AI -IRAN
VÖLKERWANDERUNC
jr
VON
JOSEF STRZYGOWSKI
J.C.HINRICHS, LEIPZIG
■
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JOSEF STRZYGOWSKI
ALTAI-IRAN UND VÖLKERWANDERUNG
Arbeiten des kunsthistorischen Instituts der k. k. Universität Wien
(Lehrkanzel Strzygowski)
Band I. Max Eisler: Die Geschichte eines holländischen Stadtbildes (Kultur und
Kunst). Haag, M. Xijhoff, 191 4.
Band II. Luise Potpeschnigg: Einführung in die Betrachtung von Werken der
bildenden Kunst. Wien, k. k. Schulbücherverlag, 191 5.
Band III. Artur Wachsberger: Stilkritische Studien zur Wandmalerei Chinesisch-
Turkestans. (Zweite Sonderveröffentlichung der Ostasiatischen Zeit-
schrift.) Berlin, Oesterheld & Co., 1916.
Band IV. Richard Kurt Donin: Romanische Portale in Niederösterreich. Jahr-
buch des kunsthistorischen Institutes der k. k. Zentralkommission für
Denkmalpflege). Wien, A. Schroll & Co., 191 5.
Band V. Josef Strzygowski: Altai-Iran und Völkerwanderung. Ziergeschichtliche
Untersuchungen über den Eintritt der Wander- und Nordvölker in
die Treibhäuser geistigen Lebens. Anknüpfend an einen Schatzfund
in Albanien. Leipzig, J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, 1917.
Band VI. Heinrich Glück: Der Breit- und Langhausbau in Syrien auf kulturgeo-
graphischer Grundlage. (Zeitschrift für Geschichte der Architektur,
Beiheft XIII). Heidelberg, C. Winter, 1916.
Band VII. Ernst Diez: Churasanische Baudenkmäler. Ergebnisse einer 1912 — 1914
vom kunsthistorischen Institute der Wiener Universität (Lehrkanzel
Strzygowski) zur Erforschung der Geschichte islamischer Kunst in Iran
unternommenen Forschungsreise. (In Fertigstellung.)
Band VIII. Max Eisler: Der Raum bei Jan Vermeer. (Jahrbuch der Sammlungen
des Allerh. Kaiserhauses Bd. XXXIII [1916] Heft 4). Wien, F. Tempskv-
Band IX. Moritz Dimand: Die Verzierung der koptischen Wollwirkereien. Strö-
mungen des Weltverkehres im Kreise der Mittelmeerkunst. (Druck-
fertig.) .
Band X. Josef Strzygowski, Der altchristliche Kuppelbau der Armenier. Ein
Stück arischer Kunstgeschichte. Ergebnisse einer 1913 vom kunst-
historischen Institute der Wiener Universität (Lehrkanzel Strzygowski)
unternommenen Forschungsreise nach Russisch-Armenien. (In Fertig-
stellung.)
ALTAI -IRAN UND
VÖLKERWANDERUNG
m
ZIERGESCHICHTLICHE UNTERSUCHUNGEN ÜBER
DEN EINTRITT DER WANDER- UND NORDVÖLKER
IN DIE TREIBHÄUSER GEISTIGEN LEBENS
VON
JOSEF STRZYGOWSKI
ANKNÜPFEND AN EINEN SCHATZFUND IN ALBANIEN
MIT 229 ABBILDUNGEN UND 10 LICHTDRUCKTAFELN
LEIPZIG
J. C. HINRICHS'sche BUCHHANDLUNG
ARBEITEN
DES KUNSTHISTORISCHEN INSTITUTS DER K. K. UNIVERSITÄT WIEN
(LEHRKANZEL STRZYGOWSKI)
BAND V
Alle Rechte, einschließlich das der Übersetzung, sind vorbehalten
Copyright 1916 by J. C. HinrichsjÄM**Buchhandlung in Leipzig.
Druck von Augu«^jjjt«aiSLeipzig.
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-
LEOPOLD VON SCHROEDER
IN HERZLICHER ZUNEIGUNG
. Vorwort.
Das vorliegende Buch entstand aus der Bearbeitung eines 1902 in Albanien
gemachten Schatzfundes. Diese ziergeschichtliche Untersuchung wurde unterbrochen
durch Forschungen über altchristliche Baukunst Armeniens, die einen Weg führten,
dessen Entdeckung dann doch wieder viel entschiedener auf dem Gebiete des Orna-
mentes von wissenschaftlicher Bedeutung wurde als auf dem der Architektur. So griff
ich denn auf die Probleme zurück, die der Schatz eröffnet hatte. Nach dem Ergebnis
der letztjährigen Studien lenkt, was sich jetzt für den Gesichtskreis der mitteleuro-
päischen Mächte als Frucht des Weltkrieges aufschließt, die Forderung eines Land-
weges nach Osten, nur wieder in die Bahnen ein, die ein ungeheurer Weltverkehr noch
an der Grenze der historischen Zeit gegangen ist. Damals fand ein Geben und Nehmen
zwischen dem mittleren Asien und Europa statt, das eine der Grundlagen für die Ent-
wicklung der heutigen Welt wurde. Seit längerem versuchen Sprach- und Sachver-
gleicher dieser versunkenen Welt beizukommen; dem Kunstforscher dürfte es viel-
leicht gelingen, sie darin zu unterstützen und diese von den Mittelmeervölkern un-
abhängige, ja schließlich gegen ihre Vorherrschaft gerichtete Bewegung anschaulich,
daher überzeugender darzulegen, als andere Forschungsgebiete es vermögen.
Es sind fast zehn Jahre her, seit ich den Schatzfund, der einleitend hier vor-
gelegt wird, zum ersten Male zu sehen Gelegenheit hatte. Die Absicht, ihn zu ver-
öffentlichen, war in Ausführung, als John Pierpont Morgan sen. den Fund erwarb,
wobei mir das Recht einer Monographie vorbehalten blieb. Inzwischen starb Morgan
19I3 und das Werk muß heute ohne die rege Teilnahme, die der für antiquarische
Dinge leidenschaftlich bewegte Mann ihm widmete, erscheinen. Der Schatz ist als
Ganzes bisher nur in Vorträgen vor die Öffentlichkeit gekommen, die ich 1913 im
mitteldeutschen Kunstgewerbeverein in Frankfurt a./M. und am Museum in Straßburg,
1916 in Stockholm, Göteborg und Lund hielt. Einzelne Stücke sind von mir „Der
Islam" II (1911) S. 333 und Konsthistoriska säliskapets publikation 1916 S. lf. abge-
bildet worden, andere von Riegl im Jahrbuch der k. k. Zentralkommission N. F. I
(1903) S. 282 f.
Der albanische Schatzfund gibt Anlaß, die Ornamentstudien, die ich mit „Mschatta"
in der Festschrift zur Eröffnung des Kaiser Friedrich-Museums in Berlin 1904 be-
gonnen habe, wieder aufzunehmen. Es erscheint das um so notwendiger, als der
kostbare Besitz der Mschatta-Fassade in Berlin selbst nicht die Früchte zeitigt, die
ich mit dieser Krönung der altchristlich-islamischen Sammlungen der kgl. Museen
einst erstrebt hatte. Lebhaft beklage ich, daß der großzügige Riegl so früh (1905)
VIII
Vorwort.
von der Arbeit zurücktreten mußte; er wäre heute vielleicht dahin gelangt, seine
Ansichten, so weit sie entwicklungsgeschichtlicher Art sind, umzubilden, wie er es
tatsächlich auf mein „Hellas in des Orients Umarmung" hin mit seinen vor den Stil-
fragen gelegenen Veröffentlichungen getan hat. Wie die Dinge liegen, treffen meine
Einwände heute einen Gegner, dessen Einsicht der Riegischen nicbt entfernt gleich-
kommt.
Das Problem, das neuerdings zu erörtern der albanische Schatzfund Anlaß gibt,
betrifft Riegls Grundlegungen zu einer Geschichte der Ornamentik, soweit sie an der
Hand der Palmettenranke behandelt werden können, und zweitens die Gesamt-
entwicklung der bildenden Künste bei den eurasiatischen und Mittelmeervölkern, insofern
diese Frage bei einer zusammenfassenden Behandlung der Schatzfunde der Völker-
wanderungszeit aus dem Osten Europas nicht übergangen werden kann. Da es sich
dabei als Schlußfolgerung um die Bloßlegung der frühesten Keime der mittelalterlichen
Kunst handelt, wie sie sich bei den germanischen und romanischen Völkern Europas
entwickelt hat» — wie schon Riegl erkannte — , so ist die Aufgabe, die ich bei
Veröffentlichung des albanischen Schatzfundes ins Auge fasse, eine ziemlich weit aus-
greifende. Man wird aber, hoffe ich, schrittweise erkennen, daß der Schatz nicht
minder wie seinerzeit Mschatta oder Amida verdient, in den Mittelpunkt der Behandlung
von Fragen gestellt zu werden, die seit Jahren durch die Stellung meiner Arbeiten
gegen tiefgewurzelte Vorurteile der Kunstforschung heranreifen.
Die Aufgaben des Ornamentforschers gehen mehr als in der Architektur und
den darstellenden Künsten mit denen des Kulturforschers parallel. Wir können heute
freilich nicht mehr wie Viktor Hehn u. a. ausschließlich auf Grund der antiken Quellen
Kulturgeschichte machen, sondern müssen die orientalischen Zeugen selbst in erster
Linie sprechen lassen. Im Gebiete der Zierkunst unterstützen dabei leider selten
schriftliche oder gar inschriftliche Belege. Der Kunsthistoriker ist hier zumeist in
der Lage des Prähistorikers und Ethnologen; er muß aus seinem eigensten Material,
den Denkmälern der bildenden Kunst selbst, festen Boden zu gewinnen suchen.
Man wird unter diesen Fernständen sich fürs Erste vielleicht öfter mit der Vorführung
des neuen Materials zufrieden geben müssen. — Die Schreibart der Namen ist dem in
erster Linie in Betracht kommenden Leserkreis angepaßt.
Im vorliegenden Werke wird nun zunächst der Schatz beschrieben. Fremde Belege
werden dabei nur insoweit herangezogen, als sie zum Vergleich unmittelbar heraus-
fordern. Die ungarischen und andern Schatzfunde der Völkerwanderungszeit im
Osten Europas werden daher anschließend kurz zusammengefaßt und der augen-
blickliche Stand der Forschung über diese Funde gekennzeichnet. Im dritten Ab-
schnitte wird dann Richtung an der Hand des Ornamentes der Schmucksachen des
albanischen Schatzfundes, der Palmettenranke mit dem Kreislappen genommen und
ihre Ausbreitung von L'ngarn und dem Balkan aus über Ägypten nach Vorder-,
Mittel- und Ostasien verfolgt. Am Schlüsse wird aus diesem Tatsachenmaterial heraus
die Entwicklung der geometrischen Ranke zur „Arabeske" und die Bewegungsrichtung
\\ erdens dieses islamischen Ornamentes zu bestimmen gesucht. Dadurch er-
scheinen die Ergebnisse der Mschatta- Arbeit, die hauptsächlich die Weinranke be-
trafen, wesentlich ergänzt.
Vorwort. I \
Im vierten Abschnitte wird nach der sozialen Schicht und dem Volke gefragt,
das als Erreger bzw. Träger der vorgeführten Entwicklung in spätrömischer Zeit in
Betracht kommt. Was wir von den Türken und Saken als Vertretern zweier Rassen,
der altaischen und arischen, vom Standpunkte des Forschers über bildende Kunst
aussagen können, wird behandelt, am Schlüsse dann die Wirkung im Gebiete des
Mittelmeeres vorgeführt.
