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ALTERTHÜMER
VON
I O N I E N
HERAUSGEGEBEN
VON DER
GESELLSCHAFT DER DILETTANTL
ERSTER THEIL.
ZWEITE BERICHTIGTE UND VERMEHRTE AUFLAGE.
LONDON 1821.
o
ALTERTHÜMER
VON
I O N I EN
HERAUSGEGEBEN
VON DER
GESELLSCtIAFT IJER DILETTANTI
ZU LONDON
AUS DEM ENGLISCHEN ÜBERSETZT UND MIT
ANMERKUNGEN BEGLEITET
VON
D" KARL WAGNER.
«M>«ooo<»«
DARMSTADT,
DRUCK UND VEfLAG VON KARL WILHELM LESKE.
MDCCCXXIX.
THE J. PAUL GETFY MUSEUM UBRARY
Vorrede des Uebersetzers.
U eLer den hohen wissenschaftlichen Werth des
prachtvollen in Atlantischem Format erschie-
nenen Originalwerks, dessen UeLersetzung ich
hier vorlege, haben urtheilsfähige Richter schon
längst entschieden. (') Es ist für die Baukunst
überhaupt und für die Ortskunde von Klein-
asien insbesondere von anerkannt grosser Wich-
tigkeit. Dies bezeugen sowohl ausführliche
(l) Vgl. Hirt in der Vorrede zur Baukuust nach den
Grundsätzea der Alten.
Ion. Alt. **
IV VORREDE,
Beurtheiluugen in gelehrten Zeitschriften, (2)
als auch unzählige Verweisungen auf dasselbe
in allen neueren Werken über Griechische Bau-
kunst. Es bleiben mir darum nur einige Be-
merkungen über die neue hier zu Grund liegende
Auflage des ersten Theils und über meine Ar-
beit zu machen übrig.
Beinahe fünfzig Jahre waren seit dem Er-
scheinen der ersten Ausgabe verflossen, als die
Fortschritte der Briten in der Kenntniss der
Griechischen Baukunst eine lieber arbeitung der-
selben Avünschenswerth machten. Günstige Ver-
hältnisse erleichterten die genauere Prüfung
vieler Bauwerke und Hessen die kenntnissreichen
Mitglieder der zweiten Mission eine reiche Nach-
lese finden. So musste die neue Auflage in
vielen Theilen berichtigt, überarbeitet, vervoll-
ständigt Averden und wesentliche Vorzüge vor
der ersten erhalten. Schon das erste Capitel
enthält neue Untersuchungen und Resultate über
(2) Göttinger Anzeigen gelehrter Sachen 1770. 54. St.
S. 474 ff. Neue Bibliothek der schönen Wiss. 177t. Bd.XII.
St. I. S. 232 ff. Bibliotheque universelle des royages, Paris
1808. Tom. II. p. 139.
VORREDE. V
die Verhältnisse der Säulenweiten, das fünfte
ist ganz neu hinzugekommen. Mehre malerische
Ansichten sind zwar Aveggehliehen, aber durch
genaue topografische Pläne oder architektonische
Zeichnunjjen mehr als ersetzt worden. Für einen
besonderen Gewinn ist die von Sir William
Gell gemessene und gezeichnete Karte vom Lauf
des Mäandros zu achten, gegen welche die
früher als Schlussvignctte zum dritten Capitel
gegebene kleine Karte von einem Theil von
Kleinasien keinen Vergleich aushält. Aulfallen-
derweise hat man aber zur Erläuterung dieser
Karte, die das Ergebniss neuer Vermessungen
und Forschungen darstellt, den alten Chandleri-
schen Text stehen lassen, der, sonderbar genug,
weder zu jener älteren kleinen Karte noch zu
der neuen Gellischen passt. Auf beiden ist näm-
lich die Lage von HeraJcleia richtig an dem
Südende des Latmischen Meerbusens, in der
Nähe des heutigen Dorfes Bafi und die von
Myirs auf der Gellischen nordwestlich von hier
am Mäandros angegeben. Der Text aber, der
in Chnndler's Reisen in Kleinasien wiederholt
und erweitert wird, bezeichnet S. 56. 57- 62.
64 If. und an andern Stellen die Stadt Myus so,
VI VORREDE.
als wenn sie an der Stelle von Herahleia, und
diese S. 59, als wenn sie westlich von dem
Latmischen Busen läge. Auf demselben Irr-
thum beruht die Angabe von einem Theater,
Tempel, von Grabmälern, Klöstern und Kir-
chen zu Myus S. 65 f. Sowohl die Trümmer
der' beschriebenen alten Bauwerke, als die neuen
von Christen aufgeführten Gebäude gehören der
Stadt Herdkleia an, die bekanntlich auch noch
nach Christi Geburt blühte und Sitz eines Bi-
schofs Avar. S. 211 wird Myüs gerade dem
neueren Bafi gleichgestellt, dessen Lage am
Latmischen Busen oder Bauschen See durch Gell
und Choiseul Gouffier ausser allen Zweifel ge-
setzt ist. Ebenso soll nach dem Text der Bersr
Titanos der Stadt Priene gegenüber liegen, wäh-
rend es auf der Karte der Latmos ist. Thym-
hria, dessen der Text S. 67 erwähnt, sucht
man vergebens; Paimos , ein Dorf auf einem
Hügel, der wahrscheinlich aus der ehemaligen
Insel Lade entstand, ist nicht angegeben. Da-
gegen findet man über sehr viele Namen der
Karte und bedeutende Abweichungen von frü-
heren Zeichnungen im Text keinen Aufschluss.
Beide nehmen keine Rücksicht auf einander,
VORREDE. VH
sondern widersprechen sich sogar. Auch aus-
ser den angegebenen Fällen wird sich der
Leser noch manchmal mit mir über diese Incon-
sequenz und grosse Nachlässigkeit zu beklagen
haben.
Um so erfreulicher ist die Gabe, die uns das
so eben erschienene Programm unserer hiesigen
Gelehrtenschule in der Abhandlung meines Freun-
des, des Dr. W. Th, Soldan ^ bietet. Als Vor-
arbeit einer Geschichte von Miletos erscheint
hier nämlich eine geografische Untersuchung De
Mileto et locis, quae circumiacent, 43 S. in 4to,
die den allerdings sehr verworrenen Gegenstand
mit einer solchen Klarheit, Sachkenntniss und
Vollständigkeit behandelt und den an sich sprö-
den Stoff in eine so angenehme Form gebracht
hat, dass ich, um das Richtige anzugeben, wohl
nur ausschreiben dürfte und des Erklecklichen
nicht Viel hinzuzufüjjen hätte. Die beiijeijebene
Karte gibt ein anschauliches Bild der immer
vorgerückten Gränzen, welche die Küste jener
Gegend zu den verschiednen Zeiten des IVeleus,
Plinius, Pausanias gehabt zu haben scheint und
jetzt hat. Der topografischen Zeiclmung nach
liegt ihr vorzüglich die hunder tund elfte Tafel
VIII VORREDE. j
in der malerischen Reise des Grafen Choiseul
Gouffier zu Grund, in der Ortsbezeiclinung aber
stützt sie sich auf eigne Vermuthung und stimmt
darin im Wesentlichen mit unserer Gellischen
zusammen. Dies muss Leiden zur Empfehlung
dienen, indem beide selbstständig gearbeitet
haben; Gell nach Autopsie an Ort und Stelle,
Soldan nach kritischer Vergleichung alter und
neuer literarischer Hülfsmittel und ohne die Gel-
lische Karte früher gesehen zu haben, als die
seine vollendet war.
Diese Schwäche des Grundtextes durfte ich
nicht ungerügt und ohne Angabe des Heilmittels
lassen, aber mein Tadel trifft nur einen ein-
zelnen Punct ; das Ansehen des architektonischen
Theils leidet dadurch nichts, und wer sehr reich
ist, bleibt auch nach einem kleinen Verlust
»och reich.
Ob und wie mir die Uebersetzung gelungen,
kann nur eine Vergleichung mit dem Original
lehren. Ich strebte nach den zwei Grundtugen-
den eines Uebersetzers, nach Treue und Deut-
lichkeit; der dritten, der Schönheit, widerstrebte
der Stoff. In einer vollständigen Bearbeitung
VORREDE. IX
des Englischen Werks hätten freilich die vielen
Bemerkungen, die sich in neueren Schriften üLer
unsern Text und die Lescliriehenen Gegenstände
finden, berücksichtigt, es hätten z. B. um nur
Einiges anzuführen, die Einwürfe in der Ar-
chäologie der Baukunst von Stieglitz ^ Thl. I.
S. 23, gegen die Vergleichung des Tempels zu
Aegina mit dem zu Pästunij so wie die des
'Baron -von StacJcelherg in seinem Werk über den
Apollontempel zu Bassä gegen unsere Benennung
dieses Tempels mit Hirt erledigt werden müssen.
Allein dies konnte nicht in meinem Plane liegen.
Ich unterliess es jedoch nicht, gelegentlich Irr-
thümer zu berichtigen, Andeutungen und Nach-
träge zu geben, so oft mir diese gerade zu Ge-
bot standen; statt der unbegründeten Orthografie
des Originals in den Eigennamen führte ich die
Griechisch - Teutsche Schreibart durch und
scheute nicht die unscheinbare Mühe, die grÖs-
stentheils sehr unbestimmten Verweisungen ge-
nau anzugeben.
Gelingt es diesem Werke, der Kunst und
dem reinen Geschmack neue Freunde und Jün-
ger, und dem hohen Geiste der Hellenen, der
X. VORREDE.
in ihren Bauwerken athmet, neue Bewunderer
zu gewinnen, so ist der üebersetzer reich, be-
lohnt.
Darmstadt, den 6ten OctoLer 1829. ,
R. W.
n h a 1 t.
Seite
Vorrede des Uebersetzers. . . . . .111
Geografische Irrthümer bei Chandler. . . V
I. Theil.
Vorredezur ersten Ausgabe j verf. von Rob. fVood. (*) 1
Stiftung des Vereins der Dilettant!. . . 2
Erste iMission nach Hellas und lonien. . . 3
Wichtigkeit loniens für Wissenschaften und Künste. 6
Mitglieder des Vereins der Dilettant!. . . 11
Vorrede und Einteilung zur zweiten Ausgabe. . 13
Zweite Mission. ...... 13
Construction des Dachs. .... 15
Hypäthrische (unbedeckte) Tempel. . . .17
Erleuchtung der Tempel. .... 24
Cap. I. Teos 29
Tempel des Bakchos. ..... 35
Cap. II. Pricne ' . .48
Vom Lauf und der Umgegend des Mäandros. 55
Umgegend von Priene. .... 68
Tempel der Athena Polias. . . . .70
Cap. III. Didynw 82
Umgegend des Tempels zu Didjmö. . . 132
Tempel und Orakel des ApoUon. . . 134
(1) Chandlers Reisen in KIcinasieu, iu der Vorrede.
XII INHALT.
Seite
Cap. IV. Labranda. . . . . . . 140
Tempel und Theater zu Labranda oder zu Eu-
romos. . , . . . . . 140
Cap. V. Samos. ....... 150
Umgegend von Samos. . . ' . . 158
Tempel der Hera . 162
II. Theil.
Vorrede und Einleitung. ..... 169
Charakter und Geschichte der Dorischen Bau-
ordnung. . . . ' . . ., . 169
^ Entstehung und Ausbildung der Kunst bei den
Hellenen. 175
Cap. VI. Das Mutterland Hellas 198
Aegina.
Ruine bei dem Hafen. .... 198
Tempel des Zeus Panellenios 198
Zeitbestimmung der ßlüthe der Baukunst. . 203
Aegyptischer Baustyl. ..... 204
S Union.
Tempel der Athena Sunias. .... 205
J\emea.
Tempel des Zeus. ...... 207
JEleusis,
Tempel der Demeter. . . . . '. 207
Cap. VII. Jonien.
Bogen zu Mylasa 209
210
. 211
211
. 212
213
., 216
217
. 217
Theater zu Laodikeia. .... 219
Grabmal zn Mylasa. . . . .
Korinthische Säule mit einer Inschrift.
Ruinen und See von Myüs (Herakleia).
Theater zu Stratonikeia. .
Gymnasion zu Efesos.
Tempel zu Efesos. ....
Theater zu Miletos. . . . .
Rennbahn zu Laodikeia.
INHALT. XIII
Seite
Gymnaslon zu Alexandreia Troas. . . ^ 222
Theater zu lassos. 222
Theater zu Patara 222
Theater auf der Insel Kisthene. . . . 222
Theater bei Telniissos 223
Schauspieler -Schulen und Gesellschaften. . 223
Localitüt der Schauspiele. .... 224
Verpachtung der Theater und heiligen Bezirke. 224
Hülfsquellen zu Errichtung von Heiligthümern. 228
Cafp. VIII. p) Vignetten.
Bedeutung des Adlers. .... 231
Weihe der Kinder. . . . . . 232
Grabstein mit Inschrift. .... 232
Münzen von Eleusis Aegina und Aegion. . . 233
Theatermarken 234
Sitze im Theater 234
Eine Inschrift zur Bestimmung der Sitze. . 238
(2) Im Original sind die 3 Capitel des 2len Theils mit V. VI.
VIT. bezeichnet, weil das Cap. V. jim ersten Theil noch nicht
mitgezählt werden konnte.
Druckfehler.
S. 5. Z. 6. von oben lies Delfö statt Delfi,
S. 5. Z. 8. V. ii. l. Athen« st. Athen.
S. 6. Z. 13. V. u. I, Anaixmandro.s st. Anaximander.
S. 49. Z. 8. lies am statt im.
S. 81. Z. 13. V. u. 1. Triglyfe/i st. Triglyfc.
S. 82. Z. 15. 1. der Triglypfe st. des Triglyf*, weil es bei Euripid.
Orest. 1373 t«s datQixuq tqiyXvtpovi; heisst.
S. 145. Z. 2. V. unten lies: IV. statt 3.
Vorrede zur ersten Ausgabe.
Unter den verschiedenartigen literarischen Er-
zeugnissen, die durch eine Vorrede in die Welt
eingeführt werden, mochte Avohl keine Gattung
von Werken einer solchen Einführung mehr be-
dürfen, als die, welche mehr Thatsachen als
Meinungen und Ansichten enthalten und deren
Verdienst darum mehr von des Verfassers Wahr-
haftigkeit als von dessen schöpferischem Talente
a])hängt. Eine Schöpfung des Geistes spricht
für sich selbst; hier ist jede Fürsprache unnütz,
jede Rechtfertigung überflüssig. Aber ein Rei-
sender, der mit dem bescheidenen Anspruch,
einen klaren und treuen Bericht dessen geben
zu wollen, was er gesehen, als Schriftsteller
auftritt, dessen Wahrhaftigkeit und Genauigkeit
von grösserer Bedeutung sind, als sein Geschmack
und sein Urtheil, kann sich dem ÖfFentlichen
Beifall durch nichts mehr empfehlen, als wenn
er aufrichtig erklärt, welche Gelegenheit er ge-
habt, um sich zu unterrichten, welche Mittel
ihm zu Gebot gestanden, um sich Kenntniss von
seinem Gegenstand zu verschaffen, und in wel-
cher Art er sodann seine Notizen gesammelt und
Ion. Alt. 1
2 VORREDE ZUR ERSTEN AUSGABE.
benutzt hahe. Jeder Leser, dem es um wahre
Bereicherung seines Wissens zu thun ist, "wird
eine solche Erklärung erwarten, um beurtheileu
zu können, welchen GlauLen unser Werk ver-
diene. Die folgende kurze Mittheilung beab-
sichtigt darum, eine so billige Erwartung zu
befriedigen.
Im Jahr 1734 verbanden sich mehrere Män-
ner, die Italien bereist hatten und in ihj-er Hei-
math den Geschmack für diejenigen Gegenstände
zu erwecken und zu beleben wünschten, die
ihnen im Auslande so viele belehrende Unter-
haltung gewährt hatten, zu einem Vereine unter
dem Namen der Diletianti. Um ihren ursprüng-
lichen Plan nicht aus den Augen zu verlieren,
erachteten sie es für nÖthig, gleich anfangs
hierüber gewisse Bestimmungen zu machen. Es
würde sich indessen mit unserm Wahrheitsge-
fühl nicht vertragen, w enn wir behaupten woll-
ten, ein strenger Plan zur Beförderung der
Künste sei der einzige Beweggrund zur Stiftung
jenes Vereins gewesen. Einen geselligen freund-
schaftlichen Verkehr unter sich zu bilden, war
unstreitig die erste und hauptsächlichste Absicht.
Während jedoch vielleicht kein Verein von Män-
nern jemals in dieser Hinsicht seinem ursprüng-
lichen ZAvecke treuer geblieben ist, so hoifen
wir doch auch von der andern Seite durch die-
ses Werk kund zu thun, dass der Verein -darum
ein ernstes männliches Wirken, zu dem er sich
ebenso verpflichtet, nicht aufgegeben und die
VORREDE ZUR ERSTEN AUSGABE. 3
Ansprüche an den Charakter nicht verloren hat,
der in seinem angenommenen Namen liegt.
Aus einem Bericht über den Finanzzustand
des Vereins vom Jahr 1764 ging hervor, dass
derselbe ein bedeutend grösseres Vermögen be-
sitze, als die laufenden Ausgaben desselben nö-
thij£ machten. Nachdem man nun über die
Verwendunji eines Theils dieses Schatzes ver-
schiedene Vorschläge zu Unternehmungen gemacht
hatte, die den guten Geschmack fordern und
dem Vereine Ehre bringen sollten, so beschloss
man nach einiger Berathung, einen besonders
geeigneten Mann, oder auch mehre mit hinrei-
chenden Mitteln in gewisse Gegenden des Orients
zu schicken, um durch sie über den früheren
Zustand dieser Landschaften Nachrichten zu
sammlen und sich besonders genaue Beschrei-
bungen von den Ueberresten der alterthümlichen
Denkmale zu verschaffen, die man in jenen
Ländern noch erblickt.
Zu diesem Unternehmen wählte man drei
Männer aus. Hr. Chandler, Mitglied des Mag-
dalenen-Colleiiium zu Oxford und Herausgeber
der Marmora Oxoniensia, wurde für die literari-
schen Arbeiten der Unternehmung bestimmt; die
Geschäfte des Architekten wurden dem Hrn.
Bevelt übertragen, der bereits einen genügenden
Beweis seiner Genauigkeit und Sorgfalt bei sei-
nen Vermessungen der alterthümlichen UeJjer-
reste von Athen gegeben hatte; einen geschick-
ten Künstler endlich, um Ansichten aufzunehmen
1*
4 VORREDE ZUR ERSTEN AUSGABE.
und Basreliefs abzuzeichnen, hoif te man m Hrn.
Pars, einem jungen Maler von vielversprechenden
Anlagen, zu finden. Man ernanute hierauf einen
Ausschuss, um den Gehalt der Reisenden zu
bestimmen und die Instructionen für dieselben
zu verfassen. In diesen Avurden die verschiede-
nen Amtsobliegenheiten eines jeden genau be-
stimmt, und alle zugleich verpflichtet, ein fort-
laufendes Tagebuch zu führen (i) und einen
unausgesetzten Briefwechsel mit dem Vereine zu
unterhalten.
Am neunten Juni 1764 schifften sich die drei
genannten Männer auf der Anglikana ein, die
unter Capitän Stevrart nach Constantinopel fah-
ren sollte, und stiegen am 25ten August bei den
Dardanellen ans Land. Nachdem sie das Vor-
gebirg Slgeion , die Ruinen von Troas , die In-
seln Tenedos und Chios (Scio) besucht, kamen
sie am Uten September in Sm.yrna an. Von
hier aus, als ihrem Hauptquartiere, machten sie
mehre Excursionen. Am 21ten Aujjust 1765
schifften sie von Smyrna ab und langten am
31ten desselben Monats in Athen an, nachdem
(1) Von diesem Tagelxich , das Dr. Eichard Chandlev i'iber
arbeitete und mit Genclimigung der Gesellschaft der Dilettant!
unter dem Titel: Travels in Asia Minor and Greece herausgab,
erschien bereits die dritte Anflane London 1817 II Bde in Quart,
eine Tentsche üebersctzung vBeisen in Klein- Asiens Leipzig 1776
und »Beise?! in Griechenlandfi Leipzig 1777 in Octav,- sodann
eine Französisciic Uebersetzung »F'ojages dans l'Asie Mineure et
en Grecen Paris 1806 in drei Octavbänden Jnit Anmerkungen von
Scrrois und Barbie du ßocage. W.
VORREDE ZUR ERSTEN AUSGABE. 5
sie unterwegs Sunion und Aegina besucht hat-
ten. In Athen verweilten sie bis zum Uten
Juni 1766, in "welcher Zeit sie zugleich Mara"
thon , Eleusis , Salamis, Megara und andere
Orte der Umliegend durchforschten. Von Athen
begaben sie sich über die kleine Insel Kalauria
nach Trözene, Epidauros, Argos und Korinth.
Von hier besuchten sie Delfi, Paträ , Elis und
Zakynthos (Zante), schifften sich am 31ten Au-
gust auf der Diligence, Capitän Long, die nach
Bristol bestimmt war, ein und kamen am 2ten
November in England wieder an.
Die Ausbeute, welche jene Männer von ihrer
Reise in die Heimath brachten, schien der Be-
kanntmachunjj werth. Der Verein beauftrajite
sie darum, als Probe ihrer Arbeiten die bedeu-
tendsten unter den Denkmälern darzustellen, die
sie in lonien näher untersucht hätten. Denn
dieses Land ist nicht nur in mancher andern
Hinsicht ausgezeichnet, (^) sondern verdient auch
vielleicht nächst Attika am meisten die Auf-
merksamkeit eines classisch gebildeten Reisen-
den. Athen w^ar allerdings so glücklich, zu
gleicher Zeit eine grossere Anzahl origineller
Geister zu besitzen, als sich je in einem andern
so kleinen Bezirke zusammenfanden, und ärntete
die Früchte literarischen Wetteifers in einem
Grade, wie sie nie einem andern Volke zu
(2) )>Ionien hat den schönsten Iliinniel auf der stanzen 1 rdv'
und der Jahreszeiten anmulhigstcn Wechsel.» Herodof. I, 14?.
W.
6 VORREDE ZUR ERSTEN AUSGABE.
Theil geworden sind. Ebenso bezeichnet man
ziemlich allgemein die Blüthe dieses Staates als
die Periode, in der am meisten zum Ruhm der
Wissenschaft geschah, und betrachtet ihn in
Sachen des Geschmacks als Touangeber unter
den übrigen Freistaaten Griechenlands. Eine
genaue Untersuchung über den Ursprung und
das Fortschreiten der Künste und Wissenschaf-
ten wird indessen wahrscheinlich darthun, dass
Athen im Ganzen lonien und der umliegenden
Küste nicht weniger zu verdanken gehabt habe,
als irgend einem andern Lande des Alterthums.
Die Naturwissenschaft wurde zuerst in den Io-
nischen Schulen gelehrt, und da Geometrie, Astro-
nomie und andere Theile der Mathematik hier
früher als in den übrigen Ländern Griechen-
lands gepflegt wurden, (^) so ist es nicht auffal-
(3) Die ersten mathematischen und astronomischen Kenntnisse
verbreitete unter den Hellenen der Naturforscher Thaies von Mi-
letos, Stifter der Ionischen oder fysischen Schule, »der glänzendste
Stern im Siebengestirn der alten Griechischen Weisen.« Beim
Volke beurkundete er sich dadurch als tiefen Kenner der Natur,
dass er eine Sonnenfinsterniss vorherverkündigte. Seine Schüler
und Nachfolger Jnaxirnander und Anaximenes aus Miletos ver-
folgten seine Bahn ; der Letztere stellte zuerst eine Sonnenuhr
auf, kannte die Wendekreise und den Aequator und. bestimmte
den Umfang der Erde und des Meeres. Auch bei den späteren
Ionischen Filosofen , wie bei Hermotimos und Anaxagoras von
Klazomenae und Archelaos von Miletos, waren Mathematik,
Fysik und Astronomie wesentliche Theile der Forschung. Aus lo-
nien stammen der weise Blas von Priene , die Stifter der Pytha-
gorischen und Eleatischen Schule , der grosse Pythagoras von
Samos und Xenofanes von Kolofon (beide hatten im Mutterlande
die erste Bildung erhalten und waren mit den Filosofemen der
VORREDE ZUR ERSTEN AUSGABE. 7
lend, wenn man lonier als die ersten Griechi-
schen Schiffer nennen hört, die über die Säulen
des Herakles hinausjjefahren seien und ihren
Handel bis in das Weltmeer ausgebreitet hät-
ten. (^) In lonien ist die Geschichtserzählung
entstanden und bis zu einem nicht unbedeuten-
den Grad der Vollendung gediehen. (^) Der erste
Schriftsteller, der die Heilkunde in ein wissen-
schaftliches System brachte, (^) lebte in dem
Nachbarland (Karien), und in lonien selbst war
Ionischen Schule wohlbekannt), der Eleate Melissas von SamoSj
der tiefsinnige Herakleilos von Efesos. W.
(4) Herodot. IV, 152: »Da die Samier trachteten nach Aegyp-
ten , ward ihr Schiff von einem Ostwind getrieben und weil der
Sturm gar nicht abliess, gingen sie durch die Säulen des Herakles
und kamen nach Tartessos (in ilispanien) , wie aus göttlicher
Schickung. ((
Herodot. I, 163: «Die Fokäer haben, zuerst von allen Helle-
nen weite Seefahrten gemacht und sie sind es, die den Jdria (das
Adrialische Meer) entdeckt und Tjrrhenicn und Jberien und Tar-
tessos.a W.
(5) Können auch die Milcsier Kadmos , Dion/sios und Heka-
taeos noch nicht Geschichtschreibcr im höheren Sinne genannt
werden, so eröffnen sie doch die Reihe der Logografen oder Sa-
genschreiher und bahnen den Uebergang von der Epopöe zur Hi-
storie. Aber auch Hemdotosj welcher der Vater der wahren Ge-
schichte hcisst, wählte, obgleich ein Dorier von Geburt, den
durch die Epiker und Logografen zur Schriftsprache erhobenen,
durch den weit verbreiteten Handel der lonier weit bekannten, an
sicli milden und weichen und seinem eigenen Gemüth ganz ent-
sprechenden Ionischen Dialekt zum Organ seiner Geschichtser-
zähliing. W.
(6) Der Askicpiade Hippokratcs von der Insel Kos ^ der nach
dem Beispiel seines Stammgenossen ebenfalls seine Schriften in
Ionischer Mundart verfassle , weil er vielleicht nur in dieser F'orm
sich viele Leser versprechen zu können glaubte. W.
8 VORREDE ZUR ERSTEN AUSGABE.
CS, ^o der Vater der Dichtkunst ein Musterbild
für Dichtung geschaffen, das keine Zeit und
keine Nation zu verlassen Avagte, noch zu ül)er-
treffen vermochte. (^) Endlich gehört aber die
Baukunst diesem Lande mehr als irgend einem
andern an und von den drei Griechischen Ord-
nungen scheint es mit Recht Anspruch auf die
Ehre zu machen, die zwei ersten erfunden zu
haben, "wenn gleich nur Eine derselben nach
ihm benannt Avird. Denn obgleich der Tempel
der Here (Juno) zu Argos das Vorbild und die
Norm der nachher soj^enannten Dorischen Ord-
(7) Von den sieben Stadien, die sich um den Ruhm striften,
des Homeras Geburtsort zu sein, gehörten drei, Snijrna , Chios
nnd Kolofon, dem Ionischen Bunde an. Wahrscheinlich schon
vor ITomeros bildeten sich im Ionischen Kleinasien Dichter und
Sängerschulen ; Hymnendicliter und Rhapsoden sinken von lonien
aus; hier entwickelte sich die Poesie der Kykliker oder Epiker.
Kerhops und Arhtinos von Miletos, Kreopfijl >s , Asios ^ Panyasis
und CJmerilns von Samos besangen in epischer Form heroische
Thaten der Hellenen und Barbaren. Der ältere Ionische Dialekt
und der Hexameter blieben nach des Homeros und Hesiodos Vor-
bild auch in späteren Zeiten bis auf den Kointos von Smyrna
herab feststehende Formen fiir epische Gesänge. Doch auch in
andern Dichtungsarten zeichneten sich lonier friihe aus. Kallinos
aus Efesns wird der Erfinder der Elegie genannt, das heisst, er
bediente sich zuerst zu seinen Kriegsliedern des elegischen Vers-
masses ; Tyrtaeos heisst ein Milesier; Mimnevmos , Antimachos,
Hermesianax und der oben erwähnte Xennfanes aus Kolofon,
PhohrUdes aus Miletos gehören zu den vollendetsten Elegikern j
der Lyriker Anahenn aus Teos, der lambendichter Hipponax ans
Efesos und der Dilhyrarabendichter Timotheos von Miletos neh-
men sehr ehrenvolle Stellen unter den Dichtern ein. Auch die
lyrische Dichterin Erinna gehört ihrer Geburt nach der Stadt
Teos an. W.
VORREDE ZUR ERSTEN AUSGABE. 9
nuiig -wurdp, so -waren doch die Verhältnisse
derselben zuerst in lonien auf«;^estellt worden.
Alle anderen Künste, die gleichfalls von der
Zeichnenkunst ausijehen, blühten nirgends mehr
als hier und kein Land von demsell)en Umfang
hat eine grössere Anzahl ausgezeichneter Maler
und Bildhauer hervorgehracht, als lonien. (*)
Unter den Ueherresten aus dem Alterthum,
die bis jetzt der Zerstörung durch die Zeit ent-
gangen sind, ziehen am meisten die Ruinen der-
jenigen Gebäude unsere Neugierde und Aufmerk-
samkeit auf sich, die durch Vitruvius und an-
dere alte Schriftsteller "weiien ihrer Anmuth und
(8) Unter den lonisrhen Arcliiteklen sind vor andern nen-
nenswertli : der Mllesier Ilippndamns , der seine Kunst an der
Befesli<;unc; des Peiräetis bewahrte und die Hafenstadt der Athener
anlefjte, Thcndovns von Fnhaea , ]\iandrnhles j der dem König
Dareios eine Briicke iil»er den Rnsporos sclilii:;, Bhoehos, Telekles
und Theodoros von Samnsj woselbst auch reselmässij? anueordnete
WettVainpfe der Maler Statt gefunden zu baben scheinen und
Schiden fi'ir jede Kunstgattung bliihten. So libfe z. B. ein anderer
Theodoros zu Samos die Kunst, in Stein zu schneiden und in
Bronze zu arbeiten Maler und Bildner war Pjthas^oras. Chios
war beriilinit durch Glaiihns, die Kiinstlerfarnilie des Malas, aus der
Mihkiodes, /Inthernios , Bupalos und Alhenis hervorgingen, durch
Soslratos, Pantias und andere Vunsffertige Rildner in Erz um! Mar-
mor; als Maler zeiclineten sich aus: ^'le Samier TTienn, A'^atharrhos,
Kallifon , Theod roSj der Kolofuniev Dionysios , der Teier Kolo-
tes , der hochgepriesene Parrhasios war ein Efesier und Jpelles
selbst, der vor allen Malern des Mterthums hervorstralfe, welclien
Alexaudros allein fiir würdig erachtete, sein Bild zu malen, stammt
nur nach Plinius und Ovidius von Kos, nach den Zeugnissen des
Strabon und I.ukianos ist er ein Efesier und nach dem begründe-
teren des Siiidas ein Kolofonier. — Vgl. Sillig, catalog. artific.
Pannßa , res Samiorum. Mejer, Geschiclite der bilJenden Kumte
b. d. Griechen. "W.
10 VORREDE ZUR ERSTEN AUSGABE.
Pracht besonders hervorgehoben worden sind.
Es sind diese für's Erste der Tempel des Bak-
chos zu Teos, sodann der von Alexandras dem
Makedonier der Athena geweihte Tempel zu
Priem und endlich der berühmte Tempel des
Apollon Didymäos bei Miletos. So zerfallen
diese Gebäude nun auch sind, so ist doch jedes
Bruchstück derselben von Werth. Mehr oder
minder veranschaulicht ein jedes die Symmetrie
unil die Verhältnisse, die in jener Zeit des gu-
ten Geschmacks geherrscht haben.
Diese kurze Nachricht von der ersten Ver-
anlassung des Unternehmens und der Art, in der
es bisher geleitet wurde, glaubte der Verein
mittheilen zu müssen, um sowohl gerecht gegen
das Publicum als die Verfasser des nachfolgen-
den Werkes zu erscheinen. Er hat die Kupfer-
platten für diesen Probeband auf seine Kosten
stechen lassen und hofft dadurch die Herausge-
ber zu ermuntern, auch die übrigen Arbeiten
ihrer Reise, die man ihnen zu diesem Zweck
einhändigen wird, in dieser Art bekannt zu
machen.
Mitirliecler der Gesellschaft
im Jahr 1769
in Her Reihe, in der sie aufgenommen wurden.
Lord le Despenceb.
Sir James Gray.
Lord Hyde.
Hr. HooNE.
M:ijor (lencral Gray.
Hr. HowE.
» FAi'QuiEn
Graf V. Bessborough.
)) » Sandwu.h.
Hr Ellis.
Herzoj; v. REnroRD.
Hr. BoYLE.
)) DiNCLEY.
» Stuart.
» Hevett.
Grat V. CHAr>LEMo^T.
Lord ?TOPFoun.
Sir Thomas Robinson.
» Kdwaud Dehinc.
II r. I'hklps
» Robinson.
)) Wood
» Mackye Ross.
» Dundas
Obeist Carletok.
Marijuis von Mountmermor.
Hr. CiiowLE.
Graf V. Clanbrassil.
Hr Peknabt.
M Brand.
u Crewe.
Oberst -Lieutn. St Johw.
Herzog von Ro.xborough.
Graf V. Bellamont
Herzog v. Malborough.
Graf Spencer.
Visconnt Palmebston
Hr. Soüthwell-
Oberst- Lieutn. Nucent.
Hr. Scbafton.
Graf V. Upper Ossory.
Hr. WEnDEL.
» Reynolds.
Viscount Kortrose.
Herzog v. Rucclecgh.
Hr. FlIZGERALD.
Graf V. Carl sLE.
Sir SOMPSON GlDKON.
Graf Fitzwilliam.
Hr. Charles box.
» Hob ART.
,) Mytton.
Lord Sydney.
Hr. Gregory.
Gesellschaft der Dilettant!
im Jahr LXXXIX seit ihrer Stiftung.
RicHAKD Payne Knight, Esq.
Sir Henry C Ewci-EFiEtD, Baronet.
Roger Wilbraham, Esq.
James Dawkins , Esq.
William Mitford, Esq.
Der Graf v. Güilford.
)) » » Hardwicke.
liOi'd Dü^DAs.
Sir Thoma« Lawrence.
William Sptheby, Esq.
John Symmo.ns, Esq.
William R Spencer.
John Hawkins, Esq.
John B. S. Moritt , Esq.
Der Herzog v. Somerset.
Sir W. DnuMMOND, K. C.
Thomas Hope , Esq.
Lord NoBTHwicK.
Der Herzog v. Hamilton.
Sir John Cox Hippisley, Baronet.
Viscoiint Morpeth.
Graf CowpER.
» Mor.LEY.
Chartes W Wykne , Esq.
Samuel Rogers, Esq.
R. Pole Carew.
Der Graf v. Aberdeen.
Sil Watkin W. Wynne, Baronet.
Henry Philip Hope, Esq.
Sir William Gell.
Der Graf v. Charleville.
William Dickenson, Esq.
Frederick Foster , Esq.
William Wilkins, Esq.
William Hamilton, Esq.
Der Graf v. Dunmore.
Foster Cdnliffe, Esq.
Peregrine Tovvneley, Esq.
William Fitzhügh , Esq,
Edward Dave.nport , Esq.
Oberst Leake.
Der Graf v. Syrret.
Richard Heber , Esq.
John H. Frere.
Der Marquis v. Stafford.
» n , .) Landsdownb.
Der Graf v. Charlemont.
Thomas Legh , Esq.
Richard Westmacott, Esq.
Der Graf v. Roseberg.
H. Gal'.y Knight, Esq.
Nicholas Fazakerly,' Esq.
Henry Hallam, Esq.
T. DüNDAS.
Der Herzog v. Bedford.
R. H. Clive.
William Ponsoby.
Georg James Ellis.
William Bankes, Esq.
Am 1. Juni, l82l.
Einleitung.
Als die Gesellschaft der Dilettant! in den Jahren
1764 — 66 die Rüsten von Kleinasien in der Absicht
auf ihre Kosten untersuchen liess, um genauere Kunde
von den üeberresten der alten Architektur in jenen
Ländern zu erhalten, überzeugte sie sinh, dass sehr
viele Gegenden jenes interessanten Landes noch un-
gekannteoder unvollständig bescbriebene Denkmäler
aus dein Alterthum enthielten, und beschloss darum,
nochmals eine Gesellschaft von Männern und zwar
mit reichlicheren Mitteln und ausgedehnlerer Voll-
macht als bei der ersten Mission zu diesem Zwecke
auszusenden. Dem zufolge schiflle sich im October
des Jahrs 1812 Herr (nun Sir) William Gell in Beglei-
tung zweier Architekten, derHerrn/oÄn Peter Gandy
und Francis Bedford, nach dem mittelländischen Meere
ein, nachdem sie vorher die nöthigen Anweisungen
über die Art ihres Verfahrens erhalten hatten.
Der Krfolg ihrer Nachforschungen in Altika ist
durch ein Prachtwerk (The unedited antiquities of
Attika. London, 1817.), in welchem die Gesellschaft
die ihr zugestellten Zeichnungen dem Publicum mitge-
theilt hat, zur ölientlichen Kenntniss gebracht worden.
In dem vorliegenden und einem andern rasch fort-
schreitenden Werke sollen nun den Kunstfreunden die
Ueherreste aller Haukunst vor Aujen gestellt wer-
den, die den früheren Glanz der Griechischea Colo-
nien in lonien bezeugen können.
14 EINLEITUNG.
Zur Zeit als das erste Werk der Gesellschaft
erschien, war man über das Wesen der Griechischen
Baukunst noch, sehr wenig unterrichtet. Denn ob-
gleich der erste Band der Alterthümer von Athen
schon sieben Jahre dem Publicum vorlag, so fand
man doch in diesem Theile des mit Hecht hochge-
priesenen Werks nur Gebäude dargestellt, die im
Vergleich mit den berühmteren Werken der Athener
von geringer Bedeutung und sehr einfacher Con-
struction sind.
Viele architektonische Einzelheiten der Gebäude,
die man zur Mittheilung in dem ersten Theile der
Ionischen Alterthümer ausgevrählt hatte, w^aren ge-
rade in den Functen, in denen sie von den besser
gekannten Proben Kömischer Kunst abwichen, von
den Künstlern der ersten Mission übersehen Avorden;
Anderes hatte von ihnen in Folge ihrer beschränk-
teren Mittel nicht berücksichtigt werden können,
indem es ihnen nicht vergönnt war, überall nach
W^unsch Nachgrabungen anzustellen und ihre For-
schungen zu verfolgen.
Die Aufmerksamkeit der zweiten Mission war
nun hinsichtlich des ersten Punctes darauf gerichtet,
die Irrthümer, die aus der unvollständigen Kenntniss
der Griechischen Baukunst entstanden waren, zu be-
richtigen und sodann durch Ausgrabungen in den
Gebäuden und um dieselben herum die Grundrisse
und Bauarten der im ersten Theil der ionischen
Alterthümer dargestellten Tempel mit grösserer Ge -
nauigkeit zu untersuchen.
Die zu diesem Zweck mit grosser Kenntniss und
besonderem Geschick angestellten Nachforschungen
haben die Gesellschaft in den Besitz von literarischen
Nachrichten und von Abbildungen gesetzt, welche
die früheren sowohl im Allgemeinen als im Einzelnen
weit übertrelfen. Darum hält sich die Gesellschaft
EINLEITUNG. 15
für berufen, den ersten vor vielen Jahren ausgegebe-
nen Theil der Ionischen Alterthümer nun berichtigt
und bedeutend vermehrt von neuem erscheinen zu
lassen.
Zu den interessantesten Ervs^eiterungen unserer
architektonischen Kenntnisse, zu deren Ausbreitung
vorzüglich das neue Werk über Attika beigetragen
hat, gehört unstreitig die Kenntniss des Verfahrens,
vermittelst dessen die Griechischen Baukünstler ihre
Tempel so zu decken wussten, dass sie dieselben
vor dem Wetter schützten, ohne von jener platt
gesenkten Form des Dachs abzugehen, die einen
charakteristischen Zug der Griechischen Architektur
ausmacht. Ihr Verfahren liegt uns aber so klar vor
Augen, dass uns über diesen Gegenstand kein wei-
terer Aufschi uss zu wünschen übrig bleibt.
Das flolzbalkenwerk, das eine solche Pracht-
decke stützte, existirt natürlich schon jlange nicht
mehr; da aber die Zimmermannskunst jetzt auf einer
weit höheren Stufe der Vollendung steht als zur
Zeit da jene Balken zusammengefügt wurden , so
haben wir hierdurch wenig eingebüsst. Ueber die
Art dagegen, wie die Alten ihre Decken verzierten,
lassen uns vielfache Beispiele eine feste Ansicht ge-
winnen. Wo die Spanne kurz war, wie in den
Säulenhallen und Wandelgängen um die Tempel,
da war die Felderdecke (lacunaria) von Stein, oft
von JMarmor. In den Gebäuden von Athen finden
wir Belege genug dafür, dass Balken aus dem ge-
naiinlen Material, von Mauern und Säulen unterstützt,
die unter den Holzbalken des Dachs liegende Ver-
zierungsdecke bildeten. Nun hat uns aber die auch
auf diesen Gegenstand gerichtete Thätigkeit der Mis-
sion durch eine vollständige Wiederherstellung der
marmornen l'elderdecke der Eleusinischen Propyläen
die Grundsätze kennen gelehrt, nach denen dieses
16 EINLEITUNG.
Verfahren auch bei Gebäuden von grösserer Ausdeh-
nuns angewendet wurde. Diese Entdeckungen liefern
uns einerseits einen Beweis von der grossen Geschick-
lichkeit der Griechischen Arcliitekten und lassen
uns andererseits die Mühen und Kosten, die auf die
Decken grosser Tempel verwendet werden mussten,
besser würdigen. Auch erklärt sich daraus, wie
solche Temj)el wie der des Zeus Olyrnpios (des Olym-
pischen luppilerj zu Akra gas fy^grigentunij Girgenii'J und
des [Didymäischen Apollon unvollendet blieben, ob-
gleich dem ersten Anschein nach nur noch wenig an
ihrer Vollendung fehlte.
Man kann indessen nicht annehmen, dass man
auch Tempel von beträchtlicher Sj)anne auf diese
Art habe bedecken können ; aller Wahrscheinlichkeit
nach wurden vielmehr hier Holzbalken zu diesem
Behufe gebraucht. Die Art der Verzierung konnte
dieselbe sein, wenngleich das Material verschieden
sein mussle. Gewiss bleibt es, dass mehre Tempel
unter dem Zimmerwerk von llolz, welches die Zie-
gel trug, mit Prachtdecken ausgesc:hmückt waren.
Eine Stelle bei Pausanias ist über diesen Gebrauch
entscheidend. Bei seinem Berichte über das Heraton
zu Olympia meldet er auf die Antoritäl des Arislar-
chos, dass man bei der Ausbesserung des Dachs den
Leichnam eines bewailneten Mannes zwischen dem
Dach oder Sparrwerk , das die Ziegel tragen musste,
und der zur Verzierung angebrachten Decke gefun-
den habe. (')
Dieselben Ursachen, die uns die Constructions-
art der verzierten Felderdecken nur nach der Ana-
logie darthun Hessen, haben auch einen andern in-
(1) Paus. V, 20, 2: — fiiTu^u ufji<forf'qo}v fVQf&fjvui. , Trjq te
ii; ivnQinnuv arfyrjq, nul rrjq uvt^ovoriq %cv y.tQa[iov. — (Vgl. Al-
terth. V. Attika, Cap. IV. Anm. 23. — W.)
EINLEITUNG. 17
teresSanten Gegenstand, der mit den religiösen Ge-
bräuchen der Alten verknüpft war, in fast -völliges
Dunkel gehüllt. Noch hat keine Entdeckung der
neueren Zeit Licht über den wirklichen oder ver-
meintlichen Gebrauch verbreitet, nach dem man in
den von Vitruvius sogenannten hypäthrischen Tempeln
einen Theil der Zelle dem Wetter aussetzte.
Kein andrer Schriftsteller berührt diese eigen-
thümliche Bauart; aus allen Notizen alter Schrift-
steller muss man geradezu auf die entgegengesetzte
Sitte schliessen. Herr Quatremere de Quincy hat in
einem mit grossem Fleiss gearbeiteten und in den
Memoires der Französischen Akademie (') mitgetheil-
ten Versuche eine gelehrte Untersuchung über die-
sen Gegenstand angestellt und viele auf unsere Frage
bezügliche Stellen aus den Alten gesammelt.
Der gelehrte Alterthumsforscher geht jedoch
bei seiner Untersuchung von der Annahme aus, dass
die Tempel der Griechen nothwendig auf die eine
oder die andre Art das Himmelslicht eingelassen
haben müssten, und widerspricht somit geradezu dem
Schlüsse, den man aus Vitruvius ziehen muss, der
von Fenstern auch nicht das Geringste sagt, sondern
im Gegentheil behauptet, dass das Licht nur durch
eine üellnung, die man bei gewissen Arten der
Tempel im Dache gelassen habe, eingedrungen sei.
Das übereinstimmende Zeugniss aller Schrift-
steller führt uns, wie wir bereits bemerkt haben,
zu der Annahme, dass den Völkern des Alterthums
nur eine künstliche Erleuchtung dem Geist ihrer
Religionslehre angemessen erschienen sei, in der
sich gar Vieles auf Glanz und Schaugepränge stützte.
Sie schildern uns lebhaft, wie bei der Feier der
mystischen Heligionsgebräuche zu Eletisis der plötz-
(2) Classe d'histoire et de Iitt6raturc aocienne, Tom. III.
Ion. Alt. 2
18 EINLEITUNG.
liehe Uebergang aus dem dunklen Vorhof zum An-
blick des glänzend erleuchteten Inneren die stärksten
Eindrücke des Schreckens und des Staunens hervor-
gebracht habe.
Es lässt sich nicht in Abrede stellen, dass wir
einige wenige Beispiele Römischer Tempel haben,
in denen das Licht durch Fenster eindrang. (^) Aber
es war dies eine seltne Erscheinung, der wir nur in
Tempeln von geringerer Bedeutung begegnen, wie im
Tempel der Fortuna Virilis und in den zwei runden
Tempeln der Vesta zu Rom und Tibur (Tivoli). Durch
die Ueberreste Griechischer Architektur wird die
Vermuthung, dass man überall Fenster zur Erhel-
lung des Inneren der Tempel angebracht habe, kei-
neswegs bestätigt.
Das einzige positive Zeugniss für die Existenz
von Tempeln mit einer OeflPnung im Dach ist fol-
gende Stelle des Vitruvius , worin er die hypäthri-
schen Tempel beschreibt: Hypaethros vero decasty-
los est in pronao et postico. Reliqua omnia eadem
habet quae dipteros, sed interiore parte columnas in
altitudine duplices, remotas a parietibus, ad circui-
tionem ut porticus peristyliorum. Medium autem sub
divo est sine tecto , aditusque valvarum ex utraque
parte in pronao et postico. liuius autem exemplar
Romae non est, sed Athenis, in Asty , lovis templo
Olympii. (*)
(3) Der Tempel der Athena und Pandrosos zu Athen hat auf
der Westseite drei Fenster, die einen Theil des Tempels, eine
Vorhalle, erleuchten sollten, in der, wie man annimmt, der hei-
lige Oelbaum wuchs und bewahrt wurde. (Der Erklärung dieses
Tempelbaus ist bei Stuart Thl. II. das zweite Capitel gewidmet. W.)
(4) Vitruv. III, 2, 8. Wir haben im letzten Theil dieser
Stelle eine neue Lesart aufgenommen, die durch eine einfache
Aenderung den Sinn und Zusammenhang wieder herstellt. (Diese
Aenderung rührt, wie man aus der Erörterung dieser Stelle bei
EINLEITUNG. 19
Weil Rom in allen seinen Tempeln kein Beispiel
zur Veranschaulichung dieser Bauart bot, so verwies
Vitruvius, der sich aus den Werken Griechischer
Architekten eine gewisse Kenntniss der Griechischen
Gebäude erworben hatte, seine Leser auf den Tem-
pel des Zeus Olympios zu Athen. Dieses prachtvolle
Bauwerk hatte ohnstreitigzwei der charakteristischen
Erfordernisse hypathrischer Tempel; er war deca-
stylos (zehnsäulig auf der Vorder- und Hinterseite)
und dipteros (hatte doppelte Säulenreihen auf den
Nebenseiten). Somit können wir auch schliessen,
dass er das dritte Erforderniss nicht entbehrt habe,
d. h. dass die mittlere Abtheilung der Zelle dem
Licht und der Luft geöffnet gewesen sei.
Obige Stelle des Vitruvius ist, wie bemerkt,
unsere einzige Autorität dafür, dass man auf solche
Art Tempel construirt habe, und muss, da sie von
einem Manne rührt, der die Baukunst zum beson-
deren Studium gemacht hatte, für uns entscheidend
sein. Im Verhältniss mit dem Gewicht, das einer
solchen Autorität gebührt, d. h. gleich entscheidend
muss auch der Einwurf gegen jede Annahme sein,
bei der man von des Vitruvius aufgestelltem Satze
abweicht. Müssen wir darum zugeben, dass es hy-
päthrische Tempel gegeben, so müssen wir auch
annehmen, dass sie sowohl dekastyl als dipteral ge-
wesen, dass die Aufstellung von Säulen innerhalb
Stuart Thl. II. Cap. I. besonders Anm, 42. S. 316 ff. der Teulschen
Ausg. sehen wird, der Hauptsache nach von Wilkins her, der
Folgendes als Emendation vorschlug: sed Athenis in asty lovis
teniplo Olynipio. Die von Schneider beibehaltene Lesart der
Handschriften lautet also: Athenis octastylos, et in templo Olym-
pio. W.) Sonderbar genug gibt Casaubonus, ohne den Text im
mindesten zu ändern, der Stelle folgenden Sinn: »Sana Vitruvius
teslis est, templum lovis quod erat Athenis (nam et ibi fuit) hy-
paethrum fuisse et sine tecto.«
2*
20 EINLEITUNG.
der Zelle allein noch keinen Tempel zum hypäthri
sehen machte, nnd endlich, dass, sobald nur einer
der beiden zum ßegritt' mit erforderlichen Gegen-
stände nicht ganz der aufgestellten Erklärung ent-
spricht, hierin ein unabweislicher Einwand gegen
jeden andern Deutungsversuch gegeben ist.
Wo ist alsdann, fragen wir, ein Zeugniss, das
uns zur Annahme berechtigt, der Parthenon zu Athen,
der Tempel des Zeus zu Olympia und die Tempel
von Pästum (Posidonia) und Aegina seien hypäthrisch
gewesen? Es gibt kein solches. Die Betrachtungen
Stuart's und seiner Anhänger gehen von irriger An-
sicht aus und gründen sich nur auf eine Vermuthung. (*)
Alte Schriftsteller erwähnen einige Tempel, die
aus zufälligen Gründen kein Dach erhielten, wie
z. ß. der Tempel des Apollon Didymäos _, dessen Be-
schreibung man in vorliegendem Werke findet. Stra-
bon (®) meldet uns aber ausdrücklich, dass dies nicht
(5) Einer der schwächsten Puncle unter den von Stuart (Thl.
II. Cap. I. S. 277. der Teutschen Ausg.) vorgebrachten Gründen
ist die Yermuthung, dass das bei der Feier des Panathenaischen
Fests gebrauchte parapetasma ^ oder der der Athena geweihte rre-
nXos, zum Schirm der in dem vermeintHch offenen Räume der
Zelle dem Wetter ausgesetzten Bildsaule gedient habe. Es war
dieser pracht- und glanzvolle Teppich wahrscheinlich vor dem
Eingang aufgehangen, so wie dieser Gebrauch bis auf den heuti-
gen Tag im ganzen Orient herrschend ist. In jedem Aegyptischen
Tempel hing das parapetasma vor dem Eingang, und Pausanias
(V, 12. §. 2.) berichtet uns, dass man in dem Tempel des Zeus
zu Olympia und in dem Tempel zu Efesos (Irrig! diesen setzt
vielmehr Pausan. in geraden Gegensatz mit dem Tempel zu Olym-
pia. W.) diesen Vorhang von der Felderdecke bis zum Fussboden
habe herabhängen lassen und von der gewöhnlichen Sitte, ihn
aufzuziehen, abgewichen sei. Ueber den Gebrauch des "Vorhangs
und die Art ihn aufzuhängen wären wir somit im Klaren.
(6) Strabo Lib. XIV. p. 634. ed. Almel.: öitfitvt di x^^Qk oqo-
fpijq diu ro f^t^yi&oq.
EINLEITUNG. 21
im ursprünglichen Plane gelegen habe, sondern dass
die ungemeine Grösse das Hinderniss an seiner Vol-
lendung gewesen sei.
Einer der berühmtesten Tempel des Alterthums,
der Tempel des Zeus zu Olympia, hatte nach des
Fausanias Beschreibung eine dreifach abgetheilte
Zelle, was durch die Säulenreihe bewirkt wurde,
die sich auf jeder Seite längs der Mauern hinzog.
Wir wissen, dass dieser Tempel sechssäulig war,
folglich konnte er keinen doppelten Säulengang auf
den Seilen haben (konnte keinDipteros sein). Koramt
somit der Autorität Vitruv's ein Gew^icht zu, so war
der Tempel nicht hypäthrisch. Dieser Schluss wird
durch eine Stelle Strabon's (') bestätigt, worin die-
ser sagt, die kolossale chryselefanlinische Bildsäule
des Zeus habe beinahe den obersten Theil der Fel-
derdecke berührt, so dass sie, wenn sie sich hätte
erheben können, das Dach würde zerstört haben.
Da diese Stelle klar beweist, dass über der mittle-
ren Abtheilung der Zelle ein Dach gewesen, und jede
Vorstellung von einem hypäthrischen Tempel ab-
weist, so war Hr. Ouatremere de Ouincy genöthigt
seine Zuflucht zu einer anderen Hypothese zu neh-
men. Er stellte darum die Meinung auf, die Decken
(7) Strabo Lib, VIII. p. 353: Mt'yiarov «J> tovtcüv vnij()U to
ToD /iiof soavov, o inoCn (sie in MSS.) ^nSluq XaQftlSov Ad-tivuloq
iXiqiuvxvvov 1 rti).iy.ouxov to f/f'yt&oq, w?, yalniQ (tf'/loxov ovto? xov
vto) , Soxfiv uaroxtjciui t^; av/ufdrqfuq tov Xf^tfriiv, ya&tjfdvov tto«»;-
auvxu, unxofttvov 6^ a/t6öv xt xtj yoQvqitj rij? OQOfij^, w^x ¥ft<faatv
noulv, iav oQ&oq y^vfjxai Siuvuaxuq unoaxfyußHV xov vtotv.
Hr. Q. de Qiiincy erlvlärt diese Stelle zu Gunsten seiner Hy-
pothese über die gewölbten Decken der Tempel. Wenn aber die
Form der Decke mit dem Wort xoQWf^ bezeichnet werden soll,
so muss man eine Giebelform verstehen , wie sie das Dach hatte,
die von zwei gegeneinander zu einem stumpfen Winkel geneigten
Linien gebildet wurde.
22 EINLEITUNG.
alter Tempel seien gewölbt gewesen und hätten
Licht- und LuftöfFnungen (Dachfenster, joursen com-
ble) gehabt.
Es würde nutzlos sein, die ausführliche Abhand-
lung des üeissigen und geistreichen Schriftstellers im
Hinzeinen durchzugehen. Es wird wohl genügen,
wenn wir an einigen Beispielen zeigen, wie der
Verfasser seine zum Beleg vorgebrachten Stellen
aus alten Schriftstellern irrig verstanden hat.
In dem neuen Werke der Gesellschaft über At-
tika ist der mystische Tempel der Demeter zu Eleusis
sowohl nach seinen Ueberresten, als nach den Nach-
richten der Alten beschrieben worden. An den in
der Zelle gefundnen Bruchstücken mehrer Schäfte
sieht man, dass uns Plutarchos die inneren Säulen
«ranz richtig beschrieben hat. Da nun nach der Mei-
nung unsers Verfassers ein Tempel durch innere
Säulen ein hypäthrischer wird, so wird dieses pracht-
volle Gebäude zur Bestätigung seiner Hypothese an-
geführt. Plutarchos erwähnt bei seiner Beschreibung:
des Tempels auch die Namen der Baukünstler, die
etwas zu seiner Vollendung beitrugen; unter andern
nennt er den Xenoklesj dessen Verdienst darin be-
stand, dass er einen gewissen Theil des Tempels
oder auch das Ganze mit einem Giebeldach deckte
(ro d' oTCeciov hnl rov dvaxroQOv Sevoyikijq ö Xo\aQ-
yevg ey.oQvcpojöe (^) ). Der buchstäbliche Sinn dieser
Stelle ist so klar, dass die Auslegung des Hrn. de
Quincy als durchaus unzulässig erscheint.
Als einen nachträglichen ßew^eis für eine OeflFnung
im Dache der Tempel führt Hr. de (^)uincy die von
(8) Plutarch. Perikl. cap. 13. Das Wort y.oovf^ heisst im
Griechischen sommet (Spitze, Gipfel), faite (Firste), faitage, fasti-
gium; xogvcpuv otiuXov bedeutet somit: fastigiare foramen , praliquer
iine Ouvertüre dans la faitage. (Siehe die Altertb. von Aitika,
Cap. IV. S. 53 der Teutschen Ausgabe. W.)
EINLEITUNG. 23
Lukianos im Leben des Alexandros oder des falschen
Profeten beschriebene dramatische Darstellung an.
die als Naclibildung der Eleusinischen Mysterien in
einem dem Gotte Glykon geweihten Tempel Statt
hatte. Dem Tempel hatte man die Einrichtung eines
Theaters gegeben; (^) Alexandros stellte den Endy-
mion vor und lag auf dem Schauplatz, als eine ge-
wisse Rhutillia, welche die Rolle der Luna spielte,
von der Decke als wie aus dem Himmel herabfuhr, (^°)
Aus dieser Erzählung schliesst Hr. de Quincy, das
Dach habe eine OefFnung gehabt. Und doch gibt
nns die Schilderung jener dramatischen Vorstellung
nicht mehr Anlass zur Annahme eines hypathrischen
Tempels als ähnliche Vorstellungen auf der Franzö-
sischen Bühne.
Um seine Ansicht, dass die Dächer der Tempel
gewölbt gewesen, zu unterstützen, beruft sich unser
Verfasser auf die Beschreibung, die Pausanias von
dem Tempel des Apollon Epikurios zu Figalia macht.
Durch Ausgrabungen, die in und um diesen Tempel
in neueren Zeilen an<jestellt wurden und unsere Na-
tionalsammlung mit mehren schätzbaren Proben Grie-
chischer Kunst bereichert haben, sind wir mit der Con-
struction desselben genau bekannt geworden. Pausanias
berichtet uns, dass das Dach sowie der ganze Tem-
pel von iJ/armor gewesen sei; ('') und diese Meldung
(9) "llSi] f(iQ o vtbx; fytj'/fQto xcd ij ax?j»'»; nagtcixevaaro. Lukian.
Pseudomant. cap. 19. ed. Reitz. Tom. II. p. 227.
(10) Kc.ri'jii d^ iri' «uro»' ix t^; ogocprjt oji; i^ ovgavov, avrt rijq
2ikrivr,i; 'PovTÜ.Uu rtq. Ibidem cap. 39. p. 245.
(11) Lib. VIII. Cap. 4l. §• 5: — XiO-ov y.al ovrö? ogofo^.
Faciiis scblagt vor, etwa also zu ändern: U&ov x«« itveoq xal 6 o^o-
(poq. — (Die bcnlicbrn Ueberrestc dieses Tempels, der zu Bassae
ohnweit Figaba in Arkadien stand, bescbreibt Chandler, Reisen in
Gricchenl. Cap. 77. ; und ausführlich der Baron von Stachelberg
in einem eignen zu Frankfurt l826 in gr. Fol. gedruckten Werke.
Heber das Architektonische des Baus vgl. Hirt Gesch. der Bau-
24 EINLEITUNG.
hat sich durch mehre aufgefundne Marraorziegel als
richtig bewährt. Hierdurch unterscheidet er sich
von unbedeutenderen Tempeln, bei denen man ge-
wöhnlich Ziegel aus gebrannter Erde {terra -colla)
brauchte. Auch diese Stelle hat man, in ofFenbarem
Widerspruch mit der klaren Meinung des Schrift-
stellers, von einem gewölbten steinernen Dache
verstehen wollen.
Auf ähnliche Art ist eine andre Stelle desselben
Topografen erklärt worden ; wir meinen die über
den Tempel des Hermes zu Megalopolis, von w^elchem
zur Zeit des Tansanias nur noch die xekojvi] h'&ov
oder steinerne Thürschwelle zu sehen war. {^'^) Bis
wir uns aber davon überzeugen können , dass sich
das gewölbte Dach eines Tempels auch ohne seine
Stützmauern erhalten kann, muss es uns erlaubt sein,
dem Worte y^skvjvr] und seinem Synonym ;^£A.tyi^/S eine
beschränktere Bedeutung zu geben.
Nachdem wir dargethan haben, dass die meisten
Tempel weder ihrem ersten Planenach, noch durch
spätere Einrichtung auf einem anderen Wege als
durch die Thüre Licht einliessen, bleibt uns noch
übrig, einige Bemerkungen über die Mittel zu ma-
chen, durch die es möglich wurde, die in der Zelle
befindlichen Gegenstände genauer zu betrachten und
zu unterscheiden.
Von der künstlichen Erleuchtung des Inneren
des mystischen Tempels zu Eleusis haben wir bereits
gesprochen; ein solches Mittel scheint den Pieligions-
begrifFen der Griechen angemessen gewesen zu sein,
kunst II, 46. Auch in den eisten Heften des bei Priestley und
Weale erschienenen Supplenientbandes zu den Alterthümern von
Athen erhalten wir Aufrisse, Grundrisse und andere architektoni-
sche Ausführungen desselben. W.)
(12) Pausan. VIII. 30. §. 3 : — nal olSiv iXiCntxo ori firj x'-
Xfövri XC&ov.
EINLEITUNG. 25
und sie bedienten isich desselben, soweit wir darüber
urtheilen können, nicht aus Noth, sondern nach
eigner freier Wahl. Die goldne Lampe des Kalli-
machos , die nach des Pausanias ('^) Erzählung un-
aufhörlich, Tag und Nacht, vor der Bildsäule der
Göttin in dem Tempel der Jthena Polias in Athen
brannte, ist über die Art entscheidend, aui welche
man das Innere Griechischer Tempel erhellte. Thu-
kydides und Pausanias melden uns beide das Schick-
sal des alten Tempels der Hera bei Mykenä, der durch
eine brennende Lampe, welche die Priesterin eini-
gen inneren Verzierungen zu nahe gebracht hatte,
in Feuer aufging. (**)
Ebenso sagt uns Pausanias, ('*) dass man vor der
alten Bildsäule des Pan in seinem Tempel zu Akake-
sion in Arkadien beständig Feuer im Brand erhalten
habe; dasselbe geschah im Tempel der Demeter und
Persejone zu Mantineia. ('^) Nahe bei dem Prytaneion
zu jt7i.y stand gleichfalls ein kleiner Tempel, in dem
das Fener nicht erlosch; ('') auf dem Markte zu
Farä in Achaia stand ein Orakelgebäude (neben dem
steinernen Bild des Hermes Agoräos) , an dessen Altar
eherne Lampen durch Blei befestigt waren. Wer
das Orakel befragen wollte, verbrannte zuerst Weih-
rauch, füllte die Lampen mit Oel , zündete sie an,
legte dann eine Gabe (eine Landesmünze) auf den
Altar und befragte die Gottheit. ('*) Hieraus erhellt,
(13) Lib. I. Cap. 26. §• 7. Strabo Lib. IX. p. 396: o äaßtarw;
(14) Thukydid. IV, 133. Pansan. 11. 17. §■ 7.
(15) Pansan. VIII. 37. §.8: nvQ ovnojt itnoaßtvvvfiivov naUxat.
(16) Paus. VIII. 9. §. 1. W.
(17) Pansan. V. 15. §■ 5: »In dem Prylaneion ist ein Ileerd
aus Asche errichtet und auf ihm brennt Feuer den ganzen Tag
und ebenso die ganze Nacht durch.« W.
(18^ Pausan. VII. 22. §. 2. — Eine Scenc in den Eumeniden
26 EINLEITUNG.
dass sich die Griechen der künstlichen Erleuchtung
bei ihren religiösen Feierlichkeiten bedienten ; von
den Griechen aus verbreitete sich dieser Gebrauch
zu den Römern. (^')
Plinius gedenkt der Italischen Sitte, Lampen in
den Tempeln aufzuhängen, (^°) und dass dieser
Brauch aus sehr alten Zeilen stammte, bew^eiset eine
Stelle des Plutarchos, in der wir vernehmen, dass
eine evrig brennende weit berühmte Lampe in dem
Tempel des Zeus ^mmon aufgehängt gewesen sei. (^^)
Ebenso brachte Alexandros aus Theben aus dem
Tempel des Apollon den Palmbaum mit, an dessen
Zweigen Lampen hingen. Die zehn Leuchter end-
des Aeschjlos versetzt uns zugleich mit der Athena und den Eu-
meniden in den Tempel der Göttin zu Athen vor ihre Bildsäule.
Die Göttin cntlässt die versammelten Eumeniden mit einer Anrede,
die Voss also übersetzt hat:
Die Worte lob' ich solcher Heilanwünschungen,
Und sende dir strahllieller Fackeln Lichtgeleit
Zu jenem Abgrund' unterhalb des Erdbezirks,
Samt Dienerinnen, deren Hut mein Bild alhier
Bewahret treulich.
Eumeniden v. 1014 ff.
Das Innere des Tempels war demnach durch Fackeln erhellt.
(19) CVPIDINES II. CVM SVIS LYCHNVCHIS ET LUCERN.
Gruter. Insc.
Vidi argenteum Cupidinem cum lampade. Cic. in Verr. Act. IL
Cap. 47.
(20) Placuere et Lychnuchi pensiles in delubro. Lib. XXXIV.
Cap. 5. Horatius wirft den Römern die Vernachlässigung ihrer
Tempel und Bildsäulen vor, welche letztere aus ganz offenbarer
Ursache mit Rauch wie mit einer Decke eingehüllt waren.
Delicta maiorum imnieritus lues,
Romane, donec templa refeceris,
Aedesque labentes Deorum , et
Foeda nigro simulacra fumo.
Od. Lib. III, 6, 1 ff.
(21) De oracul. defectu 1 , 614. (Ed. Hütten Cap. IL Vol. IX.
p. 299.)
EINLEITUNG. 27
lieh im Tempel Salomon^s, die auf Altären zur Rech-
ten und Linken der Zelle standen, sind ein schlagen-
der Beweis für das hohe Alter dieser Sitte. {^^)
Man hat gegen unsere Ansicht vom Gebrauch
der Lampen eingewendet, dass sie denn doch kein
zureichendes Licht gegeben hätten, um die Verzie-
rungen im Inneren der Tempel deutlich hervortre-
ten zu lassen; denselben Einwand würde man aber
eben so gut auch bei den Tempeln und Gräbern der
Aegypter machen können, deren Inneres in noch weit
höherem Grade verziert war. Die Gemälde mit ih-
ren glänzenden Farben, die fast alle Mauern und
Säulen bedeckten, konnten nur bei einer künstlichen
Beleuchtung betrachtet werden.
Noch mehr wird das, was wir über den Gebrauch
der Lampen behauptet haben, durch die Nachweisung
eines ihm ganz angemessenen Amtes bestätigt. Die
Sorge für die Lampen lag einem Tempeldiener oder
einer Dienerin ob, zu deren Amt auch andere Ver-
richtungen von höherer Bedeutung gehörten. Dies
ergibt sich aus folgender Inschrift, die Chandler zu
Athen in dem choragischen Denkmale des Thrasyllos
fand, das nun zu einer Griechischen Kirche einge-
richtet und der Panagia Spiliotissa d.h. Unserer lieben
Frau in der Grotte geweiht ist.
. . . XOISIA KAI TO AETS2MA Y
HEP TAI KirKAUAI KAI THN
A0POAEITHN TH QEQ EK
TS2JS IAU2N ANESHKEN E
miKEYAIASA KAI AYTHN
O YIA KAI A YÄNAUTPIA A Y
THS KAI ONEIPOKPITII ... x.t.k. (")
Die angeführten Zeugnisse beweisen klar, dass
(22) A'f« ino{r,at t««? Xv^vluii t«? XQ*"^'^'i '^^"^ — **»* f^xtv h
TW vu<7). Paralipom. (Chronik.) Lib. II. c. 4. V. 7.
(23) Chandler Inscripl. Pars II, 55. XXIX.
28 EINLEITUNG.
die Sitte, Tempel im Inneren auf künstliche Art zu
erleuchten, höchst alt und allgemein verbreitet war.
Nachrichten über dieselbe bei alten Schriftstellern
sind allerdings selten, dagegen widerspricht ihr auch
keine Stelle ausser der einzigen oben mitgetheilten
Regel des Vitruvius, welche nur auf zehnsäulige Tem-
pel mit doppelten Säulengängen zu beziehen ist. C*)
(24) Unser Verfasser scheint mir in seiner Vermnthung zu
weit zu gehen. Umsichtiger spricht sich IVinchelmann in seinen
Anmerkungen über die Baukunst (Sr. Wrke v. Fernow. Bd. I.
S. 391) hierüber also aus: ^Fenster hatten die ins gevierte ge-
bauten Tempel insgemein nicht, und kein ander Licht, als wel-
ches durch die Thüre hineinkam ; und dieses zur Vermehrung
der Ehrfurcht des Orts, welcher durch Lampen erleuchtet war.«
Vgl. Voyage du jeune Anacharsis Chap. XII. und besonders die
Note 9 Denn die aus Pausanias oben mitgetheilten Stellen sagen
uns nur, dass in mehren Griechischen Tempeln vor der Bildsäule
der Gottheit Eine Lampe gebrannt und die Bildsäule in besondres
Licht gesetzt habe, nicht aber, dass der ganze Tempel durch
Lampen so eriielU. worden sei, dass man überall »die in ihm be-
iindliclien Gegenstände , genauer habe betrachten können.« Die
Wirkung und auch die Bedeutung einer solchen Lampe scheint in
den Griechischen Tempeln keine andere gewesen zu sein als die,
welche das ewige Licht in unsern grösseren katholischen Kiiclien
hat. Die stets brennende Lampe ist sinnliche Darstellung der
Weisheit, die gewissermassen ein unauslöschliches Licht ist. Vgl.
Stuart Thl. l\. Cap. IL Anm. 11. S. 487. der Teutschen Ausg.
und Creuzer ebendaselbst S. 552. Warum sollten sie dieselbe sonst
bei Nacht und zur Zeit, wo Niemand den Tempel betrat, oder
vielmehr, wo keine Andächtigen das Bild der Gottheit aus der
Ferne zu schauen verlangten, haben brennen lassen? Auch der
Heratempel bei Mykenä brannte nicht ab, als er bei versammel-
ter Menge erleuchtet war, sondern als, wie Thukydides erzählt,
die Priesterin eine brennende Lampe zu den Kränzen hingesetzt
hatte und darüber eingeschlafen war. Ebenso liegt uns bei den
foeda nigro simulacra fumo des Horatius doch der Gedanke, dass
die Bildsäulen von dem entzündeten Weihrauch und den auf den
Altären verbrannten Opferstücken geschwärzt worden seien, näher
als dass dies Wirkung der Larapen gewesen sei. W.
Erstes Capitel.
T e o s„
Unter den vielen Werken, die uns durch die Zeit
und missgünstige Zufälle oder auch durch absichtliche
Zerstörung entzogen worden sind, muss der Freund
der wissenschaftlichen Baukunst vor Allem den Ver-
lust jener unersetzlichen Abhandlungen bedauern,
welche von Männern, die sich durch Geist und Kennt-
nisse gleich auszeichneten, in der lobenswerthen
Absicht verfasst worden waren, um die glückliche
Verbindung beider Eigenschaften in den von ihnen
errichteten Gebäuden nachzuweisen. Zu diesem
Zweck hatten sie die Grundsätze entwickelt, nach
denen sie verfahren, das Eigenthümliche im Plane,
die Verhältnisse und Verzierungen, die sie entweder
erfunden oder Andern nachgebildet hatten, bezeich-
net, auf die Harmonie und Symmetrie ihres Plans
aufmerksam gemacht und mit dem Bau zugleich die
Geschichte desselben der Nachwelt überliefert.
Die Namen mehrer dieser berühmten, verdienst-
vollen Männer des Alterthums hat uns Viiruvius er-
halten (*) und unter ihnen die grossen Baumeister
(1) Postca Silenits ilc synmictriis Doricoruin cdidit volumen ;
de aede lunonis, quac est Sami, Dorica, Tlieodorus ; lonica
Ephesi , quae est Dianae, Ctesiphon CChersiphron ed. Schneid.)
et Metagenes ; de fano Minervae , quod est Prienae, loiiictim,
P/lhius. — Hermogenes de aede Dianae lonica , quac est Magnc
30 ERSTES CAPITEL.
der zwei prachtvollen Tempel zu Teos und Priene
bezeichnet. Wären uns ihre Abhandlungen erhalten,
welcher Genuss für den wissbegierigen Kunstfreund,
dies Werk zu vergleichen, zu berichtigen und zu
vervollständigen! Doch jetzt kann er nur mit ße-
trübniss diese reichen Trümmer betrachten, die sich
allein gleichsam aus dem allgemeinen Schilibrucli
retten Hessen, und während er sie bewundert und
benutzt, sich darüber freuen, dass ihre Schöpfer
nicht, gleich vielen andern von Vitruvius aufgezeich-
neten, blosse Namen geworden sind, sondern wenig-
stens so weit in ihren Werken fortleben.
Teos lag auf der Südseite der Landenge, die eine
kleine westlich in eine scharfe niedrige Spitze auslau-
fende Halbinsel mit dem Festlande von lonien ver-
bindet. Es hatte zwei Häfen, von denen der eine
sich an die Stadt anschloss, der andre der Stadt im
Rücken in einer Entfernung von dreissig Stadien
lag; so breit war auch ohngefähr der Isthmus. Der
letztere Hafen hiess im Alterthum Geraeslikos. i^)
Segigeck, der Hafen der Stadt Teos gegen Norden,
hiess bei den Alten Gerae. Er war von Chalkideern
bevölkert worden, die unter Anführung des Geres
hierher zogen. In der an dem Meere stehenden ße-
festigungsmauer befinden sich mehre graue Marmor-
steine mit Inschriften, die von Teos hierher gebracht
worden sind.
Segigeck gegenüber liegt Teos , an der südlichen
Krümmung des Landes, an der entgegengesetzten
siae pseudodipteros, et Liberi patris Teo monopteros (vel peripte-
ros). Vitruv. Praef. Lib. VII, §. 12.
(2) Kai 71 T^(oq 6} int Xe^Qovrjao) i$QVTai, Xifi^va t^ovaa. —
"JEoTt di mAAo; hfir^v o nQOi;ßogo(;, uno rgiay.ovxu aruSiwv iriq noXfloq,
Xt^guitSai' fhu XaXxiäfXi;, o t^; Xf^Qovr,aov ia&fioq, tri!; Tijtuv
y.al 'Egv&galav- Strabo L. XIV. p. 644. Ein Stadion betrug sechs-
hundert Fuss. Dreissig Stadien machen drei und drei viertel Meilen.
ERSTES CAPITEL. 31
Seeseite. Jetzt heisst es Bodruti, ist aber unbe-
wohnt, sowie sein Hafen -versandet, so dass die
Schiffer und Gewerbsleute, die den geringen Han-
del in dieser Gegend noch fortführen, nur an Gera-
stikos anfahren.
Die mit der alten Geschichte bekannten Leser
werden sich vielleicht erinnern, dass ein Römischer
Flottenführer einst (') in grosser Gefahr war, in die-
sem Haien mit seiner mächtigen Flotte von den
Feinden überfallen und eingeschlossen zu werden.
Des Geschichtschreibers Livius Bericht über diesen
Vorfall steht in zu genauer Beziehung mit unserm
Geffenstande, als dass wir ihn nicht im Wesentlichen
hier mittheilen sollten.
In dem Kriege zwischen Antiochus dem Grossen,
dem Könige von Syrien, und den Römern richtete
der Prätor L. Aemilius Regillusj der achtzig Schiffe
in den Gewässern des Aegäischen Meeres befehligte,
plötzlich seinen Lauf gegen Teos, yreil ihm die Nach-
richt zugekommen war, die Teief hätten die könig-
liche Flotte mit Lebensmitteln versorgt und überdies
ihr noch fünftausend Krüge Wein zu liefern verspro-
chen. Er stellte seine Schiffe in dem Hafen auf,
welcher der Stadt im Rücken liegt, und schickte
Truppen mit dem Befehle aus, die Umgegend der
Stadt zu verheeren.
Sobald die Teier diese Verheerung wahrnahmen,
schickten sie an den Befehlshaber Gesandte mit hei-
ligen Binden und den gewöhnlichen Friedenszeichen,
um seine Gnade anzuflehen. Dieser versicherte aber,
er werde seine Soldaten von der Plünderung nicht
zurückrufen, wofern nicht die Stadt den Römern
dieselbe Unterstützung zu Theil werden lasse, die
sie den Feinden so bereitwillig geleistet habe. Die
(3) Im Jahr der Stadt 562; vor Christ. 190.
32 ERSTES CAPITEL.
Gesandten kehrten zurück und die Obrigkeiten be-
riefen das Volk zur berathenden Versammlung.
Unterdessen war Polyxtnidas , der Befehlshaber
der königlichen Flotte, mit neunundachtzig Schiffen
von Kolofon ausgelaufen. Als er von den Bewegun-
gen des Römischen Flottenführers Nachricht erhielt
und hörte , dass er in den Hafen Gerästikos eingelau
fen sei, fasste er grosse Hoffnungen, die Komische
Flotte jetzt ebenso angreifen und besiegen zu kön-
nen, wie es ihm ohnlängst mit der Khodischen bei
Samos geglückt vrar, wo er den schmalen Ausgang
des Hafens Panormos besetzt hatte, in dem die Flotte
lag. Wirklich hatten auch beide Plätze eine ähn-
liche Lage, indem zwei gegen einander tretende
Vorgebirge den Ausgang des Hafens so verengen,
dass kaum zwei Schiffe zugleich auslaufen können.
Polyxenidas nahm sich nun vor, in der Nacht den
engen Eingang zu besetzen, an jedem Vorgebirg
zehn Schiffe aufzustellen, um die auslaufenden feind-
lichen Schiffe von beiden Seiten angreifen zu kön-
nen, sodann von der übrigen Flotte eine hinläng-
liche Zahl Bewaffneter an die Küste auszusetzen,
um die Römer zugleich zu Lande und zu Wasser zu
überfallen.
Dieser Plan würde, nach des Geschichtschrei-
bers Bemerkung, wohl auch nicht fehlgeschlagen sein,
wäre nicht der Kömische Prätor, als die Teier sei-
nem Verlangen nachgaben, hinüber in den anderen
Hafen gefahren, welcher vor der Stadt liegt, wo-
selbst er seine Vorräthe bequemer einschiffen zu
können glaubte. Auch soll Eudamos , der die Rho-
dische Flotille befehligle, bei der Gelegenheit, als
zwei Schiffe in dem engen Eingang in einander ge-
riethen und sich die Ruder zerbrachen, die Römer
auf ihre gefährliche Station aufmerksam gemacht
haben. Der Prätor hatte zudem noch einen neuen
ERSTES CAPITEL. 33
Grund, den Stand seiner Flotft zu ändern, indem er
hier von der Landseite vor einem Ueberfall des Kö-
nigs Anliochos, der mit seinem Lager in der Nähe
stand, nicht sicher zu sein glaubte. Als man den
neuen Hafen gewonnen hatte, verliessen die Sol-
daten und Schiffer ihre Fahrzeuge und waren gerade
mit der Vertheilung des Weins und der Vorräthe
beschäftigt, als ein Landmann dem Prätor die Bot-
schaft brachte, Folyxenidas sei im Anzug. Den
Zerstreuten verkündete sogleich der Schall der Trom-
peten des Prätors Befehl, zurück zu den Schilfen zu
eilen. Es folgt Verwirrung und Getöse wie bei
einer plötzlichen Feuersbrunst; jedes Schiff fährt,
sobald es bemannt ist, voll Hast aus dem Hafen; die
ganze Flotte rückt in Schlachtordnung auf die Höhe
vor, dem Feinde entgegen; zwischen Myonnesos und
dem Vorgbirge Ä^or^A:o5 entspinnt sich auf allen Punc-
ten ein hitziger l^ampf, in dem die königliche Flotte
durch die Tapferkeit der Römer und die Schnelligkeit
der Rhodischen Schiffe fast vernichtet wird. (*)
(4) Liv. Lib. XXXVII. Cap.27:— In portu, qui ab tergo urLis
est CGeraesticum ipsi appeilant), navibus constiliitis, praetor
('L. Aemilius Re^illus , cui provincia marilinia erat,) ad depopii-
lanclnm circa inbem agriim milites emisit.
Cap. 28. Teil j quiim in ociilis populatio esset, oralores cum
infulis et velamentis ad Romanum miscrunt. — Polyxenidas, cum
regia classc a Colophone profccliis , adversus Myonncsum in insula
(Macrin nautici vocant) ancoras portu occulto iccit. Inde ex
propinqiio explorans , quid liostes agerent, primo in magna spe
fuit , quemackmodum Rhodiam classcm ad Sanuiin , circumsessis ad
cxitum fnucibns portus , cxpugnasset, sie et Romanam cxpugnatti-
rum. Ncc est dissimilis natura loci Promontoriis cociintibus inter
sc ita clauditur portus, nt vix duae siniul inde naves possint exirc.
Nocte occuparc fauces Polyxenidas in aninio kabebat, et, denis
navibus ad ptomonloria stantibus, quae ab utroque cornn in latera
exeuntitim nuviuai pugnarent, ex cetera classc, sicut ad Panormum
Ion. Alt. 3
34 ERSTES CAPITEL.
Doch wenden wir uns zu andern Gegenständen.
Unter allen Göttern verehrten die Teier am höchsten
den Dionysos oder Bakchos; ihm hatten sie Stadt und
Gebiet geweiht und sich schon vor dem erwähnten
Ereigniss (*) an den Kömischen und andere Staaten
mit der Bitte gewandt, beide dadurch auszuzeichnen,
dass sie dieselben für heilig und für eine Freistätte
erklärten. Mehre der damals gegebenen Antworten
haben sich noch erhalten; sie sind in Stücke \on
grauem Marmor schön eingehauen; ihr Zusammen-
hang ist jedoch öfters unterbrochen ; einige der Bruch-
stücke fanden sich, zum Theil in die Mauer eingefügt,
in dem Bade zu Segigeck^ eines über einem Brunnen
vor dem südlichen Thore, mehre lagen auch auf dem
Begräbnissplatze rund um Sevrihissar. Alle sind sie
y on Chishullj nach den Copien, diederConsul Sherard
im Jahr 1709 davon nahm und Samuel Lisleim J. 1716
genau revidirte, der gelehrten Welt mitgetheilt wor-
den. Diesen literarischen Denkmälern der Teier
hat der gelehrte Herausgeber noch eine Zeichnung
fecerat, armatis in litora expositis, terra marique simul hostes op-
primere. Quod non Tanum ei consiliuni fuisset, ni, quum Teii
factiiros se imperata promisissent, ad accipiendos conimeatus aptius
visum esset Romanis, in eum portum , qui ante urbem est, clas-
sem transire. Dicitur et Eudamus Rhodius vitium alterius poitus
ostendisse, quum forte duae naves in arcto ostio implicitos remos
frcgissent. Et inter alia id quoque movit praetorem, ut traduceret
classem, quod ab terra periculum erat, haud procul inde Antiocho
stativa habente.
Cap. 30. lain totis classibus simul ab omni parte pugna con-
serta erat. Ab Romanis octoginta naves pugnabant, ex quibus
Fhodiae duae et viginti erant. Hostium classis undenonaginta
naviura fuit; et maxiinae formae naves tres liexeres habebat, duas
hepteres.
(5) Der Römische Beschluss ist vom Jahr 559 d. Stadt, 193 V.
Chr. Geb. Chishull , Antiquität. Asiaticae. p. 102.
ERSTES CAriTEL. 35
ihrer Hauptgottheit vorgesetzt, auf welche wir unsre
Leser, die sich dafür interessiren, hiermit verwei-
sen wollen.
Da dieser Bezirk somit 'der eigenthümliche Be-
sitz des Dionysos war, so liessen sich auch die
Dionysischen Künstler ^ {^) deren es in Asien eine grosse
Anzahl gab, (') und die also nach ihrem Schützer,
dem man die Erfindung theatralischer Darstellungen
zuschrieb, genannt wurden und sich auf Befehl der
Könige von Pergamos in Gesellschaften vereinigt
hatten, (^) hier in der Stadt ihres Schutzgottes nieder
und versorgten von hier aus nach eingegangenem
Vertrag lonien und die Gegenden bis zumHellespont
hin mit dem scenischen Apparate, bis sie bei einem
Aufstande die Flucht ergriffen und sich in Efesos
niederliessen. Diese Künstler werden überhaupt als
geneigt zu Unruhen und als treulos geschildert. (®)
Aus allen diesen Umständen lässt sich sowohl
mit Wahrscheinlichkeit voraussetzen, dass die Teier
es nicht werden unterlassen haben, einen Tempel zu
errichten, in dem sie den weitberühmten Gott Dio-
nysos, der ihnen selbst so grosse Vortheile brachte,
würdig aufnehmen konnten, als auch zweitens, dass
dieser l'erapel auf eine besonders reiche Art ausge-
schmückt gewesen sei. Die erste Annahme wird
hinlänglich durch die noch vorhandnen, wiewohl
unbedeutenden Ueberreste gesichert. Diese bestehen
jetzt freilich nur noch aus einem verworrenen Hügel
(6) ^hovvoiuxol Tt/vlTui oder ol niQi lov /Jiovvaov Tfj(vlTui.
Uebcr Dioujsos , den begeisternden Scluilzgott der Musiker, Poe-
ten, besonders der Dramatiker und auch der Schauspieler, siehe
Crcuzer's Symbolik. Tbl. IV. S. 408 u. 450. W.
(7) Kai iw ^lovuaot t»,v AaCuv oXriv xa&uQoiaavrtq fi^xQ'' '^V^
'Ivdixijq. — Slrabo. L. X. p. 471.
(8) Chishull. A. A. p. 107 u. 138.
(9) Strabo. L. X. p. 643. Chish. p. 139.
3^
36 ERSTES CAPITEL.
niedergestürzter Marmorstücke und verschwinden
täglich mehr, indem die Türken sie zu Grabsteinen
benutzen , die sie ihren Verstorbenen zu Häupten
und Füssen zu setzen gewohnt sind. Mehre Stücke
lagen damals , als wir die Tempelreste untersuchten,
gerade zugehauen und sollten zu dem erwähnten
Zwecke dienen. Die ganze Masse ist von Gebüsch
und Feigenbäumen überdeckt.
Aus den vielen Oefen, von denen man in und
um den Hügel die deutlichsten Spuren sieht, ergibt
sich mit Gewissheit, dass früher ein grosser Theil
der Materialien durch sogenanntes Calciniren ver-
braucht worden ist. Verzierungs- und andere Bau-
glieder wurden gefühllos und ohne Unterschied aus-
gebrannt. Ein zerbrochnes Fussgestell ist jedoch
der Zerstörung entgangen und liefert uns ein achtes,
wenn gleich verstümmeltes Denkmal der alten Ver-
zierung. Auf ihm erblicken wir folgende Inschrift, ('°)
(10) Diese Inschrift könnte man also ergänzen und über-
setzen :
II JBovXtj v.ut [o /}f]fioq]
KL Tqvcfutvuv «[p;^tfgfa]
Aaiuq xut legia [tov tij?3
Ttohojq ÖEov /]i\pvvaov\
■&vyaTiga <?'ijof£i[»'7j?]
2JTQUT0VtlX7jq UQ\xi.{Qi(Oq\ ,
Aaiaq' uvaarr,aciVToi;
avögiavTa xaX[oxuya&iaq £viy.a\
Hhomvivou %(äv T\naxi,aü)v]
»Senat und Volk ehrten die Oberpriesterin der Asia und Prie-
stcrin des Stadtgottes Dionysos ^ Kl. Tryfana ^ Tochter der Fesine
Stratonike, Oberpriesterin der Asia; Peisoninos ^ mit consulari-
scher Würde bekleidet, errichtete ihr die Bildsäule, um ihre Treff-
lichkeit auszuzeichnen."
Zeile 3 und 7. ^^;jw^£wi; Aaiaq kommt in einer der Inschrif-
ten des Hrn. Wood vor. Wir würden in beiden Zeilen die weib-
ERSTES CAPITEL. 37
die uns sagt, dass es die Bildsäule der Klaudia Try~
faena, Oberpriesterin der Göttin Asia und Priesterin
des Stadtgottes Dionysos ^ getragen.
HBOYAHKAI
ETEIMt
KATPY0AINANJ
ASIAIKAIIEPEA
nOAEQIQEOYAl
e VrATEPAOHSEl/
STPATONEIKHIAP
AIIASANAITH2A
ANAPIAISTAKAA^
nEIIQlSlN'YT^lS Y
Wann der Tempel errichtet worden, lässt sich
wohl nicht mehr genau ermitteln, wahrscheinlich
wurde er aber ziemlich um dieselbe Zeit, wie die
zwei folgenden j erbaut. Denn als alle Tempel jener
Gegend, den zu Efesos ausgenommen, y on Xerxes
zerstört worden waren, (**) so versäumten es die
einzelnen Städte in jener gottesfürchtigen Zeit wohl
liehe Foim Aq^uguri vorgezogen haben , wenn nicht die vierte
Zeile die andere, gewöhnlich männliche- Form zu rechtfertigen
oder gar zu verlangen schiene. In einer Inschrift bei Mylasa fin-
den wir: T()vcpttii'rfi t»;? x«t avTtj^ aTtq>avriq)ogov xut yv/xvaaiugx^v ;
zu EIcusis: IiQocpavTTjv xijt; vt(DTfQaq Kl. ^Hloifvav ; und bei Pausa-
nias : yvvri v{o»toQoq-
Z. 6. In einer Athenischen Inschrift finden wir ebenfalls
einen iJ>r,ait'ov 2y,v&i,vov.
Z. 10. In einer Inschrift des Hrn. Wood lesen wir: Iluoiatov
Tnttjixov txyovov , no).ko)v ^vvxXyjTtxoiv x«t TnuTixo»' avyyivi].
Bei Pococke, Inscr. p. 38 und p. 20, findet sich noch ein
andies Bruchstück von diesem Tempel; es ist aber so übel abge-
schrieben, dass man es nicht verstehen kann.
(11) MfTu d^ Tt) IJoatlSiov To Mti-t'iawv l^/J? lart ro /miTtXov
ToD ^idvfdox; AnöXkütvoi; ro iv Bfncy/lSaK;' irf:TQi^a&ij S' vno Siq%ov,
xa&uTtfQ xul T« uXXa liQu nXjiv lov iv 'E(fiau), Strabo. L. XIV.
p. 634.
38 ERSTES CAPITEL.
nicht, wenigstens die Tempel ihrer Schutzgotthei-
ten so schnell als möglich wieder aufzubauen. In
eifriger Eile scheinen alle vollendet worden zu sein,
der eine jedoch schneller, als der andre, je nach-
dem der Umfang des Baues selbst grösser oder klei-
ner und die Mittel der Eigner bedeutender oder ge-
ringer waren.
Baumeister war Hermogenes, (*') der übereinstim-
mend mit Tarchesios und Pythios die Dorische Ord-
nung für ungeeignet für heilige Gebäude erklärte.
Ihre Gründe gibt Vitruvius an, der uns auch die
Nachricht mittheilt, Hermogenes sei so sehr von der
Richtigkeit seiner Ansicht überzeugt gewesen, dass
er seinen Plan noch geändert habe, nachdem dieMar-
morstücke schon zugerichtet gewesen seien, und mit
dem Materiale, das für ein Dorisches Gebäude be-
rechnet war, den Ionischen Tempel zn Teos erbaut
habe. (")
Hermogenes verfasste, wie wir in der oben S. 29
mitgetheilten Stelle lesen, eine Abhandlung über
den Ionischen Tempel der Artemis zu Magnesia, der
ein Pseudo -dipteros j und eine andere über unsera
Tempel zu Teos, der ein Hexastylos war und von
Vitruvius als ein Beispiel des Eustylos (der Säulen-
stellung, in der die Säulenweiten das schönste Ver-
hältniss haben) angeführt wird, da Rom keins aufzu-
weisen hatte. (") Vitruvius sagt uns weiter, die Ver-
(12) aus Alabanda in Karlen gebürtig. W.
(13) Nonnulli antiqui aichitecti negaverunt Dorico genere
acdes sacras oportere fieri, quod mendosae et disconvenientes in
his symmetriae conficiebantur: itaque negavit Tarchesius, item
Pjtheus j non minus Hermogenes. Nam is, cum paratam habuis-
set marmoris copiam in Doricae aedis peifectionem , con>mutavit
ex cadem copia et eam lonicam Libero patri fecit. — Vitruv.
