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Full text of "Altai-Iran und Völkerwanderung : ziergeschichtliche Untersuchungen über die Eintritt der Wander- und Nordvölker in die Treibhäuser geistigen Lebens"

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AI -IRAN 


VÖLKERWANDERUNC 


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VON 


JOSEF  STRZYGOWSKI 


J.C.HINRICHS,  LEIPZIG 


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JOSEF  STRZYGOWSKI 


ALTAI-IRAN  UND  VÖLKERWANDERUNG 


Arbeiten  des  kunsthistorischen  Instituts  der  k.  k.  Universität  Wien 

(Lehrkanzel  Strzygowski) 

Band  I.  Max  Eisler:  Die  Geschichte  eines  holländischen  Stadtbildes  (Kultur  und 
Kunst).     Haag,  M.  Xijhoff,  191 4. 

Band  II.  Luise  Potpeschnigg:  Einführung  in  die  Betrachtung  von  Werken  der 
bildenden  Kunst.     Wien,  k.  k.  Schulbücherverlag,  191 5. 

Band  III.  Artur  Wachsberger:  Stilkritische  Studien  zur  Wandmalerei  Chinesisch- 
Turkestans.  (Zweite  Sonderveröffentlichung  der  Ostasiatischen  Zeit- 
schrift.)    Berlin,  Oesterheld  &  Co.,  1916. 

Band  IV.  Richard  Kurt  Donin:  Romanische  Portale  in  Niederösterreich.  Jahr- 
buch des  kunsthistorischen  Institutes  der  k.  k.  Zentralkommission  für 
Denkmalpflege).     Wien,  A.  Schroll  &  Co.,  191 5. 

Band  V.  Josef  Strzygowski:  Altai-Iran  und  Völkerwanderung.  Ziergeschichtliche 
Untersuchungen  über  den  Eintritt  der  Wander-  und  Nordvölker  in 
die  Treibhäuser  geistigen  Lebens.  Anknüpfend  an  einen  Schatzfund 
in  Albanien.     Leipzig,  J.  C.  Hinrichs'sche  Buchhandlung,  1917. 

Band  VI.  Heinrich  Glück:  Der  Breit-  und  Langhausbau  in  Syrien  auf  kulturgeo- 
graphischer  Grundlage.  (Zeitschrift  für  Geschichte  der  Architektur, 
Beiheft  XIII).     Heidelberg,  C.  Winter,  1916. 

Band  VII.  Ernst  Diez:  Churasanische  Baudenkmäler.  Ergebnisse  einer  1912 — 1914 
vom  kunsthistorischen  Institute  der  Wiener  Universität  (Lehrkanzel 
Strzygowski)  zur  Erforschung  der  Geschichte  islamischer  Kunst  in  Iran 
unternommenen  Forschungsreise.    (In  Fertigstellung.) 

Band  VIII.  Max  Eisler:  Der  Raum  bei  Jan  Vermeer.  (Jahrbuch  der  Sammlungen 
des  Allerh.  Kaiserhauses  Bd.  XXXIII  [1916]  Heft  4).    Wien,  F.  Tempskv- 

Band  IX.  Moritz  Dimand:  Die  Verzierung  der  koptischen  Wollwirkereien.  Strö- 
mungen des  Weltverkehres  im  Kreise  der  Mittelmeerkunst.  (Druck- 
fertig.) . 

Band  X.  Josef  Strzygowski,  Der  altchristliche  Kuppelbau  der  Armenier.  Ein 
Stück  arischer  Kunstgeschichte.  Ergebnisse  einer  1913  vom  kunst- 
historischen Institute  der  Wiener  Universität  (Lehrkanzel  Strzygowski) 
unternommenen  Forschungsreise  nach  Russisch-Armenien.  (In  Fertig- 
stellung.) 


ALTAI -IRAN  UND 
VÖLKERWANDERUNG 

m 

ZIERGESCHICHTLICHE  UNTERSUCHUNGEN  ÜBER 

DEN  EINTRITT  DER  WANDER-  UND  NORDVÖLKER 

IN  DIE  TREIBHÄUSER  GEISTIGEN  LEBENS 


VON 

JOSEF  STRZYGOWSKI 


ANKNÜPFEND  AN  EINEN  SCHATZFUND  IN  ALBANIEN 


MIT  229  ABBILDUNGEN  UND   10  LICHTDRUCKTAFELN 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'sche  BUCHHANDLUNG 


ARBEITEN 

DES  KUNSTHISTORISCHEN  INSTITUTS  DER  K.  K.  UNIVERSITÄT  WIEN 

(LEHRKANZEL  STRZYGOWSKI) 
BAND  V 


Alle  Rechte,  einschließlich  das  der  Übersetzung,  sind  vorbehalten 
Copyright   1916    by  J.  C.  HinrichsjÄM**Buchhandlung  in  Leipzig. 


Druck  von  Augu«^jjjt«aiSLeipzig. 

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- 


LEOPOLD  VON  SCHROEDER 


IN  HERZLICHER  ZUNEIGUNG 


.    Vorwort. 

Das  vorliegende  Buch  entstand  aus  der  Bearbeitung  eines  1902  in  Albanien 
gemachten  Schatzfundes.  Diese  ziergeschichtliche  Untersuchung  wurde  unterbrochen 
durch  Forschungen  über  altchristliche  Baukunst  Armeniens,  die  einen  Weg  führten, 
dessen  Entdeckung  dann  doch  wieder  viel  entschiedener  auf  dem  Gebiete  des  Orna- 
mentes von  wissenschaftlicher  Bedeutung  wurde  als  auf  dem  der  Architektur.  So  griff 
ich  denn  auf  die  Probleme  zurück,  die  der  Schatz  eröffnet  hatte.  Nach  dem  Ergebnis 
der  letztjährigen  Studien  lenkt,  was  sich  jetzt  für  den  Gesichtskreis  der  mitteleuro- 
päischen Mächte  als  Frucht  des  Weltkrieges  aufschließt,  die  Forderung  eines  Land- 
weges nach  Osten,  nur  wieder  in  die  Bahnen  ein,  die  ein  ungeheurer  Weltverkehr  noch 
an  der  Grenze  der  historischen  Zeit  gegangen  ist.  Damals  fand  ein  Geben  und  Nehmen 
zwischen  dem  mittleren  Asien  und  Europa  statt,  das  eine  der  Grundlagen  für  die  Ent- 
wicklung der  heutigen  Welt  wurde.  Seit  längerem  versuchen  Sprach-  und  Sachver- 
gleicher  dieser  versunkenen  Welt  beizukommen;  dem  Kunstforscher  dürfte  es  viel- 
leicht gelingen,  sie  darin  zu  unterstützen  und  diese  von  den  Mittelmeervölkern  un- 
abhängige, ja  schließlich  gegen  ihre  Vorherrschaft  gerichtete  Bewegung  anschaulich, 
daher  überzeugender  darzulegen,  als  andere  Forschungsgebiete  es  vermögen. 

Es  sind  fast  zehn  Jahre  her,  seit  ich  den  Schatzfund,  der  einleitend  hier  vor- 
gelegt wird,  zum  ersten  Male  zu  sehen  Gelegenheit  hatte.  Die  Absicht,  ihn  zu  ver- 
öffentlichen, war  in  Ausführung,  als  John  Pierpont  Morgan  sen.  den  Fund  erwarb, 
wobei  mir  das  Recht  einer  Monographie  vorbehalten  blieb.  Inzwischen  starb  Morgan 
19I3  und  das  Werk  muß  heute  ohne  die  rege  Teilnahme,  die  der  für  antiquarische 
Dinge  leidenschaftlich  bewegte  Mann  ihm  widmete,  erscheinen.  Der  Schatz  ist  als 
Ganzes  bisher  nur  in  Vorträgen  vor  die  Öffentlichkeit  gekommen,  die  ich  1913  im 
mitteldeutschen  Kunstgewerbeverein  in  Frankfurt  a./M.  und  am  Museum  in  Straßburg, 
1916  in  Stockholm,  Göteborg  und  Lund  hielt.  Einzelne  Stücke  sind  von  mir  „Der 
Islam"  II  (1911)  S.  333  und  Konsthistoriska  säliskapets  publikation  1916  S.  lf.  abge- 
bildet worden,  andere  von  Riegl  im  Jahrbuch  der  k.  k.  Zentralkommission  N.  F.  I 
(1903)  S.  282  f. 

Der  albanische  Schatzfund  gibt  Anlaß,  die  Ornamentstudien,  die  ich  mit  „Mschatta" 
in  der  Festschrift  zur  Eröffnung  des  Kaiser  Friedrich-Museums  in  Berlin  1904  be- 
gonnen habe,  wieder  aufzunehmen.  Es  erscheint  das  um  so  notwendiger,  als  der 
kostbare  Besitz  der  Mschatta-Fassade  in  Berlin  selbst  nicht  die  Früchte  zeitigt,  die 
ich  mit  dieser  Krönung  der  altchristlich-islamischen  Sammlungen  der  kgl.  Museen 
einst   erstrebt  hatte.     Lebhaft  beklage  ich,   daß  der  großzügige  Riegl  so  früh  (1905) 


VIII 


Vorwort. 


von  der  Arbeit  zurücktreten  mußte;  er  wäre  heute  vielleicht  dahin  gelangt,  seine 
Ansichten,  so  weit  sie  entwicklungsgeschichtlicher  Art  sind,  umzubilden,  wie  er  es 
tatsächlich  auf  mein  „Hellas  in  des  Orients  Umarmung"  hin  mit  seinen  vor  den  Stil- 
fragen gelegenen  Veröffentlichungen  getan  hat.  Wie  die  Dinge  liegen,  treffen  meine 
Einwände  heute  einen  Gegner,  dessen  Einsicht  der  Riegischen  nicbt  entfernt  gleich- 
kommt. 

Das  Problem,  das  neuerdings  zu  erörtern  der  albanische  Schatzfund  Anlaß  gibt, 
betrifft  Riegls  Grundlegungen  zu  einer  Geschichte  der  Ornamentik,  soweit  sie  an  der 
Hand  der  Palmettenranke  behandelt  werden  können,  und  zweitens  die  Gesamt- 
entwicklung  der  bildenden  Künste  bei  den  eurasiatischen  und  Mittelmeervölkern,  insofern 
diese  Frage  bei  einer  zusammenfassenden  Behandlung  der  Schatzfunde  der  Völker- 
wanderungszeit aus  dem  Osten  Europas  nicht  übergangen  werden  kann.  Da  es  sich 
dabei  als  Schlußfolgerung  um  die  Bloßlegung  der  frühesten  Keime  der  mittelalterlichen 
Kunst  handelt,  wie  sie  sich  bei  den  germanischen  und  romanischen  Völkern  Europas 
entwickelt  hat» —  wie  schon  Riegl  erkannte  — ,  so  ist  die  Aufgabe,  die  ich  bei 
Veröffentlichung  des  albanischen  Schatzfundes  ins  Auge  fasse,  eine  ziemlich  weit  aus- 
greifende. Man  wird  aber,  hoffe  ich,  schrittweise  erkennen,  daß  der  Schatz  nicht 
minder  wie  seinerzeit  Mschatta  oder  Amida  verdient,  in  den  Mittelpunkt  der  Behandlung 
von  Fragen  gestellt  zu  werden,  die  seit  Jahren  durch  die  Stellung  meiner  Arbeiten 
gegen  tiefgewurzelte  Vorurteile  der  Kunstforschung  heranreifen. 

Die  Aufgaben  des  Ornamentforschers  gehen  mehr  als  in  der  Architektur  und 
den  darstellenden  Künsten  mit  denen  des  Kulturforschers  parallel.  Wir  können  heute 
freilich  nicht  mehr  wie  Viktor  Hehn  u.  a.  ausschließlich  auf  Grund  der  antiken  Quellen 
Kulturgeschichte  machen,  sondern  müssen  die  orientalischen  Zeugen  selbst  in  erster 
Linie  sprechen  lassen.  Im  Gebiete  der  Zierkunst  unterstützen  dabei  leider  selten 
schriftliche  oder  gar  inschriftliche  Belege.  Der  Kunsthistoriker  ist  hier  zumeist  in 
der  Lage  des  Prähistorikers  und  Ethnologen;  er  muß  aus  seinem  eigensten  Material, 
den  Denkmälern  der  bildenden  Kunst  selbst,  festen  Boden  zu  gewinnen  suchen. 
Man  wird  unter  diesen  Fernständen  sich  fürs  Erste  vielleicht  öfter  mit  der  Vorführung 
des  neuen  Materials  zufrieden  geben  müssen.  —  Die  Schreibart  der  Namen  ist  dem  in 
erster  Linie  in  Betracht  kommenden  Leserkreis  angepaßt. 

Im  vorliegenden  Werke  wird  nun  zunächst  der  Schatz  beschrieben.  Fremde  Belege 
werden  dabei  nur  insoweit  herangezogen,  als  sie  zum  Vergleich  unmittelbar  heraus- 
fordern. Die  ungarischen  und  andern  Schatzfunde  der  Völkerwanderungszeit  im 
Osten  Europas  werden  daher  anschließend  kurz  zusammengefaßt  und  der  augen- 
blickliche Stand  der  Forschung  über  diese  Funde  gekennzeichnet.  Im  dritten  Ab- 
schnitte wird  dann  Richtung  an  der  Hand  des  Ornamentes  der  Schmucksachen  des 
albanischen  Schatzfundes,  der  Palmettenranke  mit  dem  Kreislappen  genommen  und 
ihre  Ausbreitung  von  L'ngarn  und  dem  Balkan  aus  über  Ägypten  nach  Vorder-, 
Mittel-  und  Ostasien  verfolgt.  Am  Schlüsse  wird  aus  diesem  Tatsachenmaterial  heraus 
die  Entwicklung  der  geometrischen  Ranke  zur  „Arabeske"  und  die  Bewegungsrichtung 

\\  erdens  dieses  islamischen  Ornamentes  zu  bestimmen  gesucht.  Dadurch  er- 
scheinen die  Ergebnisse  der  Mschatta- Arbeit,  die  hauptsächlich  die  Weinranke  be- 
trafen, wesentlich  ergänzt. 


Vorwort.  I  \ 

Im  vierten  Abschnitte  wird  nach  der  sozialen  Schicht  und  dem  Volke  gefragt, 
das  als  Erreger  bzw.  Träger  der  vorgeführten  Entwicklung  in  spätrömischer  Zeit  in 
Betracht  kommt.  Was  wir  von  den  Türken  und  Saken  als  Vertretern  zweier  Rassen, 
der  altaischen  und  arischen,  vom  Standpunkte  des  Forschers  über  bildende  Kunst 
aussagen  können,  wird  behandelt,  am  Schlüsse  dann  die  Wirkung  im  Gebiete  des 
Mittelmeeres  vorgeführt. 

Der  fünfte  Abschnitt  geht  auf  die  Zeit  der  Völkerwanderung  über,  beginnend  mit  dem 
türkischen  Vorstoß  und  der  Frage  nach  dem  Ursprünge  des  albanischen  Schatzes.  Di.e 
Anfänge  der  neuen  Kunst  bei  den  im  Zeichen  des  Islams  geeinten  Völkern  und  den 
Germanen  leiten  über  auf  die  Schlußabschnitte,  in  denen  ein  Blick  auf  Wesen  und 
Wert  von  Renaissancen  geworfen  und  der  jetzige  Aufbau  der  geisteswissenschaftlichen 
Forschung  als  Hindernis  auf  dem  neuen  Wege  gekennzeichnet  wird. 

Mit  dem  vorliegenden  Buche  greife  ich  meine  Arbeiten  da  wieder  auf,  wo  sie 
Amida  S.  319  stehen  geblieben  waren.  Die  große,  am  Schlüsse  der  Antike  einsetzende 
Kulturströmung  vom  Osten  her,  der  meine  Arbeiten  bisher  gewidmet  waren,  hat 
nicht  ohne  Zusammenhang  bestanden  mit  einer  gärenden  Bewegung  in  Hochasien 
und  dem  Norden,  als  deren  Schlußglied  die  Völkerwanderungen  erscheinen.  Dieser 
wachsende  Einfluß  der  Nomaden  und  Nordvölker  rückt  im  vorliegenden  Buche  in  den 
Vordergrund.  Ich  hoffe  bald  Werke  über  Forschungsreisen  in  Armenien  und  Chorasan 
vorlegen  zu  können,  in  denen  die  hier  auf  ziergeschichtlichem  Gebiete  geführten  Unter- 
suchungen, nach  der  architektonischen  Seite  hin  ergänzt  und  wieder  in  das  gewohnte  Fahr- 
wasser der  großen  religiösen  Kulturen  zurückgeleitet  werden  sollen.  Der  einst  mit 
„Orient  oder  Rom"  und  „Hellas  in  des  Orients  Umarmung"  begonnene  Kampf  geht  also, 
auf  größere  Raum-  und  Zeitgebiete  ausgedehnt,  weiter  und  wird  hoffentlich  —  u.  a. 
durch  den  Versuch  der  Anbahnung  einer  indogermanischen  Kunstforschung  —  etwas 
zur  kulturellen  Läuterung  des  Wettstreites  der  Deutschen  im  Weltverkehre  beitragen. 

Im  Augenblicke  der  Drucklegung  dieses  Vorwortes  setzt  unsere  Vorwärtsbewegung 
gegen  Rumänien  und  Südrußland  ein.  Möchte  es  gelingen,  damit  jenem  Lande  die 
Möglichkeit  freier  geistiger  Entwicklung  zu  bringen,  das  einst  vielleicht  den  Keim- 
boden des  Arischen  lieferte,  jedenfalls  aber  die  Brücke  bildete,  die  den  europäischen 
Norden  mit  Armenien,  dem  asiatischen  Süden  und  Osten  verband.  Erst  wenn  diese 
für  das  Deutschtum  notwendigen  Zusammenhänge  wieder  hergestellt  sein  werden, 
dürfte  der  Deutsche  endlich  loskommen  vom  Mittelmeere,  auf  das  seine  Kunst  und 
Wissenschaft  —  verhängnisvoll  geradezu  —  seit  Jahrhunderten  eingestellt  waren.  In 
einem  Nachtrage  am  Schlüsse  des  Buches  kann  ich  überdies  noch  Bezug  nehmen 
auf  die  Art,  wie  in  einer  Reihe  französischer  Aufsätze  die  deutsche  Kunstforschung 
seit  Juli  I9I0  eingeschätzt  wird.  Der  französische  Fachgenosse  wirft  dort  uns  deutschen 
Gelehrten  gerade  das  vor,  was  den  meisten  infolge  der  Wahnvorstellung  von  der 
einzigen  Bedeutung  des  Griechisch-Römischen  leider  so  gut  wie  gänzlich  abgeht: 
das  Verständnis  für  Wesen,  Ursprung  und  Zusammenhang  deutscher  Eigenart. 
Wir  sollen  diese  angeblich  zu  selbstliebend  eingeschätzt  haben.  Ich  hoffe,  daß  die 
unerhörte  Aufrüttelung  durch  den  Weltkrieg  auch  in  den  Geisteswissenschaften  eine 
Wendung  von  Grund  auf  herbeiführt  und  der  deutsche  Kunstforscher  bei  aller 
berechtigten    Neigung    für   den    hellenischen  Geist    doch    allmählich    anfängt,    auch 


X 


Vonvoit. 


den  Wurzeln  nordischen  Wesens  nachzugehen.  Es  tut  not,  daß  wir  die  Folgen 
des  Eindringens  der  Renaissance  in  Deutschland  endlich  überwinden  und  den  alten 
Kampf  des  beginnenden  Mittelalters  mit  den  Südkulturen  geläutert  wieder  aufnehmen 
und  klar  zu  Ende  führen.  Eine  Blüte,  wie  sie  Bürgertum  und  Städte  vor  dem  Siege 
der  Renaissance  erlebten,  wäre  davon  zu  erwarten. 

Sollte  das  Buch  nicht  ins  Ungemessene  anwachsen,  wie  es  leicht  geschieht,  wenn 
ein  roter  Faden  gefunden  ist  und  die  Probleme  nun  von  allen  Seiten  sich  aufdrängen, 
so  mußte  manches  unbesprochen  bleiben  —  so  verschiedene  Fragen  der  farbigen  Gold- 
schmiedekunst, Seidenweberei  u.  dgl.  — ,  was  vielleicht  noch  herein  gehört  hätte.  Ich 
hoffe,  daß  die  Erkenntnis,  von  der  die  vorliegende  Arbeit  getragen  ist,  trotz  der  Be- 
schränkung, die  ich  mir  auferlegte,  klar  zum  Ausdrucke  kommt,  und  bin  überzeugt, 
daß  das  Material  daraufhin  ebenso  reichlich  zuströmen  wird,  wie  nach  dem  Erscheinen 
meiner  Arbeiten  über  die  koptische  Kunst,  Kleinasien,  Mschatta  und  Amida. 

Ich  möchte  schließen  mit  Jakob  Grimms  Worten  in  der  Vorrede  zu  seiner  Ge- 
schichte der  deutschen  Sprache  1848,  S.  VIII:  „Jede  Wissenschaft  hat  ihre  natürlichen 
Grenzen,  die  aber  selten  dem  Auge  so  einfach  vorliegen  wie  das  Stromgebiet  des 
Bachs,  in  dessen  Mitte  nach  unseren  Weistümern  ein  schneidendes  Schwert  gesteckt 
wird,  damit  das  Wasser  zu  beiden  Seiten  abfließe.  Willige  Forscher  sollen  also  den 
verschlungenen  Pfaden  folgen  und  bald  leichteres,  bald  schwereres  Geschühe  anlegen, 
um  sie  betreten  zu  können.  Wer  nichts  wagt,  gewinnt  nichts,  und  man  darf  mitten 
unter  dem  Greifen  nach  der  neuen  Frucht  auch  den  Mut  des  Fehlens  haben.  Aus 
dem  Dunkel  bricht  das  Licht  hervor  und  der  vorschreitende  Tag  pflegt  sich  auf 
seine  Zehen  zu  stellen.  Von  der  großen  Heerstraße  abwärts  liebe  ich  es  durch  enge 
Kornfelder  zu  wandeln  und  ein  verkrochenes  Wiesenblümchen  zu  brechen,  nach  dem 
andere  sich  nicht  niederbücken  würden". 

Ich  habe  nach  vielen  Seiten  für  freundliche  Förderung  zu  danken.  Das  wird 
unten  an  seiner  Stelle  geschehen.  Hier  möchte  ich  nur  des  Verlages  gedenken,  der 
in  schwieriger  Zeit  den  Mut  fand,  das  vorliegende  Buch  in  Druck  zu  nehmen. 

Wien,  Juni — Oktober  1916. 

Josef  Strzygowski 


Inhaltsverzeichnis. 

Seile 

Vorwort vn 

I.  Ein  albanischer  Schatzfund 

Auffindung,  Beschreibung  und  Vergleich I 

1.  Goldgefäi3e 2 

2.  Silbergefäüe 14 

3.  Schmucksachen  in  Gold 22 

II.  Die  'Schatzfunde  der  Völkerwanderungszeit  aus  dem  Osten 

1.  Die  in  Zypern  gemachten  hellenistisch-syrischen  Schatzfunde    ....  41 

2.  Die  frühorientalischen  Schatzfunde   aus  der  russischen  und  Donautief- 

ebene mit  Stücken  in  Zellenverglasung 46 

3.  Der  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklos 54 

4.  Die  bisherige  Beurteilung  der  vorgeführten  Schatzfunde 64 

III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen   des  albanischen  Schatzes 

1.  Das  Problem  der  Ranke 7o 

Indischer  Naturalismus  und  Ursprung  der  Weinranke  von  Mschatta 72 

2.  Parallelen  vom  Balkan 74 

3.  Parallelen  in  Ägypten 7g 

A.  Seidenstoffe 7o 

B.  Grabstelen .-  82 

C.  Holzarbeiten 88 

4.  Parallelen  aus  Mesopotamien  und  Iran 9- 

A.  Samarra     .     .     .     „ 05 

B.  Silberarbeiten g8 

5.  Parallelen  in  Zentralasien IO" 

A.  Westaltaische  Gruppe 105 

B.  Ostaltaische  Gruppe 108 

6.  Parallelen  in  Ostasien n3 

A.  Altchinesische  Belege 113 

B.  Japanische  Belege        ng 

7.  Geometrische  Ranke  und  Arabeske 122 

A.  Chorasan-Inschriften 125 

B.  Die  Kreisstab-Ranke 128 


C.  Die  verschlungenen  Kreise 13 


2 


8.  Der  Schrägschnitt 136 

IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker 

A.  Die  drei  Völkerzonen  Eurasiens 145 

B.  Die  flächenfüllenden  Muster 14g 

1.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis  .    .    : 153 

A.  Rankenteppich  und  Zelt 155 

B.  Metallarbeit  (Nagy-Szent-Miklos ) 164 

C.  Das  Zattel-  (Lambrequins-)  Motiv 169 

D.  Der  geometrische  Schnörkel 173 

E.  Die  Schnörkelbänder  der  Tulunmoschee  in  Kairo 176 

F.  Der  Nomadenweg 183 


■vji  Inhaltsverzeichnis. 

Seile 

2.  Die  Saken  und  der  arische  Kreis 187 

A.  Der  Raum  als  Wirkungsmittel 191 

B.  Das  mehrstreifige  Bandgeflecht 193 

Die  armenische  Gruppe ' 196 

b)  Mesopotamische  Beispiele 197 

C.  Der  Mimbar  in  Kaiman 198 

D.  Die  Mehrflächigkeit 204 

a)  Awghanische  Beispiele 204 

b)  Die  norwegischen  Parallelen 207 

E.  Übersponnene  Ornamente 209 

F.  Die  Durchbrucharbeit ..210 

G.  Die  verknoteten  Kreise 217 

H.  Stand  der  heutigen  Forschung 222 

3.  Konstantinopel  und  der  Mittelmeerkreis 223 

A.  Der  Kuppelbau 226 

B.  Die  Wandverkleidung 22S 

C.  Die  Kleinkunst 233 

a)  Das  „oströmische  Kunstwollen" 234 

b)  Der  Zeilenschmelz 237 

V.  Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens 238 

1.  Der  Anfang  des  „Mittelalters" 23S 

2.  Ursprung  des  albanischen  Schatzfundes 240 

A.  Ort 241 

B.  Zeit 242 

C.  Werkstatt 244 

D.  Ausbreitungsbereich  der  Kreislappenranke  in  Ungarn  und  Österreich 247 

E.  Volkszugehörigkeit  des  Schatzes ■ 252 

3.  Die  Wirkung   bei    den  Nomaden    und  Nordvölkern    im  Umkreise    des 

Mittelmeeres 254 

A.  Die  Araber  und  der  orientalische  Kreis 256 

a)  Der  Anteil  der  Araber 257 

b)  Perser  und  Türken 259 

c)  Mittelasiatische  Keramik  auf  dem  Wege  nach  Mosul 260 

d)  Islamische  Kunst  —  ein  Rest  Völkerwanderungskunst 272 

B.  Die  Germanen  und  der  europäische  Kreis 273 

a)  Der  Schrägschnitt 273 

b)  Die  Granateinlage  in  Gold 274 

c)  Das  mehrstreifige  Bandgeflecht 276 

d)  Das  Tiergeriemsel       284 

e)  Kirche  und  Kloster 287 

Das  Deutsche  in  deutscher  Kunst  und  Forschung 294 

VI.  Wesen  und  Wert  von  Renaissancen      297 

1.  Türken 297 

2.  Arier 299 

VII.  Eine  neue  Gesinnung  —  eine  Notwendigkeit      303 

Anhang 308 

Schlagwortreihe 309 

Nachträge  und  Verbesserungen 319 


I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 

Auffindung.  Im  Frühjahre  1902  wurden  die  türkischen  Behörden  von  Tirana 
durch  die  Denunziation  eines  Albanesen  auf  einen  Fund  aufmerksam,  aus  dem  ein 
ornamentierter  Goldpokal  (Taf.  I)  zum  Gegenstand  eines  Streites  zwischen  dessen 
Besitzern  geworden  war.  Die  Behörde,  d.  h.  der  damalige  Mutessarif  Mehmed  Hüsni- 
Bey  belegte  den  Pokal  mit  Beschlag  und  sandte  ihn  nach  Konstantinopel.  Durch 
diesen  Vorfall  aufmerksam  gemacht,  stellte  der  damalige  österreichisch-ungarische 
Konsul  in  Durazzo,  Remi  v.  Kwiatkowski,  Nachforschungen  an  in  der  Absicht, 
wenigstens  über  die  Fundumstände  etwas  zu  erfahren.  Dabei  kam  die  Schale  (Abb.  8) 
und  zugleich  die  Tatsache  zutage,  daß  es  sich  um  einen  größeren  Schatzfund  handle. 
Über  die  Auffindung  konnte  v.  Kwiatkowski  nachträglich  folgendes  feststellen:  Ein 
albanesischer  Bauer  bei  Vrap,  einem  Dorfe  im  Bezirke  von  Pekinje  (Peklin),  Distrikt 
Elbassan l,  stieß  beim  Ackern  auf  einen  kupfernen  Kessel  (Kazan),  den  er  sich  an- 
eignete und,  ohne  sich  viel  mit  dem  Inhalt  zu  beschäftigen,  für  ein  paar  Medschidjes 
an  drei  Albanesen  verhandelte,  die  ihn  in  ihre"  Wohntürme  (Kulen)  in  der  Nähe  von 
Arböna,  einem  nördlich  von  Vrap  gelegenen  Orte  brachten.  Dann  kam  der  Streit 
in  Tirana.  Der  nachfolgende  Erwerb  der  einzelnen  Fundstücke  zog  sich  zum  Teil 
unter  recht  romantischen  Umständen  durch  etwa  fünf  Jahre  hin.  Es  dürfte  wissen- 
schaftlich kein  Interesse  haben,  darauf  näher  einzugehen.  Unter  den  nachfolgend 
veröffentlichten  Stücken  befindet  sich  gewiß  keines  von  anderer  Provenienz.  Dagegen 
ist  es  wohl  möglich,  daß  heute  noch  Stücke  des  Schatzfundes  in  den  Händen  einzelner 
Eingeborener  zu  finden  wären.  Ein  solches  hat  Hektor  von  Economo  in  Paris  bei 
einem  Triester  Juwelier  erworben  (Taf.  III).  So  könnten  noch  andere  Stücke  über  Kon- 
stantinopel oder  Tri'est  verkauft  worden  sein.  Vielleicht  bringt  sie  vorliegende 
Publikation  zutage.  Der  Schatz  besteht  aus  41  Stücken,  wovon  39  in  den  Besitz 
von  J.  Pierpont  Morgan  (-j-1913)2  gelangten  und  im  Augenblick  des  Druckes  noch  von 
seinem  Sohne  in  New  York  aufbewahrt  werden.  Nur  zwei,  allerdings  sehr  bedeutende 
Stücke  kamen  in  anderen  Besitz,  das  eine,  wie  gesagt,  nach  Konstantinopel,  das 
andere  nach  Paris. 

Beschreibung  und  Vergleich.  Ich  führe  den  Schatz  in  drei  nach  Material 
und  Zweck  getrennten  Gruppen  vor.  Nach  dem  Material  allein  wären  nur  zwei 
Gruppen,   Gold   und  Silber  zu  scheiden.     In   der  Zweckbestimmung  aber  gehen  im 


1)  Der  Ort  liegt  etwas  nördlich,  halbwegs  zwischen  Pekinje  und  Kaw-aja. 

2)  Vgl.  über  ihn  Bulletin  of  the  Metropolitan  Museum  of  art  (New  York)  VIII  (1913)  S.  64. 
Strzygowski,  Altai.  I 


-  I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 

Rahmen  der  Gruppe  Gold  zwei  Reihen  soweit  auseinander,  daß  ich  es  für  gut  be- 
funden habe,  Gefäße  und  Schmucksachen  auseinander  zu  halten,  obwohl  eines  der 
Gefäße  (Taf.  III)  den  Schmucksachen  (Taf.  V)  nahe  verbunden  ist.  Im  Zusammenhang 
mit  der  Beschreibung  führe  ich  der  Einfachheit  halber  gleich  auch  solche  Parallelen 
an,  deren  Vergleich  naheliegend  ist. 

i.  Goldgefäße. 

l.  Pokal  mit  Tieren  in  Spitzovalen  (Tafel  I  und  Abb.  l).  „Der  vom 
Mutessarif  von  Durazzo  nach  Konstantinopel  gesandte  Goldpokal  war  ohne  In- 
schriften   und   Figuren,   jedoch   ornamentiert."     Diese  kurzen   Angaben    führten    zur 


Abb.  i :  Konstantinopel,  Kais,  ottomanisches  Museum :  Goldpokal  aus  Albanien,  Oberteil. 

(Der  ganze  Pokal  auf  Tafel  I.) 


Auffindung  des  Pokals  im  kaiserlich  ottomanischen  Museum.  Trh  verdanke  die 
Photographien  und  näheren  Angaben  der  Güte  des  Direktors,  Exz.  Halil  Edhem. 
Danach  stammt  das  Stück  „aus  dem  Vilajet  von  Skodra  (Skutari),  dem  Sandschak 
Dratsch  (Durazzo),  der  Caza  Tyrana  und  dem  Dorf  Virab  bei  Peklin.  Der  Pokal 
kam  im  März  1902  in  das  Museum".  Es  stimmen  also  die  Zeit-  und  Ortsangaben 
durchaus  zu  den  Mitteilungen  des  Herrn  v.  Kwiatkowski.  Der  Pokal  (Tafel  I),  unter 
Xr.  1531  inventarisiert,  ist  \~  cm  hoch  und  hat  oben  einen  Durchmesser  von  15  cm. 
Gewicht  464  g.  Der  hohe  kegelförmige  Fuß  ist  unten  horizontal  umgebogen  und 
geht  in  einen  Knauf  über.  Ein  wulstig  profilierter  Teil  vermittelt  dann  nach  dem 
weitbauchigen  Gefäße.  Dieses  ist  horizontal  geschmückt  mit  einem  breiten  Ornament- 
bande, das  oben  und  unten  von  zwei  Randleisten  gesäumt  wird.    Dazwischen  bilden 


Strzygowaki,  Altai,  Iran  u.  Völkerwanderung 


Tafel  I 


J.  C.  Hinricbs,  Leipzig 


C.  G.  Röder  G.m.b.H.,  Leipzig 


Konstantinopel,  Kais.  Ottomanisches  Museum 
Goldpokal  aus  Albanien. 


i.  Goldgefäße.  3 

dreieckig,  d.  h.  im  Schrägschnitt  profilierte  Bänder  horizontal  acht  Spitzovale.  An 
den  Kreuzungsstellen  wachsen  aus  den  Zwickeln  buschige  Füllungen  hervor,  bestehend 
aus  5 — 9  langen,  innen  gefurchten  Rundlappen.  In  den  Spitzovalen  liegt  zunächst 
ein  gedrehter  Wulst.  Im  Felde  selbst  erscheinen  auf  glattem  Grund  in  Flachrelief 
Vögel.  In  der  Mitte  von  Tafel  I  ist  zunächt  an  der  Schwanzbildung  ein  Hahn  er- 
kennbar, der,  nach  links  hin  bewegt,  ein  Halsband  trägt.  Im  Oval  davor  ein  Vogel, 
der  mit  gesenktem  Kopf  nach  links  schreitet;  im  Oval  rechts  ein  Vogel  mit  Greifen- 
kopf. Diese  Art  wird  deutlicher  in  Abb.  1,  wo  von  links  nach  rechts  zuerst  wieder 
ein  Vogel,  der  den  Hals  senkt,  dann  einer,  der  den  Kopf  zurückwendet,  endlich  aber 
der  Vogel  mit  dem  greifenartigen  Vorderleib  und  hahnenartigen  Schwanz  erscheint. 
Der  Schnabel  hält  einen  Gegenstand.  —  Der  Rand  des  Kelches  ist  glatt.  Dann  folgen 
oben  wie  unten  zwei  dreieckig  profilierte  Streifen  und  wie  daran  hängend  in  einigem 
Abstand  über  den  Spitzovalen  ein  Zinnenband,  das  herausgetrieben  ist  und  durch 
eingeschlagene  Punktreihen  belebt  wird.  Ähnlich  sind  die  Körper  der  Vögel  durch 
Strichlagen  belebt,  vielleicht  für  Farbeinlagen. 

Der  Pokal  hat  die  gleiche  Form  wie  die  Goldkelche  des  Tai-beg  im  Schatze  von 
Nagy-Szent-Miklos l  und  die  späteren  christlichen  Kelche.  Die  Kugel  auf  hoch- 
gestieltem Fuß  und  der  weite  Bauch  sind  dafür  charakteristisch.  Der  Vergleich  mit 
dem  berühmten  ungarischen  Schatzfunde  führt  auf  einen  östlichen  Kunstkreis  und 
in  diese  Richtung  weist  auch  die  Ornamentik.  Man  blättere  daraufhin  vergleichend 
die  sasanidisch-frühislamischen  Funde  inSmirnovs  großer  Publikation  „Östliches  Silber" 
durch.  Die  Verwendung  schräg  abgekanteter  Stege  statt  des  üblichen  Flechtbandes 2, 
sowie  manche  andere  Details  fallen  freilich  auf.  Soweit  die  Vögel  nach  der  Photo- 
graphie erkennbar  sind,  spricht  für  östliche  Provenienz  die  Verwendung  des  Hahnes 
und  jenes  eigenartigen  Drachens,  von  dem  zuerst  anläßlich  seines  Vorkommens  an 
der  Mschatta-Fassade  die  Rede  war3  und  für  den  das  Smirnovsche  Werk  so  reiches 
Vergleichsmaterial  im  Sinne  meiner  damaligen  Bestimmung  gebracht  hat4.  Motive 
wie  das  Zinnenband5  und  der  gedrehte  Wulst6  sind  im  Osten  vorläufig  bis  nach 
Mesopotamien  und  dem  Kaukasus  zu  verfolgen.  Doch  kommt  z.  B.  das  Zinnenband 
auch  in  Ostasien  vor.  Über  die  Striche  und  Punkte  für  Farbeinlagen  wird  unten 
anläßlich  des  Schatzes  von  Nagy-Szent-Miklos  zu  reden  sein. 

2.  Pokal  mit  vier  Stadtbüsten  (Tafel  II  und  Abb.  2  —  5).  Erworben  im 
Dezember  1904  in  Durazzo  bzw.  Tirana.  H.  15,65  cm.  Dm.  oben  11,7 — 12,2  cm, 
Fuß  7,8  cm  h.,  5,6  cm  Dm.  unten.     Der  Bauch  aus  einem  Stück  getrieben,  der  Fuß 

1)  Hampel,  Der  Goldfund  von  Nagy-Szent-Miklos,  S.  42 ,  Altertümer  des  frühen  Mittelalters  in  Un- 
garn I,  S.  158,  III,  Taf.  317.    Über  die  türkischen  Inschriften  Supka,  Monatshefte  f.  KunsUviss.  IX  (19 16)  S.  20. 

2)  Vgl.  Smirnov,   a.  a.  O.  Tafel  LXX. 

3)  Mschatta,  Jahrbuch  der  kgl.  preuß.  Kunstsammlungen  XXV  (1904).     S.  311  f. 

4)  Vgl.  dagegen  v.  Falke,  Kunstgesch.  der  Seidenweberei  I,  S.  79. 

5)  Vgl.  Mschatta  S.  287  und  „Kleinarmenische  Miniaturenmalerei"  Tafel  VIII,  die  Fußleiste  der 
Krönung,  „Amida",  Beiträge  zur  Kunstgeschichte  des  Mittelalters  von  Mesopotamien  etc.   1910  S.  222. 

6)  Vgl.  Andrae,  Hatra  II  Abb.  204  und  238.  Bd.  III  der  von  der  Gräfin  Uwarov  herausgegebenen 
„Materialien  zur  Archäologie  des  Kaukasus"  (russ.)  Tafel  XLIV.  In  demselben  Bande  Taf.  VII  ein  Pokal  in 
Illori,  der  in  der  Form  mit  unserem  zu  vergleichen  ist.  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  auch  aufmerksam  gemacht 
auf  einen  Silberpokal  im  Museum  des  Kunstvereines  zu  Warschau.  Er  ist  vergoldet  und  zeigt  (nach  Arne) 
außen  ein  geometrisches  Muster,  innen  ein  Christusbild.     Provenienz  Südrußland. 


I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 

aus  mehreren  Stücken  zusammengelötet,  die  Kugel  auf  den  durchgehenden  Kegel 
aufgesteckt.  Getrieben  und  graviert,  die  Striche  nielloartig  farbig  ausgefüllt.  Ge- 
wicht 422,2  g. 

Der  Bauch  des  Pokals  zeigt  in  flachem  Relief  vier  Frauenbüsten.  Über  ihnen 
läuft  zwischen  einer  Linie  oben  und  zweien  unten  eine  Inschrift  hin,  die  wie  diese 
Linien  eingetrieben  und  mit  einer  schwarzen  Masse  ausgefüllt  ist.  Zur  Festigung 
dieser  Masse  sind  in  alle  Buchstabenecken  runde  Vertiefunoren  nachgeschlagen.  Da 
die  Inschriften  sich  auf  die  Büsten  beziehen,  führe  ich  beide  zugleich  vor.  Anfang 
und  Ende  der  Inschrift  sind  durch  Kreuze  gekennzeichnet,  dazwischen  ein  Ranken- 
zweig l. 


Abb.  2:  New  York,  Sammlung  Morgan:  Goldpokal  mit  Städtebüsten,  Konstantinopel. 


+  )<CüNCTANTHN8nOAHC  Die  Frauengestalt  (Abb.  2)  darunter  erscheint 
in  strenger  Vorderansicht  mit  nach  rechts  hin  gestrecktem  Unterarm.  Die  Rechte 
hält  einen  Stab  quer  vor  dem  Leib  geschultert;  er  endet  oben  mit  sechs  kleinen 
bossierten  Kreispunkten  um  einen  mittleren.  Auf  dem  obersten  ist  aus  vier  Punkten 
ein  Kreuz  gebildet.  Die  linke  Hand  trägt  eine  große  Kugel,  auf  der  drei  kleine 
Kugeln,  durch  eine  geschweifte  Umrißlinie  verbunden,  pyramidal,  aber  getrennt  zu- 
sammengestellt erscheinen.  Die  Frau  ist  bekleidet  mit  einem  faltenreichen  Chiton 
mit  Armein,  die  mit  engen,  glatten,  von  je  zwei  schmalen  Bordüren  gesäumten  Enden 
versehen  sind.  Die  Falten  liegen  ganz  unregelmäßig,  verschieden  dünn  oder  dick 
geritzt   und  bald  grätenartig  gestrichelt,    bald  glatt   gelassen.     Sie    bilden    vor   der 


1)  Man  könnte  beim  ersten  der  beiden  Kreuze  P  lesen;  doch  halte  ich  die  Schlinge  für  den  Anfang 
der   Ranke  (Tafel  II  . 


Strzygowski,  Altai,  Iran  u.  Völkerwanderung 


Tafel  II 


J.  C.  Hinrichs,  Leipzig 


C.  G.  Köder  G.m.b.H.,  Leipzig 


New  York,  Sammlung  Morgan : 
Goldpokal  mit  vier  Stadtbüsten  aus  Albanien. 


i.  Goldgefäße. 


5 


rechten  Schulter  und  dem  Ellenbogen  runde  Massen.  Unten  schließt  die  Figur  mit 
welligen  Faltenbauschen.  In  den  Ritzen  sind  deutlich  Reste  einer  schwarzgrünen 
(stellenweise  roten?)  Füllung  zu  sehen.  Aus  dem  Gewände  wächst  der  glatte  Hals 
hervor,  auf  dem  das  Gesicht  in  etwas  verschobenem  Ovale  sitzt.  Reiches  gescheiteltes 
Haar,  worüber  eine  fünfteilige  Mauerkrone  mit  punktiertem  Kreuz  im  Mittelfelde 
sichtbar  wird,  die  Locken  fallen  in  drei  Bogen  auf  beide  Schultern  herab.  Die  Ge- 
sichtszüge sind  ganz  schematisch  eingeritzt.  Augenbogen  und  Nase  erscheinen  in 
einem  Linienzuge  gegeben,  die  Pupille  als  Kreispunkt,  die  Nase  unten  dreiteilig. 
Mund  und  Kinn  sind  durch  zwei  Gerade  angedeutet,  zwischen  denen  ein  kleinel- 
Halbkreis  als  Lippe  sitzt.     Vom  linken  Ohr  könnten  Spuren   da  sein.     Neben  dem 


Abb.  3:  New  York,  Sammlung  Morgan:  Goldpokal  mit  Städtebüsten,  Kypros. 


Kopf  flattern  seitlich  hoch  zwei  Gewandzipfel  auf,  die  bis  auf  ein  paar  Linien 
glatt  gelassen  sind.  An  den  Handgelenken  punktiert  die  Andeutung  von  Arm- 
bändern. 

+  nCOAHC  XynfOC  (Abb.  3).  Gesicht  und  Mauerkrone  sind  sehr  viel 
größer.  Die  Kugeln  am  Stabende  zu  acht  in  länglicher  Reihung  um  zwei  mittlere 
gruppiert.  Im  übrigen  ist  die  Figur  der  vorhergehenden  gleich,  nur  stehen  Augen 
und  Mund  schief,  die  Ärmelfalten  sind  noch  unruhiger  gestrichelt  und  —  die 
Hauptsache  —  die  linke  Hand  ist  ohne  Kugel  offen,  mit  der  Handfläche  nach  vorn 
erhoben. 

+  DCDAHC  fCDMHC  (Abb.  4).  Die  Inschrift  reicht  nur  etwas  über  den  Kopf 
der  Frauengestalt  darunter,  deckt  sich  also  im  Platz  nicht  völlig  mit  ihr.  Kopf  und 
Mauerkrone  wie  bei  Kypros,  ebenso  die  Kugeln  auf  dem  Stabe.  Die  riesigen  Augen 
beherrschen  das  ganze   Gesicht.     Falten  viel  derber,  aber  zugleich  einfacher.     Die 


6  I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 

Gestalt    trägt    in    der  Linken   die  große  Kugel  mit  den    drei  pyramidal  geordneten 
kleinen  Scheiben  darüber  wie  die  Konstantinoupolis. 

DCJO  M  IC  AAHC  AAeiANAfl  1A  +  ^Ranke)(Abb.  5).  Über  diese  Inschrift 
xoXiq  aXfjq  r  'Alt^avöorja  später.  Die  Gestalt  durchaus  identisch  mit  den  andern,  die 
Augen  sind  wieder  auffallend  schräg  gestellt.  Der  Gewandkontur  links  am  Arme 
ist  übertrieben  geschwungen,  die  rechte  Hand  sehr  plump.  Die  linke  Hand  ist  wie 
bei  Kypros  ohne  Kugel  mit  der  Handfläche  nach  vorn  erhoben. 

Erhaltung:    Der  Pokal  ist    etwas    zerdrückt,    vor   allem    der    Fuß    nach  innen 
in  den  Bauch  getrieben;  sonst  vorzüglich  erhalten 

Die  seltsame  Zusammenstellung  der  Städte   Konstantinopel,  Zypern,  Rom  und 


Abb.  4:  New  York,  Sammlung  Morgan:  Goldpokal  mit  Städtebüsten,  Rom. 


Alexandria  weist  den  Becher  in  die  Zeit  nach  Konstantin.  Zwar  ist  Rom  immer 
noch  mit  Konstantinopel  zusammen  durch  die  Kugel  ausgezeichnet,  steht  aber  an 
dritter  Stelle.  An  zweiter  erscheint  Zypern,  ausdrücklich  als  Stadt  bezeichnet,  an 
vierter  Alexandria.  Es  wird  also  Zypern  eine  besondere  Bedeutung  vor  Rom  zu- 
gewiesen und  das  mag  vielleicht  ein  Fingerzeig  auf  den  Ort  der  Entstehung  des 
Bechers  sein.  In  Zypern  sind  so  ausgiebige  Silber-  und  Goldfunde  gemacht  worden, 
daß  der  Anlaß,  dort  eine  Stätte  hochentwickelter  Toreutik  noch  für  die  Zeit  vom 
IV. — VIII.  Jahrhundert  etwa  zu  suchen,  längst  gegeben  war.  Wie  Städtebilder  im 
Jahre  354  dargestellt  wurden,  habe  ich  in  meiner  Bearbeitung  des  Kalenders  von 
diesem  Jahre  gezeigt '.  Die  einzelnen  Typen  werden  im  IV.  Jahrhundert  doch  noch 
eher  im  Sinne  der  antiken  Überlieferung,  d.  h.  im  Motiv  der  weiblichen  Gestalt  selbst 


ryänzungshcfte  des  Kais,  deutschen  archäol.  Instituts,  Bd.  I  S.  24  f. 


I.  Goldgefäße.  J 

unterschieden  und  durch  wechselnde  Attribute  gekennzeichnet l.  Auf  unserem  Gold- 
becher fehlt  eine  solche  Individualisierung  vollständig.  Die  vier  Büsten  erinnern  an 
die  uniforme  Darstellung  der  Monate  durch  solche  weibliche  Büsten  in  der  alexan- 
drinischen  Weltchronik,  die  um  400  in  Ägypten  entstanden  ist2.  Ein  in  mancher 
Beziehung  verwandtes  Relief  einer  Stadtgöttin  (Abb.  6)  habe  ich  in  Ägypten  für  das 
Kaiser-Friedrich-Museum  in  Berlin  erworben3.  Die  völlig  von  aller  Natur  und  antiker 
Bildung  absehende  Wiedergabe  der  weiblichen  Gestalt,  das  durchaus  Manierierte  der 
Formengebung  ist  den  eingeritzten  Büsten  des  Pokals  durchaus  verwandt.  Wulff 
setzt  das  Berliner  Hochrelief  ins  VI.— VII.  Jahrhundert.  Der  Pokal  dürfte  frühestens 
dem  VII.  Jahrhundert  angehören,  wenn   nicht  jünger  sein.     Ich  gebe  zunächst  das 


Abb.  5:  New  York,  Sammlung  Morgan:  Goldpokal  mit  Städtebüsten,  Alexandria. 


Gutachten,  das  mir  Bruno  Keil  freundlich  bezüglich  der  Inschriften  übermittelte: 
„Weder  Paläographie  noch  Orthographie  ergeben  faßbare  Indizien  für  die  Chronologie. 
Diese  führt  in  ihrer  Verwilderung  einfach  auf  byzantinische  Zeit;  dazu  stimmen  die 
Schriftformen.  Der  Inhalt  dagegen  gibt  einigen  Anhalt,  wenn  ich  mich  nicht  täusche. 
Daß  Zypern  als  Metropole  neben  Konstantinopel,  Rom  und  Alexandrien  genannt 
wird,  führt  auf  die  Zeit  nach  dem  Konzil  von  Ephesos  43 1,  wo  der  Metropolit  von 
Konstantia  (dem  früheren  Salamis)  seine  Unabhängigkeit  gegenüber  Antiochien  be- 
hauptet (Mansi  IV  1469 f.).     Der  Terminus  ante  quem   dürfte  die  Mitte  des  7.  Jahr- 


1)  Vgl.  Dalton,  Catalogue  of  early  Christian  antiquities  pl.  XX. 

2)  Vgl.  meine  Arbeit   darüber  Denkschriften  der  Kais.  Akad.  d.  Wiss.  in  Wien.    Phil.-hist.  Klasse  LI 
S.  144  f. 

3)  Vgl.  Wulff,  Altchristliche  Bildwerke  (Kgl.  Museen  zu  Berlin,  Beschreibung  der  Bildwerke  der  christl. 
Epochen,  Bd.  III)  Nr.  55. 


8 


I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 


hunderts  sein;  denn  647  wird  die  Stadt  von  den  Arabern  verwüstet  und  am  Ende 
des  Jahrhunderts  verlegt  Justinian  II  (685 — 695)  den  Bischofssitz  nach  Justinianopolis 
Nova  bei  Kyzikos  (Oberhummer  in  Real-Encyklop.  IV  955).  Bei  dem  Verhältnisse, 
in  welchem  der  Metropolit  von  Zypern  zu  dem  von  Antiochien  nach  Durchsetzung 
der  Autokephalie  zunächst  stehen  mußte,  könnte  dem  völligen  Fehlen  von  Antiochien 
in  der  Aufschrift  chronologische  Bedeutung  beigemessen  werden;  man  würde  dann 
möglichst  an  das  obere  Datum  von  43 1  herangehen.  Allein  das  Fehlen  von  Antiochien 
ließe  sich  auch  aus  der  Geschichte  dieser  Stadt  erklären.  Zwar  hat  sich  das  Patriarchat 
von  Antiochien  bei  den  orthodoxen  und  unierten  Griechen  bis  heute  erhalten  (Tomaschek 
in  Real-Encyklop.  I  2444),  allein  jene  universale  Bedeutung,  welche  es  mit  Konstan- 
tinopel, Rom  und  Alexandrien  rivali- 
sieren ließ,  hat  es  nach  der  Zerstörung 
durch  Chosrew  Anuschirwän  538  ein- 
gebüßt. Damit  würde  ein  tieferer  Ter- 
minus post  quem  als  der  aus  der  Er- 
wähnung von  Kypros  hergeleitete  (43 1) 
gewonnen  sein,  zu  dem  der  Charakter 
der  Inschriften  und  Sprache  vielleicht 
besser  stimmen.  Da  nun  Kypros  (Kon- 
stantia),  wie  gesagt,  den  Arabern  erst 
um  mehr  als  hundert  Jahre  später  ver- 
fällt, würde  einerseits  aus  seiner  Er- 
wähnung und  andererseits  aus  dem 
Fehlen  von  Antiochien  sich  für  die  In- 
schriften als  Entstehungszeit  etwa  das 
Jahrhundert  von  550—650  ergeben. 
Natürlich  stelle  ich  diese  Chronologie 
nur  mit  allem  Vorbehalte  auf.  Sie  kann 
auch  nur  für  die  Zeit  des  betreffenden 
Originals  gelten,  für  das  erhaltene  Exem- 
plar nur  dann,  wenn  es  nicht  Kopie, 
sondern  jenes  Original  selbst  ist". 
Die  Datierung  in  das  VII.  Jahrhundert  wäre  m.  E.  auch  vom  Standpunkte  des 
Kunsthistorikers  annehmbar.  Die  Verwilderung  der  Formen  in  der  menschlichen 
Gestalt  entspricht  dem  gleichzeitigen  Vorherrschen  des  iranisch-türkischen  Ornament- 
geschmackes, wie  ihn  Pokal  1  und  die  unten  zu  besprechenden  Schmuckstücke 
unseres  Fundes  hervortreten  lassen.  Für  die  Datierung  wird  vielleicht  die  Zeit 
vor  der  Eroberung  der  syrisch-ägyptischen  Gebiete  durch  die  Araber  auch  des- 
halb angenommen  werden  müssen,  weil  Alexandrien  noch  als  polis  ä  {xo)Xt]qx  = 
rtnoTuxo/.ig  genannt  ist,  was  kaum  noch  später  möglich  gewesen  wäre.  Bis  nach 
der    ägyptischen    Metropole    wird    der    zyprische    Goldschmied,    den    wir   als    Er- 

j  deutet  Keil.    Alexandria  würde  so  als  nö/.i;  7tpa>ivxo'/.t^  bezeichnet,  wie  später  Konstantinopel 
den  byzantinischen  Schriftstellern  (Stephan.  Thes.  gr.).     Ich  deutete  afa]g  =  a&QOOt;  angehäuft,  über- 
fallt, volkreich,  was  Keil  nicht  zulässig  findet. 


Abb.  6:  Berlin,  Kaiser-Friedrich-Museum-.  Hochrelif 
einer  Stadttvche. 


i.  Goklgefiiße.  9 

zeuger  dieses  einen  Fokales  annehmen  dürfen,  wohl  vorgedrungen  sein,  Antiochia 
läßt  er  als  eine  durch  die  Perser-Invasion  herabgekommene  Rivalin  weg,  Konstan- 
tinopel steht  ihm  als  staatliches  Zentrum  obenan,  Rom  rückt  hinter  der  eigenen 
Heimat  nach,  doch  noch  vor  Alexandria  und  ist  auch  vor  diesem  durch  die  Welt- 
kugel betont.    So  würde  sich  in  dieser  Reihung  ein  Stück  damaliger  Politik  im  Ge- 


Abb.   7:  New  York,  Sammlung  Morgan:   Goldpokal  mit  Schuppen. 


sichtswinkel  eines  zyprischen  Patrioten  aussprechen.  Nun  ist  allerdings  die  Möglichkeit 
zu  erwägen,  daß  der  Pokal  die  Kopie  eines  älteren,  aus  Kypros  stammenden  Originals 
ist.  Es  ist  schwer  zu  glauben,  daß  die  Toreutik  in  Zypern  um  6oo  nicht  imstande 
gewesen  sein  sollte,  die  menschliche  Gestalt  besser  zur  Darstellung  zu  bringen.  Freilich 
steht  dem  gegenüber  die  Reliefbüste  aus  Ägypten.     Eine  Verzerrung  liegt  auch  da 


10 


I.  Ein  albanischer  Schatzfund. 


vor;  doch  ist  sie  von  anderer  Art  als  an  den  Büsten  des  Bechers.  Dort  hält  die 
Dreiviertehvendung  des  Kopfes  noch  die  Antike  fest;  hier  ist  die  Vorderansicht  von 
orientalischer  Art.  Dort  sind  die  Gesichtszüge  nach  dem  geläufigen  Schema  der- 
koptischen  Kunst  behandelt ',  hier  sprechen  Gewandbehandlung  und  die  flatternden 
Zipfel  zu  Seiten  des  Kopfes  für  sasanidische  Einflüsse.  Es  macht  den  Eindruck,  als 
wäre  eine  im  Figürlichen  völlig  ungeübte  östliche  Hand  unbeholfen  an  der  Arbeit. 
Besonders  bezeichnend  sind  dafür  die  Hände;  kaum  daß  die  fünf  Finger  notdürftig 
angedeutet  sind.    Die  Körperformen  verschwinden  unter  dem  Gewoge  der  Gewänder 


Abb.  8:  New  York,  Sammlung  Morgan:  Ovale  Goldschale. 


vollständig.  Ich  könnte  mir  denken,  daß  ein  iranischer  oder  türkischer  Handwerker 
bei  dem  Auftrag,  ein  zyprisches  Original  zu  kopieren,  verstärkend  Erinnerungen  aus 
der  sasanidischen  Plastik   verwertet  hat2.     Sein  eigenstes  Gebiet  waren  Ornamente. 

o 

Nehme  ich  die  Kopie  eines  älteren  zyprischen  Originales  an,  dann  ist  es  auch 
denkbar,  daß  der  Pokal  in  Konstantinopel  und  der  Städtepokal  von  einer  Hand  ge- 
arbeitet sein  könnten.  Dafür  sprechen  die  auf  beiden  Pokalen  zu  beobachtenden 
Spuren  einer  farbigen  Belebung  des  Goldes. 

i     Vgl.  meine  Koptische  Kunst  S.  19fr.  und  meine  Hellenistische  und  koptische  Kunst,  passim. 
-asanidische  Art  Sarre-Herzfeld,  Iranische  Felsreliefs  und  Smirnow  a.  a.  O. 


i.  Goldgefäße. 


11 


3.  und  4.  Zwei  Goldpokale  mit  gewölbten  Schuppen.  Der  eine  3.  mit  abge- 
schraubtem Fuß  1903,  der  andere  4.  (Abb.  7)  vollständig  1907  in  Durazzo  bzw.  Tirana 
erworben.  3:  16,15  cm  hoch,  12,10  cm  oberer  Dm.,  6,1  cm  unterer  Dm.,  7,8  cm  Höhe 
des  Fußes,  421,8  g  schwer;  4:  16,5  cm  hoch,  12,15  cm  oberer  Dm.,  6  cm  unterer  Dm., 
8,5  cm  Höhe  des  Fußes,  431,8  g  schwer.  Beide  stellenweise  braun  oxydiert.  Er- 
haltung: gut.     Die  Kugel  durchsetzt  in  beiden  Fällen  den  Kegel. 

Die  Gesamtform  ist  die  gleiche  wie  bei  dem  Pokal  mit  den  Städtebildern.  Auf 
einem  kegelförmigen  Fuße  mit  Randumbiegung  (hier  in  einem  Stück)  liegt  ein  Kugel- 
teil, der  dann  durch  ein  zylindrisches  Stück 
in  den  weiten  und  hohen  Bauch  übergeleitet 
wird.  Halte  ich  daneben  z.  B.  den  Kelch 
des  Bayernherzogs  Tassilo  in  Kremsmünster, 
entstanden  zwischen  772 — 788,  so  zeigt  sich, 
daß  die  Gesamtform  im  Prinzip  gleich  aufge- 
baut ist,  dagegen  in  der  Art  des  Schmuckes 
ein  entschiedener  Gegensatz  herrscht1.  Der 
Künstler  der  Völkerwanderungszeit  überhäuft 
seine  Werkform  mit  Ornamenten,  der  Gold- 
schmied dagegen,  der  einst  unseren  Becher  an- 
fertigte, arbeitet  mit  in  Licht  und  Schatten 
wirksamen  Profilierungfen  am  Fuß   und   über- 


nimmt das  geläufige  Motiv  der  versetzten 
Bogen,  nützt  es  aber  in  Reliefschuppen  aus, 
um  durch  Buckelung  den  Glanz  des  Metalls 
zur  Geltung  zu  bringen.  Das  sind  noch  ent- 
fernt antike  Qualitäten.  Ihnen  gesellt  sich  die 
Riefelung  des  oberen  Randstreifens  in  S-Form. 
Sie  ist  ein  beliebtes  Motiv  im  Schmuck  der 
Sarkophage,  kommt  aber  freilich  auch  aut 
ungarischen  Funden  aus  der  Yölkerwanderungs- 
zeit  vor  (vgl.  Hampel,  Altertümer  I,  S.  583). 
Die  beiden  Pokale  sind  von  einer  auf  quali- 
tätreiche Materialwirkung  losgehenden  Kunst- 
richtung geschaffen.  Wäre  nicht  ihre  schwere 
massive  Art,  so  könnte  man  sie  für  helle- 
nistisch halten.     Auch  sie  dürften  Kopien  nach  älteren  Vorlagen  sein. 

5.  und  6.  Zwei  Goldschalen  mit  flachem,  festem  Griff  (Abb.  8  und  9).  Zuerst 
wurde  das  ovale  Stück  5  (Abb.  8)  mit  dem  durch  zwei  Nieten  (eine  zerstört) 
befestigten  Griff  1902  in  Durazzo-Tirana  erworben,  dann  ebendort  I903  das  kreis- 
runde Stück  6  mit  angelötetem  Griff  (Abb.  9).  5:  16,1  cm  lang,  13,5  cm  breit,  4,7  cm 
hoch,  (Griff  10,5  cm  lang,  5  cm  breit),  486,5  g  schwer;  6:  13,8—14,8  cm  oberer  Dm., 
5  cm  hoch,  (Griff  10,5  cm  lang,  4,5  cm  breit),  494,5  g  schwer. 


Abb.  9:  New  York,  Sammlung  Morgan: 
Kreisrunde  Goldschale. 


1)  Mitt.  d.  K.  K.  Central-Commission  IV  (1859)  S.  6f. 


12 


I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 


Diese  beiden  massiv-schweren  Schalen  erwecken  (nebst  den  verloren  gegangenen 
Goldbarren,  von  denen  unten  zu  reden  sein  wird)  am  stärksten  den  Eindruck  einer  Zeit, 
in  der  eine  Überflutung  Europas  mit  Gold  stattgefunden  hat,  jener  Zeit,  als  innerasiati- 
sche Reitervölker  vorbrachen  und  mit  dem  Golde  Kunstformen  nach  dem  Westen 
brachten,  wie  sie  sich  in  den  Gebieten  zwischen  Persien,  Indien,  Hochasien  und  China 
herausgebildet  hatten.  Die  Schalen  zeigen  den  Zusammenhang  mit  diesen  Gebieten  in 
der  zwiebeiförmigen  Schweifung  des  horizontalen  Griffes.  Er  hat  in  beiden  Fällen 
zwei,  4 — 5  mm  im  Durchmesser  haltende  Löcher  im  Abstand  von  5—6  mm,  nahe  dem 
Rande  der  Schale  zu  Seiten  des  Mittellotes. 

Eine  ähnliche  Schale  hat  Hektor  von  Economo  nach  Paris  gebracht.  Ihr  be- 
sonderer Wert  liegt  darin,  daß  sie  durch  das  an  dem  flachen  Griff  angebrachte 
Ornament  die  eben  beschriebene  Gruppe  der  Goldgefäße  verbindet  mit  den  später 
zu  beschreibenden  Schmucksachen  in  Gold,  die  genau  die  gleichen  Ornamente  zeigen. 

7.  Schale  mit  ornamentiertem  Griff  (Ta- 
fel III  und  Abb.  10).  Bei  einem  Juwelier  in  Triest 
erworben.  18,2  cm  lang,  14,3  cm  breit,  6,1  cm 
hoch.  Griff  10,5  cm  lang,  5  cm  breit.  Die  ganze 
Schale  ca.  590  g  schwer. 

Tafel  III  gibt  die  Oberseite.  Die  Schale  ist 
am  Ansatz  des  Griffes  flachgebogen.  Der  im  per- 
sischen Hufeisen-  bzw.  Kielbogen  zugespitzte  Griff 
selbst  zeigt  in  dieser  Ansicht  die  reiche  in  Flach- 
relief ausgeführte  Ornamentik,  die  ganz  bestritten 
wird  aus  dem  Motiv  der  Palmettenranke.  Man 
sieht  oben  in  der  Mitte  herabhängend  eine  sieben- 
lappige Vollpalmette.  Die  Rundlappen  an  der 
Wurzel  setzen  sich  um  in  eine  Ranke,  die  sich  in 
symmetrisch  geschwungenen  Wellen  nach  den 
unteren  Ecken  zieht  und  mit  Palmettenteilen  von 
allerhand  Art  gefüllt  ist.  Es  bleiben  nur  unten 
zu  Seiten  der  Mitte  zwei  Kreisringe  übrig,  die  auffallend  roh  so  in  die  runden  Lappen 
einer  Palmette  umgebildet  sind,  als  wenn  sie  mit  der  Spitze  der  Vollpalmette  zu- 
sammen gehörten.  Diese  Lösung  nimmt  recht  unorganisch  Rücksicht  auf  zwei  Löcher, 
die  den  Griff  an  dieser  Stelle  durchbohren.  Man  sieht  sie  besser  auf  der  Rückseite 
(Abb.  10),  wo  sich  das  Ornament,  einfach  eingeritzt,  wiederholt;  doch  ist  die  Ranken- 
führung, unter  Verzicht  auf  die  Halbpalmette,  nicht  unwesentlich  anders. 

Bei  genauerem  Zusehen  wird  man  erkennen,  daß  die  Ränder  des  Ornamentes 
auf  der  Vorderseite  (Tafel  III)  nicht  senkrecht  ausgestochen,  sondern  schräg  ge- 
schnitten sind.  Man  nimmt  deutlich  die  Glanzlichter  auf  den  schmalen  Randstegen 
wahr.  Die  Lappen  der  verschiedenen  Palmetten  sind  nicht  nach  dem  gleichen 
Schema  gebildet.  An  der  mittleren  Vollpalmette  sind  sie  lang  und  sehr  spitz,  sonst 
aber  zumeist  rund,  ja  bisweilen  auffallend  kreisrund  gebildet,  mit  einem  Bohrloch  am 
itz.  Das  gilt  auch  für  die  Rückseite,  wo  diese  „Kreislappen"  vorherrschen.  Das 
Augenwerk  wird   bei  Beurteilung  des   spezifischen   Charakters   der  Ranke  besonders 


Abb.    10:    Paris.    Sammlung   Economo 
Goldschale  (Rückseite). 


Strzygowski,  Altai,  Iran  u.  Völkerwanderung 


Tafel  III 


J.  C.  Hinrichs,  Leipzig 


C.  G.  Bö  der  G.m.b.H.,  Leipzig 


Paris,  Sammlung  Economo : 
Goldschale  mit  ornamentiertem  Griff  aus  Albanien. 


I.  Gold<jefäße. 


13 


auf  die  Füllung  der  Hauptwelle  der  Vorderseite  zu  richten  sein.  Man  sieht  hier  zu 
beiden  Seiten  der  Mitte  je  zwei  Halbpalmetten  mit  Kreislappen  am  Fuße,  deren  Stil 
in  einen  zweiten  Kreislappen  endet,  für  den  die  organische  Verbindung  mit  der 
Hauptwelle  der  Ranke  sehr  willkürlich  hergestellt  ist.  Von  solchen  Merkmalen  wird 
unten  bei  den  Schmucksachen  ausführlich  zu  reden  sein1.  Man  beachte  die  drei- 
lappigen Motive  in  den  unteren  Ecken  und  die  Spitze  im  Kiel. 

8.  und  9.  Zwei  Golddeckel(P)  mit  mittlerem  Loch,  einer  in  zwei  Teilen  und  zer- 
drückt. (Abb.  1 1  u.  12).  Der  vollständige  8.  hat  13,1  cm  Dm.,  1,9  cm  Tiefe,  74,2  g  Gewicht; 
9   hatte  offenbar  dieselben  Dimensionen.     Der  Rand   umgeschlagen.     59,8  g  schwer. 

Man  könnte  glauben,  daß  auf  diesen  Schalen,  sobald  sie  konvex  gelegt  werden, 
je  einer  der  beiden  geschuppten  Pokale  stand.  Es  sind  entsprechende  Kreisspuren 
da.  Auch  das  Loch  in  der  Mitte  hätte  ein  entsprechendes  Loch  innen  in  der  Kugel 
des  Fußes  der  Pokale.     Da  dies  aber  unsicher  ist,  führe  ich  die  Stücke  getrennt. 


Abb.   11:  New  York,  Sammlung  Morgan: 
Golddeckel. 


Abb.   12:  New  York,  Sammlung  Morgan: 
Golddeckel,  gebrochen. 


In  dieser  Gruppe  von  Goldgefäßen,  die  —  bis  auf  je  ein  Stück  in  Konstantinopel 
und  Paris  —  in  der  Hand  von  Pierpont  Morgan  vereinigt  wurden,  traten  der  ge- 
schuppte Pokal  und  die  schweren  Schalen,  endlich  das  deckel-  oder  fußförmige  Stück 
paarweise  auf,  also  die  Stücke  gerade,  die  entweder  gar  keinen  oder  einfachen 
Schmuck  haben,  während  der  östliche  und  der  Städtepokal,  ferner  die  Schale  mit 
ornamentiertem  Griff  nur  einmal  vorkommen.  Liegt  hier  der  Gegensatz  von  Massen- 
ware und  Einzelstück  vor  —  was  in  Anbetracht  des  wertvollen  Materials  kaum 
glaublich  erscheint  —  oder  spielt  da  einfach  der  Zufall  mit? 

Ähnlich  kann  auch  nur  eine  Frage  gestellt,  keine  Antwort  gegeben  werden, 
wenn  gesagt  werden  soll,  ob  die  Gefäße  von  einer  Hand  und  gleichzeitig  geschaffen 
seien  oder  aus  ganz  verschiedener  Zeit  und  Gegend  stammten.    Der  Pokal  mit  den 


1)  Vgl.  übrigens  Smirnov,  Östliches  Silber,  Taf.  L  (unten  Abb.  93). 


j,  I.  "Ein  albanischer  Schatzfund. 

Städtebildern  kann  im  Original  nur  aus  dem  Gebiete  des  Mittelmeeres  herrühren  und 
gehörte  etwa  dem  VII.  Jahrhundert  an.  Aus  dem  gleichen  Kunstkreise,  aber  aus 
früherer  Zeit  dürften  die  beiden  geschuppten  Pokale  oder  auch  wieder  nur  ihr 
Original  herrühren.  Die  beiden  Stücke  in  Konstantinopel  und  Paris  aber  weisen  sicher 
nach  dem  Osten  als  Zeugen  jenes  im  Mittelalter  so  stark  nach  dem  Westen  vor- 
dringenden iranisch-türkischen  Stromes,  als  dessen  beste  Vertreter  die  ungarischen, 
rumänischen  und  russischen  Goldfunde  gelten  können.     Davon  in  Abschnitt  II. 

2.  Silbergefäße. 

Ich  schiebe  die  Silbergefäße  absichtlich  ein  zwischen  die  beiden  Gruppen  in  Gold, 
die  Gefäße  und  Schmucksachen.  Die  Goldgefäße,  für  sich  allein  gesehen,  erinnern  an 
den  Schatz  von  Xagy-Szent-Miklos,  wenn  auch  die  herrschende  Grundform,  der  Pokal, 
verschieden  ist  von  den  dort  in  geschlossener  Reihe  auftretenden  Henkelkrügen. 
Wie  sich  aber  im  Schatz  aus  Nagy-Szent-Miklos  ein  Pokalpaar  von  der  Form  des 
albanischen  Schatzes  gefunden  hat,  so  neben  den  Goldpokalen  dieses  Fundes  ein 
Krug  in  Silber  von  der  Form  der  in  Ungarn  zutage  gekommenen  Krüge.  Ich  beginne 
mit  den  beiden  ältesten  Stücken  der  offenbar  aus  verschiedener  Zeit  stammenden 
Serie  von  drei  Gefäßen  in  Silber.  Möglich,  daß  noch  zwei  kleine  hellenistische  Silber- 
vasen dazu  gehörten  (6,3  cm  hoch,  oben  9,5  cm  breit,  mit  geriefelten  Bauch  und  einem 
Kyma-,  bzw.  Flechtmotiv  unter  dem  eingezogenen  Halse),  von  denen  sich  eine  im 
Besitze  des  Generalkonsuls  v.  Kwiatkowski  in  Beirut  befindet 

10.  Silberkessel  mit  Rautenmusterung  (Tafel  IV  u.  Abb.  13 — 15.).  1907  in 
Tirana  erworben.  Ohne  Henkel  10,4  cm,  mit  Henkel  17,6  cm  hoch,  13,2 — 13,7  cm 
oberer,  j,^  cm  unterer  Dm.     Von  innen  heraus  getrieben.     481,5  g  schwer. 

Das  Gefäß  stellt  sich  vortrefflich  dekorativ  abgeklärt  dar,  weil  die  Wirkung  ziel- 
bewußt auf  den  Kontrast  des  gleichmäßig  gemusterten  Bauches  mit  dem  für  Glanz- 
lichter glatt  gelassenen  Fuße  und  Henkel  gestellt  ist.  Am  oberen  Rande  sieht  man 
dann  eine  in  kleine  Quadrate  aufgeteilte  Schnur,  an  der  dreißig  vier-,  selten  acht- 
teilige Blüten  hängen.  Jede  zweite  Blüte  wird  zum  Endpunkt  eines  Rautennetzes, 
das  sich  wirbelnd  nach  unten  verjüngt  und  am  Fuß  ohne  Vermittlung  endet.  Die 
fünfzehn  rechtwinklig  auseinander  laufenden  Linienpaare  bestehen  wieder  wie  der 
obere  Rand  aus  2  mm  breiten,  durch  Querstriche  in  kleine  Quadrate  zerlegten  Stegen, 
die  fünfzehnmal  je  sechs  ganze  und  zwei  halbe  Rauten  übereinander  bilden.  An  den 
Kreuzungsstellen  sitzen  kleine  Ringe.  Die  Füllung  dieser  Rauten  ist  jedesmal  in  der 
Richtung  des  Wirbels  diagonal  von  rechts  oben  nach  links  unten  uniform;  jedes  der 
15  Motive  kommt  also  sechsmal  übereinander  vor,  oben  groß,  nach  unten  kleiner 
werdend.  Ich  zähle  die  Motive,  unter  einem  der  Henkel  beginnend,  nach  rechts  hin 
auf.  Abb.  13:  l.  Vase,  am  Bauche  vertikal  gerippt  mit  rundem  Hals  und  hohem  Fuß. 
2.  Dreiblatt  auf  hohem  Stil  (sog.  Lilie?).  3.  Vogel  nach  links,  hoch,  mit  kurzem,  ge- 
krümmtem Rücken.  Abb.  14:  4.  Korb  geflochten,  nach  unten  verjüngt  5.  Gans(r): 
Vogel  hoch  aufgerichtet  dastehend  und  den  langen  Hals  nach  links  unten  züngelnd 

6.  Zelt (?)  rund,  mit  nach  rechts  offenem  Eingang  und  Kegeldach  mit  Knopfabschluß. 

7.  Muschel  (?):     lanzettförmiger     Gegenstand,     gebaucht,     links     unten     geschlitzt 
Abb.  15: '8.  Rundblüte  über  zwei  scharf  nach  unten  abgebogenen  Blättern  auf  Stil. 


Strzygowski,  Altai,  Iran  u.  Völkerwanderung 


Tafel  IV 


J.  C.  Hinrichs,  Leipzig 


C.  G.  Röder  G.m.b.H., Leipzig 


New  York,  Sammlung  Morgan : 
Silberkessel  mit  Rautenmusterung  aus  Albanien. 


2.  Silbcrgefäße. 


15 


9.  Vase  mit  vertikal  geripptem  Bauch,   runder  Öffnung  und  hohem  Fuß.     10.  Drei- 
blatt auf  hohem  Stil  gleich  2.  11.  Vogel  nach  links  gleich  3.  12.  Korb  ähnlich  4  mit  hori- 


■^^M^^^^'J/^0^^- 


Abb.   13:  New  York,  Sammlung  Morgan:  Silberkessel. 


Abb.  14:  New  York,  Sammlung  Morgan:  Silberkessel. 

zontalem  Mittelstreifen.  Tafel  IV:  13.  Vogel  gleich  3  und  11.  14.  Zwiebelmotiv;  auf 
der  Mitte  liegt  ein  Herzblatt (?),  oben  ein  dreiteiliger  Aufsatz.  15.  Korb  ähnlich  4  und  12. 
Überblickt  man  die  Anordnung,  so  zeigt  sich,  daß  unter  den  Henkeln  1,  2,  3,  4 
gleich  9,  10,  11,  12,  dagegen  die  Füllungen  dazwischen  5,  6,  7,  8  bzw.  13,  14,  15 
untereinander  verschieden  sind,  und  zwar  bringen  5,  6,  7,  8  ganz  neue  Motive,  während 


16 


I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 


13  gleich  3  und  11,  15  gleich  4  und  12  und  nur  14  neu  ist.  Wir  haben  es  also  im 
ganzen  mit  neun  verschiedenen  Motiven  zu  tun.  —  Am  Boden  des  Gefäßes  außen 
im  runden  Fuß  sieht  man  Spuren  einer  Punzierung,  nämlich  das  rechte  Ende  eines 
ca.  o,i2  cm  großen  Oktogons  mit  einem  C  l.  Für  den  Henkel  sind  am  oberen  Rande 
zwei  Ösen  schon  im  Guß  vorgesehen,  in  denen  die  Zapfen  zweier  Scheiben  laufen. 
Von  ihnen  steigen  zunächst  löffelförmige  Teile  mit  einem  Grat  auf.  Sie  sind  dann 
in  der  Mitte  durch  einen  dicken,  abgekanteten  Bügel  verbunden. 

Erhaltung:  Vorzüglich,  nur  der  Henkel  aus  den  Ösen  gesprungen. 

Der  kleine  Silberkessel  gehört  zum  Besten  seiner  Gattung.  Die  Art  des 
Schmuckes  weist  ihn  der  Zeit  der  ersten  Blüte  des  persischen  Einflusses  im  Kunst- 
kreise   des    Mittelmeeres    zu.    als    man   im    Gebiete    des    Mosaiks   sowohl   wie   beim 


Abb.   15:  New  York,  Sammlung  Morgan:  Silberkessel. 


plastischen^Schmuck  des  neuen  Kämpferkapitells  mit  Vorliebe  das  gleiche  oder  ein 
wenigstens  im  Prinzip  gleiches  Muster  ohne  Ende  verwendete.  Das  geschah  im 
V.  bis  VI.  Jahrhundert;  dieser  Zeit  dürfte  auch  der  Kessel  angehören.  Die  Mosaiken 
an  den  Decken  der  großen  Mauernischen  der  früheren  Orta  Dschamissi  in  Sa- 
lonik,  der  Georgskirche,  geben  dafür  Beispiele2  und  ebenso  die  Masse  der  Kämpfer- 
k.ipitelle,  wie  sie  von  der  Prokonnesos  in  das  ganze  Gebiet  des  Mittelmeeres  exportiert 
wurden  und  im  Hinterlande  von  Kleinasien  in  Spuren  bis  nach  Persien  hinein  in 
einheimischem  Material  vorkommen3.     Davon  unten  mehr. 

Eines  der  Bindeglieder  in  der  Kette  asiatisch-mittelländischer  Zwischenströmungen 
haben    für   dieses    Motiv,    die  Rautenmusterung,    neben    einheimisch-syrischer  Gold- 

1     Vgl  Rosenberg,  Der  Goldschmiede  Merkzeichen,  2.  Auflage,  S.  1  I3gf. 

exicr  and  P.  Pullan,  Byz.  architecture,  Taf.  XXXIV. 
3    Mschatta,  S.  256  und  354.     Bell,  Churches  and  Monas'.erics  of  the  Tur  Abdin  Tafel  XVIII. 


2.  Silbergefäße. 


17 


Schmiedeüberlieferung  (vgl.  dafür  auch  palmyrenische  Büsten  in  Kopenhagen)  die  von 
China,  Persien  und  Syrien  nach  Westen  gelangenden  Seidenstoffe  gebildet '. 

Hellenistisch  sind  in  diesem  orientalischen  Schema  des  Überziehens  der  Fläche 
mit  einem  Muster  ohne  Ende  die  Füllungen.  Eine  Parallele  griechischer  Art  zeige  ein 
Silberzylinder  aus  dem  Museum  zu  Belgrad,  der  (Abb.  l6j2  charak- 
teristisch ein  Mittelding  von  Muster  ohne  Ende  und  gereihter 
Einzelform  ist.  Wir  sehen  ovale  Schilde  in  beiden  Diagonalen 
fortlaufend  aneinandergereiht  und  darauf  jene  Füllungen  ge- 
trieben, die  in  der  Zusammenstellung  von  Tieren  mit  Vögeln 
und  Fruchtkörben,  dann  Vasen  u.  dgl.  den  gleichen  Formenkreis, 
nur  aus  besserer  hellenistischer  Zeit  wie  auf  dem  Kessel  des 
albanischen  Schatzes  vertreten  zeigen.  Abb.  17  gibt  die  49  Fül- 
lungen nach  einem  aufgerollten  Gipsabguß  wieder.  Man  sieht, 
daß  es  sich  um  Einfälle  nach  Natureindrücken  handelt,   die  an 


Mannigfaltigkeit  unvergleichlich  hoch  über  den  mageren  und 
uniformen  Reihen  des  Silberkessels  stehen.  In  dem  einen  Falle 
hellenistische  Freiheit  der  Erfindung,  im  andern  deutlich  die  be- 
ginnende Gebundenheit  an  gewisse  Schemen,  wie  sie  dem 
Orient,  der  dekorativ  und  nicht  realistisch  denkt,  eigen  sind. 
In  der  Mitte  stehen  die  Terrasigillata-Scherben  mit  Netzdekor, 
wie  sie  Forrer  auf  Tafel  XXV  seines  Werkes  „Die  römischen 
Terrasigillata-Töpfereien  von  Heiligenberg-Dingsheim  und  Itten- 
weiler  im  Elsaß"  aus  den  Abfallhaufen  zusammengestellt  hat. 

Die  oben  gegebene  Ableitung  der  Rautenmusterung  ohne 
Ende  aus  asiatischen  Kunstkreisen  hat  in  den  letzten  Jahren 
Widerspruch  erfahren.  Ich  komme  darauf  im  Abschnitt  IV 
zusammenfassend  zu  sprechen. 

11.  Silberschale  mit  flachem,  festem  Griff.     (Abb.  18) 
1903  in  Tirana  erworben.  17,8—18,2  cm  breit  im  Dm.,  5,3  cm  tief, 
Griff  bis  zu  5,3  cm  breit.     302  g  schwer. 

Die  Silberschale  ähnelt  in  der  Grundform  den  beiden  Gold- 
schalen, vertritt  aber  ihrer  asiatischen  gegenüber  die  rein  hel- 
lenistische Art.  Das  zeigt  sich  schon  im  Metall  selbst  und  im 
Gewicht.  Obwohl  die  Goldschalen  nur  ca.  14,5  cm  Durchmesser 
haben,  sind  sie  doch  ca.  490  g  schwer;  dagegen  hat  die  Silber- 
schale um  ca.  4  cm  mehr  Durchmesser  und  wiegt  um  fast  200  g 
weniger.  Sie  zeigt  an  der  Außenseite  konzentrisch  um  den  Fuß 
herum  in  Abständen  eingetrieben  Doppelkreise  und  am  Rande 
eine  Folge  konvexer  Rillen  zwischen  den  gleichen  Doppelkreisen. 
Dem  flachen  Griff  gegenüber  eine  den  Ausfluß  bezeichnende 
Zuspitzung    des  Randes.     Beide  Motive  bewegen  sich  durchaus 


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Abb.   16:  Belgrad,  Mu- 
seum :  Silb  erzylinder. 


1)  Vgl.  „Seidenstoffe  aus  Aegypten",  Jahrbuch  der  Kgl.  preuß.  Kunstsammlungen   1903  S.    175/6. 

2)  Ich    danke    die  Photographien  zu  Abb.  16  und  17  der  freundlichen  Bereitwilligkeit  des  Direktors 
Vasitsch. 

Strzygowski,  Altai.  2 


I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 


im  Rahmen   der  hellenistischen  Toreutik.    Der  flache  Griff  zeigt  in  der  Mitte  ein  Drei- 
eck ausgeschlagen,  sein  Rand  ist  verdickt,  er  selbst  an  den  Rand  der  Schale  angelötet. 


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b.  17:  Belgrad,  Museum:  Silberzylinder  (aufgerollt). 

Erhaltung:  Der  flache  Griff  zerdrückt. 

Für  die  kunsthistorische  Einordnung  vgl.  Drexel,  Alexandrinische  Silbergefäße 
der  Kaiserzeit  (Bonner  Jahrbücher  Heft  11S. 


2.  Silbergefäße. 


19 


12.  Silberkrug  mit  Inschriften  und  Monogrammen  (Abb.  19  und  20). 
1906/1907  in  Tirana  erworben,  20,7  cm  hoch  ohne  Henkel,  mit  diesem  23,5  cm.  Bauch 
13,2  cm,  Hals  oben  6,7  cm,  Fuß  unten  8,2  cm  breit.    654,5  g  schwer. 

Die  Kegelform  in  der  Mitte  geht  unten  in  den  runden  Bauch  mit  kurzem  Ringe- 
fuß, oben  in  den  konischen  Hals  über;  der  Henkel  in  Fragezeichenform  ist  0,13  cm 
breit,  seine  Fläche  erhebt  sich  außen  zu  einem  Mittelgrat;  oben  ein  flacher  Zapfen 
mit  Knopf.  Am  oberen  Rand  eine  Inschrift:  +  (|)ONI  l<YfeiOY  &~\G\  TOI  I 
y..\ATON  (+  <pov>]  xvgiov  fjr!  xätv  vöarcov).  Am  Halsansatz  zieht  sich  als  kantiger 
Wulst  ein  Fischgrätenornament  herum.     Um   den  Bauch  liegt  flach  geritzt  zwischerf 


Abb.   18:  New  York,  Sammlung  Morgan:  Silberschale. 


je  zwei  Linien  von  ungleichem  Abstand  eine  Folge  von  24  Halbkreisen,  in  die  sich 
nach  oben  quergestreifte  Lanzettblätter  legen,  die  paarweise  eine  vertikal  gerippte 
Mittelspitze  zwischen  sich  nehmen.  Der  Bauch  endet  am  Fußansatz  (Abb.  20)  mit 
einem  geritzten  Ornamente,  das  überhöhte  Rundbogen  in  Doppellinien  zeigt; 
dazwischen  in  den  Zwickeln  Spitzen,  alles  nach  oben  abgeglichen  durch  zwei  Hori- 
zontallinien. Alle  Ornamente  und  die  Inschrift  sind  vergoldet.  Dagegen  fehlt  die 
Vergoldung  an  fünf  Monogrammen,  die  sich  an  der  Außenseite  des  Gefäßbodens 
innerhalb  des  Ringfußes  befinden.  Die  Buchstaben  sind  an  den  Enden  von  Kreuzen 
in  Kreisen  ausgehoben  und  lassen  sich  bis  auf  den  Namen  ohne  weiteres  lesen  (Abb.  20). 
Unter  dem  Henkel  beginnend  von  links  nach  rechts:  1.  ICyTlG,  2.  BOHOGI,  3.  Tö 
AbAÖ,  4.  folgt  der  Name,   5.  in  der  Mitte  AMHN.    Den  Namen  möchte  ich  lesen 


20 


I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 


ZHNOBI&,  wobei  ich  H  horizontal  zwischen  zwei  durch  den  lotrechten  Kreuzarm 
verbundenen  Strichen  unter  B»  und  ö  hegend  sehe.  Die  Inschrift  würde  also  auf- 
zulösen sein:  xi-nis  ßotjfrti  roi   öovXov  öov  Z^voßiov  au)',v. 


Abb.  19:  New  York,  Sammlung  Morgan:  Silberkrug. 


Technik:  Getrieben,  der  Henkel  gegossen  und  angelötet  Ornament  und  Inschrift 
graviert  und  vergoldet.     Der  Stab  am  Fuße  des  Halses  gegossen   und   aufgelötet (?). 

Erhaltung:  Gut  erhalten,  bis  auf  eine  flache  Eindrückung  auf  dem  kegelförmigen 
Oberteile,    dem  Henkel   gegenüber.     Dunkle  Oxydationsflächen    wechseln    mit   dem 


Silberglanz. 


2.  Silbergefäße. 


21 


Die  Form  des  Henkelkruges  ist  die  typische  der  Goldkrüge  von  Nagy-Szent- 
Miklos  l,  deren  östlicher  Ursprung  wohl  kaum  zu  bezweifeln  ist.  Die  Ornamentik  gibt 
jedoch  keine  Handhabe,  auch  unseren  Krug  auf  den  Osten  zurückzuführen;  im  Gegen- 
teil möchte  man  glauben,  daß  das  Stück  ausschließlich  der  degenerierten  Mittel- 
meerkunst angehöre.  Die  Inschrift,  den  Beginn  des  Psalmes  29,  3  enthaltend,  weist 
freilich  wieder  auf  den  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklos,  dessen  sogenannte  Tauf- 
schalen Inschriften  tragen,  die,  wenn  auch  nicht  sicher  gelesen,  vielleicht  einem  ähn- 
lichen geistlichen  Ideenkreise  angehören2.  Bezüglich  der  Datierung  käme  das 
VI.— IX.  Jahrhundert  in  Betracht.    Bruno  Keil  meint,  daß  die  Inschriften  nach  Paläo- 


Abb.  20:  New  York,  Sammlung  Morgan:  Silberkrug:  Boden  von  außen. 


graphie  und  Orthographie  kaum  anders  als  ganz  allgemein  in  byzantinische  Zeit  zu 
datieren  seien.  In  den  Monogrammen  stehe  der  Genetiv  öovlov  oov  Zrjvoßiov  für 
den  Dativ.  Auch  das  gebe  keinen  rechten  Anhaltspunkt  für  die  Datierung  dieser 
jedenfalls  späten  Inschriften,  denn  diese  Erscheinung  trete  schon  im  IL — III.  Jahr- 
hundert an  mehreren  Stellen  auf  und  entspreche  nur  der  byzantinischen  Syntax. 

Die  Monogramme  auf  dem  Außenboden  stehen  an  einer  Stelle,  an  der  man  sonst 
die  Punzen   findet3.     Zwar  kommen  in   diesen  auch  Kreuzmonogramme  vor,    doch 

1)  Hampel,  Der  Goldfund,  S.  3  f.  und  unten  in  Abschnitt  II. 

2)  Vgl.  Keil,  Repertorium  f.  Kunstwissenschaft  XI,  261.     Vgl.  darüber  Abschnitt  IV. 

3)  Vgl.  ob.S.  16  und  das  dort  zitierte  Werk  von  Rosenberg,  Der  Goldschmiede  Merkzeichen  2.  Aufl.  S.  1 137  f. 


I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 

enthalten  sie  immer  nur  einen  Namen  im  Genetiv.  Das  Fehlen  der  amtlichen  Marken 
auf  diesem  Silbergefäße  ist  auffallend.  Man  möchte  erwarten,  daß  das  Stück  auf 
außeramtlichem  Boden  oder  sonst  unter  Umständen  entstanden  ist,  die  eine  Punzie- 
rung  nicht  forderten.  —  Die  vorgeführten  drei  Silberstücke  des  Morganschatzes  zeigen 
wie  die  Goldsachen  auch  wieder  einen  Gegensatz  darin,  daß  der  ausgesprochen  helle- 
nistischen Schale  mit  Griff  ein  hellenistischer  Kessel  mit  östlichem  Muster  ohne  Ende 
und  ein  Krug  gegenüberstehen,  der  einen  ganz  mittelalterlichen  Eindruck  macht  Ich 
würde  sie  in  der  eben  angegebenen  Reihenfolge  datieren.  Von  einer  einheitlichen  Entste- 
hung kann  weder  in  der  Zeit  noch  örtlich  die  Rede  sein.  Sie  werden,  mit  mehr  Wahrschein- 
lichkeit als  die  Goldgefäße,  rein  äußerlich  zusammengekommen  sein,  sei  es  durch  einen 
Händler,  der  sie  überall  und  aus  allen  Zeiten  zusammenkaufte,  sei  es  durch  den  Besitzer. 
Der  Bestand  an  Gefäßen,  Gold  und  Silber  zusammengenommen,  nimmt  sich  fast 
aus  wie  eine  planmäßig  zusammengestellte  Sammlung,  in  der  die  Mittelmeerkunst 
ebenso  wie  die  östliche  vertreten  sein  sollte.  In  Wirklichkeit  gibt  dieses  Nebenein- 
ander nur  ein  charakteristisches  Bild  der  Vielspältigkeit  und  gelegentlich  unaus- 
geglichenen Art  der  Kunst  in  der  Zeit  des  Überganges  vom  Altertum  zum  Mittelalter, 
die  stark  von  Weltverkehr  und  Händlerstandpunkt  beeinflußt  war. 

3.  Schmucksachen  in  Gold. 

Die  Schmucksachen  in  Gold  werden  besser  von  den  Goldgefäßen  getrennt 
betrachtet,  weil  sich  auf  diese  Art  leichter  der  Anschluß  gewinnen  läßt  an  bekannte 
Funde,  die  man  getrennt  zu  sehen  gewohnt  ist:  den  bereits  herangezogenen  Schatz- 
fund von  Nagy-Szent-Miklos  einer-  und  gewisse  Gräberfunde,  ebenfalls  aus  dem 
ungarischen  Boden  stammend,  andererseits,  von  denen  sofort  zu  handeln  sein  wird. 
In  Ungarn  freilich  sind  solche  Schmucksachen  mit  fortlaufenden  Palmettenornamenten 
nie  in  Gold  gefunden  worden.     In   dem  albanischen  Schatzfunde  Pierpont  Morgans 

tritt  zum  ersten  Male  eine  in  Ungarn  in  Bronze  nachweis- 
bare Gruppe  von  Kleinfunden  (mit  einem  sehr  auffallenden 
Typus  von  Ornamenten  der  scheinbar  vegetabilischen 
Ranke)  in  Edelmetall  auf.  Damit  aber  haben  wir  viel- 
leicht den  Schlüssel  zur  Erklärung  eines  Phänomens  in 
^T,  *wfct       ^ie  Hand  bekommen,   das  auch  im  Gebiete  der  angel- 

sächsischen Kunst  eine  hervorragende  Rolle  spielt.    Des- 
halb schien  es  doppelt  geboten,  die  völlig  einheitlich  durch- 
Abb.  21:  New  \ork,  Sammlung       gebildeten  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes  von 

den  Gefäßen,  die  der  Einheitlichkeit  im  Schmuck  ent- 
behren, zu  trennen.  Um  wieder  einen  Überblick  der  besonders  wichtigen  Gruppe  zu 
geben,  habe  ich  die  Hauptstücke  auf  Tafel  V  zu  einem  Bilde  vereinigt.  Man  sieht  neben 
Schnallen  Riemenzungen  und  andere  Beschlägstücke,  dazu  Knöpfe,  von  denen  freilich 
viele  verloren  gingen.  Soweit  sie  Ornamente  tragen,  sind  diese  durchaus  im  gleichen 
Typus  gehalten.     Nur  ein  Beschlag  mit  Greifendarstellung  fällt  scheinbar  heraus. 

13.  Rechteckiges  Riemenbeschläg  mit  Greif  (Abb.  21  und  Tafel  V.,  Nr.  13). 
Platte  mit  Rautenrahmen,  auf  durchbrochenem  Grund  ein  Greif.     Rückseite:  in  den 


Strzygowski,  Altai,  Iran  u.  Völkerwanderung 


Tafel  V 


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J.  C.  Hinrichs,  Leipzig 


C.  G.  Röder  G.m.b.H.,  Leipzig 


3.  Schmucksachen  in  Gold.  2  3 

Ecken  vier  Nieten.  4,2  cm  lang,  3  cm  breit,  37,9  g  schwer.  Das  Stück  ist  von  Riegl, 
Jahrbuch  der  K.  K.  Zentral-Kommission  N.  F.  I  (1903)  Sp.  282  abgebildet. 

Der  geflügelte  Löwenleib  zeigt  nur  die  beiden  Beine  einer  Ansicht  (am  Hinter- 
fuß eine  Art  Sporen).  Im  übrigen  wird  die  Figur  durch  dicke  Wülste,  die  sich  zweimal 
spiralig  einrollen,  im  Rahmen  gehalten.  Links  unten  in  der  Ecke  ein  Ansatz  in 
Kelchform (?).  Der  Kopf  mit  dickem,  krummem  Schnabel  und  Luchsohren  ',  das  Auge 
spitzoval  in  runder  Fläche.  Der  Flügel  scharf  schräg  in  gedrehter  Fläche  geschnitten. 
Die  Rautenfolge  am  Rand  ohne  überlegte  Ecklösung.  Technik:  Guß.  Erhaltung: 
Tadellos. 

Der  Greif  erscheint  auffallend  streng  stilisiert.  Es  sieht  aus,  als  wenn  der  in  der 
Mitte  aufragende  Flügel  absichtlich  so  scharf  geschnitten  und  in  glatter  Fläche  ge- 
wendet wäre,  damit  der  Metallglanz  recht  wirksam  zur  Geltung  komme.  Der  übrige 
Tierleib  und  die  Rankenansätze  sind  dazu  in  Kontrast  gresetzt  durch  stärkere  Runduncr 
aller  Glieder  mit  Ausnahme  etwa  des  Kopfes.  Die  Art,  wie  der  Greif  in  die  Fläche 
gestellt  ist,  verrät  eine  Bedachtnahme  auf  die  Wirkung  des  im  Durchbruch  tiefen- 
dunklen oder  Ledergrundes2.  Auffallend  ist  das  Weglassen  des  zweiten  Fußpaares, 
an  seiner  Stelle  sitzen  die  Rankenspiralen.  Man  könnte  daraus  auf  die  Absicht 
schließen,  die  Rundung  des  Tieres  gewaltsam  in  den  Raum  zu  drängen,  den  Beschauer 
zu  zwingen,  sich  das  zweite  Paar  in  der  Tiefe  des  Raumes  vorzustellen.  Doch  liegt 
reiner  Flächenzwang  vor,  wie  er  den  griechischen  Künstler  des  Hegeso-Reliefs 
bei  Bildung  des  Stuhles  geleitet  hat.     Vgl.  Volksbildungsarchiv  III  (1912)  S.  53  f. 

Ich  bringe  diese  Überlegungen  vor,  um  recht  eindringlich  aufmerksam  zu  machen 
auf  den  Unterschied  der  künstlerischen  Qualität  dieses  Stückes  und  einer  ganzen 
Reihe  von  verwandten  Bronzen,  die  in  Ungarn  gefunden  wurden.  Schon  das  Material, 
dort  Bronze,  bringt  einen  entscheidenden  Gegensatz  hervor,  ebenso  das  etwas  mehr 
längliche  Format.  Der  Greif  der  ungarischen  Parallelen  ist  infolgedessen  nicht  stehend, 
sondern  hockend  dargestellt.  Von  einer  auf  Glanzkontraste  berechneten  Modellierung 
des  Körpers  kann  dort  natürlich  kaum  die  Rede  sein.  Trotzdem  scheint  kein  Zweifel 
möglich,  daß  die  ungarischen  Bronzen  mit  unserem  Stücke  zusammengehören.  Es 
handelt  sich  auch  dort  um  rechteckige  Zierstücke,  die  Löcher  zur  Befestigung  an  den 
vier  Ecken  zeigen.  Auch  dort  ist  der  Greif  stets  in  Durchbrucharbeit  und  nach  links 
gewendet  gegeben,  auch  dort  ist  zumeist  nur  ein  Beinpaar  zu  sehen.  Josef  Hampel 
hat  diese  Gruppe  in  seinen- Altertümern  des  frühen  Mittelalters  in  Ungarn  I,  602  f. 
zusammengestellt.  Eine  Probe  gebe  ich  nach  Hampel  III,  Taf.  126  im  Rahmen  der 
übrigen  im  gleichen  Gräberfeld  von  Csuny  (Sandorf  im  Komitat  Mosony- Wieselburg) 
gemachten  Funde  (Abb.  22).  Man  sieht  hier  mit  dem  Greifenbeschläg  die  gleichen 
Riemenzungen,  Schnallen  und  Beschläge  vereinigt,  wie  im  albanischen  Schatzfunde. 
Auch  die  Rankenornamente  sind,  wie  wir  sehen  werden,  im  Wesentlichen  die  gleichen, 
nur    fällt   vielleicht    die    Riemenzunge    unten    mit    dem    trompetenförmig   verdickten 


1)  Vgl.  damit  den  unten  in  Abschnitt  IV  veröffentlichten  Kotschkarschatz  mit  dem  Luchs  und  meine 
Hellenistische  und  koptische  Kunst  in  Alexandria  S.  21. 

2)  Dabei  muß  freilich  bemerkt  werden,  daß  die  Wirkung  des  Grundes  im  Original  lange  nicht  so 
breit  ist.  wie  in  der  Photographie  Tafel  V.  Ich  setze  daneben  Abb.  21  und  später  von  Hauptsliicken  bis  Kr.  26 
Aufnahmen  auf  hellerem  Hintergrunde.     Man  nehme  die  Mitte. 


2A- 


I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 


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Abb.  22:  Csuny  (Ungarn):  Bronzefund. 


3-  Schmucksachen  in  Gold. 


Rankenstiel  auf1.  Ein  anderes  Beispiel  des  Greifenbeschläges 
gibt  Abb.  23  (Hampel  I  S.  609  Fig.  1953).  Es  zeigt  den  Flügel 
mit  dem  gleichen  Schrägschnitt  wie  an  unserem  Goldstück. 
Der  Ausbreitungsbezirk  des  Greifen-Typus  auf  den  Beschlag 
des  albanischen  Schatzes  beschränkt  sich  jedoch  nicht  nur 
auf  Ungarn.  Wie  mir  Dr.  Arne  mitteilt,  hat  er  ein  ähnliches 
Stück  für  das  historische  Museum  von  Stockholm  in  Kon- 
stantinopel erworben.  Auch  seien  ihm  weitere  Belege  in  der 
Krim  und  in  Rußland  bekannt.  Das  nimmt  mich  nicht  wun- 
der, weil  wir  es  mit  Handelsware  zu  tun  haben,  die  zuerst  vom 
Osten  importiert,  dann  in  den  verschiedenen  Importgebieten 
nachgeahmt  wurde.  Der  außergewöhnliche  Wert  des  alba- 
nischen Stückes  liegt  darin,  daß  es  das  einzige  in  Gold  ge- 
arbeitete, qualitätreiche  östliche  Original  unter  einer  Masse  von 
derben  westlichen  Nachahmungen  in  Bronze  darzustellen  scheint, 
also  dazu  dienen  kann,  eine  Vorstellung  der  Leistungsfähigkeit 
jenes  Kunstkreises  zu  geben,  der  als  die  Quelle  des  inter- 
nationalen Handelstreibens  im  frühen  Mittelalter  nachzuweisen 
sein  wird.     Davon  in  Abschnitt  IV. 

14.  Riemenende,  doppelseitig,  mit  durchbrochen 
gearbeiteter  Ranke  (Abb.  24  u.  Tafel  V,  Nr.  14).  12,6  cm 
lang\  3,1  cm  breit,  3  mm  dick,  147,9  S  schwer.  Abgebildet  von 
Riegl  a.  a.  O.  Sp.  286. 

An  dem  einem  geraden  Ende,  wo  der  Riemen  durch 
zwei  Nieten,  von  denen  eine  fehlt,  zwischen  den  Doppelflächen 
festgehalten  wurde,  ist  ein  schmales  Ornamentfeld  durch  eine 
Gerade  abgetrennt.  Man  sieht  da  in  der  Mitte  einen  Ranken- 
baum aufsteigen,  der  symmetrisch  übereinander  geordnet  Paare 
von  je  zwei  Halbpalmetten  entsendet.  Im  hohen  Hauptfelde 
entspringt  der  eine  Stamm  rechts  oben,  der  andere  endet  ge- 
genüber ohne  Stielansatz  in  einem  Kreisblatte.  Folgt  man  den 
in  der  Mitte  gekreuzten  Rankenstielen,  so  ergibt  sich,  daß  bei 
den  fünfmal  paarweise  gegenübergestellten  Einrollungen  immer 
dreimal  das  Kreisblatt  und  nur  einmal,  dem  zurückweichen- 
den Stiel  folgend,  die  Halbpalmette  angewendet  ist.  Den  Rand 
umzieht  eine  Rautenfolge.  Technik:  Da  die  Ornamente  auf 
beiden  Seiten  gleich  sind  und  sich  genau  an  den  im  Schräg- 
schnitt erzielten  Kanten  decken,  kann  das  durchbrochene 
Stück  nur  durch  Guß  entstanden  sein,  trotz  des  Falzes  an 
dem  geraden  Ende  zur  Einfügung  des  Leders.  Erhaltung: 
Eine    Randleiste    ist    in    der    Mitte 


Abb.  23:    Martely    (Un- 
garn): Greifcnbeschläg  in 
Bronze. 


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Abb.     24:      New    York, 
Sammlung  Morgan:  Rie- 
menende in  Gold. 


l)  Vgl.  Mschatta  S.  310.    Die  eigenartig  herausgeschleuderten  Dreikreislappen  werden  auf  Omament- 
steinen  in  Athen  (unten  Abb.  68)  Parallelen  finden.     Vgl.  über  die  Funde  von  Csuny  Hampel  II  S.  139  f. 


26 


I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 


brochen:  auch  die  zweite  Mittelschlinge  vom  geraden  Ende  aus  ist  quer  durch- 
gesprungen. Das  Stück  ist  durch  den  Gebrauch  so  abgegriffen,  daß  die  Rand- 
rauten nur  noch  unten  vollständig  erkennbar  sind.  Ein  zweites  ähnliches  Stück,  nur 
kleiner,  soll  sich  angeblich  bei  einem  der  Konsuln  in  Durazzo  befunden  haben. 

Diese  derbe  Goldarbeit  kommt  auch  wieder  in  der  Photographie  nicht  ganz  zur 
Geltung,  weil  man  nur  die  Glanzflächen  oben,  nicht  den  Schrägschnitt  nach  den 
offenen  Stellen  zu  sieht.  Ich  gebe  daher  die  eine  Seite  (Tafel  V,  Nr.  14)  auf  dunklem,  die 
andere  (Abb.  24)  auf  hellerem  Grunde.  Wieder,  wie  an  dem  vorhergehenden  Greifen- 
beschläg  ist  die  zweilappige  Halbpalmette  neben  dem  Kreislappen  verwendet  und  zwar 
in  wohlberechneter  Abwechslung.  Es  ist  eine  der  sonderbarsten  Ranken  und  ich 
kenne  dafür  keine  genaue  Analogie.  Wäre  statt  der  Palmette  die  Weinranke  als 
Füllung  genommen,  so  ließen  sich  in  Mschatta,  Bawit1  und  sonst  Parallelen 
aufweisen.  Man  möchte  daher  glauben,  es  handle  sich  um  die  palmet- 
tisierte  Weinranke,  von  der  ich  schon  in  meiner  Mschatta- Arbeit  S.  332 
gesprochen  habe.  Die  nächste  Analogie  findet  sich  vielleicht  auf  einer 
in  Horgos  im  Komitat  Csongräd  gefundenen  Riemenzunge  (Abb.  25  -'• 
Sie  hatte  die  gleiche  an  einem  Ende  abgerundete,  am  anderen  für  die 
Aufnahme  des  Riemens  eckige  Form  und  zeigt  ebenfalls  in  durch- 
brochener Arbeit  ein  Langfeld  und  ein  Endfeld,  ersteres  mit  einer 
durchbrochenen  Ranke  gefüllt,  die  auch  aus  Halbpalmetten  und  Kreis- 
lappen zusammengesetzt  ist,  aber  einfach  (ohne  Kreuzung  mit  einer 
zweiten)  genommen  ist. 

Ich  habe  nur  ein  besonders  nah  verwandtes  Stück  zum  Vergleich  her- 
ausgegriffen. In  einem  bestimmten  Gebiete  Ungarns,  in  Keszthely,  von 
dem  öfter  zu  reden  sein  wird,  finden  sich  Parallelen  in  ganz  dichter 
Schicht.  Hier  möchte  ich  nur  einen  Fund  bringen  (Abb.  26),  der  ge- 
genüber dem  Stück  von  Horgos  die  typische  Art  des  Ornamentes  der 
ungarischen  Bronzen  vorführt.  Er  stammt  aus  dem  Grabfeld  von  Püs- 
pök-Szent  Erzsebet  (Komitat  Baranya).  Man  sieht,  die  Regel  ist  die 
Ranke  mit  einem  einzigen  Lappen,  wie  sie  ja  auch  auf  der  Riemenzunge 
aus  Albanien  dreifach  in  der  Überzahl  ist.  Die  Halbpalmette  tritt  daneben  zurück. 
Auch  außerhalb  Ungarns  sind  einzelne  Parallelen  nicht  ausgeschlossen,  so  auf  einem 
Funde  in  Gold  —  was  besonders  zu  beachten  ist  —  aus  Ananjew  in  Podolien:!  und 
im  Kaukasus  (nach  Arne).  Die  Richtung,  die  damit  gegeben  ist,  wird  sich  als  nicht 
zufällig  erweisen. 

15.   Fragment  eines  rechteckigen  Beschlages  mit  durchbrochener  Ranke, 
umrahmt  von  einer  Bogenfolge  (Abb.  27  u.  Tafel V,  Nr.  15).  (Rückseite:  zwei  Nieten,  samt 


Abb.  25:  Hor- 
gos (Ungarn): 
Riemenende 
in  Bronze. 


1     Amida  S.  161. 

Hampel,  Altertümer  I.  S.  530,  Fig.  1607;  II,  120;  III,  Taf.  99,  4  b.    Hampel  hat  leider  den  ersten 
Band    nicht   mit    dem    zweiten    und   dritten   durch  Hinweise    in  Verbindung    gebracht,   so  daß    man  immer 
mindestens   zwei    Hände    zitieren    muß.     Auch    dann    erfahrt    man    nicht,    ob    das  Stück  nach  Budapest 
komn  1er  am  Auflindungsorte  verblieb. 

3    Album    li^sunkow   herausgegeben   von   der  Kais,   archäologischen    Kommission   in   Petersburg   für 
lS82-9^  \r.  219. 


3.  Schmucksachen  in  Gold. 


27 


ihren   Scheiben   mitgegossen.)     Als  Bruchstück    erworben.     2  cm  lang,    3  cm   breit, 
20,82  g  schwer. 

Ergänzt  man  sich  das  Stück  in  der  Annahme,  dal.?  gerade  die  Hälfte  erhalten 
sei,  so  bekommt  man  ein  gut  symmetrisch  verteiltes  Ornament,  das  mit  dem  Rande 


Abb.  26:  Püspök-Szent  Erzsebet  (Ungarn):  Bronzefund. 

genau  die  Größe  des  Greifenbeschläges  zeigt.    Wir  haben  es  mit  zwei  Rankenstielen 
zu    tun.     Der   eine    entspringt   in  der  Mitte   der  Längsseite  und   rollt  sich  in    zwei 
„Kreislappen"  ein,   der  andere,   den  ersten  kreuzend,  in  einen  Kreislappen  und  eine 
Halbpalmette.     Bei  genauerem  Zusehen  merkt   man,   daß  die 
Ranke  mit  zwei  Kreislappen  an  einer  Stelle  links  unten  in  sich 
selbst  zurückläuft.     Die  Bogen  des  Randes  ähnlich  wie  unten 
an  dem  Riemenende  Nr.  18.     Technik:    Gegossen.     Erhal- 
tung:   Das  Stück   scheint   schon  im   Guß  verunglückt.     Man 
sieht   an   der  Bruchstelle  und  an   den  Ecken   außen   die  Guß- 
blasen.    Die  Photographie    gibt  das  alles   nicht  wieder.     Vor 
allem  zeigt  sie  wie  beim  Greifen  immer  nur  die  oberste  magere 
Formfläche,  nicht  die  Flächen  des  hier  sehr  sauberen  Schräg- 
schnittes,   der  herabführt  zu  den  durchbrochenen  Stellen  und 
alle  Formen  voller  erscheinen  läßt.    Der  Grund  ist  nur  soweit 

durchbrochen,   als  sich   dies  beim  Guß  von   selbst  ergab,   d.  h.   das  Stück  ist  nicht 
nachgearbeitet. 

Ich  habe   den   eigenartigen  Lappen  der  Ranke  „Kreislappen"  („Kreisblatt")  ge- 
nannt.   Er  ist  hier  sehr  sauber  gearbeitet,  daher  besonders  gut  zu  erfassen.    Da  das 


Abb.     27:     New     York, 
Sammlung  Morgan:  Frag- 
ment    eines     Beschlages 
in  Gold. 


I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 


Motiv  neben  dem  Greifen)  als  Leitmotiv  der  ganzen  Gruppe  gelten  muß,  seien  gleich 
seine  Merkmale  festgestellt.  Am  Ansatz  des  Kreislappens  erscheint  immer  ein  Loch 
bzw.  der  gebohrte  Ansatz  eines  solchen.  Nehme  ich  es  zur  Lappenfläche  hinzu,  dann 
kommt  tatsächlich  annähernd  die  Kreisform  heraus.  Man  kann  sich  an  dem  vor- 
liegenden Zierfragment  auch  gut  eine  Meinung  bilden  über  den  Ursprung  des  Motivs: 
es  scheint  nichts  anderes  als  der  unterste  Lappen  der  Palmette,  man  besehe  daraufhin 
die  eine  Halbpalmette  neben  den  drei  Kreislappen  unseres  Stückes.  Und  doch  muß 
die  Frage  offen  bleiben,  ob  der  Kreislappen  oder  die  Palmette  das  Grundmotiv  ist, 
also  Ausgestaltung  oder  Spaltung  die  Entwicklung  bedingt.  Der  Kreislappen  tritt  auf 
in  Verbindung  mit  der  Wellenlinie,   so  daß  der  Eindruck  der  Ranke  entsteht.     Wir 

werden  das  Motiv  daher  nur  mit  Vorbehalt  der  Gruppe 
der  Palmettenranke  einordnen  können.  Davon  in  Ab- 
schnitt III  ausführlich. 

16.  Schnalle  mit  Ranken,  glattem,  fünfteiligem 
Scharnier  und  raupenförmigem  Dorn  (Abb.  28  u.  Tafel  V, 
Xr.  16);  8,9  cm  lang,  der  Bügel  4,1cm,  die  Platte  2,8 — 3  cm 
breit,  Dorn  3,5  cm  lang.  114  g  schwer.  Rückseite:  vier 
Nieten.     Abgebildet  von  Riegl  a.  a.  O.  Sp.  284. 

Der  oval  ausbauchende  Bügel  hat  konisch  anstei- 
gende Ränder  und  eine  vorspringende  Führung  für  den 
Dorn.  Die  Platte  zeigt  eine  ebene  Fläche,  in  der  mittels 
Schrägschnitts  Ranken  stehen  gelassen  sind.  Der  Stiel 
bewegt  sich  in  S-Form  durch  die  Fläche.  Die  beiden 
ersten  Einrollungen  bestehen  aus  Kreisblatt  und  weit- 
ausrankender Halbpalmette,  die  dritte  im  abschließen- 
den Spitzbogen  aus  zwei  Halbpalmetten.  Technik: 
Gegossen.     Erhaltung:  Tadellos. 

Das  Vorkommen  der  „Schnalle"  im  Schatzfunde 
von  Vrap  ist  ein  wichtiges  Merkmal  für  die  Einordnung 
des  Schatzes,  aber  für  sich  allein  noch  nicht  ausschlag- 
gebend zu  dessen  Lokalisierung  und  Datierung;  sie  ge- 
winnt erst  Bedeutung:  durch  die  andere  negative  Tatsache 
des  Fehlens  der  Fibel.  Zieht  man  die  ungarischen  Funde  zum 
Vergleich  heran  (Abb.  22  u.  26',  so  zeigt  sich,  daß  damit  eine  bestimmte  Gruppe 
gekennzeichnet  ist,  die  selbe,  der  auch  das  Greifenbeschläg  als  Leitmotiv  angehört 
Die  im  ungarischen  Boden  gefundenen  Schnallen  sind  wie  die  Greifenbeschläge  nie 
in  Gold,  sondern  immer  in  Bronze  gearbeitet.  Was  sie  und  unser  Stück  trotzdem 
als  zusammengehörig  kennzeichnet,  ist  der  Schmuck  des  Schnallenbeschläges  mit  der 
Ranke.  Ich  ergänze  den  Eindruck  von  Abb.  26  durch  ein  besonders  kennzeichnendes 
Stück  aus  Keszthely  1  Abb.  29  nach  Hampel,  Altertümer  I,  S.  530,  Fig.  1606,  III,  Tafel  139). 
Doch  bleibt  auch  da  wie  bei  Bildung  des  Greifen  immer  noch  ein  beachtenswerter 
Unterschied  in  der  Qualität  der  Ausführung.  Auf  den  ungarischen  Schnallen  sind 
die  Ranken  zwar  ebenfalls  in  Flachrelief  und  meist  durchbrochen  gearbeitet;  auch 
der  Schnitt  ist  dort  der  gleiche,   der  Schrägschnitt,   doch  nachlässiger.     Der  Haupt- 


Abb.  2S:  New  York,  Sammlung 
Morgan:  Goldschnalle. 


Schmucksachen  in  Gold. 


29 


unterschied  der  Schnallen  aus  Albanien  und  Keszthely  liegt  aber  darin,  daß  letztere 
die  Halbpalmette  ganz  vermissen  laßt.  Wieder  taucht  die  Frage  auf:  was  ist  das 
Ursprüngliche?  Hampel,  der  ohne  weiteres  die  Halbpalmette  als  das  Gegebene 
nimmt,  würde  urteilen,  daß  in  den  ungarischen  Funden  die  Empfindung  für  die  edle 
Abkunft  des  Kreislappens  von  der  Palmette  oft  fast  verloren  gegangen  sei.  Es  handle 
sich  dort  wirklich  nur  noch  um  das  ganz  unverstandene  Kreisblatt.  An  den  Stücken 
aus  Albanien  ständen  dagegen  Kreislappen  und  Halbpalmette  noch  vollkommen  klar 
nebeneinander,  was  darauf  schließen  ließe,  daß  der  Goldfund  von  Vrap  dem  grie- 
chischen Ursprungsgebiete  dieser  Ornamentgattung  näher  stehe  als  die  ungarischen 
Funde  in  Bronze.  Sehe  man  genauer  zu,  so  zeige  sich,  wie  der  Goldarbeiter 
den  Palmettenlappen  sofort  vergrößere  und  individualisiere,  wo  er  sich  von  der 
Palmette  selbst  gespalten  hat.  Immer  aber  bleibe  die  schöne  Eleganz  des  Linien- 
schwunges und   das  alte  Gepräge  der  Palmette   gewahrt.     In  Ungarn  sei  das  nicht 


Abb.  29:  Keszthely  (Ungarn):  Bronzeschnalle. 


Abb.  30:   New  York,  Sammlung 
Morgan:  Riemenende  in  Gold. 


mehr  oder  sehr  selten  der  Fall.  Man  blättere  daraufhin  Hampel,  Altertümer  I, 
S.  512  f.  durch.  —  Es  wird  sich  im  Verlaufe  der  Arbeit  zeigen,  daß  man  die  Dinge 
auch  in  einem  anderen  Lichte  sehen  kann.  Auffallend  ist  die  große  Schwere 
unseres  Stückes. 

17.  Riemen  ende  aus  zwei  Gliedern,  verbunden  durch  ein  fünfteiliges  Scharnier 
(Abb.  30,  u.  Tafel  V,  Nr.  17).  Auf  der  Platte  und  auf  dem  Bügel  Ranken.  Rückseite: 
zwei  Nieten.    5,3  cm  lang,  4  cm  breit,  55,3  g  schwer.   Abgebildet  „Der  Islam"  II  S.  333. 

Die  Platte  hat  scheinbar  rein  ovale  Form,  man  sieht  ihre  Zuspitzung  nur  auf  der 
Unterseite.  Am  Scharnier  endet  sie  geradlinig.  Das  Ornament  liegt  um  eine  Flächen- 
schicht tiefer  als  die  ausgeschnittene  Bogenfolge  des  Randes.  In  dem  Flachrelief 
sind  zwei  „gesprengte  Palmetten"  einander  wagrecht  gegenübergestellt.  Den  auf- 
fallend groß  wuchernden  Mittellappen  entsprechen  verkümmerte  Kreislappen  an  ihrer 
Wurzel;  beide  zusammen  ranken  aus  in  gegenständige  Halbpalmetten,  die  den  Raum 
oben  und  unten  füllen.  Ihre  Stiele  bilden  rautenförmig  einen  Sporn.  Der  Grund  ist 
stellenweise  durchbrochen.     Der  Bügel,  in  ausgesprochen  tangential  zugespitzten  Huf- 


30 


I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 


eisenbogen,  zeigt  Paare  von  Palmettenlappen  mit  verkehrt  angesetzter  Palmettenspitze 
neben  Wellenlinien  eingefügt.  Begrenzungslinien  fehlen.  Technik:  Flauer  GuU. 
Erhaltung:  Sehr  gut. 

Das  Stück  ist  ein  vorzügliches  Schulbeispiel  der  Art,  wie  der  Kunstkreis  des 
albanischen  Schatzes  sich  frei  im  Gebiete  einer  uralten  Ornamentik  ergeht.  Die 
einzelnen  Lappen  der  Palmette  existieren  sowohl  in  der  Dimension  wie  in  der  Zu- 
sammenfügung ganz  für  sich,  die  organische  Verbindung  ist  gerade  so  weit  gewahrt, 
daß  bei  der  Kombination  von  Kreis-  und  Wipfellappen  der  erstere  an  der  Wurzel 
des  letzteren  sitzt.  Die  Verkehrung  des  Zusammenhanges  am  Bügel  ist  zu  beachten. 
Es  ist  dieselbe  Ornamentik,  wie  man  sie  auf  den  persisch-syrischen,  in  Ägypten  ge- 
fundenen Palmettenstoffen  findet,  die  ich  im  Jahrbuch  der  königlich  preußischen 
Kunstsammlungen  1903  S.  153  f.  behandelt  habe.  Doch  ist  dort  der  reine  Palmetten- 
charakter folgerichtiger  durchgeführt.  Davon  später.  Die  bekanntesten  Motive  dieser 
auf  einem   und   demselben  Grundmotiv  aufgebauten  Ornamentik  sind   der  persische 


Berlin,  Kaiser-Friedrich-Mu- 
seum:   Ornament   einer   altarabischen 
Grabstele  aus  Heluan. 


Abb.  32:    Kairo,  Arabisches  Mu- 
seum: Krönung  einer  altarabischen 
Grabstele. 


Palmettenwipfel,  der  noch  von  unseren  Großmüttern  auf  roten  Schals  und  Tüchern 
getragen  wurde,  und  die  sogenannte  Herzblattbordüre.  Die  im  Winkel  auseinander- 
stehenden Palmettenlappen,  die  das  auffälligste  Schmuckmotiv  unserer  Schnalle  bilden, 
finden  auch  in  diesen  Herzblättern  Verwendung"  und  sind  das  Lieblingsmotiv  der 
altarabischen  Grabsteine  von  Kairo,  die  ich  ausführlich  ,,Der  Islam"  II 
S.  307  ff.  behandelt  habe.  Sie  sind  der  Mehrzahl  nach  in  das  dritte 
Jahrhundert  der  Hedschra  datiert  und  zeigen  die  Palmettenlappen,  ähn- 
lich im  Winkel  auseinanderstehend,  als  Krönung  über  einer  die  In- 
schrift rahmenden  Bordüre  (Abb.  31  u.  32!  Auch  die  Keszthely- 
Bronzen  weisen  das  Motiv  auf,  wie  Abb.  33  nach  Hampel,  Altert.  I 
S.  563,  Fig.  1749  (III  Taf.  152,  Fig.  7.)  l  belegen  mag.  Ich  danke  es 
dem  Entgegenkommen  Geza  Supkas,  wenn  ich  eine  bei  der  Xeuauf- 
stellung  der  Völkerwanderungsfunde  im  Budapester  Nationalmuseum  von 
Supka  vorgenommene  Rekonstruktion  von  Stücken,  die  man  bei  Hampel  I  S.  739  noch 
ohne  Zusammenhang  abgebildet  findet,  geben  darf  (Abb.  34).  Es  sind  Bronzekrönungen 
in  der  uns  hier  interessierenden  Form  aus  Bene-puszta.  Es  kommen  zwei  Arten  vor: 
einmal  die  gesprengte  Palmette  mit  runden  Seitenlappen  und  Knöpfen  an  den  Spitzen, 
zweimal  mit  spitzen  Seitenlappen  und  doppelt  geschweifter  Spitze,  die  Innenflächen  immer 


00  ■ 


Abb. 
Keszthely : 
Zierglied  in 
Bronze. 


1     Vgl«  auch  III,   105,2  und  sonst  passim. 


3.  Schmucksachen  in  Gold. 


31 


im  Schrägschnitt  belebt.  Auch  die  dem  gleichen  Funde  angehörigen  Knöpfe  zeigen 
Palmetten  mit  Schrägschnittfüllung  in  einer  unten  halbrunden,  oben  zwiebeiförmigen 
Umfassung.    In  der  Mitte  von  Abb.  34  ein  dreieckiges  Stück  mit  einer  Öffnung,  über 


Abb.  34:  Budapest,  Nationalmuseum:  Zierglieder  aus  Bronze. 

der  diagonal  zweistreifige  Lappen  auseinanderstehen,  dazwischen  eine  Füllung  in  sym- 
metrisch geschweiften  Lappen.  Von  alldem  wird  ausführlicher  unten  in  Abschnitt  III 
anläßlich  der  geometrischen  Ranke  und  der  Kairiner  Grab- 
steine zu  reden  sein.  —  An  Schnalle  Nr.  17  ist  auch  noch  wie  am 
Beschlag  Nr.  15  der  kräftig  herausgearbeitete  Zackenrand  be- 
merkenswert, der,  in  kleinen  Rundbogen  verlaufend,  das  Oval 
umsäumt.  Er  erinnert  an  ein  bekanntes  Motiv  der  christlichen 
Architektur  Syriens,  das  dort  zinnenförmig  zum  Abschluß  von 
Friesen  verwendet  ist l.  Ähnliche  Motive  an  den  Goldsachen  von 
Nagy-Szent-Miklos.  Das  Motiv  der  in  einem  höher  liegen- 
den Rande  um  ein  tiefer  liegendes  Mittelfeld  gelegten  Bogen- 
reihe  fand  ich  auch  in  einem  Bronze-Treibstock  im  Museum  zu 
Budapest.  Es  wird  von  dieser  Mehrflächigkeit  noch  zu  reden  sein. 
lS.  Riemenende  aus  zwei  durch  ein  dickes  dreiteiliges 
Scharnier  verbundenen  Gliedern  (Abb.  35,  Tafel  V,  Nr  18).  Auf 
der  Platte  ein  Rankenwirbel,  hinten  drei  Nieten.  5,8  cm  lang, 
3,2  cm  breit,  67,3  g  schwer. 


Die  Platte  hat  deutlich  den  Umriß  eines  hufeisenförmigen 


Abb.     35:      New     York, 
Sammlung  Morgan:  Rie- 
menende in  Gold. 


1)  Vgl.  mein  Mschatta  S.  277  ff. 


32 


I.    Ein  albanischer  Schatzfund. 


helv 


Ungarn):    Beschlag 
aus  Silber. 


Tangentialbogens.  Innerhalb  des  Randsteges  sieht  man  in  der  Mitte  einen  fünfteiligen 
Stern  im  Schrägschnitt  ohne  Durchbruch  ausgestochen.  Von  seinen  Seiten  werden 
Ranken  fortgeschleudert,  die  nach  innen  Kreisblätter  ansetzen,  nach  außen  in  Halb- 
palmetten übergehen.  Der  Bügel  bildet  einen  Dreiviertelkreis,  in  den  unten  eine 
Spitze  hineinragt  Bogen  und  Spitze  sind  kantig  profiliert.  Da  der 
Bügel  die  gleiche  Bearbeitung  auch  auf  der  Rückseite  zeigt,  macht 
er  einen  besonders  straffen  Eindruck.  Technik:  Schwerer  Guß. 
Erhaltung:  Vorzüglich. 

Das  Stück  ist  der  beste  Zeuge  des  auserlesenen  und  sicheren 
Geschmackes,  der  einzelne  Stücke  dieses  Goldschmuckes  gezeitigt 
hat.  Die  straffe  Profilierung  des  Bügels  und  der  bohnenförmige 
Ausschnitt  sind  Motive,  die  Riegl  (Spätröm.  Kunstindustrie  S.  I40f.) 
als  spätrömisch  erweisen  wollte '.  Sie  sind  in  den  ungarischen 
Funden  aus  Keszthely  wiederholt  zu  finden,  vgl.  Hampel,  Alter- 
tümer I,  S.  303  f.  und  S.  449  (Abb.  36).  Hier  aber  kommen  am  Beschlag  Elemente  hinzu, 
deren  asiatische  Art  den  Weg  für  den  Ursprung  des  Motivs  weist.  Der  gespitzte  Huf- 
eisenbogen ist  eine  spezifisch  persische  Kunstform,  die  später  in  der 
ägyptischen  Fatimiden-Architektur  herrschend  wird.  In  den 
Keszthely-Funden  spielt  er  wie  später  in  den  magyarischen  eine 
große  Rolle.  Ich  gebe  als  Beispiel  aus  Keszthely  Abb.  $j  nach 
Hampel  I,  S.  560  Fig.  1720  (III  Tafel  156  Fig.  7).  Vgl.  I  S.  566, 
Fig.  1763  (III  118).  Er  ist  zu  unterscheiden  von  dem  nach  innen 
geschweiften  indischen  Kielbogen.  Nicht  anders  ist  es  mit  dem 
Wirbel;  er  findet  sich  auf  den  ungarischen  Funden  häufig 
zusammengestellt  bei  Hampel,  Altertümer  I  S.  58).  Ich  gebe  zwei 
Beispiele  z.  T.  vereinigt  mit  anderen  Bronzen,  die  aus  den  gleichen 
Funden  stammen.  Abb.  ^  nach  Hampel  III,  Taf.  103  zeigt  Funde 
aus  dem  Grabfeld  von  Nemesvölgy  (Edelsthal)  im  Komitat  Mo- 
sony  (Wieselburg).  Zwei  Scheiben  mit  erhöhtem  Rand,  in  den 
Zickzack  eingeschlagen  ist  und  im  Felde  auf  vertieftem  Grunde  eine  Mittelbosse 
um  die  drei  Ranken  so  wirbeln,  daß  sich  immer  zwei  Einrollungen  zu  einem  Trom- 
petenmotiv vereinigen.  (Vgl.  Ham- 
pel II,  S.  128).  Abb.  39  nach  Ham- 
pel III,  Taf.  85  zeigt  einen  Fund 
aus  dem  Gräberfeld  von  Martely 
Komitat  Csongräd.  (Vgl.  Hampel  II, 
S.  105  f).  Die  kleine  Scheibe  mit 
dem  Wirbel  unter  Fig.  3.  Ich  gebe 
den  ganzen  Fund  wegen  einiger 
interessanter  Einzelheiten.  Die  Ranke 
setzt  öfter  Trauben  an,  ein  Motiv, 
das  auch  sonst  auf  diesen  Bronzen  neben  dem  Kreisblatt,  dem  Greif  und  Hirsch  wie 
neben  einer  Menschengestalt  vorkommt.    Davon  unten.     Das  Wirbelmotiv  ist   durch 


Abb.  37 :  Keszthely 

(Ungarn  ):    Zierglied 

aus  Bronze. 


Abb.  3V   Nemesvölgy  [Ungarn):  Bronzefund. 


1.  unten  Abb.  67  (Schnalle  von  Apahida). 


124 


33 


Abb.  39:  Martely  (Ungarn),  Grabfund.    Die  Zierglieder  in  Bronze. 
Strzygowski,  Altai. 


34 


I.  Ein  albanischer  Schatzfund. 


die  Volkskunst  Asiens  zu  verfolgen  bis  nach  Ostasien,  wo  das  Motiv  besonders  be- 
liebt ist.     Auffallend  ist  auch  an  diesem  Stücke  Nr.  18  seine  große  Schwere. 

19 — 22.  Vier  Riemenenden  mit  der  Lilienpalmette.  Auf  der  Rückseite  je  zwei 
Xagel.  19.  mit  Bügel,  56,5  g  schwer  (Abb.  40  u.  Tafel  V,  Xr.  19).  20.  mit  Bügel 
64  g  schwer  (Tafel  V,  Xr.  20).  21.  ohne  Bügel,  Rohguß,  42,3  g  schwer  (Tafel  V,  Nr.  21). 
22.  ohne  Bügel,  Rohguß  mit  massiv  ausgefülltem  Gußkanal,  794  g  schwer  (Tafel  V, 
Xr.  22).     Abgebildet  von  Riegl  a.  a.  O.  Sp.  283. 

Die  Platte  ist  bei  allen  3,8 — 4  cm  breit  und  mit  dem  Scharnier  3,7  cm  hoch. 
19  und  20  samt  Bügel  5  cm,  22  mit  Gußkanal  ca.  5,5  cm  lang.  Beide  Teile  haben 
zugespitzte  Ovalform.  In  der  Fläche  innerhalb  des  Randsteges  eine  eigenartige 
Lilienform:  Gegenständige  Kreislappen  tragen  eine  verkümmerte,  kleine  Lanzettspitze 

und  ranken  unten  plump  aus  in  Halbpalmetten,  die 
sich  an  langen  Stielen  um  die  Kreislappen  herumziehen 
und  symmetrisch  zu  seiten  der  Spitze  erscheinen. 

In  dem  Nebeneinander  von  im 
Rohguß  erhaltenen  und  anderen  fertig 
gearbeiteten  Stücken  gleicher  Art 
Hegt  neuerdings  Anlaß  vor,  an  eine 
Werkstätte  für  die  Herstellung  solchen 
Schmuckes  zu  denken.  Die  Stücke 
scheinen  direkt  aus  der  Werkstatt  in 
ihr  Versteck  gebracht  worden  zu 
sein.  Das  Ornament  ist  von  Interesse, 
weil  hier  einmal  eine,  wenn  auch  ver- 
kümmerte Vollpalmette  gebildet  ist. 
Kreisblatt  und  Halbpalmette  waren 
dem  Handwerker  geläufig,  die  Art 
aber  wie  er  die  magere  Spitze  und  die  Rankenstiele  bildet,  weisen  auf  Ungewöhn- 
lichkeit.  Das  Motiv  der  Vollpalmette  muß  unbekannt  gewesen  oder  in  Vergessenheit 
geraten  sein,  schon  auf  Schale  7  (Tafel  III)  ist  die  Spitze  unsicher  gebildet.  Sie 
ist  auf  den  ungarischen  Funden  nur  selten  und  auch  da  wie  ungeübt  verwendet, 
so  bei  Hampel  I,  S.  570  (vgl.  unten  Abschnitt  III,  8).  Kommt  die  Vollpalmette  auch 
selten  in  den  Funden  der  Völkerwanderungszeit  in  Ungarn  vor  —  ganz  verkümmert 
in  einem  Beschlag  aus  Xemesvölgy  Abb.  41  nach  Hampel  III,  Tafel  106,  Fig.  8  — ,  so 
ist  es  um  so  häufiger  in  den  jüngeren  Funden  der  Landnahmezeit.  Damals  fand  ein 
zweiter  östlicher  Vorstoß  statt1,  von  dem  Arne  Spuren  auch  im  Xorden  nachweist2.  — 
Bei  den  beiden  fertig  gearbeiteten  Stücken  ist  die  Zuspitzung  des  Beschlages  wie  an 
den  ungarischen  Funden  deutlich.  Schon  darin  liegt  ein  Fingerzeig  nach  dem  Osten. 
23.  Rundes  Schmuckstück  (Scheibe)  mit  Ranken  um  ein  mittleres  Loch 
(Abb.  42  und  Tafel  V,  Xr.  23)  Rückseite:  drei  1,4cm  lange  Xägel.  Mit  Gußkanal  5,4  cm 
lang,  3>3  cm  breit,  66,2  g  schwer. 


Abb.  40:    New  York,    Samm- 
lung Morgan:    Riemenende  in 
Gold. 


Abb.  41 :  Meines - 

völgy  (Ungarn): 

Zierglied  in  Bronze. 


gL  Hampel,  Arch.  Ertesitü,   1904  S.   105  fr.,  Byz.  Zeitschrift  XVII,   S.  645  f. 
r  Fornvännen   191 1. 


3.  Schmucksachen  in  Gold. 


35 


Das  mittlere  Loch,  das  nach  dem  Guf3  ohne  Ausarbeitung  blieb,  umgibt  wie 
den  Außenrand  ein  Steg;  zwischen  beiden  zieht  sich  eine  Ranke  ohne  Ende  hin.  Sie 
verläuft  ganz  regelmäßig  in  drei  Teilen,  die  aus  einem  nach  innen  gerichteten  Kreis- 
blatt, einem  Mittellappen  nach  außen  und  einer  Halbpalmette  bestehen,  deren  Spitze 
sich  in  die  nächste  Einrollung  umsetzt.  Technik:  Roh  aus  der  Gußform  genommen, 
ohne  Nacharbeitung  der  Ränder  samt  dem  trichterförmig 
erhaltenen  Gußkanal  in  Gold. 

Das  Stück  liefert  für  den,  der  die  Originale  nicht  zur 
Hand  hat,  deutlicher  als  das  Fragment  15  und  die  Stücke  21 
und  22  den  Beweis,  daß  nicht  alle  Stücke  des  Schatzes  bereits 
gebraucht  waren,  als  man  sie  in  dem  Topf  vergrub.  Das 
schöne  Beschlag  in  Form  eines  Knopfes  ist  so  erhalten  wie 
es  aus  der  Gußform  kam.  Es  verstärkt  sich  dadurch  nur 
neuerdings  der  Eindruck,  daß  der  Fund  von  Vrap  am  Orte 
oder  in   der  Nähe  seiner   Gußstätte    vergraben  worden  sei. 

Von  besonderem   Interesse    ist  dann  auch  die   „Ranke" 
ohne  Ende.     Bei  genauerem  Zusehen  erkennt  man,  daß  sie 
sich  in  drei  großen  Bogen  um  den  mittleren  Kreis  legt.    Jeden 
dieser  Bogen  füllt  innen  ein  Kreislappen,  ihm  geht  eine  Ver- 
dickung voraus  und  es  folgt  ein  frei  abstehender  Palmetten- 
lappen.   So  entstand  ein  ganz  fester,  dreimal  wiederkehrender 
Rhythmus.      Ich    kenne    kein    zweites   Beispiel    dieser    aus- 
geprägten Art.     Es  steckt  in  dieser  Komposition   eine  stark  zur  Entwicklung  nach 
der  Arabeske  hin  drängende  Kraft l.    Selten  deutlich  liegt  hier  einmal  der  Übergang 
von  der  einfachen  Spaltung  der  alten  Palmette  zu  ganz  neuen  Formen  vor  —  möchte 
man  nach  bisheriger  Auffassung  deuten.    Die  Verdickung,  mit 
welcher  der  Palmettenwipfel  sich  in  den  Rankenstiel  umsetzt, 
erscheint  aber  so  neuartig,  daß  vielleicht  an  anderen  Ursprung 
gedacht   werden    muß.     Davon    unten.      Der    Gußkanal    ist 
ganz  massiv  in  Gold  ausgegossen. 

24.  Rechteckige  Hülse  zum  Schmucke  einer  Scheide 
oder  eines  Riemens  (Abb.  43  u.  Tafel  V,  Nr.  24.)  Vorderseite: 
mit  Ranken  in  Rautenrahmen.  Rückseite:  zwei  Löcher. 
2,6  cm  hoch,  3,25  cm  breit,  0,9  cm  dick,  39,7  g  schwer. 

Das  Stück  ist  bis  auf  ein  Loch  nicht  durchbrochen. 
Die  Ranken  setzen  oben  und  unten  in  der  Mitte  an  und  rollen  sich  flach  zu  Halb- 
palmetten ein.  Ein  drittes  Paar  solcher  Halbpalmetten  —  der  Kreislappen  ist  nur 
undeutlich  ausgeprägt  —  zweigt  vom  unteren  der  Stielpaare  ab  und  füllt  den 
Zwischenraum  in  der  Mitte.  Technik:  Gegossen.  Die  Ranken  sind  im  Schräg- 
schnitt sehr  hoch  über  dem  tief  ausgehobenen  und  etwas  rauhen  Grunde  gearbeitet. 
Das  Stück  ist  wieder  auffallend  schwer.     Erhaltung:  Rautenrand  stark  abgegriffen. 


Abb.  42 :  New  Vork,  Samm- 
lung Morgan:  Scheibe  in  Gold 
mit  Gußkanal. 


Abb.  43:  New  York, 

Sammlung  Morgan: 

Hülse  in  Gold. 


1)  Man  darf  freilich  den  Begriff  Arabeske  nicht  in  dem  Sinne  nehmen,  wie  ihn  Herzfeld,  Enzy- 
klopädie des  Islam  I,  S.  38of.  vorführt.  Vgl.  Riegl,  Stilfragen  S.  259^  und  Mschatta  S.  327^  Dazu  unten 
Abschnitt  IV. 

„  * 


I.  Ein  albanischer  Schatzfund. 


Abb.    44:    New    York, 

Sammlung  Morgan: 

Hülse  in  Gold. 


Die  Ornamentik,  aus  Ranke  und  Halbpalmette  bestritten,  bringt  insofern  Neues, 
als  die  vertikale  Anordnung  der  Rankenpaare  an  das  persische  Motiv  des  Ranken- 
baumes oder  Kandelabers  erinnert,  wie  er  in  der  Kuppel  von  St.  Constanza,  an  den 
LangschifTwänden  der   Geburtskirche   von   Bethlehem   und   am  Taq-i-Bostan   typisch 

verwendet  zu  sehen  ist1.  Neuerdings  ist  es  auch  in  Zentral- 
asien aufgetaucht2.  Wir  haben  das  Motiv  schon  auf  dem 
Riemenende  Nr.  14  festgestellt. 

25.  Rechteckige  Hülse  zum  Schmuck  einer  Scheide 
oder  eines  Riemens  (Abb.  44  u.  Tafel  V,  Nr.  25.)  Vorderseite: 
mit  Herzdreiblättern,  Rückseite:  zwei  Löcher.  1,9  cm  hoch, 
3,25  cm  breit,  0,8  cm  dick.     27,7  g  schwer. 

Zwei  Herzformen  sind  horizontal  gegeneinander  gerichtet 
mit  den  Spitzen  nach  außen.  In  diese  wachsen  innen  Drei- 
blätter herein,  die  auf  der  inneren  Spitze  aufsitzen.  In  den 
Ecken  Krabben,  die  an  die  Herzstiele  anranken.  Technik: 
Das  Ornament  ist  auffallend  flach  und  unsicher  geschnitten. 
Erhaltung:  Rückseite  etwas  eingedrückt. 

Solche   Hülsen  kommen  fast  in   jedem   Schatzfunde  von 
Hampels  zweiter  Gruppe  vor.     Ich  gebe  Abb.  45  ein  Beispiel 
aus  dem   Gräberfeld   von  Csuny  nach    Hampel   III  Taf.   114. 
Ein  anderes  findet  man  oben  in  Abb.  26,  beide  ohne  Ornament. 
Das  Dreiblatt,  von  herzförmiger  Ranke  umschlossen,   ge- 
hört zu  den  beliebten  Motiven  der  frühmittelalterlichen  Orna- 
mentik.   Gewöhnlich  tritt  das  Motiv  horizontal  mit  der  Spitze 
nach    oben    auf.     Diese   herzförmige  Umfassung   ist  ein  per- 
sisches   Lieblingsmotiv,    das   sich  überallhin,   nach  Arne  bis 
Lappland  verbreitet  hat3. 
26  und  27.    Zwei  bügeiförmige  Beschläge.    (Abb.  46  u.   Tafel  V,  Nr.  2671. 
Vorderseite:   zwei  S-Ranken.      Rückseite:   drei  Nieten.      26:  (Abb.  46)   2,1  cm  lang, 

2,6  cm  breit,  13,7  g  schwer;  27:  (Tafel  V  Nr.  27) 
2  cm  lang,  2,6  cm  breit,  13,5  g  schwer. 

In  der  Mitte  ein  überhöhter  Rundbogen, 
außen  ein  ebensolcher  Rundbogen  mit  einer 
Stufe  über  der  Mitte  und  Stufenansätzen  unten. 
Die  füllenden  S-förmigen  Stiele  stehen  sich  sym- 
metrisch gegenüber  und  enden  in  Halbpalmetten. 
Oben  im  Stufenaufsatz  noch  eine  verkümmerte 
Halbpalmette.  Technik:  Beide  Stücke  wohl  aus 
derselben  Form  gegossen.  Erhaltung:  Gut. 
Diese  merkwürdige  Art  von  Ziergliedern  kehrt  ständig  wieder  in  der  zweiten 
Gruppe  ungarischer  Funde,  für  die  auch  der  Greif  und  die  Kreisblatt-Ranke  bezeich- 


Abb.  45;  Csuny  (Ungarn): 
Beschläge  in  Bronze. 


Abb.  46:  New  York, 
Sammlung  Morgan: 
Beschlag  in  Gold. 


Abb.  47 :  Keszthely 
arn):  Zierglied 
in  Bronze. 


1     Vgl,  „Werke  der  Volkskunst'    1.   S.  iaf.:   ,,Hin  Werk  der  Volkskunst  im  Lichte  der  Kunstforschung". 

gl.  ( »stcrr.  Monatsschrift  für  den  Orient  XL  (1914),  Tafel  IV. 
3     Vgl.  Arne,    Sveriges  Förbindelscr    med  Östem    under    vikingatiden.    (Ur  Fornvännen   191 1)  S.  iS. 


3-  Schmucksachen  in  Gold.  37 

nend  sind,  vgl.  Hampel,  Altertümer  III,  Tafel  64 — 259.  Eine  Probe  aus  Csuny  Abb.  45 
aus  Keszthely  Abb.  47  nach  Hampel  I,  S.  558.  Schon  oben  Abb.  26  kann  man  in 
dem  Funde  von  Püspök-Szent  Erzsebet  sehen,  wie  sich  solche  Bügel  ganz  regel- 
mässig neben  Riemenzungen,  Schnallen  und  Hülsen  finden.  Als  Ornament  ist  immer 
das  Kreisblatt,  bezvv.  die  Kreisblattranke  genommen.  Wie  reich  dieser  Schmuck  bis- 
weilen sein  kann,  mag  ein  Fund  aus  Szeged  belegen,  den  ich  hier  als  Ganzes  vor- 
führe (Abb.  48),  um  das  Bild  der  ungarischen  Funde  von  Hampels  zweiter  Gruppe 
abzurunden.  Man  sieht  da  in  durchbrochener  Arbeit  eine  grosse  Riemenzunge  mit  * 
reicher  Kreisblattranke,  das  obere  Ende  mit  einem  gegenständigen  Tierpaar1,  dann 
eine  ähnlich  ornamentierte  Schnalle  und  unter  den  Beschlägen  auch  zwei  von  unseren 
Bügeln,  der  grössere  mit  reichem  Rankenschmuck.  Die  Zusammenfügung  zweier 
Halbpalmetten  in  S-Form,  wie  sie  die  albanischen  Bügelbeschläge  aufweisen,  ist  auch 
in  den  ungarischen  Funden  öfters  zu  belegen.  Vgl.  für  die  Gesamtform  Supka, 
Österr.  Monatsschrift  für  den  Orient  XLI,  S.  82,  der  sie  aus  Indien  herleitet.  Sie 
kommt  ähnlich  auch  schon  in  dem  Funde  von  Castel  Trosino  vor2. 

28.  Bügeiförmiges  Beschlag  (Tafel  V,  Nr.  28),  entsprechend  Nr.  26  und  27,  nur 
mit  anderem  Ornament.  2,2  cm  lang  (die  Nieten  stehen  unten  über  den  Rand  vor), 
2,5  cm  breit,  10,5  g  schwer. 

Die  Füllung  wird  besorgt  durch  eine  richtige  Wellenranke  mit  Kreislappen,  an 
den  Enden  fallen  je  drei  Kreislappen  auf  langen  Stielen  (Stäben)  herab.  Im  Stufen- 
aufsatz sind  roh  zwei  Kreisblätter  oder  besser  Kreispunkte  gegenständig  angedeutet. 
Die  seitlichen  Stufenenden  fehlen,  die  Öffnung  in  der  Mitte  in  Form  des  Hufeisen- 
bogens.     Technik:  Gegossen.     Erhaltung:  Gut. 

Die  Rankenführung  erinnert  an  den  Wirbel  auf  dem  Beschlag  18  (Abb.  35),  unter 
den  ungarischen  Funden  ist  auf  Hampel,  Altertümer  I,  S.  538,  Fig.  1634  zu  verweisen. 
Auf  die  eigenartige  Stäbchenform  des  Kreisblattes  wird  in  Abschnitt  IV  näher  ein- 
zugehen sein. 

29  und  30.  Zwei  Beschläge  mit  zwei  Knöpfen  und  Ring  (Tafel  V,  Nr.  29  u.  30). 
5  cm  lang,  Ring  2,4  cm  Dm.;  29.  beide  Knöpfe  fest  33,3  g,  30.  ein  Knopf  locker 
37,2  g  schwer. 

Eigenartig  ist,  wie  die  Öse  für  die  Aufnahme  des  schweren  Ringes  hergestellt 
ist.  Das  Beschlag  geht  in  einen  gratigen  Draht  über,  der  nach  rückwärts  umgebogen, 
dann  breit  geschlagen  und  mittels  der  beiden  auch  vorn  sichtbaren  Nieten  über  dem 
Lederriemen  befestigt  ist.  Als  Parallele  Abb.  49  aus  Hödmezö  Väsärhely  (nach 
Hampel  III,  Tafel  83  Fig.  229,  vgl.  I,  S.  444,  Fig.  1327,  wo  andere  Beispiele). 

31  und  32.  Zwei  Beschlägplättchen  mit  vier  bzw.  zwei  Nietenknöpfchen  (Tafel  V, 
Nr.  31  u.  32).  31:  3,9  cm  lang,  2,6  cm  breit,  mit  vier  Nägeln,  17,21  g  schwer. 
32:  3,9  cm  lang,  2,3  cm  breit,  mit  drei  Nägeln  (einer  lose),  4,2  g  schwer. 

Vgl.  für  diese  Zierstücke  Hampel,  Altertümer  I,  S.  44Öf.  Ich  bilde  Abb.  50  eine 
Reihe  ab. 


1)  Vgl.  die  KrönuDg  alttürkischer  und  chinesischer  Grabstelen  bes.  bei  Radioff,  Atlas  der  Altertümer 
der  Mongolei  Taf.  XXX. 

2)  Vgl.  Monumenti  antichi  .  .  .  dei  Lincei  vol.  XII,  Tav.  XIII. 


I.  Ein  albanischer  Schatzfund. 


Abb.  48:  Szeged  (Ungarn):  Bronze-Grabfund. 


33.  Beschlägplättchen  (Tafel  V,  Nr.  33',  einst  mit  vier  Nieten  befestigt,  in 
der  Mitte  vier  Löcher  durch  Diagonalstriche  verbunden.  3,8  cm  lang,  2,5  cm  breit, 
6,3  g  schwer.     Technik:  Geschnitten.     Erhaltung:  In  der  Mitte  gefaltet. 


3-  Schmucksachen  in  Gold. 


39 


34.  Kleines    Beschlägplättchen    (Tafel  V,  Nr.  34),    einst    mit   zwei   Nägeln, 
wovon  jetzt  einer  fehlt     1,9  cm  lang,  1,2  cm  breit,  2,75  g  schwer. 

35.  Rechteckiges  Plättchen  (Tafel  V,  Nr.  35)  mit   rechteckig   ausgeschnittener 
Mittelöffnung.    2,5  cm  lang,  2  cm  breit,  2,7  g  schwer. 

Von  solchen  Plättchen  sind  im  Poltawaschatz  (davon  unten)  Hunderte  gefunden 
worden.     Sie  sind  alle   ebenfalls  rechteckig  mit  entsprechend  oblongem  Ausschnitt. 


Abb.  49 :  H6dmezö-Ydsär- 

hely    (Ungarn):   Beschlag 

mit  Rinu;  in  Bronze. 


Abb.  50:     Szirak    (Ungarn):    Beschläge 
in  Gold. 


Abb.  51 :  Keszthely  (Ungarn): 
Zierstück  in  Bronze. 


Der  Unterschied   liegt  nur  darin,   daß  dort  in  den  vier  Ecken  wie  an  Nr.  31  und  32 
Knöpfe  bzw.  Goldnägel  sitzen.     Ein  Beispiel  aus  Ungarn  Abb.  51  *. 

36—38.  Drei  Stück  Golddraht  (Abb.  52),  gezogen;  ca.  5,5  cm  lang,  0,3 — 0,5  cm 


breit,  86,32  g  schwer. 

Stück  photographiert. 

39 — 45-    Sieben 

(Tafel  V,  Nr.  39-45), 


Vielfach   und   unregelmäßig  gedreht  und  zerdrückt.     Nur  ein 


glatte  Riemenzungen 
(zwei  Stücke  breiter  als  die 
anderen).  Alle  5 — 5,2  cm  lang,  2,3  oder  2,5  cm, 
am  oberen  Rand  2,6  oder  2,7  cm  breit,  4  mm  dick, 
innen  hohl.  226,1  g  zusammen,  jedes  ca.  31  g  schwer. 
Der  kantige  Rand  an  der  Öffnung  aufgelötet. 

Fast  genau  gleich  große  Riemenzungen  (ein 
Stück  5,2x2,2  cm,  die  anderen  acht  kleiner),  voll- 
kommen entsprechend  auch  in  der  Form,  jedoch 
in  Silber  gearbeitet,  sind,  wie  mir  Dr.  Arne  freund- 
lich mitteilt,  in  der  Krim  (Souksu  bei  Gursuff)  ge- 
funden 2,  in  Bronze  kommen  sie  noch  im  Gouverne- 
ment Wjatka  vor. 

46.  Goldbarren  (Tafel  V,  Nr.  46).  Ein  Stück 
mit  Bruchstelle.    7  cm  lang,  1,2  cm  obere  Breite,  unten  spitz,  0,7  cm  dick,  1 15,8  g  schwer. 

Ursprünglich  acht  Stück,  wovon  sieben  Stück  im  Wiener  Münzamt  als  reinstes 

1)  Die  S.  24 — 39  und  48  abgedruckten  Druckstöcke  räch  ungarischen  Funden  sind  mir  vom  Kgl.  National- 
museum in  Budapest  durch  Dr.  Supkas  Vermittlung  zur  Verfügung  gestellt  worden,  wofür  ich  bestens  danke. 

2)  Vgl.  Izvjestija  der  arch.  Komm,  und  Publikationen  des  Instituts  in  Odessa. 


Abb.  52:  New  York,  Sammlung  Morgan: 
Golddraht  aus  dem    albanischen  Schatze. 


,q  II.  Die  Schatzfunde  der  Völkerwanderungszeit  aus  dem  Osten. 

Feingold  (mit  ganz  geringfügigem  Silberzusatz)   eingeschmolzen  wurden.     Das  Vor- 
kommen dieser  Barren  spricht  auch  wieder  für  einen  Werkstattfund. 

47  f.  20  Goldnägel  (Tafel  V,  Nr. 47).    1,2 — 1,8  cm  lang,  zusammen  18,6  g  schwer. 


Zum  Schluß  zusammenfassend  ein  Wort  über  das  Verhältnis  der  Schmucksachen 
des  albanischen  Schatzes  zu  den  ungarischen  Bronzefunden  der  zweiten  Gruppe, 
wie  sie  Hampel  nennt.  Die  Zusammengehörigkeit  ist  offenbar.  Ich  denke,  wir  haben 
in  den  albanischen  Stücken  die  östlichen  Originale  in  Gold  vor  uns,  die  Hampel 
Altertümer  I,  646)  annehmen  zu  müssen  glaubte,  um  die  Möglichkeit  einer  Ornament- 
gruppe, wie  der  zweiten  erklären  zu  können.  Der  Schatz  ist  nur  der  Vorläufer  einer 
noch  viel  intensiveren  „persischen",  d.  h.  aus  Asien  jenseits  der  Euphrat-  und  Tigris- 
grenze kommenden  Bewegung,  der  nachzugehen  Gegenstand  dieses  Buches  sein  soll. 
Der  albanische  Schatz  hat  mir  dazu  seinerzeit  die  Anregung  gegeben.  Er  gehört 
mit  dem  Schatzfunde  von  Nagy-Szent-Miklos  zusammen  zu  den  Hauptbeweisstücken 
der  in  die  Treibhäuser  der  Kultur  vordringenden  „Nomadenkunst".  Das  sei  dem 
Leser  hier  schon  gesagt,  damit  er  die  nachfolgend  versuchte  Beweisführung  doppelt 
aufmerksam  nachprüfe.  Vorläufig  sei  nur  nochmals  gebeten,  die  Reichhaltigkeit 
und  Stilsicherheit  des  Ornamentes  der  albanischen  Goldsachen  gegenüber  den 
ungarischen  Bronzen  zu  beachten. 


II.  Die  Schatzfunde  der  Yölkerwanderungszeit 

aus  dem  Osten. 

Die  voraufgehende  Beschreibung  des  albanischen  Schatzfundes  hält  absichtlich 
darauf,  die  Buntheit  der  Eindrücke,  die  man  bei  Betrachtung  der  einzelnen  Stücke 
wie  des  ganzen  Schatzes  empfängt,  nicht  zu  verwischen.  Es  hätten  leicht  mindestens 
zwei  stilistische  Gruppen  getrennt  werden  können;  aber  dann  hätte  ich  schon  über 
stimmende  Andeutungen  hinaus  zu  der  im  Vorwort  umschriebenen  Aufgabe  des 
ganzen  Buches  übergehen  müssen.  In  diese  Untersuchung  trete  ich  erst  mit  dem 
vorliegenden  Abschnitt  ein  und  möchte  hier  zunächst  einmal  die  naheliegende  Trennung 
zwischen  dem  hellenistisch-christlichen  und  den  „östlichen"  Kunstkreisen  vornehmen, 
weil  ich  mich  im  weiteren  Verlaufe  der  Untersuchung  nur  noch  um  die  Stücke 
kümmern  will,  die  diesen  östlichen  Kreisen  angehören.  Unter  den  Goldgefäßen  ver- 
treten die  hellenistische  Art  der  Pokal  mit  den  Städtebüsten  Nr.  2  (Tafel  II),  aber 
auch  nur  soweit  sein  Original  in  Betracht  kommt  —  davon  gleich  mehr;  dann  die 
beiden  Pokale  mit  gewölbten  Schuppen  Nr.  3  und  4  (Abb  71.  Unter  den  Silber- 
gefäßen die  Schale  mit  flachem  Griff  Nr.  11  (Abb.  181  und  mit  einem  Vorbehalt,  der 
das  Netzmuster  betrifft,  der  Kessel  Nr.  10  (Tafel  IV).  Dieser  hellenistische  Teil  des 
Schatzes  umfaßt  also  kaum  fünf  Gefäße;  alle  übrigen  —  mit  Ausnahme  des  byzan- 
tinischen Kruges  Nr.  12  (Abb.  19)  —  gehören  m.  E.  einer  rein  orientalischen  Kunst  an. 
5  wird  nun  darauf  ankommen,  diese  Zuweisung  näher  zu  begründen.  Dazu  muß  der 
Schatz  zunächst  eingeordnet  werden  in  die  Reihe  der  übrisren  Schatzfunde  der  Völker- 


I.  Die  in  Zypern  gemachten  hellenistisch-syrischen  Schatzrunde.  a\ 

wanderungszeit,  soweit  sie  aus  dem  Osten  stammen.  Um  den  Gegensatz  der  Haupt- 
masse des  albanischen  Schatzes  zur  hellenistischen  Art  zu  zeigen,  schicke  ich  Bei- 
spiele der  hellenistischen  Art  voraus.  Die  beiden  Gruppen  losen  sich  in  den  übrigen 
Schatzfunden  zunächst  einmal  rein  örtlich  voneinander.  Die  ungemischt  hellenistisch- 
christlichen gehören  dem  engeren  Kreise  des  Mittelmeeres  an,  sind  in  Ägypten, 
Syrien,  Kleinasien  oder  auf  den  Inseln  gefunden.  Die  östlich  gerichteten  Funde 
dagegen  stammen  aus  der  ungarischen  und  südrussischen  Tiefebene  oder  dem  da- 
zwischen liegenden  Karpathengebiete.  Als  Beispiel  für  die  erstere  Gruppe  greife  ich 
aus  mehrfachen  Gründen  zwei  zyprische  Funde  heraus. 


i.  Die  in  Zypern  gemachten  hellenistisch-syrischen  Schatzfunde. 

J.  Pierpont  Morgan  sen.  erwarb  nicht  nur  den  in  Albanien  gefundenen  Schatz. 
Er  hat  im  Laufe  der  Jahre  auch  noch  einen  viel  wertvolleren  Fund  zum  größten 
Teil  in  seiner  Hand  vereinigt,  einen  zyprischen  Schatz,  der  schon  deshalb  hier  nicht 
unerwähnt  bleiben  kann,  weil  er  ja  auf  jener  Insel  gefunden  ist,  der  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  der  Pokal  mit  den  Stadtbüsten  des  albanischen  Schatzfundes 
angehört  oder  ursprünglich  angehörte.  Zum  Vergleiche  fordert  dann  auch  die  Tat- 
sache heraus,  daß  der  zyprische  Schatz  ebenfalls  einen  Stock  von  Silbergefäßen 
neben  Schmucksachen  aus  Gold  zeigt,  beide  Gruppen  freilich  vollkommen  verschieden 
von  denen  aus  Albanien.  Trotzdem  muß  die  Frage  aufgeworfen  werden,  ob  nicht 
der  albanische  Schatz  aus  Zypern  stammen  könnte  und  Zypern  sich  vielleicht  als 
ein  Zentrum  der  Toreutik  in  der  Zeit  des  Überganges  von  der  Antike  zum  Mittel- 
alter nachweisen  lasse?  Wie  laufen  die  Fäden  in  einer  Zeit  und  auf  einem  Gebiet 
der  Kleinkunst,  das  wie  kein  zweites  durch  eine  stattliche  Reihe  von  Denkmälern 
den  Versuch  einer  Lösung  solcher  Fragen  zuläßt.  Welche  andere  Gruppe  der 
Kleinkunst  wir  auch  nehmen:  Elfenbein,  Miniaturen,  Stoffe,  Glas-  oder  Tonwaren, 
der  Bestand  an  erhaltenen  Denkmälern  läßt  nur  im  Gebiete  der  Metallplastik  eine 
umfassendere  Untersuchung  aussichtsreich  erscheinen  K  Die  Schätze,  die  im  Nachlasse 
von  Pierpont  Morgan  vereinigt  sind,  bieten  dazu  geeigneten  Anlaß.  Sie  reihen  sich 
würdig  an  die  altbekannten  großen  Schatzfunde  der  zweiten  Gruppe,  Nagy-Szent 
Miklos,  Szilägy-Somlyo  und  Petroasa  an  und  nur  der  neueste  russische  Fund  aus 
dem  Gouvernement  Poltawä  läßt  nach  Zeit,  Kunstkreis  und  Wert  den  Vergleich 
damit  zu. 

