
dem Bau der Gapella de Presepio in S. Maria Maggiore und dem eines kleinen
Palastes in den dazu gehörigen Gärten. Der Kardinal stammte aus keiner
reichen Familie. Gregor XIII. hatte ihm besondere Einkünfte zugewiesen,
damit er standesgemäss auftreten könne; die Pracht aber, womit er jene Bauten
ausführen Hess, missbilligte der Papst und entzog ihm die erwähnten Einkünfte,
wodurch die Arbeiten Domenigo's zum Stillstande gekommen wären, wenn dieser
sie nicht auf eigene Kosten weitergeführt hätte. Nach Kurzem gelangte
Montalto als Sixtus V. auf den päpstlichen Stuhl, bestätigte D. Fontana als
seinen Architekten, Hess ihn die genannten Bauten vollenden und übertrug
ihm den Bau des Laterans. Auch sollte er mit Giacomo della Porta die
Kuppel der Peterskirche vollenden, zuvor aber wünschte der Papst, dass der
einzige damals in Rom noch aufrecht stehende, ohne Piedestal 23 m hohe Obelisk,
den Caligüla aus Heliopolis in den Cirkus des Nero hatte bringen lassen, von
seinem verborgenen Standorte bei der alten Sakristei von St. Peter entfernt
und vor dem Hauptportal dieser grössten Kirche der Christenheit aufgestellt
werde.
Die altägyptischen Denksteine, Obelisken genannt, sind Monolithen von
quadratischem Querschnitte aus den Granitbrüchen von Assuan oder Syene,
nach oben um ein Drittel der Quadratseite verjüngt und in eine pyramidale
Spitze auslaufend, deren Höhe Vjt mal so gross ist, als die Breite ihrer Basis,
während die Höhe des Schaftes 9^8 bis 10 mal so gross ist, als seine obere
Dicke. Gewöhnlich sind sie auf allen vier Seiten mit Hieroglyphen bedeckt,
die den Ruhm ihres Stifters verkünden, der Vaticanische aber trägt keine solche
Inschrift.
4SG Domenico Fontana und der Transport des Vaticanischen Obelisken.
Die alten Römer entfernten eine grosse Zahl dieser Denksteine ans
Aegypten und stellten die meisten davon in Rom auf, wo man gegenwärtig
deren 12 zählt, während sich in Aegypten nnr noch drei befinden.
Schon mehrere Päpste vor Sixtus Y. waren auf den Gedanken gekommen,
den Obelisken hinter der alten Sakristei von St. Peter mitten auf den Platz
stellen zu lassen, fanden aber niemand, der diese Arbeit auszuführen wagte,
denn die Art, wie die alten Römer solche Steinkolosse bewegt und aufgerichtet
hatten, war längst in Vergessenheit gerathen. Domenico konnte, indem er diese
Arbeit übernahm, nur seinem eigenen Urtheile folgen, und es zeugt von seltenem
Scharfblicke und bewundemswerther Umsicht, dass er sie ohne jeglichen Un-
fall zu Ende führte.
Nachdem er die erste Aufgabe dieser Art so gelöst hatte, erwachte in
dem Papste der Wunsch, auch die umgestürzten und verschütteten Obelisken
Roms zur Zierde der Stadt und Mehrung seines Ruhmes wieder aufgestellt zu.
sehen. Von zweien solcher Denksteine, die vor dem Mausoleum des Angnstus
gestanden hatten und die ohne Piedestal 14,8 und 15 m hoch sind, wurde der
eine im folgenden Jahre 1587 durch Fontana vor S. Maria Maggiore auf-
gestellt, und in demselben Jahre grub er den schönsten und grössten aller
noch vorhandenen Obelisken aus und stellte ihn vor den Lateran. Dieser ist
ohne Piedestal 32 m hoch aus rothem Granit, stammt von Tutmes IIL ans dem
16. Jahrhundert v. Chr. und wurde von Constantius aus Theben nach Rom in
den Gircus Maximus gebracht. Bei der Ausgrabung fand man ihn in drei
Stücke zerbrochen, die Fontana bei der Aufstellung durch Schwalbenschwanz-
formige, eingebleite Steinstücke kunstreich mit einander verband. Einen vierten
Obelisken aus Heliopolis, ohne Postament 24 m hoch, der unter Augustns
in den Gircus Maximus gebracht worden war, stellte er 1588 auf die Piazza
del Popolo.
Ausser den genannten Hess Sixtus Y. noch mehrere bemerkenswerthe
Bauten durch D. Foxtana ausführen, darunter die Bibliothek des Yaticans. Als
Sixtus 1590 starb, war sie noch im Bau begriffen und wurde erst nnter
Glemens VIII. vollendet. Dieser Hess D. Fontana auch den Bau des Laterans
fortsetzen und die beiden berühmten Gruppen der Rossebändiger vor den
Thermen des Diokletian auf den Platz davor stellen. Auch leitete Fontana die
Quellen Aqua felice von einem 22 km entfernten Berge nach Rom und erbaute
eine Fontaine auf der Piazza dei Termini, die nicht wenig zur weiteren Ver-
schönerung der Stadt beitrug.
Trotz alledem siegten hier endlich seine Neider. Während er mit dem
Bau einer Brücke in dem Stadtviertel Borghetto beschäftigt war, erhob man
plötzlich die Anklage gegen ihn, er habe bei der Ausführung der Bauten, die
man ihm anvertraut hatte, bedeutende Summen zu seinem Yortheile verwendet.
Der Papst schenkte diesen Anschuldigungen Glauben und entliess ihn seines
Dienstes. Der Vizekönig von Neapel dagegen liess es sich angelegen sein.
Lebensbeschreibung, Veranlassung zum Transport des Obelisken. 487
einen so ausgezeichneten Mann für sich zu gewinnen, und als Architekt und
erster Ingenieur des Königs beider Sicilien trat dieser 1592 in seine Dienste.
Kanal- und Strassenbauten beschäftigten zunächst Fontana in seiner neuen
Stellung, später wurde er mit dem Bau des königlichen Palastes beauftragt,
und am Schlüsse seines Lebens entwarf er die Pläne zu dem Hafen von Neapel,
an deren Ausführung er durch seinen 1607 erfolgten Tod verhindert wurde;
doch benutzte sie Francesco Picchiati, als er unter Peter von Aragonien
dieses Projekt ausführte.
Als Schriftsteller hat Domenico Fontana ein einziges Werk hinterlassen,
betitelt: Della Transportatione dell' Obelisco Vaticano et delle
Fabriche di nostro Signore Papa Sixto V. Roma 1590. Es ist in
gross Folio gedruckt und mit 19 Kupferstichen gleichen Formats von Bonifacio
DI Sebexico ausgestattet, lieber den Transport und die Aufstellung des Vatica-
nischen Obelisken sagt Fontana darin:
„Die Heiligkeit unseres Herrn SiXTUS V. verabscheute stets den Kultus der
heidnischen Götter und war vom ersten Jahre seines Pontifikats an bestrebt, das
Andenken an die Idole zu unterdrücken, die von den Heiden in Form von Pyra-
miden, Obelisken, Säulen, Tempeln und anderen Gebäuden in grosser Zahl errichtet
worden waren. Er suchte die Mysterien und den Gottesdienst der katholischen
Religion allerwege zu heben. In diesem frommen Streben wollte er mit dem Vati-
canischen Obelisken, jenem bewundem swerthen Steine, der gewöhnlich Julia genannt
wurde, weil er dem Julius Cäsar gewidmet war, beginnen, ihn von dem Schimpfe
des Idols zu befreien und ihn zu einem Träger des heiligen Kreuzes zu machen, zu
dem hervorragendsten und merkwürdigsten, der jemals unter ein Kreuz gestellt worden
war. Er wollte dies thun, um dem Zeichen des Heiles, das von den Heiden als
Zeichen der Schmach und der schimpflichsten Strafe verabscheut worden war, die
höchste Ehre zu erweisen und dadurch zu zeigen, dass es durch den Tod, den der
Erlöser daran erlitt, zum Triumph- und Siegeszeichen der Könige und Kaiser ge-
worden ist. Aber nicht nur auf die Julia hat er es erhoben, sondern zum Ruhm
und Glänze dieser heiligen Standarte des Christenthums befahl er, dass es auf alle
seine grossen Bauwerke und auf die anderen Obelisken bei S. Maria Maggiore,
S. Giovanni Laterano und S. Maria del Popolo gesetzt werde.
Da mir von seiner Heiligkeit. der Transport dieses Obelisken, der an einem
von Menschen wenig besuchten Orte stand, und seine Aufstellung mitten auf dem
St. Peters-Platze übertragen wurde, so will ich niederschreiben, wie ich dies vollführte,
um denen, welchen die Bewegung so schwerer Steine künftig obliegen wird, wobei
die Gefahr des Zerbrechens so gross ist, eine Beschreibung dieser Arbeit zu hinter-
lassen, die ihnen von Nutzen sein möge. Ich habe mich dazu um so mehr veranlasst
gesehen, als meines Wissens bis jetzt niemand gefunden wurde, der hierüber geschrieben
oder Aufklärung darüber gegeben hätte, welche Vorrichtungen sich für ein so
schwieriges Unternehmen als ausreichend erwiesen haben, das schon seit etwa vier-
zehnhundert Jahren ausser Gebrauch gekommen ist
In der genannten Absicht, sowie um den Platz und das neue, prachtvolle
Gebäude von St. Peter zu zieren, befahl Se. Heiligkeit der Papst am 24. August 1585
den Zusammentritt einer Versammlung von Prälaten und den intelligentesten Herren,
die berathen sollten, welches die geeignetste Stelle für den Obelisken sei und wie
man sich zu verhalten habe, um dessen Transport mit der grösstmöglichen Sicher-
heit zu bewerkstelligen. Auch sollten sie den Künstler nennen, den sie wegen seines
Scharfsinnes und seiner Erfahrung für den geeignetsten hielten, das Werk zum ge-
wünschten Ende zu führen. Das Unternehmen wurde allgemein für äusserst schwierig
490 Domenico Fontana und der Transport des Vaticanischen Obelisken.
geeigneten Orten sich befinden, sie mögen gehören, wem sie wollen, wofür er jedoch
den Besitzern angemessene Preise zu zahlen hat, wie sie von zwei Schiedsmännern
abgeschätzt werden, die von den Parteien zu wählen sind. Und dass er alle Hölzer
fällen und schneiden lassen kann, die in irgend einer Weise der Kirche von S. Peter,
ihrem Kapitel oder ihren Kanonikern gehören, namentlich auch solche im Besitze
des Campo morto, des Hospitals von San Spirito in Sassia oder der apostolischen
Kammer ohne irgend welche Bezahlung. Dass er sie durch irgend welchen beliebigen
Ort führen und die Thiere, die ihm zu dieser Arbeit dienen, darauf weiden lassen
kann, ohne irgend welche Belästigung deshalb zu erleiden, wofür er jedoch Ent-
schädigung leisten muss, die von Experten abgeschätzt wird, welche für diesen Zweck
zu erwählen sind. Dass er die genannten und alle anderen nöthigen Sachen kaufen
und wegführen kann von jeder beliebigen Person, ohne Zölle und Abgaben zu be-
zahlen. Dass er ohne Lizenz oder Schein in Rom oder den anderen Städten und
benachbarten Orten alle Arten von Lebensmitteln für seinen Gebrauch und den seiner
Diener und Thiere nehmen kann; dass er Winden, Hanfseile und Flaschenzüge
nehmen und wegtragen kann, wo sie sich finden, auch wenn sie zerbrochen werden
sollten, wobei er jedoch versprechen muss, sie wieder herzustellen und ganz zurück-
zubringen, und angemessene Pacht zahlen muss. und dass er sich ebenso aller
Instrumente und Sachen der Gebäude von St Peter bedienen kann und den Dienern
und Beamten derselben befehlen kann, dass sie innerhalb eines angemessenen Zeit-
raumes den Platz um den Obelisken frei machen, um ihn dahin führen zu können
und alles vorbereiten, was für diesen Zweck nöthig ist Dass er nöthigenfalls die
dem Obelisken benachbarten Häuser niederlegen lassen kann, wobei jedoch zuvor die
Art der Entschädigung festgesetzt werden muss, die zu leisten ist In Summa geben
wir dem genannten Domenico Fontana Vollmacht, zu thun, anzuordnen und zu
verlangen alles Andere, was zu genanntem Zwecke erforderlich ist; und ausserdem,
dass er und seine Agenten, Diener und Hausburschen allerorts und jederzeit jede Art
von Waffen tragen dürfen ausser den verbotenen. Und wir befehlen allen Magistrats-
personen und Beamten des ganzen Kirchenstaates, dass sie in allen vorgenannten
Dingen Hilfe leisten und den genannten Domenico Fontana unterstützen. Allen
anderen aber, die in irgend einer Weise dem Apostolischen Stuhle unterthan sind,
wess Ranges und Standes sie auch seien, befehlen wir bei Grefahr unserer Ungnade
und 500 Dukaten Strafe oder mehr nach unserer Entscheidung, dass sie nicht wagen,
die genannte Arbeit zu hindern, oder jenen Domenico und seine Agenten und
Arbeiter in irgend welcher Weise zu belästigen, sondern ohne Verzug und irgend
welche Entschuldigung ihm zu helfen und zu gehorchen, ihn zu unterstützen und ihm
beizustehen. Gegeben zu Rom am 5. Oktober 1585.""
Auf Grund dieser Vollmacht wurden nun Leute nach den verschiedenen um-
liegenden Orten geschickt, um Materialien einzukaufen und sie nach Rom zu schaffen.
In Fulcigno wurde eine grosse Menge Hanf gekauft, um in Rom Seile daraus zu
machen, namentlich 44 Seile von 70 mm Dicke und je 200 Ellen Länge. Diese
dienten zu den doppelten Flaschenzügen mit 12 Rollen, wovon jeder zwei Göpeln
entsprach, worüber wir später noch reden werden. Auch machte man eine grosse
Zahl dünner Seile zum Binden und zu anderem Gebrauche. Bei vielen Schmieden
wurden eiserne Bügel zum Binden des Gerüstes bestellt und andere, die die Flaschen
der Flaschenzüge und die Leitrollen umschliessen sollten; auch lange Bolzen zum
Zusammenziehen der Gerüstbalken, sowie kleine Ringe, um die Zapfen der Seilrollen
darin zu lagern und grosse, um die Seiltrommeln der Göpel damit zu binden, damit
sie sich nicht spalteten. Grössere und kleinere Zapfen für die Rollen der ver-
schiedenen Flaschenzüge wurden aus Bronce gegossen. Auch wurden eine grosse
Menge von Nägeln, Bändern, Beilen, Aexten, Hämmern, Schlägeln und Hebeisen
verschiedener Art gemacht Balken von Kastanien-, Eichen- und Ulmenholz, die sich
in den Magazinen fanden, wurden angekauft, um daraus die Versteifungen des Gre-
rüsles herzustellen. In Ronciglione wurden die dicksten und längsten Eisenstäbe zur
Tollmachtoertheilimg, Vor»rbeiten.
.491
Annining des Obeliakea und Eisen für die Gehäuse der FlaschenzQge bestellt. Auch
in Subiaco Castello, dreissig Meilen von Rom entfernt, oberhalb Tivoli, machte man
derartige Eisen für die Gehäuse der Flaschensüge. Nach Campomorto, einem Walde
der Kanoniker von St Peter, nach Porto die Netuano hin gelegen, 28 Meilen von
Rom entfernt, wurden viele Leute geschickt, um eine grosse Zahl der längsten und
stärksten Eichenhölzer zu fällen und herzurichten. Diese wurden auf den stärksten
Karren nach Rom geschafft Jeder Stamm erforderte 7 Paar Ocheen. In Terracina
ffurde eine grosse Menge von Bohlen aus Ulmenholz gekauft, um den Obelisken zu
verkleiden, und das Bett über den Balkeu herzuricbten , über die er hingeschleift
werden sollte. In Santa Sivera auf den Grundstücken der verehrlichen Kammer Uess
492 Domenico Fontana und der Tran:iport des VaticaDischen Obelisken.
•
man die Wellbäume für die Göpel und die Rollen von Steineichenholz schneiden,
sowie Stangen und Bretter aus Ulmenholz. Fast an ein und demselben Tage wurde
an allen den genannten Orten mit diesen Yorbereitungs-Arbeiten begonnen.
Ehe wir in der Beschreibung der Arbeiten zum Transport des Obelisken weiter-
gehen, wollen wir jedoch diesen und den Ort, wo er stand, etwas näher betrachten.
Dieser Ort hinter der Sakristei von St Peter war so abgelegen, schmutzig und wenig
besucht, dass viele Fremde, die nach Rom kamen, um die Sehenswürdigkeiten der
Stadt zu betrachten, wenn sie nicht von einem erfahrenen Führer begleitet wurden,
ihn entweder schwer fanden, oder abreisten, ohne dieses seltene Denkmal gesehen zu
haben. Ich sage „selten*^ weil es der einzige Obelisk in Rom war, der damals noch
aufrecht stand. Durch die Länge der Zeit war aber sein ganzes Piedestal in die
Erde begraben (Fig. 770).
Ehe ich mich zu dem Unternehmen des Transportes anschickte, wollte ich
mich vergewissern, wie viel der Obelisk wiegt Ich Hess 1 palmo von derselben
Steinart würfelförmig behauen und fand, dass dieser Würfel 86 Pfund wog.'*
Da nach dem früheren Gesagten 1 palmo = 217 mm anzunehmen und
das spec. Gewicht des Granites 2,8 ist, so berechnet sich das Gewicht dieses
Würfels auf 28,6 kg, und danach müsste ein damaliges römisches Pfund etwa
V« kg oder */s von unserem Pfund gewesen sein. Der Vaticanische Obelisk
hat nach Fontana's Angabe 107 palmi = 23,22 m Höhe, 12*/« p. = 2,71 m Dicke
am Fusse, 8V12 p. = 1,75 m am oberen Schaftende, und seine Spitze 6 p.
= 1,30 m Höhe. Er berechnet sein Gewicht auf 963537 damalige Pfund,
das wären nach Obigem etwa 321 180 kg; die genauere Rechnung ergiebt je-
doch ein etwas grösseres Resultat. Fontana fährt fort:
„Ich überlegte nun, dass ein Göpel mit guten Seilen, und Flaschen zügen etwa
20000 ff hebt, und dass daher 40 Göpel 800000 S heben würden. Für den Rest
(von 163 537 8) dachte ich o Hebel aus starken Balken anzuwenden, jeder 13 m
lang, so dass ich nicht nur genug Kraft, sondern noch einen Ueberschuss hätte. Auch
konnte man bei meiner Anordnung immer leicht Maschinen zufügen, wenn die ersten
nicht genügen sollten.
Als meine Erfindung an die Oeffentlichkeit kam, zeigte sich, dass fast alle
Sachverständige bezweifelten, dass man so viele Göpel so in Uebereinstimmung bringen
könnte, dass sie mit vereinter Kraft wirkten, um ein so grosses Gewicht zii heben.
Sie sagten, die Göpel könnten nicht gleichmässig anziehen, der am stärksten ange-
zogene Göpel müsse zerbrechen, und dadurch Verwirrung entstehen, die die ganze
Maschinerie in Unordnung bringen würde. Ich aber, obgleich ich noch nie so viele
Kräfte hatte zusammenwirken lassen, noch etwas dergleichen gesehen hatte, noch
durch irgend eine Vergleichung darüber klar werden konnte, fühlte mich doch sicher,
dass ich es thun könnte, weil ich wusste, dass vier Pferde, die an einem jener Seile
ziehen, wie ich sie angeordnet hatte, wenn sie sich auch noch so sehr anstrengten,
doch niemals im Stande sein würden, es zu zerreissen, sondern wenn irgend ein Göpel
zuviel von der Last zu tragen bekommen würde, könnte er sich nicht mehr drehen,
aber ebenso wenig, wie gesagt, das Seil zerreissen; die anderen, zurückgebliebenen
Göpel würden inzwischen gedreht werden, bis jeder wieder seinen richtigen Theil von
der Last auf sich genommen habe. Dann würde jener erste, der zu sehr belastet
war, auch wieder anfangen können, sich zu drehen, und alle Kräfte sich vereinigen.
Ausserdem hatte ich angeordnet, dass nach je drei oder vier Umdrehungen der Göpel
angehalten werden sollte, und dass die Leute, wenn sie die Seile dann berührten
und eines zu stark gespannt fänden, es nachliessen." (Die Seile wurden nämlich
nicht an den GöpelwiUcn befestigt, sondern nur mehrmals darum geschlungen, und
ihr freies Ende von einem Arbeiter angezogen. Es waren also gewissermassen
Gewicht des Obelisken, Bedenken Anderer gegen Foatana's Projekt. 4äS
Friktion 3 winden, und eine übermässige Spannung des Seiles konnte der Arbeiter, der
das freie Ende desselben anzog, leicht korrigiren.) „Alle diese Anordnungen waren
mir nicht neu, und ich vermied mit ihnen alle Gefabren und war sicher, dass kein
6dl brechen werde.
Da es nothwendig war, ein hölzernes Gerüste zu bauen und Raum für die
Aufstellung der genannten 40 Göpel zu schaffen, erwies es eich, da der betreffende
Platz etwas zu eng war, als nöthig, einige Häuser niederzulegen und den Platz zu
ebnen, wie man aus dem Grundpinne {Fig. 770) eraieht, auf dem die Vertheilung der
Göpel {C} angegeben ist. Und damit dna Gewicht des Gurüstea und der dnmn
hängenden Last die Erde nicht eindrücke, machte man um den Fuss dos Oheliiiken
ein Bett von doppelten Balken, tlic einander berührten. Dieses Bett hatte die Form
eines Kreuzes, wovon jeder Arm an einer der vier Seiten des Obelisken anfing und
sich 10,85 m weit erstreckte und an jedem Ende eine Breite von 6,51 m hatte.
494 Domenico Fontana und der Transport des Vaticanisciien Obelisken.
Ueber dieses Kreuz wurde eine andere Lage Balken gelegt^ die so weit von einander
entfernt waren, dass sie die Fussenden der Säulen und der Streben, die diese zu
stützen hatten, zwischen sich fassen konnten. Die Streben wurden von diesen und
anderen Balken so zusammengehalten, dass sie nach keiner Seite ausweichen konnten.
Um das Gerüst (Fig. 771) herzustellen, richtete man acht hölzerne Säulen
oder Pfosten auf, vier auf der einen und vier auf der gegenüberliegenden Seite des
Obelisken, je 1,08 m von einander entfernt. Jede Säule bestand im Querschnitte
aus 4 Balken von je 49 cm Dicke, so dass jede Säule nahezu 1 m dick war. Die
Balken waren so mit einander verbunden, dass die Stossfugen nicht zusammentrafen.
Sie waren an vielen Stellen durch eiserne Bolzen mit Schliessen verbunden, so dass
man sie leicht wieder auseinandernehmen konnte. Die Entfernung von einem Bolzen
zum anderen betrug 2,60 m. Ausserdem waren, je 2,60 m von einander entfernt^
eiserne Bänder um die Säulen gelegt imd Keile zwischen sie und die Balken ge-
trieben, um diese fester zusammenzuziehen. Endlich waren, je 2,60 m von einander
entfernt, Seile um die Säulen gewickelt und Keile zwischen sie und die Balken ge-
trieben. Die so gebildeten Säulen waren um 2,17 m höher als der Obelisk, d. h.
vom Fundament an 26,70 m hoch. Auf diese wurden Träger aus dicksten Balken
gelegt und innerhalb des Gerüstes mit den Säulen verstrebt. Sie verbanden die Enden
der Säulen so, dass diese sich nicht nach innen neigen oder biegen konnten. Rings
um diese acht Säulen waren 48 Streben in folgender Weise gestellt: 1,08 m vom
Fusse jeder Säule entfernt standen die Fussenden der kürzesten Streben, welche bis
zum dritten Theile der Seitenhöhe hinaufreichten. Sie waren Ö4 cm dick, aus einem
Balken bestehend. Jede Säule hatte eine solche Strebe, die an den vier Ecken aber
deren zwei, d. h. diese waren nicht nur nach Norden oder Süden, sondern auch nach
Osten oder Westen hin verstrebt Wieder 1,08 m von dem Fusse dieser ersten stand
der der zweiten, die bis zur halben Säulenhöhe reichten, und abermals 1,08 m davon
entfernt waren die dritten, die bis zu */8 der Säulenhöhe reichten. Und weil sich
keine Balken von dieser Länge fanden, wurden sie auf dieselbe Weise zusammen-
gesetzt wie die Säulen. Und wiederum 1,08 m davon entfernt standen die äussersten
Streben auf, die bis nahe an das obere Ende der Säulen reichten. Alle diese Streben
wurden durch viele Querbalken und gekreuzte Balken versteift und gehalten. In
den Höben, wo die Streben auf die Säulen trafen, wurden im Innern des Gerüstes
Querbalken über alle vier Säulen angebracht und durch Nägel und Verschnürung
an diesen befestigt, damit die Säulen sich nicht nach den Seiten ausbiegen konnten.
Und zwischen den beiden ersten und den beiden letzten Säulen, welche nach aussen
standen, wurden zwischen diesen Balken Spreizen angebracht, die ein Ausbi^en der
Säulen nach innen verhüteten. Dieses Gerüst war so fest, dass man das grösste
Gebäude darauf hätte stellen können. An seinem oberen Ende wurde es aber noch
durch vier Spannseile (die schräg nach der Erde herabliefen, wo sie verankert wurden,
und die durch Flaschenzüge gespannt wurden) gehalten. Auf die Träger (oben auf
den Säulen) wurden 5 starke Balken gelegt, jeder 6,51 m lang imd nach jeder
Richtung mehr als 65 cm dick, an welchen zwischen den Trägern 40 Flaschenzüge
aufgehängt wurden, die man durch die 40 Göpel bewegte. Diese Flaschenzüge wurden
nicht in der Mitte der Zwischenräume, sondern, der grösseren Sicherheit wegen, nahe
bei den Trägern und Säulen aufgehängt
Den Obelisken bedeckte man zunächst mit doppelten Binsematten, damit er
nicht verletzt würde. Darüber wiu*den Bohlen von 54 mm Dicke gelegt Ueber
diese legte man auf jeder Seite des Obelisken drei eiserne Längsstäbe von 108 mm
Breite und 54 mm Dicke, deren untere umgebogene Enden unter den Obelisken
fa:^5ten, da er auf broncenen Knäufen stand. Diese Eisenstäbe reichten bis zum
oberen Drittel der Höhe an dem Obelisken hinauf, indem sie aus mehreren scharnier-
artig verbundenen Stücken zusammengesetzt waren. Sie wurden von 9 auf ihre Länge
ungefähr gleichmässig vertheilten Bändern aus demselben Eisen umschlossen.^ (Um
(lieöü an Verschiebung nach oben zu hindern, da die Flaschenzüge an ihnen an-
Das Gerüst zum Aufheben und Niederlegen des Obelisken. 495
greifen sollten, waren eiserne Stollen über ihnen in die Längsschienen geschraubt
oder genietet) „Das Eisenwerk dieser Verkleidung wog 13 333 kg, die Bohlen,
Flaschenzüge und Seile etwa ebensoviel, so dass der Obelisk mit dieser Armatur
etwa 348000 kg wog. Während man ihn armirte, wurde der Platz geebnet^ die
Göpel wurden aufgestellt, die Flaschenzüge aufgehangen und mit den Göpeln ver-
bunden. Und damit diejenigen, welche mit der Ueberwachung des Gerüstes beauf-
tragt waren, sofort erkennen könnten, welcher Göpel zurückgeblieben oder voraus-
geeilt war, liess ich alle Göpel mit Nummern zeichnen und ebenso die zugehörigen
Leitrollen imd Flaschenzüge, so dass man jedesmal, wenn es nöthig war, von der
Spitze des Gerüstes aus einen Wink geben konnte, welcher Göpel nachgelassen oder
mehr angezogen werden müsse, uiid dass die Aufseher der Göpel ohne die geringste
Verwirrung in jedem Moment diesen Befehlen entsprechen konnten. Wegen der
Enge des Platzes aber war es noth wendig, drei Göpel in der Sakristei {A Fig. 770)
aufzustellen, und die Seile an vielen Stellen durch Leitrollen in gebrochenen Linien
zu führen, wie man es auf dem Plane (Fig. 770) sieht.
Nachdem alle Göpel gezeichnet waren, liess man einen nach dem anderen von
drei bis vier Pferden ziehen, um die Kraftäusserungen der Pferde in Ueberein Stimmung
zu bringen, indem man nach je drei bis vier Umgängen revidirte, bis sie alle gleich-
massig anzogen. Dieses Ziel erreichte man am 28. April 1586."
„Da unendlich viel Volk zusammenlief, um ein so merkwürdiges Unternehmen
anzusehen, wurden, um Unordnung zu vermeiden, die Strassen abgesperrt, die über
den Platz führten, und eine Bekanntmachung erlassen, dass an dem zur Hebung
des Obelisken bestimmten Tage ausser den Arbeitern Niemand in die Schranken ein-
treten dürfe. Wer mit Gewalt eindränge, würde mit dem Tode bestraft Ferner
dürfe keiner bei schwerer Strafe die Arbeiter hindern, keiner dürfe sprechen, disputiren,
oder irgend einen Lärm machen, bei schwerer Strafe, damit die prompte Ausführung
der Bef(»hle der Bediensteten nicht gehindert werde. Zur sofortigen Vollstreckung
dieser Verordnung wurde der Hauptmann der Häscher mit seinem Korps innerhalb
der Umschliessung aufgestellt, so dass, theils wegen der Neuheit der Arbeit, theils
wegen der angedrohten Strafen, in der Volksmenge, welche zusammenlief, die grösste
Stille herrschte.
Am 30. April, zwei Stunden vor Tagesanbruch, wurden zwei Messen in der
Heiligengeistkirche gelesen, damit Gott, zu dessen und des heiligen Kreuzes Ehre
dieses merkwürdige Unternehmen ausgeführt werden sollte, ihm seine Gunst schenken
und es gelingen lassen möge. Und damit Er die Bitten Aller erhöre, gingen sämnit-
liche Arbeiter, Aufseher und Fuhrleute, die bei dem grossen Werke zu thun hatten
und nach meiner Anordnung Tags zuvor gebeichtet hatten, zur Kommunion. Auch
hatte unser Herr mir den Tag vorher seinen Segen gegeben und mir anempfohlen,
was ich zu thun habe. Nachdem alle kommunicirt hatten und angemessene Reden
gehalten worden waren, trat er aus der Kirche in die Umzäunung, und alle Arbeiter
wurden an ihre Plätze beordert. Jeder Göpel erhielt zwei Aufseher, deren Anweisung
besagte, dass jedesmal, wenn das Signal eines Trompeters gehört würde, den ich auf
einem erhöhten Platze aufstellte, so dass er allen sichtbar war, die Göpel in Gang
zu setzen seien, und er ein scharfes Auge darauf haben müsse, dass richtig gearbeitet
werde; wenn aber der Ton einer Glocke erklinge, die oben an dem Gerüst auf-
gehangen war, müsse er sofort Halt machen lassen. Lmerhalb einer Umzäunung
am Ende des Platzes stand der Chef der Fuhrleute mit 20 starken Reservepferden
und 20 Mann zu ihrer Bedienung. Ausserdem hatte ich noch acht bis zehn tüchtige
Männer auf dem Platze vertheilt, die herumgingen und überall nachsahen, dass während
der Arbeit keinerlei Unordnung vorkäme. Femer hatte ich eine Abtheilung von
12 ^lann angewiesen, die nöthigen Reserveseile, Flaschenzüge, Rollen u. s. w. nach
Bedarf hin und her zu tragen. Diese waren vor dem Vorrathshause auf einem er-
höhten Platze aufgestellt, wo sie auf jeden Wink oder Befehl das auszuführen hatten,
was ihnen aufgetragen wurde, so dass kein Göpelaufseher seinen Platz zu verlassen
49C Domenico Fontana and der Transport des Vaticnnischen Obelisken.
brnuchte. An jeden Göpel aber hatte ich sowohl Menschen als Pferde gestellt, um
ihn zu bewegen, damit erstere ihn mit mehr Vernunft nach den Befehlen der Auf-
seher regierten, da Pferde allein manchmal stehen bleiben oder sich zu rasch bewegen.
Unter dem Gerüste waren 12 Zimmerleute aufgestellt, welche fortwährend hölzerne
und eiserne Keile unter den Obelisk zu schlagen hatten, einestheils um damit heben
zu helfen, anderentheils um ihn fortwährend zu unterstützen, so dass er niemals frei
hing. Diese Zimmerleute trugen eiserne Helme auf dem Kopfe, um sie zu schützen,
wenn ein Gegenstand von dem Gerüste herabfiel. Zur Beobachtung des Grerüstea,
der Flaschenzüge und Verschnürungen daran bestimmte ich 30 ^lann. An die drö
Hebel gegen Westen (nach der Sakristei hin) stellte ich 35 Mann zur Bedienung
und an die gegenüberliegenden zwei Hebel 18 Mann mit einem kleinen HandgöpeL"
„Nachdem von allen ein Patenioster und Ave Maria gesprochen war, gab ich
dem Trompeter das Zeichen, und sobald sein Signal ertönte, begannen die 5 Hebel
und 40 Göpel mit 907 Menschen und 75 Pferden zu arbeiten. Bei der ersten Be-
wegung schien es, als ob die Erde zittere, und das Gerüst krachte laut> indem sich
alle Hölzer durch das Gewicht zusammendrückten, und der Obelisk, welcher um
44 cm gegen den Chor von St Peter hin geneigt gewesen war, stellte sich senkrecht
Als man sah, dass das Gerüst, trotz dem Krachen, in keinem Theile nachgab und
Niemandem etwas zugestossen war, fasste Jeder Muth, und nachdem die Glocke das
Zeichen zum Anhalten gegeben hatte, fand sich, dass die oberste der eisernen Ban-
dagen, die die Längsstäbe am Obelisken zusammenhielten (und an der mehrere Flaschen-
züge angriffen) zerbrochen war. Man half dem dadurch ab, dass man 4 Flaschen-
züge auf jeder Seite an einer Seilumschlingung befestigte, deren Enden mehrmals
unter dem Obelisken durch und auf der anderen Seite wieder zu der Umschlingung
hinaufgeführt wurden. Alsdann fuhr man fort und hob den Obelisken in 12 Be-
wegungen (Hitzen) um 60 cm, was genügte, um die Schleife darunter zu schieben
und die metallenen Knäufe, worauf der Obelisk gestanden hatte, wegzunehmen. In
dieser Höhe wurde daher angehalten und wiutlen die vier Ecken des Obelisken mit
sehr starken Unierlaghölzern, hölzernen und eisernen Keilen unterschlagen. Und als
dies um 22 Uhr*) desselben Tages geschehen war, wurde mit einigen Mörsern auf
dem Gerüste das Signal gegeben und die ganze Artillerie gab mit lautem Donner das
Zeichen der Freude. Und man brachte dem Befehle gemäss das Mittagessen in
Körben zu jedem Göpel, damit Keiner seinen Posten verlasse.
Aus Erfahrung wusste man nun, dass Seile sicherer sind, als eiserne Bänder,
und deshalb legte man nun an vielen Stellen starke Taue um den Obelisken, die,
wie oben beschrieben, mit unter ihm durchgehenden Seilen gehalten wurden. Der
grösste Theil der eisernen Bänder wurde durch das grosse Gewicht zerbrochen odor
verbogen. Andere hatten die eisernen Stollen, die in den Längsschienen befestigt
waren und gegen die sie sich stützten, abgedrückt. Es schien, als ob sie mit einem
Messer abgeschnitten wären, wenn es möglich wäre. Eisen wie andere weiche Dinge
zu schneiden. Es ist dies eine erstaunliche Wirkung eines so grossen Gewichtes.
Wie erwähnt, wurde der Obelisk während des Hebens von den Zinunerleuten
fortwährend unterkeilt, so dass er wie auf einem Piedestal stand. Als dies vollendet
war, machte man sich daran, die Knäufe wegzunehmen, wovon zwei (Q Fig. 770)
nur auf die Oberfläche des Piedestals gelegt waren. Jeder wog 200 kg. Einer davon
wurde sogleich zu Seiner Heiligkeit dem Papste gebracht, welcher grosse Freude
darüber an den Tag legte. Die beiden anderen waren 33 cm tief eingezapft und
eingobleit (R Fig. 770), wie man es aus der Zeichnung ersieht. Jeder wog 266 kg.
Diese sassen so fest, dass man sich 4 Tage und 4 Nächte lang abmühen musste,
um sie herauszunehmen, denn es war schliesslich nothwendig, den Stein ringsum
herauszumei^selii. Daraus lässt sich nach meiner Meinimg schliessen, dass die Alten
sie so fest machten, um den Fuss der Julia während des Aufrichtens dagegen zu
stemmen. Indem sie dann an der Spitze aufzogen, musste sie sich um diese Knäufe
*i Die Uhren in Italien hatten damals Zifferblätter für 24 Stunden.
Aufheben und Umlegen. 497
auf dem Piedestal drehen. Man erkennt dies auch daran, dass diese Knäufe iam
Rande abgerieben sind. Diese Art des Aufrichtens muss aber mehr Mühe und Kosten
verursacht haben, als die Art, in der es jetzt gemacht wurde. Mehr Mühe, weil eine
Kraft der anderen entgegenwirkte, da man die Julia gegen die Knäufe hinzog, gegen
die ihr Fuss sich stützte, und mehr Kosten, weil man das Gerüst ebenso lang machen
musste, wie die auf der Erde liegende Julia. Ich bin auch der Meinung, dass
Plinius Recht hat, indem er sagt, die Julia sei beim Aufrichten zerbrochen worden,
und zwar aus drei Gründen. Erstens weil die Spitze nicht dieselben Verhältnisse
zeigt wie die anderen, welche alle 1^/t Kopfbreiten hoch sind. Danach müsste die
Spitze der Julia 12 palmi hoch sein; sie hat aber nur 6, und ich glaube, dass die
Alten, nachdem sie abgebrochen war, sie nicht höher machen wollten, um den Stein
nicht zu sehr zu verkleinem. Der zweite Grund ist, dass, wie man sieht, die Spitze
von einem anderen Meister bearbeitet ist Denn sie ist nicht, wie der übrige Stein,
polirt, sondern erscheint wie Bauemarbeit dagegen. Der dritte Grund ist, dass die
anderen Obelisken eine Höhe von 9^/9 bis 10 Kopfbreiten haben, während diese
Höhe bei dem von St Pietro nur 9 Kopfbreiten beträgt
Während man die metallenen Knäufe aus dem Piedestal nahm, wurde die
Schleife auf die Walzen gelegt Die Schleife war schmäler als der Fuss des Obelisken,
so dass sie zwischen den Unterlaghölzem unter den Ecken desselben hindurch-
geschoben werden konnte.
