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Full text of "Alterthümer von Ionien"

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ALTERTHÜMER 

VON 

I  O  N  I  E  N 

HERAUSGEGEBEN 

VON    DER 

GESELLSCHAFT   DER    DILETTANTL 


ERSTER     THEIL. 

ZWEITE   BERICHTIGTE   UND    VERMEHRTE   AUFLAGE. 

LONDON   1821. 


o 


ALTERTHÜMER 

VON 

I  O  N I EN 

HERAUSGEGEBEN 

VON    DER 

GESELLSCtIAFT  IJER  DILETTANTI 
ZU  LONDON 

AUS  DEM   ENGLISCHEN   ÜBERSETZT   UND    MIT 
ANMERKUNGEN  BEGLEITET 

VON 

D"    KARL  WAGNER. 


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DARMSTADT, 


DRUCK  UND  VEfLAG  VON  KARL  WILHELM  LESKE. 

MDCCCXXIX. 


THE  J.  PAUL  GETFY  MUSEUM  UBRARY 


Vorrede  des  Uebersetzers. 


U  eLer  den  hohen  wissenschaftlichen  Werth  des 
prachtvollen  in  Atlantischem  Format  erschie- 
nenen Originalwerks,  dessen  UeLersetzung  ich 
hier  vorlege,  haben  urtheilsfähige  Richter  schon 
längst  entschieden.  (')  Es  ist  für  die  Baukunst 
überhaupt  und  für  die  Ortskunde  von  Klein- 
asien insbesondere  von  anerkannt  grosser  Wich- 
tigkeit.      Dies    bezeugen    sowohl    ausführliche 


(l)  Vgl.  Hirt   in   der  Vorrede   zur  Baukuust  nach  den 
Grundsätzea  der  Alten. 

Ion.  Alt.  ** 


IV  VORREDE, 

Beurtheiluugen  in  gelehrten  Zeitschriften,  (2) 
als  auch  unzählige  Verweisungen  auf  dasselbe 
in  allen  neueren  Werken  über  Griechische  Bau- 
kunst. Es  bleiben  mir  darum  nur  einige  Be- 
merkungen über  die  neue  hier  zu  Grund  liegende 
Auflage  des  ersten  Theils  und  über  meine  Ar- 
beit zu  machen  übrig. 

Beinahe  fünfzig  Jahre  waren  seit  dem  Er- 
scheinen der  ersten  Ausgabe  verflossen,  als  die 
Fortschritte  der  Briten  in  der  Kenntniss  der 
Griechischen  Baukunst  eine  lieber  arbeitung  der- 
selben Avünschenswerth  machten.  Günstige  Ver- 
hältnisse erleichterten  die  genauere  Prüfung 
vieler  Bauwerke  und  Hessen  die  kenntnissreichen 
Mitglieder  der  zweiten  Mission  eine  reiche  Nach- 
lese finden.  So  musste  die  neue  Auflage  in 
vielen  Theilen  berichtigt,  überarbeitet,  vervoll- 
ständigt Averden  und  wesentliche  Vorzüge  vor 
der  ersten  erhalten.  Schon  das  erste  Capitel 
enthält  neue  Untersuchungen  und  Resultate  über 


(2)  Göttinger  Anzeigen  gelehrter  Sachen  1770.  54.  St. 
S.  474  ff.  Neue  Bibliothek  der  schönen  Wiss.  177t.  Bd.XII. 
St.  I.  S.  232  ff.  Bibliotheque  universelle  des  royages,  Paris 
1808.   Tom.  II.  p.  139. 


VORREDE.  V 

die  Verhältnisse  der  Säulenweiten,  das  fünfte 
ist  ganz  neu  hinzugekommen.  Mehre  malerische 
Ansichten  sind  zwar  Aveggehliehen,  aber  durch 
genaue  topografische  Pläne  oder  architektonische 
Zeichnunjjen  mehr  als  ersetzt  worden.  Für  einen 
besonderen  Gewinn  ist  die  von  Sir  William 
Gell  gemessene  und  gezeichnete  Karte  vom  Lauf 
des  Mäandros  zu  achten,  gegen  welche  die 
früher  als  Schlussvignctte  zum  dritten  Capitel 
gegebene  kleine  Karte  von  einem  Theil  von 
Kleinasien  keinen  Vergleich  aushält.  Aulfallen- 
derweise hat  man  aber  zur  Erläuterung  dieser 
Karte,  die  das  Ergebniss  neuer  Vermessungen 
und  Forschungen  darstellt,  den  alten  Chandleri- 
schen  Text  stehen  lassen,  der,  sonderbar  genug, 
weder  zu  jener  älteren  kleinen  Karte  noch  zu 
der  neuen  Gellischen  passt.  Auf  beiden  ist  näm- 
lich die  Lage  von  HeraJcleia  richtig  an  dem 
Südende  des  Latmischen  Meerbusens,  in  der 
Nähe  des  heutigen  Dorfes  Bafi  und  die  von 
Myirs  auf  der  Gellischen  nordwestlich  von  hier 
am  Mäandros  angegeben.  Der  Text  aber,  der 
in  Chnndler's  Reisen  in  Kleinasien  wiederholt 
und  erweitert  wird,  bezeichnet  S.  56.  57-  62. 
64  If.  und  an  andern  Stellen  die  Stadt  Myus  so, 


VI  VORREDE. 

als  wenn  sie  an  der  Stelle  von  Herahleia,  und 
diese  S.  59,  als  wenn  sie  westlich  von  dem 
Latmischen  Busen  läge.  Auf  demselben  Irr- 
thum  beruht  die  Angabe  von  einem  Theater, 
Tempel,  von  Grabmälern,  Klöstern  und  Kir- 
chen zu  Myus  S.  65  f.  Sowohl  die  Trümmer 
der'  beschriebenen  alten  Bauwerke,  als  die  neuen 
von  Christen  aufgeführten  Gebäude  gehören  der 
Stadt  Herdkleia  an,  die  bekanntlich  auch  noch 
nach  Christi  Geburt  blühte  und  Sitz  eines  Bi- 
schofs Avar.  S.  211  wird  Myüs  gerade  dem 
neueren  Bafi  gleichgestellt,  dessen  Lage  am 
Latmischen  Busen  oder  Bauschen  See  durch  Gell 
und  Choiseul  Gouffier  ausser  allen  Zweifel  ge- 
setzt ist.  Ebenso  soll  nach  dem  Text  der  Bersr 
Titanos  der  Stadt  Priene  gegenüber  liegen,  wäh- 
rend es  auf  der  Karte  der  Latmos  ist.  Thym- 
hria,  dessen  der  Text  S.  67  erwähnt,  sucht 
man  vergebens;  Paimos ,  ein  Dorf  auf  einem 
Hügel,  der  wahrscheinlich  aus  der  ehemaligen 
Insel  Lade  entstand,  ist  nicht  angegeben.  Da- 
gegen findet  man  über  sehr  viele  Namen  der 
Karte  und  bedeutende  Abweichungen  von  frü- 
heren Zeichnungen  im  Text  keinen  Aufschluss. 
Beide   nehmen    keine    Rücksicht    auf    einander, 


VORREDE.  VH 

sondern  widersprechen  sich  sogar.  Auch  aus- 
ser den  angegebenen  Fällen  wird  sich  der 
Leser  noch  manchmal  mit  mir  über  diese  Incon- 
sequenz  und  grosse  Nachlässigkeit  zu  beklagen 
haben. 

Um  so  erfreulicher  ist  die  Gabe,  die  uns  das 
so  eben  erschienene  Programm  unserer  hiesigen 
Gelehrtenschule  in  der  Abhandlung  meines  Freun- 
des, des  Dr.  W.  Th,  Soldan  ^  bietet.     Als  Vor- 
arbeit  einer   Geschichte    von   Miletos    erscheint 
hier  nämlich  eine  geografische  Untersuchung  De 
Mileto  et  locis,  quae  circumiacent,  43  S.  in  4to, 
die  den  allerdings  sehr  verworrenen  Gegenstand 
mit  einer  solchen  Klarheit,    Sachkenntniss   und 
Vollständigkeit  behandelt  und  den  an  sich  sprö- 
den Stoff  in  eine  so  angenehme  Form  gebracht 
hat,  dass  ich,  um  das  Richtige  anzugeben,  wohl 
nur  ausschreiben  dürfte  und   des  Erklecklichen 
nicht  Viel  hinzuzufüjjen  hätte.    Die  beiijeijebene 
Karte   gibt   ein   anschauliches   Bild    der   immer 
vorgerückten  Gränzen,    welche  die  Küste  jener 
Gegend  zu  den  verschiednen  Zeiten  des  IVeleus, 
Plinius,  Pausanias  gehabt  zu  haben  scheint  und 
jetzt  hat.     Der   topografischen   Zeiclmung   nach 
liegt  ihr  vorzüglich   die  hunder tund elfte  Tafel 


VIII  VORREDE.  j 

in  der  malerischen  Reise  des  Grafen  Choiseul 
Gouffier  zu  Grund,  in  der  Ortsbezeiclinung  aber 
stützt  sie  sich  auf  eigne  Vermuthung  und  stimmt 
darin  im  Wesentlichen  mit  unserer  Gellischen 
zusammen.  Dies  muss  Leiden  zur  Empfehlung 
dienen,  indem  beide  selbstständig  gearbeitet 
haben;  Gell  nach  Autopsie  an  Ort  und  Stelle, 
Soldan  nach  kritischer  Vergleichung  alter  und 
neuer  literarischer  Hülfsmittel  und  ohne  die  Gel- 
lische Karte  früher  gesehen  zu  haben,  als  die 
seine  vollendet  war. 

Diese  Schwäche  des  Grundtextes  durfte  ich 
nicht  ungerügt  und  ohne  Angabe  des  Heilmittels 
lassen,  aber  mein  Tadel  trifft  nur  einen  ein- 
zelnen Punct ;  das  Ansehen  des  architektonischen 
Theils  leidet  dadurch  nichts,  und  wer  sehr  reich 
ist,  bleibt  auch  nach  einem  kleinen  Verlust 
»och  reich. 

Ob  und  wie  mir  die  Uebersetzung  gelungen, 
kann  nur  eine  Vergleichung  mit  dem  Original 
lehren.  Ich  strebte  nach  den  zwei  Grundtugen- 
den eines  Uebersetzers,  nach  Treue  und  Deut- 
lichkeit; der  dritten,  der  Schönheit,  widerstrebte 
der  Stoff.     In  einer  vollständigen  Bearbeitung 


VORREDE.  IX 

des  Englischen  Werks  hätten  freilich  die  vielen 
Bemerkungen,  die  sich  in  neueren  Schriften  üLer 
unsern  Text  und  die  Lescliriehenen  Gegenstände 
finden,  berücksichtigt,  es  hätten  z.  B.  um  nur 
Einiges  anzuführen,  die  Einwürfe  in  der  Ar- 
chäologie der  Baukunst  von  Stieglitz  ^  Thl.  I. 
S.  23,  gegen  die  Vergleichung  des  Tempels  zu 
Aegina  mit  dem  zu  Pästunij  so  wie  die  des 
'Baron  -von  StacJcelherg  in  seinem  Werk  über  den 
Apollontempel  zu  Bassä  gegen  unsere  Benennung 
dieses  Tempels  mit  Hirt  erledigt  werden  müssen. 
Allein  dies  konnte  nicht  in  meinem  Plane  liegen. 
Ich  unterliess  es  jedoch  nicht,  gelegentlich  Irr- 
thümer  zu  berichtigen,  Andeutungen  und  Nach- 
träge zu  geben,  so  oft  mir  diese  gerade  zu  Ge- 
bot standen;  statt  der  unbegründeten  Orthografie 
des  Originals  in  den  Eigennamen  führte  ich  die 
Griechisch  -  Teutsche  Schreibart  durch  und 
scheute  nicht  die  unscheinbare  Mühe,  die  grÖs- 
stentheils  sehr  unbestimmten  Verweisungen  ge- 
nau anzugeben. 

Gelingt  es  diesem  Werke,  der  Kunst  und 
dem  reinen  Geschmack  neue  Freunde  und  Jün- 
ger, und  dem  hohen  Geiste  der  Hellenen,    der 


X.  VORREDE. 

in  ihren  Bauwerken  athmet,  neue  Bewunderer 
zu  gewinnen,  so  ist  der  üebersetzer  reich,  be- 
lohnt. 

Darmstadt,  den  6ten  OctoLer  1829. , 

R.  W. 


n     h     a     1     t. 


Seite 
Vorrede  des  Uebersetzers.         .         .         .         .         .111 

Geografische  Irrthümer  bei  Chandler.      .         .  V 

I.  Theil. 

Vorredezur  ersten  Ausgabe j  verf.  von  Rob.  fVood.  (*)  1 

Stiftung  des  Vereins  der  Dilettant!.        .         .  2 

Erste  iMission  nach  Hellas  und  lonien.         .         .  3 

Wichtigkeit  loniens  für  Wissenschaften  und  Künste.  6 

Mitglieder  des  Vereins   der  Dilettant!.          .         .  11 

Vorrede  und  Einteilung  zur  zweiten  Ausgabe.     .  13 

Zweite  Mission.            ......  13 

Construction  des  Dachs.          ....  15 

Hypäthrische  (unbedeckte)  Tempel.       .         .         .17 

Erleuchtung  der  Tempel.        ....  24 

Cap.  I.     Teos 29 

Tempel  des  Bakchos.      .....  35 

Cap.  II.     Pricne '       .  .48 

Vom  Lauf  und  der  Umgegend  des  Mäandros.  55 

Umgegend  von  Priene.  ....  68 
Tempel  der  Athena  Polias.           .          .         .         .70 

Cap.  III.     Didynw 82 

Umgegend  des  Tempels  zu  Didjmö.              .          .  132 

Tempel  und  Orakel  des  ApoUon.              .         .  134 


(1)  Chandlers  Reisen  in  KIcinasieu,  iu  der  Vorrede. 


XII  INHALT. 

Seite 

Cap.  IV.     Labranda.            .         .          .          .          .         .  140 

Tempel  und  Theater    zu   Labranda   oder  zu  Eu- 

romos.         .         ,         .         .         .         .         .  140 

Cap.  V.     Samos.          .......  150 

Umgegend  von  Samos.             .         .      '  .         .  158 

Tempel  der  Hera .  162 

II.  Theil. 

Vorrede  und  Einleitung.        .....  169 

Charakter  und  Geschichte  der  Dorischen  Bau- 
ordnung.        .         .         .  '       .         .         .,        .  169 

^         Entstehung  und  Ausbildung  der  Kunst  bei  den 

Hellenen. 175 

Cap.  VI.     Das  Mutterland  Hellas 198 

Aegina. 

Ruine  bei  dem  Hafen.             ....  198 

Tempel  des  Zeus  Panellenios 198 

Zeitbestimmung  der  ßlüthe  der  Baukunst.      .  203 

Aegyptischer  Baustyl.           .....  204 

S  Union. 

Tempel  der  Athena  Sunias.    ....  205 

J\emea. 

Tempel  des  Zeus.        ......  207 

JEleusis, 

Tempel  der  Demeter.      .         .         .         .        '.  207 

Cap.  VII.     Jonien. 

Bogen  zu  Mylasa 209 

210 

.  211 

211 

.  212 

213 

.,  216 

217 

.  217 

Theater  zu  Laodikeia.              ....  219 


Grabmal  zn  Mylasa.        .         .  .  . 

Korinthische  Säule  mit  einer  Inschrift. 
Ruinen  und  See  von  Myüs  (Herakleia). 
Theater  zu  Stratonikeia.     . 
Gymnasion  zu  Efesos. 
Tempel  zu  Efesos.       .... 
Theater  zu  Miletos.         .         .         .  . 

Rennbahn  zu  Laodikeia. 


INHALT.  XIII 

Seite 

Gymnaslon  zu  Alexandreia  Troas.        .         .         ^  222 

Theater  zu  lassos. 222 

Theater  zu  Patara 222 

Theater  auf  der  Insel  Kisthene.      .         .         .  222 

Theater  bei  Telniissos 223 

Schauspieler -Schulen  und  Gesellschaften.        .  223 

Localitüt  der  Schauspiele.             ....  224 

Verpachtung  der  Theater  und  heiligen  Bezirke.  224 

Hülfsquellen  zu  Errichtung  von  Heiligthümern.  228 

Cafp.  VIII.  p)     Vignetten. 

Bedeutung  des  Adlers.             ....  231 

Weihe  der  Kinder.               .         .         .         .         .  232 

Grabstein  mit  Inschrift.           ....  232 

Münzen  von  Eleusis  Aegina  und  Aegion.     .         .  233 

Theatermarken 234 

Sitze  im  Theater 234 

Eine  Inschrift  zur  Bestimmung  der  Sitze.       .  238 

(2)  Im  Original  sind  die  3  Capitel  des  2len  Theils  mit  V.  VI. 

VIT.  bezeichnet,    weil   das   Cap.  V.  jim  ersten  Theil  noch  nicht 
mitgezählt  werden  konnte. 


Druckfehler. 


S.  5.    Z.  6.  von  oben  lies  Delfö  statt  Delfi, 

S.  5.  Z.  8.  V.  ii.  l.  Athen«  st.  Athen. 

S.  6.  Z.  13.  V.  u.  I,  Anaixmandro.s  st.  Anaximander. 

S.  49.  Z.  8.  lies  am  statt  im. 

S.  81.  Z.  13.  V.  u.  1.  Triglyfe/i  st.  Triglyfc. 

S.  82.  Z.  15.  1.  der  Triglypfe  st.  des  Triglyf*,  weil  es  bei  Euripid. 

Orest.  1373  t«s  datQixuq  tqiyXvtpovi;  heisst. 
S.  145.  Z.  2.  V.  unten  lies:  IV.  statt  3. 


Vorrede  zur  ersten  Ausgabe. 


Unter  den  verschiedenartigen  literarischen  Er- 
zeugnissen, die  durch  eine  Vorrede  in  die  Welt 
eingeführt  werden,  mochte  Avohl  keine  Gattung 
von  Werken  einer  solchen  Einführung  mehr  be- 
dürfen, als  die,  welche  mehr  Thatsachen  als 
Meinungen  und  Ansichten  enthalten  und  deren 
Verdienst  darum  mehr  von  des  Verfassers  Wahr- 
haftigkeit als  von  dessen  schöpferischem  Talente 
a])hängt.  Eine  Schöpfung  des  Geistes  spricht 
für  sich  selbst;  hier  ist  jede  Fürsprache  unnütz, 
jede  Rechtfertigung  überflüssig.  Aber  ein  Rei- 
sender, der  mit  dem  bescheidenen  Anspruch, 
einen  klaren  und  treuen  Bericht  dessen  geben 
zu  wollen,  was  er  gesehen,  als  Schriftsteller 
auftritt,  dessen  Wahrhaftigkeit  und  Genauigkeit 
von  grösserer  Bedeutung  sind,  als  sein  Geschmack 
und  sein  Urtheil,  kann  sich  dem  ÖfFentlichen 
Beifall  durch  nichts  mehr  empfehlen,  als  wenn 
er  aufrichtig  erklärt,  welche  Gelegenheit  er  ge- 
habt, um  sich  zu  unterrichten,  welche  Mittel 
ihm  zu  Gebot  gestanden,  um  sich  Kenntniss  von 
seinem  Gegenstand  zu  verschaffen,  und  in  wel- 
cher Art  er  sodann  seine  Notizen  gesammelt  und 

Ion.  Alt.  1 


2  VORREDE    ZUR   ERSTEN   AUSGABE. 

benutzt  hahe.  Jeder  Leser,  dem  es  um  wahre 
Bereicherung  seines  Wissens  zu  thun  ist,  "wird 
eine  solche  Erklärung  erwarten,  um  beurtheileu 
zu  können,  welchen  GlauLen  unser  Werk  ver- 
diene. Die  folgende  kurze  Mittheilung  beab- 
sichtigt darum,  eine  so  billige  Erwartung  zu 
befriedigen. 

Im  Jahr  1734  verbanden  sich  mehrere  Män- 
ner, die  Italien  bereist  hatten  und  in  ihj-er  Hei- 
math den  Geschmack  für  diejenigen  Gegenstände 
zu  erwecken  und  zu  beleben  wünschten,  die 
ihnen  im  Auslande  so  viele  belehrende  Unter- 
haltung gewährt  hatten,  zu  einem  Vereine  unter 
dem  Namen  der  Diletianti.  Um  ihren  ursprüng- 
lichen Plan  nicht  aus  den  Augen  zu  verlieren, 
erachteten  sie  es  für  nÖthig,  gleich  anfangs 
hierüber  gewisse  Bestimmungen  zu  machen.  Es 
würde  sich  indessen  mit  unserm  Wahrheitsge- 
fühl nicht  vertragen,  w enn  wir  behaupten  woll- 
ten, ein  strenger  Plan  zur  Beförderung  der 
Künste  sei  der  einzige  Beweggrund  zur  Stiftung 
jenes  Vereins  gewesen.  Einen  geselligen  freund- 
schaftlichen Verkehr  unter  sich  zu  bilden,  war 
unstreitig  die  erste  und  hauptsächlichste  Absicht. 
Während  jedoch  vielleicht  kein  Verein  von  Män- 
nern jemals  in  dieser  Hinsicht  seinem  ursprüng- 
lichen ZAvecke  treuer  geblieben  ist,  so  hoifen 
wir  doch  auch  von  der  andern  Seite  durch  die- 
ses Werk  kund  zu  thun,  dass  der  Verein  -darum 
ein  ernstes  männliches  Wirken,  zu  dem  er  sich 
ebenso  verpflichtet,    nicht  aufgegeben  und  die 


VORREDE    ZUR    ERSTEN   AUSGABE.  3 

Ansprüche  an  den  Charakter  nicht  verloren  hat, 
der  in  seinem  angenommenen  Namen  liegt. 

Aus  einem  Bericht  über  den  Finanzzustand 
des  Vereins  vom  Jahr  1764  ging  hervor,  dass 
derselbe  ein  bedeutend  grösseres  Vermögen  be- 
sitze, als  die  laufenden  Ausgaben  desselben  nö- 
thij£  machten.  Nachdem  man  nun  über  die 
Verwendunji  eines  Theils  dieses  Schatzes  ver- 
schiedene  Vorschläge  zu  Unternehmungen  gemacht 
hatte,  die  den  guten  Geschmack  fordern  und 
dem  Vereine  Ehre  bringen  sollten,  so  beschloss 
man  nach  einiger  Berathung,  einen  besonders 
geeigneten  Mann,  oder  auch  mehre  mit  hinrei- 
chenden Mitteln  in  gewisse  Gegenden  des  Orients 
zu  schicken,  um  durch  sie  über  den  früheren 
Zustand  dieser  Landschaften  Nachrichten  zu 
sammlen  und  sich  besonders  genaue  Beschrei- 
bungen von  den  Ueberresten  der  alterthümlichen 
Denkmale  zu  verschaffen,  die  man  in  jenen 
Ländern  noch  erblickt. 

Zu  diesem  Unternehmen  wählte  man  drei 
Männer  aus.  Hr.  Chandler,  Mitglied  des  Mag- 
dalenen-Colleiiium  zu  Oxford  und  Herausgeber 
der  Marmora  Oxoniensia,  wurde  für  die  literari- 
schen Arbeiten  der  Unternehmung  bestimmt;  die 
Geschäfte  des  Architekten  wurden  dem  Hrn. 
Bevelt  übertragen,  der  bereits  einen  genügenden 
Beweis  seiner  Genauigkeit  und  Sorgfalt  bei  sei- 
nen Vermessungen  der  alterthümlichen  UeJjer- 
reste  von  Athen  gegeben  hatte;  einen  geschick- 
ten Künstler  endlich,  um  Ansichten  aufzunehmen 

1* 


4        VORREDE  ZUR  ERSTEN  AUSGABE. 

und  Basreliefs  abzuzeichnen,  hoif  te  man  m  Hrn. 
Pars,  einem  jungen  Maler  von  vielversprechenden 
Anlagen,  zu  finden.  Man  ernanute  hierauf  einen 
Ausschuss,  um  den  Gehalt  der  Reisenden  zu 
bestimmen  und  die  Instructionen  für  dieselben 
zu  verfassen.  In  diesen  Avurden  die  verschiede- 
nen Amtsobliegenheiten  eines  jeden  genau  be- 
stimmt, und  alle  zugleich  verpflichtet,  ein  fort- 
laufendes Tagebuch  zu  führen  (i)  und  einen 
unausgesetzten  Briefwechsel  mit  dem  Vereine  zu 
unterhalten. 

Am  neunten  Juni  1764  schifften  sich  die  drei 
genannten  Männer  auf  der  Anglikana  ein,  die 
unter  Capitän  Stevrart  nach  Constantinopel  fah- 
ren sollte,  und  stiegen  am  25ten  August  bei  den 
Dardanellen  ans  Land.  Nachdem  sie  das  Vor- 
gebirg  Slgeion ,  die  Ruinen  von  Troas ,  die  In- 
seln Tenedos  und  Chios  (Scio)  besucht,  kamen 
sie  am  Uten  September  in  Sm.yrna  an.  Von 
hier  aus,  als  ihrem  Hauptquartiere,  machten  sie 
mehre  Excursionen.  Am  21ten  Aujjust  1765 
schifften  sie  von  Smyrna  ab  und  langten  am 
31ten  desselben  Monats   in  Athen    an,    nachdem 


(1)  Von  diesem  Tagelxich  ,  das  Dr.  Eichard  Chandlev  i'iber 
arbeitete  und  mit  Genclimigung  der  Gesellschaft  der  Dilettant! 
unter  dem  Titel:  Travels  in  Asia  Minor  and  Greece  herausgab, 
erschien  bereits  die  dritte  Anflane  London  1817  II  Bde  in  Quart, 
eine  Tentsche  üebersctzung  vBeisen  in  Klein-  Asiens  Leipzig  1776 
und  »Beise?!  in  Griechenlandfi  Leipzig  1777  in  Octav,-  sodann 
eine  Französisciic  Uebersetzung  »F'ojages  dans  l'Asie  Mineure  et 
en  Grecen  Paris  1806  in  drei  Octavbänden  Jnit  Anmerkungen  von 
Scrrois  und  Barbie  du  ßocage.  W. 


VORREDE   ZUR  ERSTEN   AUSGABE.  5 

sie  unterwegs  Sunion  und  Aegina  besucht  hat- 
ten. In  Athen  verweilten  sie  bis  zum  Uten 
Juni  1766,  in  "welcher  Zeit  sie  zugleich  Mara" 
thon ,  Eleusis ,  Salamis,  Megara  und  andere 
Orte  der  Umliegend  durchforschten.  Von  Athen 
begaben  sie  sich  über  die  kleine  Insel  Kalauria 
nach  Trözene,  Epidauros,  Argos  und  Korinth. 
Von  hier  besuchten  sie  Delfi,  Paträ ,  Elis  und 
Zakynthos  (Zante),  schifften  sich  am  31ten  Au- 
gust auf  der  Diligence,  Capitän  Long,  die  nach 
Bristol  bestimmt  war,  ein  und  kamen  am  2ten 
November  in  England  wieder  an. 

Die  Ausbeute,  welche  jene  Männer  von  ihrer 
Reise  in  die  Heimath  brachten,  schien  der  Be- 
kanntmachunjj  werth.  Der  Verein  beauftrajite 
sie  darum,  als  Probe  ihrer  Arbeiten  die  bedeu- 
tendsten unter  den  Denkmälern  darzustellen,  die 
sie  in  lonien  näher  untersucht  hätten.  Denn 
dieses  Land  ist  nicht  nur  in  mancher  andern 
Hinsicht  ausgezeichnet,  (^)  sondern  verdient  auch 
vielleicht  nächst  Attika  am  meisten  die  Auf- 
merksamkeit eines  classisch  gebildeten  Reisen- 
den. Athen  w^ar  allerdings  so  glücklich,  zu 
gleicher  Zeit  eine  grossere  Anzahl  origineller 
Geister  zu  besitzen,  als  sich  je  in  einem  andern 
so  kleinen  Bezirke  zusammenfanden,  und  ärntete 
die  Früchte  literarischen  Wetteifers  in  einem 
Grade,    wie    sie    nie    einem    andern  Volke    zu 

(2)  )>Ionien  hat  den  schönsten  Iliinniel  auf  der  stanzen  1  rdv' 
und  der  Jahreszeiten  anmulhigstcn  Wechsel.»     Herodof.  I,   14?. 

W. 


6  VORREDE    ZUR   ERSTEN  AUSGABE. 

Theil  geworden  sind.  Ebenso  bezeichnet  man 
ziemlich  allgemein  die  Blüthe  dieses  Staates  als 
die  Periode,  in  der  am  meisten  zum  Ruhm  der 
Wissenschaft  geschah,  und  betrachtet  ihn  in 
Sachen  des  Geschmacks  als  Touangeber  unter 
den  übrigen  Freistaaten  Griechenlands.  Eine 
genaue  Untersuchung  über  den  Ursprung  und 
das  Fortschreiten  der  Künste  und  Wissenschaf- 
ten wird  indessen  wahrscheinlich  darthun,  dass 
Athen  im  Ganzen  lonien  und  der  umliegenden 
Küste  nicht  weniger  zu  verdanken  gehabt  habe, 
als  irgend  einem  andern  Lande  des  Alterthums. 
Die  Naturwissenschaft  wurde  zuerst  in  den  Io- 
nischen Schulen  gelehrt,  und  da  Geometrie,  Astro- 
nomie und  andere  Theile  der  Mathematik  hier 
früher  als  in  den  übrigen  Ländern  Griechen- 
lands gepflegt  wurden,  (^)  so  ist  es  nicht  auffal- 

(3)  Die  ersten  mathematischen  und  astronomischen  Kenntnisse 
verbreitete  unter  den  Hellenen  der  Naturforscher  Thaies  von  Mi- 
letos,  Stifter  der  Ionischen  oder  fysischen  Schule,  »der  glänzendste 
Stern  im  Siebengestirn  der  alten  Griechischen  Weisen.«  Beim 
Volke  beurkundete  er  sich  dadurch  als  tiefen  Kenner  der  Natur, 
dass  er  eine  Sonnenfinsterniss  vorherverkündigte.  Seine  Schüler 
und  Nachfolger  Jnaxirnander  und  Anaximenes  aus  Miletos  ver- 
folgten seine  Bahn ;  der  Letztere  stellte  zuerst  eine  Sonnenuhr 
auf,  kannte  die  Wendekreise  und  den  Aequator  und. bestimmte 
den  Umfang  der  Erde  und  des  Meeres.  Auch  bei  den  späteren 
Ionischen  Filosofen ,  wie  bei  Hermotimos  und  Anaxagoras  von 
Klazomenae  und  Archelaos  von  Miletos,  waren  Mathematik, 
Fysik  und  Astronomie  wesentliche  Theile  der  Forschung.  Aus  lo- 
nien stammen  der  weise  Blas  von  Priene ,  die  Stifter  der  Pytha- 
gorischen  und  Eleatischen  Schule ,  der  grosse  Pythagoras  von 
Samos  und  Xenofanes  von  Kolofon  (beide  hatten  im  Mutterlande 
die    erste   Bildung    erhalten    und   waren   mit   den   Filosofemen   der 


VORREDE    ZUR    ERSTEN    AUSGABE.  7 

lend,  wenn  man  lonier  als  die  ersten  Griechi- 
schen Schiffer  nennen  hört,  die  über  die  Säulen 
des  Herakles  hinausjjefahren  seien  und  ihren 
Handel  bis  in  das  Weltmeer  ausgebreitet  hät- 
ten. (^)  In  lonien  ist  die  Geschichtserzählung 
entstanden  und  bis  zu  einem  nicht  unbedeuten- 
den Grad  der  Vollendung  gediehen.  (^)  Der  erste 
Schriftsteller,  der  die  Heilkunde  in  ein  wissen- 
schaftliches System  brachte,  (^)  lebte  in  dem 
Nachbarland  (Karien),  und  in  lonien  selbst  war 


Ionischen  Schule  wohlbekannt),    der  Eleate  Melissas   von  SamoSj 
der  tiefsinnige  Herakleilos  von  Efesos.  W. 

(4)  Herodot.  IV,  152:  »Da  die  Samier  trachteten  nach  Aegyp- 
ten ,  ward  ihr  Schiff  von  einem  Ostwind  getrieben  und  weil  der 
Sturm  gar  nicht  abliess,  gingen  sie  durch  die  Säulen  des  Herakles 
und  kamen  nach  Tartessos  (in  ilispanien) ,  wie  aus  göttlicher 
Schickung. (( 

Herodot.  I,  163:  «Die  Fokäer  haben,  zuerst  von  allen  Helle- 
nen weite  Seefahrten  gemacht  und  sie  sind  es,  die  den  Jdria  (das 
Adrialische  Meer)  entdeckt  und  Tjrrhenicn  und  Jberien  und  Tar- 
tessos.a  W. 

(5)  Können  auch  die  Milcsier  Kadmos  ,  Dion/sios  und  Heka- 
taeos  noch  nicht  Geschichtschreibcr  im  höheren  Sinne  genannt 
werden,  so  eröffnen  sie  doch  die  Reihe  der  Logografen  oder  Sa- 
genschreiher  und  bahnen  den  Uebergang  von  der  Epopöe  zur  Hi- 
storie. Aber  auch  Hemdotosj  welcher  der  Vater  der  wahren  Ge- 
schichte hcisst,  wählte,  obgleich  ein  Dorier  von  Geburt,  den 
durch  die  Epiker  und  Logografen  zur  Schriftsprache  erhobenen, 
durch  den  weit  verbreiteten  Handel  der  lonier  weit  bekannten,  an 
sicli  milden  und  weichen  und  seinem  eigenen  Gemüth  ganz  ent- 
sprechenden Ionischen  Dialekt  zum  Organ  seiner  Geschichtser- 
zähliing.  W. 

(6)  Der  Askicpiade  Hippokratcs  von  der  Insel  Kos  ^  der  nach 
dem  Beispiel  seines  Stammgenossen  ebenfalls  seine  Schriften  in 
Ionischer  Mundart  verfassle ,  weil  er  vielleicht  nur  in  dieser  F'orm 
sich  viele  Leser  versprechen  zu  können  glaubte.  W. 


8  VORREDE    ZUR   ERSTEN   AUSGABE. 

CS,  ^o  der  Vater  der  Dichtkunst  ein  Musterbild 
für  Dichtung  geschaffen,  das  keine  Zeit  und 
keine  Nation  zu  verlassen  Avagte,  noch  zu  ül)er- 
treffen  vermochte.  (^)  Endlich  gehört  aber  die 
Baukunst  diesem  Lande  mehr  als  irgend  einem 
andern  an  und  von  den  drei  Griechischen  Ord- 
nungen scheint  es  mit  Recht  Anspruch  auf  die 
Ehre  zu  machen,  die  zwei  ersten  erfunden  zu 
haben,  "wenn  gleich  nur  Eine  derselben  nach 
ihm  benannt  Avird.  Denn  obgleich  der  Tempel 
der  Here  (Juno)  zu  Argos  das  Vorbild  und  die 
Norm  der  nachher  soj^enannten  Dorischen  Ord- 


(7)  Von  den  sieben  Stadien,  die  sich  um  den  Ruhm  striften, 
des  Homeras  Geburtsort  zu  sein,  gehörten  drei,  Snijrna ,  Chios 
nnd  Kolofon,  dem  Ionischen  Bunde  an.  Wahrscheinlich  schon 
vor  ITomeros  bildeten  sich  im  Ionischen  Kleinasien  Dichter  und 
Sängerschulen  ;  Hymnendicliter  und  Rhapsoden  sinken  von  lonien 
aus;  hier  entwickelte  sich  die  Poesie  der  Kykliker  oder  Epiker. 
Kerhops  und  Arhtinos  von  Miletos,  Kreopfijl  >s ,  Asios ^  Panyasis 
und  CJmerilns  von  Samos  besangen  in  epischer  Form  heroische 
Thaten  der  Hellenen  und  Barbaren.  Der  ältere  Ionische  Dialekt 
und  der  Hexameter  blieben  nach  des  Homeros  und  Hesiodos  Vor- 
bild auch  in  späteren  Zeiten  bis  auf  den  Kointos  von  Smyrna 
herab  feststehende  Formen  fiir  epische  Gesänge.  Doch  auch  in 
andern  Dichtungsarten  zeichneten  sich  lonier  friihe  aus.  Kallinos 
aus  Efesns  wird  der  Erfinder  der  Elegie  genannt,  das  heisst,  er 
bediente  sich  zuerst  zu  seinen  Kriegsliedern  des  elegischen  Vers- 
masses ;  Tyrtaeos  heisst  ein  Milesier;  Mimnevmos ,  Antimachos, 
Hermesianax  und  der  oben  erwähnte  Xennfanes  aus  Kolofon, 
PhohrUdes  aus  Miletos  gehören  zu  den  vollendetsten  Elegikern  j 
der  Lyriker  Anahenn  aus  Teos,  der  lambendichter  Hipponax  ans 
Efesos  und  der  Dilhyrarabendichter  Timotheos  von  Miletos  neh- 
men sehr  ehrenvolle  Stellen  unter  den  Dichtern  ein.  Auch  die 
lyrische  Dichterin  Erinna  gehört  ihrer  Geburt  nach  der  Stadt 
Teos  an.  W. 


VORREDE    ZUR   ERSTEN   AUSGABE.  9 

nuiig  -wurdp,  so  -waren  doch  die  Verhältnisse 
derselben  zuerst  in  lonien  auf«;^estellt  worden. 
Alle  anderen  Künste,  die  gleichfalls  von  der 
Zeichnenkunst  ausijehen,  blühten  nirgends  mehr 
als  hier  und  kein  Land  von  demsell)en  Umfang 
hat  eine  grössere  Anzahl  ausgezeichneter  Maler 
und  Bildhauer  hervorgehracht,  als  lonien.  (*) 

Unter  den  Ueherresten  aus  dem  Alterthum, 
die  bis  jetzt  der  Zerstörung  durch  die  Zeit  ent- 
gangen sind,  ziehen  am  meisten  die  Ruinen  der- 
jenigen Gebäude  unsere  Neugierde  und  Aufmerk- 
samkeit auf  sich,  die  durch  Vitruvius  und  an- 
dere alte  Schriftsteller  "weiien  ihrer  Anmuth  und 

(8)  Unter  den  lonisrhen  Arcliiteklen  sind  vor  andern  nen- 
nenswertli  :  der  Mllesier  Ilippndamns ,  der  seine  Kunst  an  der 
Befesli<;unc;  des  Peiräetis  bewahrte  und  die  Hafenstadt  der  Athener 
anlefjte,  Thcndovns  von  Fnhaea ,  ]\iandrnhles  j  der  dem  König 
Dareios  eine  Briicke  iil»er  den  Rnsporos  sclilii:;,  Bhoehos,  Telekles 
und  Theodoros  von  Samnsj  woselbst  auch  reselmässij?  anueordnete 
WettVainpfe  der  Maler  Statt  gefunden  zu  baben  scheinen  und 
Schiden  fi'ir  jede  Kunstgattung  bliihten.  So  libfe  z.  B.  ein  anderer 
Theodoros  zu  Samos  die  Kunst,  in  Stein  zu  schneiden  und  in 
Bronze  zu  arbeiten  Maler  und  Bildner  war  Pjthas^oras.  Chios 
war  beriilinit  durch  Glaiihns,  die  Kiinstlerfarnilie  des  Malas,  aus  der 
Mihkiodes,  /Inthernios ,  Bupalos  und  Alhenis  hervorgingen,  durch 
Soslratos,  Pantias  und  andere  Vunsffertige  Rildner  in  Erz  um!  Mar- 
mor; als  Maler  zeiclineten  sich  aus:  ^'le Samier  TTienn,  A'^atharrhos, 
Kallifon ,  Theod  roSj  der  Kolofuniev  Dionysios ,  der  Teier  Kolo- 
tes ,  der  hochgepriesene  Parrhasios  war  ein  Efesier  und  Jpelles 
selbst,  der  vor  allen  Malern  des  Mterthums  hervorstralfe,  welclien 
Alexaudros  allein  fiir  würdig  erachtete,  sein  Bild  zu  malen,  stammt 
nur  nach  Plinius  und  Ovidius  von  Kos,  nach  den  Zeugnissen  des 
Strabon  und  I.ukianos  ist  er  ein  Efesier  und  nach  dem  begründe- 
teren des  Siiidas  ein  Kolofonier.  —  Vgl.  Sillig,  catalog.  artific. 
Pannßa  ,  res  Samiorum.  Mejer,  Geschiclite  der  bilJenden  Kumte 
b.   d.  Griechen.  "W. 


10       VORREDE  ZUR  ERSTEN  AUSGABE. 

Pracht  besonders  hervorgehoben  worden  sind. 
Es  sind  diese  für's  Erste  der  Tempel  des  Bak- 
chos  zu  Teos,  sodann  der  von  Alexandras  dem 
Makedonier  der  Athena  geweihte  Tempel  zu 
Priem  und  endlich  der  berühmte  Tempel  des 
Apollon  Didymäos  bei  Miletos.  So  zerfallen 
diese  Gebäude  nun  auch  sind,  so  ist  doch  jedes 
Bruchstück  derselben  von  Werth.  Mehr  oder 
minder  veranschaulicht  ein  jedes  die  Symmetrie 
unil  die  Verhältnisse,  die  in  jener  Zeit  des  gu- 
ten Geschmacks  geherrscht  haben. 

Diese  kurze  Nachricht  von  der  ersten  Ver- 
anlassung des  Unternehmens  und  der  Art,  in  der 
es  bisher  geleitet  wurde,  glaubte  der  Verein 
mittheilen  zu  müssen,  um  sowohl  gerecht  gegen 
das  Publicum  als  die  Verfasser  des  nachfolgen- 
den Werkes  zu  erscheinen.  Er  hat  die  Kupfer- 
platten  für  diesen  Probeband  auf  seine  Kosten 
stechen  lassen  und  hofft  dadurch  die  Herausge- 
ber zu  ermuntern,  auch  die  übrigen  Arbeiten 
ihrer  Reise,  die  man  ihnen  zu  diesem  Zweck 
einhändigen  wird,  in  dieser  Art  bekannt  zu 
machen. 


Mitirliecler  der  Gesellschaft 
im  Jahr  1769 

in    Her    Reihe,    in    der    sie    aufgenommen    wurden. 


Lord   le   Despenceb. 

Sir  James  Gray. 

Lord  Hyde. 

Hr.   HooNE. 

M:ijor  (lencral  Gray. 

Hr.   HowE. 

»     FAi'QuiEn 
Graf  V.    Bessborough. 

))      »     Sandwu.h. 
Hr    Ellis. 

Herzoj;  v.    REnroRD. 
Hr.   BoYLE. 

))        DiNCLEY. 

»     Stuart. 

»     Hevett. 
Grat  V.   CHAr>LEMo^T. 
Lord    ?TOPFoun. 
Sir  Thomas    Robinson. 

»    Kdwaud    Dehinc. 
II r.   I'hklps 

»      Robinson. 

))     Wood 

»     Mackye    Ross. 

»     Dundas 
Obeist  Carletok. 
Marijuis   von    Mountmermor. 
Hr.  CiiowLE. 


Graf  V.   Clanbrassil. 
Hr    Peknabt. 

M      Brand. 

u     Crewe. 
Oberst -Lieutn.  St    Johw. 
Herzog  von   Ro.xborough. 
Graf  V.   Bellamont 
Herzog  v.  Malborough. 
Graf  Spencer. 
Visconnt  Palmebston 
Hr.   Soüthwell- 
Oberst- Lieutn.  Nucent. 
Hr.   Scbafton. 
Graf  V.  Upper  Ossory. 
Hr.  WEnDEL. 

»     Reynolds. 
Viscount  Kortrose. 
Herzog  v.   Rucclecgh. 

Hr.    FlIZGERALD. 

Graf  V.  Carl  sLE. 

Sir    SOMPSON    GlDKON. 

Graf  Fitzwilliam. 
Hr.  Charles  box. 

»     Hob  ART. 

,)  Mytton. 
Lord  Sydney. 
Hr.  Gregory. 


Gesellschaft    der    Dilettant! 

im  Jahr  LXXXIX  seit  ihrer  Stiftung. 


RicHAKD  Payne  Knight,  Esq. 
Sir  Henry  C  Ewci-EFiEtD,  Baronet. 
Roger  Wilbraham,   Esq. 
James   Dawkins  ,  Esq. 
William  Mitford,   Esq. 
Der  Graf  v.   Güilford. 

))        »       »    Hardwicke. 
liOi'd  Dü^DAs. 
Sir  Thoma«   Lawrence. 
William  Sptheby,  Esq. 
John  Symmo.ns,  Esq. 
William  R    Spencer. 
John  Hawkins,  Esq. 
John   B.   S.   Moritt  ,   Esq. 
Der  Herzog  v.  Somerset. 
Sir  W.   DnuMMOND,   K.   C. 
Thomas  Hope  ,  Esq. 
Lord   NoBTHwicK. 
Der  Herzog  v.  Hamilton. 
Sir  John  Cox  Hippisley,  Baronet. 
Viscoiint   Morpeth. 
Graf  CowpER. 

»         Mor.LEY. 

Chartes  W    Wykne  ,  Esq. 

Samuel   Rogers,   Esq. 

R.   Pole  Carew. 

Der  Graf  v.   Aberdeen. 

Sil  Watkin  W.   Wynne,  Baronet. 

Henry  Philip  Hope,  Esq. 

Sir  William  Gell. 


Der  Graf  v.  Charleville. 
William  Dickenson,   Esq. 
Frederick  Foster  ,  Esq. 
William  Wilkins,  Esq. 
William   Hamilton,  Esq. 
Der  Graf  v.  Dunmore. 
Foster  Cdnliffe,  Esq. 
Peregrine  Tovvneley,  Esq. 
William  Fitzhügh  ,  Esq, 
Edward  Dave.nport  ,   Esq. 
Oberst  Leake. 
Der  Graf  v.  Syrret. 
Richard   Heber  ,   Esq. 
John   H.  Frere. 
Der  Marquis  v.   Stafford. 

»  n      ,    .)    Landsdownb. 

Der  Graf  v.  Charlemont. 
Thomas  Legh  ,  Esq. 
Richard  Westmacott,  Esq. 
Der  Graf  v.   Roseberg. 
H.    Gal'.y  Knight,   Esq. 
Nicholas  Fazakerly,' Esq. 
Henry   Hallam,  Esq. 

T.     DüNDAS. 

Der  Herzog  v.  Bedford. 
R.   H.  Clive. 
William   Ponsoby. 
Georg  James  Ellis. 
William  Bankes,   Esq. 


Am   1.  Juni,   l82l. 


Einleitung. 


Als  die  Gesellschaft  der  Dilettant!  in  den  Jahren 
1764  —  66  die  Rüsten  von  Kleinasien  in  der  Absicht 
auf  ihre  Kosten  untersuchen  liess,  um  genauere  Kunde 
von  den  üeberresten  der  alten  Architektur  in  jenen 
Ländern  zu  erhalten,  überzeugte  sie  sinh,  dass  sehr 
viele  Gegenden  jenes  interessanten  Landes  noch  un- 
gekannteoder  unvollständig  bescbriebene  Denkmäler 
aus  dein  Alterthum  enthielten,  und  beschloss  darum, 
nochmals  eine  Gesellschaft  von  Männern  und  zwar 
mit  reichlicheren  Mitteln  und  ausgedehnlerer  Voll- 
macht als  bei  der  ersten  Mission  zu  diesem  Zwecke 
auszusenden.  Dem  zufolge  schiflle  sich  im  October 
des  Jahrs  1812  Herr  (nun  Sir)  William  Gell  in  Beglei- 
tung zweier  Architekten,  derHerrn/oÄn  Peter  Gandy 
und  Francis  Bedford,  nach  dem  mittelländischen  Meere 
ein,  nachdem  sie  vorher  die  nöthigen  Anweisungen 
über  die  Art  ihres  Verfahrens  erhalten  hatten. 

Der  Krfolg  ihrer  Nachforschungen  in  Altika  ist 
durch  ein  Prachtwerk  (The  unedited  antiquities  of 
Attika.  London,  1817.),  in  welchem  die  Gesellschaft 
die  ihr  zugestellten  Zeichnungen  dem  Publicum  mitge- 
theilt  hat,  zur  ölientlichen  Kenntniss  gebracht  worden. 
In  dem  vorliegenden  und  einem  andern  rasch  fort- 
schreitenden Werke  sollen  nun  den  Kunstfreunden  die 
Ueherreste  aller  Haukunst  vor  Aujen  gestellt  wer- 
den, die  den  früheren  Glanz  der  Griechischea  Colo- 
nien  in  lonien  bezeugen  können. 


14  EINLEITUNG. 

Zur  Zeit  als  das  erste  Werk  der  Gesellschaft 
erschien,  war  man  über  das  Wesen  der  Griechischen 
Baukunst  noch,  sehr  wenig  unterrichtet.  Denn  ob- 
gleich der  erste  Band  der  Alterthümer  von  Athen 
schon  sieben  Jahre  dem  Publicum  vorlag,  so  fand 
man  doch  in  diesem  Theile  des  mit  Hecht  hochge- 
priesenen Werks  nur  Gebäude  dargestellt,  die  im 
Vergleich  mit  den  berühmteren  Werken  der  Athener 
von  geringer  Bedeutung  und  sehr  einfacher  Con- 
struction  sind. 

Viele  architektonische  Einzelheiten  der  Gebäude, 
die  man  zur  Mittheilung  in  dem  ersten  Theile  der 
Ionischen  Alterthümer  ausgevrählt  hatte,  w^aren  ge- 
rade in  den  Functen,  in  denen  sie  von  den  besser 
gekannten  Proben  Kömischer  Kunst  abwichen,  von 
den  Künstlern  der  ersten  Mission  übersehen  Avorden; 
Anderes  hatte  von  ihnen  in  Folge  ihrer  beschränk- 
teren Mittel  nicht  berücksichtigt  werden  können, 
indem  es  ihnen  nicht  vergönnt  war,  überall  nach 
W^unsch  Nachgrabungen  anzustellen  und  ihre  For- 
schungen zu  verfolgen. 

Die  Aufmerksamkeit  der  zweiten  Mission  war 
nun  hinsichtlich  des  ersten  Punctes  darauf  gerichtet, 
die  Irrthümer,  die  aus  der  unvollständigen  Kenntniss 
der  Griechischen  Baukunst  entstanden  waren,  zu  be- 
richtigen und  sodann  durch  Ausgrabungen  in  den 
Gebäuden  und  um  dieselben  herum  die  Grundrisse 
und  Bauarten  der  im  ersten  Theil  der  ionischen 
Alterthümer  dargestellten  Tempel  mit  grösserer  Ge  - 
nauigkeit  zu  untersuchen. 

Die  zu  diesem  Zweck  mit  grosser  Kenntniss  und 
besonderem  Geschick  angestellten  Nachforschungen 
haben  die  Gesellschaft  in  den  Besitz  von  literarischen 
Nachrichten  und  von  Abbildungen  gesetzt,  welche 
die  früheren  sowohl  im  Allgemeinen  als  im  Einzelnen 
weit  übertrelfen.     Darum  hält  sich  die  Gesellschaft 


EINLEITUNG.  15 

für  berufen,  den  ersten  vor  vielen  Jahren  ausgegebe- 
nen Theil  der  Ionischen  Alterthümer  nun  berichtigt 
und  bedeutend  vermehrt  von  neuem  erscheinen  zu 
lassen. 

Zu  den  interessantesten  Ervs^eiterungen  unserer 
architektonischen  Kenntnisse,  zu  deren  Ausbreitung 
vorzüglich  das  neue  Werk  über  Attika  beigetragen 
hat,  gehört  unstreitig  die  Kenntniss  des  Verfahrens, 
vermittelst  dessen  die  Griechischen  Baukünstler  ihre 
Tempel  so  zu  decken  wussten,  dass  sie  dieselben 
vor  dem  Wetter  schützten,  ohne  von  jener  platt 
gesenkten  Form  des  Dachs  abzugehen,  die  einen 
charakteristischen  Zug  der  Griechischen  Architektur 
ausmacht.  Ihr  Verfahren  liegt  uns  aber  so  klar  vor 
Augen,  dass  uns  über  diesen  Gegenstand  kein  wei- 
terer Aufschi uss  zu  wünschen  übrig  bleibt. 

Das  flolzbalkenwerk,  das  eine  solche  Pracht- 
decke stützte,  existirt  natürlich  schon  jlange  nicht 
mehr;  da  aber  die  Zimmermannskunst  jetzt  auf  einer 
weit  höheren  Stufe  der  Vollendung  steht  als  zur 
Zeit  da  jene  Balken  zusammengefügt  wurden ,  so 
haben  wir  hierdurch  wenig  eingebüsst.  Ueber  die 
Art  dagegen,  wie  die  Alten  ihre  Decken  verzierten, 
lassen  uns  vielfache  Beispiele  eine  feste  Ansicht  ge- 
winnen. Wo  die  Spanne  kurz  war,  wie  in  den 
Säulenhallen  und  Wandelgängen  um  die  Tempel, 
da  war  die  Felderdecke  (lacunaria)  von  Stein,  oft 
von  JMarmor.  In  den  Gebäuden  von  Athen  finden 
wir  Belege  genug  dafür,  dass  Balken  aus  dem  ge- 
naiinlen  Material,  von  Mauern  und  Säulen  unterstützt, 
die  unter  den  Holzbalken  des  Dachs  liegende  Ver- 
zierungsdecke bildeten.  Nun  hat  uns  aber  die  auch 
auf  diesen  Gegenstand  gerichtete  Thätigkeit  der  Mis- 
sion durch  eine  vollständige  Wiederherstellung  der 
marmornen  l'elderdecke  der  Eleusinischen  Propyläen 
die  Grundsätze  kennen  gelehrt,  nach  denen  dieses 


16  EINLEITUNG. 

Verfahren  auch  bei  Gebäuden  von  grösserer  Ausdeh- 
nuns  angewendet  wurde.  Diese  Entdeckungen  liefern 
uns  einerseits  einen  Beweis  von  der  grossen  Geschick- 
lichkeit der  Griechischen  Arcliitekten  und  lassen 
uns  andererseits  die  Mühen  und  Kosten,  die  auf  die 
Decken  grosser  Tempel  verwendet  werden  mussten, 
besser  würdigen.  Auch  erklärt  sich  daraus,  wie 
solche  Temj)el  wie  der  des  Zeus  Olyrnpios  (des  Olym- 
pischen luppilerj  zu  Akra  gas  fy^grigentunij  Girgenii'J  und 
des  [Didymäischen  Apollon  unvollendet  blieben,  ob- 
gleich dem  ersten  Anschein  nach  nur  noch  wenig  an 
ihrer  Vollendung  fehlte. 

Man  kann  indessen  nicht  annehmen,  dass  man 
auch  Tempel  von  beträchtlicher  Sj)anne  auf  diese 
Art  habe  bedecken  können  ;  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  wurden  vielmehr  hier  Holzbalken  zu  diesem 
Behufe  gebraucht.  Die  Art  der  Verzierung  konnte 
dieselbe  sein,  wenngleich  das  Material  verschieden 
sein  mussle.  Gewiss  bleibt  es,  dass  mehre  Tempel 
unter  dem  Zimmerwerk  von  llolz,  welches  die  Zie- 
gel trug,  mit  Prachtdecken  ausgesc:hmückt  waren. 
Eine  Stelle  bei  Pausanias  ist  über  diesen  Gebrauch 
entscheidend.  Bei  seinem  Berichte  über  das  Heraton 
zu  Olympia  meldet  er  auf  die  Antoritäl  des  Arislar- 
chos,  dass  man  bei  der  Ausbesserung  des  Dachs  den 
Leichnam  eines  bewailneten  Mannes  zwischen  dem 
Dach  oder  Sparrwerk  ,  das  die  Ziegel  tragen  musste, 
und  der  zur  Verzierung  angebrachten  Decke  gefun- 
den habe.  (') 

Dieselben  Ursachen,  die  uns  die  Constructions- 
art  der  verzierten  Felderdecken  nur  nach  der  Ana- 
logie darthun  Hessen,  haben  auch   einen  andern  in- 


(1)  Paus.  V,  20,  2:  —  fiiTu^u  ufji<forf'qo}v  fVQf&fjvui. ,  Trjq  te 
ii;  ivnQinnuv  arfyrjq,  nul  rrjq  uvt^ovoriq  %cv  y.tQa[iov.  —  (Vgl.  Al- 
terth.  V.  Attika,  Cap.  IV.  Anm.  23.   —     W.) 


EINLEITUNG.  17 

teresSanten  Gegenstand,  der  mit  den  religiösen  Ge- 
bräuchen der  Alten  verknüpft  war,  in  fast  -völliges 
Dunkel  gehüllt.  Noch  hat  keine  Entdeckung  der 
neueren  Zeit  Licht  über  den  wirklichen  oder  ver- 
meintlichen Gebrauch  verbreitet,  nach  dem  man  in 
den  von  Vitruvius  sogenannten  hypäthrischen  Tempeln 
einen  Theil  der  Zelle  dem  Wetter  aussetzte. 

Kein  andrer  Schriftsteller  berührt  diese  eigen- 
thümliche  Bauart;  aus  allen  Notizen  alter  Schrift- 
steller muss  man  geradezu  auf  die  entgegengesetzte 
Sitte  schliessen.  Herr  Quatremere  de  Quincy  hat  in 
einem  mit  grossem  Fleiss  gearbeiteten  und  in  den 
Memoires  der  Französischen  Akademie  (')  mitgetheil- 
ten  Versuche  eine  gelehrte  Untersuchung  über  die- 
sen Gegenstand  angestellt  und  viele  auf  unsere  Frage 
bezügliche  Stellen  aus  den  Alten  gesammelt. 

Der  gelehrte  Alterthumsforscher  geht  jedoch 
bei  seiner  Untersuchung  von  der  Annahme  aus,  dass 
die  Tempel  der  Griechen  nothwendig  auf  die  eine 
oder  die  andre  Art  das  Himmelslicht  eingelassen 
haben  müssten,  und  widerspricht  somit  geradezu  dem 
Schlüsse,  den  man  aus  Vitruvius  ziehen  muss,  der 
von  Fenstern  auch  nicht  das  Geringste  sagt,  sondern 
im  Gegentheil  behauptet,  dass  das  Licht  nur  durch 
eine  üellnung,  die  man  bei  gewissen  Arten  der 
Tempel  im  Dache  gelassen  habe,  eingedrungen  sei. 

Das  übereinstimmende  Zeugniss  aller  Schrift- 
steller führt  uns,  wie  wir  bereits  bemerkt  haben, 
zu  der  Annahme,  dass  den  Völkern  des  Alterthums 
nur  eine  künstliche  Erleuchtung  dem  Geist  ihrer 
Religionslehre  angemessen  erschienen  sei,  in  der 
sich  gar  Vieles  auf  Glanz  und  Schaugepränge  stützte. 
Sie  schildern  uns  lebhaft,  wie  bei  der  Feier  der 
mystischen  Heligionsgebräuche  zu  Eletisis  der  plötz- 

(2)  Classe  d'histoire  et  de  Iitt6raturc  aocienne,   Tom.  III. 
Ion.  Alt.  2 


18  EINLEITUNG. 

liehe  Uebergang  aus  dem  dunklen  Vorhof  zum  An- 
blick des  glänzend  erleuchteten  Inneren  die  stärksten 
Eindrücke  des  Schreckens  und  des  Staunens  hervor- 
gebracht habe. 

Es  lässt  sich  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  wir 
einige  wenige  Beispiele  Römischer  Tempel  haben, 
in  denen  das  Licht  durch  Fenster  eindrang.  (^)  Aber 
es  war  dies  eine  seltne  Erscheinung,  der  wir  nur  in 
Tempeln  von  geringerer  Bedeutung  begegnen,  wie  im 
Tempel  der  Fortuna  Virilis  und  in  den  zwei  runden 
Tempeln  der  Vesta  zu  Rom  und  Tibur  (Tivoli).  Durch 
die  Ueberreste  Griechischer  Architektur  wird  die 
Vermuthung,  dass  man  überall  Fenster  zur  Erhel- 
lung des  Inneren  der  Tempel  angebracht  habe,  kei- 
neswegs bestätigt. 

Das  einzige  positive  Zeugniss  für  die  Existenz 
von  Tempeln  mit  einer  OeflPnung  im  Dach  ist  fol- 
gende Stelle  des  Vitruvius ,  worin  er  die  hypäthri- 
schen  Tempel  beschreibt:  Hypaethros  vero  decasty- 
los  est  in  pronao  et  postico.  Reliqua  omnia  eadem 
habet  quae  dipteros,  sed  interiore  parte  columnas  in 
altitudine  duplices,  remotas  a  parietibus,  ad  circui- 
tionem  ut  porticus  peristyliorum.  Medium  autem  sub 
divo  est  sine  tecto ,  aditusque  valvarum  ex  utraque 
parte  in  pronao  et  postico.  liuius  autem  exemplar 
Romae  non  est,  sed  Athenis,  in  Asty ,  lovis  templo 
Olympii.  (*) 

(3)  Der  Tempel  der  Athena  und  Pandrosos  zu  Athen  hat  auf 
der  Westseite  drei  Fenster,  die  einen  Theil  des  Tempels,  eine 
Vorhalle,  erleuchten  sollten,  in  der,  wie  man  annimmt,  der  hei- 
lige Oelbaum  wuchs  und  bewahrt  wurde.  (Der  Erklärung  dieses 
Tempelbaus  ist  bei  Stuart  Thl.  II.  das  zweite  Capitel  gewidmet.    W.) 

(4)  Vitruv.  III,  2,  8.  Wir  haben  im  letzten  Theil  dieser 
Stelle  eine  neue  Lesart  aufgenommen,  die  durch  eine  einfache 
Aenderung  den  Sinn  und  Zusammenhang  wieder  herstellt.  (Diese 
Aenderung   rührt,    wie   man  aus   der   Erörterung  dieser  Stelle  bei 


EINLEITUNG.  19 

Weil  Rom  in  allen  seinen  Tempeln  kein  Beispiel 
zur  Veranschaulichung  dieser  Bauart  bot,  so  verwies 
Vitruvius,  der  sich  aus  den  Werken  Griechischer 
Architekten  eine  gewisse  Kenntniss  der  Griechischen 
Gebäude  erworben  hatte,  seine  Leser  auf  den  Tem- 
pel des  Zeus  Olympios  zu  Athen.  Dieses  prachtvolle 
Bauwerk  hatte  ohnstreitigzwei  der  charakteristischen 
Erfordernisse  hypathrischer  Tempel;  er  war  deca- 
stylos  (zehnsäulig  auf  der  Vorder-  und  Hinterseite) 
und  dipteros  (hatte  doppelte  Säulenreihen  auf  den 
Nebenseiten).  Somit  können  wir  auch  schliessen, 
dass  er  das  dritte  Erforderniss  nicht  entbehrt  habe, 
d.  h.  dass  die  mittlere  Abtheilung  der  Zelle  dem 
Licht  und  der  Luft  geöffnet  gewesen  sei. 

Obige  Stelle  des  Vitruvius  ist,  wie  bemerkt, 
unsere  einzige  Autorität  dafür,  dass  man  auf  solche 
Art  Tempel  construirt  habe,  und  muss,  da  sie  von 
einem  Manne  rührt,  der  die  Baukunst  zum  beson- 
deren Studium  gemacht  hatte,  für  uns  entscheidend 
sein.  Im  Verhältniss  mit  dem  Gewicht,  das  einer 
solchen  Autorität  gebührt,  d.  h.  gleich  entscheidend 
muss  auch  der  Einwurf  gegen  jede  Annahme  sein, 
bei  der  man  von  des  Vitruvius  aufgestelltem  Satze 
abweicht.  Müssen  wir  darum  zugeben,  dass  es  hy- 
päthrische  Tempel  gegeben,  so  müssen  wir  auch 
annehmen,  dass  sie  sowohl  dekastyl  als  dipteral  ge- 
wesen,   dass  die  Aufstellung  von  Säulen  innerhalb 

Stuart  Thl.  II.  Cap.  I.  besonders  Anm,  42.  S.  316  ff.  der  Teulschen 
Ausg.  sehen  wird,  der  Hauptsache  nach  von  Wilkins  her,  der 
Folgendes  als  Emendation  vorschlug:  sed  Athenis  in  asty  lovis 
teniplo  Olynipio.  Die  von  Schneider  beibehaltene  Lesart  der 
Handschriften  lautet  also:  Athenis  octastylos,  et  in  templo  Olym- 
pio.  W.)  Sonderbar  genug  gibt  Casaubonus,  ohne  den  Text  im 
mindesten  zu  ändern,  der  Stelle  folgenden  Sinn:  »Sana  Vitruvius 
teslis  est,  templum  lovis  quod  erat  Athenis  (nam  et  ibi  fuit)  hy- 
paethrum  fuisse  et  sine  tecto.« 

2* 


20  EINLEITUNG. 

der  Zelle  allein  noch  keinen  Tempel  zum  hypäthri 
sehen  machte,  nnd  endlich,  dass,  sobald  nur  einer 
der  beiden  zum  ßegritt'  mit  erforderlichen  Gegen- 
stände nicht  ganz  der  aufgestellten  Erklärung  ent- 
spricht, hierin  ein  unabweislicher  Einwand  gegen 
jeden  andern  Deutungsversuch  gegeben  ist. 

Wo  ist  alsdann,  fragen  wir,  ein  Zeugniss,  das 
uns  zur  Annahme  berechtigt,  der  Parthenon  zu  Athen, 
der  Tempel  des  Zeus  zu  Olympia  und  die  Tempel 
von  Pästum  (Posidonia)  und  Aegina  seien  hypäthrisch 
gewesen?  Es  gibt  kein  solches.  Die  Betrachtungen 
Stuart's  und  seiner  Anhänger  gehen  von  irriger  An- 
sicht aus  und  gründen  sich  nur  auf  eine  Vermuthung.  (*) 

Alte  Schriftsteller  erwähnen  einige  Tempel,  die 
aus  zufälligen  Gründen  kein  Dach  erhielten,  wie 
z.  ß.  der  Tempel  des  Apollon  Didymäos _,  dessen  Be- 
schreibung man  in  vorliegendem  Werke  findet.  Stra- 
bon  (®)  meldet  uns  aber  ausdrücklich,  dass  dies  nicht 


(5)  Einer  der  schwächsten  Puncle  unter  den  von  Stuart  (Thl. 
II.  Cap.  I.  S.  277.  der  Teutschen  Ausg.)  vorgebrachten  Gründen 
ist  die  Yermuthung,  dass  das  bei  der  Feier  des  Panathenaischen 
Fests  gebrauchte  parapetasma ^  oder  der  der  Athena  geweihte  rre- 
nXos,  zum  Schirm  der  in  dem  vermeintHch  offenen  Räume  der 
Zelle  dem  Wetter  ausgesetzten  Bildsaule  gedient  habe.  Es  war 
dieser  pracht-  und  glanzvolle  Teppich  wahrscheinlich  vor  dem 
Eingang  aufgehangen,  so  wie  dieser  Gebrauch  bis  auf  den  heuti- 
gen Tag  im  ganzen  Orient  herrschend  ist.  In  jedem  Aegyptischen 
Tempel  hing  das  parapetasma  vor  dem  Eingang,  und  Pausanias 
(V,  12.  §.  2.)  berichtet  uns,  dass  man  in  dem  Tempel  des  Zeus 
zu  Olympia  und  in  dem  Tempel  zu  Efesos  (Irrig!  diesen  setzt 
vielmehr  Pausan.  in  geraden  Gegensatz  mit  dem  Tempel  zu  Olym- 
pia. W.)  diesen  Vorhang  von  der  Felderdecke  bis  zum  Fussboden 
habe  herabhängen  lassen  und  von  der  gewöhnlichen  Sitte,  ihn 
aufzuziehen,  abgewichen  sei.  Ueber  den  Gebrauch  des  "Vorhangs 
und  die  Art  ihn  aufzuhängen  wären  wir  somit  im  Klaren. 

(6)  Strabo  Lib.  XIV.  p.  634.  ed.  Almel.:  öitfitvt  di  x^^Qk  oqo- 
fpijq  diu  ro  f^t^yi&oq. 


EINLEITUNG.  21 

im  ursprünglichen  Plane  gelegen  habe,  sondern  dass 
die  ungemeine  Grösse  das  Hinderniss  an  seiner  Vol- 
lendung gewesen  sei. 

Einer  der  berühmtesten  Tempel  des  Alterthums, 
der  Tempel  des  Zeus  zu  Olympia,  hatte  nach  des 
Fausanias  Beschreibung  eine  dreifach  abgetheilte 
Zelle,  was  durch  die  Säulenreihe  bewirkt  wurde, 
die  sich  auf  jeder  Seite  längs  der  Mauern  hinzog. 
Wir  wissen,  dass  dieser  Tempel  sechssäulig  war, 
folglich  konnte  er  keinen  doppelten  Säulengang  auf 
den  Seilen  haben  (konnte  keinDipteros  sein).  Koramt 
somit  der  Autorität  Vitruv's  ein  Gew^icht  zu,  so  war 
der  Tempel  nicht  hypäthrisch.  Dieser  Schluss  wird 
durch  eine  Stelle  Strabon's  (')  bestätigt,  worin  die- 
ser sagt,  die  kolossale  chryselefanlinische  Bildsäule 
des  Zeus  habe  beinahe  den  obersten  Theil  der  Fel- 
derdecke berührt,  so  dass  sie,  wenn  sie  sich  hätte 
erheben  können,  das  Dach  würde  zerstört  haben. 
Da  diese  Stelle  klar  beweist,  dass  über  der  mittle- 
ren Abtheilung  der  Zelle  ein  Dach  gewesen,  und  jede 
Vorstellung  von  einem  hypäthrischen  Tempel  ab- 
weist, so  war  Hr.  Ouatremere  de  Ouincy  genöthigt 
seine  Zuflucht  zu  einer  anderen  Hypothese  zu  neh- 
men.    Er  stellte  darum  die  Meinung  auf,  die  Decken 


(7)  Strabo  Lib,  VIII.  p.  353:  Mt'yiarov  «J>  tovtcüv  vnij()U  to 
ToD  /iiof  soavov,  o  inoCn  (sie  in  MSS.)  ^nSluq  XaQftlSov  Ad-tivuloq 
iXiqiuvxvvov  1  rti).iy.ouxov  to  f/f'yt&oq,  w?,  yalniQ  (tf'/loxov  ovto?  xov 
vto) ,  Soxfiv  uaroxtjciui  t^;  av/ufdrqfuq  tov  Xf^tfriiv,  ya&tjfdvov  tto«»;- 
auvxu,  unxofttvov  6^  a/t6öv  xt  xtj  yoQvqitj  rij?  OQOfij^,  w^x  ¥ft<faatv 
noulv,  iav  oQ&oq  y^vfjxai  Siuvuaxuq  unoaxfyußHV  xov  vtotv. 

Hr.  Q.  de  Qiiincy  erlvlärt  diese  Stelle  zu  Gunsten  seiner  Hy- 
pothese über  die  gewölbten  Decken  der  Tempel.  Wenn  aber  die 
Form  der  Decke  mit  dem  Wort  xoQWf^  bezeichnet  werden  soll, 
so  muss  man  eine  Giebelform  verstehen  ,  wie  sie  das  Dach  hatte, 
die  von  zwei  gegeneinander  zu  einem  stumpfen  Winkel  geneigten 
Linien  gebildet  wurde. 


22  EINLEITUNG. 

alter  Tempel  seien  gewölbt  gewesen  und  hätten 
Licht-  und  LuftöfFnungen  (Dachfenster,  joursen  com- 
ble)  gehabt. 

Es  würde  nutzlos  sein,  die  ausführliche  Abhand- 
lung des  üeissigen  und  geistreichen  Schriftstellers  im 
Hinzeinen  durchzugehen.  Es  wird  wohl  genügen, 
wenn  wir  an  einigen  Beispielen  zeigen,  wie  der 
Verfasser  seine  zum  Beleg  vorgebrachten  Stellen 
aus  alten  Schriftstellern  irrig  verstanden  hat. 

In  dem  neuen  Werke  der  Gesellschaft  über  At- 
tika  ist  der  mystische  Tempel  der  Demeter  zu  Eleusis 
sowohl  nach  seinen  Ueberresten,  als  nach  den  Nach- 
richten der  Alten  beschrieben  worden.  An  den  in 
der  Zelle  gefundnen  Bruchstücken  mehrer  Schäfte 
sieht  man,  dass  uns  Plutarchos  die  inneren  Säulen 
«ranz  richtig  beschrieben  hat.  Da  nun  nach  der  Mei- 
nung  unsers  Verfassers  ein  Tempel  durch  innere 
Säulen  ein  hypäthrischer  wird,  so  wird  dieses  pracht- 
volle Gebäude  zur  Bestätigung  seiner  Hypothese  an- 
geführt. Plutarchos  erwähnt  bei  seiner  Beschreibung: 
des  Tempels  auch  die  Namen  der  Baukünstler,  die 
etwas  zu  seiner  Vollendung  beitrugen;  unter  andern 
nennt  er  den  Xenoklesj  dessen  Verdienst  darin  be- 
stand, dass  er  einen  gewissen  Theil  des  Tempels 
oder  auch  das  Ganze  mit  einem  Giebeldach  deckte 
(ro  d'  oTCeciov  hnl  rov  dvaxroQOv  Sevoyikijq  ö  Xo\aQ- 
yevg  ey.oQvcpojöe  (^) ).  Der  buchstäbliche  Sinn  dieser 
Stelle  ist  so  klar,  dass  die  Auslegung  des  Hrn.  de 
Quincy  als  durchaus  unzulässig  erscheint. 

Als  einen  nachträglichen  ßew^eis  für  eine  OeflFnung 
im  Dache  der  Tempel  führt  Hr.  de  (^)uincy  die  von 

(8)  Plutarch.  Perikl.  cap.  13.  Das  Wort  y.oovf^  heisst  im 
Griechischen  sommet  (Spitze,  Gipfel),  faite  (Firste),  faitage,  fasti- 
gium;  xogvcpuv  otiuXov  bedeutet  somit:  fastigiare  foramen ,  praliquer 
iine  Ouvertüre  dans  la  faitage.  (Siehe  die  Altertb.  von  Aitika, 
Cap.  IV.  S.  53  der  Teutschen  Ausgabe.     W.) 


EINLEITUNG.  23 

Lukianos  im  Leben  des  Alexandros  oder  des  falschen 
Profeten  beschriebene  dramatische  Darstellung  an. 
die  als  Naclibildung  der  Eleusinischen  Mysterien  in 
einem  dem  Gotte  Glykon  geweihten  Tempel  Statt 
hatte.  Dem  Tempel  hatte  man  die  Einrichtung  eines 
Theaters  gegeben;  (^)  Alexandros  stellte  den  Endy- 
mion  vor  und  lag  auf  dem  Schauplatz,  als  eine  ge- 
wisse Rhutillia,  welche  die  Rolle  der  Luna  spielte, 
von  der  Decke  als  wie  aus  dem  Himmel  herabfuhr,  (^°) 
Aus  dieser  Erzählung  schliesst  Hr.  de  Quincy,  das 
Dach  habe  eine  OefFnung  gehabt.  Und  doch  gibt 
nns  die  Schilderung  jener  dramatischen  Vorstellung 
nicht  mehr  Anlass  zur  Annahme  eines  hypathrischen 
Tempels  als  ähnliche  Vorstellungen  auf  der  Franzö- 
sischen Bühne. 

Um  seine  Ansicht,  dass  die  Dächer  der  Tempel 
gewölbt  gewesen,  zu  unterstützen,  beruft  sich  unser 
Verfasser  auf  die  Beschreibung,  die  Pausanias  von 
dem  Tempel  des  Apollon  Epikurios  zu  Figalia  macht. 
Durch  Ausgrabungen,  die  in  und  um  diesen  Tempel 
in  neueren  Zeilen  an<jestellt  wurden  und  unsere  Na- 
tionalsammlung  mit  mehren  schätzbaren  Proben  Grie- 
chischer Kunst  bereichert  haben,  sind  wir  mit  der  Con- 
struction  desselben  genau  bekannt  geworden.  Pausanias 
berichtet  uns,  dass  das  Dach  sowie  der  ganze  Tem- 
pel von  iJ/armor  gewesen  sei;  ('')   und  diese  Meldung 

(9)  "llSi]  f(iQ  o  vtbx;  fytj'/fQto  xcd  ij  ax?j»'»;  nagtcixevaaro.  Lukian. 
Pseudomant.  cap.   19.  ed.  Reitz.  Tom.  II.  p.  227. 

(10)  Kc.ri'jii  d^  iri'  «uro»'  ix  t^;  ogocprjt  oji;  i^  ovgavov,  avrt  rijq 
2ikrivr,i;  'PovTÜ.Uu  rtq.     Ibidem  cap.  39.    p.  245. 

(11)  Lib.  VIII.  Cap.  4l.  §•  5:  —  XiO-ov  y.al  ovrö?  ogofo^. 
Faciiis  scblagt  vor,  etwa  also  zu  ändern:  U&ov  x««  itveoq  xal  6  o^o- 
(poq.  —  (Die  bcnlicbrn  Ueberrestc  dieses  Tempels,  der  zu  Bassae 
ohnweit  Figaba  in  Arkadien  stand,  bescbreibt  Chandler,  Reisen  in 
Gricchenl.  Cap.  77. ;  und  ausführlich  der  Baron  von  Stachelberg 
in  einem  eignen  zu  Frankfurt  l826  in  gr.  Fol.  gedruckten  Werke. 
Heber  das  Architektonische  des  Baus  vgl.  Hirt  Gesch.   der   Bau- 


24  EINLEITUNG. 

hat  sich  durch  mehre  aufgefundne  Marraorziegel  als 
richtig  bewährt.  Hierdurch  unterscheidet  er  sich 
von  unbedeutenderen  Tempeln,  bei  denen  man  ge- 
wöhnlich Ziegel  aus  gebrannter  Erde  {terra -colla) 
brauchte.  Auch  diese  Stelle  hat  man,  in  ofFenbarem 
Widerspruch  mit  der  klaren  Meinung  des  Schrift- 
stellers, von  einem  gewölbten  steinernen  Dache 
verstehen  wollen. 

Auf  ähnliche  Art  ist  eine  andre  Stelle  desselben 
Topografen  erklärt  worden ;  wir  meinen  die  über 
den  Tempel  des  Hermes  zu  Megalopolis,  von  w^elchem 
zur  Zeit  des  Tansanias  nur  noch  die  xekojvi]  h'&ov 
oder  steinerne  Thürschwelle  zu  sehen  war.  {^'^)  Bis 
wir  uns  aber  davon  überzeugen  können ,  dass  sich 
das  gewölbte  Dach  eines  Tempels  auch  ohne  seine 
Stützmauern  erhalten  kann,  muss  es  uns  erlaubt  sein, 
dem  Worte  y^skvjvr]  und  seinem  Synonym ;^£A.tyi^/S eine 
beschränktere  Bedeutung  zu  geben. 

Nachdem  wir  dargethan  haben,  dass  die  meisten 
Tempel  weder  ihrem  ersten  Planenach,  noch  durch 
spätere  Einrichtung  auf  einem  anderen  Wege  als 
durch  die  Thüre  Licht  einliessen,  bleibt  uns  noch 
übrig,  einige  Bemerkungen  über  die  Mittel  zu  ma- 
chen, durch  die  es  möglich  wurde,  die  in  der  Zelle 
befindlichen  Gegenstände  genauer  zu  betrachten  und 
zu  unterscheiden. 

Von  der  künstlichen  Erleuchtung  des  Inneren 
des  mystischen  Tempels  zu  Eleusis  haben  wir  bereits 
gesprochen;  ein  solches  Mittel  scheint  den  Pieligions- 
begrifFen  der  Griechen  angemessen  gewesen  zu  sein, 

kunst  II,  46.  Auch  in  den  eisten  Heften  des  bei  Priestley  und 
Weale  erschienenen  Supplenientbandes  zu  den  Alterthümern  von 
Athen  erhalten  wir  Aufrisse,  Grundrisse  und  andere  architektoni- 
sche Ausführungen  desselben.     W.) 

(12)  Pausan.  VIII.  30.  §.  3 :  —  nal  olSiv  iXiCntxo  ori  firj  x'- 
Xfövri  XC&ov. 


EINLEITUNG.  25 

und  sie  bedienten  isich  desselben,  soweit  wir  darüber 
urtheilen  können,  nicht  aus  Noth,  sondern  nach 
eigner  freier  Wahl.  Die  goldne  Lampe  des  Kalli- 
machos ,  die  nach  des  Pausanias  ('^)  Erzählung  un- 
aufhörlich, Tag  und  Nacht,  vor  der  Bildsäule  der 
Göttin  in  dem  Tempel  der  Jthena  Polias  in  Athen 
brannte,  ist  über  die  Art  entscheidend,  aui  welche 
man  das  Innere  Griechischer  Tempel  erhellte.  Thu- 
kydides  und  Pausanias  melden  uns  beide  das  Schick- 
sal des  alten  Tempels  der  Hera  bei  Mykenä,  der  durch 
eine  brennende  Lampe,  welche  die  Priesterin  eini- 
gen inneren  Verzierungen  zu  nahe  gebracht  hatte, 
in  Feuer  aufging.  (**) 

Ebenso  sagt  uns  Pausanias,  ('*)  dass  man  vor  der 
alten  Bildsäule  des  Pan  in  seinem  Tempel  zu  Akake- 
sion  in  Arkadien  beständig  Feuer  im  Brand  erhalten 
habe;  dasselbe  geschah  im  Tempel  der  Demeter  und 
Persejone  zu  Mantineia.  ('^)  Nahe  bei  dem  Prytaneion 
zu  jt7i.y  stand  gleichfalls  ein  kleiner  Tempel,  in  dem 
das  Fener  nicht  erlosch;  ('')  auf  dem  Markte  zu 
Farä  in  Achaia  stand  ein  Orakelgebäude  (neben  dem 
steinernen  Bild  des  Hermes  Agoräos) ,  an  dessen  Altar 
eherne  Lampen  durch  Blei  befestigt  waren.  Wer 
das  Orakel  befragen  wollte,  verbrannte  zuerst  Weih- 
rauch, füllte  die  Lampen  mit  Oel ,  zündete  sie  an, 
legte  dann  eine  Gabe  (eine  Landesmünze)  auf  den 
Altar  und  befragte  die  Gottheit.  ('*)    Hieraus  erhellt, 


(13)  Lib.  I.  Cap.  26.  §•  7.     Strabo  Lib.  IX.  p.  396:  o  äaßtarw; 

(14)  Thukydid.  IV,   133.     Pansan.  11.    17.  §■  7. 

(15)  Pansan.  VIII.  37.  §.8:  nvQ  ovnojt  itnoaßtvvvfiivov  naUxat. 

(16)  Paus.  VIII.   9.  §.  1.  W. 

(17)  Pansan.  V.  15.  §■  5:  »In  dem  Prylaneion  ist  ein  Ileerd 
aus  Asche  errichtet  und  auf  ihm  brennt  Feuer  den  ganzen  Tag 
und  ebenso  die  ganze  Nacht  durch.«  W. 

(18^  Pausan.  VII.  22.  §.  2.   —  Eine  Scenc  in  den  Eumeniden 


26  EINLEITUNG. 

dass  sich  die  Griechen  der  künstlichen  Erleuchtung 
bei  ihren  religiösen  Feierlichkeiten  bedienten  ;  von 
den  Griechen  aus  verbreitete  sich  dieser  Gebrauch 
zu  den  Römern.  (^') 

Plinius  gedenkt  der  Italischen  Sitte,  Lampen  in 
den  Tempeln  aufzuhängen,  (^°)  und  dass  dieser 
Brauch  aus  sehr  alten  Zeilen  stammte,  bew^eiset  eine 
Stelle  des  Plutarchos,  in  der  wir  vernehmen,  dass 
eine  evrig  brennende  weit  berühmte  Lampe  in  dem 
Tempel  des  Zeus  ^mmon  aufgehängt  gewesen  sei.  (^^) 

Ebenso  brachte  Alexandros  aus  Theben  aus  dem 
Tempel  des  Apollon  den  Palmbaum  mit,  an  dessen 
Zweigen  Lampen  hingen.     Die  zehn  Leuchter  end- 

des  Aeschjlos  versetzt  uns  zugleich  mit   der  Athena    und  den  Eu- 

meniden   in   den  Tempel   der  Göttin    zu  Athen    vor  ihre  Bildsäule. 

Die  Göttin  cntlässt  die  versammelten  Eumeniden  mit  einer  Anrede, 

die  Voss  also  übersetzt  hat: 

Die  Worte  lob'  ich  solcher  Heilanwünschungen, 

Und  sende  dir  strahllieller  Fackeln  Lichtgeleit 

Zu  jenem  Abgrund'  unterhalb  des  Erdbezirks, 

Samt  Dienerinnen,  deren  Hut  mein  Bild  alhier 

Bewahret  treulich. 

Eumeniden    v.  1014  ff. 

Das  Innere  des  Tempels  war  demnach  durch  Fackeln  erhellt. 

(19)  CVPIDINES  II.  CVM  SVIS  LYCHNVCHIS  ET  LUCERN. 
Gruter.  Insc. 

Vidi  argenteum  Cupidinem  cum  lampade.  Cic.  in  Verr.  Act.  IL 
Cap.  47. 

(20)  Placuere  et  Lychnuchi  pensiles  in  delubro.  Lib.  XXXIV. 
Cap.  5.  Horatius  wirft  den  Römern  die  Vernachlässigung  ihrer 
Tempel  und  Bildsäulen  vor,  welche  letztere  aus  ganz  offenbarer 
Ursache  mit  Rauch  wie  mit  einer  Decke  eingehüllt  waren. 

Delicta  maiorum  imnieritus  lues, 
Romane,  donec  templa  refeceris, 
Aedesque  labentes  Deorum ,  et 
Foeda  nigro  simulacra  fumo. 

Od.  Lib.  III,  6,   1  ff. 

(21)  De  oracul.  defectu  1 ,  614.  (Ed.  Hütten  Cap.  IL  Vol.  IX. 
p.  299.) 


EINLEITUNG.  27 

lieh  im  Tempel  Salomon^s,  die  auf  Altären  zur  Rech- 
ten und  Linken  der  Zelle  standen,  sind  ein  schlagen- 
der Beweis  für  das  hohe  Alter  dieser  Sitte.  {^^) 

Man  hat  gegen  unsere  Ansicht  vom  Gebrauch 
der  Lampen  eingewendet,  dass  sie  denn  doch  kein 
zureichendes  Licht  gegeben  hätten,  um  die  Verzie- 
rungen im  Inneren  der  Tempel  deutlich  hervortre- 
ten zu  lassen;  denselben  Einwand  würde  man  aber 
eben  so  gut  auch  bei  den  Tempeln  und  Gräbern  der 
Aegypter  machen  können,  deren  Inneres  in  noch  weit 
höherem  Grade  verziert  war.  Die  Gemälde  mit  ih- 
ren glänzenden  Farben,  die  fast  alle  Mauern  und 
Säulen  bedeckten,  konnten  nur  bei  einer  künstlichen 
Beleuchtung  betrachtet  werden. 

Noch  mehr  wird  das,  was  wir  über  den  Gebrauch 
der  Lampen  behauptet  haben,  durch  die  Nachweisung 
eines  ihm  ganz  angemessenen  Amtes  bestätigt.  Die 
Sorge  für  die  Lampen  lag  einem  Tempeldiener  oder 
einer  Dienerin  ob,  zu  deren  Amt  auch  andere  Ver- 
richtungen von  höherer  Bedeutung  gehörten.  Dies 
ergibt  sich  aus  folgender  Inschrift,  die  Chandler  zu 
Athen  in  dem  choragischen  Denkmale  des  Thrasyllos 
fand,  das  nun  zu  einer  Griechischen  Kirche  einge- 
richtet und  der  Panagia  Spiliotissa  d.h.  Unserer  lieben 
Frau  in  der  Grotte  geweiht  ist. 

.  .  .  XOISIA  KAI  TO  AETS2MA  Y 
HEP  TAI  KirKAUAI  KAI  THN 
A0POAEITHN  TH  QEQ  EK 
TS2JS  IAU2N  ANESHKEN  E 
miKEYAIASA  KAI  AYTHN 
O  YIA  KAI  A  YÄNAUTPIA  A  Y 
THS  KAI  ONEIPOKPITII  ...  x.t.k.  (") 
Die   angeführten    Zeugnisse  beweisen  klar,    dass 

(22)  A'f«  ino{r,at  t««?  Xv^vluii   t«?  XQ*"^'^'i   '^^"^  —    **»*  f^xtv  h 
TW  vu<7).   Paralipom.    (Chronik.)   Lib.  II.  c.  4.  V.  7. 

(23)  Chandler  Inscripl.  Pars  II,  55.    XXIX. 


28  EINLEITUNG. 

die  Sitte,  Tempel  im  Inneren  auf  künstliche  Art  zu 
erleuchten,  höchst  alt  und  allgemein  verbreitet  war. 
Nachrichten  über  dieselbe  bei  alten  Schriftstellern 
sind  allerdings  selten,  dagegen  widerspricht  ihr  auch 
keine  Stelle  ausser  der  einzigen  oben  mitgetheilten 
Regel  des  Vitruvius,  welche  nur  auf  zehnsäulige  Tem- 
pel mit  doppelten  Säulengängen  zu  beziehen  ist.  C*) 

(24)  Unser  Verfasser  scheint  mir  in  seiner  Vermnthung  zu 
weit  zu  gehen.  Umsichtiger  spricht  sich  IVinchelmann  in  seinen 
Anmerkungen  über  die  Baukunst  (Sr.  Wrke  v.  Fernow.  Bd.  I. 
S.  391)  hierüber  also  aus:  ^Fenster  hatten  die  ins  gevierte  ge- 
bauten Tempel  insgemein  nicht,  und  kein  ander  Licht,  als  wel- 
ches durch  die  Thüre  hineinkam ;  und  dieses  zur  Vermehrung 
der  Ehrfurcht  des  Orts,  welcher  durch  Lampen  erleuchtet  war.« 
Vgl.  Voyage  du  jeune  Anacharsis  Chap.  XII.  und  besonders  die 
Note  9  Denn  die  aus  Pausanias  oben  mitgetheilten  Stellen  sagen 
uns  nur,  dass  in  mehren  Griechischen  Tempeln  vor  der  Bildsäule 
der  Gottheit  Eine  Lampe  gebrannt  und  die  Bildsäule  in  besondres 
Licht  gesetzt  habe,  nicht  aber,  dass  der  ganze  Tempel  durch 
Lampen  so  eriielU.  worden  sei,  dass  man  überall  »die  in  ihm  be- 
iindliclien  Gegenstände ,  genauer  habe  betrachten  können.«  Die 
Wirkung  und  auch  die  Bedeutung  einer  solchen  Lampe  scheint  in 
den  Griechischen  Tempeln  keine  andere  gewesen  zu  sein  als  die, 
welche  das  ewige  Licht  in  unsern  grösseren  katholischen  Kiiclien 
hat.  Die  stets  brennende  Lampe  ist  sinnliche  Darstellung  der 
Weisheit,  die  gewissermassen  ein  unauslöschliches  Licht  ist.  Vgl. 
Stuart  Thl.  l\.  Cap.  IL  Anm.  11.  S.  487.  der  Teutschen  Ausg. 
und  Creuzer  ebendaselbst  S.  552.  Warum  sollten  sie  dieselbe  sonst 
bei  Nacht  und  zur  Zeit,  wo  Niemand  den  Tempel  betrat,  oder 
vielmehr,  wo  keine  Andächtigen  das  Bild  der  Gottheit  aus  der 
Ferne  zu  schauen  verlangten,  haben  brennen  lassen?  Auch  der 
Heratempel  bei  Mykenä  brannte  nicht  ab,  als  er  bei  versammel- 
ter Menge  erleuchtet  war,  sondern  als,  wie  Thukydides  erzählt, 
die  Priesterin  eine  brennende  Lampe  zu  den  Kränzen  hingesetzt 
hatte  und  darüber  eingeschlafen  war.  Ebenso  liegt  uns  bei  den 
foeda  nigro  simulacra  fumo  des  Horatius  doch  der  Gedanke,  dass 
die  Bildsäulen  von  dem  entzündeten  Weihrauch  und  den  auf  den 
Altären  verbrannten  Opferstücken  geschwärzt  worden  seien,  näher 
als  dass  dies  Wirkung  der  Larapen  gewesen  sei.  W. 


Erstes     Capitel. 

T  e  o  s„ 

Unter  den  vielen  Werken,  die  uns  durch  die  Zeit 
und  missgünstige  Zufälle  oder  auch  durch  absichtliche 
Zerstörung  entzogen  worden  sind,  muss  der  Freund 
der  wissenschaftlichen  Baukunst  vor  Allem  den  Ver- 
lust jener  unersetzlichen  Abhandlungen  bedauern, 
welche  von  Männern,  die  sich  durch  Geist  und  Kennt- 
nisse gleich  auszeichneten,  in  der  lobenswerthen 
Absicht  verfasst  worden  waren,  um  die  glückliche 
Verbindung  beider  Eigenschaften  in  den  von  ihnen 
errichteten  Gebäuden  nachzuweisen.  Zu  diesem 
Zweck  hatten  sie  die  Grundsätze  entwickelt,  nach 
denen  sie  verfahren,  das  Eigenthümliche  im  Plane, 
die  Verhältnisse  und  Verzierungen,  die  sie  entweder 
erfunden  oder  Andern  nachgebildet  hatten,  bezeich- 
net, auf  die  Harmonie  und  Symmetrie  ihres  Plans 
aufmerksam  gemacht  und  mit  dem  Bau  zugleich  die 
Geschichte  desselben  der  Nachwelt  überliefert. 

Die  Namen  mehrer  dieser  berühmten,  verdienst- 
vollen Männer  des  Alterthums  hat  uns  Viiruvius  er- 
halten (*)    und  unter   ihnen   die   grossen  Baumeister 

(1)  Postca  Silenits  ilc  synmictriis  Doricoruin  cdidit  volumen ; 
de  aede  lunonis,  quac  est  Sami,  Dorica,  Tlieodorus ;  lonica 
Ephesi  ,  quae  est  Dianae,  Ctesiphon  CChersiphron  ed.  Schneid.) 
et  Metagenes ;  de  fano  Minervae ,  quod  est  Prienae,  loiiictim, 
P/lhius.  —   Hermogenes  de  aede  Dianae  lonica ,  quac  est  Magnc 


30  ERSTES    CAPITEL. 

der  zwei  prachtvollen  Tempel  zu  Teos  und  Priene 
bezeichnet.  Wären  uns  ihre  Abhandlungen  erhalten, 
welcher  Genuss  für  den  wissbegierigen  Kunstfreund, 
dies  Werk  zu  vergleichen,  zu  berichtigen  und  zu 
vervollständigen!  Doch  jetzt  kann  er  nur  mit  ße- 
trübniss  diese  reichen  Trümmer  betrachten,  die  sich 
allein  gleichsam  aus  dem  allgemeinen  Schilibrucli 
retten  Hessen,  und  während  er  sie  bewundert  und 
benutzt,  sich  darüber  freuen,  dass  ihre  Schöpfer 
nicht,  gleich  vielen  andern  von  Vitruvius  aufgezeich- 
neten, blosse  Namen  geworden  sind,  sondern  wenig- 
stens so  weit  in  ihren  Werken  fortleben. 

Teos  lag  auf  der  Südseite  der  Landenge,  die  eine 
kleine  westlich  in  eine  scharfe  niedrige  Spitze  auslau- 
fende Halbinsel  mit  dem  Festlande  von  lonien  ver- 
bindet. Es  hatte  zwei  Häfen,  von  denen  der  eine 
sich  an  die  Stadt  anschloss,  der  andre  der  Stadt  im 
Rücken  in  einer  Entfernung  von  dreissig  Stadien 
lag;  so  breit  war  auch  ohngefähr  der  Isthmus.  Der 
letztere  Hafen  hiess  im  Alterthum  Geraeslikos.  i^) 
Segigeck,  der  Hafen  der  Stadt  Teos  gegen  Norden, 
hiess  bei  den  Alten  Gerae.  Er  war  von  Chalkideern 
bevölkert  worden,  die  unter  Anführung  des  Geres 
hierher  zogen.  In  der  an  dem  Meere  stehenden  ße- 
festigungsmauer  befinden  sich  mehre  graue  Marmor- 
steine mit  Inschriften,  die  von  Teos  hierher  gebracht 
worden  sind. 

Segigeck  gegenüber  liegt  Teos ,  an  der  südlichen 
Krümmung  des  Landes,     an    der  entgegengesetzten 

siae  pseudodipteros,  et  Liberi  patris  Teo  monopteros  (vel  peripte- 
ros).     Vitruv.  Praef.  Lib.  VII,    §.  12. 

(2)  Kai  71  T^(oq  6}  int  Xe^Qovrjao)  i$QVTai,  Xifi^va  t^ovaa.  — 
"JEoTt  di  mAAo;  hfir^v  o  nQOi;ßogo(;,  uno  rgiay.ovxu  aruSiwv  iriq  noXfloq, 
Xt^guitSai'  fhu  XaXxiäfXi;,  o  t^;  Xf^Qovr,aov  ia&fioq,  tri!;  Tijtuv 
y.al  'Egv&galav-  Strabo  L.  XIV.  p.  644.  Ein  Stadion  betrug  sechs- 
hundert Fuss.    Dreissig  Stadien  machen  drei  und  drei  viertel  Meilen. 


ERSTES    CAPITEL.  31 

Seeseite.  Jetzt  heisst  es  Bodruti,  ist  aber  unbe- 
wohnt, sowie  sein  Hafen  -versandet,  so  dass  die 
Schiffer  und  Gewerbsleute,  die  den  geringen  Han- 
del in  dieser  Gegend  noch  fortführen,  nur  an  Gera- 
stikos  anfahren. 

Die  mit  der  alten  Geschichte  bekannten  Leser 
werden  sich  vielleicht  erinnern,  dass  ein  Römischer 
Flottenführer  einst  (')  in  grosser  Gefahr  war,  in  die- 
sem Haien  mit  seiner  mächtigen  Flotte  von  den 
Feinden  überfallen  und  eingeschlossen  zu  werden. 
Des  Geschichtschreibers  Livius  Bericht  über  diesen 
Vorfall  steht  in  zu  genauer  Beziehung  mit  unserm 
Geffenstande,  als  dass  wir  ihn  nicht  im  Wesentlichen 
hier  mittheilen  sollten. 

In  dem  Kriege  zwischen  Antiochus  dem  Grossen, 
dem  Könige  von  Syrien,  und  den  Römern  richtete 
der  Prätor  L.  Aemilius  Regillusj  der  achtzig  Schiffe 
in  den  Gewässern  des  Aegäischen  Meeres  befehligte, 
plötzlich  seinen  Lauf  gegen  Teos,  yreil  ihm  die  Nach- 
richt zugekommen  war,  die  Teief  hätten  die  könig- 
liche Flotte  mit  Lebensmitteln  versorgt  und  überdies 
ihr  noch  fünftausend  Krüge  Wein  zu  liefern  verspro- 
chen. Er  stellte  seine  Schiffe  in  dem  Hafen  auf, 
welcher  der  Stadt  im  Rücken  liegt,  und  schickte 
Truppen  mit  dem  Befehle  aus,  die  Umgegend  der 
Stadt  zu  verheeren. 

Sobald  die  Teier  diese  Verheerung  wahrnahmen, 
schickten  sie  an  den  Befehlshaber  Gesandte  mit  hei- 
ligen Binden  und  den  gewöhnlichen  Friedenszeichen, 
um  seine  Gnade  anzuflehen.  Dieser  versicherte  aber, 
er  werde  seine  Soldaten  von  der  Plünderung  nicht 
zurückrufen,  wofern  nicht  die  Stadt  den  Römern 
dieselbe  Unterstützung  zu  Theil  werden  lasse,  die 
sie  den  Feinden  so  bereitwillig  geleistet  habe.     Die 

(3)  Im  Jahr  der  Stadt  562;  vor  Christ.  190. 


32  ERSTES  CAPITEL. 

Gesandten  kehrten  zurück  und  die  Obrigkeiten  be- 
riefen das  Volk  zur  berathenden  Versammlung. 

Unterdessen  war  Polyxtnidas ,  der  Befehlshaber 
der  königlichen  Flotte,  mit  neunundachtzig  Schiffen 
von  Kolofon  ausgelaufen.  Als  er  von  den  Bewegun- 
gen des  Römischen  Flottenführers  Nachricht  erhielt 
und  hörte ,  dass  er  in  den  Hafen  Gerästikos  eingelau 
fen  sei,  fasste  er  grosse  Hoffnungen,  die  Komische 
Flotte  jetzt  ebenso  angreifen  und  besiegen  zu  kön- 
nen,  wie  es  ihm  ohnlängst  mit  der  Khodischen  bei 
Samos  geglückt  vrar,  wo  er  den  schmalen  Ausgang 
des  Hafens  Panormos  besetzt  hatte,  in  dem  die  Flotte 
lag.  Wirklich  hatten  auch  beide  Plätze  eine  ähn- 
liche Lage,  indem  zwei  gegen  einander  tretende 
Vorgebirge  den  Ausgang  des  Hafens  so  verengen, 
dass  kaum  zwei  Schiffe  zugleich  auslaufen  können. 
Polyxenidas  nahm  sich  nun  vor,  in  der  Nacht  den 
engen  Eingang  zu  besetzen,  an  jedem  Vorgebirg 
zehn  Schiffe  aufzustellen,  um  die  auslaufenden  feind- 
lichen Schiffe  von  beiden  Seiten  angreifen  zu  kön- 
nen, sodann  von  der  übrigen  Flotte  eine  hinläng- 
liche Zahl  Bewaffneter  an  die  Küste  auszusetzen, 
um  die  Römer  zugleich  zu  Lande  und  zu  Wasser  zu 
überfallen. 

Dieser  Plan  würde,  nach  des  Geschichtschrei- 
bers Bemerkung,  wohl  auch  nicht  fehlgeschlagen  sein, 
wäre  nicht  der  Kömische  Prätor,  als  die  Teier  sei- 
nem Verlangen  nachgaben,  hinüber  in  den  anderen 
Hafen  gefahren,  welcher  vor  der  Stadt  liegt,  wo- 
selbst er  seine  Vorräthe  bequemer  einschiffen  zu 
können  glaubte.  Auch  soll  Eudamos ,  der  die  Rho- 
dische  Flotille  befehligle,  bei  der  Gelegenheit,  als 
zwei  Schiffe  in  dem  engen  Eingang  in  einander  ge- 
riethen  und  sich  die  Ruder  zerbrachen,  die  Römer 
auf  ihre  gefährliche  Station  aufmerksam  gemacht 
haben.     Der  Prätor  hatte  zudem  noch  einen  neuen 


ERSTES    CAPITEL.  33 

Grund,  den  Stand  seiner  Flotft  zu  ändern,  indem  er 
hier  von  der  Landseite  vor  einem  Ueberfall  des  Kö- 
nigs  Anliochos,    der  mit  seinem  Lager  in  der  Nähe 
stand,  nicht  sicher   zu   sein  glaubte.     Als  man   den 
neuen   Hafen    gewonnen    hatte,    verliessen   die  Sol- 
daten und  Schiffer  ihre  Fahrzeuge  und  waren  gerade 
mit  der  Vertheilung  des  Weins   und   der   Vorräthe 
beschäftigt,    als  ein  Landmann  dem  Prätor  die  Bot- 
schaft brachte,     Folyxenidas    sei   im    Anzug.      Den 
Zerstreuten  verkündete  sogleich  der  Schall  der  Trom- 
peten des  Prätors  Befehl,  zurück  zu  den  Schilfen  zu 
eilen.      Es   folgt    Verwirrung    und    Getöse    wie    bei 
einer   plötzlichen   Feuersbrunst;    jedes  Schiff  fährt, 
sobald  es  bemannt  ist,  voll  Hast  aus  dem  Hafen;  die 
ganze  Flotte  rückt  in  Schlachtordnung  auf  die  Höhe 
vor,  dem  Feinde  entgegen;  zwischen   Myonnesos  und 
dem  Vorgbirge  Ä^or^A:o5  entspinnt  sich  auf  allen  Punc- 
ten  ein  hitziger  l^ampf,  in  dem  die  königliche  Flotte 
durch  die  Tapferkeit  der  Römer  und  die  Schnelligkeit 
der  Rhodischen  Schiffe  fast  vernichtet  wird.  (*) 


(4)  Liv.  Lib.  XXXVII.  Cap.27:—  In  portu,  qui  ab  tergo  urLis 
est  CGeraesticum  ipsi  appeilant),  navibus  constiliitis,  praetor 
('L.  Aemilius  Re^illus ,  cui  provincia  marilinia  erat,)  ad  depopii- 
lanclnm  circa  inbem  agriim  milites  emisit. 

Cap.  28.  Teil  j  quiim  in  ociilis  populatio  esset,  oralores  cum 
infulis  et  velamentis  ad  Romanum  miscrunt.  —  Polyxenidas,  cum 
regia  classc  a  Colophone  profccliis  ,  adversus  Myonncsum  in  insula 
(Macrin  nautici  vocant)  ancoras  portu  occulto  iccit.  Inde  ex 
propinqiio  explorans ,  quid  liostes  agerent,  primo  in  magna  spe 
fuit ,  quemackmodum  Rhodiam  classcm  ad  Sanuiin ,  circumsessis  ad 
cxitum  fnucibns  portus ,  cxpugnasset,  sie  et  Romanam  cxpugnatti- 
rum.  Ncc  est  dissimilis  natura  loci  Promontoriis  cociintibus  inter 
sc  ita  clauditur  portus,  nt  vix  duae  siniul  inde  naves  possint  exirc. 
Nocte  occuparc  fauces  Polyxenidas  in  aninio  kabebat,  et,  denis 
navibus  ad  ptomonloria  stantibus,  quae  ab  utroque  cornn  in  latera 
exeuntitim  nuviuai  pugnarent,  ex  cetera  classc,  sicut  ad  Panormum 
Ion.  Alt.  3 


34  ERSTES    CAPITEL. 

Doch  wenden  wir  uns  zu  andern  Gegenständen. 
Unter  allen  Göttern  verehrten  die  Teier  am  höchsten 
den  Dionysos  oder  Bakchos;  ihm  hatten  sie  Stadt  und 
Gebiet  geweiht  und  sich  schon  vor  dem  erwähnten 
Ereigniss  (*)  an  den  Kömischen  und  andere  Staaten 
mit  der  Bitte  gewandt,  beide  dadurch  auszuzeichnen, 
dass  sie  dieselben  für  heilig  und  für  eine  Freistätte 
erklärten.  Mehre  der  damals  gegebenen  Antworten 
haben  sich  noch  erhalten;  sie  sind  in  Stücke  \on 
grauem  Marmor  schön  eingehauen;  ihr  Zusammen- 
hang ist  jedoch  öfters  unterbrochen  ;  einige  der  Bruch- 
stücke fanden  sich,  zum  Theil  in  die  Mauer  eingefügt, 
in  dem  Bade  zu  Segigeck^  eines  über  einem  Brunnen 
vor  dem  südlichen  Thore,  mehre  lagen  auch  auf  dem 
Begräbnissplatze  rund  um  Sevrihissar.  Alle  sind  sie 
y on  Chishullj  nach  den  Copien,  diederConsul  Sherard 
im  Jahr  1709  davon  nahm  und  Samuel  Lisleim  J.  1716 
genau  revidirte,  der  gelehrten  Welt  mitgetheilt  wor- 
den. Diesen  literarischen  Denkmälern  der  Teier 
hat  der  gelehrte  Herausgeber  noch  eine  Zeichnung 


fecerat,  armatis  in  litora  expositis,  terra  marique  simul  hostes  op- 
primere.  Quod  non  Tanum  ei  consiliuni  fuisset,  ni,  quum  Teii 
factiiros  se  imperata  promisissent,  ad  accipiendos  conimeatus  aptius 
visum  esset  Romanis,  in  eum  portum ,  qui  ante  urbem  est,  clas- 
sem  transire.  Dicitur  et  Eudamus  Rhodius  vitium  alterius  poitus 
ostendisse,  quum  forte  duae  naves  in  arcto  ostio  implicitos  remos 
frcgissent.  Et  inter  alia  id  quoque  movit  praetorem,  ut  traduceret 
classem,  quod  ab  terra  periculum  erat,  haud  procul  inde  Antiocho 
stativa  habente. 

Cap.  30.  lain  totis  classibus  simul  ab  omni  parte  pugna  con- 
serta  erat.  Ab  Romanis  octoginta  naves  pugnabant,  ex  quibus 
Fhodiae  duae  et  viginti  erant.  Hostium  classis  undenonaginta 
naviura  fuit;  et  maxiinae  formae  naves  tres  liexeres  habebat,  duas 
hepteres. 

(5)  Der  Römische  Beschluss  ist  vom  Jahr  559  d.  Stadt,  193  V. 
Chr.  Geb.     Chishull ,  Antiquität.  Asiaticae.  p.  102. 


ERSTES    CAriTEL.  35 

ihrer  Hauptgottheit  vorgesetzt,  auf  welche  wir  unsre 
Leser,  die  sich  dafür  interessiren,  hiermit  verwei- 
sen wollen. 

Da  dieser  Bezirk  somit 'der  eigenthümliche  Be- 
sitz des  Dionysos  war,  so  liessen  sich  auch  die 
Dionysischen  Künstler ^  {^)  deren  es  in  Asien  eine  grosse 
Anzahl  gab,  (')  und  die  also  nach  ihrem  Schützer, 
dem  man  die  Erfindung  theatralischer  Darstellungen 
zuschrieb,  genannt  wurden  und  sich  auf  Befehl  der 
Könige  von  Pergamos  in  Gesellschaften  vereinigt 
hatten,  (^)  hier  in  der  Stadt  ihres  Schutzgottes  nieder 
und  versorgten  von  hier  aus  nach  eingegangenem 
Vertrag  lonien  und  die  Gegenden  bis  zumHellespont 
hin  mit  dem  scenischen  Apparate,  bis  sie  bei  einem 
Aufstande  die  Flucht  ergriffen  und  sich  in  Efesos 
niederliessen.  Diese  Künstler  werden  überhaupt  als 
geneigt  zu  Unruhen  und  als  treulos  geschildert.  (®) 

Aus  allen  diesen  Umständen  lässt  sich  sowohl 
mit  Wahrscheinlichkeit  voraussetzen,  dass  die  Teier 
es  nicht  werden  unterlassen  haben,  einen  Tempel  zu 
errichten,  in  dem  sie  den  weitberühmten  Gott  Dio- 
nysos, der  ihnen  selbst  so  grosse  Vortheile  brachte, 
würdig  aufnehmen  konnten,  als  auch  zweitens,  dass 
dieser  l'erapel  auf  eine  besonders  reiche  Art  ausge- 
schmückt gewesen  sei.  Die  erste  Annahme  wird 
hinlänglich  durch  die  noch  vorhandnen,  wiewohl 
unbedeutenden  Ueberreste  gesichert.  Diese  bestehen 
jetzt  freilich  nur  noch  aus  einem  verworrenen  Hügel 

(6)  ^hovvoiuxol  Tt/vlTui  oder  ol  niQi  lov  /Jiovvaov  Tfj(vlTui. 
Uebcr  Dioujsos ,  den  begeisternden  Scluilzgott  der  Musiker,  Poe- 
ten, besonders  der  Dramatiker  und  auch  der  Schauspieler,  siehe 
Crcuzer's  Symbolik.  Tbl.  IV.  S.  408  u.  450.  W. 

(7)  Kai  iw  ^lovuaot  t»,v  AaCuv  oXriv  xa&uQoiaavrtq  fi^xQ''  '^V^ 
'Ivdixijq.  —  Slrabo.  L.  X.  p.  471. 

(8)  Chishull.  A.  A.  p.  107  u.  138. 

(9)  Strabo.   L.  X.  p.  643.     Chish.   p.  139. 

3^ 


36  ERSTES    CAPITEL. 

niedergestürzter  Marmorstücke  und  verschwinden 
täglich  mehr,  indem  die  Türken  sie  zu  Grabsteinen 
benutzen  ,  die  sie  ihren  Verstorbenen  zu  Häupten 
und  Füssen  zu  setzen  gewohnt  sind.  Mehre  Stücke 
lagen  damals ,  als  wir  die  Tempelreste  untersuchten, 
gerade  zugehauen  und  sollten  zu  dem  erwähnten 
Zwecke  dienen.  Die  ganze  Masse  ist  von  Gebüsch 
und  Feigenbäumen  überdeckt. 

Aus  den  vielen  Oefen,  von  denen  man  in  und 
um  den  Hügel  die  deutlichsten  Spuren  sieht,  ergibt 
sich  mit  Gewissheit,  dass  früher  ein  grosser  Theil 
der  Materialien  durch  sogenanntes  Calciniren  ver- 
braucht worden  ist.  Verzierungs-  und  andere  Bau- 
glieder wurden  gefühllos  und  ohne  Unterschied  aus- 
gebrannt. Ein  zerbrochnes  Fussgestell  ist  jedoch 
der  Zerstörung  entgangen  und  liefert  uns  ein  achtes, 
wenn  gleich  verstümmeltes  Denkmal  der  alten  Ver- 
zierung. Auf  ihm  erblicken  wir  folgende  Inschrift,  ('°) 

(10)  Diese  Inschrift  könnte  man  also  ergänzen  und  über- 
setzen : 

II  JBovXtj  v.ut  [o  /}f]fioq] 

KL   Tqvcfutvuv  «[p;^tfgfa] 
Aaiuq  xut  legia  [tov  tij?3 
Ttohojq  ÖEov  /]i\pvvaov\ 
■&vyaTiga  <?'ijof£i[»'7j?] 

2JTQUT0VtlX7jq    UQ\xi.{Qi(Oq\  , 

Aaiaq'  uvaarr,aciVToi; 

avögiavTa  xaX[oxuya&iaq  £viy.a\ 

Hhomvivou  %(äv  T\naxi,aü)v] 
»Senat  und  Volk  ehrten  die  Oberpriesterin  der  Asia  und  Prie- 
stcrin  des  Stadtgottes  Dionysos  ^  Kl.  Tryfana  ^  Tochter  der  Fesine 
Stratonike,  Oberpriesterin  der  Asia;  Peisoninos ^  mit  consulari- 
scher  Würde  bekleidet,  errichtete  ihr  die  Bildsäule,  um  ihre  Treff- 
lichkeit auszuzeichnen." 

Zeile  3  und  7.  ^^;jw^£wi;  Aaiaq  kommt  in  einer  der  Inschrif- 
ten des  Hrn.  Wood  vor.     Wir   würden  in  beiden  Zeilen  die  weib- 


ERSTES    CAPITEL.  37 

die  uns  sagt,  dass  es  die  Bildsäule  der  Klaudia  Try~ 
faena,  Oberpriesterin  der  Göttin  Asia  und  Priesterin 
des  Stadtgottes  Dionysos  ^  getragen. 

HBOYAHKAI 
ETEIMt 

KATPY0AINANJ 

ASIAIKAIIEPEA 

nOAEQIQEOYAl 

e  VrATEPAOHSEl/ 

STPATONEIKHIAP 

AIIASANAITH2A 

ANAPIAISTAKAA^ 

nEIIQlSlN'YT^lS  Y 
Wann  der  Tempel  errichtet  worden,  lässt  sich 
wohl  nicht  mehr  genau  ermitteln,  wahrscheinlich 
wurde  er  aber  ziemlich  um  dieselbe  Zeit,  wie  die 
zwei  folgenden  j  erbaut.  Denn  als  alle  Tempel  jener 
Gegend,  den  zu  Efesos  ausgenommen,  y on  Xerxes 
zerstört  worden  waren,  (**)  so  versäumten  es  die 
einzelnen  Städte  in  jener  gottesfürchtigen  Zeit  wohl 

liehe  Foim  Aq^uguri  vorgezogen  haben ,  wenn  nicht  die  vierte 
Zeile  die  andere,  gewöhnlich  männliche- Form  zu  rechtfertigen 
oder  gar  zu  verlangen  schiene.  In  einer  Inschrift  bei  Mylasa  fin- 
den wir:  T()vcpttii'rfi  t»;?  x«t  avTtj^  aTtq>avriq)ogov  xut  yv/xvaaiugx^v ; 
zu  EIcusis:  IiQocpavTTjv  xijt;  vt(DTfQaq  Kl.  ^Hloifvav ;  und  bei  Pausa- 
nias :  yvvri  v{o»toQoq- 

Z.  6.  In  einer  Athenischen  Inschrift  finden  wir  ebenfalls 
einen  iJ>r,ait'ov  2y,v&i,vov. 

Z.  10.  In  einer  Inschrift  des  Hrn.  Wood  lesen  wir:  Iluoiatov 
Tnttjixov  txyovov ,  no).ko)v  ^vvxXyjTtxoiv  x«t  TnuTixo»'  avyyivi]. 

Bei  Pococke,  Inscr.  p.  38  und  p.  20,  findet  sich  noch  ein 
andies  Bruchstück  von  diesem  Tempel;  es  ist  aber  so  übel  abge- 
schrieben, dass  man  es  nicht  verstehen  kann. 

(11)  MfTu  d^  Tt)  IJoatlSiov  To  Mti-t'iawv  l^/J?  lart  ro  /miTtXov 
ToD  ^idvfdox;  AnöXkütvoi;  ro  iv  Bfncy/lSaK;'  irf:TQi^a&ij  S'  vno  Siq%ov, 
xa&uTtfQ  xul  T«  uXXa  liQu  nXjiv  lov  iv  'E(fiau),  Strabo.  L.  XIV. 
p.  634. 


38  ERSTES    CAPITEL. 

nicht,  wenigstens  die  Tempel  ihrer  Schutzgotthei- 
ten so  schnell  als  möglich  wieder  aufzubauen.  In 
eifriger  Eile  scheinen  alle  vollendet  worden  zu  sein, 
der  eine  jedoch  schneller,  als  der  andre,  je  nach- 
dem der  Umfang  des  Baues  selbst  grösser  oder  klei- 
ner und  die  Mittel  der  Eigner  bedeutender  oder  ge- 
ringer waren. 

Baumeister  war  Hermogenes,  (*')  der  übereinstim- 
mend mit  Tarchesios  und  Pythios  die  Dorische  Ord- 
nung für  ungeeignet  für  heilige  Gebäude  erklärte. 
Ihre  Gründe  gibt  Vitruvius  an,  der  uns  auch  die 
Nachricht  mittheilt,  Hermogenes  sei  so  sehr  von  der 
Richtigkeit  seiner  Ansicht  überzeugt  gewesen,  dass 
er  seinen  Plan  noch  geändert  habe,  nachdem  dieMar- 
morstücke  schon  zugerichtet  gewesen  seien,  und  mit 
dem  Materiale,  das  für  ein  Dorisches  Gebäude  be- 
rechnet war,  den  Ionischen  Tempel  zn  Teos  erbaut 
habe.  (") 

Hermogenes  verfasste,  wie  wir  in  der  oben  S.  29 
mitgetheilten  Stelle  lesen,  eine  Abhandlung  über 
den  Ionischen  Tempel  der  Artemis  zu  Magnesia,  der 
ein  Pseudo -dipteros j  und  eine  andere  über  unsera 
Tempel  zu  Teos,  der  ein  Hexastylos  war  und  von 
Vitruvius  als  ein  Beispiel  des  Eustylos  (der  Säulen- 
stellung, in  der  die  Säulenweiten  das  schönste  Ver- 
hältniss  haben)  angeführt  wird,  da  Rom  keins  aufzu- 
weisen hatte.  (")  Vitruvius  sagt  uns  weiter,  die  Ver- 

(12)  aus  Alabanda  in  Karlen  gebürtig.  W. 