Lib. IV. Cap. 3. S- 1-
(14) Huius excmplar Pioniae nullum habemus, sed in Asia Teo
ERSTES CAriTEL. 39
hältnisse, welche er angebe, seien von Hermogenes
festgesetzt worden ; und dieser sei auch der erste
Erfinder des Oktastjlos pseudo - dipleros gewesen. Er
habe nämlich die innere Säulenreihe des Dipteros
hinwegoenommen und dadurch Arbeit und Kosten
verringert, dennoch aber hinlänglichen Kaum zu
einem Gang um die Zelle gelassen und dem Ansehn
des Tempels nicht den geringsten Abbruch gethan;
er habe durch seine Anordnung nur das Ueberflüs-
sige entfernt, aber die Würde des ganzen Baus er-
halten. Denn das pteroma und die Säulenstellung
seien doch nur desswegen erfunden worden, um
dem Tempel durch die engen Säulenzwischenweilen
(straitness of the intercolumniations) ein erhabeneres
Ansehn zu geben und einer grossen Menge Leute,
die etwa durch einen plötzlichen heftigen Regen
überrascht oder zurückgehalten würden, ein beque-
mes Obdach zu verschalten. Beides, sagt Vitruvius,
habe Hermogenes durch seinen Scharfsinn und seine
Kunst in seinen Bauwerken erreicht und der Nach-
Iiexastylon Liberi Palris. Eas autem symmetrias conslittiit Hermo-
genes, qni etiarn prinuis octastjlum pseiidodipteri (hexnstylum
Pseudodiplcrive ed. Schneid.) rationeni invenit. Ex dipteri eniin
aedis syiunietria siistulit inferiores ordines columnaruni XXXVIII,
caque ralione suniptns operisqne compendia fecit. Is in medio
airihulationi laxamentiiin egregic circa cellam fecit, de aspectiiquc
nihil imminuit, sed sine desiderio siipervacuoriim conservavit au-
ctovitatem lotius operis distributione. Pteromatos enira ratio et
columnarnm circiim acdem dispositio ideo est inventa , iit aspcctus
proplcr asperitatetn inlercolumniorum haberct aiictoritatem: prac-
lerea si et imbrium aqnae vis occiipaverit et intercUiserit hoininum
miiltitiidinem, ut habeat in acde circaqtic cellam cum laxamento
liberam moram. Haec autem ita explicanliir in Pseudodipteris
aedium dispositionibus. Quare videtnr acuta niagnaque solertia
cffectiis operum Hermogenes fecisse , reliquissequc fontes, onde
posteri possent hanrirc disciplinarum rationes. Vitruv. Lib. 111
Cap. III. §. 8 sq. MSS.
40 ERSTES CAMTEL.
weit Quellen hinterlassen, aus denen sie die Gründe
seiner Verbesserungen entnehmen könne.
Durch ein solches Lob seines Baumeisters erhält
unser Tempel ein noch höheres Interesse, indem er
als das einzige, wenn auch nicht mehr ganz erhal-
tene, Denkmaleines so ausgezeichneten Architekten
sowohl ehrwürdig, wie auch als Probe und Erläute-
runsr seiner Regeln für uns belehrend ist.
Taf. I.
Ansicht des Tempels des Bakchos zu Teos,
Taf. II.
(der älteren Ausgabe)
Säulenordnung,
Ueber den Tempel des Bakchos zu Teos können
wir unsern Lesern nichts Neues vorlegen, da die
zweite Mission der Gesellschaft der Dilettanti ver-
hindert war, Teos zu besuchen. Dies ist indessen
darum weniger zu bedauern, da die Entdeckungen
in andern Theilen von Rleinasien die Gesellschaft in
den Stand gesetzt haben, Proben von drei verschie-
denartigen Ionischen Tempeln zu geben , nämlich
von einem Hexastylos', Oktastylos und Dekastylos.
Die erste Auliage dieses Werks enthielt einen
Aufriss der Vorderseite des Tempels, den man nach
!Muthmassung und mit Beobachtung jener allgemeinen
Verhältnisse ergänzt hatte, welche Vitruvius bei
der Beschreibung eines schönsäuligen Tempels (Eu-
stylos) angibt, zu dessen Erläuterung er gerade un-
sern Tempel zu Teos als Beispiel anführt. Hinsicht-
lich jener Stelle des Vitruvius, in der er auf unsern
Tempel verweist, müssen wir zuvor bemerken^ dass
alle Handschriften denselben als einen Hexastylos be-
zeichnen, d. h. als einen Tempel mit sechs Säulen
auf der Vorderseite und folglich mit einem einfachen
ERSTES CAPITEL. 41
Säulenumgang (Peristylon). Die bisher herrschende
Meinung, dass der genannte Tempel zu Gebäuden
von prachtvollerer Anlage gehöre, ist aus einer ver-
meintlichen Dunkelheit in dem Texte des Vitruvius
entstanden. Um einer anscheinenden Schvs'ierigkeit
zu begegnen, fanden sich die Erklärer bevv^ogen,
zwei Wörter zu ändern, nämlich erstens (III, 3, 8.)
octastylon statt hexastylon und sodann (Vorrede z. B.
y\\. §. 12.) dipteros statt monopteros zu lesen. Beide
Aenderungen sind unnölhig. Denn augenscheinlich
braucht hier Vitruvius das Wort monopteros nur im
Gegensatze zu dipteros, was in derselben Periode
vorkommt. Wollte man behaupten , das Wort sei
auch hier in der beschränkten Bedeutung genommen,
die es offenbar bei den runden Tempeln im Anfang
des achten Capitels im vierten Buche hat, so würde
es doch immer noch sicherer sein, nur eine Aende-
rung zu wagen, als zwei; lesen wir in dem Falle
peripteros statt monopteros , welche Worte von glei-
cher Bedeutung sind, so hat man keinen Grund zu
weiterer Aenderung und der Tempel des Bakchos zu
Teos muss als ein Beispiel von einfacherer Bauart
betrachtet werden. Darum haben wir denn jenen
Aufriss des Tem])els, der in der ersten Ausgabe ent-
halten war, in dieser weggelassen, da wir es uns
zum Grundsatz gemacht haben, die Irrthümer zu be-
richtigen, die bei der ersten Darstellung der archi-
tektonischen Ueberreste in den Griechischen Co-
lonien unvermeidlich waren, indem man damals
theils wegen der geringen Bekanntschaft mit der
Griechischen Baukunst, theils wegen der unzurei-
chenden Mittel, die es nicht erlaubten den Grundbau
der Gebäude zu untersuchen, das Wahre nicht er-
kennen konnte.
Es lag übrigens noch ein anderer Grund vor,
warum wir, abgesehen von allen andern Motiven,
42 ERSTES CAPITEL.
jene Tafel weglassen zu müssen glaubten. Vitruvius
sucht nämlich in seiner Theorie der Baukunst die
Architektur Griechenlands auf gewisse feststehende
Regeln zu bringen, durch welche sich, nach seiner
Meinung, die Architekten alter Zeit bei der Anlage
ihrer Tempel leiten Hessen. So stehen nach einem
Grundsatze , den er bewährt gefunden haben will,
die Räume oder Weiten zwischen den Säulen in
einem bestimmten Verhältnisse zu dem unteren Säu-
lendurchmesser, und je nachdem dieses Verhältniss
eins und ein halb, zwei oder drei zu eins ist, classi-
£cirt er die Tempel als dichtsäulige CPy^^ostyloi) j na~
hesäulige fSystyloi) und fernsäulige fDiastyloi). ('*) In
den Tempeln Griechenlands finden wir aber solche
feststehende Regeln nicht beobachtet, wiewohl es
allerdings Beispiele gibt, in denen die angegebenen
Verhältnisse genau zutreffen. Dagegen haben wir
Tempel vielleicht von allen Verhältnissen, die zwi-
schen einem und einem viertel bis zu drei Durchmes-
ser liegen. Einige von diesen würden also nach des
Vitruvius Anordnung gar keine Rubrik finden, son-
dern ein neues System nothwendig machen. Wo
z. B. die Säulenweiten mehr als einen und einen hal-
ben und w^eniger als zwei, oder mehr als zwei und
w^eniger als drei Säulendurchmesser betragen, da
müsste man eine andere Bestimmung suchen, wofern
man nicht durch Erweiterung des mittelsten Zwi-
schenraums die andern auf diese Gränzen zurück-
bringen und dadurch der ganzen Fronte gerade die
Breite geben kann, die mit den in den Schriften
Griechischer Architekten angegebenen Verhältnissen
übereinstimmt. Für die Vermuthung, die wir hier
über die Stellung der Säulen ausgesprochen ,haben,
(15) Vitruv. L. III. Cap. III. cd. Schneid. W.
ERSTES CAPITEL. 43
sprichtauf eine einleuchtende Weise die Sitte, welche
die Griechischen Architekten bei ihren Dorischen
Gebäuden in gewissen Fällen wirklich beobachteten.
Beispiele von einem weiteren Zwischenraum in der
Mitte haben wir in den v erschied nen Propyläen von
Alhen, Eleusis und Sunion und ein ähnlicher Styl
herrscht fast durchgängig in den Tempeln von Ae
gypten. Bei Gebäuden von der Ionischen Ordnung
w^urde jedoch, w^egen der grösseren Ungleichheit,
die zwischen den Säulendurchmessern und Säulen-
Weiten Statt fand, diese Erw^eiterung der mittelsten
Oeffnung w^eder durch die Nothwendigkeit noch
durch das Schönheitsgefühl geboten und war keines-
w^egs wesentlich. Auch muss man bemerken, dass
die Erweiterung an Dorischen Gebäuden nur bei
Propyläen oder Thorwegen gestattet war, durch
welche beständig viele Menschen aus und eingingen,
oder bei Säulengängen, bei welchen, wegen der
kleinen Maasse an den Säulen, die Zwischenwei-
ten unangenehm zusammengezogen worden wären,
wenn man jene Bestimmung streng hätte festhalten
wollen.
Wären die Propyläen von Athen und Eleusis nach
der Ionischen Ordnung gebaut gewesen, so würden
die Zwischenräume, vorausgesetzt, dass die Säulen
denselben Umfang gehabt hätten, den jetzt die Dori-
schen haben, zehn Fuss weit und somit für Wägen
breit genug gewesen sein. Aus diesem Grund wur-
den, wie wir in den folgenden Capiteln dieses Werks
sehen werden, selbst an den Propyläen der Ionischen
Ordnung die mittelsten Zwischenräume nicht weiter
gemacht. Doch werden w^ir in einem später folgen-
den Werke auch Beisf)iele von weiterem Zwischen-
räume an ähnlichen Gebäuden vorlegen, an denen,
weil die Säulen klein waren, die Zwischenräume
unangenehm eng geworden wären, wenn man sich
44 ERSTES CAPITEL.
an die bei heiligen Gebäuden mit mehr Strenge be-
obachtete Sitte hätte halten wollen.
Halten wir Alles zusammen, was über Griechi-
sche Architektur bis ^etzt zu unserer Kenntniss ge-
kommen, so werden wir zu dem Schluss geführt,
dass die Erweiteruntj des Zwischenraums in der Mitte
eine Abweichung von der Regel war, die sich selt-
ner bei der Ionischen als bei der Dorischen Ordnung
findet, und dass unter den vielen uns bekannten Bei-
spielen aus dem Alterthum uns keins berechtigt, bei
Tempeln der einen oder andern Ordnung eine solche
Erweiterung (als ständig) anzunehmen.
Solche Ausnahmen veranlassten den Vitruvius,
eine besondere Terapelgattung anzunehmen, und diese
nennt er die schönsäulige (eustylos). Warum der
Tempel des Bakchos zu Teos von ihm als Erläute-
rungsbeispiel seiner Theorie angeführt worden, dar-
über haben wir bereits oben unsere Meinung mit-
getheilt.
Auf des Vitruvius Autorität sich stützend hatten
die Herausgeber der ersten Ausgabe dieses Werks,
die im Besitz einiger einzelnen Theile des Tempels
zu Teos waren, die östliche Fronte darzustellen ver-
sucht. Weil wir diesen Aufriss nicht wiederum mit
aufnahmen, glaubten wir unsrer Seits uns bei den
Lesern der neuen Auflage rechtfertigen zu müssen.
Taf. H.
(der neuen Ausgabe)
Fig. 1. Die Base der Säulen , mit dem unteren Theile
des Schafts,
Die Plinthe, der untere Pfuhl (torus) und die
Einziehung (scotia) mit ihren Plättchen oder Riemen
(fillets) sind aus Einem Stück Marmor. Der obere
Pfuhl mit einem Reif oder Stab (astragal) hängt mit
dem Anlauf (apophyge) der Säule zusammen, wahr-
ERSTES CAPITEL. 45
scheinlich um ihn zu verstärken und vor Beschädi-
gung zu schützen, da er sehr weit ausläuft.
Die unbedeutende Verjüngung (diminution) die-
ser Säule beweist , dass die zwei Stücke des Schafts
zu verschiednen Säulen gehörten; der obere Theil
nämlich wahrscheinlich zu einer in der äusseren
Reihe, der untere entweder zu der Fronte der Vor-
derhalle (pronaos) oder zu der an der Hinterhalle
(posticum), denn in beiden waren die Säulendurch-
messer kleiner als in der äusseren Reihe, wie man
an dem Tempel des Olympischen Zeus zu Athen und
an verschiednen andern Beispielen ersieht. Hieraus
ergibt sich auch der Grund, warum der Anlauf so
weit auslief, (**) denn wenn die Basen der äusseren
und inneren Säulen des üipteros gleich gross waren,
so musste ebenso auch der Anlauf an beiden gleiches
Maads haben; je kleiner folglich der Durchmesser
der inneren Säulen war, desto grösser musste der
Anlauf sein.
Eine andere Symmetrie hat man den Basen des
Tempels des Zeus Olympios gegeben. Die äusseren
Basen haben hier nämlich Plinthen von der Höhe
eines Models oder halben Säulendurchmessers, die
inneren haben aber keine, sondern stehen auf einer
Stufe, welche den Fussboden des inneren Ganges
des Dipteros über den äusseren desselben um seine
ganze Höhe erhebt. Darum sind die inneren Säulen
wegen der Höhe der Stufe weniger hoch und weni-
ger dick als die äusseren.
Die Glieder (raouldings) der inneren Basen sind
auch viel höher als die der äusseren ; beide bleiben
(16) Teclinische AusiJrücke, in denen man keinen Widerspruch
finden wird, wenn man weiss, dass die Apophygc oder der Anlauf
ein Ziikelstück. ist, das zwei gerade Glieder verbindet, von denen
das untere weiter hervortritt als das obere. W.
46 ERSTES CAPITEL.
sich nur in dem Durchmesser des unteren Pfuhls
gleich. Da die inneren Basen höher sind , so lauten
sie auch weiter aus und dadurch scheint der obere
Pfuhl, indem der Durchmesser des unteren an bei-
den gleich ist, weniger hoch als an den äusseren zu
sein. Auf diese Weise bewirkte der Baumeister,
dass das oben bemerkte starke Hervortreten des An-
laufs an dieser Säule -weniger auffällig war.
Fig. 2. Capital und Architrav, mit dem oberen Theile
des Säulenschafts,
Capital, Stab und Ablauf (apothesis) nebst einem
kleinen Theile des Schafts sind aus Einem Stück
Marmor.
Die Verhältnisse dieses Capitäls und seine gleich-
massige Form zu der Base und zu dem unteren Theile
des Schafts kann man aus folgender Angabe erken-
nen. Theilt man den oberen Theil des Schafts in
einundzwanzig Theile, so wird der untere Durch-
messer der Säule (wie es sich bei genauer Vermes-
sung ergab) zweiundzwanzig solcher Theile haben,
der Stab unter dem Capital zweiundzwanzig und
einen halben, der Säulendeckel (abacus) in der
Länge und Breite vierundzwanzig, der Durchmesser
des Wulstes (echinus) siebenundzwanzig, gleich dem
Durchmesser des Stabs unter dem Anlauf der Säule.
Die Hohe des Capitäls wird neun Theile betragen
und mit den Schnecken (volutes) dreizehn und einen
halben, gleich dem halben Durchmesser des Wulstes;
dieselbe Höhe hat die Base sammt der Plinthe, ohne
diese nur ein Drittel der Länge des Säulendeckels.
Alle diese Verhältnisse entsprechen so ziemlich den
Maassen, die man erwarten durfte, besonders wenn
man bedenkt, dass man sich nach mehren verschie-
denartigen Bruchstücken eine Norm hierfür gebil-
det hat.
ERSTES CAFITEL. 47
Die Dicke des Architravs Hess sich nicht bestim-
men, wesswegen wir ihn hier nach dem Vorbilde des
Tempels am Jlissos zu Athen auf das Capital mit der
Fronte perpendiculär über den Vorderrand der Schne-
cken gelegt haben. Die Soffite des Architravs hat
man an den Griechischen Gebäuden stets breiter
gefunden als den Durchmesser des SäuJenhalses,
nicht nur in dieser Ordnung, sondern auch an der
Dorischen und Korinthischen.
Fig. 3. Durchschnitt durch die Fronte des Capitäls
und Architravs.
Der Architrav bildet noch einen Theil des Kran-
zes und ist verziert mit einer jetzt beschädigten
Schnecke (scroll), die mit einem Reif (bead) umge-
ben ist.
Fig. 4. Durchschnitt durch das Profil des Capitäls.
Die Kissen oder Polster (pulvini) der Schnecken
waren mit Blättern verziert, die aber so beschädigt
sind, dass man ihr Geschlecht nicht mehr erkennen
konnte. Aus diesem Grunde hat man den Grund-
riss des Capitäls und den Aufriss des Profils wegge-
lassen.
Fig. 5. Umrisse der Schnecke,
Palladio^s Methode, die Schnecke zu beschrei-
ben, stimmt im Allgemeinen mit diesen Maassen
überein, abgesehen von der Breite, welche sehr
schwer zu nehmen war.
Taf. III.
Fig. 1. Der Kranz des Tempels.
Das Fragment eines Löwenkopfes und ein Stück
von einer Verzierung sind die einzigen Ueberreste,
die sich aulfinden Hessen.
Fig. 2. Ein Architrav und ein Fries.
Beide sind aus Einem Stück Marmor, und wur-
den auf einem Begräbnissplatz bei einer Moschee
48 ERSTES CAPITEL.
za Segigeck gefunden. Der Fries ist mit einer Schale
und mit Lorbeerkränzen verziert; das ovalo an dem
cymatium des Architravs ist aufFallenderweise flach
gearbeitet mit einem kleinen Riemen (fi.llet) an dem
oberen Theile desselben.
Fig. 3. Durchschnitt durch die Sqffite des Architravs.
Ein Theil ist mit einem ebenfalls flach gearbei-
teten ovalo umgeben. Die Glieder dieses Bruch-
stücks sind ebenfalls mit grosser Genauigkeit und
Nettigkeit ausgearbeitet.
Fig. 4. Ein Fussgestell mit viereckiger Base
aus Einem iStück weissen Marmor, nahe bei dem
südlichen Thore zu Segigeck. Die Glieder der ßase
springen über den Würfel des Fussgestells vor.
Dieser Marmorstücke haben wir hierErwähnunar
gethan, da es keinem Zweifel unterliegt, dass sie
früher zu Teos gehört haben.
Zweites Capitel.
Priene.
S^riene lag an der Südseite des Berges Mykale. (^)
Jetzt geniesst man hier eine weite Aussicht über eine
schöne Ebene, die durch den Mäandros und ein an-
(1) Am Fuss dieses Bergs schlug bekanntlich im J. 479 v. Chr.
Geb. das Schiffsheer der vereinten Hellenen unter Anführung des
Leoljchides von Lakedaemon mit Hülfe der loner und besonders
der Satnier ein Persisches Heer von sechzigtausend Mann sammt
den Truppen der Seemacht am Nachmittag desselben Tags in die
Flucht , in dessen Frühe ihr Landheer unter Pausanias den glän-
zenden Sieg bei Plataeae über Mardonios erfochten hatte. W.
ZWEITES OA-PITEL. 49
deres Wasserbett durchschnitten wird, das in seinem
geschlängelten Laufe fast Priene's Mauern berührt. (')
Von den Veränderungen, die der JbJoden dieser
Gegend nach und nach in einer langen Reihe von
Jahren erlitt, wollen wir weiter unten reden, wenn
wir die Ebene, die der Aläandros durchfliesst, näher
beschreiben. Hier mag die Bemerkung genügen, das«
Priene, jetzt eine Stadt des Festlandes, einst im
Meere lag und zwei Häfen hatte. Uie Bbene zwi-
schen Priene und Milttos war ein grosser Meerbusen
imd der Mäandros , der nun einen weit grösseren
Kaumzu durchüiessen hat, glitt sachte in ihn hinab. (')
Diese Veränderungen sind bedeutend genug, um
Reisende irre führen und verwirren zu können, wenn
sie nicht etwa einen wohlunterrichteten Führer ha-
ben, und mögen wohl Schuld sein, dass ein so merk-
würdiger Theil des alten loniens bis jetzt noch so
wenig untersucht und bekannt ist.
Die einzige Fieise durch diese Gegend, von der
das Publicum bis jetzt nähere liunde erhallen hat, ist
die, welche im J. 1673 von mehren Bnglischen Kauf-
leuten von Smyrna aus unternommen w^urde. (*) Ks
würde unbillig sein, wenn wir die Arbeiten dieser
Reisegesellschaft oberllächlich und ungenügend nen-
nen wollten; dankbare Anerkennung verdient viel-
mehr ihr liberales Streben und die 3Iiltheilsamkeit
derer, welche eine, wenn auch bisher nocii wenig
(2) Es ist dicss der alte Fluss Gaesos, der heutige Kali-besh-
Osmoc. W.
(3) Lcnis illabitur mari. Plin. H. N. Lib. V. Cap. 29. (Ed.
Hard. Cap XXXI.)
(4) Oefrentücli bekannt gemacht durch fFheler, London 1682.
und auch von Spon. (Voyage d'Italie, de Dalmatie , de Grcce et
du Levant, fait aux annces 1675 et 1676 par Jac. Spon et Georg.
Whcler. Lyon 1678 3 "VoL 12. Amsterd. 1679. 2 Vol. 12. A la
Hayc 1724. 2 Vol. kl. 8. W.)
Ion. AU. 4
50 ZWEITES CAUTEL.
benutzte, Bahn zum Vortheil späterer Untersucher
brachen.
Der Zufall führte sie auch nach Prienc : sie be-
schreiben es als ein Dori Sansun genannt, unter wel-
chem Namen sowie unter dem von Sansun-calesi es
noch jetzt bekannt ist. Was sie von Alterthümern
näher bezeichnen, sind grösstentheils liuinen, ein
Pfeiler und eine halb zerstörte Inschrift. (*) Jetzt ist
Priene ein grosses und stark bevölkertes l^orf.
Der ganze Raum innerhalb der Mauern, die fast
noch in ihrem ganzen Umkreis und an manchen Stel-
len mehre Fuss hoch über der Erde stehen, ist mit
Trümmern oder unter einander geworfenen Bruch-
stücken marmorner Gebäude bedeckt. Die zerstörten
Kirchen sind ein Beweis von der Frömmigkeit der
neueren Bewohner, sowie die Spuren eines Theaters,
einer Rennbahn und besonders der imposante Haufe,
den die Trümmer des Tempels bilden, Zeugniss ge-
ben von dem Geschmack und der Prachlliebe der
früheren reichen Besitzer. Die Burg lag auf einer
Ebene über einem schroffen Abhans;.
Betrachtet man imsere dritte Tafel, so wibrd man
eine deutlichere Ansicht von der Lage und dem ge-
genwärtigen Zustand des Tempels erlangen, als wir
durch Worte zu geben im Stande sind, l^ie zierlich
und rein gearbeiteten CapitäJe, die reichen Bruch-
stücke alter Sculptur erregen in uns zugleich die
Gefühle der Bewunderung und des Schmerzes; nicht
können wir die Ueberreste der verstümmelten Sta-
tuen oder eine lange, aber stark beschädigte Inschrift
betrachten, ohne den lebhaften Wunsch zu hegen,
die durch sie dargestellten Gegenstände der Vereh-
rung kennen zu lernen und zu erfahren, welcher
verdienten Bürger Namen, welche Staatsverhandlun-
(5) W'heler, p. 268.
ZWEITES CAPITEL. 51
gen oder welcher Privatvertrag durch sie verewigt
werden sollte.
In dem Abschnitt über Teos haben wir bereits
bemerkt, d dss Xerxes alle Tempel in lonien, ausser
den zu Efesos, zerstört habe. Wie bald nach die-
ser unheilvollen Periode die Priener ihren Tempel
wieder aufzubauen begannen, welche Fortschritte
sie vor dem Feldzug des Alexandras gemacht, oder
ob der Tempel noch in seinen Trümmern lag, als
der heldenmülhige König auf seinem Zug nachPriene
kam, diese Fragen lassen sich nicht mehr mit Be-
stimmtheitbeantworten. Der mächtige Eroberer aber,
der Asien als sein väterliches Erbtheil betrachtete C")
und darum, sobald er seinen Fuss ans Land setzte,
jede Plünderung untersagte, war eben so begierig,
es zu verschönern, wie der flüchtige Perser gestrebt
hatte, es zu verheeren. Aus diesem Princip grün-
dete er nicht nur neue Städte, sondern stellte auch
den vormaligen Glanz alter Städte wieder her, rich-
tete "^Pempel wieder auf, die sein Gegner niederge-
rissen hatte, und erstreckte sogar seine frommeSorge
auf das zerstörte Babylon. (^) So erfreute sich auch
Priene seiner Gunst, wie aus dem folgenden schütz-
baren Denkmal hervorgeht, das uns auf einem Steine
(6) lustin. Lib. XI. Cap. 5: — Patnmoniiim oinnc smim, quod
in Macedonia Euiopaque habebat, amicis tliviilit, sibi Asiam suf-
ftcere pracfatus. — Cap. 6: I"de hostcm petens , milites a popu-
latione Asiae probibuit, parcend,um suis rebus praefatus, nee
perdenda ea, quae possessuri venerint.
(7)'0 yuQ Toi3 Btikov vioj;; iv ft^atj t*/ nökn tjv xmv Saßu-
XwrCüiv, fityiO^n Tt fi^yioxo^. — Tovtov %6v vfu)v, ojqniQ xut xu (cAAa
iKn\ T« Baßv).otviotv , SfQ^ri(i y.uifaxuvffv , ort iy. rij^ 'LD.üäo^ ontotj
annöorTiOfr. 'yl).fiiodiJO(; Si iv iw il/ev uinty.nSottHV. — ^JÜTiit di
i(noarüviO(; iwrou /u«i^«xw; up&^^if/uvto rov t(>yov , ol^ tuvtu iniri-
TQunro' o öi xj; oiqutm nuaij i-xivoet %6 l\>yov iqyüoua&ai. Arriani
de exped. Alex. Lib. VII. p. 296. Ed. Gioii. (Cap. XVII.)
4^
52 ZWEITES CAPITEL.
erhalten ist, der zu einer der Anten gehörte und
nun an der Ostseite des Trümmerhaufens liegt. Auf
dem Steine nämlich sind folgende äusserst schön ge-
staltete Buchstaben in grossen Zügen eingehauen:
BAIIAE Y:£AAEEANJP OS
AISEOHKETONNAON
AOHNAlHnOAUAl
KOENIG ALEXANüROS
WElfiTE DEN TEMPEL
DER ATHENAEA PÜLIAS.
Dieser Stein, der, ebenso wie viele andere Bruch-
stücke um ihn herum, auf Einer Seite eine Inschrift
hat, scheint darauf zu führen, dass die vorderen
und äusseren Seiten der Anten mit Inschriften ver-
sehen w^aren , ja aus der abnehmenden Grösse der
Buchstaben lässt sich schliessen , dass man auf die
Perspective Rücksicht genommen und grössere Züge
an den höheren und dem Auge ferner liegenden, klei-
nere an den näheren Stellen gemacht habe, so dass
alle dem Leser von dem gehörigen Gesichtspuncte
aus von gleicher Grösse erscheinen mussten. Viele
dieser Steine waren zu gewichtig, als dass wir sie
umlegen oder von der Stelle hätten wegrücken kön-
nen; was um so mehr zu bedauern ist, da die Schrift-
züge auf einigen derselben noch ganz unversehrt
sind. Wir nahmen sorgfältige Copien von allen
Theilen, zu denen wir hinzu kommen konnten, ha-
ben aber die Mittheilung derjenigen, welche sich
nicht auf die Geschichte des Tempels beziehen, un-
serer Sammlung der Inschriften vorbehalten.
Durch die mitgetheilte Urkunde, könnte viel-
leicht Mancher meinen, werde die Frage narch dem
Alter des Tempels entschieden. Wir müssen uns
aber hier erinnern, welch einen hohen Werth der
ehrsüchtige Alexandras darauf legte, solche Werke
ZWEITES CAPITEL. 53
mit Inschriften versehen zu können. Es würde da-
rum unbillig gegen die Priener sein, wenn wir nicht
annehmen wollten, dass der Bau des Tempels zu
der Zeit, als der Makedonische Held den Boden
Kleinasiens betrat, wenn auch nicht weit vorgerückt
oder beinahe vollendet, aber doch schon angefangen
war. Denn als er auf seinem Zuge hierher nach
Efesos kam und sah, dass man den von Herostratos
um die Zeit seiner Geburt (®) zerstörten Tempel der
Artemis unter der Leitung des Deinokrates wieder auf-
baue, machte er, nach glaubwürdigen Zeugnissen,
den Efesiern das Anerbieten, ihnen alle bisherige
Kosten zu ersetzen und den Bau zu vollenden, wenn
sie ihm die Erlaubniss gäben, die man ihm in Priene
wirklich ertheilt zu haben scheint, sich in einer In-
schrift als den zu nennen, der den Tempel geweiht
habe. So geringfügig in unsern Tagen eine solche
Vergünstigung scheinen mag, so galt sie doch da-
mals für so bedeutend und ehrenvoll, dass er sie
selbst bei seinen freigebigen und glänzenden Aner-
bielungen nicht erlangen konnte. (^)
(8) Es war Ein und derselbe Tag , der den grossen Mexan-
dros ins Leben rief und den prachtvollen Tempel der Artemis in
Asche legte. Plutarch. Alexand. Cap. 3. — Cic. de nat. Deor. IT,
27, nach Tiinaros: Qua nocte natus Alexander est, eadem Dia-
nae Ephesiae teniplum deflagravit. Vgl. Valer. Max. Lib. VII f.
Cap. XIV, 5. W.
(9) Tov Si viMV T^5 Agr^fuSo^ nQCJTO(; fi\v XfQ(t{q)QO)v (Mscripli :
AQxtqiqwv) tigyiTHtrövriCiiv , tlx «AAoi; inoh^at ftiÜ^oi' w? Si xovtov
*HgoaTQttroq xt; Mngr^atv, ullov ufidvo) y.uTtay.tvuaur — . 'A).^^av-
Sqov 6ri ToI? E(p(a{oig vnoax^a&at, ra yfyorora, xul t« ftiU.ovia
uvu).(i)fiaTa , iq> ^ rt xr^v i:ttyQa<fr,v uurov f/tiV xovq (Si /<ij i&iXij-
oat' — inuiVH xt. xov flTtotTu xwv JCftoiojv tioo<; ao»» ßaati.ia' m^ ou
Tiq^nn &f(j) &folq uvu&iifiartt naxuay.ivut,ii,v' fiftu di tj)»» tov viio
avvx^ltiuv, oc (fr^etiv (6 'Agtifx(Smgn(;) ilvut Xngofiov.QÜxovi (Ms». X«-
QOKQÜxovq et /tiivoygäxoui) fgyov — Strabo. Lib. XIV. p. 640 sq.
cd. AImcIov.
54 ZWEITES C AP [TEL.
Der Baumeister dieses prachtvollen Tempels war
derselbe Pf^/«'o* oder, wie er an einer andern Stelle (*°)
heisst, Phileos j von dem wir in dem Abschnitt über
Teos geredet haben. Die Trümmer des Tempels
können ebenso, wie Vitruv es ihut, Zengniss von
seinem hohen Geiste oeben. Er beschrieb das Ge-
bände in einer besonderen Abhandlung und hatte,
wie man erzählt, eine so hohe Ansicht von seiner
Kunst, dass er behauptete, ein Architekt müsse sich
in allen Künsten und Wissenschaften mehr auszeich-
nen, als selbst diejenigen, welche durch Fleiss und
Eifer in einem einzelnen Fache den höchsten Ruhm
erlangt hätten. ('*)
So prachtvoll nun schon der Tempel an sich vor
seiner Zerstörung war, so enthielt er doch für den
heidnischen Reisenden noch einen Gegenstand der
besonderen Bewunderung und Verehrung. Pausanias
versichert uns nämlich, Jonien sei mit einer Menge
von Tempeln ausgeschmückt, dergleichen sich keine
andere Provinz rühmen könne; erzählt sodann die
vorzüglichsten auf und fügt noch besonders hinzu:
xErgötzen kann man sich auch an dem Tempel der
j4thena zn PrienCj ob seines Bildes der Göttin.« ('*)
(10) Vitrnv. Lib. VII. Piacf. §. 12. W.
(11) Idcofjiie de veteribus architectis Pilhius , qiii Prienae
aedem Minervae nobililer est architectatiis, ait in suis cominenta-
riis, architeclum omnil)us artibus et doctrinis plus opoileie posse
facere, quam qui singtilas res suis industiiis et exercitationibus ad
summani claiitatem perduxerunt. Id aiitem re non expeditur.
Vitruv. Lib. 1. Cap. I. §. 12.
In einer andern Stelle (Lib. IV. Cap. III. §. 1.) heisst er
Pitheus.
(12) "E/fi öi { lo)r(a) r.ul IfQti, oia ov/ irtQW&i' -^ Ha&ffjiq
tS UV y.ui TW iv EQV&-(}ulq JlQC(y.).i{o) , y.ut A&r^vui; tw iv Jlgii^vi] ruo)'
10VZO) fiiv xov KyüXfiuTO^ livfxa. Pausan. Lib. VII. Cap. 5. §. 2el3.
ZWEITES CAPITEL. 55
Taf. 1.
Karte vom Lauf des Mäandros.
Was uns Wheler {^^) und Spon über diese Gegend
initgetheilt haben, verdanken sie einer Heise, welche
Dr. Pickering und mehre Kaulleule von Smyrna im
Juni des Jahrs 1673 unternahmen. Diese Reisenden
verliessen Changlee gegen vier Uhr Morgens, erstie-
gen die Höhe des Bergs Alykale, von der sie eine
weite Aussicht genossen, und einer von ihnen zeich-
nete die Windungen des Mäandros. Auf einem rau-
hen und enjien Pfade stiegen sie herab und kamen
nach zwei Stunden in die Ebene, nachdem sie die
Ueberreste eines Schlosses ostwärts in ihrem Rücken
hatten liegen lassen. Von Samsun oder Priene aus,
einem Dorle am Fusse des Mykale , gelangten sie
durch eine grosse Ebene zum 31äandros, der bei den
Türken Boiuc- Minder d. h. der grosse Mäandros heisst.
Auf einer Fähre setzten sie über den Fluss, da wo
er ohngefähr sechszehn Klafter breit und in der
Mitte, wie der Fährmann versicherte, ebenso tief
war ('*) und einen sehr schnellen Fall hatte. Ohn-
gefähr zwei Stunden darauf erreichten sie Palatsha,
wo sie ihre Zelte an dem Ufer eines breiten Flusses
aufschlugen, der durch einen grossen See läuft und
dann in den Mäandros fällt.
Der Leser übersehe hier nicht, dass unsere Rei-
senden hur einmal zwischen Samsun und Palatsha
über den Fluss setzten. Die Fähre war somit unter-
(13) Pag. 2t37.
(14) Sollte diese Aussajje des Fährmannes wahr sein, woran
wir iihrigcns wegen des vielen Schlamms, den der Fluss mit sich
fi'ihrt, z%\ciriln. so winden auch des Kninlos Sn'jrnaeos (Paral
Hom. I, 284) Miuüy^()ov ()^iO-^u ßuO-v^göov nicht als dichteri-
scher Schmuck , sondern im eigentlichen Sinne zu nehmen sein.
\\.
56 ZWEITES CAFITEL.
halb der Stelle, an der sich beide Flussbelte verei-
nigen. Daselbst hiess der Strom der grosse Mäandros,
wahrscheinlich um ihn zu unterscheiden, nicht, wie
man angenommen hat, von dem Kaystros , {^^) denn
dieser lliesst fern von jenem, sondern von dem klei-
nen Fliissj welchen der grosse aufnimmt. Diesen
kleineren hielten sie fälschlich für den Hauptstrom
und erkannten nicht den w^ahren Mäandros, der mit
dem See von Myiis in Verbindung steht und bei Pa-
latsha vorbeifliesst. Der kleinere lag auch zunächst
unter ihnen, als sie auf der Höhe des Mykale stan-
den, und sie sahen ihn deutlich wie auf einer Karte
vor sich liegen. Ihr Zeichner nahm seine Krümmun-
gen für die des alten berühmten Flusses und seine
wirklichen Windungen trugen besonders dazu bei,
sie zu täuschen, ohne sie im Geringsten einen Irr-
thum ahnen zu lassen.
Unter den Flüssen Kleinasiens ist der Mäandros
schon im Alterthum dadurch berühmt, dass er neues
Land ansetzte. ('^) Während er durch die gepflügten
Fluren Frygiens und Kariens hinfloss, sammelte er
viel Schlamm, führte diesen beständig flussabwärts
und setzte ihn an seiner Mündung an die Küste an.
Man konnte gegen den Mäandros vor Gericht
Klage führen, dass er den Boden weggeschwemmt
habe, wenn sein Uferrand eingestürzt w^ar. Wer
Schaden hierdurch gelitten hatte, w^urde aus dem
Einkommen der Fähren entschädigt. (*^) Das Ufer-
land stürzte häufig ein und diess verursachte wahr-
scheinlich die Krümmungen des Flussbettes. Die
Erde, die auf der einen Seite losriss, setzte sich auf
der andern wieder an und der Gewinn auf dem jen-
(15) der auch der kleine Mäandros heist. W.
(16) Herodot. II, 10 Pausan. VIII. 24. §. 5. W.
(17) Strabo XII. p. 580. W.
ZWEITES CAFITEL. 57
seitigen Uier entschädigte für den Verlust auf dem
diesseitigen.
Der Fliiss läuft in Windungen (*") aus der Nähe
des Berges Messogis bis an den Fuss des Titanos , der
Priene gegenüber liegt, und sodann auf dieser .Seite
gegen den AusÜuss des Sees von Myüs. Wahrschein-
lich bestimmte die Fläche der mittleren Ebene seinen
Lauf, indem der vom Mykale abgeflösste oder von
Waldbächen herabgeschlemmte Boden sich höher
erhob und des Flusses Andringen abwehrte. Durch
die Felsen von Osebashä zurückgewiesen und in der
Gegend der Fähre eingeengt, erhielt er sein jetziges
Bett, weil hier weicher und nachgiebiger Schlamm
war. Das andere Bett, über das wir in der Nähe
dieser F'elsen setzten, war durch dieselbe Einengung
entstanden, indem das Wasser bei hoher Fluth hier
desto heftiger durchbrach, da es mit grösserem Wi-
derstände zu kämpfen hatte.
Von dem Ausfluss des Sees w^endet sich der
Fluss in vielen Krümmungen durch Tamariskenhaine
(18) Non secus ac liquidiis Phrygiis Maeandros in arvis
Ludit, et ambiguo lapsu rcfluitque fluitque.
Ovid. Metani. VIII, 162.
Aehnlichc Schilderungen sind bei Dichtern häufig. So Ovid.
Heroid. Ep. IX, 55. Silius Pun. VII, 140. Liican. Pharsal. III,
208. — Der Mäandros wurde wegen seiner Krümmungen zum
Sprichwort und figürlich sprach man von Mäandrischen JVegen
und Reden. Bei Kunstwerken bezeichnet das Wort einen gewund-
nen oder verschlungenen Zierrathj z. B. an Decken (Winckel-
jnann Gesch. d. Kunst, Bch. XI. C. 3. §. 23. Sr. Wrke v. Fern.
Bd. VI, 1. S. 276.), an Hauptgesimsen (Feruow zu Winckelm. Bd.
VI, 2. S. 339.), vornehmlich an Kränzen und Friesen (Alterth. v.
Attika C;jp. VI. Taf. III.); ebenso auf dem Saume weiblicher und
männlicher Kleidung (Winckelm. a. a. O. Bch. VI. C. 2. §. 8. od.
Wrke Bd. V. S. 45.), wie z. B. Virgil. Acn. V, 251- geschlängclfe
Purpurstreifen auf einer Chlamys purpuram Maeandro duplici
nennt. W.
58 ZWEITES CAPITEL.
gegen Miletos hin und fliesst dann in forlgesetzten
Windungen an dem rechten Flügeides Theaters vor-
bei detn Meere zu, das man in einer Erüt'ernung von
etwa acht Meilen erblickt. Die Ebene ist gleich und
glatt wie ein Kegelplatz (bowling-green) , einige
kleine Hügel ausgenommen, die sich ohngefähr in
ihrer Mitte vor Miletos erheben. Der nördlichste
derselben tritt sehr merklich hervor, auf einem an-
deren grösseren liegt ein Dorf Namens Patniods. In
dieser Geijend vereinigt sich das Wasserbett von
Priene mit dem Mäandros ^ der sich südlich von dem
Hügel fortwindet und zwei oder drei Meilen weiter
an seinem Ufer eine kleine Befestiijung hat. Der
änsserste Theil der Ebene an der Küste erschien, von
der Höhe von Friene aus, sumpfig, kahl und schlam-
mig. Diesen Anblick bot die Gegend, als wir sie
sahen; wie verschieden von dem früheren, als die
Berge noch die Gränze eines Meerbusens \xxiiS. Miletos ^
Myüs und Priene Seestädte waren !
Die Nachrichten Sirabonsj eines eben so genauen
als vollständigen Geografen, dessen Werk für uns
ein unschätzbares Kleinod ist, setzen uns in den
•Stand, gewissermassen eine Karte zu entwerfen, die
uns die ßeschalFenheit dieser Küste vor Augen stellt,
wie sie gegen den Anfang der christlichen Zeitrech-
nung war, ehe ein berühmter Sofist behauptete, der
Fliiss habe den Schilfern die See entzogen und den
Ackerleuten zu Feldern gegeben, Saatfelder seien
entstanden, wo sonst Flulhen gewogt, junge Hirsche
herumgesprungen, wo früher DelEne getaucht hät-
ten , und statt den heiseren Ton der Schilfer zu
vernehmen habe man sich an dem süssen Widerhall
der Hirtenflöte ergötzt. (•'*)
(19) Diese Stelle des Sofisten Himevios (Oratio XXVII. g. 7.
p. 836 sq. ed. Wernsdorf.) erinnert an die Ovidisclien Verse:
ZWEITES CAPITEL. 59
Miletos halte damals ^ier Häfen, von denen einer
sehr geräumig war; vor ihm lag eine Gruppe kleiner
Inseln. (Jeher Miletos hinaus, wo sich die Küste
zurück bog, war ein Meerbusen, welcher nach dem
anliegenden ßerjre Latmos der Latinische hiess. An
diesem Busen las; Herakleia am Fuss des Latmos , ein
Städtchen, einst Latmos genannt, mit einer SchifFs-
rhede; nahe dabei jenseits eines kleinen Baches war
eine Höhle oder Grotte, mit dem Grabmal des En~
dymion. Auf'dem Berge Latmos, erzählt die Mythe^C")
versetzte Seltne diesen Helden und Jäger in tiefen
Schlaf, um den Genuss zu haben, ihn zu küssen,
Nach Herakleia folgte Pyrrha, ein unbedeutendes
Städtchen, zur .See ohngefähr hundert Stadien oder
zwölf und eine halbe IMeile entfernt. Von Miletos
nach Herakleia war etwas weiter, wenn man längs
der Küste hinfuhr, aber von Miletos nach Pyrrha {^^)
Et ducil rernos illic. iibi niiper ararat. —
Et modo qua gracilcs gramen carpsere capellae
Nunc ibi deformes ponunt sua corpora pliucae.
Metamorph. I, 294 sqq.
W.
(20) Pompon. Mcia I, 17. Cic. Tuscul. Quaesl. I, 38. Apol-
lod. I, 7, 5 HyS'n. fab. 271. W.
(21) In der Lateinischen üebersctzung des Strabo sind die
Worte: ^^von Miletos nach Pjrrhaa niclit ausgedrückt.- Siehe
auch Cell.iriiis, orbis antiqiius II. p. 52 u. 75.
ISacIideni der Geograf Pjrvha und Herakleia nel)enbei als
unbedeutende Städte erwähnt liat, erklärt er seinen Lesern, dass
ihm der Umfang seines Werks nur erlaube, sich bei merkwi'irdigcn
Orten langer auf/.tdi.illen. Diese Stelle ist auf eine oufTallcnd irrige
Art ausgelegt worden. Häufig werden Uebersclzungcn diejenigen
irre fiiliren, die sich nicht an das Original halten, und dies ist
in unserm Falle die einzige Ursache, warum If'heler, der sich
selbst in Verlegenheit befand, den Strabon beschuldigt, er sei
an dieser Stelle seines Werks weniger genau, als er es zu sein vor-
gebe.
60 ZWEITES CAPITEL.
waren es auf dem graden Wege nur dreissig Stadien
oder drei und drei Viertel Meilen; so viel weiter
war die Fahrt an der Küste hin. Von Pyrrha bis an
die Mündung: des Mäandros waren es fünfzig: .Stadien
oder sechs und eine viertel Meile; der Boden war
schlammig und sumpfig. Von hier fuhr man auf
kleinen Schiffen nach dem dreissig Stadien entfern-
ten Myüs, (")
Der FIuss , der an dein Theater von Miletos vorüber fliesst,
leitete fVTieler^n gänzlich irre. Er hält Miletos für Pjrrha und
Branchidae für Hevakleia. Spon, dem dieselben Materialien vor-
lagen, spricht von deiner Schwierigkeit und auf das Ansehen der
Inschrift auf dem Theater hin nennt er den Ort ohne Bedenken
Miletos. Cellarius zieht die Ansicht W^heler's vor. Er beruft
sich auf Strabon^ zum Beweis, dass Miletos von der Mündung des
Flusses hundert und zwanzig Stadien entfernt gewesen sei, und da
er bei Plinius *) nur zebij angegeben findet, glaubt er, es sei
die Zahl C ausgefallen. •*) Aber die Berechnung nach Strabon
ist unvollständig und irrig, die Emendation des Plinius weder be-
gründet noch nöthig, und Spon hat trotz seiner Oberflächlichkeit
zufällig Recht, während Cellarius und PFhelev sich bei ihrer ge-
lehrten Berechnung geirrt haben.
Es liesse sich leicht viel über die Irrthümer des Cellarius in
diesem Theile seines Werks sagen und der Tadel, den er unbillig
gegen die alten Schriftsteller, welche diese Gegenden beschrieben
haben, ausgesprochen hat, müssle dann auf ihn selbst zurückfallen.
Wir müssen uns in der That wundern , dass der so leicht zu
findende Ausweg aus diesen Irrgängen und scheinbaren Wider-
sprüchen, den wir angegeben haben, bisher den neueren Reisen-
den, Geografen und Erklärern entgangen ist, zumal da alle aus-
sprechen , den Geografen Strabon zum beständigen Führer und
Hauptrathgeber gehabt zu haben.
(22) Die Entfernung von Miletos nach Mjiis zu Wasser scheint
*) Hist. Nat. L. V. Cap. XXXI. ed. Haid. W.
**) Mannen VI. Bd. HI. Thl. S. 258. berechnet die Entfer-
nung auf achtzig Stadien , und um diese in den Text zu
bringen, will er an der Zahl .X nichts geändert haben, aber
statt stadia milliaria lesen. W.
ZWEITES CAPITEL. 61
Ueber die Mündung des Mäandros hinaus bog
sich die Kiiste gegen Priene hin. Einst hatte das
Meer die Mauer dieser .Stadt bespült, und sie hatte
zwei Häfen, von denen man Einen sperren konnte; (*')
damals aber lag die Stadt schon im Lande, vierzig
Stadien oder fünf Meilen über der Küste.
Die bedeutendste Insel unter der Inselgruppe
vor Miletos w^ar Lade. Hier versammelten die loner,
als Dareios , des Hystaspes Sohn, sie mit Krieg über-
zog, dreihundert und sechszig (^*) Dreiruderer und
liessen sich mit seiner Flotte von sechshundert Schif-
fen in ein Treffen ein. Die Milesier stellten achtzig
Schilfe und nahmen den östlichen Flügel ein; ihnen
zunächst standen die Priener mit zwölf und die Myu-
sier mit drei Schilfen. In späterer Zeit wurde sie
von Alexandras besetzt und war während der Bela-
gerung von Miletos die Station des Griechischen Flot-
tenführers, der den Hafen einschloss. Als /ilexan-
dros im Begriff war die Stadt zu stürmen, suchten
sich die Milesier theils auf kleinen Schiffen, theils
schwimmend auf ihren Schilden durch die Flucht zu
retten ; sie wurden aber grösstentheils aufgefangen,
nur dreihundert gewannen eine steile Insel und fass-
ten den Entschluss, sich hier zu vertheidigen. Dies
hiinderl und zelin Stadien, oder dreizelin und drei viertel Meilen
betragen zu haben.
St
Von Miletos nacb Pyrrha , . . , 30
Von Pjrrha bis an die Mündung des Mäandros . . 50
Von hier nach Mjüs 30
lib
(23) Skylax in dem Peripl. p.37. cd. Huds. (Gcogr. Gr. Minor,
ed. Gail. Paris 1826. Vol. I. p. 296.) Vgl. Strabo XII. p. 579.
W.
(24) Herodot. VI, 8, aus dem unser Verf. diese Notizen ent-
nommen , gibt die Zahl genau auf 353 an. W.
62 ZWEITES CAPITEL.
war wahrscheinlich eine in der Nähe von Lade. Zwei
andere in der Nähe von Miletos hiessen Kamelides,
Kameele. und gehörten zu den unbedeutendsten.
Eine andere, wahrscheinlich der nördlichste Felshü-
gel, hiess Asteria j nach, dem Asterios , dessen unge-
wöhnlich grosse Gebeine man hier zeigte. ('") Er war
vor der Ionischen Wanderung, wie die Milesier er-
zählten, Koni? von Miletos und den umlieiienden Inseln
gewesen. (^®) \Jvi\Tragiae,{^'') worunter man sich wohl
Schlammbänke und vom Flnss gebildete Untiefen
denken muss, dienten einige andre kleine Inseln
Räubern zum Aufenthaltsort.
»Die Natur«, sagt Plinius ^ [^^) jhat Inseln dem
Meer entrissen und mit dem Festland verbunden; von
Miletos hat sie Dromiskos und Ferne losgerissen. Hy^
banda, einst eine Insel loniens, liegt nun zweihundert
Stadien oder fünf und zwanzig INleilen von der ivüste
entfernt." Was er der Natur zuschreibt, bewirkte
in jener Gegend der MäandroSj und die bezeichneten
Inseln sind vielleicht die Felsen von Osebashä. Der
Fluss ist gleichsam der Yater seines eignen Bettes
oewesen.
Der Meerbusen, an dem Myüs einst gelegen war,
wurde ein See, als der Mäandros so vielen Schlamm
vor den Eingang geführt hatte, dass kein Salzwasser
mehr eintliessen konnte. (^^) Die Berge allein verhin-
derten, dass nicht das ganze Becken angefüllt und in
eine Ebene verwandelt wurde, ihre Bäche gaben
(25) Pausan. 1. 35- §. 5. W.
(26) Pausan. VII. 2. §. 3. W.
(27) Plin. II. N. Lib. V. Cap. XXXVII. W.
(28) II. N. Lib. !I. Cap. XCI: Rnrsiis (natura) abstiilit insulas
mari, iunxifque tcrris : Antissam Lesbo , Zepliyrium Ilalicarnasso,
Aethusam Myndo, Dromiscon et Fernen Mileto etc., also nicht
los'^erissen , sondern angefügt. W.
(29) Pausan. VII. 2. §. 7. W.
ZWEITES CAPITEL. 63
auch das frische Wasser, das die Mücken erzeugte.
Das Land wuchs gleichsam täglich und entfernte das
Meer immer weiter von dem See. Damals sah man
den MäandroR sich zwischen Miletos und Priene ins
Meer ergiessen, ('°) und vor dieser Stadt lag eine weite
Ebene. Später näherte sich dieselbe der Stadt Mile-
tos au( zehn Stadien oder eine und eine viertel Meile
und die Meerbusen über der Stadt wurden festes
Land. Wer ostwärts von Miletos an dem Fuss des
Berges Latmos hinritte, würde unseres Bedünkens
die Stelle des alten Herakleia entdecken und der Bach
möchte ihn wohl gerade zur Höhle des Endymion ge-
leiten. Pyrrha wird als ein Ort des Festlandes ange-
führt. Es hatte keine lange Zeit erfordert, bis der
Raum zwischen Priene und Miletos zum Festlande
hinzugefügt war. Die Häfen dieser Stadt hörten auf
schilfbar zu sein und allmählich wurden Lade, Asteria
und die herumliegenden Inseln mit festem Boden
umgeben. Ehe sich dies ereignete, erreichte das
Wasserbett von Priene das Meer, ohne sich mit dem
Mäandros zu verbinden.
Miletos j durch den Mäandros der grössten Vor-
theile seiner Lage beraubt, gerielh, wie seine benach-
barten Städte, allmählich in Verfall, und wird noch
völlig so enden, wie der Tod das Leben eines Men-
schen nach einer schleichenden Krankheit auflöset.
Der Fortgang jener Veränderungen wurde in einem
barbarischen Zeilalter, wie sich erwarten lässt, nicht
beachtet, weil sie nicht jilötzlich entstanden; noch
weniger -wurden sie aulgezeichnet, weil man sie lür
unwiclilig hielt. Doch lesen wir, dass eine Stelle
an der Küste, wo der Fluss im nennten Jahrhundert
in das Meer iiel, die Gürten {KijTioi) genannt wurde,
und ferner, dass der Griechische Kaiser Manuel hier,
(30) Dionysios Perieget. p. 20. Livius XXXVllI, 13. W.
64 ZWEITES CAPITEL.
als in einer gut bewässerten und reizenden Gegend,
seine Armee ausruhen und die Mühen des Kriegs in
dem Vergnügen der Jagd vergessen zu lassen be-
schlossen habe.
Aus den bereits bewirkten Veränderungen lässt
sich schliessen, dass der Mäandros fortfahren werde,
Land anzusetzen. Immer mehr wird die neu ange-
setzte nun noch weiche Erde fest werden und die
jetzigen Sümpfe austrocknen. Mit der Zeit tritt
•vielleicht die Küste noch so weit vor, dass man die
Vorgebirge, welche sie jetzt beschützen, mitten im
Lande sieht. Sie wird sich mit Samos verbinden und
in einer Reihe von Jahren an noch fernere Inseln
angränzen, wofern nicht der Boden, so lange er noch
frisch und nachgiebig ist, von einem vom Gebirg
herabfiiessenden Strom w^eggeführt wird. Ist dies
der Fall, so wird er längs der Küste zerstreut, oder
von der Fluth anderswohin getrieben werden und
neue Ebenen bilden. Fruchtbare Auen können ir-
gend einen kahlen Felsen der anliegenden Tiefe um-
geben und neue Städte durch den Segen des Mäan-
dros entstehen und aufblühen.
Die Geschichte von Myüs ist merkwürdig, aber
nicht beispiellos. Eine Stadt ('*) bei Pergamon hat
ein ähnliches Schicksal gehabt. Myüs lag ursprüng-
lich an einem Meerbusen, der nicht gross, aber
reich an Fischen w^ar. Darum erhielt Themistokles
diese Stadt zum Geschenk, um seine Tafel mit Fischen
versehen zu können. (^^) Der Busen verwandelte
sich in einen See und das Salzwasser in frisches.
Unzählige Mücken schwärmten über ihm her und
die Stadt wurde von dem Wasser her gleichsam ver-
(31) Atarneus. Vgl. Pansan. VII. 2. §. 7. W,
(32) Thukyd. I, l38. Strabo. XIV. p. 636. Plut. Themist. 29:
oil/o». Ncpos Themist. Cap. 10: opsonium, W.
ZWEITES CAPITEL. 65
schliingen. Die Myusier retteten sich vor diesem
Feind nach Miletos , wobei sie alle ihre beweglichen
Güter und die Bildsäulen ihrer Götter mit sich nah-
men. Sie wurden unter den Milesiern eingebürgert
und opferten und stimmten mit ihnen in der Panioni^
sehen J^er Sammlung. Ein Schriftsteller des zweiten
Jahrhunderts (^') meldet uns, dass zu seiner Zeit von
der Stadt 31yüs nichts mehr gestanden habe, als ein
Tempel des Dakchos von weissem Stein oder Marmor.
Die Lage von Myüs ist ebenso romantisch, als ihr
Schicksal ausserordentlich war. Die Mauer umschliesst
eine Menge nackter, wild übereinander aufgehäufter
Felsen von dunkler, hässlicher Farbe, neben Ab-
gründen und weilen Höhlen liegend, aus denen viel-
leicht Steine ausgehauen worden sind. Einige we-
nige Hütten, von Türkischen Familien bewohnt, ha-
ben dieselbeFarbe und lassen sich kaum unterscheiden.
Hinter diesen findet man ein in den Berg gehauenes
Theater, mit der Aussicht auf den See, nebst einigen
mit Moos bewachsenen üeberresten von der Mauer
der Vorbühne (Proskenion); aber die Marmorsitze
sind weggenommen. Zwischen den Hütten und dem
See sind mehre Terrassen mit eingehauenen Stufen,
wie zu Priene. Eine derselben, einen mit Marmor-
fragmenten umgebnen viereckigen Platz, hat man für
die Agora halten zu können geglaubt. Bei einer an-
dern lagen Steine mit zirkeliörmigen Schilden ver-
ziert.
Die vorzüglichsten und ansehnlichsten Trümmer
bildet aber der kleine Tempel des Bakchos, der auf
einem schroffen Felsen gelegen nur von der Vorder-
seite, die gegen Osten liegt, zugänglich ist. Da»
Dach ist zerstört; die Zelle gut gebaut aus einem
glatten mit einer braunen Rinde überzogenen Steine.
(33) Pausan. a. a. 0. W
Ion. Alt. . Ö
66 ZWEITES CAPITEL.
Die Porticus stand in Antis. Man hat den Tempel
als Kirche benutzt und dazu den Eingang vermauert.
Die umher zerstreuten Marmorstücke, die zerbroch-
nen Säulen und verstümmelten Statuen zeugen alle
für ein hohes Alter.
Die Stadtmauer war wie die von Efesos mit vier-
eckigen Thürmen versehen und steht noch, ausge-
nommen gegen das Wasser hin. Sie läuft den Hang
des Bergs so hoch hinauf, dass man sie an einigen
Stellen nicht unterscheiden kann.
Ausserhalb der Stadt sind die Begräbnissplätze
der früheren Einwohner; Gräber von jeder Grösse,
nach der Verschiedenheit der Gestalt und des Le-
bensalters der Verstorbenen, sind in den Felsen ge-
hauen und unzählige flache Steine liegen dabei, die
als Deckel dienten. Einige sind noch bedeckt, viele
offen und die gegen den See zu mit Wasser angefüllt.
Die Deckel sind mit einem kurzen, trocknen, brau-
nen Moos überwachsen und schon ihr Anblick be-
zeugt uns ihr hohes Alter. Eine Inschrift auf einem
Marmorsteine, dicht bei einer kleinen Hütte, west-
wärts in einem engen Passe des Bergs, gedenkt eines
früh verstorbenen Sohnes des Seleukos, der Betrüb-
niss seiner Eltern und schliesst mit einer liebevollen
Rüge derselben wegen ihres unmässigen und doch
unwirksamen und unstatthaften Grames. Näher bei
der Stadt ist unter einigen Bäumen ein Brunnen mit
einer an der liöhre durchgebohrten Säulenbase.
Aus den zahlreichen Ueberresten von Klöstern
und Kirchen kann man schliessen, dass Myüs gegen
das Ende des vierten Jahrhunderts wieder bevölkert
worden sei, als sich das Mönchs wesen von J'egypten
aus über das Griechische und Lateinische Kaiserthum
ausbreitete. Der fischreiche See lieferte inUeberfluss
die Speise, welche bei einem Rituale wichtig ist, das
ZWEITES CAPITEL. 67
von seinen Anhängern oft Enthaltsamkeit von dem
Fleische verlangt. Wahrscheinlich trug diess mit
dazu bei, diesen Ort, gleich dem Berge Alhos, zum
Sammelplatz scheinheiliger Andächtigen, zum Auf-
enthalt von Einsiedlern und zur Pflegschule von.
Heiligen zu machen.
An dem Ende des Sees stehen die Ueberreste
mehrer Gebäude. Hier lag wahrscheinlich Thymhria,
vier Stadien von i>/r"5 entfernt. Nahe dabei vrar ein
Charoneion {^'*) oder eine heilige Höhle, eine von de-
nen, die nach dem Glauben der Alten mit der Unter-
vt^elt zusammenhingen und mit tödtlichen Dünsten
aus dem See Avernus ('AoQvog) in Campanien erfüllt
vraren.
Man sieht den See von Priene und Miletos aus. Er
ist viel länger als breit. Das Wasser hat einen salzi-
gen Geschmack (is brackish). Auf dem See liegen
mehre felsige Jnselchen. Eins derselben nahe bei
Myüs ist mit einer Mauer von geveöhnlicher Arbeit
umgeben, welche die Trümmer einer Kirche um-
schliesst. Unter den Bruchstücken fand man einen
Marmorstein mit der Grabschrift: i Herakleides, Sohn
des Sotudesj Neokoros (aedituus, Tempelreiniger) der
Hekate.^ Dieser Tempel stand wahrscheinlich nahe bei
dem Charoneiony on Thymhria. DieNeokoren hatten die
Aufsicht über die Tempel, zu denen sie gehörten,
im Allgemeinen und ihr Amt wurde für sehr ehren-
voll gehalten. Zuweilen wurde es ganzen Städten
übertragen und man findet dasselbe auf Inschriften
imter ihren Titeln erwähnt. (^*)
(34) Strabo. XIV. p. 636. W.
(35) Vgl. Rambach zu PoUcr's Archäologie. Bd. I. S. 502 f. —
Uebqr den Tempel des Poseidon auf dem Voigcbirg Mjkalej wo-
selbst die zwölf Städte der lonier das Fest ihrer Stammverbindung
feierten, hatten die Prienev das Ncokoratj aus ihnen Avurde der
ßaoclivq 'Ektxwvioq (Oberpriester) eiwählt. \V
5*
68 ZWEITES CAPITEL.
Der Griecliische Kaiser Manuel hatte sich um
das Jahr 867 mit seinem Heere bei diesem See gela-
gert. »Sein Lager«, erzählt der Byzantinische Ge-
schichtschreiber Kinnamos , ('®) swar gegen die Mün-
dungen des Mäandros hin aufgeschlagen. Da strömt
eine unermessliche Wassermasse an dem Fuss der
Berge wie aus tausend Quellen daher, überschwemmt
die ganze Umgegend, bildet zuerst einen See, höhlt
sich sodann selbst ein tiefes Bett aus und wird zuin
Flusse.«
Der Canal, der den See mit dem Mäandros ver-
bindet, mag ohngefähr eine halbe Meile lang sein.
Die Stadt Myiis stand in alter Zeit mit Miletos zu
Wasser in Handelsverbindung.
Taf. H.
Karte von Priene,
Die Akropolis oder Burg liegt auf einer von der
Natur angelegten Terrasse. Dieselbe ist, ausser ge-
gen die Ebene hin, mit einer alten Mauer von der
Bauart umgeben, welche man pseudisodomum ('') hiess.
In späterer Zeit hat man sie ausgebessert und durch
einige hinzugefügte Aussenwerke haltbar gemacht.
Ein hoher, steiler und nackter Fels erhebt sich im
Rücken derselben und von vornen endigt sich die
Fläche an einem sehr schroffen, fürchterlichen Ab-
grund , von wo man nur mit Staunen auf die kleinen
Gegenstände unter sich herabblicken kann. Die gros-
sen Trümmer des Tempels, die unten zusammenge-
häuft liegen , erschienen den blossen Augen nur wie
kleine Marmorstücke.
(36) Histor. Lib. II. Cap. IX. p. 33 und 35 ed. xlu Fresne.
Paris. W.
(37) wobei die Lagen der Steine iinglcicli hoch gemacht wur-
den. Vitruv. II. 8. §. 6. W.
ZWEITES CAPITEL. 69
Ein gewundner Fusssteig führt von derAkropolis
zur Stadt; die in den Felsen gehauenen Stufen sind
eng und der Pfad nur für Eine Person breit genug.
Der Tempel der Athena Polias j obgleich nieder-
gestürzt, ist ein zu merkwürdiger Ueberrest der Io-
nischen Pracht und Grösse, als dass man ihn eilig
und oberflächlich untersuchen dürfte. Ehe er zer-
stört war, übersah man von ihm die Stadt, die an
der Seite des Bergs auf Terrassen dem Abhänge ent-
lang bis an den Rand der Ebene stufenweise hinab g-e-
baut war. Zur Verbindung der einzelnen Terrassen
hatte man Treppen in den Felsen gehauen, von w^eU
chen sich noch einige erhalten haben. Unter dem
Tempel sieht man die Trümmer der Agora, die aus
Bruchstücken Dorischer und Ionischer Säulen be-
stehen.
Auf einer tieferen Terrasse fand man die üeber-
reste eines Stadion. Eine seiner Seiten wurde durch
die alte Stadtmauer gestützt, welche durch Bogen
verstärkt ist, um dem Druck des Mauerwerks zu be-
gegnen, und die Sitze des Stadion auf der nach der
Ebene liegenden Seite bildet. Die Sitze auf der ge-
genüberliegenden Seite haben sich noch erhalten.
Alle Gebäude sind aus dem Marmor gebaut, der
auf dem Berge bricht. Er nimmt an manchen Stel-
len eine dunkle Farbe an, wiewohl er im Allgemei-
nen grau ist.
Sehr deutlich kann man noch den ganzen umfang
der Stadtmauern von der Akropolis bis in die Ebene
herab nachweisen; verschiedne Theile stehen noch
und erregen die Bewunderung wegen ihrer Festigkeit
und Schönheit. Ebenso sind noch beträchtliche üe-
berreste von einer gleich bedeutenden inneren Mauer
vorhanden.
Die Stadt hatte drei Thore; eins derselben liegt
nach Kelibcsh hin ; vor demselben sind Schwibbogen
70 ZWEITES CAPITEL.
(vaults) und Gräber in den Felsen gehauen. Ein an-
deres, zu dem man auf steilen Stufen über Felsen
hinabsteigt, ist in der Mauer ^ach der Ebene hin;
die Stufen sind noch ausserhalb des Thors bis zu
einem Brunnen fortgesetzt, der jetzt mit Sumpfland
umgeben ist.
Die Stelle, worauf das alte Priene lag, ist gänz-
lich verlassen; östlich von der Stadt liegen am Fuss
des Bergs an einem Orte, den man jetzt iS'am^ttw nennt,
drei Mühlen und das Haus eines Bäckers: noch wei-
ter hinaus, das Türkische Dorf Kelibesh, welches
aus zwölf Häusern besteht. Höher hinauf nach Nor-
den liegt Giaur Kelibesh, ein neues Griechisches Dorf
von ohngefähr zweihundert Häusern, das täglich an
Bewohnern zunimmt und in blühendem Zustande ist.
Taf. Hl.
Ansicht des Tempels der Athena Polias.
Taf. I^^.
Grundriss des Tempels der Athena Polias,
Der Tempel der Athena Polias war, -wie die
Mehrzahl der berühmten Tempel Aegyp.tens und
Griechenlands, mit einem peribolos oder Tempelhof
umgeben, zu dem man durch Propyläen d. h. einen
Thorgang eintrat. Da die Trümmer des Tempel-
baues verwirrt über einander gehäuft daliegen, so hat
man bisher die ganze Masse als zu Einem Tempel ge -
hörig betrachtet. Eine neuere genauere Untersuchung
derselben hat aber gezeigt, dass einige Bruchstücke,
die man bisher dem Tempel zugeeignet hat, einen
Theil der Propyläen bildeten.
Die Südmauer des Tempelhofs von bäuerischem
Mauerwerk (rustic raasonry) steht noch so hoch, als
die Oberfläche des Grundes im Inneren ist, der eine
ohngefähr zwanzig Fuss hohe Platform bildet. Einige
ZWEITES CAPITEL. 71
Spuren, die sich in einer geraden Linie nicht weit
\on der Südinauer und parallel mit ihr in dem Boden
zeigen, leiten uns zu dem Schluss, dass, übereinstim-
mend mit einem in Griechenland sehr herrschenden
Brauche, die Tempelhofmauer im Inneren mit Säu-
lengängen umgeben gewesen sei.
Der Grundriss des Tempels bildet ein Parallelo-
gramm, und ist, auf der obern Stufe gemessen, ein-
hundert und sechzehn Fuss, sechs Zoll lang und vier-
undsechzig Fuss, drei Zoll breit. Elf Säulen standen
auf jeder Nebenseite , sechs auf jeder Vorderseite. ,
Die Mauern der Zelle standen in gleicher Linie
mit den zweiten Säulen, von den Ecksäulen der Vor-
derseiten an gerechnet, und umschlossen einen Flä-
chenraum von ohngefähr fünfundsechzig Fuss Länge
und dreissig Fuss, neun Zoll Breite. Sie sind vier
Fuss dick.
Taf. V.
Aufriss des Tempels.
Pieser Tempel gehört zu den seltenen Beispielen,
an denen man die Basen Ionischer Säulen auf Plin-
then stehen sieht. Wiewohl bei Römischen Gebäu-
den Plinthen und Säulenstühle in solcher Verbindung
ganz gewöhnlich vorkommen, so sind sie doch nicht
nach dem Muster der Griechen angewendet worden.
Wenigstens hat sich kein Gebäude von -entschieden
Griechischem Ursprung aus der besten Periode der
Baukunst gefunden, das für die Sitte einer solchen
Conslructionsart spräche.
Die Propyläen, die wir als einen Theil des gros-
sen Tempelgebäudes betrachten müssen, weichen
auf eine ähnliche Art von dem herrschenden Ge-
brauche ab.
Die Säulen haben vier Fuss, drei Zoll im Durch-
messer, die Säulenweiten etwas mehr als sieben Fuss,
72 ZWEITES CAPITEL.
vier Zoll, wodurch das Verhältniss des Zwischen-
raums zum Durchmesser beinahe das von eins und
drei Viertel zu Eins wird. Hätte man zu den Ruinen
dieses Gebäudes ebenso wenig hinzukommen kön-
nen, wie zu den im vorhergehenden Capitel beschrie-
benen des Tempels zu Teos , so würde der Künstler,
der mit dem Vitruvius als architektonischem Kath-
geber in der Hand reiste, aus dem umfang der Vor-
derseite geschlossen haben, dass die Gattung des
Tempels die von Vitruvius sogenannte dichtsäulige
Cp^knostylosJ gewesen sei. Er würde dabei angenom-
men haben, dass die gewöhnlichen Zwischenräume
beinahe einen und einen halben Säulendurchmesser
und der mittlere ein noch grösseres Maass gehabt
hätte. Aus solchen im voraus gebildeten Begriffen,
da es wirklich Beispiele von ähnlicher Anordnung
gibt, ist aber der Irrthum in dem Grundriss des Tem-
pels zu Teos entstanden.
Die Säulenschäfte sind aus mehren Stücken zu-
sammengesetzt, wofür man keinen stichhaltigen Grund
finden kann, da sich der Marmor des Bergs Mykale
in Blöcken von bedeutender Grösse brechen Hess.
Die Capitäle der Ecksäulen haben auf beiden
Seiten dasselbe Aussehen. Die Thüre hat man nach
Vermuthung angegeben.
Taf. VI.
Säulen Ordnung. ,
Bei der Darstellung der Säulenbasen ist in der
ersten Ausgabe ein sehr bedeutender Irrthum vorge-
fallen. Ihr Durchmesser ist um einen Fuss kleiner
angegeben , als er sich bei genauer Vermessung ge-
funden hat. Die Maasse in den im Britischen Museum
aufbewahrten Originalzeichnungen sind übrigens rich-
tig und nur der Copist hat den Fehler verschuldet.
ZWEITES CAPITEL. 73
Der augenfällige Mangel an Stärke an den so dar-
gestellten Basen passt durchaus nicht zu den -von
den Architekten des Alterthums beobachteten Grund-
sätzen.
Die Base ist aus zwei Marmorblöcken zusammen-
gesetzt, von denen der untere über elf und einen
halben, der obere über acht und einen halben Zoll
tief ist. Der Pfuhl ist elliptisch geformt und can-
nelirt.
Die'Augen (eyes) in den Schnecken sind zwei und
einen halben Zoll tief eingebohrt, vielleicht um Blu-
mengewinde daran befestigen zu können oder andere
Verzierungen, durch welche die Alten ihre Tempel
an festlichen Tagen oder bei öiFentlichen Feierlich-
keiten auszuschmücken pflegten. Der Saum oder
Rand des echinus oder Wulstes, der mit seinem
schön geschwungenen Biemchen die Windungen der
Schnecken verbindet und sie gewissermassen fest an
ihrer Stelle zu halten scheint, trägt viel zur Schön-
heit des Capitäls bei.
Taf. VII.
Capital und Base der Säulen,
Fig. 1. Die Plinthe und Base mit dem unteren
Theile des Säulenschafts.
Fig. 2. Das Capital und die Streifen (fasciae)
des Unterbalkens oder Architravs.
Einen Versuch, die Gleichförmigkeit der Ver-
hältnisse an den Capitälen, Basen und dem unteren
Theile des Schafts dieser Tempel zu zeigen, haben
wir in dem Capitel über Teos angestellt.
Taf. VIII.
Einzelne Theile der Ordnung.
Fig. 1. Der Grundriss des Capitäls, an dem zu
bemerken ist, dass der echinus ganz herumläuft und
74 • ZWEITES CA?ITEL.
ohngeßihr mit seiner halben Ausladung uctter den
Kissen der Schnecken erscheint, wodurch viel für
die Verzierung des Capitäls gewonnen worden ist.
Fig. 2. Ein Aufriss des Capitäls im Profil.
Fiff. 3. Ein Durchschnitt durch das Profil des
Capitäls.
Fig. 4. Ein Durchschnitt durch die Vorderseile
des Capitäls.
Fig. 5. Die Umrisse der Schnecke, die nur mit
grosser Mühe geraessen werden konnten, indem man
mehre verschiedenartige Bruchstücke dabei berück-
sichtigen musste.
Die Spirallinie der Schnecke hat vier Windun-
gen und lässt sich also beschreiben. Maii lasse nach
Willkühr eine Perpendicularlinie als Katheten her-
abfallen; an dieser bezeichne man von dem Anfangs--
puncte aus irgend eine gegebene Entfernung für die
Mitte des Auges; man theile diese Linie in sechs
Theile und lasse den Radius des Kreises, der das
Auge beschreibt, die Hälfte eines Theiles sein. Um
die Puncte zu finden, in welche die Mittelpuncte der
Spirallinie zu setzen sind, ziehe man zwei Quer-
linien durch die Mitte des Auges in einem Winkel
von fünfundvierzig Grad, beschreibe dann ein Sechs-
eck hinein, von dem Puncte an, wo der Kathete
durch den obern Theil der Kreisperiferie des Auges
durchschnitten wird, und theile die Querlinien von
dem Centrum bis zu den Puncten, wo sie von den
Seiten des Sechsecks durchschnitten werden, in drei
Theile. So wird man die Puncte erhalten, in welche
die Mittelpuncte der drei ersten Windungen zu setzen
sind. Um den vierten zufinden, theile man den Rest der
Querlinien zwischen den Mittelpuncten der dritten
Windung und dem Mittelpuncte ('®) des Auges in zwei
(3S) Ich sollte meinen, es müsse »der Kreisperiferie« heissen. W.
ZWEITES CAPITEL. ♦ 75
Theile. So wird man die Mittelpuncte für die vierte
Windung erhalten und die Spirallinie vollenden
können.
Fig. 6. Ein Durchschnitt durch den Pfuhl der
Base, wobei die Cannelirungen und Glieder genau
angegeben s^nd.
Taf. IX.
Einzelne Theile des Gebälks,
Fig. 1. Der Kranz des Tempels.
Die Verzierungen zur Linken des Löwenkopfs
hat man gerade so, wie man sie zur Rechten fand,
hinzugefügt.
Man bemerke, dass der Boden der Rinnleiste
(sima) nicht von dem Rande des*unter ihr liegenden
Riemens abspringt, sondern eine kleine Einbiegung
macht , woraus hervorzugehen, scheint , dass dieses
Glied ursprünglich aus Blei gebildet worden sei.
Denn wenn man eine Platte aus diesem Stoffe auf
den Kranz legte und ihr die Form einer Rinnleiste
gab (die dazu bestimmt war,, das Wasser von dem
Dache zu sammlen und vom Gebäude durch die hier-
zu gewöhnlich eingehauenen Löwenköpfe abzufüh-
ren), (^^) so musste sie natürlich eine solche Einbie-
gung haben. Diese Eigenthümlichkeit findet sich
sowohl an glatten als an verzierten Kränzen GriecKi-
(39) In sitnis , quae supra coronam in lateribus sunt aediiim,
capita Iconina sunt scalpcnda ita posita , uti contra coliimnas sin-
giilas primum sint designata, caetera (vero) aequali modo dispo-
sila , Uli singiila singiilis mediis tegulis lespondeant: haec autem,
quae crunt contra coliimnas, perterebrala sint ad canalem, qui
excipit c tcguIis aquam coelestera : mediana autem sint solida, uti
quae cadit vis aquac per tegulas in canalem, nc deiiciatur per
intcrcolumnia, ncque transenntcs pCrfundat , sed quae sunt contra
columnas videantur cniillcre vonientia ruclns aquarum ex ore. Vi-
truv: Lib. III. Cap. 3. (Ed. Schneid. Lib. III. Cap. V. §. 15.)
76 • ZWEITES CAPITEL.
scher Gebäude. So endigt unter andern an dem Par~
thenon auf der Akropolis von Athen der Kranz des
Giebels mit einem ovolo (einer Kropf leiste), das von
dem unteren Riemen ebenso ausläuft und keine Ver-
zierung hat.
A. Die Soffite der Zahnschnitte (dentils).
Fig. 2. Ein Durchschnitt durch den Kranz des
Giebels, nebst angefügter Vorderseite.
Die Verzierungen auf der Rinnleiste sind auf
eine Art zusammengesetzt, die von der an den Sei-
tenkränzen ganz verschieden ist. Damit übrigens
diese Eigenthümlichkeit Niemanden veranlasse, in
der Anwendung hier einen Irrthum zu vermuthen,
bemerken wir, dass die Vermessungen dieser zwei
Kränze an einem Ecksteine des Giebels vorgenom-
men wurden.
Fig. 3. Ein Durchschnitt durch den Architrav
des Tempels mit seiner inneren Seite.
Der Architrav w^ar aus drei Stücken zusammen-
gesetzt. Die Verbindung der zwei untersten war an
der auf dem Durchschnitt angegebenen Linie. Das
cymatium der äusseren Seite war das dritte; wir
konnten aber keinen Ueberrest desselben auffinden.
Die Abtheilung in der Soffite hat keine Verzierung
in der Füllung (pannel).
Fig. 4. Ein Durchschnitt durch einen der Quer-
balken, welche die Felderdecke trugen, mit einer
seiner Aussenseiten.
Auch er hat eine Abtheilung in der Soffite, gleich
der am Architrav.
Taf. X.
Die verzierten Kränze.
Die Rinnleiste (sima) längs der Seiten des Tem-
pels war mit Löwenköpfen verziert, wie sie auf der
vorhergehenden Tafel beschrieben sind. Der Kranz
ZWEITES CAPITEL. * 77
des Giebels hatte eine ganz verschiedene Verzierung.
Dieser Kranz endigt mit einem Stab unter dem echinus.
Taf. XI.
Grundriss der Propyläen.
Um alle Tempel in Aegypten und Griechenland,
die nur einigermassen berühmt waren, führte ein
peribolos. üiess war bisweilen eine Mauer, welche
den Tempelhof umschloss, häufiger aber ein peristy-
lon oder eine offene Säulenhalle, mit Propyläen oder
einem Thore an einem Ende.
Die Propyläen zu Priene sind ein Gebäude von der
Ionischen Ordnung, mit einer viersäuligen Halle
auf jeder Fronte; in der Haupthalle ist ein nicht sehr
weiter Eingang, der zu dem Tempelhof und von
hier zum Tempel selbst führte. Das Innere des Ge-
bäudes ist nach seiner Breite in drei gleiche Räume
abgetheilt, die durch zwei Reihen Ionischer, zwei
Fuss von einander stehender, Pilaster abgeschieden
sind. Ueber ihnen liegen Capitäle von ganz eigner
Composition, die wie alle Filastereapitäle in der
Griechischen Architektur von den Säulencapitälen
gahz verschieden sind. Ebenso wie die inneren Säu-
len der Propyläen zu Alken, so tragen auch diese Pi-
laster die marmorne Decke des Gebäudes und das
darüber liegende Dach aus demselben Materiale.
Die Säulen haben mehr als zwei Fuss im Durch-
messer und stehen beinahe fünf Fuss drei Zoll von
einander entfernt, so dass das Verhältniss der Zwi-
schenräume zu dem Säulendurchmesser grösser ist
als anderthalb zu eins. Der mittlere Zwischenraum
ist hier nicht weiter, obgleich man sich, wie wir
bereits zu bemerken Gelegenheit hatten, bei Bau-
werken, die einen weniger feierlichen Charakter
hatten, nicht so streng an die Regeln band, die bei
der Construction heiliger Gebäude galten. Nach den
78 ZWEITES CAPITEL.
Begriffen , welche die Griechen von der Schönheit
in der JBaukunst hatten, stand die Breite einer Halle
in bestimmtem . Verhältniss zur Höhe und zur Zahl
der Säulen auf der Vorderseite. Wo nur vier Säu-
len auf der Fronte standen, waren die Zwischen-
räume zuweilen dreimal sogross als die Durchmes-
ser der Säulen, während dagegen an Hallen, die
zehn Säulen auf ihrer Vorderseite hatten, die Säu-
lenweiten bisweilen nur Einen und drei Viertel
Durchmesser oder wie an dem Tempel des Jpollon
Didymäos, Einen Durchmesser und sechs Zehntel be-
trugen.
Bei einer viersäuligen Halle scheint man also
keine Aufforderung gehabt zu haben, den mittleren
Zwischenraum weiter zu machen, es müssten denn
die Maasse des Gebäudes überhaupt so unbedeutend
gewesen sein, dass die Weite von drei Säulendurch-
messern keinen bequemen Eingang gestattet hätte.
Taf. XH.
Die T^orhallc der Propyläen.
Die Säulen standen wie die an dem Tempel auf
Plinthen. Die Basen haben die gewöhnliche Atti-
sche Form.
Mehre Züge des Gebäudes deuten auf eine w^e-
niger reine Periode der Baukunst, als die war, in
vrelcher der Tempel errichtet wurde. Der Deckel
des Capitäls hat einen Kiemen: ein sehr unzweideu-
tiger Beweis der gesunkenen Baukunst; die Streifen
des Architravs sind noch ungleicher getheilt, als ge-
wöhnlich; der Fries ist weniger hoch und ohne cy-
matium oder ovolo.
Taf. XIII.
Querdiirchschnitt der Propyläen,
Dieser Durchschnitt zeigt ims die einzeln, ste-
henden viereckigen Pfeiler, welche die Felderdecke
ZWEITES CAPITEL. 79
des Gebäudes trugen. Die Balken, die sich der
Länge nach hinzogen, sind die einzigen Theile der
Marmordecke, die sich mit Bestimmtheit nachweisen
liessen. 'Die übrigen Stücke und das Zimmerwerk
des Dachs hat man nach Vermuthung angegeben. Bei
den CJnterbalken oder Architraven, dem Fries und
Kranz reicht jedesmal Ein Block zur Dicke und Höhe
hin. Die Dachrinne (gutter) hat ihre Höhlung in dem
obersten Gliede der Ordnung und bildet auf den Ne-
benseiten des Gebäudes den Kranz.
A. Durchschnitt der Bindeziegel , in Gestalt
eines halben sechseckigen Prisma. Sie liefen von
der Firste des Dachs bis zur Rinne, deckten die Fu-
gen der platten Ziegel oder Deckplatten (*°) und ver-
hinderten das Eindringen jeder Feuchtigkeit.
Taf. XIV.
Die Nebenseite der Propyläen.
Die glatte Fläche der Mauern auf den Seiten des
Gebäudes wurde durch zwei nicht stark hervortre-
tende Anten unterbrochen. Dies ist wiederum eine
Abweichung von dem reineren Styl der Griechen,
die in besserer Zeit die Mauer zwischen den zwei
Anten an ihren Enden nicht in Abtheilungen geson-
dert haben würden.
Taf. XV.
Säuleriordnung,
Fig. 1. Base und Capital der Säulen.
Fig. 2. Soflite des Kranzes, welche uns die An-
ordnung der Zahnschnitte sehen lässt.
Taf. XVI.
Einzelne Theile der Ordnung.
Fig. 1. Seitenansicht der Capitäle.
Fig. 2. Grundriss derselben.
(40) Siehe Rode zu Vitruv. III, 3. (III, 5, 15.) Bd. I. S. 147.
Alterth. v. Attika. S. 21 ff. ' W.
80 ZWEITES CAPITEL.
Fig. 3. Durchschnitt durch die Capitäle, ver-
mittelst einer durch die Vorderseite gehenden Fläche.
Fig. 4. Durchschnitt durch die Capitäle, ver-
mittelst einer durch die Nehenseite gehenden Fläche.
Fig. 5. Durchschnitt durch die Mitte des Pol-
sters oder Kissens der Capitäle.
Fig. 6. Durchschnitt des zu den Giebeln des Ge-
bäudes gehörigen Kranzes.
Taf. XVII.
Einzelne Theile der f^erzierung.
Fig. 1. Capital und Base der einzeln stehenden
Pfeiler. Abgleichend von der an den reineren Pro-
ben Griechischer Baukunst beobachteten Sitte, ver-
jüngen sich die Pfeiler etM^as vom Boden bis zu dem
obersten Theile.
Fig. 2. Die Verzierung an dem Polster der Ca-
pitäle.
Fifif. 3. Die verzierte Rinnleiste der Giebel.
Fig. 4. Durchschnitt durch einen der Marmor-
balken, w^elche die Felderdecke trugen.
Fig. 5. Ein Bruchstück, das man unter den
Trümmern fand.
Taf. XVIIl.
Bruchstücke der Agora,
Fig. 1. Ein Kranz, den man in einiger Entfer-
nung südöstlich von dem Tempelhof fand. Die Com-
position, die Verhältnisse und der Styl der Glieder
stimmen vollkommen mit dem Kranz des Peristyls
überein (") und beweisen, dass er zu demselben Ge-
bäude gehörte; da er ferner keine Zahnschnitte hat,
so kann man ihn wohl einem Giebel an der Vorder-
seile des Peribolos zutheilen. Die Verschiedenheit
zwischen den Verzierungen an der Rinnleiste und
(4l) Siehe Taf. XVI. Fig. 6.
ZWEITES CAPiTEL. 81
denen an dem oben erwähnten Kranze gibt bei die-
ser Annahme keinen Anstoss, wenn man sich erin-
nert, dass die Verzierungen an den Seitenkränzen
des Tempels von denen am Giebel sehr abweichen. (")
Fig. 2. Ein Dorisches Capital und Gebälk.
Unterhalb des Tempels, hart an der Südmauer
des Tempelhofs ist ein breiter ebener Grund, dessen
westliches Ende eine Terrasse bildet und mit einer
rustischen Mauer umgeben ist. Es liegen die Ueber-
reste eines Dorischen Gebäudes von weissem Marmor
über diesen Ort hin zerstreut, den man, weil er in
der Mitte der Stadt liegt, für die Stelle der alten
Agora oder des Markts hält. (") Aus diesen Trüm-
mern hat man das abgebildete Capital und Gebälk
entnommen; ob aber dieselben zusammengehörten,
lässt sich nicht ermitteln. Die Maasse nahm man an
Steinen, die so weit auseinander lagen, dass man
glauben darf, sie seien an verschiednen Theilen des
Gebäudes verwendet gewesen. Vergleicht man in-
dessen die Glieder mit einander, so findet m^m keine
bedeutende Verschiedenheit in ihren Verhältnissen,
ausgenommen bei den Dielenköpfen (mutules), deren
Länge nicht recht zu der Breite der Triglyfe passt.
Die Hinnleiste war mit Löwenköpfen verziert, welche
sich aber nicht mehr erhalten haben.
Da kein einziger Schaft der Säulen unzerstückt
oder an seiner Stelle geblieben ist, so konnte man
auch weder ihren Durchmesser noch ihre Höhe be-
stimmen. Nimmt man aber zwei Fuss, sechs Zoll
und sechs Zehntel als Durchmesser an, so w^ird ihre
(42) Siehe Taf. IX. Fig. 1 und 2.
(43) Gracci in qiiadrato amplissiniis et diiplicibtis porticibus
fora cunstittiuiit, crebrisque colunniis et lapuleis atit niarinoreis
epislyliis adornant, et siipra ambulationcs in coatignationibus
faciunt. Vitriiv. V. 1. §. 1.
Ion. Alt. 6
82 ZWEITES CAFITEL.
Verjüngung ein Sechstel betragen; und gibt man
sechs und einen halben Durchmesser zur Höhe, so
wird das Gebälk zwei und ein halb Neuntel hoch
sein; rechnet man Stufen zu den Säulen, so kann
man die Höhe des Gebälks zu einem Viertel der Höhe
der Säulen sammt den Stufen annehmen. Die Säulen
an der von Filippos dem Makedonier zu Delos errichte-
ten Halle und an dem Tempel des Zeus Nemäos in
Achaia (**) haben dieselben Verhältnisse. Die Höhe
des Gebälks an jener beträgt drei Elftel der Säule,
was nicht viel von dieser abweicht. Bei der Art, wie
das Capital und die Glieder des Gebälks über ein-
ander gelegt sind, haben wir den Dorischen Säulen-
gang zu Athenü vor Augen gehabt,
Fig. 3. Der Vörsprung des Triglyfs über den
nackten Theil des Frieses.
Drittes Capitel.
T) i dy m ö oder D i dy m a. (*)
Der Tempel der Branchiden oder, wie er später
genannt wurde, des Apollon Didymaos mit dem Ora-
(44) Dieser Tempel liegt von Korinthos ohngefähr fünf Stun-
den , etwas südlich von West und Eine Stunde östlich von einem
Dorfe Namens St. Giorgio.
(l) Ich kenne nur zwei Stellen, aus denen sich die bei den
Alten übliche Nominativform dieses Wortes bestimmt anj;eben lässt.
Die eine bei Tansanias (VIT. 2. §. 3. p. 525. ed. Kuhn: Tov
6k NfiXto)q 6 TK(fo? iövro»' i:; ^iSü/iovq iaxlv ov noggot twv nvliäv
iv uQiaxfgif, irjc; oSov) gibt demselben gleiche Endung mit dem Ora-
kel zu Delfo j mit dem das der Branchiden überhaupt Vieles ge-
meinsam hatte ; die andere bei Stefanos von Byzanz (Jiöv/n«, ovöi-
DRITTES CAPITEL. 83
kel (') war weder zur See noch zu Land von Miletos
weit entfernt. Er lag auf dem Vorgebirg Poseidion,
achtzehn oder zwanzig Stadien von der Küste und
hundertundachtzig von der Stadt Miletos. (^) Tempel
und Orakel sollen schon vor der Ionischen Wande-
rung diese Stelle eingenommen haben. (*)
Die Benennung Branchiden leitete man von einer
sehr bekannten Familie dieses Namens her, welche
TfQüjq, tÖtxoc; xut ^tuvxtlov MiXj'iTOV KfifQUfidvov /Id y.al AnolXcori) i.st
dem Namen der Stadt Susa j wum analog gebildet. Bei Herodoto5,
Strabon und in den übrigen Stellen des Pausanias findet man gt-
wöhnlich: to iv zti8üfiot,ai igov, — tm yquifiafu, , 'Anö).Xo)V , 6 ßo)~
ftoq iv JtSvftoiii oder ahnliclie Wendungen. Fiir die in dem Eng-
lischen Original gegebene Form Didyme aber, als Bezeichnung
des Orts, wo das Orakel des Apollon Didymäos seinen Sitz hatte,
gibt es, so viel ich weiss, keine Autorität. • Vielleicht hat die Stadt
Jiäüfir, auf der Gadilanischcn Insel, deren Strabon III. p. 169.
gedenkt, oder die Liparische Insel dieses Mamens, oder einer der
andern Orte, die diesen Namen führten, zum Irrthum verleitet.
Zu der Annahme, dass man den Ort des Orakels nach seinen
Vorstehern, den Branchiden, kurz auch Bquyx^^^'' genannt
habe, scheint, wie Schweighauscr bemerkt, die Uebereinstimmung
der Handschriften zu zwingen, nach welchen Herodotos I, 92. h
Bqu'/xlSi^ai. rijoi, .Mdrjatav und II, 159. iq ^(»«y^/^«? t«? Mdr}-
aCiav gesagt hat. Dafür spricht denn auch die zunächst angeführte
Stelle aus Mela, die Art, wie sich Strabon XIV. p. 814. ausdrückt
(iv /JeXqidiq xut Bqu^x^^uk;) , und der gleiche Name der von den
flüchtigen Branchiden in Baktriana gegründeten Stadt. W.