Der Obelisk war nun umzulegen, was wegen der Grösse der Bewegung und
der Länge des Steines eine schwierigere Arbeit war als die erste. Zu diesem Zwecke
ordnete man die Flaschenzüge und Seile anders an, so dass die Westseite, womit
sich der Obelisk auf die Schleife legen sollte, frei blieb. Auch wurden die Göpel
anders angeordnet, weil sie nun auf andere Weise wirkten. (Fig. 772). Und weil
ich voraussah, dass es manchmal nöthig werden würde, anzuhalten, lyähi-end der
Obelisk schräg stand, um Flaschenzüge, ümschnürungen und andere Dinge nach
Bedarf zu ordnen, liess ich, damit der Obelisk niemals an den Seilen hängend ruhe,
sondern unterstützt sei, vier Balken von je 13 m Länge herrichten, die an den Enden
mit starken Schamierköpfen versehen waren, welche sich zu beiden Seiten dicht an
dem Obelisken um eine 108 mm dicke Eisenstange drehten, welche die untere Seite
des Obelisken berührte und durch eine eiserne Umgürtung desselben an ihm befestigt
war. Die genannten Balken aber ruhten auf einer Walze (wie aus Fig. 771 ersicht-
lich ist) und der Winkel, den die Balken mit dem Obelisken bildeten, öffnete sich,
indem dieser niedergelassen wurde, wie ein Zirkel. Da sie aber bei zu schräger
Stellung nicht mehr als Stütze dienen konnten, hatte ich noch kürzere Balken zu
demselben Zwecke herrichten lassen. Wenn die Arbeit unterbrochen werden musste,
wurde der Obelisk durch diese Balken unterstützt, indem man sie entweder mit einem
Seile festhielt, das an ihre Fussenden gebunden und um eine Säule geschlungen war,
oder durch einen Eisenstab, der in Löcher der Walze gesteckt wurde und, indem er
sich gegen die Erde stemmte, die Drehung der Walze verhinderte. Nachdem die
Göpel anders angeordnet und an die geeigneten Plätze gestellt waren, wurden die-
jenigen, an deren Fiaschenzügen der Obelisk während des Ablassens hängen sollte,
von Neuem angezogen und die Seile so stark gespannt wie sie beim Heben gewesen
waren. Dann wurden sie festgestellt dass sie sich nicht mehr drehen konnten.'*
(Das Nachlassen der Flaschenzugseile dieser Göpel sollte also nicht durch Rückwärts-
drehen dieser erfolgen, sondern durch Nachlassen des von einem Arbeiter angezogenen
freien Endes des mehrmals um die nun feststehende Göpelwelle geschlungenen Seiles.)
„Die Ausführung dieser Vorarbeiten nahm acht Tage in Anspruch, und am Mittwoch,
den 7. Mai 1586, am Morgen zu guter Zeit war die ganze Vorrichtung in Ordnung.
Am Fusse des Obelisken waren vier Flaschenzüge befestigt und die sie bedienenden
Göpel standen hinter der Sakristei nach Westen. Diese fingen an jenem Morgen zu
guter Stunde an sich zu drehen und den auf einer Schleife, die auf Walzen L'ef,
ruhenden Fuss des Obelisken zu sich hin zu ziehen, während die anderen festgestellten
Beck. 32
498 Domenico FonUna niid der Truiaport des VeticatuBchen Ob«lisken.
Göpel ihre Seile nachlieseen. Eti war der Befehl ertheilt, dass gerade m> wie beim
Heben, wenn das Trompetensi^al erschallte, die Göpel am Fnase anueben und
gleichzeitig die anderen nachlassen sollten; wenn aber die Glocke ertonte, hatten sie
anzuhalten. Die Spitze des Obelisken war nach der 8eit« bin, nach der der Faaa
gezogen wurili}, durch leichte Balkon, die an den Säulfii befestigt «raren, gestützt,
und der OI)olisk neigte sich deshalb, als sein Fuas »ach Westen hin gezogen wurde,
ohne jeglicho Erschütterung. Fünf Fhi:jchenzügc rJ aber waten einerueite an dem
Gewölbe der Sakristei, ainloaTseits an der Spitze des (llK>Iiskun befestigt (Fig. 772)
und regelten, wie mit eiiicui Zügel, das Xiedei^'hen desselben, das niemals einen
Stoss verursachte. Als er in der Hälfte des Niederganges war, fing er an von selbst
Piedestaly Horizontaltransport. 499
auf den Walzen naoh hinten zu rutschen, und es war daher nicht mehr nöthig, ihn
in dieser Richtung zu ziehen, sondern im Gregentheil einen Flaschenzug in entgegen-
gesetzter Richtung am Fusse anzubringen, um ihn nach Gefallen des Aufsehers zu
regieren. Um 22 Uhr lag er wohlbehalten und ohne dass irgend Jemand verletzt
worden wäre auf der Schleife, welche unter ihn gezogen worden war. Dies erfuhr
unser Herr mit grösster Befriedigung und das ganze Volk empfand eine solche Freude
<larüber, dass der Architekt mit Trommel« und Trompetenschall nach Hause geleitet
imrde.
Am folgenden Tage fing man an, alle Flaschenzüge und Göpel wegzunehmen,
tmd diese Arbeit nahm vier Tage in Anspruch. Dann zog man den Obelisken mit
vier Göpeln und Flaschenzügen hervor, bis er ganz ausserhalb des Gestelles lag, um
•es auseinandernehmen zu können ohne Gefahr, dass ein Balken darauf falle. Als-
dann machte man sich daran, das Gerüst auseinander zu nehmen, indem man alle
Keile, Seile, Bolzen und Bandagen wegnahm und gesondert aufbewahrte, um sich
ihrer beim Wiederaufschlagen auf dem Platze sofort bedienen zu können. Sobald
das Gerüst auseinandergenommen war, ^ng man an, die Erde rings um das Piedestal
aufzugraben, um es blosszulegen, und in derselben Zeit fuhr man die Hölzer auf
<len St Peters-Platz. Als das Piedestal zur Hälfte aufgedeckt war, fand man, dass
sein erster Theil, worauf die Knäufe gesessen hatten, 2,50 m hoch war, auf der
Ostseite 2,66 m, auf der Westseite 2,82 m, auf der Nord- und Südseite 2,87 m
breit Man zog ihn auf, legte ihn auf Walzen und beförderte ihn nach dem Platze.
Unter diesem fand sich eine Gesimsplatte aus einem Stücke, 868 mm hoch, oben
3,25 m, unten 2,82 m breit Man beförderte sie ebenfalls auf den Platz. Darunter
fand sich ein Sockelstein, 2,82 m }ioch, nach Osten 2,55 m, nach Westen, Norden
und Süden 2,88 m breit Darunter war eine Grundplatte, 922 mm hoch, oben 2,82,
imten 3,36 m breit Da der erste Theil breiter war als der untere, wenn auch nicht
so hoch, nach den Regeln der Architektur aber der breitere Theil unten liegen sollte,
veranlasste mich dies zu glauben, dass dieses Piedestal aus Ueberresten alter Bau-
werke gebildet worden wäre, und diese Ansicht wurde dadurch bestätigt, dass die
Gesimsplatte weniger gut modellirt war, als die Grundplatte, woraus man schliessen
konnte, dass sie Werke zweier Architekten seien. Wenn ich beim Aufrichten des
Piedestals den breiteren Theil unten hin hätte legen wollen, würde er nicht auf die
Grundplatte gepasst haben, die oben schmäler war, und wenn man eine neue Grund-
platte hätte machen wollen, hätte man in Rom keinen so grossen Stein gefunden,
so dass ich wegen der Kürze der Zeit und um Unannehmlichkeiten zu vermeiden
gezwungen war, alle Theile wieder so zu legen, wie sie von den Alten angeordnet
worden waren. Unter der genannten Gnmdplatte war ein Sockel von weissem Marmor,
976 mm hoch, gegen Ost und West 4,88 m lang, gegen Nord und Süd 3,25 m
breit Er bestand aus drei Stücken, die durch eingebleite Eisenklammem verbunden
waren, und stand ganz unter Wasser. Darunter fand sich noch eine Doppellage von
Kalksteinen und ein Fundament von Kieselsteinen. Die Kalksteine konnten nicht
alle herausgebracht werden, weil es die Kosten nicht deckte, da sie 8,68 m tief in
<ier Erde lagen und das Wasser überall herausquoll.
Da man den Obelisken von dieser Stelle bis zu seinem neuen Standorte auf
eine Entfernung von 300 Ellen transportiren musste und man durch Nivellement
fand, dass der neue Standort um 8,68 m tiefer lag als der Platz, wo er seither ge-
standen (also in gleicher Höhe mit der Oberfläche des alten Fundaments), machte
man einen ebenen Damm (d. h. einen Damm mit horizontaler Krone) von dem alten
bis zu dem neuen Standorte, indem man die Erde dazu hinter den Gebäuden von
St, Peter aus dem Monte Vaticano entnahm. Unten machte man ihn, bei 10,85 m
Kronenbreite und 8,03 m Höhe, 21,7 m breit Um den Standort des Gerüstes herum,
machte man ihn aber oben um 20,61 m und am Fusse um 27,12 m breiter. Man
verkleidete ihn mit Balken und stützte diese durch Pfosten und Streben, zog auch
Bn vielen Stellen Balken quer durch, damit er nirgends dem grossem Drucke nachgebe.
32*
500 Domenico Fontana und der Transport des Vaticanischen Obelisken.
Während alles dies ausgeführt A\'urde, legte man auf das Fundament, das
schon auf dem Platze von St. Peter hergestellt worden war und den Obelisken tragen
sollte, eine Lage bearbeiteter Kalksteine, 9,11 m breit und nach jeder Seite mit drei
Stufen von demselben Steine ringsum, je 54 cm breit Aber in dieser Lage wurden
gegen Nord und Süd acht quadratische Löcher von 1,08 m Seitenlange ausgespart,
in welche die acht Säulen des Gerüstes gestellt werden sollten, das wieder aufgestellt
werden musste. In der Mitte wurde dann zunächst der Sockel von verklammerten
weissen Marmorsteinen wieder aufgesetzt. Unter ihn legte man Münzen, ähnlich
denen, die man in das Fundament gelegt hatte. Ebenso zwischen den Sockel und
die Fussplatte, worauf der erste Stein des Piedestals, die Gesimsplatte und der oberste
Stein des Piedestals gesetzt wurden, alles wie es zuvor gestanden hatte, nur musste
dieser letzte Theil um 54 mm niedriger gemacht werden, um die Locher für die
Zapfen der Knäufe neu einhauen, und diese wieder gut einbleien zu können, denn
beim Herausnehmen waren die Löcher zu weit gemacht worden. Während diese
Theile versetzt wurden, warf man ringsum Erde auf (bis zur Höhe der Dammkrone,
die der des Piedestals gleich war) und begann mit der Aufstellung der acht Säulen,
mit denselben Bändern und Bolzen versehen, wie bisher, auf dem Fundamente stehend
und in die oben genannten ausgesparten Löcher eingelassen. An demselben Tage,
als die Knäufe eingebleit waren, wurde auch die Aufschüttung bis zur Höhe des
Piedestals fertig, und man ging sofort daran, die Säulen vollends aufziuichten und auf
der Aufschüttung das Gerüst aus Balken und Streben gleich dem ersten herzustellen.
Nachdem das Gerüst vollendet war, zog man den Obelisk so weit vorwärts
dass seine Spitze auf der anderen Seite des Gerüstes herauskam, armirte ihn an zwei
oder drei Stellen und befestigte die Flaschenzüge an den drei freien Seiten. Dann
vertheilte man die Göpel auf dem Platze.
Am 10. September 1586, da alles an seiner Stelle stand, vor Tages Anbruch,
wurden in der Kirche im Palaste des Priorates zwei Messen gelesen, und Jeder, der
zu arbeiten hatte, ging zur Kommunion, wie bei der Niederlegung geschehen war,
und bat Gott imi guten Erfolg. Man stellte jeden an seinen Platz. Bei Tages-
anbruch war alles in Ordnung, und begann man, mit 40 Göpeln, 140 Pferden und
800 Mann zu arbeiten, mit denselben Trompeten- und Glockensignalen zum Arbeiten
und Stillehalten, wie zuvor. Während die Spitze des Obelisken sich hob, wurde sein
Fuss durch vier Göpel, die auf der gegenüberliegenden Seite standen, angezogen,
80 dass die Seile, die die Spitze aufzogen, inuuer senkrecht blieben. Die zu hebende
Last verminderte sich immer mehr, je mehr die Spitze sich hob und der Fuss darunter
gezogen wurde. Als der Obelisk halb aufgerichtet war, hielt man inne und unter-
stützte ihn, um die Arbeiter zu Mittag essen zu lassen. Nach dem Essen begab
sich Jeder wieder mit grossem Eifer an die Arbeit In 52 Bewegungen (Hitzen)
wurde der Obelisk aufgerichtet, und es war ein sehr schönes Schauspiel in vielen
Beziehungen. Unzählig viel Volk war zusammengelaufen, und Viele blieben, xun
ihren Platz zum Sehen nicht zu verlieren, ohne Mittagessen bis zum Abend stehen.
Andere machten Tribünen für die Leute, die zusammenströmten, und gewannen viel
Geld. Bei Sonnenuntergang stand der Obelisk aufrecht, aber die Schleife, welche,
während er sich hob, darunter gezogen worden war, war noch darunter. Sofort gab
man mit den Böllern auf dem Gerüste das Signal hiervon, was durch viele Geschütze
beantwoitet wurde, imd die ganze Stadt war in grosser Freude. Bei dem Hause des
Architekten liefen wieder alle Trommler und Trompeter von Rom zusammen und
liessen ihren Applaus erschallen. Als von dem Gerüste die Freude verkündet wurde,
befand sich Se. Heiligkeit in einer Sitzung, da er sich von Monte Cavallo nach
S. Pietro begeben hatte, um den Gesandten von Frankreich in öffentlichem Konsi-
storium zu empfangen. Hier wurde Sr. Heiligkeit die Nachricht überbracht» dass
die Julia aufgerichtet sei, was ihn mit grosser Freude erfüllte.
Die sieben folgenden Tage gingen darauf, die Göpel umzusetzen und die
Flaschenzüge an allen vier Seiten der Juha zu befestigen, um sie adjustiren zu
Wiederaufrichtung. 601
können. Und man fügte vier Hebel aus dicken Balken von 13 m Länge bei. An
dem Tage, der zum Wegnehmen der Schleife bestimmt war, fing man damit an, die
Göpel anzuziehen und die Hebel niederzuziehen, so dass sich die Julia ein wenig
hob, und sofort wurde sie, da ihr Fuss breiter war als die Schleife, von den Zimmer-
leuten mit Keilen so unterschlagen, dass man die Schleife herausziehen konnte. Dann
setzte man die broncenen Knäufe an ihre Stellen und bleite diejenigen, welche Zapfen
hatten, ein. Nachdem dies geschehen war, zog man an demselben Tage die Göpel
Avieder an und die Hebel nieder, schlug einen Keil nach dem andern heraus und
liess die Julia allmählich nieder, so dass sie an demselben Abende noch auf die
Knäufe zu stehen kam; aber da es spät war, konnte man sie nicht mehr adjustiren.
Am folgenden Tage stellte man sie senkrecht, was am leichtesten zu geschehen schien,
so lange sie noch mit Bohlen, Eisen und Seilen armirt war. Ich wusste, dass sich
die Julia auf jeder Seite um 2 palmi verjüngt, deshalb liess ich eine Latte von
2 palmi Länge auf die Mitte der Seite am Fusse der Spitze setzen und liess den
Senkel auf die Mitte der Seite des Fusses herabfallen, und so, dass er diesen eben
berührte, adjustirte man sie. Da die Elnäufe nicht gleich waren, musste man auf
einige derselben Bronceplatten legen. Alsdann machte man sich daran, die Julia
zu desarmiren oder abzuräumen. Am 27. September wurde sie frei und unser Herr
befahl, dass man eine Procession veranstalte, um die Julia zu segnen und das goldene
Kreuz darauf zu weihen.''
Es folgt nun eine genaue Beschreibung dieser kirchlichen Feier, womit
wir uns hier nicht zu beschäftigen haben.
500 Domenico FonUna und der Transport des Vaticanischen Obelisken.
Während alles dies ausgeführt wnirde, legte man auf das Fundament, das
schon auf dem Platze von St. Peter hergestellt worden war imd den Obelisken tragen
sollte, eine Lage bearbeiteter Kalksteine, 9,11 m breit und nach jeder Seite mit drei
Stufen von demselben Steine ringsum, je 54 cm breit. Aber in dieser Lage wurden
gegen Nord und Süd acht quadratische Locher von 1,08 m Seitenlange ausgespart,
in welche die acht Säulen des Gerüstes gestellt werden sollten, das wieder aufgestellt
werden musste. In der Mitte wurde dann zunächst der Sockel von verklammerten
weissen Marmorsteinen wieder aufgesetzt. Unter ihn legte man Münzen, ähnlich
denen, die man in das Fundament gelegt hatte. Ebenso zwischen den Sockel und
die Fussplatte, worauf der erste Stein des Piedestals, die Gesimsplatte und der oberste
Stein des Piedestals gesetzt wurden, alles wie es zuvor gestanden hatte, nur musste
dieser letzte Thell um 54 mm niedriger gemacht werden, um die Locher für die
Zapfen der Knäufe neu einhauen, und diese wieder gut einbleien zu können, denn
beim Herausnehmen waren die Löcher zu weit gemacht worden. Während diese
Theile versetzt wurden, warf man ringsum Erde auf (bis zur Höhe der Dammkrone,
die der des Piedestals gleich war) und begann mit der Aufstellung der acht Säulen,
mit denselben Bändern und Bolzen versehen, wie bisher, auf dem Fundamente stehend
und in die oben genannten ausgesparten Löcher eingelassen. An demselben Tage,
als die Knäufe eingebleit waren, wurde auch die Aufschüttung bis zur Höhe des
Piedestals fertig, und man ging sofort daran, die Säulen vollends aufziuichten und auf
der Aufschüttung das Gerüst aus Balken und Streben gleich dem ersten herzustellen.
Nachdem das Gerüst vollendet war, zog man den Obelisk so weit vorwärts
dass seine Spitze auf der anderen Seite des Gerüstes herauskam, armlrte ihn an zwei
oder drei Stellen und befestigte die Flaschenzüge an den drei freien Seiten. Dann
vertheilte man die Göpel auf dem Platze.
Am 10. September 1586, da alles an seiner Stelle stand, vor Tages Anbruch»
wurden in der Kirche im Palaste des Priorates zwei Messen gelesen, und Jeder, der
zu arbeiten hatte, ging zur Kommunion, wie bei der Niederlegung geschehen war,
und bat Gott imi guten Erfolg. Man stellte jeden an seinen Platz. Bei Tages-
anbruch war alles in Ordnung, und begann man, mit 40 Göpeln, 140 Pferden und
800 Mann zu arbeiten, mit denselben Trompeten- und Glockensignalen zum Arbeiten
und Stillehalten, wie zuvor. Während die Spitze des Obelisken sich hob, wurde sein
Fuss durch vier Göpel, die auf der gegenüberliegenden Seite standen, angezogen,
so dass die Seile, die die Spitze aufzogen, immer senkrecht blieben. Die zu hebende
Last verminderte sich immer mehr, je mehr die Spitze sich hob und der Fuss darunter
gezogen wurde. Als der Obelisk halb aufgerichtet war, hielt man inne und unter-
stützte ihn, lun die Arbeiter zu Mittag essen zu lassen. Nach dem Essen begab
sich Jeder wieder mit grossem Eifer an die Arbeit. In 52 Bewegungen (Hitzen)
wurde der Obelisk aufgerichtet, und es war ein sehr schönes Schauspiel in vielen
Beziehungen. Unzählig viel Volk war zusammengelaufen, und Viele blieben, lun
ihren Platz zum Sehen nicht zu verlieren, ohne Mittagessen bis zum Abend stehen.
Andere machten Tribünen für die Leute, die zusammenströmten, und gewannen viel
Geld. Bei Sonnenuntergang stand der Obelisk aufrecht, aber die Schleife, welche,
während er sich hob, darunter gezogen worden war, war noch darunter. Sofort gab
man mit den Böllern auf dem Gerüste das Signal hiervon, was durch viele Geschütze
beantwoitet wurde, imd die ganze Stadt war in grosser Freude. Bei dem Hause des
Architekten liefen wieder alle Trommler und Trompeter von Rom zusammen und
liessen ihren Applaus erschallen. Als von dem Gerüste die Freude verkündet wurde,
befand sich Se. Heiligkeit in einer Sitzung, da er sich von Monte Cavallo nach
S. Pietro begeben hatte, um den Gesandten von Frankreich in öffentlichem Konsi-
storium zu empfangen. Hier wurde Sr. Heiligkeit die Nachricht überbrachte dass
die Julia aufgerichtet sei, was ihn mit grosser Freude erfüllte.
Die sieben folgenden Tage gingen darauf, die Göpel umzusetzen und die
Flaschenzüge an allen vier Seiten der Julia zu befestigen, um sie adjustiren zu
Wiederaufrichtung. 501
können. Und man fügte vier Hebel aus dicken Balken von 13 m Länge bei. An
dem Tage, der zum Wegnehmen der Schleife bestimmt war, fing man damit an, die
Göpel anzuziehen und die Hebel niederzuziehen, so dass sich die Julia ein wenig
hob, imd sofort wurde sie, da ihr Fuss breiter war als die Schleife, von den Zimmer-
leuten mit Keilen so unterschlagen, dass man die Schleife herausziehen konnte. Dann
setzte man die broncenen Knäufe an ihre Stellen und bleite diejenigen, welche Zapfen
hatten, ein. Nachdem dies geschehen war, zog man an demselben Tage die Göpel
wieder an und die Hebel nieder, schlug einen Keil nach dem andern heraus und
liess die Julia allmählich nieder, so dass sie an demselben Abende noch auf die
Knäufe zu stehen kam; aber da es spät war, konnte man sie nicht mehr adjustiren.
Am folgenden Tage stellte man sie senkrecht, was am leichtesten zu geschehen schien,
so lange sie noch mit Bohlen, Eisen und Seilen armirt war. Ich wusste, dass sich
die Julia auf jeder Seite um 2 palmi verjüngt, deshalb liess ich eine Latte von
2 palmi Länge auf die Mitte der Seite am Fusse der Spitze setzen und liess den
Senkel auf die Mitte der Seite des Fusses herabfallen, und so, dass er diesen eben
berührte, adjustirte man sie. Da die Elnäufe nicht gleich waren, musSte man auf
einige derselben Bronceplatten legen. Alsdann machte man sich daran, die Julia
zu desarmiren oder abzuräumen. Am 27. September wurde sie frei und unser Herr
befahl, dass man eine Procession veranstalte, um die Julia zu segnen und das goldene
Kreuz darauf zu weihen.''
Es folgt nun eine genaue Beschreibung dieser kirchlichen Feier, womit
wir uns hier nicht zu beschäftigen haben.
Salomon de Caus (etwa 1576—1630).
Um die Mitte unseres Jahrhunderts wurde der Name Salomon de Caus
oft genannt, weil der berühmte französische Physiker Arago sich bemühte^
ihn zum Erfinder der Dampfmaschine zu machen, und die Ansicht vertrat,
der Marquis qf Worcesteb habe dem Salomon de Caus sein Geheimniss Ton
der Kraft des Dampfes abgelauscht und geraubt. Als Wahnsinniger sollte dc
Caus in Bicetre (Paris) eingesperrt worden sein und ein trauriges Ende ge-
funden haben. Für letztere Sage fehlt jeder historische Beweis und überhaupt
sind die Nachrichten über das Leben unseres Autors so dürftig, dass es den
Anschein hat, als habe man sie nur aus den Titeln seiner Werke abgeleitet.
Diese sind: k
1 . La Perspektive avec la raison des ombres et des miroirs. Londres 1612.
2. Les raisons des forces mouvantes avec diverses machines et plusieurs
dessins de grottes et fontaines. Francfort 1615.
Etwa um dieselbe Zeit erschien zu Frankfurt a. M. eine deutsche
Uebersetzung dieses Werkes, welche uns vorliegt. Darin wird der
Autor auf dem Titelblatte als: ;,Churfürstlich pfälzischer Ingenieur
und Baumeister^ bezeichnet.
3. Institution harmoniques, Francfort 1615, dediee a la reine Anne
d'Angleterre.
Auch dieses Werk wurde in's Deutsche übersetzt.
4. Hortus Palatinus, Francfort 1620 mit vielen Kupferstichen von de Brt.
In diesem Werke werden die Verschönerungen beschrieben, welche der
Autor in den kurfürstlichen Gärten zu Heidelberg ausführte.
5. Neue Ausgabe von: Les raisons des forces mouvantes Paris 1624.
6. La pratique et la demonstration des horloges solaires, Paris 1624.
Nimmt man an, dass der Autor jeweils in dem Lande lebte, wo seine
Werke erschienen, so ergiebt sich daraus, dass er etwa bis 1612 in England,
von da bis 1620 in Deutschland und dann bis nach 1624 in Frankreich (Paris)
lebte. Der Umstand, dass das unter 3. angeführte Werk der Königin von
England gewidmet ist, und dass Kurfürst Friedrich V., der von 1610 an in
LcbensbescbreibuDg. Definitionen. 603
Heidelberg regierte und im Jahre 1619 zu seinem Unglücke die böhmische
Krone annahm (^ Winterkönig ^), mit Elisabeth, der Tochter Jakob's I. von
England verheirathet war, lässt auf nähere Beziehungen des Autors zum eng-
lischen Hofe schliessen. Als kurfürstlicher Ingenieur und Baumeister wird
er auch den unter FmEORiCH V. errichteten ;,Elisabethenbau^ und die zu Ehren
der Kurfürstin errichtete ;, Elisabethenpforte" des Heidelberger Schlosses ent-
worfen und ausgeführt haben.
MicHAUD sagt in seiner „Biographie universelle", dass Salomon de Caus
in der Normandie gegen Ende des 16. Jahrhunderts geboren worden sei, wäh-
rend Andere 1576 als sein Geburtsjahr angeben. Als sein Todesjahr giebt
MicHAüD 1630, Andere aber geben als solche« 1626 oder 1641 an. Fügt man
dies den Vermuthungen, welche sich aus den Titeln seiner Werke ergeben,
bei, so hat man den ganzen Inhalt der uns bekannt gewordenen Biographien
unseres Autors.
Inwieweit Salomon de Caus an der Erfindung der Dampfmaschine Theil
hat, wird sich aus nachstehender Betrachtung seines Werkes „Les raisons des
forces mouvantes" alsbald ergeben.
Das erste Buch beginnt mit den nach Aristoteles gefassten Definitionen
der vier Elemente, nämlich:
I. „Das Feuer ist ein Element, das leuchtend, heiss, trocken und leicht ist,
und welches durch seine Hitze grosse Gewalt ausübt"
Zur Illustration der letzteren Eigenschaft wird auf feuerspeiende Berge,
Kanonen und einige später zu beschreibende Apparate hingewiesen, in denen
durch das ^Elementarfeuer^ (d. i. die Sonnenwärme) Wasser gehoben werden soll.
IL „Die Luft ist ein Element, das trocken und leicht ist, das zusammen-
gedrückt werden kann und alsdann grosse Gewalt ausübt."
Als Beweis wird zunächst die Spritzflasche, wie sie della Porta beschrieben
hat, oder der Heronsball besprochen und dann zugefügt:
„Es wird aber solche Gewalt noch grosser, wenn die Luft von Wasser, welches
in einem Gefässe erhitzt wird, exhalirt und diese Exhalation in dem Gefässe ein-
geschlossen bleibt Nimm z. B. eine kupferne Kugel, welche innen einen Fuss im
Durchmesser hat und einen Zoll dick ist (d. h. 1" Wandstärke hat), fülle sie durch
ein enges Löchlein in der Wandung mit Wasser, verstopfe dasselbe alsdann gut mit
einem Zapfen, so dass kein Wasser (resp. Dampf) herauskommen kann, und lege
die Kugel in ein Feuer, so wirst Du finden, dass wenn sie wohl erhitzt ist, sie durch
die gewaltige Pressung, welche darin entsteht, mit lautem Knalle, wie eine Petarde
zerspringt"
In unserer Abhandlung über della Porta (S. 256) haben wir auf das
von Albertus Magnus schon im 13. Jahrhundert beschriebene Experiment mit
dem ;,sufflator" hingewiesen. Von diesem unterscheidet sich das hier beschrie-
bene nur dadurch, dass die Oeffnung so fest verstopft wird, dass nicht der
Zapfen herausgetrieben, sondern die Kugel zersprengt wird, die hier ein Zoll
Wandstärke hat. Hierdurch wurde ohne Zweifel die grosse Kraft des Dampfes
noch drastischer veranschaulicht. Der Marquis of Worcester ging darin noch
501
8alomon de Caus.
einen Schritt weiter, indem er anstatt der hier beschriebenen Kugel ein
Kanonenrohr mit Dampf zersprengte. (Siehe S. 265.)
Nach Aufstellung ähnlicher Definitionen von Wasser und Erde geht Sa-
LOMON DE Cais zur Besprechung von achtzehn sogenannten „Theoremen^
über, nämlich:
I. y,Die Elemente lassen sich eine Zeit lang mit einander vermischen, nachher
aber begiebt sich jedes wiederum an seinen Ort"
Zur Erläuterung wird u. A. gesagt:
„Dafür will ich auch folgendes Beispiel anführen: Nimm ein rundes kupfernes
Gefass A (Fig. 773), das überall wohl verwahrt mid dicht verlöthet ist Setze eine
Röhre jBC hinein, die so tief herabgeht^ dass das Wasser zwischen ihr und dem
Boden des Gefüsses bei B hineinkommen kann. Das obere Ende stehe mit dem
Hähnchen D aus dem Gefässe vor, so dass man es nach Bedürfniss auf und zu
drehen kann. Oben bei E hat das Gefass eine Oeffnung mit einem Zapfen, um
durch dieselbe Wasser eingiessen zu können, und zwar giesse man, wenn die Kugel
etwa drei Maass hält, nur ein Maass Wasser ein, setze die Kugel drei oder vier
Fig. 773.
Fig. 774.
Minuten lang auf das Feuer, wobei man den oberen Zapfen offen lasst, und hebe
sie danach wieder von dem Feuer. Giessest Du dann über eine kleine Weile das
Wasser in ein anderes Gefass (ein Maass), so wirst Du finden, dass ein Theü des
Wassers, welches Du in die Kugel gethan hattest, evaporirt und verflogen ist —
Fülle danach Dein Gefass wieder wie zuvor, verwahre den Hahn und Zapfen wohl,
setze die Kugel wieder so lang auf das Feuer, wie zuvor, thue sie danach wieder
davon, lasse sie wohl erkalten und giesse dann das Wasser wieder heraus, so wirst
Du dasselbe Maass und Gewicht finden, welches Du hinein gethan hattest Daraus
ist mit Gewissheit zu entnehmen, dass das Wasser, welches in dem letzten Falle bei
einander gebheben ist^ in dem ersten Falle da der vapor hat herauskommen können,
(zum Theile) durch den Trieb des Feuers in die Höhe geflogen ist — Dies ist noch
auf eine andere Weise zu bestätigen, nämlich so: Giesse ein Maass Wasser in die
genannte Kugel, mache den oberen Zapfen zu und lasse den Hahn an der Bohre
offen, stelle sie auf das Feuer und setze das Gefass, womit das Wasser gemessen
wurde, darunter (d. h. unter die Mündung des Hahns), so wirst Du fmden, dass
das Wasser in die Höhe und durch den Hahn herausgetrieben wird, bis etwa auf
den sechsten oder achten Theil, welcher den Dampf bildet, der das Wasser hebt,
imd nachher auch mit Gewalt herausdringen wird. Dasselbe nimmt man auch bei
Quecksilber wahr, welches durch die Hitze vollständig vei-flüchtigt imd evaporirt
wird. Wenn aber solcher vapor wieder erkaltet, so kehrt er wieder zu seiner eigenen
Natur zurück und wird wieder zu Quecksilber . . . ."
Eondensation des Dampfes, TVasserheben durch Dampfdruck. 505
Es ist beachtenswerth, dass hier Versuche über die Kondensation
des Dampfes beschrieben werden, von der della Porta noch keinen rechten
Begriff hatte, wie aus seinem Apparat hervorgeht, der zur Bestimmung
des Dampfvolumens dienen sollte, das sich aus einer gegebenen Wassermenge
entwickelt. (Vergl. Fig. 303, S. 263.) Salomon de Caus sagt klar, dass der
Wasserdampf verflüchtigtes, evaporirtes Wasser ist, das sich bei der Abkühl-
ung wieder in dieselbe Menge flüssigen Wassers verwandelt, woraus es durch
Erhitzung (d. i. nach dem Wortlaute des voranstehenden Theorems : Vermisch-
ung des Wassers mit Feuer oder Wärme) entstanden ist.
In den drei folgenden ^Theoremen'' behandelt de Caus den hydraulischen
Heber, indem er darauf hinweist, dass in dessen kürzerem Schenkel das Wasser
nur deshalb in die Höhe steigt, weil es in dem anderen tiefer herabfällt, d. h.
zu einem Orte gelangt, der tiefer liegt, als einer der mit dem Ausgangspunkte
in der Waage steht. Daran anschliessend folgt als weiteres Theorem:
V. „Das Wasser wird durch Hilfe des Feuers höher getrieben, als es in seiner
Waage steht" ^
Dies ist bei dem zuletzt erwähnten Versuche, da das Wasser dabei ;,in
die Höhe und durch den Hahn heraus getrieben wird^, zwar schon der Fall
gewesen, aber nur in so geringem Maasse, wie bei dem von della Porta be-
schriebenen Apparat, der zum Messen des aus einer gewissen Wassermenge
entwickelten Dampfvolumens dienen sollte. (Siehe Fig. 303, S. 263.) Um die
Gewalt, womit der Dampf das Wasser in die Höhe treibt, besser zu veran-
schaulichen, ändert de Caus den Versuchsapparat ein wenig und sagt in der
Erläuterung vorstehenden Theorems u. a.:
„. . . . Zum dritt... '.:ann das Wasser auch mit Feuer über sich getrieben
werden, wozu man vercvJiiedene Maschinen gebrauchen kann, von denen ich hier nur
eine beschreiben will. Nimm eine kupferne Kugel A (Fig. 774), welche überall
wohl verwahrt und verlötbet ist Daran sei em Zapfen B seitlich in der Wandung,
durch den man das Wasser hinein bringt Von oben geht eine Röhre BG beinahe
bis auf den Boden der Kugel herab. Fülle diese Kugel mit Wasser, mache den
Zapfen wohl zu und stelle sie auf ein Feuer, so wirst Du sehen, wie die Hitze das
Wasser in die Höhe treibt"
Dies ist die einzige ^jDampfmaschine'^, die de Caus beschreibt. Sie kann
wohl kaum als neue Erfindung gelten, da della Porta schon 14 Jahre früher
in seinem Werke ;,Pneumaticorum libri HI^ bei [Besprechung der Spritzflasche
sagte : „Wenn du aber ohne Heranziehung der Luft das Wasser in die Feme
schleudern willst, erhitze den Boden des Gefässes ein Weilchen^. (Vergl. S. 257.)
Wenn de Caus in der soeben angeführten Stelle sagt, man könne verschie-
dene Maschinen gebrauchen, um Wasser mit Feuer über sich zu treiben, so
dachte er dabei wahrscheinlich an den Apparat Heron^s, in dem zunächst Luft
durch ein Feuer erwärmt wird, welche bei ihrer Expansion das Wasser in die
Höhe treibt (siehe Fig. 15, S. 12) und an die später von ihm beschriebenen Apparate,
in denen dies durch das ^.Elementarfeuer^ (die Sonnenwärme) geschehen soll.
Die weiter folgenden ^Theoreme" sind:
506 Salomon Ue Caus.
VI. „Wasser kann nur dann mit Beihilfe von Luft gehoben werden, wenn es
tiefer fällt, als es in seiner Waage steht"
Zur Erläuterung dieses Satzes wird der Heronsbrunnen beschrieben und
dabei bemerkt, dass diese Maschine, wie sie Hchon und Cardano aufgezeichnet
haben, das Wasser nicht in die Höhe heben kann, wenn das obere Gefäss
beinahe leer gelaufen ist, weil die beiden Gefässe nahe auf einander stehen
und kein Abstand dazwischen ist. Auch darauf hat schon della Porta auf-
merksam gemacht. (Vergl. S. 260.)
VII. „Wasser kann man durch verschiedene Maschinen, die auch durch Wasser^
oder auf andere Art getrieben werden, heben.**
Als Beispiel wird eine Wasserschraube angeführt, die aus einer schrauben-
förmig gebogenen Blei- oder Kupferröhre gebildet ist.
VIII. „Bei den Wassermaschinen wird die Schwere des Wassers (i h. der
Wasserdruck) durch die Höhe desselben (d. h. der „Wassersäule**) ermessen.
IX. „Die Luft durchdringt das Wasser, wenn sie stark gepresst wird.**
In den Theoremen X — XVU werden die fünf ;,mechanischen Potenzen*
mit Anwendung des Princips der virtuellen Gesch^Tindigkeiten
erklärt und in Theorem XVIH mit Anwendung dieses Princips der Druck be-
rechnet, den man vermittelst einer Schraubenpresse ausüben kann.
In unserer Abhandlung über Lorixi wiesen wir darauf hin, dass dieser
in seinem 1597 zu Venedig erschienenen Werke schon das Princip der vir-
tueUen Geschwindigkeiten auf die Schraube anw^andte. Dieses Princip wird
so allgemein als von Galilei ausgegangen betrachtet, dass spätere Mathema-
tiker, z. B. Carnot, es geradezu ;,das Princip Galilei^s* nannten. Dieser
erhielt 1589 seine erste Professur in Pisa und 1592 eine solche in Padua.
Sein Werk ^Della scienza meccanica*', worin die mechanischen Potenzen mit
Anwendung des Princips der virtuellen Geschwindigkeiten behandelt sind,
erschien erst 1649 nach seinem 1642 erfolgten Tode; Mersexne aber hat schon
1634 nach Heften, die Studirende in Galilei's Vorlesungen nachgeschrieben
hatten, eine Uebersetzung unter dem Titel: ;,Les mecaniques de Galileo** in
den Druck gegeben.
Von LoRiNi ist kaum anzunehmen, dass er die Anwendung des Princips
der virtuellen Geschwindigkeiten von Galilei erlernt habe, da er zu der Zeit
als dieser anfing zu dociren, scbon ungefähr 44 Jahre alt war. Von Salomon
de Caus ist dies wahrscheinlicher; doch müsste man dann auch annehmen,
dass er Galilei's CoUegia gehört, oder von solchen, die sie gehört hatten, ge-
lernt habe.