(13)  Nonnulli  antiqui  aichitecti  negaverunt  Dorico  genere 
acdes  sacras  oportere  fieri,  quod  mendosae  et  disconvenientes  in 
his  symmetriae  conficiebantur:  itaque  negavit  Tarchesius,  item 
Pjtheus j  non  minus  Hermogenes.  Nam  is,  cum  paratam  habuis- 
set  marmoris  copiam  in  Doricae  aedis  peifectionem ,  con>mutavit 
ex  cadem  copia  et  eam  lonicam  Libero  patri  fecit.  —  Vitruv. 
Lib.  IV.  Cap.  3.  S-  1- 

(14)  Huius  excmplar  Pioniae  nullum  habemus,  sed  in  Asia  Teo 


ERSTES    CAriTEL.  39 

hältnisse,  welche  er  angebe,  seien  von  Hermogenes 
festgesetzt  worden ;  und  dieser  sei  auch  der  erste 
Erfinder  des  Oktastjlos  pseudo  -  dipleros  gewesen.  Er 
habe  nämlich  die  innere  Säulenreihe  des  Dipteros 
hinwegoenommen  und  dadurch  Arbeit  und  Kosten 
verringert,  dennoch  aber  hinlänglichen  Kaum  zu 
einem  Gang  um  die  Zelle  gelassen  und  dem  Ansehn 
des  Tempels  nicht  den  geringsten  Abbruch  gethan; 
er  habe  durch  seine  Anordnung  nur  das  Ueberflüs- 
sige  entfernt,  aber  die  Würde  des  ganzen  Baus  er- 
halten. Denn  das  pteroma  und  die  Säulenstellung 
seien  doch  nur  desswegen  erfunden  worden,  um 
dem  Tempel  durch  die  engen  Säulenzwischenweilen 
(straitness  of  the  intercolumniations)  ein  erhabeneres 
Ansehn  zu  geben  und  einer  grossen  Menge  Leute, 
die  etwa  durch  einen  plötzlichen  heftigen  Regen 
überrascht  oder  zurückgehalten  würden,  ein  beque- 
mes Obdach  zu  verschalten.  Beides,  sagt  Vitruvius, 
habe  Hermogenes  durch  seinen  Scharfsinn  und  seine 
Kunst  in  seinen  Bauwerken  erreicht  und  der  Nach- 


Iiexastylon  Liberi  Palris.  Eas  autem  symmetrias  conslittiit  Hermo- 
genes, qni  etiarn  prinuis  octastjlum  pseiidodipteri  (hexnstylum 
Pseudodiplcrive  ed.  Schneid.)  rationeni  invenit.  Ex  dipteri  eniin 
aedis  syiunietria  siistulit  inferiores  ordines  columnaruni  XXXVIII, 
caque  ralione  suniptns  operisqne  compendia  fecit.  Is  in  medio 
airihulationi  laxamentiiin  egregic  circa  cellam  fecit,  de  aspectiiquc 
nihil  imminuit,  sed  sine  desiderio  siipervacuoriim  conservavit  au- 
ctovitatem  lotius  operis  distributione.  Pteromatos  enira  ratio  et 
columnarnm  circiim  acdem  dispositio  ideo  est  inventa ,  iit  aspcctus 
proplcr  asperitatetn  inlercolumniorum  haberct  aiictoritatem:  prac- 
lerea  si  et  imbrium  aqnae  vis  occiipaverit  et  intercUiserit  hoininum 
miiltitiidinem,  ut  habeat  in  acde  circaqtic  cellam  cum  laxamento 
liberam  moram.  Haec  autem  ita  explicanliir  in  Pseudodipteris 
aedium  dispositionibus.  Quare  videtnr  acuta  niagnaque  solertia 
cffectiis  operum  Hermogenes  fecisse ,  reliquissequc  fontes,  onde 
posteri  possent  hanrirc  disciplinarum  rationes.  Vitruv.  Lib.  111 
Cap.  III.  §.  8  sq.    MSS. 


40  ERSTES    CAMTEL. 

weit  Quellen  hinterlassen,  aus  denen  sie  die  Gründe 
seiner  Verbesserungen  entnehmen  könne. 

Durch  ein  solches  Lob  seines  Baumeisters  erhält 
unser  Tempel  ein  noch  höheres  Interesse,  indem  er 
als  das  einzige,  wenn  auch  nicht  mehr  ganz  erhal- 
tene, Denkmaleines  so  ausgezeichneten  Architekten 
sowohl  ehrwürdig,  wie  auch  als  Probe  und  Erläute- 
runsr  seiner  Regeln  für  uns  belehrend  ist. 

Taf.  I. 

Ansicht  des  Tempels  des  Bakchos  zu  Teos, 

Taf.  II. 

(der  älteren  Ausgabe) 
Säulenordnung, 

Ueber  den  Tempel  des  Bakchos  zu  Teos  können 
wir  unsern  Lesern  nichts  Neues  vorlegen,  da  die 
zweite  Mission  der  Gesellschaft  der  Dilettanti  ver- 
hindert war,  Teos  zu  besuchen.  Dies  ist  indessen 
darum  weniger  zu  bedauern,  da  die  Entdeckungen 
in  andern  Theilen  von  Rleinasien  die  Gesellschaft  in 
den  Stand  gesetzt  haben,  Proben  von  drei  verschie- 
denartigen Ionischen  Tempeln  zu  geben ,  nämlich 
von  einem  Hexastylos',  Oktastylos  und  Dekastylos. 

Die  erste  Auliage  dieses  Werks  enthielt  einen 
Aufriss  der  Vorderseite  des  Tempels,  den  man  nach 
!Muthmassung  und  mit  Beobachtung  jener  allgemeinen 
Verhältnisse  ergänzt  hatte,  welche  Vitruvius  bei 
der  Beschreibung  eines  schönsäuligen  Tempels  (Eu- 
stylos)  angibt,  zu  dessen  Erläuterung  er  gerade  un- 
sern Tempel  zu  Teos  als  Beispiel  anführt.  Hinsicht- 
lich jener  Stelle  des  Vitruvius,  in  der  er  auf  unsern 
Tempel  verweist,  müssen  wir  zuvor  bemerken^  dass 
alle  Handschriften  denselben  als  einen  Hexastylos  be- 
zeichnen, d.  h.  als  einen  Tempel  mit  sechs  Säulen 
auf  der  Vorderseite  und  folglich  mit  einem  einfachen 


ERSTES    CAPITEL.  41 

Säulenumgang  (Peristylon).  Die  bisher  herrschende 
Meinung,  dass  der  genannte  Tempel  zu  Gebäuden 
von  prachtvollerer  Anlage  gehöre,  ist  aus  einer  ver- 
meintlichen Dunkelheit  in  dem  Texte  des  Vitruvius 
entstanden.  Um  einer  anscheinenden  Schvs'ierigkeit 
zu  begegnen,  fanden  sich  die  Erklärer  bevv^ogen, 
zwei  Wörter  zu  ändern,  nämlich  erstens  (III,  3,  8.) 
octastylon  statt  hexastylon  und  sodann  (Vorrede  z.  B. 
y\\.  §.  12.)  dipteros  statt  monopteros  zu  lesen.  Beide 
Aenderungen  sind  unnölhig.  Denn  augenscheinlich 
braucht  hier  Vitruvius  das  Wort  monopteros  nur  im 
Gegensatze  zu  dipteros,  was  in  derselben  Periode 
vorkommt.  Wollte  man  behaupten  ,  das  Wort  sei 
auch  hier  in  der  beschränkten  Bedeutung  genommen, 
die  es  offenbar  bei  den  runden  Tempeln  im  Anfang 
des  achten  Capitels  im  vierten  Buche  hat,  so  würde 
es  doch  immer  noch  sicherer  sein,  nur  eine  Aende- 
rung  zu  wagen,  als  zwei;  lesen  wir  in  dem  Falle 
peripteros  statt  monopteros ,  welche  Worte  von  glei- 
cher Bedeutung  sind,  so  hat  man  keinen  Grund  zu 
weiterer  Aenderung  und  der  Tempel  des  Bakchos  zu 
Teos  muss  als  ein  Beispiel  von  einfacherer  Bauart 
betrachtet  werden.  Darum  haben  wir  denn  jenen 
Aufriss  des  Tem])els,  der  in  der  ersten  Ausgabe  ent- 
halten war,  in  dieser  weggelassen,  da  wir  es  uns 
zum  Grundsatz  gemacht  haben,  die  Irrthümer  zu  be- 
richtigen, die  bei  der  ersten  Darstellung  der  archi- 
tektonischen Ueberreste  in  den  Griechischen  Co- 
lonien  unvermeidlich  waren,  indem  man  damals 
theils  wegen  der  geringen  Bekanntschaft  mit  der 
Griechischen  Baukunst,  theils  wegen  der  unzurei- 
chenden Mittel,  die  es  nicht  erlaubten  den  Grundbau 
der  Gebäude  zu  untersuchen,  das  Wahre  nicht  er- 
kennen konnte. 

Es  lag  übrigens   noch   ein    anderer   Grund    vor, 
warum  wir,    abgesehen  von  allen   andern  Motiven, 


42  ERSTES    CAPITEL. 

jene  Tafel  weglassen  zu  müssen  glaubten.    Vitruvius 
sucht  nämlich  in  seiner  Theorie  der  Baukunst    die 
Architektur  Griechenlands  auf  gewisse  feststehende 
Regeln  zu  bringen,  durch  welche  sich,  nach  seiner 
Meinung,  die  Architekten  alter  Zeit  bei  der  Anlage 
ihrer  Tempel  leiten  Hessen.     So  stehen  nach   einem 
Grundsatze ,    den   er  bewährt  gefunden  haben  will, 
die   Räume   oder  Weiten    zwischen   den    Säulen   in 
einem  bestimmten  Verhältnisse  zu  dem  unteren  Säu- 
lendurchmesser, und  je  nachdem  dieses  Verhältniss 
eins  und  ein  halb,  zwei  oder  drei  zu  eins  ist,  classi- 
£cirt  er  die  Tempel  als  dichtsäulige  CPy^^ostyloi) j   na~ 
hesäulige  fSystyloi)  und  fernsäulige  fDiastyloi).  ('*)     In 
den  Tempeln  Griechenlands  finden   wir  aber  solche 
feststehende  Regeln  nicht  beobachtet,    wiewohl  es 
allerdings  Beispiele  gibt,  in  denen  die  angegebenen 
Verhältnisse  genau  zutreffen.      Dagegen    haben  wir 
Tempel  vielleicht  von  allen  Verhältnissen,  die  zwi- 
schen einem  und  einem  viertel  bis  zu  drei  Durchmes- 
ser liegen.     Einige  von  diesen  würden  also  nach  des 
Vitruvius  Anordnung  gar  keine  Rubrik  finden,  son- 
dern ein   neues  System    nothwendig    machen.      Wo 
z.  B.  die  Säulenweiten  mehr  als  einen  und  einen  hal- 
ben und  w^eniger  als  zwei,   oder  mehr  als  zwei  und 
w^eniger    als   drei   Säulendurchmesser   betragen,    da 
müsste  man  eine  andere  Bestimmung  suchen,  wofern 
man   nicht  durch  Erweiterung    des   mittelsten    Zwi- 
schenraums   die  andern  auf  diese    Gränzen  zurück- 
bringen und  dadurch  der  ganzen  Fronte  gerade  die 
Breite   geben    kann,    die  mit   den   in   den   Schriften 
Griechischer  Architekten  angegebenen  Verhältnissen 
übereinstimmt.     Für  die  Vermuthung,  die   wir  hier 
über  die  Stellung  der  Säulen  ausgesprochen  ,haben, 


(15)  Vitruv.  L.  III.  Cap.  III.  cd.  Schneid.  W. 


ERSTES    CAPITEL.  43 

sprichtauf  eine  einleuchtende  Weise  die  Sitte,  welche 
die  Griechischen  Architekten  bei  ihren  Dorischen 
Gebäuden  in  gewissen  Fällen  wirklich  beobachteten. 
Beispiele  von  einem  weiteren  Zwischenraum  in  der 
Mitte  haben  wir  in  den  v erschied nen  Propyläen  von 
Alhen,  Eleusis  und  Sunion  und  ein  ähnlicher  Styl 
herrscht  fast  durchgängig  in  den  Tempeln  von  Ae 
gypten.  Bei  Gebäuden  von  der  Ionischen  Ordnung 
w^urde  jedoch,  w^egen  der  grösseren  Ungleichheit, 
die  zwischen  den  Säulendurchmessern  und  Säulen- 
Weiten  Statt  fand,  diese  Erw^eiterung  der  mittelsten 
Oeffnung  w^eder  durch  die  Nothwendigkeit  noch 
durch  das  Schönheitsgefühl  geboten  und  war  keines- 
w^egs  wesentlich.  Auch  muss  man  bemerken,  dass 
die  Erweiterung  an  Dorischen  Gebäuden  nur  bei 
Propyläen  oder  Thorwegen  gestattet  war,  durch 
welche  beständig  viele  Menschen  aus  und  eingingen, 
oder  bei  Säulengängen,  bei  welchen,  wegen  der 
kleinen  Maasse  an  den  Säulen,  die  Zwischenwei- 
ten unangenehm  zusammengezogen  worden  wären, 
wenn  man  jene  Bestimmung  streng  hätte  festhalten 
wollen. 

Wären  die  Propyläen  von  Athen  und  Eleusis  nach 
der  Ionischen  Ordnung  gebaut  gewesen,  so  würden 
die  Zwischenräume,  vorausgesetzt,  dass  die  Säulen 
denselben  Umfang  gehabt  hätten,  den  jetzt  die  Dori- 
schen haben,  zehn  Fuss  weit  und  somit  für  Wägen 
breit  genug  gewesen  sein.  Aus  diesem  Grund  wur- 
den, wie  wir  in  den  folgenden  Capiteln  dieses  Werks 
sehen  werden,  selbst  an  den  Propyläen  der  Ionischen 
Ordnung  die  mittelsten  Zwischenräume  nicht  weiter 
gemacht.  Doch  werden  w^ir  in  einem  später  folgen- 
den Werke  auch  Beisf)iele  von  weiterem  Zwischen- 
räume an  ähnlichen  Gebäuden  vorlegen,  an  denen, 
weil  die  Säulen  klein  waren,  die  Zwischenräume 
unangenehm  eng  geworden  wären,    wenn  man  sich 


44  ERSTES    CAPITEL. 

an  die  bei  heiligen  Gebäuden  mit  mehr  Strenge  be- 
obachtete Sitte  hätte  halten  wollen. 

Halten  wir  Alles  zusammen,  was  über  Griechi- 
sche Architektur  bis  ^etzt  zu  unserer  Kenntniss  ge- 
kommen, so  werden  wir  zu  dem  Schluss  geführt, 
dass  die  Erweiteruntj  des  Zwischenraums  in  der  Mitte 
eine  Abweichung  von  der  Regel  war,  die  sich  selt- 
ner bei  der  Ionischen  als  bei  der  Dorischen  Ordnung 
findet,  und  dass  unter  den  vielen  uns  bekannten  Bei- 
spielen aus  dem  Alterthum  uns  keins  berechtigt,  bei 
Tempeln  der  einen  oder  andern  Ordnung  eine  solche 
Erweiterung  (als  ständig)  anzunehmen. 

Solche  Ausnahmen  veranlassten  den  Vitruvius, 
eine  besondere  Terapelgattung  anzunehmen,  und  diese 
nennt  er  die  schönsäulige  (eustylos).  Warum  der 
Tempel  des  Bakchos  zu  Teos  von  ihm  als  Erläute- 
rungsbeispiel seiner  Theorie  angeführt  worden,  dar- 
über haben  wir  bereits  oben  unsere  Meinung  mit- 
getheilt. 

Auf  des  Vitruvius  Autorität  sich  stützend  hatten 
die  Herausgeber  der  ersten  Ausgabe  dieses  Werks, 
die  im  Besitz  einiger  einzelnen  Theile  des  Tempels 
zu  Teos  waren,  die  östliche  Fronte  darzustellen  ver- 
sucht. Weil  wir  diesen  Aufriss  nicht  wiederum  mit 
aufnahmen,  glaubten  wir  unsrer  Seits  uns  bei  den 
Lesern  der  neuen  Auflage  rechtfertigen  zu  müssen. 

Taf.  H. 
(der  neuen  Ausgabe) 
Fig.  1.     Die  Base  der  Säulen ,  mit  dem  unteren  Theile 
des  Schafts, 
Die  Plinthe,    der   untere  Pfuhl  (torus)  und  die 
Einziehung  (scotia)  mit  ihren  Plättchen  oder  Riemen 
(fillets)   sind  aus  Einem  Stück  Marmor.     Der  obere 
Pfuhl  mit  einem  Reif  oder  Stab  (astragal)  hängt  mit 
dem  Anlauf  (apophyge)  der  Säule  zusammen,  wahr- 


ERSTES    CAPITEL.  45 

scheinlich  um  ihn  zu  verstärken  und  vor  Beschädi- 
gung zu  schützen,  da  er  sehr  weit  ausläuft. 

Die  unbedeutende  Verjüngung  (diminution)  die- 
ser Säule  beweist ,  dass  die  zwei  Stücke  des  Schafts 
zu  verschiednen  Säulen  gehörten;  der  obere  Theil 
nämlich  wahrscheinlich  zu  einer  in  der  äusseren 
Reihe,  der  untere  entweder  zu  der  Fronte  der  Vor- 
derhalle (pronaos)  oder  zu  der  an  der  Hinterhalle 
(posticum),  denn  in  beiden  waren  die  Säulendurch- 
messer kleiner  als  in  der  äusseren  Reihe,  wie  man 
an  dem  Tempel  des  Olympischen  Zeus  zu  Athen  und 
an  verschiednen  andern  Beispielen  ersieht.  Hieraus 
ergibt  sich  auch  der  Grund,  warum  der  Anlauf  so 
weit  auslief,  (**)  denn  wenn  die  Basen  der  äusseren 
und  inneren  Säulen  des  üipteros  gleich  gross  waren, 
so  musste  ebenso  auch  der  Anlauf  an  beiden  gleiches 
Maads  haben;  je  kleiner  folglich  der  Durchmesser 
der  inneren  Säulen  war,  desto  grösser  musste  der 
Anlauf  sein. 

Eine  andere  Symmetrie  hat  man  den  Basen  des 
Tempels  des  Zeus  Olympios  gegeben.  Die  äusseren 
Basen  haben  hier  nämlich  Plinthen  von  der  Höhe 
eines  Models  oder  halben  Säulendurchmessers,  die 
inneren  haben  aber  keine,  sondern  stehen  auf  einer 
Stufe,  welche  den  Fussboden  des  inneren  Ganges 
des  Dipteros  über  den  äusseren  desselben  um  seine 
ganze  Höhe  erhebt.  Darum  sind  die  inneren  Säulen 
wegen  der  Höhe  der  Stufe  weniger  hoch  und  weni- 
ger dick  als  die  äusseren. 

Die  Glieder  (raouldings)  der  inneren  Basen  sind 
auch  viel  höher  als  die  der  äusseren  ;  beide  bleiben 


(16)  Teclinische  AusiJrücke,  in  denen  man  keinen  Widerspruch 
finden  wird,  wenn  man  weiss,  dass  die  Apophygc  oder  der  Anlauf 
ein  Ziikelstück.  ist,  das  zwei  gerade  Glieder  verbindet,  von  denen 
das  untere  weiter  hervortritt  als  das  obere.  W. 


46  ERSTES     CAPITEL. 

sich  nur  in  dem  Durchmesser  des  unteren  Pfuhls 
gleich.  Da  die  inneren  Basen  höher  sind ,  so  lauten 
sie  auch  weiter  aus  und  dadurch  scheint  der  obere 
Pfuhl,  indem  der  Durchmesser  des  unteren  an  bei- 
den gleich  ist,  weniger  hoch  als  an  den  äusseren  zu 
sein.  Auf  diese  Weise  bewirkte  der  Baumeister, 
dass  das  oben  bemerkte  starke  Hervortreten  des  An- 
laufs an  dieser  Säule  -weniger  auffällig  war. 

Fig.  2.     Capital  und  Architrav,  mit  dem  oberen  Theile 
des  Säulenschafts, 

Capital,  Stab  und  Ablauf  (apothesis)  nebst  einem 
kleinen  Theile  des  Schafts  sind  aus  Einem  Stück 
Marmor. 

Die  Verhältnisse  dieses  Capitäls  und  seine  gleich- 
massige  Form  zu  der  Base  und  zu  dem  unteren  Theile 
des  Schafts  kann  man  aus  folgender  Angabe  erken- 
nen. Theilt  man  den  oberen  Theil  des  Schafts  in 
einundzwanzig  Theile,  so  wird  der  untere  Durch- 
messer der  Säule  (wie  es  sich  bei  genauer  Vermes- 
sung ergab)  zweiundzwanzig  solcher  Theile  haben, 
der  Stab  unter  dem  Capital  zweiundzwanzig  und 
einen  halben,  der  Säulendeckel  (abacus)  in  der 
Länge  und  Breite  vierundzwanzig,  der  Durchmesser 
des  Wulstes  (echinus)  siebenundzwanzig,  gleich  dem 
Durchmesser  des  Stabs  unter  dem  Anlauf  der  Säule. 
Die  Hohe  des  Capitäls  wird  neun  Theile  betragen 
und  mit  den  Schnecken  (volutes)  dreizehn  und  einen 
halben,  gleich  dem  halben  Durchmesser  des  Wulstes; 
dieselbe  Höhe  hat  die  Base  sammt  der  Plinthe,  ohne 
diese  nur  ein  Drittel  der  Länge  des  Säulendeckels. 
Alle  diese  Verhältnisse  entsprechen  so  ziemlich  den 
Maassen,  die  man  erwarten  durfte,  besonders  wenn 
man  bedenkt,  dass  man  sich  nach  mehren  verschie- 
denartigen Bruchstücken  eine  Norm  hierfür  gebil- 
det hat. 


ERSTES    CAFITEL.  47 

Die  Dicke  des  Architravs  Hess  sich  nicht  bestim- 
men, wesswegen  wir  ihn  hier  nach  dem  Vorbilde  des 
Tempels  am  Jlissos  zu  Athen  auf  das  Capital  mit  der 
Fronte  perpendiculär  über  den  Vorderrand  der  Schne- 
cken gelegt  haben.  Die  Soffite  des  Architravs  hat 
man  an  den  Griechischen  Gebäuden  stets  breiter 
gefunden  als  den  Durchmesser  des  SäuJenhalses, 
nicht  nur  in  dieser  Ordnung,  sondern  auch  an  der 
Dorischen  und  Korinthischen. 

Fig.  3.     Durchschnitt   durch   die  Fronte   des    Capitäls 
und  Architravs. 
Der  Architrav  bildet  noch  einen  Theil  des  Kran- 
zes   und    ist  verziert  mit   einer   jetzt   beschädigten 
Schnecke  (scroll),  die  mit  einem  Reif  (bead)  umge- 
ben ist. 

Fig.  4.  Durchschnitt  durch  das  Profil  des  Capitäls. 
Die  Kissen  oder  Polster  (pulvini)  der  Schnecken 
waren  mit  Blättern  verziert,  die  aber  so  beschädigt 
sind,  dass  man  ihr  Geschlecht  nicht  mehr  erkennen 
konnte.  Aus  diesem  Grunde  hat  man  den  Grund- 
riss  des  Capitäls  und  den  Aufriss  des  Profils  wegge- 
lassen. 

Fig.  5.     Umrisse  der  Schnecke, 

Palladio^s  Methode,  die  Schnecke  zu  beschrei- 
ben, stimmt  im  Allgemeinen  mit  diesen  Maassen 
überein,  abgesehen  von  der  Breite,  welche  sehr 
schwer  zu  nehmen  war. 

Taf.  III. 
Fig.  1.     Der  Kranz  des  Tempels. 

Das  Fragment  eines  Löwenkopfes  und  ein  Stück 
von  einer  Verzierung  sind  die  einzigen  Ueberreste, 
die  sich  aulfinden  Hessen. 

Fig.  2.     Ein  Architrav  und  ein  Fries. 

Beide  sind  aus  Einem  Stück  Marmor,  und  wur- 
den   auf  einem  Begräbnissplatz  bei   einer  Moschee 


48  ERSTES   CAPITEL. 

za  Segigeck  gefunden.  Der  Fries  ist  mit  einer  Schale 
und  mit  Lorbeerkränzen  verziert;  das  ovalo  an  dem 
cymatium  des  Architravs  ist  aufFallenderweise  flach 
gearbeitet  mit  einem  kleinen  Riemen  (fi.llet)  an  dem 
oberen  Theile  desselben. 

Fig.  3.     Durchschnitt  durch  die  Sqffite  des  Architravs. 
Ein  Theil  ist  mit  einem  ebenfalls  flach  gearbei- 
teten   ovalo   umgeben.      Die    Glieder    dieses   Bruch- 
stücks  sind   ebenfalls   mit   grosser  Genauigkeit   und 
Nettigkeit  ausgearbeitet. 

Fig.  4.     Ein  Fussgestell  mit  viereckiger  Base 
aus  Einem    iStück   weissen    Marmor,     nahe    bei  dem 
südlichen  Thore  zu  Segigeck.     Die  Glieder  der  ßase 
springen  über  den  Würfel  des  Fussgestells  vor. 

Dieser  Marmorstücke  haben  wir  hierErwähnunar 
gethan,  da  es  keinem  Zweifel  unterliegt,  dass  sie 
früher  zu  Teos  gehört  haben. 


Zweites    Capitel. 
Priene. 

S^riene  lag  an  der  Südseite  des  Berges  Mykale.  (^) 
Jetzt  geniesst  man  hier  eine  weite  Aussicht  über  eine 
schöne  Ebene,  die  durch  den  Mäandros  und  ein  an- 


(1)  Am  Fuss  dieses  Bergs  schlug  bekanntlich  im  J.  479  v.  Chr. 
Geb.  das  Schiffsheer  der  vereinten  Hellenen  unter  Anführung  des 
Leoljchides  von  Lakedaemon  mit  Hülfe  der  loner  und  besonders 
der  Satnier  ein  Persisches  Heer  von  sechzigtausend  Mann  sammt 
den  Truppen  der  Seemacht  am  Nachmittag  desselben  Tags  in  die 
Flucht ,  in  dessen  Frühe  ihr  Landheer  unter  Pausanias  den  glän- 
zenden Sieg  bei  Plataeae  über  Mardonios  erfochten  hatte.     W. 


ZWEITES    OA-PITEL.  49 

deres  Wasserbett  durchschnitten  wird,  das  in  seinem 
geschlängelten  Laufe  fast  Priene's  Mauern  berührt.  (') 

Von  den  Veränderungen,  die  der  JbJoden  dieser 
Gegend  nach  und  nach  in  einer  langen  Reihe  von 
Jahren  erlitt,  wollen  wir  weiter  unten  reden,  wenn 
wir  die  Ebene,  die  der  Aläandros  durchfliesst,  näher 
beschreiben.  Hier  mag  die  Bemerkung  genügen,  das« 
Priene,  jetzt  eine  Stadt  des  Festlandes,  einst  im 
Meere  lag  und  zwei  Häfen  hatte.  Uie  Bbene  zwi- 
schen Priene  und  Milttos  war  ein  grosser  Meerbusen 
imd  der  Mäandros ,  der  nun  einen  weit  grösseren 
Kaumzu  durchüiessen  hat,  glitt  sachte  in  ihn  hinab.  (') 

Diese  Veränderungen  sind  bedeutend  genug,  um 
Reisende  irre  führen  und  verwirren  zu  können,  wenn 
sie  nicht  etwa  einen  wohlunterrichteten  Führer  ha- 
ben, und  mögen  wohl  Schuld  sein,  dass  ein  so  merk- 
würdiger Theil  des  alten  loniens  bis  jetzt  noch  so 
wenig  untersucht  und  bekannt  ist. 

Die  einzige  Fieise  durch  diese  Gegend,  von  der 
das  Publicum  bis  jetzt  nähere  liunde  erhallen  hat,  ist 
die,  welche  im  J.  1673  von  mehren  Bnglischen  Kauf- 
leuten von  Smyrna  aus  unternommen  w^urde.  (*)  Ks 
würde  unbillig  sein,  wenn  wir  die  Arbeiten  dieser 
Reisegesellschaft  oberllächlich  und  ungenügend  nen- 
nen wollten;  dankbare  Anerkennung  verdient  viel- 
mehr ihr  liberales  Streben  und  die  3Iiltheilsamkeit 
derer,  welche  eine,   wenn  auch   bisher  nocii  wenig 

(2)  Es  ist  dicss  der  alte  Fluss  Gaesos,  der  heutige  Kali-besh- 
Osmoc.  W. 

(3)  Lcnis  illabitur  mari.  Plin.  H.  N.  Lib.  V.  Cap.  29.  (Ed. 
Hard.  Cap    XXXI.) 

(4)  Oefrentücli  bekannt  gemacht  durch  fFheler,  London  1682. 
und  auch  von  Spon.  (Voyage  d'Italie,  de  Dalmatie ,  de  Grcce  et 
du  Levant,  fait  aux  annces  1675  et  1676  par  Jac.  Spon  et  Georg. 
Whcler.  Lyon  1678  3  "VoL  12.  Amsterd.  1679.  2  Vol.  12.  A  la 
Hayc  1724.  2  Vol.  kl.  8.     W.) 

Ion.  AU.  4 


50  ZWEITES    CAUTEL. 

benutzte,  Bahn  zum  Vortheil  späterer  Untersucher 
brachen. 

Der  Zufall  führte  sie  auch  nach  Prienc :  sie  be- 
schreiben es  als  ein  Dori  Sansun  genannt,  unter  wel- 
chem Namen  sowie  unter  dem  von  Sansun-calesi  es 
noch  jetzt  bekannt  ist.  Was  sie  von  Alterthümern 
näher  bezeichnen,  sind  grösstentheils  liuinen,  ein 
Pfeiler  und  eine  halb  zerstörte  Inschrift.  (*)  Jetzt  ist 
Priene  ein  grosses  und  stark  bevölkertes  l^orf. 

Der  ganze  Raum  innerhalb  der  Mauern,  die  fast 
noch  in  ihrem  ganzen  Umkreis  und  an  manchen  Stel- 
len mehre  Fuss  hoch  über  der  Erde  stehen,  ist  mit 
Trümmern  oder  unter  einander  geworfenen  Bruch- 
stücken marmorner  Gebäude  bedeckt.  Die  zerstörten 
Kirchen  sind  ein  Beweis  von  der  Frömmigkeit  der 
neueren  Bewohner,  sowie  die  Spuren  eines  Theaters, 
einer  Rennbahn  und  besonders  der  imposante  Haufe, 
den  die  Trümmer  des  Tempels  bilden,  Zeugniss  ge- 
ben von  dem  Geschmack  und  der  Prachlliebe  der 
früheren  reichen  Besitzer.  Die  Burg  lag  auf  einer 
Ebene  über  einem  schroffen  Abhans;. 

Betrachtet  man  imsere  dritte  Tafel,  so  wibrd  man 
eine  deutlichere  Ansicht  von  der  Lage  und  dem  ge- 
genwärtigen Zustand  des  Tempels  erlangen,  als  wir 
durch  Worte  zu  geben  im  Stande  sind,  l^ie  zierlich 
und  rein  gearbeiteten  CapitäJe,  die  reichen  Bruch- 
stücke alter  Sculptur  erregen  in  uns  zugleich  die 
Gefühle  der  Bewunderung  und  des  Schmerzes;  nicht 
können  wir  die  Ueberreste  der  verstümmelten  Sta- 
tuen oder  eine  lange,  aber  stark  beschädigte  Inschrift 
betrachten,  ohne  den  lebhaften  Wunsch  zu  hegen, 
die  durch  sie  dargestellten  Gegenstände  der  Vereh- 
rung  kennen  zu  lernen  und  zu  erfahren,  welcher 
verdienten  Bürger  Namen,  welche  Staatsverhandlun- 

(5)  W'heler,  p.  268. 


ZWEITES    CAPITEL.  51 

gen   oder  welcher  Privatvertrag  durch  sie  verewigt 
werden  sollte. 

In  dem  Abschnitt  über  Teos  haben  wir  bereits 
bemerkt,  d dss  Xerxes  alle  Tempel  in  lonien,  ausser 
den  zu  Efesos,  zerstört  habe.  Wie  bald  nach  die- 
ser unheilvollen  Periode  die  Priener  ihren  Tempel 
wieder  aufzubauen  begannen,  welche  Fortschritte 
sie  vor  dem  Feldzug  des  Alexandras  gemacht,  oder 
ob  der  Tempel  noch  in  seinen  Trümmern  lag,  als 
der  heldenmülhige  König  auf  seinem  Zug  nachPriene 
kam,  diese  Fragen  lassen  sich  nicht  mehr  mit  Be- 
stimmtheitbeantworten. Der  mächtige  Eroberer  aber, 
der  Asien  als  sein  väterliches  Erbtheil  betrachtete  C") 
und  darum,  sobald  er  seinen  Fuss  ans  Land  setzte, 
jede  Plünderung  untersagte,  war  eben  so  begierig, 
es  zu  verschönern,  wie  der  flüchtige  Perser  gestrebt 
hatte,  es  zu  verheeren.  Aus  diesem  Princip  grün- 
dete er  nicht  nur  neue  Städte,  sondern  stellte  auch 
den  vormaligen  Glanz  alter  Städte  wieder  her,  rich- 
tete "^Pempel  wieder  auf,  die  sein  Gegner  niederge- 
rissen hatte,  und  erstreckte  sogar  seine  frommeSorge 
auf  das  zerstörte  Babylon.  (^)  So  erfreute  sich  auch 
Priene  seiner  Gunst,  wie  aus  dem  folgenden  schütz- 
baren Denkmal  hervorgeht,  das  uns  auf  einem  Steine 

(6)  lustin.  Lib.  XI.  Cap.  5:  —  Patnmoniiim  oinnc  smim,  quod 
in  Macedonia  Euiopaque  habebat,  amicis  tliviilit,  sibi  Asiam  suf- 
ftcere  pracfatus.  —  Cap.  6:  I"de  hostcm  petens ,  milites  a  popu- 
latione  Asiae  probibuit,  parcend,um  suis  rebus  praefatus,  nee 
perdenda  ea,  quae  possessuri  venerint. 

(7)'0  yuQ  Toi3  Btikov  vioj;;  iv  ft^atj  t*/  nökn  tjv  xmv  Saßu- 
XwrCüiv,  fityiO^n  Tt  fi^yioxo^.  —  Tovtov  %6v  vfu)v,  ojqniQ  xut  xu  (cAAa 
iKn\  T«  Baßv).otviotv ,  SfQ^ri(i  y.uifaxuvffv ,  ort  iy.  rij^  'LD.üäo^  ontotj 
annöorTiOfr.  'yl).fiiodiJO(;  Si  iv  iw  il/ev  uinty.nSottHV.  —  ^JÜTiit  di 
i(noarüviO(;  iwrou  /u«i^«xw;  up&^^if/uvto  rov  t(>yov ,  ol^  tuvtu  iniri- 
TQunro'  o  öi  xj;  oiqutm  nuaij  i-xivoet  %6  l\>yov  iqyüoua&ai.  Arriani 
de  exped.  Alex.  Lib.  VII.  p.  296.   Ed.  Gioii.  (Cap.  XVII.) 

4^ 


52  ZWEITES    CAPITEL. 

erhalten  ist,  der  zu  einer  der  Anten  gehörte  und 
nun  an  der  Ostseite  des  Trümmerhaufens  liegt.  Auf 
dem  Steine  nämlich  sind  folgende  äusserst  schön  ge- 
staltete Buchstaben  in  grossen  Zügen  eingehauen: 

BAIIAE  Y:£AAEEANJP  OS 

AISEOHKETONNAON 

AOHNAlHnOAUAl 

KOENIG  ALEXANüROS 
WElfiTE  DEN  TEMPEL 
DER  ATHENAEA  PÜLIAS. 

Dieser  Stein,  der,  ebenso  wie  viele  andere  Bruch- 
stücke um  ihn  herum,  auf  Einer  Seite  eine  Inschrift 
hat,  scheint  darauf  zu  führen,  dass  die  vorderen 
und  äusseren  Seiten  der  Anten  mit  Inschriften  ver- 
sehen w^aren  ,  ja  aus  der  abnehmenden  Grösse  der 
Buchstaben  lässt  sich  schliessen ,  dass  man  auf  die 
Perspective  Rücksicht  genommen  und  grössere  Züge 
an  den  höheren  und  dem  Auge  ferner  liegenden,  klei- 
nere an  den  näheren  Stellen  gemacht  habe,  so  dass 
alle  dem  Leser  von  dem  gehörigen  Gesichtspuncte 
aus  von  gleicher  Grösse  erscheinen  mussten.  Viele 
dieser  Steine  waren  zu  gewichtig,  als  dass  wir  sie 
umlegen  oder  von  der  Stelle  hätten  wegrücken  kön- 
nen; was  um  so  mehr  zu  bedauern  ist,  da  die  Schrift- 
züge auf  einigen  derselben  noch  ganz  unversehrt 
sind.  Wir  nahmen  sorgfältige  Copien  von  allen 
Theilen,  zu  denen  wir  hinzu  kommen  konnten,  ha- 
ben aber  die  Mittheilung  derjenigen,  welche  sich 
nicht  auf  die  Geschichte  des  Tempels  beziehen,  un- 
serer Sammlung  der  Inschriften  vorbehalten. 

Durch  die  mitgetheilte  Urkunde,  könnte  viel- 
leicht Mancher  meinen,  werde  die  Frage  narch  dem 
Alter  des  Tempels  entschieden.  Wir  müssen  uns 
aber  hier  erinnern,  welch  einen  hohen  Werth  der 
ehrsüchtige  Alexandras  darauf  legte,    solche  Werke 


ZWEITES   CAPITEL.  53 

mit  Inschriften  versehen  zu  können.  Es  würde  da- 
rum unbillig  gegen  die  Priener  sein,  wenn  wir  nicht 
annehmen  wollten,  dass  der  Bau  des  Tempels  zu 
der  Zeit,  als  der  Makedonische  Held  den  Boden 
Kleinasiens  betrat,  wenn  auch  nicht  weit  vorgerückt 
oder  beinahe  vollendet,  aber  doch  schon  angefangen 
war.  Denn  als  er  auf  seinem  Zuge  hierher  nach 
Efesos  kam  und  sah,  dass  man  den  von  Herostratos 
um  die  Zeit  seiner  Geburt  (®)  zerstörten  Tempel  der 
Artemis  unter  der  Leitung  des  Deinokrates  wieder  auf- 
baue, machte  er,  nach  glaubwürdigen  Zeugnissen, 
den  Efesiern  das  Anerbieten,  ihnen  alle  bisherige 
Kosten  zu  ersetzen  und  den  Bau  zu  vollenden,  wenn 
sie  ihm  die  Erlaubniss  gäben,  die  man  ihm  in  Priene 
wirklich  ertheilt  zu  haben  scheint,  sich  in  einer  In- 
schrift als  den  zu  nennen,  der  den  Tempel  geweiht 
habe.  So  geringfügig  in  unsern  Tagen  eine  solche 
Vergünstigung  scheinen  mag,  so  galt  sie  doch  da- 
mals für  so  bedeutend  und  ehrenvoll,  dass  er  sie 
selbst  bei  seinen  freigebigen  und  glänzenden  Aner- 
bielungen  nicht  erlangen  konnte.  (^) 

(8)  Es  war  Ein  und  derselbe  Tag ,  der  den  grossen  Mexan- 
dros  ins  Leben  rief  und  den  prachtvollen  Tempel  der  Artemis  in 
Asche  legte.  Plutarch.  Alexand.  Cap.  3.  —  Cic.  de  nat.  Deor.  IT, 
27,  nach  Tiinaros:  Qua  nocte  natus  Alexander  est,  eadem  Dia- 
nae  Ephesiae  teniplum  deflagravit.  Vgl.  Valer.  Max.  Lib.  VII f. 
Cap.  XIV,  5.  W. 

(9)  Tov  Si  viMV  T^5  Agr^fuSo^  nQCJTO(;  fi\v  XfQ(t{q)QO)v  (Mscripli : 
AQxtqiqwv)  tigyiTHtrövriCiiv ,  tlx  «AAoi;  inoh^at  ftiÜ^oi'  w?  Si  xovtov 
*HgoaTQttroq  xt;  Mngr^atv,  ullov  ufidvo)  y.uTtay.tvuaur  — .  'A).^^av- 
Sqov  6ri  ToI?  E(p(a{oig  vnoax^a&at,  ra  yfyorora,  xul  t«  ftiU.ovia 
uvu).(i)fiaTa ,  iq>  ^  rt  xr^v  i:ttyQa<fr,v  uurov  f/tiV  xovq  (Si  /<ij  i&iXij- 
oat'  —  inuiVH  xt.  xov  flTtotTu  xwv  JCftoiojv  tioo<;  ao»»  ßaati.ia'  m^  ou 
Tiq^nn  &f(j)  &folq  uvu&iifiartt  naxuay.ivut,ii,v'  fiftu  di  tj)»»  tov  viio 
avvx^ltiuv,  oc  (fr^etiv  (6  'Agtifx(Smgn(;)  ilvut  Xngofiov.QÜxovi  (Ms».  X«- 
QOKQÜxovq  et  /tiivoygäxoui)  fgyov  —  Strabo.  Lib.  XIV.  p.  640  sq. 
cd.  AImcIov. 


54  ZWEITES    C AP  [TEL. 

Der  Baumeister  dieses  prachtvollen  Tempels  war 
derselbe  Pf^/«'o*  oder,  wie  er  an  einer  andern  Stelle  (*°) 
heisst,  Phileos j  von  dem  wir  in  dem  Abschnitt  über 
Teos  geredet  haben.  Die  Trümmer  des  Tempels 
können  ebenso,  wie  Vitruv  es  ihut,  Zengniss  von 
seinem  hohen  Geiste  oeben.  Er  beschrieb  das  Ge- 
bände  in  einer  besonderen  Abhandlung  und  hatte, 
wie  man  erzählt,  eine  so  hohe  Ansicht  von  seiner 
Kunst,  dass  er  behauptete,  ein  Architekt  müsse  sich 
in  allen  Künsten  und  Wissenschaften  mehr  auszeich- 
nen, als  selbst  diejenigen,  welche  durch  Fleiss  und 
Eifer  in  einem  einzelnen  Fache  den  höchsten  Ruhm 
erlangt  hätten.  ('*) 

So  prachtvoll  nun  schon  der  Tempel  an  sich  vor 
seiner  Zerstörung  war,  so  enthielt  er  doch  für  den 
heidnischen  Reisenden  noch  einen  Gegenstand  der 
besonderen  Bewunderung  und  Verehrung.  Pausanias 
versichert  uns  nämlich,  Jonien  sei  mit  einer  Menge 
von  Tempeln  ausgeschmückt,  dergleichen  sich  keine 
andere  Provinz  rühmen  könne;  erzählt  sodann  die 
vorzüglichsten  auf  und  fügt  noch  besonders  hinzu: 
xErgötzen  kann  man  sich  auch  an  dem  Tempel  der 
j4thena  zn  PrienCj  ob  seines  Bildes  der  Göttin.«  ('*) 


(10)  Vitrnv.  Lib.  VII.   Piacf.  §.   12.  W. 

(11)  Idcofjiie  de  veteribus  architectis  Pilhius ,  qiii  Prienae 
aedem  Minervae  nobililer  est  architectatiis,  ait  in  suis  cominenta- 
riis,  architeclum  omnil)us  artibus  et  doctrinis  plus  opoileie  posse 
facere,  quam  qui  singtilas  res  suis  industiiis  et  exercitationibus  ad 
summani  claiitatem  perduxerunt.  Id  aiitem  re  non  expeditur. 
Vitruv.  Lib.   1.  Cap.  I.  §.   12. 

In  einer  andern  Stelle  (Lib.  IV.  Cap.  III.  §.  1.)  heisst  er 
Pitheus. 

(12)  "E/fi  öi  {  lo)r(a)  r.ul  IfQti,  oia  ov/  irtQW&i'  -^  Ha&ffjiq 
tS  UV  y.ui  TW  iv  EQV&-(}ulq  JlQC(y.).i{o) ,  y.ut  A&r^vui;  tw  iv  Jlgii^vi]  ruo)' 
10VZO)  fiiv  xov  KyüXfiuTO^  livfxa.     Pausan.  Lib.  VII.  Cap.  5.  §. 2el3. 


ZWEITES   CAPITEL.  55 

Taf.  1. 

Karte  vom  Lauf  des  Mäandros. 

Was  uns  Wheler  {^^)  und  Spon  über  diese  Gegend 
initgetheilt  haben,  verdanken  sie  einer  Heise,  welche 
Dr.  Pickering  und  mehre  Kaulleule  von  Smyrna  im 
Juni  des  Jahrs  1673  unternahmen.  Diese  Reisenden 
verliessen  Changlee  gegen  vier  Uhr  Morgens,  erstie- 
gen die  Höhe  des  Bergs  Alykale,  von  der  sie  eine 
weite  Aussicht  genossen,  und  einer  von  ihnen  zeich- 
nete die  Windungen  des  Mäandros.  Auf  einem  rau- 
hen  und  enjien  Pfade  stiegen  sie  herab  und  kamen 
nach  zwei  Stunden  in  die  Ebene,  nachdem  sie  die 
Ueberreste  eines  Schlosses  ostwärts  in  ihrem  Rücken 
hatten  liegen  lassen.  Von  Samsun  oder  Priene  aus, 
einem  Dorle  am  Fusse  des  Mykale ,  gelangten  sie 
durch  eine  grosse  Ebene  zum  31äandros,  der  bei  den 
Türken  Boiuc- Minder  d.  h.  der  grosse  Mäandros  heisst. 
Auf  einer  Fähre  setzten  sie  über  den  Fluss,  da  wo 
er  ohngefähr  sechszehn  Klafter  breit  und  in  der 
Mitte,  wie  der  Fährmann  versicherte,  ebenso  tief 
war  ('*)  und  einen  sehr  schnellen  Fall  hatte.  Ohn- 
gefähr zwei  Stunden  darauf  erreichten  sie  Palatsha, 
wo  sie  ihre  Zelte  an  dem  Ufer  eines  breiten  Flusses 
aufschlugen,  der  durch  einen  grossen  See  läuft  und 
dann  in  den  Mäandros  fällt. 

Der  Leser  übersehe  hier  nicht,  dass  unsere  Rei- 
senden hur  einmal  zwischen  Samsun  und  Palatsha 
über  den  Fluss  setzten.     Die  Fähre  war  somit  unter- 


(13)  Pag.  2t37. 

(14)  Sollte  diese  Aussajje  des  Fährmannes  wahr  sein,  woran 
wir  iihrigcns  wegen  des  vielen  Schlamms,  den  der  Fluss  mit  sich 
fi'ihrt,  z%\ciriln.  so  winden  auch  des  Kninlos  Sn'jrnaeos  (Paral 
Hom.  I,  284)  Miuüy^()ov  ()^iO-^u  ßuO-v^göov  nicht  als  dichteri- 
scher Schmuck ,    sondern    im   eigentlichen  Sinne   zu   nehmen  sein. 

\\. 


56  ZWEITES    CAFITEL. 

halb  der  Stelle,  an  der  sich  beide  Flussbelte  verei- 
nigen. Daselbst  hiess  der  Strom  der  grosse Mäandros, 
wahrscheinlich  um  ihn  zu  unterscheiden,  nicht,  wie 
man  angenommen  hat,  von  dem  Kaystros ,  {^^)  denn 
dieser  lliesst  fern  von  jenem,  sondern  von  dem  klei- 
nen Fliissj  welchen  der  grosse  aufnimmt.  Diesen 
kleineren  hielten  sie  fälschlich  für  den  Hauptstrom 
und  erkannten  nicht  den  w^ahren  Mäandros,  der  mit 
dem  See  von  Myiis  in  Verbindung  steht  und  bei  Pa- 
latsha  vorbeifliesst.  Der  kleinere  lag  auch  zunächst 
unter  ihnen,  als  sie  auf  der  Höhe  des  Mykale  stan- 
den, und  sie  sahen  ihn  deutlich  wie  auf  einer  Karte 
vor  sich  liegen.  Ihr  Zeichner  nahm  seine  Krümmun- 
gen für  die  des  alten  berühmten  Flusses  und  seine 
wirklichen  Windungen  trugen  besonders  dazu  bei, 
sie  zu  täuschen,  ohne  sie  im  Geringsten  einen  Irr- 
thum  ahnen  zu  lassen. 

Unter  den  Flüssen  Kleinasiens  ist  der  Mäandros 
schon  im  Alterthum  dadurch  berühmt,  dass  er  neues 
Land  ansetzte.  ('^)  Während  er  durch  die  gepflügten 
Fluren  Frygiens  und  Kariens  hinfloss,  sammelte  er 
viel  Schlamm,  führte  diesen  beständig  flussabwärts 
und  setzte  ihn  an  seiner  Mündung  an  die  Küste  an. 

Man  konnte  gegen  den  Mäandros  vor  Gericht 
Klage  führen,  dass  er  den  Boden  weggeschwemmt 
habe,  wenn  sein  Uferrand  eingestürzt  w^ar.  Wer 
Schaden  hierdurch  gelitten  hatte,  w^urde  aus  dem 
Einkommen  der  Fähren  entschädigt.  (*^)  Das  Ufer- 
land stürzte  häufig  ein  und  diess  verursachte  wahr- 
scheinlich die  Krümmungen  des  Flussbettes.  Die 
Erde,  die  auf  der  einen  Seite  losriss,  setzte  sich  auf 
der  andern  wieder  an  und  der  Gewinn  auf  dem  jen- 

(15)  der  auch  der  kleine  Mäandros  heist.  W. 

(16)  Herodot.  II,  10      Pausan.  VIII.  24.  §.  5.  W. 

(17)  Strabo  XII.  p.  580.  W. 


ZWEITES   CAFITEL.  57 

seitigen  Uier  entschädigte  für  den  Verlust  auf  dem 
diesseitigen. 

Der  Fliiss  läuft  in  Windungen  (*")  aus  der  Nähe 
des  Berges  Messogis  bis  an  den  Fuss  des  Titanos ,  der 
Priene  gegenüber  liegt,  und  sodann  auf  dieser  .Seite 
gegen  den  AusÜuss  des  Sees  von  Myüs.  Wahrschein- 
lich bestimmte  die  Fläche  der  mittleren  Ebene  seinen 
Lauf,  indem  der  vom  Mykale  abgeflösste  oder  von 
Waldbächen  herabgeschlemmte  Boden  sich  höher 
erhob  und  des  Flusses  Andringen  abwehrte.  Durch 
die  Felsen  von  Osebashä  zurückgewiesen  und  in  der 
Gegend  der  Fähre  eingeengt,  erhielt  er  sein  jetziges 
Bett,  weil  hier  weicher  und  nachgiebiger  Schlamm 
war.  Das  andere  Bett,  über  das  wir  in  der  Nähe 
dieser  F'elsen  setzten,  war  durch  dieselbe  Einengung 
entstanden,  indem  das  Wasser  bei  hoher  Fluth  hier 
desto  heftiger  durchbrach,  da  es  mit  grösserem  Wi- 
derstände zu  kämpfen  hatte. 

Von  dem  Ausfluss  des  Sees  w^endet  sich  der 
Fluss  in  vielen  Krümmungen  durch  Tamariskenhaine 

(18)  Non  secus  ac  liquidiis  Phrygiis  Maeandros  in  arvis 
Ludit,  et  ambiguo  lapsu  rcfluitque  fluitque. 

Ovid.  Metani.  VIII,  162. 
Aehnlichc  Schilderungen  sind  bei  Dichtern  häufig.  So  Ovid. 
Heroid.  Ep.  IX,  55.  Silius  Pun.  VII,  140.  Liican.  Pharsal.  III, 
208.  —  Der  Mäandros  wurde  wegen  seiner  Krümmungen  zum 
Sprichwort  und  figürlich  sprach  man  von  Mäandrischen  JVegen 
und  Reden.  Bei  Kunstwerken  bezeichnet  das  Wort  einen  gewund- 
nen  oder  verschlungenen  Zierrathj  z.  B.  an  Decken  (Winckel- 
jnann  Gesch.  d.  Kunst,  Bch.  XI.  C.  3.  §.  23.  Sr.  Wrke  v.  Fern. 
Bd.  VI,  1.  S.  276.),  an  Hauptgesimsen  (Feruow  zu  Winckelm.  Bd. 
VI,  2.  S.  339.),  vornehmlich  an  Kränzen  und  Friesen  (Alterth.  v. 
Attika  C;jp.  VI.  Taf.  III.);  ebenso  auf  dem  Saume  weiblicher  und 
männlicher  Kleidung  (Winckelm.  a.  a.  O.  Bch.  VI.  C.  2.  §.  8.  od. 
Wrke  Bd.  V.  S.  45.),  wie  z.  B.  Virgil.  Acn.  V,  251-  geschlängclfe 
Purpurstreifen  auf  einer  Chlamys  purpuram  Maeandro  duplici 
nennt.  W. 


58  ZWEITES    CAPITEL. 

gegen  Miletos  hin  und  fliesst  dann  in  forlgesetzten 
Windungen  an  dem  rechten  Flügeides  Theaters  vor- 
bei detn  Meere  zu,  das  man  in  einer  Erüt'ernung  von 
etwa  acht  Meilen  erblickt.  Die  Ebene  ist  gleich  und 
glatt  wie  ein  Kegelplatz  (bowling-green) ,  einige 
kleine  Hügel  ausgenommen,  die  sich  ohngefähr  in 
ihrer  Mitte  vor  Miletos  erheben.  Der  nördlichste 
derselben  tritt  sehr  merklich  hervor,  auf  einem  an- 
deren grösseren  liegt  ein  Dorf  Namens  Patniods.  In 
dieser  Geijend  vereinigt  sich  das  Wasserbett  von 
Priene  mit  dem  Mäandros ^  der  sich  südlich  von  dem 
Hügel  fortwindet  und  zwei  oder  drei  Meilen  weiter 
an  seinem  Ufer  eine  kleine  Befestiijung  hat.  Der 
änsserste  Theil  der  Ebene  an  der  Küste  erschien,  von 
der  Höhe  von  Friene  aus,  sumpfig,  kahl  und  schlam- 
mig. Diesen  Anblick  bot  die  Gegend,  als  wir  sie 
sahen;  wie  verschieden  von  dem  früheren,  als  die 
Berge  noch  die  Gränze  eines  Meerbusens  \xxiiS.  Miletos ^ 
Myüs  und  Priene  Seestädte  waren ! 

Die  Nachrichten  Sirabonsj  eines  eben  so  genauen 
als  vollständigen  Geografen,  dessen  Werk  für  uns 
ein  unschätzbares  Kleinod  ist,  setzen  uns  in  den 
•Stand,  gewissermassen  eine  Karte  zu  entwerfen,  die 
uns  die  ßeschalFenheit  dieser  Küste  vor  Augen  stellt, 
wie  sie  gegen  den  Anfang  der  christlichen  Zeitrech- 
nung war,  ehe  ein  berühmter  Sofist  behauptete,  der 
Fliiss  habe  den  Schilfern  die  See  entzogen  und  den 
Ackerleuten  zu  Feldern  gegeben,  Saatfelder  seien 
entstanden,  wo  sonst  Flulhen  gewogt,  junge  Hirsche 
herumgesprungen,  wo  früher  DelEne  getaucht  hät- 
ten ,  und  statt  den  heiseren  Ton  der  Schilfer  zu 
vernehmen  habe  man  sich  an  dem  süssen  Widerhall 
der  Hirtenflöte  ergötzt.  (•'*) 

(19)   Diese  Stelle  des  Sofisten  Himevios    (Oratio  XXVII.    g.  7. 
p.  836  sq.  ed.  Wernsdorf.)  erinnert  an  die  Ovidisclien  Verse: 


ZWEITES    CAPITEL.  59 

Miletos  halte  damals  ^ier  Häfen,  von  denen  einer 
sehr  geräumig  war;  vor  ihm  lag  eine  Gruppe  kleiner 
Inseln.  (Jeher  Miletos  hinaus,  wo  sich  die  Küste 
zurück  bog,  war  ein  Meerbusen,  welcher  nach  dem 
anliegenden  ßerjre  Latmos  der  Latinische  hiess.  An 
diesem  Busen  las;  Herakleia  am  Fuss  des  Latmos ,  ein 
Städtchen,  einst  Latmos  genannt,  mit  einer  SchifFs- 
rhede;  nahe  dabei  jenseits  eines  kleinen  Baches  war 
eine  Höhle  oder  Grotte,  mit  dem  Grabmal  des  En~ 
dymion.  Auf'dem  Berge  Latmos,  erzählt  die  Mythe^C") 
versetzte  Seltne  diesen  Helden  und  Jäger  in  tiefen 
Schlaf,  um  den  Genuss  zu  haben,  ihn  zu  küssen, 
Nach  Herakleia  folgte  Pyrrha,  ein  unbedeutendes 
Städtchen,  zur  .See  ohngefähr  hundert  Stadien  oder 
zwölf  und  eine  halbe  IMeile  entfernt.  Von  Miletos 
nach  Herakleia  war  etwas  weiter,  wenn  man  längs 
der  Küste  hinfuhr,  aber  von  Miletos  nach  Pyrrha  {^^) 


Et  ducil  rernos  illic.    iibi  niiper  ararat.  — 

Et  modo  qua  gracilcs  gramen  carpsere  capellae 

Nunc  ibi  deformes  ponunt  sua  corpora  pliucae. 

Metamorph.  I,   294  sqq. 
W. 

(20)  Pompon.  Mcia  I,  17.  Cic.  Tuscul.  Quaesl.  I,  38.  Apol- 
lod.  I,  7,  5      HyS'n.  fab.  271.  W. 

(21)  In  der  Lateinischen  üebersctzung  des  Strabo  sind  die 
Worte:  ^^von  Miletos  nach  Pjrrhaa  niclit  ausgedrückt.-  Siehe 
auch   Cell.iriiis,    orbis   antiqiius   II.   p.  52   u.  75. 

ISacIideni  der  Geograf  Pjrvha  und  Herakleia  nel)enbei  als 
unbedeutende  Städte  erwähnt  liat,  erklärt  er  seinen  Lesern,  dass 
ihm  der  Umfang  seines  Werks  nur  erlaube,  sich  bei  merkwi'irdigcn 
Orten  langer  auf/.tdi.illen.  Diese  Stelle  ist  auf  eine  oufTallcnd  irrige 
Art  ausgelegt  worden.  Häufig  werden  Uebersclzungcn  diejenigen 
irre  fiiliren,  die  sich  nicht  an  das  Original  halten,  und  dies  ist 
in  unserm  Falle  die  einzige  Ursache,  warum  If'heler,  der  sich 
selbst  in  Verlegenheit  befand,  den  Strabon  beschuldigt,  er  sei 
an  dieser  Stelle  seines  Werks  weniger  genau,  als  er  es  zu  sein  vor- 
gebe. 


60  ZWEITES    CAPITEL. 

waren  es  auf  dem  graden  Wege  nur  dreissig  Stadien 
oder  drei  und  drei  Viertel  Meilen;  so  viel  weiter 
war  die  Fahrt  an  der  Küste  hin.  Von  Pyrrha  bis  an 
die  Mündung:  des  Mäandros  waren  es  fünfzig:  .Stadien 
oder  sechs  und  eine  viertel  Meile;  der  Boden  war 
schlammig  und  sumpfig.  Von  hier  fuhr  man  auf 
kleinen  Schiffen  nach  dem  dreissig  Stadien  entfern- 
ten  Myüs,  (") 

Der  FIuss  ,  der  an  dein  Theater  von  Miletos  vorüber  fliesst, 
leitete  fVTieler^n  gänzlich  irre.  Er  hält  Miletos  für  Pjrrha  und 
Branchidae  für  Hevakleia.  Spon,  dem  dieselben  Materialien  vor- 
lagen, spricht  von  deiner  Schwierigkeit  und  auf  das  Ansehen  der 
Inschrift  auf  dem  Theater  hin  nennt  er  den  Ort  ohne  Bedenken 
Miletos.  Cellarius  zieht  die  Ansicht  W^heler's  vor.  Er  beruft 
sich  auf  Strabon^  zum  Beweis,  dass  Miletos  von  der  Mündung  des 
Flusses  hundert  und  zwanzig  Stadien  entfernt  gewesen  sei,  und  da 
er  bei  Plinius  *)  nur  zebij  angegeben  findet,  glaubt  er,  es  sei 
die  Zahl  C  ausgefallen.  •*)  Aber  die  Berechnung  nach  Strabon 
ist  unvollständig  und  irrig,  die  Emendation  des  Plinius  weder  be- 
gründet noch  nöthig,  und  Spon  hat  trotz  seiner  Oberflächlichkeit 
zufällig  Recht,  während  Cellarius  und  PFhelev  sich  bei  ihrer  ge- 
lehrten Berechnung  geirrt  haben. 

Es  liesse  sich  leicht  viel  über  die  Irrthümer  des  Cellarius  in 
diesem  Theile  seines  Werks  sagen  und  der  Tadel,  den  er  unbillig 
gegen  die  alten  Schriftsteller,  welche  diese  Gegenden  beschrieben 
haben,  ausgesprochen  hat,  müssle  dann  auf  ihn  selbst  zurückfallen. 

Wir  müssen  uns  in  der  That  wundern ,  dass  der  so  leicht  zu 
findende  Ausweg  aus  diesen  Irrgängen  und  scheinbaren  Wider- 
sprüchen, den  wir  angegeben  haben,  bisher  den  neueren  Reisen- 
den, Geografen  und  Erklärern  entgangen  ist,  zumal  da  alle  aus- 
sprechen ,  den  Geografen  Strabon  zum  beständigen  Führer  und 
Hauptrathgeber  gehabt  zu  haben. 

(22)  Die  Entfernung  von  Miletos  nach  Mjiis  zu  Wasser  scheint 


*)  Hist.  Nat.  L.  V.  Cap.  XXXI.  ed.  Haid.  W. 

**)  Mannen  VI.  Bd.  HI.  Thl.  S.  258.  berechnet  die  Entfer- 
nung auf  achtzig  Stadien  ,  und  um  diese  in  den  Text  zu 
bringen,  will  er  an  der  Zahl  .X  nichts  geändert  haben,  aber 
statt  stadia  milliaria  lesen.  W. 


ZWEITES    CAPITEL.  61 

Ueber  die  Mündung  des  Mäandros  hinaus  bog 
sich  die  Kiiste  gegen  Priene  hin.  Einst  hatte  das 
Meer  die  Mauer  dieser  .Stadt  bespült,  und  sie  hatte 
zwei  Häfen,  von  denen  man  Einen  sperren  konnte;  (*') 
damals  aber  lag  die  Stadt  schon  im  Lande,  vierzig 
Stadien  oder  fünf  Meilen  über  der  Küste. 

Die  bedeutendste  Insel  unter  der  Inselgruppe 
vor  Miletos  w^ar  Lade.  Hier  versammelten  die  loner, 
als  Dareios ,  des  Hystaspes  Sohn,  sie  mit  Krieg  über- 
zog, dreihundert  und  sechszig  (^*)  Dreiruderer  und 
liessen  sich  mit  seiner  Flotte  von  sechshundert  Schif- 
fen in  ein  Treffen  ein.  Die  Milesier  stellten  achtzig 
Schilfe  und  nahmen  den  östlichen  Flügel  ein;  ihnen 
zunächst  standen  die  Priener  mit  zwölf  und  die  Myu- 
sier  mit  drei  Schilfen.  In  späterer  Zeit  wurde  sie 
von  Alexandras  besetzt  und  war  während  der  Bela- 
gerung von  Miletos  die  Station  des  Griechischen  Flot- 
tenführers, der  den  Hafen  einschloss.  Als  /ilexan- 
dros  im  Begriff  war  die  Stadt  zu  stürmen,  suchten 
sich  die  Milesier  theils  auf  kleinen  Schiffen,  theils 
schwimmend  auf  ihren  Schilden  durch  die  Flucht  zu 
retten ;  sie  wurden  aber  grösstentheils  aufgefangen, 
nur  dreihundert  gewannen  eine  steile  Insel  und  fass- 
ten  den  Entschluss,  sich  hier  zu  vertheidigen.     Dies 


hiinderl  und  zelin  Stadien,    oder  dreizelin  und  drei  viertel  Meilen 

betragen  zu   haben. 

St 
Von  Miletos   nacb  Pyrrha ,     .     .     ,       30 

Von  Pjrrha  bis  an  die  Mündung  des  Mäandros     .     .       50 

Von  hier  nach  Mjüs 30 

lib 

(23)  Skylax  in  dem  Peripl.  p.37.  cd.  Huds.   (Gcogr.  Gr.  Minor, 
ed.  Gail.    Paris  1826.    Vol.  I.   p.  296.)     Vgl.  Strabo  XII.   p.  579. 

W. 

(24)  Herodot.  VI,  8,    aus  dem  unser  Verf.  diese  Notizen  ent- 
nommen ,  gibt  die  Zahl  genau  auf  353  an.  W. 


62  ZWEITES    CAPITEL. 

war  wahrscheinlich  eine  in  der  Nähe  von  Lade.  Zwei 
andere  in  der  Nähe  von  Miletos  hiessen  Kamelides, 
Kameele.  und  gehörten  zu  den  unbedeutendsten. 
Eine  andere,  wahrscheinlich  der  nördlichste  Felshü- 
gel, hiess  Asteria  j  nach,  dem  Asterios ,  dessen  unge- 
wöhnlich grosse  Gebeine  man  hier  zeigte.  ('")  Er  war 
vor  der  Ionischen  Wanderung,  wie  die  Milesier  er- 
zählten, Koni?  von  Miletos  und  den  umlieiienden  Inseln 
gewesen.  (^®)  \Jvi\Tragiae,{^'')  worunter  man  sich  wohl 
Schlammbänke  und  vom  Flnss  gebildete  Untiefen 
denken  muss,  dienten  einige  andre  kleine  Inseln 
Räubern  zum  Aufenthaltsort. 

»Die  Natur«,  sagt  Plinius ^  [^^)  jhat  Inseln  dem 
Meer  entrissen  und  mit  dem  Festland  verbunden;  von 
Miletos  hat  sie  Dromiskos  und  Ferne  losgerissen.  Hy^ 
banda,  einst  eine  Insel  loniens,  liegt  nun  zweihundert 
Stadien  oder  fünf  und  zwanzig  INleilen  von  der  ivüste 
entfernt."  Was  er  der  Natur  zuschreibt,  bewirkte 
in  jener  Gegend  der  MäandroSj  und  die  bezeichneten 
Inseln  sind  vielleicht  die  Felsen  von  Osebashä.  Der 
Fluss  ist  gleichsam  der  Yater  seines  eignen  Bettes 
oewesen. 

Der  Meerbusen,  an  dem  Myüs  einst  gelegen  war, 
wurde  ein  See,  als  der  Mäandros  so  vielen  Schlamm 
vor  den  Eingang  geführt  hatte,  dass  kein  Salzwasser 
mehr  eintliessen  konnte.  (^^)  Die  Berge  allein  verhin- 
derten, dass  nicht  das  ganze  Becken  angefüllt  und  in 
eine  Ebene  verwandelt  wurde,      ihre   Bäche    gaben 

(25)  Pausan.   1.  35-    §.  5.  W. 

(26)  Pausan.  VII.  2.    §.  3.  W. 

(27)  Plin.  II.  N.  Lib.  V.  Cap.  XXXVII.  W. 

(28)  II.  N.  Lib.  !I.  Cap.  XCI:  Rnrsiis  (natura)  abstiilit  insulas 
mari,  iunxifque  tcrris :  Antissam  Lesbo ,  Zepliyrium  Ilalicarnasso, 
Aethusam  Myndo,  Dromiscon  et  Fernen  Mileto  etc.,  also  nicht 
los'^erissen ,  sondern  angefügt.  W. 

(29)  Pausan.  VII.  2.  §.  7.  W. 


ZWEITES    CAPITEL.  63 

auch  das  frische  Wasser,  das  die  Mücken  erzeugte. 
Das  Land  wuchs  gleichsam  täglich  und  entfernte  das 
Meer  immer  weiter  von  dem  See.  Damals  sah  man 
den  MäandroR  sich  zwischen  Miletos  und  Priene  ins 
Meer  ergiessen,  ('°)  und  vor  dieser  Stadt  lag  eine  weite 
Ebene.  Später  näherte  sich  dieselbe  der  Stadt  Mile- 
tos au(  zehn  Stadien  oder  eine  und  eine  viertel  Meile 
und  die  Meerbusen  über  der  Stadt  wurden  festes 
Land.  Wer  ostwärts  von  Miletos  an  dem  Fuss  des 
Berges  Latmos  hinritte,  würde  unseres  Bedünkens 
die  Stelle  des  alten  Herakleia  entdecken  und  der  Bach 
möchte  ihn  wohl  gerade  zur  Höhle  des  Endymion  ge- 
leiten. Pyrrha  wird  als  ein  Ort  des  Festlandes  ange- 
führt. Es  hatte  keine  lange  Zeit  erfordert,  bis  der 
Raum  zwischen  Priene  und  Miletos  zum  Festlande 
hinzugefügt  war.  Die  Häfen  dieser  Stadt  hörten  auf 
schilfbar  zu  sein  und  allmählich  wurden  Lade,  Asteria 
und  die  herumliegenden  Inseln  mit  festem  Boden 
umgeben.  Ehe  sich  dies  ereignete,  erreichte  das 
Wasserbett  von  Priene  das  Meer,  ohne  sich  mit  dem 
Mäandros  zu  verbinden. 

Miletos j  durch  den  Mäandros  der  grössten  Vor- 
theile  seiner  Lage  beraubt,  gerielh,  wie  seine  benach- 
barten Städte,  allmählich  in  Verfall,  und  wird  noch 
völlig  so  enden,  wie  der  Tod  das  Leben  eines  Men- 
schen nach  einer  schleichenden  Krankheit  auflöset. 
Der  Fortgang  jener  Veränderungen  wurde  in  einem 
barbarischen  Zeilalter,  wie  sich  erwarten  lässt,  nicht 
beachtet,  weil  sie  nicht  jilötzlich  entstanden;  noch 
weniger  -wurden  sie  aulgezeichnet,  weil  man  sie  lür 
unwiclilig  hielt.  Doch  lesen  wir,  dass  eine  Stelle 
an  der  Küste,  wo  der  Fluss  im  nennten  Jahrhundert 
in  das  Meer  iiel,  die  Gürten  {KijTioi)  genannt  wurde, 
und  ferner,  dass  der  Griechische  Kaiser  Manuel  hier, 

(30)  Dionysios  Perieget.  p.  20.     Livius  XXXVllI,  13.        W. 


64  ZWEITES    CAPITEL. 

als  in  einer  gut  bewässerten  und  reizenden  Gegend, 
seine  Armee  ausruhen  und  die  Mühen  des  Kriegs  in 
dem  Vergnügen  der  Jagd  vergessen  zu  lassen  be- 
schlossen habe. 

Aus  den  bereits  bewirkten  Veränderungen  lässt 
sich  schliessen,  dass  der  Mäandros  fortfahren  werde, 
Land  anzusetzen.  Immer  mehr  wird  die  neu  ange- 
setzte nun  noch  weiche  Erde  fest  werden  und  die 
jetzigen  Sümpfe  austrocknen.  Mit  der  Zeit  tritt 
•vielleicht  die  Küste  noch  so  weit  vor,  dass  man  die 
Vorgebirge,  welche  sie  jetzt  beschützen,  mitten  im 
Lande  sieht.  Sie  wird  sich  mit  Samos  verbinden  und 
in  einer  Reihe  von  Jahren  an  noch  fernere  Inseln 
angränzen,  wofern  nicht  der  Boden,  so  lange  er  noch 
frisch  und  nachgiebig  ist,  von  einem  vom  Gebirg 
herabfiiessenden  Strom  w^eggeführt  wird.  Ist  dies 
der  Fall,  so  wird  er  längs  der  Küste  zerstreut,  oder 
von  der  Fluth  anderswohin  getrieben  werden  und 
neue  Ebenen  bilden.  Fruchtbare  Auen  können  ir- 
gend einen  kahlen  Felsen  der  anliegenden  Tiefe  um- 
geben und  neue  Städte  durch  den  Segen  des  Mäan- 
dros entstehen  und  aufblühen. 

Die  Geschichte  von  Myüs  ist  merkwürdig,  aber 
nicht  beispiellos.  Eine  Stadt  ('*)  bei  Pergamon  hat 
ein  ähnliches  Schicksal  gehabt.  Myüs  lag  ursprüng- 
lich an  einem  Meerbusen,  der  nicht  gross,  aber 
reich  an  Fischen  w^ar.  Darum  erhielt  Themistokles 
diese  Stadt  zum  Geschenk,  um  seine  Tafel  mit  Fischen 
versehen  zu  können.  (^^)  Der  Busen  verwandelte 
sich  in  einen  See  und  das  Salzwasser  in  frisches. 
Unzählige  Mücken  schwärmten  über  ihm  her  und 
die  Stadt  wurde  von  dem  Wasser  her  gleichsam  ver- 

(31)  Atarneus.   Vgl.  Pansan.  VII.  2.   §.  7.  W, 

(32)  Thukyd.  I,  l38.  Strabo.  XIV.  p.  636.  Plut.  Themist.  29: 
oil/o».   Ncpos  Themist.  Cap.   10:  opsonium,  W. 


ZWEITES   CAPITEL.  65 

schliingen.  Die  Myusier  retteten  sich  vor  diesem 
Feind  nach  Miletos ,  wobei  sie  alle  ihre  beweglichen 
Güter  und  die  Bildsäulen  ihrer  Götter  mit  sich  nah- 
men. Sie  wurden  unter  den  Milesiern  eingebürgert 
und  opferten  und  stimmten  mit  ihnen  in  der  Panioni^ 
sehen  J^er Sammlung.  Ein  Schriftsteller  des  zweiten 
Jahrhunderts  (^')  meldet  uns,  dass  zu  seiner  Zeit  von 
der  Stadt  31yüs  nichts  mehr  gestanden  habe,  als  ein 
Tempel  des  Dakchos  von  weissem  Stein  oder  Marmor. 

Die  Lage  von  Myüs  ist  ebenso  romantisch,  als  ihr 
Schicksal  ausserordentlich  war.  Die  Mauer  umschliesst 
eine  Menge  nackter,  wild  übereinander  aufgehäufter 
Felsen  von  dunkler,  hässlicher  Farbe,  neben  Ab- 
gründen und  weilen  Höhlen  liegend,  aus  denen  viel- 
leicht Steine  ausgehauen  worden  sind.  Einige  we- 
nige Hütten,  von  Türkischen  Familien  bewohnt,  ha- 
ben dieselbeFarbe  und  lassen  sich  kaum  unterscheiden. 
Hinter  diesen  findet  man  ein  in  den  Berg  gehauenes 
Theater,  mit  der  Aussicht  auf  den  See,  nebst  einigen 
mit  Moos  bewachsenen  üeberresten  von  der  Mauer 
der  Vorbühne  (Proskenion);  aber  die  Marmorsitze 
sind  weggenommen.  Zwischen  den  Hütten  und  dem 
See  sind  mehre  Terrassen  mit  eingehauenen  Stufen, 
wie  zu  Priene.  Eine  derselben,  einen  mit  Marmor- 
fragmenten umgebnen  viereckigen  Platz,  hat  man  für 
die  Agora  halten  zu  können  geglaubt.  Bei  einer  an- 
dern lagen  Steine  mit  zirkeliörmigen  Schilden  ver- 
ziert. 

Die  vorzüglichsten  und  ansehnlichsten  Trümmer 
bildet  aber  der  kleine  Tempel  des  Bakchos,  der  auf 
einem  schroffen  Felsen  gelegen  nur  von  der  Vorder- 
seite, die  gegen  Osten  liegt,  zugänglich  ist.  Da» 
Dach  ist  zerstört;  die  Zelle  gut  gebaut  aus  einem 
glatten  mit  einer  braunen  Rinde  überzogenen  Steine. 

(33)  Pausan.  a.  a.  0.  W 

Ion.  Alt.  .     Ö 


66  ZWEITES    CAPITEL. 

Die  Porticus  stand  in  Antis.  Man  hat  den  Tempel 
als  Kirche  benutzt  und  dazu  den  Eingang  vermauert. 
Die  umher  zerstreuten  Marmorstücke,  die  zerbroch- 
nen  Säulen  und  verstümmelten  Statuen  zeugen  alle 
für  ein  hohes  Alter. 

Die  Stadtmauer  war  wie  die  von  Efesos  mit  vier- 
eckigen Thürmen  versehen  und  steht  noch,  ausge- 
nommen gegen  das  Wasser  hin.  Sie  läuft  den  Hang 
des  Bergs  so  hoch  hinauf,  dass  man  sie  an  einigen 
Stellen  nicht  unterscheiden  kann. 

Ausserhalb  der  Stadt  sind  die  Begräbnissplätze 
der  früheren  Einwohner;  Gräber  von  jeder  Grösse, 
nach  der  Verschiedenheit  der  Gestalt  und  des  Le- 
bensalters der  Verstorbenen,  sind  in  den  Felsen  ge- 
hauen und  unzählige  flache  Steine  liegen  dabei,  die 
als  Deckel  dienten.  Einige  sind  noch  bedeckt,  viele 
offen  und  die  gegen  den  See  zu  mit  Wasser  angefüllt. 
Die  Deckel  sind  mit  einem  kurzen,  trocknen,  brau- 
nen Moos  überwachsen  und  schon  ihr  Anblick  be- 
zeugt uns  ihr  hohes  Alter.  Eine  Inschrift  auf  einem 
Marmorsteine,  dicht  bei  einer  kleinen  Hütte,  west- 
wärts in  einem  engen  Passe  des  Bergs,  gedenkt  eines 
früh  verstorbenen  Sohnes  des  Seleukos,  der  Betrüb- 
niss  seiner  Eltern  und  schliesst  mit  einer  liebevollen 
Rüge  derselben  wegen  ihres  unmässigen  und  doch 
unwirksamen  und  unstatthaften  Grames.  Näher  bei 
der  Stadt  ist  unter  einigen  Bäumen  ein  Brunnen  mit 
einer  an  der  liöhre  durchgebohrten  Säulenbase. 

Aus  den  zahlreichen  Ueberresten  von  Klöstern 
und  Kirchen  kann  man  schliessen,  dass  Myüs  gegen 
das  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  wieder  bevölkert 
worden  sei,  als  sich  das  Mönchs wesen  von  J'egypten 
aus  über  das  Griechische  und  Lateinische  Kaiserthum 
ausbreitete.  Der  fischreiche  See  lieferte  inUeberfluss 
die  Speise,  welche  bei  einem  Rituale  wichtig  ist,  das 


ZWEITES   CAPITEL.  67 

von  seinen  Anhängern  oft  Enthaltsamkeit  von  dem 
Fleische  verlangt.  Wahrscheinlich  trug  diess  mit 
dazu  bei,  diesen  Ort,  gleich  dem  Berge  Alhos,  zum 
Sammelplatz  scheinheiliger  Andächtigen,  zum  Auf- 
enthalt von  Einsiedlern  und  zur  Pflegschule  von. 
Heiligen  zu  machen. 

An  dem  Ende  des  Sees  stehen  die  Ueberreste 
mehrer  Gebäude.  Hier  lag  wahrscheinlich  Thymhria, 
vier  Stadien  von  i>/r"5  entfernt.  Nahe  dabei  vrar  ein 
Charoneion  {^'*)  oder  eine  heilige  Höhle,  eine  von  de- 
nen, die  nach  dem  Glauben  der  Alten  mit  der  Unter- 
vt^elt  zusammenhingen  und  mit  tödtlichen  Dünsten 
aus  dem  See  Avernus  ('AoQvog)  in  Campanien  erfüllt 
vraren. 

Man  sieht  den  See  von  Priene  und  Miletos  aus.  Er 
ist  viel  länger  als  breit.  Das  Wasser  hat  einen  salzi- 
gen  Geschmack  (is  brackish).  Auf  dem  See  liegen 
mehre  felsige  Jnselchen.  Eins  derselben  nahe  bei 
Myüs  ist  mit  einer  Mauer  von  geveöhnlicher  Arbeit 
umgeben,  welche  die  Trümmer  einer  Kirche  um- 
schliesst.  Unter  den  Bruchstücken  fand  man  einen 
Marmorstein  mit  der  Grabschrift:  i Herakleides,  Sohn 
des  Sotudesj  Neokoros  (aedituus,  Tempelreiniger)  der 
Hekate.^  Dieser  Tempel  stand  wahrscheinlich  nahe  bei 
dem  Charoneiony on  Thymhria.  DieNeokoren  hatten  die 
Aufsicht  über  die  Tempel,  zu  denen  sie  gehörten, 
im  Allgemeinen  und  ihr  Amt  wurde  für  sehr  ehren- 
voll gehalten.  Zuweilen  wurde  es  ganzen  Städten 
übertragen  und  man  findet  dasselbe  auf  Inschriften 
imter  ihren  Titeln  erwähnt.  (^*) 

(34)  Strabo.  XIV.  p.  636.  W. 

(35)  Vgl.  Rambach  zu  PoUcr's  Archäologie.  Bd.  I.  S.  502  f.  — 
Uebqr  den  Tempel  des  Poseidon  auf  dem  Voigcbirg  Mjkalej  wo- 
selbst die  zwölf  Städte  der  lonier  das  Fest  ihrer  Stammverbindung 
feierten,  hatten  die  Prienev  das  Ncokoratj  aus  ihnen  Avurde  der 
ßaoclivq  'Ektxwvioq  (Oberpriester)  eiwählt.  \V 

5* 


68  ZWEITES   CAPITEL. 

Der  Griecliische  Kaiser  Manuel  hatte  sich  um 
das  Jahr  867  mit  seinem  Heere  bei  diesem  See  gela- 
gert. »Sein  Lager«,  erzählt  der  Byzantinische  Ge- 
schichtschreiber Kinnamos  ,  ('®)  swar  gegen  die  Mün- 
dungen des  Mäandros  hin  aufgeschlagen.  Da  strömt 
eine  unermessliche  Wassermasse  an  dem  Fuss  der 
Berge  wie  aus  tausend  Quellen  daher,  überschwemmt 
die  ganze  Umgegend,  bildet  zuerst  einen  See,  höhlt 
sich  sodann  selbst  ein  tiefes  Bett  aus  und  wird  zuin 
Flusse.« 

Der  Canal,  der  den  See  mit  dem  Mäandros  ver- 
bindet, mag  ohngefähr  eine  halbe  Meile  lang  sein. 
Die  Stadt  Myiis  stand  in  alter  Zeit  mit  Miletos  zu 
Wasser  in  Handelsverbindung. 

Taf.  H. 

Karte  von  Priene, 

Die  Akropolis  oder  Burg  liegt  auf  einer  von  der 
Natur  angelegten  Terrasse.  Dieselbe  ist,  ausser  ge- 
gen die  Ebene  hin,  mit  einer  alten  Mauer  von  der 
Bauart  umgeben,  welche  man  pseudisodomum  ('')  hiess. 
In  späterer  Zeit  hat  man  sie  ausgebessert  und  durch 
einige  hinzugefügte  Aussenwerke  haltbar  gemacht. 
Ein  hoher,  steiler  und  nackter  Fels  erhebt  sich  im 
Rücken  derselben  und  von  vornen  endigt  sich  die 
Fläche  an  einem  sehr  schroffen,  fürchterlichen  Ab- 
grund ,  von  wo  man  nur  mit  Staunen  auf  die  kleinen 
Gegenstände  unter  sich  herabblicken  kann.  Die  gros- 
sen Trümmer  des  Tempels,  die  unten  zusammenge- 
häuft liegen ,  erschienen  den  blossen  Augen  nur  wie 
kleine  Marmorstücke. 


(36)  Histor.    Lib.  II.    Cap.  IX.    p.  33    und  35   ed.  xlu  Fresne. 
Paris.  W. 

(37)  wobei  die  Lagen  der  Steine  iinglcicli  hoch  gemacht  wur- 
den.    Vitruv.  II.  8.  §.  6.  W. 


ZWEITES    CAPITEL.  69 

Ein  gewundner  Fusssteig  führt  von  derAkropolis 
zur  Stadt;  die  in  den  Felsen  gehauenen  Stufen  sind 
eng  und  der  Pfad  nur  für  Eine  Person  breit  genug. 

Der  Tempel  der  Athena  Polias j  obgleich  nieder- 
gestürzt, ist  ein  zu  merkwürdiger  Ueberrest  der  Io- 
nischen Pracht  und  Grösse,  als  dass  man  ihn  eilig 
und  oberflächlich  untersuchen  dürfte.  Ehe  er  zer- 
stört war,  übersah  man  von  ihm  die  Stadt,  die  an 
der  Seite  des  Bergs  auf  Terrassen  dem  Abhänge  ent- 
lang bis  an  den  Rand  der  Ebene  stufenweise  hinab  g-e- 
baut  war.  Zur  Verbindung  der  einzelnen  Terrassen 
hatte  man  Treppen  in  den  Felsen  gehauen,  von  w^eU 
chen  sich  noch  einige  erhalten  haben.  Unter  dem 
Tempel  sieht  man  die  Trümmer  der  Agora,  die  aus 
Bruchstücken  Dorischer  und  Ionischer  Säulen  be- 
stehen. 

Auf  einer  tieferen  Terrasse  fand  man  die  üeber- 
reste  eines  Stadion.  Eine  seiner  Seiten  wurde  durch 
die  alte  Stadtmauer  gestützt,  welche  durch  Bogen 
verstärkt  ist,  um  dem  Druck  des  Mauerwerks  zu  be- 
gegnen, und  die  Sitze  des  Stadion  auf  der  nach  der 
Ebene  liegenden  Seite  bildet.  Die  Sitze  auf  der  ge- 
genüberliegenden Seite  haben  sich  noch  erhalten. 

Alle  Gebäude  sind  aus  dem  Marmor  gebaut,  der 
auf  dem  Berge  bricht.  Er  nimmt  an  manchen  Stel- 
len eine  dunkle  Farbe  an,  wiewohl  er  im  Allgemei- 
nen grau  ist. 

Sehr  deutlich  kann  man  noch  den  ganzen  umfang 
der  Stadtmauern  von  der  Akropolis  bis  in  die  Ebene 
herab  nachweisen;  verschiedne  Theile  stehen  noch 
und  erregen  die  Bewunderung  wegen  ihrer  Festigkeit 
und  Schönheit.  Ebenso  sind  noch  beträchtliche  üe- 
berreste  von  einer  gleich  bedeutenden  inneren  Mauer 
vorhanden. 

Die  Stadt  hatte  drei  Thore;  eins  derselben  liegt 
nach  Kelibcsh  hin ;  vor  demselben  sind  Schwibbogen 


70  ZWEITES   CAPITEL. 

(vaults)  und  Gräber  in  den  Felsen  gehauen.  Ein  an- 
deres, zu  dem  man  auf  steilen  Stufen  über  Felsen 
hinabsteigt,  ist  in  der  Mauer  ^ach  der  Ebene  hin; 
die  Stufen  sind  noch  ausserhalb  des  Thors  bis  zu 
einem  Brunnen  fortgesetzt,  der  jetzt  mit  Sumpfland 
umgeben  ist. 

Die  Stelle,  worauf  das  alte  Priene  lag,  ist  gänz- 
lich verlassen;  östlich  von  der  Stadt  liegen  am  Fuss 
des  Bergs  an  einem  Orte,  den  man  jetzt  iS'am^ttw  nennt, 
drei  Mühlen  und  das  Haus  eines  Bäckers:  noch  wei- 
ter  hinaus,  das  Türkische  Dorf  Kelibesh,  welches 
aus  zwölf  Häusern  besteht.  Höher  hinauf  nach  Nor- 
den liegt  Giaur  Kelibesh,  ein  neues  Griechisches  Dorf 
von  ohngefähr  zweihundert  Häusern,  das  täglich  an 
Bewohnern  zunimmt  und  in  blühendem  Zustande  ist. 

Taf.  Hl. 
Ansicht  des  Tempels  der  Athena  Polias. 

Taf.  I^^. 

Grundriss  des  Tempels  der  Athena  Polias, 

Der  Tempel  der  Athena  Polias  war,  -wie  die 
Mehrzahl  der  berühmten  Tempel  Aegyp.tens  und 
Griechenlands,  mit  einem  peribolos  oder  Tempelhof 
umgeben,  zu  dem  man  durch  Propyläen  d.  h.  einen 
Thorgang  eintrat.  Da  die  Trümmer  des  Tempel- 
baues verwirrt  über  einander  gehäuft  daliegen,  so  hat 
man  bisher  die  ganze  Masse  als  zu  Einem  Tempel  ge  - 
hörig  betrachtet.  Eine  neuere  genauere  Untersuchung 
derselben  hat  aber  gezeigt,  dass  einige  Bruchstücke, 
die  man  bisher  dem  Tempel  zugeeignet  hat,  einen 
Theil  der  Propyläen  bildeten. 

Die  Südmauer  des  Tempelhofs  von  bäuerischem 
Mauerwerk  (rustic  raasonry)  steht  noch  so  hoch,  als 
die  Oberfläche  des  Grundes  im  Inneren  ist,  der  eine 
ohngefähr  zwanzig  Fuss  hohe  Platform  bildet.  Einige 


ZWEITES    CAPITEL.  71 

Spuren,  die  sich  in  einer  geraden  Linie  nicht  weit 
\on  der  Südinauer  und  parallel  mit  ihr  in  dem  Boden 
zeigen,  leiten  uns  zu  dem  Schluss,  dass,  übereinstim- 
mend mit  einem  in  Griechenland  sehr  herrschenden 
Brauche,  die  Tempelhofmauer  im  Inneren  mit  Säu- 
lengängen umgeben  gewesen  sei. 

Der  Grundriss  des  Tempels  bildet  ein  Parallelo- 
gramm, und  ist,  auf  der  obern  Stufe  gemessen,  ein- 
hundert und  sechzehn  Fuss,  sechs  Zoll  lang  und  vier- 
undsechzig Fuss,  drei  Zoll  breit.  Elf  Säulen  standen 
auf  jeder  Nebenseite  ,  sechs  auf  jeder  Vorderseite.  , 

Die  Mauern  der  Zelle  standen  in  gleicher  Linie 
mit  den  zweiten  Säulen,  von  den  Ecksäulen  der  Vor- 
derseiten an  gerechnet,  und  umschlossen  einen  Flä- 
chenraum von  ohngefähr  fünfundsechzig  Fuss  Länge 
und  dreissig  Fuss,  neun  Zoll  Breite.  Sie  sind  vier 
Fuss  dick. 

Taf.  V. 

Aufriss  des  Tempels. 

Pieser  Tempel  gehört  zu  den  seltenen  Beispielen, 
an  denen  man  die  Basen  Ionischer  Säulen  auf  Plin- 
then  stehen  sieht.  Wiewohl  bei  Römischen  Gebäu- 
den Plinthen  und  Säulenstühle  in  solcher  Verbindung 
ganz  gewöhnlich  vorkommen,  so  sind  sie  doch  nicht 
nach  dem  Muster  der  Griechen  angewendet  worden. 
Wenigstens  hat  sich  kein  Gebäude  von  -entschieden 
Griechischem  Ursprung  aus  der  besten  Periode  der 
Baukunst  gefunden,  das  für  die  Sitte  einer  solchen 
Conslructionsart  spräche. 

Die  Propyläen,  die  wir  als  einen  Theil  des  gros- 
sen Tempelgebäudes  betrachten  müssen,  weichen 
auf  eine  ähnliche  Art  von  dem  herrschenden  Ge- 
brauche ab. 

Die  Säulen  haben  vier  Fuss,  drei  Zoll  im  Durch- 
messer, die  Säulenweiten  etwas  mehr  als  sieben  Fuss, 


72  ZWEITES    CAPITEL. 

vier  Zoll,  wodurch  das  Verhältniss  des  Zwischen- 
raums zum  Durchmesser  beinahe  das  von  eins  und 
drei  Viertel  zu  Eins  wird.  Hätte  man  zu  den  Ruinen 
dieses  Gebäudes  ebenso  wenig  hinzukommen  kön- 
nen, wie  zu  den  im  vorhergehenden  Capitel  beschrie- 
benen des  Tempels  zu  Teos ,  so  würde  der  Künstler, 
der  mit  dem  Vitruvius  als  architektonischem  Kath- 
geber  in  der  Hand  reiste,  aus  dem  umfang  der  Vor- 
derseite geschlossen  haben,  dass  die  Gattung  des 
Tempels  die  von  Vitruvius  sogenannte  dichtsäulige 
Cp^knostylosJ  gewesen  sei.  Er  würde  dabei  angenom- 
men haben,  dass  die  gewöhnlichen  Zwischenräume 
beinahe  einen  und  einen  halben  Säulendurchmesser 
und  der  mittlere  ein  noch  grösseres  Maass  gehabt 
hätte.  Aus  solchen  im  voraus  gebildeten  Begriffen, 
da  es  wirklich  Beispiele  von  ähnlicher  Anordnung 
gibt,  ist  aber  der  Irrthum  in  dem  Grundriss  des  Tem- 
pels zu  Teos  entstanden. 

Die  Säulenschäfte  sind  aus  mehren  Stücken  zu- 
sammengesetzt, wofür  man  keinen  stichhaltigen  Grund 
finden  kann,  da  sich  der  Marmor  des  Bergs  Mykale 
in  Blöcken  von  bedeutender  Grösse  brechen  Hess. 

Die  Capitäle  der  Ecksäulen  haben  auf  beiden 
Seiten  dasselbe  Aussehen.  Die  Thüre  hat  man  nach 
Vermuthung  angegeben. 

Taf.  VI. 
Säulen  Ordnung.  , 

Bei  der  Darstellung  der  Säulenbasen  ist  in  der 
ersten  Ausgabe  ein  sehr  bedeutender  Irrthum  vorge- 
fallen. Ihr  Durchmesser  ist  um  einen  Fuss  kleiner 
angegeben ,  als  er  sich  bei  genauer  Vermessung  ge- 
funden hat.  Die  Maasse  in  den  im  Britischen  Museum 
aufbewahrten  Originalzeichnungen  sind  übrigens  rich- 
tig und  nur  der  Copist  hat  den  Fehler  verschuldet. 


ZWEITES    CAPITEL.  73 

Der  augenfällige  Mangel  an  Stärke  an  den  so  dar- 
gestellten Basen  passt  durchaus  nicht  zu  den  -von 
den  Architekten  des  Alterthums  beobachteten  Grund- 
sätzen. 

Die  Base  ist  aus  zwei  Marmorblöcken  zusammen- 
gesetzt, von  denen  der  untere  über  elf  und  einen 
halben,  der  obere  über  acht  und  einen  halben  Zoll 
tief  ist.  Der  Pfuhl  ist  elliptisch  geformt  und  can- 
nelirt. 

Die'Augen  (eyes)  in  den  Schnecken  sind  zwei  und 
einen  halben  Zoll  tief  eingebohrt,  vielleicht  um  Blu- 
mengewinde daran  befestigen  zu  können  oder  andere 
Verzierungen,  durch  welche  die  Alten  ihre  Tempel 
an  festlichen  Tagen  oder  bei  öiFentlichen  Feierlich- 
keiten auszuschmücken  pflegten.  Der  Saum  oder 
Rand  des  echinus  oder  Wulstes,  der  mit  seinem 
schön  geschwungenen  Biemchen  die  Windungen  der 
Schnecken  verbindet  und  sie  gewissermassen  fest  an 
ihrer  Stelle  zu  halten  scheint,  trägt  viel  zur  Schön- 
heit des  Capitäls  bei. 

Taf.  VII. 

Capital  und  Base  der  Säulen, 

Fig.  1.  Die  Plinthe  und  Base  mit  dem  unteren 
Theile  des  Säulenschafts. 

Fig.  2.  Das  Capital  und  die  Streifen  (fasciae) 
des  Unterbalkens  oder  Architravs. 

Einen  Versuch,  die  Gleichförmigkeit  der  Ver- 
hältnisse an  den  Capitälen,  Basen  und  dem  unteren 
Theile  des  Schafts  dieser  Tempel  zu  zeigen,  haben 
wir  in  dem  Capitel  über  Teos  angestellt. 

Taf.  VIII. 
Einzelne  Theile  der  Ordnung. 

Fig.  1.  Der  Grundriss  des  Capitäls,  an  dem  zu 
bemerken  ist,  dass  der  echinus  ganz  herumläuft  und 


74  •  ZWEITES   CA?ITEL. 

ohngeßihr  mit  seiner  halben  Ausladung  uctter  den 
Kissen  der  Schnecken  erscheint,  wodurch  viel  für 
die  Verzierung  des  Capitäls  gewonnen  worden  ist. 

Fig.  2.     Ein  Aufriss  des  Capitäls  im  Profil. 

Fiff.  3.  Ein  Durchschnitt  durch  das  Profil  des 
Capitäls. 

Fig.  4.  Ein  Durchschnitt  durch  die  Vorderseile 
des  Capitäls. 

Fig.  5.  Die  Umrisse  der  Schnecke,  die  nur  mit 
grosser  Mühe  geraessen  werden  konnten,  indem  man 
mehre  verschiedenartige  Bruchstücke  dabei  berück- 
sichtigen musste. 

Die  Spirallinie  der  Schnecke  hat  vier  Windun- 
gen und  lässt  sich  also  beschreiben.  Maii  lasse  nach 
Willkühr  eine  Perpendicularlinie  als  Katheten  her- 
abfallen; an  dieser  bezeichne  man  von  dem  Anfangs-- 
puncte  aus  irgend  eine  gegebene  Entfernung  für  die 
Mitte  des  Auges;  man  theile  diese  Linie  in  sechs 
Theile  und  lasse  den  Radius  des  Kreises,  der  das 
Auge  beschreibt,  die  Hälfte  eines  Theiles  sein.  Um 
die  Puncte  zu  finden,  in  welche  die  Mittelpuncte  der 
Spirallinie  zu  setzen  sind,  ziehe  man  zwei  Quer- 
linien durch  die  Mitte  des  Auges  in  einem  Winkel 
von  fünfundvierzig  Grad,  beschreibe  dann  ein  Sechs- 
eck hinein,  von  dem  Puncte  an,  wo  der  Kathete 
durch  den  obern  Theil  der  Kreisperiferie  des  Auges 
durchschnitten  wird,  und  theile  die  Querlinien  von 
dem  Centrum  bis  zu  den  Puncten,  wo  sie  von  den 
Seiten  des  Sechsecks  durchschnitten  werden,  in  drei 
Theile.  So  wird  man  die  Puncte  erhalten,  in  welche 
die  Mittelpuncte  der  drei  ersten  Windungen  zu  setzen 
sind.  Um  den  vierten  zufinden,  theile  man  den  Rest  der 
Querlinien  zwischen  den  Mittelpuncten  der  dritten 
Windung  und  dem  Mittelpuncte  ('®)  des  Auges  in  zwei 

(3S)  Ich  sollte  meinen,  es  müsse  »der  Kreisperiferie«  heissen.   W. 


ZWEITES    CAPITEL.  ♦  75 

Theile.  So  wird  man  die  Mittelpuncte  für  die  vierte 
Windung  erhalten  und  die  Spirallinie  vollenden 
können. 

Fig.  6.  Ein  Durchschnitt  durch  den  Pfuhl  der 
Base,  wobei  die  Cannelirungen  und  Glieder  genau 
angegeben  s^nd. 

Taf.  IX. 

Einzelne  Theile  des  Gebälks, 

Fig.  1.     Der  Kranz  des  Tempels. 

Die  Verzierungen  zur  Linken  des  Löwenkopfs 
hat  man  gerade  so,  wie  man  sie  zur  Rechten  fand, 
hinzugefügt. 

Man  bemerke,  dass  der  Boden  der  Rinnleiste 
(sima)  nicht  von  dem  Rande  des*unter  ihr  liegenden 
Riemens  abspringt,  sondern  eine  kleine  Einbiegung 
macht ,  woraus  hervorzugehen,  scheint ,  dass  dieses 
Glied  ursprünglich  aus  Blei  gebildet  worden  sei. 
Denn  wenn  man  eine  Platte  aus  diesem  Stoffe  auf 
den  Kranz  legte  und  ihr  die  Form  einer  Rinnleiste 
gab  (die  dazu  bestimmt  war,,  das  Wasser  von  dem 
Dache  zu  sammlen  und  vom  Gebäude  durch  die  hier- 
zu gewöhnlich  eingehauenen  Löwenköpfe  abzufüh- 
ren), (^^)  so  musste  sie  natürlich  eine  solche  Einbie- 
gung haben.  Diese  Eigenthümlichkeit  findet  sich 
sowohl  an  glatten  als  an  verzierten  Kränzen  GriecKi- 


(39)  In  sitnis  ,  quae  supra  coronam  in  lateribus  sunt  aediiim, 
capita  Iconina  sunt  scalpcnda  ita  posita ,  uti  contra  coliimnas  sin- 
giilas  primum  sint  designata,  caetera  (vero)  aequali  modo  dispo- 
sila ,  Uli  singiila  singiilis  mediis  tegulis  lespondeant:  haec  autem, 
quae  crunt  contra  coliimnas,  perterebrala  sint  ad  canalem,  qui 
excipit  c  tcguIis  aquam  coelestera :  mediana  autem  sint  solida,  uti 
quae  cadit  vis  aquac  per  tegulas  in  canalem,  nc  deiiciatur  per 
intcrcolumnia,  ncque  transenntcs  pCrfundat ,  sed  quae  sunt  contra 
columnas  videantur  cniillcre  vonientia  ruclns  aquarum  ex  ore.  Vi- 
truv:  Lib.  III.  Cap.  3.   (Ed.  Schneid.  Lib.  III.  Cap.  V.  §.  15.) 


76         •  ZWEITES    CAPITEL. 

scher  Gebäude.  So  endigt  unter  andern  an  dem  Par~ 
thenon  auf  der  Akropolis  von  Athen  der  Kranz  des 
Giebels  mit  einem  ovolo  (einer  Kropf  leiste),  das  von 
dem  unteren  Riemen  ebenso  ausläuft  und  keine  Ver- 
zierung hat. 

A.  Die  Soffite  der  Zahnschnitte  (dentils). 

Fig.  2.  Ein  Durchschnitt  durch  den  Kranz  des 
Giebels,  nebst  angefügter  Vorderseite. 

Die  Verzierungen  auf  der  Rinnleiste  sind  auf 
eine  Art  zusammengesetzt,  die  von  der  an  den  Sei- 
tenkränzen ganz  verschieden  ist.  Damit  übrigens 
diese  Eigenthümlichkeit  Niemanden  veranlasse,  in 
der  Anwendung  hier  einen  Irrthum  zu  vermuthen, 
bemerken  wir,  dass  die  Vermessungen  dieser  zwei 
Kränze  an  einem  Ecksteine  des  Giebels  vorgenom- 
men wurden. 

Fig.  3.  Ein  Durchschnitt  durch  den  Architrav 
des  Tempels  mit  seiner  inneren  Seite. 

Der  Architrav  w^ar  aus  drei  Stücken  zusammen- 
gesetzt. Die  Verbindung  der  zwei  untersten  war  an 
der  auf  dem  Durchschnitt  angegebenen  Linie.  Das 
cymatium  der  äusseren  Seite  war  das  dritte;  wir 
konnten  aber  keinen  Ueberrest  desselben  auffinden. 
Die  Abtheilung  in  der  Soffite  hat  keine  Verzierung 
in  der  Füllung  (pannel). 

Fig.  4.  Ein  Durchschnitt  durch  einen  der  Quer- 
balken, welche  die  Felderdecke  trugen,  mit  einer 
seiner  Aussenseiten. 

Auch  er  hat  eine  Abtheilung  in  der  Soffite,  gleich 
der  am  Architrav. 

Taf.  X. 

Die  verzierten  Kränze. 

Die  Rinnleiste  (sima)  längs  der  Seiten  des  Tem- 
pels war  mit  Löwenköpfen  verziert,  wie  sie  auf  der 
vorhergehenden  Tafel  beschrieben  sind.    Der  Kranz 


ZWEITES   CAPITEL.  *         77 

des  Giebels  hatte  eine  ganz  verschiedene  Verzierung. 
Dieser  Kranz  endigt  mit  einem  Stab  unter  dem  echinus. 

Taf.  XI. 

Grundriss  der  Propyläen. 

Um  alle  Tempel  in  Aegypten  und  Griechenland, 
die  nur  einigermassen  berühmt  waren,  führte  ein 
peribolos.  üiess  war  bisweilen  eine  Mauer,  welche 
den  Tempelhof  umschloss,  häufiger  aber  ein  peristy- 
lon  oder  eine  offene  Säulenhalle,  mit  Propyläen  oder 
einem  Thore  an  einem  Ende. 

Die  Propyläen  zu  Priene  sind  ein  Gebäude  von  der 
Ionischen  Ordnung,  mit  einer  viersäuligen  Halle 
auf  jeder  Fronte;  in  der  Haupthalle  ist  ein  nicht  sehr 
weiter  Eingang,  der  zu  dem  Tempelhof  und  von 
hier  zum  Tempel  selbst  führte.  Das  Innere  des  Ge- 
bäudes ist  nach  seiner  Breite  in  drei  gleiche  Räume 
abgetheilt,  die  durch  zwei  Reihen  Ionischer,  zwei 
Fuss  von  einander  stehender,  Pilaster  abgeschieden 
sind.  Ueber  ihnen  liegen  Capitäle  von  ganz  eigner 
Composition,  die  wie  alle  Filastereapitäle  in  der 
Griechischen  Architektur  von  den  Säulencapitälen 
gahz  verschieden  sind.  Ebenso  wie  die  inneren  Säu- 
len der  Propyläen  zu  Alken,  so  tragen  auch  diese  Pi- 
laster die  marmorne  Decke  des  Gebäudes  und  das 
darüber  liegende  Dach  aus  demselben  Materiale. 

Die  Säulen  haben  mehr  als  zwei  Fuss  im  Durch- 
messer und  stehen  beinahe  fünf  Fuss  drei  Zoll  von 
einander  entfernt,  so  dass  das  Verhältniss  der  Zwi- 
schenräume zu  dem  Säulendurchmesser  grösser  ist 
als  anderthalb  zu  eins.  Der  mittlere  Zwischenraum 
ist  hier  nicht  weiter,  obgleich  man  sich,  wie  wir 
bereits  zu  bemerken  Gelegenheit  hatten,  bei  Bau- 
werken, die  einen  weniger  feierlichen  Charakter 
hatten,  nicht  so  streng  an  die  Regeln  band,  die  bei 
der  Construction  heiliger  Gebäude  galten.     Nach  den 


78  ZWEITES   CAPITEL. 

Begriffen ,  welche  die  Griechen  von  der  Schönheit 
in  der  JBaukunst  hatten,  stand  die  Breite  einer  Halle 
in  bestimmtem . Verhältniss  zur  Höhe  und  zur  Zahl 
der  Säulen  auf  der  Vorderseite.  Wo  nur  vier  Säu- 
len auf  der  Fronte  standen,  waren  die  Zwischen- 
räume zuweilen  dreimal  sogross  als  die  Durchmes- 
ser der  Säulen,  während  dagegen  an  Hallen,  die 
zehn  Säulen  auf  ihrer  Vorderseite  hatten,  die  Säu- 
lenweiten bisweilen  nur  Einen  und  drei  Viertel 
Durchmesser  oder  wie  an  dem  Tempel  des  Jpollon 
Didymäos,  Einen  Durchmesser  und  sechs  Zehntel  be- 
trugen. 

Bei  einer  viersäuligen  Halle  scheint  man  also 
keine  Aufforderung  gehabt  zu  haben,  den  mittleren 
Zwischenraum  weiter  zu  machen,  es  müssten  denn 
die  Maasse  des  Gebäudes  überhaupt  so  unbedeutend 
gewesen  sein,  dass  die  Weite  von  drei  Säulendurch- 
messern keinen  bequemen  Eingang  gestattet  hätte. 

Taf.  XH. 

Die  T^orhallc  der  Propyläen. 

Die  Säulen  standen  wie  die  an  dem  Tempel  auf 
Plinthen.  Die  Basen  haben  die  gewöhnliche  Atti- 
sche Form. 

Mehre  Züge  des  Gebäudes  deuten  auf  eine  w^e- 
niger  reine  Periode  der  Baukunst,  als  die  war,  in 
vrelcher  der  Tempel  errichtet  wurde.  Der  Deckel 
des  Capitäls  hat  einen  Kiemen:  ein  sehr  unzweideu- 
tiger Beweis  der  gesunkenen  Baukunst;  die  Streifen 
des  Architravs  sind  noch  ungleicher  getheilt,  als  ge- 
wöhnlich; der  Fries  ist  weniger  hoch  und  ohne  cy- 
matium  oder  ovolo. 

Taf.   XIII. 

Querdiirchschnitt  der  Propyläen, 

Dieser  Durchschnitt  zeigt  ims  die  einzeln,  ste- 
henden viereckigen  Pfeiler,  welche  die  Felderdecke 


ZWEITES   CAPITEL.  79 

des  Gebäudes  trugen.  Die  Balken,  die  sich  der 
Länge  nach  hinzogen,  sind  die  einzigen  Theile  der 
Marmordecke,  die  sich  mit  Bestimmtheit  nachweisen 
liessen.  'Die  übrigen  Stücke  und  das  Zimmerwerk 
des  Dachs  hat  man  nach  Vermuthung  angegeben.  Bei 
den  CJnterbalken  oder  Architraven,  dem  Fries  und 
Kranz  reicht  jedesmal  Ein  Block  zur  Dicke  und  Höhe 
hin.  Die  Dachrinne  (gutter)  hat  ihre  Höhlung  in  dem 
obersten  Gliede  der  Ordnung  und  bildet  auf  den  Ne- 
benseiten  des  Gebäudes  den  Kranz. 

A.  Durchschnitt  der  Bindeziegel ,  in  Gestalt 
eines  halben  sechseckigen  Prisma.  Sie  liefen  von 
der  Firste  des  Dachs  bis  zur  Rinne,  deckten  die  Fu- 
gen der  platten  Ziegel  oder  Deckplatten  (*°)  und  ver- 
hinderten das  Eindringen  jeder  Feuchtigkeit. 

Taf.  XIV. 

Die  Nebenseite  der  Propyläen. 
Die  glatte  Fläche  der  Mauern  auf  den  Seiten  des 
Gebäudes  wurde  durch  zwei  nicht  stark  hervortre- 
tende Anten  unterbrochen.  Dies  ist  wiederum  eine 
Abweichung  von  dem  reineren  Styl  der  Griechen, 
die  in  besserer  Zeit  die  Mauer  zwischen  den  zwei 
Anten  an  ihren  Enden  nicht  in  Abtheilungen  geson- 
dert haben  würden. 

Taf.  XV. 

Säuleriordnung, 
Fig.  1.     Base  und  Capital  der  Säulen. 
Fig.  2.     Soflite  des  Kranzes,  welche  uns  die  An- 
ordnung der  Zahnschnitte  sehen  lässt. 

Taf.  XVI. 
Einzelne  Theile  der  Ordnung. 
Fig.  1.     Seitenansicht  der  Capitäle. 
Fig.  2.     Grundriss  derselben. 

(40)  Siehe  Rode  zu  Vitruv.  III,  3.  (III,  5,  15.)  Bd.  I.  S.  147. 
Alterth.  v.  Attika.  S.  21  ff.  '  W. 


80  ZWEITES   CAPITEL. 

Fig.  3.  Durchschnitt  durch  die  Capitäle,  ver- 
mittelst einer  durch  die  Vorderseite  gehenden  Fläche. 

Fig.  4.  Durchschnitt  durch  die  Capitäle,  ver- 
mittelst einer  durch  die  Nehenseite  gehenden  Fläche. 

Fig.  5.  Durchschnitt  durch  die  Mitte  des  Pol- 
sters oder  Kissens  der  Capitäle. 

Fig.  6.  Durchschnitt  des  zu  den  Giebeln  des  Ge- 
bäudes gehörigen  Kranzes. 

Taf.  XVII. 
Einzelne  Theile  der  f^erzierung. 

Fig.  1.  Capital  und  Base  der  einzeln  stehenden 
Pfeiler.  Abgleichend  von  der  an  den  reineren  Pro- 
ben Griechischer  Baukunst  beobachteten  Sitte,  ver- 
jüngen sich  die  Pfeiler  etM^as  vom  Boden  bis  zu  dem 
obersten  Theile. 

Fig.  2.  Die  Verzierung  an  dem  Polster  der  Ca- 
pitäle. 

Fifif.  3.     Die  verzierte  Rinnleiste  der  Giebel. 

Fig.  4.  Durchschnitt  durch  einen  der  Marmor- 
balken, w^elche  die  Felderdecke  trugen. 

Fig.  5.  Ein  Bruchstück,  das  man  unter  den 
Trümmern  fand. 

Taf.  XVIIl. 

Bruchstücke  der  Agora, 

Fig.  1.  Ein  Kranz,  den  man  in  einiger  Entfer- 
nung südöstlich  von  dem  Tempelhof  fand.  Die  Com- 
position,  die  Verhältnisse  und  der  Styl  der  Glieder 
stimmen  vollkommen  mit  dem  Kranz  des  Peristyls 
überein  (")  und  beweisen,  dass  er  zu  demselben  Ge- 
bäude gehörte;  da  er  ferner  keine  Zahnschnitte  hat, 
so  kann  man  ihn  wohl  einem  Giebel  an  der  Vorder- 
seile des  Peribolos  zutheilen.  Die  Verschiedenheit 
zwischen  den  Verzierungen  an    der  Rinnleiste  und 

(4l)  Siehe  Taf.  XVI.  Fig.  6. 


ZWEITES    CAPiTEL.  81 

denen  an  dem  oben  erwähnten  Kranze  gibt  bei  die- 
ser Annahme  keinen  Anstoss,  wenn  man  sich  erin- 
nert, dass  die  Verzierungen  an  den  Seitenkränzen 
des  Tempels  von  denen  am  Giebel  sehr  abweichen.  (") 

Fig.  2.     Ein  Dorisches  Capital  und  Gebälk. 

Unterhalb  des  Tempels,  hart  an  der  Südmauer 
des  Tempelhofs  ist  ein  breiter  ebener  Grund,  dessen 
westliches  Ende  eine  Terrasse  bildet  und  mit  einer 
rustischen  Mauer  umgeben  ist.  Es  liegen  die  Ueber- 
reste  eines  Dorischen  Gebäudes  von  weissem  Marmor 
über  diesen  Ort  hin  zerstreut,  den  man,  weil  er  in 
der  Mitte  der  Stadt  liegt,  für  die  Stelle  der  alten 
Agora  oder  des  Markts  hält.  (")  Aus  diesen  Trüm- 
mern hat  man  das  abgebildete  Capital  und  Gebälk 
entnommen;  ob  aber  dieselben  zusammengehörten, 
lässt  sich  nicht  ermitteln.  Die  Maasse  nahm  man  an 
Steinen,  die  so  weit  auseinander  lagen,  dass  man 
glauben  darf,  sie  seien  an  verschiednen  Theilen  des 
Gebäudes  verwendet  gewesen.  Vergleicht  man  in- 
dessen die  Glieder  mit  einander,  so  findet  m^m  keine 
bedeutende  Verschiedenheit  in  ihren  Verhältnissen, 
ausgenommen  bei  den  Dielenköpfen  (mutules),  deren 
Länge  nicht  recht  zu  der  Breite  der  Triglyfe  passt. 
Die  Hinnleiste  war  mit  Löwenköpfen  verziert,  welche 
sich  aber  nicht  mehr  erhalten  haben. 

Da  kein  einziger  Schaft  der  Säulen  unzerstückt 
oder  an  seiner  Stelle  geblieben  ist,  so  konnte  man 
auch  weder  ihren  Durchmesser  noch  ihre  Höhe  be- 
stimmen. Nimmt  man  aber  zwei  Fuss,  sechs  Zoll 
und  sechs  Zehntel  als  Durchmesser  an,  so  w^ird  ihre 


(42)  Siehe  Taf.  IX.  Fig.  1  und  2. 

(43)  Gracci  in  qiiadrato  amplissiniis  et  diiplicibtis  porticibus 
fora  cunstittiuiit,  crebrisque  colunniis  et  lapuleis  atit  niarinoreis 
epislyliis  adornant,  et  siipra  ambulationcs  in  coatignationibus 
faciunt.     Vitriiv.  V.   1.  §.   1. 

Ion.  Alt.  6 


82  ZWEITES   CAFITEL. 

Verjüngung  ein  Sechstel  betragen;  und  gibt  man 
sechs  und  einen  halben  Durchmesser  zur  Höhe,  so 
wird  das  Gebälk  zwei  und  ein  halb  Neuntel  hoch 
sein;  rechnet  man  Stufen  zu  den  Säulen,  so  kann 
man  die  Höhe  des  Gebälks  zu  einem  Viertel  der  Höhe 
der  Säulen  sammt  den  Stufen  annehmen.  Die  Säulen 
an  der  von  Filippos  dem  Makedonier  zu  Delos  errichte- 
ten Halle  und  an  dem  Tempel  des  Zeus  Nemäos  in 
Achaia  (**)  haben  dieselben  Verhältnisse.  Die  Höhe 
des  Gebälks  an  jener  beträgt  drei  Elftel  der  Säule, 
was  nicht  viel  von  dieser  abweicht.  Bei  der  Art,  wie 
das  Capital  und  die  Glieder  des  Gebälks  über  ein- 
ander gelegt  sind,  haben  wir  den  Dorischen  Säulen- 
gang zu  Athenü  vor  Augen  gehabt, 

Fig.  3.    Der  Vörsprung  des  Triglyfs  über  den 
nackten  Theil  des  Frieses. 


Drittes   Capitel. 

T)  i  dy  m  ö     oder    D  i  dy  m  a.    (*) 

Der  Tempel   der  Branchiden    oder,   wie    er  später 
genannt  wurde,  des  Apollon  Didymaos  mit  dem  Ora- 


(44)  Dieser  Tempel  liegt  von  Korinthos  ohngefähr  fünf  Stun- 
den ,  etwas  südlich  von  West  und  Eine  Stunde  östlich  von  einem 
Dorfe  Namens  St.  Giorgio. 

(l)  Ich  kenne  nur  zwei  Stellen,  aus  denen  sich  die  bei  den 
Alten  übliche  Nominativform  dieses  Wortes  bestimmt  anj;eben  lässt. 
Die  eine  bei  Tansanias  (VIT.  2.  §.  3.  p.  525.  ed.  Kuhn:  Tov 
6k  NfiXto)q  6  TK(fo?  iövro»'  i:;  ^iSü/iovq  iaxlv  ov  noggot  twv  nvliäv 
iv  uQiaxfgif,  irjc;  oSov)  gibt  demselben  gleiche  Endung  mit  dem  Ora- 
kel zu  Delfo  j  mit  dem  das  der  Branchiden  überhaupt  Vieles  ge- 
meinsam hatte ;  die  andere  bei  Stefanos  von  Byzanz  (Jiöv/n«,  ovöi- 


DRITTES    CAPITEL.  83 

kel  (')  war  weder  zur  See  noch  zu  Land  von  Miletos 
weit  entfernt.  Er  lag  auf  dem  Vorgebirg  Poseidion, 
achtzehn  oder  zwanzig  Stadien  von  der  Küste  und 
hundertundachtzig  von  der  Stadt  Miletos.  (^)  Tempel 
und  Orakel  sollen  schon  vor  der  Ionischen  Wande- 
rung diese  Stelle  eingenommen  haben.  (*) 

Die  Benennung  Branchiden  leitete  man  von  einer 
sehr  bekannten  Familie  dieses  Namens  her,    welche 

TfQüjq,  tÖtxoc;  xut  ^tuvxtlov  MiXj'iTOV  KfifQUfidvov  /Id  y.al  AnolXcori)  i.st 
dem  Namen  der  Stadt  Susa  j  wum  analog  gebildet.  Bei  Herodoto5, 
Strabon  und  in  den  übrigen  Stellen  des  Pausanias  findet  man  gt- 
wöhnlich:  to  iv  zti8üfiot,ai  igov,  —  tm  yquifiafu,  ,  'Anö).Xo)V ,  6  ßo)~ 
ftoq  iv  JtSvftoiii  oder  ahnliclie  Wendungen.  Fiir  die  in  dem  Eng- 
lischen Original  gegebene  Form  Didyme  aber,  als  Bezeichnung 
des  Orts,  wo  das  Orakel  des  Apollon  Didymäos  seinen  Sitz  hatte, 
gibt  es,  so  viel  ich  weiss,  keine  Autorität.  •  Vielleicht  hat  die  Stadt 
Jiäüfir,  auf  der  Gadilanischcn  Insel,  deren  Strabon  III.  p.  169. 
gedenkt,  oder  die  Liparische  Insel  dieses  Mamens,  oder  einer  der 
andern  Orte,   die  diesen  Namen  führten,  zum  Irrthum  verleitet. 