Der fünfte Abschnitt geht auf die Zeit der Völkerwanderung über, beginnend mit dem
türkischen Vorstoß und der Frage nach dem Ursprünge des albanischen Schatzes. Di.e
Anfänge der neuen Kunst bei den im Zeichen des Islams geeinten Völkern und den
Germanen leiten über auf die Schlußabschnitte, in denen ein Blick auf Wesen und
Wert von Renaissancen geworfen und der jetzige Aufbau der geisteswissenschaftlichen
Forschung als Hindernis auf dem neuen Wege gekennzeichnet wird.
Mit dem vorliegenden Buche greife ich meine Arbeiten da wieder auf, wo sie
Amida S. 319 stehen geblieben waren. Die große, am Schlüsse der Antike einsetzende
Kulturströmung vom Osten her, der meine Arbeiten bisher gewidmet waren, hat
nicht ohne Zusammenhang bestanden mit einer gärenden Bewegung in Hochasien
und dem Norden, als deren Schlußglied die Völkerwanderungen erscheinen. Dieser
wachsende Einfluß der Nomaden und Nordvölker rückt im vorliegenden Buche in den
Vordergrund. Ich hoffe bald Werke über Forschungsreisen in Armenien und Chorasan
vorlegen zu können, in denen die hier auf ziergeschichtlichem Gebiete geführten Unter-
suchungen, nach der architektonischen Seite hin ergänzt und wieder in das gewohnte Fahr-
wasser der großen religiösen Kulturen zurückgeleitet werden sollen. Der einst mit
„Orient oder Rom" und „Hellas in des Orients Umarmung" begonnene Kampf geht also,
auf größere Raum- und Zeitgebiete ausgedehnt, weiter und wird hoffentlich — u. a.
durch den Versuch der Anbahnung einer indogermanischen Kunstforschung — etwas
zur kulturellen Läuterung des Wettstreites der Deutschen im Weltverkehre beitragen.
Im Augenblicke der Drucklegung dieses Vorwortes setzt unsere Vorwärtsbewegung
gegen Rumänien und Südrußland ein. Möchte es gelingen, damit jenem Lande die
Möglichkeit freier geistiger Entwicklung zu bringen, das einst vielleicht den Keim-
boden des Arischen lieferte, jedenfalls aber die Brücke bildete, die den europäischen
Norden mit Armenien, dem asiatischen Süden und Osten verband. Erst wenn diese
für das Deutschtum notwendigen Zusammenhänge wieder hergestellt sein werden,
dürfte der Deutsche endlich loskommen vom Mittelmeere, auf das seine Kunst und
Wissenschaft — verhängnisvoll geradezu — seit Jahrhunderten eingestellt waren. In
einem Nachtrage am Schlüsse des Buches kann ich überdies noch Bezug nehmen
auf die Art, wie in einer Reihe französischer Aufsätze die deutsche Kunstforschung
seit Juli I9I0 eingeschätzt wird. Der französische Fachgenosse wirft dort uns deutschen
Gelehrten gerade das vor, was den meisten infolge der Wahnvorstellung von der
einzigen Bedeutung des Griechisch-Römischen leider so gut wie gänzlich abgeht:
das Verständnis für Wesen, Ursprung und Zusammenhang deutscher Eigenart.
Wir sollen diese angeblich zu selbstliebend eingeschätzt haben. Ich hoffe, daß die
unerhörte Aufrüttelung durch den Weltkrieg auch in den Geisteswissenschaften eine
Wendung von Grund auf herbeiführt und der deutsche Kunstforscher bei aller
berechtigten Neigung für den hellenischen Geist doch allmählich anfängt, auch
X
Vonvoit.
den Wurzeln nordischen Wesens nachzugehen. Es tut not, daß wir die Folgen
des Eindringens der Renaissance in Deutschland endlich überwinden und den alten
Kampf des beginnenden Mittelalters mit den Südkulturen geläutert wieder aufnehmen
und klar zu Ende führen. Eine Blüte, wie sie Bürgertum und Städte vor dem Siege
der Renaissance erlebten, wäre davon zu erwarten.
Sollte das Buch nicht ins Ungemessene anwachsen, wie es leicht geschieht, wenn
ein roter Faden gefunden ist und die Probleme nun von allen Seiten sich aufdrängen,
so mußte manches unbesprochen bleiben — so verschiedene Fragen der farbigen Gold-
schmiedekunst, Seidenweberei u. dgl. — , was vielleicht noch herein gehört hätte. Ich
hoffe, daß die Erkenntnis, von der die vorliegende Arbeit getragen ist, trotz der Be-
schränkung, die ich mir auferlegte, klar zum Ausdrucke kommt, und bin überzeugt,
daß das Material daraufhin ebenso reichlich zuströmen wird, wie nach dem Erscheinen
meiner Arbeiten über die koptische Kunst, Kleinasien, Mschatta und Amida.
Ich möchte schließen mit Jakob Grimms Worten in der Vorrede zu seiner Ge-
schichte der deutschen Sprache 1848, S. VIII: „Jede Wissenschaft hat ihre natürlichen
Grenzen, die aber selten dem Auge so einfach vorliegen wie das Stromgebiet des
Bachs, in dessen Mitte nach unseren Weistümern ein schneidendes Schwert gesteckt
wird, damit das Wasser zu beiden Seiten abfließe. Willige Forscher sollen also den
verschlungenen Pfaden folgen und bald leichteres, bald schwereres Geschühe anlegen,
um sie betreten zu können. Wer nichts wagt, gewinnt nichts, und man darf mitten
unter dem Greifen nach der neuen Frucht auch den Mut des Fehlens haben. Aus
dem Dunkel bricht das Licht hervor und der vorschreitende Tag pflegt sich auf
seine Zehen zu stellen. Von der großen Heerstraße abwärts liebe ich es durch enge
Kornfelder zu wandeln und ein verkrochenes Wiesenblümchen zu brechen, nach dem
andere sich nicht niederbücken würden".
Ich habe nach vielen Seiten für freundliche Förderung zu danken. Das wird
unten an seiner Stelle geschehen. Hier möchte ich nur des Verlages gedenken, der
in schwieriger Zeit den Mut fand, das vorliegende Buch in Druck zu nehmen.
Wien, Juni — Oktober 1916.
Josef Strzygowski
Inhaltsverzeichnis.
Seile
Vorwort vn
I. Ein albanischer Schatzfund
Auffindung, Beschreibung und Vergleich I
1. Goldgefäi3e 2
2. Silbergefäüe 14
3. Schmucksachen in Gold 22
II. Die 'Schatzfunde der Völkerwanderungszeit aus dem Osten
1. Die in Zypern gemachten hellenistisch-syrischen Schatzfunde .... 41
2. Die frühorientalischen Schatzfunde aus der russischen und Donautief-
ebene mit Stücken in Zellenverglasung 46
3. Der Schatz von Nagy-Szent-Miklos 54
4. Die bisherige Beurteilung der vorgeführten Schatzfunde 64
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes
1. Das Problem der Ranke 7o
Indischer Naturalismus und Ursprung der Weinranke von Mschatta 72
2. Parallelen vom Balkan 74
3. Parallelen in Ägypten 7g
A. Seidenstoffe 7o
B. Grabstelen .- 82
C. Holzarbeiten 88
4. Parallelen aus Mesopotamien und Iran 9-
A. Samarra . . . „ 05
B. Silberarbeiten g8
5. Parallelen in Zentralasien IO"
A. Westaltaische Gruppe 105
B. Ostaltaische Gruppe 108
6. Parallelen in Ostasien n3
A. Altchinesische Belege 113
B. Japanische Belege ng
7. Geometrische Ranke und Arabeske 122
A. Chorasan-Inschriften 125
B. Die Kreisstab-Ranke 128
C. Die verschlungenen Kreise 13
2
8. Der Schrägschnitt 136
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker
A. Die drei Völkerzonen Eurasiens 145
B. Die flächenfüllenden Muster 14g
1. Die Türkvölker und der altaische Kreis . . : 153
A. Rankenteppich und Zelt 155
B. Metallarbeit (Nagy-Szent-Miklos ) 164
C. Das Zattel- (Lambrequins-) Motiv 169
D. Der geometrische Schnörkel 173
E. Die Schnörkelbänder der Tulunmoschee in Kairo 176
F. Der Nomadenweg 183
■vji Inhaltsverzeichnis.
Seile
2. Die Saken und der arische Kreis 187
A. Der Raum als Wirkungsmittel 191
B. Das mehrstreifige Bandgeflecht 193
Die armenische Gruppe ' 196
b) Mesopotamische Beispiele 197
C. Der Mimbar in Kaiman 198
D. Die Mehrflächigkeit 204
a) Awghanische Beispiele 204
b) Die norwegischen Parallelen 207
E. Übersponnene Ornamente 209
F. Die Durchbrucharbeit ..210
G. Die verknoteten Kreise 217
H. Stand der heutigen Forschung 222
3. Konstantinopel und der Mittelmeerkreis 223
A. Der Kuppelbau 226
B. Die Wandverkleidung 22S
C. Die Kleinkunst 233
a) Das „oströmische Kunstwollen" 234
b) Der Zeilenschmelz 237
V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens 238
1. Der Anfang des „Mittelalters" 23S
2. Ursprung des albanischen Schatzfundes 240
A. Ort 241
B. Zeit 242
C. Werkstatt 244
D. Ausbreitungsbereich der Kreislappenranke in Ungarn und Österreich 247
E. Volkszugehörigkeit des Schatzes ■ 252
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des
Mittelmeeres 254
A. Die Araber und der orientalische Kreis 256
a) Der Anteil der Araber 257
b) Perser und Türken 259
c) Mittelasiatische Keramik auf dem Wege nach Mosul 260
d) Islamische Kunst — ein Rest Völkerwanderungskunst 272
B. Die Germanen und der europäische Kreis 273
a) Der Schrägschnitt 273
b) Die Granateinlage in Gold 274
c) Das mehrstreifige Bandgeflecht 276
d) Das Tiergeriemsel 284
e) Kirche und Kloster 287
Das Deutsche in deutscher Kunst und Forschung 294
VI. Wesen und Wert von Renaissancen 297
1. Türken 297
2. Arier 299
VII. Eine neue Gesinnung — eine Notwendigkeit 303
Anhang 308
Schlagwortreihe 309
Nachträge und Verbesserungen 319
I. Ein albanischer Schatzfund.
Auffindung. Im Frühjahre 1902 wurden die türkischen Behörden von Tirana
durch die Denunziation eines Albanesen auf einen Fund aufmerksam, aus dem ein
ornamentierter Goldpokal (Taf. I) zum Gegenstand eines Streites zwischen dessen
Besitzern geworden war. Die Behörde, d. h. der damalige Mutessarif Mehmed Hüsni-
Bey belegte den Pokal mit Beschlag und sandte ihn nach Konstantinopel. Durch
diesen Vorfall aufmerksam gemacht, stellte der damalige österreichisch-ungarische
Konsul in Durazzo, Remi v. Kwiatkowski, Nachforschungen an in der Absicht,
wenigstens über die Fundumstände etwas zu erfahren. Dabei kam die Schale (Abb. 8)
und zugleich die Tatsache zutage, daß es sich um einen größeren Schatzfund handle.