Die weiter folgenden Abschnitte des ersten Buches seines hier in Rede
stehenden Werkes nennt Salomon de Caus: „Problema*'. Diese sind:
I. „Wie Wnfjser durch einen Fluss oder fliessendes Wasser zu heben ist, und
von der Wirkung der Pumpen."
Hier ist die in unserer Fig. 775 skizzirte Pumpenanlage abgebildet und
beschrieben. Die Welle eines unter3chlächtigen Wasserrades von 12 Fuss
Frincjp der virtuellen GMcbwindigkeiteD, Pompwerka.
607
Durchmesser uod 6 Fnss Breite ist an beiden Enden mit 4 Zoll starken
metallenen Kurbeln versehen. Die von diesen Kurbeln vermittelst zweier Ba-
lanciers betriebenen, in gleicher Höhe stehenden beiden Säugpumpen haben
10—12 Zoll weite, oben offene Cylinder und sollen 8 — 9 Fuss hoch sein, da-
mit die Kolben, welche 4 Fuss Hub haben, bei ihrem höchsten Stande noch
4 Fuss Wasser über sich haben {wegen ihrer mangelhaften Dichtui^), damit
keine Luft in den Cylinder dringe, besonders wenn man das Wasser über 15
bis 20 Fuss hochtreiben (ansaugen] will. Die Weite der Röhre wird bei 12
Zoll Kolbendurchmesser zu 4 Zoll angegeben, dann heisat es weiter:
„Es werden auch andere Pumpen gemacht, welche gestürzte Pumpen ge-
nannt nenlen, bei denen der Stiefel im Wasser steht und der Heber (die Kolben-
stange) unten hinein und also auf und nieder geht,"
Eine solche Pumpe hat schon Lorini abgebildet und beschrieben (siehe
Fig. 289, S. 249). Salomon de Caus fährt fort:
„Nach meinem Ratbe aber sollte man sich dieser Erfindung nicht bedienen,
da Eie viele Mängel bat und man allzeit daran flicken muss, denn wenn das Wasser
auf solche Weise steigt, setzen Eich die Verunreinigungen, die es mit sich fühi^
zwischen die Ventile, so dass sie nicht richtig schliessen. Dies kann bei unserer
Art Pumpen nicht leicht vorkommen, weil das Wasser durch die Saugröhre zu dem
Saugventile in die Höhe steigt und erstere nur einen Fuaa tief, oder je nach Um-
ständen mehr, unter Wasser steht, und also die Ventile ausser Gefahr sind, durch
die im Wasser befindlichen Verunreinigungen beschädigt za werden."
II. „Eine andere Art, durch ein flieasendes Bächlein Wasser zu heben."
Hier zeigt die Abbildung die in unserer Fig. 776 skizzirte Pumpenanlage.
Sie unterscheidet sich von der vorhergehenden dadurch, dass das Wasserrad
oberschlächtig ist und dass die Pumpen in verschiedenen Höben aufgestellt
sind und die untere das aus dem Obergraben des Wasserrades angesaugte
W&sser in einen Behälter ansgiesst, aus dem es die obere Pumpe ansaugt.
EOS SalomoD de Caiu.
HL und IV. „Wie das Wasser aus mer Quelle oder einem Flusse durch
Pferde zu heben ist"
Die hierbei abgebildete Pumpenanlage (Fig. 777) besteht aas einer zwei-
stiefeligen Saug- und Druckpumpe mit Veotilkolben, welche an Seilen hängen,
die eich um zwei parallel gelagerte Trommeln schlingen. Auf den Axen dieser
Seiltrommeln ist je ein balbverzabntes Stirnrad und eine Schnurscheibe be-
festigt. Diese Räder greifen in ein ebenfalls halbrerzahntes Zwischenrad, das
vermittelst eines Pferdegöpets mit Winkelräderübersetzung stets in ein und
derselben Richtung umgedreht wird. Um die Sctmurscbeiben ist eine über
eine Leitrolle gelegte Schnur in der Weise geschlungen, dass das jeweils
getriebene halbverzahnte Rad das leerlaufende vermittelst dieser Schnur rück-
wärts bewegt, bis ersteres ausser Eingriff und letzteres gleichzeitig in Eingriff
mit dem Zwischenrade kommt. Auf diese Weise werden die Pumpenkolben
abwechselnd durch die in Eingriff befindlichen Räder aufgezogen; beim Rück-
gange derselben sinken sie dagegen durch ihre Schwere nieder.
Dieser Mechanismus erinnert an Ramelli (vei^l. Fig. 236 und S. 213),
ist aber mit keinem seiner Mechanismen identisch.
V. „Wie ein Theil Quellwassers (durch den übrigen Theil) zu heben ist"
Dies geschieht durch einen Heronsbrunnen mit Hahnensteuenmg, ähnlich
dem in nachstehendem Problem behandelten, jedoch werden die Hahnen hier
mit der Hand bewegt.
HeroDsbrunnen mit Sclbstsieuerung, SonneDwfirme als Motor. 509
VI. y,Eine sehr artige und subtile Erfindung, durch welche die Gefässe der
vorigen Konstruktion durch das Wasser auf und zu gemacht werden."
Der nach Art eines Heronsbronnen konstruirte Apparat (Fig. 778) funk-
tionirt wie folgt : Zuerst sind die Hahnen E und 0 offen, der Hahn K aber
geschlossen. Das Wasser fliesst durch E in das obere Gefäss^, während die
Luft aus A durch das Rohr C und den Hahn 0 entweicht. Wenn A voll
ist, steigt Wasser in die Röhre L und fliesst durch y in den an einer Schnur
M mit Gegengewicht Q aufgehangenen Eimer N. Ist dieser bis zur Hälfte
gefüllt, so sinkt er nieder, schliesst die Hahnen E und 0 und öffnet K.
Durch K und das Rohr D fliesst alsdann das Wasser direkt in das untere
Gefäss B und komprimirt die darin befindliche Luft, diese steigt durch das
Rohr C in den oberen Theil des Gefässes A^ drückt auf das hierin befindliche
Wasser und treibt es durch die Röhre P in die Höhe. Gleichzeitig steigt
durch den Druck der komprimirten Luft das Wasser im unteren Gefässe B
in der Röhre IL in die Höhe und fliesst, wenn der höchste Grad der Luft-
kompression erreicht ist, durch das Röhrchen x in den Eimer N. Die Aus-
lauföffnung X muss so regulirt sein, dass der Eimer, wenn das untere Gefäss
B voll Wasser ist, einen bestimmten Füllungsgrad erreicht, bei dem er um-
kippt, sich entleert und dann wieder aufrecht stellt. Sobald er entleert ist,
zieht ihn das Gegengewicht 0 in die Höhe, schliesst dabei den Hahnen K und
öffnet die Hahnen E und 0. Durch 0 fliesst das Wasser aus J3, wobei sich
die in den Gefässen eingeschlossene Luft wieder ausdehnt, so dass das Spiel
von Neuem beginnen kann.
Das siebente und achte Problem handeln von Wasseruhren, das neunte
von dem Windkessel und das zehnte von den pfeifenden Vögeln Herons (Fig.
16 u. 24, S. 13 u. 19). Dann folgt:
XII. „eine Maschine, womit man ein Uhrwerk treiben kann.'*
Sie besteht aus einem ringsum geschlossenen, zur Hälfte mit Wasser
gefüllten Gefässe. Durch eine Stopfbüchse im Deckel geht eine senkrechte
Röhre, die von einem Schwimmer getragen wird, bis in das Wasser. Durch
die Sonnen- oder Tageswärme soll die Luft in dem Gefässe ausgedehnt werden,
so dass sie auf das Wasser drückt, dieses in der Röhre in die Höhe steigt,
und der Schwimmer mit der Röhre herabsinkt. An dem Schwimmer ist eine
Schnur befestigt, die über eine Leitrolle geht und am anderen Ende ein Ge-
wicht trägt. Mit der Leitrolle ist ein Zeiger verbunden, der sich beim Auf-
oder. Niedergänge des Schwimmers in der einen oder anderen Richtung dreht.
Der Apparat ist also mehr ein Luftthermometer, als eine Uhr.
Xni. „Eine sehr künstliche Maschine, mit welcher ein stehendes Wasser zu
heben ist.''
Dies soll, ähnlich wie bei dem vorhergehenden Apparat, durch Sonnen-
wärme geschehen. Im vierzehnten und fünfzehnten Problem wird vorgeschlagen,
die Kraft dieser Maschine durch Brenngläser zu vermehren. Dann folgt wieder:
610
SalomoD i» Caai.
XVL und XVn. „Wie Waaser mit Pumpen und einem Wasserrade lu
heben ist"
Auf der Wasserradwelle sitzt ein Zahnrad, welches in ein auf einer Vor-
gelegvelle sitzendes Getriebe greift. Auf der Vorgelegwelle sitzt ein zweites
Getriebe a (Fig. 779), welches in eine innen verzahnte Schleife b greift ood
mit dieser ein sogenanntes Mangelrad bildet. Dicht hinter
dem Getriebe a sitzt ein ebensolches fest auf der Vor-
gelegswelle, welches in zwei rechts und linke von der
Schleife gelagerte Zahnräder c und d eingreift, deren
Durchmesser doppelt so gross ist, als der des Getriebes a.
Auf den parallelen Axen dieser Zahnräder sitzen ausser-
dem zwei unrunde Scheiben e und / Ton der ans der
Zeichnung ersichtlichen Form, welche die Schleife des
Mangelrades in ihrer tiefsten Stellung nach der einen und
in ihrer höchsten Stellung nach der anderen Seite hin
schieben, so dass sie abwechfielnd auf der rechten oder
linken Seite mit dem Getriebe a in Eingriff kommt nnd
so auf nnd nieder bewegt wird. Durch eine Flügelstange
und einen den Cylinder einer sogenannten „gestürzten
Pumpe" umschliessenden Rahmen wird die auf und nieder-
gehende Bewegung der Schleife des Mangelrades anf den
Kolben dieser Pumpe übertragen. Einigermassen befremd-
lich ist es, dasa Saldhon de Caus hier eine „gestürzte
Pumpe" abbildet und beschreibt, obgleich er in Problem I
. vor dem Gebrauche solcher Pumpen gewarnt hat.
XVIII. „Eine Maschine, mit welcher man durch Wasser-
kraft vermittelst tanes Wasserrades gar ges(;hwind Holz schneiden kann."
Es ist dies ein Sägegatter, dem der Blockwagen durch niedersinkende
Gewichte zugeführt wird, die an einem mit dem Wagen verbundenen und über
«ine Leitrolle geführten Seile hängen. Salomon de Caus bemerkt hierzu:
„Diese Maschinen sind in den schweizer Gebirgen sehr gebräuchlich und sägen
Tannenholz und Dielen in grosser Menge. Sie werden auch in grossen Städten ge-
braucht und in Wäklem, wo man oftmals Dielen und anderes Holz zum Bauen
schneiden muss. Diese sind aber dEuin denen, welche die Schweizer gebrauchen,
nicht in Allem gleich, denn sie schieben das Holz vcnnittclst etlicher Kammräder
und einem Schaltrade (roquet) gegen die Sägeblätter. Da aber unaufhörlich daran
zu flicken ist, vermeide ich den Gebrauch derselben, wo ich kann, und gehrauche
statt dessen die Gewichtsteine, wo jeder zwei oder dreihundert Pfund wiegt ... Ea
können zwei, drei oder höchstens vier Blätter mit einander gebraucht werden ....
wenn das Holz am Ende ist, ziehen es ein oder zwei Männer mit einer Winde und
einem starken Seile wieder zui-ück."
XrX. „Eine sehr nützliche Maschine, die hölzernen Wasserrohre damit zu
bohren."
Wir gehen in Fig. 780 die Abbildung dieser Bohrmaschine in kleinerem
Massstabe wieder. In imserer ersten Abhandlang über Leonardo da Vinci
Pumpirerk, Bobrniuchiu«, Zinn -Walz werte.
511
hftben wir bereits darauf hingewiesen, dass diese Kupfertafel von Böckler in
seinem ,Theatrum macbinamm, Nürnberg 1661" abgedruckt worden ist.
XX. „Eine Eehr nothwendige Maschine, bei Feuersbrflnsten zu gebrauchen."
Es ist eine einfache Feuerspritze ohne Windkessel in einer Butte auf
«inem Schlitten.
XXI. „Eine subtile und artige Maschine, um oval zu drehen."
Bei dieser Drehbank ist die Spindel in einer Schwinge gelagert, die ihre
Drehaxe unterhalb hat. Auf der Spindel sitzt eine ovale Scheibe, die dadurch
beständig gegen eine feste Stütze gedrückt
wird, dass die Schwinge durch ein Gewicht
mit einer Schnur, die über eine Leitrolle
gelegt ist, nach der Stütze hingezogen wird.
Von Problem XXII bis XXV, dem
letzten des ersten Buches, behandelt Salomon
DE Caus mechanisch-musikalische Spielereien
von der Art, wie Heron's pfeifende Vögel;
jedoch mit dem Unterschiede, dass er kleine
Drehorgeln, die durch kleine Wasserrädeben
betrieben werden sollen, anwendet, um den
Gesang der Vögel u. dgl. nachzuahmen. Der-
artige Orgeln durch Wasserrädeben betrieben,
fanden wir schon bei della Porta (siehe S. 269).
Das ganze zweite Buch des uns vorliegenden Werkes handelt von Grotten
and Springbrunnen zur Zierde fürstlicher Häuser und Gärten.
Das dritte und letzte Buch handelt vom Orgelbau. Daraus hat nur
das „zweite Problem" hier einiges Interesse, welches lautet:
„Ein Instrument, womit das gegossene Blei oder Zinn {für die Orgelpfeifen)
gleich und glatt gemacht wird."
„Wenn das Blei oder Zinn in Tafeln gegossen ist, hat man die untenstehende
Plättmühle (Fig. 781) zu gebrauchen, welche also eingerichtet ist: A und B sind
512 Salomon de Gaus.
zwei eiserne oder messingene lange Rollen (Walzen), welche sehr glatt und gidch
sein müssen. Die Axe der oberen Rolle A geht durch den Stander und ist aus-
wendig vierkantig, so dass ein Kreuz darauf gesteckt und sie damit mit Grewalt
herum gedreht werden kann. Zwischen diese zwei Walzen steckt man die Tafel mit
einem Ende, dreht mit dem Kreuze die oberste Walze herum und zieht so die Tafel
ganz hindurch. Diese kann man auf solche Weise nicht nur glatt, sondern auch
so dünn machen, wie man nur will, denn C und D sind zwei Schrauben, welche
man auf ein darunter liegendes Stück Eisen oder Kupfer anzieht, damit die oberste
Walze näher an die unterste gedrückt wird, bis die Tafel so dünn wird, wie man
sie haben will. Dies ist noch besser aus der Figur E zu ersehen.*^
Wir erinnern an das Walzwerk für Zinnfolie, welches wir in unserer
zweiten Abhandlung über Leonardo da Ymci aus dessen Manuskripten repro-
ducirten (Fig. 492 u. 493 und S. 347), sowie an das Walzwerk für Fensterblei,
welches Zonca beschreibt (Fig. 369, S. 307).
Faustus Verantius (um 1617).
Eines der sonderbarsten alten Bücher über Maschinen ist betitelt: Mar
chinae novae Fausti Yerantii Siceni cum declaratione latina, italica, hispanica,
gallica et germanica. Yenetiis cum Privilegiis. Die Jahreszahl des Erscheinens
fehlt; doch nimmt man in der Regel 1617 dafür an. In dem Werke: Bio-
graphie universelle par Michaud, Paris bei Delagrave & Co. wird von einem
Antonius Verantius gesagt: ;,Er war Erzbischof von Grauj Primat und Vice-
könig von Ungarn, berühmt durch die diplomatischen Missionen, die er an
den ersten Höfen Europas ausführte, stammte aus vornehmer Familie, war
geboren am 20. Mai 1504 zu Sebenico in Dalmatien und starb am 15. Juni
1573^. Dann wird von Faustüs Verantius berichtet: ;,Er war ein Neffe des
vorigen, Bischof in partibüs de Canadium (d. i. das ungarische Komität Csa-
nad), fiel aber bei dem Hofe von Ungarn in Ungnade, weil er diesen bei der
Verleihung kirchlicher Pfründen mit dem Hofe von Rom in Streitigkeiten ver-
wickelt hatte, veröffentlichte:
1. Wörterbuch in fünf Sprachen, Venedig 1595; 2. Logica suis instm-
mentis formata, Venedig 1616; 3. Machinae novae addita declaratione latina,
italica, gallica, hispanica et germanica, Venedig in Folio. Die Figurentafeln
in letzterem Werke sind zahlreich, man findet darin nicht nur Maschinen,
sondern auch Brücken, Kirchen und andere merkwürdige Konstruktionen, die
er auf seinen Reisen zu beobachten Gelegenheit hatte. ^
Der Umstand, dass die Beschreibungen der ;,Machinae novae^ ebenso,
wie das unter 1. erwähnte Wörterbuch in fünf Sprachen abgefasst sind, macht
es wahrscheinlich, dass beide Werke ein und denselben Verfasser haben. In
Zedler's Universallexikon, Leipzig und Halle 1746, wird dies bezweifelt, aber
ohne Angabe von Gründen. Sollte der geistliche Stand als Grund hierfür
betrachtet werden, so ist darauf hinzuweisen, dass sich in früheren Zeiten
viele Geistliche mit Physik oder ;,Natürlicher Magie ^, wie man es damals
nannte, befassten. Albertus Magnus war Bischof von Regensburg und später
Dominikanermönch in Köln, Abt Baldo von Urbino Hess zuerst Heron's Schriften
im Drucke erscheinen, im 17. Jahrhundert sind besonders die Jesuiten Atha-
NASius Kircher und Caspar Schott auf diesem Gebiete berühmt geworden«
B«ck. 33
514 FaiiBtas Verantius.
Dass Faustus Verantius anf dem Titelblatte seiner „Machinae noyae' mit
dem Zusätze ^^Sicenus^ näher bezeichnet wird, dürfte dadurch zu erklären
sein, dass Sige eine der sieben Präfekturen war, in die Dalmatien unter vene-
tianischer Herrschaft getheilt wurde, und dieser Namen wahrscheinlich bei der
Latinisirung in Sicae umgewandelt wurde.
Ob die Ansicht Michaud^s, dass Verantius nur Dinge beschrieben habe,
die er auf Reisen gesehen hatte, richtig ist, mag die Betrachtung des Inhaltes
seines Werkes lehren. Der Text desselben ist überschrieben: ^Erklärung
unserer erfundenen Maschinen^. Die Einleitung beginnt mit den Worten:
„Dass die Kunst, welche von den Maschinen handelt, in der Architektur die
vornehmste sei, ist die Meinung vieler Weltweisen, weil sie einen grösseren Verstand
erfordert Wenn aber die Kenntniss derjenigen Maschinen, welche schon vor alten
Zeiten gebraucht wurden, solches Lob erntet, um wieviel grösseren Ruhm sollten die
erlangen, welche nach so vielen Jahrhunderten neue hervorbringen **
Daraus geht hervor, dass Verantius, noch ebenso wie Vitruv, den Ma-
schinenbau als einen Theil der Architektur betrachtet. Er bespricht daher in
seinem Werke ^^Machinae novae^ auch Ingenieur- und Kirchenbauten und fasst
den Begriff ;,Maschine^ noch, wie die Alten, so allgemein auf, dass er sich
für berechtigt hält, jedes klug ersonnene Hilfsmittel zu den Maschinen zu
zählen.
In den nun folgenden Kapiteln werden besprochen:
1. Ueberschwemmungen in Rom. Verantius ist der Ansicht, dass
der Tiber deshalb so oft Ueberschwemmungen in Rom verursache, weil sein
Bett zu viele und zu starke Krümmungen habe und durch die alten Brücken-
bauten zu sehr verengt sei. Er schlägt vor, die Krümmungen durch gerade
Durchstiche abzuschneiden und das Flussbett, wo man es überbrücken will,
breiter zu machen.
2. Venetianische Brunnen. Es wird darauf hingewiesen, dass
Venedig keine Brunnen mit süssem Wasser habe, unser Autor glaubt ein nicht
zu kostspieliges Mittel gefunden zu haben, wodurch diesem Uebel abgeholfen
werden könnte, sagt aber, da schon manche dieses Projekt vor ihm vergeblich
verfolgt und viele ein Vorurtheil dagegen hätten, übergehe er seinen Plan vor-
läufig mit Stillschweigen. Auch sei er überzeugt, ein Mittel gefunden zn haben,
wie man Getreide viele Jahre aufbewahren und sowohl vor Feuer, als auch
vor Feuchtigkeit schützen könne; doch eigne sich diese Erfindung nur für
Fürsten, die das öffentliche Wohl im Auge haben, und man müsse verhüten,
dass sich Privatpersonen zum Nachtheile des Volkes derselben bedienen.
3. Die Brücken zu Wien in Oesterreich. Verantius sagt: ein
Freund von ihm wisse zu verhindern, dass Brücken, insbesondere solche von
Holz, durch Eisgang zerstört werden. Die zugehörige Abbildung zeigt eine
einfache Holzbrücke mit Strebebalken vor jedem Joche, die es vor heran-
treibenden Eisschollen schützen.
FliuslcorrektioD, Bnmiieii, BrDcken, Kirchen, feaerahr, Hudmahle.
515
4. Die Kircte in Sebecico. Dieses Kapitel hat nnr insofern Interesse
für uns, als daraus hervorgeht, dass nnser Autor aus Dalmatien gebürtig war
und zu Sebenico, dem Geburtsorte des Eingangs erwähnten Ahtosius Verantius,
in näheren Beziehungen stand.
5. Eine schöne Form eines Tempels. Die Abbildung zeigt .eine
Kirche in Renaissancestyl, vermuthlich nach eigenem Entwürfe des Verfassers.
6. Eine Feuerubr, \ya3seruhr und Sonnenuhr. Erstere besteht
«ua einer Zündschnur, die in einer bestimmten Zeit abbrennt und dann ein
Alarmsignal giebt. Die Wasser- und die Sonnenuhr bieten nichts Bemerkens-
werthes.
7. Eine eiserne Mühle, welche man hin- und hertragen kann
^Fig. 782). Sie hat Aehnlichkeit mit der eisernen Walzenmühle, welche Ba-
MELU beschrieben und abgebildet hat (siehe Fig. 274, S. 231).
Mehr Interesse bieten die nun folgenden sechs Kapitel, aus denen her-
vorgeht, dass nicht erst zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts, wie RDhlhann
im ersten Bande seiner Maschinenlehre sagt, sondern schon weit früher die
Konstruktion horizontaler Windräder als Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit
betrachtet wurde. Verantius sagt:
„Die Maschinen, die vom Winde getrieben Mühlen bewegen, haben, wie sie
jetzt im Gebrauche sind, alle dieselbe Form, eiad aber nicht bequem, neu sie den
Wellbaum in der Horizontalebene haben und dieser je nach der Veränderung des
Windes oft hiu und her gewendet werden muss. Dies erfordert, dass das ganze
Müblwerk beweglich ist und eich dreh^ und dass es sich auf täas einzige Spindel
stützt^ von der es aufrecht erhalten wird. Deshalb setzt mau die Mühlsteine in den
«beren Theil dieser Mühle, d. h. an einen Ort^ welcher der Natur derselben nicht
«ntsprichL Wir aber haben einen Weg gefunden, dass unsere Mühlen fest stehen
bleiben und dennoch der Wind, woher er auch komme, sich ihnen günstig erweise,
«o dass es keiner besonderen Mühe bedarf, ihn aufzufangen. Zu diesem Zwecke
616
FauBfau Verantiiu.
hftben eJe einen senkrechten Wellbaum, die FlGgel oder Arme aber rind so eln-
gerichtet, dasa sie den Wind auf der einen Seite auffangen, auf der anderen aber
leer Torbdgehen laaeen."
Dem gegenüber ist zn erinnern an das von Gualtherius H. Kitibs um
1547 abgebildete horizontale Windrad (siehe Fig. 204 in unserer Abhandlung
über Cabdanus), sowie an daB von Besson um 1560 auf seinem Blatte 50 ab-
gebildete (siehe S. 203). Verantids föhrt fort:
„Ausserdem haben unsere Mühlen die E^genthQmlichkeit, dass, obwohl das
Windräd sich auf der höchsten Spitze des Tburmes umdrebt, sie seibat sich doch in
dem untersten Tbeile desselben befinden, und zwar können es ihrer mehr oder
weniger sein, je nachdem der Wind stark ist Von derartigen Maschinen wirst Dn
hier mehrere verschiedene Arten sehen:
8. Mühlen durch Segel getrieben (Fig. 783). Die Ersten sind solche,
welche einen senkrechten Wellbaum haben, womn zwei Segelstangen quer befestigt
PIg. 784.
Fig. 185.
sind. Diese tragen an ihren äuasersten Enden Rfthmen, worin Segel ausgespannt
sind. Die Rahmen sind so in Angeln aufgehängt, dass sie sich darin drehen und
sich auf einer Seite des Wellbaumes dem Winde widersetzen, auf der anderen Säte
aber dem Winde auswichen.
g. Mühlen mit dreikantigen Flügeln (Fig. 784). Diese Mühlen
ballen ebenfalb einen stehenden Wellbaum, woran vier Arme kreuzweise befestigt
nnd. Jeder derselben trägt einen Flügel aus Brettern, die in's Dreieck gestellt nnd,
so dass sie auf der einen Seite dem Winde die Schärfe des Winkels darbieten, damit
er ohne zu wirken darüber hinfährt, auf der anderen Seite aber stehen dJe Bretter
offen, um den Wind aufnehmen zu können.
10. Mühlen mit beweglichen Flügeln (Fig. 786 und 766). Dies nnd
noch zwei andere Arten, den Wind durch bewegliche Klappen aufzufangen und ähn>
lieh diesen könnten wir noch viele angeben.
11. Mühle mit beweglichem Dache (Fig. 787). Diese Mühlen werden
in dnem Thurme von dessen Dach umgetrieben, das durch mehrere Flügel getheilt
ist Diese sind zwischen zwei Böden eingeschlossen und so gekrümmt, dass deren
eine Seite den Wind auffängt^ während die andere ihn entweichen lässt"
HoriioDtale WindmOhle, Fanemore.
517
■ Der Wind wirkt hier ebenso, wie bei der unter 9. bescliriebenen „Mühle
mit dreikantigen Flügeln". Man nennt derartige Windräder heutzutage ,Pa-
nemoren". Aus den Abbildungen and Beschreibungen des Verantius ist zu
ersehen, dass der Gedanke, welcher diesen zu Grunde liegt, schon alt ist.
12. Mühlen in viereckigem Thurme {Fig. 788). „Diese Mühlen in
«quadratischen) Thunne drehen sich um eine mitten in dem Thurme aufrecht stebende
Welle, welche vier oder mehr aus Brettern hergestellte Flügel hat. Diese werden
von dem Winde, der durch die Fenster dea Thurmes eintritt, getrieben. Die Fenster
Fis- 187.
Etehen paarweise einander gegenüber, so dass der Wind durch das eine ein und
durch das andere austritt. Die anderen beiden Fenster werden verschlossen, damit
der Wind mit um so grösserer Genalt durch die geöffneten strömt,"
In der Abbildung sind nur zwei Paar Fenster angegeben, durch welche
bei zwei aufeinander senkrechten Windrichtungen Linksdrehung des Kades
n«. 788. Fig. 78«.
bewirkt wird. Soll bei den entgegengesetzten Windrichtungen ebenfalls Links-
drehung des Kades erfolgen können, so müssen noch zwei Paar Fenster ange-
bracht werden, so dass dann an jede Thurmecke deren zwei kommen, wie sie
jetzt nur an einer Ecke zu sehen sind.
13. Mühlen in einem runden Thurme (Fig. 789). ,j:Ke8e Mühlen sind
in allen ihren Tbeilen in derselben Art angeordnet, wie in den vorhei^hendeu Thürmen,
aber dieser Thurm ist rand und sein oberer Theil, wo der Wellbaum a^ne Flügel
hat, nach allen Seiten hin ganz offen, jedoch durch schräge Wände in Fenster ge-
thdlt^ damit der Wind nicht in senkrechter Richtung, sondern schief in den Thurm
518 Faostas Verantios.
eintritt und so die Flügel bewegt und antreibt Diese Maschine hat das Eigenthüm*
liehe, dass, wenn alle Winde gleichzeitig in sie eintreten könnten, daraus keinerlei
HindemisSi sondern vielmehr ein Vortheil entstehen würde.^
RDhlmann sagt in seiner ^Allgemeinen Maschinenlehre^ Bd. I, S. 466,
dass diese Art Windräder schon in ;,Recueil des Machines^ von 1699 als
horizontale Windmühlen auf polnische Art^ beschrieben sei, die hier vorliegende
Beschreibung ist aber um etwa achtzig Jahre älter. Yerantius fahrt fort:
,,Bis hierher sei genug von Windmühlen gesagt, nun wollen wir von denen
reden, die durch Wasserkraft umgedreht werden.
14. Mühlen in Bächen. Es sind an vielen Orten so kleine und seichte
Bäche, dass sie Mühlen nicht treiben können. Deshalb haben wir erdacht, damit
das Wasser einen besseren Fall habe, inmitten des Baches unter dem Rade einen
Graben auszuwerfen und das Rad soweit herabzulassen, dass es zum vierten Theile
in dem Graben stehe, denn wir haben geglaubt, dass dies kein Hindemiss bieten
könne, wenn es nicht etwa darin besteht, dass das Rad sich im Wasser dreht Doch
würde es besser sein, solche Bächlein durch einen höheren aufgeworfenen Damm oder
eine Scheidewand aufzuhalten, damit es einen Teich bilde, worin das Wasser sich
einige Stunden sammelt und, wenn der Teich geöffnet wird, durch Kanäle läuft und
gegen den unteren Theil des Rades stösst, denn so wird es durch einen grösseren
Raum geführt werden und mit grösserer Gewalt gegen das Rad stossen.''
Hier mag dem Autor vielleicht die Konstruktion eines Kropfrades unklar
vorgeschwebt haben. Er fährt fort:
15. Mühlen inmitten eines Flusses. „Man pflegt gemeiniglich die
Mühlen an das Ufer der Flüsse zu setzen, denen bisweilen das Wasser mangelt,
während es zu anderen Zeiten im Ueberflusse da ist, was Beides den Mühlen hinder-
lich ist Dieser Ungelegenheit habe ich dadurch zuvorkommen wollen, dass ich die
Mühle mitten in den Fluss, wo er den schnellsten Lauf hat, setze, was füglich neben
einer Brücke geschehen könnte. Das Rad aber, das den Mühlstein treibt, müsste
ganz in den Fluss gesenkt und so eingerichtet sein, dass es auf der einen Seite das
Wasser aufnehme und auf der anderen Seite frei durchlasse. Auf diese Weise würde
die Mühle niemals ruhen, sondern allezeit arbeiten, mag das Wasser gross oder
klein sein/'
Die Abbildung zu dieser Beschreibung zeigt ein ganz unter Wasser gehen-
des horizontales Rad, das oben und unten mit Klappschaufeln versehen ist,
wie sie an den Windrädern Fig. 785 und 786 angebracht sind. Ein ähnliches
horizontales Wasserrad findet sich schon bei Besson (vergl. Fig. 222, S. 201).
Es folgen:
16. Mühlen an einen Felsen gehängt. Sie sind mit einem horizon-
talen Wasserrade versehen, das die Form der Panemore Fig. 787 hat.
17. Mühlen, in eine Enge des Meeres gesetzt. Yerantius sagt:
„Wer hat seither das Meer so bezwingen können, dass es Mühlen treibe und
zu anderen Bewegungen dienlich sei ? Wir glauben, dass dies möglich ist, aber nicht
allenthalben, sondern nur an engen Stellen des Meeres. Man muss sich jedoch vor-
sehen, dass der Ort nicht offen und jeglicher Wellengewalt ausgesetzt sei. Es giebt
auch eine andere Art, uns das Meer hierin dienstbar zu machen. Man sollte an
dem Gestade einen Teich ausgraben, so hoch, wie das Meer zu wachsen pflegt, damit
der Teich sich füllt, wenn das Meer steigt, und das Wasser, wenn das Meer wieder
fällte durch Rinnen oder Kanäle ablauft und die Mühlen treibt ....*'
Eroprrad, horiioDtale WoMerrlder, Uühlen. 519
In der zngehSrigen AbbildoDg ist ein Wasserrad dargestellt, das wie das
horizontale Windrad (Fig. 783} bonstniirt ist. Die hier erwähnte zweite Art,
Ebbe und Flutb des Meeres als Betriebskraft zo benutzen, fanden wir schon
in den „Sldzzen aus der Zeit der Hossitenkriege" auf Blatt 105 — 99 B darge-
stellt (vergl. S. 292). Es folgen weiter:
18. Mühlen auf Schiffbrücken (Poatone). „Die Mühlen, welche auf
Pontons gesetzt werden, pflegen ein kleineres Ponton zu haben, welches das eine
Ende des Wasserrad-Wellbaumes unterstützt Aber warum kann man dieses nicht
ebenso gross machen, wie das andere und eine zweite Mahle darauf setzen, die
ebensoviel Arbeit verrichtet? ....
19. Mühlen auf einem Schiffe. Aber viel bequemer ist diese andere Art
von uns, denn eine einzige Barke wird das Mühlwerk sicherer tragen, als die vorigen
und selbst noch mehr Mühlen besser unterstützen, wenn noch ein Wellbaum über
den Vordertheil des Schiffes gelegt wird und dieses gross genug ist, eine so schwere
Last zu tragen . . . ."
Die Abbildung zeigt einen atif einer breiten Barke gelagerten Wellbanm,
der an jedem Ende ein Wasserrad trägt. Schräge Abweiserbalken schützen
die beiden Räder vor etwa beranschwimmenden festen Körpern. Von dem
Wellbaome aus werden zwei auf der Barke montirte Mahlgänge betrieben.
20. Ein Wasserrad (Fig. 790). Dieses Wasserrad ist so eingerichtet,
daas, wenn es aufrecht oder liegend, nur zum Theil, oder ganz ins Wasser getaucht
wird, es immer seinen Dienst richtig verrichtet Und dietes veruriachen die Angeln,
in denen die Flügel sich drehen. Wir machen aber doppelte Annkreuie, die das
Rad tragen und durch welche, entgegen dem gewöhnlichen Gebrauche, der nicht sehr
dicke Wellbaum geht. Denn Andere bohren Löcher durch den Wellbaum, wodurch
sie die Arme stecken, die das Rad tragen. Hierzu sind dann gar dicke Wellbäume
CTfMderlich, damit die Löcher nicht ausreissen, oder der Wellbaum gespalten wird."
Solche doppelte Arme, welche die Wasserradwelle umfassen, findet man
schon bei Agbicola abgebildet (vergl. Fig. 157 and 171, S. 142 n. 154).
21. Esel?mübien. „Diese Mühlen werden nach den Eieln benunnt, wefl
sie in Italien und Griechenland durch solche betrieben werden. In anderen Gegenden
werden sie von Pferden oder Och!*en betrieben «
Die Abliildung zeigt ein au'^Herordcntlich gro^^ws .Stirnrad, auf vertikaler Welle,
an dessen Armen die E«el innerhalb des Zahnkranzes Bnge«|>annt sind.
620
Faust US Verantius.
22. Mühlen mit Schwungkugeln. „Diese Mühlen werden von einem
oder zwei Männern getrieben, aber die Gewichte, welche an den Enden des Kreuzes
befestigt sind, vermehren die Kraft (Fig. 791). Wir hätten an die Stelle des Ejeuzes
ein Bad setzen und diesem das Gewicht geben können, allein das Kreuz ist leichter
zu machen und leistet dasselbe *'
Solche Kreuze mit Schwunggewichten finden sich ebenfalls schon an den
Mühlen, welche in den ;,Skizzen aus der Zeit der Hussitenkriege^ dargestellt
sind (siehe Fig. 315 und 316, S. 275). Im Uebrigen ist der in Fig. 791 dar-
gestellte Mechanismus ähnlich dem, welchen Biringuccio bei seiner Amalgamir-
mühle (Fig. 140, S. 125), oder welchen Ramelu an seinem Mahlgange für
Handbetrieb (Fig. 226, S. 210) anbrachte.
23. Mühlen mit einem Tretrade. „Dieses unser Tretrad (Fig. 792) ist
fast in Allem denen gleich, welche man bisher zu gebrauchen pflegte, aber wer Acht
darauf hat» wird finden, dass dieses viel leichter
zu treiben ist. Dies wird durch die Art des
Angriffes erreicht, d. h. durch die Stelle, auf
. welche die Männer treten, denn bei den anderen
Treträdern gehen die Männer im Inneren und
im untersten Theile des Rades, in unserem
Rade aber stehen sie ausserhalb in der (hori-
zontalen) Mittelebene des Rades . . . ."
Diese Anordnung findet sich schon
bei Ramelli (siehe S. 210) nur mit dem
Unterschiede, dass die Radtreter sitzend
abgebildet sind.
24. Oelpressen (eigentlich Samenquetschen) oder Oeltrotten
(Fig. 793). „Gegenwärtiges Rad kann bei den Pressen, womit man das Oel aus-
zudrücken (nach dem italienischen Texte: Oliven zu zerquetschen) pflegt, dienlich
sein. Denn was sonst mit gewöhnlichen Oelmühlen (Trottgängen), die einen senk-
recht stehenden Wellbaum haben und von Thieren herumgezogen werden, verrichtet
werden kann, das kann unser Rad (unsere Walze) von Männern getrieben, viel Idchter
zu Weg bringen, denn dieses wird gerade umgetrieben, während die anderen schief
gezogen werden."
Der hier angewandten Umwandlung einer drehenden Bewegung in eine
fortwälzende durch Seiltransmission sind wir noch bei keinem früheren Schrift-
steller begegnet und sie erscheint uns bemerkenswerth.
25. Torkel oder Presse. Man pflegt gemeiniglich die Torkeln (von dem
lateinischen torculum) mit grossen Bäumen und Schrauben zu machen .... Dieses
unser Torkel aber hat einen vielfachen Flaschenzug, wodurch ein einzelner Mann
einen grossmächtigen Stein heben und ihn allmählich (auf das Pressgut) wieder nieder-
lassen kann."
Bezüglich der ersterwähnten Presse vergleiche unsere Abhandlung über
Cato. Das Pressen durch einen schweren Stein, den man durch eine Maschine
hebt und dann auf das Pressgut niederlässt, bedeutet eine Rückkehr zur aller-
ältesten Methode. Auf einem altgriechischen Basrelief im neapoUtanischen
Museum ist dargestellt, wie drei Männer mittelst eines langen Hebels einen
Felsblock über einen Korb voll Trauben heben, während zwei andere Manner
Fig. 792.
Tretraä, Samenquetaobe, Abrentor, GeisUachal«ii.