Zu  der  Annahme,  dass  man  den  Ort  des  Orakels  nach  seinen 
Vorstehern,  den  Branchiden,  kurz  auch  Bquyx^^^''  genannt 
habe,  scheint,  wie  Schweighauscr  bemerkt,  die  Uebereinstimmung 
der  Handschriften  zu  zwingen,  nach  welchen  Herodotos  I,  92.  h 
Bqu'/xlSi^ai.  rijoi,  .Mdrjatav  und  II,  159.  iq  ^(»«y^/^«?  t«?  Mdr}- 
aCiav  gesagt  hat.  Dafür  spricht  denn  auch  die  zunächst  angeführte 
Stelle  aus  Mela,  die  Art,  wie  sich  Strabon  XIV.  p.  814.  ausdrückt 
(iv  /JeXqidiq  xut  Bqu^x^^uk;)  ,  und  der  gleiche  Name  der  von  den 
flüchtigen  Branchiden  in  Baktriana  gegründeten  Stadt.  W. 

(2)  Pompon.  Mela  I,  17:  Oraculum  Apollinis ,  dictum  oliui 
liranchidae ,  nunc  Didyinei.  W. 

(3)  Strab.  XIV.  p.  634:  Mtxu  6i  to  IToatldiov  ro  Md^aiov 
J;»;;  iarl  to  //«t'xtloi'  toD  ^/iJu/t/w;  'An^ö  }./.wvo  t;  t6  iv  Uguy^f— 
(J«t?  urußävxi  naov  oxToiy.tUöixu  (MSS. :  oxto)  xut  du)Sfxu)  axaSlov^, 

Macrob.  L.  XV!I.'(?):  Oraculum  a  Posideo  XVllI  stad. 

Plin.  H.  N.  L.  V.  c.  XXXI.  p.  278.  ed.  Harduin.:  In  lonia  prl- 
mus  sinus  Basilictis,  Posideum  proniontoiinm  et  oppidiim,  oraculum 
lii  anchidaruin  appellatiun  ,  nunc  Didyniaei  Apolliiiis ,  a  litore 
stadiis  viginti.     Et  inde  ccntum  octoginta  Miletus ^  loniac  Caput. 

(4)  Pausati.  VII.  2.    §.  4.  p.  525.  cd.   Kuhn. 

6^ 


84  DRITTES    CAPITEL. 

fortwährend  bis  auf  die  Zeit  des  Xerxes  im  Besitz 
des  Priesterthums  war  und  ihren  Stammbaum  bis 
hinauf  zu  dem  Branchos  ^  dem  wirklichen  oder  ver- 
meintlichen Gründer  und  ersten  Inhaber  des  Orakels, 
führte.  Es  blühten  in  Griechenland  mehre  solcher 
heiligen  Geschlechter,  die  auf  gleiche  Weise,  wie 
die  Branchiden,  ihre  Abstammung  mit  Mythen  um- 
hüllten und,  um  grösseres  Ansehn  bei  dem  Volke 
zu  gewinnen,  ihre  Stammväter  weit  über  die  niedrige 
Sfäre  der  gewöhnlichen  Menschen  erhoben.  Die 
Geschichte,  welche  von  den  Branchiden  in  dieser 
Absicht  erzählt  wurde,  ist  in  der  That  lächerlich 
genug;  sollte  es  aber  der  Rechtfertigung  bedürfen, 
wenn  wir  sie  wiederholen ,  so  würden  wir  uns  vor 
Allem  darauf  berufen,  dass  Pindaros  (*)  eine  ebenso 
wunderbare  Sage  zum  Gegenstand  einer  berühmten 
Hymne  gemacht  habe,  um  das  alte  Geschlecht  und 
den  Ruhm  der  Profetenfamilie  zu  Olympia,  der  einst 
gepriesenen  lamiden,  zu  besingen. 

üeber  das  Geschlecht  der  Branchiden  berichtet 
uns  aber  Varro  (^)  Folgendes: 

Ein  gewisser  Olos ,  der  im  zehnten  Gliede  von 
Apollon  abstammte,  hatte  an  der  Küste  ein  Mittags- 
mahl eingenommen  und  sodann  seine  Reise  ohne  sei- 
nen Sohn  SimeroSj  der  ihn  begleitet  hatte,  fortgesetzt. 
Der  also  zurückgelassene  Knabe  fand  Aufnahme  bei 
einem  gewissen  Patron^  der  ihn  nebst  seinen  zwei 
eignen  Söhnen  zum  Hütfer  seiner  Ziegen  machte. 
Diese  fingen  einst  einen  Schwan  und  stritten  sich 
darum,  wer  von  ihnen  beiden  ihn  dem  Vater  über- 
bringen solle.  Unterdessen  hatten  sie  den  Vogel  mit 
einem  Kleide  bedeckt.     Als  sie,    des  Streites   beide 

(5)  Olymp.  VI. 

(6)  Varro,  Divinarura  Reium  Libr.  nach  dem  Scholiasten 
(Lutatius)  zum  Statius,  Thebaid.  Lib.  VIII,  v.  198. 


DRITTES    CAPITEL.  85 

müde,  die  Hülle  wegzogen,  fanden  sie  zu  ihrem 
grossen  Erstaunen  statt  des  Schwanes  eine  Frau.  Sie 
würden  entflohen  sein,  hatte  diese  sie  nicht  zurück- 
gerufen und  ihnen  verkündigt,  Patron  solle  den  Sirne^ 
ros  ihnen  heiden  vorziehen.  Als  der  Vater  den  Vor- 
fall vernommen,  behandelte  er  den  Simeros  mit  un- 
gewöhnlicher Herzlichkeit  und  gab  ihm  seine  Tochter 
zur  Ehe.  Diese  sah  während  ihrer  Schwangerschaft 
im  Traum  die  Sonne  ihrer  Kehle  hinab  und  durch 
ihren  Leib  gehen.  Daher  erhielt  ihr  Sohn  den  Na- 
men ^rancÄo*  (ö  ßQo.yxoi',  die  Kehle  (')).  Als  dieser 
den  Apollon  auf  einer  Waldtrift  geküsst  hatte,  wurde 
er  von  ihm  umarmt ,  erhielt  eine  Krone ,  eine 
Ruthe,  die  Gabe  der  Weissagung  und  verschwand 
plötzlich.  Ihm  zu  Ehren  erbaute  man  den  Tempel 
Branchiadotij  und  ebenso  weihte  man  dem^pollon  Phi- 
lesios  (*)  Tempel  und  Kämpfe  der  Knaben,  welche 
nach  dem  Kusse  des  Branchos  Philesia  genannt  wurden. (') 

(7)  Sonst  übcrset/t  man  gewöhnlich  Branchos  den  Heiseren. 

W. 

(8)  «PtAijorto;  von  tpiX/o),  osculor ,  weil  er,  wie  es  in  der  unten 
angeführten  Erzählung  des  Griechischen  Mylhografen  Konen  heisst, 
i<piXr,a[v  alxov  fgaad-id;.  (Macrob.  Sat.  1 ,  17.  p.  304.  ed.  Zeune 
nimmt  das  Wort  passive:  »quod  lumen  eius  exoriens  amabilc  anii- 
cissima  vencratione  consahitamus.«     W.) 

(9)  Der  Streit  der  Knalien  scheint  sich  dcsswegen  erhoben  zu 
haben,  weil  sie  von  gleichen  Jahren,  oder  SCSvfiot,  Zwillinge, 
waren;  daher  kommen  auch  am  wahrscheinlichsten  die  Localna- 
nicn  /IlSvfioi.  und  JiSv^tfix;. 

Den  Namen  /fiSvfdvq  hat  man  schon  in  sehr  friiheu  Zeiten 
dem  Apollon  gegel)en. 

i'Bquyxif  x«i  ^ijvfttv ,  ixätQyoi;,  udo^lu,   ayvd.<( 

Orph.  Ilymn.  XXXIV.  (.\S)  7.  p.  295.  ed.  Hermann. 
»Kai  iv  /lidvfiOK;  S'k  y.ul  fiuvxri'iov   rou  'A^tÖXXüjvoi;  ,    ffiol   dox^ii, 
xat  TOüTO  ix  xiav  rif^luv  /JiSvftwv  o»'o//«^tT«i.« 

»Das  Orakel  des  Apollon  zu  Didymö  aber  zeigt,  meines  Be- 
dünkens,    schon  durch  seinen  Namen  an,    dass  cs'  eine  Beziehung 


86  DRITTES    CAPITEL. 

unter  den  von  Konon  gesammelten  Mythen  ist 
eine,  die  uns  in  iliren\  Auszuge  bei  Fotios  Folgendes 
mittheilt:  (*°)  Demoklos ^  ein  Delfier,  hatte  einen  schö- 


auf  die  himmlischen  Zwillinge  hat.«  Lukian.  Von  der  Astrologie 
C.  23.  T.  II.  p.  370.  cd.  Reitz. 

^*A:i6XXo)vct  /JiSufiulov  vocant,  quod  geminam  speciem  siii  nu- 
minis  (f.  luminis)  praefert  ipse  illuminando  formandoque  lunam; 
etenim  ex  uno  fönte  lucis  gemino  sidere  spatia  dici  et  noctis  illu- 
strant.«  Macrob.  Saturnal.  Lib.  I.  Cap.  17.  p.  306.  ed.  Zeiine. 
(Ernesti  zu  Siieton.  Caligul.  c.  21.  ist  der  Meinung,  Apollon  heisse 
Didymäos,    weil   er  und  Artemis  Zwillinge  waren.     W.) 

Merkwürdig  ist  es  jedoch ,  dass  man  bei  Horaeros  und  Pinda- 
ros  diesen  Apollon  nicht  erwähnt  findet,  nur  in  der  dem  Ersteren 
beigelegten  Hymne  auf  Apollon  hcisst  es  v.  180: 

»J2  «r«,  xul  AvxCt]v  y.al  Ulfpviriv  IguTeivtiv 
xal  MCXr\tov  I/bk;,  l'vaXov  noXiv  Ifiegöeaaav-« 
(Ich  habe  den  Schluss  der  Varronischen  Erzählung,  abweichend 
von  dem  Englischen  Original,  nach  Barth's  Emendation  übersetzen 
zu  müssen  geglaubt,  da  ich  in  der  Vulgata  :  »Et  Apollini  Philesio 
pariter  consecrata  sunt  templa,  quae  ab  osculo  Branchi  si\>e  cer- 
taniine  puerovuin  Philesia  nuncUpantur«  keinen  ZusanJmcnhang 
finden  konnte.     W.) 

(10)  'H  Xy .    'Jlq  /Ji^iiioyJ.oq  o  /itkqioq  yavv!f  nulSu   ixTigejiTj  S/.ii-' 

j(ß05  (f.  2!v[iiQ0<i)  6ro/na ' xal  uvtov  iqilhfiiv  igaa&ilq   AnoXkwv, 

svqoiv  noi/iiuh'ovra ,  iv&a  ßotfioq  'AnoXX.iovoq  flHUov  (f.  (PtAija/oü)  tÖQV- 
lai.  0  Si  JBguyxoQ ,  i^  Ano).lo}voq  inlnvovq  fiuvTixT^q  yiyovojq ,  iv 
AiSvfioiq  TW  x<i>glü)  f'xQ^'  Kul  f^i^xgv  toi/  vvv  ygvfixr^gCoiv  EXhiviy.wv, 
wv  ia/itv,  fitru  AfXqjoi/q  xgaxiaxov  ofioloyitrav  ro  tw»'  Bguy/Cdtav, 
Konon  bei  Fotios ,  Myriobibl.  XXXIIl.  p.  442.  ed.  Hoesclicl. 

Branchus  j  Thessalus  fuit  Apollini  dilectus,  et  filius  habitus, 
quem  interfectum  dolens,  templo  et  divinitate  sacravit.  Is  autem 
Apollo  Milesius  dictus.  —  Alex,  ab  Alex.  VI.  2. 

Branchus,  quem  ipse  susceperat  ex  filia  laucis  et  Sucronis  — 
et  hunc  pater  —  mortuum  communi  templo  coli  voluit,  cuius 
fuerat  sacerdos.     Boissard.  Tractat.'  de  Divinatione  ,  p.  107. 

Quem  suscepit  ex  lauce  Sucronis  filia  —  ad  superos  relatus 
est  communi  Milesiorum  decreto  —  unde  ipse  Dens  Branchides 
appellatus  est.  p.  136. 


DRITTES    CAPITEL.  87 

nen  Knaben,  Namens  Smikros,  den  er  in  seinem  drei- 
zehnten Jahre,  als  er  einst  auf  Befehl  des  üral^els 
nach  Miletos  segelte,  mit  sich  nahm,  aber  bei  der 
Eilfertigkeit,  mit  der  er  seine  Rückfahrt  betrieb,  in 
die  Heimath  zurückzuführen  vergass.  Des  Eritharscs 
Sohn,  ein  Ziegenhirte,  fand  den  bekümmerten  Kna- 
ben und  brachte  ihn  zu  seinem  Vater.  Eritharses  un- 
terrichtete sich  über  des  Verlassenen  Herkunft  und 
Missgeschick  und  erzog  ihn  wie  seinen  eignen  Sohn, 
Uebereinstimmendes  meldet  sodann  Konon  hinsicht- 
lich des  Schwans,  des  Streits  der  Knaben  und  der 
Erscheinung  der  Leukothea;  ferner  wie  diese  densel- 
ben geboten  habe,  die  Milesier  aufzufordern,  sie  zu 
verehren  und  einen  gymnischen  Kampf  der  Knaben 
zu  feiern,  da  sie  sich  an  ihrem  Streite  ergötze;  wie 
Sniikros  die  Tochter  eines  der  vornehmsten  Milesier 
geheirathet  und  diese  die  oben  beschriebene  Erschei- 
nung gesehen  habe,  welche  von  den  Weissagern 
als  eine  günstige  gedeutet  worden  sei;  wie  ihr  Kind 
nach  der  Erscheinung  benannt  und  bei  w^eitem  der 
schönste  31ann  geworden  sei;  wie  Apolloiij  der  ihn 
seine  Heerde  füttern  sah,  sich  in  ihn  verliebt  und 
ihn  an  der  Stelle  geküsst  habe,  wo  ihm  später  ein 
Altar  errichtet  worden  sei;  endlich  wie  Branchos, 
dem  dör  Gott  die  Seherkraft  eingehaucht,  zu  Didymö 
an  der  Stelle  geweissagt  habe,  woselbst  das  Orakel 
der  ßranchiden  stehe,  das  nach  allgemeinem  Zeug- 
niss  unter  den  Griecliischen  Orakeln  nächst  dem  zu 
Delfö  den  ersten  Rang  behaupte.     Wahrscheinlich  ist 

—  —  —   p;iliio(jiu',  acqualis  hoDori 
Branchus.  — 

Statius,  Tlicbaid.  III,  478. 

—  —  et  intonsi  cludet  penetralia  Branclii, 

Nee  Ciarias  hac  liice  forcs,  Didymacaque  quisquam 
Liniina,  nee  Lyciam  supplex  consultor  adibit. 

Idem  VIII ;  198. 


88  DRITTES    CAPITEL. 

jener  Wettkampf,  der  nach  der  Mythe  dieser  mythi- 
schen Leukothea  zu  Gefallen  angeordnet  wurde,  eins 
der  Didymäischen  Spiele  gewesen,  die  mehre  Jahr- 
hunderte hindurch  fortwährend  zu  Miletos  gefeiert 
wurden.  (*') 

Diese  Mittheilung  wird  wohl  hinsichtlich  der 
von  Strabon  (^^)  erwähnten  Volkssagen  über  Branchos 
und  die  Liebe  des  Jpollon  selbst  denen  genügen, 
welche  die  alten  Mythen  genauer  kennen  zu  lernen 
wünschen.  In  Delfö  dagegen  behauptete  man,  nach 
dem  Zeugniss  desselben  Strabon,  dass  Branchos  von 
dem  Delfier  (Machäreus)  stamme,  welcher  deniVeo^fo- 
lemos,  den  Sohn  des  Achilleus,  erschlagen  habe.  (*') 
Die  Veranlassung  zu  diesem  Morde  wird  verschieden 
angegeben.  Nach  unseres  Geografen  Vermuthung 
war  der  wahre  Grund  der,  dass  Neoptolemos  einen 
Anschlag  gegen  den  Tempel  gemacht  habe ,  dessen 
unermesslicher  Reichthum  schon  vor  dem  Troiani- 
sehen  Kriege  zum  Sprichw^ort  geworden  war.  (") 

Die  Ceremonien,  mit  denen  Branchos  der  Seher 
oder  Sühnpriester  (xadaoTTJg)  die  Milesier  nach  einer 
Pest  entsühnte,  waren  folgende:  (")    Er  besprengte 


(11)  MIAHTON  JIJTMEIA.   Marm.  Oxon. 

(12)  Strabo.  XIV.    p.  634:    "Evruü&u   6i  /iv&tüfxut  xal  t«  ntgl 
fov  ÜQttYxov  x«t  TOJ'  i'qbna  rov  Jino).Xo)voq, 

(13)  Strabo.    IX.    p.    421.     Siehe    auch    Merrick,     Tryphiodor. 
p.  133. 

(14)  Ov3    Off«  Xttivo<;  ovScx;  atprirogoi;  ivro?  iig^tt, 
Q>olßov  AnöXXotvot; ,  IJv&di  ^rt  nirgti^oai}. 

»Noch  was  die  steineine  Schwelle  des  Treffenden  drinnen 

bewahret, 
Föbos  Apollons  Schatz,    in  Pytho's  klippichten  Feldern.« 

Hom.  II.  IX,  404. 
Vgl.  Anm.  28.  und  Strabo  IX.  p.  420. 

(15)  Riemens  Alexandr.  p.  674.  (Stromat.  Lib.  V.   p.  570.    ed. 
Colon.  1688.  fol.) 


DRITTES    CAPITEL.  89 

die  Menge  vermittelst  Lorbeerzweigen  und  stimmte 
einen  Lobgesang  also  an: 

MeXirere ,  w  Ttaideg,  'Exae^yop  xai  'Ey.aeQyav. 

Singet,    o  Knaben,    den   fernhin   Treffenden  und 

seine  Schwester.  ('®) 
Dieser  Aufforderung  antworteten  sie  mit  gewissen 
hart  klingenden  und  rathselhaften  Worten,    denen 
ähnlich,  die  man  bei  dem  Schluss  der  Eleusinischen 
Mysterien  ausrief.  (*') 

Während  er  dem  Tempel  und  Orakel  vorstand, 
theilten  sich  die  Milesier  in  zwei  Parteien  unter  Leo- 
damas  und  Fitres ,  die  sich  als  Sprossen  des  königli- 
chen Hauses  um  die  Herrschaft  stritten.  Erschöpft 
durch  die  Wunden  des  Parteikampfs  bestimmten  end- 
lich die  Häupter  des  Volks,  es  solle  der  den  Staat 
regieren,  der  sich  als  dessen  grössten  Wohlthäter 
erwiesen  habe.  Fitrcs  kehrte  ohne  gesiegt  zu  haben 
aus  dem  ihm  übertragenen  Kriege  zurück,  aber  Leo- 
damas  überwand  die  Karystief  und  nahm  ihre  Stadt 
ein.  Bei  seiner  Rückkehr  nach  Miletos  sandte  er 
dem  Heiligthume  des  Branchos ,  wie  es  das  Orakel 
geboten  hatte,  eine  gefangene  Frau  mit  einem  Kinde 
an  ihrer  Brust,  nebst  andern  Gaben,  die  den  zehnten 
Theil  der  Beute  ausmachten.     Die  Frau  wurde  von 

(16)  Meandrius  (1.  Leandrius)  scribit,  Milesios  *Ano'kXiäVi 
Oirktif)  pro  salute  sua  immolare.  Pherecydes  refeit,  Thesea,  cum 
in  Cretam  ad  Minotauruin  diiceretur,  vovisse  pro  saliite  atque  re- 
difu  suo  'AnoXktJvi,  Oukiw  xal 'AgT^fuSi.  Ovll(f-  Macrob.  Sat. 
L.  I.  c.  17.  p.  297.  ed.  Zeiine. 

Auch  Strabo  XIV,  p.  635-  sagt,  die  Milesier  hätten  den  Jpol- 
lon  Uliosj  als  Heilgott,  angefleht. 

Auf  einer  Milesischen  Münze  hält  Jpollon  Didymäos  in  seiner 
rechten  Hand  das  Bild  der  Artemis ;  auf  andern  findet  man  sie 
allein,  und  auf  mehren  mit  ihrem  Bruder  verbunden,  wie  in  obi- 
ger Anrede  des  Branchos. 

(17)  Potter  V.  1.  p.  391,  393-  (Griech.  Archäologie  übers.  ▼. 
Rambach.  Thl.  I.  S.  862.) 


90  DRITTES   CAPITEL. 

Branchos  mit  Ehrfurcht  behandelt  und  ihr  Sohn  an 
Kindes  Statt  angenommen.  Der  Knabe  wuchs  em- 
por und  besass,  gleich  als  hätte  ihn  eine  Gottheit 
besonders  begünstigt,  höhere  Einsicht,  als  seine 
Jahre  mit  sich  brachten.  Er  wurde  zum  Organ  der 
profetischen  Aussprüche  bestimmt  und  Euangelos  (der 
Gutes  verkündet)  von  hranchos  genannt,  dem  er  im 
Amte  nachfolgte.  ('*)  Er  war  der  Gründer  eines  Mi- 
lesischen  Geschlechtes,  das  nach  ihm  die  Familie  der 
Eiiangelidcn  heisst. 

Wir  wollen  hier  bemerken,  dass,  obgleich  auch 
mehre  andre  Gottheiten  als  profetische  betrachtet 
wurden,  doch  vor  allen  ^^o//o«  als  derjenige  berühmt 
war,  der  von  derGabe  der  Weissagung  den  häufigsten 
Gebrauch  machte.  Darum  rechnet  ihn  auch  der  feine 
.Spötter  ZwAfanosC'')  zu  den  Gottheiten,  deren  Loos  weit 
davon  entfernt  sei,  so  bequem  und  glücklich  zu  sein,  als 
es  Homeros  geschildert  habe.  »Denn  da  sich  Apollon, 
spricht  Zeus,  ein  sehr*  mühevolles  Geschäft  gewählt 
hat,  so  ist  er  durch  die  Menge,  die  sich  um  ihn 
drängt,  um  sich  der  künftigen  Dinge  halber  Raths 
bei  ihm  zu  erholen,  fast  taub  geworden.  Jetzt  muss 
er  zu  Delfö  sein;  bald  darauf  eilt  er  was  er  kann 
nach  Kolofon;  von  da  geht  es  über  den  Xanthos  in  vol- 
lem Lauf  nach  Klaros ,  dann  nach.  Delos  oder  zu  den 
Branchiden;  kurz,  wo  nur  eine  Priesterin,  sobald  sie 
aus  dem  heiligen  Ouell  getrunken,  Lorbeerblätter 
gekaut  und  sich  auf  ihrem  Dreifuss  hin  und  her  ge- 
schüttelt hat,  seine  Gegenwart  verlangt,  da  muss  er 
augenblicklich  erscheinen  und  mit  seinen  Antworten 
bereit  sein,  wenn  es  nicht  um  seinen  Kuf  geschehen 
sein  solLi 


(18)  Konon  bei  Fotios ,  p.  451- 

(19)  /Jli  y.aTr^yoQovfitroq.    T.  II.    p.  792.    (Der    doppelt   Ange- 
klagte bei  Wielantl.  Tbl.  VI.  S.  178.) 


DRITTES   CAPITEL.  91 

Diese  vielen  Geschäfte  erforderten  Ordnung  und 
Eile;  darum  setzte  der  Gott  die  Zeiten  fest,  zu  denen 
er  in  seinen  Orakeln  Gehör  und  Antwort  gab.  An 
Lestiininten  Tagen  und  zu  gewissen  Stunden  war  er 
regelmässig  zum  Dienste  der  3Ienschen  bereit.  Auch 
zog  er  besondre  Jahrszeiten  vor,  wenn  es  auf  seine 
Wahl  ankam,  denn  zuweilen  wurde  er  allerdings 
wider  Willen  genöthigt,  seine  Kunst  auszuüben,  ura 
solche  Fragende  zu  befriedigen,  die  zu  roh,  unehr- 
erbietig und  ungestüm  waren,  als  dass  sie  sich  mit 
der  bei  Menschen  üblichen  Entschuldigung,  die  Gott- 
heit sei  jetzt  nicht  in  der  Stimmung  oder  nicht  anwe- 
send, hätten  abvreisen  lassen. 

Sehen  wir  jedoch  ab  von  der  Thätigkeit  dieser 
in  der  Fantasie  erzeugten  Gottheit,  an  vrelche  das 
Volk  glaubte,  so  ist  Branchos ,  wahrscheinlich,  ehe 
er  sich  in  Miletos  niederliess,  in  die  Geheimnisse  der 
gewinnvollen  Kunst  eingeweiht  gewesen,  die  man 
in  seinem  Multerlande  mit  so  gutem  Erfolge  betrieb. 
Da  die  Art  und  Weise  der  von  ihm  ausgeübten  Tau- 
schung  so  viel  Aehnliches  mit  der  hatte,  die  zuDelfö 
und  in  andern  Orakeln  Apollon's  üblich  war,  so 
scheint  fast  eine  gegenseitige  Kenntniss  und  Üeber- 
einkunft  zwischen  den  Vorstehern  der  einzelnen 
Orakel  Statt  gefunden  zu  haben.  ('°) 

Die  Art,  in  der  man  hier  die  Gottheit  befragte, 
war  ausser  dem  Geldaufwand  mit  vielen  Ceremonien 
und  grossem  Zeitaufwand  verbunden.  Durch  jene 
suchte  man  dem  Verfahren  grössere  Feierlichkeit  zu 
geben,  durch  diesen  Zeit  zur  üeberlegung  und  Ab- 
fassung der  Antwort  zu  gewinnen.  Die  Profetin 
muss  wahrlich  eine  sehr  unangenehme  Rolle  bei  der 
Gaukelei  gespielt  haben,  wenn  sie  bei  ihrem  Baden 


(20)  Vgl.  Crciizci's  Symbolik.  I.  S.  195.  W. 


92  DRITTES   CAPITEL. 

wirklich,  wie  man  versichert,  drei  ganze  Tage  lang 
fastete.  (»') 

Waren  die  Vorhereitungsgebräuche  endlich  vol- 
lendet,   so  glaubte   man,    es    werde   die  Priesterin, 

(21)  Extqov  Si  to  tÖ)V  yqr^aTriqtuv  Siußör^rov  ttat  ivagy^arurov 
iari  noXvfifQfi;  ■,  iP&eov  fiavveiov,  itfgl  ov  t«  Toiavra  aTto<j>ulvHq'  »oJ 
d  vSwg  niövrei; ,  xa&änfQ  o  iv  KoXocpiuvi  UgtiK;  rov  KXaqlov ,  oi  di 
aro/ufoiq  nuQuxa&^fitvot ,  w;  ai  iv  /iikqidiq  ^tant^ovaai ,  ol  d  i^ 
vSuxmv  uTfii^^ö/itvoi, ,  xtt&untQ  at  iv  Bgay/läaiq  jigo(priTi3(q.«  Tgüäv 
Sh  TovT(i)vl  SKüvvfiiov  xg*3ori}g{<av  ifivtjf^ovevauq ,  ovy  ort  fiöva  ivrav&a, 
noi.v  yag  nXilovu  vm^g^^E  tu  ■nugaXtinofxtva ,  uXX  intl  ngoii/E  tmv 
akXiuv  tavTa  nal  ufta,  ov  fVfxa  ^^■>jt«to,  txavojq  uv  idtdaaxet;  nigl 
vov  rgoitov ,  (fti^il  t^;  ix  -O-tiäv  av&gomoiq  ininffinoitdvi\<;  iA.avxf.luq, 
iitt  xoixo  St]  rigxia&TjV  xovxok;.  — 

Kul  [iTiv  riye  iv  BguyyJduK;  yvvri  xg'^OfKoäöq ,  iXxe  gäßSov  l'xovaa, 
X'^v  ngwxo)^  vno  -d-tov  rivoi;  nuguSod-üauv,  nlifgovxui  t-jj?  ■&{(«(;  uvy^q, 
tXxe  inl  u^ovoq  xa&^fi^vt]  ngoiJyti,  to  /i^kXov,  fixe  xovq  nöSaq  -^  xga- 
anfdov  t»  x^yyovaa  xoj  vSuxi,,  7/  ix  xov  vduxoq  uxfii^ofifvtj  Sf'yfxav  rov 
ß-fov,  i|  unuvxmv  rovxiav  inirrjdtla  nagaaxfva^ofAdvri  ngoq  xt^v  vnodo- 
Xfi*»  i%<»0^tv  avxou  fifxuXufAßävti. 

/IriXoi  8i  xal  xo  xiöv  ^vatiov  nXr^&oi;,  xuX  o  &fafi6<;  ttJ^  oX-t,q 
uyMxduq,  r.ul  off«  uXXu  öguxut,  ngo  rrjq  ;^p»jff;WW(5/'«5  -d-fiaiigntwq,  xuxe 
kovxgu  xriq  ngoiptixiSoq  xul  tj  xgiu)v  oXo)v  r,fifgwv  uaixCu  xul  ri  iv 
advroiq  avxrjq  äiuxgtßti  xul  i^oft^vr^q  ijcJij  t^  <p<otI  xal  xfgito^^vrfi  iv 
noXXißt  ygovo)'  xal  yag  avxu  navxa  nagaxXfjaiv  xov  ■&fov  mqxf  naga- 
yfvda&cn  xal  nagovaCav  l'^tj&fv  iniStlxvvaiv,  inCnvotäv  xe  &uv[iuatav, 
otav  nglv  xal  ttq  xov  avvtifh]  ucfiixda&ui,  xal  iv  uuxa  xw  nvfvftuxt  xm 
veno  iTjc  7ir]yt}q  uvu(pfgofidvo)  fxtgov  xtva  ngtoßuvtgov  yiagiaxov  uno 
xov  xonov  ■d-tov  unorpulvti,  xov  uixiov  xal  xoü  xonou  xal  x'^q  ytjq  av— 
T^5  x«J  XTJq  fiuvxiyS^q  oAtj;.  lainblichos ,  De  Myster.  Aegypt.  Sect. 
III.  c.  XI.  p.  72  sqq.  ed.  Oxon.  1678. 

'»AXX  ovSi  aiijfitt ,  (pjoi,  &fov  ygTJxai  xoiavxi]  qpwi';; ,  ovSi  xoiuSe 
TiH&dl."  Kul  xttvxa  ä  fvxtXrj  xal  aqiodga  fvxuxuq>g6vfixu,  XiXd^frai 
ycg  Tigoq  avxov  {KiXaov)  0x1,  ;^pjjTai.  o  ntTiiaxfVfAivoq  nag"  "EXXtjaiv 
flvai  ^toq  o  Ilv&ioq  xul  o  /liäv^fvq  roi^Se  q)0)v>j  xy  xtjq  Ilv&luq,  rj 
x^q  iv  MtXtjxo)  yfvoftdvtjq  ngoqirjri^oq.  Kai  ov  Siu  xovxo  iyxuXnxut 
nag  EXX^aiv  mq  ov  &foq  o  IJv&ioq,  rj  6  /lidvfifvq,  7]  xiq  iXXoq  xoi- 
ovxoq  ivl  xöno)  iyxa&i,Sgv[ihoq  'üXXtivixoq  &f6q.  Origines  contra 
Celsum  Lib,  VI.  extrem,   p.  55.  ed.  Cant. 


DRITTES   CAPITEL.  93 

welche  die  von  dem  Gott  erhaltene  Ruthe  in  der 
Hand  trug,  mit  göttlichem  Glänze  erfüllt;  sitzend 
auf  der  Achse  eines  flad8(*'*)  sagte  sie  die  Zukunft 
vorher,  oder  nahm,  in  den  von  ier  Quelle  aufsteigen- 
den Dampf  gehüllt,  oder  ihre  Füsse  oder  den  Saum 
ihres  Kleides  in  das  Wasser  tauchend  die  Gottheit  in 
sich  auf.  Erfüllt  und  getröstet  durch  dieses  innere 
Licht  brachte  sie  eine  lange  Zeit  in  dem  Heiligthume 
zu.  Der  ervi^artungsvolle  fromme  Fremdling  legte 
seine  Frage  zur  Beantwortung  vor  und  der  Gott,  bil- 
dete man  sich  ein ,  ertheilte  seinen  Ausspruch  durch 
den  Mund  der  begeisterten  Priesterin. 

Sowohl  zu  Delf'ö  als  bei  den  Branchiden  ertheilte 
Apollon  seine  Weissagungen  mündlich.  Das  Talent, 
auf  der  Stelle  in  Versen  zu  reden,  wollte  man  von 
ihm  ableiten  und  lange  Zeit  gab  die  Fythia  ihre  Ant- 
worten in  Versen.  Als  aber  gottlose  Witzlinge  ver- 
sicherten, unter  allen  Dichtern  sei  der  Gott  der 
Dichtkunst  der  schlechteste,  Hess  sie  sich,  um  ihr 
Ansehn  nicht  dem  Spotte  auszusetzen,  zum  Gebrauch 
der  Prosa  herab.  Diese  Antworten  wurden  sodann 
von  Dichtern,  die  im  Dienst  des  Tempels  waren, 
metrisch  umgebildet.  (^')  Nach  den  noch  vorhande- 
nen Proben  können  wir  mit  Grund  behaupten ,  der 
Dichtergeist  des  Gottes  sei  in  Asien  ebenso  ärmlich 
gewesen,  wie  in  Griechenland,  indem  er  den  heroi- 
schen Vers,  (*')  dessen  er  sich  bei  seinen  Weissagun- 

(21a)  Clai'icr ,  Siir  Ics  oracles  p.  136.  erklärt  u^uv  Tür  einen 
Dreifuss.  W. 

(22)  Strabo  IX.  p.  4l9.  und  die  daselbst  von  Casaubonus  an- 
geführten Stellen. 

(23)  Ileroos  efficit  versus  iuterrogationibus  consonos,  ad  nume- 
ros  et  modos  plcne  conclusos:  quales  Icguntur  Pytbici  vel  ex  ora- 
culis  editi  Rranchidarum.  Amniian,  MarccUin.  Rer.  GesL  L.  XXIX. 
c.  1.  §.  31.  p.  505.  ed.  Wagner. 

Nee  non  et  memini ,  pedibus  quator  bis  repelitis, 
Hyninum  Buttiaden  Phoebo  cantassc  loyique, 


94  DRITTES   CAPITEL. 

gen  gewöhnlich  bediente,  fast  in  Unehre  brachte. 
Und  auch  hierbei  scheint  er  seine  Zuflucht  zu  einem 
Gehülfen  genommen  zu  haben,  da  wir  in  einer  auf 
diesen  Tempel  bezüglichen  Inschrift  (^*)  denProfe-. 
ten  und  Dichter  als  sresonderte  Personen  erwähnt 
finden. 

Dass  das  Orakel  der  ßranchiden  sich  seit' sehr 
frühen  Zeiten  eines  ausgebreiteten  Rufs  zu  erfreuen 
hatte  ,  lä'sst  sich  aus  der  alten  Geschichte  erweisen. 

Als  Nekosj  König  von  Aegypten,  einen  Sieg 
über  die  Syrer  erfochten  und  in  Folge  dessen  eine 
grosse  Stadt  eingenommen  hatte,  so  wollte  er  sein  Kleid 
nicht  wechseln,  bevor  er  einen  Theil  der  Beute  dem 
Apollon  geweiht  und  hierher  geschickt  hatte.  (^*) 

Als  Krösos  den  Kyros  anzugreifen  gedachte  und 
die  Orakel  befragte,  überging  er  auch  das  derBran- 
chiden  nicht.  {^^)  Zur  Zeit  aber  als  Herodotos  seine 
Geschichte  schrieb,  w^usste.  man  nur  noch  den  Spruch 
der  Pythia  von  Delfö.  (^^)  Der  König  zeigte  sich 
übrigens  bei  dieser  Gelegenheit  bis  zur  Verschwen- 
dung freigebig,  indem  er  ganz  auserlesene  Schätze 
weihte  und  hierher,  wie  Herodptos  berichtet,  ähn- 


Pastorem  Branchiini ,    cum,   captiis  amorc  pudico, 
Fatidicas  sortes  docuit  depromcre  Paean. 

Terentianus  Mauriis  de  Metris,  x.  165.  (Cap.  IV,  1885. 
'       ed.  van  Lennep.)    Hexametrum  apud  Poctas  Latin. 
V.  11.  p.  1259. 

(24)  Chisluill.  p.  91. 

(25)  Nekos  regierte  vor  Chr.  um  das  J.  616.  (Herodot.  II.  159. 
stimmt  mit  unserm  Text  nicht  ganz  i'ibcrcin,  indem  er  erzählt: 
»Und  das  Kleid,  darin  Nekos  diese  Tlidtcn  verrichtet,  weihte  er 
dem  Apollon  und  sandte  es  nach  Branchidä  in  der  Milesier 
Lande.«     W.) 

(26)  Vor  Chr.  549.  Herod.  I,  46. 

(27)  Herod.  I,  47. 


DRITTES   CAPITEL.  95 

liehe  Gaben  und  "von  gleichem  Gewichte  sandte,  wie 
nach  üelfö.  (") 

In  der  folgenden  Erzählung  C^)  erscheint  unser 
Gott  allerdings  in  weit  geringerer  Würde  und  Bedeu- 
tung. Paktyas  hatte  die  Lyder  zum  Abfall  von  Kyros 
bewogen,  als  aber  ein  Heer  wider  ihn  heranzog, 
entwich  er  nach  Kyme,  Der  Persische  Anführer  ver- 
langte von  den  Kymäern  die  Auslieferung  des  Pa- 
ktyas, allein  diese  zögerten  und  beschlossen  sich  zu- 
vor an  das  Orakel  der  ßranchiden  zu  wenden,  das 
schon  damals  ehrwürdig  durch  sein  Alter  war  und 
von  den  lonern  und  Aeolern  gewöhnlich  befragt 
wurde.  Die  Boten  forschten,  wie  sie  sich  hinsicht- 
lich des  Paktyas  verhalten  sollten,  um  den  Göttern 
am  meisten  zu  gefallen,  und  erhielten  den  Spruch: 
sie  sollten  den  Paktyas  an  die  Perser  ausliefern.  Als 
diese  Nachricht  heimgebracht  wurde,  war  die  Menge 
geneigt,  zu  gehorchen.  Aber  y4ristodikos _,  ein  ange- 
sehener Mann  unter  den  Bürgern,  verhinderte  es,  bis 
der  Spruch  als  wahr  bestätigt  worden  sei.  j  Er  wandte 
sich  nun  selbst  an  das  Orakel  und  fragte  also:  Herr, 
es  ist  zu  uns  gekommen  ein  Schützling,  Paktyas j  der 
Lyder,  dass  er  den^Tod  entflöhe  vor  den  Persern; 
die  aber  fordern  ihn  von  den  Kymäern  und  verlangen, 
dass  wir  ihn  herausgeben.  Wir  aber,  obwohl  wir 
Furcht  haben  vor  der  Perser  Macht,  haben  ihn  den- 
noch nicht  herausgeben  wollen,  so  lange  bis  dass  du 


(28)  Herod.  I,  92.  Ein  Verzeicliniss  der  Weihgeschenke,  die 
er  n\ich  Delfö  sandte,  findet  man  bei  Hcrod.  I,  50—52,  54,  92. 
Rcdnciit  man  das  bei  eini},'cn  angegebene  Gewicht  auf  das  unsere, 
so  lässt  sich  der  Wcrth  zum  Theil  berechnen,  lieber  den  Tem- 
jelscliatz  zu  Dclfö  vgl.  aucli  Strabo.  IX.  p.  420.  und  oben  S.  88. 
Anm.   l4. 

(29)  Herod.  I,  157—160. 


96  DRITTES    CAPITEL. 

uns  deutlich  kund  thust,  was  wir  thun  sollen. c  Weil 
Aristodikos  mit  der  hierauf  gegebenen  Antwort  nicht 
zufrieden  war,  ging  er  rund  um  den  Tempel  und 
nahm  vorsätzlich  die  Sperlinge  und  übrigen  Vögel, 
die  im  Tempel  genistet,  aus  ihren  Nestern,  bis  eine 
Stimme  aus  dem  Heiligthum  also,  wie  man  erzählt, 
ihn  anrief:  »Du  gottlosester  der  Menschen,  was  un- 
terfängst du  dich  meine  Schützlinge  aus  meinem  Tem- 
pel zu  rauben  ?c  Er  aber  Hess  sich  nicht  irren  und 
erwiederte:  »Herr,  du  selber  stehst  deinen  Schütz- 
lingen also  bei  und  die  Kymäer  sollen  ihren  Schütz- 
ling herausgeben  ?c  Da  antwortete  der  Gott  zum 
andernmal:  iJa,  auf  dass  um  so  schneller  das  Ver- 
derben über  euch  komme  und  ihr  lürder  nicht  mehr 
einen  Götterspruch  verlanget,  ob  ihr  einen  Schütz- 
ling s'ollt  dahingehen.«  Als  die  Kymäer  hiervon 
Nachricht  erhielten,  entsandten  sie  den  Paktyas  nach 
Mytilene,  um  sowohl  der  göttlichen  Rache  zu  entge- 
hen, welche  sie  treffen  sollte,  wenn  sie  ihn  auslie- 
ferten ,  als  auch  um  keine  Belagerung  auszustehn, 
die  sie  fürchten  mussten,  wenn  sie  ihn  bei  sich  be- 
hielten. 

Die  von  Kr'ösos  geweihten  Schätze  waren  so  be- 
trächtlich, dass,  als  Histiäos  durch  einen  Boten  von 
Susa  die  Milesier  zur  Empörung  gegen  die  Perser  er- 
mahnte und  alle  dazu  bereitwillig  waren,  Hekatäos, 
der  Geschichtenerzähler,  zuerst  davon  abrieth,  in- 
dem er  alle  Völker  herzählte,  über  welche  Dareios 
Herr  war  und  seine  Macht  verbreitete,  sodann  aber,  als 
sie  nicht  auf  ihn  hörten,  denBath  gab,  sie  sollten  vor 
Allem  sich  bemühen,  Herrn  des  Meeres  zu  werden, 
wozu  es  aber,  da  ihre  Seemacht  schwach  wäre,  kein 
andres  Mittel  gäbe,  als  sich  der  Schätze  in  dem  Hei- 
ligthum bei  den  Branchiden,  die  Krösos  dahin  ge- 
weiht, zu  bemächtigen.  Von  dieser  Maassregel  hoffte 
er  Vieles,  sowohl  dass  sie  sich  selbst  ihre  Bedürf- 


DRITTES   CAPITEL.  97 

nisse  verschaffen  könnten,  als  auch  dem  Feind  eine 
so  kostbare  Beute  entzögen.  ('°) 

Später  nahmen  die  Perser,  vnter  Xerxes,  dem 
Sohne  des  Dareios,  alle  Schätze  des  Tempels  und 
Orakels  weg,  (")  legten  Feuer  an  diesen  und  an  die 
übrigen  Tempel,  den  zu  Efesos  ausgenommen,  und 
nahmen  so  Rache  an  den  lonern,  dafür  dass  die 
von  ihnen  eroberte  Stadt  iS'arf/eÄ  (")  abgebrannt  war.  (") 
Der  Grosskönig  war  besonders  über  die  Milesier  ent- 
rüstet, weil  er  glaubte,  sie  hätten  sich  in  der  See- 
schlacht mit  den  Athenern  bei  Salamis  absichtlich 
schlecht  gehalten.  ('*) 

(30)  Herod.  V,  36. 

(31)  Herod.  VI,  19. 

(32)  Herod.  V,  101  ff. 

(33)  Unser  Verfasser  vermischt  hier  zwei  vcrschiedne  Bege- 
benheiten, die  wir  also  unterscheiden  müssen: 

1)  Olymp.  LXX,  3.  (498  vor  Chr.  Geb.)  wird  Mite  tos ,  als 
die  Toner  nach  dem  von  Histiäos  und  Jristagoras  erregten  Auf- 
stande bezwungen  waren,  von  den  Heeren  des  Dareios  erstürmt; 
die  meisten  Männer  werden  erschlagen,  die  Weiber  und  Kinder 
in  die  Knechtschaft  geschleppt,  der  Tempel  zu  Didymö  und  das 
Orakel  geplündert  und  verbrannt.  (Herod.  VI ,  19.)  Diese«  harte 
Verfahren  mochte  der  König  als  Repressalie  für  den  Brand  von 
Sardes  ansehn.  Die  Güte  des  Bodens  und  die  zum  Handel  vor- 
theilhafte  Lage  des  Ortes  lockte  aber  wohl  bald  neue  Ansiedler, 
wahrscheinlich  aus  den  umwohnenden /onern  und /Tarern,  herbei; 
die  Stadt  blühte  sclinell  wieder  auf,  die  Heiligthümer  stiegen  neu 
empor  und  Kanachos  goss  für  das  Orakelgebäude  zu  Didymö  sein 
berühmtes  Standbild  des  Jpollon. 

2)  Olymp.  LXXV,  2.  (479  vor  Chr.  Geb.)  strafte  Xerxes  die 
Milesier  nach  den  unglücklichen  Schlachten  bei  Salamis  und  Mj- 
hale,  in  denen  sie  sich  lass  gezeigt  hatten,  dadurch,  dass  er  den 
ehernen  Jpollon  des  Kanachos  wegführte  und  den  Tempel  an- 
zündete, nachdem  ihm  vorher  die  Branchiden  die  heiligen  Schätze 
verrathen  halten.  (Pausan.  I.  16.  §.  3.  VIII.   46.   2.)  W. 

(34)  Toüto  6i  uUlav  intvfyxuiv  MiXijaloig,  i&tXoxaxijaai,  atpo.^ 
ivuvtlu  A{h\valmv  Iv   xt  'EXXäSi.   vavftaxi  aartaz ,    rov  /aAxoiiv   f).ttß*y 

Ion.  AU.  7 


98  DRITTES   CAPITEL. 

Die  Branchiden,  welche  die.  Partei  der  Perser 
aus  den  Tempelschätzen  unterstützt  hatten,  mussten 
nach  einem  solchen  Betragen  auch  mit  ihnen  die 
Flucht  ergreifen,  um  der  verdienten  Strafe  des  Ver- 
raths  und  Tempelraubs  zu  entgehn.  (\*) 

Die  3Iilesier  waren  wohl  zu  gedrückt  und  er- 
schöpft und  überhaupt  unvermögend,  ihr  Heiligthum 
sogleich  wieder  herzustellen,  und  man  weiss  nicht 
gewiss,  «m  welche  Zeit  sie  den  jetzt  in  Ruinen  da- 
liegenden Tempel  wieder  aufzubauen  begonnen  ha- 
ben. So  viel  ist  sicher,  dass  Päonios ,  ein  Efesier, 
und  Dafnisj  ein  Milesier,  die  Baumeister  waren.  Der 
erstere  soll  auch  mit  Demetrios ,  einem  Diener  der 
Artemis ,  den  ebenfalls  Ionischen  Tempel  dieser  Göt- 
tin zu  Efesos  vollendet  haben,  der  von  dem  Knossier 
Chersifron  und  seinem  Sohne  Metagenes ^  den  Verfas- 
sern einer  Abhandlung  über  denselben,  angefangen, 
aber  nicht  ausgebaut  ^vorden  war. 

Die  Zeit,  in  der  Päonios  blühte,  glaubt  vielleicht 
Mancher  aus  der  Geschichte  des  Efesischeh  Tempels 
bestimmen  2u  können.  Man  bedenke  aber  erstens, 
dass  der  von  ihm.  vollendete  Tempel  schon  während 
der  Regierung  des  Krösos  zu  bauen  angefangen  wurde, 
oder  doch  wenigstens  errichtet  werden  sollte,  indem 
die  meisten  der  Säulen  von  ihm  geweiht  worden 
waren;  ferner,  dass  an  dem  Tempel,  dessen  Kosten 
alle  Staaten  von  Kleinasien  gemeinsam  getragen  ha- 
ben sollen,     gegen   zweihundert  Jahre   lang   gebaut 

^A7i6).X(i)va  Tov  ^j*  Bgay/idiiiq'  xut  rov  fdv  varegov  t/niXXE  XQ^^I'  ^^~ 
kivyoq  i<ccTuneftxjiHv  MdrfiCoiq.  Pausan.  YIII.  46.  §.  2.  p.  694.  ed. 
Kuhn. 

Cum  anceps  proeliuni  esset,  lones  iuxta  praeceptum  Thenii- 
stoclis    pugnae  se  paulatim  subtrahere  coepcrunt.    lustin.   II,   12. 

(35)  Oi  öl  liQccyyJöut'  lovq  T&Tjouvgovq  tov  Oiov  Tiuguöt'vTtq  tw 
T/^QOj]  (piii'/ovri  avvumgav ,  lov  «>;  %{aui  ölxuq  t^?  iegoavXlaq  x«t 
Tr?  -iQodooki.!;.     Strabo.  XIV.  p.  634. 


DRITTES    CAPITEL.  99 

wurde;  endlich,  dass  Xerxes  ihn  verschont,  CÄer«yro/i^ 
wie  ihn  Strabon  nennt,  seinen  Bau  begonnen,  ein 
andrer  ihn  erweitert  und  Herostratos  ihn  niederge- 
brennt  habe.  -Dies  Letztere  geschah  in  der  Nacht, 
als  Alexandros  geboren  wurde.  Die  Efesier  zeigten 
grossen  Eifer,  den  Tempel  sogleich  wieder  aufzu- 
bauen; sie  veräusserten  die  alten  Säulen  und  boten 
sogar  den  Geschmuck  ihrer  Frauen  auf,  um  ihm 
mehr  Pracht  zu  verleihen,  als  der  frühere  gehabt 
hatte.  Dies  war  der  Bau,  dessen  sämmtliche  Kosten 
Alexandros  zu  tragen  sich  erboten  hatte,  w^enn  man 
ihm  die  Ehre  gönnen  wollte,  sich  auf  der  Inschrift 
als  Gründer  nennen  zu  dürfen.  Der  Baumeister  war 
der  berühmte  Deinokrates ,  ein  Makedonier ,  ebender- 
selbe, w^elcher  seinem  ICönige  den  kühnen  Vorschlag 
machte,  er  wolle  nach  Vollendung  dieses  Tempels 
den  Berg  Athos  in  Thrakien  in  eine  Statue  von  ihm 
umgestalten  und  zwar  dieser  die  Stellung  eines  Libi- 
renden  geben,  der  in  der  einen  Hand  einen  ^echer 
halte,  aus  dem  ein  Fluss  hervorstürze,  welcher  so- 
dann in  die  von  der  andern  Hand  gehaltene  Schale 
fallen  und  darauf  zwei  Städte  bespülen  solle,  deren 
je  Eine  auf  jeder  Seite  gegründet  werden  müsste.  ('*) 

(36)  Strabo  XIV.  p.  640.  (Vitruv.  Vorrede  zu  B.  II.  §.  1  —  4. 
Plutarch.  Ucber  Alex.  Glück.  II ,  2.  und  im  Leben  d.  Alex.  c.  72. 
Lukian,  "Wie  man  Gesch.  sehr.  T.  II,  17.)  Der  Name  des  Baumei^ 
sters  wird  auf  mannigfach  verschiedne  Art  geschrieben.  (Vgl.  Sillig 
catalog.  artific) 

Id  autem  opus  (templum  lovis  Olympii  Athenis)  non  modo 
vulgo ,  sed  etiam  in  paucis  a  magniQccnlia  nominatur.  Kam  quat- 
tuor  locis  sunt  acdium  sacrarum  marmorcis  operibus  ornatae  dispo- 
sitiones,  e  quibus  propne  de  his  nominationes  claiissima  fama  no- 
minantur.  Quorum  cxcellentiae  prudcntesque  cogitationura  apparatus 
suspectus  habcnt  in  Deorum  sessimonio.  Prilnumque  aedes  Epheti 
Dianae  lonico  genere  a  Ctesiphonte  (VhersiphroneJ  Cnossio  et 
filio  eins  Melagene  est  instituta  ,    quam  postea  Demetrius ,    ipiius 

7* 


100  DRITTES   CAPITEL. 

Püonios  miiss  also  gegen  das  Ende  der  oben  erwähn- 
ten zweihundert  Jahre  gelebt  und  gearbeitet  haben; 
aber  weder  der  Anfangs-  noch  Endpunct  dieses  Zeit- 
raums sind  sicher  zu  bestimmen. 

Der  Künstler,  welcher  die  Bildsäule  verfertigte, 
blühte   in    der    fünfundneunzigsten   Olympiade,  (") 

Dianae  servus ,  et  Paeonius  Ephesius  tliciintur  pcrfccisse.  Mileti 
ApoUinis  item  lonicis  symnietriis  idern  Paeonius  Daphnisque  Mi- 
Icsius  institucriirit.  Eleusine  Cereris  et  Proserpinae.  —  In  asty 
vero  Io\>em  Oljmpium.  —    Vitruv.  Praefat.  L.  VII.   §.  15  sqq. 

Diptcros  aiiteni  octastylos  et  pronao  et  postico ,  sed  circa 
aedem  diiplices  habet  oidines  columnariira ,  ut  est  aedcs  Quirini 
Doiica  et  Ephesiae  Dianae  lonica  a  Ctesiphonte  fChersiphroneJ 
constituta.  L.  III.  2.  §.7. 

Magnificentiac  vera  admiratio  exstat  templum  Ephesiae  Dianae 
ducentis  viginti  annis  factum  a  tota  Asia.  —  Operi  praefuit  Cher- 
siphron  architectus.     Plin.  H.  N.  XXXVI.    c.  l4.  s.  21.  p.  740.  (*) 

Laudatus  est  et  Ctesiphon  Gnossius  aedc  Ephesiae  Dianae  ad- 
niirabiii  fabiicata."   Plin.  VII.  p.  395. 

Die  Handschriften  haben  in  obigen  Stellen  bald  Ctesiphon 
bald  Cresiphon ,  oder  Chrysippon j  oder  Chtesiphreon.  Die  Grie- 
chischen Codices  des  Strabon  scheinen  die  wahre  Lesart,  Chersi- 
phron,  zu  geben. 

lam  tum  (sub  Servio  rege)  inclytum  Dianae  Ephesiae  fanuui : 
id  comnuiniter  a  civitatibus  Asiae  factum  fama  ferebat.  Livius  I,  45. 

Kqoiai^  Si  i'art  ava&rifiaTu  iv  Eipiao),  u'i  n  ßöiq  at  ^(Qvaaui, 
xal  tijiiv  xiövmv  ul  n.oX'kaL     Herod.  I,  92. 

(37)  iVonageiiwa  «yumta  Olympiade  florucreNaucydes,  Dinome- 
nes,  Canachus  j  Patrocles.  —  Centcsima  quarta  decima  Lysippus 
fuit,  cum  et  Alexander  Magnus,  —  Ita  distinctis  celeberrimorum 
aetatibus,  insignes  raptim  transcurrara,    reliqua  multitudine  passim 


(*)  Vitruvius  unid  Plinius  sind  beide  im  Irrthum,  indem  sie  den 
Chcrsifron,  der  (nach  Thiersch  Epo'ch.  II.  p.  37.  bei  Sillig) 
um  den  Anfang  der  Olympiaden  lebte  und  den  alteren,  durch 
Ilerostratos  niedergebrannten,  Tempel  zu  bauen  begonnen 
hatte ,  als  Baumeister  des  neuen  prachtvollen  Ilciligthums 
auffiihren ,  welches  ein  Werk  des  unternehmenden  Deino- 
krates  war,  von  dem  auch  die  erste  Anlage  zu  der  spater 
aufblühenden  Stadt  Jlexandria  rührte.  W. 


DRITTES   CAPITEL.  '  101 

d.  h.  achtzig  Jahre,  nachdem  Xerxes  den  Tempel 
zerstört  hatte,  Sechsundsechzig  Jahre  vor  des  Alexan~ 
dros  Feldzug  und  dreihundert  und  neunundneunzig 
vor  Christi  Geburt.  ('*^ 

Dieser  ausgezeichnete  Künstler  war  der  Sikyo- 
nier  Kanachos,  ein  Schüler  des  Poljkleitos  aus  Ar- 
gos.  ('^)    Wir  haben  noch  von  verschiednen  Werken 

dispersa.  —  Canachus  Apollinem  nudum ,  qui  Philesios  cognomi- 
natur  in  Didymaeo ,  Aeginctica  acris  tcmpciatiira:  Cen'u/nqiif  una 
ita  vestigiis  suspcndit,  ut  linum  siibtcr  pcdcs  trahatgr,  alterno 
morsu  digitis  calcequc  rctincntibus  solum,  ita  vertcbralo  denle 
iitrisque  in  partibus,  ut  a  repulsu  per  viccs  resiliat.  Idciu  et 
Celelizontas  pucros  fecit.  Plin.  H.  N.  Lib.  XXXIV.  cap.  8.  sect.  19. 
p.  649,  655.   Edit.  Delph. 

Altcrnis  vicibiis  mox  digitos  mox  caicem  credas  haererc  solo  : 
dcntes  ita  sunt  vcrtcbralis  ossibus  similes ,  mohilesque  ac  ßexiles 
in  utrisque  partibus,  sive  dextris  sive  sinistris ,  ut  si  ununi  pellas 
statim  alii  per  vices,  hoc  est,  si  laevos  pellas,  dextri;  si  dex- 
tros ,  laevi  resiliant.     Intcrpres.  loc.  (*) 

(38)  Im  Original  steht  124  J.  nach  der  Zerstörung  des  Tem- 
pels durch  Xerxes,  22  J.  vor  des  Alcxandros  Feldzug  und  356  vor 
Chr.  Geb.^  eine  Art  der  Berechnung,  die  mir  unerklärlich  ist. 

W. 

(39)  Pausan.  II.  10.  §.  4.  p.  134.  VI.  13.  §.  4.  p.  483.  VII. 
18.  §.  6.  p.  570.  (**) 


(*)  K.  O.  Müller  (im  Kunstblatt  Nr.  16.  zum  Morgcnblatt  1821.) 
übersetzt  diese  Stelle,  nach  der  Berichtigung  von  Facius  in  den 
Collcctancen  zur  Alterthumsliundc  S.  40.  also:  »Kanachos 
vorfertigte  einen  nackten  Apollon,  der  Phiieüios  heissct,  im 
Didyniiion  von  äginetischer  F.rzmischung:  und  setzte  einen 
Haben  fcorvumj  danel)en  auf  die  Weise ,  dass  ein  Faden 
unter  dessen  Füssen  durchgezogen  wurde,  an  welchem  die 
Klauen  des  Vogels  wechselnd  hafteten  und  sich  anklammer- 
ten, indem  die  Zehen  an  beiden  Füssen  so  gegliedert  waren, 
dass  sie  von  der  Berührung  eine  um  die  andere  zurück- 
sprangen.« W. 

(**)  Ji'iiickelmann  (Gesch.  d,  Kunst.  B.  IX.  Cap.  1.  §.  9.)  und 
Mejer  (Geschichte  der  biUlenden  Künste  bei  den  Griechen 
S.  273.)  linden  au  obiger  Zeitbostimmung  bei  Plinius  keinen 
Anstand.  Wie  aber  zuerst  Schovn  (Studien  der  griechischen 
Künstler.  S.   199.)  angedeutet ,  nach  ihm  Thiersch  (Epochen 


102  DRITTES   CAPITEL. 

desselben  Nachricht,  z.  B.  von'  den  auf  Rennern 
sitzenden  Knaben,  (*°)  von  den  Statuen  der  ünter- 
feldherrn  zu  Delfo^  die  mit .  Lysandros  den  i^ieg  bei 
yiegospotamö  erfochten,  (**)  von  der  Bildsäule  des 
Bjkelos,  des  ersten  Sikyom'ers,  der  im  Faustkampfe 
der  Knaben  zu  Olympia  siegte,  (*')  von  einer  Statue 
der  Afrodite  zu  Sihyon  aus  Gold  und  Elfenbein.  (") 


(40)  Die  von  Pliniiis  angefi'ilirten  pueri  celetizontes. 

(41)  Paiisan.   X.  9.    §.  4.    p.   820.     (Im    Verein   mit  Patrokles 
hatte  er  deren  zehn  aus  Erz  verfertigt.    W.) 

(42)  Pausan.  VI.  13.   §.  4.  p.  483. 

(43)  Pausan.  II.  10.  §.  4.  p.  134. 


der  bildenden  Kunst,  Abbandl.  II.  S.  43.  Anm.)  und  K.  O. 
Müller  (a.  a.  O.)  zu  beweisen  gesucht  und  endlich  Böckk 
(Corpus  Inscriptt.  Gr.  I.  p.  39)  und  Sillig  (Catalog.  Artific. 
p.l36.)  bestätigt  haben,  ist  man  durch  unvereinbare  chrono- 
logische Angaben  genöthigt,  in  der  Kunstgeschichte  einen 
älteren  und  einen  jüngeren  Kanachos  anzunehmen,  die 
beide  aus  Sikjon  und  vielleicht  Blutsverwandte  waren,  aber 
ohngefähr  ein  Jahrhundert  von  einander  lebten.  Nach  ihnen 
war 

I.  Kanachos  der  ältere  ^  ein  Sohn  des  Kleötas  ^  Bruder 
des  gleich  kunstfertigen  Aristohles  und  Zeitgenosse  des  Age- 
ladas.  Die  grösste  Blüthe  seiner  Kunst  fallt  in  die  nächste 
Zeit  nach  der  siebenzigstcn  Olympiade,  und  von  den  einem 
Kanachos  zugeschriebenen  Kunstwerken  kommen  ihm  fol- 
gende zu:  1)  Eine  Bildsäule  der  Jfrodite  im  Tempel  zu  Ko- 
rinthos.  2)  Ein  Musenpaar ,  das  er  gemeinsam  mit  seinem 
Bruder  Aristokles  ausarbeitete,  wozu  sodann  Ageladas  die 
dritte  aufstellte.  3)  Die  Bossebändiger  oder  y.(}.r^iCovxn;. 
4)  Die  Statue  des  Ismenischen  Apollon  in  einem  Tempel 
dieses  Gottes  bei  Thebä.  5)  Die  eherne  Bildsäule  des 
Apollon  Didjmüos ,  in  übermenschlicher  Grösse,  sein  vor- 
züglichstes Werk ,  das  Xerxes  Olymp.  75,  2.  (4/9  vor  Chr.) 
nach  Agbatana  in  Grossmedien  wegführte  und  erst  Seleukos 
Nikator  zurücksandte. 

II.  Der  jüngere  Kanachos  j  vielleicht  des  älteren  Enkel, 
Schüler  des  älteren  Polykleitos  von  Argos  und  Zeitgenosse 
der  oben  von  Plinius  angeführten  Naukydes,  Deinomenes 
und  Patrokles,  bliihte  um  die  fünfundneunzigste  Olympiade^ 
und  hatte  1)  die  Statue  des  Bjkelos  und  2)  von  den  vielen 
Bildsäulen ,  welche  Ljsander  nach  seinem  Olymp.  93 ,  4. 
(405  vor  Chr.)  bei  Aegospotamö  über  die  Athenische  Flotte 
erfochtenen Siege  nachDelfö  weihte,  im  Verein  mitPatrokles 
zehn  aus  Erz  gegossen.  W. 


'   DRITTES    CAPITEL.  _  103 

Er  arbeitete  ebensawohl  in  Marmor  (**)  als  in  jenen 
kostbaren  Stoffen  und  hatte  einen  Bruder  Namens 
Aristokhs ,  der  ihm  an  Ruf  nicht  weit  nachstand.  (**) 

Der  Apollon  DidymUos  oder,  wie  er  auch  zuwei- 
len bezeichnet  wird,  Philesios  war  aus  Erz  von  der 
Aeginetischen  Mischung  gegossen,  nackt  und,  wie  er 
auf  Münzen  des  Augustus  und  Caligula  dargestellt  wird, 
mit  einer  Lyra.  Daneben  wurde  auf  eine  artige 
Weise  ein  Hirsch  in  der  Schwebe  erhalten,  C^)  wel- 
ches Thier  er  auf  einer  Münze  des  Balbinus  auf  der 
einen  Hand  hält,  sowie  seinen  Tempel  auf  der  an- 
dern. {*'')  * 

Der  Apollon  Ismenios  bei  Theba ,  aus  Cedernholz 
geschnitzt,    war  ein  Werk  desselben  Kanachos  und 

(44)  Plin.  XXXYI.  p.  731. 

(45)  Pausan.  VI.  3.  %.  4.  p.  459-    VI.  9.  §•  1.  p.  472. 

(46)  Siehe  Anmerk.  37. 

(47)  Ucber  den  Styl  unserer  kolossalen  Bildsäule  und  ihre 
Aehnliclikeit  mit  dem  Gepräge  auf  Milcsischcn  Münzen  und  mit 
nachgebildeten  Statuen  in  mehren  unserer  Museen,  z.B.  in  Cassely 
vgl.  K.  O.  Müller's  Abhandlung  »lieber  den  Apollon  des  Kanachos«. 
in  dem  oben  bezeichneten  Ku nsf blatte.  Noch  genauer  spricht  sich 
dieser  kunstsinnige  Altorthumskenner  über  den  Begriff,  den  man 
sich  aus  den  Nachrichten  und  Nachbildungen  dieses  Werks  von 
demsellien  machen  könne  ,  in  seinen  »Doviernu  Abthl.  I.  S.  360. 
in  folgenden  Worten  aus :  »Der  Gott  erschien  in  männlicher  Ge- 
stalt, mit  breiter  und  starkgewölbter  Brust,  viereckig  an  Kör- 
perbau, von  torösen  Muskeln,  die  Beine  fast  säwlenähnlich  und 
von  festem  Stande,  das  linke  wenig  vorgestellt.  Die  gescheitelten 
Haare  umwindet  ein  Band,  vorn  liegen  sie  in  kleinen  drathför- 
migen  Löckchen  iibor  der  Stirn;  auf  jeder  Schulter  drei  gefloch- 
tene Zöpfe;  hinten  fallen  sie  in  einem  breiten  Busche  über  den 
Riicken.  Das  Gesicht  zeii:te  einen  den  Aeginetischen  verwandten 
-Typus.  Die  rechte,  gerade  vorgestreckte  Hand  trug  ein  Hirsch- 
'kalb,     die   linke   mehr  gesenkte   einen   Bogen.     Der   Eindruck  des 

Ganzen  konnte  kaum  anders  als  ernst  und  streng  sein,  und  musste 
mehr  Hoheit  und  Würde  als  Anmuth  und  Lieblichkeit  wieder- 
geben.« W. 


104  DRITTES   CAPITEL. 

glich  dem  zu  Didymö  so  sehr,  dass  es,  nach  des  Pau- 
sanias  Bemerkung,  keines  besonderen  Kennerblicks 
bedurfte,  um,  wenn  man  das  eine  von  beiden  Bil- 
dern gesehen  und  den  Namen  des  Meisters  vernom- 
men hatte,  zu  errathen,  von  wem  das  andre  verfer- 
tigt worden  war.  (**) 

Mit  welcher  Pracht  und  mit  welchem  bewunde- 
rungswürdigen Geiste  das  neue  Gebäude  angelegt 
wurde,  lässt  sich  noch  einigermassen  aus  den  vor- 
handnen  üeberresten  abnehmen.  Strabon  nannte  es 
iden  gross ten  aller  Tempeln  und  fügt  hinzu,  er  sei  we- 
gen seiner  Grösse  ohne  Dach  geblieben;  Pausanias 
beschreibt  ihn  als  unvollendet,  aber  als  ^ eines  der 
Wunderwerke  loniens,  und  Vitruvius  zählt  ihn  j  unter 
den  vier  Tempeln  auf,  welche  ihre  Baumeister  auf 
den  Gipfel  des  Ruhms  erhoben  hätten.  (*^) 

Es  ist  beachtenswerth,  dass  die  Nähe  einer  Quelle 
für  ein  nolhwendiges  Erforderniss  bei  den  Orakel- 
sitzen des  Apollon  galt;  blieb  dieselbe  aus,  so  glaubte 
man,  es  verlasse  auch,  der  Gott  den  Wohnsitz.  Auf 
diese  Bedingung  berief  er  sich  daher  auch  in  einer 
Antwort,  die  er  über  das  Verstummen  der  Orakel 
ertheilte,  (*°)  indem  er  erklärte,  auf  das  Geheiss  der 


(48)  Pausan.  IT.   10.  §.  4.  p.  134.     IX.  10.  §.  2.  p.  730. 

(49)  Strab.  XIV.  p.  634.    Pausan.  VII.  5.  §.  2.  p.  533.    Vitruv. 
Praef.  Lib.  VII.  §.  16. 

(50)  Utgl  taiv  ly.i.sXoinoTwv  xQflO'tflQfotv  f^g^aiv  avroq  o'AnöXkwv' 
'Afiqit  di  Hv&o)  ol  (1.  not)  Kkagftjv   {rt  omittend.)  fiavitv- 

fiaxa  'Polßov 
AvSr^au  (fänq  '^fier^Qf]  &f/niT(ö$eai.v  o/t<paiq- 
Muglu  fih'  yaltfi  fiavTijia  &^axfXu  voiro) 
£ßXva&t} ,  jitjyal  re  y.at  aaS-ftaru  SiVTjfvra' 
Kai  T«  fih  a^  )^&oviot,ai.v  vnal  xökTtoiaiv  ?SexTO    ~ 
Avrri  yaia  /avovaa'  tk  6  wkeat  f/vgio<;  ulwv. 
Movvo)  d     IliXlm  q>afaif{ßgÖT<o  tlair   faaiv 
Ev  /iidvfiO)v  yvüXoiq  MvxaX-ijtov  fv&iov  vömg, 


DRITTES   CAPITEL.  105 

Götter  seien  unzählige  Orakelquellen  aus  der  Erde 
hervorgebrochen,  fiiessende  Wasser  sowohl  als  wir- 
belnde Dämpfe;  einige  habe  die  klafFende  Erde  in 
ihren  Schoos  wieder  aufgenommen,  andre  seien  ver- 
siegt durch  die  Länge  der  Zeit,  aber  noch  immer 
erfreue  sich  Apollon  des  begeisternden  Wassers  vom 
Mykale  in  der  Thalgegend  von  Didymö ,  und  der 
Quellen  zu  Delfö  und  KUros,  (**) 

Von  den  drei  Quellen,  die  sich,  wie  bemerkt, 
als  ein  unversiegter  Besitz  des  Gottes  'erhielten,  ist 
die  Kastalische  so  oft  besungen  und  besprochen  wor- 
den, dass  ihre  ausserordentlichen  Eigenschaften  wohl 
als  bekannt  angenommen  werden  dürfen.  Die  Kla- 
rische scheint  mit  ihr  gewetteifert  und  gleichen  An- 
spruch auf  poetische  Begeisterung  gemacht  zu  haben, 
war  indessen  in  der  Mittheilung  weniger  freigebig, 
indem  nur  der  Priester  dieselbe  empfangen  konnte. 
Dieser  war  zwar  gewöhnlich  ein  ungebildeter  Mann 
und  des  Versmaasses  unkundig,  sprach  aber  doch, 
wenn  er  nur  die  Zahl  und  die  Namen  der  Fragenden 
vernommen  und  in  der  Höhle  aus  der  verborgnen 
Quelle  getrunken  hatte,  Antworten  in  Versen  über 
die  Gegenstände  aus,  über  welche  die  Fremdlinge 
den  Gott  in  ihren  Gedanken  befragt  hatten.  Er  wurde 
nur  aus  gewissen  Familien  gewählt  und  meistens  aus 
Miletos. 


Uv&öJvöi  t    orte  iii^av  vrtal  Jlagvaaatov  alnoi 
Kai  xQavari  KXaqlii,  rgTjxv  atöfia  (poißüSoq  o/tijo^c. 

Euscb.  Pracp.  Evang.  L.  V.  c.  16. 

(51)  Daher  werden  diese  drei  Orakclsitze  zujamincn,     als  aus- 
{jczriclmet    durch    die    häulige   Gegenwart    des    Gottes,     von   dem 
Gcogiafcii   Dioiiysios  Periegetes  v.  441  iF.  angeführt: 
Toj  TtuQu  Ilv&mv o(i  &V01V  ndSov  —  — 
—        —  —  ro&i  noX)Mxi'(;  ovto?  AnölXwv, 

'//  itno  MtXfJTOv ,  rj  ?x  KkvcQov  apr»  ßtßri*o><i, 
'latü/iivof  XQvatrfi  araXiiiTai  uftfut  <puQ^v^^. 


106  DRITTES   CAPITEL. 

Aus  den  oben  beschriebenen  Gebräuchen,  die 
bei  den  Branchiden  der  wirklichen  Weissagung  vor- 
ausgingen, ersieht  man,  dass  man  sich  hier  des  Was- 
sers auf  eine  verschiedne  Weise  bediente,  wiewohl 
zu  demselben  Zwecke.  Wenn  auch  der  Prolet  nicht 
von  dem  Wasser  trank,  so  glaubte  man  doch  dessen 
göttliche  Begeisterung  von  der  sogenannten  Mykalei- 
schen  Quelle  herleiten  zu  müssen,  die  vielleicht  ihren 
Ursprung  auf  dem  Berge  Mykale  haben  sollte,  sowie 
bei  dem  Hafen  Panormos  den  Branchiden  gegenüber, 
nach  des  Päusanias  Angabe,  ein  Wasser  hervorquoll, 
das  auf  dem  Mykale  entsprungen,  gleich  dem  Alfeios, 
durch  das  dazwischen  liegende  Meer  geflossen  war.  (") 
Denn  nachdem  der  Geschichtschreiber  Ä^a///5//(e«e5  er- 
zählt hat,  dass  der  Profet  des  Zeus  Amnion  dem  Kö- 
nig Alexandros  die  Antwort,  dass  er  des  Zeus  Sohn 
sei,  ganz  gegen  das  Herkommen,  in  Worten  gegeben 
habe,  so  versichert  er,  Apollon  habe  das  Orakel  der 
Branchiden  verlassen  und  die  Quelle  sei  ausgeblie- 
ben, seitdem  Xerxes  den  Tempel  geplündert;  damals 
aber  sei  sie  von  neuem  erschienen  und  Milesische 
Gesandte  hätten  viele  Weissagungen  nach  Mernfis  ge- 
bracht von  der  göttlichen  Geburt  des  Alexandros, 
seinem  künftigen  Siege  bei  Arbela ,  dem  Tode  des 
Dareios  und  anderen  grossen  Ereignissen  der  Zu- 
kunft. (") 

(52)  Paiisan.  V.  7.  §.  3.   p.  39t. 

(53)  Oux  oji;7Tfg  iv  /Ifk(f6iq  Kul  BqaYX^^oiii;  t«?  «jio&eanlafii;  Siu 
Xoyo)v y  «AA«  vii'i/Liuai  xal  avfißoXoiq  %o  nl^ov.  —  TfQoc;T(jt(yo)dH  öh 
TOUTOt;  o  KaXXia d-fVTji; ,  ort  tou  AnoD.ojrot;  xo  iv  Bgity^fäun;  fiuv - 
tfiov  ixXiXomÖTO^,  i^  otov  to  iegov  vno  vutv  Bgay/J^'»'''  OfavXriTO  inl 
AtQ%ov  nfQOiauvTwv ,  ixXiXomvtuq  6i  xul  t»;;  x^tji'^j?,  tote  rj  tt  xQ^ifri 
avuayoi  y.ul  fxuvtiiu  noXXu  oi  Mü.riatwv  ng^aßfiq  ....  y.ojua&ivxf^ 
«1?  Mt/ncpiv  nf{jt  T^i;  ix  /tioq  ytr^aiox;  tou  AXt^urdgov ,  xal  Tt;s  iao- 
fiivvfi  negl  "AgßtjXa  vixTjq  xal  tou  /juqdov  &uvutov  x.  t.  X.  Strabo. 
XVII.  p.  8l4.   Et  fons  defecisset;  et  hunc  tum  denuo  scaturiisse  et 


DRITTES  CAPITEL.  107 

Der  kritische  Strabon  nennt  diese  Erzählung 
poelisch  übertrieben  und  in  der  That  muss  man  fra- 
gen, wie  die  Milesier,  wenn  ihr  Orakel  damals  Kunde 
von  der  künftigen  Grösse  des  Alexandros  hatte,  so 
unaufmerksam  auf  dasselbe,  so  irreligiös,  oder  so 
übel  beralhen  sein  konnten,  um  eben  diesem  Alexaiu. 
dros,  welchem  die  übrigen  Städte  loniens  ihre  Thore 
geöffnet  hatten,  den  Einzug  in  ihre  Stadt  mit  Gewalt 
zu  verwehren,  (**)  seine  Flotte  heransegeln  und  die 
Makedonier  die  Sturmmaschinen  anlegen  zu  lassen? 
Jetzt  erst,  als  ein  Theil  ihrer  Mauern  einstürzte,  ver- 
suchten sie  theils  auf  Kähnen,  theils  auf  ihren  Schil- 
den auf  eine  der  Inseln  zu  entkommen,  die  vor  ih- 
rer Stadt  lagen.  (**)  Sie  wurden  aber  an  dem  Eingang 
des  Hafens  aufgefangen  und  nur  dreihundert  erreich- 
ten ihr  Ziel.  Um  diese  zurückzubringen,  sandte 
Alexandros  Schilfe  aus,  auf  deren  Vordertheilen 
Leitern  angebracht  waren,  damit  die  Soldaten  die 
schroffe  Küste  der  Insel  hinansteigen  könnten.  Als 
er  aber  erfuhr,  dass  die  Griechischen  Söldner,  welche 
die  Mehrzahl  der  Entkommenen  ausmachten,  sich, 
bis  zum  letzten  Blutstropfen  zu  vertheidigen  bereit 
seien,  verschonte  er  sie,  um  ihrer  Tapferkeit  und 
Treue  willen,  und  nahm  sie  in  sein  Heer  auf.  (*®) 

Die  mit  dem  Xerxes  entflohenen  Branchiden 
hatten  die  Erlaubniss  erhalten,  sich  unter  den  Bak- 
triern  in  einer  Gegend  niederzulassen ,  wo  sie  fern 
von  Griechenland  keine  Strafe  fürchten  zu  müssen 
glaubten.  (")    Sie  umgaben  ihre  neue  Stadt  mit  Mauern 

Milesioriim  legatos  Memphim  profectos  multa  responsa  attuliüse.  — 
(Intci'pros.) 

(54)  .^Irabo.  XIV.  p.  635. 

(55)  Sinl.e  Taf.  I.  zu  Cap.  II.  und  oben  S.  61  f. 

(56)  Frcinshcniii  Supplement,  in  bist.  Curtii.  Lib.  II.  Cap.  VII. 
s.  17  sqq. 

(57)  Strabo.  XL  p.  518 


108  DRITTES   CAPITEL. 

und  hiessen  sie  nach  ihrem  Namen  BQayxi8ai.  Alexan- 
dres, der  mit  fast  unglaublicher  Schnelligkeit  alle 
Hindernisse  auf  seinem  Zuge  überwand,  erschien 
vor  ihren  Thoren  fühf  Jahre  nach  der  Einnahme  von 
Miletos.  (*")  Ihre  Nachkommen  hielten  noch  an  den 
vaterländischen  Sitten,  redeten  aber  eine  gemischte 
Sprache,  indem  sie  im  Ganzen  die  Redeweise  ihrer 
Väter  fortgepflanzt,  aber  sich  doch  auch  sehr  viele 
Ausdrücke  des  Volks,  unter  dem  sie  jetzt  wohnten, 
angeeignet  hatten.  Sie  empfingen  den  König  mit 
Freude  und  unterwarfen  ihm  ihre  Stadt  und  sich 
selbst.  Alexandros  kannte  den  alten  Hass  der  Mile- 
sier  gegen  die  Branchiden,  versammelte  darum  die 
Milesier,  die  in  seinem  Heere  dienten,  und  legte  das 
Schicksal  der  Stadt  in  ihre  Hände,  je  nachdem  sie 
lieber  des  alten  Vergehens  der  Branchiden,  oder 
ihres  gemeinsamen  Ursprungs  eingedenk  sein  woll- 
ten. Als  sie  versohiedner  Meinung  waren,  behielt 
sich  der  König  die  Entscheidung  vor.  Am  folgenden 
Tage  begaben  sich  Abgeordnete  der  Branchiden  zu 
ihm;  er  befahl  ihnen,  ihm  zu  folgen  ,  zog  mit  einer 
Schaar  leichter  Truppen  in  ihre  Stadt  ein  und  beor- 
derte seine  Schwerbewaffneten  die  Stadtmauern  zu 
umringen  und  auf  ein  gegebenes  Zeichen  diesen  Zu- 
fluchtsort der  Verräther  zu  plündern,  sie  selbst  alle 
niederzuhauen.  Sein  Befehl  wird  vollzogen;  wehr- 
los werden  sie  gemordet,  ihrer  gleichen  Sprache, 
ihrer  Bitten  und  Flehen  achtet  man  nicht.  Verwü- 
stet werden  die  heiligen  Haine,  aufgerissen  die  Grund- 
mauern der  Stadt  und  die  letzten  Spuren  vertilgt,  so 
dass  jene  Stätte  in  eine  nackte  Wüste  und  unfrucht- 
bare Einöde  verwandelt  wurde.  (*®)   Selbst  die  wärm- 

(58)  In  seinem  28.  Lebens-  und  2.  Regicrungsjahre;     vor  Chr. 
,Gcb.  328. 

(59)  CiirMus   VII,   5.    lelian.    Fragm.   p.   790.   ed.    1685.    und 
Suidas  unter  dem  Wort :    B^uy;^Cdai. 


DRITTES   CAPITEL.  109 

sten  Vertheidiger  haben  diese  Härte  nicht  rechtferti- 
gen können,  da  diese  nicht  die  wirklichen  Verbre- 
cher, sondern  ihre  schuldlosen  Nachkommen  traf, 
die  Miletos  nicht  gesehen  und  noch  weniger  die  Tem- 
pelschätze an  Xerxes  veri'athen  hatten.  {^) 

Nach  der  Flucht  der  Branchiden  scheint  dieThä- 
tigkeit  des  Orakels  nur  so  lange  Zeit  unterbrochen 
worden  zu  sein,  als  dazu  erfordert  wurde,  das  Tem- 
pelgebäude wieder  soweit  in  den  früheren  Stand  zu 
setzen,  dass  die  neuen  Vorsteher  die  heiligen  Ge- 
bräuche gehörig  verrichten  konnten.  Diese  Erneue- 
rungdes  Orakels  fand  Statt,  ehe  Alexandros  Besitz 
•von  Miletos  nahm,  denn  damals  sollte  Seleukos  Nika- 
tor j,  ein  Krieger  im  Makedonischen  Heere,  dann  un- 

(60)  Plutarch.  p.  557.  Tom.  II.  Edit.  Paris.  (De  sera  numinis 
vindicta  Cap.  XII.  Vol.  IV.  p.  244.  ed.  Hütten.) 

Den  von  JVesseling  zu  Herodot.  VI,  19.  und  von  Ciavier j 
Memoire  siir  les  oraclcs  des  ancicns  p.  I31ff.,  vorgebrachten  Grün- 
den, dass  das  ganze  von  Strabon,  Aelianos,  Suidas,  Gurtius  und 
dem  Verfasser  der  pseudopliitarchischen  Schrift  de  scra  n.  v.  er- 
wälinte  Factum  eine  durch  Kallisthenes  veranlasste  Dichtung  sei, 
räumt  Müller  im  Kunstblatt  N.  l6.  soviel  ein,  dass  die  Ansiede- 
lung der  Branchiden  in  Baktriana  eine  Fabel  sein  könne  j  von  den 
Geschichtschreibcrn  des  Alexandros  ersonnen,  um  eine  Gransamkc't 
gegen  ein  Baktriaoisches  Volk  zu  entschuldigen.  Mir  scheinen 
jedoch  jepe  Zweifelsgriinde  nicht  So  gewichtig  und  unwiderleglich, 
lun  alle  jene  Schriftsteller  für  Täuschende  oder  Getäuschte  zu  hal- 
ten. Noch  weit  mchi  entfernt  sich  aber  Hr.  Ciavier  von  einer 
besonnenen  Kritik ,  wenn  er  die  oben  S.  97.  besprochene  Angabe, 
dass  tler  Tempel  zu  Didymö  durch  Xerxes  geplimdcrt  und  ange- 
ziindct  worden  sei ,  wegen  des  Stillschweigens  des  Herodotos  fiir 
ganz  unglaubwürdig  erklärt.  Wäre  es  im  Gegenthcil  nicht  auffal- 
lend, wenn  die  Milesier,  denen  die  umliegenden  Berge  Baumaterial 
und  Marmor  in  Menge  boten,  in  einem  Zeitraum  von  fast  zwanzig 
Jahren  ,  die  zwischen  dem  Brande  durch  Dareios  und  dem  Zuge 
des  Xerxes  liegen ,  das  ihnen  unermesslichcn  Kcichthum  vcrspre- 
chemlc  Orakelgcbäudc  nicht  wieder  hergestellt  oder  aufgebaut 
hätten  ?  W. 


110        .  DRITTES   CAPITEL. 

ter  Perdikkas  Anführer  der  adligen  Reiterei  (")  und 
später  einer  der  mächtigsten  Nachfolger  des  Alexan- 
dres, begierig  sein  künftiges  Schicksal  zu  erfahren, 
das  Orakel  wegen  seiner  Rückkehr  befragt  und  fol- 
gende Antwort  erhalten  haben: 

Mrj  OTiivö'  EvQ  (jaiti^v,     Adii]    toi  itoWov 

äfj,€ll'  CUV. 

JSicht  nach  Europa  gestrebt!    da  Asien  weit  mehr 

dir  frommet. 

Als  derselbe  sodann  wegen  seines  Todes  fragte,  soll 
ihm  folgender  Spruch  ertheilt  worden  sein: 

'Agyog  dksv 6ij,£vo g    t6    7t€7tQ(o fzsvov   €tg 

€Tog  Tj^eig' 
El  ö'  'Aq^el   7t ey^döatgy    tote  y.ev   ita^a 

^oiQav  oXoio. 
PFenn  du  kein  Argos  berührst  j  so  erreichst  du  das 

Jahr  der  Bestimmung  ; 
TVenn  einem  Argos  du  nahest,  so  stirbst  du  gewahr 

Samen  Todes. 

Ob  dieser  letzten  Antwort  forschte  er  sorgsam  nach 
allen  Orten,  die  Argos  hiessen,  und  hütete  sich  eins 
zu  betreten;  Der  erste  Spruch  schien  sich  als  w^ahr 
zu  bestätigen  durch  die  hohe  Stellung,  die  Seleukos 
in  Asien  einnahm,  und  der  letzte  ging  in  Erfüllung 
durch  seine  Todesart.  Denn  als  er  in  seinem  drei- 
undsiebenzigsten  Lebensjahre,  im  zweiundvierzigsten 
Jahre  seiner  Regierung  nach  Europa  übersetzte,  w^urde 
er  nicht  fern  von  der  Stadt  Lysimachia  auf  der  Thra- 
kischen  Chersonesos,  in  deren  Nähe  ein  Altar  stand, 
den  die  Landesbewohner  Argos  hiessen,  von  Ptole- 
mäos  Keraunos  überfallen  und  ermordet.  (*^)     Als  ße- 

(61)  Diodor.  XVII I.  3.  p.  259.  ed.  Wesseling.  W. 

(62)  Im  J.  282  vor  Chr.  Appian.  Syriac.  p.  198,  207,  208. 
edit.  Amstelüdam.  1670.  (p.  123,  129.  ed.  Henr.  Steph.  Vgl.  Dio- 
dor. XIX.  c.  90.  p.  387.) 


DRITTES   CAPITEL.  111 

weis  seiner  gerühmten  Gottesfui'cht  und  Achtung 
gegen  den  Tempel  der  Branchiden  kann  dies  gelten, 
dass  er  die  eherne  zu  des  Xerxes  Zeit  nach  Jgbatana 
in  öledien  weggeführte  Bildsäule  des  Gottes  wieder 
zurücksandte.  (")      i  ^ 

Die  zwei  Könige  und  Brüder  Schukos  II, ,  Kalli- 
nikos  \xn6.  Antiochos  Hierax  zeigten  gleiche  Verehrung 
gegen  Apollon  xind  gleiche  Freigebigkeit  gegen  unse- 
ren Tempel,  wie  eine  interessante  Urkunde  bezeugt, 
welche  der  Consul  Sherard  an  Ort  und  Stelle  im  Jahr 
1709  und  abermals^  im  Jahr  1716  abgeschrieben  und 
Chishull  öffentlich  mitgetheilt  hat.  (®*) 

Auf  der  Nordseite  des  Tempels  fand  man  näm- 
lich unter  einer  Hütte  ein  viereckiges  Stück  jMarmor, 
worauf  ein  Brief  des  Königs  Seleukos  an  die  Milesier 
nebst  einem  Verzeichniss  der  mit  dem  Schreiben  ab- 
gesandten königlichen  Geschenke  eingegraben  war. 
Der  Werth  der  goldnen  und  silbernen  Becher,  Scha- 
len und  Gerälhe  von  verschiedner  Grösse  und  Benen- 
nung übersteigt  den  von  dreizehnhundert  und  fünf- 
zig Pfund  Sterling,  ohne  weder  das  kostbare  Räu- 
cherwerk und  die  theueren  Salben  zu  rechnen,  deren 
Werth  sich  nicht  mehr  schätzen  lässt,  noch  die  zwölf 
Altäre,  die  er  sammt  tausend  Opferthieren  weihte. 
Die  Veranlassung  zu  dieser  Freigebigkeit  war  die 
unerwartete  Rettung  des  Seleukos,  den  man  im  Kriege 
umgekommen  glaubte,  und  der  Abschluss  eines  Frie- 
dens auf  zehn  Jahre  zwischen  ihnen  und  dem  Ptole- 
müos  Euergetes,  (") 

Ebenso  gedachte  auch  ihr  Feldherr  Deodamas, 
als  er  die  Gränzen  der  Sogdianen  überschritt,  da  wo 


(63)  Pausan.  I.  16.  §.  3.  p.  39. 

(64)  Antiqiiitatt.  Asiat,  p.  65  sqq. 

(65)  Im  Jahr  243  vor  Chr.    (Vcrgl.  lustin. \XVII,  2.  Plutarch. 
de  frat.  anior.  p.  lu.  489.     Apophtbegmatt.  p.  184.) 


112  DRITTES    CAPITEL. 

Alexandros  eine  dritte  Stadt  gegründet  und  nach  sei- 
nem Namen  benannt  hatte  und  Altäre  von  Bakchos, 
Herakles j  von  der  Scmiramis  und  von  Kyros  als  Denk- 
male ihrer  weiten  Züge  errichtet  vraren ,  hier  in  so 
weiter  Ferne  gedachte  er  der  besonders  verehrten 
Gottheit  seiner  Herrn  und  errichtete  auf  der  Gränze 
des  Persischen  und  Skythischen  Reiches  seine  Altäre 
dem  Apollon  Didymäos.  (^^) 

Zu  den  Wohlthätern,  die  in  einer  andern  In- 
schrift erwähnt  werden,  gehört  Prusias  III.,  mit  dem 
Beinamen  Kynegos ,  der  Jäger ,  König  von  Bithynien, 
der  gewisse  Ersllingsgaben  weihte,  und  zwar,  wie 
der  gelehrte  Chishull  vermuthet,  wahrscheinlich  aus 
der  Attalischen  Beute.  (^')  Der  köhigliche  Räuber, 
der  bei  der  Plünderung  von  Pergamon  das  Bild  des 
Asklepios  auf  seinen  eignen  Schultern  weggeschleppt 
hatte,  hoffte  wohl  durch  die  Freigebigkeit,  die  er 
hier  gegen  Apollon  bewies^  seinen  Frevel  an  den 
Göttern  zu  sühnen.  Der  Hülfe  dieses  Apollon,  wel- 
cher der  König  zum  grossen  Theil  seine  Macht  zu 
danken  hatte,  und  der  Verehrung,  welche  sein  Nach- 
folger dieser  gütigen  Gottheit  bewies,  gedenkt  auch 
der  Chier  Skymnos  in  einigen  Versen,  die  an  den  Kö- 
nigssohn Nikomedes  gerichtet  sind.  (^^) 

Von  solcher  Art  waren  die  Weihgeschenke  alter 
Kunst,  mit  welchen  unser  Tempel,  der  Meldung  des 
Strabon  zufolge,  reich  ausgestattet  war.  (^^) 

(66)  Solinus,     Mem.  Asiae,     pag.   104.    (Polvhist.    Cap.  XLIX. 
5    3— 6.  p.  257  sq.    ed.  Gocz.) 

(67)  Im  Jahr  156  vor  Chr.     Chisli.  Ant.  Asiatt.  p.  94. 

(68)  V.  55:    ^to  y.al  ty  nqo&iaii.,  avfißovXov  inikf^üfiTiv 

Tov  avyxuTogd-ojouvxa  xut  tw  orq>  nuTQt 

Ta  TTjq  ßaaiXtlai;  tiqotiqov  ,  w;  unouofiev,  , 

IJaqa,  aoC  te,  ßuaiXtu ,  yvrfltox;  Tiftonfiivov 

Kaxu  nävvu'    Tov  'AnoXlava  tov  iv  ZItövfxoK;  kiyw, 

Tov  y.al  &f/xiaTivovra,  xal  fxovarjytTriv. 

(69)  XIV.  p.  634. 


DRITTES   CAPITEL.  113 

Alis  obigen  Proben  lässt  sich  schliessen,  dass 
alle  neuen  dem  Tempelschatz  gemachten  Geschenke, 
welche  wie  das  Orakel  selbst  gesonderte  Zellen  ein- 
nah men,(^")  jahrlich  auf  Mar  mortaleln  verzeichnet  wnr- 
den.  .Wiewohl  nun  solche  Urkunden  einem  harten  !Ma- 
teriale  anvertraut  wurden,  so  ist  es  uns  leider  doch 
bisher  noch  nicht  geglückt ,  ein  ganzes  und  lesbares 
Verzeichniss  aufzufinden.  JMan  holfte,  die  bereits 
miljieth eilten  literarischen Ueberreste durch  Abschrif- 
ten  anderer  Stücke  vervollständigen  zu  können,  es 
fanden  sich  aber  nach  genauer  Nachsuchung  in  den 
Trümmern  und  dem  Schulte,  welche  die  Stelle  des 
Tempels  weithin  bedecken,  nur  einige  Bruchstücke, 
die  zu  unvollständig  sind,  um  hier  angeführt  zu  wer- 
den. Wir  wollen  nur  der  kurzen  Inschrift  ffedenken. 
die  man  auf  der  zweiten  Vignettentafel  Fig.  3  sieht, 
einer  anderen  mit  dem  einzelnen  Worte  31JSHE0Ii 
und  jetzt  eine  dritte  mittheilen,  welche  in  grossen 
und  deutlichen  Zü"en  auf  einem  viereckigen  Stücke 
geäderten  IMarmors  steht,  das  in  der  Nähe  des  Tem- 
pels in  die  flauer  einer  halh  zerstörten  IMoschee  ein- 
gefügt ist.  Sie  wurde,  wie  die  zwei  von  Priene  und 
Teos  oben  milgetheilten  ,  von  Herrn  Pf^ood  und  auch 
von  dem  Consul  S/ierard nhgeschriehen  und  sollte  von 
Chishiill  in  den  zweiten  Theil  seiner  Asiatischen  Al- 
terthümer  aufgenommen  werden.  ('') 

nP  001/ TIIIAMAKAIK'^  •= 

TAPxmMAPKO  ro  YAniO  Y 

BIANO  YAAMA  YOIKYPEIIS 

(70)  Sti  aho.  a.  a.  O. :  «AAoi  üi  ar,y.ol  xo  ftuvrilov  y.cd  ru  Uptt 
avvt'xovoiv. 

(71)  Aiili(|iiitnlt.  Asiat,  j).  93.  Die  in  seiner  Voriode  erwähute 
Abschiift  ilicscr  Iiisciiiirtoa  l)efin<Jct  sich  jct/.t  in  dein  Biitischcu 
Miisciun,  N.  7509.  Haileian.  Catal.  Die  besprochene  Inschiiil  fin- 
det sich  auf  S.  62  des  Mannscripts. 

Ion.  Alt.  8 


114  DRITTES     CAUTEL. 

BIAIS  OSOIAEAIAAB^NUAPA 
THIIIATPIA  Ol  THlSnP  0(DHTE 
ANAKAHPQTEIETQIS^NEIK''-'  IIT 
S2NI TE0ANH0  OP  OIP  YMNAIJAPXO  * 
nATEPQNPENO  YINA  YAPXQNKAIKI 
T^NnATPOI0A'AAMAMHTPOIAE0A 
BIAlSHIPAAd)  YPAlAPXIEP^]SrS2NlE 
BAI  T^JSnOlHIANTQNSEQPJAIEnif 
MEPAIAEKAKAIMONOMAXIAIAU  O  TI 
MO  YIEniHMEPAIAEKAA  YOKAIAPXIEP 
QNTHII^NIAinOlHIANT^NAEKAIE 
:<  •=  •=  SEIIKAIAHMO  O  OINIAIKAIT  YMN 
AOIEIIJ') 

Diesen  neu  aufgefundenen  Inschriften  verdanken 
wir,  ausser  andern  interessanten  Notizen,  Alles  was 
wir  von  den  obersten  bei  der  Brtheilung  der  Orakel 
beschäftigten  Beamten  wissen.  Unter  ihnen  war  der 
Stefancforos  der  oberste  Priester,  der  also  benannt 
wurde,  weil  er  bei  seiner  Amtsverrichtung  eine 
Krone  trug.  ('^)    Uer  Profet  verkündete  die  Antwor- 

(72)  JlgocprjTrit;  a/.ia  y.ai  y-(Q'^) 

TUQxrj?  MaQKOV   Ovlniov  ('Pia-) 

ßtUVOV   /lu/XU   VOq   KVQHV   («    fPlu-) 

ßmvot;  fl'i/.suq  }.ußüjv  nuga 

Tr,q  TiUTQidoq  tt^v  7tQocprje(i-) 

UV  ayJ.r^(iO}X(v ,  exoiv  mv  ity.{o)at  i(^*-  vel  rfTT«^-) 

o)V  aTi(puvr,<poQO(; ,  ^■Vfivuaiagxo(<;,) 

narfoojv  -/erovq  vavug/on'  y.cti  «(^t-) 

Töjv'  Tiuronq   'PX.   /la/iia ,  f.irjigoq  Se  <P(Aa-) 

ßMvrjq  D.uqiVQuq  uo/ugtojv  twv  2'e- 

ßuaTOJV  TioirjaavTOJV  ^fujoucq  eni  (tj-) 

/^fQuq  öixu,   y.ca  /iioi'Ofiu;(iuq  utioti- 

ftovq  ent  T^i^tfqaq  öty.u  öuo'  y.ut  UQ'/ifq^e-) 

(ov  'crq  Iwvtaq  noir^auvxojv  de   y.ca  t 
Olli;  y.ut  6r,i.iQ0oiviuq  y.ui  yufiv 

(txov  uyo}va. 
(73)  Potter,  V.  1.  p.  206,403.  (Uebers.  v.  Rambach  ThI.  I.  S.  642.) 


DRITTES    CAPITEL.  115 

ten  des  (Jäkels  ('*)  und  wurde  gewöhnlich  durchs 
Loos  erwählt,  also  durch  eine  Art  göttlicher  Ent- 
scheidung, welche  die  Priester  aber,  wie  man  an- 
nimmt, nach  Willkühr  lenken  und  deuten  konnten. 
Zuweilen  entfernte  ausgezeichnetes  Verdienst  oder 
besonderer  Kinfluss  alle  Mitbewerber,  wie  dies  die 
obio'e  Inschrift  von  Flabianos  Fileas  angibt  und  eine 
andere  von  Poseidonios ,  den  sich  der  Gott  selbst  zum 
Profeten  erkor,  nachdem  ihn  die  Loose  dreimal  zur 
Würde  des  Stefaneforos  erhoben  hatten.  Diese  In- 
schrift ist  in  sprossen  Zii"en  auf  einen  Marmor  einsfe- 
graben,  der  in  die  Mauer  eines  halb  zerstörten  Hau- 
ses an  einem  Türkischen  ßegräbnissplatz  bei  Aliletos 
einffefüiit  ist. 

E  riEBEI  TKAHP  OIIU  OlEIAQNIE 

TPn^EAAXOlSTA 
J-  •=  KOMAIENAIA  VMOISI TEM 

MAIINA&ANAT012 
TOIOIS  ONAUOAAQNSEnP  O^HTIIN 

ninAiATAvros 

AHMMAKPUINMH  TP  Ol  TE  YIEBIHIS 

AIKAIAS 
O  YKAEOI O  YAAIQNEniAHSETAl 

ANAPATAPEIAEIS 
•=  S^NnPIJSAEITO  YPrS2]SO  YAENIAEI 

nOMENOJS  {'') 

(74)  P.  277. 

(75)  Evofßiai,  y.h^QOK;,  IToaitScovit, 

/l{f)Qy.ofii(i,  tv  ^iSvfiotf  aTtf*" 

fiUQtv  uO-M'uxok; 
Toiov ,  ov  AnoXkuv  ot  ;Tpo(p»;Tijv 

tjaiuauv    «i/io?, 
Af^fifiu,  xQiaiv,  ftrjQot  t*  ivaißiriv 
dixuaa^ ' 


116  DRITTES   CAPITEL. 

Den  Vorstehern  und  Beisitzern  war  die  Bewahrung 
der  heiligen  Schatze,  die  Sorge  für  den  Tempel  und 
seine  Heiligkeit  anvertraut,  und  ihr  Amt  forderte  fast 
beständig  ihre  Anwesenheit.  Die  letzteren  nahmen 
auch  Rechtsfragen,  wahrscheinlich  über  das  Vorrecht 
zu  opfern  und  die  Gottheit  vor  Anderen  zu  befra- 
gen, an  und  entschieden  darüber.  Diese  Jurisdiction 
galt  für  nicht  unbedeutend  und  wird  oft  in  Inschrif- 
ten unter  Gunstbezeigungen  und  Khrenstellen  er- 
wähnt, die  man  bei  besonderen  Gelegenheiten  Jeman- 
den als  eine  Belohnung  ausgezeichneten  Verdienstes 
übertragen  habe.  Von  dieser  richterlichen  Gewalt 
wurden  sie  selbst  JluQed q  oi  oder  Beisitzer  des  Apol- 
lon  genannt.  Dass  dies  die  Natur  dieses  Amtes  war, 
ersieht  man  aus  der  Nachricht,  die  Strabon  (^®)  von 
dem  Rath  der  Amfiklyonen  zu  Delfö  gibt.  Die  Zahl  der 
Vorsteher  und  Beisitzer,  die  gewöhnlich  in  dem 
Eingang  der  Inschriften  angegeben  wird,  ist  zwei; 
in  einer  Inschrift  findet  man  nur  Einen  angeführt, 
vielleicht  weil  dessen  Amtsgenosse  gestorben  war; 
in  einer  andern  werden  nur  die  Vorsteher  und  der 
Stefaneforos  genannt  und  zwar  der  Zahl  nach  sechs. 

Ausser  diesen,  dem  Dichter  und  einigen  andern 
Beamten,  von  denen  wir  nur  sehr  unvollständige 
Kenntniss  haben,  waren  beständig  mehre  Personen 
von  niederem  Range  im  Dienste  des  Tempels  be- 
schäftigt. Der  Hydroforos  oder  Pf^asser träger  wird 
in  einem  Fragment  genannt,  das  wir  abgeschrieben 
haben.  Alle  diese  nebst  den  Leuten,  welche  die 
Lebensmittel,    den  Weihrauch  und  andere  Bedürf- 

Ou  xAfos  ov8     airnv   iTiilrjaevui- 

avÖQa  ^UQ  eü.sv 
(Tywv  TiQiv  liiTOVQycüv  ovöevt.  Aei- 
nofltvov. 

(76)  Strabo    IX.  p.  419- 


DRITTES    CAPITEL.  117 

nisse  zum  Leben  und  Gottesdienst  lieferten,  hatten 
sich  mit  ihren  Familien  hier  niedergelassen  und  bil- 
deten innerhalb  des  Tempelraunis  ein  Dorf,  (")  das 
durch  den  Zusammenfluss  der  gläubigen  Fragenden 
und  noch  mehr,  wie  man  meinte,  durch  den  unmit- 
telbaren Kinfluss  ihres  Gottes  bereichert  wurde.  Als 
Eigenlhum  der  Gottheit  galt  der  Ort  und  seine  Um- 
gebung für  heilig  und  hiess  heilig,  ('®)  darum  gaben 
ihn  die  zehn  Gesandten  in  dem  Verlraar  zwischen  den 
Römern  und  /intiochos  den  Milesiern,  welche  ihn  ver- 
lassen hatten  ,  wieder  zurück.  (^^) 

Unter  den  Römörn  verloren  die  profstischen 
Künste  überhaupt  und  die  Orakel  insbesondere  an 
Ansehn  ;  jenes  Volk  hing  hauptsächlich  den  Sibyllini- 
schen  Biicliern  an  und  der  Etruskisclien  Sitte,  aus  der 
Lage  der  Eingeweide,  dem  Flug  der  Vögel  und  den 
Erscheinungen  am  Himmel  zu  weissagen.  (^°)  Aus 
dieser  Vernachlässigung  oder  Verachtung  der  Orakel 
rührt  es  auch  wohl  her,  das«  man  in  der  Geschichte 
unseres  Tempels  eine  Lücke  bis  zur  Regierungszeit 
des  Tiberius  findet.  Dieser  übertrug  nätnlich  dem 
Römischen  Senat  die  Untersuchung  und  Entscheidung 
über  die  zahlreichen  Griechischen  Asyle,  von  denen 
viele,  wie  man  angab,  ohne  Erlaubniss  eröffnet  wor- 
den waren,  die  l'empel  mit  verworfnen  Flüchtlin- 
gen jeder  Art  erfüllt  und  Unruhen  unter  dem  Pöbel 
erregt  hatten,  der  die  Schandthaten  der  Flüchtigen 

(77)  Strabo.  XIV.  p.  634:  Kio/itjq  yovv  xatoixlav  6  Toy  ot]xov 
niQfßoXo:;  SfSexrai. 

(78)  Livius  XXXVIII,  12:  Transgressi  Maeandnim  ad  Hieran 
Comen  pcrvenerunt  (13:)  Fanum  ibi  augustum  Apollinis  et  ora- 
cultim. 

(79)  Derselbe  Cap.  39:  Dccem  legati  Milesiis,  quem  sacrum 
appellant,  agnim  rcstifuenint.  Polybios  p.  1172.  ed.  Amstelod. 
1670.  (E.xcerpt.  legat.  XXVI.) 

(80)  Strabo.  XVII.  p.  813. 


118  DRITTES    CAPITEL* 

wie  Heiligthümer  der  Götter  beschützte.  Abgeord- 
nete aus  jeder  Stadt  vertheidiglen  ihre  Rechle  und 
die  Milesier  beriefen  sich  auf  die  ihnen  vom  König: 
Dareios  ertheilte  Freiheil.  Darauf  wurden  von  dem 
Senat  Beschlüsse  zur  Einschränkung  dieser  heiligen 
Zufluchtsörler  mit  dem  Befehl  erlassen,  dieselben  auf 
eherne  Tafeln  einzugraben  und  als  bleibende  Denk- 
male in  den  Tempeln  selbst  autzuliängen.  (*') 

Ein  Jahr  nach  dieser  Begebenheit  beschlossen 
die  Asiatischen  Städte,  dem  Kaiser  Tiberius ,  seiner 
Mutter  Livia  und  dem  Römischen  Senat  auf  ihre  Ko- 
sten einen  neuen  Tempel  zu  vreihen.  Ihr  Antrag 
wurde  genehmigt  wndNei'o  hielt  dafür  öffentlich  eine 
Dankrede  an  den  Senat  und  seinen  Grossvaler.  C^) 
Elf  Städte  bewarben  sich  um  die  Ehre,  den  vorge- 
schlagenen Tempel  errichten  zu  dürfen,  und  Tiberius 
beschäftigte  sich  mit  dem  Senat  mehre  Tage  lanjj  da- 
mit,  die  von  den  verschiednen  Gesandten  vorgebrach- 
ten Ansprüche  zu  prüfen.  Endlich  erhielt  Smyrna 
den  Vorzug,  wobei  man  anführte,  dass  Pergamon 
bereits  durch  den  Tempel  des  Aiignstus  ausgezeich- 
net, die  Efesier  aber  durch  den  Dienst  der  Artemis, 
und  7l:///efo*  durch  den  des  ^po//o«  beschäfligl  seien.  C^) 

So  ehrsüchtig,  thöricht  und  anmassend  diese  Be- 
willigung des  Tiberius  an  sich  war,  so  erscheint  sie 
doch  als  bescheiden  und  vernünflisr  im  Ver«>Ieich  mit 
den  Selbslvergötlerungen  des  Ungeheuers  Culigida,{^*) 

(81)  Im  Jahr  Christi  22,  nach  Roms  Erbauung  775.  Tacit. 
Annal.  III,  60,  63. 

(82)  Im  Jahr  Christi  23,  der  Stadt  776.  Tacit.  Annal.  IV,  15. 
(War  Nero  ein  Sohn  des  Germanicus ^  des  Neffen  des  Tiberius; 
so  hätte  unser  Verfasser  das  Wort  avus  bei  Tacitus  riciitiger  mit 
Grossoheim  übersetzt.     W.) 

(83)  Im  Jahr  Christi  26,  der  Stadt  779.  Tacit.  Annai.  IV, 
55,  56. 

(84)  Tacit.  Ann.  IV,  37. 


DRITTES    CAPITEL.  119 

der  nach  seiner  frivolen  Laune  Namen  und  Abzeichen 
bald  dieses  bald  jenes  Gottes  annahm  und  ablegte, 
jetzt  ein  Bakchos  sein  wollte,  dann  sich  wieder  in 
einen  Apollon  verwandelte,  sein  Haar  mit  einer  Strah- 
lenkrone umgab.  Bogen  und  Pleil  in  die  linke  Hand 
nahm  und  die  Grazien  in  der  rechten  hielt.  (**)  Er 
dachte  auch  daran  den  Gott  seines  Tempels  zu  Bran- 
chidä  zu  berauben,  indem  er  den  Milesiern  befahl, 
eine  Ablheilunu  des  lleiligthums  seiner  eisjuen  Gott- 
heit  zu  weihen.  (*'*)  Er  gab  dabei  ihrer  Stadt,  veie 
er  sagte,  den  Vorzug,  weil  Efesos  schon  durch  Arte-, 
misj  Pergamon  durch  Augustus  und  Smyrna  durch  Tihe- 
riiis  gewissermassen  besetzt  seien,  in  der  That  aber, 
weil  er  sich  selbst  an  die  Stelle  ihres  Apollon  gesetzt 
wissen  und  seiner  Verehrung  dieses  grosse  und  schöne 
Gebäude  gewidmet  haben  wollte.  (^^)  Darum  hatte 
er  auch  im  Sinn,  denselben  dieser  Auszeichnung  da- 
durch noch  würdiger  zu  machen,  dass  er  das  aus- 
führe, was  bei  dem  Bau  noch  unvollendet  geblieben 
war.  ("*) 

Die  Aufmerksamkeit,  die  man  in  jener  Pe- 
riode den  neuen  vom  Zeitgeist  hervorgerufenen,  zum 
Theil  selbst  geschaHenen  Gottheiten  widmete,  min- 
derte bei  dem  Volke  die  frühere  Achtung  und  Ver- 
ehrung gegen  das  bisherige  System,  das  schon  alterte 

(85^   Philo  lud.  p.  559.     Edit.  Mangcy.    1742. 

(86)  Zonar.-is,  p.  558.  (EJ.  Du  Frcsne.  Paris.  1686-  Annal, 
Lih.  \1.   C.p.  7.) 

(87)  Dio  Cassins,  p.  933.  Edil.  Rcimar.  1752.  (Histor.  Rom. 
L.  LI\'.  C.  28.) 

(8^^)  Siiclon.  Califj.  21:  Drslinaverat  et  Mileli  Didymaeum 
pcrnfjnc.  —  .\iich  ))ri  andern  Sciiriltstoilern  wird  das  Gebäude 
zuweilen    Didynuinn  fjenannt. 

Anl  dieses  Vorliahen  liezieht  sich  wahrscheinlich  eine  Münze 
des  Calignlaj  worauf  ein  nackter  Apollon  mit  einer  Leier  und 
die  Legende  MlAH2I.flN  JIztTMET^  ist.     Siehe  ChishxiU  p.  90. 


120  DRITTES   CAPITEL. 

und  sich  allmählig  seiner  Auflösung  näherte.  Da- 
her zeigte  man  zu  Didymö  einen  Altar,  den  sich 
der  TliebäiscJie  Herakles ,  ("")  ^wie  die  JMilesier  mel- 
deten, aus  dein  ßhile  der  C)f)ferlhiere  d.  h.  aus 
Erde,  die  statt  mit  Wasser  mit  dem  Blut  der  Opfer- 
thiere  verarbeitet  war,  errichtet  hatte.  (^°)  Tansa- 
nias bemerkt  aber  dabei,  dass  der  Altar  in  späterer 
Zeit  durch  das  Blut  der  Opfer  nicht  sehr  erhöht  wor- 
den sei.  Die  Orakel,  deren  Institut  von  einer  be- 
trieb- und  erwerbsamen  Priesterschaft  auf  den  herr- 
schenden Aberglauben  künstlich  gegründet  vv^ar, 
mussten  nothwendig  mit  ihrer  Schutzgotlheit  an  An- 
sehn verlieren;  aber  verehrt  von  scheinheiligen  An- 
dächtlern  und  verspottet  von  Filosofen,  erreichten 
sie  nur  allmählig  früher  oder  später  ihr  Ende,  je 
nachdem  es  ihre  Vorsteher  mehr  oder  minder  ver- 
standen, dem  Volke  zu  imponiren.  Immer  bleibt  es 
zu  verwundern,  dass  ein  so  verächtlicher,  auf  die 
Leichtoläubig-keit  der  Menschen  berechneter  Trug: 
so  lansre  ausseübt  werden  konnte. 

Nach  den  oben  mitgetheilten  Proben  wird  sich 
der  Leser  nur  eine  geringe  Meinung  von  den  bei  den 
ßranchiden  ertheilten  Orakelsprüchen  gebildet  ha- 
ben. Sie  waren,  vv^ie  an  andern  Orten,  gewöhnlich 
räthselhaft,  doppelsinnig,  zweideutig  und  unvoll- 
ständig. Dies  wird  sich  aus  der  Folge  unserer  Er- 
zählung noch  mehr  ergeben,  so  wie  aus  den  zwei 
nächsten    Beispielen,    die    zugleich   als   Proben    der 

(89)  Pausan.  V.  13.  §.  6-  p.  4lO. 

(90)  Zu  Delos  hatte  Jpollon  einen  Altar,  der  aus  Hörnern 
aufgeführt  war,  in  Böatien  einen  andern  aus  der  Asche  der  Opfer- 
thicre.  Potter,  p.  283-  288.  bei  Rambach  ThI.  I.  S.  468.  (Des 
Zeus  Altar  zu  Olympia  war  aus  der  Asche  der  geopferten  Schen- 
kelsti'ickc  errichtet.  Pausan.  V.  13-  §.  5.  p.  409.  Ein  Heerd  aus 
Asche  ist  S.  25.   Anin.  17.  erwähnt.  W-) 


DRITTES   CAPITEL.  121 

Versificatipn  dienen  können,  durch  die  sich  das  Ora- 
kel einen  gewissen  Ruf  erworben  hatte.  ('*) 

Einst  faniJ  man  neun  Holzhauer  todt  auf  den 
Bergen.  Die  umwohnenden  Landleute  befragten  hier- 
über das  Orakel,  das  ihnen  erwiederte,  jene  Männer 
seien  von  Pon  erschlagen  worden,  und  da  Artemis 
als  Verinilllerin  die  übrigen  gerettet  habe,  so  müss- 
ten  sie  DanUgebete  an  sie  richten,  um  sich  die  Gnade 
der  Göilin  zu  erhallen.  (^') 

Ein  andermal  wurde  die  Fraije  vorfielest ,  ob  es 
räthlich  sei,  einen  Eidschwur  zu  leisten,  wenn  er 
verlangt  werde.  Die  Antwort  zählte  Vieles  auf,  was 
Götter  erfreue  und  beschäftige,  der  eigentlichen 
Frage  wich  sie  aber  aus,  wenn  man  nicht  annehmen 
will,  dass  gerade  in  jener  Antwort  der  Sinn  liege, 
um  solche  Dinge  kümmere  sich  die  Gottheit  nicht.  (") 

(91)  Livins  XXXVIII,   13:    Faniim    ibi  augiistnm    Apollinis    et 
oracnliiiii :   sortes  tieisi'bus  haiid  incnnd'uis  «lare  vates  dicuntur. 

(92)  Xfivaoy.fooK;  ßXonvQoio  /tiovuoov  ■€fo(ino)v  llüv, 
Iiu{ro)v  vh,ffra  xur     ougia  yjnil  y.Qurttuj 
Piißfiov  ¥j(fv,    iT^()r]   Si  hyu  nrtlovmtv  ffttcpnre 

'  SvQi'/yu  y).u(pvi)iiv ,   Nü/.iq>i](fi  äi   O^ii/iov  iO-tXyiV 
0S(    Si  ov()f^(cq  j»(/Ao;;  «»'/g«5  fTitohptv 
TXoxnfinvi;  nuPruq ,   &iifißn(;  S     f/ff  *{(;n^ow>'Tas 
^ufftoroq  oort'/it'vov  XQVfijov  öffiuc;  oioi(;»j*i'ioi;. 
Jiitl  VI)  y.t  nuficcq  VftitQij.it    crkni;  xqvujoo    d-uvuvoio, 
IUI  fttj  Ol  y.oTov  idrov  irl  aijji9-*aa«  f^nvon 
yloTf/ui;  c.yooifQri,  rtu7a(P  fi^vtoq  XQUif^nlo. 
Ilv  aul  xfiri  Xtaaia&  ,  Iva  aot  yfyton'  iuuQOjyöt;. 

Euscb.   Praepar    Evaiig.  "V.  c.  6. 