(2) Pompon. Mela I, 17: Oraculum Apollinis , dictum oliui
liranchidae , nunc Didyinei. W.
(3) Strab. XIV. p. 634: Mtxu 6i to IToatldiov ro Md^aiov
J;»;; iarl to //«t'xtloi' toD ^/iJu/t/w; 'An^ö }./.wvo t; t6 iv Uguy^f—
(J«t? urußävxi naov oxToiy.tUöixu (MSS. : oxto) xut du)Sfxu) axaSlov^,
Macrob. L. XV!I.'(?): Oraculum a Posideo XVllI stad.
Plin. H. N. L. V. c. XXXI. p. 278. ed. Harduin.: In lonia prl-
mus sinus Basilictis, Posideum proniontoiinm et oppidiim, oraculum
lii anchidaruin appellatiun , nunc Didyniaei Apolliiiis , a litore
stadiis viginti. Et inde ccntum octoginta Miletus ^ loniac Caput.
(4) Pausati. VII. 2. §. 4. p. 525. cd. Kuhn.
6^
84 DRITTES CAPITEL.
fortwährend bis auf die Zeit des Xerxes im Besitz
des Priesterthums war und ihren Stammbaum bis
hinauf zu dem Branchos ^ dem wirklichen oder ver-
meintlichen Gründer und ersten Inhaber des Orakels,
führte. Es blühten in Griechenland mehre solcher
heiligen Geschlechter, die auf gleiche Weise, wie
die Branchiden, ihre Abstammung mit Mythen um-
hüllten und, um grösseres Ansehn bei dem Volke
zu gewinnen, ihre Stammväter weit über die niedrige
Sfäre der gewöhnlichen Menschen erhoben. Die
Geschichte, welche von den Branchiden in dieser
Absicht erzählt wurde, ist in der That lächerlich
genug; sollte es aber der Rechtfertigung bedürfen,
wenn wir sie wiederholen , so würden wir uns vor
Allem darauf berufen, dass Pindaros (*) eine ebenso
wunderbare Sage zum Gegenstand einer berühmten
Hymne gemacht habe, um das alte Geschlecht und
den Ruhm der Profetenfamilie zu Olympia, der einst
gepriesenen lamiden, zu besingen.
üeber das Geschlecht der Branchiden berichtet
uns aber Varro (^) Folgendes:
Ein gewisser Olos , der im zehnten Gliede von
Apollon abstammte, hatte an der Küste ein Mittags-
mahl eingenommen und sodann seine Reise ohne sei-
nen Sohn SimeroSj der ihn begleitet hatte, fortgesetzt.
Der also zurückgelassene Knabe fand Aufnahme bei
einem gewissen Patron^ der ihn nebst seinen zwei
eignen Söhnen zum Hütfer seiner Ziegen machte.
Diese fingen einst einen Schwan und stritten sich
darum, wer von ihnen beiden ihn dem Vater über-
bringen solle. Unterdessen hatten sie den Vogel mit
einem Kleide bedeckt. Als sie, des Streites beide
(5) Olymp. VI.
(6) Varro, Divinarura Reium Libr. nach dem Scholiasten
(Lutatius) zum Statius, Thebaid. Lib. VIII, v. 198.
DRITTES CAPITEL. 85
müde, die Hülle wegzogen, fanden sie zu ihrem
grossen Erstaunen statt des Schwanes eine Frau. Sie
würden entflohen sein, hatte diese sie nicht zurück-
gerufen und ihnen verkündigt, Patron solle den Sirne^
ros ihnen heiden vorziehen. Als der Vater den Vor-
fall vernommen, behandelte er den Simeros mit un-
gewöhnlicher Herzlichkeit und gab ihm seine Tochter
zur Ehe. Diese sah während ihrer Schwangerschaft
im Traum die Sonne ihrer Kehle hinab und durch
ihren Leib gehen. Daher erhielt ihr Sohn den Na-
men ^rancÄo* (ö ßQo.yxoi', die Kehle (')). Als dieser
den Apollon auf einer Waldtrift geküsst hatte, wurde
er von ihm umarmt , erhielt eine Krone , eine
Ruthe, die Gabe der Weissagung und verschwand
plötzlich. Ihm zu Ehren erbaute man den Tempel
Branchiadotij und ebenso weihte man dem^pollon Phi-
lesios (*) Tempel und Kämpfe der Knaben, welche
nach dem Kusse des Branchos Philesia genannt wurden. (')
(7) Sonst übcrset/t man gewöhnlich Branchos den Heiseren.
W.
(8) «PtAijorto; von tpiX/o), osculor , weil er, wie es in der unten
angeführten Erzählung des Griechischen Mylhografen Konen heisst,
i<piXr,a[v alxov fgaad-id;. (Macrob. Sat. 1 , 17. p. 304. ed. Zeune
nimmt das Wort passive: »quod lumen eius exoriens amabilc anii-
cissima vencratione consahitamus.« W.)
(9) Der Streit der Knalien scheint sich dcsswegen erhoben zu
haben, weil sie von gleichen Jahren, oder SCSvfiot, Zwillinge,
waren; daher kommen auch am wahrscheinlichsten die Localna-
nicn /IlSvfioi. und JiSv^tfix;.
Den Namen /fiSvfdvq hat man schon in sehr friiheu Zeiten
dem Apollon gegel)en.
i'Bquyxif x«i ^ijvfttv , ixätQyoi;, udo^lu, ayvd.<(
Orph. Ilymn. XXXIV. (.\S) 7. p. 295. ed. Hermann.
»Kai iv /lidvfiOK; S'k y.ul fiuvxri'iov rou 'A^tÖXXüjvoi; , ffiol dox^ii,
xat TOüTO ix xiav rif^luv /JiSvftwv o»'o//«^tT«i.«
»Das Orakel des Apollon zu Didymö aber zeigt, meines Be-
dünkens, schon durch seinen Namen an, dass cs' eine Beziehung
86 DRITTES CAPITEL.
unter den von Konon gesammelten Mythen ist
eine, die uns in iliren\ Auszuge bei Fotios Folgendes
mittheilt: (*°) Demoklos ^ ein Delfier, hatte einen schö-
auf die himmlischen Zwillinge hat.« Lukian. Von der Astrologie
C. 23. T. II. p. 370. cd. Reitz.
^*A:i6XXo)vct /JiSufiulov vocant, quod geminam speciem siii nu-
minis (f. luminis) praefert ipse illuminando formandoque lunam;
etenim ex uno fönte lucis gemino sidere spatia dici et noctis illu-
strant.« Macrob. Saturnal. Lib. I. Cap. 17. p. 306. ed. Zeiine.
(Ernesti zu Siieton. Caligul. c. 21. ist der Meinung, Apollon heisse
Didymäos, weil er und Artemis Zwillinge waren. W.)
Merkwürdig ist es jedoch , dass man bei Horaeros und Pinda-
ros diesen Apollon nicht erwähnt findet, nur in der dem Ersteren
beigelegten Hymne auf Apollon hcisst es v. 180:
»J2 «r«, xul AvxCt]v y.al Ulfpviriv IguTeivtiv
xal MCXr\tov I/bk;, l'vaXov noXiv Ifiegöeaaav-«
(Ich habe den Schluss der Varronischen Erzählung, abweichend
von dem Englischen Original, nach Barth's Emendation übersetzen
zu müssen geglaubt, da ich in der Vulgata : »Et Apollini Philesio
pariter consecrata sunt templa, quae ab osculo Branchi si\>e cer-
taniine puerovuin Philesia nuncUpantur« keinen ZusanJmcnhang
finden konnte. W.)
(10) 'H Xy . 'Jlq /Ji^iiioyJ.oq o /itkqioq yavv!f nulSu ixTigejiTj S/.ii-'
j(ß05 (f. 2!v[iiQ0<i) 6ro/na ' xal uvtov iqilhfiiv igaa&ilq AnoXkwv,
svqoiv noi/iiuh'ovra , iv&a ßotfioq 'AnoXX.iovoq flHUov (f. (PtAija/oü) tÖQV-
lai. 0 Si JBguyxoQ , i^ Ano).lo}voq inlnvovq fiuvTixT^q yiyovojq , iv
AiSvfioiq TW x<i>glü) f'xQ^' Kul f^i^xgv toi/ vvv ygvfixr^gCoiv EXhiviy.wv,
wv ia/itv, fitru AfXqjoi/q xgaxiaxov ofioloyitrav ro tw»' Bguy/Cdtav,
Konon bei Fotios , Myriobibl. XXXIIl. p. 442. ed. Hoesclicl.
Branchus j Thessalus fuit Apollini dilectus, et filius habitus,
quem interfectum dolens, templo et divinitate sacravit. Is autem
Apollo Milesius dictus. — Alex, ab Alex. VI. 2.
Branchus, quem ipse susceperat ex filia laucis et Sucronis —
et hunc pater — mortuum communi templo coli voluit, cuius
fuerat sacerdos. Boissard. Tractat.' de Divinatione , p. 107.
Quem suscepit ex lauce Sucronis filia — ad superos relatus
est communi Milesiorum decreto — unde ipse Dens Branchides
appellatus est. p. 136.
DRITTES CAPITEL. 87
nen Knaben, Namens Smikros, den er in seinem drei-
zehnten Jahre, als er einst auf Befehl des üral^els
nach Miletos segelte, mit sich nahm, aber bei der
Eilfertigkeit, mit der er seine Rückfahrt betrieb, in
die Heimath zurückzuführen vergass. Des Eritharscs
Sohn, ein Ziegenhirte, fand den bekümmerten Kna-
ben und brachte ihn zu seinem Vater. Eritharses un-
terrichtete sich über des Verlassenen Herkunft und
Missgeschick und erzog ihn wie seinen eignen Sohn,
Uebereinstimmendes meldet sodann Konon hinsicht-
lich des Schwans, des Streits der Knaben und der
Erscheinung der Leukothea; ferner wie diese densel-
ben geboten habe, die Milesier aufzufordern, sie zu
verehren und einen gymnischen Kampf der Knaben
zu feiern, da sie sich an ihrem Streite ergötze; wie
Sniikros die Tochter eines der vornehmsten Milesier
geheirathet und diese die oben beschriebene Erschei-
nung gesehen habe, welche von den Weissagern
als eine günstige gedeutet worden sei; wie ihr Kind
nach der Erscheinung benannt und bei w^eitem der
schönste 31ann geworden sei; wie Apolloiij der ihn
seine Heerde füttern sah, sich in ihn verliebt und
ihn an der Stelle geküsst habe, wo ihm später ein
Altar errichtet worden sei; endlich wie Branchos,
dem dör Gott die Seherkraft eingehaucht, zu Didymö
an der Stelle geweissagt habe, woselbst das Orakel
der ßranchiden stehe, das nach allgemeinem Zeug-
niss unter den Griecliischen Orakeln nächst dem zu
Delfö den ersten Rang behaupte. Wahrscheinlich ist
— — — p;iliio(jiu', acqualis hoDori
Branchus. —
Statius, Tlicbaid. III, 478.
— — et intonsi cludet penetralia Branclii,
Nee Ciarias hac liice forcs, Didymacaque quisquam
Liniina, nee Lyciam supplex consultor adibit.
Idem VIII ; 198.
88 DRITTES CAPITEL.
jener Wettkampf, der nach der Mythe dieser mythi-
schen Leukothea zu Gefallen angeordnet wurde, eins
der Didymäischen Spiele gewesen, die mehre Jahr-
hunderte hindurch fortwährend zu Miletos gefeiert
wurden. (*')
Diese Mittheilung wird wohl hinsichtlich der
von Strabon (^^) erwähnten Volkssagen über Branchos
und die Liebe des Jpollon selbst denen genügen,
welche die alten Mythen genauer kennen zu lernen
wünschen. In Delfö dagegen behauptete man, nach
dem Zeugniss desselben Strabon, dass Branchos von
dem Delfier (Machäreus) stamme, welcher deniVeo^fo-
lemos, den Sohn des Achilleus, erschlagen habe. (*')
Die Veranlassung zu diesem Morde wird verschieden
angegeben. Nach unseres Geografen Vermuthung
war der wahre Grund der, dass Neoptolemos einen
Anschlag gegen den Tempel gemacht habe , dessen
unermesslicher Reichthum schon vor dem Troiani-
sehen Kriege zum Sprichw^ort geworden war. (")
Die Ceremonien, mit denen Branchos der Seher
oder Sühnpriester (xadaoTTJg) die Milesier nach einer
Pest entsühnte, waren folgende: (") Er besprengte
(11) MIAHTON JIJTMEIA. Marm. Oxon.
(12) Strabo. XIV. p. 634: "Evruü&u 6i /iv&tüfxut xal t« ntgl
fov ÜQttYxov x«t TOJ' i'qbna rov Jino).Xo)voq,
(13) Strabo. IX. p. 421. Siehe auch Merrick, Tryphiodor.
p. 133.
(14) Ov3 Off« Xttivo<; ovScx; atprirogoi; ivro? iig^tt,
Q>olßov AnöXXotvot; , IJv&di ^rt nirgti^oai}.
»Noch was die steineine Schwelle des Treffenden drinnen
bewahret,
Föbos Apollons Schatz, in Pytho's klippichten Feldern.«
Hom. II. IX, 404.
Vgl. Anm. 28. und Strabo IX. p. 420.
(15) Riemens Alexandr. p. 674. (Stromat. Lib. V. p. 570. ed.
Colon. 1688. fol.)
DRITTES CAPITEL. 89
die Menge vermittelst Lorbeerzweigen und stimmte
einen Lobgesang also an:
MeXirere , w Ttaideg, 'Exae^yop xai 'Ey.aeQyav.
Singet, o Knaben, den fernhin Treffenden und
seine Schwester. ('®)
Dieser Aufforderung antworteten sie mit gewissen
hart klingenden und rathselhaften Worten, denen
ähnlich, die man bei dem Schluss der Eleusinischen
Mysterien ausrief. (*')
Während er dem Tempel und Orakel vorstand,
theilten sich die Milesier in zwei Parteien unter Leo-
damas und Fitres , die sich als Sprossen des königli-
chen Hauses um die Herrschaft stritten. Erschöpft
durch die Wunden des Parteikampfs bestimmten end-
lich die Häupter des Volks, es solle der den Staat
regieren, der sich als dessen grössten Wohlthäter
erwiesen habe. Fitrcs kehrte ohne gesiegt zu haben
aus dem ihm übertragenen Kriege zurück, aber Leo-
damas überwand die Karystief und nahm ihre Stadt
ein. Bei seiner Rückkehr nach Miletos sandte er
dem Heiligthume des Branchos , wie es das Orakel
geboten hatte, eine gefangene Frau mit einem Kinde
an ihrer Brust, nebst andern Gaben, die den zehnten
Theil der Beute ausmachten. Die Frau wurde von
(16) Meandrius (1. Leandrius) scribit, Milesios *Ano'kXiäVi
Oirktif) pro salute sua immolare. Pherecydes refeit, Thesea, cum
in Cretam ad Minotauruin diiceretur, vovisse pro saliite atque re-
difu suo 'AnoXktJvi, Oukiw xal 'AgT^fuSi. Ovll(f- Macrob. Sat.
L. I. c. 17. p. 297. ed. Zeiine.
Auch Strabo XIV, p. 635- sagt, die Milesier hätten den Jpol-
lon Uliosj als Heilgott, angefleht.
Auf einer Milesischen Münze hält Jpollon Didymäos in seiner
rechten Hand das Bild der Artemis ; auf andern findet man sie
allein, und auf mehren mit ihrem Bruder verbunden, wie in obi-
ger Anrede des Branchos.
(17) Potter V. 1. p. 391, 393- (Griech. Archäologie übers. ▼.
Rambach. Thl. I. S. 862.)
90 DRITTES CAPITEL.
Branchos mit Ehrfurcht behandelt und ihr Sohn an
Kindes Statt angenommen. Der Knabe wuchs em-
por und besass, gleich als hätte ihn eine Gottheit
besonders begünstigt, höhere Einsicht, als seine
Jahre mit sich brachten. Er wurde zum Organ der
profetischen Aussprüche bestimmt und Euangelos (der
Gutes verkündet) von hranchos genannt, dem er im
Amte nachfolgte. ('*) Er war der Gründer eines Mi-
lesischen Geschlechtes, das nach ihm die Familie der
Eiiangelidcn heisst.
Wir wollen hier bemerken, dass, obgleich auch
mehre andre Gottheiten als profetische betrachtet
wurden, doch vor allen ^^o//o« als derjenige berühmt
war, der von derGabe der Weissagung den häufigsten
Gebrauch machte. Darum rechnet ihn auch der feine
.Spötter ZwAfanosC'') zu den Gottheiten, deren Loos weit
davon entfernt sei, so bequem und glücklich zu sein, als
es Homeros geschildert habe. »Denn da sich Apollon,
spricht Zeus, ein sehr* mühevolles Geschäft gewählt
hat, so ist er durch die Menge, die sich um ihn
drängt, um sich der künftigen Dinge halber Raths
bei ihm zu erholen, fast taub geworden. Jetzt muss
er zu Delfö sein; bald darauf eilt er was er kann
nach Kolofon; von da geht es über den Xanthos in vol-
lem Lauf nach Klaros , dann nach. Delos oder zu den
Branchiden; kurz, wo nur eine Priesterin, sobald sie
aus dem heiligen Ouell getrunken, Lorbeerblätter
gekaut und sich auf ihrem Dreifuss hin und her ge-
schüttelt hat, seine Gegenwart verlangt, da muss er
augenblicklich erscheinen und mit seinen Antworten
bereit sein, wenn es nicht um seinen Kuf geschehen
sein solLi
(18) Konon bei Fotios , p. 451-
(19) /Jli y.aTr^yoQovfitroq. T. II. p. 792. (Der doppelt Ange-
klagte bei Wielantl. Tbl. VI. S. 178.)
DRITTES CAPITEL. 91
Diese vielen Geschäfte erforderten Ordnung und
Eile; darum setzte der Gott die Zeiten fest, zu denen
er in seinen Orakeln Gehör und Antwort gab. An
Lestiininten Tagen und zu gewissen Stunden war er
regelmässig zum Dienste der 3Ienschen bereit. Auch
zog er besondre Jahrszeiten vor, wenn es auf seine
Wahl ankam, denn zuweilen wurde er allerdings
wider Willen genöthigt, seine Kunst auszuüben, ura
solche Fragende zu befriedigen, die zu roh, unehr-
erbietig und ungestüm waren, als dass sie sich mit
der bei Menschen üblichen Entschuldigung, die Gott-
heit sei jetzt nicht in der Stimmung oder nicht anwe-
send, hätten abvreisen lassen.
Sehen wir jedoch ab von der Thätigkeit dieser
in der Fantasie erzeugten Gottheit, an vrelche das
Volk glaubte, so ist Branchos , wahrscheinlich, ehe
er sich in Miletos niederliess, in die Geheimnisse der
gewinnvollen Kunst eingeweiht gewesen, die man
in seinem Multerlande mit so gutem Erfolge betrieb.
Da die Art und Weise der von ihm ausgeübten Tau-
schung so viel Aehnliches mit der hatte, die zuDelfö
und in andern Orakeln Apollon's üblich war, so
scheint fast eine gegenseitige Kenntniss und Üeber-
einkunft zwischen den Vorstehern der einzelnen
Orakel Statt gefunden zu haben. ('°)
Die Art, in der man hier die Gottheit befragte,
war ausser dem Geldaufwand mit vielen Ceremonien
und grossem Zeitaufwand verbunden. Durch jene
suchte man dem Verfahren grössere Feierlichkeit zu
geben, durch diesen Zeit zur üeberlegung und Ab-
fassung der Antwort zu gewinnen. Die Profetin
muss wahrlich eine sehr unangenehme Rolle bei der
Gaukelei gespielt haben, wenn sie bei ihrem Baden
(20) Vgl. Crciizci's Symbolik. I. S. 195. W.
92 DRITTES CAPITEL.
wirklich, wie man versichert, drei ganze Tage lang
fastete. (»')
Waren die Vorhereitungsgebräuche endlich vol-
lendet, so glaubte man, es werde die Priesterin,
(21) Extqov Si to tÖ)V yqr^aTriqtuv Siußör^rov ttat ivagy^arurov
iari noXvfifQfi; ■, iP&eov fiavveiov, itfgl ov t« Toiavra aTto<j>ulvHq' »oJ
d vSwg niövrei; , xa&änfQ o iv KoXocpiuvi UgtiK; rov KXaqlov , oi di
aro/ufoiq nuQuxa&^fitvot , w; ai iv /iikqidiq ^tant^ovaai , ol d i^
vSuxmv uTfii^^ö/itvoi, , xtt&untQ at iv Bgay/läaiq jigo(priTi3(q.« Tgüäv
Sh TovT(i)vl SKüvvfiiov xg*3ori}g{<av ifivtjf^ovevauq , ovy ort fiöva ivrav&a,
noi.v yag nXilovu vm^g^^E tu ■nugaXtinofxtva , uXX intl ngoii/E tmv
akXiuv tavTa nal ufta, ov fVfxa ^^■>jt«to, txavojq uv idtdaaxet; nigl
vov rgoitov , (fti^il t^; ix -O-tiäv av&gomoiq ininffinoitdvi\<; iA.avxf.luq,
iitt xoixo St] rigxia&TjV xovxok;. —
Kul [iTiv riye iv BguyyJduK; yvvri xg'^OfKoäöq , iXxe gäßSov l'xovaa,
X'^v ngwxo)^ vno -d-tov rivoi; nuguSod-üauv, nlifgovxui t-jj? ■&{(«(; uvy^q,
tXxe inl u^ovoq xa&^fi^vt] ngoiJyti, to /i^kXov, fixe xovq nöSaq -^ xga-
anfdov t» x^yyovaa xoj vSuxi,, 7/ ix xov vduxoq uxfii^ofifvtj Sf'yfxav rov
ß-fov, i| unuvxmv rovxiav inirrjdtla nagaaxfva^ofAdvri ngoq xt^v vnodo-
Xfi*» i%<»0^tv avxou fifxuXufAßävti.
/IriXoi 8i xal xo xiöv ^vatiov nXr^&oi;, xuX o &fafi6<; ttJ^ oX-t,q
uyMxduq, r.ul off« uXXu öguxut, ngo rrjq ;^p»jff;WW(5/'«5 -d-fiaiigntwq, xuxe
kovxgu xriq ngoiptixiSoq xul tj xgiu)v oXo)v r,fifgwv uaixCu xul ri iv
advroiq avxrjq äiuxgtßti xul i^oft^vr^q ijcJij t^ <p<otI xal xfgito^^vrfi iv
noXXißt ygovo)' xal yag avxu navxa nagaxXfjaiv xov ■&fov mqxf naga-
yfvda&cn xal nagovaCav l'^tj&fv iniStlxvvaiv, inCnvotäv xe &uv[iuatav,
otav nglv xal ttq xov avvtifh] ucfiixda&ui, xal iv uuxa xw nvfvftuxt xm
veno iTjc 7ir]yt}q uvu(pfgofidvo) fxtgov xtva ngtoßuvtgov yiagiaxov uno
xov xonov ■d-tov unorpulvti, xov uixiov xal xoü xonou xal x'^q ytjq av—
T^5 x«J XTJq fiuvxiyS^q oAtj;. lainblichos , De Myster. Aegypt. Sect.
III. c. XI. p. 72 sqq. ed. Oxon. 1678.
'»AXX ovSi aiijfitt , (pjoi, &fov ygTJxai xoiavxi] qpwi';; , ovSi xoiuSe
TiH&dl." Kul xttvxa ä fvxtXrj xal aqiodga fvxuxuq>g6vfixu, XiXd^frai
ycg Tigoq avxov {KiXaov) 0x1, ;^pjjTai. o ntTiiaxfVfAivoq nag" "EXXtjaiv
flvai ^toq o Ilv&ioq xul o /liäv^fvq roi^Se q)0)v>j xy xtjq Ilv&luq, rj
x^q iv MtXtjxo) yfvoftdvtjq ngoqirjri^oq. Kai ov Siu xovxo iyxuXnxut
nag EXX^aiv mq ov &foq o IJv&ioq, rj 6 /lidvfifvq, 7] xiq iXXoq xoi-
ovxoq ivl xöno) iyxa&i,Sgv[ihoq 'üXXtivixoq &f6q. Origines contra
Celsum Lib, VI. extrem, p. 55. ed. Cant.
DRITTES CAPITEL. 93
welche die von dem Gott erhaltene Ruthe in der
Hand trug, mit göttlichem Glänze erfüllt; sitzend
auf der Achse eines flad8(*'*) sagte sie die Zukunft
vorher, oder nahm, in den von ier Quelle aufsteigen-
den Dampf gehüllt, oder ihre Füsse oder den Saum
ihres Kleides in das Wasser tauchend die Gottheit in
sich auf. Erfüllt und getröstet durch dieses innere
Licht brachte sie eine lange Zeit in dem Heiligthume
zu. Der ervi^artungsvolle fromme Fremdling legte
seine Frage zur Beantwortung vor und der Gott, bil-
dete man sich ein , ertheilte seinen Ausspruch durch
den Mund der begeisterten Priesterin.
Sowohl zu Delf'ö als bei den Branchiden ertheilte
Apollon seine Weissagungen mündlich. Das Talent,
auf der Stelle in Versen zu reden, wollte man von
ihm ableiten und lange Zeit gab die Fythia ihre Ant-
worten in Versen. Als aber gottlose Witzlinge ver-
sicherten, unter allen Dichtern sei der Gott der
Dichtkunst der schlechteste, Hess sie sich, um ihr
Ansehn nicht dem Spotte auszusetzen, zum Gebrauch
der Prosa herab. Diese Antworten wurden sodann
von Dichtern, die im Dienst des Tempels waren,
metrisch umgebildet. (^') Nach den noch vorhande-
nen Proben können wir mit Grund behaupten , der
Dichtergeist des Gottes sei in Asien ebenso ärmlich
gewesen, wie in Griechenland, indem er den heroi-
schen Vers, (*') dessen er sich bei seinen Weissagun-
(21a) Clai'icr , Siir Ics oracles p. 136. erklärt u^uv Tür einen
Dreifuss. W.
(22) Strabo IX. p. 4l9. und die daselbst von Casaubonus an-
geführten Stellen.
(23) Ileroos efficit versus iuterrogationibus consonos, ad nume-
ros et modos plcne conclusos: quales Icguntur Pytbici vel ex ora-
culis editi Rranchidarum. Amniian, MarccUin. Rer. GesL L. XXIX.
c. 1. §. 31. p. 505. ed. Wagner.
Nee non et memini , pedibus quator bis repelitis,
Hyninum Buttiaden Phoebo cantassc loyique,
94 DRITTES CAPITEL.
gen gewöhnlich bediente, fast in Unehre brachte.
Und auch hierbei scheint er seine Zuflucht zu einem
Gehülfen genommen zu haben, da wir in einer auf
diesen Tempel bezüglichen Inschrift (^*) denProfe-.
ten und Dichter als sresonderte Personen erwähnt
finden.
Dass das Orakel der ßranchiden sich seit' sehr
frühen Zeiten eines ausgebreiteten Rufs zu erfreuen
hatte , lä'sst sich aus der alten Geschichte erweisen.
Als Nekosj König von Aegypten, einen Sieg
über die Syrer erfochten und in Folge dessen eine
grosse Stadt eingenommen hatte, so wollte er sein Kleid
nicht wechseln, bevor er einen Theil der Beute dem
Apollon geweiht und hierher geschickt hatte. (^*)
Als Krösos den Kyros anzugreifen gedachte und
die Orakel befragte, überging er auch das derBran-
chiden nicht. {^^) Zur Zeit aber als Herodotos seine
Geschichte schrieb, w^usste. man nur noch den Spruch
der Pythia von Delfö. (^^) Der König zeigte sich
übrigens bei dieser Gelegenheit bis zur Verschwen-
dung freigebig, indem er ganz auserlesene Schätze
weihte und hierher, wie Herodptos berichtet, ähn-
Pastorem Branchiini , cum, captiis amorc pudico,
Fatidicas sortes docuit depromcre Paean.
Terentianus Mauriis de Metris, x. 165. (Cap. IV, 1885.
' ed. van Lennep.) Hexametrum apud Poctas Latin.
V. 11. p. 1259.
(24) Chisluill. p. 91.
(25) Nekos regierte vor Chr. um das J. 616. (Herodot. II. 159.
stimmt mit unserm Text nicht ganz i'ibcrcin, indem er erzählt:
»Und das Kleid, darin Nekos diese Tlidtcn verrichtet, weihte er
dem Apollon und sandte es nach Branchidä in der Milesier
Lande.« W.)
(26) Vor Chr. 549. Herod. I, 46.
(27) Herod. I, 47.
DRITTES CAPITEL. 95
liehe Gaben und "von gleichem Gewichte sandte, wie
nach üelfö. (")
In der folgenden Erzählung C^) erscheint unser
Gott allerdings in weit geringerer Würde und Bedeu-
tung. Paktyas hatte die Lyder zum Abfall von Kyros
bewogen, als aber ein Heer wider ihn heranzog,
entwich er nach Kyme, Der Persische Anführer ver-
langte von den Kymäern die Auslieferung des Pa-
ktyas, allein diese zögerten und beschlossen sich zu-
vor an das Orakel der ßranchiden zu wenden, das
schon damals ehrwürdig durch sein Alter war und
von den lonern und Aeolern gewöhnlich befragt
wurde. Die Boten forschten, wie sie sich hinsicht-
lich des Paktyas verhalten sollten, um den Göttern
am meisten zu gefallen, und erhielten den Spruch:
sie sollten den Paktyas an die Perser ausliefern. Als
diese Nachricht heimgebracht wurde, war die Menge
geneigt, zu gehorchen. Aber y4ristodikos _, ein ange-
sehener Mann unter den Bürgern, verhinderte es, bis
der Spruch als wahr bestätigt worden sei. j Er wandte
sich nun selbst an das Orakel und fragte also: Herr,
es ist zu uns gekommen ein Schützling, Paktyas j der
Lyder, dass er den^Tod entflöhe vor den Persern;
die aber fordern ihn von den Kymäern und verlangen,
dass wir ihn herausgeben. Wir aber, obwohl wir
Furcht haben vor der Perser Macht, haben ihn den-
noch nicht herausgeben wollen, so lange bis dass du
(28) Herod. I, 92. Ein Verzeicliniss der Weihgeschenke, die
er n\ich Delfö sandte, findet man bei Hcrod. I, 50—52, 54, 92.
Rcdnciit man das bei eini},'cn angegebene Gewicht auf das unsere,
so lässt sich der Wcrth zum Theil berechnen, lieber den Tem-
jelscliatz zu Dclfö vgl. aucli Strabo. IX. p. 420. und oben S. 88.
Anm. l4.
(29) Herod. I, 157—160.
96 DRITTES CAPITEL.
uns deutlich kund thust, was wir thun sollen. c Weil
Aristodikos mit der hierauf gegebenen Antwort nicht
zufrieden war, ging er rund um den Tempel und
nahm vorsätzlich die Sperlinge und übrigen Vögel,
die im Tempel genistet, aus ihren Nestern, bis eine
Stimme aus dem Heiligthum also, wie man erzählt,
ihn anrief: »Du gottlosester der Menschen, was un-
terfängst du dich meine Schützlinge aus meinem Tem-
pel zu rauben ?c Er aber Hess sich nicht irren und
erwiederte: »Herr, du selber stehst deinen Schütz-
lingen also bei und die Kymäer sollen ihren Schütz-
ling herausgeben ?c Da antwortete der Gott zum
andernmal: iJa, auf dass um so schneller das Ver-
derben über euch komme und ihr lürder nicht mehr
einen Götterspruch verlanget, ob ihr einen Schütz-
ling s'ollt dahingehen.« Als die Kymäer hiervon
Nachricht erhielten, entsandten sie den Paktyas nach
Mytilene, um sowohl der göttlichen Rache zu entge-
hen, welche sie treffen sollte, wenn sie ihn auslie-
ferten , als auch um keine Belagerung auszustehn,
die sie fürchten mussten, wenn sie ihn bei sich be-
hielten.
Die von Kr'ösos geweihten Schätze waren so be-
trächtlich, dass, als Histiäos durch einen Boten von
Susa die Milesier zur Empörung gegen die Perser er-
mahnte und alle dazu bereitwillig waren, Hekatäos,
der Geschichtenerzähler, zuerst davon abrieth, in-
dem er alle Völker herzählte, über welche Dareios
Herr war und seine Macht verbreitete, sodann aber, als
sie nicht auf ihn hörten, denBath gab, sie sollten vor
Allem sich bemühen, Herrn des Meeres zu werden,
wozu es aber, da ihre Seemacht schwach wäre, kein
andres Mittel gäbe, als sich der Schätze in dem Hei-
ligthum bei den Branchiden, die Krösos dahin ge-
weiht, zu bemächtigen. Von dieser Maassregel hoffte
er Vieles, sowohl dass sie sich selbst ihre Bedürf-
DRITTES CAPITEL. 97
nisse verschaffen könnten, als auch dem Feind eine
so kostbare Beute entzögen. ('°)
Später nahmen die Perser, vnter Xerxes, dem
Sohne des Dareios, alle Schätze des Tempels und
Orakels weg, (") legten Feuer an diesen und an die
übrigen Tempel, den zu Efesos ausgenommen, und
nahmen so Rache an den lonern, dafür dass die
von ihnen eroberte Stadt iS'arf/eÄ (") abgebrannt war. (")
Der Grosskönig war besonders über die Milesier ent-
rüstet, weil er glaubte, sie hätten sich in der See-
schlacht mit den Athenern bei Salamis absichtlich
schlecht gehalten. ('*)
(30) Herod. V, 36.
(31) Herod. VI, 19.
(32) Herod. V, 101 ff.
(33) Unser Verfasser vermischt hier zwei vcrschiedne Bege-
benheiten, die wir also unterscheiden müssen:
1) Olymp. LXX, 3. (498 vor Chr. Geb.) wird Mite tos , als
die Toner nach dem von Histiäos und Jristagoras erregten Auf-
stande bezwungen waren, von den Heeren des Dareios erstürmt;
die meisten Männer werden erschlagen, die Weiber und Kinder
in die Knechtschaft geschleppt, der Tempel zu Didymö und das
Orakel geplündert und verbrannt. (Herod. VI , 19.) Diese« harte
Verfahren mochte der König als Repressalie für den Brand von
Sardes ansehn. Die Güte des Bodens und die zum Handel vor-
theilhafte Lage des Ortes lockte aber wohl bald neue Ansiedler,
wahrscheinlich aus den umwohnenden /onern und /Tarern, herbei;
die Stadt blühte sclinell wieder auf, die Heiligthümer stiegen neu
empor und Kanachos goss für das Orakelgebäude zu Didymö sein
berühmtes Standbild des Jpollon.
2) Olymp. LXXV, 2. (479 vor Chr. Geb.) strafte Xerxes die
Milesier nach den unglücklichen Schlachten bei Salamis und Mj-
hale, in denen sie sich lass gezeigt hatten, dadurch, dass er den
ehernen Jpollon des Kanachos wegführte und den Tempel an-
zündete, nachdem ihm vorher die Branchiden die heiligen Schätze
verrathen halten. (Pausan. I. 16. §. 3. VIII. 46. 2.) W.
(34) Toüto 6i uUlav intvfyxuiv MiXijaloig, i&tXoxaxijaai, atpo.^
ivuvtlu A{h\valmv Iv xt 'EXXäSi. vavftaxi aartaz , rov /aAxoiiv f).ttß*y
Ion. AU. 7
98 DRITTES CAPITEL.
Die Branchiden, welche die. Partei der Perser
aus den Tempelschätzen unterstützt hatten, mussten
nach einem solchen Betragen auch mit ihnen die
Flucht ergreifen, um der verdienten Strafe des Ver-
raths und Tempelraubs zu entgehn. (\*)
Die 3Iilesier waren wohl zu gedrückt und er-
schöpft und überhaupt unvermögend, ihr Heiligthum
sogleich wieder herzustellen, und man weiss nicht
gewiss, «m welche Zeit sie den jetzt in Ruinen da-
liegenden Tempel wieder aufzubauen begonnen ha-
ben. So viel ist sicher, dass Päonios , ein Efesier,
und Dafnisj ein Milesier, die Baumeister waren. Der
erstere soll auch mit Demetrios , einem Diener der
Artemis , den ebenfalls Ionischen Tempel dieser Göt-
tin zu Efesos vollendet haben, der von dem Knossier
Chersifron und seinem Sohne Metagenes ^ den Verfas-
sern einer Abhandlung über denselben, angefangen,
aber nicht ausgebaut ^vorden war.
Die Zeit, in der Päonios blühte, glaubt vielleicht
Mancher aus der Geschichte des Efesischeh Tempels
bestimmen 2u können. Man bedenke aber erstens,
dass der von ihm. vollendete Tempel schon während
der Regierung des Krösos zu bauen angefangen wurde,
oder doch wenigstens errichtet werden sollte, indem
die meisten der Säulen von ihm geweiht worden
waren; ferner, dass an dem Tempel, dessen Kosten
alle Staaten von Kleinasien gemeinsam getragen ha-
ben sollen, gegen zweihundert Jahre lang gebaut
^A7i6).X(i)va Tov ^j* Bgay/idiiiq' xut rov fdv varegov t/niXXE XQ^^I' ^^~
kivyoq i<ccTuneftxjiHv MdrfiCoiq. Pausan. YIII. 46. §. 2. p. 694. ed.
Kuhn.
Cum anceps proeliuni esset, lones iuxta praeceptum Thenii-
stoclis pugnae se paulatim subtrahere coepcrunt. lustin. II, 12.
(35) Oi öl liQccyyJöut' lovq T&Tjouvgovq tov Oiov Tiuguöt'vTtq tw
T/^QOj] (piii'/ovri avvumgav , lov «>; %{aui ölxuq t^? iegoavXlaq x«t
Tr? -iQodooki.!;. Strabo. XIV. p. 634.
DRITTES CAPITEL. 99
wurde; endlich, dass Xerxes ihn verschont, CÄer«yro/i^
wie ihn Strabon nennt, seinen Bau begonnen, ein
andrer ihn erweitert und Herostratos ihn niederge-
brennt habe. -Dies Letztere geschah in der Nacht,
als Alexandros geboren wurde. Die Efesier zeigten
grossen Eifer, den Tempel sogleich wieder aufzu-
bauen; sie veräusserten die alten Säulen und boten
sogar den Geschmuck ihrer Frauen auf, um ihm
mehr Pracht zu verleihen, als der frühere gehabt
hatte. Dies war der Bau, dessen sämmtliche Kosten
Alexandros zu tragen sich erboten hatte, w^enn man
ihm die Ehre gönnen wollte, sich auf der Inschrift
als Gründer nennen zu dürfen. Der Baumeister war
der berühmte Deinokrates , ein Makedonier , ebender-
selbe, w^elcher seinem ICönige den kühnen Vorschlag
machte, er wolle nach Vollendung dieses Tempels
den Berg Athos in Thrakien in eine Statue von ihm
umgestalten und zwar dieser die Stellung eines Libi-
renden geben, der in der einen Hand einen ^echer
halte, aus dem ein Fluss hervorstürze, welcher so-
dann in die von der andern Hand gehaltene Schale
fallen und darauf zwei Städte bespülen solle, deren
je Eine auf jeder Seite gegründet werden müsste. ('*)
(36) Strabo XIV. p. 640. (Vitruv. Vorrede zu B. II. §. 1 — 4.
Plutarch. Ucber Alex. Glück. II , 2. und im Leben d. Alex. c. 72.
Lukian, "Wie man Gesch. sehr. T. II, 17.) Der Name des Baumei^
sters wird auf mannigfach verschiedne Art geschrieben. (Vgl. Sillig
catalog. artific)
Id autem opus (templum lovis Olympii Athenis) non modo
vulgo , sed etiam in paucis a magniQccnlia nominatur. Kam quat-
tuor locis sunt acdium sacrarum marmorcis operibus ornatae dispo-
sitiones, e quibus propne de his nominationes claiissima fama no-
minantur. Quorum cxcellentiae prudcntesque cogitationura apparatus
suspectus habcnt in Deorum sessimonio. Prilnumque aedes Epheti
Dianae lonico genere a Ctesiphonte (VhersiphroneJ Cnossio et
filio eins Melagene est instituta , quam postea Demetrius , ipiius
7*
100 DRITTES CAPITEL.
Püonios miiss also gegen das Ende der oben erwähn-
ten zweihundert Jahre gelebt und gearbeitet haben;
aber weder der Anfangs- noch Endpunct dieses Zeit-
raums sind sicher zu bestimmen.
Der Künstler, welcher die Bildsäule verfertigte,
blühte in der fünfundneunzigsten Olympiade, (")
Dianae servus , et Paeonius Ephesius tliciintur pcrfccisse. Mileti
ApoUinis item lonicis symnietriis idern Paeonius Daphnisque Mi-
Icsius institucriirit. Eleusine Cereris et Proserpinae. — In asty
vero Io\>em Oljmpium. — Vitruv. Praefat. L. VII. §. 15 sqq.
Diptcros aiiteni octastylos et pronao et postico , sed circa
aedem diiplices habet oidines columnariira , ut est aedcs Quirini
Doiica et Ephesiae Dianae lonica a Ctesiphonte fChersiphroneJ
constituta. L. III. 2. §.7.
Magnificentiac vera admiratio exstat templum Ephesiae Dianae
ducentis viginti annis factum a tota Asia. — Operi praefuit Cher-
siphron architectus. Plin. H. N. XXXVI. c. l4. s. 21. p. 740. (*)
Laudatus est et Ctesiphon Gnossius aedc Ephesiae Dianae ad-
niirabiii fabiicata." Plin. VII. p. 395.
Die Handschriften haben in obigen Stellen bald Ctesiphon
bald Cresiphon , oder Chrysippon j oder Chtesiphreon. Die Grie-
chischen Codices des Strabon scheinen die wahre Lesart, Chersi-
phron, zu geben.
lam tum (sub Servio rege) inclytum Dianae Ephesiae fanuui :
id comnuiniter a civitatibus Asiae factum fama ferebat. Livius I, 45.
Kqoiai^ Si i'art ava&rifiaTu iv Eipiao), u'i n ßöiq at ^(Qvaaui,
xal tijiiv xiövmv ul n.oX'kaL Herod. I, 92.
(37) iVonageiiwa «yumta Olympiade florucreNaucydes, Dinome-
nes, Canachus j Patrocles. — Centcsima quarta decima Lysippus
fuit, cum et Alexander Magnus, — Ita distinctis celeberrimorum
aetatibus, insignes raptim transcurrara, reliqua multitudine passim
(*) Vitruvius unid Plinius sind beide im Irrthum, indem sie den
Chcrsifron, der (nach Thiersch Epo'ch. II. p. 37. bei Sillig)
um den Anfang der Olympiaden lebte und den alteren, durch
Ilerostratos niedergebrannten, Tempel zu bauen begonnen
hatte , als Baumeister des neuen prachtvollen Ilciligthums
auffiihren , welches ein Werk des unternehmenden Deino-
krates war, von dem auch die erste Anlage zu der spater
aufblühenden Stadt Jlexandria rührte. W.
DRITTES CAPITEL. ' 101
d. h. achtzig Jahre, nachdem Xerxes den Tempel
zerstört hatte, Sechsundsechzig Jahre vor des Alexan~
dros Feldzug und dreihundert und neunundneunzig
vor Christi Geburt. ('*^
Dieser ausgezeichnete Künstler war der Sikyo-
nier Kanachos, ein Schüler des Poljkleitos aus Ar-
gos. ('^) Wir haben noch von verschiednen Werken
dispersa. — Canachus Apollinem nudum , qui Philesios cognomi-
natur in Didymaeo , Aeginctica acris tcmpciatiira: Cen'u/nqiif una
ita vestigiis suspcndit, ut linum siibtcr pcdcs trahatgr, alterno
morsu digitis calcequc rctincntibus solum, ita vertcbralo denle
iitrisque in partibus, ut a repulsu per viccs resiliat. Idciu et
Celelizontas pucros fecit. Plin. H. N. Lib. XXXIV. cap. 8. sect. 19.
p. 649, 655. Edit. Delph.
Altcrnis vicibiis mox digitos mox caicem credas haererc solo :
dcntes ita sunt vcrtcbralis ossibus similes , mohilesque ac ßexiles
in utrisque partibus, sive dextris sive sinistris , ut si ununi pellas
statim alii per vices, hoc est, si laevos pellas, dextri; si dex-
tros , laevi resiliant. Intcrpres. loc. (*)
(38) Im Original steht 124 J. nach der Zerstörung des Tem-
pels durch Xerxes, 22 J. vor des Alcxandros Feldzug und 356 vor
Chr. Geb.^ eine Art der Berechnung, die mir unerklärlich ist.
W.
(39) Pausan. II. 10. §. 4. p. 134. VI. 13. §. 4. p. 483. VII.
18. §. 6. p. 570. (**)
(*) K. O. Müller (im Kunstblatt Nr. 16. zum Morgcnblatt 1821.)
übersetzt diese Stelle, nach der Berichtigung von Facius in den
Collcctancen zur Alterthumsliundc S. 40. also: »Kanachos
vorfertigte einen nackten Apollon, der Phiieüios heissct, im
Didyniiion von äginetischer F.rzmischung: und setzte einen
Haben fcorvumj danel)en auf die Weise , dass ein Faden
unter dessen Füssen durchgezogen wurde, an welchem die
Klauen des Vogels wechselnd hafteten und sich anklammer-
ten, indem die Zehen an beiden Füssen so gegliedert waren,
dass sie von der Berührung eine um die andere zurück-
sprangen.« W.
(**) Ji'iiickelmann (Gesch. d, Kunst. B. IX. Cap. 1. §. 9.) und
Mejer (Geschichte der biUlenden Künste bei den Griechen
S. 273.) linden au obiger Zeitbostimmung bei Plinius keinen
Anstand. Wie aber zuerst Schovn (Studien der griechischen
Künstler. S. 199.) angedeutet , nach ihm Thiersch (Epochen
102 DRITTES CAPITEL.
desselben Nachricht, z. B. von' den auf Rennern
sitzenden Knaben, (*°) von den Statuen der ünter-
feldherrn zu Delfo^ die mit . Lysandros den i^ieg bei
yiegospotamö erfochten, (**) von der Bildsäule des
Bjkelos, des ersten Sikyom'ers, der im Faustkampfe
der Knaben zu Olympia siegte, (*') von einer Statue
der Afrodite zu Sihyon aus Gold und Elfenbein. (")
(40) Die von Pliniiis angefi'ilirten pueri celetizontes.
(41) Paiisan. X. 9. §. 4. p. 820. (Im Verein mit Patrokles
hatte er deren zehn aus Erz verfertigt. W.)
(42) Pausan. VI. 13. §. 4. p. 483.
(43) Pausan. II. 10. §. 4. p. 134.
der bildenden Kunst, Abbandl. II. S. 43. Anm.) und K. O.
Müller (a. a. O.) zu beweisen gesucht und endlich Böckk
(Corpus Inscriptt. Gr. I. p. 39) und Sillig (Catalog. Artific.
p.l36.) bestätigt haben, ist man durch unvereinbare chrono-
logische Angaben genöthigt, in der Kunstgeschichte einen
älteren und einen jüngeren Kanachos anzunehmen, die
beide aus Sikjon und vielleicht Blutsverwandte waren, aber
ohngefähr ein Jahrhundert von einander lebten. Nach ihnen
war
I. Kanachos der ältere ^ ein Sohn des Kleötas ^ Bruder
des gleich kunstfertigen Aristohles und Zeitgenosse des Age-
ladas. Die grösste Blüthe seiner Kunst fallt in die nächste
Zeit nach der siebenzigstcn Olympiade, und von den einem
Kanachos zugeschriebenen Kunstwerken kommen ihm fol-
gende zu: 1) Eine Bildsäule der Jfrodite im Tempel zu Ko-
rinthos. 2) Ein Musenpaar , das er gemeinsam mit seinem
Bruder Aristokles ausarbeitete, wozu sodann Ageladas die
dritte aufstellte. 3) Die Bossebändiger oder y.(}.r^iCovxn;.
4) Die Statue des Ismenischen Apollon in einem Tempel
dieses Gottes bei Thebä. 5) Die eherne Bildsäule des
Apollon Didjmüos , in übermenschlicher Grösse, sein vor-
züglichstes Werk , das Xerxes Olymp. 75, 2. (4/9 vor Chr.)
nach Agbatana in Grossmedien wegführte und erst Seleukos
Nikator zurücksandte.
II. Der jüngere Kanachos j vielleicht des älteren Enkel,
Schüler des älteren Polykleitos von Argos und Zeitgenosse
der oben von Plinius angeführten Naukydes, Deinomenes
und Patrokles, bliihte um die fünfundneunzigste Olympiade^
und hatte 1) die Statue des Bjkelos und 2) von den vielen
Bildsäulen , welche Ljsander nach seinem Olymp. 93 , 4.
(405 vor Chr.) bei Aegospotamö über die Athenische Flotte
erfochtenen Siege nachDelfö weihte, im Verein mitPatrokles
zehn aus Erz gegossen. W.
' DRITTES CAPITEL. _ 103
Er arbeitete ebensawohl in Marmor (**) als in jenen
kostbaren Stoffen und hatte einen Bruder Namens
Aristokhs , der ihm an Ruf nicht weit nachstand. (**)
Der Apollon DidymUos oder, wie er auch zuwei-
len bezeichnet wird, Philesios war aus Erz von der
Aeginetischen Mischung gegossen, nackt und, wie er
auf Münzen des Augustus und Caligula dargestellt wird,
mit einer Lyra. Daneben wurde auf eine artige
Weise ein Hirsch in der Schwebe erhalten, C^) wel-
ches Thier er auf einer Münze des Balbinus auf der
einen Hand hält, sowie seinen Tempel auf der an-
dern. {*'') *
Der Apollon Ismenios bei Theba , aus Cedernholz
geschnitzt, war ein Werk desselben Kanachos und
(44) Plin. XXXYI. p. 731.
(45) Pausan. VI. 3. %. 4. p. 459- VI. 9. §• 1. p. 472.
(46) Siehe Anmerk. 37.
(47) Ucber den Styl unserer kolossalen Bildsäule und ihre
Aehnliclikeit mit dem Gepräge auf Milcsischcn Münzen und mit
nachgebildeten Statuen in mehren unserer Museen, z.B. in Cassely
vgl. K. O. Müller's Abhandlung »lieber den Apollon des Kanachos«.
in dem oben bezeichneten Ku nsf blatte. Noch genauer spricht sich
dieser kunstsinnige Altorthumskenner über den Begriff, den man
sich aus den Nachrichten und Nachbildungen dieses Werks von
demsellien machen könne , in seinen »Doviernu Abthl. I. S. 360.
in folgenden Worten aus : »Der Gott erschien in männlicher Ge-
stalt, mit breiter und starkgewölbter Brust, viereckig an Kör-
perbau, von torösen Muskeln, die Beine fast säwlenähnlich und
von festem Stande, das linke wenig vorgestellt. Die gescheitelten
Haare umwindet ein Band, vorn liegen sie in kleinen drathför-
migen Löckchen iibor der Stirn; auf jeder Schulter drei gefloch-
tene Zöpfe; hinten fallen sie in einem breiten Busche über den
Riicken. Das Gesicht zeii:te einen den Aeginetischen verwandten
-Typus. Die rechte, gerade vorgestreckte Hand trug ein Hirsch-
'kalb, die linke mehr gesenkte einen Bogen. Der Eindruck des
Ganzen konnte kaum anders als ernst und streng sein, und musste
mehr Hoheit und Würde als Anmuth und Lieblichkeit wieder-
geben.« W.
104 DRITTES CAPITEL.
glich dem zu Didymö so sehr, dass es, nach des Pau-
sanias Bemerkung, keines besonderen Kennerblicks
bedurfte, um, wenn man das eine von beiden Bil-
dern gesehen und den Namen des Meisters vernom-
men hatte, zu errathen, von wem das andre verfer-
tigt worden war. (**)
Mit welcher Pracht und mit welchem bewunde-
rungswürdigen Geiste das neue Gebäude angelegt
wurde, lässt sich noch einigermassen aus den vor-
handnen üeberresten abnehmen. Strabon nannte es
iden gross ten aller Tempeln und fügt hinzu, er sei we-
gen seiner Grösse ohne Dach geblieben; Pausanias
beschreibt ihn als unvollendet, aber als ^ eines der
Wunderwerke loniens, und Vitruvius zählt ihn j unter
den vier Tempeln auf, welche ihre Baumeister auf
den Gipfel des Ruhms erhoben hätten. (*^)
Es ist beachtenswerth, dass die Nähe einer Quelle
für ein nolhwendiges Erforderniss bei den Orakel-
sitzen des Apollon galt; blieb dieselbe aus, so glaubte
man, es verlasse auch, der Gott den Wohnsitz. Auf
diese Bedingung berief er sich daher auch in einer
Antwort, die er über das Verstummen der Orakel
ertheilte, (*°) indem er erklärte, auf das Geheiss der
(48) Pausan. IT. 10. §. 4. p. 134. IX. 10. §. 2. p. 730.
(49) Strab. XIV. p. 634. Pausan. VII. 5. §. 2. p. 533. Vitruv.
Praef. Lib. VII. §. 16.
(50) Utgl taiv ly.i.sXoinoTwv xQflO'tflQfotv f^g^aiv avroq o'AnöXkwv'
'Afiqit di Hv&o) ol (1. not) Kkagftjv {rt omittend.) fiavitv-
fiaxa 'Polßov
AvSr^au (fänq '^fier^Qf] &f/niT(ö$eai.v o/t<paiq-
Muglu fih' yaltfi fiavTijia &^axfXu voiro)
£ßXva&t} , jitjyal re y.at aaS-ftaru SiVTjfvra'
Kai T« fih a^ )^&oviot,ai.v vnal xökTtoiaiv ?SexTO ~
Avrri yaia /avovaa' tk 6 wkeat f/vgio<; ulwv.
Movvo) d IliXlm q>afaif{ßgÖT<o tlair faaiv
Ev /iidvfiO)v yvüXoiq MvxaX-ijtov fv&iov vömg,
DRITTES CAPITEL. 105
Götter seien unzählige Orakelquellen aus der Erde
hervorgebrochen, fiiessende Wasser sowohl als wir-
belnde Dämpfe; einige habe die klafFende Erde in
ihren Schoos wieder aufgenommen, andre seien ver-
siegt durch die Länge der Zeit, aber noch immer
erfreue sich Apollon des begeisternden Wassers vom
Mykale in der Thalgegend von Didymö , und der
Quellen zu Delfö und KUros, (**)
Von den drei Quellen, die sich, wie bemerkt,
als ein unversiegter Besitz des Gottes 'erhielten, ist
die Kastalische so oft besungen und besprochen wor-
den, dass ihre ausserordentlichen Eigenschaften wohl
als bekannt angenommen werden dürfen. Die Kla-
rische scheint mit ihr gewetteifert und gleichen An-
spruch auf poetische Begeisterung gemacht zu haben,
war indessen in der Mittheilung weniger freigebig,
indem nur der Priester dieselbe empfangen konnte.
Dieser war zwar gewöhnlich ein ungebildeter Mann
und des Versmaasses unkundig, sprach aber doch,
wenn er nur die Zahl und die Namen der Fragenden
vernommen und in der Höhle aus der verborgnen
Quelle getrunken hatte, Antworten in Versen über
die Gegenstände aus, über welche die Fremdlinge
den Gott in ihren Gedanken befragt hatten. Er wurde
nur aus gewissen Familien gewählt und meistens aus
Miletos.
Uv&öJvöi t orte iii^av vrtal Jlagvaaatov alnoi
Kai xQavari KXaqlii, rgTjxv atöfia (poißüSoq o/tijo^c.
Euscb. Pracp. Evang. L. V. c. 16.
(51) Daher werden diese drei Orakclsitze zujamincn, als aus-
{jczriclmet durch die häulige Gegenwart des Gottes, von dem
Gcogiafcii Dioiiysios Periegetes v. 441 iF. angeführt:
Toj TtuQu Ilv&mv o(i &V01V ndSov — —
— — — ro&i noX)Mxi'(; ovto? AnölXwv,
'// itno MtXfJTOv , rj ?x KkvcQov apr» ßtßri*o><i,
'latü/iivof XQvatrfi araXiiiTai uftfut <puQ^v^^.
106 DRITTES CAPITEL.
Aus den oben beschriebenen Gebräuchen, die
bei den Branchiden der wirklichen Weissagung vor-
ausgingen, ersieht man, dass man sich hier des Was-
sers auf eine verschiedne Weise bediente, wiewohl
zu demselben Zwecke. Wenn auch der Prolet nicht
von dem Wasser trank, so glaubte man doch dessen
göttliche Begeisterung von der sogenannten Mykalei-
schen Quelle herleiten zu müssen, die vielleicht ihren
Ursprung auf dem Berge Mykale haben sollte, sowie
bei dem Hafen Panormos den Branchiden gegenüber,
nach des Päusanias Angabe, ein Wasser hervorquoll,
das auf dem Mykale entsprungen, gleich dem Alfeios,
durch das dazwischen liegende Meer geflossen war. (")
Denn nachdem der Geschichtschreiber Ä^a///5//(e«e5 er-
zählt hat, dass der Profet des Zeus Amnion dem Kö-
nig Alexandros die Antwort, dass er des Zeus Sohn
sei, ganz gegen das Herkommen, in Worten gegeben
habe, so versichert er, Apollon habe das Orakel der
Branchiden verlassen und die Quelle sei ausgeblie-
ben, seitdem Xerxes den Tempel geplündert; damals
aber sei sie von neuem erschienen und Milesische
Gesandte hätten viele Weissagungen nach Mernfis ge-
bracht von der göttlichen Geburt des Alexandros,
seinem künftigen Siege bei Arbela , dem Tode des
Dareios und anderen grossen Ereignissen der Zu-
kunft. (")
(52) Paiisan. V. 7. §. 3. p. 39t.
(53) Oux oji;7Tfg iv /Ifk(f6iq Kul BqaYX^^oiii; t«? «jio&eanlafii; Siu
Xoyo)v y «AA« vii'i/Liuai xal avfißoXoiq %o nl^ov. — TfQoc;T(jt(yo)dH öh
TOUTOt; o KaXXia d-fVTji; , ort tou AnoD.ojrot; xo iv Bgity^fäun; fiuv -
tfiov ixXiXomÖTO^, i^ otov to iegov vno vutv Bgay/J^'»''' OfavXriTO inl
AtQ%ov nfQOiauvTwv , ixXiXomvtuq 6i xul t»;; x^tji'^j?, tote rj tt xQ^ifri
avuayoi y.ul fxuvtiiu noXXu oi Mü.riatwv ng^aßfiq .... y.ojua&ivxf^
«1? Mt/ncpiv nf{jt T^i; ix /tioq ytr^aiox; tou AXt^urdgov , xal Tt;s iao-
fiivvfi negl "AgßtjXa vixTjq xal tou /juqdov &uvutov x. t. X. Strabo.
XVII. p. 8l4. Et fons defecisset; et hunc tum denuo scaturiisse et
DRITTES CAPITEL. 107
Der kritische Strabon nennt diese Erzählung
poelisch übertrieben und in der That muss man fra-
gen, wie die Milesier, wenn ihr Orakel damals Kunde
von der künftigen Grösse des Alexandros hatte, so
unaufmerksam auf dasselbe, so irreligiös, oder so
übel beralhen sein konnten, um eben diesem Alexaiu.
dros, welchem die übrigen Städte loniens ihre Thore
geöffnet hatten, den Einzug in ihre Stadt mit Gewalt
zu verwehren, (**) seine Flotte heransegeln und die
Makedonier die Sturmmaschinen anlegen zu lassen?
Jetzt erst, als ein Theil ihrer Mauern einstürzte, ver-
suchten sie theils auf Kähnen, theils auf ihren Schil-
den auf eine der Inseln zu entkommen, die vor ih-
rer Stadt lagen. (**) Sie wurden aber an dem Eingang
des Hafens aufgefangen und nur dreihundert erreich-
ten ihr Ziel. Um diese zurückzubringen, sandte
Alexandros Schilfe aus, auf deren Vordertheilen
Leitern angebracht waren, damit die Soldaten die
schroffe Küste der Insel hinansteigen könnten. Als
er aber erfuhr, dass die Griechischen Söldner, welche
die Mehrzahl der Entkommenen ausmachten, sich,
bis zum letzten Blutstropfen zu vertheidigen bereit
seien, verschonte er sie, um ihrer Tapferkeit und
Treue willen, und nahm sie in sein Heer auf. (*®)
Die mit dem Xerxes entflohenen Branchiden
hatten die Erlaubniss erhalten, sich unter den Bak-
triern in einer Gegend niederzulassen , wo sie fern
von Griechenland keine Strafe fürchten zu müssen
glaubten. (") Sie umgaben ihre neue Stadt mit Mauern
Milesioriim legatos Memphim profectos multa responsa attuliüse. —
(Intci'pros.)
(54) .^Irabo. XIV. p. 635.
(55) Sinl.e Taf. I. zu Cap. II. und oben S. 61 f.
(56) Frcinshcniii Supplement, in bist. Curtii. Lib. II. Cap. VII.
s. 17 sqq.
(57) Strabo. XL p. 518
108 DRITTES CAPITEL.
und hiessen sie nach ihrem Namen BQayxi8ai. Alexan-
dres, der mit fast unglaublicher Schnelligkeit alle
Hindernisse auf seinem Zuge überwand, erschien
vor ihren Thoren fühf Jahre nach der Einnahme von
Miletos. (*") Ihre Nachkommen hielten noch an den
vaterländischen Sitten, redeten aber eine gemischte
Sprache, indem sie im Ganzen die Redeweise ihrer
Väter fortgepflanzt, aber sich doch auch sehr viele
Ausdrücke des Volks, unter dem sie jetzt wohnten,
angeeignet hatten. Sie empfingen den König mit
Freude und unterwarfen ihm ihre Stadt und sich
selbst. Alexandros kannte den alten Hass der Mile-
sier gegen die Branchiden, versammelte darum die
Milesier, die in seinem Heere dienten, und legte das
Schicksal der Stadt in ihre Hände, je nachdem sie
lieber des alten Vergehens der Branchiden, oder
ihres gemeinsamen Ursprungs eingedenk sein woll-
ten. Als sie versohiedner Meinung waren, behielt
sich der König die Entscheidung vor. Am folgenden
Tage begaben sich Abgeordnete der Branchiden zu
ihm; er befahl ihnen, ihm zu folgen , zog mit einer
Schaar leichter Truppen in ihre Stadt ein und beor-
derte seine Schwerbewaffneten die Stadtmauern zu
umringen und auf ein gegebenes Zeichen diesen Zu-
fluchtsort der Verräther zu plündern, sie selbst alle
niederzuhauen. Sein Befehl wird vollzogen; wehr-
los werden sie gemordet, ihrer gleichen Sprache,
ihrer Bitten und Flehen achtet man nicht. Verwü-
stet werden die heiligen Haine, aufgerissen die Grund-
mauern der Stadt und die letzten Spuren vertilgt, so
dass jene Stätte in eine nackte Wüste und unfrucht-
bare Einöde verwandelt wurde. (*®) Selbst die wärm-
(58) In seinem 28. Lebens- und 2. Regicrungsjahre; vor Chr.
,Gcb. 328.
(59) CiirMus VII, 5. lelian. Fragm. p. 790. ed. 1685. und
Suidas unter dem Wort : B^uy;^Cdai.
DRITTES CAPITEL. 109
sten Vertheidiger haben diese Härte nicht rechtferti-
gen können, da diese nicht die wirklichen Verbre-
cher, sondern ihre schuldlosen Nachkommen traf,
die Miletos nicht gesehen und noch weniger die Tem-
pelschätze an Xerxes veri'athen hatten. {^)
Nach der Flucht der Branchiden scheint dieThä-
tigkeit des Orakels nur so lange Zeit unterbrochen
worden zu sein, als dazu erfordert wurde, das Tem-
pelgebäude wieder soweit in den früheren Stand zu
setzen, dass die neuen Vorsteher die heiligen Ge-
bräuche gehörig verrichten konnten. Diese Erneue-
rungdes Orakels fand Statt, ehe Alexandros Besitz
•von Miletos nahm, denn damals sollte Seleukos Nika-
tor j, ein Krieger im Makedonischen Heere, dann un-
(60) Plutarch. p. 557. Tom. II. Edit. Paris. (De sera numinis
vindicta Cap. XII. Vol. IV. p. 244. ed. Hütten.)
Den von JVesseling zu Herodot. VI, 19. und von Ciavier j
Memoire siir les oraclcs des ancicns p. I31ff., vorgebrachten Grün-
den, dass das ganze von Strabon, Aelianos, Suidas, Gurtius und
dem Verfasser der pseudopliitarchischen Schrift de scra n. v. er-
wälinte Factum eine durch Kallisthenes veranlasste Dichtung sei,
räumt Müller im Kunstblatt N. l6. soviel ein, dass die Ansiede-
lung der Branchiden in Baktriana eine Fabel sein könne j von den
Geschichtschreibcrn des Alexandros ersonnen, um eine Gransamkc't
gegen ein Baktriaoisches Volk zu entschuldigen. Mir scheinen
jedoch jepe Zweifelsgriinde nicht So gewichtig und unwiderleglich,
lun alle jene Schriftsteller für Täuschende oder Getäuschte zu hal-
ten. Noch weit mchi entfernt sich aber Hr. Ciavier von einer
besonnenen Kritik , wenn er die oben S. 97. besprochene Angabe,
dass tler Tempel zu Didymö durch Xerxes geplimdcrt und ange-
ziindct worden sei , wegen des Stillschweigens des Herodotos fiir
ganz unglaubwürdig erklärt. Wäre es im Gegenthcil nicht auffal-
lend, wenn die Milesier, denen die umliegenden Berge Baumaterial
und Marmor in Menge boten, in einem Zeitraum von fast zwanzig
Jahren , die zwischen dem Brande durch Dareios und dem Zuge
des Xerxes liegen , das ihnen unermesslichcn Kcichthum vcrspre-
chemlc Orakelgcbäudc nicht wieder hergestellt oder aufgebaut
hätten ? W.
110 . DRITTES CAPITEL.
ter Perdikkas Anführer der adligen Reiterei (") und
später einer der mächtigsten Nachfolger des Alexan-
dres, begierig sein künftiges Schicksal zu erfahren,
das Orakel wegen seiner Rückkehr befragt und fol-
gende Antwort erhalten haben:
Mrj OTiivö' EvQ (jaiti^v, Adii] toi itoWov
äfj,€ll' CUV.
JSicht nach Europa gestrebt! da Asien weit mehr
dir frommet.
Als derselbe sodann wegen seines Todes fragte, soll
ihm folgender Spruch ertheilt worden sein:
'Agyog dksv 6ij,£vo g t6 7t€7tQ(o fzsvov €tg
€Tog Tj^eig'
El ö' 'Aq^el 7t ey^döatgy tote y.ev ita^a
^oiQav oXoio.
PFenn du kein Argos berührst j so erreichst du das
Jahr der Bestimmung ;
TVenn einem Argos du nahest, so stirbst du gewahr
Samen Todes.
Ob dieser letzten Antwort forschte er sorgsam nach
allen Orten, die Argos hiessen, und hütete sich eins
zu betreten; Der erste Spruch schien sich als w^ahr
zu bestätigen durch die hohe Stellung, die Seleukos
in Asien einnahm, und der letzte ging in Erfüllung
durch seine Todesart. Denn als er in seinem drei-
undsiebenzigsten Lebensjahre, im zweiundvierzigsten
Jahre seiner Regierung nach Europa übersetzte, w^urde
er nicht fern von der Stadt Lysimachia auf der Thra-
kischen Chersonesos, in deren Nähe ein Altar stand,
den die Landesbewohner Argos hiessen, von Ptole-
mäos Keraunos überfallen und ermordet. (*^) Als ße-
(61) Diodor. XVII I. 3. p. 259. ed. Wesseling. W.
(62) Im J. 282 vor Chr. Appian. Syriac. p. 198, 207, 208.
edit. Amstelüdam. 1670. (p. 123, 129. ed. Henr. Steph. Vgl. Dio-
dor. XIX. c. 90. p. 387.)
DRITTES CAPITEL. 111
weis seiner gerühmten Gottesfui'cht und Achtung
gegen den Tempel der Branchiden kann dies gelten,
dass er die eherne zu des Xerxes Zeit nach Jgbatana
in öledien weggeführte Bildsäule des Gottes wieder
zurücksandte. (") i ^
Die zwei Könige und Brüder Schukos II, , Kalli-
nikos \xn6. Antiochos Hierax zeigten gleiche Verehrung
gegen Apollon xind gleiche Freigebigkeit gegen unse-
ren Tempel, wie eine interessante Urkunde bezeugt,
welche der Consul Sherard an Ort und Stelle im Jahr
1709 und abermals^ im Jahr 1716 abgeschrieben und
Chishull öffentlich mitgetheilt hat. (®*)
Auf der Nordseite des Tempels fand man näm-
lich unter einer Hütte ein viereckiges Stück jMarmor,
worauf ein Brief des Königs Seleukos an die Milesier
nebst einem Verzeichniss der mit dem Schreiben ab-
gesandten königlichen Geschenke eingegraben war.
Der Werth der goldnen und silbernen Becher, Scha-
len und Gerälhe von verschiedner Grösse und Benen-
nung übersteigt den von dreizehnhundert und fünf-
zig Pfund Sterling, ohne weder das kostbare Räu-
cherwerk und die theueren Salben zu rechnen, deren
Werth sich nicht mehr schätzen lässt, noch die zwölf
Altäre, die er sammt tausend Opferthieren weihte.
Die Veranlassung zu dieser Freigebigkeit war die
unerwartete Rettung des Seleukos, den man im Kriege
umgekommen glaubte, und der Abschluss eines Frie-
dens auf zehn Jahre zwischen ihnen und dem Ptole-
müos Euergetes, (")
Ebenso gedachte auch ihr Feldherr Deodamas,
als er die Gränzen der Sogdianen überschritt, da wo
(63) Pausan. I. 16. §. 3. p. 39.
(64) Antiqiiitatt. Asiat, p. 65 sqq.
(65) Im Jahr 243 vor Chr. (Vcrgl. lustin. \XVII, 2. Plutarch.
de frat. anior. p. lu. 489. Apophtbegmatt. p. 184.)
112 DRITTES CAPITEL.
Alexandros eine dritte Stadt gegründet und nach sei-
nem Namen benannt hatte und Altäre von Bakchos,
Herakles j von der Scmiramis und von Kyros als Denk-
male ihrer weiten Züge errichtet vraren , hier in so
weiter Ferne gedachte er der besonders verehrten
Gottheit seiner Herrn und errichtete auf der Gränze
des Persischen und Skythischen Reiches seine Altäre
dem Apollon Didymäos. (^^)
Zu den Wohlthätern, die in einer andern In-
schrift erwähnt werden, gehört Prusias III., mit dem
Beinamen Kynegos , der Jäger , König von Bithynien,
der gewisse Ersllingsgaben weihte, und zwar, wie
der gelehrte Chishull vermuthet, wahrscheinlich aus
der Attalischen Beute. (^') Der köhigliche Räuber,
der bei der Plünderung von Pergamon das Bild des
Asklepios auf seinen eignen Schultern weggeschleppt
hatte, hoffte wohl durch die Freigebigkeit, die er
hier gegen Apollon bewies^ seinen Frevel an den
Göttern zu sühnen. Der Hülfe dieses Apollon, wel-
cher der König zum grossen Theil seine Macht zu
danken hatte, und der Verehrung, welche sein Nach-
folger dieser gütigen Gottheit bewies, gedenkt auch
der Chier Skymnos in einigen Versen, die an den Kö-
nigssohn Nikomedes gerichtet sind. (^^)
Von solcher Art waren die Weihgeschenke alter
Kunst, mit welchen unser Tempel, der Meldung des
Strabon zufolge, reich ausgestattet war. (^^)
(66) Solinus, Mem. Asiae, pag. 104. (Polvhist. Cap. XLIX.
5 3— 6. p. 257 sq. ed. Gocz.)
(67) Im Jahr 156 vor Chr. Chisli. Ant. Asiatt. p. 94.
(68) V. 55: ^to y.al ty nqo&iaii., avfißovXov inikf^üfiTiv
Tov avyxuTogd-ojouvxa xut tw orq> nuTQt
Ta TTjq ßaaiXtlai; tiqotiqov , w; unouofiev, ,
IJaqa, aoC te, ßuaiXtu , yvrfltox; Tiftonfiivov
Kaxu nävvu' Tov 'AnoXlava tov iv ZItövfxoK; kiyw,
Tov y.al &f/xiaTivovra, xal fxovarjytTriv.
(69) XIV. p. 634.
DRITTES CAPITEL. 113
Alis obigen Proben lässt sich schliessen, dass
alle neuen dem Tempelschatz gemachten Geschenke,
welche wie das Orakel selbst gesonderte Zellen ein-
nah men,(^") jahrlich auf Mar mortaleln verzeichnet wnr-
den. .Wiewohl nun solche Urkunden einem harten !Ma-
teriale anvertraut wurden, so ist es uns leider doch
bisher noch nicht geglückt , ein ganzes und lesbares
Verzeichniss aufzufinden. JMan holfte, die bereits
miljieth eilten literarischen Ueberreste durch Abschrif-
ten anderer Stücke vervollständigen zu können, es
fanden sich aber nach genauer Nachsuchung in den
Trümmern und dem Schulte, welche die Stelle des
Tempels weithin bedecken, nur einige Bruchstücke,
die zu unvollständig sind, um hier angeführt zu wer-
den. Wir wollen nur der kurzen Inschrift ffedenken.
die man auf der zweiten Vignettentafel Fig. 3 sieht,
einer anderen mit dem einzelnen Worte 31JSHE0Ii
und jetzt eine dritte mittheilen, welche in grossen
und deutlichen Zü"en auf einem viereckigen Stücke
geäderten IMarmors steht, das in der Nähe des Tem-
pels in die flauer einer halh zerstörten IMoschee ein-
gefügt ist. Sie wurde, wie die zwei von Priene und
Teos oben milgetheilten , von Herrn Pf^ood und auch
von dem Consul S/ierard nhgeschriehen und sollte von
Chishiill in den zweiten Theil seiner Asiatischen Al-
terthümer aufgenommen werden. ('')
nP 001/ TIIIAMAKAIK'^ •=
TAPxmMAPKO ro YAniO Y
BIANO YAAMA YOIKYPEIIS
(70) Sti aho. a. a. O. : «AAoi üi ar,y.ol xo ftuvrilov y.cd ru Uptt
avvt'xovoiv.
(71) Aiili(|iiitnlt. Asiat, j). 93. Die in seiner Voriode erwähute
Abschiift ilicscr Iiisciiiirtoa l)efin<Jct sich jct/.t in dein Biitischcu
Miisciun, N. 7509. Haileian. Catal. Die besprochene Inschiiil fin-
det sich auf S. 62 des Mannscripts.
Ion. Alt. 8
114 DRITTES CAUTEL.
BIAIS OSOIAEAIAAB^NUAPA
THIIIATPIA Ol THlSnP 0(DHTE
ANAKAHPQTEIETQIS^NEIK''-' IIT
S2NI TE0ANH0 OP OIP YMNAIJAPXO *
nATEPQNPENO YINA YAPXQNKAIKI
T^NnATPOI0A'AAMAMHTPOIAE0A
BIAlSHIPAAd) YPAlAPXIEP^]SrS2NlE
BAI T^JSnOlHIANTQNSEQPJAIEnif
MEPAIAEKAKAIMONOMAXIAIAU O TI
MO YIEniHMEPAIAEKAA YOKAIAPXIEP
QNTHII^NIAinOlHIANT^NAEKAIE
:< •= •= SEIIKAIAHMO O OINIAIKAIT YMN
AOIEIIJ')
Diesen neu aufgefundenen Inschriften verdanken
wir, ausser andern interessanten Notizen, Alles was
wir von den obersten bei der Brtheilung der Orakel
beschäftigten Beamten wissen. Unter ihnen war der
Stefancforos der oberste Priester, der also benannt
wurde, weil er bei seiner Amtsverrichtung eine
Krone trug. ('^) Uer Profet verkündete die Antwor-
(72) JlgocprjTrit; a/.ia y.ai y-(Q'^)
TUQxrj? MaQKOV Ovlniov ('Pia-)
ßtUVOV /lu/XU VOq KVQHV (« fPlu-)
ßmvot; fl'i/.suq }.ußüjv nuga
Tr,q TiUTQidoq tt^v 7tQocprje(i-)
UV ayJ.r^(iO}X(v , exoiv mv ity.{o)at i(^*- vel rfTT«^-)
o)V aTi(puvr,<poQO(; , ^■Vfivuaiagxo(<;,)
narfoojv -/erovq vavug/on' y.cti «(^t-)
Töjv' Tiuronq 'PX. /la/iia , f.irjigoq Se <P(Aa-)
ßMvrjq D.uqiVQuq uo/ugtojv twv 2'e-
ßuaTOJV TioirjaavTOJV ^fujoucq eni (tj-)
/^fQuq öixu, y.ca /iioi'Ofiu;(iuq utioti-
ftovq ent T^i^tfqaq öty.u öuo' y.ut UQ'/ifq^e-)
(ov 'crq Iwvtaq noir^auvxojv de y.ca t
Olli; y.ut 6r,i.iQ0oiviuq y.ui yufiv
(txov uyo}va.
(73) Potter, V. 1. p. 206,403. (Uebers. v. Rambach ThI. I. S. 642.)
DRITTES CAPITEL. 115
ten des (Jäkels ('*) und wurde gewöhnlich durchs
Loos erwählt, also durch eine Art göttlicher Ent-
scheidung, welche die Priester aber, wie man an-
nimmt, nach Willkühr lenken und deuten konnten.
Zuweilen entfernte ausgezeichnetes Verdienst oder
besonderer Kinfluss alle Mitbewerber, wie dies die
obio'e Inschrift von Flabianos Fileas angibt und eine
andere von Poseidonios , den sich der Gott selbst zum
Profeten erkor, nachdem ihn die Loose dreimal zur
Würde des Stefaneforos erhoben hatten. Diese In-
schrift ist in sprossen Zii"en auf einen Marmor einsfe-
graben, der in die Mauer eines halb zerstörten Hau-
ses an einem Türkischen ßegräbnissplatz bei Aliletos
einffefüiit ist.
E riEBEI TKAHP OIIU OlEIAQNIE
TPn^EAAXOlSTA
J- •= KOMAIENAIA VMOISI TEM
MAIINA&ANAT012
TOIOIS ONAUOAAQNSEnP O^HTIIN
ninAiATAvros
AHMMAKPUINMH TP Ol TE YIEBIHIS
AIKAIAS
O YKAEOI O YAAIQNEniAHSETAl
ANAPATAPEIAEIS
•= S^NnPIJSAEITO YPrS2]SO YAENIAEI
nOMENOJS {'')
(74) P. 277.
(75) Evofßiai, y.h^QOK;, IToaitScovit,
/l{f)Qy.ofii(i, tv ^iSvfiotf aTtf*"
fiUQtv uO-M'uxok;
Toiov , ov AnoXkuv ot ;Tpo(p»;Tijv
tjaiuauv «i/io?,
Af^fifiu, xQiaiv, ftrjQot t* ivaißiriv
dixuaa^ '
116 DRITTES CAPITEL.
Den Vorstehern und Beisitzern war die Bewahrung
der heiligen Schatze, die Sorge für den Tempel und
seine Heiligkeit anvertraut, und ihr Amt forderte fast
beständig ihre Anwesenheit. Die letzteren nahmen
auch Rechtsfragen, wahrscheinlich über das Vorrecht
zu opfern und die Gottheit vor Anderen zu befra-
gen, an und entschieden darüber. Diese Jurisdiction
galt für nicht unbedeutend und wird oft in Inschrif-
ten unter Gunstbezeigungen und Khrenstellen er-
wähnt, die man bei besonderen Gelegenheiten Jeman-
den als eine Belohnung ausgezeichneten Verdienstes
übertragen habe. Von dieser richterlichen Gewalt
wurden sie selbst JluQed q oi oder Beisitzer des Apol-
lon genannt. Dass dies die Natur dieses Amtes war,
ersieht man aus der Nachricht, die Strabon (^®) von
dem Rath der Amfiklyonen zu Delfö gibt. Die Zahl der
Vorsteher und Beisitzer, die gewöhnlich in dem
Eingang der Inschriften angegeben wird, ist zwei;
in einer Inschrift findet man nur Einen angeführt,
vielleicht weil dessen Amtsgenosse gestorben war;
in einer andern werden nur die Vorsteher und der
Stefaneforos genannt und zwar der Zahl nach sechs.
Ausser diesen, dem Dichter und einigen andern
Beamten, von denen wir nur sehr unvollständige
Kenntniss haben, waren beständig mehre Personen
von niederem Range im Dienste des Tempels be-
schäftigt. Der Hydroforos oder Pf^asser träger wird
in einem Fragment genannt, das wir abgeschrieben
haben. Alle diese nebst den Leuten, welche die
Lebensmittel, den Weihrauch und andere Bedürf-
Ou xAfos ov8 airnv iTiilrjaevui-
avÖQa ^UQ eü.sv
(Tywv TiQiv liiTOVQycüv ovöevt. Aei-
nofltvov.
(76) Strabo IX. p. 419-
DRITTES CAPITEL. 117
nisse zum Leben und Gottesdienst lieferten, hatten
sich mit ihren Familien hier niedergelassen und bil-
deten innerhalb des Tempelraunis ein Dorf, (") das
durch den Zusammenfluss der gläubigen Fragenden
und noch mehr, wie man meinte, durch den unmit-
telbaren Kinfluss ihres Gottes bereichert wurde. Als
Eigenlhum der Gottheit galt der Ort und seine Um-
gebung für heilig und hiess heilig, ('®) darum gaben
ihn die zehn Gesandten in dem Verlraar zwischen den
Römern und /intiochos den Milesiern, welche ihn ver-
lassen hatten , wieder zurück. (^^)
Unter den Römörn verloren die profstischen
Künste überhaupt und die Orakel insbesondere an
Ansehn ; jenes Volk hing hauptsächlich den Sibyllini-
schen Biicliern an und der Etruskisclien Sitte, aus der
Lage der Eingeweide, dem Flug der Vögel und den
Erscheinungen am Himmel zu weissagen. (^°) Aus
dieser Vernachlässigung oder Verachtung der Orakel
rührt es auch wohl her, das« man in der Geschichte
unseres Tempels eine Lücke bis zur Regierungszeit
des Tiberius findet. Dieser übertrug nätnlich dem
Römischen Senat die Untersuchung und Entscheidung
über die zahlreichen Griechischen Asyle, von denen
viele, wie man angab, ohne Erlaubniss eröffnet wor-
den waren, die l'empel mit verworfnen Flüchtlin-
gen jeder Art erfüllt und Unruhen unter dem Pöbel
erregt hatten, der die Schandthaten der Flüchtigen
(77) Strabo. XIV. p. 634: Kio/itjq yovv xatoixlav 6 Toy ot]xov
niQfßoXo:; SfSexrai.
(78) Livius XXXVIII, 12: Transgressi Maeandnim ad Hieran
Comen pcrvenerunt (13:) Fanum ibi augustum Apollinis et ora-
cultim.
(79) Derselbe Cap. 39: Dccem legati Milesiis, quem sacrum
appellant, agnim rcstifuenint. Polybios p. 1172. ed. Amstelod.
1670. (E.xcerpt. legat. XXVI.)
(80) Strabo. XVII. p. 813.
118 DRITTES CAPITEL*
wie Heiligthümer der Götter beschützte. Abgeord-
nete aus jeder Stadt vertheidiglen ihre Rechle und
die Milesier beriefen sich auf die ihnen vom König:
Dareios ertheilte Freiheil. Darauf wurden von dem
Senat Beschlüsse zur Einschränkung dieser heiligen
Zufluchtsörler mit dem Befehl erlassen, dieselben auf
eherne Tafeln einzugraben und als bleibende Denk-
male in den Tempeln selbst autzuliängen. (*')
Ein Jahr nach dieser Begebenheit beschlossen
die Asiatischen Städte, dem Kaiser Tiberius , seiner
Mutter Livia und dem Römischen Senat auf ihre Ko-
sten einen neuen Tempel zu vreihen. Ihr Antrag
wurde genehmigt wndNei'o hielt dafür öffentlich eine
Dankrede an den Senat und seinen Grossvaler. C^)
Elf Städte bewarben sich um die Ehre, den vorge-
schlagenen Tempel errichten zu dürfen, und Tiberius
beschäftigte sich mit dem Senat mehre Tage lanjj da-
mit, die von den verschiednen Gesandten vorgebrach-
ten Ansprüche zu prüfen. Endlich erhielt Smyrna
den Vorzug, wobei man anführte, dass Pergamon
bereits durch den Tempel des Aiignstus ausgezeich-
net, die Efesier aber durch den Dienst der Artemis,
und 7l:///efo* durch den des ^po//o« beschäfligl seien. C^)
So ehrsüchtig, thöricht und anmassend diese Be-
willigung des Tiberius an sich war, so erscheint sie
doch als bescheiden und vernünflisr im Ver«>Ieich mit
den Selbslvergötlerungen des Ungeheuers Culigida,{^*)
(81) Im Jahr Christi 22, nach Roms Erbauung 775. Tacit.
Annal. III, 60, 63.
(82) Im Jahr Christi 23, der Stadt 776. Tacit. Annal. IV, 15.
(War Nero ein Sohn des Germanicus ^ des Neffen des Tiberius;
so hätte unser Verfasser das Wort avus bei Tacitus riciitiger mit
Grossoheim übersetzt. W.)
(83) Im Jahr Christi 26, der Stadt 779. Tacit. Annai. IV,
55, 56.
(84) Tacit. Ann. IV, 37.
DRITTES CAPITEL. 119
der nach seiner frivolen Laune Namen und Abzeichen
bald dieses bald jenes Gottes annahm und ablegte,
jetzt ein Bakchos sein wollte, dann sich wieder in
einen Apollon verwandelte, sein Haar mit einer Strah-
lenkrone umgab. Bogen und Pleil in die linke Hand
nahm und die Grazien in der rechten hielt. (**) Er
dachte auch daran den Gott seines Tempels zu Bran-
chidä zu berauben, indem er den Milesiern befahl,
eine Ablheilunu des lleiligthums seiner eisjuen Gott-
heit zu weihen. (*'*) Er gab dabei ihrer Stadt, veie
er sagte, den Vorzug, weil Efesos schon durch Arte-,
misj Pergamon durch Augustus und Smyrna durch Tihe-
riiis gewissermassen besetzt seien, in der That aber,
weil er sich selbst an die Stelle ihres Apollon gesetzt
wissen und seiner Verehrung dieses grosse und schöne
Gebäude gewidmet haben wollte. (^^) Darum hatte
er auch im Sinn, denselben dieser Auszeichnung da-
durch noch würdiger zu machen, dass er das aus-
führe, was bei dem Bau noch unvollendet geblieben
war. ("*)
Die Aufmerksamkeit, die man in jener Pe-
riode den neuen vom Zeitgeist hervorgerufenen, zum
Theil selbst geschaHenen Gottheiten widmete, min-
derte bei dem Volke die frühere Achtung und Ver-
ehrung gegen das bisherige System, das schon alterte
(85^ Philo lud. p. 559. Edit. Mangcy. 1742.
(86) Zonar.-is, p. 558. (EJ. Du Frcsne. Paris. 1686- Annal,
Lih. \1. C.p. 7.)
(87) Dio Cassins, p. 933. Edil. Rcimar. 1752. (Histor. Rom.
L. LI\'. C. 28.)
(8^^) Siiclon. Califj. 21: Drslinaverat et Mileli Didymaeum
pcrnfjnc. — .\iich ))ri andern Sciiriltstoilern wird das Gebäude
zuweilen Didynuinn fjenannt.
Anl dieses Vorliahen liezieht sich wahrscheinlich eine Münze
des Calignlaj worauf ein nackter Apollon mit einer Leier und
die Legende MlAH2I.flN JIztTMET^ ist. Siehe ChishxiU p. 90.
120 DRITTES CAPITEL.
und sich allmählig seiner Auflösung näherte. Da-
her zeigte man zu Didymö einen Altar, den sich
der TliebäiscJie Herakles , ("") ^wie die JMilesier mel-
deten, aus dein ßhile der C)f)ferlhiere d. h. aus
Erde, die statt mit Wasser mit dem Blut der Opfer-
thiere verarbeitet war, errichtet hatte. (^°) Tansa-
nias bemerkt aber dabei, dass der Altar in späterer
Zeit durch das Blut der Opfer nicht sehr erhöht wor-
den sei. Die Orakel, deren Institut von einer be-
trieb- und erwerbsamen Priesterschaft auf den herr-
schenden Aberglauben künstlich gegründet vv^ar,
mussten nothwendig mit ihrer Schutzgotlheit an An-
sehn verlieren; aber verehrt von scheinheiligen An-
dächtlern und verspottet von Filosofen, erreichten
sie nur allmählig früher oder später ihr Ende, je
nachdem es ihre Vorsteher mehr oder minder ver-
standen, dem Volke zu imponiren. Immer bleibt es
zu verwundern, dass ein so verächtlicher, auf die
Leichtoläubig-keit der Menschen berechneter Trug:
so lansre ausseübt werden konnte.
Nach den oben mitgetheilten Proben wird sich
der Leser nur eine geringe Meinung von den bei den
ßranchiden ertheilten Orakelsprüchen gebildet ha-
ben. Sie waren, vv^ie an andern Orten, gewöhnlich
räthselhaft, doppelsinnig, zweideutig und unvoll-
ständig. Dies wird sich aus der Folge unserer Er-
zählung noch mehr ergeben, so wie aus den zwei
nächsten Beispielen, die zugleich als Proben der
(89) Pausan. V. 13. §. 6- p. 4lO.
(90) Zu Delos hatte Jpollon einen Altar, der aus Hörnern
aufgeführt war, in Böatien einen andern aus der Asche der Opfer-
thicre. Potter, p. 283- 288. bei Rambach ThI. I. S. 468. (Des
Zeus Altar zu Olympia war aus der Asche der geopferten Schen-
kelsti'ickc errichtet. Pausan. V. 13- §. 5. p. 409. Ein Heerd aus
Asche ist S. 25. Anin. 17. erwähnt. W-)
DRITTES CAPITEL. 121
Versificatipn dienen können, durch die sich das Ora-
kel einen gewissen Ruf erworben hatte. ('*)
Einst faniJ man neun Holzhauer todt auf den
Bergen. Die umwohnenden Landleute befragten hier-
über das Orakel, das ihnen erwiederte, jene Männer
seien von Pon erschlagen worden, und da Artemis
als Verinilllerin die übrigen gerettet habe, so müss-
ten sie DanUgebete an sie richten, um sich die Gnade
der Göilin zu erhallen. (^')
Ein andermal wurde die Fraije vorfielest , ob es
räthlich sei, einen Eidschwur zu leisten, wenn er
verlangt werde. Die Antwort zählte Vieles auf, was
Götter erfreue und beschäftige, der eigentlichen
Frage wich sie aber aus, wenn man nicht annehmen
will, dass gerade in jener Antwort der Sinn liege,
um solche Dinge kümmere sich die Gottheit nicht. (")
(91) Livins XXXVIII, 13: Faniim ibi augiistnm Apollinis et
oracnliiiii : sortes tieisi'bus haiid incnnd'uis «lare vates dicuntur.
(92) Xfivaoy.fooK; ßXonvQoio /tiovuoov ■€fo(ino)v llüv,
Iiu{ro)v vh,ffra xur ougia yjnil y.Qurttuj
Piißfiov ¥j(fv, iT^()r] Si hyu nrtlovmtv ffttcpnre
' SvQi'/yu y).u(pvi)iiv , Nü/.iq>i](fi äi O^ii/iov iO-tXyiV
0S( Si ov()f^(cq j»(/Ao;; «»'/g«5 fTitohptv
TXoxnfinvi; nuPruq , &iifißn(; S f/ff *{(;n^ow>'Tas
^ufftoroq oort'/it'vov XQVfijov öffiuc; oioi(;»j*i'ioi;.
Jiitl VI) y.t nuficcq VftitQij.it crkni; xqvujoo d-uvuvoio,
IUI fttj Ol y.oTov idrov irl aijji9-*aa« f^nvon
yloTf/ui; c.yooifQri, rtu7a(P fi^vtoq XQUif^nlo.
Ilv aul xfiri Xtaaia& , Iva aot yfyton' iuuQOjyöt;.
Euscb. Praepar Evaiig. "V. c. 6.