621
ihn Ten der Seite balteo, ihm gleichsam als Führung dienen. (Vergl, äntont
RicH, Illustrirtes Wörterbuch der römischen Alterthiimer, übersetzt von Dr.
Carl MOlleb, Paris und Leipzig 1862, Artikel: torcular & torculum).
Kapitel 26 handelt vom Abechneiden und Dreschen, Kapitel 27 zunächst
TOm Waschen des Getreides. Beides hat für uns kein Interesse. Dann föhrt
Vebamtil's fort:
Art, das Getreide zu reutern (Fig. 794). Es gfebt noch eine andere
Ar^ das Getreide zu eäubem, welche ich in Deutschland gesehen, und weil eie mir
sehr bequem scheint^ hierher gesetzt habe. Denn das Getreide bewegt und säubert
eich selbät in grossen Mengen, namentlich, wo viele derartige Instrumente vorhanden
sind, wie ich »e hier aufgerissen vor Augen führe.
26. Art, das Mehl von den Kleien zu scheiden. In Wdschland
arbeiten die Bäcker den ganzen Tag, um das Mehl von den Kleien zu scheiden; in
Deutschland aber fällt das Getreide, sobald es gemahlen ist; von dem Mühlstein in
einen Beutel, an welchen ein ßtöckchen gebunden ist; Dieses Stöckchen wird von
zwei oder drei Zapfen, die im Rüttelstocke stecken, geschüttelt, und fällt auf diese
Weise das Mehl in den Kasten, die Kleie aber ausserhalb des Kastens heraus."
Daraus ersieht man, dass der um's Jahr 1502 in Deutschland erfundene
Bentelkasten (vei^I, S. 181 unserer Abhandlung über Cahdakts) über 100 Jahre
später in Italien noch kaum bekannt war.
29. Art, die Gerste oder Anderes zu stampfen. „In Welschland
können sie die Gerste nicht gut von den Hülsen säubern und geschieht solches mit
grosser Mühe, denn die Stempel, welche sie gebrauchen, sind gar zu breit und taugen
mehr dazu, die Kürner zu zerquetschen, als sie zu schälen. Wir machen spitzige
Stempel, die auf den Seiten überall mit viereckigen Nägeln beschlagen sind, welche
die Kömer gar fein von den Häuten befreien. Die Stempel aber werden auf
zweierlei Art betrieben: entweder von einem Manne, der einen Wellbaum (mit Hebe-
danmen) auf der einen Seile umtreib^ während am anderen Ende Schwunggewichte
angebracht sind, oder indem man den Stempel an eine Stange hängt (Fig. 795),
522 Fnstni Vertntius.
welche, von einem Manne angezogeii, eich beugt und den Stempel niederläast, aber
wenn sie losgelassen wird, den Stempel von seibat wieder in die Höhe tteht. £•
ist dies eine leichte Manier, ein solches Gewicht aufzuheben und nichts Meuea; doch
wird sie, was mich sehr wundert^ gar selten angewendet
Eine Handmühle. Es giebl auch eine andere Art, die Gerste zu rollen,
nämlich mit einer Handmühle (ähnlich der von Aobicola. sum Mahlen von Golden
angegebenen Fig. 169, S. 153), wobei aber der obere Mühlstein etwas gehoben weiden
musB, wenn er tu schwer ist, damit die Körner nicht zennahlen werden, und eben
dies kann man auch mit grossen Mühlen, die vom ^yas3e^ getrieben werden, zu We^
bringen. Man kann auch Nägel an einem Rade oder Brette anbringen, mit welchen
die Gerste gerollt und von Hülsen gesäubert wird. Und dies sei von den Mühlen
genug.«
Verantius geht onn zu Brückenkonstniktionen aber nnd beschreibt m-
n&chst ein einfaches HSjigewerk mit folgenden Worten:
30. Eine Brücke mit zwei Balken (Fig. 796). „JeUt wollen wir von
den Brücken handeln, welche ohne Pfeiler oder Stützen von einem Ufer zum anderen
über eine ziemliche Breite des Wassers
reichen. Diese erste Brücke hat indes nur
die Länge von zwei Bäumen, welche nor
an den zwei Enden Pfeiler haben; in da
Mitte des Flusses aber werden sie mit den
anderen beiden Enden aufgehängt, indem
sie von zwei anderen oberen Balken getragen
^' werden, die mit ihren Enden ein wenig
in die Höhe gerichtet sind und «ch g^en einander atemmen, gleichsam wie zwei
Widder, die einander stossen.
31. Eine hölzerne Brücke (Fig. 797). Diese Brücke (d. b. der oben
B(^en) wud aus einer doppelten Ordnung von Balken gemacht, welche gebogen nnd
mit Sdiraaben und eisernen Kägeln verstärkt sind (im italienischen Texte beiast es:
welche bogenförmig gekrümmt und fchwalbeu^hiranzfömiig in einander gefugt Bind).
In ihrem unteren Theile ahex hat diese Brücke zur Vermehrung ihrer Feetigkeil
andne Balken, welche entweder stracks gelegt (fiehe den Träger im Voida^ruiide
der Abbildung^ oder in einem Gegenbogen gekhimmt (fiehe den Ttäger im Hinter*
gründe der Abbildung) und auch mit Nägeln zusammengeheftet sind. Sie vetfainden
die beiden Enden der Brücke (d. h. des oberen Bc^n^) miteinander, damit ne nidit
durch ibre Schwere auseinander getrieben werde und einstüne.
Bifloken von Holx, StMn und Uetall. 6^
32. Eine steinerne Brücke (flg 796) Diese Brücke kann aus Ziegeln
oder anderen lachten Steinen gebaut «erden, denn je leichter sie sind, desto sicherer
wird sie sein. Erstlich soll sie am Ufer starke Fundamente (Widerlager) haben, die
durch andere Gewölbe unterstützt sind Dann »^en beide Enden am unleren Thrale
dar Brücke (des Brückenbogens) durch viele und starke eiserne -Riegel (Spann-
Btangen) zusammengeschlossen werden. Wenn aber die Brücke gar zu lange sä
sollte, so sollen diese Spannstangen durch andere Riegel (Hängestangen), welche i
der Brücke befestigt sind, getragen werden.
Hj. T«.
33. Eine Brücke von Glockenspeise (Bronce). Fig. 799. Diese Brücke
soll aus lauter Glockenspeise gemacht sein, sie sei nun gerade (wie der im Vorder-
gnmde der Figur abgebildete Träger), oder im Bi^n gewölbt (wie die auf den Brücken-
pfeilern abgebildeten Träger. Es möchte aber Einer sagen, man werde viel Glocken-
speise dazu haben müssen und deshalb würden zu grosse Unkosten entstehen. Darauf
erwidere ich, dass viel weniger Unkosten entstehen werden, als wenn die Brücke aus
S24 Fausttu VerantiuB.
Stein gemacht irird .... Auf dieselbe Weiie kann man aucb mit viel geringeren
Kosten die Dächer und Decken der grossen Gebäude und Kirchen machen. (Im
italienischen Texte heisgt es: Auf dieselbe Weise und mit geringeren Kosten kann
man auch Balken von grosser Länge machen, um Dächer und Decken für Kirchen
und 8äle herzustellen und die Unbequemlichkeit der Pfeiler und Säulen zu vermeiden,
welche man da hinein zu stellen pflegt)"
Wenn auch Veraütius die Kosten seiner metallenen Träger unter-
schätzt, und solche erst Anwendung finden konnten, nachdem man gelernt
hatte, sie aus Gusseisen herzustellen, so bleibt ihm doch wohl das Verdienst,
zuerst die Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand gelenkt zu haben.
34. Eine eiserne Brücke {Fig. 800). „Diese Brücke nennen wir deshalb
„eisern", weil sie in zwei Tbürmen, die an beiden Seiten des Wassers aufgebaut sind,
mit vielen eisernen Ketten angehängt ist , . , ,"
Dieser Entwarf einer Kettenbrücke ist unseres Wissens der erste,
welcher in Europa gemacht wurde. Ob VBttANTiDS Kunde von chinesischen
Kettenbrücken hatte, die seit alter Zeit bestanden haben sollen, erscheint uns
zweifelhaft. In Marco Polo's Reisebescbreibung sind sie nicht erwähnt, der
Tyroler Martini aber, der die Strasse über den Tsin-ling-shan mit einer Ketten-
brücke bei Ma-tan-yi beschrieb, lebte um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts,
also später als Verantius. Diese chinesische Kettenbrücke besteht aus sechs
straff gespannten, 50 Fuss laugen, eisernen Ketten, die in geringem Abstände
neben einander liegen und zu beiden Seiten in dem Fels befestigt sind. Quer
zu den Ketten sind auf denselben Bretter verlegt. Angaben über das Alter
dieser Brücke oder dieser Konstruktionaweise liegen nicht vor. (Vergl. Cubt
JdEBKEL, Die Ingenieurtechnik im Alterthum, Berlin 1899, S. 212).
35. Eine hänfene Brücke (Fig. 801). „Mese Brücke ist aus zwei oder
mehr Scbiffstauen, die an zwei Pfählen auf beiden Ufern angehängt sind, gemacht.
Eettenbracke, Seilbiflcke, Seabtlm. {^
Damit Bie aber gerade auegeepannt bleibe und von d^ Schwere der Darübergehenden
äeh nicht biege kann man die Stncke welche an die Schiffataue geknüpft mni,
nach Gefallen anziehen oder nachlassen Die Brücke kann man zusammenlegen und
Un und her tragen weshalb man sie sehr wohl im Felde gebrauchen kann.
mmmm^mmmmm
iWW
Fi». 801.
^,.
Es ist dies die älteste Konstruktion einer Seilbrücke, oder vielmehr
eines Seilsteges, wenigstens ist uns eine frühere bis jetzt nicht bekannt
geworden.
Fi«. 802.
36. Eine Brücke mit einem Seil (Fig. 8021. „An ein dickes Sdt sali
ein Trog oder Korb mit umlaufenden Rollen gehängt, und daneben ein dünnes Seil
gespannt werden, welches, wenn ca angezogen wird , diejenigen, welche sich in dem
Korbe befinden, ohne alle Gefahr hinüber bringen wird."
628 Fwutdi Teraotiiu.
Unter den „Skizzen aas der Zeit der Hnssitenkriege" befand sich bereits
eine von einer sehr einfacbeD Seilbalm znm Befordern einer Bombarde über
einen FlnsB oder eine Schlacht (vergl. Fig. 3ö3, S. 291); hier sehen wir die
Seilbahn znm Fersonentransport weiter aasgebildet
Das 37. Kapitel hat kein Interesse für uns, das 38. Kapitel ist über-
schrieben: Ein Schiff, welches man bei sich tragen kann (Fig. 803). Es
besteht aas einer Kombination von einem Schwinungärtel mit
Bachstiefeln. Ersterer findet sich schon unter den „Skizzen
aus der Zeit der Hussitenkriege" (Fig. 330, S. 282). Kapitel 39
handelt von einem Fallschirme, wie ihn schon Leonardo da
Vwa angab (Fig. 98, S. 98 der 1. Abb.). Kapitel 40 ist
überschrieben: Ein Schiff, welches von selbst gegen
den Strom fährt (Fig. 804). In der Beschreibung wird
gesagt, man könne dies auf zweierlei Art machen. Die erste
Methode, die dann beschrieben wird, ist uns schon aus den
"*** „Skizzen aus der Zeit der Hussitenkriege" (Fig. 361, S. 290)
bekannt, nur sagt Verantius, das eine Ende des Zugseiles solle an einen Pfahl
gebunden werden, der in dem Flusse eingeschlagen ist Dann fahrt er fort:
Plg-SM.
„Die andere Weise ist di<^ dass man dne Rolle, worin ein Seil läufig an den
Pfahl hängt und das aae Ende des durchgezogenen Seiles an dem I^stschiffe,
welches stromaufwärts gezogen werden soll, anbindet^ das andere Ende aber an ^em
kleinen Schiffe, woran zu beiden Seiten zwei Flügel, die etracka in das Wasser hinaua*
stehen, angebracht sind, und die Gewalt des Flusses aufhalten. So wird das kleine
Schiff das grosse Lastschiff hinaufziehen. Dieses, sowie auch die oben erwälinte
Wasseruhr habe ich von einem kunstreichen Manne (Fnmzoseu), einem Präsidenten
von Lyon, zu Rom kennen gelernt."
In Fig. 804 sind diese beiden Methoden kombinirt dargestellt Diese
Kombination ist zulässig und das Lastschiff kann dadurch um so schneller
bewegt werden; doch erwähnt Vebantius in seinem Texte nichts davon. Das
folgende Kapitel lautet:
SchwinuoMUQg, Sohiffi'alirt ttiomiuf, Baggermucliiiia, Seilerrad. 537
41. Ein Werk, den Grund des Meeres zu räumen (F^g. 806). „Man
hat mancherlei Instrumente, um den Schlamm und Sand von dem Boden des Meeres
xa BchSpfen, wovon man viele zu Venedig sieht, aber diese Instrumente sind gar
1 und können nicht bei mehr als sechs Fuss Tiefe in den Grund ^greifen."
Flg. SOS.
Eine solche Maschine beschreibt Lobini (siehe Fig. 291, S. 251). Bei ihm
ist die Zange, womit der Schlamm gefasst wird, an das eine Ende eines doppel-
annigen Hebels gehängt, dessen anderes Ende auf und nieder geschraubt nird,
wodurch langsame Bewegung und geringe Hubhöhe bedingt sind. Vebantius
fährt fort;
„Das Unserige aber kann füglich bei jeder Tiefe des Meeres oder Flusses
den; obwohl man in Flüssen, die nicht sehr tief sind, auch ein anderes
528 FaastoB Veraniias.
Instrumjent gebrauchen kann. Dieses besteht aus zwei Wasserrädern, die zu beiden
Seiten auf einem Wellbaume sitzen, der Wellbaum aber ist quer über ein Schiff
gelegt, wie der oben (Kap. 19) genannte. An diesem Wellbaume muss man einige'
Schöpfschaufeln anbringen, die den Grund aufrühren und so den Sand und Schlamm
in die Höhe bringen, die dann der reissende Fluss, ehe sie an die Oberfläche des
Wassers kommen, wegschwemmt und die Schaufeln säubert.
42. Ein Schiff mit offenem Boden. Für das soeben beschriebene In-
strument, welches den Koth durch Zangen vom Grunde des Meeres schöpf^ haben
wir ein Schiff erfunden, welches den herausgezogenen Letten, indem es unter das
Instrument hinfährt, in sich aufnimmt, auf das hohe Meer fährt und ohne grosse
Mühe durch eine Oeffnung im Boden ausleert ohne unterzugehen.
43. Ein Instrument, um Seile zu drehen (Fig. 806). Bei den Instru-
menten, welche man in jetziger Zeit zu gebrauchen pflegt^ um die grossen Schiffs-
seile durch Menschenhand zu drehen, kann dies nicht ohne grosse Mühe geschehen,
weil kein (mechanischer) Yortheil, sondern nur die Menschenkraft dabei angewendet
wird. Deshalb habe ich ein Instrument erfunden, welches durch mein Tretrad (wie
oben in Kapitel 23 beschrieben, bewegt wird. Durch dieses Rad verrichtet ein
Mensch mit Leichtigkeit mehr, als ohne ein solches ihrer viele, die alle ihre Kräfte
aufwenden.''
Unsere Fig. 806 zeigt den Apparat nur zum Theil. Ein ebensolches
Seilerrad, wie das hier abgebildete, steht diesem gegenüber, erfasst die anderen
Enden der herzustellenden Scbiffstaue und dreht sie in entgegengesetzter Rich-
tung um, was die Arbeit beschleunigt. Die noch folgenden sechs Kapiteln sind
für uns von wenig Interesse.
Jacob de Strada (etwa 1523—1588).
Jacob de Strada wird, da die fast allein noch bekannte Ausgabe seiner
Maschinenzeichmingen im Jahre 1629 zu Frankfurt a. M. erschienen ist, meist
für einen Schriftsteller des siebzehnten Jahrhunderts gehalten. Der vollständige
Titel dieses Werkes lautet aber:
„Künstlicher Abriss allerhand Wasser-, Wind-, Ross- und Handmühlen
beneben schönen und nützUchen Pompen etc., verfertigt durch den Edlen und
Vesten Herrn Jacobum de Strada k Rosberg, Civem Rom. Impp. Ferdinandi,
Maximiliani et Rudolphi H Antiquarium, Commissarium Bellicum et Aulicum;
nunmehr aber durch den Truck publiciret, an den Tag gegeben und in 112
folio Kupfern fürgebildet durch Octavium de Strada a Rosberg, Civem Rom. etc.,
Jacobi unicum nipotem."
Daraus geht hervor, dass Jacob de Strada Archäologe, Kriegs- und Hof-
Kommissar unter den drei Kaisem Ferdinand I., Maximilian H. und Rudolph H.
war, deren Regierungszeiten sich von 1556 bis 1612 erstrecken, und dass seine
Maschinenzeichnungen erst durch seinen Enkel (unicum nipotem) Octavius de
Strada veröflFentlicht wurden.
Georg Andreas Boeckler, in dessen 1661 zuerst erschienenem Theatrum
Machinarum fast sämmtliche Kupferplatten von de Strada abgedruckt sind,
sagt in seiner Vorrede, Octavius de Strada habe die Mühl- und Wasserkünste
anno 1618, wie dann auch anno 1629 zum zweitenmal ölfentlich drucken lassen.
In letztgenannter Ausgabe von de Strada's Werk findet sich hinter der
fünfzigsten Kupfertafel gleichsam eine Vorrede zu dem nachfolgenden Theile,
worin gesagt wird:
„Was nun die Ordnung dieses Werkes betrifft, so ist zwar nicht ohn, dass
oftmals das Hinderste zu vorderst und was vorgehen sollte zu hinderst gesetzt ist,
wobei man aber aus der Ursachen hat bleiben müssen, weil sie im ersten Exemplar,
80 ohne Beschreibung ausgegangen, also nach einander gefolgt und also ohne
Zweifel vom Autore nach einander aufgezeichnet worden . . . ."
Diese Vorrede ist unterzeichnet: Benjamin Bramerüs.
Mit dem hier erwähnten „ersten Exemplar*' ist ohne Zweifel die Ausgabe
BMk. 34
530 Jacob de Strada.
von 1618 gemeint, welche demnach ohne Beschreibung erschien. Die in der
Ausgabe von 1629 enthaltenen Beschreibungen dürften von dem hier unter-
zeichneten Benjamin Bramekis herrühren.
Ueber Jacob und 0(:tavius de Stkada wird in dem 1744 bei Joh. Heinr.
Zedier in Halle und Leipzig erschienenen Universal-Lexikon gesagt:
„Strada (Jacob de), ein Italiener von Mantua gebürtig, lebte im 16. Jahr-
hundert und machte überaus nette Abzeichnungen von griechischen und römischen
Münz<?n, davon in der kaiserlichen Bibliothek in Wien noch 10 Bände übrig sind.
Man zweifelt nicht, dass die Medaillen, welche ()cta\^us dk Strada, sein Sohn,
nebst dem Leben der Kaiser 1615 bis 1619 an den Tag gegeben, nach des Jacx)b's
2k?ichnungen gesitochen worden ^Man hat von diesem Werke auch eine weit
ältere Ausgabe, dessen Titel folgender ist: „Jacob de Strada: Epitome Thesauri
Antiquitatum S. Icones Imperat Rom. Orient. & Occident ex antiq. Numismatibus
delineatae. Tiguri 1557" (d. h. Auszug aus dem Schatze der Alterthümer, oder
Porträts der ost- und weströmischen Kaiser nach alten Münzen gezeichnet Zürich 1557).
Femer hat man ein Traktat von ihm, in welchem blose Maschinen beschrieben
werden, welches ebenfalls dessen Sohn 1618 herausgegeben. Ueberdies ist auch noch
eine lateinische Uebersetzung von des Sebastian Serli siebentem Buche, das von
den Häusern auf dem Lande handelt, bekannt, 1575 zu Frankfurt im Druck heraus-
gekommen; ingleichen eine Abhandlung von Mühl werken, die zu Köln 1623 in Folio
herausgekonunen . . . ."
„Strada (Octavius de) von Rosbkrg und Sohn Jacob de Strada's. Er
war bei dem Kaiser Rudolph II. überaus wohl angeschrieben und hatte den Titel
Antiquarius. Ob er beim Kaiser Fei-dinand eben die Stelle behalten hat, lässt sich
nicht ausmachen, soviel ist aber gewiss, dass er noch 1629 gelebt hat, denn da hat
er eben seine Genealogie vom Hause Oesterreich, welche von Rudolph I. anfängt
und mit Kaiser Ferdinand II. endigt^ in Druck gegeben.**
In Michaüd's Biographie Universelle wird über Jacob de Strada noch
berichtet, er sei am 6. September 1588 in Prag gestorben. Von seinem Werke
„Epitome Thesauri Antiquitatum'' werden drei Ausgaben aufgeführt, erschienen
in Lyon 1553, Zürich 1557, Rom 1577, und zu seinem „Künstlichen Abriss
allerhand Wasser-, Wind-, Boss- und Handmühlen" wird bemerkt: „Tiraboschi
und Alle, die von Octavius (de Strada) schrieben, haben fälschlich angenommen,
dass er der Sohn des Jacob de Strada gewesen sei; er war aber nur der
Enkel. Siehe das Titelblatt des obigen Werkes.**
Wenn Jacob de Strada's Werk : „Epitome Thesauri Antiquitatum*', welches
ungewöhnlich viel Vorstudium und Arbeit erforderte, 1553 zum erstenmal
erschienen ist, so wird man sein Geburtsjahr mindestens 30 Jahre früher, also
etwa 1523 annehmen müssen. Auch dürfte er bald nach dem 1556 erfolgten
Regierungsantritte Ferdinands I. in dessen Dienste getreten sein, und wenn er
1588 starb, so hat er etwa 30 Jahre in kaiserlichen Diensten gestanden und
ein Alter von mindestens 65 Jahren erreicht. Die manchmal ausgesprochene
Vermuthung, dass Jacob de Strada jung gestorben sei, erscheint daher unbe-
gründet und dürfte nur deshalb aufgetaucht sein, weil Boeckler in der Vor-
rede zu seinem Theatrum Machinarum bei Erwähnung der Maschinenzeich-
nungen des Jacob de Strada die nichtssagende Bemerkung einfliessen Hess,
Jjebensbeschreibung, Löffelrad, zweistiefeliges Pumpwerk. 531
dass dieser „zweifelsohne, so er länger leben sollen, dieselben auch ausführlich
beschrieben hätte."
Jacob de Strada war demnach ein Zeitgenosse Ramelli' s, aber etwa zehn
Jahre älter als dieser. Jedenfalls war ihm, als er seine Maschinenzeichnungen
entwarf. Rabielu's Werk nicht bekannt, denn dieses erschien in de Strada's
Todesjahr 1588.
Einem Octavius de Strada ertheilte Kaiser Ferdinand II. ein Patent,
worin es heisst:
„Wir thun zu wissen, dass wir unter dem 18. Juni 1625 an Octavius Dfe
Strada, böhmischen Edelmann, das Hecht und die Macht übertragen haben, Eisen-
erze und alle anderen Metalle zu schmelzen, zu reinigen und für den Gebrauch
herzurichten mit einem Feuer von Steinkohlen, für den Zeitraum und die Frist
von 25 Jahren." (Vergl. Dr. Ludw. Beck, Geschichte des Eisens, 11. Abth. S. 1213.)
Wenn Jacob de Strada in Prag starb, wie Michaud angiebt, so ist es
wahrscheinlich, dass mit dem in diesem Patente genannten böhmischen Edel-
manne Octavius de Strada sein Enkel gemeint ist, und daraus wäre ersicht-
lich, dass dieser sich, wie sein Grossvater, neben seinem Amte als Archäologe
angelegentlich mit technischen Dingen beschäftigte. Mag er aber darin auch
erfahren gewesen sein, so ist es doch immer für einen Autor misslich, wenn
Entwürfe, die er selbst nicht publicirt hat, dreissig Jahre nach seinem Tode
von seinem Enkel herausgegeben werden und nach weiteren elf Jahren ein
Dritter schlechte Beschreibungen dazu macht. An diesen ist der Zeichner der
Entwürfe nicht schuld, und man muss ihm auch zu gut halten, dass er wohl
manche seiner Zeichnungen vorher ausgeschieden haben würde, wenn er sie
hätte veröffentlichen wollen.
Wenn Jacob de Strada etwa vor 1588 etwas von Ramelli's Kupfertafehi
zu Gesicht bekam, so könnte ihn dies veranlasst haben, seine Entwürfe nicht
zu veröffentlichen, denn Ramelu war ihm an kinematischem und auch an
konstruktivem Talent überlegen.
Unter den geschilderten Umständen ist es selbstverständlich, dass uns,
nachdem wir die imsechszehnten Jahrhundert erschienenen Werke über Maschinen-
bau betrachtet haben, die Kupfertafeln de Strada's wenig Neues bieten können.
Wir betrachten zunächst diejenigen seiner Entwürfe, welche sich an Mit-
theilungen älterer und uns bereits bekannter Autoren anlehnen.
Auf DE Strada's Taf. 6 finden wir zwei Mahlgänge abgebildet, wovon
der eine durch ein Löffelrad direkt betrieben wird, wie es sich unter
Leonardo da Vinci's Skizzen (Fig. 124, S. 109) findet, während der andere
durch das ebenfalls von Leonardo skizzirte Löffelrad, Fig. 125, S. 109, betrieben
wird. Da die betreffenden Skizzen Leonardo's sehr flüchtig sind, geben wir
die deutlichere Abbildung de Strada's in F'ig. 807 wieder.
Taf. 33 zeigt ein zweistiefeliges Pumpwerk, ähnlich dem in Fig. 444,
S. 335, nach einer Skizze LeOxNardo's abgebildeten ; doch ist das schwere Pendel
weggelassen und sind statt dessen zwei Rollen auf die obere Welle gesetzt
34*
5S>
Jacob de Strada.
und ein Riemen mit einem Ende an eine dieser Rollen befestig;! und einmal
darum geschlungen, während sein anderes Ende vermittelst eines Handhebels
heraI)gezogen und dadurch die obere Welle in einer Richtung gedreht wird.
Ein <ie};enf!ewiclit, das an einem um
die :)ndere Rolle geschlungenen Seile
hängt, dreht die obere Welle in ent-
gegengesetzter Richtung , wenn der
Handhebvl lose gelassen wird.
Taf. 49 zeigt einen durch den
Ranch betriebenen Bratenwen-
der nach Leonardo's Skizze. Fig. 6(&,
S. 425.
■.\uf Tai'. 13 ist ein Becherwerk
und ein Mahlgang dargeiitellt. welche
gleichzeitig durch eine Windmühle
Pij, f,,. mit drehbarem Dache, ähnlich
der Skizze Leonahdo's (Fig. 419 u. 420.
S. 328) betrieben wird. Eine ebensok-be Windmühle ist auf Taf 55. die wir
in Fig. 808 wiedergeben, zum Betriebe eine.« l'atemosterwerkes entworfen.
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Bei Ra.mfj,li findet man solche „holländische Windmühlen" von weit besserer
Konstruktion abgebildet. (Siehe S. 211.)
Taf. 4 zeigt eine Hebeltransniission zum gleichzeitigen Betriebe
eines Schwanzhammors und zweier Blasbälge in einer Knpferscbmicde, ähnlich
der von Bmisciccio beschriebenen (Fig. 134, S. 120); doch wird hier von des
Hebedaumen an der Wasserradwelle der Schwanzhammer and von der Kurbel
Bratenwender, Windmühle, Hebeltransmission, Schwengel, Mühlen. 533
an ihrem Ende eine stehende Welle bewegt und durch einen Arm am oberen
Ende derselben vermittelst einer Schubstange die über den Blasbälgen liegende,
horizontale Hebelwelle hin und her gedreht.
Der vertikale Schwengel mit Flügelstange, wie ihn Biringugcio zum
Betriebe einer Amalgamirmühle angab (Fig. 140, S. 125) und der horizontale
Schwengel, wie wir ihn von Ramelli an einer transportablen Getreidemühle für
Handbetrieb angebracht sahen (Fig. 226, S. 210) werden von de Strada oft
angewendet. So auf Taf. 88, welche wir in Fig. 809 wiedergeben. Hier wird
ein Mahlgang durch einen horizontalen Schwengel betrieben und man sieht aus
dieser Abbildung besonders deutlich, wie de Strada unter dem Einlauftrichter
seiner Mahlgänge einen Schuh mit drei Schnüren aufhängt. Die Mühlsteine
liegen nicht in einer geschlossenen Zarge, sondern in einem oben offenen
Sammelkasten und an dem Schuh ist ein seitlicher Arm angebracht, der wie
ein Hörn gestaltet ist und die rauhe Oberfläche des Läufersteins berührt.
Dadurch wird der Schuh beim Umlaufen des Läufersteins in zitternde Bewegung
versetzt. Aus dem Sammelkasten wird das Mahlgut durch einen Arbeiter mit
der Hand in eine Gosse geschoben, durch die es in einen Beutelkasten fällt.
Dieser kam bekanntlich zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts in Deutsch-
land in Gebrauch (vergl. S. 181); de Strada bringt ihn bei den meisten seiner
Mühlen an, während wir ihn bei anderen Autoren aus dieser Zeit nicht abge-
bildet sahen, woraus hervorgeht, dass de Strada dem deutschen Mühlenbau
mehr Aufmerksamkeit schenkte, als andere italienische und französiche Schrift-
steller.
Taf. 86 zeigt dieselbe Mühlenanlage ohne Rädervorgelege.
Die gleiche Art des Antriebes findet sich auch auf der durch unsere
Fig. 810 wiedergegebenen Taf. 15; doch ist die hier betriebene Mühle
eigenthümlicher Art. Sie steht gleichsam in der Mitte zwischen den
heutigen konischen Mühlen (KaflFeemühlen) und den Mörsermühlen. Taf. 14
zeigt die gleiche Mühlenanlage, nur ist ein Zwischenrad zwischen der Kurbel-
welle und der Mühlspindel angebracht und diese sind mit gleichen Getrieben
versehen, so dass sie sich gleich schnell drehen. Auf Taf. 89 ist eine Mühle
dieser Art dargestellt, die durch eine Handkurbel vermittelst Winkelräderüber-
setzung betrieben wird.
Auf Taf. 29 wird ein Stampfwerk mit horizontalem Schwengel betrieben,
während mit vertikalem Schwengel auf Taf. 87 ein Mahlgang und auf Taf. 22
ein Becherwerk betrieben wird.
Taf. 37 zeigt ein Paar Balgpumpen durch Handkurbel vermittelst des
von Cardanüs für hin- und hergehende Bewegung beschriebenen
Mechanismus (Fig. 182, S. 165). Dieser findet sich auch auf den Tafeln
36, 45, 80 und 81 zum Betriebe mehrstiefeliger Pumpwerke angewendet.
Die sogenannte „xVugsburger Maschine" (Fig. 200, S. 180), welche
Cardanüs beschrieb, ist auf Taf. 39 mit der Aenderung abgebildet, dass zwei
Jacob d« Stndft.
Reihen von Wasserschrauben, die das Wasser stufenweise in Behälter heben,
gleichzeitig durch einen Ochsengöpel bewegt werden sollen. Auf den Tafeln
24, 65 und 104 sind dagegen die Wasserschrauben durch Becherwerke ersetzt.
Auf Taf. 24 soll der Antrieb durch einen Göpel, auf Taf. 65 durch ein unter-
schlächtiges und auf Taf. 104 durch ein oberschlächtiges Wasserrad bewirkt
Verden. Da das Betriebswasser für letzteres aus dem obersten Behälter herab-
geleitet zu sein scheint, so ist diese Anordnung wohl als perpetnum mobile
gedacht, wie viele andere Entwürfe de Sthada's {Tafeln 101, 103, 105—110
und 112).
Die Seiltransmission, von der Cardants nur sagt, dass sie beim
Bohren und Schneiden von Gemmen angewendet werde (vergl. S. 166 u. Fig. 184),
sehen wir auf de Sthada's Taf. 96, die wir in Fig. 811 wiedergeben, zum
'T^
Antriebe eines grossen Schleifsteines benutzt. Durch einen Pferdegöpel wird
hier vermittelst einer horizontalen Transmissionswelle ausser dem Schleifsteine
auch ein Mahlgang betrieben.
Nach Ar.RicoLA's Angaben sind folgende Tafeln entworfen: Taf. 7 zeigt
ein horizontales Tretrad, wie unsere Fig. 144, S. 130, Durch dieses
wird ein Becherwerk betrieben, welches Wasser in einen hochstehenden Behälter
fordert. Von da wird das Wasser auf ein oberschlächtiges Wasserrad geleitet*
das einen Malilgang treibt. Warum dieser Umweg des Einschaitens' eines ober-
scblächtigen Wasserrades, wie er sich auch auf den Tafeln 18 und 32 findet,
gewählt wurde, ist schwer zu verstehen; doch dürfte vielleicht zur Erklärung
dienen, was Lobine in Kapitel XXI seines Werkes sagt (vergl. S. 253), wo er
das Schwungrad als das beste Mittel bezeichnet, um bei Anwendung animalischer
Kräfte eine Maschine in eine Bewegung von ähnlicher Gleichmässigkeit
zu versetzen, wie sie beim Betriebe mit Wasserrädern erreicht
SeiltrananiiaHioD, Tretrad, SeofmOUe.
G35
wird. Das Wasserrad mit dem Wasserbehälter dürfte demnach wohl als
Regulator und Akkumulator zu betrachten sein.
Tal". 28 zeigt einen Aufzug nach unserer Fig. 145, S. 131, zur Wasser-
fÖrderung; Taf. 31 ein Pumpwerk nach unserer Fig. 155, S- 138, mit Pferde-
göpel; Taf. 68 die Maschine Fig. 146, S. 132, Agricola's mit der Aenderung,
dass das Wasser nicht mit Bulgen , sondern durch ein Becherwerk gehoben
wird; Taf, 75 das Pumpwerk Fig. 143, S. 130; Taf. 77 zwei Pumpensätze
nach Fig. 155, S. 138, gleichzeitig durch ein Tretrad betrieben. Taf. 74 zeigt
eine einfache Pumpe, wie Fig. 150, S. 135; doch ist ihie Kotbenstange zur
Erleichterung des Aufziehens an eine biegsame Stange gehängt, wie der von
Faustus Verastils beschriebene Stempel zum Stampfen von üerste: (Fig. 795,
S. 521).
Taf. 00 wird durch Fig. 812 wiedergegeben. Es ist eine Mühle, wie sie
AoRicoLA zum Mahlen von Golderzen angiebt (Fig. 169, S. 152); doch wird sie
hier nicht direkt, sondern vermittelst eines Rädervorgeleges betrieben und soll,
wie in der Beschreibung gesagt wird, zu verschiedenen Zwecken, namentlich
zur Bereitung von Druckerschwärze dienen. An dem Rädervorgelege ist auf-
fallend, dass die Vorgelegswelte zunächst der Mühle nur ein Zwischenrad trägt,
durch das weder die Umdrehungszahl noch die t'mdrehungsrichtung geändert
wird. Es kann also nur den Zweck haben, den Standort des Arbeiters, der
die Kurbel dreht, weiter von der Mühle weg zu rücken. Dies kann in allen
Fällen den Vortheil bieten, dass das GefUss zur Aufnahme des Mahlgutes
weniger leicht von dem Arbeiter umgestossen wird. Wie wir auf S. 152
bemerkten, werden aber solche Mühlen noch heutigen Tages zum Mahlen von
536 Jacob de Strads.
Tafeleenf Ijenutut, wobei durch den scharfen Geruch des Senfes die Augen des
Arbeiters leiden. Wenn wir daher annehmen, dass auch de äntADA diese
Mühle zum Mahlen von Tafelsenf konstruirte, wird die Einschaltung dieses
Zvischenrades doppelt zweckmässig erscheinen.
Taf. 99 zeigt ein Kehrrad nach Fig. 157, S. 142, welches eine schwere
Mange treibt. Die Bewegung wird durch Winkelräder anf eine stehende Welle
und von dieser durch Schnurgetriebe auf die Mange übertragen, wobei
aber die Schnüre mehrfach um die Ükihnurrollen geschlungen sind, was man
auch bei Rahelli findet (vergl. i^. 221).
Wie man theilweise schon aus dem Gesagten ersieht, ist der gleich-
zeitige Betrieb mehrerer Arbeitsmaschinen durch einen Motor,
oder die Transmissionsanlage, welche, wie wir auf S. 153 bemerkten,
Flg. eis.
zur Zeit Aühicola's noch etwas Ungewöhnliches war, von de Strada vielfach
behandelt worden. So zeigt Fig. 8 ein Stampfwerk, einen Mahlgang und eine
zwei Stiefel ige Pumjie durch ein Tretrad betrieben; Taf. 17 einen Mahlgang und
einen Schleifstein vermittelst einer stehenden Transmissionswelle durch einen
Ochsengöpel betrieben ; Taf. 30 zwei Becherwerke, ein Paternosterwerk und eine
zweistiefelige Pumpe durch ein nnterschlächtiges Wasserrad betrieben; Taf, 70
dasselbe in anderer Anordnung; Taf, Üü vier Mahlgänge durch einen Ochsen-
göpel betrieben; Taf. 97 einen Mahlgang und ein Sägegatter vermittelst einer
stehenden Transmissions welle durch einen Pferdegöpel betrieben; Taf. 102 zwei
Wasserschrauben, ein Mahlgang und eine zweistiefelige Pumpe durch ein olwr-
schlächtiges Wasserrad betrieben,
<ileich seinem Zeitgenossen Rahelli behandelt auch i>b Strada in einer
grossen Zahl von Entwürfen die unfruchtbare Idee, Maschinen durch in die
Höhe gewiindene Crewiclite betreiben zu wollen. Solche Gewichtsmühlen
finden sich auf den Tafeln 11, 23, 27, 36, 38, 44, 59. 60, Öl, 62, 80, 91,
Transmission, Tretrad fUr Pferde, doppelte Bohrmaschine. 537
92, 93. Zur Kegulirung des Ganges der Rädens-erke wendet er dabei mehr-
mals die in unserer Fig. 195, S. 175, abgebildete Unruhe an.
Auf Taf. 5 bildet de Straüa eine Walkmühle ab, ähnlich unserer
Fig. 362, S. 299, nach Zoxca und
Taf. 100 zeigt eine Papiermühle ähnHch der von Zonca entnommenen
Fig. 376, S. 313.
Ausserdem erscheinen uns einer näheren Betrachtung werth:
Taf. 94, ein Tretrad, von einem Pferde mit den Hinter-
füssen getreten, wie in Fig. 813 wiedergegeben, zum Betriebe einer Mühle.