(93)  Mr,r/oi  fiiv  /uaxägav  ft^Xtrat   Tnr,)CSt  'Ptlij 
AvXnl  y.ui  rvfitavwv  nüjuyot  x(d  &i,Xui;  oftiXo<;' 
IluXXdSi  d     fi/n^Aijxt  fto&ot  xui  tStjot^    Lri'ovq 

Kid  (iuXlui^  nxvXuxfaai,  ßuO-vny.ontXovt;  uvu  itgtüraq, 
Oi^gitq  Ofjftnvofiovq  tXunv  yir,r(ü'iSi  xoi'Qij, 
JJg;i  ä    mxiXuäot  fiuXuxtj  ;fi'o<?  tifgoi;  vygt}<:' 
Aifia  6    ivuXärf  xofiiitv  aTuxvtjgöcpa  <^jjo*' 


122  DRITTES    CAPITEL. 

Zuweilen  wagte  es  jedoch  auch  der  Gott,  ganz 
bestimmt  zu  antworten,  wenn  nämlich  der  Gegen- 
stand der  Frage  nicht  von  gelährlicher  Art  war  und 
er  Sf-lbst  sicher  sein  konnte,  nicht  widerlegt  zu  wer- 
den. Als  man  ihm  so  z.  B.  die  Frage  vorlegte,  ob 
die  Seele  unsterblich  sei,  bejahte  er  es  mit  bestimm- 
ten Worten.  C*') 

Diese  Lehre  soll  unter  den  Heiden  zuerst  von 
Thaies j  einem  gfebornen  Milesier,  aufgestellt  und 
verbreitet  worden  sein.  (^*) 

Bedenken  wir,  dass  die  Sprüche  des  Orakels  im 
Allgemeinen,  so  weit  vv^ir  nach  den  noch  erhaltenen 

laiöi  6     UV   'iHtQi'iJ-,   yorf/ioK;  7iC(()u  yivfiuai  TStü.ov, 
]\J('.otfvn.v  oYoTQoioiv  iov  tiooiv  «,9^)f>)'    Ooiqiv, 
Ei  St]   ouv  icv'/.ol  y.ul  iVftTiurojv  nuTuyni,    Jiat  &ri).V(;  of,n).0(;  fi^kt- 
TUi  Tij  /ifjTijl   loji'   &föjv ,     Hoy.i]Tiov  dri  xuutu  nuorfi  ufjiitji;  uqxjitfvovq, 
ort  fiiidh>  aoxfQoaiiVi-q ,     ^HTjd'f    riroq  (tA^j^q  TTfji'.^fojq  fifhzut   tij  Ti^OftQtj- 
H^^'li'  —  —    Tt    oui'  öti  tuvxu  TT^oq  IOV  &ioifji).tj  y.ul  ftuxc.ijiov  avvxfC- 
voi  UV  ßlov ;     inioxf^iui  öf ,     710 tum    001    &ftuq    ilvui    öoy.tl  (fvotoiq,     t] 
qiuvXtiq  y.u\  [.(nyOriomurrfi  iu   t^T^q  iTiü.iyofXtvu. 
Eii-seh.   I'iaep.  Evaiig.  V.  c.  7. 

(94)  H'vyri  fih'  fi^xQiq  ov  SfOftolq  ngoq  aojfiu  y.Qcnnxai, 
fPd-u^Tu   vonuou  Tiud-fi   &i'r^rcäq   ulyrßuaiv  tiy.d. 

II  vly.u  ö     ai'iiluotv  ß^aitt^v  fifiu   oojfiu  /lUQUv&tv 
Jly.uanp'  fU(jr,iui,  iq  ul&tQu  uuou  q^oQiliui, 
jlih'  uyi]0('.TOq   nuou.   ytrn  d     iq  Tiufciuv  uiitqrfi' 
IIqu)%oyQvoq  yuQ  xovto   &fov  dtfiu^e  noovniu. 

lani  lacübi  Boissardi  tractatiis  de 
divinatioiie  et  niai;icis  praestigiis 
p.    137.   Ptl.   Oppenlieiiii.   fol. 

(95)  Dies  fiilirt  schon  Diogenes  von  Lacite  Lih.  I.  Cap.  I. 
s.  3.  nur  als  Sage  an.  Cicero  Tiisciil.  F,  16  schreibt  tlie  Ehre, 
zuerst  tlie  Pehauptiing  einer  ewigen  Dauer  der  menschlichen  See- 
len anfi;esleilt  zu  haben  ,  dein  Fei  ehjdes  von  der  Insel  Sjros, 
dem  Sehiiier  dc^  Tiialcs  und  Lehrer  des  Pythagoras,  zu,  wopejen 
uns  Heroilot  II,  123  versichert,  den  Satz  von  der  Unsterblichkeit 
und  \Van(h'nmg  der  menschlichen  Seele  hätten  die  Jegjpter  zu- 
erst vcrthcidigt.  W. 


DRITTES   CÄPITEL.  123 

urtheilen  können,  obgleich  sie  als  Eingebung  des 
Apollon  Didyinäos  galten,  C*)  nichtig  und  gehalllos 
waren  und  der  Gott  seihst,  um  andrer  Puncte  nicht 
zn  gedenken,  nicht  einmal  die  Beleidigung  des  ^r/_ 
slodikos  zu  rächen  und  sein  Ki"enthum  vor  der  Plün- 
derung  der  Branchiden  und  des  Xerxes  zu  schützen  im 
Stande  war,  so  nimtnl  es  uns  Wunder,  dass  das  An- 
sehn des  Gottes  und  Orakels  nicht  schon  in  früher 
Zeit  einen  harten  Stoss  erlitt,  noch  mehr  aber,  dass 
es  sich  noch  lan"e  Zeit  in  einem  gewissen  Grade  er- 
hielt,  nachdem  das  Ileidenlhum  selbst  schon  zu  wan- 
ken begonnen  hatte. 

(96)  Jiranchns  und  seine  Nacbkommen  waren  die  siclifbaren 
Vorstelier  des  Orakels,  j4/>ollnn  seilest  der  Scher  und  Inliaber  des- 
sellien.  Sowie  aber  »>in  allen  HanpItiMnpcln  Apollons  Artemis  als 
seine  Schwester,  als  Theühaberin  seines  Wesens  und  seiner  Thä- 
tigkeit ,  als  eine  andere  Seite  des  Gottes  angebetet  wurde,«  so  wie 
namentlich  beide  Kinder  der  Leto  »dev  hohen  Pylho  gleich  wal- 
tende Beherrscher«  lieisscn  ,  so  stininite  auch  Branchos ^  der  Pro- 
let, wie  wir  S  89  gesehen  haben,  bei  seinen  Siihnungsbräuchen 
ein  Loblied  auf  Jpnllnn  und  Artemis  an.  Vgl.  Müller  in  deu 
Doiicrn  I,  .308.  und  die  daselbst  angeliihrte  Inschr.  bei  ITalpole 
Trav.  p.  578. 

Dass  in  der  oben  S.  8.3.  Anm.  t.  mitgetheilten  Stelle  des  Ste- 
fanos und  in  lol.^rndom  Verse  <1(S  Kalliiiiachos  (bei  Hefästion  und 
dem   Yerfa<s<  r  des   Ffyrnol    Magn.   s.   v.   /Juh'ii(än^): 

/tiditnrn;  fvi'itroiccint ,  'I'olß^  re  x(d  Ztv  /liöü/imv  ytüo/at. 
Zeus  mit  als  InlKiber  des  Orakels   angeüihrt   wird,   mag   auf  der  von 
Aesrliylos  niclirnials  ausgesproclienen    Ic'ee   bernlien,    dassZe//i  dem 
Apollon  die  Kraft    der  Weissagung    in    die  Rrust    gelegt    Iiabe    und 
dieser  darum  nur  jenes  Prof(  t  sei.    So  z.  R.  Aeschyl.  Eumeuid.   17: 

'ff'/'r,-;   >^^  vir  Zu':;  frO-tnv  xtIoui;  rpo^fu, 
J'Cn   ifKujinv  loffh  paviiv  iv   d-[)!>vni!;' 
/Itoi  :T«of^f;ij;5  i'   iail  y/oi/i«?  -auiiil)!;. 

und  in    fr.igni.   Saceidot     p.  640     <d.    Lond     bei    Potter    von    Ram- 
bach  Tbl     I.    S.    000:     Tia\u  yiui  n('Tt]o 
ZiLq  iyy.((i}^itl  ylo%(a    O-innlnfturd. 
Vgl.  Crcuzcr,   Symbolik  Rd.  II.  150.  163.  W. 


124  DRITTES    CAPITEL. 

Lukiajios,  der  zur  Zeit  der  Antonine  lebte,  er- 
zählt, dass  ein  Priester  von  Tyana  von  dem  falschen 
Proleten  Alexandras  auf  die  Frage,  ob  die  zxxDidymö, 
Klaros  und  Delfö  erlheilten  Sprüche  ■wirklich  von 
j4pollon  gegeben  Avürden,  zur  Antwort  erhalten  habe, 
dies  sei  ein  Geheiinniss,  dessen  Schleier  er  nicht 
heben  dürfe;  und  ferner,  dass  jener  Betrüger  sich, 
dadurch  das  Didymaische  Orakel  verbindlich  zu  ma- 
chen gesucht  habe,  dass  er  nicht  Wenige,  die  zu 
ihm  kamen,  an  jenes  verwies  und  statt  aller  Ant- 
wort sagte: 

Mq  ayxLÖ eiii  V    äö  vrotöi    7t ekd^so  ,     y.ai 

Horch  im  Heiligthuni  der  Branchiden  dem  Spruche 

der  Götter!  (»'') 

Ein  andrer  Schriftsteller  Klemens  von  Alexandria, 
der  um  die  Zeit  des  Kaisers  Severus  blühte,  vv^ill  dies 
Ansehn  der  heidnischen  Tempel  darum  herabgesetzt 
"wissen,  weil  sie  zuweilen  zu  Begräbnissplätzen  und 
Behältern  lür  Leichname  gedient  hätten.  Unter  sei- 
nen zum  Beleg  angeführten  Beispielen  findet  sich, 
ebenso  wie  bei  Arnobius ,  auch  der  Branchidentem- 
pel  genannt,  da  ein  31ilesischer  Schriltsleller  ihn  als 
i\ei\  Begräbnissort  des  Klearchos  bezeichne.  C^) 

In  welcher  Periode  das  Orakel  zu  Klaros  ganz 
aufgehört  habe  zu  sein  ,  lässt  sich  nicht  sicher  be- 
stimmen. Zur  Zeit,  als  Strabon  schrieb,  war  es  ver- 
stummt, i^'^)    lebte  aber  wieder    auf  und    wurde  von 


(97)  Luliian.  'AUlavdoo<;.  Tom.  IL  p.  836.  Edit.  1743.  (Bei 
"W'klnnd  Till.   III.   S.    196) 

(98)  Klrmcns  Alcxaiidr.  Admonit.  ad  gcnt.  p.  39.  Edit.  Oxon. 
p.  29,  6.  .d.  Colon.  —  Theodorrt.  Graec.  Affcct.  Cur,  Disput.  VIII. 
p.  909  Vol.  IV  Sclnilze.  —  Arnob.  advers.  gent.  L.VI.  p.  193.— 
Diog.  Laert.  Lib.  I.  Cap.  III.  N.  5. 

(99)  Strabo.  XIV.  p.  642. 


DRITTES     CAPITEL.  '  125 

Ger manicus  befragt,  {^°°)  dem  es  in  schwankenden  Aus- 
drücken ein  nahes  Ende  geweissagt  haben  soll.  Lu~ 
kianos  erwähnt  es  noch,  als  neben  dern  Delfischen  und 
Didymäischen  bestehend,  und  noch  später  lamblichos, 
der  zur  Zeit  des  Kaisers  Konstantinos  lebte,  üieser 
brachte  die  heiligen  Dreifüsse  von  Delfö  nach  Kon. 
stantinopel ,  stellte  sie  in  der  Rennbahn  auf  und 
schmückte  überhaupt  seine  Stadt  mit  den  Statuen  der 
heidnischen  Götter  und  dem  Raube  aus  ihren  Tem- 
peln. Bald  nachher  vermied  es  das  Dellische  Orakel 
selbst,  gefragt  zu  werden,  und  befahl  seinen  Vorste- 
hern, dem  Kaiser  Iidianos  bekannt  zu  machen,  dass 
das  künstlichgebaute  Haus  niedergestürzt,  Ajiollon 
seines  profetischen  Lorbeers  und  seiner  redenden 
Quelle  beraubt,  und  das  liebliche  Wasser  versiegt 
sei.  (»") 

Ueber  das  Schicksal  des  Didymäischen  Tempels 
unter  Konstantinos  findet  man  w^ohl  keine  Nachricht; 
aber  das  Orakel,  das  jene  für  das  Heidenthum  so 
verderbliche  Krisis  überlebte,  wurde  von  Licinius, 
dem  Nebenkaiser  Konstantin's,  über  den  Ausgang  des 
Kriegs  befragt,  den  beide  gegen  einander  zu  iührea 
im  Begriff  standen.  Der  Gott  antwortete,  wie  man 
versichert,  mit  folgenden  zwei  Versen,  welche  Ho~ 
nieros  den  Diomedes  zu  Nestor  sprechen  lässt,  als  die- 
ser von  Feinden  umringt  und  von  lieklor  furchtbar 
bedroht  war : 


(100)  Im  J.  der  Statit  771,  nach  Chr.    l8.     Tacit.  Aiinal.   11,54, 

(101)  E'i.Tiuri  XM  ßuoü.ifC,  xuftul  n^ot  SiUSu}.os:  uvlü, 
Oux^Ti,  (l><üßn<i  ^/n  xuki(ii(v,  ou  fmvxldd  SüipvrfV, 
Ou  nuyav  kaUovaav ,  uniaßixo  xul  xalov  vSwq. 

Theodorct  (nach  Potter  Vol,  I. 
Cap.  II.  bei  Rambach  ThL  I. 
S.  632.) 


126  DRITTES    CAPITEL. 

Wahrlich  ,  o  Greis  ,  sehr  hart  umdrängen  dich  jün- 
gere Männer ! 
Deine   Kraft    ist  gelöst  j     und  mühsames  Alter    be- 
schwert dich.  (!"») 
Diesen  Spruch   sah  man   sodann   als  eine  wahre  Pro- 
fezeinng-  an,   indem  Konstanlinos  die  Oherhand  behielt 
und   sein   Milbewerl)er   sich   gezwnn<^en    sah,   sich   in 
den  Privalsland  nach  T/iessalonike  zu  begeben,  woselbst 
er  sj)äler  ermordet  wurde. 

Während  des  folgenden  Kampfs  zwischen  Ilei- 
denlhum  und  Christenlhum  wurde  der  Didymäische 
Apollon  w^ahrscheinlich  von  einer  Partei  erhoben, 
von  der  andern  herabgesetzt,  und  sein  l'empel  ab- 
wechselnd geehrt  und  vernachlässigt,  je  nachdem 
die  eine  oder  andere  Partei  in  seiner  Umffesend  die 
mächtigere  vrar,  bis  der  Abfall  des  lulianos  eine  Pe- 
riode herbeiführte,  in  der  sein  Cultus  aufblühte,  und 
der  Gott  zu  Ruhm  und  Ehre  gelangte ,  da  der  Kaiser 
selbst  die  Holle  des  Profeten  übernahm. 

Dieser  grosse  Wiederhersteller  und  Reformator 
der  Griechischen  Relioionssebräuche  zeichnete  den 
Tempel  zu  Didymö  durch  besondere  Beweise  seiner 
ausserordentlichen  Verehrung  aus.  Als  die  Christen 
nahe  bei  dem  Orakel  einige  Capellen  zu  Ehren  ihrer 
Märtyrer  errichtet  hatten,  schrieb  er  an  den  Statthal- 
ter von  Karien,  (^"')  er  solle  diese  niederbrennen, 
w^enn  sie  ein  Dach  und  einen  heiligen  Tisch,  hätten, 
aber  von  Grund  aus  zerstören,  wenn  sie  noch  un- 
vollendet wären.  Ersteigerte  die  Würde  des  profe- 
tischen   Amtes,    dadurcfi    dass   er  es  selbst   annahm, 

(102)  Sozomen.  Lib.  I.  p.  409.    (Hisfor.  ecclesiast.  L.  I.  c.  7.) 
Sl  y/Qov ,  ij  f.iü).u  dij   ae  rtoi  reigovai  fia/rjzuil 

Iliad.  VIII,    102. 

(103)  Sozomen.  L.  V.  p.  629.    (Hist.  ecclesiast.  L.  V.  c.  20.) 


DRITTES    CAPITEL.  127 

und  das  Ansehn  der  Orakel,  indem  er  sie  wegen 
ihrer  verwarnenden  und  immer  heiehrenden  Spriiche 
Siels  mil  Loheserhebungen  anführte.  Hierbei  j)(legte 
er  sich  auf  gewisse  Verse  zu  berufen  und  seinen  Be- 
fehl einzuschärfen,  den  Priestern  ebenso  wie  der 
w^elllichen  Obrigkeit  die  schuldige  Ehrerbietung  zu 
erweisen.  ('°*)  Zudem  wandte  er  sich,  als  ihn  die 
Wahrzeichen  seiner  bei  einem  Sieg  über  die  Perser 
dem  Ares  dargebrachten  Opferthiere  in  grosse  Be- 
stürzung gesetzt  hatten,  an  Apollon  mil  der  Frage 
nach  dem  küfjfti<ren  Ausoanjr  des  Kriegs.  Aber  die 
Antwort,  welche  erklärte,  Zeus  habe  die  Giganten 
und  Iiilia HO s  seine  Feinde  überwunden^  ("*)  musste  ihn 

(104)  Eaxo)  roU'vv ,  w^tt?^  «Q/on',  ourw  S^  y.al  iiQfuc;  nuq  aiJ/fft— 
fioq.      linnd>i   nui  unocpuaiq  l'art   &fOU  tou  /ti,öv[.iu{ov  'coiuuvt} ' 

Oaani  ig  uorjtjoaq  uiuaO-u).{/jcit  vcoio 
AO-uvuxoiv  ij(X:Ova    annipohu ,  y.tu  yfQcttaai'V 
Ai'iiu  ßovlfüovaiv  ((öfi(nO-^oiai>  XnytOftniq'  ' 
Ovv.iQ-    o).r,v  ßiÖToio  öifaufQootaiv  uiuQnov' 
Oaaoi  nfQ  fiuxuQtaaiv  iAujßtjOuvTo  &(olaiv, 
"SLv  y.Hi'oi  -O-ioainTOv  'ü.ov  ^fQunr(lSu  iiftriv. 

xat  nüXiv  h'  uX).otq  o   &to(;   qiTjot' 

JluvTia;  ft^v  O-iodiovTuq  ffiovi;  oXorjq  xwxot-jjto?  — 
xul  friaiv  vi^Q  Tovx(i)v  6(y.r\v  in%(hfi(tv    uvxoiq.     JIoD.oip   3i   ilQt]fi^v(ov 
xoiovxtDV    nuQit    rov     &iou ,    (Jt     mv    i'vfoxi    ftu&oyrui;    orrw;   /qi'j    xiftifv 
y.al     O-founiütiv    toi)?    ifof'aq'     dorjotxut   ftoi    öiu    nXeiovmv    iv    likXotg. 
luliaii.  {ia;,'m.    p.  54).    Edit.   1630. 

TÖJv  rou  /li,Sv[(uCov  Sfonoxou  y^r^afmv  i-ruy.ovaov ,  il  aot  q)avt{t} 
■näXui  ft^v  l'(>yo)  vovO-ixiinuq  xkAoj;  tou?  /i'AAjji'«;,  vattoov  6i  toj)? 
aüxfnnroüi'iic;  Siduay.ojv  toi;  /öyot;* 

"OoTflot  f<;  UQrjiijouq  —  —   wio  oben. 
J'yyo)    rnlfw     infi()rj:ifn    f}in    xaxa    fiiv    jc.    TTÜTQttt    ft/yai;    UQx^fQfl'i' 
IDm/ov  öl    vZi'    y.ui    tou    /luhitdäov    7TQn(prjr(unv ,    iCjTuyoftfvia    aoi    TOt-I^ 
nfQKtdovi   nf).>',rrj:;    fitjini    xotv   tl(;  lf(jüi  ftr,div  ivo^XiTv.     luiian.  Epist. 
p.  236.   (Ep.  EXIL  p.  450.  cd.  Sj>anlicim.   1696) 

(105)  rt,yf>'{'o)V  noxi  (fvXov  fv^ouro  iitjjffxa  Ztii^ 


128  DRITTES    CAPITEL. 

selbst  von  der  Triiglichkeit  des  Orakels  überzeugen. 
Er  grifFnäinlich  die  Ferser  an  und  ward  von  unbekann- 
ter Hand  erschlagen ;  (*"'^)  seine  Armee  wurde  vom 
Hunger  aufoerieben  und  ein  unrühmlicher  Friede  se- 
schlössen. 

um  diese  Zeit  wahrscheinlich  fragten  die  Kurier, 
ob  sie  die  ölilesier  in  ihren  Bund  aesen  die  Perser 
aufnehmen  sollten,    und  erhielten  zur  Antwort:  (^°') 

Ilakai  Ttor'    jjoav   dXxif^oi  MiXij oioi. 

Einst   in   der  Vorzeil   beseelte    Muth   die   Brust   der 

Milesier, 
In  der  folgenden  Schlacht,  erzählt  man,  wurden  die 
Milesier  alle  erschlagen.  (^°*') 

So  w^eit  geben  uns  alte  Nachrichten  Kunde  von 
dem  wechselnden  .Schicksal  des  Didymäischen  Apol- 
Ion.  Wann  der  heilige  Schatz  des  Tempels  geraubt 
worden  sei,  ob  unter  Nero ,  als  Acratus  und  Secun- 
dus  derKarinate  beauftragt  wurden,  Asien  und  Achaia 

Pv)f<t'(o)V  ßciatXfvq     Iov)Juvo<;  ^foiiSr^q, 
l\'T(((jv(i/(fvo!;   rifQObiv  TioXiuq  y.cd  xflyju  /nuy.ga 
Ayyf[i('-/oiv  dtf'ntQOS  nvqf ,  XQurfQO)  zf  otJ/Jyw' 
No)).f^(füi(;  d    fäc(/iuoo(  nnhtq  ts  aut  td-via  noXXu, 
A'kIu  y.ul   Iio7Cf(}{<j)V  uvöjjb/V   A}.ffiuviy.ov  ovöu<; 
'TofAfvuiq  nvy.ivf^oiv  iXuiV  uXunä^ev  u()ov()Ci(;. 

Boissard.  p.   139. 

(106)  Im  Jahr  Christi  363. 

(107)  Boissard.  a.  a.   O. 

(108)  Eine  andere  Antwort  des  Milesischcn  Apollon  findet  man 
nebst  Bemerknnilcn  bei  Lactantius ,   L.   IV.    s.   13. 

Sie  wird  mich  bei  Slobaos  angeführt:  Kui  Off(iaToyJ.rj(;  y.uXiöq 
difQfWijouq  (x«t)  öiovtbiq  To  h)uvov  %H/oq,  «l'rio;  i'.vi'.ft(fiqßrfTi,Tioq 
xuT^air,  t!)?  aonr^ofuq  loT;  IjX'/.tjoiv'  adiXffu  di  tovto)V  y.ul  6  h'  Bqu'/- 
yjöij  &I-6!;  {y.ßiävn  rtjq  diu).fy.rmi,(;  fQyu,  niQiq)urri  t?;»'  iiuyo)yrj}'  7iu{)U~ 
Sr,).oiv ,  OTUV  XtYU'  ^^^  ''"  wt^Jf*"/?  iöq,  oute  XtQfi,  oure  ixtuq,  ovv' 
«AAo  ovdiv  uvtv  iTnaTTifioi'iy.Jiq  yQtjafO)q  yevoiv  uv  jioxe  bjq>().tfiov.  Ex 
larnblichi  Epist.  ad  Dexippum  de  Dialcctica,  Serm.  LXXIX.  p,  471. 
(p.  469.  ed.  Basil) 


DRITTES   CAPITEL.  129 

auszuplündern ,  und  Weihgeschenke  sowohl  als 
Götterbilder  wegschleppten;  (*°^)  oder  ob  während 
der  Reformation  unter  Konstantinos  und  den  ersten 
christlichen  Kaisern,  in  welcher  Zeit  die  silbernen 
und  goldnen  Verzierungen,  Bildsäulen  und  Gerathe 
der  Tempel  ganz  allgemein  eingeschmolzen  und  von 
dem  Staat  in  Beschlag  genommen,  die  ehernen  Sta- 
tuen aber  von  allen  Orten  nach  Konstantinopel  weg- 
geführt wurden  ;  oder  in  welcher  andern  Krise,  dar- 
über gibt  es  wohl  jetzt  kein  Zeugniss  mehr.  Nicht 
besser  sind  wir  unterrichtet  über  die  Zeit,  in  welcher 
der  Tempel  zerstört  wurde  und  das  Orakel  ganz  ver- 
stummte. Ebensowenig  haben  wir  irgend  eine  Notiz 
über  sein  Schicksal  von  dem  Tode  des  lulianos  bis 
auf  die  Reise  von  Smyrna  herab,  von  der  wir  in  dem 
Capitel  über  Priene  gesprochen  haben.  Hierzwischen 
liegt  aber  ein  Zeitraum  von  ein  Tausend  dreihundert 
und  zehn  Jahren. 

Aus  dem  fast  nur  angedeuteten  Entwürfe  eines 
Theils  von  der  Vorderseite  des  Tempels,  welchen 
TVheler,  mit  den  eben  mitgetheilten  geschichtlichen 
Nachrichten,  und  sodann  auch  Chishull  öffentlich  vor- 
gelegt hat,  ersieht  man,  dass  ausser  den  zwei  ihren 
Architrav  tragenden  Säulen  noch  zwei  andere  stan- 
den, von  denen  eine,  sammt  einem  Pfeiler  und 
einem  Theil  der  damals  noch  stehenden  Zelle,  seit- 
dem niedergestürzt  ist.  Der  Hügel  steigt  auf  den 
Seiten  weniger  hoch  an  als  an  den  Ecken;  in  der 
JMitte,  das  heisst  innerhalb  der  Zelle,  ist  ein  grosser 
leerer  Raum ,  der  wohl  auch  überschüttet  worden 
wäre,  wenn  der  Tempel  ein  Dach  gehabt  hätte.     In 


(109)  Im  Jahr  der  Stadt  817,  nach  Chr.  Gel).  G4.  Tacit.  An- 
nal.  XV,  45.  (Schon  vor  des  Pompeius  Zeit  hatten  Seeräuber  das 
Didymäischc  Heiligthiun  iheilweisc  zerstört  und  geplündert.  Plu- 
tarch.  Pomp.  c.  24.     W-) 

Ion.  Alt.  9 


130  DRITTES    CAPITEL. 

diesem  Kaum  und  unter  den  Steinen  durch  wachsen 
Terschiedne  Arten  Feigen  und  andre  dickbuschige 
Bäume. 

Glatte  Spuren  der  sich  ehemals  weit  hinaus  er- 
streckenden Tempelmauer  sind  noch  sichtbar;  aber 
die  zwei  heiligen  Haine,  von  denen  der  eine  inner- 
halb der  Ringmauer  stand,  ("°)  werden  nur  durch 
wenige  einzelne  Bäume,  zerstreutes  Buschwerk  und 
Dickicht  von  Mastix  ersetzt.  Einige  Stellen  dazwi- 
sehen  sind  mit  Türkischem  und  mit  gemeinem  Wal- 
zen besetzt  und  schon  im  Alterthum  rühmte  man 
diesen  Boden  als  ergiebig  an  dieser  Gelreideart.  ("') 
Zwischen  den  hohen  Stoppeln  dieses  Feldes  fand  man 
mehre  über  einander  gesetzte  Bienenstöcke  ,  die  aus 
Baumstämmen  gearbeitet  und  vorn  -wie  kleine  Fässer 
gestaltet  waren.  Sie  gehörten  ebenso  wie  der  Ertrag 
des  Bodens  den  wenigen  armseligen  Einwohnern 
des  ohngefähr  eine  halbe  Stunde  entfernten  Dorfes 
Ura  an. 

Das  Bestreben  des  Kaisers  luUanos ^  den  ApoUon 
w^ieder  in  alleinigen  und  festen  Besitz  dieser  Gegend 
zu  setzen,  konnte  das  Ende  seiner  profetischen 
Wirksamkeit  nur  auf  eine  Zeit  verschieben  und  wahr- 
scheinlich war  der  Gott  bald  nach  dem  Tode  dieses 
seines  kaiserlichen  Profeten  und  Beschützers  jjenö- 
thigt,  seinen  Besitz  den  Christen  abzutreten,  die 
wiederum  im  Laufe  der  Zeit  den  ölohamedanern  den 

(110)  Strabo  XIV.   p.  634. 

(111)  ^IIi.v&i  S     EqyIvoz,  Boayj^ov  nolvnvgov  uQovgav 

-txn^^o/.inoj»'  xal  Tugaiv  igvurti;  Il//A»]io»o, 
£r&-a  Qoul  x/.iZovai  iioi.v:f).artb<;  IMuutifäQov. 

Orfeiis  Argonaut.  151. 
Diese  Gegend  schickte  auch  dem  Prianios  Hüüstruppen  zu: 
Ot  JMvxcthiv  frfuov 
Socty^QV  T     uyxta  ftaxga  xui  tjiotrTU  Uavog/aor. 

Koiutos  Sm.  Paraleip.  Hom.  I,  280. 


DRITTES   CAPITEL;  131 

grösseren  Theil,  wo  nicht  das  Ganze  ausschliesslich 
einräumen  mussten.  Einige  zerbrochne  Pfeiler  und 
Stücke  einer  Mauergeben  uns  die  Stelle  an,  wo  eine 
oder  mehre  Griechische  Kirchen  standen,  wobei  wir 
das  Kreuz  auf  zwei  Bruchstücken  eingehauen  fanden. 
Die  Kuine  einer  kleinen  gewöhnlichen  Moschee  ohne 
Dach  steht  nahe  bei  dem  Tempel  und  hat  an  ihrer 
Aussenseite  noch  einen  Theil  einer  Treppe,  die  einst 
zu  dem  Minaret  führte;  eine  andre  stand  auf  dem 
weiten  Hügel,  den  wir  auf  der  Ansichtstafel  er- 
blicken, nahe  bei  den  zwei  Säulen.  Ein  Stück  der 
Mauer  steht  noch  und  auch  an  sie  reihen  sich  Stufen, 
wie  an  die  oben  genannte  und  an  andre  Türkische 
Ruinen  zu  Miletos  und  an  andern  Orten. 

Die  Ueberreste  der  Stadt  bestehen  ausser  vielen 
Brunnen ,  in  niedrigen  Mauern  und  Schutthaufen, 
die  sich  ziemlich  weit  um  den  Tempel  herum  ziehen, 
und  in  einem  runden  näher  nach  dem  Meer  hin  gele- 
genen Gebäude,  das  wahrscheinlich  zu  einem  Wach- 
thurm  oder- einer  Warte  bestimmt  war.  Alle  diese 
Theile  waren  sehr  schlecht  gearbeitet,  obgleich  wahr- 
scheinlich aus  Baustoffen  zusammengesetzt,  die  man 
von  dem  Tempel  losgerissen  oder  durch  Feuer  zum 
Wegtragen  zubereitet  hatte.  Denn  dicht  bei  dem 
Tempel  und  besonders  an  der  Seite  nach  dem  Meere 
und  vor  der  Vorderseite  sieht  man  noch  mehre  Höh- 
lungen,  über  denen  Oefen  gebaut  waren.  Wirklich 
lässt  sich  aus  der  ausserordentlich  grossen  IMasse  der 
herabgeworfnen  und  verzehrten  Marmorsteine  ver- 
muthen,  dass  der  auf  diese  Weise  gewonnene  Kalk 
oder  Kitt  die  Stapelwaare  dieses  Ortes  ausmachte 
und  dass,  so  wie  die  älteren  Einwohner  ihren  Wohl- 
stand zum  grossen  Theil  dem  Ansehn  des  Tempels 
dankten,  so  die  neueren  eineZeitlang  von  den  Trüm- 
mern desselben  lebten.  Indessen  wirkt  der  weite 
Umfang  des  Hügels  im  Allgemeinen,  mit  den  vielen 

9* 


132  DRITTES   CAPITEL. 

grossen  Blöcken,  der  Majestät  der  noch  erhaltnen 
Säulen  und  der  Schönheit  der  zahtreichen  herabge- 
worfnen  Capitäle  und  Verzierungsglieder,  die  gleich 
ausgezeichnet  sind  durch  zarte  Ausarbeitung  und  be- 
wunderungswürdig schöne  Bildung,  noch  immer  so 
stark  auf  die  Seele  jedes  Menschen,  dass  sich  selbst  ein 
Beschauer,  dessen  Sinn  sonst  für  Kunst  nicht  em- 
pfänglich ist,  von  Ehrfurcht  und  Schmerz  durch- 
drungen fühlen  muss.  Und  so  erregte  auch  der  An- 
blick dieses  Ortes  in  dem  Manne,  der  das  Tagebuch 
der  Reise  von  Smyrna  führte  und  den  Namen  und  die 
Geschichte  des  Ortes  nicht  kannte,  die  üeberzeugung, 
dieser  Bau  müsse  einst  eins  der  sieben  Wunderwerke 
der  Welt  gewesen  sein. 

Tat.  1. 
Karte  von  der  Umgegend  des  Tempels, 

Der  Tempel  des  Apollon  Diäymäos  war  nicht  weit 
von  dem  Vorgebirg  Poseidion  entfernt.  Er  lag  ohn- 
gefähr  zwei  und  eine  halbe  Meile  von  der  nächsten 
Stelle  der  Küste  und  zvveiundzwanzig  und  eine  halbe 
Meile  von  Miletos  auf  einem  Hügel,  der  sich  allmäh- 
lig  nach  dem  Meer  zu  herabsenkt.  Der  Hafen  Pa- 
normos  wird  noch  häufig  von  kleinen  Schiffen  besucht 
und  durch  einen  kreisförmigen  Damm  geschützt,  der 
in  alter  Zeit  aus  grossen  JMarmormassen  gebaut  wor- 
den ist.  Bund  um  ihn  herum  sind  üeberreste  von  Woh- 
nungen und  Gebäuden,  die  jetzt  durch  Gebüsch  von 
Myrten,  Mastix  und  Immergrün  fast  ganz  verdeckt 
sind. 

Beinahe  in  der  Mitte  zwischen  dem  Tempel  und 
dem  Hafen  nimmt  der  heilige  Weg  seinen  Anfang,  der 
in  der  Tiefe  zwischen  zwei  sanft  sich  absenkenden 
Höhen  durchführt.  Längs  desselben  sieht  rnan  nach 
gewissen  Zwischenräumen  noch  gegen  sechzig  bis 
siebenzig  Grabmäler  und  Statuen  alter  Kunst.    Alle 


DRITTES   CAPITEL.  133 

tragen  deutliche  Merkmale  des  Aegyptischen  Styls, 
Die  meisten  Statuen  sind  Figuren,  die  auf  Stühlen 
oder  Sesseln  von  sehr  alterthümlicher  Form  sitzen; 
einige  derselben  haben  Inschriften  nach  der  Schreib- 
art,  die  man  Bustrofedon  {^^'^)  heisst.  Unter  ihnen  ist 
auch  die  Statue  eines  Löwen  von  weissem  Marmor 
mit  dem  Aegyptischen  Kopf.  Viele  Marmorstücke  an 
dem  Tempelbau  gleichen  dem  Parischen  Marmor; 
hier  finden  sich  aber  mancherlei  Stoffe  in  unreinerer 
Bildung  vermischt. 

Als  Chandler  den  Tempel  besuchte,  waren  die 
nächsten  Menschen  die  Bewohner  von  Ura,  einem 
Dorfe,  das  ohngefähr  zwei  Meilen  von  der  nach  Mi- 
letos  oder  Palatia  führenden  Strasse  entfernt  liegt; 
das  neuere  Dorf  um  den  Tempel  herum  war  damals 
verlassen.  Es  scheint  wieder  aufjjelebt  zu  sein  und 
unglücklicherweise  zieht  die  Zunahme  seiner  Ge- 
meinde die  Abnahme*  der  alten  Baustoffe  nach  sich. 
In  dem  Zeitraum  weniger  Monate,  der  zwischen  den 
zwei  Besuchen  der  Missionäre  lag,  ist  Vieles  zerstört 
worden.  Ein  Theil  der  Mauer  der  Vorhalle  war  in- 
dessen niedergerissen  und  ein  schöner  Terebinthen- 
baum,  die  Zierde  und  der  Stolz  des  Dorfes,  umge- 
hauen worden.  Die  Stelle  jenes  Heiligthums  hatte 
eine  Windmühle  eingenommen,  bei  deren  Bau  viele 
der  kleineren  Marmorblöcke ,  vorzüglich  die  mit 
Bildnerei  verzierten,  benutzt  und  andre  in  Kalk  ver- 
wandelt worden  waren;    Die  zwei  Korinthischen  Capi- 


(112)  BovaxQO(fiiSnv,  fitrchenartig,  heisst  tlir  alte  Schreib- 
art, wenn,  nach  Art  der  pfliigendcn  Stiere,  die  erste  Linie  von  der 
Linken  zur  Reciifen,  die  zweite  von  der  Rechten  zur  Linken  und 
so  fort  wechselsweise  geschrieben  ist.  In  dieser  Art  waren  Solans 
Gesetze  auf  Tafeln  eingc;,'raben  und  ist  die  bcriihmtc  Sigoische 
Inschrift  geschrieben.  VgL  Rambachs  Arcbäolog.«  Unters,  zu  Potter 
TW.  IIL   S.  286  f.  W. 


134  DRITTES    CAPITEL. 

täle  waren  gänzlich  zertrümmert  und  die  Statuen 
jammervoll  entstellt.  Das  Uebel  grifF  unglücklicher- 
weise immer  mehr  um  sich  und  nichts  schien  der 
allmähligen,  aber  sicheren  Zerstörung  des  Tempels 
Binhalt  thun  zu  wollen,  wenn  es  nicht  etwa  eine 
jener  Heimsuchungen  oder  Plagen  thäte,  welche  in 
Kleinasien  bisweilen  ganze  Gegenden  entvölkern  und 
den  Tummelplatz  geschäftiger  Menschen  in  wüste 
Einöden  verwandeln. 

Der  Tempel  scheint  durch  ein  Erdbeben  nieder- 
gestürzt zu  sein,  eine  andre  Art  furchtbarer  Heim- 
suchung, welche  die  Menschen  aus  ihren  Wohnun- 
gen wegtreibt  und  oft  fern  von  ihrem  frühern  Aufent- 
haltsorte sicherere  Wohnsitze  zu  suchen  zwingt. 

Das  neue  Dorf,  das  jetzt  Jeronta  heisst,  besteht 
aus  ohngefähr  hundert  und  für\fzig  Häusern.  Die 
ganze  Umgegend  ist  reich  an  marmornen  Bruch- 
stücken und  Ueberresten  alter  Inschriften. 

Taf.  II. 
Ansicht  des  Tempels  des  Apollon  Didymäos. 

Taf.  HL 

Grundriss  des  Tempels, 

Der  Grundriss  des  Tempels  bildet  ein  Parallelo- 
gramm, das  auf  der  obersten  Stufe  gemessen  drei- 
hundert und  drei  Fuss  sechs  Zoll  lang  und  einhundert 
•vierundsechzig:  Fuss  fünf  Zoll  breit  ist.  Die  Zelle 
ist  mit  einer  doppelten  Reihe  Säulen  umgeben;  der 
äussere  Peristyl  hat  einundzwanzig  Säulen  auf  den 
Seiten  und  zehn  auf  den  Fronten. 

Die  gerade  Linie  der  Mauern  im  Inneren  der 
Zelle  ist  durch  hervortretende  Pfeiler  oder,  Anten 
unterbrochen  und  in  Abtheilungen  getheilt;  die  Pfei- 
ler laufen  in  gleichen  Zwischenräumen  rund  herum 
und   nur  an  dem  Eingange  stehen  zwei  Halbsäulen 


DRITTES    CAPITEL.  135 

von  der  Korinthischen  Ordnung.  Diese  Art,  dem 
Inneren  der  Zelle  ein  reicheres  Ansehn  zu  geben, 
ist  in  Griechischen  Tempeln  nicht  ungewöhnlich  und 
in  den  Tempeln  Roms  sowie  in  denen  von  Balbek  und 
Palmyra  sogar  herrschend. 

Der  Tempel  hatte  nur  Einen  Zugang  und  zwar 
durch  die  Vorhalle  auf  der  Ostseite.  Diese  war  von 
bedeutender  Tiefe  und  wurde  von  der  Zelle  durch 
eine  andre  ohngefahr  sechsundzwanzig  Fuss  tiefe 
Abtheilung  getrennt.  Der  Zweck  dieses  Gemaches 
ist  nicht  leicht  zu  erkennen,  .wenn  man  es  nicht  für 
die  Schatzkammer  des  Tempels  halten  will,  in  der  die 
Weihgeschenke  zur  Schau  desVolIis  ausgestellt  wur- 
den, wobei  der  Zutritt  zu  ihnen  durch  metallne  Git- 
ter verwehrt  war.  Der  Opisthodomos  des  Parthenon 
zu  Athenä  war  eine  Abtheilung  von  ähnlicher  Con- 
struction  und  zu  ähnlichem  Behuf. 

Die  Mauer  der  Zelle  auf  der  Hinterseite  ist  acht 
Fuss  zehn  Zoll  dick;  sie  ist  fest  und  nach  aussen, 
auf  den  Stirnseiten,  mit  grossen  noch  rauhen  und  un- 
geglätteten  Marmorblöcken  von  graulicher  Farbe  be- 
kleidet. Der  mittlere  Theil  der  Mauern  ist  aus  dem 
gewöhnlichen  Steine  der  Umgegend. 

Als  Herr  TVood  diesen  Tempel  besuchte,  fand 
er  zwei  Türkische  Maurer  damit  beschäftigt,  alle 
tragbaren  Marmorblöcke  zu  Grabsteinen  wegzubrin- 
gen. Er  ist  der  Meinung,  dass  die  ganzungewöhnliche 
Art,  in  der  die  Steinmassen  dieses  Gebäudes  über 
den  üeberresten  der  Mauern  in  Verwirrung  gehäuft 
liegen,  die  Folge  eines  heftigen  Erdbebens  sei,  indem 
die  Mauern  nicht  niedergerissen,  sondern  gewisser- 
massen  niedergedrückt  seien  und  ihre  Ueberreste 
unter  der  Masse  verbärgen,  welche  sich  zu  beiden 
Seiten  gleich  weit  hin  erstreckt. 

Viele  der. an  der  Nordseite  des  Tempels  lie- 
genden Steine  sind  mit  einem ,    zwei  oder  mehren 


136  DRITTES    CAl'ITEL. 

Buchstaben  beschrieben;  einige  mit  EO^O  und 
IHQEN.  Sie  gehörten  zu  den  Mauern  der  Zelle  und 
die  Inschrift  stand  an  der  äusseren  oder  Stirnseite. 

Die  Säulen  des  inneren  Peristyls  sind  der  ganzen 
Länge  ihrer  Schäfte  nach  cannelirt;  die  der  äusseren 
Reihe  nur  bis.zu  einem  Abstand  von  zwei  Fuss  unter 
den  Capitälen.  Der  übrige  Theil  der  Schäfte  ist  rauh 
gelassen,  wenige  Zolle  über  dem  Anlauf  ausgenom- 
men, w^oraus  man,  da  dieser  Tempel  nie  "vollendet 
wurde,  ersieht,  dass  die  Cannelirungen  erst  dann 
ausgearbeitet  wurden,  wann  die  Säulen  aufgerichtet 
waren. 

Die  Säulenstück  e  waren  mit  aller  möglichen  Vor- 
sicht zusammengesetzt,  um  ihnen  einen  festen  Stand 
zu  sichern.  In  der  oberen  Fläche  eines  der  Stücke, 
das  zu  einer  Ecksäule  gehörte,  sind  nicht  weniger 
als  zwölf  Löcher,  in  welche  metallne  Klammern  oder 
Haken  eingesetzt  wurden,  ohne  jene  grössere  Ver- 
tiefung von  achtzehn  Zoll  im  Durchmesser  mitzuzäh- 
len, die  für  den  Pflock  oder  Dobel  in  der  Mitte  be- 
stimmt war.  Die  Löcher  für  die  Klammern  sind  sym- 
metrisch, über  die  Oberfläche  hin  vertheilt. 

Taf.  W. 

Aufriss  der  Vorderseite  des  Tempels. 

Wir  legen  hier  dem  Leser  einen  Aufriss  der 
Vorderseite  des  staunenswerthen  Gebäudes  vor,  den 
wir  so  weit  ergänzt  haben,  als  es  uns  die  an  Ort  und 
Stelle  zugänglichen  Probestücke  erlaubten.  Es  Hess 
sich  kein  Theil  des  Kranzes,  noch  irgend  ein  Stück, 
das  uns  die  Neigung  des  Giebels  angegeben  hätte, 
auffinden.  Die  Säulen  haben  mehr  als  neun  und  einen 
halben  Durchmesser  zur  Höhe,  übersteigen  also  auf 
eine  sehr  aufl'allende  Weise  das  gewöhnliche  Ver- 
hältniss  der  Säulen  an  Ionischen  Gebäuden.  Die  weite 
Ausdehnung  der  zehnsäuligen  Vorderseite  bestimmte 


DRITTES   CAPITEL.  137 

<  • 

wahrscheinlich  den  Baumeister,  die  gewöhnlich  bei 
der  Länge  der  Schäfte  beobachteten  Verhältnisse  zu 
verjjrössern. 

Es  ist  immer  gewagt,  aus  einzelnen  Beispielen 
bestimmte  Grundsätze  zu  folgern,  üie  an  verschied- 
nen  Säulensrhäften  wahrgenommenen  verschiednen 
Verhältnisse  hatten  zu  dem  Schlu'ss  geführt,  dass 
eine  grössere  Anzahl  Säulen  auf  der  Vorderseite  (wo- 
»bei  die  Zwischenweiten  verhältnissmässig  verengt 
werden  mussten,  um  nicht  die  Ausdehnung  des  Tem- 
pels zu  gross  werden  zu  lassen)  nothwendigauch  eine 
Erhöhung  der  Schäfte  verlange,  um  die  Weite  mit 
der  Höhe  in  ein  gehöriges  Verhällniss  zu  setzen.  In 
vorliegendem  Beispiel  hat  man  aber  weder  diesen 
Grundsatz  befolgt,  noch  durch  Erhöhung  des  Archi- 
travs  und  des  Zoforos  oder  des  Frieses  jenen  Zweck 
erreicht,  indem  beide  beträchtlich  niedriger  sind,  als 
es  in  der  besten  Zeit  der  Griechischen  Architektur 
üblich  war.  Die  anffälli";e  Schwäche  des  Architravs 
ist  einer  der  grossen  Mänjjel  dieses  Gebäudes  und 
wird  kaum  durch  die  ungemein  vollendete  Ausfüh- 
rung aller  Theile  wieder  gut  gemacht,  wenn  wir  den 
Architrav  als  eine  der  sichersten  Bestimmungen  über 

architektonische  Vollendung  betrachten. 

• 

Taf.  V. 

Säulenordnung. 

Fig.  1.  Die  oberste  Stufe,  Base  und  der  untere 
Theil  des  Schafts  der  Säulen  in  dem  äusseren  Fe- 
ristyl. 

Die  Stufe  mit  den  Einziehungen ,  Stäben  und 
Plättchen  ist  aus  Einem  Marmorblock  gehauen.  Der 
Pfuhl  ist  mit  dem  unteren  Stück  des  Schafts  zusam- 
mengearbeitet. 

Fig.  2.  Das  Capital  der  Säulen  mit  dem  oberen 
Theil  des  Schafts  und  dem  Architrav. 


138  DRITTES   CAPITEL. 

Der  Saum  oder  Rand  an  der  Vorderseite  der 
Schnecken  ist  bei  den  Capitälen  des  äusseren  Peri- 
styls  viereckig  gelassen,  an  denen  des  inneren  Peri- 
styls  aber  ist  er  rund  gemeisselt.  Die  Blumen  auf 
dem  Wulst  jener  Capitäle  haben  nur  drei,  die  auf 
dem  Wulst  der  letzteren  aber  vier  Blätter. 

Taf.  VI. 

Einzelne  Theile  der  Ordnung.  4 

Die  oberen  Figuren  stellen  die  Nebenseite  der 
Ionischen  Capitäle  dar,  mit  einem  Durchschnitt  ver- 
mittelst einer  Fläche,  die  durch  die  Mitte  des  Kissens 
gelegt  vrurde.  Unter  ihnen  sieht  man  den  Grundriss 
der  Capitäle  nebst  einem  Durchschnitt,  vermittelst 
einer  Fläche,  die  durch  die  Mitte  der  Vorderseite 
der  Capitäle  gelegt  vrurde. 

Die  unterste  Figur  stellt  den  Architrav  des  äus- 
seren Peristyls  dar,  sovrie  seine  innere  Fläche  und 
die  des  über  ihm  liegenden  Frieses. 

Taf.  VII. 
Die  Capitäle  der  Anten. 

Mehre  Capitäle  der  inneren  Pfeiler  oder  Anten 
liegen  an  der  Nordseite  des  Tempels.  Die  Seiten- 
wände haben  nicht  ganz  die  halbe  Breite  der  Vorder- 
seite, vroraus  man  ersieht,  dass  keines  von  ihnen  zu 
den  Anten  der  Vorhalle  gehörte.  Denn  hier  sind 
die  Nebenseiten  stets  ebenso  breit  wie  die  Vorder- 
seiten und  entsprechen  der  Breite  der  Architrave, 
die  von  den  Säulen  getragen  werden,  w^elche  zwi- 
schen den  Enden  der  Mauern  der  Zelle  stehen. 

Man  hat  auch  noch  mehre  Ueberreste  verzierter 
Stücke ,  welche  die  Räume  zwischen  den  Antencapi- 
tälen  in  der  Zelle  ausfüllten  und  auf  der  folgenden 
Tafel  abgebildet  sind. 


DRITTES  CAPITEL.  1^9 

Die  Fuge  zwischen  dem  Capital  und  der  Ante  ist 
unmittelbar  unter  dem  Band,  durch  das  sie  auch  ver- 
deckt wird. 

Die  Capitäie  sind  sich  nicht  alle  gleich ;  die  Zeich- 
nung des  Theils  zwischen  den  Hörnern  des  Capitäls 
ist  verschieden.  Eine  Verschiedenheit  zeigt  die  un- 
terste Figur  der  Tafel. 

Taf.  Vlll. 

'   Einzelne  Theile  des  Inneren, 

Der  mit  Greifen  und  Leiern  verzierte  Fries  füllte 
die  Räume  zwischen  den  Antencapitalen  im  Inneren 
der  Zelle.  Die  Gestalt  des  Greifs  wird  gewöhnlich 
aus  dem  Kopf  und  den  Flügeln  eines  Adlers  und  dem 
Leib,  den  Füssen  und  dem  Schwanz  eines  Löwen  zu- 
sammengesetzt. Auf  diesem  Fries  hat  er  den  Kopf 
eines  Löwen  mit  den  Hörnern  und  dem  Bart  eines 
Ziegenbocks. 

Da  die  Alten  die  Bildsäulen  und  Tempel  ihrer 
Götter  mit  den  Symbolen  der  ihnen  beigelegten  Kräfte 
auszuschmücken  pflegten,  der  Greif  Zih er  ganz  vor^ 
züglich  dem  /4pollon  heilig  w^ar  und  in  den  alten  My- 
then stets  als  Wächter  der  Goldgruben  auf  den  Sky- 
thischen  undHyperboreischen  Gebirgen  erscheint,  (*") 
so  ist  er  hier  als  PFächter  der  Lyra  vorgestellt,  welche 
dem  ^pollon  als  dem  Erfinder  der  Musik  zukam. 

Er  hat  einen  Löwenkopf ,  da  die  Kraft  des  Apal- 
ion  oder  der  Sonne  am  w^irksamsten  ist,  wenn  sie  in 
diesem  Zeichen  des  Thierkreises  steht.  Hatten  ja  die 
Perser  selbst  eine  Statue  des  Apollon  mit  dem  Kopf 
eines  Löwen.  Die  Hörner  und  der  Bart  des  ßockb 
mögen  von  dem  ehernen  Ziegenbock  entlehnt  sein, 
den  die  Kleonaer ,  welche  nach  dem  Befehl  des  Ora^ 
kels  dem  Apollon  oder  der  Sonne  bei  ihrem  Aufgang 

(113)  Hcrod.  111,  116.     IV,  13.  W. 


140  DRITTES   CAPITEL. 

einen  Ziegenbock  geopfert  hatten  und  von  einer  Pest 
befreit  worden  waren,  als  Denkmal  ihrer  Rettung 
in  Delfö  aufgestellt  hatten.  (^'*) 

Das  Korinthische  Capital  gehört  zu  den  am  Ein- 
gang in  die  Zelle  halb  in  der  Mauer  stehenden  Säu- 
len. Die  Schnecken  waren  zerstört  und  wurden  nach 
Vermuthung  an  der  Figur  ergänzt,  die  ein  halbe« 
Capital  in  grösserem  Maassstab  darstellt. 


Viertes   Capitel. 

Labrand  a» 

Uer  glänzende  Titel  NecoxoQOi,  als  Bezeichnung  der 
obersten  Yorsteher  und  Verwalter  Asiens,  welchen 
sich  die  den  Schutzgöttern  Geweihten  in  ihrer  Eitel- 
keit und  Prunksucht  beigelegt  hatten ,  wurde  mit 
neidischem  Auge  von  denen  betrachtet,  die  unter 
einer  verschiednen  Form  religiöser  Institute  noch 
immer  nach  einem  gleichen  Uebergewicht  strebten. 

Der  Tempel ,  den  wir  zum  Gegenstand  dieses 
Capitels  auserwählt  haben,  kann  sich  zwar  solch 
hohen  Ursprungs  nicht  rühmen.  Allein  seine  Pracht, 
die  sorgfältige  Wahl  und  der  Reichthum  seiner  ßau- 
stofl'e,  sammt  den  Inschriften,  durch  welche  die 
Säulen  verziert  sind,  haben  ihm,  wie  seine  Gründer 
gehofft  zu  haben  scheinen,  einen  bleibenden  Ruf  bei 
der  Nachwelt  gesichert.  Der  Styl  des  ßaus,  die 
Form  der  Inschriften,  sowie  die  Namen  und  Titel *^ 
der  in  ihnen  erwähnten  obrigkeitlichen  Personen,  füh- 
ren uns  zu  der  Vermuthung,  dass  der  Tempel  in  der 
Zeit  der  Antonine  erbaut  worden  sei.     Die  Griechi- 


(114)  Pausan.  X.  11.  §.  4.  p.  824  sq.  W. 


VIERTES   CAPITEL.  141 

sehen  Freistaaten  würden  wohl  ihrer  Obrigkeit  so 
ausgezeichnete  Ehre  nicht  zugestanden  haben,  aber 
der  unterwürfige  Sinn  der  späteren  Zeit  wagte  es 
nicht,  den  wilikührlichen  Anordnungen  der  procon- 
sularischen  Regierung  entgegen  zu  treten. 

Trotz  der  Winke  und  Hülfsmittel,  die  uns  bei 
unserer  Untersuchung  unterstützten,  konnten  wir 
über  das  Alter  des  Gebäudes  keine  sichere  und  ge- 
naue Ansicht  gewinnen.  Wird  doch  selbst  der  Name 
der  Gegend,  in  der  es  stand,  von  den  Reisenden, 
die  sie  neuerdings  besucht  und  mit  Aufmerksamkeit 
durchforscht  haben,  und  von  denen  wir  allein  eine 
genügende  Beleuchtung  über  diesen  Gegenstand  er- 
warten können,  verschieden  angegeben.  Um  unsre 
Leser  bei  einem  Gegenstand  von  solcher  Dunkelheit 
mit  allen  möglichen  Hülfsmitteln  zu  versehen,  welche 
die  Natur  der  Untersuchung  erlaubt,  wollen  wir 
hier  die  verschiednen  Berichte  mittheilen. 

Dr.  Chandler  gibt  uns  im  achtundiünfzigsten  Ca- 
pilel  der  Reisen  in  Kleinasien  folgende  Nachricht: 

»Auf  dem  Weg  von  Jasus  ('laoaog)  nuch  Mendelet, 
das  vier  Stunden  davon  und  drei  von  Mylasa  entfernt 
ist,  verliessen  wir  die  grüne  Fläche,  ritten  nord- 
wärts durch  Stoppeln  von  Türkischem  Waizen  und 
kamen  nach  einer  Stunde  in  eine  schöne  und  weite, 
mit  Reben,  Oel-  und  Feigenbäumen  bepflanzte  Ebene. 
Sie  diente  Heerden  von  Kühen  und  Söhafen  zur 
Weide  und  wurde  von  Bergen  eingeschlossen,  auf 
denen  Dörfer  lagen.  Auf  einem  krummen  Wege 
durchritten-  wir  die  Ebene  und  hatten  das  Land- 
haus des  Aga  von  IMylasä  zu  unsrer  Rechten.  Als 
wir  durch  ein  Dorf  Namens  Jackly  kamen,  überrasch- 
ten uns  die  herrlichen  Trümmer  eines  Tempels.  Da 
es  jedoch  schon  dämmerte,  setzten  wir  unsre  Reise 
nach  Mendelei  iotX. ,  das  eine  Stunde  weiter  liegt.  Am 
nächsten  Morgen  kehrten  wir  zu  den  Trümmern  zu- 


t42  VIERTES    CAPITEL. 

rück.  Der  Tempel  war  von  der  Korinthischen  Ord- 
nung; sechzehn  Säulen  standen  noch  und  trugen  auch 
noch  einen  Theil  ihres  Gebälks;  Zelle  und  Dach 
waren  zerstört.  Die  Kuine  liegt  in  einer  Einbucht 
des  Bergs;  die  Vorderseite,  die  nach  Osten  gerich- 
tet ist,  stösst  an  den  Fuss  desselben;  von  der  Rück- 
seite und  einer  der  Nebenseiten  aus  übersieht  man 
die  Jiibene.  Der  Baustyl  ist  edel  und  liess  es  uns  sehr 
beklagen,  dass  einige  Glieder  und  namentlich  die 
Ecke  des  Kranzes  fehlten.  Seine  Marmorsteine  sind 
stückweise  in  den  Kalköfen,  welche  dicht  an  den 
Trümmern  stehen  und  noch  gebraucht  werden,  gleich- 
sam weggeschmolzen.  In  Einer  Linie  mit  der  Nord- 
seite des  Tempels  hatte  eine  Stadt  gestanden.  Die 
Mauer,  die  nahe  bei  dem  Tempel  beginnt,  zieht  sich 
über  den  Hügel  hin  und  senkt  sich  an  der  Seite  gegen 
Mendelet  zu.  Das  dichte  Gebüsch,  das  sich  über  den 
Platz  ausgebreitet  hat,  ist  fast  undurchdringlich  und 
hinderte  mich,  die  Mauer  bis  zu  ihrer  Höhe  zu  ver- 
folgen; den  Lauf  des  unteren  Theils  kann  man  aber 
noch  leicht  nachweisen.  Sie  hatte  in  Zwischenräu- 
men viereckige  Thürme  und  war  von  ähnlicher  Bau- 
art, wie  die  Mauer  zu  Efesos.  Innerhalb  der  Mauern 
ist  ein  in  den  Felsen  gehauenes  Theater ,  von  dem 
sich  noch  einige  Sitze  erhalten  habeni.  In  den  Wein- 
bergen darunter  findet  man  zerbrochne  Säulen  und 
Marmorfragmente,  und  in  einem  hinter  dem  Tempel 
gelegenen  Garten  zwei  massive  Sarkofage ,  in  welche 
Blumengewinde  und  Köpfe  eingehauen  sind;  die 
Deckel  liegen  auf;  an  ihren  Seiten  ist  mit  Gewalt  ein 
Loch  jjemacht.  Sie  sind  auf  Giebelsteine  gestellt  und 
sehen  in  der  Ferne  wie  zwei  Thorpfeiler  aus.  Ueber 
den  Tempel  hinaus  sind  auch  mehre  Ueberreste  von 
Grabmälern.  Ich  war  sehr  unbefriedigt,  weil  ich 
keine  Inschriften ,  die  uns  den  Namen  dieses  verlas- 
senen Ortes  angegeben  hätten,     aufgefunden  hatte. 


VIERTES   CAPITEL.  143 

Aber  rücksichtlich  seiner  Lage  auf  einem  Berge  zur 
Seite  des  Wegs  und  seiner  Entfernung  von  Mylasahin 
ich  geneigt  zu  glauben,  dass  es  Labranda  war. 

Labranda  war  nach  Strabon  (*)  ein  Dorf  auf  einem 


(1)  Mixu  S  "luaaov,  vo  xiäv 'MiXriatiav  IJoailStov  iaxiv.  *Ev 
Si  Tij  fi(aoyu((f  x«t  TQtli;  dal  nokeiq  u^ioXoyoi,,  Mv kaaa,  Sxqaxovl- 
xft«,  Akü ßuvSa'  ai  Si  äkXav  nfQinohoi  xovxmv ,  rj  xwv  naQukCmv, 
wv  tlaiv  Afivt^wv,  Hgunltia,  Jivgojfioq,  XulxtiTtog'  xovxotv  ftiv 
ouv  iXüxxutv  köyoq.  Tu  Sk  MvXaaa  idgvrut  iv  ntSCo)  atpödga  ivSaC- 
fiovi,'  vn^QXHxai  Si  xaxu  xoQvqiriv  ogoq  uvxov  Xaxöftwv  Xtvxov  Xi&ov 
xäXXiaxov  ^ov*  xouxo  f^iv  oqteXöq  iaxiv  01/  ftiy.gov  tijv  Xi&iav  ngoq 
Tcig  oly.oSofi(u<;  ucp&ovov  xul  iyyv&tv  ^ov,  y.at  fiuXiaxa  ngoq  xuq  xZv 
houiv,  y.ut  xiuv  uXXav  xoiv  Srj/xoalmv  fgymv  xuxaaxfvccq.  Kai  yug  to» 
axouli;  T6,  xal  vu6l<;  fX  xtc;  uXXt]  xiy.6a fxrixai  nuyy.äXox;'  ^av[iä'C,ttv  S* 
iaxl  xaiv  vTcoßuXovxwv  oyTW?  uXoyax;  xo  xxiafiu  og&Cio  xal  untgSt^no 
xgrifivij)'  xal  Sri  *"*  '**'*'  f}yffMV<av  rlq  tlnäv  Xdytxat,  &av/iiuatiq  x6 
^ngv.yfia'  xuvxriv  yug  fq)t]  tijv  noAn»  o  xxfaaq,  it  jiri  iq>oßtlxo  uv,  ovd 
tjaxvvixo.  "Ejrovok  S  ot  MvXuati(;  ligit  öüo,  xov  zfiog,  (*)  tov  xe 
Jlaoyu)  xuXovfiivQv ,  xal  Auvguydtjvou'  xo  /niv  iv  xtj  noXu'  xa 
äi  Außg(/ivSu  xojiiti  iaxlv  iv  tw  ogn  xuxa  t>/V  vnig&taiv  x^v  i^ 
^■IXaßuvdwv  ilq  XU  MvXaaa,  unotQ-tv  t^?  noXitoc;'  ivxuv&a  /Ito^ 
iaxiv  Vfwq  agxuXoi,  xal  ^öuvov  //lo?  axgaxCov'  xifiuxut  di  vno  xwv 
xvxXo) ,  xul  vno  xwv  MuXuaioiv '  oäoc;  xi  i'axgcoxuv  a^idov  xi  oxxu  xal 
i^rixovxa  axadCuiv  jifXQ''  t^S  noXiox;,    itgu  xuXovfUft} ,    Sc    »j?  :to/i7io~ 


(*)  Tou  Ainq,  xoü  Xi  Jlaoyo)  xaXovfi^vov,  xal  AavgavSi^vov)  lo- 
vis  Labvandeni  ficqiuMis  mentio  vetcribiis.  Hcrodoto  libro 
qiiiiito,  c.  119,  Plutarcho  in  Qiiacst.  Giaec.  (48.  p.  538.  B.), 
Lactantio  et  Steph.  lovis  Osogo  lucntionctii  apiicl  Pausa- 
iiiain  rcperi ,    qiiaiiqiiain   ille  paullo  al'tcr  vocat.    Vorba  cius 


(fui'ij  x7j  inixuQ((f  xuXoüaiv    Oy wa,     Casaubonus. 

Ücl)i'r  titn  Zfu<:  otgüxMc;  (Kriegsgott),  iiiul  Zivq  Außgav- 
Siixi,  yiaßguvSifi  oder  Außguvör^vöi;  und  die  Ableitung  dieses 
Wortes  von  dem  Lydischen  Xußgix;  (Kriegsaxt)  vgl.  Creuzer, 
Syn.l)ol.  Till.  II.  S.  493  f.  IV.  62  ff  Osanti,  Auctarium 
Lcxicorum  Graec.  p.  102.  Ifoeck,  Kreta,  I3d.  II.  S.  295  ff. 
Schwenckj  M^lholog.  Miscclien,  in  der  aligem.  Schulztg. 
1828.    Abthl.  II.    N.  93.  '       W. 


144  VIERTES   CAPITEL. 

Berg  an  der  Strasse  von  Alabanda  nach  Mylasa,  Der 
Ternpel  war  alt  und  das  Bild  des  Gottes  von  Holz. 
Y^'xe  hier  und  von  dem  Volke  ringsum  verehrte  Gott- 
heit war  Zeus ,  der  Kriegerische,  Der  Weg  war  fast 
achtunds^chzig  Stadien  oder  acht  und  eine  halbe 
Meile  bis  nach  Mylasa  hin  gepflastert  und  hiess  der 
heilige,  weil  auf  ihm  die  Opferthiere  und  Processio- 
nen  hinzogen.  Die  Priesterwürde  wurde  den  ange- 
sehensten Bürgern  und  zwar  lebenslänglich  ertheilt. 
Die  Trümmer  des  Tempels  entsprechen  ganz  der 
Beschreibung  des  Geografen.  Das  durch  die  Zeit 
erschütterte  Gebäude  scheint  in  einer  späteren  Pe- 
riode, als  in  welcher  Strabon  sein  Werk  verfasste, 
allmählig  und  grösstentheils  aus  den  Beiträgen  der 
Stefaneforen  oder  Oberpriester  erneuert  worden  zu 
sein.  Denn  an  sieben  Säulen  findet  sich  eine  Inschrift, 
die  man  also  übersetzen  könnte : 

LEON  ROINTÜS,  SOHN  DES  LEON,  WEIHTE 
ALS  STEFANEFOROS,  WIE  ER  VERSPRO- 
CHEN, DIESE  SÄULE,  SÄMMT  BASE  UND 
CAPITAL. 

Nachfolgende  Inschrift  ist  mit  einiger  Verschieden- 
heit in  der  Länge  der  Zeilen  und  Verbindung  der 
Buchstaben  auf  fünf  oder  noch  mehren  Säulen  wie- 
derholt: 

MENEKRATES,  SOHN  DES  MENEKRATES, 
OBERSTER  ARZT  DER  STADT,  WEIHTE 
ALS  STEFANEFOROS  DIESE  SÄULE,  SAMMT 

OToXtixui,  T«  uqÜ  '  ifQWVTui,  6  oi  int.q)av(axuroi,  xiäv  no}.iTiäv  atl,  Siu 
ßtov'  Tuvxa  fiiii  ovv  %Siu  t^;  noXiox;.  T^hov  ö  iovlv  legov  lov  Ka- 
qCov  /Jioq  xoivov  unuvxoiv  Kuqojv,  ov  /niTtari  xal  Avdoi<;,  y.ul  Mvaoiq 
W5  lifhXcpolq.  loroQÜrui.  di  yMfitj  vtiu^^ui,  ro  nuXaiov.  IJurgli;  Sh 
xal  ßuaO.uov  tp  twv  Kuqujv  twv  ntgl  %w  JßxaTOfivw'  wAt;fft«^£t  äh 
fiahaza  ly  xaru  fPvaxov  t9-u).uttj]  t}  tioXk;  ,  xal  tout  iaxlv  «utoIs 
inlvuov.     Stiabo.  XIV.  p.  658  sq. 


VIERTES   CAPITEL.  145 

BASE   UND    CAPITAL;     TRYFÄNA,     SEINE 
TÜCHTEll,    SELBST  GLEICHFALLS  STEFA 
NEFORÜS  UND   GYMNASIABCHOS,    HATTE 
DIE   BESORGUNG. 

Aus  der  Form  mehrer  Buchstaben  in  den  letzte- 
ren Inschriften  lässt  sich  schliessen,  dass  Leon  der 
frühere  Wohlthäter  j2[ewesen  war.i  (*) 

Der  Herr  Graf  von  Choiseul  Gouffier  spricht  sich 
in  seiner  Voyage  pittoresque  de  la  Grece  Chap.  XL 
also  aus: 

jL'emplacement  de  la  ville  de  Kiselgick  n'ofFre 
aucunes  ruines;  mais  a  environ  nne  lieue  au  midi,  on 
trouve  Celles  d'une  ville  ancienne,  parmi  lesquelles 
on  distingue  les  restes  d'un  theatre,  et  la  plus  gründe 
parlie  d'un  temple  magnifique.  Nous  ne  püraes  mal- 
heureusement  decouvrir  aucune  inscription,  qui  nous 
indiquat  le  nora  de  cette  ville.  Chandier  s'appuyant 
sur  la  Situation  de  ce  temple  eleve  dans  une  raontagne, 
et  environ  ä  deuxheures  dechemin  deMj-lasa,  comme 
r^loit  celui  6e  Jupiter  Stratius  suivant  Strabon  etElien, 
croit  que  c'est  l'ancien  bourg  de  Labranda;  mais  il 
n'auroit  pas  commis  cette  erreur,  s'il  eüt  bien  connu 
le  passage  de  Strabon,  qui  dit  positivement,  que  ce 
bourg  se  trouvoit  sur  la  route  de  Mylasa  a  Alabanda. 
Cette  derniere  ville,  tres-reculee  dans  la  Carie,  etoit 
au  nord-ouest  de  Mylasa ^  comrae  on  peut  le  voir 
dans  la  carte;  et  Kiselgick  se  trouve  au  contraire  de 
nord  -  ouest ;  on  ne  peut  raisonnablement  supposer  que 
la  route  lit  un  d^tour  assez  considerable,  pour  aller 
passer  par  un  lieu  ^loigne  de  <)0  degr^s  de  la  route 
directe.   Les  ruines  ne  paroissent  donc  pas  appartenir 

(2)  Die  M^lasier  waren  die  Besitzer  des  berühmten  Zeus  von 
Labranda.  Dieser  Gott  komnit  oft  auf  Miiuzcn  vor  mit  der  dop- 
pelten Streitaxt  j  seinem  Sinnbildc.  (Siehe  die  Vignettentafel  3. 
Fig.  1.   und  Cap.  VII.   Taf.  XXII.) 

Ion.  AU.  10 


146  VIERTES     CAPITEL. 

au  bourg  de  Labranda;  je  croirois  plutot  que  ce  sont 
Celles  de  la  yiWe  d' Euromus j  et  lachaine  de  montagnes 
qui  se  terinine  a  cet  endroit  m'en  paroit  une  preuve. 

Strabon,  Lib.XlV.  en  d'ecrivant  la  position  d'Eu~ 
romus  j  dit  (^)  qu'une  montagne  appellee  Grius  et  qu'il 
ne  faut  point  confondre  aveo  le  Latmusj  prenant  son 
comtnencement  au  territoire  de  3Iilet,  s'avance  vers 
l'orient  dans  la  Carie,  jusqu'ä  ce  qu'elle  rencontre 
Chalcetores  et  Euromus ^  et  qu'elle  finit  et  reste  comrae 
suspendue  au-dessus  de  cette  derniere  ville. 

L'inspeclion  des  lieux  ne  m'a  point  permis  de  re- 
"voquer  en  doute  l'opinion  que  je  propose.  Cette  ville 
d'Euromus  n'a  jamais  ete  considerable;  il  en  est  cepen- 
dant  parle  plusieurs  fois  dans  Tite  Live,  (*)  Polybe  (^) 
et  Pline.  (^)  Quant  ä  la  ville  de  Chalcetores ^  je  se- 
rois  assez  tente  de  croire  qu'elle  etoitsituee  de  l'autre 

(3)  Tit'iq  Sh  To  Tqtov  qjuaCv ,  w;  uv  ■ttuQi'.XhiXov  tw  ylürfio) 
aVTJy.ov  U7i6  rij?  Hlü.rjaiuq  Ttgoq  fw,  diu  tfjt;  Kn^taq  /nf/Q''  Ev gd) fiov, 
v.ui  Xu ky. 7jr 6  Qa)v'  V7ieQxii,TUi  Öi  tkdttj;  iv  vxpei.  Miy.gov  d  uno)- 
&fv  öuißuviv  7iQ0(;  TM  ^luTfio)  TiOTU/nioy.ov ,  dtty.vvrui  rucpoq  Evdv- 
fi(o)vo(;  ti'  Tivi  onr,Xu(o)'  tlru  ucp  llguy.lfluq  iul  IJvgQuv  Tiokt- 
XVt}V  nkovq  h.uröv  nov  a%ud(ü)V.     Strabo.  XIV.  p.  636. 

(4)  Pax  data  Pliilippo  in  has  Icges  est:  Onincs  Graccoriim 
civitati's,  quac  in  Europa,  quaeque  in  Asia  cssent,  libertatein  ac 
siias  leges  liaberent.  Qiiae  carum  sub  ditione  Philippi  fuissent, 
prjiesidia  ex  bis  Philippus  detUiceret:  bis,  quae  in  Asia  cssent, 
Euvonio j  Pcdasisquc  et  Bargyliis  et  lasso  et  Myiina  et  Abydo  et 
Tbaso  et  Perintbo :  eas  quoque  enim  placere  liberas  esse.  Liv. 
XXXIII,  30, 

(5)  Legat.  IX.  XCIII:  EÖgMpoq.  W. 

(6)  Curia  interionini  noniiniim  fania  pracnitet:  quippe  ibi  sunt 
oppida,  Mylasa  libcra,  Antiocbia,  ubi  fucre  Scminetbos  et  Cranaos 

opj)ida;    nunc   eam    circumfluiint  Maeander  et  Orsinus Prac 

Icica  sunt  Thydonos,  P^  rrba  ,  Eurome ,  Heraclea,  Amyzon  ,  Ala- 
bancla  libera,  quae  conventuni  cum  cognoniinavit :  Stratonicea  libera, 
Hyuidüs,  Ccrainus,  Troczcne,  Pborontis.  Plin.  Hist.  ISatur.  V,  29 
p.  27G  sq.  ed.  Haidniu. 


VIERTES   CAPITEL.  147 

cote  de  Grius  k  la  place  d'un  raechant  \illage  dans 
lequel  j'ai  passe,  et  qui  s'appelle  aujourdhui  Taris- 
manta.a  C) 

Taf.  1. 
einsieht  des  Tempels, 

Die  Ansicht  ist  von  einem  nordöstlichen  Puncte 
aufgenommen.  Die  Hauptseite  ist  gegen  Osten  ge- 
richtet. 

Tai.  11. 
Griindriss  des  Tempels. 

Die  schattirtenTheile  bezeichnen  die  Säulen,  die 
noch  nicht  gelitten  haben,  und  die  Stellen  der  Mauer, 
die  noch  bis  zu  einer  beträchtlichen  Höhe  stehen; 
da  wo  die  Schattirung  fehlt,  haben  sich  nur  die  Ba- 
sen der  Säulen  oder  Grundmauern  erhalten. 

Der  Tempel  war  ein  hexastylos  mit  elf  Säulen 
auf  den  Seiten.  Die  Säulenweiten  sind  beinahe  dem 
doppelten  Durchmesser  der  Säulen  gleich. 

A.  A.  Der  Säulenumgang  (Peristylos). 

B.  Vorhalle  (Pronaos). 

C.  Zelle  (Naos). 

D.  Hinterhalle  (Posticum). 

Der  Fussboden  in  der  Vor-  und  Hinterhalle,  sowie 
die  Säulen  in  beiden  sind  zertrümmert;  man  kann 
aber  doch  noch  sehen,  dass  der  Fussboden  der  Vor- 
halle um  eine  Stufe  höher  als  der  des  Säulengangs 
lag. 

Taf.  Hl. 
Aufriss  der  Ordnung. 
Fig.  1.     Zwei  Säulen  des  Tempels,  um  die  Säu- 
lenzwischenweite  zu  zeigen.     Die  Säulen  sind  alle, 


(7)  Kino.  NTcitläiifijie  Discussion  über  die  Lage  von  Alabanda 
lind  Kritik  über  Cliandicr's,  Pocockc's,  Ciioiscurs  u.  a.  Meinungen 
hinsichtlich  unserer  Tcmpehiiine  findet  der  Leser  bei  Leakcj  Jour 
nal  of  a  toiir  in  Asia  Minor,  Lond.   1824.  p.  130—136.        W. 

10» 


148  VIERTES    CAPITEL. 

die  auf  der  Südseite  ausgenommen,  cannelirt.  Ihre 
Vorderseiten  haben  kleine  Tafeln  oder  Schilde,  wor- 
auf die  Namen  der  Wohlthäter  stehen,  auf  deren 
Kosten  die  Säulen  aufgerichtet  und  vollendet  wur- 
den. Eine  dieser  auf  die  Säulen  eingegrabnen  In- 
schriften lautet  also : 

AES2NAE0NT0S 
KO  INT  011  TE^JNH 

0  OPQNES  rnoixEii 

QI  TONKEl  ONAI  TN 
SnEIPHKAIKE^AAHl 

Die  Stufen  liegen  unter  den  Trümmern  und  dem 
rings  um  das  Gebäude  aufgehäuften  Schutte  versteckt. 
Ein  Tlieil  der  obersten  liegt  zu  Tage;  aber  ihre  An- 
zahl liess  sich  nicht  bestimmen. 

Taf.  IV. 

Einzelne   Theile  des  Gebäudes. 

Fig.  1.  Säulenbase  mit  der  obersten  Stufe.  Der 
Vorsprung  oder  Verstoss  (projection)  an  der  Vor- 
derseite dieser  Stufe  sieht  aus  wie  ein  ovalo,  ist 
aber  so  beschädigt,  dass  man  zweifelhaft  sein  muss, 
ob  er  dafür  bestimmt  war,  oder  nur,  während  des 
Baus  und  bis  die  jetzt  alle  noch  unvollendeten  Ver- 
zierungsglieder ausgearbeitet  wären,  die  Kante  der 
Stufe  vor  Beschädigung  sichern  sollte. 

Fig.  2.  .Base  der  Anten  an  der  Vorderseite  der 
Vorhalle  und  Hinterhalle.  Die  Platte,  auf  welche 
die  Basen  der  Anten  aufgesetzt  waren,  springt  vier 
und  einen  halben  Zoll  über  die  Plinthen  vor  und 
scheint  einen  Theil  des  ursprünglichen  Fussbodens 
ausgemacht  zu  haben.  Vor  der  Vorhalle  und  Hin- 
terhalle wurden  die  Stufen  durch  die  fortlaufende 
Plinlhe  der  Säulen  gebildet. 

Fig.  3.  Base  der  Anten,  welche  innerhalb  der 
humeri  oder  Seilenraauern  der  Vorhalle  fortlief. 


VIERTES   CAPITEL.  149 

Fig.  4.  Der  Thürpfosten ,  mit  der  Stufe,  auf 
welcher  er  stand.  Seine  Höhe  betragt  zwanzig  Fuss 
drei  Zoll. 

Fig.  5.  Seitenansicht  des  Thürpfostens,  mit  einem 
Durchschnitt  durch  die  Stufe. 

Fig.  6.  Innere  Seite  des  Thürpfostens.  Das  cyma- 
tium  ist  beschädigt;  es  ist  nur  durch  eine  gerade  Linie 
formirt,  statt  eines  ovalo,  und  einen  Riemen  (listel). 

Fig.  7.  Bruchstück,  das  man  in  dem  Säulengang 
gefunden.  Es  war  wohl  ein  Stück  des  Frieses,  der 
um  den  Tempel  herumlief. 

Taf.  V. 

Säulenordnung, 

Fig.  1.  Das  Gebälke  und  Capital  der  Säulen. 
Das  Gebälke  ist  glatt  gelassen  und  sollte  wohl  noch 
eine  zu  den  vollendeten  Säulen  passende  Verzierung 
erhalten.  Dieser  Umstand  -verbunden  mit  dem,  dass 
die  Säulen  auf  der  Südseite  des  Tempels  nicht  can- 
nelirt  sind,  setzt  es  ausser  allen  Zweifel,  dass  die 
Alten  die  V^erzierungsglieder  erst  dann  auszuarbeiten 
gewohnt  waren,  wann  das  ganze  Gebäude  errichtet 
war.  Der  Tempel  des  Apollon  Didymäos  hat  uns 
ebenso  die  Wahrheit  dieser  Bemerkung  bestätigt. 

Die  Rinnleiste  (sima)  auf  dem  ICranze  w^ar  zu 
sehr  beschädigt,  als  dass  man  ihre  wirkliche  Höhe 
und  Vorstechung  hätte  angeben  können;  die  Höhe  ist 
darum  hier  restaurirt,  indem  wir  die  Höhe  des  Ar- 
chitravs  für  die  mittlere  zwischen  der  des  Frieses  und 
des  Kranzes  sammt  der  Rinnleiste  annahmen.  Die 
sima  war  mit  Löwenköpfen  verziert. 

Fig.  2.  Durchschnitt  durch  das  Capital  und  den 
Architrav,  der  uns  die  innere  Seite  des  letzteren 
zeigt,  sammt  der  Füllung  (pannel)  in  seiner  Soffite. 
Die  Zahnschnitte  waren  an  dem  Kranz  des  Giebels 
weggeblieben. 


150  FÜENFTES    CAPITEL. 


Fünftes    Capitel. 

Sa  rno  s, 

Obgleich  die  Insel  Samos  {^)  gross  und  bedeutend  ist, 
so  wurde  sie  doch  von  neueren  Reisenden  selten  be- 
sucht, und  darum  hatte  man  von  ihrer  geografischen 
Beschaffenheit  so  unrichtige  ßegriiFe ,  dass  noch  im 
Jahr  1820  in  Paris  eine  topografische  Karte  ihrer  al- 
ten Hauptstadt  erscheinen  konnte,  nach  der  das  Heräon 
innerhalb  der  Ringmauern  der  Stadt  gestanden  haben 
sollte.  Ebenso  waren  die  Englischen  Karten,  die  vor 
den  Mittheilungen  des  Vereins  der  Dilettanti  erschie- 
nen, so  fehlerhaft,  dass  man  sie  unmöglich  berichti- 
gen konnte.  Die  vorliegende  üebersicht  der  alten 
Insel  Samos  enthalt  nur  den  Theil,  der  unmittelbar 
an  die  Stadt  und  das  Heräon  sranzt.  Das  übrige  Land 
der  Insel  ist  ausser  der  üstküste  noch  nicht  durch- 
forscht und  die  Einwohner  reden  von  Ruinen  im  In- 
neren, die  bis  jetzt,  soviel  wir  wissen,  noch  Niemand 
untersucht  hat.  Es  liegten  achtzehn  Städte  oder  Flecken 
auf  der  Insel,  und  ohngefähr  eben  so  viele  Weiler; 
die  Bevölkerung  mag  sich  im  Ganzen  auf  fünfzig- 
tausend Seelen  belaufen.  (^) 

Samos  liegt  zwischen  37"  37'  und  37°  56'  nördli- 
cher Breite  und  die  geografische  Länge  der  alten  Stadt 

(1)  Heutzutage  Susam  Adasi  genannt,  nach  Panofka,  Res 
Samiorum.     Berolin,  1822.  120  S.  in  8vo.  W. 

(2)  Tf^inchelinann  (Erläuterung  d.  Gedanken  ü.  d.  Nachahm. 
d.  g.  W.  Sr.  Wrke  v.  Fern.  I,  143.)  behauptete  noch,  ,die  Insel 
läge  wüste,  und  Bartholdy  (Bruchstücke  z.  nähern  Kenntniss  d.  h. 
Griechenlands,  Thl.  I.  S.  195.)  sagt,  Samos  und  vorzüglich  die 
Ebene  von  Chora  sei  verpestet.  W. 


FÜENFTES    CAPITEL,  151 

ist  ohngefähr  27°  östlich  von  London.  Die  Länge 
der  Insel  von  Osten  nach  Westen  beträgt  ohngefähr 
sechsundzwanzig  Meilen.  Die  Stadt  Bathj  oder  Vathi 
Jiegt  am  Ende  einer  tiefen  Bucht  an  der  Nordostseite 
der  Insel  und  gewährt  den  SchilFen,  welche  diesen 
Ort  jährlich  des  Weinhandels  (')  wegen  besuchen, 
einen  sicheren  Ankerplatz.  Ein  kleiner  Damm,  wel- 
cher den  Hafen  gegen  Norden  deckte,  würde  ihn  zu 
einer  herrlichen  Station  für  Schifte  machen.  Bathy 
scheint  jetzt  der  bevölkertste  Ort  der  Insel  zu  sein,  (*) 
obgleich  es  nicht  als  Hauptort  betrachtet  wird.  An 
der  Küste  stehen  die  Häuser  und  Magazine  mehrer 
Kaufleute,  und  einige  Agenten  oder  Viceconsuln 
fremder  Staaten  leben  nicht  fern  von  der  See.  Die 
Wohnungen  bedecken  die  Vorderseite  eines  kegel- 
förmigen Hügels  und  sind  nur  auf  steilen,  krummen 
und  schmutzigen  Strassen  zugänglich,  auf  denen  man 
zu  Pferde  kaum  fortkommt. 


(3)  Nach  Dr.  Richard  Pococke  (Beschreibung  des  Morgenlan- 
des, iibersctzt  von  Brcycr.  Zweite  Aufl.  Erlangen  1773  in  4.  Thl.  III. 
S.  37.)  treiben  die  Samier  einen  sehr  einträglichen  Handel  mit 
einer  Art  weissen  Mitscatweins ,  welcher  dem  gleicht,  der  im 
Abendland  als  Griechischer  verkauft  wird.  Also  doch  wohl  ein 
Fortschritt  in  der  Kultur!  Denn  obgleich  die  Insel  Samos  im  Al- 
terthumc  fruchtbar  und  reich  an  den  edelsten  Südfrüchten  war,  ja 
sogar  (nach  Aetlilios  bei  Athcnäos  XIV,  p.  653.  F.)  viele  und  (nach 
Pollux  Onouiast.  "VI,  11.)  gute  Trauben  gehabt  haben  soll,  wofür 
denn  auch  die  Benennung  eines  Vorgebirgs  '^fintXoqy  fVeinbergj 
spriclit,  so  zeichnete  sie  sich  doch  (nach  Strabo  XIV,  637.  und 
Eiistathios,  Coiuiuonfar.  ad  Dionys.  Perieg.  533.  p.  209.  Vol.  I. 
der  Geograph.  Min.  von  Bernhardy)  gerade  dadurcli  aus,  dass  sie' 
kei;ien  so  trefflichen  Wein  halte,  wie  die  umliegenden  InsCln 
Chios ,  Leshos ,  Kos  und  das  nahe  Festland  von  Kleinasien. 

W. 

(4)  Bathy  hat  nach  Pococke  500  Häuser  und  6  Kirchen ,  und 
wird  auch  von  Griechischen  Chrisleu  bewolint,  deren  Zahl  200 
betragen  mag.  W. 


152  FÜENFTES    CAPITEL. 

Bathy  liegt  etwa  vierzig  Meilen  südlich  von  Smyrna. 
und  siebenzehn  von  dein  gegenüber  gelegnen  Vorge- 
birg  Hj'psile  Boroun,  Wiewohl  die  Stadt  von  Hügeln 
umgeben  ist,  so  bilden  doch  die  zwei  spitzen  Höhen 
des  Berges  Mykale  (jetzt  Karene  genannt)  auf"  dem 
Festlande  Asiens  die  hervorstechenden  Züjje  der  An- 
sieht,  auf  die  das  Auge  bei  der  Einfahrt  in  den  Ha- 
fen gerichtet  wird.  Schon  Homeros  spricht  von  den 
luftigen  Scheiteln  dieses  Berges.  (*)  Nicht  fern  von 
Bathy,  an  der  Strasse  zu  den  an  dem  Canal  oder  Pass 
von  Samos  befindlichen  Häfen  liegt  das  Dorf  Palaio 
Kastro ,  wo  man  jedoch,  trotz  seines  Namens,  keine 
Spur  vonAlterthümern  entdeckt.  Zur  alten  Haupt- 
stadt der  Insel  kann  man  nur  von  Bathy  aus  auf 
einem  felsigen  Fusssteig  gelangen.  Ist  man  eine 
Stunde  lang  auf  demselben  hinangestiegen,  so  sieht 
man  links  den  Berg  Mykale,  vor  sich  die  alte  Burg 
und  rechts  die  einzige  noch  vorhandne  Säule  des 
Tempels  der  Hera  auf  der  Südküste  der  Insel.  Steigt 
man  von  dieser  Höhe  in  das  Thal  von  Metelinous  herab 
und  geht  über  ein  schönes  nie  versiegendes  Flüsschen, 
das  mit  Rhododafne  oder  üleanderbäumchen  besetzt 
ist,  so  bietet  sich  das  D ori  Metelinous  selbst  dem  Blick 
des  Wandrers  dar.  Dieser  Ort  hat  neun  Kirchen 
und  seine  Bewohner  sollen  den  grössten  Theil  des 
um  die  alte  Stadt  gelegnen  Ackerlandes  besitzen. 
In  der  Umgegend  fand  man  viele  Bruchstücke  alter 
Bildnerei,  sowohl  aus  Bronze  als  aus  Marmor.  In 
geringer  Entfernung  von  Metelinous  und  durch  eine 
niedrige  Hügelreihe  getrennt,  liegt  die  alte  Haupt- 
stadt von  Samos,  die  ob  ihrer  frühern  Bedeutung:  noch 
heutzutage  Chora  d.  h.  die  Stadt  heisst.  Der  Weg  zu 
ihr  führt  durch  ein  schönes  kleines  Thal,  das  durch 
ein  nie  versiegendes  Flüsschen,  'A^avaro  JSeQQO 

(5)  H.  II ,  869 :    — MüxaAjj?  t'  ainuvu  xÜQtjva. 


FÜENFTES    CAPITEL.  153 

in  der  Landessprache,  bewässert  wird,  dessen  Quelle 
sich  am  Fuss  des  Berges  F^orliotes  oder  Borliotis  befin- 
det. Die  Stadt  hat  gegenwärtig  ohngefähr  dreihun- 
dert Häuser  (*)  und  ist  der  Sitz  des  Woiwoden  oder 
Statthalters,  sowie  eines  Cadi  oder  Richtersund  des 
Bischofs.  Letzterer  hat  eine  bequeme  Wohnung  in 
der  Stadt.  Zu  der  Zeit,  als  sich  die  Abgesandten  des 
Dileltantivereins  dort  aufhielten,  war  der  Woiwode 
ein  Teutscher  Renegat,  ein  Mann  von  munterer 
Laune,  wie  es  schien,  der  aber  offenbar  selbst  in 
einer  gewissen  Abhängigkeit  von  den  Griechische-n 
Beamten  stand.  Als  ihm  die  Glieder  deriVlission  ihre 
Aufwartung  gemacht  hatten,  stattete  er  ihnen  am 
folgenden  Morgen,  von  einem  der  Häupter  der  Insel 
begleitet,  seinen  Gegenbesuch  ab  und  brachte  ein 
Lamm  zum  Geschenk  dar. 

Südlich  von  Chora  liegt  eine  weit  ausgedehnte 
reiche  Ebene,  die  im  Allerthum  die  Stadt  i^a/TJO*  mit 
Früchten  versehen  haben  muss  und  auf  unserer  Karte 
von  der  Umgegend  von  Samos  angegeben  ist.  Ein 
hoher  Thurm,  der  dem  Kloster  von  Pairnos  als  Me- 
tochi  dient,  ist  an  der  Küste  sichtbar  und  kann  den 
Fremden  die  Richtung  nach  dem  Hträon  angeben. 
Die  von  dem  Heratempel  noch  übrige  Säule  erblickt 
man  von  allen  Theilen  der  Ebene  aus.  Die  Abge- 
sandten fanden  sich  bewogen,  sich  in  einigen,  ohn- 
gefähr fünfzig  Minuten  von  Chora  entfernten,  Maga- 
zinen an  der  Küste  niederzulassen,  weil  sie  hier  den 
Ruinen  am  nächsten  waren.  Diese  Vorrathshäuser 
hatte  man  neuerdings  errichtet  und  sie  waren  die 
Veranlassung,  dass  der  grössere  Theil  der  noch  ste- 
henden Marmorstücke  des  Heratempels  niedergeris- 
sen wurde.   Dies  ersieht  man  aus  der  grossen  Anzahl 


(6)  Nach   Pocoche,    S.   43    hatte  Chora    12  Kirchen    und  250 
Häuser.  W. 


154t  FÜENFTßS    CAPITEJ,. 

der  eingemauerten  Bruchstücke  und  besonders  der 
Basen.  Der  3Iarraor  derselben  ist  weiss  mit  blauen 
oder  grauen  Adern  und  brach  an  der  üstküste  der 
Insel.  Ganz  dicht  bei  den  Magazinen  an  dem  Gestade 
ist  eine  Quelle,  die  wohl  in  alter  Zeit  den  Tempel 
mit  Wasser  versorgte.  Der  Flusslrnbrasosj  der  Lieb- 
lingsaufenthalt der  Göttin,  (')  fliesst  in  einer  Entfer^ 
nung  von  siebenhundert  Yards  westlich  vom  Tempel. 
Seine  üler  sind  wie  in  alten  Zeiten  schön  umkränzt 
jaiit  Genstern,  Oleanderbäuraen  und  Keuschlamm 
fagnus  castusj ,  welche  der  Hera  geweihte  Pflanze  hier 
und  in  Chora  mehr  ein  Baum  als  ein  Strauch  ist. 
Auf  dem  Berg  Korliotes  im  Westen  der  Ebene,  der 
in  dem  Cap  Eis  Ampelo  oder  Sampoulo ,  (*)  dem  alten 
A^it eXog,  endigt,  liegt  das  Dorf  Baionda  mit  ohn- 
gefähr  dreihundert  Häusern.  Jenseits  desselben  ist 
eine  Ebene  mit  einem  Dorfe  Marathro  Campo,  wo 
noch  Ruinen  sein  sollen.  Ueber  diesem  ist  die  luf- 
tige Berghöhe  Kerke,  der  alte  Cercetius  des  Plinius  (^) 
öder  Kerketeus  des  Strabon.  (*°)  üeber  der  Ebene 
von  Chora  liegt  das  grosse  und  wirthliche  Kloster 
Stauro  j,  oder  das  Heilige  Kreuz. 

Der  Imbrasos  konnte  im  Monat  Juni  an  seiner 
Mündung  nur  uneigentlich  ein  Fluss  heissen,  wiewohl 
ein  Arm  desselben,  der  aus  dem  Dori Pyrgo  hervor- 
kommt, nicht  versiegt.  Nicht  gar  weit  von  der  Küste, 
unterhalb  des  Dorfs  Baionda^  das  man  Vaionda  aus- 
spricht, ist  eine  Quelle  des,  Imbrasos  j  die  Nerro  Trou- 


(7)  Hera  selbst  heisst  Imbrasia  bei  Apollon.  Argon.  I,  187. 
und  sollte  unter  einem  Keuschbaura  (vitex  agnus  castus,  }.vyoq)  an 
dem  Imbrasos  geboren  worden  sein.    Pausan.  VII,  4,  4.       W. 

(8)  Bei  Pococke  S.  36.     Capo  Fournos  mit  dichter  IValdung. 

W. 

(9)  Hist.  Nat.  V,  37.     Ed.  Hard.  T.  I.  p.  287.  W. 

(10)  Lib.  X.  p.  488.  W. 


FUENFTES   CAPITEL.  155 

vio  oder  das  Wasserloch  heisst.  Keine  Gegend  kann 
die  Lieblichkeit  dieser  Stelle  oder  der  Umgebung 
überbieten;  (")  doch  soll  das  Wasser  in  den  Monaten 
Juli,  August  und  September  ausgehen;  demohnge- 
achtet  erhielt  der  Tempel,  nach  der  Meinung  der 
jetzigen  Bewohner,  von  dieser  Quelle  sein  Wasser. 
Nahe  dabei,  aber  etwas  höher  gelegen,  ist  ein  S.chwib- 
öogengang,  den  die  Landesbewohner  als  PVasserleitung 
bezeichnen,  der  aber  mehr  wie  eine  zerstörte  Kirche 
aussieht.  Auf  dem  Berg  von  Baionda  sieht  man  das 
Kloster  des  Hagios  Taxiarchos  und  nicht  weit  davon 
entfernt  das  der  Megale  Panagia  oder  heiligen  Jung- 
frau. 

Die  Stelle,  auf  der  das  Heräon  oder  der  Tempel 
der  Hera  lag,  war  in  alten  Zeiten  wahrscheinlich 
ein  Sumpf  und  man  gelangte  nur  auf  einem  Fusssteig 
zu  ihm.  Solche  Orte  wurden  in  lonien  häufig  zu 
Tempelstätten  gewählt,  weil  sie  entweder  wirklich 
oder  vermeintlich  gegen  Erdbeben  gesichert  waren. 
Die  Tempel  der  Artemis  zu  Efesos  und  der  Artemis 
Leukofryne  ('^)  zu  Magnesia  am  Mäandros  sind  Zeug- 
nisse für  eine  solche  Wahl.  Auch  Vitruvius  {^^)  s[)richt 
von  der  Grundlajje  solcher  Gebäude.  Beurtheilen 
wir  aber  den  wirklichen  Binfluss  eines  Sumpfbodens 
auf  die  Dauer  von  Gebäuden  nach  der  Vergleichung 
der  hier  liegenden  Buinen  mit  andern  Trümmern  von 
Tem[)eln,  die  auf  Felsen  gebaut  waren,  so  besteht 
der  einzige  Unterschied  darin,  dass   die  auf  Sumpf- 

(11)  Kul  ~üfio<;  ifiiQoiaaa,  JliluayfSoi;  tSQUvov  "//g»j?.  Dio- 
njs.  P<'ricg.  534.  \V. 

(12)  Diesen  sclion  S.  29-  Anin.  1.  und  S.  38.  erwiihnten  Tem- 
pel dtr  lichthringenden  Artemis  (aus  Versehen  steht  im  Original 
Minerva) ,  wie  Creu/.er  in  der  Syinholik  Tlil.  II.  S.  190.  ytfvxoq>QÜvt] 
erklärt  wissen  will,  stellt  Strabon  XIV,  647.  wegen  seines  schui^c^ 
Ebenmaasses  noch  über  den  zu  Efesos.  W. 

(13)  Lib.  VI.  Cap.  1.    und  L.  I.  C.  7.  W. 


156         *  FÜENFTES   CAPITEL. 

boden  gegründeten  Tempel  durch  eine  gleichzeitige 
Erschütterung  gleich  wie  durch  eine  Welle  nieder- 
geworfen worden  zu  sein  scheinen  (wesswegen  denn 
auch  die  Säulen  in  Farallellinien  nach  der  Richtung 
des  Stosses  gefallen  sind),  die  andern  dagegen  erst 
zum  Wanken  gebracht  und  nicht  w^eit  weggeschleu- 
dert wurden,  wie  dies  bei  dem  Tempel  der  Athena 
Polias  zu  Priene  der  Fall  ist.  Der  Tempel  der  Hera 
stand  auf  einer  Platte,  zu  der  man  auf  mehren  Stufen 
hinanstieg.  '  Die  noch  vorhandenen  Säulen  sind  so 
weit  von  einander  getrennt  und  ihre  Durchmesser 
haben  so  verschiedne  Grössen,  dass  wir  vermuthen 
müssen,  der  eigentliche  alte  Tempel  sei  mit  einem 
Säulengang  aus  späterer  Zeit  umgeben  gewesen.  He- 
rodotos  (•*)  erwähnt  drei  staunenswerlhe  Werke  der 
Samier,  von  denen  der  Tempel  jedoch  die  übrigen 
an  Ausdehnung  und  Pracht  übertraf.  Der  Baumeister 
dieses  berühmten  Gebäudes  war  der  Samier  Rhökos, 
der  Soh-n  des  Fileos.  ('*)  Aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  hatte  das  Ileräon  Propyläen ,  denen  jetzt  noch 
sichtbare  Dorische  Bruchstücke  ansehörten.  V)'\e  Bild- 
säule  der  Hera ,  die  den  Tempel  zu  Samos  schmückte, 
war  aus  Erz  und  hatte  sich  noch  ohngefähr  bis  zum 
Jahr  zwölfhnndert  nach  Christo  auf  dem  Konstantins- 
markt zu  Konstantinopel  erhalten. 

Der    Byzantinische     Geschichtschreiber     Niketas 

(14)  Lib.  III.  Cap.  60.  W. 

(15)  Nach  der  Lesart  ft>t).(w  bei  Herodotos  a.  a.  O.  hiess  der 
Vater  Filas ,  nach  Pausanias  VIII,  l4,  5.  und  X,  38,  3.  Filäos.  ^ 
Lesen  wir  mit  Thiersch  (Epochen  d.  bihl  Kst.  II.  p.  36.  n.  94.) 
bei  Herodot :  ^nXh),  so  bekommen  wir  einen  Fileas.  Dessen  Sohn 
Mhöhos  nun  hatte,  ausser  dem  Hcräon,  mit  Smilis  und  TTieodoros 
den  Labyrinth  auf  Lemnos  erbaut  (Plin.  H.  N.  XXXVI,  19  (l3) 
nach  der  von  Müller.  Aegin.  p.  99.  angenommenen  Heyne'schen 
Conjectur).  Zugleich  soll  er  den  Erzguss  erfunden  und  das  Erz- 
bild der  Nacht  zu  Efesos  verfertigt  haben.    Pausan.  a.  a.  O.      W. 


FTJENFTES   CAPITEL.  157 

Akominatos  Choniates  meldet  uns  in  einem  von  Fahri- 
cius  ('^)  inilgelheilten  Fragmente,  dass  dieses  pracht- 
volle Kunstwerk  Ton  den  Kreuzfahrern  bei  der  Plün- 
derung der  Stadt  niedergeworfen  und  der  abgebrochne 
Kopf  allein  von  so  ungeheurem  Gewicht  gewesen 
sei,  dass  ihn  kaum  vier(*')  Ochsen  zu  dem  Palaste 
hätten  schleifen  können,  in  dem  er  mit  den  übrigen 
Stücken  der  Bildsäule  in  Stateren  umgeschmolzen 
und  wahrscheinlich  zur  Abzahlung  der  Venetianer, 
welche  die  Truppen  herübergeschifft  hatten,  ver- 
braucht worden  sei.  Nahe  bei  dem  Tempel  fand  sich 
auch  eine  kleine  kupferne  Statue,  an  welcher  der 
Arbeiter,  der  sie  entdeckt  hatte,  auf  eine  ärgerliche 
Weise  feilte,  um  zu  erfahren,  ob  sie  nicht  etwa  von 
Gold  wäre.  Sie  gehört  nun  dem  verehrlichen  G.  A. 
Browne f  Mitglied  des  Trinity  College  zu  Cambridge, 
an  und  gibt  uns  wahrscheinlich  eine  genaue  Darstel- 
lung des  grossen  Standbildes  der  ffera,  ('®) 

(16)  P'abricius,  Bibüotheca  Graeca,  Vol.  VI.  p.  406.       W. 

(17)  Im  Original  steht  irrig  acht.  W. 

(18)  In  der  Nähe  des  Tempels  wurde  auch  der  eherne  Kopf 
eines  Greifs  gefunden,  der  zu  denen  gehört  haben  mag,  die,  nach 
der  Erzählung'  des  Herodotos,  IV,  l52,  den  grossen  von  den  Sa- 
miern  in  den  Tempel  der  Hera  geweihten  ehernen  Krug  umgaben. 
Sein  jetziger  Besitzer  ist  R.  P.  Knight ,  Esq. 

In  den  Mauern  bei  dem  Herüon  belinden  sich  viele  Bruch- 
sti'icke  von  Bildsäulen.  Die  Schenkel,  ein  Arm  und  ein  Fnss  einer 
weiblichen  Figur  von  Parischem  Marmor,  die  ursprünglich  ohn- 
gefahr  zwölf  Fuss  hoch  gewesen  sein  mag,  liegen  auf  einem  be- 
nachbarten Felde.  Ebenso  finden  sich  bei  dem  Tempel  Bildnerar- 
beiten in  basso-rilievo,  an  denen  die  Figuren  augenscheinlich 
grösser  gewesen  sind  als  die  an  dem  Parthenon.  Künftigen  Rei- 
senden glauben  wir  hier  den  Wink  geben  zu  müssen,  dass  man 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  Ruinen  des  grossen  Tempck  bald 
wie  einen  Steinbruch  ansehen  werde ,  aus  dem  man  die  Steine  zur 
Erbauung  eines  Dorfs  an  der  Küste  entnehmen  könne.  Tritt  die- 
ser Fall  ein ,  so  werden  weit  mehre  Stücke    an   den   Tag  kommen. 


158  FÜENFTES   CAPITEL. 

Taf.  I. 

Karle  der   Umgegend  von  Samos, 

Als  man  die  ganze  Gegend  durchforschte,  ergab 
sich ,  dass  in  alter  Zeit  eine  treiFlich  gebaute  Strasse 
von  dem  Heräon  zu  der  Stadt  Samos  führte.  Mit  Ge- 
wissheit lässt  sich  schliessen,  dass  dies  der  heilige  Weg 
war,  auf  dem  sich  die  Festzüge  gewöhnlich  zum 
Heiligthum  der  Göttin  begaben.  Die  Karte  gibt  die 
Lage  mehrer  Hügel  oder  tumuli  an,  die  einst  diesem 
Wege  zur  Zierde  dienten;  ob  aber  diese  wirklich 
prächtige  Grabstätten  gewesen,  lässt  sich  jetzt  ohne 
Nachgrabungen  nicht  mehr  bestimmen.  Die  Entfer- 
nung zwischen  dem  Ileräon  und  der  Stadt  Samos  be- 
trägt ohngefähr  vier  Tausend  fünfhundert  Yards,  ('^) 
wobei  man  auf  fünfhundert  Schritte  einen  Wald- 
strom und  auf  achthundert  und  sechzig  einen  andern 
Fluss  und  Sumpf  zu  überschreiten  hat.  Nach  tausend 
und  fünfundzwanzig  Schritten  sieht  man  einen  der 
merkwürdigsten  Hügel  zur  Linken,  nach  tausend 
sechshundert  und  fünfzisr  Schritten  ein  neueres  Zoll- 
haus  an  der  Rüste,  nach  zweitausend  zweihundert 
und  fünfundfünfzig  Schritten  eine  Mühle  und  nach 
zweitausend  siebenhundert  und  fünfzig  die  Mauern  des 
alten  Samos,  welche  bis  zur  Spitze  des  felsigen  Hü- 

als  die  Mission  im  Jahr  1812  untersuchen  konnte.  Durch  die 
Kunstgriffe  des  DoUmetschers  Pisani  zu  Konstantinopel  geschah 
es,  dass  die  Insel  Samos  in  dem  Firman  nicht  mit  erwähnt,  son- 
dern statt  ihrer  die  Namen  Aleppo  und  Diarbekir  untergeschoben 
wurden.  In  Folge  dessen  verjagten  die  weltlichen  Beamten  der 
Insel  die  Leute ,  welche  die  gewünschten  Ausgrabungen  anstellen 
sollten,  und  die  Herrn  von  der  Mission  sahen  sich  im  Monat  Juni 
genöthigt,  selbst  mit  Spaten  und  Pickeln  Hand  ans  Werk  zu  legen, 
während  ihr  Dollmetscher  die  Landesbewohner  von  dem  Ort  ab- 
zuziehen suchte,  indem  er  ihnen  unterhaltende  Geschichtchen  er- 
zählte und  mancherlei  lächerliche  Mummereien  vormachte. 

(19)  Eine  Yard  :rz  3  Engl,  oder  2"/,j  Rheinland.  Fuss.     W. 


FÜENFTES   CAPITEL.  159 

gels  zur  Linken  hinauflaufen.  In  der  Nähe  der  Strasse 
erblickt  man  mit  Blumenwerk  verzierte  Sarkofage 
und  eine  schöne  Quelle  Salzwassers.  Bei  dem  Ein- 
treten in  die  alte  Stadt  stösst  man  auf  mehre  alte 
Ruinen,  die  nach  ihrer  Gestalt  jetzt  Odontia  oder  die 
Zähne  heissen.  Folgt  man  dem  Laufe  der  Mauern 
und  Thürme  bis  zu  der  Höhe  auf  der  Linken,  so 
sieht  man,  wie  die  Burg  die  Spitze  des  Hügels  ein- 
nahm. Die  Mauern  haben  alle  gleiche  horizontale 
Schichten  und  ihre  Dicke  steigt  von  neun  bis  zu  vier- 
zehn  Fuss.  An  mehren  Stellen  ist  noch  der  überra- 
gende Kranz  erhalten  und  sogar  die  unteren  Lagen 
der  Zinnen  (battlemenls).  Fünf  Thore  lassen  sich  auf 
der  Höhe  nachweisen,  von  ihrem  Zweck  kann  man 
sich  aber  nicht  leicht  einen  Begriff  bilden,  da  sie 
durchgängig  auf  Felsen  oder  in  Abgründe  führen. C*") 
Von  der  Festung  aus  sieht  man  ein  Thal,  in  dem  die 
Ueberreste  einer  Wasserleitung  stehen.  Dieses  Thal 
scheidet  die  Festung  von  den  benachbarten  Bergen 
und  an  seinem  nordöstlichen  Ende  steht  die  Kirche 
des  heiligen  Johannes  oder  y4giani,  woselbst  man  noch 
den  Eingang  in  jenen  unterirdischen  Canal  nachwei- 
set,  durch  den  das  Wasser  aus  einer  schönen  Quelle 
bei  der  jetzigen  Kirche  unter  dem  Berg  her  zur  Stadt 
Samos  geleitet  wurde.  Bei  der  Quelle  ist  die  Kirche 
des  heiligen  Georg  und  das  Capital  einer  Dorischen 
Säule,  deren  Deckel  (abacus)  zwei  Fuss  im  Geviert 
gross  ist.  Diese  Wasserleitung  ist  das  zweite  grosse 
W  erk  derSamier,  dessen  Herodotos  (111,  60.)  gedenkt. 
An  der  Südseite  des   Hügels,  nicht  weit   vom  alten 

(20)  Die  Thiirrnc  sind  gewöhnlich  gegen  vier  Fuss  ilick  mit 
/wci  |)er|)eii(liciilaren  Schiclifen.  Ein  auf  <lei-  Westseite  wohl  er- 
linlliier  hat  gegen  Westen  zwei  Schiesslöclier,  zwei  gegen  Süden 
und  eins  geilen  Nonlen ,  sowie  ein  Tlior  g<-gen  Osten.  Diese  Oeff- 
niingen  verengen  sich  nach  der  Aussenseite  im  Vcrhultniss  von 
/v.  ei   l""uss   zu   zehn   Zoll. 


160  FUENFTES    CAPITEL. 

Tlieater  von  Samos  entfernt,  ist  eine  Höhle  mit  einem 
kleinen  Metochi ,  welche  mit  der  unterirdischen 
Wasserleitung  in  Verbindung  stehen  soll.  Ist  dies 
der  Fall,  so  muss  es  durch  eine  Röhre  bewirkt  wer- 
den, da  ihr  Boden  zu  hoch  gegen  die  Quelle  bei 
Agiani  scheint,  wiewohl  diese  Sache  noch  nicht  ge- 
nau untersucht  worden  ist.  Es  ist  vielmehr  nahe  bei 
dem  Kopf  des  grossen  Damms  am  Hafen  Tigani  ein 
unterirdischer  Canal,  den  man  mit  mehr  Wahr- 
scheinlichkeit für  die  Stelle  annehmen  kann,  an  die 
das  Wasser  von  Agiani  geleitet  wurde.  Das  Theater 
ist  in  den  Felshügel  eingehauen;  noch  sind  einige 
Sitze  erhalten ;  (^*)  von  ihnen  siebt  man  aufs  Meer 
herab.  Der  Durchmesser  desselben  beträgt  ohnge- 
fähr  zweihundert  und  sechsundvierzig  Fiiss.  Von 
der  Kuppe  des  Hügels  kann  man  den  alten  Damm, 
eins  der  Wunderwerke  ^'on  Samos,  erblicken,  wie- 
wohl nur  noch  wenige  Theile  seines  Überbaues 
stehen.  Die  ausserordentliche  Tiefe  des  Wassers 
musste  dem  Bau  desselben  grosse  Hindernisse  in  den 
Weg  gelegt  haben.  (^^)  Man  muss  es  zwar  sehr  be- 
zweiflen,  dass  der  Damm  je  zwei  Stadien  lang  gewe- 
sen; immer  bleibt  er  jedoch  ein  stannenswerthes 
Werk.  Ruinen  von  mehren  Gebäuden  entdeckt  man 
noch  nah  an  dem  Meere  und  unter  andern  auchUeber- 
reste  einer  Korinthischen  Forticus. 

In  der  Mauer  gegen  Osten  sieht  man  ein  kleines 
Thor,  das  beinahe  vollendet  und  von  ganz  sonder- 
barer Bauart  ist.  Ein  anderes  Thor  stand  wahr- 
scheinlich an  dem  Meer.    Oestlich  von  der  Stadt  liegt 

(21)  Pococke,  S.  39.  gibt  dem  Theater  eine  Weite  von 
240  Fuss,  den  Sitzen  einen  Raum  von  80  Fuss.  W. 

(22)  Herod.  III ,  60 :  5)Der  Damm  im  Meer  inn  den  Hafen 
herum  ist  gegen  zwanzig  Klafter  tief  inid  die  Länge  dieses  Dam- 
mes beträgt  mehr  denn  zwei  Stadien.« 


FÜENFTES    CAPITEL.  161 

die  Ebene  Miso  Campoj  oder  Meso  Campo,  weiter  hinaus 
das  Vorgebirg  Psylidmou  oder  Hypsile  mit  einer  klei> 
nen  Felseninsel.  Zur  Rechten  derselben  ist  das  Vor- 
gebirg Trogylion,  in  dem  der  Berg  Mykalt  auf  dem 
Fesüande  Asiens  auslauft,  woselbst  der  Zugang  zu 
dem  Passe  der  Insel  Samos  ist.  Bei  dem  Vorgebirg 
ist  ein  Hafen,  wo  einst  der  heilige  Paulus  ankerte, 
von  wo  jetzt  aber  CaperschilFe  und  Corsaren  auslau- 
fen; demohngeachtet  nennt  man  ihn  noch  den  Hafen 
der  Panagia  oder  heiligen  Jungfrau.  Ueber  demselben 
ist  nach  der  Angabe  der  Landesbewohner  ein  ICloster 
des  heiligen  Paulus.  An  dem  östlich  von  Psylidmou 
gelegnen  Vorgebirg  Koukoura  ist  eine  kreisförmige 
Kingmauer  von  grauem  Marmor.  Sie  ist  nun  fast 
überdeckt  mit  losgebrochnen  Steinen,  aber  das  Mauer- 
w^erk  scheint  alt  zu  sein.  Der  Durchmesser  mag  ge- 
gen siebenundachtzig  Fuss  betragen  haben.  Eine 
andre  Ruine  steht  bei  dem  nächsten  Vorgebirg,  das 
Gräa  Podia  genannt  w^ird.  Zwischen  beiden  Vorge- 
birgen liegt  der  Busen  Merjik,  von  den  Griechen 
Klima  wahrscheinlich  desswegen  genannt,  weil  da- 
selbst ein  schlechter  Pfad  über  in  den  Felsen  gehauene 
Stufen  landeinwärts  führt.  Die  erste  I\ingmauer  ist 
wahrscheinlich  die  Stätte  des  alten  Poseidion  von 
Samos. 

Jenseits  des  Vorsfebirirs  Gräa  Podia  ist  der  Hafen 
Moliah  Ibrahim,  von  WO  eine  Strasse  oder  vielmehr 
ein  Pfad  nach  Palaio  Kastro  und  Bathy  durch  einen 
wilden  und  schönen  Gebirgspass  führt.  Die  gegen- 
iil)erliegende  Seite  des  Mykale  mit  seiner  schönen 
Waldnnggewälirt  eine  vorlreiriiche  Ansicht.  Man  fin- 
det hier  keine  Spur  von  Bevölkerung;  auch  kann  man 
für  das  Panionion  in  derThat  auf  dieser  Seite  des  Ge- 
birgs  keine  passende  Stelle  finden,  ausser  bei  Changli, 
wofern  nicht  etwa  bei  dem  Hafen  zu  Trogjlion  Rui- 
nen gefunden  werden  sollten.  Die  kleine  Insel  ^gio 
Ion.  AU.  11 


162  FUENFTES   CAPITEL. 


Nicola,  das  alte  Narthekis,  liegt  fast  mitten  in  dem  Ca- 
nal  und  noch  zwei  andre  kleine  Felsen  ragen  in  dem 
Pass  hervor.  Auf  der  Insel  selbst  findet  man  -viele 
Inschriften,  von  denen  eine  in  fünf  Distichen  auf 
einer  so  dünnen  Marmorplatte  stand  und  so  vollständig 
war,  dass  sie  von  der  Mission  der  üilettanti  wegge- 
bracht und  von  dem  Grafen  von  Hardwicke  der  Uni- 
versität von  Cambridge  geschenkt  werden  konnte. 

Taf.  II. 

Ansicht  der   Ueberreste  des  Tempels. 

Mehre  Säulenbasen  haben  sich  noch  an  ihren 
alten  Stellen  erhalten;  die  meisten  sind  aber  so  weit 
zerstreut  und  von  einander  entfernt,  dass  man  sich 
keine  befriedigende  Ansicht  von  dem  ursprünglichen 
Plane  mehr  bilden  kann.  Gleich  dem  Tempel  des 
Apollon  Didymäos  und  dem  des  Zeus  Olympios  zu 
Alhenä  scheint  dieser  ein  dekastylos  und  dipteros  ge- 
wesen zu  sein  und  wie  der  erstere  einundzwanzig 
Säulen  auf  den  Nebenseiten  gehabt  zu  haben. 

Soweit  man  die  Entfernungen  auf  einem  so  über- 
schütteten und  mit  Bruchstücken  bedeckten  Grunde 
messen  konnte,  waren  zwei  Säulen  aus  der  zweiten 
Reihe  auf  der  Vorderseite  hundert  und  sechs  Fuss 
von  einander  entfernt.  Nehmen  wir  an,  dass  fünf 
Säulen  dazwischen  standen,  so  bekommen  wdr  bei 
gleicher  Yertheilung  einenZwischenraumvon  17',  8'.  2 
zwischen  den  Achsen  von  zwei  nebeneinander  ste- 
henden Säulen. 

Die  ganze  Ausdehnung  des  Tempels  scheint  auf 
den  Nebenseiten  dreihundert  und  vierundvierzig  Fuss, 
und  auf  der  Vorderseite  hundert  und  Sechsundsechzig 
Fuss  betrao-en  zu  haben. 

Der  untere  Theil  einer  Säulenbase  steht  noch  an 
ihrer  allen  Stelle  an  der  Nordostecke  des  Tempels. 


Fig. 

1. 

pitäls. 

Fig. 

2. 

Fig. 

3. 

Fig. 

4. 

Fig. 

5. 

FÜENFTES   CAPITEL.  163 

Der  Durchmesser  der  Säulen  von  dem  äusseren 
Peristyl  ist  6',  5".  4. 

Taf.  111. 
Die  Base  und  der  obere  Theil  des  Schafts  einer  Säule, 

Die  Base  hat  eine  sehr  ungewöhnliche  Construc- 
tion  und  entbehrt  den  unteren  Pfuhl. 

Taf.  IV. 
Einzelne  Tlieile  der  Säulen, 

Durchschnitt  durch  den   Wulst  des  Ca- 

Durchschnitt  durch  das  ovalo. 
Ilorizontaldurchschnitt  des  Wulstes. 
Aufriss  desselben. 