(93) Mr,r/oi fiiv /uaxägav ft^Xtrat Tnr,)CSt 'Ptlij
AvXnl y.ui rvfitavwv nüjuyot x(d &i,Xui; oftiXo<;'
IluXXdSi d fi/n^Aijxt fto&ot xui tStjot^ Lri'ovq
Kid (iuXlui^ nxvXuxfaai, ßuO-vny.ontXovt; uvu itgtüraq,
Oi^gitq Ofjftnvofiovq tXunv yir,r(ü'iSi xoi'Qij,
JJg;i ä mxiXuäot fiuXuxtj ;fi'o<? tifgoi; vygt}<:'
Aifia 6 ivuXärf xofiiitv aTuxvtjgöcpa <^jjo*'
122 DRITTES CAPITEL.
Zuweilen wagte es jedoch auch der Gott, ganz
bestimmt zu antworten, wenn nämlich der Gegen-
stand der Frage nicht von gelährlicher Art war und
er Sf-lbst sicher sein konnte, nicht widerlegt zu wer-
den. Als man ihm so z. B. die Frage vorlegte, ob
die Seele unsterblich sei, bejahte er es mit bestimm-
ten Worten. C*')
Diese Lehre soll unter den Heiden zuerst von
Thaies j einem gfebornen Milesier, aufgestellt und
verbreitet worden sein. (^*)
Bedenken wir, dass die Sprüche des Orakels im
Allgemeinen, so weit vv^ir nach den noch erhaltenen
laiöi 6 UV 'iHtQi'iJ-, yorf/ioK; 7iC(()u yivfiuai TStü.ov,
]\J('.otfvn.v oYoTQoioiv iov tiooiv «,9^)f>)' Ooiqiv,
Ei St] ouv icv'/.ol y.ul iVftTiurojv nuTuyni, Jiat &ri).V(; of,n).0(; fi^kt-
TUi Tij /ifjTijl loji' &föjv , Hoy.i]Tiov dri xuutu nuorfi ufjiitji; uqxjitfvovq,
ort fiiidh> aoxfQoaiiVi-q , ^HTjd'f riroq (tA^j^q TTfji'.^fojq fifhzut tij Ti^OftQtj-
H^^'li' — — Tt oui' öti tuvxu TT^oq IOV &ioifji).tj y.ul ftuxc.ijiov avvxfC-
voi UV ßlov ; inioxf^iui öf , 710 tum 001 &ftuq ilvui öoy.tl (fvotoiq, t]
qiuvXtiq y.u\ [.(nyOriomurrfi iu t^T^q iTiü.iyofXtvu.
Eii-seh. I'iaep. Evaiig. V. c. 7.
(94) H'vyri fih' fi^xQiq ov SfOftolq ngoq aojfiu y.Qcnnxai,
fPd-u^Tu vonuou Tiud-fi &i'r^rcäq ulyrßuaiv tiy.d.
II vly.u ö ai'iiluotv ß^aitt^v fifiu oojfiu /lUQUv&tv
Jly.uanp' fU(jr,iui, iq ul&tQu uuou q^oQiliui,
jlih' uyi]0('.TOq nuou. ytrn d iq Tiufciuv uiitqrfi'
IIqu)%oyQvoq yuQ xovto &fov dtfiu^e noovniu.
lani lacübi Boissardi tractatiis de
divinatioiie et niai;icis praestigiis
p. 137. Ptl. Oppenlieiiii. fol.
(95) Dies fiilirt schon Diogenes von Lacite Lih. I. Cap. I.
s. 3. nur als Sage an. Cicero Tiisciil. F, 16 schreibt tlie Ehre,
zuerst tlie Pehauptiing einer ewigen Dauer der menschlichen See-
len anfi;esleilt zu haben , dein Fei ehjdes von der Insel Sjros,
dem Sehiiier dc^ Tiialcs und Lehrer des Pythagoras, zu, wopejen
uns Heroilot II, 123 versichert, den Satz von der Unsterblichkeit
und \Van(h'nmg der menschlichen Seele hätten die Jegjpter zu-
erst vcrthcidigt. W.
DRITTES CÄPITEL. 123
urtheilen können, obgleich sie als Eingebung des
Apollon Didyinäos galten, C*) nichtig und gehalllos
waren und der Gott seihst, um andrer Puncte nicht
zn gedenken, nicht einmal die Beleidigung des ^r/_
slodikos zu rächen und sein Ki"enthum vor der Plün-
derung der Branchiden und des Xerxes zu schützen im
Stande war, so nimtnl es uns Wunder, dass das An-
sehn des Gottes und Orakels nicht schon in früher
Zeit einen harten Stoss erlitt, noch mehr aber, dass
es sich noch lan"e Zeit in einem gewissen Grade er-
hielt, nachdem das Ileidenlhum selbst schon zu wan-
ken begonnen hatte.
(96) Jiranchns und seine Nacbkommen waren die siclifbaren
Vorstelier des Orakels, j4/>ollnn seilest der Scher und Inliaber des-
sellien. Sowie aber »>in allen HanpItiMnpcln Apollons Artemis als
seine Schwester, als Theühaberin seines Wesens und seiner Thä-
tigkeit , als eine andere Seite des Gottes angebetet wurde,« so wie
namentlich beide Kinder der Leto »dev hohen Pylho gleich wal-
tende Beherrscher« lieisscn , so stininite auch Branchos ^ der Pro-
let, wie wir S 89 gesehen haben, bei seinen Siihnungsbräuchen
ein Loblied auf Jpnllnn und Artemis an. Vgl. Müller in deu
Doiicrn I, .308. und die daselbst angeliihrte Inschr. bei ITalpole
Trav. p. 578.
Dass in der oben S. 8.3. Anm. t. mitgetheilten Stelle des Ste-
fanos und in lol.^rndom Verse <1(S Kalliiiiachos (bei Hefästion und
dem Yerfa<s< r des Ffyrnol Magn. s. v. /Juh'ii(än^):
/tiditnrn; fvi'itroiccint , 'I'olß^ re x(d Ztv /liöü/imv ytüo/at.
Zeus mit als InlKiber des Orakels angeüihrt wird, mag auf der von
Aesrliylos niclirnials ausgesproclienen Ic'ee bernlien, dassZe//i dem
Apollon die Kraft der Weissagung in die Rrust gelegt Iiabe und
dieser darum nur jenes Prof( t sei. So z. R. Aeschyl. Eumeuid. 17:
'ff'/'r,-; >^^ vir Zu':; frO-tnv xtIoui; rpo^fu,
J'Cn ifKujinv loffh paviiv iv d-[)!>vni!;'
/Itoi :T«of^f;ij;5 i' iail y/oi/i«? -auiiil)!;.
und in fr.igni. Saceidot p. 640 <d. Lond bei Potter von Ram-
bach Tbl I. S. 000: Tia\u yiui n('Tt]o
ZiLq iyy.((i}^itl ylo%(a O-innlnfturd.
Vgl. Crcuzcr, Symbolik Rd. II. 150. 163. W.
124 DRITTES CAPITEL.
Lukiajios, der zur Zeit der Antonine lebte, er-
zählt, dass ein Priester von Tyana von dem falschen
Proleten Alexandras auf die Frage, ob die zxxDidymö,
Klaros und Delfö erlheilten Sprüche ■wirklich von
j4pollon gegeben Avürden, zur Antwort erhalten habe,
dies sei ein Geheiinniss, dessen Schleier er nicht
heben dürfe; und ferner, dass jener Betrüger sich,
dadurch das Didymaische Orakel verbindlich zu ma-
chen gesucht habe, dass er nicht Wenige, die zu
ihm kamen, an jenes verwies und statt aller Ant-
wort sagte:
Mq ayxLÖ eiii V äö vrotöi 7t ekd^so , y.ai
Horch im Heiligthuni der Branchiden dem Spruche
der Götter! (»'')
Ein andrer Schriftsteller Klemens von Alexandria,
der um die Zeit des Kaisers Severus blühte, vv^ill dies
Ansehn der heidnischen Tempel darum herabgesetzt
"wissen, weil sie zuweilen zu Begräbnissplätzen und
Behältern lür Leichname gedient hätten. Unter sei-
nen zum Beleg angeführten Beispielen findet sich,
ebenso wie bei Arnobius , auch der Branchidentem-
pel genannt, da ein 31ilesischer Schriltsleller ihn als
i\ei\ Begräbnissort des Klearchos bezeichne. C^)
In welcher Periode das Orakel zu Klaros ganz
aufgehört habe zu sein , lässt sich nicht sicher be-
stimmen. Zur Zeit, als Strabon schrieb, war es ver-
stummt, i^'^) lebte aber wieder auf und wurde von
(97) Luliian. 'AUlavdoo<;. Tom. IL p. 836. Edit. 1743. (Bei
"W'klnnd Till. III. S. 196)
(98) Klrmcns Alcxaiidr. Admonit. ad gcnt. p. 39. Edit. Oxon.
p. 29, 6. .d. Colon. — Theodorrt. Graec. Affcct. Cur, Disput. VIII.
p. 909 Vol. IV Sclnilze. — Arnob. advers. gent. L.VI. p. 193.—
Diog. Laert. Lib. I. Cap. III. N. 5.
(99) Strabo. XIV. p. 642.
DRITTES CAPITEL. ' 125
Ger manicus befragt, {^°°) dem es in schwankenden Aus-
drücken ein nahes Ende geweissagt haben soll. Lu~
kianos erwähnt es noch, als neben dern Delfischen und
Didymäischen bestehend, und noch später lamblichos,
der zur Zeit des Kaisers Konstantinos lebte, üieser
brachte die heiligen Dreifüsse von Delfö nach Kon.
stantinopel , stellte sie in der Rennbahn auf und
schmückte überhaupt seine Stadt mit den Statuen der
heidnischen Götter und dem Raube aus ihren Tem-
peln. Bald nachher vermied es das Dellische Orakel
selbst, gefragt zu werden, und befahl seinen Vorste-
hern, dem Kaiser Iidianos bekannt zu machen, dass
das künstlichgebaute Haus niedergestürzt, Ajiollon
seines profetischen Lorbeers und seiner redenden
Quelle beraubt, und das liebliche Wasser versiegt
sei. (»")
Ueber das Schicksal des Didymäischen Tempels
unter Konstantinos findet man w^ohl keine Nachricht;
aber das Orakel, das jene für das Heidenthum so
verderbliche Krisis überlebte, wurde von Licinius,
dem Nebenkaiser Konstantin's, über den Ausgang des
Kriegs befragt, den beide gegen einander zu iührea
im Begriff standen. Der Gott antwortete, wie man
versichert, mit folgenden zwei Versen, welche Ho~
nieros den Diomedes zu Nestor sprechen lässt, als die-
ser von Feinden umringt und von lieklor furchtbar
bedroht war :
(100) Im J. der Statit 771, nach Chr. l8. Tacit. Aiinal. 11,54,
(101) E'i.Tiuri XM ßuoü.ifC, xuftul n^ot SiUSu}.os: uvlü,
Oux^Ti, (l><üßn<i ^/n xuki(ii(v, ou fmvxldd SüipvrfV,
Ou nuyav kaUovaav , uniaßixo xul xalov vSwq.
Theodorct (nach Potter Vol, I.
Cap. II. bei Rambach ThL I.
S. 632.)
126 DRITTES CAPITEL.
Wahrlich , o Greis , sehr hart umdrängen dich jün-
gere Männer !
Deine Kraft ist gelöst j und mühsames Alter be-
schwert dich. (!"»)
Diesen Spruch sah man sodann als eine wahre Pro-
fezeinng- an, indem Konstanlinos die Oherhand behielt
und sein Milbewerl)er sich gezwnn<^en sah, sich in
den Privalsland nach T/iessalonike zu begeben, woselbst
er sj)äler ermordet wurde.
Während des folgenden Kampfs zwischen Ilei-
denlhum und Christenlhum wurde der Didymäische
Apollon w^ahrscheinlich von einer Partei erhoben,
von der andern herabgesetzt, und sein l'empel ab-
wechselnd geehrt und vernachlässigt, je nachdem
die eine oder andere Partei in seiner Umffesend die
mächtigere vrar, bis der Abfall des lulianos eine Pe-
riode herbeiführte, in der sein Cultus aufblühte, und
der Gott zu Ruhm und Ehre gelangte , da der Kaiser
selbst die Holle des Profeten übernahm.
Dieser grosse Wiederhersteller und Reformator
der Griechischen Relioionssebräuche zeichnete den
Tempel zu Didymö durch besondere Beweise seiner
ausserordentlichen Verehrung aus. Als die Christen
nahe bei dem Orakel einige Capellen zu Ehren ihrer
Märtyrer errichtet hatten, schrieb er an den Statthal-
ter von Karien, (^"') er solle diese niederbrennen,
w^enn sie ein Dach und einen heiligen Tisch, hätten,
aber von Grund aus zerstören, wenn sie noch un-
vollendet wären. Ersteigerte die Würde des profe-
tischen Amtes, dadurcfi dass er es selbst annahm,
(102) Sozomen. Lib. I. p. 409. (Hisfor. ecclesiast. L. I. c. 7.)
Sl y/Qov , ij f.iü).u dij ae rtoi reigovai fia/rjzuil
Iliad. VIII, 102.
(103) Sozomen. L. V. p. 629. (Hist. ecclesiast. L. V. c. 20.)
DRITTES CAPITEL. 127
und das Ansehn der Orakel, indem er sie wegen
ihrer verwarnenden und immer heiehrenden Spriiche
Siels mil Loheserhebungen anführte. Hierbei j)(legte
er sich auf gewisse Verse zu berufen und seinen Be-
fehl einzuschärfen, den Priestern ebenso wie der
w^elllichen Obrigkeit die schuldige Ehrerbietung zu
erweisen. ('°*) Zudem wandte er sich, als ihn die
Wahrzeichen seiner bei einem Sieg über die Perser
dem Ares dargebrachten Opferthiere in grosse Be-
stürzung gesetzt hatten, an Apollon mil der Frage
nach dem küfjfti<ren Ausoanjr des Kriegs. Aber die
Antwort, welche erklärte, Zeus habe die Giganten
und Iiilia HO s seine Feinde überwunden^ ("*) musste ihn
(104) Eaxo) roU'vv , w^tt?^ «Q/on', ourw S^ y.al iiQfuc; nuq aiJ/fft—
fioq. linnd>i nui unocpuaiq l'art &fOU tou /ti,öv[.iu{ov 'coiuuvt} '
Oaani ig uorjtjoaq uiuaO-u).{/jcit vcoio
AO-uvuxoiv ij(X:Ova annipohu , y.tu yfQcttaai'V
Ai'iiu ßovlfüovaiv ((öfi(nO-^oiai> XnytOftniq' '
Ovv.iQ- o).r,v ßiÖToio öifaufQootaiv uiuQnov'
Oaaoi nfQ fiuxuQtaaiv iAujßtjOuvTo &(olaiv,
"SLv y.Hi'oi -O-ioainTOv 'ü.ov ^fQunr(lSu iiftriv.
xat nüXiv h' uX).otq o &to(; qiTjot'
JluvTia; ft^v O-iodiovTuq ffiovi; oXorjq xwxot-jjto? —
xul friaiv vi^Q Tovx(i)v 6(y.r\v in%(hfi(tv uvxoiq. JIoD.oip 3i ilQt]fi^v(ov
xoiovxtDV nuQit rov &iou , (Jt mv i'vfoxi ftu&oyrui; orrw; /qi'j xiftifv
y.al O-founiütiv toi)? ifof'aq' dorjotxut ftoi öiu nXeiovmv iv likXotg.
luliaii. {ia;,'m. p. 54). Edit. 1630.
TÖJv rou /li,Sv[(uCov Sfonoxou y^r^afmv i-ruy.ovaov , il aot q)avt{t}
■näXui ft^v l'(>yo) vovO-ixiinuq xkAoj; tou? /i'AAjji'«;, vattoov 6i toj)?
aüxfnnroüi'iic; Siduay.ojv toi; /öyot;*
"OoTflot f<; UQrjiijouq — — wio oben.
J'yyo) rnlfw infi()rj:ifn f}in xaxa fiiv jc. TTÜTQttt ft/yai; UQx^fQfl'i'
IDm/ov öl vZi' y.ui tou /luhitdäov 7TQn(prjr(unv , iCjTuyoftfvia aoi TOt-I^
nfQKtdovi nf).>',rrj:; fitjini xotv tl(; lf(jüi ftr,div ivo^XiTv. luiian. Epist.
p. 236. (Ep. EXIL p. 450. cd. Sj>anlicim. 1696)
(105) rt,yf>'{'o)V noxi (fvXov fv^ouro iitjjffxa Ztii^
128 DRITTES CAPITEL.
selbst von der Triiglichkeit des Orakels überzeugen.
Er grifFnäinlich die Ferser an und ward von unbekann-
ter Hand erschlagen ; (*"'^) seine Armee wurde vom
Hunger aufoerieben und ein unrühmlicher Friede se-
schlössen.
um diese Zeit wahrscheinlich fragten die Kurier,
ob sie die ölilesier in ihren Bund aesen die Perser
aufnehmen sollten, und erhielten zur Antwort: (^°')
Ilakai Ttor' jjoav dXxif^oi MiXij oioi.
Einst in der Vorzeil beseelte Muth die Brust der
Milesier,
In der folgenden Schlacht, erzählt man, wurden die
Milesier alle erschlagen. (^°*')
So w^eit geben uns alte Nachrichten Kunde von
dem wechselnden .Schicksal des Didymäischen Apol-
Ion. Wann der heilige Schatz des Tempels geraubt
worden sei, ob unter Nero , als Acratus und Secun-
dus derKarinate beauftragt wurden, Asien und Achaia
Pv)f<t'(o)V ßciatXfvq Iov)Juvo<; ^foiiSr^q,
l\'T(((jv(i/(fvo!; rifQObiv TioXiuq y.cd xflyju /nuy.ga
Ayyf[i('-/oiv dtf'ntQOS nvqf , XQurfQO) zf otJ/Jyw'
No)).f^(füi(; d fäc(/iuoo( nnhtq ts aut td-via noXXu,
A'kIu y.ul Iio7Cf(}{<j)V uvöjjb/V A}.ffiuviy.ov ovöu<;
'TofAfvuiq nvy.ivf^oiv iXuiV uXunä^ev u()ov()Ci(;.
Boissard. p. 139.
(106) Im Jahr Christi 363.
(107) Boissard. a. a. O.
(108) Eine andere Antwort des Milesischcn Apollon findet man
nebst Bemerknnilcn bei Lactantius , L. IV. s. 13.
Sie wird mich bei Slobaos angeführt: Kui Off(iaToyJ.rj(; y.uXiöq
difQfWijouq (x«t) öiovtbiq To h)uvov %H/oq, «l'rio; i'.vi'.ft(fiqßrfTi,Tioq
xuT^air, t!)? aonr^ofuq loT; IjX'/.tjoiv' adiXffu di tovto)V y.ul 6 h' Bqu'/-
yjöij &I-6!; {y.ßiävn rtjq diu).fy.rmi,(; fQyu, niQiq)urri t?;»' iiuyo)yrj}' 7iu{)U~
Sr,).oiv , OTUV XtYU' ^^^ ''" wt^Jf*"/? iöq, oute XtQfi, oure ixtuq, ovv'
«AAo ovdiv uvtv iTnaTTifioi'iy.Jiq yQtjafO)q yevoiv uv jioxe bjq>().tfiov. Ex
larnblichi Epist. ad Dexippum de Dialcctica, Serm. LXXIX. p, 471.
(p. 469. ed. Basil)
DRITTES CAPITEL. 129
auszuplündern , und Weihgeschenke sowohl als
Götterbilder wegschleppten; (*°^) oder ob während
der Reformation unter Konstantinos und den ersten
christlichen Kaisern, in welcher Zeit die silbernen
und goldnen Verzierungen, Bildsäulen und Gerathe
der Tempel ganz allgemein eingeschmolzen und von
dem Staat in Beschlag genommen, die ehernen Sta-
tuen aber von allen Orten nach Konstantinopel weg-
geführt wurden ; oder in welcher andern Krise, dar-
über gibt es wohl jetzt kein Zeugniss mehr. Nicht
besser sind wir unterrichtet über die Zeit, in welcher
der Tempel zerstört wurde und das Orakel ganz ver-
stummte. Ebensowenig haben wir irgend eine Notiz
über sein Schicksal von dem Tode des lulianos bis
auf die Reise von Smyrna herab, von der wir in dem
Capitel über Priene gesprochen haben. Hierzwischen
liegt aber ein Zeitraum von ein Tausend dreihundert
und zehn Jahren.
Aus dem fast nur angedeuteten Entwürfe eines
Theils von der Vorderseite des Tempels, welchen
TVheler, mit den eben mitgetheilten geschichtlichen
Nachrichten, und sodann auch Chishull öffentlich vor-
gelegt hat, ersieht man, dass ausser den zwei ihren
Architrav tragenden Säulen noch zwei andere stan-
den, von denen eine, sammt einem Pfeiler und
einem Theil der damals noch stehenden Zelle, seit-
dem niedergestürzt ist. Der Hügel steigt auf den
Seiten weniger hoch an als an den Ecken; in der
JMitte, das heisst innerhalb der Zelle, ist ein grosser
leerer Raum , der wohl auch überschüttet worden
wäre, wenn der Tempel ein Dach gehabt hätte. In
(109) Im Jahr der Stadt 817, nach Chr. Gel). G4. Tacit. An-
nal. XV, 45. (Schon vor des Pompeius Zeit hatten Seeräuber das
Didymäischc Heiligthiun iheilweisc zerstört und geplündert. Plu-
tarch. Pomp. c. 24. W-)
Ion. Alt. 9
130 DRITTES CAPITEL.
diesem Kaum und unter den Steinen durch wachsen
Terschiedne Arten Feigen und andre dickbuschige
Bäume.
Glatte Spuren der sich ehemals weit hinaus er-
streckenden Tempelmauer sind noch sichtbar; aber
die zwei heiligen Haine, von denen der eine inner-
halb der Ringmauer stand, ("°) werden nur durch
wenige einzelne Bäume, zerstreutes Buschwerk und
Dickicht von Mastix ersetzt. Einige Stellen dazwi-
sehen sind mit Türkischem und mit gemeinem Wal-
zen besetzt und schon im Alterthum rühmte man
diesen Boden als ergiebig an dieser Gelreideart. ("')
Zwischen den hohen Stoppeln dieses Feldes fand man
mehre über einander gesetzte Bienenstöcke , die aus
Baumstämmen gearbeitet und vorn -wie kleine Fässer
gestaltet waren. Sie gehörten ebenso wie der Ertrag
des Bodens den wenigen armseligen Einwohnern
des ohngefähr eine halbe Stunde entfernten Dorfes
Ura an.
Das Bestreben des Kaisers luUanos ^ den ApoUon
w^ieder in alleinigen und festen Besitz dieser Gegend
zu setzen, konnte das Ende seiner profetischen
Wirksamkeit nur auf eine Zeit verschieben und wahr-
scheinlich war der Gott bald nach dem Tode dieses
seines kaiserlichen Profeten und Beschützers jjenö-
thigt, seinen Besitz den Christen abzutreten, die
wiederum im Laufe der Zeit den ölohamedanern den
(110) Strabo XIV. p. 634.
(111) ^IIi.v&i S EqyIvoz, Boayj^ov nolvnvgov uQovgav
-txn^^o/.inoj»' xal Tugaiv igvurti; Il//A»]io»o,
£r&-a Qoul x/.iZovai iioi.v:f).artb<; IMuutifäQov.
Orfeiis Argonaut. 151.
Diese Gegend schickte auch dem Prianios Hüüstruppen zu:
Ot JMvxcthiv frfuov
Socty^QV T uyxta ftaxga xui tjiotrTU Uavog/aor.
Koiutos Sm. Paraleip. Hom. I, 280.
DRITTES CAPITEL; 131
grösseren Theil, wo nicht das Ganze ausschliesslich
einräumen mussten. Einige zerbrochne Pfeiler und
Stücke einer Mauergeben uns die Stelle an, wo eine
oder mehre Griechische Kirchen standen, wobei wir
das Kreuz auf zwei Bruchstücken eingehauen fanden.
Die Kuine einer kleinen gewöhnlichen Moschee ohne
Dach steht nahe bei dem Tempel und hat an ihrer
Aussenseite noch einen Theil einer Treppe, die einst
zu dem Minaret führte; eine andre stand auf dem
weiten Hügel, den wir auf der Ansichtstafel er-
blicken, nahe bei den zwei Säulen. Ein Stück der
Mauer steht noch und auch an sie reihen sich Stufen,
wie an die oben genannte und an andre Türkische
Ruinen zu Miletos und an andern Orten.
Die Ueberreste der Stadt bestehen ausser vielen
Brunnen , in niedrigen Mauern und Schutthaufen,
die sich ziemlich weit um den Tempel herum ziehen,
und in einem runden näher nach dem Meer hin gele-
genen Gebäude, das wahrscheinlich zu einem Wach-
thurm oder- einer Warte bestimmt war. Alle diese
Theile waren sehr schlecht gearbeitet, obgleich wahr-
scheinlich aus Baustoffen zusammengesetzt, die man
von dem Tempel losgerissen oder durch Feuer zum
Wegtragen zubereitet hatte. Denn dicht bei dem
Tempel und besonders an der Seite nach dem Meere
und vor der Vorderseite sieht man noch mehre Höh-
lungen, über denen Oefen gebaut waren. Wirklich
lässt sich aus der ausserordentlich grossen IMasse der
herabgeworfnen und verzehrten Marmorsteine ver-
muthen, dass der auf diese Weise gewonnene Kalk
oder Kitt die Stapelwaare dieses Ortes ausmachte
und dass, so wie die älteren Einwohner ihren Wohl-
stand zum grossen Theil dem Ansehn des Tempels
dankten, so die neueren eineZeitlang von den Trüm-
mern desselben lebten. Indessen wirkt der weite
Umfang des Hügels im Allgemeinen, mit den vielen
9*
132 DRITTES CAPITEL.
grossen Blöcken, der Majestät der noch erhaltnen
Säulen und der Schönheit der zahtreichen herabge-
worfnen Capitäle und Verzierungsglieder, die gleich
ausgezeichnet sind durch zarte Ausarbeitung und be-
wunderungswürdig schöne Bildung, noch immer so
stark auf die Seele jedes Menschen, dass sich selbst ein
Beschauer, dessen Sinn sonst für Kunst nicht em-
pfänglich ist, von Ehrfurcht und Schmerz durch-
drungen fühlen muss. Und so erregte auch der An-
blick dieses Ortes in dem Manne, der das Tagebuch
der Reise von Smyrna führte und den Namen und die
Geschichte des Ortes nicht kannte, die üeberzeugung,
dieser Bau müsse einst eins der sieben Wunderwerke
der Welt gewesen sein.
Tat. 1.
Karte von der Umgegend des Tempels,
Der Tempel des Apollon Diäymäos war nicht weit
von dem Vorgebirg Poseidion entfernt. Er lag ohn-
gefähr zwei und eine halbe Meile von der nächsten
Stelle der Küste und zvveiundzwanzig und eine halbe
Meile von Miletos auf einem Hügel, der sich allmäh-
lig nach dem Meer zu herabsenkt. Der Hafen Pa-
normos wird noch häufig von kleinen Schiffen besucht
und durch einen kreisförmigen Damm geschützt, der
in alter Zeit aus grossen JMarmormassen gebaut wor-
den ist. Bund um ihn herum sind üeberreste von Woh-
nungen und Gebäuden, die jetzt durch Gebüsch von
Myrten, Mastix und Immergrün fast ganz verdeckt
sind.
Beinahe in der Mitte zwischen dem Tempel und
dem Hafen nimmt der heilige Weg seinen Anfang, der
in der Tiefe zwischen zwei sanft sich absenkenden
Höhen durchführt. Längs desselben sieht rnan nach
gewissen Zwischenräumen noch gegen sechzig bis
siebenzig Grabmäler und Statuen alter Kunst. Alle
DRITTES CAPITEL. 133
tragen deutliche Merkmale des Aegyptischen Styls,
Die meisten Statuen sind Figuren, die auf Stühlen
oder Sesseln von sehr alterthümlicher Form sitzen;
einige derselben haben Inschriften nach der Schreib-
art, die man Bustrofedon {^^'^) heisst. Unter ihnen ist
auch die Statue eines Löwen von weissem Marmor
mit dem Aegyptischen Kopf. Viele Marmorstücke an
dem Tempelbau gleichen dem Parischen Marmor;
hier finden sich aber mancherlei Stoffe in unreinerer
Bildung vermischt.
Als Chandler den Tempel besuchte, waren die
nächsten Menschen die Bewohner von Ura, einem
Dorfe, das ohngefähr zwei Meilen von der nach Mi-
letos oder Palatia führenden Strasse entfernt liegt;
das neuere Dorf um den Tempel herum war damals
verlassen. Es scheint wieder aufjjelebt zu sein und
unglücklicherweise zieht die Zunahme seiner Ge-
meinde die Abnahme* der alten Baustoffe nach sich.
In dem Zeitraum weniger Monate, der zwischen den
zwei Besuchen der Missionäre lag, ist Vieles zerstört
worden. Ein Theil der Mauer der Vorhalle war in-
dessen niedergerissen und ein schöner Terebinthen-
baum, die Zierde und der Stolz des Dorfes, umge-
hauen worden. Die Stelle jenes Heiligthums hatte
eine Windmühle eingenommen, bei deren Bau viele
der kleineren Marmorblöcke , vorzüglich die mit
Bildnerei verzierten, benutzt und andre in Kalk ver-
wandelt worden waren; Die zwei Korinthischen Capi-
(112) BovaxQO(fiiSnv, fitrchenartig, heisst tlir alte Schreib-
art, wenn, nach Art der pfliigendcn Stiere, die erste Linie von der
Linken zur Reciifen, die zweite von der Rechten zur Linken und
so fort wechselsweise geschrieben ist. In dieser Art waren Solans
Gesetze auf Tafeln eingc;,'raben und ist die bcriihmtc Sigoische
Inschrift geschrieben. VgL Rambachs Arcbäolog.« Unters, zu Potter
TW. IIL S. 286 f. W.
134 DRITTES CAPITEL.
täle waren gänzlich zertrümmert und die Statuen
jammervoll entstellt. Das Uebel grifF unglücklicher-
weise immer mehr um sich und nichts schien der
allmähligen, aber sicheren Zerstörung des Tempels
Binhalt thun zu wollen, wenn es nicht etwa eine
jener Heimsuchungen oder Plagen thäte, welche in
Kleinasien bisweilen ganze Gegenden entvölkern und
den Tummelplatz geschäftiger Menschen in wüste
Einöden verwandeln.
Der Tempel scheint durch ein Erdbeben nieder-
gestürzt zu sein, eine andre Art furchtbarer Heim-
suchung, welche die Menschen aus ihren Wohnun-
gen wegtreibt und oft fern von ihrem frühern Aufent-
haltsorte sicherere Wohnsitze zu suchen zwingt.
Das neue Dorf, das jetzt Jeronta heisst, besteht
aus ohngefähr hundert und für\fzig Häusern. Die
ganze Umgegend ist reich an marmornen Bruch-
stücken und Ueberresten alter Inschriften.
Taf. II.
Ansicht des Tempels des Apollon Didymäos.
Taf. HL
Grundriss des Tempels,
Der Grundriss des Tempels bildet ein Parallelo-
gramm, das auf der obersten Stufe gemessen drei-
hundert und drei Fuss sechs Zoll lang und einhundert
•vierundsechzig: Fuss fünf Zoll breit ist. Die Zelle
ist mit einer doppelten Reihe Säulen umgeben; der
äussere Peristyl hat einundzwanzig Säulen auf den
Seiten und zehn auf den Fronten.
Die gerade Linie der Mauern im Inneren der
Zelle ist durch hervortretende Pfeiler oder, Anten
unterbrochen und in Abtheilungen getheilt; die Pfei-
ler laufen in gleichen Zwischenräumen rund herum
und nur an dem Eingange stehen zwei Halbsäulen
DRITTES CAPITEL. 135
von der Korinthischen Ordnung. Diese Art, dem
Inneren der Zelle ein reicheres Ansehn zu geben,
ist in Griechischen Tempeln nicht ungewöhnlich und
in den Tempeln Roms sowie in denen von Balbek und
Palmyra sogar herrschend.
Der Tempel hatte nur Einen Zugang und zwar
durch die Vorhalle auf der Ostseite. Diese war von
bedeutender Tiefe und wurde von der Zelle durch
eine andre ohngefahr sechsundzwanzig Fuss tiefe
Abtheilung getrennt. Der Zweck dieses Gemaches
ist nicht leicht zu erkennen, .wenn man es nicht für
die Schatzkammer des Tempels halten will, in der die
Weihgeschenke zur Schau desVolIis ausgestellt wur-
den, wobei der Zutritt zu ihnen durch metallne Git-
ter verwehrt war. Der Opisthodomos des Parthenon
zu Athenä war eine Abtheilung von ähnlicher Con-
struction und zu ähnlichem Behuf.
Die Mauer der Zelle auf der Hinterseite ist acht
Fuss zehn Zoll dick; sie ist fest und nach aussen,
auf den Stirnseiten, mit grossen noch rauhen und un-
geglätteten Marmorblöcken von graulicher Farbe be-
kleidet. Der mittlere Theil der Mauern ist aus dem
gewöhnlichen Steine der Umgegend.
Als Herr TVood diesen Tempel besuchte, fand
er zwei Türkische Maurer damit beschäftigt, alle
tragbaren Marmorblöcke zu Grabsteinen wegzubrin-
gen. Er ist der Meinung, dass die ganzungewöhnliche
Art, in der die Steinmassen dieses Gebäudes über
den üeberresten der Mauern in Verwirrung gehäuft
liegen, die Folge eines heftigen Erdbebens sei, indem
die Mauern nicht niedergerissen, sondern gewisser-
massen niedergedrückt seien und ihre Ueberreste
unter der Masse verbärgen, welche sich zu beiden
Seiten gleich weit hin erstreckt.
Viele der. an der Nordseite des Tempels lie-
genden Steine sind mit einem , zwei oder mehren
136 DRITTES CAl'ITEL.
Buchstaben beschrieben; einige mit EO^O und
IHQEN. Sie gehörten zu den Mauern der Zelle und
die Inschrift stand an der äusseren oder Stirnseite.
Die Säulen des inneren Peristyls sind der ganzen
Länge ihrer Schäfte nach cannelirt; die der äusseren
Reihe nur bis.zu einem Abstand von zwei Fuss unter
den Capitälen. Der übrige Theil der Schäfte ist rauh
gelassen, wenige Zolle über dem Anlauf ausgenom-
men, w^oraus man, da dieser Tempel nie "vollendet
wurde, ersieht, dass die Cannelirungen erst dann
ausgearbeitet wurden, wann die Säulen aufgerichtet
waren.
Die Säulenstück e waren mit aller möglichen Vor-
sicht zusammengesetzt, um ihnen einen festen Stand
zu sichern. In der oberen Fläche eines der Stücke,
das zu einer Ecksäule gehörte, sind nicht weniger
als zwölf Löcher, in welche metallne Klammern oder
Haken eingesetzt wurden, ohne jene grössere Ver-
tiefung von achtzehn Zoll im Durchmesser mitzuzäh-
len, die für den Pflock oder Dobel in der Mitte be-
stimmt war. Die Löcher für die Klammern sind sym-
metrisch, über die Oberfläche hin vertheilt.
Taf. W.
Aufriss der Vorderseite des Tempels.
Wir legen hier dem Leser einen Aufriss der
Vorderseite des staunenswerthen Gebäudes vor, den
wir so weit ergänzt haben, als es uns die an Ort und
Stelle zugänglichen Probestücke erlaubten. Es Hess
sich kein Theil des Kranzes, noch irgend ein Stück,
das uns die Neigung des Giebels angegeben hätte,
auffinden. Die Säulen haben mehr als neun und einen
halben Durchmesser zur Höhe, übersteigen also auf
eine sehr aufl'allende Weise das gewöhnliche Ver-
hältniss der Säulen an Ionischen Gebäuden. Die weite
Ausdehnung der zehnsäuligen Vorderseite bestimmte
DRITTES CAPITEL. 137
< •
wahrscheinlich den Baumeister, die gewöhnlich bei
der Länge der Schäfte beobachteten Verhältnisse zu
verjjrössern.
Es ist immer gewagt, aus einzelnen Beispielen
bestimmte Grundsätze zu folgern, üie an verschied-
nen Säulensrhäften wahrgenommenen verschiednen
Verhältnisse hatten zu dem Schlu'ss geführt, dass
eine grössere Anzahl Säulen auf der Vorderseite (wo-
»bei die Zwischenweiten verhältnissmässig verengt
werden mussten, um nicht die Ausdehnung des Tem-
pels zu gross werden zu lassen) nothwendigauch eine
Erhöhung der Schäfte verlange, um die Weite mit
der Höhe in ein gehöriges Verhällniss zu setzen. In
vorliegendem Beispiel hat man aber weder diesen
Grundsatz befolgt, noch durch Erhöhung des Archi-
travs und des Zoforos oder des Frieses jenen Zweck
erreicht, indem beide beträchtlich niedriger sind, als
es in der besten Zeit der Griechischen Architektur
üblich war. Die anffälli";e Schwäche des Architravs
ist einer der grossen Mänjjel dieses Gebäudes und
wird kaum durch die ungemein vollendete Ausfüh-
rung aller Theile wieder gut gemacht, wenn wir den
Architrav als eine der sichersten Bestimmungen über
architektonische Vollendung betrachten.
•
Taf. V.
Säulenordnung.
Fig. 1. Die oberste Stufe, Base und der untere
Theil des Schafts der Säulen in dem äusseren Fe-
ristyl.
Die Stufe mit den Einziehungen , Stäben und
Plättchen ist aus Einem Marmorblock gehauen. Der
Pfuhl ist mit dem unteren Stück des Schafts zusam-
mengearbeitet.
Fig. 2. Das Capital der Säulen mit dem oberen
Theil des Schafts und dem Architrav.
138 DRITTES CAPITEL.
Der Saum oder Rand an der Vorderseite der
Schnecken ist bei den Capitälen des äusseren Peri-
styls viereckig gelassen, an denen des inneren Peri-
styls aber ist er rund gemeisselt. Die Blumen auf
dem Wulst jener Capitäle haben nur drei, die auf
dem Wulst der letzteren aber vier Blätter.
Taf. VI.
Einzelne Theile der Ordnung. 4
Die oberen Figuren stellen die Nebenseite der
Ionischen Capitäle dar, mit einem Durchschnitt ver-
mittelst einer Fläche, die durch die Mitte des Kissens
gelegt vrurde. Unter ihnen sieht man den Grundriss
der Capitäle nebst einem Durchschnitt, vermittelst
einer Fläche, die durch die Mitte der Vorderseite
der Capitäle gelegt vrurde.
Die unterste Figur stellt den Architrav des äus-
seren Peristyls dar, sovrie seine innere Fläche und
die des über ihm liegenden Frieses.
Taf. VII.
Die Capitäle der Anten.
Mehre Capitäle der inneren Pfeiler oder Anten
liegen an der Nordseite des Tempels. Die Seiten-
wände haben nicht ganz die halbe Breite der Vorder-
seite, vroraus man ersieht, dass keines von ihnen zu
den Anten der Vorhalle gehörte. Denn hier sind
die Nebenseiten stets ebenso breit wie die Vorder-
seiten und entsprechen der Breite der Architrave,
die von den Säulen getragen werden, w^elche zwi-
schen den Enden der Mauern der Zelle stehen.
Man hat auch noch mehre Ueberreste verzierter
Stücke , welche die Räume zwischen den Antencapi-
tälen in der Zelle ausfüllten und auf der folgenden
Tafel abgebildet sind.
DRITTES CAPITEL. 1^9
Die Fuge zwischen dem Capital und der Ante ist
unmittelbar unter dem Band, durch das sie auch ver-
deckt wird.
Die Capitäie sind sich nicht alle gleich ; die Zeich-
nung des Theils zwischen den Hörnern des Capitäls
ist verschieden. Eine Verschiedenheit zeigt die un-
terste Figur der Tafel.
Taf. Vlll.
' Einzelne Theile des Inneren,
Der mit Greifen und Leiern verzierte Fries füllte
die Räume zwischen den Antencapitalen im Inneren
der Zelle. Die Gestalt des Greifs wird gewöhnlich
aus dem Kopf und den Flügeln eines Adlers und dem
Leib, den Füssen und dem Schwanz eines Löwen zu-
sammengesetzt. Auf diesem Fries hat er den Kopf
eines Löwen mit den Hörnern und dem Bart eines
Ziegenbocks.
Da die Alten die Bildsäulen und Tempel ihrer
Götter mit den Symbolen der ihnen beigelegten Kräfte
auszuschmücken pflegten, der Greif Zih er ganz vor^
züglich dem /4pollon heilig w^ar und in den alten My-
then stets als Wächter der Goldgruben auf den Sky-
thischen undHyperboreischen Gebirgen erscheint, (*")
so ist er hier als PFächter der Lyra vorgestellt, welche
dem ^pollon als dem Erfinder der Musik zukam.
Er hat einen Löwenkopf , da die Kraft des Apal-
ion oder der Sonne am w^irksamsten ist, wenn sie in
diesem Zeichen des Thierkreises steht. Hatten ja die
Perser selbst eine Statue des Apollon mit dem Kopf
eines Löwen. Die Hörner und der Bart des ßockb
mögen von dem ehernen Ziegenbock entlehnt sein,
den die Kleonaer , welche nach dem Befehl des Ora^
kels dem Apollon oder der Sonne bei ihrem Aufgang
(113) Hcrod. 111, 116. IV, 13. W.
140 DRITTES CAPITEL.
einen Ziegenbock geopfert hatten und von einer Pest
befreit worden waren, als Denkmal ihrer Rettung
in Delfö aufgestellt hatten. (^'*)
Das Korinthische Capital gehört zu den am Ein-
gang in die Zelle halb in der Mauer stehenden Säu-
len. Die Schnecken waren zerstört und wurden nach
Vermuthung an der Figur ergänzt, die ein halbe«
Capital in grösserem Maassstab darstellt.
Viertes Capitel.
Labrand a»
Uer glänzende Titel NecoxoQOi, als Bezeichnung der
obersten Yorsteher und Verwalter Asiens, welchen
sich die den Schutzgöttern Geweihten in ihrer Eitel-
keit und Prunksucht beigelegt hatten , wurde mit
neidischem Auge von denen betrachtet, die unter
einer verschiednen Form religiöser Institute noch
immer nach einem gleichen Uebergewicht strebten.
Der Tempel , den wir zum Gegenstand dieses
Capitels auserwählt haben, kann sich zwar solch
hohen Ursprungs nicht rühmen. Allein seine Pracht,
die sorgfältige Wahl und der Reichthum seiner ßau-
stofl'e, sammt den Inschriften, durch welche die
Säulen verziert sind, haben ihm, wie seine Gründer
gehofft zu haben scheinen, einen bleibenden Ruf bei
der Nachwelt gesichert. Der Styl des ßaus, die
Form der Inschriften, sowie die Namen und Titel *^
der in ihnen erwähnten obrigkeitlichen Personen, füh-
ren uns zu der Vermuthung, dass der Tempel in der
Zeit der Antonine erbaut worden sei. Die Griechi-
(114) Pausan. X. 11. §. 4. p. 824 sq. W.
VIERTES CAPITEL. 141
sehen Freistaaten würden wohl ihrer Obrigkeit so
ausgezeichnete Ehre nicht zugestanden haben, aber
der unterwürfige Sinn der späteren Zeit wagte es
nicht, den wilikührlichen Anordnungen der procon-
sularischen Regierung entgegen zu treten.
Trotz der Winke und Hülfsmittel, die uns bei
unserer Untersuchung unterstützten, konnten wir
über das Alter des Gebäudes keine sichere und ge-
naue Ansicht gewinnen. Wird doch selbst der Name
der Gegend, in der es stand, von den Reisenden,
die sie neuerdings besucht und mit Aufmerksamkeit
durchforscht haben, und von denen wir allein eine
genügende Beleuchtung über diesen Gegenstand er-
warten können, verschieden angegeben. Um unsre
Leser bei einem Gegenstand von solcher Dunkelheit
mit allen möglichen Hülfsmitteln zu versehen, welche
die Natur der Untersuchung erlaubt, wollen wir
hier die verschiednen Berichte mittheilen.
Dr. Chandler gibt uns im achtundiünfzigsten Ca-
pilel der Reisen in Kleinasien folgende Nachricht:
»Auf dem Weg von Jasus ('laoaog) nuch Mendelet,
das vier Stunden davon und drei von Mylasa entfernt
ist, verliessen wir die grüne Fläche, ritten nord-
wärts durch Stoppeln von Türkischem Waizen und
kamen nach einer Stunde in eine schöne und weite,
mit Reben, Oel- und Feigenbäumen bepflanzte Ebene.
Sie diente Heerden von Kühen und Söhafen zur
Weide und wurde von Bergen eingeschlossen, auf
denen Dörfer lagen. Auf einem krummen Wege
durchritten- wir die Ebene und hatten das Land-
haus des Aga von IMylasä zu unsrer Rechten. Als
wir durch ein Dorf Namens Jackly kamen, überrasch-
ten uns die herrlichen Trümmer eines Tempels. Da
es jedoch schon dämmerte, setzten wir unsre Reise
nach Mendelei iotX. , das eine Stunde weiter liegt. Am
nächsten Morgen kehrten wir zu den Trümmern zu-
t42 VIERTES CAPITEL.
rück. Der Tempel war von der Korinthischen Ord-
nung; sechzehn Säulen standen noch und trugen auch
noch einen Theil ihres Gebälks; Zelle und Dach
waren zerstört. Die Kuine liegt in einer Einbucht
des Bergs; die Vorderseite, die nach Osten gerich-
tet ist, stösst an den Fuss desselben; von der Rück-
seite und einer der Nebenseiten aus übersieht man
die Jiibene. Der Baustyl ist edel und liess es uns sehr
beklagen, dass einige Glieder und namentlich die
Ecke des Kranzes fehlten. Seine Marmorsteine sind
stückweise in den Kalköfen, welche dicht an den
Trümmern stehen und noch gebraucht werden, gleich-
sam weggeschmolzen. In Einer Linie mit der Nord-
seite des Tempels hatte eine Stadt gestanden. Die
Mauer, die nahe bei dem Tempel beginnt, zieht sich
über den Hügel hin und senkt sich an der Seite gegen
Mendelet zu. Das dichte Gebüsch, das sich über den
Platz ausgebreitet hat, ist fast undurchdringlich und
hinderte mich, die Mauer bis zu ihrer Höhe zu ver-
folgen; den Lauf des unteren Theils kann man aber
noch leicht nachweisen. Sie hatte in Zwischenräu-
men viereckige Thürme und war von ähnlicher Bau-
art, wie die Mauer zu Efesos. Innerhalb der Mauern
ist ein in den Felsen gehauenes Theater , von dem
sich noch einige Sitze erhalten habeni. In den Wein-
bergen darunter findet man zerbrochne Säulen und
Marmorfragmente, und in einem hinter dem Tempel
gelegenen Garten zwei massive Sarkofage , in welche
Blumengewinde und Köpfe eingehauen sind; die
Deckel liegen auf; an ihren Seiten ist mit Gewalt ein
Loch jjemacht. Sie sind auf Giebelsteine gestellt und
sehen in der Ferne wie zwei Thorpfeiler aus. Ueber
den Tempel hinaus sind auch mehre Ueberreste von
Grabmälern. Ich war sehr unbefriedigt, weil ich
keine Inschriften , die uns den Namen dieses verlas-
senen Ortes angegeben hätten, aufgefunden hatte.
VIERTES CAPITEL. 143
Aber rücksichtlich seiner Lage auf einem Berge zur
Seite des Wegs und seiner Entfernung von Mylasahin
ich geneigt zu glauben, dass es Labranda war.
Labranda war nach Strabon (*) ein Dorf auf einem
(1) Mixu S "luaaov, vo xiäv 'MiXriatiav IJoailStov iaxiv. *Ev
Si Tij fi(aoyu((f x«t TQtli; dal nokeiq u^ioXoyoi,, Mv kaaa, Sxqaxovl-
xft«, Akü ßuvSa' ai Si äkXav nfQinohoi xovxmv , rj xwv naQukCmv,
wv tlaiv Afivt^wv, Hgunltia, Jivgojfioq, XulxtiTtog' xovxotv ftiv
ouv iXüxxutv köyoq. Tu Sk MvXaaa idgvrut iv ntSCo) atpödga ivSaC-
fiovi,' vn^QXHxai Si xaxu xoQvqiriv ogoq uvxov Xaxöftwv Xtvxov Xi&ov
xäXXiaxov ^ov* xouxo f^iv oqteXöq iaxiv 01/ ftiy.gov tijv Xi&iav ngoq
Tcig oly.oSofi(u<; ucp&ovov xul iyyv&tv ^ov, y.at fiuXiaxa ngoq xuq xZv
houiv, y.ut xiuv uXXav xoiv Srj/xoalmv fgymv xuxaaxfvccq. Kai yug to»
axouli; T6, xal vu6l<; fX xtc; uXXt] xiy.6a fxrixai nuyy.äXox;' ^av[iä'C,ttv S*
iaxl xaiv vTcoßuXovxwv oyTW? uXoyax; xo xxiafiu og&Cio xal untgSt^no
xgrifivij)' xal Sri *"* '**'*' f}yffMV<av rlq tlnäv Xdytxat, &av/iiuatiq x6
^ngv.yfia' xuvxriv yug fq)t] tijv noAn» o xxfaaq, it jiri iq>oßtlxo uv, ovd
tjaxvvixo. "Ejrovok S ot MvXuati(; ligit öüo, xov zfiog, (*) tov xe
Jlaoyu) xuXovfiivQv , xal Auvguydtjvou' xo /niv iv xtj noXu' xa
äi Außg(/ivSu xojiiti iaxlv iv tw ogn xuxa t>/V vnig&taiv x^v i^
^■IXaßuvdwv ilq XU MvXaaa, unotQ-tv t^? noXitoc;' ivxuv&a /Ito^
iaxiv Vfwq agxuXoi, xal ^öuvov //lo? axgaxCov' xifiuxut di vno xwv
xvxXo) , xul vno xwv MuXuaioiv ' oäoc; xi i'axgcoxuv a^idov xi oxxu xal
i^rixovxa axadCuiv jifXQ'' t^S noXiox;, itgu xuXovfUft} , Sc »j? :to/i7io~
(*) Tou Ainq, xoü Xi Jlaoyo) xaXovfi^vov, xal AavgavSi^vov) lo-
vis Labvandeni ficqiuMis mentio vetcribiis. Hcrodoto libro
qiiiiito, c. 119, Plutarcho in Qiiacst. Giaec. (48. p. 538. B.),
Lactantio et Steph. lovis Osogo lucntionctii apiicl Pausa-
iiiain rcperi , qiiaiiqiiain ille paullo al'tcr vocat. Vorba cius
(fui'ij x7j inixuQ((f xuXoüaiv Oy wa, Casaubonus.
Ücl)i'r titn Zfu<: otgüxMc; (Kriegsgott), iiiul Zivq Außgav-
Siixi, yiaßguvSifi oder Außguvör^vöi; und die Ableitung dieses
Wortes von dem Lydischen Xußgix; (Kriegsaxt) vgl. Creuzer,
Syn.l)ol. Till. II. S. 493 f. IV. 62 ff Osanti, Auctarium
Lcxicorum Graec. p. 102. Ifoeck, Kreta, I3d. II. S. 295 ff.
Schwenckj M^lholog. Miscclien, in der aligem. Schulztg.
1828. Abthl. II. N. 93. ' W.
144 VIERTES CAPITEL.
Berg an der Strasse von Alabanda nach Mylasa, Der
Ternpel war alt und das Bild des Gottes von Holz.
Y^'xe hier und von dem Volke ringsum verehrte Gott-
heit war Zeus , der Kriegerische, Der Weg war fast
achtunds^chzig Stadien oder acht und eine halbe
Meile bis nach Mylasa hin gepflastert und hiess der
heilige, weil auf ihm die Opferthiere und Processio-
nen hinzogen. Die Priesterwürde wurde den ange-
sehensten Bürgern und zwar lebenslänglich ertheilt.
Die Trümmer des Tempels entsprechen ganz der
Beschreibung des Geografen. Das durch die Zeit
erschütterte Gebäude scheint in einer späteren Pe-
riode, als in welcher Strabon sein Werk verfasste,
allmählig und grösstentheils aus den Beiträgen der
Stefaneforen oder Oberpriester erneuert worden zu
sein. Denn an sieben Säulen findet sich eine Inschrift,
die man also übersetzen könnte :
LEON ROINTÜS, SOHN DES LEON, WEIHTE
ALS STEFANEFOROS, WIE ER VERSPRO-
CHEN, DIESE SÄULE, SÄMMT BASE UND
CAPITAL.
Nachfolgende Inschrift ist mit einiger Verschieden-
heit in der Länge der Zeilen und Verbindung der
Buchstaben auf fünf oder noch mehren Säulen wie-
derholt:
MENEKRATES, SOHN DES MENEKRATES,
OBERSTER ARZT DER STADT, WEIHTE
ALS STEFANEFOROS DIESE SÄULE, SAMMT
OToXtixui, T« uqÜ ' ifQWVTui, 6 oi int.q)av(axuroi, xiäv no}.iTiäv atl, Siu
ßtov' Tuvxa fiiii ovv %Siu t^; noXiox;. T^hov ö iovlv legov lov Ka-
qCov /Jioq xoivov unuvxoiv Kuqojv, ov /niTtari xal Avdoi<;, y.ul Mvaoiq
W5 lifhXcpolq. loroQÜrui. di yMfitj vtiu^^ui, ro nuXaiov. IJurgli; Sh
xal ßuaO.uov tp twv Kuqujv twv ntgl %w JßxaTOfivw' wAt;fft«^£t äh
fiahaza ly xaru fPvaxov t9-u).uttj] t} tioXk; , xal tout iaxlv «utoIs
inlvuov. Stiabo. XIV. p. 658 sq.
VIERTES CAPITEL. 145
BASE UND CAPITAL; TRYFÄNA, SEINE
TÜCHTEll, SELBST GLEICHFALLS STEFA
NEFORÜS UND GYMNASIABCHOS, HATTE
DIE BESORGUNG.
Aus der Form mehrer Buchstaben in den letzte-
ren Inschriften lässt sich schliessen, dass Leon der
frühere Wohlthäter j2[ewesen war.i (*)
Der Herr Graf von Choiseul Gouffier spricht sich
in seiner Voyage pittoresque de la Grece Chap. XL
also aus:
jL'emplacement de la ville de Kiselgick n'ofFre
aucunes ruines; mais a environ nne lieue au midi, on
trouve Celles d'une ville ancienne, parmi lesquelles
on distingue les restes d'un theatre, et la plus gründe
parlie d'un temple magnifique. Nous ne püraes mal-
heureusement decouvrir aucune inscription, qui nous
indiquat le nora de cette ville. Chandier s'appuyant
sur la Situation de ce temple eleve dans une raontagne,
et environ ä deuxheures dechemin deMj-lasa, comme
r^loit celui 6e Jupiter Stratius suivant Strabon etElien,
croit que c'est l'ancien bourg de Labranda; mais il
n'auroit pas commis cette erreur, s'il eüt bien connu
le passage de Strabon, qui dit positivement, que ce
bourg se trouvoit sur la route de Mylasa a Alabanda.
Cette derniere ville, tres-reculee dans la Carie, etoit
au nord-ouest de Mylasa ^ comrae on peut le voir
dans la carte; et Kiselgick se trouve au contraire de
nord - ouest ; on ne peut raisonnablement supposer que
la route lit un d^tour assez considerable, pour aller
passer par un lieu ^loigne de <)0 degr^s de la route
directe. Les ruines ne paroissent donc pas appartenir
(2) Die M^lasier waren die Besitzer des berühmten Zeus von
Labranda. Dieser Gott komnit oft auf Miiuzcn vor mit der dop-
pelten Streitaxt j seinem Sinnbildc. (Siehe die Vignettentafel 3.
Fig. 1. und Cap. VII. Taf. XXII.)
Ion. AU. 10
146 VIERTES CAPITEL.
au bourg de Labranda; je croirois plutot que ce sont
Celles de la yiWe d' Euromus j et lachaine de montagnes
qui se terinine a cet endroit m'en paroit une preuve.
Strabon, Lib.XlV. en d'ecrivant la position d'Eu~
romus j dit (^) qu'une montagne appellee Grius et qu'il
ne faut point confondre aveo le Latmusj prenant son
comtnencement au territoire de 3Iilet, s'avance vers
l'orient dans la Carie, jusqu'ä ce qu'elle rencontre
Chalcetores et Euromus ^ et qu'elle finit et reste comrae
suspendue au-dessus de cette derniere ville.
L'inspeclion des lieux ne m'a point permis de re-
"voquer en doute l'opinion que je propose. Cette ville
d'Euromus n'a jamais ete considerable; il en est cepen-
dant parle plusieurs fois dans Tite Live, (*) Polybe (^)
et Pline. (^) Quant ä la ville de Chalcetores ^ je se-
rois assez tente de croire qu'elle etoitsituee de l'autre
(3) Tit'iq Sh To Tqtov qjuaCv , w; uv ■ttuQi'.XhiXov tw ylürfio)
aVTJy.ov U7i6 rij? Hlü.rjaiuq Ttgoq fw, diu tfjt; Kn^taq /nf/Q'' Ev gd) fiov,
v.ui Xu ky. 7jr 6 Qa)v' V7ieQxii,TUi Öi tkdttj; iv vxpei. Miy.gov d uno)-
&fv öuißuviv 7iQ0(; TM ^luTfio) TiOTU/nioy.ov , dtty.vvrui rucpoq Evdv-
fi(o)vo(; ti' Tivi onr,Xu(o)' tlru ucp llguy.lfluq iul IJvgQuv Tiokt-
XVt}V nkovq h.uröv nov a%ud(ü)V. Strabo. XIV. p. 636.
(4) Pax data Pliilippo in has Icges est: Onincs Graccoriim
civitati's, quac in Europa, quaeque in Asia cssent, libertatein ac
siias leges liaberent. Qiiae carum sub ditione Philippi fuissent,
prjiesidia ex bis Philippus detUiceret: bis, quae in Asia cssent,
Euvonio j Pcdasisquc et Bargyliis et lasso et Myiina et Abydo et
Tbaso et Perintbo : eas quoque enim placere liberas esse. Liv.
XXXIII, 30,
(5) Legat. IX. XCIII: EÖgMpoq. W.
(6) Curia interionini noniiniim fania pracnitet: quippe ibi sunt
oppida, Mylasa libcra, Antiocbia, ubi fucre Scminetbos et Cranaos
opj)ida; nunc eam circumfluiint Maeander et Orsinus Prac
Icica sunt Thydonos, P^ rrba , Eurome , Heraclea, Amyzon , Ala-
bancla libera, quae conventuni cum cognoniinavit : Stratonicea libera,
Hyuidüs, Ccrainus, Troczcne, Pborontis. Plin. Hist. ISatur. V, 29
p. 27G sq. ed. Haidniu.
VIERTES CAPITEL. 147
cote de Grius k la place d'un raechant \illage dans
lequel j'ai passe, et qui s'appelle aujourdhui Taris-
manta.a C)
Taf. 1.
einsieht des Tempels,
Die Ansicht ist von einem nordöstlichen Puncte
aufgenommen. Die Hauptseite ist gegen Osten ge-
richtet.
Tai. 11.
Griindriss des Tempels.
Die schattirtenTheile bezeichnen die Säulen, die
noch nicht gelitten haben, und die Stellen der Mauer,
die noch bis zu einer beträchtlichen Höhe stehen;
da wo die Schattirung fehlt, haben sich nur die Ba-
sen der Säulen oder Grundmauern erhalten.
Der Tempel war ein hexastylos mit elf Säulen
auf den Seiten. Die Säulenweiten sind beinahe dem
doppelten Durchmesser der Säulen gleich.
A. A. Der Säulenumgang (Peristylos).
B. Vorhalle (Pronaos).
C. Zelle (Naos).
D. Hinterhalle (Posticum).
Der Fussboden in der Vor- und Hinterhalle, sowie
die Säulen in beiden sind zertrümmert; man kann
aber doch noch sehen, dass der Fussboden der Vor-
halle um eine Stufe höher als der des Säulengangs
lag.
Taf. Hl.
Aufriss der Ordnung.
Fig. 1. Zwei Säulen des Tempels, um die Säu-
lenzwischenweite zu zeigen. Die Säulen sind alle,
(7) Kino. NTcitläiifijie Discussion über die Lage von Alabanda
lind Kritik über Cliandicr's, Pocockc's, Ciioiscurs u. a. Meinungen
hinsichtlich unserer Tcmpehiiine findet der Leser bei Leakcj Jour
nal of a toiir in Asia Minor, Lond. 1824. p. 130—136. W.
10»
148 VIERTES CAPITEL.
die auf der Südseite ausgenommen, cannelirt. Ihre
Vorderseiten haben kleine Tafeln oder Schilde, wor-
auf die Namen der Wohlthäter stehen, auf deren
Kosten die Säulen aufgerichtet und vollendet wur-
den. Eine dieser auf die Säulen eingegrabnen In-
schriften lautet also :
AES2NAE0NT0S
KO INT 011 TE^JNH
0 OPQNES rnoixEii
QI TONKEl ONAI TN
SnEIPHKAIKE^AAHl
Die Stufen liegen unter den Trümmern und dem
rings um das Gebäude aufgehäuften Schutte versteckt.
Ein Tlieil der obersten liegt zu Tage; aber ihre An-
zahl liess sich nicht bestimmen.
Taf. IV.
Einzelne Theile des Gebäudes.
Fig. 1. Säulenbase mit der obersten Stufe. Der
Vorsprung oder Verstoss (projection) an der Vor-
derseite dieser Stufe sieht aus wie ein ovalo, ist
aber so beschädigt, dass man zweifelhaft sein muss,
ob er dafür bestimmt war, oder nur, während des
Baus und bis die jetzt alle noch unvollendeten Ver-
zierungsglieder ausgearbeitet wären, die Kante der
Stufe vor Beschädigung sichern sollte.
Fig. 2. .Base der Anten an der Vorderseite der
Vorhalle und Hinterhalle. Die Platte, auf welche
die Basen der Anten aufgesetzt waren, springt vier
und einen halben Zoll über die Plinthen vor und
scheint einen Theil des ursprünglichen Fussbodens
ausgemacht zu haben. Vor der Vorhalle und Hin-
terhalle wurden die Stufen durch die fortlaufende
Plinlhe der Säulen gebildet.
Fig. 3. Base der Anten, welche innerhalb der
humeri oder Seilenraauern der Vorhalle fortlief.
VIERTES CAPITEL. 149
Fig. 4. Der Thürpfosten , mit der Stufe, auf
welcher er stand. Seine Höhe betragt zwanzig Fuss
drei Zoll.
Fig. 5. Seitenansicht des Thürpfostens, mit einem
Durchschnitt durch die Stufe.
Fig. 6. Innere Seite des Thürpfostens. Das cyma-
tium ist beschädigt; es ist nur durch eine gerade Linie
formirt, statt eines ovalo, und einen Riemen (listel).
Fig. 7. Bruchstück, das man in dem Säulengang
gefunden. Es war wohl ein Stück des Frieses, der
um den Tempel herumlief.
Taf. V.
Säulenordnung,
Fig. 1. Das Gebälke und Capital der Säulen.
Das Gebälke ist glatt gelassen und sollte wohl noch
eine zu den vollendeten Säulen passende Verzierung
erhalten. Dieser Umstand -verbunden mit dem, dass
die Säulen auf der Südseite des Tempels nicht can-
nelirt sind, setzt es ausser allen Zweifel, dass die
Alten die V^erzierungsglieder erst dann auszuarbeiten
gewohnt waren, wann das ganze Gebäude errichtet
war. Der Tempel des Apollon Didymäos hat uns
ebenso die Wahrheit dieser Bemerkung bestätigt.
Die Rinnleiste (sima) auf dem ICranze w^ar zu
sehr beschädigt, als dass man ihre wirkliche Höhe
und Vorstechung hätte angeben können; die Höhe ist
darum hier restaurirt, indem wir die Höhe des Ar-
chitravs für die mittlere zwischen der des Frieses und
des Kranzes sammt der Rinnleiste annahmen. Die
sima war mit Löwenköpfen verziert.
Fig. 2. Durchschnitt durch das Capital und den
Architrav, der uns die innere Seite des letzteren
zeigt, sammt der Füllung (pannel) in seiner Soffite.
Die Zahnschnitte waren an dem Kranz des Giebels
weggeblieben.
150 FÜENFTES CAPITEL.
Fünftes Capitel.
Sa rno s,
Obgleich die Insel Samos {^) gross und bedeutend ist,
so wurde sie doch von neueren Reisenden selten be-
sucht, und darum hatte man von ihrer geografischen
Beschaffenheit so unrichtige ßegriiFe , dass noch im
Jahr 1820 in Paris eine topografische Karte ihrer al-
ten Hauptstadt erscheinen konnte, nach der das Heräon
innerhalb der Ringmauern der Stadt gestanden haben
sollte. Ebenso waren die Englischen Karten, die vor
den Mittheilungen des Vereins der Dilettanti erschie-
nen, so fehlerhaft, dass man sie unmöglich berichti-
gen konnte. Die vorliegende üebersicht der alten
Insel Samos enthalt nur den Theil, der unmittelbar
an die Stadt und das Heräon sranzt. Das übrige Land
der Insel ist ausser der üstküste noch nicht durch-
forscht und die Einwohner reden von Ruinen im In-
neren, die bis jetzt, soviel wir wissen, noch Niemand
untersucht hat. Es liegten achtzehn Städte oder Flecken
auf der Insel, und ohngefähr eben so viele Weiler;
die Bevölkerung mag sich im Ganzen auf fünfzig-
tausend Seelen belaufen. (^)
Samos liegt zwischen 37" 37' und 37° 56' nördli-
cher Breite und die geografische Länge der alten Stadt
(1) Heutzutage Susam Adasi genannt, nach Panofka, Res
Samiorum. Berolin, 1822. 120 S. in 8vo. W.
(2) Tf^inchelinann (Erläuterung d. Gedanken ü. d. Nachahm.
d. g. W. Sr. Wrke v. Fern. I, 143.) behauptete noch, ,die Insel
läge wüste, und Bartholdy (Bruchstücke z. nähern Kenntniss d. h.
Griechenlands, Thl. I. S. 195.) sagt, Samos und vorzüglich die
Ebene von Chora sei verpestet. W.
FÜENFTES CAPITEL, 151
ist ohngefähr 27° östlich von London. Die Länge
der Insel von Osten nach Westen beträgt ohngefähr
sechsundzwanzig Meilen. Die Stadt Bathj oder Vathi
Jiegt am Ende einer tiefen Bucht an der Nordostseite
der Insel und gewährt den SchilFen, welche diesen
Ort jährlich des Weinhandels (') wegen besuchen,
einen sicheren Ankerplatz. Ein kleiner Damm, wel-
cher den Hafen gegen Norden deckte, würde ihn zu
einer herrlichen Station für Schifte machen. Bathy
scheint jetzt der bevölkertste Ort der Insel zu sein, (*)
obgleich es nicht als Hauptort betrachtet wird. An
der Küste stehen die Häuser und Magazine mehrer
Kaufleute, und einige Agenten oder Viceconsuln
fremder Staaten leben nicht fern von der See. Die
Wohnungen bedecken die Vorderseite eines kegel-
förmigen Hügels und sind nur auf steilen, krummen
und schmutzigen Strassen zugänglich, auf denen man
zu Pferde kaum fortkommt.
(3) Nach Dr. Richard Pococke (Beschreibung des Morgenlan-
des, iibersctzt von Brcycr. Zweite Aufl. Erlangen 1773 in 4. Thl. III.
S. 37.) treiben die Samier einen sehr einträglichen Handel mit
einer Art weissen Mitscatweins , welcher dem gleicht, der im
Abendland als Griechischer verkauft wird. Also doch wohl ein
Fortschritt in der Kultur! Denn obgleich die Insel Samos im Al-
terthumc fruchtbar und reich an den edelsten Südfrüchten war, ja
sogar (nach Aetlilios bei Athcnäos XIV, p. 653. F.) viele und (nach
Pollux Onouiast. "VI, 11.) gute Trauben gehabt haben soll, wofür
denn auch die Benennung eines Vorgebirgs '^fintXoqy fVeinbergj
spriclit, so zeichnete sie sich doch (nach Strabo XIV, 637. und
Eiistathios, Coiuiuonfar. ad Dionys. Perieg. 533. p. 209. Vol. I.
der Geograph. Min. von Bernhardy) gerade dadurcli aus, dass sie'
kei;ien so trefflichen Wein halte, wie die umliegenden InsCln
Chios , Leshos , Kos und das nahe Festland von Kleinasien.
W.
(4) Bathy hat nach Pococke 500 Häuser und 6 Kirchen , und
wird auch von Griechischen Chrisleu bewolint, deren Zahl 200
betragen mag. W.
152 FÜENFTES CAPITEL.
Bathy liegt etwa vierzig Meilen südlich von Smyrna.
und siebenzehn von dein gegenüber gelegnen Vorge-
birg Hj'psile Boroun, Wiewohl die Stadt von Hügeln
umgeben ist, so bilden doch die zwei spitzen Höhen
des Berges Mykale (jetzt Karene genannt) auf" dem
Festlande Asiens die hervorstechenden Züjje der An-
sieht, auf die das Auge bei der Einfahrt in den Ha-
fen gerichtet wird. Schon Homeros spricht von den
luftigen Scheiteln dieses Berges. (*) Nicht fern von
Bathy, an der Strasse zu den an dem Canal oder Pass
von Samos befindlichen Häfen liegt das Dorf Palaio
Kastro , wo man jedoch, trotz seines Namens, keine
Spur vonAlterthümern entdeckt. Zur alten Haupt-
stadt der Insel kann man nur von Bathy aus auf
einem felsigen Fusssteig gelangen. Ist man eine
Stunde lang auf demselben hinangestiegen, so sieht
man links den Berg Mykale, vor sich die alte Burg
und rechts die einzige noch vorhandne Säule des
Tempels der Hera auf der Südküste der Insel. Steigt
man von dieser Höhe in das Thal von Metelinous herab
und geht über ein schönes nie versiegendes Flüsschen,
das mit Rhododafne oder üleanderbäumchen besetzt
ist, so bietet sich das D ori Metelinous selbst dem Blick
des Wandrers dar. Dieser Ort hat neun Kirchen
und seine Bewohner sollen den grössten Theil des
um die alte Stadt gelegnen Ackerlandes besitzen.
In der Umgegend fand man viele Bruchstücke alter
Bildnerei, sowohl aus Bronze als aus Marmor. In
geringer Entfernung von Metelinous und durch eine
niedrige Hügelreihe getrennt, liegt die alte Haupt-
stadt von Samos, die ob ihrer frühern Bedeutung: noch
heutzutage Chora d. h. die Stadt heisst. Der Weg zu
ihr führt durch ein schönes kleines Thal, das durch
ein nie versiegendes Flüsschen, 'A^avaro JSeQQO
(5) H. II , 869 : — MüxaAjj? t' ainuvu xÜQtjva.
FÜENFTES CAPITEL. 153
in der Landessprache, bewässert wird, dessen Quelle
sich am Fuss des Berges F^orliotes oder Borliotis befin-
det. Die Stadt hat gegenwärtig ohngefähr dreihun-
dert Häuser (*) und ist der Sitz des Woiwoden oder
Statthalters, sowie eines Cadi oder Richtersund des
Bischofs. Letzterer hat eine bequeme Wohnung in
der Stadt. Zu der Zeit, als sich die Abgesandten des
Dileltantivereins dort aufhielten, war der Woiwode
ein Teutscher Renegat, ein Mann von munterer
Laune, wie es schien, der aber offenbar selbst in
einer gewissen Abhängigkeit von den Griechische-n
Beamten stand. Als ihm die Glieder deriVlission ihre
Aufwartung gemacht hatten, stattete er ihnen am
folgenden Morgen, von einem der Häupter der Insel
begleitet, seinen Gegenbesuch ab und brachte ein
Lamm zum Geschenk dar.
Südlich von Chora liegt eine weit ausgedehnte
reiche Ebene, die im Allerthum die Stadt i^a/TJO* mit
Früchten versehen haben muss und auf unserer Karte
von der Umgegend von Samos angegeben ist. Ein
hoher Thurm, der dem Kloster von Pairnos als Me-
tochi dient, ist an der Küste sichtbar und kann den
Fremden die Richtung nach dem Hträon angeben.
Die von dem Heratempel noch übrige Säule erblickt
man von allen Theilen der Ebene aus. Die Abge-
sandten fanden sich bewogen, sich in einigen, ohn-
gefähr fünfzig Minuten von Chora entfernten, Maga-
zinen an der Küste niederzulassen, weil sie hier den
Ruinen am nächsten waren. Diese Vorrathshäuser
hatte man neuerdings errichtet und sie waren die
Veranlassung, dass der grössere Theil der noch ste-
henden Marmorstücke des Heratempels niedergeris-
sen wurde. Dies ersieht man aus der grossen Anzahl
(6) Nach Pocoche, S. 43 hatte Chora 12 Kirchen und 250
Häuser. W.
154t FÜENFTßS CAPITEJ,.
der eingemauerten Bruchstücke und besonders der
Basen. Der 3Iarraor derselben ist weiss mit blauen
oder grauen Adern und brach an der üstküste der
Insel. Ganz dicht bei den Magazinen an dem Gestade
ist eine Quelle, die wohl in alter Zeit den Tempel
mit Wasser versorgte. Der Flusslrnbrasosj der Lieb-
lingsaufenthalt der Göttin, (') fliesst in einer Entfer^
nung von siebenhundert Yards westlich vom Tempel.
Seine üler sind wie in alten Zeiten schön umkränzt
jaiit Genstern, Oleanderbäuraen und Keuschlamm
fagnus castusj , welche der Hera geweihte Pflanze hier
und in Chora mehr ein Baum als ein Strauch ist.
Auf dem Berg Korliotes im Westen der Ebene, der
in dem Cap Eis Ampelo oder Sampoulo , (*) dem alten
A^it eXog, endigt, liegt das Dorf Baionda mit ohn-
gefähr dreihundert Häusern. Jenseits desselben ist
eine Ebene mit einem Dorfe Marathro Campo, wo
noch Ruinen sein sollen. Ueber diesem ist die luf-
tige Berghöhe Kerke, der alte Cercetius des Plinius (^)
öder Kerketeus des Strabon. (*°) üeber der Ebene
von Chora liegt das grosse und wirthliche Kloster
Stauro j, oder das Heilige Kreuz.
Der Imbrasos konnte im Monat Juni an seiner
Mündung nur uneigentlich ein Fluss heissen, wiewohl
ein Arm desselben, der aus dem Dori Pyrgo hervor-
kommt, nicht versiegt. Nicht gar weit von der Küste,
unterhalb des Dorfs Baionda^ das man Vaionda aus-
spricht, ist eine Quelle des, Imbrasos j die Nerro Trou-
(7) Hera selbst heisst Imbrasia bei Apollon. Argon. I, 187.
und sollte unter einem Keuschbaura (vitex agnus castus, }.vyoq) an
dem Imbrasos geboren worden sein. Pausan. VII, 4, 4. W.
(8) Bei Pococke S. 36. Capo Fournos mit dichter IValdung.
W.
(9) Hist. Nat. V, 37. Ed. Hard. T. I. p. 287. W.
(10) Lib. X. p. 488. W.
FUENFTES CAPITEL. 155
vio oder das Wasserloch heisst. Keine Gegend kann
die Lieblichkeit dieser Stelle oder der Umgebung
überbieten; (") doch soll das Wasser in den Monaten
Juli, August und September ausgehen; demohnge-
achtet erhielt der Tempel, nach der Meinung der
jetzigen Bewohner, von dieser Quelle sein Wasser.
Nahe dabei, aber etwas höher gelegen, ist ein S.chwib-
öogengang, den die Landesbewohner als PVasserleitung
bezeichnen, der aber mehr wie eine zerstörte Kirche
aussieht. Auf dem Berg von Baionda sieht man das
Kloster des Hagios Taxiarchos und nicht weit davon
entfernt das der Megale Panagia oder heiligen Jung-
frau.
Die Stelle, auf der das Heräon oder der Tempel
der Hera lag, war in alten Zeiten wahrscheinlich
ein Sumpf und man gelangte nur auf einem Fusssteig
zu ihm. Solche Orte wurden in lonien häufig zu
Tempelstätten gewählt, weil sie entweder wirklich
oder vermeintlich gegen Erdbeben gesichert waren.
Die Tempel der Artemis zu Efesos und der Artemis
Leukofryne ('^) zu Magnesia am Mäandros sind Zeug-
nisse für eine solche Wahl. Auch Vitruvius {^^) s[)richt
von der Grundlajje solcher Gebäude. Beurtheilen
wir aber den wirklichen Binfluss eines Sumpfbodens
auf die Dauer von Gebäuden nach der Vergleichung
der hier liegenden Buinen mit andern Trümmern von
Tem[)eln, die auf Felsen gebaut waren, so besteht
der einzige Unterschied darin, dass die auf Sumpf-
(11) Kul ~üfio<; ifiiQoiaaa, JliluayfSoi; tSQUvov "//g»j?. Dio-
njs. P<'ricg. 534. \V.
(12) Diesen sclion S. 29- Anin. 1. und S. 38. erwiihnten Tem-
pel dtr lichthringenden Artemis (aus Versehen steht im Original
Minerva) , wie Creu/.er in der Syinholik Tlil. II. S. 190. ytfvxoq>QÜvt]
erklärt wissen will, stellt Strabon XIV, 647. wegen seines schui^c^
Ebenmaasses noch über den zu Efesos. W.
(13) Lib. VI. Cap. 1. und L. I. C. 7. W.
156 * FÜENFTES CAPITEL.
boden gegründeten Tempel durch eine gleichzeitige
Erschütterung gleich wie durch eine Welle nieder-
geworfen worden zu sein scheinen (wesswegen denn
auch die Säulen in Farallellinien nach der Richtung
des Stosses gefallen sind), die andern dagegen erst
zum Wanken gebracht und nicht w^eit weggeschleu-
dert wurden, wie dies bei dem Tempel der Athena
Polias zu Priene der Fall ist. Der Tempel der Hera
stand auf einer Platte, zu der man auf mehren Stufen
hinanstieg. ' Die noch vorhandenen Säulen sind so
weit von einander getrennt und ihre Durchmesser
haben so verschiedne Grössen, dass wir vermuthen
müssen, der eigentliche alte Tempel sei mit einem
Säulengang aus späterer Zeit umgeben gewesen. He-
rodotos (•*) erwähnt drei staunenswerlhe Werke der
Samier, von denen der Tempel jedoch die übrigen
an Ausdehnung und Pracht übertraf. Der Baumeister
dieses berühmten Gebäudes war der Samier Rhökos,
der Soh-n des Fileos. ('*) Aller Wahrscheinlichkeit
nach hatte das Ileräon Propyläen , denen jetzt noch
sichtbare Dorische Bruchstücke ansehörten. V)'\e Bild-
säule der Hera , die den Tempel zu Samos schmückte,
war aus Erz und hatte sich noch ohngefähr bis zum
Jahr zwölfhnndert nach Christo auf dem Konstantins-
markt zu Konstantinopel erhalten.
Der Byzantinische Geschichtschreiber Niketas
(14) Lib. III. Cap. 60. W.
(15) Nach der Lesart ft>t).(w bei Herodotos a. a. O. hiess der
Vater Filas , nach Pausanias VIII, l4, 5. und X, 38, 3. Filäos. ^
Lesen wir mit Thiersch (Epochen d. bihl Kst. II. p. 36. n. 94.)
bei Herodot : ^nXh), so bekommen wir einen Fileas. Dessen Sohn
Mhöhos nun hatte, ausser dem Hcräon, mit Smilis und TTieodoros
den Labyrinth auf Lemnos erbaut (Plin. H. N. XXXVI, 19 (l3)
nach der von Müller. Aegin. p. 99. angenommenen Heyne'schen
Conjectur). Zugleich soll er den Erzguss erfunden und das Erz-
bild der Nacht zu Efesos verfertigt haben. Pausan. a. a. O. W.
FTJENFTES CAPITEL. 157
Akominatos Choniates meldet uns in einem von Fahri-
cius ('^) inilgelheilten Fragmente, dass dieses pracht-
volle Kunstwerk Ton den Kreuzfahrern bei der Plün-
derung der Stadt niedergeworfen und der abgebrochne
Kopf allein von so ungeheurem Gewicht gewesen
sei, dass ihn kaum vier(*') Ochsen zu dem Palaste
hätten schleifen können, in dem er mit den übrigen
Stücken der Bildsäule in Stateren umgeschmolzen
und wahrscheinlich zur Abzahlung der Venetianer,
welche die Truppen herübergeschifft hatten, ver-
braucht worden sei. Nahe bei dem Tempel fand sich
auch eine kleine kupferne Statue, an welcher der
Arbeiter, der sie entdeckt hatte, auf eine ärgerliche
Weise feilte, um zu erfahren, ob sie nicht etwa von
Gold wäre. Sie gehört nun dem verehrlichen G. A.
Browne f Mitglied des Trinity College zu Cambridge,
an und gibt uns wahrscheinlich eine genaue Darstel-
lung des grossen Standbildes der ffera, ('®)
(16) P'abricius, Bibüotheca Graeca, Vol. VI. p. 406. W.
(17) Im Original steht irrig acht. W.
(18) In der Nähe des Tempels wurde auch der eherne Kopf
eines Greifs gefunden, der zu denen gehört haben mag, die, nach
der Erzählung' des Herodotos, IV, l52, den grossen von den Sa-
miern in den Tempel der Hera geweihten ehernen Krug umgaben.
Sein jetziger Besitzer ist R. P. Knight , Esq.
In den Mauern bei dem Herüon belinden sich viele Bruch-
sti'icke von Bildsäulen. Die Schenkel, ein Arm und ein Fnss einer
weiblichen Figur von Parischem Marmor, die ursprünglich ohn-
gefahr zwölf Fuss hoch gewesen sein mag, liegen auf einem be-
nachbarten Felde. Ebenso finden sich bei dem Tempel Bildnerar-
beiten in basso-rilievo, an denen die Figuren augenscheinlich
grösser gewesen sind als die an dem Parthenon. Künftigen Rei-
senden glauben wir hier den Wink geben zu müssen, dass man
aller Wahrscheinlichkeit nach die Ruinen des grossen Tempck bald
wie einen Steinbruch ansehen werde , aus dem man die Steine zur
Erbauung eines Dorfs an der Küste entnehmen könne. Tritt die-
ser Fall ein , so werden weit mehre Stücke an den Tag kommen.
158 FÜENFTES CAPITEL.
Taf. I.
Karle der Umgegend von Samos,
Als man die ganze Gegend durchforschte, ergab
sich , dass in alter Zeit eine treiFlich gebaute Strasse
von dem Heräon zu der Stadt Samos führte. Mit Ge-
wissheit lässt sich schliessen, dass dies der heilige Weg
war, auf dem sich die Festzüge gewöhnlich zum
Heiligthum der Göttin begaben. Die Karte gibt die
Lage mehrer Hügel oder tumuli an, die einst diesem
Wege zur Zierde dienten; ob aber diese wirklich
prächtige Grabstätten gewesen, lässt sich jetzt ohne
Nachgrabungen nicht mehr bestimmen. Die Entfer-
nung zwischen dem Ileräon und der Stadt Samos be-
trägt ohngefähr vier Tausend fünfhundert Yards, ('^)
wobei man auf fünfhundert Schritte einen Wald-
strom und auf achthundert und sechzig einen andern
Fluss und Sumpf zu überschreiten hat. Nach tausend
und fünfundzwanzig Schritten sieht man einen der
merkwürdigsten Hügel zur Linken, nach tausend
sechshundert und fünfzisr Schritten ein neueres Zoll-
haus an der Rüste, nach zweitausend zweihundert
und fünfundfünfzig Schritten eine Mühle und nach
zweitausend siebenhundert und fünfzig die Mauern des
alten Samos, welche bis zur Spitze des felsigen Hü-
als die Mission im Jahr 1812 untersuchen konnte. Durch die
Kunstgriffe des DoUmetschers Pisani zu Konstantinopel geschah
es, dass die Insel Samos in dem Firman nicht mit erwähnt, son-
dern statt ihrer die Namen Aleppo und Diarbekir untergeschoben
wurden. In Folge dessen verjagten die weltlichen Beamten der
Insel die Leute , welche die gewünschten Ausgrabungen anstellen
sollten, und die Herrn von der Mission sahen sich im Monat Juni
genöthigt, selbst mit Spaten und Pickeln Hand ans Werk zu legen,
während ihr Dollmetscher die Landesbewohner von dem Ort ab-
zuziehen suchte, indem er ihnen unterhaltende Geschichtchen er-
zählte und mancherlei lächerliche Mummereien vormachte.
(19) Eine Yard :rz 3 Engl, oder 2"/,j Rheinland. Fuss. W.
FÜENFTES CAPITEL. 159
gels zur Linken hinauflaufen. In der Nähe der Strasse
erblickt man mit Blumenwerk verzierte Sarkofage
und eine schöne Quelle Salzwassers. Bei dem Ein-
treten in die alte Stadt stösst man auf mehre alte
Ruinen, die nach ihrer Gestalt jetzt Odontia oder die
Zähne heissen. Folgt man dem Laufe der Mauern
und Thürme bis zu der Höhe auf der Linken, so
sieht man, wie die Burg die Spitze des Hügels ein-
nahm. Die Mauern haben alle gleiche horizontale
Schichten und ihre Dicke steigt von neun bis zu vier-
zehn Fuss. An mehren Stellen ist noch der überra-
gende Kranz erhalten und sogar die unteren Lagen
der Zinnen (battlemenls). Fünf Thore lassen sich auf
der Höhe nachweisen, von ihrem Zweck kann man
sich aber nicht leicht einen Begriff bilden, da sie
durchgängig auf Felsen oder in Abgründe führen. C*")
Von der Festung aus sieht man ein Thal, in dem die
Ueberreste einer Wasserleitung stehen. Dieses Thal
scheidet die Festung von den benachbarten Bergen
und an seinem nordöstlichen Ende steht die Kirche
des heiligen Johannes oder y4giani, woselbst man noch
den Eingang in jenen unterirdischen Canal nachwei-
set, durch den das Wasser aus einer schönen Quelle
bei der jetzigen Kirche unter dem Berg her zur Stadt
Samos geleitet wurde. Bei der Quelle ist die Kirche
des heiligen Georg und das Capital einer Dorischen
Säule, deren Deckel (abacus) zwei Fuss im Geviert
gross ist. Diese Wasserleitung ist das zweite grosse
W erk derSamier, dessen Herodotos (111, 60.) gedenkt.
An der Südseite des Hügels, nicht weit vom alten
(20) Die Thiirrnc sind gewöhnlich gegen vier Fuss ilick mit
/wci |)er|)eii(liciilaren Schiclifen. Ein auf <lei- Westseite wohl er-
linlliier hat gegen Westen zwei Schiesslöclier, zwei gegen Süden
und eins geilen Nonlen , sowie ein Tlior g<-gen Osten. Diese Oeff-
niingen verengen sich nach der Aussenseite im Vcrhultniss von
/v. ei l""uss zu zehn Zoll.
160 FUENFTES CAPITEL.
Tlieater von Samos entfernt, ist eine Höhle mit einem
kleinen Metochi , welche mit der unterirdischen
Wasserleitung in Verbindung stehen soll. Ist dies
der Fall, so muss es durch eine Röhre bewirkt wer-
den, da ihr Boden zu hoch gegen die Quelle bei
Agiani scheint, wiewohl diese Sache noch nicht ge-
nau untersucht worden ist. Es ist vielmehr nahe bei
dem Kopf des grossen Damms am Hafen Tigani ein
unterirdischer Canal, den man mit mehr Wahr-
scheinlichkeit für die Stelle annehmen kann, an die
das Wasser von Agiani geleitet wurde. Das Theater
ist in den Felshügel eingehauen; noch sind einige
Sitze erhalten ; (^*) von ihnen siebt man aufs Meer
herab. Der Durchmesser desselben beträgt ohnge-
fähr zweihundert und sechsundvierzig Fiiss. Von
der Kuppe des Hügels kann man den alten Damm,
eins der Wunderwerke ^'on Samos, erblicken, wie-
wohl nur noch wenige Theile seines Überbaues
stehen. Die ausserordentliche Tiefe des Wassers
musste dem Bau desselben grosse Hindernisse in den
Weg gelegt haben. (^^) Man muss es zwar sehr be-
zweiflen, dass der Damm je zwei Stadien lang gewe-
sen; immer bleibt er jedoch ein stannenswerthes
Werk. Ruinen von mehren Gebäuden entdeckt man
noch nah an dem Meere und unter andern auchUeber-
reste einer Korinthischen Forticus.
In der Mauer gegen Osten sieht man ein kleines
Thor, das beinahe vollendet und von ganz sonder-
barer Bauart ist. Ein anderes Thor stand wahr-
scheinlich an dem Meer. Oestlich von der Stadt liegt
(21) Pococke, S. 39. gibt dem Theater eine Weite von
240 Fuss, den Sitzen einen Raum von 80 Fuss. W.
(22) Herod. III , 60 : 5)Der Damm im Meer inn den Hafen
herum ist gegen zwanzig Klafter tief inid die Länge dieses Dam-
mes beträgt mehr denn zwei Stadien.«
FÜENFTES CAPITEL. 161
die Ebene Miso Campoj oder Meso Campo, weiter hinaus
das Vorgebirg Psylidmou oder Hypsile mit einer klei>
nen Felseninsel. Zur Rechten derselben ist das Vor-
gebirg Trogylion, in dem der Berg Mykalt auf dem
Fesüande Asiens auslauft, woselbst der Zugang zu
dem Passe der Insel Samos ist. Bei dem Vorgebirg
ist ein Hafen, wo einst der heilige Paulus ankerte,
von wo jetzt aber CaperschilFe und Corsaren auslau-
fen; demohngeachtet nennt man ihn noch den Hafen
der Panagia oder heiligen Jungfrau. Ueber demselben
ist nach der Angabe der Landesbewohner ein ICloster
des heiligen Paulus. An dem östlich von Psylidmou
gelegnen Vorgebirg Koukoura ist eine kreisförmige
Kingmauer von grauem Marmor. Sie ist nun fast
überdeckt mit losgebrochnen Steinen, aber das Mauer-
w^erk scheint alt zu sein. Der Durchmesser mag ge-
gen siebenundachtzig Fuss betragen haben. Eine
andre Ruine steht bei dem nächsten Vorgebirg, das
Gräa Podia genannt w^ird. Zwischen beiden Vorge-
birgen liegt der Busen Merjik, von den Griechen
Klima wahrscheinlich desswegen genannt, weil da-
selbst ein schlechter Pfad über in den Felsen gehauene
Stufen landeinwärts führt. Die erste I\ingmauer ist
wahrscheinlich die Stätte des alten Poseidion von
Samos.
Jenseits des Vorsfebirirs Gräa Podia ist der Hafen
Moliah Ibrahim, von WO eine Strasse oder vielmehr
ein Pfad nach Palaio Kastro und Bathy durch einen
wilden und schönen Gebirgspass führt. Die gegen-
iil)erliegende Seite des Mykale mit seiner schönen
Waldnnggewälirt eine vorlreiriiche Ansicht. Man fin-
det hier keine Spur von Bevölkerung; auch kann man
für das Panionion in derThat auf dieser Seite des Ge-
birgs keine passende Stelle finden, ausser bei Changli,
wofern nicht etwa bei dem Hafen zu Trogjlion Rui-
nen gefunden werden sollten. Die kleine Insel ^gio
Ion. AU. 11
162 FUENFTES CAPITEL.
Nicola, das alte Narthekis, liegt fast mitten in dem Ca-
nal und noch zwei andre kleine Felsen ragen in dem
Pass hervor. Auf der Insel selbst findet man -viele
Inschriften, von denen eine in fünf Distichen auf
einer so dünnen Marmorplatte stand und so vollständig
war, dass sie von der Mission der üilettanti wegge-
bracht und von dem Grafen von Hardwicke der Uni-
versität von Cambridge geschenkt werden konnte.
Taf. II.
Ansicht der Ueberreste des Tempels.
Mehre Säulenbasen haben sich noch an ihren
alten Stellen erhalten; die meisten sind aber so weit
zerstreut und von einander entfernt, dass man sich
keine befriedigende Ansicht von dem ursprünglichen
Plane mehr bilden kann. Gleich dem Tempel des
Apollon Didymäos und dem des Zeus Olympios zu
Alhenä scheint dieser ein dekastylos und dipteros ge-
wesen zu sein und wie der erstere einundzwanzig
Säulen auf den Nebenseiten gehabt zu haben.
Soweit man die Entfernungen auf einem so über-
schütteten und mit Bruchstücken bedeckten Grunde
messen konnte, waren zwei Säulen aus der zweiten
Reihe auf der Vorderseite hundert und sechs Fuss
von einander entfernt. Nehmen wir an, dass fünf
Säulen dazwischen standen, so bekommen wdr bei
gleicher Yertheilung einenZwischenraumvon 17', 8'. 2
zwischen den Achsen von zwei nebeneinander ste-
henden Säulen.
Die ganze Ausdehnung des Tempels scheint auf
den Nebenseiten dreihundert und vierundvierzig Fuss,
und auf der Vorderseite hundert und Sechsundsechzig
Fuss betrao-en zu haben.
Der untere Theil einer Säulenbase steht noch an
ihrer allen Stelle an der Nordostecke des Tempels.
Fig.
1.
pitäls.
Fig.
2.
Fig.
3.
Fig.
4.
Fig.
5.
FÜENFTES CAPITEL. 163
Der Durchmesser der Säulen von dem äusseren
Peristyl ist 6', 5". 4.
Taf. 111.
Die Base und der obere Theil des Schafts einer Säule,
Die Base hat eine sehr ungewöhnliche Construc-
tion und entbehrt den unteren Pfuhl.
Taf. IV.
Einzelne Tlieile der Säulen,
Durchschnitt durch den Wulst des Ca-
Durchschnitt durch das ovalo.
Ilorizontaldurchschnitt des Wulstes.
Aufriss desselben.
Bruchslücke von Schnecken, die man
unter den Ruinen gefunden.
A. Durchschnitt
B. Aufriss.
Fig. 6. Base der Säule an der Nordwestecke,
mit dem Durchschnitt der Stufen.
Taf. V.
Durchschnitte durch die Glieder der Säulenbasen,
Man bemerke die grosse Mannigfaltigkeit an den
Gliedern der äusseren und inneren Reihe.