Ein solches Tretrad fanden wir vor etwa 30 Jahren in Holland noch im
Gebrauche. Die von de Strada hier, sowie auf mehreren anderen Tafeln
angegebene Verzahnung der Winkelräder ist ebenfalls eigenthümhch. An
einer auf der Welle des Tretrades sitzenden Holzscheibe ist ein metallener
Zahnkranz mit halbkreisförmigen Zahnlücken befestigt, und die hineingreifenden
Hohszähne sind halbcylindrisch geformt. Taf. 78 zeigt ein ebensolches Tretrad
zum Betriebe einer zweistiefeligen Pumpe vermittelst einer Daumenwelle.
Auf Taf. 83 ist das Löffelrad, Fig. 814, abgebildet, welches in seiner
Form einigermassen an das heutige Pelton-Rad erinnert. Es soll hier zum
Betriebe zweier Kollergänge dienen.
Auf Taf. 47 finden wir die doppelte Bohrmaschine, Fig. 815,
abgebildet. In der Beschreibung wird gesagt, sie solle zum Bohren von
hölzernen Brunnenröhren (Deichelen) dienen; doch ist es der Zeichnung nach
wahrscheinlicher, dass de Strada die Absicht hatte, mit dieser Maschine zwei
Büchsenläufe gleichzeitig auszubohren.
Von den noch nicht erwähnten Tafeln de Strada's zeigen Tafeln 1, 2,
51 und 52 vier Brunnen, die vielleicht für Architekten aber nicht für Maschinen-
ingenieure Interesse haben. Taf. 111 ist unverständlich und die übrigen
siebenunddreissig Tafeln enthalten Entwürfe, die zum Theil gut, aber zu ein-
fach, zum Theil aber auch zu verfehlt sind, um hier betrachtet zu werden.
Giovanni Branea (um 1629).
Wenn von der Geschichte der Erfindung der Dampfmaschinen die Rede
ist, pflegt man Giovanni Branca zu nennen, weil in seinem 1629 bei Jacobo
Maxuci zu Rom erschienenen Werkchen „Le Machine" auf Taf. S5 der in
unserer Fig. 816 dargestellte Motor zum Betriebe eines kleinen Stampfwerkes
abgebildet ist. Er besteht aus einem „suflFlator" (siehe S. 256), der den Dampf,
welchen man damals jedoch meist noch für atmosphärische Luft hielt, gegen
die Schaufeln eines horizontalen Zellenrädchens bläst und es dadurch imidreht.
Man hat bis vor Kurzem bei Erwähnung dieser Idee Branca's stets die
Bemerkung beigefügt, dass durch einen Dampfstrahl keine nennenswerthe Kraft
erzeugt werden könne, seit Erfindung der „Dampfturbine'' haben sich aber die
Ansichten hierüber etwas geändert. Dass ein Rad, welches durch einen Dampf-
strahl getrieben, als Motor dienen soll, eine grosse Umdrehungszahl erfordert,
scheint Branca geahnt zu haben, da er zwischen seinem Motor und der Daumen-
welle des Stampfwerkes drei Rädervorgelege angebracht hat, die zusammen
etwa laOfache Uebersetzung ergeben.
Ueber das Leben des Autors ist nichts bekannt. Auf dem Titelblatte
seines Werkchens nennt er sich „Cittadino Romano, Ingegniero et Architetto
della S'* Casa di Loreto"; doch kann er nicht als Erbauer der berühmten
Wallfahrtskirche von Loreto gelten, w^eil deren Bau schon 1464 vom Papste
Paul III. begonnen und 1587 unter Sixtus V. beendigt wurde. Höchstens kann
man annehmen, dass er während der letzten Jahre ihrer Vollendung daran
tLätig gewesen ist.
In Zedler'< Universal-Lexikon von 1744 wird gesagt:
JJraxca (Giovanni) ein italienischer Architekt, welcher eine besondere Er-
k'Jkrcs.z von den architektonischen Ordnungen gegeben, die Carolus Philipp
InrrsAKT in ..Theatro Architecturae Civilis" anführt und mit anderer Baumeister
Efilirwingtn vergleich L Sein Werk, welches „Manuale di Architettura*' heisst und
ri A.^>:li an. 1629 herausgekommen, ist von Salvioni ru Rom an. 1719 in Duodez
TT/eti-rT aafgtl»^^ worden.**
Ob aber dieser Giovanni Branca mit dem Autor des Werkchens „Le
MatLioe" identisch ist, erscheint zweifelhaft.
Dampfi-ad, Gleitstück, Teigknetmaschinen.
539
Dieses enthält 77 roh in Holzschnitt ausgeführte Figurentafeln in Quart,
232 mm hoch und 165 mm breit, mit sehr dürftigen Beschreibungen in
italienischer und lateinischer Sprache. Sie zerfallen in drei Serien, wovon die
erste 40 Tafeln enthält. Die folgenden, wieder von 1 bis 14 nummerirten
Tafebi zeigen Pumpwerke und andere Wasserhebmaschinen und die dritte Serie
pneumatische Apparate auf 23, ebenfalls wieder von eins an nummerirten
Tafeln.
Davon erscheinen uns folgende Blätter einer näheren Betrachtung werth :
Serie I, Taf. 1, zeigt die Teigknetmaschine, Fig. 817. Durch einen
horizontalen Schwengel mit Schubstange w4rd eine vertikale Kurbelwelle mit
Schwungrad umgedreht. Von derselben Kurbel wird vermittelst einer zweiten
Schubstange ein Gleitstück in Gleit linealen hin- und hergeschoben und von
diesem wird ein Winkelhebel um eine auf einem Tische gelagerte, horizontale
Fig. 81»i.
Fig, 817.
Achse gedreht, dessen auf und nieder schwingender Arm den von einem
Arbeiter auf dem Tische hin- und hergeschobenen Teig knetet.
An dieser Maschine bietet die Einschaltung eines Gleitstückes zur
Uebertragung der Bewegung von der um senkrechte Zapfen schwingenden
Schubstange auf den um eine horizontale Achse schwingenden Winkelhebel
besonderes Interesse, weil wir einem solchen Gleitstücke hier zum ersten Male
begegnen.
Eine andere Maschine zum Teigkneten mit einem auf und nieder-
schwingenden Hebel findet sich dagegen schon in Jo. Baptistae Bexedicti (Benedetti)
„Speculationum Mathematicura et Phisicarum Liber", weiches 1585 in Turin
erschienen ist. Dort ist in Kapitel VI des .Abschnittes „De Mechanicis" eine
Teigknetmaschine skizzirt, wie sie unsere Fig. 818 zeigt. Es ist eine Knie-
hebelpresse, womit der Hebel niedergedrückt wird, der den Teig auf dem Tisch
knetet. Benedetti sagt, dass von dieser Maschine an einigen Orten Gebrauch
gemacht werde.
Taf. 2 zeigt das Walzwerk, Fig. 819, zum Auswalzen verschiedener
Metalle und zum Prägen von Medaillen und Geld. Solche sogenannte „Taschen-
540 GioTanni BntDca.
werke", auf welchen gleich das Gepräge der Münze mittels gesclinittener
Walzen hergestellt wurde, waren zu Branca's Zeit im Gebrauche (Siehe
Dr. Lldw, Beck, Geschichte des Eisens Abth. II, S. 529.) In Branca's Ab-
bildung soll das Wahwerk durch die von einem Schiniedefeuer in einem eisernen
Kamin aufsteigende warme Luft betrieben werden, und daraus ersieht man am
deutlichsten, dass er zu den Mechanikern gehörte, welche, wie LoBisi sagt „auf
die Leichtigkeit vertrauen, womit kleine Modelle arbeiten". (Siehe S. 241.)
Fig. 3 zeigt eine Kunstramme, Fig. 820, zum Einschlagen schräger
Pfähle. Daran ist die lösbare Klauen kuppelung zum Ein- und Ausrücken
der Seiltrommel für uns interessant, da wir einer solchen hier zum ersten ^lale
begegnen. Auf Taf, 35 finden wir eine solche Kunstramme zum Einschlagen
senkrechter Pfähle abgebildet.
Taf. 9 zeigt einen Mahlgang durch ein horizontales AVasserrad
betrieben, ähnlich dem, welches Besson beschrieb (Fig. 222, S. 201); doch
drehen sich die Klaii]>en desselben hier um senkrechte Axen in rahmenförmigen
Flügeln.
Taf. 10 zeigt einen selbstfahrenden Wagen, dessen Mechanismus
im allgemeinen mit dem von Leonardo skizzirten (Fig. 603, S. 435) überein-
stimmt, doch ist die senkrechte Axe hier nach oben verlängert, um ein Wind-
rad zum Betriebe des Wagens aufzunehmen.
Auf Taf. 11 wird von einer stehenden Welle aus ein Mahlgang und die
in Fig. 821 dargestellte Vorrichtung zum Einschleifen von Hahnen
betrieben. Der Konus des Halms ist mit seinem Griffe in einen Schraubstock
gespannt und der nach Auftrag des Schmirgels darüber gestülpte Hahnen-
körper wird durch eine unten an einer senkrechten Welle angebrachte Kurbel
an einem seiner Rohrstutzen erfasst und umgedreht.
Auf den Tafeln 14 und 15 ist eine Dreschmaschine dargestellt, bei
deren Konstruktion der Verfasser wohl an das altrömische „tribulum" gedacht
haben mag. Dieses bestand nach Varro (Her. rust. I. 52) ans einer Holzplatte,
Tftschenirerk, Kkaenkappelung, Dreschmaschine, UmBteaeningekuppelung.
541
die unten mit Steinen oder eisernen Zähnen besetzt war („Id fit tabula lapi-
dibns aut ferro asperata") und von einem vorgespannten Thiere über das auf
der Tenne ausgebreitete Getreide gezogen wurde. Bei der hier von Branca
entworfenen Maschine ist da» Tribulum durch sechs geriffelte Walzen ersetzt.
An einer stehenden Welle, um welche das Getreide ringförmig ausgebreitet
wird, ist ein grosses Rad mit sechs Spillen befestigt, woran die Endzapfen der
Walzen mit Zugleinen gehängt sind, sodass sie bei Drehung der Welle auf dem
Getreide im Kreise herumgerollt werden.
Auf den Tafeln 16, 19 und 20 ist ein Motor dargestellt, wie er durch
Umkehrung aus der Archimedischen Schnecke oder Wasserschraube entsteht,
indem man diese senkrecht stellt und Wasser oben hineinleitet und unten aus-
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fliessen lässt. Dem analog sind auf Taf. 17 ein durch Umkehrung eines Pater-
nosterwerkes und auf Taf. 32 ein durch Umkehrung eines Becherwerkes ent-
stehender Motor abgebildet.
Taf. 21 zeigt den Aufzug Fig. 822 mit Umsteuerungskuppelung,
die für uns besonders interessant ist, weil wir einer solchen hier zum ersten
Mal begegnen. Auf Taf. 31 ist derselbe Mechanismus zur Wasserförderung aus
einem Schachtbrunnen angewendet und hier ist die Kuppelungsmuffe auch im
Detail abgebildet, wie sie unsere Fig. 823 wiedei^iebt.
Taf. 22 zeigt eine Winde, bei der das Seil nicht an der Trommel
befestigt, sondern nur einige Mai darum geschlungen ist, wie wir es bei den
Gangspillen sahen, die Fontana benutzte (siehe S. 492 unten). Hier dient die
Winde dazu, eine Kanone einen Berg herauf zu ziehen ; auf Taf. 24 sehen wir
sie dazu benutzt, Boote aus einem Flusse auf das Ufer zu ziehen.
Taf. 23 zeigt einen Keisewagen, bei dem das Lager für den Reisenden,
5i2
wie das Log Besson's (Fig. 225, S. 204) in zwei Itahmen so aufgehängt ist,
dass es sich um zwei in einer Horizontalebene »iif einander senkrecht stehende
Axen drehen kann, wodurch erreicht werden soll, dass der Reisende den
Schwankungen den Wagens nicht ausgesetzt ist.
Taf. 26 zeigt das Wasserschöpfwerk Fig, 824. Während sich das
grosse (iefäss Ä durch den Kanal J mit Wasser füJlt , entleeren sich die Ge-
fässe B und C in den Kanal E und das kleinere Gefäss D schöpft Wasser aus
dem Brunnen G. Ist A gefüllt, so sinkt es zu dem Kanal E und mit ihm das
kleinere Gefäss B in den Brunnen G lierab, während es D zum Kanal E und
C zum Kanal M emi)orhebt. Uann entleeren sich die Gefasse A und D in den
Kanal E, während B Wasser aus dem Brunnen schöpft und C durch den
Kanal M gefüllt wird. Ist es voll, so kehren die Gefässe in die abgebildeten
Stellungen zurück und das Spiel beginnt von nenem. In der Beschreibung
Bbanoa's ist, wie in seiner Abbildung, nar diese Idee angegeben, während Detail-
angaben fehlen.
Auf Taf. 30 ist zum Xivelliren eine Röhrenleitung ans ledernen
Schläuchen mit metallenen, geraden und knieförmigen VerbiRdungs-
stücken abgebildet. Eine ähnliche Wasserleitung zu Bewässerungszwecken
findet sich auf Taf. 10 der Serie II. Im übrigen bieten die Tafeln der
zweiten Serie kein Interesse.
Uie 23 Tafeln der dritten Serie zeigen pneumatische Apparate wie sie
Della Torta beschrieb (Fig. 294 bis 302 auf S. 258 bis 263 und Fig. 304,
S. 2t)7); jedoch mit dem Unterschiede, dass die Gefässe dariui alle ballon-
fonnig angegeben sind. Das Wassertrommelgebläse ist auf Taf. 18 mit der
Wasserschöpfwerk, Schlauchverbindung, hydraulischer Saugapparat. 543
Aenderung abgebildet, dass sich die Luft nicht in einem ringsum fest ver-
schlossenen Gefässe, sondern wie bei den altgriechischen Wasserorgeln (Fig. 36,
S. 25) in einer Glocke sammelt, die bis zum dritten Theile ihrer Höhe in
Wasser eingetaucht ist, was zur Regelung des Winddruckes von Vortheil sein
mag. Taf. 19 zeigt ein solches Wassertrommelgebläse, das den Wind für eine
Kirchenorgel liefert.
Auf Taf. 22 ist ein Apparat abgebildet, der dazu dienen soll, Wein aus
einem im Keller lagernden Fasse in das Parterre hinaufzusaugen. In diesem
stehen zwei Ballons von verschiedenen Grössen neben einander und sind oben
durch ein Rohr verbunden. Neben diesem mündet ein zweites Rohr in den
kleineren Ballon und geht bis zum Zapfloche des etwas höher als die Keller-
sohle liegenden Fasses herab. Unten an dem grösseren Ballon ist ein Rohr
mit Hahnenverschluss angelöthet, das bis in eine Gosse in der Kellersohle
herabreicht. Oben ist der grössere Ballon mit einem Ventil versehen, durch
welches er mit Wasser gefüllt wird. Nachdem dann das Ventil geschlossen
ist, wird der Hahn unter dem Ballon geöffnet, das abHiessende Wasser saugt
die Luft aus dem kleineren Ballon und Wein in diesen. Wird dann das
Ventil wieder geöffnet, so kann dieser Wein durch einen Hahn unten an dem
kleinen Ballon abgezapft werden.
Die letzte Tafel des uns vorliegenden Werkchens zeigt eine Oellampe, in
deren Fuss das Oel gegossen und durch Wasser, das man in einen weiter oben
angebrachten, mit dem geschlossenen Oelgefässe kommunicirenden Trichter giesst,
zum Dochte emporgetrieben wird.
Ein Jahr vor der Regierung des Kaisers Ferdinand H., während welcher
OcTAvius DE Strada die Maschinenentwürfe seines Grossvaters und Branca sein
kleines Werkchen veröffentlichte, begann die schreckliche Zeit des dreissigjährigen
Krieges in Deutschland und der konfessionellen Verfolgungssucht in ganz
Europa, weshalb von da an bis zum Beginne des achtzehnten Jahrhunderts
nur wenig für uns Bemerkenswerthes in der Litteratur zu finden ist.
Marinas Mersenne (1588—1648).
Marinis Mersenne oder Mersensis war am 8. September 1588 io dem
Flecken Oise des Uerzogthums Maine geboren, besuchte das College de la Fleche
und studirte dann in der Sorbonne in Paris Theologie. 1611 trat er in den
Mönchsorden der Minimen ein. Von Johann Bruno erlernte er die hebräische
Sprache, welche ihm in der Theologie von Nutzen war, die er später nebst
Philosophie in Nevers mit grossem Ruhme lehrte. Auch wurde er hier Superior.
Besondere Neigung trieb ihn zur Mathematik und Physik, wovon seine Werke:
De Harmoniis, Paris 1636 und Cogitata Phj'sico-mathematica , ebend. 1644,
Zeugniss ablegen. Besonders berühmt wurde aber sein Commentar zum ersten
Buche Mosis, Paris 1623. Ausserdem yeröffentlichte er noch: La verite des
Sciences, Paris 1635 und Les questions inouies.
In seinen Cogitata physico-mathematica findet sich in dem Abschnitte
über Hydrauhk, Pneumatik u. s. w. unter Prop. 49 ein Corollarinm II „Ueber
Schiffe, die unter Wasser schwimmen", welches in der Uebersetziing lautet:
„Bekannt ist tlas von Cornelius DsEitELLius in England kongtruirte Schiff,
welches unter Wasser getaucht schwanini, was auf verschiedene Art geschehen kann,
und zwar erstens, wenn das Schiff mit Allem, was darin ist, von gleichem Gewichte
beigestellt wird, wie das Wasser (welches es verdrängt), so dass es an jedem Orte
unter Wasser verbleibt, w&j aber kaum jemals gelingen wini; zweitens, wenn es ein
wenig schwerer gemacht wird, als daa Wasser, so tiasa es bis zum Grunde herab-
sinkt wenn es nöthig ist, und da bleibt bis mit Hülfe von Kudem und Haken die
Dinge gesammelt sind, welche verloren waren, und das ausgeführt worden ist, wes-
wegen das Schiff gebaut wimle. So oft aber der Schiffer zur Oberfläche zurück-
kehren will, thut er dies mit Hülfe von Hudeni oder genügender Entlastung des
Schiffes. Selbstverständlich niues das Schiff überall verschlossen sein, so dasa kein
Tropfen Wasser eindringen kann, und dass die Ruder, deren Handhaben innerhalb
sind, nach aussen so mit Leder gedichtet sein müssen, dass sie trotzdem leicht bewegt
werden können. Ich will nicht von den Fenstern aus Glas, Hom, Krj-stall, Marien-
glaa oder anderem durchsichtigem Material reden, welche anzubringen sind, damit
man Dinge auf dem Grunde oder inmittt-n des Meeres deutlich sehen kann, noch
von verschiedenen Bohreni, womit feindliche Schiffe angebohrt und zum Sinken ge-
bracht werden, noch von den verschiedenen Arten, wie die Luft erneuert werden
ksnu, <iatmX -ie nicht durch Dünste und Ausathmungen im Inneren verdorben wird,
-h lange Schläuche von Leder oder anderem Material, die bis zur Oberfläche
Lebensbeschreibang, Drebbers Schiffahrt anter Wasser. 545
des Wassers reichen, zu geschehen pflegt, indem durch solche die Taucher in ähn-
licher Weise athmen. Die Erfahrung wird lehren, was der Unerfahrene kaum muth-
massen kann.*'
Am Schlüsse dieses Abschnittes wird dasselbe Thema von Mersenne noch
ausführlicher behandelt.
üeber den hier genannten Drebellius ist in Zedler's Universallexikon
von 1744 zu lesen:
„Drebbel (Cornelius) ein berühmter Philosoph und Mathematiker war zu
Alkmaar 1572 geboren. Er legte sich frühzeitig auf die Philosophie, in deren Er-
kenntniss er es in Kurzem so weit brachte, dass der Ruhm von seiner besonderen
Geschicklichkeit sogar vor Kaiser Ferdinand II. kam, welcher ihn zum Informator
seines Prinzen bestellte und ihn zu seinem Rath ernannte. Er hatte diese Stellung
bis in das 48. Jahr seines Alters inne. Als 1620 in den böhmischen Unruhen die
pfälzischen Truppen ihn nebst vielen anderen kaiserlichen Dienern gefangen nahmen
und aller seiner Güter beraubten, gelang es ihm, dass er auf Fürbitte des Königs
von England und der Generalstaaten wieder auf freien Fuss gestellt und nach London
geschickt ward. Hier brachte er nun die noch übrige Zeit seines Lebens mit mathe-
mathischen und physikalischen Erfindungen zu, entdeckte zuerst ein Perpetuum mobile,
verfertigte ein Schiff, in welchem er unter Wasser auf der Themse 2 Meilen von
Westminster bis Greenwich fuhr und stellte zu jedermanns Verwunderung noch viele
andere optische und mechanische Versuche an. Er starb zu London 1634."
Der Vater des berühmten Physikers Huygens, welcher Rath des Prinzen
von Oranien war, sah Drebbel's Fahrt unter Wasser mit an und erzählte seinem
Sohne eingehend davon, denn dieser schrieb am 2. November 1691 an Papin,
der sich ebenfalls mit Versuchen über submarine Schiffahrt angelegentlichst
beschäftigte und Huygens um Begutachtung seines Planes gebeten hatte:
„ . . . die Röhre zur Erneuerung der Luft, die von einem Stücke leichten, auf
der Oberfläche des Wassers schwimmenden Holzes getragen werden muss, könnte
nach meiner Meinung Euer Boot verrathen, wenn es sich feindlichen Schiffen nähert
und keine grosse Dunkelheit herrscht. Drebbel's Boot hatte keine solche Röhre,
wie mir mein verstorbener Vater erzählte, der in London zugegen war, als Dr£BB£L
sich, so eingeschlossen, selbst in die Themse hinabliess, ohne dass man etwas auf
dem Wasser zurückbleiben sah, aus dem er nach ziemlich langer Zeit und an einem
von der Stelle des Niederganges weit entfernten Orte auftauchte. Man sagte, dass
er irgend ein Mittel gehabt habe, die Luft in seinem Boote zu erneuern, was eine
sehr wichtige Erfindung sein würde . . ." (Vergl. Dr. E. Gerland, Leibxitz und
HüYGENS Briefwechsel mit Papin, Berlin 1881.)
In demselben Abschnitte von Mersenne's Cogitata physico-mathematica
wird unter Prop. 53 gesagt:
„Die gewöhnliche Art, Brunnen zu graben, will ich nicht besprechen, sondern
nur die Art, wie ein Amsterdamer Brunnen gebohrt wurde, erklären, da hier ver-
schiedenes Bemerkenswerthe vorkam, was mir der sehr edle Ritter des hl. Michael,
D. HüYGENS mittheilte, nämlich erstens, dass dieser Brunnen 232 Fuss tief gebohrt
wurde; zweitens, dass dies in folgenden Erdarten geschah; Gartenerde 7', schwarze,
zur Unterhaltung des Feuers geeignete Erde, die man Torf nennt, 9'. . . .
Die Form des Bohrers aber war folgende: AC (Fig. 825) der Rücken l Zoll
dick und 3" breit. ÄHI ein halbkreisförmiges Eisen, dessen Schneide HI scharf
sein muss, weil sie die Erde durchschneiden soll. Ueber ÄHI hält es ein Netz, der
Halbmesser von HI ist 11" oder ^Vi2 Fuss. Mit seiner Hülfe zieht der Brunnen-
gräber bei fettem Thon jedesmal eine Erdscholle von 11" Brei^ und 2^/*" Höhe,
Beek. 35
546
Marinus Mersenne.
Fig. 82r..
welche kaum den vierten Theil ausfüllt, empor; von beweglichem Sande aber wird
das Netz ausgefüllt. Dieses ist so gewoben, dass es den Sand zurückhält, während
es das Wasser durchlässt. An die Maschine pflegt man neun Mann zu stellen,
und da den Stangen fortwährend neue angefügt werden müssi^n,
damit der Bohrer, so oft er heraufgezogen wird, innner tiefer bis
zum Grunde reicht, wird das Seil FM angebracht, das über einen
quer über der Mündung des Bohrloches liegenden, hölzernen
Cylinder läuft, während die Männer bei M an dem Seile ziehen,
um den Bohrer herau«?zuheben. Mit dem Querholze L G wird der
Bohrer gedreht, dessen Höhe CA 3^/4 Fuss beträgt, und da der
Stock AE 6 Fuss Länge hat, so beträgt CE d^U Fuss. Ebenso
schätze ich die übrigen Stöcke, die nach den erfolgenden Erd-
aushebungen angefügt werden müssen. Das Holz L G aber wird
durch eines der Löcher DNO gesteckt, so dass der Bohrer bei
jeder Höhe gedreht werden kann. Am Ende eines jeden der sechs-
füssigcn Stöcke wird eine Höhlung PQIi angebracht und dieses
durch eiserne Ringe verstärkt, damit das Ende des anderen Stockes
in diese Höhlung geschoben und ein eiserner Nagel hindurch ge-
steckt werden kann, so dass alle in einander gefügten Stöcke eine
Stange von 232 Fuss Länge bilden, um diesen Brunnen auszu-
bohren. Doch ist es nicht nöthig, dass jeder Stock 6' lang
sei, sie können auch 10, 12 und mehr Fuss haben. Sie sind
quadratisch und ihre Breite beträgt ^2 Fuss. Sobald der Brunnen
gebohrt ist, wird eine Cistenie öder Grube hergestellt, aus der du
mit einer Ktesibischen Maschine (Pumpe) soviel Wasser zu deinem Gebrauche heraus-
pumpst, wie du nöthig hast, oder die Wasserader liefert.
Es kann auch geschehen, dass der bewegliche Sand sich zusanmienschiebt, dass
er den Bohrer in Unordnung bringt und zurückhält, so dass er das Herausziehen
verhindert, wie es in Amsterdam vorkam.
Den in Rede stehenden Brunnen haben die Arbeiter in 32 Tagen und 13 Nächten
gebohrt, und oft stieg das Wasser während ihrer Mahlzeiten auf 20 bis 30 Fuss. Aber
damit die Erdwandung des Brunnens nicht einfällt wird er mit Wasser ausgefüllt,
welches die Wandung stützt."
In der „Allgemeinen Vorrede" zu den Cogitata physico-mathematica,
welche offenbar nachträglich geschrieben ist, fügt Mepsenne diesen Mittheilungen
einige Bemerkungen und Korrekturen, namentlich eine solche des letzten der
oben citirten Sätze bei, indem er sagt:
„XVIII. Zu Prop. 53 der Hydraulik ist zu bemerken, dass das Graben von
Brunnen oftmals sehr gefährlich ist, nicht nur wegen böser Gerüche, die aus gewissen
Theilen der Erde ausströmen, sondern auch wegen Luft, die sich, wenn sie auch
nicht verpestet ist, doch nicht zum Einathmen eignet, Licht und Feuer auslöscht und
die herabsteigenden Menschen tödtet, wenn du diese nicht sofort, nachdem das Zeichen
dazu durch Anziehen eines Seiles gegeben ist, herausziehest und den Halbtodten mit
dem Gesichte und Kopfe an ein nach Wegnahme des Rasens frisch gemachtes Grüb-
chen bringst, denn auf diese Weise erweckt man sie bei den Engländern aus der
Ohnmacht, welche auch einen anderen Schacht auf 20' Tiefe graben, damit durch
einen Kamd in der zwischen den beiden Schächten befindlichen Erde ein Feuer die
genannte Luft anziehe und dann jeder ohne Gefahr in dem Schachte zu den zu för-
dernden Kohlen hinabsteigen kann, aus denen sie grosse Einkünfte ziehen, wie dies
zu Leeds und an mehreren anderen Orten der Fall ist . . .
Wo ferner von dem Amsterdamer Brunnen die Rede ist, füge ich bei, da.ss
die Arbeiter oder Bninnengräber, nachdem das Loch bis zu dem Grunde, in welchem
trinkbares Wasser zufliesst, hergestellt ist, hölzerne Kanäle hineindrücken, die so zu-
Amsterdamer Brannenbobrang. 547
sammcngefügt sind, dass das äussere Meerwasser nicht hineindringen kann. Die so
verbundenen Kanäle bilden dann einen Kanal, aus dem du nachher so oft du willst
mit Kolben oder Stempeln Wasser herauspumpen kannst."
Was die Wetterschächte anbelangt, so erwähnt solche zwar schon Vitruv
(siehe S. 40), sagt aber nicht, dass man darin Feuer anzünden solle.
Bezüglich des Brunnenbohrers erinnern wir an die Skizzen von Erdbohrern,
die wir in Manuskripten Leonardo da Vingi's sahen (Fig. 115, S. 103 und Fig. 657
S. 444), hier aber finden wir einen Erdbohrer und seine Handhabung zum
ersten Mal genauer beschrieben.
Dass Mersenne schon im Jahre 1634 nach Heften, welche Studirende in
Galilei's Vorlesungen nachgeschrieben hatten, eine Uebersetzung veröffentlichte,
haben wir bereits erwähnt (siehe S. 506). Auch in seinen Cogitata physico-
mathematica ist Galilei's Lehre von der schiefen Ebene, dem Keile und der
Schraube, sowie dessen Festigkeitslehre wiedergegeben.
35^
Georg Philipp Harstörffer (1607-1658).
Wenn von Cornelius Drebbel's SchiflFahrt unter Wasser die Rede ist,
wird nicht selten Harstörffer als der Autor angegeben, welchem man die
Nachricht davon verdankt, obgleich er selbst auf Mersexne verweist.
Georg Philipp Harstörffer, ein Patrizier von Nürnberg, war daselbst am
1. November 1607 geboren. Er studirte zu Altdorf und Strassburg, reiste dann
in Frankreich, den Niederlanden und England und wurde nach seiner Rück-
kehr Beisitzer des Stadtgerichtes zu Nürnberg. In der deutschen Redekunst
besonders geübt, führte er in der „Fruchtbringenden Gesellschaft*' den Namen
des „Spielenden''. Er veröffentlichte eine grössere Zahl der verschiedenartigsten
Schriften^ wovon seine „Deliciae mathematicae et physicae oder Mathematische
und philosophische Erquickstunden", Nürnberg 1651, einiges Interesse für uns
haben. Aufgabe 9 im zehnten Theil dieses Werkes enthält die Mittheilung:
„Es hat allhier ein Zirkelschmied Hans H autsch einen Wagen mit vier Radeni
gemacht, der ohne Pferde hinter sich und vor sich gehen honnte. Viele haben es
als ein grosses Kunstwerk bewundert, sobald ich aber solchen gesehen, habe ich dem
Meister gesagt, wie es mit zwei inwendigen Rüdern gemacht sei, in welche die zwei
hintc^ren Räder cingezahnt seien. Wenn nun dieselben von einem darin verborgenen
Knaben herumgedreht werden, greift das Getriebe in einander und die hinteren Räder
treiben die vorderen.**
Aus JoH. Gabr. Doppelmayr's „Historischen Nachrichten von den Nürn-
berger Mathematikern und Künstlern" Nürnberg 1730, ist über Jon. Kautsch
noch beizufügen:
„Er war 1595 geboren, stellte 1640 eijien künstlichen Sessel her, auf dem
man l)ei geschwinder Umdrehung zweier Kurbeln, die auf beiden Lehnen angebracht
waren, sich in eincjm Zimmer sitzend fortsohieben konnte, wohin man wollte. Solche
Sessel kamen Leuten, die das Podagra hatten, bestens zu statten. — Diese Erfindung
gab ihm dann zu einer anderen grösseren Ausf ühnmg Anlass, indem er einen Wagen
mit vier Räder verfertigte, auf dem man ohne Pferd nur mit Hülfe eines in dem
Wagen verborgenen Räderwerkes, das durch etliche auch verborgene Menschen an-
getrieben wurde, auf der Strasse sich fahren lassen konnte, wohin man wollte. Mit
diesem Wagen legte er 1649 seine Proben in Nürnberg ab und gelangte in einer
Stunde 2000 Schritte weit. Dabei bestand seine eigene Thätigkeit niu* darin, dass
er den Wagen vermöge eines an der vorderen Axe angebrachten Stangenwerkes
Selbstfahrender Wagen/ Spieldosen, Webstühle, Dreschmühle, Seilbahn. 549
lenkte. Dann auch darin, das:^ er, wenn das Volk bei starkem Zulaufe den Fort-
gang des Wagens hemmte, einen an dessen Ende befindlichen Drachen durch einen
Druck Wasser ausspeien Hess und damit die Leute vertrieb, während zu noch
grosserer Belustigung des Publikums besagter Drache die Augen verdrehte und ein
paar Engel Posaunen aufhoben und darauf bliesen. Dieser 'Wagen wurde für
500 Thaler an den Prinzen Karl Gustav von Schweden verkauft und ein zweiter
dieser Art als Triumphwagen dem Könige von Dänemark geliefert."
ArVir haben bereits darauf hingewiesen, dass dies nicht der älteste selbst-
fahrende Wagen ist, von dem wir Kunde haben, wie vielfach angenommen wird.
(Siehe S. 424 unten.)
In Aufgabe 31, wo von Wellen und Walzen die Rede ist, wird gesagt:
„. . . . Macht man solche Wellen mit Schlägen, d. h. eingekeilten oder ein-
geleimten Zähnen, so dienen sie auf mancherlei Weise, und mit ihnen werden die
musikalischen Instrumentchen hergestellt, welche eine gewundene Feder, wie sie an
Bratenwendern zu sehen sind, treibt, wenn sie aufgezogen ist"
Hier sind ohne Zweifel Spieldosen gemeint. IIarstörffer fährt fort:
„Mit solchen Wellen versieht man auch die Webstühle zu gemustertem
und geblümtem Damast oder Bändern und hat der W^eber weiter keine
Mühe, als dass er den Eintrag durchschiesst , wird auch nicht müde, weil er nur
mit den Händen arbeitet. Es muss aber das Triebwerk mit einem Wasserrade oder
einem Windrade verbunden werden, wie dies in Holland gebräuchlich ist.
Auf diese Weise hat auch vor Jahren ein berühmter Künstler einen Dresch-
stadel* gemacht, in welchem sich die Dreschtenne hin und her bewegt, die Dresch-
flegel aber wechselsweise sich selbst so geschwungen und so gedroschen haben, dass
man nur unterlegen und aufsammeln durfte."
Eine ähnliche Dreschmaschine findet sich in Joh. Math. Bayer's
Theatnim Machinarum Molarium, Leipzig und Eudolstadt 1735, auf Taf. 42
abgebildet. Sie wird dort „Dreschmühle" genannt.
.Aufgabe 35 lautet:
„Berge mit leichter Mühe abzutragen. Adam Wybe von Harlem, ein
sehr kunstreicher Baumeister, hat zu Danzig einen grossen Berg, nächst der Stadt
gelegen, in folgender Weise abgetragen und in der Stadt zur Ausfüllung einer Bastei
gebraucht. Er machte ein langes Seil mit etlichen hundert kleinen Eimerlein, deren
jedes an einem Strange ungefähr einen Schuh lang herab und ebenso weit von dem
anderen entfernt hing. Dieses Seil war über mehrere Scheiben (fast wie sich die
Spule an einem Spinnrade dreht) gespannt und wurde von einem Pferde auf dem
Berge und von einem anderen in der Stadt getrieben. Wie nun drei Männer bestellt
waren, welche die Erdschollen auf dem Berge nach und nach in die Eimer füllten,
80 waren auch etliche andere in der Stadt, die solche im Laufe mnstürzten und
ausleerten und so wurde der Berg oder dessen Erde ohne Wunderwerk versetzt.
Weil hiervon ein Kupferblatt bei allen Kunsthändlern zu finden, beziehen wir uns
<larauf und häufen nicht die Figuren, deren es bereits viele geworden sind."
Wir müssen sehr bedauern, dass unser Autor auf die Beifügung einer
Abbildung dieser Seilbahn zum Erdtransport verzichtete.
Der neunte Theil des in Rede stehenden Werkes handelt von der „Feuer-
kxinst", und darin lautet Aufgabe 20:
„Die W^ärme von dem Rauche zu sondern. Dieses untersteht sich Fraxz
KÖ88LER in seiner „Holzsparkunst" zu leisten und zwar besteht die Kunst darin,
dass der Rauch schlangen weise geführt und die in dem gemeinen Ofen schnell hin-
5G0
Georg Phiiipp HaretOrffer.
\reg fliebeude Hitze also geleitet und gefangen wird, dRi^x nllo subtile Wäraie zurück-
bleibt und nur ein grober feuchter Rauch oben aus dem Loche heraus dämpft ....
Bei A (Fig. 826) ist der Asdienfall, S die Ocffnung, durch welche daa Feuer unter-
halten wir«!, C der Rost, worauf das Holz oder die Kohlen l>rennon und durch
welchen die Asche in den Raum A fällt 1) ist der Feuerraum, E der erste Zuft
wodurch sich der Rauch schwenken niusa und dann wieder bei i*' fr, während er bei
der Rauchröhre H austritt. Die Thürlein DFG dienen zum Säubern des Ofens.
Ausführlicheres ist in des beaagten Fbakz KOh»ler's „Holzsparkujist" zu leaeii,
welcher diese Erfindung auf vielerlei Weise verändert hat und iJ^t ein solcher Ofen
auf dem Ratlihause zu Augsburg zu sehen."
Die achte Aufgabe des dreizehnten Theiles enthält die Eingangs ervi-älinte
Mittheilnng über Drebbel's Schiffahrt unter Wasser. Üa wir aber nichts
Fig. m.
Neues daraus erfahren, wollen wir sie nicht hierher setzen. Die neunte Auf-
gabe lantet:
„Ohne Ruder und Segel zu schiffen. Auf der Insel Malm hat ein Ritter
unternommen, ohne Ruder und Segel auf den) Meere zu fahren und hat ein Schiff
mit zwei augebängten Wasserrädern, wie solche die Mühlen treiben, bauen lassen:
«uwäits in den doppelten Rädern gin<l zwei Männer gegangen, so dass sie solche
umgedreht und das Schiff fortbewegt haben. Mit diesem Schiffe kam er glücklich
aus dem Hafen, nicht ohne die Bewunderung Vieler. Als ihm aber in der offenen
See ein starker Wind entgegenkam, so dass die Wellen sich hoch erhoben und die
Räder zurücktrieben, ist er nicht ohne Gefahr wieder zurück in den Hafen geworfen
worden und hat es bei dem alten Bniucho verbleiben lassen."
Schiffe mit Ruderrädern (die hier durch zwei Treträder im Innern des
Schiffes bewegt wurden) waren zu damaliger Zeit nichts Neues. Wir erinnern
an die Skizze Fig. 332, S. 282 aus der Zeit der Hussitenkriege, in deren
Beschreibung gesagt wird, dass solche Schiffe, durch Menschenkraft betrieben,
nur auf stillen Wassern zu gebrauchen seien.