Bruchslücke   von   Schnecken,    die    man 
unter  den  Ruinen  gefunden. 

A.  Durchschnitt 

B.  Aufriss. 

Fig.  6.  Base  der  Säule  an  der  Nordwestecke, 
mit  dem  Durchschnitt  der  Stufen. 

Taf.  V. 
Durchschnitte  durch  die  Glieder  der  Säulenbasen, 

Man  bemerke  die  grosse  Mannigfaltigkeit  an  den 
Gliedern  der  äusseren  und  inneren  Reihe. 

Taf.  VI. 

Bruchstücke  j  die  man  unter  den  Ruinen  gefunden, 

Fig.  1,  2,  3.  Einzelne  Theile  eines  verzierten 
Gliedes. 

Fig.  4.  Das  Capital  einer  kleinen  Ionischen  Säule. 
Die  Rinne  der  Schnecke  ist  hier,  statt  hohl  oder  ein- 
gesenkt zu  sein,  erhoben. 

Fig.  5.     Ouerdurchschnitt  der  Schhecke. 

Fig.  6.     Das  Capital  einer  Dorischen  Säule. 


Fig.  7.     DurcJischnitt  der  Ringe. 


11 


164  FÜENFTES    CAPITEL. 

Taf.  VII. 

Ordnung  eines  Dorischen  Gebäudes  in  grösserem 
Maassstabe. 
Ohngefähr  in  der  Mitte  der  alten  Stadt,  nicht  weit 
von  dem  Meere  sind  noch  bedeutende  Ueberreste 
einer  Porticus  oder  Agora.  Die  Lage  derselben  ist 
auf  der  Karte  mit  den  Worten  »Alte  Ruinen»  ange- 
geben. 

Der  Baustyl  ist  offenbar  Römisch.  Das  cymatium 
des  Capitäls  ist  ohne  Band  oder  Riemen. 

Das  Fussgestell  sammt  der  Base,  wahrscheinlich 
von  einer  Ionischen  Säule,  gehörte  nebst  mehren 
andern  zu  demselben  Gebäude. 

Taf.  VIII. 

Bruchstücke ,  die  man  zu  Samos  gefunden. 

•  Auf  der  Karte  ist  eine  Stelle  bezeichnet,  wo- 
selbst mehre  Trümmer  eines  Korinthischen  Gebäudes 
entdeckt  wurden.  Zu  ihnen  gehört  der  Kranz  und 
die  Ecke  eines  Giebels  mit  seinen  Verzierungsglie- 
dern,    Er  ist  von  weissem  Marmor. 

Der  Kranz  zur  Linken  auf  dem  unteren  Theile 
der  Tafel,  den  wir  zur  Rechten  auch  in  grösserem 
Maassslabe  gegeben  haben,  bildet  den  Sturz  (lintel) 
über  dem  Fenster  einer  kleinen  Capelle,  die  etwas 
östlich  über  dem  Theater  steht.  Sie  ist  unmittelbar 
an  der  grossen  Höhle,  die  ein  von  zwei  Brunnen  er- 
fülltes Wasserbehälter  in  sich  schliesst,  wie  wir 
bereits  bemerkt  haben. 


ALTERTHÜMER 

VON 

I  O  N  I  E  N 

HERAUSGEGEBEN 

VON    DER 

GESELLSCHAFT   DER   DILETTAIVTI 
LONDON   1797. 


ZWEITER     THEIL. 


Gesellschaft  der  Dilettant!. 
1797. 


Hr    Revett. 
Lord  Charlemont. 

»       DUNDAS. 

Herzog  von  NonFOLit. 
Sir  Joseph  Banks,  Bart. 

»  William  Hamilton. 
Hr.  Langlois. 

V     Peachey. 

»       WlNDHAM. 

Viscount  Wektwouth. 

Hr.    PoTTER. 

»     Gore. 

»  R.  Payne  Kmght. 
Sir  H.  E>GLEFiELn,   Bart. 

u    Georg  Beaumont,   Bart. 
Hr.  P.  Metoalfe. 

»     Sylvester   Douglas. 

»     Tow>r,EY. 

»     R.  Wilbraham. 

))   Cratiiorne. 

»     J.  Dawki.vs. 

»     Mitfori). 
Dr.  Asii. 
Hr.   Wood. 

»     Barry. 

»     Pettinvard. 


Sir  Ab.  Huhe  ,  Bart 
Hr.  Frederick  North. 
Graf  V.  Hardwicke. 
Hr.   PococK. 
»     Dü^DAs. 

»       BURY. 

»     R.  Palmer. 

»        C.     CüRWEN. 

»     Ellis. 

»     Storer. 

»     A.  Barnard. 
Marquis  V.  Abercorn. 
Hr.  Lawrence. 

»     Sotheby. 

»     Charles  Long. 

»     West. 

»     Walpole. 
Lord  Calthorpe. 
Hr.    Chester. 
Sir  Robert  Ainslie. 
Hr.  H.  Scott. 

»     Pole  Carew. 

»     Wombwell. 

»     Symmons. 

»  Matthews. 
Sir  John  Throckmorton  ,  Bart. 


Vorrede  zum  zweiten  Theil. 


JNachdem  wir  unsern  Lesern  im  ersten  Theile 
Frohen  der  schonen,  üppigen  und  zuweilen  fan- 
tastischen Bauart  der  Asiatischen  Hellenen  ge- 
geben haheri,  legen  wir  ihnen  nun  einige  Bei- 
spiele des  züchtigeren  und  ernsteren  Styls  vor, 
der  im  Griechischen  Mutterlande  und  seinen 
Europäischen  Colonien  herrschte,  wosell)st  ein 
höherer  Grad  von  Strenge  sowohl  in  den  Sitten 
des  Hauses  als  in  der  Öffentlichen  Zucht  auch 
die  Einfachheit  des  alten  Geschmacks  länger 
bewahrte. 

Dieser  Styl  heisst  gemeiniglich  der  Dorische, 
mit  mehr  Recht  wird  er  aber  der  Griechische 
oder  Hellenische  genannt.  Denn  vor  der  Ober- 
herrschaft der  Mahedonen  hatte  man  in  Grie- 
chenland und  seinen  Europäischen  Colonien  kei- 
nen anderen  neben  ihm.  Es  war  erst  das  Werk 
des  staatsklugen  Makedonischen  Eroberers  und 
seiner  Nachfolger,  dass  sich  die  Eigenthümlich- 
keiten  der  einzelnen  dem  grossen  Reiche  einver- 
leibten  Völkerschaften  mischten  und  in  einander 


170  VORREDE    ZUM    ZWEITEN*  THEIL.    ♦ 

verloren.  Aus  dieser  Auflösung  und  Vereinigung 
des  Geschmacks  und  der  Sitte  verschiedner  Län- 
der gingen  fantastische  und  •wunderliche  Zeich- 
nungen und  Compositionen  hervor  und  jenes 
rastlose  Haschen  nach  neuen  Formen,  das  noch 
immer  den  guten  Geschmack  zu  Grabe  gelei- 
tet hat.  , 

Vor  dieser  Periode  scheinen  alle  Tempel  in' 
Griechenland,  Sizilien  und  Italien  von  Einer 
Ordnung  und  von  gemeinsamer  Form  gewesen 
zu  sein,  von  der  man  jedoch  nicht  anstand  in 
einzelnen  Theilen  etwas  abzuweichen,  wenn 
besondre  Zwecke  oder  örtliche  Verhältnisse  dazu 
aufforderten. 

Diese  allgemeine  Form  war  ein  längliches 
Viereck,  Sechs  Säulen  auf  den  Fronten  und 
dreizehn  auf  den  Seiten,  oder  acht  vorn  und 
siebenzehn  auf  den  Seiten  umschlossen  die  Mauern 
der  Zelle,  die  im  Verhältniss  klein  war  und  in 
einigen  Fällen  nach  oben  offen  geblieben  zu 
sein  scheint,  in  andern  aber  durch  das  Dach 
des  ganzen  Gebäudes  bedeckt  wurde.  War  die 
Spannung  dieses  Daches  sehr  weit,  so  stellte 
m.an  in  frühen  Zeiten  eine  Säulenreihe  in  die 
Mitte,  um  die  Balken  zu  unterstützen.  Die  Kunst, 
Bogen  und  Gewölbe,  selbst  nur  aus  Holz,  zu 
bauen,  kannte  man  damals  noch  nicht. 

In  dieser  Art  scheinen  alle  Gebäude  von  be- 
deutender Grösse  in  der  Zeit  des  Homeros  ge- 
baut gewesen  zu  sein,  denn  in  der  Odyssee 
erwähnt  derselbe  oft  Säulen,  die  mitten  im  Ge- 


VORREÜE   ZUM   ZWEITEN   THEIL.  171 

mache  standen,  (^)  wiewohl  er  in  einer  Stelle 
der  Iliade  ('^)  auch  von  der  Festigkeit  der  sich 
begegnenden  Sparren  eines  Dachs  redet,  die 
einen  Winkel  Lilden  und  sich  gegenseitig  stützen. 
Der  Tempel  zu  Eleusis  scheint  zwar  nach 
unserem,  Cap.  VI.  Taf.  XIX,  gegebenen  Grund- 
riss  nicht  nach  der  oben  beschriebenen  allge- 
meinen Form  gebaut  gewesen  zu  sein;  allein 
ausser  Einer  unvollendeten  Säule  haben  sich  nur 
einzelne  Theile  von  der  Mauer  um  die  Zelle 
und  von  der  äusseren  Ringmauer  erhalten,  so 
dass  wir  uns  nur  eine  sehr  unvollständige  Idee 
von  dem  Tempel  bilden  können.  Vitruvius  (3) 
erzählt  uns,  dass  er  zuerst  aus  einer  Zelle  von 
ungeheurem  Umfange  ('^)  ohne  Säulen  bestanden 
habe,  verstand  aber  wohl  darunter,  dass  er  nicht 
nach  der  gewöhnlichen  Weise  mit  Säulen  umge- 
ben gewesen  sei.  (^)  Nur  ein  prostylos  sei  sodann 
noch  angefügt  worden  und  dieser  auch  erst  in  der 
Zeit  des  Demetrios  Falereus ^  also  einige  Jahr- 
hunderte später  als  das  eigentliche  Hauptgebäude 
aufgeführt   worden   war.      Zu   diesem  prostylos 


(1)  Od.  VI,  307.  VIII,  66  und  473.  XXII,  466.  (Ebenso 
I,  127.     XVII,  29.     IX,  38.     W.) 

(2)  II.  XXIII,  712. 

(3)  Vorrede  zu  Buch  VII. 

(4)  Siehe  A.lterth.  v.  Attika.    S.  56.    Anm.  25-  W. 

(5)  Die  eigenen  Worte  des  Vitruvius  »sine  exterioribus  co- 
lumnis«  lassen  gar  keinen  Zweifel  übrig  und  die  späteren,  in  den 
Aiterth.  v.  Attika,  C.  IV.  niitgethcilton,  Untersuchungen  machen 
es  wahrscheinlich,  dass  zwei  Säulenreihen  quer  durch  die  Zelle 
liefen.  W. 


172  VORREDE   ZUM   ZWEITEN   THEIL. 

scheint  die  erhaltene  Säule  gehört  zu  haben. 
Wahrscheinlich  liess  es  die  ungewöhnliche  Grosse 
der  Zelle,  welche  für  das  Bedürfniss  der  man- 
nigfaltigen und  viel  umfassenden  Gebräuche  der 
hier  gefeierten  Eleusinischen  Mysterien  einge- 
richtet war,  nicht  zu,  dass  man  sie  zu  einem 
peristylos  machte,  d.  h.  mit  Säulen  umgab.  Die 
Kosten  eines  solchen  Säuleneanges  würden  fast 
unerschwinglich  gewesen  sein,  selbst  in  dem 
einfachen  Styl  der  alten  Dorischen  Ordnung,  zu 
der  die  erhaltene  Säule  gehört. 

Die  Verzierungstheile  dieser  Bauart,  oder 
das,  was  sie  eigentlich  als  eine  besondere  Ord- 
nung hinstellt,  sind  ausserordentlich  einfach  und 
gerade  so,  wie  sie  sich  aus  dem  Mechanismus 
des  Baus  ergeben  mussten.  Die  Säulen  glichen 
Pfosten  oder  Baumstämmen,  (^)  die  man  auf  eine 
Grundlage  von  Stein  gestellt  hatte,  damit  sie 
sich  nicht  in  den  Boden  senkten  oder  von  der 
Feuchtigkeit  litten.  (^)    Von  unten  bis  oben  hin 

(6)  Hölzerne  Säulen  sah  noch  Pausanias  z.u  Elis  und  Olym- 
pia (V,  16,  1  und  20,  3.  VI,  24,  7.);  tlicse  sind  aber  nach 
Stieglitz  (Geschichte  der  Baukunst,  Nürnberg  1827.  S.  196.)  »als 
Ausnahmen  vom  gewöhnlichen  Baue  anzusehen,  die  in  etwas  Zu- 
fälligem ihren  Grund  fanden.«  Ebendaselbst  bestreitet  Hr.  St.  die 
besonders  durch  Vitruvius  veranlasste  und  von  ihm  selbst  früher 
angenommene  Behauptung,  »dass  bei  den  Griechen  die  Grundform, 
vornehmlich  der  Säule  und  des  Gebälkes,  durch  den  Holzbau  und 
die  Zimmerkunst  ihr  Dasein  erhalten  hätte,«  und  sucht  vielmehr 
darzuthun,  wie  die  Vollkommenheit  der  Griechischen  Baukunst, 
insonderheit  die  Schönheit  der  Gestalten  nicht  aus  dem '  dürftigen 
Holzbau,  sondern  nur  aus  dem  grossartigen  Steinbau  hervorgegan- 
gen sei.  W. 

(7)  So  entstand  die  Plinthc  ,  nklv&oi;.  W. 


VORREDE   ZUM   ZWEITEN  THEIL.  173 

machte  man  regelmässig  Einschnitte  in  dieselben, 
sowie  die  Bäume  von  Natur  Risse  in  ihrer  Rinde 
haben;  man  höhlte  au  ihnen  Rinnen  oder  Strei- 
fen (Cannelif'ungen)  aus,  um  die  Speere,  welche 
die  allen  Hellenen  stets  mit  sich  führten,  hinein- 
zustellen; ("*)  auf  die  Enden  der  Säulen  legte 
man  runde  Steine,  um  sie  vor  dem  Regenwas- 
ser zu  schützen,  darüber  viereckige,  um  den 
Hauptbalken  aufzunehmen,  der  die  Balken  der 
Decke  trug.  (^)  Dieser  Hauptbalken  wurde  der 
Architrav.  Daraus,  dass  die  Enden  der  auf  ihm 
ruhenden  Dachbalken  eingeschnittene  Schlitze 
oder  Rinnen  hatten,  um  zu  verhüten,  dass  sich 
das  Regenwasser  nicht  an  ihnen  ansetze,  ent- 
standen die  Triglyfeii  oder  Dr  ei  schlitze  ^  deren 
Tropfen  (guttae)  die  aus  ihnen  herabfallenden 
Wassertropfen  vorstellen.  Der  Kranz  (corona, 
corniche,  cornice)  war  der  vorstehende  Theil 
des  Dachs  und  die  Dielenköpfe  (mutuli)  die 
Enden  der  das  Dach  tragenden  Sparren.  JMehre 
dieser  Verzierungsglieder,  die  urs])rünglich  nur 
das  natürliche  Ergebuiss  der  zunächst  liegenden. 


(8)  Od yss.  I,  127:    -/-■';'/ o ?  /<*'i' ö     tairjne  (ptQoiv  rrpo?  xfora  fiuxQt]r, 

/lovfjodöy.i]^  l'vrooO-iv  iü^öou,  ffO-u  jifQ  uXlu 
J^y/i      Odvootloi;  Tu).uoCq,Qovo<;  'ioxuio  noi.'/.ü. 
Diese  SovQofiöx-)],  <lcr  Spccrbchältor    in  clor  Saiilc,  kann  nach  iinso- 
icr  Meinung  niclifs  anders  als  ein  aus  der  Säule  ausgehöhlter  Strei- 
fen,   eine  Cannelirung  der  Siiule  gewesen  sein. 

(9)  So  entstanden  der  Echinus  j  fTulst,  anfangs  mit  einem 
länglich  runden  Prodi,  und  der  Abaciis ,  Sauh'ndeckel ,  zuerst 
eine  einfache   Platte,  ohne  die  Verzierung  durch  die  Kehlleiste. 

w. 


174  VORREDE   ZUM   ZWEITEN   THEIL. 

einfachsten  Bauart  waren,  wurden  späterhin  mit 
unbedeutenden  Veränderungen  für  jene  symbo- 
lische Sprache  benutzt,  welcher  alle  Zierrathen 
heiliger  Gebäude  des  Alterthums  auf  verschiedne 
Weise  dienen  mussten.  Doch  gehört  die  Erör- 
terung dieser  Idee  mehr  der  Relinionslehre  als 
der  Baukunst  jener  Zeiten  an  und  findet  darum 
in  vorliegendem  Werke  keine  Stelle. 

Der  Versuch,  unsere  Leser  mit  Vermuthun- 
gen  über  die  Erbauungszeit  der  einzelnen  hier 
vorgelegten  Ge])äude  zu  unterhalten,  Avürde  eitel 
und  nutzlos  sein.  Der  Styl  aller  ist  sich  so  sehr 
gleich  und  die  Geschichte  der  Orte,  an  denen 
sie  standen,  noch  so  wenig  erhellt,  dass  wir 
nur  sehr  schwankende  Vermuthungen  aussprechen 
könnten.  Es  scheint  zwar  eine  natürliche  An- 
nahme, dass  diejenigen  Gebäude,  welche  die 
kürzesten  Säulen  und  schwerfälligsten  Theile 
haben,  die  ältesten  sind;  doch  auch  dies  ist  noch 
sehr  unsicher.  Ha])en  Avir  ja  doch  keine  Tempel 
der  Art,  deren  Alter  sich  fest  bestimmen  lässt,  er- 
sehen Avir  doch  aus  Münzen,  dass  man  in  sehr 
alten  KunstAverken  der  menschlichen  Gestalt  auf- 
fallend lange  und  schlanke  Verhältnisse  gab.  (^^) 
Ohne  uns  darum  bei  solchen  Gegenständen  reiner 
Vermuthung  zu  verweilen ,  TV'ollen  Avir  einige 
Bemerkungen  üljer  die  Mittel  hinzufügen,  durch 
Avelche  jene  ausserordentlichen  BauAA'^erke  gerade 


(10)  Siehe  die  Münzen  von  Pästum   fPosidoniaJj  Selinus  und 
Sjracusä. 


VORREDE   ZUM   ZWEITEN   THEIL.  175 

an  Orten  aufgeführt  werden  konnten,  denen  diq 
Natur  keine  ergiebige  Quellen  zur  Bestreitung 
des  Aufwandes  eröffnet  hatte,  der  an  den  Ge- 
Läuden  sichtbar  ist. 

Unter  allen  Erscheinungen  in  der  politischen 
Geschichte  der  Menschen  ist  keine  wundervol- 
ler und  anziehender,  als  die  verhältnissmässig 
überaus  grosse  innere  und  äussere  Energie  und 
Macht,  zu  der  sich  jene  kleine  Staaten  erhoben, 
deren  «ganzes  Ge]>iet  eine  unbedeutende  Insel, 
eine  schmale  Landenge,  oder  ein  felsiges  Vor- 
gebirg  war,  von  wo  sie  Raubflotten  in  alle  Theile 
des  mittelländischen  Meers  und  Colonien  an  alle 
Küsten  sandten ,  Trotz  bietend  allen  stolzen 
jMonarchen,  welche  die  weiten  volkreichen  Ebe- 
nen von  x\sien  und  Aegypten  beherrscliten,  und 
allen  rohen  und  kühnen  Bar])aren ,  Avelche  die 
nicht  minder  fruchtbaren  Gefilde  von  Sizilien 
und  Italien  inne  hatten. 

Armuth  und  fysische  Leiden  scheinen  bei 
den  Hellenen  die  erste  Quelle  moralischer  und 
politischer  Stärke  gewesen  zu  sein.  Denn  da 
sich  ungel)ildete  Menschen  nur  durch  den  Ruf 
der  Natur  zur  Thätigkcit  antreil»en  lassen,  so 
müssen  sie  erst  die  Pein  des  Mangels  fühlen, 
bevor  sie  lernen  können,  solche  Talente  zu  ent- 
wickeln, durch  die  sich  der  Mangel  entfernen 
lässt. 

In  Ländern  wie  Aegyplen  und  Assyrien ,  wo 
der  Boden  fast  Aon  sclifst  alles  hervorbrachte, 
was   IMenschen   zum   Unterhalt   und  selbst    zum 


176  VORREDE   ZUM   ZWEITEN   THEIL. 

freudigsten  Genuss  des  Lebens  bedürfen  und 
wünschen,  wo  auck  die  geringste  Pflege  einer 
Pflanzung  mit  sicherer  und  reicher  Aernte  be- 
lohnt ward,  da  musste  der  Ackerbau  das  natür- 
lichste IMittel  sein,  selbst  eine  zunehmende  Be- 
völkerung zu  unterhalten.  Da  zugleich  immer 
noch  unbegränzte  fruchtbare  Strecken  Landes 
in  der  Nähe  lagen,  so  konnte  ausserdem,  ehe 
eine  Gegend  überfüllt  war,  eine  andere  besetzt 
werden. 

Wie  ganz  anders  ^^ar  es  auf  den  unfrucht- 
baren Felsen  von  Attiha  und  Föiiike,  sowie  auf 
den  benachbarten  Inseln  Kreta,  Leshos  und 
Aegina!  Dort  war  der  Ackerbau  beschwerlich 
und  sicherte  der  Mühe  keinen  glücklichen  Er- 
trag; hier  mü;?sten  die  wenigen  Stellen,  auf 
denen  sich  Ackerbau  mit  geringerer  Mühe  und 
besseren  Hoffnungen  treiben  liess,  bald  nicht 
mehr  hinreichende  Nahrung  für  eine  zunehmende 
Bevölkerung  liefern,  zumal  in  jener  Zeit,  in  der 
sowohl  die  Kunst,  JMenschenleben  zu  zerstören, 
als  die,  neue  Nahrungsquellen  aufzufinden,  noch 
sehr  unvollkommen  war.  Hunger  trieb  sie  an, 
die  See  zu  erforschen,  um  entweder  durch  räu- 
berische Angriffe  auf  ihre  reicheren  Nachbarn 
oder  durch  Tauschhandel  sich  das  Fehlende  zu 
ersetzen.  Auf  die  letztere  Weise  scheinen  sich 
vorzüglich  die  FöinJcen,  auf  jene  die  Hellenen 
bereichert   zu   haben;  (^^)    darum    machten   sich 

(11)  Tliiikydidca  1,5:   »Vormals  legten  sich  die  Hellenen  und 
die  baibiirischcn  Küsten-  und  Inselbewohner  auf  Seeräuberei,  ohne 


VORREDE    ZUM   ZWEITEN  THEIL.  177 

diese  in  den  frühesten  Zeiten  der  Geschichte 
durch  ihre  Geschicklichkeit  in  den  Waffen,  jene 
durch  ihre  Kunstfertigkeit  berühmt.  (^2) 

Ehe  sich  die  einzehien  Handwerke  gesondert 
hatten,  zu  der  Zeit  als  sich  noch  jeder  Mann 
die  nÖthigen  Geräthe  für  seinen  Haushalt  selbst 
fertigte,  musste  diesem  wohl  wenig  daran  lie- 
gen, ob  der  Becher,  aus  dem  er  trank,  von 
plumper  oder  zierlicher  Form  war.  Der  einzige 
Vortheil  und  die  einzige  Auszeichnung,  die  er 
aus  dem  Besitz  eines  schönen  Geräthes  zu  er- 
langen hoffen  konnte,  würde  der  Ruf  gewesen 
sein,  etwas  mehr  Geschicklichkeit  in  Handar- 
beiten zu  besitzen,  als  seine  Nachbarn.  Diese 
Art  der  Ehre  stand  aber  in  der  Kindheit  der 
bürgerlichen  Gesellschaft  nie  hoch  im  Werthe. 
Brachte  aber  jener  Seefahrer  einige  seiner  Ar- 
beiten auf  einen  fremden  Markt,  wo  die  Kunst 
noch  nicht  einmal  jene  niedere  Stufe  erreicht 
oder  die  Natur  die  Arbeitsstoffe  versagt  hatte, 
so  musste  die  Bewunderung  des  Käufers  im  Ver- 
hältniss  mit  der  Schönheit  der  Form  und  dem 
Glanz  der  Farben  steigen.  Die  Eitelkeit,  das 
feilgebotne  Werk  zu  besitzen,  stieg  mit  der 
Schwierigkeit  es  zu  erwerben;  die  Arbeitsam- 
keit und  der  Erlindungsgeist  des  Arbeiters  wurde 
durch  die  sichere  Hoffnung  auf  Gewinn  ange- 
regt und   das    Glück,    das    er  mit   seiner  vom 


dass  diesem  Gewerbe  eine  Schande  anklebte ;    vielmehr   brachte  es 
einigen  Ruhm.«  W. 

(12)  Homeros  in  vielen  Stellen. 
Ion.  Alt.  12 


178  VORREDE    ZUM   ZWEITEN   THEIL. 

Zufall  veranlassten  Arbeit  gehaht  hatte,  machte 
ihn  für  die  Zukunft  ausschliesslich  zum  Künstler. 
Die  Föniken,  insbesondere  die  Sidonier,  hat- 
ten schon  zur  Zeit  des  Troianischen  Kriegs 
einen  grossen  Ruf  durch  Werke  solcher  Art  er- 
langt. Die  Griechen  schätzten  dieselben  hoch 
und  kauften  sie  begierig  auf,  wiewohl  sie  den 
trügerischen  Handel  der  schweifenden  Kaufleute 
verachteten,  von  denen  sie  ihre  Waaren  empfin- 
gen. (*3)  Zum  Handel  gehörte  eben  so  wesent- 
lich der  Trug,  wie  zur  Seeräuberei  die  Gewalt- 
that.  Und  da  Gewalt  überall  noch  für  besser 
gilt  als  Trug,  obgleich  sie  mehr  Gefahr  bringt, 
so  waren  auch  bei  den  Griechen  die  Seeräuber 
mehr  geachtet,  als  die  Kaufleute.  Als  sich  so 
z.  B.  Odysseus  in  der  Hütte  seines  alten  getreuen 
Dieners  Eumäos  für  einen  Kretischen  Länder- 
durchwanderer  ausgab,  suchte  er  seines  Gast- 
freundes gute  Meinung  dadurch  für  sich  zu  ge- 
winnen, dass  er  ihm  erzählte,  wie  oft  und  mit 
welchem  Erfolg  er  Raubzüge  angeführt,  durch 
die  er,  wie  er  sagte,  »machtvoll  und  ehrwür- 
dig im  Volk  der  Kreter  hervorschien. a  (i^)  Doch 
empört  sich  das  Herz  des  Odysseus,  als  ihn, 
den  Verkleideten,  Euryalos,  der  Fäakier,  einen 


(13)  Odyss.  VIII,  288:  Sieh,  ein  Fönikischer  Mann  kam  jetzt, 

ein  im  Truge   gewandter 
Gaudieb,    der   schon  Vieles    zur  Plag' 
ausübte  der  Menschen. 
W. 

(14)  Odjss.  XIV,  199  ff. 


VORREDE   ZUM   ZWEITEN  THEIL.  179 

Kaufmann  nennt;  {^^)    (lies  dünkt  ihm  der  bit- 
terste Schimpf  und  Vorwurf. 

So  lange  die  Griechen  solche  Vorurtheile 
und  Ansichten  hatten,  machten  sie  natürlich 
nur  sehr  geringe  Fortschritte  in  den  Künsten, 
die  sie  später  zu  einer  Stufe  der  Vollendung 
brachten,  auf  der  kein  Nebenbuhler  sie  erreichte. 
Alle  Werke  des  Geschmacks  und  der  Schönheit, 
die  uns  Honieros  beschreibt,  kamen  entweder 
aus  der  Werkstätte  des  Hefästos  oder  aus  den 
Händen  der  Sidonier^  und  wenn  seine  Schilderun- 
gen nicht  durch  seinen  eignen  lebhaften  Schön- 
heitssinn ausgeschmückt  wurden,  so  musste  er 
Proben  von  sehr  trefflicher  Kunst  vor  sich  se- 
habt  haben.  (^^)  In  welcher  Zeit  seine  Lands- 
leute jenen  nachzustreben  begannen,  ist  ungewiss, 
da  sich  alle  glaubwürdigen  Berichte  über  die 
ältere  Zeit  auf  Denkmale  beziehen,  deren  Alter 
sich  nicht  bestimmen  lässt.  Dädalos,  ihr  erster 
Bildner  von  Auszeichnung,  lebte  zwar  drei  Men- 
schenalter vor  dem  Troianischen  Krieg,  aber 
seine  Arbeiten  waren  nur  grosse  hölzerne  Schnitz- 
bilder für  die  Tempel,  die  also  nur  als  Gegen- 
stände des  Götterdienstes,  nicht  des  Handels  oder 
des  Luxus,  noch  als  Proben  edler  Kunstbildung 


(15)  Odyss.  VIII,  I6l:    Scheinst  mir  ein  Mann,    der  beständig 

im  Rtidorscliifle  licriimfahrt, 
Etwa  ein  llaupt  der  SchifTer,    die  Han- 
delsleute zugioicli  sind. 

(16)  Man  erinnere  sich,  wie  er  den  Schild  des  Achillcus,  den 
Becher  dos  Nestor  und  andere  Kunstwerke  beschreibt. 

12* 


180  VORREDE    ZUM   ZWEITEN   THEIL. 

betrachtet  werden  können.  (*')  Wahrscheinlich, 
fanden  die  Künste  ziemlich  um  dieselbe  Zeit 
Eingang  als  die  schonungslose  Seeräuberei  auf- 
hörte. Dass  aber  jene  aufblühten  und  diese 
nicht  mehr  länger  ihr  UnAvesen  trieb,  dankte 
man  wohl  beides  den  Colonien,  die  auf  reiche- 
rem Boden  und  in  üppigerer  Himmelsgegend 
angelegt  wurden,  woselbst  der  bisher  von  der 
Noth  genährte  schöpferische  Geist  in  dem  Ueber- 
fluss  gedeihliche  Pflege  fand. 

Die  ältesten  jetzt  vorhandenen  Denkmale 
menschlicher  Bildung  sind  Münzen.  Ihre  Er- 
findung schreibt  Herodotos  (*8)  den  Lydern  zu. 
Von  ihnen  erhielten  sie  wahrscheinlich  die  Grie- 
chischen Colonisten  an  der  Lydischen  Küste. 
Diese  brachten  sie  in  ihr  Mutterland  zugleich 
mit  andern  Künsten,  die  sie  bei  ihrem  Handel 
an  den  Küsten  von  Karien  und  FÖnizien  gelernt 
hatten. 

Die  Erfindung  eines  allgemeinen  Auskunfts- 
mittels bei  dem  Handel  setzt  eine  sehr  grosse 
Ausdehnung  desselben  voraus;  ohne  diese  wür- 
den die  Menschen  das  Bedürfniss  eines  solchen 
Mitteljilieds  zurErleicliterunij  und  Vereinfachung 

O  c?  o 

des  Austausches  nicht  gefühlt  haben.     Homer os 

(17)  Ueber  Uäctalos  j  den  Universalkiinstlei-  oder  Kiinstheros, 
und  die  grosse  Masse  von  Nachrichten  über  ihn  und  seine  Werke, 
siehe  Mejer's  Gesch.  d.  b.-K.  S.  4  ff. ;  die  anderen  Meister  des- 
selben Namens  findet  man  in  klarer  üebersicht  in  Sillig's  sorgfältig 
gearbeitetem  Riinstlerkatalog.  W 

(18)  I,  94:  »Die  Lyder  sind,  unseres  Wissens,  die  ersten,  die 
da  goldiie  und  silberne  Münzen  geprägt  und  gebraucht.« 


VORREDE   ZUM   ZWEITE^f  THEIL.  181 

scheint  noch  ganz  unbekannt  mit  demselben  ge- 
wesen zu  sein.  Alles  Kaufen  und  Verkaufen 
bei  ihm  ist  noch  Tauschhandel;  kostbare  Me- 
talle, wie  Eisen  und  Erz,  gab  und  nahm  man 
nach  dem  Gewicht;  die  Hohe  des  Werthes  be- 
stimmte man  durch  Angabe  einer  grösseren  oder 
kleineren  Zahl  von  Hornvieh.  Dies  war  der 
allgemeinste  Gegenstand  des  Reichthums,  und 
darum  liess  sich  auch  durch  Vergleichung  mit 
ihm  die  Geltung  jedes  anderen  Dinges  am  leichte- 
sten und  fasslichsten  ausdrücken.  Plutarchos  ('9) 
meldet  uns  zwar,  Theseus  habe  Münzen  schla- 
gen lassen;  mehr  Glauben  verdient  aber  Stra- 
hon,  (20)  dem  zufolge  Feidon,  König  von  Argos^ 
auf  der  seiner  Herrschaft  unterworfenen  Insel 
Aegina  die  erste  Griechische  Münze  prägen  liess. 
Dies  geschah,  nach  der  Parischen  Chronik,  acht- 
hundert und  fünfundneunzijj  Jahre  vor  der  christ- 
liehen  Zeitrechnuntj. 

Diese  Insel  musste  natürlich  das  Bedürfniss 
eines  solchen  Auskunftsmittels  beim  Handel  früher 
als  viele  andere  fühlen,  da  ihre  Lage  sie  besonders 
dazu  eignete,  Waaren  aus  einem  Theile  Griechen- 
landsin  einen  andern  zu  bringen,  die  Natur  inihrem 
Lande  aber  wenige  Gegenstände  hervorbrachte, 
mit  denen  sie  andere  hätten  ertauschen  können. 
In  jetziger  Zeit  würde  zwar  der  Handel  zwi- 
schen  Attika,   Megaris  j    der  Peloponnesos    und 

(19)  Im  Loben  des  Tliesoiis ,  c.  25. 

(20)  VIII,  358.  (Erschöpfend  ist  dieser  Gegenstand  von  C.  0. 
Müller  in  den   Aeginctici.s  behandelt.     W.) 


182  VORREDE   ZUM   ZWEITEN   THEIL. 

den  benachLarteii  kleinen  Inseln  selbst  nur  für 
einen  reichen  Privatmann  nickt  von  besonders 
hohem  Werthe  sein;  damals  aber,  als  diese  Ge- 
genden der  Sitz  so  vieler  betriebsamen  Frei- 
staaten waren,  die  von  Tag  zu  Tag  in  Künsten 
und  Gewerben  grossere  Fortschritte  machten 
und  sich  mit  reissender  Schnelligkeit  Reichthum, 
Ruhm  und  Macht  erwarben,  musste  dieser  Zwi- 
schenhandel  mit   überaus  trrossem  Gewinn  ver- 

o 

bunden  sein.  Zugleich  wurde  der  Staat,  da- 
durch dass  er  für  jenen  Zweck  eine  grosse  Zahl 
von  Schüfen  und  Seeleuten  in  Thätigkeit  hielt, 
in  den  Stand  gesetzt,  auf  dem  mittelländischen 
Meere  eine  Herrschaft  auszuüben,  wie  sie  Äegina 
einst  wirklich  behauptete. 

Eine  solche  Herrschaft  erwarb  und  behaup- 
tete man  zwar  nur  durch  halb  verdeckte  Boote, 
die  sich  kaum  über  den  Gesichtskreis  des  Lan- 
des hinaus  wagen  durften;  da  sie  jedoch  die 
Küste  des  die  Herrschaft  ausübenden  Volkes 
vor  Seeräubern  schützte  und  zugleich  dazu  fähig 
machte,  fremde  Küsten  zu  überfallen  und  zu 
plündern,  so  war  sie  für  Staaten,  die  vom  Meer 
begränzt  wurden,  von  hoher  Bedeutung.  Darum 
ist  sie  denn  auch  seit  dem  Auftreten  des  Minos 
von  Kreta  bis  zur  Zeit  des  Philippos  von  Ma- 
kedonien das  hohe  Ziel  gewesen,  das  alle  auf- 
strebenden Staaten  Griechenlands  zu  erreichen 
wetteiferten.  Diejenigen,  denen  im  Inneren  ihres 
Landes  grosse  Nahrungsquellen  flössen,  besassen 
sie  selten;  meistenthcils  war  sie  in  den  Händen 


VORREDE    ZUM    ZWEITEN   THEIL.  183 

derer,  die  der  Mangel  gelehrt  hatte,  Gefahren 
zu  unternehmen  und  Schwierigkeiten  zu  über- 
winden, d.  h.  der  Bewohner  unfruchtbarer  Kü- 
sten und  kleiner  Inseln,  wie  der  Föniken,  Aihe- 
näer,  Lesbier,  Rhodier  und  Aegineten.  Wurden 
doch  selbst  von  den  ausgebrannten  Felsen  der 
Liparischen  Inseln  Flotten  ausgesandt,  um  für 
diese  Seeherrschaft  zu  streiten.  (2') 

IJie  Bevölkerung  dieser  kleinen  Staaten  war 
in  der  Zeit  ihrer  Blüthe  überaus  ^ross.  Aegina 
hatte  einmal  viermalhundert  siebzigtausend  Skla- 
ven. (22^  Ihre  Zahl  stand  mit  der  der  freien 
Bürger  in  einem  Verhältniss,  das  sich  aus  dem 
nur  Bürgern  zukommenden  Eigenthumsrecht  er- 
gab. In  Griechenland  stieg  es  wohl  nie  höher 
als  zwanzig  zu  eins;  denn  als  Demetrius  Fale- 
reus  in  der  hundert  und  sechszehnten  Olympiade 
eine  Zählung  der  Bewohner  Attikas  anstellen 
liess,  so  fanden  sich  viermal  hunderttausend 
Sklaven,  ein  und  zwanzigtausend  Bürger  und 
zehntausend  Schutzgenossen  oder  Metöken  (In- 
quilinen)  {^^)  und  wiewohl  der  Staat  damals  schon 
nicht  mehr  auf  seiner  alten  Höhe  stand,  so  war 
er  doch  immer  noch  sehr  reich  und  hatte  wohl 
hinsichtlich  der  Menge  seiner  Sklaven  keine 
bedeutende  Einschränkung  eintreten   lassen,    da 


(21)  Eiiseb.  Chron.  (Pars  I.  Vol.  I.   p.  321.     Ed.  Venct  1818. 
4to  und  P.  II.  Can.  Vol.  II.  p.  207.) 

(22)  Aristoteles  bei  Athenäos,    Dcipnos.  VI.    Cao.  CHI.  (20) 
p.  272,  c. 

(23)  Athenäos  a.  a.  O. 


164  VORREDE    ZUM   ZWEITEN   THEIL. 

der  Luxus  auch  bei  dem  Sinken  der  Macht 
nicht  aufhörte  zu  stei^jen.  In  Rom  -war  geiien 
das  Ende  der  Republik  die  Zahl  der  Sklaven 
ungeheuer  gross,  da  die  Schätze  der  Welt  da- 
mals in  die  habsüchtige  Hauptstadt  zusammen- 
flössen. Einzelne  Privatmänner  hatten  gewöhn- 
lich zwischen  zehn-  und  zwanzigtausend  Sklaven. 
Durch  kein  Gesetz  geschützt,  der  Herrschaft 
eines  Obersklaven  (villicus)  untergeben,  welcher 
sie  als  suhiectos  tanquam  suos,  viles,  ut  alienos 
hielt ,  wurden  sie  oft  grausam  behandelt  und 
dadurch  zu  jenen  grossen  Aufständen  veranlasst, 
die  Italien  und  Sizilien  fast  verwüsteten  und 
nach  einer  wahrscheinlichen  Berechnung  "We- 
iiigsteiis  einer  Million  von  ihnen  das  Leben 
kostete.  (24) 

Betrachtet  man  diese  Thatsachen  und  erwägt 
den  wirklichen  Stand  der  Dinge  in  jenen  alten 
Freistaaten,  die  so  allgemein  bewundert  und  als 
Muster  der  freisten  und  be^lückendsten  Rejjie- 
rungsform  hingestellt  worden  sind,  so  können 
wir  nur  lächlen  über  die  aufgeblasene  Unwis- 
senheit und  Keckheit  jener  vermeintlichen  Staats- 
männer und  Filosofen  der  neueren  Zeit,  die  nicht 
müde  werden,  ihre  wilden  und  unausführbaren 
Theorien  von  Freiheit  und  Gleichheit  und  rei- 
ner Volksherrschaft  durch  die  ruhmvollen  Vor- 


(24)  x\tIicnäos  Lib.  VI,  Cap.  CIV.  (21)  p.  273.  (Seneca,  De 
tranq.  an.  c.  8 :  Numerus  Demetrio  quotidie  servorum ,  velut  ini- 
peratori  cxcrcitus ,  referebatur,  Flor.  III,  19:  Quis  crederet  Sici- 
liam  multo  cruentius  servili,  quam  Punico  hello  esse  vastatara?   W.) 


VORREDE    ZUM   ZWEITEN  THEIL.  185 

bilcler,  die  Jthenä  und  Roma  gegeben  bät- 
teu,  uns  zu  empfehlen  und  ihre  excentrischen 
zur  Anarchie  führenden  Vorschläge  durch  die 
Namen  eines  Perikles,  Cato  und  Brutus  zu  recht- 
fertigen. In  oberflächlichen  Abrissen  der  alten 
Geschichte  finden  wir  zvrar  viele  schon  klin- 
gende Ausrufungen  und  Redensarten  zum  Lob 
der  Freiheit  jener  Staaten  und  der  Vaterlands- 
freunde, die  mit  allen  Privattugenden  ausgerü- 
stet, als  Vertheidiger  derselben  auftraten.  Allein 
solche  allgemeine  Aeusserunjjen,  die  ein  unge- 
theiltes  Lob  enthalten,  werden  gar  leicht  gefällt 
und  noch  leichter  wiederholt,  müssen  aber  de- 
nen, die  in  ihren  Forschungen  tiefer  in  den 
Thatbestand  eingedrungen  sind,  ganz  unbegrün- 
det erscheinen,  wofern  sie  nicht  in  einem  sehr 
enubei^ränzten  Sinne  genommen  werden.  Die 
Bürger  mochten  sich  allerdings  eines  gewissen 
Grades  von  Freiheit  und  selbst  von  Unj;ebun- 
denheit  zu  erfreuen  gehabt  haben,  ohne  jedoch 
grossen  Schutz  <ler  Person  und  des  Eigenthums 
zu  geniessen.  Die  Bürger  machten  aber  in  allen 
Staaten  nur  einen  sehr  kleinen  Theil  des  Volks 
aus;  die  grosse  Masse  bestand  aus  Sklaven,  die 
gänzlich  von  der  Willkühr  ihrer  Herrn  abhin- 
gen. Fast  alle  Hcindarl)eiten  gehörten  zum  Dienste 
der  Sklaven,  weswegen  es  nicht  leicht  einen 
freien  Mann  gab,  der  nicht  einige  Zeit  den 
öffentlichen  Angelegenheiten  hätte  widmen  kön- 
nen. Wie  natürlich  war  es,  dass  sich  der  freie 
Bürger  durch  seine  liberale  Erziehung  und  Le- 


186  VORREDE    ZUM   ZWEITEN   THEIL. 

bensart  einige  Kenntnisse  von  den  Gegenständen 
erwarb,  über  die  er  sich  berathen  und  abstim- 
men sollte!  Diese  bewunderten  Verfassungen  wa- 
ren somit  durch  und  durch  aristokratisch  und 
alle  jene  oben  genannten  Koryfäen,  die  man 
mit  so  prunkender  Gelehrsamkeit  als  Schützer 
und  Vertreter  der  allgemeinen  und  gleichen  Rechte 
der  Menschheit  angeführt  hat  (ganz  besonders 
aber  Marcus  Brutus,  auf  den  man  am  häufig- 
sten wie  auf  ein  Ideal  verweiset) ,  diese  alle 
waren  nur  die  Häupter  oligarchischer  Parteien 
in  jenen  Aristokratien  und  nur  allein  Feinde 
einer  ausschliesslichen  Gewalt,  an  der  sie  nicht 
Theil  nehmen  konnten. 

Andere  Historiker,  filosofische  Denker,  die 
freilich  nicht  zu  jener  Classe  seichter  Geschichts- 
krämer gehören,  sind  in  das  andere  Extrem  ver- 
fallen. Da  sie  bei  ihren  tiefen  Forschungen 
durchaus  in  alten  Staaten  jenen  glücklichen  Zu- 
stand, jene  Freiheit  und  Sicherheit  der  Einzel- 
nen, die  von  oberflächlichen  Schönrednern  so 
sehr  gepriesen  worden  waren,  nicht  fanden,  so 
zogen  sie  nun  alle  Nachrichten  von  ihrer  Gei- 
steskraft, ihrer  äusseren  Macht  und  Bevölkerung 
in  ZAveifel  und  versuchten  so,  alles  Ansehn  der 
alten  Geschichte  umzustürzen.  Wem  sind  nicht 
die  gelehrten  und  durchdachten  Versuche  eines 
verstorbenen,  sehr  scharfsinnigen  und  geistreichen 
Skeptikers  über  diesen  Gegenstand  bekanöt.f'  (^^) 

(25)  Hume's  Essays  and  Trcatiscs  on  scveral  subjects. 


VORREDE    ZUM  ZWEITEN  THEIU  187 

Ohne  uns  aber  in  eine  kritische  Untersuchung 
über  die  Venlerbtheit  des  Textes  oder  die  Un- 
sicherheit chronoloijischer  Anjjaben  bei  Griechi- 
sehen  Geschichtschreibern  einzulassen,  oder  uns 
auf  dem  beliebten  Gemeinplatz  herumzutreiben 
und  sie  der  Uebertreibungssucht  anzuklagen, 
verweisen  wir,  statt  einer  Antwort  auf  alle 
zweifelsüchtigen  Einwürfe,  welche  menschlicher 
Scharfsinn  erdenken  könnte,  auf  die  grosse^ü 
Ueberreste  ihrer  Ölfentlichen  Gebäude,  die  selbst 
in  ihren  Trümmern  als  unwiderlegliche  Zeugen 
des  alten  Glanzes  und  der  früheren  Macht  zu 
uns  reden.  Solche  Bauwerke  treten  uns  aber 
nicht  blos  in  den  grossen,  Ton  angebenden 
Staaten,  wie  in  denen  von  Afhenä,  Korinthos 
und  Syral'usä  entgegen,  sie  finden  sich  auch 
in  kleinen  unberühmten  Republiken,  wie  in 
Püstum,  Segesta  und  Selinus ,  denen  erst  der 
Forschungstrieb  und  Sammlerfleiss  der  Alter- 
thumsfreunde  eine  Stelle  in  der  Geschichte  er- 
werben musste.  (^^)  Der  letzte  und  unberühm- 
teste der  erwähnten  kleinen  Staaten  hat  Gebäude 
hinterlassen,  die  an  Grösse,  Stärke  und  Festig- 
keit der  Bauart  nicht  allein  alle  die  übertreffen, 
Avelche  die  grössten  Machthaber  der  neueren 
Zeit  auszuführen  im  Stande  waren,  sondern  auch 
die,  welche  je  durch  die  unermesslichen  Mittel 

(26)  Kino  Morifiprafic  über  Selinus  und  soiii  Gebiet  verdanken 
wir  dem  Hrn.  Beiiii^anuiu.  Leipzig.  1827.  VIII  und  2l3  S.  8. 
Die  Baiidenknialo  von  Postum  hat  bekanntlich  fVinckelmann  he- 
8chriel)eu.  W. 


188  VORREDE   ZUM   ZWEITEN  THEIL. 

und  den  unbegränzten  Despotismus  Römischer 
Kaiser  entstanden  sind.  Die  Portirus  des  gros- 
sen Tempels  von  Selinus  in  Sizilien,  ausser 
welchem  auf  der  alten  Stelle  jener  Stadt  noch 
fünf  andere  mehr  oder  minder  zerfallene  Tem- 
pelruinen stehen,  hatte  nämlich  einen  doppel- 
ten Säulengang  mit  acht  Säulen  auf  der  Vorder- 
seite und  siebenzehn  in  der  Tiefe;  jede  derselben 
hatte  zehn  Fuss  im  Durchmesser  und  eine  Höhe 
von  fünfzig  Fuss.  (^7)  , 

Hätten  sich  nicht  solche  Zeugnisse  erhalten, 
dergleichen  wir  unsern  Lesern  in  diesem  Werke 
vorlegen  wollen,  so  würde  man  die  Beschrei- 
bungen mehrer  Gebäude  bei  Herodotos  und  Dio- 
doros  nicht  minder  für  Fabeln  gehalten  haben, 
als  man  dies  bei  ihren  Berechnungen  einer  Hee- 
resmacht und  ihren  Zahl  angaben  der  Bürger  zu 
thun  gewohnt  ist.  Vornehm  und  mit  triumfiren- 
der  Miene  würde  man  uns  wohl  gefragt  haben, 
woher  doch  die  Künstler,  Werkzeuge  und  Bau- 
stoffe gekommen  sein  sollten  .f*  woher  jene  klei- 
nen unfruchtbaren  Staaten,  die,  so  viel  man 
wüsste,  keinen  auswärtigen  Handel,  keine  aus- 
wärtige Besitzung  gehabt  hätten,  die  Mittel 
sollten  genommen  haben,  um  für  die  Ausfüh- 
rung uneinträi{licher  Werke  die  erforderlichen 
unberechenbar  vielen  Hände  zu  bezahlen?  Wir 


(27)  Griindriss.  Aufriss  und  eine  Ansicht  der  Ueberreste  dieses 
Tempels  gibt  Houel  in  seiner  Reise  durch  Sizilien.  Die  daselbst 
angegebenen  Vermessungen  wurden  von  dem  Verfasser  an  Ort  und 
Stelle  im  Jahr  1777  angestellt. 


VORREDE    ZUM   ZWEITEN  THEIL.  189 

Hätten  hierauf  keine  Antwort  gehabt  und  kön- 
nen auch  jetzt  unsere  Leser  nur  auf  jene  gros- 
sen Bauwerke  verweisen,  die  der  Zerstörungs- 
kraft der  Zeit  und  der  noch  verderblicheren 
Zerstörungswuth  der  Menschen  bis  jetzt  wider- 
standen haben,  und  sie  bitten,  die  Wahrheit  zu 
bezeugen  und  das  Ansehen  ehrwürdiger  Ge- 
schichtschreiber gegen  den  Hohn  leichtfertiger 
Witzlinge  zu  schützen,  die  sich  stets  bemühen, 
zu  verwirren ,  was  sie  nicht  zu  ordnen  vermö- 
gen, und  das  Dunkel  zu  vermehren,  wo  sie 
kein  Licht  verbreiten  können. 

Wir  sind  indessen  weit  davon  entfernt,  zu 
behaupten,  jene  grossen  Baudenkmale  seien  im- 
mer Werke  der  einzelnen  Staaten  gewesen,  in 
deren  Gebiet  wir  sie  finden.  Wir  wissen  viel- 
mehr, dass  die  Hellenen  viele  Gesammt-  oder 
Amfiktyonische  Tempel  hatten,  die  auf  gemein- 
same Kosten  eines  Staatenbundes  errichtet  wor- 
den waren,  in  denen  die  Mitglieder  des  Bundes 
zu  bestimmten  Zeiten  gemeinsame  Opfer  dar- 
brachten und  ihre  Versammlungen  hielten,  um 
sich  über  Bundesangelegenheiten  zu  berathen. 
Zu  dieser  Classe  gehörten  die  Tempel  zu  Delfö, 
Deloa,  Efesos,  Olympia,  Eryx  und  andere;  viel- 
leicht auch  der  des  Zeus  NemäoSy  dessen  in 
dem  alten  Gebiet  von  Argos  gelegne  Trümmer 
wir  im  sechsten  Capitel  beschreiben  werden. 

Der  Tempel  zu  Delfö  gehörte  dem  ganzen 
Lande  der  Hellenen  an.  Der  Ruf  seines  Orakels 
füllte   seine   Schatzkammer   mit  kostbaren  Bei- 


190  VORREDE   ZUM   ZWEITEN   THEIL. 

trägen  aus  allen  benachbarten  Ländern  Europens 
und  Asiens. 

Der  Tempel  auf  Delos  war  besonders  Eigen- 
thum  der  loner.  Hier  versammelten  sie  sich  in 
den  frühesten  Zeiten  unter  der  Obhut  ihrer 
Schutzgottheit,  Apollon^  um  Geschäfte  zu  voll- 
bringen, den  Göttern  zu  dienen  und  Feste  zu^ 
feiern.  Alle  Beschwerden  und  Anklagen  eines 
der  verbündeten  Staaten  gegen  einen  andern 
wurden  hier  angebracht  und  nach  dem  Spruch 
der  Schiedsrichter  abgestellt  und  ausgeglichen; 
gemeinsame  Opfer  und  gelobte  Geschenke  den 
Göttern  dargebracht;  gymnische  und  musische 
Agonen,  d.  h.  Wettkämpfe  der  körperlichen  und 
geistigen  Kraft  und  Gewandtheit  für  Ringer, 
Faustkämpfer  und  Dichter  angestellt,  (^s) 

Eine  sehr  schöne  Schilderung  dieser  festli- 
chen Zusammenkünfte  der  loner  gibt  der  alte 
dem  Homeros  zugeschriebene  Hyninos  auf  den 
DeliscJien  Apollon,  und  diese  wollen  Avir  hier  in 
einer  Uebersetzung  (von  K.  SchivencJc)  mittheilen. 
Zuvor  bemerken  Avir,  dass  diese  Verse  den  Schluss 
des  Hymnos  machen;  die  sechs  folgenden  sind, 
wie  RuhnJoen  bemerkt  hat,  untergeschoben  und 
mit  dem  siebenten  beginnt  ein  anderes  Gedicht. 
Um  dieses  mit  dem  vorhergehenden  zu  verbin- 

(28)  Thukydides  III,  104:  »Schon  in  alten  Zeiten  hatten  die 
loner  und  benachbarten  Inselbewohner  grosse  Zusammenkünfte  auf 
Delos  gehalten.  '  Denn  sie  unternahmen  mit  Weibern  und  Kindern 
den  Festzug  {^ftjQia)  dorthin,  wie  die  loner  jetzt  zu  den  Efesien^ 
und  es  war  daselsbt  Wettkampf,  Gymnastik  und  Musenkunst,  und 
die  Städte  führten  Chortänze  auf.«  W. 


VORREDE   ZUM   ZWEITEN  THEIL.  191 

den,  mochte  ein  geschäftiger  Rhapsode  die  arm- 
seligen Z-wischenverse  eingefügt  haben.  Auch 
den  in  dem  Originaltext  mit  Klammern  einge- 
schlossenen Vers  halten  wir  für  unächt;  er  stÖrt 
den  Sinn  und  ist  in  keiner  Hinsicht  würdig, 
mit  den  übrigen  zusammenzustehen.  (^9) 

"Von  Delos  redend,  fährt  nun  der  Dichter 
also  fort:  (3«) 

(29)  Wer  in  die  Kritik  dieses  Gesangs  tiefer  eingehen  will,  der 
übersehe  nicht  die  als  Osterprogramm  im  J.  1828  zu  Lemgo  er- 
schienene scharfsinnige  Abhandlung  des  Rector  5cAierenÄerg  »lieber 
die  urspriingliche  Gestalt  der  beiden  ersten  Homerischen  Hymnen.« 

W. 

(30)  "Ev&a  TOi  fky.f^hojvfq  laovtq  Tiytg^&ovrai, 
AuTolq  avv  nuCSiaoL  y.al  uläolijq  u).oxoiaiv' 
Ol  öi  ae  nvYfittx^u  tf  xctl  0Q/t]B-i.tu)  y.al  aoiSi] 
Mvtiaäfiivot  t^qnovoiv ,  ot    uv  arTjamvrui  «yiava. 
'I>tt(t}  x'u&ttvärovi  xal  uytjgojq  ffifiivai  ahC, 

'O?  TOT    inuvTutatt  ,  ot     laovtq  u&qöoi-  tltv' 

IIUVTÜ)V    yUQ    XfV    läotTO   XUQIV,    T^gif/UlTO    S^    &UflOV, 

"AvSgaq  T  fiqogöotv,  xuXkii^ojrovq  xt  yvvaixaq, 
N7j<eq  T  mxtCaq  rjd     avriiöv  xrtjftttra  noX).a. 
Ilgoi;  Si ,  Toäe  uf'yu   &avi.tu,  oov  xXdoq  oi/noT     oltliut; 
KovQai  /IriXtuäiq,   ExKxrißtX^xao  &iqutcvui' 
A'i'x    ind  uQ  ngojrov  ftiv  AnoXXotv   vfiri^atjaiv, 
Auxtq  6    uu  Atjxd)  xi  xai  Agxffuv  ioj^iutquv 
MvTiaufuvoi ,  uvSqwv  xe  naXaiöJv  tjJI  yvvcuxiüv 
Tfivov  ttiiäovaiv ,  &iXyovat  di  q)vX    uv&gunwv. 
llavxiav  6    uvO-QüiTiütv  qxavitq  xul  xgi/ußuXutaxuv 
MifiilaO'    Yaaaiv'  <fuii)  6^  xev  avxoi  ^xaaroq 
*l>0-iyyta&  '  ovxü)  afiv  xuX-^  ovtÜQrjgiv  uoidi^, 
[AXX    uye  Sri,  Arixu)  fUv,  "AtioXXÖv  x',  'Agx^iuSi  luv,] 
Xufgixt  ä    vfiflq  nüaat'  ffitio  Si  xul  ^nxöniaO-fv 
Mvriaua&  ,  onnoxt  xiv  xiq  in^x^ovCotv  uvO-gmiKov 
JCp&uä    avitgrjvai  ^tlpoq  xaXuTiflgioq  iXO-mv' 
Jl  xovgai,  xtq  ä    Vfifiip  uvrig  »jJtoio?  uoiäciv 
Ev&äöt  nuXiiiat,  xui  T/f>  xigntad-t  ftäXtaxa; 


192  VORREDE   ZUM   ZWEITEN   THE  IL. 

ffo  in   den  langen  Gewänden   die  Jonier    kommen   zu- 
sammen 

Dir ,  mit  den  Kindern  zugleich  und  den  züchtigen  Ehege- 
mahlen, 

fVelche  mit  Faustkampf  dich,     und  mit    Reihntanz  und 

mit  Gesängen 

Feiernd  ergötzen  allda,  wann  Wettstreit  ihnen  bestellt  ist. 

Ja  für  Unsterbliche  hielte,  für  stets  unalternde  diese, 

TVer  hinkäme  zur  Zeit,  wo  die  Jonier  wären  versammelt; 

Denn  er  erblickte  von  Allem  den  Reiz,  und  ergötzte  die 

Seele, 

Schauend  die   Männer   zumal    und   die    schönumgürteten 

Frauen , 

Sowie  die  hurtigen  Schiff'  und  die  vielerlei  Schätze  der 

selben. 

Dann  dies  PVunder  so  gross ,    dess  Ruhm  niemalen  ver^ 

gehn  wird, 

Delische   Jungfraun,     dienend    dem   fernhinschiessenden 

Gotte ; 

TVelche,  sobald  sie  zuerst  den  Apollon  singt nd  gejeiert, 

TVeiter  von  Leto  sodann  und  von  Artemis ,    die  das  Ge- 

schoss  freut. 

Lobpreis  sangen,    ein  Lied  auf  Männer  und  Frauen  aus 

alter 

Zeit  anstimmen  sofort,    die  versammelten  Menschen  ent- 
zückend. 

Sie  auch  können  die  Stimm'  und  das  Cymbelgetöne  von  allen 

Menschen  geschickt  nachahmen,  und  selbst  glaubt  jeder  zu 

sprechen 

Da,  so  schön  stimmt  ihnen  der  holde  Gesang  zu  einander. 
Aber  wolan  sei  mir  sammt  Artemis  gnädig  Apollon;  (^*) 

'Tfiät;  ä'  IV  jMkA«  nuaai  vnonqlvuaO-    foq)ij/xo)(;' 
Tv(p}.6(;  üvtiQ ,  oiael  dk  Xito  i'vi  nuinuXoeaai]. 
(31)  Der   Uebersetzer   folgt   der   Lesart   Wolfs,    die   sich   auch 
bei  Thiikyd.  III,  104  findet:. 

14AJL'  äyi&' ,  ü.^y.oi  /xiv  'Anöi.Xo)v  ^AQTffiidi  $ur.  W. 


VORREDE   ZUM   ZWEITEN  THETL.  193 

Ihr  doch  Jungfraiin  seid  mir  gegrüsst,  und  auch  in  der 

Zukunft 

Denkt  mein,  wann  euch  einer  der  erdebewohnenden  Men^ 

sehen 

Kommend  hierher  ausfraget ,  ein  leidengeprüfeter  Fremd- 
ling: 

Jungfraun  sagt,  wer  istSj  der  euch  als  süssester  Sänger 
ff^ei/et  dahier,  und  an  dem  ihr  zumeist  euch  freuet  vor 

allen  ? 
Dann  ant'wortet  ihm  alle  gesarnmt  mit  den  glimpflichen 

FTorten : 

Blind  ist, dieser,  und  »wohnt  in  dem  Felseilande  von  Chios, 

In  mancher  Beziehung  scheinen  die  Hellenen 
dieser  frühen  Periode  feiner  und  gesitteter  ge- 
wesen zu  sein,  als  ihre  Nachkommen.  Hierfür 
gibt  die  ehen  mitgetheilte  Schilderung  des  Dich- 
ters einen  neuen  Beleg.  In  alten  Zeiten  hatte 
nämlich  das  schöne  Geschlecht  Zutritt  zu  den 
Öffentlichen  Spielen,  von  -welchen  es  in  den  Zei- 
ten, die  man  jjewÖhnlich  als  i'eLildeter  bezeich- 
net,  gänzlich  ausgeschlossen  war.  Die  Ansichten 
der  Alten  ül)er  Barbarei  und  Feinheit  der  Sit- 
ten scheinen  indessen  in  vielen  Dingen  äusserst 
sonderbar,  wenigstens  ganz  verschieden  von  den 
unsrigen  gewesen  zu  sein.  Kein  neuerer  Leser 
wird  es  z.  B.,  wie  Thukydides  in  der  Einlei- 
tung zu  seiner  Geschichte,  für  ein  Zeichen  der 
Barljarei  halten,  dass  man  die  reinliche  Tracht 
linnencr  Unterkleider  lange  bei]>ehielt,  oder  dass 
die  Kämpfer  bei  den  Leibesübungen,  um  den 
Zuschauerinnen  keinen  Anstoss  zu  geben,  die 
Geschlechtstheile   mit  einem   Gürtel  bedeckten, 

Ion.  Alt.  13 


194  VORERDE    ZUM   ZWEITEN   THEIL. 

Statt  ganz  nackt  zu  sein.  Zudem  kann  man  be- 
haupten, dass  die  Helden  des  Homeros,  so  wild 
und  ungestüm  sie  auch  im  Kriege  sind,  im  Pri- 
vatleben in  ihren  Sitten  und  in  ihrem  Umgänge 
nach  der  Iliade  und  Odyssee  weit  gebildeter 
und  menschlicher  erscheinen,  als  sie  auf  der 
Athenäischen  Bühne  dargestellt  werden.  Selbst 
der  stürmische  AcJiUleus  behauptet  sogar  bei 
den  Ausbrüchen  seines  Zorns,  seiner  Wuth  und 
seiner  Verzweiflung  stets  die  Würde  eines  Für- 
sten und  gibt  nie  den  Charakter  eines  edlen 
Mannes  auf.  Wie  ist  er  mild  und  weich,  wie 
zeigt  er  ein  zartes  und  feines  Gefühl  in  der 
letzten  Scene,  als  Priamos  vor  ihm  erscheint, 
den  Leichnam  seines  Sohnes  sich  zu  erflehen!  p^j 
Dagegen  wird  in  einer  Tragödie  des  Ew/'ijDic/e«^  (33) 
der  doch  unter  den  Dramatikern  bekanntlich 
am  meisten  filosofische  Betrachtungen  liebt  und 
Moral  predigt,  die  ehrwürdige  HeJcabe  mit  der 
gröbsten  Härte  von  Odysseus  behandelt,  wie- 
wohl Homeros  diesen  überall,  selbst  auf  Kosten 
seiner  Ehre  und  Redlichkeit,  als  das  vollendetste 
Muster  der  Feinheit  und  des  äusseren  Anstandes 
hinstellt. 

Wahrscheinlich  sind  unter  den  lonern  in  dem 
obigen  Hymnos  die  Asiatischen  loner  zu  verste- 
hen,   zu  denen  sicherlich  Homeros   gehörte.  {^^) 


(32)  Vgl.  II.  XXIV,  518  ff. 

(33)  Hckabe,  V.    2 10  ff. 

(34-)   Wood's  Essay   on   the   original    gmius  of  Homer.     Lond. 


VORREDE   ZUM   ZWEITEN  THEIL,  195 

Dagegen  ist  es  sehr  zweifelhaft,  ob  das  Gedicht 
selbst  vou  ihm  rührt;  wäre  dies  sicher,  dann 
würde  man  nicht  über  «ein  Vaterland  haben  strei- 
ten können.  In  späteren  Zeiten  hielten  die  lo- 
uischen Staaten  ihre  allgemeinen  Versammlungen 
oder  ihre  navcioviaau{i\.eni\orgehirgMykale.{^^) 
Als  dieser  Ort  nicht  mehr  sicher  oder  zweck- 
mässig schien,  verlegten  sie  dieselben  in  den 
grossen  Tempel  der  Artemis  bei  Efesos,  (^^) 
woselbst  sie  regelmässig  gehalten  wurden,  bis 
alle  Griechischen  Staaten  Kleinasiens  sich  unter 
der  Herrschaft  der  Perser  auflösten. 

Ausser  den  Staatsbeiträgen  und  Privatgeschen- 
ken hatten  viele  dieser  amliktyonischen  Tempel 
bedeutende  Einkünfte  aus  ihren  Ländereien.  Diese 
gehörten  dem  Priestercollegium  nicht  an,  son- 
dern wurden  von  der  weltlichen  Obrij^keit  ver- 
waltet  und  für  heilige  Zwecke  aufbewahrt.  Sie 
durften  nicht  zur  Befriedigung  des  Luxus  und 
der  Prunksucht  eines  Einzelnen,  sondern  nur 
dazu  verwendet  werden,  die  öffentlichen  Ge- 
bäude zu  vergrössern  und  zu  verschönern  und 
besonders   sie   mit   guten   Kunstwerken   zu   be- 


1769.  gr.  4to.  Ins  Teiitsclic  iibors.  Frankfurt  1773.  8vo.  —  Herr 
Wood  wapt  nicFit  zu  bestimmen,  ob  Homeros  ein  loner  oder 
Aeoler j  und  noch  weniger,  ob  er  aus  Chios  oder  Smjrna  gewe- 
sen, nrigt  sich  jeiloch  zur  letzten  Annalinic.  W. 

(35)  llerodot.   I,  148-     Diodor.    XV,   49.     Strabo   VIII,    384. 
XIV,  639. 

(36)  Olymp.  CI,   4.     Diodor.  a.  a.  O.     Dion^s.  Ilalicarn.  Ant. 
Rom.  IV,  25. 

13* 


196  VORREDE   ZUM   ZWEITEN   THEIL. 

reichern.  Da  sie  nach  dem  Hellenischen  Völ- 
kerrechte in  allen  Kämpfen  der  Hellenen  mit 
Hellenen  vor  Plünderungen  und  Gelderpressun- 
gen geschützt  "waren,  so  bildeten  sie  eine  Art 
Öffentlicher  Bank,  in  der  jeder  Staat  seinen 
Schatz  liegen  hatte  und  woselbst  oft  Privatleute 
ihre  kostbarsten  Kleinodien  in  Zeiten  nieder- 
legten, in  denen  die  Gesetze  zu  schwach  schie- 
nen, ihnen  volle  Sicherheit  zu  gewähren.  (3^) 

Indem  so  das  Handelsinteresse  mit  dem  Dienst 
der  Götter  verknüpft  war,  scheinen  die  Helle- 
nen überall,  wo  sie  Factoreien  für  den  Handel 
angelegt  hatten,  auch  Heiligthümer  jener  Art 
gehabt  zu  haben.  Als  ihnen  Amasis ,  König 
von  Aegypten,  Nauhratis  an  dem  Kanobischen 
Arm  des  Neilos  einräumte,  so  verbanden  sich 
neun  Asiatische  Städte  zur  Errichtung  eines  ge- 
meinschaftlichen Tempels,  während  von  den 
ehrsüchtigeren  und  reicheren  Staaten  Aegina, 
Samos  und  Miletos ,  ein  jeder  ein  Heiligthum 
für  sich  errichtete.  (^^)  Sie  räumten  freilich 
leicht  den  Göttern  fremder  Völker  gleichen 
Rang  mit  den  ihrigen  ein  und  bequemten  sich 
zu  jedem  Religionsgebrauch,  dessen  Annahme 
ihnen  in  irgend  einer  Periode  oder  an  einem 
bestimmten  Ort  vortheilhaft  war.  Allein  diese 
gemeinschaftlichen  Tempel,    die  sie  in  entlege- 


(37)  Thulcydides  I ,,  96  und  121. 

(38)  Heiodot.  II,  178. 


VORREDE   ZUM   ZWEITEN  THEIL.  197 

nen  Gegenden  ihren  Nationalgottheiten  errichtet 
hatten,  dienten  dazu,  den  Geist  der  National- 
liebe zwischen  den  einzelnen  Griechischen  Staa- 
ten zu  nähren  und  zu  stärken  und  unter  der 
ehrwürdigen  Form  religiöser  Vereinigung  das 
Band  zu  heiligen,  welches  Privatinteresse  und 
Handelsverbindungen  um  sie  geschlungen  hatten. 


Sechstes    Capitel. 

Das     Mutterland     Hellas. 

Taf.  I. 

Ruine  bei  dem  Hafen  von  Aegina. 

>J_Jie  vorliegende  Ansicht  ist  von  der  Stelle  aufge- 
nommen, wo  die  alte  Hauptstadt  der  Insel  Aegina 
lag.  Die  zwei  Dorischen  Säulen  mit  ihrem  Architrav 
sind,  wie  man  vermuthet,  ein  Ueberrest  eines  nahe 
bei  dem  Hafen  gelegenen  Tempels  der  Afrodite.  Die 
Mauern  des  Hafens  und  des  Zeughauses  lassen  sich 
noch  in  bedeutender  Ausdehnung  nachweisen.  Von 
einer  Anhöhe  sieht  man  sowohl  die  Burg  von  Athenä, 
die  auf  einem  Hügel  fast  mitten  in  einer  Ebene  ge- 
legen und  überall  hin,  ausser  gegen  die  See  zu,  mit 
Bergen  umringt  ist,  als  auch  einen  Theil  ihres  Ge- 
biets, das  von  dunklen  Olivenhainen  bedeckt  wird, 
die  schwarz  aussahen,  als  wenn  eine  düstere  Wolke 
über  ihnen  herzöge.«  (Chandler ,  Travels  in  Asia 
Minor  and  Greece,  Yol.  H.  p.  II.) 

Taf.  H. 
Ansicht  vom  Tempel  des  Zeus  Panellenios. 

Von  dem  ge^enwärtisren  Zustande  dieses  Tem- 
pels  hat  uns  Dr.  Chandler  (p.  12)  folgende  Nachricht 
mitgetheilt: 

»in  dem  iS'arow/scÄe«  Meerbusen,  der  von  den  Vor- 
gebirgen Sunion  und  Skylläon  begränzt  wird,  liegen 
mehre   Inseln,    von   denen  Aegina   die  bedeutendste 


SECHSTES    CAPITEL.  199 

ist.  Die  ihr  zunächst  gelegenen  Länder  sind  Atlika^ 
Megaris  und  die  Peloponnesos.  Die  Entfernung  der- 
selben beträgt  ohngefähr  hundert  Stadien  oder  zwölf 
und  eine  halbe  Meile.  (•)  An  der  Südseite  wird  sie 
von  dem  Kretischen  und  an  der  Ostseite  von  dem  iWjr- 
toischen  Meere  bespült.  Als  wir  in  die  ßai  einfuhren, 
hatten  wir  die  abhängige  Seite  des  mit  Bäumen  be- 
deckten Bergs  Panellenion  vor  uns  und  auf  seiner 
beinahe  eine  Stunde  von  der  Küste  entfernten  Spitze 
sah  man  einen  Tempel  aus  dem  Walde  hervorragen. 
Der  Tempel  des  Zeus  Panellenios  ist  von  der  Do- 
rischen Ordnung  und  hatte  sechs  Säulen  auf  der  Vor- 
derseite. Noch  stehen  einundzwanzig  von  den  äusse- 
ren Säulen,  zwei  von  der  Vorderseite  der  Vor-  und 
Hinterhalle  und  fünf  von  denen,  welche  Säulenreihen 
in  der  Zelle  bildeten.  Den  Architrav  ausgenommen, 
ist  das  Gebälk  herabgefallen.  Der  Stein  ist  von  einer 
lichtbraunen  Farbe,  an  manchen  Stellen  sehr  ver- 
wittert und  sein  Verfall  zeugt  von  sehr  hohem  Alter. 
Einige  Säulen  sind  dadurch  sehr  beschädigt  w^orden, 
dass  man  sie  bis  in  ihre  Mitte  des  Metalls  wegen  an- 
gebohrt hat.  Bei  einigen  ist  die  Verbindung  der 
einzelnen  Theile  so  scharf  und  sorgfältig  gearbeitet, 
dass  sie  aus  Einem  Block  zu  bestehen  scheinen.  ALs 
wir  bei  einer  Säule  der  Vorhalle  nachgruben,  ent- 
deckten wir  ein  Bruchstück  von  schöner  Sculptur. 
Es  war  der  Hintertheil  eines  Windhundes  ans  weis- 
sem Marmor  und  man  darf  vermuthen,  dass  er  zu  den 
am  Fries  gewöhnlich  befestigten  Verzierungen  ge- 
hörte, da  dieser  eine  liinne  hat,  in  welche  der  Zier- 
rath  eingesetzt  worden  zu  sein  scheint.  Jch  forschte 
später  dem  andern  Theil  nach,    fand   aber  nur  ein 


(1)  Der  Haff n  Peivaeus,  dessen  »/lugenschmutz  (ir,ftt},  graniia)« 
die   Insel   spottweise   genannt   wurde,    ist    120   Stadien   entfernt. 

W. 


200  SECHSTES   CAPITEL. 

kleines  Stück  mit  etwas  Späth,  -was  mich  nicht  zweif- 
len  liess,  dass  das  üebrige  losgebrochen  und  wegge- 
bracht worden  sei.  Der  Tempel  hatte  eine  Ringmauer, 
von  der  man  noch  Spuren  sieht.  Es  schienen  uns  die 
Trümmer  des  Tempels  besonders  merkwürdig  und 
vielleicht  kann  kein  andres  Heiliglhum  mit  ihm  glei- 
chen Anspruch  auf  hohes  Alter  machen.  Seine  Lage 
auf  einem  einsamen  Ber^e  und  seine  Entfernuns:  von 
dem  Meere  hat  ihn  wahrend  aller  Veränderungen 
und  Zufälle  vieler  Jahrhunderte  vor  gänzlicher  Zer- 
störung bewahrt.« 

Taf.  111. 

Grundriss  vom  Tempel  des  Zeus  Panellenios, 

Der  Tempel  hat  nur  zwölf  Säulen  auf  der  Ne- 
benseite und  w^eicht  somit  von  dem  gewöhnlichen 
Bauslyle  der  Hellenen  ab,  nach  dem  man  der  Ne- 
benseite eine  Säule  mehr  gab,  als  die  doppelte  Zahl 
der  Säulen  auf  der  Vorderseite  betrug.  (^)  Die  klei- 
neren Säulen  schlössen  den  Hypäthros  ein. 

Taf.  IV. 
Aufriss  der  J^orderseite  des  Tempels. 

Das  obere  Simswerk  haben  wir  nach  Vermuthung 
hinzugesetzt,  da  wir  keine  Spuren  von  ihm  entdeckt 
hatten. 


(2)  Dass  dies  kein  feststellendes  Gesetz  in  der  Griechischen 
Architektur  gewesen,  wie  Stuart  behauptete,  beweiset  auch  der 
Grundriss  des  Tempels  der  Nemesis  zu  Rhamnus  in  dem  sechsten 
Capitel  der  Alterth.  v.  Atlika.  Mehre  andre  Ausnahmen  von  der 
vermeintlichen  Regel  hebt  die  letzte  Anmerkung  der  neuen  Aus- 
gabe Stuart's  zu  Cap.  I.  Theil  II.  (Bd.  I.  S.  468  des  Teutschen 
Stuart's)  hervor.  W. 


SECHSTES    CAPITEL.  201 

Taf.  V. 
Durchschnitt  durch  die  Vorhalle  und  die   äusseren  Säu- 
lengänge, 

Einzelne  Theile  in  grösserem  Maassstabe  geben  die 
drei  folgenden  Tafeln.  Die  Einfachheit  der  Yerzie- 
rung  zeugt  für  das  hohe  Alter  des  Tempels.  Die 
Gebäude  aus  der  Zeit  des  Perikles  waren  an  diesem 
Theile  reich  ausgeschmückt  mit  Bildnerei  und  Ver- 
zierungsgliedern. 

Taf.  VI. 

Ordnung  des  Säulengangs  in  grosserem  Maassstabe.  (') 

Taf.  VII. 

Durchschnitt  durch  das  äussere  Gebälk,  mit  den  Säulen 
der  Vorhalle  und  den  kleineren  des  Hypäthros. 

Taf.  VIII. 
Verzierungen  der  Vorhalle  und  Durchschnitt  des  Säulen- 
gangs  im  Inneren. 

Der  Baustyl  dieseS^  Tempels  nähert  sich  dem  des 
sechssäuligen  hypäthrischen  Tempels  zu  Pa^/um.  Man 
hat  keine  üeberreste  mehr  von  der  Decke  der  Vor- 
halle und  der  der  inneren  Säulengänge  gefunden. 
Das  Dach  war  vermuthlich  aus  Marmor,  in  der  Form 
von  Ziegeln  oder  Deckplatten  gearbeitet,  wie  sie  zu- 
erst an  dem  Tempel  des  Zeus  zu  Olympia  angewandt 
und  von  Byzcs  \on  Naxos  ums  Jahr  580  vor  Chr.  Geb. 
erfunden  worden  sein  sollen.  (*)  Der  Thurm  der 
TVinde  und  das  choragischc  Denkmal  des  Lysikrates  zu 
Athenä ,  die  uns  Hr.  Stuart  im  ersten  Theil  seiner 
Alterlhümer  beschrieben,  veranschaulichen  uns  die- 

(3)  Die  Ausschweifung  dieser  Säulen  ,  oder  ihre  Verstärkung 
in  der  Miltc  fentasisj  sieht  man  auf  Taf.  V.  Fig.  3.  im  Anhange 
zum  Suppicnuntband  der  Altcrth.  v.  Athen.  W. 

(4)  Ein  Mehres  in  den  Älterth.  v.  Attika ,  S.  20  f.  W. 


202  SECHSTES    CAPITEL. 

sen  Styl  noch  mehr.  Er  scheint  zwar  in  den  Grie- 
chischen Colonien  in  Italien  angenommen,  aber  von 
den  Römern  nicht  angewandt  oder  nicht  verstanden 
worden  zu  sein.  Sie  hingen  vielmehr  der  alten 
Etruskischen  Bauart  an  und  verzierten  ihre  Backstein- 
gebäude durch  Stuccaturbekleidungen  ,  Malerei  und 
Basreliefs  aus  Terracotta.  Bei  der  Aufzählung  des- 
sen, was  sich  im  Römischen  Keiche  um  das  Jahr  308 
vor  Chr.  Geb.  begeben,  bemerkt  Livius,  (*)  dass  es 
damals  ebenso  allgemeiner  Brauch  gewesen  sei,  die 
Knaben  zur  Erziehung  nach  Etrurien  zu  senden,  wie 
zu  seiner  Zeit,  sie  mit  der  Griechischen  Sprache  und 
Literatur  bekannt  zu  machen.  Selbst  noch  in  der 
späteren  Zeit  der  Republik,  im  Jahr  173  vor  Chr. 
Geb.,  wurde  ein  Theil  des  Tempels  der  Inno  Lacinia 
in  dem  Brutlischen  (den  Abruzzos)  abgedeckt  und 
die  marmornen  Dachplatten,  marmoreae  tegulaCj  soll- 
ten dein  Tempel  der  Ritterlichen  Fortuna  zur  Zierde 
dienen,  den  der  Censbr  Q.  Fulvius  Flaccus  damals 
hatte  errichten  lassen.  Der  Senat  war  aber  entrüstet 
über  des  Sittenrichters  Unterfangen,  der  Göttin  einen 
Tempelraub  darbringen  zu  wollen,  ordnete  Sühn- 
opfer an  und  befahl  die  Platten  nach  dem  Tempel 
zurückzubringen.  Dies  geschah  zwar;  sie  blieben 
aber  auf  dem  Tempelplatze  liegen,  weil  sich  in  jener 
Zeit  kein  Werkmeister  fand,  der  sie  an  ihre  frühere 
Stelle  hätte  bringen  können.  (^) 

Es  scheint  uns  bemerkenswerth,  dass  es  Epime- 
nides  von  Kreta  wi^r,  der,  zufolge  der  Lebensbeschrei- 
bung dieses  Filosofen  bei  Diogenes  von  Laerte, 
unter  Allen  zuerst  auf  Feldern  und  in  Häusern  Sühn- 
und  Reinigungsopfer  darbrachte,  Tempel  erbaute,  und 
unter  diesen  einen  zu  Athenä  den  Eumeniden  weihte. 

(5)  Lib.  IX.  Cap.  36-  W. 

(6)  Livius  L.  XIII.  Cap.  3. 


SECHSTES   CAPITEL.  203 

Der  Ursprung  des  Bilderdienstes,  verbunden  mit 
der  profetischen  Begeisterung  durch  Quellen,  Brun- 
nen und  Grotten,  sowie  überhaupt  die  Zeit,  in  der 
man  für  die  gottesdienstlichen  Gebräuche  besondere 
heilige  Räume  weihte,  liegen  so  weit  zurück  in  dem 
Dunkel  des  Alterthums,  dass  sie  nicht  mehr  zum 
Bereich  glaubwürdiger  Geschichte  gehören.  Trotz 
des  dichten  Schleiers,  der  diesen  Gegenstand  ver^ 
hüllt,  wird  man  aber  doch  nicht  irren,  wenn  man 
die  Gründung  vieler  der  prachtvollen  Bauwerke, 
welche  die  Bewundrung  der  Nachwelt  auf  sich  gezo- 
gen haben  und  Musterbilder  für  die  Künstler  gewor- 
den sind,  in  eine  Periode  von  dreihundert  Jahren 
setzt.  Diese  beginnt  mit  der  Zeit  des  Solon  und  Py- 
thagorasj  also  etwa  mit  dem  Jahr  600  vor  Chr.  Geb.,  als 
man  die  Tempel  des  Zeus  zu  Olympia  und  auf  dem  C(u. 
pitol  zu  Rom  und  die  Heiligthümer  -AwiSamosj  zu  Priene, 
Efesos  und  Magnesia  zu  bauen  anfing;  sie  umfasst  die 
glänzende  Zeit,  in  der  unter  der  Staatsverwaltung 
des  Perikles  der  zierliche  Styl  der  Hellenischen  Bau- 
kunst seine  höchste  Schönheit  und  Vollendung  in 
dem  Tempel  der  ^thena  auf  der  Athenäischen  Akro- 
polis  erlangte,  den  man  nach  dem  Muster  des  Tem- 
pels des  Zeus  zu  Olympia  gebaut  hatte,  und  schliesst 
sich  sodann  in  der  Zeit  des  AUxandros  mit  der  Vol- 
lendung des  Tempels  der  Artemis  zu  Efesos,  an  dem 
nach  Plinius  (XXXVl,  14.  s.  21.)  zweihundert  und 
zwanzig  Jahre  gebaut  wurde  und  von  dessen  Säulen 
eine  durch  Skopas  verfertigt  oder  ausgeziert  worden 
war.   (')      Unter    desselben   Skopas    Leitung    wurde. 


(7)  Wenn  man  nätnlicli  an  dor  gewöhnlichen  Lpsarf,  tlcs  Pli- 
nius a.  a.  O. :  ex  iis  XXXJ^I  caelatae ,  una  a  Scopa  keinen  An- 
stoss  finrlet  nnd  weder  mit  JVinckclnianii  (Gesch.  d.  Kunst.  B.  IX. 
Cap.  2,  der  Dresdener  Ans^'.  VI,  S\)  lesen  will:  uno  e  scapo  (aus 
Einem  Stiickc    oder  Scliafte),     nocli    ujit  SHlig  (Cataio^.    Artif.  u. 


204  SECHSTES    CAPITEL. 

als  der  alte  Tempel  der  /Ithena  Aha  zu  Tegea  in  Ar- 
kadien niedergehrannt  war,  daselbst  ein  neues  Ge- 
bäude errichtet,  das  an  Glanz  und  Pracht  jedes  Bau- 
werk dieser  Art  in  der  Pelojionnesos  übertraf.  An 
ihm  waren  die  drei  Griechischen  Ordnungen  der 
Baukunst  angewendet.  Dorische  und  Korinthische  Säu^ 
len  trugen  im  Inneren  der  Zelle  Gallerien,  die  den 
Hypäthros  oder  offenen  Baum  der  Zelle  umgaben; 
auswendig  um  den  Tempel  zogen  sich  Säulengänge 
von  der  Ionischen  Ordnung.  Die  Giebelseiten  waren 
zudem  mit  Bildnerei  reich  verziert.  (^) 

Zu  den  angeführten  Beispielen  kann  man  noch 
die  Tempel  in  Sizilien  hinzunehmen,  insofern  deren 
Bau  durch  Gelon  und  Ilieron  unterstützt  wurde.  Viele 
der  Sizilischen  Tempel,  sowie  die  von  Pästum  gehö- 
ren vielleicht  einer  früheren  Zeit  an  ;  wenn  sich  aber 
irgend  einige  Gebäude  von  regelmässiger  Construc- 
tion  eines  noch  höheren  Alters  rühmen  können,  so 
scheinen  die  in  Oberägypten  den  ersten  Anspruch 
hierauf  machen  zu  dürfen.  Seit  der  Zeit  des  Psam- 
metichos y  der  seine  Regierung  mit  dem  Jahr  660  vor 
Chr.  Geb.  antrat,  w^urden  die  Hellenen  bekanntlich 
von  den  Beherrschern  Aegyptens  ganz  besonders  be- 
vorrechtigt und  ausgezeichnet.  Wir  haben  bereits 
in  unserer  Vorrede  hierauf  aufmerksam  gemacht  und 
wollen  hier  eine  Stelle  des  Herodotos  (II,  154.)  mit- 
theilen, die  für  jene  Periode  der  alten  Geschichte 
viel  Interessantes  enthalt. 

«Durch  den  Beistand  der  Toner  und  Karer  wurde 
Psammetichos  Herr  von  ganz  Aegypten.  In  Anerkennt- 
niss  ihrer  Dienste  gab  er  ihnen  Ländereien  und  die 
Erlaubniss,  sich  hier  eine  bleibende  Stätte  zu  grün- 

d.  W.  Scopas)  caelatae.  Una  Scopa  operi  praefuit  Chersiphron 
(Zugleich  mit  Skopas  leitete  Ch.  den  Bau).  W. 

(8)  Pausan.  VIII.  45    ?.  3  und  4. 


SECHSTES   CAPITEL.  205 

den.  Ja,  er  vertraute  ihnen  sogar  Aegyptische  Kiti- 
der  an,  um  dieselben  die  Hellenische  Sprache  zu 
lehren,  und  von  denen,  die  dHZiimal  die  Sprache 
lernten,  stammen  die  jetzigen  Dollmetsoher  in  Ae- 
gypten.  Und  die  loner  und  Karer  wohnten  lange 
in  diesen  Ländereien  unterhalb  Bubaslis  an  der  Pelu- 
sischen  Mündung  des  Neilos.  Aber  König  Amasis  führte 
sie  lange  Zeit  nachher  weg  nach  Memßs  und  machte 
sie  zu  seiner  Leibwache  wider  die  Aegypter.  Nach- 
dem diese  ansässig  geworden  in  Aegypten,  da  hat- 
ten die  Hellenen  Verkehr  mit  ihnen  und  wir  wissen 
nun  Alles,  was  sich  in  Aegypten  zugetragen,  von 
dem  König  Psammeiichos  an  und  nachher,  mit  Zuver- 
lässigkeit. Denn  das  waren  die  ersten  Leute  \on 
fremder  Zunge,  die  in  Aegypten  ansässig  geworden. 
Und  an  den  Orten,  von  dannen  sie  wecaeführt  wor- 
den,  waren  noch  zu  meiner  Zeit  ihre  Schiffswerften 
und  die  Trümmer  von  ihren  Wohnungen.« 

In  denTempeln  Überägyptens  bemerkt  man  einen 
Baustyl,  der  in  vielen  Zügen  sowohl  in  seinen  V^er- 
zierungen  als  in  seiner  Construction  jjrosse  Aehnlich- 
keit  mit  dem  hat,  der  bei  den  Hellenen  im  Multer- 
lande  herrschte.  Hierbei  muss  man  bedenken,  dass 
das  Zeitalter  des  Psammeiichos  und  Amasis  genau  mit 
der  Periode  zusammenlrifft ,  in  der  die  Hellenen  die 
Fortschritte  ihrer  Kunst  und  die  A'^eredlung  ihres  Ge- 
schma(;ks  in  den  oben  erwähnten  prachtvollen  Bau- 
werken beurkundeten. 

Taf.  IX. 

Ansicht   des    Tempels  der   Athena   auf  dem  Vorgebirge 

Su  ni on. 

Sunion  war  eine  der  Altischen  Ortschaften.  »Auf 
der  Spitze  des  V^orgebirgs  steht  der  Tempel  der  P(d- 
las  Athena,  Bis  zum  Jahr  167()  halten  sich  noch  neun 
Säulen  auf  der  südwestlichen  und  fünf  auf  der  gegen- 


206  SECHSTES    CAPtTEL. 

Überliegenden  Seite  erhalten,  ausserdem  zwei  Anten 
oder  Wandpfeiler  an  der  Südseite  und  ein  Theil  der 
Vorhalle.  Jetzt  findet  man  nur  noch  zwölf,  wenn 
wir  zwei  andere  auf  der  Giebelseite  und  einen  Wand- 
pfeiler nicht  mitrechnen.  Die  übrigen  haben  die 
Türken  in  neuerer  Zeit  niedergestürzt,  um  sich  mit 
dem  Metall  zu  bereichern,  das  die  einzelnen  Steine 
verband.  Die  Reste  der  Vorhalle  haben  sich  bedeu- 
tend vermindert.  Die  Säulen,  die  dem  J^Ieere  zunächst 
stehen,  sind  eben  deswegen,  weil  sie  der  Seeluft  am 
meisten  ausgesetzt  waren,  abgeblättert  und  verwit- 
tert. Sunion  war  einundvierzig  und  drei  Viertel 
Meilen  von  dem  Peiräeus  entfernt.«  (Chandler,  p.  8.) 

Taf.  X. 

Grundriss  des  Tempels  der  Athena  Sunias. 

Taf.  XI. 

Aiifriss  der  Vorderseite.  (^) 

Taf.  XU. 

Durchschnitt  der  Vorhalle. 

Das  Gebäude  ist  von  weissem  Marmor.  An  Zier- 
lichkeit der  Form  und  Schönheit  der  Construction 
steht  dasselbe  den  ersten  in  der  Zeit  des  Perikles  er- 
richteten Tempeln  nicht  nach. 

Taf.   Xlll. 

Das  Capital   und  Gebälk   der  äusseren  Ordnung ,    nebst 
dem  Durchschnitt  durch  den  Architrav. 


(9)  Diese ,  die  zwei  vorhergehenden  und  drei  folgenden  Ta- 
feln sind  mit  einer  etwas  ausfiihrlicheren  Beschreibung  auch  in 
dem   achten  Capitel   der  Alterth.   von   Attika    gegeben   worden. 

W. 


SECHSTES   CAPITEL.  207 

Taf.   XIV. 
Das  Capital  der  Anten  und  Durchschnitt  durch  das  Ge- 
bälk an  der  Vorderseite  der  Vorhalle. 

Der  Fries  war  verziert  mit  halb  erhobenem 
Bildwerke,  das  den  Kampf  der  Kentauren  und  Lapi- 
then  darstellte,  jetzt  aber  sehr  beschädigt  ist. 

Taf.  XV. 

Ansicht  des  Tempels  des  Zeus  Nemäos ,  zwischen  Argos 
und  Korinthos, 

Die  Reste  dieses  Tempels  bestehen  nur  noch  aus 
zwei  Säulen  und  einem  Theil  der  Anten,  die  ihren 
Architrav  tragen,  nebst  einigen  Theilen  der  Tem- 
pelmauer und  Bruchstücken  von  der  äusseren  Säu- 
lenreihe. 

Taf.  XVI. 
Grundriss  des  Tempels. 

Taf.  XVII. 

Aufriss  der  Vorderseite.  • 

Taf.  XVJII. 

Ordnung    des   äusseren   Säulengangs    in   grösserem 
Maassstabc. 

Taf.  XIX. 
Grundriss  des   Tempels  der  Demeter  zu  Eleusis. 

Näheren  Aufschluss  über  die  Trümmer  dieses 
Gebäudes,  die  Geschichte  und  die  hier  einst  bei 
der  Feier  der  Mysterien  üblichen  Gebräuche  suche 
man  in  Dr.  Chandler^s  Reisen  in  Griechenland,  Cap. 

XL  — XLII.  (»") 


(10)  Die  nciislen  uiul  bei  weitem  gonaiistcn  aicliitcli tonischen 
Uiitersucliimgcii  enthalt  das  vierte  Capilcl  der  Alterthiimer  von 
Altika.     Vgl.  oben  S.  171  f.  W. 


208  SECHSTES    CAPITEL. 

yitruvius  gibt  uns  in  der  Vorrede  zu  seinem  sie- 
benten Buch  (§,  16  f.)  über  dieses  Gebäude  folgende 
Nachricht:  %Eleusine  Cereris  et  Proserpinae  cellam 
immani  magnitudine  Ictinus  Dorico  more  sine  exterio- 
ribus  columnis  ad  laxaraentum  usus  sacriliciorum 
pertexuit.  Eam  autem  postea,  cum  Demetrius  Pha~ 
lereus  (^')  Athenis  rerura  potiretur,  Philorij  ante 
templum  columnis  constitutis,  prostylon  fecit:  ita 
aucto  veslibulo  laxamentum  iaitiantibus  operique 
summam  adiecit  auctoritatem.« 

Taf.  XX. 

Ein  Theil  der   Ordnung  in  grösserem  Maassstabe ; 

Lage  der  Stufen  und  Schaft  der  Säulen 

am   Tempel  der  Demeter. 

Man  beachte  hier  die  Art,  wie  die  Griechen  die 
Cannelirungen  ihrer  Säulen  ausarbeiteten.  Nur  unter 
dem  Capital  und  an  der  Base  wurden  die  Rinnen  be- 
zeichnet, um  den  Werkleuten  die  Richtung  anzuge- 
ben, wenn  sie  später,  nachdem  der  ganze  Bau  auf- 
geführt war,  die  Cannelirungen  vollenden  sollten;  der 
ganze  übrige  Schaft  blieb  einstweilen  noch  unbearbei- 
tet, um  diesen  Theil  der  Säule  vor  jeder  Beschädi- 
gung zu  sichern,  die  sie  während  ihrer  Aufstellung 
erleiden  konnte.  Zur  Bestätigung  dieser  Angabe 
können  die  im  ersten  Theile  beschriebenen  Ueber- 
resle  des  Tempels  des  Apollon  Didymäos  bei  Miletos 
dienen.  Daselbst  sieht  man  nämlich  zwei  ihren  Ar- 
chitrav  tragende  Säulen,  deren  Cannelirungen  ganz 
ausgearbeitet  sind;  eine  andere  steht  dagegen  noch  in 
ihrem  unvollendeten  Zustande  da  und  nur  die  Rich- 
tungslinien sind  an  ihrem  Schafte  oben  und  unten  ange- 
geben.   Gerade  über  den  Cannelirungen  bemerke  man 

(11)  Stalthalter  des  Kassanciros  in  Athcnä  vom  J.  318—307 
vor  Chr. 


SECHSTES    CAPITEL.  209 

auf  der  vorliegenden  Tafel  das  kleine  vorspringende 
Glied  oder  fliemchen,  das  wahrscheinlich  verhindern 
sollte,  dass  der  öleissel  beim  Weghauen  der  Überfläche 
nicht  zu  tief  eindringe.  Später,  wann  das  ganze  Ge- 
bäude vollendet  war,  sollte  dies  Glied  mit  demUebri- 
gen  gleich  gemacht  werden.  Die  einzelne  noch  erhal- 
tene Säule  dieses  Tempels  scheint  zu  denen  gehört  zu 
haben,  dieFilon  hinzufügte,  um  den  Tempel  zu  einem 
Prostylos  zu  machen.     (Siehe  Vitruv.  Hl,  1.) 

Taf.  XXI. 

Ordnung  in  grösserem  Maassstabe    und  Felderdecke  über 
der  Bildsäule  der  Demeter, 

Diese  Trümmer  liegen  ohngefahr  zweihundert 
Fuss  abwärts  von  der  Nordseite  der  Kingmauer  um 
den  grossen  Tempel  und  gehörten  wahrscheinlich  zu 
den  von  Tansanias  erwähnten  Propyläen. 


Siebentes    Capitel. 

lo  n  i  e  n, 

Taf.  XXiJ. 
Ansicht  des  Bogens  oder  des  Thorwegs  zu  Mylasa, 

Dieses  Thor  ist  von  Marmor  und  von  der  Ko- 
rinthischen Ordnung.  Auf  dem  Schlussstein  ist  die 
Doppelaxt  des  Zeus  von  Labranda  Q)  ausgehauen,  wie 
man  sie  oft  auf  Münzen  hndet. 

Taf.   XXIII. 

Grundriss  und  Aufriss   des  Bogens, 

(1)  Vgl.  S.  143.  Anm.  u.  Vignettcntafci  IV.  Fig.  1.  N.  l.    W. 
Ion.  Alt.  14 


210  SIEBENTES  CAPITEL. 

Taf.  XXIV. 

Ansicht  des  Grabmals  bei  Mylasa, 

»Ohngefähr  eine  Viertel  Meile  von  der  Stadt 
Mylasa  erhebt  sich  ein  Grabmal.  Die  Construction 
des  Dachs  ist  besonders  durch  seine  Verzierungs- 
theiJe  merkwürdig,  aber  es  fehlen  zwei  Steine,  und 
mehre  sind  versetzt.  Es  wird  von  cannelirten  Säu- 
len der  Korinthischen  Ordnung  getragen.  Mehre 
derselben  sind  vorsätzlich  stark  beschädigt,  da  man 
nahe  an  den  Basen  mit  Gewalt  in  sie  hinein  schlug, 
um  durch  den  beabsichtigten  Einsturz  des  Gebäudes 
Eisen  und  Baustoffe  zu  gewinnen.  Die  Schäfte  sind 
nicht  rund,  sondern  elliptisch  und  an  den  Eckpfei- 
lern viereckig.  Dieses  Gebäude  steht  an  der  Strasse 
und  fällt  dem,  der  von  lassos  kommt,  zuerst  in  die 
Augen.  Der  Eingang  vear  auf  der  abgekehrten  Seite, 
und  wahrscheinlich  stieg  man  auf  einigen  Stufen 
hinauf,  die  man  zum  nöthigen  Behuf  anlegte  und 
wegnahm.«     (Chandler,  p.  189.) 

Taf.   XXV. 

Grundriss  des  Grabmals   zu  Mylasa, 

Taf.  XXVI. 

^ufriss   und  Durchschnitt    des   Grabmals, 

Taf.  XXVII. 

Bauverzierungen  des  Bogens  zu  Mylasa, 

Taf.  XXVIII. 

Verzierungen  und  einzelne  Theile  des  Grabmals  in  grös- 
serem  Maassstabe. 

Taf.  XXIX. 

Pfeiler   in  grösserem  Maassstabe. 

Taf.  XXX. 
Verzierungen  des  Dachs. 


SIEBENTES  CAPITEL.  211 

Taf.  XXXI.  M  i'.(> 

Aufriss  einer  Korinthischen  Säule. 

Nicht  fern  von  der  Grundlage  des  früher  der  Göt- 
tin Roma  und  dem  Augustus  geweihten  Tempels  steht 
auf  einem  Stück  festen  Mauerwerks  eine  Korinthische 
Säule,  die  einst  eine  Statue  trug  und  auf  dem  Schaft 
folffende  Inschrift  hat: 

DAS  VOLK  HAT  SIE  ERRICHTET  DEM  ME- 
NANDROS,  DEM  SOHNE  DES  ÜLIADES  UND 
ENKEL  DES  EÜTHYDEMOS,  DER  SELBST 
SEINEM  LANDE  WOHLTHÄTER  WAR  UND 
VON  WOHLTHÄTERN  STAMMTE. 

Ausser  dieser  standen  vor  nicht  vielen  Jahren  zwei 
cannelirte  Säulen  von  der  Ionischen  Ordnung. 

Taf.  XXXII. 
Einzelne  Theile  derselben  Säule  in  grösserem  Maassstabe, 

Taf.  XXXIIL 
Ruinen  der  Stadt  Myüs  oder  Bl^fi  und  Ansicht  des  Sees. 

»Schon  im   zweiten  Jahrhundert  war  die   Stadt 
Myils  so  sehr  zerstört,  dass  der  Tempel  des  Bakchos 
aus  weissem  Marmor  damals  das  einzige  noch  stehende 
Gebäude  war.     Hinter  einigen  von  Türken  bewohn- 
ten Hütten  findet  man   linker  Hand   ein  in  den  Bero- 
gehauenes  Theater  nebst  einigen  mit  3Ioo8  bewachse- 
nen  üeberresten   von  der   Mauer  der  Vorderbühne 
CProskenionJ.    Die  Marmorsitze  sind  aber  nicht  mehr 
da.     Zwischen  den  Hütten  und  dem  See  sind  mehre 
Terrassen  mit   eingehauenen  Stufen  wie  zu   Priene, 
Eine   derselben,     an   der  unser  Zelt    stand,    bildete 
einen   viereckigen  FJatz    und  war  mit  Marmorfrag- 
menten eingefasst;    vielleicht  war  ehemals  hier  die 
Agora  (der  Markt).     Bei  einer  andern  lagen  Steine 
die  zirkeiförmige  Schilde  zur  Verzierung  hatten.  Die 
vorzüglichste  und  ausgezeichnetste  Ruine  bildet  aber 

14* 


212  SIEBENTES  CAPITEL. 

der  kleine  Tempel  des  Bakchos,  der  auf  einem  schrof- 
.  fen  Felsen  gelegen  nur  von  der  Vorderseite,  das 
heisst  von  Osten,  zugänglich  ist.  Das  Dach  ist  zer- 
stört; die  Zelle  gut  gebaut  aus  einem  glatten  mit  einer 
braunen  Rinde  überzogenen  Steine.  Die  Porticus 
stand  in  Antis,  d.  h.  sie  hatte  Wandpfeiler  oder  An^ 
ten.  Wir  massen  mehre  Fragmente  derselben  und 
inussten  es  beklagen,  dass  einige  Theile  fehlten. 
Man  hat  den  Tempel  als  Kirche  benutzt  und  den 
Eingang  vermauert.  Die  umher  zerstreuten  Marmor- 
stücke, die  zerbrochnen  Säulen  und  verstümmelten 
Statuen  zeugen  alle  für  ein  hohes  Alter.  Wir  tra- 
fen einige  Inschriften,  die  aber  nicht  mehr  lesbar 
waren.  Die  Stadtmauer  war  wie  die  von  Efesos  durch 
viereckige  Thiirme  verstärkt  und  steht  noch,  ausge- 
nommen gegen  den  See  hin.  Sie  zieht  sich  den  Hang 
des  Berges  hinauf  und  zwar  so  hoch,  dass  man  sie 
an  manchen  Stellen  kaum  unterscheiden  kann.  Aus- 
serhalb der  Stadt  sind  die  Begräbnissplätze  ihrer 
früheren  Einwohner.  Gräber  von  jeder  Grösse  nach 
der  Verschiedenheit  der  Gestalt  und  des  Lebensalters 
der  Verstorbenen  sind  hier  in  den  Felsen  gehauen 
und  dabei  liegen  unzählige  Hache  Steine,  die  als 
Deckel  dienten.  Einige  Grä  ber  sind  noch  bedeckt,  viele 
oöen  und  die  gegen  den  See  zu  mit  Wasser  erfüllt. 
'  Die  Deckel  sind  mit  einem  kurzen,  trocknen,  brau- 
nen Moos  überwachsen  und  schon  ihr  Anblick  zeugt 
für  ein  hohes  Alter.«     (Chandler,  p.  165.) 

Taf.  XXXIV.  und  XXXV. 

Grundriss  des    Tempels   zu  Myds  und  einzelne   Theile  in 
grösserem   Maassstabe, 

Taf.  XXXVI. 

Grundriss  und  Durchschnitt  eines  The  aters  zu  Strato- 

nikeia    in   Ka i'ie n . 

»Die  Gegend  yon  Stratonikeia,  dem  heniigenEski- 

Hissar,  ist  mit  Blarmorfragmenten  wie  übersä't.    Ein- 


SIEBENTES  CAPITEL.  213 

zelne  Säulenschäfte  stehen  noch  und  einer  hat  auch 
noch  sein  CapilKl.  Bei  einer  liülte  fanden  wir  zwei 
nebst  einem  Pfeiler,  die  ein  Gebälk  trugen,  von 
Kebstöcken  und  Bäumen  dicht  umhüllt.  An  dem 
Abhänge  des  Hügels  ist  das  Theater  mit  Sitzen  und 
Trümmern  der  Vorbühne,  unter  denen  sich  auch 
Fussjjestelle  Ton  Statuen  befinden.  Eins  derselben 
hat  eine  Inschrift  und  gedenkt  eines  Bürgers  von  ho- 
hem Verdienste  und  grosser  Freigebigkeit.  Ueber 
demselben  ist  ein  Marmorhaufen  und  das  ganze  Ge- 
bäude ist  mit  Moos,  Buschwerk  und  Bäumen  über- 
wachsen. Ausserhalb  des  Dorfs  findet  man  auf  der 
entgegengesetzten  Seite  gebrochne  Schwibbogen, 
Stücke  von  massiven  Mauern  undSarkofage.«  (Chand- 
1er,  p.  193.) 

Taf.  XXXVII.  und  XXXVIll. 

Bruchstücke  der  Architektur ^  besonders  von  dem  Theater, 

Taf.   XXXiX. 

Ansicht  eines  Gymnasion  zu  Efesos. 

Dieses  Gebäude  liegt  nicht  weit  von  der  östlichen 
Stadtmauer  an  dem  südlichen  Fuss  des  Bergs  Prion. 
Die  nordwestliche  Ecke  des  Gebäudes  stösst  noch 
einige  Fuss  tief  in  den  Berg,  der  sich  allmählig  ge- 
gen die  Nord-  und  üstseite  absenkt. 

Taf.  XL. 
Grundriss  des  Gymnasion» 

A.  A.  A.  A.  Cryptoporticus  (geschlossene,  aus- 
gemauerte Halle),  worin  überall  Exedrae  (Hörsäle 
mit  Sitzen)  eingerichtet  sind. 

ß.     Paläslra  (llingplatz). 

C.  Efebeion  (Uebungsplatz  für  die  Efeben  oder 
männlichen  Jünglinge.) 

D.  D.     Bäume  zu  beiden  Seiten  des  Efebeion. 


214  SIEBENTES  CAFITEL. 

Man  findet  keine  Spuren,  dass  dieselben  mit  dem 
Efebeion  in  unmittelbarer  Verbindung  gestanden  hät- 
ten, aber  aus  der  Palästra  führten  zu  jedem  derselben 
zwei  Thüren.  Ihre  Vorderseite  steht  gegen  Süden. 
Ueber  den  Thüren  haben  sie,  ihrer  ganzen  Breite 
entlang,  üefFnungen,  deren  jede  im  Inneren  dreiFuss 
drei  Zoll  gross  ist.  (Die  Thüren  hat  man  zur  Rech- 
ten, die  ÜefFnungen  zur  Linken  des  Efebeion  be- 
zeichnet.) *)  Aus  allem  diesem  lässt  sich  vermuthen, 
dass  sie  für  üebungen  bestimmt  waren ,  die  man  bei 
schlechtem  Wetter  oder  im  Winter  lieber  unter  einem 
bedeckten  Räume  anstellte.  Denn  die  Palästra  war 
unbedeckt  und  liess  sich  nur  im  Sommer  und  bei 
schönem  Wetter  benutzen. 

E.     Aditus  oder  Gang. 

Dieser  Gang  führt  aus  dem  Efebeion  zu  denßad- 
gemächern,  deren  hier  zwei  Reihen  sind.  Man  findet 
nur  Ein  Lakonikon  oder  Eine  Sudatio  calida  (Schwitz- 
badstube). Jede  Reihe  der  Gemächer  enthielt  wahr- 
scheinlich ein  Frigidarium  (Zimmer  für  kalte  Bäder), 
F.F.,  ein  Tepidarium  (für  laue  Bäder),  G.  G.  und  ein 
Calidarium  (für  warme  Bäder),  H.  H.  in  der  Nische 
des  Calidarium,  zurrechten  Hand,  sind  verschiedne 
Arten  Fische  gemalt  und  Knaben,  die  auf  Delfinen 
schwimmen.  Die  Farben  des  Gemäldes  sind  so  wohl 
erhalten ,  dass  man  noch  das  hellgrüne  Wasser  deut- 
lich unterscheidet. 
I.     Lakonikon. 

Dieses  Gemach  scheint  in  gleicher  Höhe  mit  den 
übrigen  gelegen  zu  haben ,    aber  man   gelangte  nur 

(2)  Da  ich  nicht  sicher  bin,  ob  ich  hier  den  Sinn  des  Origi- 
nals getroffen  habe,  fiige  ich  die  Worte  des  Verfassers  selbst  bei: 
They  front  the  soiith;  and  have  large  apertures  above  the' doors; 
each  apertiire  within  three  feet  three  inches  as  broad  as  the  room 
itself  (the  doors  are  marked  on  the  right  hand  of  the  Ephebeum, 
and  the  apertures  on  the  left).  W. 


SIEBENTES  CAPITEL.  215 

Termittelst  eines  Gangs  zu  ihm,  der  über  dem'  lag, 
der  zu  den  Bädern  führte.  Zu  diesem  Gang  stieg 
man  auf  Stufen,  die  vielleicht  an  denPuncten  aa  oder 
b  angebracht  waren.  .  Die  Stufen  (c),  die  in  das  La- 
konikon  herab  führen,  sind  sehr  unbequem,  indem 
sie  elf  und  einen  halben  Zoll  hoch  und  nur  acht  und 
einen  halben  Zoll  breit  sind.  In  der  diesen  Stufen 
gegenüber  stehenden  Mauer  ist  eine  Höhlung  (d),  die 
sich  etwas  über  dem  verschütteten  Mauerwerk  zeigt, 
und  eine  andere  (e)  ist  ebenso  in  dem  Lakonikon  in 
der  Mauer  nach  dem  Sfäristerion.  Dieselbe  ist  einen 
Fuss  elf  Zoll  ins  Gevierte  weit,  hat  einen  fiauchfang 
an  der  Hinterwand  und  geht  in  die  Mauer  in  horizon- 
taler  Kichtung.  Das  Lakonikon  ist  gewölbt  und  ganz 
dunkel.  Mehre  Trümmer  zeigen,  dass  noch  ein 
andres  Zimmer  über  ihm  war. 

K.     Sfäristerion   (Ballplatz). 

L.  L.  Zwei  grosse  Strebepfeiler  oder  Mauern 
(^uttresses j  AnteridesJ j  die  vielleicht  in  späterer  Zeit 
angebaut  wurden,  um  die  Mauern  zu  stützen,  da  wo 
sie  nachgegeben  hatten.  Durch  die  Strebemauer  auf 
der  Nordseite  führt  ein  gewölbter  Gang. 

M.  M.  Ueberreste  der  Mauern ,  die  das  Stadion 
(die  Kennbahn),  die  Peridromides  (offenen  Spazier- 
gänge) und  andere  nölhige  Bäume  umschlossen. 

Taf.  XLI.  und  XUI. 

Einzelne   Theile   der  Architektur, 

Taf.  XLHI. 

Noch  andere  Theile. 

Fig.  1.  Ein  Kranz  aus  weissem  Marmor,  gefun- 
den auf  dem  Platz  vor  dem  Gymnasion.  Die  Enden 
der  Sparrenköpfe  waren  beschädigt  urid  sind  hier  er- 
gänzt. 

Fig.  2.  SoIIite  des  Kranzes,  oder  untere  An- 
sicht der  Krauzleiste. 


216  SIEBENTES  CAPITBL. 

Fig.  3.  Architrav  aus  weissem  Marmor  über  den 
Thüren  der  runden  Exedrae  im  Efebeion.  Die  sima 
oder  dieRinnleisle  (der  Karnies)  ist  stark  beschädigt. 

Fig.  4.  Ein  Säulenstuhl  und  eine  Base  aus  Einem 
Stück  weissen  Marmors.  Auch  liegen  kleine  Fragmente 
mehrer  gleichartigen  Gegenstücke  bei  dem  erwähn- 
ten Kranze.  Der  obere  torus  oder  Pfuhl  der  Base 
und  der  untere  Riemen  der  Einziehung  waren  zu 
sehr  verletzt,  als  dass  wir  sie  hätten  messen  können. 

Eine  grosse  Marmorstatue  in  der  morgenländi- 
schen oder  Parthischen  Kleidung  liegt  fast  in  der  Erde 
begraben,  nicht  weit  von  den  genannten  Bruch- 
stücken. 

Taf.  XLIV. 

Ueberreste  eines  Tempels  zu  Efesos, 

»Die  Länge  dieses  Tempels  betrug  ohngelahr 
hundert  und  dreissig  Fuss,  die  Breite  achtzig.  Die 
Zelle  oder  das  Schiff  war  aus  grossen  groben  Steinen 
gebaut,  der  Säulengang  von  Marmor  und  von  der 
Korinthischen  Ordnung.  Mit  den  Basen  und  Capitä- 
len  waren  die  Säulen  beinahe  siebenundvierzig  Fuss 
hoch;  die  Schäfte  waren  cannelirt  und,  obgleich  so 
sehr  gross ,  doch  aus  Einem  Block,  Auf  dem  Fries 
war  ein  kühn  verschlungenes  Laubwerk  mit  Knaben 
eingemeisselt.  Die  Verzierungen  sind  grösstentheils 
sehr  reich,  aber  stark  beschädigt.  Vielleicht  war  dies 
der  Tempel,  der  dem  Gotte  Julius  mit  Bewilligung 
des  Augustus  Caesar  errichtet  wurde,  oder  auch  der, 
den  man  dem  Claudius  Caesar  bei  seiner  Vergötterung 
weihte.«     (Chandler,  p.  124.) 

Taf.  XLV. 

Theile  der  Ordnung  in  grösserem  Maassstabe,    die  sich 

aus    den    zerstreuten    Bruchstücken    zusammensetzen 

Hessen, 


SIEBENTES  CAPITEL.  217 

Taf.  XLVI. 

Grundriss  des  Theaters  zu  Mileto s ^   der  uns  die 
Anordnung   der  Sitze  zeigt. 

Taf.   XLVJl. 

Verzierungen  an  dem  Theater  und  Theile  in  grösserem 
Maassstabe, 

Eine  genauere  Beschreibung  der  Ebene,  durch 
die  der  Mäandros  fliesst,  enthält  unser  erster  Theil 
und  eine  Ansicht  der  Gegend  von  dem  Theater  aus 
gibt  die  erste  Tafel  zum  dritten  Capitel.  (^) 

Den  gegenwärtigen  Zustand  des  Theaters  stellt 
uns  die  letzte  Vignette  dar. 

Taf.  XLVlll. 

Ansicht  der  Rennb ahn  zu  Laodikeia  in  Frygien, 

»Dieses  Gebäude  war  ohngefähr  Tausend  Fuss 
lang  und  rund  an  beiden  Finden.  Noch  sind  dreiund- 
zwanzig Sitze  erlialten  ,  die  in  die  Seite  des  Hügels 
eingehauen  waren.  Der  Kingang  von  aussen  ist  ver- 
stopft und  nur  eine  kleine  Oeft'nung  gelassen,  durch 
die  ein  schwaches  Licht  eindringt.  Der  Schutt  hat 
sich  bis  über  die  Kämpfer  fimpostsj  des  inneren  Bo- 
gens  angehäuft.  An  dem  Gesims  dieses  Bogens  steht 
eine  Griechische  Insrhrifl  mit  grossen  Zügen,  die 
man  also  übersetzen  könnte: 

DßM  KAISKR  TITÜS  CAKSAB  AUGÜSTUS 
VKSPASIANUS,  \)VA\  ZUM  SIEBKNTENMAL 
CONSUL  IST  UND  EIN  .SOHN  DES  KAISERS 
VESPASIANÜS,  DES  GOTTES,  UND  DEM 
VOLKE.  NIKOSTRATOS  DER  JÜNGERE, 
SOHN  DES  LYKIAS,  ENKEL  DES  NHvOSTRA- 


(3)  Statt  dieser  porspoctivischen  Ansicht  enthält  die  neue  Auf- 
lage und  somit  auch  unsere  Ausgabe  einen  geometrisch  aufgenom- 
menen Plan  der  Gegend  um  den  Äpollontempel  bei  Miletos.     W. 


218  SIEBENTES  CAPITEL. 

TOS,     ERRICHTETE AUF    SEINE 

KÜSTEN;  NIKOSTRATOS SEIN  ERBE 

VOLLENDETE  DEN  BAU  UND  DER  PROCON- 
SUL  MARCUS  ULPIÜS  TRAIANUS  WEIHTE 
IHN.f  (Chandler.) 

Das  siebente  Consulat  des  Vespasianus  fällt  in  das 
neunundsiebzigste  Jahr  der  Christlichen  Zeitrech- 
nung »und  das  Consulat  des  Traianus  in  das  zweiund~ 
achtzigste.  Somit  hatte  man  zwölf  Jahre  zur  Vollen- 
dung des  Baus  gebraucht.  Bei  einer  andern  Ruine 
ist  ein  Fussgestell  mit  einer  Inschrift,  die  der  obigen 
zur  Erläuterung  dienen  kann.  Sie  bezieht  sich  auf 
dieselbe  Familie  und  die  erwähnten  zwei  Wohlthä- 
ter  und  lautet  also : 

»DER  SENAT  UND  DAS  VOLK  HABEN  DIE 
TA  TIA,  DES  NIKOSTRATOS  TOCHTER  UND 
DES  PERIKLES  ENKELIN,  EINE  NEUE  HEL- 
DIN ,  GEEHRT,  SOWOHL  WEGEN  DER 
.STAATSÄMTER,  PRIESTERWÜRDEN  UND 
ÖFFENTLICHEN  WERKE  IHRES  VATERS, 
ALS  WEGEN  IHRES  GROSSOHEIMS  NIKO- 
STRATOS, DER,  ANDERER  WOHLTHATEN 
NICHT  ZU  GEDENKEN,  JÜNGST  PRIESTER 
DER  STADT  WAR  UND   DAS   STADION  IN 

EIN  AMFITHEATER  VERÄNDERTE « 

(Chandler,  p.  226.) 