Taf. VI.
Bruchstücke j die man unter den Ruinen gefunden,
Fig. 1, 2, 3. Einzelne Theile eines verzierten
Gliedes.
Fig. 4. Das Capital einer kleinen Ionischen Säule.
Die Rinne der Schnecke ist hier, statt hohl oder ein-
gesenkt zu sein, erhoben.
Fig. 5. Ouerdurchschnitt der Schhecke.
Fig. 6. Das Capital einer Dorischen Säule.
Fig. 7. DurcJischnitt der Ringe.
11
164 FÜENFTES CAPITEL.
Taf. VII.
Ordnung eines Dorischen Gebäudes in grösserem
Maassstabe.
Ohngefähr in der Mitte der alten Stadt, nicht weit
von dem Meere sind noch bedeutende Ueberreste
einer Porticus oder Agora. Die Lage derselben ist
auf der Karte mit den Worten »Alte Ruinen» ange-
geben.
Der Baustyl ist offenbar Römisch. Das cymatium
des Capitäls ist ohne Band oder Riemen.
Das Fussgestell sammt der Base, wahrscheinlich
von einer Ionischen Säule, gehörte nebst mehren
andern zu demselben Gebäude.
Taf. VIII.
Bruchstücke , die man zu Samos gefunden.
• Auf der Karte ist eine Stelle bezeichnet, wo-
selbst mehre Trümmer eines Korinthischen Gebäudes
entdeckt wurden. Zu ihnen gehört der Kranz und
die Ecke eines Giebels mit seinen Verzierungsglie-
dern, Er ist von weissem Marmor.
Der Kranz zur Linken auf dem unteren Theile
der Tafel, den wir zur Rechten auch in grösserem
Maassslabe gegeben haben, bildet den Sturz (lintel)
über dem Fenster einer kleinen Capelle, die etwas
östlich über dem Theater steht. Sie ist unmittelbar
an der grossen Höhle, die ein von zwei Brunnen er-
fülltes Wasserbehälter in sich schliesst, wie wir
bereits bemerkt haben.
ALTERTHÜMER
VON
I O N I E N
HERAUSGEGEBEN
VON DER
GESELLSCHAFT DER DILETTAIVTI
LONDON 1797.
ZWEITER THEIL.
Gesellschaft der Dilettant!.
1797.
Hr Revett.
Lord Charlemont.
» DUNDAS.
Herzog von NonFOLit.
Sir Joseph Banks, Bart.
» William Hamilton.
Hr. Langlois.
V Peachey.
» WlNDHAM.
Viscount Wektwouth.
Hr. PoTTER.
» Gore.
» R. Payne Kmght.
Sir H. E>GLEFiELn, Bart.
u Georg Beaumont, Bart.
Hr. P. Metoalfe.
» Sylvester Douglas.
» Tow>r,EY.
» R. Wilbraham.
)) Cratiiorne.
» J. Dawki.vs.
» Mitfori).
Dr. Asii.
Hr. Wood.
» Barry.
» Pettinvard.
Sir Ab. Huhe , Bart
Hr. Frederick North.
Graf V. Hardwicke.
Hr. PococK.
» Dü^DAs.
» BURY.
» R. Palmer.
» C. CüRWEN.
» Ellis.
» Storer.
» A. Barnard.
Marquis V. Abercorn.
Hr. Lawrence.
» Sotheby.
» Charles Long.
» West.
» Walpole.
Lord Calthorpe.
Hr. Chester.
Sir Robert Ainslie.
Hr. H. Scott.
» Pole Carew.
» Wombwell.
» Symmons.
» Matthews.
Sir John Throckmorton , Bart.
Vorrede zum zweiten Theil.
JNachdem wir unsern Lesern im ersten Theile
Frohen der schonen, üppigen und zuweilen fan-
tastischen Bauart der Asiatischen Hellenen ge-
geben haheri, legen wir ihnen nun einige Bei-
spiele des züchtigeren und ernsteren Styls vor,
der im Griechischen Mutterlande und seinen
Europäischen Colonien herrschte, wosell)st ein
höherer Grad von Strenge sowohl in den Sitten
des Hauses als in der Öffentlichen Zucht auch
die Einfachheit des alten Geschmacks länger
bewahrte.
Dieser Styl heisst gemeiniglich der Dorische,
mit mehr Recht wird er aber der Griechische
oder Hellenische genannt. Denn vor der Ober-
herrschaft der Mahedonen hatte man in Grie-
chenland und seinen Europäischen Colonien kei-
nen anderen neben ihm. Es war erst das Werk
des staatsklugen Makedonischen Eroberers und
seiner Nachfolger, dass sich die Eigenthümlich-
keiten der einzelnen dem grossen Reiche einver-
leibten Völkerschaften mischten und in einander
170 VORREDE ZUM ZWEITEN* THEIL. ♦
verloren. Aus dieser Auflösung und Vereinigung
des Geschmacks und der Sitte verschiedner Län-
der gingen fantastische und •wunderliche Zeich-
nungen und Compositionen hervor und jenes
rastlose Haschen nach neuen Formen, das noch
immer den guten Geschmack zu Grabe gelei-
tet hat. ,
Vor dieser Periode scheinen alle Tempel in'
Griechenland, Sizilien und Italien von Einer
Ordnung und von gemeinsamer Form gewesen
zu sein, von der man jedoch nicht anstand in
einzelnen Theilen etwas abzuweichen, wenn
besondre Zwecke oder örtliche Verhältnisse dazu
aufforderten.
Diese allgemeine Form war ein längliches
Viereck, Sechs Säulen auf den Fronten und
dreizehn auf den Seiten, oder acht vorn und
siebenzehn auf den Seiten umschlossen die Mauern
der Zelle, die im Verhältniss klein war und in
einigen Fällen nach oben offen geblieben zu
sein scheint, in andern aber durch das Dach
des ganzen Gebäudes bedeckt wurde. War die
Spannung dieses Daches sehr weit, so stellte
m.an in frühen Zeiten eine Säulenreihe in die
Mitte, um die Balken zu unterstützen. Die Kunst,
Bogen und Gewölbe, selbst nur aus Holz, zu
bauen, kannte man damals noch nicht.
In dieser Art scheinen alle Gebäude von be-
deutender Grösse in der Zeit des Homeros ge-
baut gewesen zu sein, denn in der Odyssee
erwähnt derselbe oft Säulen, die mitten im Ge-
VORREÜE ZUM ZWEITEN THEIL. 171
mache standen, (^) wiewohl er in einer Stelle
der Iliade ('^) auch von der Festigkeit der sich
begegnenden Sparren eines Dachs redet, die
einen Winkel Lilden und sich gegenseitig stützen.
Der Tempel zu Eleusis scheint zwar nach
unserem, Cap. VI. Taf. XIX, gegebenen Grund-
riss nicht nach der oben beschriebenen allge-
meinen Form gebaut gewesen zu sein; allein
ausser Einer unvollendeten Säule haben sich nur
einzelne Theile von der Mauer um die Zelle
und von der äusseren Ringmauer erhalten, so
dass wir uns nur eine sehr unvollständige Idee
von dem Tempel bilden können. Vitruvius (3)
erzählt uns, dass er zuerst aus einer Zelle von
ungeheurem Umfange ('^) ohne Säulen bestanden
habe, verstand aber wohl darunter, dass er nicht
nach der gewöhnlichen Weise mit Säulen umge-
ben gewesen sei. (^) Nur ein prostylos sei sodann
noch angefügt worden und dieser auch erst in der
Zeit des Demetrios Falereus ^ also einige Jahr-
hunderte später als das eigentliche Hauptgebäude
aufgeführt worden war. Zu diesem prostylos
(1) Od. VI, 307. VIII, 66 und 473. XXII, 466. (Ebenso
I, 127. XVII, 29. IX, 38. W.)
(2) II. XXIII, 712.
(3) Vorrede zu Buch VII.
(4) Siehe A.lterth. v. Attika. S. 56. Anm. 25- W.
(5) Die eigenen Worte des Vitruvius »sine exterioribus co-
lumnis« lassen gar keinen Zweifel übrig und die späteren, in den
Aiterth. v. Attika, C. IV. niitgethcilton, Untersuchungen machen
es wahrscheinlich, dass zwei Säulenreihen quer durch die Zelle
liefen. W.
172 VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL.
scheint die erhaltene Säule gehört zu haben.
Wahrscheinlich liess es die ungewöhnliche Grosse
der Zelle, welche für das Bedürfniss der man-
nigfaltigen und viel umfassenden Gebräuche der
hier gefeierten Eleusinischen Mysterien einge-
richtet war, nicht zu, dass man sie zu einem
peristylos machte, d. h. mit Säulen umgab. Die
Kosten eines solchen Säuleneanges würden fast
unerschwinglich gewesen sein, selbst in dem
einfachen Styl der alten Dorischen Ordnung, zu
der die erhaltene Säule gehört.
Die Verzierungstheile dieser Bauart, oder
das, was sie eigentlich als eine besondere Ord-
nung hinstellt, sind ausserordentlich einfach und
gerade so, wie sie sich aus dem Mechanismus
des Baus ergeben mussten. Die Säulen glichen
Pfosten oder Baumstämmen, (^) die man auf eine
Grundlage von Stein gestellt hatte, damit sie
sich nicht in den Boden senkten oder von der
Feuchtigkeit litten. (^) Von unten bis oben hin
(6) Hölzerne Säulen sah noch Pausanias z.u Elis und Olym-
pia (V, 16, 1 und 20, 3. VI, 24, 7.); tlicse sind aber nach
Stieglitz (Geschichte der Baukunst, Nürnberg 1827. S. 196.) »als
Ausnahmen vom gewöhnlichen Baue anzusehen, die in etwas Zu-
fälligem ihren Grund fanden.« Ebendaselbst bestreitet Hr. St. die
besonders durch Vitruvius veranlasste und von ihm selbst früher
angenommene Behauptung, »dass bei den Griechen die Grundform,
vornehmlich der Säule und des Gebälkes, durch den Holzbau und
die Zimmerkunst ihr Dasein erhalten hätte,« und sucht vielmehr
darzuthun, wie die Vollkommenheit der Griechischen Baukunst,
insonderheit die Schönheit der Gestalten nicht aus dem ' dürftigen
Holzbau, sondern nur aus dem grossartigen Steinbau hervorgegan-
gen sei. W.
(7) So entstand die Plinthc , nklv&oi;. W.
VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL. 173
machte man regelmässig Einschnitte in dieselben,
sowie die Bäume von Natur Risse in ihrer Rinde
haben; man höhlte au ihnen Rinnen oder Strei-
fen (Cannelif'ungen) aus, um die Speere, welche
die allen Hellenen stets mit sich führten, hinein-
zustellen; ("*) auf die Enden der Säulen legte
man runde Steine, um sie vor dem Regenwas-
ser zu schützen, darüber viereckige, um den
Hauptbalken aufzunehmen, der die Balken der
Decke trug. (^) Dieser Hauptbalken wurde der
Architrav. Daraus, dass die Enden der auf ihm
ruhenden Dachbalken eingeschnittene Schlitze
oder Rinnen hatten, um zu verhüten, dass sich
das Regenwasser nicht an ihnen ansetze, ent-
standen die Triglyfeii oder Dr ei schlitze ^ deren
Tropfen (guttae) die aus ihnen herabfallenden
Wassertropfen vorstellen. Der Kranz (corona,
corniche, cornice) war der vorstehende Theil
des Dachs und die Dielenköpfe (mutuli) die
Enden der das Dach tragenden Sparren. JMehre
dieser Verzierungsglieder, die urs])rünglich nur
das natürliche Ergebuiss der zunächst liegenden.
(8) Od yss. I, 127: -/-■';'/ o ? /<*'i' ö tairjne (ptQoiv rrpo? xfora fiuxQt]r,
/lovfjodöy.i]^ l'vrooO-iv iü^öou, ffO-u jifQ uXlu
J^y/i Odvootloi; Tu).uoCq,Qovo<; 'ioxuio noi.'/.ü.
Diese SovQofiöx-)], <lcr Spccrbchältor in clor Saiilc, kann nach iinso-
icr Meinung niclifs anders als ein aus der Säule ausgehöhlter Strei-
fen, eine Cannelirung der Siiule gewesen sein.
(9) So entstanden der Echinus j fTulst, anfangs mit einem
länglich runden Prodi, und der Abaciis , Sauh'ndeckel , zuerst
eine einfache Platte, ohne die Verzierung durch die Kehlleiste.
w.
174 VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL.
einfachsten Bauart waren, wurden späterhin mit
unbedeutenden Veränderungen für jene symbo-
lische Sprache benutzt, welcher alle Zierrathen
heiliger Gebäude des Alterthums auf verschiedne
Weise dienen mussten. Doch gehört die Erör-
terung dieser Idee mehr der Relinionslehre als
der Baukunst jener Zeiten an und findet darum
in vorliegendem Werke keine Stelle.
Der Versuch, unsere Leser mit Vermuthun-
gen über die Erbauungszeit der einzelnen hier
vorgelegten Ge])äude zu unterhalten, Avürde eitel
und nutzlos sein. Der Styl aller ist sich so sehr
gleich und die Geschichte der Orte, an denen
sie standen, noch so wenig erhellt, dass wir
nur sehr schwankende Vermuthungen aussprechen
könnten. Es scheint zwar eine natürliche An-
nahme, dass diejenigen Gebäude, welche die
kürzesten Säulen und schwerfälligsten Theile
haben, die ältesten sind; doch auch dies ist noch
sehr unsicher. Ha])en Avir ja doch keine Tempel
der Art, deren Alter sich fest bestimmen lässt, er-
sehen Avir doch aus Münzen, dass man in sehr
alten KunstAverken der menschlichen Gestalt auf-
fallend lange und schlanke Verhältnisse gab. (^^)
Ohne uns darum bei solchen Gegenständen reiner
Vermuthung zu verweilen , TV'ollen Avir einige
Bemerkungen üljer die Mittel hinzufügen, durch
Avelche jene ausserordentlichen BauAA'^erke gerade
(10) Siehe die Münzen von Pästum fPosidoniaJj Selinus und
Sjracusä.
VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL. 175
an Orten aufgeführt werden konnten, denen diq
Natur keine ergiebige Quellen zur Bestreitung
des Aufwandes eröffnet hatte, der an den Ge-
Läuden sichtbar ist.
Unter allen Erscheinungen in der politischen
Geschichte der Menschen ist keine wundervol-
ler und anziehender, als die verhältnissmässig
überaus grosse innere und äussere Energie und
Macht, zu der sich jene kleine Staaten erhoben,
deren «ganzes Ge]>iet eine unbedeutende Insel,
eine schmale Landenge, oder ein felsiges Vor-
gebirg war, von wo sie Raubflotten in alle Theile
des mittelländischen Meers und Colonien an alle
Küsten sandten , Trotz bietend allen stolzen
jMonarchen, welche die weiten volkreichen Ebe-
nen von x\sien und Aegypten beherrscliten, und
allen rohen und kühnen Bar])aren , Avelche die
nicht minder fruchtbaren Gefilde von Sizilien
und Italien inne hatten.
Armuth und fysische Leiden scheinen bei
den Hellenen die erste Quelle moralischer und
politischer Stärke gewesen zu sein. Denn da
sich ungel)ildete Menschen nur durch den Ruf
der Natur zur Thätigkcit antreil»en lassen, so
müssen sie erst die Pein des Mangels fühlen,
bevor sie lernen können, solche Talente zu ent-
wickeln, durch die sich der Mangel entfernen
lässt.
In Ländern wie Aegyplen und Assyrien , wo
der Boden fast Aon sclifst alles hervorbrachte,
was IMenschen zum Unterhalt und selbst zum
176 VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL.
freudigsten Genuss des Lebens bedürfen und
wünschen, wo auck die geringste Pflege einer
Pflanzung mit sicherer und reicher Aernte be-
lohnt ward, da musste der Ackerbau das natür-
lichste IMittel sein, selbst eine zunehmende Be-
völkerung zu unterhalten. Da zugleich immer
noch unbegränzte fruchtbare Strecken Landes
in der Nähe lagen, so konnte ausserdem, ehe
eine Gegend überfüllt war, eine andere besetzt
werden.
Wie ganz anders ^^ar es auf den unfrucht-
baren Felsen von Attiha und Föiiike, sowie auf
den benachbarten Inseln Kreta, Leshos und
Aegina! Dort war der Ackerbau beschwerlich
und sicherte der Mühe keinen glücklichen Er-
trag; hier mü;?sten die wenigen Stellen, auf
denen sich Ackerbau mit geringerer Mühe und
besseren Hoffnungen treiben liess, bald nicht
mehr hinreichende Nahrung für eine zunehmende
Bevölkerung liefern, zumal in jener Zeit, in der
sowohl die Kunst, JMenschenleben zu zerstören,
als die, neue Nahrungsquellen aufzufinden, noch
sehr unvollkommen war. Hunger trieb sie an,
die See zu erforschen, um entweder durch räu-
berische Angriffe auf ihre reicheren Nachbarn
oder durch Tauschhandel sich das Fehlende zu
ersetzen. Auf die letztere Weise scheinen sich
vorzüglich die FöinJcen, auf jene die Hellenen
bereichert zu haben; (^^) darum machten sich
(11) Tliiikydidca 1,5: »Vormals legten sich die Hellenen und
die baibiirischcn Küsten- und Inselbewohner auf Seeräuberei, ohne
VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL. 177
diese in den frühesten Zeiten der Geschichte
durch ihre Geschicklichkeit in den Waffen, jene
durch ihre Kunstfertigkeit berühmt. (^2)
Ehe sich die einzehien Handwerke gesondert
hatten, zu der Zeit als sich noch jeder Mann
die nÖthigen Geräthe für seinen Haushalt selbst
fertigte, musste diesem wohl wenig daran lie-
gen, ob der Becher, aus dem er trank, von
plumper oder zierlicher Form war. Der einzige
Vortheil und die einzige Auszeichnung, die er
aus dem Besitz eines schönen Geräthes zu er-
langen hoffen konnte, würde der Ruf gewesen
sein, etwas mehr Geschicklichkeit in Handar-
beiten zu besitzen, als seine Nachbarn. Diese
Art der Ehre stand aber in der Kindheit der
bürgerlichen Gesellschaft nie hoch im Werthe.
Brachte aber jener Seefahrer einige seiner Ar-
beiten auf einen fremden Markt, wo die Kunst
noch nicht einmal jene niedere Stufe erreicht
oder die Natur die Arbeitsstoffe versagt hatte,
so musste die Bewunderung des Käufers im Ver-
hältniss mit der Schönheit der Form und dem
Glanz der Farben steigen. Die Eitelkeit, das
feilgebotne Werk zu besitzen, stieg mit der
Schwierigkeit es zu erwerben; die Arbeitsam-
keit und der Erlindungsgeist des Arbeiters wurde
durch die sichere Hoffnung auf Gewinn ange-
regt und das Glück, das er mit seiner vom
dass diesem Gewerbe eine Schande anklebte ; vielmehr brachte es
einigen Ruhm.« W.
(12) Homeros in vielen Stellen.
Ion. Alt. 12
178 VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL.
Zufall veranlassten Arbeit gehaht hatte, machte
ihn für die Zukunft ausschliesslich zum Künstler.
Die Föniken, insbesondere die Sidonier, hat-
ten schon zur Zeit des Troianischen Kriegs
einen grossen Ruf durch Werke solcher Art er-
langt. Die Griechen schätzten dieselben hoch
und kauften sie begierig auf, wiewohl sie den
trügerischen Handel der schweifenden Kaufleute
verachteten, von denen sie ihre Waaren empfin-
gen. (*3) Zum Handel gehörte eben so wesent-
lich der Trug, wie zur Seeräuberei die Gewalt-
that. Und da Gewalt überall noch für besser
gilt als Trug, obgleich sie mehr Gefahr bringt,
so waren auch bei den Griechen die Seeräuber
mehr geachtet, als die Kaufleute. Als sich so
z. B. Odysseus in der Hütte seines alten getreuen
Dieners Eumäos für einen Kretischen Länder-
durchwanderer ausgab, suchte er seines Gast-
freundes gute Meinung dadurch für sich zu ge-
winnen, dass er ihm erzählte, wie oft und mit
welchem Erfolg er Raubzüge angeführt, durch
die er, wie er sagte, »machtvoll und ehrwür-
dig im Volk der Kreter hervorschien. a (i^) Doch
empört sich das Herz des Odysseus, als ihn,
den Verkleideten, Euryalos, der Fäakier, einen
(13) Odyss. VIII, 288: Sieh, ein Fönikischer Mann kam jetzt,
ein im Truge gewandter
Gaudieb, der schon Vieles zur Plag'
ausübte der Menschen.
W.
(14) Odjss. XIV, 199 ff.
VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL. 179
Kaufmann nennt; {^^) (lies dünkt ihm der bit-
terste Schimpf und Vorwurf.
So lange die Griechen solche Vorurtheile
und Ansichten hatten, machten sie natürlich
nur sehr geringe Fortschritte in den Künsten,
die sie später zu einer Stufe der Vollendung
brachten, auf der kein Nebenbuhler sie erreichte.
Alle Werke des Geschmacks und der Schönheit,
die uns Honieros beschreibt, kamen entweder
aus der Werkstätte des Hefästos oder aus den
Händen der Sidonier^ und wenn seine Schilderun-
gen nicht durch seinen eignen lebhaften Schön-
heitssinn ausgeschmückt wurden, so musste er
Proben von sehr trefflicher Kunst vor sich se-
habt haben. (^^) In welcher Zeit seine Lands-
leute jenen nachzustreben begannen, ist ungewiss,
da sich alle glaubwürdigen Berichte über die
ältere Zeit auf Denkmale beziehen, deren Alter
sich nicht bestimmen lässt. Dädalos, ihr erster
Bildner von Auszeichnung, lebte zwar drei Men-
schenalter vor dem Troianischen Krieg, aber
seine Arbeiten waren nur grosse hölzerne Schnitz-
bilder für die Tempel, die also nur als Gegen-
stände des Götterdienstes, nicht des Handels oder
des Luxus, noch als Proben edler Kunstbildung
(15) Odyss. VIII, I6l: Scheinst mir ein Mann, der beständig
im Rtidorscliifle licriimfahrt,
Etwa ein llaupt der SchifTer, die Han-
delsleute zugioicli sind.
(16) Man erinnere sich, wie er den Schild des Achillcus, den
Becher dos Nestor und andere Kunstwerke beschreibt.
12*
180 VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL.
betrachtet werden können. (*') Wahrscheinlich,
fanden die Künste ziemlich um dieselbe Zeit
Eingang als die schonungslose Seeräuberei auf-
hörte. Dass aber jene aufblühten und diese
nicht mehr länger ihr UnAvesen trieb, dankte
man wohl beides den Colonien, die auf reiche-
rem Boden und in üppigerer Himmelsgegend
angelegt wurden, woselbst der bisher von der
Noth genährte schöpferische Geist in dem Ueber-
fluss gedeihliche Pflege fand.
Die ältesten jetzt vorhandenen Denkmale
menschlicher Bildung sind Münzen. Ihre Er-
findung schreibt Herodotos (*8) den Lydern zu.
Von ihnen erhielten sie wahrscheinlich die Grie-
chischen Colonisten an der Lydischen Küste.
Diese brachten sie in ihr Mutterland zugleich
mit andern Künsten, die sie bei ihrem Handel
an den Küsten von Karien und FÖnizien gelernt
hatten.
Die Erfindung eines allgemeinen Auskunfts-
mittels bei dem Handel setzt eine sehr grosse
Ausdehnung desselben voraus; ohne diese wür-
den die Menschen das Bedürfniss eines solchen
Mitteljilieds zurErleicliterunij und Vereinfachung
O c? o
des Austausches nicht gefühlt haben. Homer os
(17) Ueber Uäctalos j den Universalkiinstlei- oder Kiinstheros,
und die grosse Masse von Nachrichten über ihn und seine Werke,
siehe Mejer's Gesch. d. b.-K. S. 4 ff. ; die anderen Meister des-
selben Namens findet man in klarer üebersicht in Sillig's sorgfältig
gearbeitetem Riinstlerkatalog. W
(18) I, 94: »Die Lyder sind, unseres Wissens, die ersten, die
da goldiie und silberne Münzen geprägt und gebraucht.«
VORREDE ZUM ZWEITE^f THEIL. 181
scheint noch ganz unbekannt mit demselben ge-
wesen zu sein. Alles Kaufen und Verkaufen
bei ihm ist noch Tauschhandel; kostbare Me-
talle, wie Eisen und Erz, gab und nahm man
nach dem Gewicht; die Hohe des Werthes be-
stimmte man durch Angabe einer grösseren oder
kleineren Zahl von Hornvieh. Dies war der
allgemeinste Gegenstand des Reichthums, und
darum liess sich auch durch Vergleichung mit
ihm die Geltung jedes anderen Dinges am leichte-
sten und fasslichsten ausdrücken. Plutarchos ('9)
meldet uns zwar, Theseus habe Münzen schla-
gen lassen; mehr Glauben verdient aber Stra-
hon, (20) dem zufolge Feidon, König von Argos^
auf der seiner Herrschaft unterworfenen Insel
Aegina die erste Griechische Münze prägen liess.
Dies geschah, nach der Parischen Chronik, acht-
hundert und fünfundneunzijj Jahre vor der christ-
liehen Zeitrechnuntj.
Diese Insel musste natürlich das Bedürfniss
eines solchen Auskunftsmittels beim Handel früher
als viele andere fühlen, da ihre Lage sie besonders
dazu eignete, Waaren aus einem Theile Griechen-
landsin einen andern zu bringen, die Natur inihrem
Lande aber wenige Gegenstände hervorbrachte,
mit denen sie andere hätten ertauschen können.
In jetziger Zeit würde zwar der Handel zwi-
schen Attika, Megaris j der Peloponnesos und
(19) Im Loben des Tliesoiis , c. 25.
(20) VIII, 358. (Erschöpfend ist dieser Gegenstand von C. 0.
Müller in den Aeginctici.s behandelt. W.)
182 VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL.
den benachLarteii kleinen Inseln selbst nur für
einen reichen Privatmann nickt von besonders
hohem Werthe sein; damals aber, als diese Ge-
genden der Sitz so vieler betriebsamen Frei-
staaten waren, die von Tag zu Tag in Künsten
und Gewerben grossere Fortschritte machten
und sich mit reissender Schnelligkeit Reichthum,
Ruhm und Macht erwarben, musste dieser Zwi-
schenhandel mit überaus trrossem Gewinn ver-
o
bunden sein. Zugleich wurde der Staat, da-
durch dass er für jenen Zweck eine grosse Zahl
von Schüfen und Seeleuten in Thätigkeit hielt,
in den Stand gesetzt, auf dem mittelländischen
Meere eine Herrschaft auszuüben, wie sie Äegina
einst wirklich behauptete.
Eine solche Herrschaft erwarb und behaup-
tete man zwar nur durch halb verdeckte Boote,
die sich kaum über den Gesichtskreis des Lan-
des hinaus wagen durften; da sie jedoch die
Küste des die Herrschaft ausübenden Volkes
vor Seeräubern schützte und zugleich dazu fähig
machte, fremde Küsten zu überfallen und zu
plündern, so war sie für Staaten, die vom Meer
begränzt wurden, von hoher Bedeutung. Darum
ist sie denn auch seit dem Auftreten des Minos
von Kreta bis zur Zeit des Philippos von Ma-
kedonien das hohe Ziel gewesen, das alle auf-
strebenden Staaten Griechenlands zu erreichen
wetteiferten. Diejenigen, denen im Inneren ihres
Landes grosse Nahrungsquellen flössen, besassen
sie selten; meistenthcils war sie in den Händen
VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL. 183
derer, die der Mangel gelehrt hatte, Gefahren
zu unternehmen und Schwierigkeiten zu über-
winden, d. h. der Bewohner unfruchtbarer Kü-
sten und kleiner Inseln, wie der Föniken, Aihe-
näer, Lesbier, Rhodier und Aegineten. Wurden
doch selbst von den ausgebrannten Felsen der
Liparischen Inseln Flotten ausgesandt, um für
diese Seeherrschaft zu streiten. (2')
IJie Bevölkerung dieser kleinen Staaten war
in der Zeit ihrer Blüthe überaus ^ross. Aegina
hatte einmal viermalhundert siebzigtausend Skla-
ven. (22^ Ihre Zahl stand mit der der freien
Bürger in einem Verhältniss, das sich aus dem
nur Bürgern zukommenden Eigenthumsrecht er-
gab. In Griechenland stieg es wohl nie höher
als zwanzig zu eins; denn als Demetrius Fale-
reus in der hundert und sechszehnten Olympiade
eine Zählung der Bewohner Attikas anstellen
liess, so fanden sich viermal hunderttausend
Sklaven, ein und zwanzigtausend Bürger und
zehntausend Schutzgenossen oder Metöken (In-
quilinen) {^^) und wiewohl der Staat damals schon
nicht mehr auf seiner alten Höhe stand, so war
er doch immer noch sehr reich und hatte wohl
hinsichtlich der Menge seiner Sklaven keine
bedeutende Einschränkung eintreten lassen, da
(21) Eiiseb. Chron. (Pars I. Vol. I. p. 321. Ed. Venct 1818.
4to und P. II. Can. Vol. II. p. 207.)
(22) Aristoteles bei Athenäos, Dcipnos. VI. Cao. CHI. (20)
p. 272, c.
(23) Athenäos a. a. O.
164 VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL.
der Luxus auch bei dem Sinken der Macht
nicht aufhörte zu stei^jen. In Rom -war geiien
das Ende der Republik die Zahl der Sklaven
ungeheuer gross, da die Schätze der Welt da-
mals in die habsüchtige Hauptstadt zusammen-
flössen. Einzelne Privatmänner hatten gewöhn-
lich zwischen zehn- und zwanzigtausend Sklaven.
Durch kein Gesetz geschützt, der Herrschaft
eines Obersklaven (villicus) untergeben, welcher
sie als suhiectos tanquam suos, viles, ut alienos
hielt , wurden sie oft grausam behandelt und
dadurch zu jenen grossen Aufständen veranlasst,
die Italien und Sizilien fast verwüsteten und
nach einer wahrscheinlichen Berechnung "We-
iiigsteiis einer Million von ihnen das Leben
kostete. (24)
Betrachtet man diese Thatsachen und erwägt
den wirklichen Stand der Dinge in jenen alten
Freistaaten, die so allgemein bewundert und als
Muster der freisten und be^lückendsten Rejjie-
rungsform hingestellt worden sind, so können
wir nur lächlen über die aufgeblasene Unwis-
senheit und Keckheit jener vermeintlichen Staats-
männer und Filosofen der neueren Zeit, die nicht
müde werden, ihre wilden und unausführbaren
Theorien von Freiheit und Gleichheit und rei-
ner Volksherrschaft durch die ruhmvollen Vor-
(24) x\tIicnäos Lib. VI, Cap. CIV. (21) p. 273. (Seneca, De
tranq. an. c. 8 : Numerus Demetrio quotidie servorum , velut ini-
peratori cxcrcitus , referebatur, Flor. III, 19: Quis crederet Sici-
liam multo cruentius servili, quam Punico hello esse vastatara? W.)
VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL. 185
bilcler, die Jthenä und Roma gegeben bät-
teu, uns zu empfehlen und ihre excentrischen
zur Anarchie führenden Vorschläge durch die
Namen eines Perikles, Cato und Brutus zu recht-
fertigen. In oberflächlichen Abrissen der alten
Geschichte finden wir zvrar viele schon klin-
gende Ausrufungen und Redensarten zum Lob
der Freiheit jener Staaten und der Vaterlands-
freunde, die mit allen Privattugenden ausgerü-
stet, als Vertheidiger derselben auftraten. Allein
solche allgemeine Aeusserunjjen, die ein unge-
theiltes Lob enthalten, werden gar leicht gefällt
und noch leichter wiederholt, müssen aber de-
nen, die in ihren Forschungen tiefer in den
Thatbestand eingedrungen sind, ganz unbegrün-
det erscheinen, wofern sie nicht in einem sehr
enubei^ränzten Sinne genommen werden. Die
Bürger mochten sich allerdings eines gewissen
Grades von Freiheit und selbst von Unj;ebun-
denheit zu erfreuen gehabt haben, ohne jedoch
grossen Schutz <ler Person und des Eigenthums
zu geniessen. Die Bürger machten aber in allen
Staaten nur einen sehr kleinen Theil des Volks
aus; die grosse Masse bestand aus Sklaven, die
gänzlich von der Willkühr ihrer Herrn abhin-
gen. Fast alle Hcindarl)eiten gehörten zum Dienste
der Sklaven, weswegen es nicht leicht einen
freien Mann gab, der nicht einige Zeit den
öffentlichen Angelegenheiten hätte widmen kön-
nen. Wie natürlich war es, dass sich der freie
Bürger durch seine liberale Erziehung und Le-
186 VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL.
bensart einige Kenntnisse von den Gegenständen
erwarb, über die er sich berathen und abstim-
men sollte! Diese bewunderten Verfassungen wa-
ren somit durch und durch aristokratisch und
alle jene oben genannten Koryfäen, die man
mit so prunkender Gelehrsamkeit als Schützer
und Vertreter der allgemeinen und gleichen Rechte
der Menschheit angeführt hat (ganz besonders
aber Marcus Brutus, auf den man am häufig-
sten wie auf ein Ideal verweiset) , diese alle
waren nur die Häupter oligarchischer Parteien
in jenen Aristokratien und nur allein Feinde
einer ausschliesslichen Gewalt, an der sie nicht
Theil nehmen konnten.
Andere Historiker, filosofische Denker, die
freilich nicht zu jener Classe seichter Geschichts-
krämer gehören, sind in das andere Extrem ver-
fallen. Da sie bei ihren tiefen Forschungen
durchaus in alten Staaten jenen glücklichen Zu-
stand, jene Freiheit und Sicherheit der Einzel-
nen, die von oberflächlichen Schönrednern so
sehr gepriesen worden waren, nicht fanden, so
zogen sie nun alle Nachrichten von ihrer Gei-
steskraft, ihrer äusseren Macht und Bevölkerung
in ZAveifel und versuchten so, alles Ansehn der
alten Geschichte umzustürzen. Wem sind nicht
die gelehrten und durchdachten Versuche eines
verstorbenen, sehr scharfsinnigen und geistreichen
Skeptikers über diesen Gegenstand bekanöt.f' (^^)
(25) Hume's Essays and Trcatiscs on scveral subjects.
VORREDE ZUM ZWEITEN THEIU 187
Ohne uns aber in eine kritische Untersuchung
über die Venlerbtheit des Textes oder die Un-
sicherheit chronoloijischer Anjjaben bei Griechi-
sehen Geschichtschreibern einzulassen, oder uns
auf dem beliebten Gemeinplatz herumzutreiben
und sie der Uebertreibungssucht anzuklagen,
verweisen wir, statt einer Antwort auf alle
zweifelsüchtigen Einwürfe, welche menschlicher
Scharfsinn erdenken könnte, auf die grosse^ü
Ueberreste ihrer Ölfentlichen Gebäude, die selbst
in ihren Trümmern als unwiderlegliche Zeugen
des alten Glanzes und der früheren Macht zu
uns reden. Solche Bauwerke treten uns aber
nicht blos in den grossen, Ton angebenden
Staaten, wie in denen von Afhenä, Korinthos
und Syral'usä entgegen, sie finden sich auch
in kleinen unberühmten Republiken, wie in
Püstum, Segesta und Selinus , denen erst der
Forschungstrieb und Sammlerfleiss der Alter-
thumsfreunde eine Stelle in der Geschichte er-
werben musste. (^^) Der letzte und unberühm-
teste der erwähnten kleinen Staaten hat Gebäude
hinterlassen, die an Grösse, Stärke und Festig-
keit der Bauart nicht allein alle die übertreffen,
Avelche die grössten Machthaber der neueren
Zeit auszuführen im Stande waren, sondern auch
die, welche je durch die unermesslichen Mittel
(26) Kino Morifiprafic über Selinus und soiii Gebiet verdanken
wir dem Hrn. Beiiii^anuiu. Leipzig. 1827. VIII und 2l3 S. 8.
Die Baiidenknialo von Postum hat bekanntlich fVinckelmann he-
8chriel)eu. W.
188 VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL.
und den unbegränzten Despotismus Römischer
Kaiser entstanden sind. Die Portirus des gros-
sen Tempels von Selinus in Sizilien, ausser
welchem auf der alten Stelle jener Stadt noch
fünf andere mehr oder minder zerfallene Tem-
pelruinen stehen, hatte nämlich einen doppel-
ten Säulengang mit acht Säulen auf der Vorder-
seite und siebenzehn in der Tiefe; jede derselben
hatte zehn Fuss im Durchmesser und eine Höhe
von fünfzig Fuss. (^7) ,
Hätten sich nicht solche Zeugnisse erhalten,
dergleichen wir unsern Lesern in diesem Werke
vorlegen wollen, so würde man die Beschrei-
bungen mehrer Gebäude bei Herodotos und Dio-
doros nicht minder für Fabeln gehalten haben,
als man dies bei ihren Berechnungen einer Hee-
resmacht und ihren Zahl angaben der Bürger zu
thun gewohnt ist. Vornehm und mit triumfiren-
der Miene würde man uns wohl gefragt haben,
woher doch die Künstler, Werkzeuge und Bau-
stoffe gekommen sein sollten .f* woher jene klei-
nen unfruchtbaren Staaten, die, so viel man
wüsste, keinen auswärtigen Handel, keine aus-
wärtige Besitzung gehabt hätten, die Mittel
sollten genommen haben, um für die Ausfüh-
rung uneinträi{licher Werke die erforderlichen
unberechenbar vielen Hände zu bezahlen? Wir
(27) Griindriss. Aufriss und eine Ansicht der Ueberreste dieses
Tempels gibt Houel in seiner Reise durch Sizilien. Die daselbst
angegebenen Vermessungen wurden von dem Verfasser an Ort und
Stelle im Jahr 1777 angestellt.
VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL. 189
Hätten hierauf keine Antwort gehabt und kön-
nen auch jetzt unsere Leser nur auf jene gros-
sen Bauwerke verweisen, die der Zerstörungs-
kraft der Zeit und der noch verderblicheren
Zerstörungswuth der Menschen bis jetzt wider-
standen haben, und sie bitten, die Wahrheit zu
bezeugen und das Ansehen ehrwürdiger Ge-
schichtschreiber gegen den Hohn leichtfertiger
Witzlinge zu schützen, die sich stets bemühen,
zu verwirren , was sie nicht zu ordnen vermö-
gen, und das Dunkel zu vermehren, wo sie
kein Licht verbreiten können.
Wir sind indessen weit davon entfernt, zu
behaupten, jene grossen Baudenkmale seien im-
mer Werke der einzelnen Staaten gewesen, in
deren Gebiet wir sie finden. Wir wissen viel-
mehr, dass die Hellenen viele Gesammt- oder
Amfiktyonische Tempel hatten, die auf gemein-
same Kosten eines Staatenbundes errichtet wor-
den waren, in denen die Mitglieder des Bundes
zu bestimmten Zeiten gemeinsame Opfer dar-
brachten und ihre Versammlungen hielten, um
sich über Bundesangelegenheiten zu berathen.
Zu dieser Classe gehörten die Tempel zu Delfö,
Deloa, Efesos, Olympia, Eryx und andere; viel-
leicht auch der des Zeus NemäoSy dessen in
dem alten Gebiet von Argos gelegne Trümmer
wir im sechsten Capitel beschreiben werden.
Der Tempel zu Delfö gehörte dem ganzen
Lande der Hellenen an. Der Ruf seines Orakels
füllte seine Schatzkammer mit kostbaren Bei-
190 VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL.
trägen aus allen benachbarten Ländern Europens
und Asiens.
Der Tempel auf Delos war besonders Eigen-
thum der loner. Hier versammelten sie sich in
den frühesten Zeiten unter der Obhut ihrer
Schutzgottheit, Apollon^ um Geschäfte zu voll-
bringen, den Göttern zu dienen und Feste zu^
feiern. Alle Beschwerden und Anklagen eines
der verbündeten Staaten gegen einen andern
wurden hier angebracht und nach dem Spruch
der Schiedsrichter abgestellt und ausgeglichen;
gemeinsame Opfer und gelobte Geschenke den
Göttern dargebracht; gymnische und musische
Agonen, d. h. Wettkämpfe der körperlichen und
geistigen Kraft und Gewandtheit für Ringer,
Faustkämpfer und Dichter angestellt, (^s)
Eine sehr schöne Schilderung dieser festli-
chen Zusammenkünfte der loner gibt der alte
dem Homeros zugeschriebene Hyninos auf den
DeliscJien Apollon, und diese wollen Avir hier in
einer Uebersetzung (von K. SchivencJc) mittheilen.
Zuvor bemerken Avir, dass diese Verse den Schluss
des Hymnos machen; die sechs folgenden sind,
wie RuhnJoen bemerkt hat, untergeschoben und
mit dem siebenten beginnt ein anderes Gedicht.
Um dieses mit dem vorhergehenden zu verbin-
(28) Thukydides III, 104: »Schon in alten Zeiten hatten die
loner und benachbarten Inselbewohner grosse Zusammenkünfte auf
Delos gehalten. ' Denn sie unternahmen mit Weibern und Kindern
den Festzug {^ftjQia) dorthin, wie die loner jetzt zu den Efesien^
und es war daselsbt Wettkampf, Gymnastik und Musenkunst, und
die Städte führten Chortänze auf.« W.
VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL. 191
den, mochte ein geschäftiger Rhapsode die arm-
seligen Z-wischenverse eingefügt haben. Auch
den in dem Originaltext mit Klammern einge-
schlossenen Vers halten wir für unächt; er stÖrt
den Sinn und ist in keiner Hinsicht würdig,
mit den übrigen zusammenzustehen. (^9)
"Von Delos redend, fährt nun der Dichter
also fort: (3«)
(29) Wer in die Kritik dieses Gesangs tiefer eingehen will, der
übersehe nicht die als Osterprogramm im J. 1828 zu Lemgo er-
schienene scharfsinnige Abhandlung des Rector 5cAierenÄerg »lieber
die urspriingliche Gestalt der beiden ersten Homerischen Hymnen.«
W.
(30) "Ev&a TOi fky.f^hojvfq laovtq Tiytg^&ovrai,
AuTolq avv nuCSiaoL y.al uläolijq u).oxoiaiv'
Ol öi ae nvYfittx^u tf xctl 0Q/t]B-i.tu) y.al aoiSi]
Mvtiaäfiivot t^qnovoiv , ot uv arTjamvrui «yiava.
'I>tt(t} x'u&ttvärovi xal uytjgojq ffifiivai ahC,
'O? TOT inuvTutatt , ot laovtq u&qöoi- tltv'
IIUVTÜ)V yUQ XfV läotTO XUQIV, T^gif/UlTO S^ &UflOV,
"AvSgaq T fiqogöotv, xuXkii^ojrovq xt yvvaixaq,
N7j<eq T mxtCaq rjd avriiöv xrtjftttra noX).a.
Ilgoi; Si , Toäe uf'yu &avi.tu, oov xXdoq oi/noT oltliut;
KovQai /IriXtuäiq, ExKxrißtX^xao &iqutcvui'
A'i'x ind uQ ngojrov ftiv AnoXXotv vfiri^atjaiv,
Auxtq 6 uu Atjxd) xi xai Agxffuv ioj^iutquv
MvTiaufuvoi , uvSqwv xe naXaiöJv tjJI yvvcuxiüv
Tfivov ttiiäovaiv , &iXyovat di q)vX uv&gunwv.
llavxiav 6 uvO-QüiTiütv qxavitq xul xgi/ußuXutaxuv
MifiilaO' Yaaaiv' <fuii) 6^ xev avxoi ^xaaroq
*l>0-iyyta& ' ovxü) afiv xuX-^ ovtÜQrjgiv uoidi^,
[AXX uye Sri, Arixu) fUv, "AtioXXÖv x', 'Agx^iuSi luv,]
Xufgixt ä vfiflq nüaat' ffitio Si xul ^nxöniaO-fv
Mvriaua& , onnoxt xiv xiq in^x^ovCotv uvO-gmiKov
JCp&uä avitgrjvai ^tlpoq xaXuTiflgioq iXO-mv'
Jl xovgai, xtq ä Vfifiip uvrig »jJtoio? uoiäciv
Ev&äöt nuXiiiat, xui T/f> xigntad-t ftäXtaxa;
192 VORREDE ZUM ZWEITEN THE IL.
ffo in den langen Gewänden die Jonier kommen zu-
sammen
Dir , mit den Kindern zugleich und den züchtigen Ehege-
mahlen,
fVelche mit Faustkampf dich, und mit Reihntanz und
mit Gesängen
Feiernd ergötzen allda, wann Wettstreit ihnen bestellt ist.
Ja für Unsterbliche hielte, für stets unalternde diese,
TVer hinkäme zur Zeit, wo die Jonier wären versammelt;
Denn er erblickte von Allem den Reiz, und ergötzte die
Seele,
Schauend die Männer zumal und die schönumgürteten
Frauen ,
Sowie die hurtigen Schiff' und die vielerlei Schätze der
selben.
Dann dies PVunder so gross , dess Ruhm niemalen ver^
gehn wird,
Delische Jungfraun, dienend dem fernhinschiessenden
Gotte ;
TVelche, sobald sie zuerst den Apollon singt nd gejeiert,
TVeiter von Leto sodann und von Artemis , die das Ge-
schoss freut.
Lobpreis sangen, ein Lied auf Männer und Frauen aus
alter
Zeit anstimmen sofort, die versammelten Menschen ent-
zückend.
Sie auch können die Stimm' und das Cymbelgetöne von allen
Menschen geschickt nachahmen, und selbst glaubt jeder zu
sprechen
Da, so schön stimmt ihnen der holde Gesang zu einander.
Aber wolan sei mir sammt Artemis gnädig Apollon; (^*)
'Tfiät; ä' IV jMkA« nuaai vnonqlvuaO- foq)ij/xo)(;'
Tv(p}.6(; üvtiQ , oiael dk Xito i'vi nuinuXoeaai].
(31) Der Uebersetzer folgt der Lesart Wolfs, die sich auch
bei Thiikyd. III, 104 findet:.
14AJL' äyi&' , ü.^y.oi /xiv 'Anöi.Xo)v ^AQTffiidi $ur. W.
VORREDE ZUM ZWEITEN THETL. 193
Ihr doch Jungfraiin seid mir gegrüsst, und auch in der
Zukunft
Denkt mein, wann euch einer der erdebewohnenden Men^
sehen
Kommend hierher ausfraget , ein leidengeprüfeter Fremd-
ling:
Jungfraun sagt, wer istSj der euch als süssester Sänger
ff^ei/et dahier, und an dem ihr zumeist euch freuet vor
allen ?
Dann ant'wortet ihm alle gesarnmt mit den glimpflichen
FTorten :
Blind ist, dieser, und »wohnt in dem Felseilande von Chios,
In mancher Beziehung scheinen die Hellenen
dieser frühen Periode feiner und gesitteter ge-
wesen zu sein, als ihre Nachkommen. Hierfür
gibt die ehen mitgetheilte Schilderung des Dich-
ters einen neuen Beleg. In alten Zeiten hatte
nämlich das schöne Geschlecht Zutritt zu den
Öffentlichen Spielen, von -welchen es in den Zei-
ten, die man jjewÖhnlich als i'eLildeter bezeich-
net, gänzlich ausgeschlossen war. Die Ansichten
der Alten ül)er Barbarei und Feinheit der Sit-
ten scheinen indessen in vielen Dingen äusserst
sonderbar, wenigstens ganz verschieden von den
unsrigen gewesen zu sein. Kein neuerer Leser
wird es z. B., wie Thukydides in der Einlei-
tung zu seiner Geschichte, für ein Zeichen der
Barljarei halten, dass man die reinliche Tracht
linnencr Unterkleider lange bei]>ehielt, oder dass
die Kämpfer bei den Leibesübungen, um den
Zuschauerinnen keinen Anstoss zu geben, die
Geschlechtstheile mit einem Gürtel bedeckten,
Ion. Alt. 13
194 VORERDE ZUM ZWEITEN THEIL.
Statt ganz nackt zu sein. Zudem kann man be-
haupten, dass die Helden des Homeros, so wild
und ungestüm sie auch im Kriege sind, im Pri-
vatleben in ihren Sitten und in ihrem Umgänge
nach der Iliade und Odyssee weit gebildeter
und menschlicher erscheinen, als sie auf der
Athenäischen Bühne dargestellt werden. Selbst
der stürmische AcJiUleus behauptet sogar bei
den Ausbrüchen seines Zorns, seiner Wuth und
seiner Verzweiflung stets die Würde eines Für-
sten und gibt nie den Charakter eines edlen
Mannes auf. Wie ist er mild und weich, wie
zeigt er ein zartes und feines Gefühl in der
letzten Scene, als Priamos vor ihm erscheint,
den Leichnam seines Sohnes sich zu erflehen! p^j
Dagegen wird in einer Tragödie des Ew/'ijDic/e«^ (33)
der doch unter den Dramatikern bekanntlich
am meisten filosofische Betrachtungen liebt und
Moral predigt, die ehrwürdige HeJcabe mit der
gröbsten Härte von Odysseus behandelt, wie-
wohl Homeros diesen überall, selbst auf Kosten
seiner Ehre und Redlichkeit, als das vollendetste
Muster der Feinheit und des äusseren Anstandes
hinstellt.
Wahrscheinlich sind unter den lonern in dem
obigen Hymnos die Asiatischen loner zu verste-
hen, zu denen sicherlich Homeros gehörte. {^^)
(32) Vgl. II. XXIV, 518 ff.
(33) Hckabe, V. 2 10 ff.
(34-) Wood's Essay on the original gmius of Homer. Lond.
VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL, 195
Dagegen ist es sehr zweifelhaft, ob das Gedicht
selbst vou ihm rührt; wäre dies sicher, dann
würde man nicht über «ein Vaterland haben strei-
ten können. In späteren Zeiten hielten die lo-
uischen Staaten ihre allgemeinen Versammlungen
oder ihre navcioviaau{i\.eni\orgehirgMykale.{^^)
Als dieser Ort nicht mehr sicher oder zweck-
mässig schien, verlegten sie dieselben in den
grossen Tempel der Artemis bei Efesos, (^^)
woselbst sie regelmässig gehalten wurden, bis
alle Griechischen Staaten Kleinasiens sich unter
der Herrschaft der Perser auflösten.
Ausser den Staatsbeiträgen und Privatgeschen-
ken hatten viele dieser amliktyonischen Tempel
bedeutende Einkünfte aus ihren Ländereien. Diese
gehörten dem Priestercollegium nicht an, son-
dern wurden von der weltlichen Obrij^keit ver-
waltet und für heilige Zwecke aufbewahrt. Sie
durften nicht zur Befriedigung des Luxus und
der Prunksucht eines Einzelnen, sondern nur
dazu verwendet werden, die öffentlichen Ge-
bäude zu vergrössern und zu verschönern und
besonders sie mit guten Kunstwerken zu be-
1769. gr. 4to. Ins Teiitsclic iibors. Frankfurt 1773. 8vo. — Herr
Wood wapt nicFit zu bestimmen, ob Homeros ein loner oder
Aeoler j und noch weniger, ob er aus Chios oder Smjrna gewe-
sen, nrigt sich jeiloch zur letzten Annalinic. W.
(35) llerodot. I, 148- Diodor. XV, 49. Strabo VIII, 384.
XIV, 639.
(36) Olymp. CI, 4. Diodor. a. a. O. Dion^s. Ilalicarn. Ant.
Rom. IV, 25.
13*
196 VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL.
reichern. Da sie nach dem Hellenischen Völ-
kerrechte in allen Kämpfen der Hellenen mit
Hellenen vor Plünderungen und Gelderpressun-
gen geschützt "waren, so bildeten sie eine Art
Öffentlicher Bank, in der jeder Staat seinen
Schatz liegen hatte und woselbst oft Privatleute
ihre kostbarsten Kleinodien in Zeiten nieder-
legten, in denen die Gesetze zu schwach schie-
nen, ihnen volle Sicherheit zu gewähren. (3^)
Indem so das Handelsinteresse mit dem Dienst
der Götter verknüpft war, scheinen die Helle-
nen überall, wo sie Factoreien für den Handel
angelegt hatten, auch Heiligthümer jener Art
gehabt zu haben. Als ihnen Amasis , König
von Aegypten, Nauhratis an dem Kanobischen
Arm des Neilos einräumte, so verbanden sich
neun Asiatische Städte zur Errichtung eines ge-
meinschaftlichen Tempels, während von den
ehrsüchtigeren und reicheren Staaten Aegina,
Samos und Miletos , ein jeder ein Heiligthum
für sich errichtete. (^^) Sie räumten freilich
leicht den Göttern fremder Völker gleichen
Rang mit den ihrigen ein und bequemten sich
zu jedem Religionsgebrauch, dessen Annahme
ihnen in irgend einer Periode oder an einem
bestimmten Ort vortheilhaft war. Allein diese
gemeinschaftlichen Tempel, die sie in entlege-
(37) Thulcydides I ,, 96 und 121.
(38) Heiodot. II, 178.
VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL. 197
nen Gegenden ihren Nationalgottheiten errichtet
hatten, dienten dazu, den Geist der National-
liebe zwischen den einzelnen Griechischen Staa-
ten zu nähren und zu stärken und unter der
ehrwürdigen Form religiöser Vereinigung das
Band zu heiligen, welches Privatinteresse und
Handelsverbindungen um sie geschlungen hatten.
Sechstes Capitel.
Das Mutterland Hellas.
Taf. I.
Ruine bei dem Hafen von Aegina.
>J_Jie vorliegende Ansicht ist von der Stelle aufge-
nommen, wo die alte Hauptstadt der Insel Aegina
lag. Die zwei Dorischen Säulen mit ihrem Architrav
sind, wie man vermuthet, ein Ueberrest eines nahe
bei dem Hafen gelegenen Tempels der Afrodite. Die
Mauern des Hafens und des Zeughauses lassen sich
noch in bedeutender Ausdehnung nachweisen. Von
einer Anhöhe sieht man sowohl die Burg von Athenä,
die auf einem Hügel fast mitten in einer Ebene ge-
legen und überall hin, ausser gegen die See zu, mit
Bergen umringt ist, als auch einen Theil ihres Ge-
biets, das von dunklen Olivenhainen bedeckt wird,
die schwarz aussahen, als wenn eine düstere Wolke
über ihnen herzöge.« (Chandler , Travels in Asia
Minor and Greece, Yol. H. p. II.)
Taf. H.
Ansicht vom Tempel des Zeus Panellenios.
Von dem ge^enwärtisren Zustande dieses Tem-
pels hat uns Dr. Chandler (p. 12) folgende Nachricht
mitgetheilt:
»in dem iS'arow/scÄe« Meerbusen, der von den Vor-
gebirgen Sunion und Skylläon begränzt wird, liegen
mehre Inseln, von denen Aegina die bedeutendste
SECHSTES CAPITEL. 199
ist. Die ihr zunächst gelegenen Länder sind Atlika^
Megaris und die Peloponnesos. Die Entfernung der-
selben beträgt ohngefähr hundert Stadien oder zwölf
und eine halbe Meile. (•) An der Südseite wird sie
von dem Kretischen und an der Ostseite von dem iWjr-
toischen Meere bespült. Als wir in die ßai einfuhren,
hatten wir die abhängige Seite des mit Bäumen be-
deckten Bergs Panellenion vor uns und auf seiner
beinahe eine Stunde von der Küste entfernten Spitze
sah man einen Tempel aus dem Walde hervorragen.
Der Tempel des Zeus Panellenios ist von der Do-
rischen Ordnung und hatte sechs Säulen auf der Vor-
derseite. Noch stehen einundzwanzig von den äusse-
ren Säulen, zwei von der Vorderseite der Vor- und
Hinterhalle und fünf von denen, welche Säulenreihen
in der Zelle bildeten. Den Architrav ausgenommen,
ist das Gebälk herabgefallen. Der Stein ist von einer
lichtbraunen Farbe, an manchen Stellen sehr ver-
wittert und sein Verfall zeugt von sehr hohem Alter.
Einige Säulen sind dadurch sehr beschädigt w^orden,
dass man sie bis in ihre Mitte des Metalls wegen an-
gebohrt hat. Bei einigen ist die Verbindung der
einzelnen Theile so scharf und sorgfältig gearbeitet,
dass sie aus Einem Block zu bestehen scheinen. ALs
wir bei einer Säule der Vorhalle nachgruben, ent-
deckten wir ein Bruchstück von schöner Sculptur.
Es war der Hintertheil eines Windhundes ans weis-
sem Marmor und man darf vermuthen, dass er zu den
am Fries gewöhnlich befestigten Verzierungen ge-
hörte, da dieser eine liinne hat, in welche der Zier-
rath eingesetzt worden zu sein scheint. Jch forschte
später dem andern Theil nach, fand aber nur ein
(1) Der Haff n Peivaeus, dessen »/lugenschmutz (ir,ftt}, graniia)«
die Insel spottweise genannt wurde, ist 120 Stadien entfernt.
W.
200 SECHSTES CAPITEL.
kleines Stück mit etwas Späth, -was mich nicht zweif-
len liess, dass das üebrige losgebrochen und wegge-
bracht worden sei. Der Tempel hatte eine Ringmauer,
von der man noch Spuren sieht. Es schienen uns die
Trümmer des Tempels besonders merkwürdig und
vielleicht kann kein andres Heiliglhum mit ihm glei-
chen Anspruch auf hohes Alter machen. Seine Lage
auf einem einsamen Ber^e und seine Entfernuns: von
dem Meere hat ihn wahrend aller Veränderungen
und Zufälle vieler Jahrhunderte vor gänzlicher Zer-
störung bewahrt.«
Taf. 111.
Grundriss vom Tempel des Zeus Panellenios,
Der Tempel hat nur zwölf Säulen auf der Ne-
benseite und w^eicht somit von dem gewöhnlichen
Bauslyle der Hellenen ab, nach dem man der Ne-
benseite eine Säule mehr gab, als die doppelte Zahl
der Säulen auf der Vorderseite betrug. (^) Die klei-
neren Säulen schlössen den Hypäthros ein.
Taf. IV.
Aufriss der J^orderseite des Tempels.
Das obere Simswerk haben wir nach Vermuthung
hinzugesetzt, da wir keine Spuren von ihm entdeckt
hatten.
(2) Dass dies kein feststellendes Gesetz in der Griechischen
Architektur gewesen, wie Stuart behauptete, beweiset auch der
Grundriss des Tempels der Nemesis zu Rhamnus in dem sechsten
Capitel der Alterth. v. Atlika. Mehre andre Ausnahmen von der
vermeintlichen Regel hebt die letzte Anmerkung der neuen Aus-
gabe Stuart's zu Cap. I. Theil II. (Bd. I. S. 468 des Teutschen
Stuart's) hervor. W.
SECHSTES CAPITEL. 201
Taf. V.
Durchschnitt durch die Vorhalle und die äusseren Säu-
lengänge,
Einzelne Theile in grösserem Maassstabe geben die
drei folgenden Tafeln. Die Einfachheit der Yerzie-
rung zeugt für das hohe Alter des Tempels. Die
Gebäude aus der Zeit des Perikles waren an diesem
Theile reich ausgeschmückt mit Bildnerei und Ver-
zierungsgliedern.
Taf. VI.
Ordnung des Säulengangs in grosserem Maassstabe. (')
Taf. VII.
Durchschnitt durch das äussere Gebälk, mit den Säulen
der Vorhalle und den kleineren des Hypäthros.
Taf. VIII.
Verzierungen der Vorhalle und Durchschnitt des Säulen-
gangs im Inneren.
Der Baustyl dieseS^ Tempels nähert sich dem des
sechssäuligen hypäthrischen Tempels zu Pa^/um. Man
hat keine üeberreste mehr von der Decke der Vor-
halle und der der inneren Säulengänge gefunden.
Das Dach war vermuthlich aus Marmor, in der Form
von Ziegeln oder Deckplatten gearbeitet, wie sie zu-
erst an dem Tempel des Zeus zu Olympia angewandt
und von Byzcs \on Naxos ums Jahr 580 vor Chr. Geb.
erfunden worden sein sollen. (*) Der Thurm der
TVinde und das choragischc Denkmal des Lysikrates zu
Athenä , die uns Hr. Stuart im ersten Theil seiner
Alterlhümer beschrieben, veranschaulichen uns die-
(3) Die Ausschweifung dieser Säulen , oder ihre Verstärkung
in der Miltc fentasisj sieht man auf Taf. V. Fig. 3. im Anhange
zum Suppicnuntband der Altcrth. v. Athen. W.
(4) Ein Mehres in den Älterth. v. Attika , S. 20 f. W.
202 SECHSTES CAPITEL.
sen Styl noch mehr. Er scheint zwar in den Grie-
chischen Colonien in Italien angenommen, aber von
den Römern nicht angewandt oder nicht verstanden
worden zu sein. Sie hingen vielmehr der alten
Etruskischen Bauart an und verzierten ihre Backstein-
gebäude durch Stuccaturbekleidungen , Malerei und
Basreliefs aus Terracotta. Bei der Aufzählung des-
sen, was sich im Römischen Keiche um das Jahr 308
vor Chr. Geb. begeben, bemerkt Livius, (*) dass es
damals ebenso allgemeiner Brauch gewesen sei, die
Knaben zur Erziehung nach Etrurien zu senden, wie
zu seiner Zeit, sie mit der Griechischen Sprache und
Literatur bekannt zu machen. Selbst noch in der
späteren Zeit der Republik, im Jahr 173 vor Chr.
Geb., wurde ein Theil des Tempels der Inno Lacinia
in dem Brutlischen (den Abruzzos) abgedeckt und
die marmornen Dachplatten, marmoreae tegulaCj soll-
ten dein Tempel der Ritterlichen Fortuna zur Zierde
dienen, den der Censbr Q. Fulvius Flaccus damals
hatte errichten lassen. Der Senat war aber entrüstet
über des Sittenrichters Unterfangen, der Göttin einen
Tempelraub darbringen zu wollen, ordnete Sühn-
opfer an und befahl die Platten nach dem Tempel
zurückzubringen. Dies geschah zwar; sie blieben
aber auf dem Tempelplatze liegen, weil sich in jener
Zeit kein Werkmeister fand, der sie an ihre frühere
Stelle hätte bringen können. (^)
Es scheint uns bemerkenswerth, dass es Epime-
nides von Kreta wi^r, der, zufolge der Lebensbeschrei-
bung dieses Filosofen bei Diogenes von Laerte,
unter Allen zuerst auf Feldern und in Häusern Sühn-
und Reinigungsopfer darbrachte, Tempel erbaute, und
unter diesen einen zu Athenä den Eumeniden weihte.
(5) Lib. IX. Cap. 36- W.
(6) Livius L. XIII. Cap. 3.
SECHSTES CAPITEL. 203
Der Ursprung des Bilderdienstes, verbunden mit
der profetischen Begeisterung durch Quellen, Brun-
nen und Grotten, sowie überhaupt die Zeit, in der
man für die gottesdienstlichen Gebräuche besondere
heilige Räume weihte, liegen so weit zurück in dem
Dunkel des Alterthums, dass sie nicht mehr zum
Bereich glaubwürdiger Geschichte gehören. Trotz
des dichten Schleiers, der diesen Gegenstand ver^
hüllt, wird man aber doch nicht irren, wenn man
die Gründung vieler der prachtvollen Bauwerke,
welche die Bewundrung der Nachwelt auf sich gezo-
gen haben und Musterbilder für die Künstler gewor-
den sind, in eine Periode von dreihundert Jahren
setzt. Diese beginnt mit der Zeit des Solon und Py-
thagorasj also etwa mit dem Jahr 600 vor Chr. Geb., als
man die Tempel des Zeus zu Olympia und auf dem C(u.
pitol zu Rom und die Heiligthümer -AwiSamosj zu Priene,
Efesos und Magnesia zu bauen anfing; sie umfasst die
glänzende Zeit, in der unter der Staatsverwaltung
des Perikles der zierliche Styl der Hellenischen Bau-
kunst seine höchste Schönheit und Vollendung in
dem Tempel der ^thena auf der Athenäischen Akro-
polis erlangte, den man nach dem Muster des Tem-
pels des Zeus zu Olympia gebaut hatte, und schliesst
sich sodann in der Zeit des AUxandros mit der Vol-
lendung des Tempels der Artemis zu Efesos, an dem
nach Plinius (XXXVl, 14. s. 21.) zweihundert und
zwanzig Jahre gebaut wurde und von dessen Säulen
eine durch Skopas verfertigt oder ausgeziert worden
war. (') Unter desselben Skopas Leitung wurde.
(7) Wenn man nätnlicli an dor gewöhnlichen Lpsarf, tlcs Pli-
nius a. a. O. : ex iis XXXJ^I caelatae , una a Scopa keinen An-
stoss finrlet nnd weder mit JVinckclnianii (Gesch. d. Kunst. B. IX.
Cap. 2, der Dresdener Ans^'. VI, S\) lesen will: uno e scapo (aus
Einem Stiickc oder Scliafte), nocli ujit SHlig (Cataio^. Artif. u.
204 SECHSTES CAPITEL.
als der alte Tempel der /Ithena Aha zu Tegea in Ar-
kadien niedergehrannt war, daselbst ein neues Ge-
bäude errichtet, das an Glanz und Pracht jedes Bau-
werk dieser Art in der Pelojionnesos übertraf. An
ihm waren die drei Griechischen Ordnungen der
Baukunst angewendet. Dorische und Korinthische Säu^
len trugen im Inneren der Zelle Gallerien, die den
Hypäthros oder offenen Baum der Zelle umgaben;
auswendig um den Tempel zogen sich Säulengänge
von der Ionischen Ordnung. Die Giebelseiten waren
zudem mit Bildnerei reich verziert. (^)
Zu den angeführten Beispielen kann man noch
die Tempel in Sizilien hinzunehmen, insofern deren
Bau durch Gelon und Ilieron unterstützt wurde. Viele
der Sizilischen Tempel, sowie die von Pästum gehö-
ren vielleicht einer früheren Zeit an ; wenn sich aber
irgend einige Gebäude von regelmässiger Construc-
tion eines noch höheren Alters rühmen können, so
scheinen die in Oberägypten den ersten Anspruch
hierauf machen zu dürfen. Seit der Zeit des Psam-
metichos y der seine Regierung mit dem Jahr 660 vor
Chr. Geb. antrat, w^urden die Hellenen bekanntlich
von den Beherrschern Aegyptens ganz besonders be-
vorrechtigt und ausgezeichnet. Wir haben bereits
in unserer Vorrede hierauf aufmerksam gemacht und
wollen hier eine Stelle des Herodotos (II, 154.) mit-
theilen, die für jene Periode der alten Geschichte
viel Interessantes enthalt.
«Durch den Beistand der Toner und Karer wurde
Psammetichos Herr von ganz Aegypten. In Anerkennt-
niss ihrer Dienste gab er ihnen Ländereien und die
Erlaubniss, sich hier eine bleibende Stätte zu grün-
d. W. Scopas) caelatae. Una Scopa operi praefuit Chersiphron
(Zugleich mit Skopas leitete Ch. den Bau). W.
(8) Pausan. VIII. 45 ?. 3 und 4.
SECHSTES CAPITEL. 205
den. Ja, er vertraute ihnen sogar Aegyptische Kiti-
der an, um dieselben die Hellenische Sprache zu
lehren, und von denen, die dHZiimal die Sprache
lernten, stammen die jetzigen Dollmetsoher in Ae-
gypten. Und die loner und Karer wohnten lange
in diesen Ländereien unterhalb Bubaslis an der Pelu-
sischen Mündung des Neilos. Aber König Amasis führte
sie lange Zeit nachher weg nach Memßs und machte
sie zu seiner Leibwache wider die Aegypter. Nach-
dem diese ansässig geworden in Aegypten, da hat-
ten die Hellenen Verkehr mit ihnen und wir wissen
nun Alles, was sich in Aegypten zugetragen, von
dem König Psammeiichos an und nachher, mit Zuver-
lässigkeit. Denn das waren die ersten Leute \on
fremder Zunge, die in Aegypten ansässig geworden.
Und an den Orten, von dannen sie wecaeführt wor-
den, waren noch zu meiner Zeit ihre Schiffswerften
und die Trümmer von ihren Wohnungen.«
In denTempeln Überägyptens bemerkt man einen
Baustyl, der in vielen Zügen sowohl in seinen V^er-
zierungen als in seiner Construction jjrosse Aehnlich-
keit mit dem hat, der bei den Hellenen im Multer-
lande herrschte. Hierbei muss man bedenken, dass
das Zeitalter des Psammeiichos und Amasis genau mit
der Periode zusammenlrifft , in der die Hellenen die
Fortschritte ihrer Kunst und die A'^eredlung ihres Ge-
schma(;ks in den oben erwähnten prachtvollen Bau-
werken beurkundeten.
Taf. IX.
Ansicht des Tempels der Athena auf dem Vorgebirge
Su ni on.
Sunion war eine der Altischen Ortschaften. »Auf
der Spitze des V^orgebirgs steht der Tempel der P(d-
las Athena, Bis zum Jahr 167() halten sich noch neun
Säulen auf der südwestlichen und fünf auf der gegen-
206 SECHSTES CAPtTEL.
Überliegenden Seite erhalten, ausserdem zwei Anten
oder Wandpfeiler an der Südseite und ein Theil der
Vorhalle. Jetzt findet man nur noch zwölf, wenn
wir zwei andere auf der Giebelseite und einen Wand-
pfeiler nicht mitrechnen. Die übrigen haben die
Türken in neuerer Zeit niedergestürzt, um sich mit
dem Metall zu bereichern, das die einzelnen Steine
verband. Die Reste der Vorhalle haben sich bedeu-
tend vermindert. Die Säulen, die dem J^Ieere zunächst
stehen, sind eben deswegen, weil sie der Seeluft am
meisten ausgesetzt waren, abgeblättert und verwit-
tert. Sunion war einundvierzig und drei Viertel
Meilen von dem Peiräeus entfernt.« (Chandler, p. 8.)
Taf. X.
Grundriss des Tempels der Athena Sunias.
Taf. XI.
Aiifriss der Vorderseite. (^)
Taf. XU.
Durchschnitt der Vorhalle.
Das Gebäude ist von weissem Marmor. An Zier-
lichkeit der Form und Schönheit der Construction
steht dasselbe den ersten in der Zeit des Perikles er-
richteten Tempeln nicht nach.
Taf. Xlll.
Das Capital und Gebälk der äusseren Ordnung , nebst
dem Durchschnitt durch den Architrav.
(9) Diese , die zwei vorhergehenden und drei folgenden Ta-
feln sind mit einer etwas ausfiihrlicheren Beschreibung auch in
dem achten Capitel der Alterth. von Attika gegeben worden.
W.
SECHSTES CAPITEL. 207
Taf. XIV.
Das Capital der Anten und Durchschnitt durch das Ge-
bälk an der Vorderseite der Vorhalle.
Der Fries war verziert mit halb erhobenem
Bildwerke, das den Kampf der Kentauren und Lapi-
then darstellte, jetzt aber sehr beschädigt ist.
Taf. XV.
Ansicht des Tempels des Zeus Nemäos , zwischen Argos
und Korinthos,
Die Reste dieses Tempels bestehen nur noch aus
zwei Säulen und einem Theil der Anten, die ihren
Architrav tragen, nebst einigen Theilen der Tem-
pelmauer und Bruchstücken von der äusseren Säu-
lenreihe.
Taf. XVI.
Grundriss des Tempels.
Taf. XVII.
Aufriss der Vorderseite. •
Taf. XVJII.
Ordnung des äusseren Säulengangs in grösserem
Maassstabc.
Taf. XIX.
Grundriss des Tempels der Demeter zu Eleusis.
Näheren Aufschluss über die Trümmer dieses
Gebäudes, die Geschichte und die hier einst bei
der Feier der Mysterien üblichen Gebräuche suche
man in Dr. Chandler^s Reisen in Griechenland, Cap.
XL — XLII. (»")
(10) Die nciislen uiul bei weitem gonaiistcn aicliitcli tonischen
Uiitersucliimgcii enthalt das vierte Capilcl der Alterthiimer von
Altika. Vgl. oben S. 171 f. W.
208 SECHSTES CAPITEL.
yitruvius gibt uns in der Vorrede zu seinem sie-
benten Buch (§, 16 f.) über dieses Gebäude folgende
Nachricht: %Eleusine Cereris et Proserpinae cellam
immani magnitudine Ictinus Dorico more sine exterio-
ribus columnis ad laxaraentum usus sacriliciorum
pertexuit. Eam autem postea, cum Demetrius Pha~
lereus (^') Athenis rerura potiretur, Philorij ante
templum columnis constitutis, prostylon fecit: ita
aucto veslibulo laxamentum iaitiantibus operique
summam adiecit auctoritatem.«
Taf. XX.
Ein Theil der Ordnung in grösserem Maassstabe ;
Lage der Stufen und Schaft der Säulen
am Tempel der Demeter.
Man beachte hier die Art, wie die Griechen die
Cannelirungen ihrer Säulen ausarbeiteten. Nur unter
dem Capital und an der Base wurden die Rinnen be-
zeichnet, um den Werkleuten die Richtung anzuge-
ben, wenn sie später, nachdem der ganze Bau auf-
geführt war, die Cannelirungen vollenden sollten; der
ganze übrige Schaft blieb einstweilen noch unbearbei-
tet, um diesen Theil der Säule vor jeder Beschädi-
gung zu sichern, die sie während ihrer Aufstellung
erleiden konnte. Zur Bestätigung dieser Angabe
können die im ersten Theile beschriebenen Ueber-
resle des Tempels des Apollon Didymäos bei Miletos
dienen. Daselbst sieht man nämlich zwei ihren Ar-
chitrav tragende Säulen, deren Cannelirungen ganz
ausgearbeitet sind; eine andere steht dagegen noch in
ihrem unvollendeten Zustande da und nur die Rich-
tungslinien sind an ihrem Schafte oben und unten ange-
geben. Gerade über den Cannelirungen bemerke man
(11) Stalthalter des Kassanciros in Athcnä vom J. 318—307
vor Chr.
SECHSTES CAPITEL. 209
auf der vorliegenden Tafel das kleine vorspringende
Glied oder fliemchen, das wahrscheinlich verhindern
sollte, dass der öleissel beim Weghauen der Überfläche
nicht zu tief eindringe. Später, wann das ganze Ge-
bäude vollendet war, sollte dies Glied mit demUebri-
gen gleich gemacht werden. Die einzelne noch erhal-
tene Säule dieses Tempels scheint zu denen gehört zu
haben, dieFilon hinzufügte, um den Tempel zu einem
Prostylos zu machen. (Siehe Vitruv. Hl, 1.)
Taf. XXI.
Ordnung in grösserem Maassstabe und Felderdecke über
der Bildsäule der Demeter,
Diese Trümmer liegen ohngefahr zweihundert
Fuss abwärts von der Nordseite der Kingmauer um
den grossen Tempel und gehörten wahrscheinlich zu
den von Tansanias erwähnten Propyläen.
Siebentes Capitel.
lo n i e n,
Taf. XXiJ.
Ansicht des Bogens oder des Thorwegs zu Mylasa,
Dieses Thor ist von Marmor und von der Ko-
rinthischen Ordnung. Auf dem Schlussstein ist die
Doppelaxt des Zeus von Labranda Q) ausgehauen, wie
man sie oft auf Münzen hndet.
Taf. XXIII.
Grundriss und Aufriss des Bogens,
(1) Vgl. S. 143. Anm. u. Vignettcntafci IV. Fig. 1. N. l. W.
Ion. Alt. 14
210 SIEBENTES CAPITEL.
Taf. XXIV.
Ansicht des Grabmals bei Mylasa,
»Ohngefähr eine Viertel Meile von der Stadt
Mylasa erhebt sich ein Grabmal. Die Construction
des Dachs ist besonders durch seine Verzierungs-
theiJe merkwürdig, aber es fehlen zwei Steine, und
mehre sind versetzt. Es wird von cannelirten Säu-
len der Korinthischen Ordnung getragen. Mehre
derselben sind vorsätzlich stark beschädigt, da man
nahe an den Basen mit Gewalt in sie hinein schlug,
um durch den beabsichtigten Einsturz des Gebäudes
Eisen und Baustoffe zu gewinnen. Die Schäfte sind
nicht rund, sondern elliptisch und an den Eckpfei-
lern viereckig. Dieses Gebäude steht an der Strasse
und fällt dem, der von lassos kommt, zuerst in die
Augen. Der Eingang vear auf der abgekehrten Seite,
und wahrscheinlich stieg man auf einigen Stufen
hinauf, die man zum nöthigen Behuf anlegte und
wegnahm.« (Chandler, p. 189.)
Taf. XXV.
Grundriss des Grabmals zu Mylasa,
Taf. XXVI.
^ufriss und Durchschnitt des Grabmals,
Taf. XXVII.
Bauverzierungen des Bogens zu Mylasa,
Taf. XXVIII.
Verzierungen und einzelne Theile des Grabmals in grös-
serem Maassstabe.
Taf. XXIX.
Pfeiler in grösserem Maassstabe.
Taf. XXX.
Verzierungen des Dachs.
SIEBENTES CAPITEL. 211
Taf. XXXI. M i'.(>
Aufriss einer Korinthischen Säule.
Nicht fern von der Grundlage des früher der Göt-
tin Roma und dem Augustus geweihten Tempels steht
auf einem Stück festen Mauerwerks eine Korinthische
Säule, die einst eine Statue trug und auf dem Schaft
folffende Inschrift hat:
DAS VOLK HAT SIE ERRICHTET DEM ME-
NANDROS, DEM SOHNE DES ÜLIADES UND
ENKEL DES EÜTHYDEMOS, DER SELBST
SEINEM LANDE WOHLTHÄTER WAR UND
VON WOHLTHÄTERN STAMMTE.
Ausser dieser standen vor nicht vielen Jahren zwei
cannelirte Säulen von der Ionischen Ordnung.
Taf. XXXII.
Einzelne Theile derselben Säule in grösserem Maassstabe,
Taf. XXXIIL
Ruinen der Stadt Myüs oder Bl^fi und Ansicht des Sees.
»Schon im zweiten Jahrhundert war die Stadt
Myils so sehr zerstört, dass der Tempel des Bakchos
aus weissem Marmor damals das einzige noch stehende
Gebäude war. Hinter einigen von Türken bewohn-
ten Hütten findet man linker Hand ein in den Bero-
gehauenes Theater nebst einigen mit 3Ioo8 bewachse-
nen üeberresten von der Mauer der Vorderbühne
CProskenionJ. Die Marmorsitze sind aber nicht mehr
da. Zwischen den Hütten und dem See sind mehre
Terrassen mit eingehauenen Stufen wie zu Priene,
Eine derselben, an der unser Zelt stand, bildete
einen viereckigen FJatz und war mit Marmorfrag-
menten eingefasst; vielleicht war ehemals hier die
Agora (der Markt). Bei einer andern lagen Steine
die zirkeiförmige Schilde zur Verzierung hatten. Die
vorzüglichste und ausgezeichnetste Ruine bildet aber
14*
212 SIEBENTES CAPITEL.
der kleine Tempel des Bakchos, der auf einem schrof-
. fen Felsen gelegen nur von der Vorderseite, das
heisst von Osten, zugänglich ist. Das Dach ist zer-
stört; die Zelle gut gebaut aus einem glatten mit einer
braunen Rinde überzogenen Steine. Die Porticus
stand in Antis, d. h. sie hatte Wandpfeiler oder An^
ten. Wir massen mehre Fragmente derselben und
inussten es beklagen, dass einige Theile fehlten.
Man hat den Tempel als Kirche benutzt und den
Eingang vermauert. Die umher zerstreuten Marmor-
stücke, die zerbrochnen Säulen und verstümmelten
Statuen zeugen alle für ein hohes Alter. Wir tra-
fen einige Inschriften, die aber nicht mehr lesbar
waren. Die Stadtmauer war wie die von Efesos durch
viereckige Thiirme verstärkt und steht noch, ausge-
nommen gegen den See hin. Sie zieht sich den Hang
des Berges hinauf und zwar so hoch, dass man sie
an manchen Stellen kaum unterscheiden kann. Aus-
serhalb der Stadt sind die Begräbnissplätze ihrer
früheren Einwohner. Gräber von jeder Grösse nach
der Verschiedenheit der Gestalt und des Lebensalters
der Verstorbenen sind hier in den Felsen gehauen
und dabei liegen unzählige Hache Steine, die als
Deckel dienten. Einige Grä ber sind noch bedeckt, viele
oöen und die gegen den See zu mit Wasser erfüllt.
' Die Deckel sind mit einem kurzen, trocknen, brau-
nen Moos überwachsen und schon ihr Anblick zeugt
für ein hohes Alter.« (Chandler, p. 165.)
Taf. XXXIV. und XXXV.
Grundriss des Tempels zu Myds und einzelne Theile in
grösserem Maassstabe,
Taf. XXXVI.
Grundriss und Durchschnitt eines The aters zu Strato-
nikeia in Ka i'ie n .
»Die Gegend yon Stratonikeia, dem heniigenEski-
Hissar, ist mit Blarmorfragmenten wie übersä't. Ein-
SIEBENTES CAPITEL. 213
zelne Säulenschäfte stehen noch und einer hat auch
noch sein CapilKl. Bei einer liülte fanden wir zwei
nebst einem Pfeiler, die ein Gebälk trugen, von
Kebstöcken und Bäumen dicht umhüllt. An dem
Abhänge des Hügels ist das Theater mit Sitzen und
Trümmern der Vorbühne, unter denen sich auch
Fussjjestelle Ton Statuen befinden. Eins derselben
hat eine Inschrift und gedenkt eines Bürgers von ho-
hem Verdienste und grosser Freigebigkeit. Ueber
demselben ist ein Marmorhaufen und das ganze Ge-
bäude ist mit Moos, Buschwerk und Bäumen über-
wachsen. Ausserhalb des Dorfs findet man auf der
entgegengesetzten Seite gebrochne Schwibbogen,
Stücke von massiven Mauern undSarkofage.« (Chand-
1er, p. 193.)
Taf. XXXVII. und XXXVIll.
Bruchstücke der Architektur ^ besonders von dem Theater,
Taf. XXXiX.
Ansicht eines Gymnasion zu Efesos.
Dieses Gebäude liegt nicht weit von der östlichen
Stadtmauer an dem südlichen Fuss des Bergs Prion.
Die nordwestliche Ecke des Gebäudes stösst noch
einige Fuss tief in den Berg, der sich allmählig ge-
gen die Nord- und üstseite absenkt.
Taf. XL.
Grundriss des Gymnasion»
A. A. A. A. Cryptoporticus (geschlossene, aus-
gemauerte Halle), worin überall Exedrae (Hörsäle
mit Sitzen) eingerichtet sind.
ß. Paläslra (llingplatz).
C. Efebeion (Uebungsplatz für die Efeben oder
männlichen Jünglinge.)
D. D. Bäume zu beiden Seiten des Efebeion.
214 SIEBENTES CAFITEL.
Man findet keine Spuren, dass dieselben mit dem
Efebeion in unmittelbarer Verbindung gestanden hät-
ten, aber aus der Palästra führten zu jedem derselben
zwei Thüren. Ihre Vorderseite steht gegen Süden.
Ueber den Thüren haben sie, ihrer ganzen Breite
entlang, üefFnungen, deren jede im Inneren dreiFuss
drei Zoll gross ist. (Die Thüren hat man zur Rech-
ten, die ÜefFnungen zur Linken des Efebeion be-
zeichnet.) *) Aus allem diesem lässt sich vermuthen,
dass sie für üebungen bestimmt waren , die man bei
schlechtem Wetter oder im Winter lieber unter einem
bedeckten Räume anstellte. Denn die Palästra war
unbedeckt und liess sich nur im Sommer und bei
schönem Wetter benutzen.
E. Aditus oder Gang.
Dieser Gang führt aus dem Efebeion zu denßad-
gemächern, deren hier zwei Reihen sind. Man findet
nur Ein Lakonikon oder Eine Sudatio calida (Schwitz-
badstube). Jede Reihe der Gemächer enthielt wahr-
scheinlich ein Frigidarium (Zimmer für kalte Bäder),
F.F., ein Tepidarium (für laue Bäder), G. G. und ein
Calidarium (für warme Bäder), H. H. in der Nische
des Calidarium, zurrechten Hand, sind verschiedne
Arten Fische gemalt und Knaben, die auf Delfinen
schwimmen. Die Farben des Gemäldes sind so wohl
erhalten , dass man noch das hellgrüne Wasser deut-
lich unterscheidet.
I. Lakonikon.
Dieses Gemach scheint in gleicher Höhe mit den
übrigen gelegen zu haben , aber man gelangte nur
(2) Da ich nicht sicher bin, ob ich hier den Sinn des Origi-
nals getroffen habe, fiige ich die Worte des Verfassers selbst bei:
They front the soiith; and have large apertures above the' doors;
each apertiire within three feet three inches as broad as the room
itself (the doors are marked on the right hand of the Ephebeum,
and the apertures on the left). W.
SIEBENTES CAPITEL. 215
Termittelst eines Gangs zu ihm, der über dem' lag,
der zu den Bädern führte. Zu diesem Gang stieg
man auf Stufen, die vielleicht an denPuncten aa oder
b angebracht waren. . Die Stufen (c), die in das La-
konikon herab führen, sind sehr unbequem, indem
sie elf und einen halben Zoll hoch und nur acht und
einen halben Zoll breit sind. In der diesen Stufen
gegenüber stehenden Mauer ist eine Höhlung (d), die
sich etwas über dem verschütteten Mauerwerk zeigt,
und eine andere (e) ist ebenso in dem Lakonikon in
der Mauer nach dem Sfäristerion. Dieselbe ist einen
Fuss elf Zoll ins Gevierte weit, hat einen fiauchfang
an der Hinterwand und geht in die Mauer in horizon-
taler Kichtung. Das Lakonikon ist gewölbt und ganz
dunkel. Mehre Trümmer zeigen, dass noch ein
andres Zimmer über ihm war.
K. Sfäristerion (Ballplatz).
L. L. Zwei grosse Strebepfeiler oder Mauern
(^uttresses j AnteridesJ j die vielleicht in späterer Zeit
angebaut wurden, um die Mauern zu stützen, da wo
sie nachgegeben hatten. Durch die Strebemauer auf
der Nordseite führt ein gewölbter Gang.
M. M. Ueberreste der Mauern , die das Stadion
(die Kennbahn), die Peridromides (offenen Spazier-
gänge) und andere nölhige Bäume umschlossen.
Taf. XLI. und XUI.
Einzelne Theile der Architektur,
Taf. XLHI.
Noch andere Theile.
Fig. 1. Ein Kranz aus weissem Marmor, gefun-
den auf dem Platz vor dem Gymnasion. Die Enden
der Sparrenköpfe waren beschädigt urid sind hier er-
gänzt.
Fig. 2. SoIIite des Kranzes, oder untere An-
sicht der Krauzleiste.
216 SIEBENTES CAPITBL.
Fig. 3. Architrav aus weissem Marmor über den
Thüren der runden Exedrae im Efebeion. Die sima
oder dieRinnleisle (der Karnies) ist stark beschädigt.
Fig. 4. Ein Säulenstuhl und eine Base aus Einem
Stück weissen Marmors. Auch liegen kleine Fragmente
mehrer gleichartigen Gegenstücke bei dem erwähn-
ten Kranze. Der obere torus oder Pfuhl der Base
und der untere Riemen der Einziehung waren zu
sehr verletzt, als dass wir sie hätten messen können.
Eine grosse Marmorstatue in der morgenländi-
schen oder Parthischen Kleidung liegt fast in der Erde
begraben, nicht weit von den genannten Bruch-
stücken.
Taf. XLIV.
Ueberreste eines Tempels zu Efesos,
»Die Länge dieses Tempels betrug ohngelahr
hundert und dreissig Fuss, die Breite achtzig. Die
Zelle oder das Schiff war aus grossen groben Steinen
gebaut, der Säulengang von Marmor und von der
Korinthischen Ordnung. Mit den Basen und Capitä-
len waren die Säulen beinahe siebenundvierzig Fuss
hoch; die Schäfte waren cannelirt und, obgleich so
sehr gross , doch aus Einem Block, Auf dem Fries
war ein kühn verschlungenes Laubwerk mit Knaben
eingemeisselt. Die Verzierungen sind grösstentheils
sehr reich, aber stark beschädigt. Vielleicht war dies
der Tempel, der dem Gotte Julius mit Bewilligung
des Augustus Caesar errichtet wurde, oder auch der,
den man dem Claudius Caesar bei seiner Vergötterung
weihte.« (Chandler, p. 124.)
Taf. XLV.
Theile der Ordnung in grösserem Maassstabe, die sich
aus den zerstreuten Bruchstücken zusammensetzen
Hessen,
SIEBENTES CAPITEL. 217
Taf. XLVI.
Grundriss des Theaters zu Mileto s ^ der uns die
Anordnung der Sitze zeigt.
Taf. XLVJl.
Verzierungen an dem Theater und Theile in grösserem
Maassstabe,
Eine genauere Beschreibung der Ebene, durch
die der Mäandros fliesst, enthält unser erster Theil
und eine Ansicht der Gegend von dem Theater aus
gibt die erste Tafel zum dritten Capitel. (^)
Den gegenwärtigen Zustand des Theaters stellt
uns die letzte Vignette dar.
Taf. XLVlll.
Ansicht der Rennb ahn zu Laodikeia in Frygien,
»Dieses Gebäude war ohngefähr Tausend Fuss
lang und rund an beiden Finden. Noch sind dreiund-
zwanzig Sitze erlialten , die in die Seite des Hügels
eingehauen waren. Der Kingang von aussen ist ver-
stopft und nur eine kleine Oeft'nung gelassen, durch
die ein schwaches Licht eindringt. Der Schutt hat
sich bis über die Kämpfer fimpostsj des inneren Bo-
gens angehäuft. An dem Gesims dieses Bogens steht
eine Griechische Insrhrifl mit grossen Zügen, die
man also übersetzen könnte:
DßM KAISKR TITÜS CAKSAB AUGÜSTUS
VKSPASIANUS, \)VA\ ZUM SIEBKNTENMAL
CONSUL IST UND EIN .SOHN DES KAISERS
VESPASIANÜS, DES GOTTES, UND DEM
VOLKE. NIKOSTRATOS DER JÜNGERE,
SOHN DES LYKIAS, ENKEL DES NHvOSTRA-
(3) Statt dieser porspoctivischen Ansicht enthält die neue Auf-
lage und somit auch unsere Ausgabe einen geometrisch aufgenom-
menen Plan der Gegend um den Äpollontempel bei Miletos. W.
218 SIEBENTES CAPITEL.
TOS, ERRICHTETE AUF SEINE
KÜSTEN; NIKOSTRATOS SEIN ERBE
VOLLENDETE DEN BAU UND DER PROCON-
SUL MARCUS ULPIÜS TRAIANUS WEIHTE
IHN.f (Chandler.)
Das siebente Consulat des Vespasianus fällt in das
neunundsiebzigste Jahr der Christlichen Zeitrech-
nung »und das Consulat des Traianus in das zweiund~
achtzigste. Somit hatte man zwölf Jahre zur Vollen-
dung des Baus gebraucht. Bei einer andern Ruine
ist ein Fussgestell mit einer Inschrift, die der obigen
zur Erläuterung dienen kann. Sie bezieht sich auf
dieselbe Familie und die erwähnten zwei Wohlthä-
ter und lautet also :
»DER SENAT UND DAS VOLK HABEN DIE
TA TIA, DES NIKOSTRATOS TOCHTER UND
DES PERIKLES ENKELIN, EINE NEUE HEL-
DIN , GEEHRT, SOWOHL WEGEN DER
.STAATSÄMTER, PRIESTERWÜRDEN UND
ÖFFENTLICHEN WERKE IHRES VATERS,
ALS WEGEN IHRES GROSSOHEIMS NIKO-
STRATOS, DER, ANDERER WOHLTHATEN
NICHT ZU GEDENKEN, JÜNGST PRIESTER
DER STADT WAR UND DAS STADION IN
EIN AMFITHEATER VERÄNDERTE «
(Chandler, p. 226.)
Wir müssen hier bemerken, dass das Stadion nicht
erweitert oder verlängert, sondern verkürzt w^urde,
wie man dies bei einem gleichartigen Gebäude zu
Efesos sieht, dessen Grundriss Pococke (*) gegeben
hat. Es wurde nämlich daselbst das runde Ende für
die Bedürfnisse eines Amfitheaters durch Mauern
(4) Desciiption of the East. Vol. II. Part. II. Plat. XLVIII.
p. 49. Jer Teutschen Ausg. v. Breyer Tbl. III. S. 72. W.
' SIEBENTES CAPITEL. 219
abgeschnitten, die den zu den Gladiatorspielen nö-
ihigen Raum Hessen, gegen welcherlei Schauspiele
die Hellenen, ehe die Komischen Silten herrschend
wurden, grossen Abscheu gezeigt hatten. Dr. Po-
cocÄ:e bemerkt, (*) dass man in neuererZeit dasStadion
zu Afrodisias in gleicher Art durch eine halbrunde
Mauer verkürzt habe, die gleich der zn Efesos sehr
schlecht gebaut sei und mit dem östlichen Ende einen
Kreis bilde, um, nach seiner Vermuthung, als Kirche
zu dienen. Die eigentliche Absicht der Aenderung
an unserem Gebäude ersieht man aus der oben mit-
getheillen Inschrift.
Taf. XLIX.
Grundriss des grossen Theaters zu Laodikeia.