Zimmerofen mit Zfigen, Ruderräder, Baggermaschine. 551
In Aufgabe 12 spricht Harstörffer dann von der Amsterdamer Brunnen-
bohrung, welche Mersexke beschreibt (siehe S. 545), und die fünfzehnte Auf-
gabe lautet:
„Den Sand aus einem Schiffshafen zu räumen. Wie hinderlich zu
Zeiten rler Sand, welcher von den Meereswellen in die Schiffshäfen geführt wird, ist
allen Schiffern wohl bewusst. Solchem zu steuern, habe ich in Genua den hier bei-
gesetzten Schlamm- und Sandheber (Fig. 827) gcsi^hen und, so gut ich vermochte,
zu Papier gebracht. AB ist die Hauptstange mit dem scharfen Grundeisen, CD
sind die Hebschaufeln, welche durch die Ketten EJ, und wenn es von Nöthen ist^
mit dem Haspel F gegen einander gezogen werden. Dieser Sandheber wird zwischen
zwei Schiffen eingesenkt und der emporgezog(jne Sand in ein drittes Schiff geladen."
Wir erinnern an die Baggermaschinen von Lorixi und Verantr'S
(Fig. 291, S. 251 und Fig. 805, S. 527). die mit ähnlichen Zangen arbeiteten.
James Watt und die Erfindung der Dampfmasehine.
Vortrag am 9. Februar 1894 gebalten im Ortsgewerbeverein Darmstadt
Meine Herren! Wenn ich versuche, Ihnen die Lebensgeschichte eines
Mannes wahrheitsgetreu zu erzählen, der berufen war, durch seine Erfindungen,
insbesondere durch die wesentlichste Verbesserung der Dampfmaschine, einer
der grössten Wohlthäter der Menschheit zu werden, so geschieht dies vor-
nehmlich, weil ich glaube, dass es von Nutzen sein wird, in unserer Zeit, wo
so viele Erfinder sein möchten und von so vielen über das Kapital ge-
hässige Beden geführt werden, an einem klassischen Beispiele zu zeigen, was
es mit dem Erfinden für eine Bewandtniss hat, welche Bolle das Kapital bei
den Fortschritten der Menschheit spielt, und wie sehr der Erfolg einer Er-
findung von dem jeweiligen Entwickelungsstadium der Technik im Allge-
meinen abhängt.
James Watt wurde am 19. Januar 1736 zu Greenock in Schottland ge-
boren. Sein Grossvater, Sohn eines Landwirthes in der Grafschaft Aber-
deen, hatte sich zur Zeit der Bevolution unter Karl I. zu Cartsdyke, einem
Orte, der damals von Greenock getrennt war, jetzt aber damit vereinigt ist,
als Lehrer der Mathematik und Schifffahrtskunde niedergelassen, wurde 1688
zum Amtmanne ernannt und bald danach auch in den Kirchenvorstand ge-
wählt, zog sich im 70. Jahre von diesen Aemtem zurück und starb 1734 im
92. Lebensjahre.
Sein zweiter Sohn, James, der Vater des berühmten Erfinders wurde
1730 Zimmermann und Schiflsbauer in Greenock und kaufte nach seines Vaters
Tod ein Haus mit Grundstück an der dortigen Meeresbucht, wo er seine Werk-
stätte aufschlug.
Der damals noch sehr kleine Ort Greenock konnte jedoch einem thätigen
Manne in einem speziellen Fache keine genügende Beschäftigung gewähren.
Vielseitigkeit war geboten und deshalb wurden in der Werkstätte die ver-
schiedensten Dinge angefertigt, Möbel und Ausrüstungsgegenstände für SchifiFe,
Särge und Schiffs winden. Auch hielt James, der Vater, ein Lager von Flaschen-
zügen, Pumpen, Kanonenlafetten für Schiffe u. s. w., war Bauunternehmer,
Vorfahren und Kindheit. 553
Miteigenthümer verschiedener Schiffe und betheiligte sich gelegentlich an kauf-
männischen Spekulationen. Auch er wurde zu mehreren Vertrauensämtern
und zuletzt an die Spitze der Gemeindeverwaltung berufen.
Von seinen fünf Kindern verlor er drei in frühester Jugend, sein jüngster
Sohn kam auf einer Reise nach Amerika um. James, sein viertes Kind, war
das einzige, das ihm blieb, und dieses war von so zarter Konstitution, dass
es die sorglichste Pflege erheischte. Es konnte an den Spielen kräftiger
Knaben nicht theilnehmen und empfing daher seinen ersten Unterricht zu
Hause. Die Mutter lehrte ihn lesen und der Vater, um ihn zu unterhalten,
eiferte ihn an, mit Bleistift auf Papier oder mit Kreide auf den Fussboden
zu zeichnen, lehrte ihn rechnen, schreiben u. dergl. und gab ihm einige Werk-
zeuge, die er bald mit Geschicklichkeit gebrauchen lernte. Das Kind litt sehr
an Kopfschmerzen, die es oft wochenlang an das Zimmer fesselten.
Unter solchen Umständen ist es nicht selten, dass sich bei Kindern An-
zeigen von Frühreife bemerkbar machen. Man erzählt, einmal als sich der
Knabe mit einem Stück Kreide in der Hand über den Herd beugte, habe ein
Freund zum Vater gesagt: ;,Sie sollten das Kind in die Schule schicken und
nicht zugeben, dass es seine Zeit zu Hause vergeudet^. — „Sehen Sie erst
zu, womit mein Kind sich beschäftigt, ehe Sie es verurtheilen", sagte der
Vater. Und als man hinzutrat, gewahrte man, dass der sechsjährige James
mit Lösung einer geometrischen Aufgabe beschäftigt war.
Ein andermal soll er von einer Tante wegen seiner Faulheit getadelt
worden sein. ;,Jämes", soll sie gesagt haben, „ich sah noch niemals einen so
faulen Jungen, wie Du bist, nimm ein Buch und beschäftige Dich nützlich;
seit einer Stunde hast Du kein Wort gesprochen, sondern immer nur den
Deckel vom Theekessel genommen und ihn wieder daraufgesetzt, bald eine
Tasse und bald einen Löffel über den Dampf gehalten und die Tropfen gezählt,
in die er sich verwandelt.^ — In den Augen eines Arago und der meisten
späteren Biographen Watts wird hier der kleine James vor dem Theekessel
schon zu dem grossen Ingenieur, der sich auf die Entdeckungen vor-
bereitet, die ihn unsterblich machen sollten. Wahrscheinlich war aber das
Urtheil der Tante richtiger. Nichts kommt häufiger vor, als dass Kinder sich
mit ähnlichen Erscheinungen beschäftigen, wie die hier erwähnte. Wenn sie
z. B. Seifenblasen machen und ihr Aufsteigen in die Luft beobachten, bis sie
platzen, ist deshalb noch nicht anzunehmen, dass sie dabei an das Aufsuchen
der dieser Erscheinung zu Grunde liegenden physikalischen Gesetze denken.
Als James endlich in die Schule geschickt wurde, verursachte ihm dies
viele Leiden. Er fand sich unter den geräuschvollen Kameraden nicht heimisch,
besass weder Uebung im Auswendiglernen noch Selbstvertrauen, um sich vor
anderen bemerklich zu machen und galt daher für einen vernachlässigten,
dummen Jungen. Erst im dreizehnten oder vierzehnten Jahre, als er in die
mathematische Klasse gelangte, machte er rasche Fortschritte. Im vierzehnten
554 James Watt und die Erfindung der Dampfmaschine.
nahm ihn die Mutter einmal, einer Luftveränderung wegen, mit zu einer Ver-
wandten in dem benachbarten Glasgow, das damals noch ein kleines Univer-
sitätsstädchen ohne Fabriken war. Nach kurzer Zeit aber schrieb die Ver-
wandte an den Vater: ;,Ich kann die Aufregung nicht länger ertragen, in der
er mich hält und bin durch Mangel an Schlaf ganz erschöpft. Jeden Abend,
ehe wir zur Ruhe gehen, fängt er eine Unterhaltung mit mir an und erzählt
irgend eine packende Geschichte. Mag sie nun scherz- oder ernsthaft sein,
immer weiss er unser Interesse so zu fesseln, dass die ganze Familie ihm mit
angehaltenem Athem zuhört und Stunde auf Stunde unbeachtet verstreichen
lässf Diese Gabe, interessant zu erzählen, bewunderte später selbst
Walter Scott an ihm.
Zur Schule zurückgekehrt, ward er nun in der Mathematik der erste
seiner Klasse. In seinen freien Stunden zu Hause beschäftigte er sich mit
den um ihn her liegenden Werkzeugen und wusste so geschickt damit zu han-
tiren, dass die Arbeiter zu sagen pflegten: „Der kleine James hat ein Ver-
mögen in seinen Fingerspitzen. '^ Als alter Mann erinnerte er sich gern an
das Vergnügen, das er empfunden hatte, als er in Hemdärmeln arbeitend in
der Werkstätte seines Vaters stand. Eine kleine Schmiede und eine eigene
Werkbank wurden für ihn hergerichtet und er machte kleine Krahnen, Flaschen-
züge, Pumpen u. dergl. Was ihn aber am meisten anzog, war das Eepariren
mathematischer Instrumente, wie Quadranten, Schiffskompasse u. dergl.
Es war eine Eigenthümlichkeit, die ihn durch's ganze Leben begleitete, dass
er kein Instrument und keine Maschine ansehen konnte, ohne von dem Ver-
langen ergriffen zu werden, sie nach jeder Richtung zu verstehen.
Ehe er 15 Jahre alt war, hatte er die ^^Elemente der Physik'' von
s'Gravesande, ein Buch, das sein Vater besass, zweimal dorchstudirt, machte
kleine chemische Experimente und brachte eine Elektrisirmaschine zu Stande,
die seine Umgebung in Staunen versetzte. Doch trieb er auch botanische und
geologische Studien. Ueberhaupt war er ein Bücherverschlinger, der alles las,
was ihm in den Weg kam. Als ein Freund ihm rieth, er möchte mit mehr
Auswahl lesen, antwortete er: ;,Ich habe noch nie ein Buch gelesen, ohne
Belehrung oder Vergnügen daraus zu schöpfen.*
So kam die Zeit, wo James ein Geschäft erlernen musste. Sein Vater
hatte ursprünglich die Absicht gehabt, ihm einmal sein eigenes Geschäft zu
übergeben, aber da er durch den Untergang eines seiner Schiffe schwere Ver-
luste erlitten hatte und er die ausgesprochene Neigung seines Sohnes für
mathematische Instrumente kannte, beschloss er, diesen, als er 18 Jahre alt
war, nach Glasgow zu schicken, damit er dort die Verfertigung solcher In-
strumente erlerne. Als er dort hinkam, um einen Meister dieser Kunst zu
suchen, fand sich aber, dass keiner da war. Es gab nur einen Mann in der
Stadt, der sich Optiker nannte. Er war ein Tausendkünstler, machte Zeichen-
werkzeuge, Fischangeln, Brillen und Geigen. Auch stimmte er Klaviere. Ob-
Lehrzeit, Feinmechanikergeschäft in Glasgow. 555
gleich er alles geschickt anzugreifen wusste, stellte sich doch bald heraus, dass
durch seine Lehre das vorgesteckte Ziel nicht erreicht werden konnte.
Unter den Herren, bei denen der junge Watt in Glasgow eingeführt
war, war Dr. Dick, Professor der Universität. Dieser empfahl ihm dringend,
sich nach London in die Lehre eines richtigen Meisters zu begeben. Sein
Vater war einverstanden und mit einem Empfehlungsbriefe vom Herrn Pro-
fessor in der Tasche, machte er sich auf den Weg nach der grossen Stadt.
Eine Postkutsche dahin gab es damals noch nicht, und man beschloss,
er solle dahin reiten, während sein KoflFer per Schiflf geschickt wurde. Er
reiste in Begleitung eines verwandten Kapitäns, dessen Schiff auf der Themse
lag. Sie ritten am 7. Juni 1755 von Glasgow weg und kamen nach 12
Tagen glücklich in London an.
Watt suchte sofort nach einem Meister; allein es war Zunftregel, dass
ein Lehrling der Feinmechaniker sieben Jahre lang lernen müsse. Das würde
dem jetzt wenig bemittelten Vater zuviel Geld gekostet haben und James jun.
hatte auch gar nicht den Ehrgeiz, Geselle zu werden; sein Plan war, das Ge-
schäft in möglichst kurzer Zeit zu erlernen, um es dann in Glasgow selbst-
ständig zu treiben. Er suchte Wochen lang vergebens und bot zuletzt einem
Uhrmacher seine Dienste gratis an, der ihn mit Metallgraviren beschäftigte.
Auch hierbei muss er Proben besonderer Geschicklichkeit abgelegt haben, denn
nach kurzer Zeit gelang es ihm, einen geeigneteren Platz bei einem respek-
tablen Mechaniker Namens Morgan zu finden, der es gegen unentgeltliche
Arbeit und Zahlung eines Lehrgeldes von 20 i? = 400 Mark übernahm, ihn
ein Jahr lang zu unterrichten. James erwies sich als ein sehr gelehriger Schüler.
Nach einem Monate war er schon im Stande, einen Quadranten besser zu
machen, als irgend ein anderer Lehrling und nach einem Jahre schrieb er an
seinen Vater, er habe einen messingenen Sektor mit französischem Scharnier
gemacht, was für eine der schwierigsten Arbeiten seines Faches gehalten werde.
Er sprach die HoflFnung aus, bald im Stande zu sein, sein Brot durch eigener
Hände Arbeit zu verdienen. Um dem Vater seinen Unterhalt zu erleichtem,
lebte er sehr sparsam und verbrauchte nur acht Schillinge die Woche. Auch
suchte er durch Privatarbeiten etwas zu verdienen, und wenn er solche fand,
benutzte er die Nächte zu deren Ausführung. Es zeigte sich aber bald, dass
er seinem von Natur zarten Körper zuviel zumuthete. Wenn er Abends er-
müdet nach Hause ging, zitterten seine Hände, wie die eines alten Mannes,
und da sein Platz in der Werkstätte nahe bei der Thüre war, die oft geöffnet
wurde, stellten sich im Winter rheumatische Schmerzen und ein heftiger Husten
ein. Grosse Niedergeschlagenheit befiel ihn, und mit seines Vaters Genehmi-
gung beschloss er, nach Hause zurückzukehren, um in der heimathlichen Luft
Genesung zu suchen. Sein Vater sandte ihm noch das Geld, um einige für
sein Geschäft nöthige Werkzeuge und Materialien und ein Werk über die
Konstruktion mathematischer Instrumente zu kaufen, und nachdem er dies
556 James Walt und die Erfindung der Dampfmaschine.
gethan, reiste er- nach Schottland und erreichte Greenock im Herbste 1756.
Dort befestigte sich seine Gesundheit bald wieder soweit, dass er zur Arbeit
zurückkehren konnte und, zwanzig Jahre alt, ging er nach Glasgow, um mit
dem Beistande seines Vaters selbständig ein Geschäft zu errichten. Allein
hier stellten sich ihm ähnliche Schwierigkeiten entgegen, wie in London. Ob-
gleich es keinen Verfertiger mathematischer Instrumente in der Stadt gab und
man froh hätte sein sollen, dass ein so geschickter Mechaniker sich dort nieder-
lassen wollte, erhob die Zunft der Schmiede Einspruch, weil er weder ein
Bürgersohn sei, noch eine Lehre in der Stadt bestanden habe. Solcher Art
waren die Gepflogenheiten der damaligen Zünfte. Die darin waren, boten
Alles auf, um Andere auszuschliessen. Watt war jedoch von Dr. Dick, dem
Professor der Physik, bereits beauftragt worden, einige mathematische Instru-
mente der Universität zu repariren. Und da die Professoren auf dem Areal
des Universitätsgebäudes unbedingtes Verfügungsrecht hatten, wurde ihm im
Sommer 1757 ein bescheidener Kaum im Universitätsgebäude angewiesen, wo
er seine Werkstätte einrichten durfte. Auch richtete man ihm einen nach der
Strasse hin gelegenen Raum als Verkaufsladen ein.
Obgleich Watt wenig Bedürfnisse hatte und sehr sparsam lebte, konnte
er doch seinen Unterhalt hier nicht vollständig erwerben. Sein Vater schickte
ihm von Zeit zu Zeit Unterstützungen, aber wegen der Verluste, die er erlitten
hatte, fiel es ihm schwer.
Nach einem Jahre schrieb der Sohn an den Vater: „Ausser mit Hadley's
Quadranten ist wenig zu verdienen. Da ich bei anderen Arbeiten fast alles
selbst machen muss und man nicht in allem erfahren sein kann, kosten sie
mich oft zu viel Zeif Für die Welt war das vielleicht gut. Hätte sein
Instrumentenmachergeschäft prosperirt, so würde W^att wohl als ein guter
Quadrantenmacher bekannt geworden sein, aber nicht als Erfinder der
Kondensationsdampfmaschine. Dadurch, dass sein eigentliches Geschäft nicht
prosperirte, war er gezwungen, andere Ziele zu verfolgen, was ihn schliesslich
zu der Erfindung brachte, die ihm unsterblichen Ruhm verschaffte.
Zunächst verwandte er einen Theil seiner freien Zeit auf physikalische
und chemische Experimente, aber da sie ihm nichts eintrugen, war er genöthigt,
nach einem Artikel zu suchen, wofür er Abnehmer finden konnte. Obgleich
er kein musikalisches Gehör hatte und fast keine Note kannte, folgte er dem
Beispiele seines ersten Lehrmeisters und machte Geigen, Flöten und Guitarren.
Sein Freund, Professor Dr. Black bestellte, um ihm einen Verdienst zuzuwenden,
eine Drehorgel bei ihm. Sofort studirte er die Harmonielehre von Dr. Smith
in Cambridge, machte dann ein Modell und baute danach eine Orgel, die
sehr gut befunden wurde. Dies ermuthigte ihn, nun auch die Bestellung einer
Tastenorgel für die Freimaurerloge zu übernehmen. Watt war, wie er selbst
zu sagen pflegte, immer mit den Arbeiten anderer sowohl, wie mit seinen
eigenen unzufrieden und sann auf Verbesserungen. So brachte er auch mehrere
Kenntnisse und Charakter Watt's. 557
an dieser Orgel an, und als sie fertig war, erregte sie die Bewundenirg der
Musiker.
Was ihm bei solchen Arbeiten von freier Zeit übrig blieb, verbrachte er
mit Lesen. An Büchern fehlte es ihm nicht, da er die Universitätsbibliothek
benutzen durfte und sowohl Professoren als Studirende ihm gern ihre Bücher
liehen. Alle wurden durch die geistreichen Instrumente und Modelle in seiner
Werkstätte und seinem Laden, sowie durch seine leicht dahinfiiessende, be-
scheidene und originelle Unterhaltung angezogen, und obgleich er noch sehr
jung war, baten doch die Professoren bei allen mechanischen Fragen um seinen
Rath. Die Schärfe seiner Beobachtung, die Gründlichkeit seiner Kenntnisse
und die Bereitwilligkeit, womit er sie anderen mittheilte, erwarben ihm die
allgemeine Zuneigung.
Von den Freunden Watt's ist keiner so eng mit seiner Lebensgeschichte
verbunden, als John Bobison, der damals in Glasgow studirte und nachher
Professor der Physik in Edinburg wurde. Er hat seine erste Begegnung mit
Watt beschrieben. Nachdem er die schon gearbeiteten Instrumente in dessen
Laden mit Vergnügen betrachtet hatte, imterhielt er sich mit ihm. Er hatte
geglaubt, zu einem einfachen Handwerker zu sprechen und war erstaunt,
in ihm einen Gelehrten zu finden. „Ich war eitel genügt, sagt Robisox,
^zu glauben, dass ich in dem Studium der Mathematik und Mechanik weit
gekommen sei und war schmerzlich berührt, zu sehen, dass Watt viel mehr
wusste, als ich. Aber seine Freude an solchen Dingen Hess ihn ein Geplauder
darüber mit Jedem geniessen und mit angeborener GefäUigkeit ertrug er
meine Neugierde und ermuthigte mich, einen intimeren Verkehr mit ihm an-
zuknüpfen. Ich verbrachte viele müssige Stunden bei ihm und war ihm gewiss
oft lästig." Ein andermal sagte er von Watt: ,.Ich habe viel von der Welt
gesehen und muss bekennen, dass mir niemals eine zweite Person vorgekommen
ist, deren Ueberlegenheit Alle anerkannten und der sie doch so auf-
richtig zugethan waren. Denn seine Ueberlegenheit war unter der
liebenswürdigsten Aufrichtigkeit und der bereitwilligsten Anerkennung
der Verdienste Anderer verborgen. Er war stets bereit, dem Scharfsinne
eines Freundes Dinge zuzuschreiben, die nur Ausarbeitungen seiner
eigenen Andeutungen waren. Ich bin berechtigt, dies zu sagen, weil ich es
oft an mir selbst erfahren habe."
Es war im Jahre 1759 als Roblsox zuerst die Aufmerksamkeit des
23jälirigen Watt auf die Dampfmaschine lenkte. Robisox hatte die Idee,
einen Wagen durch eine Dampfmaschine zu bewegen. Watt giebt zu, dass
er damals sehr wenig von Dampfmaschinen wusste, doch machte er ein Modell
von Weissblech nach Robison's Idee. Da dieses den Erwartungen nicht ent-
sprach und Robisox noch in demselben Jahre Glasgow verliess, wurde der Plan
nicht weiter verfolgt. Da aber Dr. Black, Professor der Chemie, zu jener
Zeit Studien über Wasserverdampfung machte und sich oft mit Watt unter-
558 James Watt und die Erfindung der Dampfmaschine.
hielt, wurde dessen Aufmerksamkeit immer wieder auf diesen Gegenstand ge-
gelenkt. Auch wurde um jene Zeit auf der Govan-Kohlengrube bei Glasgow
eine NEWCoiiEx'sche Dampfmaschine, die zweite in Schottland, aufgestellt,
was Watt wohl erfahren haben dürfte. Er hatte noch nie eine solche
Maschine gesehen; fand jedoch heraus, dass die Universität ein Modell von
einer besitze, das zur Reparatur nach London geschickt, aber nicht zurück-
gekommen war. Er stellte dem Professor der Naturwissenschaften vor, wie
wünschenswerth es sei, das Modell zurückzuerhalten und diesem wurde von
dem Senate eine Geldsumme bewilligt, um es auszulösen und kommen zu lassen.
Bei der NEWCOMEN-Dampfmaschine, die nur zum Auspumpen des Wassers
aus Bergwerken diente und keine drehende Bewegung erzeugte, wurde Dampf
ohne Ueberdruck in einem besonderen Kessel erzeugt, gelangte durch ein
kurzes Rohr mit Ventil in einen darüberstehenden Cylinder unter den darin
beweglichen Kolben. Die Kolbenstange war nach oben durch eine Kette mit
einem hölzernen Balancier verbunden, an dessen anderem Ende das Pumpen-
gestänge hing, durch welches das zu fördernde Wasser gehoben wurde. Sobald
der Dampf unter den Kolben trat, senkte sich das Pumpengestänge durch
sein Uebergewicht und der Kolben gelangte in seine höchste Stellung,
dann wurde kaltes Wasser unter dem Kolben in den Cylinder eingespritzt.
Der Dampf kondensirte sich und in Folge der dadurch entstehenden Luft-
leere unter dem Kolben drückte die äussere Luft diesen nieder und ver-
richtete dabei die gewünschte Arbeit. Der Kolben bestand aus einer runden
Scheibe von Eisen. Auf dieser lag ein Lederring, der sich mit seiner äusseren
Kante an der Cylinderwandung rieb und durch einen aufgeschraubten Eisen-
ring festgehalten wurde. Wegen der Mangelhaftigkeit dieser Dichtung wurde
der Kolben mit einer Wasserschichte bedeckt, und soviel von dem Wasser
zwischen dem Kolben und der Cylinderwandung durchdrang, durch neues er-
setzt. Auf weitere Details der Maschine brauchen wir uns hier nicht ein-
zulassen.
Bis das Modell von London ankam, suchte Watt kennen zu lernen, was
über Dampfmaschinen geschrieben worden war und fuhr mit eigenen
Experimenten über diesen Gegenstand fort. Seine ersten Versuchsapparate
waren von der allereinfachsten Art. Im Jahre 1761 experimentirte er mit
einem kleinen Papinianischen Topfe als Dampfkessel und einer Heberröhre mit
Kolben und Hahn, und es gelang ihm, mit diesem rohen Apparat, einige wich-
tige Thatsachen festzustellen, die zur Konstruktion einer Hoch druckdampf-
maschine vielleicht genügend gewesen wären, doch war die Herstellung von
Hoch druck -Dampfkesseln bei dem damaligen Stande der Technik zu ge-
fährlich. Aus diesem Grunde und weil der Betrieb mit hochgespanntem
Dampf theurer erschien, als mit solchem von geringer Spannung, wurde der
Plan einstweilen aufgegeben. Endlich im Jahre 1763 kam das Modell von
London an. Sein Kessel war etwas kleiner als ein gewöhnlicher Theekessel,
Newcomen's Dampfmaschine. Studien an dem Modell der Universität. 559
der Kolben hatte 2" Durchmesser und 6" Hub. Es genügte jedoch, um Watt
auf eine Fährte des Nachdenkens zu bringen, die zu den wichtigsten Resul-
taten führte. Als er es reparirt und in Gang gesetzt hatte, fand er, dass der
Kessel nicht genug Dampf liefern konnte und die Maschine deshalb nach
wenigen Kolbenhüben zum Stillstand kam, auch wenn man das Feuer noch so
heftig anblies. Gerade dieser Umstand, der einen anderen abgeschreckt haben
würde, und der auch wohl dem Londoner Mechaniker zu viel Schwierigkeit
gemacht haben mag, regte Watt aufs Stärkste an.
Professor Robison sagt: ;,Jedes Ding war für ihn der Anfang eines
ernsten Studiums, und ich wusste, dass er nicht davon ablassen würde,
bis er entweder seine Nutzlosigkeit bewiesen, oder etwas daraus gemacht
haben würde. '^
Watt zog seine Bücher zu Rath, um festzustellen, wie er das Modell
verbessern könne, aber sie gaben keine Auskunft. Darauf begann er mit
einer Reihe selbständiger Experimente, um die Aufgabe zu lösen. Dabei fand
er, dass eine gewisse Gewichts-Menge Dampf von 80® Temperatur eine 6 mal
so grosse Wassermenge, die zum Zwecke der Kondensation in den Cylinder
gespritzt wurde, auf dieselbe Temperatur von 80** erwärmte. Watt sagt:
„Ueberrascht durch diese Thatsache, die ich mir nicht erklären konnte, sprach
ich mit meinem Freunde Dr. Black darüber, der mir darauf seine Lehre von
der latenten Wärme auseinandersetzte und behauptete, dass er sie mir früher
schon einmal erklärt hätte. Aber ich hatte, da ich zu sehr von meinen Ge-
schäftsangelegenheiten in Anspruch genommen war, wenn ich es überhaupt
gehört hatte, nicht darauf geachtet, bis ich nun auf eine Erscheinung stiess,
wodurch diese schöne Theorie unterstützt wird."
Als Watt so gefunden hatte, dass Dampf gleichsam ein Reservoir für
Wärme bildet, war er umsomehr bestrebt, sparsam damit umzugehen. An
dem Modell vergrösserte er zunächst die Heizfläche des Kessels und umkleidete
alles soviel wie möglich mit schlechten Wärmeleitern, aber ohne genügenden
Erfolg. Er fand, dass der gross te Wärmeverlust durch die Wiedererwär-
mung des Cylinders entstand, worin der Dampf durch kaltes Wasser
kondensirt wurde und dass */5 des einströmenden Dampfes sich hier kondensirte,
ehe der Rest auf den Kolben wirkte. Er erkannte es daher als erstes Er-
fordemiss einer vollkommenen Dampfmaschine, dass der Cylinder immer
so warm bleiben müsse, wie der eintretende Dampf. Aber ebenso
nothwendig war, dass der Dampf, um sich vollständig zu kondensiren, auf
weniger als 30® R. abgekühlt würde. Diese Bedingungen gleichzeitig zu
erfüllen, erschien anfangs unmöglich.
Wir müssen für einen Augenblick die Weiterentwickelung von Watt's Fein-
mechanikergeschäft betrachten. Sein Laden in dem Universitätsgebäude erwues
sich als zu abgelegen. Einen besser gelegenen Laden zu miethen, überstieg
seine Geldmittel. Er associrte sich daher um 1760 mit einem Mr. Craig, der
TjGO James Watt und die £i findung der Dampfmaschine.
die Gescliäftsbüclier führte und Ende 1764 hatte sich das Geschäft so ver-
grössert, dass es 16 Arbeiter beschäftigte und Watt etwas Geld zurücklegen
konnte. In diesem Jahre verheirathete er sich und das heitere Temperament
seiner Frau hatte auf ihn, der oft an nervösen Kopfschmerzen litt und zur
Melancholie hinneigte, einen wohlthätigen Einfluss.
Er setzte seine Studien über die Dampfmaschine fort, vernachlässigte
aber sein eigentliches Geschäft nicht. Er erfand ein Instrument zum perspek-
tivischen Zeichnen, wovon er viele Exemplare absetzte. In Betreff der Dampf-
maschine tappte er (um seine eigenen Worte zu gebrauchen) lange Zeit im
Dunkeln, von vielen Irrlichtem irre geleitet. Endlich wurde es Licht. In
einem Briefe erzählt er:
„An einem schönen Sonntag Nachmittag ging ich ' spazieren. Ich dachte
über meine Maschine nach und mir kam der Gedanke, dass der Dampf als
elastischer Körper in einen luftleeren Baum rasch einströmen würde. Wenn
daher zwischen dem Dampfcylinder und einem luftleer gemachten Gefass eine
Verbindung hergestellt würde, so würde er rasch hineinströmen und darin
kondensirt werden können, ohne dass der Cylinder abgekühlt würde.
Ich sah dann ein, dass ich den kondensirten Dampf und das Einspritzwasser,
ebenso wie bei der Xewcomen-Maschine, wegschaflen müsse, und es kamen
mir zwei Wege in den Sinn. Erstlich könne das Wasser durch eine Röhre
abfliessen, wenn der AusHuss in einer Tiefe von 35 bis 36' erfolgen könne
und etwaige Luft könne dann durch eine kleine Pumpe entfernt werden.
Der zweite Weg war, eine Pumpe zu machen gross genug, um das Wasser
mit der Luft zusammen herauszuschaffen. Ich war noch nicht viel weiter
gegangen, als die Sache in meinem Geiste feststand."
Grosse fruchtbringende Gedanken scheinen nachträglich immer so ein-
fach, dass wir geneigt sind, uns darüber zu wundem, dass sie nicht sc^Ieicli
gefunden wurden. Watt in seiner Bescheidenheit sagte in späteren Jahren
selbst, wenn man die Sache näher betrachte, sei seine Erfindung nicht so gross,
wie es scheine. Die Nachwelt ist gerechter gegen ihn gewesen. Seine epoche-
machende Erfindung war keine zufälligeEntdeckung. sondern die Frucht
eingehender Studien und angestrengtesten Nachdenkens.
Am anderen Morgen begann er, einen Versuchsapparat zu machen
und dieser bewies die Bichtigkeit seiner neuen Idee, aber viele arbeitsvoUe
Jahre sollten noch vergehen, bis alle Details seiner Kondensationsdampfmasdiizie
gehörig ausgearbeitet waren.
Watt sah femer ein, dass bei der NEWCOMEX-Maschine auch die de:
Kolben niederdrückende Luft dazu beitrag, den Cylinder abzukühlen. Um dies
zu vermeiden, versah er den Cylinder mit einem Deckel, um den Ko'.ben äz>
statt durch atmosphärische Luft, durch Dampf niederdrücken zu lasser.
War dies geschehen, so wurde eine Verbindung zwischen den Räumen cbfr
und unter dem Kolben hergestellt, so dass der Dampfdruck mm au beiden
Fundamentalsatz, die ersten Verbesserungen. i>Cl
Seiten des Kolbens gleich war, und das üebergewicht des Pumpengestänges
den Kolben hob. Alsdann wurde der nun unter dem Kolben befindliche Dampf
in den Kondensator gelassen und neuer Dampf über dem Kolben aufgegeben,
der den Kolben wieder niederdrückte. Aus der atmosphärischen Maschine
Newcomen's wurde dadurch eine einfach wirkende eigentliche Dampfmaschine,
bei der der Dampfdruck jedoch vorerst nicht grösser war, als der der atmo-
sphärischen Luft.
Endlich, um den Cylinder noch besser vor Abkühlung zu schützen, brachte
Watt einen Dampfmantel an, d. h. er machte den Cylinder doppelwandig und
Hess zwischen die beiden Cylinderwände Dampf einströmen. Auch brachte er
zum Schmieren und völligen Dichten des Kolbens Oel in den Cylinder, wäh-
rend Newcomen zu diesem Zwecke Wasser angewendet hatte.
Alle diese Verbesserungen resultirten aus dem einen Grundsatze: Die
Cylinderwandung muss auf der Temperatur des einströmenden
Dampfes erhalten werden. Bekanntlich sind die allerneuesten so-
genannten Compound-Dampfmaschinen auch nur durch eine weitere Verfolgung
dieses ersten WATT'schen Grundsatzes entstanden.
Zunächst musste nun ein Modell von der neu erdachten Maschine gemacht
nnd diese Arbeit möglichst geheim gehalten werden, um Nachahmungen vor-
zubeugen. Watt miethete einen Kellerraum, in dem er eifrigst ans Werk
ging. Aber wie den meisten erfinderischen Köpfen war ihm, was er gemacht
hatte, immer nicht gut genug und das verzögerte die Fertigstellung. Anderen-
theils konnte er keine geeigneten Arbeiter zur Ausführung seiner Pläne finden.
Er selbst war Feinmechaniker und konnte mit mechanischen Arbeiten im
Grossen nicht umgehen. Die einzigen Arbeiter, deren Hilfe er in Anspruch
nehmen konnte, waren Schmiede, Schlosser tmd Spengler von geringer Geschick-
lichkeit. Das erste Modell war deshalb sehr mangelhaft, doch genügte es,
die Ueberlegenheit der neuen Konstruktion erkennen zu lassen. Watt musste
die Sache weiter verfolgen. Er schrieb um diese Zeit an einen Freund: „Alle
meine Gedanken sind nur auf diese Maschine gerichtet, ich kann nichts
anderes denken.'^
Er miethete nun auf einem abgelegenen Terrain eine verlassene Töpferei
und schloss sich dort mit einem Assistenten, John Gardiner, ein, um eine
Versuchsmaschine von 5 bis 6" Cylinderdurchmesser und 2' Hub zu bauen.
Nach zwei Monaten angestrengter Arbeit war sie fertig und wurde in Gang
gesetzt, zeigte sich aber überall undicht. Der Cylinder war nicht ausgebohrt,
sondern nur aus Blech gehämmert. Die gesammte mechanische Künstlerschafb
Glasgow's war damals nicht im Stande, den einfachsten Cylinder auszubohren,
Newcomen's Wasserdichtung aber konnte in dem geschlossenen Dampfcylinder
nicht angewendet werden, zumal er heiss bleiben sollte. — Während Watt
auf neue Mittel sann, um diesen Uebelständen abzuhelfen, starb sein geschick-
tester Arbeiter, ein alter Spengler. Doch war er entschlossen, weiter zu arbeiten.
36
562 James Watt und die Erfindung der Dampfmaschino.
Aber wo sollte er Mittel dazu finden? Er selbst war ein verhältniss-
mässig armer Mann und hatte schon zu viel auf seine Versuche verwendet.
Sein Freund Dr. Black interessirte sich zwar lebhaft hierfür und hatte ihm
schon öfters mit kleinen Summen ausgeholfen, aber auch seine Mittel waren
zu beschränkt, um mehr thun zu können. Black dachte darüber nach, ob er
Watt nicht einen geeigneten Associe verschaffen könne und glaubte endlich
in Dr. Roebuck, dem Gründer der Carron-Eisenwerke die richtige Person hier-
für gefunden zu haben. Dieser betrieb eine Kohlengrube, bei der er bedeutende
Schwierigkeiten hatte, das Wasser fem zu halten. Eine NEWCOMEX-Maschine,
die er aufgestellt hatte, hatte sich als ziemlich nutzlos erwiesen. Als ihm
daher Dr. Black von Watt's verbesserter Dampfmaschine sprach, interessirte
er sich sehr dafür und begann mit Watt zu korrespondiren, indem er ihn
ermahnte, seine Erfindung so rasch als möglich vorwärts zu bringen. Im
November 17G6 schickte ihm dieser detaillirte Zeichnungen von einem Dampf-
cylinder und Kolben, die auf den Carron-Eisenwerken gegossen werden sollten.
Sie wurden so gut gemacht, wie es auf dem Eisenwerke nur möglich war,
und mussten doch als unbrauchbar beiseite gelegt werden.
Um diese Zeit schrieb Matthew Boulton von Birmingham an Dr. Roe-
buck und erkundigte sich über Dampfmaschinen.
Birmingham ist ein uralter Sitz der Eisen- und Metallindustrie. Schon
1538 werden seine Messer- und Nagelschmiede rühmend erwähnt. Als die
Geschicklichkeit der Arbeiter wuchs, gab man die gewöhnlichen Schmiede-
arbeiten auf und wandte sich feineren Metallarbeiten zu. In der Zeit, wo-
von wir reden, war diese Geschicklichkeit seit Jahrhunderten vom Vater
auf den Sohn vererbt und ausgebildet worden. An keinem anderen Orte
waren Leute zu finden, die so fähig gewesen wären. Neues richtig auszu-
führen.