Über die Auffindung konnte v. Kwiatkowski nachträglich folgendes feststellen: Ein
albanesischer Bauer bei Vrap, einem Dorfe im Bezirke von Pekinje (Peklin), Distrikt
Elbassan l, stieß beim Ackern auf einen kupfernen Kessel (Kazan), den er sich an-
eignete und, ohne sich viel mit dem Inhalt zu beschäftigen, für ein paar Medschidjes
an drei Albanesen verhandelte, die ihn in ihre" Wohntürme (Kulen) in der Nähe von
Arböna, einem nördlich von Vrap gelegenen Orte brachten. Dann kam der Streit
in Tirana. Der nachfolgende Erwerb der einzelnen Fundstücke zog sich zum Teil
unter recht romantischen Umständen durch etwa fünf Jahre hin. Es dürfte wissen-
schaftlich kein Interesse haben, darauf näher einzugehen. Unter den nachfolgend
veröffentlichten Stücken befindet sich gewiß keines von anderer Provenienz. Dagegen
ist es wohl möglich, daß heute noch Stücke des Schatzfundes in den Händen einzelner
Eingeborener zu finden wären. Ein solches hat Hektor von Economo in Paris bei
einem Triester Juwelier erworben (Taf. III). So könnten noch andere Stücke über Kon-
stantinopel oder Tri'est verkauft worden sein. Vielleicht bringt sie vorliegende
Publikation zutage. Der Schatz besteht aus 41 Stücken, wovon 39 in den Besitz
von J. Pierpont Morgan (-j-1913)2 gelangten und im Augenblick des Druckes noch von
seinem Sohne in New York aufbewahrt werden. Nur zwei, allerdings sehr bedeutende
Stücke kamen in anderen Besitz, das eine, wie gesagt, nach Konstantinopel, das
andere nach Paris.
Beschreibung und Vergleich. Ich führe den Schatz in drei nach Material
und Zweck getrennten Gruppen vor. Nach dem Material allein wären nur zwei
Gruppen, Gold und Silber zu scheiden. In der Zweckbestimmung aber gehen im
1) Der Ort liegt etwas nördlich, halbwegs zwischen Pekinje und Kaw-aja.
2) Vgl. über ihn Bulletin of the Metropolitan Museum of art (New York) VIII (1913) S. 64.
Strzygowski, Altai. I
- I. Ein albanischer Schatzfund.
Rahmen der Gruppe Gold zwei Reihen soweit auseinander, daß ich es für gut be-
funden habe, Gefäße und Schmucksachen auseinander zu halten, obwohl eines der
Gefäße (Taf. III) den Schmucksachen (Taf. V) nahe verbunden ist. Im Zusammenhang
mit der Beschreibung führe ich der Einfachheit halber gleich auch solche Parallelen
an, deren Vergleich naheliegend ist.
i. Goldgefäße.
l. Pokal mit Tieren in Spitzovalen (Tafel I und Abb. l). „Der vom
Mutessarif von Durazzo nach Konstantinopel gesandte Goldpokal war ohne In-
schriften und Figuren, jedoch ornamentiert." Diese kurzen Angaben führten zur
Abb. i : Konstantinopel, Kais, ottomanisches Museum : Goldpokal aus Albanien, Oberteil.
(Der ganze Pokal auf Tafel I.)
Auffindung des Pokals im kaiserlich ottomanischen Museum. Trh verdanke die
Photographien und näheren Angaben der Güte des Direktors, Exz. Halil Edhem.
Danach stammt das Stück „aus dem Vilajet von Skodra (Skutari), dem Sandschak
Dratsch (Durazzo), der Caza Tyrana und dem Dorf Virab bei Peklin. Der Pokal
kam im März 1902 in das Museum". Es stimmen also die Zeit- und Ortsangaben
durchaus zu den Mitteilungen des Herrn v. Kwiatkowski. Der Pokal (Tafel I), unter
Xr. 1531 inventarisiert, ist \~ cm hoch und hat oben einen Durchmesser von 15 cm.
Gewicht 464 g. Der hohe kegelförmige Fuß ist unten horizontal umgebogen und
geht in einen Knauf über. Ein wulstig profilierter Teil vermittelt dann nach dem
weitbauchigen Gefäße. Dieses ist horizontal geschmückt mit einem breiten Ornament-
bande, das oben und unten von zwei Randleisten gesäumt wird. Dazwischen bilden
Strzygowaki, Altai, Iran u. Völkerwanderung
Tafel I
J. C. Hinricbs, Leipzig
C. G. Röder G.m.b.H., Leipzig
Konstantinopel, Kais. Ottomanisches Museum
Goldpokal aus Albanien.
i. Goldgefäße. 3
dreieckig, d. h. im Schrägschnitt profilierte Bänder horizontal acht Spitzovale. An
den Kreuzungsstellen wachsen aus den Zwickeln buschige Füllungen hervor, bestehend
aus 5 — 9 langen, innen gefurchten Rundlappen. In den Spitzovalen liegt zunächst
ein gedrehter Wulst. Im Felde selbst erscheinen auf glattem Grund in Flachrelief
Vögel. In der Mitte von Tafel I ist zunächt an der Schwanzbildung ein Hahn er-
kennbar, der, nach links hin bewegt, ein Halsband trägt. Im Oval davor ein Vogel,
der mit gesenktem Kopf nach links schreitet; im Oval rechts ein Vogel mit Greifen-
kopf. Diese Art wird deutlicher in Abb. 1, wo von links nach rechts zuerst wieder
ein Vogel, der den Hals senkt, dann einer, der den Kopf zurückwendet, endlich aber
der Vogel mit dem greifenartigen Vorderleib und hahnenartigen Schwanz erscheint.
Der Schnabel hält einen Gegenstand. — Der Rand des Kelches ist glatt. Dann folgen
oben wie unten zwei dreieckig profilierte Streifen und wie daran hängend in einigem
Abstand über den Spitzovalen ein Zinnenband, das herausgetrieben ist und durch
eingeschlagene Punktreihen belebt wird. Ähnlich sind die Körper der Vögel durch
Strichlagen belebt, vielleicht für Farbeinlagen.
Der Pokal hat die gleiche Form wie die Goldkelche des Tai-beg im Schatze von
Nagy-Szent-Miklos l und die späteren christlichen Kelche. Die Kugel auf hoch-
gestieltem Fuß und der weite Bauch sind dafür charakteristisch. Der Vergleich mit
dem berühmten ungarischen Schatzfunde führt auf einen östlichen Kunstkreis und
in diese Richtung weist auch die Ornamentik. Man blättere daraufhin vergleichend
die sasanidisch-frühislamischen Funde inSmirnovs großer Publikation „Östliches Silber"
durch. Die Verwendung schräg abgekanteter Stege statt des üblichen Flechtbandes 2,
sowie manche andere Details fallen freilich auf. Soweit die Vögel nach der Photo-
graphie erkennbar sind, spricht für östliche Provenienz die Verwendung des Hahnes
und jenes eigenartigen Drachens, von dem zuerst anläßlich seines Vorkommens an
der Mschatta-Fassade die Rede war3 und für den das Smirnovsche Werk so reiches
Vergleichsmaterial im Sinne meiner damaligen Bestimmung gebracht hat4. Motive
wie das Zinnenband5 und der gedrehte Wulst6 sind im Osten vorläufig bis nach
Mesopotamien und dem Kaukasus zu verfolgen. Doch kommt z. B. das Zinnenband
auch in Ostasien vor. Über die Striche und Punkte für Farbeinlagen wird unten
anläßlich des Schatzes von Nagy-Szent-Miklos zu reden sein.
2. Pokal mit vier Stadtbüsten (Tafel II und Abb. 2 — 5). Erworben im
Dezember 1904 in Durazzo bzw. Tirana. H. 15,65 cm. Dm. oben 11,7 — 12,2 cm,
Fuß 7,8 cm h., 5,6 cm Dm. unten. Der Bauch aus einem Stück getrieben, der Fuß
1) Hampel, Der Goldfund von Nagy-Szent-Miklos, S. 42 , Altertümer des frühen Mittelalters in Un-
garn I, S. 158, III, Taf. 317. Über die türkischen Inschriften Supka, Monatshefte f. KunsUviss. IX (19 16) S. 20.
2) Vgl. Smirnov, a. a. O. Tafel LXX.
3) Mschatta, Jahrbuch der kgl. preuß. Kunstsammlungen XXV (1904). S. 311 f.
4) Vgl. dagegen v. Falke, Kunstgesch. der Seidenweberei I, S. 79.
5) Vgl. Mschatta S. 287 und „Kleinarmenische Miniaturenmalerei" Tafel VIII, die Fußleiste der
Krönung, „Amida", Beiträge zur Kunstgeschichte des Mittelalters von Mesopotamien etc. 1910 S. 222.
6) Vgl. Andrae, Hatra II Abb. 204 und 238. Bd. III der von der Gräfin Uwarov herausgegebenen
„Materialien zur Archäologie des Kaukasus" (russ.) Tafel XLIV. In demselben Bande Taf. VII ein Pokal in
Illori, der in der Form mit unserem zu vergleichen ist. Bei dieser Gelegenheit sei auch aufmerksam gemacht
auf einen Silberpokal im Museum des Kunstvereines zu Warschau. Er ist vergoldet und zeigt (nach Arne)
außen ein geometrisches Muster, innen ein Christusbild. Provenienz Südrußland.
I. Ein albanischer Schatzfund.
aus mehreren Stücken zusammengelötet, die Kugel auf den durchgehenden Kegel
aufgesteckt. Getrieben und graviert, die Striche nielloartig farbig ausgefüllt. Ge-
wicht 422,2 g.
Der Bauch des Pokals zeigt in flachem Relief vier Frauenbüsten. Über ihnen
läuft zwischen einer Linie oben und zweien unten eine Inschrift hin, die wie diese
Linien eingetrieben und mit einer schwarzen Masse ausgefüllt ist. Zur Festigung
dieser Masse sind in alle Buchstabenecken runde Vertiefunoren nachgeschlagen. Da
die Inschriften sich auf die Büsten beziehen, führe ich beide zugleich vor. Anfang
und Ende der Inschrift sind durch Kreuze gekennzeichnet, dazwischen ein Ranken-
zweig l.
Abb. 2: New York, Sammlung Morgan: Goldpokal mit Städtebüsten, Konstantinopel.
+ )<CüNCTANTHN8nOAHC Die Frauengestalt (Abb. 2) darunter erscheint
in strenger Vorderansicht mit nach rechts hin gestrecktem Unterarm. Die Rechte
hält einen Stab quer vor dem Leib geschultert; er endet oben mit sechs kleinen
bossierten Kreispunkten um einen mittleren. Auf dem obersten ist aus vier Punkten
ein Kreuz gebildet. Die linke Hand trägt eine große Kugel, auf der drei kleine
Kugeln, durch eine geschweifte Umrißlinie verbunden, pyramidal, aber getrennt zu-
sammengestellt erscheinen. Die Frau ist bekleidet mit einem faltenreichen Chiton
mit Armein, die mit engen, glatten, von je zwei schmalen Bordüren gesäumten Enden
versehen sind. Die Falten liegen ganz unregelmäßig, verschieden dünn oder dick
geritzt und bald grätenartig gestrichelt, bald glatt gelassen. Sie bilden vor der
1) Man könnte beim ersten der beiden Kreuze P lesen; doch halte ich die Schlinge für den Anfang
der Ranke (Tafel II .