Fig. 1. Dieses Theater heisst das grosse, um es
von zwei kleineren in derselben Stadt zu unterschei-
den, von denen das eine ein Odeion, oder Musik-
theater war. Der Baumeister wählte sich für dies
Gebäude eine sehr vorlheilhafte Lage. Er Hess näm-
lich einen runden Ausschnitt in die Seite eines stei-
len Hügels machen und gewann hierdurch nicht nur
bedeutende Vorlheile für «He Anlage der Sitze, son-
dern auch eine grosse iMusse von Baustoffen; ja er
sparte sogar hierdurch unendlich viele Arbeiten und
Kosten; ein Punct, der bei der ausserordentlichen
Grösse des Gebäudes von besonderer Wichtigkeit
war. Denn es konnte dasselbe zehn Tausend Zuschauer
fassen und hatte einen Durchmesser von nicht viel
weniger als vierhundert und fünfzig Fuss, wenn man
nämlich den freilich jetzt ganz zerstörten Säulengang
mitrechnet, der einst die äussersten Sitze umgab.
Jetzt bietet es, überwachsen mit Buschwerk, Ge-
sträuch und Gras, einen so verworrenen Schauplatz
(5) Vol. IL Part. II. p. 7a bei Brcyer III, 10$. W.
«220 SIEBENTES CAPITEL.
dar, dass wir keine Stelle finden konnten, von der
sich eine befriedigende oder malerische Ansicht hätte
aufnehmen lassen. Darum unterliessen wir es und
geben lieber hier von der am wenigsten zerstörten
Hälfte des Theaters, einen Grundriss, der Alles ent-
hält, was sich zur Belehrung über die Construction
solcher Gebäude aus derPiuine ziehen liess.
Die Ueberreste dieses Theaters geben uns keine
Aufklärung über die Anordnung der Tbeile hinter
der Scene. Nur ein Stück Mauer gewahrt man, die
zu dem Ende des Postscenium, oder dem Raum hin-
ter der Scene, gehörte. Diese Mauer schien, wenn
nicht ganz, doch beinahe so breit zu sein, als das
Postscenium, dessen Länge ohngefähr hundert und
dreiundvierzig Fuss betryg. Ob dasselbe aber aus
Einem oder mehren Gemächern bestanden, lässt sich
nicht ermitteln. Die özjjvij oder Bühne oder viel-
mehr Hinterwand unserer Bühne an dem Theater zu
Hierapolis in Frygien ist hundert und sechsundzwan-
zig Fuss vier Zoll lang und das Postscenium, ein
einzelnes Gemach, neunzig Fuss zehn Zoll lang und
dreizehn Zoll vier Fuss tief und hat an der Wand,
die der Rückseite der Scene gegenübersteht, einen
geschlossenen Bogengang (Arcade) oder eine Reihe
von Exedren, die sechs Fuss sieben Zoll weit und
drei Fuss sechs Zoll tief sind.
Fig. 2. Durchschnitt durch die Sitze.
Fig. 3. Vorderseite der Sitze, mit ihrem Ende
zunächst an den Stufen. ' a
Taf. L.
Einzelne Theile der Architektur,
Fig. 1. Base, Capital und Gebälk von der Ord-
nung der Halbsäulen an der Vorderseite der Scene.
Der Umfang und die Höhe der um die Säulen
aufgehäuften Trümmer hinderte sowohl, die Höhe
SIEBENTES CAPITEL. 221
der Säulen zu messen^ als auch ihre Stellung und
Anordnung mit Gewissheit zu bestimmen. Ebenso
waren die Schnecken der Capitiile zu sehr beschädigt,
als dass man sie hätte messen können. Wir haben
sie hier in der Absicht ergänzt, um den Eindruck zu
zeigen, den die Capitäle in unversehrt€|in Zustande
machen mussten. Uer Fries war mit Blätterwerk
verziert; wir konnten aber nur Ein Stück des Frieses
finden, das sich messen liess ; dasselbe war schlecht
gearbeitet und zeigte die Umrisse des ungeschickt
ausgehauenen ßlätterwerks. An dem Kranz war die
Höhe desselben an der Vorderseite und der Vorsprung
der Kinnleiste mit der Höhe ihres Riemens zu un-
vollständig, um gemessen werden zu können.
Fig. 2. Durchschnitt durch das Pluteum, oder
fortlaufende Fostan^ent, das die Mauer der Scene
zwischen den Halbsäulen verziert, die in den runden
Nischen in der Mitte der Scene stehen. Die Theile
derselben', die vor die Mauer vortreten, waren mit
Basreliefs ausgeschmückt, die nun fast verschwunden
sind. Der obere Theil des Kranzes ist zerstört; nur
Spuren einer Hohlleiste fcavettoj finden sich über der
Rinnleiste.
Taf. LI.
Andere Theile der Architektur.
Fig. l. Durchschnitt des Capiläls, das längs der
Mauer der Scene in den Räumen zwischen den Halb-
säulen fortgetührt ist.
Fig. 2. Durchschnitt durch die Halbsäulen, wo-
bei man die Füllung fpannelj in der SoIRte des Ar-
chitravs sieht, sammt seinen Gliedern und Maassen.
Fig. 3. Kranz des Podium (des Grundsteins oder
der Zocke) an der Vorderseite der Scene.
Fig. 4. Ein Postament oder Untersatz Cp^destalJ,
wahrscheinlich zu dem Fluteum gehörig, auf das die
1^22 SIEBENTES CAPITEL.
2weite Ordnung der Scene gestellt war. Andere
üeberreste dieser Ordnung hat man liicht entdeckt,
ebensowenig wie Verzierungen von dem oberen
Theile der Scene.
Fig. 5 und 6. Ein Kranz und ein Postament, die
man nahe Bei jenen Trümmern gefunden.
•> ■,, , .i(i
Taf. LH. 4f-'vju,/
Ansicht eine^ Gymnasi on zu Alexandreia Troas,
dem heutigen Eski Stamboul.
Taf. LIII.
Innere Ansicht desselben Gebäudes.
Taf. LIV.
Grundriss des Gymnasion.
Die wenigen Züge, die wir hier geben, sind die
einzigen, die sich aus dem verworrenen Trümmer-
hügel, der die Stelle der einst berühmten Stadt ein-
nimmt, mit Sicherheit nachweisen lassen.
Taf. LV.
Grundriss des Theaters zu lassos in Karien, bei
Miletos.
Taf. LVI. und LVII.
Ansichten des Theaters zu Patara an der Küste von
Lykien.
Man erblickt hier üeberreste der Scene. Der
Hügel über dem Theater ist mit Grabdenkmälern
bedeckt.
Taf. LVIII.
Ansicht eines Theaters auf der Insel Kisthene ,
der heutigen Castell Rosso, nahe an der Sudspitze
von Kleinasien.
SIEBENTES CAPITEL. 253
Taf. LIX.
Ansicht eines Theaters an dem Ende des Meerbusens
Glaukos bei Macri oder Telmissos in der Landschaft
Lykien.
Mehre architektonische Ausführungen, welche
die Construction dieses Gebäudes näher angeben,
sehe man in des Herrn Grafen von Choiseul Gouffier
Reise durch Griechenland.
Sowohl die grosse 2ahl, als die Pracht und Heri^».
lichkeit der Gymnasien und Theater, die wir in dem
Theil von Kleinasien treffen, der den (Gegenstand
unserer jetzigen Untersuchung ausmacht, müssen je-
den Beobachter in Staunen versetzen. Während sich
der männliche Geist der Athenäer in dem Bestreben
beurkundete und hervorthat, die Maler- und Bild-
nerkunst zur Vollendung zu bringen und für die
rhetorischen und filosofischen Disciplinen regelrechte
Systeme zu gründen, hauchte der mildere Himmel
loniens denen, die unter ihm lebten, Liebe und
Geschmack für die Ausbildung der zarteren und fei-
neren (auf Sinnenreiz und Erregung der Gefühle be-
rechneten) Künste ein. Daher rührt der schnelle
Wechsel der Sitten und Gebräuche, und daher die
weibische entnervte Lebensart , über welche Dichter
und Geschichtschreiber jener Zeit so häufig Riagen
erheben, die sich immer mehr über das Römische
Reich verbreitete und selbst zur Verderbniss Roms
mächtig fortwirkte. In der Nähe von Miletos, in
7^05 und Lebedos, wurden die ersten Anstalten zum
Unterricht in der Musik und Tanzkunst errichtet. (')
üer Staat bestätigte sie und unterwarf sie gewissen
Gesetzen und Bestimmungen, auf die sich alte Schrift-
steller oft berufen. Ueber die Verhältnisse dieser
Innungen oder Künstlervereine findet man in deb von
(6) Siehe oben S. 35- und Strabo. XIV, 643. W.
224 SIEBENTES CAPITEL.
Chishull mitgetheilten Denkmalen von Teos manchen
Aufschluss. Die Vorsteher und Lehrer solcher Schu-
len oder Akademien hiessen ol tieqi tov ^lovvOov
rsxvitai, d. h. Künstler im Dienste des ßakchos.
Hier erhielten die ihre Bildung, die im Griechischen
Theater, im Chor und in der Orchestra, auftraten;
■von da und von den umliegenden Inseln verbreiteten
sich sodann ähnliche ßildungsschulen über Gross-
griechenland und die nördlicheren den l\ömern unter-
worfenen Länder. Sowohl zur Berathung gemein-
schaftlichenüegierungsangelegenheiten, als zu Schau-
spielen und andern Belustigungen war den Bewohnern
jedes besonderen Bezirks ein eigner Versammlungs-
ort angewiesen. Diese Volksversammlungen wurden
sowohl im Europäischen Griechenland als in lonien
im Theater gehalten
Atticis quoque,
Quibus theatrum curiae praebet vicem.
Nostris negotiis sua loca sortito data:
■4 Campus comitiis , ut conscriptis curia:
Forum, atque rostra separatis civium,
Una est Athenis atque in omni Graecia
Ad consulendum publici sedes loci.
Quam in urbe nostra sero luxus condidit,
Aedilis olim scenarn tabulatam dabat
Subito j excitatam nulla mole saxea,
Muraena sie, et Gallius, Nota eloquar,
Postquam potentes , nee verentes sumptuum,
Nomen perenne crediderunt , si semei
Constructa moles saxeo fundamine
In onine tempus conderet ludis locum:
Cuneata crevit haec theatri immanitas.
Pompeius hanc , et Baibus, et Caesar dedit
Octavianus , concertantes sumptibus. (')
(7) Ausonius, Prolog, in Sept. Sapient. v. 6 scj(j.
SIEBENTES CAPITEL. 225
»Cuncti consona voce flagitant, ut iudicium ts^-
tum theatro redderetur. Nee mora, cum passim po-
pulus procurrens caveae conseptum mira celeritate
complevit; aditus etiam et tectum omne fartim stipa-
verant. Plerique columnis implexi, alii statuis de-
penduli, nonnulü per f'enestras et lacunaria semi-
conspicui, miro tarnen oinnes studio visendi, pericula
salutis negligebant. Tunc me per proscenium me-
dium, yelut quandam -victimam, publica ministeria
perducunt, et orchestrae mediae sistunt.c {^)
»Serus adveniens amicis annuit, locum sessui im-
pertiunt. Extimus quisque excuneati queruntur.c (^)
Einen grossen Theil der zur Errichtung solcher
Gebäude nöthigen Kosten schössen die reichsten
Glieder einer Gemeinde zusammen, ebenso waren
die, welche sich um Ehrenstellen und öffentliche
Staatsämter bewarben , gewöhnlich bereitwillig, den
Chor anzuführen, d. h. die Kosten zur Ausrüstung
und Aufführung des Chors herzugeben, und Spiele
zu veranstalten, um ihren Mitbürgern den Kosten-
aufwand abzunehmen. Es scheint sogar, dass Thea-
ter und öffentliche Gebäude, selbst Ländereien, die
zu Tempeln gehörten oder zu heiligen Zwecken ab-
gesondert waren, verpachtet wurden, und dass hier-
aus der Gemeindekasse eine neue Einnahme zufloss.
Folgendes Fragment, das zur Erläuterung unseres
Gegenstandes dient, hat Dr. Chandler in Athena von
einem Marmorstein abgeschrieben:
»WENN DIE PJ^CHTER DES THEATERS NICHT THUN,
WAS DER VERTRAG BESAGT, SO SOLL DAS VOLK DES
PEIH.EEUS AUF KOSTENDER PyfXHTER DAS FEHLENDE
BAUEN. DIESES SOLL AUCH AUS SEINER MITTE DREI
(8) Apuleius , Mctamorph. L. III. p. 49- ed. Bipont.
(9) Apuleius, Floiid. L. III. p. 132. cd. Bipont. p. 353, 37.
cd. Elnicnh.
Ion. Alt. 15
226 SIEBENTES CAPITEL.
MiENNER AÜSW/EHLEN, DIE DAS GEB^EÜDE BEI DER
UEBERGABE BESICHTIGEN UND BEURTHEILEN. DER
VORSTEHER DES GAUS ABER UND DIE SCHATZ-
MEISTER'SOLLEN DIE ABSCHRIFT DES PACHTVERTRA-
GES AUF EINEN STEINERNEN PFEILER EINHAUEN UND
DIESEN AUF DEM OEFFENTLICHEN MARKTE AUFSTEL-
LEN LASSEN. AUCH DEN NAMEN DESSEN SOLLEN SIE
BEISCHREIBEN, BEI DEM DER PACHTVERTRAG DER
UNTERNEHMER NIEDERGELEGT WORDEN.
KALLIADES TRUG VOR: MOEGE DAS VOLK. DES
PEIR^EUS BESCHLOSSEN HABEN : WEIL THEI^OS SICH
WOHL VERDIENT GEMACHT UM SEINEN GAU, JETZT
UND VORDEM , UND DEN PACHTPREIS DES THEATERS
UM DREIHUNDERT DRACHMEN GESTEIGERT HAT, SO
SOLL ER BEKR.ENZT WERDEN MIT EINEM LORBEER-
KRANZ, WEGEN SEINER TUECHTIGKEIT UND RED-
LICHKEIT GEGEN SEINE MITBUERGER. ABER AUCH
DIE PyECHTER DES THEATERS SOLLEN BERR/ENZT
WERDEN:
ARISTOFANES AUS DEM PEIR/EEUS,
MELESIAS AUS LAMPTRE,
OENOFON AUS DEM PEIR^EUS,
ARETHUSIOS AUS PELEKAS.
Chandler, Inscr. P. IL p. 74. n. 109. (»<>)
UNTER DEM ARCHON ARCHIPPOS, DEM DEMARCHOS
FRYNION.
UNTER FOLGENDEN BEDINGUNGEN VERPACHTEN DIE
PEIRiEER DIE KUESTE UND SALZWERKE, UND DAS
THESEION UND ALLE ANDEREN HEILIGEN GUETER.
WELCHE MEHR ALS FUER ZEHN DRACHMEN PACHTEN,
(10) Berichtigt und erläutert bei Böckhj Corpus Inscr. Vol. I.
Pars II. N. 102. p. 140 f. — Der erste Theil der Inschrift ent-
hält den Schluss eines Pachtvertrags, den Theiäos zwischen dem
Gau Peiräeus und vier im Original unterschriebenen Pächtern zu
Stande gebracht. Diese pachten das Theater für 3300 Drachmen
und verpflichten sich das Gebäude in gutem Stande zu erhalten,
wogegen sie das Eintrittsgeld (gewöhnlich zwei Obolen für einen
Sitz) zu erheben haben. Vgl. Böckh's Staatshaushaltung d. Ath.
I, 236 f. W.
SIEBENTES CAPITEL. 227
DIE SOLLEN EIN HiNLyENGLICHES* PFAND DER PACH-
TUNG STELLEN, DEREN PACHT ABER NICHT HOEHER
STEIGT, EINEN BUERGEN. UNTER DIESEN
BEDINGUNGEN SOLLEN SIE DIE GUETER LASTEN- UND
STEUERFREI' HABEN. WENN ABER EINE AUSSEROR-
DENTLICHE STEUER ERHOBEN WERDEN SOLLTE, SO
TRyEGT SIE DER GAU AUS SEINEN EINKUENFTEN.
ZIMMERHOLZ UND ERDE DUERFEN DIE P/ECHTER NICHT
AUSFUEHREN AUS DEM THESEION ODER AUS DEN AN-
DEREN HEILIGEN GRUNDSTUECKEN. AUCH DIE P/ECH-
TER DES THESMOFORION DUERFEN NICHT HOLZ ODER
ANDERE MATERIALIEN WEGBRINGEN;
DIE PACHT ENDLICH WERDEN SIE NACH DEM BRAUCH
ZUR H/ELFTE IM HEKATOMB^.ON UND ZUR ANDEREN
H.ELFTE IM POSEIDEON ERLEGEN. DIE PyECHTER
WERDEN BEBAUEN, WAS ERLAUBT IST, NUTZBAR ZU
^ MACHEN, NACH FOLGENDER BESTIMMUNG: IN DEN
ERSTEN NEUN JAHREN, WIE SIE WOLLEN, IM ZEHN-
TEN ABER SOLLEN SIE NUR DIE H.ELFTE PFLUEGEN
UND NICHT MEHR, DAMIT FUER DIE NACHFOLGER
VOM SECHSZEHNTEN DES MONATS ANTHESTERION AN
EINE HINREICHENDE STRECKE ZU BEBAUEN UEBRIG
BLEIBE. WIRD ES SICH ABER AUSWEISEN, DASS MEHR
ALS DIE HiELPTE BENUTZT WORDEN IST, SO SOLL
DER ERTRAG DES MEHRS DEM GAU GEHOEREN.«
ChandIcr, Inscr. P. II. p. 74. n. 110. (")
Das Verfahren der Hellenen in solchen Angele-
genheiten lernt man noch deutlicher kennen aus fol-
gender Stelle des Xenofon: (•*)
»Von Trapezus zog sich das Heer in drei Tagen
nach Kerasüs. Hier blieh es zehn Tage, Man mustert
(11) Ich durfte nur die Englische Ueb^rsetzung übertragen,
wiewohl Böckh in seiner Staatshaushaltung d. Ath. Thl. II. S. 336 ff.
und nochmals Corp. Inscr. Vol. I. P. II. n. 103. p. l4l sq. den
Grundtext verbessert, ergänzt und erklärt und Thl. I. S. 329 f.
der Staatshaushaltung eine vollständigere und genauere Uebci-
selzung geliefert hat. W.
(12) Feldzug des Kyros, B. V. C. IIL §.2— 13.
15*
228 SIEBENTES CAPITEL.
und zählt die SoVdaten und ihre Zahl betragt acht
Tausend sechs hundert. Dies war der Rest von ohn-
jrefähr zehn Tausend Mann; die andern waren durch,
das Schwert der Feinde, durch den Schnee, und
manche auch durch Krankheiten hinjjerafl't worden.
Hier theilen sie auch das aus dem Verkauf der Ge-
fangenen erlöste Geld und von dem für Jpollon und
die Efcsische Artemis bestimmten Zehnten nahm jeder
Heerführer einen Theil für diese Gottheiten in Ver-
wahrunor. Für den Cheirisofos nahm Neon von Asine
einen Antheil in Empfang. Xenofon nahm darum
das, was dem Apollon geweiht war, zusammen ('^)
und legte 'es in den Aihenäischen Schatz zu Delfö nie-
der und schrieb seinen Namen darauf und den des
Proxenos, der mit dem Rlearchos gefallen und sein
Gastfreund gewesen war. Aber den Antheil der
Efesischen Artemis legte er zu der Zeit, als er mit
Agesilaos aus Asien nach Böotien zog und Gefahren
entgegen zu gehen glaubte, bei Megabyzos, dem
Aufseher des Tempels der Artemis^ mit dem Auftrag
nieder, ihm denselben, wenn er am Leben geblieben,
wieder zuzustellen, im anderen Falle aber der Ar-
temis ein Weihgeschenk verfertigen zu lassen, wie
es der Göttin, nach seiner Meinung, am wohlgefäl-
ligsten wäre. Als Xenofon in späterer Zeit, aus
seinem Vaterlande verwiesen, in SkiUüs, einer Pllanz-
stadt der Lakedämonier in der Nähe von Olympia,
lebte, kam Megabyzos nach Olympia, um die Spiele
zu sehen, und gab ihm das anvertraute Geld zurück,
Xenofon kaufte dafür , nach der Ortsbestimmung des
Orakels zu Delfö, für die Göttin ein Stück Landes
an. Durch diesen Bezirk lliesst aber der Selimis, ge-
(13) Richtiger Halbkart: Als Xenofon das Weihgeschenk für
den Jpollon hatte verfertigen lassen {uvü&ri[.ia noiriaüfiivoq), legte
er es u. s. w. W.
SIEBENTES CAPITEL. 229
rade so wie bei Efesos an dem Tempel der Artemis
ein Fluss Selinüs vorbeiströmt. In beiden Flüssen
gibt es auch Fische und Muscheln, aber der Bezirk
bei Skillüs liefert auch noch alle Arten Wild. Auch
einen Tempel und einen Altar errichtete er der Göt-
tin von dem geweihten Gelde. Der Tempel und der
Göttin Bild sind denen zu Efesos ähnlich, soweit
nämlich ein kleiner Tempel einem grossen und ein
Bild ausCypressenholz einer goldnen Statue gleichen
können. An dem Tempel steht eine Säule mit fol-
gender Inschrift:
»DER ARTEMIS HEILIGES GEBIET. DER
BESITZER UND BENUTZER WEIHE IHR
JÄHRLICH DEN ZEHNTEN UND ERHALTE
VON DEM ÜBRIGEN DEN TEMPEL IN GU-
TEM STANDE. THUT EINER DIES NICHT,
SO WIRD ES DIE GÖTTIN AHNDEN.«
Eine Inschrift auf einem marmornen Untersatz,
den man auf der Insel Ithaka fand und jetzt in dem
Palaste der Familie Nani zu Venedig bewahrt, enthält
genau dieselben Worte:
lEP Ol 0XS2P Ol THS
APTEMIJ Ol TONE
XON TAKAIKAPn O Y
MENO VT mMENAE
KATHNKATAO YEINE
KAITO VETO YIEKAETO Y
JIEPITTO YTOimiONE
miKE YA.. ElNEANAETll
MimOIlITA YTATIII
eES2JMEAUlEI
Nähere Nachweisung gibt Paciaudi im ersten Theil
seiner Momuncnta Peloponucsia p. l42 11'.
Trotz dieser vortheilhaften Einrichtungen und
der gelegentlichen Freigebigkeit Einzelner fiel es
230 SIEBENTES CAPITEL.
den kleineren Staaten oft sehr schwer, die Forderun-
gen und Bedürfnisse des Volks zu befriedigen. So-
Ariel als möglich benutzte man darum alle Vortheile
und Bequemlichkeiten, welche die Oertlichkeit dar-
bot. Unter mehr als zwanzig marmornen Theatern,
die man untersucht hat, hndet man kaum eins, in
welchem zu dem runden Raum, in dem die Sitze an-
gebracht sind, also zum eigentlichen Theater oder
Schauplatz, nicht der Abhang eines Hügels benutzt
wäre; (**) nur die Biihnenwand steht auf eignem un-
terbau. — Als die Gemeinde Ton Nikäa in Bithynien
achtzig Tausend Pfund auf den Bau eines Theaters
gewandt hatte, war sie nicht mehr im Stand neue
Summen aufzubringen, um ihn fortzusetzen. Bei
dieser Gelegenheit hatten sich mehre Privatleute zu
Leistungen verpflichtet. Einige wollten die Porticus
aufbauen, andere Gallerien oberhalb der Sitze auf-
führen. Ihr Plan kam indessen, wie Plinius dem
Kaiser Traianns berichtet, (") nicht zur Ausführung,
da der Bau des Hauptgebäudes in Stocken gerieth. In
demselben Schreiben redet Plinius von dem öffentli-
chen Bade zu Claudiopolis , für dessen Bau mehre
Ehrenmitglieder des Senats aus Erkenntlichkeit für
o
ihre Aufnahme die Kosten zusammengeschossen hat-
ten. Zu Antiochia wurden zwei Theater wegen der
gestiegenen Bevölkerung auf Befehl der Kaiser Au~
gustiis und Tiberius erweitert. Zu den bisherigen
Reihen der Sitze wurde noch eine neue oben hinzu-
gefügt und hierbei benutzte man den Abhang eines
angränzenden Hügels. Ebenso errichtete Augustus in
Laodikeia in Syrien ein sehr geräumiges Theater und
(14) Auch in Sizilien und Hispanien sind die Theater an den
Abhang eines Bergs oder Hügels angelehnt, wie Rode zu Vitruv.
V, 3. in seiner Uebers. Bd. I. S. 211. nachweiset. W.
(15) Plin, Epist. L. X. 38. W.
SIEBENTES CAPITEL. 2S1
Stellte darin seine eigne aus Marmor verfertigte Statue
auf. ('«)
Selbst noch in spater Zeit, wie z. B. unter der
Regierung Theoderichs, Königs der Ostgothen, (")
sah man die Erhaltung solcher Gebäude für eine
Ehrensache des Staats an. »Theatri fabricam, magna
se mole solventem, consilio vestro credimus esserobo-
randam.« (**) — «Ideosive masculis piliscontineri, sive
talis fabrica refectionis studio potuerit innovari, ex«
pensas vobis de nostro cubiculo curavimus destinare,
ut et vobis acquiratur tam boni operis fama, et nostris
temporibus videatur antiquitas decentius innovata.«
»In primis noxias arbores , quae inferunt fabricarum
ruinas, dum sunt quidam moenium importabiles arie-
tes, censeraus radicitus amputari.« (*') — »Palatium
quoque longa senectute quassatum reparatione assidua
corrobora.i ('")
Achtes Capitel.
Vignetten,
Taf. 1.
Fig. 1. Ein Adler aus dem Kabinet des Herrn
Knight. (^)
(16) Joannes Antiochenus Malalas, Clironicon p. 303.
(17) Ums Jahr 500 nach Christi Geb.
(18) Cassiodori Variarum Lib. IV. Epist. 51- Ed. Garet. Venel.
1729. fol. Vol. I. p. 72. a.
(19) Cassiodor. Varr. Vif. p. 105. b. sq.
(20) Cassiodor. Varr. II. ep. 39. p. 34. a.
(1) Dieser Adler erscheint in der Originalausgabc auf den
Tittelblattcrn zu beiden Theilen. Ich finde die Wahl dieser Vignette
sinnreich. Wie die alten Dichter mit dem Anruf und Lob des
232 ACHTES CAPItEL.
Fig. 2. (') »Ein Basrelief zu Sigeion auf einem
schönen Stück weissen Marmors, der zu einem Un-
tersatz oder Fussgestell gehört zu haben scheint. Es
bildet jetzt einen Sitz auf der einen Seite des Ein-
gangs der Griechischen Kirche, während zu diesem
Behuf auf der anderen Seite der Stein mit der be-
rühmten Sigeischen Inschrift liegt. Es war Brauch
bei den Hellenen, die Kinder der schützenden Sorge
einer Gottheit zu übergeben, und die Darstellung die-
ser Sitte scheint der Gegenstand dieser Sculptur zu
sein.« (')
Fig. 3. (*) » Vorderseite und Profil eines Antenca-
pitäls am Tempel des Apollon Didymäos, Das Blätter-
werk ist etwas verschieden von dem, was wir auf
den Tafeln des dritten Capitels sehen. Die Vignette
ist in demselben Maassstabe wie die anderen Theile
des Gebäudes gezeichnet.«
Taf. II.
Fig. 1. (*) Grabmal zu ISysa in lonien, gezeich-
net von J, P. Gandy.
Zeus oder der Gottheit, die sie begeistert, häufig ihre Gesänge
begannen und diesen dadurch eine gewisse Weihe ertheilfen (Pin-
dar. Nem. II, Arat. Phaenora. Theocrit. Id. XVII. Virgil. Eclog.lII.),
so geleitet uns hier der raschgeflügcite Bote des Zeus, der König
der Vögel, der ihm lieb ist vor allen (lliad. XXIV, 293.), den er
auf seinem Szepter trägt (Pindar. Pyth. 1 , 10.) , zu den Tempeln
der Götter, deren Vorderseite er einst geschmückt (Pindar. Ol,
XIII, 30) und deren Giebelfelder seinen Namen tragen. W.
(2) Vordervignette zur Vorrede des ersten Theils der alten
Ausgabe. W.
(3) Diese Erklärung sowie alle folgenden mit » « eingeschlos-
senen habe ich aus der alten Ausgabe des ersten Theils v. J. 1769
hierher gezogen , weil sie nöthig und wohl nur aus Versehen in
der neuen Auflage weggeblieben sind. W.'
(4) Vordervignette zur Einleitung des ersten Theils. W.
(5) Vorderviguette zu Cap. IV, W.
ACHTES CAPITEL. 233
Fig. 2. (®) Grabmal zu Nysa,
Fig. 3. (') Statuen auf dem heiligen Weg bei Di-
dymö , gezeichnet von Gandy.
Fig. 4. (*) Münze von Eleusis, (')
Taf. 111.
Fig. 1. (*°) Bronzevignette aus Herrn Knight's Ka-
binet.
Fig. 2. (") Desgleichen.
Fig. 3. (") Münzen von Aegina, (") .
(6) Vordervignette zu Cap. II. _ - W.
(7) Vordervignette zu Cap. III. W.
(8) Schlussvignette zu Cap. VI. W.
(9) Eleusis ist der Demeter geheiligt, denn hier hat sie des
Samens goldnes Korn in die Erde gesenkt und Saaten aufkeimen
lassen. «Das Schwein war aber gleichsam das Wappen von Eleu-
sis.« Schweine werden der Demeter überall geopfert, mag nun
hierbei die Idee der Fruchtbarkeit zu Grunde liegen, oder musste
dies Thier, wie Lateinische Dichter sagen, weil es die Segnungen
der Göttin vernichtet, weil es die Saatfelder aufwühlt und die
Hoffnung des Jahres zerstört, als erstes Sühnopfer fallen. Die
wohlthälige Schutzgöttin des Landes erscheint selbst auf der Kehr-
seite. Sie fuhrt auf einem Drachenwagen daher und hält in der
Rechten ein Schwert, vielleicht das Schlachtopfer gebietend, oder,
soll es eine Sichel sein, zur Aernte auffordernd. Vergl. Eckhel
Doctrina Numm. Vett. Pars I. Vol. IL p. 222 sq. Creuzer. Sym-
bolik IV, 473. Winckelmann Bd. 1. S. 187. der Ausg. v, Fernow.
W.
(10) Vordervignette zur Vorrede zum zweiten TheiL W.
(11) Schiussvignettc zu derselben Vorrede. W.
(12) VoWlervignette zu Cap. V. W.
(13) Eine Schildkröte oder ein fVidderkopf sind gewöhnliche
Zeichen auf der Vorderseite der Aeginäischen Münzen. Auf der
Kehrseite sieht man meistentheils ein vierfach gctheiltes Quadrat.
Buchstaben und das Bild eines Delfin erfüllen fast immer die drei
ersten der Felder und das vierte wird zur Verzierung durch eine
Diagonailinic gethcilt. Auf den drei Münzen der obersten Reihe
sind indessen keine Buchstaben sichtbar und die Flache scheint in
234 ACHTES CAPITEL.
Taf. IV.
Fig. 1. ('*) N. 1. Eine silberne Münze, worauf
die Doppelaxt j das Symbol des Zeus von Labranda,
wie wir bei der Beschreibung von Mylasa S. 143 ff.
gezeigt haben. Sie ist ebenfalls aus Herrn tKnights
Kabinet.
N. 2. Eine Tessera oder Marke aus Elfenbein,
worauf der Name des Dichters Aeschylos steht. Eine
ähnliche Inschrift hat man bisher noch auf keiner
Marke dieser Art bemerkt. Sie ist aus dem vierten
Band der Alterthümer von Herculanum entlehnt: ein
Werk, dessen Vorrede eine Abhandlung über das
Theater der Alten enthält, auf die wir unsere Leser
aufmerksam machen wollen.
N. 3. Eine Tessera oder Eintrittsmarke für die
elfte Beihe derjenigen Sitze im Theater, welche die
Cavea oder den runden Theil vor der Bühne, das
Parterre in unseren Schauspielhäusern, einschlössen
und in dem halbkreisförmigen oder offenen Theil
der Baustätte angebracht waren. Man muss bemer-
ken, dass in den grösseren Theatern, z. B. in dem
zu Laodikeia, wie man Tafel XLIX sieht, die Sitze
durch einen oder bisweilen durch zwei Zwischen.
fünf ungleiche Theile gesondert gewesen zu sein. Die drei mittle-
ren mögen der Zeit des Kaisers Heliogabalus angehören , in-
dem nach K. O. Müller's Angabe (Äeginet. p. 94.) damals die
Schreibart Alytivirutv üblich wurde. Die letzte Münze mit dem
bärtigen lorbeerumkränzten Kopfe , den man auf erwiesen Aegi-
näischen Münzen für den Kopf des Aeahos zu erklären pflegt,
gehört aber ihrer Umschrift nach der Stadt Jegion in Achaia an.
Dies ergibt sich auch aus dem verschlungenen Zug AX {'A;(tt{it)v)
zwischen dem Namen 'AgiajöSa/ioq. Eckhel 1. 1, p. 235. erklärt
den Kopf für den des Zeus und gibt die Notiz, dass Aristodemos
ein Feldherr des Antigonos gewesen sei , der einst Aegion besetzt
habe. W.
(14) Vordervignette zu Cap. VII. W.
ACHTES CAPITEL. 235
räume getrennt wurden, die breiter und höher waren
als die übrigen. Diese Absätze, prae.cinctiones (")
oder xf (>x/5f g, (") mit den zu den Sitzen hinauifüh-
renden Stufen, die nach dem Mittelpunct des Grund-
zirkels gerichtet waren, bildeten die Cunei, Zu jedem
Cuneus gab es verschiedene Marken ; die auf denseU
ben stehende Zahl entsprach der Numer irgend eines
Cuneus und wies dem Zuschauer einen bestimmten
Platz an. Die Staatsbeamten, Priestercollegien und
alle Männer, die durch Verdienste oder Ehrenämter
ausgezeichnet waren, konnten auf die vordersten
Reihen der Sitze, der Gavea zunächst, Anspruch
machen; auch für diese Plätze wird es bestimmte
Marken gegeben haben. Die Frauen und Fremden
waren auf die bedeckte Porticus oder Gallerie be-
schränkt, welche die obere Abtheilung des Theaters
über den Sitzen umgab und so weit von der Bühne
entfernt war, dass man in den grösseren Gebäuden
selbst den Ton der Stimme kaum vernehmen konnte.
Julius Pollux (") führt darum folgende Verse des
Komödiendichters Alexis aus dessen »Weiberherr-
schaft« an:
Den Fremden gleich, nur von der letzten Reihe,
Ists Euch vergönnt, zu schauen unsre Spiele,
Aristofanes greift die Athenäer mit seinem Witz
und Spott darüber an, dass sie sich lärmvoll drängten
und einander stiessen, um die vordersten Plätze zu-
nächst der Orchestra einzunehmen, welche in den Grie-
chischen Theatern der Platz war, wo sich der Chor
bewegte. An diese Orchestra, aber etwas erhöhet,
stösst das Proskenion oder unsere Bühne, auf dem in
früherer Zeit eine platte Erhöhung angebracht war,
(15) Vitruv. V. 3. W.
(16) Pollux Onomast. L. IV. C. XIX. W.
(17) Pollux Onomast. L. IX. C. V. S. 44. W.
236 ACHTES CAPITEL.
▼on der die dem Chor von den Schauspielern gege-
benen Antworten gesprochen wurden. Dieser Theil
des Theaters war bedeckt, üie Hinterseite dieser
Vorbühne bildete die Sy-i-jW] oder die Bühnenwand,
reich mit Bauverzierungen, Basreliefs und Malereien
ausgeschmückt. In der Nähe des Theaters waren ge-
wöhnlich Säulenhallen, Tempel und Basiliken.
In Rom wurden die Theater lange Zeit auf Ko-
sten der Aedilen oder derer, die sich um die Volks-
gunst bewarben, aus Holz für den jedesmaligen Ge-
brauch aufgeschlagen und dann wieder abgebrochen.
Selbst die steinernen stehenbleibenden Theater des
Pompeius, Baibus und Marcellus scheinen mehr für die
Gladiatorkämpfe als für dramatische Darstellungen
errichtet worden zusein. Suetonius erzählt im Leben
Aes Augustus , {^^) dass der Kaiser damals, als er jedem
Stande bestimmte Schauplätze anwies, den Frauen
nur erlaubt habe, von der obersten Porticus herab,
an einem von den Männern abgesonderten Platze, den
Spielen zuzusehen, und dass man ihnen später den
Zutritt zu den Schauspielen ganz untersagt habe, weil
man es für unanständig hielt, dass sie solchen Dar-
stellungen (der nackten Athleten) beiwohnten. Diese
Bestimmungen wurden jedoch bald ausser Augen ge-
setzt, luvenalis spricht in seiner sechsten Satire von
der Sucht und dem Ungestüm, mit dem sich die Frauen
zu seiner Zeit zu den gymnastischen Uebungen hin-
zudrängten.
VI, 351: Ut spectet ludos , conducit Ogulnia vestem,
Conducit comites, sellani, cervical, amicas,
Nutricem et ßavam, cui det mandata, puellam.
Calpurnius Siculus lässt in seiner siebenten Ekloge,
die unverstümmelt auf uns gekommen ist, einen Land-
fl8) Cap. 44. W.
ACHTES CAPITEL. 237
mann auftreten , der zum erstenmal der Aufführung
von Spielen beigewohnt hat. Nach seiner Kückkehr
von Rom erzählt er einem Nachbar, was er Wunder-
bares gesehen und wie er durch neue Erscheinungen
ergötzt worden sei. Das Gedicht enthält viele merk,
würdige Aufschlüsse über einzelne Theile solcher
Bauwerke, darum wollen wir die ßeschretbung der-
selben, sowie die von der Einrichtung des Amlithea-
ters hier einfügen:
V. 23. Vidimus in coelum trabibus spectacula textis
Surgere _, Tarpeium prope despectanda culmen,
Immensosque gradus , et clivos lene iacentes,
Kenimus ad sedes , ubi pulla sordida veste
Inter foemineas speclabat turba cathedras,
Nam quaecunque patent sub aperto libera coelo
Aut equesj aut nivei loca densavere tribuni,
Qiuditer haec patulum contendit vallis in orbem.
Et sinuata latus j resupinis undique silvis,
Inter continuos curvatur concava montes:
Sic tibi planitient cun'ae sinus ambit arenae.
Et geminis medium se molibus alligat Ovum. —
V. 47. Balteus en gemmis , en illita porticus auro
Certatim radiant; nee non ^ ubifinis arenae
Proxima marmoreo peragit spectacula muro:
Slernitur adiunctis ebur admirabile truncis.
Et coit in rutilum, tereti qua lubricus axe
Impositos subita vertigine falleret ungues,
Excuterelque feras ; auro quoque torta refulgent
Reliuj quae totis in arenam dentibus exstant,
Dentibus aequatis , et erat , mihi crede Lycota,
Si qua fides , nostro dens longior omnis aratro.
In dem Amfitheater des f^espasianus waren die
Eingänge durch Zahlen unterschieden, die man auf
den Stein über jeden Bogen eingehauen hatte. Von
diesen Bögen, deren es achtzig waren, stehen noch
238 ACHTES CAPITEL.
dreissig an der Nordseite und von ihnen sind an neun-
undzwanzig die Figuren wohl erhalten; an Einem
fehlen sie. Man hat vermuthet, dieser sei vielleicht
zum Eingang des Kaisers und seines Gefolges be-
stimmtgewesen. Als Titus das Gebäude weihte, hatte
jeder Stand des Staates seinen bestimmten Platz. Den
Arvalischen Brüdern oder dem von Romulus eingesetz-
ten und für die Fruchtbarkeit der Felder opfernden
Priestercollegio waren gewisse Sitze angewiesen, die
in folgender Inschrift bezeichnet werden, welche
Marangoni in seiner zu Rom im J. 1747 in 4to erschie-
nenen Beschreibung des genannten Amfitheaters be-
kannt gemacht hat:
LOCA. ADSIGNATA. IN. AMPHITHEATRO.
L. AEL. PLAUTIO. LAMIA. Q. PAETVMEIO. FRONTONE. COS.
ACCEPTVM. AB. LAMBERIO. MAXIMO, PROCURATORE. PRAEF.
ANNONAE.
L. VENNVLEIO. APPRONIANO. MAG. CURATORE.
THYRSO. L
FRATRIBUS. ARVALIBUS. MENIANO. T. CUN. xH
GRADIB. MARM. VIII. GRADV. I. P. V. GRADV. III. PED. V.S. F.
PED. XXXXII. S. GRADV. I. VNO. P. XXII. S.
ET. MENIANO SÜMMO
n CVN. VI. GRADIB. MARM. IV. GRADV. I. UNO.
P. XXII. S. ET. MENIANO. SUMMO.
IN LIGNEIS.
TAB. LIII. GRADIB. XI. GRADV. I. PED. V — S.
GRADV. XI. PED. V. S. 0. F. PED. LXIII. S.
SVMMA. PED. CXXVIIIIS.
Die Meniana^ welche in der Inschrift vorkom-
men, scheinen das Gebäude der Höhe nach vom Po-
dium aus abgetheilt zu haben, sowie dies durch die
oben erwähnten Praecinctiones in die Breite geschah.
Aus der Inschrift ersieht man auch, dass auf der
oberen Gallerie hölzerne Bänke waren, wahrschein-
lich für die Zuschauer, die keine bestimmten Plätze
auf den Marmorsitzen hatten. Zur Zeit Theoderichs
ACHTES CAPITEL. 239
fing das Theater schon an zu verfallen. Die her-
abgefallenen Steine wurden zur Ausbesserung der
Mauern Roms gebraucht.
N. 4. Eine Tessera aus Bronze, auf der die Worte
^ijfj.o(Jiov oydooVf d. h. Eintritt zu dem achten Cuneus
der Bürgersitze , erhaben gearbeitet sind.
Fig. II. (*') allegorische Composition nach einem
Ziegel aus terra cotta in der Sammlung des Herrn
Townley,
Taf. V.
Fig. I. ('°) Fussgestell zu Kos, gezeichnet von
Gandy.
Fig. II. C^*) Allegorische Composilion, wie Taf. IV.
Fig. II.
Fig. III. C'^) Ansicht des Theaters zu Miletos j an
den Ufern des Mäandros.
Die zwei Ansichten des Theaters zu Patara, die
von Castell Rosso und von Macri oder Telmissos ver-
dankt die Gesellschaft der Dilettanti der löblichen
Liberalität des Sir Robert Ainslie. Sie sind unter sei-
ner Aufsicht nach Zeichnungen von Herrn Myers ge-
arbeitet, die er in Besitz hat.
Die übrigen Ansichten sind nach Zeichnungen
des seligen Pars gearbeitet, welche der Gesellschaft
angehören.
Die architektonischen Zeichnungen sind ursprüng-
lich von Herrn Revett.
(19) Vordcivignctie zu Cap. "VII. W.
(20) Vordervigneüe zu Cap. I. W.
(21) Vordervignette zu Cap. V. u. Sciilussvignette zu Cap. VI.
W.
(22) Sciilussvignette zu Cap. VII. W.
240 ACHTES CAPITEL.
Die Gesellschaft hält sich für verpflichtet, dieses
Werk nicht zu schliessen, ohne dankbar anzuerken-
nen, wie sehr sie bei ihren Forschungen nach dem
alten Zustande von Hellas und lonia durch zwei treff-
liche Werke des Dr. Chandler unterstützt worden ist.
Grossen Nutzen hat nämlich das hier vorliegende
Werk aus den gelehrten Untersuchungen gezogen,
die derselbe in seinen Reisen durch diese Länder
niedergelegt hat, und in noch höherem Grade ist die
interessante Sammlung von Inschriften förderlich ge-
wesen.
Register.
A.
Abacus, «j9aS s. Säulendeckel.
Ablauf 46.
Adler 231 f.
Aegina IX. 4. 20. 176. 181 IT.
196. 198 — 201. 233 f.
Aegyplischcr Styl 27. 133.
Aeschylos auf Münzen 234.
Afrodisias 219.
Afrodite zu Athenä 27.
— auf Aegina 198.
— zu Sikyon 102.
Agatharchos 9.
Agbatana lll.
Agiani 159 f.
Agio ^icolo 161.
Agnus castus 154.
'^4yoQÜ s. Markt.
Aiiislic (Robert) 2.39.
Akakesion 25-
Akragas 16.
Alabanda l43 f.
Alexandieia Troas 222.
Alcxandios 91. 26. 51 f. 61. 99.
106 if. 203.
Allcgorii; 239.
Altare 120.
Altertljünicr v. Herculanum 134.
Amasis 196. 205.
Amfiktyonenrath 116.
Amfiklyonisclic Tempel 189-197.
Aiiififlioaler 218. des Yespasia-
nus 237 f.
Auipelos l54.
Anakrron 8.
ylvuy.Toi^xtv 22.
Anaxagoras 6-
Anaxiniandros 6.
Anaximcnes 6-
Ion. Alt.
Anlauf 44 ff.
Anten 138. 148. 207. 232.
Anterides s. Strebepfeiler.
Anthernios 9.
Antimachos 8.
Antiochos 31. 33. 111. 117.
Apelles 9.
Apollon Delios 190 ff.
_ Didymäos 10. 16. 20. 78. 82 ff.
112.
— Epikurios 23.
— Ismenios 103.
— Philcsios 85 f. 101. 103.
— Pythios 228.
— Thebaos 26.
Apopiiygc s. Anlauf.
Apotiiesis 8. Ablauf.
Archelaos 6.
Arcliitrav 46 ff. 137. 173. 216.
Argos 5. 8. 110.
Aristagoras 97.
Aristüdiküs 95 f.
Aristofanes 235-
Arklinos 8.
Artemis auf Dclos 192.
— zu Didymo 89. 121. 123.
— zu Efcsos 53. 155. 228 f.
— Leukofrync 155. \
— zu Magnesia 29- 38. 155.
Arvalisclie Brüder 238.
Asia, Göttin 36 f.
Asios 8.
Asklepios 112.
Asteria 62 f.
Astragalus s. Stab.
Asyl 117.
'AOuvuto Ts^(t^o 152.
Atbeua 10. 18. 25- 52 ff. 156.
203. 204. 205.
Athena4.5.6.15.25.l83.187.2l3.
16
242
REGISTER.
Athenäischer Schatz zu Delfö 228.
Athenis 9.
Athos 67. 99.
Auguslus 118 f. 211. 230. 236.
B.
Bahylon 51.
Bäder 214. 230.
Bafi V f. 211.
Baionda 154.
Bakchos 10. 34. 40 f. 112. 119-
Baibeck 135.
Basen 44 fT. Ionischer Säulen
auf Plinthen 71.
Basrelief 139- 207. 232. 236.
Bassä 23.
Bathy 151 f. 161.
Bäurisch Mauerwerk 70.
Bedford 13.
Bevölkerung der Hellenischen
Staaten 183.
Bias 6.
Bindeziegel 79.
Bodrun 30.
Bogen 170. 209. 237.
Boiuc-Minder 55.
Borliolis 153 f.
Branchidä 60. 82 ff. 108 ff.
Branchos 84 ff. 123.
Browne 157-
Bubastis 205.
Bühne 235 f.
Bupalos 9.
Bustrofedon Schreibart 133.
Bykelos 102.
Byzes 20 t.
c.
Calcinircn des Marmors 36.
Calidarium 2l4.
Caligula 118.
Cannelirung 173. 208. 210.
Capital oder Knauf, Dorisches
81. 173. 201 f. 206 f. Ioni-
sches 46. 72 ff. 1.37. 16.3.220.
Korinthisches 133 f. l40. 147.
216.
Castell Rosso 222.
Cavea 225. 234 f.
Cavetto s. Hohlleiste.
Cellarius 60.
Chalketor 143. 146,
Chalkideer 30.
Chandler V. 3. 4. 23. 27. 133.
141. 145. 198 ff. 207. 225 ff.
240.
Changlee 55. 161.
XuQO)VlloV 67.
Xf/Mvrj 24.
Chersifron 29. 98 ff.
Chios 4 8. 9 151.
ChishuI134f. 111. 113.129.224.
Choiseul Gouflier VI. 145. 223.
Chora 152 f.
Chörilos 8.
Claudiopolis 230.
Corniche s. Kranz.
Corona s. Kranz.
CryptoporticHS 213.
Cuneus 235 ff.
D.
Dachconstruction 15 f.
Dachfenster 22.
Dachplatten 202.
Dachrinne 79.
Dädalos 179 f.
Dafnis 98.
Damm auf Samos 160.
Dareios 62. 97. II 8.
DeinolJratcs 53. 99. 100.
Dekastylos 136. l62.
Delfm auf Münzen 233.
Delfö 5. 87 f. 90. 94. 102. 105.
116. 124 f. 189. 228.
Delos 8. 90. 93. 120. 189 ff.
Demeter zu Eleusis 22. 207. 233.
— zu Mantineia 25.
Demetrios 98. — Falereus 208.
Demoklos 86.
/Irjjuoaiov oySoov 239.
Deodamas 111.
Diastylos 42.
Dichter in Orakeln 116.
Didymö 82— 140.
Diclenküpfe 173.
Dilettant! Verein 2. Milglieder
11. Missionen l3. 14. 40.
Dipteros 2t. 4l. J62.
Dionysios v. M. 7.
Dionysios v. K. 9.
Dionysische Künstler 35. 224.
Dionysos zu Teos ,34 IF.
Doppelaxt l45. 209. 233.
Dorische Säulenordnnng 8. 204.
Dorischer Styl 169 ff.
REGISTER. 243
Dreisclilitz s. Triglyfe. G.
Droiniskos 62.
E.
Gandy 13. 232 f. 239-
Gell V ff. 12. 13.
Gclon 204.
T I • \xr i L Gera 30.
Echinus 8. Wulst. „ .. .., o_ „,
■eil- n.'} Gcrastikos oO. 33.
Eiebeion 213. P „„
Efesos 8.9.20.37. 51. 53. Il8f. ^^'"o i- .a.
189. 213 ir. 218. ^'■'»f ^T .^V»-^ i^o K •
Eidschwur 121. Grahmaler be. D.dymo 132. be.
Einziehung 44. 137. ^y^''', 2ia z« Mym 66. m
Elensis 5. Mysterien 17. 23. 89. ^ t'^PV'^f' '" ^J«« ^32f.
Ort-» T„ I .i<» o/i in, on-r Grabsciiriit o7.
207. 1 enipel 22. 24. 171. 207. ^ . . • i t- i „„ ac
Ti,.. 'o-, Grabsteine der lurkcn 36.
Münzen 233. ■ /- f ^on 4K.-r
Elis 5. 25. Gre.f 1.39. 157.
Endymion 2.3- 59. 63. J^"°' ^^ \ ,,,
E. "^ • I c , or.< GYmnasiarcnos 145.
riiasis der Säulen 201. ^-^ . „„..
Enidauros 5 Gymnasien 223.
V : 1 oAo -^ zu Alexandreia Troas 222.
Ep.menidcs 202. _ ^^ Efesos 213.
Lrinna 8.
Eryx 189. _^
Eski Hissar 212. II-
— Stamboul 222. Hardwicke 12. 162. 166.
Etrusker 117. Heiliger Weg bei Didyniö 132.
Etruski.sche Bauart 202. 233
Euangeliden 90. Hekataos v. Miletos 7. 96. zu
Ludanios 32. unterscheiden von dein jün-
Euromos l43. 146. g^^n ^„^ Teos. Vgl. Creu-
Eustylos 3ft. 4.t. yer Hist. Gr. ant. fragra. p. 6.
Lxedra 213. Herakleia am Latmos V f. 59 f.
63. 143. 146.
F. Herakleidcs 67.
Herakleitos 6.
Farü 25. Herakles 112. 120.
Feidon 181. Herculanum 234.
Felderdeckc 15- Hermes Agoräos 25. zu Mcga-
Fenstcr an Tempeln 18. 22. 28. lopolis 24.
p^cuer, ewiges 25. Hermesianax 8.
Figalia 23. Hermogcncs 29. 38.
Fileos 54. Hcrmotimos 6-
Filippos V. Makcd. 82. Herodotos 7. 94 188. 204.
Fillet s. Plaltc|»cn. Herostratos 53. 99.
Filon 208 f. Hexastylos 21. 38. 40. 47.
Fitres 89. Hieron 204.
P'okaa 7. Hinter halle 45.
Fokyiides 8. Hippodamos 9.
Föniken 176- 178. ISO. 183. Hippokrates 7.
Fortuna Virilis Tempel 18. Hipponax 8.
Fotio,s (S6. Histiäos 96 f.
Freiheit und Gleichheit in Grie- Hoiilleiste 221.
chcnlaiid und Rom 184. Holzbau 172.
Fries 137. 207. 221. Hölzerne Säulen 172.
Friyidariuin 214- Homeros 8. 125. 152. 170f. 178 f.
Fussscslcli 48. 239. 180. 190. 194.
16"
244
REGISTER.
Hybanda 62.
Hydroforos 116.
Hypathros 17 ff. 200 f.
Hypsile Boroun 152. 161.
1 und J.
Jackly 141.
laniiden 84.
lassos 141. 143. 146. 210 222.
Ilissos 47.
Imbrasos 154.
Inschriften: auf Anten 52.
— auf Bogen 217 f.
— auf Denkmälern 27.
. — auf Fussgestellen 217. Mar-
raorsteinen 225 ff. 229. Si-
, geische l33. 232. auf Sta-
tuen 133.
loner versammelt auf Delos 190 ff.
— in Aegypten 204 f.
lonien Himmel 5. 223- wissen-
schaftl. Kultur 6. Schiffahrt.
7. Baukunst 8. 9. Malerei 9.
Handel 204 f. Sitten 223.
Musik 223. Tanzkunst 223.
Schauspielkunst 223 ff.
Ionische Säulenordnung 8. 204.
Ithaka 229.
lulianos 125 ff. 129 f.
K.
Kadmos 7.
Kalauria 5.
Kallifon 9.
Kallimachos 25.
Kallinos 8.
Kallisthenfes 106.
Kamelides 62.
Kanachos 97- 1( ) ff.
Karei- 180. 204.
Karystos 89.
Kastalische Quelle 105.
Kaystros 56-
Kehlleiste 173.
Kelibesh 69 f.
Kentauren und Lapithen 207.
Kerke 154.
Kerketeus 154.
KfQy.i'Sf? 235.
Kerkops 8. ,
KrJTtok 63.
Kinnamos 68.
Kirche des h. Georg 159. d. h.
Johannes 159. zu Sigeion
232.
Kisclgick 145.
Kisllicne 222.
Klaros 90- 105. 124.
Kleonä 139.
Klima 161.
Knight, R. P. 12. 157. 166. 231.
233 f.
Kointos Smyrnäos 8. 55.
Kolofon 6. 8. 9. 32. 90.
Kolotes 9.
Konen 86.
Konstanlinos 125. 129.
Konstantinopolis 125.
Korinthische Bauordnung 142.
164. 204. 209. 210.
— Porticus 160.
— Säule 211.
Korinthos 5. 187.
Korykos 33.
KoQVcpri 2l f.
Kos 9. 151. 239.
Koukoura I6l.
Kranz 164. 173. 215. 222.
KoiTaq/Tfi 113 f.
Krösos 94. 96. 98.
Kreta 176. 178. 202.
Kreofylos 8.
Ktesifon 29.
Künstlerschulen 223 f.
Kyme 95.
Kyros 94 f. 112. ,
L.
Labranda l40 ff. 146.
Lacunaria s. Felderdecke.
Lade VI. 61 ff.
Lakonikon 214.
Lampen 25 ff.
Laodikeia 217- 219.
Latmos VI. 59. 63. 146.
Lebedos 223.
Leodamas 89.
Leotychidcs 48.
Leukothea 87. 88.
Licht in Tempeln 17. 24 ff. 28.
Licinius 125.
Lisle 34.
Löwe 133.
Löwenköpfe 47. 76. 81. 139. 149-
Lukianos 90. 124.
Lyder 95- I80.
yivxvünrgia 27-
REGISTER.
245
M.
Mäandros V. 48 ff. 55 ff.
Macri 223-
Mannesia 29. 38.
Malas 9.
Mandrokles 9.
Mannert 60.
Mantineia 25.
Manuel 63. 68.
Marangoni 238.
Marathon 5-
Marathro Campo 154.
M«idonios 48.
Markt zu Myus 65. 7U Priene
69. 80 ff. zu Saiuos 164.
Mcgara 5.
Megale Panagia 155. I6l.
Megalopolis 24.
Melissös 6.
Memfis 205.
Mendelel l4l f.
Meniana 238.
Merjik 161.
Mcssogis 57.
Metagenes 29. 98.
Melelinous 152.
Mikkiades 9-
Milclos V. 8. 58. 59. 60. 61. 89.
9l. 98 ff. 196. 217.
Mitiincrmos 8.
Minos 182.
Miso Campo 161.
Mollah Ibrahim 161.
Monoptcros 41.
— Erfindung 180.
Miinzen von Aegina 233.
— von Aegion 2.34.
— von Elcusis 233.
— von Labranda 234.
— von Pästiim 174.
— von Soliniis 174.
— von Syraknsä 174.
Miitnii s. Dielcnköpfe.
Mycrs 239.
Mykalr 48. 55. 67. 72. 105.152.
161. 195.
MykenU 25. 28.
Mylasa l4l. l43 ff. 209 f.
Myonnesos .S3.
Myus ^/ ff. 56.'57. 58. 60. 61. 62.
64. 65. 66. 211
N.
Nartliekis 162.
Naukratis IS"
Nekos 94.
Nemea 189-
Nero 118. 128.
Nerro Trouvio 154.
Neokoros 67. 140.
o.
Odcion zu Laodikeia 21d.
Odontia 159.
Oktastylos 39. 4l.
Ol OS 84.
Olympia 16. 20. 189.
"Omüov 22.
Opisthodomos 135.
Orakel zu Didymö 82 ff.
— zu Farä 25.
Orchestra 225. 235.
Osebasha 57. 62.
P.
Pachtverträge 225 ff,
Paklyas 95 f.
Palaio Kastro 158. l6l.
Palästra 213 f.
Palatsha 55 f. 133.
Palladio 47.
Palmbaiim 26.
Palmyra 135.
Pan 25. 121.
Panagia Megale 155. 161. Spi-
liotissa 27.
Pandrosos 18.
Panellcnion IX. 198 ff.
Panionion 65. 67. l6l. 195.
Panormos 32. 106. 132.
t*anyasis 8.
Päonios 98. 100.
Parapelasma 20.
JIÜQtÖQOV 116.
Parrliasios 9.
Pars 3. 239.
Parthenon 20. 1.35. 157. 203.
Parthische Kleidung 216.
Pästnm IX. 20. 174. 187. 201.
204.
Patara 222.
Patmos VI. 153.
Patniotis 58.
Paträ 5.
Patron 84 f.
Paulus, Set. 161.
Pausanias der Feldherr 48.
Peiräcus 199 206. 225 ff.
246
REGISTER.
Peplos 20.
Pergamon 35. 64. 112. 119.
Peribolos 77.
Peridromides 215.
Perikles 185. 20l. 203. 206.
Peripteros 4l.
Peiistylon s. Saulenumgang.
Peristylos 172.
Perne 62.
Persefone 25.
Pfuhl 44. 137.
Pickering 55.
Pindaros 84.
Platää 48.
Plättchen 44. 48. 137.
Plinthe 44. 46. 172. unter Basen
Ionischer Säulen 71.
Pluteum 221.
Pococke 151. 218 f.
Podium 221.
Polykleitos 101.
Polyxenidas 32 f.
Poseidion Vorgebirg 83. 132.
— Tempel l6l.
Posticum s. Hinterhalle.
Postscenium 220.
Praecinctiones 235. 238.
Priene 30- 48 — 82.
Prion 213.
JTQO(pri%rj(; 106- 113. ISO. Die also
anfangende Inschrift p. 113
findet sich mit einigen Ab-
weichungen bei Walpole, p.
578.
Pronaos s. Vorhalle.
Propyläen zu Athenä 43. 77.
— zu Eleusis 15. 43. 209.
— zu Piiene 71. 77 ff.
— zu Sunion 43.
Proslenion 65- 225. 235.
Prostylos 209.
Prusias 112.
Prytaneion zu Elis 25.
Psammetichos 204 f.
Pseudisodomum 68.
Pseudodipteros 38 f.
Psyliamou l6l.
Ptolemäos 110 f.
Pyknostylos 42. 72.
Pyrgo 154.
Pyrrha 59 f. 63. 146.
Pythagoras der Filos. 6-
Pythagoras der Künstler 9.
Pythios 29. 38. 54.
Q.
Quatrem^re de Quincy 17. 21 IT.
R.
Regillus (L. Aemilius) 31. 33.
Reif s. Stab.
Revett 3. 11. 168. 239.
Riemen s. Plättchen.
Rhododafne 152.
Rhökos 9. 156.
Rinnleiste s. Sima.
Rom 18. 19. 38.
Römischer ßaustyl 164.
s.
Salamis 5. 97.
Salomon 27.
Samos 6 ff. 32. 48. 64. 150—164.
196.
Sampoulo 154.
Samsun 50. 55. 70.
Sardes 97.
Sarkofag 142.
Säulen im Inneren der Gebäude
22. 170 f.
Säulen aiisschvveifung s. Entasis.
Säulenbase 44 f. l48. I62f. 2l6.
220.
Säulendeckel 46. 173.
Säulendurchmesser 45 f. 136.
Säulenhöhe 136.
Säulenscliafl 44. 46. 137. ellip-
tisch 210. viereckig 210.
Säulenumgang 41. 77. 137.
Säulenverjüngung 45.
Säulen weite 42 ff. 137.
Säulenzahl auf den Nebenseiten
200.
Schatzkammer zu Didymö 135.
Schatzkammer des Tempels 135.
Schilde an Säulen l48.
Schnecke 46 f. Auge d. Schnecke
73. ConstruCtion d. Sehn. 74.
Scio s. Chios.
Scotia s. Einziehung.
Schildkröte auf Miinzen 233.
Schwein der Demeter 233.
Sceherrschaft I8l f.
Seeräuberei 176 ff-
Segigeck 30. 34. 48.
Selene 59-
Seleukos 66. 110 f.
SelinCis, Stadt 173. 187 f.
REGISTER.
247
Selinus, Fluss 228 f.
Scvrihissar 34.
Sfäristerion 214.
Sheiard 34. 111. 113.
Sibyllinische Bücher 117.
Sidonier 178 f.
Si,?eion 4. 232.
Siienos 29.
Sima 76. 80 f. 149-
Simeros 84 f.
Sitze im Theater 220 ff. 230.234.
2:y.riv^ 224. 236.
Sklavenraenge in freien Staaten
183 f.
Skilliis 228 f.
Skopas 203.
Skylläon 198.
Skymnos 112.
Smikros 87.
Smyrna 4. 8. 49. 55. 118 f. l52.
195.
Soffite 47 f.
Sostratos 9.
Sparren 173.
Sparrenköpfe 215.
Speerhehälter in Säulen 173.
Spon 49. 55. 60.
Stab 44. 46.
Stackelberg TX. 23.
Stadion r.u Afrodisias 218.
— zu Efcsos 215. 218.
— zu Laodikeia 217.
— zu Priene 69.
Statuen 54. 97 ff. 233.
Staiiro Klostor 154.
Stefaneforos 114 f. 144. 148.
Steinbau l72.
Strabon 58. 60. 107. l43 l45.
Stiatonikeia 143. 212.
Strebepfeiler 215.
Stuart 11. 14 20. 200 f.
Sumpfboden zu Tempelstälten
155.
Sunion 4- 19S. 205 ff.
Syrakusa 174. 187.
Systylos 42.
T.
Tarciiesios 38.
Tarismania 147-
Taiisclihandel 176 ff.
Taxiarcbos hagios 155.
Tclrklcs 9.
Tehnissos 223.
Tempel, Alter 174.
— der Aegypter 20. 27. 204.
— der Afrodite auf Aegina l98.
— des Apollon zu Bassä 23-
— des Apollon zu Delfö 189 ff.
— des Apollon zu Delos 189 ff.
— des Apollon zu Didymö 208 ff.
232.
— der Artemis zu Efesos 20.37.
51. 53. 118. 189. 195. 203.
228 f.
— der Artemis zu Magnesia 203.
— der Artemis zu Skilliis 229.
— der Athena zu Athenä 18.
20. 25. 135. 157. 203.
— der Athena zu Priene 10. 52 ff.
69 ff. 156. 203.
— der Athena zu Sunion 205 ff.
— der Athena zu Tegea 204.
— des Bakchos zu Teos 10. 34 ff.
40 ff.
— des Bakchos zu Myus 65 ff.
— der Demeter zu Eleusis 22.
24. 171. 207 ff.
— der Demeter zu Mantineia 25.
— der Eumeniden zu Athenä 201.
— der Fortuna zu Rom 202.
— der Hera zu Arges 8.
— der Hera bei Mykenä 25.28.
— der Hera zu Olympia 16.
— der Hera zu Samos 149. 152 f.
155 f. 203.
— des Julius (?) zu Efesos 216.
— der luno Lacinia im Brutti-
schen 202.
— des Poseidon zu Samos 16I.
— der Roma und des Auguslus
211.
— des Zeus Ammon 26.
— des Zeus Labrandeus 143.
— des Zeus Nemäos 82. 189. 205.
Vgl. Pausan. II, 15. 2. Gell
Argolis.
— des Zeus Olympios zu Akra-
gas 16.
— des Zeus Olympios zu Athenä
18 f. 45.
— des Zeus Olympios auf dem
Capitol 203
— des Zeus Olympios zu Olym-
pia 20 f. 201. 203.
— des Zeu.s Panellenios IX. 19Sf.
Die auf^eftmdnen Bildwerke
desselben .sind nach München
gebracht worden. Vgl. Stuart
248
REGISTER.
in der Teutsch. Ansg. Bd. I.
a 377.
Tempel am Itissos 47.
Tempelgebiet verpachtet 226 f.
Tempclscliatz 96- 135. 195. 228.
Tenedos 4.
Teos S ff. 29-48. 223.
Tcpidaiiiim 2l4.
Tessera oder Marke 234. 239.
Thaies 6. 122.
Theater, grosse Zahl in lonien
223. an Berge angelehnt230.
von Holz 224. 236. von Stein
224. verpachtet 225 ff. Mar-
ken 234 f. 238 f. Versamm-
lungsplatz des Volks 224.
— zu Antiochia 230.
— zu Hierapolis 220.
— zu lassos 222.
— zu Jackly 142.
_ auf Kisthene 222. 239.
— zu Laodikeia inFrygien 219.
234.
— zu Laodikeia in Syrien 230.
_ zu Mrletos 217. 239.
— zu Myus 65.
> — zu Nikäa 1.30.
— zu Patara 222. 239-
— zu Rom 236-
— zu Samos l60.
— zu Telmissos oder Macri 223.
239-
Themistokles 64.
Theoderich's Sorge für die Thea-
ter 231.
Theodoros v. F. 9.
— von Samos 9. 29.
Tlieon 9.
Tlicseus l8l.
Thrasyllos 27.
Thürschwclle 24.
Thyinbria VI. 67.
Tiberius 117 ff. 230.
Tibur 18.
Timolheos 8.
'I'igani l60,
Titanos VI. 57.
Townley 12. 166. 239-
Trasiiä 62.
Triglyfe 8t f. 173.
Troas 4.
Trogylion l6l.
Tropfen 173.
Trözene 6.
Tryfäna 36.
Tyrtäos 8.
ü.
Unsterblichkeit der Seele 122.
Ura 130. 133.
V.
Varro 84.
Vathi 151.
Vesta Tempel 18.
Vignetten 231 — 239.
Vitruvius 155 171. 208.
Volute s. Schnecke.
Vorhalle 45.
Vorhang in Tempeln 20.
Voihof an Tempeln 18.
Vorliotes 153 f.
w.
Wandpfeiler s, Ante.
Wasserleitung auf Samos 159.
Weihe der Kinder 232.
Weinhandel der Samier 151.
Wheler 49. 55- 59. 60. 129.
Widderkopf auf Münzen 233.
Wulst 46. 173.
Wood XI. 11. 36. 113. 135.
166. 194.
X.
Xanthos 90.
Xenofanes 6. 8.
Xcnofon 227 ff.
Xenokles 22-
Xerxes 37. 84. 97. 107. 109. 111.
123.
z.
Zakynthos 5.
Zante s. Zakynthos.
Zeus Amnion 26. 106.
— Labrandeus 143. 209. 234.
— Osogo 143.
— Stratios l43 f. l45.
Ziegel ans Marmor 24.~ 202.
— aus Terracotta 24. 239.
Zoforos s. Fries.
ALTERTHÜMER
A T T I R A.
ALTERTHÜMER
VON
ATTIRA
DIE AllCIIITEKTONISCHEN ÜBERRESTE
VON
ELEÜSIS, RHAMNUS, SUNIONünd THORIKOS
ENTHALTEND.
HERAUSGEGEBEN IM JAHR 1817
VON DER
GESELLSCHAFT DER DILETTANTI ZU LONDON.
AUS DEM ENGLfSCllEN ÜBERSETZT UND MIT EINIGEN
ANMERKUNGEN BEGLEITET
VOM
D\ CARL WAGNER.
DARMSTADT,
DRUCK, UND VERLAG VON CARL WILHELM LESKE.
MDCCCXXIX.
Vorwort.
Vorliegendes Werk, das sich nach Form und
Inhalt an Stuart's Alterthümer von Athen anreiht,
enthält einen Theil der Arbeiten, welche die
von der Gesellschaft der Dilettanti zu London
in verschiednen Jahren zur Untersuchung der
architektonischen Ueherreste des Orients ausge-
sandten Kunstkenner und Künstler als das Re-
sultat ihrer Forschungen dem ruhmwürdigen
Kunstvereine vorlegten. Die Namen der Männer,
denen die Gesellschaft die Ausführung ihres
Planes übertrug, müssen dem Werke zur Em-
pfehlung dienen. Es waren nämlich Dr. Richard
Chancner, Mitglied des Magdalenencollegium
zu Oxford, Herausgeber der.Marmora Oxonien-
VI VORWORT.
sia und melirer andrer antiquarischen Schriften,
NicTiolas Revett, der bekannte Architekt und
Mitarbeiter Stuart's an den Alterthümern von
Athen, und der junge Maler Pars, der durch
mehre Arbeiten und namentlich durch Schwei-
zeraussichten schöne Erwartungen erregt hatte,
die in den Jahren 1764 — 66 die Küste von
Kleinasien und einen Theil von Attika zu dem
erwähnten Zweck untersuchten. Unter günsti-
geren Verhältnissen bereisten sodann Sir TVil-
liam Gell, jener ausgezeichnete Geograph und
Verfasser der Werke über Troia, Argoli«, Ithaka,
Morea u. s. w., und die Architekten John Peter
Grajidy und Francis Bedford dieselben Gegenden,
um die Arbeiten ihrer Vorgänger berichtigen
und vervollständiijen zu können. Nach solchen
Veranstaltungen kam es denn auch den unten
verzeichneten JMitgliedern der Gesellschaft der
Dilettanti, über deren Stiftung und Zvreck die
Vorrede zur ersten Ausgabe der Ionischen Al-
terthümer nähere Kunde gibt, mit vollem Rechte
zu, die hier folgenden Mittheilunijen Tlie une~
dited aniiquities of Attica zu nennen. Denn
ihrer kunstsinnigen Freigebigkeit verdanken wir
nicht nur mit grosser Sorgfalt und Kenntniss
gefertigte Abbildungen von den Ueberresten
VORWORT. VII
einiger Bauwerke aus der blühendsten Zeit der
Kunst, die von früheren Reisenden, z. B. von
Desmouceaux , Jf^heler und Spon, Foucherot,
Fourmont , Le Roy, *) flüchtig und unvollstän-
dig heschrieben worden waren, sondern auch,
dass andre früher unbekannte interessante Ge-
genstände der Alterthumskunde aus tiefem Dun-
kel an das Licht, aus gänzlicher Verborgenheit
in das Leben getreten sind.
Neuen Aufschluss, Berichtigungen früherer
Mittheilungen findet man in jedem Capitel; be-
sonders ist es aber der Weihetempel der Deme-
ter zu Eleusis, der, auch abgesehen von seiner
Wichtigkeit für die Kunst, durch seine innere
Bedeutung unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Ist uns schon die Stätte heilig, wo die Gebeine
eines Achilleus ruhten, reicht es schon hin die
blossen Orte zu sehen, wo grosse Thaten ge-
schahen, um uns ergriffen zu fühlen, um wie
viel mehr müssen uns die Trümmer eines Hei-
ligthums mit Ehrfurcht beseelen, in dem die
1) Jf'inchcLinannj Ucbcr die Rankunst derTcmpcl zu Girgenti.
Sr. Werlve Bd. I. S. 309 der Dresdn. Ausg v. J. 1808. — Dod-
well ^ Reise durch Griechenland, übers, v. Sickicr. Bd. I, Abth. 1.
S. 347. — Kruse, Hellas, Thl. I. S. 108 f. Tbl. II. Abth. I.
S. 188 ir.
VllI VORWORT.
grosse Lehre von der Menschen Bestimmung,
von Einem ewigen Gotte und von der Unsterb-
lichkeit der Seele vorgetragen Avurde?
Darmstadt im December 1828.
G. W.
Mitj;lieder der Gesellschalt der Dilettanti
im Jahr LXXXIV. der GeseUschaft.
Lord DuNDAs.
Richard Pavue Knight, Esqiiire.
Sir Henry C. Englefield, Baronet.
Philip Metcalfe , Esq.
Roger Wilbraham , Esq.
James Dawkins, Esq.
William Mitford, Esq.
Frederick North.
Der Graf von Hardwicke.
Laurerce Dodas.
Sir Thomas Lawrence.
William Sotheby, Esq.
Benjamin West, Esq., Präsid. d.
könisl. Akad.
J. Symmons , Esq.
Sir J. Tiirockmorton, Baronet,
Arthur Champernowne , Esq.
William R. Spencer.
J. Hawrins, Esq.
J. B. S. Morbitt, Esq.
Der Herzog von Somerset.
Sir WiL. DnuMMOND.
J. Trevor.
Tn. HopE , Esq.
Der Marquis von Northwick.
Der Marquis von Douglas.
S. Jo. Cox. HippisLKY, Bar.
Der Viscount Morpeth.
Der (iraf Cowper.
Der Graf Morley.
Ch. W. Wynne, Esq.
Sam. Rogers , Esq.
R. Pole Carew.
Der Graf von Aberdeen.
Sir Watkin W. Wynke , Bar
Henry Philip Hope , Esq.
Sir William Gell.
Der Graf von Charleville.
WiL. DiCKENSOS , Esq.
Fred. Foster , Esq.
William Wilkins, Esq.
WiL. Hamilton. Esq.
Henry Bennett.
Der Graf von Dunmore.
Foster Cunliffe , Esq.
Peregrine Towneley, Esq.
W. Fitzhogh , Esq.
Edward Davenport, Esq.
Der Oberst Leake.
Der Graf von Surrey.
R. Heber, Esq.
Jo. H. Frere.
Der Marquis von Stafford.
Der Marquis von Landsdowne.
Der Viscount Ebringtok.
Der Graf von Charleuokt.
F'rancis Horner, Esq.
Tno. Lbcr, Esq.
Richard Wetmacott, Esq.
Am l. März, 1817.
n
1 t.
Vorwort.
Seite V.
Eieusis.
Crpitel I. Topographie ....
Capitd II. Die Propyläen
Capitcl III. Die innere Eingangshalle
Capitel IV. Der Tempel Jer Demeter
Gapitel V. Der Tempel der Artemis Propylaea
' Rhamnus.
Capilel VI. Der Tempel der Nemesis
Capitel VII. Der Tempel der Thcmis
1.
17.
30.
41.
61.
» 67.
» 81.
S u n i o n.
Capitel VIII. Die Propyläen und der Tempel der
Athena Sunias .......
)) 84.
Tliorikos.
Capitel IX. Eine Dorische Halle
Register ......
.. 89.
» 93.
Erstes Capitel.
Eleusis.
JL)ie Ebene von Athen wird von einer andern weit
ausgedehnten Ebene durch einen Rücken des Berges
Ikarios (') getrennt, der sich in nordöstlicher Richtung
von der Eleusinischen Bucht aus erstreckt. Es war
dies die Thriasische Ebene und diese galt, wie uns alte
Schriftsteller melden, für heilig, weil sich Ceres
hier aufgehalten und ihre Bewohner zuerst in der
Ackerbaukunst unterwiesen hatte. (^)
(1) In der Bezeichung der Attischen Gebirgszüge stimmen die
Chorographen Attikas noch nicht übercin. C. 0. Müller (in der
Allgem. Encyclop. v. Ersch und Gruber VI. u. d. Wort Attika)
erwaiint keines Berges Ikarios ; nach Ihm wurde die TItriasischc
Ebene von der Athcnisclion durch die Berge Korjdallos und
j4e^aleos abgesondert. Dodwell (Reise durch Griechcnl. üliers. v.
Sickler. Bd. I. kh\\\. II. S. 350) ist geneigt, den Ikarios für einen
kleinen Hü^cl am Abhänge des Pentelikon in der Nähe von Mara-
thon zu halten ; nach JV. Gell's Karte ist er aber der bedeutendste
lind westliche Rücken dos vom höchsten Gipfel des Parties nach
Süden sich herabsenkenden Gebirgs und stösst südlich an den
Korydallos j so wie dieser an den Aegialeus oder jiegaleos , den
heutigen Scarniagga^ von dessen Gipfel Xerxes den Scekampf bei
Salamis überschaut haben soll. Vgl. auch Dodwell S. 343. flf.
W.
(2) Den ganzen hier berührten Kreis der Sagen und ihre ver-
schiedenartigen Darstellungen durch die Kunst lernt man wohl am
besten kennen durcli zwei höchst geistreiche und gelehrte Abhandlun-
Att. Alt. 1
2 ERSTES CAPITEL.
Zum Platz' für ihre Citadelle hatten sich die Bleu-
sinier einen niedrigen Felshügel ersehen , der an
seinem südöstlichen Ende ohngefähr dreihundert
Yards (^) von der See entfernt war.
Dadurch dass der Abhang des Hügels südostwärts
in eine künstliche Terrasse umgebildet und die her-
vorstehenden Felstheile von vornen bis hinten Avegge-
hauen worden waren, hatte man eine gleiche Grund-
fläche für den heiligen Raum des mystischen Tem-
pels erhalten, der zum Schauplatz der feierlichsten
religiösen Gebräuche in Griechenland bestimmt war.
Der prachtvolle Bau, den der grosse Attische
Staatsmann zur Feier der Mysterien der Ceres hatte
errichten lassen, stand wie ein kühn hervortretender
Zug eines Gemäldes da, dessen Hintergrund von den
Mauern und Zinnen der überragenden Akropolis ge-
bildet wurde. Im Vordergrund zogen sich die Vil-
len und Gärten der Eleusinier um den Fuss des Fel-
sens und an dem Ufer der Salaminischen Bucht hin
und vollendeten den schönen Anblick , der seines
Gleichen nicht hatte.
Als neue Zierden kamen zu dieser grossartigen
Anlage noch, die Vorhalle des heiligen Tempelraums
und der daranstossende Tempel der Diana Propyläa ;
beide der Bewunderung werth. Die erstere, nur um
weniges kleiner als die Propyläen in Athen, die man
hier auf eine schöne Art nachgebildet findet, war an
und für sich selbst ein Werk von der grössten Be-
deutung und nicht viel weniger kostbar, als ihr Vor-
bild, dessen Ausführung einen Aufwand von zwei-
gen von Fr. G. Welcher, Raub der Kora und Demeter die Stifte-
rin des Ackerbaus , beide in dessen Zeitschrift fiir Geschichte und
Auslegung der alten Kunst , Bd, I. W.
(3) Die Yard enthält 3 Engl. Fuss oder 2"/i2 Rheinland.
Fuss. W.
ERSTES CAPITEL. 3
tausend und zwölf Talenten (*) erfordert haben soll.
Der letztere war dem Umfang nach weit unbedeuten-
der; er stand fünfzig Fuss vor den Propyläen auf einer
Platte, die sich etwa hundert und fünfzig Fuss von
der Vorderseite des Tempels aus und doppelt so viele
längs desselben erstreckte. Dieser Platz, der mit
Steinen von sechs Fuss Länge, vier Fuss Breite und
einem Fuss Dicke geplattet war, wurde an beiden En-
den durch einen Bau von der Korinthischen Ordnunsr
begränzt.
Die grosse Heiligkeit des Hauptgebäudes war
durch eine doppelte Ringmauer, von denen die eine
innerhalb der andern stand , geschützt. Der ersten
oder äussersten näherte man sich von der erwähnten
Vorhalle aus.
Die Mauern des inneren Peribolus , welche man
mit Unterbrechungen noch fast in ihrem ganzen Laufe
nachweisen kann, bildeten vier Seiten eines unregel-
mässigen Fünfecks. Der Eingang war durch eine
Thorhalle von eigener Bauart gegen Norden an einer
Ecke der Ringmauer. Zwischen diesem Einffanje
und der Rückseite der Ringmauer machte die Steile
des Felsens, welchen man an dieser Stelle hatte ste-
hen, lassen, eine bedeutende Schutzmauer unnöthig.
Das Geheimnissvolle, das über den Eleusinischen
Gebräuchen ausgebreitet lag, liess keine Beschrei-
bung der Gebäude zu, in denen sie gefeiert wurden.
(4) Oder 2,766,400 siiclis. Thlrn. Zeugnisse für diese Angabo
gibt Bückh (Staat>haiisbaltiing der Athener, Bd. I. S. 217.); Dod-
woU (bei Sickler Bd. I. Abth. I. S. 129) meint, die Angabe von
obngefähr 464,000 Pfiuid Sterling möchte doch wohl übertrieben
sein, wofern man nicht alle Prachtgebäude , die damals auf der
Akropolis errichtet worden, und auch die Sculpturarbeiten und die
Statue der Göttin aus Gold und Elfenbein mit darunter begreife.
W.
1'
4 ERSTES CAPITEL.
Pausanias gibt vor, dass er durch ein Traumgesicht
davon abgeschreckt vrorden sei , irgend etwas Nähe-
res über das Eleusinion zu Athen zu offenbaren, und
dieselbe übermenschliche Erscheinung untersagte ihxn
auch, irgend einen Gegenstand zu beschreiben, der
innerhalb der Mauern des Heiligthums zu Eleusis
sei. (*) Seine Schilderung der Umgebung des Heilig-
thums ist in folgender kurzen Stelle enthalten: »Die
Eleusinier haben einen Tempel des Triptolemos (^) und
einen der Diana Propyläa , einen des Vaters Neptumis
und einen Brunnen mit Namen Kallichoros , bei dem
zuerst die Weiber der Eleusinier einen Reihentanz
angestellt und zu Ehren der Göttin gesungen haben.
Das Rarische Feld soll zuerst besäet worden sein und
zuerst Früchte getragen haben ; daher ist es bei ihnen
Gebrauch geblieben, von der Gerste dieses Feldes
heiliges Schrotmehl zu bereiten und Kuchen zu den
Opfern zu backen. Hier zeigt man eine Tenne und einen
Altar, welche den Namen des Triptolemos führen.«
Die Volksmenge, die das Verlangen, in die My-
sferien eingeweiht zu vrerden, nach Eleusis zog, (^)
trug so viel zur Bereicherung dieses von Ceres so
begünstigten Ortes bei, dass er mit Athen an Glanz
und Grösse zu wetteifern anfing. Allein die Athe-
ner, voll Eifersucht auf die wachsende Grösse von
Eleusis, setzten es zum Rang eines ihrer Demen oder
Ortschaften herab.
(5) Pausan. Lib. I. Cap. 38. §. 6. W. -
(6) Der Tempel des Triptolemos lag vielleicht da , wo Mir
jetzt die Giiecliische dem heiligen Zacchaiias geweihte CapcUe
finden.
(7) Vgl. Cic. de natur. Deor. I. cap. 42. §. 119. Bei Hero-
dot. VlII, 65. glaubt Einer in der Ebene von Thria von Eleusis
her den Feiergesang lakchos zu hören und eine Staubwolke zu
sehen, wie von dreissigtausend Menschen. W.
ERSTES CAPITEL. 5
Das jetzige Dorf (^) steht auf der Stelle der gehei-
ligten Gebäude und zwar grösstentheils innerhalb
der alten Gränzen des Heiligthums. Es besteht aus
ohngefähr siebenzig Hütten, die von wenigen Alba-
nesischen Familien bewohnt sind.
Wenn wir den Grad der Zerstörung an den Ge-
bäuden von Eleusis mit dem unverletzten Zustand
vergleichen, in dem die einzelnen Theile der Athe-
nischen Akropolis noch lange nach den Einiällen
der Golhen waren, so sind wir versucht, die Er-
zählung des Zosimus (^) nicht für ganz unbegründet
zuhalten, der uns meldet, Alarich habe (im Jahr 3S6
nach Chr.) seinen Zug von den Engpässen bei Ther-
mopylä gegen Athen in der Erwartung einer leichten
Eroberung beschleunigt; als er sich aber der Stadt
genähert, habe er Pallas die Stadt umwandeln sehen
gleich den Vorkämpfern bei Homer und den Achil-
leus vor den Mauern in einer Stellung erblickt, in
der er ihm den Besitz der Stadt streitig machen zu
wollen schien. Durch diese Erscheinung bestürzt
habe der Eroberer eine Capitulation gewährt, durch
welche die Stadt der Zerstörung entgangen sei. Ce-
res dasrejjen scheint nicht als Vermittlerin zwischen
ihre Geweihten und den Eroberer getreten zu sein
und ihre Gebäude wurden" gänzlich zerstört. Eleu,
sis muss wohl durch besonders unglückliche Ver-
hältnisse gelitten haben, denn nur die kräftigsten
Mittel, welche Rachsucht oder eine andere stachelnde
Leidenschaft an die Hand gab, konnten den Umsturz
(8) Von neueren Reisenden Eleusina , Leusina j Lefsina, Lep-
sina, LcssinUj 5a/ma geschrieben. Vgl. Dodwell bei Sickler I, 2, 88.
11, 1, 37. Poiiqueville Tom. IV. cap. 108. bei Creuzer Symbol.
IV. 338. Kruse , HeUas. II. 186. "W.
(9) Lib. V. Cap. 6. W.
6 ERSTES CAPITEL.
der festen Eleusinischen Gebäude bis zu diesem Grade
herbeiführen.
Pausanias ('") hat die Gegenstände beschrieben,
die ihm auf seinem Weg von Athen nach Eleusis be-
merkenswerth schienen. Seine Nachricht ist indessen
kurz und gedrängt, wesswegen er sich gewisser-
inassen darüber rechtfertigen zu müssen glaubte,
dass er sich einer weitläufigeren, umständlichen Be-
schreibung der interessanten Denkmale, die ihm bei
•jedem Schritt entgegentraten, enthalten habe. Der
Grabmäler, Statuen und Tempel waren so viele,
dass der Führer Polemotij wie Harpokration in seinem
Lexikon bestimmt erklärt , ein ganzes Werk allein
über die leQa ö8og oder den heiligen Weg verfasste.
Diese berühmte Strasse ('*) nahm ihren Anfang
bei den IsQai IlvXai oder dem Heiligen Thore Athens,
dessen üeberreste man noch in einer neueren Kirche,
die ohngefähr dreihundert Yards von dem jetzigen
Thor entfernt ist, erkennen kann. Von ihr führt
nun ein Weg zum Feiräeus, ein anderer- beugt rechts
ab nahe bei den üeberresten eines Grabmals, das
seiner Marmordecke entkleidet nun die rauhe Mauer-
arbeit seines Baues zeigt. Dieser Weg führt zu der
Stelle, wo die alte Akademie stand.
Wenige Schritte jenseits des heiligen Thors auf
der jetzigen Strasse nach Eleusis bemerkt man einen
unebenen felsigen Ort, woselbst durch neuere Nach-
grabungen Grabmäler entdeckt worden sind. Da
aber die ganze Gegend ringsum bebaut wird, so sind
hier alle Spuren des heiligen Weges verschwunden
und man trifft auch keine an , bevor man beinahe
eine Meile von dem Thore entfernt über eine Brücke
(10) Lib. I. Cap. 36. 37. 38. W.
(U) Vgl. üodwell V, Sickler Bd. II. Abth, I. S. 270. ff.
ERSTES CAMTEL. 7
gegaDgen ist, die über das Bett eines kleinen Berg-
stroms führt. Hier geben noch einige grosse Steine,
die mit Unterbrechungen ihr ursprüngliches Lager in
gerader Linie bewahren, die Richtung der alten
Strasse an. Jenseits von hier, nahe an dem Bett des
Kephissos, bezeichnen wenige um eine neue Capelle
zerstreuten Ueberreste die Lage eines alten Gebäu-
des. Ein Stück von Dorischem Gebälke auf der Vor-
derseite der Capelle trägt eine Leicheninschrift.
Obgleich der Kephissos in den Sommermonaten
fast ganz verschwindet , da wo der heilige Weg sein
Bett überschreitet, so fliesst er doch an der Strasse
von Athen nach Theben mit bedeutender Strömung.
Seine Wasserfülle benutzt man, um einen ausgedehn-
ten Strich von Gärten und den Olivenhain zu bewäs-
sern, welche nun die Gegend einnehmen, wo die
Alleen der Akademie standen. (") Das Wasser wird
durch Kinnen zu den Wurzeln der einzelnen Bäume
geführt, um welche man aus dem Erdgrunde Was-
serbehälter gebildet hat. Die Quelle des Flusses,
zwischen dem Dorfe KepMsia und dem Pentelischen
Gebirge, ist ein reiner nicht versiegender Born, der
mit bedeutender Schnelle aus einem viereckigen Was-
serbecken ausläuft und eine anderereiche Quelle auf-
nimmt, welche unter einem sich weit ausbreitenden
Platanus in dem Dorfe hervorsprudelt.
Der Olivenhain endigt an der Capelle des heiligen
Blasios , ohngefähr 14 Furlongs (") von dem heiligen
Thore. Er dehnt sich in seiner Breite von Osten nach
Westen mehr als zwei Drittel dieses Abstandes aus
(12) Die Schüiihcit dieses Ortes schildert Dodweli in seine
Reise nach Gr. bei Sicller I, 2. S. 246. W.
(13) Die Fiirlong enthält 220 Yards oder 660 Fuss und ist
souiit der achte Theil einer Englischen Meile, welche 5280 Engl,
oder 5130 Rheinl. Fuss hat. W.
8 ERSTES CAPITEL.
und seine Länge von Norden nach Süden beträgt ei-
nige (englische) Meilen. Die Bäume sind von bedeu-
tender Grösse ; ihre Stämme, die sich, wenn sie alt
werden, in mehrere Theile spalten, haben nicht
selten einen Umfang von zwanzig Fuss. Der üelbaum
wächst langsam und widersteht dem Absterben viel-
leicht länger, als irgend ein anderer Baum. Jahrhun-
derte mussten verlliessen, bevor diese ehrwürdigen
Bäume ihren jetzigen Umfang erreichten, so dass
man sie, wenn auch nicht als die ursprünglichen der
alten Akademie, doch als die unmittelbaren Ab-
kömmlinge derselben wird betrachten müssen.
Geht man vorwärts nach Eleusis hin, so sieht
man noch einioe Steinblöcke und an mehreren Stel-
len noch die Terrasse oder Mauer, durch welche die
Strasse Festigkeit erhielt. Mehrere zerstreute Hügel
scheinen Grabmäler gewesen zu sein, deren bekannt-
lich der ganzen heiligen Strasse entlang und zwar,
wie es scheint, auf der Mitte der Strasse viele errich-
tet waren. Ohngefähr elf Furlongs jenseits der Kirche
des heiligen ßlasios sieht man auf einem Hügel auf
der rechten Seite der Strasse die Ueberreste einer
kleinen Ringmauer, welche ein Grab einschloss.
Das Grabmal war in den Felsen eingehauen und die
Oelfnung mit einem marmornen Deckel geschlossen,
nach der gewöhnlichen Art, wie man Sarkophage
bedeckte. (")
(14) Der Französische Consul zu Athen, Herr Fauvel , hat
neuerdings die Marmordecke abbrechen und dieses Grabmal öffnen
lassen. Man entdeckte in der Aushöhlung einen Sarg, welcher
noch deutliche Kennzeichen der blauen Farbe, mit der er bemalt
war , an sich trägt ; vier eherne Ringe waren an ihm befestigt. Das
Acusscrc war mit einer Einfassung verziert, die aus Elfenbein ge-
arl)citct und dann auf das Holz befestigt worden war. Bei Eröff-
nung des Sarges fand man das Skelett eines Weibes; der Kopf
war mit einem goldenen Myrthen- oder Olivenkranz umwunden;
ERSTES CAPITEL. 9
Von hier steigt die Strasse gegen eine Berg-
schlucht, die im AUerihum et godog ^vorixt^ oder die
mystische Pforte hiess, jenseits welcher, beinahe in der
JMitle zwischen Athen und Eleusis, das Kloster Daphne
liegt, das auf der Stelle des Apolloternpels erbaut
sein soll. Einige Ionische Säulen fand man in einer
der Mauern der neuen Capelle eingemauert, (^^) so wie
die Mauer, welche das Kloster umgibt, ganz aus
Ruinen alter Griechischer Gebäude errichtet ist.