In  Zypern  sind  kurz  nacheinander  sechs  Meilen  westlich  von  Kyrenia  an  der 
Nordküste  beim  Kloster  Achiropoitos  zwei  christliche  Schatzfunde  gemacht  worden. 
Der  erste  Schatz  wurde  einige  Jahre  vor  1900  gefunden  und  vom  British  Museum 
erworben.  Er  bestand  ausschließlich  aus  Silberstücken  und  zwar  einem  Bassin,  einer 
runden  Flachschüssel,  einem  sechseckigen  Räuchergefäß,  alle  drei  mit  Figuren,  bzw. 
einem  Kreuz  geschmückt  und  etwa  36  Löffeln  mit  Tier-  und  Blattornamenten.  Dieser 
erste  Fund  wurde  veröffentlicht  von  Dalton  (Archaeologia  LVII),  der  meint,  die  Stücke 

1)  Vgl.  trotzdem  dazu  den  Stoßseufzer  von  Hampel,  Byz.  Zeitschrift  XVII  (1908)  S.  649.  Den  besten 
Überblick  über  alle  Gebiete  der  Kleinkunst  gewährt  Dalton,  Byzantine  art  and  archaeology  1911,  auf  den 
ich  ein  für  allemal  verweise. 


II.  Die  Schatzfunde  der  Völkerwanderungszeit  aus  dem  Osten. 
4- 

müßten  nicht  zu  gleicher  Zeit  entstanden  sein,  gehörten  aber  einzeln  oder  als  Ganzes 
etwa  der  zweiten  Hälfte  des  sechsten  oder  dem  Anfang  des  siebenten  Jahrhunderts  an. 
Ob  Zypern  als  Entstehungsort  in  Betracht  komme  oder  eine  der  Großstädte  wie 
Konstantinopel,  Antiochia  oder  Alexandria,  läßt  er  offen.  Es  sei  leicht  möglich, 
daß  der  Schatz  bis  in  neuere  Zeit  einer  Kirche  oder  einem  Kloster  gehört  habe  und 
gelegentlich  einer  Türkenverfolgung  vergraben  worden"  sei. 

Der  zweite  Schatz,  eben  der,  dessen  Hauptteil  jetzt  im  Besitz  von  Pierpont  Morgan 
ist,  wurde  im  Frühsommer  1902  gefunden.  Auch  da  waren  die  großen  Stücke  aus 
Silber  gearbeitet:  zwei  glatte  Schüsseln  mit  Kreuzen  und  neun  Schüsseln  mit  der 
Geschichte  des  David.  Die  kleineren  Stücke  aber  bildeten  einen  reichen  Schatz 
von  Schmucksachen  in  Gold  und  Edelstein.  Ein  Teil  des  Schatzes  wurde  von  der 
englischen  Regierung  mit  Beschlag  belegt;  er  befindet  sich  im  Museum  zu  Nikosia 
auf  Zypern.  Dieser  Teil  ist  ebenfalls  von  Dalton  (Archaeologia  Bd.  LX)  veröffentlicht 
worden  unter  gleichzeitiger  Aufzählung  der  Stücke,  die  über  Paris  in  den  Besitz  von 
Morgan  kamen.  Sie  sind  summarisch  besprochen  von  Dalton  im  Burlington  Magazin  X 
(19067)  und  Sambon  in  der  Zeitschrift  „Le  Musee"  1906.  Ein  dritter  Teil  kam  in 
den  Besitz  des  Verfassers  und  ist  im  Oriens  christianus  1915  veröffentlicht1.  Die 
größte  der  Silberschüsseln,  von  der  ich  ausgehe,  ist  erst  nachträglich  in  den  Besitz 
von  Morgan  gelangt. 

Tafel  VI  zeigt  die  Innenseite  dieser  49,3  cm  großen  Schüssel.  Wir  sehen  in 
drei  Streifen  übereinander  in  der  Mitte  den  Kampf  zwischen  David  und  Goliath, 
oben  die  Herausforderung,  unten  die  Tötung  des  Goliath.  In  der  Hauptgruppe  steht 
der  kleine  David  auf  einem  Hügel,  Goliath  in  einer  Senkung  des  durch  punktierte 
Blumen  und  ziselierte  Strichfolgen  in  seiner  Modellierung  wirkungsvoller  gemachten 
Bodens.  Die  begleitenden  Kriegerpaare  zu  beiden  Seiten  halten  sich  links  ruhig  zu- 
sehend, rechts  wie  zurückweichend.  Goliath  stürmt,  vom  Rücken  gesehen  und  gedeckt 
durch  den  Löwenschild  mit  erhobener  Lanze  vor  und  trägt  die  gleiche  Rüstung 
wie  die  Begleitmannschaft,  dazu  Chlamys,  hohen  Helm  mit  Feder  und  Schnürstiefel, 
die  die  Zehen  frei  lassen.  Überall  sieht  man  die  Modellierung  dieser  Kriegertracht 
durch  Punkte  und  Striche  ergänzt.  In  den  Gesichtern  erscheinen  die  Augen  ohne 
Rücksicht  auf  Vorder-  oder  Seitenansicht  als  Spitzovale,  die  schmalen  Nasenrücken 
gehen  in  einem  Zuge  in  die  Augenbogen  über,  der  kleine  Mund  ist  immer  in  den 
Winkeln  und  der  Unterlippe  betont.  Nur  ein  Kopf,  der  des  vorderen  Kriegers  links, 
weicht  von  dem  gleichartig  jugendlichen  .Typus  ab.  Uns  interessiert  in  erster  Linie 
David  in  der  Mittelszene.  Seine,  wie  bei  den  andern  in  übertrieben  kräftiger  Mus- 
kulatur herausmodellierten  Beine  stehen  fest  auf  wie  Säulen.  Er  erhebt  die  Linke 
abwehrend  mit  der  Chlamys  und  schwingt  die  im  Augenblick  noch  gesenkte  Schleuder. 
Er  trägt  ein  kurzes,  um  die  Hüften  gegürtetes  Gewand  mit  kurzen,  weiten  Ärmeln. 
Das  kurze  krause  Haar  ist  durch  Strichlagen  nachziseliert.  Im  Gesicht  ist  versucht, 
zornigen  Ausdruck  zu  geben. 

Ich  mache  hier  Halt  und  frage:  verbindet  diese  Silberschüssel  aus  Zypern 
künstlerisch  irgend  etwas  mit  dem  auf  Zypern  hindeutenden  Goldpokal  der  Städte- 


avenna  ah.  Vorort  aramäischer  Kunst,  S.  96  f. 


Strzygowski,  Altai,  Iran  u.  Völkerwanderung 


Tafel  VI 


. .. 


J.  C.  Hinrichs,  Leipzig 


C.  G.  Röder  G.m.b.H.,  Leipzig 


New  York,  Sammlung  Morgan :  Silberteller  mit  David  und  Goliat. 
Aus  dem  Funde  von  Kyrenia,  Zypern. 


i.  Die  in  Zypern  gemachten  hellenistisch-syrischen  Schatzfunde.  43 

büsten  aus  Albanien?  Auf  den  ersten  Blick  scheint  der  abgrundtiefe  Gegensatz  in 
allen  geistigen  Qualitäten  unüberbrückbar.  Die  Schüssel  weckt  die  Empfindung  der 
unmittelbaren  Nähe  eines  jedes  Motiv  auf  seine  Wirkung  wohl  abwägenden  Geistes, 
der  selbst  seelische  Erregung  auszudrücken  vermag;  im  Gegensatz  dazu  die  völlige 
geistige  und  seelische  Öde  in  den  Städtebüsten  des  Pokals  (Tafel  III  und  Abb.  2 — 5), 
uniforme  Wiederholung,  deren  einziges  Ziel  die  repräsentative  Pose  ist.  Und  doch 
läßt  sich,  glaube  ich,  ganz  deutlich  zeigen,  daß  dem  Goldschmied  des  Städtepokals 
ein  Original  vorgelegen  haben  dürfte,  das  in  der  Art  der  Silberschüssel  ausgeführt 
war.  Ich  nehme  hier  also  die  oben  S.  8/  geäußerte  Möglichkeit  auf,  daß  wir  in  dem 
Goldpokal  kein  Original,  sondern  die  Kopie  nach  einem  solchen  vor  uns  haben,  das 
in  Zypern  gearbeitet  war  —  wahrscheinlich  in  Silber.  Fürs  erste  ist  die  Tecknik 
verwandt,  das  Unterstützen  der  getriebenen  Modellierung  durch  Punkt  und  Strich- 
nacharbeitung.  Aber  das  ist  schließlich  eine  in  Arbeiten  der  Übergangszeit  häufig 
nachweisbare  Arbeitsart1.  Von  keiner  größeren  Beweiskraft  sind  auch  die  an  Augen, 
Mund  und  Nase  hervorgehobenen  Züge  verwandter  Behandlung.  Beachtenswerter 
scheint  mir  die  auffallende  Übereinstimmung  in  der  Behandlung  des  Gewandes  bei 
David  und  den  Städtebüsten:  ein  flutender  Faltenreichtum,  der  sich  in  zahlreiche 
Linienzüge  auflöst  und  besonders  der  geschweifte  Kontur  am  erhobenen  linken 
Oberarm  des  David  und  am  rechten  Oberarm  der  vier  Stadttychen.  Das  sind 
formale  Liebhabereien,  die  bei  der  hier  durch  den  Fundort,  dort  durch  die  Inschrift 
naheliegenden  Zurückführung  auf  das  gleiche  Kunstzentrum  immerhin  geltend  gemacht 
werden  können.  Der  Teller  mit  den  drei  Szenen  der  Davidlegende  gehört  nun  — 
man  beachte  die  antike  Lokalgottheit2  in  der  Szene  oben  unter  der  (syrischen  Art 
der)  Himmelsangabe  —  dem  V. — VI.  Jahrhundert  an  und  ist  jedenfalls  sicher  älter 
als  der  Goldpokal,  so  daß  für  diesen  auch  vom  chronologischen  Gesichtspunkt  aus  ein 
zyprisches  Original  aus  der  Zeit  der  Schüssel  durchaus  möglich  ist.  So,  meine  ich, 
stützen  sich  die  beiden  Denkmäler  gegenseitig  und  wir  können  mit  Wahrscheinlich- 
keit eine  Stätte  der  Silberschmiedekunst  in  Zypern  annehmen.  Vielleicht  gehören 
ihr  in  dem  albanischen  Schatze  auch  noch  andere  Stücke  und  zwar  als  Originalarbeit 
z.  B.  der  Silberkessel  an.  Die  Geschichte  der  Edelmetallarbeit  ist  noch  zu  wenig 
geklärt,  als  daß  sich  heute  mehr  als  solche  Vermutungen  äußern  ließen3. 

Was  für  das  eine  oder  andere  Stück  des  albanischen  Schatzes  möglich  erscheint, 
bleibt  für  den  Schatz  als  Ganzes  außer  Betracht,  die  Annahme  nämlich,  daß  er,  weil 
ein  Stück  auf  Zypern  weist,  etwa  als  Ganzes  von  dorther  stammen  könnte.  Es  gilt 
dies  vor  allem  für  die  Schmucksachen  aus  Gold.  Trotzdem  möchte  ich  hier  auf 
einige  Stücke  des  zweiten  auf  Zypern  gefundenen  Morgan-Schatzes  eingehen,  weil 
sie  eine  typische  Gruppe  vertreten,  der  gegenüber  der  albanische  Schmuck  erst  recht 
in  seiner  Eigenart  zur  Geltung  kommt.  Der  wesentliche  Unterschied  liegt  gleich  in 
dem  Zweck,    dem  die  beiden  Serien    von   Schmuckstücken    dienen:    der   albanische 


1)  Vgl.  meinen  Aufsatz  „Der  Silberschild  von  Kersch".     Materialien  zur  Archäologie  Rußlands  Nr.  8 
(Petersburg  1892). 

2)  Vgl.  Oriens  christianus  N.S.  V  (19 15)  S.  98. 

3)  Vgl.    das    im  Erscheinen    begriffene   Werk    von   Marc    Rosenberg,  Geschichte    der  Goldschmiede- 
kunst auf  technischer  Grundlage,   igiof. 


II.  Die  Schatzfunde  der  Yölkerwanderungszeit  aus  dem  Osten. 

Schatz  weist  ausschließlich  Beschläge,  Knöpfe  und  Schnallen  für  Riemenzeug  auf, 
der  zyprische  dagegen  gehört  jener  in  der  Antike  und  in  unserer  Zeit  üblichen  Art 
von  Schmucksachen  an,  die  um  den  Hals,  im  Ohr  und  am  Arme  getragen  werden. 
Das  für  die  Datierung  wichtigste  Stück  des  kyprischen  Fundes  ist  eine  Halskette 
mit  Medaillons,  von  denen  sich  der  größte  Teil  bei  Morgan  befindet  und  vier  große 
und  zwölf  kleine  Kaiserdarstellungen  zeigt,  die  in  einen  massiven,  schräg  ansteigenden 
Rahmen  mit  granuliertem  Rand  gefaßt  und  untereinander  durch  zwei  Ösen,  in  die 
eine  dritte  eingreift,  verbunden  sind1.  Diese  Ehrenkette  datiert  den  ganzen  Fund; 
sie  weist  eine  Münze  TheodosiusII.  (408 — 450),  vier  Medaillons  und  neun  Münzen  des 
Mauritius  Tiberius  (582—602)  und  zwei  Münzen  Konstans  II.  1642 — 668)  auf.  Da  sich 
dazu  noch  eine  einzelne  Münze,  die  in  Zypern  zurückblieb,  Konstantins  IV.  (668—685) 
gesellt,  so  ist  der  Schatz  wohl  Ende  des  VII.  Jahrhunderts  in  die  Erde  gekommen. 
Die  Entstehungszeit  der  Ehrenkette  dürfte  etwa  650  sein,  die  anderen  Stücke  könnten 
z.  T.  bis  auf  die  Zeit  Theodosius  IL  zurückgehen.  Ich  gebe  Tafel  VII  den  Typus 
der  großen  und  der  kleinen  Art,  um  aufmerksam  darauf  zu  machen,  wie  wesentlich 
verschieden  die  Formengebung  dieser  Goldmedaillons  von  der  des  Davidtellers  ist. 
Dagegen  stehen  die  Kaisermedaillons  einem  Stücke  sehr  nahe,  das  künstlerisch  und 
kunsthistorisch  wichtiger  als  die  Ehrenkette  ist,  dem  Hauptstück  eines  zweiten 
Halsschmuckes,  der  sich  aus  vier  Stücken  zusammensetzt,  von  denen  eines  in  Zypern 
zurückblieb,  während  die  andern  in  den  Besitz  des  Verfassers  kamen  -.  Tafel  VII 
zeigt  das  6,5  cm  im  Durchmesser  große  Medaillon  von  108,17  g  Gewicht.  Dazu  ge- 
hören zwei  biegsame  Schlangenketten  von  je  32,5  cm  Länge  und  67,46  g  Schwere 
und  ein  im  Museum  zu  Nicosia  aufbewahrtes  Verbindungsstück  aus  vier  Kegelstutzen 
mit  je  einem  Ring  an  jedem  Ende,  der  in  die  Doppelringe  der  Ketten  paßt,  und 
einer  Hülse  unten  in  der  Mitte,  die  zwischen  die  Doppelhülse  auf  dem  Medaillon 
eingreift.  So  haben  wir  hier  ein  vollständiges  Enkolpion  erhalten,  dessen  Medaillon 
durch  seine  Darstellungen  engeren  Bezug  auf  die  Mosaiken  an  den  heiligen  Stätten 
bei  Jerusalem,  die  Geburtsstätte  Christi  in  Bethlehem  und  den  Ort  der  Taufe  am 
Jordan   nimmt3.     Uns  interessiert  hier  nur  die  künstlerische  Qualität  dieses  in  Gold 

1)  Abb.  bei  Dalton,  Byzt  art  and  archaeology  S.  533  unten. 

2)  Sie  wurden  -am  22.  Juni  1906  in  Graz  erworben.  Ein  Grieche  aus  Zypern  brachte  sie  auf  der 
Durchreise  und  stellte  einen  Kaufbrief  aus,  der  u.  a.  folgende,  auf  Verlangen  aus  dem  Stegreif  geschriebene 
Stelle  enthält:  „Le  dil  medaiilon,  Irouve  ä  Tendroit,  oü  £tait  anciennement  la  ville  Lamboussa  (nach 
Dalton  Lapithos)  ä  l'ile  de  Chypre  (province  Cyrinia)  represente  d'un  cote  la  naissance  et  de  lautre  le 
bapteme  de  Jesus  Christ.  En  meme  temps  dans  le  meme  endroit  et  dans  le  meme  pöt  de  terre  cachete 
ils  ont  trouve  les  sous  dits  obiets.  1.  Un  collier  compose  de  9  zaphires  et  9  perles.  2.  Une  paire  de 
boucles  d'oreille  omees  tout  autour  de  perles  et  au  milieu  de  pierres  precieuses  de  couleur  violette.  3.  Une 
ceinture  en  or  composee  de  18  petits  medaillons,  attaches  Tun  ä  l'autre  ä  l'aide  de  petits  crochets,  avec 
ligures  diverses.  4.  Deux  croix  en  or:  de  la  chaine  de  l'une  pendaient  une  dizaine  d'amphores  en  or,  et 
de  l'autre  divers  ornements  en  espece  de  monnaies  et  caurs.  5.  Une  paire  de  bracelets  en  or  avec  tigures 
de  vigne  et  raisain.  Les  objets  susmentionnes  ont  ete  vendus  ä  Chypre  ä  un  Francais  il  y  a  d'ici  deux 
ans,  qui  les  a  revendus  ä  un  americaine  pour  la  somme  de  quatre  mille  cinq  cent  Livres  anglaises."  Die 
Daten,  von  einigen  eiligen  Gedäcbtnisfehlern  abgesehen,  stimmen  genau  auf  die  Schmuckstücke,  die  Morgan 
in  Paris  erworben  hat.  * 

3    Ich   will    hier  weder   auf  die  Ketten  noch  auf  die  Darstellungen  von  Geburt  und  Anbetung  unter 
ric    der  Muttergottes,   noch    auf  die  Taufdarstellung    der  Rückseite    näher    eingehen.     Darüber   aus- 
führlich  im  Orient  christianus  N.  S.  V  (1915)  S.  96f. 


trzygowski,  Altai,  Iran  u.  Völkerwanderung 


Tafel  VII 


J.  C.  Hinrichs,  Leipzig 


C.  G.  Röder  G-m.b.H, Leipzig 


Wien,  Privatbesitz :  Großes  Goldmedaillon  mit  Nachbildung  des  Fassaden- 
mosaiks von  Bethlehem  und  Taufe  Christi. 

New  York,  Sammlung  Morgan :  Teile  einer  Medaillonkette  in  Gold. 

Beide  aus  dem  Funde  von  Kvreni.i.   Zvnern. 


Strzygowski,  Altai,  Iran  u.  Völkerwanderung 


Tafel  VIII 


§W 


J.  C.  Hinricbs,  Leipzig 


C.  G.  Röder  GjtU>.h,  Leipzig 


New  York,   Sammlung  Morgan :  Schmucksachen  in  Gold  und  Edelstein. 

Aus  dem  Funde  von  Kyrenia,  Zypern. 


i.  Die  in  Zypern  gemachten  hellenistisch-syrischen  Schat/.funde.  45 

gegossenen  und  als  Erinnerung  für  fromme  Pilger  wahrscheinlich  in  Jerusalem  zum 
Verkauf  gelangten  Medaillons.  Nach  der  Schwere  des  Materials  und  der  Gußtechnik 
nähert  sich  das  Stück  schon,  vor  allem  durch  seinen  massiven,  schräg  geschnittenen 
Rand,  den  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzfundes.  Im  Zweck  aber  ist  es 
vollständig  verschieden.  Es  mag  vielleicht  von  einem  Bischof  auf  der  Brust  getragen 
worden  sein.  Die  Schlangenketten  wahren  noch  durchaus  griechische  Überlieferung, 
ebenso,  wie  die  Gestalten  nach  Haltung  und  Gewändern,  Komposition  und  dem  auf* 
Repräsentation  und  Belehrung  losgehenden  Inhalt  durchaus  im  Fahrwasser  der  spät- 
hellenistischen Bildsprache  bleiben.  Die  griechischen  Inschriften  lassen  denn  auch 
keinen  Zweifel,  daß  es  sich  um  Schöpfungen  aus  dem  Gebiete  des  Mittelmeerkreises, 
etwa  der  aramäischen  Kunst  des  VI. — VII.  Jahrhunderts  handelt.  Die  Durchbildung 
der  Gestalten  ist  nur  im  allgemeinen  wie  auf  den  Kaisermedaillen  mit  sehr  derben 
Mitteln  vorgenommen  und  nähert  sich  in  der  summarischen  Art  fast  schon  den 
Figuren  des  Städtepokals.  Nur  freilich  ist  die  Formensprache  völlig  verschieden, 
wenigstens  in  der  albanischen  Kopie.  Das  zyprische  Original  des  Pokals  mag  dem 
Medaillon  näher  gestanden  haben. 

Eine  zweite  Gruppe  von  Schmucksachen  aus  diesem  zweiten  zyprischen  Funde 
sei  hier  in  Tafel  VIII  vorgeführt1,  weil  sie  stärker  noch  als  die  Medaillons  die  alte 
hellenistische  Art,  von  der  sich  die  albanischen  Schmucksachen  so  sehr  unterscheiden, 
erkennen  lassen.  Sie  liebt  es,  das  Edelmetall  feingliedrig  und  leicht  zu  verarbeiten 
im  Gegensatz  zum  Orient,  der  das  Schwere,  Massige  schätzt.  Uns  interessieren  vor 
allem  die  Ornamentmotive.  Es  sei  gleich  gesagt,  daß  der  Morganschmuck  mehr 
die  syrische  Abart  des  Hellenismus  wiedergibt.  Das  zeigt  sich  gleich  in  dem  Grund- 
motiv der  beiden  Halsketten,  dem  an  seinen  Enden  eingerollten  Halbkreis,  den  jedes 
einzelne  Glied  bildet,  einmal  plastisch  dünn  im  Schrägschnitt  gegossen,  das  andere 
Mal  breit  aus  Blech  in  der  Fläche  zugeschnitten  und  durch  Palmetten  mit  Komma- 
schlitzen gefüllt.  Ich  habe  über  das  Motiv  Mschatta  S.  277  fr.  gehandelt.  An  diesen 
Ketten  hängen  Kreuze  mit  Rosetten  bzw.  Palmettenfüllung,  die  auch  an  den  An- 
hängern der  breiten  Kette  wiederkehren.  Diese  zeigt  den  orientalischen  Geschmack 
mehr  vorgeschritten,  während  die  dünnere  Kette  mit  den  Amphoren  und  auf- 
gesteckten Hülsen  in  durchbrochener  Arbeit  noch  mehr  hellenistische  Motive  fest- 
hält. Das  Armband  aus  Edelsteinen  mit  der  Vogelagraffe  und  der  Ohrring  mit  seinen 
Perlen  vervollständigen  den  Eindruck. 

Auch  das  Armband  mit  Weinrankenschmuck  in  durchbrochener  Arbeit  gibt 
gut  die  typisch  syrische  Art.  Die  Platte  vorn  zeigt  eine  Fassung,  wie  sie  auch,  an 
den  Goldmedaillons,  von  denen  die  Rede  war,  beobachtet  werden  kann. 

Damit  schließe  ich  die  kurze  Betrachtung  der  zyprischen  Funde  und  möchte 
nur  noch  darauf  aufmerksam  machen,  daß  die  Insel  an  und  für  sich  von  alters  her 
als  reich  an  Metallen  gilt  und  früh  schon  in  der  Toreutik  eine  Rolle  gespielt  hat. 
Dalton  freilich  war  geneigt,  eher  an  Import  zu  denken.  Er  hat  die  nötigen  Daten 
aus  der  Geschichte  der  Insel  in  der  Archaeologia  LVII,  S.  16  und  im  Burlington 
Magazin  X,  S.  354  zusammengestellt.     Für  den  jetzigen  Bestand  an  Schmucksachen, 


1)  Von  den  Ketten  ist  nur  die  Hälfte   gegeben. 


tß  II.  Die  Schatzfunde  der  Yölkerwanderungszeit  aus  dem  Osten. 

den  die  zyprische  Volkskunst  aufweist,  vergleiche  man  Magda  Ohnefalsch-Richter, 
Griechische  Sitten  und  Gebräuche  auf  Zypern  1913. 

Die  zyprischen  Funde  vertreten  einen  Kreis,  der  sich  eng  an  den  syrischen 
Hellenismus  anschließt,  in  den  sich  aber  doch  auch  schon  fremdartige  Elemente,  wie 
die  massiven  Goldränder  der  Medaillons  mit  ihren  Ornamenten  i,  dann  der  Schräm- 
schnitt  und  die  Kommaschlitze  der  Ketten  eindrängen.  In  der  Hauptsache  aber  ist 
dieser  Kunstkreis  doch  geschlossen  in  der  Qualität,  die  wir  im  allgemeinen  als  die 
späthellenistisch-syrische  bezeichnen  können.  Unser  Forschungsziel  liegt  in  der  vor- 
liegenden Arbeit  nicht  in  dieser  Richtung.  Ich  wollte  nur  einen  Maßstab  schaffen, 
an  dem  die  Eigenart  des  hier  in  Betracht  kommenden  Materials  zu  messen  sein  wird. 

Im  allgemeinen  kann  mit  Bezug  auf  das  einleitend  berührte  Problem  des 
Weltverkehres  gesagt  werden,  daß  in  der  Goldschmiedekunst  Zyperns  bis  zum 
YII.  Jahrhundert  nicht  viel  von  der  Weltbewegung,  die  sich  im  Norden  und  Süden 
abspielt,  zu  spüren  ist.  Was  sich  gegenüber  dem  Hellenismus  durchringt,  ist  die 
alte  svrische  Eigenart.  Innerasiatisches  kommt  in  dem  von  alters  her  festsreeründeten 
Metallgewerbe  der  Insel  nur  als  Einschlag  zur  Geltung. 


2.    Die   frühorientalischen    Schatzfunde    aus    der   russischen    und 
Donautiefebene  mit  Stücken  in  Zellenverglasung. 

Die  zyprischen  Schätze  gehören  durchaus  dem  Mittelmeerkreise  an.  Ihnen  steht 
gegenüber  eine  zweite  Gruppe,  die  um  den  Xordrand  des  Schwarzen  Meeres  herum 
zu  gruppieren  ist  und  sich  in  allen  Qualitäten  wesentlich  unterscheidet  von  den  Er- 
zeugnissen des  Mittelmeerkreises.  Im  Material  fällt  auf,  daß  man  das  Gold  nicht 
mehr  nach  griechischer  Art  dünn  und  leicht  verarbeitet,  sondern  massig  und 
schwer.  Dazu  kommt  eine  Vorliebe  für  das  Stehenlassen  breiter  Flächen  und  deren 
farbige  Belebung.  Die  plastische  Durchmodellierung  in  Licht  und  Schatten  tritt 
vollständig  zurück  —  soweit  nicht  mit  den  eigentlich  charakteristischen  Stücken  dieser 
Schätze  ältere  Handels-  oder  Erbware  vermengt  ist.  Diese  älteren  Einschläge  können 
sowohl  hellenistischer,  wie  sasanidischer  Art  sein.  Darauf  ist  mein  Augenmerk  nicht 
gerichtet;  ich  führe  diese  Elemente  nur  vor,  um  davon  um  so  sicherer  jene  Art  zu 
trennen,  die  bisher  gern  damit  vermengt  wurde,  deren  klare  Sonderung  aber  not- 
wendig wird,  sollen  wir  auf  dem  Gebiete  des  Ornaments  ähnlich  vorwärts  kommen 
wie  in  der  Architekturgeschichte2. 

Ich  beschreibe  zunächst  kurz  die  einzelnen  Schatzfunde  und  fasse  dann  erst 
die  bezeichnenden  Merkmale  ihres  Grundstockes  zusammen.  Dabei  muß  ausdrücklich 
bemerkt  werden,  daß  ich  nur  die  bekannten  großen  Funde  aus  Osteuropa  heranziehe. 
Das  Gesamtmaterial  findet  man  am  besten  bei  Hampel  zusammengestellt,  freilich 
nur  soweit  es  ungarischem  Boden  entstammt3.  Ich  stelle  einen  Fund  aus  diesem 
Land  an  die  Spitze. 


J.  ein  antikes  Medaillon  aus  dem  Kuban  bei  Tolstoi-Kondakov,  Ruskij  drevnosti  II,  S.  45. 
2)  Vgl.  darüber  zuletzt  „Der  Ursprung  des  trikonchen  Kirchenbaues"  Zeitschrift  f.  christl.  Kunst  1916. 
Utertümer  de«  frühen  Mittelalters  in  Ungarn.     Die  Abbildungen  vereinigt  in  Bd.  III. 


2.  Die  frühorientalisclien  Schatzfunde  aus  der  russischen  und  Donautiefebene.  47 

A.  Die  beiden  Schatzfunde  von  Szilägy  Somlyo  an  der  siebenbürgischen 
Grenze.  Der  eine  von  1797  befindet  sich  im  Hofmuseum  zu  Wien  und  umfaßt  die 
berühmten  24  Goldmedaillons  der  Kaiser  des  IV.  Jahrhunderts,  dazu  hellenistischen 
Schmuck.  Besondere  Beachtung  verdienen  die  schweren  Goldfassungen  der  Kaiser- 
medaillen. Sie  sind  mit  denen  aus  Zypern  zusammenzuhalten.  Der  zweite  Fund 
von  1890  befindet  sich  im  Nationalmuseum  zu  Budapest  und  weist  jene  Prachtstücke 
der  Zellenverglasung  auf,  die  kaum  ihresgleichen  haben.  Der  Schatz  ist  zusammen- 
fassend behandelt  von  F.  v.  Pulszky,  Die  Goldfunde  von  S-S,  Budapest  1890, 
de  Baye,  Le  tresor  de  S-S,  Paris  1892,  und  Hampel  a.  a.O.  Bd.  II  S.  15  ff.  und  III  Tafel  14  f. 
Es  handelt  sich,  von  einigen  Schalen  abgesehen,  um  Schmucksachen,  die  in  Gold 
gearbeitet  oder,  wenn  der  Kern  Silber  ist,  mit  Gold  überzogen  sind.  Die  prachtvolle 
Wirkung  der  roten  Almandine  oder  anderer  Halbedelsteine  und  Emails  auf  dem  Gold- 
grunde zeigt,   daß  nur  die  Farben,   erst  in  zweiter  Linie  die  Gestalten  entscheiden. 

Als  Beispiel  gebe  ich  Abb.  53  1  zwei  der  großen  Fibeln  und  mache  gleich  darauf 
aufmerksam,  daß  dieses  für  eine  bestimmte  Gattung  von  Gewand  bezeichnende 
Schmuckstück  im  albanischen  Schatze  nicht  vorkommt,  damit  also  sofort  das  Merk- 
mal zur  Unterscheidung  zweier  Gruppen  innerhalb  der  Funde  aus  dem  russischen 
und  ungarischen  Tieflande  gegeben  ist.  Was  die  Fibel  als  Leitmotiv  für  die  eine 
Gruppe  bedeutet,  das  sind  für  die  andere  die  Schnalle,  die  Riemenzunge  und  die  Be- 
schläge auf  Leder.  Im  übrigen  beachte  man  an  Abb.  53  die  rein  geometrischen 
Formen  der  farbigen  Zellen:  Dreiecke,  Vierecke,  Rauten,  Kreise,  Mandelmotive  u.  dgh 
Auch  wenn  Motive  von  Tieren  oder  Pflanzen  verwendet  sind,  handelt  es  sich  nie 
um  Darstellung,  sondern  immer  um  Dekoration. 

B.  Der  1837  in  Rumänien  gefundene  Schatz  von  Petroasa  im  Museum  zu 
Bukarest.  Er  ist  gleich  nach  der  Auffindung  halb  zerstört  worden,  12  Stücke  ließen 
sich  wiederherstellen.  Bearbeitet  von  Odobescu,  Le  Tresor  de  Petrossa,  Bukarest  1889/90. 
Ein  Teil  des  Schatzes  ist  ausgesprochen  hellenistischen  Ursprunges,  so  die  beiden 
Oinochoen  und  die  Patera  mit  den  Göttergestalten.  Dagegen  sind  alle  die  Stücke, 
die  auf  farbige  Wirkung  durch  Verbindung  von  Gold  und  Edelsteinen  ausgehen,  von 
der  seltsamsten  Art,  so  die  beiden  Henkelkörbe  mit  Tiergriffen  oder  die  verschiedenen 
Fibeln  und  sonstigen  Schmuckstücke.  Ich  greife  als  Beispiel  Abb.  54  den  einen  der 
beiden  Henkelkörbe  heraus.  ■  Sie  sind  der  farbigen  Steine  beraubt,  nur  der  Gold- 
körper ist  übrig  gebheben.  Man  sieht  die  massive  Durchbrucharbeit  des  zwölfeckieen 
Korbes  mit  seinem  geometrischen  Rosettenmuster  und  die  beiden  breit  ausladenden 
Henkel,  zu  denen  schräg  vom  unteren  Vertikalrande  des  Korbes  ein  Panther  empor- 
steigt. Vgl.  dazu  die  von  Supka  aufgewiesene  altarmenische  Analogie,  eine  Bronze- 
axt aus  Wan 2.     Auf  den  Henkeln  Zellen  für  farbige  Füllungen. 

C.  Ich  gehe  über  diese  beiden  Schatzfunde,  die  seit  langem  bekannt  sind,  flüchtiger 
hinweg,  um  mich  länger  bei  einem  so  gut  wie  unveröffentlichen  Fund  aufzuhalten,  dem 
Poltawaschatze.  Im  Jahre  1912  wurde  im  südlichen  Teil  des  Gouvernements  Poltawa 
in  der  Ukraine  bei  dem  Dorfe  Malaja-Pereschtschepinskaja  ein  Schatz  gefunden,  der 

1)  Nach  Hampel  III  Tafel  23. 

2)  Arch.  Ertesitö   1914,  S.  29  des  SA. 


4s 


H.  Die  Schatzfunde  der  Völkerwanderung«*  aus  dem  Osten. 


Abb.  S3:  SU-*-  (Ungarn):  Fibel.  ^Süber»it  Goldblecb  überzogen 
und  mit  Granaten  in  Zellen  besetzt. 


>.  Die  frühorientalischen   Schatzfunde  aus  der  russischen  und  Donautiefebene. 


49 


heute  in  der  Ermitage  zu  Petersburg  zu  sehen  ist  und  sich  wie  der  albanische  aus 
Goldgefäßen,  Silbergefäßen  und  Schmucksachen  in  Gold  zusammensetzt.  Es  dürfte 
daher  angezeigt  sein,  ihn  etwas  ausführlicher  zu  besprechen.  Ich  kann  das  lediglich 
auf  Grund  des  Augenscheines  und  einer  sehr  flüchtigen,  dazu  unvollständigen  Be- 
schreibung von  Sarjezky  in  den  Trudy  der  Poltawer  gelehrten  Archiv-Kommission  IX 
(1912)  tun.  Bessere  Abbildungen  wollte  ich  in  Petersburg  nicht  erbitten,  weil  die 
archäologische  Kommission  gerade  mit  einer  würdigen  Publikation  des  Schatzes  be- 
schäftigt ist l. 

a)  Goldgefäße.  Der  Poltawaschatz  weist  nicht  weniger  als  elf  Pokale  von  der 
Form  auf,  wie  sie  oben  im  albanischen  Schatze  zu  dreien  vorgeführt  wurden.  Dazu 
kommen  noch  zehn  andere  in  Silber.  Sie  sind  ungefähr  gleich  hoch  (etwas  über 
15  cm)2  und  unterscheiden  sich  von  den  albanischen  lediglich  dadurch,  daß  der  Fuß 


Abb.  54:  Bukarest,  Nationalmuseum,  Petroasa-Schatz:  Zwölfeckiger  Henkelkorb  in  Gold, 
die  Steine  ausgebrochen.     (Mach  Odobescu,  Taf.  XII). 


unten  kürzer,  die  Schale  selbst  oben"  höher  ist.  Das  geschieht  durch  Hinweglassen 
des  hohen  konischen  Unterteils  einerseits  und  Ansetzen  eines  glatten  kelchförmig 
ausbauchenden  Randes  oben.  Die  Kugel,  in  der  sich  ein  beweglicher  Gegenstand 
befindet,  sitzt  unmittelbar  über  dem  breiten  Trichterfuß.  Die  Schale  baucht  nicht 
halbrund  aus,  sondern  steigt  glockenförmig  an.  Die  Ornamente  beschränken  sich 
auf  die  gleiche  Zone  wie  an  den  albanischen  Pokalen,  d.  h.  auf  den  unteren  Teil  der 
Ausbauchung,  und  zeigen  bald  eine  muschelartige  Umfassung,  bald  einen  Palmetten- 
streifen, bald  Edelsteinfassung.  Den  oberen  Rand  des  Ornamentes  bildet  entweder 
ein  einfacher  Wulst  oder  ein  Bandornament.  Ich  gebe  hier  den  Pokal  mit  dem 
Palmettenstreifen  wieder  (Abb.  55.)  Wir  sehen  Stäbe  mit  herzförmiger  Spitze,  ein- 
mal glatt  aufsteigend,  das  andere  Mal  begleitet  von  drei  Paaren  von  Palmettenlappen, 

1)  Während  des  Druckes  finde  ich  bei  Dr.  Arne  in  Stockholm  diese  inzwischen  erschienene  amt- 
liche Publikation  des  Grafen  Bobrinsky  „Pereschtschepinski  klad"  in  den  Materialien  zur  Archäologie 
Rußlands  (russ.)  Bd.  84  (1914)  S.  in  — 120  und  Taf.  I— XVI.  Sie  wird  dem  Schatze  nicht  gerecht  und 
der  Wunsch   nach   einer  monographisch   erschöpfenden  kunsthist.  Publikation  dadurch    erst  recht  geweckt, 

2)  Vier  goldene  Pokale  abgebildet  bei  Sarjezky  S.  19. 

Strzygowski,   Altai.  ± 


50 


II.  Die  Schatzfunde  der  Völkerwanderungszeit  aus  dem  Osten. 


von  denen  die  beiden  oberen  sich  ausbauchend  mit  eingerollter  Spitze  aufrichten, 
das  dritte,  unterste  Paar  sich  nach  unten  einrollt  und  ein  Band  zum  nächsten  Stamm 
entsendet. 

Von  den  übrigen  Goldgefäßen  ist  eine  Schale  mit  den  Schalen  5 — 7  Abb.  89  im 
albanischen  Schatz  zu  vergleichen.  Auch  sie  ist  halbrund  und  ohne  jeden  Schmuck 
massiv  aus  Gold  gearbeitet  mit  21 2  YVerschok  Durchmesser  (11,11  cm)  und  56  Solotnik 
Gewicht  (238,56  g).  Sie  ist  also  kleiner  und  leichter  als  jede  der  Schalen  aus 
Albanien.     Der  Hauptunterschied  liegt  im  Mangel  eines  Griffes. 

Die  übrigen  Goldgefäße  des  Poltawaschatzes  zeigen  ganz  typisch  persische 
Formen,    so   Sarjezky  Nr.  25    die    oblonge   Palmettenschüssel    und   Xr.  29  die  hohe, 

schlanke  Kanne,  die,  in  einem  flachen  Spitz- 
oval aufsteigend,  nach  einerSeite  den  schnabel- 
förmigen Ausguß,  nach  der  andern  den  Henkel 
in  Fragezeichenform  ansetzt.  Für  beide  halte 
man  sich  an  das  schöne  Vergleichsmaterial 
bei  Smirnov,  Östliches  Silber,  Tafel  XLI,  wo 
Schale,  Schüssel  und  Kanne  nebeneinander  in 
den  bezeichnenden  Formen  abgebildet  sind, 
und  zum  Einzelvergleich  an  Tafel  XLIV — LI. 
b)  Siibergefäße.  Es  ist  eigentlich  nichts 
an  Silbergefäßen  im  Polta waschatze,  das  sich 
unmittelbar  mit  den  Silbersachen  des  alba- 
nischen Schatzes  vergleichen  ließe.  Beide 
Gruppen  sind  aber  jedenfalls  in  gleicher  Weise 
zusammengewürfelt.  Wie  der  albanische  Schatz 
seine  Silber-Zimelie  in  dem  Rautenkessel  hat, 
so  der  Poltawaschatz  in  zwei  Stücken,  die 
hier  besprochen  werden  müssen,  weil  sie 
ohne  die  Möglichkeit  einer  Widerrede  zwei 
der  Pole  bezeichnen,  zwischen  denen  die 
Schätze  der  frühen  Völkerwanderungszeit  sich  im  Osten  bewegen,  d.  h.  dem 
griechischen  Mittelmeer  und  dem  sasanidischen  Persien. 

Die  Mittelmeerkunst  ist  vertreten  durch  eine  große  Flachschüssel  (Abb.  56)  von 
60  cm  Durchmesser,  deren  Rand  teilweise  zerstört  ist.  Der  innere  Boden  zeigt  in 
der  Art  der  Buchbehälter  aus  dem  Silberschatz  von  Luksor  l  vergoldet  das  Christus- 
monogramm mit  A  und  CJÜ  auf  glattem  Grunde,  ringsum  eine  Inschrift,  dort  griechisch, 
hier  lateinisch:  „EX  AXTIQUIS  REXOVATUM  EST  PER  PATERXUM  REVE- 
RENTIS  ....  EPIS  ....  XOSTRUM  AMEX".  Eine  glatte  Schräge  vermittelt  dann  zu  dem 
ebenen  Außenrand,  der  zwischen  zwei  Lorbeerwülsten  eine  Weinranke  zeigt,  die  in 
den  Achsen  von  vier  in  Kreise  eingefügten  Kreuzen  unterbrochen  wird.  Während  die 
gleicharmigen  Kreuze  aus  Zellen  bestehen,  ist  die  Ranke  in  Relief  gearbeitet  und 
ähnlich    gefüllt,    wie    das    Rautennetz    unseres    Silberkessels.     Es    folgen    sich    Krug, 

1     Vgl.  meine   Koptische    Kunst  S.  341  f.   (Catalogue  gen.   des   anticjuites  egypt.  du  Musec  du  Caire 
Nr.  7202  und  7203.) 


Abb.  55:  Petersburg,  Ermitage,  Poltawa- 
schatz: Goldpokal. 


2.  Die  frühorientalischen  Schatzfunde  aus  der  russischen  und  Donautiefebene. 


51 


Lamm,  Eidechse,  Pfau,  Perlhuhn,  ein  Vogel  mit  erhobenen  Flügeln,  Korb,  Vogel 
mit  Traube,  Hirsch,  Fasan  usf.  dazwischen  wiederholt  Blatt  und  Traube,  im  Grunde 
punktiert  Winden.  Smirnov  ist  geneigt,  die  Persönlichkeit  des  Bischofs  Paternus  mit 
einem  Erzbischof  von  Tomi  gleichen  Namens  zu  identifizieren,  der  aus  dem  Ende 
des  V.  Jahrhunderts  bekannt  ist '.  —  Im  Gegensatz  zu  dieser  bischöflichen  Schüssel 
aus  dem  Mittelmeerkreise  ist  der  persische  Einschlag  unter  den  Silbersachen  des 
Poltawaschatzes  unwiderleglich  vertreten  durch  eine  fragmentierte  Silberschüssef 
(Sarjezky  Nr.  8),  die  den  sasanidischen  König  zu  Pferd  auf  der  Jagd  nach  rechts 
hin  sprengend  darstellt,  wie  er  den  Bogen  gespannt  hält.  Vom  Jagdwild  sind  noch 
zwei  Steinböcke  erhalten.  Es  ist  also  ein  Typus  vorauszusetzen,  wie  er  am  besten 
durch  die  Schüssel  der  Bibliotheque  nationale  (Smirnov  Tafel  XXXI)  vertreten  ist, 
die  ich  in  Abb.  57  gebe.     Dargestellt  ist  nach  der  Krone  wohl  Peroz  (459—486). 


Abb.  56:  Petersburg,  Ermitage,  Poltawaschatz :  Silberschüssel  des  Paternus. 


Diese  beiden  Schüsseln,  die  hellenistisch-christliche  und  die  persische,  umfassen 
aber  noch  nicht  den  ganzen  Umkreis  der  Kunstströme,  die  für  den  Forscher  auf 
dem  Gebiete  der  Kunst  des  Überganges  vom  Altertum  zum  Mittelalter  in  Betracht 
kommen.  Das  war  bisher  unser  Glaube,  falls  man  neben  dem  Hellenistischen  das 
Sasanidische  überhaupt  als  selbständig  zuließ. 

c)  Schmucksachen.  Die  Schmucksachen  des  Poltawaschatzes  sind  in  der  Be- 
schreibung von  Sarjezky  fast  ganz  übergangen,  besonders  fehlt  jede  Abbildung  der 
ausschlaggebenden  Gattung  vom  Typus  der  Verroterie  cloisonnee.  In  ihrem  Vor- 
handensein liegt  aber  ein  tiefgreifender  Unterschied  dem  albanischen  Schatze  gegen- 
über vor,  der  diese  Technik  nicht  kennt.  Im  übrigen  stimmen  beide  Serien  darin 
überein,  daß  der  Schmuck  nicht  den  hellenistischen  Zweck  als  Hals-  oder  Arm- 
geschmeide, auch  nicht  den  der  Schmucksachen  von  Szilägy-Szomlyo  oder  Petroasa 


i)  Vgl.  dazu  Pharmakowsky  und  Benischjewitz  in  den  ]zvjestija  der  kais.  arch.  Kommission  Bd.  49 
S.  ioif.,  wo  auch  die  griechischen  Stempel  der  Rückseite  mit  den  Namen  Zenophilos  und  Menas  und 
ein  lateinischer  Rundstempel  D[ominus]  N[oster]  Anastasius  P[ius]  Aug[ustus]  besprochen  ist. 


$2 


II.  Die  Schatzfunde  der  Völkenvanderungszeit  aus  dem  Osten. 


hat,  d.h.  als  Fibel,  sondern  wie  in  Albanien  Riemenenden,  Schnallen  und  Beschläge 
aufweist,  das  meiste  in  schwerem  Gold.     Ich  beschreibe  ganz  kurz. 

Das  Hauptstück  ist  der  Zweckbestimmung  nach  außergewöhnlich  '.    Abb.  58  zeigt 
eine  von  zwei  flachgetriebenen  Goldplatten,  Gegenstücke,  die  durch  Löcher  am  Rande 


Abb.  57 :  Paris,  Bibl.  nat.:  Sasanidische  Silberschüssel. 


als  Belagstücke  gekennzeichnet  sind.  Ich  habe  mir  auch  da  eine  genauere  Aufnahme 
versagt,  um  der  amtlichen  Veröffentlichung  nicht  vorzugreifen.  Jetzt  durch  den  Krieg 
ist  alle  Arbeit  derart  durcheinandergeworfen,  daß  ich  wenigstens  die  Skizze,  die  ich 
ohne  Maßangabe  machte,  bringen  muß.  Man  sieht  ein  Wangenblech,  das  oben  in 
einen  horizontalen  Streifen   übergeht.     Der  Außenrand  ist  mit  kleinen  Quadraten  in 

1)  Die  amüiche  Publikation  siebt  darin  Sattelstücke. 


2.  Die  frühorientalischen  Schatzfunde  aus  der  russischen  und  Donautiefebene. 


53 


doppelter  Reihe,  das  Innenfeld  ganz  mit  Palmettenranken  in  einer  Art  gefüllt,  die 
deutlich  verrät,  daß  die  Lappen  ganz  nach  Belieben  in  eine  flächenfüllende  Form 
gestreckt  wurden.  Zunächst  sind  oben  in  dem  wagrechten  Teil  zwei  herzförmige 
Motive  hintereinander  gelegt.  Dann  erst  an  der  Ecke  beginnt  die  Ranke,  zunächst 
mit  zwei  Lappen,  von  denen  sich  der  eine  aufbäumt  und  am  Ende  eine  Nase  ansetzt, 
der  andere  Glockenform  hat.  In  der  ersten  Einrollung  der  Ranke  sitzt  ein  Kreis- 
lappen und  ein  länglicher  Lappen,  ähnlich  dem  ersten,  der  sich  aufbäumt,  nur  mehr 
wie  ein  flatterndes  Band  behandelt.  Dieser  Typus  kommt  nun  rein  zur  Geltung  in 
der  folgenden  Einrollung,  wo  über  dem  Kreislappen  zwei  fast  ganz  zu  flatternden 
Bändern  umgebildete  Palmettenlappen  die  Fläche  füllen.  Die  dritte  Einrollung,  nach 
innen  gerichtet,  zeigt  ganz  neue  Formen:  über  dem  Kreislappen  bäumt  sich  zunächst 
einer  ähnlich  auf  wie  auf  dem  Goldpokal  Abb.  55  und  entsendet  ein  ganz  selbständig 
flatterndes'JBand.     Damit  ist  das  Prinzip  der  arabesken  Bildung  eingeschlagen.     Der 


Abb.  5S:  Petersburg,  Ermitage,  Poltawa- Schatz:  Wangenblech  in  Gold  (Skizze). 


zweite  Lappen  dieser  Einrollung  bäumt  sich  zu  kugelförmigem.  Ende  mit  spitzer 
Nase  auf.  Die  letzte  Einrollung  zeigt  das  gleiche  Motiv,  nur  in  die  Länge  gestreckt, 
und  dazu  zwei  kleinere  flatternde  Bänder,  eines  fragezeichenartig  ohne  Zusammen- 
hang mit  dem  Ranken stil  am  Rande  ansetzend.  Ob  diese  Wangenbleche  farbig 
gefüllt  waren,  kann  ich  nicht  sagen. 

Neben  diesem  für  unsere  Bearbeitung  des  albanischen  Schatzes  wichtigsten  Stücke 
sind  von  den  herrlichen  Schmuckstücken  des  Poltawaschatzes  noch  zu  nennen:  eine  große 
schwere  Goldschnalle  mit  viereckigem  Bruststück,  das  sich  der  Schnalle  gegenüber 
zusammenzieht  und  in  ein  kreisrundes,  großes  Ende  übergeht;  der  Rand  ist  mehr- 
streifig wie  an  den  Medaillons  in  Zypern.  Dann  zwei  Riemenenden  in  schwerem  Gold, 
außen  von  Kugeln  umrahmt,  im  Felde  mit  Zellen  in  Form  halbrunder  Schuppen 
mit  dunkler  Füllung.  Dann  ein  Riemenende  mit  einem  gleichschenkligen  Kreuz- 
Medaillon  in  der  Mitte  von  rautengeschmückten  Längsstreifen,  die  wie  das  Kreuz 
granuliert  sind.  Endlich  eine  dritte  Riemenschnalle  in  Gold  und  grün  emailliert 
mit  einem  Muster  ohne  Ende  aus  Kreisen  von  axialen  Linien  durchsetzt  sowohl  im 
oberen  Felde  wie  an  den  hohen  Vertikalrändern.    Diese  drei  Riemenbeschläge  enden 


-i  II.  Die  Schatzfunde  der  Volker«  anderungszeit  aus  dem  Osten. 

halbrund.  Eine  weitere  Goldplatte  mit  drei  Befestigungslöchern  endet  spitzbogig  und 
zeigt  auf  breitem  Grund  in  Relief  Palmettenschmuck  von  wenig  Eigenart.  Dann 
sind  noch  drei  kleinere  Schnallen  da,  eine  in  Silber,  die  beiden  andern  in  Gold,  von 
denen  die  eine  besonders  schwer  ein  Brustschild  in  Lyraform  mit  dicken  Randkugeln, 
die  Schließe  mit  stumpfen  Kegelansätzen  zeigt,  beide  Teile  mit  Edelsteinen  in  Zellen 
geschmückt. 

Das  wertvollste  Stück  bleiben  die  Goldplatten  mit  „Palmetten"-Ornamenten.  Die 
herzförmigen  Motive  doppelt  aneinandergerückt  finden  sich  auch  auf  der  recht- 
eckigen Hülse  Xr.  25,  nur  anders  gelegt  (Abb.  44).  Die  Füllung  der  Hauptflächen 
mit  Halbpalmetten  in  Rankenanordnung  ist  auch  im  albanischen  Schatze  Prinzip. 
Dabei  entstehen  hier  wie  dort  ähnliche,  wenn  auch  nicht  genau  die  gleichen  Keim- 
und  Wucherformen.  Sie  sind  an  den  Blechen  des  Poltawaschatzes  weitgehender, 
weil  eben  verhältnismäßig  größere  Flächen  zu  füllen  waren.  Immerhin  ist  deutlich 
das  Kreisblatt  am  Ansatz  der  Halbpalmetten  da,  wenn  auch  der  ausgestochene  Punkt 
fehlt.  Schnalle  16  (Abb.  30)  des  albanischen  Schatzes  gibt  gut  das  Gegenbeispiel. 
Die  kolbenartigen  Verdickungen  an  dem  Riemenende  Nr.  26  haben  hier  mehr  den 
Verdickungen  des  runden  Schmuckstückes  Xr.  25  Platz  gemacht,  wenn  sich  diese 
auch  hier  mehr  auf  die  Lappen  als  dort  auf  den  Stil  beziehen.  Ich  sehe  im 
Prinzip  durchaus  die  gleiche  Absicht  am  Werk,  die  Ranke  mit  Kreislappen-Ansatz 
auf  allerlei  Art  phantasievoll  zur  Flächenfüllung  auszunutzen.  Auch  die  Zuspitzung 
der  Bogen  im  Kontur  der  Stücke  kommt  im  Poltawaschatze,  wenn  auch  nicht  so 
regelmäßig  als  in  dem  aus  Albanien  vor,  wie  denn  überhaupt  die  Einheitlichkeit 
in  der  Ornamentik  der  Schmuckstücke  des  albanischen  Schatzes  gerade  denen  des 
Poltawaschatzes  gegenüber  deutlich  zutage  tritt.  Man  erkennt  erst  jetzt,  daß  sie  nicht 
ihresgleichen  hat  —  außer  etwa  in  den  ungarischen  Bronzen.  Die  beiden  Wangen- 
bleche des  Poltawaschatzes  kann  man  daher  diesen  beiden  Gruppen  (Albanien-Ungarn) 
nur  mit  Vorsicht  anschließen.  Im  übrigen  haben  wir  auf  den  Schmucksachen  des 
Poltawaschatzes  einen  Mischstil  vor  uns,  dem  gegenüber  die  Einheit  der  albanischen 
und  ungarischen  Sachen  doppelt  auffällt 

3.   Der  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklos. 

Der  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklos  im  Kunsthistorischen  Hofmuseum  zu  Wien 
ist  1799  im  südlichen  Ungarn  gefunden.  Er  besteht  aus  23  Goldgefäßen  und  ist 
von  Hampel,  Der  Goldfund  von  Nagy-Szent-Miklos,  Budapest  18S5  ausführlich  behandelt 
worden  (vgl.  dessen  Altertümer  I  S.  643  f.,  II  S.  401  f.  und  III  Tafel  288  f.).  In  ihm 
fehlen  Stücke  mit  Zellenverglasung;  nur  das  Hörn  ( Hampel  Nr.  17)  macht  eine  Ausnahme. 
Trotzdem  verzichtet  auch  dieser  Schatzfund  nicht  auf  die  farbige  Belebung  seiner 
Goldflächen,  die  freilich  hier  in  einer  Weise  mit  ihrem  Goldglanz  den  Ausschlag 
geben,  wie  es  auf  den  Goldsachen  mit  Zellenverglasung  nie  vorkommt.  Die 
farbige  Wirkung  wird  lediglich  durch  Punkte  oder  Striche  erzielt,  die  entweder 
einzeln,  oder  in  irgend  welchen  Gruppierungen  in  die  Goldfläche  einziseliert  erscheinen 
und  mit  einer  farbigen  Masse  gefüllt  waren.  Diese  ist  leider  ebenso  wie  die  Emaillierung 
des  Grundes   einzelner  Stücke  ausgebrochen,  so  daß  heute  nur  noch  das  durch  die 


3.  Der  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklos.  55 

Punkte  und  Striche  gerauhte  Gold  für  sich  allein  wirkt.  Wir  haben  es  also  schon 
nach  diesem  technisch  und  formal  sehr  bedeutenden  Unterschiede  mit  einer  Gruppe 
zu  tun,  die  durchaus  nicht  mit  den  Schatzfunden  in  Zellenverglasung  zusammenge- 
worfen werden  darf.  Noch  größer. sind  die  Gegensätze  gegenüber  dieser  und  der 
hellenistischen  Gruppe  in  anderen  Richtungen.  Daß  in  dem  Schatze  alle  Schmuck- 
stücke fehlen,  wird  wohl  eher  auf  einen  Zufall  zurückzuführen  sein.  Die  Funde  von 
Presztovacz  bieten  dafür  einigermaßen  Ersatz  (Hampel  I  S.  657 f.);  sie  belegen,  daß 
der  Miklos-Schatz  wie  der  albanische  zusammen  mit  Schnallen  und  Riemenbeschlägen, 
nicht  etwa  mit  Fibeln  oder  gar  hellenistischen  Schmucksachen  zu  denken  ist.  Aber 
auch  die  Gefäße  sind  von  anderer  Form  als  in  der  hellenistischen  und  der  Gruppe 
mit  Zellenverglasung.  Sie  nähern  sich  denen  in  den  Schatzfunden  aus  Albanien  und 
Poltawa.  Dort  waren  es  Pokale  in  der  Art  unserer  Speisekelche.  Davon  findet  sich  im 
Schatze  von  Nagy-Szent-Miklos  nur  ein  Beispiel,  ein  Paar  gleicher  Pokale  (Hampel 
Nr.22/3,  S.  47,  bzw.  III  Tafel  317).  Im  übrigen  weist  der  Schatz  sieben  Krüge  -oder 
besser  Flaschen  auf,  die  ebensowenig  zu  tun  haben  mit  den  hellenistischen  Oinochoen 
im  Schatz  von  Petroasa  wie  mit  den  z.  T.  hellenistischen,  z.  T.  sasanidischen  Krügen 
des  Poltawaschatzes.  Am  ehesten  ließe  sich  damit  der  byzantinische  Silberkrug  im 
albanischen  Schatze  vergleichen.  Bei  ihnen  'allen  sitzt  (ein  Beispiel  Abb.  59)  über  dem 
Rinefuß  ein  breit  ausladender  Bauch,  der  mit  einem  stark  vortretenden  Wulst  über- 
geht  in  einen  langen  schmalen  Hals.  Dieser  erweitert  sich  zumeist  nach  oben  und 
ist  oder  war  durch  einen  S-förmigen  Henkel  mit  dem  Bauche  verbunden.  Wenn 
also  auch  die  Grundform  der  des  Silberkruges  im  albanischen  Schatze  verwandt  ist 
(Abb.  19),  so  bestehen  doch  sehr  wesentliche  Unterschiede. 

Die  entschiedenste  Sonderstellung  gegenüber  den  syrisch-hellenistischen  und 
den  Schätzen  mit  Zellenverglasung  nimmt  der  Schatz  von  Nagy-S.-Miklos  ein  im 
Hinblick  auf  die  Gestalten  seines  reichen  Reliefschmuckes.  Denn  die  farbigen 
Flächen,  von  denen  die  Rede  war,  haben  nicht  rein  dekorativen  Charakter  allein  wie 
auf  den  Stücken  mit  Zellenverglasung,  sondern  kennzeichnen  soweit  dabei  figürliche 
Darstellungen  in  Betracht  kommen,  zugleich  den  Stoff.  So  vor  allem  an  den 
Füllungen  der  Medaillons  zweier  Krüge,  die  wohl  die  bekanntesten  des  ganzen  Schatzes 
sind,  des  Kruges  mit  dem  „Zangenornament"  und  des  fast  noch  reicheren  mit  der 
Reiherlandschaft.  Bevor  ich  auf  sie  eingehe,  sei  über  die  übrigen  fünf  Krüge  gesagt, 
daß  drei  von  ihnen,  der  größte,  ein  zweiter  mit  glattem  Bauch  und  ein  dritter  mit 
ausgehöhltem  Bogenmäander  sich  nahe  stehen  dadurch,  daß  zwischen  Hals  und  Bauch 
ein  Wulst  mit  Rosetten  aus  Spitzovalen  eingeschoben  ist,  wovon  seltsame  Gehänge 
herabfallen,  zweimal  mit  doppeltem  Rand.  Ich  gebe  als  Unterlage  für  die  später  er- 
folgende Herleitung  des  Motivs  eine  Aufnahme  des  Mäanderkruges  (Abb.  59).  Die  hohe 
Qualität  in  Ausnutzung  der  Glanzlichter  hat  kaum  ihresgleichen.  Die  Wirkung  wird 
noch  erhöht  durch  die  Rauhung  des  Grundes  um  die  T- förmigen  Palmettenbäume 
am  vierfach  gebuckelten  Ausfluß,  durch  die  Kannelierung  des  Halses  und  die  Fie- 
derung  des  äußeren  Gehängerandes  an  der  Schulter.  Ein  weiteres  Paar  von  Krügen 
zeigt  wieder  den  Wellenmäander,  hier  aber  aus  Kettengliedern  bestehend,  die  an 
der  engsten  Stelle  verbunden  sind.  Das  dadurch  entstehende  Feld  ist  mit  je  einem 
Schilde  gefüllt,  der  ein  farbiges  Streumuster  aus  Kreuzen  aufweist  (Hampel  Nr.  3/4.). 


r(5  II.  Die  Schatzfunde  der  Yölkerwanderungszeit  aus  dem  Osten. 

Der  Krug  mit  der  Reiherlandschaft  hat  wohl  gerade  wegen  dieser  Darstellung l 
immer  verführt,  den  Schatz  nahe  mit  der  hellenistischen  Kunst  des  Mittelmeeres  zu- 
sammenzubringen. Wie  wenig  er  damit  zu  tun  hat,  zeigen  die  figürlichen  Darstellungen, 
die  ich  an  der  Hand  des  Kruges  mit  dem  Zangenmuster  durchsprechen  möchte  (Abb. 60), 
weil  sie  sich  darauf,  durch  andere  vermehrt,  wiederholen.   Der  Krug  läßt  sich  in  einem 


Abb.  59:  Wien,  Hofmuseum:  Schatz  von  Nagy-Szent  Miklos,  Goldkrug. 

Motiv  vergleichen  mit  dem  iranischen  Pokal  aus  Albanien  (Tafel  I),  darin  nämlich,  daß 
auch  hier  der  Bauch  mit  verschlungenen  Rundfeldern,  dort  acht,  hier  vier  überzogen  ist. 
Wie  aber  auf  dem  Kruge  mit  dem  Zangenornament  das  Motiv  zu  prachtvoller  Wirkung 
gebracht  ist,  das  erinnert  stark  an  die  ältesten  persischen  Seidenstoffe,  die  Unkundige 
jetzt  für  alexandrinisch   ausgeben  wollen  '-.     Davon  unten.     Die  tonige  Wirkung  des 

l)  Vgl.  dazu   Supka,  Motivenwanderung  im   frühen  Mittelalter  (Arch.  Ertesitö   1914). 

VgL  Falke,  Kunstgeschichte  der  Seidenweberei  I  S.  55,  vgl.  dazu  Osterreichische  Monatsschrift  für 
den  Orient  XL  (1914)  S.  77  f. 


3.  Der  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklos. 


57 


Goldglanzes  ist  gesteigert  durch  zwei  Reihen  übereinandergeschobener  Scheiben,  die 
außen  begleitet  werden  von  Kugelreihen.  Wo  die  Kreise  sich  verknoten,  eine  Kreis- 
punktfüllung. Nimmt  man  zu  diesem  ornamentalen  Hauptmotiv  den  Schmuck  der 
Zwickel  un  d  das  Zangenörnament  —  von  beiden  wird  später  zu  reden  sein  — ,  so  kommen 
die  Randornamente  des  Halses  _ 

kaum  noch  in  Betracht.  Und 
doch  verdienen  sie  besondere 
Beachtung,  weil  das  untere,  auf 
dem  Wulst,  freilich  mit  schönen 
Glanzflächen  plastisch  zur  Gel- 
tung gebracht,  halbiert  an  dem 
elend  eingeritzten  Mittelstreifen 
des  albanischen  Silberkruges 
(Abb.  19)  wiederkehrt,  während 
das  andere  Ornament  oben  am 
flachen  Rande  eine  Ranke  mit 
Halbpalmetten  auf  gerauhtem 
Grunde,  also  das  Motiv  zeigt, 
das  auch  auf  den  Goldsachen 
des  albanischen  Schatzes  vor- 
kommt. Auch  fallen  an  der 
Ranke  die  schräg  geschnittenen 
Glanzflächen  auf  und  die  fast 
als  Kreislappen  wirkenden  kleine- 
ren Lappen  der  Palmette. 

Die  figürlichen  Darstell- 
ungen der  vier  Kreise  gehören 
wohl  zum  Fremdartigsten,  was 
wir  in  dieser  Art  besitzen.  Das 
eine  Feld  (Abb.  6d)  zeigt  einen 
Panzerreiter,  der  einen  Gefange- 
nen an  den  Haaren  neben  sich 
herführt  und  eine  Lanze  mit  an- 
gehängtem Fähnlein  geschultert 
hält.  Man  muß  damit  den  ara- 
mäisch-koptischen Reiterheiligen 
vergleichen l,  um  sich  des 
Gegensatzes      der       Art       des 

Nagy-S.-Miklos- Reiters  zum  Vorderasiatischen  bewußt  zu  werden.  Ich  füge  dem 
Material,  das  ich  darüber  anderwärts  veröffentlicht  habe2,  hier  Abb.  61  ein  neues 
Stück  an,  das  ich  1912  in  Luxor  bei  Todrus  erworben  habe.     Es  dürfte  der  Schirm 


Abb.  60: 


Wien,  Hofmuseum,    Schatz   von   Nagy-Szent-Miklos: 
Goldkrug  mit  Zangenornament. 


1)  Zeitschrift  für  ägypt  Sprache  XL  (1909)  S.  49  f. 

2)  Vgl.  auch  Hellenistische  und  Koptische  Kunst  in  Alexandria  S.  21  f.  und  Der  Dom  zu  Aachen  S.  6  f. 


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Die  Schatzfunde  der  Völkerwanderungszeit  aus  dem  Osten. 


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einer  Tonlampe  sein  und  hat  6,5  cm  Durchmesser.  Man  sieht  den  Reiterheiligen 
mit  dem  Nimbus,  den  Oberkörper  repräsentativ  in  die  Vorderansicht  drehend,  nach 
rechts  hin  reiten  und  mit  der  Lanze  quer  nach  einer  Schlange  stoßen.  Das  eng- 
ärmlige  Gewand  ist  quer  über  den  Leib  gezogen,  die  Füße  nackt.  Neben  ihm  links 
oben  eine  Inschrift,  die  bisher  (trotz  der  Bemühungen  von  Berchem,  Crum,  Sir 
Thompson,  Reich  u.  a.)  niemand  zu  lesen  vermochte.  Wünsch,  der  das  Rätsel  viel- 
leicht hätte  lösen  können,  ist  leider  gefallen. 

Sucht  man  nach  Analogien  für  die  Sonderart  des  Reiters  auf  dem  Krug-  von  Na^v- 
Szent-Miklos,  so  finden  sie  sich  auf  jenen  großen  Bronzekesseln,  die  in  allen  asiatischen 
Sammlungen  vorkommen,  mit  denen  aber  niemand  etwas  Rechtes  anzufangen  weiß, 
weil  sie  der  Inschriften  entbehren.    Ich  sah  zuletzt  einen  im  Museum  zu  Etschmiadzin 

^  (aus    dem   Kloster    Hagarzin)   ohne  jeden 

Schmuck  außer  Löwenköpfen  über  den 
drei  Füßen,  die  in  Hufe  endigen.  Bezeich- 
nend für  den  0,825  m  hohen  Kessel  ist, 
daß  die  0,77  m  breite  obere  Öffnung  einen 
breiten  flachen  Rand  hat,  der  in  den  Achsen 
vier  Ansätze  von  dreieckiger  Form  zeigt. 
Ein  anderes  Exemplar,  aber  reich  ge- 
schmückt, befand  sich  auf  der  Exposition 
des  arts  musulmans  1903  in  Paris  (Nr.  84 
des  Kataloges)  und  ist  von  Martin,  Ahistory 
of  oriental  carpets  S.  261  abgebildet  mit 
der  Unterschrift  „from  Upper  Mesopotamia 
or  Armenia,  decorated  with  man  of 
mongolian  type,  about  I2O0".  Das  ist 
natürlich  alles  ebenso  Konjektur  wie  die 
Datierung  auf  das  XIII.  Jahrhundert,  die 
man  in  Etschmiadzin  nennt.  Andere 
in    den    Museen    zu    Petersburg,    im  kau- 


Abb.  61 


Wien,    Privatbesitz,    Lampenschirm    in 
Ton:  Reiterheiliger. 


Kessel    dieser    reichen    Art    findet   man 
kasischen  Museum  zu  Tifljs  u.  a.  O. 

Ich  gebe  Abb.  62  u.  63  ein  Exemplar,  das  von  Gräfin  Uwarov  im  5.  Bande  von  Radde 
„Die  Samrhlungen  des  kaukasischen  Museums"  Nr.  132,  Tafel  XIII  vorgeführt  wird. 
Der  Kupferkessel  ist  0,48  m  hoch  und  ruht  auf  drei  Füßen,  denen  drei  Ösen  zum 
Aufhängen  entsprechen;  am  oberen  flachen  Rande  die  vier  Dreieckansätze.  Radde 
brachte  ihn  1885  aus  dem  Dagestan  von  den  Quellen  des  awarischen  Koissu  aus 
dem  Aul  Sumada.  Man  sieht  (Abb.  62)  in  der  Mitte  des  Bauches  eine  geometrische  Ranke 
mit  Halbpalmetten.  Eine  solche  füllt  auch  die  Mandelmotive  zwischen  den  vier  Reitern, 
die  auf  der  oberen  Hälfte  des  Kessels  erscheinen,  und  ebenso  den  Oberrand  (Abb.  63), 
dessen  Ansätze  mit  Löwenpaaren  gefüllt  sind,  die  sich  ebenfalls  in  die  geometrische 
Ranke  auflösen.  Es  ist  eine  strenge  Einheitlichkeit  in  dem  Ornament,  das  wie  auf 
dem  Kruge  von  Nagy-Szent-Miklos  seine  besondere  Färbung  in  dem  Nebeneinander 
mit  den  Reitern  bekommt.  Der  Katalog  beschreibt  diese:  auf  Mauleseln  mit  schönen 
Schabracken,  Sätteln  und  Steigbügeln,  in  langfaltigem  gegürtetem  Kaftan,  mit  spitz- 


3.  Der  Schatz  von  Nagy-Szcnt-Miklos.  59 

konischem  Helm,  das  Haar  bis  auf  die  Schultern,  der  Bart  spitz,  Fußzeug  ebenfalls 
spitz.  Zwei  halten  ein  langes,  nicht  ganz  gerades  Schwert,  die  andern  Beilchen. 
Grafin  Uwarov  nennt  die  Form  des  Kessels  sasanidisch  und  von  echtem  Sasanidentypus 
auch  die  am  Bauche  angeschraubten  Tiger.  Auch  ein  Exemplar  im  Stieglitzmuseum, 
das  ich  aus  Durchreibungen  von  Direktor  Heger  vor  mir  habe,  wird  dort  als  sasa- 
nidisch bezeichnet.  Es  stimmt  auffallend  mit  dem  von  Martin  veröffentlichten 
Exemplar  überein.  Ich  möchte  mich  bei  der  Gruppe  nicht  aufhalten,  sie  verdient 
eine  monographische  Bearbeitung1.     Mich  berührt  hier  nur  die  Verwandtschaft   mit 


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Abb.  62:  Tiflis,  Kaukasisches  Museum:  Bronzekessel,  Seitenansicht. 

dem  Kruge  von  Nagy-Szent-Miklos.  Man  möchte  glauben,  daß  die  Stücke,  die  nach 
ihren  Fundorten  auf  den  Kaukasus  und  die  Steppe  weisen,  vielleicht  bezeichnende 
Beispiele  einer  ursprünglichen  Nomadenkunst  sind. 

Eine  andere  Seite  des  Kruges,  Abb. 64,  zeigt  den  Abb.  57  gegebenen  Bogenschützen 
jedoch  auf  einem  Fabeltier.  Dieses  geflügelte  Tier  mit  Menschenkopf  wendet  sich 
mit  dem  Reiter  nach  links;  dieser  kehrt  sich  um,  nach  einem  aufspringenden  Lö- 
wen (?)  schießend.  So  ist  die  Kreisfläche  auf  das  glücklichste  gefüllt.  Die  Szene 
selbst  erinnert  freilich  sehr  an  sasanidische  Jagdstoffe  und  Silberschüsseln,  von  denen 
bereits  oben  S.  51  die  Rede  war.  Auf  ihnen  kann  die  Handlung,  das  Reiten  und 
Schießen,  in  einer  Richtung  sowohl  wie  in  der  Spaltung  der  Bewegung  nach  zwei 
Seiten  hin  ähnlich  unserem  Kruge  beobachtet  werden.  Neu  ist  nur,  daß  statt  des 
Pferdes  ein  Flügeltier  mit  Menschenkopf  in  der  Art  altmesopotamischer  Torwächter 
verwendet   ist    und    die    beiden  Menschenköpfe  seltsame  Kopfbedeckungen  tragen. 

1)  Ich  wäre  dankbar  für  Zusendung  weiteren  Materials,  das  meine  bisherigen  Sammlungen  ergänzen 
könnte.    Vorläufig  muß  ich  besonders  Direktor  Heger  danken  für  den  Hinweis  auf  Radde. 


6o 


II.  Die  Schatzfunde  der  Völkerwanderungszeit  aus  dem  Osten. 


Diese  Darstellungen  wiederholen  sich  auf  den  Schmalseiten  des  zweiten  Kruges  mit  der 
Reiherlandschaft  ,Abb.Ö5),  wo  das  Tier  mit  Menschenkopf  und  der  Reiter  in  lebhafter 
Bewegung  gegeben  sind  <  Hampel  S.  245,  Altertümer  III  Tafel  301  2  ).  Die  Kopf- 
bedeckung wechselt.  Ob  wir  es  also  auf  dem  Krug  mit  Zangenornament  mit  einer 
Darstellung  des  Bestellers,  eines  Fürsten,  in  der  Art  der  in  den  Pranidhiszenen  von 
Bäzäklik  gemalten  zu  tun  haben ',  bleibe  dahingestellt.  Auf  dem  Kruge  mit  der 
Reiherlandschaft  ist  das  Motiv  jedenfalls  rein  dekorativ  verwendet.  Meine  Aufnahme 
gibt  nur  eine  Schmalseite  des  Kruges.  Man  sieht  oben  den  stehenden  Reiher  oder 
Storch  neben  den  bekannten  schreitenden  zwischen  Lotos,   dann   den  Rosettenwulst 

mit  dem  Gehänge  darunter. 
Auf  dem  Bauche  zwischen 
den  mit  eigenartig  ge- 
sprengten Palmetten  um- 
rahmten beiden  Kreisen  der 
flachen  Seiten  zweimal  den 
Reiter  auf  dem  Flügeltier 
übereinander,  zusammenge- 
faßt durch  Zweige,  die  sich 
unten  verschränken,  hinter 
den  Reitergruppen  empor- 
steigen und  gefiederte  Blätter, 
ansetzen.  Man  vergleiche 
für  diese  Art  doch  einmal 
die  Paare  von  Rebstämmen, 
die  man  in  einzelnen  Feldern 
der  Mschattafassade  sieht2, 
und  beachte,  daß  auch  das 
Tier  mit  dem  Menschenkopf 
dort  im  ersten  Felde  auftritt 3. 
Ich  komme  auf  diese  dem 
Parteiischen  nahestehende 
Fassade  noch  zurück,  möchte 
nur  gleich  hier  anregen,  sie  vergleichend  im  Auge  zu  behalten.  Der  Krug  mit 
Reiherlandschaft  schließt  unten  nach  einer  Einziehung  mit  einem  steil  profilierten 
Fuß,  an  dem  das  Ornament,  eine  Bogenfolge  mit  dreilappigen  Aufsätzen,  wie  sie 
auch  als  Füllung  der  gesprengten  Palmetten  in  den  Rändern  der  Kreise  am  Bauche 
auftreten,  lediglich  geritzt  ist.     Dieser  Wechsel  der  Technik  verdient  Beachtung. 

Das  dritte  Feld  des  Kruges  mit  dem  Zangenornament  zeigt  einen  heraldisch 
dargestellten  Adler,  mit  einer  nackten  Menschengestalt  in  den  Fängen,  die  eine  Schale 
zu    seinem  Schnabel   emporhebt4.     Daß    es  nicht  Ganymed  sein   kann,    bezeugt  die 


Abb.  63:  Tiflis,  Kaukasisches  Museum:  Bronzekessel,  Aufsicht. 


1     Wie  Supka  (Üsterr.  Monatshefte  für  den  Orient  XLI  S.  81)  meint.    Vgl.  Le  Coq,  Chotscho  Tafel  28f. 

'  Ischatta  Taf.  VIII  und  S.  303^ 
31  a.  a.  O.  Taf.  IX. 

let  bei  Hampel,  Der  Goldfund  S.  12,  Altertümer  III  Taf.  291   und  sonst. 


Der  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklos. 


61 


weibliche  Brust.  Schon  Appelgren-Kivalo  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  es 
einen  Kunstkreis  gibt,  den  skythisch-permischen,  wie  er  ihn  nennt,  in  dem  dieses  mit 
der  indischen  Darstellung  des  Garuda,  der  eine  Naga  trägt,  verwandte  Motiv  typisch 
wiederkehrt1.     Hier  sei  gleich   auch  darauf  verwiesen,   daß  der  zweite,   flache  Krug 


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Abb.  64:  Wien,  Hofmuseum,  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklos-. 
Goldkmg  mit  Zangenornament. 


Abb.  65 :  Wien,  Hofmuseum ;  Schatz 

von  Nagy-Szent-Mildos :  Goldkrug  mit 

Reiherlandschaft  (Schmalseite). 


von  Nagy-Szent-Miklos,  an  dem  wir  schon  den  Reiter  mit  dem  Fabeltier  zweimal 
fanden,  zweimal  auch  dieses  Motiv  wiedergibt2.  (Hampel  S.  20/1,  Altertümer  III 
Tafel  299  300). 

1)  Zeitschrift  der  Finnischen  Altertumsgesellschaft  XXVI  S.  II  f.    Vgl.  Supka  a.  a.  O.,  ferner  Anzeiger 
der  phil.-hist.  Kl.  d.  Ak.  d.  Wiss.  in  Wien,    1916,  S.  9  f.  und  Festschrift  für  Bode  S.  208. 

2)  Die  Darstellung  ist  häufig  abgebildet,  zuletzt  von  Supka,  Monatshefte  f.  Kunstwiss.  !X(i9i6),  Taf.  6. 


02 


II.  Die  Schatzfunde  der  Völkerwanderungszeit  aus  dem  Osten. 


Das  vierte  Feld  des  Kruges  zeigt  (Abb.  641  eine  Tierkampfszene,  einen  Flügel- 
ereifen,  der  einen  Hirsch  überfällt.  Das  Motiv  wiederholt  sich  ähnlich  auf  einer 
der  Schalen  von  Nagy-Szent-Miklos  (Abb.  66 V,  die  ich  hier  wegen  der  eigenartigen 
Formengebung  der  Tierleiber  und  des  Ornamentes  abbilde2.  Ich  gehe  damit  auf 
eine  im  Rahmen  des  Schatzes  von  Xagy-Szent-Miklos  abzutrennende  zweite  Gruppe 
über.     Man  lese  dazu  Hampel,  Der  Goldfund  S.  76  f. 

Diese  zweite  Hauptgruppe  des  Miklos-Schatzes  bilden  Schalen  (ein  Beispiel 
Abb.    66).      Sie    unterscheiden     sich    von    denen    aller    anderen     Schätze    dadurch, 

daß  sie  mit  Schnallen 
zum  Anhängen  an  einen 
Riemen  versehen  sind.  Nur 
an  einem  Paar  kleiner 
Schalen3  findet  sich  ein 
Stiel  (Hampel  S.  34,  bzw. 
III  Tafel  309),  wie  im  Polta- 
waschatze  (Sarjezky  Nr.  3). 
Die  Schalenform  des  alba- 
nischen Schatzes  mit  kurzem 
breitem  Griff  kommt  im 
Miklos -Schatze  nur  einmal 
(Hampel  S.  29  bzw.  III. 
Tafel  303)  vor.  Außerdem 
weist  der  Miklos-Schatz 
noch  Näpfe  in  zwei  Formen 
auf,  die  in  den  andern 
Schätzen  fehlen,  dazu  ein 
Hörn,  für  das  eine  Parallele 
im  Poltawaschatz  (Sarjezky 
Nr.  43)  zu  finden  ist.  Von 
den  hellenistischen  oder 
sasanidischen  Silberschüs- 
seln oder  -schalen,  die 
sonst  in  fast  allen  Schatz- 
funden nachweisbar  sind,  ist  im  Miklosschatze  nichts  vorhanden. 

An  Stelle  farbiger  Streueinlagen  ist  in  dieser  Gruppe  eine  seltsame  Modellierung 
in  Strähnen  getreten  (Abb.  66).  Die  Zotteln  des  Löwen  sind  in  Quer-  oder  Längs- 
streifen gegeben,  die  sich  an  den  Spitzen  spiralig  einrollen.  Der  Flügel  erscheint  als 
Halbpalmette  über  spitzovalem  Ansatz.  Die  Köpfe  der  Tiere  gleichen  assyrischen 
Bildungen,  und  das  den  Grund  füllende  Ornament  besteht  aus  Palmetten  auf  Stäben, 
die  Lappen  rollen  sich  in  der  Art  kleiner  Kreisblätter  ein  und  sind  öfter  mit  ein- 
gestochenen Strichpunkten  versehen.   Besonders  deutlich  wird  diese  Art  an  den  auf 

1     Nach  einer  Aufnahme  des  k.  k.  österr.  archäologischen  Instituts  in  Wien,  wofür  ich  danke. 
2)  Vgl  über  die  Tierkampfdarstellungen  Amida  Taf.  XVI  und  S.  297,  349  und  366. 

3J  Abbildung  unten   in  Abschnitt  IV. 


Abb.  66:  Wien,  Kunsthist.  Hofmuseum:  Schale  in  Gold. 


3.  Der  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklos.  6? 

Segmentbogen  stehenden  dreilappigen  Palmetten  des  Randornamentes.  Eine  zweite 
Schale  mit  Schnalle  zeigt  im  Feld  einen  Greif  von  ähnlicher  Bildung  mit  ebenso 
eigenartigem  Ornament  (II.  39,  III  Tfl.  314).  Das  merkwürdigste  Stück  in  dieser  Hin- 
sicht ist  eine  Dose,  deren  Höhlung  außen  mit  sechs  Drachen  (mit  dreierlei  Köpfen, 
aber  immer  auf  dem  Vogelleib  mit  Palmettenschwanz)  in  Kreisen  geschmückt  ist,  die 
aus  Gliedern  langgestielter  Palmettenlappen  mit  Kreisblattendigung  zusammengesetzt 
sind.  Auch  der  Drache  ist  aus  solchen  Elementen,  ähnlich  wie  Löwe  und  Hirsch  * 
der  Schale  (Abb.  66)  gebildet.  Wo  die  großen  Kreise  zusammenstoßen,  sind  kleine 
Kreise  eingeschoben,  in  denen  heute  noch  farbige  Füllungen  sitzen;  über  und  unter 
den  Kreismitten  und  oben  am  Rande  kann  man  Emailspuren  beobachten.  Dieser 
Rand  und  die  Zwickel  sind  mit  ganz  wild  durcheinander  geführten  Palmettenstäben 
gefüllt,  die  alle  den  Punkt  in  der  Kreisblattendigung  und  bisweilen  auch  einen  Strich- 
pu  nkt  zeigen.  Der  Grund  war  mit  dunkelblauem  Email  gefüllt,  von  dem  noch  Spuren 
an  verschiedenen  Stellen  erhalten  sind.  Eine  Abbildung  der  Dose  folgt  in  einem 
späteren  Abschnitte  (IV). 

Ich  will  hier  keine  Monographie  des  Schatzes  von  Nagy-Szent-Miklos  geben; 
dieser  Ehrenaufgabe  hätte  sich  zeitgemäß  längst  das  kunsthistorische  Hofmuseum 
in  Wien  zu  unterziehen,  Riegl  hatte  dazu  den  besten  Willen.  Ich  hob  hier  nur  das 
heraus,  was  für  meine  Zwecke  wichtig  ist.  Auf  die  Stabornamentik  mit  dem  Kreis- 
lappen komme  ich  unten  zurück,  und  möchte  hier  nur  nochmals  darauf  aufmerksam 
machen,  daß  es  auch  Schmucksachen  mit  diesen  Ornamenten  gibt  —  aus  Preszto- 
vacz  und  anderen  Orten.  Hampel  hat  darüber  Altertümer  I  S.  657  gehandelt.  Auch 
davon  unten. 

Jeder  der  vorgeführten  Schatzfunde  ist  in  seinem  Bestände  so  sehr  verschieden 
von  dem  andern,  besonders  auch  im  Gebrauchszweck  der  einzelnen  Stücke,  daß  dar- 
aus auf  die  ungeheure  Mannigfaltigkeit  der  verkehrenden  Ware  geschlossen  werden 
kann.  Hält  man  daneben  einen  Schatz  der  Übergangszeit  vom  vorkonstantinischen 
Hellenismus  zur  ersten  Periode  der  Völkerwanderung,  etwa  den  Silberschatz  vom 
Esquilin  aus  dem  IV.  Jahrhundert l,  so  zeigt  sich  der  ungeheure  Unterschied  der 
kulturellen  Voraussetzungen,  ganz  zu  schweigen  von  den  älteren  hellenistischen  Funden, 
die  sich  auch  bei  Verschiedenheit  des  örtlichen  Ursprunges  doch  mehr  einheitlich 
zusammenschließen. 

Ich  habe  die  Schatzfunde  des  Ostens  aus  der  Übergangszeit  vom  Altertum  zum 
Mittelalter  in  drei  Gruppen  vorgeführt.  Die  erste  aus  Zypern  —  zu  der  ich  auch 
den  Siutschatz  in  Berlin  hätte  ziehen  können 2  —  beschränkt  sich  im  wesentlichen  auf 
Gold  und  Silber  selbst,  die  zweite  Gruppe  aus  der  russischen  und  Donautiefebene 
verwendet,  soweit  nicht  ältere  hellenistische  Stücke  dazu  gekommen  sind,  nur  Gold  mit 
Zellenverglasung  und  die  dritte,  der  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklos,  Gold  oder  solches 
mit  farbiger  Emailfüllung.  Soweit  Material  und  Technik.  Dazu  kommt  der  Gegen- 
satz im  Zweck  der  Schmucksachen   einer-,   andererseits  in   den  Formen   der  Krüo-e 


1)  Dalton,  Catalogue  of  early  Christian  Antiquities  S.  61. 

2)  Über  den  Siut-Schatz,  von  dem  nur  ein  Teil  nach  Berlin  kam,  während  sich  andere  Teile  in  den 
Sammlungen  Morgan,  Freer  und  Burns  in  Amerika  befinden,  bereitet  die  Smithsonian  Institution  in 
Washington  durch  Prof.  Dennison  ein  Tafelwerk  vor  (Mitteilung  von  Prof.  Zahn). 


64 


II.  Die  Schatzfunde  der  Yüikerwanderungszeit  aus  dem  Osten. 


bzw.  Flaschen  und  Pokale.  Weiter  sehen  wir  hellenistische  Darstellungen  neben 
christlichen  und  sasanidischen,  dazu  in  Xagy-Szent-Miklos  neben  einer  Art,  die 
wohl  noch  einen  anderen  Kreis  vertritt.  Der  Schatz  aus  Albanien  berührt  sich  mit 
jedem  dieser  Schatzfunde,  und  die  Belebung  der  Flächen  am  ehesten  mit  dem  von 
Xagy-Szent-Miklos,  soweit  die  Verwendung  von  Einlagen  oder  farbiger  Streufüllung 
in  Betracht  kommt.  Dagegen  ist  im  Verhältnis  von  Muster  und  Grund  durch  das 
Tiefendunkel  und  die  Schrägstellung  der  Flächen  zur  Erzielung  von  tonigem  Glanz 
eine  Richtung  eingeschlagen,  die  auf  den  anderen  Schatzfunden  in  dieser  Art  nicht 
vorkommt.  So  ergibt  sich  beim  Überblick  über  die  Schatzfunde  ein  buntes  Neben- 
einander, das  wohl  nicht  nur  zeitlich  und  örtlich,  sondern  vor  allem  auch  in  den 
Materialvoraussetzungen,  der  Übertragung  aus  einem  Material  in  das  andere  und  der 
Kreuzung  von  Kunstströmen  seine  Erklärung  finden  dürfte.  Diese  Erklärung  zu 
geben  sind  wir  ohne  weiteres  nicht  imstande;  aber  an  der  Hand  des  albanischen 
Schatzes  läßt  sich  immerhin  der  Weg  zeigen,  den  die  Einzelforschung  —  und  nur 
sie  kann  weiterhelfen  —  allmählich  wird  gehen  müssen. 

Ich  lasse  im  nächsten  Abschnitte  die   Gefäße    ganz    beiseite    und  wende    mich 

» 

zunächst  ausschließlich  dem  Ornament  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes 
zu,  wobei  freilich  zu  beachten  ist,  daß  die  Schale  mit  ornamentiertem  Griff  (Taf.  III  > 
die  Verbindung  zwischen  den  beiden  Gruppen  ebenso  herstellt,  wie  der  Schrägschnitt 
an  dem  Pokale  Taf.  I.  Bevor  ich  aber  diesen  eigenen  Weg  der  näheren  Untersuchung 
antrete,  sei  doch  einmal  nach  der  Art  der  Stellungnahme  der  bisherigen  Forschung 
zu  den  Schatzfunden  gefragt. 

4.  Die  bisherige  Beurteilung  der  vorgeführten  Schatzfunde. 

Die  erste  Gruppe,  die  Schatzfunde  hellenistisch-christlicher  Richtung  haben  einen 
tüchtigen  Bearbeiter  in  R.  Zahn  gefunden,  der  anläßlich  des  vorläufigen  Berichtes 
über  die  durch  Schenkung  an  das  Berliner  Antiquarium  übergegangene  Sammlung 
Friedrich  Ludwigs  von  Gans  aus  Frankfurt  a  M.  eine  eingehende  Behandlung  ver- 
spricht K  Sie  wird  sich  wohl  zu  einer  Zusammenfassung  des  ganzen  Bestandes  ver- 
wandter Funde  ausgestalten.  Zahn  erkennt  die  nahe  Verwandtschaft  der  Durch- 
brucharbeit  an  Schmucksachen  des  III.  und  der  folgenden  Jahrhunderte  mit  der 
Mschattafassade.  Er  sieht  gleich  Dalton  die  Verwandtschaft  mit  altpersischen  Gold- 
schmiedearbeiten, wie  den  von  der  iranischen  Kunst  beeinflußten  merkwürdigen 
sibirischen  Schmucksachen.  Er  führt  Belege  an  für  die  Umbildung  griechischer 
Formen  im  orientalischen  Geiste  und  ahnt,  daß  das  Schlingwerk  von  Palmetten  in 
irgend  einem  noch  nicht  erkennbaren  Zusammenhange  mit  der  später  dafür  ein- 
tretenden Bandverschlingung  steht.  Die  eingehende  Untersuchung  wird  wohl  ganz 
unzweideutig  dahin  fuhren,  den  fortschreitenden  Einfluß  der  östlichen  Kunstwelt,  wie 
wir  sie  in  diesem  Bande  in 'Ergänzung  der  Mschattaarbeit  darlegen  wollen,  an- 
zuerkennen. 

Die  Bearbeitung  der  zweiten  und  dritten  Gruppe  befindet  sich  in  keinem  so  be- 
friedigenden Fahrwasser.   Die  Hauptarbeit,  die  Vorführung  der  Schatzfunde  derVölker- 

l)  Amtliche  Berichte  aus  den  königlichen  Kunstsammlungen  XXXV.  (1913)  S.  66ff. 


4.  Die  bisherige  Beurteilung  der  vorgeführten  Schatzfunde.  65 

wanderungszeit  aus  Österreich-Ungarn  war  vom  österreichischen  Unterrichtsministerium 
in  die  Hände  von  A.  Riegl  gelegt  worden.  Dieser  traf  eine  Zweiteilung.  Der  erste 
1901  erschienene  Band  behandelt  „die  Frage  nach  den  Schicksalen  der  Kunstindustrie 
bei  den  bisherigen  Trägern  der  allgemeinen  Entwicklung  —  den  Mittelmeervölkern  — 
und  sollte  die  verbindenden  Fäden  bloßlegen,  die  zur  vergangenen  Antike  zurück- 
leiten" l.  Man  weiß,  wie  Riegl  diese  Aufgabe  löste.  Er  schuf  sich  nach  dem  Vor- 
bilde von  Wickhoffs  Bearbeitung  der  Wiener  Genesis  eine  Methode,  in  der  die  von 
der  Kunstgeschichte  völlig  vernachlässigte  systematische,  d.  h.  auf  Qualität  losgehende 
Forschung  zur  Lösung  entwicklungsgeschichtlicher  Probleme  herangezogen  wurde. 
Das  geschah  leider  in  einem  doppelten  Sinne  übereilt:  einmal,  weil  Riegl  syste- 
matisch ohne  System  vorging,  und  zweitens,  ignotum  per  ignotius,  bevor  noch  ein  irgend- 
wie befriedigender  Einblick  in  den  Umfang  des  dafür  in  Betracht  kommenden  Materials 
erreicht  war,  von  dessen  Sichtung  garnicht  zu  reden.  Dieses  Vorgehen,  so  befruchtend 
es  auch  gewirkt  hat,  wurde  zu  einem  wahren  Unglück  für  die  beginnende  systemati- 
sche Forschung  sowohl  wie  für  die  Studien  auf  dem  Übergangsgebiete  von  der  Antike 
zum  Mittelalter.  Man  lese  neben  Wickhoff  und  Riegl  daraufhin  nur  Schmarsows 
„Grundbegriffe  der  Kunstwissenschaft  am  Übergang  vom  Altertum  zum  Mittelalter, 
kritisch  erörtert  und  in  systematischem  Zusammenhange  dargestellt"  (1905).  Die  „Kunst- 
geschichte" wurde  durch  diese  Arbeiten  ohne  jeden  Übergang  aus  dem  historisch- 
philologischen Spezialistentum,  in  dem  sie  zu  ersticken  drohte,  in  das  entgegengesetzte 
Extrem  gezerrt  und  mußte  auf  solchem  Wege  Schiffbruch  leiden.  Sie  stellte  auf 
Grund  eines  völlig  unzulänglichen,  daher  unausgesetzt  irreführenden  Materials  syste- 
matische Dogmen  auf,  die  jeder  Objektivität  entbehren.  Die  Kunstforschung  wurde 
für  die  einen,  die  diesen  Dogmen  folgten,  ein  mystisches  Labyrinth,  forderte  von  den 
andern,  die  sie  umstoßen  mußten,  einen  unnützen  Kraftaufwand  und  erschwerte 
den  unbefangenen  Aufbau  der  so  dringend  erwünschten  qualitativen  Systematik  für  den 
Augenblick  ins  fast  Unmögliche.  Hildebrand -Wölfflin  taten  dann  noch  das  ihrige, 
um  jede  frei  ausblickende  Forschung  durch  Einseitigkeit  lahmzulegen.  Die  erste  For- 
derung für  die  Arbeit  auf  dem  Gebiete  der  bildenden  Kunst  vom  Ausgange  der 
Antike  und  beim  Eintritt  des  Mittelalters  muß  sein,  daß  wir  zunächst  einmal  die  Syste- 
matik in  zweite  Linie  stellen  und  vorerst  allein  die  Tatsachen  lokaler,  zeitlicher  und  so- 
zialer Natur  sprechen  lassen.  Treiben  wir  vorläufig  Systematik  da,  wo  sie  für  unsere  un- 
reifen Kräfte  am  Platze  ist,  am  einzelnen,  kritisch  gesicherten  Kunstwerk 2,  suchen  wir 
nicht  die  eine  quantitative  Unbekannte  dogmatisch  mit  der  andern  qualitativen  Un- 
bekannten zu  lösen.  Es  kommt  dabei  nur  entw'icklungsgeschichtlich  bodenlose  Ver- 
wirrung heraus3. 


i)  Vgl.  Riegl,  Die  spätrömische  Kunstindustrie  S.   1. 

2)  Vgl.  meinen  Aufsatz  „Der  Wandel  der  Kunstforschung",  Zeitschr.  f.  bild.  Kunst,  L  (1914/15),  S.  3f. 

3)  Ich  habe  darauf  schon  1902  in  meiner  Rezension  von  Riegls  „Spätrömischer  Kunstindustrie"  in  der 
Byzantinischen  Zeitschrift  XI  S.  263  ff.  hingewiesen  und  meinen  Standpunkt  in  dem  Aufsatz  „Hellas  in  des 
Orients  Umarmung"  Beilage  zur  Münchner  Allgemeinen  Zeitung  1902  Nr.  40/1  vom  18/19.  Februar  dargelegt. 
Vgl.  die  Antwort  von  Riegl  „Spätrömisch  oder  orientalisch?"  in  der  gleichen  Beilage  1902  Nr.  93^4  vom 
23/24.  April.  Meine  Arbeiten  über  Kleinasieh,  Mschatta,  die  koptische  Kunst  und  Amida  gaben  wohl  das 
nötige  Material  zur  Widerlegung.  Das  Expeditionswerk  über  Armenien  wird,  hoffe  ich,  zusammen  mit  dem 
vorliegenden  Buche  den  Schlußstein  liefern.     Über  Systematik  am  Schluß  dieses  Buches. 

Strzygowski,  Altai.  5 


66 


II.  Die  Schatzfunde  der  Yölkenvanderungszeit  aus  dem  Osten. 


Die  zweite  Gruppe  der  östlichen  Schatzfunde,  als  deren  Sammelpunkt  ich  die 
Goldsachen  mit  Zellenverglasung  genommen  habe,  hat  Riegl  auf  spätrömischen  Ur- 
sprung zurückzufuhren  gesucht.  Es  ist  hier  der  Ort,  die  Art,  wie  er  dieses  Ergebnis 
erzielt,  kurz  vorzuführen.  Zum  Ausgangspunkt  ist  die  Schnalle  von  Apahida  (Abb.  67) l 
genommen.  Das  ovale,  innen  bohnenförmig  —  wie  der  Ring  an  dem  albanischen 
Riemenende  Nr.  18  —  umgebildete  Beschlag  wie  der  ebenso  bohnenförmige  Ansatz 
für  den  Dorn  und  dieser  selbst  zeigen  die  in  Gold  gebildeten  Zellen  mit  Granatein- 
lagen gefüllt,  auf  dem  Beschlag  einen  Vierpaß  mit  draufzulaufenden  Zickzackradien 
und  auf  dem  Dorn  gegenständige  Linien  von  cv  förmiger  Schweifung.  Entscheidend 
sei,  meint  Riegl,  das  Verhältnis  von  Muster  und  Grund.  Zusammenhängend,  also 
Grund,  sei  nur  das  Gold,  die  Granateinlagen  ständen  isoliert,  also  als  Muster.    Doch 

sei  alles  getan,  um  das  Verhältnis  als  das  um- 
gekehrte —  das  Gold  als  Muster,  das  Rot  als 
Grund  —  erscheinen  zu  lassen.  Die  Kunstabsicht 
sei  also  auf  eine  oberflächliche  Verschleierung 
des  Verhältnisses  zwischen  Muster  und  Grund 
gerichtet.  Hand  in  Hand  damit  ginge  die  Her- 
stellung des  Musters  aus  solchen  Motiven,  die 
nicht  nach  der  Natur  gebildet  wären,  sondern, 
als  komplementäre  Motive  aus  der  Grundfläche 
geboren,  eine  rein  künstlerische  Existenzursache 
^M^2na»Ä  hätten.    In  dem  massigen  Gesamtumriß  kommen 

tatsächlich  das  Bohnenmotiv,  der  Vierpaß  und 
die  an  Reziprokmuster  heranreichende  Aus- 
stattung des  Dorns  mit  seinem  gewölbten  Rück- 
grat bewegt  zur  Geltung.  —  Soweit  ist  die  fein- 
sinnige Analyse,  die  ich  hier  nur  schlagwortartig 
wiederholt  habe,  richtig  und  für  die  Sichtung  des 
Materials  wichtig.  Nun  aber  kommt  die  ent- 
wicklungsgeschichtliche Anwendung.  Die  älteste 
Antike  (die  altägyptische  Kunst)  habe  danach  gestrebt,  das  gereihte  Muster  dem 
Grunde  ähnlich  ruhig  wirken  zu  lassen,  die  neue  Art  strebe  umgekehrt  danach,  den 
Grund  dem  zentralen  Muster  bewegt  anzunähern.  Die  zwischen  beiden  liegende 
griechisch-römische  Kunst  habe  diesen  Wandel  herbeigeführt,  die  Granateinlage  in 
Gold  wäre  daher  eine  spezifisch  spätrömische  Kunstübung,  die  seit  dem  IV.Jahrh. 
n.Chr.  etwa  in  Übung  sei.  So  ungefähr  ist  auch  der  Gedankengang  für  zwei  andere 
Merkmale,  die  später  zu  behandeln  sein  werden,  den  Keilschnitt  und  die  Durchbruch- 
arbeit.  Wir  fragen,  wie  Riegl  den  Beweis  für  diese  bahnbrechende  Tat  der  antiken 
Kunst  geführt  habe.  In  dem  Abschnitt  über  das  Kunstgewerbe  zieht  er  nur  die  Nutz- 
anwendung, den  Beweis  glaubt  er  in  den  Abschnitten  über  Architektur,  Plastik  und 
Malerei  erbracht  zu  haben.  Wir  werden  also  diesen  Untersuchungen  etwas  nachgehen 
en. 


Abb.  67:  Klausenburg,  Schnalle  von 
Apahida:  Gold  mit  Zellenverglasung. 


1     Nach  Riegl,    Spätrömische  Kunstindustrie  S.  172.     Der  Druckstock  wurde    mir   entgegenkommend 
-terr.  archaolog.  Institute  zur  Verfügung  gestellt. 


4.  Die  bisherige  Beurteilung  der  vorgeführten  Sckat/.funde.  ßy 

Als  Ausgangspunkt  der  Architektur  nimmt  Riegl  den  ägyptischen  Tempel  und 
sieht  ganz  richtig,  daß  die  Griechen  schließlich,  trotzdem  sie  vom  Holzhaus  ausgingen, 
doch  in  die  semitische  Strömung  einmündeten.  Sie  hätten  wie  die  Ägypter  im  Sinne 
des  gemeinantiken  Kunstwollens,  das  ein  Bauwerk  äußerlich  durchaus  als  isolierte 
Einzelform  zu  schauen  begehrte,  den  Tempel  völlig  als  abgeschlossenen  Baukristall 
behandelt.  So  auch  noch  die  hellenistische  Kunst  in  der  Rotunde.  Erst  die  spät- 
antike Kunst  begründe  den  „Massenbau",  d.  h.  die  Komposition  mehrerer  Einzelformen 
zu  einer  Einheit.  „An  den  Zentralbau  setzt  sich  nun  eine  Anzahl  halbierter  Zentral- 
bauten (Apsiden)"  usf.  Die  Wand  werde  wieder  ungegliedert  wie  im  Altori^ntalischen, 
dafür  trete  ihre  Durchbrechung  durch  Fenster  ein.  Beides,  die  Massenkomposition 
und  das  koloristische  Zusammenwirken  von  Wand  und  Durchbrechung  wären  Elemente, 
die  im  Laufe  der  okzidentalischen,  indogermanischen  Entwicklung  geworden  seien.  .  .  . 
Man  sieht,  wie  die  Schlagworte  „Massenkomposition"  —  ich  nenne  das  Gruppenbau  — 
und  „Kolorismus"  —  ich  nannte  die  Qualität  in  dieser  Zuspitzung  Tiefendunkel1  — 
eingeführt  werden.  Was  ich  Riegl  vorwarf,  daß  er  den  Orient  nicht  gekannt  habe, 
führt  ihn  hier  irre.  Er  meinte,  Publikationen  und  ein  Einzelstück  könnten  für  Reisen 
entschädigen.  Warum  ist  ihm  dann  das  Armenische  entgangen  und  die  Spuren  des 
Sakischen?  Er  hätte  sonst  gewiß  erkannt,  daß  sein  Massenbau  sakisch-armenischen 
Ursprunges  und  auch  das  die  koloristische  Wirkung  schaffende  Fenster  von  der  sakischen 
Trompenkuppel  bzw.  schon  von  den  Bauten  der  Achamaniden(Persepolis)  ausgegangen 
ist.  Ich  werde  in  meinem  Werke  über  die  altchristliche  Baukunst  in  Armenien  auf  diese 
Dinge  ausführlich  eingehen  und  verweise  vorläufig  auf  einige  darauf  vorbereitende 
Aufsätze 2.  Den  Kern  der  Sache,  die  Rassenfrage,  berühreich  unten  in  Abschnitt  IV,  l  u.  2. 

Auch  bei  Behandlung  der  Plastik  geht  Riegl  von  Ägypten  aus  insofern,  als  er 
das  am  Objekt  klebende  Sehen  als  gemeinantik  hinstellt.  Die  Ägypter  hätten  mit 
dem  Körperschatten  in  der  Ebene,  die  Griechen  auch  nach  der  dritten  Dimension 
gearbeitet.  Der  entscheidende  Umschwung  in  spätrömischer  Zeit  liege  in  der  Ein- 
führung des  Raumschattens:  Der  Schatten  mußte  als  etwas  den  Körper  von  außen 
Einhüllendes  erscheinen,  das  ihn  auf  allen  Seiten,  und  somit  auch  auf  der  Rückseite, 
von  der  Umgebung  loslöst.  Auch  diese  Neuerung  bezeichnet  Riegl  als  ein  okzidentales 
Element.  Ich  habe  schon  in  meinem  Mschatta  S.  271  ff.  gezeigt,  daß  dieses  Tiefen- 
dunkel —  ein  Schatten  ist  das  nicht  mehr  —  von  Persien  ausgeht  und  komme  darauf 
unten  noch  zurück.  Riegl  kennt  eben,  wenn  er  vom  Altorientalischen  spricht,  immer- 
nur  das  Ägyptische  und  Mesopotamische,  also  die  beiden  semitischen  Kunstströme. 
Er  ahnt  nicht,  daß  daneben  eine  selbständige  arische  Kunst  bestand,  die  wir  freilich 
nur  rekonstruieren  können:  ihre  Denkmäler  sind  infolge  ihres  Materials,  des  Luft- 
ziegels mit  farbiger  oder  Stuckverkleidung,  verloren  oder  wegen  der  Unzugänglichkeit 
Ostirans  noch  nicht  wieder  ausgegraben.  Aus  Material  und  Technik  erklärt  sich  zum 
guten  Teil  das  Aufkommen  des  Tiefendunkels3.   Also  auch  im  Gebiete  der  Skulptur 


x)  Mschatta  S.  271. 

2)  Monatshefte  f.  Kunstwiss.  VIII  (1915)  S.  349  f.  und  Zeitschrift  f.  christliche  Kunst  XXVIII  (1916), 
S.  181  f.  Ein  dritter  Aufsatz,  der  frühest  entstandene,  über  die  Entstehung  der  Kreuzkuppelkirche  lag  lange 
unveröffentlicht  beim  Verleger  der  Zeitschrift  f.  Geschichte  der  Architektur  und  ist  jetzt  im  Druck. 

3)  Vgl.  Monatshefte  a.  a.  O.  S.  36of. 

5* 


£g  in.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

kehren  sich  die  Beweise,  die  Riegl  zu  erbringen  glaubte,  gegen  ihn.  Die  Einführung  des 
Tiefendunkels  ist  weder  eine  spätrömische  und  noch  weniger  eine  spezifisch  okzidentale 
Tat.  —  Das  Gebiet  der  Malerei  tritt  bei  Riegl  zurück.  Dafür  ist  Wickhoffs  „Wiener 
Genesis"  einzustellen,  mit  der  sich  schon  mein  „Orient  oder  Rom"  in  der  Einleitung 
auseinandergesetzt  hat  K 

Wir  gehen  nun  auf  die  dritte  Gruppe  der  Schatzfunde,  den  Schatz  von  Xagy- 
Szent-Miklos  über,  den  ich  als  eine  Gruppe  für  sich  vorgeführt  habe.  Er  ist 
wie  gesagt  bearbeitet  worden  von  J.  Hampel,  Der  Goldfund  von  Nagy-Szent- 
Miklos,  sog.  „Schatz  des  Attila",  Beitrag  zur  Kunstgeschichte  der  Völkerwanderungs- 
zeit (1885).  Hampel  war  klassischer  Archäologe,  hat  aber  doch  neben  den  antiken 
orientalische  und  barbarische  Elemente  anerkannt,  wenn  er  auch  mit  aller  Fahnen- 
treue darauf  aus  ist,  so  viel  als  möglich  antike  Vorbilder  aufzutreiben.  Seine  erste 
Annahme,  daß  der  Schatz  schon  im  V.  Jahrhundert  im  Besitze  zweier  gepidischer 
Fürsten  war,  hat  er  später  selbst  aufgegeben,  als  ich  auf  Grund  der  Inschrift  der 
einen  Schale  auf  den  Zusammenhang  mit  den  Bulgaren  hinwies.  Von  diesen  Namen 
und  Titeln,  von  der  Kunst  der  Zeltnomaden,  den  Metallarbeiten  der  Altaier  und 
von  Supkas  Entdeckung  des  Türkischen  in  den  „Runen"-Inschriften  wird  unten 
ausführlich  zu  sprechen  sein.  Wenn  man  sich  überzeugen  will,  welches  Stilleben 
in  Deutschland  in  bezug  auf  die  Völkerwanderungsfunde  seit  Riegl  und  Hampel 
herrscht  —  die  man  nicht  einmal  gründlich  liest  — ,  so  nehme  man  das  Reallexikon 
der  germanischen  Altertumskunde  zur  Hand,  worin  II  S.  265  ff.  die  Goldschmiede- 
kunst der  Völkerwanderungszeit  behandelt  ist.  Vielleicht  werden  jetzt  endlich  poli- 
tische Interessen  die  Herren  aus  dem  Halbschlaf  wecken. 

Entwicklungsgeschichtlichen  Problemen  aus  der  Zeit  des  Überganges  von  der 
Antike  zum  Mittelalter,  wie  sie  Riegl  zu  spinnen  suchte,  läßt  sich  vorläufig  nicht  mit 
systematischen  Dogmen  beikommen.  Wir  müssen  sehr  im  Kleinen  arbeiten,  wenn  wir 
< mühselig  genug)  weiter  kommen  wollen  2.  Einen  solchen  Versuch  möchte  ich  nachfolgend 
bezüglich  der  Ranke  auf  den  albanischen  Schmucksachen  machen.  Die  Frage  nach 
ihrer  Art  und  der  Versuch,  ihrem  Ursprung  nachzuforschen,  soll  im  Mittelpunkte 
der  vorliegenden  Arbeit  stehen.  Auch  da  stoße  ich  wieder  mit  Riegischen  Dogmen 
zusammen. 


III.    Die  geometrische    Ranke   der   Schmucksachen    des 

albanischen  Schatzes. 

Das   Ornament   der   Schmucksachen    des    albanischen   Schatzes,    die  ja  dessen 
stärkste  Einheit  bilden,  ist  schon  bei  der  Einzelbeschreibung  der  Stücke  zur  Genüge 


1)  In  einer  Buchhandlung    in  Stockholm  bekam    ich    eben    ein    neues  Buch    von  Mrs.  Arthur  Strong 
in  die  Hand:    „Apothcosis    and    after   life.     Three   lectures   on  certain   phases   of  art   and    religion    in    the 

ain  Empire".   London,   191 5.     Ich  sah  nicht,  daß  es  Qualitätsfragen  behandelt  oder  auf  das  Ornament 
cht. 

2)  l  ber  Aufsätze,    die    in  dieser  Art   vorgehen,    vergleiche    man    meine    fortlaufende   Bibliographie    in 

'tinischen  Zeitschrift.     Sic  wird  leider  von  den  Kunsthistorikern  nicht  genutzt. 


i.  Das  Problem  der  Ranke.  69 

gekennzeichnet  worden.  Es  ist  auf  den  schweren  Gußformen  im  Schrägschnitt,  öfter 
durchbrochen  ausgeführt  und  setzt  sich  im  wesentlichen  zusammen  aus  einer  Ranke 
mit  dem  besonders  charakteristischen  „Kreislappen"  und  Halbpalmetten.  Daneben 
kommt  die  Vollpalmette  nur  verkümmert  vor.  Dafür  sind  andere  Formen,  scheinbar 
Spaltungen  der  Palmette  zu  beobachten,  wie  die  schräg,  gleich  Keulen  auseinander- 
stehenden Lappen  von  Nr.  17,  das  Wirbelmotiv  auf  Nr.  18,  die  Ranke  ohne  Ende 
mit  wuchernden  Verdickungen  des  Stieles  Nr.  23,  die  kandelaberartige  Anordnung  aut 
Nr.  24,  die  herzförmige  Umfassung  von  Nr.  25,  die  S-förmige  Führung  von  Nr.  26/7 
u.  a.  m.  Vor  allem  war  dann  auch  noch  der  spitz-hufeisenförmige  Umriß  neben  dem 
Kielbogen  an  den  meisten  Beschlägen  hervorzuheben  und  der  Bohnenausschnitt 
von  Nr.  18.  Es  wird  nun  zunächst  unsere  Aufgabe  sein,  den  Ausbreitungsbezirk 
dieser  Ornamentik  festzustellen.  Dabei  aber  soll  uns  nicht  nur  das  Hauptmotiv  nach 
der  gestaltlichen  Seite  hin,  der  Kreislappen  und  die  Halbpalmette  leiten;  viel 
wichtiger  ist  das  formale  Motiv,  die  eigenartige  farbige  Wechselwirkung  zwischen 
Muster  und  Grund. 

Davon  war  ja  auch  schon  bei  der  Beschreibung  der  Schmucksachen  die  Rede. 
Die  Kreisblattranken  ragen  nicht  in  breiter  Fläche  über  eine  im  Sinne  der  Antike 
gleichmäßig  vertiefte  Grundfläche  empor,  sondern  die  zwischen  ihnen  freibleibenden  Aus- 
schnitte sind  in  die  Wirkung  des  Musters  einbezogen,  beleben  es  farbig.  Nur  ausnahms- 
weise tauchen  Stellen  eines  flachen  Grundes  oderDurchbrechungen  auf;  im  allgemeinen  ist 
der  Raum  zwischen  den  Ranken,  Kreislappen  und  Palmetten  vielmehr  in  hellen  Glanz 
oder  kräftiges  Dunkel  gelegt,  Modellierung  und  Grundfläche  vermieden.  Das  Mittel 
dazu  ist  der  Schrägschnitt  oder  —  wie  ihn  Riegl  genannt  hat1  —  der  Keilschnitt. 
Riegl,  der  das  Neue  richtig  sah,  kam  nur  mit  seiner  dogmatischen  Erklärung  dieser 
eigenartigen  Kunstform  aus  dem  spätrömischen  Kunstwollen  in  arge  Verlegenheit, 
weil  die  koloristische,  nach  seiner  Meinung  in  mittelrömischer  Zeit  einsetzende  Ent- 
wicklung nicht-  konsequent  festgehalten  wurde  —  wie  er  selbst  -andeuten  mußte  — , 
sondern  in  Rom  sehr  bald  wieder  in  die  antike  Art  der  plastischen  Isolierung 
des  Motivs  verfiel.  Die  Sache  liegt  eben  so,  daß  sich  mit  jener  Gruppe,  von  der 
Riegl  ausging,  den  spätrömischen  Keilschnittbronzen,  kein  neues  antikes  Kunst- 
wollen, sondern  ein  anderer  fremder  Kunststrom  im  Bereiche  des  römischen 
Reiches  durchsetzte,  dessen  -Ziel  die  farbige  Flächenwirkung  und  die  Auflösung 
des  Motivs  war,  nicht  die  plastische  Modellierung  des  Einzelmotivs,  wie  sie  die 
Antike  liebte.  Davon  war  schon  gelegentlich  der  Bearbeitung  der  Mschatta-Fassade 
ausführlich  die  Rede2  und  es  wird  darauf  unten  nochmals  zurückzukommen  sein. 

In  den  Schmucksachen  unseres  Schatzfundes  liegen  deutlich  beide  Richtungen  neben- 
einander, wie  sie  denn  auch  tatsächlich  nebeneinander  bestanden  und  nicht  die  eine  als 
ein  veraltetes  römisches  Kunstwollen  durch  einen  neuen,  ebenso  römischen  Geschmack 
verdrängt  wurde.  Nicht  einmal  in  der  von  Altai -Iran  ausgehenden  asiatischen 
Kunst  des  Mittelalters,  der  islamischen,  herrscht  die  eine  Art  ausschließlich,  geschweige 
denn  in  den  Übergangsformen  und  der  mittelalterlichen  Kunst  des  Abendlandes. 


11  Spätrömische  Kunstindustrie  S.  154  f. 

2)  Jahrbuch  der  kgl.  preuß.  Kunstsammlungen  XXV  (1904)  S.  271  f. 


-q  in.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

i.  Das  Problem  der  Ranke. 

Riegl  hat  in  seinen  „Stilfragen,  Grundlegungen  zu  einer  Geschichte  der  Orna- 
mentik" (1893)  schon  acht  Jahre  vor  der  „Spätrömischen  Kunstindustrie  in  Österreich- 
Ungarn"  (1901)  den  für  einen  neueren  Kunsthistoriker  kühnen  Versuch  gemacht,  die 
Geschichte  der  Rankenornamentik  bis  zum  Eintritt  des  Mittelalters  zu  schreiben.  Er 
ist  zu  dem  Ergebnis  gelangt  1 S. XIII),  daß  die  bewegliche,  rhythmische  Pflanzenranke 
in  sämtlichen  altorientalischen  Stilen  fehle  und  zuerst  auf  nachmals  hellenischem  Boden 
in  der  mykenischen  Kunst  auftrete.  Die  Blütenmotive  der  hellenischen  Ornamentik, 
meint  er,  mögen  orientalischer  Abkunft  gewesen  sein:  ihre  in  schönen  Wellenlinien 
dahinfließende  Rankenverbindung  aber  sei  spezifisch  griechisch.  Es  wäre  im  kausalen 
Zusammenhange  des  menschlichen  Kunstschaffens  aller  bisherigen  Geschichtsperioden 
begründet,  wenn  sich  herausstelle,  daß  die  Ranke  von  Hellas  aus  sowohl  nach  dem 
Abendlande,  wie  in  das  islamische  Morgenland  gegangen  sei.  Die  Anschauung,  daß 
die  Kunst  da  und  dort  ihren  spontanen,  autochthonen  Ursprung  genommen  habe,  sei 
antihistorisch  iS.  XVII),  es  sei  vielmehr  ein  natürlicher  Vorgang,  die  antike  Kunst 
zum  Ausgangspunkt  der  frühmittelalterlichen  auch  auf  orientalischem  Boden  zu  machen. 

Riegl  kannte  Ägypten  und  Mesopotamien.  Damit  hört  in  den  Stilfragen  (vgl.  S.  109) 
die  asiatische  Kulturwelt  auf  und  er  bleibt  eng  im  Kreise  der  Forschung,  die  man 
sich  gewöhnt  hat,  die  historische  zu  nennen.  Daß  Ägypten  und  Mesopotamien  nur 
der  Europa  bezw.  dem  Mittelmeer  nahe  gerückte  Teil  Asiens  waren  und  daneben 
noch  andere  große  Kulturen  wie  die  indische  und  chinesische  in  Betracht  kommen, 
ganz  abgesehen  von  den  Nomaden  und  Nordvölkern,  das  wurde  in  den  Stilfragen 
und  wird  heute  noch  außer  acht  gelassen.  Riegl  selbst  sieht,  daß  mit  der  myke- 
nischen Kunst  ein  neues  Element  in  den  Kreis  des  alten  Orients  tritt.  Statt  dem 
nachzuforschen,  deutet  er  an,  daß  es  doch  nur  der  griechische  Boden  gewesen  sei, 
der  den  Wendepunkt  gezeitigt  habe.  Und  genau  so  macht  er  es  —  was  uns  hier 
näher  angeht  —  der  Arabeske  gegenüber.  Er  hatte  mit  seinem  Buch  über  alt- 
orientalische Teppiche  1891  Widerspruch  erfahren  gerade  im  Hinblick  auf  die  darin 
vertretene  These  der  inneren  Verwandtschaft  der  spätantiken  Kunst  mit  den  „saraze- 
nischen" Dekorationselementen  und  daß  der  offenbar  völlig  fremdartige  Charakter  der 
islamischen  Kunst  lediglich  die  Folge  des  Prozesses  der  allmählichen  Anbequemung 
der  antiken  Formen  an  das  Schema  einer  durchgängigen  Flächenverzierung  gewesen 
sei.  Dafür  sollten  nun  die  Stilfragen  den  schlagenden  Beweis  liefern.  Riegl  kam 
damals  aus  der  Beschäftigung  mit  der  Textilsammlung  des  österreichischen  Museums 
in  Wien  her.  Er  schlug  sich  mit  den  Semperianern  herum,  die  die  These  des 
Meisters,  beim  Werden  einer  Kunstform  kämen  auch  Stoff  und  Technik  in  Betracht, 
einseitig  ausbeuteten.  Diesem  Treiben  setzte  Riegl  seine  Überzeugung  von  der 
treibenden  Kraft  des  „Kunstwollens"  entgegen,  eine  neue  Bezeichnung  für  das,  was 
man  bis  dahin  Geschmack  genannt  hatte  l.  Dabei  übersah  er  die  erste  und  wichtigste 
Folgerung,  daß  nämlich  das  Kunstwollen  eine  Sache  ist,  die  von  tausend  Zufällig- 
keiten, wie  Mode,  Weltverkehr,  Eroberung,  Macht  usw.  abhängig  ist,  selten,  am  aller- 

!.  Riegl  selbst  „Spätrömische  Kunstindustrie"  S.   125. 


1.  Das  Problem  der  Ranke.  J\ 

wenigsten  aber  in  einer  so  bewegten  Zeit,  wie  es  die  spätrömische  ist,  sich  unabhängig 
und  auf  sich  gestellt  entwickelt.  Die  Künstler  und  Handwerker,  die  in  Rom  und 
Byzanz  zusammenströmen,  die  Völker  des  Orients,  die  erstarkt  in  die  Kultur  der  Zeit 
einoreifen  und  nicht  zuletzt  der  wachsende  Weltverkehr  wirken  ganz  gehörig 
umstürzend  auf  den  römischen  Geschmack.  Entscheidend  aber  sind  für  diese 
Zeit  Bewegungen,  die  seit  Jahrhunderten  von  fernher  durch  das  nordöstliche  Iran 
vorstießen  und  nun  mit  einem  Mal  in  die  unmittelbare  Nähe  der  Hauptstädte  getragen 
wurden:  die  der  Nomaden  und  Nordvölker.  Ihr  Geschmack  mußte  ein  anderer  sein 
als  der  der  alten  Oasenvölker  und  ihrer  Nachkommen,  der  Vertreter  von  Hochkulturen, 
wie  der  Griechen  und  Römer."  Daß  aber  der  Umschwung  in  spätantiker  Zeit  sich  vom 
Osten  her  aus  dem  Eintritt  dieses  mit  chinesischen  und  indischen  Elementen 
durchsetzten  Geschmackes  in  den  Kunstkreis  des  Mittelmeeres  erklärt,  was  ich 
nachzuweisen  hoffe,  übersah  Riegl  vollständig.  Er  wurde  damit  nur  ein  Opfer  der 
„historischen"  Forschungsrichtung,  in  die  er  eingezwängt  war  —  zu  einer  Zeit,  in  der 
Jakob  Grimm  der  vergleichenden  Sprachforschung  längst  die  neuen  Wege  gewiesen 
hatte.  Es  gibt  gar  kein  Gebiet,  das  so  berufen  wäre,  diese  Wege  als  die  für  Eu- 
ropa in  Zukunft  neben  den  alten  humanistischen  maßgebenden  zu  erweisen,  wie  die 
Forschung  über  bildende  Kunst.  Dafür  sollen  die  Untersuchungen,  in  die  wir  jetzt 
eintreten,  den  Versuch  eines  Beweises  erbringen. 

Was  bei  Riegl  aus  seinem  Studienzusammenhang  erklärlich  ist,  das  reden  bis  auf 
den  heutigen  Tag  gedankenlos  Leute  nach,  von  denen  man  erwarten  könnte,  daß  sie 
klarer  sähen.  Ich  ziele  hier  in  erster  Linie  auf  den  unten  zitierten  und  einen  Artikel 
über  die  Arabeske  in  der  Enzyklopädie  des  Islam  (I  S.  380  ff),  der  freilich  eine  un- 
überlegte, die  Vorarbeiten  verschweigende  Auslassung  ist.  Ich  hebe  daraus  nur  den 
Satz  hervor,  der  für  uns  bezüglich  der  ,Pflanzenranke'  (Arabeske)  in  Betracht 
kommt:  „Ihre  Abstammung  ist  sicherlich  das  Rankenornament  der  Antike,  mit 
seiner  konventionellen,  immer  unrealistischen,  wenn  auch  realistisch  dargestellten 
Flora  der  Palmette,  des  Akanthus  und  daraus  differenzierter  Elemente".  Dieser  An- 
schauung der  humanistisch  gerichteten  Schule  stelle  ich  in  diesem  Buche  die  Über- 
zeugung gegenüber,  daß  „Antike"  und  „Arabeske"  nichts  miteinander  zu  tun  haben, 
die  eine  vielmehr  mit  Vorliebe  von  der  Natur  ausgeht,  die  andere  aber  von  vorn- 
herein geometrischen  Ursprunges  ist.  Da  Riegls  Ansichten  die  gangbaren  sind, 
wird  man  verstehen,  wenn  ich  die  Rankenornamentik  der  Schmucksachen  des 
albanischen  Schatzfundes  als  Gelegenheit  benutze,  in  der  Sache  neuerdings  —  denn 
schon  Mschatta  hätte  in  dieser  Richtung  die  Augen  öffnen  sollen  —  das  Wort 
zu  ergreifen.  Auch  fordert  mich  ein  von  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften 
in  ihren  Schriften  geduldeter,  unqualifizierbarer  Angriff  unmittelbar  dazu  heraus  l. 

Der  schwere  Irrtum  Riegls  und  seiner  Übertreiber  liegt  darin,  die  Palmettenranke 
für  ein  Pflanzenornament  anzusehen.  Das  ist  die  Ranke  in  einzelnen  hohen 
Oasenkulturen.  Nicht  nur  bei  den  Griechen.  Da  es  Zeit  ist,  daß  der  zünftige  Kunst- 
historiker neben  dem  Mittelmeerkreise  auch  die  anderen  Treibhäuser  hoher  Kunst 
beachten  lernt,  seien  hier  einige  Beispiele  der  Ranke  aus  Indien  vorgeführt. 


1)  Sitzungsberichte  der  phil.-hist.  Kl.   178.  Bd.,  5.  Abh.  „Problem  oder  Phantom'1. 


72  III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

Indischer  Naturalismus  und  Ursprung  der  Weinranke  von  Mschatta. 
Zwar  sind  die  ältesten  Denkmäler  des  indischen  Stammlandes,  die  Stupen  von  Santschi, 
Barahat  und  Amaravati •  erst  in  den  Jahrhunderten  um  Christi  Geburt  entstanden,  aber 
die  Kunst,  die  sich  in  ihnen  auslebt,  ist  im  Gegensatz  zur  Gandharakunst  eine  vom 
Mittelmeer  unabhängige.  Sie  bietet  die  Grundlage,  auf  der  es  mit  der  Zeit  gelingen 
muß,  die  Entwicklung  der  vorarisch-bodenständigen  Kunst  Indiens  aus  einer  Fülle  von 
Atavismen  herauszuschälen.  Ich  stelle  in  Taf.  IX  drei  der  ornamentierten  Schmal- 
seiten der  vier  Tore  des  Stupa  von  Santschi  nebeneinander.  Alle  zeigen  die  Ranke 
verwendet,  entweder  im  Mittelfelde  selbst  oder  als  schmale  Bändern  am  Rande,  nur 
am  linken  Xordpfeiler  fehlt  dieser  Rand.  Doch  ist  gerade  an  der  Aufnahme  dieses 
Pfeilers  (Taf.  IX,  rechts)  im  Hintergrunde  zu  sehen,  daß  die  Ranke  nicht  nur  an  den 
Hauptflächen,  sondern  auch  sonst  an  den  Toren  des  Stupa  immer  wieder  als  Rand- 
streifen vorkommt.  Sie  hat  nichts  zu  tun  mit  der  Palmettenranke,  sondern  ist  eine 
richtige  Pflanzenranke,  in  den  meisten  Fällen  auf  Lotos  zurückgehend.  Daneben  finden 
sich  alle  möglichen  Abarten  bis  zur  Einfügung  von  Girlanden  und  ganzer  Landschaften 
in  die  Rankenwindungen.  Die  Palmette  kommt  unabhängig  von  der  Ranke  vereinzelt 
vor.  Ich  werde  sie  bei  der  kurzen  Beschreibung  der  Abbildungen  hervorheben. 
Taf.  IX,  Mitte  zeigt  den  Grundtypus  (Osttor).  Der  dicke  Lotosstiel  wird  von  Knoten 
mit  Kelchblättern  durchsetzt,  die  Lotosblume  erscheint  in  den  verschiedensten  An- 
sichten, oft  ohne  Verbindung  mit  dem  Stiel,  ist  rein  im  Nebeneinander  ihrer  verschie- 
denen Entwicklungsstadien  und  Ansichten  gegeben,  dazwischen  wie  in  einer  Land- 
schaft Enten.  Am  Rande  eine  andere  Ranke  mit  gleichem  Stiel,  aber  gefüllt  mit 
Rosetten  und  Fruchtzöpfen.  Die  andere  Seite  des  gleichen  Tores  zeigt  Abb.  3  bei  Grün- 
wedel, Buddhistische  Kunst  in  Indien  S.  19.  Am  Westtor  (Taf.  IX,  links)  ist  am  Rande 
wieder  die  Lotosrahke  verwendet,  das  Mittelfeld  aber  mit  einem  Kandelaber2  gefüllt, 
der  aus  oben  langgestielten  Lotosblüten  besteht.  Darüber  kreuzen  sich  Lotoszweige, 
begleitet  von  gefiederten  Blättern 3,  auf  denen  Paare  von  Löwenreitern  diagonal  nach 
oben  gruppiert  sind.  Im  obersten  Feld  ein  Stamm  mit  gefiederter  Palmette;  einem 
Paar  Weinblättern  und  stark  herausprofilierten  langstieligen  Kreislappen.  Taf.  IX,  rechts 
endlich  vom  Nordtore  zeigt  das  Mittelfeld  ganz  ausgefüllt  mit  solchen  gefiederten 
Palmetten,  in  Kandelaberform  übereinander  geordnet.  Als  Krönung  über  einer  Lotos- 
blume das  heilige  Zeichen,  unten  mit  einem  Lotosmedaillon  mit  Ranke,  der  Aufsatz 
darüber  mit  einer  Weinranke.  Von  oben  her  hängen  Sträuße  von  Mohn,  Lotos, 
gefiederten  Blättern  und  Girlanden  herab.  Den  besten  Schlüssel  zu  dem  realistischen 
Geiste,  der  die  indische  Kunst  durchsetzt,  bieten  die  Randstreifen;  man  sieht  darin  an 
Wandarmen  Girlanden  und  Schmucksachen  hängen,  an  dem  dritten  Paar  von  oben 
hängen  auch  richtige  gesprengte  Palmetten4. 

Von  dieser  ausgesprochen  naturalistischen  Ranke  ist  die  „Palmettenranke",  die 
wir  überall  im  Norden  Asiens  vom  Mittelmeer  bis  China  herrschend  finden,  sehr  weit 


1     Vgl.  die  Karte  bei  Grünwedel,  Buddhistische  Kunst  in  Indien  2.  Aufl.,  S.  23. 

Vgl.    über  dieses    Motiv   Werke    der  Volkskunst    (Wien1,    Bd.  I,  S.  17  f.    und    Oriens    christianus 
:   14  f. 
31  Ich  möchte  die  Ficderun«  z.  T.  überhaupt  aus  Indien  herleiten.    Vgl.  Flury  „Der  Islam"  IV,  S.  429. 

Vgl.  andere  Proben  ähnlicher  Ornamente  bei  Smith,  A  history  ot"  fine  art  in  India  S.  73  und  89. 


Strzygowski,  Altai,  Iran  u.  Völkerwanderung 


Tafel  IX 


J.  C.  Hinrichs,  Leipzig 


C.  G.  Röder  G.m.b.H.,  Leipzig 


Santschi,  Torpfeiler  des  großen  Stupa :  Ornamentierte  Steinreliefs. 


i.  Das  Problem  der  Ranke.  73 

entfernt.  Erst  die  Weinranke  bringt  die  vorgeführte  indische  Art  zur  Geltung.  Viel- 
leicht geht  sie  von  den  Indoskythen  bzw.  Saken  in  Baktrien  aus  und  verbreitet  sich 
von  dort  aus  in  parthischer  Zeit  gleichmäßig  nach  Osten  und  Westen  '.  Mschatta 
erscheint  mir  immer  mehr  ein  Ausfluß  dieses  ostiranisch-turkestanischen,  über  Nord- 
mesopotamien im  Westen  ausmündenden  Stromes.  Es  ist  hier  zu  erinnern  an  die 
Stelle  des  Curtius  Rufus,  der  zur  Zeit  des  Claudius  (41 — 54)  in  seiner  Geschichte 
Alexanders  d.Gr.  VIII, 9  von  den  Palästen  der  Radschas  in  Indien  schreibt:  „Regia  auratas 
columnas  habet:  totas  eas  vitis  auro  caelata  percurrit  aviumque,  quarum  visu  maxime 
gaudent,  argenteae  effigies  opera  distinguunt".  Was  der  Santschipfeiler  Taf.  IX,  Mitte  in 
Stein  an  der  Lotosranke  zeigt,  sah  man  also  auch  in  Gold  und  an  der  Weinranke  mit 
eingelegten  silbernen  Vögeln  ausgeführt.  Die  Stelle  bietet  den  Schlüssel  zum  Ver- 
ständnis der  Traubenspiegel  in  China2  sowohl,  wie  der  Säulen  und  Pfeiler  mit  Wein- 
laub und  Vögeln  im  Westen,  so  im  Lateran 3,  in  Konstantinopel 4  und  an  den  Pfeilern 
von  Acre5.  Die  Mschatta-Fassade  wird  erst  dadurch  in  ihrer  Datierung  und  ihren 
Zusammenhängen  verständlich.  Möglich,  daß  der  Dionysoskult  und  gewisse  Techniken 
Träger  indischer  Motive  waren.  So  fällt  der  Batikstoff  mit  dem  Triumph  des  Bakchos 
im  Musee  Guimet 6  in  diesem  Zusammenhange  ebenso  auf,  wie  die  Elfenbeinschnitzereien 
an  der  Domkanzel  zu  Aachen ",  die  den  Bakchos  im  Weinlaub  mit  übergeschlagenem 
Bein  zeigen.  Der  Elfenbeinthron  in  Ravenna,  die  sog.  Maximianskathedra,  gibt  wohl 
den  reichsten  Beleg  für  die  von  Curtius  Rufus  beschriebene  Art  der  Rankenfüllung. 
Was  wir  in  Indien  als  pflanzliches  Motiv,  d.  h.  als  richtige  Pflanzenranke  auf- 
treten sehen,  das  soll,  wie  man  Riegl  entnehmen  mag,  nicht  auf  die  altorientalischen 
Kulturen  der  Semiten  zurückgehen.  Die  Neigung  dazu  lag  dort  m.  E.  ebenso  vor 
wie  in  Indien.  Uns  beschäftigt  hier  eine  ganz  andere  Art,  die  aus  der  Spirale  ent- 
standene Wellenlinie.  Sie  mag  überall  bei  primitiven  Völkern  auftauchen;  aber  ihre 
Bedeutung  und  Entwicklung  bei  den  Nomaden  und  Nordvölkern  war  doch  eine  andere 
als  im  Mittelmeerkreise  und  in  Indien,  von  der  landschaftlichen  Umbildung  in  der 
späteren  ostasiatischen  Kunst  ganz  zu  schweigen.  Wir  wollen  den  Prozeß,  wie  er 
sich  vor  allem  im  Osten  abspielte,  an  der  Hand  des  Vergleichsmaterials  für  die  eigen- 
artige Ranke  unserer  albanischen  Schmucksachen  zu  ergründen  suchen.  Dabei  wird 
zunächst  einmal  vom  Fundort  unseres  Schatzes  auf  dem  Balkan  auszugehen  und  dann 
schrittweise  der  Weg  nach  dem  Ursprungsland  und  Ostasien  zu  suchen  sein. 


1)  Vgl.  über  das  Problem  der  Weinranke  Mschatta  S.  327  ff.  Es  sei  hier  verwiesen  auf  die  Texte, 
die  Grünwedel  im  Anhange  zu  seinem  Idikutschari-Bericht  (Abbandlgn.  der  philos.-philol.  Klasse  der  bayr. 
Akad.  d.  Wiss.  XXIV  [1906],  S.  1S1  f.)  über  die  Weinkultur  in  diesen  Gegenden  veröffentlicht  hat.  Man 
beachte  auch  die  Weinblätter  in  Hatra  (Andrae,  Hatra  I,  S.  12,  Abb.  20),  an  denen  die  gleiche  Auflage  zu 
finden  ist,  wie  in  Mschatta,  was  für  die  Datierung  dieses  Baues  nicht  ohne  Belang  ist. 

2)  Vgl.  Hirth,  Über  fremde  Einflüsse  in  der  chinesischen  Kunst  S.  13 f. 

3)  Mschatta  297  f.,  wo  weitere  Literatur. 

4)  Byzantinische  Zeitschrift  I  (1892)  S.  575f.  5)  Oriens  christianus  II  (1902)  S.  421  f. 

6)  Annales  du  Musee  Guimet  XXV  (1907)  S.  159  f.  Vgl.  für  die  Einteilung  des  Stoffes  mein  „Orient 
oder  Rom"  S.  90  f,  für  die  indischen  Zusammenhänge  Guimet,  Les  portraits  d'Antinoe  S.  21. 

7)  Vgl.  meine  Hell,  und  kopt.  Kunst  in  Alexandria  S.  55  f.,  dazu  S.  65  die  ähnliche  Elfenbeinschnitzerei 
in  Louvre  und  den  Wollstoff  aus  Ägypten  im  Grassi-Museum  zu  Leipzig.  Für  das  auch  in  Indien  be- 
liebte Standmotiv  vgl.  z.  B.  die  Reliefs  von  Barahat  (Smith,  A  history  of  fine  art  in  India  S.  74)  und 
Gandhara  (Foucher,  L'art  greco-bouddhique  I,  S.  413).  Dazu  Zeitschrift  f.  Assyriologie  XXVII  (1912)  S.  139  f. 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

2.  Parallelen  vom  Balkan. 

Ich  beginne  mit  der  Frage,  ob  die  Ranke  in  der  Eigenart,  in  der  sie  herrschend 
auf  einem  im  nordwestlichen  Balkan  gemachten  Funde  beobachtet  wird,  sonst  noch 
auf  dem  Balkan  nachweisbar  ist.  Auf  Schmucksachen  aus  diesem  Gebiete  vorläufig 
nicht l.  Wohl  aber  in  Steinskulpturen.  Der  Fall  könnte  daher  vielleicht  liegen,  wie  mit 
Bezug  auf  die  mehrstreifige  Bandverschlingung  in  der  Zeit  der  Völkerwanderung  in 
Italien.  Zuerst  tauchen  dort  in  gotischer  und  langobardischer  Zeit  Schmucksachen 
mit  diesem  Motiv  auf  (Castell  Trosino,  Nocera  Umbra,  die  Funde  in  Ravenna, 
Cividale  u.  a.  O.),  dann  erst  z.  T.  Jahrhunderte  später  sind  die  dreistreifigen  Band- 
ornamente in  breiter  Schicht  an  den  Baptisterien,  Ciborien,  Schranken,  Altären, 
Bischofstühlen  u.  dgl.  auch  in  Stein  zu  beobachten.  Sie  sind  also  wahrscheinlich 
von  den  wandernden  Völkern  mitgebracht  und  allmählich  auch  in  Stein  übertragen 
worden.  Die  Holzsachen,  die  zwischen  Metall  und  Stein  vermittelnd  zu  denken  sind, 
gingen  zumeist  verloren.  Doch  werde  ich  unten  ein  vereinzeltes  Beispiel  vom  Balkan 
veröffentlichen.  Die  Steinskulpturen  sind  bisweilen  vollständig,  häufiger  allerdings  in 
Fragmenten  erhalten.  In  Italien  sind  sie  in  den  letzten  Jahrzehnten  sorgfältig  be- 
achtet worden,  nachdem  sie  Cattaneo  in  einer  Monographie2  gesammelt  und  ver- 
sucht hat,  ihnen  ihren  Platz  in  der  Kunstgeschichte  Italiens  anzuweisen.  Inzwischen 
wurde  von  verschiedenen  Seiten  darüber  gearbeitet.  Ähnlich  wird  es  jetzt  hoffentlich 
auf  dem  Balkan  werden.  Zunächst  auch  auf  dem  Gebiete  der  mehrstreifigen  Band- 
ornamentik. Sie  ist  in  ihrer  außerordentlich  weiten  Verbreitung  vorläufig  nur  für 
das  Gebiet  des  altkroatischen  Reiches  vorgelegt3.  Hellas  ist,  was  bisher  kaum  be- 
achtet wurde,  überschwemmt  damit.  Wichtige,  noch  deutlich  auf  das  Ursprungs- 
gebiet der  Gruppe  zurückweisende  Monumente  wie  die  Ikonostasen  der  beiden  Kirchen 
des  Hosios  Lukasklosters4  sind  kaum  beachtet.  Doch  ich  will  hier  nicht  dabei  ver- 
weilen. 

Mit  der  Auffindung  des  albanischen  Schatzes  wird  die  Forschung  für  ein  anderes 
Ornamentmotiv,  die  Palmettenranke  mit  dem  Kreislappen,  in  Fluß  gebracht.  Man 
möchte  freilich  glauben,  daß  dafür  alle  Voraussetzungen  auf  byzantinischem  Boden 
fehlen,  weil  Brehier,  der  sich  zuletzt  eingehend  mit  der  Steinplastik  byzantinischer 
Zeit  beschäftigt  hat,  dafür  keine  Belege  beibringt5.  Und  doch  gibt  es  an  keinem 
geringeren  Ort  als  in  Athen  selbst  und  gar  auf  der  Akropolis  eine  ganze  Schicht,  die 
hierher  gehört.   Ich  glaube  nämlich,  daß  ein  gewisser  Zusammenhang  besteht  zwischen 


i  In  der  Gegend  von  Tirana  soll  vor  ca.  20— 30  Jahren  ein  anderer  Goldi'und  gemacht  worden  sein, 
verschiedene  Früchte  darstellend.  Der  Finder  wurde  reich  dadurch,  daß  er  jährlich  mit  einem  Stück  nach 
Konstantinopel  oder  Triest  zum  Verkaufe  fuhr.  Diese  unsichere  Nachricht  würde  auf  einen  Fund  weisen, 
der  für  uns  nicht  in  Betracht  kommt. 

2    L'architettura  in  Italia  dal  secolo  VI  al  mille  circa.    1SS8. 
Bujic,  Hrvatski  spomenici  u  kninskoj  okolici.    Zagreb   18S8. 
^cbulu  and  Barnsley,  The  Monastery  of  Saint  Luke,  Tat".  22  f. 
*udes  sur  lhistoire  de  la  sculpture   byzantine,  Nouvelles  archives  des  missions  scientitiques  N.S. 
5.  19  ff.     Doch    hat  BrJhier    in    einem  Nachtrage  „Nouvelles  recherebes  sur  l'histoire  de  la 
scu:  tine"    Nouvelles  archives   N.S.  fasc.  9  (1913 .  Tat".  V  VI  wenigstens   einige   Beispiele   dieser 

Gruppe  abgebildet 


2.  Parallelen  vom   Balkan. 


75 


unserer  Rankenzierkunst  und  gewissen  Steinornamenten,  die  ich  1888  auf  der  Ost- 
terrasse der  Akropolis  zusammengestellt  habe.  Es  sei  ihnen  hier,  da  bisher  nicht 
Gelegenheit  war,  sie  in  einem  größeren  Zusammenhange  zu  veröffentlichen,  ein  etwas 
eingehenderes  Studium  gewidmet.  Es  sieht  aus,  als  hätten  alle  in  Rede  stehenden 
Steinbalken  zu  ein  und  demselben  Denkmale  gehört.  Man  findet  die  Hauptstücke  auf 
Abb.  68  vereinigt.  Es  kann,  glaube  ich,  nicht  die  Rede  davon  sein,  diese  Ornamente 
einem   der  in  Hellas  in  größeren  Massen   eingewanderten   und   seßhaft  gewordenen 


Abb.  68:  Athen,  Akropolis:  Ornamentierte  Fragmente  in  Stein. 


Völker,  wie  etwa  in  Ungarn  oder  bei  der  Bandornamentik  auch  in  Hellas,  zuzu- 
schreiben. Vielmehr  möchte  ich  auf  einen  vereinzelten  Einbruch  fremder  Elemente 
schließen. 

Will  man  beurteilen  lernen,  wie  fremdartig  sich  die  in  Abb.  68  vorgeführte  Gruppe 
im  Rahmen  der  sonst  in  Athen  für  das  frühe  Mittelalter  nachweisbaren  Zierkunst  aus- 
nimmt, dann  halte  man  die  verschiedenen  attischen  Ornamentgruppen,  wie  ich  sie 
bisher  in  Einzelaufsätzen  behandelt  habe,  nebeneinander.  Zunächst  die  Steinornamente 
auf  der  Akropolis,  die  mit  dem  Kloster  Kaesariani  zusammengehen  und  eine  Art 
Erechtheionstil  in  einer  auffallend  frühen  Renaissance  zur  Geltung  bringen.  Auch  da 
ist  die  Palmette  verwendet,  aber  nicht  als  Ranke,  dafür  in  hellenischer  Bildung.   Man 


-(j  III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schat/.es. 

kann  gerade  daran  am  besten  abschätzen,  wie  überaus  eigenartig  sie  in  unserer  Gruppe 
auftritt.  Ich  habe  die  durch  Kreuze  als  christlich  gekennzeichnete  attische  Gruppe 
dem  IV.  Jahrhundert  zugewiesen  K  Es  folgt  eine  zweite  Gruppe  aus  dem  V.  Jahr- 
hundert etwa,  die  den  Einbruch  des  Kunsthandels  von  Konstantinopel  in  Athen  wieder- 
spiegelt2. Hier  spielt  der  fette,  zackige  Akanthos  die  Hauptrolle.  Davon  unten. 
Dann  kommen  die  späten  Ornamentgruppen  des  VIII.  bis  IX.  Jahrhunderts,  in  denen 
das  zwei-  oder  dreistreifige  Bandornament  die  Hauptrolle  spielt3.  Daneben  läuft  die 
persisch-islamische  Ornamentgruppe  her,  die  ich  in  meinem  Amidawerke  ( S.  365  f.  1 
behandelt  habe.  In  die  Zeit  zwischen  das  V.  und  VIII.  Jahrhundert,  für  die  ich  bisher 
keine  Belege  beibringen  konnte,  gehört  nun  m.  E..  die  Ornamentschicht,  die  ich  hier 
mit  den  Schatzfunden  in  Albanien  und  in  Ungarn  zusammenstelle. 

Man  gehe  aus  von  dem  in  Abb.  68  rechts  unten  als  zweiter  stehenden  größeren 
Balken,  der  nur  mit  einer  breiten,  schweren  Ranke  gefüllt  ist.  Der  Stiel  verläuft  in 
einer  zweistreifigen  Welle.  Er  ist  wie  an  einzelnen  Stücken  des  Schatzes  von  Nagy- 
Szent-Miklos  überall  da,  wo  eine  Halbpalmette  ansetzt,  abgeschnürt.  Der  Ansatz 
jeder  dieser  Palmetten  wird  überdies  wie  dort  und  auf  den  Schmucksachen  aus  Al- 
banien durch  ein  tiefes  Bohrloch  gekennzeichnet,  um  das  sich  der  doppelt  geränderte 
„Kreislappen"  legt.  Oder  ist  das  nicht  annähernd  dasselbe  Motiv,  das  ich  S.  27  mit 
diesem  Namen  belegte?  Man  verfolge  nur  die  Entwickelung  der  Palmette  von  einem 
Bohrloch  zum  andern:  Da  sieht  man  in  jedem  der  beiden  vollen  Wellentäler  zwei 
Halbpalmetten,  deren  Wipfel  sich  ähnlich  wie  auf  dem  andern  Schmuckstück  Nr.  24 
weiterentwickelt,  hier  zu  einer  Vollpalmette.  Die  stilistische  Behandlung  wird  ge- 
kennzeichnet insbesondere  durch  den  schrägen  Schnitt,  der  auf  jedem  Lappen  einen 
mittleren  Grat  hervorbringt.  Wir  haben  also  drei  Elemente,  die  auch  die  ungarischen 
und  den  albanischen  Fund  charakterisieren:  die  in  Arabeskenart  wuchernde  Pal- 
mettenranke, das  Kreisblatt  mit  dem  Bohrloch  und  den  Schrägschnitt,  das  Ganze 
hier  in  Stein  nur  etwas  anders  gehandhabt  als  dort  in  Bronze  und  Gold. 

Neben  dem  beschriebenen  Friesstück  steht  rechts  unten  in  der  Ecke  ein  kleineres 
Fragment,  das  zunächst  links  ein  dreistreifiges  Flechtornament  zeigt,  in  drei  Bändern 
um  Knöpfe  geschlungen.  Daneben  inmitten  einer  reichen  Profilierung  eine  zweistreifige 
Ranke,  in  deren  Füllungen  immer  je  zwei  Kreislappen  mit  ihren  Bohrlöchern  auffallen 4. 
Es  hält  schwer,  das  Motiv  klar  zu  erkennen.  Deutlicher  ist  das  an  zwei  Fragmenten 
mit  Tierdarstellungen,  von  denen  das  eine  links  oben  die  Ecke  bildet.  Man  sieht 
über  einem  gestreckt  laufenden  Körper,  dessen  Fell  durch  Kommaschlitze  angedeutet 
ist  —  wie  auf  den  Gefäßen  von  Nagy-Szent-Miklos  (Abb.  64)  — ,  die  Ranke  mit  den 
beiden  Kreisblättern.  Hier  und  ähnlich  an  dem  dritten  Stück  (daneben  verkehrt  liegend), 
auf  dem  man  Reste  von  Flügeln  zu  erkennen  glaubt,  ist  ganz  deutlich,  daß  der  erste 
Kreislappen,  der  sich  am  Stiel  einrollt,  den  Ansatz  einer  Halbpalmette  bedeutet,  deren 


1    .  KaioaQiavfi"  Eqrf/iSQtQ  uo/aio/.oyixr'/  1902,  S.  82  f. 

2)  „Die  Akropolis  in  altbyz.  Zeit."     Athenische  Mitteilungen  XIV  (1889)  S.  271  f. 

Inedita  der  Architektur  und  Plastik  aus  der  Zeit  Basilios  I",  Byz.  Zeitschrift  III  (1894)  S.  1  f. 
„H  /">>'',  tot  xwjjyofi  töjv  ptXooöqxBv",  Atlxiov  tfjq  loTopiX/jq  xal  &9vok.  ktaigeiaq  1890  S.  117  f. 
und  chisch-kleinasiatische  Ornament  um  967  n.  Chr.",  Wiener  Studien  XXIV. 

4)  Vgl,  die  drei  Kreislappen  auf  den  Beschlägen  von  Csuny  oben  Abb.  22. 


2.  Parallelen  vom  Balkan. 


77 


A 


II! 


Abb.  69:  Athen,  Akropolis:  Fragment  einer  Reliefplatte. 


dritter  bzw.  vierter  Lappen  in  eine  neue,  wenn  auch  verkümmerte  Halbpalmette 
ausrankt.  Noch  deutlicher  ist  die  arabeske  Tendenz  an  den  anderen  Rankenfragmenten. 
Ich  möchte  an  diese  Beispiele 
gleich  den  Rest  einer  Platte 
anreihen,  die  ich  ebenfalls  auf 
der  Akropolis  fand  (Abb.  69). 
Man  sieht  in  der  Mitte  ein 
von  einem  Perlstab  gebildetes 
Viereck,  durchsetzt  von  einem 
Bande  in  Rautenform,  das 
durch  einen  Knoten  in  den 
Rand  übergeht.  Während 
hier  die  Arabeske  rahmend 
abschließt,  füllt  die  Mitte  ein 
Pfau,  der  an  einem  Pinien- 
zapfen pickt  K  Für  diese  Zu- 
sammenstellung des  Tier- 
motivs mit  der  Arabeske  ver- 
weise ich  am  besten  auf  die  Löwenplatte  mit  den  gleichen  Motiven  im  National- 
museum zu  Athen,  die  ich  in  meinem  Amidawerke  (S.  371)  abgebildet  und  besprochen 
habe.  Auf  diesem,  wie  ich  glaube,  etwas  jüngeren  Stücke  nun  wird  der  östliche  Ur- 
sprung aller  dieser  Motive  garantiert  durch 
das  kufische  Schriftornament  am  Rande. 
Unsere  Ornamentgruppe  scheint  älter,  der 
Schrägschnitt  und  das  Kreisblatt  nähern  sie 
der  parthisch-sasanidischen  Zeit. 

Typisch  für  diesen  Kreis  sind  die  in 
Abb.  68  in  der  Mitte  links  unten  stehenden 
beiden  Steinbalken  mit  Ornamenten,  die, 
durch  Querbänder  in  einzelne  Felder  zer- 
legt, mit  Füllungen  versehen  sind,  die  — 
man  könnte  sagen  —  als  kleine  Bäume 
gebildet  erscheinen.  Man  sieht  zwei  Arten 
solcher  „Bäume".  Der  Typus  des  Steines 
rechts,  zu  dem  auch  das  Fragment  links 
darüber  mit  dem  Kreuz  gehört,  zeigt  das 
Bäumchen  einfach  oder  doppelt  über- 
einander mit  seltsamen  sfurkenförmisren 
Früchten.  Zur  Feststellung  der  Grundform 
wir  am  besten  aus  von  der  unleug-- 


gehen 


bar  als  Baum  gefaßten  Füllung   des  Feldes 


Abb.  70:  Ravenna,  S.  Vitale:  Kapitell  der 
unteren  Säulen. 


1)  Vgl.  Strzygowski,  Der  Pinienzapfen  als  Wasserspeier,  Rom.  Mitt.  XVIII  (1903)  S.  185  f.  Dazu 
die  Erklärung  des  Motivs  bei  v.  Spieß,  Die  Bebälter  des  Unsterblichkeitstrankes  (Mitt.  d.  Anthrop.  Ges. 
in  Wien    XLIV  (1914)   S.  17  t"). 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


rechts  unten  (über  dem  Maßstabe).    Der  Stamm  mit  Wurzelblättern,  der  Palmetten- 
krone  und    dem    herabhängenden    Gurkenpaar   ist    eindeutig    erkennbar.     Ich    stelle 

neben  diese  Fassung  des 
Motivs  eine  andere,  allge- 
mein bekannte:  Die  Trapez- 
füllung einer  Gruppe  von 
Kämpferkapitellen,  als  deren 
bekanntestes  Beispiel  die 
Säulen  des  Parterreg-e- 
schosses  von  S.  Vitale  in 
Ravenna  gelten  können 
(Abb.  70).  Man  sieht  den 
Baum,  seine  Krone  gebildet 
aus  Palmettenmotiven,  und 
die  Früchte,  die  hier  an 
langen  Stielen  herabhängen. 
Stamm  und  Krone  sind 
durch  eine  Querleiste  ge- 
trennt. Ich  habe  diese  selt- 
same Füllung  immer  für 
persisch  angesprochen l. 
Die  Steine  von  der  Akro- 
polis  zeigen  eine  zweite  Aus- 
strahlung nach  dem  Mittel- 
meere. Den  Beweis  für  die 
Vorliebe  der  persischen 
Kunst  für  dieses  Motiv  er- 
bringen frühislamische  Ar- 
beiten, die  z.T.  durchaus  im 
sasanidischen  Fahrwasser 
weitergehen.  Als  eines 
der  besten  Beispiele  führe 
ich  hier  Teile  der  vor- 
deren Seitenwand  des 
Mimbars  von  Kairuan 
vor,  des  wertvollsten  Zeu- 
gen   der    iranischer    Kunst 

des     IX.    Jahrhunderts'2. 
Man    sieht     (Abb.    71)     in 
der     Reihe      der     drei    Vertikalstreifen     rechts     mehrere     Felder,      die      den     Pal- 
metten-   oder     Rankenbaum    mit     den     gurkenähnlich     herabhängenden     Früchten 


71.  Kairuan,  Mimbar:  Einzelheit  der  Vorderseite. 


1 1  Vgl  Mschalta  S.  361. 

Kunstchronik  N.  F.  Will.   Sp.  3S6  ff.     Die  gute  Photographie,  die  ich  hier  bieten  kann,  ver- 
danl  Herrn  1  lr.  E.  Kühnel.    Über  den  Mimbar  und  die  durchbrochenen  Bandornamente  unten  ausführlich. 


3.  Parallelen  in  Ägypten.  70 

zeigen1,  und  mag  urteilen,  ob  es  sich  nicht  ursprünglich  um  die  Weinrebe  und 
das  Kandelabermotiv 2  (wie  sie  in  Mschatta  nebeneinander  vorkommen)  handelte, 
die,  seit  der  parthischen  Zeit  spielerisch  weitergebildet,  die  seltsamsten  Formen 
annahmen.  Urform  und  Umbildung  stehen  öfter  noch  nebeneinander.  Die  zweite 
Gattung  der  Bäumchen,  wie  sie  Abb.  68  zeigt,  findet  im  Prinzip  ihre  Parallele  auf  der 
Hülse  24  des  albanischen  Schatzes,  wo  die  persischen  Analogien  aufgezählt  worden  sind. 

3.  Parallelen  in  Ägypten. 

Der  Balkan  und  Ungarn  sind,  läßt  sich  annehmen,  wahrscheinlich  nur  ein  Neben- 
schauplatz der  Entwicklung,  die  wir  aufzufinden  suchen.  Wir  müssen  nach  dem  Osten 
gehen,  um  auf  den  eigentlichen  Starkstrom  zu  stoßen.  Den  Ansatz  gewinnt  man  — 
vorläufig,  solange  die  Kenntnis  des  Asiatischen  noch  im  Hauptteil  auf  dem  Papiere 
steht  —  am  besten  in  Ägypten,  das  ja,  seit  es  aufgehört  hat,  selbständig  in  seiner 
Kultur  zu  sein,  immer  von  Asien  abhängig  blieb.  Tatsächlich  kann  dort  der  albani- 
sche Schatz  als  wichtiges  Glied  in  eine  Kette  von  Denkmälern  eingeordnet  werden, 
die  das  Vordringen  des  neuen  „Kunstwollens"  nach  dem  Westen,  den  Eintritt  der 
„mittelalterlichen"  Anschauungsweise  gegenüber  der  antiken  veranschaulichen.  Sie  be- 
ginnt sich  schon  im  späten  Hellenismus  in  diesem  Sinne  durchzusetzen.  Ich  gehe  zunächst 
aus  von  dem  Gestaltmotiv,  der  Palmettenranke,  die  so  stark  auf  dem  albanischen 
und  den  Keszthely-Funden  vorherrscht,  daß  man  den  Eindruck  der  absoluten  Befangen- 
heit in  diesem  Gestaltenkreise  bekommt.  Man  kann  dafür  drei  nach  Material  und 
Technik  wie  dem  Gebrauchszweck  völlig  getrennte  Gruppen  nachweisen. 

A.  Seidenstoffe.  Im  Jahre  1903  schon  wies  ich  eine  den  Schmucksachen  ähnliche 
Gruppe  in  einem  ganz  anderen  Materiale  nach,  in  Seidenstoffen  aus  Ägypten.  Ich  nannte 
sie  Palmettenstoffe3.  Abb.  72  und  73  geben  Beispiele  davon  im  Viktoria  und  Albert- 
Museum  in  London  (Inv.  Nr.  303  und  355 — 1887),  die  von  der  Museumvenvaltung  als  aus 
Akhmim  (Panopolis)  stammend  veröffentlicht  und  als  vielleicht  syrisch  oder  byzantinisch 
dem  VII. — IX.  Jahrhundert  zugewiesen  wurden.  Man  vergleiche  damit  die  von  mir  eben- 
falls in  Ägypten  erworbenen  Stoffe  des  Kaiser  Friedrich-Museums,  die  ich  im  Jahrbuch 
der  preuß. Kunstsammlungen  1903,  veröffentlicht  habe.  Sie  sind  von  genau  dergleichen 
Art.  Da  nun  noch  eine  ganze  Anzahl  von  entsprechenden  Stoffen  vorliegt,  so  haben 
wir  hier  in  Ägypten  eine  ähnlich  geschlossene  Gruppe  von  Palmettenornamenten,  wie 
ich  sie  in  dem  albanischen  Schatze  zusammen  mit  den  Funden  in  Ungarn  und  den 
Steinfragmenten  in  Athen  nachgewiesen  habe. 

Abb.  72  zunächst  zeigt  das  braune  Schulterstück  eines  Gewandes.  Man  sieht  auf 
diesem  ägyptischen  Seidenstoffe  den  mittleren  Kreis  sowohl,  wie  die  Füllung  der  ihn 
umgebenden  Halbkreislappen,  ferner  die  Endigung  und  Füllung  durch  Ranken  im 
Felde  ringsum,  wie  endlich  die  Bordüre,  bestritten  durch  alle  möglichen  geometrischen 
Motive  vom  Kreislappen  zur  Halb-,  Bäumchen-  und  gesprengten  Palmette,  die  sich 
ganz  nach  Bedarf  schief  auslegt,  viel  mannigfaltiger  noch  als  auf  den  ungarischen  und 
Balkanfunden.    Andersartige  Motive  wie  der  geschweifte  Palmettenwipfel,  das  Herz- 

1)  V,  5;  VI,  2/3,  34  und  4/5-     Ein  Einzelfeld  auch  Mschatta  S.  315  (=  VI,  4/5). 

2)  Vgl.  dazu  Werke  der  Volkskunst  (Wien)  I  S.   18 f.  und  oben  S.  26,  35^  und  71  f. 

3)  Jahrbuch  der  kgl.  preuß.  Kunstsammlungen  XXIV  (1903)  S.  153  f. 


3q  III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

blatt  und  Wellenglied  weichen  nur  scheinbar  vom  Grundmotiv  ab.  In  der  Haupt- 
sache ist  es  doch  die  arabeskenartig  ausgebildete  Palmettenranke,  oder  sonst  irgend- 
ein in  seine  Teile  gespaltenes  oder  aus  solchen  zusammengesetztes  geometrisches 
Motiv,  womit  das  ganze  Muster  bestritten  wird.  Ich  habe  im  Jahrbuch  1903  S.  155  noch 
ein  zweites  Schulterstück  aus  dem  Grassimuseum  in  Leipzig  abgebildet,  das  neben  den 
Palmettenmotiven  Abb.  72  noch  die  Weintraube  bringt,  während  ein  Berliner  Stück  (Jahr- 
buch S.  16b)  Abb.  72  vollkommen  entspricht.  Für  das  T-förmige  Motiv  des  Lappenrandes 
am  inneren  Kreis  vgl.  den  oberen  Rand  des  Kruges  von  Nagy-Szent-Miklos  (Abb.  59). 
Abb.  71  zeigt  einen  runden  Einsatz  mit  grünem  Muster,  das  sehr  häufig  gefunden 
wird   und  in  den  verschiedenen  Exemplaren  so  genau  übereinstimmt,   daß  ich  z.  B. 


Abb.  72:   London,  Victoria  and  Albert-Museum :  Seidenstoff  aus  Ägypten. 

hier  die   Beschreibung  zweier  Berliner  Stücke   (Jahrbuch  S*  1 54)  wiederholen  kann, 
ohne  irgend  etwas  Wesentliches  am  Text  ändern  zu  müssen. 