Strzygowski, Altai, Iran u. Völkerwanderung
Tafel II
J. C. Hinrichs, Leipzig
C. G. Köder G.m.b.H., Leipzig
New York, Sammlung Morgan :
Goldpokal mit vier Stadtbüsten aus Albanien.
i. Goldgefäße.
5
rechten Schulter und dem Ellenbogen runde Massen. Unten schließt die Figur mit
welligen Faltenbauschen. In den Ritzen sind deutlich Reste einer schwarzgrünen
(stellenweise roten?) Füllung zu sehen. Aus dem Gewände wächst der glatte Hals
hervor, auf dem das Gesicht in etwas verschobenem Ovale sitzt. Reiches gescheiteltes
Haar, worüber eine fünfteilige Mauerkrone mit punktiertem Kreuz im Mittelfelde
sichtbar wird, die Locken fallen in drei Bogen auf beide Schultern herab. Die Ge-
sichtszüge sind ganz schematisch eingeritzt. Augenbogen und Nase erscheinen in
einem Linienzuge gegeben, die Pupille als Kreispunkt, die Nase unten dreiteilig.
Mund und Kinn sind durch zwei Gerade angedeutet, zwischen denen ein kleinel-
Halbkreis als Lippe sitzt. Vom linken Ohr könnten Spuren da sein. Neben dem
Abb. 3: New York, Sammlung Morgan: Goldpokal mit Städtebüsten, Kypros.
Kopf flattern seitlich hoch zwei Gewandzipfel auf, die bis auf ein paar Linien
glatt gelassen sind. An den Handgelenken punktiert die Andeutung von Arm-
bändern.
+ nCOAHC XynfOC (Abb. 3). Gesicht und Mauerkrone sind sehr viel
größer. Die Kugeln am Stabende zu acht in länglicher Reihung um zwei mittlere
gruppiert. Im übrigen ist die Figur der vorhergehenden gleich, nur stehen Augen
und Mund schief, die Ärmelfalten sind noch unruhiger gestrichelt und — die
Hauptsache — die linke Hand ist ohne Kugel offen, mit der Handfläche nach vorn
erhoben.
+ DCDAHC fCDMHC (Abb. 4). Die Inschrift reicht nur etwas über den Kopf
der Frauengestalt darunter, deckt sich also im Platz nicht völlig mit ihr. Kopf und
Mauerkrone wie bei Kypros, ebenso die Kugeln auf dem Stabe. Die riesigen Augen
beherrschen das ganze Gesicht. Falten viel derber, aber zugleich einfacher. Die
6 I. Ein albanischer Schatzfund.
Gestalt trägt in der Linken die große Kugel mit den drei pyramidal geordneten
kleinen Scheiben darüber wie die Konstantinoupolis.
DCJO M IC AAHC AAeiANAfl 1A + ^Ranke)(Abb. 5). Über diese Inschrift
xoXiq aXfjq r 'Alt^avöorja später. Die Gestalt durchaus identisch mit den andern, die
Augen sind wieder auffallend schräg gestellt. Der Gewandkontur links am Arme
ist übertrieben geschwungen, die rechte Hand sehr plump. Die linke Hand ist wie
bei Kypros ohne Kugel mit der Handfläche nach vorn erhoben.
Erhaltung: Der Pokal ist etwas zerdrückt, vor allem der Fuß nach innen
in den Bauch getrieben; sonst vorzüglich erhalten
Die seltsame Zusammenstellung der Städte Konstantinopel, Zypern, Rom und
Abb. 4: New York, Sammlung Morgan: Goldpokal mit Städtebüsten, Rom.
Alexandria weist den Becher in die Zeit nach Konstantin. Zwar ist Rom immer
noch mit Konstantinopel zusammen durch die Kugel ausgezeichnet, steht aber an
dritter Stelle. An zweiter erscheint Zypern, ausdrücklich als Stadt bezeichnet, an
vierter Alexandria. Es wird also Zypern eine besondere Bedeutung vor Rom zu-
gewiesen und das mag vielleicht ein Fingerzeig auf den Ort der Entstehung des
Bechers sein. In Zypern sind so ausgiebige Silber- und Goldfunde gemacht worden,
daß der Anlaß, dort eine Stätte hochentwickelter Toreutik noch für die Zeit vom
IV. — VIII. Jahrhundert etwa zu suchen, längst gegeben war. Wie Städtebilder im
Jahre 354 dargestellt wurden, habe ich in meiner Bearbeitung des Kalenders von
diesem Jahre gezeigt '. Die einzelnen Typen werden im IV. Jahrhundert doch noch
eher im Sinne der antiken Überlieferung, d. h. im Motiv der weiblichen Gestalt selbst
ryänzungshcfte des Kais, deutschen archäol. Instituts, Bd. I S. 24 f.
I. Goldgefäße. J
unterschieden und durch wechselnde Attribute gekennzeichnet l. Auf unserem Gold-
becher fehlt eine solche Individualisierung vollständig. Die vier Büsten erinnern an
die uniforme Darstellung der Monate durch solche weibliche Büsten in der alexan-
drinischen Weltchronik, die um 400 in Ägypten entstanden ist2. Ein in mancher
Beziehung verwandtes Relief einer Stadtgöttin (Abb. 6) habe ich in Ägypten für das
Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin erworben3. Die völlig von aller Natur und antiker
Bildung absehende Wiedergabe der weiblichen Gestalt, das durchaus Manierierte der
Formengebung ist den eingeritzten Büsten des Pokals durchaus verwandt. Wulff
setzt das Berliner Hochrelief ins VI.— VII. Jahrhundert. Der Pokal dürfte frühestens
dem VII. Jahrhundert angehören, wenn nicht jünger sein. Ich gebe zunächst das
Abb. 5: New York, Sammlung Morgan: Goldpokal mit Städtebüsten, Alexandria.
Gutachten, das mir Bruno Keil freundlich bezüglich der Inschriften übermittelte:
„Weder Paläographie noch Orthographie ergeben faßbare Indizien für die Chronologie.
Diese führt in ihrer Verwilderung einfach auf byzantinische Zeit; dazu stimmen die
Schriftformen. Der Inhalt dagegen gibt einigen Anhalt, wenn ich mich nicht täusche.
Daß Zypern als Metropole neben Konstantinopel, Rom und Alexandrien genannt
wird, führt auf die Zeit nach dem Konzil von Ephesos 43 1, wo der Metropolit von
Konstantia (dem früheren Salamis) seine Unabhängigkeit gegenüber Antiochien be-
hauptet (Mansi IV 1469 f.). Der Terminus ante quem dürfte die Mitte des 7. Jahr-
1) Vgl. Dalton, Catalogue of early Christian antiquities pl. XX.
2) Vgl. meine Arbeit darüber Denkschriften der Kais. Akad. d. Wiss. in Wien. Phil.-hist. Klasse LI
S. 144 f.
3) Vgl. Wulff, Altchristliche Bildwerke (Kgl. Museen zu Berlin, Beschreibung der Bildwerke der christl.
Epochen, Bd. III) Nr. 55.
8
I. Ein albanischer Schatzfund.
hunderts sein; denn 647 wird die Stadt von den Arabern verwüstet und am Ende
des Jahrhunderts verlegt Justinian II (685 — 695) den Bischofssitz nach Justinianopolis
Nova bei Kyzikos (Oberhummer in Real-Encyklop. IV 955). Bei dem Verhältnisse,
in welchem der Metropolit von Zypern zu dem von Antiochien nach Durchsetzung
der Autokephalie zunächst stehen mußte, könnte dem völligen Fehlen von Antiochien
in der Aufschrift chronologische Bedeutung beigemessen werden; man würde dann
möglichst an das obere Datum von 43 1 herangehen. Allein das Fehlen von Antiochien
ließe sich auch aus der Geschichte dieser Stadt erklären. Zwar hat sich das Patriarchat
von Antiochien bei den orthodoxen und unierten Griechen bis heute erhalten (Tomaschek
in Real-Encyklop. I 2444), allein jene universale Bedeutung, welche es mit Konstan-
tinopel, Rom und Alexandrien rivali-
sieren ließ, hat es nach der Zerstörung
durch Chosrew Anuschirwän 538 ein-
gebüßt. Damit würde ein tieferer Ter-
minus post quem als der aus der Er-
wähnung von Kypros hergeleitete (43 1)
gewonnen sein, zu dem der Charakter
der Inschriften und Sprache vielleicht
besser stimmen. Da nun Kypros (Kon-
stantia), wie gesagt, den Arabern erst
um mehr als hundert Jahre später ver-
fällt, würde einerseits aus seiner Er-
wähnung und andererseits aus dem
Fehlen von Antiochien sich für die In-
schriften als Entstehungszeit etwa das
Jahrhundert von 550—650 ergeben.
Natürlich stelle ich diese Chronologie
nur mit allem Vorbehalte auf. Sie kann
auch nur für die Zeit des betreffenden
Originals gelten, für das erhaltene Exem-
plar nur dann, wenn es nicht Kopie,
sondern jenes Original selbst ist".
Die Datierung in das VII. Jahrhundert wäre m. E. auch vom Standpunkte des
Kunsthistorikers annehmbar. Die Verwilderung der Formen in der menschlichen
Gestalt entspricht dem gleichzeitigen Vorherrschen des iranisch-türkischen Ornament-
geschmackes, wie ihn Pokal 1 und die unten zu besprechenden Schmuckstücke
unseres Fundes hervortreten lassen. Für die Datierung wird vielleicht die Zeit
vor der Eroberung der syrisch-ägyptischen Gebiete durch die Araber auch des-
halb angenommen werden müssen, weil Alexandrien noch als polis ä {xo)Xt]qx =
rtnoTuxo/.ig genannt ist, was kaum noch später möglich gewesen wäre. Bis nach
der ägyptischen Metropole wird der zyprische Goldschmied, den wir als Er-
j deutet Keil. Alexandria würde so als nö/.i; 7tpa>ivxo'/.t^ bezeichnet, wie später Konstantinopel
den byzantinischen Schriftstellern (Stephan. Thes. gr.). Ich deutete afa]g = a&QOOt; angehäuft, über-
fallt, volkreich, was Keil nicht zulässig findet.
Abb. 6: Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum-. Hochrelif
einer Stadttvche.
i. Goklgefiiße. 9
zeuger dieses einen Fokales annehmen dürfen, wohl vorgedrungen sein, Antiochia
läßt er als eine durch die Perser-Invasion herabgekommene Rivalin weg, Konstan-
tinopel steht ihm als staatliches Zentrum obenan, Rom rückt hinter der eigenen
Heimat nach, doch noch vor Alexandria und ist auch vor diesem durch die Welt-
kugel betont. So würde sich in dieser Reihung ein Stück damaliger Politik im Ge-
Abb. 7: New York, Sammlung Morgan: Goldpokal mit Schuppen.
sichtswinkel eines zyprischen Patrioten aussprechen. Nun ist allerdings die Möglichkeit
zu erwägen, daß der Pokal die Kopie eines älteren, aus Kypros stammenden Originals
ist. Es ist schwer zu glauben, daß die Toreutik in Zypern um 6oo nicht imstande
gewesen sein sollte, die menschliche Gestalt besser zur Darstellung zu bringen. Freilich
steht dem gegenüber die Reliefbüste aus Ägypten. Eine Verzerrung liegt auch da
10
I. Ein albanischer Schatzfund.
vor; doch ist sie von anderer Art als an den Büsten des Bechers. Dort hält die
Dreiviertehvendung des Kopfes noch die Antike fest; hier ist die Vorderansicht von
orientalischer Art. Dort sind die Gesichtszüge nach dem geläufigen Schema der-
koptischen Kunst behandelt ', hier sprechen Gewandbehandlung und die flatternden
Zipfel zu Seiten des Kopfes für sasanidische Einflüsse. Es macht den Eindruck, als
wäre eine im Figürlichen völlig ungeübte östliche Hand unbeholfen an der Arbeit.