Von hier bis ohngefähr fünfzehnhundert Yards
gegen den Busen von Eleusis hinab scheint der Felsen,
welcher die Strasse zur Rechten begränzt, senkrecht
durchgehauen zu sein. Die Seitenoberfläche war
glatt gearbeitet und dann waren Nischen eingehauen,
um Votivtäfelchen aufzunehmen. Auch haben In-
schriften sich erhalten, die, obgleich von früheren
Reisenden übersehen, doch noch Wort für Wort
gelesen werden können, sobald die Sonnenstrahlen
schräg auf die Überfläche des Felsens fallen. Sie
sind an Venus gerichtet (^^). Ebenso fand man an die-
zur Seite lag ein zierliches Stäbchen, nebst einem musikalischea
Instrumente, das einer Guitane nicht unähnlich ist. Die Schnhe
waren noch ziemlich erhalten, dcssgleichen ein kleiner Doppel-
kamm, welcher ins Haar gesteckt war, um gewissen Zierrath auf-
zufassen. Man ülTnetc auch noch einige andre Grabmäicr von
derselben Bau.irt in der Nähe und fan<l darin schwarze Erde und
Kohlen, nebst einigen Urnen aus gewöhnlichem Thon und einigen
Thränenvasen von Alabaster.
(15) Einige kleine Ionische Säulen mit ihren Capitälcn, die
noch im Jahr 1800 hier standen, sind durch Lord Elgin nach
England gesendet worden und belinden sich jetzt im Britisclien
Museinn. Siehe Dodwell Bd. II. Ablh, I. S. 272. Kruses Hellas
Th. II. S. 175. W.
(16) Thria , ein Attischer Demos, nach welchem die jenseits
gelegne Eb(;ne benannt worden ist , lag nicht weit von dieser
Stelle entfernt. Zu Thria stand ein Tempel der Fenus Phile, dem
10 ERSTES CAPITEL.
«er Stelle einige kleine Tauben in gröberem Styl aus
Marmor gehauen. Die nahe bei dem Felsen liegenden
Ruinen gehörten zu dem alten Tempel dieser Göttin,
dessen Ringmauer auf der Vorderseite noch in ihrer
ganzen Ausdehnung zu erkennen ist und dessen Rui-
nen beweisen, dass seine Bauart Dorisch gewesen.
Die Strasse geht zwischen dem Felsen und der Ein-
schlussmauer durch. Da wo sich zwei Wege vereini-
gen, von denen der eine, für Wagen nicht zu passiren,
rechts abbog und auf einem kürzeren Wege in die
Ebene von Eleusis führte, scheint der Engweg fest
gemauert gevsresen zu sein. Die neue Strasse lässt
den heiligen Weg rechts liegen und stösst wieder an
einem Punct der Küste mit ihm zusammen, der Y.av.L
CY.aXa oder schlechter Weg heisst, indem der Felsen,
über den er geht, an dem schroften Theile des Berges
dicht an der See herführt und gefährlich ist, wo die
alte Strasse verfallen ist. Offenbar war die heilige
Strasse an dem Fusse des Bersrhügels an dem inneren
Ufer Aer'Peiroi oAer Salzseen (^') fortgesetzt, welche
ihre Quellen in den benachbarten Gebirgen haben.
Nachdem sie an den Kanälen vorbeigeführthat, wird
sie von dem Bett eines Bergstroms durchkreuzt, der
vom Berg Farnes bei dem an der Strasse von Athen
nach Theben gelegenen Dorfe Kassia herabfliesst.
Obgleich dieser Fluss sich in der Thriasischen Ebene
fast verliert, so strömt er doch näher bei seiner Quelle
Demetrius zu Ehren errichtet, dessen Mutter Phile hies*. (Phila
hiess des Demetrius Poliorketes Gemahlin. Vgl. Plutarch. Demetr.
c. 14. — W.) Die Worte (PlylH A<t>PO.dITH kommen auf zwei von
den Inschriften vor, welche auf die Oberfläche des Felsens einge-
haucn sind.
(17) Diese Rheti oder Kanäle mit Meerwasser schieden in
alten Zeiten nach Pausan. I, 38, 1 das Weichbild von Eleusis von
dem übrigen Attischen Gebiete. W.
ERSTES CAPITEL. 11
durch ein tiefes felsiges Bett. Den Kanal , welcher
sein Wasser der Eleusinischen Wasserleitung zuführt,
kann man seiner Richtung nach in dem Felsen noch
nachweisen. Ist man sodann über einen Weg hinaus ge-
kommen, der rechtshin über den Berg liilhäron nach
Theben führt, so gewahrt man die Ueberreste eines
Grabmals, aus dessen Inschrift wir sehen, dass hier
Straton der Kydathenäer begraben lag. Hier tritt
die heilige Strasse wieder hervor und ist sofort über
einen Damm geführt, welchen man in der häufig über-
schwemmten Ebene hatte errichten müssen.
Der Eleusinische Kephissos entspringt auf dem Berg
Kithäron nahe bei Eleulherae; erfliesst in die Thria-
sische Ebene an einer Stelle ein, die jetzt Sarantapo-
tamiQ^) heisst, und strömt dann in einem tiefen Bette
gegen die einzeln liegenden Hügel von Magoula hin,
einer kleinen Höhe, auf deren Spitze Trümmer eines
alten Thurmes liegen, und um welche herum ehemals
Steinbrüche waren. Hier theilt sich der Flussin zwei
starke Arme, von welchen sich der eine durch die
Rarische Ebene westlich von den über der Stadt lie^
genden Hügeln und der andre fünfzehnhundert
Yards östlich von dem alten Hafen in die Bay von
Salamis ergiesst. Die Strasse überschreitet mehrere
kleine Kanäle, die von dem letzteren auslaufen, mei-
stens aber wasserlos sind, den Arm ausgenommen,
welcher zunächst an der Stadt in einem tiefen Gra-
ben, unter einer Brücke, an einem kleinen Oliven-
hain hin ohngefähr fünfhundert Yards fliesst, ehe
er das neuere Dorf erreicht. Geht man ohngelähr
drei Viertel einer Meile von diesem Puncto weiter
vorwärts, so stösst man auf Ueberreste eines auf Bo-
gen errichteten Gebäudes, das jetzt mit Erde und
(18) Bei DodweU, Bi. IL Abth. I. S. 42: Saranta Potamoi
Oller die Vierzig -Bäche. W.
12 ERSTES CAPITEL.
Schutt erfüllt ist und in der Art erbaut war, dass es
das Wasser des über seine Ufer getretenen Flusses
nicht hinderte , in die Eleusinische Bay hinab zu
fliessen.
Etwas weiter herab von der Stelle, wo sich der
Kephissos in zwei Arme theilte, zog sich an dem öst-
lichen Ufer des westlichen Arms bis nahe an denFuss
des Hügels , auf dem die Akropolis von Eleusis stand,
ein Damm hin und ein andrer folgte der Richtung
des östlichen Arms an dem westlichen Ufer. Der
Zweck dieser Dämme war offenbar kein andrer, als
das Delta des Kephissos, das heisst jenen dreieckigen
Strich niedrigen Landes zwischen den beiden Armen
des Flusses , vor den oft und plötzlich austretenden
Fluthen des Bergstromes zu schützen.
Da w^o der erste dieser Damme aufhört, hat man
eine Höhle entdeckt, welche, wenn wir überhaupt
geneigt wären, den Fabeln der früheren griechischen
Geschichtserzählung Glauben beizumessen , man für
den Aufenthalt des Räubers Prokrustes oder Polype-
nion halten könnte, da dieser von Theseus an den
Ufern des Kephissos überwunden worden sein soll. ('®)
An der östlichen Seite des Hügels von Eleusis ist
ein Brunnen, vielleicht derselbe, den Pausanias Kal-
lichorus genannt hat, bei welchem die Eleusinischen
Frauen der Ceres zu Ehren Tänze aufführten.
Die Strasse nach JMejjara zieht sich nördlich von
dem Hügel an der genannten Höhle vorbei und über-
schreitet das Bett des Avestlichen Arms des Kephissos.
Ein wenig über deuFluss hinaus ist wieder ein Brun-
nen , der jetzt J^lica heisst und für identisch mit dem
gehalten wird, welcher ursprünglich Anthios d. h.
(19) Pausan. Lib. I. Cap. 38. §. 5. Plntaich. Thcs. Cap. 11.
Dagegen meldet Diodor. Sik. Lib. IV. Cap, 59., Prokrustes habe
in dein Attischen Korydallos gehaust. W.
ERSTES CAPITEL. 13
der Blumenbrunnen genannt wurde und bei Pausanias
(I, 39, 1.) vorkommt. Die angränzende Ebene war
wohl die Rarische , die zuerst bebaute Flur in Attika.
An der Rüste, von welcher die Ebene im Süden be-
gränztwird, ist ein Grabhügel, den man für einen
von denen hält, welche Theseus den bei Theben ge-
fallenen Athenern (^*') errichtet haben soll.
Die Wasserleitung, welche in neueren Zeiten
Eleusismit Wasser aus den Quellendes Berges Far-
nes versah, ist von sehr roher Arbeit und könnte
für ein neueres Werk gelten,, wenn sie das gewöhn-
liche Merkmal neuerer Zeit an sich trüge, d. h. wenn
man irgend ein Bruchstück eines alten Gebäudes bei
ihrem Bau benutzt fände.
Dei: nördliche Theil der Ebene von Athen stand
durch den Engpass von Dema mit der grossen Eleu-
sinischen Ebene in Verbindung. Durch ihn machten
die Lakedämonier im Peloponnesischen Krieg einen
Einfall und drangen bis Acharnae , (*^) dem heuligen
Menidi, vor. Den Lauf der Mauer, welche diesen
Pass verschloss, kann man noch eine sehr bedeutende
Strecke weit nachweisen.
Die Strassen von Athen nach Theben und Oro-
pus führten durch zwei Engwegö des Berges Parnes ;
beide hatten ihre Festungen, nämlich Phyle und De-
hcleia fDeceleoJ. Letztere war im neunzehnten Jahr
des PeloponnesischenKriegs von den Lakedämoniern
besetzt worden; von hier aus beunruhigten und plün-
derten sie die ganze Umgegend von Athen und zwan-
gen die Bewohner, den feierlichen Zug nach Eleusis
auf der heiligen Strasse zu unterlassen; dieser ging
desswegen den Seeweg und manche Festgebräuche
(20) Ais,ivein. Vgl. Herodot. IX, 21. Pausan, I, 39, §. 2
und 3. W.
(21) Thukyd. II, 19. W.
14 ERSTES CAPITEL.
fielen ganz weg. Noch sind üeberreste dieser be-
rühmten Befestigung vorhanden. Athen, welches
der Berechnung nach hundert und zwanzig Stadien
davon entfernt war, konnte man von hier genausehen,
so wie den Theil der Eleusinischen Ebene, welcher
die Rheiloi umgab. (")
Das Castell von Phyle lag auf einer Anhöhe, von
der man weithin die Umgegend beherrschte. Seine
Mauer kann man noch in ihrer ganzen Ausdehnung
nachweisen ; seine Entfernung von Athen beträgt
ohngelähr hundert Stadien. C^^)
Taf. I.
Karte der Ebenen von Athen und Eleusis,
Diese Ansicht wurde von Sir William Gell auf-
genommen. Nachdem man.sich eine Grundlinie von
3137 Yards auf dfer Ebene bei Eleusis gemessen hatte,
nahm man die Winkel nach allen Hauptpuncten mit
einem vortrefflichen Instrumente auf. Die einzelnen
Puncte wurden sodann mit grosser Genauigkeit nach
der wirklichen Gestalt und der relativen Höhe eines
jeden Orts eingetragen. Die vorliegende Platte ist
nach der Originalzeichnung gestochen.
Taf. IL
Karte der Umgebungen von Eleusis.
(22) Dekeleia lag in der Gegend des heutigen Tatoi_, wie Dod-
well I, 2, S. 333 vermuthet und Gell's Karte schlicssen lässt. Die
übrigen Angaben werden bestätigt durch Thukyd. VII, 19 und 27.
Plutarch. Alltibiad. Cap. 34. Strabo IX. p. 309. W.
(23) Phjle , jetzt Argiro-Castro nach Dodwell I, 2, 330, ist
bekannt als Zufluchtsort des Thrasybulos und Sammelplatz der miss-
vergniigten Athener; es heisst bei den Alten eine starke Festung
und eins der Bollwerke von Athen. Vrgl. Xenoph. Hellen. Lib. II,
Cap. 4. §. 2. Diodor, Lib. XIV. Cap. 32. Strabo a. a. O. Cornel.
Nep. Thrasyb. Cap. 2. Dodwell gibt seine Entfernung von Athen
zu zwölf Engl. Meilen d. h. vier Stunden an. W.
ERSTES CAPITEL. 15
Taf. III.
Allgemeine Uebersicht der Gebäude zu Eleusis,
A. Der Tempel der Ceres.
B. Die Mauer des inneren peribolus oder Tempelhols.
C. Die innere Eingangshalle.
U. Die Propyläen, oder der Eingang zum ersten
Tempelhof.
E. Der Tempel der Diana Propyläa.
F. F. Altäre auf der grossen Platte. Auf dem Altare zur
Rechten ist das Wort 0IAAIOI eingeschrieben.
G. Die grosse Platte , welche sich nordwestlich über
den Altar F und südöstlich bis T erstreckt; sie
fängt an der Stufe J an und endigt an der nie-
deren Mauer Q.
H. Ein erhöhter Grundstein oder Untersatz, der
wahrscheinlich zu einem Brunnen oder Wasser-
behälter gehörte. Die Wasserleitung läuft dicht
an ihm vorbei.
K. Höhle in dem Felsen, um welche Üeberreste eines
kleinen alten Gebäudes sind.
L. Ein einzeln stehender Fels, welcher wahrschein-
lich den Kern oder die Mitte des Fussgestells bil-
dete, worauf die grosse Bildsäule der Ceres auf-
gerichtet war , deren Brustbild man in der Nähe
fand. Das runde tiefgebohrle Loch, dessen Durch-
messer l' 9" beträgt, sollte wahrscheinlich den
Dobel oder Pflock aufnehmen, durch welchen
die Statue an ihr Fussgestell befesligt wurde.
M. Ein Theil des Felsens, der senkrecht weggehauen
worden war; er scheint mit einem kostbareren
Materiale überzogen gewesen zu sein: an seinem
Fuss sieht man Üeberreste von Stufen.
N. Die neue der Panagia oder heiligen Jungfrau ge-
weihte Kirche.
16 * ERSTES CAPITEL.
O. Kirche des St. Georg.
P.P. Cisternen, die in den Felsen eingehauen sind;
man hat mehrere in diesem Felshügel um den gros-
sen Tempel herum entdeckt.
-R. Drei Stufen aus weissem Marmor, der Untersatz
eines Fussgestells. ^
S. Terrasse auf der Vorderseite des grossen Tempels.
T V. An diesen Puncten fand man üeberreste von
zwei Gebäuden von der Korinthischen Ordnung.
Die punctirten Linien bezeichnen die Lage neue-
rer Häuser.
Taf. IV,
Ansicht von Eleusis von dem alten Damme aus.
Taf. V.
Ansicht von Eleusis von der Thriäsischen Ebene aus,
Taf. VL
Ansicht der Thriäsischen Ebene und eines Theils des Dorfes
von dem über dem Tempel liegenden Hügel aus.
Taf. VIL
Ansicht der Kirche der Panagia mit der Aussicht nach
der Akropolis.
Der Stein mit dem Loch auf der oberen Seite ist
auf dem Grundriss mit L bezeichnet; unmittelbar zu
seiner Linken liegt der grosse Tempel.
» Taf. Vlll.
Die Kirche des heiligen Zaccharias ^ grösstentheils aus
allen Bruchslücken erbaut.
Die zwei grossen runden Steine waren wahr-
scheinlich Basen von Säulen. Das zusammengesetzte
Capital, das wir über ihnen dargestellt haben, ist
ietzt in die Seitenmauer der Kirche eingemauert.
Auch der Altar in der Kirche ist aus alter Zeit und
ZWEITES CAPITEL. 17
trägt eine Inschrift. An der Wand , \telche die Sa-
crisleivon dem [lauptgebäude der Kirche trennt, die-
nen jetzt zwei urngekehrte ohngefähr acht Fuss hohe
mit Sorgfalt aus Marmor gearbeitete Fackeln (torches)
zu Thürpfosten.
Zweites Capitel.
Die Propyläen,
JL/as Vorrhild dieses schönen Gebäudes sieht man noch
in i\en Propyläen auf der Burg zu y4then, von M'^elchen
das mit grossem Fleiss ausgearbeitete schätzbare Werk
über die Alterlhütner dieses interessanten Ortes die
Pläne und einzelnen Ausführungen enthält, deren
"elreue JMillheilung das Publicum wiederum der Ge-
Seilschaft der Dileltanti "verdankt. {')
Der unermüdliche Verfasser des genannten Wer-
kes wurde nämlich durch dasimmerleidenschafllicher
und slürinis'cher werdende Parteiwesen gezwungen,
Athen zu verlassen, bevor er seine Arbeiten hatte
vollenden können; widerstrebend und mit Schmerz
schied ervon Griechenland, ohne geometrische Zeich-
nungen von den Propyläen aufgenommen zu haben.
Plhe der zweite Band seines Werkes erschien, dessen
Herausgabe nach des Verfassers Kückkehr nach Eng-
land begann, nahm Dr. Chandter , unter dessen Lei-
tung die von der Gesellschaft der Dilettanti ausge-
sandten Künstler standen , nachdem er einen bedeu-
tenden 1'heil der Kleinasiatischen Küste untersucht
(1) Stiiarfs Altcrthümor, Tlieil II (S, 224 des ersten Bandes
der Deutschen Ausg. bei Lcskc.)
Alt. Alt. 2
18 ZWEITES CAPITEL.
hatte, seinen Rückweg über Athen und war so glück-
lich, das ergänzen zu können , was seine Vorgänger
unvollendet gelassen hatten.
Das Wesen der Griechischen Baukunst war in
jener Periodeden Europäischen Künstlern noch ganz-
lieh neu und daher kam es, dass mehrere Eigenthüm-
lichkeiten des ungewöhnlichen Baustyls theils über-
sehen, theils nicht untersucht wurden. Einen reich-
lichen Ersatz für jene Mangelhaftigkeit glauben wir
durch die gegenwärtige Mittheilung zu geben.
Spricht man von der Aehnlichkeit, die zwischen
den Propyläen von Athen und denen von Eleusis statt
finden soll, so darf man nicht übersehen, dass nur
das Miltelgebäude der ersteren bei der Verglei-
chung berücksichtigt wird; denn die angefügten Ge-
bäude, obgleich mit ihm durch Mauern verbunden
und zu derselben Zeit aufgeführt , sind als zwei ganz
besondere zu betrachten. Ihr Zweck hat nicht den
geringsten Bezug mit der Bestimmung des beinahe
isolirlen d. h. für sich bestehenden Portals zwischen
ihnen. Pausanias C^) meldet uns, dass das eine von
ihnen und zwar das, welches bei dem Eintritt in die
Burg zur Rechten liegt, der Tempel der Nike apteros
oder unbejlügelten Victoria {^^ und das andere eine Ca-
pelle (chapel) gewesen sei, die einige von den Gemäl-
den des Polygnot enthalten habe.
Man muss ferner bemerken , dass die Propyläen
zu Athen nicht auf einem für sie applanirten Grund
errichtet waren ; denn da der Felsen sich hier Aveit
steiler als in Eleusis erhob, so musste man verschiedne
(2) Lil). I. Cap. 22. §. 4 und 6.
■ (ä) Nach Leake in Kruse^s Hellas Thl. II. S. 82. diente der
rechte Fliigel zur Vcrtheidigung , war also ein Tf^achtposten der
Vorhalle. — Ausfiihrlich wird über die Lage des Tempels der un-
beflügeltcn Siegesgöttin bei Stuart Thl. II. Cap. V. gehaudelt. W.
ZWEITES CAPITEL. 19
Grundebenen annehmen. An der Qnernriauer, welche
die äussere Halle von der inneren scheidet und fünf
Eingänge hat, stand das Gebäude auf höherem Grund;
wollte man in die Akropolis eintreten, so stieg man
fünf Stufen hinan.
Die Eleusinischen Propyläen hatten in dieser
Hinsicht vor jenem Gebäude, mit dem sie gleichsam
wetteifern sollten, einengrossen Vorzug. Was man
indessen hierdurch für den allgemeinen Eindruck ge-
w^onnen hatte, wurde durch den Mangel der hohen
Vollendung, die bei der Ausführung der Atheni-
schen Gebäude so bewundernswerth ist, wieder
ein^ebüsst. Dieser Mangel einer feinen Ausarbeitung
ist indessen wohl nicht einem Mangel an Kunstfertig-
keit zuzuschreiben und noch weniger einem strengen
Sparsystem, indem hier die Nägel und Klammern,
deren Gebrauch bei den Alten so vielfach war, an
den Stellen, wo sie an den Athenischen Gebäuden von
Eisen sind, aus Messing (brass) gemacht waren. (')
Nicht nur in den Verhältnissen, sondern auch in
den wirklichen Massen fand man sowohl im Allge-
meinen als im Einzelnen an beiden Gebäuden überall,
wo die sich entsprechenden Theile an beiden noch
vorhanden sind und eine Vergleichungzuliessen, eine
äusserst merkwürdige Uebereinstimmnng. Die Ver-
schiedenheit in der wirklichen Grösse ist allein von
der Art, wie sie sich bei der Ausführung eines und
dessselben Planes an verschiedenen Orten da zu erge-
ben ])(legt, wo ein unbedeutender Unterschied in den
landesüblichen (Musler oder Aich) Massen statt fin-
det, indem man annimmt, dass der Eleusinische Fuss
um V350 Pheil grösser als der Athenische gewesen
(4) ,, Eisen vcriirsachf, an dem Maruior HosKltcken." Win-
ckelinann, Anniork. über d. Bank. d. AU. in der neuesten Dresd-
ner Aiisir. seiner Werke Bd. I. S. 356. W.
2^
20 ZWEITES CAPITEL.
ist. Diese gleichmässige Nachbildung, vorausgesetzt,
dass sie durch das Ganze ging, unterstützt uns gar
sehr bei dem Ergänzen des Planes, welchen man nach
genauem Studium der beiden Gebäude wohl noch
vollständig vorlegen kann.
Das einzige Mass, von dem wir uns bei dem
Gebäude keine bestimmte Kenntniss verschaffen konn-
ten , war die Höhe der Säulen und zwar keineswegs,
weil nicht mehrere Stücke, aus denen sie zusammen-
gesetzt w^aren, vorhanden sindj sondern weil darüber
liegende Blöcke des Gebälks und der Felderdecke uns
nicht zu diesen gelangen liessen.
Weniger Schwierigkeit hatte es, die einzelnen
Theile der Felderdecke aus den herabsrefallenen
Stücken wieder zu construiren, und diese Restauration,
die sich bei den Ruinen der Athenischen Propyläen
nicht bewerkstelligen liess, ist um so wichtiger, je
mehr uns die Bewunderung des Pausanias, die er
bei dem Anblick der zum Vorbild dienenden Athe-
nischen Decke ausspricht, (^) einen hohen Grad von
Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit in ihrer Con-
struction erwarten lässt. Und in dieser Erwartung
haben wir uns nicht getäuscht gefunden.
Betrachten wir die intepessanten Gebäude von
Eleusis im Einzelnen, so tritt uns zuerst als neu die
Art und Weise entgegen, wie diese mit ziegeiförmigen
Marmorplatten gedeckt sind. Den Werth dieser sinn-
reichen Einrichtung schlug man in Griechenland so
hoch an, dass man den Eründer durch eine Bildsäule
ehrte und den Namen desselben durch eine Inschrift,
(5) Lib. I. Cap. 22. §. 4 : Tu di nQoniXuiu U&ov Xtvy.ou
rr^v oooqiriv 5/ft, y.al xoa^o) y.ul (.(tyi&fi. rwv }.10-(üv ftf'/Qi yt xul ifxou
jigoelxf. (Die Propyläen sind mit weissem Marmor gewölbt und
noch jetzt durch die Schönheit und Grösse der Marmorstückc aus-
gezeichnet.)
ZWEITES CAPITEL. 21
die uns Pausanias erhalten hat, zur Kunde der Nach-
welt brac,hte. B;yzes von Naxos , der als solcher ge-
rühmt wird, war ein Zeilgenosse des Solon und blühte
ura das Jahr 580 vor Chr. Geb. (^)
Das Verdienstliche oder Zweckmässige derErfin-
dung besieht darin, dass sie ein Mittel zeigte, Feuch-
tigkeit und Nässe, vorzüglich zwischen den Fugen
der an einander stossenden Ziegel, abzuhalten. Diess
bewirkte man dadurch, dass man über den an einan-
der stossenden Fugenderplatten Ziegel, welche vor-
her so in Reihen übereinander gelegt waren , dass der
höhere über '^den zunächst unter ihm liegenden etwas
überschlug, in einer fortlautenden Linie von der Firste
bis zur Dachtraufe schmale Bindeziegel C) befestigte.
Die Construclion dieser harnii werden wir in
diesem Capilel noch naher angeben.
Ein Unterbau aus porösem Stein las: in reselmäs-
sigen Schichten über der ganzen von dem Gebäude
eingenommenen Grundfläche.
Der Fussboden , die Stufen, alle Theile des Un-
terbans, so wie die Ziegel des Dachs waren aus feinem
Pentelischem ölarmor. Der Fussboden besteht aus
Platten, die beinahe sechs Fuss ins Gevierte haben
und mehr als zehn Zoll dick sind; er ist so kiinst-
mässig ztisammengeselzl, dass man an manchen Stel-
len die Fugen nicht wahrnehmen kann. (") Die Lagen
zunächst der DJauern scheinen eingesetzt worden zu
sein, ehe die iMauern aufgeführt wurden.
(6) PAnsan. Lih. V. Cap. 10. §. 2.
(7) Diese Ziegel heisscn in der Athenischen Baiiinschriff uQtwf.
\ } (8) Diese genaue" Fiignng der winkehccht und scharf behaue-
nen Steine, wodurch die Fugen derselben wie ein diinner Faden,
oder grössere izusainmengesetzte Flaclien wie aus Einem SJückc
gemacht zu sein scheinen, ist cS , welche bei den Alt^n uQfiovCa
oder aqfioyn heisst. Vgl. Stuart in der Deutschen Ausg. Bd. I.
S. 351. Winckelmann a. a. O. W.
22 ZWEITES CAPlTfiL.
Taf. 1.
Grundriss der Propyläen.
Sechs Stufen liesen vor der Nord- oder äusseren
Seite des Gebäudes; sie laufen zu beiden Seiten der
Ecksäulen hin und endigen an der Ringmauer. Die
untere Stufe ist höher und breiter als die übrigen.
Die Länge der obersten Stufe, auf welcher die Säulen
der Halle stehen, beträgt 69 8 1. Unten um jede
Säule sieht man im Fussboden einen runden Aus-
schnitt, der einen halben Zoll tief ist und einen etwas
grösseren Durchiresser hat als die Säule. Eine ähn-
liche Vertiefung bemerkt man auf den Stufen an den
Flügeln der Athenischen Propyläen und an man-
chen andern Griechischen Gebäuden. Man hat ver-
muthet, diese Vertiefungen seien desswegen ange-
legt worden , um das an den Rinnen der Cannelirun-
S,en herabtriefende Resenwasser aufzunehmen und
nach vornen hin ablaufen zu lassen. Bei einigen Ge-
bäuden haben jedoch diese Vertiefungen keine OefF-
nung nach der Vorderseite der Stufen hin; Andere
haben sichdarum vorgestellt, die Tiefe des Ausschnitts
bezeichne die Grundlinie, bis zu welcher herab der
Fussboden der Halle sollte bearbeitet -werden ; allein
man trifft solche Vertiefungen auch an Gebäuden, in
welchen der Fussboden vollkommen glatt gearbeitet
und vollendet ist.
Die unteren Stücke der Säule an der südwest-
lichen Ecke des Gebäudes, neun Fuss hoch, standen
noch an ihrer Stelle und waren sehr gut erhalten.
A. Die Mauer des äusseren Tempelhofes, deren Uicke
man nicht bestimmen konnte.
B. Die Säule an der Südwestecke des Gebäudes, von
welcher man noch drei Schichten in eine neuere
Ölauer von bedeutender Dicke eingemauert gefun-
den hat.
ZWEITES CAPITEL. 23
d
im Fussboden.
C. Eine zwei und einen halben Zoll liefe Oellnunjr
Taf. II.
Ergänzter Aufriss der Nordseite.
üie Säulen verjüngen sich von dem Boden bis
zur Höhe in einer etwas convexen Linie. Der Durch-
messer der Kcksäule beträgt auf dem Boden : b' l"
33G und in einer Höhe von sechs und einem halben
Fuss von der oberen Stufe ab: 4 l" 1, was um drei
Viertel Zoll mehr ist, als die Verjüngung nach einer
geraden Linie würde ausgemacht haben, vorausge-
setzt dass die Säulen so hoch waren, als die an den
Propyläen zu Athen.
Die Neigung des Giebels haben wir nach dem
aus dem Giebelfelde noch vorhandenen Mittelstein
bestimmt, welcher mit dem Brustbild eines Priesters
oder Ilierophanten im Ilaut-Helief und mit einer run-
den Einfassung verziert ist. Der Kopt ist verslüm-
melt, man sieht aber noch den von den Prieslern ge-
wöhnlich getragenen pileus oder die JMütze mit dem
Busche (tufled cap). Auf dem Zipfel seines Gewan-
des ist ein doppelt geschwänzter Triton vorgestellt.
Taf. HL
Ergänzter Seitenaufriss des Gebäudes.
Dieser Aufriss zeigt, wie man das Dach mit deii
Marmorziegeln deckte, welche man an das Balken-
gerüst befestigte. Die an dem Ende abgerundeten
aufrecht siehenden Stückean der Dachlraufeschlossen
die Reihe der mit den Platlziegeln abwechselnden
Bindeziegel ; die Verzierung auf denselben war be-
malt. Die Glieder, welche die Capitäle der Anten
bildeten, waren unter dem Archilrav an den Seilen-
mauern festgesetzt und ebenso liefen die unleren
Glieder der Anten an den äusseren Mauern fort. Die
Marmorschichle, an welcher diese gearbeitet Ovaren,
24 ZWEITES CAPITEL.
hatte eine Höhe von beinahe drei Fuss neun Zoll ;
die andern über ihr waren bedeutend niedriger.
Die Höhe derUmfangsrnauern, von welchen man
hier einen Durchschnitt sieht, haben wir nach unse-
rer Vermulhung angegeben; eben so stützt sich die
darauf liegende Mauerkappe auf keine Autorität.
Taf. IV.
Capital und Gebälk der äusseren Ordnung,
Die Trauf Bindeziegel endigten mit in die Höhe
stehenden Seiten, die zuerst an den Enden -gerundet
und dann gezähnt oder welleni'örmig ausgeschnitten
waren. Di« Verzierung, die ehemals darauf gemalt
war, ist beinahe ganz verschwunden. Die untere
Reihe der Ziegel besteht aus Plallen, die zweimal so
lang sind als die der übrigen. Die Verbindung oder
Fuge war über der Mitte der einzelnen Triglyphe.
A. Durchschnitt des unteren Theils der Säule
durch die iMilte einer der Cannelirungen, wobei man
die Vertiefung ia dem Fussboden sieht, in welcher
die Säule stand.
Taf. V.
Capital der Anten und Durchschnitt durch das Gebälk
der Nordseite,
Fig. 1. Der obere Theil des Kranzes, der eben ge-
legt ist, um die Platten der unteren Ueihe
der Marmorziegel aufzunehmen.
Fig. II. Das oberste Glied (cymalium) des Kranzes
in grösserem Massslabe.
Fig. ni. Das unlere Glied des Kranzes mit einem
Theil der Dielenköpfe (mntule).
Fig. IV. Base und Capital der Anten in grösserem
Masslabe.
Taf. VI.
Durchschnitt der Anten und des Gebälks der Südseite,
Fig. 1. Capital der Anten.
ZWEITES CAUTEL. 25
A. A. Durchschnitt durch die Marmorziegel.
B. ß. Die Harmi oder ßindeziegel.
C. C. Die hinlere Seile des cymatium des
Giebels.
D. Profil der Trauf ßindeziegel.
E. Durchschnitt des Blocks, in welchem
das cymatium des Giebels gearbeitet
war.
Fig. II. Cymatium des Kranzes in^grösserem MasS'
Stabe.
Fig. 111. Grundriss der Säulen auf der Nordseite, in
der Höhe und an dem Grund des Schaftes.
F*!«?. IV. Grundriss der Cannelirungen der Säulen.
Fig. V. Cymatium des inneren Frieses.
Fig. Vi. Verzierungsglied, das an der inneren Seite
der Mauer in Einer Linie mit den Antenca-
pitälen forllault.
Taf. Vir.
Ausführungen einzelner Theile des Gebäudes.
Fig. I. Grundriss der Säulenin der südlichen Halle,
in der Höhe und am Boden des Schaftes.
Fig. II. Aijfriss der Capiläle derselben.
Fig. 111. Durchschnitt durch den eilörmigen Theil
(ovals) und die Kiemen (annulels) desCapiläls.
Fig. IV. Das Auslaufen der Cann^lirungen unter den
Riemen des Capiläls.
Fig. V. Durchschnitt durch den eiförmigen Theil
und die Iliemen der Capiläle auf der Nordseile.
Fig. Vi. D;is Auslaufen der Cannelirungen unter den
i\iemen.
Fig. VII. Vorderseite, Profil und Durchschnitt des
oberen Thfiils der Trigly[)he. In dem Mar-
morist allein die Linie A an dem Umbiegen
des Triglyphs bezeichnet.
26 ZWEITES CAPITEL.
Taf. vm.
Einzelne Theile des Kranzes und Daches,
Fig. 1. Durchschnitt durch den Kranz der Giebel.
A. Der Ziegel, welcher das cymatium bildet.
ß. Einer der gewöhnlichen Ziegel.
C. Durchschnitt des ßindeziegels , welcher
die Fuge von zwei gewöhnlichen Ziegeln
deckt.
Fig. 11. Durchschnitt des cymatium, ein Drittel so
gross als in der Wirklichkeit.
A. Durchschnitt des cymatium an dem an-
deren Ende desselben Ziegels, wo der
zunächstliegende Ziegel über ihn schlug.
B. Der aufrecht stehende Theil des Ziegels,
der das cymatium bildet.
Fig. 111. Der untere Theil des Giebelkranzes, ein
Drittel so gross als in der Wirklichkeit.
Fig. IV. Grundriss des Triglyphs und der Sohlte des
Kranzes an den Seiten des Gebäudes.
Fig. V. Ende der Traufziegel, auf welche ursprüng-
lich der Lotus gemalt war.
Fig. VI. Profil desselben.
A. Durchschnitt des hinaufJaufenden Ober-
iheils des Kranzes, der die Lage der
Traufziegel bestimmt, an welche die
Bindeziegel durch Pflöcke befestigt sind.
ß. Durchschnitt durch den Kranz.
Fig. Vll. Durchschnitt durch die Marmorbalken, wel-
che die Felderdecken der Hallen tragen.
Fig. Vlll. Die ßase und der Untersatz eines Fussge-
stells , das man unter den Ruinen auf der
Nordseite des Gebäudes fand.
Taf. IX.
Grundriss der Decke.
Die Balken der Decke werden von den Archi-
traven der inneren Säulenreihen und von den Seiten-
mauern der Gebäude getragen. Die Länge der Bai-
ZWElTfed CAt»ltEL. 27
ken über den Seitenabtheilungen betrug beinahe drei-
undzwanzig Fuss; sie waren drei Fuss breit und zwei
und einen halben Fuss dick; ein jeder wog ohngefähr
elf Tonnen. Die dazwischen liegenden Felder waren
aus Platten von vier Fuss Länge, sechszehn Zoll Breite
und neun Zoll Tiefe zusammengesetzt. Jede Platte
bildete zwei Felder, nur die Felder an den Eingängen
bestanden aus besonderen Plalteä.
Taf. X.
Einzelne Theile der Decke.
Fig. I. Eine Abtheilung der F'elderdecke von der
südlichen Halle.
A. Der Theil der Platten, der auf den Bal-
ken ruhte und nicht glatt gearbeitet war.
Fig. II. Durchschnitt durch die Felder der Decke.
{"ig. 111. Eine Abtheilung der Felderdecke von der
nördlichen Halle.
Fiff. YV, Durchschnitt durch die Felder der Decke.
Fi«:. V. Die Felderdecke mit Einer Reihe von Fei-
dern, welche an die Scheidemauer stösst.
Die Felder sind Parallelo<;ramme.
Fig. VI. Die sternlörroiire Figur auf dem Grunde und
die auf die Glieder der Felder gemalten
VerzieruDiien. Aiii einigender Fragmente hat
sich die grüne Farbe noch sehr frisch erhalten.
Taf. XI.
Längendurchschnitt durch die Mitte des Gebäudes.
Die Ionischen Säulen haben 3. 4. 6 im Durch-
messer und ihre Höhe musste 32. 6 betragen haben,
wofern die Säulen der Hallen gleich hoch mit denen
an den Propyläen zu Athen waren. Die Basen sind
aus viereckigen. Blöcken herausgearbeitet, welche
durch den JMarmorboden durchlaufen und über den
aus weichem Stein bestehenden Unterbau gelegt sind,
welcher die ganze von dem Gebäude eingenomiaene
Grundiläche bedeckt. '
28 ZWEITES CAPITEL.
" Die Höhe der Thüre in der Quermauer haben
wir nach Vermuthung angegeben.
Die Architrave der ionischen Säulen bestehen aus
einzelnen Steinen, deren Fugen über der Mitte der
Säulen zusammenstossen. Ihre Sofitte ist breiter als
der untere Durchmesser der Säulen. Die Capitäle
springen ungewöhnlich weit hervor. Die Schäfte ver-
jüngen sich um mehr als ein Sechstheil ihres unteren
Durchmessers.
Man sieht auf dieser Tafel auch den Durchschnitt
des mittleren zum Giebelfelde gehörigen Blocks. Der
Künstler, der die Figur auf demselben zu restauriren
unternahm, glaubte, es wenJe hier ein Krieger vor-
gestellt, und hielt dieKappe fälschlich für einen Helm.
Taf. Xil.
Querdurchschnitt durch die nördliche Halle.
Die Höhe der Thüren ist nach Vermuthung an-
gegeben.
Taf. XIII.
Querdurchschnitt durch die südliche Halle»
Taf. XIV.
Die Ordnung der inneren Säulen,
A. Der Marmorboden der Halle.
B. Der viereckige Block, aus welchem die Base ge-
arbeitet ist.
C. Durchschnitt durch einen Balken der Decke in der
nördlichen Halle.
D. Durchschnitt durch ein Feld der Decke.
Taf. XV.
Einzelne ausgeführte Theile der inneren Ordnung.
Fig. 1. Profil des Capitäls und Durchschnitt durch
den Architrav.
Fig. n. Grundriss des Capitäls; die eine Hälfte ist
unter dem Stabe (astragal), die andere über
dem Säulendeckel (abacus) aufgenommen.
ZWEITES CAPITEL. 29
a. a. Pflocklöcherin dem Säulendeckel, vier
Zoll weit ins Gevierte, drei und einen
halben Zoll tief,
b. Ein vier Zoll tiefes Loch, das unten
weiter ist als an der Oberseile des De-
ckels, in das man einen Hebel oder
ein anderes Werkzeug steckte, um das
Capital auf seine Stelle zu erheben,
c. c. Enge Kinnen, durch welche Blei in
die Pflocklöcher gegossen wurde, wann
die Architrave aufgesetzt waren.
Fig. Jli. Durchschnitt durch das Capital, vermittelstei-
nerEbene, die von vornen durch die Mitte ging,
Fiff. IV. Durchschnitt desselben, vermittelst einer
Ebene, welche die Mitte der Seite durch-
schnitt.
Fig. V. Der obere Pfuhl (torus) und die Einziehung
(scotia) der Base, ein Viertel so gross als in
der Wirklichkeit.
Taf: XVI.
Einzelne ausgeführte Theile von den Capitälen der inneren
Ordnung.
Fig. 1. Umriss der Schnecke, ein Viertel so gross
als in der Wirklichkeit.
Fig. II. Vertical- Durchschnitt durch die Schnecke.
Fig. III. Horizontal- Durchschnitt durch dieselbe.
Fig. IV. Vertical Durchschnitt durch die Mitte des
Capiläls.
Fig. V. Durchschnitt durch die baltei oder Bänder
auf der Seite der Schnecke.
Fig. VI. Durchschnitt durch eine Cannelirung der
Siiiilen.
Fiff. VII. Durchschnitt durch das architravirte Sims-
werk an den Eingängen zu beiden Seiten von
dem mittleren.
30 DRITTES CAPITEL.
Pig. Vni. Durchschnitt des architravirten Simswerk«
an dem mittleren Eingange.
Fig. IX. Durchschnitt durch das architravirte Sims-
•vrerkan den kleineren Thüren, der das Knie
zeigt.
Drittes Capitel.
Die innere Eingangshalle,
Unter allen Gebäuden in Eleusishal die Pforte, welche
zu dem inneren Hofe des grossen Tempels führte, die
meiste Eigenthümlichkeit. DerFussboden dieses Ge-
bäudes hat sich noch fast vollkommen erhalten. Ein
Theil desselben war eine abhängige Ebejie und hatte
Rinnen oder Gleisse, die von Rollen oder Rädern
stark ausgefahren sind; wesswegen die von der Ge-
sellschaftausgesandten Künstler vermutheten, es müsse
hier ursprünglich noch eine zweite Ausfahrt in den
äusseren Tempfelhof für Wagen gewesen sein; die
Spuren dieser Räder glaubten sie in dem Fussboden
dieses Gebäudes entdeckt zu haben.
Dieser Vermutliung stehen indessen zwei Ein-
w^ürfe entgegen , von welchen der eine nicht leicht
beseitigt werden wird. Fürs Erste konnte man keine
Spuren eines weiteren Einganges entdecken und zwei-
tens ist der gleichliegende Fussboden nebst den zwei
Stufen vordem Gebäude vollkommen glatt und nur
der Theil des Fussbodens von den Säulen bis zu den
Thorpfosten, der sich von dem Thorweg gegen den
ebenen Fussboden absenkt, hatte Rinnen qnd war
durch die Bewegung der Räder ausgefahren ; woraus
denn hervorgeht, dass die Maschine, deren Lauf
durch die Spur der Räder bezeichnet wird, eine be-
DRITTES CAPITEL. 31
schränkte Bahn über die dafür eingerichtete Grund-
fläche hatte.
Erwägen wir die Beschaffenheit der Eleusinischen
Mysterien, so wie dieselben von alten Schriftstellern
geschildert werden, und die Unschuldsproben (or-
deals), denen sich die Einzuweihenden unterwerfen
mussten, so sind wir berechtigt, hier bei dem Eintritt
in den heiligeren Baum eine von den Schreckenser-
scheinungen zu erwarten, die man den nach den Ge-
heimlehren Verlangenden entgegen treten zu lassen
pfliegte.
Die Beschreibung der Ceremonien bei der Ein-
weihung in das Heiligthum der Isis in Aegypten,
welche den in Eleusis gebräuchlichen zum Vorbild
gedient haben, (*) kann uns, wiewohl in einem Werke
der Dichtung enthalten, doch, weil sie sich auf alte
Zeugnisse stützt, eine Idee von den letzten Prüfungen
geben, denen die Einzuweihenden unterworfen wa-
ren, und zugleich ein Licht auf die merkwürdigen
Eigenthümlichkeiten des Gebäudes w^erfen, das wir
jetzt betrachten. Der folgende Auszug aus dem er-
wähnten Werke schildert die Mittel, durch welche
die Priester die Seelen der Mysten mit Schrecken zu
erfüllen suchten:
»Au-dela de ce fleuve, j'apercus, sous une arcade,
des marches qui se perdoient dansles tenebres, et de
chaque cot^ deux ballustrades de fer qui les accom-
pagnoient. Je vis bien que c'etoit lechemin qu'il me
(l) ,,Les niysteres de Ceres, suivant Lactaiicc , soiit pn-sfjiio
sciubhihlcs ä ccuix d'Isis ; la CtTcs attique est la m^me divinitc
qiic risis i'ji;yptirnnc (Hcroclot. II, 59) et celtc dcrnicrc ötoit la
sciile cn Ki,M|>tc fjiic, du tcins d'IIcrodoto , ciü eu des inystcres.
C'i'st doiic de; cos iiiysItTCS «l'Isis qiic Ton doit dödiiirc <'n partic
cciix de Ceres," Essai sur les INIysteres d'F.Iciisis, p. 9. — (Ueber
die Isis-Ceres handelt ausfidirlich Crcu/er in der Symbolik Tbl. IV.
p. 226. 458. u. a. a. O. W.)
32 DRITTES CAPITEL.
falloit prendre. De crainte que la lumiere afFoiblie
du bücher ne cessät de m'eclairer, je rallumai raa
larnpe, que la rarefaction de l'air avoit eteinte, au
millieu des flammes. Je me depouillai de mes habits,
que j'attachai sur raa tete avec ma ceinture, et je tra-
versai la riviere ä la nage, tenant toujours ma lampe
ä lamain. Promptement rhabille, je inontai les raar-
ches de l'arcade et rae trouvai sur un palier de six
pieds de long et de trois de large. Le plancher eloit
mobile; les murs d'airain servoient d'appui aux mo-
Yeux de deux arandes roues de meme matiere, l'une
a droite , l'autre ä gauche. La partie superieure de
ces roues etoit chargee de grosses chaines. Je voyois
sur ma tele trois grandes concavites, tenebreuses, et
devant moi, une porte couverle de l'ivoire le plus
blanc; j'essayai plusieurs fois de l'ouvrir, mais vai-
nement; j'elois fort ernbarass^.
Enfin, j'aper^ois au haut de la porte deux anneaux
tres brillans. J'y porte les mains pour voir si, en les
tirant, la porte s'ouvriroit; c'eloit Ja derniere epreuve,
mais la plus terrible. Au premier mouvement des
anneaux, les roues tournerent avecun bruit lerrible;
je croyois entendre les mugissemens des enfers, ou
le Iracas des raondesqui s'ecrouloient. Frappe de ter-
reur, je demeure immobile et glace; bienlot je me
sens vivement secou^ par des oscillations du plancher
qui s'elevoit, et un vent impetueux occasione par la
rapidite du mouvement des roues. Je rappelle toute
ma fermete; je m'altache forternent aux anneaux. Le
bruit eloit toujours plus horrible. Je craignois que
tout cet edifice dissous ne m'ecrasät sous ses ruines.
Enfin peu a peu le bruit s'appaisa : jesentis que je des-
cendois; et lorsque la porte (') eut repris sa premiere
(2) Soll es hier nicht heissen : der Fussboden te plancher ?
Denn von einer Bewegung der Thüren war früher noch nicht die Rede.
DRITTES CAPITEL. 33
Position, les deux battans s'ouvrirent, et me decou-
vrirent un lieu eclair^ d'une immense quantile des
lumieres.
J'y arrivai au leverdu soleil; j'appercus le boeuf
yipis Atrayers les barreaux de son etable, et je re-
connus avec surprise que je sortois de dessous le pie-
destaldela triple statue d'Osiris, d'Isis et d'Horus.t (')
Das Gebäude, von dem wir handeln, war eine
nach vornen geölFnete Vestibüle; es steht um zwei
Stufen höher, als die Grundfläche des äusseren Flof es
ist, und hat einen Fussboden aus grossen ölarmor-
blöcken, der vollkommen glatt gearbeitet und sieht-
barlich wenig abgenutzt war.
In der Ouermauer war der Zusranjj zu dem inne-
ren Tempelhof durch ein etwas vorgerücktes von zwei
Korinthischen Säulen und ihrem Gebälk gebildetes
Portal. In dem Raum zwischen dem Portal und dem
eigentlichen Eingangsthor ist der Fussboden eine ge-
neigte Ebene, in welche Kinnen von bedeutender
Tiefe gearbeitet sind. Jenseits des Thors im Inneren
liegt der Fussboden wiederum gleich und auf je-
der Seite des Eingangs sind zwei lange Fussgestelle,
welche an die Ouermauer anstossen.
Die Thorllügel musslen sehr massiv und gewich-
tig gewesen sein. Die Löcher für die Zapfen, in wel-
chen sie sich drehten, und die ausgehöhlten Zirkel-
stücke, in denen sich die Rollen bewegten, lassen
uns auf ein bedeutendes Gewicht schliessen. Die
Bruchstücke einer Thür- oderFenster-Ploste, kleiner
(3) Voyagc d'Antcnor, Vol. III. Cap. 11.
Wir habon die Quelle nicht entdecken können, aus der
diese F.rzaldung geschöpft ist. Wahrschcinlicii ist sie airs Schrif-
ten katholischer Priester entnommen, welche häufig Gelegenheit
nahmen, die ungereimten heidnischen Gebräuche zu beschreiben
und lächerlich zu machen.
Att Alt. 3
34 DRITTES CAPITEL.
als die an der mittleren Oeflnung, beweisen, dass in
der Mauer auf jeder Seite des Portals eine Thür oder
ein Fenster gewesen. Da. aber in dem Fussboden
keine Spuren von Thüren zu finden sind, die Marmor-
blöcke aber unten an der Stelle, wo die Oeftnungen,
wenn dergleichen da waren, gewesen sein mussten,
allem Anschein nach die Plinthe oder den Fuss \on
darüber errichteten Mauern bildeten, so ist es mehr
als wahrscheinlich , dass die Oelfnungen in der Höhe
des Gebäudes gewesen sind.
Die Maschinerie eines beweglichen Fussbodens,
wie er in dem oben mitgetheilten Auszüge beschrie-
ben wird, konnte vermittelst Rollen ausgeführt worden
sein, welche in den Rinnen des Fussbodens hinliefen,'
denn bei dem Hin- und Zurückstehen auf der abhän-
gigen Ebene musste man nothwendig zu sinken und
zu steigen glauben.
Innerhalb des Thorwegs hat sich zubeiden Seiten
noch eine kleine Rinne oder Grube erhalten, ähnlich
den bereits erwähnten ; eben so sind in dem Fussbo-
den zwei Vertiefungen , wie kleine Tröge, ungefähr
fünf Zoll tief und sehr sorgfältig ausgearbeitet, aber
nicht von gleicher Länge. Die Rinnen erstrecken
sich ungefähr drei Fuss von der inneren Fronte der
Vestibüle; sie sind an der Ecke der Stufe vier Zoll
tief; diese Tiefe behalten sie zwei Fuss lang und he-
ben sich alsdann allmählig zur Höhe des Fussbodens.
Man irrt wohl nicht, wenn man annimmt, dass sie für
die Bewegung irgend einer Maschinerie angelegt wa-
ren, die auf beiden Seiten als Gegengewichte des
gleitenden Rodens beim Eintritt ihre Wirkung thun
musste.
Bei der ersten Lage des beweglichen Bodens moch-
ten die Gejrensfewichte mit der Ouermauer in Beruh-
rung gestanden haben; er rückte wahrscheinlich vor,
wenn diese nach innen nach der Vorderseite der Stufen
DRITTES CAPITEL.' 35
angezogen wurden, nnd wenn daselbst die Rollen der
Gegengewichte in die für sie eingerichteten Vertiefun-
gen gefallen waren, mochte der auf der abhängigen
Ebene bewegliche Boden verhindert worden sein
zurückzugehen.
Damit die Rollen in dieVertiefungen sinken konn-
ten, musste sich natürlich auch das Rad fast zu der-
selben Zeit herablassen ; die abhängige Rinne nahm
es auf, ehe die Rollen ihren Ruhepunct erreichten.
Der Zweck der eine Zeit lang nur in den Rinnen sich
bewegenden Räderscheint der gewesen zu sein, den
Gegengewichten die gehörige Richtung bei ihrer er-
sten Bewegung nach der Quermauer zu geben und
jene Artvon Aufenthalt zu vermeiden, der sich zu-
w^eilen beim Zurückschieben einer Schublade ergibt.
Sobald die Rollen durch irgend einen kleinen Kraft-
aufwand von innen das Hinderniss überwunden hat-
ten , welches die Rinnen ihrer Bewegung machten,
so sank wohl der bewegliche Boden wegen des Drucks
seiner Schwere herab und die Gegengewichte an der
Quermauer erhoben sich.
Die Maschinerie dieses täuschenden Zug-Bodens
(stage-trick) w^ar wohl sehr einfach, und scheint an
den Quermauern befestigt gewesen zu sein , da wir
hier Zurüstungen zu einem Mauerwerk finden , an
welchem sie herabgehangen haben mag. Acht Pflock-
löcher von ganz ungewöhnlicher Grösse und zwar
vier auf jeder Seite sieht man noch in den Marmor-
blöcken , w;elche sich hier über die allgemeine Höhe
des Fussbodens erheben.
Mit den kleineren Mysterien, welche zu Athen (*)
an den Ufern des llissus gefeiert wurden, waren wohl
(4) ,,Zu Jgra oder Ji^vae, einem Orte in Auika , am llissus,
zwei bis drei Stadien von Athen." Creuzer in dcrSyoiboIik. Bd. IV.
S. 498. ' W.
3^
36 DRITTES CAPITEL.
geringere Prüfungen verbunden; dem letzten und
feierlichsten Theil der Probe musste man sich hierin
Eleusis unterziehen. Das Volk, das durch die Vor-
bereitungsfeier durchgeführt war, wurde wahrschein-
lich in den äusseren Tempelhof zugelassen und sodann
einzeln durch das mystische Portal in den inneren
Hof geleitet. Wenn alle Aspiranten die letzte Probe
bestanden hatten, öffneten sich die Thore des Tem-
pels und die 31ysterien wurden ihnen mittelst alle-
gorischer Vorstellungen oder, wie Andre vermuthe-
ten, durch transparente Gemälde enthüllt. (^)
Bei den Nachgrabungen innerhalb des Raums,
auf dem die Eingangshalle stand, hat manTheile von
mehreren Ionischen Säulen samrat ihren Capitälen
aufgefunden. Sie mochten wohl auf einer Art von
Zocke (podium, Grundstein) längs der inneren Seite
der Mauer und nicht weit vor ihr gestanden haben,
denn die Capitäle sind auf einer Seite glatt und die
Architrave ermangeln des cymatium an einer ihrer
Seiten.
Das Bruchstück (die halbe Länge) der kolossalen
Statue der Ceres , das von Dr. Edward Clarhe (im Jahr '
1802) nach England gebracht und in der öifenllichen
Bibliothek zu Cambridge niedergelegt worden ist,
fand man nahe bei der inneren Vorderseite dieses
Gebäudes. (®)
(5) Herr Christie hat auf S. 28 ff. seiner geistreichen und ge-
lehrten Beleuchtung der Geniülde auf alten Vasen eine anspre-
chende ISleinung über die Beschaffenheit der Darstellungen aufge-
stellt, die man bei der Feier der Elcusinischen Mysterien gab.
(6) Dodwell erzahlt in seiner Beise durch Griechenland (bei
Sictlcr Bd. II. Abth. I. S. 40), wie die jetzigen Bewohner von
Eleusis über den Verlust dieser Statue jammern , weil der Segen
von ihren Aeckern mit der Bildsaule verschwunden sei; und Kruse
in der Hellas Thl. II. S. 199. criuQcrt hier sehr passend an die
DRITTES CAPITEL. 37
Taf. I.
Grundriss der Eingangshalle.
A. Der gleich liegende Marmorboden ; er erstreckte
sich von den Stufen bis zu der Linie, an welcher
diezwei Säulen vor dem mittleren Eingang stan-
den , und war fortgesetzt längs der Seilen des
Portals bis zu der Linie der sich umbiegenden
Stufe n.
ß. Der abhängige Fussboden, der sich von der Vor-
derseite der Säulen gegen den Eingang hin er-
hebt, wo er sechszehn Zoll höher als der gleich
liesrende Fussboden ist. Die in ihn einjjearbei-
teten Kinnen oder Gleisse sind durch die Bewe-
gung der Räder oder Rollen stark ausgefahren.
C. C. Die Löcher für die Zapfen der grossen Thor-
Hügel.
D.D. Viertelkreisförmige Vertiefungen oder vertiefte
Quadranten in dem Fussboden, oiFenbar für
die Rollen des Flügelthors.
E. Eine in dem Fussboden angebrachte Rinne, die
an der Ecke der Stufe zwei Zoll tief ist und
allniählig nach dem ebenen Theil des Rodens
A hin enger wird; über den Zweck derselben
hat man noch keine annehmbare IMeinung auf-
gestellt.
F. F. Tröge oder Vertiefungen in dem Fussboden,
fünf Zoll tief. Sie sind elliptisch ausgehauen;
die Arbeit an ihnen sehr sorgfältig.
G. G. Vier Zoll tiefe Rinnen, die in einer Entfernung
von zwei Fuss von der Ecke der Stufe sich
nach dem gleich liegenden Fussboden hin auf-
wärts neigen.
11.11. Eine Stufe oder ein Sitz, der sich zehn Zoll
Kl.i^'cn der Einvvohnor von Enna l)oi Wegfrihrung der Statue der
Ceres, von denen Cicero in Vcrr. IV, 51 redet, W.
38 DRITTES CAPITEL.
über den gleich liegenden Fussboden erhebt;
er war längs der Mauern fortgesetzt, so weit
man seiner Ausdehnung nachspüren konnte, und
lief auch an der Quermauer fort.
Fig. II. Oiierdurchschnitt durch das Gebäude in der
Richtung der Linie K. K.
111. Durchschnitt durch den Fussboden des inne-
ren Tempelhofs vor der inneren Fronte des
Gebäudes.
Taf. II.
Einzelheiten des Gebäudes.
Fig. I. Durchschnitt von Norden nach Süden durch
die Mitte des Fussbodens.
A. Der gleich liegende Marmorboden.
B. Der gesenkte Marrnorboden.
C. Ein Grundbau aus porösem Stein, der
sich über die ganze von der Eingangs-
halle eingenommenem Fläche erstreckt.
D. Der erhobene Sitz längs der Seiten-
jnauern.
Fig. II. Base und Theil des Schafts von den zwei
Säulen auf der Vorderseite des Portals.
Fig. III. Grundriss der Cannelirungen in der Höhe
und an der Base des Schafts.
Fig. IV. Durchschnitt der Flinlhen, genommen von
der Ecke, wo sie mit der Stufe, an der sie
sich erheben, zusammenstossen.
F'ig. V. Bruchstück des Kranzes von den Säulen des
Portals.
Fig. VI. Base eines der langen Fussgestelle jenseits
des Eingangs.
Taf. III.
Die Ionische Ordnung,
Die andere Seite der Capitäle war unvollendet;
weder die Schnecken, noch die Eiverzierung, noch
der Lotus waren ausg^emeisselt. Eine Seite des Ar-
DRITTES CAPITEL. 39
chitravs war ebenfalls noch glatt. Die Hinterseite
des cymalium des Kranzes war ausgehöhlt, um eine
Dachrinne zu bilden, und die Löwenköpfe auf der
Vorderseite hatten eine durchgehende üelFnung.
Nehmen wir an, dass die Ionischen Säulen ur-
sprünglich längs der inneren Seite der Mauer standen
und der herumlaufende Architrav einen rechten Win-
kel machte, wie er innerhalb der Tempelgrund-
fläche gefunden worden, so rechtfertigt sich die
Vermuthung, dass sie bedeutend hoch über den
gleich liegenden Fnssboden gestellt waren, indem
sie sonst von den Säulen des Portals, die einen grös-
seren Durchmesset hatten und zu einer Ordnung der
Architektur gehörten, die verhältnissmässig eine
grössere Höhe zulässt, zu sehr übertrolFen und ver-
dunkelt worden waren.
Taf. IV.
Einzelne ausgejiihrte Theilc der Ordnung.
Fig. I. Seite des Capitäls und Durchschnitt durch
den Architrav.
Fig. 11. Durchsclinitt durch die Mitte des Capitäls
vermittelst einer mit der Oberfläche (Aus-
senseite) parallel laufenden Ebene.
Fig. Hl. Durchschnitt durch die Mitte vermittelst einer
vertical durch das Capital gehenden Ebene.
Fiff. IV. Grundriss des Säulenschafts unter den Sehne-
cken.
Fig. V. Umriss der Schnecke.
Fig. VI. Durchschnitt durch die oberen Glieder des
Kranzes.
Taf. V.
Ordnung der Anten.
Fig. I. Base und Capital der Anten, soweit sie sich
reslauriren liessen.
Fig. II, Grundriss der oberen Fluche des Säulende
ckels oder abacus.
40 DRITTES CAPITEL.
Fig. III. Profil des Säulendeckels.
Fig. IV. Der Ring oder Stab (astragal) des Schafts in
grösserem Massstabe.
Taf. VI.
Capital der Anten in grösserem Massstabe.
Taf. VII.
Seitenansicht des in grösserem Massstabe gegebenen
Antencapitäls,
Taf. VIII.
Einzelne ausgeführte Theile des Gebäudes,
Fig. I. Felder der Decke, von welcher man sehr
yiele Bruchstücke entdeckt hat. Die stern-
förmige Figur in der Mitte der einzelnen
Felder war früher wahrscheinlich bemalt;
jetzt haben sich nur noch die in den Marmor
eingehauenen Umrisse erhalten.
Fig. II. Durchschnitt durch die Felder der Decke.
Fio. III. IV. Durchschnitt durch die Marmorbalken
o
der Decke; diese gehörten wahrscheinlich
zum Portal.
Fig. V. Grundriss der Pfosten des Thors.
Fig. VI. Grundriss der Pfosten an den kleineren OefF-
nungen in der Quermauer, zur Rechten und
Linken des Thors.
Fig. VII. Durchschnitt durch den Fries und Kranz (hy-
perthyrum) der kleineren Oeffnungen.
Fig. VIII. Durchschnitt durch den Fries und Kranz
der grossen Eingangsthür.
VIERTES CAPITEL. 41
Viertes Capitel.
Der Tempel der Ceres.
Wir bedürfen keinen strengeren Beweis für die
ausserordentliche Gottesfurcht der Athener, als den,
welchen uns die zahllosen Tempel geben, die das
enge Gebiet dieses interessanten Volks verschöner-
ten. Wir können jedoch dem Cultus einer Religion,
welche auf kindischen mit der Mythologie verknüpf-
ten Fabeln beruhte, keineswegs eine dauernde Ein-
wirkung auf die Sitten eines Volks zuschreiben, das
bis auf eine verhältnissmässig späte Periode herab in
seinen religiösen und bürgerlichen Instituten so aus-
gezeichnet war. Dem gemäss finden wir, dass die
Kleusinischen Mysterien , der Athener heiligste Re-
ligionsteier, zum Zweck-halten, ihren Eingeweihten
die Irrthümer des Volksglaubens zu enthüllen und
die erhabensten Lehren der Sittlichkeit und Fröm-
migkeit eindringlich zu machen. (*)
Den Ursprung dieser Religionsgebräuche kann
man bis in das Land verfolgen, aus welchem die
(1) Ucbcr den Ursprung der Religion der Demeter- Perseplione
aus Asien und Ae typten , ihre Wanderung über Kreta, ilire Aus-
bildung in Argosj Dodona und im übrigen Griechenland, ihre
gänzliche A'^ollendung unter den Athenern , über den hohen Ein-
fluss der Eleusinischen Mysterien auf die geistige Cultur der Hel-
lenen, iibcr die Feier, Verfassung und Geschichte der Eleusinien,
über den Inhalt der Gchciralchrc und die vcrschicdncn Bcurthei-
luDgen derselben verweise ich instar omnium auf den vierten Theil
von Creiizer's Symbolik , aus welchem tiefgclehrtcn geistreichen
Werke ich gelegentlich Winke und Berichtigungen zu geben mir
erlauben will. W.
42 VIERTES CAPITEL.
Griechen auch ihre Kenntniss des Ackerbaus und
ihre ersten Begriffe von Künsten und Wissenschaften
herleiten. (*) Bei den Aegyptern scheint die gesetz-
gebende Gewalt seit sehr frühen Zeiten mancherlei
Mittel ersonnen zu haben, um das Volk in den Schran-
ken der für jede Staatsgesellschaft so nöthigen Unter-
würfigkeit zu halten. Durch ihre Götterlehre allen
Gefahren ausgesetzt, die aus dem Mangel eines mora-
lischen laea entstehen, und durch die verderbte
Handlungsweise , welche die Sage den Wesen bei-
legte, die man sie zu verehren und zu fürchten lehrte,
geradezu ermuntert, ihren Leidenschaften freien Zü-
gel zu geben, bedurften sie irgend eine Verbindung,
welche die Menschen zur strengen Erfüllung der
Pflichten, auf deren Beobachtung der Staatsverein
beruhte, anzuhalten vermochte. Der Polytheismus,
als feine Massregel der Staatspolizei erfunden und
durch die Verschönerungen und Umdeutungen der
Dichter und Geschichtschreiber verderbt, schien,
statt die moralische Verpflichtung aufrecht zu erhal-
ten, den Umsturz derselben herbeizuführen, undfrüh-
zeitig fühlten die Lehrer und Bildner der Mensch-
heit, dass die Wesen, denen man alle menschlichen
Laster beilegen konnte, wenig geeignet wären, der
Gegenstand der Bewundrung und Verehrung eines
Volks zu sein. Die Ilierarchen, die zugleich Prie-
ster und Gesetzgeber waren, wurden so auf Unter-
suchungen über den Ursprung und den Grund ihrer
Mythologie geführt, und das Resultat derselben scheint
sie dahin gebracht zu haben, den Nebel, in welchen
die Religion bis dahin gehüllt war, zu zerstreuen.
Das Volk wurde nun gelehrt, dass seine Götter, zum
Himmel erhobene Sterbliche, als Wohlthäter des
(2) „Der Cultiis der Ceres ist mit den Saamenkörncrn gewan-
dert." Creuzer Synib. IV. S. 173. W.
VIERTES CAPITEL. 43
Menschengeschlechts von ihren dankbaren Nachkom-
men für heilig erklärt worden seien, darum aber
auch wie Menschen den Neigungen und Lastern unter-
worfen wären, die ihrer ursprünglichen Natur an-
hingen, üiess war der erste Schritt, um die Ver-
blendung wegzuheben, welche den Blick des Volks
hinderte, die glänzenden Wahrheiten zu schauen,
welche späterhin die Mysterien den Eingeweihten
eindringlich zu machen suchten. (')
Da der Hauptzweck des Instituts kein andrer war,
als Liebe zur Tugend und zur Ausübung: derselben
in die Herzen der Menschen zu pflanzen, (*) so könnte
es scheinen, dass es sowohl für die Reinheit der Leh-
ren, als auch für das Interesse der Staatsgesellschaft
wünschenswerth gewesen wäre, die heiligen Wahr-
heiten, durch w^elche jene beiden Eigenschaften be-
fördert Averden sollten, allgemein zu verbreiten, sie
als Geheimniss aufhören zu lassen und ihnen alljre-
meine OelFenllichkeit zugeben. Allein die plötzliche
Annahme eines neuen Glaubens konnte man von einem
ganzen Volk nicht erwarten, und die sicherste Art,
Bekenner zu gewinnen, war unstreitig die, solche
Leute an den Mysterien Theil nehmen zu lassen, de-
ren Erziehung sie über die gewöhnlichen Vorurtheile
hinausgesetzt hatte. Auch hat die Erfahrung gelehrt,
dass die Menschen am eifrigsten das zu ergreifen
(3) I5ci dein Nic<l«rschreiben dieser Betrachtungen scheint un-
ser Verfasser die Griechische Archäologie von Potter und beson-
ders die Anmcrkun;,' des Deutschen Ucbcrsctztrs ßambach (Tlil. I.
S. 834 ff.) vor Augen gehabt zu haben. "W.
(4) Aus der grossen Zahl der ehrenhaftesten Zcngnisse vtr-
dicneu besonders die von Isokrates (Panegyr. c. 6.) und Cich'o
(ile Legg. II , 14. und in Vcrr. L. V. c 72. u. a.) verglichen zu
werden. W.
44 VIERTES CAPITEL.
Streben, was ihnen wirklich oder scheinbar vorent-
halten wird. (*)
In kleineren Staaten jedoch und bei geringerer
Volksmenge standen der Ausbreitung auch nur ge-
ringere Schwierigkeiten entgegen. So berichtet uns
z. B. Diodor von Sicilien, (^) dass in Kreta die Fest-
gebräuche dieser reformirten oder geläuterten Lehre
ganz ölientlich gefeiert w^orden seien.
In dem eigentlichen Griechenland mussten die
Eingeweihten feierlich die grösste Verschwiegenheit
angeloben, (^) und die Feier wurde unter dem Schleier
eines undurchdrins,lichen Geheimnisses vollendet.
Hierdurch wurde die Neugierde erregt, und die Folge
der streng beobachteten Verschwiegenheit war eine
Sehnsucht nach der Einweihung. Diese selbst ge-
schah in der Dunkelheit und feierlichen Stille der
Nacht, um die heiligen Gebräuche noch ehrfurcht-
gebietender und eindrucksvoller zu machen. (^)
Die Feier der grösseren Bfysterien fand alle fünf
Jahre zu Eleusis statt; es war aber eine Vorweihe in
den kleineren Mysterien, welche jährlich im IMonat
Anthesterion zu Athen (oder vielmehr Agrae) gefeiert
(5) Nitimur in vetitura semper cupiniusque negata. Ovid.
Amor. III, 4, 17. W.
(6) Lib. V.
(7) Wcsswogen Sokrates (wie man glaubt) sich nicht einweihen
Hess, ,,um in dem öffentlichen Vortrage dessen, was er als bessere
Gotteslehre anerkannte, durch die den Initiirten aufgelegte Ver-
schwiegenheit nicht gebunden zu sein, wenn diesen manches Achn-
liche niitgetheilt wurde." — Gegen den üebcrtrcter der Gesetze
der Mysterien war übrigens ,,ein ordentliches Rechtsverfahren or-
ganisirt und die Processe gegen Alklhiades und Dia^oras von
Melos sind in dieser Hinsicht sehr wichtig." Vgl. Creuzer Symb.
IV. S. 491 und 489. . W.
(8) Warburton , Diy. Leg. of Moses , II. scc. 4.
VIERTES CAPITEL. 45
wurden, unumgänglich nöthig. (®) Alle Aspiranten
versammelten sich an den Ufern des Ilissus und
wurden nach mancherlei Reinigungsgebräuchen und
Opfern in das Eleusinion oder den heiligen Bezirk ein-
gelassen. ('") Nothwendig musste wenigstens ein Jahr
zwischen der Einweihung zu Athen und der Theil-
nahme an der grösseren Feier zu Eleusis verflossen
sein, blatten die Mysten die geringeren Prüfungen
bestanden, so wurden sie (um als Epopten den höhe-
ren Grad der Weihe zu empfangen) in den heiligen
Kaum geführt, der den Tempel zu Eleusis umgab,
und hier waren alle Arten der Täuschungen zusara-
mengehäuft, (") um die Seele der Einzuweihenden
mit Schrecken zu erfüllen; es wurden sogar medici-
nische Arzneimittel vertheilt, deren Wirkungen die
Schrecknisse vermehrten, welche die mystischen Er-
scheinungen hervorbringen sollten. Aristides (**) be-
schreibt den Act der Einweihung in die Mysterien
als die schrecklichste und doch zugleich bezaubernste
Vorstellung.
üie folgenden Stellen, die das mit den Mysterien
verbundne Ceremoniel beschreiben, haben wir aus
(0) Unsere Gelehrten sind jetzt grösstenthcils darüber einig,
tlass anch die grösseren Elcusinien jährlich gefeiert wurden. ,,Der
Attisrlic Aiithcsterion ontspiicht so ziendich unserem Februar, der
BoeJrominn aber dem September.^'' Bei dem Veriali des Staats
wurde id)ri^MMis z. B. bei Demetrius Poliork. aus Menschcnfurcht
die Festperiode verrückt. Ueber die Zeit, die zwiscbcn der Ein-
weihung in beiden Mysterien verlaufen musste, herrschen noch
verschiidiie IMciuungcn. Vgl. Crcuzer Symb. IV. 493 und 525.
W.
(10) \ gl. Chandlcr's Reisen in Gricchenl. in der Deutschc^i
r.'hcrs. Ep/g. 1777. S. 117. W.
(11) rroclus in Plat. Theolog. III. 18.
(12) EIcus.
46 - VIERTES CAFITEL.
ChandUr (") entnommen, welcher die auf die grössere
Feier bezüglichen Zeugnisse und Stellen gesammelt
und ausgezogen hat.
»Das Weihefest begann am fünfzehnten des Mo-
nats Boedromion und endete am dreiundzwanzi<rsten.
Die Hauptfeier war Nachts und an den Tempel und
seine Umgebung gebunden. Die Mysten warteten
aussen voll Ungeduld und Furcht. Man vernahm Klase-
töne und seltsames Geräusch. Es donnerte. Zuckende
Licht- und Feuerstrahlen machten die darauf fol-
gende tiefe Finsterniss noch furchtbarer. Sie litten
Schläge, ohne die Hand des Schlagenden zu gewah-
ren; sie erblickten schaudervolle Erscheinungen, Un-
geheuer, Phantome in Hundsgestalten; sie wurden
mit Schrecken erfüllt, betäubt und unfähig sich zu
regen. Plötzlich verwandelte sich die Scene in eine
liebliche, glänzende. Die Propyläen oder Eingangs-
hallen des Tempels öffneten sich, die Vorhänge wur-
den weggezogen und die bisher verborgenen Gegen-
stände dem Auge entfallet. Der Hierophant (oder
Mystagog aus dem Geschlecht der EumolpidenJ und
Daduch (Fackelträger) führte sie ein und jener er-
klärte ihnen die Mysterien. Der Glanz der Beleuch-
tung, die Pracht des Tempels und seiner Bilder, die
Gesänge und Tänze, welche die Vorstellung ver-
schönerten, alles diess trug mit dazu bei, die Gemü-
ther nach ihrer früheren Erschütterunjj zu beruhigen
und den staunenden von Andacht erfüllten Jünaer
sanft zu stimmen und in seinem Inneren zu erfreuen.
Nach dieser Anschauung oder, wie sie es hiessen,
Autopsia gingen sie zurück und andre traten vor.
Die folgenden Tage wurden mit Opfern, glanzvol-
len Aufzügen und Schauspielen hingebracht, denen
die Eingeweihten mit Myrthenkränzen geschmückt
(13) Travels in Giccce , c. XI.
VIERTES CAPITEL. 47
beiwohnten. Am dreiundzwanzigsten wurden zwei
Vasen gefüllt und gen Osten und Westen gestellt.
Es wurden einige mystische Worte gesprochen, die
Vasen umgestürzt und die Festlichkeiten waren zu
Ende. (»*)
Die Geschichte der Ceres und Proserpina war
eben so wie die Gründung der Eleusinischen Myste-
rien zum Theil an die Gegend von Eleusis geknüpft.
Sie wurde sowohl mündlich überliefert, als allego-
risch dargestellt. Proserpina sammelte gerade Blu-
men , als sie von Neptun geraubt wurde. Daher der
Aufzug mit dem heiligen Korbe (xaA.a^os), der auf
einen von Stieren gezogenen Wagen gestellt war und
welchem ein Zug von Frauen folgte, von denen
einige unter dem Freudengeschrei: Heil, Ceres! die
mystischen Kästchen trugen. Zur Nachtzeit wurde
ein Zug mit angezündeten Fackeln angestellt, wie-
derum zur Erinnerung an die Göttin, die ihre Toch-
ter suchte. (**) Ein Mass Gerste, der Getreideart,
welche die Göttin gegeben haben sollte, war der
Preis des Siegers bei den gymnisehen Spielen, und
was bei dem Tempel vorging, hatte Bezug auf die
heilige Mythe. Eine Kenntniss dieser Dinge und
üertlichkeiten,die dem Profanen vorenthalten wurde,
war der Gewinn der Einweihung, und die fein erson-
nene Art, wie diese geschah, war dem herrschenden
Aberglauben ganz gemäss. Die angewandten Mittel
waren mächtig und ihre Wirkung stand im Verhait-
niss. Das Priesterlhum blühte, während die Gottes-
(14) Noch mehr ausgoQialt ist die liesehreihimi,' (Um- Einwci-
hiini; in der Foja^e du Jeune Jnacharsis (F.d. Deiix-Ponts. Tom.
VI. p. 160 s.). W.
(15) — — acccndit geminas pro lanipade pimis.
Iliuc Cercris sacris nunc qiioqiie tacda datur.
Ovid. Fast. IV. W.
48 VIERTES CAPITEL.
furcht zunahm. Die Mittel zum Zweck waren ver-
derbt, aber der Zweck selbst nicht böse. Sie bewirk-
ten grössere Reinheit der Sitten, Achtung der Ge-
sellschaitspllichten und ein Verlangen, sich in allem
auszuzeichnen, was für Tugend galt, wie z. B. durch
Verschwiegenheit.!
Lange vor der gänzlichen Aufhebung der Eleu-
sinischen Festgebräuche {^^) wurde den Mysterien,
sowohl den Lehren als den sie begleitenden Feier-
lichkeiten, das Gewand der Heimlichkeit entzogen,
in das sie in alter Zeit gehüllt waren, und so haben
wir auch von den Schriftstellern jener Zeit einige
Nachricht von dem Terapelgebäude erhalten. Aber
die nachfoljrenden Verwüstuniien durch y4larich schei-
nen alle weitere Enthüllung des nun schon theilweise
verletzten Geheimnisses unmöglich gemacht zu ha-
ben, indem nun die Tempelfläche unter ihre eignen
gewichtigen Ruinen begraben wurde. Noch mehr
wurde das Heiligthum der Vergessenheit übergeben
durch das Verfahren der neueren Bewohner von
Eleusis, deren elende Wohnungen sich über den ehe-
mals von der heiligen Ringmauer umschlossenen
Tempelraum hinziehen. Die Stelle, auf welcher der
Tempel stand, konnte man demungeachtet an den
massiven Blöcken erkennen, welche die Eleusinier
bei ihren Bauten nicht zu benutzen vermochten und
deren man unter dem angehäuften Schutte noch hun-
derte entdecken kann.
Die Reisenden, die es für die Gesellschaft der
Dilettanti übernahmen, das Festland von Kleinasien
und einen Theil von Griechenland zu untersuchen,
(16) Die Stiftung der Eleusinien fallt nach wahrscheinlicher
Annahme in die Zeit um das Jahr 1400 vor Chr.; geschlossen
wurden sie im J. 381 nach Chr. durch ein Edict des Kaisers Theo
dosius des Aelteren, Vgl. Crcuzer Symb. IV. 480 und 509. W.
VIERTES CAPITEL. 49
waren die Ersten, welche sich bemühten, die Stelle
auszumitteln, worauf die heiligen Gebäude von Eleu-
sis errichtet waren; allein die Schwierigkeiten, die
sich ihnen in den Zeitumständen und in Zufülligkei-
ten entgegenstellten, waren beinahe uniibersteiglich.
Unter {jünstifferen Verhältnissen waren neuere Ab-
gesandte so glücklich, die verschiednen einzelnen
Theile ausführlich abbilden zu können, und diese
Arbeiten machen den Gegenstand der hierher gehö-
rigen Tafeln aus. (*'')
Nur das ohngefähr vier Fuss holie Bruchstück
einer Säule hat sich augenscheinlich auf seinem
alten Standort erhalten. Der Schutt halte sich so
angehäuft, dass er zwei Fuss hoch den Fussboden
der Halle bedeckte, in welcher die Säule stand. Von
da stieg er allmählig aufwärts nach der llinterseite
zu, wo Trümmer und Schult vierzehn Fuss hoch über
dem Boden lagen und so demselben seine ursprüng-
liche Form wiedergaben, die er gehabt hatte, ehe
man, um eine künstliche Ebene zur Grundfläche des
Tempels zu erhallen, die hervorragenden Theile ab-
getragen halte. Auf diesem abhängigen, aus den ge-
wichtigen Ruinen des Tempels entstandenen, Grunde
waren in neueren Zeilen mehrere Wohnungen errich-
tet worden, welche den zum V^erständniss des gan-
zen Plans nolhwendigen Nachforschungen gar hin-
derlich im Wege standen. Längs der Stufen auf der
Vorderseite des Tempels waren in einem Abstand
von ohngefähr zwanzig Fuss Hüllen in fortlaufender
Reihe erbaut. Diese hinderten jedoch die abgesand-
ten Künstler nicht an ihren Aus- und Nachgrabungen,
durch welche der beinahe vollkommen gut erhaltene
Fussboden nnd die deutlich bezeichnate Stellung von
zwölf Säulen sichtbar wurde , Avelche ehemals die
(17) Altcrthünicr von louicn , Tlil. II.
Att. Alt. 4
50 VIERTES CAPITEL.
Vorderseite dieses berühmten Tempels zierten. (•*)
Der Fussboden und die Aiissenseite der Mauern der
Zelle waren aus dem harten grauen Kalkstein, den
man in der Umgegend fand ; der Grundbau des gan-
zen Gebäudes bestand aus regelmässig zusammenge--
fügten Schichten eines porösen Steines.
Man zog einen Graben von der Vorderseite nach
der Hinterseite hin, um sich über die Tiefe der Vor-
halle zu unterrichten und zu erfahren, ob ehemals
im Inneren derselben eine Säulenreihe gestanden
habe. Aus dieser Ausgrabung ergab sich, dass der
Fussboden aus Platten von vier Fuss ins Gevierte zu-
sammengesetzt war, sich achtunddreissig Fuss weit
von der Vorderseite der oberen Stufe nach innen zu
erstreckte, daselbst in einer gerade fortlaufenden
Linie endigte und nirgends Spuren von inneren Säu-
len zeigt. An dieser fortlaufenden Linie nahm nach
wahrscheinlicher Vermuthung die Quermauer der
Zelle ihren Anfang.
Die massiven Blöcke, aus welchen die Trigly-
phen gebildet wurden, und welche nach der Hinter-
seite der Zelle zu gehäuft über einander lagen, wa-
ren abschreckende Hindernisse, die Entdeckungen
in diesem Theil des Gebäudes weiter zu verfolgen.
Es war jedoch von der Grundfläche ein hinlänglich
grosser Theil aufgeräumt worden , um den Fussbo-
den aus grauem Kalkstein sehen zu können, worauf
drei cylinderförmige Blöcke standen, die aus dem-
(18) Den Standort der Säulen, von denen sich mir wenige
Bruchstücke auf ihrer alten Stelle erhalten hatten, konnte man
nach den im Fussboden befindlichen Lüchern bestimmen, welche
für die den unteren Theil des Schafts mit dem Boden verbinden'
den Pflöcke oder Dobel gemacht waren. Man hat ausgcmittclt,
dass solche Pflocke selten bei ähnlichen Stellungen gebraucht wur-
den, wiewohl man sie bei den Verbindungen der einzelnen Säu-
lenstücke an ebendenselben Gebäuden fand.
VEERTES CAPITEL. 51
selben Materiale wie der Grundbau des Fussbodens
und mit Mörtel überkleidet waren.
Die Existenz dieses Bodens, dessen Grundfläche
beträchtlich tiefer lag als die der Vorhalle, scheint,
in Verbindung mit einigen andern bestärkenden Um-
ständen, zu beweisen, dass wir hier nicht an den
Fussboden der Zelle denken dürfen, sondern an den
einer Crypta, d. h. eines geheimen unterirdischen Ge-
wölbes oder Gemaches, welches für gewisse Zwecke
theatralischer Täuschung angelegt war, dergleichen
man bekanntlich gegen die, welche sich um die Weihe
bewarben, anwendete. (*^)
Es will uns hinsichtlich dieser Abtheilung be-
dünken, als ob der Fels nicht herab bis zum Fussbo-
den weggehauen worden sei, sondern sich über die
Linie der Rückmauer hinaus fortziehe. Dieser Mau-
gel der Vollendung würde aber gegen die übrige
Pracht und die Bedeutung des Tempels sehr abste-
chen, wenn wir diesen Boden für den Fussboden der
Zelle betrachten wollten. Auch war der Boden nicht
glatt gearbeitet, wie der der Vorhalle, wiewohl er
aus demselben Stein gehauen war, sondern rauh ge-
lassen von dem Meissel des Steinhauers.
Wir erfahren von Flutarch, dass in der Zelle
Säulen standen; allein die bereits erwähnten Cylin-
derblöcke scheinen fast nicht verjüngt zu sein ; sie
sind aus einem Stein, welcher allein bei Fundamen-
(19) Der Fussboilcn der Zelle liegt in Griechischen Tempeln
fast ohne Ausnahme höher, als der der Vorhalle, nie tiefer. Bei
einigen, z. B, zu Pästum und Jgvigent, muss man schon bedeutend
hinanstoigen , um zur Zelle zu gelangen. Der Parthenon ist das
einzige bekannte Beispiel davon , dass der Boden der Zelle mit
dem der Vorhalle und der Nachzelle gleiche Höhe hatte. (Unter-
irdische Kammern und Gewölbe entdeckte man auch unter einem
noch ziemlich erhaltenen Tempel der Ceres oder Isis zuAgrigent.
Vgl. Crcuzer Symbolik Bd. IV. S. 336. W.)
4^
52 VIERTES CAPITEL. "
ten und bei Mauern gebraucht wurde, die dem Auge
verborgen sind. Dagegen fand man innerhalb des
Tempelraums Bruchstücke von Säulen, die, gleich
denen in der Vorhalle , aus Marmor gehauen waren.
Nimmt man diese Umstände zusammen, so wird man
auf den Schluss geführt, dass der Fussboden der Zelle
ein Werk von höherer Vollendung gewesen und
mittelst irgend einer Vorrichtung über der Fläche
dieses Bodens gelegen habe.
Wenn wir der Versicherung des Vitruvius C°)
glauben können, so war der Eleusinische Tempel
zuerst von Ihtinos j dem Baumeister des Parthenon,
ohne äussere Säulen erbaut und erst später fügte
Philon unter Dernetrios Phalereus die Vorhalle hinzu. ('*)
Allein Vitruv's Nachrichten über Gebäude des Alter-
thums sind häufig ungenau ; auch kann man sich
nicht leicht denken, dass man da, Wo man sich nach
den Verhältnissen und der Grösse der bereits vorhand-
nen Theile richten musste, durch das Ansetzen einer
Vorhalle Ebenmass in allen Theilen des Gebäudes
habe erhalten können, wenn dieses Ansetzen nicht
ursprünglich im Plan lag.
Plutarch benachrichtigt uns ferner, dass der
Weihetempel zu Eleusis zu bauen angefangen wor-
den sei durch Koröbosj welcher bis zur Aufstellung
der unteren Säulen und ihrer Architrave vorserückt
sei, nach dessen Tode habe Metagenes von Xjpete die
Gallerien und oberen Säulen hinzugefügt und Xenokles
(20) Vorrede zu Buch VII, in welcher Stelle er auch ilen
Eleusinischen Tempel der Ceres zu den vier schönsten in Grie-
chenland und Klcinasien rechnet. W.
(21) Den älteren Weihelcmpel zu Eleusis sollen die Dorer und
später die Perser zerstört haben. Vgl. Creuzer, Symb. IV. 334 f.
Kruse, Hellas II. S. l93. W.
VIERTES CAPITEL. 53
nton Cholarge (-*) das Dach über der Felder decke des
Heiligthums gebaut. {^^)
Aus dieser Stelle des Plutarch ersehen wir, dass
(22) Xypctc und Cholarge sind Attische Ortschaften. W.
(23) To 3 iv JE).tvaXn TtlearjjQiov t^q^uto ftiv KoQoißoq olxodo-
fiiXv , y.ul Tovq fji iduqiovq y.lovaq i'&rjXtv ovjoq, xul rdiq iniarv).ioi^
initiv^iV uTiod-uvövToq M tovvov , JUeTuy^VTjq o Aundi:i.O(; to äui^ojpa
md Touq uvu) y.Covuq iniarfiaa' to 6 onuiov inl xov jIvuxto^ov At-
voy.}.)]!; o XoXuQytvq ixoQvqxoae. — Pericl. C. 13.
Zu dieser Stelle Plutarchs müssen wir bemerken, dass man
das Wort onuiov hier fälschlich durch jjFenster oder Oejffhung
im Dach^' hat erklären wollen. Es wi'irde aber lächerlich sein,
zu sagen: die OelTnung im Dach oder in der Decke wurde mit
einem Dach bedeckt; auch wäre das Ueberdccken einer solchen
OefTiiung kein bejucrkeuswerther Gegenstand. Es musste ein Werk
von grüssorem Verdienst sein, da Plutarch den Namen dessen, der
es ausgefiihrt, der Nachwelt überliefern zu müssen glaubte. Wahr-
scheinlich bezeichnet o:iaiov die vcrzicite Decke (lacunaria) über
dem llciligthum, die, älnilich wie die bereits bei den Propyläen be-
schriebene , durch kreuzweise gelegte Balken in Felder abgctheilt
war. Bei bedeckten Tempeln hing die verzierte Felderdecke mit den
Balken des Dachs durchaus nicht zusammen. Pausanias (V, 20, 2.)
crzäldt, dass die Elcer zur Zeit des Aristarchos , des Geschicht-
schrcibers von Olympia, als sie das Dach des Tempels des luppiter
ausl)esscrten, den Leichnam eines Kriegers zwischen der zur Zierde
erbauten Decke und der Decke, welche die Dachziegel trug, ge-
funden hätten {jdxuXv u[iq:ox^QO)V , tj;; te iq iVTiQ^ntiuv ar/yjj; xaJ
T^S uvf/ovar.<; tÖv y.^QUfiov'). Wir können annehmen, dass zum
Begriir des omtlov die intcrtignia gehörten , welche aus dem zur
Ynzieiung dienenden Felderwerk der sich in rechten Winkeln
kreuzenden Balken entstanden. Diese l'\'l(lerdecke nun überbaute
Xeuokles mit einem Dache, das mit Marmorziegeln gedeckt wurde,
und die Ansfüliruiig eines solclien Daches war allerdings ein Werk
von Bedeutung.
In der Odyssee (I, 320.) fliegt Atlicne als Vogel durch das
o;r(«oi', worunter der Scholiast den Rauchfang verstanden wissen
will. In den Zeilen des später lebenden Plutarch konnte das Wort
eine ausi;cdchntcrc Bedeutung haben.
54 VIERTES CAPITEL.
eine doppelte Reihe Säulen, eine über der andern, in
dem Tempel gestanden, und dem Baustyl der Griechen
gemäss wagen wir noch eine andre, dieser gleiche,
an die gegenüber liegende Seite der Zelle zu setzen.
Die Richtung, in der sie aufgestellt waren, weicht
übrigens von der in allen andern Tempeln, in denen
wir Säulen innerhalb der ZelJe fanden, beobachte-
ten Sitte gänzlich ab. Die Doppelreihe ist hier <^uer
durch die Zelle und nicht längs der Seitenmauern
gezogen; sie sollten der Felderdecke und dem Dach
über ihr zur Stütze dienen. Da auf diese Weise die
Länge des Raums, der bedeckt werden musste, auf
sechzig Fuss zurückgebracht wurde, so mochte es
weniger Schwierigkeit haben, Balken zu finden, die
lang genug waren und hinlänglich stark, das unge-
heure Gewicht des Dachs zu tragen. Der Raum zwi-
schen den doppelten Säulenreihen war wahrschein-
lich das was Plutarch Anaktoron nennt. (^*)
Den marmornen Fussboden des Tempelhofs auf
der Vorderseite des Tempels längs der Stufen ent-
deckte man beim Nachgraben; er w^ar nur einen und
einen halben Zoll dick und hatte viele Brüche. Er
scheint ein Werk späterer Zeit zu sein, denn seine
Überfläche hat gleiche Höhe mit der oberen Seite
der unteren Stufe. Einen zweiten Boden ähnlicher
(24) To T^? ^rj/LiriTQoq , o xal fi/yagov y.a).ovaiv, onov tcc ^Ava-
KTOQtt TC&tTttii, Hesych. irt Avüy.ro^ov.
Es wurde vielleicht so benannt nach den in der Zelle aufge-
stellten Bildsäulen der Jnahtores oder Dioskureti , oder , weil die
in ihm gefeierten Mysterien ursprünglich von denen der Kahiren,
in Saniothrake, die auch "Avuy.xoi {"Avuxti') oder Könige hiessen,
entlehnt waren. (Ueber die 'Avuy.ic; vgl, Pausan. II, 22, 7. X, 38, 3.
und dazu Siebclis \ über die Bedeutung von avüntoqov und die
Namen des Einweihungstempels der Ceres Creuzer, Symbolik IV,
333 fF. ; über den Gultus der Kabiren Müller , Orchom. S. 450 S.
und Creuz. Symb. Thl. II. — W.)
VIERTES CAPITEL. 55
Art fand man fünfzehn Zoll unter dem ersten. Als
man den ersten entdeckte, waren die Bewohner der
Gegend gar sehr bemüht, der Bruchstücke dessel-
ben habhaft zu werden, um ihre Hütten damit zu
decken.
Taf. I.
Grundriss des Tempels,
Die ganze von dem Tempel eingenommene Grund-
fläche war mit einem Unterbau aus porösem Stein
bedeckt. Die Stufen und der Fussbr^den der Vor-
halle waren aus dem harten grauen Eleusinischen
Kalksteine gehauen. Als man der Länge nach durch
das Gebäude einen Graben zog, entdeckte man, dass
dieser Fussboden achtundzwanzig Fuss über die
obere Stufe hinaus in einer geraden Linie aufhörte,
achtzehn Fuss aber über diese Linie wiederum hin-
aus ein andrer Fussboden aus demselben Stein mehr
als zwei Fuss tiefer als der erste lag.