Wir  müssen  hier  bemerken,  dass  das  Stadion  nicht 
erweitert  oder  verlängert,  sondern  verkürzt  w^urde, 
wie  man  dies  bei  einem  gleichartigen  Gebäude  zu 
Efesos  sieht,  dessen  Grundriss  Pococke  (*)  gegeben 
hat.  Es  wurde  nämlich  daselbst  das  runde  Ende  für 
die  Bedürfnisse    eines    Amfitheaters    durch   Mauern 

(4)  Desciiption  of  the  East.     Vol.  II.    Part.  II.    Plat.  XLVIII. 
p.  49.  Jer  Teutschen  Ausg.  v.  Breyer  Tbl.  III.  S.  72.  W. 


'  SIEBENTES  CAPITEL.  219 

abgeschnitten,  die  den  zu  den  Gladiatorspielen  nö- 
ihigen  Raum  Hessen,  gegen  welcherlei  Schauspiele 
die  Hellenen,  ehe  die  Komischen  Silten  herrschend 
wurden,  grossen  Abscheu  gezeigt  hatten.  Dr.  Po- 
cocÄ:e  bemerkt,  (*)  dass  man  in  neuererZeit  dasStadion 
zu  Afrodisias  in  gleicher  Art  durch  eine  halbrunde 
Mauer  verkürzt  habe,  die  gleich  der  zn  Efesos  sehr 
schlecht  gebaut  sei  und  mit  dem  östlichen  Ende  einen 
Kreis  bilde,  um,  nach  seiner  Vermuthung,  als  Kirche 
zu  dienen.  Die  eigentliche  Absicht  der  Aenderung 
an  unserem  Gebäude  ersieht  man  aus  der  oben  mit- 
getheillen  Inschrift. 

Taf.  XLIX. 

Grundriss  des  grossen  Theaters  zu  Laodikeia. 

Fig.  1.  Dieses  Theater  heisst  das  grosse,  um  es 
von  zwei  kleineren  in  derselben  Stadt  zu  unterschei- 
den, von  denen  das  eine  ein  Odeion,  oder  Musik- 
theater war.  Der  Baumeister  wählte  sich  für  dies 
Gebäude  eine  sehr  vorlheilhafte  Lage.  Er  Hess  näm- 
lich einen  runden  Ausschnitt  in  die  Seite  eines  stei- 
len Hügels  machen  und  gewann  hierdurch  nicht  nur 
bedeutende  Vorlheile  für  «He  Anlage  der  Sitze,  son- 
dern auch  eine  grosse  iMusse  von  Baustoffen;  ja  er 
sparte  sogar  hierdurch  unendlich  viele  Arbeiten  und 
Kosten;  ein  Punct,  der  bei  der  ausserordentlichen 
Grösse  des  Gebäudes  von  besonderer  Wichtigkeit 
war.  Denn  es  konnte  dasselbe  zehn  Tausend  Zuschauer 
fassen  und  hatte  einen  Durchmesser  von  nicht  viel 
weniger  als  vierhundert  und  fünfzig  Fuss,  wenn  man 
nämlich  den  freilich  jetzt  ganz  zerstörten  Säulengang 
mitrechnet,  der  einst  die  äussersten  Sitze  umgab. 
Jetzt  bietet  es,  überwachsen  mit  Buschwerk,  Ge- 
sträuch und   Gras,  einen  so  verworrenen  Schauplatz 

(5)  Vol.  IL  Part.  II.  p.  7a  bei  Brcyer  III,  10$.  W. 


«220  SIEBENTES  CAPITEL. 

dar,  dass  wir  keine  Stelle  finden  konnten,  von  der 
sich  eine  befriedigende  oder  malerische  Ansicht  hätte 
aufnehmen  lassen.  Darum  unterliessen  wir  es  und 
geben  lieber  hier  von  der  am  wenigsten  zerstörten 
Hälfte  des  Theaters,  einen  Grundriss,  der  Alles  ent- 
hält, was  sich  zur  Belehrung  über  die  Construction 
solcher  Gebäude  aus  derPiuine  ziehen  liess. 

Die  Ueberreste  dieses  Theaters  geben  uns  keine 
Aufklärung  über  die  Anordnung  der  Tbeile  hinter 
der  Scene.  Nur  ein  Stück  Mauer  gewahrt  man,  die 
zu  dem  Ende  des  Postscenium,  oder  dem  Raum  hin- 
ter der  Scene,  gehörte.  Diese  Mauer  schien,  wenn 
nicht  ganz,  doch  beinahe  so  breit  zu  sein,  als  das 
Postscenium,  dessen  Länge  ohngefähr  hundert  und 
dreiundvierzig  Fuss  betryg.  Ob  dasselbe  aber  aus 
Einem  oder  mehren  Gemächern  bestanden,  lässt  sich 
nicht  ermitteln.  Die  özjjvij  oder  Bühne  oder  viel- 
mehr Hinterwand  unserer  Bühne  an  dem  Theater  zu 
Hierapolis  in  Frygien  ist  hundert  und  sechsundzwan- 
zig Fuss  vier  Zoll  lang  und  das  Postscenium,  ein 
einzelnes  Gemach,  neunzig  Fuss  zehn  Zoll  lang  und 
dreizehn  Zoll  vier  Fuss  tief  und  hat  an  der  Wand, 
die  der  Rückseite  der  Scene  gegenübersteht,  einen 
geschlossenen  Bogengang  (Arcade)  oder  eine  Reihe 
von  Exedren,  die  sechs  Fuss  sieben  Zoll  weit  und 
drei  Fuss  sechs  Zoll  tief  sind. 

Fig.  2.     Durchschnitt  durch  die  Sitze. 

Fig.  3.  Vorderseite  der  Sitze,  mit  ihrem  Ende 
zunächst  an  den  Stufen.  '  a 

Taf.  L. 
Einzelne  Theile  der  Architektur, 

Fig.  1.  Base,  Capital  und  Gebälk  von  der  Ord- 
nung der  Halbsäulen  an  der  Vorderseite  der  Scene. 

Der  Umfang  und  die  Höhe  der  um  die  Säulen 
aufgehäuften   Trümmer  hinderte  sowohl,   die  Höhe 


SIEBENTES  CAPITEL.  221 

der  Säulen  zu  messen^  als  auch  ihre  Stellung  und 
Anordnung  mit  Gewissheit  zu  bestimmen.  Ebenso 
waren  die  Schnecken  der  Capitiile  zu  sehr  beschädigt, 
als  dass  man  sie  hätte  messen  können.  Wir  haben 
sie  hier  in  der  Absicht  ergänzt,  um  den  Eindruck  zu 
zeigen,  den  die  Capitäle  in  unversehrt€|in  Zustande 
machen  mussten.  Uer  Fries  war  mit  Blätterwerk 
verziert;  wir  konnten  aber  nur  Ein  Stück  des  Frieses 
finden,  das  sich  messen  liess ;  dasselbe  war  schlecht 
gearbeitet  und  zeigte  die  Umrisse  des  ungeschickt 
ausgehauenen  ßlätterwerks.  An  dem  Kranz  war  die 
Höhe  desselben  an  der  Vorderseite  und  der  Vorsprung 
der  Kinnleiste  mit  der  Höhe  ihres  Riemens  zu  un- 
vollständig, um  gemessen  werden  zu  können. 

Fig.  2.  Durchschnitt  durch  das  Pluteum,  oder 
fortlaufende  Fostan^ent,  das  die  Mauer  der  Scene 
zwischen  den  Halbsäulen  verziert,  die  in  den  runden 
Nischen  in  der  Mitte  der  Scene  stehen.  Die  Theile 
derselben',  die  vor  die  Mauer  vortreten,  waren  mit 
Basreliefs  ausgeschmückt,  die  nun  fast  verschwunden 
sind.  Der  obere  Theil  des  Kranzes  ist  zerstört;  nur 
Spuren  einer  Hohlleiste  fcavettoj  finden  sich  über  der 
Rinnleiste. 

Taf.  LI. 
Andere   Theile  der  Architektur. 

Fig.  l.  Durchschnitt  des  Capiläls,  das  längs  der 
Mauer  der  Scene  in  den  Räumen  zwischen  den  Halb- 
säulen fortgetührt  ist. 

Fig.  2.  Durchschnitt  durch  die  Halbsäulen,  wo- 
bei man  die  Füllung  fpannelj  in  der  SoIRte  des  Ar- 
chitravs  sieht,  sammt  seinen  Gliedern  und  Maassen. 

Fig.  3.  Kranz  des  Podium  (des  Grundsteins  oder 
der  Zocke)  an  der  Vorderseite  der  Scene. 

Fig.  4.  Ein  Postament  oder  Untersatz  Cp^destalJ, 
wahrscheinlich  zu  dem  Fluteum  gehörig,  auf  das  die 


1^22  SIEBENTES  CAPITEL. 

2weite  Ordnung  der  Scene  gestellt  war.  Andere 
üeberreste  dieser  Ordnung  hat  man  liicht  entdeckt, 
ebensowenig  wie  Verzierungen  von  dem  oberen 
Theile  der  Scene. 

Fig.  5  und  6.     Ein  Kranz  und  ein  Postament,  die 

man  nahe  Bei  jenen  Trümmern  gefunden. 

•>  ■,,  ,  .i(i 
Taf.   LH.  4f-'vju,/ 

Ansicht  eine^   Gymnasi on  zu  Alexandreia  Troas, 
dem  heutigen  Eski  Stamboul. 

Taf.   LIII. 
Innere  Ansicht  desselben  Gebäudes. 

Taf.   LIV. 

Grundriss  des  Gymnasion. 

Die  wenigen  Züge,  die  wir  hier  geben,  sind  die 
einzigen,  die  sich  aus  dem  verworrenen  Trümmer- 
hügel, der  die  Stelle  der  einst  berühmten  Stadt  ein- 
nimmt, mit  Sicherheit  nachweisen  lassen. 

Taf.  LV. 

Grundriss  des  Theaters   zu   lassos  in  Karien,     bei 
Miletos. 

Taf.  LVI.    und  LVII. 

Ansichten  des   Theaters  zu  Patara  an  der   Küste  von 

Lykien. 

Man  erblickt  hier  üeberreste  der  Scene.  Der 
Hügel  über  dem  Theater  ist  mit  Grabdenkmälern 
bedeckt. 

Taf.  LVIII. 

Ansicht   eines   Theaters   auf  der  Insel  Kisthene , 

der  heutigen   Castell  Rosso,    nahe  an  der  Sudspitze 

von  Kleinasien. 


SIEBENTES  CAPITEL.  253 

Taf.   LIX. 

Ansicht  eines   Theaters  an  dem  Ende  des  Meerbusens 

Glaukos  bei  Macri  oder  Telmissos  in  der  Landschaft 

Lykien. 

Mehre  architektonische  Ausführungen,  welche 
die  Construction  dieses  Gebäudes  näher  angeben, 
sehe  man  in  des  Herrn  Grafen  von  Choiseul  Gouffier 
Reise  durch  Griechenland. 

Sowohl  die  grosse  2ahl,  als  die  Pracht  und  Heri^». 
lichkeit  der  Gymnasien  und  Theater,  die  wir  in  dem 
Theil  von  Kleinasien  treffen,  der  den  (Gegenstand 
unserer  jetzigen  Untersuchung  ausmacht,  müssen  je- 
den Beobachter  in  Staunen  versetzen.  Während  sich 
der  männliche  Geist  der  Athenäer  in  dem  Bestreben 
beurkundete  und  hervorthat,  die  Maler-  und  Bild- 
nerkunst zur  Vollendung  zu  bringen  und  für  die 
rhetorischen  und  filosofischen  Disciplinen  regelrechte 
Systeme  zu  gründen,  hauchte  der  mildere  Himmel 
loniens  denen,  die  unter  ihm  lebten,  Liebe  und 
Geschmack  für  die  Ausbildung  der  zarteren  und  fei- 
neren (auf  Sinnenreiz  und  Erregung  der  Gefühle  be- 
rechneten) Künste  ein.  Daher  rührt  der  schnelle 
Wechsel  der  Sitten  und  Gebräuche,  und  daher  die 
weibische  entnervte  Lebensart ,  über  welche  Dichter 
und  Geschichtschreiber  jener  Zeit  so  häufig  Riagen 
erheben,  die  sich  immer  mehr  über  das  Römische 
Reich  verbreitete  und  selbst  zur  Verderbniss  Roms 
mächtig  fortwirkte.  In  der  Nähe  von  Miletos,  in 
7^05  und  Lebedos,  wurden  die  ersten  Anstalten  zum 
Unterricht  in  der  Musik  und  Tanzkunst  errichtet.  (') 
üer  Staat  bestätigte  sie  und  unterwarf  sie  gewissen 
Gesetzen  und  Bestimmungen,  auf  die  sich  alte  Schrift- 
steller oft  berufen.  Ueber  die  Verhältnisse  dieser 
Innungen  oder  Künstlervereine  findet  man  in  deb  von 

(6)  Siehe  oben  S.  35-  und  Strabo.  XIV,  643.  W. 


224  SIEBENTES  CAPITEL. 

Chishull  mitgetheilten  Denkmalen  von  Teos  manchen 
Aufschluss.  Die  Vorsteher  und  Lehrer  solcher  Schu- 
len oder  Akademien  hiessen  ol  tieqi  tov  ^lovvOov 
rsxvitai,  d.  h.  Künstler  im  Dienste  des  ßakchos. 
Hier  erhielten  die  ihre  Bildung,  die  im  Griechischen 
Theater,  im  Chor  und  in  der  Orchestra,  auftraten; 
■von  da  und  von  den  umliegenden  Inseln  verbreiteten 
sich  sodann  ähnliche  ßildungsschulen  über  Gross- 
griechenland und  die  nördlicheren  den  l\ömern  unter- 
worfenen Länder.  Sowohl  zur  Berathung  gemein- 
schaftlichenüegierungsangelegenheiten,  als  zu  Schau- 
spielen und  andern  Belustigungen  war  den  Bewohnern 
jedes  besonderen  Bezirks  ein  eigner  Versammlungs- 
ort angewiesen.  Diese  Volksversammlungen  wurden 
sowohl  im  Europäischen  Griechenland  als  in  lonien 
im  Theater  gehalten 

Atticis  quoque, 
Quibus  theatrum  curiae  praebet  vicem. 
Nostris  negotiis  sua  loca  sortito  data: 
■4  Campus  comitiis ,  ut  conscriptis  curia: 
Forum,  atque  rostra  separatis  civium, 
Una  est  Athenis  atque  in  omni  Graecia 
Ad  consulendum  publici  sedes  loci. 
Quam  in  urbe  nostra  sero  luxus  condidit, 
Aedilis  olim  scenarn  tabulatam  dabat 
Subito  j  excitatam  nulla  mole  saxea, 
Muraena  sie,  et  Gallius,     Nota  eloquar, 
Postquam  potentes ,  nee  verentes  sumptuum, 
Nomen  perenne  crediderunt ,  si  semei 
Constructa  moles  saxeo  fundamine 
In  onine  tempus  conderet  ludis  locum: 
Cuneata  crevit  haec  theatri  immanitas. 
Pompeius  hanc ,  et  Baibus,  et  Caesar  dedit 
Octavianus ,  concertantes  sumptibus.  (') 

(7)  Ausonius,  Prolog,  in  Sept.  Sapient.  v.  6  scj(j. 


SIEBENTES  CAPITEL.  225 

»Cuncti  consona  voce  flagitant,  ut  iudicium  ts^- 
tum  theatro  redderetur.  Nee  mora,  cum  passim  po- 
pulus  procurrens  caveae  conseptum  mira  celeritate 
complevit;  aditus  etiam  et  tectum  omne  fartim  stipa- 
verant.  Plerique  columnis  implexi,  alii  statuis  de- 
penduli,  nonnulü  per  f'enestras  et  lacunaria  semi- 
conspicui,  miro  tarnen  oinnes  studio  visendi,  pericula 
salutis  negligebant.  Tunc  me  per  proscenium  me- 
dium, yelut  quandam  -victimam,  publica  ministeria 
perducunt,  et  orchestrae  mediae  sistunt.c  {^) 

»Serus  adveniens  amicis  annuit,  locum  sessui  im- 
pertiunt.    Extimus  quisque  excuneati  queruntur.c  (^) 

Einen  grossen  Theil  der  zur  Errichtung  solcher 
Gebäude  nöthigen  Kosten  schössen  die  reichsten 
Glieder  einer  Gemeinde  zusammen,  ebenso  waren 
die,  welche  sich  um  Ehrenstellen  und  öffentliche 
Staatsämter  bewarben ,  gewöhnlich  bereitwillig,  den 
Chor  anzuführen,  d.  h.  die  Kosten  zur  Ausrüstung 
und  Aufführung  des  Chors  herzugeben,  und  Spiele 
zu  veranstalten,  um  ihren  Mitbürgern  den  Kosten- 
aufwand abzunehmen.  Es  scheint  sogar,  dass  Thea- 
ter und  öffentliche  Gebäude,  selbst  Ländereien,  die 
zu  Tempeln  gehörten  oder  zu  heiligen  Zwecken  ab- 
gesondert waren,  verpachtet  wurden,  und  dass  hier- 
aus der  Gemeindekasse  eine  neue  Einnahme  zufloss. 
Folgendes  Fragment,  das  zur  Erläuterung  unseres 
Gegenstandes  dient,  hat  Dr.  Chandler  in  Athena  von 
einem  Marmorstein  abgeschrieben: 

»WENN  DIE  PJ^CHTER  DES  THEATERS  NICHT  THUN, 
WAS  DER  VERTRAG  BESAGT,  SO  SOLL  DAS  VOLK  DES 
PEIH.EEUS  AUF  KOSTENDER  PyfXHTER  DAS  FEHLENDE 
BAUEN.     DIESES   SOLL   AUCH  AUS  SEINER  MITTE  DREI 


(8)  Apuleius  ,  Mctamorph.    L.  III.  p.  49-  ed.  Bipont. 

(9)  Apuleius,    Floiid.    L.  III.  p.  132.   cd.  Bipont.  p.  353,  37. 
cd.  Elnicnh. 

Ion.  Alt.  15 


226  SIEBENTES  CAPITEL. 

MiENNER  AÜSW/EHLEN,  DIE  DAS  GEB^EÜDE  BEI  DER 
UEBERGABE  BESICHTIGEN  UND  BEURTHEILEN.  DER 
VORSTEHER  DES  GAUS  ABER  UND  DIE  SCHATZ- 
MEISTER'SOLLEN  DIE  ABSCHRIFT  DES  PACHTVERTRA- 
GES AUF  EINEN  STEINERNEN  PFEILER  EINHAUEN  UND 
DIESEN  AUF  DEM  OEFFENTLICHEN  MARKTE  AUFSTEL- 
LEN LASSEN.  AUCH  DEN  NAMEN  DESSEN  SOLLEN  SIE 
BEISCHREIBEN,    BEI   DEM    DER    PACHTVERTRAG    DER 

UNTERNEHMER  NIEDERGELEGT   WORDEN. 

KALLIADES  TRUG  VOR:  MOEGE  DAS  VOLK.  DES 
PEIR^EUS  BESCHLOSSEN  HABEN :  WEIL  THEI^OS  SICH 
WOHL  VERDIENT  GEMACHT  UM  SEINEN  GAU,  JETZT 
UND  VORDEM ,  UND  DEN  PACHTPREIS  DES  THEATERS 
UM  DREIHUNDERT  DRACHMEN  GESTEIGERT  HAT,  SO 
SOLL  ER  BEKR.ENZT  WERDEN  MIT  EINEM  LORBEER- 
KRANZ, WEGEN  SEINER  TUECHTIGKEIT  UND  RED- 
LICHKEIT GEGEN  SEINE  MITBUERGER.  ABER  AUCH 
DIE  PyECHTER  DES  THEATERS  SOLLEN  BERR/ENZT 
WERDEN: 

ARISTOFANES  AUS  DEM  PEIR/EEUS, 
MELESIAS  AUS  LAMPTRE, 
OENOFON  AUS  DEM  PEIR^EUS, 
ARETHUSIOS  AUS  PELEKAS. 

Chandler,  Inscr.  P.  IL  p.  74.  n.  109.  (»<>) 

UNTER  DEM  ARCHON   ARCHIPPOS,    DEM  DEMARCHOS 

FRYNION. 
UNTER  FOLGENDEN  BEDINGUNGEN  VERPACHTEN  DIE 
PEIRiEER    DIE  KUESTE    UND    SALZWERKE,     UND    DAS 
THESEION    UND    ALLE    ANDEREN    HEILIGEN    GUETER. 
WELCHE  MEHR  ALS  FUER  ZEHN  DRACHMEN  PACHTEN, 

(10)  Berichtigt  und  erläutert  bei  Böckhj  Corpus  Inscr.  Vol.  I. 
Pars  II.  N.  102.  p.  140  f.  —  Der  erste  Theil  der  Inschrift  ent- 
hält den  Schluss  eines  Pachtvertrags,  den  Theiäos  zwischen  dem 
Gau  Peiräeus  und  vier  im  Original  unterschriebenen  Pächtern  zu 
Stande  gebracht.  Diese  pachten  das  Theater  für  3300  Drachmen 
und  verpflichten  sich  das  Gebäude  in  gutem  Stande  zu  erhalten, 
wogegen  sie  das  Eintrittsgeld  (gewöhnlich  zwei  Obolen  für  einen 
Sitz)  zu  erheben  haben.  Vgl.  Böckh's  Staatshaushaltung  d.  Ath. 
I,  236  f.  W. 


SIEBENTES  CAPITEL.  227 

DIE  SOLLEN  EIN  HiNLyENGLICHES* PFAND  DER  PACH- 
TUNG STELLEN,    DEREN  PACHT  ABER  NICHT  HOEHER 

STEIGT,  EINEN  BUERGEN. UNTER  DIESEN 

BEDINGUNGEN  SOLLEN  SIE  DIE  GUETER  LASTEN-  UND 
STEUERFREI'  HABEN.  WENN  ABER  EINE  AUSSEROR- 
DENTLICHE STEUER  ERHOBEN  WERDEN  SOLLTE,  SO 
TRyEGT  SIE  DER  GAU  AUS  SEINEN  EINKUENFTEN. 
ZIMMERHOLZ  UND  ERDE  DUERFEN  DIE  P/ECHTER  NICHT 
AUSFUEHREN  AUS  DEM  THESEION  ODER  AUS  DEN  AN- 
DEREN HEILIGEN  GRUNDSTUECKEN.  AUCH  DIE  P/ECH- 
TER  DES  THESMOFORION  DUERFEN  NICHT  HOLZ  ODER 

ANDERE  MATERIALIEN  WEGBRINGEN; 

DIE  PACHT  ENDLICH  WERDEN  SIE  NACH  DEM  BRAUCH 
ZUR  H/ELFTE  IM  HEKATOMB^.ON  UND  ZUR  ANDEREN 
H.ELFTE  IM  POSEIDEON  ERLEGEN.  DIE  PyECHTER 
WERDEN  BEBAUEN,  WAS  ERLAUBT  IST,  NUTZBAR  ZU 
^  MACHEN,  NACH  FOLGENDER  BESTIMMUNG:  IN  DEN 
ERSTEN  NEUN  JAHREN,  WIE  SIE  WOLLEN,  IM  ZEHN- 
TEN ABER  SOLLEN  SIE  NUR  DIE  H.ELFTE  PFLUEGEN 
UND  NICHT  MEHR,  DAMIT  FUER  DIE  NACHFOLGER 
VOM  SECHSZEHNTEN  DES  MONATS  ANTHESTERION  AN 
EINE  HINREICHENDE  STRECKE  ZU  BEBAUEN  UEBRIG 
BLEIBE.  WIRD  ES  SICH  ABER  AUSWEISEN,  DASS  MEHR 
ALS  DIE  HiELPTE  BENUTZT  WORDEN  IST,  SO  SOLL 
DER  ERTRAG  DES  MEHRS  DEM  GAU  GEHOEREN.« 

ChandIcr,  Inscr.  P.  II.  p.  74.  n.  110.  (") 

Das  Verfahren  der  Hellenen  in  solchen  Angele- 
genheiten lernt  man  noch  deutlicher  kennen  aus  fol- 
gender Stelle  des  Xenofon:  (•*) 

»Von  Trapezus  zog  sich  das  Heer  in  drei  Tagen 
nach  Kerasüs.   Hier  blieh  es  zehn  Tage,  Man  mustert 

(11)  Ich  durfte  nur  die  Englische  Ueb^rsetzung  übertragen, 
wiewohl  Böckh  in  seiner  Staatshaushaltung  d.  Ath.  Thl.  II.  S.  336  ff. 
und  nochmals  Corp.  Inscr.  Vol.  I.  P.  II.  n.  103.  p.  l4l  sq.  den 
Grundtext  verbessert,  ergänzt  und  erklärt  und  Thl.  I.  S.  329  f. 
der  Staatshaushaltung  eine  vollständigere  und  genauere  Uebci- 
selzung  geliefert  hat.  W. 

(12)  Feldzug  des  Kyros,  B.  V.  C.  IIL  §.2—  13. 

15* 


228  SIEBENTES  CAPITEL. 

und  zählt  die  SoVdaten  und  ihre  Zahl  betragt  acht 
Tausend  sechs  hundert.  Dies  war  der  Rest  von  ohn- 
jrefähr  zehn  Tausend  Mann;  die  andern  waren  durch, 
das  Schwert  der  Feinde,  durch  den  Schnee,  und 
manche  auch  durch  Krankheiten  hinjjerafl't  worden. 
Hier  theilen  sie  auch  das  aus  dem  Verkauf  der  Ge- 
fangenen erlöste  Geld  und  von  dem  für  Jpollon  und 
die  Efcsische  Artemis  bestimmten  Zehnten  nahm  jeder 
Heerführer  einen  Theil  für  diese  Gottheiten  in  Ver- 
wahrunor.  Für  den  Cheirisofos  nahm  Neon  von  Asine 
einen  Antheil  in  Empfang.  Xenofon  nahm  darum 
das,  was  dem  Apollon  geweiht  war,  zusammen  ('^) 
und  legte 'es  in  den  Aihenäischen  Schatz  zu  Delfö  nie- 
der und  schrieb  seinen  Namen  darauf  und  den  des 
Proxenos,  der  mit  dem  Rlearchos  gefallen  und  sein 
Gastfreund  gewesen  war.  Aber  den  Antheil  der 
Efesischen  Artemis  legte  er  zu  der  Zeit,  als  er  mit 
Agesilaos  aus  Asien  nach  Böotien  zog  und  Gefahren 
entgegen  zu  gehen  glaubte,  bei  Megabyzos,  dem 
Aufseher  des  Tempels  der  Artemis^  mit  dem  Auftrag 
nieder,  ihm  denselben,  wenn  er  am  Leben  geblieben, 
wieder  zuzustellen,  im  anderen  Falle  aber  der  Ar- 
temis ein  Weihgeschenk  verfertigen  zu  lassen,  wie 
es  der  Göttin,  nach  seiner  Meinung,  am  wohlgefäl- 
ligsten wäre.  Als  Xenofon  in  späterer  Zeit,  aus 
seinem  Vaterlande  verwiesen,  in  SkiUüs,  einer  Pllanz- 
stadt  der  Lakedämonier  in  der  Nähe  von  Olympia, 
lebte,  kam  Megabyzos  nach  Olympia,  um  die  Spiele 
zu  sehen,  und  gab  ihm  das  anvertraute  Geld  zurück, 
Xenofon  kaufte  dafür ,  nach  der  Ortsbestimmung  des 
Orakels  zu  Delfö,  für  die  Göttin  ein  Stück  Landes 
an.     Durch  diesen  Bezirk  lliesst  aber  der  Selimis,  ge- 

(13)  Richtiger  Halbkart:  Als  Xenofon  das  Weihgeschenk  für 
den  Jpollon  hatte  verfertigen  lassen  {uvü&ri[.ia  noiriaüfiivoq),  legte 
er  es  u.  s.  w.  W. 


SIEBENTES  CAPITEL.  229 

rade  so  wie  bei  Efesos  an  dem  Tempel  der  Artemis 
ein  Fluss  Selinüs  vorbeiströmt.  In  beiden  Flüssen 
gibt  es  auch  Fische  und  Muscheln,  aber  der  Bezirk 
bei  Skillüs  liefert  auch  noch  alle  Arten  Wild.  Auch 
einen  Tempel  und  einen  Altar  errichtete  er  der  Göt- 
tin von  dem  geweihten  Gelde.  Der  Tempel  und  der 
Göttin  Bild  sind  denen  zu  Efesos  ähnlich,  soweit 
nämlich  ein  kleiner  Tempel  einem  grossen  und  ein 
Bild  ausCypressenholz  einer  goldnen  Statue  gleichen 
können.  An  dem  Tempel  steht  eine  Säule  mit  fol- 
gender Inschrift: 

»DER  ARTEMIS  HEILIGES  GEBIET.  DER 
BESITZER  UND  BENUTZER  WEIHE  IHR 
JÄHRLICH  DEN  ZEHNTEN  UND  ERHALTE 
VON  DEM  ÜBRIGEN  DEN  TEMPEL  IN  GU- 
TEM STANDE.  THUT  EINER  DIES  NICHT, 
SO  WIRD  ES  DIE  GÖTTIN  AHNDEN.« 

Eine  Inschrift  auf  einem  marmornen  Untersatz, 
den  man  auf  der  Insel  Ithaka  fand  und  jetzt  in  dem 
Palaste  der  Familie  Nani  zu  Venedig  bewahrt,  enthält 
genau  dieselben  Worte: 

lEP  Ol  0XS2P  Ol  THS 

APTEMIJ  Ol  TONE 

XON  TAKAIKAPn  O  Y 

MENO  VT  mMENAE 

KATHNKATAO  YEINE 

KAITO  VETO  YIEKAETO  Y 

JIEPITTO  YTOimiONE 

miKE  YA..  ElNEANAETll 

MimOIlITA  YTATIII 

eES2JMEAUlEI 

Nähere  Nachweisung  gibt  Paciaudi  im  ersten  Theil 
seiner  Momuncnta  Peloponucsia  p.  l42  11'. 

Trotz  dieser  vortheilhaften  Einrichtungen  und 
der    gelegentlichen   Freigebigkeit   Einzelner  fiel    es 


230  SIEBENTES  CAPITEL. 

den  kleineren  Staaten  oft  sehr  schwer,  die  Forderun- 
gen und  Bedürfnisse  des  Volks  zu  befriedigen.  So- 
Ariel  als  möglich  benutzte  man  darum  alle  Vortheile 
und  Bequemlichkeiten,  welche  die  Oertlichkeit  dar- 
bot. Unter  mehr  als  zwanzig  marmornen  Theatern, 
die  man  untersucht  hat,  hndet  man  kaum  eins,  in 
welchem  zu  dem  runden  Raum,  in  dem  die  Sitze  an- 
gebracht sind,  also  zum  eigentlichen  Theater  oder 
Schauplatz,  nicht  der  Abhang  eines  Hügels  benutzt 
wäre;  (**)  nur  die  Biihnenwand  steht  auf  eignem  un- 
terbau. —  Als  die  Gemeinde  Ton  Nikäa  in  Bithynien 
achtzig  Tausend  Pfund  auf  den  Bau  eines  Theaters 
gewandt  hatte,  war  sie  nicht  mehr  im  Stand  neue 
Summen  aufzubringen,  um  ihn  fortzusetzen.  Bei 
dieser  Gelegenheit  hatten  sich  mehre  Privatleute  zu 
Leistungen  verpflichtet.  Einige  wollten  die  Porticus 
aufbauen,  andere  Gallerien  oberhalb  der  Sitze  auf- 
führen. Ihr  Plan  kam  indessen,  wie  Plinius  dem 
Kaiser  Traianns  berichtet,  (")  nicht  zur  Ausführung, 
da  der  Bau  des  Hauptgebäudes  in  Stocken  gerieth.  In 
demselben  Schreiben  redet  Plinius  von  dem  öffentli- 
chen Bade    zu   Claudiopolis ,    für   dessen  Bau   mehre 

Ehrenmitglieder  des  Senats  aus  Erkenntlichkeit  für 

o 

ihre  Aufnahme  die  Kosten  zusammengeschossen  hat- 
ten. Zu  Antiochia  wurden  zwei  Theater  wegen  der 
gestiegenen  Bevölkerung  auf  Befehl  der  Kaiser  Au~ 
gustiis  und  Tiberius  erweitert.  Zu  den  bisherigen 
Reihen  der  Sitze  wurde  noch  eine  neue  oben  hinzu- 
gefügt und  hierbei  benutzte  man  den  Abhang  eines 
angränzenden  Hügels.  Ebenso  errichtete  Augustus  in 
Laodikeia  in  Syrien  ein  sehr  geräumiges  Theater  und 

(14)  Auch  in  Sizilien  und  Hispanien  sind  die  Theater  an  den 
Abhang  eines  Bergs  oder  Hügels  angelehnt,  wie  Rode  zu  Vitruv. 
V,  3.  in  seiner  Uebers.  Bd.  I.  S.  211.  nachweiset.  W. 

(15)  Plin,  Epist.  L.  X.  38.  W. 


SIEBENTES  CAPITEL.  2S1 

Stellte  darin  seine  eigne  aus  Marmor  verfertigte  Statue 
auf.  ('«) 

Selbst  noch  in  spater  Zeit,  wie  z.  B.  unter  der 
Regierung  Theoderichs,  Königs  der  Ostgothen,  (") 
sah  man  die  Erhaltung  solcher  Gebäude  für  eine 
Ehrensache  des  Staats  an.  »Theatri  fabricam,  magna 
se  mole  solventem,  consilio  vestro  credimus  esserobo- 
randam.«  (**)  —  «Ideosive  masculis  piliscontineri,  sive 
talis  fabrica  refectionis  studio  potuerit  innovari,  ex« 
pensas  vobis  de  nostro  cubiculo  curavimus  destinare, 
ut  et  vobis  acquiratur  tam  boni  operis  fama,  et  nostris 
temporibus  videatur  antiquitas  decentius  innovata.« 
»In  primis  noxias  arbores ,  quae  inferunt  fabricarum 
ruinas,  dum  sunt  quidam  moenium  importabiles  arie- 
tes,  censeraus  radicitus  amputari.«  (*')  —  »Palatium 
quoque  longa  senectute  quassatum  reparatione  assidua 
corrobora.i  ('") 


Achtes     Capitel. 

Vignetten, 

Taf.  1. 
Fig.  1.     Ein  Adler  aus   dem   Kabinet  des  Herrn 


Knight.  (^) 


(16)  Joannes  Antiochenus  Malalas,  Clironicon  p.  303. 

(17)  Ums  Jahr  500  nach  Christi  Geb. 

(18)  Cassiodori  Variarum  Lib.  IV.  Epist.  51-  Ed.  Garet.  Venel. 
1729.  fol.   Vol.  I.  p.  72.  a. 

(19)  Cassiodor.  Varr.    Vif.    p.  105.  b.  sq. 

(20)  Cassiodor.  Varr.  II.  ep.  39.  p.  34.  a. 

(1)  Dieser  Adler  erscheint  in  der  Originalausgabc  auf  den 
Tittelblattcrn  zu  beiden  Theilen.  Ich  finde  die  Wahl  dieser  Vignette 
sinnreich.     Wie    die   alten    Dichter  mit  dem   Anruf  und   Lob   des 


232  ACHTES  CAPItEL. 

Fig.  2.  (')  »Ein  Basrelief  zu  Sigeion  auf  einem 
schönen  Stück  weissen  Marmors,  der  zu  einem  Un- 
tersatz oder  Fussgestell  gehört  zu  haben  scheint.  Es 
bildet  jetzt  einen  Sitz  auf  der  einen  Seite  des  Ein- 
gangs der  Griechischen  Kirche,  während  zu  diesem 
Behuf  auf  der  anderen  Seite  der  Stein  mit  der  be- 
rühmten Sigeischen  Inschrift  liegt.  Es  war  Brauch 
bei  den  Hellenen,  die  Kinder  der  schützenden  Sorge 
einer  Gottheit  zu  übergeben,  und  die  Darstellung  die- 
ser Sitte  scheint  der  Gegenstand  dieser  Sculptur  zu 
sein.«  (') 

Fig.  3.  (*)  » Vorderseite  und  Profil  eines  Antenca- 
pitäls  am  Tempel  des  Apollon  Didymäos,  Das  Blätter- 
werk ist  etwas  verschieden  von  dem,  was  wir  auf 
den  Tafeln  des  dritten  Capitels  sehen.  Die  Vignette 
ist  in  demselben  Maassstabe  wie  die  anderen  Theile 
des  Gebäudes  gezeichnet.« 

Taf.  II. 

Fig.  1.  (*)  Grabmal  zu  ISysa  in  lonien,  gezeich- 
net von  J,  P.  Gandy. 

Zeus  oder  der  Gottheit,  die  sie  begeistert,  häufig  ihre  Gesänge 
begannen  und  diesen  dadurch  eine  gewisse  Weihe  ertheilfen  (Pin- 
dar.  Nem.  II,  Arat.  Phaenora.  Theocrit.  Id.  XVII.  Virgil.  Eclog.lII.), 
so  geleitet  uns  hier  der  raschgeflügcite  Bote  des  Zeus,  der  König 
der  Vögel,  der  ihm  lieb  ist  vor  allen  (lliad.  XXIV,  293.),  den  er 
auf  seinem  Szepter  trägt  (Pindar.  Pyth.  1 ,  10.) ,  zu  den  Tempeln 
der  Götter,  deren  Vorderseite  er  einst  geschmückt  (Pindar.  Ol, 
XIII,  30)  und  deren  Giebelfelder  seinen  Namen  tragen.      W. 

(2)  Vordervignette  zur  Vorrede  des  ersten  Theils  der  alten 
Ausgabe.  W. 

(3)  Diese  Erklärung  sowie  alle  folgenden  mit  »  «  eingeschlos- 
senen habe  ich  aus  der  alten  Ausgabe  des  ersten  Theils  v.  J.  1769 
hierher  gezogen ,  weil  sie  nöthig  und  wohl  nur  aus  Versehen  in 
der  neuen  Auflage  weggeblieben  sind.  W.' 

(4)  Vordervignette  zur  Einleitung  des  ersten  Theils.       W. 

(5)  Vorderviguette  zu  Cap.  IV,  W. 


ACHTES  CAPITEL.  233 

Fig.  2.  (®)     Grabmal  zu  Nysa, 

Fig.  3.  (')     Statuen  auf  dem  heiligen  Weg  bei  Di- 
dymö ,  gezeichnet  von  Gandy. 

Fig.  4.  (*)     Münze  von  Eleusis,  (') 

Taf.  111. 

Fig.  1.  (*°)  Bronzevignette  aus  Herrn  Knight's  Ka- 
binet. 

Fig.  2.  (")  Desgleichen. 

Fig.  3.  (")  Münzen  von  Aegina,  (")    . 


(6)  Vordervignette  zu  Cap.  II.  _  -    W. 

(7)  Vordervignette  zu  Cap.  III.  W. 

(8)  Schlussvignette  zu  Cap.  VI.  W. 

(9)  Eleusis  ist  der  Demeter  geheiligt,  denn  hier  hat  sie  des 
Samens  goldnes  Korn  in  die  Erde  gesenkt  und  Saaten  aufkeimen 
lassen.  «Das  Schwein  war  aber  gleichsam  das  Wappen  von  Eleu- 
sis.« Schweine  werden  der  Demeter  überall  geopfert,  mag  nun 
hierbei  die  Idee  der  Fruchtbarkeit  zu  Grunde  liegen,  oder  musste 
dies  Thier,  wie  Lateinische  Dichter  sagen,  weil  es  die  Segnungen 
der  Göttin  vernichtet,  weil  es  die  Saatfelder  aufwühlt  und  die 
Hoffnung  des  Jahres  zerstört,  als  erstes  Sühnopfer  fallen.  Die 
wohlthälige  Schutzgöttin  des  Landes  erscheint  selbst  auf  der  Kehr- 
seite. Sie  fuhrt  auf  einem  Drachenwagen  daher  und  hält  in  der 
Rechten  ein  Schwert,  vielleicht  das  Schlachtopfer  gebietend,  oder, 
soll  es  eine  Sichel  sein,  zur  Aernte  auffordernd.  Vergl.  Eckhel 
Doctrina  Numm.  Vett.  Pars  I.  Vol.  IL  p.  222  sq.  Creuzer.  Sym- 
bolik IV,  473.     Winckelmann  Bd.  1.  S.  187.  der  Ausg.  v,  Fernow. 

W. 

(10)  Vordervignette  zur  Vorrede  zum  zweiten  TheiL     W. 

(11)  Schiussvignettc  zu   derselben  Vorrede.  W. 

(12)  VoWlervignette  zu  Cap.  V.  W. 

(13)  Eine  Schildkröte  oder  ein  fVidderkopf  sind  gewöhnliche 
Zeichen  auf  der  Vorderseite  der  Aeginäischen  Münzen.  Auf  der 
Kehrseite  sieht  man  meistentheils  ein  vierfach  gctheiltes  Quadrat. 
Buchstaben  und  das  Bild  eines  Delfin  erfüllen  fast  immer  die  drei 
ersten  der  Felder  und  das  vierte  wird  zur  Verzierung  durch  eine 
Diagonailinic  gethcilt.  Auf  den  drei  Münzen  der  obersten  Reihe 
sind  indessen  keine  Buchstaben  sichtbar  und  die  Flache  scheint  in 


234  ACHTES  CAPITEL. 

Taf.  IV. 

Fig.  1.  ('*)  N.  1.  Eine  silberne  Münze,  worauf 
die  Doppelaxt j  das  Symbol  des  Zeus  von  Labranda, 
wie  wir  bei  der  Beschreibung  von  Mylasa  S.  143  ff. 
gezeigt  haben.  Sie  ist  ebenfalls  aus  Herrn  tKnights 
Kabinet. 

N.  2.  Eine  Tessera  oder  Marke  aus  Elfenbein, 
worauf  der  Name  des  Dichters  Aeschylos  steht.  Eine 
ähnliche  Inschrift  hat  man  bisher  noch  auf  keiner 
Marke  dieser  Art  bemerkt.  Sie  ist  aus  dem  vierten 
Band  der  Alterthümer  von  Herculanum  entlehnt:  ein 
Werk,  dessen  Vorrede  eine  Abhandlung  über  das 
Theater  der  Alten  enthält,  auf  die  wir  unsere  Leser 
aufmerksam  machen  wollen. 

N.  3.  Eine  Tessera  oder  Eintrittsmarke  für  die 
elfte  Beihe  derjenigen  Sitze  im  Theater,  welche  die 
Cavea  oder  den  runden  Theil  vor  der  Bühne,  das 
Parterre  in  unseren  Schauspielhäusern,  einschlössen 
und  in  dem  halbkreisförmigen  oder  offenen  Theil 
der  Baustätte  angebracht  waren.  Man  muss  bemer- 
ken, dass  in  den  grösseren  Theatern,  z.  B.  in  dem 
zu  Laodikeia,  wie  man  Tafel  XLIX  sieht,  die  Sitze 
durch  einen  oder  bisweilen  durch  zwei  Zwischen. 


fünf  ungleiche  Theile  gesondert  gewesen  zu  sein.  Die  drei  mittle- 
ren mögen  der  Zeit  des  Kaisers  Heliogabalus  angehören ,  in- 
dem nach  K.  O.  Müller's  Angabe  (Äeginet.  p.  94.)  damals  die 
Schreibart  Alytivirutv  üblich  wurde.  Die  letzte  Münze  mit  dem 
bärtigen  lorbeerumkränzten  Kopfe ,  den  man  auf  erwiesen  Aegi- 
näischen  Münzen  für  den  Kopf  des  Aeahos  zu  erklären  pflegt, 
gehört  aber  ihrer  Umschrift  nach  der  Stadt  Jegion  in  Achaia  an. 
Dies  ergibt  sich  auch  aus  dem  verschlungenen  Zug  AX  {'A;(tt{it)v) 
zwischen  dem  Namen  'AgiajöSa/ioq.  Eckhel  1.  1,  p.  235.  erklärt 
den  Kopf  für  den  des  Zeus  und  gibt  die  Notiz,  dass  Aristodemos 
ein  Feldherr  des  Antigonos  gewesen  sei ,  der  einst  Aegion  besetzt 
habe.  W. 

(14)  Vordervignette  zu  Cap.  VII.  W. 


ACHTES  CAPITEL.  235 

räume  getrennt  wurden,  die  breiter  und  höher  waren 
als  die  übrigen.  Diese  Absätze,  prae.cinctiones  (") 
oder  xf  (>x/5f  g,  (")  mit  den  zu  den  Sitzen  hinauifüh- 
renden  Stufen,  die  nach  dem  Mittelpunct  des  Grund- 
zirkels gerichtet  waren,  bildeten  die  Cunei,  Zu  jedem 
Cuneus  gab  es  verschiedene  Marken ;  die  auf  denseU 
ben  stehende  Zahl  entsprach  der  Numer  irgend  eines 
Cuneus  und  wies  dem  Zuschauer  einen  bestimmten 
Platz  an.  Die  Staatsbeamten,  Priestercollegien  und 
alle  Männer,  die  durch  Verdienste  oder  Ehrenämter 
ausgezeichnet  waren,  konnten  auf  die  vordersten 
Reihen  der  Sitze,  der  Gavea  zunächst,  Anspruch 
machen;  auch  für  diese  Plätze  wird  es  bestimmte 
Marken  gegeben  haben.  Die  Frauen  und  Fremden 
waren  auf  die  bedeckte  Porticus  oder  Gallerie  be- 
schränkt, welche  die  obere  Abtheilung  des  Theaters 
über  den  Sitzen  umgab  und  so  weit  von  der  Bühne 
entfernt  war,  dass  man  in  den  grösseren  Gebäuden 
selbst  den  Ton  der  Stimme  kaum  vernehmen  konnte. 
Julius  Pollux  (")  führt  darum  folgende  Verse  des 
Komödiendichters  Alexis  aus  dessen  »Weiberherr- 
schaft« an: 

Den  Fremden  gleich,  nur  von  der  letzten  Reihe, 
Ists  Euch  vergönnt,  zu  schauen  unsre  Spiele, 

Aristofanes  greift  die  Athenäer  mit  seinem  Witz 
und  Spott  darüber  an,  dass  sie  sich  lärmvoll  drängten 
und  einander  stiessen,  um  die  vordersten  Plätze  zu- 
nächst der  Orchestra  einzunehmen,  welche  in  den  Grie- 
chischen Theatern  der  Platz  war,  wo  sich  der  Chor 
bewegte.  An  diese  Orchestra,  aber  etwas  erhöhet, 
stösst  das  Proskenion  oder  unsere  Bühne,  auf  dem  in 
früherer  Zeit  eine  platte  Erhöhung  angebracht  war, 

(15)  Vitruv.  V.  3.  W. 

(16)  Pollux  Onomast.  L.  IV.  C.  XIX.  W. 

(17)  Pollux  Onomast.  L.  IX.  C.  V.  S.  44.  W. 


236  ACHTES  CAPITEL. 

▼on  der  die  dem  Chor  von  den  Schauspielern  gege- 
benen Antworten  gesprochen  wurden.  Dieser  Theil 
des  Theaters  war  bedeckt,  üie  Hinterseite  dieser 
Vorbühne  bildete  die  Sy-i-jW]  oder  die  Bühnenwand, 
reich  mit  Bauverzierungen,  Basreliefs  und  Malereien 
ausgeschmückt.  In  der  Nähe  des  Theaters  waren  ge- 
wöhnlich Säulenhallen,  Tempel  und  Basiliken. 

In  Rom  wurden  die  Theater  lange  Zeit  auf  Ko- 
sten der  Aedilen  oder  derer,  die  sich  um  die  Volks- 
gunst bewarben,  aus  Holz  für  den  jedesmaligen  Ge- 
brauch aufgeschlagen  und  dann  wieder  abgebrochen. 
Selbst  die  steinernen  stehenbleibenden  Theater  des 
Pompeius,  Baibus  und  Marcellus  scheinen  mehr  für  die 
Gladiatorkämpfe  als  für  dramatische  Darstellungen 
errichtet  worden  zusein.  Suetonius  erzählt  im  Leben 
Aes  Augustus ,  {^^)  dass  der  Kaiser  damals,  als  er  jedem 
Stande  bestimmte  Schauplätze  anwies,  den  Frauen 
nur  erlaubt  habe,  von  der  obersten  Porticus  herab, 
an  einem  von  den  Männern  abgesonderten  Platze,  den 
Spielen  zuzusehen,  und  dass  man  ihnen  später  den 
Zutritt  zu  den  Schauspielen  ganz  untersagt  habe,  weil 
man  es  für  unanständig  hielt,  dass  sie  solchen  Dar- 
stellungen (der  nackten  Athleten)  beiwohnten.  Diese 
Bestimmungen  wurden  jedoch  bald  ausser  Augen  ge- 
setzt, luvenalis  spricht  in  seiner  sechsten  Satire  von 
der  Sucht  und  dem  Ungestüm,  mit  dem  sich  die  Frauen 
zu  seiner  Zeit  zu  den  gymnastischen  Uebungen  hin- 
zudrängten. 

VI,  351:   Ut  spectet  ludos ,  conducit  Ogulnia  vestem, 
Conducit  comites,  sellani,  cervical,  amicas, 
Nutricem  et  ßavam,  cui  det  mandata,  puellam. 

Calpurnius  Siculus  lässt  in  seiner  siebenten  Ekloge, 
die  unverstümmelt  auf  uns  gekommen  ist,  einen  Land- 

fl8)  Cap.  44.  W. 


ACHTES  CAPITEL.  237 

mann  auftreten  ,  der  zum  erstenmal  der  Aufführung 
von  Spielen  beigewohnt  hat.  Nach  seiner  Kückkehr 
von  Rom  erzählt  er  einem  Nachbar,  was  er  Wunder- 
bares gesehen  und  wie  er  durch  neue  Erscheinungen 
ergötzt  worden  sei.  Das  Gedicht  enthält  viele  merk, 
würdige  Aufschlüsse  über  einzelne  Theile  solcher 
Bauwerke,  darum  wollen  wir  die  ßeschretbung  der- 
selben, sowie  die  von  der  Einrichtung  des  Amlithea- 
ters  hier  einfügen: 

V.  23.  Vidimus  in  coelum  trabibus  spectacula  textis 

Surgere _,  Tarpeium  prope  despectanda  culmen, 
Immensosque  gradus ,  et  clivos  lene  iacentes, 
Kenimus  ad  sedes ,  ubi  pulla  sordida  veste 
Inter  foemineas  speclabat  turba  cathedras, 
Nam  quaecunque  patent  sub  aperto  libera  coelo 
Aut  equesj  aut  nivei  loca  densavere  tribuni, 
Qiuditer  haec  patulum  contendit  vallis  in  orbem. 
Et  sinuata  latus  j  resupinis  undique  silvis, 
Inter  continuos  curvatur  concava  montes: 
Sic  tibi  planitient  cun'ae  sinus  ambit  arenae. 
Et  geminis  medium  se  molibus  alligat  Ovum.  — 

V.  47.  Balteus  en  gemmis ,  en  illita  porticus  auro 
Certatim  radiant;  nee  non ^  ubifinis  arenae 
Proxima  marmoreo  peragit  spectacula  muro: 
Slernitur  adiunctis  ebur  admirabile  truncis. 
Et  coit  in  rutilum,  tereti  qua  lubricus  axe 
Impositos  subita  vertigine  falleret  ungues, 
Excuterelque  feras ;  auro  quoque  torta  refulgent 
Reliuj  quae  totis  in  arenam  dentibus  exstant, 
Dentibus  aequatis ,  et  erat ,  mihi  crede  Lycota, 
Si  qua  fides ,  nostro  dens  longior  omnis  aratro. 

In  dem  Amfitheater  des  f^espasianus  waren  die 
Eingänge  durch  Zahlen  unterschieden,  die  man  auf 
den  Stein  über  jeden  Bogen  eingehauen  hatte.  Von 
diesen  Bögen,  deren  es  achtzig  waren,  stehen  noch 


238  ACHTES  CAPITEL. 

dreissig  an  der  Nordseite  und  von  ihnen  sind  an  neun- 
undzwanzig die  Figuren  wohl  erhalten;  an  Einem 
fehlen  sie.  Man  hat  vermuthet,  dieser  sei  vielleicht 
zum  Eingang  des  Kaisers  und  seines  Gefolges  be- 
stimmtgewesen. Als  Titus  das  Gebäude  weihte,  hatte 
jeder  Stand  des  Staates  seinen  bestimmten  Platz.  Den 
Arvalischen  Brüdern  oder  dem  von  Romulus  eingesetz- 
ten und  für  die  Fruchtbarkeit  der  Felder  opfernden 
Priestercollegio  waren  gewisse  Sitze  angewiesen,  die 
in  folgender  Inschrift  bezeichnet  werden,  welche 
Marangoni  in  seiner  zu  Rom  im  J.  1747  in  4to  erschie- 
nenen Beschreibung  des  genannten  Amfitheaters  be- 
kannt gemacht  hat: 

LOCA.  ADSIGNATA.  IN.  AMPHITHEATRO. 
L.  AEL.  PLAUTIO.  LAMIA.  Q.  PAETVMEIO.  FRONTONE.  COS. 
ACCEPTVM.  AB.  LAMBERIO.  MAXIMO,  PROCURATORE.  PRAEF. 

ANNONAE. 
L.  VENNVLEIO.  APPRONIANO.  MAG.  CURATORE. 
THYRSO.  L 

FRATRIBUS.  ARVALIBUS.  MENIANO.  T.  CUN.  xH 
GRADIB.  MARM.  VIII.  GRADV.  I.  P.  V.  GRADV.  III.  PED.  V.S.  F. 
PED.  XXXXII.  S.  GRADV.  I.  VNO.  P.  XXII.  S. 
ET.  MENIANO  SÜMMO 
n  CVN.  VI.  GRADIB.  MARM.  IV.  GRADV.  I.  UNO. 
P.  XXII.  S.  ET.  MENIANO.   SUMMO. 
IN  LIGNEIS. 
TAB.  LIII.  GRADIB.  XI.  GRADV.  I.  PED.  V  — S. 
GRADV.  XI.  PED.  V.  S.  0.  F.   PED.   LXIII.  S. 
SVMMA.  PED.  CXXVIIIIS. 

Die  Meniana^  welche  in  der  Inschrift  vorkom- 
men, scheinen  das  Gebäude  der  Höhe  nach  vom  Po- 
dium aus  abgetheilt  zu  haben,  sowie  dies  durch  die 
oben  erwähnten  Praecinctiones  in  die  Breite  geschah. 
Aus  der  Inschrift  ersieht  man  auch,  dass  auf  der 
oberen  Gallerie  hölzerne  Bänke  waren,  wahrschein- 
lich für  die  Zuschauer,  die  keine  bestimmten  Plätze 
auf  den  Marmorsitzen  hatten.     Zur  Zeit  Theoderichs 


ACHTES  CAPITEL.  239 

fing  das  Theater  schon  an  zu  verfallen.  Die  her- 
abgefallenen Steine  wurden  zur  Ausbesserung  der 
Mauern  Roms  gebraucht. 

N.  4.  Eine  Tessera  aus  Bronze,  auf  der  die  Worte 
^ijfj.o(Jiov  oydooVf  d.  h.  Eintritt  zu  dem  achten  Cuneus 
der  Bürgersitze ,  erhaben  gearbeitet  sind. 

Fig.  II.  (*')  allegorische  Composition  nach  einem 
Ziegel  aus  terra  cotta  in  der  Sammlung  des  Herrn 
Townley, 

Taf.  V. 

Fig.  I.  ('°)  Fussgestell  zu  Kos,  gezeichnet  von 
Gandy. 

Fig.  II.  C^*)  Allegorische  Composilion,  wie  Taf.  IV. 
Fig.  II. 

Fig.  III.  C'^)  Ansicht  des  Theaters  zu  Miletos  j  an 
den  Ufern  des  Mäandros. 

Die  zwei  Ansichten  des  Theaters  zu  Patara,  die 
von  Castell  Rosso  und  von  Macri  oder  Telmissos  ver- 
dankt die  Gesellschaft  der  Dilettanti  der  löblichen 
Liberalität  des  Sir  Robert  Ainslie.  Sie  sind  unter  sei- 
ner Aufsicht  nach  Zeichnungen  von  Herrn  Myers  ge- 
arbeitet, die  er  in  Besitz  hat. 

Die  übrigen  Ansichten  sind  nach  Zeichnungen 
des  seligen  Pars  gearbeitet,  welche  der  Gesellschaft 
angehören. 

Die  architektonischen  Zeichnungen  sind  ursprüng- 
lich von  Herrn  Revett. 


(19)  Vordcivignctie  zu  Cap.  "VII.  W. 

(20)  Vordervigneüe  zu  Cap.  I.  W. 

(21)  Vordervignette  zu  Cap.  V.  u.  Sciilussvignette  zu  Cap.  VI. 

W. 

(22)  Sciilussvignette  zu  Cap.  VII.  W. 


240  ACHTES  CAPITEL. 

Die  Gesellschaft  hält  sich  für  verpflichtet,  dieses 
Werk  nicht  zu  schliessen,  ohne  dankbar  anzuerken- 
nen, wie  sehr  sie  bei  ihren  Forschungen  nach  dem 
alten  Zustande  von  Hellas  und  lonia  durch  zwei  treff- 
liche Werke  des  Dr.  Chandler  unterstützt  worden  ist. 
Grossen  Nutzen  hat  nämlich  das  hier  vorliegende 
Werk  aus  den  gelehrten  Untersuchungen  gezogen, 
die  derselbe  in  seinen  Reisen  durch  diese  Länder 
niedergelegt  hat,  und  in  noch  höherem  Grade  ist  die 
interessante  Sammlung  von  Inschriften  förderlich  ge- 
wesen. 


Register. 


A. 

Abacus,  «j9aS  s.  Säulendeckel. 

Ablauf  46. 

Adler  231  f. 

Aegina    IX.   4.    20.    176.    181  IT. 

196.  198  —  201.  233  f. 
Aegyplischcr  Styl  27.   133. 
Aeschylos  auf  Münzen   234. 
Afrodisias  219. 
Afrodite  zu  Athenä  27. 

—  auf  Aegina    198. 

—  zu  Sikyon  102. 
Agatharchos   9. 
Agbatana    lll. 
Agiani   159  f. 
Agio  ^icolo  161. 
Agnus   castus    154. 
'^4yoQÜ  s.  Markt. 
Aiiislic  (Robert)  2.39. 
Akakesion  25- 
Akragas   16. 
Alabanda   l43  f. 
Alexandieia  Troas  222. 
Alcxandios  91.  26.  51  f.  61.  99. 

106  if.  203. 
Allcgorii;  239. 
Altare   120. 

Altertljünicr  v.  Herculanum  134. 
Amasis   196.  205. 
Amfiktyonenrath  116. 
Amfiklyonisclic  Tempel  189-197. 
Aiiififlioaler  218.     des  Yespasia- 

nus  237  f. 
Auipelos  l54. 
Anakrron  8. 
ylvuy.Toi^xtv  22. 
Anaxagoras  6- 
Anaxiniandros  6. 
Anaximcnes  6- 

Ion.  Alt. 


Anlauf  44  ff. 

Anten  138.  148.  207.  232. 
Anterides  s.  Strebepfeiler. 
Anthernios  9. 
Antimachos  8. 
Antiochos  31.  33.  111.  117. 
Apelles  9. 

Apollon  Delios  190  ff. 
_  Didymäos  10.  16.  20.  78.  82  ff. 
112. 

—  Epikurios  23. 

—  Ismenios   103. 

—  Philcsios  85  f.  101.  103. 

—  Pythios  228. 

—  Thebaos  26. 
Apopiiygc   s.  Anlauf. 
Apotiiesis  8.  Ablauf. 
Archelaos  6. 

Arcliitrav  46  ff.  137.  173.  216. 

Argos  5.  8.   110. 

Aristagoras  97. 

Aristüdiküs  95  f. 

Aristofanes  235- 

Arklinos  8. 

Artemis  auf  Dclos  192. 

—  zu  Didymo  89.  121.   123. 

—  zu  Efcsos  53.  155.  228  f. 

—  Leukofrync  155.  \ 

—  zu  Magnesia  29-  38.  155. 
Arvalisclie  Brüder  238. 
Asia,  Göttin  36  f. 

Asios  8. 

Asklepios  112. 

Asteria  62  f. 

Astragalus  s.  Stab. 

Asyl   117. 

'AOuvuto   Ts^(t^o  152. 

Atbeua    10.    18.    25-    52  ff.    156. 

203.  204.  205. 
Athena4.5.6.15.25.l83.187.2l3. 

16 


242 


REGISTER. 


Athenäischer  Schatz  zu  Delfö  228. 

Athenis  9. 

Athos  67.  99. 

Auguslus  118  f.  211.  230.  236. 

B. 

Bahylon  51. 

Bäder  214.  230. 

Bafi  V  f.  211. 

Baionda  154. 

Bakchos   10.  34.  40  f.  112.    119- 

Baibeck    135. 

Basen   44   fT.      Ionischer    Säulen 

auf  Plinthen  71. 
Basrelief  139-  207.  232.  236. 
Bassä  23. 
Bathy  151  f.  161. 
Bäurisch  Mauerwerk  70. 
Bedford  13. 
Bevölkerung     der     Hellenischen 

Staaten  183. 
Bias  6. 

Bindeziegel  79. 
Bodrun  30. 
Bogen  170.  209.   237. 
Boiuc-Minder  55. 
Borliolis  153  f. 
Branchidä  60.  82  ff.   108  ff. 
Branchos  84  ff.  123. 
Browne  157- 
Bubastis  205. 
Bühne  235  f. 
Bupalos  9. 

Bustrofedon  Schreibart  133. 
Bykelos  102. 
Byzes  20  t. 

c. 

Calcinircn  des  Marmors  36. 

Calidarium  2l4. 

Caligula   118. 

Cannelirung  173.  208.  210. 

Capital  oder  Knauf,  Dorisches 
81.  173.  201  f.  206  f.  Ioni- 
sches 46.  72  ff.  1.37.  16.3.220. 
Korinthisches  133  f.  l40.  147. 
216. 

Castell  Rosso  222. 

Cavea  225.  234  f. 

Cavetto  s.  Hohlleiste. 

Cellarius  60. 

Chalketor  143.  146, 


Chalkideer  30. 

Chandler  V.   3.  4.   23.  27.  133. 

141.  145.  198  ff.  207.  225  ff. 

240. 
Changlee  55.   161. 

XuQO)VlloV   67. 

Xf/Mvrj  24. 
Chersifron  29.  98  ff. 
Chios  4    8.  9    151. 
ChishuI134f.   111.  113.129.224. 
Choiseul  Gouflier  VI.  145.  223. 
Chora  152  f. 
Chörilos  8. 
Claudiopolis  230. 
Corniche  s.  Kranz. 
Corona  s.   Kranz. 
CryptoporticHS  213. 
Cuneus  235  ff. 

D. 

Dachconstruction  15  f. 

Dachfenster  22. 

Dachplatten  202. 

Dachrinne  79. 

Dädalos  179  f. 

Dafnis  98. 

Damm  auf  Samos  160. 

Dareios  62.  97.   II 8. 

DeinolJratcs  53.  99.   100. 

Dekastylos  136.  l62. 

Delfm  auf  Münzen   233. 

Delfö  5.  87  f.   90.  94.  102.  105. 

116.  124  f.  189.  228. 
Delos  8.  90.  93.  120.  189  ff. 
Demeter  zu  Eleusis  22.  207.  233. 
—  zu  Mantineia  25. 
Demetrios  98.  —  Falereus  208. 
Demoklos  86. 
/Irjjuoaiov  oySoov  239. 
Deodamas  111. 
Diastylos  42. 
Dichter  in  Orakeln  116. 
Didymö  82—  140. 
Diclenküpfe  173. 
Dilettant!  Verein   2.     Milglieder 

11.     Missionen    l3.   14.  40. 
Dipteros  2t.  4l.   J62. 
Dionysios  v.  M.  7. 
Dionysios  v.  K.  9. 
Dionysische  Künstler  35.  224. 
Dionysos  zu  Teos  ,34  IF. 
Doppelaxt  l45.  209.  233. 
Dorische  Säulenordnnng  8.  204. 
Dorischer  Styl  169  ff. 


REGISTER.  243 


Dreisclilitz  s.  Triglyfe.  G. 

Droiniskos  62. 


E. 


Gandy  13.  232  f.   239- 
Gell  V  ff.  12.  13. 
Gclon  204. 


T   I  •  \xr  i  L  Gera  30. 

Echinus  8.   Wulst.  „     ..  ..,        o_    „, 

■eil-        n.'}  Gcrastikos  oO.  33. 

Eiebeion  213.  P  „„ 

Efesos  8.9.20.37.  51.  53.  Il8f.  ^^'"o    i-     .a. 

189.  213  ir.  218.  ^'■'»f  ^T     .^V»-^  i^o     K  • 

Eidschwur   121.  Grahmaler  be.  D.dymo  132.    be. 
Einziehung  44.   137.  ^y^''',  2ia    z«  Mym  66.    m 

Elensis  5.  Mysterien   17.    23.  89.  ^     t'^PV'^f'    '"    ^J««  ^32f. 

Ort-»    T„         I  .i<»  o/i    in,    on-r  Grabsciiriit  o7. 

207.    1  enipel  22.  24.  171.  207.  ^     .    .   •         i       t-  i  „„   ac 

Ti,..  'o-,  Grabsteine  der   lurkcn  36. 

Münzen  233.  ■  /-       f  ^on    4K.-r 

Elis  5.  25.  Gre.f  1.39.  157. 

Endymion  2.3-  59.  63.  J^"°'  ^^  \        ,,, 

E.  "^  •      I       c     ,        or.<  GYmnasiarcnos  145. 

riiasis  der  Säulen  201.  ^-^  .        „„.. 

Enidauros  5  Gymnasien  223. 

V    :  1       oAo  -^   zu  Alexandreia  Troas  222. 

Ep.menidcs  202.  _  ^^  Efesos  213. 
Lrinna  8. 

Eryx  189.  _^ 

Eski    Hissar  212.  II- 

—  Stamboul  222.  Hardwicke  12.  162.  166. 

Etrusker  117.  Heiliger  Weg   bei   Didyniö    132. 
Etruski.sche  Bauart  202.  233 

Euangeliden  90.  Hekataos    v.    Miletos    7.    96.     zu 
Ludanios  32.  unterscheiden  von  dein    jün- 

Euromos  l43.  146.  g^^n  ^„^  Teos.     Vgl.    Creu- 

Eustylos  3ft.  4.t.  yer  Hist.  Gr.   ant.  fragra.  p.  6. 

Lxedra  213.  Herakleia  am   Latmos  V  f.  59  f. 

63.  143.  146. 

F.  Herakleidcs  67. 
Herakleitos  6. 

Farü  25.  Herakles   112.   120. 

Feidon   181.  Herculanum  234. 

Felderdeckc   15-  Hermes  Agoräos    25.     zu    Mcga- 
Fenstcr  an  Tempeln  18.  22.  28.  lopolis  24. 

p^cuer,  ewiges  25.  Hermesianax  8. 

Figalia  23.  Hermogcncs  29.  38. 

Fileos  54.  Hcrmotimos  6- 

Filippos  V.  Makcd.  82.  Herodotos  7.  94    188.  204. 

Fillet  s.   Plaltc|»cn.  Herostratos  53.  99. 

Filon  208  f.  Hexastylos  21.  38.  40.  47. 

Fitres  89.  Hieron  204. 

P'okaa  7.  Hinter  halle  45. 

Fokyiides  8.  Hippodamos  9. 

Föniken  176-    178.   ISO.   183.  Hippokrates  7. 

Fortuna  Virilis  Tempel   18.  Hipponax  8. 

Fotio,s  (S6.  Histiäos  96  f. 

Freiheit  und  Gleichheit  in  Grie-  Hoiilleiste  221. 

chcnlaiid   und   Rom    184.  Holzbau  172. 

Fries  137.  207.  221.  Hölzerne  Säulen   172. 

Friyidariuin  214-  Homeros  8.  125.  152.  170f.  178  f. 
Fussscslcli  48.  239.  180.  190.  194. 

16" 


244 


REGISTER. 


Hybanda  62. 
Hydroforos  116. 
Hypathros  17  ff.  200  f. 
Hypsile  Boroun  152.  161. 

1  und  J. 

Jackly  141. 

laniiden  84. 

lassos  141.  143.  146.  210   222. 

Ilissos  47. 

Imbrasos  154. 

Inschriften:  auf  Anten  52. 

—  auf  Bogen  217  f. 

—  auf  Denkmälern  27. 

. —  auf  Fussgestellen  217.  Mar- 
raorsteinen  225  ff.   229.     Si- 

,  geische  l33.  232.  auf  Sta- 
tuen 133. 

loner  versammelt  auf  Delos  190  ff. 

—  in  Aegypten  204  f. 

lonien  Himmel  5.  223-     wissen- 

schaftl.  Kultur  6.    Schiffahrt. 

7.    Baukunst  8.  9.    Malerei  9. 

Handel   204   f.      Sitten    223. 

Musik   223.     Tanzkunst  223. 

Schauspielkunst  223  ff. 
Ionische  Säulenordnung    8.  204. 
Ithaka  229. 
lulianos  125  ff.  129  f. 

K. 

Kadmos  7. 

Kalauria  5. 

Kallifon  9. 

Kallimachos  25. 

Kallinos  8. 

Kallisthenfes  106. 

Kamelides  62. 

Kanachos  97-  1(  )  ff. 

Karei-    180.  204. 

Karystos  89. 

Kastalische  Quelle  105. 

Kaystros  56- 

Kehlleiste  173. 

Kelibesh  69  f. 

Kentauren  und  Lapithen  207. 

Kerke  154. 

Kerketeus   154. 

KfQy.i'Sf?  235. 

Kerkops  8.  , 

KrJTtok  63. 

Kinnamos  68. 

Kirche  des  h.  Georg  159.     d.  h. 


Johannes    159.      zu    Sigeion 

232. 
Kisclgick  145. 
Kisllicne  222. 
Klaros  90-   105.  124. 
Kleonä  139. 
Klima  161. 
Knight,  R.  P.  12.  157.  166.  231. 

233  f. 
Kointos  Smyrnäos  8.  55. 
Kolofon  6.  8.  9.  32.  90. 
Kolotes  9. 
Konen  86. 

Konstanlinos  125.   129. 
Konstantinopolis  125. 
Korinthische    Bauordnung     142. 

164.  204.  209.  210. 

—  Porticus  160. 

—  Säule  211. 
Korinthos  5.  187. 
Korykos  33. 
KoQVcpri  2l   f. 
Kos  9.  151.  239. 
Koukoura  I6l. 

Kranz  164.  173.  215.  222. 
KoiTaq/Tfi  113   f. 
Krösos  94.  96.  98. 
Kreta  176.  178.  202. 
Kreofylos  8. 
Ktesifon  29. 
Künstlerschulen  223  f. 
Kyme  95. 
Kyros  94  f.  112.    , 

L. 

Labranda  l40  ff.  146. 

Lacunaria  s.  Felderdecke. 

Lade  VI.  61  ff. 

Lakonikon  214. 

Lampen  25  ff. 

Laodikeia  217-  219. 

Latmos  VI.  59.  63.  146. 

Lebedos  223. 

Leodamas  89. 

Leotychidcs  48. 

Leukothea  87.  88. 

Licht  in  Tempeln  17.  24  ff.  28. 

Licinius   125. 

Lisle  34. 

Löwe  133. 

Löwenköpfe  47.  76.  81.  139.  149- 

Lukianos  90.   124. 

Lyder  95-   I80. 

yivxvünrgia  27- 


REGISTER. 


245 


M. 

Mäandros    V.  48  ff.  55  ff. 

Macri  223- 

Mannesia  29.  38. 

Malas  9. 

Mandrokles  9. 

Mannert  60. 

Mantineia  25. 

Manuel  63.  68. 

Marangoni  238. 

Marathon  5- 

Marathro  Campo  154. 

M«idonios  48. 

Markt    zu  Myus    65.     7U    Priene 

69.  80  ff.     zu  Saiuos  164. 
Mcgara  5. 

Megale  Panagia  155.   I6l. 
Megalopolis  24. 
Melissös  6. 
Memfis  205. 
Mendelel  l4l  f. 
Meniana  238. 
Merjik  161. 
Mcssogis  57. 
Metagenes  29.  98. 
Melelinous   152. 
Mikkiades  9- 
Milclos  V.  8.  58.  59.  60.  61.  89. 

9l.  98  ff.  196.  217. 
Mitiincrmos  8. 
Minos   182. 
Miso  Campo  161. 
Mollah   Ibrahim  161. 
Monoptcros  41. 

—  Erfindung  180. 
Miinzen  von  Aegina  233. 

—  von  Aegion  2.34. 

—  von  Elcusis  233. 

—  von  Labranda  234. 

—  von  Pästiim  174. 

—  von  Soliniis   174. 

—  von  Syraknsä  174. 
Miitnii  s.  Dielcnköpfe. 
Mycrs  239. 

Mykalr  48.  55.  67.  72.  105.152. 

161.   195. 
MykenU  25.  28. 
Mylasa    l4l.    l43  ff.  209  f. 
Myonnesos  .S3. 
Myus  ^/  ff.  56.'57.  58.  60.  61.  62. 

64.  65.  66.  211 


N. 


Nartliekis  162. 
Naukratis  IS" 


Nekos  94. 
Nemea  189- 
Nero  118.  128. 
Nerro  Trouvio  154. 
Neokoros  67.  140. 

o. 

Odcion  zu  Laodikeia  21d. 
Odontia    159. 
Oktastylos  39.  4l. 
Ol  OS  84. 

Olympia  16.  20.  189. 
"Omüov  22. 
Opisthodomos  135. 
Orakel  zu  Didymö  82  ff. 
—  zu  Farä  25. 
Orchestra  225.  235. 
Osebasha  57.  62. 

P. 

Pachtverträge  225  ff, 

Paklyas  95  f. 

Palaio  Kastro   158.  l6l. 

Palästra  213  f. 

Palatsha  55  f.   133. 

Palladio  47. 

Palmbaiim  26. 

Palmyra  135. 

Pan  25.   121. 

Panagia  Megale    155.  161.     Spi- 

liotissa  27. 
Pandrosos  18. 
Panellcnion  IX.  198  ff. 
Panionion  65.  67.  l6l.  195. 
Panormos  32.  106.  132. 
t*anyasis  8. 
Päonios  98.  100. 
Parapelasma  20. 

JIÜQtÖQOV    116. 

Parrliasios  9. 

Pars  3.  239. 

Parthenon  20.  1.35.  157.  203. 

Parthische  Kleidung  216. 

Pästnm    IX.    20.    174.    187.    201. 

204. 
Patara  222. 
Patmos  VI.    153. 
Patniotis  58. 
Paträ  5. 
Patron  84  f. 
Paulus,   Set.  161. 
Pausanias  der  Feldherr  48. 
Peiräcus  199   206.  225  ff. 


246 


REGISTER. 


Peplos  20. 

Pergamon  35.  64.  112.  119. 

Peribolos  77. 

Peridromides  215. 

Perikles  185.  20l.  203.  206. 

Peripteros  4l. 

Peiistylon  s.  Saulenumgang. 

Peristylos  172. 

Perne  62. 

Persefone  25. 

Pfuhl  44.  137. 

Pickering  55. 

Pindaros  84. 

Platää  48. 

Plättchen  44.  48.  137. 

Plinthe  44.  46.  172.  unter  Basen 

Ionischer  Säulen  71. 
Pluteum  221. 
Pococke  151.  218  f. 
Podium  221. 
Polykleitos   101. 
Polyxenidas  32  f. 
Poseidion  Vorgebirg  83.  132. 

—  Tempel  l6l. 
Posticum  s.  Hinterhalle. 
Postscenium  220. 
Praecinctiones  235.  238. 
Priene  30-  48  —  82. 
Prion  213. 

JTQO(pri%rj(;  106-  113.  ISO.  Die  also 
anfangende  Inschrift  p.  113 
findet  sich  mit  einigen  Ab- 
weichungen bei  Walpole,  p. 
578. 

Pronaos  s.  Vorhalle. 

Propyläen  zu  Athenä  43.  77. 

—  zu  Eleusis  15.  43.  209. 

—  zu  Piiene  71.  77  ff. 

—  zu  Sunion  43. 
Proslenion  65-  225.  235. 
Prostylos  209. 

Prusias  112. 
Prytaneion  zu  Elis  25. 
Psammetichos  204  f. 
Pseudisodomum  68. 
Pseudodipteros  38  f. 
Psyliamou  l6l. 
Ptolemäos  110  f. 
Pyknostylos  42.  72. 
Pyrgo  154. 

Pyrrha  59  f.  63.  146. 
Pythagoras  der  Filos.  6- 
Pythagoras  der  Künstler  9. 
Pythios  29.  38.  54. 


Q. 

Quatrem^re  de  Quincy  17.  21  IT. 

R. 

Regillus  (L.  Aemilius)  31.  33. 

Reif  s.  Stab. 

Revett  3.  11.  168.  239. 

Riemen  s.  Plättchen. 

Rhododafne  152. 

Rhökos  9.  156. 

Rinnleiste  s.  Sima. 

Rom  18.  19.  38. 

Römischer  ßaustyl  164. 

s. 

Salamis  5.  97. 

Salomon  27. 

Samos  6  ff.  32.  48.  64.  150—164. 
196. 

Sampoulo  154. 

Samsun  50.  55.  70. 

Sardes  97. 

Sarkofag  142. 

Säulen  im  Inneren  der  Gebäude 
22.    170  f. 

Säulen aiisschvveifung  s.  Entasis. 

Säulenbase  44  f.  l48.  I62f.  2l6. 
220. 

Säulendeckel  46.  173. 

Säulendurchmesser  45  f.  136. 

Säulenhöhe  136. 

Säulenscliafl  44.  46.  137.  ellip- 
tisch 210.     viereckig  210. 

Säulenumgang  41.  77.  137. 

Säulenverjüngung  45. 

Säulen  weite  42  ff.  137. 

Säulenzahl  auf  den  Nebenseiten 
200. 

Schatzkammer  zu  Didymö  135. 

Schatzkammer  des  Tempels  135. 

Schilde  an  Säulen  l48. 

Schnecke  46  f.  Auge  d.  Schnecke 
73.   ConstruCtion  d.  Sehn.  74. 

Scio  s.  Chios. 

Scotia  s.  Einziehung. 

Schildkröte  auf  Miinzen  233. 

Schwein  der  Demeter  233. 

Sceherrschaft  I8l   f. 

Seeräuberei   176  ff- 

Segigeck  30.  34.  48. 

Selene  59- 

Seleukos  66.  110  f. 

SelinCis,  Stadt  173.  187  f. 


REGISTER. 


247 


Selinus,  Fluss  228  f. 

Scvrihissar  34. 

Sfäristerion  214. 

Sheiard  34.  111.  113. 

Sibyllinische  Bücher  117. 

Sidonier  178  f. 

Si,?eion  4.  232. 

Siienos  29. 

Sima  76.  80  f.  149- 

Simeros  84  f. 

Sitze  im  Theater  220 ff.  230.234. 

2:y.riv^  224.   236. 

Sklavenraenge  in   freien  Staaten 

183  f. 
Skilliis  228  f. 
Skopas  203. 
Skylläon  198. 
Skymnos  112. 
Smikros  87. 
Smyrna  4.  8.  49.  55.  118  f.  l52. 

195. 
Soffite  47  f. 
Sostratos  9. 
Sparren  173. 
Sparrenköpfe  215. 
Speerhehälter  in  Säulen  173. 
Spon  49.  55.  60. 
Stab  44.  46. 
Stackelberg  TX.  23. 
Stadion  r.u  Afrodisias  218. 

—  zu  Efcsos  215.  218. 

—  zu  Laodikeia  217. 

—  zu  Priene  69. 
Statuen  54.  97  ff.  233. 
Staiiro  Klostor  154. 
Stefaneforos   114  f.   144.    148. 
Steinbau   l72. 

Strabon   58.  60.  107.   l43    l45. 
Stiatonikeia  143.  212. 
Strebepfeiler  215. 
Stuart  11.   14    20.  200  f. 
Sumpfboden     zu    Tempelstälten 

155. 
Sunion  4-  19S.  205  ff. 
Syrakusa   174.   187. 
Systylos  42. 

T. 

Tarciiesios  38. 
Tarismania   147- 
Taiisclihandel   176  ff. 
Taxiarcbos  hagios   155. 
Tclrklcs   9. 
Tehnissos  223. 


Tempel,  Alter  174. 

—  der  Aegypter  20.  27.  204. 

—  der  Afrodite  auf  Aegina  l98. 

—  des  Apollon  zu  Bassä  23- 

—  des  Apollon  zu  Delfö  189  ff. 

—  des  Apollon  zu  Delos  189  ff. 

—  des  Apollon  zu  Didymö  208  ff. 
232. 

—  der  Artemis  zu  Efesos  20.37. 
51.  53.  118.  189.  195.  203. 
228  f. 

—  der  Artemis  zu  Magnesia  203. 

—  der  Artemis  zu  Skilliis  229. 

—  der  Athena  zu  Athenä  18. 
20.  25.  135.  157.  203. 

—  der  Athena  zu  Priene  10. 52  ff. 
69  ff.  156.  203. 

—  der  Athena  zu  Sunion  205  ff. 

—  der  Athena   zu  Tegea  204. 

—  des  Bakchos  zu  Teos  10.  34  ff. 
40  ff. 

—  des  Bakchos  zu  Myus  65  ff. 

—  der  Demeter  zu  Eleusis  22. 
24.  171.  207  ff. 

—  der  Demeter  zu  Mantineia  25. 

—  der  Eumeniden  zu  Athenä  201. 

—  der  Fortuna  zu  Rom  202. 

—  der  Hera  zu  Arges  8. 

—  der  Hera  bei  Mykenä  25.28. 

—  der  Hera  zu  Olympia  16. 

—  der  Hera  zu  Samos  149.  152  f. 
155  f.  203. 

—  des  Julius  (?)  zu  Efesos  216. 

—  der  luno  Lacinia  im  Brutti- 
schen 202. 

—  des  Poseidon  zu  Samos    16I. 

—  der  Roma  und  des  Auguslus 
211. 

—  des  Zeus  Ammon  26. 

—  des  Zeus  Labrandeus  143. 

—  des  Zeus  Nemäos  82.  189.  205. 
Vgl.  Pausan.  II,  15.  2.  Gell 
Argolis. 

—  des  Zeus  Olympios  zu  Akra- 
gas  16. 

—  des  Zeus  Olympios  zu  Athenä 
18  f.  45. 

—  des  Zeus  Olympios  auf  dem 
Capitol  203 

—  des  Zeus  Olympios  zu  Olym- 
pia 20  f.  201.  203. 

—  des  Zeu.s  Panellenios  IX.  19Sf. 
Die  auf^eftmdnen  Bildwerke 
desselben  .sind  nach  München 
gebracht  worden.   Vgl.  Stuart 


248 


REGISTER. 


in  der  Teutsch.  Ansg.  Bd.  I. 

a  377. 
Tempel  am  Itissos  47. 
Tempelgebiet  verpachtet  226  f. 
Tempclscliatz  96-  135.  195.  228. 
Tenedos  4. 

Teos  S  ff.  29-48.  223. 
Tcpidaiiiim  2l4. 
Tessera  oder  Marke  234.  239. 
Thaies  6.   122. 
Theater,    grosse  Zahl   in  lonien 

223.  an  Berge  angelehnt230. 
von  Holz  224.  236.  von  Stein 

224.  verpachtet  225  ff.  Mar- 
ken 234  f.  238  f.  Versamm- 
lungsplatz des  Volks  224. 

—  zu  Antiochia  230. 

—  zu  Hierapolis  220. 

—  zu   lassos  222. 

—  zu  Jackly  142. 

_  auf  Kisthene  222.  239. 

—  zu  Laodikeia  inFrygien  219. 
234. 

—  zu  Laodikeia    in  Syrien   230. 
_  zu  Mrletos  217.  239. 

—  zu  Myus  65. 

>  —  zu  Nikäa  1.30. 

—  zu  Patara  222.  239- 

—  zu  Rom  236- 

—  zu  Samos  l60. 

—  zu  Telmissos  oder  Macri  223. 
239- 

Themistokles  64. 
Theoderich's  Sorge  für  die  Thea- 
ter 231. 
Theodoros  v.  F.  9. 

—  von  Samos  9.  29. 
Tlieon  9. 

Tlicseus    l8l. 
Thrasyllos  27. 
Thürschwclle  24. 
Thyinbria   VI.   67. 
Tiberius  117  ff.  230. 
Tibur  18. 
Timolheos  8. 
'I'igani  l60, 
Titanos  VI.  57. 
Townley  12.  166.  239- 
Trasiiä  62. 
Triglyfe  8t  f.   173. 
Troas  4. 
Trogylion   l6l. 
Tropfen  173. 


Trözene  6. 
Tryfäna  36. 
Tyrtäos  8. 


ü. 


Unsterblichkeit  der  Seele  122. 
Ura  130.  133. 

V. 

Varro  84. 
Vathi  151. 
Vesta  Tempel  18. 
Vignetten  231  —  239. 
Vitruvius  155    171.  208. 
Volute  s.  Schnecke. 
Vorhalle  45. 

Vorhang  in  Tempeln  20. 
Voihof  an  Tempeln  18. 
Vorliotes  153  f. 

w. 

Wandpfeiler  s,  Ante. 
Wasserleitung  auf  Samos   159. 
Weihe  der  Kinder  232. 
Weinhandel  der  Samier   151. 
Wheler  49.  55-  59.  60.  129. 
Widderkopf  auf  Münzen  233. 
Wulst  46.   173. 

Wood      XI.    11.    36.    113.    135. 
166.  194. 

X. 

Xanthos  90. 
Xenofanes  6.  8. 
Xcnofon  227  ff. 
Xenokles  22- 

Xerxes  37.  84.  97.  107.  109.  111. 
123. 

z. 

Zakynthos  5. 
Zante  s.  Zakynthos. 
Zeus  Amnion  26.    106. 

—  Labrandeus  143.  209.  234. 

—  Osogo  143. 

—  Stratios  l43  f.  l45. 
Ziegel  ans  Marmor  24.~  202. 

—  aus  Terracotta  24.   239. 
Zoforos  s.  Fries. 


ALTERTHÜMER 


A  T  T   I   R   A. 


ALTERTHÜMER 


VON 


ATTIRA 

DIE  AllCIIITEKTONISCHEN  ÜBERRESTE 


VON 

ELEÜSIS,  RHAMNUS,  SUNIONünd  THORIKOS 

ENTHALTEND. 

HERAUSGEGEBEN  IM  JAHR  1817 

VON    DER 

GESELLSCHAFT  DER  DILETTANTI  ZU  LONDON. 

AUS    DEM    ENGLfSCllEN    ÜBERSETZT   UND    MIT    EINIGEN 
ANMERKUNGEN  BEGLEITET 

VOM 

D\    CARL   WAGNER. 


DARMSTADT, 

DRUCK,   UND   VERLAG   VON   CARL  WILHELM  LESKE. 

MDCCCXXIX. 


Vorwort. 


Vorliegendes  Werk,  das  sich  nach  Form  und 
Inhalt  an  Stuart's  Alterthümer  von  Athen  anreiht, 
enthält  einen  Theil  der  Arbeiten,  welche  die 
von  der  Gesellschaft  der  Dilettanti  zu  London 
in  verschiednen  Jahren  zur  Untersuchung  der 
architektonischen  Ueherreste  des  Orients  ausge- 
sandten Kunstkenner  und  Künstler  als  das  Re- 
sultat ihrer  Forschungen  dem  ruhmwürdigen 
Kunstvereine  vorlegten.  Die  Namen  der  Männer, 
denen  die  Gesellschaft  die  Ausführung  ihres 
Planes  übertrug,  müssen  dem  Werke  zur  Em- 
pfehlung dienen.  Es  waren  nämlich  Dr.  Richard 
Chancner,  Mitglied  des  Magdalenencollegium 
zu  Oxford,  Herausgeber  der.Marmora  Oxonien- 


VI  VORWORT. 

sia  und  melirer  andrer  antiquarischen  Schriften, 
NicTiolas  Revett,  der  bekannte  Architekt  und 
Mitarbeiter  Stuart's  an  den  Alterthümern  von 
Athen,  und  der  junge  Maler  Pars,  der  durch 
mehre  Arbeiten  und  namentlich  durch  Schwei- 
zeraussichten schöne  Erwartungen  erregt  hatte, 
die  in  den  Jahren  1764 — 66  die  Küste  von 
Kleinasien  und  einen  Theil  von  Attika  zu  dem 
erwähnten  Zweck  untersuchten.  Unter  günsti- 
geren Verhältnissen  bereisten  sodann  Sir  TVil- 
liam  Gell,  jener  ausgezeichnete  Geograph  und 
Verfasser  der  Werke  über  Troia,  Argoli«,  Ithaka, 
Morea  u.  s.  w.,  und  die  Architekten  John  Peter 
Grajidy  und  Francis  Bedford  dieselben  Gegenden, 
um  die  Arbeiten  ihrer  Vorgänger  berichtigen 
und  vervollständiijen  zu  können.  Nach  solchen 
Veranstaltungen  kam  es  denn  auch  den  unten 
verzeichneten  JMitgliedern  der  Gesellschaft  der 
Dilettanti,  über  deren  Stiftung  und  Zvreck  die 
Vorrede  zur  ersten  Ausgabe  der  Ionischen  Al- 
terthümer  nähere  Kunde  gibt,  mit  vollem  Rechte 
zu,  die  hier  folgenden  Mittheilunijen  Tlie  une~ 
dited  aniiquities  of  Attica  zu  nennen.  Denn 
ihrer  kunstsinnigen  Freigebigkeit  verdanken  wir 
nicht  nur  mit  grosser  Sorgfalt  und  Kenntniss 
gefertigte    Abbildungen    von    den    Ueberresten 


VORWORT.  VII 

einiger  Bauwerke  aus  der  blühendsten  Zeit  der 
Kunst,  die  von  früheren  Reisenden,  z.  B.  von 
Desmouceaux ,  Jf^heler  und  Spon,  Foucherot, 
Fourmont ,  Le  Roy,  *)  flüchtig  und  unvollstän- 
dig heschrieben  worden  waren,  sondern  auch, 
dass  andre  früher  unbekannte  interessante  Ge- 
genstände der  Alterthumskunde  aus  tiefem  Dun- 
kel an  das  Licht,  aus  gänzlicher  Verborgenheit 
in  das  Leben  getreten  sind. 

Neuen  Aufschluss,  Berichtigungen  früherer 
Mittheilungen  findet  man  in  jedem  Capitel;  be- 
sonders ist  es  aber  der  Weihetempel  der  Deme- 
ter zu  Eleusis,  der,  auch  abgesehen  von  seiner 
Wichtigkeit  für  die  Kunst,  durch  seine  innere 
Bedeutung  unsere  Aufmerksamkeit  auf  sich  zieht. 
Ist  uns  schon  die  Stätte  heilig,  wo  die  Gebeine 
eines  Achilleus  ruhten,  reicht  es  schon  hin  die 
blossen  Orte  zu  sehen,  wo  grosse  Thaten  ge- 
schahen, um  uns  ergriffen  zu  fühlen,  um  wie 
viel  mehr  müssen  uns  die  Trümmer  eines  Hei- 
ligthums   mit  Ehrfurcht  beseelen,    in  dem   die 


1)  Jf'inchcLinannj  Ucbcr  die  Rankunst  derTcmpcl  zu  Girgenti. 
Sr.  Werlve  Bd.  I.  S.  309  der  Dresdn.  Ausg  v.  J.  1808.  —  Dod- 
well ^  Reise  durch  Griechenland,  übers,  v.  Sickicr.  Bd.  I,  Abth.  1. 
S.  347.    —    Kruse,    Hellas,    Thl.  I.    S.  108  f.    Tbl.  II.  Abth.  I. 

S.  188  ir. 


VllI  VORWORT. 

grosse  Lehre  von  der  Menschen  Bestimmung, 
von  Einem  ewigen  Gotte  und  von  der  Unsterb- 
lichkeit der  Seele  vorgetragen  Avurde? 

Darmstadt  im  December  1828. 

G.  W. 


Mitj;lieder  der  Gesellschalt  der  Dilettanti 

im  Jahr  LXXXIV.  der  GeseUschaft. 


Lord  DuNDAs. 

Richard  Pavue  Knight,  Esqiiire. 
Sir  Henry  C.  Englefield,  Baronet. 
Philip  Metcalfe  ,  Esq. 
Roger  Wilbraham  ,  Esq. 
James  Dawkins,  Esq. 
William  Mitford,  Esq. 
Frederick  North. 
Der  Graf  von  Hardwicke. 
Laurerce  Dodas. 
Sir  Thomas  Lawrence. 
William  Sotheby,   Esq. 
Benjamin  West,  Esq.,   Präsid.  d. 

könisl.  Akad. 
J.  Symmons  ,  Esq. 
Sir  J.  Tiirockmorton,  Baronet, 
Arthur  Champernowne  ,  Esq. 
William  R.  Spencer. 
J.  Hawrins,   Esq. 
J.  B.  S.  Morbitt,  Esq. 
Der  Herzog  von  Somerset. 
Sir  WiL.  DnuMMOND. 
J.  Trevor. 
Tn.  HopE ,  Esq. 
Der  Marquis  von  Northwick. 
Der  Marquis  von  Douglas. 
S.  Jo.  Cox.  HippisLKY,    Bar. 
Der  Viscount  Morpeth. 
Der  (iraf  Cowper. 
Der  Graf  Morley. 


Ch.  W.  Wynne,  Esq. 

Sam.  Rogers ,   Esq. 

R.  Pole  Carew. 

Der  Graf  von  Aberdeen. 

Sir  Watkin  W.  Wynke  ,  Bar 

Henry  Philip  Hope  ,  Esq. 

Sir  William  Gell. 

Der  Graf  von  Charleville. 

WiL.   DiCKENSOS  ,    Esq. 

Fred.  Foster  ,  Esq. 

William  Wilkins,  Esq. 

WiL.  Hamilton.  Esq. 

Henry  Bennett. 

Der  Graf  von  Dunmore. 

Foster  Cunliffe  ,  Esq. 

Peregrine  Towneley,  Esq. 

W.  Fitzhogh  ,  Esq. 

Edward  Davenport,  Esq. 

Der  Oberst  Leake. 

Der  Graf  von  Surrey. 

R.  Heber,  Esq. 

Jo.  H.  Frere. 

Der  Marquis  von  Stafford. 

Der  Marquis  von  Landsdowne. 

Der  Viscount  Ebringtok. 

Der  Graf  von  Charleuokt. 

F'rancis  Horner,  Esq. 

Tno.  Lbcr,  Esq. 

Richard  Wetmacott,  Esq. 


Am  l.  März,  1817. 


n 


1     t. 


Vorwort. 


Seite  V. 


Eieusis. 


Crpitel  I.     Topographie  .... 

Capitd  II.     Die  Propyläen 

Capitcl  III.     Die  innere  Eingangshalle 

Capitel  IV.     Der  Tempel  Jer  Demeter 

Gapitel  V.     Der  Tempel  der  Artemis  Propylaea 

'  Rhamnus. 

Capilel  VI.     Der  Tempel  der  Nemesis 
Capitel  VII.     Der  Tempel  der  Thcmis 


1. 
17. 
30. 
41. 
61. 


»     67. 
»     81. 


S  u  n  i  o  n. 

Capitel  VIII.     Die   Propyläen    und    der  Tempel   der 
Athena  Sunias  ....... 


))     84. 


Tliorikos. 

Capitel  IX.     Eine  Dorische  Halle 
Register  ...... 


..     89. 
»    93. 


Erstes    Capitel. 

Eleusis. 

JL)ie  Ebene  von  Athen  wird  von  einer  andern  weit 
ausgedehnten  Ebene  durch  einen  Rücken  des  Berges 
Ikarios  (')  getrennt,  der  sich  in  nordöstlicher  Richtung 
von  der  Eleusinischen  Bucht  aus  erstreckt.  Es  war 
dies  die  Thriasische  Ebene  und  diese  galt,  wie  uns  alte 
Schriftsteller  melden,  für  heilig,  weil  sich  Ceres 
hier  aufgehalten  und  ihre  Bewohner  zuerst  in  der 
Ackerbaukunst  unterwiesen  hatte.  (^) 

(1)  In  der  Bezeichung  der  Attischen  Gebirgszüge  stimmen  die 
Chorographen  Attikas  noch  nicht  übercin.  C.  0.  Müller  (in  der 
Allgem.  Encyclop.  v.  Ersch  und  Gruber  VI.  u.  d.  Wort  Attika) 
erwaiint  keines  Berges  Ikarios ;  nach  Ihm  wurde  die  TItriasischc 
Ebene  von  der  Athcnisclion  durch  die  Berge  Korjdallos  und 
j4e^aleos  abgesondert.  Dodwell  (Reise  durch  Griechcnl.  üliers.  v. 
Sickler.  Bd.  I.  kh\\\.  II.  S.  350)  ist  geneigt,  den  Ikarios  für  einen 
kleinen  Hü^cl  am  Abhänge  des  Pentelikon  in  der  Nähe  von  Mara- 
thon zu  halten ;  nach  JV.  Gell's  Karte  ist  er  aber  der  bedeutendste 
lind  westliche  Rücken  dos  vom  höchsten  Gipfel  des  Parties  nach 
Süden  sich  herabsenkenden  Gebirgs  und  stösst  südlich  an  den 
Korydallos  j  so  wie  dieser  an  den  Aegialeus  oder  jiegaleos ,  den 
heutigen  Scarniagga^  von  dessen  Gipfel  Xerxes  den  Scekampf  bei 
Salamis  überschaut  haben  soll.     Vgl.  auch  Dodwell  S.  343.  flf. 

W. 

(2)  Den  ganzen  hier  berührten  Kreis  der  Sagen  und  ihre  ver- 
schiedenartigen Darstellungen  durch  die  Kunst  lernt  man  wohl  am 
besten  kennen  durcli  zwei  höchst  geistreiche  und  gelehrte  Abhandlun- 

Att.  Alt.  1 


2  ERSTES    CAPITEL. 

Zum  Platz'  für  ihre  Citadelle  hatten  sich  die  Bleu- 
sinier  einen  niedrigen  Felshügel  ersehen ,  der  an 
seinem  südöstlichen  Ende  ohngefähr  dreihundert 
Yards  (^)  von  der  See  entfernt  war. 

Dadurch  dass  der  Abhang  des  Hügels  südostwärts 
in  eine  künstliche  Terrasse  umgebildet  und  die  her- 
vorstehenden Felstheile  von  vornen  bis  hinten  Avegge- 
hauen  worden  waren,  hatte  man  eine  gleiche  Grund- 
fläche für  den  heiligen  Raum  des  mystischen  Tem- 
pels erhalten,  der  zum  Schauplatz  der  feierlichsten 
religiösen  Gebräuche  in  Griechenland  bestimmt  war. 

Der  prachtvolle  Bau,  den  der  grosse  Attische 
Staatsmann  zur  Feier  der  Mysterien  der  Ceres  hatte 
errichten  lassen,  stand  wie  ein  kühn  hervortretender 
Zug  eines  Gemäldes  da,  dessen  Hintergrund  von  den 
Mauern  und  Zinnen  der  überragenden  Akropolis  ge- 
bildet wurde.  Im  Vordergrund  zogen  sich  die  Vil- 
len und  Gärten  der  Eleusinier  um  den  Fuss  des  Fel- 
sens und  an  dem  Ufer  der  Salaminischen  Bucht  hin 
und  vollendeten  den  schönen  Anblick ,  der  seines 
Gleichen  nicht  hatte. 

Als  neue  Zierden  kamen  zu  dieser  grossartigen 
Anlage  noch,  die  Vorhalle  des  heiligen  Tempelraums 
und  der  daranstossende  Tempel  der  Diana  Propyläa ; 
beide  der  Bewunderung  werth.  Die  erstere,  nur  um 
weniges  kleiner  als  die  Propyläen  in  Athen,  die  man 
hier  auf  eine  schöne  Art  nachgebildet  findet,  war  an 
und  für  sich  selbst  ein  Werk  von  der  grössten  Be- 
deutung und  nicht  viel  weniger  kostbar,  als  ihr  Vor- 
bild, dessen  Ausführung  einen   Aufwand  von  zwei- 


gen von  Fr.  G.  Welcher,  Raub  der  Kora  und  Demeter  die  Stifte- 
rin des  Ackerbaus ,  beide  in  dessen  Zeitschrift  fiir  Geschichte  und 
Auslegung  der  alten  Kunst ,  Bd,  I.  W. 

(3)  Die    Yard    enthält    3  Engl.    Fuss     oder  2"/i2    Rheinland. 
Fuss.  W. 


ERSTES    CAPITEL.  3 

tausend  und  zwölf  Talenten  (*)  erfordert  haben  soll. 
Der  letztere  war  dem  Umfang  nach  weit  unbedeuten- 
der; er  stand  fünfzig  Fuss  vor  den  Propyläen  auf  einer 
Platte,  die  sich  etwa  hundert  und  fünfzig  Fuss  von 
der  Vorderseite  des  Tempels  aus  und  doppelt  so  viele 
längs  desselben  erstreckte.  Dieser  Platz,  der  mit 
Steinen  von  sechs  Fuss  Länge,  vier  Fuss  Breite  und 
einem  Fuss  Dicke  geplattet  war,  wurde  an  beiden  En- 
den durch  einen  Bau  von  der  Korinthischen  Ordnunsr 
begränzt. 

Die  grosse  Heiligkeit  des  Hauptgebäudes  war 
durch  eine  doppelte  Ringmauer,  von  denen  die  eine 
innerhalb  der  andern  stand ,  geschützt.  Der  ersten 
oder  äussersten  näherte  man  sich  von  der  erwähnten 
Vorhalle  aus. 

Die  Mauern  des  inneren  Peribolus  ,  welche  man 
mit  Unterbrechungen  noch  fast  in  ihrem  ganzen  Laufe 
nachweisen  kann,  bildeten  vier  Seiten  eines  unregel- 
mässigen Fünfecks.  Der  Eingang  war  durch  eine 
Thorhalle  von  eigener  Bauart  gegen  Norden  an  einer 
Ecke  der  Ringmauer.  Zwischen  diesem  Einffanje 
und  der  Rückseite  der  Ringmauer  machte  die  Steile 
des  Felsens,  welchen  man  an  dieser  Stelle  hatte  ste- 
hen, lassen,   eine  bedeutende  Schutzmauer  unnöthig. 

Das  Geheimnissvolle,  das  über  den  Eleusinischen 
Gebräuchen  ausgebreitet  lag,  liess  keine  Beschrei- 
bung der  Gebäude  zu,   in  denen  sie  gefeiert  wurden. 


(4)  Oder  2,766,400  siiclis.  Thlrn.  Zeugnisse  für  diese  Angabo 
gibt  Bückh  (Staat>haiisbaltiing  der  Athener,  Bd.  I.  S.  217.);  Dod- 
woU  (bei  Sickler  Bd.  I.  Abth.  I.  S.  129)  meint,  die  Angabe  von 
obngefähr  464,000  Pfiuid  Sterling  möchte  doch  wohl  übertrieben 
sein,  wofern  man  nicht  alle  Prachtgebäude ,  die  damals  auf  der 
Akropolis  errichtet  worden,  und  auch  die  Sculpturarbeiten  und  die 
Statue  der  Göttin  aus  Gold  und  Elfenbein  mit  darunter  begreife. 

W. 
1' 


4  ERSTES    CAPITEL. 

Pausanias  gibt  vor,  dass  er  durch  ein  Traumgesicht 
davon  abgeschreckt  vrorden  sei ,  irgend  etwas  Nähe- 
res über  das  Eleusinion  zu  Athen  zu  offenbaren,  und 
dieselbe  übermenschliche  Erscheinung  untersagte  ihxn 
auch,  irgend  einen  Gegenstand  zu  beschreiben,  der 
innerhalb  der  Mauern  des  Heiligthums  zu  Eleusis 
sei.  (*)  Seine  Schilderung  der  Umgebung  des  Heilig- 
thums ist  in  folgender  kurzen  Stelle  enthalten:  »Die 
Eleusinier  haben  einen  Tempel  des  Triptolemos  (^)  und 
einen  der  Diana  Propyläa  ,  einen  des  Vaters  Neptumis 
und  einen  Brunnen  mit  Namen  Kallichoros ,  bei  dem 
zuerst  die  Weiber  der  Eleusinier  einen  Reihentanz 
angestellt  und  zu  Ehren  der  Göttin  gesungen  haben. 
Das Rarische  Feld  soll  zuerst  besäet  worden  sein  und 
zuerst  Früchte  getragen  haben  ;  daher  ist  es  bei  ihnen 
Gebrauch  geblieben,  von  der  Gerste  dieses  Feldes 
heiliges  Schrotmehl  zu  bereiten  und  Kuchen  zu  den 
Opfern  zu  backen.  Hier  zeigt  man  eine  Tenne  und  einen 
Altar,  welche  den  Namen  des  Triptolemos  führen.« 
Die  Volksmenge,  die  das  Verlangen,  in  die  My- 
sferien  eingeweiht  zu  vrerden,  nach  Eleusis  zog,  (^) 
trug  so  viel  zur  Bereicherung  dieses  von  Ceres  so 
begünstigten  Ortes  bei,  dass  er  mit  Athen  an  Glanz 
und  Grösse  zu  wetteifern  anfing.  Allein  die  Athe- 
ner, voll  Eifersucht  auf  die  wachsende  Grösse  von 
Eleusis,  setzten  es  zum  Rang  eines  ihrer  Demen  oder 
Ortschaften  herab. 


(5)  Pausan.   Lib.  I.  Cap.  38.    §.    6.  W.     - 

(6)  Der  Tempel  des  Triptolemos  lag  vielleicht  da ,  wo  Mir 
jetzt  die  Giiecliische  dem  heiligen  Zacchaiias  geweihte  CapcUe 
finden. 

(7)  Vgl.  Cic.  de  natur.  Deor.  I.  cap.  42.  §.  119.  Bei  Hero- 
dot.  VlII,  65.  glaubt  Einer  in  der  Ebene  von  Thria  von  Eleusis 
her  den  Feiergesang  lakchos  zu  hören  und  eine  Staubwolke  zu 
sehen,  wie  von  dreissigtausend   Menschen.  W. 


ERSTES   CAPITEL.  5 

Das  jetzige  Dorf  (^)  steht  auf  der  Stelle  der  gehei- 
ligten Gebäude  und  zwar  grösstentheils  innerhalb 
der  alten  Gränzen  des  Heiligthums.  Es  besteht  aus 
ohngefähr  siebenzig  Hütten,  die  von  wenigen  Alba- 
nesischen  Familien  bewohnt  sind. 

Wenn  wir  den  Grad  der  Zerstörung  an  den  Ge- 
bäuden von  Eleusis  mit  dem  unverletzten  Zustand 
vergleichen,  in  dem  die  einzelnen  Theile  der  Athe- 
nischen Akropolis  noch  lange  nach  den  Einiällen 
der  Golhen  waren,  so  sind  wir  versucht,  die  Er- 
zählung des  Zosimus  (^)  nicht  für  ganz  unbegründet 
zuhalten,  der  uns  meldet,  Alarich  habe  (im  Jahr  3S6 
nach  Chr.)  seinen  Zug  von  den  Engpässen  bei  Ther- 
mopylä  gegen  Athen  in  der  Erwartung  einer  leichten 
Eroberung  beschleunigt;  als  er  sich  aber  der  Stadt 
genähert,  habe  er  Pallas  die  Stadt  umwandeln  sehen 
gleich  den  Vorkämpfern  bei  Homer  und  den  Achil- 
leus  vor  den  Mauern  in  einer  Stellung  erblickt,  in 
der  er  ihm  den  Besitz  der  Stadt  streitig  machen  zu 
wollen  schien.  Durch  diese  Erscheinung  bestürzt 
habe  der  Eroberer  eine  Capitulation  gewährt,  durch 
welche  die  Stadt  der  Zerstörung  entgangen  sei.  Ce- 
res dasrejjen  scheint  nicht  als  Vermittlerin  zwischen 
ihre  Geweihten  und  den  Eroberer  getreten  zu  sein 
und  ihre  Gebäude  wurden"  gänzlich  zerstört.  Eleu, 
sis  muss  wohl  durch  besonders  unglückliche  Ver- 
hältnisse gelitten  haben,  denn  nur  die  kräftigsten 
Mittel,  welche  Rachsucht  oder  eine  andere  stachelnde 
Leidenschaft  an  die  Hand  gab,  konnten  den  Umsturz 


(8)  Von  neueren  Reisenden  Eleusina ,  Leusina  j  Lefsina,  Lep- 
sina,  LcssinUj  5a/ma  geschrieben.  Vgl.  Dodwell  bei  Sickler  I,  2,  88. 
11,  1,  37.  Poiiqueville  Tom.  IV.  cap.  108.  bei  Creuzer  Symbol. 
IV.  338.   Kruse  ,    HeUas.  II.  186.  "W. 

(9)  Lib.  V.  Cap.  6.  W. 


6  ERSTES    CAPITEL. 

der  festen  Eleusinischen  Gebäude  bis  zu  diesem  Grade 
herbeiführen. 

Pausanias  ('")  hat  die  Gegenstände  beschrieben, 
die  ihm  auf  seinem  Weg  von  Athen  nach  Eleusis  be- 
merkenswerth  schienen.  Seine  Nachricht  ist  indessen 
kurz  und  gedrängt,  wesswegen  er  sich  gewisser- 
inassen  darüber  rechtfertigen  zu  müssen  glaubte, 
dass  er  sich  einer  weitläufigeren,  umständlichen  Be- 
schreibung der  interessanten  Denkmale,  die  ihm  bei 
•jedem  Schritt  entgegentraten,  enthalten  habe.  Der 
Grabmäler,  Statuen  und  Tempel  waren  so  viele, 
dass  der  Führer  Polemotij  wie  Harpokration  in  seinem 
Lexikon  bestimmt  erklärt ,  ein  ganzes  Werk  allein 
über  die  leQa  ö8og  oder  den  heiligen  Weg  verfasste. 

Diese  berühmte  Strasse  ('*)  nahm  ihren  Anfang 
bei  den  IsQai  IlvXai  oder  dem  Heiligen  Thore  Athens, 
dessen  üeberreste  man  noch  in  einer  neueren  Kirche, 
die  ohngefähr  dreihundert  Yards  von  dem  jetzigen 
Thor  entfernt  ist,  erkennen  kann.  Von  ihr  führt 
nun  ein  Weg  zum  Feiräeus,  ein  anderer- beugt  rechts 
ab  nahe  bei  den  üeberresten  eines  Grabmals,  das 
seiner  Marmordecke  entkleidet  nun  die  rauhe  Mauer- 
arbeit seines  Baues  zeigt.  Dieser  Weg  führt  zu  der 
Stelle,  wo  die  alte  Akademie  stand. 

Wenige  Schritte  jenseits  des  heiligen  Thors  auf 
der  jetzigen  Strasse  nach  Eleusis  bemerkt  man  einen 
unebenen  felsigen  Ort,  woselbst  durch  neuere  Nach- 
grabungen Grabmäler  entdeckt  worden  sind.  Da 
aber  die  ganze  Gegend  ringsum  bebaut  wird,  so  sind 
hier  alle  Spuren  des  heiligen  Weges  verschwunden 
und  man  trifft  auch  keine  an ,  bevor  man  beinahe 
eine  Meile  von  dem  Thore  entfernt  über  eine  Brücke 


(10)  Lib.  I.    Cap.  36.  37.  38.  W. 

(U)  Vgl.  üodwell  V,   Sickler  Bd.  II.  Abth,  I.  S.  270.  ff. 


ERSTES    CAMTEL.  7 

gegaDgen  ist,  die  über  das  Bett  eines  kleinen  Berg- 
stroms führt.  Hier  geben  noch  einige  grosse  Steine, 
die  mit  Unterbrechungen  ihr  ursprüngliches  Lager  in 
gerader  Linie  bewahren,  die  Richtung  der  alten 
Strasse  an.  Jenseits  von  hier,  nahe  an  dem  Bett  des 
Kephissos,  bezeichnen  wenige  um  eine  neue  Capelle 
zerstreuten  Ueberreste  die  Lage  eines  alten  Gebäu- 
des. Ein  Stück  von  Dorischem  Gebälke  auf  der  Vor- 
derseite der  Capelle  trägt  eine  Leicheninschrift. 

Obgleich  der  Kephissos  in  den  Sommermonaten 
fast  ganz  verschwindet ,  da  wo  der  heilige  Weg  sein 
Bett  überschreitet,  so  fliesst  er  doch  an  der  Strasse 
von  Athen  nach  Theben  mit  bedeutender  Strömung. 
Seine  Wasserfülle  benutzt  man,  um  einen  ausgedehn- 
ten Strich  von  Gärten  und  den  Olivenhain  zu  bewäs- 
sern, welche  nun  die  Gegend  einnehmen,  wo  die 
Alleen  der  Akademie  standen.  (")  Das  Wasser  wird 
durch  Kinnen  zu  den  Wurzeln  der  einzelnen  Bäume 
geführt,  um  welche  man  aus  dem  Erdgrunde  Was- 
serbehälter gebildet  hat.  Die  Quelle  des  Flusses, 
zwischen  dem  Dorfe  KepMsia  und  dem  Pentelischen 
Gebirge,  ist  ein  reiner  nicht  versiegender  Born,  der 
mit  bedeutender  Schnelle  aus  einem  viereckigen  Was- 
serbecken ausläuft  und  eine  anderereiche  Quelle  auf- 
nimmt, welche  unter  einem  sich  weit  ausbreitenden 
Platanus  in  dem  Dorfe  hervorsprudelt. 

Der  Olivenhain  endigt  an  der  Capelle  des  heiligen 
Blasios ,  ohngefähr  14  Furlongs  (")  von  dem  heiligen 
Thore.  Er  dehnt  sich  in  seiner  Breite  von  Osten  nach 
Westen  mehr  als  zwei  Drittel  dieses  Abstandes  aus 


(12)  Die  Schüiihcit  dieses  Ortes  schildert  Dodweli  in  seine 
Reise  nach  Gr.  bei  Sicller  I,  2.  S.  246.  W. 

(13)  Die  Fiirlong  enthält  220  Yards  oder  660  Fuss  und  ist 
souiit  der  achte  Theil  einer  Englischen  Meile,  welche  5280  Engl, 
oder  5130  Rheinl.  Fuss  hat.  W. 


8  ERSTES    CAPITEL. 

und  seine  Länge  von  Norden  nach  Süden  beträgt  ei- 
nige (englische)  Meilen.  Die  Bäume  sind  von  bedeu- 
tender Grösse  ;  ihre  Stämme,  die  sich,  wenn  sie  alt 
werden,  in  mehrere  Theile  spalten,  haben  nicht 
selten  einen  Umfang  von  zwanzig  Fuss.  Der  üelbaum 
wächst  langsam  und  widersteht  dem  Absterben  viel- 
leicht länger,  als  irgend  ein  anderer  Baum.  Jahrhun- 
derte mussten  verlliessen,  bevor  diese  ehrwürdigen 
Bäume  ihren  jetzigen  Umfang  erreichten,  so  dass 
man  sie,  wenn  auch  nicht  als  die  ursprünglichen  der 
alten  Akademie,  doch  als  die  unmittelbaren  Ab- 
kömmlinge derselben  wird  betrachten  müssen. 

Geht  man  vorwärts  nach  Eleusis  hin,  so  sieht 
man  noch  einioe  Steinblöcke  und  an  mehreren  Stel- 
len  noch  die  Terrasse  oder  Mauer,  durch  welche  die 
Strasse  Festigkeit  erhielt.  Mehrere  zerstreute  Hügel 
scheinen  Grabmäler  gewesen  zu  sein,  deren  bekannt- 
lich der  ganzen  heiligen  Strasse  entlang  und  zwar, 
wie  es  scheint,  auf  der  Mitte  der  Strasse  viele  errich- 
tet waren.  Ohngefähr  elf  Furlongs  jenseits  der  Kirche 
des  heiligen  ßlasios  sieht  man  auf  einem  Hügel  auf 
der  rechten  Seite  der  Strasse  die  Ueberreste  einer 
kleinen  Ringmauer,  welche  ein  Grab  einschloss. 
Das  Grabmal  war  in  den  Felsen  eingehauen  und  die 
Oelfnung  mit  einem  marmornen  Deckel  geschlossen, 
nach  der  gewöhnlichen  Art,  wie  man  Sarkophage 
bedeckte.  (") 

(14)  Der  Französische  Consul  zu  Athen,  Herr  Fauvel ,  hat 
neuerdings  die  Marmordecke  abbrechen  und  dieses  Grabmal  öffnen 
lassen.  Man  entdeckte  in  der  Aushöhlung  einen  Sarg,  welcher 
noch  deutliche  Kennzeichen  der  blauen  Farbe,  mit  der  er  bemalt 
war ,  an  sich  trägt ;  vier  eherne  Ringe  waren  an  ihm  befestigt.  Das 
Acusscrc  war  mit  einer  Einfassung  verziert,  die  aus  Elfenbein  ge- 
arl)citct  und  dann  auf  das  Holz  befestigt  worden  war.  Bei  Eröff- 
nung des  Sarges  fand  man  das  Skelett  eines  Weibes;  der  Kopf 
war  mit  einem  goldenen  Myrthen-  oder  Olivenkranz  umwunden; 


ERSTES    CAPITEL.  9 

Von  hier  steigt  die  Strasse  gegen  eine  Berg- 
schlucht, die  im  AUerihum  et godog  ^vorixt^  oder  die 
mystische  Pforte  hiess,  jenseits  welcher,  beinahe  in  der 
JMitle  zwischen  Athen  und  Eleusis,  das  Kloster  Daphne 
liegt,  das  auf  der  Stelle  des  Apolloternpels  erbaut 
sein  soll.  Einige  Ionische  Säulen  fand  man  in  einer 
der  Mauern  der  neuen  Capelle  eingemauert,  (^^)  so  wie 
die  Mauer,  welche  das  Kloster  umgibt,  ganz  aus 
Ruinen  alter  Griechischer  Gebäude  errichtet  ist. 

Von  hier  bis  ohngefähr  fünfzehnhundert  Yards 
gegen  den  Busen  von  Eleusis  hinab  scheint  der  Felsen, 
welcher  die  Strasse  zur  Rechten  begränzt,  senkrecht 
durchgehauen  zu  sein.  Die  Seitenoberfläche  war 
glatt  gearbeitet  und  dann  waren  Nischen  eingehauen, 
um  Votivtäfelchen  aufzunehmen.  Auch  haben  In- 
schriften sich  erhalten,  die,  obgleich  von  früheren 
Reisenden  übersehen,  doch  noch  Wort  für  Wort 
gelesen  werden  können,  sobald  die  Sonnenstrahlen 
schräg  auf  die  Überfläche  des  Felsens  fallen.  Sie 
sind  an  Venus  gerichtet  (^^).  Ebenso  fand  man  an  die- 


zur  Seite  lag  ein  zierliches  Stäbchen,  nebst  einem  musikalischea 
Instrumente,  das  einer  Guitane  nicht  unähnlich  ist.  Die  Schnhe 
waren  noch  ziemlich  erhalten,  dcssgleichen  ein  kleiner  Doppel- 
kamm, welcher  ins  Haar  gesteckt  war,  um  gewissen  Zierrath  auf- 
zufassen. Man  ülTnetc  auch  noch  einige  andre  Grabmäicr  von 
derselben  Bau.irt  in  der  Nähe  und  fan<l  darin  schwarze  Erde  und 
Kohlen,  nebst  einigen  Urnen  aus  gewöhnlichem  Thon  und  einigen 
Thränenvasen  von  Alabaster. 