Inmitten  des  Medaillons  sehen  wir  eine  Art  Baum.  Der  Stamm  entwickelt  sich 
aus  eckigem  Ansatz  und  entsendet  zunächst  nach  beiden  Seiten  —  das  Muster 
baut  sich  durchweg  rein  symmetrisch  auf  —  je  eine  Halbpalmette,  zwischen  deren 
Lappen  eine  kurze  Ranke  von  Efeuart  hervorkommt.  Über  diesem  Zweige  liegt  ein 
zweiter,  der  auf  langem  Stiel  eine  Art  Blatt  trägt,  dessen  Form  aus  neupersischen 
Stoffen  sehr  bekannt  ist.  Man  hat  sie  Palmwipfel,  geschweiftes  Mandelmotiv  und 
ähnlich  genannt.  Sie  ist  unten  rund,  oben  asymmetrisch  spitz,  mit  stark  geschweiften 
Rändern.  Diese  werden  gebildet  von  einer  Reihe  großer  Punkte  oder  Knöpfe  zwischen 
Randstreifen.  Das  Innenfeld  ist  durch  ein  unregelmäßiges  Schuppenmuster  gefüllt. 
Es  folgen  den  Stamm  aufwärts  kleine  Blätter  und  eine  langgestielte  Traube  (?),  dann 
eine  Art  Krone,  die  in  drei  Stielen  hervorwächst  aus  flügelartig  auseinandergelegten 
Halbpalmetten.  Der  mittlere  Stamm  bildet  zunächst  eine  Verdickung,  von  der  lang- 
tielt  kleine  Herzblätter  nach  oben,  Dreiblätter  nach  unten  gehen.  Den  Abschluß 
bildet  eine  Rosette  mit  sieben  runden  Lappen,  denen  innen  ein  Siebeneck  mit  kon- 


3.   Parallelen  in  Ägypten. 


81 


kaven  Seiten  entspricht.  Es  umschließt  ein  Fünfblatt  und  entsendet  aus  den  Ecken 
in  die  Rundlappen  abwechselnd  dreimal  eine  Palmette,  viermal  eine  auf  die  Spitze 
gestellte  Herzform  mit  Kelchblättern.  Die  Seitenzweige  der  Krone  verlaufen  zunächst 
wagerecht  und  richten  sich  dann  mit  einem  ähnlichen  Palmwipfel  auf,  wie  er  im  unteren 
Teile  beschrieben  wurde;  nur  ist  er  von  einem  Kelch  runder  Lappen  umfaßt,  über 
denen  sich  der  Wipfel  nach  innen  statt  nach  außen  umbiegt.  Auch  hier  ist  der  Rand 
punktiert  und   das  Innenfeld  geschuppt.     Das  ganze  Medaillon  wird   umzogen  .von 


v-r 


Abb.  73:  London,  Victoria  and  Albert-Museum :   Seidenstoff  aus  Ägypten. 


einem  Streifen,  der  im  Gegensatz  zum  Hauptfelde,  worin  das  Muster  hell  auf  dunklem 
Grund  erscheint,  dunkel  auf  hellem  Grund  eine  Palmettenranke  zeigt:  S-förmig  ge- 
schweifte Wellenglieder,  symmetrisch  abgesetzt,  darin  nach  oben  und  unten  drei- 
lappige Füllungen;  ein  eigentlicher  Palmettenstiel  fehlt  also. 

Ich  beschränke  mich  auf  die  Vorführung  dieser  beiden  Beispiele  und  bitte  im 
übrigen  den  Jahrbuch- Aufsatz  heranzuziehen.  Heute  ist  insbesondere  hervorzuheben, 
daß  die  Füllung  des  Rundmedaillons  besorgt  wird  von  dem  gleichen  Baum- 
typus, den  ich  S.  75  auf  den  Steinen  der  Akropolis,  an  Kapitellen  und  dem  Mimbar 
von  Kairuan  (Abb.  70 f.)  besprochen  habe,  nur  ist  der  „Baum"  hier  reicher  gebildet  und 
weist  so  ausgesprochen  die  flächenfüllende  Absicht  in  Ausgestaltung  der  Motive  auf, 

Strzy  gowski,  Altai.  o 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  de»  albanischen  Schatzes. 

daß  er  gut  als  Übergang  zu  den  unten  zu  besprechenden  rein  iranischen  Beispielen 
verwendet  werden  kann.  Die  wie  Bänder  flatternden  großen  seitlichen  Wipfel  und 
die  Streckung  der  Lappen  auf  dem  Schulterstück  Abb.  72  ist  dafür  bezeichnend. 

Neuerdings  hat  ein  Praktiker,  der  Direktor  des  Kunstgewerbemuseums  in 
Berlin,  Otto  von  Falke,  in  seiner  Kunstgeschichte  der  Seidenweberei  I  S.  43  fi" 
diese  Gruppe  behandelt,  ohne  deren  erste  Zusammenstellung  im  Jahrbuch  der  preul-5. 
Kunstsammlungen  zu  erwähnen.  Er  urteilt,  als  wenn  seit  Jakobsthals  Theorien  über  das 
antike  Ornament  nichts  gearbeitet  worden  wäre.  Für  Falke  sind  die  Palmettenstoffe 
eine  Schöpfung  der  ägyptischen  Weber  von  Panopolis;  alle  Elemente  ihres  Rankenwerkes 
gingen  —  siehe  Riegl  —  auf  antike,  nicht  auf  persische  oder  sonstige  orientalische  Formen 
zurück.  Hier  sei  nur  ganz  kurz  aufmerksam  gemacht  darauf,  dal-5  man  nicht  mit 
Falke  den  Palmettenrand  dieser  Stoffe  auf  die  intermittierende  antike  Wellenranke 
zurückführen  darf,  sondern  ihre  arabeske  Tendenz  erkennen  muß  darin,  daß  immer 
der  unterste,  größte  Lappen  für  die  folgende  Palmette  zugleich  gilt1.  Auch  sollte 
für  die  spätrömische  Zeit  nicht  mehr  auf  die  Arazeentheorie  von  Jakobsthal  zurück- 
gegriffen werden.  Falke  wird  schon  dadurch  widerlegt,  daß  seine  örtlich  auf  Panopolis 
eingeschränkte  -  und  in  das  VI.  Jahrhundert  datierte  Gruppe  in  Ägypten  nicht  allein 
steht.  So  hat  sie  zunächst  im  Gestaltmotiv  ihre  Parallele  auf  den  altarabischen  Grab- 
steinen von  Kairo,  die  ich  schon  im  Jahre  191 1  für  jeden  Forscher  zugänglich,  aus- 
gestattet mit  einer  reichen  Auswahl  von  Abbildungen  veröffentlicht  habe 3.  Falke  hat 
sich  auch  darum  nicht  gekümmert.  Mit  solcher  flüchtigen  Arbeit,  die  sich  den  An- 
schein der  Wissenschaftlichkeit  gibt,  muß  dann  unsereins  rechnen,  will  er  nicht  in  die 
gleiche  Unterlassungssünde  verfallen  wie  der  Vorgänger. 

B.  Grabstelen.  Damit  gehe  ich  auf  die  zweite  Palmettengruppe  in  Ägypten  über. 
Ich  habe  a.  a.  O.  die  Ranke  der  Stelen  nach  Gruppen  gegliedert,  kann  mir  also  hier  die 
Begründung  dieser  Systematik  ersparen.  Je  eine  Probe  für  jede  Gruppe  möge  genügen. 
Ich  gebe  zunächst  zur  Klarstellung  von  Material  und  Technik  dieser  Grabsteine  eine 
Originalaufnahme  Abb.  74.  Die  Stelen  sind  als  hohe  Rechtecke  in  Kalkstein  ge- 
arbeitet, die  Ornamente  umgeben  die  Schrift  von  oben  her  mit  einer  Krönung  als 
Gehänge  und  sind  wie  die  Schrift  flach  eingegraben.  Ihre  Datierungen  schwanken 
zwischen  190 — 355  d.  H.  (809 — 966  n.  Chr.).  Sie  kommen  nur  in  Kairo  vor,  eine 
zweite  Gruppe  in  Assuan  ist  in  Sandstein  ohne  jedes  Ornament  gearbeitet.  Die  in 
Abb.  74  gegebene  Stele  ist  vom  J.  207  d.  H.  (822  n.  Chr.)  datiert  und  zeigt  das 
zweite  Lieblingsmotiv  dieser  Grabsteine,  Wellenglieder  kettenartig  verschlungen,  bis- 
weilen  von  Punkten   begleitet.     Nur   oben  in   der  Krönung  treten  Palmetten  hinzu. 

1     Hatte    Falke    den   Vergleich    mit    dem  Sarkophag   Riccardi    (Orient   oder  Rom  S.    52)    und  Spalato 
Riegl,    Stilfragen  S.  2551    nicht  in  oberflächlicher  Art  durchgeführt,    dann  würde  er  bemerkt  haben,  ^laß 
dort  die  Abbindun;,'  der  Palmette  unten   und  die  Einschiebung  des  von  der  Palmette  unabhängigen  Wellen- 
Gliedes  der  Ranke  bezeichnend   ist.     Damit  hat  die  Art  der  Palmettenstofie  nur  dem  Scheine  nach  /u  tun. 
2)  Während   meiner  letzten  Anwesenheit    in  Ägypten    brachten   Händler    solche  Seidenstoffe    aus    dem 
im.    Ein  Stück,  das  Muster  gelb  auf  rotem  Grunde,  ist  in  meinem  Besitz.    Es  ist  quadratisch  21x21  cm, 
spricht  \  ollkommen  Abb.  73,   weist  aber  noch   die  Zwickelfüllungen  auf,   die   dem  Mittelmedaillon  von 
Abb.  72   ähneln,  dazu  eine  l.ordure  zuzeiten   des  Baumes. 

3     1  »er  Islam  II  305  fr.     VgL  Jahrbuch  der  preuß.   Kunstsammlgn.    XXV   (1903    s.  JS3  f.    Combe  be- 
1912  eine  Monographie  über  die  Inschriften  und  Ornamente  der  C.rabstelen  vor. 


Parallelen  in  Ägypten, 


83 


Man  wird  hier  schon  den  Eindruck  gewinnen,  dal.»  es  sich  bei  diesem  Schmuck  aus- 
schließlich um  geometrische  Motive  handelt  und  eine  Verbindung  mit  der  Antike 
nicht  notwendig  vorliegen  muß. 

Ich  gehe  nun  auf  die  verschiedenen 
Palmettenornamente  der  großen  Masse 
dieser  Grabsteine  ein  und  bemerke,  daß 
sie  im  Original  nicht  gleich  Abb.  74 
hell  auf  dunkel,  sondern  wie  in  den  nach- 
folgenden Abbildungen  dunkel  auf  der 
hellen  Vorderfläche  des  Steines  er- 
scheinen. 

I.  Ranken  mit  verkümmercen 
Vollpalmetten  Abb.  75.  Die  durch- 
laufende Wellenlinie  entsendet  in  jede 
Hebung  und  Senkung  langgestielte 
Palmetten,  die  sehr  flüchtig  und  roh 
geritzt  sind  und  bisweilen  wie  Bäumchen 
in  streng  stilisierten  Stickereien  aussehen. 
Dazu  eine  überreiche  Krönung,  deren 
Gerippe  die  beiden  schrägen  Linien 
und  die  in  der  Mitte  aufragende  Gerade 
bilden.  Diese  trägt  ein  efeuartiges 
Blatt l  mit  zwei  Schlitzen  und  zweigt 
Ganzpalmetten  ab.  Die  Schrägen  sind 
doppelt:  nach  innen  richten  sich  Halb- 
palmetten auf,  nach  außen  fallen  Ranken 
mit  je  drei  Bäumchen  herab,  wovon 
zwei  ganz  unorganisch  zurückwachsen. 
Das  Spielerisch-Dekorative  der  ganzen 
Art  drängt  sich  deutlich  auf.  Vgl.  den 
indischen  Batikstoff  S.  73. 

II.  Ranken  mit  Halbpalmetten. 
Abb.  31  und  32  S.  30.  Diese  Art  über- 
wiegt weitaus,  bildet  also  die  Haupt- 
masse der  Ornamente  unserer  Grab- 
steine.     Dabei    zeigen   sich   gerade    in 

dieser  Gruppe  die  meisten  Varianten.  Typische  Mittelkrönung:  auf  der  Wellenhe- 
bung stehen  radial  ohne  organische  Verbindung  drei  Linien  auf,  die  seitlichen  schräg, 
als  Halbpalmetten  gebildet,  die  mittlere  gegen  das  obere  Ende  durch  ein  Diagonalkreuz 
belebt,  ähnlich  den  Bäumchen  in  Gruppe  I.  Die  seitlichen  Halbpalmetten  in  ihrer 
stabartigen  Bildung  auffallend  verwandt  mit  Nr.  17  (S.  29)  des  albanischen  Schatzes. 

1)  Vgl.  die  ähnliche  Zusammenstellung  auf  den  albanischen  Beschlägen  Nr.  19 — 22  und  den  ungarischen 
Beschlägen  S.  34. — 37.  Unten  wird  noch  ein  weiteres  Beispiel  aus  Keszthely  vorzuführen  und  auf  die  selt- 
same Rolle  der  Vollpalmette  näher  einzugehen  sein.     Vgl.  auch  Hampel  III,  Taf.  199.  20. 

6* 


Abb.  74:    Arabische    Grabstele   vom   J.    822.    (Nach 
Moritz,   Arabic  Palaeography   Taf.  III.) 


84 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


Die  Ornamente  sind  durch  Randlinien  und  Sterne  aus  zwei  Dreiecken  ergänzt.  Ich 
o-ebe  in  Abb.  ~6  noch  ein  Beispiel  der  Welle  mit  Halbpalmetten,  um  zu  zeigen,  bis 
zu  welchem  Grade  der  Vollendung  diese  bisweilen  trotz  aller  flüchtigen  Technik  durch- 
geführt sein  können.  Es  ist  eine  Stele  vom  J.  217  d.  H.  (832/3  n.Chr.).  Interessant  ist 
die  Eckkrönung,  sie  verleugnet  nicht  die  Einwirkung  der  kufischen  Kalligraphie.  Die 
rechte  Halbpalmette  geht  in  das  Kettengehänge  des  Randes  über. 

III.  Ranke  mit  Zwickelzapfen,  Abb.  jy.     Da,  wo   die  Halbpalmette  von   der 
Welle    abzweigt,    sitzt    ein    runder   Zapfen.      Die    Ranken    vereinigen    sich    an    der 
Ecke  und  gehen  wieder  in  zwei  Halbpalmetten  symmetrisch  auseinander.    Die  Mittel- 
Typus  I  Typus  II 


Abb.  75:  Kairo,  Arabisches  Museum: 
Krönung  einer  Grabstele. 


Abb.   76:  Kairo,  Arabisches  Museum: 
Ornament  einer  Grabstele  vom  J.  S32. 


Typus  III 


Abb. 


Mitte 
77:  Kairo,  Arabisches  Museum: 
Ornament  einer  Grabstele. 


krönung  nach  dem  beschriebenen  Typus',  nur  liegen  die  Querarme  der  Mittelhasta 
hier  parallel  wagrecht.  Das  ganze  Gebilde  sitzt  ganz  unorganisch  auf  einer  Halbpal- 
mette.   Offenbar  war  bei  Anlage  der  Ranke  auf  die  Mitte  keine  Rücksicht  genommen 

worden.  Zwischen  Ecke  und 
Mitte  sind  je  zwei  dem  Mittel- 
gliede  der  Krönung  ent- 
sprechende Bäumchen  als 
Streumotive  eingeschoben. 
IV.  Ranken  mit  ge- 
wellten Halbpalmetten, 
Abb.  78.  Die  Halbpalmette 
sendet  ihre  Lappen  nicht 
wie  bisher  nach  innen  der  Biegung  des  Wellenstieles  zu,  sondern  nach  außen;  es 
muß  daher  die  Halbpalmette  die  Rundung  des  Hauptstieles  mitmachen.  Sie  wird 
dadurch  in  die  Länge  gezogen,  behält  aber  ihre  dreilappige  Bildung  bei.  Die  Stele 
ist  datiert  vom  J.  21 8  d.  H.  (833  n.  Chr.,  Jan.'i.  Ornamentales  Hauptstück.  Die  Ranke 
mit  den  nach  rechts  gewellten  Halbpalmetten  bildet  den  oberen  Rand  und  trägt  eine 
mächtige  Mittelkrönung,  Eckakroterien  und  dazwischen  Rosetten.  Die  ganze  Anlage 
ist  offenbar  für  den  Ansatz  der  Mittelkrönung  durchkomponiert;  es  fällt  daher  auf, 
daß  die  Ranke  trotzdem  nach  einer  Richtung  läuft,  statt  sich  symmetrisch  nach 
beiden  Seiten  zu  entwickeln.  In  der  Mitte  richten  sich  die  Wellentäler  zu 
einer  Spitze  auf,  die  der  Krönung  als  Träger  dient.  Man  sieht  zunächst  je  zwei 
breite  Lappen,  die  sich  unmittelbar  an  den  Rankenstiel  legen,  also  mit  dem  Stiel  ver- 
wachsen scheinen.     Die  Krönung  setzt  sich  wieder  aus  drei  Teilen  zusammen,   den 


3.  Parallelen  in  Ägypten. 


85 


beiden  hier  sehr  groß  geratenen  schrägen  Halbpalmetten,  die  mit  den  für  die  kufische 
Kalligraphie  bezeichnenden  dreieckigen  Blattausschnitten  enden.  In  der  Mitte  eine 
reiche  Rankenbildung  zu  Seiten  einer  lanzettförmigen  Spitze1.  Die  Ecken  zeigen 
wieder  senkrecht  stehende  Halbpalmetten,  diesmal  einfach.  Zwischen  der  Mitte  und 
den  Ecken  sitzen  links  eine  Rosette,  rechts  ein  Stern,  beide  roh  ausgeführt.  Am 
Rande  rechts  sieht  man  an  der  Stele  eine  Ranke  mit  Dreiblättern  oder  Trauben. 

V.  Ranken  mit  gewellten  Doppelhalbpalmetten,  Abb.  79.  Die  Wellenlinie 
wird  sowohl  in  den  Hebungen  wie  in  den  Senkungen  gefüllt  durch  einwärts  gelegte 
Voll-,  d.  h.  doppelte  Halbpalmetten,  die  sich,  mit  den  Lappen  nach  innen,  zu  einem 
Bogen   parallel  zur  Hauptwelle  verbinden.     Vereinzelt  einmal  nur  ist  dieses  Gebilde 

Typus  IV 


Abb.  78:  Kairo,  Arabisches  Museum:  Ornament  einer 
Grabstele  vom  J.  833  n.  Chr. 


Typus  V 


Abb.  79:  Kairo,  Arabisches  Museum: 
Krönung  einer  Grabstele. 


mit  dem  Stamm  verwachsen.  Es  entsteht  dadurch  eine  der  vorhergehenden  Art 
verwandte,  ebenfalls  reich'  gefüllte  Ranke.  Die  Ranke  mit  Doppelhalbpalmetten  tritt 
in  diesem  Beispiel  in  typischer  Reinheit  auf,  die  Umrisse  sind  dabei  freilich  besonders 
unsauber,  wie  ausgesprengt.  Die  Krönung  ohne  jede  Berührung  darüber  schwebend : 
zunächst  eine  Wellenlinie  mit  je  zwei  angehängten  Bäumchen  und  darin  groß  eine 
gesprengte  Doppelhalbpalmette,  worüber  eingestreut  ein  Ring  und  Punkte. 

VI.  Die  Palmettenwelle.  Eine  Stele  (Abb.  80)  vom  J.  225  d.H.  (839 n.Chr.,  Nov.) 
zeigt  diejenige  Form  der  Palmettenranke,  welche  sich  von  selbst  ergab,  sobald  man 
über  die  gewellten  Halbpalmetten  mit  nach  außen  gekehrten  Lappen  einen  Schritt  zur 
Vereinfachung  weiterging:  dann  mußte  der  eigene  Stiel  der  Halbpalmette  wegfallen  und 


1)  Vgl.  damit  die  auffallende  Ähnlichkeit  auf  dem  Beschlag  aus  Keszthely  bei  Hampel,  Altert.  I. 
S.  570.  Auch  in  Abb.  72  wird  man  am  Rande  des  Mittelmedallions  ähnliches  finden,  annähernd  auch  am 
Rande  des  Goldkruges  oben  Abb.  56.     Die  Lappen  am  Ansatz  sind  nach  Abb.  87  Kreislappen. 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


die  Lappen  direkt  vom  Hauptstiel  abzweigen.  Daß  diese  in  der  Stele  vom  J.  839  n.  Chr. 
vorliegende  Art  nicht  etwa  mit  der  einfachen  Kreislappen-Ranke  S.  25  f.  zu  ver- 
wechseln ist,  beweist  die  ständige  Zweizahl  der  Lappen  und  die  Verbindung  mit  der 
üblichen  Krönung  und  kufischen  Eckbildung  aus  Halbpalmetten.  Die  Ranke  ist  durch 
Linien  gesäumt.  Unter  der  Mittelkrönung  eine  andere  von  einem  kleinen  Fragment. 
Die  Grabsteine  von  Kairo  und  die  Seidenstoffe,  die  Falke  auf  Panopolis  zurück- 
führen will,  die  einen  islamisch,  die  andern  nach  den  darauf  vorkommenden  Namen 
Josef  und  Zacharias  christlich,  stehen  sich  in  einzelnen  Motiven  so  nahe,  daß  man 
sie  gern  als  aus  einer  Quelle  stammend  nachweisen  möchte.  Davon  später.  Hier  seien 
nur  einige  der  selbst  noch  im  Rahmen  des  gleichen  Gestaltmotivs,  der  Palmette,  auf- 
fallenden Übereinstimmungen  hervorgehoben.  Der  Randstreifen  von  Abb.  72  und  ~$ 
z.  B.  wird  gebildet  durch  eine  abgesetzte  Palmettenranke,  die  in  der  oben  aufgestellten 
Reihe  von  Motiven  der  Stelen  etwa  zwischen  Gruppe  V  und  VI  unterzubringen  wäre. 
Wir  sehen  Vollpalmetten  mit  einwärts  gelegten  Lappen,  ähnlich  Abb.  79,  aber  in  der 

Typus   VI 


Abb.  So    Kairo,   Arabisches  Museum:  Ornament  einer  Grabstele  vom  J.  839  n.  Chr. 

runter  ein   anderes  Beispiel.) 


Art  von  80  durch  Verwendung  eines  Lappens  wenn  auch  nicht  zu  der  nach  einer 
Richtung,  so  doch  abgesetzt  fortlaufenden  Welle  verbunden.  Doch  fügt  sich  nicht 
nur  dieses  Randmotiv  in  die  Reihe  der  Stelenornamente  ein.  Läßt  man  von  den 
die  Mittelfläche  der  Stoffe  füllenden  die  auf  farbige  Wirkung  berechneten  Motive,  wie 
den  asymmetrischen  Palmettenwipfel  und  das  gleichseitige  Palmettenherzblatt  weg, 
so  bleiben  Motive,  die  sich  sehr  stark  den  Stelenornamenten  nähern.  In  den  Radien 
des  Mittelkreises  Abb.  J2  strahlen  jene  langgestielten,  bäumchenartigen  Voll- 
palmetten mit  nach  auswärts  gerichteten  Lappen  aus,  die  typisch  für  Gruppe  I  der 
Stelenornamente  sind.  Sie  setzen  in  Abb.  75  an  den  Wellenstiel  und  stehen  in  Abb.  77 
ahnlich  oben  auf  der  Randlinie  wie  auf  dem  Stoff  im  Zwickel  der  großen  Ranken- 
bogen. Vor  allem  aber  lassen  die  Palmetten stoffe  die  eigenartigen  Mittelkrönungen 
der  Stelen  latent  erscheinen.  Sie  sind  dort  nicht  streifenkrönend,  sondern  flächen- 
füllend verwendet,  bei  72  in  den  Ecken,  bei  jt,  im  Mittellot. 

Die  Krönung  besteht  meist  aus  den  schräg  auseinandergelegten  Hälften  einer 
Palmette  mit  nach  innen  (Abb.  75,  78,  80 )  oder  außen  (Abb.  31,  32,  jj,  791  gehenden 
Lappen;  öfter  ist  eine  Bäumchenpalmette  als  Füllung  genommen.  In  dem  Seiden- 
stoft'muster  Abb.  72  stellen  große  Bogen  eine  achtteilige  Rosette  her  und  laufen,  gefüllt 
mit  Wipfeln,    in   Palmetten    und    Herzblätter    zusammen;    in    die  Eckzwickel   wächst 


3.  Parallelen  in  Ägypten.  87 

genau  wie  in  der  Krönung  der  Stelen  die  gesprengte  Palmette  herein.  Wir  begegnen 
auf  den  Stoffen  wie  auf  den  Stelen  derselben  Freiheit  in  Anwendung  aller  nur  denk- 
baren Palmettenmotive.  Man  betrachte  daraufhin  nur  die  Einfälle  auf  den  Stelen  in 
Abb.  74,  ;s  und  81.  Von  besonderem  Interesse  ist  Abb.  78,  weil  sich  ihre  Krönung  im 
Prinzip  unmittelbar  anschließt  an  das  beliebteste  zur  Füllung  von  Medaillons  ver- 
wendete Palmettenmuster  der  Seidenstoffe1.  Bezeichnend  ist  (Abb.  73)  der  „Baum", 
ein  kandelaberartiges  Aufeinandertürmen  von  allerhand  Palmettenmotiven.  -Seitlich 
zweigen  die  großen  farbigen  Palmettenwipfel  ab,  dazwischen  legen  sich  Halbpalmetten 
auseinander  und  stellenweise  ist  der  Stiel  ersetzt  durch  ovale  oder  rautenähnliche 
/wischenstücke.  Nach  demselben  Prinzip  baut  sich  die  Krönung  Abb.  78  auf.  In 
der  Mitte  ist  eine  Raute  gebildet,  darüber  und  darunter  legen  sich  ovale  Lappen 
auseinander,  oben  ranken  um  eine  Lanzettspitze  Palmettenranken  aus.  Von  be- 
sonderem Interesse  sind  die  großen  schrägstehenden  Motive,  die,  Pa!mwipfeln  ver- 
gleichbar, sich  wie  auf  der  Stele  Abb.  80  oben  auseinanderlegen.  An  ihnen  be- 
gegnet jene  keilförmige  Umbildung  der  Spitzen,  die  vielleicht  den  Schlüssel  zur  Her- 
leitung der  Gattung  liefert. 

In  der  ausführlichen  Aufzählung  der 
einzelnen  Ornamente  in  der  Zeitschrift  „Der 
Islam"  II  wurde  diese  für  die  Endigung  kufi- 
scher Buchstaben  bezeichnende  Umbildung 
der  Palmettenspitze  öfter  erwähnt  (Abb.  78). 

Uas   beste  Beispiel   bietet  16  -,    wo   die   an  ...    _      v  .       .    ,.    , 

r  Abb.  81:  Kairo,  Arabisches  Museum: 

die  Ränder   gelegten   Halbpalmetten  rauten-  Ornamentkronung  einer  Grabstele. 

förmig  endigen.    Ähnlich  einmal  bei  26.    Am 

auffallendsten  ist  die  Tatsache  gerade  an  22  (Abb.  78 ),  wo  die  kufische  Endigung  auch 
an  der  Ecklösung  links  begegnet.  Es  steht  wohl  außer  Zweifel,  daß  die  entsprechenden 
Akroterien  von  12  (Abb.  y6),  14,  22  (Abb.  78)  und  25  (Abb.  80)  aus  paarweis  vertikal 
gestellten  Halbpalmetten  oder  7  mit  einer  doppelspitzigen  Vollpalmette  durch  die 
entsprechenden  Motive  der  kufischen  Schrift  eingegeben  sind.  Es  stellt  sich  also 
heraus,  daß  die  Ornamentik  der  Stelen  zwar  den  Mustern  der  Stoffe  auf  das  engste 
verwandt  ist,  aber  ihre  Eigenart  durch  die  Hand  des  Kalligraphen  erhält.  Der 
Schnörkel  am  Ende  der  Leiste  5,  die  Ecklösung  von  26  und  29  oder  die  Endigung 
auf  Stele  28  sind  direkt  Belege  kalligraphischer  Übung.  Davon  unten  mehr.  Man 
erinnere  sich  hier  nur  noch  der  Tatsache,  daß  oben  S.  "]"]  (Amida  S.  371)  unter  den 
Beispielen  von  der  Akropolis  zu  Athen  auch  eine  Löwenplatte  mit  kufischem  Schrift- 
ornament genannt  wurde. 

Die  vorgeführte  Reihe  von  Ornamenten  der  ältesten  arabischen  Grabsteine  wird 
vielleicht  den  Eindruck  erwecken,  daß  es  darauf  ankäme,  nachzuweisen,  wo  zuerst 
die  scheinbar  hellenistische  Palmettenranke  mit  der  arabischen  Schrift  in  Verbindung 
trat.  Es  müßte  das  in  einem  Gebiete  geschehen  sein,  wo  sich  die  geometrische  Ranke 
mit  dem  Kreislappen,  erweitert  zur  Palmette,  besonderer  oder  ausschließlicher  Geltung 


1     Vgl.  dazu  auch  die  verkümmerte  Spitze  und  den  rechten  Randlappen  am  Fuße  bei  Hampel  I  S.  570. 
2)  Ich  zitiere  die  dortigen  Nummern,  weil  im  „Islam"  zahlreichere  Belege  gegeben  sind. 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


erfreute  und  zugleich  ein  schöpferisches  Kulturzentrum  der  islamischen  Welt  entstand. 
In  Ägypten  war  das,  wenn  man  die  Denkmäler  heimischer  Kunst  in  koptischen 
Kirchen  und  auf  Grabsteinen  vergleicht,  gewiß  nicht  der  Fall.  Was  wir  im  vorliegenden 
Buche  an  Denkmälern  vom  Nil  besprechen,  ist  entweder  wie  Seide  Import,  vielleicht 
im  Weee  des  Weltverkehrs  Nachahmung,  oder  wie  die  Grabstelen  in  Kairo  von  den  tür- 

kischen  Tuluniden  auf  dem  Nomadenwege  mitgebrachtes  älteres 
Kulturgut.  Dafür  wird  die  letzte  Gruppe,  die  ich  für  die  Kreislappen- 
ranke in  Ägypten  nachweisen  kann,  den  entscheidenden  Beleg 
bringen.     Über  die  türkische  Kalligraphie  unten  S.  173   mehr. 

C.  Holzarbeiten.  Wir  haben  zwei  Gruppen  von  Kunst- 
werken kennen  gelernt,  die  sich  im  Schmuck  so  gut  wie  aus- 
schließlich auf  Palmettenmotive  beschränken.  Das  sreradezu  änest- 
liehe  Ausschließen  jeder  anderen  Gattung  —  außer  der  Kette  — 
fallt  hier  ebenso  auf  wie  an  den  Schmucksachen  aus  Albanien 
und  Ungarn.  Nun  liefert  aber  der  trockene  Boden  Ägyptens 
in  dieser  Richtung  noch  mehr:  Nicht  nur  das  Gestaltmotiv  der 
Ornamentgruppe  findet  sich  dort,  auch  die  technisch -formale 
Eigenart  der  Goldsachen  aus  Albanien,  der  Schrägschnitt,  laßt 
sich  am  Nil  und  zwar  in  weiter  Verbreitung  nachweisen.  Das  ist 
■fc  *  auch  Riegl  nicht  entgangen1.     Es  handelt  sich  um  Bretter,    die 

zum  Teil  aus  dem  trockenen  Sande  wieder  an  das  Tageslicht 
kamen,  zum  Teil  aber  noch  an  ihrer  alten  Stelle  im  Rahmen 
der  Architektur  erhalten  sind.  Ich  will  hier  und  S.  175  einen 
Teil  dieser  Denkmäler  vorführen,  (soweit  diese  noch  nicht  in  den 
Schriften  über  koptische  Kunst  S.  159  f.  und  Mschatta  S.  265 
veröffentlicht  sind),  muß  aber  wenigstens  auf  die  Hauptgruppe 
hier  schon  ausführlicher  eingehen. 

Abb.  82  zeigt  das  Fragment  einer  Füllung,  im  arabischen 
Museum  zu  Kairo,  16x70  cm  groß.  Berücksichtigt  man  das 
Prinzip  der  Symmetrie,  nach  dem  das  Stück  geschmückt  ist, 
so  war  es  ursprünglich  25x70  cm  groß2.  Den  Rand  bildet  eine 
Palmettenranke,  die  im  Gegensatz  zu  ihren  Parallelen  auf  alt- 
arabischen Grabsteinen  nicht  geritzt,  sondern  in  reinem  Relief 
gearbeitet  ist.  Mit  dünnen  Stielen  und  breiten  Halbpalmetten 
geschnitten,  haben  einzelne  Lappen  jenen  eckigen  Schnitt,  den  man  schon  auf 
Grabsteinen  öfter  als  dem  Charakter  arabischer  Schrift  entsprechend  beobachtet 
hat.  Die  Ranke  teilt  die  Tafel  in  zwei  Felder,  ein  kleineres  quadratisches  oben 
und  ein  Längsfeld  unten.  Die  Muster,  die  in  diese  Felder  eingeschnitten  sind, 
treten  neben  der  Ranke  deutlich  in  ihrer  technischen  Eigentümlichkeit  hervor.  War 
beim  Randornament  der  Grund  gleichmäßig  vertieft  und  die  Form  scharf  um- 
rissen in  der  Vorderfläche  des  Reliefs  stehen  gelassen,  so  ist  bei  den  Füllungen  eigent- 


Abb.  82:  Kairo,  Ara- 
bisches Museum:    Ge- 
schnitztes Brett. 


r     Er  £ibl  zwei  Beispiele  bei  Behandlung  des  Keilschnittes  „Spätrömische  Kunstindustrie"  S.  164. 
2    Wobei  nicht  gerechnet  ist,  daß  sich  da»  Brett  auch  nach  unten  tortsetzte. 


3.    Parallelen  in  Ägypten. 


89 


lieh  wieder  eine  Technik  gehandhabt,  die  dem  auf  den  Grabsteinen  üblichen  Einkratzen 
verwandt  ist.  Auch  hier  wurde  das  Ornament  in  seinem  Linienzuge  aufgetragen,  dann 
aber  so  vertieft,  daß  das  Messer  der  Linie  beiderseits  geneigt  folgte:  so  entstand  eine 
im  Durchschnitt  dreieckig  vertiefte  Linie,  deren  Grat  den  imaginären  Reliefgrund 
berührt  und  darauf  die  ursprünglich  auf  der  Vorderfläche  skizzierte  Ornamentlinie  zieht. 

Ist  nun  diese  Linie  oder  das,  was  sie  umschließt, 
die  Hauptsache  an  diesen  Ornamenten?  Riegl  schon  hat 
diese  Frage  gestellt.  Nehmen  wir  das  untere  Feld:  da 
läuft  die  Linie  von  der  Ecke  links  oben  in  kurzem  Bogen 
nach  der  Mitte,  wo  sie  abgebunden  ist  und  zieht  sich 
dann  wieder  ausbauchend  nach  unten,  ohne  nochmals 
den  seitlichen  Rand  zu  berühren.  Unten  biegt  sie  kurz 
nach  innen  um  und  —  hier  tritt  nun  mit  einem  Mal  ein 
Wechsel  ein  —  wir  folgen  nicht  mehr  dem  Verlauf  der 
Linie  im  Grunde,  sondern  sehen  füllend  ein  dreiteiliges 
Blatt,  das  sie  umschließt.  Prüft  man  weiter,  so  werden 
sich  die  beiden  Schnörkel,  die  oben  seitlich  lotrecht  und 
wagrecht  eingeschnitten  sind  und  den  Schwung  des  Um- 
risses eines  halben  Efeublattes  haben,  schwerlich  anders 
denn  als  Zierlinien  nehmen  lassen:  schöne  Linien  —  ich 
nenne  sie  S.  173  f.  Schnörkel  —  symmetrisch  angeordnet, 
ohne  daß  der  von  ihnen  umschlossenen  Form  ein  anderer 
selbständiger  Wert  zukäme  als  etwa  der  des  uns  ge- 
läufigen Kreislappens;  nur  ist  er  hier  zugespitzt.  —  Das 
Ornament  oben  im  Quadrate  fängt  am  oberen  Rande  an 
wie  im  unteren  Felde;  die  Schräge  nach  der  Mitte  zu 
biegt  dann  im  Schwünge  eines  Fragezeichens  nach  außen 
um.  Auf  dem  herzförmigen  Mittelschilde,  den  diese  und 
zwei  Schnörkel  oben  umschließen,  sind  Linien  eingeritzt. 

Das  Ornament  des  unteren  Feldes  kehrt  fast  genau 
gleich  wieder  in  den  beiden  Füllungen  einer  kleinen  Tür 
Abb.831,  die  ich  im  Chan  el-Chalil  zu  Kairo  für  das  Kaiser- 
Friedrich-Museum  in  Berlin  erwarb.  Sie  ist  0,730x0,252  m 
groß  und  massiv  in  einem  Stück  gearbeitet.  Der  Schnitt  ist 
energischer  als  bei  Abb.  82  und  die  Füllung  des  mittleren 
Schildes  unten  eine  andere.  Eingekerbte  Striche  und  kleine  gestanzte  Punkte  (vgl.  Abb.  79) 
beleben  die  blattartigen  Teile  zwischen  den  Schnörkeln,  die  oben  geradezu  wuchern. 

In  den  Kgl.  Museen  in  Berlin  befindet  sich  jetzt  auch  ein  im  Kairiner  Kunst- 
handel erworbenes  Stück  Abb.  84,  das,  0,636x0,220  bzw.  0,135  m  groß,  oben  eine 
Art  Zinne  zeigt,  die  sich  nach  unten  verbreitert  und  unregelmäßig  abschließt;  es  war 
also  da  wohl  verdeckt.    Das  Ornament  zeigt  in  der  Hauptsache  einen  Schnörkelzug, 


Abb.  83 :    Berlin,   Kaiser-Fried- 
rich-Museum :  Geschnitzter  Tür- 
flügel aus   Kairo. 


1)  Ich   gebe   das    unrichtig   photographierte   Stück  in  verkehrtem  Licht,    um  den  Vergleich  nicht  zu 
erschweren.     Nr.  336,  das  folgende  Stück  Nr.  335   meines  Inventars. 


90 


III.   Die  gconieiri.-i.be  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen   Schatzes. 


em  der  vorhergehenden  Stücke  verwandt  ist.  Abb.  85  zeigt  den  Typus  dieser 
v.ppe  in  seltener  Reinheit.  Das  Brett  vereinigt  die  Schnörke!züge  der  beiden  Felder 
n  82  in  einem  Felde.  Das  Stück  ist  durch  Schenkung  von  Herz-Pascha  an  Berlin 
übergegangen.  Es  ist  0,528x0,115  m  groi.S  und  zeigt  auf  allen  Seiten  Falzansätze, 
ist  also  eine  Füllung.  Wir  sehen  oben  zunächst  die  beiden  von  der  Mitte  aus  nach 
oben  geöffneten  Schnörkel.  Dann  gehen  von  den  Ecken  Linien  schräg  nach  der 
Mitte  unten.  Den  Zwickeln,  die  sie  mit  den  Rändern  bilden,  ist  durch  je  zwei  Quer- 
schnitte der  Charakter  von  Blättern  gegeben.  Der  mittlere 
Schild  zeigt  drei  Schlitze  mit  kleinen  Kreisenden,  die  seine 


Fläche    beleben. 


Dieser  ganze  Oberteil  sitzt  auf  den   ein- 


Abb.  ^4 :  Berlin,  Kaiser- 
Friedrich-Museum  :  Geschnitztes 
Breit  ans  Kairo. 


Abb.  S3:   Pcilin.  Kaiser- 
Friedrich  -  Museum  : 
schnitztes  Brett  ans  Kairo, 


Abb.  So-,  Paris,   Louvre: 

Geschnitztes  Brett. 


gerollten  Enden  eines  Schnörkelzuges,  der  ziemlich  genau  dem  im  unteren  Felde 
des  vorher  beschriebenen  Stückes  ähnlich  ist:  die  Flächen  sind  wie  oben  durch 
Kreise  und  Schlitze  belebt.     Dieses  Stuck  hat  in  meinem  Inventar  Xr.  359. 

Eigenartig  ist  eine  Tafel  des  Louvre  '  (Abb.  86),  die  einst  mit  anderen  zusammen 
eine  Täfelung  bildete.  Der  obere  Rand  steigt  im  Bogen  an;  dementsprechend  ent- 
wickelt sich  auch  das  durch  ein  flaches  Band  gegliederte  Ornament.  Es  bildet  nach 
links  oben  eine  Schleife,  in  der  ein  Yogelkopf  mit  Halsband  und  Schnörkelschnabel 
erscheint.     Dann   folgt   in   der   Spitze  ein   halbes   Dreiblatt,   das   nächste  Brett   links 

1  (  so  m  hoch,  0.40  m  breit.  Ich  verdanke  die  ^holographische  Aufnahme  M  \  van  Berchem. 
Vgl.  I  M  ihiicl  d'art  musnlman  II  S.  90. 


Parallelen  in  Ägypten, 


91 


körinte  im  Gegensinn  ergänzt  werden.  Man  bekäme  dann  eine  spitzbogige  Lünette. 
Nach  rechts  hin  sind  die  Felder  mit  Schnörkelornamenten  im  typischen  Schrägschnitt 
ausgeführt.  Unter  dem  Yogelhalse  die  charakteristische  „Sporenblüte",  daneben 
Kreislappen  und  oben  rechts  das  trompetenförmige  „Doppelschnörkelblatt". 

Überblickt  man  die  vorgeführte  Gruppe  von  Brettern,  so  erscheinen  die  Orna- 
mente auf  den  ersten  Blick  seltsam.  Sieht  man  genauer  zu,  so  findet  sich  auch  da 
der  geometrische  Schnörkel  und  der  Schrägschnitt,  dazu  der  Kreislappen  als  Fül- 
lung, aber  so  sonderbar  verwendet,  dalo  Gebilde  zustande  kommen,  die  nichts  mit  der 


Abb.  87:  Altkairo,  Tür  im  Turm  der  Georgskirche:  Füllungen. 


Ornamentgruppe  aus  Ungarn  und  Albanien  zu  tun  zu  haben  scheinen.  Und  doch 
ist  der  Geist  der  gleiche;  nur  ist  die  Richtung,  die  bei  dem  albanischen  Funde  an- 
geschlagen war  und,  kurz  gesagt,  auf  Verdrängung  alles  (im  antiken  Geiste  dem  Motiv 
als  Unterlage  dienenden)  Grundes  hinauslief,  hier  geflissentlich  zum  Prinzip  erhoben. 
Der  Grund  wird  nicht  in  Flächen  gezeigt,  sondern  lediglich  durch  Linien  angedeutet, 
die,  im  Schrägschnitt  vertieft,  wie  Schnörkel  auf  dem  Grunde  gezogen  erscheinen. 
Es  kehrt  immer  die  langgezogene  Kurve  wieder,  in  deren  Zwickeln  Schnörkel 
liegen:  sie  sind  nichts  anderes  als  die  —  hier  zugespitzten —  Kreislappen  im  Ornament 
des  albanischen  Schatzes.     Zwischen  beiden  Gruppen  liegen  Jahrhunderte. 

Ein  reiches  Bild  dieser  —  man  könnte  sagen  abstrakten  —  Schrägschnitt-Orna- 
mentik zeigen  die  Türfüllungen  Abb.  8y ,  die  ich  im  Winter  I900/I  an  ihrer  alten 
Stelle  in  einem  der  Türme  von  Kasr  esch-Schama'a  bei  Altkairo  unter  der  heutigen 


92 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


Ge  "che  fand.    Es  handelt  sich  um  zwei  von  zehn  Türfüllungen1.    Wir  sehen  einen 

Lreieckigen  Schild  unten;  er  hebt  sich  in  seiner  durch  den  Schnitt  wie  weich 
gepolsterten  Fläche  auffällig  von  den  tief  eingeschnittenen  symmetrischen  Linien- 
zügen ab,  die  sich  besonders  oben  in  reicher  Verschnörkelung  auftürmen.  Zunächst 
geht  eine  Hauptlinie,  in  Vasenform  abgestuft,  nach  der  oberen  Ecke,  wo  sie  wie  eine 
Ranke  mit  einem  kurzen,  spitzen  Blatt  endet  und  nach  der  Mitte  zu  einen  Schnörkel 
entsendet,  der  mit  einem  zweiten  zusammen  zur  Umrahmung  einer  Form  wird,  die 
ich  das  „Doppelschnörkelblatt"  nenne,  entsprechend  der  Halbpalmette  des  alba- 
nischen Fundes.  An  der  Basis  zwei  Volutenschnörkel,  die 
einer  trompetenartigen  Erweiterung  Platz  lassen  und  durch 
einen  flachen  Bogen  verbunden  sind.  Man  wird  in  unserer 
Füllung  vier  Paare  solcher  Schnörkelblätter  finden,  wenn  man 
nur  beachtet,  daß  durch  Verschiebungen  in  der  Stellung  der! 
Schnörkel  —  je  nachdem  sie  mehr  horizontal  oder  vertikal 
zur  Mittelachse  stehen  —  verschiedene  Arten  desselben  Typus 
entstehen.  Die  obersten  legen  sich  schräg  in  die  Ecken,  das 
folgende  Paar  scheint  herabzuhängen,  das  nächste  darunter 
bildet  die  wagrechte  Oberkante  des  Schildes,  das  vierte  legt 
sich  seitlich  an  den  Fuß  der  Schrägen.  Dazwischen  schön  ge- 
schwungene verbindende  Linien,  so  oben  in  der  Mitte  ein 
T-förmiger  Linienzug2,  der  auf  zwei  Schnörkeln  aufsteht,  und 
unten  ein  anderer,  der  sich  aufrichtend  das  Schnörkelblatt 
umzieht,  ähnlich  wie  im  quadratischen  Oberteil  von  Abb.  82. 
Beachtenswert  ist  noch  der  Abschluß  des  Schmuckes  unten 
in  den  Ecken.  Wir  sehen  da  in  der  Mitte  zwei  sich  berührende 
Schnörkel,  die  im  Bogen  nach  oben  dem  Rande  zu  streben 
und  in  der  Eckmasse  als  „Sporenblüten"  gebildet  sind.  Zu 
beachten  sind  auch  noch  die  am  Ursprünge  des  Schildes  ge- 
zogenen Doppelbogen  und  Einkerbungen  darunter. 

Die  Tür  von  Kasr  esch-Schama'a  war  zu  der  Zeit,  als  ich 
sie  aufnahm,  fast  vollständig  erhalten.  Von  ihrer  Art  gibt  es 
eine  ganze  Reihe  Beispiele  in  Ägypten,  sowohl  in  christlicher 
Zeit  wie  aus  islamischen  Denkmälern.  Ich  erwähne  hier  nur 
Es  sind  ebenfalls  Türen.  Die  eine  Abb.  88  fand  ich  1901  in  der 
Bibliothekskammer  des  Kasr  im  Deir  es-Surjani3  aufbewahrt.  Der  eine,  nur  teilweise 
erhaltene  Flügel  ist  2,16  m  lang  und  hat  Füllungen  von  0,50  m  Höhe.  Diese  sind 
mit  (bis  zu  2,5  cm  tief  ausgehobenen)  Schnörkelornamenten  im  Schrägschnitt  ausgefüllt, 
in   deren  Mitte' unten4   wieder  der  schöne  dreieckige  Schild   in    Form   eines  Pokals 


Abb.  88:  Deir  es-Surjani: 
Türfüllung. 

noch  zwei  Exemplare. 


1)  Ein  sehr  zerstörtes  Feld  im  Kaiser-Friedrich-Museum  (Xr.  334  meines  Inventars).    Das  einzelne  Feld 
i-t  0499x0,228  m  groß.    Die  Kirche  selbst  ist  inzwischen  abgebrannt  und  jetzt  prächtig  wiederaufgebaut. 

2)  wie  in  Abb.  59   auf  dem  Kruge   von    Xagy-Szent-Miklos.     Vgl.    auch    Abb.  82    und    die   Krönung 
der  Stele  Abb.  78. 

3)  Vgl.  Oriens  christianus  I  (1901)  S.  356  f. 

41   Ich  habe  auch  diese  Abbildung  trotz  der  falschen  Beleuchtung  umgedreht.     Am  Original  oben. 


3-  Parallelen  in  Ägypten.  93 

auftritt.  Er  erscheint  wie  stehend  auf  einem  Fuß,  von  dem  sich  Schnörkelblätter 
nach  der  Seite  ranken,  während  darüber  andere  aufgelöst  ihre  Spitzen  über  den 
Schild  hinweggehen  lassen.  Oben  sieht  man  eine  reiche  Zusammenstellung  von 
halben  und  ganzen  Schnörkelblättern,  die  sich  auf  mannigfache  Art  einrollen.  —  Be- 
achtenswert ist,  daß  auf  dem  Schilde  ein  gesondertes  Feld  mit  einer  Palmette  ausge- 
spart ist,  ein  Motiv,  das  unmittelbar  überleitet  auf  die  reich  verzierten  Schilde  der 
Tür  des  Hakim  (996 — 1020),  die  ich  hier  nicht  abbilde,  weil  sie  wiederholt  veröffent- 
licht ist '.  Sie  leitet  bereits  über  auf  die  den  Schrägschnitt  aufgebenden  reichen  Türen, 
als  deren  typischer  Vertreter  die  Martorana-Tür  in  Palermo  bekannt  ist.  Das  Jahr  looo 
gibt  etwa  die  letzte  Grenze  der  reinen  Schrägschnittarbeiten  in  Ägypten. 

Zur  Datierung  dieser  Holzarbeiten  ist  im  übrigen  folgendes  zu  bemerken.  Die 
Einzelstücke,  die  ich  oben  veröffentlichte,  stammen  zumeist  aus  den  1894  gemachten 
Ausgrabungen  von  Ain  es-Sira  und  sind  nach  den  mit  ihnen  zugleich  gefundenen  Grab- 
steinen von  228,  250  und  268  d.  H.  (842,  864  und  881  n.  Chr.)  in  das  IX.  Jahrh.  datiert. 
Einen  wertvollen  zeitlichen  Beleg  bilden  auch  die  Ornamente  auf  der  Rückseite  von 


o',Wf*rV,,Jl.l,IJ"3r'r 


p3^S 


Abb.  89:  Kairo,  Arabisches  Museum:     Rückseite  arabischer  Bretter  vom  Jahre  1216. 

Brettern,  die  1216  wieder  verwendet  wurden.  Drei  stehen  im  Museum  zu  Kairo,  eines  im 
Viktoria  and  Albert-Museum  zu  London.  Sie  stammen  von  der  Brüstung  eines  Grabes 
der  Moschee  des  Sadat  et-Talba  bei  der  berühmten  Moschee  des  Imam  esch-Schafi'i 
und  sind  inschriftlich  datiert  61 3  d.H.  (1216  n.  Chr.).  Sie  zeigen  das  reich  entwickelte 
Arabeskenornament  der  späten  Fatimidenzeit  (969— II71)2.  Für  uns  hat  im  Augen- 
blick nur  die  Rückseite  Wert."  Ich  habe  einen  Teil  davon  aufgenommen  (Abb.  89). 
Man  sieht,  daß  zur  Herstellung  der  neuen  Schnitzereien  ältere  Schnitzbretter  mit 
unseren  charakteristischen  Schnörkelornamenten  genommen  wurden.  Im  Jahre  1216 
war  also  jedenfalls  diese  alttürkische  Dekorationsart  seit  Jahrhunderten  wohl  voll- 
ständig durch  die  neue  der  Fatimiden  überwunden.  Die  Datierung  in  das  IX.  Jahrh. 
muß  jedoch  auch  auf  das  X.  erstreckt  werden,  nur  ändern  sich  natürlich  gewisse 
Qualitäten.  Die  Türfüllung  von  Deir  es-Surjani  Abb.  88  zeigt  eine  Steigerung  des 
Tiefendunkels,  ein  Wuchern  der  Motive  und  zugleich  die  Neigung  zur  Anbringung 
von  positiven  Einzelheiten,  wie  der  Vollpalmette  auf  dem  Schilde.     Man  wird  dafür 

1)  Zuletzt   bei  Migeon,    Manuel  d'art  musulman  II  S.  91.     Vgl.  Herz,  Catalogue  p.  172  und  Berchem, 
Corpus  I  pl.  XVI.   1.  Gay  et,  l'art  arabe  S.  86  gibt  eine  moderne  Tafel. 

2)  Abbildungen  bei  Franz-Pascha,  Kairo  S.  45  und  Berchem,   Corpus  insc.  arab.  Taf.  XLIV  Nr.  2; 
Migeon,  Manuel  II  S.  99  f. 


i 


111.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


m  Vergleiche  gut  die  in  dem  gleichen  Natronkloster  ausgeführten  Stuckaturen 
verwenden  dürfen.  Abb.  90  gibt  davon  eine  gute  Vorstellung.  Es  ist  eines  der 
bisher  unzulänglich  veröffentlichten  Felder  jenes  Frieses,  den  ich  mehrfach  besprochen 
habe  '.  Man  sieht,  das  Muster  ist  im  Grunde  das  gleiche,  nur  sind  die  Schilde  kleiner 
geworden  und  die  Schnörkel  zu  richtigen  Halbpalmetten  umgebildet,  das  Ganze  in 
Stucktechnik  mit  verschieden  geformten  Löchern  im  Tiefendunkel  belebt.  Diese 
Stuckaturen  nun  sind  wohl  in  die  Zeit  des  Moses  von  Xisibis  ins  X.  Jahrhundert  zu 
datieren-  und  aus  Mesopotamien  oder  Iran  herzuleiten,  d.  h.  aus  dem  Lande,  zu  dem 

wir  nach  Osten  vorschreitend  gleich  übergehen. 
Die  Blüte  dieser  Technik  wird  wohl  in  der  Zeit 
des  ersten  türkischen  Statthalters  von  Ägypten 
(Ahmed  ibn  Tulun)  und  den  Ornamenten  seiner 
Moschee  in  Kairo  (876 — 78)  zu  suchen  sein.  Nur  muß 
man  freilich  damit  rechnen,  daß  diese  Stuckfriese  un- 
zählige Male  überarbeitet  sind  und  man  den  ur- 
sprünglichen Charakter  besser  an  den  Türlaibungen 
aus  Holz  studiert.     Davon  unten  S.  176  f. 

Wir  stehen  nun  vor  der  Tatsache,  daß  im 
Norden  wie  hier  im  Süden  des  Mittelmeeres  eine 
Ornamentgruppe,  d.  h.  das  gleiche  Motiv  und  die 
gleiche  Technik  und  Qualität  herrschend  ist.  Er- 
klärt sich  das  durch  spontane,  unter  den  gleichen 
Bedingungen  vor  sich  gegangene  Entstehung  oder 
liegt  der  Fall  so,  daß  Ägypten  den  Norden  oder 
dieser  Ägypten  beeinflußt  hat?  Es  ist  nicht  nur 
von  Falke,  sondern  schon  früher  von  Berlin  aus 
durch  Herzfeld  der  Versuch  gemacht  worden,  diese 
Art  von  Zierkunst  als  in  Ägypten  bodenständig 
nachzuweisen 3.  Dies  geschah  freilich  ohne  Kenntnis 
der  nordischen  Gruppe,  wie  in  ungenügender  Be- 
kanntschaft   mit    dem     koptischen    Ornament.      In 


Abb.  90:  Deir  es-Surjani.  Kirche 
cl-Hadra.  Einzelfeld  des  Stuckirieses 


Wirklichkeit  ist  der  eigenartige  Schmuck  im  Rahmen 


der  altchristlichen  Kunst  Ägyptens  ebenso  ein 
Fremdkörper  wie  unter  den  Funden  Ungarns  und 
des  Balkan4.  Der  Schnörkel,  die  Halbpalmette  mit  allen  ihren  Keimformen,  wie  die 
Technik  des  Schrägschnittes,  sind  in  der  nachgewiesenen  reichen  Mannigfaltigkeit 
vielmehr  in  Kunstkreisen  heimisch,  die  östlich  zwischen  dem  Norden  und  Süden 
liegen   und   nach   beiden    Richtungen    hin  vermitteln.     Zunächst  in  Vorderasien,    im 


1     Vgl.    zuletzt  Monatshe.tc    für    Kunstwissenschaft  1  S.   19   und  VIII  Taf.  So.     Dazu   Johann    Gc 

Mreilzüge  Abb.  711.     Ich  benutze  Aufi  ahmen  de>  ägyp.  Comite*  de  consen  ation. 
^     Vgl.  Oriens  christianu*   I   S.  ^67  f. 

Der  Islam   1.  47  f.     Vgl.    dazu   jetzt    das  Geständnis    in    der   gleichen  Zeitschrift  VI  ( 191 5)  S.  214. 
4     Vgl.  darüber  meine  ,. Koptische  Kun>f  iCatalogue  gen.  du  Musee  du  (  aire    Einleitung  und  S.  160  f., 
S    -'(>5   und  346. 


4.  Parallelen  aus   Mesopotamien   und   Iran.  QC 

engeren  Sinne  in  Mesopotamien,  Iran  und  weiter  in  Zentral-  und  Ostasien.  Dort 
hat  sich  die  geometrische  Ranke  mit  dem  Kreislappen  von  alter  Zeit  her  in  Übung 
erhalten,  ist  nicht  erst  vom  späten  Hellenismus,  Rom  oder  gar  von  Byzanz  aus  neu 
eingeführt  worden.  Wenn  die  Ranke  in  der  islamischen  Kunst  eine  ausschlaggebende 
Rolle  spielt,  so  beruht  das  wie  bei  der  Profilierung '  auf  alten  in  Asien  heimischen 
Voraussetzungen2.  Auch  die  Technik  des  Schrägschnittes  dürfte  dort  aufgekommen 
sein.  Es  wird  auch  hier  wieder  die  Entwicklung  auf  den  Kopf  gestellt :!,  wenn  nfan 
annimmt,  die  Holzarbeit  an  sich  und  die  ägyptischen  Rretter  im  Besonderen  hätten  die 
Originalität  für  sich.  Es  ist  die  in  Mesopotamien  und  Iran  heimische  Verkleidungstechnik 
in  Stuck,  die  solche  Formen  übermittelt  hat.  darüber  hinaus  kommen  für  die  Ent- 
stehung Umstände  in  Betracht,  die  gleich  zu  erörtern  sein  werden. 

4.  Parallelen  aus  Mesopotamien  und  Iran. 

Bis  vor  wenigen  Jahren  wußten  wir  nichts  über  die  Kunst  der  christlichen  und 
islamischen  Zeit  in  den  Gebieten  jenseits  der  syrischen  Wüste  und  des  Taurus. 
Ich  glaube  der  Forschung  mit  meinen  Arbeiten  über  Mschatta  und  Amida  Bahn  ge- 
brochen zuhaben.  Nun  fließt,  nachdem  die  Aufmerksamkeit  geweckt  und  die  Probleme 
gestellt  wurden,  das  Material  reichlicher  und  rascher,  als  zu  erwarten  war. 

A.  Samarra.  Ich  stelle  die  mesopotamische  Gruppe  voran  —  obwohl  sie  zeitlich 
später  anzusetzen  ist  als  die  iranische  —  weil  sie,  unmittelbar  neben  die  ägyptischen 
Beispiele  gehalten,  mehr  als  Worte  von  dem  Verhältnis  der  ägyptischen  Denkmäler, 
die  man  hartnäckig  zum  Ausgangspunkt  der  ganzen  Ornamentgattung  machen  will, 
Zeugnis  ablegt. 

Abb.  91  zeigt  das  Stück  einer  Wandverkleidung  in  Stuck,  wie  sie  Miss  Bell  im 
Bet  el-Chalife  zu  Samarra  am  Tigris  gefunden  hat4.  Es  handelt  sich  um  den  riesigen 
Palast  eines  Kalifen  aus  dem  IX.  Jahrhundert.  Er  ist  in  Backstein  erbaut,  die  Mauern 
sind  wie  in  der  von  Samarra  abhängigen  Moschee  des  Ibn  Tulun  in  Kairo  mit  Stuck 
überzogen,  der  in  letzterer  bis  zu  fünfzehn  Schichten  übereinander  liegt,  so  daß  all- 
mählich die  ursprünglichen  Formen  ganz  verwischt  wurden.  Dafür  tritt  jetzt  Samarra 
ein,  das  Beispiel  Abb.  91  gibt  eine  merkwürdige  Bestätigung  für  die  durch  die  lite- 
rarischen Quellen  bezeugte  Abhängigkeit  Ägyptens  vom  Zweiströmeland5.  Man 
sieht  eine  Folge  schräger  Geraden  nebeneinander,  die  durch  kleine  Bogen  am  unteren 
Ende  zu  ähnlichen  Schilden  zusammengezogen  werden,  wie  wir  einen  solchen  in 
Abb.  87  und  88  sahen.  Die  im  Schrägschnitt  gebildeten  Schilde  sind  oben  durch  die 
gleichen  Voluten  verbunden  wie  an  diesen  Türfüllungen  in  Ägypten,  so  daß  wir  uns 
auch  an  der  Wand  von  Samarra  ähnliche  Ornamente  ergänzen  dürfen,  wie  sie  an  den 
Türen   erhalten   sind   (eine  gute  Vorstellung  solcher  reicher  Stuckwände   gibt  heute 

1)  Amida  S.  335  f. 

2)  Mschatta  S.  327  f. 

3)  E.  Herzf'eld,  Der  Islam  I,  S.  45.  Vgl.  dazu  leider  jetzt  auch  Diez,  Die  Kunst  der  islamischen 
Völker  S.  68. 

4)  Bell,  Amurath  to  Amurath  Fig.  156  zu  S.  240/1 ;  vgl.  auch  Yiollet,  Description  du  Palais  de  al- 
Moutasim  Taf.  XVI. 

5)  Vgl.  Koptische  Kunst  S.  XXIV  und  Oriens  christianus  I,  356  f. 


96 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


noch  Maqam  Ali  am  Euphrat,  aus  etwas  späterer  Zeit  1'k  Der  untere  Teil  der  Wand 
zeigt  die  typischen  Schnörkel,  Strichpunkte  und  Einkerbungen,  wie  sie  auch  auf  den 
optischen  Brettern  und  in  der  Ibn  Tulun  typisch  wiederkehren.  Eine  Fülle  ein- 
schlägiger Wanddekorationen  hat  Viollet,  Description  du  palais  de  al-Moutasim,  nach 
den  in  Samarra  gefundenen  Resten  ergänzt  veröffentlicht2. 

Neuerdings  haben  nun  Sarre-Herzfeld  in  Samarra  Ausgrabungen  veranstaltet  und 
dabei  wie  zu  erwarten  war,  großartige  Ergebnisse  erzielt3.  Sie  haben  damit  gegen 
ihre  eigene  Überzeugung  den  Beweis  erbracht,  daß  Persien  Ägypten  gegenüber  der 
gebende  Teil  war;  denn  bei  den  vielen  Grabungen,  die  in  Ägypten  im  Gebiete  der 
Grab-,  Kloster-  und  Privatarchitektur  gemacht  worden  sind,  ist  auch  nicht  ein  Bei- 


Abb.  91 :  Samarra,  Bet  el-Chalife:  Rest  einer  Wandverkleidung  in  Stuck. 


spiel  stuckierter  Wände  entdeckt  worden,  so  daß  die  aus  literarischen  Nachrichten  hervor- 
gehende Wahrscheinlichkeit,  wonach  die  Stuckornamente  in  der  Moschee  des  Ibn  Tulun 
und  im  Deir  es-Surjani  von  Samarra,  bzw.  von  Nisibis  aus  besorgt  wurden,  durch 
den  Erfolg  der  Ausgrabungen  von  Samarra  nur  voll  bestätigt  wird4.  Diese  Funde 
haben  aber  noch  etwas  anderes  gerade  für  die  Technik  der  Schrägschnittmuster  (ohne 
Hervortreten  der  Grundfläche  bis  auf  eine  schmale  Linie)  ergeben.  Sind  die  Stuck- 
ornamente der  Tulun  und  im  syrischen  Kloster  an  den  Natronseen  mit  der  Hand 
gearbeitet,  so  sind  unter  den  zahllosen  Stuckornamenten  von  Samarra  gerade  nur 
die  Schrägschnittmuster  mit  dem  Holzmodel  durch  Pressung  hergestellt.     Für  diese 


1)  Vgl.  Amida  S.  557t".  nach  Sarre.  Jahrbuch  der  preußischen  Kunstsammlungen  190S  S.  1  f .    Bezüglich 
der  Datierung  v^l.   l'lury,   Die  Ornamente  der  Hakim-  und  Ashar-Moschee  S.  8. 

2    Memoires  presentes    par   divers  savents  ä  l'academie    des  inscriptions   et   belies   lettres    Tome  XII, 
He  partie  (1909). 

Vgl    Herzfeld,  Erster. vorläufiger  Bericht  über  die  Ausgrabungen  von  Samarra,  Berlin  1912,  S.  14  ff- 
meine  Kritik  Monatshefte  f.  Kunstwissenschaft  XVIII  (1915)  S.  369^ 


4.  Parallelen   aus   Mesopotamien   und   Iran. 


97 


rasche  Technik  wurden  Muster  gefordert,  die  ein  ungefährliches  Abheben  der  Holz- 
formen sicherstellten.  Ich  gebe  als  Beispiel  Abb.  92  nach  dem  vorläufigen  Ausgrabungs- 
bericht Taf.  XII.  Es  ist  eine  Wand  aus  dem  Palast  Balkuwara,  erbaut  zwischen 
855  —859.  Der  untere  Wandstreifen  zeigt  in  zwei  Reihen  übereinander  das  gleiche 
Motiv:  oben  ein  Rundschild  mit  eingerollten  Flügelenden,  die  ein  flaschenartiges 
Motiv-  in  die  Mitte  nehmen.  Es  wiederholt  sich  unter  dem  Schilde  vergrößert  und  be- 
gleitet von  den  gleichen  spitzen  Kreislappen,  wie  auf  den  ägyptischen  Brettern,  Abb.  82  f. 


Diese  Lappen  bilden  im  Außenumriß  ein  Spitzoval,  in  das  sich  unter  den  Kelch 
der  Flasche  die  Schnörkel  mit  den  Kreislappen  nochmals  einschmiegen. 

Besonders  hervorzuheben  ist  die  Gliederung  der  durch  den  Schrägschnitt  ent- 
standenen Flächen  durch  Punkt  und  Strich,  vor  allem  durch  die  Vereinigung  beider. 
Dafür  gibt  der  vorläufige  Bericht  auf  Tafel  IV  und  XIII  vortreffliche  Belege  '.  In 
unserer  Abb.  92  sind  sie  etwas  durch  Sand  verdeckt.  In  den  unten  zu  besprechen- 
den Stuckornamenten  der  Ibn  Tulun-Moschee  in  Kairo  bilden  sie  das  Um  und  Auf 
der  Innengliederung  der  durch  die  Schnörkel  umrissenen  Schrägschnitt-Flächen. 

Ich  könnte  die  Beispiele  dieser  Ornamentik  in  Mesopotamien  sehr  häufen,  nicht 
nur  durch   weitere  Parallelen  in  Stuck,    sondern  vor   allem   durch  Bretter  von   ähn- 


1 1  Ebenso  eine  Aufnahme  bei  Diez,  Die  Kunst  der  islamisehen  Völker  S.  3S  Abb.  47. 
Strzygowslcy,   Altai.  7 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


lichem  Schnitt.  Zwei  aus  Tekrit  in  Berlin  '.  Ich  denke,  das  wird  nicht  mehr  nötig 
in.  Für  die  Abhängigkeit  Ägyptens  von  Mesopotamien  vergleiche  z.  B.  die  Kreis- 
punkte im  Rahmen  des  Surjani-Feldes  (Abb.  90)  mit  den  Bossen,  die  im  Palast 
Balkuwara  (Abb.  92)  die  Öffnungen  im  oberen  Teile  der  Wand  umrahmen.  Man 
sieht,  es  ist  durchaus  die  gleiche  Art,  nur  in  Ägypten  verflacht.  Auch  die  Auf- 
teilung und  der  Linienschwung  in  der  vertikalen  Leiste,  mit  der  die  Stuckwand 
Abb.  92  links  endet,  kehrt  in  Ägypten  wieder.  Wir  sahen  sie  oben  auf  dem  Holz- 
fragment Abb.  82  im  arabischen  Museum  und  ähnlich  in 
Berlin  Abb.  85. 

B.  Silberarbeiten.  Das  waren  Beispiele  aus  dem 
IX.  Jahrhundert.  Diese  Ornamentik  muß  aber  schon  in  sasa- 
nidischer  Zeit  in  Blüte  gewesen  sein.  Den  Beleg  liefern  einige 
der  ., spätrömischen"  Keilschnittbronzen,  die  Riegl  (Spätröm. 
Kunstind.  S.l  54f.) zusammengestellt  hat  und  sasanidische  Reliefs 
in  Silber  und  Bronze,  wie  sie  das  Werk  von  Smirnov  über 
„Östliches  Silber"  und  die  Münchener  islamische  Ausstellung 
vom  Jahre  1910  zutage  gefördert  haben.  Ich  gebe  Abb.  93 
nach  Tafel  L  des  Smirnovschen  Albums  die  Ansicht  der 
Schmalseite  eines  Silberkruges,  der  1878  in  Maltzewa  im 
Gouvernement  Perm  gefunden  und  in  die  Petersburger 
Stroganov-Sammlung  gekommen  ist.  Auf  diesem  Pracht- 
stück sieht  man  Ranken  ähnlich  in  Spitzovalen  geordnet,  wie 
auf  den  Pfeilern  aus  Acre  2;  der  syrische  Hellenismus  nahm 
dafür  —  vielleicht  vom  Parteiischen  her  —  Weinlaub,  der 
sasanidische  die  Palmette.  Bei  genauerem  Zusehen  zeigt  sich, 
daß  die  einzelnen  Lappen  genau  so  in  schrägen  Flächen  ge- 
schnitten sind,  wie  die  oben  in  Abb.  68  vorgeführten  Stein- 
ornamente von  der  Akropolis  in  Athen.  Der  gleiche  Schnitt 
kehrt  wieder  auf  der  Schale  aus  Perm  bei  Smirnov  Nr.  106. 
Es  ist  also  auch  diese  keulenförmige  Umbildung  des  Schräg- 
schnittes durch  Denkmäler  aus  dem  Osten  belegt.  Man  be- 
achte ferner  die  seltsamen  Lappenformen  und  den  W'echsel 
der  Technik  an  Ha's  und  Fuß.  Die  Anordnung  in  Spitzovalen 
ist  die  gleiche  wie  an  der  Wand  von  Samarra  Abb.  92,  nur 
eben  nicht  der  mechanischen  Technik  in  Stuck  entsprechend  durch  Schnörkel,  sondern 
plastisch  in  der  Form  der  geometrischen  Ranke  herausmodelliert.  Wir  haben  in  den 
Spitzovalen  eines  jener  Motive  vor  uns,  die  unten  S.  1 51  als  Lieblingsmotiv  der  flächen- 
fullenden  Zierkunst  der  Nomaden  bezeichnet  werden  soll.  Auch  auf  den  Brettern 
aus  Ägypten  Abb.  82 f.  liegt  das  Motiv  im  Keim  vor3. 

Noch   ein   anderes  Denkmal   möchte   ich   bei   dieser  Gelegenheit  veröffentlichen, 
das  ich  im  Stieglitz-Museum  in  Petersburg  fand.    Ich  danke  Abb.  94  der  freundlichen 

1  Vgl.  Sarre-Herzfeld,  Archäo).  Reise  im  Euphrat-  und  Tigrisgebiet  I  S.  22. 

2  Vgl,  ehristianus  IV  (1902)  S.  421  f.  und  Mschatta  S.  300I. 

''-<hat'a  S.  321   ein  anderes  noch  durchaus  sasanidisch  ornamentiertes  Brett  in  Kairo. 


Abb.  93:  Petersburg, 
Sammlung  Stroganov: 
Silberkru«'  aus   Perm. 


4.   Parallelen  aus  Mesopotamien   und  Iran. 


99 


Liebenswürdigkeit  des  Kustos,  Herrn  Dr.  E.  v.  Querfeldt.  Es  handelt  sich  um  eine 
Bronzeschüssel  von  der  Art,  wie  man  mehrere  in  den  Meisterwerken  muhammedanischer 
Kunst  (Münchener  Ausstellung  1910  II  Tafel  1 37  ff.)  zusammengestellt  findet.  Das 
neue  Exemplar  hat  68,5  cm  Durchmesser  und  ist  ausgezeichnet  erhalten  '.    Man  sieht 


Abb.  94:  Petersburg,  Stieglitz-Museum:  Bronzeschüssel. 

im  Zentrum  eine  stehende  Gestalt  in  weitem  Kaftan  und  mit  einem  Kopfschmuck, 
der  etwas  anklingt  an  die  bizarren  Formen,  die  in  den  Wandgemälden  aus  dem 
Turfan  vorkommen2,  obwohl   es  sich  hier  vielleicht  um  eine  entstellte  Mauerkrone 


1)  Eine  zweite  kleinere  Schüssel  dieser  Art  im  gleichen  Museum  mißt  58  cm  Dm.  Um  ein  Mittel- 
medaillon mit  einem  Löwen,  der  eine  Gazelle  überfällt,  stehen  im  Kreise  Tiere:  Adler,  Löwe,  Gazelle,  Kamel, 
Buckelochse  und  zwei  gegeustäudig  aufspringende  Paare.    Die  Photographien  wurden  für  F.  Sarre  angefertigt. 

2)  Vgl.  dafür  Le  Coq,  Chotscho  Taf.  XVII. 

7* 


«^y,  in.  |  [lettische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

handeln  könnte.  Die  Gestalt  hält  in  der  Rechten  ein  Schwert  (?),  in  der  Linken  ein 
flatterndes  Band  i?)  erhoben.  Das  Muster  des  Gewandes,  Rauten  und  Zickzack  mit 
Punkten,  ist  ähnlich  ziseliert,  wie  auf  den  Krügen  von  Nagy-Szent-Miklos.  Uns  inter- 
eren  mehr  die  Ornamente,  die  in  konzentrischen  Kreisen  um  diese  Figur  gezogen 
sind.  Da  sieht  man  zunächst  im  innersten  Kreise  Pfauen  zuseiten  der  Figur,  dann 
durch  eine  Perlschnur  getrennt  Pfauen  zuseiten  des  Kopfes  und  laufende  Löwen  und 
Gazellen,  stellenweise  begleitet  von  Rankenteilen.  Man  beachte  hier  schon  die  kom- 
pakte, keulenartig  wirkende  Bildung  der  Tierleiber.  Der  nächste  wieder  durch  Perl- 
schnüre gesäumte  Kreis  zeigt  eine  Wellenranke  mit  Dreiblättern  und  Punkten,  wie 
man  sie  (Abb.  8l)  auch  auf  den  arabischen  Grabsteinen  von  Kairo  aus  dem  IX.  Jahr- 
hundert verwendet  sieht '.  Der  nächste  breite  Kreis  macht  von  der  Palmetten- 
ranke ausgiebigen  Gebrauch.  Man  sieht  in  elf  Kreisen  Tiere  und  Vögel,  dreimal 
auch  Menschen,  öfter  begleitet  von  Rankenmotiven.  Diese  geben  den  Ausschlag 
in  den  schönen  Füllungen  zwischen  den  Kreisen:  Anmutige  Linienspiele,  bisweilen 
aus  einer  gesprengten  Palmette  entspringend  und  auslaufend  in  Efeublätter,  Trauben, 
Granaten  oder  Yollpalmetten,  bisweilen  durchsetzt  von  einem  Perlhuhn,  begleitet  von 
knollig  verdickten  Lappen.  In  der  nächsten  Zone  ähnlich  gebildet  eine  Ranke,  an 
der  die  schotenähnlichen  Lappenpaare  zu  beachten  sind.  handlich  ein  breiter  Rand 
mit  36  Bogen  aus  Perlenschnüren  auf  dünnen  Säulchen,  darin  Tänzerinnen,  Manner, 
bekleidet  und  nackt,  Tiere,  Vögel  und  wieder  die  Ranke.  Dieses  schöne  Stück  zeigt 
gleich  den  andern  Schüsseln  verwandter  Art,  wie  frei  spielerisch  man  sich  in  Ostpersien, 
wohin  ich  die  Stücke  nach  ihrem  Ursprung  versetzen  möchte  —  das  eine  soll  in 
Sendschan  erworben  sein  — ,  der  Palmettenranke  zu  bedienen  wußte. 

Von  einer  dieser  Schüsseln,  die  man  in  München  der  letzten  Sasanidenzeit  zuschrieb, 
möchte  ich  hier  noch  eine  Aufnahme  geben  (Abb.  95).  Es  ist  wieder  ein  Bronze- 
teller (von  68  cm  Dm.,  gegossen)  mit  reich  gravierten  radialen  Arkaden  um  einen 
mittleren  Kreis  mit  Architektur  auf  Flügelpalmette  -.  In  den  Arkaden  aus  Hufeisen- 
bogen3 auf  dünnen  Säulchen,  wie  -man  sie  ähnlich  häufig  in  den  Kanonesarkaden  ar- 
menischer Evangeliare  findet,  sieht  man  Rankenbäume  von  der  Art,  die  oben  in  den 
Steinfragmenten  aus  Athen  und  auf  dem  Kairuaner  Mimbar  aus  Bagdad  Abb.  (68 
und  71 1  besprochen  wurde.  Sie  kommen  verkümmert  ja  auch  auf  unseren  Schmuck- 
sachen aus  Albanien  Nr.  14  und  24  vor.  Jede  zweite  Arkade  in  Abb.  95  zeigt  den 
gleichen  mit  einer  Flügelpalmette  endigenden  Baum.  Uns  interessieren  mehr  die 
andern  in  jedem  Felde  wechselnden  Motive.  Man  beachte  die  beiden  auf  das  Ende 
der  Flügelpalmette  zustrebenden  Felder  und  vergleiche  sie  mit  dem  Ornament  der 
Wangenplatten  und  dem  Goldpokal  des  Poltawaschatzes  (Abb.  55  und  58)  und  wird  auf 
ihnen  die  haargleichen  Wucherungen  der  Palmette  finden,  wie  auf  der  hier  abgebildeten 
sasanidischen  Bronzeschüssel.  Auf  der  einen  Seite  links  die  Lappen,  die  fast  zu 
wehenden  Bändern  umgebildet  sind,  und  auf  der  andern  rechts  die  knopfartigen  Ver- 
dickungen mit  angesetzten  Nasen.    Dazu  oben  in  den  Zwickeln  zwischen  den  Bogen 


1)  Vgl.    ..  l)er    Islam"   II   S.  3101V.   und    für    das    auf   diesen    Grabsteinen   so    häufige  Kettenmotiv    aus 
Wellengliedern  Meisterwerke  II  Tai.  1 

2)  Münchener  Ausstellung  Xr.  298S,  Meisterwerke  II  Tafel   137.     Danach  meine  Abbildung. 
3    Zweimal  sogleich  als  Kielbogen  zugespit/.t. 


\.  Parallelen  aus  Mesopotamien  und  [ran. 


101 


Fullmotive  mit  allerhand  launigen  Formen,  die  den  im  Kreislappen  und  der  Pal- 
mette, ihren  Spalt-  oder  Entstehungsformen  und  Wucherungen  auslebenden  Geist 
in  Persien  heimisch  erscheinen  lassen. 

Man  wird  der  Gruppe  der  vorgeführten  sasanidischen  Silber-  und  Bronzesachen 
vielleicht  auch  noch  die  ungarischen  Taschenbleche  l  der  Landnahmezeit  zurechnen 


Abb.  95:   Sammlung  Martin:   Bron/.eschüssel. 


dürfen.  Sie  zeigen,  in  Silber  gearbeitet,  ähnlich  gravierte  Ornamente  wie  die  zuletzt 
besprochene  sasanidische  Schüssel.  Ich  danke  die  Photographien  zu  Abb.  96  bis  98 
Dr.  Supka  vom  Nemzeti  Muzeum  in  Budapest.  Es  sind  die  drei  Taschenschilde 
aus  Szolyva,  Tarczal  und  Bezded,  die  man  bei  Kampel  Altertümer  I  S.  702,  710  und 

1)  Vgl.  über  diese  Bezeichnung  Posta,  Archäologische  Studien  auf  russ.  Boden  (3.  asiat.  Forschungs- 
reise Zichy)  III  S.    142  f. 


102 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


713,  III  Tafel  400,  403  und  360  in  Zeichnung  abgebildet  und  II  S.  587  und  588 f. 
beschrieben  rindet;  man  mag  dort  auch  einen  Blick  auf  die  anderen  Beispiele  werfen. 
Die  Gruppe  verdient  eingehende  Beachtung,  hier  seien  nur  einige,  in  Abb.  96  bis  98 
gegebene  Beispiele  vorgeführt.  Das  Taschenblech  von  Tarczal  (Abb.  96)  zeigt  eine 
Flächenfüllung  durch  Spitzovale  aus  zwei  Bandern,  die  stellenweise  rund  abgebunden 
und  durch  Kommaschlitze  belebt  sind.  Das  gleiche  Band  bildet  auch  den  Außen- 
rand. Die  Füllung  wird  wie  in  den  Nischen  der  Bronzeschüssel  Abb.  95  besorgt 
durch  wuchernde  Palmetten,  über  deren  geometrischen  Grundcharakter  kein  Zweifel 
sein  kann.    In  der  Mitte  wächst  die  Palmette  aus  einem  kolbenförmigen  Ansatz  hervor, 

der  sich  als  Spitze  fortsetzt  und  eine 
neue  Palmette  trägt.  Die  Haupt- 
lappen wuchern  seitlich  geschwungen 
aus  und  tragen  an  der  vereinigten 
Spitze  eine  neue  Palmette.  Das  ist 
die  ausgesprochen  arabeske  Tendenz 
ohne  Wahrung  des  Pflanzencharak- 
ters. Noch  deutlicher  wird  diese 
gegen  jedes  organische  Bedenken 
nur  auf  Flächenfüllung  losgehende 
Art  in  den  Füllungen  der  kleineren 
Abschnitte  oben  und  unten.  Dort  im 
Kern  auch  überall  der  bezeichnende 
Kreislappen.  Besonders  bemerkt 
muß  der  gefiederte  Rand  der  stab- 
förmigen  Ansätze  und  der  Palmetten 
selbst  werden.  Wir  fanden  ihn  be- 
reits an  den  Krügen  von  Nagy- 
Szent-Miklos  an  jenen  Gehängen  ver- 
wendet (Abb.  59  und  65),  die  auf  der 
Schulter  angebracht  sind. 

Das  Taschenblech  von  Szolyva 
(Abb.  gj]  zeigt,  wie  eine  Fläche 
ohne  Nischen  bzw.  Spitzovale  rein  mit  der  Palmette  ohne  Ende  gefüllt  wird.  Zwei 
Yertikalreihen  von  Flügelpalmetten  übereinander  nehmen  eine  versetzte  dritte  Reihe  in 
die  Mitte,  so  daß  das  Flügelende  immer  den  Kreislappen  der  nächsten  Reihe  abgibt. 
Bezeichnend  ist  der  doppelte  Rand  der  Palmette  und  die  schraffierte  Fiederung,  sowie 
dsr  radiale  Strichpunkt  in  den  Kelchen.  Der  Rand  des  Silberbleches  ist  profiliert; 
oben  plastisch  das  typische  Lambrequinmuster,  von  dem  noch  zu  reden  sein  wird. 
Das  Taschenblech  von  Bezded  (Abb.  981  zeigt  eine  Flächenfullung  im  Sinne  der 
vorhergehenden  Abbildung  nur  auf  ein  Hauptmotiv  beschränkt,  dieses  aber  derart 
auseinandergezogen,  daß  der  Grund  überwiegt,  daher  durch  ein  Kreuz  in  der  Mitte 
und  zwei  Tierfiguren  links  und  rechts  oben  gefüllt '  und  zugleich  mit  dem  Kreispunzen 


Abb.  96:  Budapest,  Nationalmuseum :    Taschenblech 
aus  Tarczal. 


:   e;ne  links   stellt   unverkennbar  den    per.vsch.-n  Drachen  dar,  von  dorn  ich  Mschatta  S.  31^  ge- 


5.  Parallelen  in  Zentralasien. 


I03 


gerauht  ist1.  Die  Kreislappen  sind  knollig  verdickt  und  gefiedert.  Wenn  Hampel 
meint  (a.  a.  O.  I.  S.  708),  die  eigenartige  Zusammenfügung  aller  dieser  Ornamente  atme 
trotz  der  geometrischen  Umwandlung  noch  (in  der  symmetrischen  Anordnung  um  eine 
Mittelachse  bei  parallel  laufender  Achsenstellung  und  der  Veränderung  der  Größenver- 
hältnisse  der  einzelnen  Glieder  entsprechend  der  gegebenen  Raumform)  antiken  Geist, 
ererbt  von  altklassischer  Zeit,  so  ist  das  ein  Irrtum,  den  das  vorliegende  Buch  deutlich 
machen  möchte:  die  geometrische  Grundform  ist  das  Ursprüngliche,  ebenso  die  Symme- 
trie um  das  Mittellot  und  die  Achsenparallele.  Antik  ist  von  diesen  drei  Taschenblechen 
nur  das  dritte  gerade  in  dem,  was  Hampel  S.711  uralt  nennt,  in  der  Hervorhebung  des 
Unterschiedes  von  Muster  und  Grund. 
Hier  sei  vorläufig  nur  auf  die  Einordnung 
in  die  Reihe  der  Belege  der  geometrischen 
Ranke  Gewicht  gelegt.  Auf  alles  andere 
wird  später  gelegentlich  einzugehen  sein. 
Ich  habe  im  Vorstehenden  immer  vom 
Sasanidischen,  wie  das  üblich  ist,  sobald 
man  diese  persischen  Sachen  vorführt,  ge- 
sprochen. Prinzipiell  sei  jedoch  bemerkt, 
daß  es  nahe  läge,  die  Frage  der  Abhängig- 
keit des  Sasanidischen  vom  vorausgehenden 
Parthertum,  die  von  der  Kunstgeschichte 
noch  kaum  in  Angriff  genommen  wurde, 
schon  hier  zu  berühren.  Ich  bin  bei  meinen 
Arbeiten  über  Armenien  darauf  gekommen, 
daß  das  Parthische  bis  428,  also  tief  in 
sasanidische  Zeit  in  Armenien  herrschend 
war  und  eigentlich  immer  in  Geltung  blieb. 
Wenn  sich  nachweisen  ließe,  daß  die  Silber- 
schüsseln in  Nordiran  entstanden  sind, 
dann  wäre  ihre  mehr  parthische  als  sasa- 
nidische  Färbung    wahrscheinlich.    Davon 

unten.  Die  ungarischen  Taschenbleche  gehören  wohl  überhaupt  einem  jüngeren 
Nordstrome  an  und  sind  von  einem  Reitervolke  nach  dem  Westen  gebracht  worden. 
Wir  gehen  jetzt  auf  dieses  Völkerelement  über,  das  wahrscheinlich  zuerst  die  Parther 
bezw.  Saken  mit  Persien  in  Verbindung  brachten. 


Abb.  97:  Budapest,  Nationalmuseum: 
Taschenblech  aus   Szolyva. 


5.  Parallelen  in  Zentralasien. 

Bisher  wurde  nur  indirekt  auf  den  Bestand  eines  östlichen  Zentrums  geschlossen, 
das  den  verschiedenen  Strömen  der  Ranke  mit  dem  Kreislappen  in  Ungarn,  Albanien, 
Athen,    Ägypten,    Mesopotamien    und   besonders  Iran    als  Ausgangspunkt   gedient 

handelt  habe.    In  dem  Dreieck  D  von  Mschatta  (ebenda  Tafel  VIII)  ist  dieser  symmetrisch  zusammengestellt 
mit  dem  Greifen.    Hier  auf  dem  Taschenblech  (Detailzeichnung  bei  Hampel  S.  771)  mit  einem  Tier,  dessen 
Vorderteil  an  den  chinesischen  Drachen  anklingt.     Davon  unten. 
1)  Vgl.  oben  Abb.  83^,  88  und  cjof. 


104 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


haben  könnte.  Aus  den  iranischen  Landschaften  selbst  wurde  kein  Beleg,  der  dem 
Gebiete  der  Architektur  angehörte,  .beigebracht.  Das  darf  nicht  wundernehmen,  einmal 
weil  dort  überhaupt  noch  nie  auf  Denkmäler  dieser  Art  hin  gegraben  wurde,  dann 
aber,  weil  die  für  den  Nachweis  des  Motivs  in  erster  Linie  in  Betracht  kommende 
breite  Masse  der  ostiranischen  Denkmäler  überhaupt  für  immer  verloren  sein  könnte: 
jene  aus  Luftziegeln  errichteten  Bauten,  deren  Mauern  durch  Gipsverblendung  mit 
Ornamenten  ausgestattet  waren.  Da  sie  sich  in  feuchtem  Klima  kaum  hundert  Jahre 
halten,  in  trockenem  nur  wenig  länger,  so  gehören  Bauten  dieser  Art,  die  in  die  vor- 


Abb.  98:  Budapest,  Nationalmuseum:  Taschenblech  aus  Bezded. 


islamische  Zeit  zurückleiten  könnten,  zu  den  Belegen,  die  leider  ohne  Ausgrabungen 
nicht  aufzutreiben  sind1.  Um  so  wertvoller  ist  jedes  andere  Dokument,  das  auf  die 
Spur  der  von  dieser  untergegangenen  Welt  verwendeten  Motive  leiten  kann.  Wir 
besitzen  nun  solche,  wenn  auch  vorläufig  nicht  aus  Iran  selbst,  so  doch  aus  einem 
Gebiet,  in  dem  die  Forschung  nicht  durch  das  persisch-französische  Ausgrabungsab- 
kommen an  der  Arbeit  gehindert  war,  dem  Gebiet  zugleich,  das  vielleicht  bald  unser 
Interesse  mehr  in  Anspruch  nehmen  wird,  als  der  unverantwortliche  Luxus,  den  wir 
uns  mit  der  einseitigen  Pflege  des  Griechisch-Römischen  und  alles  dessen  gönnen, 
was  damit  zusammenhängt.  Die  griechische  Kultur  hat  sich  mit  Alexander  d.  Gr. 
bis  in  die  fernen  Gebiete  jenseits  des  Kaspischen  Meeres  vorgewagt,  am  Oxus  und 
Jaxartes  haben  griechische  Dynasten  das  baktrische  Reich  begründet,  unterlagen  aber 


Monatshefte  für  den  Orient  VIII    1915    S.  361  f.;  Zeitschrift  f.  Gesch.  d.  Arch.  XV    im  Druck). 


v  Parallelen  in  Zentralasien.  105 

bald  dem  Ansturm  parteiischer  und  skythischer  Völker,  die  mit  diesem  Kampf  in  den 
Bereich  der  Geschichte  des  asiatischen  Westens  gelangten.  Künstlerisch  beginnt  die 
Gegenströmung  seit  etwa  100  v.  Chr.  Unter  sakischen  Fürsten  traten  dann  Ostarier  an 
die  Stelle  der  Griechen.  Seit  400  n.  Chr.  ungefähr  wurden  allmählich  nachdrängende 
türkische  Stämme  die  Herren.  Es  ist  dieses  alttürkische  Element,  das  in  der  Kunstge- 
schichte der  zweiten  Hälfte  des  ersten  christlichen  Jahrtausends  immer  regsamer  hervor- 
zutreten beginnt,  nachdem  in  der  Zeit  vorher  Skythen  das  weite  Gebiet  vom  schwarzen 
Meere  bis  zum  Altai  beherrscht  hatten.  Aus  diesen  vorwiegend  sakischen  und  den  um 
Altai  und  Baikalsee  gruppierten  türkischen  Gebieten  nun  stammen  einige  Werke  in  Me- 
tallarbeit, die  neue  Ausblicke  auf  das  Ursprungsgebiet  unserer  Ornamentgruppe  gestatten. 
A.  Westaltaische  Gruppe.  Ich  bespreche  zunächst  einige  Stücke  aus  dem 
transkaspischen,  d.  h.  dem  Gebiete  westlich  des  Altai.  Hier  werden  sich  noch  engere 
Zusammenhänge  mit  Iran  erwarten  lassen,  Mischformen,  die  man  z.  T.  östlich  im 
türkisch-chinesischen,  z.  T.  westlich  im  sakischen  Gebiete  nachweisen  kann.  In  der 
Tat  gibt  es  einen  Schatz,  den  ich  sowohl  für  die  persische  Wucherung  der  Palmette, 


Abb.  99:  Petersburg,  Ermitage:   Goldsckale  vom  Kotschkar. 

wie  für  die  Ranke  mit  dem  Kreislappen,  wie  endlich  für  eine  dritte  Ornamentgattung 
anzuführen  haben  werde,  die  später  als  mit  Vorliebe  von  den  Indogermanen  ver- 
wendet nachzuweisen  sein  wird. 

Diesen  Beleg  für  die  Wahrscheinlichkeit,  daß  das  Ornament,  wie  wir  es  parallel 
zu  dem  Typus  des  albanischen  Schatzes  in  Ägypten  und  Vorderasien  nachwiesen, 
in  Zentralasien  bekannt  war,  fand  ich  in  der  Ermitage  zu  Petersburg  auf  einem  Schatz- 
funde, der  aus  einem  Kurgan  im  Tale  des  Flusses  Kotschkar,  im  Distrikt  Semire- 
tschensk,  also  westlich  des  Altai  und  nördlich  des  Tien-schan,  anschließend  an  das  Gebiet 
von  Fergana  stammt1.  Zu  dem  Schatze  gehört  bezeichnend  zunächst  eine  Gold(?)schale 
(Inv.  Nr.  7238)  von  der  Form  der  Goldschalen  des  albanischen  Schatzes,  nur  ist  sie 
leichter.  Sie  hat  den  gleichen,  flachen  Griff,  ich  gebe  Abb.  99  davon  eine  Auf- 
nahme nach  Smirnov,  Östl.  Silber  Nr.  233.  Ihr  Griff  ist  wie  bei  der  Goldschale  Tafel  III 
gebildet;  zwischen  den  großen  Bogen  am  Ansatz  und  die  geschweifte  Spitze  aber 
sind  zwei  kleinere  Bogen  eingeschoben.  Einen  ähnlichen  Griff  mit  nur  einem  solchen 
eingeschobenen  Zwischenbogen   finden  wir  im  Schatz  von  Nagy-S.-Miklos  (Hampel, 


1)  Inv.  Nr.  7216.     Vgl.  Otschet  der  kais.  archäolog.  Kommission  für  das  J.  1891   S.  27. 


jq£  Hl.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

Goldfund  S.  29  und  Altertümer  Taf.  3 18).  Und  noch  ein  zweites  Detail  erinnert  auf 
der  Schale  vom  Kotschkar  an  den  S.  Nikolaus-Schatz,  das  ist  die  Füllung  der  Mitte 
des  Griffes.  Man  sieht  (Abb.  100)  in  Relief  ein  Motiv,  das  sehr  anklingt  an  die  Zwickel- 
füllung  zwischen  den  vier  verschlungenen  Kreismedaillons  auf  dem  reichen  Kruge  mit 
dem  Zangenornament  (Hampel,  Goldfund  S.  9 — 13  und  Altertümer  III  Taf.  290 — 294  . 
Dort  wächst  aus  einer  Herzform,  die  oben  mit  einer  Nabe  abschließt,  eine  kleine 
funflappige  Vollpalmette  gerade  in  die  Höhe  und  vier  andere  dreilappige  sitzen  radial 
an  langen  Stielen  (Abb.  60  u.  64.x  Auf  der  Kotschkarschale  ist  in  die  Mitte  ein  flaschen- 
förmiges  Motiv  genommen;  davon  zweigen  mehrere  Stiele  radial  ab,  die  in  je  eineji 
asymmetrischen  Palmettenwipfel  enden.  Das  plastische  Motiv  fällt  um  so  mehr  auf,  als 
das  übrige  Ornament  des  Griffes  in  ähnlichem  Nebeneinander  wie  an  dem  Krug  Abb.  65 
lediglich  geritzt  ist.    Es  bildet  eine  Ranke  mit  keulenförmigen  Gliedern,  die  vielleicht 


Abb.    ioo:  Petersburg,  Ermitage:  Griff  der  Schale  Abb.  99 


zu  vergleichen  wäre  mit  Abb.  42  des  albanischen  Schatzes.  Nur  sind  auf  der  Kotsch- 
karschale die  keulenförmigen  Verdickungen  nicht  arabesk  fortlaufend,  sondern  jede 
geschweifte  spitze  Keule  bildet  ein  Glied  für  sich,  woran  das  nächste  ganz  unorganisch 
ansetzt.  Das  gleiche  rankenähnliche  Ornament  auch  am  Außenrande  der  Schale. 
Für  die  Form  der  Schale  und  die  Technik  des  eingeritzten  Ornamentes  wird  schließ- 
lich noch  eine  Silberschale  im  Besitze  der  archäologischen  Kommission  in  Petersburg  l 
aus  dem  Kuban  stammend  zu  vergleichen  sein.  Das  Ornament  selbst  ist  freilich  etwas 
anders.  Immerhin  gehört  es  zusammen  mit  dem  der  Schale  vom  Kotschkar  neben 
die  Wangenplatten  im  Schatze  von  Poltawa  (Abb.  58)  und  die  sasanidische  Schüssel 
Abb.  95.  Am  Kotschkarstücke  finden  wir  die  Parallele  für  die  ohne  organischen  Zu- 
sammenhang aneinandergefügten  keulenförmigen  Lappen  der  Goldplatte  aus  Poltawa. 
Für  das  zentrale  Motiv  des  Griffes,  das  plastisch  ausgeführt  ist,  eine  Art  Flasche,  ver- 
gleiche man  die  Abb.  92  gegebene  Wand  in  Balkuwara,  wo  das  Motiv  ebenfalls  zentral 


1)  Smirnov,  Östliches  Silber  Taf.  CKXYIII   Fig    322. 


5.  Parallelen  in   Zentralasien. 


IQ/ 


zweimal  übereinander  verwendet  ist1.    Man  lasse  in  Abb.  100  das  zwischen  die  abge 
setzten  Keulen   eingefügte  Kreislappenpaar,   verbunden  durch   zwei  oder  drei  Rund 
bogen,  nicht  ohne  Beachtung;  darin,  wie  in  der  abge- 
setzten   Ranke    überhaupt     stecken    auffallend    chine- 
sische Motive. 

Die  keulenartig  zusammengesetzte  Ranke  läßt  sich 
nun  bezeichnend  auch  noch  in  wesentlich  späterer  Zeit 
als  auf  der  Schale  vom  Kotschkar  bei  den  Kirgisen 
nachweisen.  In  der  kgl.  Leibrüstkammer  zu  Stockholm 
sah  ich  einen  Säbel,  dessen  Scheide  Silberbeschläge  mit 
dem  gleichen  Ornament  auf  rotem  Samt  aufweist. 
Abb.  101  gibt  davon  eine  Einzelheit.  Ich  danke  es  dem 
Entgegenkommen  des  Direktors  der  Sammlung,  Rudolf 
Freiherrn  von  Cederström,  wenn  ich  dieses  wertvolle 
Stück  für  die  Kunstforschung  nutzbar  machen  kann. 
Das  anscheinend  frei  rhythmisch  über  die  Fläche  ver- 
teilte Muster  baut  sich,  wenn  auch  verdeckt,  doch  nach 
dem  spitzoval  aufsteigenden  Rankenpaar  auf,  wie  auf 
den  persischen  Silbersachen  Abb.  93,  95  und  96  bis  98. 
Die  plastische  Herausarbeitung  auf  breitem  Grunde 
entspricht  der  Silberkanne  Abb.  93,  ebenso  die  straffe, 
schrägschnittartige  Behandlung  jeder  einzelnen  Keule. 
Wiederholt  taucht  auch  der  Kreislappen  in  spiraliger 
Einrollung  auf,  bisweilen  mit  der  gleichen  nach  chine- 
sischer Art  mehrfach  abgesetzten  Belebung,  die  schon 
auf  der  Kotschkarschale  Abb.  99/100  beobachtet  wurde 
und  ähnlich  auf  den  Bronzekrönungen  in  Budapest 
Abb.  34.  Wenn  an  der  Säbelscheide  in  Stockholm 
dreimal  Paare  und  einmal  ein  einzelnes  Rosenblatt  in 
der  Mittelachse  erscheinen,  so  weist  das  auf  eine 
spätere  Zeit.  Der  Säbel  ist,  1627  von  Gustav  Adolf 
einem  Polen  abgenommen'2.  Baron  Cederström  ver- 
wies mich  bezüglich  der  Datierung  auf  einen  anderen 
Säbel  in  der  Ermitage  zu  Petersburg,  der  inschriftlich 
den  Namen  des  Kirgisenkhans  Behadur  Kutchum 
trägt3.  Das  Ornament  sei  sonst  auf  Waffen  nicht 
bekannt ,  wahrscheinlich  weil  man  andere  Kirgisen- 
waffen nicht  kenne  und  orientalische  Waffen  vor  dem 
17.  Jahrhundert  überhaupt  selten  seien4.  —  Ich  komme 


Abb.    101 :   Stockholm,  Kgl.  Leib- 
rüstkammer:   Silberbeschläg   einer 
Säbelscheide. 


1)  Vgl.  auch  die  Mschatta-Dreiecke  U  und  V  (Mschatta  S.  318  9). 

2)  Vgl.  den  Katalog  der  Lifriistkammaren  Nr.  241. 

3)  Vgl.  das  Album  der  Sammlung  Taf.  VIII  A  9. 

4)  Vgl.  dazu  auch  Stöcklein,  Orientalische  Waffen,  Münchner  Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  1914  5  S.  106  f. 


j0g  in.  pie  geometrische  Ranke  <ler  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

nun    wieder    auf  das    Gebiet    von  Semiretschensk    zurück,    von    dem    ich   in  diesem 
Abschnitt  ausgegangen  war.     Über  das  heutige  Ornament  der  Kirgisen  später  '. 

Für  den  Vergleich  mit  den  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes  und  ver- 
wandten Ornamenten  in  Ägypten  kommen  aus  dem  Schatzfunde  vom  Kotschkar  vor 
allem  Schmucksachen  in  vergoldetem  Silber  in  Betracht,  wie  ich  sie  in  Abschnitt  IV 
nach  einer  Aufnahme  geben  werde,  die  ich  Smirnov  verdanke.  Auf  den  ersten  Blick 
haben  sie  freilich  nicht  viel  mehr  als  die  Zweckbestimmung  mit  dem  albanischen 
Schatzfunde  gemein:  auch  sie  sind  Riemenbeschläge,  z.T.  von  ähnlicher  Form;  Tech- 
nik und  Ornament  jedoch  sind  völlig  verschieden.  Sie  sind  aus  Silberblech  getrieben 
und  der  Grund  nachträglich  ausgeschnitten.  Bevor  ich  auf  das  in  die  Augen  fallende 
Ornament  der  Oberfläche  eingehe,  möchte  ich  hier  nur  den  vertikalen  Rand  besprechen, 
von  dem  man  in  Abschnitt  IV  nur  am  linken  Rande  der  langen  Beschläge  rechts  und 
links  etwas  sehen  wird.  Doch  geben  meine  Skizzen  (Abb.  102 1  davon  eine  Vor- 
stellung Man  sieht  wie  auf  dem  Griff  der  Schale  eingeritzte  Linien,  die  am  Rande 
der  Schmucksachen  gebildet  werden,  durch  Schnörkel-Bogen.  Diese  rollen  sich 
an  einem  Ende  spiralig  ein  und  bilden  so  aus  Einzelgliedern  eine  Ranke,  die  durch 
Boo-en  mit  Punkten  und  Strichen  so  gefüllt  ist,  daß  der  Eindruck  von  Blättern  entsteht. 

B.  Ostaltaische  Gruppe.  Das 
Überraschendste  ist  wohl,  daß  wir  die 
Kreislappenranke  jenseits  des  Altai  in 

Abb.  102:  Petersburg,  Ermitage.  Randornament  der        Ländern  nachweisen  können,  die  nicht 
Kotschkar-Schmucksachen.  mehr    zum    iranischen,    sondern    zum 

südsibirischen  Kulturkreise  gehören. 
Hoernes2  sagt  von  ihnen:  „Mutmaßlich  verhält  sich  die  Bronzezeit  Sibiriens  nicht  nur 
chronologisch,  sondern  auch  in  anderer  Hinsicht  ganz  ähnlich  zur  Bronzezeit  Chinas,  wie 
diejenige  Skandinaviens,  zur  süd-  und  mitteleuropäischen  Bronzezeit"  und  anerkennt 
auch  sonst  die  große  Ähnlichkeit  der  altchinesischen  mit  den  sibirischen  Bronzen.  Darauf 
wird  gleich  zurückzukommen  sein.  Das  Wiener  naturhistorische  Hofmuseum  besitzt  eine 
kleine  Auswahl  solcher  Funde,  freilich  wenig,  das  für  uns  in  Betracht  käme,  dafür 
aber  manches,  was  deutlich  zeigt,  daß  nur  die  qualitativ  besten  Stücke  der  eigent- 
lichen Bronzezeit  Sibiriens  vor  Christi  Geburt  angehören.  Ihre  Art  freilich  hat  sich 
später  und  bis  in  unsere  Zeit  fortgesetzt,  wenn  auch  nur  in  der  Form  der  inzwischen 
auch  aus  Eisen  hergestellten  Werkzeuge3.  Die  Ornamentik,  von  der  ich  ausgegangen 
bin,  jene  also,  die  auf  die  geometrische  Ranke  mit  dem  Kreislappen  im  Schrägschnitt 
gestellt  erscheint,  hört  in  ihrer  typischen  Reinheit  sehr  bald  auf.  Ich  halte  mich 
an  die  ausgewählten  Stücke,  die  Martin  »L'äge  du  bronze  au  musee  de  Minoussinskc 
Stockholm  1893  in  vorzüglichen  Lichtdrucken  zusammengestellt  hat.  Keine  der 
russischen  Publikationen4  kann  sich  darin  mit  seiner  Ausgabe  messen.    Da  ich  nach- 


1)  Vgl.    übrigens  J,  A.  Castagne,    Antiquites   des    steppes    Kirghises   et    du    pays   dOrembourg   1910, 
und  Trudy  der  Orenburger  gelehrten  Archivkommission  Bd.  XXII. 

2)  Kultur  der  Urzeit  II  S.  114. 

Xach  freundlichen  Mitteilungen  von  Direktor  Heger. 
4)  Klcroput/..  Altertümer  des  Museums  von  Minussinsk,  Tomsk  1S86.  mit  einem  Atlas,  in  dem  die  Funde 
getönten  Zeichnungen    wiedergegeben    sind.     Radioff,  Sibirische  Altertümer  (Materialien   zur  Archäologie 


5.  Parallelen  in  Zentralasien. 


IO9 


folgend  immer  wieder  auf  Martin  zurückgreife,  wird  es  sich  empfehlen,  ihn  doch  auch 
als  Ganzes  durchzublättern.  Bis  jetzt  hat  m.  W.  aus  diesen  wertvollen  Zeugen  der 
Vergangenheit  Nordasiens  kunsthistorisch  niemand  etwas  zu  machen  gewußt. 

Abb.  103  zeigt  nach  Martin  Tafel  17  eine  Reihe  von  Bronzemessern  aus  diesen 
im  Museum  von  Minussinsk  vereinigten  Schätzen.  Sie  sind  alle  am  russischen  Ober- 
lauf des  Jenissei  gefunden.     Ich  gebe  zunächst  Martins  Einzelbeschreibung: 

15.  Couteau  en  cuivre.     Le   bout   du  manche  ajoure  et  orne  dune  tote  d'oiseau 
ä  grand  bec.     Le  manche  orne  d'un  poisson  grave.     L.  20,8  cm.  Bieisk. 
16—21.  Couteaux.  Le  bout  du  manche  orne  d'une  feuille. 


16 


17 


18 


19 


20 


21 


fS 


Abb.   103:  Minussinsk.  Museum:  Bronzemesser. 

16.  Couteau  en  cuivre.  L.  17,8  cm.  Legostai'ewa. 

17.  Couteau  en  cuivre.  L.  19,1  cm.  Listviaiowa. 

18.  Couteau  en  cuivre.  L.  12,8  cm.  Aechka. 

19.  Couteau  en  cuivre.  Les   ornements  tres   usees.     L.    19  cm.    Koiä  superieur. 

20.  Couteau  en  cuivre.  L.  15,5  cm.  Artemiewa. 

21.  Couteau  en  bronze.  L.  14,3  cm.  Potiechina. 

Wir  lassen  vielleicht  Messer  1 5  und  16  vorerst  beiseite  und  gehen  aus  von  17,  dessen 
( 1  iflf  ja  so  unweigerlich  wie  nur  wünschenswert  die.  Kreislappenranke  in  einer  Reinheit 


Rußlands  hrsg.  von  der  kais.  archiiolog.  Kommission  Xr.  3,  15  und  27),  eine  Zusammenstellung  aller  bis- 
herigen Berichte.  Die  Tafeln  sind  nicht  besser  als  bei  Kiemente.  Dazu  einführend  Radioff,  Aus  Sibirien 
[1   5.  78  f. 


HO  Hl-  D'e  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

zeigt,  w!e  wir  sie  nur  auf  den  albanischen  Gold-  oder  den  ungarischen  Bronzefunden 
wiederfinden.  Man  sieht  ein  leicht  geschweiftes  Messer,  eines  der  längsten  der  Reihe, 
das  rechteckig,  aber  am  Rande  in  kleinen  Bogen  ausgezackt  beginnt  und  —  was 
zum  Zweck,  dem  die  Messer  dienten,  zu  gehören  scheint  —  am  Griff  durchlocht  ist. 
Das  größere  obere  Loch  bildet  geschickt  die  Mitte  des  krönenden  Kreislappens,  dem 
zwei  andere  darunter  folgen,  der  nächste  mit  einem  kleineren  Loch,  der  letzte  unten 
ohne  eine  solche  Durchbohrung  '.  Immer  bleibt  bezeichnend  die  sichelförmige  Form 
des  Kreislappens,  weshalb  denn  auch  die  schwedischen  Prähistoriker  das  Motiv  gern 
als  Sichelornament  bezeichnen.  In  den  andern  auf  Abb.  102  erscheinenden  Beispielen 
ist  Verrohung  eingetreten,  zwei  bzw.  eine  Einrollung  sind  noch  erkennbar,  bei  21 
ist  nur  noch  das  Randmotiv  mit  dem  Loch  da.  Xr.  15,  das  Martin  für  einen  Vogel- 
kopf ansieht2,  gehört  wohl  auch  hierher. 

Es  entsteht  nun  die  Frage,  ob  dieses  Motiv  bodenständig  und  seine  Entstehung 
etwa  aus  dem  vorliegenden  Material  zu  erklären  ist.  Abb.  104  zeigt  nach  Martin 
Tafel  3,2  einen  Kelt,  den  er  beschreibt:  „Celt  en  cuivre,  ä  douille  quadrangulaire,  ä 
deux  anneaux.  Trou  de  rivet.  Les  faces  portent  des  ornements  (chinois  ?)  en  relief.  L.  14, 1, 
Larg.  8,7.  Kopieva".  Wir  sehen  unter  dem  oberen  Rand  drei  Rundlappen  in  Klee- 
blattform 3  vereinigt,  deren  rechter  einen  Palmettenlappen  ausgespart  zeigt. 

Ich  lenke  an  dieser  Stelle  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Einschiebung,  die  Martin 
macht,  indem  er  fragt,  ob  diese  Ornamentik  nicht  chinesisch  sei.  Wir  sind  vom 
Westen  kommend  weit  nach  dem  Osten  vorgedrungen,  womöglich  immer  in  dem 
Glauben,  daß  griechische  Kunst  bis  dahin  eingewirkt  haben  dürfte.  Und  nun  kommt 
ein  Mann  von  der  Materialkenntnis  Martins  und  blickt  (wie  schon  Hoernes)  statt  nach 
dem  Westen  für  den  Ursprung  nach  dem  Osten.  Sollte  die  Kreislappenornamentik 
hier  aus  chinesischen  Anregungen  herkommen: 

Ich  gebe  in  Abb.  105  und  106  noch  einige  weitere  Proben  der  südsibirischen 
Ornamentik  nach  den  Abbildungen  von  Martin.  Abb.  105  ist  seiner  Tafel  7,1  ent- 
nommen. Der  Text  dazu  lautet:  „Grande  hache  en  bronze,  ä  douille  transversale 
circulaire,  avec  lame  ajouree  et  grande  tete  d'oiseau  de  proie  v:\  Travail  remarquable 
et  parfaitement  conserve,  couvert  d'une  magnifique  patine  vert  fonce.  L.  21,8  cm. 
Larg.  7,5  cm.  Voudina".  Ich  denke,  man  kann  sich  kaum  etwas  Eleganteres  denken. 
Das  Ende  mit  dem  „Vogelkopf",  den  man  mit  dem  islamischen  Brett  im  Louvre 
Abb.  S6  vergleiche,  ist  mehr  als  dort  stilvoll  aus  dem  Motiv  des  Kreislappens  heraus 
komponiert.  Oder  ist  der  Kreislappen  umgekehrt  aus  dem  Motiv  des  Vogelkopfes 
entstanden:  Liegt  also  eine  zweite  Möglichkeit  neben  der  chinesischen  Herübernahme  vor 
oder  laufen  beide  auf  den  gleichen  Weg  zurück?  Abb.  106  ist  Tafel  30  bei  Martin  ent- 
nommen. Ich  bespreche  hier  nur  die  Stücke,  in  denen  der  „Vogelkopf"  vorkommt. 
34:  „Agrafe  en  bronze,  ornee  d'une  tete  d'oiseau,  le  revers  avec  un  bouton  en  forme 
d'un  sabot  de  cheval.  L.  5,2  cm.  Larg.  3,7  cm.  Batteni".  Die  Agrafe  35  aus  Lepiechkina 

i)  Ein  Messer  bei  Martin  Tafel  20,  Nr.  5  zeigt   eine  RanVe  im  Gegensinn,  ebenfalls   mit   drei   Ein- 
rollungen,  aber  einem   Loch  auch  in  der  dritten  untersten  Einrollung. 
Vgl  oben  Abb.  S6. 

!.\/.u  das  Textblatt  von  Martin  Ta'el  5,   wo  mehrere  Kelte  mit  ähnlich  dreilappigem  Ornament 


5.  Parallelen  in  Zentralasien. 


111 


nennt  er  en  forme  d'un  bouton  bombe  avec  im  aileron  ajoure.  Agrafe  36  aus 
Kidrensk  ebenso  mit  zwei  Flügelspitzen.  Agrafe  39  aus  Nitchka  mit  einem  Flügel 
und  Pferdehuf.  Immer  klingt  das  Motiv  des  Kreislappens  schon  oder  noch  durch. 
32  aus  Batteni  ist  spiralig  in  Durchbrucharbeit  übersetzt.  Auf  die  anderen  Durch- 
brucharbeiten  komme  ich  unten  zurück. 

Die  Datierung  der  vorgeführten  Bronzefunde  in  Minussinsk  anlangend  wandte 
ich  mich  an  Dr.  Arne  in  Stockholm  unter  Hinweis  auf  die  scheinbar  hellenistische 
Art  und  die  Verwandtschaft  mit  westlichen  Funden  etwa  des 
VIII.  Jh.  n.  Chr.,  auf  denen  das  gleiche  Ornament  herrschend 
sei,  und  erhielt  darauf  folgende  Antwort,  die  Dr.  Arne  bei 
einer  Ausgrabung  gab,  ohne  daß  es  ihm  möglich  war,  alle 
seine  Papiere  durchzusehen:  „Nur  bin  ich  ziemlich  sicher,  daß 
dieses  Bronzemesser  (Nr.  17  in  Abb.  103)  dem  Ende  der  sibiri- 
schen Bronzezeit  angehört  und  daß  diese  Bronzezeit  in  die 
letzten  Jahrhunderte  vor  Christi  Geburt  zu  verlegen  ist.  Ein- 
zelne Bronzegeräte,  wie  Scheren,  hat  man  auch  in  unserem 
Lande  trotz  der  lange  währenden 
Eisenzeit  noch  im  IL  Jh.  nach  Chr. 
Ein  Einfluß  der  hellenistischen  Kunst 
scheint  mir  also  nicht  ausgeschlossen 
dagegen  kann  ich  für  diese  Bronze- 
messer kaum  an  eine  so  späte  Zeit 
wie  das  VIII.  Jh.  nach  Chr.  glauben, 
trotzdem  die  Rankenornamentik  stark 
an  die  damalige  ungarische  erinnert. 
Montelius  ist  auch  meiner  Meinung 
bezüglich  des  Bronzemessers".  Ich 
meine,  auf  Grund  dieses  Gutachtens 
und  der  von  Martin  und  Hoernes 
gemachten  Äußerungen  wird  man 
ruhig  annehmen  dürfen,  daß  die  vor- 
geführten sibirischen  Bronzefunde  zu 
den  ältesten  Beispielen  der  geome- 
trischen Ranke  mit  dem  Kreislappen  zu  rechnen  sind.  Inzwischen  ist  das  Buch  von 
Minns  „Skythians  and  Greeks"  1913  erschienen,  das  S.  241  f.  auch  die  Funde  vom 
Jenissei  und  Altai  berücksichtigt.  Darin  wird  anerkannt,  daß  die  Altaier  „appear  to 
have  originated  many  types,  that  were  afterwards  spread  far  and  wide".  Dazu  zählt 
er  in  erster  Linie  die  Messer,  die  er  mit  gewissen  chinesischen  Typen  vergleicht. 
Neben  den  Gebrauchsformen  kämen  vor  allem  auch  die  Ornamente  in  Betracht,  be- 
sonders der  Tierstil.  Die  geometrische  Ranke  ließ  Minns  völlig  unbeachtet,  sowohl 
in  den  Abbildungen  wie  im  Text. 

Während  der  Korrektur  dieses  Buches  besuchte  ich  Prof.  K.  B.  Wiklund  in 
Upsala  und  verdanke  ihm  den  Hinweis  auf  eine  Arbeit  von  A.  M.  Tallgren,  in  der 
sich  dieser  finnische  Forscher  einleitend   auch    mit    den    Bronzen  vom  Jenissei    be- 


1*  1 


Abb.    104 :  Minus- 
sinsk, Museum : 
Bronzekelt. 


Abb.   105:  Minus- 
sinsk, Museum: 
Brenzeaxt. 


1  12 


111.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes 


schaftigt1.  Er  gibt  dort  eine  kurze  Geschichte  der  Forschung  über  die  uraltaischen 
Altsachen  und  sucht  im  Gegensatz  zu  den  grundlegenden  Arbeiten  von  Aspelin  zu 
zeigen,  daß  der  uralische  Kreis  nicht  einfach  als  ein  Ableger  des  altaischen  vorzustellen 
sei.  Das  berührt  uns  hier  nicht  weiter.  Bei  dieser  Gelegenheit  aber  bespricht  Tallgren 
auch  die  einschlägige  Literatur  und  ich  kann  Laien  nur  empfehlen,  diese  Einfuhrung 
zu  lesen.  Auf  S.  2of.  geht  er  dann  ein  auf  die  einzelnen  Gruppen  der  Jenisseifunde, 
wie  sie  Martin  in  seinen  Tafeln  vereinigt  hat.     Die  Bronzemesser  zählt  er  zu   den 


Abb.   106:  Minussinsk,  Museum:  Schmucksachen  aus  Bron/e. 


allerhäufigsten  Altsachen  des  sibirischen  Bronzegebietes,  dagegen  gehörten  sie  auf 
der  europäischen  Seite  im  uralischen  Gebiet  zu  den  größten  Seltenheiten.  Überdies 
seien  solche  Messer  schon  um  200  v.  Chr.  in  China  als  Münzen  im  Gebrauch  (S.  15)-. 
Was  nun  die  Datierung  und  das  Rankenornament  im  Besonderen  anbelangt,  so  hatte 
Prof.  Wiklund  die  Güte,  die  Meinung  Tallgrens  brieflich  einzuholen.  „Was  die 
Bronzegegenstände  von  Minussinsk  anbelangt,  ist  es  meine  feste  Überzeugung,  dal! 
sie  zu  überwiegendem,  großen  Teile  aus  dem  Ende  des  Bronzealters  stammen.  Es 
sind  nur  zwei  Typen  —  die  Äxte  und  die  sog.  Hohlkelte  —  die  in  den  großen 
Steppengrabern  aus  der  letzten  Periode  der  Bronzezeit  nicht  vorkommen.   Die  Dolche 

1     Die  Kupfer-  und  Bronzezeit  in  Nord-  und  Ostrußland  Bd.  I,  Helsingfors   1911   S.  1 — 4. 
Vgl,  Münsterberg,  Chinesische  Kunstgeschichte  II  S.  215. 


6.  Parallelen  in  Ostasien.  1 1  3 

und  Messer  sind  spät;  die  Messer  mit  Pflanzenornamenten  -  dem  „Sichel"motiv  — 
können  speziell  um  400  v.  Chr.  datiert  werden.  Der  Ursprung  dürfte  in  den  griechisch- 
skythischen  Kulturen  nördlich  vom  schwarzen  Meere  zu  suchen  sein.  Ein  Dolch  mit 
demselben  Ornament  ist  in  einem  unberührten  Skelettgrabe  in  dem  berühmten  Grab- 
felde zu  Ananjino  an  der  Kama  gefunden  worden.  Das  Grab  enthielt  u.  a.  einige 
dreikantige,  sog.  skythische  Bronzepfeilspitzen  aus  Eisen  usw.  Was  die  Ranke  mit 
Kreislappen-Sichelornament  betrifft,  weiß  ich  nicht  sicher,  was  damit  bezeichnet  wird; 
ich  dürfte  immerhin  behaupten  können,  daß  sie  in  den  finnisch-ugrischen  Gebieten 
unbekannt  ist,  wo  die  Pflanzenmotive  erst  während  einer  verhältnismäßig  späten  Zeit 
eine  bedeutendere  Rolle  gespielt  haben".  Soweit  Tallgren;  er  stimmt  also  bezüg- 
lich der  Entstehungszeit  im  Wesentlichen  mit  Arne  überein. 

Die  Beispiele  aus  dem  Jenissei-Gebiete,  das  bis  jetzt  kaum  von  der  abendlän- 
dischen Kunstforschung  'beachtet  wurde,  bilden  den  Übergang  zum  ostasiatischen 
Kreise,  in  dem  die  Kreislappenranke  viel  mehr  zu  Hause  ist  als  im  Westen. 

6.  Parallelen  in  Ostasien. 

Man  wird  sich  wundern,  in  eine  Studie  über  die  Ausbreitung  der  Palmettenranke 
auch  Ostasien,  und  zwar  sowohl  China  wie  Japan  hereingezogen  zu  sehen;  aber  schließlich 
dürfte  sich  mancher  Gegner  einer  solchen  Ausweitung  unseres  Forschungkreises  — 
es  kommen  dafür  in  erster  Linie  natürlich  die  Humanistisch-Orthodoxen  in  Betracht  — 
damit  abfinden,  daß  er,  mit  Wickhoff  überzeugt  von  der  Einheitlichkeit  der  Kunst- 
entwicklung auf  hellenischer  Grundlage,  auch  in  China  ein  Eindringen  des  für  Hellas  allein 
in  Anspruch  genommenen  Motivs  erwartet l.  Man  wird  also  das  Material  von  vorn- 
herein daraufhin  doppelt  kritisch  anzusehen  haben.  Es  fließt  so  reich,  daß  es  zu  einem 
gewissen  Grade  entschädigt  für  die  Kärglichkeit  der  Spuren  aus  Zentralasien. 

A.  Altchinesische  Belege.  Zunächst  machen  schon  die  hieratischen  Bronzen 
davon  ausgiebigen  Gebrauch.  Da  das  Gebiet  merkwürdigerweise  von  Riegl  unbeachtet 
blieb,  obwohl  die  Wiener  Hofmuseen  ganz  gute  Beispiele  liefern,  so  sei  darauf  hier 
etwas  näher  eingegangen.  Zunächst  scheint  das  Motiv  als  runde  Abart  des  bekannten 
eckigen  Mäanders2  aufzutreten.  Es  erscheint  dann,  wie  Riegl  für  die  chinesische 
Kunst  ganz  allgemein  als  grundsätzlich  annimmt3,  in  Einzelglieder  zerhackt.  Aber  der 
chinesischen  Kunst  die  fortlaufende  Wellenranke  absprechen  wollen  und  den  schönen 
Linienschwung  auf  die  Griechen  beschränken,  heißt  doch  die  Massen  altchinesischer 
Bronzen,  wie  sie  uns  im  Original  und  in  großen  kunsthistorischen  Sammelwerken  erhalten 
sind,  nicht  kennen.  Diese  Bronzen  gehören  angeblich  schon  den  Dynastien  der  Schang 
(1766 — 1 1 22  v.  Chr.),  der  Tschou  (1 1 22 — 256  v.  Chr.)  und  —  hier  beginnt  sicherer  Boden  — 
Han  (202  v.  — 221  n.  Chr.)  an.  Das  Sammelwerk  Po-ku-t'u-lu  ist  1 107 — 1 111  von  Wan  Fu, 
das  Si-ts'ing-ku-kien  1749  verfaßt4.   Mir  steht  nur  eine  in  meinem  Besitze  befindliche 


1)  Vgl.  Festschrift  für  Büdinger  S.  461  f. 

2)  Vgl.  dazu  gegen  Wickhoff,  der  auch  den  chinesischen  Mäander  aus  Hellas  ableiten  möchte,  meine 
Bemerkung  Jahrbuch  der  kgl.  preuß.  Kunstsammlgn.  XXIV2  (1903)  S.  176  und  Hoerschelmann,  Die  Entwick- 
lung der  altchinesischen  Ornamentik  (1907)    S.  12,  Anm.    Ferner  Hoernes,  Urgesch.  d.  bild.  Kunst2  S.  604. 

3)  Spätrömische  Kunstindustrie  S.  88. 

4)  Vgl.  dazu  Fr.  Hirth,  Über  fremde  Einflüsse  S.  3f.,  Münsterberg,  Chine-.  Kunstgesch.  II  S.  99  f. 
Strzygowsky,  Altai.  8 


114 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


Ausgabe  des  Pokutulu  zur  Verfugung '.  Ich  werde  nach  Möglichkeit  Originale  vor- 
führen, weil  die  Umrißzeichnungen  der  Sammelwerke  nur  für  die  Beurteilung  der 
Gestalt  zur  Xot  hinreichen.  Technik  und  Form  danach  nicht  zu  beurteilen  sind2. 
Dabei  muß  ich  freilich  eine  andere  Tatsache  in  den  Kauf  nehmen,  die  nämlich,  daß 
die  erhaltenen  „Originale"  späte  Kopien  der  hieratischen  Prototypen  sind.  Immerhin 
werden  diese  Nachbildungen  als  Ergänzung  der  Abbildungen  in  den  Sammelwerken 
willkommen  sein.  Ich  entnehme  die  Originale  sämtlich  dem  Xaturhistorischen  Hof- 
museum in  Wien :t.  Sie  kamen  1889  aus  der 
Sammlung  Heinrich  Frhr.  v.  Siebold. 

Abb.  107  zeigt  eine  Vase,  deren 
Original  wohl  frühestens  der  Tangzeit 
(618—907)  angehört  hat.  Man  sieht  den 
Grund  des  Musters  am  Bauche  wie  am 
Halse  mit  der  Spirale  bzw.  der  „vegeta- 
bilisch" umgebildeten  Spiralranke  gefüllt4. 
Die  Wellen  haben  eine,  zumeist  zwei,  links 
in  einem  Yertikalstreifen  aber  auch  vier 
Spiralfüllungen,  dazu  die  kleinen  Ansätze 
von  Palmettenlappen.  Das  S-förmige  Motiv 
wiegt  vor;  aber  gerade  da  läßt  sich  gut 
beobachten,  wie  das  Bedürfnis  der  Zwickel- 
füllung die  palmettenartigen  Lappen  zeitigt. 
Oben  ein  flaschenartiges  Motiv,  das,  wieTeine 
verkümmerte,  verkehrte  Yollpalmette  ge- 
bildet, zu  vergleichen  ist  mit  dem  Motiv 
auf  dem  Kriuje  mit  dem  Zan^enmuster 
aus  Nagy-Szent-Miklos  (Abb.  64)  und 
der  Schale  vom  Kotschkar  (Abb.  loo), 
wovon  oben  S.  loö  die  Rede  war,  ebenso 
wie  auf  der  Stuckwand  aus  Samarra 
(Abb.  92  .  Im  übrigen  beachte  man  in 
Abb.  107  den  spitzbogigen  Überfall  oben 
am  Rande   der  Vase    und  vergleiche  ihn 


Abb.   107:  Wien,  Naturhist.  Hofmuseum: 
Bronzevase  aus  China. 


mit      dem      ähnlichen     Motiv     am     Hals- 
ansatz   einzelner  Krüp;e  von  Nasry-Szent- 


Miklos    (Abb.  61 ,  64).     Auch   das   mehr- 
streifige  Bandornament  an  Bauch   und   Henkeln   und  das   quadratische  Muster  ohne 


Ende  am  Fuße  werde  zur  Kenntnis  genommen. 


1)  Ihre  Band-  und  Si-itenEahl  stimmt    nicht  mit  dem  Exemplare  von  Prof.  Conrady  übercin.  das  Hoer- 
schelmano,    Entwicklung  der  altchinesischen  Ornamentik,    /itiort.     Zur  <  >rientieruD£    sei    mitgeteilt,    daß  die 

t    den    stillenden    Löwen    in  meinem   Exemplar,    das  24  Hefte  zählt,   XVI,  39.  nicht   XXVI,   13  ab- 

2)  Vgl.  da/.u  auch  Kohn,  <  Istasiatische  Zeitschrift  I  S.  105. 

\u  'nahmen  von  Dr.  Wachsberger. 
4)  Vgl.  dazu,  außer  den  Sammelwerken   selbst,  Hoerschelmann  Taf.  II  ff.,  X  ff.  und  bes.   XV. 


(>.  Parallelen  in  Ostasien,  115 

Weitaus  überwiegend  und  gewiß  uralt  —  Hoerschelmann  a.  a.  O.  S.  31  f.  datiert 
den  Eintritt  des  „Pflanzenornamentes",  wie  er  die  Ranke  ganz  allgemein  nennt,  zurück 
bis  in  die  Schangperiode  —  ist  daneben  die  richtige  Palmettenranke,  die  nicht  als 
Grund,  sondern  als  Muster  verwendet  wird.  Abb.  108  zeigt  ein  Beispiel  nach  Pokutulu 
IV,  23.  Es  ist  ein  deckeiförmiges  Stück,  das  die  Palmettenranke  voll  in  jener  Art  ent- 
wickelt gibt,  wie  sie  im  Westen  erst  in  spätrömischer  Zeit  aufzukommen  beginnt,  im 
Persischen  und  dem  Islam  aber  herrschend  wird  als  sog.  Arabeske.  Sowohl  auf  dem 
zentralen  Buckel  oben,  wie  am  Randstreifen  unten  läuft  die  Welle  ohne  Ende  um 
den  ganzen  Kreis,  dazwischen  ein  leerer  und  ein  Streifen  spitzbogiger  Lappen.  Die 
Rankenwelle  setzt  am  Stiel  kleine  halbrunde  Bossen  an,  ebenso  Einrollungen.  Rechts 
unten  rollt  jedoch  die  zweite  Wellenfüllung  nicht  in  einem  Linienschwunge  durch, 
sondern  zeigt  die  alte  abgehackte  Art.  Man  hat  den  Eindruck,  als  könnte  hier  der 
Ursprung  der  Arabeske  gefunden  werden,  denn  man  versteht  so  als  Atavismus,  wie 
scheinbar  aus  der  Spitze  der  Palmette  ein  neuer  Rankenteil  hervorwachsen  kann. 
An  dem  palmettenartigen  Charakter  der  Ranke  kann  nicht  gezweifelt  werden,  wenn  man 
die  Gabelung  der  Spitzen  beachtet.  Der  Ursprung 
dieser  Ranke  ist  gewiß  kein  vegetabilischer,  sondern 
ergibt  sich  aus  dem  Weiterspinnen  der  Spiralmotive 
und  dem  Versehen  derselben  mit  den  zapfenartigen 
Ansätzen. 

Wie    man   sich    diese    Ranken    ausgeführt    zu 

denken     hat,     darüber    mögen     die     beiden     Abbil-     Abb.  108:  Pokutulu:  Chinesische  Bronze. 

düngen  109  u.  110  ungefähr  Auskunft  geben.  Zu- 
nächst Abb.  109,  ein  Gefäß,  das  freilich  wohl  ein  aus  verschiedenen  alten  Modellen 
zusammengestoppelter,  später  Guß  st.  Die  Ranke  bzw.  ihre  verschiedenen  Spalt- 
ergebnisse sind  hier  auf  dem  typischen  Mäandergrunde  in  der  niedrigen  Vorder- 
fläche des  Reliefs  isoliert  und  überdies  dadurch  auffällig  gemacht,  daß  die  Stiele 
mittlere  Linienzüge  aufweisen,  deren  schräge  Flächen  Glanzlichter  werfen.  Die 
kleinen  Auswüchse  am  Stiele  sind  nicht  rund,  sondern  richtig  palmettenartig.  Auch 
wird  der  Stiel  stellenweise  von  Punkten  durchsetzt.  Neben  den  Rankenmotiven 
findet  sich  auch  das  der  Bohne  (offen  als  sog.  Pelte),  des  Auges,  der  Raute  usf. 
Auch  der  spitzbogige  Überfall  ist  zweimal  da.  Eine  andere  Bronzevase  des  Wiener 
Museums,  Abb.  HO,  zeigt  Bandmuster  mit  Mäanderbelebung1.  Dazu  in  einer 
Art  Ritztechnik  oben  am  Halse  Rankenteile.  Ich  ziehe  die  Vase  deshalb  heran, 
weil  sie  ein  charakteristisches  Beispiel  des  chinesischen  Schrägschnittes  unter  An- 
wendung gerade  auf  den  Kreislappen  ist,  der  in  diesem  Buche  im  Vordergrunde  steht. 
Man  betrachte  auf  dem  breiten  Bauchstreifen  die  Füllungen,  die  abwechselnd  oben 
und  unten  zwischen  die  Mäanderbänder  gelegt  sind.  In  der  Mitte  ein  Kreispunkt- 
Ornament,  darum  das  Mäanderband,  verdeckt  z.T.  durch  Kreislappen 'verschiedener 
Art,  als  Linie  fast  auf  dem  Mäandergrund,  als  breiter  Steg  und  endlich  je  zweimal 
in  der  Diagonale  auseinandergehend  in  schräg  geschnittenen  Flächen,  deren  Glanz- 
lichter die  Wirkung  des  Schmuckes  wesentlich  bestimmen.    Ich  denke,  in  dieser  Art 


1     Vgl.  das  seltsame  Ornament  von  Särmadsch:  Globus  1903    Nr.  21,  Abb.  6;  Hüsing,  Der  Zagros  S.3L. 


HO 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


wird  man  sich  auch  Teile  der  Ornamente  von  Hoerschelmann  Tafel  XXI  ausgeführt 
zu  denken  haben. 

Nun  könnte  es  ja  freilich  scheinen,  daß  die  Wiener  Gefäße  nur  bedingt  für  die 
altchinesische  Kunst  vor  dem  Einsetzen  des  westasiatischen  Einflusses  herangezogen 
werden  dürfen.  Man  ergänze  daher  das  Vorgebrachte  durch  Studium  der  Sammel- 
werke und  lese  die  Arbeiten  von  Hoerschelmann  und  Muth  •  nach,  wo  die  Möglichkeiten 


& 


Abi).   109:  Wien,  Xaturhist.  Hofmuseum: 
Bronzevase. 


Abb.   110:  Wien.  Xaturhist.  Hofmuseum: 
Bronzevase. 


der  Entstehung  der  vorgeführten  Ornamente  erörtert  sind.  So  viel  mag  hier  wieder- 
holt werden,  daß  die  Chinesen  ihr  altes  Lieblingsornament,  den  Mäander,  für  eine 
eckige  Spirale  ansahen  und  daraus  wie  aus  der  Spirale  selbst  nach  den  Daten 
ihrer  Sammelwerke  schon  vor  Chr.  S-förmige  und  fortlaufende  Ornamente  zusammen- 
setzten. Die  so  entstandene  geometrische  Welle  überdauere  die  Zeit  der  Tierornamentik, 
auf  die  sie  übrigens  immer  wieder  einwirke,  bis  sich  die  kleinen  Schnörkel  und 
1  Iäkchen  selbständig  zu  pflanzenartigen  Gebilden  entwickelten.    So  setzt  die  bekann- 

ilprinzipien  der  primitiven  Ticrornamentik  bei  den  Chinesen  und  Germanen  (Beiträge  zur  Kultur- 
und  Univon-algeschichte  XV). 


6.   Parallelen  in  Ostasien. 


11; 


teste  Tierbildung-,  das  Tautieh,  sich  im  Kontur  aus  verschiedenen  Kurven  zusammen, 
deren  Spitzen  sich  spalten,  aufrollen  und  verästeln,  auf  die  Umgebung  über- 
greifen und  so  den  Eindruck  des  Vegetabilischen  erwecken.  In  der  Schangzeit  noch 
( —  1122  vor  Chr.)  seien  diese  geometrischen  Ranken  auf  untergeordnete  Teile  wie 
Füße,  Henkel  und  Griffe  übergegangen  ^ein  Beispiel  unten  Abb.  124).  In  derTschouzeit 
(bis  256  vor  Chr.)  werde  daraus  die  flächenfüllende  geometrische  Ranke.  Meine  Bei- 
spiele sollten  diesen  Vorgang  an  späten  Nachbildungen  in  Bronze  deutlich  machen. 
Übrigens  vergleiche  man  damit  auch  die  Ornamente  der  Tsing-tschou-fu  Ausgrabungen 
von  Müller  und  Schöde  im  Berliner  Völkerkundemuseum  (dort  datiert  ca.  300—201), 
und    ebendort    einen  Krug  der  japanischen    Eisenzeit    aus    dem    Baelz-Vermächtnis. 

Ich  gehe  nun  auf  die  unserer  christlichen  parallel  laufende  Zeit  der  ostasiatischen 
Kunst  über.  Der  Schrägschnitt  und  die  Kreislappen-Palmette  fehlen  auch  in  dieser 
Zeit  der  großen  Blüte  der 
darstellenden  altchinesi-- 
sehen  Kunst  im  ersten 
christlichen  Jahrtausend 
nicht.  Es  ist  eine  un- 
verzeihliche Einseitigkeit 
der  Kunsthistoriker,  daß 
sie  mit  dieser  alle  Zeiten 
wie  einst  die  griechische 
und  später  die  germanische 
Blüte  der  Kunst  überragen- 
den Bewegung  chinesischer 
Kunst  nicht  rechnen.  Sie 
muß  auf  ganz  Asien,  das 
ja  damals  ein  offenes 
Durchzugsland  war,  zurück- 
gewirkt haben.  Das  Ornament  spielt  freilich  allmählich  eine  untergeordnete  Rolle,  die 
Natur  drängt  sich  siegreich  in  die. Form  ein.  Die  Denkmäler  sind  in  überreicher 
Fülle  erhalten  und  kommen  jetzt  Schritt  für  Schritt  zur  Bearbeitung.  Für  die 
Geschichte  von  Schrägschnitt  und  Kreislappen-Palmette  benutze  ich  am  Schlüsse 
dieses  Abschnittes  Material,  das  eines  der  Mitglieder  meines  Instituts,  Karl  With,  von 
einer  Forschungsreise  nach  Japan  mitgebracht  hat l. 

Die  Traubenspiegel  und  ihren  Zusammenhang  mit  dem  Westen  lasse  ich  hier  aus 
dem  Spiele;  auf  sie  wurde  schon  Mschatta  S.  328  und  oben  S.  73  verwiesen.  Siebe- 
zeugen die  Blüte  dieser  Ornamentik  in  baktrisch-parthischer  Zeit.  Die  Palmettenranke 
kommt  darauf  neben  der  neuen  Weinranke  vor.  Auch  die  Wolkendarstellung  auf 
dem  Grabmale  der  Familie  Wu  vom  J.  147  n.  Chr.  sei  nur  beiläufig  erwähnt2,  sie  ist 


Abb.  in:    Schantung,   Grabmal  der  Familie  Wu  vom  J.   147  n.  Chr. 
Arabeske  des  krönenden  Streifens. 


1)  Leider  hat  der  Krieg  die  Herausgabe  seines  gesammelten  Materials»  wofür  die  Firma  Bruckmann 
gewonnen  war,  verhindert.  Vgl.  mein  Vorwort  zu  Wachsberger,  Stilkritische  Studien  zur  Wandmalerei 
Chinesisch-Turkestans,  Berlin   191 6. 

2)  Chavannes,  La  sculpture  sur  pierre  en  Chine  Taf.  XXXII  f.,  Mission  arch.  dans  la  Chine  sept.  Taf. 
LVIIf.     Münsterberg,  Chines.  Kunstgeschichte  I  S.  49. 


ns 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


^^5^1 


in  Rankenart  mit  den  bezeichnenden  runden  Auszackungen  des  Stieles  ausgeführt l. 
Wichtiger  ist  an  diesem  Grabmale  eine  „Arabeske",  die  eingeritzt  wie  die  Ornamente 
auf  den  Kairiner  Grabstelen  am  oberen  Rande  der  flachen  Reliefstreifen  hinläuft 
Abb.  Hl).  Wir  sehen  den  Wellenstiel,  in  dessen  Täler  sich  je  drei  Kreislappen  so 
hineinlegen,  daß  sie  auf  den  ersten  Blick  wie  ein  Palmettenmotiv  wirken.  In  Wirk- 
lichkeit ist  es  die  abgesetzte  „Ranke",  von  der  ich  schon  oben  S.  115  sprach  in  der 
Richtung,  daß  sie  die  Anregung  zur  Ausbildung  der  Arabeske  gegeben  haben  könnte. 
In  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  Jahrtausends,  der  Zeit  des  albanischen  Schatzes, 
verband   ein    reger  Weltverkehr    den   Osten    mit    dem    Westen    und    Süden    Asiens. 

Chavannes  hat  aus  den  Grotten  und  von  Grab- 
mälern  Nordchinas  ein  reiches  Material  aus 
dieser  künstlerisch  ereignisreichen  Zeit  ver- 
öffentlicht, das  auch  für  die  Ranke  von  Be- 
deutung ist.  In  der  Grotte  von  Jun-kang 
aus  dem  V.— VIII.  Jh.,  Xr.  227  (Taf.  CXXI), 
kommt  die  reine  einfache  Ranke  (Abb.  112) 
mit  Halbpalmetten  vor  wie  auf  dem  Kairiner 
Grabstein  Abb.  86.  Wir  stehen  so  wenig 
wie  in  der  Darstellung  vor  einer  rein  chine- 
sischen Form.  Hatte  China  bis  dahin  die 
unorganische  Bildung  bevorzugt  —  ohne  die 
organische  ganz  auszuschalten  — ,  so  werden 
jetzt  Muster  wie  die  parthisch-hellenistische 
Weinranke    und     ihre     palmettisierte    Abart 


mm 


häufiger. 


In    der    vorliegenden    Abbildung 


Abb.  112:  Grotte  von  Jun-kang:  Rankenmotive. 


erscheint  neben  der  Ranke  unten  ein  Fries 
aus  schrägen  Halbpalmetten'2.  Im  übrigen 
herrscht  die  Ranke  mit  dem  Kreisblatt  durch- 
aus und  die  gesprengte  Palmette  im  Schrag- 
schnitt,  so  gleich  jm  untersten  Felde  von 
Abb.  112.  Vgl.  das  krönende  Motiv  von  Abb.  79.  Ich  gebe  hier  noch  zwei 
Proben.  Einmal  Abb.  1 13  eine  Ranke  von  einer  663  datierten  Stele  Chavannes, 
Mission  Xr.  760,  Taf.  CCCLIII).  Es  ist  ein  überhöhtes  Feld  mit  Knopfornament  am 
Rande.  Im  Felde  selbst  steigt  die  Palmette  in  spitzoval  bewegten  Stielen  empor. 
Von  den  an  der  engsten  Stelle  immer  durch  zwei  Xaben  verbundenen  Stielen 
zweigen  tue  Füllungen  flammenartig  mit  Kreislappen  am  Rande  ab  (vgl.  damit 
Abb.  90).  Dazu  kommen  je  zwei  größere  Bohnenmotive,  die  wie  an  der  Wiener  Bronze- 
vase Abb.   110  in  breiteren    Flächen   mit    Kreislappen   endigen.     In  Abb.  114  gebe 


ich   auch   noch   den  Flügel   eines  Pferdes   des   um  700  errichteten  Grabes 


in 


Hien- 


jang-hien  nach  Chavannes  a.  a.  O.  Nr.  463  (Taf.  CCXCVII).     Er  ist   durchaus  in   der 
typischen  Palmettenform  gebildet,  sein  unterer  Abschluß  in  Kreislappen  zeigt  deutlich, 

1     Vgl.  dafür  Abb.   34,   99 — 101   und    1 1 5. 

2)  Vgl.  damit  dieOrnamente  von  Riemenbeschlägen  und  Schließen  aus  dem  Kuban,  Otscheti895  S. 65 Fig. 
'6o-  '  iv  III   S.  301,   Hampel,  Denkmäler  d.  Landnahmezeit  (urg.)  Tat.  112. 


6.   L'arallclcn  in  Ostasien. 


119 


dai3  der  Bildhauer  dekorativ,  nicht  etwa  naturalistisch  vorgehen  wollte.  Neben  solchen 
Beispielen  der  Kreislappenranke '  kommt  auch  wieder  die  reine  Palmette  ohne  die 
krabbenartige  Häufung  an  den  Rändern  vor,  z.  B.  an  der  schönen  Stele  von  554»  die 
auf  der  letzten  Ausstellung  im  Musee  Cernuschi  an  die  Öffentlichkeit  kam2.  Die  ge- 
sprengte Palmette  Abb.  115  unter  dem  thronenden 
Buddha  zeigt  nur  am  Ansatz  die  charakteristischen 
Kreislappen  und  ebenso  am  Baldachin  die  Halbpal- 
metten, deren  Spitzen  lang  zur  Mitte  emporgezogen 
sind.  Dort  im  Kerne  dieser  Halbpalmetten  auch  die 
Spitze  im  Schrägschnitt. 

Die  Entwicklung  der  ostasiatischen  Palmettenranke 
läßt  sich  am  besten  verfolgen  an  der  Hand  der 
Heiligenscheine.  Schon  Chavannes  gibt  davon  einige 
Proben  aus  den  Grotten  von  Longmen  Nr.  387,  290, 
339  u.  a.  Die  erste  weist  die  reinste  Palmette  auf 
(Taf.  CCLV),  reiner  als  auf  der  Stele  von  554.  Mir 
liegt  näher,  Beispiele  von  japanischen  Bronzestatuen 
der  gleichen  Zeit  vorzuführen,  weil  daran  auch  der 
Schrägschnitt  gut  zu  beobachten  ist. 

B.  Japanische  Belege.  Ich  wähle  aus  der 
Masse  drei  Beispiele,   die  als  Typen   für  alle  übrigen 


Abb.   113:  Chinesische 
Stele  vom  J.  663. 


Abb.  114:   Flügel  eines  chinesischen 
Grabpferdes  um  700. 


genommen  werden  können  —  mit  Ausnahme  der  vielen  Nimben  in  durchbrochener 
Arbeit.  An  die  Spitze  sei  die  bekannte  Trinität  vom  J.  623  aus  dem  Kondo  des 
Horiudschiklosters  bei  Nara  gestellt  Abb.  116.  Sie  wird  durch  einen  großen  Nimbus 
zusammengefaßt,    auf   dem    Flammen    emporzüngeln,    die    unten    aus    den    gleichen 


1)  Sie  sind  in  Hinterindien  (so  in  AnkorVat)  und  in  Thibet  (vgl.  The  Museum  Journal,  Philadelphia 
V  (19 14)  S.  189  f.)  sehr  häufig. 

2)  Vgl.  Ars  asiatica  II  S.  20  1"  und  Ostasiatische  Zeitschrift  II  (1913/4)  S.  332  f. 


120 


111.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


Einrollungen  hervorwachsen,  wie  wir  sie  auf  dem  Kelt  aus  Südsibirien  (Abb.  104) 
sahen '.  Der  Kopfnimbus  der  Mittelgestalt,  des  Buddha  Sakjamuni,  zeigt  außen 
herum  die  reine  Halbpalmettenranke  in  Schrägschnitt,  allerdings  auf  der  Grund- 
fläche isoliert.  Beachtenswert  sind  auch  die  Nimben  der  Seitenfiguren,  Seischi  und 
Kwannon,  die  außen  herum  unter  den  Flammen  ein  Muster  aus  Kommamotiven 
und  innen  eine  reichverschlungene  Ranke  zeigen. 


Abb.   115:  Chinesische  Grabstele  vom  J.  554  (Ausschnitt). 

Abb.  117  und  118  geben  die  Nimben  zweier  Buddhastatuen  der  Hakuho-Periode 
l.nde  VII.  Jhdt).  Die  sitzende  Gestalt  Abb.  117  ist  von  einem  Nimbus  umgeben,  der 
als  Grund  für  Bodhisatvas  das  Wolkenmuster  in  Rankenwindungen  zeigt,  deren  reiche 
Bewegung  in  schrägen  Flächen  mit  lebhaft  ausbauchenden  Rändern  die  höchste  Wirkung 
in  Ausnützung  der  Glanzflächen  des  Metalls  darstellt.  In  jede  Windung  legt  sich  ein 
unvergleichlich  fesselndes  Spiel  von  Licht  und  Schatten.    Im  Kopfnimbus  einfachere 


1;  Abgebildet   bei  Tadjima,  Selected  relics  I,  Münsterberg,   Chin.  Kunstgesch.  I  S.   144.     Meine  Ab- 
ang wie  die  folgenden  nach  Neuaufnahmen  von  With.    Vgl.  jetzt  auch  Glaser,  Ostasiatische  Zeitschrift  III 
404. 


6.  Parallelen  in  Ostasien. 


121 


Palmettenmotive  zu  seiten  einer  Lotosblüte.  Die  stehende  Gestalt  von  Abb.  llShebt 
sich  von  einem  Nimbus  ab,  auf  dem  die  Fläche  mit  den  Bodhisatvas  mit  eng  aneinander- 
liegenden Ranken  von  wesentlich  derberer  Bildung  ausgefüllt  ist.  Hier  ist  der  Schräg- 
schnitt von  beiden  Seiten  der  Stiele  derart  steil  emporgetrieben,  daß  fast  nur  eine  schmale 
Linie  als  Kamm  die  Vorderfläche  bezeichnet,  ähnlich  wie  wir  es  in  den  ägyptischen 
Brettern  und  den  Stuckaturen   von  Samarra  gesehen  haben,  dort  unter  Vernichtung 


Abb.    116:  Nara,  Horiudschikloster:  Trinität  vom  J.  623  (Ausschnitt). 


jedes  Flächenrestes  der  Grundebene.  Die  beiden  Statuen  stammen  aus  einer  Trini- 
tätsdarstellung  ähnlich  wie  Abb.  116.  Im  vorliegenden  Falle  handelt  es  sich  um  die 
Jakuschi-Trinität  im  Kondo  des  Jakuschidschiklosters.  Die  sitzende  Gestalt  (Abb.  117) 
gibt  den  Jakuschi,  d.  h.  den  Medizin-Buddha  selbst,  die  stehende  die  links  von  ihr 
befindliche  Statue  des  Nikko  Bosatsu l.  Auf  wie  alten  Voraussetzungen  das  vor- 
geführte japanische  Ornament  des  VII.  nachchristlichen  Jahrhunderts  beruht,  lehrt 
ein  Vergleich  mit  den  Keramiken  der  altebinesischen  Hanzeit  (206  v. — 221  n.  Chr.). 
Gute  Parallelen  bei  Laufer,  Chinese  pottery  of  the  Han  Dynasty  Taf.  XI  (Getreide- 
urnen). 

Wir   sahen,    wie   sich    die    Palmettenranke    auf  den   alten   hieratischen    Bronzen 
der  Chinesen   zusehends   geradezu   aus  der  Spirale   entwickelt;    ein  Gleiches  schließt 


1)  Vgl.  Fenollosa,  Ursprung  und  Entwicklung  der  chinesischen   und  japanischen  Kunst  I  S.  57  und 
Japanese  temples  and  their  treasures  S.  26,  Tafelband  I  Nr.  16,  II  Nr.  205  und  207. 


122 


111.  l»ie  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


Riegl  (Stilfragen  S.  121)  auch  für  das  Mittelmeer  nicht  aus.  In  dem  ewigen  Fluß  der 
Möglichkeiten,  die  von  den  historischen  Wissenschaften  aufgedeckt  werden,  mag  damit 
der  systematischen  Forschung  vielleicht  ein  fester  Boden  gewonnen  sein.  Für  mich 
ist  die  Hauptsache,  daß  auf  diesem  Wege  auch  der  Ursprung  des  Kreislappens  und 
Schrägschnittes  erklärbar  scheint.    Dazu  gesellt  sich  der  Eindruck,  daß  vielleicht  vom 


Abb.    117:  Jakuschidschi-Kloster:  Kopf  des  Medi/in-Buddha. 

Chinesischen  aus  die  Anregung  zur  „Arabeske"  ausgegangen  sein  könnte."  Vgl.  da- 
rüber im  Zusammenhange  den  nächsten  Abschnitt.  Wie  wir  in  China  in  der  Zeit  unseres 
Goldschatzes  Einflüsse  vom  Westen  hervortreten  sehen,  so  könnte  darin  vielleicht 
eine  Gegenbewegung  ihr  Merkmal  hinterlassen  haben.  Solche  Erscheinungen  haben 
einen  Weltverkehr  zur  Voraussetzung,  wie  er  sich,  die  Völkerwanderungen  vorbereitend, 
tatsächlich  zuerst  schon  in  mykenischer  und  dann  wieder  in  spätrömischer  Zeit  an- 
gebahnt hat l.     Aber  darüber  in  den  nächsten  Abschnitten. 


7.  Geometrische  Ranke  und  Arabeske. 

Wir  haben  das  Motiv  der  Palmettenranke  mit  dem  Kreisblatt  verfolgt  von 
Albanien  und  Ungarn  ausgehend,  wo  Kleinfunde  die  Frage  nach  dem  Ursprungs- 
lande offen  ließen,  nach  Hellas  und  Ägypten,  Ländern,  in  denen  Reste  von  Bau- 
denkmälern oder  diese  selbst  den  Gebrauch  der  Palmettenranke  sichern,  nach  Meso- 
potamien und  Iran  hin,  wo  Denkmäler  der  Architektur  und  Werke  der  Kleinkunst 
in   breiter  Schicht   nachweisbar  sind.     Ich   habe   auch   solche  Gruppen   von  Belegen 


.  1.  über  let'tcre  Hirth,  China  and  the  roman  orient.    Derselbe,  „Fremde  Einflüsse    in  der  chine- 
ICnnst"   uml  Temen  de  Lacouperie,  Western  Origin  of  the  carly  Chinese  civilisation. 


7.  Geometrische  Ranke  und  Arabeske. 


123 


der  Palmettenranke  mit  berücksichtigt,  die  nicht  gerade  das  Kreisblatt  aufweisen, 
aber  von  Riegl  unbeachtet  geblieben  waren,  wie  die  Palmettenstoffe,  die 
altarabischen  Grabsteine  und  die  sasanidischen  Silber-  und  Bronzegefäße.  Weiter 
nach  Osten  in  Zentralasien  wurde  ein  Herd  in  .der  Verwendung  der  Palmettenranke 
mit   dem  Kreisblatte  nachgewiesen.     In  China  legte  ich  wieder  darauf  Gewicht,   ein 


Abb.   118:  JakUschidschi-Kloster:  Nikko  Bosatsu  (Ausschnitt). 


Mißverständnis  aufzuklären,  das  durch  Riegls  Unkenntnis  der  Denkmäler  entstanden 
war,  als  wenn  dort  nur  die  abgesetzte  Welle  bekannt  gewesen  wäre.  Ich  mußte  also 
in  China  zunächst  die  Rankenwelle  selbst,  nicht  nur  die  Welle  mit  dem  Kreisblatt 
nachweisen  und  zeigen,  daß  sie  dort  mindestens  ebenso  alt  wie  im  Mittelmeer- 
kreise ist.  Wenn  wir  auf  diesem  Wege  zu  einer  ganz  neuen  Vorstellung  von  der 
Ausbreitung  der  Palmettenranke  gelangt  sind,  so  fragt  es  sich,  ob  mit  diesem  Material 
nicht  die  Grundlage  für  eine  veränderte  Auffassung  von  der  Entwicklung  der  Ranke 
überhaupt  und  der  Arabeske  im  Besonderen  gewonnen  ist. 

Es  war  oben  die  Rede  davon,  wie  Riegl  durch  den  Widerspruch,  den  seine  Studien 
über  den  orientalischen  Teppich  gefunden  hatten,  dazu  kam,  gerade  auf  die  Ab- 
leitung der  Arabeske  aus  der  hellenistischen  Kunst  Gewicht  zu  legen.  Ich  glaube, 
daß  hierin  der  Keim  und  Kern  seiner  Lebensarbeit  liegt.    Gelingt  es  an  dieser^Stelle 


124 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


in  seine  Entwicklungsthese  Bresche  zu  legen,  so  stürzt  der  ganze  Bau  um  so  mehr, 
wenn  dabei  auch  die  Tat  der  mykenischen  Kunst  vom  Nordosten  her  ihre  Er- 
klärung findet  und  so  Anfang  und  Ende  in  ganz  anderem  Lichte  erscheinen.  Was 
Riegl  an  Vorstufen  der  Ranke  in  den  semitischen  Kunstkreisen  des  alten  Orients 
nachweisen  konnte,  ging  auf  die  Spirale  und  ihre  Zwickelfüllung,  die  Palmette  zurück. 
Ähnliche  Anfänge  scheinen  auch  in  China  vorzuliegen.  Die  Spirale  füllt  wie  der 
chinesische  Mäander  den  Grund,  sie  schlingt  sich  paarweise  zu  S-Formen  ein,  wird 
fortlaufend  und  bekommt  Ansätze,  die  pflanzenartigen  Charakter  tragen,  ohne  irgend- 
wie auf  ein  Pflanzenvorbild  zurückzugehen  '.  Soweit  schiene  mir  der  spontane  und 
autochthone  Ursprung  der  „Ranke"  in  China  und  am  Mittelmeer  immerhin  möglich. 
Ich  weiß  nur  nicht,  ob  wirklich  China,  wie  drüben  die  mykenische  Kunst,  als  ge- 
sonderte Träger  bzw.  Erreger  der  Entwicklung  angesehen  werden  dürfen  und  nicht 
doch  ein  Zusammenhang  zwischen  Ost  und  West  besteht.  Man  erinnere  sich  nur 
der  Beobachtungen,  die  S.  Reinach  über  das  Motiv  des  gestreckten  Galopps  gemacht 
hat2,  oder  der  Studien  von  A. Reichel  über  Analogien  einiger  ostasiatischer  Ornamente 
mit  Formen  der  kretisch-mykenischen  Kunst3.  Es  muß  zwischen  China  und  dem 
Mittelmeer  eine  Brücke  gegeben  haben,  einen  Weltverkehr,  der  die  Nomaden  und 
Nordvölker  in  einem  Zusammenhange  zeigt,  dem  der  großen  Oasenkulturen  des  Südens 
kaum  nachstehend.  Wir  werden  dieser  Spur  im  nächsten  Abschnitte  nachzugehen  haben. 
Ich  bleibe  hier  zunächst  bei  der  Frage  nach  dem  Ursprünge  der  geometrischen  Ranke. 
Die  Spiralranke  zeigt  in  Kulturtreibhäusern  wie  dem  hellenisch-indischen  (S.  72  f.) 
jene  Neigung  sich  pflanzlich  zu  beleben,  die  im  alten  China  so  gut  wie  in  der  sibi- 
rischen Bronzekultur  fehlt.  Während  die  vorderasiatischen  Völker  mit  Mesopotamien 
im  Zentrum,  dazu  den  beiden  andern  alten  Sitzen  von  Oasenkulturen,  Ägypten  und 
Indien  durch  die  wachsende  Zivilisation  vom  Vorstellen  zum  Anschauen,  von  der 
Form  auf  die  leibhaftige  Darstellung  von  Gestalten  übergehen,  bewahren  sich  die 
Nomaden  und  Nordvölker  (und  damit,  scheint  es,  im  Zusammenhange  China  länger  als 
die  genannten  drei  andern  Treibhäuser  der  Kultur)  die  künstlerisch  von  der  Natur 
unabhängig  schaffende  Phantasie.  Es  entsteht  so  ein  Gegensatz  zwischen  Nord-  und 
Südasien,  der  zur  Folge  hat,  daß  Nordasien  imstande  ist  zu  einer  Zeit  erfrischend 
einzugreifen,  als  Südasien,  Hellas  und  Rom  mit  inbegriffen,  bereits  am  Ende  der 
Entwicklung  angelangt  waren.  Ich  werde  in  später  folgenden  Abschnitten  versuchen 
diesen  Vorgang,  soweit  das  heute  einem  Kunsthistoriker  möglich  ist,  deutlich  zu  machen, 
und  möchte  hier  einleitend  nur  die  Wahrscheinlichkeit  dartun,  daß  die  nordasiatisch- 
chinesische  Ranke,  die  wir  oben  in  ihrer  geometrischen  Form  verfolgt  haben,  bei 
ihrer  immer  stärker  nach  dem  Westen  drängenden  Bewegung  unter  dem  Einfluß  des 
sakischen  Hellenismus  sich  durch  die  auch  in  Mschatta  und  der  Sophia  nachweisbare 
Palmettisierung  in  jene  Rankenform  umsetzte,  die  wir  die  Arabeske  nennen. 


1  Vgl   jetzt   auch    zur  Frage   nach    dem   Ursprung   der   Spirale   Würz,    Spirale   und  Volute   von  der 
vorgeschichtlichen    Zeit   bis   zum  Ausgang  des  Altertums  I:  Ursprung  der  Spirale  und    der  Volute.      Ent- 
wicklung im   Orient.     Ferner  Szombathy,  Mitteilungen  der  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Wieu  XI. \ 
(1915)  S.  146  t. 

2  Revue  archeologique  XXXVII  11900)  fl". 

IOD    I    (I9O7)    S.    54  f. 


7.  Geometrische  Ranke  und  Arabeske. 


125 


A.  Chorasan-Inschriften.  Ich  halte  es  nicht  für  notwendig,  das  Wesen  der 
„Arabeske"  hier  nochmals  zu  erörtern;  Riegl  hat  das  in  meisterhafter  Weise  getan,  aus- 
gehend von  späten  Beispielen  aus  dem  XIX.  Jh.  und  vom  J.  1411  und  dann  entwick- 
lungsgeschichtlich mit  der  spätantiken  Kunst  und  den  Stuckfriesen  der  Moschee 
des  Ibn  Tulun  (878)  beginnend l.  Ich  will  den  Typus  an  einem  ostiranischen  Bei- 
spiel aus  dem  XI./XII.  Jh.  ins  Gedächtnis  rufen,  dessen  ich  ohnehin  als  entwicklungs- 
geschichtlichen Beweisstückes  ersten  Ranges  bedarf.  Es  ist  der  Inschriftfries  Abb.  1 19 
aus  der  Ruine  einer  Moschee  in  Chargird,  südlich  von  Meschhed  an  der  awghanischen 
Grenze.  Er  bietet  das  in  seiner  Art  technisch  Vollendetste  umsomehr  als  er  nicht  in 
Stuck  sondern  aus  einfachem  Lehm,  wie  die  Ziegel  ringsum,  ausgeführt  ist.  Das  Relief 
ist  8  — 10  cm  tief  und  in  zwei  Lagen  übereinander  gearbeitet.  Die  obere  gibt  die 
Inschrift  mit  Hasten,  die  sehr  wirkungsvoll  am  Rande  gestreift  sind  und  am  oberen 
Ende    ein  Palmettengeschlinge  reichster  Art  tragen.     Unter  dieser  oberen   Schicht 


Abb.   119:  Chargird,  Moschee:  Inschriftfries  (Teilansicht). 


läuft  im  zweiten  Plan  in  der  Mitte  wagrecht  eine  Welle  aus  zwei  frei  nebeneinander 
stehenden  Stegen  hin 2,  an  die  oben  und  unten  dünne  Ranken  so  ansetzen,  daß  ihre 
Lappen  die  von  der  oberen  Schicht  freigelassenen  Räume  mit  durchaus  vollständig 
sichtbaren  Gebilden  von  Halb"-  und  Vollpalmetten  verschiedener  Art  füllen.  Es  dürfte 
also  die  untere  Ranke  erst  nach  Fertigstellung  der  oberen  Schicht  gearbeitet  sein, 
eine  Virtuosität  der  Mache,  die  in  dieser  tiefen  Unterarbeitung  und  in  solchem  Material 
nicht  bald  ihresgleichen  hat.  Aus  derartigen  Tatsachen  schließe  ich  auf  eine  Jahrhunderte 
alte,  wahrscheinlich  vorislamische,  heimische  Tradition3. 