Besonders bezeichnend sind dafür die Hände; kaum daß die fünf Finger notdürftig
angedeutet sind. Die Körperformen verschwinden unter dem Gewoge der Gewänder
Abb. 8: New York, Sammlung Morgan: Ovale Goldschale.
vollständig. Ich könnte mir denken, daß ein iranischer oder türkischer Handwerker
bei dem Auftrag, ein zyprisches Original zu kopieren, verstärkend Erinnerungen aus
der sasanidischen Plastik verwertet hat2. Sein eigenstes Gebiet waren Ornamente.
o
Nehme ich die Kopie eines älteren zyprischen Originales an, dann ist es auch
denkbar, daß der Pokal in Konstantinopel und der Städtepokal von einer Hand ge-
arbeitet sein könnten. Dafür sprechen die auf beiden Pokalen zu beobachtenden
Spuren einer farbigen Belebung des Goldes.
i Vgl. meine Koptische Kunst S. 19fr. und meine Hellenistische und koptische Kunst, passim.
-asanidische Art Sarre-Herzfeld, Iranische Felsreliefs und Smirnow a. a. O.
i. Goldgefäße.
11
3. und 4. Zwei Goldpokale mit gewölbten Schuppen. Der eine 3. mit abge-
schraubtem Fuß 1903, der andere 4. (Abb. 7) vollständig 1907 in Durazzo bzw. Tirana
erworben. 3: 16,15 cm hoch, 12,10 cm oberer Dm., 6,1 cm unterer Dm., 7,8 cm Höhe
des Fußes, 421,8 g schwer; 4: 16,5 cm hoch, 12,15 cm oberer Dm., 6 cm unterer Dm.,
8,5 cm Höhe des Fußes, 431,8 g schwer. Beide stellenweise braun oxydiert. Er-
haltung: gut. Die Kugel durchsetzt in beiden Fällen den Kegel.
Die Gesamtform ist die gleiche wie bei dem Pokal mit den Städtebildern. Auf
einem kegelförmigen Fuße mit Randumbiegung (hier in einem Stück) liegt ein Kugel-
teil, der dann durch ein zylindrisches Stück
in den weiten und hohen Bauch übergeleitet
wird. Halte ich daneben z. B. den Kelch
des Bayernherzogs Tassilo in Kremsmünster,
entstanden zwischen 772 — 788, so zeigt sich,
daß die Gesamtform im Prinzip gleich aufge-
baut ist, dagegen in der Art des Schmuckes
ein entschiedener Gegensatz herrscht1. Der
Künstler der Völkerwanderungszeit überhäuft
seine Werkform mit Ornamenten, der Gold-
schmied dagegen, der einst unseren Becher an-
fertigte, arbeitet mit in Licht und Schatten
wirksamen Profilierungfen am Fuß und über-
nimmt das geläufige Motiv der versetzten
Bogen, nützt es aber in Reliefschuppen aus,
um durch Buckelung den Glanz des Metalls
zur Geltung zu bringen. Das sind noch ent-
fernt antike Qualitäten. Ihnen gesellt sich die
Riefelung des oberen Randstreifens in S-Form.
Sie ist ein beliebtes Motiv im Schmuck der
Sarkophage, kommt aber freilich auch aut
ungarischen Funden aus der Yölkerwanderungs-
zeit vor (vgl. Hampel, Altertümer I, S. 583).
Die beiden Pokale sind von einer auf quali-
tätreiche Materialwirkung losgehenden Kunst-
richtung geschaffen. Wäre nicht ihre schwere
massive Art, so könnte man sie für helle-
nistisch halten. Auch sie dürften Kopien nach älteren Vorlagen sein.
5. und 6. Zwei Goldschalen mit flachem, festem Griff (Abb. 8 und 9). Zuerst
wurde das ovale Stück 5 (Abb. 8) mit dem durch zwei Nieten (eine zerstört)
befestigten Griff 1902 in Durazzo-Tirana erworben, dann ebendort I903 das kreis-
runde Stück 6 mit angelötetem Griff (Abb. 9). 5: 16,1 cm lang, 13,5 cm breit, 4,7 cm
hoch, (Griff 10,5 cm lang, 5 cm breit), 486,5 g schwer; 6: 13,8—14,8 cm oberer Dm.,
5 cm hoch, (Griff 10,5 cm lang, 4,5 cm breit), 494,5 g schwer.
Abb. 9: New York, Sammlung Morgan:
Kreisrunde Goldschale.
1) Mitt. d. K. K. Central-Commission IV (1859) S. 6f.
12
I. Ein albanischer Schatzfund.
Diese beiden massiv-schweren Schalen erwecken (nebst den verloren gegangenen
Goldbarren, von denen unten zu reden sein wird) am stärksten den Eindruck einer Zeit,
in der eine Überflutung Europas mit Gold stattgefunden hat, jener Zeit, als innerasiati-
sche Reitervölker vorbrachen und mit dem Golde Kunstformen nach dem Westen
brachten, wie sie sich in den Gebieten zwischen Persien, Indien, Hochasien und China
herausgebildet hatten. Die Schalen zeigen den Zusammenhang mit diesen Gebieten in
der zwiebeiförmigen Schweifung des horizontalen Griffes. Er hat in beiden Fällen
zwei, 4 — 5 mm im Durchmesser haltende Löcher im Abstand von 5—6 mm, nahe dem
Rande der Schale zu Seiten des Mittellotes.
Eine ähnliche Schale hat Hektor von Economo nach Paris gebracht. Ihr be-
sonderer Wert liegt darin, daß sie durch das an dem flachen Griff angebrachte
Ornament die eben beschriebene Gruppe der Goldgefäße verbindet mit den später
zu beschreibenden Schmucksachen in Gold, die genau die gleichen Ornamente zeigen.
7. Schale mit ornamentiertem Griff (Ta-
fel III und Abb. 10). Bei einem Juwelier in Triest
erworben. 18,2 cm lang, 14,3 cm breit, 6,1 cm
hoch. Griff 10,5 cm lang, 5 cm breit. Die ganze
Schale ca. 590 g schwer.
Tafel III gibt die Oberseite. Die Schale ist
am Ansatz des Griffes flachgebogen. Der im per-
sischen Hufeisen- bzw. Kielbogen zugespitzte Griff
selbst zeigt in dieser Ansicht die reiche in Flach-
relief ausgeführte Ornamentik, die ganz bestritten
wird aus dem Motiv der Palmettenranke. Man
sieht oben in der Mitte herabhängend eine sieben-
lappige Vollpalmette. Die Rundlappen an der
Wurzel setzen sich um in eine Ranke, die sich in
symmetrisch geschwungenen Wellen nach den
unteren Ecken zieht und mit Palmettenteilen von
allerhand Art gefüllt ist. Es bleiben nur unten
zu Seiten der Mitte zwei Kreisringe übrig, die auffallend roh so in die runden Lappen
einer Palmette umgebildet sind, als wenn sie mit der Spitze der Vollpalmette zu-
sammen gehörten. Diese Lösung nimmt recht unorganisch Rücksicht auf zwei Löcher,
die den Griff an dieser Stelle durchbohren. Man sieht sie besser auf der Rückseite
(Abb. 10), wo sich das Ornament, einfach eingeritzt, wiederholt; doch ist die Ranken-
führung, unter Verzicht auf die Halbpalmette, nicht unwesentlich anders.
Bei genauerem Zusehen wird man erkennen, daß die Ränder des Ornamentes
auf der Vorderseite (Tafel III) nicht senkrecht ausgestochen, sondern schräg ge-
schnitten sind. Man nimmt deutlich die Glanzlichter auf den schmalen Randstegen
wahr. Die Lappen der verschiedenen Palmetten sind nicht nach dem gleichen
Schema gebildet. An der mittleren Vollpalmette sind sie lang und sehr spitz, sonst
aber zumeist rund, ja bisweilen auffallend kreisrund gebildet, mit einem Bohrloch am
itz. Das gilt auch für die Rückseite, wo diese „Kreislappen" vorherrschen. Das
Augenwerk wird bei Beurteilung des spezifischen Charakters der Ranke besonders
Abb. 10: Paris. Sammlung Economo
Goldschale (Rückseite).
Strzygowski, Altai, Iran u. Völkerwanderung
Tafel III
J. C. Hinrichs, Leipzig
C. G. Bö der G.m.b.H., Leipzig
Paris, Sammlung Economo :
Goldschale mit ornamentiertem Griff aus Albanien.
I. Gold<jefäße.
13
auf die Füllung der Hauptwelle der Vorderseite zu richten sein. Man sieht hier zu
beiden Seiten der Mitte je zwei Halbpalmetten mit Kreislappen am Fuße, deren Stil
in einen zweiten Kreislappen endet, für den die organische Verbindung mit der
Hauptwelle der Ranke sehr willkürlich hergestellt ist. Von solchen Merkmalen wird
unten bei den Schmucksachen ausführlich zu reden sein1. Man beachte die drei-
lappigen Motive in den unteren Ecken und die Spitze im Kiel.
8. und 9. Zwei Golddeckel(P) mit mittlerem Loch, einer in zwei Teilen und zer-
drückt. (Abb. 1 1 u. 12). Der vollständige 8. hat 13,1 cm Dm., 1,9 cm Tiefe, 74,2 g Gewicht;
9 hatte offenbar dieselben Dimensionen. Der Rand umgeschlagen. 59,8 g schwer.
Man könnte glauben, daß auf diesen Schalen, sobald sie konvex gelegt werden,
je einer der beiden geschuppten Pokale stand. Es sind entsprechende Kreisspuren
da. Auch das Loch in der Mitte hätte ein entsprechendes Loch innen in der Kugel
des Fußes der Pokale. Da dies aber unsicher ist, führe ich die Stücke getrennt.
Abb. 11: New York, Sammlung Morgan:
Golddeckel.
Abb. 12: New York, Sammlung Morgan:
Golddeckel, gebrochen.
In dieser Gruppe von Goldgefäßen, die — bis auf je ein Stück in Konstantinopel
und Paris — in der Hand von Pierpont Morgan vereinigt wurden, traten der ge-
schuppte Pokal und die schweren Schalen, endlich das deckel- oder fußförmige Stück
paarweise auf, also die Stücke gerade, die entweder gar keinen oder einfachen
Schmuck haben, während der östliche und der Städtepokal, ferner die Schale mit
ornamentiertem Griff nur einmal vorkommen. Liegt hier der Gegensatz von Massen-
ware und Einzelstück vor — was in Anbetracht des wertvollen Materials kaum
glaublich erscheint — oder spielt da einfach der Zufall mit?
Ähnlich kann auch nur eine Frage gestellt, keine Antwort gegeben werden,
wenn gesagt werden soll, ob die Gefäße von einer Hand und gleichzeitig geschaffen
seien oder aus ganz verschiedener Zeit und Gegend stammten. Der Pokal mit den
1) Vgl. übrigens Smirnov, Östliches Silber, Taf. L (unten Abb. 93).
j, I. "Ein albanischer Schatzfund.