(15)  Einige  kleine  Ionische  Säulen  mit  ihren  Capitälcn,  die 
noch  im  Jahr  1800  hier  standen,  sind  durch  Lord  Elgin  nach 
England  gesendet  worden  und  belinden  sich  jetzt  im  Britisclien 
Museinn.  Siehe  Dodwell  Bd.  II.  Ablh,  I.  S.  272.  Kruses  Hellas 
Th.  II.  S.  175.  W. 

(16)  Thria ,  ein  Attischer  Demos,  nach  welchem  die  jenseits 
gelegne  Eb(;ne  benannt  worden  ist ,  lag  nicht  weit  von  dieser 
Stelle  entfernt.     Zu  Thria  stand  ein  Tempel  der  Fenus  Phile,  dem 


10  ERSTES    CAPITEL. 

«er  Stelle  einige  kleine  Tauben  in  gröberem  Styl  aus 
Marmor  gehauen.  Die  nahe  bei  dem  Felsen  liegenden 
Ruinen  gehörten  zu  dem  alten  Tempel  dieser  Göttin, 
dessen  Ringmauer  auf  der  Vorderseite  noch  in  ihrer 
ganzen  Ausdehnung  zu  erkennen  ist  und  dessen  Rui- 
nen beweisen,  dass  seine  Bauart  Dorisch  gewesen. 
Die  Strasse  geht  zwischen  dem  Felsen  und  der  Ein- 
schlussmauer durch.  Da  wo  sich  zwei  Wege  vereini- 
gen, von  denen  der  eine,  für  Wagen  nicht  zu  passiren, 
rechts  abbog  und  auf  einem  kürzeren  Wege  in  die 
Ebene  von  Eleusis  führte,  scheint  der  Engweg  fest 
gemauert  gevsresen  zu  sein.  Die  neue  Strasse  lässt 
den  heiligen  Weg  rechts  liegen  und  stösst  wieder  an 
einem  Punct  der  Küste  mit  ihm  zusammen,  der  Y.av.L 
CY.aXa  oder  schlechter  Weg  heisst,  indem  der  Felsen, 
über  den  er  geht,  an  dem  schroften  Theile  des  Berges 
dicht  an  der  See  herführt  und  gefährlich  ist,  wo  die 
alte  Strasse  verfallen  ist.  Offenbar  war  die  heilige 
Strasse  an  dem  Fusse  des  Bersrhügels  an  dem  inneren 
Ufer  Aer'Peiroi oAer  Salzseen (^')  fortgesetzt,  welche 
ihre  Quellen  in  den  benachbarten  Gebirgen  haben. 
Nachdem  sie  an  den  Kanälen  vorbeigeführthat,  wird 
sie  von  dem  Bett  eines  Bergstroms  durchkreuzt,  der 
vom  Berg  Farnes  bei  dem  an  der  Strasse  von  Athen 
nach  Theben  gelegenen  Dorfe  Kassia  herabfliesst. 
Obgleich  dieser  Fluss  sich  in  der  Thriasischen  Ebene 
fast  verliert,  so  strömt  er  doch  näher  bei  seiner  Quelle 


Demetrius  zu  Ehren  errichtet,  dessen  Mutter  Phile  hies*.  (Phila 
hiess  des  Demetrius  Poliorketes  Gemahlin.  Vgl.  Plutarch.  Demetr. 
c.  14.  —  W.)  Die  Worte  (PlylH  A<t>PO.dITH  kommen  auf  zwei  von 
den  Inschriften  vor,  welche  auf  die  Oberfläche  des  Felsens  einge- 
haucn  sind. 

(17)  Diese  Rheti  oder  Kanäle  mit  Meerwasser  schieden  in 
alten  Zeiten  nach  Pausan.  I,  38,  1  das  Weichbild  von  Eleusis  von 
dem  übrigen  Attischen  Gebiete.  W. 


ERSTES    CAPITEL.  11 

durch  ein  tiefes  felsiges  Bett.  Den  Kanal ,  welcher 
sein  Wasser  der  Eleusinischen  Wasserleitung  zuführt, 
kann  man  seiner  Richtung  nach  in  dem  Felsen  noch 
nachweisen.  Ist  man  sodann  über  einen  Weg  hinaus  ge- 
kommen, der  rechtshin  über  den  Berg  liilhäron  nach 
Theben  führt,  so  gewahrt  man  die  Ueberreste  eines 
Grabmals,  aus  dessen  Inschrift  wir  sehen,  dass  hier 
Straton  der  Kydathenäer  begraben  lag.  Hier  tritt 
die  heilige  Strasse  wieder  hervor  und  ist  sofort  über 
einen  Damm  geführt,  welchen  man  in  der  häufig  über- 
schwemmten Ebene  hatte  errichten  müssen. 

Der  Eleusinische  Kephissos  entspringt  auf  dem  Berg 
Kithäron  nahe  bei  Eleulherae;  erfliesst  in  die  Thria- 
sische  Ebene  an  einer  Stelle  ein,  die  jetzt  Sarantapo- 
tamiQ^)  heisst,  und  strömt  dann  in  einem  tiefen  Bette 
gegen  die  einzeln  liegenden  Hügel  von  Magoula  hin, 
einer  kleinen  Höhe,  auf  deren  Spitze  Trümmer  eines 
alten  Thurmes  liegen,  und  um  welche  herum  ehemals 
Steinbrüche  waren.  Hier  theilt  sich  der  Flussin  zwei 
starke  Arme,  von  welchen  sich  der  eine  durch  die 
Rarische  Ebene  westlich  von  den  über  der  Stadt  lie^ 
genden  Hügeln  und  der  andre  fünfzehnhundert 
Yards  östlich  von  dem  alten  Hafen  in  die  Bay  von 
Salamis  ergiesst.  Die  Strasse  überschreitet  mehrere 
kleine  Kanäle,  die  von  dem  letzteren  auslaufen,  mei- 
stens aber  wasserlos  sind,  den  Arm  ausgenommen, 
welcher  zunächst  an  der  Stadt  in  einem  tiefen  Gra- 
ben,  unter  einer  Brücke,  an  einem  kleinen  Oliven- 
hain hin  ohngefähr  fünfhundert  Yards  fliesst,  ehe 
er  das  neuere  Dorf  erreicht.  Geht  man  ohngelähr 
drei  Viertel  einer  Meile  von  diesem  Puncto  weiter 
vorwärts,  so  stösst  man  auf  Ueberreste  eines  auf  Bo- 
gen errichteten  Gebäudes,     das  jetzt  mit  Erde  und 

(18)  Bei  DodweU,  Bi.  IL  Abth.  I.  S.  42:  Saranta  Potamoi 
Oller  die  Vierzig -Bäche.  W. 


12  ERSTES    CAPITEL. 

Schutt  erfüllt  ist  und  in  der  Art  erbaut  war,  dass  es 
das  Wasser  des  über  seine  Ufer  getretenen  Flusses 
nicht  hinderte ,  in  die  Eleusinische  Bay  hinab  zu 
fliessen. 

Etwas  weiter  herab  von  der  Stelle,  wo  sich  der 
Kephissos  in  zwei  Arme  theilte,  zog  sich  an  dem  öst- 
lichen Ufer  des  westlichen  Arms  bis  nahe  an  denFuss 
des  Hügels ,  auf  dem  die  Akropolis  von  Eleusis  stand, 
ein  Damm  hin  und  ein  andrer  folgte  der  Richtung 
des  östlichen  Arms  an  dem  westlichen  Ufer.  Der 
Zweck  dieser  Dämme  war  offenbar  kein  andrer,  als 
das  Delta  des  Kephissos,  das  heisst  jenen  dreieckigen 
Strich  niedrigen  Landes  zwischen  den  beiden  Armen 
des  Flusses ,  vor  den  oft  und  plötzlich  austretenden 
Fluthen  des  Bergstromes  zu  schützen. 

Da  w^o  der  erste  dieser  Damme  aufhört,  hat  man 
eine  Höhle  entdeckt,  welche,  wenn  wir  überhaupt 
geneigt  wären,  den  Fabeln  der  früheren  griechischen 
Geschichtserzählung  Glauben  beizumessen  ,  man  für 
den  Aufenthalt  des  Räubers  Prokrustes  oder  Polype- 
nion halten  könnte,  da  dieser  von  Theseus  an  den 
Ufern  des  Kephissos  überwunden  worden  sein  soll.  ('®) 

An  der  östlichen  Seite  des  Hügels  von  Eleusis  ist 
ein  Brunnen,  vielleicht  derselbe,  den  Pausanias  Kal- 
lichorus  genannt  hat,  bei  welchem  die  Eleusinischen 
Frauen  der  Ceres  zu  Ehren  Tänze  aufführten. 

Die  Strasse  nach  JMejjara  zieht  sich  nördlich  von 
dem  Hügel  an  der  genannten  Höhle  vorbei  und  über- 
schreitet das  Bett  des  Avestlichen  Arms  des  Kephissos. 
Ein  wenig  über  deuFluss  hinaus  ist  wieder  ein  Brun- 
nen ,  der  jetzt  J^lica  heisst  und  für  identisch  mit  dem 
gehalten  wird,   welcher  ursprünglich  Anthios  d.    h. 

(19)  Pausan.  Lib.  I.  Cap.  38.  §.  5.  Plntaich.  Thcs.  Cap.  11. 
Dagegen  meldet  Diodor.  Sik.  Lib.  IV.  Cap,  59.,  Prokrustes  habe 
in  dein  Attischen  Korydallos  gehaust.  W. 


ERSTES    CAPITEL.  13 

der  Blumenbrunnen  genannt  wurde  und  bei  Pausanias 
(I,  39,  1.)  vorkommt.  Die  angränzende  Ebene  war 
wohl  die  Rarische ,  die  zuerst  bebaute  Flur  in  Attika. 
An  der  Rüste,  von  welcher  die  Ebene  im  Süden  be- 
gränztwird,  ist  ein  Grabhügel,  den  man  für  einen 
von  denen  hält,  welche  Theseus  den  bei  Theben  ge- 
fallenen Athenern  (^*')  errichtet  haben  soll. 

Die  Wasserleitung,  welche  in  neueren  Zeiten 
Eleusismit  Wasser  aus  den  Quellendes  Berges  Far- 
nes versah,  ist  von  sehr  roher  Arbeit  und  könnte 
für  ein  neueres  Werk  gelten,,  wenn  sie  das  gewöhn- 
liche Merkmal  neuerer  Zeit  an  sich  trüge,  d.  h.  wenn 
man  irgend  ein  Bruchstück  eines  alten  Gebäudes  bei 
ihrem  Bau  benutzt  fände. 

Dei:  nördliche  Theil  der  Ebene  von  Athen  stand 
durch  den  Engpass  von  Dema  mit  der  grossen  Eleu- 
sinischen  Ebene  in  Verbindung.  Durch  ihn  machten 
die  Lakedämonier  im  Peloponnesischen  Krieg  einen 
Einfall  und  drangen  bis  Acharnae ,  (*^)  dem  heuligen 
Menidi,  vor.  Den  Lauf  der  Mauer,  welche  diesen 
Pass  verschloss,  kann  man  noch  eine  sehr  bedeutende 
Strecke  weit  nachweisen. 

Die  Strassen  von  Athen  nach  Theben  und  Oro- 
pus  führten  durch  zwei  Engwegö  des  Berges  Parnes  ; 
beide  hatten  ihre  Festungen,  nämlich  Phyle  und  De- 
hcleia  fDeceleoJ.  Letztere  war  im  neunzehnten  Jahr 
des  PeloponnesischenKriegs  von  den  Lakedämoniern 
besetzt  worden;  von  hier  aus  beunruhigten  und  plün- 
derten sie  die  ganze  Umgegend  von  Athen  und  zwan- 
gen die  Bewohner,  den  feierlichen  Zug  nach  Eleusis 
auf  der  heiligen  Strasse  zu  unterlassen;  dieser  ging 
desswegen  den  Seeweg  und  manche  Festgebräuche 

(20)  Ais,ivein.  Vgl.  Herodot.  IX,  21.  Pausan,  I,  39,  §.  2 
und  3.  W. 

(21)  Thukyd.  II,  19.  W. 


14  ERSTES    CAPITEL. 

fielen  ganz  weg.  Noch  sind  üeberreste  dieser  be- 
rühmten Befestigung  vorhanden.  Athen,  welches 
der  Berechnung  nach  hundert  und  zwanzig  Stadien 
davon  entfernt  war,  konnte  man  von  hier  genausehen, 
so  wie  den  Theil  der  Eleusinischen  Ebene,  welcher 
die  Rheiloi  umgab.  (") 

Das  Castell  von  Phyle  lag  auf  einer  Anhöhe,  von 
der  man  weithin  die  Umgegend  beherrschte.  Seine 
Mauer  kann  man  noch  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung 
nachweisen ;  seine  Entfernung  von  Athen  beträgt 
ohngelähr  hundert  Stadien.  C^^) 

Taf.  I. 
Karte  der  Ebenen  von  Athen  und  Eleusis, 
Diese  Ansicht  wurde  von  Sir  William  Gell  auf- 
genommen. Nachdem  man.sich  eine  Grundlinie  von 
3137  Yards  auf  dfer  Ebene  bei  Eleusis  gemessen  hatte, 
nahm  man  die  Winkel  nach  allen  Hauptpuncten  mit 
einem  vortrefflichen  Instrumente  auf.  Die  einzelnen 
Puncte  wurden  sodann  mit  grosser  Genauigkeit  nach 
der  wirklichen  Gestalt  und  der  relativen  Höhe  eines 
jeden  Orts  eingetragen.  Die  vorliegende  Platte  ist 
nach  der  Originalzeichnung  gestochen. 

Taf.    IL 
Karte  der  Umgebungen  von  Eleusis. 

(22)  Dekeleia  lag  in  der  Gegend  des  heutigen  Tatoi_,  wie  Dod- 
well  I,  2,  S.  333  vermuthet  und  Gell's  Karte  schlicssen  lässt.  Die 
übrigen  Angaben  werden  bestätigt  durch  Thukyd.  VII,  19  und  27. 
Plutarch.  Alltibiad.  Cap.  34.  Strabo  IX.  p.  309.  W. 

(23)  Phjle ,  jetzt  Argiro-Castro  nach  Dodwell  I,  2,  330,  ist 
bekannt  als  Zufluchtsort  des  Thrasybulos  und  Sammelplatz  der  miss- 
vergniigten  Athener;  es  heisst  bei  den  Alten  eine  starke  Festung 
und  eins  der  Bollwerke  von  Athen.  Vrgl.  Xenoph.  Hellen.  Lib.  II, 
Cap.  4.  §.  2.  Diodor,  Lib.  XIV.  Cap.  32.  Strabo  a.  a.  O.  Cornel. 
Nep.  Thrasyb.  Cap.  2.  Dodwell  gibt  seine  Entfernung  von  Athen 
zu  zwölf  Engl.  Meilen  d.  h.  vier  Stunden  an.  W. 


ERSTES    CAPITEL.  15 

Taf.    III. 

Allgemeine  Uebersicht  der  Gebäude  zu  Eleusis, 

A.  Der  Tempel  der  Ceres. 

B.  Die  Mauer  des  inneren  peribolus  oder  Tempelhols. 

C.  Die  innere  Eingangshalle. 

U.  Die  Propyläen,  oder  der  Eingang  zum  ersten 
Tempelhof. 

E.  Der  Tempel  der  Diana  Propyläa. 

F.  F.  Altäre  auf  der  grossen  Platte.  Auf  dem  Altare  zur 

Rechten  ist  das  Wort  0IAAIOI  eingeschrieben. 

G.  Die  grosse  Platte ,  welche  sich  nordwestlich  über 
den  Altar  F  und  südöstlich  bis  T  erstreckt;  sie 
fängt  an  der  Stufe  J  an  und  endigt  an  der  nie- 
deren Mauer  Q. 

H.  Ein  erhöhter  Grundstein  oder  Untersatz,  der 
wahrscheinlich  zu  einem  Brunnen  oder  Wasser- 
behälter gehörte.  Die  Wasserleitung  läuft  dicht 
an  ihm  vorbei. 

K.  Höhle  in  dem  Felsen,  um  welche  Üeberreste  eines 
kleinen  alten  Gebäudes  sind. 

L.  Ein  einzeln  stehender  Fels,  welcher  wahrschein- 
lich den  Kern  oder  die  Mitte  des  Fussgestells  bil- 
dete, worauf  die  grosse  Bildsäule  der  Ceres  auf- 
gerichtet war ,  deren  Brustbild  man  in  der  Nähe 
fand.  Das  runde  tiefgebohrle  Loch,  dessen  Durch- 
messer l'  9"  beträgt,  sollte  wahrscheinlich  den 
Dobel  oder  Pflock  aufnehmen,  durch  welchen 
die  Statue  an  ihr  Fussgestell  befesligt  wurde. 

M.  Ein  Theil  des  Felsens,  der  senkrecht  weggehauen 
worden  war;  er  scheint  mit  einem  kostbareren 
Materiale  überzogen  gewesen  zu  sein:  an  seinem 
Fuss  sieht  man  Üeberreste  von  Stufen. 

N.  Die  neue  der  Panagia  oder  heiligen  Jungfrau  ge- 
weihte Kirche. 


16       *  ERSTES    CAPITEL. 

O.  Kirche  des  St.  Georg. 

P.P.  Cisternen,    die  in  den  Felsen  eingehauen  sind; 
man  hat  mehrere  in  diesem  Felshügel  um  den  gros- 
sen Tempel  herum  entdeckt. 
-R.  Drei  Stufen  aus  weissem  Marmor,    der  Untersatz 

eines  Fussgestells.    ^ 
S.   Terrasse  auf  der  Vorderseite  des  grossen  Tempels. 
T  V.  An  diesen  Puncten  fand  man  üeberreste  von 
zwei  Gebäuden  von  der  Korinthischen  Ordnung. 
Die  punctirten  Linien  bezeichnen  die  Lage  neue- 
rer Häuser. 

Taf.    IV, 
Ansicht  von  Eleusis  von  dem  alten  Damme  aus. 

Taf.      V. 

Ansicht  von  Eleusis  von  der  Thriäsischen  Ebene  aus, 

Taf.     VL 

Ansicht  der  Thriäsischen  Ebene  und  eines  Theils  des  Dorfes 
von  dem  über  dem  Tempel  liegenden  Hügel  aus. 

Taf.     VIL 

Ansicht  der  Kirche  der  Panagia  mit  der  Aussicht  nach 

der  Akropolis. 

Der  Stein  mit  dem  Loch  auf  der  oberen  Seite  ist 
auf  dem  Grundriss  mit  L  bezeichnet;  unmittelbar  zu 
seiner  Linken  liegt  der  grosse  Tempel. 

»   Taf.     Vlll. 

Die  Kirche  des  heiligen  Zaccharias  ^   grösstentheils  aus 
allen  Bruchslücken  erbaut. 

Die  zwei  grossen  runden  Steine  waren  wahr- 
scheinlich Basen  von  Säulen.  Das  zusammengesetzte 
Capital,  das  wir  über  ihnen  dargestellt  haben,  ist 
ietzt  in  die  Seitenmauer  der  Kirche  eingemauert. 
Auch  der  Altar  in  der  Kirche  ist  aus  alter  Zeit  und 


ZWEITES    CAPITEL.  17 

trägt  eine  Inschrift.  An  der  Wand  ,  \telche  die  Sa- 
crisleivon  dem  [lauptgebäude  der  Kirche  trennt,  die- 
nen jetzt  zwei  urngekehrte  ohngefähr  acht  Fuss  hohe 
mit  Sorgfalt  aus  Marmor  gearbeitete  Fackeln  (torches) 
zu  Thürpfosten. 


Zweites     Capitel. 

Die   Propyläen, 

JL/as  Vorrhild  dieses  schönen  Gebäudes  sieht  man  noch 
in  i\en  Propyläen  auf  der  Burg  zu  y4then,  von  M'^elchen 
das  mit  grossem  Fleiss ausgearbeitete  schätzbare  Werk 
über  die  Alterlhütner  dieses  interessanten  Ortes  die 
Pläne  und  einzelnen  Ausführungen  enthält,  deren 
"elreue  JMillheilung  das  Publicum  wiederum  der  Ge- 
Seilschaft  der  Dileltanti  "verdankt.  {') 

Der  unermüdliche  Verfasser  des  genannten  Wer- 
kes wurde  nämlich  durch  dasimmerleidenschafllicher 
und  slürinis'cher  werdende  Parteiwesen  gezwungen, 
Athen  zu  verlassen,  bevor  er  seine  Arbeiten  hatte 
vollenden  können;  widerstrebend  und  mit  Schmerz 
schied  ervon  Griechenland,  ohne  geometrische  Zeich- 
nungen  von  den  Propyläen  aufgenommen  zu  haben. 
Plhe  der  zweite  Band  seines  Werkes  erschien,  dessen 
Herausgabe  nach  des  Verfassers  Kückkehr  nach  Eng- 
land begann,  nahm  Dr.  Chandter ,  unter  dessen  Lei- 
tung die  von  der  Gesellschaft  der  Dilettanti  ausge- 
sandten Künstler  standen  ,  nachdem  er  einen  bedeu- 
tenden 1'heil  der  Kleinasiatischen   Küste  untersucht 


(1)  Stiiarfs  Altcrthümor,  Tlieil  II     (S,  224   des  ersten  Bandes 
der  Deutschen  Ausg.  bei  Lcskc.) 

Alt.  Alt.  2 


18  ZWEITES    CAPITEL. 

hatte,  seinen  Rückweg  über  Athen  und  war  so  glück- 
lich, das  ergänzen  zu  können  ,  was  seine  Vorgänger 
unvollendet  gelassen  hatten. 

Das  Wesen  der  Griechischen  Baukunst  war  in 
jener  Periodeden  Europäischen  Künstlern  noch  ganz- 
lieh  neu  und  daher  kam  es,  dass  mehrere  Eigenthüm- 
lichkeiten  des  ungewöhnlichen  Baustyls  theils  über- 
sehen, theils  nicht  untersucht  wurden.  Einen  reich- 
lichen Ersatz  für  jene  Mangelhaftigkeit  glauben  wir 
durch  die  gegenwärtige  Mittheilung  zu  geben. 

Spricht  man  von  der  Aehnlichkeit,  die  zwischen 
den  Propyläen  von  Athen  und  denen  von  Eleusis  statt 
finden  soll,  so  darf  man  nicht  übersehen,  dass  nur 
das  Miltelgebäude  der  ersteren  bei  der  Verglei- 
chung  berücksichtigt  wird;  denn  die  angefügten  Ge- 
bäude, obgleich  mit  ihm  durch  Mauern  verbunden 
und  zu  derselben  Zeit  aufgeführt ,  sind  als  zwei  ganz 
besondere  zu  betrachten.  Ihr  Zweck  hat  nicht  den 
geringsten  Bezug  mit  der  Bestimmung  des  beinahe 
isolirlen  d.  h.  für  sich  bestehenden  Portals  zwischen 
ihnen.  Pausanias  C^)  meldet  uns,  dass  das  eine  von 
ihnen  und  zwar  das,  welches  bei  dem  Eintritt  in  die 
Burg  zur  Rechten  liegt,  der  Tempel  der  Nike  apteros 
oder  unbejlügelten  Victoria  {^^  und  das  andere  eine  Ca- 
pelle  (chapel)  gewesen  sei,  die  einige  von  den  Gemäl- 
den des  Polygnot  enthalten  habe. 

Man  muss  ferner  bemerken  ,  dass  die  Propyläen 
zu  Athen  nicht  auf  einem  für  sie  applanirten  Grund 
errichtet  waren ;  denn  da  der  Felsen  sich  hier  Aveit 
steiler  als  in  Eleusis  erhob,  so  musste  man  verschiedne 


(2)  Lil).  I.  Cap.  22.  §.  4  und  6. 
■     (ä)  Nach  Leake  in  Kruse^s    Hellas    Thl.    II.  S.  82.    diente  der 
rechte  Fliigel  zur  Vcrtheidigung  ,    war   also    ein    Tf^achtposten    der 
Vorhalle.  —  Ausfiihrlich  wird  über  die  Lage  des  Tempels  der  un- 
beflügeltcn  Siegesgöttin  bei  Stuart  Thl.  II.  Cap.  V.   gehaudelt.     W. 


ZWEITES  CAPITEL.  19 

Grundebenen  annehmen.  An  der  Qnernriauer,  welche 
die  äussere  Halle  von  der  inneren  scheidet  und  fünf 
Eingänge  hat,  stand  das  Gebäude  auf  höherem  Grund; 
wollte  man  in  die  Akropolis  eintreten,  so  stieg  man 
fünf  Stufen  hinan. 

Die  Eleusinischen  Propyläen  hatten  in  dieser 
Hinsicht  vor  jenem  Gebäude,  mit  dem  sie  gleichsam 
wetteifern  sollten,  einengrossen  Vorzug.  Was  man 
indessen  hierdurch  für  den  allgemeinen  Eindruck  ge- 
w^onnen  hatte,  wurde  durch  den  Mangel  der  hohen 
Vollendung,  die  bei  der  Ausführung  der  Atheni- 
schen Gebäude  so  bewundernswerth  ist,  wieder 
ein^ebüsst.  Dieser  Mangel  einer  feinen  Ausarbeitung 
ist  indessen  wohl  nicht  einem  Mangel  an  Kunstfertig- 
keit zuzuschreiben  und  noch  weniger  einem  strengen 
Sparsystem,  indem  hier  die  Nägel  und  Klammern, 
deren  Gebrauch  bei  den  Alten  so  vielfach  war,  an 
den  Stellen,  wo  sie  an  den  Athenischen  Gebäuden  von 
Eisen  sind,    aus  Messing  (brass)  gemacht  waren.  (') 

Nicht  nur  in  den  Verhältnissen,  sondern  auch  in 
den  wirklichen  Massen  fand  man  sowohl  im  Allge- 
meinen als  im  Einzelnen  an  beiden  Gebäuden  überall, 
wo  die  sich  entsprechenden  Theile  an  beiden  noch 
vorhanden  sind  und  eine  Vergleichungzuliessen,  eine 
äusserst  merkwürdige  Uebereinstimmnng.  Die  Ver- 
schiedenheit in  der  wirklichen  Grösse  ist  allein  von 
der  Art,  wie  sie  sich  bei  der  Ausführung  eines  und 
dessselben  Planes  an  verschiedenen  Orten  da  zu  erge- 
ben ])(legt,  wo  ein  unbedeutender  Unterschied  in  den 
landesüblichen  (Musler  oder  Aich)  Massen  statt  fin- 
det, indem  man  annimmt,  dass  der  Eleusinische  Fuss 
um  V350    Pheil  grösser  als   der  Athenische  gewesen 

(4)  ,, Eisen  vcriirsachf,  an  dem  Maruior  HosKltcken."  Win- 
ckelinann,  Anniork.  über  d.  Bank.  d.  AU.  in  der  neuesten  Dresd- 
ner Aiisir.  seiner  Werke  Bd.  I.  S.  356.  W. 

2^ 


20  ZWEITES   CAPITEL. 

ist.  Diese  gleichmässige  Nachbildung,  vorausgesetzt, 
dass  sie  durch  das  Ganze  ging,  unterstützt  uns  gar 
sehr  bei  dem  Ergänzen  des  Planes,  welchen  man  nach 
genauem  Studium  der  beiden  Gebäude  wohl  noch 
vollständig  vorlegen  kann. 

Das  einzige  Mass,  von  dem  wir  uns  bei  dem 
Gebäude  keine  bestimmte  Kenntniss  verschaffen  konn- 
ten ,  war  die  Höhe  der  Säulen  und  zwar  keineswegs, 
weil  nicht  mehrere  Stücke,  aus  denen  sie  zusammen- 
gesetzt w^aren,  vorhanden  sindj  sondern  weil  darüber 
liegende  Blöcke  des  Gebälks  und  der  Felderdecke  uns 
nicht  zu  diesen  gelangen  liessen. 

Weniger  Schwierigkeit  hatte  es,  die  einzelnen 
Theile  der  Felderdecke  aus  den  herabsrefallenen 
Stücken  wieder  zu  construiren,  und  diese  Restauration, 
die  sich  bei  den  Ruinen  der  Athenischen  Propyläen 
nicht  bewerkstelligen  liess,  ist  um  so  wichtiger,  je 
mehr  uns  die  Bewunderung  des  Pausanias,  die  er 
bei  dem  Anblick  der  zum  Vorbild  dienenden  Athe- 
nischen Decke  ausspricht,  (^)  einen  hohen  Grad  von 
Geschicklichkeit  und  Kunstfertigkeit  in  ihrer  Con- 
struction  erwarten  lässt.  Und  in  dieser  Erwartung 
haben  wir  uns  nicht  getäuscht  gefunden. 

Betrachten  wir  die  intepessanten  Gebäude  von 
Eleusis  im  Einzelnen,  so  tritt  uns  zuerst  als  neu  die 
Art  und  Weise  entgegen,  wie  diese  mit  ziegeiförmigen 
Marmorplatten  gedeckt  sind.  Den  Werth  dieser  sinn- 
reichen Einrichtung  schlug  man  in  Griechenland  so 
hoch  an,  dass  man  den  Eründer  durch  eine  Bildsäule 
ehrte  und  den  Namen  desselben  durch  eine  Inschrift, 

(5)  Lib.  I.  Cap.  22.  §.  4 :  Tu  di  nQoniXuiu  U&ov  Xtvy.ou 
rr^v  oooqiriv  5/ft,  y.al  xoa^o)  y.ul  (.(tyi&fi.  rwv  }.10-(üv  ftf'/Qi  yt  xul  ifxou 
jigoelxf.  (Die  Propyläen  sind  mit  weissem  Marmor  gewölbt  und 
noch  jetzt  durch  die  Schönheit  und  Grösse  der  Marmorstückc  aus- 
gezeichnet.) 


ZWEITES   CAPITEL.  21 

die  uns  Pausanias  erhalten  hat,  zur  Kunde  der  Nach- 
welt brac,hte.  B;yzes  von  Naxos ,  der  als  solcher  ge- 
rühmt wird,  war  ein  Zeilgenosse  des  Solon  und  blühte 
ura  das  Jahr  580  vor  Chr.  Geb.   (^) 

Das  Verdienstliche  oder  Zweckmässige  derErfin- 
dung  besieht  darin,  dass  sie  ein  Mittel  zeigte,  Feuch- 
tigkeit und  Nässe,  vorzüglich  zwischen  den  Fugen 
der  an  einander  stossenden  Ziegel,  abzuhalten.  Diess 
bewirkte  man  dadurch,  dass  man  über  den  an  einan- 
der stossenden  Fugenderplatten  Ziegel,  welche  vor- 
her so  in  Reihen  übereinander  gelegt  waren  ,  dass  der 
höhere  über '^den  zunächst  unter  ihm  liegenden  etwas 
überschlug,  in  einer  fortlautenden  Linie  von  der  Firste 
bis  zur  Dachtraufe  schmale  Bindeziegel  C)  befestigte. 

Die  Construclion  dieser  harnii  werden  wir  in 
diesem  Capilel  noch  naher  angeben. 

Ein  Unterbau  aus  porösem  Stein  las:  in  reselmäs- 
sigen  Schichten  über  der  ganzen  von  dem  Gebäude 
eingenommenen  Grundfläche. 

Der  Fussboden  ,  die  Stufen,  alle  Theile  des  Un- 
terbans, so  wie  die  Ziegel  des  Dachs  waren  aus  feinem 
Pentelischem  ölarmor.  Der  Fussboden  besteht  aus 
Platten,  die  beinahe  sechs  Fuss  ins  Gevierte  haben 
und  mehr  als  zehn  Zoll  dick  sind;  er  ist  so  kiinst- 
mässig  ztisammengeselzl,  dass  man  an  manchen  Stel- 
len die  Fugen  nicht  wahrnehmen  kann.  (")  Die  Lagen 
zunächst  der  DJauern  scheinen  eingesetzt  worden  zu 
sein,  ehe  die  iMauern  aufgeführt  wurden. 

(6)  PAnsan.  Lih.  V.  Cap.  10.  §.  2. 

(7)  Diese  Ziegel  heisscn  in  der  Athenischen  Baiiinschriff  uQtwf. 
\  }  (8)  Diese  genaue"  Fiignng  der  winkehccht  und  scharf  behaue- 
nen  Steine,  wodurch  die  Fugen  derselben  wie  ein  diinner  Faden, 
oder  grössere  izusainmengesetzte  Flaclien  wie  aus  Einem  SJückc 
gemacht  zu  sein  scheinen,  ist  cS ,  welche  bei  den  Alt^n  uQfiovCa 
oder  aqfioyn  heisst.  Vgl.  Stuart  in  der  Deutschen  Ausg.  Bd.  I. 
S.  351.     Winckelmann  a.  a.  O.  W. 


22  ZWEITES    CAPlTfiL. 

Taf.     1. 
Grundriss  der  Propyläen. 

Sechs  Stufen  liesen  vor  der  Nord-  oder  äusseren 
Seite  des  Gebäudes;  sie  laufen  zu  beiden  Seiten  der 
Ecksäulen  hin  und  endigen  an  der  Ringmauer.  Die 
untere  Stufe  ist  höher  und  breiter  als  die  übrigen. 
Die  Länge  der  obersten  Stufe,  auf  welcher  die  Säulen 
der  Halle  stehen,  beträgt  69  8  1.  Unten  um  jede 
Säule  sieht  man  im  Fussboden  einen  runden  Aus- 
schnitt, der  einen  halben  Zoll  tief  ist  und  einen  etwas 
grösseren  Durchiresser  hat  als  die  Säule.  Eine  ähn- 
liche Vertiefung  bemerkt  man  auf  den  Stufen  an  den 
Flügeln  der  Athenischen  Propyläen  und  an  man- 
chen andern  Griechischen  Gebäuden.  Man  hat  ver- 
muthet,  diese  Vertiefungen  seien  desswegen  ange- 
legt worden  ,  um  das  an  den  Rinnen  der  Cannelirun- 
S,en  herabtriefende  Resenwasser  aufzunehmen  und 
nach  vornen  hin  ablaufen  zu  lassen.  Bei  einigen  Ge- 
bäuden haben  jedoch  diese  Vertiefungen  keine  OefF- 
nung  nach  der  Vorderseite  der  Stufen  hin;  Andere 
haben  sichdarum  vorgestellt,  die  Tiefe  des  Ausschnitts 
bezeichne  die  Grundlinie,  bis  zu  welcher  herab  der 
Fussboden  der  Halle  sollte  bearbeitet  -werden  ;  allein 
man  trifft  solche  Vertiefungen  auch  an  Gebäuden,  in 
welchen  der  Fussboden  vollkommen  glatt  gearbeitet 
und  vollendet  ist. 

Die  unteren  Stücke  der  Säule  an  der  südwest- 
lichen Ecke  des  Gebäudes,  neun  Fuss  hoch,  standen 
noch  an  ihrer  Stelle  und  waren  sehr  gut  erhalten. 

A.  Die  Mauer  des  äusseren  Tempelhofes,  deren  Uicke 
man  nicht  bestimmen  konnte. 

B.  Die  Säule  an  der  Südwestecke  des  Gebäudes,  von 
welcher  man  noch  drei  Schichten  in  eine  neuere 
Ölauer  von  bedeutender  Dicke  eingemauert  gefun- 
den hat. 


ZWEITES   CAPITEL.  23 

d 
im  Fussboden. 


C.  Eine  zwei  und  einen  halben  Zoll  liefe  Oellnunjr 


Taf.    II. 

Ergänzter  Aufriss  der  Nordseite. 

üie  Säulen  verjüngen  sich  von  dem  Boden  bis 
zur  Höhe  in  einer  etwas  convexen  Linie.  Der  Durch- 
messer der  Kcksäule  beträgt  auf  dem  Boden  :  b'  l" 
33G  und  in  einer  Höhe  von  sechs  und  einem  halben 
Fuss  von  der  oberen  Stufe  ab:  4  l"  1,  was  um  drei 
Viertel  Zoll  mehr  ist,  als  die  Verjüngung  nach  einer 
geraden  Linie  würde  ausgemacht  haben,  vorausge- 
setzt dass  die  Säulen  so  hoch  waren,  als  die  an  den 
Propyläen  zu  Athen. 

Die  Neigung  des  Giebels  haben  wir  nach  dem 
aus  dem  Giebelfelde  noch  vorhandenen  Mittelstein 
bestimmt,  welcher  mit  dem  Brustbild  eines  Priesters 
oder  Ilierophanten  im  Ilaut-Helief  und  mit  einer  run- 
den Einfassung  verziert  ist.  Der  Kopt  ist  verslüm- 
melt, man  sieht  aber  noch  den  von  den  Prieslern  ge- 
wöhnlich getragenen  pileus  oder  die  JMütze  mit  dem 
Busche  (tufled  cap).  Auf  dem  Zipfel  seines  Gewan- 
des ist  ein  doppelt  geschwänzter  Triton  vorgestellt. 

Taf.    HL 

Ergänzter  Seitenaufriss  des  Gebäudes. 
Dieser  Aufriss  zeigt,  wie  man  das  Dach  mit  deii 
Marmorziegeln  deckte,  welche  man  an  das  Balken- 
gerüst befestigte.  Die  an  dem  Ende  abgerundeten 
aufrecht  siehenden  Stückean  der  Dachlraufeschlossen 
die  Reihe  der  mit  den  Platlziegeln  abwechselnden 
Bindeziegel ;  die  Verzierung  auf  denselben  war  be- 
malt. Die  Glieder,  welche  die  Capitäle  der  Anten 
bildeten,  waren  unter  dem  Archilrav  an  den  Seilen- 
mauern  festgesetzt  und  ebenso  liefen  die  unleren 
Glieder  der  Anten  an  den  äusseren  Mauern  fort.  Die 
Marmorschichle,  an  welcher  diese  gearbeitet  Ovaren, 


24  ZWEITES    CAPITEL. 

hatte  eine  Höhe  von  beinahe  drei  Fuss  neun  Zoll ; 
die  andern  über  ihr  waren  bedeutend  niedriger. 

Die  Höhe  derUmfangsrnauern,  von  welchen  man 
hier  einen  Durchschnitt  sieht,  haben  wir  nach  unse- 
rer Vermulhung  angegeben;  eben  so  stützt  sich  die 
darauf  liegende  Mauerkappe  auf  keine  Autorität. 

Taf.     IV. 
Capital  und  Gebälk  der  äusseren  Ordnung, 

Die  Trauf  Bindeziegel  endigten  mit  in  die  Höhe 
stehenden  Seiten,  die  zuerst  an  den  Enden -gerundet 
und  dann  gezähnt  oder  welleni'örmig  ausgeschnitten 
waren.  Di«  Verzierung,  die  ehemals  darauf  gemalt 
war,  ist  beinahe  ganz  verschwunden.  Die  untere 
Reihe  der  Ziegel  besteht  aus  Plallen,  die  zweimal  so 
lang  sind  als  die  der  übrigen.  Die  Verbindung  oder 
Fuge  war  über  der  Mitte  der  einzelnen  Triglyphe. 

A.  Durchschnitt  des  unteren  Theils  der  Säule 
durch  die  iMilte  einer  der  Cannelirungen,  wobei  man 
die  Vertiefung  ia  dem  Fussboden  sieht,  in  welcher 
die  Säule  stand. 

Taf.    V. 
Capital  der  Anten  und  Durchschnitt  durch  das  Gebälk 
der  Nordseite, 
Fig.  1.     Der  obere  Theil  des  Kranzes,  der  eben  ge- 
legt ist,  um  die    Platten   der  unteren   Ueihe 
der  Marmorziegel  aufzunehmen. 
Fig.  II.  Das  oberste  Glied    (cymalium)  des  Kranzes 

in  grösserem  Massslabe. 
Fig.  ni.  Das   unlere  Glied    des    Kranzes   mit   einem 

Theil  der  Dielenköpfe  (mntule). 
Fig.  IV.  Base   und  Capital  der  Anten  in   grösserem 
Masslabe. 

Taf.      VI. 

Durchschnitt  der  Anten  und  des  Gebälks  der  Südseite, 
Fig.  1.     Capital  der  Anten. 


ZWEITES    CAUTEL.  25 

A.  A.  Durchschnitt  durch  die  Marmorziegel. 

B.  ß.  Die  Harmi  oder  ßindeziegel. 

C.  C.  Die  hinlere   Seile  des  cymatium  des 

Giebels. 

D.  Profil  der  Trauf  ßindeziegel. 

E.  Durchschnitt  des  Blocks,  in  welchem 
das  cymatium  des  Giebels  gearbeitet 
war. 

Fig.  II.   Cymatium  des  Kranzes  in^grösserem  MasS' 

Stabe. 
Fig.  111.  Grundriss  der  Säulen  auf  der  Nordseite,  in 

der  Höhe  und  an  dem  Grund  des  Schaftes. 
F*!«?.  IV.  Grundriss  der  Cannelirungen  der  Säulen. 
Fig.  V.    Cymatium  des  inneren  Frieses. 
Fig.  Vi.  Verzierungsglied,  das  an  der  inneren  Seite 

der  Mauer  in  Einer  Linie  mit  den  Antenca- 

pitälen  forllault. 

Taf.     Vir. 

Ausführungen  einzelner  Theile  des  Gebäudes. 

Fig.  I.  Grundriss  der  Säulenin  der  südlichen  Halle, 
in  der  Höhe  und  am  Boden  des  Schaftes. 

Fig.  II.    Aijfriss  der  Capiläle  derselben. 

Fig.  111.  Durchschnitt  durch  den  eilörmigen  Theil 
(ovals)  und  die  Kiemen  (annulels)  desCapiläls. 

Fig.  IV.  Das  Auslaufen  der  Cann^lirungen  unter  den 
Riemen  des  Capiläls. 

Fig.  V.  Durchschnitt  durch  den  eiförmigen  Theil 
und  die  Iliemen  der  Capiläle  auf  der  Nordseile. 

Fig.  Vi.  D;is  Auslaufen  der  Cannelirungen  unter  den 
i\iemen. 

Fig.  VII.  Vorderseite,  Profil  und  Durchschnitt  des 
oberen  Thfiils  der  Trigly[)he.  In  dem  Mar- 
morist allein  die  Linie  A  an  dem  Umbiegen 
des  Triglyphs  bezeichnet. 


26  ZWEITES    CAPITEL. 

Taf.  vm. 

Einzelne   Theile  des  Kranzes  und  Daches, 
Fig.  1.     Durchschnitt  durch  den  Kranz  der  Giebel. 

A.  Der  Ziegel,  welcher  das  cymatium  bildet. 
ß.  Einer  der  gewöhnlichen  Ziegel. 
C.  Durchschnitt  des  ßindeziegels  ,  welcher 
die  Fuge  von  zwei  gewöhnlichen  Ziegeln 
deckt. 
Fig.  11.    Durchschnitt  des  cymatium,    ein  Drittel  so 
gross  als  in  der  Wirklichkeit. 

A.  Durchschnitt  des  cymatium  an  dem  an- 
deren Ende  desselben  Ziegels,  wo  der 
zunächstliegende  Ziegel  über  ihn  schlug. 

B.  Der  aufrecht  stehende  Theil  des  Ziegels, 
der  das  cymatium   bildet. 

Fig.  111.  Der  untere  Theil    des    Giebelkranzes,     ein 

Drittel  so  gross  als  in  der  Wirklichkeit. 
Fig.  IV.  Grundriss  des  Triglyphs  und  der  Sohlte  des 

Kranzes  an  den  Seiten  des  Gebäudes. 
Fig.   V.    Ende  der  Traufziegel,  auf  welche  ursprüng- 
lich der  Lotus  gemalt  war. 
Fig.  VI.  Profil  desselben. 

A.  Durchschnitt  des  hinaufJaufenden  Ober- 
iheils  des  Kranzes,     der   die   Lage  der 
Traufziegel  bestimmt,     an    welche  die 
Bindeziegel  durch  Pflöcke  befestigt  sind. 
ß.  Durchschnitt  durch  den  Kranz. 
Fig.  Vll.  Durchschnitt  durch  die  Marmorbalken,  wel- 
che die  Felderdecken  der  Hallen  tragen. 
Fig.  Vlll.  Die  ßase  und  der  Untersatz  eines  Fussge- 
stells ,    das  man  unter  den  Ruinen  auf  der 
Nordseite  des  Gebäudes  fand. 

Taf.     IX. 

Grundriss  der  Decke. 

Die  Balken  der   Decke  werden  von  den  Archi- 

traven  der  inneren  Säulenreihen  und  von  den  Seiten- 

mauern  der  Gebäude  getragen.      Die  Länge  der  Bai- 


ZWElTfed    CAt»ltEL.  27 

ken  über  den  Seitenabtheilungen  betrug  beinahe  drei- 
undzwanzig Fuss;  sie  waren  drei  Fuss  breit  und  zwei 
und  einen  halben  Fuss  dick;  ein  jeder  wog  ohngefähr 
elf  Tonnen.  Die  dazwischen  liegenden  Felder  waren 
aus  Platten  von  vier  Fuss  Länge,  sechszehn  Zoll  Breite 
und  neun  Zoll  Tiefe  zusammengesetzt.  Jede  Platte 
bildete  zwei  Felder,  nur  die  Felder  an  den  Eingängen 
bestanden  aus  besonderen  Plalteä. 

Taf.     X. 
Einzelne  Theile  der  Decke. 
Fig.  I.     Eine  Abtheilung    der  F'elderdecke  von  der 
südlichen  Halle. 
A.  Der  Theil  der  Platten,    der  auf  den  Bal- 
ken ruhte  und  nicht  glatt  gearbeitet  war. 
Fig.  II.    Durchschnitt  durch  die  Felder  der  Decke. 
{"ig.  111.  Eine  Abtheilung  der  Felderdecke  von   der 

nördlichen  Halle. 
Fiff.  YV,  Durchschnitt  durch  die  Felder  der  Decke. 
Fi«:.  V.   Die  Felderdecke  mit  Einer  Reihe  von  Fei- 
dern,    welche  an   die  Scheidemauer    stösst. 
Die  Felder  sind  Parallelo<;ramme. 
Fig.  VI.  Die  sternlörroiire  Figur  auf  dem  Grunde  und 
die  auf   die  Glieder    der    Felder    gemalten 
VerzieruDiien.  Aiii  einigender  Fragmente  hat 
sich  die  grüne  Farbe  noch  sehr  frisch  erhalten. 

Taf.     XI. 

Längendurchschnitt  durch  die  Mitte  des  Gebäudes. 
Die  Ionischen  Säulen  haben  3.  4.  6  im  Durch- 
messer und  ihre  Höhe  musste  32.  6  betragen  haben, 
wofern  die  Säulen  der  Hallen  gleich  hoch  mit  denen 
an  den  Propyläen  zu  Athen  waren.  Die  Basen  sind 
aus  viereckigen.  Blöcken  herausgearbeitet,  welche 
durch  den  JMarmorboden  durchlaufen  und  über  den 
aus  weichem  Stein  bestehenden  Unterbau  gelegt  sind, 
welcher  die  ganze  von  dem  Gebäude  eingenomiaene 
Grundiläche  bedeckt.  ' 


28  ZWEITES    CAPITEL. 

"  Die  Höhe  der  Thüre  in  der  Quermauer  haben 
wir  nach  Vermuthung  angegeben. 

Die  Architrave  der  ionischen  Säulen  bestehen  aus 
einzelnen  Steinen,  deren  Fugen  über  der  Mitte  der 
Säulen  zusammenstossen.  Ihre  Sofitte  ist  breiter  als 
der  untere  Durchmesser  der  Säulen.  Die  Capitäle 
springen  ungewöhnlich  weit  hervor.  Die  Schäfte  ver- 
jüngen sich  um  mehr  als  ein  Sechstheil  ihres  unteren 
Durchmessers. 

Man  sieht  auf  dieser  Tafel  auch  den  Durchschnitt 
des  mittleren  zum  Giebelfelde  gehörigen  Blocks.  Der 
Künstler,  der  die  Figur  auf  demselben  zu  restauriren 
unternahm,  glaubte,  es  wenJe  hier  ein  Krieger  vor- 
gestellt, und  hielt  dieKappe  fälschlich  für  einen  Helm. 

Taf.      Xil. 
Querdurchschnitt  durch  die  nördliche  Halle. 
Die  Höhe  der  Thüren  ist  nach  Vermuthung  an- 
gegeben. 

Taf.     XIII. 
Querdurchschnitt  durch  die   südliche  Halle» 

Taf.     XIV. 
Die  Ordnung  der  inneren  Säulen, 

A.  Der  Marmorboden  der  Halle. 

B.  Der  viereckige  Block,  aus  welchem  die  Base  ge- 
arbeitet ist. 

C.  Durchschnitt  durch  einen  Balken  der  Decke  in  der 
nördlichen  Halle. 

D.  Durchschnitt  durch  ein  Feld  der  Decke. 

Taf.    XV. 

Einzelne  ausgeführte  Theile  der  inneren  Ordnung. 

Fig.  1.    Profil  des  Capitäls  und  Durchschnitt  durch 

den  Architrav. 
Fig.  n.    Grundriss  des  Capitäls;    die   eine  Hälfte  ist 
unter  dem  Stabe  (astragal),    die  andere  über 
dem  Säulendeckel  (abacus)  aufgenommen. 


ZWEITES    CAPITEL.  29 

a.  a.  Pflocklöcherin  dem  Säulendeckel,  vier 
Zoll  weit  ins  Gevierte,  drei  und  einen 
halben  Zoll  tief, 
b.  Ein  vier  Zoll  tiefes  Loch,    das  unten 
weiter  ist  als  an  der  Oberseile  des  De- 
ckels,   in  das  man  einen  Hebel  oder 
ein  anderes  Werkzeug  steckte,  um  das 
Capital  auf  seine  Stelle  zu  erheben, 
c.  c.  Enge  Kinnen,    durch  welche  Blei  in 
die  Pflocklöcher  gegossen  wurde,  wann 
die  Architrave  aufgesetzt  waren. 
Fig.  Jli.  Durchschnitt  durch  das  Capital,  vermittelstei- 
nerEbene,  die  von  vornen  durch  die  Mitte  ging, 
Fiff.  IV.  Durchschnitt    desselben,     vermittelst    einer 
Ebene,  welche  die  Mitte   der  Seite  durch- 
schnitt. 
Fig.  V.   Der  obere  Pfuhl  (torus)  und  die  Einziehung 
(scotia)  der  Base,  ein  Viertel  so  gross  als  in 
der  Wirklichkeit. 

Taf:    XVI. 
Einzelne  ausgeführte  Theile  von  den  Capitälen  der  inneren 

Ordnung. 
Fig.  1.     Umriss  der  Schnecke,    ein   Viertel  so  gross 

als  in  der  Wirklichkeit. 
Fig.  II.    Vertical- Durchschnitt  durch  die  Schnecke. 
Fig.  III.  Horizontal-  Durchschnitt  durch  dieselbe. 
Fig.  IV.  Vertical  Durchschnitt  durch    die  Mitte    des 

Capiläls. 
Fig.  V.  Durchschnitt  durch  die  baltei  oder  Bänder 

auf  der  Seite  der  Schnecke. 
Fig.  VI.  Durchschnitt    durch    eine    Cannelirung  der 

Siiiilen. 
Fiff.  VII.  Durchschnitt  durch  das  architravirte  Sims- 

werk  an  den  Eingängen  zu  beiden  Seiten  von 

dem  mittleren. 


30  DRITTES    CAPITEL. 

Pig.  Vni.  Durchschnitt  des  architravirten  Simswerk« 

an  dem  mittleren  Eingange. 
Fig.  IX.  Durchschnitt  durch  das    architravirte  Sims- 

•vrerkan  den  kleineren  Thüren,  der  das  Knie 

zeigt. 


Drittes   Capitel. 

Die     innere    Eingangshalle, 

Unter  allen  Gebäuden  in  Eleusishal  die  Pforte,  welche 
zu  dem  inneren  Hofe  des  grossen  Tempels  führte,  die 
meiste  Eigenthümlichkeit.  DerFussboden  dieses  Ge- 
bäudes hat  sich  noch  fast  vollkommen  erhalten.  Ein 
Theil  desselben  war  eine  abhängige  Ebejie  und  hatte 
Rinnen  oder  Gleisse,  die  von  Rollen  oder  Rädern 
stark  ausgefahren  sind;  wesswegen  die  von  der  Ge- 
sellschaftausgesandten Künstler  vermutheten,  es  müsse 
hier  ursprünglich  noch  eine  zweite  Ausfahrt  in  den 
äusseren  Tempfelhof  für  Wagen  gewesen  sein;  die 
Spuren  dieser  Räder  glaubten  sie  in  dem  Fussboden 
dieses  Gebäudes  entdeckt  zu  haben. 

Dieser  Vermutliung  stehen  indessen  zwei  Ein- 
w^ürfe  entgegen  ,  von  welchen  der  eine  nicht  leicht 
beseitigt  werden  wird.  Fürs  Erste  konnte  man  keine 
Spuren  eines  weiteren  Einganges  entdecken  und  zwei- 
tens ist  der  gleichliegende  Fussboden  nebst  den  zwei 
Stufen  vordem  Gebäude  vollkommen  glatt  und  nur 
der  Theil  des  Fussbodens  von  den  Säulen  bis  zu  den 
Thorpfosten,  der  sich  von  dem  Thorweg  gegen  den 
ebenen  Fussboden  absenkt,  hatte  Rinnen  qnd  war 
durch  die  Bewegung  der  Räder  ausgefahren ;  woraus 
denn  hervorgeht,  dass  die  Maschine,  deren  Lauf 
durch  die  Spur  der  Räder  bezeichnet  wird,  eine  be- 


DRITTES   CAPITEL.  31 

schränkte  Bahn  über  die  dafür  eingerichtete  Grund- 
fläche hatte. 

Erwägen  wir  die  Beschaffenheit  der  Eleusinischen 
Mysterien,  so  wie  dieselben  von  alten  Schriftstellern 
geschildert  werden,  und  die  Unschuldsproben  (or- 
deals),  denen  sich  die  Einzuweihenden  unterwerfen 
mussten,  so  sind  wir  berechtigt,  hier  bei  dem  Eintritt 
in  den  heiligeren  Baum  eine  von  den  Schreckenser- 
scheinungen  zu  erwarten,  die  man  den  nach  den  Ge- 
heimlehren Verlangenden  entgegen  treten  zu  lassen 
pfliegte. 

Die  Beschreibung  der  Ceremonien  bei  der  Ein- 
weihung in  das  Heiligthum  der  Isis  in  Aegypten, 
welche  den  in  Eleusis  gebräuchlichen  zum  Vorbild 
gedient  haben,  (*)  kann  uns,  wiewohl  in  einem  Werke 
der  Dichtung  enthalten,  doch,  weil  sie  sich  auf  alte 
Zeugnisse  stützt,  eine  Idee  von  den  letzten  Prüfungen 
geben,  denen  die  Einzuweihenden  unterworfen  wa- 
ren, und  zugleich  ein  Licht  auf  die  merkwürdigen 
Eigenthümlichkeiten  des  Gebäudes  w^erfen,  das  wir 
jetzt  betrachten.  Der  folgende  Auszug  aus  dem  er- 
wähnten Werke  schildert  die  Mittel,  durch  welche 
die  Priester  die  Seelen  der  Mysten  mit  Schrecken  zu 
erfüllen  suchten: 

»Au-dela  de  ce  fleuve,  j'apercus,  sous  une  arcade, 
des  marches  qui  se  perdoient  dansles  tenebres,  et  de 
chaque  cot^  deux  ballustrades  de  fer  qui  les  accom- 
pagnoient.     Je  vis  bien  que  c'etoit  lechemin  qu'il  me 

(l)  ,,Les  niysteres  de  Ceres,  suivant  Lactaiicc ,  soiit  pn-sfjiio 
sciubhihlcs  ä  ccuix  d'Isis  ;  la  CtTcs  attique  est  la  m^me  divinitc 
qiic  risis  i'ji;yptirnnc  (Hcroclot.  II,  59)  et  celtc  dcrnicrc  ötoit  la 
sciile  cn  Ki,M|>tc  fjiic,  du  tcins  d'IIcrodoto  ,  ciü  eu  des  inystcres. 
C'i'st  doiic  de;  cos  iiiysItTCS  «l'Isis  qiic  Ton  doit  dödiiirc  <'n  partic 
cciix  de  Ceres,"  Essai  sur  les  INIysteres  d'F.Iciisis,  p.  9.  —  (Ueber 
die  Isis-Ceres  handelt  ausfidirlich  Crcu/er  in  der  Symbolik  Tbl.  IV. 
p.  226.  458.  u.  a.  a.  O.  W.) 


32  DRITTES   CAPITEL. 

falloit  prendre.  De  crainte  que  la  lumiere  afFoiblie 
du  bücher  ne  cessät  de  m'eclairer,  je  rallumai  raa 
larnpe,  que  la  rarefaction  de  l'air  avoit  eteinte,  au 
millieu  des  flammes.  Je  me  depouillai  de  mes  habits, 
que  j'attachai  sur  raa  tete  avec  ma  ceinture,  et  je  tra- 
versai  la  riviere  ä  la  nage,  tenant  toujours  ma  lampe 
ä  lamain.  Promptement  rhabille,  je  inontai  les  raar- 
ches  de  l'arcade  et  rae  trouvai  sur  un  palier  de  six 
pieds  de  long  et  de  trois  de  large.  Le  plancher  eloit 
mobile;  les  murs  d'airain  servoient  d'appui  aux  mo- 
Yeux  de  deux  arandes  roues  de  meme  matiere,  l'une 
a  droite ,  l'autre  ä  gauche.  La  partie  superieure  de 
ces  roues  etoit  chargee  de  grosses  chaines.  Je  voyois 
sur  ma  tele  trois  grandes  concavites,  tenebreuses,  et 
devant  moi,  une  porte  couverle  de  l'ivoire  le  plus 
blanc;  j'essayai  plusieurs  fois  de  l'ouvrir,  mais  vai- 
nement;  j'elois  fort  ernbarass^. 

Enfin,  j'aper^ois  au  haut  de  la  porte  deux  anneaux 
tres  brillans.  J'y  porte  les  mains  pour  voir  si,  en  les 
tirant,  la  porte  s'ouvriroit;  c'eloit  Ja  derniere  epreuve, 
mais  la  plus  terrible.  Au  premier  mouvement  des 
anneaux,  les  roues  tournerent  avecun  bruit  lerrible; 
je  croyois  entendre  les  mugissemens  des  enfers,  ou 
le  Iracas  des  raondesqui  s'ecrouloient.  Frappe  de  ter- 
reur,  je  demeure  immobile  et  glace;  bienlot  je  me 
sens  vivement  secou^  par  des  oscillations  du  plancher 
qui  s'elevoit,  et  un  vent  impetueux  occasione  par  la 
rapidite  du  mouvement  des  roues.  Je  rappelle  toute 
ma  fermete;  je  m'altache  forternent  aux  anneaux.  Le 
bruit  eloit  toujours  plus  horrible.  Je  craignois  que 
tout  cet  edifice  dissous  ne  m'ecrasät  sous  ses  ruines. 
Enfin  peu  a  peu  le  bruit  s'appaisa  :  jesentis  que  je  des- 
cendois;  et  lorsque  la  porte  (')   eut  repris  sa  premiere 

(2)  Soll    es   hier  nicht  heissen :   der    Fussboden   te  plancher  ? 
Denn  von  einer  Bewegung  der  Thüren  war  früher  noch  nicht  die  Rede. 


DRITTES    CAPITEL.  33 

Position,  les  deux  battans  s'ouvrirent,  et  me  decou- 
vrirent  un  lieu  eclair^  d'une  immense  quantile  des 
lumieres. 

J'y  arrivai  au  leverdu  soleil;  j'appercus  le  boeuf 
yipis  Atrayers  les  barreaux  de  son  etable,  et  je  re- 
connus  avec  surprise  que  je  sortois  de  dessous  le  pie- 
destaldela  triple  statue  d'Osiris,  d'Isis  et  d'Horus.t  (') 

Das  Gebäude,  von  dem  wir  handeln,  war  eine 
nach  vornen  geölFnete  Vestibüle;  es  steht  um  zwei 
Stufen  höher,  als  die  Grundfläche  des  äusseren  Flof  es 
ist,  und  hat  einen  Fussboden  aus  grossen  ölarmor- 
blöcken,  der  vollkommen  glatt  gearbeitet  und  sieht- 
barlich  wenig  abgenutzt  war. 

In  der  Ouermauer  war  der  Zusranjj  zu  dem  inne- 
ren  Tempelhof  durch  ein  etwas  vorgerücktes  von  zwei 
Korinthischen  Säulen  und  ihrem  Gebälk  gebildetes 
Portal.  In  dem  Raum  zwischen  dem  Portal  und  dem 
eigentlichen  Eingangsthor  ist  der  Fussboden  eine  ge- 
neigte Ebene,  in  welche  Kinnen  von  bedeutender 
Tiefe  gearbeitet  sind.  Jenseits  des  Thors  im  Inneren 
liegt  der  Fussboden  wiederum  gleich  und  auf  je- 
der Seite  des  Eingangs  sind  zwei  lange  Fussgestelle, 
welche  an  die  Ouermauer  anstossen. 

Die  Thorllügel  musslen  sehr  massiv  und  gewich- 
tig gewesen  sein.  Die  Löcher  für  die  Zapfen,  in  wel- 
chen sie  sich  drehten,  und  die  ausgehöhlten  Zirkel- 
stücke, in  denen  sich  die  Rollen  bewegten,  lassen 
uns  auf  ein  bedeutendes  Gewicht  schliessen.  Die 
Bruchstücke  einer  Thür-  oderFenster-Ploste,  kleiner 


(3)  Voyagc  d'Antcnor,  Vol.  III.  Cap.  11. 

Wir  habon  die  Quelle  nicht  entdecken  können,  aus  der 
diese  F.rzaldung  geschöpft  ist.  Wahrschcinlicii  ist  sie  airs  Schrif- 
ten katholischer  Priester  entnommen,  welche  häufig  Gelegenheit 
nahmen,  die  ungereimten  heidnischen  Gebräuche  zu  beschreiben 
und  lächerlich  zu  machen. 

Att    Alt.  3 


34  DRITTES    CAPITEL. 

als  die  an  der  mittleren  Oeflnung,  beweisen,  dass  in 
der  Mauer  auf  jeder  Seite  des  Portals  eine  Thür  oder 
ein  Fenster  gewesen.  Da.  aber  in  dem  Fussboden 
keine  Spuren  von  Thüren  zu  finden  sind,  die  Marmor- 
blöcke aber  unten  an  der  Stelle,  wo  die Oeftnungen, 
wenn  dergleichen  da  waren,  gewesen  sein  mussten, 
allem  Anschein  nach  die  Plinthe  oder  den  Fuss  \on 
darüber  errichteten  Mauern  bildeten,  so  ist  es  mehr 
als  wahrscheinlich ,  dass  die  Oelfnungen  in  der  Höhe 
des  Gebäudes  gewesen  sind. 

Die  Maschinerie  eines  beweglichen  Fussbodens, 
wie  er  in  dem  oben  mitgetheilten  Auszüge  beschrie- 
ben wird,  konnte  vermittelst  Rollen  ausgeführt  worden 
sein,  welche  in  den  Rinnen  des  Fussbodens  hinliefen,' 
denn  bei  dem  Hin-  und  Zurückstehen  auf  der  abhän- 
gigen  Ebene  musste  man  nothwendig  zu  sinken  und 
zu  steigen  glauben. 

Innerhalb  des  Thorwegs  hat  sich  zubeiden  Seiten 
noch  eine  kleine  Rinne  oder  Grube  erhalten,  ähnlich 
den  bereits  erwähnten  ;  eben  so  sind  in  dem  Fussbo- 
den zwei  Vertiefungen ,  wie  kleine  Tröge,  ungefähr 
fünf  Zoll  tief  und  sehr  sorgfältig  ausgearbeitet,  aber 
nicht  von  gleicher  Länge.  Die  Rinnen  erstrecken 
sich  ungefähr  drei  Fuss  von  der  inneren  Fronte  der 
Vestibüle;  sie  sind  an  der  Ecke  der  Stufe  vier  Zoll 
tief;  diese  Tiefe  behalten  sie  zwei  Fuss  lang  und  he- 
ben sich  alsdann  allmählig  zur  Höhe  des  Fussbodens. 
Man  irrt  wohl  nicht,  wenn  man  annimmt,  dass  sie  für 
die  Bewegung  irgend  einer  Maschinerie  angelegt  wa- 
ren, die  auf  beiden  Seiten  als  Gegengewichte  des 
gleitenden  Rodens  beim  Eintritt  ihre  Wirkung  thun 
musste. 

Bei  der  ersten  Lage  des  beweglichen  Bodens  moch- 
ten die  Gejrensfewichte  mit  der  Ouermauer  in  Beruh- 
rung  gestanden  haben;  er  rückte  wahrscheinlich  vor, 
wenn  diese  nach  innen  nach  der  Vorderseite  der  Stufen 


DRITTES    CAPITEL.'  35 

angezogen  wurden,  nnd  wenn  daselbst  die  Rollen  der 
Gegengewichte  in  die  für  sie  eingerichteten  Vertiefun- 
gen gefallen  waren,  mochte  der  auf  der  abhängigen 
Ebene  bewegliche  Boden  verhindert  worden  sein 
zurückzugehen. 

Damit  die  Rollen  in  dieVertiefungen  sinken  konn- 
ten, musste  sich  natürlich  auch  das  Rad  fast  zu  der- 
selben Zeit  herablassen  ;  die  abhängige  Rinne  nahm 
es  auf,  ehe  die  Rollen  ihren  Ruhepunct  erreichten. 
Der  Zweck  der  eine  Zeit  lang  nur  in  den  Rinnen  sich 
bewegenden  Räderscheint  der  gewesen  zu  sein,  den 
Gegengewichten  die  gehörige  Richtung  bei  ihrer  er- 
sten Bewegung  nach  der  Quermauer  zu  geben  und 
jene  Artvon  Aufenthalt  zu  vermeiden,  der  sich  zu- 
w^eilen  beim  Zurückschieben  einer  Schublade  ergibt. 
Sobald  die  Rollen  durch  irgend  einen  kleinen  Kraft- 
aufwand von  innen  das  Hinderniss  überwunden  hat- 
ten ,  welches  die  Rinnen  ihrer  Bewegung  machten, 
so  sank  wohl  der  bewegliche  Boden  wegen  des  Drucks 
seiner  Schwere  herab  und  die  Gegengewichte  an  der 
Quermauer  erhoben  sich. 

Die  Maschinerie  dieses  täuschenden  Zug-Bodens 
(stage-trick)  w^ar  wohl  sehr  einfach,  und  scheint  an 
den  Quermauern  befestigt  gewesen  zu  sein ,  da  wir 
hier  Zurüstungen  zu  einem  Mauerwerk  finden ,  an 
welchem  sie  herabgehangen  haben  mag.  Acht  Pflock- 
löcher von  ganz  ungewöhnlicher  Grösse  und  zwar 
vier  auf  jeder  Seite  sieht  man  noch  in  den  Marmor- 
blöcken ,  w;elche  sich  hier  über  die  allgemeine  Höhe 
des  Fussbodens  erheben. 

Mit  den  kleineren  Mysterien,  welche  zu  Athen  (*) 
an  den  Ufern  des  llissus  gefeiert  wurden,  waren  wohl 


(4)  ,,Zu  Jgra  oder  Ji^vae,  einem  Orte  in  Auika  ,  am  llissus, 
zwei  bis  drei  Stadien  von  Athen."  Creuzer  in  dcrSyoiboIik.  Bd.  IV. 
S.  498.  '  W. 

3^ 


36  DRITTES    CAPITEL. 

geringere  Prüfungen  verbunden;  dem  letzten  und 
feierlichsten  Theil  der  Probe  musste  man  sich  hierin 
Eleusis  unterziehen.  Das  Volk,  das  durch  die  Vor- 
bereitungsfeier durchgeführt  war,  wurde  wahrschein- 
lich in  den  äusseren  Tempelhof  zugelassen  und  sodann 
einzeln  durch  das  mystische  Portal  in  den  inneren 
Hof  geleitet.  Wenn  alle  Aspiranten  die  letzte  Probe 
bestanden  hatten,  öffneten  sich  die  Thore  des  Tem- 
pels und  die  31ysterien  wurden  ihnen  mittelst  alle- 
gorischer Vorstellungen  oder,  wie  Andre  vermuthe- 
ten,  durch  transparente  Gemälde  enthüllt.  (^) 

Bei  den  Nachgrabungen  innerhalb  des  Raums, 
auf  dem  die  Eingangshalle  stand,  hat  manTheile  von 
mehreren  Ionischen  Säulen  samrat  ihren  Capitälen 
aufgefunden.  Sie  mochten  wohl  auf  einer  Art  von 
Zocke  (podium,  Grundstein)  längs  der  inneren  Seite 
der  Mauer  und  nicht  weit  vor  ihr  gestanden  haben, 
denn  die  Capitäle  sind  auf  einer  Seite  glatt  und  die 
Architrave  ermangeln  des  cymatium  an  einer  ihrer 
Seiten. 

Das  Bruchstück  (die  halbe  Länge)  der  kolossalen 
Statue  der  Ceres ,  das  von  Dr.  Edward  Clarhe  (im  Jahr  ' 
1802)  nach  England  gebracht  und  in  der  öifenllichen 
Bibliothek  zu  Cambridge  niedergelegt  worden  ist, 
fand  man  nahe  bei  der  inneren  Vorderseite  dieses 
Gebäudes.  (®) 


(5)  Herr  Christie  hat  auf  S.  28  ff.  seiner  geistreichen  und  ge- 
lehrten Beleuchtung  der  Geniülde  auf  alten  Vasen  eine  anspre- 
chende ISleinung  über  die  Beschaffenheit  der  Darstellungen  aufge- 
stellt, die  man  bei  der  Feier  der  Elcusinischen  Mysterien  gab. 

(6)  Dodwell  erzahlt  in  seiner  Beise  durch  Griechenland  (bei 
Sictlcr  Bd.  II.  Abth.  I.  S.  40),  wie  die  jetzigen  Bewohner  von 
Eleusis  über  den  Verlust  dieser  Statue  jammern ,  weil  der  Segen 
von  ihren  Aeckern  mit  der  Bildsaule  verschwunden  sei;  und  Kruse 
in   der  Hellas   Thl.  II.    S.  199.    criuQcrt  hier   sehr  passend   an  die 


DRITTES    CAPITEL.  37 

Taf.  I. 
Grundriss  der  Eingangshalle. 
A.  Der  gleich  liegende  Marmorboden ;  er  erstreckte 
sich  von  den  Stufen  bis  zu  der  Linie,  an  welcher 
diezwei  Säulen  vor  dem  mittleren  Eingang  stan- 
den ,  und  war  fortgesetzt  längs  der  Seilen  des 
Portals  bis  zu  der  Linie  der  sich  umbiegenden 

Stufe  n. 

ß.  Der  abhängige  Fussboden,  der  sich  von  der  Vor- 
derseite der  Säulen  gegen  den  Eingang  hin  er- 
hebt, wo  er  sechszehn  Zoll  höher  als  der  gleich 
liesrende  Fussboden  ist.  Die  in  ihn  einjjearbei- 
teten  Kinnen  oder  Gleisse  sind  durch  die  Bewe- 
gung der  Räder  oder  Rollen  stark  ausgefahren. 

C.  C.  Die  Löcher  für  die  Zapfen  der  grossen  Thor- 
Hügel. 

D.D.  Viertelkreisförmige  Vertiefungen  oder  vertiefte 
Quadranten  in  dem  Fussboden,  oiFenbar  für 
die  Rollen  des  Flügelthors. 
E.  Eine  in  dem  Fussboden  angebrachte  Rinne,  die 
an  der  Ecke  der  Stufe  zwei  Zoll  tief  ist  und 
allniählig  nach  dem  ebenen  Theil  des  Rodens 
A  hin  enger  wird;  über  den  Zweck  derselben 
hat  man  noch  keine  annehmbare  IMeinung  auf- 
gestellt. 

F.  F.  Tröge   oder  Vertiefungen  in  dem  Fussboden, 

fünf  Zoll  tief.     Sie  sind  elliptisch  ausgehauen; 
die  Arbeit  an  ihnen  sehr  sorgfältig. 

G.  G.  Vier  Zoll  tiefe  Rinnen,  die  in  einer  Entfernung 

von  zwei  Fuss  von    der  Ecke   der  Stufe    sich 
nach  dem  gleich  liegenden  Fussboden  hin  auf- 
wärts neigen. 
11.11.  Eine  Stufe  oder  ein  Sitz,   der  sich  zehn  Zoll 

Kl.i^'cn  der  Einvvohnor  von  Enna    l)oi  Wegfrihrung   der  Statue    der 
Ceres,  von  denen  Cicero  in  Vcrr.  IV,  51  redet,  W. 


38  DRITTES    CAPITEL. 

über  den  gleich  liegenden  Fussboden  erhebt; 
er  war  längs  der  Mauern  fortgesetzt,  so  weit 
man  seiner  Ausdehnung  nachspüren  konnte,  und 
lief  auch  an  der  Quermauer  fort. 
Fig.  II.  Oiierdurchschnitt  durch  das  Gebäude  in  der 
Richtung  der  Linie  K.  K. 
111.  Durchschnitt  durch  den  Fussboden  des  inne- 
ren Tempelhofs  vor  der  inneren  Fronte  des 
Gebäudes. 

Taf.     II. 
Einzelheiten  des  Gebäudes. 
Fig.  I.     Durchschnitt  von  Norden  nach  Süden  durch 
die  Mitte  des  Fussbodens. 

A.  Der  gleich  liegende  Marmorboden. 

B.  Der  gesenkte  Marrnorboden. 

C.  Ein  Grundbau  aus  porösem  Stein,  der 
sich  über  die  ganze  von  der  Eingangs- 
halle eingenommenem  Fläche  erstreckt. 

D.  Der  erhobene  Sitz  längs  der  Seiten- 
jnauern. 

Fig.  II.  Base  und  Theil  des  Schafts  von  den  zwei 
Säulen  auf  der  Vorderseite  des  Portals. 

Fig.  III.  Grundriss  der  Cannelirungen  in  der  Höhe 
und  an  der  Base   des  Schafts. 

Fig.  IV.  Durchschnitt  der  Flinlhen,  genommen  von 
der  Ecke,  wo  sie  mit  der  Stufe,  an  der  sie 
sich  erheben,  zusammenstossen. 

F'ig.  V.  Bruchstück  des  Kranzes  von  den  Säulen  des 
Portals. 

Fig.  VI.  Base  eines  der  langen  Fussgestelle  jenseits 
des  Eingangs. 

Taf.     III. 
Die   Ionische    Ordnung, 
Die  andere  Seite  der  Capitäle  war  unvollendet; 

weder  die  Schnecken,  noch  die  Eiverzierung,  noch 

der  Lotus  waren  ausg^emeisselt.    Eine  Seite  des  Ar- 


DRITTES    CAPITEL.  39 

chitravs  war  ebenfalls  noch  glatt.  Die  Hinterseite 
des  cymalium  des  Kranzes  war  ausgehöhlt,  um  eine 
Dachrinne  zu  bilden,  und  die  Löwenköpfe  auf  der 
Vorderseite  hatten  eine  durchgehende  üelFnung. 

Nehmen  wir  an,  dass  die  Ionischen  Säulen  ur- 
sprünglich längs  der  inneren  Seite  der  Mauer  standen 
und  der  herumlaufende  Architrav  einen  rechten  Win- 
kel machte,  wie  er  innerhalb  der  Tempelgrund- 
fläche gefunden  worden,  so  rechtfertigt  sich  die 
Vermuthung,  dass  sie  bedeutend  hoch  über  den 
gleich  liegenden  Fnssboden  gestellt  waren,  indem 
sie  sonst  von  den  Säulen  des  Portals,  die  einen  grös- 
seren Durchmesset  hatten  und  zu  einer  Ordnung  der 
Architektur  gehörten,  die  verhältnissmässig  eine 
grössere  Höhe  zulässt,  zu  sehr  übertrolFen  und  ver- 
dunkelt worden  waren. 

Taf.     IV. 

Einzelne  ausgejiihrte  Theilc  der  Ordnung. 

Fig.  I.     Seite   des  Capitäls   und   Durchschnitt  durch 

den  Architrav. 
Fig.  11.   Durchsclinitt  durch   die  Mitte    des   Capitäls 

vermittelst  einer  mit  der  Oberfläche  (Aus- 

senseite)  parallel  laufenden  Ebene. 
Fig.  Hl.  Durchschnitt  durch  die  Mitte  vermittelst  einer 

vertical  durch  das  Capital  gehenden  Ebene. 
Fiff.  IV.  Grundriss  des  Säulenschafts  unter  den  Sehne- 

cken. 
Fig.  V.  Umriss  der  Schnecke. 
Fig.  VI.  Durchschnitt  durch  die  oberen  Glieder  des 

Kranzes. 

Taf.     V. 

Ordnung  der  Anten. 

Fig.  I.     Base  und  Capital  der  Anten,  soweit  sie  sich 

reslauriren  liessen. 
Fig.  II,    Grundriss  der  oberen  Fluche  des  Säulende 

ckels  oder  abacus. 


40  DRITTES    CAPITEL. 

Fig.  III.  Profil  des  Säulendeckels. 
Fig.  IV.  Der  Ring  oder  Stab  (astragal)  des  Schafts  in 
grösserem  Massstabe. 

Taf.     VI. 
Capital  der  Anten  in  grösserem  Massstabe. 

Taf.     VII. 

Seitenansicht  des  in  grösserem  Massstabe  gegebenen 
Antencapitäls, 

Taf.     VIII. 

Einzelne  ausgeführte  Theile  des  Gebäudes, 

Fig.  I.  Felder  der  Decke,  von  welcher  man  sehr 
yiele  Bruchstücke  entdeckt  hat.  Die  stern- 
förmige Figur  in  der  Mitte  der  einzelnen 
Felder  war  früher  wahrscheinlich  bemalt; 
jetzt  haben  sich  nur  noch  die  in  den  Marmor 
eingehauenen  Umrisse  erhalten. 

Fig.  II.  Durchschnitt  durch  die  Felder  der  Decke. 

Fio. III.  IV.   Durchschnitt  durch    die   Marmorbalken 

o 

der  Decke;    diese  gehörten   wahrscheinlich 

zum  Portal. 
Fig.  V.  Grundriss  der  Pfosten  des  Thors. 
Fig.  VI.  Grundriss  der  Pfosten  an  den  kleineren  OefF- 

nungen  in  der  Quermauer,  zur  Rechten  und 

Linken  des  Thors. 
Fig.  VII.  Durchschnitt  durch  den  Fries  und  Kranz  (hy- 

perthyrum)  der  kleineren  Oeffnungen. 
Fig.  VIII.  Durchschnitt  durch   den  Fries   und  Kranz 

der  grossen  Eingangsthür. 


VIERTES    CAPITEL.  41 


Viertes   Capitel. 
Der     Tempel    der    Ceres. 

Wir  bedürfen  keinen  strengeren  Beweis  für  die 
ausserordentliche  Gottesfurcht  der  Athener,  als  den, 
welchen  uns  die  zahllosen  Tempel  geben,  die  das 
enge  Gebiet  dieses  interessanten  Volks  verschöner- 
ten. Wir  können  jedoch  dem  Cultus  einer  Religion, 
welche  auf  kindischen  mit  der  Mythologie  verknüpf- 
ten Fabeln  beruhte,  keineswegs  eine  dauernde  Ein- 
wirkung auf  die  Sitten  eines  Volks  zuschreiben,  das 
bis  auf  eine  verhältnissmässig  späte  Periode  herab  in 
seinen  religiösen  und  bürgerlichen  Instituten  so  aus- 
gezeichnet  war.  Dem  gemäss  finden  wir,  dass  die 
Kleusinischen  Mysterien ,  der  Athener  heiligste  Re- 
ligionsteier,  zum  Zweck-halten,  ihren  Eingeweihten 
die  Irrthümer  des  Volksglaubens  zu  enthüllen  und 
die  erhabensten  Lehren  der  Sittlichkeit  und  Fröm- 
migkeit eindringlich  zu  machen.  (*) 

Den  Ursprung  dieser  Religionsgebräuche  kann 
man  bis  in   das   Land  verfolgen,    aus   welchem    die 

(1)  Ucbcr  den  Ursprung  der  Religion  der  Demeter-  Perseplione 
aus  Asien  und  Ae typten ,  ihre  Wanderung  über  Kreta,  ilire  Aus- 
bildung in  Argosj  Dodona  und  im  übrigen  Griechenland,  ihre 
gänzliche  A'^ollendung  unter  den  Athenern ,  über  den  hohen  Ein- 
fluss  der  Eleusinischen  Mysterien  auf  die  geistige  Cultur  der  Hel- 
lenen,  iibcr  die  Feier,  Verfassung  und  Geschichte  der  Eleusinien, 
über  den  Inhalt  der  Gchciralchrc  und  die  vcrschicdncn  Bcurthei- 
luDgen  derselben  verweise  ich  instar  omnium  auf  den  vierten  Theil 
von  Creiizer's  Symbolik ,  aus  welchem  tiefgclehrtcn  geistreichen 
Werke  ich  gelegentlich  Winke  und  Berichtigungen  zu  geben  mir 
erlauben  will.  W. 


42  VIERTES    CAPITEL. 

Griechen  auch  ihre  Kenntniss  des  Ackerbaus  und 
ihre  ersten  Begriffe  von  Künsten  und  Wissenschaften 
herleiten.  (*)  Bei  den  Aegyptern  scheint  die  gesetz- 
gebende Gewalt  seit  sehr  frühen  Zeiten  mancherlei 
Mittel  ersonnen  zu  haben,  um  das  Volk  in  den  Schran- 
ken der  für  jede  Staatsgesellschaft  so  nöthigen  Unter- 
würfigkeit zu  halten.  Durch  ihre  Götterlehre  allen 
Gefahren  ausgesetzt,  die  aus  dem  Mangel  eines  mora- 
lischen laea  entstehen,  und  durch  die  verderbte 
Handlungsweise ,  welche  die  Sage  den  Wesen  bei- 
legte, die  man  sie  zu  verehren  und  zu  fürchten  lehrte, 
geradezu  ermuntert,  ihren  Leidenschaften  freien  Zü- 
gel zu  geben,  bedurften  sie  irgend  eine  Verbindung, 
welche  die  Menschen  zur  strengen  Erfüllung  der 
Pflichten,  auf  deren  Beobachtung  der  Staatsverein 
beruhte,  anzuhalten  vermochte.  Der  Polytheismus, 
als  feine  Massregel  der  Staatspolizei  erfunden  und 
durch  die  Verschönerungen  und  Umdeutungen  der 
Dichter  und  Geschichtschreiber  verderbt,  schien, 
statt  die  moralische  Verpflichtung  aufrecht  zu  erhal- 
ten, den  Umsturz  derselben  herbeizuführen,  undfrüh- 
zeitig  fühlten  die  Lehrer  und  Bildner  der  Mensch- 
heit, dass  die  Wesen,  denen  man  alle  menschlichen 
Laster  beilegen  konnte,  wenig  geeignet  wären,  der 
Gegenstand  der  Bewundrung  und  Verehrung  eines 
Volks  zu  sein.  Die  Ilierarchen,  die  zugleich  Prie- 
ster und  Gesetzgeber  waren,  wurden  so  auf  Unter- 
suchungen über  den  Ursprung  und  den  Grund  ihrer 
Mythologie  geführt,  und  das  Resultat  derselben  scheint 
sie  dahin  gebracht  zu  haben,  den  Nebel,  in  welchen 
die  Religion  bis  dahin  gehüllt  war,  zu  zerstreuen. 
Das  Volk  wurde  nun  gelehrt,  dass  seine  Götter,  zum 
Himmel   erhobene    Sterbliche,    als  Wohlthäter  des 

(2)  „Der  Cultiis  der  Ceres  ist  mit  den  Saamenkörncrn  gewan- 
dert."    Creuzer  Synib.  IV.   S.  173.  W. 


VIERTES    CAPITEL.  43 

Menschengeschlechts  von  ihren  dankbaren  Nachkom- 
men für  heilig  erklärt  worden  seien,  darum  aber 
auch  wie  Menschen  den  Neigungen  und  Lastern  unter- 
worfen wären,  die  ihrer  ursprünglichen  Natur  an- 
hingen, üiess  war  der  erste  Schritt,  um  die  Ver- 
blendung wegzuheben,  welche  den  Blick  des  Volks 
hinderte,  die  glänzenden  Wahrheiten  zu  schauen, 
welche  späterhin  die  Mysterien  den  Eingeweihten 
eindringlich  zu  machen  suchten.  (') 

Da  der  Hauptzweck  des  Instituts  kein  andrer  war, 
als  Liebe  zur  Tugend  und  zur  Ausübung:  derselben 
in  die  Herzen  der  Menschen  zu  pflanzen,  (*)  so  könnte 
es  scheinen,  dass  es  sowohl  für  die  Reinheit  der  Leh- 
ren, als  auch  für  das  Interesse  der  Staatsgesellschaft 
wünschenswerth  gewesen  wäre,  die  heiligen  Wahr- 
heiten, durch  w^elche  jene  beiden  Eigenschaften  be- 
fördert Averden  sollten,  allgemein  zu  verbreiten,  sie 
als  Geheimniss  aufhören  zu  lassen  und  ihnen  alljre- 
meine  OelFenllichkeit  zugeben.  Allein  die  plötzliche 
Annahme  eines  neuen  Glaubens  konnte  man  von  einem 
ganzen  Volk  nicht  erwarten,  und  die  sicherste  Art, 
Bekenner  zu  gewinnen,  war  unstreitig  die,  solche 
Leute  an  den  Mysterien  Theil  nehmen  zu  lassen,  de- 
ren Erziehung  sie  über  die  gewöhnlichen  Vorurtheile 
hinausgesetzt  hatte.  Auch  hat  die  Erfahrung  gelehrt, 
dass  die  Menschen    am   eifrigsten   das  zu   ergreifen 


(3)  I5ci  dein  Nic<l«rschreiben  dieser  Betrachtungen  scheint  un- 
ser Verfasser  die  Griechische  Archäologie  von  Potter  und  beson- 
ders die  Anmcrkun;,'  des  Deutschen  Ucbcrsctztrs  ßambach  (Tlil.  I. 
S.  834  ff.)  vor  Augen  gehabt  zu  haben.  "W. 

(4)  Aus  der  grossen  Zahl  der  ehrenhaftesten  Zcngnisse  vtr- 
dicneu  besonders  die  von  Isokrates  (Panegyr.  c.  6.)  und  Cich'o 
(ile  Legg.  II ,  14.  und  in  Vcrr.  L.  V.  c  72.  u.  a.)  verglichen  zu 
werden.  W. 


44  VIERTES    CAPITEL. 

Streben,  was  ihnen  wirklich  oder  scheinbar  vorent- 
halten wird.  (*) 

In  kleineren  Staaten  jedoch  und  bei  geringerer 
Volksmenge  standen  der  Ausbreitung  auch  nur  ge- 
ringere Schwierigkeiten  entgegen.  So  berichtet  uns 
z.  B.  Diodor  von  Sicilien,  (^)  dass  in  Kreta  die  Fest- 
gebräuche dieser  reformirten  oder  geläuterten  Lehre 
ganz  ölientlich  gefeiert  w^orden  seien. 

In  dem  eigentlichen  Griechenland  mussten  die 
Eingeweihten  feierlich  die  grösste  Verschwiegenheit 
angeloben,  (^)  und  die  Feier  wurde  unter  dem  Schleier 
eines  undurchdrins,lichen  Geheimnisses  vollendet. 
Hierdurch  wurde  die  Neugierde  erregt,  und  die  Folge 
der  streng  beobachteten  Verschwiegenheit  war  eine 
Sehnsucht  nach  der  Einweihung.  Diese  selbst  ge- 
schah in  der  Dunkelheit  und  feierlichen  Stille  der 
Nacht,  um  die  heiligen  Gebräuche  noch  ehrfurcht- 
gebietender und  eindrucksvoller  zu  machen.  (^) 

Die  Feier  der  grösseren  Bfysterien  fand  alle  fünf 
Jahre  zu  Eleusis  statt;  es  war  aber  eine  Vorweihe  in 
den  kleineren  Mysterien,  welche  jährlich  im  IMonat 
Anthesterion  zu  Athen  (oder  vielmehr  Agrae)  gefeiert 


(5)  Nitimur  in  vetitura  semper  cupiniusque  negata.  Ovid. 
Amor.  III,  4,  17.  W. 

(6)  Lib.  V. 

(7)  Wcsswogen  Sokrates  (wie  man  glaubt)  sich  nicht  einweihen 
Hess,  ,,um  in  dem  öffentlichen  Vortrage  dessen,  was  er  als  bessere 
Gotteslehre  anerkannte,  durch  die  den  Initiirten  aufgelegte  Ver- 
schwiegenheit nicht  gebunden  zu  sein,  wenn  diesen  manches  Achn- 
liche  niitgetheilt  wurde."  —  Gegen  den  üebcrtrcter  der  Gesetze 
der  Mysterien  war  übrigens  ,,ein  ordentliches  Rechtsverfahren  or- 
ganisirt  und  die  Processe  gegen  Alklhiades  und  Dia^oras  von 
Melos  sind  in  dieser  Hinsicht  sehr  wichtig."  Vgl.  Creuzer  Symb. 
IV.  S.  491  und  489.  .  W. 

(8)  Warburton ,  Diy.  Leg.  of  Moses ,  II.  scc.  4. 


VIERTES    CAPITEL.  45 

wurden,  unumgänglich  nöthig.  (®)  Alle  Aspiranten 
versammelten  sich  an  den  Ufern  des  Ilissus  und 
wurden  nach  mancherlei  Reinigungsgebräuchen  und 
Opfern  in  das  Eleusinion  oder  den  heiligen  Bezirk  ein- 
gelassen. ('")  Nothwendig  musste  wenigstens  ein  Jahr 
zwischen  der  Einweihung  zu  Athen  und  der  Theil- 
nahme  an  der  grösseren  Feier  zu  Eleusis  verflossen 
sein,  blatten  die  Mysten  die  geringeren  Prüfungen 
bestanden,  so  wurden  sie  (um  als  Epopten  den  höhe- 
ren Grad  der  Weihe  zu  empfangen)  in  den  heiligen 
Kaum  geführt,  der  den  Tempel  zu  Eleusis  umgab, 
und  hier  waren  alle  Arten  der  Täuschungen  zusara- 
mengehäuft,  (")  um  die  Seele  der  Einzuweihenden 
mit  Schrecken  zu  erfüllen;  es  wurden  sogar  medici- 
nische  Arzneimittel  vertheilt,  deren  Wirkungen  die 
Schrecknisse  vermehrten,  welche  die  mystischen  Er- 
scheinungen hervorbringen  sollten.  Aristides  (**)  be- 
schreibt den  Act  der  Einweihung  in  die  Mysterien 
als  die  schrecklichste  und  doch  zugleich  bezaubernste 
Vorstellung. 

üie  folgenden  Stellen,  die  das  mit  den  Mysterien 
verbundne  Ceremoniel  beschreiben,   haben  wir  aus 


(0)  Unsere  Gelehrten  sind  jetzt  grösstenthcils  darüber  einig, 
tlass  anch  die  grösseren  Elcusinien  jährlich  gefeiert  wurden.  ,,Der 
Attisrlic  Aiithcsterion  ontspiicht  so  ziendich  unserem  Februar,  der 
BoeJrominn  aber  dem  September.^''  Bei  dem  Veriali  des  Staats 
wurde  id)ri^MMis  z.  B.  bei  Demetrius  Poliork.  aus  Menschcnfurcht 
die  Festperiode  verrückt.  Ueber  die  Zeit,  die  zwiscbcn  der  Ein- 
weihung in  beiden  Mysterien  verlaufen  musste,  herrschen  noch 
verschiidiie  IMciuungcn.     Vgl.  Crcuzer  Symb.  IV.  493  und  525. 

W. 

(10)  \  gl.  Chandlcr's  Reisen  in  Gricchenl.  in  der  Deutschc^i 
r.'hcrs.     Ep/g.   1777.   S.  117.  W. 

(11)  rroclus  in  Plat.  Theolog.  III.  18. 

(12)  EIcus. 


46  -  VIERTES    CAFITEL. 

ChandUr  (")  entnommen,  welcher  die  auf  die  grössere 
Feier  bezüglichen  Zeugnisse  und  Stellen  gesammelt 
und  ausgezogen  hat. 

»Das  Weihefest  begann  am  fünfzehnten  des  Mo- 
nats Boedromion  und  endete  am  dreiundzwanzi<rsten. 
Die  Hauptfeier  war  Nachts  und  an  den  Tempel  und 
seine  Umgebung  gebunden.  Die  Mysten  warteten 
aussen  voll  Ungeduld  und  Furcht.  Man  vernahm  Klase- 
töne  und  seltsames  Geräusch.  Es  donnerte.  Zuckende 
Licht-  und  Feuerstrahlen  machten  die  darauf  fol- 
gende tiefe  Finsterniss  noch  furchtbarer.  Sie  litten 
Schläge,  ohne  die  Hand  des  Schlagenden  zu  gewah- 
ren; sie  erblickten  schaudervolle  Erscheinungen,  Un- 
geheuer, Phantome  in  Hundsgestalten;  sie  wurden 
mit  Schrecken  erfüllt,  betäubt  und  unfähig  sich  zu 
regen.  Plötzlich  verwandelte  sich  die  Scene  in  eine 
liebliche,  glänzende.  Die  Propyläen  oder  Eingangs- 
hallen des  Tempels  öffneten  sich,  die  Vorhänge  wur- 
den weggezogen  und  die  bisher  verborgenen  Gegen- 
stände dem  Auge  entfallet.  Der  Hierophant  (oder 
Mystagog  aus  dem  Geschlecht  der  EumolpidenJ  und 
Daduch  (Fackelträger)  führte  sie  ein  und  jener  er- 
klärte ihnen  die  Mysterien.  Der  Glanz  der  Beleuch- 
tung, die  Pracht  des  Tempels  und  seiner  Bilder,  die 
Gesänge  und  Tänze,  welche  die  Vorstellung  ver- 
schönerten, alles  diess  trug  mit  dazu  bei,  die  Gemü- 
ther nach  ihrer  früheren  Erschütterunjj  zu  beruhigen 
und  den  staunenden  von  Andacht  erfüllten  Jünaer 
sanft  zu  stimmen  und  in  seinem  Inneren  zu  erfreuen. 
Nach  dieser  Anschauung  oder,  wie  sie  es  hiessen, 
Autopsia  gingen  sie  zurück  und  andre  traten  vor. 
Die  folgenden  Tage  wurden  mit  Opfern,  glanzvol- 
len Aufzügen  und  Schauspielen  hingebracht,  denen 
die  Eingeweihten  mit  Myrthenkränzen  geschmückt 

(13)  Travels  in  Giccce ,  c.  XI. 


VIERTES    CAPITEL.  47 

beiwohnten.  Am  dreiundzwanzigsten  wurden  zwei 
Vasen  gefüllt  und  gen  Osten  und  Westen  gestellt. 
Es  wurden  einige  mystische  Worte  gesprochen,  die 
Vasen  umgestürzt  und  die  Festlichkeiten  waren  zu 
Ende.  (»*) 

Die  Geschichte  der  Ceres  und  Proserpina  war 
eben  so  wie  die  Gründung  der  Eleusinischen  Myste- 
rien zum  Theil  an  die  Gegend  von  Eleusis  geknüpft. 
Sie  wurde  sowohl  mündlich  überliefert,  als  allego- 
risch dargestellt.  Proserpina  sammelte  gerade  Blu- 
men ,  als  sie  von  Neptun  geraubt  wurde.  Daher  der 
Aufzug  mit  dem  heiligen  Korbe  (xaA.a^os),  der  auf 
einen  von  Stieren  gezogenen  Wagen  gestellt  war  und 
welchem  ein  Zug  von  Frauen  folgte,  von  denen 
einige  unter  dem  Freudengeschrei:  Heil,  Ceres!  die 
mystischen  Kästchen  trugen.  Zur  Nachtzeit  wurde 
ein  Zug  mit  angezündeten  Fackeln  angestellt,  wie- 
derum zur  Erinnerung  an  die  Göttin,  die  ihre  Toch- 
ter suchte.  (**)  Ein  Mass  Gerste,  der  Getreideart, 
welche  die  Göttin  gegeben  haben  sollte,  war  der 
Preis  des  Siegers  bei  den  gymnisehen  Spielen,  und 
was  bei  dem  Tempel  vorging,  hatte  Bezug  auf  die 
heilige  Mythe.  Eine  Kenntniss  dieser  Dinge  und 
üertlichkeiten,die  dem  Profanen  vorenthalten  wurde, 
war  der  Gewinn  der  Einweihung,  und  die  fein  erson- 
nene  Art,  wie  diese  geschah,  war  dem  herrschenden 
Aberglauben  ganz  gemäss.  Die  angewandten  Mittel 
waren  mächtig  und  ihre  Wirkung  stand  im  Verhait- 
niss.     Das  Priesterlhum  blühte,  während  die  Gottes- 


(14)  Noch  mehr  ausgoQialt  ist  die  liesehreihimi,'  (Um-  Einwci- 
hiini;  in  der  Foja^e  du  Jeune  Jnacharsis  (F.d.  Deiix-Ponts.  Tom. 
VI.  p.   160  s.).  W. 

(15)  —  —  acccndit  geminas  pro  lanipade  pimis. 
Iliuc  Cercris  sacris  nunc  qiioqiie  tacda  datur. 

Ovid.  Fast.  IV.  W. 


48  VIERTES    CAPITEL. 

furcht  zunahm.  Die  Mittel  zum  Zweck  waren  ver- 
derbt, aber  der  Zweck  selbst  nicht  böse.  Sie  bewirk- 
ten grössere  Reinheit  der  Sitten,  Achtung  der  Ge- 
sellschaitspllichten  und  ein  Verlangen,  sich  in  allem 
auszuzeichnen,  was  für  Tugend  galt,  wie  z.  B.  durch 
Verschwiegenheit.! 

Lange  vor  der  gänzlichen  Aufhebung  der  Eleu- 
sinischen  Festgebräuche  {^^)  wurde  den  Mysterien, 
sowohl  den  Lehren  als  den  sie  begleitenden  Feier- 
lichkeiten,  das  Gewand  der  Heimlichkeit  entzogen, 
in  das  sie  in  alter  Zeit  gehüllt  waren,  und  so  haben 
wir  auch  von  den  Schriftstellern  jener  Zeit  einige 
Nachricht  von  dem  Terapelgebäude  erhalten.  Aber 
die  nachfoljrenden  Verwüstuniien  durch y4larich  schei- 
nen  alle  weitere  Enthüllung  des  nun  schon  theilweise 
verletzten  Geheimnisses  unmöglich  gemacht  zu  ha- 
ben, indem  nun  die  Tempelfläche  unter  ihre  eignen 
gewichtigen  Ruinen  begraben  wurde.  Noch  mehr 
wurde  das  Heiligthum  der  Vergessenheit  übergeben 
durch  das  Verfahren  der  neueren  Bewohner  von 
Eleusis,  deren  elende  Wohnungen  sich  über  den  ehe- 
mals von  der  heiligen  Ringmauer  umschlossenen 
Tempelraum  hinziehen.  Die  Stelle,  auf  welcher  der 
Tempel  stand,  konnte  man  demungeachtet  an  den 
massiven  Blöcken  erkennen,  welche  die  Eleusinier 
bei  ihren  Bauten  nicht  zu  benutzen  vermochten  und 
deren  man  unter  dem  angehäuften  Schutte  noch  hun- 
derte entdecken  kann. 

Die  Reisenden,  die  es  für  die  Gesellschaft  der 
Dilettanti  übernahmen,  das  Festland  von  Kleinasien 
und  einen  Theil  von  Griechenland  zu  untersuchen, 

(16)  Die  Stiftung    der  Eleusinien    fallt   nach  wahrscheinlicher 
Annahme    in    die    Zeit    um   das    Jahr  1400  vor  Chr.;     geschlossen 
wurden  sie  im  J.  381  nach  Chr.  durch  ein  Edict  des  Kaisers  Theo 
dosius  des  Aelteren,     Vgl.  Crcuzer  Symb.  IV.  480  und  509.      W. 


VIERTES    CAPITEL.  49 

waren  die  Ersten,  welche  sich  bemühten,  die  Stelle 
auszumitteln,  worauf  die  heiligen  Gebäude  von  Eleu- 
sis  errichtet  waren;  allein  die  Schwierigkeiten,  die 
sich  ihnen  in  den  Zeitumständen  und  in  Zufülligkei- 
ten  entgegenstellten,  waren  beinahe  uniibersteiglich. 
Unter  {jünstifferen  Verhältnissen  waren  neuere  Ab- 
gesandte  so  glücklich,  die  verschiednen  einzelnen 
Theile  ausführlich  abbilden  zu  können,  und  diese 
Arbeiten  machen  den  Gegenstand  der  hierher  gehö- 
rigen Tafeln  aus.  (*'') 

Nur  das  ohngefähr  vier  Fuss  holie  Bruchstück 
einer  Säule  hat  sich  augenscheinlich  auf  seinem 
alten  Standort  erhalten.  Der  Schutt  halte  sich  so 
angehäuft,  dass  er  zwei  Fuss  hoch  den  Fussboden 
der  Halle  bedeckte,  in  welcher  die  Säule  stand.  Von 
da  stieg  er  allmählig  aufwärts  nach  der  llinterseite 
zu,  wo  Trümmer  und  Schult  vierzehn  Fuss  hoch  über 
dem  Boden  lagen  und  so  demselben  seine  ursprüng- 
liche Form  wiedergaben,  die  er  gehabt  hatte,  ehe 
man,  um  eine  künstliche  Ebene  zur  Grundfläche  des 
Tempels  zu  erhallen,  die  hervorragenden  Theile  ab- 
getragen halte.  Auf  diesem  abhängigen,  aus  den  ge- 
wichtigen Ruinen  des  Tempels  entstandenen,  Grunde 
waren  in  neueren  Zeilen  mehrere  Wohnungen  errich- 
tet worden,  welche  den  zum  V^erständniss  des  gan- 
zen Plans  nolhwendigen  Nachforschungen  gar  hin- 
derlich im  Wege  standen.  Längs  der  Stufen  auf  der 
Vorderseite  des  Tempels  waren  in  einem  Abstand 
von  ohngefähr  zwanzig  Fuss  Hüllen  in  fortlaufender 
Reihe  erbaut.  Diese  hinderten  jedoch  die  abgesand- 
ten Künstler  nicht  an  ihren  Aus-  und  Nachgrabungen, 
durch  welche  der  beinahe  vollkommen  gut  erhaltene 
Fussboden  nnd  die  deutlich  bezeichnate  Stellung  von 
zwölf  Säulen    sichtbar  wurde ,   Avelche  ehemals  die 

(17)  Altcrthünicr  von  louicn  ,  Tlil.   II. 
Att.  Alt.  4 


50  VIERTES    CAPITEL. 

Vorderseite  dieses  berühmten  Tempels  zierten.  (•*) 
Der  Fussboden  und  die  Aiissenseite  der  Mauern  der 
Zelle  waren  aus  dem  harten  grauen  Kalkstein,  den 
man  in  der  Umgegend  fand ;  der  Grundbau  des  gan- 
zen Gebäudes  bestand  aus  regelmässig  zusammenge-- 
fügten  Schichten  eines  porösen  Steines. 

Man  zog  einen  Graben  von  der  Vorderseite  nach 
der  Hinterseite  hin,  um  sich  über  die  Tiefe  der  Vor- 
halle zu  unterrichten  und  zu  erfahren,  ob  ehemals 
im  Inneren  derselben  eine  Säulenreihe  gestanden 
habe.  Aus  dieser  Ausgrabung  ergab  sich,  dass  der 
Fussboden  aus  Platten  von  vier  Fuss  ins  Gevierte  zu- 
sammengesetzt war,  sich  achtunddreissig  Fuss  weit 
von  der  Vorderseite  der  oberen  Stufe  nach  innen  zu 
erstreckte,  daselbst  in  einer  gerade  fortlaufenden 
Linie  endigte  und  nirgends  Spuren  von  inneren  Säu- 
len zeigt.  An  dieser  fortlaufenden  Linie  nahm  nach 
wahrscheinlicher  Vermuthung  die  Quermauer  der 
Zelle  ihren  Anfang. 

Die  massiven  Blöcke,  aus  welchen  die  Trigly- 
phen  gebildet  wurden,  und  welche  nach  der  Hinter- 
seite der  Zelle  zu  gehäuft  über  einander  lagen,  wa- 
ren abschreckende  Hindernisse,  die  Entdeckungen 
in  diesem  Theil  des  Gebäudes  weiter  zu  verfolgen. 
Es  war  jedoch  von  der  Grundfläche  ein  hinlänglich 
grosser  Theil  aufgeräumt  worden ,  um  den  Fussbo- 
den aus  grauem  Kalkstein  sehen  zu  können,  worauf 
drei  cylinderförmige  Blöcke  standen,  die  aus  dem- 

(18)  Den  Standort  der  Säulen,  von  denen  sich  mir  wenige 
Bruchstücke  auf  ihrer  alten  Stelle  erhalten  hatten,  konnte  man 
nach  den  im  Fussboden  befindlichen  Lüchern  bestimmen,  welche 
für  die  den  unteren  Theil  des  Schafts  mit  dem  Boden  verbinden' 
den  Pflöcke  oder  Dobel  gemacht  waren.  Man  hat  ausgcmittclt, 
dass  solche  Pflocke  selten  bei  ähnlichen  Stellungen  gebraucht  wur- 
den, wiewohl  man  sie  bei  den  Verbindungen  der  einzelnen  Säu- 
lenstücke an  ebendenselben  Gebäuden  fand. 


VEERTES   CAPITEL.  51 

selben  Materiale  wie  der  Grundbau  des  Fussbodens 
und  mit  Mörtel  überkleidet  waren. 

Die  Existenz  dieses  Bodens,  dessen  Grundfläche 
beträchtlich  tiefer  lag  als  die  der  Vorhalle,  scheint, 
in  Verbindung  mit  einigen  andern  bestärkenden  Um- 
ständen, zu  beweisen,  dass  wir  hier  nicht  an  den 
Fussboden  der  Zelle  denken  dürfen,  sondern  an  den 
einer  Crypta,  d.  h.  eines  geheimen  unterirdischen  Ge- 
wölbes oder  Gemaches,  welches  für  gewisse  Zwecke 
theatralischer  Täuschung  angelegt  war,  dergleichen 
man  bekanntlich  gegen  die,  welche  sich  um  die  Weihe 
bewarben,  anwendete.  (*^) 

Es  will  uns  hinsichtlich  dieser  Abtheilung  be- 
dünken, als  ob  der  Fels  nicht  herab  bis  zum  Fussbo- 
den weggehauen  worden  sei,  sondern  sich  über  die 
Linie  der  Rückmauer  hinaus  fortziehe.  Dieser  Mau- 
gel der  Vollendung  würde  aber  gegen  die  übrige 
Pracht  und  die  Bedeutung  des  Tempels  sehr  abste- 
chen, wenn  wir  diesen  Boden  für  den  Fussboden  der 
Zelle  betrachten  wollten.  Auch  war  der  Boden  nicht 
glatt  gearbeitet,  wie  der  der  Vorhalle,  wiewohl  er 
aus  demselben  Stein  gehauen  war,  sondern  rauh  ge- 
lassen von  dem  Meissel  des  Steinhauers. 

Wir  erfahren  von  Flutarch,  dass  in  der  Zelle 
Säulen  standen;  allein  die  bereits  erwähnten  Cylin- 
derblöcke  scheinen  fast  nicht  verjüngt  zu  sein ;  sie 
sind  aus  einem  Stein,  welcher  allein  bei  Fundamen- 

(19)  Der  Fussboilcn  der  Zelle  liegt  in  Griechischen  Tempeln 
fast  ohne  Ausnahme  höher,  als  der  der  Vorhalle,  nie  tiefer.  Bei 
einigen,  z.  B,  zu  Pästum  und  Jgvigent,  muss  man  schon  bedeutend 
hinanstoigen ,  um  zur  Zelle  zu  gelangen.  Der  Parthenon  ist  das 
einzige  bekannte  Beispiel  davon ,  dass  der  Boden  der  Zelle  mit 
dem  der  Vorhalle  und  der  Nachzelle  gleiche  Höhe  hatte.  (Unter- 
irdische Kammern  und  Gewölbe  entdeckte  man  auch  unter  einem 
noch  ziemlich  erhaltenen  Tempel  der  Ceres  oder  Isis  zuAgrigent. 
Vgl.  Crcuzer  Symbolik  Bd.  IV.  S.  336.   W.) 

4^ 


52  VIERTES    CAPITEL.  " 

ten  und  bei  Mauern  gebraucht  wurde,  die  dem  Auge 
verborgen  sind.  Dagegen  fand  man  innerhalb  des 
Tempelraums  Bruchstücke  von  Säulen,  die,  gleich 
denen  in  der  Vorhalle ,  aus  Marmor  gehauen  waren. 
Nimmt  man  diese  Umstände  zusammen,  so  wird  man 
auf  den  Schluss  geführt,  dass  der  Fussboden  der  Zelle 
ein  Werk  von  höherer  Vollendung  gewesen  und 
mittelst  irgend  einer  Vorrichtung  über  der  Fläche 
dieses  Bodens  gelegen  habe. 

Wenn  wir  der  Versicherung  des  Vitruvius  C°) 
glauben  können,  so  war  der  Eleusinische  Tempel 
zuerst  von  Ihtinos  j  dem  Baumeister  des  Parthenon, 
ohne  äussere  Säulen  erbaut  und  erst  später  fügte 
Philon  unter  Dernetrios  Phalereus  die  Vorhalle  hinzu.  ('*) 
Allein  Vitruv's  Nachrichten  über  Gebäude  des  Alter- 
thums  sind  häufig  ungenau ;  auch  kann  man  sich 
nicht  leicht  denken,  dass  man  da,  Wo  man  sich  nach 
den  Verhältnissen  und  der  Grösse  der  bereits  vorhand- 
nen  Theile  richten  musste,  durch  das  Ansetzen  einer 
Vorhalle  Ebenmass  in  allen  Theilen  des  Gebäudes 
habe  erhalten  können,  wenn  dieses  Ansetzen  nicht 
ursprünglich  im  Plan  lag. 

Plutarch  benachrichtigt  uns  ferner,  dass  der 
Weihetempel  zu  Eleusis  zu  bauen  angefangen  wor- 
den sei  durch  Koröbosj  welcher  bis  zur  Aufstellung 
der  unteren  Säulen  und  ihrer  Architrave  vorserückt 
sei,  nach  dessen  Tode  habe  Metagenes  von  Xjpete  die 
Gallerien  und  oberen  Säulen  hinzugefügt  und  Xenokles 


(20)  Vorrede  zu  Buch  VII,  in  welcher  Stelle  er  auch  ilen 
Eleusinischen  Tempel  der  Ceres  zu  den  vier  schönsten  in  Grie- 
chenland und  Klcinasien  rechnet.  W. 

(21)  Den  älteren  Weihelcmpel  zu  Eleusis  sollen  die  Dorer  und 
später  die  Perser  zerstört  haben.  Vgl.  Creuzer,  Symb.  IV.  334  f. 
Kruse,  Hellas  II.  S.  l93.  W. 


VIERTES    CAPITEL.  53 

nton  Cholarge  (-*)  das  Dach  über  der  Felder  decke  des 
Heiligthums  gebaut.  {^^) 

Aus  dieser  Stelle  des  Plutarch  ersehen  wir,  dass 


(22)  Xypctc  und  Cholarge  sind  Attische  Ortschaften.         W. 

(23)  To  3  iv  JE).tvaXn  TtlearjjQiov  t^q^uto  ftiv  KoQoißoq  olxodo- 
fiiXv ,  y.ul  Tovq  fji  iduqiovq  y.lovaq  i'&rjXtv  ovjoq,  xul  rdiq  iniarv).ioi^ 
initiv^iV  uTiod-uvövToq  M  tovvov ,  JUeTuy^VTjq  o  Aundi:i.O(;  to  äui^ojpa 
md  Touq  uvu)  y.Covuq  iniarfiaa'  to  6  onuiov  inl  xov  jIvuxto^ov  At- 
voy.}.)]!;  o  XoXuQytvq  ixoQvqxoae.  —  Pericl.  C.   13. 

Zu  dieser  Stelle  Plutarchs  müssen  wir  bemerken,  dass  man 
das  Wort  onuiov  hier  fälschlich  durch  jjFenster  oder  Oejffhung 
im  Dach^'  hat  erklären  wollen.  Es  wi'irde  aber  lächerlich  sein, 
zu  sagen:  die  OelTnung  im  Dach  oder  in  der  Decke  wurde  mit 
einem  Dach  bedeckt;  auch  wäre  das  Ueberdccken  einer  solchen 
OefTiiung  kein  bejucrkeuswerther  Gegenstand.  Es  musste  ein  Werk 
von  grüssorem  Verdienst  sein,  da  Plutarch  den  Namen  dessen,  der 
es  ausgefiihrt,  der  Nachwelt  überliefern  zu  müssen  glaubte.  Wahr- 
scheinlich bezeichnet  o:iaiov  die  vcrzicite  Decke  (lacunaria)  über 
dem  llciligthum,  die,  älnilich  wie  die  bereits  bei  den  Propyläen  be- 
schriebene ,  durch  kreuzweise  gelegte  Balken  in  Felder  abgctheilt 
war.  Bei  bedeckten  Tempeln  hing  die  verzierte  Felderdecke  mit  den 
Balken  des  Dachs  durchaus  nicht  zusammen.  Pausanias  (V,  20,  2.) 
crzäldt,  dass  die  Elcer  zur  Zeit  des  Aristarchos ,  des  Geschicht- 
schrcibers  von  Olympia,  als  sie  das  Dach  des  Tempels  des  luppiter 
ausl)esscrten,  den  Leichnam  eines  Kriegers  zwischen  der  zur  Zierde 
erbauten  Decke  und  der  Decke,  welche  die  Dachziegel  trug,  ge- 
funden hätten  {jdxuXv  u[iq:ox^QO)V ,  tj;;  te  iq  iVTiQ^ntiuv  ar/yjj;  xaJ 
T^S  uvf/ovar.<;  tÖv  y.^QUfiov').  Wir  können  annehmen,  dass  zum 
Begriir  des  omtlov  die  intcrtignia  gehörten  ,  welche  aus  dem  zur 
Ynzieiung  dienenden  Felderwerk  der  sich  in  rechten  Winkeln 
kreuzenden  Balken  entstanden.  Diese  l'\'l(lerdecke  nun  überbaute 
Xeuokles  mit  einem  Dache,  das  mit  Marmorziegeln  gedeckt  wurde, 
und  die  Ansfüliruiig  eines  solclien  Daches  war  allerdings  ein  Werk 
von  Bedeutung. 

In  der  Odyssee  (I,  320.)  fliegt  Atlicne  als  Vogel  durch  das 
o;r(«oi',  worunter  der  Scholiast  den  Rauchfang  verstanden  wissen 
will.  In  den  Zeilen  des  später  lebenden  Plutarch  konnte  das  Wort 
eine  ausi;cdchntcrc  Bedeutung  haben. 


54  VIERTES    CAPITEL. 

eine  doppelte  Reihe  Säulen,  eine  über  der  andern,  in 
dem  Tempel  gestanden,  und  dem  Baustyl  der  Griechen 
gemäss  wagen  wir  noch  eine  andre,  dieser  gleiche, 
an  die  gegenüber  liegende  Seite  der  Zelle  zu  setzen. 
Die  Richtung,  in  der  sie  aufgestellt  waren,  weicht 
übrigens  von  der  in  allen  andern  Tempeln,  in  denen 
wir  Säulen  innerhalb  der  ZelJe  fanden,  beobachte- 
ten Sitte  gänzlich  ab.  Die  Doppelreihe  ist  hier  <^uer 
durch  die  Zelle  und  nicht  längs  der  Seitenmauern 
gezogen;  sie  sollten  der  Felderdecke  und  dem  Dach 
über  ihr  zur  Stütze  dienen.  Da  auf  diese  Weise  die 
Länge  des  Raums,  der  bedeckt  werden  musste,  auf 
sechzig  Fuss  zurückgebracht  wurde,  so  mochte  es 
weniger  Schwierigkeit  haben,  Balken  zu  finden,  die 
lang  genug  waren  und  hinlänglich  stark,  das  unge- 
heure Gewicht  des  Dachs  zu  tragen.  Der  Raum  zwi- 
schen den  doppelten  Säulenreihen  war  wahrschein- 
lich das  was  Plutarch  Anaktoron  nennt.  (^*) 

Den  marmornen  Fussboden  des  Tempelhofs  auf 
der  Vorderseite  des  Tempels  längs  der  Stufen  ent- 
deckte man  beim  Nachgraben;  er  w^ar  nur  einen  und 
einen  halben  Zoll  dick  und  hatte  viele  Brüche.  Er 
scheint  ein  Werk  späterer  Zeit  zu  sein,  denn  seine 
Überfläche  hat  gleiche  Höhe  mit  der  oberen  Seite 
der  unteren  Stufe.     Einen  zweiten  Boden  ähnlicher 


(24)  To  T^?  ^rj/LiriTQoq ,  o  xal  fi/yagov  y.a).ovaiv,  onov  tcc  ^Ava- 
KTOQtt  TC&tTttii,     Hesych.   irt  Avüy.ro^ov. 

Es  wurde  vielleicht  so  benannt  nach  den  in  der  Zelle  aufge- 
stellten Bildsäulen  der  Jnahtores  oder  Dioskureti ,  oder ,  weil  die 
in  ihm  gefeierten  Mysterien  ursprünglich  von  denen  der  Kahiren, 
in  Saniothrake,  die  auch  "Avuy.xoi  {"Avuxti')  oder  Könige  hiessen, 
entlehnt  waren.  (Ueber  die  'Avuy.ic;  vgl,  Pausan.  II,  22,  7.  X,  38,  3. 
und  dazu  Siebclis  \  über  die  Bedeutung  von  avüntoqov  und  die 
Namen  des  Einweihungstempels  der  Ceres  Creuzer,  Symbolik  IV, 
333  fF. ;  über  den  Gultus  der  Kabiren  Müller ,  Orchom.  S.  450  S. 
und  Creuz.  Symb.  Thl.  II.   —  W.) 


VIERTES    CAPITEL.  55 

Art  fand  man  fünfzehn  Zoll  unter  dem  ersten.  Als 
man  den  ersten  entdeckte,  waren  die  Bewohner  der 
Gegend  gar  sehr  bemüht,  der  Bruchstücke  dessel- 
ben habhaft  zu  werden,  um  ihre  Hütten  damit  zu 
decken. 

Taf.     I. 
Grundriss  des  Tempels, 

Die  ganze  von  dem  Tempel  eingenommene  Grund- 
fläche war  mit  einem  Unterbau  aus  porösem  Stein 
bedeckt.  Die  Stufen  und  der  Fussbr^den  der  Vor- 
halle waren  aus  dem  harten  grauen  Eleusinischen 
Kalksteine  gehauen.  Als  man  der  Länge  nach  durch 
das  Gebäude  einen  Graben  zog,  entdeckte  man,  dass 
dieser  Fussboden  achtundzwanzig  Fuss  über  die 
obere  Stufe  hinaus  in  einer  geraden  Linie  aufhörte, 
achtzehn  Fuss  aber  über  diese  Linie  wiederum  hin- 
aus ein  andrer  Fussboden  aus  demselben  Stein  mehr 
als  zwei  Fuss  tiefer  als  der  erste  lag. 