Matthew Boulton, geboren 1728, dessen Vater ein Metall waarengeschäft
betrieb, führte schon in seinem 17. Lebensjahre wesentliche Verbesserungen in
der Fabrikation von Metallknöpfen, Uhrketten u. dergl. ein, worauf ihn sein
Vater als Geschäftstheilhaber annahm. Er war stets bestrebt, nur vorzüg-
liche Fabrikate zu liefern und das damals zweifelhaft gewordene Renomme
der Birminghamer Waaren zu heben. 1759 starb sein Vater und hinterHess
ihm ein beträchtliches Vermögen, auch heirathete er eine reiche Dame, so
dass er nicht mehr nöthig gehabt hätte, ein Geschäft zu treiben. Aber er
fand sein Vergnügen in rastloser Thätigkeit und nahm sich vor, sein Geschäft
zu dem ersten seiner Zeit zu erheben. Zu diesem Zwecke kaufte er das
Landgut Soho, zwei englische Meilen nördlich von Birmingham und errichtete
dort seine Fabrik in grossem Massstabe. Er nahm einen Theilhaber, John
FoTHERGiLL, der nur wenig Vermögen hatte, nur wegen seiner Kenntniss aus-
ländischer Märkte an. Sein Geschäft wurde bald durch solide Arbeit und
als Stätte wahrer Kunstindustrie weit berühmt. 1770 beschäftigte er 700 bis
Dr. Roobuck, Mattbuw ßoulton, Dr. Small. 5G3
800 Arbeiter und zwei Wassermühlen zum Walzen, Drehen, Poliren und Schleifen.
Die vornehmsten und berühmtesten Männer aus allen civilisirten Staaten besuchten
das Etablissement imd wurden von Boulton stets glänzend bewirthet. Es
scheint jedoch, dass er sein Geschäft zu rasch ausdehnte, denn schon 1772
als ein Herr Tonson in London starb, der ihm 10000 SS (d. s. allerdings
200000 M.) geliehen hatte, fiel es ihm schwer, diese zurückzuzahlen.
Bei dem Anwachsen des Geschäftes erwies sich die vorhandene Wasser-
kraft als ungenügend. Sechs bis zehn Pferde wurden zur Beihülfe eingestellt,
aber man fand ihre Verwendung sehr unbequem. Im Februar und März 1766
korrespondirte deshalb Boultox mit Benjamin Franklin, der acht Jahre zuvor
seine Fabrik besucht hatte und sich zu jener Zeit in London befand, über
Dampf kraft, fertigte auch ein Modell von einer Dampfmaschine nach seiner
eigenen Idee an und sandte es an Fhaxklin zur Prüfung. Unter Anderen
schrieb er auch um diese Zeit an Dr. Roebuck und richtete die vorhin er-
wähnte Anfrage an ihn, worauf er Nachriclit von Watt's Erfindung erhielt
und den Wunsch äusserte, dass dieser ihn besuchen möge.
Watt hatte inzwischen seinen Theilhaber im Feinmechanikergeschäfte
verloren. Dieses war zurückgegangen, und um den Unterhalt für seine Familie
zu erwerben, entschloss er sich, es ganz aufzugeben, und als Geometer und
Civilingenieur sein Brod zu erwerben. Er erhielt als solcher auch Auf-
träge, sowohl von der Gemeinde, als von Privaten. Unter anderem arbeitete
er das Projekt zu einem Kanäle zwischen den Flüssen Clyde und Forth aus
und reiste in dieser Angelegenheit 1767 nach London. Auf der Rückreise
besuchte er Soho.
Boulton war gerade abwesend, aber Dr. Small, der sich als praktischer
Arzt in Birmingham niedergelassen und grossen Ruf erlangt hatte, zeigte ihm
die Werke. Watt war erstaunt über deren Einrichtungen und erkannte das
grosse Organisationstalent ihres Besitzers. Auch überzeugte er sich von
der Ueberlegenheit der Arbeiter im Vergleiche zu denen in Glasgow.
Eine Unterhaltung über Dampfkraft muss zwischen ihm und Dr. Small auch
stattgefunden haben, denn dieser schrieb kurze Zeit darauf an ihn und forderte
ihn auf, nach Soho zu kommen und sich mit ihm und Boulton zum Zwecke
der Fabrikation von Dampfmaschinen zu associren. Vermuthlich war dies die
Veranlassung dazu, dass Dr. Roebuck seinem Birminghamer Korrespondenten
zuvorkam. Er zahlte die Schulden, die Watt zur Ausarbeitung seines Projekts
bis dahin gemacht hatte, im Betrage von 1000 äS und versprach, ihn auch
mit den nöthigen Mitteln zur Fortsetzung seiner Versuche und zur Er-
langung des Patentes für die Maschine zu versehen, wofür ihm von Watt
zwei Drittel des Eigen thumsrechtes daran zugesagt wurden.
Zu Anfang des Jahres 1768 machte dieser Versuche mit einem Modell
von 7 bis 8" Cylinderdurchmesser, aber die Resultate waren zunächst unbe-
friedigend.
36*
564 James Watt und die Erfindung der Dampfoiaschioo.
Dr. Roebuck wurde ungeduldig. Nach etwa einem Monate gelang es
Watt, das Modell dahin zu bringen, dass es zu seiner Zufriedenheit aibeitete,
und er theilte dies seinem Theilhaber mit den Worten brietiich mit: „Ich
gratulire Ihnen von Herzen zu diesem guten Erfolge und hoflfe, dass er Ihnen
Erfüllung der Verbindlichkeiten bringen wird, die ich gegen Sie habe." Beide
beschlossen nun, sofort ein Patent zu nehmen. Watt reiste nach Berwick,
um bei dem zuständigen Beamten die nöthigen Erklärungen zur Erlangung
eines vorläufigen Schutzes abzugeben und im August 1768 finden wir
ihn in London zur Betreibung seiner Patentangelegenheit. Die vielen For-
malitäten, die hier erfüllt und die hohen Spesen, die bezahlt werden mussten,
erschöpften seine Geduld und er schrieb in der melancholischsten Stimmung
an seine Frau. Diese aber antwortete : „Ich bitte Dich, mache Dir keine
Sorgen, wenn auch die Dinge nicht so gehen, wie Du es wünschst. Geht's
mit der Maschine nicht, so wird es mit etwas Anderem gehen. Nur ver-
zweifle nicht!"
Er empfing auch einen Brief von Dr. Small, der ihm schrieb: „Nehmen
Sie Ihr Patent, kommen Sie nach Birmingham und bleiben Sie da, so lang
Sie können." Dieser Einladung leistete er Folge und sah zum erstenmal
BouLTON. Beide fassten sofort eine herzliche Zuneigung zu einander, sie
sprachen viel über die Maschine, und es freute Watt, dass ein so scharf-
sinniger praktischer Fabrikant sich günstig darüber aussprach. Trotz alledem
konnte er seine Muthlosigkeit nicht abschütteln und nahm sie mit nach Hanse.
Als kurz darauf Dr. iloBisox nach Soho kam, sagte Boulton zu ihm, wenn er
auch angef^ingen habe, eine Pumpmaschine zu konstruiren, so sei er doch ent-
schlossen, damit nicht fortzufahren, bevor der Erfolg oder Misserfolg von
Watt und Roebück's Maschine erwiesen sei. ;,Wenn ich meine projektirte
Maschine weiter ausführen wollte^, sagt er, ;,müsste ich das benutzen, was
ich aus der Unterhaltung mit Herrn Watt gelernt habe, und das würde ohne
seine Erlaubniss nicht recht sein.^
Boulton's Verhalten in diesem Falle ist durchaus charakteristisch
für ihn und giebt ein Bild von seiner unwandelbaren Ehrenhaftigkeit.
Watt untejrhielt eine Korrespondenz mit Boulton und Dr. Small über die
Fortschritte seiner Erfindung. Letzteren bat er wiederholt, Boulton zu
veranlassen, sich mit ihm und Roebuck zu associren, aber Boulton war zur
Zeit zu sehr von seinen eigenen Geschäften in Anspruch genommen, um
ernstlich auf diesen Plan einzugehen.
Im Gegensatze zu Watt war der sanguinische Dr. Roebuck durch das
gute Arbeiten des Modells begeistert und voller Ungeduld, die Erfindung in
die Praxis einzuführen. Er schrieb im Oktober an Watt: ^Sie lassen jetzt
den wichtigsten Theil Ihres Lebens unversehens verstreichen. Kein Tag, kein
Augenblick sollte verloren werden! Sie sollten Ihre Gedanken weder durch
irgend einen anderen, noch durch weitere Verbesserungen dieses Gegen-
Ib
Erstes Patent, Calledonian Kanal, Maschine zu Kinneil. 565
Standes ablenken lassen, sondern auf schleunigste Ausführung einer Maschine
▼on geeigneter Grösse nach Ihrem jetzigen Plane bedacht sein.^
Wait aber hörte nicht auf, zu verbessern. Er machte Versuche mit
Röhren- und Plattenkondensatoren, neuen Kolbendichtungen, Luftpumpen,
Speisepumpen, Oelpumpen, Ventilen, Schiebern u. s. w. Roebuck fing an zu
furchten, dass die Erfindung niemals zum Abschlüsse kommen werde. In
seinen späteren Jahren sagte Watt einmal zu einem Bewunderer seiner Dampf-
maschine: ;,Das Publikum sieht nur meinen Erfolg, aber nicht die vorher-
gegangenen Miss erfolge und rohen Konstruktionen, die mir als so viele
Sprossen dienten, worauf ich zum Gipfel der Leiter gelangte."
Die Abfassung seiner Patentschrift zeugt von seinen umfassenden
Stadien. Er beleuchtet darin seinen Gegenstand von allen Seiten. Er
sah alle Verwendungsarten des Dampfes voraus. Hochdruck dampf maschinen
sah er für den Fall vor, dass es an Wasser zur Kondensation fehlen sollte,
Expansion zur Dampfersparniss. Anfangs 1769 wurde die Patentschrift
eingereicht.
Watt ging nun daran, zu Kinneil, dem Wohnorte von Dr. Roebuck eine
Versuchsmaschine nach seiner Patentbeschreibung zu bauen. Aber, um den
Unterhalt seiner Famile bestreiten zu können, hatte er bereits früher die Ver-
messungsarbeiten für einen Kanal von Monkland nach Glasgaw ausgeführt
und jetzt auch dessen Ausführung zu leiten. Er sicherte sich dadurch wenig-
stens für einige Zeit ein Einkommen von 200 £ jährlich. W^egen dieser Be-
schäftigung konnte er nur mit häufigen Unterbrechungen den Arbeiten in
Kinneil beiwohnen. Auch wegen der Ungeschicklichkeit der Arbeiter schritten
sie nur langsam vor und verursachten ihm viele Sorgen und schlaflose Nächte.
Als die Maschine endlich nach sechsmonatlicher, angestrengter Thätigkeit
Watt's fertig wurde, musste er sie als eine tölpelhafte Arbeit bezeichnen,
und dement-sprechend funktionirte sie schlecht. „Sie können sich nicht
denken", schrieb er an Dr. Small, ^wie peinlich ich durch diese Enttäusch-
ung berührt bin. Es ist ein verdammtes Ding für einen Menschen, wenn
sein Alles an einem Faden hängt. Wenn ich die Verluste bezahlen könnte,
würde ich einen Misserfolg nicht so sehr fürchten, aber ich kann den Ge-
danken nicht ertragen, dass Andere durch meine Projekte Verluste erleiden
sollen, und ich habe die schöne Gabe, alles schwarz zu sehen." Dr. Small
schlug vor, Watt möge Zeichnungen von seiner Maschine nach Soho schicken
und BoüLTON und er wollten ihr Möglichstes thun, um eine fertig zu stellen
und ihre Arbeitskraft zu beweisen. Watt willigte ein.
Um diese Zeit kam Dr. Roebuck in Geldverlegenheiten. Steine Kohlen-
gruben waren unter Wasser, und Ruin drohte, ehe Watt's Maschine ihm zu
Hülfe kommen konnte. Er wurde so sehr um Geld gedrängt, dass er die
Kosten von Watt's Patent nicht decken konnte, wie er versprochen hatte.
Watt's treuer Freund Dr. Black half diesem wieder aus der Verlegenheit.
506 James Watt und die Erfindung der Dampfmaschine.
Watt's Schulden wuchsen aber dadurch noch mehr und er schrieb an Dr.
Small: ;,Es giebt nichts Thö richte res im Leben, als zu erfinden^ und
am 31. Januar 1770 schrieb er: ;, Heute trete ich mein 35. Lebensjahr an,
und ich glaube, ich habe der Welt noch nicht für 35 Pfennige genützt, aber
ich kann es nicht ändern''. Er konnte seinem inneren Drange nicht wider-
stehen und war unaufhörlich mit Erfindungen aller Art beschäftigt, die wir
nicht aufzählen wollen, weil sie mit der Erfindung der Dampfmaschine in
keinem Zusammenhange stehen. Doch dürfte es vielleicht für viele von Liter-
esse sein, zu erfahren, dass Watt um diese Zeit das Kopiren von Briefen
mit der Kopirpresse erfand. Die versprochenen Zeichnungen einer Dampf-
maschine schickte er Anfangs 1770 nach Soho. Dort ging man sofort an die
Ausführung. Modelle wurden gemacht und zum Abgüsse nach Coalbrookdale
geschickt, aber die Abgüsse fielen so schlecht aus, dass man sie beiseite stellen
musste. In einer zweiten Giesserei hatte man keinen besseren Erfolg. Die
Theile zu der Maschine kamen zwar endlich zusammen, aber noch ehe sie
zusammengestellt werden konnten, brach Roebuck's Konkurs aus.
Dieser schuldete u. a. 1200 jß an Boulton, der sich erbot, an Stelle
dieser Summe Roebuck's Antheil an Watt's Dampfmaschinenpatent zu über-
nehmen. Die übrigen Gläubiger hatten nichts dagegen einzuwenden, weil sie
dem Patent keinen Werth zuschrieben, und Watt sagte selbst, es würde
nur eine schlechte Forderung durch eine andere schlechte gedeckt werden.
BoüLTON schrieb an Watt, dass er keine sanguinischen Hoffnungen für
den Erfolg der Maschine hege, da er aber in der Probirkunst geübt sei, wolle
er sie auf ihren Goldgehalt prüfen. Er fügte hinzu: ;,Sie ist jetzt ein
Schatten, eine blosse Idee, und es wird Zeit und Geld kosten, etwas
daraus zu machen. Wir haben noch keinen Versuch damit gemacht, denn
die Zeiten sind so schrecklich schlecht, dass ich meine Gedanken nicht frei
genug hatte, um an neue Pläne denken zu können. Sobald Boulton und
Dr. Roebuck sich darüber verständigt hatten, packte Watt die Maschine in
Kinneil zusammen und schickte sie nach Soho. Dr. Small drängte ihn wieder-
holt, dorthin überzusiedehi, um die Arbeiten an den Dampfmaschinen selbst
zu überwachen, aber er musste zuvor die übernommenen Vermessungsarbeiten
für den Calledonian-Kanal beendigen. Dies geschah im Herbste 1773 in einer
unwegsamen Gegend. „Unaufhörlicher Regen^, sagt Watt, ;,durchnässte mich
drei Tage lang, wie Wasser es nur thun kann. Ich konnte kaum mein Jour-
nal retten*'. Mitten in dieser trübseUgen Arbeit wurde er durch die Trauer-
botschaft abgerufen, dass seine Frau gefährlich erkrankt sei. Er eilte nach
Hause und fand sie todt. Von allen Schicksalsschlägen, die ihn getroffen
hatten, empfand er diesen am schmerzlichsten. Noch geraume Zeit danach,
wenn er seine Schwelle betrat, blieb er stehen und konnte den Muth nicht
finden, die Räume zu betreten, woraus sein Trost und die Freude seines Lebens
gewichen war. „Und doch", sagte er in einem Briefe an Dr. Small, „hätte
Dr. Roeback*s Konkurs, Patent- Verlängerung. 567
dieser Schlag mich zu einer anderen Zeit treffen können, wo ich weniger fähig
gewesen wäre, ihn zu ertragen und meine Kinder würden dann der Barmher-
zigkeit der Welt überlassen gewesen sein.^ Er suchte seine Sorgen in ver-
mehrter Arbeit zu vergessen, aber sein Unglück drohte ihn zu überwältigen.
Seine Dampfmaschine, die er als die Ursache seines Unglücks fast ver-
fluchte, machte keine weiteren Fortschritte. Dr. Roebuck wurde als ruinirter
Mann seinen Gläubigern überantwortet. ;,Mein Herz blutet für ihn^, sagte
Watt, ^aber ich kann nichts für ihn thun. Ich habe so lange bei ihm aus-
gehalten, dass ich mir selbst schadete.^
Endlich im Frühjahr 1774 hatte Watt seine Vermessungsarbeiten in
Schottland vollendet und reiste im Mai nach Birmingham. Die von Kinneil
gekommenen Maschinentheile wurden so rasch als möglich von Bollton's ge-
schickten Leuten unter Watt's Anleitung verbessert und wieder zusammen-
gesetzt und die Maschine arbeitete viel besser als zuvor.
Sechs Jahre von den vierzehn, für die das Patent lautete, waren indess
schon verflossen und wie viel Zeit war noch erforderlich, bis man Kapitalisten
und Industrielle von dem praktischen Nutzen der Erfindung überzeugen konnte?
Es war nicht unwahrscheinlich, dass das Patentrecht eher erlöschen
würde. Deshalb zögerte Boulton, die nöthigen Summen für die Beschaffung
von Gebäuden, Maschinen und Werkzeugen zur Fabrikation von Dampf-
maschinen zu bewilligen. Anfangs 1775 schickte er Watt nach London, um
sich zu erkundigen, ob es möglich wäre, eine beträchtliche Verlängerung der
Patentdauer zu erlangen. Man rieth ihm, eine Petition beim Parlament ein-
zureichen. Nach Watt's Rückkehr erklärten sich Boulton und Small damit
einverstanden und er ging ein zweites Mal nach London, um die Eingabe dort
ausarbeiten zu lassen. Kaum war er dort angekommen, so erreichte ihn die
Trauerbotschaft, dass Dr. Small gestorben sei. Er war lange kränklich ge-
wesen, sein Tod aber war ein harter Schlag für Watt und Boulton. Er war
bei allem zu Rathe gezogen worden und hatte sich an dem Dampfmaschinen-
geschäfte betheiligen wollen, aber es war noch zu keinen festen Abmachungen
gekommen, auch nicht zwischen Boulton und Watt. Alles hing von dorn Er-
folge der Eingabe um Verlängerung des Patentes ab.
Diese wurde am 28. Februar 1775 dem Parlamente vorgelegt und be-
gegnete heftiger Opposition. Die Grubenbesitzer wollten, dass die Er-
findung so bald als möglich freigegeben werde und protestirten laut gegen das
,,MonopoP, wie sie die Verlängerung des Patentes nannten. Watt legte die
Schwierigkeiten dar, womit er zu kämpfen gehabt hatte, und dass er für seine
vieljährigen, aufreibenden Bemühungen zum Besten der Allgemeinheit keinen
Lohn erwarten könne, wenn ihm nicht durch Verlängerung des Patentes die
nöthige Zeit vergönnt werde, seine Erfindung zu vollenden imd diejenigen,
welche ihrer bedürften, von deren Vorzügen zu überzeugen. Seine Darlegungen
5G8 James Watt und die £riindang der Dampfmaschine.
verfehlten auf billig denkende Männer ihre Wirkung nicht und sein Pji-
tentrecht wurde bis zum Jahre 1800 verlängert.
Zuvor war ein definitives Abkommen mit Dr. Roebuck noch nicht ge-
troffen worden. Man einigte sich nun dahin, dass Boulton ihm für seinen
Patentantheil von zwei Drittel noch 1000 jß von den ersten Gewinnen
ausbezahlen sollte; um die beständig drängenden Gläubiger Roebuck^s los zu
werden, zahlte Boülton aber in der Folge diese Summe schon, ehe ihm aus
der Verbindung mit Watt Gewinn erwachsen war.
Dieser kehrte von London nach Birmingham zurück.
Während seiner Abwesenheit war Boülton mit Versuchen an der vor-
handenen Maschine eifrigst beschäftigt gewesen. Ein neuer 18 zölliger Cylinder
war von dem berühmten Eisengiesser John Wilkinson in Bersham dafür ge-
gossen worden, und dieser hatte auch eine Maschine konstruirt, um ihn richtig
auszubohren. Der Cylinder war an die Stelle des alten von Kinneil gesetzt,
und nach mehreren anderen Verbesserungen war die Maschine mit sehr be-
friedigendem Erfolge in Gang gesetzt worden. Watt fand deshalb und
wegen der glücklich erreichten Verlängerung des Patentes bei seiner Rückkehr
Boulton in bester Laune und es wurden sofort die nothigen Vorkehrungen
zur Fabrikation der Dampfmaschine getroffen. Anfragen und Bestellungen
aus den Bergwerksdistrikten folgten bald und nach kurzer Zeit war die Dampf-
maschinenfabrik von Soho in Thätigkeit.
Die erste Maschine, die gebaut wurde, war für oben genannten John
Wilkinson zum Betriebe seiner Blasbälge bestimmt. Anfangs 1776 wurde sie
fertig zum Gebrauche. Je näher dieser Zeitpunkt kam, desto ängstlicher
wurde Watt, zumal gar viel von deren Leistung abhing. Aber Boulton schrieb
ihm, er möge nichts übereilen, die Maschine nicht eher in Gang setzen,
als bis jedes denkbare Hinderniss beseitigt wäre, dann aber in Gottes Namen
frisch darauf losgehen. Die ausserordentliche Sorgfalt, die man der
Maschine hatte angedeihen lassen, wurde belohnt. Sie erregte die Bew^under-
ung aller, die sie sahen und der Ruhm der Firma Boulton & W^att wurde
gross in Mittel -England.
Nach Watt's Rückkehr ging Boulton nach London. Dort hatte sich in
Ingenieurkreisen das Gerücht verbreitet, die neue Maschine habe sich nicht
bewährt. Namentlich die Gesellschaft der Ingenieure in Holborn, w^ovon der
berühmte Sbieaton der Führer war, behauptete, dass keine Werkzeuge und
keine Arbeiter im Stande seien, eine so komplicirte und difficile Ma-
schine mit genügender Genauigkeit auszuführen. Boulton drängte daher darauf,
dass die in Arbeit befindliche Maschine für eine Branntweinbrennerei nahe
bei London rasch fertig gestellt werde.
Im Laufe des Sommers verlobte sich Watt, der nun 40 Jahre alt war,
zum zweitenmale, und zwar mit der Tochter eines Färbers, Namens Mc. Gregor
in Glasgow. Der Vater der Braut verlangte den Geschäftsvertrag zwischen
DampfmascbiDenfabrikation, geschäftliche Schwierigkeiten. 5G9
BoüLTON & Watt zu sehen, ehe er seine Einwilligung gab, und es zeigte sich,
dass keiner existirte. Als aber Watt dem mündlichen Uebereinkommen
zwischen ihm und Boulton gemäss einen aufsetzte, unterschrieb ihn dieser
sofort.
Von Schottland brachte Watt wieder mehrere Bestellungen mit. Wenn
es aber dem jungen Etablissement nicht an Aufträgen fehlte, weil der Ruf der
neuen Dampfmaschine sich rasch über alle civilisirten Staaten verbreitete,
so fehlte es auch nicht an Schwierigkeiten. Watt musste alle Zeichnungen
selbst machen, überall nachsehen und selbst Hand anlegen. Die alten
Arbeiter von Soho und Birmingham waren zwar verhältnissmässig gut, aber
ihre Zahl sehr bald nicht mehr genügend. Ungeschulte Kräfte mussten
angenommen und erst herangebildet werden. Dann aber begann die Schwie-
rigkeit, sie zu halten. Zwei Monteure, die man nach London geschickt hatte,
wurden von russischen Agenten bearbeitet, nach Russland zu gehen. Ffan-
zösische Agenten suchten mehrere der besten Arbeiter nach Paris zu locken,
und auch deutsche Emmissäre drängten sich zu ähnlichen Zwecken in die
Fabrik. Dazu kam die Unkenntniss und Unzuverlässigkeit der Leute, welche
als Wärter bei den abgelieferten Maschinen funktionirten. Watt lieferte
von Anfang an Exp an sions dampf maschinen, aber einige Zeit später sagte
er zu Robert Hart: ;,Wir lieferten früher den Cylinder doppelt so gross,
als nöthig und schnitten den Dampf bei halben Hube ab, wodurch viel Dampf
gespart wurde, aber wenn unsere Leute fort waren und die Maschine dem
Wärter überlassen war, wollte dieser oft ihre Leistung vermehren, indem er
mehr Damf aufgab. Die Maschine leistete dann mehr, solang Dampf da
war, aber der Kessel konnte ihn auf die Dauer nicht liefern. Dann kamen
Klagen, und wir mussten nachsehen lassen. Dies war so kostspielig, dass wir
uns entschlossen, die Expansion wegzulassen, bis wir Wärter bekommen
würden, die etwas davon verstünden.
Mitte 1777 lieferten Boulton & Watt die erste Dampfmaschine in die
an Bergwerken sehr reiche Grafschaft Cornwall. Da von deren guter Leistung
die Bestellung vieler anderer Grubenbesitzer abhingen, leitete Watt selbst
die Aufstellung. Er begegnete dort vielen üblen Nachreden, als aber die Ma-
schine in Gang gesetzt wurde, arbeitete sie mit solcher Macht, dass sie ver-
stummen mussten. Doch setzte Watt in dem Briefe, worin er dies meldete,
zu: ;,Ich habe die Maschine ein- oder zweimal so regulirt, dass sie ganz ge-
räuschlos arbeitete, aber der Besitzer der Maschine kann nicht schlafen,
wenn sie nicht tobt, und deshalb habe ich sie dem Maschinenwärter über-
lassen. Der Lärm erweckt bei den Unwissenden die Idee von Kraft. '^
Nach seiner Rückkehr häufte sich für ihn die Arbeit so, dass er an
seinen Partner schrieb: ;,Ein wenig mehr von dieser Hast und diesen Aerger-
nissen wird mich zu Grunde richten.^ Im Juni 1778 waren sieben von zehn
nach Cornwall bestellten Maschinen fertig. Watt reiste dorthin, musste von
570 James Watt und die Erfindung der Dampfmaschine.
einer Grube zur anderen reiten und wurde überall mit Klagen und Schelt-
worten wegen zu langsamer Lieferung und Aufstellung empfangen.
Eine andere Quelle der Angst waren grosse Geldverlegenheiten, in die
die Firma gerieth. Boulton hatte zu viel unternommen. Das Dampfmaschinen-
geschäft hatte bis jetzt nur Kapital zu Schüsse gefordert und es waren im
Allgemeinen die denkbar schlechtesten Geschäftszeiten. Boulton schrieb an
Watt, er solle sich Wechsel für die nach Comwall gelieferten Maschinen geben
lassen, aber die Besteller wollten nichts davon hören, weil die Maschinen noch
nicht fertig aufgestellt waren. Boulton schlug dann vor, Watt solle sich von
einem Bankhause in Cornwall einen Vorschuss auf die dort lagernden Ma-
schinentheile geben lassen, aber Watt schrieb zurück: „Das kann ich nicht,
weil das Bekanntwerden unserer Lage unseren Kredit erschüttern würde. Auch
ist Niemand vorsichtiger, als ein komischer Bankier. Soweit ich es beur-
theilen kann, würde keiner auch nur 500 jß auf einen Pfandschein leihen.''
Nach vieler Mühe gelang es Boulton, 7000 £ gegen Sicherheit von einem
Herrn Wiss und einen Kredit von 14000 £ gegen Verpfändung von Einkünften,
die aus dem Patentrechte erwuchsen, von einem Londoner Bankhause zu er-
langen. Aber wenn auch der Kredit der Firma dadurch gerettet war, so
drückten doch die eingegangenen Verbindlichkeiten noch lange schwer auf sie.
Als Boulton & Watt die Fabrikation von Dampfmaschinen antingen, war
ihnen nur darum zu thun gewesen, Bestellungen zu erhalten und sie hatten
nicht genügend auf vorherige Festsetzung der Bedingungen geachtet, unter
denen die ihnen patentirte Maschine sollte gebraucht werden dürfen. Erst
als sie ihre Kraft im Wasserheben bewiesen hatte, um die Bergleute in Com-
wall demzufolge 20 Faden tiefer in die Erde eindringen konnten, wurde die
Frage wegen der Gebrauchsbedingungen aufgeworfen. Watt schrieb an
Boulton, er empfehle, dass in Zukunft keine Bestellung angenommen werde,
ohne dass diese Bedingungen zuvor festgesetzt seien und fügte hinzu: „Sie
müssen mich entschuldigen, wenn ich Ihnen sage, dass ich keine Feder
mehr ansetzen werde, um die nöthigen Zeichnungen für neue Anordnungen
zu machen, ohne dass dies geschehen ist. Lassen Sie diese Gebrauchs-
bedingungen massig sein, womöglich im Voraus in Geld ausgedrückt, so werden
wir wenigstens genug erhalten, um uns vor dem Schul dgefängniss zu be-
wahren, vor dem ich in beständiger Furcht lebe^.
Es wurde daher ein Vertragsformular entworfen, das in allen Fällen
angewendet werden sollte und bestimmte, dass die Patentinhaber als Entgelt
für die Benutzung der Erfindung ein Drittel des Werthes des ersparten
Brennmaterials im Vergleich mit der NEWCOMEN-Maschine erhalten sollten.
Zur Kontrolle brachte Watt einen Hubzähler an den Maschinen an.
Im Oktober 1778 kam Boulton nach Comwall und fand, dass die neue
Dampfmaschine bei dem Publikum sehr in Gunst gekommen war. Es gelang
ihm daher, von einem dortigen Bankier 2000 £ auf die in der Gegend er-
GeldverlegenheiteD, Heizröhren. 571
richteten Maschinen geliehen zu bekommen. Auch gelang es ihm, für einige
der wichtigsten Maschinen im Betriebe und in Arbeit die Gebrauchsbeding-
ungen zu vereinbaren. Bei der einen Maschine in Chacewater wurde eine
Kohlenerspamiss im Werthe von 2400 £ = 48000 Mark jährlich anerkannt
und eine jährliche Zahlung von 700 jß an Boulton & Watt zugestanden.
Zwei andere Maschinen brachten 400 jß jährlich. Trotz diesen und vielen
ähnlichen Erfolgen drückte der Gedanke an die vielenSchulden der Firma
schwer auf Watt's Gemüth; Boulton dagegen verlor den Muth nicht und
schickte Cirkulare über seine bewunderungswürdige Maschine in alle Welt.
Bald kamen Bestellungen aus Frankreich und Holland, die aber Watt mehr
beunruhigten als freuten, weil dort noch keine Patente genommen waren
und er Nachahmung befürchtete. Er sah nicht ein, dass sein bester Schutz
in der Ueberlegenheit seiner Arbeiter und Arbeitsmaschinen bestand.
Watt's Kräfte waren indess beschränkt. Er litt noch viel an Kopf-
schmerzen und da er noch immer alle Zeichnungen selbst machen musste,
schrieb er im Mai 1779 an seinen Partner: „Ich bitte, dass Sie vor Weih-
nachten keine neue Arbeit übernehmen. Es ist unmöglich, wenigstens
meinerseits; ich bin ganz zerschlagen.^
Bis zum Sommer 1780 hatte die Firma 40 Pumpmaschinen verkauft,
die Hälfte davon nach Comwall. Trotzdem war sie noch in ernstlichen
Geldverlegenheiten. Boulton war in der That in misslicherer Lage, als Watt.
Er hatte sein ganzes Vermögen bei ihrem Unternehmen riskirt und unter-
hielt Watt, bis das Maschinengeschäft rentabel wurde. Man ersieht aus den
jährlichen Bilanzen, dass Watt bis zum Jahre 1785 jährlich 330 £ = 6600
Mark ausbezahlt bekam, die dem Metallwaarengeschäft Boülton's zur
Last fielen. Bis dahin hatte das Dampfmaschinengeschäft noch immer
mehr an Auslagen erfordert als eingebracht. Es wurde berechnet, dass
über 40000 £ = 800000 Mark hineingesteckt wurden und diese ganze,
für die damalige Zeit enorme Summe war durch Boulton aufgebracht
worden.
Zu der Zeit, als es endlich klar wurde, dass das Geschäft erfolgreich
sein würde, erhob sich eine neue Gefahr, die selbst Boulton beängstigte,
nämlich eine in Comwall auftauchende Bewegung zum Sturze des Patents.
Man schrie, die Dampfmaschine sei unentbehrlich für den Bergbau, das all-
gemeine Wohl erheische die Aufhebung des Patents. Schliesslich wurde
eine dahin gehende Petition bei dem Parlament nicht eingereicht, aber es
wurden erhöhte Anstrengungen gemacht, das Patent zu umgehen.
Um diese Zeit beschäftigte sich auch Boulton mit Verbesserung der
Dampfkessel. Im Herbst 1780 schrieb er an Watt über eiserne Feuer-
röhren zur Vermehrung der Heizfläche. Dieser antwortete: ;,Ich kann Eisen
für Kesselröhren nicht empfehlen, aber man kann sie im Auge behalten.''
Danach schlug Boulton kupferne Röhren vor, was Watt billigte und Boül-
572 James Watt uod die Erfindung der Dampfmaschine.
TÖN versah einen Kessel von 26' Länge mit 4 kupfernen Heizröhren von
26" Durchmesser.
1781 schrieb Boulton an Watt und ermahnte ihn, den schon oft be-
sprochenen Plan auszuarbeiten, durch die Dampfmaschine eine rotirende
Bewegung zu erzeugen, wodurch sie geeignet würde, Mühlen und andere Ma-
schinerien zu treiben und Watt machte ein Modell, bei dem von Balancier
vermittelst einer Pleuelstange eine Kurbel in Umdrehung gesetzt wurde. Watt
sagte selbst darüber : ^Der wahre Erfinder dieses Mechanismus war der Mann,
der zuerst eine Drehbank zum Treten machte; ihn bei der Dampfmaschine
anzuwenden, war nicht mehr, als wenn einer ein Brotmesser zum Käse-
schneiden anwendet^. Er hielt diese Anwendung der Kurbel nicht für
patentfähig, aber es erwuchsen ihm grosse Unannehmlichkeiten daraus. Ein
Knopfmacher, James Pickard aus Birmingham, der wahrscheinlich durch Ar-
beiter von BoüLTON & Watt davon gehört hatte, erhielt am 23. August 1780
ein Patent darauf. Anfangs wusste Watt nicht, wie er diese Schwierigkeit
überwinden sollte, fand aber bald andere Mittel zur Erreichung des gleichen
Zweckes. Im Februar 1782 erhielt er ein Patent auf 5 verschiedene Mecha-
nismen dieser Art, wovon das sogenannte Planetenrad den Vorzug erhielt.
Wie es scheint, war dies von William Murdock, dem besten Monteur von
Boulton & Watt, der später auch die Gasbeleuchtung erfand, zuerst er-
dacht worden.
Im Juli desselben Jahres erhielt Watt ein Patent auf seine doppelt-
wirkende Expansionsdampfmaschine. Während er diese bewundemswerthen
Arbeiten machte, litt er beständig an Kopfschmerzen und an Sorgen wegen
der Geldverlegenheiten der Firma, wegen der wiederholten erfolgreichen Ver-
suche der Grubenbesitzer, die Gebrauchsgebühren für die Dampfmaschinen
herabzudrücken und wegen vielftich drohender Patentumgehungen. Besonders
schmerzte ihn die der Brüder Horxblower, mit denen er befreundet gewesen
war und die er in seinem Geschäfte herangezogen hatte. Zum UeberHuss
brach noch in dem Hause des Londoner Agenten zum Verkaufe der von Watt
erfundenen und in Soho fabrizirten Kopierpressen Feuer aus, das der Firma
einen Schaden von mehr als 1000 jß verursachte.
Während Boulton auf Fertigstellung von Dampfmaschinen mit rotiren-
der Bewegung drang, bezweifelte Watt, dass daraus ein Vortheil erwachsen
werde. Gegen Ende 1782 wurde die erste Maschine dieser Art für einen
Herrn Reynolds of Ketley zum Betriebe einer Kommühle in Gang gesetzt
Die erste in London kam in die Brauerei von Goodwyn & Co. und bald waren
alle Brauereien Londons damit versehen. Bald folgten Bestellungen solcher
für Betriebe der verschiedensten Art, selbst für Sägemühlen in Amerika und
Zuckermühlen in Westindien, und es lag so viel Arbeit vor, dass Watt an
seinen Partner schrieb: ;,Ich sehe, dass jede Maschine mit rotirender Beweg-
ung doppelt so viel Arbeit verursacht, als eine Pumpmaschine und im allge-
k
Dampfmaschinen mit rotirend^r Bewegung, Albion-MQhle. 573
meinen nur halb so viel Geld einbringt. Deshalb bitte ich, nehmen Sie keine
Bestellungen auf rotirende mehr an, bis wir schuldenfrei sind.*' Ein
anderer Grund, warum Watt damals gegen Ueberhäufung mit Arbeit prote-
stirte, mag der gewesen sein, dass er mit den schönen Erfindungen be-
schäftigt war, die sein Patent von 1784 umfasst. Dies enthält u. A. die
Beschreibung des sogenannten WxTT'schen Parallelogramms zur Geradeführung
der Kolbenstange bei Balancier-Dampfmaschinen, worüber er selbst sagte:
^Obgleich ich nicht sehr auf Ruhm versessen bin, bin ich doch stolzer auf
das Parallelogramm als auf irgend eine andere meiner mechanischen Erfind-
ungen*. Auch die Anwendung des Schwungkugelregulators bei der Dampf-
maschine ist in diesem Patente enthalten.
BouLTON und Watt blieben allen Rivalen überlegen, keiner davon war
noch im Stande gewesen, eine Maschine erfolgreich in Betrieb zu setzen. Die
Gebrauchsgebühren, die der Firma zufliessen sollten, schätzte Boulton um
diese Zeit, wenn sie richtig bezahlt würden, auf 12000 i? = 240000 Mark
jährlich und es war Aussicht vorhanden, dass ihre finanziellen Schwie-
rigkeiten endlich überwunden werden würden.
1783 entwarf Boulton den Plan, in London eine grosse Dampfmühle zu
errichten. Er wollte zu diesem Zwecke eine Aktiengesellschaft bilden, wegen
der Opposition der Wassermüller und Mehlhändler wurde aber die Genehmi-
gung verweigert, und man sah sich genöthigt, die Albion-Mill-Company als ein
gewöhnliches Company -Geschäft zu gründen, wozu Boulton und Watt den
grössten Theil des Kapitals beschaffen mussten. Während des ganzen Jahres
1785 wurde an dem Baue der Albion-Mill gearbeitet. Die Gebäude wurden
nach Zeichnungen des berühmten Architekten Wyatt, die Dampfmaschinen
nach solchen von Watt und die verbesserten Müllereimaschinen nach Zeich-
nungen des genialen jungen Schottländers John Rennie ausgeführt. Im Früh-
jahr 1786 konnten die Maschinen zum ersten Male in Betrieb gesetzt werden.
Boulton, der zugegen war, schrieb sehr unbefriedigt an Watt und meinte
namentlich, es wäre besser gewesen, die einfach wirkende Maschine bei-
zubehalten. Nachdem Watt, der damals nicht von Soho abkommen konnte,
in seinem Antwortschreiben dargelegt hatte, wie die Fehler an den Maschinen
aufzusuchen und zu verbessern seien, fuhr er fort: ;,Vor allem muss man
Geduld haben und alles kaltblütig prüfen und richtig stellen. Man sollte
stets darauf bedacht sein, unschuldigen Personen keinen Vorwurf zu machen.