Wir  stellen  uns  jetzt  hier  ganz  auf  die  Arabesken  dieses  keramischen  Frieses 
ein.  Jeder  Stamm  der  aus  gesäumten  Bändern  gebildeten  Buchstaben  endet  oben 
seitlich  mit  dem  Kreislappen,  der  eine  üppige  Ranke  austreibt,  die  im  rechten  Winkel 


1)  Stilfragen  S.  259  f.    Vgl.  dazu  Enzyklopädie  des  Islam  I  S.  ßSof  und  oben  S.  71. 

2)  Vgl.  die  Weinranke  des  Batikstoffes  mit  dem  Dionysoszyklus  im  Musee  Guimet.    Darüber  oben  S.  73. 

3)  Ich  habe  diese  keramische  Inschrift  schon  in  einem  Aufsatz  über  „Die  sasanidische  Kirche  und  ihre 
Ausstattung"  veröffentlicht  und  bitte  die  Folgerungen,  die  ich  dort  (Monatshefte  für  Kunstwissenschaft 
VIII  [1915]  S.  363  t".)  ziehe,  nachzulesen.  Hier  nur  eine  Einzelvergrößerung.  Vgl.  auch  Diez,  Die  Kunst 
der  islamischen  Völker  S.  68. 


jo^  III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

umfaßt  wird  von  einer  Linie,  in  welche  die  keilförmige  Spitze  des  Buchstabens  aus- 
geht'.    Das    bezeichnend   Arabeske  ist  nun,   daß  die  Ranke  über  dem  Kreislappen 
aus   einem    ,  Blatt"   hervorwächst,   dessen    Spitze   sich   in   den  Stiel   umsetzt.     Dieser 
Stiel  gabelt  sich  dann   nochmals,   und   zwar   treiben  jetzt   beide   Verdickungen,   die 
durch   eine  Zwickelfüllung  mit  zwei  Punkten  zu  einer  Einheit  verbunden  erscheinen, 
neue  Stiele,  die  in  zwei  breiten  Flügelpalmetten'2  endigen.    Aus  diesen  Motiven,  der 
schön  geschwungenen  Wellenlinie,  dem  Kreislappen,  der  Gabelung  und  dem  breiten 
Füllsel  setzt  sich  die  Arabeske  zusammen.   Dazu   kommt  als  Grundsatz,  daß  sie  die 
Neigung  hat,  sich  ohne  Ende  in  der  Fläche  auszubreiten.    In  der  Inschrift  von  Char- 
gird   liegen  gar  zwei  Flächen  übereinander  und  die  untere  ist  fast  noch  reicher  im 
Ornament  als  die  obere.     Der  Wellenstiel  verläuft  in  breiten  Schwingungen  in  einer 
Doppellinie,    die  Kreislappen    bilden   zwischen  den  Buchstabenkrönungen    hoch  auf- 
steigende Wellen  und  nehmen  öfter  jene  spitze  Form  an,  die  wir  von  den  Brettern  aus 
Ägypten  kennen  (Abb.  82f.).  Daneben  kommt  das  Dreiblatt  einfach  oder  in  jener  breiten 
Form  des  Füllsels  vor,  bei  dem  öfter  die  asymmetrische  Bildung  in  der  Art  zustande 
kommt,   daß  der   eine   der  unteren  Lappen  in   den  Stiel   übergeht.     Ich  nannte  das 
Motiv    oben  S.  91  f.  „Sporenblüte".     Dann   fallen    die  schönen  T-förmigen  Bildungen 
auf,  in  denen  Kreislappen  in  einem  flaschenartigen  Motiv  zusammenlaufen,   wie  wir 
es  schon  aus  früheren  Belegen  S.  97  kennen.     Punkt  und  Komma  werden  ausgiebig 
verwendet,  um  Einheit  in  den  bewegten  Umriß  zu  bringen.     Vor  allem  aber  ist  das 
Tiefendunkel  entscheidend,  also  eineUnterarbeitung,  die  den  Grund  völlig  verschwinden 
läßt,  so,  daß  kein  Schatten  entstehen  kann.    Die  hellen  Ornamente  wirken  daher  auf 
dem  tiefen  Grunde  farbig3. 

Was  wir  hier  in  Lehm  ausgeführt  sehen,  tritt  in  einem  älteren  Denkmale  der  selben 
Gegend  gemalt  zutage.  Abb.  120.  u.  121  zeigen  Inschriftfriese,  die  aus  Sängbäst,  eine 
Tagreise  südöstlich  von  Meschhed,  bzw.  der  alten  Hauptstadt  Chorasans  Tus  stammen. 
Sie  schmücken  das  Innere  eines  quadratischen  Baues  mit  Trompenkuppel  und  sind 
in  die  Zeit  des  Arslan  Jasib,  Walis  von  Tus  unter  Sultan  Mahmud  von  Ghasna 
1998 — 1030'  zu  datieren.  Darüber  wird  Dr.  Diez,  der  Entdecker  dieser  wertvollen 
Denkmäler,  in  dem  Expeditionswerke  des  Wiener  Institutes  zu  berichten  haben4.  Im 
Innern  des  Kuppelbaues  von  Sängbäst  gibt  es  zwei  Inschriftfriese.  Der  eine,  Abb.  121, 
läuft  am  Fuße  der  Wand  und  um  die  Eingangstür  hin  und  ist,  wenn  auch  sehr  mit- 
genommen, doch  im  ursprünglichen  Zustande  erbalten.  Der  zweite  unter  der  Kuppel, 
Abb.  120,  ist  im  XVII. Jh.  übermalt,  ohne  daß  freilich  seine  Grundart  verändert  worden 
wäre.  Deutlich  erkennen  läßt  sich  weder  an  dem  einen  noch  an  dem  andern  Friese 
viel.  Die  Buchstaben  und  Ornamente  sind  weiß  aus  dem  blauen  (jetzt  schwarz  ge- 
wordenen Grunde  sgrafittoahnlich  ausgespart.  Die  keilförmigen  Enden  der  Hasten 
setzen  wie  in  Chargird  Arabesken  an,  die  herzförmig  umrahmt  sind.  Man  macht 
sich  von  dieser  Art  vielleicht  gut  einen  Begriff  an  der  Hand  von  armenischen  Minia- 

1  Das  ist  der  kalligraphische  Typus,  der  im  Ornament  der  Grabsteine  von  Kairo  (vgl.  oben  S.  87) 
eine  so  bedeutsame  Rolle  spielt. 

Vgl.  über  den    Typus  und  seinen  Ursprung  Mschalta   S.  316. 
3    Vgl.  über  «las  Tiefendunkel  Mschatta  S.  271t. 

VII   der  Arbeiten  des  Instituts.    Vgl.  vorläufig  Diez,  Die  Kun>t  der  islamischen  Völker  S.  gl. 


7.  Geometrische  Ranke  und   Arabeske. 


127 


turen  des  Tübinger  Evangeliars  vomj.  1113  bzw.  893.  In  der  Arbeit  darüber  „Klein- 
armenische Miniaturenmalerei"  (1907) l  habe  ich  diese  Art  bereits  aus  dem  Osten 
hergeleitet  und  biete  jetzt  den  Beleg  für  diese  Annahme.    Auch  die  im  oberen  Friese 


rjÄT 


Abb.   120:  Sängbäst,  Kuppelbau:  Oberer  gemalter  Fries.    Um   iooo. 

von  Sängbäst  durchlaufende  Welle  findet  in  der  armenischen  Handschrift  Parallelen. 
Abb.  120  zeigt  wieder  den  zweistreifigen  Hauptstiel,  der  beiderseits  begleitet  wird  von 
üppigem  Lappenwerk,   das   in  der  Übermalung   nicht  mehr  deutlich  zu  erkennen  ist. 


Abb.    121:   Sängbäst,  Kuppelbau:  Unterer  gemalter  Fries.    Um    iooo.. 

Vielleicht  wird  man  die  Zwickelornamente  der  altarabischen  Grabstele  32,  die  ich 
„Der  Islam"  II  S.  321  veröffentlicht  habe,  teilweise  zur  Ergänzung  heranziehen  dürfen. 
Im  allgemeinen  aber  gilt,  daß  die  Friese  von  Sängbäst  und  Chargird  eng  verwandte 
Art  zeigen.    Der  Typus  der  Arabeske  ist  besonders  in  Chargird  vorzüglich  vertreten. 


1)  Atlas  zum  Katalog  der  armen.  Handschriften  der  kgl.  L'niv.-Bibl.  zu  Tübingen  I,  2. 


12S  HI.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

Noch  zwei  beachtenswerte  Denkmäler  wären  bei  dieser  Gelegenheit  zu  erwähnen, 
das  Grab  Mahmuds  von  Ghasna  und  die  Holztür  von  Somnath,  die  seinen  Namen 
trägt  Sie  wurde  im  J.  1842  von  britischen  Offizieren  mitgenommen  und  befindet 
sich  heute  im  Arsenal  zu  Agra1.  Der  Sarkophag  zeigt  eine  zweizeilige  kufische  In- 
schrift, die  Rawlinson  las.  Darin  wird  Gott  angerufen  für  Nizam-ud-din  Abul  Kasim 
Mahmud,  Sohn  des  Sabaktegin.  Eine  Neschki-Inschrift  auf  der  Rückseite  nennt  das 
Todesdatum  421  d.  H.  (1030  n.  Chr.).  Zwischen  den  Hasten  sind  Ranken  gebildet,  die 
häufig  jenes  trompetenförmige  Blatt  aufweisen,  mit  den  gleichen  Radien  und  Punkten 
überdies  wie  das  oben  S.  94  abgebildete  Feld  aus  dem  Deir  es-Surjani,  so  daß  meine 
Monatshefte  für  Kunstwissenschaft  VIII  (1915)  S.  363  f.  angenommene  Verwandtschaft 
dieser  in  Ägypten  erhaltenen  Stuckaturen  mit  Ostpersien  neuerdings  bestätigt  wird. 
Die  Inschrift  wird  von  einer  Ranke  von  ähnlicher  Art,  nur  einfacher  als  im  oberen 
der  gemalten  Friese  von  Sängbäst  (Abb.  120)  umrandet.  Die  Tür  von  Somnath 
scheint  eine  vierteilige  Falttür  mit  je  sieben  Sternen  übereinander;  darüber  eine  In- 
schrift ebenfalls  mit  einer  Anrufung  für  Mahmud,  den  Sohn  Sabaktegins.  Die  Fül- 
lung der  sechsteiligen  Sterne  ist  sehr  eigenartig,  mit  der  Arabeske  von  Chargird  hat 
sie  nichts  zu  tun,  bleibt  aber  auch  jedem  Naturalismus  durchaus  fern.    Davon  unten. 

Ich  spreche  hier,  wie  alle  andern  vor  mir,  immer  von  der  „Arabeske".  Mit  den 
Arabern  hat  diese  Ornamentart  nicht  mehr  zu  tun,  wie  etwa  das  „Gotische"  mit 
den  Goten.  Insofern  aber  die  Goten  Germanen  waren2  und  die  Araber  typische 
Nomaden,  dürften  die  Bezeichnungen  immerhin  ein  Körnchen  Wahrheit  enthalten. 
Davon  später.  Mir  liegt  zunächst  nur  daran,  den  Eindruck,  den  wir  aus  den  beiden 
Beispielen  aus  Chorasan  erhalten  haben,  noch  dahin  zu  verstärken,  daß  wir  da- 
mit nicht  ganz  zufällig  dem  zentralen  Asien  nahe  gekommen  sind.  Vielmehr  drängt 
sich  immer  mehr  die  Überzeugung  auf,  daß  die  Arabeske  eben  dort  auch  ihren 
Ursprung  hat.  Ich  möchte  dafür  noch  zwei  Gründe  aus  dem  Gebiete  der  geo- 
metrischen Ranke  geltend  machen,  bevor  ich  darauf  zurückkomme,  daß  die  Ara- 
beske nichts  anderes  ist  als  eine  Weiterbildung  der  dort  und  in  China  heimischen 
geometrischen  Ranke. 

B.  Die  Kreisstab-Ranke.  An  der  von  Hampel  „Der  Goldfund"  S.  112  ff.  als 
zweite  Gruppe  ausgeschiedenen  Reihe  von  Schalen,  Näpfen  und  Pfannen  findet  sich  eine 
bereits  oben  S.  62  erwähnte  Ornamentik  aus  gekrümmten  Stäben  und  Verknotungen, 
die,  was  selbst  Hampel  zugibt,  von  der  klassischen  Tradition  vollständig  abweicht 
und  für  die  auch  Südrußland,  wohin  er  den  Schatz  verlegt,  keine  Parallelen  bietet, 
dafür  Armenien,  das  der  persischen  Kunst  stets  offen  gestanden  habe.  Weiter  kam 
Hampel  nicht.  Den  Schlüssel  geben  die  chinesischen  Altsachen3.  Ich  greife  zunächst 
eines  der  bezeichnendsten  Beispiele  von  Nagy-Szent-Miklos  heraus. 


1     Die  beiden  Denkmäler  sind  in  Zeichnungen  veröffentlicht  im  Journal  of  the  asiatic  socictv  N.  S. 
XII  11S43     S.  73f.    (Ich  danke  den  wertvollen  Nachweis  Dr.  Diez.)     Vgl.  Vule,    The  book  of  Ser  Marco 
Polo  II  S.  399^  und  Fergusson,  History  of  indian  and  eastern  architecture  II  S.  io/sf.    Eine  Wiederholung 
der  Skizze  im  Journal  in  meinem  Buche   „Die  bildende  Kunst  des  Ostens"  S.  25,  Abb.  9. 
VgL  dazu  auch  unten  Abschnitt  V. 
3    Im  Zusammenhang  mit  dem  Wiener  Jagdteppich  hat  Riegl  für  die  Erklärung  der  „kleinen  schnecken- 
riigen  Einrollungen"  an   das  chinesische  Wolkenmotiv  gedacht.     Jahrbuch    d.    Kunstsammlgn.   d.  Allh. 
Kaiserhauses  XIII  (1892)   S.  299. 


7.  Geometrische  Ranke  und  Arabeske. 


129 


Abb.  122: 


Abb.  122  zeigt  eine  Stelle  des  Napfes,  von  dem  bereits  oben  S.  63  die  Rede 
war.  Schon  die  Kreise  setzen  sich  zusammen  aus  einzelnen  Stabgliedern  mit  Kreis- 
lappen. Andere  kürzere 
schließen  sich  am  Innen- 
rande an.  Die  Zwickelorna- 
mente über  den  Zwischen- 
scheibenmitfarbigen  Kreuz- 
füllungen bilden  drei  Krö- 
nungen übereinander,  die 
alle  aus  solchen  Stabglie- 
dern zusammengefügt  sind. 
Man  beachte  die  mittlere: 
die  Stäbe  gehen  diagonal 
auseinander  wie  auf  den 
Kairiner  Grabsteinen,  dazu 
ein  lyraförmiges  Mittelmo- 
tiv. Darüber  bilden  die 
Stäbe  eine  Raute,  aus  der 
seitlich  ein  langer  Stab,  be- 
gleitet von  einem  Bündel 
kürzerer,  herausschießt  und 

in  ein  außen  dreizackiges  Kreisblatt  endet.  Als 
grundsätzlich  kommt  in  Betracht  die  Auflösung  in 
Stäbe  mit  kreislappigem  Ende,  das  sich  dem  Kreis- 
punkt nähert.  Die  gleicht  Art  findet  sich  nun 
wiederholt  an  Bronzen  des  Pokutulu.  Ich  gebe 
Abb.  123  aus  Bd.  XVI,  7  eine  von  mehreren  Glocken 
gleicher  Art.  Leider  kann  ich  kein  Original  er- 
gänzend daneben  stellen,  es  sei  denn,  daß  man  für 
die  formale  Ausführung  sich  eben  an  die  Art  von 
Nagy-Szent-Miklos  hält.  Wir  sehen  das  Ornament 
in  drei  Zonen  verteilt.  In  der  untersten  ein  Trapez, 
dann  einen  lotrechten  Streifen,  seitlich  begleitet  von 
zwei  Paaren  von  wagrechten  Streifen,  endlich  oben 
eine  durchbrochene  Krönung.  Alle  drei  Zonen  sind 
mit  den  eigenartigen  Kreisblattstäbchen  und  durch 
bossierte  Kreispunkte  gefüllt.  In  den  Feldern  der 
beiden  unteren  Zonen  sind  die  Stäbchen  zweistreifig 
und  verästeln  sich  in  Wellenlinien,  die  in  den  wag- 
rechten Streifenpaaren  Hakenkreuzform  annehmen. 


Wien,  Hofmuseum,  Nagy-Szent-Miklos-Schatz:  Goldnapf 
mit  fünf  Kreisen  aus  Stabranken. 


Abb.  12^ 


Die    arabeske  Tendenz    tritt  in   der   Krönung   und 


Pokutulu: 
Glocke. 


Altchinesiche 


spitzen  Lappen  unten   zu  Seiten  der  Wirbelscheibe 

hervor.     Daß   der  Zeichner  des  Pokutulu  vielleicht    öfter  den  Kreispunkt  statt  des 

Kreislappens  gebildet  haben  mag,  soll  der  Vergleich  mit  Abb.  124,  dem  Fuße  eines 

Strzygowski,  Altai.  9 


13° 


111.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


Abb.   124:   Pokutulu:  Altchine- 
sischer Kessel   Hinterer  Teil  . 


Kessels  aus  Heft  III,  7  dartun,  wo  wir  das  gleiche  Stäbchenornament,  aber  bisweilen 
mit  deutlichen  Kreislappen  vor  uns  haben.  Übrigens  beachte  man  an  dem  Fuße 
auch   den  gedrehten  Wulst   [vgL  oben  S.  3  . 

Handelt  es  sich  in  China  um  gegossene  Bronzen, 
in  Xagy-Szent-Miklos  um  Treibarbeiten  in  Gold,  so  be- 
gegnen wir  dem  Ornament  in  Georgien  in  Stein.  Es 
liegt  also  wahrscheinlich  der  gleiche  Fall  vor  wie  bei 
dem  dreistreifigen  Bandornament  in  Italien  und  der 
Kreislappenranke  auf  der  Akropolis:  die  durch  Holz- 
oder Metallarbeiten  vom  Norden  oder  Osten  eingeführte 
Ornamentik  wird  später  in  Stein  nachgeahmt.  Abb.  125 
zeigt  eine  photographische  Aufnahme,  die  ich  1889  in 
der  Ruine  der  1009  erbauten  Kathedrale  von  Kutais 
gemacht  habe.  Sie  ergänzt  die  Zeichnungen  von  Dubois 
de  Montpereux,  Voyage  au  Caucase,  Atlas  III  Tafel  XVI 
bis  XVIII,  auf  die  sich  Hampel  bezog.  Wir  sehen  das  Fußstück  einer  Wandver- 
kleidung, dessen  unterer  Randstreifen  mit  palmettengefüllten  S-Paaren  geschmückt 

ist.  Darüber  steigen  Ecksäulchen  auf  von 
jener  seltsam  gedrechselten  Bildung,  die  in 
Deutschland  aus  der  Krypta  der  Schloß- 
kirche zu  Quedlinburg  bekannt  ist l.  Im 
Mittelfelde  zwischen  ihnen  erscheint  eine 
S-Zierform,  an  der  das  Stabornament  mit  dem 
Kreislappen  sehr  deutlich  beobachtet  wer- 
den kann.  Die  Stäbe  sind  hier  wie  in  China 
mehrstreifig,  der  Punkt  im  Kreislappen  immer 
sehr  scharf  nachgebohrt.  Das  Parallelführen 
neben  dem  Hauptstamm  (wie  in  Xagy-Szent- 
Miklos)  und  die  Häufung  der  Stäbchen  ist  auf- 
fallend genug.  Man  sieht  an  der  Basis, wie  die  Ab- 
lösung durch  die  Bandverschlingung  einsetzt2. 
Wir  haben  die  Arabeske  in  ihrer  typi- 
schen Art  kennen  gelernt  in  Chorasan  und 
gingen  dann  bei  Verfolgung  der  Spuren  ihrer 
Entwicklungsrichtung     aus     von    der     einen 


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Abb. 


125:  Kutais,  Kathedrale: 
nplatte. 


Ornamentierte 


Gruppe  des  Schatzes  von  Nagy-Szent-Miklos 
und  deren  chinesischen  und  kaukasischen 
Parallelen,  für  die  ebenfalls  ein  vermittelndes  Zentrum  in  Zentralasien  anzunehmen 
sein  dürfte.  Auf  diese  Stelle  weist  auch  noch  eine  weitere  Tatsache.  Die  geome- 
trische Ranke  geht  auffallend  Hand  in  Hand  mit  dem  verbreitetsten  Muster  ohne 
Ende,  den  verschlungenen  Kreisen,  wie  ich  sie  in  Abb.  126  durch  ein  georgisches  Beispiel 


1     Abbildung  bei  Moellin^er,    Die  deutsch-romanische  Architektur  S.  176. 

2)  An    den    Beispielen    bei    Uwarov,    Materialien    zur    Archäologie    des   Kaukasus  HI.    S.  33 1 .   kann 

weitere  Über^än^e  beobachten.     VgL  dazu  oben  S.  64  und  unten  S.   214. 


7.  Geometrische  Ranke  und  Arabeske. 


131 


in   Holzschnitzerei    ins 
Gedächtnis  rufe.  Es  ist 
ein  Türflügel,  der  sich 
heute  im  kais.  russ.  Mu- 
seum     für     kirchliche 
Altertümer  in  Tiflis  be- 
findet1. Bevor  ich  darauf  eingehe, 
möchte  ich  aufmerksam   machen, 
daß  in  Abb.  126  oben  eine  andere 
Holzschnitzerei  erscheint  —  viel- 
leicht ein  Stück  des  zugehörigen 
Türrahmens,  —  an  der  dreierlei  Ele- 
mente nebeneinander  beobachtet 
werden  können:   erstens   die  geo- 
metrische   Ranke    aus    Stäbchen 
mit  dem  Kreislappen,  wie  wir  sie 
eben  an  den  Schalen  von  Nagy- 
Szent-Miklos,    in    China    und   im 
georgischen  Kutais  vorgeführt  ha- 
ben.     Man    mag    feststellen,    mit 
welcher   Meisterschaft   das   Motiv 
hier  in  Holz  wiederkehrt.  Darunter 
schmückt  die  Kante  ein  vierstrei- 
figes Bandgeflecht,  das  im  Schat- 
ten liegt  und  in  den  mehrstreingen 
Rändern  der  Palmettenornamente 
und  der  Kreise  unseres  Türflügels 
ebenso  seine  Parallele  findet,  wie 
das  Knopfornament,  das  als  drittes 
Motiv  das  Bandgeflecht  und  die 
Stäbchenranke  trennt.    Alle  diese 
Elemente     der    Dekoration     sind 
nebeneinander    mit   der    gleichen 
Virtuosität  verwendet.   Man  über- 
sehe nicht,  daß  diese  Zusammen- 
stellung schließlich  im  Wesen  die 
gleiche    ist,    wie    in    der  Inschrift 
von  Chargird:  auch  dort  das  ver- 
schlungene   Band    —    die   Buch- 


1)  Nach  Jermakoff,  Phot.  17 149.  Ich 
habe  das  Museum  und  das  Stück  nicht  selbst 
gesehen.  Vgl.  Uwarov,  Materialien  X  Tat. 
XXXVIII,  wo  noch  drei  prächtige  Beispiele 
verwandter  Art.  Die  Inschrift  wird  dort 
anders  gelesen. 


Abb.   126:  Tiflis,  Museum  für  kirchliche  Altertümer: 
Georgische  Holztür. 

9* 


1  ^  -.  HI.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

Stäben  —  in  Begleitung  der  Arabeske,  nur  in  anderer  Anordnung.     Wir  wollen  die 
Verbindungslinie  Kaukasus -Chorasan,  die  sich   damit  andeutet,  im  Auge  behalten1. 

C.  Die  verschlungenen  Kreise.  Sie  füllen  in  fünf  Paaren  die  Fläche  des 
Türflügels  —  man  beachte  den  Zapfen  der  Tür  rechts  oben  —  und  sind  im  Grunde  ein 
Bandgeflecht  Die  dreistreifigen  Bänder  werden  getrennt  durch  Knopfreihen.  Ich 
o-ehe  auf  das  Motiv  erst  später  ein.  Hier  seien  nur  die  Füllungen  und  Zwickel  ins 
Auge  gefaßt.  Die  geometrische  Ranke  ist  neben  Inschrift  und  Kreuz  alleinherrschend. 
Die  Kreisfüllungen  bringen  paarweise  geometrische  Grundmotive  wie  Kreis,  Viereck 
und  welligen  Vierpaß,  gefüllt  mit  Halbpalmetten  und  ihren  Spalt-  bzw.  Keimformen 2. 
Der  Kreislappen  ist  besonders  bei  dem  Wirbelmotiv  in  der  Mitte  scharf  betont.  Die 
Muster  sind  um  ihrer  Auffälligkeit  willen  in  glatter  Vorderfläche  auf  tiefendunklem 
Grunde  gegeben.  Im  Gegensatz  dazu  stehen  die  Zwickelfüllungen,  deren  Palmetten 
außer  dem  doppelten  Rand  auch  noch  im  Schrägschnitt  ausgehöhlt  sind,  so  daß  sie 
ganz  in  Hell-Dunkellinien  aufgelöst  erscheinen.  Im  Mittellote  sind  es  kreuzförmige 
Rosetten,  an  den  Rändern  das  Zangenornament,  wobei  die  Bosse  ersetzt  ist  durch 
T-förmig  auseinandergelegte  Halbpalmetten.  Eine  genaue  Datierung  wird  durch  die 
Inschrift  im  zweiten  Felde  rechts  von  oben  leider  nicht  gegeben.  Wie  mir  Dr.  Theod. 
Kluge  gütigst  mitteilt,  handelt  es  sich  um  einen  religiösen  Spruch  etwa  im  Sinne  von 
Matth.  27,29  u.  dgl.:  ..Reine  Seele  (oder  heiliges  Herz),  beuge  dich  vor  Gott,  Amen". 
Dem  Schriftcharakter  nach  müsse  die  Inschrift  aus  dem  Klarjeti  stammen  und  datiere 
spätestens  aus  dem  X.XI.  Jh.     Ein  terminus  ante  quem  lasse  sich  nicht  angeben. 

Das  auf  der  Tür  verwendete  Flächenmuster  der  verschlungenen  Kreise  ist  ein 
ausgesprochenes  Stoffmuster.  Darauf  habe  ich  schon  Mschatta  S.  308  f.  hingewiesen. 
Was  uns  im  Augenblick  beschäftigt,  ist  die  andere  Tatsache,  daß  auf  den  erhaltenen 
Stoffen  dieser  Art  mit  dem  Muster  der  verschlungenen  Kreise  zumeist  auch  die  Füllung 
der  Zwickel  durch  Palmettenbildungen  verbunden  ist  und  zwar  wie  auf  dem  georgischen 
Brett  bald  in  rosetten-,  bald  in  baumförmiger  Anordnung.  Man  blättere  für  die 
Stoffvorbilder  Falke,  Kunstgesch.  der  Seidenweberei  I  S.  jSf.  oder  die  Schlußvig- 
netten bei  Hampel,  Ujabb  tanulmänyok  a  honfoglalasi  kor  emlekeiröl  S.  8,  25,  71, 
99  u.  174  durch.  Wichtiger  ist  die  Tatsache,  daß  sich  sowohl  im  chinesischen  Grenz- 
gebiete wie  in  Armenien  Wandmalereien,  die  solche  Stoffmuster  wiedergeben,  erhalten 
haben.  In  Zentralasien  dürfte  allmählich  die  figürliche  von  Indien  und  China  vor- 
dringende Malerei  die  alte  auf  flächenfüllende  Muster  eingestellte  Art  verdrängt  haben. 
Trotzdem  finden  sich  davon  immer  noch  reichlich  Spuren  an  den  Decken  der  tonnen- 
gewölbten Räume,  wie  Abb.  127  eine  solche  aus  Sengim  in  Turkestan3  zeigt,  ein 
anderes  Beispiel  werde  ich  unten  Abb.  136  bringen.  Man  sieht  den  unteren  Teil 
einer  Tonnenwölbunc:  vor  sich  und  bekommt  also  nur  einen  Ausschnitt  des  Musters 
zu  sehen,  wird  sich  aber  danach  leicht  das  Muster  ohne  Ende  aus  Kreisen  nebenein- 
ander ergänzen  können.  Die  Kreise  zeigen  im  Zentrum  figürliche  Füllungen,  der  breite 
Rand  setzt  sich  zusammen   aus  Palmettenschließen  gefüllt   mit  dem  indischen  Lotus 


1     llüsing  meint,   das  sei    kunstgeschichtlich   das  kaukasische  Comitativ-Sufhx  sil    im  Tocharischen, 
Aghwan-k  im  Westen  und  die  Awghan  im  Osten  iMitt.   der  Anthropolog.  Ges.  in  Wien   19 16). 
/gl.  damit  die  Rosetten  der  Mschattafassade,  Mschatta  S.  294. 

ir.  Monatsschrift  für  den  Orient    XL    11914)  S.  77  (Aufnahme  von  Prof.  v.  Oldenburg). 


7«  Geometrische  Ranke  und  Arabeske. 


133 


und  der  chinesischen  Glycinie.     Die  Zwickel  zwischen  den  Kreisen  sind  nach  chine- 
sischer Art  aus  drei  Vögeln  gebildet,  deren  Köpfe  sich  nach  der  Mitte  richten.     Ein 


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anderes  Beispiel   gibt  Pelliot   aus   Tun-huang  und   datiert  es   um  700 l.     Es  handelt 
sich  um  einen  zeltartig  ausgemalten  Altarraum,  wobei  die  Decke  nicht  nur  einzelne 

1)  Vgl.  Maybon,  L'art  decoratif  XII  (19 io)  S.  58.   Vgl.  auch  unten  Abb.   134. 


i  ^  <  111.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

Stoffmuster   nachahmt,  sondern   unmittelbar  das  Zeltdach  als  Ganzes    nachzubilden 
sucht.     Es  wird   sich  dabei  vielleicht  nicht  um  geknüpfte  Teppiche  handeln  (davon 


Abb.    [28:   Ani,   Gregorkirche:  Wandmalereien  mit  Nachbildung  von  Stoffmustern. 

unten),  sondern   um   gefilzte,   gewirkte   oder  gewebte  Stoffe.     Auch   in  Abb.  127   ist 
der  Stoffcharakter   noch  durch  die  herabhängenden  Fransen  gewahrt.  —  Das  zweite 


7.  Geometrische  Ranke  und  Arabeske.  I35 

Beispiel  in  Armenien  zeigt  Abb.  128  nach  einer  Aufnahme  unserer  Institutsexpedition 
in  der  Gregorkirche  zu  Ani  vom  J.  1215  K  Die  Kirche  ist  eines  der  wenigen  armenischen 
Denkmäler,  in  denen  sich  die  Wandmalereien  im  Innern  erhalten  haben.  Abb.  128 
zeigt  die  Südostecke  des  zentralen  Kuppelraumes.  Über  der  Tür  der  rechten  Apsis- 
kapelle  sieht  man  einen  Stoff  gemalt,  der  neben  den  an  allen  Wänden  durchaus 
figürlichen  Malereien  sehr  auffällt.  Auf  rotbraunem  Grunde  sind  in  schwarzem  Umriß 
die  verknoteten  Kieise  gegeben,  darin  hell  mit  grünem  Flügelansätz  die  Drachen  mit 
Vogelschwanz 2.  Die  Zwickel  füllen  drei  konzentrische  Perlenkreise.  Über  diesem 
Muster  ein  anderes  in  Kreisform,  dessen  Fragmente  noch  deutlich  die  Zusammensetzung 
aus  einer  Kreislappenranke  von  chinesischer  Art  erkennen  lassen.  Es  ist  nicht  aus- 
geschlossen, daß  wir  hier  die  Nachahmung  einer  Ausstattung  von  Räumen  vor  uns 
haben,  wie  sie  in  Armenien,  durch  die  Parther  vermittelt,  vor  Einführung  des  christ- 
lichen Bilderkreises  üblich  war3. 

Ich  möchte  nach  dem  Vorgebrachten  glauben,  daß  die  Hypothese,  es  seien  Stoffe 
gewesen,  die  von  Zentralasien  aus  das  Kreismuster  ohne  Ende  verbreitet  hätten,  als 
zulässig  gelten  kann.  Für  uns  hat  diese  Feststellung  zunächst  nur  den  Wert,  daß  wir 
damit  eine  Vorstellung  von  der  Bedeutung  der  sakischen  Ecke  gewinnen,  wo  sich  die 
handwerklichen  Techniken  der  Nomaden-  und  Nordvölker  kreuzen  mit  griechischem, 
indischem  und  chinesischem  Kunstgute.  Nach  dem  Westen  vermitteln  die  daraus  her- 
vorgehenden Formen,  unter  welchen  die  geometrische  Ranke  vom  Osten  herwandernd 
nicht  die  letzte  Rolle  spielt.     Dazu  muß  folgendes  besonders  angemerkt  werden. 

Man  läßt  das  Persische  immer  erst  mit  den  Sasaniden,  d.  h.  seit  dem  III.  Jh. 
nach  Chr.  als  Entwicklungsfaktor  gelten.  Die  parthische  Kunst  wird  scheint's  schlank- 
weg für  rein  hellenistisch  angesehen.  Und  doch  geht  gerade  von  ihr  die  eingeborene 
Bewegung  gegen  das  Griechentum  aus,  wie  ich  von  Armenien  zurückschließen  muß. 
Riegl,  der  noch  beim  orientalischen  Teppich  nach  dem  Nordosten  blickte  (davon 
später),  hat  in  den  Stilfragen  und  der  Spätrömischen  Kunstindustrie  jede  Vorsicht 
beiseite  gelassen  und  sich  vollständig  dem  Mittelmeerglauben  verschrieben,  dem  alle, 
Wulff  und  Falke  inbegriffen,  folgen.  Die  Beobachtungen,  die  ich  anläßlich  des  al- 
banischen Schatzfundes  anstellte,  die  Bearbeitung  des  armenischen  Materials, 
nicht  zuletzt  die  neuen  Funde  in  Zentralasien  und  die  Arbeit  in  der  indischen  und 
ostasiatischen  Abteilung  meines  Institutes  haben  den  Weg  frei  gemacht:  Zu  dem 
starken  eingeborenen  Element  des  Orients  kommt  der  Weltverkehr,  der  hier  in  der 
Nordostecke  Vorderasiens  eine  Bedeutung  gewinnt,  wie  vielleicht  sonst  nirgends  auf 
Gottes  Erdboden.  Mit  der  Bewegung,  die  von  hier  ausgeht,  muß  schon  in  der 
hellenistischen  Zeit  und  ausschlaggebend  während  der  Völkerwanderung  gerechnet 
werden.  Auch  die  Ausbreitung  der  „Arabeske"  dürfte  von  hier  ausgehen.  Ist  sie 
schon  in  späthellenistischer  bezw.  frühchristlicher  Zeit  bis  Ägypten  vorgedrungen  — 
und    bis   Byzanz,   wie    wir   später   sehen  werden  —  so  hat  der  Islam,  der  hier  im 


1)  Eine  farbige  Aufnahme  bei  Marr,  Texte  und  Forschungen  zur  arm  .-grusinischen  Philologie  (russ.)  X 
(1907)  Taf.  XV. 

2)  Vgl.  Mschatta  S.  312  und  oben  S.  3. 

3)  Vgl.  dazu  meine  Ausführungen  über  Spuren  ähnlicher  Art  Zeitschrift  f.  bild.  Kunst  N.  F.  XVIII 
S.  321  f.,  Werke   der  Volkskunst,    Wien  I  (1913)  S.   10  f.,    und  Oriens    christianus    N.  S.  V  (1951)  S.   107^ 


I  ^5  111.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

rordöstiichen  Iran  künstlerisch  seine  eigentliche  Kraft  gewann,  sie  zusammen  mit 
dem  Polygonalornament  über  das  ganze  Gebiet  des  Mittelmeeres  verbreitet. 

Hier  im  nordöstlichen  Iran  hat  vor  allem  die  Durchsetzung  der  nordasiatischen 
geometrischen  Ranke  mit  der  vom  Westen  durch  die  Griechen  erneut  in  diese  Gebiete 
getragenen  Palmette  stattgefunden.  Wir  wundern  uns  auf  Schritt  und  Tritt  —  ich  habe 
das  Mschatta  S.  281  f.  herausgearbeitet  —  wie  formvollendet  die  Palmette  in  sasa- 
nidischer  Zeit  und  dann  im  frühen  Islam  Verwendung  findet,  reiner  als  in  der  späten 
Kunst  von  Hellas  und  Rom  selbst.  Das  geht  nicht  vom  Mittelmeer  aus,  sondern 
von  jenem  großhellenistischen,  von  eingeborenen  und  ost-  wie  südasiatischen  Elementen 
durchsetzten  Kunstkreis  im  Innern  Asiens,  von  dem  ich  zuerst  Zeitschrift  für  Assy- 
riologie  XXYII  1912)  S.  139  f.  sprach.  In  diesem  Kreise  wird  auch  die  alte  geometrische 
Ranke  —  z.  T.  vielleicht  unter  chinesischem  Einfluß  (S.  1 15, 118,  121)  —  zur  eigentlichen 
Arabeske  umgebildet  und  zwar  durch  das  Eingreifen  der  Weinranke  zuerst  und  dann 
ihrer  nachträglichen  Palmettisierung,  wie  ich  das  Mschatta  S.  330f.  beschrieben  habe. 

Wir  verlassen  jetzt  für  einige  Zeit  die  geometrische  Ranke.  Sie  wird  in  späteren 
Abschnitten  wieder  in  den  Vordergrund  treten.  Für  die  jüngste  türkische  Entwicklung 
vgl.  Edhem  Pascha,  Die  ottomanische  Baukunst,  1873,  S.  71  f. 


8.  Der  Schrägschnitt. 

Der  Schrägschnitt  bedeutet,  qualitativ  voll  entwickelt,  eine  Verschleierung 
des  Grundes,  wie  das  Tiefendunkel  und  der  Goldgrund.  Doch  hat  er  diese  künst- 
lerische Bedeutung  nicht  von  vornherein  und  überhaupt  selten  gehabt.  Riegl,  der 
den  Semperianern  grundsätzlich  den  Wert  der  Form  gegenüber  der  Technik  ausein- 
andersetzen wollte  (Stilfragen  S.  VII  £),  hat  sich  im  Laufe  der  eigenen  Entwicklung 
derart  von  dieser  Absicht  hinreißen  lassen,  daß  er  schließlich  selbst  den  festen  Boden 
unter  den  Füßen  verlor.  In  der  „Spätrömischen  Kunstindustrie"  S.  154  f.  macht  er 
den  „Keilschnitt"  ebenso  wie  das  Tiefendunkel  (Durchbruch)  und  die  Granateinlage 
in  Gold  zur  letzten  konsequenten  Errungenschaft  der  Antike.  Schon  die  Tatsache, 
daß  als  Material  für  die  Keilschnitt-Gruppe,  die  er  spätrömisch  nennt,  Bronze  ver- 
wendet ist,  während  die  barbarischen  Stücke  gleicher  Art  in  Silber  z.  T.  vergoldet 
auftreten-,  hätte  ihn  auf  die  Abfolge  aufmerksam  machen  können.  Das  Edelmetall 
geht,  vom  Osten  kommend,  voraus,  seine  Formen  werden  dann  im  Westen  in  Bronze, 
dem  Material,  in  dem  sie  ursprünglich  auch  im  Osten  entstanden  waren,  nachgeahmt. 
Denn  der  Ausgangspunkt  der  Form  scheint  hier  doch  die  Metalltechnik.  Schon  die 
gestaltlichen  Motive,  die  Riegl  als  die  konstituierenden  (Spätröm.  Kunstind.  S.  156)  zu- 
sammengestellt hat,  wären  dafür  bezeichnend,  sie  kommen  alle  von  der  Spirale  her,  nicht 
von  der  „klassischen"  Spiralranke.  Auch  die  geometrische  Ranke  entsteht  aus  ihr  und 
zwar  in  Ägypten  ebenso  wie  in  China  und  im  Zentrum  zwischen  beiden,  im  nördlichen 
A-ien.  Der  formale  Gesichtspunkt  aber,  aus  dem  diese  Gestalten  künstlerisch  geläutert 
und  weiter  entwickelt  werden,  ist  der,  den  Metallglanz  zur  vollen  Wirkung  zu  bringen. 

Riegl  hat  diese  Technik  ..Keilschnitt"  genannt.  Ich  mußte  die  Bezeichnung  auf- 
geben, weil  der  keilförmige  Schnitt  in  dem  Augenblick  einseitig  wird,  in  dem  di2 
Schnörkel  des  Grundes  in  der  Vorderfläche  des  Reliefs  nicht  durch  eine  Linie,  sondern 


8.  Der  Schrägschnitt. 


137 


durch  die  Fläche  abgelöst  und  der  Strichpunkt  oder  Kerben  benutzt  werden,  um 
gestaltliche  Einheiten  daraus  zu  bilden.  Dann  ist  es  eben  der  Schräg-,  nicht  der  Keil- 
schnitt, der  angewendet  wird.  Schon  die  Kreislappen  auf  den  Jenisseimessern 
und  die  Ornamente  auf  Abb.  103,  dem  iranischen  Kruge  Abb.  l  und  den  chinesischen 
Glocken  (Abb.  129)  zeigen  dieselbe  Art  in  Metall,  die  wir  später  in  Samarra  und  Ägyp- 
ten in  Stuck  und  Holz  übertragen  wiederfinden.     Dazu  gehe  ich  jetzt  über. 


7  8  9 

Abb.   129:  Füllmotive  von  altchinesischen  Glocken. 


10 


Es  scheint,  daß  der  Schrägschnitt  in  Metall  in  Ostiran  deshalb  einen  fruchtbaren 
Boden  fand,  weil  er  sich  für  eine  gewisse  Art  der  Stucktechnik  besonders  eignete, 
die  mechanische  Vervielfältigung  des  Musters  nämlich  mittelst  des  Holzmodels.  Die 
Ausführung  des  Musters  in  Schrägschnittechnik  gestattete  ein  ungefährliches  Ab- 
heben der  Form,  weil  so  Unterschneid ungen  ausgeschlossen  waren.  Ich  würde  eine 
selbständige  Entstehung  des  Schrägschnittes  in  Stuck  annehmen,  wenn  nicht  von 
China  her  wieder  eine  Mahnung  zur  Vorsicht  vorläge. 

Es  war  oben  S.  88  f.  die  Rede  von  ägyptischen  Brettern  mit  Ornamenten  im 
Schrägschnitt.  Wir  fanden  das  auf  ihnen  öfter  wiederholte  Muster  des  Schildes  aus 
Schnörkel-  bzw.  Kreislappenmotiven  wieder  in  den  Stuckwänden  von  Samarra  und 
könnten  daher  vermuten,   daß  es  in  Mesopotamien  zu  Hause  wäre.     Aber  ein  Blick 


1  ^S  HI.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

auf  die  althieratischen  Bronzen  Chinas  weist  doch  wieder  auf  andere  Wege.  Man 
vergleiche  die  nebenstehende  Abbildung  129  nach  Mustern,  die  sich  häufig  auf  chi- 
nesischen Glocken,  wie  eine  in  Abb.  123  gegeben  ist,  wiederholen1.  Auch  da  handelt 
es  sich  um  die  Füllung  überhöhter  Felder,  wie  an  den  ägyptischen  Türen.  Immer 
bildet  gleich  den  vorgeführten  Beispielen  aus  Altkairo,  dem  Deir  es-Surjani  und  anderen 
Orten  ein  Dreieckschild  mit  Aufsatz  das  Grundmotiv.  Muth  (S.  55)  sagt,  diese 
Bildungen  stünden  den  von  den  Chinesen  als  Zikaden  bezeichneten  Formen  (die  kleine 
Figur  2  in  Abb.  129)  nahe.  Bei  genauerem  Zusehen  stellt  sich  heraus,  daß  diese  Orna- 
mente aus  der  geometrischen  Ranke,  vielleicht  mit  Zugrundelegung  der  menschlichen 
Gestalt,  entwickelt  sind.  Wir  sehen  in  den  beiden  Beispielen  I  und  4  die  langge- 
zogenen, in  Kreislappen  endigenden  Motive,  die  bisweilen  (Nr.  5)  auch  die  von  den 
ägyptischen  Parallelen  her  bekannte  spitze  Form  annehmen.  Dazu  kommt  wie  auf 
der  Tür  des  Deir  es-Surjani  (Abb.  88)  die  auf  den  Schild  gelegte  Palmette  der  Glocke^ 
das  Herzblatt  auf  10,  der  Strichpunkt  auf  3  usw.  Sollten  das  alles  Zufälle  und  in  China 
wie  in  Mesopotamien  und  Ägypten  spontane,  überall  bodenständig  entwickelte  For- 
men sein?  Die  Glocken  gehören,  nimmt  man  an,  vor  Christi  Geburt,  die  Beispiele 
aus  Ägypten  und  Mesopotamien  in  die  Zeit  nach  Christus.  Wie  wäre  da  ein  Zu- 
sammenhang denkbar?  Er  müßte  ebenso  zu  schaffen  sein  wie  zwischen  den  chine- 
sischen und  germanischen  Altsachen.  Tauchen  die  Ornamentformen  in  China  schon 
vor  Christi  Geburt  auf,  so  im  Norden  Europas  auch  wieder  (wie  im  vorliegenden 
Falle  am  Mittelmeer)  in  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  nachchristlichen  Jahrtausends. 

In  die  Zwischenzeit  fallen  für  den  Schrägschnitt  die  Messer,  Kelte  usw.  der  süd- 
sibirischen Bronzezeit.  Sie  werden  kaum  über  das  IL  vorchristliche  Jahrhundert  herab- 
gehen, dürften  eher  unabhängig  vom  Hellenismus  zu  datieren  sein.  Ich  habe  oben 
mehr  Gewicht  gelegt  auf  das  Gestaltmotiv  der  geometrischen  Ranke  mit  dem  Kreis- 
lappen. Man  beachte  aber  die  künstlerisch  hochwertigsten  Stücke  wie  das  Messer  17 
in  Abb.  103  und  besonders  die  Axt  Abb.  105 :  die  schräge  Flächenführung  macht  im 
wesentlichen  die  qualitative  Eigenart.  Gerade  sie  mag  mit  der  Absicht,  den  Metall- 
glanz zur  Geltung  zu  bringen,  aus  der  Spirale  den  Kreislappen  geformt  haben. 

Für  die  Zeit  nach  Christi  Geburt  möchte  ich  als  ältesten  christlichen  Beleg  eine 
Gruppe  von  Denkmälern  anführen,  die  bisher  nicht  herangezogen  wurden,  weil  der 
Schrägschnitt  da  nicht  mit  dem  Gestaltmotiv  der  geometrischen  Ranke  bzw.  der  Pal- 
mette verknüpft  auftritt,  den  „fetten,  zackigen"  Akanthus  an  den  Theodosianischen 
Kapitellen2.  Ich  gebe  Abb.  130  ein  Beispiel  dafür  von  der  Akropolis  in  Athen. 
Wenn  Riegl 3  und  in  seinen  Fußstapfen  Alten  a.  a.  O.  an  diesem  Blattschnitt  nichts 
andres  sehen   als   eine  Neuerung,   die   auf  die   römische  Bohrtechnik  zurückgeht,  so 


1)  Die  Zusammenstellung  nach  Muth,  Stilprinzipien  der  primitiven  Tierornamentik  bei  Chinesen  und 
Germanen  Tafel  XXVII. 

2)  Vgl.  darüber  Athenische  Mitteilungen  XIV  (1889")  S.  2S0  f.  Wie  v.  Alten,  Gesch.  des  altchristlichen 
Kapitells  S.  60  dazu  kommt,  mir  unter  Berufung  auf  Riegl,  Stilfragen  S.  279  (der  richtig  die  Athen.  Mitt. 
zitiert,  ohne  meinen  Namen  hereinzuziehen)  die  Deutung  dieses  Blattschnittes  auf  Nachahmung  des  Acan- 
thus  spinosus  anzuhängen,  ist  mir  unerfindlich.  Ich  hatte  die  Pflicht,  dort  diese  Erklärung  des  Prof.  v.  Held- 
reich   zu    zitieren;  es  steht  dort   nicht,  daß  ich  sie  angenommen  hätte,  wenn  auch  später  die  Benennungen 

rendet  wurden. 

3    Spätrömische  Kunstindustrie  S.  39. 


8.  Der  Schrägschnitt. 


139 


werden  sie  den  besten  Beispielen  des  fetten  zackigen  Akanthus  nicht  gerecht.  Dieser 
ist  zwar  mittelst  des  Bohrers  im  Tiefendunkel  herausgearbeitet,  aber  unter  gleich- 
zeitiger Anwendung  des  Meißels  zur  Herstellung  des  Schrägschnittes.  Dadurch  kommt 
eben  jene  Eigenart  heraus,  die  ich  durch  die  Bezeichnung  „fett  und  zackig"  kenn- 
zeichnen wollte.  Abb.  130  gibt  meine  Originalaufnahme,  nicht  die  Umzeichnung,  wie 
sie  1889  in  den  Athenischen  Mitteilungen  üblich  war1.  Man  sieht  ganz  deutlich,  daß 
hier  der  Bohrer  sehr  wenig  zur  Wirkung  mitgeholfen  hat."  In  der  Hauptsache  ist  es 
vielmehr  die  Abgrenzung  jedes  Lappens  durch  schräge  Flächen,  die  den  Ausschlag 
gibt.  Und  nun  halte  man  die  Beispiele  der  in  Abb.  68  vorgeführten  athenischen 
Steinfragmente  mit  der  geometrischen  Ranke  im  Schrägschnitt  neben  das  Kapitell- 
fragment: die  Art  ist  sehr  verwandt.  Man  könnte  meinen,  daß  hier  wie  dort  ein 
iranischer  Meister  an  der  Arbeit  war  (vgl.  den  sasanidischen  Silberkrug  Abb.  93). 
Dabei  ist  zu  bedenken,  daß  ich  das 
Kapitell  sowohl  wie  jene  Ornament- 
gruppe auf  der  Akropolis  in  Athen 
fand.  Da  aber  die  in  den  Athen. 
Mitteilungen  veröffentlichten  Kapi- 
tellfragmente aus  dem  V. — VI.  Jh. 
stammen,  wird  man  auch  mit  den 
Steinbalken  zeitlich  nicht  zu  weit 
heruntergehen  dürfen. 

Der  Schrägschnitt  hat  vielleicht 
zum  Teil  auch  mitgewirkt  an  der 
Beliebtheit  der  mehrstreifigen  Band- 
ornamentik in  der  Metallplastik,  die 
ja  das  positive  Muster  betonen  will 
und  dazu  die  Furchung  der  Linie 
mit  dem  schimmernden  Wechsel  des 
Metallglanzes  benutzt.    Wenn  Riegl 

daher  (Spätröm.  Kunstind.  S.  157)  von  „jener  oströmischen  Bandornamentik"  spricht, 
„mit  deren  Erfindung  man  neuerdings  durchaus  die  Longobarden  beehren  möchte", 
so  begreift  man  nicht,  wie  gerade  Byzanz  den  Provinzen  die  Anregung  dafür  ge- 
geben haben  soll.  Die  Kunst  von  Byzanz  vor  Konstantin  war  rein  griechisch-thra- 
kisch;  erst  die  Meister,  die  dann  zum  Bau  der  Polis  zusammenströmten,  brachten  ihre 
verschiedenen  Arbeitsweisen  mit,  wie  es  in  der  Entwicklung  des  Kapitells  in  den 
Steinbrüchen  der  Prokonnesos  so  deutlich  zu  beobachten  ist.  Riegl  umgrenzt  (S.  163) 
das  Ausbreitungsgebiet  der  Keilschnittbronzen  zwischen  England  bis  Italien  und 
Frankreich  bis  zum  Balkan  und  meint,  diese  Beschränkung  auf  weströmische  Fund- 
stätten spräche  freilich  für  weströmische  Fabriken  —  wenn  nur  der  oströmische  Boden 
untersucht  wäre!  Es  könne  da  so  gehen  wie  in  Italien,  das,  einst  unbeachtet,  jetzt 
die  reichste  Fundstätte  barbarischer  Kunst  in  Europa  geworden  sei.  Wer  kann  dafür 
bürgen,  ruft  Riegl  aus,  daß  man  die  gleiche  Erfahrung  nicht  auch  im  Oriente  machen 


Abb.   130:  Athen,  Akropolis:   Fragment  eines  Akanthus- 

Kapitells. 


1)  Der  Bruch,  der  vertikal  durch  das  Stück  geht,  findet  sich  in  meinem  alten  Photogramm,  nicht  im  Stein. 


140 


III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 


werde,  sobald  erst  die  entsprechenden  äußeren  Bedingungen  für  eine  Hinwegräumung 
des  anderthalb  Jahrtausend  alten  Schuttes  vorhanden  sein  würden?  Und  nun  bringt 
Riegl  die  paar  Beispiele  aus  Ägypten  und  hat  keine  Ahnung  von  dem  reichen  asia- 
tischen Material,  das  ich  oben  vorgelegt  habe.  Hätte  er  daraufhin  nicht  selbst  seine 
Anschauung  vom  oströmischen  Ursprünge  des  Motivs  geändert? 

Das  wertvollste  Beispiel  des  Schrägschnittes  ist  oben  ebenfalls  nicht  mitgeteilt,  weil 
er  an  ihm  nicht  in  der  geometrischen  Ranke,  sondern  bei  Behandlung  des  Tierleibes 
verwendet  ist.  Abb.  13 1  zeigt  ein  katzenähnliches  Tier  in  Gold,  das  in  einem  Tu- 
mulus  von  Kelermes  im  Maikopschen  Bezirk  des  Kuban  ausgegraben,  sich  heute  in 
der  Ermitage  zu  Petersburg  (Inv.  Nr.  1 40361  befindet l.  Es  mißt  ca  32  cm  in  der  Länge, 
ist  also  ein  Beleg  von  bedeutender  Größe.  Für  seine  Zweckbestimmung  kommt  in 
Betracht,  daß  das  Stück  auf  der  Rückseite  eine  runde  Handhabe  aufweist.    Das  Tier 


Abb.   131 :  Petersburg,  Ermitage:  Tier  in  Gold  aus  Keiermes. 

ist  merkwürdig  im  Volumen  zusammengedrängt  gegeben.  Füße  und  Schwanz  sind 
in  Parallelen  mit  dem  Körper  so  zusammengeschoben,  daß  nur  Hals  und  Kopf  vor- 
treten, doch  wird  auch  hier  die  Konturlinie  durch  deren  Senkung  festgehalten;  nur 
der  Ausschnitt  unter  dem  Halse  bildet  einen  größeren  auffallenden  Fleck.  Im  übrigen 
sind  die  Durchbrechungen  möglichst  klein  und  so  die  ganze  Aufmerksamkeit  des 
Beschauers  auf  die  höchst  interessante  Flächenführuns  gesammelt.  Man  sehe  sich 
Füße  und  Hals  an:  Der  Schrägschnitt  ist  hier  völlig  zum  geometrischen  Keilschnitt 
geworden,  es  sind  scharfkantige  Grate  entstanden,  in  denen  sich  die  schrägen  Flächen 
treffen.  Die  Naturgestalt  ist  also  lediglich  das  Mittel  zur  Geltendmachung  einer  starken 
Formkraft,  die  den  Tierleib  vollständig  vergewaltigt.  Und  dieses  rein  auf  Form  ge- 
richtete Kunstempfinden  äußert  sich  vielleicht  noch  stärker  darin,  daß  der  Künstler 
Bedacht  nimmt,  die  Wirkung  der  in  den  schrägen  Flächen  des  Goldglanzes  spielenden 
Lichter  durch  den  Kontrast  zu  heben,  indem  er  in  der  Rahmung,  die  Schwanz  und 


1     Die  Photographie  verdanke  ich  dem  Entgegenkommen  der  Herren  Kiserit/ky  und  Pharmakov>k\ . 


8.  Der  Schrägschnitt.  \aI 

Füße  herstellen,  möglicht  kleine,  unruhige  Flächen  vorherrschen  läßt.  Dabei  kömmt 
der  Kreis  und  der  Kreislappen  auf  Stäbchen  zur  Anwendung,  den  wir  schon  in  der 
geometrischen  Ranke  oben  S.  129  bis  nach  China  herüber  nachweisen  konnten.  Es 
sieht  aus,  als  habe  der  Künstler  die  für  die  Bildung  der  vier  Füße  gefundene  Form 

—  mit  den  drei  Kreisen,  über  denen  sich  Kreislappen  auf  Stäbchen  kreuzen,  begrenzt 
von  runden  Glanzflächen,  die  neben  den  Zehen  und  Falten  die  Schwielen  bedeuten  mögen 

—  als  hätte  er  diese  Fassung  vieler  kleiner  Motive  gestalriich  gedankenlos  auch  auf 
den  Schwanz  übertragen.  Er  tut  damit  bewußt  im  Grunde  genau  das  Gleiche,  was 
Rafael  leistet,  indem  er,  um  der  formalen  Läuterung  willen,  das  rechte  Bein  der 
Madonna  im  Grünen  unnatürlich  in  die  Dreieckspitze  der  Komposition  zerrt  oder  wenn 
Michelangelo  in  der  Pietä  Arme  und  Beine  in  gezwungener  Weise  bewegt l. 

Hier  haben  wir  also  ein  Meisterstück  jenes  Kunstkreises,  der  später  die  Wandlung 
im  Kunstempfinden  der  römischen  Zeit  herbeiführte.  Rostovzev,  einer  der  besten  Kenner 
der  russischen  Goldfunde,  datiert  das  Stück  nach  mündlichen  Mitteilungen  in  das  Ende 
des  VII.  oder  den  Anfang  des  VI.  Jh.  vor  Chr.,  ähnlich  Minns.  Wenn  man  sagt,  diese 
Zeit  läge  zu  weit  zurück,  als  daß  sie  —  auch  wenn  man  Abb.  131  erst  um  200  datierte  — 
noch  auf  den  Westen  gewirkt  haben  könnte,  so  beachte  man  zwei  Einzelheiten,  die 
bisher  unbesprochen  blieben:  einmal  die  Anwendung  der  Zellenverglasung  am  Ohre 
des  Tieres  (von  der  später  zu  reden  sein  wird),  und  dann,  daß  die  Bildung  der  Füße 
und  des  Schwanzes,  jenes  runde  Motiv  mit  drei  Kreisen  und  den  runden  Glanzflächen 
am  Rande,  genau  so  wiederkehrt  in  den  südsibirischen  Funden,  die  ich  oben  S.  iiof. 
besprochen  habe.  Ein  weiteres  Stück  dieser  Gruppe,  das  ich  unten  Abb.  178,  Fig.  17 
gebe,  eine  runde  Agraffe  mit  dem  eingerollten  Tier,  wie  sie  Martin  beschreibt2,  ist 
nichts  anderes  als  das  Motiv,  das  zehnmal  an  unserem  Tier  vorkommt3.  Die  Bronze- 
funde von  Minussinsk  leiten  die  Überlieferung  einige  Jahrhunderte  weiter  als  die 
Goldfunde  von  Kelermes.  Sie  beweisen,  daß  der  Stil  der  großen  Blütezeit  hochasiati- 
scher Kunst  anhielt,  freilich  aber  immer  mehr  in  das  spielerisch  dekorative  Fahrwasser 
geriet.  Die  Durchbrucharbeit  der  Stücke  Abb.  106  und  die  Einführung  jener  Motive, 
die  Riegl  (Spätröm.  Kunstind.  S.  143)  als  negative  bezeichnete,  wie  wir  sie  z.B.  am  Fuße 
des  Rinderpaares  von  Abb.  178,  Fig.  16  beobachten  werden  und  gewöhnlich  auf  den 
Einfluß  der  mesopotamischen  Kunst  zurückführen,  sind  klare  Belege  dafür. 

Das  in  ausgezeichneter  Schrägschnittform  ausgeführte  Tier  von  Kelermes  steht 
nicht  allein.  Vielmehr  ist  es  nur  ein  bisher  wenig  beachteter  Vertreter  einer  Gruppe, 
deren  Hauptvertreter  man  öfter  abgebildet  findet,  auf  deren  künstlerischen  Wert  man 
aber  kaum  aufmerksam  werden  konnte,  weil  sie  in  Zeichnungen  gegeben  wurden, 
wobei  der  Schrägschnitt  nicht  zur  Geltung  kam.  Es  ist  daher  ein  Verdienst  von 
Minns  „Scythians  andGreeks",  endlich  einmal  unmittelbar  Photographien  verwendet  zu 
haben.  Das  Tier  Abb.  131  bringt  auch  er  nicht4.  Ich  kann  mir  aber  jedenfalls  ersparen, 

1)  Vgl.  mein  „Werden  des  Barock"  S.  2of. 

2)  Zu  seiner  Tafel  (L'age  du  bronze  au  musee  de  Minoussinsk)  29,  17.  Vgl.  auch  Tolstoi-Kondakov, 
Russische  Altertümer  III  (russ.  Ausgabe  S.  64). 

3)  Das  Stück  findet  sich  auch  groß  abgebildet  beilvlementz,  Altertümer  des  Museums  zu  Minussinsk  (russ.) 
Taf.VIIIi8.  Für  die  NeigUDg  zu  solchen  Bildungen  vgl.  Minns,  Scythians  andGreeks  S.274  Fig.  194  u.S.2  58  Fig.  180  1. 

4)  Doch  erwähnt  er  es  S.  222  und  sagt  von  den  Kelermesfunden  im  allgemeinen:  The  chief  pieces  are 
ref irred  to  Mesopotamian  art  of  the  Vllth  orVBh  Century,  fresh evidence  of  direct contact between  Scythand  Assyrian. 


j  .->  III.  Die  geometrische  Ranke  der  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes. 

die  goldene  Tierplatte  von  Kulolba  (aus  Kertsch,  Minns  S.  203)  und  die  andere  von  Kos- 
tromskaja  ^Kuban),  beide  in  der  Ermitage  (Minns  S.  226  ,  hier  abzubilden.  Ein  ver- 
gleichender Blick  wird  lehren,  daß  wir  in  diesen  Stücken  formal  genau  entsprechende 
Parallelen  von  Abb.  131  vor  uns  haben,  nur  ist  die  Tiergattung  die  typisch  uralaltaische. 
Ein  drittes  Stück,  ein  ähnliches  Tier  (Hirsch)  in  Relief  auf  einer  Goldplatte  aus  Axju- 
tintsy  im  Gouvernement  Poltawa  hat  auch  Minns  S.  181  nur  in  Zeichnung  gegeben. 
Er  sagt  von  diesen  Werken,  daß  sie  den  Reiz  der  (griechischen)  Linie  vermissen  ließen, 
erkennt  aber  die  geschickte  Ausführung  an.  Beides  sei  bezeichnend  „native  work". 
Die  Hauptsache,  den  Schrägschnitt  sieht  er  nicht,  wie  er  denn  überhaupt  als  klassischer 
Philologe  vielleicht  dem  Griechischen  gerecht  zu  werden  weiß,  die  eigenartige  Form- 
qualität der  „skythischen"  Art  aber  nicht  versteht.  Die  Folge  davon  ist,  daß  ihm  der  Ge- 
danke, es  könnte  die  uralaltaische  Art  irgendwie  auf  Hellas  zurückgewirkt  haben,  gar- 
nicht  kommt.  Man  wird  aber  wohl  in  Zukunft  insbesondere  die  Bildung  des  Pferdeleibes 
in  den  wunderbaren  Goldsachen  der  „skythischen"  Kurgane  zum  Gegenstand  ernster  ver- 
gleichender Studien  mit  dem  Parthenon  bezw.  den  babylonisch -assyrischen  und  acha- 
mandisch-sasanidischen  Reliefs  machen.  Cherbuliez'  Causeries  atheniennes  ä  propos 
dun  cheval  de  Phidias  erhalten  durch  dieses  neue  Material  eine  seltsame  Wendung. 
Grundsätzlich  ist  dazu  zu  bemerken,  daß  der  Kunsthistoriker  wird  anfangen 
müssen,  sich  bei  entwicklungsgeschichtlicher  Behandlung  der  künstlerifchen  Qualität 
nicht  nur  um  die  höher  entwickelten  Kulturen  zu  kümmern.  Schon  die  Steinzeit  hat 
Beachtenswertes  geleistet.  Ich  will  hier  lediglich  bei  der  Verwertung  von  Glanz- 
flächen bleiben.  Ihre  Wirkung  ist  schon  in  neolithischer  Zeit  erkannt  und  mit  uner- 
hörter Eleganz  zur  Geltung  gebracht  worden.  Man  nehme  z.  B.  Montelius  „Meister- 
stücke im  Museum  vaterländischer  Altertümer  zu  Stockholm"  zur  Hand  und  be- 
trachte gleich  die  erste  Tafel,  die  graue  oder  schwarze  Steinhämmer  von  so  sorg- 
faltigem Schliff  zeigt,  dazu  mit  Graten  und  erhöhten  Linien,  daß  Montelius  ganz 
mit  Recht  die  Vollendung  der  bei  aller  Einfachheit  schönen  Form  bewundert.  Die 
Streithämmer  gehören  in  das  III.,  besser  vielleicht  das  II.  Jahrtausend  vor  Chr.  Die 
Bronzezeit  hat  die  Steinzeit  an  Qualität  vielleicht  noch  überboten.  Doch  tritt  in  ihr 
immer  mehr  die  Wirkung  mit  kleinen  Glanzflächen  in  den  Vordergrund.  Die  besten 
Beispiele  vielleicht  bieten  die  Halsringe  in  Bronze  und  Gold,  von  denen  man  einen 
bei  Montelius  a.  a.  O.  Tafel  7  abgebildet  findet.  Er  datiert  dieses  in  Schweden  ge- 
arbeitete Stück  in  das  V.  Jh.  nach  Christus.  In  die  Zwischenzeit  gehören  die  Funde 
aus  den  skythischen  Kurganen  und  den  Gräbern  am  Jenissei.  Ich  will  es  dahin  ge- 
stellt sein  lassen,  ob  arische  oder  Türkvölker  die  Urheber  des  Schrägschnittes 
in  diesen  Gebieten  sind,  schwerlich  dürfte  erst  die  griechische  Kunst  solch  hohe 
Qualitätsleistungen  hier  angeregt  haben.  Ihre  von  den  alten  Kulturgebieten  über- 
nommene Neigung  zur  Herausarbeitung  der  realistischen  Gestalt  zwang  sie  zu  Kom- 
promissen, die  dann  das  starke  Formempfinden  der  Nomaden  und  Nordvölker  immer 
wieder  lahmlegten.  Man  sollte  daher  geneigt  sein,  formkräftige  Werke  der  Nomaden 
und  Nordvölker  eher  in  die  Zeit  vor  der  Berührung  mit  der  Antike  zu  setzen.  Riegl 
hat  das  gerade  Gegenteil  getan,  seine  Spätrömische  Kunstindustrie  wird  hoffentlich 
den  Höhepunkt  des  humanistischen  Wahnes  von  der  Einheitlichkeit  der  Kunstent- 
wicklung auf  hellenischer  Grundlage  bedeuten. 


8.  Der  Schrägschnitt.  I43 

Im  gegebenen  Falle  handelt  es  sich  um  den  Ersatz  des  nordischen  Schrägschnittes 
durch  die  im  Süden  übliche,  naturalistische  Modellierung.  Im  Abendland  hat  der 
Schrägschnitt  und  die  „Volute"  in  der  La  Tene-Zeit,  d.  h.  in  dem  halben  Jahrtausend 
v.  Chr.,  die  Zone  nordwärts  der  Alpen  derart  beherrscht,  daß  man  begreift,  wenn 
die  Einseitigkeit  Riegls  schon  von  Forschern  auf  diesem  Gebiete  zurückgewiesen 
wurde  und  man  darauf  aufmerksam  machte,  daß  die  Keilschnittbronzen,  früher  als 
.keltisch"  bezeichnet,  sehr  wohl  ihre  Vorstufe  in  der,  La  Tene-Zeit  haben  dürften. 
Was  Riegl  auf  das  Kunstwollen  der  spätrömischen  Zeit  zurückführt,  ist  eben  da  wie 
dort  bei  den  Nordvölkern  wie  bei  den  Nomaden  aus  der  Nutzung  des  Metallglanzes 
hervorgegangen  und  mit  dem  Vordringen  dieses  Geschmackes  nach  dem  Süden  von 
ihnen  übermittelt  worden1. 

Es  wird  nun  unsere  Aufgabe  sein,  nachdem  wir  an  der  Hand  von  Parallelen  der 
geometrischen  Ranke  und  des  Schrägschnittes  in  den  Ausbreitungsbezirk  dieser  Motive 
eingedrungen  sind,  den  sozialen  und  Rassenproblemen  nachzugehen,  die  hinter  diesen 
Parallelen  stehen,  dann  nach  der  Rückwirkung  auf  das  Mittelmeer,  d.  h.  auf  Byzanz, 
die  Araber  und  Germanen,  zu  fragen  und  auch  die  Bestimmung  des  Ursprunges  des 
albanischen  Schatzfundes  auf  Grund  aller  dieser  Untersuchungen  zu  versuchen.  Damit 
treten  wir  in  den  zweiten  Hauptteil  dieser  Arbeit,  der  mit  einer  zeitgemäßen  Be- 
trachtung über  die  Lage  der  Kunstforschung  schließen  soll. 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 

Trotz  der  mannigfachen  Verschiedenheiten,  die  die  großen  Schatzfunde  der 
Völkerwanderungszeit  aus  dem  Osten  Europas  voneinander  trennen,  bilden  sie  doch 
eine  Einheit  insofern,  als  öfter  die  gleichen  Gestalten  und  Formen,  nur  in  wechseln- 
der Verbindung  angewendet  werden.  Ich  sehe  jetzt  ganz  ab  vom  hellenistischen 
und  dem  durch  Darstellungen  auffälligen  sasanidischen  Einschlage.  Es  war  davon 
S.  64  die  Rede,  daß  daneben  doch  noch  ein  drittes  Element  mitwirken  müsse,  ja 
vielleicht  den  Ausschlag  gebe.  Das  Forschen  nach  dieser  Unbekannten  führt  auf 
eine  viel  allgemeinere  Problemstellung,  auf  die  große  Frage  nämlich  nach  der  Her- 
kunft jener  Kunstrichtung,  die,  der  Art  der  Oasenkulturen  fremd,  grundsätzlich  mit 
deren  Erbe  bricht.  Diese  alle:  China,  Indien,  Mesopotamien  und  Ägypten,  dann  die 
in  die  Fußstapfen  der  letzteren  tretende  griechische  Kunst  hatten  die  Architektur 
und  darstellende  Kunst  zu  kaum  in  ihrer  Art  überbietbarer  Höhe  entwickelt.  Nun 
mit  einem  Male  erfolgt  ein  Rückschlag.  Es  treten  Formen  auf,  die  nichts  mit 
Architektur,  darstellender  oder  im  Sinne  der  Macht  verblüffender  Auswertung  der 
menschlichen  Gestalt  zu  tun  haben.  Das  Ornament  übernimmt  die  Führung,  nach 
seinen  Gesetzen  wird  auch  verarbeitet,  was  von  älterem  Kunstgut  einströmt.  Man 
hat  den  Islam  und  das  Bilderverbot  oder  schon  früher  die  syrische  Kunst  zur 
Erklärung  herangezogen.     Keine   der  beiden   Annahmen    trifft,  wie   vertiefte   Unter- 

1)  Vgl.  Reinecke,  Zur  Kenntnis  der  La  Tene-Denkmäler,  Festschrift  zur  Feier  des  50jährigen  Be- 
stehens des  römisch-germanischen  Centralmuseums  in  Mainz  1902  S.  93  (Ich  danke  den  Hinweis  Dr.  Menghin). 


,  .  IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Xordvölker. 

suchungen  lehren,  zu.  Vielmehr  zeigt  sich  immer  deutlicher,  daß  das,  was  wir  in 
dieser  Richtung  im  Islam  beobachten  können,  schon  im  späten  Hellenismus  da  ist, 
also  zurückgehen  dürfte  auf  einen  Anstoß,  der,  in  hellenistischer  Zeit  einsetzend,  immer 
mehr  erstarkt,  bis  er  im  „Mittelalter"  bei  einzelnen  Völkern  geradezu  ausschlaggebend 
wird.  Ich  habe  darauf  bereits  in  meinem  Amidabuche  S.  319  hingewiesen  und  nehme 
hier  den  dort  verlassenen  Weg  nach  fünfjähriger  Unterbrechung  wieder  auf. 

Die  Meinungen  über  die  Art  dieses  Anstoßes  sind  sehr  geteilt.  Die  einen  nehmen 
den  Wandel  als  Verfallserscheinung  und  schreiben  ihn  entweder  dem  absterbenden 
Römertum  oder  dem  Vordringen  der  germanischen  Barbaren  zu;  andere  sehen  darin 
den  Ansatz  einer  neuen  Entwicklung,  ja  geradezu  den  Anfang  unserer  eigenen  heute 
noch  herrschenden  Richtung.  Riegl  hat  am  entschiedensten  gegen  die  Katastrophen- 
theorie und  die  Barbarisierung  in  diesem  Sinne  Stellung  genommen.  Freilich  sei  ein 
Verfall  der  Schönheit  und  Lebendigkeit  in  spätrömischer  Zeit  zu  beobachten,  aber 
dafür  trete  eben  ein  neues  „Kunstwollen"  ein,  das  man  zeitlich  wirksam  zwischen  313 
und  768  etwa,  örtlich  über  das  ganze  spätrömische  Gebiet  mit  starkem  Vorwiegen 
der  oströmischen  Hälfte  umschreiben  könne  l.  In  diesem  Gebiet  und  in  dieser  Zeit 
entstehe  der  „spätrömische  Stil",  wobei  zeitlich  charakteristische  Züge  des  IV.  Jh. 
sich  stetig  in  abnehmender  Dichtigkeit  bis  in  den  vorchristlichen  Hellenismus  zurück- 
verfolgen ließen,  örtlich  habe  dem  Autor  freilich  die  genauere  Kenntnis  des  syrischen. 
arabischen,  westafrikanischen,  südfranzösischen  und  englischen  Gebietes  gefehlt.  Man 
sieht,  in  welchem  Umkreis  sich  die  Gedanken  Riegls  bewegten.  Dem  gegenüber  machte 
ich  auf  das  Durchbrechen  des  Asiatischen  aufmerksam  und  kann  den  altorientalischen 
Zügen,  die  ich  bisher  in  den  Vordergrund  stellte 2,  jetzt  nach  der  Ausdehnung  meiner 
Arbeiten  über  ganz  Asien  (soweit  mir  das  Material  erreichbar  war)  die  nötige  und 
entscheidende  Ergänzung  folgen  lassen.  Riegl  glaubt  als  Erklärung  des  Umschwunges 
im  Geschmack  der  spätrömischen  Zeit,  die  Kunst  spiegle  „den  ganzen  aufgewühlten 
Charakter  der  damaligen  geistigen  Zustände  getreu  wieder".  In  Wirklichkeit  erklärt 
sich  die  Wendung  mehr  daraus,  wie  ich  darzulegen  suche,  daß  gleichzeitig  mit  dieser 
Auflösung  der  Weltverkehr  alte  orientalische  Formen  zusammen  mit  der  starken  Welle 
des  Geschmackes  der  vom  Norden  und  Osten  zuströmenden  Kunstwogen  auf  den  Plan 
bringt.  Nicht  erst  die  wandernden  Barbaren  des  europäischen  Nordens  sind  es  ge- 
wesen, die  Hellas  und  Rom  im  Gebiete  der  bildenden  Kunst  aus  der  Bahn  warfen, 
sondern  viel  früher  schon  begann  die  Südkunst  dem  Vordringen  der  nordischen  und 
Nomaden-Elemente  zu  unterliegen.  Bei  dem  Wandel  des  Geschmacks  handelt  es  sich 
nicht  um  die  letzte  abschließende  Phase  des  immanenten  antiken  Kunstwollens  (Riegl 
S.  215),  sondern  um  den  Anbruch  einer  neuen  Zeit,  in  der  das  künstlerische  Empfinden 
unter  den  Einfluß  der  um  Altai  und  Iran  gruppierten  Völker  gerät  und  die  Gefahr 
naherückt,  daß  die  Mittelmeerkunst  durch  die  Art  dieser  Nomaden-  und  Nordvölker 
vollständig  verdrängt  werde.     Als    der  Islam    sich  zum  Träger    dieser  Bewegung  zu 


1  Spätrömische  Kunstindustrie,  Einleitung. 

2  VgL  außer  den  oben  S.  65  zitierten  Arbeiten  die  beiden  Aufsätze  „Die  Schicksale  des  Hellenismus 
in  der  bildenden  Kunst"  und  „Antike,  Islam  und  Occident"  in  den  Neuen  Jahrbüchern  für  das  klass. 
Altertum  XV     19351  S.  19  f.  und  XXIII  (1909)  S.  354  f.    Dazu  „Die  nachklassische  Kunst  auf  dem  Balkan" 

buch  des  freien  Deutschen  Hochstiftes  zu  Frankfurt   1910  S.  30  f. 


A.  Die  drei  Völkerzonen  Eurasiens.  I4C 

machen  anfing,  war  entscheidend,  daß  Goten  und  Franken  bereits  Christen  und  damit  von 
der  zierenden  zur  darstellenden  Kunst  der  Südvölker  übergegangen  waren. 

Die  grundsätzliche  Bedeutung  meiner  Erklärung  liegt  darin,  daß  ich  drei  ganz  ge- 
trennte Völkergruppen  annehme,  die  in  ihrer  Entwicklung  weit  auseinandergehen  und 
von  denen  die  eine,  mittlere,  zwar  ewig  unverändert  primitiv  bleibt,  aber  zusammen  mit 
der  anderen  nieder  entwickelten  die  dritte  hoch  entwickelte  Gruppe  seit  Christi  Geburt 
etwa  allmählich  durchsetzt  und  schließlich  zu  Falle  bringt.  Das  ist  der  wahre  Kern  des 
Problems  „Hellas  in  des  Orients  Umarmung"  '.  Es  sind  nicht  nur  die  in  ihrem  Aus- 
leben durch  Hellas  seit  Alexander  d.  Gr.  zurückgedrängten  Vertreter  der  alten  Oasen- 
kulturen am  Nil  und  im  Zweiströmeland,  die  den  Umschwung  herbeiführen,  sondern 
vor  allem  der  Eintritt  der  Nomaden  und  Nordvölker  in  die  Treibhäuser  der  Kultur. 

A.  Die  drei  Völkerzonen  Eurasiens.  Es  ist  hier  der  Ort,  diese  grundsätzlich 
notwendige  Neueinstellung  der  Kunstforschung  zur  Sprache  zu  bringen.  Ihr  Un- 
beachtetbleiben in  sonst  durch  so  viel  ehrliche  und  tüchtige  Denkarbeit  zustande  ge- 
kommenen Werken  wie  denen  von  Riegl,  Schmarsow  und  Worringer  erklärt  es,  wenn 
diese  Arbeiten  kunsthistorisch  schließlich  doch  unbrauchbar  sind.  Die  Unkenntnis 
der  einschlägigen  Denkmäler  trägt  daran  nicht  allein  die  Schuld.  Vielmehr  fehlt  es 
an  der  grundlegenden  Scheidung  der  drei  geographisch  zu  trennenden  Völkerzonen, 
die  sich  im  Rahmen  des  großen  Erdkörpers  Eurasien  feststellen  lassen.  Dieser  Körper 
zerfällt  in  drei  Gebiete,  ein  südliches  und  ein  nördliches,  die  diagonal  getrennt  sind 
durch  einen  vom  atlantischen  bis  zum  stillen  Ozean  durchlaufenden  Streifen  von 
Steppen-  bezw.  Wüstengebieten.  Der  südlich  der  Steppenzone  gelegene  Teil  um- 
schließt die  alten  Treibhäuser  der  Kultur.  Er  ist  sehr  früh  vom  Holz-  zum  Stein- 
bau übergegangen;  die  menschliche  Gestalt  als  darstellendes  Zeichen  der  bildenden 
Kunst  steht  in  ihm  in  historischer  Zeit  bereits  obenan.  Der  jenseits  der  Steppen- 
zone gelegene  Norden  ist  lange  beim  Holzbau  und  dem  Ornament  geblieben.  Erst  ver- 
hältnismäßig spät  wurde  er  an  den  beiden  Durchbruchstellen  am  Mittelmeer  und  um 
das  kaspische  Meer  herum  von  den  Südkulturen  zur  Annahme  von  Stein  und  Ziegel, 
und  zur  Darstellung  der  menschlichen  Gestalt  gedrängt.  In  der  mittleren  Zone,  dem 
langgezogenen  Gebiete  der  Wanderhirten,  in  dem  Zelt  und  Waffe  allein  fast  den  Aus- 
schlag gaben,  haben  Stein  und  Holz  ebensowenig  jemals  eine  Bedeutung  gewonnen 
wie  die  menschliche  Gestalt  -und  irgend  eine  Art  von  Darstellung.  Von  Grenz- 
erscheinungen abgesehen,  sind  diese  Wüsten  und  Steppen  heute  noch  unverändert 
bei  ihrer  ornamental  flächenfüllenden  Art  geblieben.  Der  orientalische  Teppich  ist 
eines  jener  heute  noch  hochgeschätzten  Erzeugnisse,  die  aus  diesen  Gebieten  her- 
vorgingen. Da  uns  Kunsthistorikern  die  Südkulturen  zur  Not  bekannt  sind,  be- 
schränke ich  mich  darauf,  nur  den  Nomaden-  und  den  Nordstrom  suchend  gegen- 
einander abzuwägen. 

Wer  sich  kurz  über  das  Nomadenproblem  von  der  politischen  und  wirtschaftlichen 
Seite  her  unterrichten  will,  lese  nach,  was  Heinrich  Schurtz  darüber  in  dem  Teile 
„Hochasien  und  Sibirien"  von  Helmolts  Weltgeschichte  II  S.  I29f.  sagt.  Das  Ent- 
scheidende ist,  daß  der  Nomadismus  nach  den  Forschungen  Hahns  die  Milchwirtschaft 


1)  Beilage  zur  Münchener  Allg.  Zeitung  Xr.  48/9  vom  18/9.  Februar  1902. 
Strzygowski,  Altai.  1° 


146 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


und  damit  eine  ältere  Entwicklung  von  Ackerbau  und  Viehzucht  voraussetzt.  Süd- 
rußland, d.  h.  der  Ursitz  der  Arier  sei  es  gewesen,  wo  das  Nomadentum  entstanden  sei 
und  von  wo  es  auf  Sibirien  und  Hochasien  übergegriffen  habe.  Für  den  Kunstforscher 
ergibt  sich,  wenn  das  richtig  ist,  der  Schluß,  daß  man  den  Nomaden  verhältnis- 
mäßig höhere  Kunstformen  zutrauen,  sie  nicht  auf  eine  Stufe  mit  Naturvölkern  stellen 
darf.  Wie  dem  auch  immer  sei,  so  werden  es  Formen  der  eingesprengten  Oasen  wie 
des  Altai  oder  Transoxanien  gewesen  sein,  wovon  freilich  nur,  was  für  die  Lebens- 
weise der  Nomaden  geeignet  war,  beibehalten  wurde.  Ich  kann  also  nicht  erwarten, 
daß  Architektur,  Plastik  und  Malerei  in  Betracht  kommen,  darf  vielmehr  lediglich  mit 
dem  Handwerk  rechnen,  das  dem  beweglichen  Leben  folgen  konnte.  Der  Übergang 
von  der  Kunst  der  in  den  eingesprengten  Oasen  Ansässigen  zur  Kunst  der  Wander- 
hirten würde  so  eine  tiefgehende  Wandlung  in  den  künstlerischen  Formen  mit  sich 
gebracht  haben.  Vielleicht  sind  darauf  Veränderungen  zurückzuführen,  die  sonst 
cferadezu  unerklärlich  erscheinen.  Für  den  Kunsthistoriker  ist  es  schwer,  mit  dem 
Nomadenproblem  vor  Eintritt  der  Völkerwanderung  auf  sicherem  Boden  Fühlung  zu 
nehmen.  Greifbar  scheint  für  ihn  nur  die  Kunst  der  Altaivölker  im  fernen  Osten; 
ich  werde  daher  unten  von  ihr  ausgehen. 

Nicht  leichter  ist  die  Lage  mit  Bezug  auf  die  Nordvölker.  Auch  da  bietet 
sich  ein  Anhaltspunkt  zunächst  nur  an  der  fernen  Grenze,  diesmal  im  Westen  bei 
Kelten  und  Germanen,  von  denen  freilich  in  dem  Völkergewoge  der  zweiten  Hälfte 
des  ersten  Jahrtausends,  die  in  diesem  Buche  im  Vordergrunde  steht,  nur  noch 
letztere  hervortreten.  Die  weiten  Gebiete  zwischen  dem  germanischen  Norden  und 
dem  fernen  türkischen  Osten  nimmt  der  Kunsthistoriker  vorläufig  besser  als  unklares 
Zwischen-  bezw.  Übergangsgebiet  nicht  zum  Ausgangspunkt,  obwohl  für  die  Kunst 
der  nach  Herodotos  als  „Skythen"  benannten  Völker  jetzt  die  Arbeit  von  Ellis  H. 
Minns  „Scythians  and  Greeks",  Cambridge  1913,  vorliegt1.  Ich  habe  den  Eindruck, 
daß  gerade  der  Teil  des  Landes,  in  dem  sich  die  Skythen  mit  den  Griechen  be- 
rühren, d.  h.  also  das  russische  Tiefland  an  der  Nordküste  des  schwarzen  Meeres 
zwar  Formen,  die  von  Iran  und  Altai  ausgehen,  vermittelnd  nach  Norden  und  Westen 
weitergibt,  selbst  aber  nicht  eigentlich  der  schöpferische  Teil  ist.  Dabei  dürften 
freilich  zeitliche  Unterschiede  mitsprechen,  ich  habe  die  Zeit  nach  Christi  Geburt  im 
Auge.  Den  Norden  selbst  werde  ich  in  diesem  Abschnitte  nur  gelegentlich  heranziehen, 
mein  Schürfungsgebiet  sind  zunächst  nur  jene  Nordvölker,  die  über  den  Kaukasus  und 
um  das  Kaspische  Meer  herum  nach  den  südlichen  Steppen  vorgedrungen  waren.  Die 
finnisch-ugrische  Gruppe  lasse  ich  beiseite  —  von  gelegentlichen  Erwähnungen  abgesehen. 

Am  klarsten  sehen  wir  im  germanischen  Norden.  Dort  ist,  was  die  wandernden 
Völker  mit  sich  nach  dem  Süden  und  dann  weiter  nach  dem  Westen  bringen,  nicht 


ij  Vgl.  im  übrigen  zur  Skythenfrage  Treidler  im  Archiv  für  Anthropologie  N.  V.  XIII  (191 5) 
-,07,  der  die  Skythen  für  mongolische  Türkvölker  ansieht,  und  dem  entsprechend  Supka,  Oesterr.  Mo- 
natsschrift für  den  Orient  XL  (1915)  S.  78  f.  Für  den  arischen  Ursprung  der  „Skythen"  vgl.  Kaspar  Zeuss, 
Die  Deutschen  und  die  Nachbarstämme  1837,  dann  Müllenhoff,  Latyschew,  Miller,  ferner  Herman  Hirt, 
Die  Indogermanen  I  S.  1131".,  Justi  im  Grundriß  der  iranischen  Philologie  II  S.  44 1  f.,  Franke,  Abh.  d. 
ktrl.  preuß.  Akad.  d.  Wiss.  1904  „Zur  Kenntnis  der  Türkvölker  und  Skythen  Zentralasiens",  S.  21  f.  und 
Marquart,  Eransahr  (Abh.  d.  kgl.  Ges.  d.  Wiss.  zu  Göttingen  phil.-hist.  Kl.  N.  F.  III  1901  Nr.  2)  u.  a. 
kh   komme  unten  auf  die  Frage  im  Zusammenhange  mit  dem  Auftreten  der  Saken  zurück. 


A.  Die  drei   Völkerzonen  Eurasiens.  I47 

durchaus  das  Ende  ihrer  prähistorischen  Entwicklung  —  wie  man  erwarten 
möchte  — ,  sondern  z.  T.  ein  Formenschatz  anderer  Art,  wahrscheinlich  einer,  der 
ihnen  von  außen  zugekommen  sein  dürfte.  Ich  vermute  eine  Rückwirkung  ihrer  vor  mehr 
als  einem  Jahrtausend  nach  dem  Süden  abgewanderten  bezw.  dort  ansässigen  Rassen- 
genossen, der  Iranier,  Saken  oder  Armenier.  Das  wieder  hätte  einen  Weltverkehr  zur 
Voraussetzung,  der  wohl  mit  den  im  IV. Jh. n.Chr. vom  Osten  einbrechenden  asiatischen 
Nomaden  eine  Steigerung  erfuhr,  aber  schon  vorher  bestanden  haben  und  nur  in  den 
Verhältnissen  gewachsen  sein  muß.  Die  Grundformen  der  auf  diesem  Wege  zu 
den  Germanen  vorgedrungenen  Ornamente  sind  das  flächenfüllende  Bandgeflecht,  ge- 
wisse Tiermotive  und  die  Fassung  farbiger  Füllungen  in  Goldzellen1.  Wo  sind  diese 
Formen  ursprünglich  bodenständig?  Riegl  hat  sich  in  seiner  „Spätrömischen  Kunst- 
industrie" bemüht,  für  die  Granateinlage  nachzuweisen,  daß  es  die  Antike  gewesen 
sei,  die  auch  diese  Art  noch  zustande  gebracht  habe.  Er  ist  dabei  in  den  allgemeinen 
Fehler  verfallen,  die  ersten  Spuren  des  ornamentalen  Einflusses,  die  vom  Osten  aus- 
gehend auf  antikem  Boden  beobachtet  werden,  für  den  Erreger  selbst  zu  nehmen  und 
sowohl  die  Nomadenbewegung  im  Zentrum  wie  den  Weg  über  das  nördliche  Iran, 
Mesopotamien  und  das  Schwarze  Meer  ganz  beiseite  zu  schieben.  So  kommt  es,  daß 
seine  vom  systematischen  Standpunkt  aus  wertvollen  Beobachtungen  entwicklungs- 
geschichtlich völlig  irreführen2. 

Zur  Bestimmung  des  Zentrums,  von  dem  die  vielspältige  Bewegung  ausgeht,  möchte 
ich  die  Methode  der  Einkreisung  anwenden.  Die  am  weitesten  ausgreifende  Frage- 
stellung wird  sein:  Kommt  eines  der  drei  Treibhäuser  der  Kunst  in  China,  Indien  und 
aus  Mesopotamien  und  Ägypten  zusammengefaßt  am  Mittelmeer  dafür  in  Betracht? 
Die  Mittelmeerkunst  sowie  die  indische  denken  anthropomorph.  Wulff  möchte  ein  „semi- 
tisches Kunstwollen"  bezw.  den  jüdischen  Einschlag  in  Syrien  für  die  in  der  Spät- 
antike durchbrechende  Strömung  verantwortlich  machen3.  Davon  kann  kaum  die  Rede 
sein,  weil  dieser  und  der  arabische  Einschlag  viel  zu  schwach  und  zu  sehr  vom  Helle- 
nismus untergraben  waren,  als  daß  sie  den  Ausschlag  hätten  geben  können.  Sie 
werden  lediglich  zum  guten  Nährboden  für  die  von  außen  an  das  Mittelmeer  vor- 
dringende Bewegung.  Indien  ist  dem  neuen  Zentrum  weniger  verfallen  als  das 
Mittelmeer.  Ja  die  Gandharakunst  zeigt  deutlich,  daß  dort  der  anthropomorphe  Helle- 
nismus viel  stärker  fruchtbar  .wurde  als  im  dazwischen  liegenden  nordiranischen  Ge- 
biete. Trotzdem  stellt  sich  immer  mehr  der  Eindruck  ein,  daß  der  Zusammenhang  der 
indischen  mit  den  iranischen  und  sakischen  Völkern  die  Brücke  zur  Einführung  in- 
discher Motive  nach  dem  Norden  blieb.  Wenn  die  Weinranke  (vgl.  oben  S.  72)  nicht 
nach  dem  Norden  weiterging,  scheint  mir  dies  ein  Beleg  dafür,  daß  sie  nicht  von  Indien 
ausging,  sondern  von  Mittelasien  und  von  dort  erst  nach  Indien  vordrang.  Dagegen 
könnte  von  Chorasan  oder  Indien,  den  Edelsteinländern  aus,  sehr  wohl  die  Granat- 
einlage in  Gold  ausgegangen  sein.  Es  ist  bekannt,  daß  ähnliche  Techniken  heute  noch 
in  Indien  volkstümlich  sind4.     Davon  unten  mehr. 


1)  Vgl.  Preußische  Jahrbücher  LXXIII  (1893)  S-  448  f. 

2)  Vgl.  Byzantinische  Zeitschrift  XI  (1902)  S.  263  f. 

3)  Altchristi,  und  byz.  Kunst  I  S.  267  f,  272  f,  II  408  f. 

4)  Die  Belege  dafür  sind  u.  a.  im  Museum  für  Völkerkunde  zu  Berlin  reichlich  zu  finden. 


us 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölkcr. 


Für  den  Ursprung  des  Durchbruches,  Schrägschnittes  und  Bandgeflechtes  bliebe 
so  von  den  Jahrtausendströmen  in  den  alten  Kulturtreibhäusern  in  Asien  nur  China 
übrig.  Ich  bin  überzeugt,  daß  wir  von  der  ältesten  chinesischen  Kunst  lediglich  die 
volkstümliche  Unterschicht  kennen."  Sie  geht  teilweise  mit  dem  künstlerischen  Schaffen 
der  Naturvölker  des  Stillen  Ozeans  zusammen  (z.  B.  im  Augenornament),  zeigt  aber 
in  ihren  rein  asiatischen  Elementen  jene  seltsame  Übereinstimmung  im  Schmucke 
der  hieratischen  Bronzen  mit  den  germanischen  Altsachen  in  Bronze,  die  für  Be- 
ziehungen auszunützen  u.  a.  die  zeitliche  Kluft  von  mehr  als  einem  Jahrtausend 
hindert.  Wenn  nun  aber  die  Strömung,  die  die  altchinesischen  Bronzen  zeitigte,  sich  im 
nördlichen  Asien  fortgesponnen  hätte  bis  auf  die  Zeit,  in  der  die  Völker  der  altaischen 
Rasse  nach  dem  Westen  aufbrachen,  bzw.  vom  nördlichen  Asien  aus  ihre  Art  schon 
früher  im  Wege  des  Weltverkehres  nach  dem  Mittelmeere  und  Xordeuropa  durch- 
gesickert wärer  Ich  schließe  das  Tarimbecken  gleich  Indien  aus,  weil  sich  dort  weder 
im  Khotan  noch  in  Chinesisch-Turkestan  irgend  welche  Spuren  gefunden  haben,  die 
auf  andere  Voraussetzungen  schließen  ließen,  als  die  eines  Durchgangslandes  zwischen  ■ 
dem  griechisch-persischen  Westen,  Indien  und  jener  chinesischen  Oberschicht,  die 
durchaus  anthropomorph  dachte l,  für  die  das  Ornament  geradeso  wie  in  Hellas 
und  Indien  lediglich  tektonisch  eingeordneter  Rahmen  war,  nur  unter  dem  Einfluß 
des  nordeurasischen  Zentrums  erneut  Flächenfüllung  wurde. 

Wie  in  meinen  älteren  Arbeiten  muß  ich  auch  hier  wieder  ein  bisher  von  der  neueren 
Kunstgeschichte  völlig  unbeachtetes  Forschungsgebiet  urbar  machen.  Ich  gehe  dabei 
aus  von  der  Tatsache,  daß  der  Norden  Europas  und  Asiens  gleicherweise  während 
der  Blüte  der  südlichen  Oasen  von  Völkern  bewohnt  war,  die  je  nach  Klima  und 
Pflanzendecke  bald  auf  das  Haus,  das  z.  T.  fahrbar  zu  denken  ist,  bald  auf  das  Zelt  ge- 
wiesen waren.  Eine  genaue  Trennung  ist  ebensowenig  möglich,  wie  eine  klare  ethnische 
Scheidung.  In  den  Steppengebieten  Asiens  herrscht  n.  Chr.  der  Türke  und  das  Zelt  vor, 
in  den  Niederungen  und  Bergen  des  Westens  der  Arier  und  sein  Haus.  Ich  habe  es 
hier  in  erster  Linie  mit  der  Zierkunst  zu  tun.  Hampel  hat  die  Rolle  der  ural- 
altaischen  Nomaden  einmal  gestreift2.  Er  meinte,  man  könne  bei  ihnen  nicht  vor- 
aussetzen, daß  sie  eine  andere  Kunst  hatten,  als  sie  von  ihren  gewesenen  Nachbarn 
erhielten  oder  als  Eroberer  von  ihren  Gefangenen  übernahmen.  Dabei  muß  man  mit 
Hampels  Einstellung  rechnen,  um  zu  verstehen,  warum  wir  bisher  nicht  aus  der  Sack- 
gasse herauskamen,  die  immer  nur  von  den  hoch  entwickelten  Kulturen  und  womöglich 
der  mittelmeerländischen  ausging.  Dagegen  ist  nun  zu  bemerken:  Die  Völker  Nord- 
asiens und  Europas  bildeten  eine  so  mächtige  geschlossene  Masse,  daß  mit  ihrem  Haus- 
fleiß und  Handwerk  gerechnet  werden  muß,  sobald  sie  handeltreibend  oder  kriegerisch 
über  ihre  Grenzen  vordrangen.  Es  wird  sich  um  den  Versuch  handeln,  von  der  Art 
ihres  Kunsttreibens  eine  Vorstellung  zu  gewinnen.  Dieser  Aufgabe  sollen  die  nach- 
folgenden Abschnitte  des  vorliegenden  Buches  nachzukommen  suchen,  hier  sei  dieser 
Versuch  zunächst  nur  allgemein  eingeleitet,  nachdem  schon  in  den  Abschnitten  über 


i)  Vgl.  Wachsberger,  Ostasiatische  Zeitschrift  III  S.  277  f.  und  in  Buchform  „Stilkritische  Studien  zur 
Wandmalerei  Chinesisch-Turkestans"  Berlin   1916. 

2)  Neuere  Untersuchungen  über  die  Denkmäler  der  ungarischen  Landnahmezeit  (ung.,  vgl.  Byz.  Zeit- 
schriit  XVII,   1908,  S.  648). 


B.  Die  flächenfüllenden  Muster.  \aQ 

die  geometrische  Ranke  die  Vorstellung  geweckt  wurde,  daß  es  sich  um  eine  Stufe 
der  Entwicklung  handeln  dürfte,  die  sich  rein  in  der  Zierkunst  auslebte  l. 

B.  Die  flächenfüllenden  Muster.  Die  künstlerische  Tätigkeit  des  östlichen 
Nomaden  sammelt  sich  um  Zelt,  Roß  und  Waffe.  Wir  werden  also  in  erster  Reihe 
auf  dem  Gebiete  der  textilen  Techniken,  der  Metall-  und  Lederbearbeitung  eigene,  in 
der  Berührung  mit  den  Außenvölkern  zur  Geltung  kommende  Motive  erwarten 
dürfen.  Die  sibirischen  Bronzefunde  haben  in  dieser  Richtung  einen  Fingerzeig  ge- 
geben. Bei  den  Nordvölkern  werden  Textilien,  wenn  auch  nicht  in  dem  Ausmaße, 
wie  bei  den  Zeltnomaden,  so  doch  neben  der  Bearbeitung  des  Holzes  immerhin  eine 
beachtenswerte  Rolle  gespielt  haben.  Bevor  ich  daher  auf  die  besondere  Eigenart 
beider  Völkergruppen  eingehe,  die  einerseits  im  Metall,  andererseits  im  Holz  zu  wurzeln 
scheint,  möchte  ich  einleitend  auf  die  beiden  gemeinsame  Neigung  des  wirkenden 
und  webenden,  knüpfenden  und  stickenden  Handwerkes  und  der  Lederbearbeitung  hin- 
weisen, die  sich  in  erster  Linie  in  der  Verwendung  flächenfüllender  Muster  äußert2. 

Dabei  gibt  den  Ausschlag,  ob  die  Fläche  für  sich  bestehen  bleibt  und  nur  dekorativ 
ausgefüllt  oder  benutzt  wird,  um  mit  der  Einfügung  der  menschlichen  Gestalt  Träger 
einer  bedeutungsvollen  Bildsprache  zu  werden.  Zwischen  beiden  Richtungen  scheint 
die  Grenze  dessen  zu  liegen,  was  wir  hohe  Kultur  nennen.  Auch  der  Naturmensch 
verwendet  die  menschliche  Gestalt,  er  füllt  mit  ihr  spielend  Flächen;  aber  nur  der 
Kulturmensch  entwickelt  diese  Mitteilung  über  die  Tagesbedeutung  hinaus  zum  wirkungs- 
vollen Ausdruck  sei  es  religiöser,  sei  es  die  weltliche  Macht  fördernder  Art.  Die  Kunst- 
historiker haben  sich  mit  Vorliebe  in  den  Dienst  der  herrschenden  Kulturmächte  gestellt 3, 
indem  sie  der  Kunst  nachgingen,  die  auf  diesem  Wege  groß  geworden  ist.  Sie  haben  sich 
vielleicht  gefreut,  in  Hellas  ein  Zurückfluten  des  östlichen  bzw.  geistig  dogmatisch 
gewordenen  Zwanges  von  Mesopotamien  und  Ägypten  in  rein  menschlich  natürliche 
Bahnen  beobachten  zu  können;  aber  sie  haben  in  einem  Atem  auch  die  römische 
Kaiser-  und  späte  Barockkunst  gelten  lassen,  die  ebenso  wie  die  vorgriechische 
auf  sklavische  Unterwerfung  des  Menschen  unter  Dogmen  ausgingen.  Dem  gegen- 
über ist  die  seelische  Wohltat  der  flächenfüllenden  Zierkunst  für  gesellschaftliche 
Schichten,  die  der  Natur  näher  als  dem  Inhaber  der  Macht  standen,  nicht  genügend 
hoch  eingeschätzt  worden.  Sie  ist  eben  durch  das  unnatürliche,  treibhausartige  Em- 
porschießen der  Kultur  in  China  und  Indien,  im  Zweiströmeland  und  am  Nil,  wo 
nicht  zuletzt  gerade  die  bildende  Kunst  als  ein  geistiges  Machtmittel  ersten  Ranges 
erkannt  wurde,  derart  zurückgedrängt  worden  —  nicht  zuletzt,  wie  gesagt,  auch  von 
der  an  den  Bestand  der  Kultur  geknüpften  und  von  ihr  abhängigen  Forschung  — , 
daß  ihre  hohe  Bedeutung  für  den  einfachen  stillen  Menschen,  der  seiner  Phantasie 
ohne  Streben  nach  Macht  von  Gottes  Gnaden  und  festen  Besitz  freien  Lauf  läßt, 
erst  wieder  entdeckt  werden  muß. 

Zum  Wesen  der  flächenfüllenden  Kunst  gehört  das  im  Hausfieiß  wurzelnde  Hand- 


i)  Ich  verweise  auf  die  grundlegende  Vorarbeit  von  Wundt,  Völkerpsychologie  III  S.  247  t".    Die  Kunst- 
historiker sollten  beginnen,  unter  Beachtung  dieses  Versuches  induktiv  weiterzukommen. 

2)  Vgl.  dazu  Riegl,  Stilfragen  S.  IX  f. 

3)  Schmarsow  ist  sogar  (Jahrb.  d.  preuß.  Kunstsammlungen "XXXII  [191 1])  soweit  gegangen,  auf  die 
flächen  füllende  Kunst  Deutungen  der  darstellenden  zu  übertragen. 


j  -q  IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Xordvölker. 

werk,  das  dem  Tagesbedürfnis  von  Familie  und  Watte  zu  genügen  sucht.  Es  gehört 
dazu  ein  gewisses  Eingesponnensein  in  Vorstellungen,  die  nicht  auf  unmittelbarer 
Beobachtung  beruhen,  sondern  eher  einem  Spiele  der  Phantasie  mit  ganz  bestimmten 
Mustern  gleichkommen,  die  auf  sehr  verschiedene  Art  in  den  Besitz  des  Volkes  ge- 
drungen sein  können.  Ich  habe  „Werke  der  Volkskunst"  I  S.  12  f.  zu  zeigen  gesucht,  wie 
unerhört  weit  zurückgehend  die  flächenfüllende  Volkskunst  der  Armenier  im  XVII. Jh. 
war  und  nehme  an,  daß  dieses  Beispiel  ganz  allgemein  als  bezeichnend  für  den  Cha- 
rakter dieser  Kunstgattung  gelten  kann.  Was  sich  an  Kultureinflüssen  jemals  in  einem 
Volke  geltend  gemacht  hat,  kann  auf  diese  Art  seinen  festen  Niederschlag  in  der 
Volksseele  gefunden  haben  und  in  der  bildenden  Kunst  ebenso  wie  in  Sage  und 
Gebräuchen  aus  einer  Begebenheit  in  zuständlichen  Besitz  übergegangen  sein1. 

Zum  Charakter  der  flächenfüllenden  Volkskunst  gehört  weiter,  daß  die  Gesetze 
der  Symmetrie  beobachtet  werden  —  sie  liegen  im  Wesen  von  Material  und  Technik  — 
und  an  den  Gestalten  eine  Xaturferne  erscheint,  die  es  ermöglicht,  mit  jedem  Motiv 
—  es  sei  ursprünglich  pflanzlichen  Charakters  wie  die  Weinranke,  verwende  die  mensch- 
liche oder  tierische  Gestalt,  oder  sei  rein  abstrakt  geometrisch  — vollkommen  frei  nach 
den  Gesetzen  der  flächenfüllenden  Arbeit  zu  verfahren.  Das  organische  Wachstum 
verliert  hier  jedes  Recht,   die  Anpassung  an  den  zu  füllenden  Raum  entscheidet. 

Eines  der  bezeichnendsten  Mittel  der  flächenfüllenden  Kunst  ist  das  Muster 
ohne  Ende.  Riegl  —  der  wie  Wickhoff  und  meine  österreichischen  Landsleute 
überhaupt  gern  Fremdworte  anwendet  —  nennt,  es  den  „unendlichen  Rapport"2.  Ich 
glaube  gern,  daß  es  zu  allen  Zeiten,  seit  es  Hausfleiß  und  Gewerbe  gibt,  aufgetreten  ist. 
Aber  seinen  Eintritt  in  alle  Gebiete  der  Großkunst  feiert  es  doch  erst,  wie  Riegl  zu- 
gibt, in  spätrömischer  Zeit  und  tritt  im  Islam  eine  Art  Vorherrschaft  an.  Riegl  sieht 
natürlich  darin  einen  charakteristischen  Ausdruck  des  spätantiken  Kunstwollens. 
Typisch  spätrömisch-koloristisch  sei  insbesondere  das  Streumuster  und  die  Herüber- 
nahme von  Motiven  aus  dem  organischen  Bereiche  —  was  eben  Riegl  für  organisch 
hält,  in  Wirklichkeit  handelt  es  sich  um  Motive   der  geometrischen  Ranke. 

Über  die  wachsende  Vorliebe  für  das  Rautenmuster  (vgl.  S.  14  und  1151 
äußerte  ich  mich  anläßlich  von  Seidenstoffen  aus  Ägypten  und  Wechselwirkungen 
zwischen  China,  Persien  und  Syrien  in  spätantiker  Zeit3.  Falke4  ist  damit  schnell 
fertig  gewesen:  „Wenn  man  nun  die  Wahl  hat,  die  Rautenmuster  spätgriechischer 
Stoffe  entweder  von  den  gleichartigen  griechischen  Webemustern  klassischer  Zeit 
abzuleiten,  oder  aber  von  chinesischen  Bronzen  der  Schangdynastie,  das  heißt  aus 
dem  2.  Jahrtausend  vor  Chr.,  oder  sie  gar  aus  dem  trüben  Gewässer  der  Kunst  des 
stillen  Ozeans  herauszufischen,  so  kann  die  richtige  Entscheidung  einem  unbefange- 
nen Gemüt  nicht  schwer  fallen".  Ich  bin  heute  mehr  denn  je  überzeugt,  daß  das 
Rautenmuster  mit  der  Seide  neuerlich  beliebt  wurde  3.  Zu  dem  seinerzeit  vorgeführten 
Material  sei  noch  hinzugefügt  die  sehr  auffallende  Tatsache,  daß  die  alttürkischen 
Sarkophage  des  VII.  u.  VIII.  Jh.  nach  Chr.  das  Rautenmuster  ähnlich  über  die  Fläche 

1     Vgl.  „Die  Zeit"  vom   14.  III.    1 9 1 1    „Ein  österreichisches  Museum". 
2)  Stilfragen  S.  30  f.     Spätrömische  Kunstindustrie  I  S.  41  f. 

..hrbuch  dei  kgL  preuß.  Kunstsammlungen  XXIV  (1903)  S.    1 73  f. 

4)  Kunstgeschichte  der  Seidenweberei  S.  34. 

5)  Vgl.  dazu  das  altchines.  Schriftzeichen  für  , Netzwerk"  nach  Franke,  Ostas.  Ztschr.  IV  (1916)  S.  137. 


B.   Die  flächenfüllenden  Muster.  I51 

ziehen  '  wie  die  phrygischen  Felsgräber  der  vorchristlichen  Zeit 2  es  mit  dem  geome- 
trischen Muster  ohne  Ende  vielleicht  in  beiden  Fällen  in  Nachahmung  von  Stofif- 
behang  taten3.  Das  Rautenmuster  hat  in  der  Wandmalerei  Chinesisch-Turkestans 
auch  zu  einer  seltsamen  Umbildung  der  Landschaft  geführt.  Die  Gewölbe  mehrerer 
Höhlen  wie  der  Schwertträgerhöhle  von  Ming-Öi,  der  Höhle  mit  dem  Musikerchor 
und  der  Hippokampenhöhle  bei  Qyzyl4  zeigen  seltsam  umgeformte  Landschaften, 
die  sich  m.  E.  aus  der  mit  der  Zeltanordnung  der  Malereien  zusammenhängenden 
Vorliebe  für  das  Muster  ohne  Ende  erklären  lassen5. 

Ein  anderes  Lieblingsmuster  der  flächenverzierenden  Kunst  sind  die  spitzoval 
nebeneinander  aufstrebenden  Reihen,  wie  sie  aus  jenen  Tapetenmustern  geläufig  sind, 
die  bis  auf  unsere  Zeit  herrschend  waren.  Sie  gehen  zurück  auf  Wandverkleidung 
mit  Stoffen.  Ich  habe  von  dem  Motiv  bereits  anläßlich  der  Weinranke  mit  diagonal 
gekreuzten  Stielen  an  den  Wulstprofilen  der  Fassade  von  Mschatta  S.  288  und  oben 
S.  97f.  und   I02f,  107,  118  gesprochen. 

Neben  diesen  auf  ausgesprochen  geometrischer  Grundlage  aufgebauten  Mustern 
galt  das  Rankenmuster  ohne  Ende  immer  für  ein  vegetabiles  Muster.  Es  hat  sich 
herausgestellt,  daß  diese  Ableitung  falsch  ist  und  wir  auch  die  Ranke  in  den  Kreis 
der  geometrischen  Motive  aufnehmen  müssen,  wenn  sie  auch  wegen  ihrer  Ähnlichkeit  mit 
der  wachsenden  Pflanze  öfter  naturalisiert  worden  ist 6.  Davon  war  oben  wiederholt  die 
Rede.  Hier  ist  nur  noch  nachzutragen,  daß  der  Kreislappen  gepaart  oder  fortlaufend 
in  Rankenform  gebracht,  heute  noch  ein  Lieblingsmotiv  der  Kirgisen  ist,  die  es  mit 
dem  Widderhorn  in  Verbindung  bringen.  Es  wird  sich  wohl  um  sehr  viel  ältere,  im 
Nomadentume  wurzelnde  Zusammenhänge  handeln,  wie  oben  S.  107  anläßlich  des 
Säbels  in  Stockholm  gezeigt  wurde. 

Die  monumentalste  Ausbildung  hat  diese  flächenfüllende  Art  in  der  Fassade  von 
Mschatta  gefunden.  Dieses  im  Rahmen  der  spätrömischen  Kunst  wie  ein  Markstein 
der  Entwicklung  wirkende  Wunder,  dessen  Übertragung  nach  Berlin  ich  als  Krö- 
nung der  altchristlichen  und  frühislamischen  Abteilung  nur  angeregt  habe,  um  da- 
mit die  Augen  der  Forschung  dauernd  in  diese  Richtung  zu  drängen,  ist  nur  zu 
begreifen  als  Wirkung  der  Nomadenkunst  in  hellenistisch-römischer  Zeit,  wahrscheinlich 
vermittelt  durch  die  Parther.  Tatsächlich  findet  man  das  für  die  Fassade  bezeichnende 
Weinblatt  mit  Traubenauflage  in  dem  parthischen  Hatra7,  die  Zickzackgliederung 
der  ganzen  Fassade  mit  ihrer  wuchernden  Ornamentik  nimmt  sich  aus  wie  der  Stoff- 
behang eines  Zeltes8.  Ich  habe  Mschatta  S.  263 f.  auf  die  Parallelen  in  der  streifen- 
förmigen Anordnung  des  Fassadenschmuckes  in  Babylon  und  des  Dreiecks  bei  den 


1)  Radioff,  Atlas  der  Altertümer  der  Mongolei  Taf.  XIII,   i. 

2)  Perrot  et  Chipiez,  Hist.  de  l'art  V  S.  82  f. 

3)  "Vgl.  dazu  Karutz,  Unter  Kirgisen  und  Turkmenen  Taf.  22. 

4)  Grüuwedel,  Altbuddhistische  Kultstätten  S.  50  f. 

5)  Diese  Landschaften  sind  zusammengestellt  von  Wachsberger,  Stilkritische  Studien  zur  Wandmalerei 
Chinesisch-Turkestans  S.  94 f.      Vgl.  dazu  mein  Vorwort  dieses  Buches. 

6)  Vgl.  dazu  die  richtigen  Bemerkungen  von  Worringer  „Abstractoin  und  Einfühlung"  S.  79. 

7)  Andrae,  Hatra  II  S.   12  Erg.  20.     Vgl.  oben  S.  73. 

8)  Vgl.  dagegen  Diez,  Die  Kunst  der  islamischen  Völker  S.  28  f.,  dem  ich  nicht  folgen  kann.    Solche 
Zickzack-Ziegelmuster,  wie  er  sie  an  modernen  Bauten  zitiert,  auch  bei  uns  an  Scheunen  und  Zäunen. 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 

Achamaniden  und  bis  in  die  islamische  Zeit  hingewiesen.  Im  Zusammenhange  mit 
der  um  das  Zelt  und  seine  Ausstattung  bewegten  Phantasie  des  Nomaden  werden 
nachfolgend  neue  Überlegungen  anzuregen  sein,  auch  hinsichtlich  der  Enthüllung  des 
Zentrums  „jenes  großen  dekorativen  Stromes,  der  in  China  und  Japan  so  gut  wie  im 
Wege  der  Völkerwanderung  im  Westen,  ferner  in  Byzanz  und  dem  Islam  auf  Jahr- 
hunderte hinaus  und  bis  in  die  neueste  Zeit  immer  wieder  Triumphe  feiert" 
(Mschatta  S.  325). 

Nach  diesen  wenigen  Andeutungen  über  die  Art  der  verstärkt  vom  Nordosten 
der  antiken  Welt  vorbrechenden  Flächenverzierung  mit  ihren  typisch  wiederkehrenden 
Mustern  gehe  ich  über  auf  die  beiden  Hauptkreise  der  Kunst  der  Nomaden-  und 
Nordvölker,  wobei  gewisse  Typen  der  Flächenfüllung  wie  besonders  die  Ranke  und 
die  verknoteten  Kreise  ohnehin  genauer  durchzusprechen  sein  werden. 

Hochasien  scheint  zu  keiner  historischen  Zeit  in  der  Lage,  das  Entstehen  unab- 
hängiger Treibhäuser  hoher  Kunst  zu  ermöglichen.  Seine  durch  künstliche  Bewässe- 
rung von  den  umliegenden  Kultursitzen  geschaffenen  zeitlich  und  örtlich  engbe- 
grenzten Oasen  kommen  daher,  sobald  es  sich  um  die  Entstehung  eines  selbständigen, 
für  die  Kunstentwicklung  einschneidend  wichtigen  Anteiles  handelt,  nur  in  ihrer  Um- 
bildung in  Betracht.  In  dieser  Richtung  waren  vielmehr  entscheidend  gerade  die  weit- 
aus vorherrschenden  Gebiete  Hochasiens,  die  ein  festeres  Gefüge  der  Kultur  über- 
haupt nicht  aufkommen  ließen.  Ob  nun  gerade  die  reinen  Nomadenlandschaften 
den  Ausschlag  gaben,  läßt  sich  heute  noch  nicht  durchblicken.  Wohl  aber 
dürften  es  Nomaden  gewesen  sein,  die  auf  Handelswegen  und  durch  Wanderungen  zur 
Verbreitung  der  außerhalb  der  südlichen  Kulturoasen  herrschenden  Flächenkunst  in 
erster  Linie  beitrugen.  Dem  Händler  und  Krieger  folgte  die  Familie,  und  diese 
gewann,  zusammen  mit  dem  sie  begleitenden  Handwerker,  in  den  friedlich  oder  durch 
Kampf  eroberten  Gebieten  Einfluß.  So  erkläre  ich  mir  das  Vordringen  gewisser  zwischen 
Altai  und  Iran  heimischer  Zierformen  nach  dem  Westen,  wobei  eine  Differenzierung 
von  Nord  und  Süd  nicht  übersehen  werden  darf.  In  diesen  Dingen  klar  zu  urteilen, 
ist  heute  noch  unmöglich.  Es  soll  nur  auf  die  Notwendigkeit  des  Einsetzens  einer 
entsprechenden  Richtung  in  der  Forschung  über  bildende  Kunst  hingewiesen  wer- 
den, weil  wir  sonst  in  den  wichtigsten  Fragen  der  eigenen  Kunstentwicklung  fehlgehen 
und  die  Goldkörner,  die  die  Geschichte  —  wie  ich  sie  fasse  —  liefern  kann,  un- 
benutzt lassen. 

Es  scheint,  daß  für  die  Nomadenkunst  Hochasiens  neben  den  arischen  in  erster 
Linie  türkische  Stämme  in  Betracht  kommen.  Wir  sind  bereits  bei  der  Fest- 
stellung des  Ausbreitungsbezirkes  der  geometrischen  Ranke  mit  dem  Kreislappen  in 
ihr  Gebiet  vorgedrungen.  Es  ist  möglich,  daß  die  Türken  an  der  bevorzugten  Rolle 
dieser  Ornamentart  nicht  unbeteiligt  waren,  und  man  wird  allmählich  nachforschen 
müssen,  was  sich  sonst  von  türkischer  Kunst  aus  vorseldschukischer  Zeit  erhalten  hat1. 


1  Dringend  erwünscht  wäre,  wenn  sich  sachkundige  Sprach-  und  Scbriftforscher  recht  bald  über  die 
Inschriften  des  Schatzes  von  N.>l'\ -szent-Miklos  äußern  wollten.  Die  ungarischen  Kollegen  lesen  sie  jetzt 
türkisch.  So  wahrscheinlich  richtig  ihr  Vorschlag  ist.  muß  doch  ein  Vorbehalt  geltend  gemacht  werden. 
Wenn  die  Schriftzeichen  vom  Brähmi  ausgehen  (vgl.  S.  167),  müßten  sie  wohl  durch  das  Gebiet  der 
saken  zu  den  Türken  gedrungen  sein.  Dann  fragt  es  sich  aber,  ob  die  Inschriften  nicht  auch  sakisch 
en  werden  können. 


i.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis.  I53 

1.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis. 

Der  Begriff  „Alttürkische  Kunst"  ist  neu  in  der  Forschung.  Und  doch  können 
wir  nicht  recht  länger  ohne  ihn  auskommen.  Er  drängt  sich  freilich  nicht  auf,  solange 
man  auf  darstellende  Kunst,  d.  h.  figürliche  Plastik  und  Malerei,  ausgeht.  Aber 
schon  in  der  Architektur  und  besonders  im  Ornament  stößt,  wer  sich  mit  dem 
Islam  und  der  Kunst  der  wandernden  Völker  in  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  Jahr- 
tausends beschäftigt,  immer  wieder  auf  die  Nötigung,  sich  mit  diesem  Begriff  ernstlich 
auseinanderzusetzen.  Seit  der  Zeit  etwa,  da  die  „Skythen"  mit  den  Griechen  am 
pontischen  Gestade  zusammentrafen,  „Indoskythen"  Besitz  ergriffen  von  den  hellenisti- 
schen Reichen  in  Transoxanien  und  später  die  Hunnen  auf  die  Goten  einen  Druck 
auszuüben  begannen,  setzt  eine  Bewegung  ein,  deren  Erreger  die  aus  Hochasien  nach 
dem  Westen  drängenden  Völker  sind.  Es  wird  immer  deutlicher,  daß  wir  gewisse 
im  Süden  zunächst  friedlich  über  Persien  bis  nach  Nordafrika  vordringende  Gruppen, 
im  Norden  aber  kriegerisch  in  immer  neuen  Stößen  bis  an  die  Donau  gelangende  Völker 
am  besten  unter  dem  Namen  der  „Türken"  zusammenfassen,  denen  später  auch  Seld- 
schuken  und  Osmanen  angehörten,  für  die  diese  Bezeichnung  ja  geläufig  ist.  Was 
für  alle  diese  Stämme  als  gemeinsam  gelten  kann,  ist,  daß  sie  ursprünglich  als  Reiter 
und  Nomaden  auftreten  und  bei  ihrem  Vordringen  große,  mächtige  Reiche  gründen.  Ob 
sie  nun  auch  irgendeinen  Eigenbesitz  an  Kunst  hatten  oder  überall  die  Kunst  über- 
nahmen, die  sie  vorfanden,  das  soll  hier  Gegenstand  der  Prüfung  sein.  Denn  die 
ganz  allgemeine  Frage,  ob  die  Türken  überhaupt  für  die  bildende  Kunst  zugänglich 
waren,  müssen  wir  rückschließend  doch  wohl  bejahen.  Ich  erinnere  daran,  daß  erst 
die  Osmanen  in  Konstantinopel  das  von  den  Byzantinern  nicht  übernommene  alt- 
christliche Raumwunder  der  Sophienkirche  in  genialer  Weise  weiterbildeten,  andererseits 
die  Seldschuken  in  Kleinasien  eine  Architektur  einbürgerten,  die  an  Monumentalität 
der  Außenwirkung  kaum  überboten  werden  kann,  und  endlich  die  türkischen  Tulu- 
niden  in  Kairo  schon  im  IX.  Jh.  Denkmäler  schufen,  die  bis  auf  den  heutigen  Tag 
zum  Bedeutendsten  gehören,  was  nach  der  Pharaonenzeit  am  Nil  entstanden  ist. 
Nun  aber  möchten  wir  diesen  Regungen  türkischen  Geistes  in  Architektur  und  Klein- 
kunst —  die  Ausführenden  sind  freilich  öfter  Nichttürken  gewesen  —  auch  in  der 
Heimat  des  Volkes  nachgehen:  haben  sich  keinerlei  Spuren  erhalten,  die  für  die  Vor- 
stellung einer  alttürkischen  Kunst,  ob  selbständig  oder  übernommen,  verwertbar  wären? 

Man  wird  vielleicht  um  so  eher  geneigt  sein,  das  Suchen  nach  solchen  Spuren 
nicht  für  aussichtslos  zu  halten,  wenn  man  sich  vor  Augen  hält,  daß  die  Türken  die 
lebendige  Kulturscheide  zwischen  der  griechisch-persischen  Welt  des  Westens  und 
der  ostasiatischen  waren  und  auch  indische  Elemente,  um  nach  China  gelangen  zu 
können,  in  der  Hauptsache  den  weiten  Weg  um  das  zwischengelagerte  Gebirge  und 
die  iranisch-türkische  Ecke  herum  machen  mußten.  Wie  hoch  entwickelt  die  Kul- 
tur in  einem  solchen  zwischen  Persien,  Indien  und  China  gelegenen  Durchgangsgebiete 
unter  günstigen  Bedingungen  sein  konnte,  haben  Entdeckungen  im  Turfan  und 
Khotan  gezeigt.  Kein  Mensch  hätte  geahnt,  daß  uns  in  diesen,  in  historischer  Zeit 
scheinbar  völlig  kunstarmen  Ländern  so  überwältigende  Zeugen  einer  Mischkultur, 
die  alle  bisherigen  Vorstellungen  von  Zentralasien  über  den  Haufen  werfen,  erhalten 


1  ;  ,  IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 

geblieben  sein  könnten.  Und  in  derselben  Zeit  etwa,  in  der  die  künstlich  bewässerten 
Oasen  von  Turfan  und  Khotan  diese  Kunstschätze  hervorbrachten,  ergossen  sich  die 
durch  Austrocknung ',  Übervölkerung-  und  Ländergier  aufgepeitschten  türkischen 
Nomaden,  die  sich  um  den  Altai  und  Baikalsee  gruppierten,  nach  Westen  und  Osten 
in  die  fruchtbaren  Gefilde  der  alten  Treibhauskulturen.  In  China  wurde  gegen  sie 
die  Mauer  errichtet,  im  Westen  hat  Europa  sich  ihrer  erwehren  müssen  und  in  den 
Gebieten  des  Islam  haben  sie  jene  großen  Reiche  erstehen  lassen,  mit  denen  dann 
die  Kreuzfahrer  in  Berührung  traten.  Es  wird  also  wohl  kaum  müßig  erscheinen, 
die  Frage  nach  ihrem  ursprünglichen  Kunstbesitz  aufzuwerfen 3. 

Die  Kunst  der  türkischen  Heldenzeit  dürfte  zunächst  einmal  Nomadenkunst 
gewesen  sein.  Sie  wird  also  im  Gegensatze  zu  den  durch  Jahrtausende  stetig  ge- 
wordenen Kunstströmen  der  eigentlichen  Geburtsstätten  hochentwickelter  Kulturen 
in  China,  Indien,  Mesopotamien  und  am  Nil  kaum  mit  der  menschlichen  Gestalt  oder 
der  Architektur  als  Ausdrucksmittel  gearbeitet,  sondern  sich  im  wesentlichen  beim 
Handwerk  und  Ornament  befriedigt  haben.  Jedenfalls  ist  bis  jetzt,  wenn  wir  von  den 
im  Transitverkehre  liegenden  künstlichen  Oasen  des  Tarimbeckens  absehen,  nichts 
zutage  gekommen,  was  auf  das  Gegenteil  schließen  ließe  —  mit  Ausnahme  der 
Orchonstelen,  von  denen  am  Schlüsse  dieses  Buches  gesprochen  werden  soll.  Wir 
möchten  glauben,  daß  in  Hochasien  das  flächenverzierende  Handwerk  länger  als 
sonst  irgendwo  in  den  eurasischen  Gebieten  im  wesentlichen  unbeeinflußt  von  den 
großen  Kulturoasen,  eher  deren  einstiger  Anfangsart  entsprechend,  in  voller  Blüte  stand. 

Bei  dem  Versuche,  einzelne  Belege  der  asiatischen  Nomadenkunst  nachzuweisen, 
können  wir  leicht  begreiflich  vorläufig  nur  selten  unmittelbare  Zeugen  liefern.  Zumeist 
ist  ein  mittelbarer  Weg  einzuschlagen,  dessen  Beschaffenheit  freilich  so  typisch  wieder- 
kehrt, daß  seine  Vorführung  als  Methode  an  die  Spitze  gestellt  werden  muß.  Es 
handelt  sich  dabei  um  den  Eintritt  des  Kunstbesitzes  der  Nomaden  in  Kulturländer,  die 
wir  kennen,  besser  gesagt,  allmählich  kennen  lernen.  Darunter  steht  obenan  das  alte 
Gebiet  der  Parther,  Chorasan.  Es  war  ein  wichtiges  Einfallstor  und  führt  einmal  nach 
dem  iranischen  Südgebiete  und  zu  den  Arabern,  in  zweiter  Richtung  nach  dem  arme- 
nichen  Hochlande  und  dem  Kaukasus.  Das  zweite  Einfallstor  ist  gekennzeichnet  durch 
den  Weg,  den  die  nach  Ungarn  vorstoßenden  Türkvölker  gezogen  sind.  Die  Donau- 
länder und  der  Norden  liefern  hier  entscheidende  Belege.  Beide  Bewegungen  mischen  sich 
in  der  südrussischen  Tiefebene,  die  Brücke  wird  geschlagen  durch  das  Schwarze  Meer. 

Ich  schließe  nun  gewöhnlich  von  diesen  Wanderungsgebieten  und  den  in  den  alten 
Kulturländern  in  römischer  Zeit  neu  auftauchenden  Ziermotiven  zurück  auf  die  Ur- 
sprungsgebiete zwischen  Altai  und  Iran.  Dabei  ergibt  sich  eine  Scheidung  nach  der 
altaischen  und  der  arischen  Völkergruppe.  Ich  versuche  zunächst  die  erstere  und  die 
Türken  im  Besonderen  künstlerisch  festzustellen.  Die  geometrische  Ranke  hat  dafür 
einen  Fingerzeig  gegeben. 

I )  Vgl.  die  Arbeiten  Cholnokys  über  die  Berieselungsverhältnisse  Zentralasiens  und  ihre  Beziehungen  zur 
V«  lkerwanderung,  ferner  E.  Brückner,  Klimaschwankungen  und  Volkerwanderungen.  Vortrag.  Wien  1912,  S.  23  f. 

2  Vgl.  die  periodisch  wiederkehrenden  Wanderungen  der  Araber,  die  -sie  in  nabatäischer  Zeit  bis 
Nordmesopotamien  (Hatra)  geführt  hatten. 

Vgl.  über  die    älteste    Geschichte    der  Türken    die    oben  S.    146  zur  Skythenfrage  zitierten  Werke, 
ferner  Schurtz   bei  Helmolt  II  S.   154  f.  und   Wirth,  Ccschichte  Sibiriens. 


i.  Die  Türkvölker  und  der  altaiscbe  Kreis.  1  5 5 

Freilich  bleibt  immer  die  Frage:  Saken  oder  Türken?  Als  die  Türken  vordrangen, 
zersetzten  sie  allmählich  die  arischen  Stämme '.  Dies  geschieht  nach  der  Zeit,  als  mit 
Alexander  sich  ein  Weltverkehr  entwickelt  hatte,  der  das  Mittelmeer  mit  Indien  und 
der  chinesischen  Grenze  in  eine  Einheit  brachte.  Damals  beginnt  jene  Mischung  die  wir 
in  Khotan  und  Turfan  vor  uns  sehen  -.  Chorasan  freilich  scheint  eine  starke  Eigenart 
besessen  zu  haben,  die  es  jetzt  nach  allen  Seiten  hin  zur  Geltung  brachte,  vor  allem 
nach  Armenien  hin,  mit  dem  es  durch  die  gleiche  Dynastie  der  Arsakiden  verbunden 
war,  so  daß  dort  der  parthische  Einschlag  länger  und  ausschlaggebender  in  Geltung 
blieb  als  in  Südpersien  und  dem  Zweiströmeland.  Es  wird  unten  darauf  näher  ein- 
zugehen sein.  Der  christliche  Kirchenbau  war  jedenfalls  bereits  stark  im  parteiischen 
Geiste  entwickelt,  als  die  Dynastie  der  Arsakiden  im  J.  428  in  Armenien  von  den 
Sasaniden  unterdrückt  wurde.  Die  Türken  sind  in  diese  Gebiete  erst  mit  den  Seld- 
schuken  vorgedrungen,  Persien  und  Ägypten  haben  sie  friedlich  schon  viel  früher 
durchsetzt,  wie  oben  S.  153  hervorgehoben  wurde. 

Der  altaische  Nordstrom  hat  seinen  festen  Stützpunkt  in  Ungarn  gewonnen 
schon  zur  Zeit  der  Hunnen  und  Avaren.  Die  Bulgaren  befestigten  diese  ursprüng- 
liche Stellung  im  Südosten  Europas,  die  Magyaren  und  Osmanen  haben  sie  dauernd  ge- 
macht.   Um  diesen  Kern  herum  wechselt  das  Wirkungsgebiet  in  Zeit  und  Ausdehnung. 

A.  Rankenteppich  und  Zelt.  Die  wichtigste  Kunstgattung,  deren  Verbreitung 
durch  die  Nomaden  bis  auf  den  heutigen  Tag  nachwirkt,  ist  wohl  die  des  Knüpf- 
teppichs. Wir  sind  zwar  nicht  imstande,  Originale  aus  jener  Zeit  vorzulegen,  in  der  eine 
alttürkische  Art  dieses  Teppichs  noch  auf  die  Steppen  Hochasiens  beschränkt  war  — 
was  übrigens  nach  den  Erfahrungen  im  Tarimbecken  noch  kommen  kann  — ,  aber  wir 
können  doch  allmählich  ganz  deutlich  abtasten,  wie  die  Knüpfung  im  Wege  der  Über- 
tragung nach  Persien,  dem  Kaukasus  und  im  Fahrwasser  des  Nordstromes  nach  Europa 
gelangt  ist.  Riegl  —  so  wenig  er  auch  in  seinen  Stilfragen  mit  Persien  und  dem  zentralen 
Asien  rechnete  —  hat  in  seinem  Buche  über  „Altorientalische  Teppiche"  (1891)  die  ein- 
zelnen für  die  Entwicklung  in  Betracht  kommenden  Gebiete  zu  scheiden  gesucht  und 
die  alten  Annahmen  vom  Ursprung  des  geknüpften  Teppichs  aus  dem  assyrisch-sasani- 
dischen  oder  dem  arabisch-islamischen  Kunstkreise  widerlegt.  In  einem  Nachtrage  „Ein 
orientalischer  Teppich  v.  J.  1202  und  die  ältesten  orientalischen  Teppiche"  (1895)  hat 
er  dann  auch  den  positiven  Schritt  getan,  die  Nomaden  als  Träger  der  Kunstform 
des  Knüpfteppichs  hinzustellen.  Er  fährt  dann  S.  24  fort:  „Der  erste  zentralasiatische 
Stamm,  der  in  Westasien  zur  Herrschaft  gelangt  ist,  waren  die  Parther,  vielleicht 
arischer  Abkunft.  Sie  müssen  es  gewesen  sein,  die  den  Knüpfteppich  als  Möbel  in 
Persien  eingeführt  haben"  (etwa  seit  dem  III.  Jh.  v.  Chr.).  Uns  interessiert  im  vor- 
liegenden Abschnitte  nicht,  wie  sich  Riegl  die  Weiterentwicklung  auf  persischem  Boden 
vorgestellt  hat  (davon  unten),  sondern  lediglich,  wie  er  sich  Aussehen  und  Ausbrei- 
tung des  Teppichs  vor  dem  Eintritt  in  Persien  dachte.    „Was  an  orientalischen  Tep- 

1)  Vgl.  S.  187  f.  Ich  sehe  ab  von  der  neuerdings  wieder  in  Fluß  geratenden  Frage  nach  den  in  vor- 
'arischer  Zeit  angeblich  vom  Nordosten  nach  Mesopotamien  vordringenden  Sumeriern  und  den  Gründen  für 
die  Annahme  ihres  türkischen  Ursprunges.  Vgl.  Ball,  Chinese  and  Sumerian,  und  dazu  Franke  in  der 
OstasiatischeD  Zeitschrift  IV  (1916)  S.  136,  Richthofen,  China  I  S.  395  f.  und  Wirth,  Die  Turanier  Vorder- 
asiens   und  Europas    in  der  Beilage  zur  Allg.  Zeitung   München   1904   Nr.  287. 

2)  Vgl.  dazu  Feist,  Ostasiatische  Zeitschrift  II,  352. 


156 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvöiker. 


pichen  früher  entstanden  ist  —  sei  es  in  Zentralasien,  sei  es  im  Kaukasus,  wo  diese 
kulturhistorische  Spezialität  gleichfalls  aboriginal  zu  sein  scheint,  sei  es  in  den  sky- 
thischen  Einöden  Osteuropas  oder  sonstwo  im  Bereiche  der  alten  Welt  —  das  würde, 
falls  uns  derlei  erhalten  wäre,  nicht  so  sehr  Gegenstand  des  kunstgeschichtlichen  als 
des  ethnographischen  Interesses  sein.  Repräsentanten  der  urewigen  Volkskunst,  ohne 
meßbare  historische  Entwicklung,  weil  ohne  natürliche  Antriebe  zu  einer  solchen, 
sind  es,  die  wir  dahinter  zu  vermuten  haben,  und  zwar  sind  es  im  wesentlichen  wohl 
bloß  geometrisch  gemusterte  Erzeugnisse  gewesen.  Eine  solche  primitive  künstleri- 
sche Ausstattung  haben  gewiß  auch  jene  Knüpfteppiche  zur  Schau  getragen,  welche 
die  parthischen  Eroberer  als  die  ersten  nach  dem  Iran  gebracht  haben."  Gegen 
diese  Vorstellungen  Riegls  möchte  ich  einige  Einwendungen  machen.  Zunächst  sei  die 
Überzeugung  vom  vielleicht  türkischen  Ursprünge  einer  bestimmten  Teppichgattung 
begründet,  die  ihrer  Art  nach  keine  Wahl  läßt  zwischen  Zentralasien,  dem  Kau- 
kasus oder  Osteuropa,  sondern,  zum  Zelte  gehörig,  Hochasien  als  Ausgangspunkt 
verlangt  und  den  Kaukasus  wie  Persien  oder  gar  Europa '  ausschließt.  Zwei- 
tens übersieht  Riegl  nicht  nur  die  alttürkische  sondern  unterschätzt  zugleich  die  No- 
madenkunst überhaupt.  Es  ist  nicht  lange  her,  da  hatte  man  auch  das  Chinesische  den 
Ethnographen  überlassen  —  in  Wien  ja  heute  noch.  Was  aber  ist  uns  die  altchine- 
sische Kunst  geworden,  seitdem  wir  begonnen  haben,  den  europäischen  bzw. 
Mittelmeerdünkel  zurückzuschrauben  und  einzusehen,  daß  es  doch  noch  andere  hoch- 
wertige Kunstströmungen  gegeben  hat  außer  der  antiken  und  italienischen!  Ich 
will  die  Xomaden  nicht  den  Chinesen  vergleichen;  aber  ihre  Kunst  muß  doch  wahr- 
scheinlich höher  gewertet  werden  als  Riegl  es  tut.  Der  „orientalische"  Teppich  der 
vorparthischen  Zeit  z.  B.  könnte  nach  dem,  was  wir  aus  der  sibirischen  Bronzezeit 
wissen,  bereits  die  geometrische  Ranke  verwendet  haben.  Träger  dieser  Gattung 
scheinen  Türken  oder  Saken  gewesen  zu  sein.  Ich  möchte  darauf  etwas  eingehen. 
Abb.  132  zeigt  eine  Silberschüssel  von  25,9  cm  Dm.  in  der  Ermitage  zu  Peters- 
burg, wohin  sie  nach  dem  Tode  ihres  früheren  Besitzers  gekommen  ist-.  Da  dieser 
ein  Stroganov  war,  stammt  sie  wohl  aus  dem  Gebiete  von  Perm.  In  dem  runden 
Felde  (Zeltr)  sitzt  auf  einem  Teppich  ein  Fürst  in  Vorderansicht  mit  überein- 
andergeschlagenen  Beinen.  Er  hält  eine  Trinkschale  in  der  Rechten  und  wird 
von  zwei  Dienerinnen3  und  zwei  Musikanten  begleitet,  unten  zwei  Löwen.  Diese 
Szene  kommt  sonst  nicht  auf  den  im  übrigen  sehr  verwandten  sasanidischen  Schüsseln 
vor4.  Auch  lassen  Haartracht  und  Krone  —  zwischen  einem  Flügelpaar  ein  Halbmond  — 


1)  Riegl  wollte  „Ein  orient.  Teppich  v.  J.  1202"  S.  30  f.  ein  Beispiel  des  selbständigen  europäischen 
Knüpfteppiches  beibringen.  Indessen  scheint  die  Technik  dort  wesenüich  älter.  Vgl.  Axel  Nilson's  „Ut- 
ställing  af  flossade  väfnader  en  kort  öfver  sikt"  gelegenüich  einer  Ausstellung  im  Nordischen  Museum  zu 
Stockholm  19 14.  Das  älteste  datierte  Stück  freilich  erst  von  1662.  Dazu  werden  zu  vergleichen  sein 
die  Funde  aus  der  Bronzezeit  im  Nationalmuseum  zu  Kopenhagen  (vgl.  Boye,  Fund  af  egekister  fra  bronze 
alderen  i  Danmark,  Aarbröger  1S91)  und  im  Museum  vaterländischer^  Altertümer  zu  Kiel  vgl.  Hahne, 
Brettchen webereistoffe  aus  Mohren)  und  Aufsätze  von  Direktor  Knorr  in  den  Museumsberichten  und  den 
Mitteilungen  des  anthropologischen  Vereines  für  Schleswig-Holstein. 

2)  Vgl,  Smirnor,   Östliches  Silber  Nr.  64,    Riegl,  Eid  orient.  Teppich  S.   16,  Mschatta  S.  284. 

dazu   auch  das  Bild  von  Kuseir  Amra,  Zeitschr.  f.  bild.  Kunst  N.  F.  XVIII  (1907)  S.  213  f. 
ammengestellt  von  Smirnov  a.  a.  O. 


I.  Die  Türkvölker  und  der  altaisehe  Kreis. 


157 


sich  vereint  nicht  mit  der  durch  Münzen  bezeugten  Art  der  sasanidischen  Herrscher 
in  Einklang  bringen1.  Smirnov  hält  die  Schüssel  daher  für  eine  spätere  Kopie  (etwa 
aus   den   ersten  Jahrhunderten  des  Islam),   oder,  was  eher  zuträfe,   für  das  Idealbild 


Abb.  132:  St.  Petersburg,  Ermitage:  Silberschüssel  mit  dem  im  Zelte  (?)  sitzenden  Fürsten. 


irgendeiner  der  damals  schon  legendären  Chosroesgestalten.  Ich  meine  nun,  daß  es 
garnicht  ausgemacht  sei,  in  dem  Bilde  gerade  einen  Sasaniden  sehen  zu  müssen. 
Weil  der  Kopf 2  und  die  stilistische  Mache  mit  der  Silberschüssel  Smirnov  6$  (Hormisd 
II  301 — 309)  übereinstimmt?    Ob  wir  hier  nicht  eher  den  Typus   eines  indosakischen 

1)  Vgl.  übrigens  oben  Abb.  57  und  die  Krone  des  Chosraw  II  Parwez  (592 — 628)   auf  einer  Silber- 
münze bei  Smith,  Cat.  of  the  coins  in  the  Indian  Museum  Calcutta  Taf.  XXIV,  11. 

2)  Vgl.  für  Bart  und  Flügelhelm  Le  Coq,  Chotscho  Taf.  28  rechts.    Für  den  Kopfschmuck  auch  LeCoq, 
Taf.  46  f.     Stein,   Ancieut  Khotan  Taf.  LXI. 


i5S 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


oder  türkischen  Fürsten  mit  der  als  sasanidisch  geltenden  Krone  vor  uns  haben:1 
Der  Sitztypus  mit  Dienenden  kehrt  später  in  seldschukischer  und  mongoli- 
scher Zeit  immer  wieder2.  Auch  in  den  Malereien  aus  dem  Turfan  ist  er  latent 
Man  vergleiche  bei  Grünwedel,  Altbuddhistische  Kunstätten  S.  47  die  Frau  mit  der 
Laute  aus  einem  Fresko  in  Ming-Öi  bei  Qyzyl  mit  der  Lautenspielerin  links  auf 
unserer  Schüssel.  Das  Fresko  enthielt  einen  thronenden  Dämonenfürsten,  umgeben 
von  seinem  Harem,  die  Lautenspielerin  befand  sich  dort  links  unten.  Im  übrigen 
kommt  auch  der  auf  einem  Sitzmöbel  thronende  sasanidische  Fürst  der  Chosroes- 
schale  in  Paris  (Smirnov  51) 3  unter  den  Stuckfigürchen  aus  Samarqand  in  der  Er- 
mitage vor,  deren  Veröffentlichung  YVesselowski  vorbereitet.     Davon  unten. 

Der  Teppich  nun,  den  die  Silberschüssel  vorführt,  zeigt  eine  Bordüre,  die  genau 
so,  d.  h.  mit  der  arabesk  ausrankenden  Spitze  der  Halbpalmette  auch  auf  den  alt- 
arabischen Grabsteinen  aus  Kairo  Typus  VI  vorkommt4.  Das  Innenfeld  selbst  wird 
ebenfalls  von  einer  Palmettenranke  gefüllt:  sie  entspringt  unten  in  der  Mitte  aus  einer 
Vollpalmette,  die  sich,  auf  langem  Stil  sitzend,  auch  seitlich  wiederholt.  Die  unor- 
ganische Zusammensetzung  der  Ranke  und  die  seltsame  Bildung  der  Vollpalmette 
haben  Parallelen  auf  der  Goldschale  vom  Kotschkar  vAbb.  99  u.  100)  und  der  sasani- 
dischen  Bronzeschüssel,  die  Abb.  95  gegeben  ist,  die  Ritztechnik  und  die  Rauhung 
des  Grundes  mit  dem  Punzen  in  Abb.  65  (Fuß)  und  98.  Für  die  geometrische  Ranke  als 
Randbordüre  eines  Teppichs  vgl.  ein  Gandhararelief  bei  Foucher,  L'art  greco-boud- 
dhique  S.  299. 

Daß  der  Teppich  mit  der  Palmettenranke  eine  im  mittelasiatischen  Gebiete  beliebte 
Art  war,  belegen  Beispiele  aus  Chinesisch-Turkestan.  Unter  den  im  Turfan  gefundenen 
Fresken  zeigt  Abb.  133  einen  solchen  Teppich  aus  einer  der  Pranidhi-Szenen  des 
Tempels  von  Bäzäklik5.  Wir  sehen  nach  Le  Coq  zu  Taf.  27  „einen  Greis  im  Kostüm 
der  buddhistischen  Mönche.  Seine  Kniee  ruhen  auf  einem  merkwürdigen  rechtecki- 
gen Teppich,  der  auf  rötlichem  Grunde  ein  gelbliches  Rankenmuster  zeigt.  Eine 
dunkelfarbige,  schmucklose  Einfassung  umgibt  den  Teppich:  besonders  auffallend 
sind  die  beiden  dunkeln  Dreiecke,  die  von  der  Einfassung  her  das  Muster  am  vor- 
deren Teile  des  Teppichs  unterbrechen.  Sollten  etwa  diese  Dreiecke  nur  die  zurück- 
geklappten Ecken  des  eigentlichen  Teppichs  sein,  den  man  auf  einer  Unterlage  von 
der  Farbe  seiner  eigenen  Rückseite  ausgebreitet  hatr"  Man  sehe  sich  nun  die 
Ranken musterung  etwas  genauer  an.     Die  Welle  setzt  sich  aus  langgestielten  Kreis- 


1)  Vgl.  die  Silbermünze  des  „Muhammad  the  Mahdi  of  Bukhara"  um  760  bei  Smith,  Taf.  XXIV,  14. 
Die  Musikanten  tragen  die  sakische  Jacke   mit  der  Schneppe  zwischen  den  Beinen.  Vgl.  Minns  S.  162.  197  f. 

2)  Riegl,  Ein  Orient.  Teppich  S.20  und  Amtl."Berichte  aus  den  kgl.  Kunstsammlungen  XXXV  ,1914)  S.1S7. 
Diesen  Typus  zeigen  auch  schon  indoskythische  Münzen  (Cat.  of  indian  coins  in  the  Brit.  Museum  Taf. 
XXV,  7  [Kadphises  II]  und  XXVIII,  10  Hooerkes].  Auf  Münzen  der  Kuschan  und  Gupta-Dynastien  wird 
er  dann  immer  häufiger.     Vgl.  Smith  a.  a.  O.  Taf.  XIII  f. 

3     Vgl.  damit  auch  das  Darmstädter  Elfenbeinkästchen  Bonner  Jahrbücher  Heft  108  9,  S.  276. 

4)  Vgl.  Der  Islam  II   S.  318  und  oben  S.  S6. 

5)  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  gesagt,  daß  eine  persönliche  Auseinandersetzung  mit  Dr.  v.  Le  Coq  be- 
friedigende Aufklärungen  bezüglich  der  von  mir  in  der  Üsterr.  Monatsschrift  für  den  Orient  XL  S.  74 
hervorgehobenen  Selbstverständlichkeit  ergab,  mit  der  man  die  Gemälde  aus  den  Höhlen  von  Turfan  ent- 
fernte und  die  ich  auf  Grund  von  Petersburger  Mitteilungen  und  vom  rein  wissenschaftlichen  gegenüber 
dem  Museumsstandpunkt  aus  als  unzulässig  erklärte. 


i.  Uie  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis. 


159 


läppen  zusammen,  die  entweder  paarweise,  wechselständig  oder  einzeln  auftreten  oder 
endlich  als  Füllung  in  der  Art  der  Gabelranke   e:n  Paar  entsenden,   das  durch  ein 


rundgezacktes  Segment  verbunden  ist. 


Abb. 


Tempel  von  Bäzäklik,  Wandbild:      Mönch  auf  Teppich  knieend. 


Der  Fall  steht  nicht  vereinzelt.  Eine  andere  Pranidhiszene  des  gleichen  Tempels 
Abb.  134  zeigt  einen  Bodhisatva,  der  nach  Le  Coq  Taf.  20  „in  voller  Waffenrüstung 
vor  einer  schmalen  hohen  Jurte  kniet,  deren  Außenwände  ein  rötliches  Rankenmuster 


i6o 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


verziert".  In  dem  Zelte  hängen  von  einem  Querstabe  Flasche  und  Korb  (?)  herab. 
Der  Bodhisatva  bringt  das  Zelt  Buddha  dar.  Man  beachte  die  Halbpalmetten 
am  Brustpanzer  und  das  Motiv  im  Kopfschmuck:  ein  Paar  gewellter  Kreislappen  durch 


Abb.  134:  Tempel  von  Bäzäklik.  Wandbild:     Zeltdarbringender  Bodhisatva. 


i.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis. 


161 


ein  rundgezacktes  Segment  verbunden  K  Der  Bodhisatva  nun  kniet  auf  einem  Teppich 
von  derselben  Art,  wie  ihn  Abb.  133  zeigte,  und  auch  das  Zelt  ist  mit  einem  Stoff 
(Teppich?)  bedeckt,  der  das  gleiche  Rankenmuster  mit  dem  krabbenartig  aneinander- 


Abb.   135:  Tunhuang:  Inneres  einer  der  Höhlen  der  1000  Buddhas. 


gereihten  Kreislappen  zeigt,  gefüllt  mit  dem  durch  das  rundgezackte  Segment  ver- 
bundenen Lappenpaar.  Ein  drittes  vorzügliches  Beispiel  findet  sich  bei  Le  Coq  Taf.  26 
links  oben,  wo  das  Muster  gar  auf  die  Dekoration  eines  Hauses  (Stuck?)  übertragen  ist. 

1)  Das   Motiv    kehrt    häufig    in    türkischen   und   chinesischen  Werken  wieder,    so  Nagy-Szent-Miklos, 
Krug   mit   der  Reiherlandschaft   oben  Abb.  65  und  Schale  8  (Hampel,  Alt.  III  Taf.  299  f.  und  318).    Dann 
auf  der  Kotschkarschale  (Abb.  99  u.   100),  in  den  Nimben  ostasiatischer  Gottheiten  Abb.   117  u.   118. 
Strzygowsk  i,  Altai.  *  * 


jg-,  IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 

Die  .Jurte",  das  Zelt  der  Nomaden,  wird  wohl  die  Geburtsstätte  des  „orientalischenu 
Teppichs  gewesen  sein  K  Welch  ausschlaggebende  Rolle  es  auch  sonst  in  der  Kunst 
Zentralasiens  gespielt  hat,  das  lehren  die  Fresken  des  Khotan,  Turfan  und  der  Höhlen 
von  Tunhuang.  Manche  Räume  ahmen,  wie  oben  S.  133  gesagt,  in  ihrer  Deckenaus- 
stattung unmittelbar  das  Zelt  nach.  Bei  der  Wichtigkeit,  die  dieser  Tatsache  zukommt, 
möchte  ich  davon  einen  anschaulichen  Beleg  in  Abb.  135  geben2.  Das  Zelt  ist  hier 
viereckig-  gedacht.  Man  sieht  oben  das  Zickzack  und  die  herabhängende  Posamen- 
terie  derLambrequinstreifen,  aufweiche  die  Schrägen  der  Eckbordüren  zulaufen.  Dann 
folgt  ein  Figurenstreifen  und  das  Hauptfeld  mit  den  tausend  Buddhas  (r),  hockende 
Gestalten,  in  Reihen  über-  und  nebeneinander,  die  so  sehr  an  die  Füllung  gotischer 
Portalbogen  erinnern.  Die  untere  Wand  setzt  wieder  mit  dem  Lambrequinmotiv  ein  und 
der  vortretende  mittlere  Wandteil  nimmt  sich  aus  wie  ein  herabhängender  Türvorhang. 

Das  „Lambrequinmotiv'  von  dem  seit  Bernini  wieder  so  ausgiebig  Gebrauch 
gemacht  wurde,  ist  ebenfalls  im  Zelt  geboren 3.  Davon  unten.  Die  Muster,  die  Kuppeln 
bzw.  Tonnengewölbe  der  Höhlenbauten  des  Turfan  und  in  Tunhuang  füllen  1  Abb.  126), 
scheinen  der  zentralasiatischen  Textilkunst  entnommen.  Ich  gebe  Abb.  136  noch 
ein  Beispiel  nach  einer  Aufnahme,  die  mir  S.  v.  Oldenburg  gütigst  zur  Verfügung 
gestellt  hat.  Es  ist  die  dekorative  Malerei  einer  Tonne  in  einer  der  Höhlen  am 
Murtuq4.  Man  sieht  an  beiden  Seiten  das  Lambrequinmuster,  dann  die  typisch  vier- 
teiligen Herzrosetten5  in  einem  schmäleren  und  die  wuchernde  geometrische  Ranke 
in  einem  breiten  Randstreifen.  Vielleicht  erkennt  mancher  bei  genauerem  Zusehen, 
daß  wir  die  Ranke  mit  dem  Kreisblatt  der  Teppiche,  nur  voller  und  reicher  in  Malerei 
übersetzt  vor  uns  haben.  Die  Mitte  füllt  ein  aus  „Pelten"  zusammengesetztes  Muster 
ohne  Ende.  —  Welche  Rolle  die  Lambrequins  heute  noch  im  Zelt  der  Turkmenen 
spielen,  habe  ich  Österr.  Monatsschrift  für  den  Orient  XL  (1914)  S.  75  f.  erwähnt. 

Das  Nomadenzelt,  das  Lambrequinmotiv  und  der  orientalische  Teppich  werden 
wohl  die  wissenschaftliche  Forschung  in  Zukunft  samt  den  zahlreichen  übrigen  Motiven, 
die  mit  dem  Zelt  zusammenhängen,  viel  beschäftigen.  Andere  Muster  des  mittel- 
asiatischen Teppichs  bei  Le  Coq  Taf.  30,  36,  44,  Stein,  Ancient  Khotan  Taf.  LXI,  und 
im  Pelliotschen  Material.  Ich  gehe  darauf  nicht  ein,  weil  ich  durchaus  nicht  über 
den  ältesten  Teppich  schreiben  will,  sondern  ihn  und  das  Zelt  lediglich  soweit  heran- 
ziehe, als  er  im  Gesamtaufbau  dieser  Arbeit  von  Bedeutung  ist6.     Es  fällt  auf,   da  Li 


1)  Dabei  verdient  Beachtung  eine  Steile  bei  Menander  über  die  oströmische  Gesandtschaft  des  Ze- 
marchos  nach  dem  Altai  zum  Großkhan  Dilzabul  (bei  Wirth,  Geschichte  Sibiriens  S.  55';,  wo  das  Gelage  in 
einem  Zelt  aus  Seidentüchern  von  verschiedener  Farbe  abgehalten  wurde.    Das  darf  wohl  als  Ausnahme  gelten. 

2)  Nach  Aurel  Stein,  Ruins  of  desert  Cathay  II  Taf.  160.  Vgl.  Aufnahmen  der  Pelliot-Expedition  in 
L'Art  decoratif  XII  11910)  S.  55  f.  Dazu  Wachsberger,  Stilkritische  Studien  S.  110  und  Ostasiat.  Zeitschr. 
IV  (1916)  S.  45.    (Diese  Zeitschrift  hat  mir  auch  entgegenkommend  den  Druckstock  zur  Verfügung  gestellt. 

3)  Vgl.  Österreichische  Monatsschrift  für  den  Orient  XL  (1914)  S.  75  t'.  Das  seltsamste  Beispiel  der 
Verwendung  des  Lambrequins  am  Grabturm  von  Radkan  bei  Meschhed  (s.  Abb.  142  . 

VgL  Grünwedel,  Alt.  buddh.  Kultstätten  S.  307. 

5)  Vgl.  darüber  Mschalta  S.  288  und  oben  S.  14  f. 

6)  Vgl.  übrigens  auch  meine  1  e-prechung  von  Martin,  A  history  of  orie&tal  carpet  im  Burlington  Maga- 
zine XIV  (1908)  Nr.  LXVI1  S.  25  ff.  Auffallend  ist  der  Farbenakkord  rot-gelb,  der  auch  in  Seidenstoffen  aus 
Ägypten  (vgl.  oben  S.  bz,  Anm.  2  und  in  der  Rankenornamentik  der  koptischen  und  in  merowingischen 
Handschriften  vorwiegt. 


I.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis. 


I63 


die  geometrische  Ranke,  die  ja  auch  noch  den  späteren  Perserteppich,  zum  Teil  na- 
turalistisch   umgebildet,    füllt,   im  Turfan    nicht   im  Zusammenhang   mit   dem    durch 


Abb.   136:  Murtuq-Höhle  4:  Deckenmalerei. 

einen  Mittelstern,  der  sich  in  Vierteln  in  den  Ecken  wiederholt,  angedeuteten  Muster 
ohne  Ende  auftritt.  Diese  Sonderart  des  Teppichs  scheint  nicht  türkischen  Ursprunges, 

11* 


./r  IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvclker. 

während  die  Vorliebe  für  die  geometrische  Ranke  an  sich  mit  der  Bedeutung  des 
Altai  als  Metallzentrum  zusammenhängt     Davon  gleich  mehr. 

Nur  auf  die  oben  Abb.  102  f.  vorgeführten  ungarischen  Taschenbleche  sei  noch 
mit  einem  Wort  verwiesen,  weil  sie  auf  eine  textile  Vorlage  zu  weisen  scheinen.  In 
ihrer  flächenfüllenden  Absicht  als  Muster  ohne  Ende  auf  Grund  der  geometrischen 
Ranke  bzw.  dem  arabesken  Ausranken  der  Palmette  scheinen  sie  gute  Beispiele  der 
Nomadenart,  wie  sie  textil  gewiß  nicht  nur  im  Wege  des  Teppichs  Eingang  nach 
dem  Westen  und  Süden  gefunden  hat.  Man  möchte  sich  in  der  Art  der  Taschen- 
bleche Pferdeschabracken  geformt  und  gemustert  denken.  In  solchem  Zusammenhang 
bekäme  auch  das  Motiv  des  oberen  Randes  der  Zierplatte  vonSzolyva  Abb.  97,  das  ich 
bereits  mit  dem  Lambrequinmotiv  verglichen  habe,  seine  Erklärung.  Davon  gleich  mehr. 

B.  Metallarbeit  (Xagy-Szent-Miklos}.  Neben  den  von  Frauen  in  der  Jurte  geübten 
textilen  Techniken  scheint  die  Metallarbeit  ein  Hauptgebiet  mittelasiatischer  Kunst- 
betätigung gewesen  zu  sein.  Beispiele  aus  dem  Osten  und  Westen  des  „Goldenen  Ge- 
birges", dem  Erzlande  des  Altai  wurden  ja  schon  oben  S.  lo5f.  mit  den  südsibirischen 
Bronzefunden  und  den  Silbersachen  des  Kotschkartales  vorgeführt.  Die  Türken  heißen 
direkt  ..Schmiede  des  Altai".  Xoch  am  Anfang  des  VI.  Jh.  n.  Chr.  wohnte  das  tür- 
kische Volk  im  Goldenen  Gebirge  und  beutete  dort  die  Bergwerke  aus1.  Ihre  kriege- 
rischen Erfolge  werden  nicht  zuletzt  den  Metallpanzern  und  Waffen  zugeschrieben2, 
die  sie  zu  schmieden  wußten.  Noch  Dschengis  Khan,  der  als  Schmied  auftritt,  hält 
diese  mongolische  Überlieferung  aufrecht.  Man  lese  darüber  Helmolt,  Weltgeschichte  II 
S.  154  nach.  Der  „goldene  Berg"  blieb  nach  türkischem  Gesetz  dem  obersten  Khakan 
vorbehalten3.  Dabei  ist  freilich  zu  beachten,  daß  die  Türken  noch  ein  zweites  Ge- 
birge als  ihre  eigentliche  Heimat  betrachteten,  Ütüken,  wohl  am  oberen  Orchon4. 
Zwischen  Altai  und  Ütüken  liegt  als  Zentrum  der  Ursprung  des  Jenissei.  In  diesem  Zu- 
sammenhange wäre  nun  der  Nachweis  wichtig,  daß  die  südsibirische  Bronzekultur  in 
der  Ausbildung,  die  wir  in  den  Jenisseifunden  im  Museum  von  Minussinsk  vor  uns 
sehen,  als  türkisch  gelten  kann.  Anfragen  bei  Ethnographen,  die  sich  ja  bis  jetzt  allein 
neben  den  Prähistorikern  um  solche  Fragen  bemüht  haben,  ergaben  freilich  Zu- 
stimmung. Immerhin  wird  zu  bedenken  sein,  daß  von  Westen  her  die  Saken,  also  Arier, 
bis  an  den  Altai  herangereicht  haben  dürften5.  Es  wird  daher  erwünscht  sein,  für 
die  türkische  Hypothese  einige  Belege  zusammengestellt  zu  sehen. 

Unter  den  östlichen  Schatzfunden  der  Völkerwanderungszeit  habe  ich  oben 
S.  34f.  einen  ausgeschieden,  der  wegen  des  Zurücktretens  der  Zellenverglasung  und  durch 


1)  Parker,  A  thousand  years  of  the  Tartars. 

j  Die  beginnende  Forschung  über  orientalische  Waffen  sollte  mit  dieser  Überlieferang  rechnen  UDd 
vorsichtig  sein,  wenn  sie  wie  Stöcklein  im  Münchner  Jahrbuch  I9'4'5  S.  1 10  und  115  Ornamente  im  Riegi- 
schen Sinne  sieht  und  dem  Ursprung  nach  bestimmt.     Vgl.  oben  S.   107. 

3  Vgl.  Wirth,  Geschichte  Sibiriens  S.  61. 

4  Vgl.  Barthold,  bei  Radioff,  Die  alttürkischen  Inschriften  X.  F.  S.  27  des  Anhanges. 

;  Ferner  möchte  ich  auf  eine  Bemerkung  von  Barthold  in  Radioffs  „Die  alttürkischen  Inschriften" 
X.  F.  Anhang  S.  19  verweisen,  der  daran  erinnert,  daß  einst  die  Kirgisen,  „die  ursprünglich  zu  den  arischen 
Völkern  gehört  haben",  am  oberen  Jenissei  wohnten.  Wenn  aber  das  dabei  in  Betracht  kommende  „Land 
und  Wasser  Kögmen"  die  Gegend  am  Fuße  des  TaDgnu-Ola-Gcbirges  ist,  dann  sei  gesagt,  daß  die  Bronze- 
funde alle  vom  mittleren  Jenissei  auf  russischem  Gebiet  stammen.  Aber  freilich  schließt  das  nicht  aus,  daß 
sie  auch  am  chinesischen  Oberlauf  vorkommen  dürften. 


i.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis. 