Die  Dicke  der  Mauern  konnten  wir  nicht  genau 
ermitteln,  sie  scheinen  aber  auf  beiden  Seiten  mit 
Eleusinischem  Stein  bekleidet  gewesen  zu  sein,  indem 
der  mittlere  Raum  mit  dem  Stein  der  Substructionen 
ausgefüllt  war.  Die  äussere  Bekleidunjj  war  sech- 
zehn  Zoll  dick,  die  innere  wahrscheinlich  nicht  viel 
weniger,  die  Mittelschichten  hatten  drei  Fuss  sechs 
Zoll,  so  dass  die  ganze  Dicke  der  Mauern  ohngefähr 
sechs  Fuss  betragen  haben  und  also,  wie  es  gewöhn- 
lich bei  Griechischen  Tempeln  der  Fall  war,  um 
weniges  geringer  als  die  Weite  der  Anten  gewesen 
sein  mag.  Der  Bau  der  Mauer  hinter  der  Zelle  schien 
zwei  Schichten  in  die  Tiefe  zu  haben.  Nehmen  wir 
an,  dass  die  Quermauer,  welche  die  Zelle  von  der 
Vorhalle  scheidet,  gleiche  Dicke  mit  den  andern 
Mauern  hatte,  so  wird  die  Zelle  beina/ie  ein  Quadrat 


56  '  VIERTES    CAPITEL. 

von  mehr  als  hundert  und  sechs  und  sechzig  Fuss  gewe- 
sen sein.  (") 

Als  wir  Gräben  quer  durch  die  Seitenmauern 
des  Gebäudes  hatten  machen  lassen,  entdeckte  man 
ein  Mauerwerk  zumTheil  aus  dem  harten  Kalksteine, 
zum  Theil  aus  dem  erwähnten  porösen  Steine  gear- 
beitet, welches  wahrscheinlich  zu  nsleepers»  (Trä- 
gern) diente,  wie  die  Engländer  jetzt  sagen,  und  die 
Balken  des  Fussbodens  stützen  sollte.  Ihre  Richtung 
haben  wir  durch  punctirte  Linien  längs  der  Mauern 
angegeben. 

Die  Nord -Ostecke  auf  der  obersten  Stufe  Hess 
mehrere  Pllocklöcher  sehen  und  zeigte  dadurch  den 
Standort  von  drei  Säulen  an,  von  deren  früherer  Exi- 
stenz man  kein  andres  Anzeichen  hatte.  Bruchstücke 
der  zwei  zunächst  folgenden  fand  man  noch  an  ihrer 
Stelle;  der  Raum  zwischen  diesen  und  dem  Theil 
eines  Schafts,  der  zu  der  dritten  Säule  von  der  an- 
dern Ecke  der  Vorderseite  an  gehörte,  war  von  Hüt- 
ten eingenommen,  welche  die  Nachgrabungen  fort- 
zusetzen verhinderten;  die  Entfernung  dieses  Schaf- 
tes von  der  letzten  jener  zwei  Säulen  reichte  gerade 
für  vier  Säulen  und  fünf  Zwischenräume  hin.  Die 
im  Wege  stehenden  ÖJauern  eines  Hauses,  das  auf 
die  Stelle  der  zwei  übrigen  Säulen  gebaut  war,  er- 

(25)  Nach  Stiabo  TX.  p.  535.  ed.  Tzsch.  fand  in  dem  Raum 
(ffjjxö?) ,  worin  das  Götterbild  aufgestellt  war,  eine  Volksmenge 
Platz,  wie  sie  sich  im  Theater  zu  versammeln  pflegte,  und  Vitruv. 
Praef.  Libr.  VII,  16.  sagt,  die  Zelle  sei  von  ausserordentlicher 
Grösse  (immani  magnitudine)  gewesen.  Diess  erscheint  natürlich, 
wenn  man  bedenkt,  dass  sich  in  der  Regel  alle  Athener  einweihen 
liesson.  —  Chandlcr,  Reisen  in  Griechen!.  Lpzg.  1777.  S.  369. 
gil)t  der  Zelle  eine  Breite  von  ohngefähr  150  Fuss.  Nach  der 
Vojagc  d.  j.  Anachars.  Tom.  VI.  p.  155.  und  neueren  von  Creuzer 
P.yml).  IV.  337.  angefiihrten  Reisenden  betrug  die  Länge  des  gan- 
zen Tempels  363  und  die  Breite  307  Pariser  Fuss.  W. 


VIERTES     CAPITEL,  57 

]aubte  nicht,    hier  eine  zu   einem  sicheren  Resultat 
führende  Nachgrabung  anzustellen. 

Die  Ueberreste  der  Mauer  und  eine  der  Anten 
an  der  Südwestecke  des  Tempels  bestimmten  den 
Funct,  bis  zu  welchem  sich  die  Vorderseite  in  die- 
ser Richtung  erstreckte,  und  bewiesen  deutlich,  dass 
die  Vorhalle  ursprünglich  zwölf  Säulen  auf  der  Vor- 
derseite hatte.  Hinter  dem  Tempel  war  ganz  dicht 
an  der  Mauer  der  Zelle  eine  Plalform  oder  Terrasse 
in  den  Felsen  gehauen;  sie  war  zwanzig  Fuss  über 
die  Grundüäche  des  Fussbodens  in  der  Vorhalle  er- 
haben. Eine  Flucht  von  Stufen,  ohngefähr  zwanzig 
Fuss  von  der  Nordwestecke  des  Tempels  entfernt, 
führte  von  dieser  Terrasse  zu  einem  kleinen  Portal, 
das  den  Zugang  zu  der  höher  liegenden  Citadelle  er- 
öiinet  zu  haben  scheint. 

Taf.    II. 

Aufriss  der   J^orhalle.  , 

Die  NeijTDno-  des  Giebelfeldes  bestimmten  wir 
nach  einem  Stück  des  Kranzes,  welches  früher  zu 
einer  der  Ecken  gehörte.  Die  ursprüngliche  Höhe 
der  Säulen  Hess  sich  nicht  ermitteln,  wir  haben  ih- 
nen auf  der  Tafel  fünf  und  einen  halben  Durchmes- 
ser zur  Höhe  gegeben. 

Taf.     III. 
Die  Ordnung  der  Vorhalle  in  grösserem  Massstabe, 

Ein  ohngefähr  Zoll  breiter  Rand  war  rund  um 
die  obere  und  untere  Kante  der  Stücke  gelassen, 
aus  denen  die  Säulen  zusammengesetzt  waren;  er 
stand  etwas  vor  und  war  sorgfältig  geglättet;  durch 
diese  Vorrichtung  war  die  Fuge  so  unbedeutend, 
dass  man  sie  kaum  bemerkte.  Dasselbe  Verfahren 
hatte  man  bei  den  verticalen  Fugen  des  Kranzes 
beobachtet. 


58  VIERTES    CAPITEL. 

Ein  ganzer  Ziegel  fand  sich  nicht  unter  den  Rai- 
nen; die  hier  angegebene  Breite  beruht  daher  auf 
V  ermuthung. 

Taf.     IV. 
Durchschnitt  durch  das  Gebälk  an  der  Ecke  der  Korhalle, 

Dieser  Durchschnitt  dient  dazu,  die  bei  dem  über- 
bau beobachtete  Constructionsart  und  den  soviel  als 
möglich  sparsamen  Gebrauch  des  Pentelischen  Mar- 
mors zu  zeigen.  Die  Blöcke  des  Kranzes  waren  zu 
schmal,  um  sich  ohne  darüberliegendes  Gewicht  an 
ihren  Stellen  halten  zu  können.  Den  Eleusinischen 
oder  porösen  Stein  brauchte  man  wahrscheinlich  an 
dieser  Stelle  und  befestigte  ihn  durch  Klammern, 
die  in  seine  obere  Flache  eingelasser.  w^urden.  Die 
Neigung  herabzufallen,  welche  die  Blöcke  haben 
mussten,  konnte  nur  durch  schwere  Massen,  die  hin- 
ten in  sie  eingepasst  waren,  aufgehoben  werden. 
Die  Triglyphen  bestanden  aus  einzelnen  zwei  Fuss 
■vier  Zoll  breiten  Blöcken  (Fig.  A.  Taf.  VI.);  an  den 
Seiten  waren  Rinnen  eingehauen,  um  die  Metopen 
einfügen  zu  können,  welche  aus  vier  Zoll  breiten 
Platten  bestanden.  Hinter  und  über  den  Triglyphen 
und  Metopen  hatte  man  wahrscheinlich  einen  Stein 
von  geringerem  Werthe  gebraucht.  Einige  Felder- 
stücke aus  der  marmornen  Decke  fand  man  beim 
Nachgraben  innerhalb  des  Raumes  der  Vorhalle;  die 
Tragebalken  derselben  mussten  wegen  ihrer  bedeu- 
tenden Länge  aus  Holz  gewesen  sein.  Die  Archi- 
trave  hatten  dreierlei  Dicke. 

A.  Durchschnitt  durch  den  unteren  Theil  des  Schafts 
und  die  obere  Stufe. 

B.  Grundriss  davon. 

Taf.    V. 
Längendurchschnitt  durch  den  Tempel. 
Man  hat  angenommen,    dass  die  Ouermauer  der 
Zelle   da  gestanden  habe ,    wo  der  getäfelte  Boden 


VIERTES    CAPITEL.  59 

der  Vorhalle  endigte.  Ohngefähr  zwanzig  Fuss  von 
dieser  Gränzlinie  entdeckte  man  einen  andern  Fuss- 
boden,  der  um  mehr  als  zwei  Fuss  tiefer  liegt  als 
der  erste.  In  derselben  Höhe  hat  man  sich  auch  den 
Boden  gedacht,  auf  dessen  hinterem  Theile  die  er- 
wähnten cylinderförmigen  Stücke  aufgestellt  waren, 
da  sie  beide  aus  einem  Stoffe  und  ungeglättet  gelas- 
sen sind.  Die  Künstler,  welche  sich,  bemühten,  die- 
sen Punct  ins  Klare  zu  bringen,  kamen  nach  ihren 
Berechnungen  dahin,  diesen  Fussboden  noch  einen 
Fuss  tiefer  zu  legen,  aber  die  Schwierigkeit,  von 
den  ihnen  zugänglichen  Functen  aus  die  verschiedne 
Höhe  desFussbodens  zu  bestimmen,  hat  ihre  Berech- 
nungen nicht  vor  Untrüglichkeit  beschützt.  Uer 
Felsen  an  dem  Ende  ist  nicht  bis  zum  Fussboden 
herab  weggehauen,  sondern  dehnt  sich  bis  in  den 
Tempelraum  herein  aus, 

Taf.     VI. 

Einzelne  ausgeführte  Theile  des  Gebäudes, 

A.  Grundriss  der  Triglyphen,  wobei  man  die  Art 
sieht,  in  welcher  die  Metopen  eingefügt  sind, 

B.  Durchschnitt  durch  ein  Marmorfeld  der  Decke 
über  der  Vorhalle. 

C.  Durchschnitt  durch  das  Capital  einer  Säule. 

D.  Cylinderförmiger  Schaft  aus  porösem  Stein ,  den 
man  innerhalb  des  Raums  der  Zelle  fand;  das  elf 
Zoll  hohe  Stück  unter  ihm  ist  aus  dem  grauen 
Kalkstein,  wie  der  Fussboden,  auf  welchem  es 
stand. 

E.  Riemen  oder  Ringe  aus  weissem  Marmor,  die  man 
innerhalb  des  Raums  der  Zelle  fand;  Theil  einer 
Säule,  die  an  der  Höhe  des  Schaftes  drei  Fuss 
zwei  Zoll  im  Durchmesser  hatte:  er  gehörte 
w^ahrscheinlich  zu  einer  der  Säulen  in  der  unte- 
ren Reihe. 


60  VIERTES    CAPITEL. 

F.  Dorisches  Capital  aus  Pentelischem  Marmor,  das 
man  ebendaselbst  fand  und  welches  wahrschein- 
lich zu  den  Säulen  der  oberen  Reihe  gehörte. 

G.  Durchschnitt  durch  den  Kranz  des  Giebels. 

H.  Durchschnitt  durch  den  Kranz  längs  der  Seiten 
des  Tempels.  Das  Fragment  darüber  ist  einTheil 
des  geneigten  Endstückes  vom  Kranze,  aus  wel- 
chem der  Traufziegel  gebildet  w^urde.  Auf  der 
oberen  Fläche  sieht  man  auch  das  Loch  für  den 
Pflock,  welcher  den  ßindeziegel  mit  ihm  be- 
festigte. 
I.  Durchschnitt  durch  einige  Fragmente  von  Glie- 
dern, die  zum  Fries  innerhalb  der  Vorhalle  ge- 
hört zu  haben  scheinen. 
K.  Durchschnitt  durch  ein  vordem  Tempel  gefunde- 
nes Stück  eines  Kranzes,  der  wahrscheinlich  zu 
der  oberen  Thürschwelle  (lintel)  des  grossen 
Thores  gehörte. 

Taf.  VII. 
Bruchstücke,  die  man  in  Eleusis  gefunden. 
Fig.  I.  Gebälk  aus  Marmor,  das  man  an  der  Vorder- 
seite des  Tempels  der  Ceres  gefunden.  Das 
Ganze,  den  Kranz  ausgenommen,  bestand 
aus  Einem  Block.  Der  Fries  ist  verziert  mit 
Thyrsus,  Granatäpfeln,  den  mystischen  Kör- 
ben, Getreidegarben,  Libationsvasen,  Scha- 
len und  der  Hirnschale  eines  Stiers.  (^^)  Auf 

(26)  Grosse  Aehnlichkcit  hat  ein  zu  Athen  gefundener,  bei 
Stuart  als  Vignette  zu  Thl.  I.  Cap.  I.  unci  in  der  Deutschen  Aus- 
gabe Lieferung  XXVII,  Taf.  I.  abgebildeter  Dorischer  Fries,  der 
mit  Mohnhöpfen^  Thyrsus,  Faclceln ,  Slierhäuptcrn ,  einer  Vase 
und  einer  Schale  verziert  ist  und  demnach  ebenfalls  als  ein  Stiick 
von  einem  Tempel  der  Demeter  gelten  kann.  —  Wem  die  Bedeutung 
dieser  Zeichen  und  die  vetschiednen  Verhältnisse  fremd  sind,  in 
denen  das  Bild  des  Stiers  in  der  Religion  der  Demeter  vorkommt, 
der  lese  in  Creuzer's  Symb.  Thl.  IV.  Cap.  Vll.  §•  7.     ,        W. 


VIERTES    CAPITEL.'  6^1 

dem  Architrav  stand  eine  Inschrift,  von  der 
man  nur  noch  wenige  Buchstaben  lesen  kann. 
Die  ganze  Länge  beträgt  beinahe  sechzehn 
Fuss.  Das  Gebälk  selbst  machte  aber  wahr- 
scheinlich das  hyperthyrum  (Oberschwelle, 
Fries  und  Kranz)  des  grossen  Portals  am 
Tempel  aus. 

Fig.  II.  111.  Fussgestelle,  die  man  auf  dem  .grossen 
geplatteten  Boden  an  der  Vorderseite  der 
Propyläen  fand;  ihr  Standort  ist  auf  dem 
allgemeinen  Grundriss  (Cap.  I.  Taf.  V.)  mit 
Jb\  F.  bezeichnet.  ' 

Fig.  lY.  Schale  aus  Alabaster,  die  man  innerhalb 
des  Tempelraums  fand. 

Fig.  V.  Durchschnitt  derselben. 


Fünftes    Capitel. 

Tempel    der    Diana    Propyläa. 

Jr  ausanias  berichtet  uns  in  der  oben  nachgewiesenen 
Stelle,  dass  ein  Tempel  zu  Eleusis  der  Diana  Propy~ 
lüa  o-eweiht  gewesen  sei.  Da  die  Beinamen  der  heid- 
nischen  Gottheiten  häufig  in  der  Oertlichkeit  ihrer 
Capellen  und  Tempel  ihre  Veranlassung  hatten,  (') 
so  dürfen  wir  schliessen,    dass   der  unmittelbar  vor 

(1)  So  vukIc  ticr  nahe  bei  den  Propyläen  der  Athenischen 
Aliiopolis  stehende  Hermes  (Mcrcurius)  Propylaeos  genannt  (Pau- 
san.  I,  22,  8.)  und  der  nahe  bei  dem  Thor  des  Marktes  oder  der 
Agora  Jgoraeos  (Paus.  I,  15,  1.  H ,  9,  7.  Eben  so  fidirt  er  die 
Beinamen,  Ilvluioq  und  ^TQO(f(ilo(;,  was  man  z.  B.  aus  Arislophan. 
Phit.  V.  1154.  ersieht,  insofern  er  als  Thürhüter  neben  den 
aTQO(pilq  (Tlüirangclu)  steht.  —  W.) 


62  FÜENFTES   CAPITEL. 

den  Propyläen  errichtete  Tempel  jener  gewesen, 
welchen  der  Griechische  Reisende  also  benannte. 
Zur  Bestätigung  dieser  Vermuthung  machen  wir  auf 
die  Lage  des  Tempels  aufmerksam,  der  die  Mitte 
einer  grossen  vor  den  Propyläen  angelegten  Platte 
einnahm,  wesswegen  er  schon  zu  den  zum  grossen 
Tempel  gehörigen  Gebäuden  gerechnet  worden  zu 
sein  scheint. 

Diese  Verbindung  und  wie  dieses  Gebäude  einen 
Theil  der  ganzen  Tempelanlage  konnte  gebildet  ha- 
ben, erklärt  sich,  wenn  man  bedenkt,  dass  die 
Griechen  die  Artemis  oder  Diana  nicht  als  Tochter 
der  Leto  oder  Latona^  sondern  als  Tochter  der  De- 
meter oder  Ceres  betrachteten.  (^) 

Dieser  Tempel  ist  um  so  interessanter,  inso^ 
fern  er  bis  jetzt  noch  die  einzige  beschriebene  Ab- 
weichung von  der  Tempelgattung  ist,  welche  die 
Griechen,  der  Nachricht  Vitruv's  zufolge,  (^)  vaoi^ 
kv  itaQaaxaOiv  nannten,  worunter  sie  einen  Tempel 
verstanden,  der  auf  seinen  Hauptseiten  (Vorder-  und 
Hinterseite)  ii'-vei  Säulen  zwischen  den  die  Seiten- 
mauern seiner  Zelle  begränzenden  Anten  oder  Eck- 
wandpfeilern hatte.  Es  war  diess  die  einfachste 
Form,  welche  sich  für  die  älteren  Tempel  Griechen- 
lands vortreftlich  eignete.  Der  Griechische  Tragö- 
diendichter Euripides  hatte  ohne  Zweifel,  als  er  das 
Zwiegespräch  des  Pylades  mit  dem  Orestes  nieder- 
schrieb, worin  diese  sich  beralhen,  auf  welche 
Weise  man  in  das  Heiligthum  kommen  und  die  Bild- 
säule der  Göttin  wegführen  könne,  einen  Bau  von 
ähnlicher    Construction    im    Sinn.      Pylades    schlägt 


(2)  Heioilot.  II,   156.     Pausan.  VIII,   37.  (Aufscliluss  gibt  wie- 
derum Creuzer,  Symbolik  Tbl.   IV.  S.   11  und  518.  AV.) 

(3)  Lib.  III.  Cap.  I.  In  der  Lateinischen  Terminologie:  Aedes 
in   antis.  W. 


FUENFTES    CAPITEL.  63 

nämlich  seinem  Freunde  vor,  sich  von  da  in  das  Hei- 
ligthum  hinabzulassen,  wo  die  Oeffnungen  zwischen 
den  Triglyphen  es  möglich  machten  einzudringen. 

*OQa  dt  y  €10(0  TQiykvcpcov  ^  oitoi  xsvoVf' 

^k^aq  xa^sivai* 

»Schau  zwischen  die  Triglyphen  hin,  wo  lee- 
rer Raum 

Den  Leib  hinablässt!«  — 

Eurip.  Iphig.  in  Taur.  113. 

Nur  aber  in  Tempeln  von  der  beschriebenen  Gat- 
tunjr  konnte  man  durch  die  leeren  Räume  zwischen 
den  Triglyphen  eindringen.  (*) 

(4)  Hr.  Blomßeld  macht  einen  recht  geistreichen  Vorschlag 
zur  Aendcrung  dieser  ihm  anstössigen  Stelle;  er  will  statt  y*  äaia 
geschrieben  haben  ynaa,  und  iibersetzt  dieses  Wort  mit  Brustweh- 
ren fparapetsj.  Nun  findet  sich  aber  in  der  ganzen  Griechischen 
Architektur  durchaus  nichts,  was  dem  entspräche,  was  wir  unter 
parapet  verstehen.  Fiiaov  bezeichnet  in  der  Athenischen  Bau- 
inschrift (Stuart  Tbl.  II.  Cap.  II.)  den  vorspringenden  Kranz  des 
Gebäudes.  Dass  diess  seine  Bedeutung  sei,  erleidet  keinen  Zweifel, 
indem  daselbst  das  Wort  yilaa  nicht  blos  zur  Bezeichnung  des 
Kranzes  auf  den  Seiten,  sondern  in  einer  andern  Stelle  (Z.  172)  — 
ytlaa  fnt  tou?  alirovq  —  auch  zur  Bezeichnung  des  Kranzes  über 
den  Giebelfeldern  gel)raucht  wird. 

Aus  obiger  Stelle  sehen  wir,  dass  die  Griechen  in  des  Euripi- 
des  Zeit  die  Bäume  zwischen  den  Triglyphen  nicht  schlössen.  Diese 
Zwischenräume  hiossen  (wie  wir  im  Gegensatz  mit  der  Behauptung 
Vitruv's  anzunehmen  geneigt  sind)  bei  den  Griechen  darum  onat 
Copae  t  OeJfnungenJ ,  weil  sie  in  den  ersten  Zeiten  offen  waren. 
Mit  dem  Ausdruck  /niTonai,  metopae ,  mochten  die  Griechen  die 
Tafeln  bezeichnet  haben,  durch  welche  die  Oeffnungen  späterhin 
geschlossen  w  urdcn ,  nicht  aus  dem  von  Vitruv  (L.  IV.  c.  2.)  an- 
gegebenen Grunde  ,,Ita  quod  inter  duas  opas  est  intertignium  ,  id 
metopa  apud  cos  nominatum,"  sondern  weil  sie  den  leeren  Raum 
der  Oeffnungen  ausfiiiltcn.  Eine  frühere  Stelle  desselben  Schrift- 
stollers  zeigt  in  der  That,  dass  die  Räume  zwischen  den  Trigly- 
phen in  alten  Zeiten  opae  genannt  wurden.  ,,Ita  divisiones  ligno- 
rum  tectac ,    triglyphorum  dispositione  et  oparum  j    locum  habere 


64  FUENFTES    CAPITEL. 

Bei  allen  Dorischen  Gebäuden,  die  wir  bis  jetzt 
kennen  gelernt  haben,  endigt  das  Dach  in  einem  stil- 
licidium  d.  h.  einer  Dachtraufe,  in  vorliegendem  Bei- 
spiel »her  ist  die  sima  oder  das  obere  Glied  des 
Giebelkranzes  längs  der  Seiten  fortgeführt  und  in 
ihr  eine  Rinne  ausgehöhlt,  in  der  sich  das  vom  Dach 
herablliessende  Regenwasser  sammeln  soll.  An  die- 
sem Theile  des  Gebäudes  stehen  sodann  Löwenköpfe 
hervor,  durch  deren  geÖjEFneten  Rachen  das  Wasser 
seinen  Abfluss  hat. 

Fast  nur  der  Grundbau  des  Gebäudes  hat  seine 
ursprüngliche  Stelle  erhalten;  zwei  Hütten  stehen 
auf  dem  Tempelraum.  Dadurch  dass  man  den  Grund 
und  Schutt  ringsum  bis  auf  die  Fläche  der  grossen 
Platte  wegräumte,  konnte  man  den  Grundriss  deut- 
lich nachweisen,  so  wie  es  durch  die  Stücke,  welche 
die  Nachgrabungen  fast  von  jedem  einzelnen  Theile 
zu  Tag  förderten,  möglich  wurde,  die  Ausführung 

in  Doricis  operibus  coeperant."  Die  Worte  et  oparum,  die  in 
einigen  Handscbriften  apharum  geschrieben  sind,  findet  man  in 
der  editio  princeps  des  Sulpitius  noch  beibehalten,  von  späteren 
Herausgebern  sind  sie  abßr  wegen  des  auffallenden  Widerspruchs 
der  zwei  angefiihrten  Stellen  in  intertignium  umgeändert  worden. 
Zu  bemerken  bleibt  übrigens  noch,  dass  wir  über  diesen  Gebrauch 
des  Worts  metopae  kein  weiteres  Zeugniss  als  das  des  Vitruvius 
haben.  (Aus  der  eben  angeführten  Stelle  des  Euripides  hatte  bei 
übereinstimmender  Erklärung  schon  TVinchelmann  in  den  Anmer- 
kungen über  die  Baukunst  der  Alten  (der  Ausg.  seiner  Werke  v. 
Fernow  Bd.  I.  S.  372,  f.)  und  in  den  Monum.  ant.  ined.  (Par.  IV. 
c.  14.  num.  206.  p.  271  seg.)  denselben  Schluss  gezogen.  Bei  die- 
ser Gelegenheit  leitet  er  auch  die  Entstehung  der  Triglyphen, 
welche  Vitruv  als  einen  Zlerrath  von  Ursprung  an  erklärt,  daher 
ab,  dass  man  an  die  Enden  der  Balken  Einschnitte  gemacht  habe, 
um  dem  Risse  derselben  zuvorzukommen ,  wogegen  Fernow  in 
ihnen  die  Rinnen  des  Wassers  nachgeahmt  finden  will,  das  vom 
Kranze  herablief  und  sich  in  den  unter  den  Triglyphen  befindli- 
chen Tropfen  sammelte.  W.) 


FUENFTES    CAPITEL.  65 

s 

im  Einzelnen  zu  ermitteln.  Jeder  Säulenschaft  be- 
stand aus  Einem  Blocke.  Das  ganze  Gebäude,  die 
Dachziegel  ausgenommen,  welche  aus  gebackener 
Lehraerde  (baked  clay)  bestanden ,  war  von  Penteli- 
schem  Marmor. 

Taf.     I. 
Grundriss   des    Tempels. 

Auf  fünf  Stufen  stie^  man  zum  Tempel  hinan, 
-man  könnte  sagen  auf  sechs,  wenn  man  den  rings 
herumlaufenden  einen  Zoll  hohen  Aufsprung  Stufe 
nennen  wollte.  Wahrscheinlich  sollte  er  nach  Vollen- 
dung des  Ganzen  mit  einer  schwachen  Absenkung  vom 
Tempel  aus  weggemeissek  werden,  denn  in  Eleusis 
war  keins  der  öltenliichen  Gebäude  ganz  vollendet. 

Die  punclirten  Linien  zeigen  die  3Iarmorfelder 
der  Decke,  deren  man  einige  nahe  bei  der  Vorder- 
seite gefunden  hat. 

Tafj    II. 
Aufriss   des    Tempels. 

Taf.     III. 

Seitenansicht    des    Tempels, 

Die  untere  Schichte  der  Mauer  war  höher  als  die 
andern  und  sprang  elwas  über  die  Linie  der  Vorder- 
fläche vor.  Die  Stücke  der  sima  waren  von  gleicher 
Länge,  ein  jedes  hatte  die  Breite  von  zwei  Ziegeln  und 
war  mit  zwei  ganz  erhaben  gearbeiteten  Löwenköpfen 
verziert.  Die  ßindeziegel  endetfen  einer  um  den 
andern  auf  der  Firste  des  Dachs  und  an  der  Traufe 
in  Blumenverzierungen. 

Taf.    IV. 

Ordnung   der   Anten. 

A'\'ir  dürfen   nicht   verschweigen,    dass   es   dem 

Kupferstecher  nicht  gelungen  ist,  den  Löwenköpfen 
Alt.  Alt.  ü 


66  FÜENFTES   CAPITEL. 

auf  dem  cymatium  den  Charakter   des  Originals  zu 
geben. 

Taf.     V. 

Durchschnitt  durch  das  Gebälk  der  f^orderseite. 

Die  Steinlagen  hinter  dem  Architrav  und  Fries 
sind  nach  Vermuthung  gezeichnet.  Die  zwei  Reihen 
Ziegel,  welche  auf  die  Giebel  stossen,  waren  aus 
den  Blöcken  herausgearbeitet,  welche  den  Kranz 
über  dem  Giebelfeld  bildeten. 
Taf.  VI. 
Durchschnitt  durch  die  F'orhalle. 

Die  Weite  der  ThüröfFnung  ist  nach  Vermuthung 
angegeben,  so  wie  das  Balkenwerk  des  Dachs.  Der 
Durchschnitt  durch  das  Gebälk  lässt  uns  das  aufrecht 
laufende  Oberstück  des  Kranzes  sehen,  welches  die 
Stelle  einer  niederen  Ziegelreihe  vertrat. 

Die  niedrige  Mauer  an  dem  Ende  der  grossen 

Platte  sieht  man  zur  Rechten.    Eine  Gosse  oder  Rinne 

zur  Leitung  des  Wassers  ist  längs  der  Aussenseite 

angelegt. 

Taf.     Vll. 

Grundriss  des  Dachs, 
Die  eine  Hälfte  des  Grundrisses  zeigt  die  mar- 
mornen Dachziegel   ohne  die  schmalen  Bindeziegel. 
Die  Oberstücke  des  Kranzes,  aus  zweimal  so  langen 
Blöcken  bestehend,    als  die   Ziegel  sind,    waren  an 
den  Fugen  sattelförmig  und  bildeten  die  untere  Zie- 
gelreihe.    In  der  Mitte  der  oberen  Fläche  derselben 
war  ein  Vorsprung,  an  welchem  die  mit  einer  Blu- 
menverzierung endenden  Bindeziegel  befestigt  waren. 
Jeder  Block  hatte  zwei  gebohrte  Löcher,  durch  welche 
das  von  dem  Dach  herabfliessende  Wasser  ablief. 
Taf.     Vm. 
Einzelne  Theile  des  Gebäudes. 
A.  Durchschnitt  durch  den  Kranz  über  dem  Giebel- 
felde. 


FÜENFTES    CAPITEL.  67 

B.  Durchschnitt  des  Kranzes  auf  den  Seiten. 

C.  Das  Ende  eines  Bindeziegels  an  der  Traufrinne, 

D.  Dasselbe  von  der  Seite  gesehen. 

E.  Die  untere  Fläche  eines  platten  Ziegels ,  wobei 
man  die  Art  sieht,  wie  er  da  eingeschnitten  ist, 
wo  er  über  den  zunächst  unter  ihm  liegenden 
Ziegel  überschluo^. 

F.  Die  obere  Fläche  desselben. 

G.  Profil  des  Capitäls,  halb  so  gross  als  in  der  Wirk- 
lichkeit. 

H.  Grundriss  einer  Cannelirung  in  der  Höhe  des  Säu- 
lenschaftes in  voller  Grösse. 

I.  Durchschnitt  durch  das  Capital  einer  Ante,  ein 
Viertel  so  «ross  wie  in  der  Wirklichkeit. 

K.  Durchschnitt  durch  die  Base  der  Anten. 

L.   Grundriss  der  Felderdecke. 


R  h  a  m  n  u  s. 

Sechstes     Capitel. 
Tempel    der    Nemesis, 

JClhamnus,  eine  der  Attischen  Ortschaften,  war  sech- 
zig Stadien  von  Marathon  entfernt,  wenn  man  längs 
der  Küste  nach  Oropos  zu  fortging.  Die  Bewohner 
hatten  sich  an  dem  Meeresuier  hin  angesiedelt  und 
etwas  über  dem  Städtchen  lag  das  'legov  oder  das 
heilige  Tempelgebiet  der  Nemesis.  (*) 

Ein  schroff  gegen  das  Meer  hin   abgebrochener 
Rücken  des  Pentelischen  Berges  bildet  in  einer  Ent- 

(1)  Pausan.  L.  I.  c.  33.  §.  2. 


68  SECHSTES    CAPITEL. 

fernung  von  sieben  Meilen  von  der  Mündung  des 
Flusses  Marathon,  in  nordöstlicher  Richtung  längs 
des  Meerbusens  von  Euböa  einen  halbkreisförmisen 
Raum  zwischen  seinem  Fuss  und  dem  Meeresufer, 
In  der  Mitte  dieser  Ebene  war  auf  einem  einzeln 
stehenden  Felsen,  der  jäh  und  steil  nach  Nor- 
den und  Westen  fast  nur  auf  der  Südostseite  bei 
allmähliger  Absenkung  zugänglich  ist,  die  alte  Burg 
von  Rhamnus  erbaut.  Die  Lasre  des  Orts  rund  um 
den  Zugang  ist  noch  immer  an  den  Ueberresten  der 
Wohnungen  zu  erkennen. 

Die  Burg  war  da,  wo  sie  den  Zugang  gestattete, 
durch  Mauern  aus  weissem  Marmor  gedeckt.  Noch 
stehen  diese  eine  beträchtliche  Strecke  weit  sammt 
ihren  Thürmen  und  dem  Eingangsthor.  Im  Burgbe- 
zirk findet  man  noch  mehrere  Fundamente  von  Ge- 
bäuden und  einige  in  den  Felsen  gehauene  Brunnen, 
von  denen  einer  noch, fünfzig  Fuss  tief  ist.  Der 
neuere  Name  der  Burg  ist  Ovrio-  oder  Stauro-Castro, 

Der  gerade  Weg  von  Marathon  führt  durch  das 
Dorf  Soiili j  das  hart  an  dem  Fuss  des  Berges  liegt, 
durch  den  die  Ebene  nach  Nordosten  besrränzt  wird. 
In  der  Mitte  zwischen  den  zwei  Orten  durchschnei- 
det ein  Sumpf  die  Ebene;  er  mag  wohl  derselbe 
sein,  in  welchem  die  versprengten  Perser,  die  an 
dem  denkwürdigen  Tage  der  Schlacht  bei  Marathon 
ihr  Heil  in  der  Flucht  suchten  ,  ihr  Leben  verloren. 
Drei  und  eine  halbe  Meile  über  das  Dorf  hinaus  bil- 
det eine  tiefe  Thalschlucht,  die  sich  steil  gegen  die 
See  hin  senkt,  den  einzigen  Weg  nach  Rhamnus.  Am 
Eingang  in  diese  Höhle  liegt  ohngefähr  dreihundert 
Fuss  über  der  Meeresfläche  das  heilige  Tempelgebiet 
der  Nemesis,  auf  dem  man  beträchtliche  üelDerreste 
von  zwei  Tempeln  entdeckt  hat. 

Noch  hat  sich  eine  Terrasse  erhalten,  die  hun- 
dert und  fünfzig  Fuss    breit   und  gegen  die  See  hin 


SECHSTES    CAPITEL.  69 

gerichtet  ist.  Die  zur  Stütze  dienenden  Mauern  wa- 
ren aus  weissem  Marmor,  die  Blöcke  horizontal  über 
einander  gelegt,  aber  nicht  nach  verticalen  Linien, 
zusammengefügt.  Das  ganze  Gebiet  von  lihamnus 
ist  seit  langer  Zeit  verlassen. 

Das   Ileilifithum    der   Nemesis    umschloss    zw'ei 

o 

Tempel,  von  deneij  der  grössere  ein  sechssäiiliger 
Peripteros,  der  kleinere  ein  Tempei  in  antis  war.  Zur 
Unterscheidung  haben  wir  den  letzteren  einen  Tem- 
pel der  Themis  genannt,  ohne  iedocli  für  diese  Be- 
nennung eine  Autorität  zu  haben.  Einer  der  Mar- 
raorsitze  in  seiner  Vorhalle  w^ar,  wie  die  darauf 
eingegrabene  Inschrift  deutlich  beweist,  wirklich 
der  Thetnis  geweiht,  aber  der  jenem  symmetrisch 
entsprechende  Sitz  hat  eine  Inschrift,  die  an  Neme- 
sis gerichtet  ist.  Man  kann  wohl  kaum  daran  zwei- 
feln, dass  der  grössere  und  prachtvollere  Tempel 
zu  Ehren  der  Gottheit  errichtet  gewesen,  welcher 
das  ganze  Tempelgebiet  geweiht  war.  Etwas  Be- 
deutendes möchte  sich  hierüber  ausserdem  nicht 
ermitteln  lassen,  wenn  nicht  etwa  noch  ein  Schluss 
aus  irirend  einem  mit  der  Griechischen  Geschichte 
verbiindnen  Gegenstande  Licht  verbreitet.  Der  klei- 
nere Tempel  gehört  seiner  Anlage  nach  auch  einer 
weit  früheren  Zeit  an,  als  der  grössere,  und  war 
wahrscheinlich  der  alle  Tempel  der  Göttin,  welcher 
das  Schicksal  der  übrigen  heiligen  Gebäude,  die  in 
die  Hände  der  Perser  gefallen  waren,  gelheilt  hatte 
und  dem  Verfallen  überlassen  geblieben  war.  Denn 
bekanntlich  gestatteten  die  Athener  durchaus  nicht, 
irjrend  einen  von  den  Barbaren  beschädiuten  Tem- 
pel  auszubessern,  sondern  Hessen  dieselben  in  ihrem 
halbverbrannten  Zustand,  w^ie  jene  sie  verlassen 
hatten,    stehen.   (^)      Diese  Annahme  macht  es  auch 

(2)    £AA>Ji'(uv    6^   rot?    «VTtOTaot    t^    ßaQßunu}   tu    xnxanav&4vta 


70  SECHSTES    CAPITEL. 

begreiflich,  wie  man  bei  der  Stellung  der  zwei  Tem^ 
pel  allen  Regeln  der  Symmetrie  so  durchaus  zuwider 
verfahren  konnte,  indem  die,  w^elche  den  Entwurf 
machten,  sich  schon  in  die  Zeit  versetzt  zu  haben 
scheinen,  in  welcher  der  erAvartete  gänzliche  Ver- 
fall der  alten  Tempelruine  dem  schönen  Tempel, 
welcher  den  alten  ersetzen  sollte,  einen  freien  Stand 
gewähren  würde. 

Plutarch  Q)  erzählt  uns,  Perikles  habe  einen  Volks- 
beschluss  veranlasst,  durch  den  die  verschiedenen 
Staaten  Griechenlands  eingeladen  worden  seien,  Ge- 
sandte nach  Athen  zu  schicken,  um  anzugeben,  welche 
Gelübde  man  den  Göttern  noch  schuldig  sei,  und  sich 
über  die  zweckmässigsten  Mittel  zu  berathen,  um  die 
Tempel  wieder  aufzubauen,  w^elche  von  den  Barbaren 
niedergebrannt  worden  seien.  Sein  Vorschlag  fand 
zwar  bei  den  übrigen  Hellenen  keinen  Beifall,  wurde 
aber  ausgeführt,  so  weit  er  die  Athener  betraf,  üie 
Tempel  zu  Athen  und  Eleusis  kamen  in  Vorschlag 
und  wurden  erbaut.  Der  Parthenon  erhob  sich,  wäh- 
rend die  üeberreste  des  alten  Hekatompedon  noch 
standen.  (*) 


Itqä  firi  uviaiKVUi  aqiCoiv  tSo^iv,  aX).u  iq  rov  navTa  vnoXfinia&ai 
^qÖvov  tov  f/d-ouq  vnojLivrjfiara'  y.al  rovdi  il'vty.u  ol' Tt  Iv  nj  AXiuQtCif 
vaol  xul  'A&r^vuloiq  tJJ?  "H^uq  int  ojw  iij  «Puir^giy.jj  y.ul  o  inl  fPuf.ijQia 
Tij5  ^ri/LifiTQOi;  xul  xar"  l/^ii  ?Tt  rjfiiy.avrot'  [livovai.  Pausan.  Lib.  X. 
Cap.  35.  §.  2.  (Vergl.  die  von  Siebeiis  z.  a.  O.  angeführten  Stel- 
len Isocrat.  Panegyr.  41.  Lycurg.  c.  Leocrat.  19,  8.  Cicero,  de 
republ.  III.  39.  —  W.)  W. 

(3)  Perikl.  Cap.  17. 

(4)  Der  Hekatompedon  war  der  Tempel,  welcher,  wie  wir  aus 
Xenophon's  Hellenic.  Lib.  I.  Cap.  6,  1.  ersehen,  zufällig  in  Brand 
gericth  und  bei  diesem  Schriftsteller  der  alte  Tempel  der  Minerva 
heisst,  o  ntÜMoq  rr^q  'Ä&:t\vi'.q  vmq.  (Die  im  Text  und  in  dieser  Anm. 
ausgesprochene  Meinung  wird  in  den  neuen  Anm.  zu  Stuart,  Thl.  II. 
Cap.    I    und   II,    (der  Deutschen  Ausg.    Band   I.    S.  347   ff.    und 


SECHSTES    CAPITEL.  71 

Alle  von  den  Persern  halb  oder  ganz  zerstörten 
Tempel  wieder  aufzubauen ,  erforderte  bedeutend 
lange  Zeit.  Der  Bau  des  Erechtheion  wurde  erst  ge- 
gen den  Schluss  des  Feloponnesischen  Kriegs  begon- 
nen; die  Tempel  in  den  von  Athen  abhängigen  Städ- 
ten Altikas  wurden  wahrscheinlich  bald  nach  der 
Vollendung  der  Gebäude  in  der  Hauptstadt  w^ieder 
aufgebaut,  so  dass  man  den  Tempel  der  Nemesis  für 
ein  Werk  aus  der  besten  Zeit  Griechenlands  wird 
betrachten  können. 

Dieser  Tempel  zeigt  uns  die  Art ,  in  der  die 
Griechen  die  Glieder  des  Kranzes  roth  zu  bemalen 
pflegten;  das  cymatium  war  auf  diese  Weise  ringsum 
verziert;  die  Theile,  an  denen  man  Farben  anbrachte, 
traten  etwas  vor  und  waren  dadurch  gegen  das  Zer- 
fressen an  der  Oberfläche  geschützt.  (*)  Die  Con_ 
touren  sind  oflenbar  vorher,  so  lange  der  Marmor 
noch  w^eich  war,  mit  einem  scharfen  Instrument  vor- 
gezeichnet worden;  an  den  Gliedern,  die  der  Wir- 
kung der  Atmosphäre  weniger  ausgesetzt  waren,  sieht 
man  die  tief  eingegrabenen  Contouren  noch  immer. 

Die  benachbarten  Gebirge  bringen  Marmor  in 
Menge  hervor,  welcher  dem  an  den  Gebäuden  der 
Athenischen  Akropolis  ähnlich  ist.  Aus  diesem  schö- 
nen Material  war  der  grössere  Tempel  erbaut,  wie 

S.  5l3f.)  und  von  Böckh  (Corp.  Inscr.  Gr.  Vol.  I,  p.  264.)  bestrit- 
ten und  der  Ausdruck  o  nuXaux;  ii\<;  'A&:  rfw?  auf  den  Tempel  der 
Athena  Polias  bezogen.     W.) 

(5)  Eine  Auflösung  von  Drachenblut,  mit  dem  Pinsel  auf 
weissen  Marmor  getragen ,  dringt  tief  ein  und  erhält  «eine  Contou- 
ren scharf,  indem  die  Farbe  nicht  ausläuft.  Diese  Auflösung,  hat 
man  gefunden,  härtet  den  Marmor  in  einem  solchen  Grade,  dass, 
wenn  ein  theilweisc  bemaltes  Stück  der  Wirkung  einer  scharfen 
Säure  oder  Actze  ausgesetzt  wird,  die  Oberfläche  bis  zu  einer  be- 
trächtlichen Tiefe  angefressen  wird  und  nur  die  bemalten  Theile 
unversehrt  stehen  bleiben. 


72  SECHSTES    CAPITEL. 

auch  die  Mauern  des  Terapelgebiets  und  die  Trüm- 
mer der  Festungswerke  der  Burg.  In  dem  ohnge- 
fähr  zwanzig  Yards  von  dem  Tempel  entfernten  Fel- 
sen findet  man  Spuren  der  beim  Sleinbrechen  ge- 
brauchten Werkzeuge. 

Pausanias  (®;  erzählt,  die  Perser  hatten  bei  ihrem 
lüiniall  in  Attika,  ihres  Siegs  im  Voraus  gewiss,  einen 
Block  Parischen  Marmors  mitgebracht,  um  daraus  eine 
Tropäe  ihrer  Eroberung  arbeiten  zu  lassen.  Ans 
diesem  Block,  fährt  er  fort,  verfertigte  Phidias  die 
Statue  der  Nemesis  für  den  Tempel  von  Rhammis, 
Fragmente  der  Statue  und  unter  ihnen  den  Kopf  fand 
man  auf  dem  Tempelgebiet ;  eben  so  grub  man  meh- 
rere Bruchstücke  erhaben  gearbeiteter  kleiner  Figu- 
ren aus,  die  zu  der  Base  oder  dem  Fussgestell  der 
Hauptstatue  gehört  haben  mögen.  Die  Göttin  trug 
auf  dem  Haupte  einen  Kranz,  auf  welchem  Hirsche 
und  kleine  Victorienbilder  erhaben  gearbeitet  wa- 
ren. Durch  das  Stück  des  Kopfes,  das  man  unter 
den  Ruinen  fand,  waren  Löcher  gebohrt,  um  jene 
Verzierungen  ,  die  wahrscheinlich  von  IMetall  waren, 
an  ihn  zu  befestigen. 

Die  Geschichte  der  Bildsäule,  welche  Pausanias 
sechshundert  Jahre  nach  der  Schlacht  bei  Marathon 
nach  Hörensagen  erzählt,  war  wohl  eine  der  vielen 
erdichteten  Anekdoten,  welche  der  Griechischen 
Geschichte  anhängen.  Es  ist  weniostens  irewiss,  dass 
der  Marmor  an  der  Statue  nicht  Parischer ,  sondern,  wie 
an  den  Blöcken  des  Gebäudes,  Pentelischer  war.  An- 
dere Schriftsteller  erzählen,  die  Bildsäule  sei  ein 
Werk  des  Agorakritos ,  eines  Schülers  von  Phidias, 
gewesen,  und  erwähnen  gar  nichts  von  den  von  Pau- 
sanias mitgetheilten  näheren  umständen.  (') 

(6)  Pausan.  Lib.  I.  Cap.  33.  §.  2.  3. 

(7J  Hesych.  s.  v.  'Puf^vovata  Ni/ita^i-    Pün.  H.  N.  Lib.  XXXVI. 


SECHSTES    CAPITEL.  73 

Nahe  bei  der  Ostseite  des  Tempels  fand  man  eine 
kleine  weibliche  Figur  ohne  Kopf;  die  Sculptur  ge- 
hört einer  frühen  Periode  an,  die  Statue  selbst  "war 
•  wohl  ans  einer  Gruppe  vom  Giebelfeld.  Das  ganze 
Tempelgebiet  war  mit  ßruchslücken  der  Bildnerei 
bedeckt,  worunter  sich  Stücke  von  Statuen  in  Le- 
bensgrösse  befanden. 

üie  zwei  auf  dem  Terapelgebiet  stehenden  Ge- 
bäude waren  ohne  alle  Rücksicht  auf  Symmetrie  er- 
richtet. Das  Eck  des  einen  stösst  so  nahe  an  die 
Seite  des  andern,  dass  man  nicht  zwischen  durch  ge- 
hen kann.  Dieses  Aneinanderstossen  gibt  den  Ge- 
bäuden den  Anschein,  als  seien  sie  Theile  Eines 
Gebäudes,  und  wirklich  betrachtete  man  sie  als 
solche,  ehe  die  von  der  Gesellschaft  der  Dileltanti 
abgeschickten  Künstler  diesen  Punct  näher  beleuch- 
teten. 

Taf.     I. 
Grundriss  des  Tempels. 

Durch  die  dunkler  gehaltnen  Theile  ist  das  be- 
zeichnet, was  noch  auf  seiner  Stelle  steht. 

Der  Tempel  war  seiner  Gattung  nach  ein  hexa- 
stjlos  peripteros,  d.  h.  ein  Tempel  mit  je  sechs  Säulen 
auf  der  Vorder-  und  Hinter-  Seite  und  je  zwölf  Säulen 
auf  den  Nebenseilen.  Er  widerspricht  somit  ganz  dem 
Grundsatz,  welcher  die  Griechen,  wie  Vitruv  sich 
vorstellte,  bei  der  Bestimmung  der  Säulenzahl  für 
die  Nebenseilen  nach  der  auf  der  Vorderseile  geleitet 
haben  soll.  (*)     In   den  meisten  Tempeln  dieser  Art 

cap.  5-  (Vgl.  Zoega^s  Abhandlungen,  hcransgcg.  v.  Welcker.  S.  43f. 
57  IT.  62  lind  417  ff.;  die  Anm.  6  und  10  zu  dem  auch  im  ersten 
B;nid  der  Dcnfsclion  Ausgabe  Stiiart's  cntlialtenrn  Parlaincntsbericht 
S.  3S9  f.,  und  Sillig,  catalog.  artilc.  p.  26  ff.  Auch  Dodwell 
wiederholt  das  Mahrchen  des  Pausanias.     W.) 

(8)  Vgl.  Vitruv.  Lib.  III.    Cap.  3.  und  die  Neue  Anm.  zu  Stuart 
Vol.  II.  Cap.  I.  p,  58. ,  der  Deutschen  Ausg.  Bd.  I.  S.  468.       W. 


74  SECHSTES    CAFITEL. 

stehen  die  Anten ,  in  welchen  sich  die  Seitenmauern 
der  Zelle  endigen,  in  geringerer  Entfernung  von 
den  zwischen  ihnen  stehenden  Säulen,  als  die  den 
Anten  gegenüber  stehenden  Säulen  der  Vorder- 
seite von  ihren  Nachbarn;  unser  Tempel  ist  das 
einzige  bekannte  Beispiel,  in  vrelchem  sie  in  gleicher 
Linie  mit  ihnen  stehen. 

Die  unteren  Theile  der  Schäfte  von  sieben  Säu- 
len der  Südseite  und  einer  in  der  Vorhalle  haben 
sich  auf  ihrer  ursprünglichen  Stelle  erhalten ,  die 
übrigen  sind  herabgeworfen  ,  die  Stufen  laufen  aber 
noch  ringsherum  und  der  Standort  der  auf  dem  Bo- 
den liesrenden  Säulen  lässt  sich  noch  vollkommen 
nachweisen.  Auf  der  oberen  Stufe  oder  in  demFuss- 
boden  traf  jedesmal  die  Fuge  gerade  mit  der  Linie 
der  Säulenachse  zusammen  und  eine  viereckige  nicht 
tiefe  Einsenkung:  war  zur  Aufnahme  desSäulenschaf- 
tes  bestimmt. 

Zwischen  den  Säulen  der  Vorhalle  scheint  eine 
Art  Gitter  gewesen  zu  sein ;  die  Löcher,  die  zu  seiner 
Befestigung  dienten,  sind  noch  in  dem  Fussboden 
zu  sehen;  zu  demselben  Zweck  waren  Löcher  in  die 
Säulensch,äfte  und  Anten  gebohrt. 

A.  Der  einzige  Theil  des  Fussbodens,  der  noch  auf 
seiner  Stelle  liegt;    die  tiefen  Pflocklöcher  in 
ihm  sollten   vielleicht  die  Schranken   aufneh- 
men, durch  welche  die  Bildsäule  verwahrt  war. 
Taf.     IL 
Aufriss  der  Hauptvorderseite. 

Die  Richtung  des  Tempels  war  15°  nach  Süd  von 
Ost.  Die  Schäfte  der  Säulen  waren,  wie  die  bereits 
beschriebenen  am  Tempel  der  Ceres,  nur  am  Boden 
und  an  der  Höhe  cannelirt;  sie  bestanden  aus  fünf 
Stücken, 

Die  Chimären  auf  den  Giebelzinnen  an  den  spi- 
tzen Winkeln  des  Giebelfeldes  fand  man  an  der  Vor- 


SECHSTES    CAPITEL.  75 

derseite  des  Tempels.  An  den  oberen  Gliedern  des 
Kranzes  war  oiFenbar  eine  Verzierung  eingemeisselt, 
aber  so  flach,  dass  man  sie  kaum  noch  bemerken 
kann;  der  aufrecht  stehende  Theil  ist  bemalt.  Die- 
ses also  verzierte  Glied  lief  an  den  Nebenseiten  und 
an  dem  Kranz  der  Giebelfelder  fort. 

Taf.     III. 

Durchschnitt,    der   uns  die    Vorhalle   des    Tempels 

sehen  lässt. 

Die  Säulen  der  Vorhalle  waren  -vorn  cannelirt, 

hinten  glatt,    der  Reife  sind   es   elf  und  der  glatte 

Theil  gäbe  Haum  für  neun  Cannelirungen. 

Der  Architrav  lief  von  den  Anten  quer  über 
den  Vorplatz  bis  zu  den  gegenüber  stehenden  Säulen 
auf  den  Seiten.  An  dem  Posticum  bogen  die  Archi- 
travstücke  um  die  Ecken  und  waren  längs  der  Seiten- 
mauern  der  Zelle  fortgeführt.  Die  Metopen  waren 
am  Fries  weggelassen ,  aber  die  Tropfen  an  den  Ar- 
chilraven  ansiebracht.  Alle  einzelnen  Glieder  des 
Kranzes  waren  bemalt  oder  vergoldet.  Unter  den 
Verzierungen  ist  auch  der  Lotus ,  ähnlich  dem  einge- 
meisselten  Zierralh  an  den  Capilälen  der  Anten  und 
an  den  Seitenmauern  des  Erechtheion  zu  Athen, 
und  der  Mäander,  fast  so  wie  der  an  dem  inneren 
Fries  des  Theseustempels.  Stücke  von  jedem  Theil 
des  Gebäudes  lagen  unter  den  Kuinen  und  machten 
es  möglich  ,  die  Felderdecke  und  das  Dach  vollstän- 
dig zu  restauriren. 

Taf.  IV. 

Säulenordnung. 
Die  sima  oder  das  obere  Glied  des  Giebelkranzes 
ist  längs  der  Seiten  fortgeführt;  die  Regenrinne  war 
hinter  ihr  angebracht  und  das  vom  Dach  herabflies- 
sende  Wasser  wurde  durch  die  Löwenköpfe  abge- 
führt, welche  weit  hervorsprangen. 


76  SECHSTES    CAPITEL. 

Taf.     V. 

Durchschnitt  durch  die  Ordnung. 

Man  denke  sich  diesen  Durchschnitt  durch  die 
Seitenmauern  der  Zelle  jenseits  der  ümbiegung  der 
Anten  gemacht;  darum  sieht  man  den  hinteren  Theil 
des  Gebälks,  wie  es  sich  von  den  Anten  bis  zu  den 
gegenüber  stehenden  Säulen  auf  den  Seiten  quer  über 
den  Vorplatz  zieht.  Die  Architravstücke  waren  je 
zwei  an  ihren  oberen  Flächen  der  Breite  nach  fest 
zusammengeklammert  und  durch  Pllöcke  mit  dem 
Fries  verbunden.  Ebenso  war  der  Kranz  an  Einem 
Block  in  der  Tiefe  an  den  Fries  befestigt.  Aus"  der 
Grösse  der  in  die  einzelnen  Blöcke  des  Schaftes  ge- 
machten Pflocklöcher  kann  man  schliessen,  dass  diese, 
wie  an  den  Säulen  der  Propyläen  zu  Athen,  (^)  ver- 
mittelst hölzerner  Dobel  verbunden  waren,  welche 
selbst  wieder  in  eine  .Vertiefung  aus  demselben  Ma- 
terial eingesetzt  w^urden. 

Taf.     VI. 
Einzelne  ausgefilhrte  Stücke  des  Gebäudes, 

Blan  sieht  hier  das  Profil  der  Capitäle  in  grösse- 
rem Massstabe ;  die  gegenüber  zur  Rechten  gezeich- 
nete Figur  ist  das  Capital  der  Anten,  wobei  man  die 
Verzierungen  beobachte,  deren  oberste  nur  aus  tief 
gearbeiteten  Umrissen  besteht;  der  Wulst  (echinus) 
war  vom  Bildhauer  ausgearbeitet.  —  Darunter  ist  der 
Durchschnitt  einer  Cannelirung  in  ihrer  wirklichen 
Grösse  am  Boden  des  Schafts. 

Die  ovalen  Stücke  in  den  Feldern  der  Denke  wa- 
ren bemalt;  die  grüne  Farbe  ist  an  manchen  Stellen 
noch  sichtbar;  die  sternförmige  Figur  scheint  auf 
blauem  Grund  gestanden  zu  haben  und  vergoldet  ge- 
wesen zu  sein. 


(9)  Vergl.  Dodwell  Reise  durch  Griechenland,  übers,  v.  Sick- 
Icr  I,  1.  S.  120.  W. 


SECHSTES    CAPITEL.  77 

Taf.     VII. 
Einzelne  Theile  des  Oberbaus, 

A.  Durchschnitt  durch  den  sich  umbiegenden  Kranz 
der  Giebelfelder.  Die  Ziegel  über  ihm  waren 
aus  seiner  oberen  Lage  gebildet.  Der  aQ^oi 
oder  Ziegel,  der  die  Fugen  der  platten  Ziegel 
deckt,  war  unterwärts  als  ein  halbes  sechs- 
eckiges Prisma  ausgehöhlt. 

B.  Durchschnitt  durch  den  Rranz  über  den  Säulen 
der  Vorderseite.  Der  Kranz  scheint  an  diesem 
Theil  desswegen  besonders  dick  gemacht  wor- 
den zu  sein,  um  ihm  die  nöthige  Stärke  zu  geben, 
die  in  dem  darüberstehenden  Giebelfelde  befind- 
lichen Bildwerke  zu  tragen.  An  der  Aussen- 
seite  der  Giebel  fand  man  durchaus  keine  Spuren 
von  Klammern,  so  dass  die  Bildwerke  allein 
von  dem  Kranz  gelragen  werden  mussten.  Ebenso 
wurden  auch  die  Statuen  in  den  Giebelfeldern 
des  Parthenon  nur  von  dem  Kranz  getragen. 

C.  Darstellung  des  Gliedes,  dessen  Durchschnitt 
man  bei  G  sieht.  Die  erhabene  Arbeit  oder  das 
Relief  daran  war  so  flach,  dass  man  verrauthete, 
es  sei  durch  das  Auftragen  von  Farben  entstan- 
den, welche  die  Aussenseite  vor  dem  Anfressen 
bewahrt  hätten. 

D.  Ein  einzelnes  Stück  der  sima  (oder  des  umgebo- 
genen Oberstücks  des  Kranzes  auf  den  Seiten) 
der  Länge  nach;  aus  ihm  war  zugleich  die  Dach- 
rinne gebildet.  Die  Blöcke  der  sima  hatten  alle 
gleicffie  Länge  und  jeder  einzelne  die  Breite  von 
zwei  Ziegeln.  In  der  IMilte  war  ein  Absatz  oder 
Vorsprung  gelassen,  um  den  Bindeziegel  daran 
zu  belesligen,  welcher  die  zwei  zusammenstos- 
senden  Fugen  der  Plattziegel  an  der  zunächst 
darüber  liegenden  Reihe  deckte.   Auf  der  Rück- 


78  SECHSTES    CAPITEL. 

Seite  der  Dachrinne  ist  das  Loch  zu  sehen,  wo- 
durch das  Wasser  abfloss. 

E.  Grundriss  der  Triglyphe  auf  einer  der  Ecken 
des  Gebäudes:  zugleich  sieht  man  die  SoiHtte  des 
Kranzes,  welcher  darüber  herläuft. 

F.  Durchschnitt  durch  die  Ecke  der  obersten  Stufe 
des  Tempels  nebst  einem  Stücke  von  dem  unte- 
ren Theile  des  Schaftes. 

Taf.     VIII. 
Grundriss  der  Felderdecke. 

Ein  Marmorbalken,  der  auf  dem  bemalten  Kranze 
ruhte,  zog  sich  von  jeder  Säule  der  Nebenseiten  zur 
gegenüberstehenden  Mauer  der  Zelle:  ein  gleicher 
Balken  befand  sich  in  jedem  Zwischenräume.  Darü- 
ber lagen  Platten,  ebenfalls  von  Marmor,  mit  acht 
viereckigen  Löchern,  deren  jedes  mit  einem  dünnen 
Plättchen  bedeckt  war,  das  ein  vertieftes  Feld  bil- 
dete. DasOvalo,  oder  Glied  des  Feldes,  war  flach 
gehauen  und  dann  bemalt.  Das  Ganze  w^ar  vermit- 
telst Klammern,  die  mit  Blei  eingelöthet  waren,  fest 
mit  einander  verbunden. 

Taf.    IX. 
Die  Seite  des  Posticums. 

Die  Architrave  des  Posticums  waren  nicht  durch 
die  Halle  hindurch  fortgesetzt,  sondern  zogen  sich 
um  die  Ecke  herum.  Ueber  dem  bemalten  Kranze 
ist  der  Durchschnitt  der  Felderdecke  zu  sehen.  Die 
Marmorbalken,  vierzehn  Zoll  breit  und  mehr  als 
acht  Zoll  dick,  laufen  von  der  Mauer  quer  durch  die 
Halle  und  ruhen  auf  dem  bemalten  Kranze,  der 
rings  um  die  innere  Ansicht  des  Gebälkes  über  den 
Säulen  des  Peristyls  herumläuft.  Darüber  liegen 
Marmorplatten,  vier  Zoll  dick  und  zwei  Fuss  vier 
Zoll  breit,  welche  in  der  nämlichen  Richtung  quer 
hinüber  laufen.    In  jeder  derselben  sind  acht  vier- 


SECHSTES    CAPITEL.  79 

eckige  Löcher  durchgehauen  und  mit  Plätlchen  ge- 
schlossen, welche  neun  Zoll  ins  Gevierte  haben,  zwei 
und  einen  halben  Zoll  dick  sind,  und  in  welche  die 
Soffitte  der  Felder  vertieft  ist. 

Taf.     X. 

Grundriss  des  Oberhaus. 

Der  obere  Theil  des  Grundrisses  zeigt  das  mit 
Marmorziegeln  gedeckte  Dach. 

Die  Hälfte  des  unteren  Theiles  lässt  uns  die  Art 
sehen,  wie  die  Architrave  AA  gelegt  und  vermit- 
telst eiserner  Klammern,  die  an  Gestalt  dem  Buch- 
staben H  gleichen,  miteinander  verbunden  sind.  In 
jedem  Blocke  der  Architrave ,  mit  Ausnahme  der 
an  den  Ecken,  befinden  sich  zwei  Löcher  für  die 
Aufnahme  von  Metallplatten,  durch  welche  der  Zo- 
phoros  oder  Fries  an  denselben  befestigt  war. 

Der  übrige  Theil  des  Grundrisses  stellt  die  Bal- 
ken der  Felderdecke  ßß  dar,  die  auf  dem  Überstücke 
der  Blöcke  ruhen,  welche  den  Kranz  CC  bilden. 

Taf.     XL 

Die  nordwestliche  Ecke  des  Tempels. 

Diese  Tafel  zeigt  den  geometrischen  Aufriss  des 
Daches,  wie  es  aussehen  würde,  wenn  alle  Ziegel 
darauf  befestigt  wären. 

Die  schmalen  Ziegel,  welche  von  der  Firste  zur 
Dachrinne  herunterlaufen,  bedecken  die  zusammen- 
stossenden  Fugen  der  Plattziegel;  jeder  obere  Ziegel 
springt  über  den  zunächst  unter  demselben  liegenden 
vor;  die  auf  der  Firste  zogen  sich  aui  beiden  Seiten 
des  Daches  hinab,  und  über  denselben  war  eine  er- 
höhte ßlumenverzierung  angebracht. 

Die  Blöcke  der  sima  waren,  mit  Ausnahme  der 
an  den  Ecken,  an  Länge  zwei  Plattziegeln  gleich  und 
ihre  Fugen  trafen  jedesmal  gerade  mit  der  Mitte  der 
zweiten  Ueihe  Bindeziegel  zusammen.     Die  Löwen- 


80  SECHSTES    CAPITEL. 

köpfe,  welche  sehr  stark  hervortreten  und  nach  der 
Dachrinne  zu  durchbohrt  waren,  befanden  sich  in 
der  Milte  eines  jeden  Stückes  der  sima.  Die  Blöcke, 
woraus  der  Kranz  bestand,  waren  sowohl  unter  sich, 
als  mit  denen  der  sima  von  gleicher  Länge;  ihre 
Fugen  lagen  an  den  Enden  jedes  zweiten  Dielen- 
kopfes. 

Drei  Akroterien  befanden  sich  auf  jeder  Haupt- 
seite des  Gebäudes;  eins  auf  der  Spitze  und  eins  an 
jedem  Ende  des  Giebels. 

Taf.     XII. 
Einzelne  Theile  des  Dachs. 

Das  ganze  Dach  war  aus  -weissem  Marmor.  ' 

A.  Durchschnitt  durch  das  Dach,  vermittelst  einer 
dasselbe  quer  durchschneidenden  Ebene.  Den 
Bindeziegel,  welcher  die  Fuge  der  Firsteziegel 
deckt,  sieht  man  von  der  Seite;  unmittelbar  un- 
ter demselben  ist  der  Durchschnitt  eines  Firste- 
ziegels, welcher  auf  beiden  Seiten  des  Daches 
über  die  oberste  Lage  Plattziegel  vorspringt. 
Der  Bindeziegel  über  der  Fuge  zweier  an  ein- 
ander stossenden  Plattziegel  ist  auf  der  einen 
Seite  weggelassen,  um  das  Ende  des  zunächst 
darunter  lieirenden  zu  zeijjen,  m^o  ein  Verstoss 
(check)  war,  der  das  Hinabgleiten  desselben  ver- 
hindern sollte. 

B.  Perspectivische  Ansicht  der  Ziegel  an  der  Firste. 

C.  Geometrischer  Aufriss  derselben. 

D.  Untere  Fläche  eines  Bindeziegels. 

E.  Untere  Fläche  eines  Plattziegels;  der  Ziegel  ist 
hier  umgestürzt  dargestellt,  um  den  Verstoss  zu 
zeigen,  durch  den  er  an  den  Querbalken  be- 
festigt war  und  sein  Hinabgleiten  verhindert 
wurde. 

F.  Obere  Fläche  desselben. 


SECHSTES    CAPITEL.  81 

Tai.     Xlll. 

J^erschiedene  einzelne  Theile. 

A.  Ein  verziertes  Glied,  das  man  in  dem  inneren 
Tempelranme  fand;  vermuthlich  war  es  das  Ca- 
pital zu  einer  Bekleidung  oder  zu  Thürpfosten. 

B.  Durchschnitt  desselben, 

G.  Gegliederte  Base,  die  sich  ebenfalls  in  der  Zelle 
fand;  man  vermuthet  darin  die  Base  von  einer 
Bekleidung  zu  linden,  die  an  der  inneren  Zel- 
lenwand rings  herumlief. 

L).    Durchschnitt  derselben. 

E.  Durchschnitt  des  obersten  Gliedes  an  dem  Kranze 
der  Vorderseite  des  Gebäudes. 

F.  Durchschnitt  eines  ähnlichen  Gliedes  vom  inne- 
ren Kranze. 

G.  Bemaltes  Felderglied  von  der  Decke;  Spuren 
von  grüner  Farbe  waren  an  demselben  sichtbar. 

H.    Ein  in  der  V^orhaile  ausaegrabenes  Glied. 
1.      Mauer  unter  der  östlichen  Terrasse.     Siebestand 
aus  weissem  Marmor. 


Sie  l>e  Utes    Capitel. 

Tempel   d c r    Th c in i s. 

Uie  Form  dieses  Tempels  ist  die  einfachste  unter 
allen,  welche  die  Griechen  heiligen  Gebäuden  gege- 
ben haben.  Kine  Abweichung  in  dieser  Tempelgat- 
tung haben  wir  schon  oben  im  fünften  Capitel  be- 
scliriebeu;  die  Verschiedenheit,  auf  welche  dieses 
Ca])itel  aufmerksam  machen  soll,  besteht  darin,  dass 
der  Temj»el  nur  Eine  Halle  hat. 

Att    All.  6 


82  SIEBENTES    CAPITEL. 

Auch  von  der  Lage  des  Gebäudes,  das  mit  dem 
Tempel  der  Nemesis  beinahe  zusammenstösst,  haben 
wir  schon  geredet;  ein  eben  so  schwer  zu  erklären- 
der Punct  bleibt  die  Bauart  desselben.  Die  IMauern 
der  Zelle  sind  nämlich  von  demselben  Marmor,  wie 
an  dem  grossen  Tempel,  die  Säulen  dagegen  und  die 
Übrigren  Theile  der  zur  Zierde  dienenden  Architekt 
tur  aus  einem  weichen  porösen  Steine.  Die  Mauern 
sind  nach  der  Art  gemauert,  die  Vitruvius  (^)  incer- 
tum  nennt,  d.  h.  die  Steine  sind  Vielecke  und  haben 
ungleiche  Seiten.  Die  Fugen  an  den  Aussenseiten 
passenauf  das  Schärfste  aufeinander;  die  Aussenseite 
selbst  war  glatt  gearbeitet;  die  innere  Seite  ist  rauh 
und  die  Steine  sind  mit  weniger  Sorgfalt  zusammen- 
gefügt;  von  dem  Gebrauch  des  Mörtels  findet  man 
keine  Spur,  aber  rings  um  die  IMauern  entdeckte  man 
unter  der  Schutterde  innerhalb  des  Tempelraums  eine 
Menge  eiserner  Nägel,  woraus  hervorzugehen  scheint, 
dass  sie  ursprünglich  mit  Holz  eingehäust  oder  ge- 
füttert waren. 

Zu  beiden  Seiten  des  Eingangs  stand  in  der  Vor- 
halle ein  Sessel  aus  weissem  Marmor;  der  zur  Rech- 
ten war  der  Nemesis^  der  andere  der  Tliemis  geheiligt. 
Nach  den  Inschriften  oben  an  den  Rückseiten  waren 
sie  einzeln  von  Sostratos  geAveiht  worden,  in  der 
Zeit  als  Kallisto  und  Plnloslrates  die  Priesterwürde 
bekleideten. 

Eine  sechs  Fuss  hohe  Bildsäule  ohne  Kopf  und 
Arme  fand  man  nahe  bei  dem  Eingang;  der  Styl  der 
Bildnerei  bezeichnet  eine  frühe  Periode  der  Kunst. 
Als  man  unter  dem  Fussboden  an  dieser  Stelle  nach- 
graben Hess,     entdeckte   man  Stücke  von   Knochen 

(1)  Lib.  IL  Cap.  yill.  „Das  Ungewisse  Mauerwerk  bcsfeht 
aus  unbehauenen  Bruchsteinen  und  ist  dauerhafter  als  das  netz- 
Jorinige.^'   Vgl.  die  Anmin.  zu  Winckclm.  1 ,  357  ff.  W. 


SIEBENTES    CAPITEL.  83 

und  Bronze,  Spitzen  von  Speeren  und  Thränenva- 
sen.  Beim  Wegräumen  einiger  ßlödie,  die  im  In- 
nern der  Zelle  lagen,  kamen  Dachziegel  aus  terra - 
cotta  und  die  erwähnten  eisernen  Nägel  zum  Vor- 
schein. Die  Mauern  der  Zelle  stehen  noch  acht  Fuss 
hoch  über  der  Erde. 

Taf.     I. 

Grundriss  der  zwei    Tempel. 

Wir  geben  hier  den  Grundriss  beider  Tempel, 
um  ihre  Stellungen  zu  einander  zu  zeigen.  DieTheile 
des  kleineren  Tempels,  welche  heller  gehalten  sind, 
waren  aus  dem  gröberen  Steine. 

Taf.     II. 

Aufriss  des  Tempels  der  Tliemis, 

Die  Sitze  oder  Stühle,  welche  nicht  an  eine 
bestimmte  Stelle  befestist  gewesen  zu  sein  scheinen, 
sind  hier  von  ihren  Stellen  gerückt,  um  sie  bei  dem 
Aufriss  ganz  zeigen  zu  können.  Den  Kopf  der  Bild- 
säule haben  wir  nach  Vermuthung  ergänzt. 

Taf.     III. 

Ordnung  der  Anten, 

Die  Glieder  des  unter  den  Ziegeln  vorspringen- 
den Kranzes  sind  zerstört,  man  konnte  nur  die  Tiefe 
des  Blocks,  an  dem  sie  befindlich  waren,  ausmitleln. 

Taf.      IV. 
Ordnung    der   Säulen. 

A.  Ringe  oder  Riemen  des  Capitäls  in  vollerGrösse. 

B.  Eine  Cannelirung  in  der  Höhe  des  Schafts. 

C.  IMauerwerk  mit  \ieleckigen  Steinen  an  den  Sei- 
tenmaiiern. 

D.  l^lauerwerk  an  der  Oiiermauer. 

E.  Grundriss  der  Triglyphen. 

F.  Durchschnitt  eines  Antencapitals. 

6' 


84  SIEBENTES    CAPITEL. 

Taf.     V. 

Eingang  in  die  Zelle. 

Die  Sessel  nehmen  hier  die  Stellen  ein,  an  de- 
nen sie  entdeckt  wurden. 

Den  Grabstein  mit  dem  ßas- Relief  fand  man  in- 
nerhalb des  Tempelraums, 


Achtes    Capitel. 

Sunio  n. 

Ounion,  ein  Demos  oder  eine  Ortschaft  [der  Phyie 
Attalis,  (*)  lag  auf  einem  Vorgebirge  gleiches  Namens 
und  bildete  den  südlichsten  Punct  von  Attika.  Die 
Felsen  am  Meere  sind  steil  und  schrolF. 

Als  die  Athener  während  des  Peloponnesischen 
Krieges  ihre  Zufuhr  von  Euböa  bezogen,  befestigten 
sie  Sunion  zum  Schutz  der  Fahrzeuge,  welche  ihnen 
ihre  Bedürfnisse  längs  der  Küste  zuführten.  (')  Da- 
mals schnitten  die  Lakedämonier  durch  die  Besatzung, 
welche  sie  in  Dekeleia  hielten,  allen  Verkehr  zwi- 
schen Athen  und  den  inneren  Ortschaften  ab. 

Die  vorzüglichsten  Ruinen  auf  Sunion  sind  die 
Reste  eines  der  Athena  fMinervaJ  Sunias  geweihten 
Tempels,  der  von  dem  weissen  Marmor  erbaut  ist, 
welcher  auf  den  nahe  liegenden  Anhöhen  bricht. 
Der  Tempel  gehört  zur  Dorischen  Ordnung  und  hat 
sechs  Säulen  auf  der  Vorderseite.  Ueber  die  zehnte 
Säule  hinaus  finden  sich  auf  der  südwestlichen  Seite 


(1)  Nach   Sieph.   Byz.    gehörte  es    (in   älterer   Zeit)    zur  Phjlc 
Leontis.  W. 

(2)  Thiikyd.  VIII,  4.  W. 


ACHTES    CAUTEL.  85 

keine  Reste,  um  die  ursprüngliche  Länge  derselben 
genau  bestimmen  zu  können.  Neun  Säulen  stehen 
noch  auf  dieser,  drei  auf  der  entgegengesetzten  Seite, 
ebenso  zwei,  die  zur  Vorhalle  gehören,  nebst  einer 
von  den  Anten.  (^) 

Nördlich  von  dem  Tempel  und  fast  in  einer  Linie 
mit  seiner  östlichen  Ilaiiptseite  entdeckte  man  die 
Reste  von  Propyläen,  Dieses  Gebäude  gehört  dersel- 
ben Ordnung  an;  die  Verhältnisse  seiner  Säulen  und 
die  Bildung  seiner  Glieder  sind  denen  am  Tempel 
beinahe  gleich. 

Was  das  Alter  dieser  Gebäude  betrifft,  so  stam- 
men sie  mit  dem  Tempel  der  Nemesis  zu  Rhamnus 
wahrscheinlich  aus  gleicher  oder  naheliegender  Zeit: 
die  Vermuthung  über  den  Ursprung  des  letzteren 
lässt  sich  auch  auf  die  Gebäude  vonSunion  beziehen 
Die  ausserordentliche  Vollendung,  die  man  an  ihrer 
Ausführung  bemerkt,  beweist  zur  Geniige,  dass  sie 
den  besten  Zeiten  der  Architektur  angehören. 

Die  Ilauptseiten  standen  in  antis,  d.  h.  zwei  Säu- 
len zwischen  den  zwei  Anten  der  Seitenmauern  bil- 
deten die  Hallen.  Der  Zwischenraum  zwischen  die- 
sen beiden  Säulen  war,  ebenso  wie  bei  den  oben 
beschriebenen  Propyläen  zu  Eleusis,  etwas  weiter, 
nm  einen  bequemeren  Zugang  zu  dem  Tempelliof  zu 
gewinnen,  in  den  man  durch  diesen  Eingang  gelangte. 
Ks  stehen  noch  die  unteren  Theile  von  den  zwei  Säu- 
len der  südlichen  Ilauptseite,  eine  von  den  Anten 
auf  der  südöstlichen  Ecke  und  ein  beträchtlicher 
Theil  von  der  unteren  Lage  der  östlichen  Seiten- 
mauer:  von   den  übrigen  Theilen  des  Gebäudes  ist 


(3)  Nach  Dodwcll  bei  Sicklcr  I,  2,  384.  standen  zu  Spon's 
Zeilen  noch  neunzehn  Saulcn,  aber  der  Abt  Founnont  traf  schon 
nur  tiebenzchn  an.  W. 


86  ACHTES    CAPITEL. 

nur  noch  der  Grundbau  vorhanden.     Der  Fussboden 
liegt  drei  Fuss  unter  dem  Schutt  vergraben. 

Von  dem  Gebälke  über  dem  Architrav  fanden 
sich  keine  Reste  mehr,  ausser  einigen  Stücken  von 
Gliedern,  die  man  beim  Nachgraben  rund  um  das 
Gebäude  und  in  dem  inneren  Haume  desselben  ent- 
deckte. Sie  waren  absichtlich  abgebrochen  und  nach- 
her vergraben  worden,  um  den  Blicken  nicht  sorg- 
fältig nachsuchender  Reisenden  die  Details  zu  ent- 
ziehen, welche  zu  einer  vollständigen  Zeichnung  des 
Gebäudes  dienlich  sein  könnten :  die  Frische  des 
Bruches  zeigte,  dass  diese  muthwillige  Beschädigung 
vor  noch  nicht  langer  Zeit  Statt  gefunden.  Der  Kranz 
des  Gebäudes  theilte  vermuthlich  dasselbe  Schicksal 
und  Hesse  sich  w^ohl  bei  weiteren  Nachgrabungen 
noch  entdecken. 

Die  Mauern  des  Tempelhofs,  welcher  sich  um 
den  Tempel  zog,  waren  auswärts  mit  weissem  Mar- 
mor bekleidet;  die  innere  Oberfläche  nach  dem  ein- 
geschlossenen Räume  zu  bestand  aus  einem  gemeinen 
Steine,  von  gleicher  Art  wie  der,  welchen  man  an 
dem  Grundbau  der  Propyläen  findet.  Er  mag  wohl 
in  der  Nähe  des  Tempels  an  dem  Rande  der  Anhöhe, 
worauf  er  steht,  abwärts  nach  der  Küste  zu,  gebro- 
chen sein. 

Taf.     I. 

Grundriss  der  Propyläen. 

A.  Gränzlinie  des  steinernen  Grundbaues  unter  den 
Stufen  auf  der  nördlichen  liauptseite. 

B.  Die  Mauern  des  Tempelhofs. 

CC.  Marmorplatten,  welche  längs  der  inneren  Wände 
der  Halle  gelegt  waren;  die  auf  der  östlichen 
Seite  ist  noch  vollkommen  erhalten;  sie  ist  14' 
9"  lang. 


ACHTES    CAPITEL.  87 

Ta£    n. 

j4ufriss  der  südlichen  Hauptseile. 
Die  Säulen  verjüngen  sich  von  der  Grundfläche 
bis  zur  Spitze  in  vollkommen  graden  Linien.  Die 
Metopen  über  detn  Zw^ischenraume  der  beiden  Säu- 
len sind  bedeutend  schmäler,  als  die  übrigen;  der 
Grund  dieser  Einrichtung  scheint  in  der  Absicht 
zu  liegen,  diesen  Zwischenraum,  der  durch  die  Auf- 
nahme einer  dritten  Metope  und  Triglyphe  erweitert 
worden  war,  wieder  in  bestimmte  Gränzen  einzu- 
schJiessen  und  dadurch  die  Uns;leichheit  zwischen 
diesem  und  den  andern  weniger  augenfällig  zu  machen* 

Taf.    JIl. 

Die  Ordnung  in  grösserem  Massstabe, 
Die   Säulen  haben  zwanzig  Cannelirungen,    die 

durch  schmale  flache  Stäbe  getrennt  sind. 

Fiff.  I.  Durchschnitt  durch  den  Architrav,  welcher 
in  der  Tiefe  aus  zwei  Theilen  zusammenge- 
setzt war:  die  taenia  ist  nicht  so  breit,  als 
die  regula.  Der  Architrav  hat  eine  verhält- 
nissmässig  grössere  Höhe,  als  er  gewöhnlich 
erhält;  dieselbe  beträgt  sechs  Siebentel  des 
unteren   Säulendurchmessers. 

Fig.  11.  Grundriss  der  Säulen  an  der  Grundfläche  und 
Spitze  des  Schaftes. 

Fig.  111.  Grundriss  der  Cannelirungen  in  ihrer  halben 
natürlichen  Grösse. 

Fig. IV.  Umriss  des  Capitäls  in  seiner  halben  wirkli- 
chen Grösse. 

Fig.  V.  Stäbchen  des  Capitäls  in  natürlicher  Grösse. 

Taf.     IV. 

Einzelne  Theile  des  Gebäudes, 
Fig.  1.     Ordnung  der  Anten. 

Fig.  11.  Durchschnitt  durch  das  Capital  der  Anten. 
Fig.  111.  Durchschnitt  durch  den  Kranz  des  Giebels. 

Att.  Alt.  7 


88  ACHTES    CAPITEL. 

Fig.  IV.  Durchschnitt  durch  das  cymatium  des  Gie- 
bels in  grösserem  Massstabe. 

Fig.  V,  Ein  gleiches  Glied,  das  man  unter  dem 
Schutte  fand. 

Taf.    V.  (*) 

einsieht  des  Tempels  der  Athena  Sunias, 

Diese  Ansicht  ist  von  der  nordöstlichen  Seite, 

etwas  unterhalb   des  Tempels,    aufgenommen.     Die 

Oberfläche  der  Säulen  ist,  weil   sie  der  Einwirkung 

der  Seeluft  ausgesetzt  sind,  bedeutend  angefressen. 

Taf.     VI. 

Grundriss  des  Tempels  der  Athena  Sunias. 

Taf.  VII. 
Aufriss  des  Tempels. 
Wir  sehen  hier  eins  von  den  zwei  uns  bekann- 
ten Beispielen,  an  welchen  sich  eine  Abweichung 
von  der  gewöhnlichen  Eintheilung  Dorischer  Säulen- 
schäfte findet.  In  der  Regel  zählt  man  nämlich  an 
ihnen,  wenn  sie  gereift  sind,  zwanzig  Cannelirun- 
gen;(^)  hier  sind  aber  deren  nur  sechzehn.  Die  Säulen 
am  sechssäuligen  Tempel  zu  Pästum,  an  welchen  man 
vierundzwanzig  Cannelirungen  zahlt,  bieten  das  zweite 
hieher  gehörige  Beispiel  dar. 

Taf.     VIII. 
Durchschnitt  durch  die   Vorhalle. 
Der  Architrav  ist  durch  die  Halle  hindurch  fort- 
geführt  und   ruht   auf  den  Säulen  der  Nebenseiten, 

(4)  Obgleich  die  folgenden  Tafeln  bereits  im  zweiten  Bande 
der  Ionischen  Alterthiimcr  mitgetheilt  wurden ,  so  hat  man  sie 
doch  hier  nochmals  aufgenommen,  weil  sonst  unter  den  bis  jetzt 
in  Attika  entdeckten  alten  Gebäuden  dieses  —  mit  Ausnahme  der 
zu  Athen  selbst  befindlichen  —  das  einzige  wäre ,  das  in  diesem 
Baude  nicht  beschrieben  würde.  Die  Platten  sind  von  Neuem  ge- 
stochen worden,  um  sie  mit  den  andern  Stichen  in  Uebereinstim- 
mung  zu  bringen. 

(5)  Vitruv.  Lib.  IV.  Cap.  III.  W- 


ACHTES    CAPITEL.  89 

und  zwar  jedesmal  auf  der  zweiten  von  der  Ecksäule 
der  Vorderseite  an  gerechnet. 
Taf.    IX. 
Die  Ordnung  in  grösserem  Massstabe, 
Tal.     X. 
Durchschnitt  durch  das  Gebälke  der  P^orhalle, 
Der  Fries  war  mit  Bildwerken  geziert,  w^elche 
den  Kampf  der  Kentauren  und  Lapithen  darstellen,  (®) 
jetzt  aber  sehr  entstellt  sind. 


Neuntes     Capitel. 

Th  orikos. 

1  horikos j  eine  der  Attischen  Ortschaften,  lag  auf 
der  Ostküste  in  einer  Ebene,  ohngefähr  acht  Meilen 
nördlich  vom  Vorgebirge  Sunion.  üiese  Ebene  ist 
auf  drei  Seiten  von  einer  Reihe  Hügel  eingeschlossen, 
welche  sich  rings  um  die  Bucht  herumziehen. 

Thorikos  erhielt  seine  Bedeutung  durch  die  Nähe 
der  Silberminen  von  Laurion.  Diese  erstreckten  sich, 
über  eine  Reihe  von  Bergen,  welche  sich  in  fast 
nördlicher  und  südlicher  Richtung  vom  Hafen  Prasia 
—  jetzt  Raphti  genannt  und  an  der  Ostküste  zehn 
Meilen  nördlich  von  Thorikos  gelegen  —  nach  der 
Südküste  hin  ziehen. 

Die  Ausgänge  dieser  Gebirgsreihe  heissen  nun 
Mauron-orZ's  und  Lauron-ores ,  beides  Namen,  die 
aus  AavQtov  OQog  entstanden  sind.  Diese  Gegenden 
sind  mit  Ivohlen  und  Schlacken  bedeckt.  Im  sechs- 
undzwanzigsten Jahre  des  Peloponnesischen  Krieges 
wurde  der  Ort  zum  Schutze  der  Gruben  befestigt, 
und  ebenso  wie  Anaphlysios  an  der  Südküste  und^e^a. 


(6)  VgJ.  Welckcr's  Acschyl.  Tiilogic  Pionictli.   S.  560.         W. 


90  NEUNTES    CAlPITEL. 

das  in  der  Mitte  zwischen  diesen  beiden  Orten  lag, 
durch  eine  Besatzung  geschützt. 

Etwas  unterhalb  einer  kegelförmigen  Anhöhe, 
worauf  wahrscheinlich  die  alte  Akropolis  lag,  sind 
die  Reste  eines  einzeln  stehenden  Gebäudes,  welches 
halb  in  dem  Schutte,  den  reissende  Bäche  von  den 
Hügeln  der  Umgebung  herabgeschwemmt  haben,  ver- 
graben und  in  einem  Mastixgebüsche,  das  die  Stelle 
überdeckt,  verborgen  liegt. 

Durch  eine  Anzahl  Arbeiter,  die  wir  aus  dem 
Dorfe  Keratiaj  etwa  acht  Meilen  nordöstlich  von 
Thorikos,  herholten,  liessen  wir  das  Buschvrerk 
umhauen  und  den  Schutt  fünf  bis  sechs  Fuss  tief  weg- 
räumen. So  brachten  wir  die  unteren  Theile  einer 
Dorischen  Halle  j  mit  vierzehn  Säulen  auf  der  Korderseite 
und  sieben  auf  jeder  Nebenseile ,  an  das  Tageslicht. 

Der  mittlere  Zwischenraum  zwischen  den  Säu- 
len der  Vorderseite  war  weiter  als  der  der  übrigen, 
nach  einem  Gebrauche,  den  man  bei  den  Griechen 
stets  da  beobachtet  findet,  wo  die  Bestimmung  des 
Gebäudes  einen  weiten  Eingang  verlangte;  während 
auf  den  Nebenseiten  alle  Zwischenräume,  mit  Aus- 
nahme der  an  den  Ecken,  die  immer  enger  als  die 
andern  sind,  von  gleicher  Weite  sein  mussten. 

In  dem  inneren  Baume  liessen  sich  keine  Reste 
von  IMauern  entdecken;  ein  Umstand,  aus  dem,  ver- 
bunden mit  der  ungewöhnlichen  Weite  des  mittleren 
Zwischenraums  auf  einer  langen  Seite  eines  Gebäu- 
des, hervorzugehen  scheint,  dass  es  kein  Tempel,  son- 
dern eine  offene  Halle  war.  (*)     Einige   Gapitäle,    die 


(l)  K.  O.  Müller  (in  der  AUg.  Encjcl.  v.  Ersch  und  Gruber 
u.  d.  W.  Attika  S.  221.)  hält  die  eine  Seite  mit  den  sieben  Säu- 
len für  die  Vorder-  und  die  mit  den  vierzehn  Säulen  für  die  Ne- 
ben-Seite  und  vermuthet,  dass  die  beschriebenen  Trümmer  zu 
eineai  Tempel  des  Kretischen  Apollon  gehörten.  W. 


NßUNtßJS    DAl»IirEL.  ^i 

man  iii  dem  inneren  Räume  ausgrub ,  waren  von  de- 
nen verschieden,  die  sich  ausserhalb  rings  um  das 
Gebäude  herum  fanden:  vermuthlich  gehörten  sie  zu 
Säulen,  -welche  sich  durch  die  Mitte  des  von  dem 
äusseren  Peristyl  eingeschlossenen  Raumes  der  Länge 
nach  hindurchzogen  und  die  Balken  des  Dach«s  trugen. 
Taf.  I. 
Grundriss  der  Halle. 

Theile  von  sechzehn  Säulen  sind  noch  in  ihrer 
ursprünglichen  Lage  vorhanden:  elf  auf  der  Ostseite 
und  fünf  auf  der  Nordwestseite.  Auf  der  Südwest- 
seite standen  noch  beide  Ecksäulen ,  und  die  Stelle 
der  zweiten  Säule  A  erkennt  man  durch  die  Vertie- 
fung, welche  zu  ihrer  Aufnahme  in  dem  Fussboden 
angebracht  ist.  Aus  diesem  Umstand  lässt  sich  er- 
weisen, dass  auf  den  Nebenseiten  der  Halle  sieben 
Säulen  standen. 

Die  Ecke  von  der  oberen  Seite  der  ersten  Stufe 
und  ein  schmaler  Streifen  nächst  demFusse  der  zwei 
ten  waren  polirt;  der  dazwischenliegende  Theil  ist 
rauh  gearbeitet;  ein  Beweis,  dass  das  Gebäude  noch 
nicht  vollendet  war, 

Taf.     II. 
Aufriss  der  Säulen  auf  der  Nordwestseite, 

Die  Höhe  der  Säulen  liess  sich  aus  den  herabge- 
fallenen Stücken  derjenigen  Schäfte,  von  welchen 
sich  noch  Theile  in  ihrer  ursprünglichen  Lage  be- 
fanden ,  fest  bestimmen.  Die  Säulen  verjüngen  sich 
last  um  ein  Viertel  des  unteren  Durchmessers  in  ganz 
graden  Linien.  Die  Schäfte  waren  glatt  gearbeitet 
bis  auf  ein  kleines  Stückchen  in  der  Höhe  und  an  dem 
Boden,  das  cannelirt  ist;  über  den  Cannelirungen 
an  der  Base  des  Schaftes  befindet  sich  ein  schmaler 
Streifen,  der  durch  eine  elliptische  Curve  über  jeder 
der  Cannelirungen  herausgearbeitet  ist;  derselbe  ist 
sehr  fein  polirt.  Der  Streifen  unter  dem  Hypotrache- 


92  NEUNTES    CAPITEL. 

lion  oder  dem  Säulenhals  ist  ebenfalls  polirt.     Der 
glatte  Theil  des  Schaftes   enthält    über  der  ganzen 
Oberfläche  Spuren  eines  scharfen  Werkzeuges,    Auf 
der  Vorderseite  der  Blöcke,  w^elche  die  Stufen  bil- 
den, hatte  man  noch  Knöpfe  (knobs)    oder  Zapfen 
vorstehen  gelassen,  die  wahrscheinlich  nach  Vollen- 
dung des  Gebäudes  weggearbeitet  werden  sollten. 
Taf.    III. 
Einzelne   Theile  des  Gebäudes. 
Fig.  1.    Die  Ordnung  in  grösserem  Massstabe. 
Fig.  II,  Ansicht  des  Schaftes  auf  dem  Boden  und  in 

der  Höhe. 
Fig.  III.  Capital  der  äusseren  Säulen,   in  der  Hälfte 

der  wirklichen  Grösse. 

A.  Riemen  des  Capitäls   in    natürlicher 

Grösse. 
Fig.  IV.  Capital  der  inneren  Säule,  in  der  Hälfte  d^r 
wirklichen  Grösse. 

B.  Die  Art,  wie  die  Cannelirungen  ge- 
gen die  Riemen  hin  auslaufen. 

C.  Riemen  der  inneren  Säulen,  in  natür- 
licher Grösse. 

Fig.  V.  Grundriss  der  Stufen  an  den  Ecken  des  Ge- 
bäudes.     Die    in   der    Mitte  abffeschiednen 

o 

Theile  sind  unpolirt  gelassen. 


Register. 


Acharnä.   S,  13. 
Aegalcos,  Aegialeus.  1. 
Agorakritos.  72. 
Agra.  35.  44. 
Alarich.  5.  48. 
"Avaxiq,  «»'«xTf?.  54. 
'AväxTOQOv.  54. 
Anaphlystos.  89. 
"Avd-iov  {wQiaq).   13. 
Argiro- Castro.   l4. 
'AoftovCa,  uQf/oyri.  21. 
'AQfiol.  21.  25.  77. 
Artemis  s.  Diana. 
Ausschnitt  im  Fussboden  um  Säu- 
len. 22. 
Besä.  89. 
Bindczicgcl.   21.   23.  24.  25.  26. 

60.  67.  80. 
Byzcs  von  Naxos.  21. 
Canncliriingcn     Dorischer    Säu- 
len. 88. 
Capcllc  lies  h.  Blasios.  7. 
Capelle  des  h.  Zaccharias.  4.  16. 
Ceres.  31.  62.  Brustbild.  15.  Sta- 
tue. 36. 
Chimären.  74.      Von   ähnlichem 
Zierrath    auf    den    Akroterien, 
z.  B.  von  fliegenden  Victorien 
redet    Winckelmann,     Bd.   I. 
S.  411  f. 
Cholargc.  53. 
Cistorncn.   l6. 
Crypta.  51. 

Cymatium.  24  ff.  88.   Vgl.  Crcu- 
zer  zur  Deutsclien  Ausg.  Stu- 
art's.  Bd.  I.  S.  535. 
/IcfSov/oq.   46. 
Daphuc,   Kloster.  9- 
Dekeleia.   13.   l4. 
Dema.   13. 
Demeter  s.  Ceres. 
Diana.   62. 
Dioskurrn.  54. 
Draclu'nlilut    zum    Bemalen    des 

Marmor.  71. 
Eingangshalle.  15.  30.  37. 
Einweihung  in  die  Mysterien.  31  f. 

36.  45  tr. 
E'iqoäoq  ftvOTir.^.  9. 


Eleusinion.  45. 

Eleusis  ,  neue  Namen.  5. 

iv  naqaatäat.v  (vaos).  62. 

Epopten.  45. 

Erechlheion.  71. 

Eumolpiden.  46. 

Felderdecken.   27  f.    40.  53.  67. 

76.  78  f. 
Firsteziegel.  80. 

Fuss,    der  Eleusinische   v.   Atti- 
schen verschieden.  19. 
Fussboden  in  Tempeln.  51.  59. 
FtXaov.  63. 

Glieder,  bemalte.  71. 
Grabmal  des  Straten.  11. 

Grabmäler  an  d.  heil  Strasse.  8. 

Heiliges  Thor.  6. 

Heiliger  Weg.  6. 

Hekatompedon.  70. 

Hermes  Agoräos,   Propyläos.  61. 

Hexastylos  peripteros.   73. 

Hicrophant,  Brustbild.  23.  46. 

Hyperthyron.  61. 

Hypotrachelion.  91  f. 

Itqul  IlvXai.  6. 

Ikarios.   1. 

Iktinos.  52. 

Ilissos    35.  45. 

In  antis  (aedes).  62..  85. 

Incertum  strucfurac  genus.  82. 

Intcrtignia.  53.  63  f. 

Tsis.   31. 

Kahiren.  54.  Vgl.  Welcker's  Ae- 
schylische  Triiogie  Prometheus 
an  vielen  Stellen. 

Kay.i  axaXa.  10. 

Käla&o<;.  47. 

Ku)MxoQnv  (qtgiag).  4.' 12. 

Kassia.   lO. 

Kentauren  n.  Lapitbcn.  89. 

Kephisia.  7. 

Kcphissos.   7.  11. 

Koratia.    90. 

Kirche  dos  St.  Georg.   16. 

Kirche  der  Panagia.   15-  16. 

Koröbos.   52  f. 

Korydallos.  1. 

Laurion.  89. 
Lauroa-orcs.   89. 


94 


REGISTER. 


Lotos.  75. 

Löwenköpfe.  65.  80. 

Mäander.  75»^ 

Magoiila.  11. 

Marathon.  67  f. 

Marmor,  bemalter.  71. 

Marmorplatten    z.    Dachdecken, 

20  f.  23.  67.  79. 
Maschinerie    bei   den  Mysterien. 

30.  34  f.  37. 
Mauron  -  ores.  89. 
Menidi,  13. 

Metagenes  v.  Xypete.  52  f. 
Metopae ,  ufronui.  63  f. 
Mittlerer  Zwischenraum  b.  einer 

Säulenreihe  erweitert  90. 
Mystagog.  46- 
Mysterien,   Eleusinische.  31.  41. 

ff.  48. 
Mysterien,  kleine.  35.  44. 
Mystische  Pforte.  9. 
Nemesis,  Statue.  72.    Sessel.  82. 
Neptunus.  47. 
Opae ,  onai.  63. 
Orestes  und  Pylades.  62  f. 
Oropos.    67. 
Ovalo.  78. 
Ovrio.  68. 
Parapets.  63. 
Parnes.  1.   10. 
Parthenon.  51.  52.  7a 
Perikles.  70. 

Pentelisches  Gebirg.  1.  7.  67. 
Phidias.  72. 
Philon.  52. 
Phyle.  13.  14. 
Plattziegel.  80. 
Polygnot.  18. 
Polypemon.    12. 
Poseidon  s.  Neptunus. 
Prasiä  89. 
Priestermütze.  23. 


Prokrustes.  12. 

Propyläen  ,  zu  Athen.  17.  18. 

—  zu  Eleusis.  2.  15-  17  ff.  22. 

—  zu  Sunion.  85  ff. 
Proserpina.  47. 

Prüfungen  der  Mysten.   31  f.  45. 

Raphti.  89. 

Rarisches  Feld.  4.  13. 

Regula.  87. 

'PhtoI,  Rheti.  10.   l4- 

Sarantapotamoi.  11, 

Scarmagga.   1, 

Sessel ,   marmorne.  82  f. 

Sima.  64.  75.  77. 

Souli.  68. 

Stauro  -  Castro.  68. 

Stillicidium.   64. 

Taenia.  87. 

Tatoi.  14. 

Tempel  der  Aphrodite  Phile.   9. 

—  des  Kretischen  Apollon,  90. 

—  der  Athena  Polias.  71. 

—  der  Athena  Sunias.  84  f.  88. 

—  der  Crtes.  15.  4l.  51.  52. 

—  der   Diana   Propyläa.   2.   4. 
15.  61. 

—  der  Nemesis.  67  ff. 

—  des  Neptunus.  4. 

—  der  Themis.  69-  81  ff. 

—  des  Triptolemos.  4. 

—  der    unbeflügelten    Victoria. 
18. 

Themis ,  Statue.  82  f.  Sessel.  82. 

Thorikos.  89. 

Thria.  9- 

Thriasische  Ebene.  1.   16. 

Traufziegel.  24.  26.  60. 

Triglyphen.  63  f. 

Ulika.  12. 

Wasse  leitung.   13. 

Xenokles  v.  Cholargc.  52  f. 

Xypete.  53. 


KUNST-ANZEIGE. 

Im  Verlage  der  Kunst-  und  Buchhandlung  von  Carl 
Wilhelm  Leshe  zu  Darmstadt  und  Leipzig  sind  nach- 
stehend verzeichnete  Werke  für  Freunde  der  Baukunst 
und  Aiterthumskunde  erschienen: 

I. 

ENGLISCHE  PRAGHTWERRE 

IN  GETREUEN  ZIERLICHEN  COPIEN. 


STUART  UND  REVETT 
ALTERTHÜMER   ZU   ATHEN. 

Dieses  Werk  ist  in  getreu  und  zierlich  gearbeiteten 
Copien  der  grossen  englischen  Originalausgabe  im  Um- 
riss,  die  Hauptansichten  der  Gebäude  theiis  ganz,  theils 
halb  ausgeführt,  erschienen,  und  begreift  ^Lieferun- 
gen in  sechs  Theilen. 

Der  Te*t  ist  in  einer  getreuen,  alle  Zusätze  der 
neuen  Ausgabe  enthaltenden,  deutschen  Uebersetzung 
in  gr.  8.  gegeben,  und  mit  den  Anmerkungen  des  Ueber- 
setzers,  so  wie  mit  Nachträgen  und  Berichtigungen  von 
Friedrich  Creuzer  vermehrt. 

Der  Subscriptionspreis  für  das  ganze  nun  beendigte 
Kunstwerk  besteht  noch  auf  unbestimmte  Zeit  fort, 
derselbe  beträgt  mit  dem  In  Band  des  Textes  für  das 
cartonirte  Exemplar  der  Abbildungen  in  der  Ausgabe 
auf  Velinpapier  49  Thlr.  8  gr.  od.  88  11.  48  kr.  In  der 
Ausgabe  auf  ordin.  Kupferdruckpapier  37  Thlr.  16  gr. 
oder  67  fl.  48  kr.  Der  erste  Band  des  Textes  kostet 
apart  3  Thlr.  8  gr.  oder  6  fl.  Der  zweite  Band  des 
Textes  ist  unter  der  Presse. 

Einzelne  Hefte  werden  nur  von  der  gewöhnlichen 
Ausgabe  gegeben  und  kosten  l'/,  Thlr.  od.  2  fl.  42  kr. 
Die  28ste  und  letzte  Lieferung  aber  2  Thlr.  12  gr.  oder 
4  fl.  30  kr.  Hefte  der  Verzierungen  von  6  Blättern 
20  gr.  oder  1  fl.  30  kr. 

Die  nachstehend  verzeichneten  ausgeführten  Blätter 
sind  auch  einzeln  ä  20  gr.  od.  1  fl.  30  kr.  zu  haben: 
Dorischer  Portikus  zu  Athen. 
Jonischer  Tempel  am  Ilissus. 


Der  Thiirm  der  Winde  zu  Athen. 

Das  choragische  Monument  des  Lysikrates. 

üeberreste  einer  Stoa  oder  eines  Portikus,  gewöhn- 
lich Tempel  des  Jupiter  Olympius  genannt. 

Das  Parthenon. 

Tempel  des  Erechtheus,  der  Minerva  Polias  und 
der  Pandrosus. 

Die  Propyläen  zu  Athen. 

Tempel  des  Theseus. 

Aquaduct  des  Hadrian. 

Monument  des  Philopappus. 

Tempel  zu  Corinth. 

Brücke  über  den  Ilissus. 

Ansicht  von  Pola. 

Ansicht  der  Westseite  des  Amphitheaters  zu  Pola. 

Tempel  der  Roma  und  des  Augustus  zu  Pola. 

Ansicht  der  Porta  aurata  zu  Pola. 

Ansicht  der  Schlucht  zu  Delphi. 

Das  Amphitheater  zu  Pola. 

Der  Bogen  der  Sergier  zu  Pola. 

Ansicht  des  Parnassus  am  Wege  von  Livadien  nach 
Delphi. 

Ferner  folgende  Plane  und  Karten: 
Grundriss  der  Acropolis  12  gr.  oder  54  kr. 
Plan  der  Alterthümer  von  Athen  12  gr.  oder  54  kr. 
Karte  von  Attika  12  gr.  oder  54  kr. 
Karte  des  Hafens  Piräus  uud  der  Bai  von  Phalerura 

8  gr.  oder  36  kr. 
Karte  der  Insel  Delos  8  gr.  oder  36  kr. 


An  dieses  Werk  wird  sich  zunächst  der  zu  London 
hei  Priestley  und  Weale  erschienene  Supplementband 
anschliessen,  welcher  *unter  dem  Titel: 

DIE 

ALTERTHÜMER  VON  ATHEN 

UND    VON 

VERSCHIEDENEN  ANDEREN  THEILEN 
GRIECHENLANDS, 

ALS  SUPPLEMENT  DES  STUARS-REVETT'SCHEN  WERKS 

erscheinen  wird. 

Das  erste  Heft  dieses  Snpplementbandes  wird:  An- 
sicht, Aufrisse,   Grundrisse,  Durchschnitt  uud  Details 


—    s    — 

vom  Tempel  des  Jlpollo  von  Epikurius  zu  Bassae ,  nach 
den  Zeichnungen  von  Th.  Levreton  Doiialdson,  enthalten. 

Die  folgenden  Hefte  stellen  die  Eingangspforte  von 
Messene ,  die  unterirdischen  Gemächer  von  Mycene , 
das  Theater  zu  Syrakus  u.  s.  w.  dar. 

Einrichtung  und  Preis  werden  ganz  denen  des  Haupt- 
werks gleich  seyn,  also  jede  Lieferung  auf  Velinpapier 
1  Thlr.  16  gr.  oder  3  fl.,  auf  ord.  Papier  1  Tlilr.  «  gr. 
oder  2  fl.  15  kr.  kosten. 


ALTERTHÜMER  VON  JONIEN. 

HERAUSGEGEBEN 

VON    DER 

GESELLSCHAFT   DER  DILETTANTI 

ZU  LONDON. 
(9  Lieferungen  in  Royalfolio,  sammt  dem  Text  in  8.) 

Mit  der  neunten  Lieferung  ist  dieses  Kunstwerk  nun 
ebenfalls  vollendet.  Der*  noch  für  unbestimmte  Zeit 
fortbestehende  Subscriptionspreis  ist  in  cartonirtem 
Eiiiband:  für  die  Ausgabe  auf  fein  Velinpapr.  15  Thr. 
oder  27  fl.,  für  die  Ausgabe  auf  ordin.  Papier  11  Thlr. 
6  gr.  oder  20  fl.  15  kr. 

Der  erläuternde  Text  erscheint  zur  Herbstmesse  und 
wird  besonders  berechnet. 

Der  Preis  einzelner  Hefte  ist  jetzt  in  der  Ausgabe 
auf  Velinpapier  2  Thlr.  od.  3  fl.  36  kr.,  in  der  ordin. 
Ausgabe  1  Thlr.  12  gr.  oder  2  fl.  42  kr. 


Das  ebenfalls  von  der  Gesellschaft  der  Dilettanti 
zu  London  herausgegebene  Werk,  unter  dem  Titel: 

vorhi:r  nie  bekannte 
ALTERTHÜMER    VON    ATTICA, 

(tue    VNEDITED    ANTiqUITIES    OF    ATTICj) 

\vi:r,t:iiF.s 

DIK    AKCIIITBKTONISCIIKN    ÜBERIIESTE 

VON  ELEUSIS,    lUIAMNUS,   SÜNIÜM  UJMD 

THOIUKUS 

KNTIIV.LT. 

Durch  dieses  Werk  wird  der  Cycfus  der  Alterthii- 
mer  Griechenlands  vervollständigt.  Es  begreift  sieben 
Lieferungen,  jede  von  zwölf  Blättern,  sammt  dem  Text 


_     4     — 

in  der  deutschen  Uebersetzung.  Subscriptionspreis  in 
cartonirtem  Einband  auf  fein  Velinpapier  11  Thlr. 
16  gr.  oder  21  fl. ,  auf  ordinair  Papier  8  Thlr.  18  gr. 
oder  15  fl.  45  kr. 

Der  Subscriptionspreis  dieses  nnn  ganz  vollendeten 
Werks  dauert  noch  für  unbestimmte  Zeit  fort.  Der 
erläuternde  Text  dazu,  übersetzt  und  mit  Anmerkungen 
begleitet  von  Dr.  C.  Wagner  y  kostet  12  gr.  od.  54  kr. 

Einzelne  Hefte  kosten  auf  Velinpr.  2  Thlr.  od.  3  fl. 
36  kr.     Auf  ordin.  Papier  1  Thlr.  12  gr.  od.  2  fl.  42  kr. 

Die  Jenaische  Literaturzeitung  1825.  Nro.  98.,  das 
Kunstblatt  1825.  Nro.  62.,  das  Artistische  Notizenblatt 
1824.  Nro.  21.  und  1825.  Nro.  3.,  die  Jahrbücher  für 
Philologie  2r  Jahrgang  6s  Heft  S.  223.,  Göthe's  Kunst 
und  Alterthum  5r  Bd.  3sHft.,  so  wie  mehrere  andere 
kritische  Blätter,  enthalten  Beurtheilungen  der  Aus- 
führung dieses  Unternehmens  und  lassen  demselben 
Gerechtigkeit  widerfahren. 

Aus  dem  Stuart -Revett' sehen  Werke  wird  als  ein 
Ganzes  für  sich  gegeben: 

THE  ELGIN  MARBLES.         '     i 

DIE 

SCULPTUREN   VOM   TEMPEL  DER  MINERVA 

ZU  ATHEN 

auf  63  Platten  in  Umrissen  getreu  dargestellt,  nach 
der  Londoner  Ausgabe  (mit  dem  aus  dem  Englischen 
übersetzten  Text  in  gr.  8.)  Royalfol.  cartonirt.  Preis 
für  die  Ausgabe  auf  Velinpapier  18  fl.  oder  10  Thlr., 
für  die  ordin.  Ausgabe  13  fl.  30  kr.  oder  772  Thlr. 


JACOB   MURPHY 

ÜBER   DIE 

GRUNDREGELN  DER  GOTHISCHEN 
BAUART. 

AUS  DEM  ENGLISCHEN  ÜBERSETZT 

VON 

J.   D.   E.    W.    EN  GELHARDy 

Kürhess.  Oberbaumeister  in  Cassel 

mit  11  Kupfertafeln,  worunter  der  Aufriss  und  Grund- 
riss  der  Kirche  zu  Batalha.  Royal  4.  cartonirt.  Preis 
6  Thlr.  oder  10  fl.  40  kr. 


_     5     — 
MUSEUM  WORSLEYANUM, 

EINE 

SAMMLUNG  VON  ANTIKEN  BASRELIEFS,  BÜSTEN, 
STATUEN  UND  GEMMEN, 

NEBST  ANSICHTEN  AUS  DER  LEVANTE. 
HERAUSGEGEBEN 

VON 

HEINRICH  WILHELM  EBERHARD 

UjND 

HEINRICH  SCHÄFER. 

Der  hohe  Preis  der  in  London  erschienenen  Aus- 
gabe dieses  so  schätzbaren  Werkes  hat  die  deutschen 
Herausgeber  bewogen,  eine  wohlfeile  Ausgabe  dessel- 
ben zu  veranstalten.  Die  Abbildungen  sind  in  Umrissen 
gegeben  und  erscheinen  in  sieben  Lieferungen,  jede 
von  neun  bis  zehn  Blättern.  Der  Text  bildet  einen 
besondern  Band  in  gleichem  Format  mit  den  Bildern. 
Jede  Lieferung  kostet  l'/j  Thlr.  oder  2  fl.  24  kr.  Der 
Text  soll  möglichst  billig  besonders  berechuet  werden. 


IL 
ARCHITEKTONISCHE   WERKE 

DES 

GROSSHERZOGL.  HESSISCHEN  OBERBAURATIIS 

D«    GEORG  MOLLER 

zu  DARMSTADT. 


DENKMÄHLER   DEUTSCHER  BAUKUNST. 

Zwei  Bände.     Royalfolio. 

Der    erste   Band   ist   auch    als    ein   für   sich   abge- 
schlossenes Ganze  unter  dem  Titel: 
Beiträge   zur   Kenntniss   der    deutschen  Baitkunst   des 
Mittelalters ,    enthaltend   eine   chronologische    Reihe 
von  Werken  aus  dem  Zeiträume  vom  achten  bis  zum 
sechzehnten  Jahrhundert.  Mit  72  Kupfertafeln.  Iloyal- 
Folio.    Sauber  cartonirt  ä  207^  Thlr.  oder  36  fl. 
zu  haben.     Einzelne  Hefte  kosten  l'/,  Thlr.  oder  2  fl. 
42  kr.     Der  Text  besonders  eben  so  viel. 


—     6     — 

Der  zweite  Band  gibt  im  13.,  14.  und  15.  Hefte: 

Die  Kirche  der  heiligen  Elisabeth  zu  Marburg,  18  Blät- 
ter,  wovon  drei  sorgfältig  mit  dem  Grabstichel  von 
Felsiug   lind   Noack    ausgeführt    sind,    sammt   Text, 
Preis  8  Thir.  12  gr.  oder  14  fl.  24  kr. 
Im  16.,  ir.  und  18.  Hefte: 

Die  Kirche  des  heiligen  Georg  (^nnnmehr  Domkirche) 
zu  Limburg  an  der  Lah7i  und  des  heiligen  Paulus 
zu  JVor7ns ,  von  ersterer  13  Blätter,  worunter  sich 
3  durch  Frommel,  Grunewald  und  Ratich  ausgeführt 
befinden,  von  letzterer  5  Blätter,  mit  dem  erläutern- 
den Text.  Preis  8  Thlr.  12  gr.  oder  14  fl.  24  kr. 
Im  10.,  20.  und  21.  Hefte: 

Der  Münster  zu  Freiburg.     Jedes  Heft  a  2  Thlr.  20  gr. 

oder  4  fl.  48  kr. 

Die  ausgeführten  Blätter  darin  sind  von  den  Ge- 
brüdern Ernst  und  Carl  Ranch. 

Sämmtliche  ausgeführte  Blätter  eignen  sich  sehr  gut 
zu  Zimmern  erzierungen.  Sie  sind  durch  jede  Buch- 
und  Kunsthandluug  a  1  Thlr.  12  gr.  oder  2  fl.  42  kr. 
zu  beziehen.     Dieselben  stellen  dar:  , 

Aeussere  Ansicht  der  Elisabeth- Kirche  zu  Marburg, 
von  Noack. 

Innere  Ansicht  dieser  Kirche ,  von  Noack. 

Westliche   Thüren  derselben  Kirche,  von  Feising. 

Die  Domkirche  von  Limburg   von   der    Nordwestseite, 
von  Frominel. 

Dieselbe  von  der  Ostseite,  von  Grünetcald. 

Innere  Ansicht  derselbeji,  von  Ernst  Rauch. 

Der  Freiburger  Münster ,  Südwestseite ,  von  Demselben. 

Vorhalle  desselben,  von  Carl  Rauch. 

Auch  die  Blätter,  welche  Verzierungen  im  altdeut- 
schen Geschmack  enthalten,  sind  besonders  verkäuflich. 
Man  kaun  solche  pr.  Blatt  a  8  gr.  oder  36  kr.  durch 
alle  Buch-  und  Kunsthandluugen  beziehen,  worauf  ich 
besonders  Architekten,  Stukatur-  und  Silberarbeiter 
aufmerksam  mache.  Solche  Verzierungen  befinden  sich 
namentlich 

auf   den   Blättern   Nro.  4.  9.  16.  22.  25.  38.  48.  55. 
58.  61.  63..  64.  65.  67.  bis  70.  des  I.  Bandes , 


—     7     — 

und  auf  den  Blättern  Nro.  5.  11.  14.  16.  der  Mar- 
burger Kirche ,  so  wie  auf  Nro.  5.  10.  11,  17.  der 
hhnburger  Kirche. 


ORIGINALZEICIINÜNG 
DES    DOMES     ZU    KÖLN, 

neun  Kupfertafeln  in  grösstera  Format  enthaltend;  auf 
das  beste  Velinpapier  gedruckt. 

Der  auf  unbestimmte  Zeit  auf  die  Hälfte  herabge»" 
setzte  Preis  ist  12  Thlr.  od.  21  fl.  36  kr.  Ein  Contre- 
Druck  der  sieben  Blatt  Anfrisse,  wodurch  man  ein 
treues  Bild  der  beiden  Tliürme  und  des  grossen  Por- 
tals erhält,  so  wie  solche  projectirt  waren,  kostet 
S'/o  Thlr.  od,  15  fl,  netto.  Ein  vollständiges  Exemplar 
nebst  Contre- Druck  I673  Thlr.  oder  30  fl. 


E  N  T  W  U  R  F  E 

AUSGEFÜHRTER  UND  ZUR  AUSFÜHRUNG 
BESTIMMTER  GEBÄUDE. 

HERAUS6BGBBBIV 

VON 

DR  GEORG  MOLLER  uad  F.  HEGER. 

(In  Heften  von  6  Blättern.   Royalfolio.^ 

Das  erste  Heft  enthält  das  von  Moller  zu  Darra- 
Darmstadt  erbaute,  grosse  und  geschmackvolle  Hof- 
opernthenter. 

(^Die  perspcctivische  Ansicht  desselben  ist  noch  be- 
besonders  in  aquadnta  a  12  gr,  oder  48  kr.  fein  colorirt 
a  173  Thlr.  oder  2  fl.  24  kr.  zu  haben.) 

Das  zweite  Heft  enthält  die  in  Form  einer  Rotunde 
von  Moller  gebaute  katholische  Kirche  und  den  Spring- 
brunnen auf  dem  Louisenplatze  zu  Darmstadt,  \on  Heger. 

(Die  perspectivischen  Ansichten  des  Aeussern  und 
des  Innern  der  Kirche  sind  colorirt  jede  zu  I73  Thlr. 
oder  2  fl.  24  kr,  zu  haben.) 

Der  Preis  eines  jeden  Heftes  ist  I7,  Thlr.  od.  2  fl. 
24  kr,  Feiu  colorirte  Exemplare  vom  I.  und  II.  Hefte 
sind  ä  57j  Thlr.  oder  9  fl,  36  kr.  zu  haben. 


—     8     — 

III. 
J.    E.    R  UHL 

DENKMÄHLER  DER  BAUKUNST 
IN  ITALIEN 

VORZÜGLICH 

AUS  DEM  MITTELALTER, 

NACH   DEN  MONUMENTEN    GEZEICHNET. 

Is  bis  5s  Heft.     Royalfolio.     Velinpapier.    Jedes  Heft 
von  6  Blättern  V/^  Thlr.  od.  2  fl.  42  kr. 

Dieses  Werk  enthält  genaue  Zeichnung-en  vieler, 
zum  Tlieil  nicht  sehr  bekannter ,  italienischer  Kirchen, 
Paläste,  Klöster  etc. 

Der  Verfasser  hat  es  für  gut  gefunden,  weil  der 
Absatz  nicht  den  gehofften  Gewinn  ihm  gebracht  hat, 
das  dem  Publikum  gegebene  Versprechen  nicht  zu  be- 
achten und  die  Fortsetzung  des  Werks  zu  suspendiren. 
Auf  diese  Art  sind  der  gute  Wille  des  Verlegers,  so 
wie  die  von  ihm  gebrachten  Opfer  erfolglos  geblieben, 
was  der  Letztere  hiermit  zu  seiner  Rechtfertigung  be- 
merken will. 

Sämmtliche  Artikel  sind  durch  alle  Buch-  und  Kunst- 
handlungen Deutschlands  und  des  Auslandes  zu  haben. 


GETTY  RESEARCH  INSTITUTE 


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