Ehe man anfängt zu murren, sollte man bedenken, dass bei neuen, kompli-
zirten und schwierigen Dingen menschliche Voraussicht unzulänglich ist. Zeit
und Geld müssen aufgewendet werden, um etwas zu vervollkommnen und
seine Fehler aufzufinden. Anders können sie nicht verbessert werden.^
Die Kosten der Mühle beliefen sich weit höher als anfangs vorgesehen
worden war, und Watt fürchtete bald, dass sie Verlust bringen würde, nicht
weil er an der Leistungsfähigkeit der Maschinen, als vielmehr weil
574 James Watt und die Erfiodung der Dampfmaschine.
er an der Richtigkeit der Gesoliäftsleitung zweifelte. Namentlich war es
ihm zuwider, dass man ein Schaustück aus der Mühle machen wollte, und
als er hörte, dass man einen Maskenball darin halten wollte, um sie mit
Pomp zu eröflFnen, nannte er dies ;,reinen Humbug'' und sagte: ;,Was haben
maskirte Herzöge, Lords und Ladies in einer Mehlmühle zu thun? Da wir
von allen Seiten mit Neid angesehen werden, sollte alles vermieden wer-
den, was Aufsehen erregt, und wir sollten uns darauf beschränken, die Sache
zu machen.'^ Als die Mühle endlich in Betrieb kam, arbeitete sie zur
vollsten Zufriedenheit und ihr Ruhm verbreitete sich weithin. Mit der Zeit
würde sie vielleicht auch noch rentabel geworden sein, aber als die Aussichten
in dieser Richtung sich zu bessern anfingen, wurde sie am 3. März 1791 von
Uebelwollenden in Brand gesteckt. Boültox verlor dadurch 6000 und Watt 3000 i^.
Das Dampfmaschinengeschäft wuchs beständig, aber Watt, für den es
immer grössere Arbeitslast brachte, war oft bis zum Tode ermüdet. Gerade
um die Zeit, als bereits der Glücksstern über dem Geschäfte leuchtete, schrieb
er einmal an einen Freund: ;,Ich habe ernstlich daran gedacht, die Bürde
niederzulegen, die zu tragen ich zu schwach bin, und vielleicht, wenn nicht
andere Gefühle stärker gewesen wären, würde ich daran gedacht haben, die
sterbliche Hülle abzuwerfen; aber wenn's nicht schlechter wird, kann ich mich
vielleicht noch fortschleppen. Salomo sagt: Vermehrte Kenntnisse bringen
vermehrte Sorgen. Hätte er gesagt: vermehrte Geschäfte, anstatt ver-
mehrte Kenntnisse, so würde er vollkommen Recht haben. ^
Wie bereits erwähnt, musste bis zum Jahre 1785 alles, was in der Dampf-
maschinenfabrikation von Boulton und Watt verdient wurde, wieder in das
Geschäft gesteckt werden, und der Lebensunterhalt Watt's musste aus der
Metallwaarenfabrikation Boulton's bestritten werden. Erst von da ab
besserte sich dies, und am 7. Dezember 1787, etwa 6 Wochen vor Watt's
52. Geburtstag, hatte Boulton die freudige Genugthuung, an ihren Agenten in
London schreiben zu können: ;,Da Mr. Watt bei Mr. Mc. Gregor in Glasgow
ist, bitte ich Sie, ihm einige Zeilen zu schreiben und ihm mitzutheilen, dass
Sie ihm 4000 £ auf sein Conto gutgeschrieben haben, dass Sie 1000 £ für
ihn an die Albion-Mühle bezahlt haben und ihm bis Weihnachten wahrschein-
lich noch 2000 jß werden gutschreiben können.^
Während Watt von da ab allmälig in einen sicheren Hafen einlief,
trieb Boulton noch auf hoher See. Er war stets unternehmend und stets
bereit, sich an einem Geschäft zu betheiligen, wenn er glaubte, dadurch
eine Dampfmaschine anbringen zu können. Auch hatte er von den kor-
nischen Gruben- und Hüttenbesitzem grosse Mengen Kupfer an Zahlungsstatt
angenommen, die lange in Birmingham liegen blieben. Als nun 1788 eine
Handelskrisis ausbrach, sah er sich in der peinlichsten Verlegenheit. Dazu
kam, dass sich Gicht- und Steinleiden bei ihm einstellten. Es war die trübste
Zeit in Boulton's Leben und der Gedanke quälte ihn, dass er seine Familie, trotz
Weitere fioanzielle Schwierigkeiten Boultons, seine Piägaostalt. 575
aller Arbeit, unversorgt zurücklassen müsse. Aber kurze Zeit darauf sehen wir
ihn mit aller Energie in einer ganz neuen Richtung thätig.
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts war das Münzwesen sehr in
Verfall gerathen, und es wurde viel Falschmünzerei getrieben, namentlich in
Birmingham. Boulton hatte sich nie daran betheiligt, sondern sann darüber
nach, wie die kursirenden schlechten Münzen durch so gute neue ersetzt
werden könnten, dass deren Nachahmung schwierig sei. Er hatte mehrmals
mit den Staatsministem Unterredungen über diesen Gegenstand. Schon 1774
hatte er mit Watt darüber berathen und 1786 zum erstenmal die Dampf-
maschine angewendet, um für die ostindische Kompagnie mehr als 100 Tonnen
Kupfermünzen zu prägen. Er verbesserte darauf seine Präganstalt noch wesent-
lich und viele Jahre später schrieb Murdock: ^Der unermüdlichen Ausdauer
und Energie Boultgn's in der Verfolgung dieses Zieles ist zum grossen Theile
die Vervollkommnung zuzuschreiben, die das Münzwesen schliesslich erreichte.^
Ende 1788 waren sechs Prägmaschinen in Soho aufgestellt. Nach vielen Be-
mühungen Boulton's wurde er von der englischen Regierung aufgefordert,
Modelle zu neuen Kupfermünzen einzureichen. Diese befriedigten auch sehr
und wurden zur Ausführung angenommen, aber die königlichen Münzbe-
amten wussten die Sache noch 10 Jahre lang hinzuhalten. Boulton musste
in der Zwischenzeit wieder im Auslande Beschäftigung für seine Präganstalt
suchen und fand sie namentlich bei der revolutionären Regierung in Frank-
reich. Erst von 1797 an erhielt er von der britischen Regierung Aufträge
und lieferte ihr von da bis 1806 etwa 4200 Tonnen Kupfermünzen. Auch
lieferte er solche nach Russland, Spanien, Dänemark, Mexiko und Calcutta, so
dass Watt mit Recht sagen konnte : ;,hätte Boulton nichts in der Welt gethan,
als das Münzwesen vervollkommnet, so verdiente sein Namen unsterblich zu sein."
Etwa im Jahre 1789 waren die Schwierigkeiten, womit Boulton und
Watt zu kämpfen gehabt hatten, endlich überwunden und sie konnten sich
nun in ihrem Alter mehr Ruhe gönnen, zumal sie mit Befriedigung und voller
Hoffnung auf ihre beiden Söhne sehen und ihnen alles getrost überlassen
konnten. Diese traten 1794 als Theilhaber in die Firma und brachten neue
Kraft und neues Leben ins Geschäft, erwiesen sich auch in der Vertheidig-
ung der Patentrechte sehr geschickt. Von 1796 bis 1799 wurden mehrere
Patentprozesse geführt und endlich zu Gunsten von Boulton und Watt ent-
schieden. In dem wichtigsten, gegen die Hornblower's, legte Professor Robi-
80N zu Gunsten Wattes Zeugniss ab und als er bei seiner Heimkehr dem alten
Dr. Black die Nachricht von dem für Watt günstigen Ausgange des Prozesses
erzählte, war dieser zu Thränen gerührt. „Es ist recht albern*', sagte er
dabei, ^^aber ich kann nicht anders, wenn ich von etwas Gutem höre, das
unserm lieben James begegnet ist.^
Die Grubenbesitzer in Cornwall hatten seit Jahren die bedungenen Ge-
bühren nicht bezahlt. Nach den genannten Prozessentscheidungen wurden nun.
576 James Watt uud dio ErtiiKlan^ der Dampfmaschine.
wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten, 30000 Ü? solcher rückständiger Ge-
bühren eingetrieben. Von dem Theile, der Watt hiervon zukam, kaufte er
sich ein Landgut in Wales.
Das Patent erlosch im Jahre 1800, als Vater Watt 64 und Vater Bgülton
72 Jahre alt war, aber das Geschäft dehnte sich trotzdem mehr und mehr
aus. Die Firma Boulton und Watt vermochte ihre Ueberlegenheit über Kon-
kurrenten noch lange Zeit zu behaupten.
Der alte Watt hatte sich 1790 ein Landhaus bei Birmingham gebaut
und 1794 einen grösseren Landkomplex dazu gekauft, den er in einen hübschen
Park umwandelte. Bei seinem Wohnhause baute er eine Schmiede und in
einer Dachstube richtete er sich eine Werkstätte für mechanische Studien her.
Während Watt sich hierher zurückzog, war Boulton, obgleich der ältere, noch
immer im Geschäfte, namentlich in seiner Münzstätte thätig, bis er am
17. August 1809 im Alter von 81 Jahren starb.
Der stets schwächliche Watt überlebte ihn. Er war in Schottland, als
ihn die Nachricht von Boulton's Tod erreichte und schrieb an dessen Sohn,
nachdem er ihm sein Beileid ausgedrückt: ;, Wenige Männer haben seine
Fähigkeiten besessen und noch weniger haben sie so angewendet, wie er.
Und wenn wir dazu seine Leutseligkeit, seine Grossmuth und seine Liebe zu
seinen Freunden rechnen, so erhalten wir das Bild eines seltenen Charak-
ters. Einen solchen Freund haben wir verloren, auf dessen Zuneigung wir
stolz sein können, während Sie stolz darauf sein können, der Sohn eines
solchen Vaters zu sein.^
Watt's Gesundheit befestigte sich merkwürdiger Weise in seinem Alter.
Sein Wissensdurst war ungeschwächt und er las viel. Sein Eifer zu Unter-
suchungen und sein Erfindungsgeist waren so rege, wie zuvor. Die letzte Er-
findung, die ihn beschäftigte, war eine Maschine zum Kopiren, Vergrössern
und Verkleinem von Statuen und Medaillen. Wir finden ihn im Jahre 1810
in seinem 74. Lebensjahre damit beschäftigt und sieben Jahre später scheint
sie beinahe vollendet gewesen zu sein. Er machte sich ein Vergnügen daraus,
seinen Freunden Produkte seiner neuen Maschine zum Geschenk zu machen,
und bezeichnete diese Statuetten und Medaillen in einem Briefe vom Jahre
1818 scherzweise als ;,Erzeugnisse eines jungen Künstlers, der eben in sein
83. Jahr eintritt.^
Im Sommer 1819 wurde er von seiner letzten Krankheit befallen; doch
litt er wenig und behielt seine geistigen Fähigkeiten beinahe bis zum letzten
Augenblicke. Er war sich seines nahenden Endes bewusst und drückte von
Zeit zu Zeit seinen Dank gegen die göttliche Vorsehung aus für den reichen
Segen, den sie ihm auf dieser Welt zu gemessen erlaubt hatte und für das
hohe Alter, das ihm vergönnt war, ohne dass er die Schwächen des Alters
zu empfinden gehabt hätte.
Am 19. August 1819 verschied er.
Register.
(Die Zahlen geb^n die Seiten an, worauf wich Naehriehten Aber den betreffenden Gegenstand finden und sind
bei den einzelnen Gegenständen nach dem Alter dieser Xacbrichten geordnet).
Aeolipyle 255, 257.
aoathias 256.
Agnisterion 19.
Agricola 127.
Alarmapparat 15.
Albertus Magnus 256.
Albion Mill 573.
Aleotti 6.
Amalgamirmühle 125.
Ampliieryon 42.
Ampborika 4.
Anisokyklen 41.
Ansaugevorrichtung anHeberO.
AiTTHEMius VON Tralles 256.
AntifriktionsroUen 324, 325,
134, 162.
ADziehen starker Schrauben
416.
Archimedes 2, 28, 29.
Archimedische Schraube 50,
339, 468, 178, 506.
Archih-onito 99, 348.
Aristoteles 1, 239.
Artemon 44.
Assarium 11.
Aufhelfe 287, 220.
Aufzug mit direktem Pferde-
betrieb 131.
Augaburger Maschine 179, 180,
533.
Augsburgs Wasserversorgung
179.
Ausflusamenge, Regulirung der
19-21.
Ausziehen starker Nägel 427.
Beck.
Axe mit Rad 33.
Axen, geschränkte 19.
Axt 2.
BAADER'sches Gebläse 341.
Backenbremse 133.
Baggermaschine 342, 448,251,
527, 551.
Baggerrechen 193.
Baldo, Beunh. von Urbixo 6.
Balgpumpe 289, 101, 471, 227.
Bullisten 57.
Bandbremse 328, 221.
Bai-ülkon 5, 27, 29, 32.
Becherwerk 48, 291, 134, 228,
245, 247.
— für Erdförderung 199.
Becher zu Schöpfwerken 102,
340, 228, 245.
Beckmann, Johann 181, 183,
193, 312.
Belidor 279, 296.
Bexedetti, J. B. 539.
Bkroai.de, Francois 186, 187.
Besson, Jacques 186.
Beutelkasten 181,230,521,533.
Bewegung, hin- und hergehende
164.
Beyer, Jon. Matth. 407.
BiRiNGuccio, Vann. 111.
Birmingham 562.
Black, Dr. Professor 557.
Blasbälge 41, 155.
— Mechanismus zur Bewegung
von 289, 470, 116—120, 408.
Blasbälge,c} lindrische340,156.
— zur Grubenventilation 145.
Blatner, Anton 404.
Blechscheere 431.
Bleirohre 39.
Böckler, G. A. 276, 511, 529.
Bohrmaschine, horizontale 440.
— für Brunnenrohre 280, 104,
344, 510.
— für Kanonen 121-122.
— doppelte 537.
Bohrung eines Amsterdamer
Brunnens 545, 546.
Boot mit Ruderrädem 281.
BoLLTON, Matth. 562.
Bram abpumpe 224.
Bramerus, Benjamin 529.
Branca, Giovanni 538.
Bratenwender, mit Gewicht
betrieben 425, 313.
— mit Feder betrieben 311.
— durch den Rauch betrieben
426, 313, 532.
Brechschrauben 345.
Brechwerkzeuge für Gitter-
stäbe 330, 428, 233.
Brennspiegel, Herstellung
grosser 353—364.
Brückenbogen, steinerne ver-
ankerte 523.
Brückenträger, hölzerne und
metallene 522, 523.
Brunnengraben 40, 545.
Brunnenröhren, hölzerne 105.
Buchdruckerpresse 302, 410.
37
o78
Namen- und Sachregister.
Cardanus, Hierommus 163.
Cato der Aeltero 66.
Cäus, Salomox de 502.
Centrifagalpumpen , eine Art
von 336.
Centrirvorrichtangen 441.
Charnierkopf 102.
Chelona (Schlitten) 35.
Chersiphron 45.
Chorobat 38.
Coclaeus, Joannes 312.
commandinus, f. 6, 211.
Condensation des Dampfes
504, 505.
Condensator zu Dampfmaschi-
nen 560.
Cylindergebläse (Uebergangs-
form) 340.
Dampf 8, 255, 250, 503—505,
557, 559.
Dampf-Ballspiel des Heron 22.
Dampfkanone 99, 348.
Dampfmaschine des Marquis
OF WORCESTER 265.
— des Salomon de Caus 505.
— von Nevvcomkx 558.
— Ei'findung der — durch
Watt 552.
Dampf- u. Kochkessel Ueron's
22.
Dampf- Reaktionsrad Heron's
22.
Dampfvolumen 264.
Danner, Hans 345.
— Leonh. 803, 345.
Dick, Dr. Professor 555.
Doppelmeyer, J.G. 803, 312, 345. ;
Drahtseil 340.
Drahtziehen aus Gold und
Silber 123.
— dickeren aus Eisen 124.
Drebelliüs (Drebbel), Corne-
lius 544, 545, 550.
Drehbänke 41.
— mit kontinuirlicher Dreh-
ung 190, 300.
— zum Passigdrehen 189, 190,
511.
— zum Schraubenschneiden
441, 190.
Drehkrahnen 44, 272, 273,
284, 330, 448, 157-161,
197-198, 309.
Drehorgel mit Wassertrom-
melgebläse und Wasserräd-
chen 269, 511.
Drehräder von Erz 2.
Drehscheiben 44, 330.
Drehungen, entgegengesetzte,
erzeugt aus einer 172.
Dres'.*hmaschine 540, 549.
E:delstein-Schleifmaschine282,
166.
Eigengewicht von Maschinen-
theilen 450, 241, 242.
Eimerkunst 48, 135, 228, 245,
247.
Einscbleifen von Hahnen 540.
Einzahnrad 320, 170.
Ellipsenzirkel 188.
Epagon 44.
Erdbeben, durch Dampf nach-
geahmt 256.
Erdbohrer 280, 103, 343, 444,
545.
Erdförderung 481, 246.
Erz- und AmalgamirmQhlel53.
Expansion des Dampfes 565,
569.
Expansions • Dampfmaschine,
doppeltwirkende 572.
Faden Wächter fQr Duplirma-
schinen 454.
Fahrstuhl, um sich selbst auf-
zuziehen 200.
Fall auf der schiefen Ebene 95.
Fallhammer 161, 162.
Fallschirm 99.
Feilenhaumaschine 108.
Festigkeit 98.
Feuer 8.
Feuerröhren 22, 571.
Feuerspritze 14, 52, 204, 397,
511.
— die alten ohne Windkessel
und Schläuche 403.
— Gebrauch derselben im
Alterthum 400.
Feucriöpfe 444.
Flammofen 463.
Flaschenzng 2, 33, 446, 242.
— umgekehrter 338, 228.
Flugmaschinen 349—352.
Fluth und Ebbe als Kraftquelle
292, 518.
Fördermaschine mit direktem
Pferdebetrieb 131.
— Pferdebetrieb, Vorgelege u.
Bremse 132.
Fontana, Domenico 485.
Frachtwagen 41.
Formerei von Geschützen 462.
— von Kugeln 347.
Frontinus, Sext. Jul. 58.
Galilei, Gal. 506.
Gangspill 43, 329.
Garzoni, Thom. 190, 300.
Gefässe der Einigkeit 11.
Gehen auf dem Wasser 468.
Gerinnanlage für Wasserräder
453.
Getränkte Axen 19.
GeschQtz-Formerei 462.
Geschatzkugeln, eiserne 11.5.
Gewichtsmahlen 212. 536.
Gewindbohrer 344, 427.
Gitter • Brech Werkzeuge 330,
428, 233.
Gleitstück 529.
"//.tüafTÖxo^ov 30.
G oldschl ägerhäm m er433— 440.
Gotteskasten 19.
Gusseiserne Wasserleitungs-
röhren 105.
Hängewerk-Brücke, einfache
522.
Ilahnensteuei-ung 509.
Hahnenverschlüsse 16.
Hammerwerke 157.
— für Goldschläger 433—440.
Handmühlen für Golderze 152.
HARSTöRFrER,GG. Phil. 424, 548.
Harzer Wettersatz 341.
Hautsch, Joh. 424, 548.
Hebel 2, 33, 241.
Hebelpressen 67, 68, 69, 71,
76, 79, 450, 301.
Hebeltransmissionl 19,120,582.^
Hebedaumen 286, 102.
Hebemaschinen 29, 33-36, 41,
284, 285, 291, 828, 829, 444,
130-133, 175, 197, 199, 204,
205, 233, 241, 294, 295.
Heben durch Wasserauftrieb
331.
Heber,gewöhnliche,gedoppelte,
im Schwimmer befestigte
und darin verstellbare 8.
Namen- und Sachregister.
579
Heber mit Ansaugevorrick-
tung 9.
Hkide, Jan van der 403.
Heissluftmaschine 12, 17.
Hkle, Peter 312.
Heron der Aeltere 1, 5.
HeroDsball 10, 257, 268, 503.
Heronsbronnen 21, 260, 508,
509.
Hinterladangsgeschütze 347,
348, 236-238.
Hobelvorrichtung 442.
Hochdmckdampfmaschine 265,
558, 565.
Hohlform, der Begriff 386.
Hohlkolben 291, 176, 222.
Höllenmaschine 333.
Holzbahnen 129.
Horizontal-Transport grosser
Lasten 448.
Homhaspel 130.
Horror vacoi 7, 259.
Joche 41.
Kalorische Maschine 12, 17.
Kammerschleuse 483, 316.
Katapulte 54.
Kegelräder 100.
Kegelventile 4, 53, 325, 326,
222.
Kehrrad 142, 536.
Keil 2, 33.
Keilpressen zur Oelfabrikation
406.
Keltern nach Cato demAelteren
79.
—nachPuNiüsdem Aelteren 76.
— antike aus dem 16. Jahrh.
69, 301.
— antike aus neuerer Zeit 67.
Kelterkammer o8 (Siehe auch
unter Presshäuser).
Kembohrer 440.
Kesselofen 463.
Ketten 102, 340, 135, 245.
— anstatt Schubstangen 220,
221.
— ohne Ende für Handbetrieb
287, 210.
KettenbrQcke 524.
Kettentransmission 221.
Kircher, Athanasius 513.
Klappen Ventil 11.
KlappenventU, mehrfaches 326.
Klauenkuppelung, lösbare 540.
Kochtopf Heros 's 22.
Kolben zu Patemosterwerken
287, 102.
Kolbenpumpe, liegendelOl, 248.
Kolbenstange, hohle als Steig-
rohr dienend 216. 222.
Kollergänge 347, 126, 308.
Kommunicirende Röhren 11, 12.
Kopirpressc 566.
Krafteinschalter 332.
Kraftmaschinenkuppelung
(ÜHLHORN'sche) 169.
Krabnen, einbeinige, zwei-,drei-
und vierbeinige 35, 42, 43,
272, 445, 447, 448.
— zum Herablassen von Lasten
273.
Kranichhälso 8.
Kratzmaschinen für Tücher
314, 456.
Kropfrad 518.
Ktesibios 2.
Ktesibisches Druckwerk 51,
176.
Kühler auf den Tisch 471.
Kugelformmaschine 347.
Kugelgestalt der Krde 96. |
Kunstrammen 280, 290, 343, .
193, 249, 540.
— für schräge Pfähle 195, 428.
Kupferdruckpresse 307.
Kurbel 2. 219.
— an Dampfmaschinen 572.
Kurbel-Kapselwerke 225.
Kurbelkreuz-Scbleife , recht-
winklige 315.
Kurbelschleife, oscillirende220.
Kurbelviereck 219.
Kurvenschubgetriebe 218, 219.
Kurvenzirkel 187, 188.
Lampe mit Glascylinder 99.
— selbstregulirende 333.
Lederbalgpumpen 289, 101,227.
Leitern, zusammenlegbare 253.
Leo.xardo Da Vinci 88, 318, 411.
Lesepult, mechanischer 234.
Leupold 202.
Ldiperch, Pieter 408.
Lobsinger, Haxs 345.
Lochstempel 442.
Löffelräder 531, 537.
Löffelunruhe 175.
Log 53, 205.
LORIXI, BUONAIUTO 235.
Luftschraube oder Lnftkreisel
351.
Mahlen des Schiesspulvers 125,
252.
— von Gold- und Zinnerzen
15L
Mangen 196, 301.
Mangelrad 320.
Marianus, Jacobus, gen. Tac-
coLA 271, 284.
Marionano siehe Medichino.
Marmorschleifmaschine 19 1 .
Maschine, der Begriff im Al-
terthum 40.
Mechanica des Heron 5, 27, 29,
32.
Mechanische Probleme des
Arlstoteles 1.
Medichino, Giacomo gen. Ma-
RIGNANO 206.
Mehlmühlen 451—453, 196,
229.
— für Handbetrieb 275, 276,
277, 451, 209, 253.
— für Göpelbetrieb 277, 278,
291, 451, 519.
— fahrbare 310.
Mehlsichtmaschine 181, 297.
Mehlsiebe 181.
Mersennes 506, 544.
Metagenes 46.
Metus vacui 259.
Momententheorie 94.
Motoren, hydraulische 47 1, 477.
Mühle mit oben ausgehöhltem
Bodenstein 152, 451.
— eigen thümlicher Art 533.
Münzen schlagen 346.
— prägen 575.
Nähnadel-Schleifmaschine
458-461.
Nasspochwerk 149, 150.
Nürnberger Scheere 191, 192,
376, 377.
Oefen für Silberhütten 154.
— für Zimmer mit Zügen 550.
Oehlmühle, deutsche 407.
— holländische 408.
37^
580
Nameu- und Sachi-egister.
Oelpressen, altrömische 71,
76, 79.
— im 16. Jahrhundert 68, 69,
301, 520.
Oelsamenquetsche 520.
Olivenqueische (trapetuin) 72
his 74, 85-87.
Paeonios 46.
Panemoren 517.
Pansterräder 210.
Papiermühle 313, 537.
Pappus der Alexandriner 27.
Passigdreben 189, 190, 511.
Patemosterwerke 287 , 339,
140, 141, 228.
Patronendrehbank zum Cie-
windeschneidcn 441.
Pendel, schweres 333, 336,
451, 191, 192.
Pentaspastos 42.
Peritrochion 42.
Perpetuum mobile 286, 472,
479, 231.
Personenwagen 41.
Pferdegöpel 131, 132, 196,
210.
Pflug 41.
Piuleus 22.
Plungerpumpe fQr geringe För-
derhöhe 287, 315.
Pneumatica von Hkrox 5, 6.
Pochwerke 147 — 151 (siehe
auch „StampfmQhlen").
Pui.YIDOS 37.
Polyspastos 44.
Pontonbrücken , transportable
253.
Poppe, J. H. M. 181, 312, 393.
Porta, Giambattista deli.a 254.
Potenzen, die fünf mechani-
schen 32, 241.
Prägen von Münzen 346, 575.
Pressen 41, 67—79, 449, 301,
520.
Presshäuser , altrömische 80
bis 84, 70, 72—76 (siehe
auch unter Kelterkammer").
Priesterfiguren, Trank opfernde
12.
Princip der virtuellen Ge-
schwindigkeiten 94, 242, 243,
506.-
Prochyta 9.
Proportionalzirkel 187.
Pumpen, einfache 287, 474,
135, 136, 510.
— zweistiefelige 51, 176, 334
bis 336, 472, 473, 479, 213
biä 220, 396, 506-508, 531.
— zweistiefelig in kastenför-
migem Gehäuse 136.
— dreistiefelige 137.
— mit Hohlkolben, 291. 176,
177.
Pumpen mit schwingenden
Kolben 202, 224, 315.
— mit rotirenden Kolben 225.
— gestürzte 248, 507, 510.
Pumpensätze, mehrere gleich-
zeitig betrieben 137, 140,
507.
Pumpen Stiefel , halbcylin-
drische 222.
— gebogene 336, 474, 223.
— kastenförmige 224.
Pumpwerk mit prismatischen
Stiefeln 201.
Pythagoräisches Dreieck 51.
Radschlösser an Musketen 422.
Räder 2.
Ramki.li, Agostino 206.
Ramme, hammerförmige 428.
Regulirhahn 4.
Regulirung der Ausflussmenge
19-21.
Regulirventile, konische 4.
Reibung 97.
Reibungskuppelungen 170.
Reise wagen 41, 541.
Relative Bewegung 97.
Reutern des Getreides 521.
RiCH, Antony 521.
Riemenantrieb 864, 306, 408.
Rinnen, schwingende 289, 475,
366, (Figur) 229.
RlVlUS, GUALTHKRUS H. 184, 391.
RoBisoN, John 557.
Roebuck, Dr. 562.
Röhren, kommunicirende 11.
Rolle 2.
Rollen der Gerste 522.
Ruder 2.
Ruderräder 281, 550.
Rückschlagventil für Blasbälge
341.
Rundfräser 344.
Säge mit Stockzähnen 344.
Sägegatter für Handbetrieb
192.
Sägemühlen 193, 232, 405, 510.
ScAppi, Bartoi.omeo 312.
Schälen des Getreides 521.
Schaltwerk 102, 446.
— doppeltwirkendes 324, 248,
253, 420. 421.
Schatztruhe Hero.n's 19.
Schiefe Ebene 29, 95. 243, 244.
Schiffahrt unter Wasser 544.
550.
Schiffe 41.
Sehiffmühlc 295, 519.
Schiffspumpe 336.
— des Bartolomals Brambilla
176, 177.
— mit Massivkolben und Leder-
dichtung 177, 178
Schirm, fahrbarer des Ar-
chinger von Seinsheim 283.
Schläuche, lederne mit metal-
lenen Verbindungsstücken
542.
Schleiferei für Handbetrieb 299.
— für Wasserradbetrieb 299,
408.
Schleifen von Hohlspiegeln
360-364, 464.
Schleif, und PolirmQhle 427.
Schleuder 2.
Schleudermaschinen 466, 467.
Schleusen 316, 483.
Schleusenthore 316, 483, 484.
Schlitten (chelona) 35.
Schmelzöfen für Silberhütten
154.
Schneidzeug für Scbrauben-
muttem 344, 427.
Schnei Iwaage 2.
Schnurtrieb siehe „Seiltrans-
mission'*.
ScHOTTUs, Kasp. 245, 448, 513.
Schopfräder 47, 48, 291, 468,
228, 302.
Schöpfwerk mit horizontalem
Wasserrade 200.
Schraube 2, 31, 34, 243, 244.
— konische 416.
— als Bewegungsmechanismus
29, 34, 274, 284, 100, 32Ü,
417, 448, 200, 215—217,
251, 294, 295.
Namen- und Sachregister.
581
Schraube alsWassennotor327.
»Schrauben, rechts- und links-
gängige durch Spannwirbel
verbunden 417, 218.
Schraubengang, in sich selbst
zurückkehrender 417.
Schraubenkluppe 427.
Schraubenpressen 451, 301.
Schraubenräder 2, 82, 100, 320.
Schraubenräderwerk mit Anti-
friktionsrollen 421.
Schraubenscbneiden auf der
Drehbank 441, 190.
Schraubenschneidmaschine
344.
Schraubenwinden 274, 284, 427,
445.
Schraubzange 426.
Schraubzwinge 426.
Schrittzähler 423.
Schröpfkopf 7, 8, 18.
Schubstangen, um 90^ gegen
einander versetzt 253.
Schubstangenkopf 102.
Schuh mit Rüttelwerk 182,
229, 230, 533.
Schwengel , horizontaler mit
FiDgelstange 209, 533.
— vertikaler mit Flügelstange
125, 533.
— mit Gegengewicht am Zieh-
brunnen 2.
Schwimmei-ventil 20, 21.
Schwimmgürtel 99, 281, 526.
Schwingende Rinne 289, 475,
229, 366 (Figur).
Schwunggewichte 275, 131,520
Schwungrad 326, 130.
Segelwagen 393.
Seidezwirnerei 303.
Seilbahn 291, 246, 247, 525, 549.
Seilbrücke, hänfene 524.
Seilerrad 453, 528.
SeUtransmission 282, 364, 426,
166, 534.
Seiltrommel 220, 221.
Selbstfahrende Wagen 283,424.
Selbstthätiges Füllen und Ent-
leeren 475.
Sichtmaschine 181, 297.
Siederohre 22.
Singende Vögel Hkron's 13, 19.
Skizzen aus der Zeit der
Hussitenkriege 270.
Small, Dr. 563.
Soho 562.
Sonnenwärme als Motor 509.
Sonnenuhren 40.
Spannhebel für eine Armbrust
422.
Speckle, Daniel 345.
Sperrad mit Sperrklinke 219.
Spindel für Spinnmaschinen
108, 805.
Spiralrad 320.
Spiralziikel 189.
Spitzbalg mit Wasserdichtung
340.
Springbrunnen 39.
Spritzenschläuche 402.
Spritzflasche 257.
Stampfmühlen 279, 287, 126,
195, 252, 295, 309.
Standrohr, umlegbares 10, 14,
399.
Stechheber 9.
— doppelter 9.
Steinsägen 105, 231, 232.
Stetten, Paul von 179, 193,
197, 404.
Stevin, Simon 28, 316, 393, 394.
Stirnräder, konaxiale, durch
Räderübersetzung verbunden
419.
— parallele oder konaxiale, in
ein Getriebe eingreifend 419.
Stirnräderübersetzungen 166,
167.
Stockscheere zum ßlech-
schueiden 431.
Strada, Jacob de 276, 529-531.
Strada (Ogtavius de) 529—531.
Stiomaufwärtsfahren vermöge
des Stromes 289, 526.
Stützung 166.
Sükflator 256.
Taisnier, J. 240.
Targone, Pompeo 310.
Taschenuhren 312.
Taschenwerk 539, 540.
Taucherglocke 238.
Taucherhelm 281, 99, 467, 239,
240.
Teigknetmaschine 539.
Thonröhren 39.
Tonnengebläse, rotirende 431,
342.
Töpferscheibe 2.
— für Brandkugeln 444.
Toricelli 259.
Transmissionsanlage 153, 536.
Transport des vatikanischen
Obelisken 485.
Trapetum 72-74, 85-87.
Tretrad 43, 146, 210, 520.
— horizontal 131, 405.
— geneigtes 210, 297.
— für Pferd 537.
Tribulum 540.
Trispastos 42.
Trockenpochwerk 147—149.
Trottgänge 347, 126, 298, 308.
Tuch-Rauhmaschine 456, 314.
Tuchscheeimaschine 103, 456.
Turriaxo, Juanelo 365.
ÜBALDi, Guido del Monte 241 —
243.
Uhr, astronomische,des Juanelo
TuRRiANo 369-372.
Uhren in Ringen und Knöpfen
393.
— transportabel 312.
Uhrmacherregeln 173, 174.
Umdrehungszahl von Mühl-
steinen 49, 230, 297.
Umkehrung von Mechanismen
285, 336, 338, 422, 176, 200,
228, 541.
Umsteuerungskuppelung 541.
Umwandlung drehender in eine
in der Axenrichtung hin-
und hergehende ßewegung
417, 418.
— drehender in geradlinig hin-
und hergehende Bewegung
320-323, 213, 214, 508.
— drehender in schwingende
Bewegung 320—323, 213.
— schwingender in drehende
Bewegung 420, 199, 200.
Unfallvcrhütungs -Vorrichtung
160.
Universalgelenk 205.
Unruhe 174, 175.
— mit Spiralfeder 175.
Vacuum 6.
Valturius, Rob. 192, 240, 253,
282, 377, 425.
Vegetius, Renatus 65, 240.
582
Namen- und Sachregister.
VeDtilatoren 144.
Ventile, glockenförmige 21. j
— Klappen 11.
— konische 3, 53, 325, 326, I
222. ;
— spritzenförmige 18.
Ventilkolben 291, 176, 222.
Verantiüs, Faüstus 290, 513. |
Verdampfung 264, 504, 557.
V'^erzabnung, innere 212. '
— für Winkelräder 100, 212. ,
— für Schraubenräder 32. '
Vierweghahn 16.
Virtuelle Geschwindigkeiten,
Princip der 94, 242, 243, 506. |
ViTRüv 2, 37.
Vögel, singende, des Uekon 13,
511.
I
Waage, gleicharmige 2. 41.
— römische 2, 41. |
Wärme, latente 559.
Wagenburg der Hussiten,
selbstfahrende 283, 540, 548. |
Wagenrad 2.
Walkmühle 300, 406, 537. '
Walze 2, 35.
Walzenmühle 231, 515. '
Walzwerk für Fensterblei 308. i
— für Zinnfolio 347. '
— für Zinn zu Orgelpfeifen i
511.
— für Münzen 539. i
Warmhalten der Dampfcylin-
der 559.
Wasser in's Haus ziehen 472.
Wasseraufzug mit Kehrrad 142.
Wasserdruck 332, 506.
— auf Schaufeln messen 470.
Wasser Förderung durch eine
saugende Wassersäule 258.
— durch eine drückende Was-
sersäule 259.
— durch eine saugende und
eine drückende Wassersäule
260
— durch mehrere saugende
Wassersäulen 260.
Wasserförderung auf grössere
Höhe durch Vermengung der
aufsteigenden Wassersäule
mit Luft 262.
— durch eine mit Luft ver-
mengte saugende Wasser-
säule 263.
— vermittelst Luftverdünnung
durch Feuer 480.
Wasserhaltung 134.
Wasserkunst des Jianelo
TüRHiAXo 373.
Wasserleitungen des alten
Rom 58—65.
Wasserleitungsröhren, bleierne
39.
— hölzerne 105.
— gusseisernQ 105.
— thöneme 39.
— Wassermühlen 49, 278, 279,
195, 230, 296.
Wasserorgel 24, 25, 52, 269.
Wasserräder, horizontale 278,
110, 195, 201, 211, 518,
519, 540.
— oberschlechlige 289, 109
326, 327, 151, 296.
Wasserschöpfwerk 542.
Wasserschraube oder Wassor-
schnecke 50, 339, 468, 178,
506.
— selbstthätige, des Galeazzo
DE Rübeis 178.
Wassertrommelgebläse 266,
267.
Wasseruhren 2, 470.
Wasserversorgung Augsburg's
179.
— ToLEDo's vor der „Kunst'
des JuANELO 866.
— TüLEDo*s nach derselben 389.
Wasserzange 202, 203.
Webeinstrumente 41.
Webstuhl für gemusterten
Damast 549.
Wecker, hydraulischer 332.
Wegmesser 53, 424.
Weinpresse, römische 79.
Wein-Saugapparat 543.
Wettersatz, Harzer 341.
Wetterschächte 40, 546
Wichtigkeit der Schläuche an
Feuerspritzen 402 — 40 i.
WiLKiNsoN, John 545.
Winden 29, 34, 427, 447, 245,
294, 541.
Windkessel 10, 269, 403.
Windmühlen, deutsche (Bock-
windmühlen) 277. 278, 183.
— holländische mit drehbarem
Dache 327, 211, 532.
Windräder, vertikale 25, 188.
— horizontale 184, 203. 516, 517.
Winkelrädergetriebe 19, 319,
212.
Wirbel, künstlicher 337.
Wirkung des Feuers 8.
— sichtende, von Luftwellen
183.
WORCKSTER, MaROUIS OK 265.
Zahnformen 100.
Zahnräder 2, 19, 30, 31.
— am halben Umfange ver-
zahnte 320, 212.
— eiserne, mit eingeschraubten
Stahlzähnen 135.
— mit geschränkten Axen 19,
154, 173.
— spiralförmige 824, 171.
Zahnräderübersetzungen 166,
168.
Zangen 2.
— selbstschliessende 102.
Zargen 229.
Zentrir-Vorrichtung 441.
Zeising, Hkinr. 391.
Ziehbänke für daubenartige
Eisenstäbe 430.
— für Metallbändor 355, 856.
Ziehbrunnen 338, 473, 228.
ZOXCA, ViTTORIO 293.
Zusammengesetzte Drehung
171.
Zwirnerei fürWasserrad betrieb
303.
Banrao« zur GeacMchte dae Ma
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STANFORD, CALIFORNIA 94305-6004
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