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Abb.  137:  Inschriften  der  Goldgefäße  von  Nagy-Szent-Miklos. 


i6ö 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvolker. 


Verwendung  einer  anderen  Art  farbiger  Füllungen  auffällt;  es  ist  der  Schatz  von 
Xagy-Szent-Miklos.  Mag  auch  die  Gruppe  der  Krüge  mehr  dem  indo-iranischen 
Kreise  verwandt  sein,  die  Schalen  mit  dem  Stab-  und  Tierornament  (Abb.  66) 
scheinen  doch  dem  Zentralasiatisch-Chinesischen  näherzurücken. 

Es  ist  daher  von  vornherein  verlockend  zu  glauben,  daßSupka  recht  haben  könnte 
wenn  er  die  bis  jetzt  nicht  gelesenen  „Runen"  des  Schatzes  von  Nagy-Szent-Miklos 
für  alttürkisch  ansieht.  Sie  sind  bei  Hampel,  Der  Schatzfund  S.  69  zusammengestellt 
(Abb.  137).  Wir  dachten  an  nabatäische  Parallelen,  wie  sie  Dussaud  veröffentlicht  hat. 
Aus  der  griechischen  Inschrift  einer  Schnallenschale  aber  hatte  ich  freilich  schon  18971 
auf  altbulgarischen  Ursprung  geschlossen,  weil  sie  Titel  und  Namen  enthält,  die 
auch  auf  den  Inschriften  der  aus  der  Kirche  vor  den  Mauern  von  Pliska-Aboba 
stammenden  Säulen  vorkommen,  die  jetzt  im  Museum  zu  Sofia  und  der  Vierzig- 
Märtyrerkirche  zu  Tirnowo  aufbewahrt  werden2. 

Die  Inschrift  der  Schale  (Abb.  138)  lautet: 
+  BOYHAA  •  XOAHAN  •  TGCH  •  AyrGTOirH  • 
BOYTAOYA  •  XCÜAHAN  •  TArfOri  I  •  HTZITH  • 
TAICH. 

Die  beiden  Säuleninschriften  beginnen:  Käi>a(g) 
vßr/i  OtuoiQiay  und  Kdvsg  vßvytj  MaZatu?'jQ.  TCtJta 
ßoyoxbg  ßotjXä  zov/.ovßgog  r,xov  xt/..  Das  in  der 
ersten  Säuleninschrift  hinter  xv.vaq  stehende  vßr/i  er- 
innert an  die  auf  der  Schale  nach  Zoajtav  stehenden 
Worte,  welche  alle  auf  /;;  endigen.  Keil3  hatte  sie 
für  homogen  und  zwar  für  Titelbezeichnungen  ange- 
sehen. Für  vßiyi,  das  auch  in  der  Form  vßrjyt]  oder 
vßvyt}  vorkommt4,  schlägt  der  Herausgeber  der  In- 
schrift vor,  es  dem  kumanisch- türkischen  öweghii, 
öwghii  „erhaben,  gepriesen"  entsprechend  anzusehen. 
In  der  zweiten  Säuleninschrift  steht  neben  demselben  vßvy/j  anscheinend  auch  noch 
das  zweite  auf  unserer  Schale  vorkommende  Wort  ßov/j/.a  =  ßort).a,  das  der  Heraus- 
geber wie  Kondakov5  auf  das  altslavische  boljärin,  Plural  boljäre  deutet,  das  als 
Ausdruck  für  den  höheren  bulgarischen  Adel  auch  aus  den  byzantinischen  Quellen 
des  9.  bis  11.  Jahrhunderts  wohl  bekannt  sei.  G.  v.  Nagy  hatte  diese  Richtung  der 
Deutung  schon  1896  aufgenommen.  Doch  war  mir  seine  ungarische  Schrift  1897 
nicht  bekannt.     Er  schloß  auf  einen  awarisch-bulgarischen  Khan  als  Besitzer. 

War  also  soweit  Datierung  und  ethnische  Zuweisung  in  die  Wege  geleitet6,  so 
kommen  jetzt  die  Inschriften  dazu,  die  Abb.  137   vereinigt  zeigt     Supka  macht  den 


Abb.  138:  Wien,  Hofmuseum,  Nagy- 

Szent-Miklosschatz:  Boden  derBuela- 

Butaul-Schale. 


I)  Byzantinische  Zeitschrift  VI  S.  585  f. 

-     Vgl.  die  Publikation  des  russ.  archhol.  Instituts  über  Pliska-Aboba  und  Archäologisch-epigraphische 
Mitteilungen  aus  Österreich-Ungarn  XIX  (1896)  S.  237  f.  3)  Repertorium  f.  Kunstwiss.  XI  S.  256  f. 

4)  Arch.-epigr.  Mitt.  XVII   S.  149  Nr.  72  und  CIG  IV  n.  8691  b. 

5    Geschichte  und  Denkmäler  des  byzantinischen  Emails  S.  39. 

Immerhin  ist  zu  beachten:  Kanita  heißt  ein  Sake  in  Südrußland  (Justi,  Iran.  Namenbuch  S.  155) 
und  einer  im  Rigweda  (666  =  VIII,  46).  Darin  ist  ita  Endung.  Malamir  erinnert  an  gotisch  Walamir  (vgl. 
auch  Bowila),  O-murta-g  an  den  MovgSayo^  in  Olbia  (Justi  a.  a.  O.  S.  218). 


I.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis.  I67 

Versuch  auf  Grund  der  von  Nagy  unternommenen  mittelasiatischen  Vergleiche  weiter- 
zubauen *.  Die  Voraussetzung  des  Versuches  bildet  die  Annahme,  daß  die  einzelnen 
Schriftzeichen  gegenüber  den  mongolischen2  a)  eine  epigraphische  Vorstufe,  b)  eine 
Abwandlung  von  der  dortigen  lapidaren  bis  zu  der  handschriftlichen  Technik  des 
Schatzes  und  endlich  c)  eine  Adaptierung  der  lapidaren  Brähml-Lettern  der  Zeit  um 
Chr.  Geb.  für  die  alttürkische  Phonetik  bedeuten.  Dieses  Vorgehen  ergab  eine  Lesart, 
der  zufolge  sich  die  Aufschriften  inhaltlich  in  zweierlei  Gruppen  teilen.  Die  erste 
(Nr.  14,  13,  12,  11,  8,  6  b,  7,  9,  5  b,  15),  in  technischer  Beziehung  ganz  primitive, 
flüchtig  hingeworfene  Gruppe  von  Bodeneinritzungen  birgt  Worte,  die  flüchtige  Be- 
merkungen eines  Goldschmiedes  —  entweder  des  Verfertigers  oder  Ausbesserers  des 
Schatzes  —  darstellen.  Dieselbe  Gruppe  (Nr.  loa,  lob  und  die  Vorschrift  auf  16) 
mit  technisch  klarer  gefaßten,  doch  noch  immer  in  der  leichten  Ritztechnik  ein- 
gegrabenen Wortfolgen  gibt  dann  auch  solche  Aufschriften,  die  später  durch  den 
Graveurstichel  endgültig  ausgeführt  werden"  sollten.  Früher  las  Supka  in  dieser  Gruppe 
den  Namen  einer  Verlobten  Kulai-khan,  Tochter  Ülgens.  Die  zweite  Gruppe  (Nr.  1 
bis  5  a,  6  a),  in  deren  Art  und  Weise  offensichtlich  baktrisch-griechische  Einflüsse 
zu  erkennen  sind  —  sie  stehen  technisch  der  griechischen  Inschrift  der  Taufschale, 
sowie  der  türkischen  Inschrift  der  Buela-Butaul-Schale  des  Schatzes  nahe  — , 
sind  endgültig  ausgeführte,  lapidar  eingegrabene  Inschriften.  Es  ist  dies  erstens  die 
(abgesehen  von  ganz  unwichtigen  Varianten)  stereotyp  fünfmal  wiederkehrende 
Namensformel  des  Inhabers,  der  Lesung  folgend  „Yduk  (Fürst)  Tai-peg",  zweitens 
eine  Opferformel  (Nr.  l  a  und  l  b) :  „Kudahu  Kungan  Kojgan  Oi"  =  der  Fürst 
lobpreist  mit  dieser  Schale. 

Ich  führe  die  Ergebnisse  des  Lesung  Supkas  an,  ohne  ihnen  in  diesem  Buche 
mehr  zu  entnehmen,  als  daß  die  Inschriften  alttürkische  seien3.  Supka  selbst  legt  auf 
dieses  Ergebnis  das  Hauptgewicht  und  sieht  wegen  der  Vokalisation  Abweichungen 
der  Lesung  und  Deutung  voraus.  Der  alttürkische  Dialekt,  in  dem  die  auf  die  Ver- 
fertigung des  Schatzes  selbst  bezüglichen  Inschriften  verfaßt  seien,  wäre  heute  durch- 
gehends  in  den  südöstlichen  Gebieten  des  zentralasiatischen  Türkentums:  im  Uigu- 
rischen,  Teleutischen  und  Ostturkestanischen,  folglich  durchwegs  an  den  Abhängen 
des  Altai  zu  finden.  Auch  für  mich  wäre  nur  diese  allgemeinste  Feststellung  wichtig. 
Zeitlich  würde  ich  daraufhin  gern  um  Jahrhunderte  in  der  Datierung  hinaufgehen. 
Doch  das  sind  Fragen,  die  erst  behandelt  werden  können,  wenn  die  Grundfragen, 
die  in  diesem  Buche  aufgeworfen  werden,  sich  zur  Anerkennung  durchgesetzt  haben 
und  Kunsthistoriker  durch  Expeditionen  wie  Ausgrabungen  nach  dem  Gebiete  der 
Nomaden  und  Nordvölker  mehr  Material  herbeigeschafft  haben.  Vorläufig  wird  man 
sich  zum  Vergleiche  halten  können  an  Silbergefäße  aus  den  Gouvernements  Wjatka, 
Tomsk  und  Sibirien  überhaupt,  die  Smirnov,  Östliches  Silber  Tafel  XCII  zusammen- 

1)  Arch.  Ertesitö   1915  und  Monatshefte  für  Kunstwiss.  IX  (1916)  S.  13  f. 

2)  Davon  am  Schlüsse  des  Buches.     Das  Folgende  ist  von  Dr.  Supka  selbst  richtig  gestellt. 

3)  Von  anderer  Seite  werden  sie  ebenfalls  als  solche  anerkannt,  aber  anders  gelesen.  Vgl.  z.  B. 
Mesjaros  in  der  „Ethnographie"  I,  1915  und  in  der  gleichen  ung.  Zeitschrift  die  Antwort  darauf  von  Sebestyen. 
Mesjaros  hält  die  Inschriften  für  das  älteste  türkische  Schriftdenkmal,  älter  als  die  Stelen  an  Jenissei, 
Orchon  und  Selenga,  von  denen  unten  zu  sprechen  sein  wird ;  er  datiert  sie  etwa  aus  dem  V/VI.  Jh.  Vgl. 
auch  v.  Karabacek,  Anzeiger  der  phil.-hist.  Kl.  d.  Ak.  d.  Wiss.  in  Wien,   1916,  S.  9  f. 


I^g  IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 

gestellt  hat  und  die  ziemlich  genau  die  gleichen  in  Haarstrichen  eingeritzten  In- 
schriften auf  dem  Außenboden  zeigen,  wie  die  erste  Gruppe  von  Nagy-Szent-Miklos. 
Melioransky,  der  sie  bearbeitet  hat1,  setzt  Nr.  168  ins  VIII IX.  Jh.  Wichtig  ist,  daß 
dieser  silberne  Henkelkrug  als  Kaufgeschenk  für  die  Braut  an  die  Verwandten  ver- 
schenkt wurde,  also  bei  der  Werbung  Verwendung  fand,  wie  Supka  zuerst  auch  auf 
dem  ungarischen  Schatze  las.  Nr.  170  frühestens  aus  dem  VII.  Jh.  zeigt  einen  Stempel  und 
zwei  Namen,  wohl  des  Besitzers.  Auf  169  liest  Melioransky  den  Namen  der  Stadt 
Legucen  in  der  Mongolei  oder  eine  Preisangabe.  Interessant  sind  dann  auch  die 
Silbergefäße  vom  Jenissei  und  Altai  bei  Smirnow  Nr.  1S1 — 193,  199 — 219  und  318, 
die  entweder  henkellose  Krüge  mit  Ringfuß  und  Schulterleiste,  aber  ohne  sonstigen 
Schmuck,  oder  Pokale  von  der  Art  derjenigen  aus  Poltawa  sind  (vgl.  oben  S.  50)  mit 
halb  chinesischen  Arabesken  sowohl  von  der  geritzten  Art  (wie  sie  im  Nagy-Szent- 
Miklos-Schatz  am  Fuße  der  Gefäße  Nr.  6  und  7  vorkommen,  die  oben  Abb.  59  ge- 
geben sind),  wie  von  der  plastischen  Art  auf  gerauhtem  Grunde.  Vgl.  auch  Smirnov 
Nr.  110,  1123  aus  Wjatka.  Wird  also  durch  diesen  Vergleich  mit  sibirischen  Silber- 
sachen bestätigt,  was  schon  die  Inschriften  zu  lehren  scheinen',  so  spricht  vor  allem 
auch  das  Ornament  aus  Kreisstäben,  von  dem  oben  S.  129  als  einem  auch  in  China 
nachweisbaren,  die  Rede  war,  für  die  engen  Beziehungen  des  Schatzes  zum  sakisch- 
türkischen  Kunstkreise.  Freilich  entsteht  dabei  eine  Schwierigkeit  Die  Buela-Butaul- 
Schale  (Abb.  1381  zeigt  auf  dem  Boden  innen,  ganz  aus  Kreisstäben  zusammengesetzt, 
1  wie  Abb.  122  f.)  ein  Kreuz2;  da  ein  solches  auch  am  Anfang  der  Inschrift  steht,  so 
kann  an  dem  christlichen  Charakter  dieses  Stückes  nicht  gezweifelt  werden.  Von 
den  sog.  Taufschalen  wird  noch  zu  reden  sein;  auch  sie  bestätigen  den  christlichen 
Einschlag.  Doch  stammen  auch  die  verwandten  altbulgarischen  Säuleninschriften 
aus  einer  christlichen  Kirche.  Man  wird  also  annehmen  müssen,  daß  sakische  oder 
türkische  Handwerker  für  zum  Christentum  Übergetretene  arbeiteten;  sie  haben  dabei 
kaum  etwas  von  ihrer  asiatischen  Eigenart  aufgegeben. 

Als  ein  besonders  gutes  Beispiel  dieser  auf  die  Kreisstäbchen  gestellten  Orna- 
mentik sei  hier  (Abb.  139)  noch  eine  der  beiden  Goldpfannen  mit  verziertem  Stiel 
<  Hampel  Nr.  1 5  u.  16")  abgebildet.  In  der  Mitte  des  geriefelten  Bodens  der  Drache  wie  auf 
der  Dose  Abb.  122,  umgeben  von  dem  gedrehten  Wulst,  der  oben  S.  3  auch  auf  dem 
Goldpokal  aus  Albanien  beobachtet  wurde.  Am  Rande  die  gleiche  Stäbchenpalmette, 
die  schon  auf  der  Schale  mit  Tierkampf  Abb.  66  vorgeführt  worden  ist.  Das  wert- 
vollste Muster  aber  weist  die  Füllung  des  gewellten  Griffes  auf:  oben  drei  T-förmige 
Stäbchenranken  übereinander  und  unten  um  ein  mittleres  Kandelabermotiv3  zwei  sym- 
metrische Einrollungen,  alles  so  durchaus  beschränkt  auf  das  Motiv  des  Kreislappens, 
daß  trotz  der  fast  rokokoartigen  Behandlung  der  flächenfüllenden  Motive  doch  kein 
Zweifel  an  der  Zugehörigkeit  zum  alttürkischen  Kunstkreise,  wie  ihn  die  Messer  vom 
Jenissei  zuerst  anzunehmen  forderten,  entstehen  kann. 

Auf  dem  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklos  begegnet  die  geometrische  Ranke  so- 
wohl im   Schrägschnitt  (vgl.  oberen  Rand   von  Abb.  60  und  64)  wie  als  Stäbchen- 

1)  Vgl.  Byz.  Zeitschrift  XVIII  S.  678. 

2  Mschatta  S.  319  erscheint  im  Mittelmedaillon  von  Abb.  93  ebenfalls  ein  Kreuz  dieser  Art  —  aber 
ohne  christliche  Bedeutung.  3)  Vgl.  dafür  Zeitschrift  f.  Gesch.  d.  Architektur  VII  (1916)  S.  77. 


i.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis. 


169 


ranke  mit  im  Tiefendunkel  eingeschlagenen  Strichpunktornamenten  (Abb.  66).  Auf 
den  Teppichen  mit  der  geometrischen  Ranke  aus  dem  Turfan  ist  die  Zusammen- 
setzung aus  Stäbchen  bezeichnend.  Man  möchte  daher  glauben,  daß  ihre  Einführung 
nur  im  Gebiet  des  Altai   bezvv.  Ütüken  zusammen  mit  der  in   der  Metalltechnik  da- 


Abb.   139:  Wien,    Kunstbist.  Hofmuseum,  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklos:  Goldpfanne. 

für  entstandenen  Vorliebe  erklärbar  sei.  Eine  textile  Ornamentik  von  vornherein  ist 
das  nicht.  Dagegen  scheint  ein  Motiv  der  Krüge  von  Nagy-Szent-Miklos  nur  als 
Behang  mit  Fransen  oder  in  Leder  erklärlich. 

C.  Das  Zattel-(Lambrequins-)Motiv.  Es  wird  jetzt  kaum  noch  verwunderlich  er- 
scheinen, wenn  wir  in  den  vorhergehenden  Abschnitten  immer  wieder  auf  Hochasien 
und  Kunstkreise  hinweisen  konnten,  die  sich  mit  dem  zentralasiatischen  berühren,  wie 


I  -q  IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 

China,  Indien  und  Persien.  Hier  sei  noch  im  besonderen  eingegangen  auf  das  seit 
Beginn  der  Forschung  über  den  Schatz  von  S.  Miklos  zum  Steckenpferde  der  Kunst- 
forschung gewordene  „Zangenornament",  von  dem  schon  oben  S.  55  die  Rede  war 
i^Abb.  60).  Es  hängt  vom  Halswulst  des  Kruges  herab  in  einer  Reihe  dreieckiger  im 
Schrägschnitt  zu  einem  Mittelgrad  ansteigender  Zatteln,  die  da  wo  sie  zusammen- 
stoßen durch  einen  Kreispunkt  verbunden  sind.  Hampel  (Der  Goldfund  S.  95)  leitet  das 
Motiv  ab  von  dem  Blattüberfall  auf  den  anderen  Krügen  und  meint,  der  Goldschmied 
des  Kruges  mit  dem  „Zangenornament"  habe  die  ursprüngliche  Bestimmung  nicht  mehr 
gekannt,  was  kaum  glaublich  ist,  da  die  Krüge  ja  einheitlich  entstanden  scheinen.  Die 
Sache  gewann  an  Interesse,  da  das  gleiche  Ornament  auch  am  Theodorichsgrabe,  an 
einem  Panzer  mit  Zellenverglasung  ebenfalls  in  Ravenna  und  zahlreichen  germanischen 
Altsachen  in  Bronze1  nachweisbar  ist.  Die  einen  rieten  auf  eine  Verballhornung  des 
lesbischen  Kymas,  andere  auf  eine  Herübernahme  aus  der  altgermanischen  Holz- 
technik usw.  Zuletzt  hat  gar  M.  Händel  in  einer  mühsamen  Dissertation  das  „Scheiben- 
dreieck" auf  einen  uralten  Sonnenkult  zurückführen  wollen2.  Bleiben  wir  bei  der  Form, 
die  das  Ornament  auf  dem  Kruge  von  Nagy-Szent-Miklos  bat,  so  scheint  auch  dafür 
ein  chinesisches  Beispiel  näher  zu  liegen  als  alle  übrigen.  Abb.  140  zeigt  einen  Por- 
zellankessel (Ting)  von  23  cm  Höhe  und  28  cm  Dm.,  den  ich  im  Besitze  von  G.  D. 
Hornblower  in  Kairo  fand.  Er  ist  mit  Ornamenten  in  brauner  Glasur  übersponnen. 
Die  Metallhenkel  sind  verloren.  Man  sieht  zwei  gehörnte  Drachen3,  die  eine  Tafel  in 
die  Mitte  nehmen,  auf  der  unter  der  Glasur  eine  Inschrift  angebracht  ist.  Eine 
andere  längere  auf  der  Rückseite,  wo  zwischen  den  Füßen  naturalistisch  gebildete 
Rosen  angebracht  sind.  Dieses  einzigartige  Denkmal  setzt  sein  Besitzer,  ein  guter 
Kenner  chinesischer  Kunst,  in  die  Periode  der  Sung  (960 — 1280)4.  Uns  interessiert 
vor  allem  der  obere  Rand  des  Gefäßes.  Dort  sehen  wir  die  Reihe  der  hängenden 
Dreiecke  und  auf  ihnen  kreisrunde  Bossen  mit  einem  Punkt  darauf5.  Das  ist,  sobald 
die  Form  in  die  Ebene  übertragen  wird,  das  „Zangenmuster".  So  besteht  also  auch 
bei  diesem  Motiv  die  Möglichkeit,  daß  es  wieder  nicht  aus  dem  westlichen,  sondern 
aus  dem  mittel-  bezw.  ostasiatischen  Gestaltenbereiche  zu  erklären  sei6.  Auch  dürfte 
zu  überlegen  sein,  ob  nicht  das  in  Samarra  so  beliebte"  und  verkehrt  auch  in  der 
Moschee    des   Ibn    Tulun8   in    Kairo    durchweg   als    obere   Abgrenzung    der   Wand 


i)  Vgl.  Haupt,  Die  älteste  Kunst  der  Germanen  Abb.   15  und  Si. 

2)  Untersuchungen  über  den  Ursprung  des  Zangenfrieses  1913. 

3)  Man  vergleiche  damit  das  gehörnte  Flügeltier  auf  dem  Taschenschild  von  Bezded  Abb.  9S  und 
die  sonst  übliche  Verwendung  des  chinesischen  Drachen  im  islamischen  Westen  („Amida"  S.  83  f.). 

4)  Was  nach  Bachell,  L'art  chinois  S.  201  f.  doch  wohl  zu  früh  ist.  Für  das  frühe  Vorkommen  des 
Drachen,  vgl.  übrigens  Amida  S.  I26f.  und  353  und  die  Stele  von  Singan  Fu  vom  J.  781  (Monatshefte 
1.  Kunstwiss.  VIII  19 15  S.  358),  sowie  dem  alttürkischen  Grabstein  des  Kül  Tegin  vom  J.  731  bei  Radloff, 
Atlas  der  Altertümer  der  Mongolei  Taf.  XI,   1.     Vgl.  ebenda  Taf.  XXX. 

5)  Das  Ornament  kehrt  am  Bauche,  von  den  Drachen  verdeckt,  nochmals  wieder. 

6)  Man  vergleiche  damit  auch  die  herabhängenden  Zacken  in  Dreieckform  mit  den  beiden  Streifen 
auf  den  ältesten  chinesischen  Bronzegefäßen,  auf  die  ich  S.  ii4f.  aufmerksam  machte.  Näheres  darüber  bei 
v.  Hoerschelmann,  Entwicklung  der  altchinesischen  Ornamentik  S.  10.  Die  Chinesen  bezeichnen  diese 
Schmuckform  als  Zikade.     Vgl.  oben  S.  138. 

Vgl.  Viollet,  Fouilles  ä  Samarra  (191 1)  Tafel  VIII  und  XVII.     Herzfeld,  Vorl.  Bericht  S.  23. 
8)  Vgl.  Mschatta  S.  346  und  v.  Berchem,  CIA  Tafel  XIV. 


I.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis. 


171 


verwendete     Streifenmuster     von    Scheibe    und    Rundlappen1     darauf   zurückgehen 
könnte. 

Frage  ich  nun  nach  dem  Ursprünge  des  Gestaltmotivs,  so  liegt  wegen  des  Ortes 
der  Anbringung  und  der  hängenden  Wirkung  nahe,  an  ein  Gebiet  zu  denken,  das 
oben  bereits  berührt  wurde,  das  Zelt  und  die  Lambrequins  im  besonderen.   Ich  habe 


Abb.   140:  Kairo,  Sammlung  Homblower:  Porzellankessel  (Ting). 

von  diesen  „Zatteln"  Abb.  126  und  135  Beispiele  gegeben.  Man  sieht  am  äußersten 
Rande  der  Deckenornamente  die  Folge  hängender  Dreiecke2  und  auf  jedem  Drei- 
eck eine  Rosette.  Hier  ist  das  ursprüngliche  Gestaltmotiv  schon  stark  in  Form 
gebracht.     Doch  begegnen  in   den  Malereien  des  Turfan   auch  ganz  reale  Nachbil- 

1)  Vgl.  übrigens  Viollet  a.  a.  O.  Taf.  XVII,  1  und  VII. 

2)  Solche  auch  häufig  auf  südsibirischen   Bronzen.    Vgl.  Martin  a.  a.  O.  '^s.  S.  162,  Anna.  6)  passim. 


172 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Xordvölker. 


düngen  des  Lambrequins.  Ein  Beispiel  hat  Grünwedel  in  seinem  Idikutschari- 
Bericht  abgebildet1,  das  ich  Abb.  141  wiederhole.  Dort  sieht  man  unten  geraffte 
Stoffstreifen,  an  die  Schellen  genäht  sind.  Sie  bilden  nicht  die  eigentlichen  Zatteln, 
die  darüber  in  den  bezeichnenden  Dreiecken  erscheinen.  Zatteln  oder  Lambrequins 
sind  Streifen,  die  am  Äußern  (und  im  Innern?)  des  Zeltes  die  Fuge  der  aufstreben- 
den und  deckenden  Teile  schließen.  Sie  sind  öfter  eine  Bortenwirkerei  (Posa- 
oder  Passementerie)  mit  Klapperblechen  oder  bisweilen  vielleicht  in  Leder  gearbeitet 
und  gewöhnlich  vom  Vorhang  getrennt  verwendet.  Man  sehe  daraufhin  die  Tafeln 
bei  Chavannes  CXXXIX — CLVII  aus  Jun-kang  nach. 

Es  ist  nicht  unmöglich,  daß  die  ur- 
sprünglich für  das  Altaierzelt  charak- 
teristische Form  des  Lambrequins  auch 
in  die  Architektur  Eingang  gefunden  hat. 
Abb.  142  zeigt  eineAufnahmevonE.Diez 
nach  dem  Turm  von  Radkan  bei  Kut- 
schan,  einem  Seldschukendenkmal  etwa 
des  XII.  Jh.  in  Chorasan.  Man  sieht 
dort  unter  dem  pyramidalen  Dach  zu- 
nächst Reste  der  arabischen  Inschrift, 
dann  beginnen  jene  vertikalen  Wülste, 
die  den  ganzen  Bau  gleichmäßig  um- 
geben und  am  oberen  Ende  überdeckt 
sind  von  jenem  Motiv,  das  ich  hier  be- 
spreche. Es  ist,  möchte  man  glauben, 
das  Lambrequin,  das  nicht  einfach  drei- 
sondern   geschweift    mit 


WJ^W 


eckig, 


ange- 


Abb.   141:   Sengyma'uz,    Höhle:  Deckenborte  der 
Wandmalerei. 


hängten  Kreisen  gestaltet  ist.  Die  Sache 
gewönne  an  Wahrscheinlichkeit,  wenn 
sich  nachweisen  ließe,  daß  diese  Turme 
Grabtürme  sind  und  die  Mongolen  einst 
ihre  Toten  in  Zelten  beizusetzen  liebten-. 
Das  Lambrequin  würde  dann  die  Fuge 
decken,  wo  die  Zeltstangen  und  die  Decke  (Abb.  134)  aufeinanderstoßen. 

Ich  komme  hier,  ohne  es  zu  wollen,  in  der  Deutung  des  Gestaltmotivs  in  das 
Fahrwasser  von  Semper  bezw.  seiner  Nachfolger.  Aber  die  Nomadenkunst  Hoch- 
asiens, die  Riegl  öfter  übersehen  hat,  bietet  dazu  einen  gerechten  Anlaß,  der  freilich, 
wenn  man  alles  und  jedes  auf  Ägypten  und  Hellas  zurückführt  und  hinter  dem 
Euphrat  und  Tigris  eine  wissenschaftliche  Mauer  zieht,  nie  zur  Geltung  kommen  konnte. 
Nun  sie  fällt,  wird  manches  nachzuprüfen  sein.  So  z.  B.  die  Frage  nach  dem  Ur- 
sprung des  „Blättersturzes"  am  Halse  der  Krüge  von  Nagy-Szent-Miklos,  an  der 
Stelle,  wo  wir  auch  den  „Zangenfries"  auftreten  sahen,  den  die  Goten  nach  Westen 
trugen.     Man    betrachte    daraufhin  oben  Abb.  59  und  65  und  wird  vielleicht  finden, 


1  1  Abh.  d.  pliilos.-philol.  Kl.  der  bayr.  Ak.  d.  Wiss.  XXIV  (1909)  Taf.  XXIII.      Danach  Abb.   141. 
1.  darüber  Diez  in  dem  Chorasan-Reisewerke  meines  Instituts. 


I.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis. 


173 


daß  die  Fiederung  der  Ränder  für  den  textilen  Ursprung  des  Motivs  als  „Fransen" 
ebenso  spricht  wie  das  Kreismuster  ohne  Ende,  das  den  Bauch  der  Gefäße  schmückt. 
Auch  die  Reiherlandschaft  ist  auf  den  Palmettenstoffen  zu  finden1.  Das  Lambrequin 
scheint  mit  dem  chinesischen  Porzellan  auch  auf  das  Abendland  übergegriffen  zu 
haben.  Es  kommt  an  der  Stelle,  an  der  wir  es  an  den  Krügen  von  Nagy-Szent- 
Miklos  sehen,  auch  noch  auf  Meißner  Porzellanen  vor2. 

Ich  kehre  nun  wieder  zu  dem  Leitmotiv  dieses»  Buches,  der  geometrischen  Ranke 
zurück,  von  der  oben  S.  128  gesagt  wurde,  daß  sie  ihren  Ursprung  in  Hochasien  haben 
könnte.  Abb.  141  nach  einer  gewissenhaften  Zeichnung  von  Grünwedel,  bietet  klare  Aus- 


Abb.   142:  Radkan,  Seldschukischer  Grabturm:  Zattel-(Lambrequins-)Fries. 

kunft  darüber,  wie  eine  solche  Ranke  ohne  ausgesprochen  griechischen  Einfluß  aussieht. 
Man  versuche  darin  etwas  Pflanzliches  oder  auch  nur  die  reine  Palmette  nachzuweisen, 
d.  h.  sie  von  der  Mittelmeerkünst  abzuleiten.  Sie  ist  der  nordasiatische,  auf  die  Spirale 
zurückgehende  Vorläufer  der  Arabeske,  der  dem  Chinesischen  ebenso  nahe  steht,  wie 
dem  Iranischen.  Vor  allem  ist  die  Verdoppelung  der  Lappen  bezeichnend,  die  dann 
in  der  armenischen  und  byzantinischen  Miniaturenmalerei  eine  so  große  Rolle  spielen 
sollte.  Die  Füllungen  der  inneren,  schmäleren  Lambrequins  zeigen  Teile  von  Herz- 
und  Spiralrosetten. 

D.  Der  geometrische  Schnörkel.  Die  Vorliebe  Mittelasiens  für  die  geo- 
metrische Ranke  zeigt  nicht  nur  die  Wandmalerei.  Auch  in  der  arabischen  Kalligra- 
phie der  Türken  gibt  sie  noch  als  Ziermotiv  neben  den  Buchstaben  selbst  den  Ausschlag. 


1)  Vgl.  Jahrbuch    der   kgl.    preuß.   Kunstsammlungen  XXIV  (1903)  S.   158,    dazu    den  Reiherteppich. 
Katalog  d.  Ausstellg.  Orient.  Teppiche.    Wien   1891   S.   144. 

2)  Vgl.  Zimmermann,  Frühzeit  und  Erfindung  des  Meißner  Porzellans,  passim  und  Schnorr  v.  Carols- 
feld,     Porzellan  der  europ.  Fabriken  des  18.  Jh.  S.  29. 


174 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


Vielleicht  ist  gerade  darauf  die  Umbildung  des  einfachen  Kufi  in  das  Rankenkufi  zu- 
rückzuführen. Kürzlich  wurde  auf  einen  ganz  speziellen  jüngeren  Ornamentkreis  hin- 
gewiesen, der  den  Türkvölkern  wo  immer 
sie  seßhaft  geschichtlich  auftraten,  gemein- 
sam ist1.  Vor  allem  ist  da  das  charak- 
teristische einfache  Herzgefiecht  ausschlag- 
gebend.  Abb.  143  zeigt  einen  Grabstein 
aus  Taschkend  vom  J.  608  d.  H.  (1212  n. 
Chr.)  '-.  Wir  sehen  die  Inschrift  umrahmt 
von  kalligraphischen  Schnörkeln,  die  oben 
eine  geschweifte  Spitze  bilden,  sich  dann 
in  Bogen  und  Schließen  um  das  ganze 
Feld  herumziehen  und  unten  in  das  gleiche 
herzförmige  Schlußornament  zusammen- 
laufen. Es  rankt  zu  beiden  Seiten  ähnlich 
aus  wie  die  kleinen  Füllungen  zwischen  der 
2.  und  3.,  sowie  rechts  zwischen  der.  5.  und 
6.  Zeile.  Außerdem  aber  sieht  man  rechts 
am  Rande  eine  fast  chinesisch  stilisierte 
Halbpalmette  und  oben  als  Krönung  eben- 
falls eine  geometrische  Ranke  in  symme- 
trischem Aufbau.  Es  kann  kein  Zweifel 
sein,  daß  hier  im  XIII.  Jh.  ein  Kalligraph 
ähnlich  am  Werke  ist,  wie  wir  ihn  schon 
oben  S.  87  als  Urheber  der  Rankenornamentik 
auf  den  Kairiner  Grabsteinen  desIII.Jh.  d.  H., 
also  des  IX.  Jh.  n.  Chr.  zur  Zeit  der  tür- 
kischen Tuluniden  vermuteten. 

Karabacek  hat  eine  ganze  Masse  von 
Beispielen  dieser  Art  veröffentlicht,  die  ich 
hier  wiedergebe,  weil  sie  ein  schöner  Beleg 
der  Beliebtheit  der  geometrischen  Ranke 
bei  den  Türken  sind1.  Abb.  144  zeigt  einige 
seldschukische  Incipit-  Explicit-  und 
Füllungsornamente  mit  dem  einfachen  Herz- 
gefiecht,  wie  sie  mit  leichten  Variationen 
noch  durch  das  ganze  VII.  Jh.  d.  H.  gehen. 
Die  geometrische  Ranke  zu  seiten  der 
mittleren  Herzform  strebt  hier  mehr  oder 
minder  nach  abwärts.  Es  ist  sehr  bezeichnend, 


Abb.  143:  Taschkend,  Museum:  Grabstein  vom  J.  1212. 


1)  Sitzungsberichte  d.  Ak.  d.  Wiss.  in  Wien,  phil.-hist.  Klasse  178.  Bd.  5.  Abt.  S.  25.  Da  der  Ver- 
fasser, v.  Karabacek,  seine  Quellen  nicht  angibt,  muß,  wer  nicht  selbst  auf  paläographischem  Gebiet 
arbeitet,  dessen  Angaben  auf  Treu  und  Glauben  hinnehmen.  Die  Druckstöcke  sind  mir  von  der  Kais. 
Akademie  geliehen  worden,  wofür  ich  danke. 

2     Xach  der  Aufnahme  von  M.  Hartmann,  Orientalist.  Literatur-Zeitung  IX  (1906)  zu  Sp.  233. 


i.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis. 


'75 


daß  die  syrischen  Formen  der  gleichen  Epoche  sich  steil  nach  aufwärts  richten. 
Abb.  145  führt  ajjubidische  Proben  aus  dem  VI.  Jh.  d.  II.  vor.  Es  hat  also  türkische 
Lokalschulen  gegeben,  und  wir 

616—634  d.  H.  (=  1219 — 1236  n.  Chr.K 

1    ■ff~&\ 


666 


können  daher  ganz  gut  in  Ägyp- 
ten ein  anderes  Merkmal  bei 
Verwendung  der  Herzform  er- 
warten als  im  Ursprungsland  der 

ganzen  Gattung  im  Osten.    Ein-    643— 655  d-  H.  (=  1245-1257  n.  Chr.)  v<uÖ\_ 

malwardaseinfacheHerzgefiecht 

6bi~&*iC&F>  odere/TÄTV 

bezeichnend,  in  ägyptischen  Bei-    655— 666  d-  =  1257-1267  n.  Chr) 

spielen,  die  ich  freilich  nicht  un- 
mittelbar der  Kalligraphie  ent- 
nehmen kann,  kommt  die  Herz- 
form für  sich  allein  ohne  die 
durchgezogenen  Enden  sehr 
häufig  vor.  Es  setzt  sich  dann 
gewöhnlich  aus  zwei  vertikal  gegeneinandergestellten  Schnörkeln  zusammen. 

S.  88  f.  war  von  der  Gruppe  tulunidischer  Bretter  mit  Schnörkelornamenten  im 
Schrägschnitt  die  Rede.  Die  Zusammenstellung  zweier  Schnörkel  zur  Herzform  ist  dort 
das  weitaus  beliebteste  Motiv  (Abb.  82 f.).  Ich  füge  hier 
noch  einige  Beispiele  hinzu,  die  sich  wie  aus  der  Kalli- 
graphie in  die  Holztechnik  übertragen  ausnehmen. 

Mit  der  Sammlung  Herz  sind,  aus  den  Tuluniden- 
gräbern  von  Ain  es-Syra  stammend,  zwei  gleichartige 
Leisten  in  das  Kaiser-Friedrich-Museum  in  Berlin :  ge- 
kommen (Abb. 146).  Sie  sind  1,5  cm  dick  und  0,104  m  breit,  das  eine  hat  die  volle  Länge  von 
0,75x6  m  ohne  die  Endfalze,  das  andere  ist  Bruchstück.   Der  6  cm  breite  Zierstreifen 


682  d.  H.  (==   1267— 12S3  n.  Chr.)       ^"^^fif^w 

682—696  d.  H.  (=.   1283— 1296  n.  Chr.)  C^^lfÜ^C^^ 
Abb.   144:  Seldschukische  Schriftornamente. 


Abb.   145:   Syrische  Abart  der  seld- 
schukischen  Schrü'tornamente. 


Abb.   146:  Berlin,  Kaiser-Friedrich-Museum:  Altarabisches  geschnitztes  Brett  aus  Kairo. 

wirkt  zuerst  unklar;  man  findet  aber  an  dem  vollständigen  Stücke  bald  heraus,  daß 
die  Motive  streng  symmetrisch  um  das  mittlere  herzförmige  „Blatt"  angeordnet  sind. 
Die  Schnörkel,  die  es  bilden,  wiederholen  sich  in  verkehrter  Stellung  daneben  noch- 
mals, dann  folgt  ein  seitliches  Mittelstück,  in  dem  zwei  Schnörkel  horizontal  liegen. 
Man  kann  also  sagen,  das  ganze,  scheinbar  so  komplizirte  Ornament  setze  sich  im 
Grundmotiv  zusammen  aus  je  vier  Schnörkeln  in  der  Art  der  geometrischen  Ranke, 

1)  Nr.  358  und  361  meines  Inventars.     Vgl.  Riegl,  Spätröm.  Kunstindustrie  S.    164. 


17Ö 


IV.  Die  Kunst   der  Nomaden   und  Nordvölker. 


Abb. 


147 :  Geschnitztes  Brett  aus  der 
Sammlung  Herz. 


zwei  vertikalen  und  zwei  horizontalen.  Den  reichen  Eindruck  bringt  lediglich  der 
Schrägschnitt  mit  dem  Wechsel  von  Licht  und  Schatten  hervor  und  die  zwischen- 
durch  eingeschobenen  Füllmotive,  kleine  konzentrische  Kreise  und  flaschenartige  Mittel- 
lösungen. An  beiden  Enden  wiederholt  sich  das  mittlere  Herzmotiv  nochmals.  In  der 
Sammlung  Herz  sah  ich  noch  drei  andere  Bruchstücke,  eines  in  Abb.  147  '.  Vier  Schnör- 
kel, von  denen  sich   zwei  mehr  senkrecht  aufrichten,  zwei  mehr  horizontal  hinziehen, 

bilden  am  Ende  eine  halbe  Herzform,  in  der 
Mitte  ein  T-förmiges  Gebilde,  zu  dessen  Seite 
ein  typisches  Füllmotiv,  die  Sporenblüte,  wie 
ich  es  S.  91  nannte,  eingeschnitten  ist. 

Ein  interessantes  Stück  besitzt  das  Ägyptische 
Museum  in  Kairo  (Nr.  8809) 2.    Auch  hier  sind 
vier  Schnörkel  genommen  (Abb.  148),  alle  stehen 
vertikal,  einer  davon  vielleicht  mehr  diagonal.  Die 
dazwischen  freibleibenden,  schräg  geschnittenen  Flächen  sind  durch  Einkerbungen, 
Kommaschlitze  und  Punkte  in  Herzblätter,  Lotos,  Efeu  und  eine  zwiebelföi  mige  Form 
verwandelt.  —  In    den    beiden  Vorhöfen  der  Kirche   el-Mu'allaka   im  Kasr  bei  Alt- 
kairo   sind    mehrere 
alte       Holzschnitze- 
reien unserer  Art  ver- 
baut (Abb.  149).    In 
l  und  2  sind  es  vier 
mehr    oder   weniger 
eigenartig     gestellte 
Schnörkel  und  Füll- 
ungen, die  das  Motiv 
bilden;  einmal  (unten, 
in  Abb.  149,3)  an  den  Seiten  des  Tabernakels  zwei  alte  Bretter  mit  zwei  Schnörkeln, 
die  eine  langgezogene  Raute  um  einen  mittleren  Kreis  bilden.     Ein  ähnliches  Orna- 
ment ist  aus  der   Sammlung   Herz  auf  Berlin    über- 
gegangen3: Diagonalschnörkel,  einmal  mit  einer  großen 
Einrollung  zusammenstoßend,  das  andere  Mal  durch 
zwei  Vertikale,  das  Herzblatt  bildende  Schnörkel  ver- 
einigt. Dazu  lange  Kommaschlitze  und  pflanzenähnliche 
Einkerbungen.  Doch  gehört  das  Stück  eigentlich  nicht 
hierher.   Der  Herzblattschnörkel  ist  in  l  und  2  ebenso 
eingeschoben,  wie  in   den   übrigen  Brettschnitzereien, 
die  ich  hier  zum  Vergleich  mit   den   seldschukischen 
Schriftornamenten  angeführt  habe. 
E.    Die    Schnörkelbänder    der    Tulunmoschee    in   Kairo.       Die   Moschee    des 
Ibn  Tulun3,  von  der  oben  wiederholt  die  Rede  war,  zeigt  nicht  in  dem  einheitlichen 


Abb.   148:  Kairo,  Ägyptisches  Museum:  Geschnitztes  Brett. 


f^X 


Abb.  149.  Altkairo.Kasr  esch-Schama'a, 
Mu'allakakirche:    Altarabische   Brett- 
ornamente. 


I)  0,35  m  lang,  o,no  m  breit,  0,012  m  dick. 

2  Meine  Abbildung  nach  dem  Kataloge  ,, Koptische  Kunst"  S.  161   Abb.  229  von  Nr.  7243. 

3  Vgl.  oben  S.  90,  Abb.  85   und   Riegl,  Spiitröm.  Kunstindustrie  S.  164. 


I.    Die  Türk Völker  und  der  altaische  Kreis. 


177 


Ornament  der  konstruktiven  Hauptbogen1,  wohl  aber  in  den  zahllosen  Streifenorna- 
ment ender  kleinen  Entlastungsbogen  Motive  (Abb.  1 50/3),  die  genau  nach  dem  gleichen 
Schema  in  Stuck  ausgeschnitten  sind  wie  unsere  Holzornamente.  Ausgangspunkt 
sind  immer  die  Schnörkel,  ihre  Form  und  ihre  Stellung  zueinander.    Die  Füllung  mit 


Einkerbungen,  Kommaschlitzen,  kleinen 
Kreisen  und  Rauhung  vervollständigt 
dann  ähnlich  wie  auf  den  Holzleisten  das 
Gesamtbild.  Der  Stuckarbeiter  tut  nur  — 
könnte  es  scheinen  —  eines  nicht,  er  führt 
sein  Instrument  nicht  schräg  wie  der 
Holzschneider,  sondern  fast  senkrecht. 
Es  ist  jedoch  bezeichnend,  daß,  sobald 
die  Ornamente  der  Ibn  Tulun  in  Holz 
ausgeführt  sind,  wie  an  den  Decken  der 
Türumrahmungen2,  sie  sofort  den  Schräg- 
schnitt aufweisen. 

Die  Erklärung  liegt  darin,  daß  die 
Stuckornamente  vielfach  übertüncht  und 
überarbeitet  wurden.  Während  die  Holz- 
arbeiten in  ihrem  ursprünglichen  Zustande 
erhalten  sind,  erscheint  so  die  Wanddeko- 
ration entstellt.  Auch  sprach  bei  ihnen 
mit,  ob  sie  mit  Holzmodeln  mechanisch 
oder  durch  Handarbeit  hergestellt  waren. 
Für  uns  ist  entscheidend,  daß  den  Tulun- 
ornamenten  die  gleichen  Schnörkel  zu- 
grunde liegen,  wie  den  Holzschnitzereien3. 
Ich  stelle  Abb.  147 — 153  einen  Teil  dieser 
Schnörkelornamente  zusammen  und  be- 
nütze die  Gelegenheit,  auf  dieses  wert- 
volle Material  einmal  etwas  ausführlicher 
einzugehen.  Der  Krieg  zerstört  alle  Er- 
wartungen auf  eine  baldige  Veröffent- 
lichung der  aus  Ägypten  gesammelten 
Materialien  für  lange  Zeit.  Ich  hatte  mit 
den  Herren  Herz  und  Somers-Clarke  außer 
den  Kirchen  auch  noch  die  Veröffent- 
lichung der  Tulun-  und  Surjani-Orna- 
mente  durch  das  Comite  de  conservation 
des  monuments  de  l'art  arabe  verabredet. 


Schema  I:  Hauptliwan. 


II.  Reihe 


I.  Bogen 


III.  Reihe 


IL  Reihe 


2.  Bogen 


III.  Reihe 


II.  Reihe 


III.  Reihe 


Bogen 


II.  Reihe 


4.  Bogen 


III.  Reihe 


IL  Reihe 


5.  Bogen 


III.  Reihe 


trmnr^ 


IL  Reihe 


6.  Bogen 


III.  Reihe 


IL  Reihe 


III.  Reihe 


Bogen 


Abb.  150:  Kairo,  Tulun-Moschee :  Schnörkelbänder. 
Daraus  wird  nun  wohl  nichts  werden. 


1)  Vgl.  darüber  Mschatta  S.  346.     Dazu  Flury,  „Der  Islam"  IV,  S.  427  f. 

2)  Darüber  auch  oben  S.  94. 

3)  Ein  Beispiel  bei  Riegl,  Spätröm.  Kunstindustrie  S.  165,  mehrere  besser  bei  Flury  „Der  Islam"  IV,  Tat".  1 . 
Samarra  erbrachte  den  Beweis,  daß  sie  für  Stuckarbeit  mit  Holzmodeln  beliebt  waren.     Vgl.  oben  S.  95  f. 

Strzygowski,  Altai.  I2 


17« 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


II.  Reihe 


III.  Reihe 


8.  Bogen 


i9 


Reihe 


in.  Reihe 


m 


11.  Reihe 


10 


Im  Hauptliwan  sind  von  der  ersten  Reihe  12  Pfeiler  nach  dem  Innenhofe  zu  eingestürzt >. 

Ich  habe  die  Ornamente  in  den  Pfeileröffnungen  der  zweiten  und  dritten  Reihe  notiert  und 

zwar  beidemale   die  nach  der  Hofseite  zu2.    Auch  die  Rückseiten  nach  den  Umfassungs- 

TT  ...  mauern    zu    haben    solche  Ornamente;    sie 

Hauptliwan.  .     ,  „     ,       .        ' 

stimmen  mit  denen   der  Vorderseiten  nicht 

überein,  wie  ich  in  den  Fällen  III,  15,  II,  16 
und  III.  16  aus  meinen  Notizen  und  Photo- 
grammen feststellen  konnte. 

Xach  dem  nebenstehenden  Schema 
der  beiden  Hauptliwan-Reihen  ist  ein  und 
dasselbe  Ornament  an  den  drei  ersten  Öff- 
nungen angewendet;  es  kehrt  auch  an  den 
9.  Bogen  beiden  ersten  Öffnungen  der  vierten  Reihe 
wieder.  Im  übrigen  aber  ist  ein  und  das- 
selbe Ornament,  jedoch  mit  kleinen  Vari- 
anten auf  Pfeiler  6  und  8  der  zweiten  und 
4  (8)  und  1 1  der  dritten  Reihe  angebracht. 

Bogen  Sonst  sind  alle  Streifen  verschieden,  so  nahe 
sich  auch  einzelne  immerhin  stehen  mögen. 
Übertragen  wir  diesen  Einzelfall  auf  das 
Ganze,  so  würde  sich  ergeben,  daß  unter 
den  312  Streifen  zehn  Ornamente  sechzigmal, 

Bocren  zehn  zwanzig  und  zehn  dreißigmal  vorkom- 
men; es  blieben  dann  noch  immer  232  Arten. 

Ich  habe  dann  in  dem  zweiten  Schema 
den  Schmuck  der  1 2  Vorderseiten  der  ersten 
Reihe  der  XO-Seite  und  Pfeiler  7 — 122 
auch  der  zweiten  Reihe  abgebildet.  Da 
kommt  das  selbe  Ornament  dreimal  in  der 
zweiten  Reihe  vor  7.  9,  II,  im  Falle  9 
allerdings  leicht  variiert.  Zieht  man  auch 
das  noch  von  der  Zahl  2^2  ab.  so  bleiben 
von  312  Ornamenten  212  Arten.  Das  ist  na- 
13-  Bogen  türlich  nur  sehr  obenhin  geschätzt,  um  einen  Be- 
griff von  dem  Reichtum  an  Motiven  zu  geben. 
Man  vergleiche  dazu  Riegl,  Stilfragen  S.  303. 

Die  ersten  drei  gleichen  Paare  von  Or- 
namenten im  Hauptliwan  sind  reine  Schnörkel- 
14.  Bogen  Ornamente.  Der  erste  wagrechte  Schnörkel 
mit  der  lotrechten  Aufbäumung  "gleicht  der 
Linie  des  ziehenden  Schwanes4;  das  Motiv 
Abb.  151:  Kairo,  Tulun-Moschee:  Schnörkelbänder,     der  Fischblase    dazwischen   wird    durch   Be- 


mmmMmk a  ^ 

j|V(   III.  Reihe 

II.  Reihe 

III.  Reihe 
II.  Reihe 

III.  Reihe 


©"     H.  Reihe 


1 1 


12.  Bogen 


1     Vgl.  den  Grundriß  Amida   S.  325. 

Ich  zähle  die  Reihen  vom  Hofe  aus  nach  den  Umfassungswänden  /u  und  die  Pfeiler  von  links  nach 
!'.  -  haner  auf  der  Hofseite  davorstehend  gedacht.    Vorn  beißt  also  Hofseite,  rückwärts  die  Seite 
gsmauer  /.u. 

3  ■•  hauer  wieder  im  H<>fe  stehend  und  von  links  nach  rechts  zählend  gedacht 

4  VgL  meine  „Bildende  Kunst  der  Gegenwart-'  S.  S3  nach  1 ».  Eckmann. 


i.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis. 


179 


gleitlinien  und  einen  Kommaschlitz  ergänzt  und  durch  das  Schlußzeichen,  wie  wir  es  noch 
in  unseren  Schriftsätzen  haben,  übergeleitet  in  den  nächsten  Schwanenschnörkel.  Faßte 
der  Zeichner  die  Ausbauchung  der  beiden  Hauptmotive  zusammen,  so  entstand  ein  fort- 
laufendes  Mäanderband,   wie  es  I,  10   des 


W-liwans  zeigt.  Kommaschlitze  und  Punk- 
tierung der  Innenflächen  bringen  passend 
Gegensätze  hervor. 

Ein  reines  Schnörkelornament  ist  auch 
das  folgende  Muster  II,  4  des  Hauptliwans. 
Zwei  lotrechte  Schnörkel  und  zwei  wagerechte 
sind,  durch  zwei  Paar  Kommaschlitze  erwei- 
tert, so  gruppiert,  daß  eine  Gruppe  die  Kopf- 
stel  lung  der  andern  ist.  Ganz  anders  zusammen- 
gestellt, kehren  die  vier  Schnörkel  und  Bo- 
gen wieder  in  dem  folgenden  II,  5  durch 
das  Lotosmotiv  und  in  II,  7  durch  (Vgl.  Abb.  102 
vom  Kotschkarschatze)  Kommaschlitze  und 
Punktierung  ergänzt.  Diese  verwandten  Mo- 
tive kommen  nur  in  Reihe  II  und  hinterein- 
ander vor,  der  Stuckator  gibt  also  einen 
Einfall  gleich  in  drei  ganz  verschiedenen 
Arten.  Dagegen  wendete  der  Stucka- 
tor des  NO-liwans  das  Motiv  der  Wellen- 
linie, das  ihm  dort  bei  I,  7  einfiel,  noch 
zweimal,  in  II  10  und  I  12  an,  zweimal  mit 
reinen  Schnörkeln,  das  dritte  Mal  II,  10  mit 
der  punktierten  Fischblase  gruppiert1.  Ver- 
einzelte Einfälle  dieser  Art  sind  die  wie 
A  in  M  gestellten  Schnörkel  Hauptliwan  III, 
7  und  die  Zickzacklinie  mit  Schnörkeln  und 
Kommaschlitzen  in  II,  12  des  Haupt-  und 
die  Anordnung  in  I,   11   des  NO-liwans. 

Alle  übrigen  Ornamente  sind  zweifellos 
ebenfalls  Schnörkelgruppen,  doch  sind  durch 
Zusätze  die  umschlossenen  Flächen  zur  Haupt- 
sache gemacht,  so  daß  wir  überall  statt  der 
zugrunde  liegenden  Schnörkelzüge  Palmetten, 
Lotos,  Blütenkelche,  Herzblätter,  Sporen- 
blüten u.  dgl.  sehen.  Am  häufigsten  ist  das 
Einschneiden  der  Palmette  in  zwei  herzblatt- 
artig zusammengestellte  Schnörkel.  Wir  hatten 
dafür  bis  jetzt  nur  ein  Beispiel  in  der  Tür- 
füllung Abb.  82   mit  Rankenrand,    wo    der 


Hauptliwan. 


II.  Reihe 


15.  Bogen 


jsss&s^ 


III.  Reihe 


II.  Reihe 


16.  Bogen 


III.  Reihe 


Schema  II: 


I.  Reihe    1. 


Nordostliwan. 


\Cr 


I.  Reihe    2.  Bogen 


8 


sSP 


I.  Reihe 


Bogen 


I.  Reihe    4.  Bogen 


I.  Reihe    5.  Bogen 


I.  Reihe    6.  Bogen 


^AS¥A}&Aj¥AJ^AS¥A, 


^VA^Ostax^cs!^ 


IVJJMJJMIX 


CT, 


I.  Reihe 


IL  Reihe 


7.  Bogen 


-.*£. 


I.  Reihe 


II.  Reihe 


8.  Bogen 


Abb.  152:  Kairo,  Tulun-Moschee : 


Schnörkelbänder. 


diagonale  Schnörkelzug  unten  sich  umsetzt  in  ein  von  ihm  umschlossenes  Dreiblatt.   Auch  in  den 


1)  Vgl.  damit  den  der  mykenischen  Zeit  angehörenden  Becher  aus  Megara  bei  Löschke.  Arch.  An- 
zeiger 1891  S.  15  (Riegl,  Stilfragen  S.  121),  wo  dieselbe  Form  entstand  durch  die  Absicht,  die  Einsenkung 
zwischen  Welle  und  Randstreifen  zu  füllen. 


12 


i8o 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


Stuckornamenten  ist  die  Palmette,  so  oft  sie  umschlossen  ist,  dreiblätterig  mit  einer  einzigen  Aus- 
nahme Hauptliwan  III.  14.  In  meinen  Beispielen  findet  man  nur  noch  ein  Beispiel  einer  Palmette 
mit  fünf  Lappen  im  Hauptliwan  III,  6;  dort  aber  fehlt  allein  auch  die  Schnörkelumrahmung  in 
Form  eines  Herzblattes:  wir  sehen  die  Palmetten  vielmehr  um  die  Mittelrippe  zweier  durch  drei 

Bogen  oben  zu  einem  Blütenkelch  umgebil- 


Nordostliwan. 


Reihe 


Reihe 


I.  Reihe 


Reihe 


Reihe 


Reihe 


Reihe 


II.  Reihe 


Bogen 


Abb.  153:  Kairo,  Tulun-Moschee:  Schnörkelbänder. 


deten  Vertikalschnörkel  erscheinen.  Diese 
Form  ist  hier  noch  besonders  durch  Schraffie- 
rung der  Zwischenräume  herausgehoben. 

In  der  Masse  von  Ornamenten,  die  dieser 
Reihe,  sagen  wir,  der  palmettisierten  Schnör- 
kel angehören,  lassen  sich  je  nach  den  Mo- 
tiven, die  miteinander  verbunden  sind,  Grup- 
pen bilden.  Die  reichste  Art  gibt  Haupt- 
10.  Bogen  liwan  III,  4  und  III,  1 1 :  zugrunde  liegen 
drei  Paar  Vertikalschnörkel,  von  denen  zwei 
Paare  herzartig  verbunden,  das  dritte  so 
zu  Seiten  der  mittleren  auseinandergelegt 
ist,  daß  sich  oben  durch  das  Einschneiden 
dreier  Bogen  mit  Kommaschlitzen  das  Lotos-, 
unten  durch  vier  Bogen  das  Blütenkelchmotiv 
entwickelt.  Der  Nachdruck  kommt  auf  die 
eine  Herzfigur  durch  das  Einschneiden  der 
Palmette,  die  wieder  mit  Punkten  und  einem 
Stiele  mit  dreieckiger  Spitze  gefüllt  ist,  wäh- 
rend zur  Füllung  des  Blütenkelches  unten 
lediglich  die  herzartie;  zusammengestellten 
Schnörkel  dienen.  Das  Motiv  kehrt  wieder, 
so  oft  die  beschriebene  Schnörkelstelluns;  den 


11.  Bogen 


12.  Bogen 


Ausgangspunkt  des  Schmuckes  bildet,  nur  werden  einzelne  von  den  Füllmotiven  variiert,  sind  also 
nicht  das  Wesentliche  an  diesen  Ornamenten.  Hauptliwan  III,  8  ist  statt  des  Lotos  oben  ein 
wagrechter  Schnörkel  mit  zwei  Punkten  und  einem  Schlitz,  III,  12  statt  Palmette  und  Lotos  ein 
Doppelblatt  mit  Kreiseinschnitt  gelegt,  ähnlich  wie  an  den  kleinen  Kapitellen  der  Fenster  und 
Pfeileröffnungen  der  Tulun.  Hier  sind  auch  durch  je  zwei  Schnitte  Blattlappen  angedeutet  und 
der  doppelte  Rand  durch  Einschiebung  eines  Mittellappens  selbständig  umgebildet.  III,  16 
ist  statt  des  Blütenkelches  ein  Dreiblatt  verkehrt  und  punktiert  eingeschnitten.  Man  be- 
achte, daß  alle  diese  Motive  der  dritten  Reihe  des  Hauptliwans  angehören  und  weder  in 
der  zweiten,  noch  im  NO-liwan  vorkommen.  Der  Stuckator  nützt  also  wieder  den  Einfall 
einer  bestimmten  Schnörkelstellung  aus.  In  der  zweiten  Reihe  des  Hauptliwans  nähert 
sich  diesem  Typus  nur  II,  15,  wo  jedoch  die  Füllmotive  ganz  abweichend  sind  und  im 
XO-liwan  nur  I,  1;  doch  ist  dort  in  die  Herzblattfigur  keine  Palmette  eingeschnitten.  Das 
Lotosmotiv  kommt,  durch  zwei  Bogen  gebildet,  nicht  zur  Geltung  und  im  Blütenkelch  fehlt 
ebenfalls  die  Füllung,  so  daß  der  Streifen  leer  wirkt. 

Am  häufigsten  finden  sich  wie  in  der  türkischen  Kalligraphie  und  den  Brettern  S.  175  f. 
die  herzartig  verbundenen  Schnörkelpaare.    Die  Grundlage  des  Ornaments  bildet  ein  Schnör- 
kel in  Gegenstellung  und  Wiederholung.    Durch  Einschneiden  der  Palmette  in  die  Innenfläche 
und   des  „Lotos"  —  eines   ebenfalls   geometrischen   Motivs  —   in   die   Zwischenräume    ent- 
it  ein  uraltes   orientalisches   Motiv,  das   durch   die    Schnörkel  zu  neuem   Leben    erweckt 


I.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis.  l8l 

wird.  Am  reinsten  angewendet  finden  wir  das  Motiv  im  Hauptliwan  III,  9,  14,  und  im 
NO-liwan  II,  7,  9  und  II.  Typisch  (außer  III,  9)  und  eben  nur  durch  die  zugrundeliegenden 
beiden  Schnörkel  erklärbar,  ist  das  Ineinanderwachsen  der  beiden  Formen,  so  daß  der  die 
Palmette  umschließende  Schnörkel,  der  ihre  untere  Einrollung  bildet,  zugleich  den  Lotos- 
umriß  zieht.  Dieser  Umriß  wird  zu  selbständiger  Wirkung  erhoben  durch  das  Einschneiden 
der  drei  Bogen  am  oberen  Rande.  Alles  Übrige  an  dem  Motive  wechselt,  je  nachdem  es  dem 
Stuckator  gerade  in  die  Hand  kommt.  Hauptliwan  III,  9  und  NO-liwan  II,  9  ist  die  Wirkung 
oben  durch  Kommaschlitze  unterstützt,  während  das  Motiv  unten  verbindende  Bogen,  die 
in  die  Palmetten  Rippen  mit  Dreieckspitzen  entsenden,  abrunden.  III  14  stimmt  genau 
damit,  nur  ist  die  Palmette  ausnahmsweise  fünfblätterig.  Am  Hauptliwan  kommt  das  Motiv 
noch  zweimal  vor,  doch  mit  größeren  Abweichungen,  die  das  Einschneiden  des  Lotosmotivs 
am  oberen  Rande  betreffen:  III,  5  zeigt  dort  zwei  durch  kleine  Schnörkel  ergänzte  Bogen, 
III,  15  ebenso  zwei  Bogen,  die  ein  kleiner  Doppelschnörkel  auffängt.  Man  wird  also  sagen 
müssen,  daß  dem  Stuckator  durchaus  nicht  klar  zu  sein  scheint,  ein  Pfianzenmotiv  zu 
bilden,  sonst  könnte  er  es  nicht  durch  solche  Einfälle"  entstellen.  Im  NO-liwan  II,  7  und 
1 1  fehlen  alle  Zugaben  bis  auf  den  spitzen  Schnitt  der  Palmettenlappen  und  die  wieder 
an  die  Türfüllung  Abb.  82  erinnernde  doppelstreifige  Abbindung  des  Lotos,  die  auch  II, 
9  wiederkehrt,  das  sonst  Hauptliwan  III  9  entspricht. 

Bei  der  Verbindung  von  Lotos  und  Palmette  sind  die  Vertikalschnörkel  so  zusammen- 
gestellt, daß  sich  ihre  Einrollungen  nach  innen  einander  zuwenden.  Zwei  Vertikalschnörkel 
können  auch  so  verbunden  sein,  daß  sich  ihre  Einrollungen  nach  außen  und  voneinander 
abwenden.  Das  war  schon  Hauptliwan  III,  12  der  Fall,  das  wir  bereits  in  einer  Gruppe 
besprochen  haben,  in  der  diese  Art  Schnörkelstellung  getrennt  neben  der  herzartigen 
vorkommt.  Es  findet  sich  auch  sehr  reich  ausgebildet  Hauptliwan  II,  11:  oben  sind,  durch 
Dreieckslinien  getrennt,  zwei  Lotosmotive  geschnitten,  unten  besteht  die  Füllung  aus  Schnörkel- 
blasen mit  Punkten  und  B  ogenabschluß.  Eine  besondere  Vorliebe  für  die  hier  zugrunde 
liegende  Schnörkelstellung  hat  der  Stuckator  der  ersten  Reihe  des  NO-liwans.  I,  2  ergänzt 
er  diesen  Schnörkelzug  oben  zum  Blütenkelch,  unten  füllt  er  ihn  mit  Querschnörkeln  und 
Kommaschlitzen.  I,  5  stellt  er  den  Schnörkelzug  mit  der  Spitze  nach  unten  und  füllt  ihn 
wieder  mit  dem  Blütenkelchmotiv  und  auf  der  Gegenseite  mit  einem  besonders  eigenartigen 
Schnörkel  und  dem  Kommaschlitz.  1,9  stimmt  damit  bis  auf  die  Füllung  der  Gegenseite: 
wir  sehen  das  Motiv  der  kleinen  Kapitelle  der  Tulun  (zwei  Blätter  mit  dem  Kreis  unten) 
eingeschnitten.  Derselbe  Stuckator  liebt  auch  die  einfach  herzförmige  Zusammenstellung 
zweier  kleinerer  Schnörkel,  die  er  oben  und  unten  durch  Bogen  ergänzt.  So  NO-liwan  I,  3, 
wo  die  Bogen  oben  Rippen  mit  Dreieckspitze  in  die  umgekehrten  Herzformen  entsenden, 
während  unten  das  Lotosmotiy  eingeschnitten  ist.  In  I,  6  begegnen  wir  einem  eigenartigen 
Einfalle:  die  oberen  Bogen  entsenden  Lanzetten  in  die  Herzformen  sowohl,  wie  in  die 
lotosartigen  Einschnitte  unten.  In  I,  8  sind  die  weit  auseinanderstehenden  Herzformen 
durch  paarweise  gruppierte  Horizontalschnörkel  verbunden.  Auch  I,  4  wird  man  hierher- 
rechnen dürfen;  die  Herzschnörkel  sind  da  verknüpft  durch  zwei  auseinandergelegte  Ver- 
tikalschnörkel, in  die  oben  wieder  wie  Hauptliwan  III,  12  und  NO-liwan  I,  9  das  Motiv 
der  kleinen  Säulenkapitelle  der  Tulun,  etwas  variiert,  unten  Lotos  eingeschnitten  ist. 

Es  bleiben  einige  Muster,  die  vereinzelt  vorkommen.  So  Hauptliwan  II,  9,  wo  zwei 
Vertikalschnörkel  derart  auseinandergesprengt  sind,  daß  unten  ein  Herzschnörkelpaar  mit 
eingeschnittener  Palmette  Platz  findet,  während  eine  andere  gestielte  Palmette  den  Zwischen- 
raum zwischen  den  Schnörkeln  füllt  und  oben  das  Blütenkelchmotiv  eingeschnitten  ist.  In 
II,   10  sind  dieselben  Steilschnörkel    paarweise    parallel    gestellt  und  in  die  Zwischenräume 


I  32  ^  •  D'e  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvolker 

ein  doppelter  Lotos  durch  Herzschnörkel  gefüllt  geschnitten.  III,  10  zeigt  Vertikalschnörkel  als 
abgesetzte  Wellenlinie  gereiht,  die  Zwischenräume  durch  das  Blütenkelchmotiv  gefüllt.  Weniger 
glücklich  sind  XO-liwan  II,  8  und  12  ausgefallen. 

Der  Stuckator  der  zweiten  Reihe  des  Hauptliwans  wendet  zweimal  auch  Horizontalschnörkel 
mit  absonderlichen  Motiven  an,  die  freilich  schwer  unterzubringen  waren.  In  II,  13  baucht  er 
den  Schnörkel  so  aus,  daß  in  der  Höhlung  das  Profil  einer  Halbpalmette,  durch  Schraffierung 
besonders  hervorgehoben,  Platz  findet.  Oben  schneidet  er  das  Lotosmotiv  ein.  Gleich  daraui 
II,  14  füllt  er  die  Horizontalschnörkelfolge  überhaupt  nur  mit  dem  Lotosmotiv  und  Schlitzen. 

Überblicken  wir  die  ganze  scheinbar  so  bunte  Reihe  der  Motive  an  den  Stuckrändern 
der  Pfeileröffnungen  der  Tulun,  so  muß  gesagt  werden,  daß,  sobald  erst  einmal  das  zu- 
grunde liegende  Element  der  Schnörkelstellung  erkannt  ist,  sich  der  ganze  Reichtum  auf 
wenige  Gruppen  einschränkt.  Führend  sind  jedenfalls  diese  Schnörkelzüge,  nicht  die  uns 
—  deren  Auge  an  der  Antike  und  ihren  Abkömmlingen  gebildet  ist  —  zuerst  und  aus- 
schließlich fesselnden  Innenflächen  mit  ihren  „antiken"  Formen  von  Palmette  und  Lotos. 
Wenn  wir  auch  hier  wieder  vergleichend  zurückblicken,  so  ist  unzweifelhaft,  daß  die  Or- 
namente an  den  Pfeileröffnungen  sich  durchaus  an  die  der  Holztüren  anschließen.  Auch 
dort  waren  die  Schnörkelzüge  maßgebend,  in  der  Mehrzahl  sogar  ausschließlich  vor- 
handen.  In  unseren  Stuckornamenten  zeigt  sich  die  gleiche  Neigung  zu  scheinbar  anti- 
kisierenden Füllmotiven,  die  Riegl,  Stilfragen  S.  303  f.  im  Anschluß  an  Prisse  d'Avennes 
(L'art  arabe  Taf.  44)  verleiteten,  überall  vegetabilische  Formen  zu  sehen.  In  dieser  Rich- 
tung ist  von  Bedeutung  Hauptliwan  II,  16,  die  Anwendung  derselben  Zweige,  die  wir  in  den 
Zwickeln  neben  dem  Spitzbogen  des  Grabsteins  32 l  finden  können,  ebenso  aber  auch  in 
Chargird,  Sängbäst  und  am  Grabe  des  Mahmud  von  Ghasna  (S>  125 f.  Vgl.  S.  T 7 5  f .  1 .  Xur 
sind  sie  in  der  Tulun  von  Schnörkeln  umfaßt  und  in  die  Form  eines  fortlaufenden  Streifen- 
oder Musters  ohne  Ende  gebracht.  Man  überlege  an  dieser  Stelle  Riegls  im  Anschluß  an 
die  Tulun-Ornamente  (S.  306)  aufgestellte  These:  „Die  Saracenen  haben  eben  konsequent  und 
entschieden  fortgebildet,  was  sie  im  Keime  und  zum  Teil  schon  im  Aufsprossen  von  den  an- 
tiken Kulturvölkern  übernommen  haben:  auch  unter  diesem  Hinblick  erscheint  der  Unterschied 
zwischen  spätantiker  und  saracenischer  Ornamentik  als  ein  gradueller,  nicht  als  ein  habitueller". 

Die  einzelnen  Füllmotive  sind  fast  alle  schon  von  den  Holztüren  her  bekannt,  so  die 
herzblattartige  Zusammenstellung  von  den  Türfüllungen  Abb.  82  f.,  besonders  ausgeprägt  auf  den 
Brettern  in  Abb.  143  f.,  Lotos  und  Blütenkelch  in  Abb.  145,  die  Kommaschlitze  sehr  häufig, 
besonders  in  Abb.  84  und  Abb.  85.  Bemerkenswert  ist,  daß  auch  die  an  den  Türfüllungen 
Abb.  86  f.  gebrauchte  Form,  die  ich  S.  91  die  Sporenblüte  genannt  habe,  in  unseren 
Stuckornamenten  und  zwar  gereiht  vorkommt  Hauptliwan  II,  6  und  8.  wobei  die  Vertikal- 
schnörkel so  aufeinander  folgen,  daß  der  eine  immer  die  Umkehr  des  andern  bildet.  Quer 
durch  das  Ganze  zieht  sich  ein  Punktband,  ähnlich  dem,  welches  auf  der  Holztür  Abb.  87  unten 
den  Schild  abbindet2.  Das  Sporenblütenmotiv  liegt  auch  Hauptliwan  III.  13  zugrunde;  doch 
hat  es  statt  der  Abbindung  nur  einen  Punkt.  An, einzelnen  Stellen  des  Bogens  verschwinden 
die  vegetabilischen  Einschnitte  oben,  und  dann  wird  aus  dem  Ornament  eine  einfache 
Schnörkelfolge,  wie  etwa  XO-liwan  I,   11. 

Xach  alldem  muß  man  sagen,  daß  diese  Reihen  von  Stuckomamenten  parallel  gehen 
mit  den  Holzornamenten  der  Türen,  die  häufige  Anwendung  der  Palmette  sie  der  Gruppe 
der  Grabsteine  nähert  und  sie  vor  allem  mit  den  Brettern,  die  ich  oben  S.  1 75  wegen  des 
zentralen  Herzmotivs  der  Schnörkel  vorgeführt  habe,  zusammengehören.    Xun  erinnere  man 


1     Nr.  32  nach  Der  Islam   II  S.  321. 

21  Vgl.  da-  gleiche  Motiv  an  der  Tür  des  Mahmud  von  Ghasna    vgl  S.  206  f.  1. 


I.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis. 


183 


sich,  daß  der  Schöpfer  der  Moschee,  an  der  sich  die  Stuckornamente  finden,  der  Türke 
Ahmed  ibn  Tulun  (868 — 883)  war.  Es  dürfte  also  auch  von  dieser  Seite  her  berechtigt  sein 
anzunehmen,  daß  Türken  zur  Ausbreitung  der  Schnörkelornamentik  beitrugen. 

F.  Der  Nomadenweg.  Wir  gingen  oben  S.  155  f.  aus  von  allerhand  Belegen 
dafür,  daß  die  geometrische  Ranke  ein  bei  den  Türkvölkern  beliebtes  Ornamentmotiv 
war.  Die  Bretter  aus  Kairo  lieferten  für  diese  Art  weitere  Belege  und  die  Stuckorna- 
mente der  Moschee  des  ibn  Tulun  gaben  die  Datierung  dafür.  Diese  stellen  sich  weit 
älter  als  die  Belege  aus  dem  Gebiete  der  Kalli- 
graphie, wobei  es  eine  nicht  unwichtige  Be- 
stätigung meiner  Herleitung  der  geometrischen 
Ranke  aus  Hochasien  ist,  daß  die  Tuluniden 
(868 — 905)  die  erste  selbständige  türkische  Dy- 
nastie im  Bereiche  des  Islam  waren.  Die  oben 
gegebenen  kalligraphischen  Beispiele  liefern 
den  Beleg  für  ein  beachtenswertes  Mittel 
der  Übertragung  von  Motiven  aus  Trans- 
oxanien  nach  dem  Westen :  die  Kalligraphie. 

Sie  mag  den  gleichen  Weggegangen  sein 
wie  das  Papier,  das  zuerst  seit  75 1  inSamarqand 
erzeugt  wurde,  dann  seit  794;' 5  in  Baghdad, 
später  im  Jemen  und  in  Ägypten  '.  EineEtappe 
der  Übertragung  der  Formen  des  Ostens  auf 
Ägypten  hat  die  ostpersische  Expedition  des 
kunsthistorischen  Institutes  noch  aufsuchen 
können,  den  Karmatenstaat  Bahrein  im  süd- 
lichen Arabien  am  persischen  Golf.  Dr.  Diez 
fand  bei  Menama  auf  der  Insel  Bahrein  die 
Ruinen  einer  1339/40  erbauten  Moschee  mit 
eingebauten  Säulen  und  Holzpfeilern  eines 
älteren  Baues,  „wohl  aus  der  Zeit  der  Kar- 
matenherrschaft"  fügt  Diez  hinzu2.  Abb.  1 54 
zeigt  einen  der  alten  Holzpfeiler  des  Hofes. 
Unter  dem  Sattelholze  sieht  man  ein  reiches  Ornament  und  eine  Inschrift  in 
blühendem  Kufi,  die  die  Glaubensformel  aufweist  und  frühestens  dem  IV/V.  Jh.  d.  H. 
angehören  kann.  Der  kunsthistorische  Befund  führt  auf  die  Tuluniden-  oder  früheste 
Fatimidenzeit,  wenn  ich  von  Ägypten  aus  urteile.  Nun  ist  aber  gerade  dieses  Gebiet 
der  Ausgangspunkt  der  persischen  Bewegung,  die  über  Syrien  nach  dem  Maghrib 
und  von  dort  erst  zurück  nach  Ägypten  ging,  der  fatimidischen.  „Eines  der  Ange- 
binde, das  den  Fatimiden  ihr  nordarabisches  Ursprungsland  mitgegeben,  war  die  Schrift"3, 
eben  jenes  blühende  Kufi  das  Abb.  154  zeigt,  das  auch  karmatisch  genannt  wird.    Schon 


y4m 


Abb.   154:   Menama  (Bahrein),  Moschee : 
Holzpfeiler. 


1)  Vgl.    Monatshefte    für    Kunstwissenschaft   VIII  (191 5)    S.  366,    Karabacek,   Das    arabische    Papier 
S.  32  f.,  Jacob,  Östliche  Kulturelemente  im  Abendland  S.  16  f.,  Hammer-Purgstall,  ZDMG  VIII  (1854)  S.  529  f. 

2)  Die  Kunst  der  islamischen  Völker  S.  46. 

3)  M.  Hartmann,  OLZ  XI  (1906)  Sp.   122. 


184 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Xordvölker. 


Hartmann  nahm,  ohne  die  alten  Holzreste  von  Bahrein  zu  kennen,  an,  daß  diese 
Schriftgattung  von  Transoxanien  kommend,  über  Bahrein-Maghrib  nach  Ägypten  ging. 
Die  Inschriften,  die  oben  aus  Sängbäst  und  Chargird  gebracht  wurden  (Abb.  1 19 — 121) 
und  durch  einzelne  Merkmale,  wie  die  Zweistreifigkeit  der  Ranke  und  einzelne  Blatt- 
formen als  von  Indien  und  Ghasna  abhängig  gekennzeichnet  werden  ',  dürften  viel- 
leicht wertvolle  Belege  für  diese  Annahme  sein.  Im  übrigen  ist  es  natürlich  nicht 
meine  Sache,  in  Fragen  der  Epigraphik  mitzureden. 

Den  Kunsthistoriker  interessiert  in  erster  Linie  das  Ornament  der  alten  Holz- 
stütze von  Bahrein.  Ich  will  hier  nicht  von  dem  Sattelholze  reden,  das  den  Stamm- 
baum verwandter  Omajjadenformen  in  Spanien  klarlegt2.  Ich  ziehe  nur  den  Schräg- 
schnitt, die  geometrische  Ranke  mit  dem  Kreislappen  und  ihren  Aufbau  in  Betracht 
Die  beiden  Motive  weisen  das  Denkmal  durchaus  der  Gruppe  zu,  die  in  diesem 
Werke  im  Vordergrunde  des  Interesses  steht  und  deren  Entwicklung  ich  aus  Mittel- 
asien herleite3.  Der  Aufbau  aber  ist  der  gleiche,  wie  wir  ihn  oben  an  den  Stücken  aus 
Kairo  (Abb.  87  f.)  kennen  lernten  und  in  Samarra  Abb.  92 f.  und  China  Abb.  129  wieder- 
fanden. Die  Herzform  unten,  der  Schild  oben,  dazwischen  die  Vollpalmette,  alles  ließ 
sich  annähernd  gleich  nachweisen.  Das  Bahreiner  Material  gehört  offenbar  ganz  un- 
mittelbar mit  den  vorgeführten  Gruppen  zusammen.  Es  verknüpft  diese  aber  auch  mit 
den  türkischen  Anfangs-  und  End-,  wie  den  entsprechenden  Ornamenten  zwischen  den 
Linien,  und  es  ist  wohl  möglich,  daß  gerade  Bahrein  darin  den  Vermittler  gemacht  hat 
—  zunächst  nach  dem  südlichen  Arabien,  woher  ich  das  Ornament  der  Grabsteine  von 
Kairo  leite.  Diese  Stelen,  die  oben  Abb.  74 f.  in  einigen  Beispielen  vorführte,  zeigen 
gleich  den  Seidenstoffen  (Abb.  72  u.  y$)  eine  so  ausgesprochene  Vorliebe  für  die  Pal- 
mettenranke, daß  ich,  von  umfassenden  Arbeiten  über  koptische  Kunst  herkommend, 
-ie  auf  enge  Beziehungen  zu  Ostpersien  zurückführen  zu  müssen  glaubte,  die  über  Arabien 
den  Weg  nach  Ägypten  gefunden  hätten.  Über  diese  Annahme  fällt  nun  Karabacek 
eifernd  her,  mit  welchem  Rechte,  das  hat  seine  Bearbeitung  von  Kuseir  Amra  in 
den  Akademieschriften  ebenso  zur  Genüge  vorweggenommen  wie  seine  übrigen  „kunst- 
historischen" Arbeiten.  Am  Schlüsse  meiner  Abhandlung  hatte  ich  auch  die  Studie  von 
Martin  Hartmann  über  die  Grabsteine  von  Taschkend  hereingezogen,  von  denen  sich 
einer  sicher  auf  das  Jahr  230  d.  H.  bezieht.  Karabacek  sagt  nun,  das  sei  zwar  richtig, 
aber  der  Stein  sei  ein  Restitutionsdenkmal  aus  dem  VI.,  VII.  Jh.  d.  H.  und  habe  mit 
den  Grabstelen  von  Kairo  nicht  das  mindeste  zu  tun.  Ich  kann  nicht  die  paläogra- 
phischen  Gründe  nachprüfen,  das  mögen  Fachleute  auf  diesem  Gebiete  tun,  die  sich 
in  Zentralasien  umgesehen  haben.  Hier  sei  nur  mit  einigen  Worten  auf  das  Ornament 
dieses  aus  Samarqand  nach  Taschkend  gewanderten4  Grabsteines  zurückgekommen 
iAbb.  155).  Des  Nachweises  der  Übereinstimmung  mit  den  Kairiner  Grabsteinen 
hat  mich  ein  in  Dingen,  die  sich  gegen  mich  richten,  gewiß  unanfechtbarer  Zeuge, 
Herzfeld,  enthoben,  der  gegen  Karabacek  sehr  entschieden  die  Übereinstimmung  be- 


i)  Vgl.  oben  S.  73  und  125  f.  . 

VgL  Udhe,  Baudenkmäler  in  Spanien  und  Portugal  I,  S  24. 
3)  Vgl.  bes.  die  ebenfalls  der  Kommaschlitze  und  kleinen  Kreise  entbehrenden  Türdecken  der  Tulun 
„Der  Islam"  IV  Tafel  I. 

4    Orientalistische  Literatur-Zeitung  IX  (1906)  S.  233  t. 


i.  Die  Türkvölker  und  der  altaische  Kreis. 


185 


tont1:  Bei  dem  Stein  in  Taschkend  fehle  wie  beim  Kairiner  Typus  die  Randlinie  am 
unteren  Ende,  bei  beiden  sei  die  Krönung 
durch  ein  Ornament,  bestehend  aus  zwei 
Halbpalmetten  und  einer  Vollpalmette  da- 
zwischen gebildet,  und  beide  zeigten  die 
oberen  Ecken  geschmückt  mit  zwei  nach  innen 
gekehrten  Halbpalmetten.  Ich  fahre  fort:  der 
Taschkender  Stein  gibt  die  rein  türkische,  der 
Kairiner  Typus  die  persische  Abart.  Für  den 
Nachweis  der  türkischen  Parallelen  des  Samar- 
qander  Grabsteines  von  230  liefert  Abb.  156 
schöne  Parallelen,  die  ich  nach  den  Wiener 
Sitzungsberichten  dankend  vorführe.  Man 
sieht,  wie  zäh  sich  die  türkische  Art  durch 
Jahrhunderte  erhalten  hat.  Es  ist  die  geome- 
trische Ranke  in  ganz  typischen  Beispielen. 
Sie  erscheint  hier  schon  und  ebenso  auf  dem 
Grabstein  von  608  d.  H.  (Abb.  143)  in  einer 
Weise  gekrönt,  die  den  Zusammenhang  mit 
dem  Motive  der  Griffe  der  in  diesem  Bande 
vorgeführten  Goldschalen  deutlich  erkennen 
läßt.  Am  einfachsten  erscheint  dieses  zwie- 
belförmige  Motiv  an  den  Goldschalen  des  al- 
banischen Schatzes  Taf.  III  und  Abb.  8  u.  9; 
durch  einen  oder  mehrere  Bogen  erweitert  dann 
häufig  bei  Smirnov,  Östliches  Silber,  so  auch 
auf  unserer  Schale  vom  Kotschkar  Abb.  loo 
und  den  Schalen  des  Schatzes  vonNagy-Szent- 
Miklos  (Hampel,  Der  Schatzfund  S.  29,  Alter- 
tümer III,  Taf.  303  und  318). 

P'ür  das  Motiv  auf  den  Kairiner  Grab- 
steinen habe  ich  bereits  „Der  Islam"  II  S.  333 
auf  unser  Zierstück  Nr.  17  (oben  S.  29 f.)  hin- 
gewiesen, eine  Übereinstimmung,  die  Kara- 
bacek  verschwiegen  hat 2.  Auf  seine  dafür  ein- 
geführte Tabula  ansata-Gleichung  komme  ich 
unten  S.  219  noch  zurück.  Indem  gezeigt  wurde, 
daß  die  bezeichnende  Krönung  der  Grabstelen 
ebenso  und  zwar  ohne  jeden  Zusammenhang 
mit  der  Schrift  in  den  ungarischen  Bronzen 
der  Keszthelygruppe  vorkommt,  wie  auf  dem 
Riemenende  aus  Albanien,  wurde  schon  auf  ein  östliches  Gebiet  als  Ausgangspunkt  der 


Abb.    155:   Taschkend,  Museum:  Grabstein 
vom  J.  230  d.  H. 


1)  Der  Islam  VI  (1915)  S.   197. 

2)  Vgl.  über  seine  Art  Sarre  „Der  Islam"  II  (191 1)  S.  196  f. 


iS6 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


Krönungs-Ornament  der  Stele  von  230  d.  H. 


5S5-597  d.  H.  (= 
597  —  600  d.  H.    = 


II 92 — 1200   n.    Chr.). 
1200 — 1203    n.   Chr.). 


<^~fy-^y_)         643—655  d.  H.  (=   1245— 1257   n 
Abb 


616 — 634  d.  H.  (=1219 — 1236   n.   Chr.. 

Chr.). 
694 — 703  d.  H.  (=   1295 — 1304   n.    Chr.  . 


156:    Anfangs-,   End-   und    Zwischenlinien-Ornamente   aus 
der  Seldschuken-  und  Uchanidenzeit. 


ganzen  Art  geschlossen.  Die  Verbreitung  der  dabei  als  Leitmotiv  in  Betracht 
kommenden  geometrischen  Ranke  wies  in  die  gleiche  Richtung.  Schon  S.  88  wurde 
dann  auf  den  südlichen  Nomadenweg  als  Mittler  hingewiesen.  Ein  solcher  Xomaden- 
weg,  jener  der  wandernden  Völker  war  es  auch  im  Norden,  der  die  gleiche  Orna- 
mentik bis  nach  Ungarn  und  Al- 
banien gefuhrt  hat.  Die  Welle 
mit  dem  Kreislappen,  wie  sie  die 
Bronzen  vomjenissei  ebenso  wie 
die  Zeltstofle  und  Teppiche  in 
den  Gemälden  des  Turfan  und 
die  mit  türkischen  Aufschriften 
versehenen  Goldschalen  aus  Xa- 
gy-Szent-Miklos  zeigen,  bildete 
inHochasien  den  Ausgangspunkt 
der  ganzen  Art.  Diese  Ornamen- 
tik hat  in  ihrem  Ursprung  nichts 
zu  tun  mit  der  Palmette.  Be- 
zeichnend ist,  wie  unbeholfen 
die  Vollpalmette  behandelt  wird, 
wenn  diese  überhaupt  einmal  vor- 
kommt (S.  34).  Es  handelt  sich 
eben  in  dieser  ganzen,  auf  der  geo- 
metrischen Ranke  aufgebauten  Ornamentik  nicht  um  ein  Spaltprodukt  der  Palmette, 
sondern  um  Weiterbildungen  des  Grundmotivs  des  Kreislappens,  der  von  der  Metall- 
technik des  Altai  ausgegangen  zu  sein  scheint.  Die  einzig  dastehende  folgerichtig 
entwickelte  Typenreihe  der  Gehänge  auf  den  Kairiner  Grabsteinen  Abb.  75  f.  gibt 
den  deutlichen  Eindruck  der  Frische,  mit  der  das  vom  Osten,  wie  es  scheint  durch 
Kalligraphen  ebenso  wie  durch  persische  Holz-  und  Stuckhandwerker  nach  Ägypten 
gebrachte  Grundmotiv  dort  in  der  Frühzeit  des  Islams  weiter  ausgebildet  wurde.  Die 
Ornamente  der  späteren  türkischen  Kalligraphen  bezeugen  wie  die  Grabsteine,  daß 
diese  Art  gerade  in  ihrem  Kreise  seinen  eigentlichen  Kernboden  gehabt  haben  muß. 

Besonderer  Beachtung  bedarf  in  den  S.  175  vorgeführten  kalligraphischen  Schnör- 
keln das  für  die  Rankenansätze  als  Träger  auftretende  herzförmige  Bandgefiecht  nach  der 
Seite,  daß  es  auch  für  sich  allein  zu  einem  Bande  ohne  Ende  erweitert  vorkommt.  Be- 
zeichnende Beispiele  dafür  hat  H.  Stöcklein  zusammengestellt l.  Auch  er  weist  nach,  daß 
wir  es  mit  einem  im  Rahmen  des  Islam  spezifisch  türkischen  Ornamente  zu  tun  haben, 
das  seinen  Ursprung  auf  das  buddhistische  Glückszeichen  des  langen  Lebens  Tschang 
zurückleite  und  nicht  vor  dem  Mono-olensturm  vorkomme  oder  nur  selten  und  dann  als 

o 

zufallige  Variation  von  Flechtornamenten.  Die  kalligraphischen  Zeichen  gehören  dem 
XIII.  Jh.  an,  würden  also  diesen  Ansatz  ungefähr  bestätigen,  wenn  nicht  die  Stele 
von  230  d.  H.  doch  dieser  Datierung  angehört  und  die  Tulunidenornamente  nicht  deut- 
lich  zeigten,  um  wie  viel  früher  die  Entwicklung  dieser  Ornamentik  einsetzt.    / 


einem   Aufsatze  über  orientalische  Waffen  im  Münchner  Jahrbuch  der  bild.  Kunst  1914  5   S.  1 19  f. 


2.  Die  Saken  und  der  arische  Kreis.  187 

In  der  Überschrift  dieses  Abschnittes  erscheinen  die  Türken  genannt  auf  dem 
Hintergrunde  ihrer  Rasse.  Was  von  ihrer  Art,  durch  Perser  und  Armenier  vermittelt, 
nach  Byzanz  vordrang,  im  Islam  herrschend  und  eine  Zeit  lang  auch  bei  Germanen 
nnd  Slaven  wirksam  war,  das  ist  qualitativ  eine  Kunstrichtung,  die,  scheint  es,  nicht  nur 
ihnen,  sondern  der  altaischen  Rasse  und  Ostasien  überhaupt  eigen  ist:  eine  Kunst,  die 
sich  auslebt  in  Linien-  und  Farbwerten;  die  Schaffung  eigener  Raumwerte  in  Licht  und 
Schatten  liegt  ihr  fern.  Die  farbig  auf  den  Flächen  des  Schrägschnittes  spielenden 
Glanzlichter  der  ältesten  Bronze-  und  Goldsachen  Abb.  103  f.  und  131  geben  den  stärksten 
Eindruck  dieses  Stiles.  Die  altchinesische  Kunst  scheint  einst  ein  lebendiges  Glied 
dieser  Entwicklung  gewesen  zu  sein.  Sie  hat  auch  in  der  Zeit,  in  der  sie  in  ihre  auf 
Darstellung  losgehende  Blüteperiode  im  ersten  Jahrtausend  nach  Christus  eintrat, 
daran  festgehalten  und  die  nunmehr  unvermeidlichen  räumlichen  Wirkungen  durch 
die  Linie,  nicht  wie  im  Abendlande  durch  Flächenmodelierung  in  Licht  und  Schatten 
zu  erreichen  gewußt l.  So  blieb  der  ausgesprochene  Gegensatz  zwischen  der  Mittel- 
meerkunst, deren  Grundsätze  auf  Europa  übergingen,  und  der  Kunst  der  Nomaden, 
die  sich  in  Ostasien  zu  hoher  Blüte  entwickelte,  bis  auf  das  XIX.  Jh.  bestehen. 
Zwischen  der  antiken  und  dieser  asiatischen  Kunst,  die  in  spätrömischer  Zeit  auf 
den  Hellenismus  zu  wirken  beginnt,  liegt  also  nicht  nur  ein  Gegensatz  sozialer  Art 
oder  der  des  primitiven  Anfanges  zum  raffinierten  Ende  einer  Entwicklung  vor,  sondern 
es  scheint  dabei  doch  auch  der  Gegensatz  der  Rasse  eine  Rolle  zu  spielen.  Die 
Skythen,   Perser    und  der  Islam  waren  es,   die   zwischen  Ost  und  West  vermittelten. 

2.   Die  Saken  und  der  arische  Kreis. 

Wir  sind,  vom  albanischen  Schatzfunde  ausgehend,  dem  Motiv  der  geometrischen 
Ranke  und  dem  Kreislappen  im  Schrägschnitt  gefolgt  und  haben  dabei  engere  Fühlung 
mit  der  Nomadenkunst  des  asiatischen  Nordens  als  Ausgangspunkt  gewonnen.  Diesem 
Strome  nun,  der  vom  südlichen  Sibirien  über  Transoxanien,  Iran,  um  die  Salzwüste 
nach  Arabien  und  Ägypten  geht,  scheint  ein  anderer  gegenüberzustehen,  der  ihn 
kreuzt  und  in  historischer  Zeit  die  Richtung  von  Iran  und  dem  Kaukasus  nach  dem 
Schwarzen  Meere  und  Nordeuropa  nimmt.  Es  ist  die  Frage,  ob  wir  darin  nicht  neben 
jener  türkischen  Bewegung  eine  andere  arische  vor  uns  haben.  Was  ich  als  Kunst- 
historiker wahrzunehmen  glaube,  das  läßt  sich,  wie  ich  nachträglich  sehe,  in  Einklang 
bringen  mit  den  politisch-historischen  und  kulturgeschichtlichen  Überzeugungen  Georg 
Hüsings2.  Ich  möchte  daher  einleitend  etwa  folgendes  über  die  historisch-ethnischen 
Voraussetzungen  der  Ornamentwanderung,  die  ich  hier  vorführen  will,  sagen. 

In  der  für  uns  zunächst  entscheidenden  Gegend  zwischen  dem  Schwarzen  und  Kas- 
pischen  Meere,  dem  Pamir  und  Indien  sitzen  am  Beginne  der  historischen  Zeit  im  We- 
sentlichen Völker  des  kaukasischen  Sprachstammes ?.    Sie  werden  seit  1700  etwa  durch 

1)  Vgl.  Wachsberger,  Stilkritische  Studien  zur  Wandmalerei  Chinesisch  Turkestans  S.  14/5. 

2)  Vgl.  dessen  Arbeiten  „Die  iranische  Überlieferung  und  das  arische  System"  1916,  vor  allem  aber 
„Völkerschichten  in  Iran"  Mitteilungen  der  anthropol.  Gesellschaft  in  Wien  XXXXVI  (iqiö).  Dazu  Franke 
in  der  oben  S.  146  angegebenen  Schrift. 

3)  Kaukasisch  im  Sinne  Rudolfs  von  Erckert,  Die  Sprachen  des  kaukasischen  Stammes  1895  —  nicht 
im  Sinne  Blumenbachs. 


lJ§  IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 

die  über  den  Kaukasus  kommenden  Inder  verdrängt,  die  ihrerseits  dann,  um  looo  ge- 
schoben von  den  nachwandernden  Iraniern,  gegen  Indien  weiterziehen.  Diese  Inder 
bzw.  Iranier  werden  im  weiteren  Verlauf  ihrer  Wanderungen  getrennt  durch  einen 
dritten  Arierstamm,  die  Saken,  die  —  abgesehen  von  dem  uns  hier  nicht  berührenden 
Einfalle  der  Skutschen  unter  Partatua  um  680  —  nicht  über  den  Kaukasus,  sondern  um 
den  Norden  des  Kaspischen  Meeres  herumwandernd,  von  Turkestan  nach  Awghanistan 
vorstoßen.  So  schiebt  sich  ein  neuer  arischer  Keil  zwischen  die  Semiten  und  Türken. 
Die  Saken  sitzen  den  Türken,  die  Iranier  den  Semiten  und  dem  Mittelmeere  zunächst. 
Die  Kunsthistoriker  haben  daher  eine  falsche,  von  den  klassischen  Philologen  über- 
nommene Meinung  (Vgl.  Herzfeld,  Iran.  Felsreliefs),  wenn  sie  glauben,  der  Süden  und 
die  persische  Dynastie  derSasaniden  bedeute  das  eigentlich  ausschlaggebende,  iranische 
Element  in  der  Kunst  des  Orients,  während  der  Norden  und  die  sakische  Dynastie 
der  Parther  ganz  im  Hellenismus  aufgegangen  sei.  Das  baktrische  Reich  der  Dia- 
dochen  war  eine  kurze  Erobererepisode,  während  die  Nähe  der  Mittelmeerkunst  in 
Mesopotamien  und  der  angrenzenden  Persis  eher  dauernd  wirksam  blieb.  Für  die 
Parther  und  die  indosakischen  Fürsten  geben  darüber  die  Münzen  zur  Genüge  Aus- 
kunft. Der  griechische  Künstler  wird  schon  unter  Mithridates  II  (123 — 88  v.  Chr.)  zu- 
rückgedrängt durch  den  einheimischen '  und  in  Indien  läßt  sich  das  Vorwiegen  des 
Neuen  neben  dem  Griechischen  von  dem  Augenblick  an  feststellen,  in  dem  an  Stelle 
der  griechischen  die  Kuschan-  und  Guptadynastie  treten 2. 

Die  früheste  Blüte  der  arischen  Kunst  auf  iranischem  Boden  entwickelte  sich  frei- 
lich einst  in  der  Persis  unter  der  einheimischen  Dynastie  der  Achamaniden.  Wir  Kunst- 
historiker sind  daher  geneigt,  den  Begriff  „persisch",  wie  er  später  überdies  für  ein 
politisch  vereinigtes  Gebiet  gemünzt  wurde,  ohne  Trennung  von  Iraniern  und  Saken  zu 
verwenden.  In  Wirklichkeit  ist  das  südwestliche  Gebiet  (Persien)  und  das  nordöstliche 
(Chorasan)  besser  getrennt  zu  behandeln.  Wie  bereits  Schneiderwirth  „Die  Parther" 
1874  gezeigt  hat,  sind  die  eigentlichen  Träger  des  Partherreiches  sakische  Stämme, 
an  ihrer  Spitze  die  Parner  und  Daher.  Diese  saßen  in  Transoxanien  und  Turkestan 
bis  nach  jenem  Gouvernement  Semiretschensk  hin,  aus  dem  der  Kotschkarschatz 
stammt.  Wir  werden  uns  daher  nicht  wundern,  wenn  in  diesem  Schatze  neben  dem 
türkischen  Element,  von  dem  S.  105  f.  die  Rede  war,  das  Arische  überwiegt.  Davon 
wird  im  vorliegenden  Abschnitte  die  Rede  sein. 

Es  hat  bisher  niemand  danach  gefragt,  was  die  Arier  aus  ihrer  europäischen 
Heimat  künstlerisch  mitbrachten  oder  dorthin  zurückleiteten.  Wenn  es  sich  als 
richtig  bewahrheitet,  daß  die  östlichen  Zeltnomaden  die  geometrische  Ranke  mit  dem 
Kreislappen  bevorzugen,  sollte  sich  dann  nicht  auch  für  die  westlichen  Hausnomaden 
eine  besondere  Neigung  auf  dem  Gebiete  des  Ornamentes  nachweisen  lassen,  d.  h. 
läßt  sich  bei  den  Iraniern  und  Saken  nichts  aufzeigen,  das  sie  mit  den  stammver- 
wandten Germanen  teilen?  Was  die  arischen  Stämme  der  Griechen  und  Inder  ge- 
schaffen haben,  ist  in  aller  Munde,  wenn  auch  die  arischen  Keime  noch  kaum  von 
dem  Boden,  den  sie  vorfanden,  getrennt  sind.  Die  Kunsthistoriker  werden  diese 
Probleme  schärfer  anfassen  müssen,  wollen  sie  nicht  länger  im  Schlepptau  hinter  andern 


1     Wroth,  Catalogue  of  the  coins  of  Parthia  Taf.  VII  f. 

.ith,  Catalogue  of  the  coins  in  ihe  Indian  Museum  Cakutta  S.  35  f. 


2.  Die  Saken   und  der  arische  Kreis.  I89 

Wissenschaften  zurückbleiben.  In  Hellas  ist  die  Loslösung  gegenüber  dem  „Semiti- 
schen" leichter,  in  Indien  dagegen  wurde  noch  kaum  der  Versuch  gemacht,  in  der 
bildenden  Kunst  zwischen  Einheimischem  und  Arischem  zu  trennen.  Doch  bedürfte 
es  dazu  nur  der  nötigen  Arbeitskräfte  —  die  freilich  z.  B.  in  Wien,  trotz  der  guten 
Photogramme,  die  wir  Victor  Goloubev  verdanken,  und  der  Nähe  Berlins  kaum  auf- 
zuziehen sind  — ,  um  auch  hierin  mit  einiger  Aussicht  auf  Erfolg  eingreifen  zu  können- 

Griechen  und  Inder  scheinen  in  den  Formen,  wenn  auch  nicht  im  Inhalte  zunächst 
stärker  als  die  Arier  Irans  und  die  Germanen  in  dem  aufgegangen  zu  sein,  was  sie 
in  den  eroberten  Kulturgebieten  vorfanden.  Es  ist  leicht  möglich,  daß  das  Element, 
das  wir  als  ein  spezifisch  arisches  bei  Iraniern  und  Germanen  nachweisen  können, 
den  Indern  und  Griechen  ganz  oder  wenigstens  als  herrschendes  Motiv  verloren  ge- 
gangen wäre  und  nur  vereinzelt  noch  durchschlüge.  Ich  muß  an  dieses  Problem 
rühren,  wenn  mir  auch  vollkommen  klar  ist,  daß  meine  gärenden  Gedanken  vielleicht 
bald  nach  der  Aussprache  entweder  durch  mich  selbst  oder  andere  erst  in  das  richti- 
gere Fahrwasser  gelangen  könnten.  Ich  gedenke  dabei  einer  Äußerung  Radioffs  anläßlich 
der  türkischen  Texte,  die  von  Berlin  aus  hoffentlich  so  rasch  wie  möglich  veröffent- 
licht würden,  damit  auch  andere  sich  an  ihrer  Ausbeutung  für  die  Wissenschaft  be- 
teiligen könnten:  denn  der  erste  Herausgeber  bleibt,  nach  der  mühevollen,  lang- 
wierigen Entzifferung  immer  an  gewissen  falschen  Auffassungen  hängen,  die  einem 
frischeren  Kopfe  sofort  in  die  Augen  fallen  l.  Nun  sind  die  Denkmäler  der  bildenden 
Kunst  nicht  weniger  schwer  zu  enträtselnde  Monumente  bzw.  Dokumente2  als  die 
der  Schrift.  Ich  möchte,  daß  die  Kollegen  wenigstens  an  den  Hochschulen  anfingen, 
den  Salonrock  auszuziehen  und  im  Arbeitskittel  an  diese  des  Faches  harrenden 
würdigen  Probleme  heranträten.  Die  Zeit  wäre  jetzt  danach!  Der  Einzelne  kommt 
zu  mühselig  vorwärts,  nur  der  erfrischende  Wetteifer  kann  zu  einem  Durchbrechen 
der  alten  Schranken  führen.  Mit  der  angeblichen  Lösung  des  Problems  der  Sprache 
der  Hettiter,  wie  sie  gewisse  Berliner  Kreise  jetzt  ausrufen,  leider  ohne  vorher  das  nötige 
Keilschriftmaterial  vorgelegt  zu  haben  —  wenn  unsereiner  das  täte!  —  wird  die  Frage 
nach  den  Wanderungen  der  arischen  Völker  ohnedies  neuerdings  lebhaft  in  Gang 
kommen.  Die  Kunstforschung  könnte  anfangen,  dabei  mitzureden;  freilich  nachdem 
erst  einmal  systematisch  aus  der  „Kunstgeschichte"  eine  Fachwissenschaft  gemacht 
wäre.     Davon  im  Schlußabschnitte. 

Uns  Deutsche  muß  die  Frage  besonders  beschäftigen,  ob  unsere  arischen  Vorfahren 
jenseits  des  Schwarzen  Meeres  und  des  Kaukasus,  die  früh  zu  einer  Großmacht  empor- 
gestiegenen „Perser",  trotzdem  sie  den  alten  Kulturen  des  Zweiströmelandes  bedenk- 
lich nahe  gekommen  sind,  doch  etwas  von  ihrer  ererbten  arischen  Art  im  Gebiete 
der  bildenden  Kunst  hindurchgerettet  haben.  Ich  glaube  zwei  Dingen  auf  der  Spur 
zu  sein,  die  bisher  nicht  zu  erkennen  waren,  weil  wir  uns  um  die  Frage  nach  arischen 
Grundelementen  der  bildenden  Kunst,  seit  unser  Fach  in  die  historisch-philologisch 
spezialistische  Zersplitterung  eingetreten  ist,  überhaupt  nicht  gekümmert  haben  — 
soweit  nicht  die  Prähistoriker  sich  damit  abgaben  — •  und  zweitens,  weil  wir  uns  zu 
sehr  von  dem  arischen  Edelvolk  der  Griechen  einnehmen  ließen,  das  m.  E.  ein  gut  Teil 

1)  Izvjestija  der  kais.  Akademie  der  Wiss.  in  Petersburg  1912  S.  747. 

2)  Vgl.  Vossler,  Frankreichs  Kultur  im  Spiegel  seiner  Sprachentwicklung  S.  1. 


,qq  IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Xordvölker. 

meiner  Genialität  in  der  bildenden  Kunst  derart  an  die  Überwindung  des  Semitischen  setzen 
mußte,  daß  sein  Eigenbesitz  dabei  gestaltlich  so  gut  wie  verloren  ging.  Sie  wurden 
wie  die  Ägypter  in  der  Baukunst  Durchbildner  der  Masse  und  konnten  den  ihnen 
angeborenen  Raumsinn  nur  durch  feine  Gegensätze  im  einzelnen  zur  Geltung  bringen. 
Als  einen  solchen  Vorstoß  des  Arischen  im  Rahmen  des  am  Mittelmeer  Übernom- 
menen betrachte  ich  die  Kühnheit  der  Griechen,  der  „semitischen"  mit  Reliefs  überzoge- 
nen Wand  die  leere  Cellamauer,  künstlerisch  gehoben  durch  den  Kontrast  der  kan- 
nelierten Säule,  gegenüberzustellen1.  Und  nicht  viel  anders  war  es  in  der  Plastik. 
Von  den  Semiten  war  nun  einmal  der  Naturalismus  zugleich  mit  der  Darstellung  des 
menschlichen  Leibes  übernommen 2.  Aber  die  Griechen  ließen  sehr  balddieBeschränkung; 
des  raumlichen  Sehens  durch  Hervorhebung  der  gestaltlich  charakteristischen  Ansichten 
fallen  und  stellten  die  Gestalt  in  den  Dienst  des  räumlichen  Formsehens3.  Überall 
also  läutert  sich  bei  ihnen  das  übernommene  semitische  Gut  der  Kulturtreibhäuser  am 
Nil  und  im  Zweiströmeland  im  Sinne  der  räumlichen  Klärung  der  Form.  Wir  möchten 
die  griechische  Kunst  nicht  anders  als  sie  ist;  aber  es  läßt  sich  auch  statt  bei  der 
Masse  in  der  Baukunst  bei  Raumformen  und  statt  bei  der  naturalistisch  erfaßten 
Menschengestalt  in  der  Plastik  mit  formalen  Zeichen  beginnen. 

Ein  drittes,  das  die  Entwicklung  einer  spezifisch  auf  das  Arisch-Germanische 
gerichteten  Forschungsrichtung  verhindert  hat,  war,  daß  sowohl  die  Germanen,  wie 
besonders  die  Deutschen  in  neuerer  Zeit  künstlerisch  völlig  im  Griechisch-Römischen 
und  der  italienischen  Renaissance  aufgingen,  damit  aber  jeden  Spürsinn  für  die  an- 
geborene Eigenart  so  gut  wie  vollständig  verloren.  Dieser  schreiende  Fall  des  Sich- 
Selbst-Verlierens  ist  noch  viel  tiefer  greifend,  als  der  eben  besprochene  der  Griechen, 
weil  sich  bei  diesen  doch  wenigstens  der  Eigenwert  der  Rasse  ankämpfend  gegen  das 
Übernommene  durchsetzte.  Die  Germanen,  mit  der  sog.  Gotik  auf  dem  besten  Wege 
zur  rassigen  Eigenart  —  es  fehlte  u.  a.  der  Übergang  zur  Kuppel  im  Rahmen  der 
selbst  geschaffenen  Raumform  —  beraubten  sich,  indem  sie  das  Joch  der  italienischen 
Renaissance  auf  ihren  Rücken  nahmen,  des  eigenen  schwer  errungenen  Bodens  einer 
Entwicklung  und  pumpen  nun  seit  Jahrhunderten  bis  auf  den  heutigen  Tag  durch 
Kirche,  Schule,  Wissenschaft  und  Kunst,  was  sie  nur  von  Antikem  und  Italienischem 
auftreiben  können,  von  Jugend  auf  durch  alle  Poren  des  Volkskörpers.  Ich  gehe  an 
anderer  Stelle  darauf  näher  ein4. 

In  diesem  Buche  möchte  ich  eindringlich  hinweisen  auf  die  einzigen  Indogermanen 
des  Ostens,  die  in  der  Kunst  halbwegs  ihre  arische  Eigenart  gewahrt  oder  durch  günstige 
Bodenverhältnisse  gedrängt  entwickelt  haben,  die  Saken  bezw.  Parther.  Wenn  das  bisher 
kaum  geahnt  werden  konnte,  so  liegt  es  nur  daran,  daß  wir  die  alte  parthische  Volks- 
kunst bisher  nicht  kannten 5  und  uns  erst  auf  dem  Umwege  über  ein  Inundationsgebiet  des 


i.    Vgl.  Amida  S.   156. 

2)  Vgl.  dazu  auch  Löwy,  Typenwanderung.  Jahreshefte  des  k.  k.  öster.  archäol.  Instituts   XII   (1909) 
S.  301t,  XIV  (191  ij  S.  34. 

3  VgL  Löwy  „Die  Xaturuiedergabe  in  der  älteren  griechischen  Kunst"  1909  und  „Lysipp  und  seine 
sag  in  der  griech.  Plastik". 

4  Vgl.  meinen  Aufsatz,,]  >ie  deutsche  bildende  Kunst  und  Italien".  Das  neue  Deutschland  III  >  1915^.414. 
Man    lese    nur.    wie    Riegl,    Stilfrag        S,    109  f.    mit   dem    persischen   Problem    umspringt,   das   er 

in  der  Spätrömiscben  Kunstindustrie  nicht  mehr  kennt  bezw.  geflissentlich  übergeht. 


2.  Die  Saken  und  der  arische  Kreis. 


191 


Parthischen,  über  Armenien,  die  Augen  aufgehen.  Ich  habe  diesen  Punkt  schon  oben  be- 
rührt und  bitte,  einen  Aufsatz  in  der  Zeitschrift  für  Architekturgeschichte  VII  (I916)  S.  5 1  ff. 
nachzulesen  —  vorläufig;  ich  hoffe  bald  mein  Werk  über  die  altchristliche  Architektur 
Armeniens  und  das  von  Diez  über  die  islamische  Kunst  Chorasans  vorlegen  zu  können, 
worin  die  Dinge  mit  möglichster  Deutlichkeit  und  Breite  behandelt  werden  sollen. 

A.  Der  Raum  als  Wirkungsmittel.  Arisch  ist  es,  den  Raum  zum  Träger 
der  künstlerischen  Wirkung  zu  machen,  das  Ausdrucksbedürfnis  letztlich  im  Räume 
und  seinen  Wirkungsformen  zu  befriedigen.  Um  dieses  Empfinden  haben  uns  z.  T.  die 
hinter  den  Griechen  stehenden  Semiten  und  die  hinter  den  Italienern  stehenden 
antiken  Säulenordnungen  gebracht.  Zwar  haben  Leonardo-Bramante  erkannt,  worauf 
es  ankam,  aber  die  Bedeutung  der  Kuppel,  die  sie  zum  Träger  ihrer  Raumideen 
machten,  blieb  doch  unverstanden  und  beeinträchtigt  durch  die  Proportionen  der 
antiken  Säule  und  durch  die  Forderungen  der  Kirche  nach  der  Längsrichtung1. 
Auch  machten  sich  Ansätze  schon  in  der  hellenistischen  Kunst  geltend  —  die  • 
große  Wirkung  des  Pantheons  ist  u.  a.  ein  Wahrzeichen  dafür  —  und  brachen  auch 
in  Aquitanien  später  durch,  aber  die  Verballhornung  des  struktiven  Charakters  im 
Typus  der  altchristlichen  „Basilika"  hat  der  christlichen  Baukunst  des  Nordens  doch 
immer  den  falschen  Weg  gewiesen,  ob  sie  nun  holzgedeckt  von  der  künstlerischen 
Höhe  der  Konstantinsbasilika  in  einen  unerhörten  Abgrund  sank,  oder  später  sich 
mit  Hülfe  der  Tonne  und  des  Kreuzgewölbes  wieder  heraufarbeitete. 

Der  eigentliche  Raumbau,  die  Kuppel,  ist  von  den  sakischen  Ländern  aus  direkt 
und  in  christlicher  Zeit  über  Armenien  auf  die  Kunstkreise  des  Mittel-  und  Schwarzen 
Meeres  übergegangen.  Ob  nun  die  Saken  selbst  den  Kuppelbau  schon  bei  ihrem  Vor- 
dringen aus  dem  Norden  mitbrachten2  und  ihn  in  den  neuen  Wohnsitzen  gezwungen 
durch  die  Verhältnisse  des  Bodens  nur  umbildeten  oder  ihn  von  ihren  Vorgängern 
annahmen,  das  ist  hier  nicht  die  Frage.  Das  Entscheidende  ist  vielmehr,  daß  sie 
die  über  dem  Quadrat  mittelst  Trompen  gewölbte  Raumzelle3  in  die  Großarchitektur 
einführten  und  im  volkstümlichen  Hausbau  bis  zu  einer  südlich  des  Kaspischen  Meeres 
zwischen  Iran  und  Mesopotamien  schwankenden  Grenze  festgehalten  haben.  Grund 
der  Um-  oder  Neubildung  dieser  Raumschöpfung  war  negativ  der  Holzmangel  und 
positiv  der  ungebrannte  Ziegel4.  Ich  sollte  auf  die  Frage  dieser  sakischen  Raumform 
näher  eingehen,  weil  sie  heute  schon  klarer  liegt  als  die  Rolle  der  Arier  im  Gebiete  des 
Ornaments,  wir  daher  vielleicht  methodisch  Handhaben  für  die  Behandlung  der  Aufgabe 
gewinnen  könnten,  die  uns  im  vorliegenden  Bande  in  erster  Linie  beschäftigt.  Da 
aber  die  Herausgabe  des  armenischen  Expeditionswerkes  nahe  bevorsteht  und  ich 
überdies  in  einigen  Aufsätzen   bereits  auf  die  Ergebnisse  vorbereitet  habe5,   so  sei 


1)  Vgl.  meine  Besprechung  von  Frankl,  Die  Entwicklungsphasen  der  neueren  Baukunst  in  der  Theo- 
logischen Literaturzeitung  XL1  (1916)  Sp.  61  f.  und  „Die  bildende  Kunst  des  Ostens"  S.  47  f. 

2)  Vgl.  die  ukrainischen  Kuppelbauten  in  Holz  bei  Pawluzky,  Drewnosti  Ukrainy  I  (Kiew  1905), 
meine  „Bildende  Kunst  des  Ostens"  S.  41  f.,  46  und  verwandte  indische  Konstruktionen. 

3)  Vgl.  Zeitschrift  f.  Architekturgesch.  VII  (1916)  S.  55  f.  „Die  Entstehung  der  Kreuzkuppelkirche"  und 
Amida  S.  177  t'.  4)  Vgl.  Zeitschrift  f.  Architekturgesch.  III   S.   1   f.  (1915). 

5)  Vgl.  außer  den  zuletzt  zitierten  Schriften  noch  „Die  sasanidische  Kirche  und  ihre  Ausstattung",  Monats- 
hefte f.  Kunstwiss.  VIII  (1915)  S.  349t'.  „Der  Ursprung  des  trikonchen  Kirchenbaues"  Zeitschrift  f.  christl. 
Kunst  XXVIII  (1916)  S.  181  f.  und  meine  oben  Anm.   1   genannte  Besprechung  von  Frankl. 


192 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


hier  auf  ein  näheres  Eingehen  verzichtet  —  ebenso  wie  auf  mehr  als  die  Andeutung 
jener  offenbar  germanischen  Kraft,  aus  Licht  und  Luft  im  Bilde  die  zartesten  Gefühls- 
regungen zur  Wirkung  zu  bringen  — ,  vielmehr  unmittelbar  die  Frage  nach  der  Rolle 
der  Arier  in  der  Geschichte  der  Zierkunst  aufgeworfen. 

Der  Ansatz  zur  Behandlung  dieser  schwierigen  Frage  ist  für  den  Kunsthistoriker 
vielleicht  besser  in  Italien  gegeben,  wo  es  ganz  augenfällig  ist,  das  die  einwandernden 
Goten  und  Langobarden  ein  eigenes  Ornament  mitbringen,  daß  sich  bald  sehr  ent- 
schieden gegen  die  Antike  durchsetzt1.  Im  vorliegenden  Buche  aber  bleibe  ich  bei 
Altai  —  Iran,  bezw.  dem  Kreuzungspunkte  des  Altaischen  und  Arischen.  Da 
gehen  die  Kunstströme  in  der  Zeit,  die  uns  beschäftigt,  in  der  zweiten  Hälfte  des 
ersten  Jahrtausends  bereits  wirr  durcheinander.  Man  wird  daher  den  Versuch,  nach- 
dem das  Altaische  greifbar  gemacht  worden  ist,  nun  auch  gerade  von  dieser  Stelle 
aus  dem  Arischen  beikommen  zu  wollen  nur  verstehen,  wenn  man  mit  der  Fülle  des 

Materials  rechnet,  die  gerade  auf  diese  Stelle  zu  weisen 
scheint,  und  damit,  daß  von  hier  aus  ein  ausge- 
dehnter Handelsverkehr  nach  Indien,  Persien  und  dem 
Mittelmeer  sowohl,  wie  nach  Ungarn,  Rußland  und 
Skandinavien  stattfand.  Davon  gleich  mehr.  Einleiten 
möchte  ich  diesen  Abschnitt  mit  einem  Stücke, 
an  dem  die  Kreuzung-  der  Kunstströme   besonders 


Abb.  157:  Anarcs  (Ungarn):  Silberscheibe. 


augenfällig  ist,  der  Silberscheibe  von  Anarcs  in 
durchbrochener  Arbeit  (Abb.  157),  die  Hampel, 
Altertümer  I  S.  701  besprochen  und  II  S.  622  f. 
beschrieben  hat. 

An  dem  Stücke  muß  zweierlei  außer  der  Durch- 
brucharbeit  beschäftigen.  Fürs  erste  die  Isolierung 
jenes  geometrischen  Palmettengebildes,  das  wir  bereits 
oben  S.  102  f.  auf  ungarischen  Taschenblechen  kennen  gelernt  haben.  Dort  war  daraus  in 
Xomadenart  ein  Muster  ohne  Ende  gebildet.  Hier  ist  ein  Einzelmotiv,  der  „Lebensbaum" 
daraus  geworden.  Weitere  Beispiele  dieser  Art  findet  man  nebeneinander  in  denStucka- 
turen  der  Wände  von  Samarra  (Herzfeld,  Erster  vorl.  Bericht  Tafel  VI)  und  des  Deir 
es-Surjani,  wie  ich  sie  Tafel  80  der  Monatshefte  für  Kunstwissenschaft  VIII  (1915)  und 
unten  S.  2lof.  vereinigte.  Es  ist  kaum  anzunehmen,  daß  sich  in  dieser  Isolierung  des 
Motivs  arisches  Empfinden  unabhängig  von  der  alten  bezw.  Mittelmeerkunst  regt.  Doch 
will  ich  darauf  kein  Gewicht  legen,  weil  der  Fall  vorläufig  vereinzelt  stünde.  Man  lese 
Monatshefte  S.  ßöof.  die  auf  diese  Kunstbewegung  bezüglichen  Bemerkungen  nach. 
Wir  sehen  den  Palmettenbaum,  der  schon  auf  dem  Seidenstoffe  Abb.  73  begegnete.  Es 
fragt  sich,  ob  diese  Analogie  zufällig  ist  und  die  Flächenfüllung  auf  Grund  der  geo- 
metrischen Ranke  nicht  in  den  Webereien  aus  Ägypten  wie  in  den  Metallarbeiten  aus 
Ungarn  auf  den  gleichen  Kunstkreis  zurückgeht.  Man  sieht  Abb.  157  wie  dort  den 
Palmettenbaum,  jedoch  rein  geometrisch  ohne  jeden  pflanzlichen  Anstrich  verwendet. 
Schwer  und  ungelöst  setzen  Stamm  und  Aste  wie  Stäbe  aneinander,  halbrund  ab- 
schließend und  durch  Mittellinien  geteilt.    Mit  derartigen  Abbindungen  hatte  ich  schon 


J.   mein  „Die  bildende  Kunst  des  Ostens"  S.   14  f. 


2.  Die  Sakcn  und  der  arische  Kreis. 


193 


fjel eigentlich  der  kleinarmenischen  Miniaturmalerei  zu  tun.    Ich  nannte  das  Motiv  dort 

O  ö 

„Nabe".  Es  ist  vielleicht  gleichbedeutend  mit  dem,  was  Riegl  als  „Heftel"  bezeichnet1. 

Hier  geht  uns  mehr  das  zweite  Motiv  auf  der  Scheibe  von  Anarcs,  der 
gespaltene  Stamm  und  seine  Verästelung  an.  Auch  das  dürfte  neben  der  Wucherung 
der  Palmette  ein  iranisches  Motiv  sein.  Ich  gebe  in  Abb.  1 58  ein  weiteres  der 
ägyptischen  Bretter,  die  ich  oben  S.  88 f.  und  175 f.  vorgeführt  habe.  Es  handelt  sich  um 
ein  Exemplar  von  Türfüllungen,  gefunden  im  Gräber- 
viertel Imam  Schafi'i,  einst  in  den  Magazinen  des  ara- 
bischen Museums.  Erhalten  sind  vier  ganz  gleich  breite 
Stücke,  alle  an  einem  Ende  abgebrochen,  am  andern 
aber  mit  den  Falzen,  die  zur  Einfügung  in  den  Tür- 
rahmen dienten.  Man  sieht  auf  ihnen  den  Rest  eines 
Ornamentfeldes,  und  je  ein  vollständig  erhaltenes, 
17x30  cm  großes  Feld,  dessen  Ornamentik  nur  bei  zwei 
Stücken  völlig  übereinstimmend  ist.  Unten  liegt  quer 
ein  Schnörkel,  der  durch  zwei  wagrechte  Einschnitte 
rechts  das  Ansehen  einer  Blüte  gewinnt,  die  unten  einen 
Sporn  hat  (Sporenblüte).  Darüber  sieht  man  einen 
S-förmigen  Linienzug,  der  rechts  neben  sich  eine  Zwickel- 
füllung, links  eine  Art  Füllhorn  hat  und  oben  mit  den 
übereinandergelegten  Hälften  eines  Schnörkelblattes 
endet,  eine  Zusammenstellung  von  eigenartigem  Reiz. 
Das  dritte  Feld  zeigt  dieselbe  Ornamentik,  nur  umge- 
kehrt, der  S-förmige  Linienzug  beherrscht  wieder  das 
Ganze.  Ebenso  auch  im  vierten  Felde,  wo  oben  statt 
des  konischen  Blattes  zwei  halbe  Schnörkelblätter  ver- 
tikal nebeneinandergelegt  sind  und  das  Füllhorn  in 
der   Ecke   links    oben    mit    einem  Blättchen  endet.  — 

Von  den  angrenzenden  Ornamentfeldern  erkennt  man  nur  noch  einige  Schnörkel,  die 
sich  kaum  zusammenreimen  lassen. 

Als  Rand  kehrt  das  gleiche  Motiv  der  geschlitzten  und  abgerundeten  Stäbe  wieder, 
das  auf  der  Scheibe  von  Anarcs  den  Stamm  bildet.  Ebenso  auf  dem  ungarischen 
Taschenblech  Abb.  96.  Es  wechselt  Abb.  158  mit  Knöpfen,  wie  wir  sie  auf  der 
Wand  von  Samarra  Abb.  92  als  Randmotiv  der  Nischen  beobachtet  haben.  Und  in 
Samarra  ist  das  Motiv  der  abgerundeten  und  geschlitzten  Stäbe  auch  häufig  als 
Rand  verwendet,  am  besten  Abb.  164  und  bei  Herzfeld,  Vorl.  Bericht  S.  XIII  zu 
beobachten.  Wir  haben  also  auch  hier  wieder  ein  spezifisch  iranisches  Motiv  vor  uns, 
das  übrigens  seine  monumentalste  Verwendung  an  dem  Steinbau  der  Bab  el-Futuh 
in  Kairo  von  1087  an  den  oberen  Turmkanten  gefunden  hat.  Diese  in  der  Mitte 
geschlitzten  Stiele   und  Bänder  leiten  über  auf  das  mehrstreifige  Ornament. 

B.  Das  mehrstreifige  Bandgeflecht.  Es  ist  nun  beachtenswert,  daß  die 
geometrische   Ranke,    der   wir   von  Ungarn   und    Ägypten    aus   folgten,    dort   selten 


Abb.  158 
seum: 


Kairo,  Arabisches  Mu- 
Yerzierte  Holztafel. 


1)  Veröffentlichungen  der  k.  Universitätsbibliothek  zu  Tübingen  S.  30  f. 

2)  Jahrbuch  der  Kunstsammlungen  des  Allerh.  Kaiserhauses  XIII  (1892)  S.  299. 
S  t  r  z  y  g  o  \v  s  k  i ,  Altai. 


13 


1  '4 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Xordvölker. 


vereint  mit  einem  anderen  Motiv  vorkommt,  das  die  Germanen  über  Europa  ver- 
breitet haben,  dem  mehrstreifigen  Bandornament.  Ich  kann  mich  des  Eindruckes 
nicht  erwehren,  daß  dieses  Bandornament  eine  arische  Form  ist,  ob  nun  Urform 
oder  übernommen,  darauf  kommt  es  zunächst  nicht  an.  Ich  will  der  Ursprungsfrage 
hier  garnicht  nachgehen.  Wie  die  geometrische  Ranke  kommt  auch  das  Band- 
ornament schon  in  den  Jahrtausenden  vor  Christus  in  Zentralasien  und  China  wie 
im  Westen  vor  (bes.  bei  den  Hettitern).  Möglich,  daß  die  Sumerer  vermittelten  — 
das  ist  eine  Frage  für  sich  — ,  bevor  die  Arier  den  trennenden  Keil  zwischen  den 
fernen  Osten  und  den  alten  Orient  schoben.  Wie  aus  der  Art,  in  der  die  Griechen 
auf  den  übernommenen  Massenbau  und  die  Naturgestalt  reagierten,  auf  ihr  unbewußtes 
Raumgefühl  zu  schließen  ist,  so  wäre  auch  aus  dem  beliebten  Motiv  des  mehr- 
streifigen Bandge- 
flechtes festzustellen, 
welches  qualitative 
Empfinden  den  pri- 
mitiven Arier  bei  der 
Wahl  und  Entwick- 
dieses 


hing 


gerade 


Abb.  159:   Swartnotz,  Kirchenruine:  Reste  des  Kranzgesimses. 


Motivs  geleitet  hat. 
Ich  will  hier  nur 
seine  Vorliebe  dafür 
nachweisen. 

Die  Neigung  der 

Germanen  für  diese  Ornamentart  ist  bekannt.    Sie  wandert  mit  ihnen  in  zwei  Stufen 
nach  den  eroberten  Gebieten.     Die  erste    Stufe,  die  die    Goten    und    Langobarden 

vertreten,  weist  das  mehrstreifige  Bandornament  rein 
auf.  Ganz  Italien  ist  davon  überschwemmt,  wie  schon 
oben  S.  74  gesagt  wurde1.  Die  zweite  jüngere  Stufe 
zeigt  das  mehrstreifige  Band  ganz  durchsetzt  von 
der  Tiergestalt.  Darüber  haben  die  Arbeiten  von 
Sophus  Müller2  und,  sehr  gründlich  durchgear- 
beitet, von  B.  Salin  :t  Auskunft  gegeben.  Es  ist,  als 
läge  hier  etwas  der  Lautverschiebung  der  Sprache 
Paralleles  vor.  Der  temperamentvolle  Drang  zu 
kräftiger  Bewegung4  mag  dabei  eine  Rolle  spielen, 
nicht  nur  die  Verwendung  der  tierischen  Gestalt, 
deren  bei  den  Chinesen  verwandte  Art  oben  S.  11 3  f. 
erwähnt  wurde.  Ursprünglich  jedenfalls  liegt  das 
mehrstreifige  Bandgeflecht  unbewegt  da  als  Füllung 
einer  Fläche.  Wie  kam  es  zu  den  Germanen?  Die  prähistorische  Kunst  des  Nordens  hat  das 
Geflecht  nicht  gekannt.   Wir  begegnen  ihm  zuerst  bei  den  Goten  am  Schwarzen  Meere. 


Abb.   160:  Dwin:  Kapitell. 


1     VgL  auch  meine  Bildende  Kunst  des  Ostens  S.    14!. 
z    Die  Tier-Ornamentik  im  Norden,  Hamburg  1SS1. 
3)  Die  altgermanische  Tierornamentik,  Stockholm  1904. 


4   Worringer,  Formprobleme  der  Gotik. 


2.  Die  Saken  und  der  arische  Kreis. 


19! 


Abb.   161.  Talin,  Kathedrale:  Siidkonche. 


13* 


196 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


a)  Die  armenische  Gruppe.    Die  Sache  ist  erst  Gegenstand  meiner  Überlegung 
geworden,   seit  ich  entdeckte,  welch  ausschlaggebende  Bedeutung  das   mehrstreifige 

Bandgeflecht   bei    den  Armeniern   in 
der  christlichen  Architektur  ihrer  gol- 
denen Zeit,  seit  dem  IV.  Jh.  etwa  hatte. 
Ich   begriff  jetzt  auch,  wie  es  an  das 
Kranzgesims    des    Theoderich -Grab- 
males   in    Ravenna    gekommen   sein 
konnte '.     Im  Abendland  ist  das  ein 
ganz  einzig  dastehender  Fall.    In  Ar- 
menien ist  er  typisch  zu  Hause.  Abb. 
159  zeigt  die  Reste  des  Kranzgesimses 
der    um    650     entstandenen    Katho- 
likatskirche    von    Swartnotz2.       Man 
sieht  die  Schräge  über  einem  Wulste 
vollständig  gefüllt  mit  dem  Zickzack 
von    vier    zweistreifig  durcheinander- 
gekreuzten Bändern.     In    dieser  Art 
findet   man   es   neben   einem   zweiten 
Motiv   an    den  meisten  Kirchen  Ar- 
meniens am  Kranzgesims  der  Kuppel 
sowohl,    wie    an    dem    aller    übrigen 
Dachschrägen.  Und  nicht  genugdamit. 
Auch  die  Kapitelle  sind  häufig  damit 
überzogen.   Nicht  etwa  —  wie  ich  einst 
annahm3  —  in  Anlehnung  an  byzan- 
tinische Vorbilder,   vielmehr  in 
Überleitung  vom  iranischen  Hin- 
terland Armeniens  auf  Byzanz. 
Ich  zeige  hier  zwei  Kapitelle  von 
Bauten,     die     spätestens     dem 
VII.  Jh.    angehören.     Das   eine 
(Abb.  160)4  fand  ich  in  der  Ruine 
der  alten  Kirche  von  Dwin  im 
einst    persischen    Teile    Arme- 
niens.   Es  hat  bei  einem  unteren 
Durchmesser   von   40  cm    eine 
Länge  der  oberen  Quadratseite 
von  57  cm  und  eine  Höhe  von 
Abb.   163:  Baghdad,  Privatbesitz:  Kapitell.  50  cm    Wir  sehen   einen  Knauf. 

darüber  in  die  Ecken  unter  die  Deckplatte  geschoben  zwei  Kreise,  getrennt  durch  plumpe 

1)  Vgl.  Österr.  Monatsschrift  für  den  Orient  XL  (1914)  S.  4  ff. 

2)  Vgl.  darüber  „Der  Dom  zu  Aachen  und  seine  Entstellung"  S.  33  f.  (Kirche  des  hl.  Gregor). 

Etschmiadsin-EvangeLiai  S.  10. 
Die  Aufnahme  leider  in  verkehrtem  Licht,  da  das  Kapitell  heute  verkehrt  auf  dem  Boden  liegt. 


Abb.  162:  Artik,  Kathedrale:  Arkaden  der  Westkonche. 


2.  Die  Saken  und  der  arische  Kreis.  1Q7 

blattartige  Motive.  Nie  wird  dem  Armenier,  der  ja  auch  Arier  ist,  spontan  ein  Naturmotiv 
einfallen  oder,  wenn  er  es  nachahmt,  gelingen  l.  Die  Kreise  sowohl,  wie  der  Knauf  sind 
nun  ganz  übersponnen  mit  dem  mehrstreifigen  Bandgeflecht.  Am  Knauf,  der  unten  mit 
einer  Knopfreihe  endet,  ist  es  zweistreifig  und  in  der  selben  Art  geordnet  wie  sonst  an  den 
Kranzgesimsen,  in  den  Kreisen  oben  dreistreifig  in  vier  Schlingen  zu  einem  Band  ohne 
Ende  gekreuzt-.  Das  andere  Beispiel  (Abb.  161 ')  stammt  von  der  Kathedrale  zu  Talin, 
einer  trikonchen  Anlage  des  VII.  Jh.3,  und  zeigt  die  Südkonche.  Oben  das  zweistreifige 
Band  am  Kranzgesims,  an  jeder  der  fünf  Seiten  der  Konche  ein  Bogen  mit  wulstiger 
Weinranke  auf  Säulen  ruhend,  die  nach  persischer  Art  paarweise  nebeneinander  stehen. 
Die  Kapitelle  nun  sind  etwas  veränderte  Beispiele  des  Typus,  den  wir  im  Abendlande 
„Würfelkapitell"  nennen  und  der  in  der  armenischen  Architektur  schon  in  den  ältesten 
Bauten  der  vorherrschende  ist.  Im  gegebenen  Falle  sieht  man  die  Halbkreislappen 
mit  Palmettenmotiven  geschmückt  und  darunter  um  den  Kern  des  Kapitellkörpers  ein 
Gespinst  von  dreistreifigen  Bändern.  In  Abb.  162  zeige  ich  noch  ein  Beispiel  des  gewöhn- 
lichen Würfelkapitells  und  darüber  das  dreistreifige  Gespinst  an  den  Bogen.  Die 
Aufnahme  stammt  von  der  großen  Kirche  in  Artik.  Man  wird  mir  also  wohl  glauben, 
wenn  ich  sage,  die  altarmenische  Architektur  mache  von  dem  mehrstreifigen  Band- 
geflecht so  ausgiebigen  Gebrauch,  daß  man  es  wohl  als  für  sie  bezeichnend  ansehen  darf. 

Und  nun  eine  wichtige  Tatsache:  das  mehrstreifige  Bandgeflecht  kommt  in 
Armenien  nur  an  Kuppelbauten  vor,  nie  an  tonnengewölbten  Langbauten,  die  nach- 
weisbar auf  griechische  oder  syrische  Vorbilder  zurückgehen.  Die  Kuppel  aber  hat 
Armenien,  das  steht  wohl  außer  Zweifel,  von  Ostiran  übernommen,  also  —  und 
das  ist  der  Schluß  auf  den  es  hier  allein  ankommt  —  wohl  auch  das  Bandgeflecht. 

b)  Mesopotamische  Beispiele.  In  Vorderasien  selbst  häufen  sich  jetzt,  seit 
man  dort  überhaupt  der  christlichen  und  islamischen  Kunst  im  Gefolge  meiner  Arbeiten 
Beachtung  schenkt,  die  Beispiele  für  das  Bandgeflecht.  Ich  habe  zu  wiederholten 
Malen  für  den  persischen  Ursprung  des  byzantinischen  Kämpferkapitells  auf  ein 
Kapitell  in  Edessa  hingewiesen4.  Ein  zweites  in  der  Technik  vollkommen  überein- 
stimmendes Exemplar  hat  neuerdings  O.  Reuther  in  Baghdad  gefunden.  Ich  ver- 
öffentliche hier  eine  seiner  mir  freundlich  überlassenen  Aufnahmen  (Abb.  163).  Das 
Kapitell  ist  in  Hellan,  einem  Stein  gearbeitet,  der  bei  Mosul  gebrochen,  von  altersher 
als  Rohmaterial  nach  Baghdad  gebracht  und  dort  von  Mosuler  Steinmetzen  verarbeitet 
wird5.  Es  soll  aus  Arqarquf(DurKurigalzu)  etwa  20  km  westlich  von  Baghdad  stammen. 
Das  ist  nach  Reuther  kaum  richtig,  da  in  Arqarquf  nur  Babylonisches  an  der  Oberfläche 
liegt  und  keine  Spuren  einer  christlichen  Besiedlung  festzustellen  sind.  Es  wird  heute 
in  einem  Landhause  als  Blumentopf  benutzt  und  ist  —  wohl  bei  einem  der  wieder- 
holten Transporte  —  gespalten  worden;  dadurch  wurde  eine  Seite  stark  beschädigt. 
Das  Kapitell  ist  52  cm  hoch,  hat  einen  unteren  Durchmesser  von  56  cm,  die  Deckplatte 


1)  Vgl.  dazu  Ansichten  wie  die  Ton  Zimmermann,  Vorkarolingische  Miniaturen  S.  6. 

2)  Vgl.  den  „Knoten"  in  Abb.  180  rechts  und  Zierstücke  syrischer  und  arabischer  Handschriften,  da- 
zu meine  ,, Kleinarmenische  Miniaturenmalerei". 

3)  Vgl.  Zeitschrift  für  christl.  Kunst  XXVIII  (1916)  S.  185  f.  4)  Kleinasien  S.  119,  Mschatta  S.  256. 
5)  Wenn  auch  der  Stein  des  Kapitells  von  Edessa  Hellan,   d.  h.  ebenfalls  aus  Mosul  importiert  wäre, 

dann   müßten   wir   in   den   Steinbrüchen   bei  Mosul  eine  Schule  annehmen  und   bekämen  damit   einen   der 
Mittelpunkte,  aus  dem  ich  die  koptischen  Steinornamente  herleite.    Vgl.  meine  Koptische  Kunst,  Einleitung. 


198 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Xordviilker. 


eine  Seitenlänge  von  91,  5 —  96  cm.  Der  Körper  ist  wie  in  Edessa  mit  einem  Zickzack 
von  zwei  Bändern  versehen,  die  im  Schrägschnitt  gespalten  sind.  Am  Baghdader  Stück 
sitzen  an  der  Kreuzungsstelle  Knöpfe.  Oben  schließt  das  Kapitell  mit  einem  zwei- 
streifigen Flechtband,  unten  mit  einer  Spirahvelle.  Die  Rauten  sind  gefüllt  mit  Blatt- 
werk vom  Typus  der  Wedelranke,  wovon  ich  „Koptische  Kunst"  S.  44f.  gehandelt 
habe.    Die  Motive  sind  etwas  anders  als  in  Edessa. 

Ein  zweites  Beispiel  der  Bandornamentik,  diesmal  sicher  aus  dem  Iraq,  aber  aus 
dem  IX.  Jh.,  hat  Dr.  Diez  in  Samarra  aufgenommen.  Abb.  164  zeigt  einen  Innen- 
raum im  Gebiete  des  Bet  el-Chalife.  Der  Unterteil  der  Wand  ist  in  fünf  wagrechte 
Streifen  gegliedert,  deren  drei  mittlere  aus  T-formen  in  zweistreifigen  Bändern  ein 
Muster  bilden.    Jedes  der  kleinen  Quadrate  ist  mit  einer  Vollpalmette  gefüllt,  die  an 


Abb.   164:  Samarra,  Stuckierte  Wand. 

einer  aus  Gabelungen  bestehenden  Ranke  mit  den  bezeichnenden  Strichpunktker- 
bungen  besteht.  Eine  kleine  Probe  des  Musters  findet  sich  am  kunsthistorischen 
Institut  in  Wien.  Es  ist  im  Schrägschnitt  bis  zu  3  cm  Tiefe  aus  dem  Stuck  heraus- 
modelliert. Die  Wand  wurde  bei  den  deutschen  Ausgrabungen  freigelegt.  In  den 
Kommaschlitzen  sind  noch  rote,  zwischen  den  Lappen  der  Palmetten  blaue  Spuren 
erhalten.  Im  Augenblick  beschäftigt  uns  nur  das  Bandornament;  in  Punkte  und 
Striche  aufgelöst  (S.  193)  dient  es  als  Umrahmung  des  ganzen  Wandfeldes  r. 

C.  Der  Mimbar  in  Kairuan.  Dieses  dritte  und  Hauptbeispiel,  ebenfalls  aus 
dem  IX.  Jh.,  ist  aus  Baghdad  bezogen2.  Der  Mimbar  war  es  in  erster  Reihe,  der  mich 
neben  den  armenischen  Kranzgesimsen  auf  die  Annahme  der  hohen  Entwicklung  des 
Bandgeflechtes  in  Persien  führte,  freilich  vor  allem  in  Iran,  besser  in  Chorasan, 
woher  die  Armenier  zumeist  ihre  Formen  nahmen.  Solange  dort  keine  Belege  zu- 
tage kommen,  müssen  wir  uns  an  die  Beispiele  aus  dem  Iraq  halten3.     Taf.  X  gibt 

i)  Vgl.  auch  Diez,  Die  Kunst  der  islamischen  Volker  S.  38. 

2)  Vgl.  oben  S.  78,  dazu  Mschatta  S.  347  f.  und  Kunstclironik  Will  (19067)  Sp.  385  t'. 
;  Immerhin    möchte    ich    auf  das   Bandgeflecht   an    dem   Mihrab    von   Chargird  hinweisen,    den  ich 
Monatshefte  für  Kunstwissenschaft  VIII  (191 5)  Taf.  79  Abb.  17  (vgl.  S.  363,  veröffentlicht  habe. 


Strzygowski,  Altai,  Iran  u.  Völkerwanderung 


Tafel  X 


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J.  C.  Hinrichs,  Leipzig 


C.  G.  Röder  G.m.b.H,  Leipzig 


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2.   Die  Saken  und  der  arische  Kreis. 


199 


eine  Gesamtansicht  des  Mimbars  von  der  Vorderseite  nach  einer  alten  Photographie. 
Die  Einzelaufnahmen  165  u.  166  (vgl.  Abb.71),  die  Aufnahmen  von  der  Rückseite  Abb. 
167  u.  168  und  von  den  Treppenstufen  Abb.  169  u.  170  danke  ich  E.  Kühnel,  der  den 
Mimbar  auf  meine  Bitte  während  einer  Restauration  photographieren  ließ  K  Mich  wundert, 
daß  trotz  wiederholter  Hinweise  noch  niemand  monographisch  über  dieses  Glanz- 
stück altislamischer  Kunst  gearbeitet  hat2.  Ist  die  Moschee  Sidi  Oqbas  gar  so  entlegen? 

Der  Mimbar  ist  aus  Platanenholz  als  ein  hoher  Aufbau  mit  17  zu  einem  Stand- 
platz  emporführenden  Stufen  hergestellt;  Pfosten,  mit  Weinlaub  in  Relief  geschmückt, 
bilden,  wagrecht  verspreizt,  das  Gerüst,  dessen  Felder  mit  Platten  in  durchbrochener 
Arbeit  von  märchenhaftem  Reichtum  der  zwei- und  dreistreifigen  Bandverschlingungen 
neben  einer  Minderzahl  anderer  Muster  gefüllt  sind,  von  denen  ein  Teil  bereits  oben 
S.  78  erwähnt  wurde.  Man  beachte  auch  die  Ränder  der  Weinlaubpfosten  sowohl,  wie 
der  Füllungen:  Fiederung  neben  dem  im  albanischen  Schatze  (S.  27 f.)  beobachteten 
Zickzackrand  (Vorderseite  VIII)  und  Mustern,  die  an  Mschattapalmetten  erinnern, 
kommen  darin  vor.  Zum  Schönsten  gehören-  die  17  Füllungen  der  Stufenbrüstung 
(Taf.  X)  und  die  Füllungen  an  den  Stufen  selbst  (Abb.  169  u.  170),  darin  Muster  (Abb.  170, 
IV,  2),  die  auch  an  (noch  ganz  sasanidischen)  Brettern  mit  kufischen  Inschriften  in 
Kairo  (Mschatta  S.  321)  zu  beobachten  sind.  Die  vorliegende  Veröffentlichung  wird 
hoffentlich  ein  eingehendes  Studium  dieser  einzig  dastehenden  reichen  Ornamentik, 
in  der  als  Füllung  weitaus  das  Muster  ohne  Ende  überwiegt,  herausfordern. 

Der  technische  Vorgang  dürfte  der  bei  Laubsägearbeiten  gewesen  sein.  Das 
Ornament  wird  auf  das  Brett  gezeichnet,  der  Grund  dann  angebohrt  und  mit  der 
Säge  ausgeschnitten;  dazu  gesellt  sich  der  eigentliche  Ornamentschnitt.  Die  Streif ung 
der  Bänder  mag  schon  vor  dem  Ausschneiden  erfolgt  sein.  Die  Muster  beruhen 
auf  der  Kreuzung  senkrechter  und  wagrechter  Linien,  auf  solcher  von  Diagonalen 
und  auf  Anwendung  beider  Systeme  zugleich,  oder  endlich  auf  dem  Kreise,  für  sich 
allein  oder  wieder  in  Verbindung  mit  dem  Koordinaten-  oder  Diagonalsystem.  Auch 
können  die  Kreuzungen  eng  oder  so  weit  sein,  daß  Einzelmotive  in  den  Zwischen- 
feldern Raum  finden.  Endlich  kommen  Fälle  vor,  in  denen  mit  zwei  Ebenen  überein- 
ander ^arbeitet  ist,  besonders  gern  liegt  die  Nische  in  der  vorderen  Ebene,  das 
füllende  Muster  in  der  unteren,  und  ein  gleiches  gilt  von  einzelnen  Kreismustern  und 
Vorderseite  XI,  2  3.  Neben  dieser  Mehrflächigkeit  ist  die  herrschende  Art  das  Durch- 
brechen und  Füllen  eines  Geflechtes,  wobei  beide  Motive  in  der  gleichen  Ebene  liegend 
gedacht  sind.     Auch  Ansätze   zu   den   später  so    beliebten    Muscharabijen    —    noch 


1)  Das  geschah  im  Mai  1907  durch  die  Firma  Lehnert  und  Landrock.  Die  Kanzel  war  damals  von 
der  Habuverwaltung,  in  ihre  Teile  zerlegt,  in  ein  Magazin  gebracht  worden,  um  durch  den  Holzschnitzer 
Ksuri  hergerichtet  zu  werden.  Ich  habe  daraufhin  in  der  Kunstchronik  N.  F.  XVIII  (1906/7)  Sp.  3861". 
die  Bitte  an  die  französische  Regierung  gerichtet,  diese  Restauration  zu  überwachen.  Architekt  Saladin 
leitete  diesen  Aufruf  an  Herrn  Roy,  den  damaligen  Sekretär  der  tunesischen  Regierung,  und  auch  Herr 
Merlin,  der  Direktor  der  Altertümer,  nahm  sich  der  Sache  an,  ebenso  französische  Blätter  (Debats  vom 
9.  Mai  1907  und  La  Tunisie  francaise  vom   12.  Mai  1907).    Was  inzwischen  geschehen  ist,  weiß  ich  nicht. 

2)  Eine  solche  Bearbeitung  sollte  (nach  einer  Mitteilung  von  Merlin  1907  an  Kühnel)  Saladin  seit 
Jahren  vorhaben.  Ich  habe  daher  mit  meiner  Publikation  an  die  zehn  Jahre  gewartet,  von  einer  Mono- 
graphie Saladins  ist  mir  inzwischen  nichts  bekannt  geworden.  Sein  Werk  „La  mosqee  de  Sidi  Okba" 
war  schon  1899  erschienen.    Man  vergleiche  dort  die  Tafeln  XXIII  und  XXVI/VII.    S.  105  auch  ein  Maßstab. 

3)  Die  Felder  lotrecht  römisch,  am  hohen  Ende  d.  h.  Vorders.  links,  Rucks,  rechts  beginnend,  gezählt. 


200 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvolker. 


geschnitzt,  nicht  gedrechselt  —  liegen  vor1.   Man  wird  in  einzelnen  Fällen  sehr  genau 
darauf  achten  müssen,  daß  einzelne  Tafeln  in  jüngerer  Zeit,  zum  Teil  sehr  roh  er- 


VII  VIII 

Abb.   163:  Kaiman,  Mimbar:  Einzelheiten  der  Vorderseite  links. 

gänzt  sind,  auf  einzelnes  hat  schon  Saladin  aufmerksam  gemacht,  man  beachte  z.  B. 
Abb.  170  unten  VII,  2  und  3. 

Am  meisten  vorgeschritten  zu  dem  später  so   überaus  reich  entwickelten  Poly- 

:     Vgl.  darüber  Franz-Pascha,  Die  Baukunst  des  Islam  S.  70  f.     In  unserer  Tafel  X  weist  die  hinter 
dem  Mimbar  erscheinende  Maqsuta  Muscharabijen  auf. 


2.  Die  Saken  und  der  arische  Kreis. 


201 


gonalornament  sind  die  Dreiecke  über  Reihe  Vorderseite  VIII  (Taf.  X)  und  Rückseite  XII 
(Abb.  167):  ein  achtteiliger  Stern  in  der  Mitte  entsendet  nach  allen  Seiten  seine  Parallelen, 
deren  Felder,  tiefer  liegend,  durch  Arabesken  gefüllt  sind.  Diese  dienen  auch  als 
Füllung  von  Nischen;  sie  sind  dann  in  Licht  und  Schatten  modelliert,  während  sonst 
ausschließlich  das  Tiefendunkel  wirkt.  Was  da  in  unvergleichlicher  Güte  vor  uns 
steht,  ist  gewiß  dem  Typus  nach  nicht  das  Werk  einer  Entwicklung  von  wenigen 
Jahrzehnten.  Wie  der  orientalische  Teppich,  so  erwecken  auch  diese  Holzschnitzereien, 
die  ein  gütiges  Geschick  gleich  der  Alhambra  durch  alle  Gefahren  gerettet  hat,  den 


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XI 


XII 


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Abb.   166:  Kaiman,  Mimbar:  Einzelheiten  der  Vorderseite  rechts. 

Eindruck  einer  uralten,  geläuterten  Überlieferung,  zu  der  sich  die  Bandverschlingungen 
des  germanischen  Westens  verhalten  wie  die  Bronzenachahmungen  auf  ungarischem 
Boden  zu  den  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes  in  Gold.  Es  sind  Meister- 
leistungen eines  künstlerisch  überaus  hoch  stehenden  Volkes  gegenüber  armseligen 
Versuchen,  solchen  Vorbildern  nachzueifern.  Man  wird  so  ziemlich  alle  Muster,  die 
bei  Goten  und  Langobarden,  auf  dem  Balkan  und  sonst,  solange  die  Tierornamentik 
noch  nicht  zersetzend  eingriff  —  was  ja  im  Süden  nie  geschah  — ,  vorkommen, 
hier  beisammenfinden  oder  leicht  aus  den  vorhandenen  ableiten  können,  ausgeführt 
mit  .einer  Stilsicherheit,  die  nicht  ihresgleichen  hat.  Die  überragende  Qualität  liegt 
vor  allem  in  der  das  Tiefendunkel  zur  vollen  Wirkung  bringenden  Durchbrucharbeit, 


2Q2  IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Xordvölker. 

die  so  gehandhabt  ist,   daß  die  Muster  bei  allem  überschwellenden  Reichtum  doch 
klar  und  in  unnachahmlicher  Knappheit  in  das  Feld  gesetzt  sind. 

Ich  muß  den  Mut  haben  auszusprechen,  daß  wir  in  dem  Mimbar  von  Kairuan 
vermutlich  ein  Hauptdenkmal  indogermanischer  Art  vor  uns  haben.  Die  Einklei- 
dung als  islamische  Kanzel  in  Xordafrika  ist  freilich  sonderbar  genug,  aber  schließ- 
lich doch  nicht  viel  anders  als  die  der  alexandrisch-koptischen  Elfenbeinreliefs  an  der 


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XII 


XI  X  IX  VIII 

Abb.   167:  Kairuan,  Mimbar:  Rückseite,  linke  Haltte. 


VII 


Kanzel  Heinrichs  II.  im  Dom  zu  Aachen1.  Sind  diese  mit  dem  christlichen,  so  wurden 
jene  mit  dem  islamischen  Strom  an  ferne  Gestade  verschlagen.  Die  Geschichte  des 
Mimbars  ist  leider  noch  von  keinem  Historiker  geschrieben.  Saladin  behauptet2, 
Ibrahim  ibn  el  Aghlab  (nach  Lane-Poole,  The  moham.  dynasties  S.  $~  regiert  er 
800 — 8ll)  habe  242  d.  H. — 8567  n.  Chr.  (nach  Saladin  894)  zugleich  mit  den  Fayencen 
des  Mihrab  einen  Mimbar  aufrichten  lassen,  geschnitzt  in  Platanenholz  aus  Baghdad. 
So  viel  Daten,  so  viel  Widersprüche  Ich  wäre  zufrieden  mit  der  Datierung  ins  IX.  Jh. 
und  der  Richtung  von  Baghdad  her.  Saladin  und  Migeon  sind  auch  schnell  fertig  mit 
der  Bestimmung  der  Kunstart:  die  geometrischen  Muster  seien  gehalten  dans  un 
style   tout  a  fait  analogue  ä  celui   des  ivoires  byzantins  (Saladin),  bezw.  visiblement 


1     Vgl.  meine  „Hell.  u.  kopt.  Kunst  in  Alexandria"  S.  19 f.  und  „Der  Dom  zu  Aachen"  S.  5. 

.1  mosquee  S.  7   und  danach  Migeon,  Manuel  d'art  mus.  S.  7,  der  übrigens  von  drei  arabischen 
Berichten  spricht. 


2.   Die  Saken  und  der  arische  Kreis. 


203 


de  l'art  byzantin  (Migeon).  Für  die  Arkaden  gibt  Saladin  zu,  daß  sie  noch  mehr 
orientalisch  seien  und  das  oberste  Muster  von  VI,  4  in  Abb.  71  vergleicht  er  mit  den 
Kapitellen  vom  Taq-i-Bostan  (bei  Morgan,  Mission  IV  S.  309  und  355).  Ich  sah 
Mschatta  S.  315  und  347  f.  in   dem  Mimbar  die  von   der  Antike  unbeleckte,   unver- 


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fehlt 


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Abb.   168:  Kaiman,  Mimbar:  Rückseite,  rechte  Hälfte  (III  fehlt). 

fälschte  Grundanschauung  des  Orients  verkörpert  und  die  Frage  bleibt  m.  E.  nur, 
ob  hier  Iranier  oder  Saken  am  Werke  waren.  Zur  Entscheidung  wären  Werke  auf- 
zurufen, wie  wir  sie  gleich  in  der  Tür  des  Mahmud  von  Ghasna  kennen  lernen  werden. 
Auch  spricht  die  Tatsache,  daß  die  Armenier  von  den  Saken  künstlerisch  unter 
den  Arsakiden   in  jenes  Fahrwasser  gebracht  wurden,   das  sie  zur  Verwendung  der 


204 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Xordvolker. 


Kuppel  und  des  mehrstreifigen  Bandgeflechtes  trieb.  Man  wird  also  eher  eine  sakische 
Quelle,  d.  h.  für  den  Mimbar  von  Kairuan  Hände  vermuten  dürfen,  die  aus  Ghorasan, 
Seistan  oder  Awghanistan  stammten,  wo  der  türkische  ebenso  wie  der  nordarische  und 
indische  Strom  zusammenliefen. 

Bevor  ich  in  der  Aufweisung  von  Ornamentmotiven,  die  gleich  dem  Dreistreif,  wie 
es  scheint,  besonders  im  sakischen  Kreise  heimisch  waren,  weiter  gehe,  sei  in  drei 
Gruppen  kurz  auf  gewisse  rein  künstlerische  Merkmale  aufmerksam  gemacht,  die  in 
diesem  Kreise  besonders  beliebt  gewesen  zu  sein  scheinen. 


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Abb.  169:  Kairuan,  Mimbar:  Verzierte  Bretter  der  Stufen. 


D.  Die  Mehrflächigkeit.  Es  ist  in  diesem  Buche  zuerst  S.  29  f.  bei  Abb.  30 
von  der  Mehrflächigkeit  gesprochen  worden.  Wir  hatten  dann  ein  überaus  eindrucks- 
volles Beispiel  in  dem  ostiranischen  Schriftfries  von  Chargird  Abb.  1 19  vor  uns  und 
sind  bei  dem  prachtvollen  Netzwerke  des  Mimbars  von  Kairuan  Abb.  165  bis  170 
darauf  ebenso  eingegangen,  wie  wir  es  unten  noch  bei  einem  armenischen  Stück 
Abb.  182  tun  werden.  Hier  ist  nun  wohl  der  Ort  die  künstlerische  Bedeutung  des 
Motivs  als  einer  räumlichen  Sonderung  etwas  näher  ins  Auge  zu  fassen  und  es  in 
seiner  Ausbreitung  zu  umgrenzen.     Zunächst  die  entscheidenden  Belege. 

a)  Awghanische  Beispiele.  Die  oben  S.  128  genannte  Tür  des  Mahmud 
von  Ghasna  (998 — 1030)  weist  in  ihren  leider  nur  notdürftig  veröffentlichten  Füllungen 


2.  Die  Saken  und  der  arische  Kreis. 


205 


der  Sechsecksterne  beachtenswerte  Belege  einmal  für  das  mehrstreiiige  Band  und 
zugleich  für  die  Mehrflächigkeit  auf.  Ich  entnehme  Abb.  171 — 173  dem  Journal  of  the 
Asiatic  Society  of  Bengal  von  1843  N.  S.  vol.  XII,  part.  I.  Wäre  der  Krieg  nicht,  hätten 
mir  englische  Fachgenossen  gewiß  gern  eine  neue  Aufnahme  besorgt.  Man  müßte  jedes 
einzelne  der  leider  nur  sehr  spärlich  erhaltenen  Felder  wissenschaftlich  auf  das  Treueste 
veröffentlichen. 


IV 


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1234 
Abb.   170:  Kaiman,  Mimbar:  Verzierte  Bretter  der  Stufen. 

Der  obere  Stern,  Abb.  171  weist  zwei  spitzovale  Verschlingungen  auf,  die 
eine  dreistreifig,  die  andere  mit  jener  Knopfreihe  besetzt,  die  wir  oben  Abb.  90  am 
Rande  des  Feldes  aus  dem  Deir  es-Surjani  sahen  und  die  in  Samarra  so  oft  vor- 
kommt (Abb.  92).  Das  Knopf  band  bleibt  in  der  Mitte,  setzt  nur  unten  seitlich  wie 
ein  Standmotiv  Pelten  an,  das  dreistreifige  füllt  alle  Ecken  in  Rankenart.  Bald  liegt 
das  eine,  bald  das  andere  oben.  Wenn  die  Zeichnungen  darin  richtig  sind,  so  er- 
scheinen die  beiden  durch  verschiedene  Verzierung  unterschiedenen  Bänder  klarer 
nach  zwei  Flächen  gegliedert  in  dem  zweiten  Stern  Abb.  172.  Das  Knopfband 
bildet  da   ein  Sechseck,   der  Dreistreif    ein   darunter  liegendes  Dreieck,  jedes  Band 


20Ö 


IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


Abb.    171. 


Abb.    172. 


Abb.  171  u.  172:    Agra,  Festung:  Zwei  Sterne  von  der  Holztür  des  Mahmud  von  Ghasna. 


2.  Die  Saken  und  der  arische  Kreis. 


207 


nach  je  drei  Ecken  ausrankend.  Am  deutlichsten  und  zwar  in  drei  Flächen  ge- 
arbeitet —  daraufhin  wäre  eben  das  Original  zu  überprüfen  —  ist  der  dritte  Stern 
Abb.  173  gearbeitet.  Zunächst  liegt  unten  tief  eine  Rosette.  Man  vergleiche  damit 
die  Rosetten  der  Mschattafassade  (Mschatta  S.204).  Dort  folgt  (Mschatta  Taf.  VIII  f.)  ein 
höher  liegender  Rand  mit  persischen  Vierblättern,  hier  mit  dem  Knopfband.  Es  biegt 
nach  außen  um,  erweitert  sich  dort  fächerförmig,  ein  Tierkopf  bildet  die  verbin- 
dende Auflage.  Auf  der  so  entstehenden  höher  liegenden  Rosette  erscheinen  dreistreirlg 
T-förmige  Rankenglieder,  deren  Spitzen  arabesk  ineinander  geschlungen  sind.  End- 
lich in  den  Ecken  Palmetten,  die  über  den  Rand  greifen  und  jene  Rautenspitzen  auf- 


Abb.    173:  Agra,  Festung:  Ein  dritter  Stern  von  der  Holztür  des  Mahmud  von   Ghasna. 

weisen,  von  denen  S.  34  die  Rede  war.  Am  äußeren  Rande  bei  allen  drei  Sternen  das 
gleiche  aus  Kreislappen-Paaren  gebildete  Nieren-  oder  Bohnenmotiv  in  Streifenfolge  '. 
b)  Die  norwegischen  Parallelen.  Abb.  174  und  175  zeigen  Parallelen 
dieser  mehrfiächigen  Bildung  vom  Osebergschiff,  das,  von  Gustafson  ausgegraben, 
sich  heute  im  Universitätsmuseum  zu  Kristiania  befindet.  Ich  danke  die  Photographien 
dem  liebenswürdigen  Entgegenkommen  Prof.  Bröggers.  Die  norwegische  Regierung 
bereitet  eine  würdige  Monographie  vor,  den  Ornamentband  wird  Dr.  Schetelig  in 
Bergen  bearbeiten2.     Das  Wikingerschiff  selbst  wird   dem   neunten  Jahrhundert  zu- 

1)  Vgl.  dazu  oben  S.  32  und  Arne,  La  Suede  et  l'Orient  S.   119  (motif  reniforme). 

2)  Vgl.  Gustafson,  Xorges  Olttid,  und  Haupt,  Monatshefte  f.  Kunstwiss.  VIII  (1915)  S.  326  f. 


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IV.  Die  Kunst  der  Nomaden  und  Xordvölker. 


geschrieben,  die  darin  gefundenen  Geräte  dürften  etwas  früher  zu  datieren  sein. 
Abb.  174  gibt  den  oberen  Teil  eines  Schlittens  mit  einem  kastenförmigen  Aufsatze, 
der  in  den  Ecken  Löwenköpfe  ansetzt1.  Uns  beschäftigen  die  Ornamente  der  Füll- 
bretter. Da  liegt  zunächst  zu  oberst  in  breiten  Streifenbändern  ein  sphärisches 
Rautennetz  mit  Knöpfen  in  den  Kreuzungen  wie  auf  dem  Silberkessel  Taf.  IV,  da- 
runter ein  geradliniges  Rautengitter  aus  schmaleren,  dreistreifigen  Bändern  ohne 
Knöpfe,  endlich  zu  unterst  ein  glattes  Rankengeschlinge  von  typisch  nordischer  Um- 
bildung.    Hier  sind  also  drei  Flächen  grundsätzlich  geschieden. 