Die Dicke der Mauern konnten wir nicht genau
ermitteln, sie scheinen aber auf beiden Seiten mit
Eleusinischem Stein bekleidet gewesen zu sein, indem
der mittlere Raum mit dem Stein der Substructionen
ausgefüllt war. Die äussere Bekleidunjj war sech-
zehn Zoll dick, die innere wahrscheinlich nicht viel
weniger, die Mittelschichten hatten drei Fuss sechs
Zoll, so dass die ganze Dicke der Mauern ohngefähr
sechs Fuss betragen haben und also, wie es gewöhn-
lich bei Griechischen Tempeln der Fall war, um
weniges geringer als die Weite der Anten gewesen
sein mag. Der Bau der Mauer hinter der Zelle schien
zwei Schichten in die Tiefe zu haben. Nehmen wir
an, dass die Quermauer, welche die Zelle von der
Vorhalle scheidet, gleiche Dicke mit den andern
Mauern hatte, so wird die Zelle beina/ie ein Quadrat
56 ' VIERTES CAPITEL.
von mehr als hundert und sechs und sechzig Fuss gewe-
sen sein. (")
Als wir Gräben quer durch die Seitenmauern
des Gebäudes hatten machen lassen, entdeckte man
ein Mauerwerk zumTheil aus dem harten Kalksteine,
zum Theil aus dem erwähnten porösen Steine gear-
beitet, welches wahrscheinlich zu nsleepers» (Trä-
gern) diente, wie die Engländer jetzt sagen, und die
Balken des Fussbodens stützen sollte. Ihre Richtung
haben wir durch punctirte Linien längs der Mauern
angegeben.
Die Nord -Ostecke auf der obersten Stufe Hess
mehrere Pllocklöcher sehen und zeigte dadurch den
Standort von drei Säulen an, von deren früherer Exi-
stenz man kein andres Anzeichen hatte. Bruchstücke
der zwei zunächst folgenden fand man noch an ihrer
Stelle; der Raum zwischen diesen und dem Theil
eines Schafts, der zu der dritten Säule von der an-
dern Ecke der Vorderseite an gehörte, war von Hüt-
ten eingenommen, welche die Nachgrabungen fort-
zusetzen verhinderten; die Entfernung dieses Schaf-
tes von der letzten jener zwei Säulen reichte gerade
für vier Säulen und fünf Zwischenräume hin. Die
im Wege stehenden ÖJauern eines Hauses, das auf
die Stelle der zwei übrigen Säulen gebaut war, er-
(25) Nach Stiabo TX. p. 535. ed. Tzsch. fand in dem Raum
(ffjjxö?) , worin das Götterbild aufgestellt war, eine Volksmenge
Platz, wie sie sich im Theater zu versammeln pflegte, und Vitruv.
Praef. Libr. VII, 16. sagt, die Zelle sei von ausserordentlicher
Grösse (immani magnitudine) gewesen. Diess erscheint natürlich,
wenn man bedenkt, dass sich in der Regel alle Athener einweihen
liesson. — Chandlcr, Reisen in Griechen!. Lpzg. 1777. S. 369.
gil)t der Zelle eine Breite von ohngefähr 150 Fuss. Nach der
Vojagc d. j. Anachars. Tom. VI. p. 155. und neueren von Creuzer
P.yml). IV. 337. angefiihrten Reisenden betrug die Länge des gan-
zen Tempels 363 und die Breite 307 Pariser Fuss. W.
VIERTES CAPITEL, 57
]aubte nicht, hier eine zu einem sicheren Resultat
führende Nachgrabung anzustellen.
Die Ueberreste der Mauer und eine der Anten
an der Südwestecke des Tempels bestimmten den
Funct, bis zu welchem sich die Vorderseite in die-
ser Richtung erstreckte, und bewiesen deutlich, dass
die Vorhalle ursprünglich zwölf Säulen auf der Vor-
derseite hatte. Hinter dem Tempel war ganz dicht
an der Mauer der Zelle eine Plalform oder Terrasse
in den Felsen gehauen; sie war zwanzig Fuss über
die Grundüäche des Fussbodens in der Vorhalle er-
haben. Eine Flucht von Stufen, ohngefähr zwanzig
Fuss von der Nordwestecke des Tempels entfernt,
führte von dieser Terrasse zu einem kleinen Portal,
das den Zugang zu der höher liegenden Citadelle er-
öiinet zu haben scheint.
Taf. II.
Aufriss der J^orhalle. ,
Die NeijTDno- des Giebelfeldes bestimmten wir
nach einem Stück des Kranzes, welches früher zu
einer der Ecken gehörte. Die ursprüngliche Höhe
der Säulen Hess sich nicht ermitteln, wir haben ih-
nen auf der Tafel fünf und einen halben Durchmes-
ser zur Höhe gegeben.
Taf. III.
Die Ordnung der Vorhalle in grösserem Massstabe,
Ein ohngefähr Zoll breiter Rand war rund um
die obere und untere Kante der Stücke gelassen,
aus denen die Säulen zusammengesetzt waren; er
stand etwas vor und war sorgfältig geglättet; durch
diese Vorrichtung war die Fuge so unbedeutend,
dass man sie kaum bemerkte. Dasselbe Verfahren
hatte man bei den verticalen Fugen des Kranzes
beobachtet.
58 VIERTES CAPITEL.
Ein ganzer Ziegel fand sich nicht unter den Rai-
nen; die hier angegebene Breite beruht daher auf
V ermuthung.
Taf. IV.
Durchschnitt durch das Gebälk an der Ecke der Korhalle,
Dieser Durchschnitt dient dazu, die bei dem über-
bau beobachtete Constructionsart und den soviel als
möglich sparsamen Gebrauch des Pentelischen Mar-
mors zu zeigen. Die Blöcke des Kranzes waren zu
schmal, um sich ohne darüberliegendes Gewicht an
ihren Stellen halten zu können. Den Eleusinischen
oder porösen Stein brauchte man wahrscheinlich an
dieser Stelle und befestigte ihn durch Klammern,
die in seine obere Flache eingelasser. w^urden. Die
Neigung herabzufallen, welche die Blöcke haben
mussten, konnte nur durch schwere Massen, die hin-
ten in sie eingepasst waren, aufgehoben werden.
Die Triglyphen bestanden aus einzelnen zwei Fuss
■vier Zoll breiten Blöcken (Fig. A. Taf. VI.); an den
Seiten waren Rinnen eingehauen, um die Metopen
einfügen zu können, welche aus vier Zoll breiten
Platten bestanden. Hinter und über den Triglyphen
und Metopen hatte man wahrscheinlich einen Stein
von geringerem Werthe gebraucht. Einige Felder-
stücke aus der marmornen Decke fand man beim
Nachgraben innerhalb des Raumes der Vorhalle; die
Tragebalken derselben mussten wegen ihrer bedeu-
tenden Länge aus Holz gewesen sein. Die Archi-
trave hatten dreierlei Dicke.
A. Durchschnitt durch den unteren Theil des Schafts
und die obere Stufe.
B. Grundriss davon.
Taf. V.
Längendurchschnitt durch den Tempel.
Man hat angenommen, dass die Ouermauer der
Zelle da gestanden habe , wo der getäfelte Boden
VIERTES CAPITEL. 59
der Vorhalle endigte. Ohngefähr zwanzig Fuss von
dieser Gränzlinie entdeckte man einen andern Fuss-
boden, der um mehr als zwei Fuss tiefer liegt als
der erste. In derselben Höhe hat man sich auch den
Boden gedacht, auf dessen hinterem Theile die er-
wähnten cylinderförmigen Stücke aufgestellt waren,
da sie beide aus einem Stoffe und ungeglättet gelas-
sen sind. Die Künstler, welche sich, bemühten, die-
sen Punct ins Klare zu bringen, kamen nach ihren
Berechnungen dahin, diesen Fussboden noch einen
Fuss tiefer zu legen, aber die Schwierigkeit, von
den ihnen zugänglichen Functen aus die verschiedne
Höhe desFussbodens zu bestimmen, hat ihre Berech-
nungen nicht vor Untrüglichkeit beschützt. Uer
Felsen an dem Ende ist nicht bis zum Fussboden
herab weggehauen, sondern dehnt sich bis in den
Tempelraum herein aus,
Taf. VI.
Einzelne ausgeführte Theile des Gebäudes,
A. Grundriss der Triglyphen, wobei man die Art
sieht, in welcher die Metopen eingefügt sind,
B. Durchschnitt durch ein Marmorfeld der Decke
über der Vorhalle.
C. Durchschnitt durch das Capital einer Säule.
D. Cylinderförmiger Schaft aus porösem Stein , den
man innerhalb des Raums der Zelle fand; das elf
Zoll hohe Stück unter ihm ist aus dem grauen
Kalkstein, wie der Fussboden, auf welchem es
stand.
E. Riemen oder Ringe aus weissem Marmor, die man
innerhalb des Raums der Zelle fand; Theil einer
Säule, die an der Höhe des Schaftes drei Fuss
zwei Zoll im Durchmesser hatte: er gehörte
w^ahrscheinlich zu einer der Säulen in der unte-
ren Reihe.
60 VIERTES CAPITEL.
F. Dorisches Capital aus Pentelischem Marmor, das
man ebendaselbst fand und welches wahrschein-
lich zu den Säulen der oberen Reihe gehörte.
G. Durchschnitt durch den Kranz des Giebels.
H. Durchschnitt durch den Kranz längs der Seiten
des Tempels. Das Fragment darüber ist einTheil
des geneigten Endstückes vom Kranze, aus wel-
chem der Traufziegel gebildet w^urde. Auf der
oberen Fläche sieht man auch das Loch für den
Pflock, welcher den ßindeziegel mit ihm be-
festigte.
I. Durchschnitt durch einige Fragmente von Glie-
dern, die zum Fries innerhalb der Vorhalle ge-
hört zu haben scheinen.
K. Durchschnitt durch ein vordem Tempel gefunde-
nes Stück eines Kranzes, der wahrscheinlich zu
der oberen Thürschwelle (lintel) des grossen
Thores gehörte.
Taf. VII.
Bruchstücke, die man in Eleusis gefunden.
Fig. I. Gebälk aus Marmor, das man an der Vorder-
seite des Tempels der Ceres gefunden. Das
Ganze, den Kranz ausgenommen, bestand
aus Einem Block. Der Fries ist verziert mit
Thyrsus, Granatäpfeln, den mystischen Kör-
ben, Getreidegarben, Libationsvasen, Scha-
len und der Hirnschale eines Stiers. (^^) Auf
(26) Grosse Aehnlichkcit hat ein zu Athen gefundener, bei
Stuart als Vignette zu Thl. I. Cap. I. unci in der Deutschen Aus-
gabe Lieferung XXVII, Taf. I. abgebildeter Dorischer Fries, der
mit Mohnhöpfen^ Thyrsus, Faclceln , Slierhäuptcrn , einer Vase
und einer Schale verziert ist und demnach ebenfalls als ein Stiick
von einem Tempel der Demeter gelten kann. — Wem die Bedeutung
dieser Zeichen und die vetschiednen Verhältnisse fremd sind, in
denen das Bild des Stiers in der Religion der Demeter vorkommt,
der lese in Creuzer's Symb. Thl. IV. Cap. Vll. §• 7. , W.
VIERTES CAPITEL.' 6^1
dem Architrav stand eine Inschrift, von der
man nur noch wenige Buchstaben lesen kann.
Die ganze Länge beträgt beinahe sechzehn
Fuss. Das Gebälk selbst machte aber wahr-
scheinlich das hyperthyrum (Oberschwelle,
Fries und Kranz) des grossen Portals am
Tempel aus.
Fig. II. 111. Fussgestelle, die man auf dem .grossen
geplatteten Boden an der Vorderseite der
Propyläen fand; ihr Standort ist auf dem
allgemeinen Grundriss (Cap. I. Taf. V.) mit
Jb\ F. bezeichnet. '
Fig. lY. Schale aus Alabaster, die man innerhalb
des Tempelraums fand.
Fig. V. Durchschnitt derselben.
Fünftes Capitel.
Tempel der Diana Propyläa.
Jr ausanias berichtet uns in der oben nachgewiesenen
Stelle, dass ein Tempel zu Eleusis der Diana Propy~
lüa o-eweiht gewesen sei. Da die Beinamen der heid-
nischen Gottheiten häufig in der Oertlichkeit ihrer
Capellen und Tempel ihre Veranlassung hatten, (')
so dürfen wir schliessen, dass der unmittelbar vor
(1) So vukIc ticr nahe bei den Propyläen der Athenischen
Aliiopolis stehende Hermes (Mcrcurius) Propylaeos genannt (Pau-
san. I, 22, 8.) und der nahe bei dem Thor des Marktes oder der
Agora Jgoraeos (Paus. I, 15, 1. H , 9, 7. Eben so fidirt er die
Beinamen, Ilvluioq und ^TQO(f(ilo(;, was man z. B. aus Arislophan.
Phit. V. 1154. ersieht, insofern er als Thürhüter neben den
aTQO(pilq (Tlüirangclu) steht. — W.)
62 FÜENFTES CAPITEL.
den Propyläen errichtete Tempel jener gewesen,
welchen der Griechische Reisende also benannte.
Zur Bestätigung dieser Vermuthung machen wir auf
die Lage des Tempels aufmerksam, der die Mitte
einer grossen vor den Propyläen angelegten Platte
einnahm, wesswegen er schon zu den zum grossen
Tempel gehörigen Gebäuden gerechnet worden zu
sein scheint.
Diese Verbindung und wie dieses Gebäude einen
Theil der ganzen Tempelanlage konnte gebildet ha-
ben, erklärt sich, wenn man bedenkt, dass die
Griechen die Artemis oder Diana nicht als Tochter
der Leto oder Latona^ sondern als Tochter der De-
meter oder Ceres betrachteten. (^)
Dieser Tempel ist um so interessanter, inso^
fern er bis jetzt noch die einzige beschriebene Ab-
weichung von der Tempelgattung ist, welche die
Griechen, der Nachricht Vitruv's zufolge, (^) vaoi^
kv itaQaaxaOiv nannten, worunter sie einen Tempel
verstanden, der auf seinen Hauptseiten (Vorder- und
Hinterseite) ii'-vei Säulen zwischen den die Seiten-
mauern seiner Zelle begränzenden Anten oder Eck-
wandpfeilern hatte. Es war diess die einfachste
Form, welche sich für die älteren Tempel Griechen-
lands vortreftlich eignete. Der Griechische Tragö-
diendichter Euripides hatte ohne Zweifel, als er das
Zwiegespräch des Pylades mit dem Orestes nieder-
schrieb, worin diese sich beralhen, auf welche
Weise man in das Heiligthum kommen und die Bild-
säule der Göttin wegführen könne, einen Bau von
ähnlicher Construction im Sinn. Pylades schlägt
(2) Heioilot. II, 156. Pausan. VIII, 37. (Aufscliluss gibt wie-
derum Creuzer, Symbolik Tbl. IV. S. 11 und 518. AV.)
(3) Lib. III. Cap. I. In der Lateinischen Terminologie: Aedes
in antis. W.
FUENFTES CAPITEL. 63
nämlich seinem Freunde vor, sich von da in das Hei-
ligthum hinabzulassen, wo die Oeffnungen zwischen
den Triglyphen es möglich machten einzudringen.
*OQa dt y €10(0 TQiykvcpcov ^ oitoi xsvoVf'
^k^aq xa^sivai*
»Schau zwischen die Triglyphen hin, wo lee-
rer Raum
Den Leib hinablässt!« —
Eurip. Iphig. in Taur. 113.
Nur aber in Tempeln von der beschriebenen Gat-
tunjr konnte man durch die leeren Räume zwischen
den Triglyphen eindringen. (*)
(4) Hr. Blomßeld macht einen recht geistreichen Vorschlag
zur Aendcrung dieser ihm anstössigen Stelle; er will statt y* äaia
geschrieben haben ynaa, und iibersetzt dieses Wort mit Brustweh-
ren fparapetsj. Nun findet sich aber in der ganzen Griechischen
Architektur durchaus nichts, was dem entspräche, was wir unter
parapet verstehen. Fiiaov bezeichnet in der Athenischen Bau-
inschrift (Stuart Tbl. II. Cap. II.) den vorspringenden Kranz des
Gebäudes. Dass diess seine Bedeutung sei, erleidet keinen Zweifel,
indem daselbst das Wort yilaa nicht blos zur Bezeichnung des
Kranzes auf den Seiten, sondern in einer andern Stelle (Z. 172) —
ytlaa fnt tou? alirovq — auch zur Bezeichnung des Kranzes über
den Giebelfeldern gel)raucht wird.
Aus obiger Stelle sehen wir, dass die Griechen in des Euripi-
des Zeit die Bäume zwischen den Triglyphen nicht schlössen. Diese
Zwischenräume hiossen (wie wir im Gegensatz mit der Behauptung
Vitruv's anzunehmen geneigt sind) bei den Griechen darum onat
Copae t OeJfnungenJ , weil sie in den ersten Zeiten offen waren.
Mit dem Ausdruck /niTonai, metopae , mochten die Griechen die
Tafeln bezeichnet haben, durch welche die Oeffnungen späterhin
geschlossen w urdcn , nicht aus dem von Vitruv (L. IV. c. 2.) an-
gegebenen Grunde ,,Ita quod inter duas opas est intertignium , id
metopa apud cos nominatum," sondern weil sie den leeren Raum
der Oeffnungen ausfiiiltcn. Eine frühere Stelle desselben Schrift-
stollers zeigt in der That, dass die Räume zwischen den Trigly-
phen in alten Zeiten opae genannt wurden. ,,Ita divisiones ligno-
rum tectac , triglyphorum dispositione et oparum j locum habere
64 FUENFTES CAPITEL.
Bei allen Dorischen Gebäuden, die wir bis jetzt
kennen gelernt haben, endigt das Dach in einem stil-
licidium d. h. einer Dachtraufe, in vorliegendem Bei-
spiel »her ist die sima oder das obere Glied des
Giebelkranzes längs der Seiten fortgeführt und in
ihr eine Rinne ausgehöhlt, in der sich das vom Dach
herablliessende Regenwasser sammeln soll. An die-
sem Theile des Gebäudes stehen sodann Löwenköpfe
hervor, durch deren geÖjEFneten Rachen das Wasser
seinen Abfluss hat.
Fast nur der Grundbau des Gebäudes hat seine
ursprüngliche Stelle erhalten; zwei Hütten stehen
auf dem Tempelraum. Dadurch dass man den Grund
und Schutt ringsum bis auf die Fläche der grossen
Platte wegräumte, konnte man den Grundriss deut-
lich nachweisen, so wie es durch die Stücke, welche
die Nachgrabungen fast von jedem einzelnen Theile
zu Tag förderten, möglich wurde, die Ausführung
in Doricis operibus coeperant." Die Worte et oparum, die in
einigen Handscbriften apharum geschrieben sind, findet man in
der editio princeps des Sulpitius noch beibehalten, von späteren
Herausgebern sind sie abßr wegen des auffallenden Widerspruchs
der zwei angefiihrten Stellen in intertignium umgeändert worden.
Zu bemerken bleibt übrigens noch, dass wir über diesen Gebrauch
des Worts metopae kein weiteres Zeugniss als das des Vitruvius
haben. (Aus der eben angeführten Stelle des Euripides hatte bei
übereinstimmender Erklärung schon TVinchelmann in den Anmer-
kungen über die Baukunst der Alten (der Ausg. seiner Werke v.
Fernow Bd. I. S. 372, f.) und in den Monum. ant. ined. (Par. IV.
c. 14. num. 206. p. 271 seg.) denselben Schluss gezogen. Bei die-
ser Gelegenheit leitet er auch die Entstehung der Triglyphen,
welche Vitruv als einen Zlerrath von Ursprung an erklärt, daher
ab, dass man an die Enden der Balken Einschnitte gemacht habe,
um dem Risse derselben zuvorzukommen , wogegen Fernow in
ihnen die Rinnen des Wassers nachgeahmt finden will, das vom
Kranze herablief und sich in den unter den Triglyphen befindli-
chen Tropfen sammelte. W.)
FUENFTES CAPITEL. 65
s
im Einzelnen zu ermitteln. Jeder Säulenschaft be-
stand aus Einem Blocke. Das ganze Gebäude, die
Dachziegel ausgenommen, welche aus gebackener
Lehraerde (baked clay) bestanden , war von Penteli-
schem Marmor.
Taf. I.
Grundriss des Tempels.
Auf fünf Stufen stie^ man zum Tempel hinan,
-man könnte sagen auf sechs, wenn man den rings
herumlaufenden einen Zoll hohen Aufsprung Stufe
nennen wollte. Wahrscheinlich sollte er nach Vollen-
dung des Ganzen mit einer schwachen Absenkung vom
Tempel aus weggemeissek werden, denn in Eleusis
war keins der öltenliichen Gebäude ganz vollendet.
Die punclirten Linien zeigen die 3Iarmorfelder
der Decke, deren man einige nahe bei der Vorder-
seite gefunden hat.
Tafj II.
Aufriss des Tempels.
Taf. III.
Seitenansicht des Tempels,
Die untere Schichte der Mauer war höher als die
andern und sprang elwas über die Linie der Vorder-
fläche vor. Die Stücke der sima waren von gleicher
Länge, ein jedes hatte die Breite von zwei Ziegeln und
war mit zwei ganz erhaben gearbeiteten Löwenköpfen
verziert. Die ßindeziegel endetfen einer um den
andern auf der Firste des Dachs und an der Traufe
in Blumenverzierungen.
Taf. IV.
Ordnung der Anten.
A'\'ir dürfen nicht verschweigen, dass es dem
Kupferstecher nicht gelungen ist, den Löwenköpfen
Alt. Alt. ü
66 FÜENFTES CAPITEL.
auf dem cymatium den Charakter des Originals zu
geben.
Taf. V.
Durchschnitt durch das Gebälk der f^orderseite.
Die Steinlagen hinter dem Architrav und Fries
sind nach Vermuthung gezeichnet. Die zwei Reihen
Ziegel, welche auf die Giebel stossen, waren aus
den Blöcken herausgearbeitet, welche den Kranz
über dem Giebelfeld bildeten.
Taf. VI.
Durchschnitt durch die F'orhalle.
Die Weite der ThüröfFnung ist nach Vermuthung
angegeben, so wie das Balkenwerk des Dachs. Der
Durchschnitt durch das Gebälk lässt uns das aufrecht
laufende Oberstück des Kranzes sehen, welches die
Stelle einer niederen Ziegelreihe vertrat.
Die niedrige Mauer an dem Ende der grossen
Platte sieht man zur Rechten. Eine Gosse oder Rinne
zur Leitung des Wassers ist längs der Aussenseite
angelegt.
Taf. Vll.
Grundriss des Dachs,
Die eine Hälfte des Grundrisses zeigt die mar-
mornen Dachziegel ohne die schmalen Bindeziegel.
Die Oberstücke des Kranzes, aus zweimal so langen
Blöcken bestehend, als die Ziegel sind, waren an
den Fugen sattelförmig und bildeten die untere Zie-
gelreihe. In der Mitte der oberen Fläche derselben
war ein Vorsprung, an welchem die mit einer Blu-
menverzierung endenden Bindeziegel befestigt waren.
Jeder Block hatte zwei gebohrte Löcher, durch welche
das von dem Dach herabfliessende Wasser ablief.
Taf. Vm.
Einzelne Theile des Gebäudes.
A. Durchschnitt durch den Kranz über dem Giebel-
felde.
FÜENFTES CAPITEL. 67
B. Durchschnitt des Kranzes auf den Seiten.
C. Das Ende eines Bindeziegels an der Traufrinne,
D. Dasselbe von der Seite gesehen.
E. Die untere Fläche eines platten Ziegels , wobei
man die Art sieht, wie er da eingeschnitten ist,
wo er über den zunächst unter ihm liegenden
Ziegel überschluo^.
F. Die obere Fläche desselben.
G. Profil des Capitäls, halb so gross als in der Wirk-
lichkeit.
H. Grundriss einer Cannelirung in der Höhe des Säu-
lenschaftes in voller Grösse.
I. Durchschnitt durch das Capital einer Ante, ein
Viertel so «ross wie in der Wirklichkeit.
K. Durchschnitt durch die Base der Anten.
L. Grundriss der Felderdecke.
R h a m n u s.
Sechstes Capitel.
Tempel der Nemesis,
JClhamnus, eine der Attischen Ortschaften, war sech-
zig Stadien von Marathon entfernt, wenn man längs
der Küste nach Oropos zu fortging. Die Bewohner
hatten sich an dem Meeresuier hin angesiedelt und
etwas über dem Städtchen lag das 'legov oder das
heilige Tempelgebiet der Nemesis. (*)
Ein schroff gegen das Meer hin abgebrochener
Rücken des Pentelischen Berges bildet in einer Ent-
(1) Pausan. L. I. c. 33. §. 2.
68 SECHSTES CAPITEL.
fernung von sieben Meilen von der Mündung des
Flusses Marathon, in nordöstlicher Richtung längs
des Meerbusens von Euböa einen halbkreisförmisen
Raum zwischen seinem Fuss und dem Meeresufer,
In der Mitte dieser Ebene war auf einem einzeln
stehenden Felsen, der jäh und steil nach Nor-
den und Westen fast nur auf der Südostseite bei
allmähliger Absenkung zugänglich ist, die alte Burg
von Rhamnus erbaut. Die Lasre des Orts rund um
den Zugang ist noch immer an den Ueberresten der
Wohnungen zu erkennen.
Die Burg war da, wo sie den Zugang gestattete,
durch Mauern aus weissem Marmor gedeckt. Noch
stehen diese eine beträchtliche Strecke weit sammt
ihren Thürmen und dem Eingangsthor. Im Burgbe-
zirk findet man noch mehrere Fundamente von Ge-
bäuden und einige in den Felsen gehauene Brunnen,
von denen einer noch, fünfzig Fuss tief ist. Der
neuere Name der Burg ist Ovrio- oder Stauro-Castro,
Der gerade Weg von Marathon führt durch das
Dorf Soiili j das hart an dem Fuss des Berges liegt,
durch den die Ebene nach Nordosten besrränzt wird.
In der Mitte zwischen den zwei Orten durchschnei-
det ein Sumpf die Ebene; er mag wohl derselbe
sein, in welchem die versprengten Perser, die an
dem denkwürdigen Tage der Schlacht bei Marathon
ihr Heil in der Flucht suchten , ihr Leben verloren.
Drei und eine halbe Meile über das Dorf hinaus bil-
det eine tiefe Thalschlucht, die sich steil gegen die
See hin senkt, den einzigen Weg nach Rhamnus. Am
Eingang in diese Höhle liegt ohngefähr dreihundert
Fuss über der Meeresfläche das heilige Tempelgebiet
der Nemesis, auf dem man beträchtliche üelDerreste
von zwei Tempeln entdeckt hat.
Noch hat sich eine Terrasse erhalten, die hun-
dert und fünfzig Fuss breit und gegen die See hin
SECHSTES CAPITEL. 69
gerichtet ist. Die zur Stütze dienenden Mauern wa-
ren aus weissem Marmor, die Blöcke horizontal über
einander gelegt, aber nicht nach verticalen Linien,
zusammengefügt. Das ganze Gebiet von lihamnus
ist seit langer Zeit verlassen.
Das Ileilifithum der Nemesis umschloss zw'ei
o
Tempel, von deneij der grössere ein sechssäiiliger
Peripteros, der kleinere ein Tempei in antis war. Zur
Unterscheidung haben wir den letzteren einen Tem-
pel der Themis genannt, ohne iedocli für diese Be-
nennung eine Autorität zu haben. Einer der Mar-
raorsitze in seiner Vorhalle w^ar, wie die darauf
eingegrabene Inschrift deutlich beweist, wirklich
der Thetnis geweiht, aber der jenem symmetrisch
entsprechende Sitz hat eine Inschrift, die an Neme-
sis gerichtet ist. Man kann wohl kaum daran zwei-
feln, dass der grössere und prachtvollere Tempel
zu Ehren der Gottheit errichtet gewesen, welcher
das ganze Tempelgebiet geweiht war. Etwas Be-
deutendes möchte sich hierüber ausserdem nicht
ermitteln lassen, wenn nicht etwa noch ein Schluss
aus irirend einem mit der Griechischen Geschichte
verbiindnen Gegenstande Licht verbreitet. Der klei-
nere Tempel gehört seiner Anlage nach auch einer
weit früheren Zeit an, als der grössere, und war
wahrscheinlich der alle Tempel der Göttin, welcher
das Schicksal der übrigen heiligen Gebäude, die in
die Hände der Perser gefallen waren, gelheilt hatte
und dem Verfallen überlassen geblieben war. Denn
bekanntlich gestatteten die Athener durchaus nicht,
irjrend einen von den Barbaren beschädiuten Tem-
pel auszubessern, sondern Hessen dieselben in ihrem
halbverbrannten Zustand, w^ie jene sie verlassen
hatten, stehen. (^) Diese Annahme macht es auch
(2) £AA>Ji'(uv 6^ rot? «VTtOTaot t^ ßaQßunu} tu xnxanav&4vta
70 SECHSTES CAPITEL.
begreiflich, wie man bei der Stellung der zwei Tem^
pel allen Regeln der Symmetrie so durchaus zuwider
verfahren konnte, indem die, w^elche den Entwurf
machten, sich schon in die Zeit versetzt zu haben
scheinen, in welcher der erAvartete gänzliche Ver-
fall der alten Tempelruine dem schönen Tempel,
welcher den alten ersetzen sollte, einen freien Stand
gewähren würde.
Plutarch Q) erzählt uns, Perikles habe einen Volks-
beschluss veranlasst, durch den die verschiedenen
Staaten Griechenlands eingeladen worden seien, Ge-
sandte nach Athen zu schicken, um anzugeben, welche
Gelübde man den Göttern noch schuldig sei, und sich
über die zweckmässigsten Mittel zu berathen, um die
Tempel wieder aufzubauen, w^elche von den Barbaren
niedergebrannt worden seien. Sein Vorschlag fand
zwar bei den übrigen Hellenen keinen Beifall, wurde
aber ausgeführt, so weit er die Athener betraf, üie
Tempel zu Athen und Eleusis kamen in Vorschlag
und wurden erbaut. Der Parthenon erhob sich, wäh-
rend die üeberreste des alten Hekatompedon noch
standen. (*)
Itqä firi uviaiKVUi aqiCoiv tSo^iv, aX).u iq rov navTa vnoXfinia&ai
^qÖvov tov f/d-ouq vnojLivrjfiara' y.al rovdi il'vty.u ol' Tt Iv nj AXiuQtCif
vaol xul 'A&r^vuloiq tJJ? "H^uq int ojw iij «Puir^giy.jj y.ul o inl fPuf.ijQia
Tij5 ^ri/LifiTQOi; xul xar" l/^ii ?Tt rjfiiy.avrot' [livovai. Pausan. Lib. X.
Cap. 35. §. 2. (Vergl. die von Siebeiis z. a. O. angeführten Stel-
len Isocrat. Panegyr. 41. Lycurg. c. Leocrat. 19, 8. Cicero, de
republ. III. 39. — W.) W.
(3) Perikl. Cap. 17.
(4) Der Hekatompedon war der Tempel, welcher, wie wir aus
Xenophon's Hellenic. Lib. I. Cap. 6, 1. ersehen, zufällig in Brand
gericth und bei diesem Schriftsteller der alte Tempel der Minerva
heisst, o ntÜMoq rr^q 'Ä&:t\vi'.q vmq. (Die im Text und in dieser Anm.
ausgesprochene Meinung wird in den neuen Anm. zu Stuart, Thl. II.
Cap. I und II, (der Deutschen Ausg. Band I. S. 347 ff. und
SECHSTES CAPITEL. 71
Alle von den Persern halb oder ganz zerstörten
Tempel wieder aufzubauen , erforderte bedeutend
lange Zeit. Der Bau des Erechtheion wurde erst ge-
gen den Schluss des Feloponnesischen Kriegs begon-
nen; die Tempel in den von Athen abhängigen Städ-
ten Altikas wurden wahrscheinlich bald nach der
Vollendung der Gebäude in der Hauptstadt w^ieder
aufgebaut, so dass man den Tempel der Nemesis für
ein Werk aus der besten Zeit Griechenlands wird
betrachten können.
Dieser Tempel zeigt uns die Art , in der die
Griechen die Glieder des Kranzes roth zu bemalen
pflegten; das cymatium war auf diese Weise ringsum
verziert; die Theile, an denen man Farben anbrachte,
traten etwas vor und waren dadurch gegen das Zer-
fressen an der Oberfläche geschützt. (*) Die Con_
touren sind oflenbar vorher, so lange der Marmor
noch w^eich war, mit einem scharfen Instrument vor-
gezeichnet worden; an den Gliedern, die der Wir-
kung der Atmosphäre weniger ausgesetzt waren, sieht
man die tief eingegrabenen Contouren noch immer.
Die benachbarten Gebirge bringen Marmor in
Menge hervor, welcher dem an den Gebäuden der
Athenischen Akropolis ähnlich ist. Aus diesem schö-
nen Material war der grössere Tempel erbaut, wie
S. 5l3f.) und von Böckh (Corp. Inscr. Gr. Vol. I, p. 264.) bestrit-
ten und der Ausdruck o nuXaux; ii\<; 'A&: rfw? auf den Tempel der
Athena Polias bezogen. W.)
(5) Eine Auflösung von Drachenblut, mit dem Pinsel auf
weissen Marmor getragen , dringt tief ein und erhält «eine Contou-
ren scharf, indem die Farbe nicht ausläuft. Diese Auflösung, hat
man gefunden, härtet den Marmor in einem solchen Grade, dass,
wenn ein theilweisc bemaltes Stück der Wirkung einer scharfen
Säure oder Actze ausgesetzt wird, die Oberfläche bis zu einer be-
trächtlichen Tiefe angefressen wird und nur die bemalten Theile
unversehrt stehen bleiben.
72 SECHSTES CAPITEL.
auch die Mauern des Terapelgebiets und die Trüm-
mer der Festungswerke der Burg. In dem ohnge-
fähr zwanzig Yards von dem Tempel entfernten Fel-
sen findet man Spuren der beim Sleinbrechen ge-
brauchten Werkzeuge.
Pausanias (®; erzählt, die Perser hatten bei ihrem
lüiniall in Attika, ihres Siegs im Voraus gewiss, einen
Block Parischen Marmors mitgebracht, um daraus eine
Tropäe ihrer Eroberung arbeiten zu lassen. Ans
diesem Block, fährt er fort, verfertigte Phidias die
Statue der Nemesis für den Tempel von Rhammis,
Fragmente der Statue und unter ihnen den Kopf fand
man auf dem Tempelgebiet ; eben so grub man meh-
rere Bruchstücke erhaben gearbeiteter kleiner Figu-
ren aus, die zu der Base oder dem Fussgestell der
Hauptstatue gehört haben mögen. Die Göttin trug
auf dem Haupte einen Kranz, auf welchem Hirsche
und kleine Victorienbilder erhaben gearbeitet wa-
ren. Durch das Stück des Kopfes, das man unter
den Ruinen fand, waren Löcher gebohrt, um jene
Verzierungen , die wahrscheinlich von IMetall waren,
an ihn zu befestigen.
Die Geschichte der Bildsäule, welche Pausanias
sechshundert Jahre nach der Schlacht bei Marathon
nach Hörensagen erzählt, war wohl eine der vielen
erdichteten Anekdoten, welche der Griechischen
Geschichte anhängen. Es ist weniostens irewiss, dass
der Marmor an der Statue nicht Parischer , sondern, wie
an den Blöcken des Gebäudes, Pentelischer war. An-
dere Schriftsteller erzählen, die Bildsäule sei ein
Werk des Agorakritos , eines Schülers von Phidias,
gewesen, und erwähnen gar nichts von den von Pau-
sanias mitgetheilten näheren umständen. (')
(6) Pausan. Lib. I. Cap. 33. §. 2. 3.
(7J Hesych. s. v. 'Puf^vovata Ni/ita^i- Pün. H. N. Lib. XXXVI.
SECHSTES CAPITEL. 73
Nahe bei der Ostseite des Tempels fand man eine
kleine weibliche Figur ohne Kopf; die Sculptur ge-
hört einer frühen Periode an, die Statue selbst "war
• wohl ans einer Gruppe vom Giebelfeld. Das ganze
Tempelgebiet war mit ßruchslücken der Bildnerei
bedeckt, worunter sich Stücke von Statuen in Le-
bensgrösse befanden.
üie zwei auf dem Terapelgebiet stehenden Ge-
bäude waren ohne alle Rücksicht auf Symmetrie er-
richtet. Das Eck des einen stösst so nahe an die
Seite des andern, dass man nicht zwischen durch ge-
hen kann. Dieses Aneinanderstossen gibt den Ge-
bäuden den Anschein, als seien sie Theile Eines
Gebäudes, und wirklich betrachtete man sie als
solche, ehe die von der Gesellschaft der Dileltanti
abgeschickten Künstler diesen Punct näher beleuch-
teten.
Taf. I.
Grundriss des Tempels.
Durch die dunkler gehaltnen Theile ist das be-
zeichnet, was noch auf seiner Stelle steht.
Der Tempel war seiner Gattung nach ein hexa-
stjlos peripteros, d. h. ein Tempel mit je sechs Säulen
auf der Vorder- und Hinter- Seite und je zwölf Säulen
auf den Nebenseilen. Er widerspricht somit ganz dem
Grundsatz, welcher die Griechen, wie Vitruv sich
vorstellte, bei der Bestimmung der Säulenzahl für
die Nebenseilen nach der auf der Vorderseile geleitet
haben soll. (*) In den meisten Tempeln dieser Art
cap. 5- (Vgl. Zoega^s Abhandlungen, hcransgcg. v. Welcker. S. 43f.
57 IT. 62 lind 417 ff.; die Anm. 6 und 10 zu dem auch im ersten
B;nid der Dcnfsclion Ausgabe Stiiart's cntlialtenrn Parlaincntsbericht
S. 3S9 f., und Sillig, catalog. artilc. p. 26 ff. Auch Dodwell
wiederholt das Mahrchen des Pausanias. W.)
(8) Vgl. Vitruv. Lib. III. Cap. 3. und die Neue Anm. zu Stuart
Vol. II. Cap. I. p, 58. , der Deutschen Ausg. Bd. I. S. 468. W.
74 SECHSTES CAFITEL.
stehen die Anten , in welchen sich die Seitenmauern
der Zelle endigen, in geringerer Entfernung von
den zwischen ihnen stehenden Säulen, als die den
Anten gegenüber stehenden Säulen der Vorder-
seite von ihren Nachbarn; unser Tempel ist das
einzige bekannte Beispiel, in vrelchem sie in gleicher
Linie mit ihnen stehen.
Die unteren Theile der Schäfte von sieben Säu-
len der Südseite und einer in der Vorhalle haben
sich auf ihrer ursprünglichen Stelle erhalten , die
übrigen sind herabgeworfen , die Stufen laufen aber
noch ringsherum und der Standort der auf dem Bo-
den liesrenden Säulen lässt sich noch vollkommen
nachweisen. Auf der oberen Stufe oder in demFuss-
boden traf jedesmal die Fuge gerade mit der Linie
der Säulenachse zusammen und eine viereckige nicht
tiefe Einsenkung: war zur Aufnahme desSäulenschaf-
tes bestimmt.
Zwischen den Säulen der Vorhalle scheint eine
Art Gitter gewesen zu sein ; die Löcher, die zu seiner
Befestigung dienten, sind noch in dem Fussboden
zu sehen; zu demselben Zweck waren Löcher in die
Säulensch,äfte und Anten gebohrt.
A. Der einzige Theil des Fussbodens, der noch auf
seiner Stelle liegt; die tiefen Pflocklöcher in
ihm sollten vielleicht die Schranken aufneh-
men, durch welche die Bildsäule verwahrt war.
Taf. IL
Aufriss der Hauptvorderseite.
Die Richtung des Tempels war 15° nach Süd von
Ost. Die Schäfte der Säulen waren, wie die bereits
beschriebenen am Tempel der Ceres, nur am Boden
und an der Höhe cannelirt; sie bestanden aus fünf
Stücken,
Die Chimären auf den Giebelzinnen an den spi-
tzen Winkeln des Giebelfeldes fand man an der Vor-
SECHSTES CAPITEL. 75
derseite des Tempels. An den oberen Gliedern des
Kranzes war oiFenbar eine Verzierung eingemeisselt,
aber so flach, dass man sie kaum noch bemerken
kann; der aufrecht stehende Theil ist bemalt. Die-
ses also verzierte Glied lief an den Nebenseiten und
an dem Kranz der Giebelfelder fort.
Taf. III.
Durchschnitt, der uns die Vorhalle des Tempels
sehen lässt.
Die Säulen der Vorhalle waren -vorn cannelirt,
hinten glatt, der Reife sind es elf und der glatte
Theil gäbe Haum für neun Cannelirungen.
Der Architrav lief von den Anten quer über
den Vorplatz bis zu den gegenüber stehenden Säulen
auf den Seiten. An dem Posticum bogen die Archi-
travstücke um die Ecken und waren längs der Seiten-
mauern der Zelle fortgeführt. Die Metopen waren
am Fries weggelassen , aber die Tropfen an den Ar-
chilraven ansiebracht. Alle einzelnen Glieder des
Kranzes waren bemalt oder vergoldet. Unter den
Verzierungen ist auch der Lotus , ähnlich dem einge-
meisselten Zierralh an den Capilälen der Anten und
an den Seitenmauern des Erechtheion zu Athen,
und der Mäander, fast so wie der an dem inneren
Fries des Theseustempels. Stücke von jedem Theil
des Gebäudes lagen unter den Kuinen und machten
es möglich , die Felderdecke und das Dach vollstän-
dig zu restauriren.
Taf. IV.
Säulenordnung.
Die sima oder das obere Glied des Giebelkranzes
ist längs der Seiten fortgeführt; die Regenrinne war
hinter ihr angebracht und das vom Dach herabflies-
sende Wasser wurde durch die Löwenköpfe abge-
führt, welche weit hervorsprangen.
76 SECHSTES CAPITEL.
Taf. V.
Durchschnitt durch die Ordnung.
Man denke sich diesen Durchschnitt durch die
Seitenmauern der Zelle jenseits der ümbiegung der
Anten gemacht; darum sieht man den hinteren Theil
des Gebälks, wie es sich von den Anten bis zu den
gegenüber stehenden Säulen auf den Seiten quer über
den Vorplatz zieht. Die Architravstücke waren je
zwei an ihren oberen Flächen der Breite nach fest
zusammengeklammert und durch Pllöcke mit dem
Fries verbunden. Ebenso war der Kranz an Einem
Block in der Tiefe an den Fries befestigt. Aus" der
Grösse der in die einzelnen Blöcke des Schaftes ge-
machten Pflocklöcher kann man schliessen, dass diese,
wie an den Säulen der Propyläen zu Athen, (^) ver-
mittelst hölzerner Dobel verbunden waren, welche
selbst wieder in eine .Vertiefung aus demselben Ma-
terial eingesetzt w^urden.
Taf. VI.
Einzelne ausgefilhrte Stücke des Gebäudes,
Blan sieht hier das Profil der Capitäle in grösse-
rem Massstabe ; die gegenüber zur Rechten gezeich-
nete Figur ist das Capital der Anten, wobei man die
Verzierungen beobachte, deren oberste nur aus tief
gearbeiteten Umrissen besteht; der Wulst (echinus)
war vom Bildhauer ausgearbeitet. — Darunter ist der
Durchschnitt einer Cannelirung in ihrer wirklichen
Grösse am Boden des Schafts.
Die ovalen Stücke in den Feldern der Denke wa-
ren bemalt; die grüne Farbe ist an manchen Stellen
noch sichtbar; die sternförmige Figur scheint auf
blauem Grund gestanden zu haben und vergoldet ge-
wesen zu sein.
(9) Vergl. Dodwell Reise durch Griechenland, übers, v. Sick-
Icr I, 1. S. 120. W.
SECHSTES CAPITEL. 77
Taf. VII.
Einzelne Theile des Oberbaus,
A. Durchschnitt durch den sich umbiegenden Kranz
der Giebelfelder. Die Ziegel über ihm waren
aus seiner oberen Lage gebildet. Der aQ^oi
oder Ziegel, der die Fugen der platten Ziegel
deckt, war unterwärts als ein halbes sechs-
eckiges Prisma ausgehöhlt.
B. Durchschnitt durch den Rranz über den Säulen
der Vorderseite. Der Kranz scheint an diesem
Theil desswegen besonders dick gemacht wor-
den zu sein, um ihm die nöthige Stärke zu geben,
die in dem darüberstehenden Giebelfelde befind-
lichen Bildwerke zu tragen. An der Aussen-
seite der Giebel fand man durchaus keine Spuren
von Klammern, so dass die Bildwerke allein
von dem Kranz gelragen werden mussten. Ebenso
wurden auch die Statuen in den Giebelfeldern
des Parthenon nur von dem Kranz getragen.
C. Darstellung des Gliedes, dessen Durchschnitt
man bei G sieht. Die erhabene Arbeit oder das
Relief daran war so flach, dass man verrauthete,
es sei durch das Auftragen von Farben entstan-
den, welche die Aussenseite vor dem Anfressen
bewahrt hätten.
D. Ein einzelnes Stück der sima (oder des umgebo-
genen Oberstücks des Kranzes auf den Seiten)
der Länge nach; aus ihm war zugleich die Dach-
rinne gebildet. Die Blöcke der sima hatten alle
gleicffie Länge und jeder einzelne die Breite von
zwei Ziegeln. In der IMilte war ein Absatz oder
Vorsprung gelassen, um den Bindeziegel daran
zu belesligen, welcher die zwei zusammenstos-
senden Fugen der Plattziegel an der zunächst
darüber liegenden Reihe deckte. Auf der Rück-
78 SECHSTES CAPITEL.
Seite der Dachrinne ist das Loch zu sehen, wo-
durch das Wasser abfloss.
E. Grundriss der Triglyphe auf einer der Ecken
des Gebäudes: zugleich sieht man die SoiHtte des
Kranzes, welcher darüber herläuft.
F. Durchschnitt durch die Ecke der obersten Stufe
des Tempels nebst einem Stücke von dem unte-
ren Theile des Schaftes.
Taf. VIII.
Grundriss der Felderdecke.
Ein Marmorbalken, der auf dem bemalten Kranze
ruhte, zog sich von jeder Säule der Nebenseiten zur
gegenüberstehenden Mauer der Zelle: ein gleicher
Balken befand sich in jedem Zwischenräume. Darü-
ber lagen Platten, ebenfalls von Marmor, mit acht
viereckigen Löchern, deren jedes mit einem dünnen
Plättchen bedeckt war, das ein vertieftes Feld bil-
dete. DasOvalo, oder Glied des Feldes, war flach
gehauen und dann bemalt. Das Ganze w^ar vermit-
telst Klammern, die mit Blei eingelöthet waren, fest
mit einander verbunden.
Taf. IX.
Die Seite des Posticums.
Die Architrave des Posticums waren nicht durch
die Halle hindurch fortgesetzt, sondern zogen sich
um die Ecke herum. Ueber dem bemalten Kranze
ist der Durchschnitt der Felderdecke zu sehen. Die
Marmorbalken, vierzehn Zoll breit und mehr als
acht Zoll dick, laufen von der Mauer quer durch die
Halle und ruhen auf dem bemalten Kranze, der
rings um die innere Ansicht des Gebälkes über den
Säulen des Peristyls herumläuft. Darüber liegen
Marmorplatten, vier Zoll dick und zwei Fuss vier
Zoll breit, welche in der nämlichen Richtung quer
hinüber laufen. In jeder derselben sind acht vier-
SECHSTES CAPITEL. 79
eckige Löcher durchgehauen und mit Plätlchen ge-
schlossen, welche neun Zoll ins Gevierte haben, zwei
und einen halben Zoll dick sind, und in welche die
Soffitte der Felder vertieft ist.
Taf. X.
Grundriss des Oberhaus.
Der obere Theil des Grundrisses zeigt das mit
Marmorziegeln gedeckte Dach.
Die Hälfte des unteren Theiles lässt uns die Art
sehen, wie die Architrave AA gelegt und vermit-
telst eiserner Klammern, die an Gestalt dem Buch-
staben H gleichen, miteinander verbunden sind. In
jedem Blocke der Architrave , mit Ausnahme der
an den Ecken, befinden sich zwei Löcher für die
Aufnahme von Metallplatten, durch welche der Zo-
phoros oder Fries an denselben befestigt war.
Der übrige Theil des Grundrisses stellt die Bal-
ken der Felderdecke ßß dar, die auf dem Überstücke
der Blöcke ruhen, welche den Kranz CC bilden.
Taf. XL
Die nordwestliche Ecke des Tempels.
Diese Tafel zeigt den geometrischen Aufriss des
Daches, wie es aussehen würde, wenn alle Ziegel
darauf befestigt wären.
Die schmalen Ziegel, welche von der Firste zur
Dachrinne herunterlaufen, bedecken die zusammen-
stossenden Fugen der Plattziegel; jeder obere Ziegel
springt über den zunächst unter demselben liegenden
vor; die auf der Firste zogen sich aui beiden Seiten
des Daches hinab, und über denselben war eine er-
höhte ßlumenverzierung angebracht.
Die Blöcke der sima waren, mit Ausnahme der
an den Ecken, an Länge zwei Plattziegeln gleich und
ihre Fugen trafen jedesmal gerade mit der Mitte der
zweiten Ueihe Bindeziegel zusammen. Die Löwen-
80 SECHSTES CAPITEL.
köpfe, welche sehr stark hervortreten und nach der
Dachrinne zu durchbohrt waren, befanden sich in
der Milte eines jeden Stückes der sima. Die Blöcke,
woraus der Kranz bestand, waren sowohl unter sich,
als mit denen der sima von gleicher Länge; ihre
Fugen lagen an den Enden jedes zweiten Dielen-
kopfes.
Drei Akroterien befanden sich auf jeder Haupt-
seite des Gebäudes; eins auf der Spitze und eins an
jedem Ende des Giebels.
Taf. XII.
Einzelne Theile des Dachs.
Das ganze Dach war aus -weissem Marmor. '
A. Durchschnitt durch das Dach, vermittelst einer
dasselbe quer durchschneidenden Ebene. Den
Bindeziegel, welcher die Fuge der Firsteziegel
deckt, sieht man von der Seite; unmittelbar un-
ter demselben ist der Durchschnitt eines Firste-
ziegels, welcher auf beiden Seiten des Daches
über die oberste Lage Plattziegel vorspringt.
Der Bindeziegel über der Fuge zweier an ein-
ander stossenden Plattziegel ist auf der einen
Seite weggelassen, um das Ende des zunächst
darunter lieirenden zu zeijjen, m^o ein Verstoss
(check) war, der das Hinabgleiten desselben ver-
hindern sollte.
B. Perspectivische Ansicht der Ziegel an der Firste.
C. Geometrischer Aufriss derselben.
D. Untere Fläche eines Bindeziegels.
E. Untere Fläche eines Plattziegels; der Ziegel ist
hier umgestürzt dargestellt, um den Verstoss zu
zeigen, durch den er an den Querbalken be-
festigt war und sein Hinabgleiten verhindert
wurde.
F. Obere Fläche desselben.
SECHSTES CAPITEL. 81
Tai. Xlll.
J^erschiedene einzelne Theile.
A. Ein verziertes Glied, das man in dem inneren
Tempelranme fand; vermuthlich war es das Ca-
pital zu einer Bekleidung oder zu Thürpfosten.
B. Durchschnitt desselben,
G. Gegliederte Base, die sich ebenfalls in der Zelle
fand; man vermuthet darin die Base von einer
Bekleidung zu linden, die an der inneren Zel-
lenwand rings herumlief.
L). Durchschnitt derselben.
E. Durchschnitt des obersten Gliedes an dem Kranze
der Vorderseite des Gebäudes.
F. Durchschnitt eines ähnlichen Gliedes vom inne-
ren Kranze.
G. Bemaltes Felderglied von der Decke; Spuren
von grüner Farbe waren an demselben sichtbar.
H. Ein in der V^orhaile ausaegrabenes Glied.
1. Mauer unter der östlichen Terrasse. Siebestand
aus weissem Marmor.
Sie l>e Utes Capitel.
Tempel d c r Th c in i s.
Uie Form dieses Tempels ist die einfachste unter
allen, welche die Griechen heiligen Gebäuden gege-
ben haben. Kine Abweichung in dieser Tempelgat-
tung haben wir schon oben im fünften Capitel be-
scliriebeu; die Verschiedenheit, auf welche dieses
Ca])itel aufmerksam machen soll, besteht darin, dass
der Temj»el nur Eine Halle hat.
Att All. 6
82 SIEBENTES CAPITEL.
Auch von der Lage des Gebäudes, das mit dem
Tempel der Nemesis beinahe zusammenstösst, haben
wir schon geredet; ein eben so schwer zu erklären-
der Punct bleibt die Bauart desselben. Die IMauern
der Zelle sind nämlich von demselben Marmor, wie
an dem grossen Tempel, die Säulen dagegen und die
Übrigren Theile der zur Zierde dienenden Architekt
tur aus einem weichen porösen Steine. Die Mauern
sind nach der Art gemauert, die Vitruvius (^) incer-
tum nennt, d. h. die Steine sind Vielecke und haben
ungleiche Seiten. Die Fugen an den Aussenseiten
passenauf das Schärfste aufeinander; die Aussenseite
selbst war glatt gearbeitet; die innere Seite ist rauh
und die Steine sind mit weniger Sorgfalt zusammen-
gefügt; von dem Gebrauch des Mörtels findet man
keine Spur, aber rings um die IMauern entdeckte man
unter der Schutterde innerhalb des Tempelraums eine
Menge eiserner Nägel, woraus hervorzugehen scheint,
dass sie ursprünglich mit Holz eingehäust oder ge-
füttert waren.
Zu beiden Seiten des Eingangs stand in der Vor-
halle ein Sessel aus weissem Marmor; der zur Rech-
ten war der Nemesis^ der andere der Tliemis geheiligt.
Nach den Inschriften oben an den Rückseiten waren
sie einzeln von Sostratos geAveiht worden, in der
Zeit als Kallisto und Plnloslrates die Priesterwürde
bekleideten.
Eine sechs Fuss hohe Bildsäule ohne Kopf und
Arme fand man nahe bei dem Eingang; der Styl der
Bildnerei bezeichnet eine frühe Periode der Kunst.
Als man unter dem Fussboden an dieser Stelle nach-
graben Hess, entdeckte man Stücke von Knochen
(1) Lib. IL Cap. yill. „Das Ungewisse Mauerwerk bcsfeht
aus unbehauenen Bruchsteinen und ist dauerhafter als das netz-
Jorinige.^' Vgl. die Anmin. zu Winckclm. 1 , 357 ff. W.
SIEBENTES CAPITEL. 83
und Bronze, Spitzen von Speeren und Thränenva-
sen. Beim Wegräumen einiger ßlödie, die im In-
nern der Zelle lagen, kamen Dachziegel aus terra -
cotta und die erwähnten eisernen Nägel zum Vor-
schein. Die Mauern der Zelle stehen noch acht Fuss
hoch über der Erde.
Taf. I.
Grundriss der zwei Tempel.
Wir geben hier den Grundriss beider Tempel,
um ihre Stellungen zu einander zu zeigen. DieTheile
des kleineren Tempels, welche heller gehalten sind,
waren aus dem gröberen Steine.
Taf. II.
Aufriss des Tempels der Tliemis,
Die Sitze oder Stühle, welche nicht an eine
bestimmte Stelle befestist gewesen zu sein scheinen,
sind hier von ihren Stellen gerückt, um sie bei dem
Aufriss ganz zeigen zu können. Den Kopf der Bild-
säule haben wir nach Vermuthung ergänzt.
Taf. III.
Ordnung der Anten,
Die Glieder des unter den Ziegeln vorspringen-
den Kranzes sind zerstört, man konnte nur die Tiefe
des Blocks, an dem sie befindlich waren, ausmitleln.
Taf. IV.
Ordnung der Säulen.
A. Ringe oder Riemen des Capitäls in vollerGrösse.
B. Eine Cannelirung in der Höhe des Schafts.
C. IMauerwerk mit \ieleckigen Steinen an den Sei-
tenmaiiern.
D. l^lauerwerk an der Oiiermauer.
E. Grundriss der Triglyphen.
F. Durchschnitt eines Antencapitals.
6'
84 SIEBENTES CAPITEL.
Taf. V.
Eingang in die Zelle.
Die Sessel nehmen hier die Stellen ein, an de-
nen sie entdeckt wurden.
Den Grabstein mit dem ßas- Relief fand man in-
nerhalb des Tempelraums,
Achtes Capitel.
Sunio n.
Ounion, ein Demos oder eine Ortschaft [der Phyie
Attalis, (*) lag auf einem Vorgebirge gleiches Namens
und bildete den südlichsten Punct von Attika. Die
Felsen am Meere sind steil und schrolF.
Als die Athener während des Peloponnesischen
Krieges ihre Zufuhr von Euböa bezogen, befestigten
sie Sunion zum Schutz der Fahrzeuge, welche ihnen
ihre Bedürfnisse längs der Küste zuführten. (') Da-
mals schnitten die Lakedämonier durch die Besatzung,
welche sie in Dekeleia hielten, allen Verkehr zwi-
schen Athen und den inneren Ortschaften ab.
Die vorzüglichsten Ruinen auf Sunion sind die
Reste eines der Athena fMinervaJ Sunias geweihten
Tempels, der von dem weissen Marmor erbaut ist,
welcher auf den nahe liegenden Anhöhen bricht.
Der Tempel gehört zur Dorischen Ordnung und hat
sechs Säulen auf der Vorderseite. Ueber die zehnte
Säule hinaus finden sich auf der südwestlichen Seite
(1) Nach Sieph. Byz. gehörte es (in älterer Zeit) zur Phjlc
Leontis. W.
(2) Thiikyd. VIII, 4. W.
ACHTES CAUTEL. 85
keine Reste, um die ursprüngliche Länge derselben
genau bestimmen zu können. Neun Säulen stehen
noch auf dieser, drei auf der entgegengesetzten Seite,
ebenso zwei, die zur Vorhalle gehören, nebst einer
von den Anten. (^)
Nördlich von dem Tempel und fast in einer Linie
mit seiner östlichen Ilaiiptseite entdeckte man die
Reste von Propyläen, Dieses Gebäude gehört dersel-
ben Ordnung an; die Verhältnisse seiner Säulen und
die Bildung seiner Glieder sind denen am Tempel
beinahe gleich.
Was das Alter dieser Gebäude betrifft, so stam-
men sie mit dem Tempel der Nemesis zu Rhamnus
wahrscheinlich aus gleicher oder naheliegender Zeit:
die Vermuthung über den Ursprung des letzteren
lässt sich auch auf die Gebäude vonSunion beziehen
Die ausserordentliche Vollendung, die man an ihrer
Ausführung bemerkt, beweist zur Geniige, dass sie
den besten Zeiten der Architektur angehören.
Die Ilauptseiten standen in antis, d. h. zwei Säu-
len zwischen den zwei Anten der Seitenmauern bil-
deten die Hallen. Der Zwischenraum zwischen die-
sen beiden Säulen war, ebenso wie bei den oben
beschriebenen Propyläen zu Eleusis, etwas weiter,
nm einen bequemeren Zugang zu dem Tempelliof zu
gewinnen, in den man durch diesen Eingang gelangte.
Ks stehen noch die unteren Theile von den zwei Säu-
len der südlichen Ilauptseite, eine von den Anten
auf der südöstlichen Ecke und ein beträchtlicher
Theil von der unteren Lage der östlichen Seiten-
mauer: von den übrigen Theilen des Gebäudes ist
(3) Nach Dodwcll bei Sicklcr I, 2, 384. standen zu Spon's
Zeilen noch neunzehn Saulcn, aber der Abt Founnont traf schon
nur tiebenzchn an. W.
86 ACHTES CAPITEL.
nur noch der Grundbau vorhanden. Der Fussboden
liegt drei Fuss unter dem Schutt vergraben.
Von dem Gebälke über dem Architrav fanden
sich keine Reste mehr, ausser einigen Stücken von
Gliedern, die man beim Nachgraben rund um das
Gebäude und in dem inneren Haume desselben ent-
deckte. Sie waren absichtlich abgebrochen und nach-
her vergraben worden, um den Blicken nicht sorg-
fältig nachsuchender Reisenden die Details zu ent-
ziehen, welche zu einer vollständigen Zeichnung des
Gebäudes dienlich sein könnten : die Frische des
Bruches zeigte, dass diese muthwillige Beschädigung
vor noch nicht langer Zeit Statt gefunden. Der Kranz
des Gebäudes theilte vermuthlich dasselbe Schicksal
und Hesse sich w^ohl bei weiteren Nachgrabungen
noch entdecken.
Die Mauern des Tempelhofs, welcher sich um
den Tempel zog, waren auswärts mit weissem Mar-
mor bekleidet; die innere Oberfläche nach dem ein-
geschlossenen Räume zu bestand aus einem gemeinen
Steine, von gleicher Art wie der, welchen man an
dem Grundbau der Propyläen findet. Er mag wohl
in der Nähe des Tempels an dem Rande der Anhöhe,
worauf er steht, abwärts nach der Küste zu, gebro-
chen sein.
Taf. I.
Grundriss der Propyläen.
A. Gränzlinie des steinernen Grundbaues unter den
Stufen auf der nördlichen liauptseite.
B. Die Mauern des Tempelhofs.
CC. Marmorplatten, welche längs der inneren Wände
der Halle gelegt waren; die auf der östlichen
Seite ist noch vollkommen erhalten; sie ist 14'
9" lang.
ACHTES CAPITEL. 87
Ta£ n.
j4ufriss der südlichen Hauptseile.
Die Säulen verjüngen sich von der Grundfläche
bis zur Spitze in vollkommen graden Linien. Die
Metopen über detn Zw^ischenraume der beiden Säu-
len sind bedeutend schmäler, als die übrigen; der
Grund dieser Einrichtung scheint in der Absicht
zu liegen, diesen Zwischenraum, der durch die Auf-
nahme einer dritten Metope und Triglyphe erweitert
worden war, wieder in bestimmte Gränzen einzu-
schJiessen und dadurch die Uns;leichheit zwischen
diesem und den andern weniger augenfällig zu machen*
Taf. JIl.
Die Ordnung in grösserem Massstabe,
Die Säulen haben zwanzig Cannelirungen, die
durch schmale flache Stäbe getrennt sind.
Fiff. I. Durchschnitt durch den Architrav, welcher
in der Tiefe aus zwei Theilen zusammenge-
setzt war: die taenia ist nicht so breit, als
die regula. Der Architrav hat eine verhält-
nissmässig grössere Höhe, als er gewöhnlich
erhält; dieselbe beträgt sechs Siebentel des
unteren Säulendurchmessers.
Fig. 11. Grundriss der Säulen an der Grundfläche und
Spitze des Schaftes.
Fig. 111. Grundriss der Cannelirungen in ihrer halben
natürlichen Grösse.
Fig. IV. Umriss des Capitäls in seiner halben wirkli-
chen Grösse.
Fig. V. Stäbchen des Capitäls in natürlicher Grösse.
Taf. IV.
Einzelne Theile des Gebäudes,
Fig. 1. Ordnung der Anten.
Fig. 11. Durchschnitt durch das Capital der Anten.
Fig. 111. Durchschnitt durch den Kranz des Giebels.
Att. Alt. 7
88 ACHTES CAPITEL.
Fig. IV. Durchschnitt durch das cymatium des Gie-
bels in grösserem Massstabe.
Fig. V, Ein gleiches Glied, das man unter dem
Schutte fand.
Taf. V. (*)
einsieht des Tempels der Athena Sunias,
Diese Ansicht ist von der nordöstlichen Seite,
etwas unterhalb des Tempels, aufgenommen. Die
Oberfläche der Säulen ist, weil sie der Einwirkung
der Seeluft ausgesetzt sind, bedeutend angefressen.
Taf. VI.
Grundriss des Tempels der Athena Sunias.
Taf. VII.
Aufriss des Tempels.
Wir sehen hier eins von den zwei uns bekann-
ten Beispielen, an welchen sich eine Abweichung
von der gewöhnlichen Eintheilung Dorischer Säulen-
schäfte findet. In der Regel zählt man nämlich an
ihnen, wenn sie gereift sind, zwanzig Cannelirun-
gen;(^) hier sind aber deren nur sechzehn. Die Säulen
am sechssäuligen Tempel zu Pästum, an welchen man
vierundzwanzig Cannelirungen zahlt, bieten das zweite
hieher gehörige Beispiel dar.
Taf. VIII.
Durchschnitt durch die Vorhalle.
Der Architrav ist durch die Halle hindurch fort-
geführt und ruht auf den Säulen der Nebenseiten,
(4) Obgleich die folgenden Tafeln bereits im zweiten Bande
der Ionischen Alterthiimcr mitgetheilt wurden , so hat man sie
doch hier nochmals aufgenommen, weil sonst unter den bis jetzt
in Attika entdeckten alten Gebäuden dieses — mit Ausnahme der
zu Athen selbst befindlichen — das einzige wäre , das in diesem
Baude nicht beschrieben würde. Die Platten sind von Neuem ge-
stochen worden, um sie mit den andern Stichen in Uebereinstim-
mung zu bringen.
(5) Vitruv. Lib. IV. Cap. III. W-
ACHTES CAPITEL. 89
und zwar jedesmal auf der zweiten von der Ecksäule
der Vorderseite an gerechnet.
Taf. IX.
Die Ordnung in grösserem Massstabe,
Tal. X.
Durchschnitt durch das Gebälke der P^orhalle,
Der Fries war mit Bildwerken geziert, w^elche
den Kampf der Kentauren und Lapithen darstellen, (®)
jetzt aber sehr entstellt sind.
Neuntes Capitel.
Th orikos.
1 horikos j eine der Attischen Ortschaften, lag auf
der Ostküste in einer Ebene, ohngefähr acht Meilen
nördlich vom Vorgebirge Sunion. üiese Ebene ist
auf drei Seiten von einer Reihe Hügel eingeschlossen,
welche sich rings um die Bucht herumziehen.
Thorikos erhielt seine Bedeutung durch die Nähe
der Silberminen von Laurion. Diese erstreckten sich,
über eine Reihe von Bergen, welche sich in fast
nördlicher und südlicher Richtung vom Hafen Prasia
— jetzt Raphti genannt und an der Ostküste zehn
Meilen nördlich von Thorikos gelegen — nach der
Südküste hin ziehen.
Die Ausgänge dieser Gebirgsreihe heissen nun
Mauron-orZ's und Lauron-ores , beides Namen, die
aus AavQtov OQog entstanden sind. Diese Gegenden
sind mit Ivohlen und Schlacken bedeckt. Im sechs-
undzwanzigsten Jahre des Peloponnesischen Krieges
wurde der Ort zum Schutze der Gruben befestigt,
und ebenso wie Anaphlysios an der Südküste und^e^a.
(6) VgJ. Welckcr's Acschyl. Tiilogic Pionictli. S. 560. W.
90 NEUNTES CAlPITEL.
das in der Mitte zwischen diesen beiden Orten lag,
durch eine Besatzung geschützt.
Etwas unterhalb einer kegelförmigen Anhöhe,
worauf wahrscheinlich die alte Akropolis lag, sind
die Reste eines einzeln stehenden Gebäudes, welches
halb in dem Schutte, den reissende Bäche von den
Hügeln der Umgebung herabgeschwemmt haben, ver-
graben und in einem Mastixgebüsche, das die Stelle
überdeckt, verborgen liegt.
Durch eine Anzahl Arbeiter, die wir aus dem
Dorfe Keratiaj etwa acht Meilen nordöstlich von
Thorikos, herholten, liessen wir das Buschvrerk
umhauen und den Schutt fünf bis sechs Fuss tief weg-
räumen. So brachten wir die unteren Theile einer
Dorischen Halle j mit vierzehn Säulen auf der Korderseite
und sieben auf jeder Nebenseile , an das Tageslicht.
Der mittlere Zwischenraum zwischen den Säu-
len der Vorderseite war weiter als der der übrigen,
nach einem Gebrauche, den man bei den Griechen
stets da beobachtet findet, wo die Bestimmung des
Gebäudes einen weiten Eingang verlangte; während
auf den Nebenseiten alle Zwischenräume, mit Aus-
nahme der an den Ecken, die immer enger als die
andern sind, von gleicher Weite sein mussten.
In dem inneren Baume liessen sich keine Reste
von IMauern entdecken; ein Umstand, aus dem, ver-
bunden mit der ungewöhnlichen Weite des mittleren
Zwischenraums auf einer langen Seite eines Gebäu-
des, hervorzugehen scheint, dass es kein Tempel, son-
dern eine offene Halle war. (*) Einige Gapitäle, die
(l) K. O. Müller (in der AUg. Encjcl. v. Ersch und Gruber
u. d. W. Attika S. 221.) hält die eine Seite mit den sieben Säu-
len für die Vorder- und die mit den vierzehn Säulen für die Ne-
ben-Seite und vermuthet, dass die beschriebenen Trümmer zu
eineai Tempel des Kretischen Apollon gehörten. W.
NßUNtßJS DAl»IirEL. ^i
man iii dem inneren Räume ausgrub , waren von de-
nen verschieden, die sich ausserhalb rings um das
Gebäude herum fanden: vermuthlich gehörten sie zu
Säulen, -welche sich durch die Mitte des von dem
äusseren Peristyl eingeschlossenen Raumes der Länge
nach hindurchzogen und die Balken des Dach«s trugen.
Taf. I.
Grundriss der Halle.
Theile von sechzehn Säulen sind noch in ihrer
ursprünglichen Lage vorhanden: elf auf der Ostseite
und fünf auf der Nordwestseite. Auf der Südwest-
seite standen noch beide Ecksäulen , und die Stelle
der zweiten Säule A erkennt man durch die Vertie-
fung, welche zu ihrer Aufnahme in dem Fussboden
angebracht ist. Aus diesem Umstand lässt sich er-
weisen, dass auf den Nebenseiten der Halle sieben
Säulen standen.
Die Ecke von der oberen Seite der ersten Stufe
und ein schmaler Streifen nächst demFusse der zwei
ten waren polirt; der dazwischenliegende Theil ist
rauh gearbeitet; ein Beweis, dass das Gebäude noch
nicht vollendet war,
Taf. II.
Aufriss der Säulen auf der Nordwestseite,
Die Höhe der Säulen liess sich aus den herabge-
fallenen Stücken derjenigen Schäfte, von welchen
sich noch Theile in ihrer ursprünglichen Lage be-
fanden , fest bestimmen. Die Säulen verjüngen sich
last um ein Viertel des unteren Durchmessers in ganz
graden Linien. Die Schäfte waren glatt gearbeitet
bis auf ein kleines Stückchen in der Höhe und an dem
Boden, das cannelirt ist; über den Cannelirungen
an der Base des Schaftes befindet sich ein schmaler
Streifen, der durch eine elliptische Curve über jeder
der Cannelirungen herausgearbeitet ist; derselbe ist
sehr fein polirt. Der Streifen unter dem Hypotrache-
92 NEUNTES CAPITEL.
lion oder dem Säulenhals ist ebenfalls polirt. Der
glatte Theil des Schaftes enthält über der ganzen
Oberfläche Spuren eines scharfen Werkzeuges, Auf
der Vorderseite der Blöcke, w^elche die Stufen bil-
den, hatte man noch Knöpfe (knobs) oder Zapfen
vorstehen gelassen, die wahrscheinlich nach Vollen-
dung des Gebäudes weggearbeitet werden sollten.
Taf. III.
Einzelne Theile des Gebäudes.
Fig. 1. Die Ordnung in grösserem Massstabe.
Fig. II, Ansicht des Schaftes auf dem Boden und in
der Höhe.
Fig. III. Capital der äusseren Säulen, in der Hälfte
der wirklichen Grösse.
A. Riemen des Capitäls in natürlicher
Grösse.
Fig. IV. Capital der inneren Säule, in der Hälfte d^r
wirklichen Grösse.
B. Die Art, wie die Cannelirungen ge-
gen die Riemen hin auslaufen.
C. Riemen der inneren Säulen, in natür-
licher Grösse.
Fig. V. Grundriss der Stufen an den Ecken des Ge-
bäudes. Die in der Mitte abffeschiednen
o
Theile sind unpolirt gelassen.
Register.
Acharnä. S, 13.
Aegalcos, Aegialeus. 1.
Agorakritos. 72.
Agra. 35. 44.
Alarich. 5. 48.
"Avaxiq, «»'«xTf?. 54.
'AväxTOQOv. 54.
Anaphlystos. 89.
"Avd-iov {wQiaq). 13.
Argiro- Castro. l4.
'AoftovCa, uQf/oyri. 21.
'AQfiol. 21. 25. 77.
Artemis s. Diana.
Ausschnitt im Fussboden um Säu-
len. 22.
Besä. 89.
Bindczicgcl. 21. 23. 24. 25. 26.
60. 67. 80.
Byzcs von Naxos. 21.
Canncliriingcn Dorischer Säu-
len. 88.
Capcllc lies h. Blasios. 7.
Capelle des h. Zaccharias. 4. 16.
Ceres. 31. 62. Brustbild. 15. Sta-
tue. 36.
Chimären. 74. Von ähnlichem
Zierrath auf den Akroterien,
z. B. von fliegenden Victorien
redet Winckelmann, Bd. I.
S. 411 f.
Cholargc. 53.
Cistorncn. l6.
Crypta. 51.
Cymatium. 24 ff. 88. Vgl. Crcu-
zer zur Deutsclien Ausg. Stu-
art's. Bd. I. S. 535.
/IcfSov/oq. 46.
Daphuc, Kloster. 9-
Dekeleia. 13. l4.
Dema. 13.
Demeter s. Ceres.
Diana. 62.
Dioskurrn. 54.
Draclu'nlilut zum Bemalen des
Marmor. 71.
Eingangshalle. 15. 30. 37.
Einweihung in die Mysterien. 31 f.
36. 45 tr.
E'iqoäoq ftvOTir.^. 9.
Eleusinion. 45.
Eleusis , neue Namen. 5.
iv naqaatäat.v (vaos). 62.
Epopten. 45.
Erechlheion. 71.
Eumolpiden. 46.
Felderdecken. 27 f. 40. 53. 67.
76. 78 f.
Firsteziegel. 80.
Fuss, der Eleusinische v. Atti-
schen verschieden. 19.
Fussboden in Tempeln. 51. 59.
FtXaov. 63.
Glieder, bemalte. 71.
Grabmal des Straten. 11.
Grabmäler an d. heil Strasse. 8.
Heiliges Thor. 6.
Heiliger Weg. 6.
Hekatompedon. 70.
Hermes Agoräos, Propyläos. 61.
Hexastylos peripteros. 73.
Hicrophant, Brustbild. 23. 46.
Hyperthyron. 61.
Hypotrachelion. 91 f.
Itqul IlvXai. 6.
Ikarios. 1.
Iktinos. 52.
Ilissos 35. 45.
In antis (aedes). 62.. 85.
Incertum strucfurac genus. 82.
Intcrtignia. 53. 63 f.
Tsis. 31.
Kahiren. 54. Vgl. Welcker's Ae-
schylische Triiogie Prometheus
an vielen Stellen.
Kay.i axaXa. 10.
Käla&o<;. 47.
Ku)MxoQnv (qtgiag). 4.' 12.
Kassia. lO.
Kentauren n. Lapitbcn. 89.
Kephisia. 7.
Kcphissos. 7. 11.
Koratia. 90.
Kirche dos St. Georg. 16.
Kirche der Panagia. 15- 16.
Koröbos. 52 f.
Korydallos. 1.
Laurion. 89.
Lauroa-orcs. 89.
94
REGISTER.
Lotos. 75.
Löwenköpfe. 65. 80.
Mäander. 75»^
Magoiila. 11.
Marathon. 67 f.
Marmor, bemalter. 71.
Marmorplatten z. Dachdecken,
20 f. 23. 67. 79.
Maschinerie bei den Mysterien.
30. 34 f. 37.
Mauron - ores. 89.
Menidi, 13.
Metagenes v. Xypete. 52 f.
Metopae , ufronui. 63 f.
Mittlerer Zwischenraum b. einer
Säulenreihe erweitert 90.
Mystagog. 46-
Mysterien, Eleusinische. 31. 41.
ff. 48.
Mysterien, kleine. 35. 44.
Mystische Pforte. 9.
Nemesis, Statue. 72. Sessel. 82.
Neptunus. 47.
Opae , onai. 63.
Orestes und Pylades. 62 f.
Oropos. 67.
Ovalo. 78.
Ovrio. 68.
Parapets. 63.
Parnes. 1. 10.
Parthenon. 51. 52. 7a
Perikles. 70.
Pentelisches Gebirg. 1. 7. 67.
Phidias. 72.
Philon. 52.
Phyle. 13. 14.
Plattziegel. 80.
Polygnot. 18.
Polypemon. 12.
Poseidon s. Neptunus.
Prasiä 89.
Priestermütze. 23.
Prokrustes. 12.
Propyläen , zu Athen. 17. 18.
— zu Eleusis. 2. 15- 17 ff. 22.
— zu Sunion. 85 ff.
Proserpina. 47.
Prüfungen der Mysten. 31 f. 45.
Raphti. 89.
Rarisches Feld. 4. 13.
Regula. 87.
'PhtoI, Rheti. 10. l4-
Sarantapotamoi. 11,
Scarmagga. 1,
Sessel , marmorne. 82 f.
Sima. 64. 75. 77.
Souli. 68.
Stauro - Castro. 68.
Stillicidium. 64.
Taenia. 87.
Tatoi. 14.
Tempel der Aphrodite Phile. 9.
— des Kretischen Apollon, 90.
— der Athena Polias. 71.
— der Athena Sunias. 84 f. 88.
— der Crtes. 15. 4l. 51. 52.
— der Diana Propyläa. 2. 4.
15. 61.
— der Nemesis. 67 ff.
— des Neptunus. 4.
— der Themis. 69- 81 ff.
— des Triptolemos. 4.
— der unbeflügelten Victoria.
18.
Themis , Statue. 82 f. Sessel. 82.
Thorikos. 89.
Thria. 9-
Thriasische Ebene. 1. 16.
Traufziegel. 24. 26. 60.
Triglyphen. 63 f.
Ulika. 12.
Wasse leitung. 13.
Xenokles v. Cholargc. 52 f.
Xypete. 53.
KUNST-ANZEIGE.
Im Verlage der Kunst- und Buchhandlung von Carl
Wilhelm Leshe zu Darmstadt und Leipzig sind nach-
stehend verzeichnete Werke für Freunde der Baukunst
und Aiterthumskunde erschienen:
I.
ENGLISCHE PRAGHTWERRE
IN GETREUEN ZIERLICHEN COPIEN.
STUART UND REVETT
ALTERTHÜMER ZU ATHEN.
Dieses Werk ist in getreu und zierlich gearbeiteten
Copien der grossen englischen Originalausgabe im Um-
riss, die Hauptansichten der Gebäude theiis ganz, theils
halb ausgeführt, erschienen, und begreift ^Lieferun-
gen in sechs Theilen.
Der Te*t ist in einer getreuen, alle Zusätze der
neuen Ausgabe enthaltenden, deutschen Uebersetzung
in gr. 8. gegeben, und mit den Anmerkungen des Ueber-
setzers, so wie mit Nachträgen und Berichtigungen von
Friedrich Creuzer vermehrt.
Der Subscriptionspreis für das ganze nun beendigte
Kunstwerk besteht noch auf unbestimmte Zeit fort,
derselbe beträgt mit dem In Band des Textes für das
cartonirte Exemplar der Abbildungen in der Ausgabe
auf Velinpapier 49 Thlr. 8 gr. od. 88 11. 48 kr. In der
Ausgabe auf ordin. Kupferdruckpapier 37 Thlr. 16 gr.
oder 67 fl. 48 kr. Der erste Band des Textes kostet
apart 3 Thlr. 8 gr. oder 6 fl. Der zweite Band des
Textes ist unter der Presse.
Einzelne Hefte werden nur von der gewöhnlichen
Ausgabe gegeben und kosten l'/, Thlr. od. 2 fl. 42 kr.
Die 28ste und letzte Lieferung aber 2 Thlr. 12 gr. oder
4 fl. 30 kr. Hefte der Verzierungen von 6 Blättern
20 gr. oder 1 fl. 30 kr.
Die nachstehend verzeichneten ausgeführten Blätter
sind auch einzeln ä 20 gr. od. 1 fl. 30 kr. zu haben:
Dorischer Portikus zu Athen.
Jonischer Tempel am Ilissus.
Der Thiirm der Winde zu Athen.
Das choragische Monument des Lysikrates.
üeberreste einer Stoa oder eines Portikus, gewöhn-
lich Tempel des Jupiter Olympius genannt.
Das Parthenon.
Tempel des Erechtheus, der Minerva Polias und
der Pandrosus.
Die Propyläen zu Athen.
Tempel des Theseus.
Aquaduct des Hadrian.
Monument des Philopappus.
Tempel zu Corinth.
Brücke über den Ilissus.
Ansicht von Pola.
Ansicht der Westseite des Amphitheaters zu Pola.
Tempel der Roma und des Augustus zu Pola.
Ansicht der Porta aurata zu Pola.
Ansicht der Schlucht zu Delphi.
Das Amphitheater zu Pola.
Der Bogen der Sergier zu Pola.
Ansicht des Parnassus am Wege von Livadien nach
Delphi.
Ferner folgende Plane und Karten:
Grundriss der Acropolis 12 gr. oder 54 kr.
Plan der Alterthümer von Athen 12 gr. oder 54 kr.
Karte von Attika 12 gr. oder 54 kr.
Karte des Hafens Piräus uud der Bai von Phalerura
8 gr. oder 36 kr.
Karte der Insel Delos 8 gr. oder 36 kr.
An dieses Werk wird sich zunächst der zu London
hei Priestley und Weale erschienene Supplementband
anschliessen, welcher *unter dem Titel:
DIE
ALTERTHÜMER VON ATHEN
UND VON
VERSCHIEDENEN ANDEREN THEILEN
GRIECHENLANDS,
ALS SUPPLEMENT DES STUARS-REVETT'SCHEN WERKS
erscheinen wird.
Das erste Heft dieses Snpplementbandes wird: An-
sicht, Aufrisse, Grundrisse, Durchschnitt uud Details
— s —
vom Tempel des Jlpollo von Epikurius zu Bassae , nach
den Zeichnungen von Th. Levreton Doiialdson, enthalten.
Die folgenden Hefte stellen die Eingangspforte von
Messene , die unterirdischen Gemächer von Mycene ,
das Theater zu Syrakus u. s. w. dar.
Einrichtung und Preis werden ganz denen des Haupt-
werks gleich seyn, also jede Lieferung auf Velinpapier
1 Thlr. 16 gr. oder 3 fl., auf ord. Papier 1 Tlilr. « gr.
oder 2 fl. 15 kr. kosten.
ALTERTHÜMER VON JONIEN.
HERAUSGEGEBEN
VON DER
GESELLSCHAFT DER DILETTANTI
ZU LONDON.
(9 Lieferungen in Royalfolio, sammt dem Text in 8.)
Mit der neunten Lieferung ist dieses Kunstwerk nun
ebenfalls vollendet. Der* noch für unbestimmte Zeit
fortbestehende Subscriptionspreis ist in cartonirtem
Eiiiband: für die Ausgabe auf fein Velinpapr. 15 Thr.
oder 27 fl., für die Ausgabe auf ordin. Papier 11 Thlr.
6 gr. oder 20 fl. 15 kr.
Der erläuternde Text erscheint zur Herbstmesse und
wird besonders berechnet.
Der Preis einzelner Hefte ist jetzt in der Ausgabe
auf Velinpapier 2 Thlr. od. 3 fl. 36 kr., in der ordin.
Ausgabe 1 Thlr. 12 gr. oder 2 fl. 42 kr.
Das ebenfalls von der Gesellschaft der Dilettanti
zu London herausgegebene Werk, unter dem Titel:
vorhi:r nie bekannte
ALTERTHÜMER VON ATTICA,
(tue VNEDITED ANTiqUITIES OF ATTICj)
\vi:r,t:iiF.s
DIK AKCIIITBKTONISCIIKN ÜBERIIESTE
VON ELEUSIS, lUIAMNUS, SÜNIÜM UJMD
THOIUKUS
KNTIIV.LT.
Durch dieses Werk wird der Cycfus der Alterthii-
mer Griechenlands vervollständigt. Es begreift sieben
Lieferungen, jede von zwölf Blättern, sammt dem Text
_ 4 —
in der deutschen Uebersetzung. Subscriptionspreis in
cartonirtem Einband auf fein Velinpapier 11 Thlr.
16 gr. oder 21 fl. , auf ordinair Papier 8 Thlr. 18 gr.
oder 15 fl. 45 kr.
Der Subscriptionspreis dieses nnn ganz vollendeten
Werks dauert noch für unbestimmte Zeit fort. Der
erläuternde Text dazu, übersetzt und mit Anmerkungen
begleitet von Dr. C. Wagner y kostet 12 gr. od. 54 kr.
Einzelne Hefte kosten auf Velinpr. 2 Thlr. od. 3 fl.
36 kr. Auf ordin. Papier 1 Thlr. 12 gr. od. 2 fl. 42 kr.
Die Jenaische Literaturzeitung 1825. Nro. 98., das
Kunstblatt 1825. Nro. 62., das Artistische Notizenblatt
1824. Nro. 21. und 1825. Nro. 3., die Jahrbücher für
Philologie 2r Jahrgang 6s Heft S. 223., Göthe's Kunst
und Alterthum 5r Bd. 3sHft., so wie mehrere andere
kritische Blätter, enthalten Beurtheilungen der Aus-
führung dieses Unternehmens und lassen demselben
Gerechtigkeit widerfahren.
Aus dem Stuart -Revett' sehen Werke wird als ein
Ganzes für sich gegeben:
THE ELGIN MARBLES. ' i
DIE
SCULPTUREN VOM TEMPEL DER MINERVA
ZU ATHEN
auf 63 Platten in Umrissen getreu dargestellt, nach
der Londoner Ausgabe (mit dem aus dem Englischen
übersetzten Text in gr. 8.) Royalfol. cartonirt. Preis
für die Ausgabe auf Velinpapier 18 fl. oder 10 Thlr.,
für die ordin. Ausgabe 13 fl. 30 kr. oder 772 Thlr.
JACOB MURPHY
ÜBER DIE
GRUNDREGELN DER GOTHISCHEN
BAUART.
AUS DEM ENGLISCHEN ÜBERSETZT
VON
J. D. E. W. EN GELHARDy
Kürhess. Oberbaumeister in Cassel
mit 11 Kupfertafeln, worunter der Aufriss und Grund-
riss der Kirche zu Batalha. Royal 4. cartonirt. Preis
6 Thlr. oder 10 fl. 40 kr.
_ 5 —
MUSEUM WORSLEYANUM,
EINE
SAMMLUNG VON ANTIKEN BASRELIEFS, BÜSTEN,
STATUEN UND GEMMEN,
NEBST ANSICHTEN AUS DER LEVANTE.
HERAUSGEGEBEN
VON
HEINRICH WILHELM EBERHARD
UjND
HEINRICH SCHÄFER.
Der hohe Preis der in London erschienenen Aus-
gabe dieses so schätzbaren Werkes hat die deutschen
Herausgeber bewogen, eine wohlfeile Ausgabe dessel-
ben zu veranstalten. Die Abbildungen sind in Umrissen
gegeben und erscheinen in sieben Lieferungen, jede
von neun bis zehn Blättern. Der Text bildet einen
besondern Band in gleichem Format mit den Bildern.
Jede Lieferung kostet l'/j Thlr. oder 2 fl. 24 kr. Der
Text soll möglichst billig besonders berechuet werden.
IL
ARCHITEKTONISCHE WERKE
DES
GROSSHERZOGL. HESSISCHEN OBERBAURATIIS
D« GEORG MOLLER
zu DARMSTADT.
DENKMÄHLER DEUTSCHER BAUKUNST.
Zwei Bände. Royalfolio.
Der erste Band ist auch als ein für sich abge-
schlossenes Ganze unter dem Titel:
Beiträge zur Kenntniss der deutschen Baitkunst des
Mittelalters , enthaltend eine chronologische Reihe
von Werken aus dem Zeiträume vom achten bis zum
sechzehnten Jahrhundert. Mit 72 Kupfertafeln. Iloyal-
Folio. Sauber cartonirt ä 207^ Thlr. oder 36 fl.
zu haben. Einzelne Hefte kosten l'/, Thlr. oder 2 fl.
42 kr. Der Text besonders eben so viel.
— 6 —
Der zweite Band gibt im 13., 14. und 15. Hefte:
Die Kirche der heiligen Elisabeth zu Marburg, 18 Blät-
ter, wovon drei sorgfältig mit dem Grabstichel von
Felsiug lind Noack ausgeführt sind, sammt Text,
Preis 8 Thir. 12 gr. oder 14 fl. 24 kr.
Im 16., ir. und 18. Hefte:
Die Kirche des heiligen Georg (^nnnmehr Domkirche)
zu Limburg an der Lah7i und des heiligen Paulus
zu JVor7ns , von ersterer 13 Blätter, worunter sich
3 durch Frommel, Grunewald und Ratich ausgeführt
befinden, von letzterer 5 Blätter, mit dem erläutern-
den Text. Preis 8 Thlr. 12 gr. oder 14 fl. 24 kr.
Im 10., 20. und 21. Hefte:
Der Münster zu Freiburg. Jedes Heft a 2 Thlr. 20 gr.
oder 4 fl. 48 kr.
Die ausgeführten Blätter darin sind von den Ge-
brüdern Ernst und Carl Ranch.
Sämmtliche ausgeführte Blätter eignen sich sehr gut
zu Zimmern erzierungen. Sie sind durch jede Buch-
und Kunsthandluug a 1 Thlr. 12 gr. oder 2 fl. 42 kr.
zu beziehen. Dieselben stellen dar: ,
Aeussere Ansicht der Elisabeth- Kirche zu Marburg,
von Noack.
Innere Ansicht dieser Kirche , von Noack.
Westliche Thüren derselben Kirche, von Feising.
Die Domkirche von Limburg von der Nordwestseite,
von Frominel.
Dieselbe von der Ostseite, von Grünetcald.
Innere Ansicht derselbeji, von Ernst Rauch.
Der Freiburger Münster , Südwestseite , von Demselben.
Vorhalle desselben, von Carl Rauch.
Auch die Blätter, welche Verzierungen im altdeut-
schen Geschmack enthalten, sind besonders verkäuflich.
Man kaun solche pr. Blatt a 8 gr. oder 36 kr. durch
alle Buch- und Kunsthandluugen beziehen, worauf ich
besonders Architekten, Stukatur- und Silberarbeiter
aufmerksam mache. Solche Verzierungen befinden sich
namentlich
auf den Blättern Nro. 4. 9. 16. 22. 25. 38. 48. 55.
58. 61. 63.. 64. 65. 67. bis 70. des I. Bandes ,
— 7 —
und auf den Blättern Nro. 5. 11. 14. 16. der Mar-
burger Kirche , so wie auf Nro. 5. 10. 11, 17. der
hhnburger Kirche.
ORIGINALZEICIINÜNG
DES DOMES ZU KÖLN,
neun Kupfertafeln in grösstera Format enthaltend; auf
das beste Velinpapier gedruckt.
Der auf unbestimmte Zeit auf die Hälfte herabge»"
setzte Preis ist 12 Thlr. od. 21 fl. 36 kr. Ein Contre-
Druck der sieben Blatt Anfrisse, wodurch man ein
treues Bild der beiden Tliürme und des grossen Por-
tals erhält, so wie solche projectirt waren, kostet
S'/o Thlr. od, 15 fl, netto. Ein vollständiges Exemplar
nebst Contre- Druck I673 Thlr. oder 30 fl.
E N T W U R F E
AUSGEFÜHRTER UND ZUR AUSFÜHRUNG
BESTIMMTER GEBÄUDE.
HERAUS6BGBBBIV
VON
DR GEORG MOLLER uad F. HEGER.
(In Heften von 6 Blättern. Royalfolio.^
Das erste Heft enthält das von Moller zu Darra-
Darmstadt erbaute, grosse und geschmackvolle Hof-
opernthenter.
(^Die perspcctivische Ansicht desselben ist noch be-
besonders in aquadnta a 12 gr, oder 48 kr. fein colorirt
a 173 Thlr. oder 2 fl. 24 kr. zu haben.)
Das zweite Heft enthält die in Form einer Rotunde
von Moller gebaute katholische Kirche und den Spring-
brunnen auf dem Louisenplatze zu Darmstadt, \on Heger.
(Die perspectivischen Ansichten des Aeussern und
des Innern der Kirche sind colorirt jede zu I73 Thlr.
oder 2 fl. 24 kr, zu haben.)
Der Preis eines jeden Heftes ist I7, Thlr. od. 2 fl.
24 kr, Feiu colorirte Exemplare vom I. und II. Hefte
sind ä 57j Thlr. oder 9 fl, 36 kr. zu haben.
— 8 —
III.
J. E. R UHL
DENKMÄHLER DER BAUKUNST
IN ITALIEN
VORZÜGLICH
AUS DEM MITTELALTER,
NACH DEN MONUMENTEN GEZEICHNET.
Is bis 5s Heft. Royalfolio. Velinpapier. Jedes Heft
von 6 Blättern V/^ Thlr. od. 2 fl. 42 kr.
Dieses Werk enthält genaue Zeichnung-en vieler,
zum Tlieil nicht sehr bekannter , italienischer Kirchen,
Paläste, Klöster etc.
Der Verfasser hat es für gut gefunden, weil der
Absatz nicht den gehofften Gewinn ihm gebracht hat,
das dem Publikum gegebene Versprechen nicht zu be-
achten und die Fortsetzung des Werks zu suspendiren.
Auf diese Art sind der gute Wille des Verlegers, so
wie die von ihm gebrachten Opfer erfolglos geblieben,
was der Letztere hiermit zu seiner Rechtfertigung be-
merken will.
Sämmtliche Artikel sind durch alle Buch- und Kunst-
handlungen Deutschlands und des Auslandes zu haben.
GETTY RESEARCH INSTITUTE
3 3125 01069 9987
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