Städtebildern kann im Original nur aus dem Gebiete des Mittelmeeres herrühren und
gehörte etwa dem VII. Jahrhundert an. Aus dem gleichen Kunstkreise, aber aus
früherer Zeit dürften die beiden geschuppten Pokale oder auch wieder nur ihr
Original herrühren. Die beiden Stücke in Konstantinopel und Paris aber weisen sicher
nach dem Osten als Zeugen jenes im Mittelalter so stark nach dem Westen vor-
dringenden iranisch-türkischen Stromes, als dessen beste Vertreter die ungarischen,
rumänischen und russischen Goldfunde gelten können. Davon in Abschnitt II.
2. Silbergefäße.
Ich schiebe die Silbergefäße absichtlich ein zwischen die beiden Gruppen in Gold,
die Gefäße und Schmucksachen. Die Goldgefäße, für sich allein gesehen, erinnern an
den Schatz von Xagy-Szent-Miklos, wenn auch die herrschende Grundform, der Pokal,
verschieden ist von den dort in geschlossener Reihe auftretenden Henkelkrügen.
Wie sich aber im Schatz aus Nagy-Szent-Miklos ein Pokalpaar von der Form des
albanischen Schatzes gefunden hat, so neben den Goldpokalen dieses Fundes ein
Krug in Silber von der Form der in Ungarn zutage gekommenen Krüge. Ich beginne
mit den beiden ältesten Stücken der offenbar aus verschiedener Zeit stammenden
Serie von drei Gefäßen in Silber. Möglich, daß noch zwei kleine hellenistische Silber-
vasen dazu gehörten (6,3 cm hoch, oben 9,5 cm breit, mit geriefelten Bauch und einem
Kyma-, bzw. Flechtmotiv unter dem eingezogenen Halse), von denen sich eine im
Besitze des Generalkonsuls v. Kwiatkowski in Beirut befindet
10. Silberkessel mit Rautenmusterung (Tafel IV u. Abb. 13 — 15.). 1907 in
Tirana erworben. Ohne Henkel 10,4 cm, mit Henkel 17,6 cm hoch, 13,2 — 13,7 cm
oberer, j,^ cm unterer Dm. Von innen heraus getrieben. 481,5 g schwer.
Das Gefäß stellt sich vortrefflich dekorativ abgeklärt dar, weil die Wirkung ziel-
bewußt auf den Kontrast des gleichmäßig gemusterten Bauches mit dem für Glanz-
lichter glatt gelassenen Fuße und Henkel gestellt ist. Am oberen Rande sieht man
dann eine in kleine Quadrate aufgeteilte Schnur, an der dreißig vier-, selten acht-
teilige Blüten hängen. Jede zweite Blüte wird zum Endpunkt eines Rautennetzes,
das sich wirbelnd nach unten verjüngt und am Fuß ohne Vermittlung endet. Die
fünfzehn rechtwinklig auseinander laufenden Linienpaare bestehen wieder wie der
obere Rand aus 2 mm breiten, durch Querstriche in kleine Quadrate zerlegten Stegen,
die fünfzehnmal je sechs ganze und zwei halbe Rauten übereinander bilden. An den
Kreuzungsstellen sitzen kleine Ringe. Die Füllung dieser Rauten ist jedesmal in der
Richtung des Wirbels diagonal von rechts oben nach links unten uniform; jedes der
15 Motive kommt also sechsmal übereinander vor, oben groß, nach unten kleiner
werdend. Ich zähle die Motive, unter einem der Henkel beginnend, nach rechts hin
auf. Abb. 13: l. Vase, am Bauche vertikal gerippt mit rundem Hals und hohem Fuß.
2. Dreiblatt auf hohem Stil (sog. Lilie?). 3. Vogel nach links, hoch, mit kurzem, ge-
krümmtem Rücken. Abb. 14: 4. Korb geflochten, nach unten verjüngt 5. Gans(r):
Vogel hoch aufgerichtet dastehend und den langen Hals nach links unten züngelnd
6. Zelt (?) rund, mit nach rechts offenem Eingang und Kegeldach mit Knopfabschluß.
7. Muschel (?): lanzettförmiger Gegenstand, gebaucht, links unten geschlitzt
Abb. 15: '8. Rundblüte über zwei scharf nach unten abgebogenen Blättern auf Stil.
Strzygowski, Altai, Iran u. Völkerwanderung
Tafel IV
J. C. Hinrichs, Leipzig
C. G. Röder G.m.b.H., Leipzig
New York, Sammlung Morgan :
Silberkessel mit Rautenmusterung aus Albanien.
2. Silbcrgefäße.
15
9. Vase mit vertikal geripptem Bauch, runder Öffnung und hohem Fuß. 10. Drei-
blatt auf hohem Stil gleich 2. 11. Vogel nach links gleich 3. 12. Korb ähnlich 4 mit hori-
■^^M^^^^'J/^0^^-
Abb. 13: New York, Sammlung Morgan: Silberkessel.
Abb. 14: New York, Sammlung Morgan: Silberkessel.
zontalem Mittelstreifen. Tafel IV: 13. Vogel gleich 3 und 11. 14. Zwiebelmotiv; auf
der Mitte liegt ein Herzblatt (?), oben ein dreiteiliger Aufsatz. 15. Korb ähnlich 4 und 12.
Überblickt man die Anordnung, so zeigt sich, daß unter den Henkeln 1, 2, 3, 4
gleich 9, 10, 11, 12, dagegen die Füllungen dazwischen 5, 6, 7, 8 bzw. 13, 14, 15
untereinander verschieden sind, und zwar bringen 5, 6, 7, 8 ganz neue Motive, während
16
I. Ein albanischer Schatzfund.
13 gleich 3 und 11, 15 gleich 4 und 12 und nur 14 neu ist. Wir haben es also im
ganzen mit neun verschiedenen Motiven zu tun. — Am Boden des Gefäßes außen
im runden Fuß sieht man Spuren einer Punzierung, nämlich das rechte Ende eines
ca. o,i2 cm großen Oktogons mit einem C l. Für den Henkel sind am oberen Rande
zwei Ösen schon im Guß vorgesehen, in denen die Zapfen zweier Scheiben laufen.
Von ihnen steigen zunächst löffelförmige Teile mit einem Grat auf. Sie sind dann
in der Mitte durch einen dicken, abgekanteten Bügel verbunden.
Erhaltung: Vorzüglich, nur der Henkel aus den Ösen gesprungen.
Der kleine Silberkessel gehört zum Besten seiner Gattung. Die Art des
Schmuckes weist ihn der Zeit der ersten Blüte des persischen Einflusses im Kunst-
kreise des Mittelmeeres zu. als man im Gebiete des Mosaiks sowohl wie beim
Abb. 15: New York, Sammlung Morgan: Silberkessel.
plastischen^Schmuck des neuen Kämpferkapitells mit Vorliebe das gleiche oder ein
wenigstens im Prinzip gleiches Muster ohne Ende verwendete. Das geschah im
V. bis VI. Jahrhundert; dieser Zeit dürfte auch der Kessel angehören. Die Mosaiken
an den Decken der großen Mauernischen der früheren Orta Dschamissi in Sa-
lonik, der Georgskirche, geben dafür Beispiele2 und ebenso die Masse der Kämpfer-
k.ipitelle, wie sie von der Prokonnesos in das ganze Gebiet des Mittelmeeres exportiert
wurden und im Hinterlande von Kleinasien in Spuren bis nach Persien hinein in
einheimischem Material vorkommen3. Davon unten mehr.
Eines der Bindeglieder in der Kette asiatisch-mittelländischer Zwischenströmungen
haben für dieses Motiv, die Rautenmusterung, neben einheimisch-syrischer Gold-
1 Vgl Rosenberg, Der Goldschmiede Merkzeichen, 2. Auflage, S. 1 I3gf.
exicr and P. Pullan, Byz. architecture, Taf. XXXIV.
3 Mschatta, S. 256 und 354. Bell, Churches and Monas'.erics of the Tur Abdin Tafel XVIII.
2. Silbergefäße.
17
Schmiedeüberlieferung (vgl. dafür auch palmyrenische Büsten in Kopenhagen) die von
China, Persien und Syrien nach Westen gelangenden Seidenstoffe gebildet '.
Hellenistisch sind in diesem orientalischen Schema des Überziehens der Fläche
mit einem Muster ohne Ende die Füllungen. Eine Parallele griechischer Art zeige ein
Silberzylinder aus dem Museum zu Belgrad, der (Abb. l6j2 charak-
teristisch ein Mittelding von Muster ohne Ende und gereihter
Einzelform ist. Wir sehen ovale Schilde in beiden Diagonalen
fortlaufend aneinandergereiht und darauf jene Füllungen ge-
trieben, die in der Zusammenstellung von Tieren mit Vögeln
und Fruchtkörben, dann Vasen u. dgl. den gleichen Formenkreis,
nur aus besserer hellenistischer Zeit wie auf dem Kessel des
albanischen Schatzes vertreten zeigen. Abb. 17 gibt die 49 Fül-
lungen nach einem aufgerollten Gipsabguß wieder. Man sieht,
daß es sich um Einfälle nach Natureindrücken handelt, die an
Mannigfaltigkeit unvergleichlich hoch über den mageren und
uniformen Reihen des Silberkessels stehen. In dem einen Falle
hellenistische Freiheit der Erfindung, im andern deutlich die be-
ginnende Gebundenheit an gewisse Schemen, wie sie dem
Orient, der dekorativ und nicht realistisch denkt, eigen sind.
In der Mitte stehen die Terrasigillata-Scherben mit Netzdekor,
wie sie Forrer auf Tafel XXV seines Werkes „Die römischen
Terrasigillata-Töpfereien von Heiligenberg-Dingsheim und Itten-
weiler im Elsaß" aus den Abfallhaufen zusammengestellt hat.
Die oben gegebene Ableitung der Rautenmusterung ohne
Ende aus asiatischen Kunstkreisen hat in den letzten Jahren
Widerspruch erfahren. Ich komme darauf im Abschnitt IV
zusammenfassend zu sprechen.
11. Silberschale mit flachem, festem Griff. (Abb. 18)
1903 in Tirana erworben. 17,8—18,2 cm breit im Dm., 5,3 cm tief,
Griff bis zu 5,3 cm breit. 302 g schwer.
Die Silberschale ähnelt in der Grundform den beiden Gold-
schalen, vertritt aber ihrer asiatischen gegenüber die rein hel-
lenistische Art. Das zeigt sich schon im Metall selbst und im
Gewicht. Obwohl die Goldschalen nur ca. 14,5 cm Durchmesser
haben, sind sie doch ca. 490 g schwer; dagegen hat die Silber-
schale um ca. 4 cm mehr Durchmesser und wiegt um fast 200 g
weniger. Sie zeigt an der Außenseite konzentrisch um den Fuß
herum in Abständen eingetrieben Doppelkreise und am Rande
eine Folge konvexer Rillen zwischen den gleichen Doppelkreisen.
Dem flachen Griff gegenüber eine den Ausfluß bezeichnende
Zuspitzung des Randes. Beide Motive bewegen sich durchaus
m
Abb. 16: Belgrad, Mu-
seum : Silb erzylinder.
1) Vgl. „Seidenstoffe aus Aegypten", Jahrbuch der Kgl. preuß. Kunstsammlungen 1903 S. 175/6.
2) Ich danke die Photographien zu Abb. 16 und 17 der freundlichen Bereitwilligkeit des Direktors
Vasitsch.