Anders  in  Abb.  176,  der  von  Ericson  angefertigten  Nachbildung  einer  Deichsel, 
die  heute,  wie  andere  Schnitzereien  des  Schiffes  unter  Wasser  autbewahrt  werden  muß. 
Auf  den  ersten  Blick  ist  dieses  Gewürm,  auf  dem  ein  Armband  aufzuliegen  scheint, 
ganz  unverständlich.    Aber  dann  wird  das  „Armband"  selbst  lebendig,  setzt  die  der 


Abb.   174:  Kristiania,  Museum:    Schlitten  aus  dem  OsebergsckitT. 

nordischen  Tierornamentik  so  eigenen  Beine,  runde  Kolben  mit  daneben  aufliegen- 
den Dreistreiffüßen  an,  auch  Kopf  und  Schwanz  finden  sich  dazu.  So  entsteht  ein 
Geflecht,  das  sich  über  dem  tiefendunklen  Grunde  zusammenballt  und  immer  höher 
steigend,  die  „Armbänder"  aus  zwei  Tieren  trägt.  Die  Flächen  sind  also  hier  nicht 
fein  säuberlich  getrennt  wie  am  Schlitten  und  in  der  kufischen  Inschrift  von  Chargird 
Abb.  119,  sondern  durcheinander  gebracht  wie  an  der  Tür  des  Ghasnaviden. 

Nun  scheint  es  ja  offenkundig,  daß  ich  nicht  berechtigt  sei,  zwei  so  weit  ausein- 
anderliegende Kunstkreise,  wie  den  norwegischen  und  iranischen  nebeneinander  zu 
stellen.  Ihre  Art  könnte  ja  da  und  dort  unabhängig  bodenwüchsig  oder  durch  den 
gemeinsamen  Untergrund  der  Antike  erklärbar  sein.  Im  gegebenen  Falle  scheint  mir 
aber  die  Abhängigkeit  des  hohen  Nordens  von  Mittelasien  doch  augenfällig,  wenn  man  die 
„Armbänder"  mit  dem  eingerollten  Tier  vergleicht,  (s.  oben  S.  141  u.  vgl.  Abb.  178, 17)  und 


1     Vgl  Abb.    13  bei  Haupt  a.  a.  O.  S.  325. 


2.  Die  Saken  und  der  arische  Kreis. 


209 


sich  der  seltsamen  Ornamentik  dieser  Tierleiber  in  Abb.  1 75  zuwendet.  Die  Bein- 
kolben zeigen  Muster  ohne  Ende,  die  andern  Glieder  Streifung  von  wechselnder  Art. 
E.  Übersponnene  Ornamente.  Ich  fasse  diese  Art  in  eine  eigene  Gruppe 
zusammen  und  gehe  gleich  aus  von  der  norwegischen  Deichsel  Abb.  17 15.  Der 
Tierleib  ist  mit  diagonal  aneinander  gereihten  Streifen  geschmückt,  der  zu  einem 
rautenförmigen  Muster  verlängerte  Schwanz  weist  Fiederung  auf.  Ich  möchte  fragen, 
ob  das  nicht  die  gleiche  Belebung  runder  Flächen  ist  wie  in  den  Stuckfeldern 
des  Deir  es-Surjani,  von  denen  ich  einige  hier  abbilde1.  Auch  sie  zeigen  eine 
phantastische  Zusammenstellung  von  Motiven,  nur  nicht  aus  dem  Bereiche  des  nor- 
dischen Ziertieres.  In  Abb.  176  erscheint  in  der  Mitte  ein  Korb  mit  kleinen  tiefen- 
dunkeln Dreiecken,  die  in  der 
Fläche  belassen  und  ausge- 
stochen wechseln.  Es  fällt 
nicht  schwer,  sie  links  unten 
am  Fußkolben  von  Abb.  175 
wiederzufinden.  Auch  das 
ausgestochene  Rautennetz 
der  Füllhörner  unten  und 
Halbblätter  oben  von  Abb. 
176  ist  an  der  Deichsel  rechts 
unten  zu  sehen2.  Über  diese 
beiden  Motive  hinaus  ergeht 
sich  der  nordische  Schnitzer 
in  einer  unerschöpflichen 
Fülle  anderer  Kerbschnitt- 
muster. Im  Deir  es-Surjani 
kommt  zu  den  Dreiecken  und 
Rauten  noch  die  Häufung 
von  Kreispunkten  im  Haupt- 
friese, wie  man  in  Abb.  177 
unten  rechts  an  den  trauben- 
artigen Knollen  feststellen  mag.  Ferner  dienen  diese  Abbildungen  dazu,  die  zwei- 
fiächige  Anordnung  auch  in  diesen,  in  ostiranischer  Art  in  einem  ägyptischen  Kloster 
ausgeführten  Stuckaturen  nachzuweisen3.  Schließlich  noch  eine  Bemerkung  über  die 
gefiederten  Streifen,  die  zwischen  den  „Armbändern"  in  einer  unteren  Schicht  ein 
Rautenmuster  herstellen.  Das  Motiv  ist  mir  aus  der  koptischen  Kunst  geläufig4. 
Ich  habe  es  immer  für  eines  der  bezeichnendsten  Merkmale  des  persischen  Ein- 
schlages gehalten  und  glaube  jetzt,  daß  es  aus  Indien  stammt.  Man  sehe  sich  darauf 
hin  nur  den  Pfeiler  rechts  auf  Tafel  IV 5  von  den  Toren  des  großen  Stupa  von  San- 

1)  Sie   sind  aus  meinem   Aufsatz  in  den  Monatsheften  für  Kunstwiss.  VIII    (1915)    Tafel  80  von  der 
Firma  Klinkhardt  und  Biermann  überlassen  worden. 

2)  Vgl.  über  diese  „Flächenmusterung"  auch  Flury  „Der  Islam"  IV  S.  423  f. 

3)  Vgl.  über  die  Surjani-Ornamente  Mschatta  S.342,  Monatshefte  a.  a.  O.  und  Flury  „Der  Islam"  VI  S.  71  f. 

4)  Vgl.  meine  Koptische  Kunst  Nr.   7344  S.  69  f.  und  Quibell,   Excavations  at  Saqqara,  passim. 

5)  Dazu  oben  S.  72  Anm.  3. 

Strzygo  wski ,  Altai.  14 


Abb.    175:    Kristiania,   Museum:   Verzierte   Deichsel  aus    dem 

Osebergschiff. 


:io 


IV.    Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


tschi  an.  Solche  naturalistische  Motive  können  in  Indien  entstanden  oder  von  dort 
angeregt  sein,  in  Nordost-Iran  dagegen  ebensowenig  wie  im  koptischen  Ägypten. 
Und  nun  entsteht  die  Frage,  ob  die  iranische  Zweiflächigkeit  zugleich  mit  den 
Motiven  des  Rautennetzes  und  der  übersponnenen  Behandlung  der  runden  Flächen 
durch  tiefendunkle  Muster  ohne  Ende  bis  nach  dem  hohen  Norden  voro-edrungren 
sein  mag.  Ich  könnte  auf  den  durch  die  Unzahl  von  Samanidenmünzen,  die  in 
Skandinavien  gefunden  sind,  bezeugten  schwunghaften  Handel  verweisen1,  oder  auf  die 
in  Ägypten,  Italien  und  Frankreich  nachweisbaren  Spuren  der  Wanderung  von  per- 

sischen  und  armenischen  Künst- 

2ߣSG9fä&&J!&  *  JE,      "  lern*.      Auch     der    Rassenzu- 

sammenhang muß  beachtet  wer- 
den, der,  durch  Saken  und  Ger- 
manen hergestellt,  zwischen 
Nord  und  Süd  bestand.  Daneben 
bleibt  die  Möglichkeit  selb- 
ständig nordischen  Ursprunges. 
In  diese  Dinge  läßt  sich  vor- 
läufig noch  nicht  tiefer  hinein- 
blicken. Ich  komme  darauf 
unten  noch  zurück. 

F.  Die  Durchbrucharbeit. 
Was  an  dem  Mimbar  von  Kai- 
ruan  so  sehr  fesselt,  ist  unter  an- 
derem auch  die  ausgezeichnete 
Durchbrucharbeit,  in  der  er  aus- 
geführt ist.  Von  dieser  Höhe  der 
Leistung  in  Anwendung  des 
Tiefendunkels  sind  zurück- 
schließend die  Bronze-Alt- 
sachen zu  betrachten,  die  Riegl 
in  seiner  „Spätrömischen  Kunst- 
industrie" S.  1 40  f.  bearbeitet  hat. 
Sie  liegen  z.  T.  fast  ein  halbes 
Jahrtausend  vor  dem  Mimbar,  ebenso  die  Meisterleistung  dieser  früheren  Zeit,  die  Fassade 
von  Mschatta,  und  die  hellenistisch -syrischen  Schmucksachen,  die  oben  S.  4lf.  be- 
sprochen wurden  und  für  die  nach  den  Beispielen,  die  Zahn  bearbeitet,  sein  Wort  gilt3: 
„die  Arbeit  ist  an  allen  so  gleich,  daß  man  nicht  umhin  kann,  an  Herstellung  in 
einem  Zentrum  zu  denken,  das  man  wohl  im  hellenistischen  Osten 4  zu  suchen  haben  wird". 

1  VgL  Arne,  La  Suede  et  lOrient   1914. 

2  Vgl.  Der  Dom  zu  Aachen   und   seine  Entstellung  S.  39,  43.    7$!.   und  „Das  orientalische  Italien" 
Monatshefte  f.  Kunstwiss.  I  11908)  S.  16  f. 

3  Amtl.  Berichte  aus  den  kgl.  Kunstsammlungen  XXXV  1  1913"!  Sp.  88. 

Von  dorther  könnten  auch  die  durchbrochen  gearbeiteten  Dächer  von  Nischen  auf  „byzantinischen" 

Elfenbeinarbeiten    angeregt  sein.     Der  bedeutendste  Vertreter  mit  Szenen  der  Alexandersage  und  dem  mit 

hlagenen  Beinen  auf  einem  Löweuthron  sitzenden  Musikanten   in  Datmstadt.    Vgl.  oben  S.  158  und 


Abb.  176:  Deir  es-Surjani:  Stuckfeld. 


2.    Die  Saken  und  der  arische  Kreis 


211 


Ich  setze  dafür  den  iranischen  Osten  und  seine  Rückwirkung  auf  Svrien  nach  literarischen 
Quellen,  die  ich  bereits  Jahrbuch  der  preuß.  Kunstsammlungen  XXIV  (1903)  S.  175  f.1 
zusammengestellt  habe.  Damit  aber  ist  der  Umkreis  des  Suchens  nur  weiter  nach 
Osten  ausgedehnt,  keine  Lösung  geboten.  Vielleicht  gibt  auch  hier  dereinst  das  No- 
madengebiet und  der  Norden  Auskunft.  Ich  führe  einige  Beispiele  von  Durchbruch- 
arbeiten  aus  dem  Kreise  der  südsibirischen  Bronzekultur  an  und  werde  damit  zu- 
gleich den  Übergang  finden  zu  einem  Denkmale,  jdas  wieder  zurückleitet  auf  das 
mehrstreifige  Bandornament  und  die  Frage  nach  seinem  Ursprung  in  Europa. 

Schon  oben  Abb.  106  wurden  einige  Stücke  abgebildet,  die  ausgezeichnete  Bei- 
spiele der  Durchbrucharbeit  auf  Grund 
des  Rautenmusters,  der  Welle  (drei- 
streifig!) und  der  Gegenstufen  sind. 
Abb.  178  zeigt  einige  Beschläge  die, 
ebenfalls  Martin,  L'äge  du  bronze  au 
musee  de  Minoussinsk  (Taf.  29)  zu- 
sammengestellt hat.  Ich  wiederhole 
seine  kurzen  Angaben  nach  den  bei- 
gedruckten Nummern:  11.  Boucle  de 
ceinture,  ornee  d'un  animal  (tigre?)  et 
ajouree.  L.  10,  9  cm.  Larg.  7,  1  cm. 
Mariassowa.  12.  Boucle  de  ceinture, 
ornee  d'un  animal  (tigre?),  autour  du 
bord  un  rang  de  petits  points  saillants. 
L.  8,6  cm.  Larg.  6,7  cm.  Saiansk. 
13.  Agrafe  ajouree,  ornee  d'une  tete 
d'animal.  L.  9,6  cm.  Larg.  6,5  cm. 
Mariassowa.  14.  Fragment  d'une  agrafe 
en  bronze  ornee  d'un  cheval  couche. 
Larg.  5,9  cm.  Mont  Izych.  15.  Plaque 
de  ceinture,  ajouree  et  ornee  de  deux 
animaux.  Une  partie  cassee.  L.9,5  cm. 
Larg.  4,8  cm.  Kaly.  16.  Plaque  de 
ceinture  ajouree  et  ornee  de  deux 
animaux    (beeufs?).     L.  14  cm.    Larg. 

7,2    cm.      Petite    Inya.      17.    Agrafe    circulaire,    ornee    d'un    animal    enroule. 
4,6  cm.  Bieisk. 

Bevor  ich  auf  die  Verwertung  der  in  diesen  Stücken  zutage  liegenden  Tatsachen 
eingehe,  möchte  ich  gleich  auch  wenigstens  an  einem  Beispiele  zeigen,  daß  die  Jenissei- 
funde  nicht  die  letzten  Vertreter  der  Durchbrucharbeit  nach  dem  Osten  hin  sind. 
Abb.  179  gibt   eine  Einzelheit  von  der  Laterne  des  Daibutsu,   heute  im  Museum  zu 


Abb.  177:  Deir  es-Surjani:  Einzelheit  aus  den  Stuckaturen. 


Diam. 


Graeven,   Bonner  Jahrbücher   Heft    108/9    S.   267  f,    wo    auch    die    andern  Beispiele   zusammengestellt   sind. 
Man   vergleiche  damit  Gandhara-Skulpturen,  die  solche  Nischen  aufweisen,  bei  Foucher,  L'art  greco-boud- 
dhique  du  Gandare  II  S.    193,  313  und  465.     Die  durchbrochenen  Stellen  erklären  sich  als  Balkone. 
1)  Vgl.  Diez,  Jahrbuch  der  k.  k.  Zentralkommission,  IV  (1906)  Sp.  212. 

14* 


212 


IV.    Die  Kunst  der  Nomaden  und  Xordvölker. 


Nara  Japan),  die  schon  752  dagestanden  haben  dürfte,  als  derDaibutsu  errichtet  wurde  >. 
Man  sieht  den  rautenförmig  durchbrochenen  Grund,  auf  dem  sich  die  zart  modellierten 
Relieffiguren  und  Ornamente  abheben.  Die  Jenisseifunde  Abb.  178  zeigen  die  Durch- 
brucharbeit  als  ständiges  Wirkungsmittel  ebenso  wie  die  sibirischen  Funde  der  ältesten 
Zeit  überhaupt,  wovon  gleich  zu  reden  sein  wird.  Typisch  ist  dafür  die  Verwendung 
des  Tieres,  vor  allem  von  gelagerten  Hirschen,  von  Tierkämpfen  und  Jagden.  Abb.  1 78 
zeigt  in  der  Reihe  der  Hirsche  unten  mit  dem  über  den  Körper  zurückgezogenen 
Geweih  bezeichnende  Beispiele  bezüglich  des  Gestaltlichen  der  Darstellung.  Für 
die  formalen  Werte  ist  dagegen  Fig.  16  ein  ausgezeichneter  Beleg.  Die  beiden  Rinder 
in  Durchbrucharbeit,  den  Körper  in  flachem  Relief  mit  der  bezeichnenden  mandel- 


Abb.   17S:  Minussinsk,  Museum:  Bronzefunde  vom  Jenissei. 


förmigen  Betonung  der  Gelenke,  die  in  den  eigentlich  sibirischen  Funden  durch 
einen  entsprechend  großen  Kreis  häufig  zum  Strichpunkt-Ornament  umgebildet  sind, 
entweder  in  der  einfachen  Form  oder  in  Verdoppelung.  Die  erstere  haben  wir  in 
linearer  Umbildung  auf  den  Brettern  aus  Ägypten,  den  Stuckwänden  von  Samarra 
und  auf  dem  Goldfunde  von  Xagy-Szent-Miklos  kennen  gelernt2.  Es  scheint  die 
spätere  lineare  Umbildung  des  zuerst  flächenhaft  in  Sibirien  auftauchenden  Motivs 
zu  sein,  wobei  es  fraglich  bleibt,  ob  dort  altmesopotamische  Einflüsse  mitgewirkt 
haben.     Von    besonderem  Interesse    ist    dann    in  Abb.  178    auch    noch    Fig.    11    im 


11   Vgl.  W.  Cohn,  Ostasiatische  Zeitschrift  I  (19123)  S.  426;  dorther  auch  der   vom  Verleger  freund- 
eliehene  Druckstock.  2    Vgl.  oben   S.  97,    137   und   198. 


2.   Die  Sakcn  und  der  arische  Kreis. 


213 


Vergleich  mit  dem  Greifenbeschläge  Nr.  13  (Abb.  21)  des  albanischen  Schatzes.     Die 
Art,  das  Tier  in  durchbrochener  Arbeit  in  den  Rahmen  zu  setzen,  ist  die  gleiche. 

Die  Durchbrucharbeit,  die  Riegl  ebenfalls  als  spätrömisch  nachweisen  wollte,  ist 
also  ganz  allgemein  üblich  in  Ostasien  wie 
in  den  südsibirischen  Bronzefunden,  die 
mit  den  Funden  von  Kelermes  stilistisch 
und  zeitlich  zusammengehören l  und  nach 
der  Antike  hin  vermitteln.  Leicht  möglich, 
daß  der  späte  Hellenismus  in  Baktrien  oder 
durch  die  Saken,  mit  dieser  türkisch -chine- 
sischen Art  Fühlung  nahm,  und  die  ira- 
nische Kunst  von  dort  aus  die  Anregung  zum 
Ausarbeiten  der  Weinranke  im  Tiefendunkel 
erhielt,  wie  wir  sie  in  Mschatta  sehen.  Die 
gleiche  Anregung  kann  zur  Unterarbeitung 
des  dreistreifigen  Bandornamentes  geführt 
haben,  wie  es  auf  dem  Mimbar  von  Kairuan 
in  ausgezeichneten  Belegstücken  vor  uns  steht. 
Doch  kann  auch  Iran  selbst  darin  der  gebende 
Teil  sein,  jedenfalls  irgendeine  volkstümliche 
Richtung, die  auffällige Tiefendunkelwirkungen 
in  der  Fläche  erzielen  wollte. 

Die  am  Jenissei  gefundenen  Durchbruch- 
arbeiten,  die  eher  weit  vor  als  nach  Christi 
Geburt  anzusetzen  sind,  keinesfalls  aber,  so- 
weit es  sich  um  Bronzetypen  handelt,  nach 
Alexander  (vgl.  S.  111  u.  141),  sind  dem  nicht 
fremd,  der  die  „skythisch-permischen"  Denk- 
mäler kennt 2.  Sie  mögen  wohl  deren  Voraus- 
setzung sein.  Es  sind  Bronze-  und  Goldarbeiten, 
die  ihre  volle  Wirkung  erst  durch  den  unter- 
gelegten Stoff  erhielten,  dem  sie  als  ornamen- 
tales Beschläge  dienen  sollten.  Die  Art  des 
Ornamentes  ist  eine  andere  als  in  Iran.  Die 
Gruppe  ist  zuletzt  zusammengestellt  vonMinns, 
Scythians  and  Greeks  S.  270  f.  Auch  er  er- 
kennt das  hohe  Alter  der  Durchbrucharbeit 
in  Sibirien  und  die  Verwandtschaft  mit  dem 
Kunstgute  der  spätrömischen  Zeit,  was  beweise,  daß  dieser  Stil  eben  bis  in  die  späte 


Abb. 


179:  Nara-Museum:  Laterne  des  Daibutsu. 
(Einzelheit). 


i)  Aus  dem  gleichen  Tumulus,  wie  die  Gürtelstücke,  stammt  auch  ein  Gorytos,  den  Pharmakowski 
a.  a.  O.  ebenfalls  abbildet,  ein  Goldblech  mit  gestanzten  Hirschen  und  Panthern,  an  dessen  Rand  man 
das  gleiche  „Fußornament"  gestanzt  in  Reihen  sieht,  von  dem  oben  S.  141   die  Rede  war. 

2)  Vgl.  Tolstoi-Kondakov,  Russische  Altertümer  III,  und  Appelgren-Kivalo,  Die  Grundzüge  des  skythisch- 
permischen  Ornamentstiles,  Zeitschrift  der  finnischen  Altertumsgesellsch.  XXVI. 


214 


IV.    Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


Zeit  anhielt,   nicht  aber,  wie  Riegl  meinte,  Rom   auch  darin  noch  schöpferisch  auf- 
getreten sei. 

Ich  kehre  nach  dieser  qualitativen  Umschau  zum  Bandgeflecht  zurück  und  mache 
in  Abb.  178  auf  zweierlei  aufmerksam:  auf  den  mebrstreifigen  Rankenstiel  von  Nr.  13, 
der  in  einen  Tierkopf  endigt,  und  auf  das  Randornament  des  Beschlages  mit  dem  Stier- 
paare (Nr,  l6\,  wo  seitlich  Streifen,  oben  und  unten  aber  Zellen  ausgehoben  erscheinen, 
die  an   einem  Ende  rund,   am   andern  eckig  sind.     Damit  haben  wir  den  Übergang 


Abb.    1S0:  Petersburg,  Ermitage:   Kotschkar-Schatz.     Schmuckstücke  in  Silber,  vergoldet. 

gegeben  zu  den  Schmuckstücken  jenes  Schatzes,  der,  am  Flusse  Kotschkar  im  Distrikt 
Semiretschensk1  gefunden,  oben  S.iosf.  schon  wegen  der  Goldschale  und  der  Schnörkel- 
ranke an  seinen  Rändern  besprochen  worden  ist.  Abb.  180  zeigt  die  vergoldeten 
Silberbeschläge,  wie  sie  heute  in  der  Ermitage  vereinigt  sind.  Was  ist  nun  das  vor- 
herrschende Motiv  dieser  Durchbrucharbeiten:  ist  es  die  geometrische  Ranke  oder  das 
mehrstreifige  Bandornament r  Beide  sind  vereinigt  und  zum  Verwechseln  ahnlich  1  vgl. 
S.  64 und  130 f.).  Dazu  kommt  die  Tierfüllung  und  -endigung,  die  an  einzelnen  Stellen  un- 


VTgL  über  dieses  Gebiet  Landsdell,  Russisch-Central- Asien  S.   108  f. 


2.  Die  Saken  und  der  arische  Kreis. 


215 


mittelbar  an  Fig.  13  in  Abb.  178  anschließt.  Der  Zusammenhang  —  Semiretschensk, 
das  Siebenströmeland,  liegt  diesseits  des  Altai,  angrenzend  an  Samarkand  und  Fer- 
ghana  —  mit  der  südsibirischen  Jenisseigruppe  ist  auch  gegeben  durch  das  Randorna- 
ment sämtlicher  Stücke,  die  ausgestochenen  Schuppen1,  die  ebenso  Abb.  1 78,  Fig.  16 


Abb.    181:   Lemberg,  Armenisches  Evangeliar  vom  Jh.   1198:  Kanonestafel. 


beobachtet  wurden.  In  Gegensatz  zu  diesen  hochasiatischen  Motiven  steht  die  band- 
artige Ornamentik,  die  wir  eher  mit  dem  iranischen  Kunstkreis  in  Zusammenhang  bringen 
möchten.  So  würden  diese  Schmuckstücke  eine  Mischung  darstellen,  die  ihrer  geographi- 
schen Lage  und  allen  andern  Kulturerscheinungen,  selbst  Sprache  und  Rasse,  entspricht. 

1)  Vgl.  die  Kreise  des  Kruges  von  Nagy-Szent-Miklos  Abb.  60  und  64. 


->j(j  IV.    Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 

Die  Gestalt  der  Beschläge  des  Kotschkarschatzes  erinnert  an  die  der  Schmuck- 
stücke aus  Albanien.  Der  zugespitzte  mit  dem  runden  wechselnde  Bogen  findet  sich 
dort  wie  an  den  Jenisseifunden  Abb.  178.  Doch  ist  Material  und  Technik  der  Kotsch- 
karsachen  von  den  albanischen  Gold-,  wie  den  sibirischen  Bronzefunden  vollständig 
verschieden.  Ich  glaube,  daß  auch  darin  Iranisches  bezw.  Türkisches  sich  äußert 
Ebenso  endlich  das  Ornament.  In  dem  Beschläge  Abb.  180  rechts  sieht  man  in  der  Mitte 
einen  Knoten  aus  drei  durcheinander  geschlungenen  Ringen  im  Schrägschnitt.  Der 
ganze  übrige  Raum  ist  von  richtigen  Ranken  gefüllt,  die  aus  Tierfratzen  entspringen 
und  in  Tierköpfe  endigen.  Eine  solche  Eratze  bildet  die  Mitte  des  anderen  Beschlags 
in  Abb.  180  links.  Darin  laufen  die  Ranken  zusammen,  die  ganz  groteske  Füllungen 
aufweisen  neben  einem  Löwen  und  einem  luchsartigen  Tiere  (vgl.  S.  23'.  Auch  eine 
Palmette  treibt  der  stellenweise  gefiederte  Stiel,  ähnlich  der  auf  den  ungarischen  Taschen- 
blechen aus  der  Landnahmezeit,  die  übrigens  ebenfalls  aus  Silber  gearbeitet  und  ver- 
goldet sind  !.  Die  kleineren  drei  Beschläge,  wechselnd  in  der  Form,  zeigen  das  gleiche 
durchbrochene  Ornament,  die  seltsam  verdickten  Ranken  mit  Kreislappen,  im  mitt- 
leren ein  Vogelpaar,  sonst  Tierköpfe.  Auch  von  diesem  Motiv  aus  spinnen  sich 
Beziehungen  zur  armenischen  Miniaturenmalerei.  In  dem  kleinarmenischen  Evan- 
geliar  vom  J.  1198  in  Lemberg2  (Abb.  181)  sieht  man  in  einer  der  Kanonesarkaden 
unten  Rankenbäume  aufgerichtet,  die  in  den  gleichen  geometrischen  Yerschlingungen 
aufwachsen,  wie  wir  sie  an  dem  Beschlag  rechts  in  Abb.  180  beobachtet  haben.  Darauf 
sitzt  oben  ein  Vogel,  dessen  Schwanz  in  einen  Tierkopf  mit  den  langen  Ohren  aus- 
geht, wie  sie  öfter  auf  den  Beschlägen  vom  Kotschkar  beobachtet  werden  können*. 
Ich  gebe  hier  und  unten  S.  283  je  eine  volle  Kanonestafel  der  armenischen  Handschrift 
von  11 98 2  um  zu  zeigen,  wie  reich  wir  uns  die  verlorenen  Handschriften  im  eigentlichen 
Persien,  wovon  Armenien  abhängig  ist,  vorzustellen  haben. 

Die  Ausbreitung  des  mehrstreifigen  oder  mehrsträhnigen  Bandornamentes  läßt 
sich  in  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  Jahrtausends  von  Iran  aus  vorschreitend  nicht 
nur  bis  nach  Nordeuropa,  Italien  und  dem  nördlichen  Balkan  verfolgen;  es  muß 
damals  auch  ein  direkter  nordiranischer  Strom  nach  der  syroägyptischen  Ecke  des 
Mittelmeeres  gegangen  sein.  Sowohl  in  der  koptischen,  wie  in  der  syrischen  Minia- 
turenmalerei läßt  sich  ein  fast  unvermitteltes  Verdrängen  der  altchristlichen  Art  durch 
Bandornamente  nachweisen.  Sie  gehen  in  den  koptischen  Handschriften,  wie  in  Ar- 
menien Hand  in  Hand  mit  der  durch  Tiere  und  Vögel  belebten  geometrischen  Ranke4. 
Der  Islam  mag  da  'als  Zwischenträger  gewirkt  haben.  Ein  gutes  datiertes  Bei- 
spiel habe  ich  mit  Somers-Clarke  und  Herz-Pascha  in  Antinoe  ausgegraben5.  Die 
Bandornamentik  ist  dann  in  Ägypten  auch  in  Stein  vorherrschend  geworden.  Eine 
große  Masse  von  Belegen  fanden  sich  aufPhilae0.    Die  Ausbreitung  des  Ornamentes 


1     Vgl.  Hampel,  Altert.  III,  Taf.  400  f.  und  oben  S.  102  f.  2)  Vgl.  mein  Amida  S.  362  und  369. 

Solche    Köpfe    auch    noch    in    späteren    orientalischen    Teppichen.       Vgl.    Riegl    im  Jahrbuch    d. 
Kunstsammlungen  d.  Allerhöchsten  Kaiserhauses  XIII  (1892)  S.   199. 

4)   Vgl.  Hvvernat,  Album  de  palaeographie  copte,  bes.  Tat".  XXII  Vat.  5S  vom  J.  SS4  und  dann  zahl- 
he  Beispiele  aus  dem  X.Jh. 

;     Veröffentlicht  von  Moritz,  Arabic  palaeographv    Tat".  107— 1 10. 

6)  Lyons-Garstin,  A  report  on  the  island  and  temples  of  Philae  Taf.  58  t'.    Andere  Beispiele  bei  Wulff, 
Altchristliche  und  mittelalterliche  Bildwerke  I,  Taf.  77  f. 


2.    Die  Saken  und  der  arische  Kreis.  217 

andererseits  von  Iran  nach  Osten  wird  belegt  durch  Stücke  wie  den  kleinen  Holz- 
löffel aus  Turkestan,  den  Le  Coq,  Chotscho  S.  64  abgebildet  hat. 

Auf  dem  Stücke  des  Kotschkarschatzes  in  Abb.  180  rechts  begegnet  wie  auf 
dem  Kapitell  von  Dwin  Abb.  160  das  Motiv  des  „Knotens",  der  u.  a.  als  sog.  gordischer 
Knoten  an  Säulenpaaren  als  orientalisches  Motiv  bekannt  ist.  Daß  er  eine  symbolische 
Bedeutung  hat,  mag  man  aus  der  Anbringung  eines  ähnlichen  Motivs  zusammen  mit  der 
Hand  auf  dem  Hörne  von  Jasz-Bereny  ersehen,  das  Hampel  Altert.  III  Tafel  532  f.  ver- 
öffentlicht hat l.  Auch  dieses  Denkmal  gehört  nicht  der  ausgehenden  Antike  an,  wie 
Hampel  und  Andere  annahmen,  sondern  ist  wie  die  Innsbrucker  Emailschale  ein  gutes 
Stück  iranisch-türkischer  Kunst2.  Mit  der  Herleitung  dieser  Art  Knoten  hat  sich  kürz- 
lich Stöcklein :i  beschäftigt  und  seine  buddhistisch-chinesische  Herkunft,  sowie  die 
türkische  Vermittlung  nach  dem  Westen  klargestellt.  Ich  kann  mich  daher  hier  mit 
der  Erwähnung  dieser  unerwarteten  Stütze  für  meine  Anschauungen  begnügen. 

G.  Die  verknoteten  Kreise.  Das  mehrstreifige  Bandgeflecht  ist  auf  das  engste 
verknüpft  mit  dem  bereits  oben  S.  13of.  erwähnten  beliebten  Stoffmuster  der  verknoteten 
Kreise.  Es  wurde  dort  wegen  seines  engen  Zusammenhanges  mit  der  geometrischen 
Ranke  besprochen.  Dieses  Muster  könnte  seine  Verbreitung  in  Vorderasien  in  Stoffen 
und  durch  eine  Kunstgattung  gefunden  haben,  die  bisher  für  Ornamentfragen  unbeachtet 
blieb.  Die  sakische  Architektur  war,  soweit  sie  bodenständig  ist,  Verkleidungsarchitektur 
im  Gegensatz  zur  griechischen,  die  ihre  Glieder  aus  einheitlichem  Material,  ursprünglich 
Holz,  dann  Stein  aufwachsen  ließ.  Im  Zentrum  sakischer  Kunst,  das  im  Nordosten, 
d.  h.  da  zu  suchen  ist,  wo  die  Handelswege  vom  Mittelmeer  her  mit  denen  von  Indien 
und  China  wie  in  einem  Kreuzwege  zusammenliefen,  kannte  man  ursprünglich  als 
einziges  bodenständiges  Baumaterial  nur  den  sonnengebrannten  Ziegel,  der  noch  weniger 
als  der  feuergebrannte  Ziegel  sich  dazu  eignete,  künstlerische  Wirkungen  auszulösen. 
Die  Folge  davon  war,  daß  man  die  Bauten  von  alters  her  mit  edlerem  Material  ver- 
kleidete. Da  nun  aber  der  Kern  dieser  Bauten,  der  Rohziegel,  keine  Dauer  hatte, 
so  sind  fast  alle  Denkmäler  dieser  Art  vom  Erdboden  verschwunden,  mit  ihnen  die 
alten  Dekorationen,  denen  man  vielleicht  durch  Ausgrabungen  wird  beikommen  können. 
Diese  aber  wurden  bisher  in  jenen  schwer  zugänglichen,  den  Franzosen  vorbehaltenen 
Gebieten  von  niemandem  unternommen,  daher  die  sakische  Kunst  vorläufig  nur  mittel- 
bar erschlossen  werden  kann.  Das  wichtigste  Mittel  ist  der  Rückschluß  von  sakisch  be- 
einflußten Steinbauten  in  Armenien  und  von  Ziegelbauten  in  Mesopotamien  her,  ferner 
von  den  durch  Ausgrabungen  oder  erhalten  nachweisbaren,  im  sakischen  Stil  durchge- 
führten Bauten  der  Sasaniden  und  des  frühen  Islam,  nicht  zuletzt  aber  auch  von  Werken 
der  Kleinkunst  aus,  auf  die  unser  Augenmerk  in  vorliegender  Arbeit  gerichtet  ist. 

Ich  gehe  von  dem  Krug  mit  dem  Zangenornament  im  Schatze  von  Nagy-Szent- 
Miklos  (Abb.  60  u.  64)  aus.  Die  verknoteten  Kreise  sind  hier  in  einer  Weise  wirksam 
gemacht,  die  ihresgleichen  sucht.  Perlschnüre  säumen  zwei  Bänder  von  schuppen- 
artig übereinandergelegten  Scheiben,  auf  welchen  die  Glanzlichter  des  Goldes  lebhaft 
zur  Geltung  kommen.  Dieses  Motiv  ist  auch  der  armenischen  Miniaturenmalerei  ge- 
läufig, Abb.  181  und  wie  eine  der  Kanonesarkaden  des  kleinarmenischen  Evangeliars  von 

1)  Vgl.  dazu  die  monographische  Bearbeitung  des  Homes  von  Hampel  im  Arch.  Ertesitö  1905  S.  97  f. 

2)  Vgl.  darüber  Amida  S.  120  f  und  348  f.  3)  Münchner  Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  1914/5  S.  n8f. 


2l8 


IV.   Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


1113  bwz.  893  in  Tübingen  bezeugen  K  In  Armenien,  einem  Gebiete,  das  dem  Zentrum  des 
Sakischen  in  Chorasan  ebenso  im  Westen  zugewendet  ist,  wie  das  durch  den  Krug 
vertretene  türkische  Gebiet  im  Osten,  finden  wir  nun  auch  zahlreiche  Belege  des 
Motivs  der  verknoteten  Kreise  als  Wand-  bzw.  Flächendekoration.  Ein  ausgezeich- 
netes Beispiel  wurde  bereits  Abb.  131  in  der  schönen  Holztür  aus  Georgien  vorgelegt. 
Armenische  Beispiele  bieten  Abb.  182  und  1832,  von  der  um  looo  entstandenen  Kirche 
des  Gagik  in  Ani  stammend,  die  der  großen  Kirche,  die  Nerses  III  um  650  in  Swartnotz 
gebaut  hatte  (vgl.  oben  S.  I96),  nachgebildet  ist.  Tatsächlich  findet  sich  auch  dort 
schon  eine  Steinplatte  mit  den  verknoteten  Kreisen,  die  ich  leider  nur  in  einer  Skizze 


Abb.   182:  Ani,  Gagikkirche:  Ver/.ierle  Steinplatte. 

besitze.  Auf  diesem  Bruchstücke  sind  noch  drei  Kreise  in  zwei  Reihen  übereinander, 
von  Rosetten  gefüllt,  erhalten.  Reicher  sind  die  Motive  in  Ani.  Abb.  182  zeigt  ein 
dreistreifiges  Zickzack  und  verknotete  Kreise  in  anmutiger  Verflechtung  durch- 
einander geschlungen.  Die  Kreise  sind  wie  auf  der  Holztür  (Abb.  1261  durch  Knopf- 
reihen auffällig  gemacht.  Es  ist  das  die  gleiche  Art,  die  wir  an  der  Tür  des  Mahmud 
von  Ghasna  als  typisch  verwendet  nachgewiesen  haben  (vgl.  oben  S.  2067).  Ein 
Blick  auf  den  nordischen  Schlitten  des  VIII.  Jh.  Abb.  174  wird  ferner  belegen,  daß 
auch  dort  Kreise  und  Rauten  übereinander  gelegt  sind.  Das  armenische  Beispiel 
liegt  auf  einem  der  Arierwege  vermittelnd  zwischen  Awghanistan  und  Norwegen. 
Mit   der  Zeit  werden  sich  vielleicht  auch   noch  andere  Zwischenglieder  finden. 


1    Vgl.  meine  Kleinarmenische  Miniaturenmalerei  Taf.  VIII  in  den  Leistendes       -förmigen  Aufsatzes. 
2>    Beide  Druckstöcke  nach  Photogrammen,  die  ich  dem  Architekten  Toramanian  verdanke. 


2.   Die  Saken  und  der  arische  Kreis. 


2I9 


Abb.  183,  ebenfalls  eine  Steinplatte,  zeigt  die  verknoteten  Kreise  zweistreifig 
ausgeführt  und  ganz  durchsetzt  von  Palmettengebilden,  so  daß  die  Grundelemente  der 
Ornamentströme  wie  in  Abb.  126  zu  einer  Einheit  verbunden  erscheinen.  Das  Band  ist 
im  Schrägschnitt  gefurcht  und  ebenso  die  Palmetten.  In  der  äußeren  Reihe  sieht 
man  das  flaschenartige  Motiv,  von  dem  oben  S.  114  die  Rede  war,  von  hängenden, 
in  der  inneren  Reihe  einen  zweistreifigen  abgebundenen  Stab  von  liegenden  Halb- 
palmetten begleitet.  In  den  Zwickeln  Vollpalmetten  und  Vierpässe,  die  Palmetten- 
motive immer  mit  entschiedener  Betonung  des  Kreislappens.  Man  beachte  auch, 
daß  das  Ornament  hier  um  eine  rechteckig  umrahmte  Rundnische  gelegt  ist,  und  so 
das  n-förmige  Motiv  entsteht,  das  in  armenischen  (Abb.  181)  und  byzantinischen  Minia- 


Abb.   1S3:  Ani,  Gagikkirche:  Verzierter   n-förmiger  Aufsatz. 

turen  sowie  auf  den  altarabischen  Grabsteinen  eine  so  große  Rolle  spielt  und  neuer- 
dings mit  der  Tabula  ansata  in  Verbindung  gebracht  wird,  obwohl  es  ein  rein  sakisch- 
türkisches  Motiv  ist1. 

Beispiele  der  verknoteten  Kreise  aus  sasanidischer  Zeit  sind  im  ersten  Dreieck- 
felde von  Mschatta,  auch  wieder  mit  der  bezeichnenden  Knopfreihe  erhalten2.  Das 
Berliner  Museum  besitzt  aber  auch  Reste  einer  Wandverkleidung  in  Stuck  aus  Meso- 
potamien, Abb.  184 — 186,  die  gerade  das  bieten,  was  ich  als  Lieblingsmotiv  der  ost- 
iranischen Stuckwände  annehme:  die  verknoteten  Kreise3.  Ich  bilde  drei  von  den  acht 
Plattenfragmenten   in  einer  Zusammenstellung  ab,  die  ohne  Anspruch  auf  Richtigkeit 

1)  Vgl.  Amida  363  4  und  „Der  Islam"  II  S.  333.  Dazu'  die  charakteristische  Behauptung  Karabaceks 
(Sitzungsberichte  der  Ak.  d.  Wiss.  in  Wien,  phil.-hist.  Kl.  178.  Bd.,  5.  Abh.  S.  26  f.)  und  was  Herzfeld  (Der 
Islam  VI  [19153  s.  192)  dazu  phantasiert.  Wie  die  Steinmetzen  der  altarabischen  Grabsteine  die  Tabula  ansata 
geben,  habe  ich  Der  Islam  II.  S   332  deutlich  genug  gezeigt.   Das  n-förmige  Gehänge  hat  damit  nichts  zu  tun. 

2)  Mschatta  Taf.  IX  und  S.  308  f. 

3)  Vgl.  Amida  S.  359  und  Sarre,  Jahrbuch  d.  kgl.  preuß.  Kunstsammlungen  XXIX  (1908),  S.  69. 


120 


IV.    Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


doch  vielleicht  eine  Anregung  dafür  gibt,  über  den  Zusammenhang  nachzudenken; 
möglicherweise  gehören  die  drei  Muster  auch  drei  verschiedenen  Wänden  an.  Die 
Hauptsache  ist,  daß  auf  zweien,  der  Platte  mit  dem  Flügelpaar  und  dem  Steinbock, 
der  Kreis  mit  dem  Knopfornament,  einmal  einfach,  einmal  doppelt  als  Rahmen  ge- 
nommen ist.  Abb.  185  in  den  Achsen  Spiral-Quadrate  mit  Kreislappen  statt  der  ver- 
schlingenden kleinen  Kreise,  was  mich  glauben  läßt,  daß  die  großen  Kreise  nicht 
unmittelbar  aneinander  stießen.   Doch  sind  das  Fragen  für  sich.   Das  Muster  der  ver- 


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Abb.    184 — 186.  Berlin:  Kaiser-Friedrich-Museum :  Stuckornamente  aus  Mesopotamien. 

knoteten  Kreise  ist  nun  wie  gesagt  ein  Lieblingsmotiv  der  persischen  Seidenstoffe, 
die  Falke J  neuerdings  von  dem  alexandrinischen  und  antiochenischen  Kunstkreise 
herleitet.  Nur  die  Füllung  lässt  er  beschränkt  als  persisch  gelten.  Es  .entsteht  also 
auch  hier  wieder  die  Frage,  ist  das  Muster  der  verknoteten  Kreise  hellenistisch  und 
auf  Persien  übergegangen  oder  liegt  der  Fall  umgekehrt?  Falke  argumentiert  so 
(S.  30):  „Die  Vermutung,  daß  die  Seidenweberei  in  Persien  älter  sei,  als  auf  römischem 
Gebiet,  hat  keine  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Ihre  Anfänge  müßten  dann  schon  in 
das  Partherreich  der  Arsakiden  zurückreichen,  dessen  nationale  Kultur  noch  niedriger 
eingeschätzt  wird,  als  die  des  sasanidischen  Irans.  In  den  Schriftquellen  ist  von  einem 
persischen  Seidengewerbe  vor  der  zwangsweisen  Verpflanzung  gräko-syrischer  Weber 


1     Kunstgeschichte  der  Seidenweberei  I  S.  ■so  und  80. 


2.  Die  Saken  und  der  arische  Kreis.  221 

durch  Schapur  II  um  360  nach  Susiana  und  Persis  nichts  überliefert,  und  die  ältesten 
sasanidischen  Stoffe,  die  wir  kennen,  stammen  erst  aus  dem  6.  Jh.  Sie  entsprechen 
stilistisch  den  gleichzeitigen  Reiterstoffen  von  Alexandria.  Diesen  aber  geht  auf 
griechischer  Seite  eine  ansehnliche  Denkmälerreihe  voraus,  die  einen  älteren  Seiden- 
stil enthüllt,  dem  Persien  nichts  gegenüberzustellen  hat".  Soviel  Sätze,  soviel  falsche 
Annahmen.  Sie  sind  heute  gang  und  gäbe.  In  erster  Reihe  steht  die  unbegreifliche 
Vorstellung,  daß  Susiana  und  die  Persis,  zwei  Südprovinzen,  das  Hochland  von  Iran 
schlechtweg  bedeuten.  Daraus  sind  auch  bei  Herzfeld  alle  Fehler  entstanden.  Die 
künstlerisch  ausschlaggebende  Provinz  ist  nicht  dieses  Steinland,  sondern  der  stein- 
arme Norden  gewesen.  Dort  war  man  auf  den  Rohziegelbau  und  die  dekorative 
Verkleidung  gewiesen.  Über  diese  Gegend  hat  auch  der  Seidenhandel  seinen  Weg 
genommen  und  dort  in  Baktrien  und  unter  den  Parthern  hat  jene  wichtige  Mischung 
griechischer,  west-  und  zentralasiatischer,  indischer  und  chinesischer  Elemente  stattge- 
funden, die  unter  Vortritt  der  Nomaden  und  Nordvölker  Träger  des  neuen  Stiles  am 
Mittelmeere  wurde.  Die  Stoffe  werden  sich  bei  genauerer  Untersuchung  dafür  ebenso 
als  Beleg  nachweisen  lassen  wie  die  Metallsachen ,  die  in  diesem  Bande  im  Vorder- 
grunde stehen.  Ägypten  und  Syrien  waren  der  empfangende  Teil,  ähnlich,  wie  die 
Persis  und  Susiana,  Mesopotamien  und  Armenien.  Auf  dem  Gebiete  des  Kuppel- 
baues läßt  sich  das  ganz  schlagend  nachweisen.  Für  die  Seidenstoffe  beginnt  die 
Forschung  jetzt  durch  die  Funde  in  Turkestan,  Khotan  und  in  Tunhuang  an  der 
chinesischen  Grenze  ganz  neue  Grundlagen  zu  gewinnen1.  Weiter  aber  werden  ver- 
gleichende Studien  leiten,  wie  sie  jetzt  in  meinem  Institut  von  M.  Dimand  über  die 
Verzierung  der  ägyptischen  Wollwirkereien  geführt  werden,  die  der  koptischen  und 
arabischen  Zeit  angehören.  Die  flächenfüllenden  Muster  zeigen  da  so  auffällige,  mit 
China  und  Indien  neben  iranischen  Mustern  in  Verbindung  zu  bringende  Motive,  daß 
der  vergleichenden  Forschung  auch  da  deutlich  die  neuen  Wege  gewiesen  werden, 
wie  sie  dieses  Buch  bahnen  will.  Auf  die  Zellenverglasung,  den  Schmelz,  die  Fliesen- 
technik u.  s.  f.  kann  ich  hier  leider  nicht  näher  eingehen.  Einschlägige  Arbeiten  wer- 
den sich  genau  in  dem  weiten  Umkreise  zu  bewegen  haben,  wie  die  Untersuchungen, 
die  ich  hier  führe.  De  Linas  hat  dafür  längst  den  Weg  gewiesen.  Vgl.  unten  S.  237,  270  usw. 
Der  Palast  von  Hatra,  die  größte  erhaltene  Schöpfung  der  Parther,  ist  eine  Grenz- 
erscheinung'2. Er  liegt  im  nördlichen  Mesopotamien  und  ist  für  Araber  von  Saken  oder 
Armeniern  erbaut.  Dort  sind  die  Außenmauern  noch  durchaus  in  Stein  verkleidet 
und  ausschließlich  die  Tonne,  nicht  die  Kuppel  verwendet.  In  Chorasan  aber  setzt  die 
kunsthistorische  Forschung  eben  erst  mit  der  Expedition  des  Kunsthistorischen  Institutes 
meiner  Lehrkanzel  an  der  Wiener  Universität  ein.  Ausgrabungen  konnten  nicht  gemacht 
werden ;  wo  sie  versucht  wurden  (Nischapur),  sind  sie  von  den  Ortsbehörden  unter  Hinweis 
auf  das  Vorrecht  der  Franzosen  eingestellt  worden.  Da  ist  also,  soweit  nicht  früh- 
islamische Denkmäler  aushelfen,  noch  alles  der  Zukunft  vorbehalten.  Es  ist  die  Haupt- 
absicht des  vorliegenden  Buches,  die  Aufmerksamkeit  auf  diese  wichtigste  Einbruch- 
steile  der  asiatischen  Kunst  hinzuleiten.  Kleinasien,  Mschatta  und  Amida  haben 
darauf  vorbereitet. 


1)  Vgl.    mein  „Zentralasien    als    Forschungsgebiet",    Osterr.   Monatsschrift   für   den  Orient  XL  (1914) 
S.  68  f.  bes.  S.  78.        2)  Vgl.  darüber  oben  S.  73,   151   und  Andrae,  Hatra.    2  Bände.    Leipzig  1908  u.  1912. 


IV.   Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 

H.  Stand  der  heutigen  Forschung.  Wir  haben  nun  zwei  Arten  von  Dekorations- 
systemen  auf  Chorasan  und  sein  Hinterland  zurückgeführt:  das  mehrstreifige  Band- 
geflecht und  die  verknoteten  Kreise.  Wenn  man  ein  kunsthistorisches  Handbuch  wie 
Wulff  „Altchristliche  und  byzantinische  Kunst"  hernimmt,  so  wird  man  die  Mehrzahl 
der  in  der  Übergangszeit  vom  Altertum  zum  Mittelalter  auftauchenden  neuen  Ornament- 
reihen entgegen  meinen  in  dem  Werke  über  Mschatta  vorgelegten  Untersuchungen  auf 
Syrien  bezogen  finden1,  mitAntiochia  als  Zentrum.  Während  so  in  Deutschland  die  For- 
schung auf  eine  schiefe  Bahn  geraten  ist,  hat  man  in  Frankreich  und  England  die  Mschatta- 
Ergebnisse  im  wesentlichen  angenommen  2.  Die  Erklärung  liegt  darin,  daß  dort  nie  die 
Einseitigkeit  unserer  klassisch -philologischen  Orthodoxie  geherrscht  hat,  man  dort 
vielmehr,  durch  den  Besitz  der  Kolonien  geistig  vorbereitet,  von  der  Bedeutung  der 
vom  Mittelmeer  losgelösten  Kunstströme  im  Innern  Asiens  und  den  von  Indien  und 
China  ausgehenden  Einflüssen  zu  allen  Zeiten  eine  ungefähre  Vorstellung  hatte.  Die 
Gruppe,  die  sich  in  Deutschland  gegen  meine  Aufstellungen  wendet,  lenkt  nur  wieder 
in  die  alte  Schulmeinung  ein,  gegen  die  Arbeiten  wie  Kleinasien,  Mschatta  und  Amida 
vorgegangen  waren.  Wulff  mit  seinen  Hintermännern  und  Schülern  hat  zudem  die 
Denkmäler  der  Völkerwanderung,  denen  auch  der  albanische  Schatz  angehört,  völlig 
außer  acht  gelassen.  Der  Boden  seines  Hauptgewährsmannes  ist  im  wesentlichen  die 
Architektur  und  die  dekorative  Plastik  im  Dienste  der  Baukunst.  Und  selbst  in 
diesem  engen  Kreise  wurden  Steinarchitektur  und  Verkleidungsarchitektur  nicht  grund- 
sätzlich geschieden.  Die  Folge  ist,  daß  dieser  Berliner  Kreis  wie  Riegl  niemals  auf  den 
zentralen  Herd  im  nordöstlichen  Iran  stoßen  konnte,  sich  immer  nur  an  Mesopotamien, 
im  besten  Fall  an  die  persischen  Bauten  in  Susiana  und  der  Persis  hielt  Von  daher 
und  aus  den  Schriftquellen  konnte  freilich  keine  Erkenntnis  kommen. 

Ich  beschränke  mich  an  dieser  Stelle  auf  das  mehrstreifige  Flechtwerk  und  das  Muster 
der  verknoteten  Kreise.  In  „Mschatta"  und  oben  S.  71  f.  habe  ich  bereits  die  Weinranke 
untersucht,  in  „Amida"  die  Tiermotive.  Für  sie  alle  mag  gelten,  was  ich  schon  für  die 
geometrische  Ranke  nachgewiesen  zu  haben  glaube:  sie  kommen  aus  der  sakischen 
Einfallspforte,  wo  sich  Einheimisches  mit  Griechischem,  Indischem,  Chinesischem  und 
dem  Kunstbesitze  der  Nomaden  und  Xordvölker  mischt.  Wie  weit  dabei  die  letzteren 
Elemente  den  Ausschlag  gaben,  läßt  sich  heute  noch  nicht  im  entferntesten  beur- 
teilen, die  Forschung  soll  nur  beobachtend  in  diese  Richtung  gelenkt  werden.  Wollte 
ich  mich  durch  die  Tatsachen  auf  chinesischem  Gebiete  leiten  lassen,  so  müßte  ich 
annehmen,  daß  das  Bandornament  ursprünglich  von  dort  ausgehe.  Hoerschelmann 
erwähnt  in  seiner  Entwicklung  der  altchinesischen  Ornamentik  S.  2  f.  die  Tatsache, 
daß  das  alte  Schriftzeichen  für  Ornament  in  den  ältesten  chinesischen  Wörterbüchern 
als  Darstellung  des  Flechtmusters  erklärt  wird.  Auch  ist  zu  beachten,  daß 
dieses  Muster,  sogar  mehrstreifig  verwendet,  ein  Lieblingsornament  der  ältesten  hiera- 
tischen Bronzen  ist  (Abb.  107),  aber  freilich  neben  dem  Tierornament  zurücktritt.  Doch 
sehe  ich  die  Dinge  im  vorliegenden  Buche  von  der  europäischen  Seite  an,  für  die 
Altai  (Abb.  106)  und  Iran  die  Ausgangspunkte  sind. 


ii  Ahnlich  schon  Kondakov,  Gesch.   und  Denkmäler  der  byzantinischen  Email>  S.  69  und  Courajod. 
2    VgL  Brchier,  Nouvedes  recherches  sur  l'histore  de   la   sculpture  byzantine.    Dazu  oben  S.  74  und 
Dalton,  Byzantine  art  and  archaeology   191 1,  Diehl,  Manuel  d'art  by/.antin    1910. 


3.   Konstantinopel  und  der  Mittelmecrkreis.  223 

Nordostiran  kam  in  der  Kunst  wie  im  Seidenhandel  die  Rolle  des  Vermittlers 
zwischen  dem  Mittelmeere  und  Hochasien,  Indien  und  China  zu.  Seine  eigenen 
Elemente  liegen  in  der  Verkleidung  von  Rohziegeln,  die  also  zur  Kuppel  ebenso  führten 
wie  zu  den  Ornamentsystemen,  von  denen  Mschatta,  Amida,  Armenien,  Samarra 
und  die  in  diesem  Buche  veröffentlichten  Denkmäler  eine  Vorstellung  geben.  Die 
Kuppel,  auf  sakisch-armenischem  Boden  zum  vollen  Ausdruck  des  für  den  arischen  Ge- 
schmack bezeichnenden  Raumgefühls  geworden,  wiiJ<te  das  ganze  Mittelalter  hindurch 
auf  das  Mittelmeer  und  Europa,  bis  sie  seit  der  Renaissance  auch  dort  die  Herrschaft 
antrat.  Dagegen  ist  der  Südträger  des  sakischen,  von  allen  Seiten  beeinflußten  Ornaments 
der  Islam  geworden,  dessen  entwickelte  Kunst  durchaus  in  der  ostiranischen  wurzelt. 
Davon  später  und  „Die  bildende  Kunst  des  Ostens"  S.  7 f.  und  28 f.  Ich  schließe  da- 
mit den  Abschnitt  über  den  Stand  der  heutigen  Forschung  nicht,  der  Rest  des 
Buches  wird  vielmehr  fortlaufend  darauf  Bezug  nehmen. 

3.   Konstantinopel  und  der  Mittelmeerkreis. 

Der  Alexanderzug  leitet  für  das  Mittelmeer  die  Periode  eines  Weltverkehres  ein, 
wie  er  vorher  nur  zur  Zeit  des  sumerisch-akkadischen  Vorstoßes  und  in  mykenischer 
Zeit  bestanden  haben  dürfte.  Es  findet  ein  Austausch  von  Formen  zwischen  dem 
Süden  Europas,  den  Ostküsten  des  Mittelmeeres  und  Asien  statt,  in  dem  —  wie  ich  in 
meinem  „Hellas  in  des  Orients  Umarmung"  anzudeuten  suchte1  —  zuerst  griechische 
Formen  nach  dem  Osten  und  später  immer  mehr  asiatische  nach  dem  Westen  drangen, 
bis  endlich  die  hellenistische  Kunst  ganz  unterlag,  soweit  nicht  das  Christentum  und 
die  Höfe  die  alten  auf  Darstellung  und  Verblüffung  berechneten  Formen  in  die  neue 
Zeit  hinüberretteten.  In  dieser  Richtung  ist  wohl  die  konservative  Rolle  von  Rom  und 
Byzanz  zu  suchen;  im  übrigen  haben  gerade  diese  beiden  Residenzen  zusammen  mit 
den  übrigen,  nicht  minder  anspruchsvollen  Großstädten  am  Mittelmeere  durch  das 
wachsende  Luxusbedürfnis  dem  Einzüge  der  asiatischen  Kunstformen  Tür  und  Tor 
geöffnet. 

Es  ist  anerkannt,  daß  sich  in  den  Jahrhunderten  um  die  Mitte  des  ersten  Jahr- 
tausends unserer  Zeitrechnung  am  Mittelmeer  ein  Wandel  des  Geschmackes  vollzieht, 
den  die  einen  auf  die  vordringenden  Barbaren,  die  andern  auf  die  letzte  Phase  einer 
folgerichtigen  Entwicklung  der  antiken  Kunst  zurückführen  (vgl.  oben  S.  65f.).  Die 
Sache  hat  insofern  allgemeinere  Bedeutung,  als  damit  zusammenhängt,  wie  die  Kunst- 
forschung Stellung  zu  nehmen  hat  zur  humanistischen,  auf  den  klassischen  Sprachen 
begründeten  Geistesbildung  des  deutschen  Volkes.  Der  Druck,  den  man  damit  auf 
das  Empfinden  ausübt,  ursprünglich  wohltätig  wie  die  christliche  Religion,  wirkt 
ähnlich  der  römischen  Kirche  allmählich  der  Entstehung  einer  deutschtümlichen 
Kultur  entgegen.  Es  fragt  sich  nun,  ob  der  Zeitraum  geistiger  Freiheit,  den  die 
Germanen  am  Anfang  ihrer  historischen  Zeit  vor  Eintritt  des  Christentums  noch  ge- 
nossen, sie  als  Träger  einer  auf  Asien  zurückgehenden  Kunst  zeigt,  oder  ob  sie  schon 
in  der  Zeit,  in  der  ihre  Wanderungen  begannen  und  die  Besitzergreifung  von  Gebieten, 
die  bis  dahin  die  Römer  innehatten,  auch  künstlerisch  vollständig  im  Banne  der  An- 

1)  Beilage  der  Münchner  Allgemeinen  Zeitung  Nr.  401   vom   18/19.  II.   1902. 


2  i  ,  IV.   Die  Kunst  der  Nomaden  und  Xordvölker. 

tike  waren,  wie  Riegl  will.  Denn  das  steht  ja,  scheint  es,  außer  Zweifel,  daß  die 
Völkerwanderungskunst  keine  ausschließlich  im  Norden  Europas  bodenständige,  aus 
der  prähistorischen  Entwicklung  naturgemäß  hervorgehende,  sondern  z.  T.  wenigstens 
entweder  von  Rom  oder  dem  Orient  übernommen  ist.  Darauf  spitzt  sich  im  letzten 
Ende  für  uns  Nordländer  das  Problem  „Orient  oder  Rom"  zu.  Ich  prüfe  im  vor- 
liegenden Abschnitte  die  Voraussetzungen  am  Mittelmeer  und  werde  im  nächsten 
Abschnitt  auch  auf  den  Norden  selbst  übergehen. 

Als  ich  1901  mein  Buch  „Orient  oder  Rom"  schrieb,  da  lag  mir  nur  das  Christen- 
tum und  die  Mittelmeerkunst  im  Sinne.  Wickhoff  hatte  in  der  „Wiener  Genesis"  der 
hellenistischen  Kunst  ein  selbständiges  Rom  entgegengestellt,  das  schöpferisch  im 
Gebiete  der  bildenden  Kunst  neue,  bahnbrechende  Wege  eingeschlagen  haben  sollte, 
während  ich  gerade  damals  nach  nahezu  sechsjährigem  Aufenthalte  in  Rom  und 
dem  Oriente  zu  der  Überzeugung  gelangt  war,  daß  Rom  nur  die  letzte  Phase  des 
Hellenismus  in  lokaler  Färbung  bedeute  und  der  Orient  mit  dem  Christentum  stärker 
als  vorher  die  maßgebende  Macht  wurde.  Riegl  glaubte  mit  seiner  spätrömischen 
Kunstindustrie  auszugleichen.  Er  schrieb  mir  damals  anläßlich  der  Übersendung 
meiner  Kritik  „Hellas  in  des  Orients  Umarmung":  „Man  kann  die  Dinge  vom  einseitig 
antiken  (Wickhoff),  einseitig  orientalischen  (Sie)  und  einem  vermittelnden  Standpunkt 
betrachten;  dem  letzteren  suchte  ich  wenigstens  nachzukommen".  Riegl  glaubte,  die 
hellenistische  Kunst  Ostroms  löse  das  Rätsel.  Inzwischen  bin  ich  in  der  Erforschung 
der  christlichen  und  islamischen  Kunst  immer  weiter  nach  Osten  vorgeschritten  und 
glaube,  soweit  die  Architektur  und  die  darstellende  Kunst  in  Betracht  kommen,  Be- 
weismaterial genug  für  meine  Überzeugung  beigebracht  zu  haben;  Armenien  wird  da 
den  Schlußstein  liefern.  Mit  Mschatta  und  Amida  war  ich  auch  auf  das  Gebiet  des 
Ornaments  übergegangen,  das  mir  in  „Orient  oder  Rom"  noch  fernlag.  Die  nordische 
und  Nomaden-Kunst  hatte  ich  lediglich  in  Aufsätzen  gestreift1.  Nunmehr  stehen  in 
diesem  Buche  die  Schatzfunde  der  Völkerwanderungszeit  aus  dem  Südosten  Europas 
im  Vordergrunde  der  Betrachtung. 

Die  Bearbeitung  dieser  Schatzfunde  hat  seit  Hampels  und  Riegls  Anregungen 
auffallend  geringe  Fortschritte  gemacht.  Das  österreichische  archäologische  Institut 
in  Wien,  das  die  Herausgabe  der  spätrömischen  Kunstindustrie  übernahm,  brachte 
in  den  abgelaufenen  vierzehn  Jahren  nicht  einmal  den  zweiten  Band  heraus,  zu  dem 
der  erste  nur  eine  Einleitung  sein  sollte.  Riegl  bezeichnet  diesen  zweiten  Band  1903 
als  im  Drucke  befindlich2.  Es  bewahrheitet  sich  somit,  was  schon  von  englischer  Seite 
(Minns  S.  282)  behauptet  wurde:  The  volume  in  which  he  was  to  have  treated  of 
the  barbarian  arts  has  never  appeared:  and  now  it  never  can. 

Vielleicht  erklärt  sich  die  Verzögerung  ziemlich  einfach  daraus,  daß  in  den  Schatz- 
funden neben  dem  gewohnten  antiken  Erbe  ein  außerordentlich  starker  und  mit  den 
Jahrhunderten  zunehmender  Einschlag  fremdartiger  Elemente  steckt,  mit  dem  der 
nichts  anzufangen  weiß,  der  sich  immer  nur  mit  Geschichte,  Philologie  und  Denk- 
mälern der  griechisch-römischen  Mittelmeerwelt  beschäftigt.  Niemand  will  den  ersten 
unsicheren    Schritten    folgen,    die    zur   wissenschaftlichen    Eroberung  jener   anderen 

1  PreuB.  Jahrbücher   LXXII  (1S93)  s-  448f-      Vß1-  (iazu  Nettmann,  ebenda  (.XXIII  (1916)  S.  300X 

2  Beiträge  zur  Kunstgeschichte,  Wickhoff  gewidmet,  S.  5. 


3.    Konstantinopel  und  der  Mittelmeerkreis.  22  C 

Kunstvvelt  führten,  in  deren  Umarmung-  Hellas  und  Rom  derart  erstickt  wurden,  daß 
sie  nur  durch  künstliche  Renaissancen  wiedererweckt  werden  konnten.  Jeder  wehrt 
ab,  und  man  darf  kaum  erwarten,  daß  es  in  absehbarer  Zeit  besser  wird,  weil  der  orienta- 
lische Philologe,  der  es  unternimmt,  Kunstgeschichte  zu  studieren,  von  seinen  Fachge- 
nossen nicht  für  voll  angesehen  wird  und  ein  Kunsthistoriker  wieder,  der  sich  ohne 
Kenntnis  der  verschiedenen  Sprachen  mit  den  orientalischen  Denkmälern  beschäftigt,  der 
herrschenden  Richtung  von  vornherein  für  einen  Dilettanten  gilt.  So  ist  denn  die 
schwierige  Forschung  auf  dem  von  vielen  nationalen,  sprachlich  auseinandergehenden 
Kräften  durchsetzten  Übergangsgebiete  von  der  antiken  zur  mittelalterlichen  Kunst 
auch  weiterhin  auf  Mitarbeiter  angewiesen,  die  bereit  sind,  entweder  als  Spezialisten 
Hungers  zu  sterben  oder  sich  als  Paria  zwischen  den  erbgesessenen  Forschungs- 
richtungen herumzutreiben.  Zu  der  notwendigen  festeren  Begründung  auch  auf  philo- 
logischer Grundlage  kann  es  unter  diesen  Umständen  garnicht  kommen. 

Das  Schwierige  bei  Bearbeitung  der  Schatzfunde  zunächst  aus  der  Zeit  des  späten 
Hellenismus,  als  Ideen  und  Formen  zu  wandern  begannen,  und  dann  der  nachfolgenden 
Völkerwanderungszeit  selbst,  liegt  darin,  daß  die  kleinen  Gegenstände,  um  die  es  sich 
dabei  handelt,  weit  in  der  Welt  herumkamen,  d.  h.  den  Zusammenhang  mit  dem  Ur- 
sprungsboden verloren  und  nur  in  ganz  außergewöhnlichen  Fällen  Inschriften  als 
Fingerzeig  für  den  Forscher  aufweisen.  Man  möchte  daher  wünschen,  daß  die  Be- 
arbeitung der  fest  am  heimatlichen  Boden  haftenden  Denkmäler  der  Baukunst  aus 
der  Übergangszeit  vorausginge,  so  daß  wenigstens  von  dieser  Seite  aus  ein  Anhalts- 
punkt für  die  Erwägung  der  verschiedenen  Möglichkeiten  gegeben  wäre.  Und  da 
kommt  nun  eine  Schuld  zutage,  die  die  neueren  Kunsthistoriker  ganz  allein  zu  ver- 
antworten haben,  die  nämlich,  daß  sie  zwar  gern  mit  dem  bequem  in  Photographie 
erreichbaren  Materiale  von  Malerei  und  Plastik  arbeiten,  sich  etwa  auch  noch 
als  Museumspraktiker  oder  Privatsammler  mit  dem  Kunstgewerbe  beschäftigen,  aber 
die  feste  unverrückbare  Grundlage,  die  von  der  Baukunst  gegeben  wird,  leichthin  von 
sich  abschieben,  als  wenn  sich  die  Probleme  der  Kunstentwicklung  in  irgend  einem 
Zweige  ohne  genauen  Einblick  in  alle  Kunstäußerungen  behandeln  ließen.  Den 
Denkmälern  der  Baukunst  kommt  man  aber  nur  durch  Reisen  und  Augenschein 
bei,  besonders  solange  es  sich  darum  handelt,  sie  überhaupt  erst  nachzuweisen  oder 
wissenschaftlich  brauchbar  vorzuführen.  Dazu  wieder  gehören  Institute,  Hilfskräfte 
und  Mittel,  der  einzelne  kann  da  kaum  den  Anforderungen  entsprechen.  Da  das  alles 
für  den  christlichen,  islamischen  und  hochasiatischen  Orient  nicht  besteht  —  wenigstens 
nicht  für  Fachkunsthistoriker  — ,  das  große  Asien,  die  Wiege  der  europäischen  Welt, 
aber  zugleich  von  den  Kunsthistorikern  selbst  als  für  das  Studium  der  christlichen 
und  islamischen  Kunst  nicht  in  Betracht  kommend  angesehen  wird  —  von  seiner  Bedeu- 
tung als  Maßstab  des  Verstehens  der  einseitigen  Entwicklung  der  abendländischen  Kunst 
seit  der  Renaissance  ganz  zu  schweigen  — ,  so  ist  eben  dem  Kunsthistoriker  nicht  zu 
helfen.  Wie  sehr  die  Entwicklung  des  Faches  darunter  leidet,  zeigen  große  von 
Berlin  ausgehende  Materialpublikationen  wie  das  Textilwerk  von  Lessing  bzw.  dessen  Be- 
arbeitung durch  Falke  oder  des  letzteren  Veröffentlichungen  über  Goldschmiedekunst1 

i)  Wie  die  Alten  sungen  ....  So  erklärt  sich  z.  B.  Zimmermann,  Vorkarolingische  Miniaturen 
S.  32,  die  Kanne  von  S.  Maurice  sei  „sicher  bj-zantinischen  Ursprunges". 

S trzy gowski,  Altai.  IC 


-,-.(5  IV«   Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 

und  die  in  diesem  Fahrwasser  gehende  Zusammenfassung  des  einschlägigen  Materials  von 
Hampe  im  Reallexikon  der  germanischen  Altertumskunde  (II,S.2/Of.).  Von  dem  Gebahren 
des  deutschen  Vereines  für  Kunstwissenschaft  und  Clemen  wird  noch  zu  reden  sein. 

Auf  der  andern  Seite  stehen  Architekten,  die  sich,  im  Banne  von  Rom,  nicht 
klar  machen  können,  was  alles  schon  in  den  Hellenismus  vom  Orient  einmünden 
mußte,  bevor  das,  was  wir  in  Rom  vor  uns  sehen,  möglich  war.  Sie  beachten  nicht, 
daß  die  originellen  Kräfte  des  Orients  weiter  bestehen,  sowohl  während  Rom  blüht 
wie  selbst  noch  in  einer  Zeit,  als  Rom  (und  die  hellenistischen  Großstädte  überhaupt) 
zugrunde  ging.  Von  diesen  Architekten  wieder  lassen  sich  Kunsthistoriker  wie  Wulff1 
beeinflussen,  der,  nachdem  die  alten  römischen  Schranken  der  Forschung  fielen,  eine 
neue  Sackgasse  schuf,  die  durch  Kleinasien,  Syrien  und  Ägypten  mit  Konstantinopel 
als  Zentrum  gebildet  wird.  Wulff  greift  dabei  freilich  nur  erneut  auf  Ainalov2  zurück 
und  lehnt  jede  maßgebende  Einwirkung  des  tieferen  Orients  auf  die  entstehende  alt- 
christliche und  byzantinische  Kunst  ab3. 

Unter  diesen  Umständen  muß  der  von  mir  seit  anderthalb  Jahrzehnten  geführte 
Kampf  um  die  Frage  „Orient  oder  Rom",  folgerichtig  erweitert  auf  „Orient  oder 
Byzanz"4,  auch  heute  noch  weitergetragen  werden,  so  lästig  auf  die  Dauer  diese 
längst  hinter  mir  liegende  Kampfstellung  wird.  Die  Linie  ist  jetzt  so  weit  vorge- 
schoben, daß  die  Entstehungsgebiete  des  Hellenismus,  die  Küsten  um  das  östliche 
Mittelmeer  herum,  von  den  Einsichtigen  als  die  eigentlichen  Entstehungsgebiete  der 
christlichen  Kunst  zugegeben  werden.  Es  handelt  sich  heute  mehr  darum,  die  An- 
erkennung der  bestimmenden  Teilnahme  der  Länder  jenseits  des  Euphrat  und  Tigris, 
vor  allem  des  sakischen  Kunstkreises  durchzusetzen,  daneben  des  indischen  und 
chinesischen.  Ich  habe  in  einem  Aufsatz  über  die  Bedeutung  der  Gründung  Kon- 
stantinopels für  die  Entwicklung  der  christlichen  Kunst5  auf  diese  notwendige  Aus- 
dehnung des  Kampfes  gegen  die  im  Wanken  begriffene  Front  der  Rom-  bzw. 
Byzanz-zentrisch  Gesinnten  hingewiesen  und  dort  auch  einige  bezeichnende  Beispiele 
als  Belege  der  Bedeutung  von  Persien,  Indien  und  China  angeführt.  Im  vorliegenden 
Werke  bot  sich  bei  Vorführung  des  albanischen  Schatzes  Gelegenheit,  näher  ein- 
zugehen auf  die  Bedeutung  des  sakischen  und  alttürkischen  Kunstkreises  für  die 
Geschichte  des  byzantinischen  Ornamentes.  Freilich  wäre,  wie  gesagt,  zu  wünschen,  daß 
dieser  Arbeit  hätte  vorausgehen  können  eine  andej'e,  größere  über  die  Entwicklung 
des  Kuppelbaues  in  Armenien  auf  Grund  sakischer  Anregungen.  Sie  wird  nach  Voll- 
endung des  vorliegenden,  als  Intermezzo  anzusehenden  Bandes,  in  den  Druck  gehen  °. 

A.  Der  Kuppelbau.  Es  war  oben  S.  191  davon  die  Rede,  daß  der  Kuppelbau 
die  Richtung  auf  den  ausgesprochen  arischen  Raumbau  im  Gebiet  der  sakischen  Parther 


1  .Altchristliche  und  byzantinische  Kunst". 

2  I  >ie   hellenistischen    Grundlagen   der   byzantinischen   Kunst    1900.      Vgl.   dazu   Byz.  Zeitschrift  XI 
(1902)   S.  2y8f.  und  Kepertorium   für  Kunstwiss,  XXVI   \  1903)  S.  35  f. 

gl.  meinen  Aufsatz  „Die  sasanidiscbe  Kirche",  Monatshefte  lur  Kunstwissenschaft  V11I  (.1915)  S.  3491. 

4)   Vgl.  die  „Miniaturen  des  serbischen  Psalters".    Denkschriften  d.  Ak.  d.  Wiss.  in  Wien  LH  S.  87  t". 

Dazu  die  Streitschriften  von  Brehier,  Revue  arch.  4,  Serie  X  (1907)  S.  396,  Millet,  ebenda  (190S  1    S.  1 7 1  f . 

In  Dölgers  ..Konstantin  d,  Or.  und  seine  Zeit",  Festgabe  für  de  Waal,  S.  363  ff. 

me    kurze    Zusammenfassung   der   Ergebnisse    biete    ich    in   dem    volkstümlichen   Bündchen  „Die 

Kunst  des  Ostens"   (Bibliothek  des  Ostens  Bd.  III),  Leipzig  1916. 


3.   Konstantinopel  und  der  Mittelrueerkreis.  227 

genommen  hat.  Was  vom  nördlichen  Iran  über  die  hellenistischen  Gebiete  und  Armenien 
nach  dem  Mittelmeere  vordringt  und  in  Rom  und  Byzanz  bewundert  wird,  darf  also 
nicht  als  römisch  oder  byzantinisch,  sondern  muß  in  seinen  Zusammenhängen  mit  den 
iranischen  Ursprungsländern  betrachtet  werden.  Die  Grundlage  für  eine  derartige 
Forschungsrichtung  wird  die  Vorführung  des  reichen  armenischen  Materials  liefern,  eine 
Arbeit,  die  das  Ergebnis  einer  im  Herbste  1913  unternommenen  Forschungsreise  des  dem 
Verfasser  unterstehenden  Kunsthistorischen  Instituts  der  Universität  Wien  ist.  Als  Haupt- 
errungenschaft können  schon  hier  veröffentlicht  werden  drei  durch  inschriftliches  Material 
und  eindeutige  Nachrichten  der  ältesten  armenischen  Schriftquellen  belegte  Tatsachen : 

1.  die  der  großen  Blüte  des  armenischen  Kirchenbaues  in  der  Zeit  vom  IV. — VII.  Jh., 

2.  vor  allem  die  unzweifelhaft  festgestellte,  ausschließliche  Verwendung  des  Gewölbe- 
baues und  3.  die  Tatsache  der  Vorherrschaft  des  Kuppelbaues,  der  zunächst  in  sakischer 
Fassung  über  dem  Quadrat  mit  Trompen  und  dann  verstrebt  durch  vier. Konchen  auf- 
tritt, bis  er  allmählich  zur  Kreuzkuppel  und  unter  dem  Einfluß  von  Längstonnenbauten 
zum  typischen  Trikonchos  wird.  Ich  bin  überzeugt,  daß  der  Nachweis  dieser  Tat- 
sachen mit  der  Zeit  einen  Umschwung  im  Gebiete  unserer  Vorstellungen  von  der 
Entwicklung  des  christlichen  Kuppelbaues  herbeiführen  muß.  Vor  allem  dürfte  die 
Forschung  über  den  Ursprung  einzelner  Typen,  über  die  in  letzter  Zeit  so  viele 
Hypothesen  in  der  Luft  herumschwirren  —  man  denke  nur  an  die  Literatur  über 
den  Ursprung  trikoncher  Bauten  '  — ,  endlich  einmal  auf  festen  Boden  gelangen. 

Auf  Grund  der  Erfahrungen,  die  ich  in  Armenien  machte,  bzw.  der  Zusammen- 
hänge, die  das  armenische  Material  aufdeckte,  muß  ich  annehmen,  daß  die  quadratische 
Kuppel  aus  dem  arischen  Holzbau  stamme  (Spuren  in  Indien  und  der  Ukraina  s. 
S.  191,  Anm.  2).  Die  runde  Kuppel  hat  anderen  Ursprung  und  wird  in  Persien2  wie 
vom  Hellenismus3  für  Bäder  verwendet. 

Wenn  Riegl  (Stilfragen  S.  272)  feststellt,  das  Pantheon  entferne  sich  weit  vom 
antiken  Architekturideal,  aber  hinzufügt:  „Und  doch  wird  diesem  niemand  die  Zuge- 
hörigkeit zur  klassischen  Antike  abstreiten",  so  muß  ich  dies  allerdings  in  einem  ähn- 
lichen Sinne  tun,  wie  ich  die  antike  Steinsäule  und  diemenschliche  Gestalt  vom  vorderen 
Orient  her  in  die  Kunst  der  in  das  Mittelmeergebiet  eingewanderten  Griechen  ein- 
treten sehe.  Sie  übernehmen  ihre  Gestaltmotive  vom  Orient  und  haben  dann  Zeit 
ihres  Bestandes  danach  gerungen,,  an  solchen  Voraussetzungen  ihre  rassige  Eigenart 

1)  Ich  verweise  auf  die  Besprechung  der  einschlägigen  Literatur  von  Freshfield  und  Ratbgen  in  der 
Byzant.  Zeitschrift  XXXIII  (19 14)  S.  342  ff.  und  die  inzwischen  hinzugekommene  Arbeit  von  Bühlmann 
„Die  Entstehung  der  Kreuzkuppelkirche",  eines  Kirchentypus,  der  auf  das  engste  mit  dem  Trikonchos 
zusammengeht.  Bezeichnend  ist  die  Stellungnahme  Wulffs  „Altchristi,  u.  byz.  Kunst"  S.  225,  daß  wohl 
Alexandria  das  Vorbild  geliefert  haben  werde,  die  typische  Ausflucht  dieses  Forschers,  wenn  er  dem  Orient 
ausweichen  will.  Vgl.  dazu  meine  Aufsätze  in  der  Zeitschrift  für  christliche  Kunst  XXVIII  (1916)  S.  181 
und  der  Zeitschrift  für  Gesch.  der  Architektur  VII  (1916)  S.  51  f. 

2)  Nebenbei  sei  bezüglich  persischer  Bäder  erwähnt :  in  den  auf  ältere  Quellen  zurückgehenden  Märchen 
von  Hatim  Thai  (übersetzt  von  D.  Forbes),  wird  im  4.  Buche  das  Bad  Bedgard  als  ein  prächtiges,  von  einer 
hohen  Kuppel   überragtes    Gebäude    beschrieben.     Vgl.  Wollheims  Nationalliteratur  II,  S.  172;  ferner   auch 

hKusejr  Amra  S.  227  f. 
3)  Vgl.  einen  Papyrus  vom  J.  22 1   v.  Chr.  bei  Helbing,  Auswahl  aus  griech.  Papyri  S.  54  (Mitteilung 
von  A.Wilhelm).     Zu    der    Stelle  „Orient  oder  Rom"  S.   154  Anm.  sei   gesagt,   daß    sich  Puchstein   geirrt 
haben  muß.     Bei  Eratosthenes    finde    ich   nichts    über   Kuppeln    in  Athen.     Auch    die   Beschreibung    des 
Herakleides  (F.  H.  G.  II  S.  254)  enthält  nichts  davon. 


IV.   Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 

zur  Geltung  zu  bringen.  Das  Pantheon  ist  nur  eines  der  wenigen  erhaltenen  Beispiele 
ihrer  Versuche  auf  dem  Gebiete  des  Kuppelbaues,  wobei  auf  zylindrischer  Grund- 
lage machtige  Dimensionen  entwickelt  werden  sollten '.  Andere  liegen  vor  in  jenen 
Räumen,  bei  denen  das  sakische  Quadrat  den  Ausgangspunkt  bildet  und  Ecknischen 
überleiten  auf  das  Achteck  bzw.  Rund  der  Kuppel'2.  Diese  Konstruktion  hat  dann 
in  spätbyzantinischer  Zeit  eine  große  Blüte  gefeiert,  wahrscheinlich  auf  unmittelbar 
nordiranischen  oder  armenischen  Anstoß  hin3.  Der  große  Aufschwung,  den  die  alt- 
christliche Gewölbearchitektur  durch  Einführung  des  Pendentifs  in  Konstantinopel 
genommen  hat,  läßt  sich  nur  verstehen,  wenn  man  den  verschiedenen  Typen  von 
Iran  aus  auf  ihrem  Wege  durch  Westasien  bis  zum  Mittelmeere  folgt4. 

B.  Die  Wandverkleidung.  Ein  weiteres  Gebiet,  auf  dem  sich  das  Anwachsen  des 
sakischen  Einflusses  und  seine  Bedeutung  für  das  Entstehen  der  byzantinischen  und 
europäischen  Kunst  im  frühen  Mittelalter  ausgezeichnet  beobachten  läßt,  ist  das  Gebiet 
dekorativen  Wandverkleidung,  das,  wohl  im  nordöstlichen  Iran  an  den  ohne  Verkleidung 
künstlerisch  unbefriedigend  wirkenden  Rohziegelbauten  entwickelt,  sich  im  Hellenismus 
durchsetzt  und  immer  entschiedener  auf  den  Westen  einwirkt.  In  Mschatta  (vgl.  S.  /$) 
ist  in  Stein  übertragen  eine  der  glänzendsten  Leistungen  dieser  Art  erhalten.  Ich 
habe  schon  1904  darauf  hingewiesen,  daß  die  Kunst,  die  wir  in  dieser  Fassade  vor 
uns  haben,  nicht  vom  Mittelmeere,  sondern  vom  Osten  kommt,  zunächst  aus  dem 
nordmesopotamischen  Städtedreieck  Edessa — Amida — Nisibis,  im  weiteren  Sinne  aus 
dem  iranischen  Osten.  Im  vorliegenden  Bande  konnte  ich  diesen  Weg  weiter  ver- 
folgen und  hoffe  die  Forschung  aus  der  Sackgasse,  in  die  sie  durch  das  starre  Hin- 
blicken auf  die  unproduktive  Kunst  im  südlichen  Persien  gebracht  wurde,  heraus- 
gerissen und  ihr  fruchtbare  Wege  im  Nordosten  gewiesen  zu  haben.  Aus  dem 
Motivenschatze  der  wandernden  nordiranischen  Stuckatoren,  die  mit  dem  Wölbungs- 
bezw.  Kuppelbau  nach  Westen  zogen,  stammt  ein  gut  Teil  der  Motive  und  des  Ge- 
schmackes her,  den  wir  seit  der  römischen  Kaiserzeit  am  Mittelmeere  herrschend 
finden  5.  Hier  ist  nun  der  Ort,  auf  Riegls  Behandlung  des  byzantinischen  Pflanzen- 
ornamentes und  der  Dekoration  der  Sophienkirche  in  Konstantinopel  im  besonderen 
einzugehen.  An  keiner  Stelle  seiner  Lebensarbeit  vielleicht  zeigt  sich  so  deutlich, 
wie  Riegl  offenkundigen  Tatsachen  Gewalt  antut,  um  sie  in  seine  Tendenz  zu  zwingen. 
Wenn  er  dabei  Klage  darüber  führt,  daß  das  byzantinische  Material  nicht  bearbeitet 
sei,  so  bewies  er  damit  nur  seine  Voreiligkeit.  Es  hat  einer  anderen  Lebensarbeit 
bedurft,  um  für  die  Behandlung  der  Kunst  aus  der  Zeit  des  Überganges  von  der 
Antike  zum  Mittelalter  jene  Grundlagen  zu  schaften,  ohne  deren  Vorhandensein  jeder 
Versuch  scheitern  mußte,  vor  allem  ein  solcher,  der  allein  Rom  und  Byzanz  gelten 
und  von  dort  aus  jene  Reichskunst  ausgehen  lassen  wollte,  die  alles  befruchtet  haben 
soll.     In  Wirklichkeit    waren  Rom    zuerst,    dann  Byzanz    und  Baghdad    Marktplätze, 

1     Vgl.  für  die  Rotunde  mit  Opaion  Foucher,   L'art  greco-bouddhique  du  Gandhara  I,  S.  1161". 
2j  Durm,  Baukunst  der  Römer  2.  Aufl.  S.  270  f.  Diehl,  Manuel  d'art  bvz.  S.  160.     Vgl.  Foucher  S.  113. 
31  Vgl.  Am  da  S.  177  und  2631".     Dazu  Rosinlal,  „Pendentifs,  Trompen  und  Stalaktiten". 
4)  Vgl.  die  oben  S.  191   zitierten  Aufsätze  und  bes.  Monatshefte  f.  Kunstwiss.  VIII  (191 5)  S.  349X    Das 
k  über  den  altchristlichen  Kirchenbau  Armeniens  wird  Material  und  Entwicklungsgeschichte  zusammen- 
fassend vorführen.     Vgl.  inzwischen  auch  „Die  bildende  Kunst  des  Ostens"  S.  2S  f. 
5  -  orientalische  Italien",  Monatshefte  f.  Kunstwiss.  I  (190S)  S.   161. 


3.   Konstantinopel  und  der  Mittelmeerkreis. 


229 


lebende  Mittelpunkte  des  Welthandels,  vor  allem  auf  dem  Gebiet  der  Prunk-  und 
Luxuskünste.  Ihr  Schaffen  aber  gründet  sich  zum  größten  Teile  auf  eingewanderte 
Kräfte,  deren  lebendiges  Keimen,  Treiben  und  Reifen  sich  in  den  Provinzen  abspielt. 
Indem  Riegl  (Stilfragen  S.  278 f.)  das  „Pflanzenrankenornament"  der  Kirchen  von 
Konstantinopel,  beginnend  mit  der  Studioskirche  v.  463  und  bis  zur  Blüte  der  Kunst 
Justinians  in  der  Sophienkirche,  zergliedert,  übersieht  er  ganz  die  entscheidende 
Tatsache:  Wie  ich  in  Mschatta 
die  Palmettisierung  der  Wein- 
ranke nachweisen  konnte,  so 
vollzieht  sich  im  V./VI.  Jh.,  die 
ebenfalls  bereits  in  Mschatta 
(S.  285)  nachweisbare  Palmetti- 
sierung des  Akanthus.  Die  geo- 
metrische Ranke,  im  baktrisch- 
parthischen  Kreise  stärker  von 
der  Palmette  durchsetzt,  er- 
obert seit  dem  Ende  der  par- 
thischen  Zeit  die  Mittelmeer- 
kunst. Bei  Erbauung  der  Kirchen 
von  Konstantinopel  ist  der  Um- 
bildungsprozeß im  wesentlichen 
vollendet.  Die  Flächenfüllung 
mittelst  der  geometrischen 
Ranke  und  die  Verkleidungs- 
architektur mit  ihrer  auf  Tiefen- 
dunkelwirkungen  losgehenden 
Durchbrucharbeit  beherrscht 
immer  mehr  die  Innenaus- 
stattung der  Wände,  während 
mit  dem   Gewölbe  das  Mosaik 


seinen     Einzug    hält1.      Hätte 


Riegl  die  Denkmäler  des  Ostens 
gekannt,  wie  sie  uns  heute  all- 
mählich zugänglich  werden,  so 

hätte     er     sich     den     Seitenhieb     Abb-   l87:  Konstantinopel,  Sophienkirche:  Untere  Säulenstellung. 

auf  eine    „unerfindliche    orien- 
talische   Originalkunst"    (Stilfragen    S.  278)    erspart    und    sich    nicht    eigener   Nach- 
forschungen im  Orient  entschlagen  können. 

Das  Problem  „Konstantinopel"  oder„Byzanz"  hat  —  trotz  Heisenberg  (vgl.  Amida, 
Vorwort)  —  seit  den  neunziger  Jahren,  als  ich  dort  durchging,  und  Riegl,  der  sich  vom 
grünen  Tisch  des  Historikers  aus  damit  beschäftigte,  m.  E.  keine  durchgreifende  Bear- 
beitung, wenn  auch  eine  Vertiefung  erfahren  —  ebensowenig  eigentlich  das  Problem 


1)  Vgl.  Ravenna,  ein  Vorort  aramäischer  Kunst,  Oriens  christianus  N.  S.  V  S.  104  f. 


230 


1Y.    Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


Rom"  seit  ich  mit  YVickhofif  darum  kämpfte.  Blickt  man  heute  nach  Durcharbeitung 
des  asiatischen  Materials  auf  beide  zurück,  so  stellt  sich  in  den  luxuriösen  Hofhaltungen 
und  der  nicht  minder  repräsentativen  Kirchenkunst  eine  Quelle  der  Auslieferung  von 
Hellas  an  Asien  dar;  der  Hellenismus  war  dafür  nur  eine  Übergangszeit  gewesen. 
„Konstantinopel  steht  nicht  als  ein  Fels  des  Hellenismus  in  der  Brandung  der  großen 
Völkerwanderungen  im  Norden   und  Süden,   sondern   ist  wie  diese  auf  dem  Gebiete 

der  bildenden  Kunst  ein  Ver- 
mittler asiatischer  Formenschätze 
an  das  Mittelalter  im  Abendlande 
geworden" l.  Das  gilt  natürlich 
in  erster  Reihe  für  die  dekorative 
und  Kleinkunst.  Brehier,  der 
meiner  Überzeugung  beigetreten 
ist,  hat  in  seinen  Etudes  sur 
l'histoire  de  la  sculpture  byzan- 
tine2  gerade  die  dekorative  Plastik 
ausgiebig  in  dieser  Richtung  be- 
leuchtet. Es  ist  bezeichnend, 
daß  YVulft  sich  darum  einfach 
nicht  kümmert,  sondern  immer 
noch  seine  hellenistisch-syrische 
Gruppe  vorschiebt,  Persien  aber, 
das  in  Konstantinopel  entscheidet, 
ganz  beiseite  läßt  —  wahrschein- 
lich, wie  ich  oben  betonte,  weil 
er  dessen  Art  mit  Herzfeld  in 
Fars  nicht  finden  konnte. 

Die  byzantinische  Architektur 
ist,  wie  gesagt,  ohne  die  sakische 
Voraussetzung  und  die  unmittel- 
bare Einflußnahme  Armeniens 
auf  dem  Gebiete  des  Kuppel- 
baues nicht  zu  verstehen.  Nur 
unter  der  Einwirkung  des  Ostens 
konnte  die  hellenistische  Basilika 
zusammen  mit  der  gewölbten 
orientalischen  immer  mehr  zurückgedrängt  und  allmählich  eine  Architektur  herrschend 
werden,  wie  sie  später  im  Barock  auch  im  Abendlande  sich  durchsetzt.  Und  ebenso 
erklären  sich  Einzelheiten,  wie  die  neuen  unantiken  Kapitellformen  in  Konstantinopel 
nur  aus  dem  Vordringen   der  flächenverzierenden   Verkleidungsarchitektur  des  ira- 


Abb.   iSS:  Konstantinopel,  Sophienkirche :  Fensterwand. 


i  Aus  meinem  Aufsatz  „Die  Bedeutung  Konstantinopels  für  die  Entwicklung  der  christlichen  Kunst" 
in  Dölgers  Konstantin  d.  Gr.  und  seine  Zeit  S.  363  f. 

2)  Nouvelles  archives  des  missions  scientifiques  N.  S.  III  (191 1)  S.  19  f.  und  dazu  der  Nachtrag  ebend.. 
IX  (19 13    S.  1  f.     Vgl.  oben  S.  74. 


3-   Konstantinopel  und  der  Mittelmeerkreis. 


231 


nischen  Nordostens1,  der  selbst  in  dem  Steinlande  Armenien  sich  durchgesetzt  hat2, 
um  wieviel  mehr  erst  in  den  auf  den  Ziegel  gewiesenen  Großstädten  des  Mittelmeeres. 
Der  Unterschied  liegt  im  wesentlichen  darin,  daß  man  in  Chorasan  und  Turkestan 
mit  dem  Rohziegel  baute,  also  riesiger  Mauerstärken  bedurfte,  um  die  Kuppel  zu 
verstreben,  am  Mittelmeere  dagegen  mit  dem  gebrannten  Ziegel,  wodurch  der  Glieder- 
bau sich  entwickeln  konnte  und  die  Mauer  überflüssig  wurde.  Und  für  die  Deko- 
ration:    daß   man  in   der  sakischen  Ecke  mit  Stuck  verkleidete,   am  Mittelmeer  mit 


Stein    oder  sonstigem  edlem    Materiale. 


Die  Folge  ist  die  Übertragung  aus  einem 


Abb.   189:  Konstantinopel,  Sophienkirche:  Obere  Säulenstellung. 


Material,  das  durch  Farbenkontraste  im  Tiefendunkel  oder  in  Glanzflächen  wirkt, 
in  ein  Material,  das  eigentlich  für  die  Modellierung  in  Licht  und  Schatten  bzw. 
für  die  Wirkung  des  Materials  an  sich  bestimmt  ist.  Der  Siegeszug  der  iranischen 
Stuckatoren   beginnt  erst  in   nachjustinianischer  Zeit. 

Ich  gebe  hier  einige  Beispiele  der  Dekoration  der  Sophienkirche3.  Wie  an  Mschatta 
ist  die  iranische  Art  noch  enge  verknüpft  mit  antiken  Formen.  Abb.  187  zeigt  das 
Kapitell,  die  Zwickelfüllung  und  die  Bogenlaibungen  der  unteren  Säulenstellungen. 
Am  Kapitell  ist  der  Akanthus  zu  einem  Muster  ohne  Ende  gedehnt:  er  wächst  ent- 
weder tangartig  senkrecht  breit  in  die  Fläche  oder  löst  sich  wagrecht  in  Blattwedel 

1)  Mschatta  S.  354  stellt  dafür  jüngere  sasanidische  Beispiele  zusammen. 

2)  Vgl.  oben  S.  104  und  „Die  bildende  Kunst  des  Ostens"  S.  17  f. 

'3)  Nach  älteren  und  den  neuen  Aufnahmen  der  Kgl.  Meßbildanstalt  in  Berlin. 


IV.    Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker. 


auf,  die  an  Achterverschlingungen  ansetzen.  Ein  solches  geometrisches  Grundelement, 
das  Spitzoval  ohne  Ende  zweistreifig  gehandhabt,  beherrscht  auch  die  Laibung.  Die 
Füllung  durch  Spalt-  bzw.  Ursprungsformen  der  Palmette  wird  dann  im  Zwickel  im 
Anschluß  an  die  endlos  ausspinnbare  Ranke  zur  Hauptsache  und  zwar  in  der  rich- 
tigen geometrischen  Ordnung,  die  kein  Blattende  kennt,  sondern  das  eine  Blatt  aus 
dem  andern  „arabesk"  hervorwachsen  läßt  K  Übrigens  verbürgt  das  Monogramm 
Justinians  am  Kapitell  die  Entstehungszeit.   Man  vergleiche  diese  Durchbrucharbeit  mit 


Abb.    190. 


Abb.   191. 


Abb.   190 — 192:  Jerusalem,  Felsendom:  Mosaiken  der  unteren  Säulenstellung  (nach  Vogüe). 


Mschatta  und  wird  den  Fortschritt  der  Geometrisierung  aller  Gebilde  in  Konstantinopel 
unverkennbar  finden.  Auch  betrachte  man  daraufhin  noch  Abb.  188  die  Auflösung 
der  Wand  zwischen  den  Kuppelstützen  und  das  alle  Zierglieder  beherrschende  Netz- 
werk: nur  der  Mimbar  von  Kairuan  geht  noch  einen  Schritt  darüber  hinaus,  soweit 
das  zweistreifige  Bandornament  alleinherrschend  in  Betracht  kommt.  In  der  Geometri- 
sierung eines  Pflanzenmotivs  aber  bietet  die  Sophia  selbst  einen  kaum  überbietbaren 
Beleg  in  der  Formengebung  der  „Weinranke",  die,  in  Marmorintarsia  ausgeführt,  die 
Zwickel  der  oberen  Säulenstellungen  füllt,  Abb.  189.  Hier  ist  die  Hand  eines  irani- 
schen Meisters  ebenso  am  Werke  wie  in  den  ähnlichen  Zwickelfüllungen  der  Kubbet 


1)  VgL  Salzenberg,   Altchristl.  Baudenkmäler  von  Konstantinopel  Taf.  XV.     Riegl,  Stilfragen  S.  281. 


3.    Kon.stantinopcl  und  der  Mittelmeerkreis.  2^3 

es-Sachra  in  Jerusalem,  die  Abd  el-Malik  im  J.  72  d.  H.  (69I/2  n.  Chr.)  ausführen  ließ 
(Abb.  190—192)  \  freilich  in  Mosaik  auf  Goldgrund,  so  daß  die  Glanzflächen  offenbar 
der  Füllung  mit  Gestalt  entgegenwirkten  und  das  Ornament  magerer  ist.  Aber  die  Be- 
handlung der  Weinranke  als  eines  rein  dekorativen  nicht  darstellenden  Gebildes  ist 
doch  im  Grunde  völlig  übereinstimmend  durchgeführt.  Ich  begreife  nicht,  wie  man 
Mschatta  in  die  gleiche  omajjadische  Zeit  setzen  kann.  In  der  Sophia  entspringen 
die  Ranken  (Abb.  189)  einem  geometrischen  Phantasiegebüde,  das  nicht  Blatt,  nicht 
Korb,  noch  Vase  ist.  Zwei  Reiher  stehen  wie  auf  den  Zachariou-Stoffen  und  auf 
dem  Reiherkruge  von  Nagy-Szent-Miklos  (Abb.  65)  daneben.  Die  Ranke  selbst  schlingt 
sich  in  der  Art  der  ägyptischen  Wedelranke  ein2,  kaum  erinnern  noch  eingestreute 
Trauben  an  das  zugrunde  liegende  Motiv.  Der  Mosaizist  des  Felsendomes  hat  sich 
(Abb.  190)  nicht  minder  an  der  rein  dekorativen  Umbildung  der  Weinranke  erfreut; 
für  ihn  ist  der  Ausgangspunkt  nicht  ein  zentrales  Wurzelblatt,  sondern  jene  Ranken- 
stämme, die  ich  an  Mschatta  S.  303  f.  als  zweites  Hauptmotiv  vorzuführen  hatte  und 
die  in  Indien  und  auf  Teppichen  wiederkehren.  Doch  treibt  die  linke  Wurzel 
neuerdings  Herzblätter  und  Trauben.  Die  Krönung  ist  grundsätzlich  die  der  Grab- 
steine von  Kairo:  zwischen  den  schrägen  Stämmen  eine  breite  Art  Vollpalmette  aus 
ITügelpaaren  in  Linienzügen,  die  sich  kelchartig  auseinanderlegen.  In  den  andern 
Feldern  der  Kubbet  es-Sachra  —  bisher  sind  leider  nur  die  vier  bei  Vogüe  ver- 
öffentlichten bekannt  —  gesellen  sich  zu  den  scheinbar  vegetabilischen  Elementen 
Schmucksachen:  Goldgeschmeide  mit  Perlen  und  Edelsteinen3. 

C.  Die  Kleinkunst.  Damit  sind  wir  neben  Kuppelbau  und  Wandverkleidung 
bei  dem  dritten  Hauptgebiete  für  den  Nachweis  wachsenden  mittelasiatischen  Einflusses 
in  der  byzantinischen,  islamischen  und  beginnenden  europäischen  Kunst  angelangt, 
bei  der  Kleinkunst,  zumal  den  Gefäßen,  Geräten  und  Schmucksachen  aus  Edel- 
metall, die  uns  hier  beschäftigen.  Wir  helfen  uns  gewöhnlich  in  der  Erklärung  des 
Neuen,  das  offenkundig  in  diesen  Zweigen  der  Kleinkunst  auftaucht  so,  daß  wir  es 
einfach  „byzantinisch"  nennen;  damit  aber  ist  natürlich  nichts  gewonnen,  weil  By- 
zanz  im  besten  Falle  der  Abnehmer  oder  Vermittler,  niemals  der  Schöpfer  neuer 
Formen  gewesen  ist.  Jeder  sichere  Nachweis  von  Motiven  östlichen  Ursprunges  ist 
daher  von  Bedeutung,  die  Folgerungen  unabsehbar.  Aber  freilich  ist  die  wissen- 
schaftliche Forschung  hier  vor  doppelt  große  Schwierigkeiten  gestellt,  weil  diese 
Gegenstände  zumeist  Wege  zurücklegten,  die  sie  weitab  vom  Entstehungsort  brachten 
und  die  Hauptquelle  für  Edelsteine,  Indien,  nur  noch  durch  seine  Plastik  und  Malerei 
(Barahat  und  Adschanta)  spricht. 

Es  ist  natürlich  und  einfach,  Denkmäler  der  bildenden  Kunst  dem  Boden  zu- 
zuschreiben, auf  dem  sie  stehen  bzw.  in  dem  sie  gefunden  worden  sind.  Venturi 
hat  dafür  ein  klassisches  Beispiel  geliefert.  Leider  ist  jedoch  das  Recht  des  materiellen 
Besitzes  nicht  einerlei  mit  dem  Anspruch  auf  dessen  historisch-geistige  Einverleibung. 

1)  Vgl.  Vogüe,  Le  temple  de  Jerusalem  S.  84  f.  und  Taf.  XXI  f.     Danach  meine  Abbildungen. 

2)  Vgl.  meine  Koptische  Kunst  S.  44  t. 

3)  Falke  hätte  in  seiner  Kunstgeschichte  der  Seidenweberei  gut  getan,  sich  etwas  mit  diesen  und  den 
Mosaiken  der  Sophia  zu  beschäftigen,  er  wäre  dann  bei  seinen  Zuteilungen  an  Ägypten  vorsichtiger  geworden. 
Die  ostpersische  Seidenweberei  hat  die  Muster  für  die  ältesten  byzantinischen  und  islamischen  Mosaikhand- 
werker hergegeben.  —  Die  Ranke  von  Abb.  191  vgl.  man  mit  Ghasna  (Bild.  Kunst  des  Ostens  Abb.  9). 


234 


IV.   Die  Kunst  der  Nomaden  und  Xordvölker. 


Die  nationale  Eitelkeit  war  in  dieser  Hinsicht  ebenso  Verführerin  wie  der  Glaube 
an  die  dauernde  Herrschaft  des  Griechisch-Römischen,  nicht  minder  der  Mangel  an 
Vertrautheit  mit  den  Problemen  des  Weltverkehres,  die  immer  gern  unter  dem  Ge- 
sichtswinkel der  Zustände  der  jeweiligen  Gegenwart  angesehen  werden.  Es  hat 
freilich  Zeiten  gegeben,  wo  die  Kultur,  in  der  Treibhausluft  einzelner  Flußoasen  für 
sich  abgeschlossen  zu  Kunstformen  führte,  die  durchaus  bodenständig  waren:  das  ist 
aber  über  fünftausend  Jahre  her.  Es  folgten  Mischkulturen,  die,  zusammengebraut 
aus  im  Laufe  kurzer  Jahrhunderte  oder  gar  Jahrzehnte  durcheinanderwogenden  Kultur- 
strömen aus  verschiedenen  Weltgegenden,  geradezu  jeder  bodenständigen  Eigenart 
entbehrten.  Wir  dürfen  nicht  vergessen,  daß  die  Zeit  des  Überganges  vom  Alter- 
tum zum  Mittelalter  eines  der  besten  Beispiele  letzterer  Art  ist.  Damals  überflutet 
die  von  Hellas  und  Rom  durch  ein  halbes  Jahrtausend  zurückgedrängte  uralte  Welt 
des  Orients  die  verhältnismäßig  jungen  Gebiete  am  Mittelmeere.  Indien  und  China  greifen 
auf  dem  Land-  und  Seewege  ebenso  ein  wie  der  Formenschatz,  den  die  Nomaden 
mitbringen  und  die  Voraussetzungen,  die  auf  mehr  oder  weniger  unberührt  prähisto- 
rischem Nordboden  gegeben  waren.  In  diesem  Chaos  eines  Weltverkehres,  von  dem 
wir  uns  heute  erst  notdürftig  einen  Begriff  machen  können,  weil  er  weit  über  die 
gegenwärtige  Ausdehnung  unseres  auf  Europa  eingestellten  philologisch-historischen 
Horizontes  hinausgeht  und  ganz  anders  orientiert  werden  muß,  kann  der  Kunsthistoriker 
nur  schwer  festen  Boden  für  Ursprungsfragen  gewinnen,  und  es  ist  lächerlich,  wenn  Leute 
wie  der  theologische  Antiquar  Wilpert  daraus  auf  dieUntauglichkeit  der  ganzen  Forsch- 
ungsrichtung  schließen  K  Rom  ging  nicht  zuletzt  künstlerisch  zugrunde,  weil  es  seit  dem 
IV.  Jh.  handelnd  aus  dem  Weltverkehr  ausschied.  Es  ist  vergebene  Liebesmühe,  die 
Kunst,  die  dort  noch  weitervegetiert,  zum  Träger  der  Entwicklung  im  abendländischen 
Mittelalter  aufbauschen  zu  wollen2.  Nicht  die  Kirche,  sondern  die  Bedürfnisse  des 
Kaiserhofes  haben  zunächst  in  Mailand,  Ravenna  und  Konstantinopel  den  Ausschlag 
gegeben;  aber  freilich  die  Kirche  ging  sehr  bald  die  Wege  des  byzantinischen  Hofes.  Es 
wurde  alles  daran  gesetzt,  die  Gemüter  durch  Pracht  und  Prunk  zu  beeinflussen.  Dazu 
mußte  Asien  seine  Schätze,  Künstler  und  Handwerker  liefern.  Riegl  hat  geglaubt,  die 
einschlägigen  Fragen  mit  dem  Kunstwollen  lösen  zu  können.  Mit  Hülfe  von  Dogmen 
kann  man  in  der  Kunstgeschichte  wie  in  der  vergleichenden  Völkerkunde,  soweit  ab- 
solute Unsicherheit  herrscht,  freilich  alles  beweisen.  Dabei  aber  wird  der  systematischen 
Forschung  ebenso  Zwang  angetan,  wie  der  Entwicklungsgeschichte.  Das  ist  der  Schluß, 
den  ich  aus  dem  Lebenswerk  Riegls  ziehe.  Doch  muß  ich  gleich  hinzufügen:  Ist  er 
auch  in  die  Irre  gegangen,  die  Energie  der  Arbeit  hat  keiner  seiner  Schüler  oder  Ge- 
sinnungsgenossen seither  auch  nur  entfernt  wieder  aufzuwenden  vermocht.  Die  Epi- 
gonen können,  was  er  geschaffen  hat,  nicht  fortführen,  weil  sie  die  Welt,  nicht  Rom 
und  das  Abendland  absuchen  müßten,  um  in  Riegls  Art  weiter  arbeiten  zu  können. 
a)  Das  „oströmische  Kunstwollen".  Eine  der  letzten  Arbeiten  Riegls  war 
der  Mittelmeerkunst  in  oströmischer  Färbung  gewidmet 3.    Riegl  beobachtet  da  ganz 


1)  Vgl.  Römische  Quartalschrift  XXIV  (1910)  S.  172  f. 

2)  Vgl.  jetzt  auch  Giemen,  „Romanische  Monumentalmalerei  in  den  Rheinlanden"  und  Zimmermann, 
Vorkarolingische  Miniaturen.     Dazu  Zeitschr.  f.  Architekturgesch.   VII  (1916)  S.  76t". 

3)  Oströmische  Beiträge    in  „Beiträge  zur  Kunstgeschichte,  Franz  Wickhoff  gewidmet ',   1903.  S.    1  ff. 


3.    Konstantinopel  und  der  Mittelmeerkreis. 


235 


richtig,  daß  die  Gewöhnung,  die  byzantinische  Kunst  als  eine  hervorragend  dekorativ- 
kunstgewerbliche zu  betrachten,  den  aufs  höchste  überrascht  findet,  der  entdeckt, 
daß  wir  eigentlich  bisher  fast  gar  keine  gesicherten  Zeugnisse  aus  dieser  Klasse 
des  oströmischen  Kunstgewerbes  der  vorikonoklastischen  Zeit  besitzen.  Man  hielt 
sich  dafür  an  die  Kunst  der  Barbarengräber.  „Fanden  sich  hinwiederum  Arbeiten, 
die  von  einem  so  verfeinerten  Kunstsinn  zeugten,  daß  man  sie  den  Barbaren  nicht 
zutrauen  mochte,  dann  wurde  man  durch  den  ^  nichtklassischen,  orientalisierenden 
Charakter,  welcher  der  gesamten  nachkonstantinischen  Kunst  in  so  hohem  Maße 
eignet,  in  Versuchung  geführt,  sie  schlechtweg  auf  orientalischen,  insbesondere  auf 
persischen  Ursprung  zurückzuführen".  Riegl  ist  natürlich  dagegen  und  erwartet 
Aufklärung  von  der  genauen  Erforschung  des  Schuttes  der  ehemaligen  großen  ost- 
römischen Städte.  Ein  in  Ephesus  gefundenes  Bronzeplättchen  gab  ihm  in  Er- 
mangelung reicheren  Materials  Veranlassung,  dieses  ^^^^^^ 
„vollgültige  Zeugnis  des  oströmischen  Kunstgewerbes 
in  der  vorikonoklastischen  Zeit"  im  Wege  des  Ver- 
gleiches mit  verwandten  Erscheinungen  von  unsicherer 
Herkunft  zur  Grundlage  der  Zuweisung  an  das  ost- 
römische Kunstgebiet  zu  machen.  Auf  diesem  Wege 
kam  er  zur  Annahme  einer  Schöpferkraft  Konstanti- 
nopels, die  uns  hierum  so  mehr  angeht,  als  er  gerade 
die  „Pflanzenornamentik",  mit  der  sich  dieses  Buch 
beschäftigt,  Konstantinopel  zuweist.  Folgen  wir 
mit  Abb.  193  seiner  Beweisführung. 

In  einer  Arkade,  aus  Balustern  mit  Zinnenbogen 
und  einer  Basis,  auf  der  im  Zickzack  Spitzovale 
erscheinen,  sieht  man  im  unteren  Teil  ein  zwei- 
streifiges Dreieck,  im  oberen  einen  Bogenwulst, 
scheinbar  auf  Keulen  ruhend,  die  wagrecht  ent- 
springen aus  der  Mitte  einer  Gabelranke  —  so  nennt 
wenigstens    Riegl    das    Motiv     der     geometrischen 

Ranke,  der  hier  durch  Traube  und  Herzblatt  ein  naturalistischer  Anstrich  verliehen 
ist.  Im  übrigen  haben  wir  ein  Gebilde  von  der  Art  der  Krönung  altarabischer  Grabsteine 
vor  uns  (Abb.  74),  dem  durch  den  Schrägschnitt  in  der  Art  der  Steine  von  der  Akropolis 
(Abb.  68)  und  auf  sasanidischen  Silberarbeiten  (Abb.  93)  ihr  Charakter  gegeben  ist. 
Die  Grundfläche  ist  nicht  ganz  verschwunden,  doch  fällt  immerhin  die  ungriechische  Art 
ihrer  möglichsten  Zurückdrängung  auf.  Es  dürfte  sich  um  das  Seitenbeschläg  eines 
Kästchens  mit  halbrundem  Deckel  handeln.  Riegl  schließt  aus  dem  Festhalten  an  der 
subordinierenden  Trennung  zwischen  Rahmen  und  Innenfeld,  und  innerhalb  des  letzteren 
zwischen  Hauptmotiv  und  Füllsel  auf  die  Entstehung,  auf  vormals  klassisch-griechischem 
Kunstboden  und  im  Hinblick  auf  den  Fundort  in  Kleinasien  auf  ein  Produkt  des  ost- 
römischen Kunstgewerbes.  Indem  er  nun  in  diesem  Gebiete  nach  Vergleichsmaterial 
sucht,  schildert  er  die  unerwartete  Enttäuschung,  nichts  ausByzanz  nachweisen  zu  können. 
Ich  habe  schon  Mschatta  S.  266  erklärt,  daß  diese  Tatsache  aus  dem  persischen  Ursprung 
des  Bronzebleches  zu  erklären  ist.    Riegl,  der,  trotz  des  negativen  Ergebnisses,  Byzanz 


Abb.  193:  Wien,  Kunsthistorisches 

Holmuseum :    Bronzetäfelchen    aus 

Ephesus. 


IV,    Die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvülker. 


zum  Ausgangspunkt  der  „Pflanzenornamentik"  des  Stückes  machen  will,  geht  nun  aus 
von  den  Keszthelybronzen  (vgl.  Abb.  29),  die  er  dem  VI/VII.  Jh.  zuweist,  und  nennt 
daneben  gegen  Westen  u.  a.  Grumwirz  (Mähren),  St.  Veit  bei  Wien,  Enns  in  Ober- 
österreich, Krungl  in  Obersteier,  Grafenstein  und  Villach  in  Kärnten.  Ja  selbst  bis 
nach  Italien  —  fährt  Riegl  fort  —  Albanien,  Ägypten,  Karthago  und  bis  in  den 
Kaukasus  ließe  sich  diese  Gattung  von  Schmucksachen  verfolgen.  Auf  einer  Tafel 
vereinigt  er  die  charakteristischen  Beispiele.  Man  wird  sich  unten  überzeugen,  daß 
das  wirklich  in  der  Hauptsache  Stücke  sind,  die  als  typische  Vertreter  der  geome- 
trischen Ranke  mit  dem  Kreisblatt  gelten  können.  Mit  dem  Plättchen  aus  Ephesus 
freilich  ist  der  Zusammenhang  lockerer,  doch  lasse  ich  auch  ihn  vorläufig  gelten. 
Riegl  meint,  man  könnte  die  Tendenz  zu  Brechungen  und  Schweifungen  schlankweg 
als  orientalisierende  bezeichnen,  „aber  gerade  ihre  Anwendung  auf  das  Pflanzenornament, 
diese  spezifische  Schöpfung  der  hellenischen  Antike  läßt  die  klassische  Komponente 
der  postantiken  Kunst  unverkennbar  hervortreten  und  die  in  diesen  Zeilen  behandelte 
Ornamentik  überhaupt  als  das  direkte  Verbindungsglied  in  der  Entwicklung  zwischen 
dem  antiken  Pflanzenornament  und  der  sarazenischen  Arabeske  erscheinen". 

Man  sieht,  wie  Riegl  immer  wieder  sein  Steckenpferd  reitet,  jede  Art  von  Pal- 
mettenranke als  ausgesprochen  antik  hinzustellen.  Der  Schluß  ist  dann  auch  hier:  die 
Ausdrucksmittel  des  Kunstwollens  könnten  nicht  spontan  in  allen  Landschaften  des 
ungeheuren  Ausbreitungsbezirkes  erfunden  sein,  vielmehr  nur  im  oströmischen  Reich, 
das  die  Führung  hatte.  Die  Rhomäer  seien  den  Barbaren  des  Ostens,  den  Slaven, 
Avaren  usw.  gegenüber  die  Spendenden  gewesen,  und  nicht  umgekehrt.  Auch  kämen 
für  die  fabrikmäßige  Massenproduktion,  auf  die  man  diese  Fundstücke  zurückführen 
müsse,  nur  die  alten  Emporien  der  Mittelmeerländer .  in  Betracht.  Gegen  Hampels 
Pontos-Theorie  sei  einzuwenden,  daß  es  sich  nicht  um  eine  provinzielle  Geschmacks- 
nuance, sondern  um  die  Ausdrucksmittel  für  ein  großes,  durchgreifendes,  weitherr- 
schendes Kunstwollen  handle,  deren  Erfindung  man  doch  weit  eher  an  einem  der  Haupt- 
kulturzentren des  Reiches  suchen  möchte.  Der  Kerngedanke  bei  Hampel  vom  griechi- 
schen Ausgangspunkt  sei  aber  durchaus  richtig.  Riegl  stellt  sich  also  eine  wie  früher 
im  römischen,  so  jetzt  im  oströmischen  Weltreiche  uniforme  und  normative  Kunst 
vor,  die  sich  in  den  Provinzen  den  ägyptischen  oder  persischen,  dem  illyrischen  oder 
syrischen  Lokalgeschmacke  annähere.  Clemen  nennt  sie  daher  jetzt  die  zweite  reichs- 
römische Provinzialkunst.     Davon  unten. 

Im  Todesjahre  Riegls  erschienen  Hampels  „Altertümer  des  frühen  Mittelalters  in 
Ungarn".  Er  datiert  die  Funde  von  Keszthely  (I,  S.  174)  im  wesentlichen  vor  das 
VI.,  aber  im  weiteren  Sinne  zwischen  das  IV.  bis  IX.  Jahrhundert  Obwohl  er  auch 
ethnisch  Verschiedenheiten  voraussetzt,  ist  Hampel  doch  geneigt,  das  Überhandnehmen 
des  Greifenmotives  und  die  typisch  wiederkehrende  Ranke  (oben  S.  22  f.),  wie  beide  vor 
dem  Einbruch  der  Barbarenvölker  in  Pannonien  in  den  ersten  drei  christlichen  Jahr- 
hunderten nicht  anzutreffen  seien,  als  altererbtes,  von  den  barbarischen  Ansiedlern 
aus  dem  fernen  Osten  —  wie  Hampel  annimmt,  aus  ihrer  sarmatischen  Heimat  — 
mitgebrachtes  Gut  anzusehen.  Er  glaubt,  die  „Sarmaten"  mögen  sich  die  Motive 
im  hellenistischen  Kulturkreise  angeeignet  haben. 

An  Byzanz  und  ein  künstlerisch  führendes  Weltreich  denkt  er  gewiß  nicht.    Da- 


3.    Konstantinopel  und  der  Mitlelmcerkreis.  2X7 

gegen  hat  sich  Riegl  E.  Diez  angeschlossen  in  seiner  Arbeit  über  die  steirischen 
Funde  von  Krungl  und  Hohenberg1.  Auch  für  ihn  ist  der  Ausgangspunkt  dieser 
Ornamentik  die  klassische  Palmette:  ihre  Eigenart  entstehe  durch  Auflösung  des  tak- 
tischen Zusammenhanges  der  Einzelformen,  die  persische  Färbung  (im  Rahmen  des 
Oströmischen)  schlage  durch.  Ich  empfinde,  sowohl  bei  Hampel  wie  bei  Diez  ein 
Abrücken  vom  Mittelmeer,  für  byzantinisch  hat  jedenfalls  keiner  von  beiden  die 
Ornamentgruppe  gehalten. 

Das  neue,  im  vorliegenden  Werke  ausgebreitete  Material  wird  hoffentlich  sowohl 
der  pontisch-griechischen  Herleitung  Hampels,  wie  der  byzantinischen  von  Riegl  den 
Boden  entziehen.  Riegl  hat  in  seiner  Neigung,  die  Entwicklungsgeschichte  einheitlich 
zu  dogmatisieren,  den  Begriff  des  Kunstwollens  eingeführt,  einen  auf  die  Form  ge- 
richteten Werdezwang,  der  unklare  Forscher  des  Nachdenkens  enthebt.  In  Wirklich- 
keit ist  damit  nur  eine  Sache,  deren  Erreger  durchaus  nicht  etwa  immer  der  auf  sich 
gestellte  Künstler  oder  eine  immanente  Kunst  sein  muß,  für  eine  Zeit  zur  treibenden 
Kraft  gemacht,  in  der  Künstler  und  Kunst  mehr  denn  je  vor  anderen  Kulturwesenheiten 
dienend  zurücktreten  mußten.  Der  steigende  Luxus,  der  die  Macht  inszenieren  soll, 
hat  niemals  so  charakterlos  dem  Weltverkehr  Tür  und  Tor  geöffnet  wie  in  spätrömi- 
scher und  byzantinischer  Zeit.  Von  einem  „Kunstwollen",  wie  es  Riegl  meint,  einem 
spontanen  Formwillen  der  bildenden  Kunst  kann  in  dieser  Zeit  weniger  denn  je  die 
Rede  sein.  —  Der  türkisch-sakische  Strom  kommt  in  Byzanz  auch  später  erneut  zu 
durchschlagender  Wirkung  in  der  Änderung,  die  die  dekorative  Miniaturenmalerei  im 
X.  Jh.  etwa  zu  nehmen  beginnt.  Doch  das  sind  Dinge,  über  die  ich  bereits  „Klein- 
armenische Miniaturenmalerei",  Tübingen  1907,  gehandelt  habe. 

b)  Der  Zellenschmelz.  Auf  ein  Gebiet  glaube  ich  hier  doch  im  Besonderen 
ein  paar  Worte  wenden  zu  müssen,  sei  es  auch  nur,  um  dankbar  Charles  de  Linas' 
zu  gedenken,  der  schon  1877  und  1878,  also  bei  Eintritt  der  ausschließlich  speziali- 
stischen Zeit  der  Kunstforschung,  in  seinen  beiden  Bänden  „Les  origines  de  l'orfevrerie 
cloisonnee"  den  Versuch  machte,  einem  kunsthistorischen  Problem  aus  der  Zeit  des 
Überganges  von  der  Antike  zum  Mittelalter  in  jenem  weiten  Umfange  gerecht  zu 
werden,  den  meine  Arbeiten  schrittweis  annehmen  mußten,  um  jener  neu  anbrechenden 
Zeit  beizukommen.  Linas  hat  wenigstens  auf  dem  einen  Gebiete  des  Emails  ganz  Asien 
in  den  Bereich  der  Forschung  gezogen  und  auch  andere  zu  diesem  weiten  Ausblicke 
gedrängt.  Wenn  Kondakow  „Geschichte  und  Denkmäler  des  byzantischen  Emails" 
1892  die  Lösung  des  Problems  auch  in  anderer  Richtung  suchte,  so  ist  er  doch  im 
Gesichtskreis  de  Linas'  geblieben:  den  Ausgangspunkt  bildet  für  den  einen  das  „tura- 
nische",  für  den  andern  das  „persische"  Gebiet.  Auch  in  diesem  Falle  scheint  die 
Übertragung  nach  Byzanz  über  Armenien  gegangen  zu  sein  und  dieser  Weg  dürfte 
ebenso  auf  anderen  Gebieten  geistigen  Lebens  nachweisbar  sein-. 


1)  Jahrbuch  der  K.  K.  Zentralkommission  IV  (1906)  S.  202  f. 

2)  Mit  Bezug  auf  die  Entwicklung  der  byzantischen  Musik  glaubt  Dr.  Wellesz  drei  Strömungen 
verfolgen  zu  können:  1.  die  feierliche  Lesung,  2.  die  Hymnen  und  Wechselgesänge,  die  nach  gewissen 
formalen  Voraussetzungen  erfunden  sind,  3.  Gesänge,  die  formal  und  rythmisch  ungebunden  sind,  und 
meist  den  Charakter  leidenschaftlicher  Anrufungen  tragen.  (Über  die  beiden  ersten  vgl.  Osterr.  Monats- 
schrift für  den  Orient  XLI  [1915]  S.  197  f.  und  302  f.)  Was  die  letzte  Art  betrifft,  finden  sich,  abgesehen 
von   den   Halleluja-Gesängen,    Spuren   in   den   ungemein   reich   verzierten   Liedern    der   Armenier,    in   den 


V-^3  V.  Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

V.  Der  Xomadenvorstoss  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

Soweit  bisher  versucht  wurde,  dem  Einfluß  der  Nomadenkunst  nachzugehen,  voll- 
zog sich  dieser  auf  friedlichem  Wege  durch  Nachbarschaft,  Handel  und  Verkehr. 
Das  wird  nun  ganz  anders  von  dem  Augenblick  an,  in  dem  die  Nomaden  in  Bewegung 
geraten.  Die  Türken  stoßen  in  das  Herz  Europas  vor  und  haben  über  ein 
Jahrtausend  hindurch  diesen  Weltteil  bedroht.  Auch  das  Vordringen  des  Islams  von 
Nordafrika  und  Spanien  her  muß  dabei  künstlerisch  in  Betracht  gezogen  werden. 
Es  entschied  sich  jetzt  zum  zweiten  Mal,  ob  Europa  überhaupt  kulturell  unabhängig 
werden  sollte.  Das  erste  Mal  kam  die  Gefahr  zugleich  mit  dem  Christentum,  dessen 
Hellenisierung  (in  der  Kunst  Anthropomorphisierung)  den  allmählichen  Sieg  der  Mittel- 
meerkultur bedeutet.  Immerhin  gelang  es  dem  Vorstoße  der  Nomaden  und  Nordvölker 
in  Europa  jene  Lage  herbeizuführen,  die  wir  als  „Mittelalter"  bezeichnen.  Für  den  Kunst- 
historiker sollte  diese  Periode  immer  weniger  Zeitbegriff  werden;  sie  bezeichnet  einen 
ganz  bestimmten  Kulturzustand,  zu  dessen  Herausbildung  sich  Nomadenverstand,  Hof-, 
Kirchen-  und  Gelehrtenwille  gründlich  in  die  Hände  gearbeitet  haben.  Heute  erst 
wird  der  Norden  hoffentlich  diese  Bevormundung  überwinden,  vorausgesetzt,  daß 
der  Weltkrieg  mit  einer  Befreiung  und  nicht  mit  einem  Rückschritt  endet.  Möchte  er 
uns  Deutsche  auf  die  Höhe  der  ersten  arischen  Blüte  auf  europäischem  Boden,  der 
hellenischen  heben.  Wir  würden  freilich  heute  andere  Wege  gehen  als  die  Griechen, 
die  genug  damit  zu  tun  hatten,  sich  von  der  Kultur  des  semitischen  Orients  loszu- 
ringen.  So  müßten  wir  uns  vom  Erbe  der  Renaissance  freimachen  und  anfangen, 
Tatsachen  nicht  nur  historisch,  sondern  auch  nach  ihrem  Wesen  zu  betrachten.  Das 
Erfassen  des  Begriffs  der  sittlichen  Freiheit,  nicht  Macht  und  geistiger  Druck  wird  das 
Wunder  zu  wirken  haben.  In  der  bildenden  Kunst  müssen  wir  aufhören  italienisch 
bzw.  griechisch-römisch  zu  denken  und  dafür  den  seelischen  Gehalt  des  deutschen 
Fühlens  den  Ausschlag- geben  lassen.  Deshalb  soll,  was  Griechen  und  Italiener  in  ihrer 
Art  geschaffen  haben,  nicht  unterschätzt  werden.  Leonardo,  Michelangelo  und  Gior- 
gione  haben  ohnehin  im  germanischen  Sinne  vorgearbeitet.  Das  vorliegende  Buch 
mag  in  der  Erkenntnis  weiterhelfen. 


&' 


*& 


i.  Der  Anfang  des  „Mittelalters". 

Was  wir  Mittelalter  nennen,  ist  nichts,  anders  als  die  Auseinandersetzung  der 
Nomaden  und  Nordvölker  mit  den  hohen  Kulturen  des  Südens.  Da  diese  heute 
noch  lange  nicht  abgeschlossen  ist,  Macht  und  Besitz  zusammen  mit  der  kirchlichen 
und  humanistischen  Orthodoxie  nach  wie  vor  am  Ruder  sind,  so  haben  wir  uns  eben 
vom  „Mittelalter"  noch  nicht  losgerungen.     Zu  seinen  Kennzeichen   gehört,  was  auf 

„Akklamationen"  der  Byzantiner,  und  später  in  den  Gesängen  der  „Maistores".  Alle  diese  Gesänge 
zeigen  eine  arabeskenartige  Melodieführung,  die  von  der  innersten  Struktur  der  beiden  erstgenannten  Arten 
grundverschieden  is*.  Die  Lösung  scheint  in  der  Richtung  von  Ostiran  deshalb  möglieb,  weil  die  gleiche 
Bauart  der  Melodien  sich  ebenso  bei  den  Türken,  wie  im  Jemen  bezw.  in  Südrußland  findet.  Sie  hat 
dem  XIV.  Jh.  mit  dem  Ausbreiten  der  türkischen  Macht  die  Musik  der  christlichen  Volker  immer 
mehr  durchsetzt.  All  dies  spricht  dafür,  daß  eine  Verbreitung  dieser  Gesangsart,  die  der  Westen  am 
deutlichsten  in  der  von  Verzierungen  überladenen  Musik  der  Zigeuner  kennen  gelernt  hat,  über  Armenien 
l>ezw.  auf  dem  Nomadenwege  stattgefunden  hat. 


i.  Der  Anfang  des  ,, Mittelalters".  239 

Überlieferung,  statt  entscheidend  auf  dem  Wesen  der  Dinge  baut,  so  leider  auch  das 
historische  Denken,  wie  es  —  trotz  der  Entwicklung  der  Naturwissenschaften  —  heute 
noch  ohne  Grundlegung  über  die  Wesenheiten  geistigen  Lebens  z.  B.  im  Gebiete  der 
Forschung  über  bildende  Kunst  genutzt  wird.     Davon  im 'Schlußabschnitte. 

Am  Beginne  jeder  Kulturbewegung,  deren  Merkmale  wir  unter  dem  Begriffe  „Mittel- 
alter" zusammenreimen,  steht  eine  ganz  andere  Vorstellung  von  der  Welt  und  damit  auch 
ein  anders  geartetes  Wesen  der  bildenden  Kunst,  als  sie  das  orientalische  Altertum  kannte, 
das  über  Hellas  und  zum  Schluß  mit  Hof  und  Kirche  auch  in  Europa  siegte.  Eine  mittel- 
alterliche Strömung  war  schon  im  Dipylonstil  mit  dem  Vorstoße  nordischer  Völker  in 
die  Mischung  der  Oasenkulturen  am  Mittelmeer  eingetreten.  Sie  wurde  ebenso  rasch 
durch  die  am  Mittelmeer  ausmündenden  älteren  Kunstströme  überwunden  wie  die  der 
in  Indien  einwandernden  Arier,  scheint  es,  durch  die  ältere  Dravidakunst.  In  Hellas 
siegte  die  seelische  Kraft  des  Ariers.  Ein  unentschiedener  Kampf  dagegen,  ein  rich- 
tiges Mittelalter,  scheint  sich  schon  vor  der  europäischen  Umwälzung  an  den  Ein- 
bruchsteilen der  Nomaden  und  Nordvölker  selbst>  zwischen  Kaspi  und  Altai  mit 
schwankender  Grenze  nach  Süden  zu  durchgesetzt  zu  haben.  Der  Kreuzungspunkt  des 
europäisch-arischen  und  asiatisch-türkischen  Stromes  wird  wohl  unter  dieser  doppelten 
Einwirkung  zum  festen  Ausgangspunkte  der  ganzen  Kunstbewegung  geworden  sein. 

Bisher  nahm  man  an,  daß  die  Kunst  unseres  Mittelalters  durch  die  getrennten 
Vorstöße  der  Germanen  und  Araber  herbeigeführt  wurde.  Diese  Ansicht  vertritt  z.  B. 
Julius  v.  Schlosser  in  einem  Aufsatz  über  die  Genesis  der  mittelalterlichen  Weltan- 
schauung im  VI.  Ergänzungsbande  des  Instituts  für  österreichische  Geschichtsforschung 
S.  760  f.  Mit  solchen  Ansichten  wird  man  wohl  brechen  müssen.  Es  sind  vielmehr 
ganz  allgemein  die  Nomaden  und  Nordvölker  Eurasiens,  die  den  Ausschlag  gaben, 
in  deren  Strom  auch  die  Germanen  und  Araber  einmünden.  Mit  ihnen  ringt  sich 
das  auf  naturferne  Flächenfüllung  lossteuernde  Handwerk  gegen  die  von  Natur  und 
Einzelform  ausgehende  hohe  Kultur  des  Südens  durch.  Nicht  Germanen  und  Araber 
führen  den  Umschwung  herbei,  sondern  in  letzter  Linie  die  Nomaden  und  Nordvölker 
mit  ihrer  Freude  an  geometrischen  Linien,  Flächen  und  Farbenspielen.  Das  dekora- 
.tive  Element  war  bei  ihnen  ausschlaggebend,  es  kann  garnicht  die  Rede  davon  sein, 
daß  Rhomäer  und  Romanen  die  neue  Kunst  gezeitigt  hätten,  der  Ausgangspunkt 
liegt  im  fernen  Osten.  Es  ist-  ein  völliges  Mißverstehen  der  Entwicklung,  wenn  man 
annimmt,  die  Germanen  des  Nordens,  wie  die  Beduinen  Arabiens  berührten  sich  in 
einer  „gewollten"  Abwendung  von  der  Natur;  beide  waren  vielmehr  im  großen  Strome 
des  Weltverkehres  jenen  Völkern  zugeneigt,  denen  sie  durch  Rasse  bezw.  Wirtschaft 
mehr  als  den  Oasenkulturen  nahestanden. 

Noch  weiter  entfernt  als  Schlosser  war  Riegl  von  der  Erkenntnis  der  Triebkräfte 
beim  Eintritt  des  Mittelalters.  Der  entscheidende  Fehler  in  Riegls  Geschichtskon- 
struktion und  der  seiner  Epigonen  war,  daß  er  sich  in  den  falschen  Begriff  des  Kunst- 
wollens  verbissen  hatte  und  nun  alles  als  Folge  immanenter  antiker  Kräfte  erklären 
wollte.  Das  neue,  dem  Semitischen,  wie  Hellas  und  Rom  fernliegende  Empfinden 
bahnt  sich  vielmehr  durch  innerasiatische,  zuerst  von  den  Parthern  vermittelte,  am 
Mittelmeer  schon  in  späthellenistischer  Zeit  hervortretende  Einflüsse  an  und  tritt  in 
seine  volle  Blüte  mit   den  Völkerwanderungen.     In  Rußland  und  Ungarn  liegen  die 


2  io  V*.    Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

verschiedenen  Schichten  über  und  nebeneinander.  Die  Versuche  von  Hampel,  Posta 
und  Arne  haben  gezeigt,  wie  schwer  das  Netz  zu  entwirren  ist,  wenn  der  Standpunkt  zu 
nah  genommen  wird.  Ich  hoffe,  daß  die  neue  Einstellung,  die  ich  in  diesem  Buche 
vorschlage,  mit  der  Zeit  zu  einer  klaren  Problemstellung  im  Einzelnen,  vor  allem 
auch  nach  der  örtlichen  und  ethnischen  Seite  führen  wird.  Ich  erwarte  in  dieser 
Richtung  viel  von  Dr.  Supka  —  wenn  er  sich  nur  Jahre  ruhiger  Arbeit  gönnt  — , 
der  bei  Neuaufstellung  der  Funde  aus  der  Völkerwanderungszeit  im  ungarischen 
Nationalmuseum  zu  Budapest  diesen  Gesichtspunkten  gerecht  zu  werden  versuchen  will. 
Bei  jeder  derartigen  Neuordnung  wird  immer  zu  bedenken  sein,  daß  das  Auf- 
treten der  Nomaden  um  die  Mitte  des  ersten  christlichen  Jahrtausends  zwar  von 
ausschlaggebender  Bedeutung,  dass  aber  die  Wirkung  dieser  Katastrophe  in  der 
Entwicklung  der  bildenden  Kunst  nach  der  jahrhundertelangen  friedlichen  Vor- 
bereitung doch  durchaus  keine  so  unvermittelte  war.  Die  neuen  Keime  hatten  sich  in 
Iran,  Mesopotamien,  Syrien,  Ägypten  und  am  Mittelmeer  überhaupt  längst  durch- 
gesetzt. Es  waren  natürliche  Voraussetzungen,  die  die  Nomadenvölker  zu  regelmäßig 
wiederkehrenden  Wanderungen  drängten  und  sie  zu  Vermittlern  des  Welthandels 
machten.  Erst  als  die  Veränderungen  in  der  Berieselung,  Eroberungssucht  und 
Übervölkerung  sie  zwangen  erobernd  aufzutreten,  da  setzte  sich  ihr  Geschmack,  der 
bis  dahin  friedlich  in  die  bestehende  Kunst  durchgesickert  war,  vorherrschend  durch. 
Den  von  den  Steppengebieten  Hochasiens  ausgehenden  Zügen  kommen  andere  von 
Westen,  besonders  vom  hohen  Norden  entgegen.  Die  Studien  schwedischer  Forscher, 
vor  allem  eines  Montelius  und  Arne,  öffnen  dafür  immer  mehr  die  Augen.  Möchte 
es  dem  vorliegenden  Buche  gelingen,  die  zäh  in  konventionellen  Schulmeinungen  und 
einer  Auffassung  von  der  Rolle  der  bildenden  Kunst  in  der  Menscheitsentwicklung 
dahinschleichende  Kunstforschung:,  die  auf  die  Dauer  eines  wissenschaftlichen 
Faches  unwürdig  ist,  durcheinander  zu  rütteln  und  zunächst  auf  universalhistorischem 
Gebiete  zu  neuen  Problemen  zu  führen.  Das  Abendland  ist  durch  Renaissancen  in 
eine  Bahn  geraten,  die  dringend  nach  der  klaren  Einsicht  in  das  Versäumte  verlangt. 
Der  Orient  wieder  ist  dauernd  im  Mittelalter  stecken  geblieben.  Es  gibt  dort  noch 
weniger  eine  Neuzeit  als  bei  uns.  Wir  Abendländer  sollten  trotzdem  den  Orient  nicht 
unterschätzen.  Er  kann  in  uns  etwas  flüssig  machen,  mit  dem  zu  rechnen  wir 
im  Laufe  der  nach  Antike  und  Italien  orientierten  Jahrhunderte  verlernt  haben: 
unsere  einst  in  der  „Gotik"  aufblühende  Eigenart  zu  pflegen  '.  Die  Maßstäbe,  die 
der  nähere  Verkehr  mit  dem  Orient  zeitigen  wird-,  dürften  in  dieser  Richtung  be- 
freiend wirken.  Indem  wir  uns  zunächst  den  Ungarn,  Bulgaren  und  Türken  ver- 
banden, haben  wir  alte  Verkehrswege  wieder  aufzunehmen  begonnen.  Dem  tür- 
kischen Stoß  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  christlichen  Jahrtausend  wird  nun  hoffent- 
lich am  Ende  des  zweiten  eine  Gegenbewegung  deutscher  Kultur  folgen. 

2.  Ursprung  des  albanischen  Schatzfundes. 

Im  Rahmen  der  Betrachtungen   über  den  türkischen  Vorstoß  ist  nun  zunächst 
der  Versuch  einer  Lösung  der  Frage  nach  dem  Ursprünge  des  albanischen  Schatz- 

i    VgL  nieinen  Aufsatz  „Die  schwedische  Großkunst  der  Gegenwart".  Zeitschrift  für  bildende  Kunst  1916. 
Vgl.  auch  Schiller  „Über  Völkerwanderung,  Kreuzzüge  und  Mittelalter". 


2.  Ursprung  des  albanischen  Schatzfundes.  2J.1 

fundes  zu  machen.  Bei  der  Seltenheit  alttürkischer  Wegspuren  in  Europa  wäre  der 
Nachweis  der  Schmucksachen  als  hochasiatisch  von  der  größten  Bedeutung.  Wir 
haben,  von  diesem  Schatzfunde  ausgehend,  durch  seine  Einordnung  in  die  Gruppe 
der  verwandten  Schatzfunde  der  Völkerwanderungskunst  aus  dem  Osten  Europas 
und  Verfolgung  der  eigenartigen  Ranke  auf  den  Schmucksachen,  ferner  durch  allge- 
meine, die  Rolle  Innerasiens  in  der  Kunstentwicklung  des  ersten  Jahrtausends  nach  Chr. 
betreffende  Überlegungen  die  Untersuchung  in  ein  so  weites  Feld  rücken  müssen, 
daß  es  an  sich  Zeit  wäre,  nun  auch  den  Versuch  zu  wagen,  dem  Schatz  im  Rahmen 
des  vorgeführten  Materials  und  der  dadurch  entstandenen  Probleme  seine  Stellung 
anzuweisen.  Es  wird  zu  diesem  Zwecke  zunächst  zusammenzufassen  sein,  was  in 
dieser  Richtung  als  tatsächliche  Unterlage  herausgearbeitet  worden  ist. 

A.  Ort.  Der  Fund  wurde,  darin  stimmen  die  Berichte  des  österreichisch-ungarischen 
Konsuls  (S.  i)  und  des  Direktors  des  kais.  ottomanischen  Museums  (S.  2)  überein,  gemacht 
in  dem  mittelalbanischen  Städteviereck  Durazzo — Tirana — Elbassan — Pekinje  in  einem 
zentral  gelegenen  Dorfe  Vrap,  zwischen  Arbona  und  Pekinje.  Für  dieses  Gebiet  liegt 
leider  eine  Untersuchung  der  Altertümer,  wie  sie  Ippen  und  Baron  Nopcsa  für  Nord- 
albanien und  Skutari  im  Besonderen  geliefert  haben,  nicht  vor l.  Immerhin  kann  so  viel 
gesagt  werden,  daß  die  Gegend  bis  jetzt  durch  keinen  Denkmalfund  als  für  die 
Kunstentwicklung  der  Völkerwanderungszeit  bedeutungsvoll  gekennzeichnet  ist2,  wir 
also  bezüglich  der  Bestimmung  der  Zugehörigkeit  des  albanischen  Schatzes  völlig  freie 
Hand  haben.  Nach  der  ostgotischen  Zeit  gehört  Albanien  zuByzanz3,  bleibt  aber  mit  den 
andern  Küsten  der  Adria  ein  Spielball  der  aus  dem  Osten  und  Norden  vordringenden 
Völker.  Der  Schatzfund  von  Vrap  ist  eher  geeignet  in  dunkle  Verhältnisse  hineinzuleuchten, 
als  daß  er  in  eine  historisch  bereits  festgestellte  Tatsachenreihe  einzuordnen  wäre. 
Erst  mit  dem  Vorstoße  der  Bulgaren  unter  Zar  Symeon  (893 — 927),  der  nominell  ganz 
Albanien,  tatsächlich  aber  wohl  nur  Teile  mit  seinem  Reiche  vereinigte4,  ver- 
breitet sich  etwas  Licht  in  diesen  dunklen  Jahrhunderten.  Was  insbesondere  die  in 
Betracht  kommende  Gegend  anbelangt,  so  besetzten  die  Bulgaren  während  des 
ersten  Krieges  Symeons  mit  Kaiser  Leo  dem  Weisen  (ungefähr  893  —  896)  Burgen 
in  der  Provinz  Dyrrhachion,  stellten  sie  aber,  wie  Magister  Leon  in  seinen  Briefen 
darlegt,  im  Frieden  wieder  zurück5. 


1)  Ippen,  Die  Denkmäler  verschiedener  Altersstufen  in  Albanien  1907,  Nopcsa,  Beiträge  zur  Vorge- 
schichte und  Ethnologie  Nordalbaniens.  Wien  1912.  Vgl.  jetzt  besonders  Jirecek  bei  v.  Thalloczy,  Illyrisch- 
albanische  Forschungen,  Wien  1916. 

2)  Vgl.  auch  Philologische  Wochenschrift  1903  Sp.  1084  f.  Die  Kunsthistoriker  werden  zu  erinnern  sein  an 
die  altchristliche  Glasschale  von  Podgorica  und  die  Ruinen  von  Doclea,  die  unserem  Kreise  nahe  kommen. 

3)  Vgl.  Thalloczy  a.  a.  O.  I  S.  68  f. 

4)  Vgl.  F.  R.  v.  Wiser,  Die  Balkanhalbinsel  in  der  Zeit  vor  der  Türkenherrschaft.  Jahrbuch  der 
Münchner  Orient.  Gesellschaft   19 14  S.  64. 

5)  Vgl.  Jirecek,  Geschichte  der  Serben  I  S.  198.  Die  Briefe  sind  herausgegeben  im  Deltion  der 
hist.-ethnol.  Gesellschaft  von  Hellas  I  (1884).  Auch  teilt  mir  Konstantin  Jirecek  freundlich  mit,  daß  es 
über  die  Landschaft  zwischen  Durazzo  und  Elbassan  kein  Detail  aus  dem  frühen  Mittelalter  gebe.  Tirana 
komme  erst  bei  Barletius  (15  Jh.)  vor.  „Die  Burg  Petreila  am  Flusse  Arza  war  schon  Anna  Komnena 
als  fj  TlkxQOvXa  bekannt.  Das  Land  zwischen  Durazzo  und  Tirana  hieß  Scuria,  wohl  von  der  seit  dem 
*3-  Jh.  genannten  Adelsfamilie  Scura,  Sgura.  Unter  dem  Metropoliten  von  Dyrrhachion  gab  es  einen 
Bischof  Xovvaßiaq;  sein  Sitz  ist  wohl  zu  suchen  zwischen  Durazzo  und  den  Bergen  auf  der  Westseite  des 
Tales  des  Mat.  Östlich  von  Tirana  heißt  eine  Landschaft  Bena,  im  14. — 15. Jh.  Sitz  eines  lateinischen  Bischofs 

Strzygowski,   Altai.  16 


2  ■  2  V.    1  »er  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

In  dem  albanischen  Schatze  finden  sich  zwei  Stücke,  die  auf  eine  christliche  Um- 
ibung  Bezug  haben.    Es  ist  daher  notwendig  zu  sagen,  daß  beide,  der  Goldpokal  mit 
den  Städtebüsten  Xr.  2  und  der  Silberkrug  Xr.  12,  mit  dem  entwicklungsgeschichtlich 
entscheidenden  Teile  des  Schatzes  höchstens  in  der  Weise  in  Verbindung  stehen,  daß 
die  Werkstatt  vielleicht  den  Städtepokal  nach  einem  zyprischen  Originale  kopiert  hat. 
Immerhin  wird  dabei  zu  erinnern  sein  daran,  daß  der  Schatz  im  Gebiete  der  Bischof- 
sitze Dyrrhachion   bzw.   Glavinitza  gefunden   wurde1.      Doch  glaube  ich   nicht,  daß 
es  sich  um  einen  kirchlichen  Schatz  handeln  könnte.    Soweit  die  örtlichen  Tatsachen. 
B.  Zeit.     Die  Zeitbestimmung  anlangend,   fehlen  an  den  Stücken  des  Schatzes 
eigentliche  Datierungsinschriften.    Da   es  sich  um   einen  Werkstattfund  handelt  und 
der  Xachweis  dafür  an  den  Schmucksachen  erbracht  werden  kann,  so  dürften  diese 
die  jüngsten  Stücke  des  Schatzfundes  sein.    Alles  Übrige  kann  nur  als  terminus  post 
quem  verwendet  werden.    Die  hellenistischen  Gefäße  scheiden  ganz  aus.    Der  Becher 
mit  den  Stadtbüsten  Xr.  2,  der  kaum  im  Originale  vor  dem  VII.  Jh.,  in  der  Kopie 
aber  noch  später  entstanden  sein  dürfte,  sowie  der  byzantinische  Krug  Xr.  12  drücken 
die  Datierung  bis  ins  VII. — IX.  Jh.  herunter.    So  weit  die  Anzeichen,  wie  sie  der  Schatz 
selbst  bietet.     Die  Parallelen   in  Ungarn   aus    der  Keszthelygruppe  datiert  Hampel 
(Altertümer  I  S.  790)  zwischen   das  IV.  und  VIII.  Jh.,  die  Steine  von  der  Akropolis 
habe  ich  oben  S.  76  als  nicht  zu  fern  von  den  Kapitellen  mit  dem  fetten,  zackigen 
Akanthus,  d.  i.  im  V./VI.  Jh.  entstanden  nachzuweisen  gesucht.     Die  Palmettenstoffe 
wird  man  als  der  vorislamischen  Zeit  angehörig  vor  dem  Jahre  644  ansetzen  dürfen, 
die  altarabischen   Grabsteine  von  Kairo  gehören  ins  IX.  Jb.  und  ebenso  im  wesent- 
lichen  die   im  Schrägschnitt   mit    der   geometrischen  Ranke   geschmückten   Bretter, 
die  aber  schon   vor  dem  Islam  zur  Zeit  der  Besetzung  Ägyptens  durch  die  Perser 
1614 — 618)  in  Gebrauch  gekommen  sein  könnten.    Es  folgen  die  Beispiele  in  Persien 
selbst,  aus  sasanidischer  und  frühislamischer  Zeit,  mit  Samarra  im  IX.  Jh.  als  Höhe- 
punkt.     Weiter   zurück    in    die    Zeit    vor   Christus   führten   dann   die   südsibirischen 
Bronzefunde  und  jene  chinesischen  Altsachen,  die  für  die  Herleitung  des  Ornamentes, 
nicht  aber  zur  Datierung  des  Schatzes  aus  Albanien  herangezogen  wurden.   Ich  meine, 
alle  diese  für  die  relative  Chronologie  im  Wege  des  Vergleichs  in  Betracht  kommen- 
den Merkmale  bestätigen   nur  die  absoluten   aus  dem  Bestände  des  Schatzes  selbst 
gezogenen  Schlüsse  auf  das  VII. — IX.  Jh. 

# 

In  diese  Zeit  setzt  man  von  den  Schätzen  der  Völkerwanderung  jetzt  am  ehesten 
noch  den  von  Xagy-Szent-Miklos.  Aber  freilich  fehlen  dort  hellenistische  Beigaben,  wie 
sie  in  den  älteren  Funden  von  Petroasa,  aus  Poltawa  und  eben  auch  im  albanischen 
Schatzfunde  nachweisbar  sind.  Infolgedessen  wäre  man  doch  wieder  geneigt,  mit 
des  letzteren  Datierung  nach   Möglichkeit  hinauf  zu   gehen,  jedoch  keinesfalls  über 


Ücndensis.   unter   dem    damals   lateinischen    Erzbischhof    von    Durazzo.     Im    oberen    Skumbital    lag  die 

Stadt   Scampae,  Bischofsitz,    nach    dem    6.   Jh.   nicht    mehr   erwähnt.    Elbassan    ist  eine  Gründung 

Mohammeds  II    1466;  es  hieß  ursprünglich  Novigrad,  Terra  nuova.  Neokastron.     Nach  Barletius    war  hier 

im    15.  Jh.  eine  verfallene  Stadt  in   Ruinen,  urbs   Valmorum.    Auf  der  Nordseite  von  Elbassan  liegt  die 

Landschaft  (  ermenika    Sit/,  des  Bischhofs   Tltorizor.  unter  Dyrrhachion.  im   1 1.  Jh.  unter  der  Kirche  v.'n 

rid."    VgL  auch  JireJek.   Albanien  in  der   Vergangenheit      Österer.  Monatsschrift  für  den  Orient   191:  . 

1     Vgl.  SuMlay,  Die   Kirchcnzustände    im    vortürkischen    Albanien    (Vestnik    kr.    hrvatsko-slavonsko 

dalmatinskoga  /.cmaliskog  arkiva  XVII  11915    v.  3   .  .     Über  Glavinitza  teilt  mir  Jirecek  mit,  daß  es  wahr- 


2.   Ursprung  des  albanischen  Schatzfundes.  243 

das  VII./VIII.  Jh.  Riegl  hat  sich  für  das  VII.  Jh.  ausgesprochen1.  In  diese  Zeit 
weist  auch  ein  Schatzfund,  den  bulgarische  Soldaten  an  derTschataldschalinie  gemacht 
haben  und  den  Filow  im  archäologischen  Anzeiger  1914  Sp.  417/8  veröffentlicht  hat. 
Es  handelt  sich  u.  a.  um  Beschläge  in  Goldblech,  die  bezeichnend  im  spitzen  Huf- 
eisenbogen umrahmt  sind  und  plumpe  Vollpalmetten  mit  Strichpunktfüllung,  daneben 
Schrägschnittmotive  zeigen.  Diese  Stücke  nun  sind  nach  Münzbeigaben  um  die  Zeit 
zwischen  613  —  641  vergraben.  Manches  erinnert  an  der  Vollpalmette  an  unsere  Stücke 
Nr.  19 — 22  und  die  verwandten  Keszthelybronzen,  von  denen  obenS.  26f.  die  Rede  war. 
Schließlich  müssen  wir  uns  in  einer  Zeit  und  bei  einer  Gattung  von  Kleinfunden,  die 
weder  durch  Inschriften,  noch  örtlich  eine  genauere  Einordnung  zulassen,  mit  einer 
solchen  annähernden  Datierung  begnügen.  Möge  es  der  Forschung  bald  gelingen, 
darin  weiter  zu  kommen.  Forschungsreisen  nach  dem  Innern  Asiens  und  vor  allem 
Ausgrabungen  werden  da  nach  den  Ausblicken,  die  der  Krieg  auf  allen  Seiten  eröffnet, 
hoffentlich  nicht  zu  lange  auf  sich  warten  lassen.  In  erster  Reihe  sollte  der  Schatz 
von  Nagy-Szent-Miklos  dazu  Anlaß  geben;  seine  Datierung  und  Einordnung  ist  mehr 
denn  je  eine  der  wichtigsten  Aufgaben  im  Gebiete  der  Forschung  über  bildende 
Kunst  geworden.  Vielleicht  kommen  wir  jetzt  erst  recht  wieder  auf  die  frühe  Datierung 
und  z.  T.  wenigstens  auf  arische  Hände  zurück.  Der  albanische  Schatz  ist  damit 
nicht  zu  verwechseln. 

Bei  der  Frage  nach  seiner  Zeit  wird  in  Zukunft  vielleicht  mit  einer  Tatsache 
zu  rechnen  sein,  auf  die  Jelic  in  einer  Arbeit  „Die  kroatischen  Denkmäler  aus  dem 
Gebiete  von  Nin  aus  den  Zeiten  der  nationalen  kroatischen  Regenten  I.  Die  Hof- 
kapelle des  hl.  Kreuzes  in  Nin"2  hingewiesen  hat.  Im  Anschluß  an  meinen  Nach- 
weis des  persischen  Ursprunges  der  kreuzdurchsetzten  Trompenkuppel3  weist  er  eine 
Gruppe  solcher  Bauten  in  Dalmatien  und  den  vorgelagerten  Inseln  nach.  Er  nimmt 
an,  es  müsse  zwischen  dem  IV. — VI.  Jh.  eine  Berührung  zwischen  Dalmatien  und 
Vorderasien  bestanden  haben,  die  zur  Ausbildung  einer  von  Italien  und  Byzanz  un- 
abhängigen Bauschule  auf  den  istrianisch-dalmatinischen  Inseln  in  der  Zeit  von  500 — 700 
geführt  habe,  die  dann  auch  auf  den  Kontinent  Einfluß  gewann.  Das  Material  ist,  wie 
mir  Dr.  Frey  auf  Grund  meines  Aufsatzes  über  „Die  sasanidische  Kirche  und  ihre 
Ausstattung"4  mitteilt,  durch  Bauten  zu  erweitern,  als  deren  typischer  Vertreter  die 
Kirche  S.  Nicolo  in  Spalato  gelten  kann5.  Auf  diese  Tatsachenkette  wird  an  andrer 
Stelle  zurückzukommen  sein.  Hier  ist  nur  zu  sagen,  daß  diese  Bauten  ungefähr  in  die 
gleiche  Zeit  fallen,  wie  der  Schatzfund  aus  Albanien  und  die  Keszthely-Bronzen.  Es 
scheint  also,  daß   der  persisch-türkische  Vorstoß  sich  nicht  nur   auf  das  Gebiet  der 

scheinlich  in.  der  Landschaft  südlich  von  Valona  lag,  nach  Patsch,  Das  Sandschak  Berat  in  Albanien  (Balkan- 
kommission, Wien  1904),  bei  der  großen  Kirche  (Ruine)  Zoodochou  Pigis  südlich  von  den  Ruinen  von 
Oricum.  Um  900  kommt  es  in  der  Legende  des  hl.  Bischhofs  Riemens  (Schüler  der  Slavenapostel)  von 
Ochrid  vor,  war  also  vielleicht  schon  im  Besitz  der  Bulgaren.  Später  war  der  Bischof  von  Glavinitza  dem 
Erzbischof  von  Ochrid  (ioi8f.)  untergeordnet,  also  sicher  bulgarisch  unter  Zar  Samuel.  Vgl.  jetzt  auch 
Thalloczy    a.  a.   O.  I  S.   185. 

1)  Jahrbuch  d.  k.  k.  Zentralkommission  N.F.  I  (1903)  S.  28  f. 

2)  Djela  jugoslav.  Akademije  znanosti  i  umjetnosti  Bd.  XIX, 

3)  Zeitschrift  für  Geschichte  der  Architektur  III  S.  1   f.  und  Amida  S.   177  f. 

4.)  Monatshefte  für  Kunstwissenschaft  VIII  (1915)  S.  349  *"■      5)  Jahrbuch  d.  Centralcomm.  V  (1861)  S.  255  . 

16* 


-.  .  V.   Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

Kleinkunst  allein  beschränkt  hat.  Im  Rahmen  der  Baukunst  des  Abendlandes  läßt  sich 
dieser  Stoß  bis  nach  Oberitalien  verfolgen,  die  Denkmäler  dieser  Schicht  sind  zusammen- 
gestellt von  Monneret  de  Villard1.  Im  Frankenreiche  bildet  Germigny-des-Pres  und 
verwandte  Denkmäler  den  entsprechenden  Beleg,  ebenfalls  aus  karolingischer  Zeit2. 
Wir  verweisen  vorläufig  nur  auf  das  Tatsachenmaterial,  die  Schlüsse  daraus  sollen  erst 
unten  und  im  Zusammenhange  mit  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der  armenischen 
Architektur  gezogen  werden. 

C.  Werkstatt.  Nicht  minder  schwierig  ist  die  Bestimmung,  wer  als  Träger  der 
Ornamentik  angenommen  werden  kann,  die  zur  Zeit,  als  der  albanische  Schatz  ver- 
graben wurde,  herrschend  war,  also  vor  allem  zur  Zeit,  der  Schmucksachen  und  der 
Schale  Nr.  7.  Wir  möchten  gern  wissen,  welches  Volk  damals  Albanien  besetzt 
hielt  und  auf  welchem  Wege  die  aus  dem  fernen  Asien  stammende  Kunstrichtung 
nach  der  Westküste  des  Balkans  gelangte.  Hierüber  können  beim  besten  Willen  nur 
Mutmaßungen  geäußert  werden.  Für  Riegl(S.  28)  war  die  Sache  einfach:  die  Schmuck- 
stücke stammten  aus  einem  oströmischen  Emporium.  Vielleicht  dachte  er  an  Kon- 
stantinopel, denn  er  meint,  es  sei  immerhin  möglich,  daß  die  Fehlgüsse,  auf  die  hin 
oben  S.  27 f.  auf  einen  Werkstattfund  geschlossen  wurde,  ihres  materiellen  Wertes 
halber  von  irgend  einer  entfernten  Stelle  als  Beutestücke  mitgenommen  worden 
wären:  „doch  möchte  man  selbst  in  diesem  Falle  nicht  mit  einer  allzuweiten  Ent- 
fernung rechnen".  Man  sieht,  wie  tief  bei  ihm  die  Überzeugung  vom  mittelländischen 
Ursprung  der  ganzen  Ornamentgruppe  wurzelte.  Er  sieht  die  besondere  Bedeutung 
der  albanischen  Schmucksachen  —  und  scheint  nur  sie,  nicht  auch  die  Gefäße  gekannt 
zu  haben  —  in  dem  Umstände,  daß  die  Ausdehnung  des  (ungarischen)  Denkmalkreises, 
in  welchen  sie  gehörten,  über  Salona  hinaus,  woher  man  schon  früher  Zeugnisse 
gleicher  Art  besessen  habe,  tiefer  in  die  Balkanhalbinsel  hinein  nachgewiesen  erscheine. 
Dagegen  hat  schon  Hampel  (Altertümer  I.  S.  646)  die  ungarischen  Bronzen  als  be- 
scheidene einheimische  Mittelware  bezeichnet  im  Gegensatz  zu  den  Goldgefäßen  von 
Nagy-Szent-Miklos,  die  er  für  Erzeugnisse  örtlicher  chersonesischer  Kunst  hielt 
(Altertümer  I.  S.  634),  aber  freilich  mit  dem  Zusatz:  „darüber  kann  noch  gestritten 
werden  und  die  Forschung  hat  noch  nicht  ihr  letztes  Wort  gesprochen". 

Hampel  hat  die  Keszthelyfunde  und  den  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklos  in  zwei 
Gruppen  getrennt  behandelt;  bis  zu  einem  gewissen  Grade  gehören  beide  in  eine  Gruppe 
mit  den  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes.  Hier  mündet  ein  asiatischer  Strom 
in  Ungarn  und  den  angrenzenden  Gebieten  ein,  der  in  den  Goldsachen  in  Originalen, 
in  den  Bronzen  zumeist  in  einheimischen  Nachbildungen  erhalten  ist.  Der  Nachweis, 
den  ich  seinerzeit  lieferte,  daß  die  griechischen  Inschriften  des  Nagy-Szent-Miklos- 
Schatzes  dem  Bulgarischen  naheständen,  ließ  noch  immer  die  Möglichkeit  offen,  die 
Verfertiger  für  Byzantiner  oder  pontische  Griechen  anzusehen.  Erst  die  Ausblicke, 
die  sich  in  diesem  Buche  eröffnet  haben,  machen  es  wahrscheinlich,  daß  Vertreter 
der  mittelasiatischen  Nomadenkunst,  die  persische  Einflüsse  ebenso  wie  indische  und 
chinesische  aufgenommen  hatten,  hier  am  Werke  waren.  Wenn  die  Inschriften,  wie 
Supka  jetzt  vorschlägt,  auf  Brähmi-Schriftzeichen    zurückgehen,    dann    könnten    die 

1  Archivo  storico  lombardo  XLI,    i   (1914    u.  a.  O.     Vgl.  auch  Mothes,  Cattanco  und  Rivoira. 

2  I  >er  Dom  zu  Aachen  und  seine  Entstellung  S.  39  f.     VgL  auch  Z.  f.  Gesch.  d.  Arch.  VII  (1916)  S.  76  t". 


2.    Ursprung  des  albanischen  Schatzfundes.  245 

Kunsthistoriker  mit  Beruhigung  in  die  Forschungsrichtung  eintreten,  für  die  ich  mein 
Leben  lang  kämpfe.  Es  wären  dann  Saken  bezw.  Türken,  die  als  Verfertiger  der  Gold- 
gefäße von  Nagy-Szent-Miklos  und  der  offenbar  auf  den  Osten  weisenden  Stücke  im 
albanischen  Schatzfund  in  Betracht  kämen.  Hampel  a.  a.  O.  war  ganz  im  westasia- 
tischen Kreise  befangen.  Er  suchte  die  Vorlagen,  die  die  chersonesische  Kunst  um- 
bildete, in  den  Werken  syrischer,  armenischer  oder  byzantinischer  Meister,  Riegl  wie 
gesagt,  vor  allem  in  Byzanz  selbst.  Das  ist  bis  heute  der  Gesichtskreis  der  Spezia- 
listen in  der  Kunstforschung  geblieben.  Dafür  tritt  nun  die  neue  Welt  Mittelasiens 
ein  und  die  Frage,  wie  weit  sie  auf  Südrußland  übergriff. 

Der  Herstellungsbetrieb  ist  m.  E.  weder  der  des  Hausfleißes,  noch  ein  fabrik- 
mäßiger, sondern  der  in  wandernden  Werkstätten  gewesen,  deren  Meister  im 
Gefolge  arischer  oder  türkischer  Eroberer  aus  dem  mittleren  Asien  nach  Ungarn 
und  dem  Balkan  kamen.  Auf  einen  solchen  Betrieb  weist  gerade  der  Befund  des 
albanischen  Schatzes.  Wir  sehen  unverarbeitete  Goldbarren  (Nr.  46),  neben  im  Guß 
mißlungener  Ware  (Nr.  15)  und  solcher,  die  beim  Eingraben  des  Schatzes  noch  un- 
fertig war  (Nr.  21  u.  22).  Daß  der  Meister  der  Werkstätte  zugleich  Handel  trieb,  belegen 
die  fertigen  Stücke,  die  die  Hauptmasse  bilden,  darunter  als  sichere  Stücke  der  Pokal 
Nr.  l,  die' Schale  Nr.  7  und  die  Hauptstücke  unter  den  Schmucksachen.  Bei  anderen 
Goldsachen  könnte  man  zweifeln,  ob  die  Werkstatt  sie  nach  alten  Mustern  angefertigt 
oder  alt  erworben  habe.  Der  Städtepokal  Nr.  2  läßt  vermuten,  daß  sie  auch  alte 
Sachen  kopierte.  Sicher  byzantinisch  ist  nach  den  Stempeln  der  Silberkrug  Nr.  12. 
So  bekommen  wir  einen  deutlichen  Einblick  in  die  Art,  wie  die  Nomadenware  er- 
zeugt und  für  den  Handel  ergänzt  wurde.  Der  Meister  bzw.  Händler  suchte  jeder 
Geschmacksrichtung  seiner  Zeit  entgegenzukommen. 

Auch  der  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklos  weist,  wenn  Supka  richtig  liest,  den 
Zusammenhang  mit  einer  Werkstatt  auf.  Dort  freilich  fehlt  der  Händlereinschlag, 
soweit  dabei  antiquarische  Ware  in  Betracht  kommt,  vollständig,  wenn  nicht  die 
Krüge  eine  solche  ältere  Art  vertreten.  Es  stehen  sich,  wie  gesagt,  zwei  Kunstrich- 
tungen von  verschiedener  Färbung  gegenüber,  die  mehr  persisch-indisch  gerichtete 
der  Krüge  und  die  stärker  türkisch-chinesische  der  Schalen.  Die  flüchtig  geritzten 
Inschriften  (S.  167)  befinden  sich  auf  Stücken  der  letzteren  Gruppe,  von  denen  einzelne 
unzweideutig  für  Christen  gearbeitet  wurden.  Es  kann  als  zweifelhaft  gelten,  ob  die 
Inschriften  mit  griechischen  Buchstaben  nicht  in  anderer  Sprache  zu  lesen  sind1. 
Immerhin  ist  nach  den  griechischen  Zeichen  und  der  monumentalen  Art  der  An- 
bringung  wahrscheinlich,  daß  sie  nicht  für  die  Werkstatt  bestimmt  waren  wie  die 
eingeritzten  „türkischen"  Inschriften  der  ersten  Gruppe,  sondern  wie  die  der  zweiten 
Gruppe  sich  auf  den  Besteller  beziehen.  Im  Augenblick  sind  die  eingeritzten  Ver- 
merke für  uns  wichtiger.  So  lange  Schrift,  Sprache  und  Inhalt  der  Miklos-Inschriften 
nicht  einwandfrei  feststehen,  ist  freilich  die  Parallele  für  den  Betrieb,  in  dem  wir  uns 
die  Schmucksachen  des  albanischen  Schatzes  entstanden  denken,  unsicher. 


1)  Den  letzten  Versuch  einer  Entzifferung  der  Inschrift  der  sog.  Taufschalen  hat  Hr.  Sotiriou  unter- 
nommen in  einer  Seminararbeit,  die  am  kunsthistorischen  Institute  der  Universität  Wien  (Lehrkanzel 
Strzygovski)  im  Manuskript  liegt.  Vgl.  Keil  (Repert.  f.  Kunstwiss.  XI,  1888  S.  256^)  und  Hampel  (Alter- 
tümer II  S.  416  f. ).    Auch  Sotiriou  liest  sie  griechisch  und  sieht  sie  für  Eucharisteria  in  dem  Sinne  an  wie  die 


246 


V.    Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 


Ich  habe  schon  in  einem  Aufsatze  über  das  orientalische  Italien  darauf  hinge- 
wiesen >,  daß  für  die  Stuckaturen  von  S.  Maria  in  Valle  in  Cividale  an  persisch-helle- 
nistischen Ursprung  zu  denken2,  also  ein  wandernder  orientalischer  Künstler  anzunehmen 
wäre.  Nicht  anders  ist  es  mit  Germigny-des-Pres  und  einigen  der  ältesten  west- 
gotischen Kirchen  Spaniens3.  Armenier  waren  sicher  in  Ägypten  tätig4.  Für  den 
Goldfund  aus  Albanien  liegt  es  näher  an  die  einfache  Tatsache  zu  erinnern,  daß  die 
persische  Herkunft  anderer  Goldfunde  der  Völkerwanderungszeit,  nämlich  einzelner 
Stücke  in  Verroterie  cloisonnee  wie  des  Beschlags  von  Wolfsheim  in  Wiesbaden  durch 
Pahlawi-Inschriften  gesichert  ist5.  Auch  die  Theca  persica,  in  der  Gregor  d.  Gr.  die 
heiliee  Schrift  an  Adaloald  sandte 6,  wird  als  Beweis  anzuführen  sein.  Die  zahlreichen 
ostpersischen  Münzen  aus  dem  IX.  und  X.  Jh.,  die  mitten  unter  den  Funden  der  Völker- 
wanderung in  allen  Teilen  Europas,  vor  allem  in  Ungarn  und  Skandinavien  auf- 
tauchen, bestätigen  die  Bedeutung  dieses  Weltverkehres  für  die  spätere  Zeit". 

Auch  die  Herkunft  des  Goldes  der  im  Gegensatz  zu  den  hellenistischen  Schmuck- 
sachen durch  ihre  Schwere  auffallenden  Gefäße  und  Lederbeschläge  der  Völkerwan- 
derungszeit wird  in  Zukunft  Gegenstand  näherer  Untersuchungen  auch  vonseiten  der 
Kunsthistoriker  sein  müssen.  Sombart  „Luxus  und  Kapitalismus"  hat  ausschließlich 
mit  der  neueren  Zeit  gerechnet,  und  es  erscheint  schon  dadurch  in  seiner  Arbeit 
manches  schief.  Baudrillart  „Histoire  du  luxe  prive  et  public"  1878  trug  manches 
Material  zusammen,  das  in  den  Handbüchern  über  Altertumskunde  ergänzt  ist.  Oben 
S.  164  wurde  der  Bedeutung  des  „Goldenen  Gebirges",  des  Altai,  Erwähnung  getan. 
Es  kommt  aber  auch  der  Westen  in  Betracht,  vor  allem  Armenien.  K.  Jirecek  macht 
mich  freundlich  aufmerksam  auf  eine  Stelle  bei  Theophanes  ed.  De  Boor  I  S.  179, 
7,  wo  von  Goldbergwerken  in  den  Bergen  Armeniens  unter  Justinian  die  Rede  ist 
und  meint,  man  mußte  daraufhin  auch  die  arabischen  Texte  durchsehen.     Ich  kann 


Inschrift  auf  dem  von  mir  „Koptische Kunst" Nr. 7201  veröffentlichten  Kreuze:  EvyaQtar^QiovTaQiiaivr^  vnhg 
ävcmavosaq  T/J?  rpv///*  diSvftOV.  In  ähnlicher  Art  liest  Sotiriou  die  Inschrift  der  Miklos-Schale:  AGA^  - 
AATOC   ANAriAYCON    A(uto'v)   eiC    TO(tio)N  XCU(ytoov)  XJ\  MAAITON. 

„Deaudatus  (Name  des  Verstorbenen).  Bringe  ihn  zur  Ruhe  an  den  Ort  der  Lebenden,  o  Christus.  Mali- 
ton (Name  des  Stifters)".  Wie  also  Taritzena  das  Kreuz  für  ihren  verstorbenen  Gatten  stiftet,  so  hätte 
Maliton  die  Schale  für  Deodalus  gegeben.  Nur  sei  die  Sprache  barbarisch.  Sotiriou  teilt  mit,  daß  die 
griechische  Kirche  heute  noch  Dedikationsschalen  kenne,  die  hängend  aufbewahrt  würden.  Der  Name 
Avöado q  oder  AvSävog  komme  auch  auf  Inschriften  des  Hauran  häutig  vor  (vgl.  Littmann,  Greek  and 
Latin  incr.  in  Syria,  Leyden  1910,  Div.  III,  A,  2.  p.  69,  Nr.  84,  vgl.  p.  94,  Nr.  159,  p.  64,  Nr.  71,  p.  55, 
Nr.  46  usw.).  Dieser  Name  sei  arabisch  =  awdät  und  bedeute:  Fluß  oder  Tal.  Das  Ab-  des  Namens 
dtavöaiOQ  sei  wohl  als  ein  griechischer  Zusatz  (&e 0$  oder  ösoq)  an  das  arabische  Wort  aufzufassen.  Es 
fragt  sich,   ob  Deaudatos  nicht  einfach  Theodahat  heißt  wie  Buela  (vgl.  S.  166,  Anm.  6)  Bowila. 

1)  Monatshefte  für  Kunstwissenschaft  I  (1908),  S.  1  ff. 

2)  Man  vergleiche  dort  das  Fußband  der  Figuren  und  der  Mittelnische  mit  seinen  Rosetten  aus 
diagonal  gestellten  Lanzetüappen,  durchsetzt  von  Randlappen  in  Kreuzform,  beide  durch  Kommaschlitze 
belebt,  mit  dem  Schmuck  des  Halswulstes  der  Krüge  von  Nagy-Szent-Miklos  (oben  Abb.  59/60  und  Ö4'5), 
besonders  aber  auf  dem  größten  Kruge,  Hampel  Nr.   1.     Es  sind  die  gleichen  Schulgewohnheiten. 

3)  Amida  S.  275  f.  4)  Der  Dom  zu  Aachen,  S.  43. 

5)  Annalen  des  Vereines  für  nassauische  Altertumskunde  XII  (1S731,  ^•2,7'  'a''  •>  3-  De  Linas, 
Les  origines  de  l'orfevrerie  I  S.  1  f. 

6)  Archeologia  LVIII,  p.  37  des  SA  von  Dalton,  On  some  points  in  the  history  of  inlaid   jewellery. 

7)  Vgl.  Hampel,  Alt.  II  S.  459  und  639,  Arne,  La  Suede  et  l'Orient  S.  62  f.,  ferner  Byz.  Zeitschrift 
XVII   11908)   S.  646  f.   und  Supka,  Arch.  Ertesitö  XXXV  (1915)  Heft  3—5. 


2.   Ursprung  tlcs  albanischen  Schatzfundes. 


247 


die  Frage  hier  nicht  vornehmen,  will  ich  nicht  das  Er- 
scheinen dieses  Werkes  ins  Endlose  herausziehen.  Byzanz 
war  für  alles,  was  den.  Luxus  betrifft,  der  wichtigste 
Handelsplatz,   später  Baghdad  und  die  kleinen  Residenzen. 

Wenn  wir  uns  also  vorstellen,  daß  Saken,  Türken,  Ar- 
menier oder  Perser  im  Gefolge  wandernder  Völker  nach 
dem  Westen  kamen  und  dort  handwerksmäßig  auf  Bestellung 
und  für  den  Handel  arbeiteten1,  so  möchte  doch  auch  gern 
erkannt  werden,  welches  Volk  etwa  in  dem  besonderen  Falle 
des  albanischen  Schatzes  als  Stützpunkt  der  Werkstatt  in 
Betracht  kommt.  Hunnen,  Awaren  und  Bulgaren  stünden 
neben  iranischen  Nomaden  in  erster  Linie,  manche  wer- 
den auch  an  germanische  oder  slavische  Stämme  denken, 
soweit  Zeit  und  Ort  dies  zulassen.  Dabei  kommt  nun  ent- 
scheidend der  Ausbreitungsbereich  solcher  Schmucksachen 
mit  der  Kreislappenranke  in  Betracht  d.  h.  neben  Keszthely 
in  Ungarn  auch  Krung-1  in  Steiermark,  dazwischen  Enns  in 
Oberösterreich  und  St.  Veit  bei  Wien.  Ich  füge  zur  Klar- 
stellung den  oben  S.  24  f.  aus  Ungarn  gebrachten  Abbildungen 
noch  einige  weitere  Belege  hinzu. 

D.  Ausbreitungsbereich  der  Kreislappenranke  in  Un- 
garn und  O esterreich.  Die  Funde  von  Keszthely  weisen 
wie  die  Schmucksachen  von  Vrap  ebenfalls  vorwiegend 
Schnallen  (S.  28  f.)  und  Riemenzungen  (S.  24 f.),  daneben  den 
Greifen  in  durchbrochener  Arbeit  (S.  22  f.)  und  zahlreiche 
Arten  von  Beschlägen  auf.  Das  Hauptmotiv  ist  die  „Kreis- 
ranke" wie  sie  Hampel  (Altertümer  I,  S.  51lff.)  ausführlich 
beschreibt.  Sie  füllt  als  Einzelmotiv  das  Quadrat,  in  S-form 
das  Rechteck,  nimmt  einzeln  oder  in  Paaren  Richtung  in 
Streifen  und  füllt  ohne  Ende  Flächen.  Neben  dem  Kreis- 
lappen gehen  füllende  Seitentriebe  ab,  die  sich  bisweilen  mit 
dem  Kreislappen  zu  Halbpalmetten  vereinigen.  Die  Durch- 
brechung- des  Grundes  ist  häun£.  Ich  o-ebe  aus  dem  endlos 
reichen  Material,  das  Hampel  abbildet,  nur  noch  zwei  Stücke 
der  ausgebildeten  Kreislappenranke,  so  Abb.  194  eine  Riemen- 
zunge (Hampel,  Alt.  I,  S.  529)  mit  sechs  Einrollungen  und  ge- 
radezu ermüdend  wiederkehrenden  fünf  Kreislappen,  die  ent- 
weder krabbenartig  unmittelbar  am  Stiel  ansetzen  oder  dessen 
Ende  bilden.  Längliche  Lappen  neben  Strichen  und  Punkten 
füllen  die  Raidzwickel.  Das  zweite  Beispiel,  Abb.  195  ^Hampel 


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Abb.  194:  Keszthely:  Riemen- 
zunge in  Bronze. 


1)  Dafür  sprechen  auch  Treibmodelle  im  ungarischen  Nationalmuseum  z.  B.  von  Fönlak,  Hampel, 
Alt.  I  S.  666.  Vgl.  dazu  ein  schönes  Stück  aus  Elisabetstadt,  19 14  erworben.  Ein  anderes  steht  dem 
goldenen  Zierstück  nahe,  das  Supka  Arch.  Ertesitö  1903  S.  402  aus  Tepe  veröffentlicht  hat.  Vgl.  auch 
Martin,  L'äge  du  bronze  Taf.  25. 


248 


V.    Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 


Abb.  lo 


., .  Keszthely: 
in  Bronze. 


Zierstück 


Alt  I,  S.  5701,  ein  Zierstück,  zeigt,  wie  sich  der  Kreislappen  zur  Halbpalmette  um- 
bildet, sobald  die  Form,  hier  der  flache  Spitzbogen  und  unten  die  Ecken,  dazu  her- 
ausfordert. Es  ist  ganz  deutlich,  daß  hier  kein  „zähes  Fest- 
halten an  klassischen  Motiven"  vorliegt,  sondern  im  Gegen- 
teil aus  einem  der  antiken  Kunst  fremden  Einzelmotiv,  dem 
Kreislappen,  der  dem  untersten  Lappen  der  Palmette  ver- 
wandt ist,  durch  das  geometrische  Spiel  etwas  palmetten- 
ähnliches  entsteht,  das  dann  in  Gebieten  wie  Baktrien  be- 
wußt der  Palmette  angenähert  worden  sein  mag.  So  ging 
das  Motiv  über  Persien  nach  Ägypten  und  Hellas.  In  Un- 
garn aber  scheint  der  mittelasiatische  Strom  geradezu 
rein  auszumünden.  Das  Baummotiv,  das  auf  dem  Zierstück 
Abb.  195  Einheit  in  die  durchbrochenen  „Halbpalmetten" 
bringt,  st  so  roh  und  derb  gebildet,  wie  die  „  Yollpalmetten" 
mit  ihren  Zweigen  auf  dem  albanischen  Zierstück  Nr.  19 — 22. 
Immer  wieder  drängt  sich  der  Eindruck  auf.  daß  un- 
möglich die  mesopotamisch-griechische  Vollpalmette  den 
Ausgangspunkt  der  Ornamentik  unserer  Gruppe  bilden 
kann,  es  sich  also  nicht  um  Spaltprodukte  dieser  Palmette,  sondern  um  Ergänzungen 
und  Wucherungen  des  ursprünglich  allein  verwendeten  Kreislappens  handelt. 

Dazu  kommt  eine  andere  bemerkenswerte  Tatsache,  die  Be- 
obachtung nämlich,  in  der  ungarischen  Gruppe  herrsche  neben  der 
Ranke  mit  dem  Kreislappen  die  gleiche  Vorliebe  für  den  geome- 
trischen Durchbruch  wie  in  den  Jenisseifunden,  so  daß  auch  dadurch 
1^%'^>^  I  ^er  Zusammenhang  der  ungarischen  und  südsibirischen  Bronze- 
funde angedeutet  werde.  Man  greife  zurück  auf  Abb.  106,  die  ich  oben 
S.  1 12  gebe.  Diese  Durchbrucharbeiten  finden  ihre  Gegenstücke  in 
Riemenzungen  der  Keszthelygruppe,  die  Hampel  Alt.  I,  S.  580 f. 
in  einem  eigenen  Kapitel  behandelt.  Als  Beispiel  gebe  ich  Abb.  196 
(Hampel/Alt.  I,  S.  589)  eine  Riemenzunge,  die  das  gleiche  Gitter- 
werk „mit  Rombusmuster"  zeigt,  das  wir  in  Abb.  106  vom  Jenissei 
sehen.    Vgl.   dazu   oben  Abb.  179  die  chinesische  Parallele. 

Im  allgemeinen  muß  bei  einem  zusammenfassenden  Vergleich 
mit  diesen  ungarischen  Funden  gesagt  werden,  daß  letztere  eigent- 
lich in  den  Keszthelyfunden,  die  oben  Abb.  29,  33  und  57  und 
hier  Abb.  194  u.  195  abgebildet  wurden,  ein  einheitlicheres  Bild  in 
Anwendung  der  geometrischen  Ranke  mit  dem  Kreislappen  bie- 
ten als  der  albanische  Schatzfund,  in  dem  doch  die  Halbpalmette 
stärker  hervortritt  Es  sieht  aus,  als  hätten  vereinzelt  mittel- 
asiatische oder  von  solchen  abhängige  Arbeiter  in  Ungarn  noch 
reiner  in  zentralasiatischer  Art  gearbeitet  als  in  der  albanischen 
YVerkstätte.  (Von  Interesse  ist  in  dieser  Richtung,  einen  süd- 
russischen   Fund    aus  Jassinowa    zu    vergleichen ').     Der    Kreis- 


Abb.   196:   Keszthely: 
Riemenzunge  aus  Bronze. 


edition  Zichy  III,  S.  351. 


2.   Ursprung  des  albanischen  Schatzfundes. 


249 


läppen  und  Schrägschnitt  sind  zwar  in  den  Goldbeschlägen  künstlerisch  reiner  durch- 
geführt; doch  zeigen  die  albanischen  Goldsachen  einen  reicheren  Formenschatz  als  die 
ungarischen,  trotz  der  unübersehbaren  Masse  von  einschlägigen  Altsachen,  die  dort 
erbalten  sind.  Wir  haben  es  also  vielleicht  mit  einer  Meisterwerkstätte  zu  tun, 
während  in  Ungarn  mehr  das  herkömmliche  Handwerk  zur  Geltung  kommt.  Und 
nun  die  Belege  vom  österreichischen  Boden. 

Die  Funde  von  Krungl  in  Steiermark  gebe  ich  Abb.  197  nach  der  Zusammen- 
stellung von  Diez  im  Jahrbuch  der  k.  k.  Zentralkommission  IV  (1906),  Taf.  VIII.  Man 
sieht,  sie  können  mit  denen  aus  Albanien  oder  Keszthely  geradezu  verwechselt  werden. 
Das  Stück  12  mit  dem  geschweiften  Spitzbogen  im  Umriß  zeigt  eine  Füllung,  die 
roh  zwischen  die  albanischen  Schmuckstücke  Nr.  17  f.  gehört.    Was  vor  allem  auffällt, 


Abb.    197:  Wien,  Naturhistorisches  Hofmuseum:  Zierstücke  in  Bronze  aus  St.  Veit. 


ist  wieder  ein  ausgesprochenes  Gegenstück  zu  den  Jenisseifunden.  Man  vergleiche 
das  Beschlag  der  Schnalle  11  mit  seiner  durchbrochenen  S-Ranke  mit  Abb.  178 
Fig.  13:  die  formalen  und  gestaltlichen  Eigenheiten  sind  die  gleichen,  nur  der  Tierkopf 
fehlt  in  Krungl.  Ich  würde  auf  solche  Einzelentsprechungen  kein  Gewicht  legen,  wenn 
ihre  stete  Wiederkehr  zusammen  mit  dem  entwicklungsgeschichtlichen  Nachweise,  den 
ich  in  diesem  Buche  zu  führen  suchte,  schließlich  nicht  auch  den  verstocktesten  Wider- 
sacher der  Ausweitung  unseres  Gesichtskreises  nach  Osten  zur  Prüfung  anregen  müßte. 
Die  Funde,  die  in  dem  Boden  gemacht  wurden,  auf  dem  diese  Arbeit  entsteht,  in 
Wien,  gebe  ich  in  Abb.  198 — 200  nach  der  Aufnahme  von  Riegl,  Beiträge  zur  Kunst- 
geschichte, F.  Wickhoff  gewidmet  S.  9.  Sie  befinden  sich,  aus  St.  Veit  stammend, 
heute  im  Naturhistorischen  Hofmuseum.  An  ihnen  tritt  neben  der  Kreislappenranke 
vor  allem  wieder  der  Schrägschnitt  in  volle,  massgebende  Wirkung.  Auf  der  ge- 
schweiften Riemenzunge  Abb.  198  sehen  wir  drei  Einrollungen  mit  je  zwei  Kreis- 
lappen, die  im  Schrägschnitt  nach   innen   und  außen  Glanzlichter  werfen   und   drei- 


V.   Der  Xomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 


Abb. 


199. 


kugelige  Trauben  zwischen  sich  nehmen,  wie  wir  sie  auch  auf  dem  Ziergliede  in 
Bronze  Abb.  39,  7 a  im  Grabfund  von  Martely  in  Ungarn  und  auf  den  Seidenstoffen 
Abb.  72  u.  ~i  sahen.    Einfache  Kreislappen   oder  solche  zu   Halbpalmetten  ergänzt, 

füllen  die  Randzwickel.  Der  gekerbte 
Rand  schließt  auf  einer  Seite  spitz,  auf 
der  andern  in  einem  rechteckigen  Felde 
mit  S-Ranke.  Die  Schnalle  in  geperlten 
Stäben  Abb.  199  zeigt  auf  dem  Beschlag 
Paare  von  Kreislappen  symmetrisch  zu- 
sehen einer  Spitze,  die  zwischen  Pal- 
mettenlappen  nach  unten  hin  weist,  eine 
Bildung,  die  den  Motiven  der  ägyptischen 
Bretter  1  Abb.  82)  nicht  unähnlich  ist.  Das 
schöne  Beschlag  Abb.  200  mit  geperltem 
Rande  und  reicher  Palmettenfüllung  in 
richtigem  Keilschnitt  endet  jenseits  des 
Gelenkes  mit  einem  Paar  großer  Kreis- 
lappen, die  eine  Traube  in  die  Mitte 
nehmen1. 

Endlich  bringt  Abb.  201,  ebenfalls 
nach  Riegl  a.  a.  O.  eine  Riemenschnalle 
ausEnnsin  Oberösterreich,  jetzt  im  Linzer 
Museum.  Sie  ist  deshalb  lehrreich,  weil  wir 
die  Kreislappen  der  vier  Einrollungen  sich 
wie  auf  den  goldenen  Wangenstücken  im 
Poltawaschatze  (Abb.  58)  und  auf  der  sasa- 
nidischen  Bronzeschüssel  (Abb.  95)  dem 
Raum  entsprechend  zu  weit  ausbauchen- 
den Spitzen  umbilden,  das  nordasiatische 
Ornament  also  mit  der  gleichen  spiele- 
rischen Freiheit  behandelt  sehen,  wie  auf  südrussischem  bzw.  persischem  Boden.  Alle 
diese  Beobachtungen  wecken  den  Eindruck,  daß  man  doch  auch  bei  einem  Teil  dieser 
Funde  auf  österreichisch-uno-arischem  Boden  noch  mit  den  Händen  asiatischer  Hand- 

O 

_ _  werker     selbst     wird     rechnen 

müssen,  die  fliegenden  Werk- 
stätten wandernder  Metallar- 
beiter sich  also  wohl  nicht  nur 
auf  die  Herstellung  von  Gold- 
sachen beschränkt  haben  dürften. 
Dies  wird  denn  auch  da- 
durch bestätigt,  daß  in  den  an- 
geführten Gegenden  sich  Goldsachen,  wenn  auch  nicht  in  der  Schmuckart  der  Keszthely- 

i     Vgl.    für  die    eingeschobenen   Kugeln   koptische  Parallelen:    Koptische  Kunst  S.  72.  74,   172  und 
Quibell,  Excavations  at  Saqqaia  III  Tat',  ^z  f.  und  IV  Taf.  34  t.,  besonders  alle  Funde  von  Bawit  im  Louvre. 


Abb.    19S.  Abb.  200. 

Abb.  198 — 199:  Wien:  Naturhistorisches  Hofmuseum  : 
Zierstücke  in  Bronze  aus  St.  Veit. 


Abb.  201:   Linz,  Museum:   Riemenzunge  aus  Enns. 


2.   Ursprang  des  albanischen  Schatzfundes. 


251 


und  albanischen  Funde  nachweisen  lassen,  so  doch  mit  jener  eigenartigen  Stab- 
palmette, die  oben  S.  129 f.  und  an  den  Schalen  aus  Nagy-Szent-Miklos  S.  62  beschrieben 
wurde.  Vertreter  dieser  Gattung  sind  die  Goldsachen  aus  Presztovacz  in  Ungarn,  jetzt 
im    kunsthistorischen    Hofmuseum  zu    Wien,    die    vergoldeten    Bronzebeschläge    aus 


Abb.  202:  Wien,  Kunsthistorisches  Hofmuseum:  Zierstücke  in  Gold  aus  Presztovacz. 


Man  möchte,  wenn  man  die  im 


Blatnitza,  jetzt  im  Budapester  Nationalmuseum  und  der  Goldfund  von  Hohenberg  (bei 
Steinach-Irdning  in  Steiermark),  jetzt  im  Landesmuseum  in  Graz.  Ich  will  auch  von 
ihnen  einige  Beispiele  bringen. 

Abb.  202  zeigt  einige  Stücke  aus  Presztovacz  l. 
Wiener  Hofmuseum  gleich  daneben  ausgestellten 
Schalen  von  Nagy-Szent-Miklos  angesehen  hat, 
glauben,  sie  müßten  von  der  gleichen  Hand  ge- 
macht sein.  Es  sind  kleine  Kasten  aus  Flecht- 
werk mit  Perlrändern,  die  im  Rahmen  wie  im  Felde 
Stäbe  mit  Kreislappen  und  dazu  die  gerauhten 
oder  mitStrichpunkten  versehenenLappen  zeigen, 
die  wir  S.  62  (vgl.  bes.  Hampel,  Alt.  III.  Taf.  314) 
besprochen  haben.  Diese,  gegenüber  den  glän- 
zenden Stäben  durch  Rauhung  auffälligen  Glieder 
erinnern  an  die  Stuckornamente  von  Samarra2 
und  dem  Deir  es-Surjani  (S.  21of.). 

Abb.  203  und  204  zeigen  Beispiele  aus  Blatnitza3,  Riemenzungen  in  vergoldeter 
Bronze,  mit  Krönungsmotiven,  die  wir  von  Kairiner  Grabsteinen  Abb.  74 f.  kennen. 
Schräggestellte  Stäbe  mit  Kreislappen  -nehmen  eine  dreilappige  Palmette  mit  Strich- 
punkten in  die  Mitte  und  gehen  unten  über  in  horizontale  Stäbe,  die  nach  oben  eine 


Abb.  203 


Abb.  204 
Budapest,  Nationalmuseum : 
Vergoldete  Bronzebeschläge  aus  Blatnitza. 


1)  Vgl.  auch  Hampel,  Alt.  I  S.  657.  2)  Herzfeld,  Vorläufiger  Bericht  Taf.  II  S.  26  f. 

3)  Vgl.  Hampel,  Alt.  I  S.  658,  III  321  f.    Das  dem  Funde  angehörige  Schwert  wurde  zeither  gereinigt, 


V.    Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 


zweite  Krönung  auf  dreieckigem  Unterbau  tragen.  Der  Rand,  ein  gerader  Spitzbogen, 
setzt  am  andern  Ende  drei  durchlochte  Glockenpalmetten  an,  die  von  dem  „lyraförmigen 
Mittelmotiv"  des  Miklosnapfes  Abb.  122  und  dem  Ephesostäfelchen  Abb.  I93  bekannt 
sind  '.  Die  Füllung  von  Abb.  203  erinnert  auch  an  die  oben  Abb.  96  f.  angeführten 
Taschenbleche  und  Abb.  13g.  Für  die  gezackten  Lappen  von  Abb.  204  vgl.  Abb.  100. 
Die  Funde  von  Hohenberg  (Abb.  205  nach  Diez,  Jahrbuch  der  k.  k.  Zentralkom- 
mission IV  [1906]  Taf.  VIII2)  sind  ebenfalls  Hohlbeschläge  wie  die  von  Presztovacz, 
z.  T.  mit  grobgeperltem  Rande.  Die  Füllungen  werden  besorgt  von  einer  geometri- 
schen Ranke,  die  durch  Abschnürungen  in  Stäbchen  geteilt  ist.  Die  Kreislappen 
wirken  krabbenartig  und  sind  im  Schrägschnitt  ausgetieft  wie  in  St.  Veit  (Abb.  198 f.). 


Abb.  205 :  Graz,  Landesmuseuni :   Goldfund  von  Hohenberg. 


Beachtenswert  ist  das  kleine  Beschlag  mit  dem  Wirbelmotiv  (5),  das  darin  an  die  Stücke 
des  albanischen  Schatzes  Nr.  18  und  13  erinnert.  In  Hohenberg  fanden  sich  auch 
jene  kleinen  Goldzinnen,  die  wir  im  Schatze  von  Vrap  Nr.  26 — 28  kennen  lernten. 
Man  sieht  in  Abb.  205  Stücke  in  Nr.  6  u.  7  oben,  hier  mit  dem  Motiv  der  langen  ge- 
wellten Stiele  der  beiden  Pfannen  im  Nagy-Szent-Miklos-Schatze,  die  Hampel  (Der 
Schatzfund  S.  34  und  Altertümer  III,  Taf.  309)  abgebildet  hat.  Eine  Neuaufnahme 
oben  Abb.  139.  Die  magyarischen  Funde  der  Landnahmezeit  und  ihre  Ornamentik 
(Abb.  96 — 98  und  175)  schließen  hier  unmittelbar  an3. 

E.  Volkszugehörigkeit   des  Schatzes.     So   naheliegend   es  wäre,   nach  der  Ört- 

wobci  Silber  und  Nickel  eingelegt  in  Gold  zu  Tage  kam  in  geometrischen  Ornamenten,  die  tiefen  Schräg- 
schnitt zeigen. 

1     Vgl.  dazu   Math,   Stilprinzipien  Taf.  XLIV  Abb.  373  und  altgermanische  Tierkopfbildungen. 

21  Die  Druckstöcke  von  Abb.  197  und  205  wurden  mir  entgegenkommend  durch  Hoftat  Kubitschek 
überlassen,  wofür  ich  danke.  3)  Hampel,  Alt.  I  S.  7C0  f. 


2.    Ursprung  des  albanischen  Schatzfundes.  253 

lichkeit  des  Fundes  und  der  Zusammengehörigkeit  mit  Nagy-Szent-Miklos,  wofür  eine 
mittelasiatische  Werkstätte  sicher  scheint,  auf  albanischen  oder  bulgarischen  Ursprung 
zu  schließen  (S.  68),  so  sehr  mahnen  Unbestimmtheit  der  Datierung  und  Ausbreitungs- 
bereich des  Ornamentes  der  Schmucksachen  zur  Vorsicht.  Man  betrachte  daraufhin 
eine  historische  Karte.  Eher  könnten  noch  die  Hunnen  oder  Awaren  in  Betracht 
kommen.     Die  ungarische  Forschung  wird  wohl  auch  für  diese  Zuteilung  eintreten. 

So  verweist  Dr.  Supka  für  die  Beziehungen  ,der  Awaren  zur  Metallplastik  und 
zu  Zentralasien  auf  die  von  Minns,  Scythians  and  Greeks  S.  93  zitierte  Stelle  und 
macht  aufmerksam  auf  die  Nachkommen  der  früheren  Awaren,  die  sog.  Morlaken  ', 
„die  sich  598  n.  Chr.  in  den  Besitz  der  Küsten  des  adriatischen  Meeres  gesetzt  und 
ganz  Dalmatien  unterworfen  hatten,  später  aber  von  den  Kroaten  unterjocht  wurden. 
Bis  auf  Konstantin  Porphyrogenitus  behielten  sie  ihren  Namen  und  ihre  Sprache  bei, 
haben  aber  nachmals  beide  eingebüßt"  2. 

Hampel  (Alt.  I,  23)  dachte  an  die  Sarmaten,  iranische  Nomaden,  die  ähnlich  den 
Alanen  nach  Westen  vordrangen.  Von  letzteren  nimmt  Jelic  an3,  daß  sie  bis  Dal- 
matien vordrangen  und  die  Träger  der  Kuppel  an  die  Gestade  der  östlichen  Adria 
gewesen  seien.  Noch  eine  weitere  Möglichkeit  kommt  in  Betracht,  das  südslavische 
Reich,  das  Ludwig  der  Deutsche  840  Pribina  überließ  mit  dem  Hauptsitze  Mosburk, 
jetzt  Szalavar  an  dem  Flüßchen  Szala,  das  sich  südlich  bei  Keszthely  in  den  Platten- 
see ergießt4.  Im  Jahre  850  wurde  dort  durch  den  Salzburger  Erzbischof  eine  Mutter- 
gotteskirche gebaut,  865  noch  von  seinem  Sohn  Kocel  eine  andre  geweiht.  Schon 
866  ging  Kocel  zur  slavischen  Liturgie  über  und  setzte  den  bekannten  Slavenapostel 
Method  als  pannonischen  Bischof  durch.  Dieser  stirbt  885  in  Mähren,  nachdem  ein 
langer  Streit  mit  Salzburg  ausgebrochen  war,  der  erst  mit  der  Ersetzung  Kocels 
durch  bayrische  Gaugrafen  und  der  deutschen  Besiedelung  des  Landes  endete.  Aus 
dieser  Zeit  haben  sich  slavische  Ortsnamen  weit  über  den  Ausbreitungsbereich  unserer 
Schmucksachen  hinaus  bis  nach  Salzburg  und  Osttirol  erhalten.  Wenn  sich  die 
Schmucksachen  überhaupt  mit  den  Slaven  zusammenbringen  ließen,  würde  nach  dem 
Orte  die  kurze  Blüte  des  Reiches  von  Pribina  und  Kocel  dafür  passen. 

Ich  möchte  allen  diesen  Spuren  ohne  irgend  einen  neuen  Anstoß  von  sehen 
meines  eigenen  Faches  nicht  nachgehen.  Man  halte  sieb  vorläufig  an  die  Unter- 
suchungen von  Bela  Pösta,  der  in  seinen  „Archäologischen  Studien  auf  russischem 
Boden" 5  versuchte,  dem  ethnischen  Problem  vom  russischen  Boden  aus  näher  zu 
kommen.  Das  vorliegende  Buch  soll  den  bei  den  Kunsthistorikern  auf  dem  Ge- 
biete der  Ornamentforschung  herrschenden  Bann  der  Einstellung  aut  Rom  und  Byzanz 
brechen  und  im  Kreise  der  Goldschmiedewerke  die  pontische  Theorie  Hampels  derart 
im  Hinblick  auf  das  große  asiatische  Hinterland  umbilden,   daß  die  Bahn  frei  wird 


1)  Vgl.  über  diese  Bezeichnung  Kutschera,  Mitt.  d.  geogr.  Ges.  in  Wien  Bd.  58  (1915)  S.  464  f. 

2)  Castren,  Ethnologische  Vorlesungen  über  die  altaischen  Völker,  Petersburg   1857  S.  74. 

3)  Hrvatski  spomenici  ninskoga  podrueja  I  Dvorska  Kapela  Sv.  Kriza  u  Ninu  19 11.  Ich  verdanke 
eine  Übersetzung  Hrn.  Sektionsrat  Knoll  in  Agram.     Vgl.  Byz.  Zeitschrift  XXII  (1913)  S.  286  f. 

4)  Vgl.  dafür  und  das  Nachfolgende  Stur,  Die  slavischen  Sprachelemente  in  den  Ortsnamen  der 
deutsch -österreichischen  Alpenländer  zwischen  Donau  und  Drau,  Sitz.-Ber.  der  K.  Ak.  d.  Wiss.  in  Wien, 
phil.-hist.  Kl.   176.  Bd.,  6.  Abh.  S.  25  f. 

5)  Dritte  asiatische  Forschungsreise  des  Grafen  Eugen  Zichy  Bd.  III. 


2CA  V.    1 'er  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

für  neue  Forschungsrichtungen,  in  deren  Entwicklung  sich  kunstgeschichtlich  Anlaß 
genug  finden  wird,  auf  die  ethnische  Frage  zurückzukommen.  Die  Kultur  der  Reiter- 
völker dürfte  dabei  eine  Rolle  spielen.  Ihr  wird  vielleicht  zunächst  nachzugehen  und 
zu  beachten  sein,  daß  die  Türken  in  dieser  Zeit  das  Reitervolk  schlechtweg,  die 
Arier  aber  mehr  Fahrer  waren.  Man  lese  nur  die  einschlägigen  Stellen  in  Radioffs 
alttürkischen  Inschriften  der  Mongolei  nach  und  beachte,  was  bei  Hehn,  Kulturpflanzen 
und  Haustiere,  ~.  Aufl.  S.  21   und  623  darüber  gesagt  wird. 

Der  albanische  Schatzfund  weist  stärker  als  die  anderen  vorgeführten  Verwandten 
aus    der  Völkerwanderungskunst    durch    die   Schale  Nr.   7    mit    dem    geometrischen 
Rankenornament  auf  den  Osten  als  Ursprungsland.    Er  stellt  sich  durch  solche  Stücke 
unmittelbar  neben  den  Schatz  von  Xagy-Szent-Miklos.   Gerade  die  Art,  wie  an  diesem 
Stücke    der   zwiebeiförmig    geschweifte  Griff   mit    der   Kreislappenranke    gefüllt   ist, 
zeigt  deutlich,  daß  der  Ausgangspunkt  dieser  Ornamentik  jene  geometrische  Ranke 
der  Nomadengebiete  Mittelasiens  war,  die  sich  über  die  halbmondförmige  Rundung 
hinaus,  wenn  es  der  zur  Verfügung  stehende  Raum  verlangte,  jeder  Art  von  Bildung 
anbequemte.    Auf  dem  Griffe  dieser  Schale  findet  man  alle  Lappenformen  nebenein- 
ander,   reine  Kreislappen    neben    runden    und  spitzen   „Palmettenlappen",    elegante 
Halbpalmetten   neben   unbeholfenen  Vollpalmetten,   deren   geometrische  Entstehung 
ebenso  sicher  ist,  wie   die  des  derben  „Baumes"  auf  dem  Zierstück  aus  Keszthely 
Abb.  195.     Dieser  neue  auf  Flächenfüllung  ausgehende    Geist   der    vom    Osten    vor- 
dringenden   Nomaden   zersetzt  die  mit  den  alten   Treibhäusern   der  Kultur  in  Ver- 
bindung stehende  Kunst  der  persischen  und  Mittelmeergebiete  allmählich  derart,  daß 
die  Kunst  reif  wird  für  den  Umschwung,   der  im  Süden  mit  dem  Islam  erfolgt  und 
am  Mittelmeer  und  in  Europa  nur  aufgehalten  wurde  durch  das  Christentum  und  die 
auf  die  dienende  Rolle  der  darstellenden  Kunst  rechnenden  Fürstenhöfe. 

Die  Schatzfunde  aus  dem  Südosten  Europas,  und  so  auch  der  albanische,  sind 
keine  solchen,  die  rein  arischen  Händen  angehören.  Das  Fehlen  geometrischer  Linien- 
spiele wie  des  Bandgeflechtes  ist  dafür  bezeichnend  —  möchte  ich  schließen.  Dagegen 
scheinen  die  Saken  den  Ausschlag  gegeben  zu  haben,  als  es  sich  um  die  Entstehung 
der  germanischen  Kunst  der  Völkerwanderung  im  Norden  und  der  islamischen  im 
Süden  handelte.     Darauf  gehe  ich  jetzt  über. 

3.  Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Nordvölkern  im  Umkreise 

des  Mittelmeeres. 

Die  für  den  albanischen  und  den  Goldschatz  von  Nagv-Szent-Miklos  bezeichnende 
geometrische  Ranke  bildet  einen  Fremdkörper  in  der  Ornamentik  der  sog.  Völker- 
wanderungskunst des  Nordens  ebenso,  wie  z.  T.  schon  auf  römischem  Gebiete,  wo  sich 
der  Akanthus  zu  vorherrschender  Anwendung  durchgesetzt  hatte.  Riegl 1  hat  zwar 
versucht,  in  Südfrankreich  einen  zweiten  Wirkungskreis  dieser  Ornamentik  festzustellen; 
man  sehe  daraufhin  das  von  ihm  herangezogene  Werk  von  Barriere-Flavy,  Etüde 
sur  les  sepultures  barbares  du  midi  et  de  l'ouest  de  la  France,  Industrie  wisigothique 
und  besonders  die  von  Riegl  zitierten  Tafeln  XII,  NVII,  XXVIII,  XXX  I  durch   und 

1     Beiträge  /.ur  Kunstgeschichte,  Wickhoff  gewidmet,  S.  10. 


3-    Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Nordvolkern   im  Umkreise  des  Mittelmeeres.  255 

wird  erstaunt  fragen,  wofür  diese  Altsachen  eigentlich  den  Beweis  liefern  sollen.  Riegl 
beruft  sich  auf  das  „üppig  bewegte  Pflanzenornament  mit  höchst  charakteristisch 
beschnittenen  Rändern,  auf  granuliertem  Grunde".  Aber  das  ließe  sich  höchstens 
auf  Taf.  XXXI  finden  und  hat  gewiß  nichts  so  Ausschlaggebendes  mit  dem  Pflanzen- 
ornament von  Keszthely  oder  Nagy-Szent-Miklos  (Riegl  nennt  besonders  Hampel, 
Atlas,  Taf.  47)  zu  tun,  daß  man  daraufhin  den  Schluß  auf  ein  gemeinsames  Drittes 
ziehen  müßte,  „das  sowohl  aus  kunst-  wie  aus  wirtschaftsgeschichtlichen  Gründen 
nur  in  der  oströmischen  Kunstproduktion  gesucht  werden  kann".  Ich  glaube  schon,  daß 
bei  den  Germanen  in  Südfrankreich  vielleicht  noch  hellenistischer  oder  byzantinischer 
Einfluß  auftreten  kann1;  mit  der  von  Riegl  in  jenem  Aufsatze  behandelten  generellen 
Frage  hat  das  aber  nichts  zu  tun.  Die  ungarische  Palmettenranke  steht  mit  dem  alba- 
nischen Schatzfunde  und  den  damit  im  Zusammenhange  behandelten  Altsachen  damals 
tatsächlich  einzig  im  Rahmen  der  Kunst  Europas  da.  Das  Pflanzenornament  der  Angel- 
sachsen schließt  eher  an  die  südfranzösischen  als  an  die  Spuren  in  Österreich-Ungarn2. 
Als  sich  die  Völker  im  Norden  und  Südosten  des  Mittelmeeres,  die  Germanen 
und  Araber  in  Bewegung  setzten,  war  der  Vorstoß  der  Türken  bereits  im  Gange. 
Aus  dem  Widerspiele  dieser  Kräfte  gegen  die  alten  Treibhauskulturen  geht  die  neue 
Zeit  hervor,  in  der  nur  Hof  und  Kirche  der  Kunst  konservativen  Halt  gaben.  Auf 
beide  haben  Türken3,  Germanen  und  Araber4  im  ersten  Jahrtausend  kaum  einen  mehr 
als  örtlichen  Einfluß  gewonnen.  Ihr  Wirken  hat  die  semitischen  Kulturvölker  und 
von  den  Ariern  die  Griechen,  Armenier  und  Iranier  neben  Südeuropa,  und  für  das 
Klosterwesen  vielleicht  den  Buddhismus,  zur  Voraussetzung.  Nachdem  in  meinen 
Arbeiten  über  „Orient  oder  Rom",  „Kleinasien,  ein  Neuland",  „Koptische  Kunst", 
„Amida"  und  in  zahlreichen  Aufsätzen,  auf  die  in  der  Bibliographie  der  byzantinischen 
Zeitschrift  und  z.T.  auch  im  vorliegenden  Buche  in  Anmerkungen  verwiesen  wurde, 
diese  kultliche  Kunst  des  Christentums  sowohl,  wie  im  Amidawerke  auch  die  des 
Islams  im  Vordergrunde  stand,  und  im  vorhergehenden  Abschnitte  neue  Forschungs- 
grundlagen rein  vom  ziergeschichtlichen  Standpunkte  für  die  altaischen  und  arischen 
Erreger  herausgearbeitet  wurden,  sei  jetzt  auf  den  damals  noch  flüssigen  Bestand  der 
wandernden  Völker  im  Umkreise  des  Mittelmeeres  selbst  eingegangen,  auf  die  Ger- 

1)  Vgl.  mein  „Kleinasien,  ein  Neuland"  S.   195  f.,  208  f.,  230. 

2)  Wie  unmittelbar  asiatische  Rankenornamente  im  Westen  aussahen,  belegt  das  Book  of  Keils  (Zimmer- 
mann, Vorkarolingische  Miniaturen  Taf.   196). 

3)  Über  den  Einfluß  auf  das  Kostüm  vgl.  übrigens  Kondakov,  Gesch.  u.  Denkmäler  des  byzantinischen 
Emails  S.  57/8  und  unten.  Dazu  ist  u.  a.  zu  bemerken:  „In  der  weiblichen  Tracht  herrscht  in  Europa 
seit  dem  14.  Jahrh.,  vorbereitet  durch  die  römische  Kultur  und  die  Richtung  des  Christentums,  der  über 
Spanien  eingeschleppte  „tropische"  Weiberrock,  die  Dschubba  (franz.  jupe).  Die  arische  Hosentracht  aber 
hat  sich  von  den  Iraniern  über  den  ganzen  Islam  verbreitet  und  ist  dort  festgehalten  worden.  Die  Tracht 
der  Saken  ist  Mütze,  Armeljacke  und  Hose,  und  die  germanische  Tracht  ist,  wie  Reste  ausweisen,  offenbar  die 
gleiche  gewesen,  wurde  aber  an  den  römischen  Grenzen  bei  den  Vornehmen  durch  die  Tracht  der  Römerin 
verdrängt  („Thusnelda")  wie  später  das  Hemd  und  der  Mantel  durch  die  spanische  Tracht,  die  von  den 
Arabern  übernommen  wurde".  (Mitteilung  von  Dr.  Hüsing.)  So  haben  wir  heute  in  der  weiblichen  Tracht 
den  völligen  Umtausch:  die  Semitinnen  kleiden  sich  arisch,  die  Arierinnen  semitisch.  Auch  hier  hat  das 
„klassische"  Altertum  alle  Begriffe  verwirrt:  die  griechische  Tracht  ist,  wie  die  italische,  semitisch-hettitisch. 

4)  Immerhin  sucht  H.  Glück,  Der  Breit-  und  Langhausbau  in  Syrien  auf  kulturgeschichtlicher 
Grundlage  'Arbeiten  des  kunsthist.  Instituts  der  Universität  Wien  (Lehrkanzel  Strzygowski  Bd.  VI)  ara- 
bische Elemente  in  der  christlichen  Kunst  Syriens  nachzuweisen. 


256 


V.  Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 


manen  und  die  unter  dem  Sammelnamen  des  Islams  vereinigten  Orientalen.  Sie  sind 
nicht  durchaus  Erreger  einer  neuen  Kunst,  sondern  zum  guten  Teile  Träger  der 
besprochenen  älteren  türkisch-altaischen  und  sakisch-arischen  Bewegung,  die  schon 
seit  Christi  Geburt  etwa  bis  an  das  Mittelmeer  durchgesickert  war  und  nun  mit  der 
Völkerwanderung  in  Nord  und  Süd  ihren  Siegeslauf  antrat. 

Die  frühe  germanische  und  die  islamische  Kunstbewegung  kann  nur  von  ihrem 
türkisch -sakischen  Ausgangspunkt  in  der  Altai -Iran -Ecke  aus  verstanden  werden. 
Wir  glauben,  weil  die  Ursitze  der  wandernden  Germanen  und  Araber  weit  von  dieser 
Keimstelle  weg  in  Nordeuropa  bzw.  Arabien  liegen,  müßte  ihre  Kunst  von  dem  da- 
zwischen ausgebreiteten  Mittelmeer  her  erklärt  werden,  und  vergessen  ganz,  daß 
primitive  Völker  trotz  aller  aus  den  Kulturoasen  zu  ihnen  vordringenden  religiösen 
Strömungen  künstlerisch  nicht  im  Handumdrehen  Vertreter  hoher  Kultur  werden 
konnten,  sondern  lieber  den  Zustrom  anderer  niederer  Kunstkreise  aufnahmen,  be- 
vor sie  in  die  überlegene,  aber  ihnen  zunächst  unverständliche  Strömung  hoher 
Kulturen  einlenkten.  So  verhielten  sich  schon  die  Griechen,  als  sie  im  Gefolge  der 
„dorischen  Wanderung"  in  den  kretisch-mykenischen  Kulturkreis  eintraten.  Der 
geometrische  Dipylonstil  war  geradezu  eine  Absage  gegen  die  Kunst,  die  sie  vor- 
fanden. Später  unterlagen  sie  freilich  wie  die  Inder  und  Iranier  den  älteren  Oasen- 
kulturen des  Orients.  Die  Araber,  und  was  sie"  dem  Islam  unterwarfen,  nahmen 
im  Gebiete  der  bildenden  Kunst  nie  —  die  kurze  Zeitspanne  der  Omajjaden  in  Syrien 
liegt  vor  der  Entstehung  der  islamischen  Kunst  —  die  Mittelmeerkunst  an,  sie 
hielten  vielmehr  an  der  sakisch-türkischen  Art,  die  sie  in  Nordostpersien  übernommen 
hatten,  fest  bis  auf  den  heutigen  Tag.  Und  die  Germanen  brachen  z.  T.  mit  der 
Art  ihrer  eigenen  vorgeschichtlichen  Vergangenheit  und  nahmen  auch  zunächst  die 
Kunst  jener  Völker  an,  die  ihre  Wanderungen  ausgelöst  hatten  bzw.  mit  denen  sie 
wandernd  in  Berührung  traten.    Diesen  Dingen  sei  hier  getrennt  nachgegangen. 

Religionen  decken  wie  Sprachen  immer  wieder  Rassen-  und  Volkszusammenhänge 
zu.  Weil  die  Saken,  Iranier  und  Inder  heute  nicht  dem  Christentum  angehören,  fallen 
sie  außerhalb  des  Gesichtskreises  des  auf  Europa  geeichten  deutschen  Kunsthistorikers. 
Ihm  stehen  die  Semiten  näher  als  jene  im  Zuge  der  indogermanischen  Achse  nach  dem 
östlichen  Iran  gelangten  Arier,  soweit  er  überhaupt  über  Hellas  und  Rom  hinausblickt. 
Daher  ist  es  heute  noch  so  schwer  über  die  religiösen  und  sprachlichen  Grenzen  hin- 
auszukommen, was  jedoch  bald  in  Angriff  genommen  werden  muß,  soll  der  Humanis- 
mus, dem  wir  so  viel  zu  verdanken  haben,  nicht  allmählich  zum  Fluche  des  deutschen 
Volkes  werden1.  Vor  allem  gilt  es,  von  dem  Rätsel  der  islamischen  Kunst  den 
Schleier  zu  ziehen  und  zu  zeigen,  daß  damit  nicht  nur  wichtige  den  Nomaden,  vor 
allem  den  Türken  eigene  Merkmale,  sondern  auch,  was  den  Europäer  mehr  beschäftigen 
wird,  wertvolle  arische  Züge  zugedeckt  werden,  deren  Kenntnis  für  das  Verständnis 
der  späthellenistischen  und  frühen  mittelalterlichen  Kunst  notwendig  ist. 

A.  Die  Araber  und  der  islamische  Kreis.  Die  einzig  dastehende  katastrophale 
Bewegung,  die  die  scheinbar  für  die  Ewigkeit  verankerten  Oasenkulturen  in  Vorder- 
asien und  Nordafrika  über  den  Haufen  rannte  und  den  Islam  zur  Weltmacht  em- 
portrug,  geht  aus  von  den  Nomaden  Arabiens.     Die  erste  arabische  Zeit,  der  auch 

i     VgL  dazu  auch  Jacob,  Östliche  Kulturelemente  im  Abendland  S,  24. 


3.    Die  Wirkung  bei  den  Nomaden   und  Nordvölkern  im  Umkreise  des  Mittelmeeres.  257 

noch  die  Omajjaden  in  Syrien  zuzurechnen  sind,  hört  bald  auf,  der  Islam  mündet 
rascher,  als  es  die  im  ersten  Ansturm  erreichte  Berührung  mit  dem  Mittelmeere 
erwarten  ließ,  in  jene  Richtung  ein,  die  vorzuführen  Gegenstand  dieses  Buches 
war.  Das  erklärt  sich  aus  einem  doppelten  Grunde.  Fürs  erste  waren  die  Be- 
wohner der  arabischen  Halbinsel  in  ihrem  ursprünglich  ausschlaggebenden  Teile 
in  der  Zeit  vor  Muhammed  vom  Mittelmeere  unabhängig  eigene  Wege  gegan- 
gen, die  sie  mehr  mit  Persien  und  dem  Osten  überhaupt  als  mit  dem  Westen  in 
Verbindung  brachten;  und  dann  gab  schließlich  künstlerisch  ihre  Nomadenart 
den  Ausschlag,  umsomehr  als  ihr  vom  Nordosten  her,  wie  gezeigt  wurde,  eine  ähn- 
liche Strömung  entgegenkam.  Darin  liegt  z.  T.  wenigstens  die  Erklärung,  warum 
sehr  bald,  Damaskus  und  Baghdad  gegenüber,  jene  Gegend  kulturell  führend  in  den 
Vordergrund  trat,  in  der  dann  auch  ein  Firdousi  wirkte,  und  warum  die  islamische 
Kunst  jene  einzig  dastehende  rein  dekorative  Richtung  auf  ornamentaler  Grundlage 
nahm,  die  sie  von  jeder  anderen  Kunstart  im  Bereiche  Vorderasiens  ebenso  auf- 
fallend unterscheidet,  wie  gegenüber  dem  christlichen  Europa  und  Ostasien. 

a)  Der  Anteil  der  Araber.  Die  heute  herrschende  Ansicht  vom  Ursprünge  der 
islamischen  Kunst  nimmt  freilich  an,  ganz  Asien  sei  in  der  Zeit  nach  Alexander  d.  Gr. 
durchgreifend  hellenisiert  worden  und  die  spätrömische  Kunst  habe  aus  sich  heraus  jene 
neue  Richtung  angebahnt,  die,  mit  dem  Christentum  zur  vollen  Reife  gelangend,  den  Nähr- 
boden zur  Befriedigung  der  Kunstbedürfnisse  auch  der  Araber  bzw.  des  Islams  abgegeben 
habe.  Merkwürdigerweise  hat  diese  von  Gayet  und  Riegl  aufgestellte  Theorie  selbst  bei 
Arabisten  Eingang  gefunden.    Wie  verkehrt  sie  ist,  habe  ich  oben  zu  zeigen  versucht. 

Dabei  muß  von  vornherein  auf  eine  Lücke  aufmerksam  gemacht  werden.  Die 
islamische  Kunstforschung  beginnt  gleich  mit  Denkmälern,  die  aus  der  Zeit  nach  Mu- 
hammed und  aus  einer  Periode  vorliegen,  in  der  die  Araber  bereits  die  gesamte  Kultur- 
welt der  südöstlichen  Küsten  des  Mittelmeeres  überschwemmt  und  Vorderasien  bis  an  die 
indischen  und  chinesischen  Grenzen  erobert  hatten.  Um  sich  zu  vergegenwärtigen,  wie 
viel  dieser  Zeit  an  künstlerischer  Tätigkeit  vorausliegen  dürfte,  blicke  man  zurück  auf 
den  Norden,  wo  etwas  früher  die  der  semitischen  parallele  germanische  Völkerwande- 
rung stattgefunden  hatte.  Wenn  wir  den  Nationalgeschmack  dieser  Nordländer  etwa  nach 
dem  beurteilen  wollten,  was  Theodorich  oder  Martin  von  Tours  an  Monumentalbauten 
oder  die  Klöster  und  Kirchen  in  Gallien  und  Spanien  an  Kunst  überhaupt  schufen, 
so  würden  wir  auf  vollkommen  falsche  Fährte  gelangen.  Den  Ausgangspunkt  müssen 
da,  wie  es  auch  bei  den  Arabern  sein  sollte,  die  volkstümlichen  Geräte  und  Schmuck- 
sachen bilden.  Sie  treten  im  Norden  allerorten  in  Gräbern  zutage  und  lehren  etwas 
sehr  Überraschendes:  neben  einheimischen  und  griechisch-römischen  Elementen  macht 
sich  stark  auch  mittelasiatischer  Einfluß  geltend.  Um  wieviel  mehr  das  bei  den 
Arabern  vorauszusetzen  ist,  wurde  oben  besprochen.  Leider  findet  sich  in  der  arabi- 
schen Reiseliteratur  wie  dem  Tagebuche  von  Euting  und  den  Werken  von  Doughty, 
Palgrave,  Lady  Blunt  u.  a.  darüber  kaum  eine  Andeutung.  Nur  die  üblichen  Felszeich- 
nungen von  Tieren  und  Jagden  wurden  beachtet1.   Hoffen  wir,  daß  die  Zukunft  über  den 


1)  Euting,  Tagebuch  II  S,   137  f.    Vgl.  ferner  Bemerkung  I,  193  über  die  Bedeutung  des  Halsbandes 
und  öfter  über  moderne  Zickzack-  und  Rautenmotive.  II  S.  143  teilt  er  eine  altarabische  Zeichnung  (Haken- 
kreuz und  Hase)  mit.     Doughty,  Travels  in  Arabia  deserta  I  S.  512  gibt  Tierzeichnungen. 
Strzygowski,  Altai.  I" 


-,-g  V.   Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

<  Vnamentgeschmack  der  nomadisierenden  Araber  aus  der  Zeit  vor  Muhammed  noch 
Aufschluß  bringt  l.  Erwarten  läßt  sich  von  vornherein  Verwandtschaft  mit  den  No- 
maden Nordasiens  durch  Vermittlung  Irans  und  Nordmesopotamiens.  Diese  Gebiete, 
die  schon  das  ornamentale  Schaffen  des  Hellenismus  allmählich  derart  mit  asiatischen 
Elementen  durchsetzten,  daß  man  in  spätrömischer  und  byzantinischer  Zeit,  wie  ge- 
zeigt wurde,  von  einer  Vorherrschaft  des  asiatischen  Geschmackes  reden  kann,  hatten 
die  Umgebung  der  Wüste:  Syrien,  die  Küsten  Arabiens  und  Iraq  längst  im  Wege 
des  Handels  und  Weltverkehres  durchsetzt.  An  der  Westküste  Arabiens  spielte  sich 
der  indochinesische  Seehandel  ab;  die  Städtekulturen  dieser  Gegenden  verdanken 
ausschließlich  dem  Transitverkehr  ihre  Blüte.  Von  Rom  und  Byzanz  waren  die  heidni- 
schen Araber  durch  den  Pufferstaat  der  Ghassaniden,  von  Persien  durch  das  ebenfalls 
arabische  Reich  von  Hira  getrennt.  Wenn  ihnen  durch  diese  Stammesbrüder  oder 
die  westliche  Handelsstraße  Kunstformen  übermittelt  wurden,  können  es  nur  syrische, 
d.  h.  halbpersische  oder  vom  Osten  aus  nur  unmittelbar  persisch-türkische,  nebst 
indochinesischen  Elementen  gewesen  sein.  Ein  Hauptmittler  persischer  Art  war 
Bahrein,  wovon  oben  S.  183  die  Rede  war. 

Es  gibt  zwei  monumentale  Zeugen,  die  in  diesem  Zusammenhange  zu  nennen 
sind:  Hatra  und  Mschatta,  beide  für  nomadisierende  Araber  erbaute  Anlagen  der 
vorislamischen  Zeit  und  typisch  hellenistische  Grenzerscheinungen.  Hatra2,  aus  dem 
III.  Jh.,  verbindet  mit  der  iranisch -armenischen  Gußmauertechnik  den  typischen 
Liwanbau,  der  wohl  auf  Nomadenbrauch  zurückzuführen  sein  wird,  und  im  Oberbau 
hauranische  Art  aufweist.  Mschatta  wurde  schon  in  meiner  Festschrift  für  die  Eröffnung 
des  Kaiser  Friedrich-Museums  als  typisch  persisch  in  der  Architektur  und  nordmeso- 
potamisch-sasanidisch  in  der  Ornamentik  der  Fassade  angesprochen.  Wenn  man  sich 
nach  den  Ergebnissen  dieses  Buches  vor  die  Fassade  stellt,  taucht,  wie  gesagt,  der  Ge- 
danke auf,  ob  nicht  in  dem  seltsamen  Zickzackfries  mit  den  bossierten  Rosetten  wieder 
das  oben  besprochene  Zattel-  oder  Lambrequinmotiv,  eines  der  Leitmotive  in  der 
Kunst  der  Zeltnomaden,  wiederkehrt.  Die  Mschattafassade  zeigte  dann  die  monu- 
mentalste Fassung  die  dem  hochasiatischen  Geschmack  im  Westen  von  hellenistisch- 
persischen Händen  gegeben  wurde  (vgl.  oben  S.  72 f.  und  1 5 1  f.,  dazu  Diez,  Kunst  der 
islamischen  Völker  S.  28  f.). 

Eine  eigene  Monumentalarchitektur  haben  die  arabischen  Nomaden  natürlich 
nicht  besessen.  Über  die  Baukunst  der  Städte  hätte  die  südarabische  Expedition 
der  Wiener  Akademie  Aufschluß  bringen  können,  wenn  ihr  ein  Kunsthistoriker  bei- 
gegeben worden  wäre3.  Hoffen  wir,  daß  jetzt  die  Bearbeitung  des  Glaserschen  Materials 
Anregungen  bringen  wird.  Die  arabische  Moschee  schließt  an  Muhammeds  Haus  in 
Medina  an:  ein  Hof,  von  Hallen  umschlossen,  die  auf  Palmstämmen  ruhten4.  Man 
sollte  meinen,  daß  die  Formkraft  der  Araber  wenigstens  zur  Schaffung  einer  eigenen 
Stütze   für  diese  Hallen  hingereicht    hätte;    in   Wirklichkeit    haben    sie   anfangs    ihr 

1)  In  der  Literatur  werden  jemenische  StofTe  und  soluqische  Schwerter  (vgl.  Schwarzlose,  Waffen 
der  Araber)  erwähnt.     Mitteilung  von  Dr.  Grohmann. 

2  Andrac,  Hatra,   2  Bde.   1908  und   19 12. 

3  VgL  D.  II.  Müller,  Die  Burgen  und  Schlösser  Südarabiens,  Sitegsber.  d.  pliil.-h.ist.  Kl.  d.  k.  Ak.  d. 
Wiss.  in   Wien   XCVII,   S.  955  f. 

Amida  S.  323  f. 


3.   Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und   Nordvölkern  im   Umkreise  des  Mittelmeeres. 


259 


Säulenmaterial  aus  christlichen  Kirchen  geholt l.  Für  diesen  offenbaren  Mangel  eines 
angeborenen  Bausinnes,  der  letzter  Hand  in  dem  mangelnden  Verständnis  des  Nomaden 
für  den  Innenraum  wurzelt2,  spricht  auch  überzeugend  die  Art,  wie  die  bekanntesten 
Moscheen,  die  Amr-  und  Azhar-Moschee  in  Kairo  und  diejenigen  von  Kairuan  und 
Kordova  durch  Agglomeration  zu  ihrer  heutigen  Ausdehnung  gelangt  sind,  also  von 
vornherein  des  Hauptmerkmals  einer  ausgeprägten  Bauform,  des  geschlossenen  Or- 
ganismus entbehren. 

b)  Perser  und  Türken.  Mit  dem  Eintritte  der  Perser  und  Türken  in  den 
Islam  gesellten  sich  zu  den  Semiten  Arier  und  Altaier.  Was  sie,  und  zwar  haupt- 
sächlich künstlerisch,  gegenüber  dem  Mittelmeere  und  den  Hochkulturen  überhaupt 
einigte,  war  das  Vorherrschen  des  Nomadentums  in  den  Rassenteilen,  die  sich  zu- 
nächst zusammenschlössen.  Den  Ausschlag  in  dem  dadurch  zur  Einheit  zusammen- 
gefaßten Nomadengebiete  gaben  nicht  die  eingesprengten  Oasen  von  Hochkulturen 
wie  Mesopotamien  oder  das  Sammelbecken  der  persischen,  indischen  und  chinesischen 
Kunst  im  Tarimbecken,  sondern  eben  die  Nomadengebiete.  Daher  ist  auch  in  der 
Baukunst  wenigstens  ursprünglich  der  offene  Hof  entscheidend  und  der  mehr  denkmal- 
artige nicht  so  sehr  raumkünstlerische  Charakter  des  Grabbaues.  Erst  die  Osmanen 
brachten  von  Brussa  und  Konstantinopel  aus  die  Kuppel  als  ausgesprochene  Raum- 
form zur  großartigsten  Entwicklung.  Für  die  ältere  Zeit  lassen  sich  die  treibenden 
Kräfte  vorläufig  noch  am  deutlichsten  in  Ägypten  überblicken. 

Architektur  kam  dort  in  das  islamische  Bauen  erst,  als  Perser  und  Türken  an  Stelle 
der  Araber  die  Führung  übernahmen.  Der  Türke  Ahmed  ibn  Tulun  war  es,  der  in 
Ägypten  die  Pfeilermoschee  aus  Mesopotamien  einführte3  und  jene  Art  der  Stuck- 
ornamente, von  der  oben  die  Rede  war;  sie  kam  wahrscheinlich  über  Bahrein,  wie 
S.  183  f.  gesagt  wurde.  Ein  geradezu  ostpersischer  Moscheentypus  drang  mit  den  Aju- 
biden  nach  Syrien  und  Ägypten,  mit  den  Seldschuken  nach  Kleinasien  vor:  die  Me- 
drese.  Auch  sie  war,  wie  das  Haus  des  Muhammed,  bzw.  die  Moschee  eine  Hofanlage 
und  zwar  dieser  arabischen  Form  gegenüber  die  von  den  Türken  bevorzugte4.  Auf 
den  Hof  münden  in  den  Achsen  Säle  mit  offenen  Tonnengewölben,  Liwane,  zwischen 
denen  in  den  Ecken  mehrgeschossige  Schulräume  eingebaut  sind.  •  Ob  dieser  Form 
schon  dem  Ursprünge  nach  etwas  geradezu  Türkisches  anhaftet,  ist  vorläufig  nicht 
zu  durchschauen. 

Günstiger  ist  das  Beobachtungsfeld  im  Gebiete  der  Wandverkleidung  in  Stuck, 
die  uns  nach  der  ornamentalen  Seite  hin  bereits  mehrfach  beschäftigt  hat  (vgl.  S.  94f., 
176f.  und  209f.).  Dabei  spitzt  sich  das  Problem  der  islamischen  Kunstentwicklung, 
soweit  der  mittelasiatische  Einfluß  in  Betracht  kommt,  ähnlich  zu,  wie  bei  der 
Ranke,  für  die  man  Ägypten  zum  gebenden  Teile  machen  wollte.  Die  keramische 
Technik  kann  als  die  transoxanische  und  turkestanische  Plastik  schlechtweg  bezeichnet 
werden5.    Sie  steht  im  Tarimbecken  so  stark  unter  dem  Einflüsse  von  Gandhara  und 


1)  Vgl.  dazu  auch  „Der  Islam"  II  (191 1)  S.79f.  und  Kaufmann,  Die  Ausgrabung  d.Menas-HeiliglümerS.  56. 

2)  In  1001  Nacht  werden  Bauten  gern  Geistern  (Dschinnen)  zugeschrieben. 

3)  Vgl.  meine  Koptische  Kunst  S.  XXIII  f. 

4)  Vgl.  über  den  Typus  Diez,  Die  Kunst  der   islamischen  Völker  S.  96  f. 

5)  Vgl.  meinen  Aufsatz  in  der  Österr.  Monatsschrift  für  den  Orient  XL    (19 14)    S.  71  f.   und  Monats- 
hefte für  Kunstwissenschaft  VIII  (1915)  S.  361  1". 

i7  + 


->£q  Y.    Der  Xomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

China,  daß  nicht  der  Nomadencharakter,  sondern  die  figürliche  Plastik  durchschlägt, 
die  erst  auf  iranischem  Boden  in  die  typische  Nomadenart  umgebildet  wird.  Wie 
sich  diese  Umbildung  vollzog,  daß  läßt  sich  in  einem  Falle  noch  deutlich  aufweisen. 
Ich  greife  ihn  aus  der  ungeheuren  Fülle  der  Probleme,  die  sich  aus  der  neuen 
Auflassung  vom  Wesen  der  islamischen  Kunst  ergeben,  heraus,  weil  er  ein  scharfes 
Licht  auf  die  Befangenheit  der  Spezialisten  auf  dem  Gebiete  der  islamischen  Kunst- 
forschung wirft,  die  durchaus  nicht  von  der  westöstlichen  Richtung  der  Entwick- 
lung, von  der  Antike  und  Byzanz  abgehen  wollen. 

c)  Mittelasiatische  Keramik  auf  dem  Wege  nach  Mosul.  Da  es  sich 
dabei  um  figürlichen  Schmuck  handelt,  also  keinesfalls  um  einen  Einschlag  der 
Nomadenkunst,  sondern  um  einen  solchen  von  Seiten  der  Oasenkulturen,  so  kann 
die  Fragestellung  nur  sein:  ist  die  in  der  ostislamischen  Kunst  auftauchende  mensch- 
liche Gestalt  altorientalisch- hellenistischen  oder  chinesisch-indischen  Ursprunges?  Den 
Anlaß  zu  dieser  Problemstellung  gab  eine  Arbeit  von  Friedrich  Sarre  über  islamische 
Tongefäße  aus  Mesopotamien '. 

Es  ist  bezeichnend  für  den  Gesichtskreis  dieses  Aufsatzes,  daß  er  an  dem  Problem 
achtlos  vorüberging  und  erst  ein  kunsthistorischer  Laie,  M.  Hartmann,  auf  die 
Sachlage  aufmerksam  machen  mußte,  ohne  daß  es  ihm  gelungen  wäre,  Sarre  zur 
Einsicht  zu  bringen2.  Es  handelt  sich  dabei  um  Tongefäße,  die  im  Kunsthandel 
auftauchten  und  heute  in  Sammlungen  und  Museen  von  Paris,  London  und  Berlin 
zu  finden  sind.  Abb.  206  gibt  davon  eine  Vorstellung3.  Sie  zeigt  den  Oberteil  eines 
dieser  offenbar  als  Massenware  erzeugten  Gefäße.  In  einer  halbrund  schließenden 
Xische  sitzt  unter  einem  Yogelpaar  auf  durchbrochenem  Rankengrund  eine  Gestalt, 
wie  wir  sie  bereits  von  der  „sasanidischen"  Silberschüssel  Abb.  132  her  kennen: 
sie  hockt  nämlich  auf  einem  mit  der  geometrischen  Ranke  geschmückten  Teppich, 
dessen  Typus  ebenfalls  (vgl.  oben  S.  1 5 8  f.)  bereits  vorgeführt  wurde.  Der  Mann  ist  ge- 
kleidet in  einen  Kandusch  (Kaba^  mit  ornamentierten  Rändern,  die  über  der  Brust  ge- 
kreuzt sind;  um  die  Hüften  ein  Gürtel.  Das  Kostüm  kehrt  wieder  bei  zwei  Gestalten, 
die  beiderseits  neben  der  Mittelnische  wie  Pfeiler  dastehen  und  ebenso  wie  die  Haupt- 
figur Gefäße  und  dergl.  mit  einer  Hand  vor  die  Brust  halten  —  man  vergleiche  die 
Silberschüssel  —  während  die  andere  Hand  wechselnd  bewegt  ist.  Über  den  stehenden 
Gestalten  Büsten  mit  reichem  Kopf-  und  Brustschmucke.  Seitlich  zerbrochene  Löwen- 
henkel von  S-förmigen-,  Rosetten-  und  Knopfornamenten  umrahmt,  ähnlich  wie  die 
Nischen  selbst.  Unten  zwischen  Löwenköpfen  ein  Feld  mit  eigenartiger  geometrischer 
Ranke  auf  gerauhtem  Grunde4.  Diese  Ranke  ließe  sich  mit  ihren  spitzovalen  „Ein- 
rollungen", d.  h.  Kreislappen,  die  krabbenartig  wirken,  mit  der  Stabranke  der  Schalen 
von  Nagy-Szent-Miklos  (Abb.  122),  die  Ranke  oben  in  Durchbrucharbeit  mit  der  des 
transoxanischen  Kotschkarschatzes  (Abb.  1 80)  vergleichen. 

1    Jahrbuch  der  kgl.  preuß.  Kunstsammlungen  XXVI  (1905)' S.  69  f. 

i  Di«  wissenschaftliche  Auseinandersetzung  spielte  sich  in  der  Orientalfetischen  Literaturzeitung  ab. 
Zu«  BFentlichte    Hartmans    1905    Sp.  277  f.   eine    Besprechung    der    Arbeit   Sarres,   der    im    gleichen 

rgange  Sp.  541  f.  antwortete.    Neuerdings  ist  er  dann  Amtliche  Berichte  aus  den  ki;l.  Kunstsammlungen 
WXIV   (1913)   Sp.  45  ff.  und  XXXV  11914!  Sp.  1S1  f.  auf  die  Sache  zurückgekommen. 

ck  wurde   von  der  Groteschen  Verlagsbuchhandlung  aus  dem  Jahrbuch  a.  a.  O.  S    ~ 
gestellt,  wofür  ich  danke.  \    Vgl.  die  ungarischen  Taschenbleche  Abb.  96 — 9S. 


3.    Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Nordvölkern   im  Umkreise  des  Mittelmeeres. 


2Ö1 


Ich  denke,  es  wird  jedem  Beschauer  sofort  auffallen,  daß  die  Figuren  und  besonders 
deren  Köpfe  dem  typisch  indochinesischen  Mischstil  angehören.  Aber  das  leugnete 
eben  Sarre.  Die  islamische  Kunst  muß  —  er  berief  sich  dabei  (OLZ  1905, 
Sp.  547)  auch  noch  auf  mich  —  unbedingt  in  allen  für  ihre  Genesis  in  Betracht  kom- 


Abb.  206 :  London,  Victoria  and  Albert -Museum :  Oberteil  eines  Tonkruges. 


menden Elementen  am  mesopotamischen Schlagbaume1  Haltmachen.  Zentralasiatische 
Einflüsse  sind  erst  seit  dem  Mongolensturme  möglich,  eine  These,  die  Sarre  im  Einver- 
nehmen mit  Falke2  vertrat.  Daß  es  vor  den  Mongolen  schon  Türken  gegeben  hat 
und  überdies  die  Saken  Mittler  zwischen  dem  Hellenismus  zuerst  und  später  dem  Islam 
und  den  indochinesischen  Kunstkreisen  waren,  geht  einzelnen  Herren  auf  keine  Weise 
ein.  Und  doch  hat  sich  Hartmann  alle  erdenkliche  Mühe  gegeben,  auf  seine  Art  da- 
von zu  überzeugen.     Der  Kunsthistoriker  kann  den  Beweis  anschaulich  erbringen. 


1)  Vgl.  darüber  Monatshefte  VIII  (1915)  S.  3601". 

2)  Kunstgeschichte  der  Seidenweberei .  I,  S.  87  f.     Bei  Sarre  fangen  jetzt  allmählich  die  bei  den  Aus- 
grabungen von  Samarra  gemachten  Erfahrungen  an,  ernüchternd  zu  wirken. 


26: 


V.    Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasien>. 


Der  Schmuck  —  denn  es  handelt  sich  wohl  kaum  um  Portrats,  weder  hier  noch 
sonst  außer  vielleicht  auf  Münzen  des  gottlosen  Muqtadir  —  ist  auf  diesen  Krügen 
in  einer  eigenartigen  Technik  ausgeführt,  die  wir  gewöhnlich  als  „Barbotin-"  oder 
Gießbüchsenwerk  bezeichnen.  Ägypten  weist  darin  wohl  die  trefflichsten  Beispiele  auf 
und  ebenso  andere  Mittelmeerländer.  Aber  die  eigentliche  Heimat  dieser  Technik  scheint 
später  doch  Transoxanien  und  Turkestan  mit  Khotan  gewesen  zu  sein.  Von  dort  aus 
muß  eine  ausgedehnte  Ausfuhr  nach  Persien  und  Mesopotamien  stattgefunden  haben, 
der  vielleicht  auch   die  Stücke  angehören,  die  Sarre  in  den  genannten  Arbeiten  vor- 


Abb.  207:  Thronende  Gestalt.  Abb.  20S:  Musikant: 

Petersburg,  Ermitage:  Tonfiguren  aus  Afrasijab. 


geführt  hat.  Neben  vollständigen  Krügen  kommen  allerhand  Figürchen  von  solchen 
und  möglicherweise  einst  architektonisch  verwendeten  Reliefs  in  Betracht.  Dafür  seien 
hier  einige  Belege  vorgeführt. 

Bei  Ausgrabungen,  die  von  russischer  Seite  im  Jahre  1904  auf  dem  Ruinenfelde 
von  Afrasijab  bei  Samarkand  durchgeführt  wurden1,  stellte  man  fest,  daß  es  sich 
um  den  alten  Kern  dieser  Stadt  handle,  wie  sie  von  den  arabischen  Geographen  des 
X.  Jh.  beschrieben  wird.  Das  „Schahristan"  wurde  von  den  Bewohnern  endgültig  erst 
nach  der  mongolischen  Verheerung  von  1220  verlassen.  Bei  den  Ausgrabungen  wurde 
ein  Bau  freigelegt,  dessen  Ziegel  den  Namen  der  vorislamischen  Herrscher  von  Sogd 


1     Vgl.   Orientalistische   Lileraturzeitung  VIII   (1905)   Sp.  557  f.   und  Kondakow,  Gesch.   und  Denk- 
v/.antinisclien  Emails  S.  52  f.     Er  verlegt  den  Ort  Afrasijab  nach  Taschkend. 


3-   Die  Wirkung  bei  den   Nomaden  und  Nordvölkern  im  Umkreise  des  Mittelmeeres. 


263 


„Ichschid"  trugen,  den  man  nach  Hartmann  weder  in  dieser  Bedeutung  noch  als  Eigen- 
namen später  als  die  ersten  vier  Jahrhunderte  der  Hedschra  antrifft.  Durch  Kauf 
wurden  dort  auch  Tonfiguren  von  Menschen  und  Tieren  aufgebracht,  die  kaum  aus 
der  Zeit  nach  der  islamischen  Eroberung  712  stammen  dürften  und  die  man  zu- 
sammenbringen kann  mit  jener  Stelle  der  Buchara-Chronik,  die  von  dem  Verkaufe  von 
Götzenbildern  in  vorislamischer  Zeit  handelt1.  Diese  Kleinplastiken  aus  Transoxanien 
und  Khotan  fand  ich  unbeachtet  in  der  Ermitage  zu  Petersburg.  Ich  verdanke 
die  nachfolgend  gegebenen  Abbildungen  der  Güte  Smirnovs.  Die  beiden  Figürchen 
Abb.  207  und  208  sind  ausdrücklich  als  aus  Afrasijab  stammend  (Sammlung  Litinsky, 
Inv.  Nr.  7578)  bezeichnet.  Sie  erscheinen  in  der  gleichen  Technik  ausgeführt  wie 
die  auf  dem  Teppich  hockende  Gestalt  auf  Abb.  206.  Neben  die  thronende  Gestalt 
mit  dem  Schwerte  zwischen  den  Beinen2  ist  die  bekannte  Miniatur  Karls  des  Kahlen 
in  München  zu  halten  und  damit  auch  der  Abb.  209  wiedergegebene  Kopf  der  Samm- 
lung Petrovsky  in  Petersburg  (Inv.  321,  Höhe  6,5  cm)  zu  ver- 
gleichen3. Vielleicht  sehen  sich  die  deutschen  Kunsthistoriker 
doch  mit  der  Zeit  Grünwedels  und  Le  Coq's  Publikationen  auf 
die  im  Zentralasiatischen  vorkommenden  nordischen  Typen 
hin  an.  Wir  sehen  einen  schnurrbärtigen  Mann  mit  langem 
gescheiteltem  Haare  von  breitem  Gesichtstypus  mit  einem 
Kettenring  um  den  Hals.  Doch  will  ich  hier  dabei  nicht  stehen 
bleiben. 

Wichtiger  ist  an  der  thronenden  Gestalt  von  Abb.  207 
der  offene,  mit  zwei  Streifen  über  der  Brust  auseinander- 
laufende Kandusch  und  die  weiten  reichfaltigen  Hosen.  Man  wird 
geneigt  sein,  diese  Art  für  sasanidisch  anzusehen,  ohne  darauf 
zu  achten,  daß  die  Sasaniden-Falten  wahrscheinlich  auf  die  von 
China  über  Zentralasien  eingeführte  Seidenmode  zurückgehen. 

Als  eine  Spur  von  Beweis  möchte  ich  gleich  hier  die  Vorführung  zweier  Flügelfiguren 
einschalten,  die  auch  wieder  Sarre  (Jahrbuch  1905  S.  85)  Anlaß  lieferten,  sein  Fest- 
halten an  einem  (ihm  für  die  islamische  Forschung  zwischen  Persien  und  Zentralasien 
nötig  scheinenden)  Schlagbaume  zu  stützen.  Es  sind  zwei  Flügelfiguren  Abb.  210  und  21 1 
im  Museum  in  Konia,  einst  an  der  Porte  du  bazar4,  wo  sie  über  der  spitzbogigen  Portal- 
nische beiderseits  in  die  Wand  eingelassen  waren.  Sarre  nimmt  an,  daß  sie  der  mittel- 
alterlich islamischen  Kunst  und  dem  Jahre  1 22 1  etwa  angehören.  Davon  aber  kann  nicht 
die  Rede  sein.  Es  scheint  vielmehr,  als  seien  sie  von  den  Seldschuken  aus  ihrer  türkisch- 
sakischen  Heimat  mitgebracht  und  an  dem  Tore  ihrer  neuen  Hauptstadt  wiederver- 
wendet worden.     Abb.  210  und  211   zeigt  die  beiden  Figuren  in  Aufnahmen,  die  ich 


Abb.  209:   Petersburg, 
Ermitage:  Ton-Köpfchen. 


1)  Orientalistische  Literaturzeitung  .VII  (1904)  S.  50. 

2)  Vgl.  für  diesen  iranischen  Typus  die  Chosraw-Schale  in  Paris  bei  Dieulafoy,  L'art  antique  de  la 
Perse  V  Taf.  XXII,  Smirnov,  Östliches  Silber  Taf.  XXIV,  51  (der  daneben  ein  anderes  Beispiel  aus 
Samarkand  stellt)  und  Sarre-Herzfeld,  Iranische  Felsreliefs  S.  213. 

3)  Vgl.  damit  auch  ein  Köpfchen  Journal  as.  Soc.  Beng.  Extra  Number  1889  Taf,  XIX  S.  72,  eben- 
falls einem  Tonköpfchen  aus  Zentralasien. 

4)  Texier,  Description  de  l'Asie  mineure  Taf.  97.  Vgl.  auch  Delaborde,  Voyage  en  Asie 
mineure. 


V.   Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 


Abb.  210:  Konia,  Museuni:  Steinrelief. 


3.    Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Nordvölkern  im  Umkreise  des  Miltelmceres.  265 

Max  vanBerchem  verdanke1.  Wir  sehen  zwei  „laufende"  Flügelgestalten'2  mit  eigenartigen 
Mützen  und  langen  Zöpfen,  die,  in  kurze  Röcke  und  faltige  Hosen  gekleidet,  die  Arme 
nach  der  Mitte  strecken.  Nach  Texiers  Abbildung  scheinen  sie  Fläschchen  auszu- 
gießen3 und  Bänder  zu  halten.  Was  uns  im  Rahmen  dieses 
Buches  vielleicht  am  meisten  beschäftigt,  sind  die  Mützen, 
für  deren  Form  die  chinesischen  Genien  in  der  Bordüre  des 
freilich  viele  Jahrhunderte  jüngeren  seidenen  Jagdteppichs  im 
Besitze  des  österreichischen  Kaiserhauses  zu  vergleichen  sind4. 
Auf  den  Mützen  in  Konia  findet  sich  der  reine  „Schnörkel", 
hier  ohne  die  Füllung  durch  Strichpunkte,  Einkerbungen 
und  Palmetten,  die  wir  als  Grundlage  der  geometrischen 
Ranke  von  China  bis  Kairo  überall  herrschend  fanden.  Ich 
glaube  jedoch  nicht,  daß  die  reine  Form  dieser  geritzten 
Linien  jünger  als  das  Jahr  1000  sein  kann,  möchte  diese 
Ornamente  vielmehr  gleichzeitig  mit  den  ägyptischen  Brettern      Abb- 211:  Koma>  Museum: 

(Abb.  82  f.  und  146)    und   den  Stuckaturen    der   Jbn    Tulun       vop     es    egens  uc^es  xon 
v  ^  '  Abb.  210. 

(Abb.  150  f.)  ansetzen,  d.  h.  spätestens  ins  IX.  Jh.  Dafür  spricht 

auch  das  Kostüm,  das  die  Nähe  des  Alt-Türkischen  bzw.  Parthisch-Sasanidischen  ver- 
langt. Man  vergleiche  die  Silberschüssel  Abb.  132  und  das  Tonrelief  aus  Afrasijab 
Abb.  207  und  wird  sich  hier  zusammen  mit  der  Chosrawschale  und  vielleicht  dem 
leider  in  der  Hauptsache  zerstörten  Gotarzesrelief5  inmitten  einer  kleinen  Gruppe 
finden,  die  es  überflüssig  macht,  wie  Sarre  zur  Erklärung  auf  den  Aufenthalt  Ala- 
ed-dins  in  Konstantinopel  und  seine  spätere  Wirksamkeit  für  die  bildende  Kunst  hin- 
zuweisen. Viel  wichtiger  wäre  ein  Hinweis  auf  die  große  Blüte  der  Kunst  in  Ost- 
persien gewesen,  die  nicht  erst  zur  Zeit  des  Mongoleneinbruches  nach  Ikonium  kam, 
sondern  durch  Saken,  Türken  und  im  Besonderen  durch  Seldschuken  von  allem  An- 
fang an  nach  dem  Westen  verbreitet  wurde.  Ihre  Wurzel  scheint  sie  z.  T.  wenigstens 
in  älteren  iranischen  Voraussetzungen  zu  haben.  Davon  lebt  noch  eine  Spur  von  Er- 
innerung bei  Firdousi,  der  Darab  Handwerker  und  Meister  aus  Hindustan  (und  von 
den  Romäern)  und  an  einer  andern  Stelle  Chosraw  Parwez  solche  aus  China,  Indien 
und  andern  Kulturländern  bezw.  Zimmerleute  aus  Rum  und  aus  China,  aus  Mekran 
und  Baghdad  und  iranischem  Land  kommen  läßt6. 

Ich  bilde  hier  noch  einige  Stücke  aus  Zentralasien  ab,  die  geeignet  sind,  den 
Zusammenhang  der  „Mossulware",  wofür  sie  Sarre  im  wesentlichen  nimmt,  mit  dem 
türkisch-persischen  Nordosten,  der  ganz  von  Indien  und  China  durchsetzt  ist,  zu  belegen. 
Abb.  212   zeigt   ein  Fragment  der  Sammlung  Petrovsky  (Inv.  392,  342),  7,5  cm  hoch, 


1)  Die  Aufnahmen  Sarres  waren  Zeichnungen,  die  von  ihm  „Seldschukische  Kleinkunst"  Taf.  I 
gebrachten  Photogramme  aber  sind  unscharf.  Ich  gebe  bessere  Aufnahmen,  aber  von  dem  zweiten  Relief 
nur  den  Kopf  Abb.  210. 

2)  Vgl.  für  das  Motiv  Studnitzka,  Die  Siegesgöttin. 

3)  Vgl.  die  Genien  mit  dem  Pinienzapfen  an  Portalen  mesopotamischer  Paläste.  Dazu  mein  „Der 
Pinienzapfen  als  Wasserspeier"  Römische  Mitteilungen  XVII  (1903)  S.   185  f. 

4)  Riegl,  Jahrbuch  des  Allerh.  Kaiserhauses  XIII  (1892)  Taf.  XVI  f. 

5)  Vgl.  Morgan,  Mission  IV  S.  286  und  Hüsing,  Der  Zagros  und  seine  Völker  S.  7  und  66. 

6)  Schahname  ed  T.  Macau  Bd.  III  1262,  vgl.  IV  S.  201 1  und  2006  (Mitteilung  von  Leo  Mayer). 


266  ^  •   Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

einen  hockenden  Musikanten  darstellend  unter  einem  gebrochenen  Giebel  mit  Knopf- 
ornament auf  Yolutensäulen  K  Die  Musikantendarstellung  ist  besonders  beliebt  Auch 
der  stehende  Mann  von  Abb.  20S  dürfte  diesem  Kreise  angehören.   Ich  zeige  Abb.  213 


Abb.  212:  Petersburg,  Ermitage:  Tonrelief  eines  hockenden  Musikanten. 

ein    ebenfalls   aus    der  Sammlung  Petrovsky    stammendes   Fragment  (Inv.  Nr.   266), 
das  5  cm  hoch  ist  und  den  Anfang  einer  Reihe  ähnlich  stehender  Musikanten  vor- 


Abb.  213:  Petersburg.  Ermitage:  Stehende  Musikanten. 

fuhrt,  und  Abb.  214  das  Bruchstück  eines  anderen  Kruges  (Sammlung  Petrovsky,  Inv. 
Nr.  729,  13,5  cm  hoch),  das  sie  in  langer  Reihe  auf  dem  Haisansatze  eines  Gefäßes 

1)  Ich  kann  auch  hier  wieder  nicht  unterdrücken,  auszusprechen,  daß  mir  die  Stuck. leko-ationen  des 
orthodoxen  Baptisteriums  in  Ravenna  nach  den  architektonischen  Rahmen  von  Meistern  aus  dem  Osten 
ausgefiihit  zu  sein  scheinen. 


3-   Die  Wirkung  bei  den   Nomaden   und  Nordvolkern  im   Umkreise  des  Mittelmeeres.  26/ 

zeigt1.  Am  Halse  selbst  eine  Rosette.  Alle  diese  Figürchen  sind  auf  die  Grund- 
fläche der  Krüge  aufgesetzt,  so  daß  sie  leicht,  wie  Abb.  213  und  214  zeigt,  wieder 
abfielen.  Dazu  kommen  in  den  feuchten  Ton  eingeritzte  Striche  und  Punkte,  die 
mit  der  Auflagetechnik  nichts  zu  tun  haben. 

Man  wird  schon  bemerkt  haben,  daß  die  Technik  die  gleiche  ist,  wie  auf  den 
Krügen  aus  Mesopotamien.  Ich  gebe  als  typisches  Beispiel  Abb.  215.  Der  Krug 
zeigt  ein  vollständiges  Exemplar  mit  den  Vögeln  auf  den  Henkeln  und  stammt  aus 
der  Sammlung  Bielinko  (Inv.  7577,  H:  27,5cm),   die   1898   von  der  Ermitage  gekauft 


Abb.  214:  Petersburg,  Ermitage:  Fragment  eines  Tonkruges. 


ist,  über  die  man  das  Albom  rissunkov  1882 — 1898  S.  341  vergleiche.  In  Barbotin- 
Technik  sind  da  Weinblätter  und  chinesische  neben  Affenköpfen  aufgelegt.  Abb. 
216 — 218  gibt  drei  bessere  solcher  Köpfchen,  wie  sie  in  riesigen  Mengen  in  der  Er- 
mitage vorzufinden  sind,  beide  aus  der  Sammlung  Petrovsky  Inv.  36,  84  und  137, 
0,6 — 8  cm  hoch.  Die  eigentümliche  Haartracht  und  der  Kandusch  werden  noch  einmal 
Gegenstand  besonderen  Studiums  sein,  ebenso  der  langbärtige  Kopf  mit  dem  hohen 
Turban  von  Abb.  219 2  (Sammlung  Petrovsky  Nr.  645,  1,43  cm  hoch). 

Überblickt  man  die  vorgeführten  Bruchstücke,  die  sich  nach  Tausenden  vermehren 

1)  Vgl.  damit  die  Bronzerigürchen,  die  ich  Koptische  Kunst  S.  325  f.  aus  Ägypten  zusammengestellt 
habe;  dazu  das  indische  Figürchen  „Hellenistische  und  koptische  Kunst  in  Alexandria"  S.  82. 

2)  Dieser  bärtige  Kopf  in  Abb.  219    ist  zu  vergleichen  mit  Memphis-Keramiken  bei  Minns  „Skythi- 
ans  and  Gieeks"  S.  XXXVII. 


26S 


V.    Der  Xomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 


ließen1,  so  möchte  man  mit  Kondakov  daran  erinnern,  daß  „die  hohe  Kultur  Chora- 
sans  und  der  Reichtum  Balchs,  der  Mutter  der  Städte,  die  enorme  Fruchtbarkeit 
des  Murghab,  welche  schon  Antiochos  Soter  (280  —  262  v.  Chr.)  veranlaßte,  die  nach 
ihm  benannte  Stadt  samt  den  angrenzenden  Feldern  mit  einer  weitausgedehnten 
Mauer  zu  umgeben,  und  der  blühende  Zustand  der  ganzen  Mervv-Oase  bis  zum 
zehnten  Jahrhundert"  Tatsachen  sind,  die  naturgemäß  zur  Annahme  fuhren,  die  Ver- 
schiebung der  Kultur  nach  dem  Aralsee  habe  sich  schon  ganz  zu  Anfang  des  Mittel- 
alters vollzogen.     Kondakov  verweist  auf  die   Gesandschaft  des  Dilzabul  (vgl.  oben 

S.  162,  A.  l)  und  die  riesige  Beute,  die 
Sasaniden  und  Araber  in  den  mittel- 
asiatischen Städten  machten.  Wenn 
aber  Kondakov  fortfährt:  „So  mächtig 
^^war  der  Einfluß  der  griechischen 
Kultur,  daß  die  orientalische  Kunst 
jener  Zeit  die  Sprache  der  antiken 
Kunst  redete",  und  als  Beleg  dafür 
die  Funde  von  Afrasijab  anführt,  so 
muß  ich  doch  auf  Grund  der  vor- 
geführten Beispiele  für  die  am  Beginn 
des  Mittelalters  in  Betracht  kommen- 
den Denkmäler  Einspruch  erheben. 
Mag  immerhin  wie  in  Gandhara  auch 
im  Gebiete  von  Baktria  eine  Beein- 
flussung durch  die  griechische  Kunst 
anzunehmen  sein,  so  ist  sie  jedenfalls 
sehr  bald  durch  die  hier  neben  den 
indischen  vor  allem  aus  China  zur 
Geltung  kommenden  Einwirkungen 
völlig  umgewandelt  worden. 

Der  Beweis  für  diese  These  läßt 
sich  an  der  Hand  von  Laufer,  Chinese 
pottery  of  the  Han  Dynasty,  S.  I42f. 
erbringen.  Es  gibt  keine  Keramik, 
die  der  vorgeführten  zentralasiatischen 
näher  stünde  als  die  der  Han-Dvnastie  (202 — 221  n.  Chr.),  die  Laufer  in  den  Typen 
wieder  abhängig  zeigt  von  den  Hanreliefs  in  Schantung  (vgl.  oben  S.  H7L).  Vor  allem 
ist  die  Barbotintechnik  verwandt.  Sie  wird  heute  noch  geübt,  allerdings  nicht  mit 
der  Gießbüchse,  sondern  durch  Auflegen  von  gepreßten  Motiven.  Man  sehe  bei 
Laufer  Tafel  XXXV ff.  durch  und  wird  sich  erstaunt  überzeugen,  daß  wir  in  China 
die  gleiche  Art  vor  uns  haben  wie  aus  Afrasijab  und  Chinesisch -Turkestan.  Ich 
meine  also,  es  wird  mit  dem  üblichen  Schlüsse  auf  hellenische  Anregungen  in  Zukunft 

1  Vgl.  u.  a.  Le  Coq,  Chotscho  und  die  Werke  von  Marc  Aurel  Stein.  Dann  vor  allem  die  verschiedenen 
Arbeiten  von  Hoernle  z.  B.  „A  report  on  the  Britisch  Collection  of  antiquides  from  Central  Asia".  Ferner 
Amtliche   Berichte  aus  den  kgl.  Museen  XXXV  (1914)  Sp.    1S1  t".  u.  s.  f. 


Abb.  215:  Petersburg,  Ermitage:  Tonkrug. 


3.  Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und   Nordvölkern  im  Umkreise  des  Mittelmeeres. 


269 


auch   bezüglich   dieser  Gruppe   doch  etwas   vorsichtiger  umzugehen  sein1.     Und  nun 
komme  ich  wieder  zurück  auf  Sarres  Beispiel,  der  voreilig  für  die  „Mossulwaare"  auf 


Anregungen  vom  Westen  her  schloß. 


Abb.  216:  Köpfchen.  Abb.  217:  Bruststück.  Abb.  218:  Köpfchen. 

Petersburg,  Ermitage:  Bruchstücke  von  Tonfigürchen. 


Abb.  219:  Petersburg, 

Ermitage:  Bärtiger 

Turbanträger. 


Man  wird  sich 
zur  Genüge  über- 
zeugt haben,  daß 
die  „mesopotami- 
schen"  Gefäße  ihre 
Voraussetzung  in 
den  sakisch-tür- 
kischen  Oasen  der 

vorislamischen 
Zeit     haben.      Ihr 
Schmuck  ist  später 
auf  persisch-meso- 

potamischem    Bo- 
den Hnrrrmf>r7f     -^-bb.  220:  Wien,  Kunsthistorisches  Institut  der  Universität 

(Lehrkanzel  Strzvgowski):  Oberer  Rand  eines  Kruges  mit 

worden   von  jener  Barbotinfiguren. 

Nomadenart ,     die 

wir  in  diesem  Buche  vorgeführt  haben.    Ich  will  hier  als  Beispiele 

dieser  späteren  Art  eine  kleine  Sammlung  von  Scherben  vorführen, 

die  Dr.  Diez  auf  der  ostpersischen  Institutsexpedition  gesammelt 

hat.     Das  Stück  Abb.  220,  das  stark   absticht  von  allen  übrigen, 

ist  in  Safiabad  in  der  Isfarain-Ebene  in  Nordostpersien'2  aui  dem 


1)  Laufer  lehnt  jede  Einflußnahme  vom  Westen  her  auf  China  ab  —  was 
auch  wieder  zu  weit  geht.  A.  a.  O.  S.  2 12  f.  Anm.  7  gibt  er  türkische  bezw. 
sibirische  Einflüsse  in  der  Hanzeit  zu. 

2)  Vgl.  darüber  dereinst  das  in  Ausarbeitung  befindliche  Institutswerk  (Bd.  VI) 
von  Dr.  Ernst  Diez:    Churasanische   Baudenkmäler,  Ergebnisse    einer  1912 — 1914 


270 


V.    Der  Xomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasicns. 


Burgberge  aufgelesen.  Es  ist  der  obere  Rand  eines  Gefäßes,  das  in  der  typischen 
Barbotintechnik  Figürchen  gereiht  zeigt,  im  Gesicht  ein  blaugrünes  Mosaiksteinchen. 
Die  Stücke  Abb.  221  sind  im  Judenbazar  zu  Teheran  gekauft  und  stammen  angeblich 


Abb.  221:   Wien,  Kunsthistorisches  Institut  der  Universität  (Lehrkanzel  Str/ygowski): 
Bruchstücke  von  Tongefaßen  aus  Teheran. 


aus  Raj,  dem  alten  Tähran.  Es  ist  genau  die  gleiche  Technik  wie  an  den  meso- 
potamischen  Gefäßen,  und  zwar  handelt  es  sich  immer  um  Bruchstücke  des  Über- 
ganges vom  Bauche  zum  Halse.  Xr.  4  mit  der  Naschi-Inschrift  zeigt  eine  geometri- 
sche Ranke,    die    ebensogut    auf  einer    altchinesischen  Bronzevase   angebracht    sein 

vom  Kunsthistorischen  Institute  der  Wiener  Universität  (Lehrkanzel  Strzygowski)  zur  Erforschung  der  Ge- 
schichte  islamischer  Kunst  unternommenen  Forschungsreise. 


Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Nordvölkern  im  Umkreise  des  Mittelmeeres. 


27I 


könnte.  Man  vergleiche  hierzu  übrigens  oben  in  Abb.  11 1  das  geritzte  Ornament  vom 
Grab  der  Wu  (147  n.  Chr.).  Ebenso  die  Ranke  auf  dem  Bruchstück  1.  Dazu  kommt 
der  gerauhte  Grund  und  die  übrigen  aus  der  geometrischen  Ranke  geschaffenen 
Ornamente,  besonders  auch  auf  Nr.  2.  Die  andern  drei  Stücke  unten  zeigen  das  zweite 
Lieblingsmotiv,  Tiere:  steigende  Löwen,  Adler  im  Profil,  dann  das  angeschirrte  Pferd, 
dessen  Hinterteil  in  einen  Löwenkopf  übergeht  und  den  Falken,  der  eine  Ente 
erbeutet.  Dazwischen  die  Barbotintropfen,  in  die  ein  Punkt  eingetieft  ist  und  Rosetten. 
Auch  ganze  Gefäße  hat  Diez  aus  Raj  in  Teheran  gekauft.  Sie  befinden  sich  mit  den 
Bruchstücken  zusammen  in  unserer  Sammlung  in  Wien.  Der  eine  Abb.  222  ohne 
Hals  und  Henkel  zeigt  eine  Inschrift  in  blühendem  Kufi  (nach  M.  van  Berchem:   „Die 

Ehre  gehört  Gott,  Das  Reich  gehört  Gott,  Werk  des ?")  aus  dem  XIII.  Jh.    Die 

auf   solchen    Gefäßen    seltene    Meistersignatur   ist   sicher   der    Name,   jedoch    leider 


Abb.  222:  Wien,  Kunsthist.  Institut  (Lehrkanzel 
Strzygowski) :  Tonkrug  aus  Raj. 


Abb.  223:  Wien,  Kunsthist.  Institut  (Lehrkanzel 
Strzygowski):   Glasierter  Tonkrug  aus  Raj. 


nicht  deutlich  zu  lesen'.  Das  obere  Randornament  entspricht  dem  auf  Abb.  221,  2: 
Herzformen  aus  geometrischen  Schnörkeln  abwechselnd  ineinander  gelegt  mit  Bar- 
botinknöpfen. Die  Füllungen  zwischen  den  Buchstaben  sind  mit  der  Inschrift  von 
Chargird  (Abb.  119)  zu  vergleichen.  Es  sind  treffliche  Beispiele  der  geometrischen 
Ranke,  nur  der  Technik  entsprechend  etwas  verschwommen.  Darunter  ein  Band  von 
Herzformen  und  Eindrücke  mit  einem  spitzen  Instrument. 

Die  Stücke,  die  ich  bisher  vorführte,  waren  alle  in  unglasiertem  Ton  hergestellt. 
Diez  brachte  aber  aus  der  gleichen  Quelle  auch  ein  Gefäß  Abb.  223  mit,  dessen 
Ornamentstreifen  am  oberen  Bauchrande  —  man  versteht,  warum  immer  nur  Frag- 
mente von  dieser  Schulterstelle  vorkommen  —  grün  glasiert  ist:  eine  Folge  von 
Bogen,  in  denen  jedesmal  ein  Vogel  sitzt,  mit  dem  nächsten  paarweise  gruppiert. 
Neben  ihm  Rankenwerk  mit  allerhand  herzförmigen  „Blättern".  Oben  die  typische 
Knopfreihe  in  Barbotintechnik.  Vielleicht  ist  in  solchen  technischen  Voraussetzungen 
der  Ursprung  dieses  bis  nach  Ägypten  beliebten  Ornamentes  zu  suchen. 


272  V.    Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

Angesichts  der  beiden  zuletzt  vorgeführten  Krüge,  die  ja  auch  wieder  typische 
Vertreter  einer  zahlreich  zu  belegenden  Gattung  sind',  greife  man  wieder  auf  Laufers 
Buch  über  die  Han-Keramik  zurück  und  wird  Taf.  XXVII f.  finden,  daß  diese  Form 
mit  dem  ornamentierten  Schulterstreifen  die  Lieblingsform  auch  in  China  war. 


Ich  habe  mich  etwas  länger  bei  der  Kleinkeramik  aufgehalten.  In  ähnlicher  Art 
würden  die  anderen  Arten  der  zum  guten  Teil  mit  den  Aufgaben  der  Verkleidungs- 
architektur in  Verbindung  stehenden  Gebiete  zu  behandeln  sein.  Wir  führten  oben 
zur  Genüge  Beispiele  aus  der  Übergangszeit  von  der  Antike  zum  Islam  vor,  Mschatta 
hat  dafür  vielleicht  noch  mehr  beigebracht.  Hier  sei  nur  neben  den  Seidenstoffen 
den  Stuckarbeiten  und  Holzschnitzereien,  sowie  der  Kalligraphie  als  Mittler  noch 
einer  Gruppe  im  Vorübergehen  Erwähnung  getan,  die  nicht  unbeachtet  bleiben  darf. 
Leider  ist  nichts  erhalten  von  jenen  Mittelgliedern,  die  zwischen  den  Emailziegel- 
wänden der  Babylonier,  Assyrer  und  Altperser  herüber  zu  dem  seldschukischen  gla- 
sierten Tonmosaik  führen,  das  z.  B.  in  der  Sirtscheli  Medrese  von  Konia  imj.  12423 
von  Muhammed,  dem  Baumeister  aus  Tus  (in  der  entscheidenden  Gegend  zwi- 
schen Meschhed,  Xischapur  und  Metw),  ausgeführt  wurde2.  Auch  für  die  eigentlichen 
Fayencefließen  dieser  Spätzeit  in  Kleinasien  und  Ägypten  läßt  sich  sagen,  daß  die  Ent- 
wicklung auf  Persien  zurückleite.  Diese  ist  durch  die  nach  farbigen  und  Formgruppen 
zu  scheidenden  Fayencegefäße  und  Scherben  gegeben.  Sichere  Mittelglieder  sind  bis 
jetzt  aus  parthischer  (Warka),  nicht  aber  aus  sasanidischerZeit  nachgewiesen.  Und  doch 
könnten  gerade  die  vor  und  nach  dieser  Zeit  oft  auf  dunkelblauem  Grunde  wirkenden 
hellen  Farbmuster  reiche  Anregungen  für  die  Entstehung  von  Tiefendunkelkomposi- 
tionen  in  der  Plastik  gegeben  haben. 

Ich  begnüge  mich  mit  diesen  kurzen  Andeutungen  über  die  islamische  Kunst 
und  ihren  Zusammenhang  mit  der  türkischen.  Im  übrigen  mag  man  sich  vorläufig 
an  das  halten,  was  Ernst  Diez  im  Handbuch  der  Kunstwissenschaft  über  „Die  Kunst 
der  islamischen  Völker"  zusammengestellt  hat. 

d)  Islamische  Kunst  —  ein  Rest  Völkerwanderungskunst.  In  Europa 
ist  die  Völkerwanderungsart  sehr  bald  durch  das  Christentum  derart  zurück  gedrängt 
worden,  daß  die  darstellende  Kunst  der  südlichen  Oasenkulturen  geradezu  die 
Alleinherrschaft  antrat,  die  Kunst  der  Nordvölker  und  Nomaden,  von  Nachwir- 
kungen durch  die  alte  Holz-  und  Kleinkunst  abgesehen,  ausstirbt.  Anders  im  Islam. 
In  ihm  lebt  die  Kunst,  die  wir  hinter  der  hellenistischen  bezw.  spätrömischen  und 
sasanidischen  Machtkulisse  erst  geradezu  wieder  entdecken  mußten,  bis  auf  den 
heutigen  Tag  weiter,  wenn  auch  allmählich  völlig  degenerierend. 

Es  muß  jedem  nur  irgend  Beobachtenden  auffallen,  wie  vollkommen  verschieden 
der  Geist  der  islamischen  Kunst  im  Kreise  aller  übrigen,  ob  nun  christlichen,  buddhis- 
tischen oder  sonst  religiösen  Kunstströme  dasteht.  Man  erklärt  ihre  rein  auf  Schmuck 
und  Dekoration  eingestellte  Richtung  gern  mit  dem  Bilderverbot  oder  weil  sie  eben 

1     Hierher,  gehören    auch  bemalte    Krüge  und   Schalen    mit  Glasur,    die   ebenso    in  Chorasan    wie    in 
China  vorkommen.     Beispiele  im   Wiener  kunsthistorischen  Institut. 
Vgl.  dazu   l>ie/..   I  »ie  Kunst  der  islamischen  Völicer  S.   115  t. 


3.  Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Nordvölkern  im  Umkreise  des  Mittelmeeres.  27  ? 

eine  semitische  sei.  Aber  diese  Gründe  sind  von  vornherein  nicht  stichhaltig,  der 
letztere  bedarf  keiner  Widerlegung  und  der  erste  wäre,  wenn  das  Bilderverbot  über- 
haupt bestanden  hat1,  nur  negativ  gültig;  ein  solches  Verbot  verhindert  zwar  die 
Darstellung,  schafft  aber  noch  keine  Kunstformen.  Man  hat  sich  freilich  geholfen 
und  gesagt,  die  islamischen  Motive  wären  antik  und  nur  die  Form  habe  sich,  den 
Forderungen  des  Geschmackes  gehorchend,  geändert.  Eine  solche  Behauptung  wurde 
gleicherweise  für  die  islamische  (Riegl)  wie  für  die  altgermanische  Kunst  (Salin)  auf- 
gestellt. Sie  trifft  weder  für  die  eine  noch  für  die  andere  Richtung  zu.  Vielmehr 
gilt  es,  aus  der  einzig  noch  lebendig  erhaltenen  Kunst  der  Zeit  jener  Wande- 
rungen, der  des  Islam,  heute  sowohl  die  Kunst  der  Nomaden  wie  die  für  die  Nord- 
völker entscheidend  gewordenen  Züge  herauszufinden.  Die  islamische  Kunst  bleibt 
inmitten  der  alten  Oasenkulturen  als  der  für  uns  bedeutungsvollste  Rest  der  Völker- 
wanderungszeit bestehen.  Die  Kunst  der  Nordvölker  ist  völlig  mit  Hof  und  Kirche  an 
die  vordringenden  Südkulturen  ausgeliefert  worden.  Wir  wenden  uns  zum  Schlüsse 
kurz  auch  noch  ihr  zu. 

B.  Die  Germanen  und  der  europäische  Kreis.  Der  1915  erschienene  Stand- 
bericht über  die  Kulturforschung  der  Merowingerzeit  von  Brenner2  erlaubt  den 
Faden  da  wieder  aufzunehmen,  wo  ihn  Riegl  aus  der  Hand  gegeben  hat.  Seine  An- 
schauungen sind  noch  immer,  wenigstens  in  Deutschland,  die  herrschenden.  Und 
doch  stellt  auch  Brenner  S.  254 f.  auf  Grund  der  Forschungen  von  Pilloy  fest,  daß 
zwischen  den  spätrömischen  und  den  merowingischen  Grabfeldern  ein  Zusammenhang 
nicht  besteht.  In  den  nordostfranzösischen  und  belgischen  Gräbern  des  IV.  Jh.  fehlen 
die  germanischen  Typen  der  Merowingerzeit,  Schnallen  und  Fibeln,  wie  die  doppel- 
konische Urne  ganz  und  haben  dort  auch  keinerlei  Vorbilder  und  Verwandte. 
Eine  ähnliche  Feststellung  hat  Götze  mit  Bezug  auf  das  Verhältnis  der  gotischen 
Funde  zu  den  bosporanischen  gemacht.  Anläßlich  der  191 5  im  Tapetensaale  des 
Kaiser  Friedrich-Museums  in  Berlin  aus  Privatbesitz  veranstalteten  Sonderausstellung 
frühgermanischer  Kunst  d.  h.  ostgotischer  Altertümer  der  Völkerwanderungszeit  aus 
Südrußland  (vgl.  Katalog  S.  5  f.)  glaubt  er  die  gotische  Kunst  trotz  ihrer  teilweisen 
Abstammung  von  der  Antike  als  eine  durchaus  nationale  Lebensäußerung  ansehen 
zu  müssen.  In  beiden  Fällen  aber  handelt  es  sich  darum,  daß  neben  dem  antiken 
und  nationalen  Element  auch,  das  vom  Osten  immer  aufs  Neue  im  Wege  des  Welt- 
verkehres Einströmende  erkannt  werde.  Die  Goten  hatten  nicht  nur  mit  der  bos- 
poranischen Kunst  Fühlung  —  die  selbst  eine  Mischung  von  Antike  mit  fremden, 
namentlich  sakischen  Elementen  war  — ,  sondern  im  Wege  des  Nomadenverkehres 
und  zur  See  durch  Kleinasien  und  Armenien  auch  unmittelbar  Anschluß  an  Asien.  Das 
wird  sich  wohl  für  die  einzelnen  Kunstzweige  allmählich  überzeugend  nachweisen  lassen. 

a)  Der  Schrägschnitt.  Die  „Kerbschnittschnallen",  die  Riegl  auf  Rom  zurück- 
führen wollte,  während  Lindenschmidt  (Handb.  S.  350)  sie  für  die  germanische  Kunst 


1)  Vgl.  für  das  Bilderverbot  mein  „Amra  und  seine  Malereien",  Zeitschrift  für  bild.  Kunst,  N.  F. 
XVIII  (1907)  S.  213  f.  Die  Literatur  ist  zuletzt  zusammengefaßt  von  van  Berchem  bei  Sarre-Herzfeld, 
Archäologische  Reise  im  Euphrat-  und  Tigrisgebiet  I,  S.  37  f. 

2)  VII.  Bericht  der  römisch-germanischen  Kommission   1912  (erschienen   191 5)  S.  253  f. 
Strzygowski,  Altai.  18 


27<  V.  Der  Xomadenvorstofi  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

in  Anspruch  nahm,  kommen  schon  in  vormerowingischer  Zeit  vor;  Brenner  glaubt, 
daß  sie  später  den  aus  anderer  Richtung  eingedrungenen  germanischen  Stil  beein- 
flußt hätten.  Ich  habe  gezeigt,  daß  wir  es  gerade  in  der  Schrägschnittechnik  mit 
einem  alten  asiatischen  Einschlag  zu  tun  haben  und  halte  es  immerhin  für  möglich,  daß 
schon  im  vierten  und  dritten  Jh.  v.  Chr.  entweder  an  unmittelbare  Einfuhr  vonOslen 
zu  denken  ist  oder  an  Bronzenachahmung  solcher  Importware,  die  dann  wohl  für 
die  La  Tene-Zeit  in  Bronze,  erst  später  in  Gold  oder  Silber  anzunehmen  ist.  Doch 
muß  darauf  verwiesen  werden,  daß  die  verbreitete  Meinung  in  Deutschland  jetzt 
doch  die  von  Lindenschmidt  ist,  diese  Art  sei  im  Wesen  altgermanisch  und  iden- 
tisch mit  dem  im  V.  Jh.  von  der  Holztechnik  übernommenen  Kerbschnitt.  Solche 
Bronze-Schmuckstücke  seien  wahrscheinlich  unter  Verwendung  geschnitzter  Holz- 
matrizen gegossen1.  Es  würde  dann  also  der  gleiche  Fall  vorliegen,  wie  in  Samarra, 
wo  auf  dieselbe  Art  die  Schrägschnittstuckaturen  gearbeitet  wurden  (oben  S.  95  f.). 
Daß  das  aber  nur  die  billige  Auswertung  einer  in  Bronze  wohl  verständlichen,  ur- 
sprünglich auf  die  Wirkung  des  Metallglanzes  berechneten  Materialqualität  ist,  sollte 
auch  für  den  Schrägschnitt  in  Deutschland  bei  runden  Formen  neben  der  Ableitung 
eckisfer  Formen  vom  Kerbschnitt  nicht  übersehen  werden.     Davon  unten  mehr. 

b)Die  Granateinlage  in  Gold.  Nicht  anders  liegt  der  Fall  bei  dem  zweiten  Element 
des  beginnenden  Yölkerwanderungsstiles,  das  Riegl  aus  einem  römischen,  koloristischen 
Kunstwollen  hervorgehen  lassen  möchte,  der  Granateinlage  in  Gold2.  Brenner  S.  269  be- 
stätigt in  Zusammenfassung  der  inzwischen  erschienenen  Arbeiten  v.  Stern,  Reineck  und 
Ebert  diese  Ansicht  Riegls.  Die  prachtvollen  Gold-  und  Almandinsachen,  die  von  Süd- 
rußland bis  weit  nach  dem  Westen  verbreitet  sind,  verdankten  zum  mindesten  ihre  Ver- 
zierungstechnik den  griechischen  Goldschmieden  der  pontischen  Länder.  Da  wären  wir 
also  glücklich  wieder  bei  Hampel  1885  angelangt.  Aber  Brenner  macht  einen  Nachsatz: 
„Über  die  eigentliche  Herkunft  der  Schmuckformen  einerseits,  der  Verzierungstechnik 
andererseits  werden  wohl  erst  weitere  Untersuchungen  sicheren  Aufschluß  geben  können 
(s.  Dalton,  Archaeologia  58  (I902)  S.  2371}".  Ich  habe  gefunden,  daß  sich  mit  selb- 
ständig denkenden  Archäologen  immer  noch  eher  verhandeln  läßt  als  mit  neueren 
Kunsthistorikern,  besonders  solchen,  die  einseitig  arbeiten  oder  auf  die  Richtung  irgend 
eines  Lehrers  eingeschworen  sind.  Nun  fand  ich  an  der  Stelle,  die  als  die  hohe 
Schule  der  Forschung  auf  dem  Gebiete  der  Goldschmiedekunst  gelten  kann,  in 
der  Ermitage  zu  Petersburg,  ein  Stück,  das  für  die  farbige  Einlage  in  Gold  eben- 
so ausschlaggebend  ist  wie  das  Goldtier  von  Kelermes  (Abb.  131)  für  den  Schräg- 
schnitt. Auch  dieses  Stück  (Abb.  224)  stammt  aus  Kelermes  im  Kuban.  Der  halb- 
runde breite  Stab  (Inv.  14072)  mit  den  Löwenkopfenden  ist  1904  zusammen  mit  einem 
zweiten  Exemplar  gefunden,  das  etwas  zerstört  ist.  Pharmakowsky,  der  ein  Stück 
zusammen  mit  dem  daneben  abgebildeten  kurzen  Stabe  mit  Widderköpfen  veröffent- 
lichte 3,  meint,  es  gehöre  mit  diesem  und  der  kürzeren  Querstange  zusammen  zu  einem 
Gürtel.  Die  Rückseite  ist  flach  und  zeigt  zwei  Paare  rechteckiger  Öffnungen.  An 
den  Seiten  treten  drei  Ouerstäbe  vor,  die   mit  zwei  Paar  Widderköpfen  und  in  der 

1)  Goetze,  Katalog  S.  7.     VgL  Riegl,  Spätrömische  Kunstindustrie  S.   154t. 

Vgl.  oben  S.  66  und  Rieg]  a.  a.  < ).  S.   172  f. 
5    Archäologischer  Anzeiger  XX   (1905)  Sp.  58. 


3.  Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Nordvölkern  im  Umkreise  des  Mittclmeeres. 


275 


Mitte  mit  Kugeln  enden,  die  mit  zehn  Reihen  von  Perlenschnüren  und  am  Ende 
mit  einer  Rosette  aus  Zellen  für  Einlagen  geschmückt  sind.  Solche  Zellenverglasung 
sieht  man  nun  gut  erhalten  auf  dem  runden  Mittelteile  zwischen  den  durch  Kugel- 
reihen und  Kreiszellen  dazwischen  begrenzten  Löwenköpfen.  An  den  Köpfen  selbst 
hatten  die  Augen  Einlagen;  im  übrigen  sind  die  Flächen  dieser  Köpfe  belebt  durch 
eingeschlagene  Punkte  und  aufgesetzte  Knopfreihen.  Der  verbindende  Teil  zeigt  in 
der  Mitte  eine  Reihe  rechteckiger,  seitlich  zwei  Reihen  dreieckiger  Zellen.  Die  Stege 
sind  breit  und  kommen  mit  ihrem  Goldglanze  neben  den  braunen  Einlagen  entschieden 


VST        * :  •    7-s  —  v  : 


Abb.  224:  Petersburg,  Ermitage:  Schmuckstücke  mit  Zellenverglasung  aus  Kelermes. 


zur  Geltung.  Die  durchscheinenden  Einlagen,  aus  Bernstein  hergestellt,  könnten 
Vorläufer  des  ähnlich  durchscheinenden  Glasschmelzes  sein,  der  in  byzantinischer 
Zeit  üblich  wurde.  Das  Stück  aus  Kelermes  stammt  aus  der  gleichen  Zeit  und  vom 
gleichen  Orte,  wie  das  Goldtier,  das  ich  oben  S.  140  f.  besprochen  habe,  also  um  600 
vor  Chr.  Die  Bernsteineinlage  fehlt  denn  auch  bei  diesem  nicht.  Abb.  131  zeigt 
das  Ohr  in  Mandelform  mit  eingelegtem  Zickzackrande,  die  Mittelfüllung  ist  ausge- 
fallen K  Wir  haben  also  in  diesem  Falle  zwei  von  den  Techniken  der  Völker- 
wanderungszeit, die  Riegl  auf  die  spätrömische  Kunst  zurückführen  wollte,  den  Keil- 
schnitt und  die  Zelleneinlage  in  Gold  weit  vor  Christi  Geburt  in  einem  Schatzfunde 


1)  Minns,  Scythians  and  Greeks,  S.  222  sagt  dazu:  The  eyes  and  nostrils  were  filled  with  glass  pastes 
which  bad  themselves  stones  let  into  them;  the  ears  had  pastes  of  different  colours,  separated  by  gold  clois- 
50ns,  a  very  important  instance  of  this  interesting  technic. 

18* 


V.  Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

und  am  gleichen  Stücke  vereinigt.  Es  scheint  mir  nicht  ausgeschlossen,  daß  die  später 
im  Abendlande  und  schon  in  den  Schatzfunden  von  Petroasa  und  Poltawa  herrschende 
Art,  bei  der  der  Bernstein  ersetzt  ist  durch  den  indischen  Almandin,  sich  durchgesetzt 
hat  in  „indoskythischer"  Zeit,  die  in  Zentralasien  ein  Reich  sieht,  das  Indien  und 
Transoxanien  verbindet.     Der  Ural  lieferte  dem  Westen  das  nötige  Edelmetall. 

Minns  hat  in  seinemBuche  Scythians  and  Greeks  S.  281  f.  auch  in  dieser  Richtung 
Stellung  genommen.  Nachdem  er  S.  272  f.  im  Anschluß  an  Daltons  Werk  über  den 
Oxusschatz  und  die  russischen  Publikationen  einiges  Material  vorgelegt  hat  —  wieder 
mit  Ausschluß  des  am  meisten  bezeichnenden  Kelermes-Stückes  —  geht  er  auf  die 
Herleitung  der  Granateinlage  in  Gold  bei  den  Germanen  über  und  nennt  dafür  die 
Alanen:  „These  Alans  came  into  close  touch  with  the  Teutonic  tribes  pressing  down 
from  the  north-west:  and  the  latter  acquired  from  them  a  taste  for  gold  and  jewels, 
which  they  could  not  have  developed  in  their  own  country,  and  some  new  elements 
of  a  beast-style.  Hence  a  decided  resemblance  between  the  art  of  the  Great  Migra- 
tion period  and  the  Scytho-Siberian".  Er  erwähnt  dann  Riegls  spätrömische  Ur- 
sprungstheorie und  sein  Bestreben,  den  barbarischen  Geschmack  vom  Römischen 
herzuleiten.  Minns  betont  die  Unmöglichkeit,  diese  These  heute  noch  durchzuführen 
(vgl.  oben  S.  224).  Ich  meine  auch,  der  zweite  Band  der  „Spätrömischen  Kunst- 
industrie" täte  besser,,  einfach  die  Denkmäler  in  gediegenen,  den  heutigen  wissen- 
schaftlichen Anforderungen  entsprechenden  Abbildungen  mit  systematisch  beschreiben- 
dem Texte  vorzulegen l. 

Meine  eigene  Meinung  über  den  Ursprung  der  Zellenverglasung  wird  bestimmt 
durch  die  Tatsache,  daß  die  Technik  heute  noch  die  in  Indien  für  Schmuck  mit 
Vorliebe  gebrauchte  ist  und  wahrscheinlich  schon  für  einzelne  Schmucksachen  der 
Gestalten  auf  den  Stupen  von  Santschi,  Bharahat  und  Amravati  vorausgesetzt  werden 
darf.  Auch  weist  der  Ursprung  des  Almandins  auf  Indien2.  Daneben  darf  die  Vor- 
liebe der  Nomaden  Sibiriens  nicht  außer  Acht  bleiben.  Sie  lösen  die  vom  Süden 
übernommene  „Darstellung"  —  einmal  durch  die  durchbrochenen  Stellen,  in  denen  die 
Farbe  des  Untergrundes  mitspricht  und  dann  durch  die  Durchsetzung  der  Gestalten 
mit  den  farbigen  Einlagen  —  vollständig  in  ein  buntes  Fleckenmuster  auf.  Es  scheint, 
daß  die  Technik,  auf  die  Rosenberg  Monatshefte  IX  (1916)  neuerdings3  aufmerksam 
gemacht  hat,  doch  nicht  nur  nördlich  des  Kaukasus  zwischen  Don  und  Wolga  hei- 
misch ist,  sondern  vor  allem  in  Sibirien.  Das  Aufkommen  der  Zellen,  die  auf  den 
Grund  aufgelötet  sind  und  der  Einzelfassung  der  mugeligen  Steine  (en  cabochon) 
wird  eingehende  Studien  erfordern.  Wir  sahen  beide  nebeneinander  oben  S.  48  auf 
dem  Beispiel  aus  dem  Schatzfunde  von  Silägy-Somlyo.  Durchbrucharbeiten  mit 
Steinen  gefüllt  wie  an  dem  Korbe  von  Petroasa  (Abb.  54)  und  Zellenverglasung 
kommen  in  der  wirkungsvollsten  Art  vereinigt  auf  der  Chosrawschale  in  Paris  vor4. 

c)  Das  mehr  streifige  Bandgeflecht.     Auch    das    eigentliche    Grundelement 


1)  Bemerkt  sei,  daß  Dr.  Supka  eine  Arbeit   über  den  Fund  von  Nagy-Szent-Miklos   vorbereitet,   die 
noch   1916  im  Arch.  Ertesitö  erscheinen  wird. 

I     VgL  dafür  Hampel,  Alt.  I  S.  473.     Dazu  allerdings  Götze,  Katalog  S.  7. 

Vgl.  auch  Kondakow,  Gesch.  und  Denkmäler  des  byz.  Emails  S.  36. 

Vgl.  die  farbige  Abbildung  bei  Dieulafoy,  L'art  antique  de  la  Perse  V  Tat".  XXXIV. 


3.  Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Nordvolkern  im  Umkreise  des  Mittchneeres. 


27; 


des  „Völkerwanderungsstiles"  ',  die  mehrstreifige  Bandverschlingung,  möchte  ich, 
so  viel  auch  für  seine  spontane  Entstehung  an  verschiedenen  Orten  spricht,  in  Nord- 
europa auf  innerasiatische  Anregungen  zurückführen.  Die  geometrischen  Flechtmo- 
tive tauchen  im  Altertum  zwar  vereinzelt  auf2,  aber  zur  Herrschaft  auf  gewissen 
Gebieten  kommen  sie  doch  erst  mit  dem  Vordringen  des  Ostens.  So  sind  für  mich 
schon  die  sog.  „römischen"  Pavimentmosaiken  mit  ihren  reichen  Flechtmustern 
orientalisches  Lehngut3.  Und  ebenso  will  mir,  was  oben  S.  98 f.  ausgeführt  wurde, 
das  Auftreten  der  unbegreiflich  vollendeten  Flechtwerkmuster  auf  dem  Mimbar  in 
Kairuan  und  die  nachfolgende  Polygonalornamentik  der  Moslim  nur  aus  einer  bei 
den  iranischen  und  sakischen  Ariern  von  altersher  bestehenden  und  vielleicht  durch 


Abb.  225:  Stockholm,  Nationalmuseum:  Hängegefäß  der  Bronzezeit. 

die  aus  Zentralasien  vordringenden  türkischen  Elemente  verstärkten  Geschmacksrich- 
tung erklärbar  erscheinen.  Man  beachte,  wie  nahe  sich  die  geometrische  Ranke  und 
das  Bandgeflecht  bisweilen  berühren.  Darauf  hat  (vgl.  oben  S.  64)  ahnungsvoll  schon 
R.  Zahn  hingewiesen.  S.  I30f.  hob  ich  das  enge  Zusammengehen  beider  Zierarten 
in  der  armenischen  Gruppe  hervor  und  der  Kotschkarschatz  (S.  2l4f.)  zeigt  beide  voll- 
ständig ineinander  übergehend:  Syrien,  Armenien,  Semiretschensk  —  es  läßt  sich  er- 
warten, daß  diese  enge  Verschmelzung  an  der  Kreuzungsstelle  des  Altaischen  und 
Arischen  in  der  sakischen  Ecke  bei  Nachgrabungen  deutlicher  wird.  Die  Hauptsache 
ist  eben,  daß  die  Kunsthistoriker  in  jener  Gegend  zum  Spaten  greifen.  Ich  möchte 
auch  hier  wieder  betonen,  daß  wir  zu  wenig  mit  der  neben  den  Treibhauspflanzen 
am  Nil,  im  Euphrat-  und  Tigrisgebiete  und  in  Hellas  d.  h.  neben   der  Kunst  des 

1)  Vgl.  Preuß.  Jahrbücher  LXXIII  (1893)  S.  448  f. 

2)  Auch  in  China.     Vgl.  Abb.  107,    Pokutulu    an  verschiedenen  Stellen   und    Laufer,  Chinese  pottery 
Taf.  LXIL 

3)  Vgl.  dagegen  Riegl,  Stilfragen  S.  268. 


Y.  Der  Xomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 


„Altertums"  bestehenden  Art  der  Nomaden-  und  Xordvölker  rechnen  — ,  die  trotz 
der  hohen  Kultur  des  Südens  weiter  lebt,  ihren  Brennpunkt  in  Mittelasien  hat  und 
nach  der  vorübergehenden  Blüte  der  darstellenden  Kunst  um  das  Mittelmeer  herum 
bei  den  Germanen  und  im  Islam  wieder  zum  Vorschein  kommt. 


Abb.  226:  Das  Hängegefäß  Abb.  225  von  unten  gesehen. 

Es  warS.  2l6f.  bereits  die  Rede  davon,  daß  in  der  koptischen  und  syrischen  Minia- 
turenmalerei etwa  im  VIII.  Jh.  ein  Umschwung  zu  beobachten  ist,  der  wie  im  Arme- 
nischen und  im  Islam  das  Bandgeflecht  zur  Vorherrschaft  bringt.  Ein  gleiches  gilt 
für  die  lateinischen  Handschriften  der  Langobarden,  Merowinger  und  Iren  \    Leicht 

Für  Italien 


möglich, 


daß  hier  der  gleiche  Anstoß  wirkt  wie  im   südlichen  Orient. 


1     I  tau  Material  ist  gut  zusammengestellt  von  Zimmermann,  Vorkarolingische  Miniaturen,  1916.  Schade, 
•laß  dem   Verfasser   für  die   Bearbeitung    der    wertvollen    Sammlung    nur   die  oberflächlichste  Kenntnis  von 
W  icklioff,  Riegl.  Falke  u.  a.  Vertretern  seiner  Schule   zur  Verfügung  stand.     Er  denke   seine   eigenen  Be- 
rkungen  S.  26  zu  Ende. 


3.  Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Xordvölkern  im  Unikreise  des  Mittelmeeres.  27Q 

und  Gallien  im  besonderen  werden  gotische  neben  armenischen  und  Handschriften 
persischer  Sekten  in  Betracht  kommen.     Davon  unten  mehr. 

Die  Bandornamentik,  von  der  hier  die  Rede  ist,  muß  wohl  unterschieden  werden 
von  derjenigen  der  Bronzezeit  in  Europa.  Um  den  Vergleich  klar  durchführen  zu 
können,  gebe  ich  ein  Beispiel  dieser  älteren  Art.  Abb.  225  u.  226  zeigt  ein  im  Torfmoor 
bei  Slättäng  in  Schweden  gefundenes  Bronzegefäß  im  Nationalmuseum  zu  Stockholm1. 
Es  ist  sehr  dünn  ä  cire  perdue  gegossen  und  die  vierstreifigen  Bandornamente 
aus  freier  Hand  mit  einer  Genauigkeit  gepuntzt,  die  Montelius  mit  Recht  hervorhebt. 
Er  hat  „Die  typologische  Methode"  S.  58  f.,  die  „Schnur"-Ornamente,  ob  sie  nun 
einheimisch  oder  aus  Südeuropa  angeregt  sind,  besprochen2.  Ich  gehe  darauf  nur 
ein,  um  die  Unterschiede  gegenüber  der  über  tausend  Jahre  —  Montelius  datiert 
das  Bronzegefäß  ins  IX.  Jh.  v.  Chr.  —  jüngeren  Art  der  Völkerwanderungszeit  her- 
vorzuheben. Es  fehlen  die  oben  S.  204f.  als  sakisch  vorgeführten  Werte  der 
Mehrflächigkeit  und  des  Durchbruchs,  die  Bänder  laufen  durchaus  ohne  Kreuzung 
und  Verknotung  streifenförmig  in  der  Fläche  hin.  Auch  kommen  die  in  der  euro- 
päischen Bronzezeit  verwendeten  Motive  kaum  noch  öfter  in  den  Funden  der  Völker- 
wanderungszeit vor.  Die  bekannten  Steinarbeiten  der  Langobarden  auf  italienischem 
Boden  haben  damit  nichts  zu  tun. 

Diese  geometrischen  Bandverschlingungen  drängen  sich  dem  Kunstfreunde  in 
Italien,  wo  sie  als  Kontrast  gegen  Antike  und  Renaissance  in  ihrer  primitiven 
Steintechnik  ganz  vorsintflutlich  wirken,  stark  auf.  Man  muß  nicht  erst  nach  Cividale 
oder  Ravenna  gehen,  auf  Schritt  und  Tritt,  am  stärksten  bemerkbar  in  Rom,  fällt 
der  auf  klassischem  Boden  nach  dem  Schönen  forschende  Blick  auf  diese  rohen 
Steinreliefs  von  Kanzeln,  Altären,  Schranken,  Baptisterien  und  dergl.  In  Süditalien 
begegnet  der  gleiche  Geschmack,  mittelbar  aus  derselben  Quelle  stammend,  aber  in 
färbigen  Steinchen  und  Glas  von  den  Arabern  zur  Geltung  gebracht.  In  Rom  treffen 
solche  germanische  Fragmente  —  deren  Art  später  von  den  Comasken  übernommen 
wurde  —  zusammen  mit  den  etwas  jüngeren  vom  Islam  angeregten  Cosmatenar- 
beiten,  die  einen  schwer  und  unbeholfen  in  Relief,  die  andern  virtuos  farbig  in  Mo- 
saik ausgeführt3.  So  findet  die  an  der  sakischen  Ecke  beginnende  Doppelbewegung 
hier  wieder  ihre  Vereinigung. 

Im  Norden  fallen  die  germanischen  Altsachen  nicht  so  entschieden  auf,  aus  dem 
sehr  einfachen  Grunde,  weil  ihre  Art  nicht  so  früh  und  durchschlagend  in  die  Steinbau- 
kunst übergegangen,  vielmehr  lange  wahrscheinlich  noch  neben  dem  Kerbschnitt 
in  Holz  geübt  worden  ist  und  Steindenkmäler  im  Norden  erst  aus  späterer  Zeit  er- 
halten sind.  Außerdem  haben  die  germanischen  Altsachen  unglaublicher  Weise  in 
den  großen  Museen,  Berlin  voran,  neben  Antike  und  Italien  nicht  die  erforderliche 
Vertretung  gefunden.     Mit  Unrecht  —  nicht  nur  aus  nationalen  Gründen. 

So  wird  das  neue  deutsche  Museum  und  ebenso  das  neue  asiatische  Museum  in  Ber- 
lin erst  dann  seine  volle  Daseinsberechtigung  erweisen,  wenn  als  Ausgangspunkt  neben 
dem  Prähistorischen  u.  a.  auch  die  breite  Masse  der  Schmucksachen  aus  der  Völker- 


1)  Nach  Montelius,  Meisterwerke  im  Museum  vaterländischer  Altertümer  Taf.  6.    Vgl.  den  Text  S.  9  f. 

2)  Für  den  nordischen  Ursprung  tritt  C.  Schuchhardt,  Jahrbuch  der  kgl.  preuß.  Kunstsammlungen  1916  ein. 

3)  Vgl.  Monatshefte  f.  Kunstwiss.  I  (1908)  S.  16  f.    und    meine  Bildende   Kunst    des   Ostens  S.   14t". 


tj,q  V.  Der  Xomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

wanderungszeit  in  Europa  sowohl  wie  in  Asien  genommen  sein  wird1.  Heute  muß 
man  eine  Unzahl  von  Lokalmuseen  aufsuchen,  um  sich  an  der  Hand  der  Bronzefibeln 
vor  allem,  dann  der  Gold-  und  Silbersachen  einen  vollen  Überblick  über  den  Reichtum 
an  zwei-  und  dreistreifigen  Bandornamenten  zu  verschaffen.  Den  besten  Einblick 
gewähren  in  alle  Elemente  altgermanischen  Schmuckstiles  Funde  wie  der  von  Witis- 
lingen  im  Nationalmuseum  zu  München;  aber  freilich  gehört  dieser  nicht  mehr  der 
ersten  Entwicklungsstufe  an.  Diese  ist  gegeben  z.  B.  durch  den  Kunstbesitz  der  Goten  und 
Langobarden,  beginnt  also  jedenfalls  vor  dem  /.Jahrhundert2.  Auf  dem  Balkan  bleibt  es 
dauernd  bei  der  darin  hervortretenden,  rein  äußerlichen  Verbindung  der  mehrstreifigen 
Bandornamentik  mit  Tiermotiven3,  wie  sie  im  gesamten  Orient,  nur  das  ferne  Ostasien 
ausgenommen,  nachweisbar  ist.  Um  den  Typus  dieser  ersten  Stufe,  der  in  Stein  so  wohl- 
bekannt ist4,  auch  in  dem  wahrscheinlich  ursprünglichen  Material  zu  zeigen,  möchte  ich 
hier  nur  einen  einzigen,  noch  unveröffentlichten  Beleg  vorführen.  Das  Stück  verdient  be- 
sondere Beachtung,  weil  es,  eine  Tafel  in  Holz 5  gearbeitet,  ein  Beleg  jener  Ware  ist, 
die  in  einem  leicht  versendbaren  Stoffe  —  gleich  dem  Mimbar  von  Kaiman,  der 
aus  Baghdad  bezogen  wurde,  und  den  Türen  des  Deir  es-Surjani,  wohl  aus  Nisibis6  — 
häufig  Zwischenträger  zwischen  Ost  und  West  war. 

Abb.  227  zeigt  diese  alte  Holzschnitzerei  von  41,1x32 — 33cm  Größe.  Sie  ist 
2,2  cm  dick,  von  dunkler  Färbung,  links  teilweise  abgewittert  und  wurmstichig,  mit 
einem  Sprunge  schräg  von  oben  rechts  nach  links  unten.  Das  Stück  hat  sich  offenbar 
nur  erhalten,  weil  die  Rückseite  im  XIII.  oder  am  Anfang  des  XIV.  Jh.  wieder  ver- 
wendet worden  ist  als  Malfläche  für  eine  in  ganzer  Gestalt  thronende  Madonna,  die 
Christus"  auf  dem  rechten  Schenkel  zeigt  und  zwar  stehend  gleich  zwei  Engelpaaren, 
die  ähnlich  klein  seitlich  übereinandergemalt  sind.  Das  Bild  erscheint  als  schwarze  Ma- 
donna d.h.  ist  rauchgeschwärzt  und  oft  übermalt.  Von  der  alten  Malerei  ist  besonders 
im  Kopfe  der  Madonna  gerade  noch  so  viel  da,  daß  man  das  Stück  mit  den  volks- 
tümlichen Werken  aus  der  Zeit  des  Cimabue  oder  Giotto  zusammenstellen  kann. 
Ein  glatt  geschweiftes  Reliefprofil  bildet  den  Rand.  Ich  gehe  darauf  nicht  weiter  ein. 
Die  Tafel  ist  von  der  Bildseite  gesehen  unverletzt,  von  der  Reliefseite  gesehen  am  lin- 
ken Rande  fast  vollständig  erhalten,  am  rechten  dagegen  schräg  abgesplittert.  Diese 
Verletzung  geschah  vielleicht  beim  Einschlagen  von  kleinen  schmiedeeisernen  Ringen, 
die  zu  je  dreien  auf  jeder  Seite  des  Gemäldes  im  Rande  sitzen.  Die  Tafel  stammt 
aus  dem  Handel  und  soll  vom  Balkan,  angeblich  aus  Spalato  gebracht  sein.  Die 
Malerei  auf  der  Rückseite  spricht  für  Zusammenhänge  mit  Italien.  Sie  ist  seit  1912 
im  Besitze  des  Verfassers. 

Stellt  man  die  Aufmerksamkeit  ganz  auf  das  Relief  ein,  so  bemerkt  man,  daß 
dieses  nur  unten  vollständig  ist.    Der  Rand  links  und  besonders  auffallend  der  obere 


ij  Vgl.  meine  Vorschläge  Ostasiatische  Zeitschrift  II  (19 13)  S.  1  f.  und  schon  Deutsche  Literatur- 
zeitung 1905  Sp.  2896. 

2)  Vgl.  darüber  oben  S.  74  und   194.  3)  Vgl.  die  Literatur  darüber  oben  S.  76. 

4)  Vgl.  meine  Bildende  Kunst  des  Ostens  Abb.  5. 

5)  Prof.  Molisch,  der  das  Holz  untersucht  hat,  teilt  mir  freundlich  mit,  daß  die  durchwegs  einreihigen 
Markstrahlzellen,  der  Mangel  an  Harzgängen  und  einiges  andere  keinen  Zweifel  darüber  lassen,  daß  es  sich 
um  Tannenbolz  (Abies  pectinata)  handelt. 

61  Vgl.  Oriens  christiahus  I    1901"  S.  356  f.  7)  Oder  Anna  mit  Maria  (segnend,  R  z.  Engel  gesenkt  . 


3.  Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Nordvölkern  im  Umkreise  des  Mittelmeeres. 


281 


Rand  sind  schräg  herausgesägt,  wahrscheinlich  als  man  die  Tafel  aus  einer  größeren 
Wand  für  den  Zweck  der  Malerei  zurecht  schnitt.  Wir  müssen  also  bei  Betrachtung 
des  Musters  mit  diesem  größeren  Umfange  des  ursprünglichen  Bestandes  rechnen. 
Dann  wird  zunächst  ganz  klar,  daß  die  breite  Borte  rechts  und  unten  wohl  nach 
oben  und  links  weiter  lief,   und,  was  wir  vor  uns  haben,  nur  die  rechte  untere  Ecke 


Abb.  227:   Wien,  Privatbesitz:  Geschnitzes  Brett. 


einer  größeren  Tafel  war.  Von  dem  weggesägten  oberen  Teile  läßt  sich  noch  so  viel 
feststellen,  daß  dort  ebensolche  Kreise  folgten,  wie  man  sie  unter  dem  Querstreifen 
sieht,  der  offenbar  die  Mitte  bildete.  Man  erkennt  am  Rande  noch  deutlich  die  Kreis- 
teile, die  den  Rand  berühren  und  sieht  ganz  deutlich,  daß  die  Linie,  die  die  Bordüre 
rechts  von  diesen  Feldern  trennt  —  sie  ist  mit  dem  Hohlstemmeisen  von  unten  herauf 
mit  einer  Art  Blattstab  versehen  —  nach  oben  weiterlief.  Eine  ähnliche  Linie,  schief 
durchgeschnitten,  begrenzt  das  Relief  heute  auch  links.    Das  Ornament  läuft  verkehrt. 


V.   Der  Xomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

Das  Mittelfeld  der  Tafel  ist  oben  mit  zwei  Kreisen  gefüllt  Sie  werden  von 
einem  punktierten  Stege  gebildet,  der  seitlich  abgeschrägt  in  den  Grund  übergeht. 
Nach  der  Mitte  zu,  wo  sich  die  Kreise  verknoten  und  Vollpalmetten  die  Ranken- 
zweige verbinden,  ist  alles  zweistreifig.  In  dem  Kreise  rechts  sieht  man  ein  Tier  so  un- 
bestimmt gebildet,  daß  es  ebenso  für  einen  Hasen  wie  für  einen  Löwen  gehalten  werden 
kann.  Es  schreitet  mit  erhobenem  Kopfe  und  Schwänze  nach  links.  Halbpalmetten 
und  Krabben  d.  h.  Kreislappen  füllen  die  Lücken.  Im  Kreise  links  erscheint  ein 
nach  links  hin  flatternder  Vogel,  der  zurückblickt.  Das  Gefieder  ist  durch  Zickzack- 
schnitte angegeben.  Im  Streifen  darunter  sieht  man  zwei  Pfauen  symmetrisch  mit 
verschlungenen  Hälsen  und  erhobenen  Flügeln  einander  gegenüberstehen,  ihre  Schwänze 
rollen  sich  in  Palmettenranken  ein.  Im  Mittellote  Reste  eines  Palmettenbaumes.  Die 
breiten  Borten  rechts  und  unten  sind  rein  zweistreifig  mit  Bändern  gefüllt,  die  nach 
innen  Zickzackbogen  bilden,  in  die- sich  von  außen  her  Rundbogen  einschlingen. 
Alle  Lücken  füllt  die  drei-  oder  fünflappige  Palmette.  Der  schmale  Streifen 
oben  zeigt  zweistreifige  S-Glieder  paarweise  zusammengestellt  und  zu  Halbpalmetten 
ergänzt. 

Die  durchbrochene  Arbeit  des  Mimbars  von  Kairuan  ist  in  diesem  Stücke  vom 
Balkan  wieder  dem  flachen  Relief  gewichen1.  Manches  erinnert  an  die  Funde  vom 
Kotschkar  und  vom  Jenissei  (Abb.  180  und  178),  (so  das  ausgestochene  Ornament 
am  Rande  links  und  rechts  vom  Mittelfelde,  jene  zellenartigen  kurzen  Rillen,  die  an 
einem  Ende  rund,  am  andern  eckig  sind).  Dazwischen  liegt  vermittelnd  Armenien. 
Ich  gebe  in  Abb.  228  noch  eine  der  Miniaturen  des  kleinarmenischen  Evangeliars 
von  1198  in  Lemberg,  das  als  Krönung  die  gleichen  mit  den  Hälsen  verschlungenen 
Pfauen  zeigt,  wie  unsere  Tafel2.  Die  Art  wie  ihr  Schwanz  auf  dieser  Holztafel  über- 
geht in  eine  Palmettenranke  erinnert  an  Bildungen  im  Kotschkarschatze  (Abb.  1801 
bzw.  an  die  Ranken,  die  in  der  Miniatur  Abb.  181  sich  aus  dem  Vogelschwanz  ent- 
wickeln und  in  Vogelköpfe  endigen. 

Ich  gebe  die  Kanonestafel  des  armenischen  Evangeliars  ebenso  wie  die  in 
Abb.  181  vorgeführte  im  vollen  Umfange  —  obwohl  eine  Einzelheit  für  den  Ver- 
gleich genügt  hätte  — ,  um  neuerdings  eindringlich  auf  den  armenischen,  mit  dem 
sakisch-parthischen  Hinterlande  in  engster  Verbindung  stehenden  Kunstkreis  auf- 
merksam zu  machen3.  Diese  reiche  Ornamentik  ist  gewiß  nicht  erst  in  den  letzten 
Jahrhunderten  vor  dem  Jahre  1000  entstanden,  für  die  wir  sie  dokumentarisch  be- 
legen können4,  sondern  hat  ihre  Voraussetzung  in  älteren  persischen  Miniaturen  wie 


i)  Vgl.  damit  auch  die  oben  S.  76  über  die  mittelalterliche  Kunst  in  Hellas  zitierten  Arbeiten  und 
Schulz  and  Barnsley,  The  monastery  of  Saint  Luke  Taf.  22  f. 

2)  Vgl.  dazu  auch  das  Elfenbeinkästchen  von  Burgos  vom  J.  1026,  das  auch  sonst,  wie  die  islamischen 
Elfenbeinarbeiten  überhaupt,  besonders  in  der  Verwendung  des  Tierornamentes,  Parallelen  zu  unserer  Holz- 
tafel zeigt.  Vgl.  auch  Martin,  A  history  of  oriental  carpets  (ig.  258  u.  a.,  so  ein  Silberstück  aus  dem 
Holm  bei  Driesen  im  Museum  für  Volkerkunde  zu  Berlin. 

3)  Vgl.  andere  Miniaturen  des  gleichen  Evangeliars  „Amida"  S.  362  und  369.  Dazu  die  dort  ange- 
gebene Literatur.  Vgl.  damit  auch  die  Ornamente  der  russischen  Kirchen  von  Wladimir  und  Susdal 
und  die  armenischen  von  Achthamar  vom  J.  915 — 921  (Bachmann,  Kirchen  u.  Moscheen  in  Armenien 
S.  45  f.).     Dort  an  der  Xordseitc  auch  die  Pfauen   mit  verschlungenen  Hälsen. 

4)  Vgl.  meine  Kleinarmenische  Miniaturmalerei  S.  24t".  und  „Ein  zweites  Etschmiadsin-Evangelbi" 
Festschrift  Huschard/.an   S.  345  f.     Dazu  meine  Byzantinischen  Denkmäler  Bd.  I  S.  75  f. 


Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Nordvölkern  im  Umkreise  des  Mittelmeeres. 


283 


Abb.  228:  Lemberg,  Armenisches  Evangeliar  vom  J.    1198:  Hypothesis. 


sie  z.  B.  für  die  Manichäer  bezeugt  sind1.  Wir  bekommen  so  einen  Eindruck  von 
dem  reichen  Ornamentenschatze,  mit  dem  die  Goten  am  schwarzen  Meere  in  Be- 
rührung kamen.  Die  Denkmäler  der  armenischen  Architektur  bieten,  wie  oben 
S.  193 f.  ausgeführt  wurde,  geradezu  den  Schlüssel  zum  Verständnisse  des  Aufkommens 


1)  Vgl.  K.  Müller,  Sitzungsber.  d.  kgl.  preuß.  Ak.  d.  Wiss.  Phil.-hist.  Kl.    1904  S.  352  und  Abhand- 
lungen  1904.     Dazu  meine  „Kleinarmenische  Miniaturenmalerei"  S.  37. 


V.  Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 


der  Bandverschlingungen.  Götze  (Katalog  6)  sieht  ganz  richtig,  wenn  er  sagt,  die 
(im  alten  Sakengebiete)  in  Südrußland  entwickelte  Kunst  sei  die  Wurzel  der  natio- 
nalen Kunst  bei  sämtlichen  germanischen  Stämmen  der  Völkerwanderungszeit 
geworden. 

d)  Das  Tiergeriemsel.  Die  zweite  Stufe  in  der  Entwicklung  altgermanischer  Kunst 
bedeutet  jene  Schicht,  die  am  Balkan  und  im  näheren  Oriente  garnicht,  in  Italien  nur  in 
einzelnen  versprengten  Stücken  nachweisbar,  dafür  aber  im  Norden  die  herrschende  ist. 
In  ihr  treten  die  ursprünglichen  Elemente:  Zelleaverglasung,  Tierendigung  und  Bandver- 
schlingung  zurück  gegen  eine  überraschend  eigenartige  Tierornamentik,  die  sich  jetzt 
als  Flächenfüllung  geltend  macht.  Das  ist  jenes  sonderbare  Geriemsel,  erkennbar  daran, 
daß  man  Bandverschlingungen  vor  sich  zu  haben  meint,  die  aber  stellenweise  durch 
Verdickungen  und  Unterbrechungen  Rätsel  aufgeben.  Es  gelang  nordischen  Forschern, 
zu  zeigen,  daß  die  verdickten  Schlingen  nichts  anderes  als  die  Gelenke  der  Vorder- 
und  Hinterfüße  seien,  zusammen  mit  einer  hufeisenförmigen  Verdickung,  diebezeichnend 
für  den  Kopf  ist.  In  ihr  kann  man  die  Andeutung  des  Auges,  davor  die  Schlinge  für 
das  Maul  oder  den  Schnabel  finden.  Hals,  Rumpf,  Beine  und  Schwanz  sind  ganz  will- 
kürlich bandartig  durcheinandergeschlungen,  nur  für  die  Füße  gibt  es  noch  eine  kon- 
ventionelle Form:  breiter  werdende  Enden,  gewöhnlich  dreiteilig.  Dieses  Tiergeriemsel 
zusammen  mit  der  Tierendigung  und  Randtieren  bestreitet  bisweilen  ausschließlich 
den  Schmuck  ganzer  großer  Schmuckstücke  und  man  fragt  sich  erstaunt,  woher  diese 
sonderbar  unantike  und  unorientalische  Bildung  komme.  Haben  wir  es  da  mit  aus- 
gesprochen germanischer  Erfindung  zu  tun  oder  wie  liegt  die  Sache  sonst? 

Wir  haben  ein  ausgezeichnetes  Stück  dieser  Art  oben  S.  209  in  Abb.  175  aus 
dem  in  Norwegen  gefundenen  Osebergschiffe  kennen  gelernt,  etwa  aus  dem  VIII  Jh. 
Die  geläufige  Art,  die  sich  etwas  später  durchgesetzt  hat,  ist  an  dem  Osebergschift" 
selbst  zu  beobachten,  dessen  Bug  Abb.  229  wiedergibt.  Während  an  der  Deichsel 
eines  der  Schlitten  (Abb.  175),  die  im  Innern  des  Schiffes  als  Grabbeigaben  gefunden 
wurden,  das  Tierornament  noch  im  vollkommensten  Tiefendunkel  und  in  einer  gerade- 
zu nur  gewaltsam  zur  Einheit  gebrachten  Mehrflächigkeit  durchgeführt  ist,  zeigt  der 
offenbar  einer  jüngeren  Zeit  angehörige  Bug  des  Schiffes  jene  flächenhaft  glatte  Be- 
handlung, wie  sie  dann  auf  den  germanischen  Altsachen  typisch  geworden  ist.  Man 
sieht  die  übereinander  geschichteten  Planken  des  Schiffes  am  Kiel  und  am  Bord 
—  dahinter  das  Zelt  an  der  Stelle,  wo  die  ähnliche  Hütte  zur  Aufnahme  des  Toten 
mit  seinen  reichen  Beigaben  stand  —  geschmückt  mit  dem  Tiergeriemsel,  wie  es 
sich  an  den  Stabkirchen  Schwedens  und  Norwegens  ausgezeichnet  in  seiner  Weiter- 
entwicklung beobachten  läßt1.  Ich  gehe  auf  diese  spätere  Art  nicht  ein2;  dagegen 
möchte  ich  noch  einen  Augenblick  bei  den  oben  von  den  Totenbeigaben  des  Oseberg- 
schiffes  gegebenen  Abbildungen  174  und  175  verweilen,  an  denen  neben  dem  Motiv  an 
sich  auch  die  Mehrflächigkeit  und  S.  209  die  Flächenbelebung  hervorgehoben  wurde. 


1)  Vgl.  darüber  und  über  die  einschlägige  neuere  Literatur  A.  Haupt,  Zur  Entwicklung  der  roma- 
nischen Ornamentik,  Monatshefte  f.  Kunstviss.  VIII  (19 15)  S.  309  f. 

2)  Vgl.  Sophus  Müller,  Die  Tierornamentik  im  Norden,  1881,  und  Salin,  Die  altgermanische  Tier- 
omamentik,  1904.  Dazu  meine  Besprechung,  Deutsche  Literaturzeitung  191 5  Sp.  2893  f.  und  Schmarsow. 
Jahrbuch  d.  kgl.  preuß.  Kunstsammlungen  XXXII  (1911)  S.  88  f. 


3.  Die  Wirkung  bei  den  Nomaden   und  Nordvölkern  im  Umkreise  des  Mittclmeeres. 


285 


Es  ist  S.  210  die  Frage  aufgeworfen   worden,   wie   diese  arische  Art  im  Wege 
der  von  Iran    nach  Skandinavien   führenden   indogermanischen  Achse  nach  Norden 


Abb.  229:  Kristiania,  Universitäts-Museum:  Osebergschiff. 
(Aufgenommen  bei  den  Ausgrabungen)  *. 


gelangt  sein  kann2.     Im  gegebenen  Falle  könnten  Goldsachen  der  Träger  gewesen 
sein.    Wie  in  der  Wikingerzeit  Silber,  so  hat  vorher  Gold  im  Weltverkehre  die  aus- 

1)  Der  Druckstock  wurde  mir  freundlich  von  Herrn  Geheimrat  Haupt,  bezw.  dem  Verlage  Klinkhardt 
und  Biermann  zur  Verfügung  gestellt. 

2)  Das  Nationalmuseum  zu  Stockholm  besitzt  nicht  so  reiche  Beispiele  alter  Stabkirchen  wie  Kristi- 
ania, dafür    aber    einige     besonders    beachtenswerte   Denkmäler.      So    fiel   mir   angesichts    der   Reste    von 


-,gß  V.  Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

Nchlaggebende  Rolle  gespielt1.  Um  die  Ornamente  der  Deichsel  (Abb.  175)  läßt 
sich  aus  Goldschmuck  eine  reiche  Gruppe  bilden,  die  in  dem  Schatzfunde  von 
I  liddensö  im  Museum  zu  Stralsund,  dem  Funde  von  Hornelund  im  Kgl.  Museum  zu 
Kopenhagen,  dem  Goldsporne  von  Röd  (Bezirk  Rygge)  im  Universitäts-Museum  zu 
Kristiania  und  Stücken  wie  der  Goldscheibe  von  Johannishus  im  Nationalmuseum  zu 
Stockholm  u.  a.  hervorragende  Vertreter  zählt.  Ich  möchte  hier  nicht  näher  darauf 
eingehen2  und  bemerke  nur,  das  in  Schützengräben  des  ukrainischen  Galiziens  Gold- 
sachen gefunden  wurden,  die,  scheint  es,  ebenfalls  diesem  Kreise  angehören3. 

In  diesem  Buche  sind  die  ural-altaischen  Bronzefunde  und  öfter  die  vom  Jenissei 
herangezogen  worden.  Sie  geben  meines  Erachtens  Anlaß  genug,  über  den  Zusammen- 
hang auch  der  zweiten  Stufe  des  germanischen  Bandornamentes,  der  ausgesprochenen 
Tierornamentik  mit  dem  Osten  nachzudenken.  Vor  allem  sind  die  Verdickungen 
der  Gelenke  in  Schlingenform  so  deutlich  auf  jenen  Goldsachen  von  Ungarn  bis 
Sibirien  heimisch  —  vgl.  oben  S.  62,  129  und  Abb.  178,  16  —  daß  ihre  Umbildung  im 
Wege  der  Durchsetzung  mit  dem  arischen  Bandornament  gewiß  als  Hypothese  zu- 
lässig ist.  Hier  werden  Forschungen,  die  nicht  einseitig  nur  von  der  Kenntnis  des 
europäischen  Materiales  ausgehen,  allmählich  Wandel  schaffen  müssen.  Inzwischen 
schlage  man  auch  im  gegebenen  Falle  Minns  „Scythians  and  Greeks"  S.  282  nach 
und  erinnere  sich,  daß  oben  S.  I4lf.  bei  Besprechung  der  in  Gold  gearbeiteten  Tiere 
des  Sakengebietes  und  der  verwandten  Bronzen  vom  Jenissei  eine  Gattung  von 
Tierornament  erwähnt  wurde  —  Abb.  178,  17  gibt  davon  eine  Vorstellung  —  die 
oben  S.  208  verglichen  wurde  mit  dem  eingerollten  Tiere  der  Deichsel  aus  dem  Ose- 
bergschiff  in  Kristiania  (Abb.  175),  das  auf  den  ersten  Blick  wie  ein  Armband  wirkt. 
Damit  scheint  doch  ebenfalls  eine  Spur  von  Zusammenhang  aufgewiesen. 

Manche  neigen  heute  noch  dazu,  das  nordische  Tierornament  für  die  eigenste 
Schöpfung  germanischen  Geistes  anzusehen;  die  dunklen  Nachrichten  von  Wurm- 
bildern und  Drachen  mögen  darin  bestärken.  Und  doch  wäre  zur  Vorsicht  zu  mahnen. 
So  lange  wir  —  ich  wiederhole  —  nicht  die  Schiebungen  in  der  uralten  zentral-  und 
nordasiatischen  Kunst  kennen,  wird  schwerlich  ein  halbwegs  befriedigendes  Urteil 
gefällt  werden  können.  Die  altchinesische  Ornamentik  zeigt  ganz  verwandte  Neigungen 
und  schon  aus  diesem  Grunde  fragt  es  sich,  ob  die  gleiche  Entwicklung  vom  geo- 
metrischen zum  Tierornament4  dort  und  im  europäischen  Norden  so  ganz  auf  eigenstem 
Boden  unabhängig  von  einem  nach  beiden  Seiten  vermittelnd  anregenden  Nordasien'1 


Hemse  (Goüand)  und  der  Kungsärabank  an  den  Bändern  die  Kreislappenendigung  auf.  Die  Ranken  wirken  dort 
wie  Arabesken.  Vgl.  Roosval,  Die  Kirchen  Gotlands  S.  94,  Taf.  39  und  Janse,  Medeltidsminnen  frän  Öster- 
uutland  Fig.  2 — 7.     Dazu  Fornvännen   1907  S.  51.     Die  Stücke  stammen  aus  dem  XII.— XIII.  Jahrhundert. 

1)  Vgl.  dazu  auch  Schmarsow  a.  a.  O.  S.   106. 

2)  Wie  ratlos  man  den  Funden  dieser  Zeit  noch  gegenübersteht,  lese  man  bei  Ebert,  Der  Goldrin.^ 
von  Strobjehnen,  Praehistorische-Zeitschrift  III  (1911)  S.   104  f.  nach. 

3)  Höchstes  Interesse  verdienen  in  der  Frage  der  Zusammenhänge  mit  dem  Osten  die  Bronzebeschlä^c 
eines  Holzeimers  aus  dem  Osebergschiffe.  Die  Henkclbeschläge  zeigen  eine  mit  übereinandergeschlagencn 
Beinen,  also  nach  indisch-sakischcr  Art  hockende  Figur,  deren  Bruslfläche  bunt  emailliert  ist. 

4)  Arne,  La  Suede  et  l'Orient  S.    19  und  99  denkt  an  den  umgekehrten  Weg  der  Entwicklung. 