Strzygowski, Altai. 2
I. Ein albanischer Schatzfund.
im Rahmen der hellenistischen Toreutik. Der flache Griff zeigt in der Mitte ein Drei-
eck ausgeschlagen, sein Rand ist verdickt, er selbst an den Rand der Schale angelötet.
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b. 17: Belgrad, Museum: Silberzylinder (aufgerollt).
Erhaltung: Der flache Griff zerdrückt.
Für die kunsthistorische Einordnung vgl. Drexel, Alexandrinische Silbergefäße
der Kaiserzeit (Bonner Jahrbücher Heft 11S.
2. Silbergefäße.
19
12. Silberkrug mit Inschriften und Monogrammen (Abb. 19 und 20).
1906/1907 in Tirana erworben, 20,7 cm hoch ohne Henkel, mit diesem 23,5 cm. Bauch
13,2 cm, Hals oben 6,7 cm, Fuß unten 8,2 cm breit. 654,5 g schwer.
Die Kegelform in der Mitte geht unten in den runden Bauch mit kurzem Ringe-
fuß, oben in den konischen Hals über; der Henkel in Fragezeichenform ist 0,13 cm
breit, seine Fläche erhebt sich außen zu einem Mittelgrat; oben ein flacher Zapfen
mit Knopf. Am oberen Rand eine Inschrift: + (|)ONI l<YfeiOY &~\G\ TOI I
y..\ATON (+ <pov>] xvgiov fjr! xätv vöarcov). Am Halsansatz zieht sich als kantiger
Wulst ein Fischgrätenornament herum. Um den Bauch liegt flach geritzt zwischerf
Abb. 18: New York, Sammlung Morgan: Silberschale.
je zwei Linien von ungleichem Abstand eine Folge von 24 Halbkreisen, in die sich
nach oben quergestreifte Lanzettblätter legen, die paarweise eine vertikal gerippte
Mittelspitze zwischen sich nehmen. Der Bauch endet am Fußansatz (Abb. 20) mit
einem geritzten Ornamente, das überhöhte Rundbogen in Doppellinien zeigt;
dazwischen in den Zwickeln Spitzen, alles nach oben abgeglichen durch zwei Hori-
zontallinien. Alle Ornamente und die Inschrift sind vergoldet. Dagegen fehlt die
Vergoldung an fünf Monogrammen, die sich an der Außenseite des Gefäßbodens
innerhalb des Ringfußes befinden. Die Buchstaben sind an den Enden von Kreuzen
in Kreisen ausgehoben und lassen sich bis auf den Namen ohne weiteres lesen (Abb. 20).
Unter dem Henkel beginnend von links nach rechts: 1. ICyTlG, 2. BOHOGI, 3. Tö
AbAÖ, 4. folgt der Name, 5. in der Mitte AMHN. Den Namen möchte ich lesen
20
I. Ein albanischer Schatzfund.
ZHNOBI&, wobei ich H horizontal zwischen zwei durch den lotrechten Kreuzarm
verbundenen Strichen unter B» und ö hegend sehe. Die Inschrift würde also auf-
zulösen sein: xi-nis ßotjfrti roi öovXov öov Z^voßiov au)',v.
Abb. 19: New York, Sammlung Morgan: Silberkrug.
Technik: Getrieben, der Henkel gegossen und angelötet Ornament und Inschrift
graviert und vergoldet. Der Stab am Fuße des Halses gegossen und aufgelötet (?).
Erhaltung: Gut erhalten, bis auf eine flache Eindrückung auf dem kegelförmigen
Oberteile, dem Henkel gegenüber. Dunkle Oxydationsflächen wechseln mit dem
Silberglanz.
2. Silbergefäße.
21
Die Form des Henkelkruges ist die typische der Goldkrüge von Nagy-Szent-
Miklos l, deren östlicher Ursprung wohl kaum zu bezweifeln ist. Die Ornamentik gibt
jedoch keine Handhabe, auch unseren Krug auf den Osten zurückzuführen; im Gegen-
teil möchte man glauben, daß das Stück ausschließlich der degenerierten Mittel-
meerkunst angehöre. Die Inschrift, den Beginn des Psalmes 29, 3 enthaltend, weist
freilich wieder auf den Schatz von Nagy-Szent-Miklos, dessen sogenannte Tauf-
schalen Inschriften tragen, die, wenn auch nicht sicher gelesen, vielleicht einem ähn-
lichen geistlichen Ideenkreise angehören2. Bezüglich der Datierung käme das
VI.— IX. Jahrhundert in Betracht. Bruno Keil meint, daß die Inschriften nach Paläo-
Abb. 20: New York, Sammlung Morgan: Silberkrug: Boden von außen.
graphie und Orthographie kaum anders als ganz allgemein in byzantinische Zeit zu
datieren seien. In den Monogrammen stehe der Genetiv öovlov oov Zrjvoßiov für
den Dativ. Auch das gebe keinen rechten Anhaltspunkt für die Datierung dieser
jedenfalls späten Inschriften, denn diese Erscheinung trete schon im IL — III. Jahr-
hundert an mehreren Stellen auf und entspreche nur der byzantinischen Syntax.
Die Monogramme auf dem Außenboden stehen an einer Stelle, an der man sonst
die Punzen findet3. Zwar kommen in diesen auch Kreuzmonogramme vor, doch
1) Hampel, Der Goldfund, S. 3 f. und unten in Abschnitt II.
2) Vgl. Keil, Repertorium f. Kunstwissenschaft XI, 261. Vgl. darüber Abschnitt IV.
3) Vgl. ob.S. 16 und das dort zitierte Werk von Rosenberg, Der Goldschmiede Merkzeichen 2. Aufl. S. 1 137 f.
I. Ein albanischer Schatzfund.
enthalten sie immer nur einen Namen im Genetiv. Das Fehlen der amtlichen Marken
auf diesem Silbergefäße ist auffallend. Man möchte erwarten, daß das Stück auf
außeramtlichem Boden oder sonst unter Umständen entstanden ist, die eine Punzie-
rung nicht forderten. — Die vorgeführten drei Silberstücke des Morganschatzes zeigen
wie die Goldsachen auch wieder einen Gegensatz darin, daß der ausgesprochen helle-
nistischen Schale mit Griff ein hellenistischer Kessel mit östlichem Muster ohne Ende
und ein Krug gegenüberstehen, der einen ganz mittelalterlichen Eindruck macht Ich
würde sie in der eben angegebenen Reihenfolge datieren. Von einer einheitlichen Entste-
hung kann weder in der Zeit noch örtlich die Rede sein. Sie werden, mit mehr Wahrschein-
lichkeit als die Goldgefäße, rein äußerlich zusammengekommen sein, sei es durch einen
Händler, der sie überall und aus allen Zeiten zusammenkaufte, sei es durch den Besitzer.
Der Bestand an Gefäßen, Gold und Silber zusammengenommen, nimmt sich fast
aus wie eine planmäßig zusammengestellte Sammlung, in der die Mittelmeerkunst
ebenso wie die östliche vertreten sein sollte. In Wirklichkeit gibt dieses Nebenein-
ander nur ein charakteristisches Bild der Vielspältigkeit und gelegentlich unaus-
geglichenen Art der Kunst in der Zeit des Überganges vom Altertum zum Mittelalter,
die stark von Weltverkehr und Händlerstandpunkt beeinflußt war.
3. Schmucksachen in Gold.
Die Schmucksachen in Gold werden besser von den Goldgefäßen getrennt
betrachtet, weil sich auf diese Art leichter der Anschluß gewinnen läßt an bekannte
Funde, die man getrennt zu sehen gewohnt ist: den bereits herangezogenen Schatz-
fund von Nagy-Szent-Miklos einer- und gewisse Gräberfunde, ebenfalls aus dem
ungarischen Boden stammend, andererseits, von denen sofort zu handeln sein wird.
In Ungarn freilich sind solche Schmucksachen mit fortlaufenden Palmettenornamenten
nie in Gold gefunden worden. In dem albanischen Schatzfunde Pierpont Morgans
tritt zum ersten Male eine in Ungarn in Bronze nachweis-
bare Gruppe von Kleinfunden (mit einem sehr auffallenden
Typus von Ornamenten der scheinbar vegetabilischen
Ranke) in Edelmetall auf. Damit aber haben wir viel-
leicht den Schlüssel zur Erklärung eines Phänomens in
^T, *wfct ^ie Hand bekommen, das auch im Gebiete der angel-
sächsischen Kunst eine hervorragende Rolle spielt. Des-
halb schien es doppelt geboten, die völlig einheitlich durch-
Abb. 21: New \ork, Sammlung gebildeten Schmucksachen des albanischen Schatzes von
den Gefäßen, die der Einheitlichkeit im Schmuck ent-
behren, zu trennen. Um wieder einen Überblick der besonders wichtigen Gruppe zu
geben, habe ich die Hauptstücke auf Tafel V zu einem Bilde vereinigt. Man sieht neben
Schnallen Riemenzungen und andere Beschlägstücke, dazu Knöpfe, von denen freilich
viele verloren gingen. Soweit sie Ornamente tragen, sind diese durchaus im gleichen
Typus gehalten. Nur ein Beschlag mit Greifendarstellung fällt scheinbar heraus.
13. Rechteckiges Riemenbeschläg mit Greif (Abb. 21 und Tafel V., Nr. 13).
Platte mit Rautenrahmen, auf durchbrochenem Grund ein Greif. Rückseite: in den
Strzygowski, Altai, Iran u. Völkerwanderung
Tafel V
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J. C. Hinrichs, Leipzig
C. G. Röder G.m.b.H., Leipzig
3. Schmucksachen in Gold. 2 3
Ecken vier Nieten. 4,2 cm lang, 3 cm breit, 37,9 g schwer. Das Stück ist von Riegl,
Jahrbuch der K. K. Zentral-Kommission N. F. I (1903) Sp. 282 abgebildet.
Der geflügelte Löwenleib zeigt nur die beiden Beine einer Ansicht (am Hinter-
fuß eine Art Sporen). Im übrigen wird die Figur durch dicke Wülste, die sich zweimal
spiralig einrollen, im Rahmen gehalten. Links unten in der Ecke ein Ansatz in
Kelchform (?). Der Kopf mit dickem, krummem Schnabel und Luchsohren ', das Auge
spitzoval in runder Fläche. Der Flügel scharf schräg in gedrehter Fläche geschnitten.
Die Rautenfolge am Rand ohne überlegte Ecklösung. Technik: Guß. Erhaltung:
Tadellos.
Der Greif erscheint auffallend streng stilisiert. Es sieht aus, als wenn der in der
Mitte aufragende Flügel absichtlich so scharf geschnitten und in glatter Fläche ge-
wendet wäre, damit der Metallglanz recht wirksam zur Geltung komme. Der übrige
Tierleib und die Rankenansätze sind dazu in Kontrast gresetzt durch stärkere Runduncr
aller Glieder mit Ausnahme etwa des Kopfes. Die Art, wie der Greif in die Fläche
gestellt ist, verrät eine Bedachtnahme auf die Wirkung des im Durchbruch tiefen-
dunklen oder Ledergrundes2. Auffallend ist das Weglassen des zweiten Fußpaares,
an seiner Stelle sitzen die Rankenspiralen. Man könnte daraus auf die Absicht
schließen, die Rundung des Tieres gewaltsam in den Raum zu drängen, den Beschauer
zu zwingen, sich das zweite Paar in der Tiefe des Raumes vorzustellen. Doch liegt
reiner Flächenzwang vor, wie er den griechischen Künstler des Hegeso-Reliefs
bei Bildung des Stuhles geleitet hat. Vgl. Volksbildungsarchiv III (1912) S. 53 f.