3  Vgl.  dazu  jetzt  auch  Appelgren-Kivalo,  „Om  den  s.  k.  karolingiska  stilens  Ursprung"  (Opuscula 
archaeologica,  Oscari  Montelio  septuagenario  dicata  (1913)  S.  365  f.),  der  für  die  Verbindung  der  Skythen 
über  Südrußland  mit  dem  Norden   Aithikos  von  Istrien  (etwa  IV.  Jh.)  zitiert. 


3.  Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Nordvölkern  im  Umkreise  des  Mittelmeeres.  287 

vor  sich  gegangen  ist.  Dazu  kommt  in  beiden  Fällen  die  andere  Frage,  ob  die  ver- 
wandte Entwicklung  auf  Grund  eines  gemeinsamen  Anstoßes  nicht  für  das  Handwerk 
auf  die  gleichen  im  Materiale  liegenden  Voraussetzungen  zurückzuführen  ist,  vor 
allem  auf  die  Arbeit  in  Holz,  von  der  wir  so  wenige  Belege  besitzen1.  Was  das 
Osebergschiff  gebracht  hat,  wirft  ein  Streiflicht  sondergleichen  auf  diesen  Umstand 
und  darauf,  daß  wir  Unrecht  tun,  den  Kerbschnitt  allein  für  den  Ansatz  der  Ent- 
wicklung verantwortlich  zu  machen  und  im  übrigen  die  römische  Grundlage  gelten 
zu  lassen2.  Doch  will  ich  hier  auf  die  Sache  nicht  näher  eingehen,  genug  daß 
solche  Probleme  allmählich  auf  die  Tagesordnung  kommen. 

Es  fällt  auf,  wie  wenig  Beachtung  meine  Bemerkung  Deutsche  Literaturzeitung  1 905 
Sp.  2895  und  die  nachfolgende  Bearbeitung  der  angeregten  Frage  durch  Muth  „Stilprin- 
zipien der  primitiven  Tierornamentik  bei  Chinesen  und  Germanen"  (191 1)  gefunden  hat. 
Ich  sehe  in  dieser  Tatsache  nur  einen  Beweis  -für  die  Unreife  der  deutschen  kunst- 
historischen Forschung.  Die  Tatsache,  daß  der  Weg,  den  die  Germanen  erst  in  der 
zweiten  Hälfte  des  ersten  Jahrtausends  gehen,  von  den  Chinesen  schon  in  den  Jahr- 
hunderten vor  Christus  zurückgelegt  wurde,  hätte  bei  entsprechender  Fachreife  einen 
Sturm  von  Erstaunen  auslösen  und  eine  ganze  Bibliothek  von  Erklärungsversuchen 
auslösen  müssen.  Wir  aber  schlafen,  nichts  vermag  die  Seelenruhe  unseres  „sicheren" 
Besitzes  zu  erschüttern3.  Uns  interessiert,  was  die  Deutschen  aus  antiken  und  italienischen 
Anregungen  gemacht,  nicht  aber,  was  sie  selbständig  oder  in  Zusammenhang  mit 
ihrer  nordisch-eurasischen  Heimat  geschaffen  haben.  Armes  Deutschtum!  Als  ich 
beim  Deutschen  Verein  für  Kunstwissenschaft  eine  Stelle  anregte,  die  an  meinem  In- 
stitute den  Zusammenhang  mit  dem  Oriente  zu  studieren  hätte,  wurde  das  abgelehnt. 
Vielleicht  wird  man  sich  jetzt  nach  dem  Kriege,  wenn  alle  Welt  nach  dem  Osten 
sturmläuft,  allmählich  der  Masse  anschließen.  Dabei  wird  nicht  nur  das  Ornament, 
sondern,  wie  ich  schon  in  meinem  „Aachen"  und  „Kleinasien"  ausführte,  vor  allem 
auch  die  Architektur  und  die  darstellende  Kunst  heranzuziehen  sein,  letztere  freilich 
weniger  für  den  Nachweis  des  Nordstromes,  als  für  den  über  das  Mittelmeer  ein- 
mündenden Südstrom. 

e)  Kirche  und  Kloster.  Es  wäre  verkehrt  zu  glauben,  daß  in  der  Zeit,  in  der 
sich  im  Norden  das  germanische  Tierornament  entwickelte,  also  rund  von  600 — 800, 
im  germanischen  Süden  die  Baukunst  von  ihrer  in  Gallien  und  am  Rheine  in  helle- 
nistisch-christlicher Zeit  erreichten  Höhe  wieder  vollkommen  heruntergekommen  sei, 
so  daß  man  z.  B.  beim  Bauplan  von  St.  Gallen  mit  einem  damals  vorherrschenden 
Holzbau  rechnen  müßte.  Das  wäre  gerade  so,  wie  wenn  im  XVIII.  Jh.  bei  der  all- 
gemein nachweisbaren  Vorherrschaft  eines  ornamentalen  Geschmackes  im  Norden, 
des  Rokoko,  die  vom  Süden  getragene  Architektur  zugrunde  gegangen  wäre.  Vielleicht 
behauptet  man  das  auch  nach  tausend  Jahren.  Im  XVIII.  Jh.  war  es  die  Akademie 
und  der  Klassizismus,  die  den  Baumeister  auf  der  Höhe  erhielten,  und  nicht  ganz 
unähnlich  mag  es  tausend  Jahre  früher  gewesen  sein,  nur  war  der  Hort  der  helle- 
nistischen, wie  der  neuen   römisch-katholischen  Bewegung  Hof,  Kirche  und  Kloster. 

1)  Vgl.  Hoerschelmann,  Entwicklung  der  altchin.  Ornamentik  S.  23  und  Muth,  Stilprinzipien  S.  119. 

2)  Vgl.  Schmarsow,  Jahrbuch  d.  kgl.  preuß.  Kunstsammlungen  XXXI  (191 1)  S.  69. 

3)  Vgl.  auch  bezüglich  der  Edda  den  Mahnruf  Jacobs,  Östliche  Kulturelemente  im  Abendland   S.  4. 


->§g  V.  Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

Von  diesen  geht  denn  auch  die  große  Kulturarbeit  aus,  die  dann  unter  Karl  d.  Gr. 
zum  Wiederaufleben  des  alten  Reichsgedankens  führt.  Daraus  wohl  und  aus  ähnlichen 
Anzeichen1  hat  man  geschlossen,  daß  die  gesamte  karolingische  Kunst  eine  Renais- 
sance Roms  gewesen  sei.  Für  die  Baukunst  kann  das,  wie  ich  im  „Dom  zu  Aachen" 
S.  23  f.  gezeigt  habe,  nicht  gelten,  am  allerwenigsten  für  die  Klöster. 

Gewiß  wird  in  frühgermanischer  Zeit  im  Norden  allgemein,  im  alten  Gallien  und 
am  Rheine  vereinzelt  der  Holzbau  auch  für  Kirche  und  Kloster  üblich  gewesen  sein. 
Mancher  „Palast"  wird  wie  der  des  Attila  in  Ungarn  aus  Holz  errichtet  und  mit  ge- 
schnitzten Brettern  verkleidet  zu  denken  sein.  Auch  für  die  Halle  Heorot  in  Däne- 
mark und  die  ersten  ländlichen  Versammlungsräume  mag  das  gelten.  Gute  Belege 
dieser  Art  sind  ja  noch  in  den  skandinavischen  Stabkirchen  erhalten.  Aber  in  den 
größeren  Städten  und  Klöstern  wurde  vom  Süden  her  gewiß  nach  wie  vor  hauptsäch- 
lich in  Stein  oder  Ziegel  gebaut  Im  Plan  von  St.  Gallen  waren  außer  der  Kirche  wohl 
auch  die  um  den  Kreuzgang  gruppierten  Gebäude,  dann  die  Aula  des  Abtes  u.  a.  in 
monumentalem  Material  ausgeführt  gedacht.  Vor  allem  hat  sich  die  Kirche  d.  h. 
die  Basilika  nicht  erst  im  Norden  aus  irgendeiner  entsprechenden  Form  des  Bauern- 
hauses entwickelt.  Und  ebensowenig  dürften  die  Voraussetzungen  der  Ornamente 
gerade  nur  im  Holzbau,  der  Flecht-  oder  Bronzetechnik  zu  suchen  sein,  sondern 
kamen  wie  die  Basilika  und  der  Zentralbau  aus  dem  hellenistisch-armenischen  und 
römischen,  so  ihrerseits  aus  uralten  eurasischen  Überlieferungen,  die,  für  sich  ge- 
nommen, allerdings  einst  auf  ursprüngliche  Materialstile  zurückgegangen  sein  mögen. 

Man  wird,  scheint  es,  zwei  Strömungen  in  der  Entwicklung  der  frühchristlichen 
Kunst  auf  dem  Boden  Galliens  zu  trennen  haben.  Die  eine  ältere  ist  die  helle- 
nistische, die  mit  dem  Vordringen  der  Westgoten  neu  belebt  wird.  Die  andere  ist 
die  römische,  die  mit  der  Christianisierung  der  Franken  einsetzt.  Für  die  eine  ist 
bezeichnend  die  reiche  Fülle  gewölbter  Bauformen,  wie  sie  in  gallischen  Zentral- 
bauten nachklingt  und  in  Spanien  zu  einer  heute  noch  in  breiter  Schicht  nachweis- 
baren Bauschule  geführt  hat,  als  deren  besten  Vertreter  Haupt  die  Kirche  S.  Pedro 
de  Nave  nachgewiesen  hat2.  Vielleicht  knüpft  an  sie  auch  die  „romanische"  Kunst 
an,  indem  sie  das  westgotische  Wölbesystem  später  überträgt  auf  die  zweite,  näm- 
lich die  römische  Schicht,  die  sich  bei  allem  hellenistischen  Einschlage3  doch  im 
Wesentlichen  in  der  holzgedeckten  Basilika  auslebte. 

Wir  rechnen  für  die  spätrömisch-fränkische  Zeit  zu  wenig  mit  einer  Tatsache, 
die  das  spätere  Aufkommen  der  Bezeichnung  „Gotik"  vielleicht  nicht  so  ganz  un- 
begründet erscheinen  läßt.  Man  vergegenwärtige  sich  nur  das  Auftreten  der  Goten 
in  Italien,  wie  der  große  Theoderich  die  Denkmäler  Roms  schützt  und  in  Ravenna  ge- 
radezu eine  Blütezeit  aller  Künste  herbeiführt.  Er  allein  und  sein  Aufenthalt  in  Byzanz 
wird  das  nicht  zu  verantworten  haben.    Ebensowenig  die  Griechen  und  Römer  seiner 


1     Vgl.  Clemen,  Die  monumentale  Wandmalerei  in  den  Rheinlanden  S.  676. 
2)  Zeitschrift  für  Gesch.  d.  Architektur  IV  (1911)  S.  222f. 

3     Das   Material    jetzt   gut   zusammengetragen    von  Clemen,    a.  a.  O.    S.  695  f..    nur    setzt    er    S.  681 
den  Kintritt   der   Wendung   zum    Lateinischen    in    der   spätrömisch-fränkischen   Zeit    Galliens    zu    früh    an. 
S.    6S9    ist  meine   Arbeit   über    Spalato  mißverstanden:  Der  Kuppelbau    kann    nicht    mitsprechen,  wenn    es 
um  einen  Markstein  der  „romanischen"  Kunst  handelt.     Vgl.  im  Übrigen  für  den  hellenistischen  Ein- 
schlag mein  „Kleinasien"  S.  206  f. 


3-  Die  Wirkung  hei  den  Nomaden  und  Nordvölkern  im  Umkreise  des  Mittelmeeres.  289 

Umgebung.   Vielmehr  werden  schon  da  die  Kulturerrungenschaften  des  langen  Auf- 
enthaltes am  Schwarzen  Meere  —  die  Goten  erlangten  durch  den  Kleinasiaten  Ulfilas 
ungefähr  gleichzeitig  mit  den  Armeniern  ihre  eigene  Schrift1  —  auch  für  das  Gebiet  der 
bildenden  Kunst  mitsprechen.   Sicher  scheint,  daß  die  Westgoten  im  südlichen  Gallien 
und  Spanien  zu  Trägern  eines  eigenen  Steinschnittes  wurden  und  ihn  über  die  mero- 
wingische  Zeit  hinweg  auf  Karl   d.  Gr.   und  das  bedeutungsvolle  Jahr   1000  herüber 
brachten.  Venantius  Fort.  carm.  II,  19  sagt  von  der  unter  dem  Goten  Launebod  errichteten 
Basilika  St.  Saturnin  in  Toulouse  „quod  nullus  veniens  Romana  e  gente  fabrivit,  hoc 
vir  barbarica  prole   peregit    opus".      Gregor  von  Tours  spricht  mit  Stolz  von  der 
Kirche  des  hl.  Martin,  „einem  Werk  unserer  Künstler",  und  im  X.  Jh.  heißt  es  von  der 
Peterskirche  in  Rouen  ausdrücklich,  sie  sei  quadris  lapidibus,  manu  Gothica  a  primo 
Lothario  erbaut2.     Es  hat  daher  schon  Wiltheim  angenommen,  daß  die  Goten   eine 
eigene  Art  zu  bauen  gehabt  hätten3.  Dem  entspricht,  was  Haupt  (a.  a.  O.  S.  223  u.  238) 
jetzt   im   Anschluß    an    S.  Pedro    de   Nave    und    die   andern   von    ihm    untersuchten 
westgotischen  Bauten  in   Spanien   feststellt,   ihre  großsteinige  Quader-  und  Wölbe- 
technik,  die  solchen,   denen  die  Reise  nach  Spanien  versagt  ist,   vom  Grabmale  des 
großen  Theodorich   in    Ravenna   her  eindrucktvoll  im   Gedächtnis   ist4.     Ich    meine 
damit  nicht  den  großen  Kuppelstein  allein,  sondern  die  ganze  saubere  Quadertechnik, 
die  Vogüe  zusammen  mit  der  Bauform  an   Syrien,   mich  an  Armenien   denken  ließ. 
Ob  die  Goten  den  Quaderschnitt  nun  in  Gallien  aus  den  Händen  hellenistischer  Bau- 
meister genommen  haben  —  die  Gallier  selbst  bauten   mit  kleinen  Bruchsteinen  — 
oder   ihn    aus    dem  Osten  und  von  der  Berührung  mit  Kleinasiaten  und  Armeniern 
her  mitbrachten,  das  ist  daher  sehr  die  Frage.    Es  gibt  zum  mindesten  ein  im  Rahmen 
des  Hellenistischen  und  Römischen  im  engeren  Sinne  recht  fremdartiges  Motiv,  dessen 
Auftreten  in  vorislamischer  Zeit  in  Spanien  und  in  karolingischer  Zeit  in  der  Schweiz 
und  an   der  Loire   sich  gut  durch  die  Herübernahme  aus  Kleinasien  und  Armenien 
vonseiten  der  Westgoten  erklären  ließe,  den  Hufeisenbogen,  der  in  Spanien  zugleich 
mit  der  Wölbetechnik  auftritt5. 

Lasse  ich  mich  durch  solche  Anzeichen  leiten,  dann  komme  ich  für  den  vor- 
fränkischen, hellenistischen  Kreis  zu  einer  weiteren  Unterteilung  in  eine  Gruppe,  die 
den  Südstrom  von  Alexandria  und  Antiochia  aufnimmt,  und  eine  zweite,  die  im  Ge- 
folge der  Goten  auftritt  und  von  Kleinasien  und  Armenien  her  durchsetzt  ist.  Die 
klarsten  Belege  für  diese  beiden  Unterabteilungen  besitzen  wir  freilich  in  Gallien 
erst  aus  karolingischer  Zeit.    Der  Dom  zu  Aachen  ist  der  lebende  Zeuge  des  Süd- 

1)  Vgl.  dazu  auch  den  Codex  argenteus  in  Upsala,  wo  die  auf  jeder  Seite  unten  gemalten  Nischen- 
reihen den  iranischen  Einschlag  belegen.  Vgl.  oben  Abb.  71,  95,  193,  206  und  212  und  die  armenischen 
Beispiele  Abb.  161  f.,   181,  2-26;  dazu  die  chinesische  Art  Abb.  H2f. 

2)  Acta  SS.  24  Aug.  IV,  818/9  §  401  Vita  S.  Audoenii. 

3)  Vgl.  dazu  Reimers,  Zeitschrift  f.  bild.  Kunst  XXII  (1887)  S.  20. 

4)  Über  dessen  armenische  Art  vgl.  Zeitschrift  f.  Gesch.  d.  Architektur  I  (1908)  S.  247  f.  und  Oriens 
Christ.  N.  F.  V  (191 5)  S.  86 f.,  dazu  „Die  bildende  Kunst  des  Ostens"  S.  16  und  oben  S.  196. 

5)  Vgl.  dagegen  Rivoira,  Architettura  musulmana  S.  248 f.  Alle  im  vorliegenden  Abschnitte  gestreiften 
Probleme  findet  man  berührt  bei  Haupt,  Die  älteste  Kunst  insbes.  die  Baukunst  der  Germanen.  Dazu  meine 
Besprechung  im  Zentralblatt  f.  kunstwiss.  Lit.  I  (1909)  S.  H4f.,  wo  mein  vorliegendes  Werk  bereits  an- 
gemeldet wurde.  Vgl.  für  den  Hufeisenbogen  auch  Haupt,  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Architektur  IV  S.  220, 
.mein  „Der  Dom  zu  Aachen"  S.  40  und  „Kleinasien",  Register.     Eine  seiner  Wurzeln  liegt  wohl  in  Indien. 

Strzygovrski,  Altai.  19 


-.^q  V.  Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

-.tromes,  denn  er  ist  wahrscheinlich  wie  S.  Vitale  nichts  anderes  als  eine  der  Nach- 
bildungen des  verlorenen  Oktogons  Konstantins  d.  G.  in  Antiochia.  Und  ahnlich  ist 
Germigny-des-Pres  ein  bezeichnender  Vertreter  des  armenischen  Typus  von  Bagaran 
624 — 31) ',  also  ein  klarer  Beleg  des  mit  den  Westgoten  auf  dem  Landwege  auf 
Gallien  übergreifenden  Xordstromes.  Da  im  Augenblick  ein  neuer  Vorstoß  des  auf  der 
Linie  Rom-Wien-Berlin  üblichen  Kesseltreibens  gegen  mich2  in  dem  Werke  von 
Paul  Genien  „Die  romanische  Monumentalmalerei  in  den  Rheinlanden",  Düsseldorf 
1916,  vorliegt,  in  dem  gerade  diese,  in  meinem  Buche  „Der  Dom  zu  Aachen  und 
<eine  Entstellung"  I904  behandelten  Probleme  jetzt  nach  zwölf  Jahren  in  wahrhaft 
mustergültiger  Methode  abgetan  werden,  so  sei  hier  etwas  näher  darauf  eingegangen. 
Es  ist  nun  einmal  der  unausrottbare  Glaube  der  beiden  in  Deutschland  nach- 
weisbaren Orthodoxien,  der  römisch-katholischen  und  der  philologisch-historischen, 
das  alle  Wege  nach  Rom  führen  müssen.  Darüber  hinaus  hat  man  den  deutschen 
Geist  mit  einer  humanistischen  Schutzwand  vernagelt.  Clemen  hat  nun  in  seinem  Buche 
wie  Riegl  (vgl.  oben  S.  224)  eine  mittlere  Linie  herausgebracht.  Er  kann  sich  dem 
vereinten  Anstürme  von  Courajod,  Dieulafoy  und  —  wie  Clemen  S.  671  ausdrücklich 
nachweist,  zuletzt  natürlich3  —  meiner  Wenigkeit  gegenüber  nicht  der  Einsicht  ver- 
schließen, daß  der  Orient  doch  nicht  so  ganz  ohne  Bedeutung  gewesen  sei;  aber 
da  läßt  sich  helfen  (S.  716 — 724):  die  Motive  entstünden  in  Rom,  gingen  unreif  nach 
dem  Orient,  würden  dort  organisch  durchgebildet  und  kämen  gereift  wieder  nach 
Rom  und  dem  Abendlande  zurück,  wo  damit  eine  neue,  dje  zweite  römische,  eine 
Provinzial-Reichskunst  durchgesetzt  werde,  in  der  sich  dann  die  Entwicklung  vom  V. 
zum  VIII.  Jh.  vollziehe.  Gemeint  ist  wohl  (S.  674)  mit  der  zweiten  reichsrömischen 
Kunst  die  „spätrömische"  Kunst  Riegls,  mit  der  ersten  die  von  Wickhoff  in  der 
Wiener  Genesis  angenommene.  Ich  denke,  das  vorliegende  Buch  gibt  als  Ganzes 
Clemen  S.  6751  die  nötige  Antwort.  Im  Hinblick  auf  die  Baukunst  läßt  sich  seine 
ungerechtfertigt  im  belehrenden  Tone  vorgebrachte  Anschauung  kurz  widerlegen. 
Mancher  wird  vielleicht  bisher  mein  Eingehen  auf  Riegls  Leitsätze  für  nicht  mehr 
zeitgemäß  gehalten  haben:  Clemen  ist  der  leibhaftige  Beleg  dafür,  wie  notwendig 
das  war.  Ich  gehe  aus  von  seiner  Bemerkung  S.  700,  daß  trotz  der  orientalischen 
Einschläge  das  meiste  sich  aus  der  italisch-römischen  und  der  provinzial-fränkischen 
Überlieferung  ableiten  ließe.     Damit  ist  das  Wenige,  was   zugestanden   war,    gleich 

1)  Vgl.  Zeitschrift  für  Geschichte  der  Architektur  VII     1916)  S.  76. 

2  Wie  sich  das  im  Munde  von  Schülern  dieser  Linie  ausnimmt,  entnehme  man  t.  B.  Zimmermann, 
Vorkarolingische  Miniaturen  S.  6  oben.  Zur  sachlichen  Berichtigung  solcher  Bemerkungen  vgl.  S.  7,  wo 
eine  alexandrinis-che  Fischdarstellung  mit  Luxeuil  verglichen  wird. 

3  In  der  Form  von  Clemens  Abwehr  S.  6;o  liegt  Methode.  Es  ist  die  übliche  der  alten  Schule. 
Zuerst  heißt  es,  was  wollen  denn  die  Neuerer,  sie  wurmen  ja  nur  alte  Geschichten  auf.  Und  dann  werden 
sie  gegeneinander  ausgespielt.  So  hier  Courajod  gegen  mich.  Als  dessen  Lecons  erschienen,  lagen  meine 
Keinen,  die  mit  dem  ersten  Bande  der  Byz.  Zeitschrift  beginnende  programmatische  Tätigkeit,  ferner  Byz. 
Denkmäler  I  II  hinter  mir,  und  ich  stand  bereits  in  jener  Bahn,  die  mit   „Orient  oder  Rom"    begann    und 

bei  ..Altai-Iran"  hält.  Wer  hat  die  volle  Ausdehnung  des  Anstoßes,  der  für  die  Entstehung  der  chri-t- 
lichen  und  nordischen  Kunst,  in  Betracht  kommt,  vor  mir  auch  mir  geahnt,  und  haben  besonders  die  deutschen 
Universitätslehrer  in  dieser  Richtung  vorgearbeitet?  Ich  schätze  gewiß  Courajods  und  Diculafoys  Arbeiten, 
aber  im  Entferntesten  richtunggebend   sind   sie  für  mich  —  soweit  nicht  Dieulafoy  nüchtern  Material  vor- 

_'t  bat  —  nie  gewesen.     Der  Ton  Clemens  erinnert  an  die  Wiener  Art.     Vgl.  oben  S.  71,   ferner  Gott. 

Anzeigen    1902,   S.  711   und  Wessely.  Studien  zur  Palaeographie  und  Papyruskunde  IV  (1905)  S.  ioSf. 


3.  Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Nordvölkern  im  Umkreise  des  Mittelmeereß.  29I 

wieder   zurückgenommen.     Das    ist    Clemens    Art.     Ich    bespreche    nur   die    beiden 
Hauptbeispiele. 

Nehmen  wir  zunächst  den  Dom  zu  Aachen.  Giemen  (S.  689  f.)  findet  seine 
Zweistöckigkeit,  die  Emporenanlage,  in  nuce  schon  im  Pantheon  vorgebildet;  im 
Pantheon  schon  schlummere  auch  der  Gedanke  der  inneren  Stützenreihe  und  das 
selbe  Pantheon  trage  auch  die  größere  Hälfte  jener  freien  und  aufgelösten  Varianten 
des  Zentralproblems  in  sich,  die  dann  in  den  nächsten  Jahrhunderten  sich  entfaltet 
hätten  l.  Diese  Keime  also  —  möchte  man  glaube«  —  gingen  nun  nach  dem  Oriente, 
würden  dort  entwickelt  und  kehrten  dann  nach  Rom  zurück.  Nein  —  Clemen 
merkt  nicht,  daß  er  sich  S.  690  selbst  widerspricht  — ,  die  Skizzenbücher  italienischer 
Architekten  des  XVI.  und  XVII.  Jh.  belegten,  daß  die  Entwicklung  in  Rom  selbst 
vor  sich  gegangen  sei2. 

Vielleicht  sieht  Clemen  diese  hellenistischen  Bauten  (vgl.  oben  S.  191  u.  227)  doch 
noch  einmal  im  Besonderen  auf  das  Aachener  Oktogon  hin  durch  und  überprüft  bei 
dieser  Gelegenheit  auch  seine  Beweisführung  dafür,  daß  in  Kleinasien  und  Syrien  eigent- 
lich kein  Bau  vorkomme,  der  in  der  Größe  und  in  Anbetracht  der  Emporen  und  Treppen 
mit  Aachen  verglichen  werden  könnte.  Er  wird  dann  vermutlich  auf  ein  kleines  Über- 
sehen kommen,  darauf  nämlich,  daß  er  das  berühmte  Oktogon  Konstantins  d.  Gr.  in 
Antiochia  zu  erwähnen  vergessen  hat  —  oder  er  hält  es  für  eine  der  „doch  wirklich 
nur  an  den  Haaren  herbeigezogenen  Parallelen"  (S.  691).  S.  Vitale  in  Ravenna  sowohl, 
wie  der  Dom  zu  Aachen  gehen  darauf  zurück3  und  auch  die  Emporenkirchen  von 
Xazianz,  Wiranschehr  und  Bosra  sind   ohne   diesen  kanonischen  Bau  kaum  denkbar. 

Noch  schlimmer  steht  es  mit  Clemens  Beweisführung  für  Germigny-  des  -Pres. 
War  das  Pantheon  in  nuce  das  Aachener  Oktogon,  so  steckt  der  kleine  Bau  des 
Westgoten  Theodulf  vom  J.  806  schon  im  Grabmale  der  Galla  Placidia  zu  Ravenna. 
Dieser  „italische  Urtypus" 4  habe  im  Osten  bis  nach  Armenien  hin  eine  „schein- 
bar" wirkliche  Schule  geschaffen  und  kehre  dann  auf  diesem  Umwege  wieder  nach 
dem  Abendlande  zurück.  Auch  hier  merkt  Clemen  S.  714  .wieder  nicht,  daß  er 
S.  693  sagt,  die  Lösung  des  Innenraumes  mit  den  vier  großen  Nischen  (Germigny) 
sei  schon  am  Anfang  des  V.  Jh.  in  S.  Lorenzo  in  Mailand  erreicht  worden  —  so 
sei  also  der  entscheidendste  und  wichtigste  Schritt  für  die  Ausbildung  des  Zentral- 
baues auf  italischem  Boden  und  vor  der  Hagia  Sophia  erfolgt.  Ich  gönne  Clemen 
gewiß  seine  Entdecker-Freude;  vielleicht  aber  sieht  er  sich  gelegentlich  den  Aufsatz 
in  der  Zeitschrift  für  Geschichte  der  Architektur  VII  (1916)  S.  51h  und  in  der  Zeitschrift 
für   christl.   Kunst  XXVIII  (1916)  S.  181  f.   über   den   Ursprung  dieses  Typus   an;    er 

a 

1)  Diese  Art  von  Keimlehre  scheint  jetzt  schon  Gemeingut  der  Schule,  der  Clemen  mit  angehört. 
So  sieht  Zimmermann  a.  a.  O.  S.  5  in!  einem  Q  des  römischen  Yergil  (vgl.  seine  Figur  2)  die  Fischform 
der  vorkarolingischer  initialen  „latent  vorhanden". 

2)  Auch  in  Gallien  sieht  Clemen  S.  682  f.  Werke  der  römischen  Zeit  für  Belege  römischer  Kunst  an, 
ohne  nach  dem  hellenistischen  Einschlage  zu  fragen.  Ebensowenig  geschieht  das  S.  686  bei  den  christlichen 
Figurensarkophagen  Galliens.  Schönewolf  (Die  Darstellung  der  Auferstehung,  vgl.  Byz.  Zeitschrift  XVII,  2S6  und 
XX.  6031  und  ich  bleiben  da  ganz  unbeachtet.    Den  Ausschlag  gibt  die  französische  Auffassung  der  Dinge. 

3)  Vgl.  Orient  oder  Rom  S.  138  f.,  Der  Dom  zu  Aachen  S.  29,  Byz.  Denkmäler  III  S.  XXIII,  Klein- 
asien S.  95  und  185.  Der  schwächliche  Versuch  von  Bogner,  Studien  zur  deutschen  Kunstgeschichte 
Heft  72/3  ändert  daran  nichts. 

4)  Vgl.  über  seinen  orientalischen  Ursprung  Orient  oder  Rom   S.   19  f.,  Kleinasien  S.   135  f. 

19* 


V.  Der  Nomaden  vorstoB  und  die  Neuordnung  Enrasiens. 

wird    dann    merken,    daß    meine  Herleitung   in  der  Schrift  über  Aachen,  ausführlich 
Mschatta  S.  232 £  und   die  Ahnung  Dehios  doch  ernstere  Beachtung  verdient  hätten1. 

Lassen  wir  also  Rom  und  Italien  besser  beiseite.  Es  hat  seit  der  Zeit  der 
arischen  Wanderungen  Wege  genug  zwischen  Asien  und  Europa  gegeben,  auf  denen 
der  Umweg  über  das  Mittelmeer  wegfiel'-.  Mit  den  Goten  wurde  der  alte  Landweg, 
den  auch   die  Armenier  nach  Gallien  und  Italien   gingen,   wieder   häufiger   betreten. 

Vielleicht   erklären   sich   auf  diesem  Wege  auch  noch  eine  Reihe  anderer  Züge, 
die    den    Armeniern    und    Merowingern    merkwürdigerweise    gemeinsam    sind.      Da- 
hin    gehört    zunächst    der    Gebrauch    der    Fisch vogel-Initiale,  d.    h.    von    Anfangs- 
buchstaben, die   in  den  Pergamenthandschriften  an   die  Kapitelanfänge  gesetzt  und 
aus  Fischen   und  Vögeln    gebildet  werden.     Es   ist   eine  bisher  unerklärte  Tatsache, 
warum  sie  —  soweit  das  Material  erhalten  und  gesammelt  ist  —  zuerst  in  merowin- 
gischen,    später   in   koptischen   und    armenischen    Handschriften   vorkommen.       Die 
eben  in  den  Denkmälern  deutscher  Kunst  III,  I  erscheinende  Zusammenstellung  der 
ältesten   Miniaturen  der  germanischen  Völker  ermöglicht  die   vergleichende  Arbeit. 
Sie  hätte  nur  neben  den  irischen  Handschriften  vor  allem  auch  den  gotischen  Codex 
argenteus    in    Upsala    und    neben    den   armenischen    auch    einige    Stichproben    kop- 
tischen, syrischen  und  arabischen  Schriftschmuckes  bringen  sollen.    Immerhin  wird  es 
jetzt  nicht  schwer  sein  zu  zeigen,  daß  auch  auf  dem  Gebiete  der  Handschriftenaus- 
stattung  Rom     und    Italien    wiederholt     auszuschalten    sind    und    die    germanischen 
Völker   ebenso  wie   der  übrige  Norden   mit  dem  Osten   unmittelbar  Hand   in  Hand 
gehen.     Die  Goten  vermitteln  nach  Italien  und  Gallien  hin,  ihre  Art  geht  dann  auch 
in   die   lateinischen  Handschriften   über.     Dazu   kommt  der  starke  Einfluß   der  kop- 
tischen  Kunst    auf   die    langobardische,    wahrscheinlich    im   Wege    der  Klöster.     Da 
aber   der   Mittelmeerweg   aus   Ägypten   die    gleichen    mittelasiatischen,  in   ihrem  Ur- 
sprünge vom  Mittelmeer  unabhängigen  Formen   bringt,  so   bildet   sich  ein   ziemlich 
einheitliches  Gepräge,  in  dem  die  Tierinitiale,  das  Bandgeflecht  und  die  geometrische 
Ranke  zunächst  den  Ausschlag  geben3.   Ich  habe,  wie  dieses  Buch  zeigt,  Grund  an- 
zunehmen,  daß  sie  iranischen  Ursprunges  sind  und  in  irgend  einer  Art,   durch  Ar- 
menien vermittelt,   u.  a.  vielleicht  zusammenhängen  mit   den  wertvollen  Pergament- 
kodizes  der  Manichäer,  die  nach  Augustin  reich  geschmückt  waren4.    Die  Turfanfunde 
von   Grünwedel  u.  a.  zeigen,   daß  auch  in   diese   dunklen  Fragen   eines  Tages  Licht 
kommen  könnte.   Der  Ursprung  der  TW-Initiale  ist  vorläufig  nicht  aufgeklärt5.    Gerade 


1)  Man  vergleiche  mit  Bagaran  auch  die  spanischen  Beispiele,  die  Lamperez  y  Romea  (Revue  hispa- 
nique  XVI  (1907)  S.  565  f.)  mit  Germigny-des-Pres  zusammenstellt.  Es  wird  dann  ziemlich  deutlich, werden, 
wie  der  Weg  gegangen  ist.  —  Nachtrag  zu  S.  227.  3  Es  könnte  sein,  daß  Puchstein  Athenaus  XI  501  e 
vor  Augen  hatte  und  Eralosthenes  mit  Timachidas  (um  99  v.  Chr.)  verwechselte.  Prot".  Wilhelm  verweist  auch 
auf  Blinkenberg,  Die  Lindische  Tempelchronik  S.  44  Nr.  17  und  darauf,  daß  Eratosthenes  (Athen.  XI  p.  501  d, 
ed.  Kaibel  III  S.  106)  die  Omphaloi  der  Schalen  und  die  Tholoi  der  Bäder  als  ähnlich  bezeichnet. 

2)  Vgl.  über  den  continentalen  Karawanenweg  Pösta,  Ost.  Monatsschr.  f.  d.  Orient  XL II  (19 16)  S.  24 1. 

3)  Es  wäre  zu  wünschen,  daß  der  Deutsche  Verein  für  Kunstwissenschaft  seinen  Mitarbeitern  nur 
dann  vergleichende  Einleitungen  gestattete,  wenn  sie  sich  etwas  durch  selbständige  Arbeiten  in  den  dafür 
in  Betracht  kommenden  Gebieten  umgesehen  haben.  Dann  würden  so  peinliche  Erscheinungen,  wie  eine 
in  der  Einleitung  von  Zimmermanns  „Yorkarolingische  Miniaturen"  vorliegt,  vermieden. 

41   VgL  meine  Kkinarmenische  Miniaturenmalerei  S.  37  und  oben  S.  282  f. 

Vgl.  dazu  Supka,  Arch.  Ertcsito  XXXV  ( 1915)  S.    125   des  deutschen  Auszuges. 


3<  Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Nordvölkern  im  Umkreise  des  Mittelmeeres.  203 

sie  scheint   erst  von   den  Goten  eingeführt,  weil  sie  in  Irland    und    bei  den  Angel- 
sachsen nicht  auftritt. 

Im  IV.  Jahrhundert  muß  Gallien  künstlerich  geradezu  eine  Provinz  der  orienta- 
lischen Kirche  gewesen  sein.  Will  man  eine  Stichprobe  dafür,  so  halte  man  sich  u.  a. 
das  sonst  unerklärliche  irische  Phänomen  vor  Augen.  Nach  Irland  war  das 
Christentum  im  IV.  Jahrhundert  oder  früher  z.  T.  von  Britannien  hinübergedrungen.  Die 
Insel  blieb  dem  damals  empfangenen  Glauben  treu,  während  Britannien  durch  die 
erobernden  Angeln  und  Sachsen  aufs  neue  dem  Heidentume  verfiel.  In  ganz  einziger 
Art  trat  so  eine  Isolierung  jener  für  das  IV.  Jahrhundert  bezeichnenden  keltisch- 
christlichen Kultur  ein.  Als  daher  zur  Zeit  Gregors  des  Großen  Missionen  durch 
den  Barbarenwall  in  Gallien  und  Britannien  vordrangen,  stießen  diese  Vertreter  Roms 
auf  die  Reste  des  abendländischen  Christentums  aus  der  zweiten  Hälfte  des  IV  Jahr- 
hunderts. Der  Gegensatz  von  Einst  und  Jetzt  war  groß;  er  macht  sich  am  schärfsten 
geltend  darin,  daß  die  Iren  noch  etwas  besaßen,  was  dem  Kontinent  inzwischen  ver- 
loren gegangen  war:  die  Kenntnis  des  Griechischen.  Man  erklärt  das  aus  der  Iso- 
lierung des  altirischen  Christentums,  jenes  abendländischen  Christentums,  „in  welchem 
durch  den  Übertritt  der  Gebildeten  in  Massen  die  klassische  Bildung  jener  Zeit  eine  be- 
deutende Rolle  spielte  und  in  dem  namentlich  bei  den  geistigen  Führern  auch  im  Abend- 
lande lebendige  Kenntnis  des  Griechischen  vorhanden  war"1.  Ich  möchte  glauben, 
daß  darüber  die  zweite,  seit  dem  IV.  Jahrhunderte  zwischen  Orient  und  Okzident  ver- 
mittelnde Strömung  nicht  vergessen  werden  sollte:  die  Wanderung  ägyptischer, 
syrischer  und  kleinasiatischer  Mönche  nach  dem  Westen.  Irland  ist  auch  in  der  Zeit 
seiner  Isolierung  zur  See  in  unmittelbarer  Verbindung  mit  den  Klöstern  des  Orients 
geblieben.  Nur  so  ist  zu  verstehen,  wie  das  Griechische  auf  der  fernen  Insel  durch 
Jahrhunderte  derart  lebendig  erhalten  werden  konnte,  daß  die  Iren,  nachdem  sie  in 
den  Schoß  der  römischen  Kirche  aufgenommen  waren,  als  Kulturträger  nach  dem 
Osten  ziehen  und  seit  Karl  dem  Kahlen  als  Lehrer  des  Griechischen  im  Franken- 
reiche auftreten  konnten2. 

In  Irland  haben  sich  Elemente  der  keltischen  Bronzezeit  bis  in  christliche  Minia- 
turen und  Metallarbeiten  gerettet,  Züge,  die  nach  dem  La  Tene  in  dieser  Spätzeit  auf 
dem  Kontinent  kaum  mehr  allgemein  nachweisbar  sind,  so  die  (wie  seinerzeit  in  China) 
auffallende  Vorliebe  für  die  .Spirale,  das  Wirbel-  und  Trompetenmotiv3.  Zu  dieser 
einzigartigen  Tatsache  kommt  eine  andere,  die  Irland  Armenien  nahe  bringt,  die 
Vorliebe  für  die  Grabstele  und  in  erster  Reihe  das  sie  schmückende  oder  frei  als 
Grabstein  heraus  gearbeitete  Kreuz.  Auch  die  Widdergestalt  ist  vereinzelt  wie  in 
Phrygien  und  Armenien  nachweisbar4.  Über  alles  das  und  die  Stuckdekoration  bei 
anderer  Gelegenheit.  Die  Germanen  haben  leider  —  darin  hat  Clemen  S.  676  natür- 
lich recht  —  die  lateinische  Sprache  und  das  römische  Recht  angenommen.  Renais- 
sance und  Humanismus  haben  dann  auch  in  der  Kunst  ausgemerzt,  was  etwa  noch 
an    selbständiger  Kraft   übrig   geblieben  war.     Darüber  gleich  ausführlicher.     Eben 


1)  Zimmer,  Pelagius  in  Irland  S.   5. 

2)  Wiederholt   aus   meinem    „Kleinas:en,  ein  Neuland"  S.  231  f.     Dazu  jetzt  Clemen  a.  a.  O.  S.  678. 

3)  Reginald  Smith  „Guide  to  the  antiquities  of  the  early  iron  age"    ist    mir  leider  nicht  zugänglich. 

4)  Man  beachte  u.  a.,  daß  Kelten  und  Phryger  lange  Jahrhunderte  balkamsche  Nachbarn  waren. 


V.   Der  Nomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

rade  darin  liegt  der  ganz  einzige  Wert  der  Forschung  über  bildende  Kunst,  daß  sie 
deutlicher  als  im  Gebiete  anderer  Lebenswesenheiten  heute  noch  die  vor  der  Roma- 
nisierung  liegende  Eigenart  unserer  Vorfahren  aufweisen  kann. 

fi  Das  Deutsche  in  deutscher  Kunst  und  Forschung.  Zum  Schlüsse  muß 
ich  mich  noch  auseinandersetzen  mit  einigen  neueren  Schriften  zur  ältesten  deutschen 
Kunst,  so  zunächst  mit  einem  geistreichen  Buch  in  der  Art  Riegischer  Dogmatik, 
Worringers  „Formprobleme  der  Gotik". 

Auch  da  wird  systematisch  ohne  System  und  historisch  ohne  genügende  Denkmäler- 
kenntnis gearbeitet.  Die  Folge  ist  ein  bestechender  Phantasiebau,  dem  jeder  Boden 
fehlt.  Schon  die  Scheidung  von  vier  Menschentypen,  einem  primitiven,  klassischen, 
orientalischen  und  nordischen  Menschen,  triflt  —  ich  will  von  seinem  primitiven 
Menschen  garnicht  reden  —  nicht  zu,  weil  YVorringer  den  eurasischen  Kulturzusammen- 
hang ebensowenig  beachtet,  wie  die  Trennung  der  südasiatischen  Oasenkulturen.  Man 
muß  noch  lange  keine  —  wie  er  es  nennt  —  Rassenromantik  im  Chamberlainschen 
Sinne  treiben  und  kann  in  der  bildenden  Kunst  doch  streng  zwischen  Ariern,  Altaiern 
und  Semiten  scheiden1.  Und  darauf  dürfte  es  wohl  zunächst  ankommen,  denn  dann 
wird  man  kaum  in  jenes  seltsame  Mißverständnis  verfallen  können,  das  für  YVorringer 
so  bezeichnend  ist,  die  verhältnismäßig  späten  Mischformen  des  Griechischen  und 
Christlich-Islamischen  zwei  fest  ausgeprägten  Menschen  typen  als  Urhebern  zuzuschreiben, 
dem  klassischen  und  orientalischen  Menschen.  Vielmehr  liegt  in  beiden  bzw.  in  allen 
drei  Richtungen  eine  Reaktion  arischer  Elemente  auf  semitische  Voraussetzungen  vor. 
Rassenrein  ist  keiner  von  diesen  Strömen.  Das  waren  bis  zu  einem  gewissen  Grade  in 
ihrer  Art  die  Oasenkulturen  am  Hoangho,  Indus,  im  Zweistromland  und  am  Nil  ebenso 
wie  die  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker  Eurasiens,  die  wir  am  Anfange  der  histo- 
rischen Zeit  nachweisen  können.  Die  griechische  Kunst  aber  wurde  in  dem  für  den  Arier 
charakteristischen  Raumempfinden  in  ihrer  freien  Entwicklung  gehindert  durch  den 
semitischen  Geschmack  an  Massenformen,  dem  zugleich  ein  Kleben  an  der  Natur 
anhaftete:  sie  hatte  genug  damit  zu  tun,  diese  Voraussetzungen  zu  überwinden2.  Ihre 
geniale  Tat  wirkt  durch  Christentum  und  Renaissance  bis  heute  nach.  Aber  eben 
diese  Nachwirkung  hat  den  Nordarier  verhindert,  sich  seinerseits  in  der  bildenden 
Kunst  halbwegs  rassenrein  zu  entwickeln. 

Über  das  Gebiet,  das  der  vorliegende  Abschnitt  behandelt,  wurden  mir  zwei 
Schriften  bekannt,  die  durch  die  Schicksalswende  des  gegenwärtigen  Krieges  ange- 
regt sind:  Carl  Neumann  „Von  ältester  deutscher  Kunst"3  und  Albrecht  Haupt 
„Die  Anfänge  der  germanischen  Baukunst"4.  In  beiden  wird  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, daß  es  jetzt  endlich  wohl  an  der  Zeit  wäre,  wenn  der  Deutsche  anfinge,  sich 
mehr  mit  dem  Deutschen  in  der  deutschen  Kunst  und  besonders  mit  deren  An- 
fängen zu  beschäftigen,  als  in  unermüdlicher  Verbohrtheit  immer  wieder  den  vom 
Süden  kommenden  Renaissancen  nachzulaufen5.  Ich  selbst  habe  in  diesem  Sinne  in 
der  Italien-Nummer  der  Zeitschrift  „Das  neue  Deutschland"  III  (191 5)  S.  41-j.f- 
ilung    genommen    mit     einem    Aufsatze     „Die     deutsche     bildende     Kunst     und 


f    Vgl.  dazu   auch  Math,   Stilprinzipien   S.    120t'.  2     Vgl.  meine  Bildende  Kunst  des  Os       5  S.  4. 

0  Jahrbücher  O.XUl  .  1016)  S.  3-151.  4     Die  Bauweh  VII  (1916.  S.    1 1  t". 

5^  Vgl.  dazu  auch  Clemcn  S.  673  und  6S2. 


3.  Die  Wirkung  bei  den  Nomaden  und  Nordvölkern  im  Umkreise  des  Mittelmeeres.  2Q5 

Italien"  und  einem  andern  in  „Unser  Vaterland"  I  (1916)   über  „Die  bildende  Kunst 
der  Arier". 

Neumanns  Einführung  sollte  gelesen  werden,  bevor  man  das  vorliegende  Buch 
über  Altai-Iran  durchzuarbeiten  beginnt.  Sie  faßt  zusammen,  was  von  Riegl,  mir, 
Salin  und  Haupt  über  die  älteste  deutsche  Kunst  bisher  erarbeitet  worden  ist.  Riegl 
„mit  seiner  verhängnisvollen  Mitgift  scholastischer  Denkart,  die  sich  in  eigenen 
Netzen  verfing"  wird  trefflich  gekennzeichnet,  meine  Arbeiten  sind  als  vorbereitend 
für  die  ihnen  im  vorliegenden  Buche  gegebene  Zuspitzung  erkannt.  Es  bliebe  nur 
übrig  zu  dem  Stellung  zu  nehmen,  was  Neumann  über  Salin  und  Haupt  sagt,  die 
Männer,  die  neben  Sophus  Müller  am  Entschiedensten  für  die  Eigenart  altgerma- 
nischer Kunst  eingetreten  sind. 

Bernhardt  Salin,  der  jetzige  Reichsantiquar  Schwedens  und  Nachfolger  von 
Montelius,  hat  in  seinem  oben  S.  194  erwähnten  Buche  über  „Die  altgermanische 
Tierornamentik"  1904  das  Musterbeispiel  einer  klar  gegliederten,  sorgfaltigen  Material- 
sammlung geliefert.  Als  richtiger  Museumsmann  bzw.  Denkmalpfleger  ist  er  streng 
in  dem  gesteckten  Rahmen  geblieben,  hat  nicht  rechts  noch  links  geblickt,  nur  das 
seiner  Meinung  nach  Beglaubigte,  z.  B.  die  Herleitung  des  Tiermotivs  aus  der  klas- 
sischen Kunst  wurde  als  Voraussetzung  zugelassen.  „Vom  Orient  spricht  er  kaum" 
—  sagt  mit  Recht  Neumann  —  „denn  der  Orient  liegt  seinem  Sondergebiete:  ger- 
manisch selbständiger  Kunst  fern".  Das  eben  ist  der  Glaube,  den  das  vorliegende  Buch 
erschüttern  will.  Ebensowenig  wie  die  darstellende  und  Monumentalkunst  Karls 
d.  Gr.  außerhalb  der  gleichzeitig  im  Orient  bis  nach  dem  Frankenreiche  hin  leben- 
digen Kunstbewegung  zu  denken  ist1,  so  wenig  entsteht  die  germanische  Kunst  der 
Völkerwanderungszeit  ohne  Zusammenhang  mit  dem  Volkskörper  des  eurasischen 
Nordens,  dem  sie  angehört.  Die  zwischen  Skandinavien  und  Indien  verlaufende 
arische  Achse  mit  ihren  Abzweigungen  gibt  die  Zone,  in  die  auch  die  nordische 
Tierornamentik  trotz  ihrer  ausgesprochenen  Eigenart  gestellt  werden  muß,  sowohl 
dem  Motive  wie  der  Form  nach.  Vorläufig  kann  es  als  durchaus  unentschieden 
gelten,  wer  in  dieser  arischen  Welt  im  Ganzen  und  Einzelnen  der  gebende  und  der 
nehmende  Teil  war,  der  Norden  oder  der  Osten.  Wie  die  Sprachforschung  ange- 
fangen hat,  genauer  auf  Lautgebung  und  Satzbau  zu  achten,  nicht  nur  Formenlehre 
und  Wörterbuch  zu  vergleichen,  so  glaube  auch  ich  im  vorliegenden  Buche  —  soweit 
sich  vorläufig  mit  so  unsicheren  Tatbeständen  überhaupt  systematisch  arbeiten  läßt  — 
die  beiden  Forschungsrichtungen  auseinander  gehalten  zu  haben. 

Haupts  Aufsatz  gipfelt  in  den  Worten:  „Auf  allen  Gebieten  haben  wir  zu  zeigen, 
daß  wir  eine  selbständige  Welt  für  uns  zu  bilden  vermögen",  auch  in  der  bildenden 
Kunst,  wie  die  Anfänge  germanischer  Baukunst  beweisen.  „Trotz  alledem  sollen 
Römer,  Griechen,  Syrier,  schließlich  wohl  gar  noch  Hethiter  die  geistigen  Urheber 
solches  beglaubigt  germanischen  Werkes  sein;  auch  nach  dem  Willen  der  deutschen 
Kunstforschung!"      Vielleicht  werden   wir  uns   auf  Grund   des   vorliegenden  Buches 

i)  Vgl.  mein  „Der  Dom  zu  Aachen".  Die  seltsame  Vorstellung  Clemens,  der  S.  694  sich  den 
Orient  im  Gegensatz  zum  Abendland  als  ein  „durch  den  Einbruch  der  Mohammedaner  glücklich  oder  un- 
glücklich mumifiziertes  Präparat  vom  Ausgang  des  VII.  Jh."  denkt,  sollte  man  dem  Fachvertreter  der 
Bonner  Universität  nicht  zutrauen.  Vgl.  dazu  meinen  Aufsatz  „Die  Bedeutung  Konstantinopels  für  die 
Entwicklung  der  christlichen  Kunst"  in  Dölgers  Konstantin  d.  Gr.  und  seine  Zeit,  S.  363  f. 


-t,(5  V.  Der  Xomadenvorstoß  und  die  Neuordnung  Eurasiens. 

einigen:  die  vom  Süden  vordringende  kirchliche  und  höfische  Kunst  bringt  in  Dar- 
stellung und  Monumentalbau  das  Landfremde,  die  volkstümliche  Kunst  des  Nordens 
aber  gehört  in  ihren  natürlichen  Zusammenhang,  den  der  Nordvölker  und  Nomaden. 

Was  ich  hier  vorbringe,  ist  vielleicht  nur  ein  erstes  Aufdämmern  von  Erkenntnissen, 
die  sich  bei  mir  allmählich  auf  Grund  langjähriger  vergleichender  Studien  in  den  euro- 
päischen und  asiatischen  Kunstgebieten  durchsetzen.  Wie  die  Wahrheit  endgültig 
aussehen  wird,  das  dürfte  sich  vielleicht  greifen  lassen,  wenn  der  —  hoffen  wir  — 
unvermeidliche  Kampf  mit  der  heute  gültigen  Anschauung  der  Kunsthistoriker  zur 
Klärung  und  Bewährung  des  Haltbaren  führen  wird.  Aus  Erfahrung  weiß  ich,  daß 
solche  Dinge  Jahrzehnte  brauchen.  Heute  erst  fängt  man  an,  sich  mit  „Orient  oder 
Rom"  ernstlich  auseinanderzusetzen,  obwohl  fünfzehn  Jahre  vergangen  sind,  seit  ich 
die  These  aufstellte,  und  ein  Schüler  Wickhoffs  sie  damals  mit  „gewissen  Schulheft- 
problemen" verglich. 

Unabweislich  für  den  Betrieb  einer  derart  gerichteten  Kunstforschung  ist  die 
Lösung  des  Rätsels  der  islamischen  Kunst.  Sie  hat  lebendig  erhalten,  was  in  „byzan- 
tinischer" und  „romanischer"  Zeit  nachwirkte,  inzwischen  aber  im  Norden  nahezu 
untergegangen  ist:  die  alte  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker  bei  ihrem  Eintritt 
in  die  Völkerwanderung.  Wie  Altai  —  Iran  auch  für  den  Kunstforscher  des  Nor- 
dens keine  Gebiete  sein  dürfen,  die  er  bei  seinen  Arbeiten  wie  selbstverständlich 
ausschaltet,  ebensowenig  darf  er  die  islamische  Kunst  vernachlässigen.  In  ihr  stecken 
starke  arische  Einschläge,  die  zwar  für  europäische  Augen  durch  die  Religion  und 
die  inzwischen  leider  erfolgte  Abtrennung  des  fernen  Orients  vom  Norden  verblaßt,  ja 
fast  verschwunden  sind,  sich  aber  bei  schärferer  Einstellung  des  Blickes  doch  noch 
in  Spuren  wiederfinden  lassen. 

Ich  habe  den  Eindruck,  daß  sich  deutsches  Kunstempfinden  ursprünglich  eher  mit 
dem  Chinesischen  als  dem  Griechisch-Semitischen  berührt.  Daß  wir  über  ein  Dutzend 
Jahrhunderte  im  Banne  von  Hellas,  Rom  und  dem  näheren  Oriente  lebten,  besagt 
nicht,  diese  durch  Christentum  und  Humanismus  herbeigeführte  Strömung  sei 
auch  die  natürliche  gewesen.  Wenn  einmal  der  Durchbruch  nach  Indien  zu  einer 
für  den  Deutschen  neuen  arischen  Entwicklung  führt  und  er  in  China  auf  einen  Zweig 
stößt,  der  sich  auf  dem  gemeinsamen  Boden  der  nordischen  und  Nomadenart  in  einer 
blühenden  Kulturoase  entwickelt  hat1,  dann  wird  man  sich  vielleicht  auch  erinnern,, 
daß  es  in  der  Blütezeit  germanischer  Kunst,  der  „Gotik",  durch  den  spanischen 
Islam  verbindende  Wege  zum  arischen  Mittler  der  Nomaden-  und  Nordkunst,  dem 
Perser  gegeben  hat.  Sobald  erst  einmal  von  seiten  der  Forschung  des  Mittelalters 
begonnen  wird,  der  Entwicklung  von  Ritterwesen,  Wappen  und  Minnedienst  auf  asiati- 
schem Boden  bei  Persern,  Türken  und  Chinesen  nachzugehen,  dürfte  sich  zeigen,  daß. 
die  ritterliche  Ordnung,  die  mit  Recht  als  ein  Grundzug  der  „Gotik"  bezeichnet  wird2, 
die  Brücke  nach  dem  persischen  d.  h.  arischen  Oriente  schlägt.  Ich  habe  dafür 
>chon  in  meinem  „Mschatta"  S.  2>72>  em  Zitat  aus  Burdach  anführen  können,  der  als 
seine  Überzeugung  ausspricht,  daß  der  mittelalterlich-romantische  Begriff  des  Minne- 
dienstes   und  sein  konventioneller  literarischer  Ausdruck  bei   den  südfranzösischen, 

i     VgL  dazu  auch  meine  Bildende  Kunst  des  Ostens  S.  71  f. 

2)  VgL  zuletzt  Hamann,  Zeitschrift  für  Ästhetik  u.  «11g.  Kunstwissenschaft  X  (1915)   S.  359. 


VI.  Wesen  und  Wert  von  Renaissancen.  297 

deutschen  und  italienischen  Minnesängern,  ferner  die  Motive  und  der  romantische 
Idealismus  der  mittelalterischen  Ritterromane  zurückginge  auf  die  romantisch-märchen- 
hafte Hofdichtung  der  Perser  im  Zeitalter  der  Samaniden  und  im  Zeitalter  Firdousis 
und  der  persischen  Restauration  unter  Mahmud  von  Ghasna.  Die  indo-persische  Sitte  der 
Hofdichter  und  der  konventionellen  Panegyrik  zur  Ehrung  regierender  und  hochgestellter 
Frauen  sowie  das  ins  Arabische  übernommene  Schema  des  persischen  Liebesromans 
haben  unmittelbar  sehr  wesentlich  eingewirkt1.  In  der  bildenden  Kunst  vermittelt  in 
dieser  Zeit  zwischen  dem  Persischen  und  Abendländischen  auch  das  Armenische.  Da- 
von an  anderer  Stelle.  Hier  sei  nur  gesagt,  daß  Armenier  und  Perser  heute  wieder  die 
Mittler  werden  sollten.  Wenn  der  Krieg  der  deutschen  Kulturpolitik  der  Zukunft 
diese  Richtung  weist,   dann  war  das  Bündnis   mit  der  Türkei  das  richtige  Vorspiel. 

VI.    Wesen  und  Wert  von  Renaissancen. 

Wir  haben  in  diesem  Buche  die  Völker  im  Norden  Asiens  und  Europas,  im 
wesentlichen  Arier  und  Türken,  am  Werke  gesehen,  soweit  sie  nicht  dem  Einfluß  der 
alten  Oasenkulturen  unterlegen  waren.  Die  große  chinesische  Kunstblüte  schied 
ebenso  aus  wie  die  indische  und  die  Mesopotamien  und  Ägypten  zusammenfassende 
Mittelmeerkunst.  In  diesen  Treibhäusern  war  die  menschliche  Gestalt  zum  Ausdrucks- 
mittel gemacht  worden,  nachdem  die  Architektur  das  Verständnis  für  den  Wert  von 
Gegenstand  und  Gestalt  im  Sinne  von  Mitteln  zur  Darstellung  ewiger  Macht  ge- 
weckt hatte.  Dahingegen  waren  die  Nomaden  und  Nordvölker  im  Kampfe  mit 
einer  kargen  Natur  bei  einfachen  geometrischen  Zeichen  geblieben.  Im  Zelt  oder 
einem  lediglich  der  Lebensnotdurft  dienenden,  womöglich  fahrbaren  Hause  lebend, 
kannten  sie  die  bildende  Kunst  nur  im  Sinne  der  Freude  an  der  formalen  Flächen- 
füllung. Darstellung  lag  ihnen  ebenso  fern  wie  die  in  den  Oasen  üblich  gewordene 
Ausnutzung  der  Kunst  im  Dienste  der  Macht.  Das  Spiel  der  Phantasie  genügte 
ihnen,  bildete  den  Inhalt  ihrer  Kunst.  Wir  haben  natürlich  keine  zeitgenössischen 
Bekenntnisse  in  diesem  Sinne,  weder  bei  den  Oasenvölkern  und  noch  weniger  bei 
den  Nomaden  und  Nordvölkern.  Solche  seelische  Zustände  sind  dem  Geiste  unbewußt, 
wie  der  Pulsschlag  im  körperlichen  Dasein.  Sie  werden  erst  empfunden,  wenn  die 
Gefahr  einer  Wandlung  eintritt  und  finden  dann,  falls  die  Schrift  eine  Aussprache 
ermöglicht,  rührenden  Ausdruck. 

1.  Türken.  Solche  Zeugnisse  liegen  für  die  Osttürken  vor.  Sie  bestätigen  mittel- 
bar, was  ich  eben  als  den  seelischen  Gehalt  der  Kunst  der  Nomaden  und  Nordvölker 
zu  kennzeichnen  suchte. 

Über  die  Türken  an  der  Grenze  ihres  Nomadentums  und  am  Anfang  ihrer 
historischen  Zeit  haben  die  am  Orchon  südlich  des  Baikalsees  und  nördlich  am 
Jenissei  gefundenen  Grabstelen  ebenso  Aufschluß  gegeben,  wie  die  Funde  in  Chinesisch- 


1)  Burdach  in  Sitzungsberichte  der  kgl.  preuß.  Ak.  d.  Wiss.,  phil.-hist.  Kl.  XXVII  (1904)  S.  900. 
Er  verweist  mit  Recht  darauf,  daß  schon  Jakob  Grimm  und  Müllenhoff  vor  Jahrzehnten  versucht  haben, 
den  nationalen  Elementen  des  abendländischen  Mittelalters  nachzugehen.  Es  scheint,  daß  diese  Studien- 
richtung aus  der  Bahn  geworfen  wurde  durch  den  Einfluß  der  klassischen  Philologie,  die  ja  auch  sonst, 
in  Schule  und  Lehre,  ahnungslos  was  sie  eigentlich  tut,  amtlich  den  Ausschlag  zu  geben  verlangt. 


VI.   Wesen   und   Wert  von   Renaissancen. 

Turkestan.  Aus  ihnen  bekommt  man  ein  ziemlich  klares  Bild  der  Abwehr,  wie  sie  bei 
den  ..Schmieden  des  Altai"  eintrat,  als  sie  mit  Chinesen,  Indern  und  Persern  in 
nähere  Berührung  traten.  Die  osttürkischen  Chane  aus  dem  Anfange  des  VIII.  Jh. 
wußten  wohl,  was  den  Nomaden  bevorstand,  wenn  sie  nach  dem  Süden  zogen:  „Wenn 
Du  in  jene  Gegend  hinziehst,  Türkenvolk"  sagt  die  eine  Orchonstele  wortlich,  „so 
bi.-t  Du  in  Gefahr  umzukommen.  Wenn  Du  aber,  im  Lande  Ütüken  bleibend, 
Karawanen  aussendest,  wenn  Du  im  Gebirge  Ütüken,  wo  es  keine  Kostbarkeiten, 
aber  auch  keine  Sorgen  gibt,  wohnen  bleib.rt,  dann  wirst  Du  ewig  die  Stammesgemein- 
schaft  zusammenhalten"1.  Ist  das  nicht  der  Schwanengesang  an  die  vorhistorische  Zeit, 
wie  ihn.  gleichzeitig  etwa  oder  etwas  früher  die  Germanen  und  Araber  angestimmt 
haben  dürften:  Bis  zu  dem  Augenblick,  in  dem  solche  Mahnungen  notwendig  wurden, 
waren  die  Nomaden  und  Nordvölker  gebend.  Die  Frau,  die  in  der  Jurte  oder  dem 
Hause  herrschte  und  der  Mann  in  Waffen,  der  Hausrat  und  Schmuck  durch  Metall- 
arbeit ergänzte,  waren  noch  unabhängig  von  Luxus  und  Weltverkehr.  Ihre  Kara- 
wanen freilich  dienten  beiden,  ohne  zunächst  die  eigenen  Bedürfnisse  zu  ändern. 

Aber  gerade  die  osttürkischen  Herrscher,  die  solche  Klagelieder  anstimmten, 
scheinen  es  gewesen  zu  sein,  die  dem  Chinesischen  Tür  und  Tor  öffneten.  Nicht  nur 
Gold,  Silber,  starke  Getränke  und  Seide  bezogen  sie  von  China.  Die  gleichen  Orchon- 
stelen  melden  am  Schluß  ihrer  Seiteninschriften -:  „daraufhabe  ich  vom  chinesischen 
Kaiser  Arbeiter  kommen  lassen  (und  die  Arbeit  ausgeführt),  meine  Worte  haben  sie 
nicht  verdorben,  denn  man  schickte  mir  innere  Arbeiter  (des  chinesischen)  Chans, 
von  diesen  habe  ich  das  Steinwerk  behauen  lassen,  innen  und  außen  habe  ich  es  mit 
Verzierungen  versehen  i  und  den  Stein  aufstellen  lassem.  ...  So  viele  Gebäude. 
Verzierungen  und  Kunst  habe  ich,  der  Verwandte  i  :  i  des  Bilgä-Chan,  Jolluk-Tegin, 
einen  Monat  und  vier  Tage  verweilend  geschrieben,  verziert.  .  .  ."  Es  waren  also 
Chinesen,  die  dem  redend  eingeführten  Toten  sein  Grabmal  errichteten.  Und  wenn 
man  diesen  Grabstelen  die  Stele  von  Singan  Fu  gegenüberstellt,  die  die  Nestorianer 
zum  Gedächtnis  ihrer  Kirche  in  der  chinesischen  Hauptstadt  aufrichteten  . 
dann  sieht  man,  daß  hier  tatsächlich  China  vermittelnd  die  gleiche  Kunstform  ge- 
liefert hat.  Wie  an  den  Orchonstelen  neben  den  chinesischen  türkische  Inschriften 
stehen,  so  in  Singan  Fu  syrische.  Im  übrigen  belehren  uns  ja  die  von  Chavannes 
veröffentlichten  chinesischen  Grabdenkmäler  der  Tangzeit,  von  denen  ich  oben  S.  117  t. 
Einzelheiten  veröffentlichte,  zur  Genüge,  daß  die  Orchonstelen  tatsächlich  der 
chinesischen  Kunst  angehören.  Die  Inschriften  bestätigen  also  nur  die  kunsthistorische 
Wahrscheinlichkeit.  Von  den  beiden  Orchonstelen  kenne  ich  leider  keine  besseren 
Aufnahmen  als  die  im  Atlas  der  Altertümer  der  Mongolei  von  Radloff.  Ein  größeres 
Denkmal  am  Üngin  '  vom  J.  692  zeigt  die  in  ein  Fußstück  eingelassene  Stele,  davor 
an  der  Ostseite  granitene  Löwen,  an  der  Westseite  vier  Menschengestalten  in  sitzender 
Stellung  mit  untergeschlagenen  Beinen.  Das  wichtigste  Denkmal,  das  desTonjukuk5 
vom  1.  716    besteht    aus    einem    Steinsarkophage    mit    sorgfältig    ausgehauenen   Ver- 

1  Radloff,  Die  alttürkischen  Inschriften  dpr  Mongolei  X.  F.     Anhang  von  Barthoki  S.  27. 

2  Radloff;  a.  a.  <  >.  N  F.  S.   15). 

Monatshefte  tür  Kunstwissenschaft  VIII  119151  S.  ^381". 

Radloff,  ...  ...  O,  1  S.  243 f.  5)  Radloff,  a.  a.  O.  2.  F.  S.  If. 


VI.  Wesen  und  Wert  von  Renaissancen. 


299 


zierungen  und  dem  Fundamente  eines  Gebäudes  mit  zwei  Inschriftpfeilern  innerhall) 
einer  rechteckigen  Erderhöhung,  auf  die  im  Osten  eine  Reihe  aufrechter  Steinfließen 
zuführt.  Chinesische  Quellen  berichten  denn  auch  z.  B.,  daß  nach  Kül-Tegins  Tode 
der  chinesische  Kaiser  eine  Gesandtschaft  in  die  Residenz  des  Chans  schickte:  es 
wurden  Statuen  und  ein  Stein  mit  Inschriften  aufgestellt;  es  wurde  ein  Gebäude  errichtet 
und  auf  dessen  vier  Wänden  Schlachtszenen  gemalt;  sechs  ausgezeichnete  Künstler 
arbeiteten  an  diesem  Werk;  ein  ähnliches  Kunstwerk  hatte  man  in  diesem  Lande 
noch  nie  gesehen  l. 

So  hatte  also  chinesische  Kunst  im  Wege  des  Grabluxus  Eingang  bei  den  ost- 
türkischen Nomaden  gefunden.  Bei  den  Westtürken  kamen  dazu  indische  und  persische 
Einwirkungen,  so  daß  sich  dort  eine  ganz  einzigartige  Blüte  von  Mischkunst  entwickelte, 
in  der  nur  eines  noch  als  eigenartig  türkischer  Nomadeneinschlag  nachweisbar  ist: 
die  Ausstattung  der  Räume  mit  Malereien,  die  in  Anordnung  und  Motiven  auf  das 
Zelt  Bezug  nehmen.  Davon  war  oben  S.  1 55 f.  die  Rede.  Wir  haben  das  Material  im 
Wiener  Institut  z.  T.  durchgearbeitet,  das  Buch  von  Wachsberger  „Stilkritische  Studien 
zur  Wandmalerei  Chinesisch-Turkestans"  Berlin  1916  gibt  darüber  ausführlich,  soweit 
die  im  wesentlichen  chinesische  Wandmalerei  in  Beträcht  kommt,  Auskunft.  Die 
Plastik  ist  vorwiegend  indisch  durchsetzt,  auf  diesem  Wege  sickert  auch  der  Helle- 
nismus durch,  die  Architektur  ist  iranisch,  davon  habe  ich  bezüglich  der  Trompen- 
kuppel  über  dem  Quadrat  in  Luftziegelbau  Zeitschrift  für  Architekturgeschichte  V 
(1916)  S.  51  f.  gehandelt.  Eine  andere  Gruppe  quadratischer  Tempelräume  mit  Um- 
gang läßt  sich  auf  dem  Nomadenwege  über  Hatra  bis  nach  dem  Jemen  und  Abessy- 
nien  verfolgen;  davon  an  anderer  Stelle. 

'  So  sehen  wir  die  Türken,  sobald  sie  ihre  schlichte  Nomadenart  oder  das  No- 
madengebiet selbst  in  Nordasien  aufgeben,  wie  es  die  Orchon-Inschriften  voraus- 
sagen, in  der  bildenden  Kunst  aufgehen  in  den  Formen  der  Kulturoasen,  mit  denen 
sie  in  Berührung  treten.  Die  Seldschuken  und  Osmanen,  von  denen  bereits  oben 
S.  153  die  Rede  war,  haben  später  nicht  anders  gehandelt,  sie  sind  Träger  jener 
islamischen  Kunstformen  geworden,  die  sie  in  Ostpersien  und  Syrien  angenommen 
hatten.  Auf  die  Kunstentwicklung  hatten  die  Türken  nur  solange  einen  eigenartigen 
Einfluß,  als  sie  ihren  Weidegründen  und  Jagdrevieren  in  Hochasien  treu  blieben  und 
Karawanen  aussendeten.  Vertreter  dieser  mit  dem  Rosse  verwachsenen  Reitervölker 
waren  es,  die  zuerst  mit  ihren  Metall-  und  Textilarbeiten  handeltreibend  und  Kriegsdienst 
suchend  zwischen  China  und  dem  Westen  vermittelten,  später  aber  erobernd  bis  in 
das  Herz  Chinas  und  Europas  vordrangen. 

2.  Arier.  Der  zweite  ältere  Stoß,  dem  wir  oben  zu  folgen  suchten,  war  der 
arische.  Ein  anderer  Teil  jener  Nomaden  Europas,  die  bei  dem  Vorstoße  nach  dem 
Süden  aus  der  semitischen  Mischkultur  die  Mittelmeerkunst  zeitigten,  wanderte  wohl 
von  Südrußland  über  den  Kaukasus  und  um  das  Kaspische  Meer  nach  Transoxanien, 
Iran  und  Indien  ein.   Wir  ließen  auch  hier  wieder  Indien  und  den  südiranischen  Teil, 


1)  Vgl.  Thomson,   Inscriptions  de  l'Orkhon,  und  Radioff,,  a.  a.  O.,  N.  F.  Anhang  S.   12  (Barthold). 

2)  Wie  notwendig  eine  Klärung  des  Begriffes  Renaissance  bei  den  Kunsthistorikern  allmählich  wird, 
lese  man  z.  B.  bei  Schmarsow  (Jahrbuch  der  preuß.  Kunstsamml.  XXXII,  191 1,  S.  89)  nach,  der  eine 
Verwendung  des  Schlagwortes  bei  Salin  aufgreift. 


■*qq  VI.  Wesen  und  Wert  von    Renaissancen. 

der  mit  der  Mittelmeerkultur  in  engste  Berührung  trat,  beiseite  und  legten  den 
Nachdruck  auf  den  Norden  und  auf  die  Zeit,  die  der  Durchsetzung  dieser  arischen 
Landnehmer  mit  türkischen  Elementen  folgte.  Die  Bedeutung,  die  das  arabische 
Nomadenvolk  mit  dem  Islam  gewonnen  hatte  (nicht  zuletzt  auch  das  Verkleiden 
der  Rohziegelbauten  in  fiächenverzierenden  Techniken)  scheint  dort  der  hergebrachten 
Nomadenart  dauernden  Halt  gegeben  zu  haben.  Der  Islam  wurde  nach  Jahrhunderten 
ihres  Durchsickerns  im  Wege  des  Weltverkehrs  ihr  Träger  in  die  alten  Oasenkultur- 
gebiete  des  Mittelmeeres,  in  ihm  lebt  sich  die  Nomadenkunst  bis  auf  den  heutigen 
Tag  aus.  Ihren  Weg  nach  Norden  fand  sie  einmal  auf  diesem  Umwege  und  direkt 
über  Armenien  und  um  das  Schwarze  Meer  herum.  Das  „Mittelalter"  —  es  kann 
eigentlich  nur  in  den  alten  Treibhäusern  der  Kultur  von  einem  solchen  im  Gegensatz 
zum  Altertum  gesprochen  werden1  —  bereitet  sich  vor,  als  die  sakischen  Parther  Ele- 
mente der  Nomadenkunst  nach  Iran,  Armenien  und  Mesopotamien  übermittelten. 

Im  Gegensatze  dazu  —  das  sollte  als  Wesen  erkannt  werden  —  sind  Renais- 
sancen zumeist  solche  Bewegungen,  in  denen  Nomaden  und  Nord  Völker  unter  den 
Einfluß  der  Treibhauskulturen  kommen.  Unter  dieser  Voraussetzung  ist  Burckhardts 
Kennzeichnung  „Eine  Eigentümlichkeit  höherer  Kulturen  ist  ihre  Fähigkeit  zu  Re- 
naissancen" nachzuprüfen 2.  „Entweder  ein  und  dasselbe  oder  ein  später  gekommenes 
Volk  nimmt  mit  einer  Art  von  Erbrecht  oder  mit  dem  Recht  der  Bewunderung  eine 
vergangene  Kultur  teilweise  zu  der  seinigen  an.  Diese  Renaissancen  sind  zu  unter- 
scheiden von  den  politischen  Restaurationen,  mit  welchen  sie  stellenweise  gleichwohl 
zusammentreffen."  Eine  reine  Renaissance  war  für  Burckhardt  die  italienische, 
Restauration  und  zugleich  Renaissance  die  Kultur  Karls  d.  Gr.,  bei  der  Herstellung 
des  Persertums  durch  die  Sasaniden  ist  er  im  Zweifel.  Uns  muß  gerade  diese  Zeit 
im  Hinblick  auf  Altai-Iran  und  Völkerwanderung  etwas  beschäftigen.  Sie  ist  es 
wohl,  die  verschuldet,  daß  der  Zusammenhang  der  islamischen  Kunst  mit  Nomaden 
und  Nordvölkern  bisher  nicht  erkannt  wurde. 

Als  der  erste  Indogermanenstoß  über  den  Kaukasus  erfolgte,  werden  wohl  rein 
ornamentale  Formen,  wie  sie  die  Griechen  an  das  Mittelmeer  brachten,  nach  Iran  vor- 
gedrungen sein.  Der  Rückschlag  von  seiten  der  Oasenkulturen  zeigt  sich  in  der 
Achamanidenkunst.  Wenn  wir  daher  erst  in  sasanidischer  Zeit  von  einer  Renaissance 
sprechen,  so  ist  das  nicht  richtig.  Denn  abgesehen  von  dem  Einfluß  der  babylonisch- 
assyrischen Kunst,  der  ja  schon  eine  Renaissance  zeitigte,  erfolgt  eine  zweite  „Renais- 
sancebewegung" mit  der  Eroberung  des  Landes  durch  Alexander  d.  Gr.  Die  alte 
achamanidische  Hofkunst  wird  von  griechischen  Elementen  durchsetzt,  schon  in 
parthischer  Zeit  hat  sie  neue  Typen  angenommen,  wie  das  leider  stark  zerstörte 
Gotarzes-Relief  von  49  n.  Chr.3  und  wahrscheinlich  noch  ein  anderes  in  der  Nähe 
von  Budhi,  nördlich  der  Linie  Herat-Bamian    belegt4.    Jedenfalls    bleibt    die    Übung 

1)  Vgl.  oben  S.  238  f.  2)  Weltgeschichtliche  Betrachtungen  S.  87. 

Vgl«  Hüsing,    Der  Zagros  und  seine  Volker  S.  7.     Ob    vielleicht    auch    die  S.  S,   56  und   58    ab- 
gebildeten Denkmälerr 

„In  der  Nähe  von  Budhi    bemerkte  Ferrier  (Voyages  I  S.  428)  Skulpturen  auf  einem  Felsen:    ein 

iig  auf  dem    Throne,  von  seinem  Hofstaat  umgeben,  vor  ihm    ein  gefesselter  Krieger  auf  der  Erde  au>- 

treckt,  der  auf  seinen  Befehl  erdrosselt  wird,  ein  anderer  Krieger,  von    seinen  Fesseln    befreit,    liegt  auf 

den  Knien   und  ruft,  wie  es  scheint,  die  königliche  Gnade  an.     Die  beigefügte   arabische  Inschrift  scheint 


VI.  Wesen  und   Wert  von   Renaissancen.  30I 

des  Felsreliefs  bestehen  und  ist  nicht  erst  in  sasanidischer  Zeit  wieder  aufgenommen 
worden1.  Die  Volkskunst  erhielt  sich  neben  dieser  „Gottes-Gnadenkunst"  wohl  un- 
berührt, lebte  ebenso,  zuerst  von  den  Griechen  zurückgedrängt,  später  —  schon 
seit  100  v.  Chr.  nach  den  Münzen  —  siegreich  vordringend  fort,  wie  die  einheimische 
Religion,  die  Weiterbildung  des  Mazdaismus. 

Als  die  Nomaden  politisch  die  Oberhand  gewannen,  setzte  sich  das  „Mittel- 
alter" endgültig  durch.  Im  Osten  gingen  dabei  die  alten  Treibhauskulturen  in  der 
Kunst  allmählich  unter,  soweit  nicht  Architektur'  und  darstellende  Kunst  schon  vor- 
her von  der  Einwirkung  durch  die  Oasenkulturen  betroffen  worden  waren.  Vor  allem 
muß  das  für  die  Fälle  gelten,  in  denen  das  „Bilderverbot"  durchbrochen  wurde, 
wobei  sicher  indische,  chinesische  und  westliche  Einflüsse,  d.  h.  Renaissancen,  einzeln 
oder  gemeinsam   den  Ausschlag  gaben2. 

Im  Westen  „rettete"  das  Christentum  Gegenstand  und  Gestalt.  Die  sog.  karo- 
lingische  Renaissance  hat  darin  ausschlaggebend  Bahn  gebrochen.  Sie  brachte  den 
Einschlag  zu  allgemein  nationaler  Geltung,  der  bis  dahin,  vor  allem  im  Süden  und  am 
Rhein  dem  germanischen  Vorstoß  widerstanden  hatte:  die  Kirche.  Es  handelt  sich 
nicht  so  sehr  um  eine  Wiedergeburt  der  Mittelmeerkunst,  wie  um  eine  Einsetzung  in 
die  Allgemeingültigkeit  und  das  bewußte  Zurückdrängen  des  urkräftig  Barbarischen 3. 
Erst  mit  der  Gotik  entwickelte  sich  eine  neue  germanische  Blüte,  die  dann  durch 
die  italienische  Renaissance  vernichtet  wurde.  Rom  trägt  die  griechische  Kunst  her- 
über bis  in  die  Zeit,  wo  man  in  Florenz  wissenschaftlich  zu  sehen  beginnt  und  die 
romanischen  Elemente  Italiens  die  sogenannte  Renaissance  aufrichten.  Die  großen 
Germanen,  ein  Eeonardo,  Bramante,  Giorgione  haben  den  Sturz  nicht  aufhalten 
können,  das  „Gewöhnliche  meistert  die  Welt".  Die  zweite  arische  Blüte  im  Norden, 
die  wir  gewöhnlich  Gotik  nennen  und  die  viel  rassenreiner  als  das  Griechische  war, 
unterliegt  dem  zum  guten  Teil  unkünstlerischen  Anstürme  der  italienischen  Renais- 
sance. Michelangelo  und  Dürer  zeigen  den  tragischen  Kampf  der  Unterliegenden. 
Seit  dieser  Zeit  vegetiert  die  europäische  Kunst  im  Dienste  der  Macht  ohne  eigenen 
seelischen  Gehalt.  Große  germanische  Persönlichkeiten  der  bildenden  Kunst  wie 
Rembrandt  und  Böcklin  bleiben  im  Kern  unverstanden  und  die  Kunst  hört  auf, 
Volkssache  zu  sein.  Sie  wird  ein  Macht-  und  Genußmittel  in  den  Händen  der 
herrschenden  Oberschicht.  Erst  heute  meldet  sich  der  Ruf  nach  einer  Volkskunst, 
die  dem  Ringen  der  breiten  Massen,  ihrer  Sehnsucht  Ausdruck  geben  soll.  Inzwischen 
sind  die  Wege  so  verfahren,  daß  es  einer  tiefgreifenden  Änderung  der  Gesinnung 
bedarf,   um  gangbare  Geleise  zu  schaffen. 

Dieser  neuen  Gesinnung  kann  von  seiten  der  Kunstforschung  nur  auf  systema- 
tischem Wege  vorgearbeitet  werden.  Was  soll  denn  das  historische  Sammelsurium 
noch  weiter  in  einer  Zeit,  die  ihre  Kräfte  auf  allen  Gebieten  zusammenfassen  und 
zielbewußt  auf  die  jetzt  endlich  unvermeidlich  gewordene  Tat  einstellen  muß?    Wir 


an  die  Stelle  einer  älteren  gesetzt    und    weit    jünger    als  das  Monument  zu  sein.     Nach  Aussage  der  Ein- 
geborenen sollen  in  der  Nähe   noch  Ruinen    einer  Stadt   sein".     (Spiegel,   Eran.  Altertumskunde  I  S.  27.) 

1)  Vgl.  die  Zusammenstellung  bei  Sarre-Herzield,  „Iranische  Felsreliefs".    Dazu  oben  S.  52  und   157. 

2)  Vgl.  darüber  oben  S.   143  und  besonders  S.  273. 

3)  Vgl.  Der  Dom  zu  Aachen  S.   1  f. 


;02 


VI.   Wesen  und  Wert  von   Renaissancen. 


haben  uns  lange  genug  gegönnt  so  zu  arbeiten,  wie  wenn  das  Leben  vom  Gelehrten 
nichts  anderes  verlangte,  als  daß  er  einseitig  sich  vom  Kleinen  ins  Kleinste  verliere. 
Nun  aber  muß  der  politischen  Organisation,  die  die  Welt  auseinanderreißt,  eine 
andere  entgegentreten,  die  kulturelle,  die  das  Neue  zusammenhält.  Wir  wollen 
Linguistik,  Philologie,  pragmatische  Geschichte  und  Philosophie  nicht  ausmerzen; 
sie  sollen  nur  für  uns  als  Hülfswissenschaften  in  zweite  Linie  treten.  Die  Tatsachen,  die 
sie  erarbeitet  haben,  müssen  ohnehin  als  Grundlage  für  die  systematisch  auf  induk- 
tivem Boden  geführte  Wesensforschung  dienen  und  wir  können  gar  nicht  anders  als 
nach  wie  vor  philologisch-historisch  weiterarbeiten,  aber  freilich  indem  jedes  Fach 
seine  Fragen  zunächst  auf  Grund  der  aus  der  Art  der  einzelnen  Kulturwesenheit 
entspringenden  Erkenntnis  des  Notwendigen  stellt  und  den  Umfang  seiner  Aufgaben 
nicht  einseitig  nur  im  Hinblick  auf  zeitlich  fernliegende  Ouerschnitte  bestimmt,  sondern 
erkennt,  daß  daneben  fachmännische  Längsschnitte,  die  bis  auf  die  Gegenwart  führen, 
notwendig  und  unentbehrlich  geworden  sind.  Erst  sie  geben  ein  klares  Bild  vom  Auf- 
baue der  Wissenschaft  auf  dem  Grundrisse  der  Tatsachen  und  tragen  unmittelbar 
Früchte  für  die  Gegenwart  und  unseren  eigenen  Charakter. 

Für  die  Lebenswesenheit  „Bildende  Kunst"  habe  ich  seit  Jahren  eine  Wert- 
einteilung aufgestellt ',  die  hier  an  den  Schluß  gestellt  werden  muß,  um  die  Begriffe, 
die  im  vorliegenden  Buche  verwendet  wurden,  einerseits  deutlich  zur  Unterscheidung 
zu'  bringen,  andererseits  zu  zeigen,  daß  sie  nicht  nach  Meinung  und  Geschmack  ge- 
wählt, vielmehr  in  ihrem  Nebeneinander  zur  erschöpfenden  Einheit,  wie  sie  im  Kunst- 
werk ohne  Trennung  vorliegt,  abgerundet  sind.  Es  war  immer  wieder  von  Stoff  und 
Werk  (Material  und  Technik),  Gegenstand  und  Gestalt,  Form  und  Inhalt  mit  ihren 
Erregern  und  Zielen  die  Rede.  Nachfolgender  Aufbau  gibt  den  Schlüssel  dieser  für 
tue  Zwecke  wissenschaftlicher  Forschung  vorgenommenen,  wie  ich  glaube,  natür- 
lichen Trennung. 


I.  Handwerk. 
1.  Stoff  und  Werk. 
Erreger:  Schaffen. 
Ziel:  Können. 


— 

V 


Sachliche  Gebunden- 
heit. 
(Außenleben) 


Persönliche  Freiheit, 
i  Innenleben i 


II.  Geistige  Werte. 


Welt. 


Bedeutung  (Innenwelt).  Erscheinung  (Außenwelt). 


2.  (Sache)  Gegenstand. 

Erreger:  Geistiger  Zustand. 
Ziel:  (Zweck i  Deutung. 


5.  Inhalt. 

Erreger:  Seele. 
Ziel:  Ausdruck. 


Gestalt. 

Erreger:  Natur. 
Ziel:   Darstellung. 

Form. 

Erreger:  Sinne. 
Ziel:  Wirkung. 


1)  Vgl.  Die  Zukunft  der  Kunstwissenschaft,  Beilage  zur  München«  AUg.  Zeitung  Nr.  5,  vm 
9.  III.  1903.  Turners  path  from  nature  to  art,  Burlington  Magazine  LX  (190S1  S.  33s (•  Die  Kunstgeschichte 
.111  der  Wiener  Universität,  Osterreichische  Rundschau  XXI  (1909)  S.  393  f.  System  und  Methode  der 
Kunstbetrachtung,  Volksbildungsarchiv  III  (1912)  S.  44t.  Ein  Werk  der  Volkskunst  im  Lichte  der  Kunst- 
forschung, Werke  der  Volkskunst  I  (191 31  S.  I2f.  Ostasien  im  Rahmen  vergleichender  Kunstforschung, 
isiatische  Zeitschrift  II  (1913 1  S.  1  f .  Bildende  Kunst,  Das  Jahr  1913,  hrsg.  von  Sarason  S.  4801".  Das 
Kunsthistorische  Institut  der  Wiener  Universität,  Die  Geisteswissenschaften  I  (19134)  S.  12  f.    Der  Wandel 


VII.  Eine  neue  Gesinnung  —  eine  Notwendigkeit.  203 

Man  wird  in  der  Schlagwortliste  am  Schlüsse  des  Buches  die  Belegstellen  für  die 
einzelnen  Werte,  soweit  sie  in  diesen  Untersuchungen  behandelt  wurden,  zusammen- 
gestellt finden. 

Wir  hatten  uns  im  Verlaufe  des  Buches  wiederholt  mit  Riegl  auseinander  zu 
setzen,  vor  allem  auch  in  der  Richtung,  da(.!  hervorgehoben  wurde,  er  habe  historisch 
ohne  genügende  Kenntnis  des  Materials  und  systematisch  ohne  System  gearbeitet 
(S.  65).  Da  zeigt  sich  "gleich,  worauf  wir  hinaus  wollen:  Keine  Dogmen  als  Folge 
unzulänglicher  Denkmälerkenntnis,  sondern  zunächst  einmal  Einblick  in  die  Schiebungen 
der  Kunst,  zum  mindesten  in  den  Teil  des  Erdkreises,  der  für  die  unmittelbare  Berührung 
mit  Europa  in  Betracht  kommt.  Wir  haben  uns  im  vorliegenden  Buch  ausschließlich 
fast  in  historischer  Zeit  bewegt.  Soweit  man  zurückblicken  kann,  stehen  sich  bereits 
am  Anfange  der  Geschichte  auf  dem  Gebiete  der  bildenden  Kunst  deutlich  erkennbar 
drei  große  Menschheitskörper  gegenüber,  der  eine,  die  breite  Masse  vertretend,  ringt 
sich  langsam  der  kargen  Natur  gegenüber  zu  halbwegs  günstigen  äußeren  Lebens- 
bedingungen durch,  der  andere,  in  einzelnen  Flußoasen  getrennt  lebend,  schwingt 
sich  treibhausartig  rasch  zu  überragenden  Kulturen  auf,  dazwischen  der  vom  Atlan- 
tischen bis  zum  Stillen  Ozean  fast  reichende  Nomadenweg.  Der  eine  Körper  um- 
faßt den  Norden  und  verfügt  mit  dem  mittleren  über  die  Landwege,  der  zweite  liegt, 
durch  hohe  Gebirge  getrennt,  im  Süden  und  gewinnt  erst  Zusammenhang  zu  Schiff 
um  die  in  das  Meer  vortretenden  Landmassen  herum.  Am  Beginne  der  historischen 
Zeit  besteht  ein  Weltverkehr  auf  der  inneren,  eurasischen  Linie,  die  uns  inzwischen 
leider  aus  dem  Bewußtsein  geschwunden  ist.  Erst  der  Weltkrieg  schließt  die  Augen 
dafür  wieder  auf  und  zeigt,  welcher  Gefahr  wir  durch  das  Gewährenlassen  auf  der 
äußeren  Linie  entgegengehen.  Russen  und  Engländer  sind  auf  dem  besten  Wege,  die 
Zange  über  Persien  hinweg  zu  schließen  und  uns  so  für  immer  der  Aussicht  auf  Wie- 
derherstellung der  alten  Verbindung  zu  berauben.  Gelingt  es  uns,  diese  Gefahr  zu 
bannen,  dann  nur  keine  Renaissance  im  obigen  Sinne,  auch  nicht  ich  weiß  nicht 
welcher  indogermanischen  Kunst!  Die  humanistischen  Kinderschuhe  sind  ausgetreten. 
Stellen  wir  uns  endlich  auf  eigene  Füße.  Die  Kunstgeschichte  kann  dazu  im  Wege 
einer  auf  planmäßiger  Grundlage  vorgehenden  Wesensforschung  nicht  unbedeutend 
beitragen.     Darüber  zum  Schluß  noch  einige  Worte. 

VII.  Eine  neue  Gesinnung  —   eine  Notwendigkeit. 

Im  Zusammenhange  der  Ideen  des  vorliegenden  Buches  muß  noch  etwas  bei 
deutscher  Art  verweilt  werden.  Es  ist  eine  der  betrübendsten  Tatsachen,  daß  sie 
sich  in  der  Kunstforschung  nicht  durchsetzen  will.  Es  fehlt  dieser  jede  systematische 
über  das  Materialsammeln  und  -Ordnen  hinausgehende  Organisation,  zum  guten  Teil 
deshalb,  weil  die  mittelalterlichen  und  Renaissance-Mächte,  die  bis  in  unsere  Zeit  hinein 
lebendig  blieben,    zu    sehr    an    der  hergebrachten  Wertung   beteiligt  sind.     Deutsch 

der  Kunstforschung,  Zeitschrift  für  bildende  Kunst  L  (1914/5)  S.  3  t".  L.  Potpeschnigg,  Einführung  in  die 
Betrachtung  von  Werken  der  bildenden  Kunst  (Arbeiten  des  kunsthistorischen  Instituts  der  k.  k.  Universität 
Wien  (Lehrkanzel  Strzygowski)  Bd.  II  (Wien  191 5).  Religion  und  Persönlichkeit  in  der  bildenden  Kunst 
(schwedisch),  Ord  och  Bild  1916.     Die  bildende  Kunst  der  Arier,  Unser  Vaterland  I  (1916). 


■^qi  VII.  Eine  neue  Gesinnung  —  eine  Notwendigkeit. 

wäre  es,  sich  auch  davon  endlich  frei  zu  machen  und  die  Sache  unabhängig  von  allen 
ererbten  Rücksichten  rein  um  ihrer  selbst  willen  zu  organisieren.  So  müßte  der 
Deutsche  vor  allem  erkennen  lernen,  wovon  seine  Art  in  historischer  Zeit  ausging,  wie 
sich  daraus  Eigenart  entwickelte,  diese  verdrängt  wurde  und  ein  mühseliges  Ringen 
begann,  in  dem  die  bildende  Kunst  fast  unterlag,  so  daß  heute  der  Weg  zum  Deutschen 
kaum  zu  finden  ist.  Und  doch  wird  dieser  Weg  allmählich  über  die  Hemmnisse  hinweg, 
die  Ästhetik  und  Kunstgeschichte,  Akademien  und  Fakultäten  aufgeführt  haben,  sichtbar. 

Die  „Kunsthistoriker"  haben  sich  bisher  im  besten  Falle  um  die  beiden  westlichsten 
Oasenkulturen  am  Nil  und  im  Zweiströmelande  gekümmert,  sind  dann  der  großen 
hellenischen  Blüte  nachgegangen  und  glaubten  wunder  welche  Großtat  zu  verrichten, 
indem  sie  unter  Kenntnisnahme  dieser  Bewegung  die  Nachwirkungen  auf  italischem 
Boden  und  dann  in  Nordeuropa  bis  in  alle  Einzelheiten  sicher  stellten.  Darüber  sind 
ihre  Augen  schwach  geworden  und  der  Horizont  hat  sich  trotz  aller  möglichen  Brillen 
nur  immer  mehr  verengt.  Vor  allem  haben  wir  mit  der  Achtung  für  das  „Barbari- 
sche", d.  h.  Urwüchsige  in  unserem  Yolkscharakter  auch  die  Möglichkeit  einer  frisch 
vorwärtsgehenden,  seelisch  und  künstlerisch  national  gerichteten  Forschung  eingebüßt. 
Die  Kunstgeschichte,  statt  das  deutsche  Volk  durch  die  ihren  Händen  anvertrauten, 
eindrucksvollen  Denkmäler  auf  die  Weite  und  Tiefe  des  Arbeitsfeldes  einzustellen, 
ergeht  sich  heute  nur  zu  oft  in  Armseligkeiten. 

Die  bildende  Kunst  reicht  mit  ihren  Nachweisen  an  geologische  Zeitalter  heran. 
Die  Zeugen  der  Entwicklung  des  Seelenlebens  der  Menschheit,  die  damit  geboten 
sind,  gestatten  eine  zeitliche  Erweiterung  der  Forschung,  auf  die  einzugehen  in 
diesem  Buche  nicht  Gelegenheit  genommen  wurde  '.  Der  Verfasser  ist  zufrieden,  wenn 
er  zunächst  von  der  Notwendigkeit  der  örtlichen  Ausdehnung  des  engen  Gesichts- 
kreises überzeugt  und  die  Fachgenossen  dazu  angeregt  hat,  öfter  eine  Karte  der 
gesamteurasiatischen  Landmasse  herzunehmen  und  die  Rolle  der  arischen  Völkerachse, 
die  sich  zwischen  Altai  und  Iran  mit  den  Nomadenwegen  kreuzt,  gegenüber  den 
Treibhäusern  im  Süden  zu  überlegen.  Vielleicht  entsteht  dann  doch  allmählich  der 
deutliche  Eindruck,  daß  neben  den  Hochkulturen  auch  in  historischer  Zeit  noch  schlich- 
tere Gesellschaftszustände,  durch  Nomaden  und  Nordvölker  vermittelt,  Beachtung 
verdienen.  Auf  dem  Gebiete  der  deutschen  Kunstforschung  im  besonderen  sollten  sie 
in  gewissem  Sinne  vorerst  den  Ausschlag  geben.  Nur  auf  diesem  Wege  können  wir  die 
Brücke  über  die  germanischen  zu  den  großen  arischen  Problemen  finden,  die  jetzt 
hoffentlich  in  den  Vordergrund  des  deutschen  Denkens  treten  werden.  Abrücken  von 
den  z.T.  auf  „semitischem"  Boden  erwachsenen  Kunstströmen  in  Hellas,  Rom  un  1  dem 
späteren  Italien,  Besinnen  auf  die  Rolle  der  Nordarier  in  Asien,  das  ist  jetzt  unser 
Weg.  Die  Inder  scheinen  über  das  Wesen  der  Dinge  ohne  Geschichte  nachgedacht 
zu  haben.     Für  uns  wäre  es  Zeit,  über  der  Geschichte  das  Wesen  nicht  zu  vergessen. 

Dazu  gehört  freilich,  daß  sich  die  deutsche  Kunstforschung  nicht  länger  von 
einer  Strömung  gefangen  halten  läßt,  der  kürzlich  ein  Kunsthistoriker  naiv  Ausdruck 
gegeben  hat-  mit  der  Behauptung,  Universalgeschichte  der  Kunst  sei  nur  im  enzyklo- 
pädischen Sinne  denkbar,  was  besagen  will,  als  eine  bunte  zusammenhanglose  Masse, 

i     Vgl.  M.  Hörncs,  Urgeschichte  der  bildenden   Kunst   in   Kuropa  2.   A. 
2)  Die  Geisteswissenschaften  I  (1913/4)  S.  6^4  f. 


VII.  Eine  neue  Gesinnung  —  eine  Notwendigkeit.  iq- 

die  sich  zu  keinen  entwicklungsgeschichtlichen  Einheiten  zusammenschließen  lasse. 
Und  doch  hat  gerade  Wickhoff  für  diese  Einheitlichkeit  das  Wort  ergriffen  '  und  Riegl 
dafür  nach  Kräften  tlen  Unterbau  zu  legen  gesucht,  nur  natürlich  auf  hellenischen 
Grundmauern.  Sobald  die  gegenteilige  Ansicht  geäußert  und  Anstalten  getroffen 
werden,  den  starken  Strom  zur  Anerkennung  zu  bringen,  der  einst  von  den  alten 
Oasenkulturen  des  Orientes  unmittelbar  ausging  und  später  mittelbar,  von  Mittelasien 
als  Ursprungszentrum  aus,  Ost  und  West  verband,  wird  dagegen  als  gegen  eine  Utopie 
gewühlt.  Und  doch  liegt  es  im  Sinne  der  Zeit,  diesen  Dingen  nachzugehen  und  die 
vergleichende,  z.  T.  indogermanische  Kunstforschung  als  Stütze  der  Bewegung  zu 
benutzen,  die  die  Deutschen  jetzt  im  Vereine  mit  den  Völkern  von  alttürkischer  Ober- 
schicht, den  Ungarn  und  Bulgaren,  zusammen  mit  den  Osmanen  an  der  Arbeit  zeigt, 
den  Quertreibereien  der  äußeren  Linie  entgegen  den  alten  Zusammenhang  wieder 
aufzurichten.  Dazu  wird  freilich  für  die  Dauer  nicht  Herrschsucht,  sondern  Lebens- 
einsicht den  Weg  zu  bahnen  haben.  —  Fasse  ich  die  Ergebnisse  im  Hinblick  auf  die 
jetzige  Lage  der  geisteswissenschaftlichen  Forschung  im  allgemeinen  und  der  kunst- 
wissenschaftlichen im  besonderen  zusammen,  so  läßt  sich  sagen: 

Für  die  Bewegung,  die  hoffentlich  jetzt  mit  dem  Kriege  einsetzt,  werden  nicht 
die  örtlich  und  zeitlich  eingeschachtelten  historisch-philologischen  Spezialisten  in  Be- 
tracht kommen,  sondern  Fachleute,  die  den  Erdkreis  im  Auge  haben  und  über 
Religion  ohne  konfessionelle,  über  Staat  und  Recht  ohne  politische,  über  Kunst, 
Wirtschaft,  Technik  usf.  ohne  die  europäische  Schranke  arbeiten,  Fachmänner,  die 
neben  der  üblichen  „gelahrten"  Arbeitsweise  der  Universitäten  und  Akademien,  soweit 
die  geisteswissenschaftliche  Richtung  in  Betracht  kommt,  zunächst  einmal  über  das 
Wesen  ihres  Fachs  nachgedacht  und  auf  dem  Wege  der  vergleichenden  Methode  gelernt 
haben,  die  Ergebnisse  der  historisch-philologischen  und  philosophischen  Arbeit  fach- 
gemäß, d.  h.  ihrem  Wesen  nach,  zuordnen,  entwicklungsgeschichtlich  aufzubauen  und 
für  das  Leben  nutzbar  bereitzustellen.  Sie  werden  ebenso  wie  die  Naturwissen- 
schaften Forschungsinstitute  brauchen,  in  denen  induktiv  verarbeitet  wird,  was  als  Fach- 
Tatsache  kritisch  festgestellt  worden  ist.  Ihr  Ziel  wird  die  planmäßig  geordnete  Vor- 
führung von  Möglichkeiten  des  Wesens  und  der  Entwicklung  sein,  die  sie  dann  im 
Sinne  der  angewandten  Forschung  in  den  Dienst  der  Gegenwart  stellen.  Damit  im 
Zusammenhang  wird  in  Zukunft  als  Maßstab  für  die  Auswahl  der  geisteswissen- 
schaftlichen Probleme  deren  Lebenswert,  vor  allem  in  der  Richtung  deutsch-arischer 
Eigenart  und  sittlicher  Freiheit,  mitzusprechen  haben. 

Machen  wir  uns  klar:  Wenn  der  Weltkrieg  auf  dem  Gebiete  der  Geisteswissen- 
schaften nicht  endgültig  freimacht  von  der  semitisch-griechisch-römischen  und  Renais- 
sance-Grundlage, wir  weiter  Sklaven  der  einseitigen  sog.  humanistischen  Geistes- 
richtung bleiben,  man  amtlich  Hülfswissenschaften,  wie  politische  Geschichte,  Philo- 
logie und  Philosophie  für  das  Um  und  Auf  des  geisteswissenschaftlichen  Schaffens 
ansieht  und  mit  einer  Kurzsichtigkeit,  die  erst  nach  Jahrzehnten  neu  gerichteter 
Arbeit  ganz  zu  durchschauen  sein  wird,  alles  fernhält,  was  1.  über  den  Kreis  der  aka- 
demisch begrenzten  Mittelmeerkultur  hinausblickt  oder  gar  2.  nach  systematischer 
Geistesforschung,  d.  h.  nach  dem  aussieht,  was  (in  seiner  alles  Leben  durchsetzenden 

1)  Vgl.  oben  S.  113. 
Strzygowski;  Altai.  2° 


3o6 


VII.  Eine  nein.  Gesinnung  —  eine  Notwendigkeit. 


Wesensmannigfaltigkeit,  wissenschaftlich  gegliedert)  den  eigentlichen  Kern  aller  auf  die 
Möglichkeiten  von  Vergangenheit,  Gegenwart  und  Zukunft  des  Menschengeschlechter 
ichteten  geistigen  Arbeit  bilden  sollte,  dann  hat  der  Krieg  nicht  den  sittlichen 
Erfolg  gezeitigt,  den  wir  von  der  übermenschlichen  Anstrengung  aller  Völker  erwarten 
dürfen.  Dazu  aber  gehört  die  Arbeit  auf  Grund  einer  für  die  einzelnen  Geistes- 
richtungen festgestellten  Wesensforschung,  die  dann  vergleichend  erdgeschichtlich 
sich  durchringt  und  ihre  Ergebnisse  im  Dienste  des  geistigen  Lebens  der  Gegenwart 
anwendet,  nicht  in  den  Bibliotheken  zu  Staub  und  Moder  zerfallen  läßt l.  Wer  den 
verkümmerten  Geist  des  heutigen  Gelehrtentypus  im  Gebiete  der  Kunstforschung 
kennen  lernen  will,  der  lese  im  ersten  Bande  der  „Geisteswissenschaften"  S.  932  f.  die 
gewundenen  Sophismen,  die  der  bereits  einmal  zitierte  Kunsthistoriker  meiner  am 
Kopfe  dieser  Zeitschrift  S.  12  f.  gegebenen  Vorführung  der  Ziele  des  kunsthistorischen 
Institutes  der  Wiener  Universität  entgegenstellt.  Ich  habe  darauf  eigentlich  schon  mit 
dem  Aufsatze  „Der  Wandel  der  Kunstfor.schung"  im  Festhefte  zum  50jährigen  Bestände 
der  Zeitschrift  für  bildende  Kunst  geantwortet.  Das  vorliegende  Buch  mag  als  Vor- 
führung eines  Einzelfalles  für  meine  Forderung  nach  Einstellung  der  Kunstforschung 
an  Universitäten  bezw.  wissenschaftlichen  Instituten  auf  den  Gesamtkreis  der  Erde,  zu- 
nächst auf  eurasischem  Boden  gelten.  Die  Auseinandersetzung  auf  systematischem 
Gebiete  wird  bei  anderer  Gelegenheit  folgen. 

Es  wäre  ganz  unbegreiflich,  gerade  die  Forschung  über  bildende  Kunst,  die 
zeitlich,  örtlich  und  sozial  über  ein  Material  verfugt,  das  keine  andere  Wissenschaf: 
aufweisen  kann,  so  vernachlässigt  zu  sehen,  wenn  diese  Forschimg  nicht  mehr  als 
jede  andere  unter  Druck  und  Gunst  de"  Macht  stünde.  Sobald  sie  höhere  Werte  als 
die  dem  augenblicklichen  Machthaber  und  Besitzer  vorteilhaften  ins  Auge  faßt,  wird 
sie  als  uferlos  und  nebulos  von  den  eigenen  im  Dienste  von  Macht  und  Besitz 
stehenden  Fachgenossen  heruntergesetzt. 

So  muß  dem  Durchbruch  des  Nordens,  der  sich  wie  einst  unter  arisch-altaischer 
so  heute  unter  deutsch-türkischer  Führung  vorbereitet,  ein  Umschwung  in  der 
geisteswissenschaftlichen  Arbeit  parallel  gehen.  Geschieht  das  nicht,  dann  werden 
wir  die  Forschung,  nach  wie  vor  gehemmt  durch  ererbten  Unverstand,  nur  mit  halber 
Kraft  und  unzulänglichen  Mitteln  weiterführen  können.  Daß  sie  sich  durchsetzt, 
davon  freilich  ist  der  Verfasser  fest  überzeugt,  sonst  würde  er  manches  nicht  ertragen. 

Ist  es  Zufall,  daß  von  den  Ariern  die  Deutschen,  Ukrainer,  Armenier  und  Perser, 
von  den  Ural-Altaiern  die  Ungarn,  Bulgaren  und  Türken  zum  Zusammenwirken  mit  dem 
Schwerte,  später  hoffentlich  zu  vereinter  geistiger  Arbeit  aufgerufen  werden  bezw.  werden 
sollten?  Ich  denke,  dieses  Buch  hat  gezeigt,  wie  eng  sie  am  Anfange  der  nordischen 
Geschichte  zusammengelebt  haben.  Daraus  und  nicht  aus  einem  eingebildeten  Um- 
schwung in  der  geistigen  Verfassung  der  Mittelmeervölker  entstand  die  neue  Welt, 
in  der  wir  heute  noch  leben  und  für  deren  Ursprung  wir  nach  so  vielen  Jahrhunderten 
blind  geworden  sind.  Aus  der  neuen  Erkenntnis  wird  eine  starke  sittliche  Kraft 
strömen.  Wir  gehen  natürliche,  der  nordischen  Menschheit  von  der  Erde  vorgezeich- 
nete  Wege,   indem   wir   uns   von   der   versinkenden  Welt   der  sudlichen  Kultuitrdb- 

1     Ein«  ii  volkstümlichen   Versuch  dieser  Art   habe   ich    mit  meinem  Buche  „Die  bildende  Kunst  der 
gemacht.    Vgl.  dazu  ,,I>ie  bildende  Kunst  der  Arier"  Unser  Vaterland  I  (1916). 


VII.  Eide  neue  Gesinnung  —  eine  Notwendigkeit  307 

häuser  abwenden  und  endlich  mit  der  Wesensforschung  das  alte  Strombett  der  nordi- 
schen Völker  wieder  aufsuchen.  Eines  freilich  bleibt  nach  dem  Durchbruch  mit  Hülfe  der 
Bulgaren  noch  unweigerlich  zu  tun  übrig:  daß  wir  den  ältesten  arischen  Weg  nach 
Persien  und  Indien  über  Südrußland,  d.  h.  die  Ukraina '  wieder  freimachen.  Ohne 
diese  Wendung  ist  das  ideale  Kriegsziel  nur  unvollständig  erreicht.  Gebt  den  Ukrainern 
die  Möglichkeit,  sich  geistig  frei  und  national  zu  entwickeln,  dann  werden  sie  ein 
lebendiges  Glied  in  der  Kette  werden,  die  den  einen  der  beiden  alten  Nomadenwege 
zum  Kulturstrome  der  Zukunft  machen  soll.  Auf  dem  Boden  der  Ukraina  liefen  die 
Wege  zusammen,  die  Nordeuropa  mit  dem  asiatischen  Steppengebiet  verbanden. 
Solange  dieses  wichtige  Durchgangsgebiet  vom  russischen  Machthaber  in  der  Weise 
ausgebeutet  wird,  daß  er  die  Kultur  der  eingeborenen  Bevölkerung  unterdrückt  und 
sie  abhält,  die  natürliche  Brücke  zwischen  Europa  und  Asien  zu  bilden,  so  daß 
bisher  aller  Verkehr  sich  auf  der  äußeren  Linie  abspielen  mußte,  ist  der  Krieg  Mittel- 
europas gegen  Russland  eine  Sache  der  Pflicht.  Und  ich  fürchte,  man  wird  in  Ruß- 
land nicht  ohne  Zwang  zur  Einsicht  kommen,  daß  dieses  Gebiet  zur  Erschließung 
alter,  wichtiger  Verkehrswege  frei  werden  muß.     Ähnliches  gilt  für  Armenien. 

Um  meiner  Volkszugehörigkeit  willen  möchte  ich  wünschen,  daß  es  zuerst  der 
Deutsche  wäre,  der  zur  Vernunft  käme.  Er  sitzt  in  der  angestammten  Mitte  und 
ist  so  vorbestimmt,  in  zielbewußter  Erkenntnis  zu  handeln.  Ich  vertraue  dem  deutschen 
Volke,  daß  es  zur  vollen  Klarheit  heranreifen  wird,  wenn  es  auch  —  vorläufig 
noch  mehr  als  auf  die  Dauer  gesund  ist  —  allerhand  überlieferten  Kram  hochhält  und 
dadurch  seine  eigene  Entwicklung  und  die  der  Menschheit  aufhält.  Sollte  es  der 
Reaktion  aber  dennoch,  trotz  ihrer  Blindheit  und  ihres  Leichtsinnes,  gelingen,  die  Ober- 
hand zu  gewinnen,  so  wird  den  vorgezeichneten  Weg  über  kurz  oder  lang  ein  anderes 
Volk  gehen.  Die  Menschheit  wird  vorwärts  kommen,  ist  sie  sich  doch  der  Außen- 
und  Innenwelt  in  ihrer  Weite  und  Tiefe  bewußt  geworden.  Führer  kann  nur  der 
sein,  der  erkennt,  daß  Macht  und  Besitz  keine  Lebenswesenheiten  sind,  auf  denen 
Staat  und  Gesellschaft  aufgebaut  werden  dürfen,  vielmehr  gerade  gut  genug,  um  der 
Erkenntnis  der  Dinge  helfend  den  Weg  zu  bereiten. 

Der  Wandel  der  Gesinnung,  der  hier  für  die  Forschung  über  bildende  Kunst 
und  die  Geisteswissenschaften  überhaupt  gefordert  wird,  ist  schließlich  der  gleiche, 
der  sich  im  Innen-  und  Außenleben  von  Staat  und  Gesellschaft  durchsetzen  muß, 
sollen  die  ungeheuren  Opfer  des  Krieges  Segen  bringen  und  die  so  teuer  erkauften 
Erfahrungen  der  Organisation  bleibenden  Wert  behalten.  Wie  der  deutsche  Reichs- 
kanzler am  28.  September  1916  im  Reichstage  sagte:  „Freie  Bahn  für  alle  Tüch- 
tigen! muß  unsere  Losung  sein.  Führen  wir  sie  frei,  vorurteilsfrei  durch,  dann  geht 
unser  Reich  fest  gefügt,  weil  jeder  Stein  und  jeder  Balken  mitträgt  und  stützt,  einer 
gesunden  Zukunft  entgegen". 


1)  Vgl.  über  die  heutige  Ukraina:  Stephan  Rudnyckyj,  Ukraina.  Land  und  Volk,  Wien  1916.  Dazu 
die  Schriften,  die  der  Verlag  des  Bundes  zur  Befreiung  der  Ukraina  herausgibt.  Über  die  alten  Holz- 
kirchen, die  in  gewissen  Zügen  auf  altarische  Grundlagen  zurückgehen  und  in  Iran  wie  in  Indien  nach- 
klingen, vgl.  vorläufig  oben  S.  191  und  227.  Prinz  Johann  Georg,  Herzog  zu  Sachsen  hat  in  den 
Monatsheften  für  Kunstwissenschaft  VIII  [1915]  S.  393t".  auf  die  ruthenischen  Ausläufer  hingewiesen.  Vgl. 
dazu  auch  mein  „Die  bildende  Kunst  des  Ostens"  S.  41  f. 

20* 


Anhang. 

Anhang. 

Im  Augenblick  des  Druckabschlusses  lerne  ich  die  von  Emile  Male  in  der  Revue 
de  Paris  im  Juli  1916  begonnene  Reihe  von  „Studien  über  die  deutsche  Kunst" 
kennen  —  leider  nur  aus  einer  deutschen  Übersetzung,  die  ich  Dr.  Grautofif  verdanke. 
Der  erste  Aufsatz  „Die  Kunst  der  germanischen  Völker"  deckt  sich  ziemlich  genau 
mit  einem  Teile  dieses  Buches.  Es  dürfte  vielleicht  am  Platze  sein,  daran  zu  er- 
innern, daß  ich  darüber  im  März  d.  J.  in  Stockholm,  Göteborg  und  Lund  Vorträge 
hielt,  die  kurz  darauf  auch  in  „Konsthistoriska  sällskapets  publikation"  1916 
S.  1  f.  und  „Die  bildende  Kunst  des  Ostens"  im  Auszuge  erschienen  sind.  Da  Male 
jede  deutsche  Quelle  anzugeben  vermeidet,  darf  man  sich  nicht  wundern,  diese 
wie  ältere  meiner  Arbeiten  zur  Sache  gleich  denen  anderer  deutscher  Facho-enossen  ver- 
schwiegen zu  sehen.  Auch  Male  leitet  die  Granateinlage  in  Gold  (vo-1.  oben  S.  274  f. 
aus  dem  Osten  her  und  verwendet  das  persische  und  skythische  Material  als  Bele"-. 
Die  vorkarolingische  Tierinitiale  (vgl.  oben  S.  292  f.)  führt  er  auf  den  Orient  zurück 
und  sieht  als  Vermittler  dafür  die  Klöster  an.  Abgesehen  von  der  Rolle  die  ich 
auch  in  dieser  Richtung  den  Goten  zuteile,  bleibt  besonders  in  der  Gruppe  der 
dreistreifigen  Bandgeflechte  ein  scharfer  Gegensatz  unserer  Anschauungen  bestehen. 

Der  zusammenfassende  Schlußsatz  lautet  bei  Male:  „Die  Skulptur  ist  dem- 
nach von  der  Lombardei  ausgegangen  (vgl.  oben  S.  193  und  276 f.),  aber  wie  wir 
gesehen  haben,  ist  sie  ausschließlich  orientalischen  Ursprungs.  Die  deutschen  Ge- 
lehrten sind  daher  im  Irrtum,  wenn  sie  behaupten,  daß  die  lombardischen  Stämme  beim 
Hintritt  nach  Italien  die  Grundelemente  der  dekorativen  Kunst,  die  sich  im  VIII.  und 
IX.  Jahrhundert  verbreitete,  eingeführt  hätten.  Die  Lombardei  hat  von  den  Ger- 
manen nichts  erhalten:  alles  im  Gegenteil  von  den  Christen  des  Orients,  den  Griechen 
Asiens,  den  Syrern,  den  Ägyptern,  welche  die  großen  Schöpfer  waren,  als  die  klas- 
sische Kunst  verlöschte.  Demzufolge  verdankt  Italien  den  Barbaren,  die  es  an  sich 
gerissen  haben,  ebenso  wenig  wie  Frankreich.  Diese  Barbaren  besaßen  keinerlei 
künstlerischen  Geist,  sie  verstanden  nur  zu  zerstören.  In  der  Kunst  des  Mittelalters 
läßt  sich  nicht  ein  einziges  deutsches  Element  feststellen.  Vielmehr  hat  Deutschland 
diese  Kunst  des  Mittelalters,  die  es  sich  rühmte,  geschaffen  zu  haben,  fix  und  ferti'o- 
von  Italien  und  Frankreich  übernommen". 

Male  steht  also  —  von  seiner  Kriegstimmung  abgesehen  —  heute  I916  noch  auf 
dem  Standpunkte  von  Riegl  1893 — 1903.  Er  weiß  nichts  davon,  daß  der  vorder- 
asiatische Südstrom  und  der  germanische  Nordstrom  unabhängig  voneinander  sind, 
aber  den  gleichen  Ursprung  im  fernen  Gebiete  Altai-Iran  haben.  Die  deutsche 
Kunstforschung,  deren  humanistische  Einseitigkeit  Male  ganz  entgangen  ist,  wird  eines 
„germanischen  Stolzes"  angeklagt,  dessen  sich  die  eigentlichen  Fachvertreter  der 
Jetztzeit  leider  nur  zu  wenig  schuldig  gemacht  haben.  Vielleicht  dämmert  an  der 
]  [and  der  in  diesem  Buche  behandelten  Fragen  die  Erkenntnis  auf,  daß  wir  gut  täten, 
über  der  einseitigen  Geschichtsforschung  den  Erdkreis  nicht  zu  vergessen  und  im 
Wege  einer  vergleichenden  YVesensforschung  u.a.  auch  dem  Deutschen  gerecht  zu  werden 


Schlagwortreihe. 

Die  Zahlen  beziehen  sich  auf  die  Seiten,  die  fettgedruckten  auf  die  Hauptstellen. 


Aachen  73,  202,  289  t". 

Aboba   166 

Achamaniden  67,   1S8,  300 

Achmed  ibn  Tulun  94,    183.  259 

Achse,  arische  295 

Achterverschlingung  232 

Achthamar  282 

Acrepfeiler  73 

Adler  617 

Adschanta  233 

Afrasijab  262  f. 

Ägypten  67,  70,  79t,  149.   »77i  i83f-  r92,  215,  259, 

Bretter  88f.,   175^,   193  [308 

Grabsteine  vgl.  Kairo 

Seidenstoffe  79  f. 

Wollstoffe  221 
Agra,  Arsenal:  sog.  Türen  von  Somnath   128,  2067 
Ainalov,  D.  B.  226 
Aithikos  286 
Ajubiden  259 

Ajubidische  Schriftornamente   175 
Akademien  71,  304  f. 
Akanthus,  fett  und  zackig  76,   138  f.,  231.  242 

■ 

Akkader  223 
Alanen  253,  276 
Albanien  24of. 
Alexandria  221,  227,  289 

Stadtbüste  6  f. 
Almandin  276 

Altai   105  f.,   146,   164  f.,   167,  239,  246 
Alten,  v.    138 

Alter  Orient,  Wiedererwachen   144 
Amarawati  72,  276 
Ananjew  26 
Ananjino,  Grabfeld   113 
Anarcs   192 

Angelsächsische  Kunst  22.  256  f. 
Ani   135,   218 
Antiochia  8,  289,  291 


Apahida-Schnalle  32,  66 

Appelgren-Kivalo,  H.  61,  2S6 

Aquitanien   191 

Araber  239,  256f. 

Arabeske  VIII,  35,  71,  76,  82,  93,   118,  122f..  133  t.. 

Architekten  226  [201,  232,  236 

Architektur  46,   143,   153,  225 f 

Arier  187 f.,   201,  239,  254,  294,  299 f.,  304 

Armenien  IX,    103,    155,    191,    I96f.,  203,  218,  227, 

Armenier  210,  230,  297  [237,  246,  290 f.,  307 

Armenische  Miniaturen  2 16  f. 

Arne,  T.  J.  3,  25 f.,  33,  36,   m,  240 

Arquarquf  197 

Arsakiden  155,  203 

Artik   197 

Asiatischer  Durchbruch   144 

Athen,  Akropolis  74f.,  98,   139,  235,  242 

Attila-Palast  288 

Augenornament   115,   148 

Ausgrabungen  im  Orient   139,  221,  243,  277 

A waren   253 

Afghanistan  204 f. 

Axjutintsy   142 

Bäder,  antike  227,  292 

Bagaran  290 

Baghdad   183,   197  f.,  228;  247 

Bahrein   183,  258 

Baktrien  188,  221 

Balch  268 

Balkan  74 f. 

Bandgeflecht  131,  139,  147,  2  76 f. 

Bandornament  193t,  2 16 f.,  276f. 

Ausbreitung  216 

einfach  geschlitzt  193 

doppelt  gestreift  194 f.,  280  t'. 

Dreistreif  74,   196^,  2i8f,  272f. 

Geflecht  193t,  276f..  308 

in  Hellas  75  f. 


HO 


Schi  a<T  wortreihe 


dornament  in   Italien  74.  279 
und  Ranke  64,    1 30  t. .  214 
Barahat  72.  233,  276 
Barbarenkunst  144.  235,  301,  30S 
Barbotin  262  f. 
Barock   149.  230 
Basilika  191,  230 
Batik  73 

Baummotiv  77,  24S 
Bawit  26 
Bäzäklik  60,    158 
Bedgard  227 

Belgrad,  Museum,  Silber/.ylinder   17  f. 
Bene-puszta  30 

Berlin,  Kgl.  Museum,   Antiquarium :   Siütschatz  63^ 
Asiatisches  Museum  280 

Deutscher  Verein  f.  Kunstwissenschaft  287,  292 
Kaiser-Friedrich-Museum  280 

Ausstellung,  frühgermanische  273  f. 
Geschnitzte  Bretter  89 f.,  92,   175 f. 
Koptisches  Relief,  Stadtgöttin  7 
Mschatta  VII,   72  f. 
Stoffe  79 

Stuckplatten  219  t. 
Tekrit-Bretter  98 
Völkerkunde-Museum    117,    147,  282 
Bernstein  275 

Beschläge  22  f.,  44,  47,  53,    194 
Bethlehem  36,  44 
Bezded   10 1  f. 

Bilderverbot   143,  273,  301 
Blatnitza  251 
Böcklin  301 

Bogen,  Hufeisen-   12,   29,  31  f.,   100,  289 
Kiel-   12  f.,  32  f.,   100,   185 
Rund-  36 
Spitz-  54,  215 
mit  Stufe  36 
Bogenzinnen  31 
Bohnenmotiv  32,  69,   115 
Bohrtechnik   138  f. 
Bosporanische  Kunst  273 
Bowila   166,  246 
Bramante  191,  301 
Brautkauf  168 
Brehier,  L.   74,  230 
Brenner  273 

Bretter,  geschnitzte  88,    137,    175 f. 
Brögger  207 

Bronze   23,    108  f.,    136,    142 
Bronzekessel  58  f. 
Bronzezeit  279 

dapest,  Nationalmuseum  30,  39,  240 
Bronzefunde  23^ 
Szflagy  Somlyo  47 
Tascbenbleche  101  f.,   164,   193,  216,  252 


Budapest,  Nationalmuseum,  Treibstock  31,  247 

Budhi  300 

Bukarest,  Petrasa-Schatz  47  t 

Bulgaren  6S,   155.  241 

BurckharJt.  J.  300 

Burdach,   K.  296  f. 

Burgos,  Eltenbeinkasten  282 

Byzanz    139,  228  f.,   22S1".,   2441. 

Gastel  Trosino  37,   74 

Cederström,  R.  Frh.  v.  107 

Chamberlain,  H.  St.  294    ■ 

Cbargird   125  t".,  131,   182.   1S4.   19S.  208 

Cherbuliez    142 

Chersones  244 

China    109t.,    184,    1S7,   242.  286t". 

Bandornament  222 

Bronzekessel    130 

Glocke   129,   137  f. 

Grabpferd   11S 

Han-Keramik   121 

Jun-kang  Grotte  118,   172 

Kunst   113 f.,   117,   148,   156,  26S.  286t"..  296,  298 

Porzellankessel   170 

Netzwerk   1 50 

Stele  vom  Jahre  663:    1  iS  f. 

Stele  vom  Jahre  554-.    119 

Tierornament   113,   194. 

Traubenspiegel  73,   116 

Tschang  186 

Wu-Grab  117  f. 
Chorasan  IX,   221 

Kunstkreis   125  t'.,   147,    1S8,    19S.  231 
Chorasan-Kaukasus    132 
Cimabue  280 
Cividale  246 

Genien,  Paul  225,  236,  288,  290  f.,  295 
Comasken,  Cosmaten  279 
Conradv   1 14 
Courajod  290 
Csuny  23,  36 
Curtius  Rufus  VIII,  9:  73 

Dalmatien  243 

Dalton,  O.  M.  41  f.,  45 

Darmstadt,  Elfenbeinkasten   138.   210 

Darstellung   124,   143  f.,   153,    1S7.  223.  297 

Datierungsfragen  43f.,  82  f.,  93,  243 

Davidschüsseln  42  f. 

Deichsel  208  f. 

Deir-es-Surjani  92,  94,  209f,  128 

Dekoratives  Denken   17,   143  f. 

De  Linas  221,  237 

Deutsche  Gesinnung  303  t". 

Deutsche  Kunst  IX,   294  f.,  30S 

Deutsche  Kunstforschung  IX,  304  t. 


S<  hlagwortreihe 


Hl 


I  »ieulafoy,  M.  290 

Diez,  E.  126,   183,   191,   198,  237.  269 

Dil/abul   162,  26S 

I  »imandj  M.  221 

Dionysoskult  73 

Dipylonstil  239 

Dorische  Wanderung  256 

Drache  3,  63,  102,   135,   168,   170 

Dravidakunst  239 

Dreiblatt   14,  36,  80,  89,   100,   126,    179  t'. 

Dreieckmuster  209,  235 

Dreieckspitze   181 

Driesen  282 

Durazzo   1,  3,   11,  26,  241t". 

Durchbruch  29f.,  64,  66,   199 1.,  210f.,   229,  248 

1  Hirer  301 

Dwin   196 

Edelsteine  233 

Edessa   197 

Efeu  80,   100 

Einfallstore  des  Weltverkehrs    154 

Elfenbein  mit  Durchbruch  210 

islamisch  282 
Email   54f.,  63,   237,   275 
Empore  291 
Enkolpion  44 
Enns  236,  250 
Ente  72 

Entwicklungsgeschichte  70,  208 
Epigraphik  184 
Eratosthenes  227,  292 
Erechtheionstil  75 
Esquilin-Schatz  63 
Ethnologen  VIII,   156,   164 
Etschmiadsin,  Kessel  58 
Eurasien   145  f. 
Europa,  Knüpfung   156 

Nordkunst  273 

Falke,  O.  v.  82,  94,   132,   150,  22Ö,  225,  233 

Faltenwurf  4  f.,   10,  43,  263 

Farben  54  f.,   198 

Farbenakkord  rot-gelb   162 

Fatimiden   183 

Fayence  272 

Felsrelief  300 

Fibel  28,  47,   55 

Fiederung   1,  72,   199,  209 

Finnisch-ugrischer  Kreis   113,    146 

Fischblase  178  f. 

Fischgrätenornament   19 

Fisch-Vogel-Initiale  292 

Flächenfiihrung   106  f.,   140,    149 

Flächenfüllung  79,   102,   132,    145,    149 f.,    229,  239 

Flächenmusterung  209 


Flächenzwang  23 

Flaschenartiges  Motiv  97,    106,    114,    126,   219 

Fleck,  auffallender   140 

Fliese  221 

Flügelmotiv  78,  220 

Form  69,    114,    117   (China  1,    124,    136,    140t'.,  297 

arische   189 

griechische    190 

Hellas,  zerstörend    142 

leere  Wand   190 

ostasiatische   187 

Raum    191  f. 

Vordrängen  des  Grundes  89,  91 
Forschungsinstitute  305 
Franken   144,  288  f.,  308 
Füllhorn   193 
Fußornament  209,  213 

Gabelranke   159,  235 

Gandharakunst  72,   147,   158 

Gallien,  Christliche  Kunst  288 f. 

Galopp   124 

Gans   14 

Gans,  L.  v.,  Sammlung  64 

Ganymed  61 

Garuda  61 

Gegenstand  301 

Geisteswissenschaften  IX,  302,  303 

Gelenkbildung  212 

Geometrisches  Ornament  66 

Georgische  Kunst   130  f. 

Germanen  XV,   223,  239,  2 73  f.,  30S 

Germanische  Kunst  I46f.,  201,  295 

Germigny-des-Pres  243,  290 f. 

Geschmack  32,  70,  240 

Gestalt  114,   124,   140,   143,   171,  190.  301 

menschliche  32, 145, 147  f.,  149, 190,227,260^,  297 

naturferne   150,   197,  233 
Ghasna  128,  182,  204f.,  208,  233 
Giorgione  238,  301 
Giotto  280 

Gipsverblendung  94  f.,   104 
Girlande  72 

Glanz  23,   55  f.,  60,   115,   140f,   143 
Glavinitza  242 
Gliederbau  231 
Glockenform  53 
Glycinie   133 

Gold  X,   12 f.,  22 f.,  39,  46,  52 f.,  246.  276,  284 
Goldenes  Gebirge   164 
Golubev,  Vict.  3,   1S9,  319 
Gotartzes-Relief  265,  299 
Goten  74,   145,  194,  201,  288  f.,  308 
Gotik  240,  288,  296  f.,  301 
Götze  273  f.,  284 
Grabstelen,  arabische  82  t". 


312 


Schlag  wortreihe 


Grabstelen,  ii  =ni>che  293 

türki>che    170.    - 
Granate   100 

tdnlage  47  f-  6°.   '36,    '4'-    U7-    246.   274  f.. 
Greif  22  t'.,  62  f..   256 

Griechische  Kunst  25    28,  45-  103.  1S8,  194,  227,  239, 
Griffe   185  [294,  296 

Grimm,  Jakob  X.   71 
Grumwirz  236 
Grund   103,    136,  235.  260 
Grün  wedel   172 
Gruppenbau  67 
Gußfehler  27.   33 
Gußkanal  3; 

Hahn  3 

Hakenkreuz    129 

Halil  Edhem  2 

Halsketten  44 

Hampel,  J.    23  t"..   36,    46,    6S.    103.    12S.    132,    148, 

Hand  217  [170,   236.  240    244,  274 

Händel,  M.    170 

Händler  22,  245  f. 

Handwerk   146,   149  f..    153 

Hartmann.  M.   1S3  f..  260 

Hase  282 

Hatim  Thai   227 

Hatra  73,   151,  251.  23S.  299 

Haupt.  A.   170.  28Sf..  2941. 

Heftel  193 

Heger.  Franz  59 

Hegeso-Relief  23 

Hehn.  Vikt.  VIII 

Heiligenschein,  chinesischer   119t'. 

Hellan   197 

Hellas  74t".,   282 

Hellenistischer  Kreis  40f..  46t.,  63,  223.   226.  230 

Heorot-Halle  2S8 

Herfeld,  E.  35.  94.  96,   iS4f.,  219,  221 

Herz-Pascha  90,   176  f. 

Herzförmiges  Bandgeflecht   186 

Herzmotiv  36.  53t'..  69,  So,   106,  162,   175f.,  1 7 9 f . . 

Hettiter  189  [184.   235.   271 

Hiddensö,  Fund  2S6 

Hirsch  32,  62 

Historisch-philologische  Richtung   1S9,  239 

Hochasien   152 

Hödmezö  Väsarhely   37 

Hof  234 

Hohenberg  237.  252 

Holz  74.   130.   145.   149.   199t..  2*So.  2SS 

Holzkirchen   191.  22-    288    307 

Holzmodel  961..   137.   177 

II    rg    -   26 

Homeland,  Fi; 

es,  M.   108.  304 


Hoerschelmann   114.. 

Hufeisenbogen  29,  32 

Humanismus  113,   190.   223.  23S    256.  297.  303    30s 

Hüsing,  G.   15S.   166,   187 f. 

lllori,   Pokal  3 

Inder  1S8 

Indische  Kunst  37.  721'..    147.  210,   276.  2S9 

Indochinesischer  Mischstil  261 

Indogermanen   187  t".,  201 

Indogermanische  Kunstforschung  IX.  305.  306 

Indosaken  73,  iSS 

Inhalt  192,  297 

Initiale  292,  30S 

Innsbruck,  Emailschale  217 

Inschriften  VIII,  arabische   1251. 

Iran  221  f.,  239 

Ornament  3,  S,  9Sf.,   104.  210 
Iranier   147,    iSS 
Iraq  95  f.,   19S 
Irland  293 

Islamische  Kunst  IX,    69.    14.3 f..    1S7.    25'» f..    295t. 
Italien,  Kunst  22 S 

Bandgeflecht   194.  279 

Jagd   59 

Jakobsthal  $2 

Jakuschidschikloster,  Trinität   120;. 

Japanische  Kunst   119  f. 

Jassinowa  248 

Jasz-Bereny,  Hora  217 

Jelie.   L.  243.   253 

Jemen   1S3 

Jenisseifunde  120,   164.   16S,  211.  249.  2S2,  286 

Jerusalem  45,  233 

JireJek.  K.  241t".  246 

Johannishus,  Fund  286 

Jurte   159  t". 

Kairo.  Ägyptisches  Museum   176 

Arabisches  Museum,    Grabstelen  30,  S2  f.,   117 
#       127,    170.    174,  233,  235.  242 
Holzschnitzereien  88f.,    1  >4     ^>5-   199.  242 

Bab  el-Futuh   193 

Hakimtor  93 

Imam  Schart 'i  93,   193 

Kasr  esch-Schama'a  91,   176 

Sammlung  Homblower   170 

v    denstoffe  79  f.,  iS4f. 

Tulunornamente  95t"..   17(>f.     i>4     ' 
Kairuan   7S.   198f.,  2IO,   232 
Kaisariani  73 
Kaisermiinzen  44 
Kalligraphie,  arabische  Si        N"     '26 

türkische   174  t".,   1 S3  f.,   1S6 
Kandelabermotiv  35t..  72,  76    ;  .     168     1  )2    230t. 


Schla"wortrethe 


313 


131,     135,     182,    193,     198, 

[205  f.,    208,    2lSf.,    27I 


Kandusch  260  t". 
Kapitell    139,    196t'. 

Kämp'er-   16,  78,   197  t. 
Karabacek,  v.    174,    184,   219 
Karl   d.  Gr.  288,   295,  299t'. 
Karl  d.  Kahle  263.   293 
Karmaten    1S3 
Kaukasicr  187 
Kaukasus  26 
Keil,  B.  7  f.,  21,   166 
Keilschnitt  66,  98,   136 f.,   143 
Kelermes,  Goldfunde  140,  213,  274 
Keramik  260  f. 

Kerbschnittmuster  209,  273  f. 
Kcrynia  41  f.,  31 

Keszthely  26f.,  85,  236,  242,  247  f. 
Kettenmotiv  831°.,  88 
Khotan  221 
Kirche  234,  288 
Kirgisen   107  f.,   151,   164 
Klausenburg,  Museum  66 
Kleinasien  289 
Kleinkunst  41,  233  f. 
Kluge,  Th.   132 
Knopfornament   88,    98 
Knoten   197,  216 
Knüpfteppich   155  t. 
Kocel  227 

Kommaschlitz  45,    102,    176,    179 f 
Konchen  227 

Kondakov,  N.   166,  237,  268 
Konia  263 
Konstantinopel  223  f. 

Ottom.  Mus.,  Goldpokal   1  f., 
Säulentrommel  73 

Sophienkirche  228  f. 

Stadtbüste  4 

Türkische  Moscheen   153 
Kopenhagen  286 
Kopfcypus,  nordischer  263 
Koptische  Kunst  7 f.,  69,  215,  292 
Korb   14  f. 
Kostromskaja  142 
Kostüm  255 
Kotschkarschatz   105,   179,  1S5,  2 1 4  f . ,  260,  277,  282 

Schale  105  f.,   114 
Krabbe  31 
Kranzgesims   196  t'. 
Kreislappen    12,    2 7  f.,    53, 

spitz  97,   138 
Kreispunkt  57,   129 
Kreisstäbchen   I2gf.:   141,   168 
Kreisverschlingung  56f.,  63,    130 f.,   132t.,  217f. 
Kremsmünster,  Tassilokelch  1 1 
Kreuz   53,  55,   102,   168 
Kreuzkuppelkirche  227 


10,    14,  49.  56.  64> 
[168,  245 


69,    76,    89 f.,    115,    186, 
[207,  220,  247  f.,  282 


Kreuzungen    199 

Kristiania  207  f.,  21S.   2S4 

Kroatien  74 

Krönungsornament  86 f.,   129,    185,  219 

Krungl  236,  249  (Abb.  197  Unterschrift  falsch) 

Kuban  46 

Kufi,  blühendes  77,  87,    183 

Kugel  250 

Kühn«l,  E.  78,   199 

Kulolba   142 

Kulturen,  hohe   142,    149,  306 

Kulturfbrscher  VIII 

Kunsthistoriker  IX,   189,   222  t".,  225.  304,  306 

Kunstforschung,  vergleichende  IX,  305 

Kunstwollen  69 f.,  79,   143 f.,  234C,  237,  239 

Kuppel  191,  197,  221,  223,  226f.,   292 

Kutais   130 

Kwiatkowski,  v.   I,    14 

Lambrequins   102,   162,   169  f. 
Landschaft,  Ranken-  72 

Rauten-   151 

Reiher-   172 
Langobarden  74,   194,   201 
Lanzettformen   19,   181 
Lappland  36 

La  Tene-Zeit  143,  274,  293 
Laufer,  B.  268  f. 
Lebensbaum  81,   192 
Le  Coq,  A.  von   15S 
Lehm  126 

Leipzig,  Grassistoff  80 
Leitmotive  28,    194 

Lemberg,  Armenisches  Evangeliar  215,  282  t", 
Leonardo   191,  238 

Licht  und  Schatten  46,  176,  187,  192,  201 
Lilie  33 

Lindenschmidt  273^ 
Linie,  griechische  28,   142,   187 
Löffel  41,  217 

London,  Viktoria  and  Albert-Museum  79,  93,  260 
Lotus  60,  72,   133,   179  f. 
Löwe  58,  100,  282 
Löwenreiter  59,  72 
Luchs  23,  215 

Luftziegel   104,   191,  228,  230 
Luksor-Schatz  50 
Luxus  223,  229,  237,  246,  299 

Mäander  113  t. 

Macht  71,  143,   149,  238,  306 

Madonna  280 

Mahmud  von  Gasna   126,    128,  203,  297 

Male,  E.  IX,  308 

Mandelmotiv  58,  80 

Manichäer  283,   292 


3M 


Schlagwortreihe 


Ali  96 
Marmor-Intarsia  232 

Martely  25.  32.  250 
Martin,  F.  R.   ioSt"..  210 
M.is>e  294 
Material   it.,  63,   70,  213,  231 

Wirkung  n 
Mauers'.ärke  231 
Mazdaismus  301 
Medrese  239 

Mehrflächigkeit  29f.,  31,  125,   199.  204 f. 
Melioransky   16S 
Menghin,  O.   143 
Menschentypen  294 
Menschheit  307 
Merowinger  273  f. 
Merw  26S 
Mesjaros    167 

Mesopotamien  67,  70,  95  t"..   149,  212 
Messer,  sibirische   13S 
Metall  130,  136t".,   149.  164f..  221,  276 
Metallfüllung  4 
Metallglanz   II,   136 
Methode   147,   154,   290,  302 
Michelangelo   141,  23S,  301 
Migeon,  G.  202 
Mimbar  198  t". 
Ming  Üi   151 

Miniaturenmalerei   2 16 f.,  237,  278t".,  292 
Minnedienst  296 
Minns   in,   141,   146,   213.  275  t". 
Minussinsk.  Museum    141 
Mschkulturen  234 
Mittelalter  X,   79,    144.  23Sf..   300  f. 
Mittelasien,  hellenistischer  Kreis  VII f.,   136 
Mittelmeerglaube  VII f.,   135,  305 

Kunst  46,   144,   187,  223  f. 
Modellierung    142 
Mohn   72 
Mongolen  261 
Monogramme  19 

Montelius,  O.   1 11,    142,  240,  279 
Morgan,  J.  P.  VII,    1.  41t". 
Morlaken  253 
M    ~aik  229 
Moscheen  153,  258 

Mschatta  VII,  3,  26,    60,    64,    69,    72 f.,     131,    210, 
Murtuq    162  [213,  219,  228C,  258 

Mnschaiabije  199  t'. 
Muschel   14 
Musik  237  f. 
Musikanten  266t". 
Muster  und  Grund    103 

ohne  Ende  15,  132,  150 f.,  163.  199  f.,  209,  231 
Muth    116  f..    137.   287 
Mykenae  70.    124     179,  223.  236 


240  f. 

14,  40  f..  43  fn 


Nabe   106,   118,    193 

Nagy,  G.  v.  166 

Nara.  Horiudschiklosier,  Trinität   1 19 f. 

Museum.  Laterne  211  f. 
Naturalismus   190.  210 
Naturvölker  148  f. 
Negative  Ornamente   141 
Nemesvölgy  32 
Neolithische  Kunst   142 
Netzwerk  232 
Neumann,  C,  2941'. 
New  York,   Sammlung  Morgan 

Albanischer  Schatz  Vllf.,   1  f.,  91, 
Nr.  2.  Pokal  mit  Stadtbüsten  31'. 

49,   55i  242,  245 
3  u.  4.  Schuppenpokale  1 1  f.,   14,  40,  55 
3  u.  6.  Goldschalen   11  f.,  50,  62 
S  u.  9.  Golddeckel  (?)   13 

10.  Silberkessel   14  t'.,  40,  20S 

11.  Silberschale   17  t'.,  40,   105 

12.  Silberkrug,  christl.  19t"..  40.   33.   37.   242. 

13.  Greifenbeschläg  22!"..  213,  252  "244 

14.  Riemeoende  25  t". 

15.  Beschlägfragrnent  26  f.,  243 

16.  Schnalle  28  f.,  44 

17.  Riemenende  mit  Palmettenkrönung  29  t'.. 

18.  Riemenende  mit  Wirbel  31  f.,  252       [S3 
19 — 22.  Vier  Riemenenden  33  f.,  245 

23.  Scheibe  mit  Ranke  33 1". .  44 

24.  Hülse  mit  Rankenbaum  35  f. 

25.  Hülse  mit  Herzformen  36  t.,  54 
26  u.  27.  Bügelbeschläge  36,  44,  245 
2S.  Bügelbeschläg  37 

29  t".  Beschläge  32 

Zyprische  Schätze  41 1. 
Nierenmotiv  207 
Nin  243 

Nischapur  221  [297 

Nische  7S,   101,   n8f.,    195,  215,  235,  266,  283,289, 
Nisibis  94,  66 
Nomaden  39,  71,  142, 143f..  145t,  156, 187.238t..  244 

Weg  88,   183  f. 
Nordarier  IX,  294 
Nordasiatische  Kunst   124 

Nordvölker   IX,   71,    142,   143 f.,    146 f..   239,  297 
Norwegen  207  f. 

Oberitalien  244,  30S 
Oldenburg,  S.  v.   162 
Omajjaden  256 
Orchonstelen   154,  29  7  f. 
Organisation  65,  302  f. 
Orient  290,  295 
Orientalischer    Teppich    155  f. 
Ornament   143  t.,    1 53  f. 
geometrisches  91 


Schlagwortreibe 


315 


<  hnamentiorscher  VIII 
Orthodoxie  222,  290 
Osebergschifi  207  f.,  284  f.,  2S6 
Osmanen   153,  259,  299 
Ostgoten  273t' 
Ostiranische  Kunst   128 
Oströmische   Kunst   144,   224,   234  f. 

Palermo  93 

Palmette  VIII,   12,  28,   186,  216,  229,  248 

-Baum  55,  77 f.,  83,  87,   100,   192,  282 

Poppelschnörkel  91 

tlächearullend  53,  80 f. 

Flügel-  100,   126 

gesprengte  29  f.,  72 

griechische   136 

Halb-  25  f.,  29,   58,  69,  80,   83  f.,  94,  248 

Herzblatt  30 

Keimformen  28!".,   54,    100 

Keulen  form  98,   106 

und  Kreislappen  VIII,   28  f.,  74,    248,    254,    282 

Kreisstäbchen   141,  251 

Mschatta-  199 

Palmettisierung  229 

-Ranke  vgl.  „Ranke" 

Schnörkelfüllung   1 79  f. 

Spaltformen  232 

-Spitze  83,  85 

Stäbchen-  62,   168 

-Stoffe  30  t'.,  79 f.,  86  f.,  242 

Voll-  12,  33  f.,    50,    76,   83,   100,   114,  158,   184, 
187,   198,  207,  219,  243,  248,  282 

Welle  85  f. 

Wipfel  36,  80 f.,  87,   106 

Wucherformeii  28f.,  54,  ioof.,   105 f. 

Zwickelzapfen  84 
Panopolis  79,  82 
Panther  47 
Papier   183 
Parallelführung   140 
Paris,  Chosrawschale  263^,  276 

Louvre  90 

Sammlung  Economo,  Goldschale  1,  I2f.,  64,  245 

Sammlung  Guimet  73 
Parthenon   142 
Parther   103,   135,    188,  221 
Paternus-Schüssel  50 
Pavimentmosaiken  277 
Pelte   162,  205 
Pendentif  228 
Pereschtschepina  47  f. 
Perlhuhn   100 
Perser  189,  2  59  f. 
Persis   188,  221,  228 
Persische  Kunst  39,  235,  296 

Einfluß  235 


Persischer  Teppich   163 

Petersburg,  Ermitage  47 f.,  98,  105  f.,  i40f.,  156,  158, 
Stieglitz-Museum  98  f.  [262  f.,  274 

Petroasa  47  f.,  242 
Pfau  77,  100,  282 
Pferd   142 

Pflanzenornament  1131'.,  1 79  f.,  235^ 
ri-förmiges  Motiv  219 
Pharmakowsky  274 
Phidias  142 
Philae  215 

Philologie,  klass.   142,   i88f„  225,  297,   302,  304^ 
Pinienzapfen  265 
Pokale  2  f.,  49 
Po-ku-t'u-lu   113  t'.,   129 
Poltawaschatz  39,  47  f.,   100,  242,  250 
Polygonalornament  136,  277^ 
Pontostheorie  235  f.,  253  f. 
Porzellan   170,    173 
Pösta,  B.   240,  253,  292 
Prähistorische  Kunst  VIII,   147,   189 
Presztovacz  55,  63,  251 
Profilierung  32,  60,  95 
Prunk  22Sf. 
Psalm   29,  3:  21 
Puchstein,  0.  227,  292 
Punzierung   15,  21 
Püspök-Szent-Erzsebet  26 


Quaderschnitt  289 

Qualität,  künstlerische  23,  39,  44,    142  f..   204  f.,   3 

Quedlinburg   130 

Quyzyl   151 

Radkan,  Turm   172  t'. 

Radlov,  W.   189 

Raffael   141 

Ranke  VIII,  70,   123f.,  236 

Abschnürung  76 

und  Bandornament  64,   130!".,  214 

Baum  36,   ioo,  216 

Bronze  und  Gold  22  f. 

abgesetzt  115,   118 

flächenfüllend  53  f. 

geometrische  123f.,   173,   183t".,  229 

indische  72  t". 

im  Islam  95 

keulenförmig   106 

mit  Krabbenansätzen   119 

Kreislappen-  25  f.,   105,   109 f.,  247  t. 

Kreisstab-  37,  62,   128 f.,  168 f. 

-Kufi   174t. 

nordische  208 

ohne  Ende  34t'.,    151,    164 

Palmetten-  vgl.  „Palmette"   «, 

Pflanzen-  72 f.,  228 


02 


3i6 


Schlagwort  reihe 


Ranke  aus  Spirale  23.   121t'.,  124.  136 
-Stamm  233 
in  Süd  Frankreich  254 
Teppich  155  f. 

mit  Tieen  30.  73 
Verdickung  35.   53,   100 


Wirbel    31t'. 


125. 


12; 


mit  zweistreiriger  Welle  73, 
Rasse    1^7.   2IO,   294 
Rauhung    177 
Raumgefühl  223,  294 

Rautenmuster   14!".,  29,   1 1 5  f . ,   150f.,   I96f.,  2o8f. 
Ravenna,  Grabmal  der  Galla  Placidia  291 

Maximianskathedra  73 

Orthodoxes  Baptisterium  266 

Theodorichgrab   196,  289 

S.  Vitale  78,  290  *> 

Realistisches  Denken   17,  vgl.  „Gestalt" 
Rebstamm  60 
Reciprokornament  69 
Reichel.  A.   124 
Reiherlandschaft  56,  60,  233 
Reinach,  S.   124 
Reiter  57  t". 
Reiterstoffe  221 
Reitervölker   103,  254,  299 
Relief  55^ 

Religion  149,  vgl.  „Macht" 

Renaissance  IXf.,  75,  225,  238,  240,  294,  297  f. 
Reuther.  O.   197 
Rbomäer  239 
Riefelung  in  S-Form   11 
Riegl,  A.  VIII f.,  113,  135  t.,  145,  224,  234,  273,  295, 

Albanischer  Schatz  VII.  244  [3°5i  3°S 

Altorientalische  Teppiche  70,   123,    155 f. 

Oströmische  Beiträge  234f.,  244,  255 

Spätrömische  Kunstindustrie  32,  65  t".,  88  f.,  98, 
I36f.,  142,  144,  147,  176,  190,  210,  224, 
2  73  f.,  290 

Spätrömisch  oder  orientalisch?  65,  249t". 

Stilfragen    33,    7of.,    113,    123^,    138^    149T., 
Riemenzunge  22  t'.,  47,  52  f.  [179,   182,   190,  227 

Rillen  282 
Ritztechnik  60,    158 
Röd,  Fund  286 

Rohziegelbau   104,   191,  228,  230 
Rom   223  t".,  226,  230,  234,  290 

v  Costanza  36 

Kaiserkunst   149 

I-ateranpfeiler  73 

Pantheon    191,   227,   291 

Reichskunst  226 
lthiiste    5  f. 
Romanen  239 
Rosenberg,  M.  276'- 

ten  45.  47,  6o,  80,  S4.    132.    162.   207 


Rostovzev,  M.   141 

Rotunde  227  f. 

Säbel   107 

Sackgasse,  kunsthistorische   I4>.   2:^ 

Safiabad  266 

Saken  IX,  67,  105,   155,  164,  187  f..  217    222    226r. 

Saladin,  H.   199  f. 

Salin,  B.   194,  273,  295  f. 

Salonik,  Georgskirche   16 

Samaniden  210,  297 

Samarkand   158 

Samarra  95  f..    170,   184,   192,   198,  242,  274 

Sängbäst   126t'.,    182,   184 

Santschi  72,  209 

Sarmaten  236,   253 

Sarre,  F.  96,  99,  260  f. 

Sasanidische  Kunst  io,  46t.,   103.   135,   18S 

Brett  199 

Kessel  5  8  f. 

Krone  157 

Silberkrug   13,  98,   139,  235 

Silberschüsseln  51  f.,  99  f.,   156  f..  250.  260 
Sattelholz   184 
Säule  227 

Säulenordnungen   191 
Schalen-Typen  17 
Schantung  117!'. 
Schatten  67 
Schatzfunde  46  f.,  224 
Scheibendreieck  170 
Schetelig  207 

Schildmuster  Sgf.,  95,   137,   182,    1S4 
Schlitten  208 
Schlosser,  J.  v.  239 
Schmarsow,  A.  65,   145,   149 
Schmelz   54!".,  221,  237 
Schmuck  22  f.,  44  f.,  47  f.,   53,  72 
Schnalle  22  f.,  28,  44,  47,  52  f.,  55 
Schnörkel,  geometrischer  89 f.,   108,   173,   177f.,  265 

-blatt   193 
Schraffierung   180  f. 

Schrägschnitl    12,    22  f.,   46,    69,    76,    88  f.,   95,    121, 
Schuppenmuster  215  [136f.,   1S4.  235,  273f. 

Schurtz,  H.  145 
Schwanenlinie  178 
Schwanz  mit  Tierkopf  216,  282 
Segment,  gezackt  161 

Seidenstoffe  X,    17,    30,  56,  79 f.,  S6,   192,  220,  294 
Seistan  203 

Scldschukenkunst   153.   174,  259,  299 
Siniirjetschensk   105,   188,  214 
Semiten  67,  73,  i88f.,  304 
Semper,  G.  80,  136.  172 
Sengim  132,  172 
S-förmiger  Linienzug  28-  36.  55,  81.  114-  2S2 


s*  hlagwortreihe 


317 


Sibirische  Kunst   108 f.,    167t".,  2 10 f.,  242,  286 

Sichelornament   109  f. 

Silber  50,  98  f.,   136,  284 

>ingan  Fu  29S 

Sitztypus   158 

Siut-Schatz  63  t. 

Skythenfrage   146,   153,   156,   187 

Skythenfunde   113,    140  f.,  213 

Slaven  253 

Smirnov,  J.  J.  4,  50,  98,  106,   137,  167  f.,  263 

Somers-Clarke   177 

Sotiriou,  G.  245 

Soziale  Voraussetzungen   149 

Spalato  243 

Spanien   184,  246,  289,  292 

Spätrömische  Kunst   144 

Spirale   114,   124,   136,  293 

Spitzovales  Muster  3,  98,  102,  118,  151,  193,  232,  260 

Sporenbliite  91,    126,   179  f. 

Sprachforschung  71,  295 

St.  Gallen  287  f. 

St.  Maurice  225 

S.  Pedro  de  Nave  288' 

Stäbchen   128  f.,  251 

Stabkirchen  284,  288 

Stadttychen  4  f. 

Standmotiv,  indisches  73 

Stein  74,    130,   145 

S:eppenzone  145 

Sternornament  32,   199,  205  f. 

Stickerei  83,  149 f- 

Stockholm  25,   107,    142,  279,  286,  30S 

S;ocklein,  H.   107,   164,    186,  217 

Stoffbehaog  135,   151 

Stoffmuster   132  f.,   163 

S.ralsund  284 

Strichpunktornament  Ö2f.,  97 f.,   137,    167,    198,    212 

Strobjehnen,  Ring  286 

Strong,  E.  68 

Strzygowski,  J.  65,   144,    147 f.,  222 f. 

Aachen  290 

Amida  IX,  69,  76f.,   144,  224 

Armenien   191,  22Öf.,  282 

Ch'nesische  Kunst  287 

Deutsche  Kunst  294  f. 

Gründung  Konstantinopels  226,  230 

Hellas  74 f. 
.    Hellas  in  des  Orients  Umarmung  65  f.,  145,  223 

Hellenische  und  koptische  Kunst  73 

Italien   190 

Kleinarmenische  Miniaturenmalerei  127,  193,  197, 

Koptische  Kunst  69,  88,  94,   197  [237^282 

Kreuzkuppel  67     • 

Mschatta  VII,  31,  33,  45,  60,  64,   72f.,  88,  132, 
136,  151  f.,  203,  207,  222,  224,  228,  258,  291 

Orient  oder  Eyzanz  226 


Strzygowski,  J.,  Orient  oder  Rom    68.  73,  224    226, 

Pinienzapfen  77  [296 

Volkskunst    150 

Wandel  der  Kunstforschung  65  f. 

Wechselwirkungen  30,   79  f.,    150 
Stuckatoren  228 
Stuckornamente   179t.,  259t'. 
Stucktechnik   137 
Stufenaufsatz  37 
Südkunst   144 

Südrußland  25,  39,    146,    154,   273.  284,   286 
Sumcrier   154,   194,  223 

Supka,  G.  30,  36,  39,  47,   60 f.,    101,  166  f.,  240.  276 
Susiana  221 
Swartnotz   196,  218 
Symmetrie   103,   150 

Syrische  Kunst  45  f ,   143,    147.  211,  216,  30S 
Systematik  65,   122,   124,  301  f. 
Szeged  36  f. 
Szilagy  Somlyo  47  f. 
Szirrik  39 
Szoliva   10 1  f. 

Tabula  ansata   185,  219 

Tai-peg  3,   167 

Talin   197 

Tallgren,  A.  M.   1 1 1  f. 

Taq-i-Bostan  36,   203 

Tarczal   ioif. 

Tarimbecken   148,   153  f. 

Taschkend,  Grabsteine   174,    184 f. 

Tatsache  238,  302,  305 

Technik  lf.,  63,  96 f.,   114,   136t..   167.    199 

Teheran  270  f. 

Teppich   145,   155f.,  265 

Terra  sigillata   17 

Textilarbeit  149  f. 

T-förmiges    Ornament    55,    92,    126,    132,    16S,     176, 

Theodahat  246  [^   207 

Theoderich  288 

Tiefendunkel  67,   126,   136,  201.  213,  239 

Tier  mit  Menschenkopf  59 

Tierfratzen  215 

Tiergeriemsel  28-tf. 

Tierinitiale  292,  30S 

Tierkampf  62,   76 

Tierornament   37,    141,    147,    194,    201,    207,    208 f., 

Tii'lis  58,    131  [216,  222,  271,  282t".,  295. 

Holztür   131,  218 
Tirana  1,  3,   11,  74,  241 
Tonnengewölbe   132,  221 
1  Toreutik,  hellenistische  18  * 
Toulouse  und  Tour  289 
Transoxanien   146,   183 
Traube  32,   100,  235 
Treibhäuser  der  Kultur   145,    149.    152,  3o6f. 


Schlagwortreilie 


Trikonc!. 
Trompe  - 

nkuppel  243 

Trompeten muster  23.    uv 
Tscbataltscha-Schat/  243 

Tübingen.   Armenisches  Evangeliar  2IJ 

Tuluniden    153,    1^3 

Tun-huang    133,  221 

Turan  2 

Türen  S9L,   131 

Türken  IX.   105.   133t..   188,  259f     297t 

Turkestan   153.  221.  231 

Türkische  Kalligraphie  173  r . .    1S3Ü 

Kirnst  151.   153 f.     :  215.  254 

Turkmenen  162 

Überfall  114,   172 

Übersponnene  Ornamente  209  f. 

Ukraina  vgl.  „Südrußland"  und  306 f. 

Einlas  2S9 

Ungarn  22  f..  461.,    133 

Universitäten  304  t. 

la.  Codex  an;.  2S9.   292 
Ural  276 

Uralaltaisehe  Kunst   142,   146.    \i 
("iüken   164.   . 

Vase   141". 
Verblüffung  223 
\"erdickung  der  Ranke  35 
Yerkleidungsarchitektur  219.  222 
Yieq^aßornament  69.   132.   207.   219 
Viollet,  H.  95  t. 
Vogel   14,   100 
Vogelkopt   110 
Völkerwanderung  IX.  154t..  23 

Kunst  224.  2731'. 
Vi lkerzonen  Eurasiens   143 f. 
Volkskunst   150.    156,  301 
Volute  143 
Yoßler.   K.    1S9 
Yrap    1  f..  241  f. 

W       -     rger,  A.  117,   162.  299 

en   164 
Wan  47 

Wandbilder   132 
Wanderbirteo   145  t. 
Wandverkleidung  219.   222.  228f. 

u.   Museum  des  Kunstvereins  3 
lranke   198,  233 
iblait  mit  Auflag*    151 

2     :;  50  72  f..  79.  136.  147. 
YYdlengl 


199.  2 

[232  t". 


Wellenlinie  2$.  S3  f..   179 

mehrstreifig  73,  76,  211 
Wellesz,  E.  2371. 
Weltverkehr  22,  25.  46.   71.    122.    124.  133.  138    iü 

147  f.,   :o2.  2231..  22St"..  234.   233 
Werkstätten  341"..  244 
Werte,  künstlerische  302 
Wesensforschung  302  f. 

:_;oten  2 SS  f. 
WickhofY.  F.  65,  6S.   113.  224,  290,  305 
Widder  293 

Wien,  Akademie  der  Wiss.  71,  3 
Archäologisches  Institut  224 
Jagdteppich  265 

Kunsthist.    Hofmuseum.     Schatz     von     Szil 
Somlyo  47 
Ephesosbeschläg  235  f. 
Xagy-Szent-Miklos   14,  22.   31.    54f..    63 
Blattüberfall   172  "164  f..   222 

Füllhörner  54,  62 
Inschriften   152,   1651"..   244 
Krüge  21,   55  f.,   ioo 
Gehänge   102 

mit  hohlem  Mäander  55  f.,  92 
mit  Kettenmäander  55 
mit  Reiherlandschaft  56  t".,  60 
mit  Zangenomament  57 1.,  76,  106.  1 1.: 
Napf  mit  Kxeisstabranke  63.   129  f. 
Pfanne   i6Sf.,  252 
Pokale  3.   12 
Schalen  62  f.,   103  t". 
Buela-Butaul   166  f. 
Tai-peg  3,  167 
Taufschale  21.   167  f. 
Tierkampf  62 
Kunsthist.  Institut  135,  183    is".  198    227    2 
Xaturhist.  Hofmuseum    ioSf..    1 50.  249 
Altchinesische  Bronzen   1141. 
Veit-Funde  236 
Sammlung  Strzygowski  42.  44.  37  f..  2Sof. 
Südarabische  Expedition  25S 
Wiener  Art  290 
Wikingerschiff  2 
Wiklund,  K.  B.   1 1 1 
Wilhelm.  A.  227.  292 
Wilpert.  J.  234 
Wirbel   32.   37,   69,    132.  293 
Wirtschaftliche  Voraussetzungen    145.    14S 
With,  K.    117 
WitisT.ngen  2 So 
Wjatka  39 
Wladimir   282 
\V61fflin,  H.  65 
Wolkenmotiv  117 

Woninger,  W.  143.   151.  104,  2M4 
Wulff,  O.    147.  222,  2261..  230 


[3°° 


Schlagwortreihe  —  Nachträge  und  Verbesserungen 


319 


Wulst,  gedrehter  3,  130,  16S 
Wundt,  W.  149 
Wiirfelkapitell  197 

Zahn,   R.  64,   210,   277 
Zangenornament  132,  170  f. 
Zattelmotiv  169 f.,  25S 
Zellenverglasung  66,  131,  141,  246,  274f. 
Zelt   14,   133,   152,   155f,  299 
Zenobios  20 
Zentralasien  103  f. 
Zickzack   199,  21S,  2S2 
Ziegel  104,  217,  22S.  231 


Zierkunst  143  t'. 

Zierstücke  23 f. 

Zikade   13S,   170 

Zimmermann,  E.    197,  27S,  290t'. 

Zinnenband  3,  235 

Ziselierung  43 

Zweiflächigkeit  209  f. 

Zwiebelform   12,  31,  1S5,  254 

Zypern,  Geschichte  7  t'.,  45  t'. 

Schatzfunde  41  f. 

St  ad  tb  äste  5 

Toreutik  6,  41  f. 


Nachträge  und  Verbesserungen. 

S.    41   Z.  7   von  unten:  Kerynia  statt  Kyrenia. 
S,    43  Z.  9  von  oben:  8 f.  statt  87. 

S.    72  Tafel  IX  ist  nach  Aufnahmen  hergestellt,  die  ich  Victor  Golubev  verdanke 
S.    74  ist  die  Seitenzahl  zu  berichtigen. 

S.  107   Anm.  1:  Lifrustkammaren  Vägledning  (191 5)  statt  Lifrüstkammaren. 

S.  110  Zu    dem  Vergleich    der  Kreislappenranke    mit    dem  Vogelkopf  vgl.   auch  Appelgren-Kivalo,    Vogel- 
kopf und  Hirfch,  Finnisch-ugrische  Forschungen  XII  (1912),  Festgabe  für  Villi.  Thomsen. 
S.  249  soll  die  Unterschrift  von  Abb.  197   lauten:  Graz,  Landesmuseum:  Fund  von  Krungl. 


V 


NK 
1263 
,S8 
IMS 


Strzyqowski.  Josef 

1862-1941 

Altai-Iran  und 
Volkerwanderung  : 


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OF     MEDIA- 

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59     QUEEI 

S     PARK 

Toronto 

5, 

Canaoa