Ich bringe diese Überlegungen vor, um recht eindringlich aufmerksam zu machen
auf den Unterschied der künstlerischen Qualität dieses Stückes und einer ganzen
Reihe von verwandten Bronzen, die in Ungarn gefunden wurden. Schon das Material,
dort Bronze, bringt einen entscheidenden Gegensatz hervor, ebenso das etwas mehr
längliche Format. Der Greif der ungarischen Parallelen ist infolgedessen nicht stehend,
sondern hockend dargestellt. Von einer auf Glanzkontraste berechneten Modellierung
des Körpers kann dort natürlich kaum die Rede sein. Trotzdem scheint kein Zweifel
möglich, daß die ungarischen Bronzen mit unserem Stücke zusammengehören. Es
handelt sich auch dort um rechteckige Zierstücke, die Löcher zur Befestigung an den
vier Ecken zeigen. Auch dort ist der Greif stets in Durchbrucharbeit und nach links
gewendet gegeben, auch dort ist zumeist nur ein Beinpaar zu sehen. Josef Hampel
hat diese Gruppe in seinen- Altertümern des frühen Mittelalters in Ungarn I, 602 f.
zusammengestellt. Eine Probe gebe ich nach Hampel III, Taf. 126 im Rahmen der
übrigen im gleichen Gräberfeld von Csuny (Sandorf im Komitat Mosony- Wieselburg)
gemachten Funde (Abb. 22). Man sieht hier mit dem Greifenbeschläg die gleichen
Riemenzungen, Schnallen und Beschläge vereinigt, wie im albanischen Schatzfunde.
Auch die Rankenornamente sind, wie wir sehen werden, im Wesentlichen die gleichen,
nur fällt vielleicht die Riemenzunge unten mit dem trompetenförmig verdickten
1) Vgl. damit den unten in Abschnitt IV veröffentlichten Kotschkarschatz mit dem Luchs und meine
Hellenistische und koptische Kunst in Alexandria S. 21.
2) Dabei muß freilich bemerkt werden, daß die Wirkung des Grundes im Original lange nicht so
breit ist. wie in der Photographie Tafel V. Ich setze daneben Abb. 21 und später von Hauptsliicken bis Kr. 26
Aufnahmen auf hellerem Hintergrunde. Man nehme die Mitte.
2A-
I. Ein albanischer Schatzfund.
^«VWVäJ)
Abb. 22: Csuny (Ungarn): Bronzefund.
3- Schmucksachen in Gold.
Rankenstiel auf1. Ein anderes Beispiel des Greifenbeschläges
gibt Abb. 23 (Hampel I S. 609 Fig. 1953). Es zeigt den Flügel
mit dem gleichen Schrägschnitt wie an unserem Goldstück.
Der Ausbreitungsbezirk des Greifen-Typus auf den Beschlag
des albanischen Schatzes beschränkt sich jedoch nicht nur
auf Ungarn. Wie mir Dr. Arne mitteilt, hat er ein ähnliches
Stück für das historische Museum von Stockholm in Kon-
stantinopel erworben. Auch seien ihm weitere Belege in der
Krim und in Rußland bekannt. Das nimmt mich nicht wun-
der, weil wir es mit Handelsware zu tun haben, die zuerst vom
Osten importiert, dann in den verschiedenen Importgebieten
nachgeahmt wurde. Der außergewöhnliche Wert des alba-
nischen Stückes liegt darin, daß es das einzige in Gold ge-
arbeitete, qualitätreiche östliche Original unter einer Masse von
derben westlichen Nachahmungen in Bronze darzustellen scheint,
also dazu dienen kann, eine Vorstellung der Leistungsfähigkeit
jenes Kunstkreises zu geben, der als die Quelle des inter-
nationalen Handelstreibens im frühen Mittelalter nachzuweisen
sein wird. Davon in Abschnitt IV.
14. Riemenende, doppelseitig, mit durchbrochen
gearbeiteter Ranke (Abb. 24 u. Tafel V, Nr. 14). 12,6 cm
lang\ 3,1 cm breit, 3 mm dick, 147,9 S schwer. Abgebildet von
Riegl a. a. O. Sp. 286.
An dem einem geraden Ende, wo der Riemen durch
zwei Nieten, von denen eine fehlt, zwischen den Doppelflächen
festgehalten wurde, ist ein schmales Ornamentfeld durch eine
Gerade abgetrennt. Man sieht da in der Mitte einen Ranken-
baum aufsteigen, der symmetrisch übereinander geordnet Paare
von je zwei Halbpalmetten entsendet. Im hohen Hauptfelde
entspringt der eine Stamm rechts oben, der andere endet ge-
genüber ohne Stielansatz in einem Kreisblatte. Folgt man den
in der Mitte gekreuzten Rankenstielen, so ergibt sich, daß bei
den fünfmal paarweise gegenübergestellten Einrollungen immer
dreimal das Kreisblatt und nur einmal, dem zurückweichen-
den Stiel folgend, die Halbpalmette angewendet ist. Den Rand
umzieht eine Rautenfolge. Technik: Da die Ornamente auf
beiden Seiten gleich sind und sich genau an den im Schräg-
schnitt erzielten Kanten decken, kann das durchbrochene
Stück nur durch Guß entstanden sein, trotz des Falzes an
dem geraden Ende zur Einfügung des Leders. Erhaltung:
Eine Randleiste ist in der Mitte
Abb. 23: Martely (Un-
garn): Greifcnbeschläg in
Bronze.
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der Langseite
durchge-
Abb. 24: New York,
Sammlung Morgan: Rie-
menende in Gold.
l) Vgl. Mschatta S. 310. Die eigenartig herausgeschleuderten Dreikreislappen werden auf Omament-
steinen in Athen (unten Abb. 68) Parallelen finden. Vgl. über die Funde von Csuny Hampel II S. 139 f.
26
I. Ein albanischer Schatzfund.
brochen: auch die zweite Mittelschlinge vom geraden Ende aus ist quer durch-
gesprungen. Das Stück ist durch den Gebrauch so abgegriffen, daß die Rand-
rauten nur noch unten vollständig erkennbar sind. Ein zweites ähnliches Stück, nur
kleiner, soll sich angeblich bei einem der Konsuln in Durazzo befunden haben.
Diese derbe Goldarbeit kommt auch wieder in der Photographie nicht ganz zur
Geltung, weil man nur die Glanzflächen oben, nicht den Schrägschnitt nach den
offenen Stellen zu sieht. Ich gebe daher die eine Seite (Tafel V, Nr. 14) auf dunklem, die
andere (Abb. 24) auf hellerem Grunde. Wieder, wie an dem vorhergehenden Greifen-
beschläg ist die zweilappige Halbpalmette neben dem Kreislappen verwendet und zwar
in wohlberechneter Abwechslung. Es ist eine der sonderbarsten Ranken und ich
kenne dafür keine genaue Analogie. Wäre statt der Palmette die Weinranke als
Füllung genommen, so ließen sich in Mschatta, Bawit1 und sonst Parallelen
aufweisen. Man möchte daher glauben, es handle sich um die palmet-
tisierte Weinranke, von der ich schon in meiner Mschatta- Arbeit S. 332
gesprochen habe. Die nächste Analogie findet sich vielleicht auf einer
in Horgos im Komitat Csongräd gefundenen Riemenzunge (Abb. 25 -'•
Sie hatte die gleiche an einem Ende abgerundete, am anderen für die
Aufnahme des Riemens eckige Form und zeigt ebenfalls in durch-
brochener Arbeit ein Langfeld und ein Endfeld, ersteres mit einer
durchbrochenen Ranke gefüllt, die auch aus Halbpalmetten und Kreis-
lappen zusammengesetzt ist, aber einfach (ohne Kreuzung mit einer
zweiten) genommen ist.
Ich habe nur ein besonders nah verwandtes Stück zum Vergleich her-
ausgegriffen. In einem bestimmten Gebiete Ungarns, in Keszthely, von
dem öfter zu reden sein wird, finden sich Parallelen in ganz dichter
Schicht. Hier möchte ich nur einen Fund bringen (Abb. 26), der ge-
genüber dem Stück von Horgos die typische Art des Ornamentes der
ungarischen Bronzen vorführt. Er stammt aus dem Grabfeld von Püs-
pök-Szent Erzsebet (Komitat Baranya). Man sieht, die Regel ist die
Ranke mit einem einzigen Lappen, wie sie ja auch auf der Riemenzunge
aus Albanien dreifach in der Überzahl ist. Die Halbpalmette tritt daneben zurück.
Auch außerhalb Ungarns sind einzelne Parallelen nicht ausgeschlossen, so auf einem
Funde in Gold — was besonders zu beachten ist — aus Ananjew in Podolien:! und
im Kaukasus (nach Arne). Die Richtung, die damit gegeben ist, wird sich als nicht
zufällig erweisen.
15. Fragment eines rechteckigen Beschlages mit durchbrochener Ranke,
umrahmt von einer Bogenfolge (Abb. 27 u. Tafel V, Nr. 15). (Rückseite: zwei Nieten, samt
Abb. 25: Hor-
gos (Ungarn):
Riemenende
in Bronze.
1 Amida S. 161.
Hampel, Altertümer I. S. 530, Fig. 1607; II, 120; III, Taf. 99, 4 b. Hampel hat leider den ersten
Band nicht mit dem zweiten und dritten durch Hinweise in Verbindung gebracht, so daß man immer
mindestens zwei Hände zitieren muß. Auch dann erfahrt man nicht, ob das Stück nach Budapest
komn 1er am Auflindungsorte verblieb.
3 Album li^sunkow herausgegeben von der Kais, archäologischen Kommission in Petersburg für
lS82-9^ \r. 219.
3. Schmucksachen in Gold.
27
ihren Scheiben mitgegossen.) Als Bruchstück erworben. 2 cm lang, 3 cm breit,
20,82 g schwer.
Ergänzt man sich das Stück in der Annahme, dal.? gerade die Hälfte erhalten
sei, so bekommt man ein gut symmetrisch verteiltes Ornament, das mit dem Rande
Abb. 26: Püspök-Szent Erzsebet (Ungarn): Bronzefund.
genau die Größe des Greifenbeschläges zeigt. Wir haben es mit zwei Rankenstielen
zu tun. Der eine entspringt in der Mitte der Längsseite und rollt sich in zwei
„Kreislappen" ein, der andere, den ersten kreuzend, in einen Kreislappen und eine
Halbpalmette. Bei genauerem Zusehen merkt man, daß die
Ranke mit zwei Kreislappen an einer Stelle links unten in sich
selbst zurückläuft. Die Bogen des Randes ähnlich wie unten
an dem Riemenende Nr. 18. Technik: Gegossen. Erhal-
tung: Das Stück scheint schon im Guß verunglückt. Man
sieht an der Bruchstelle und an den Ecken außen die Guß-
blasen. Die Photographie gibt das alles nicht wieder. Vor
allem zeigt sie wie beim Greifen immer nur die oberste magere
Formfläche, nicht die Flächen des hier sehr sauberen Schräg-
schnittes, der herabführt zu den durchbrochenen Stellen und
alle Formen voller erscheinen läßt. Der Grund ist nur soweit
durchbrochen, als sich dies beim Guß von selbst ergab, d. h. das Stück ist nicht
nachgearbeitet.
Ich habe den eigenartigen Lappen der Ranke „Kreislappen" („Kreisblatt") ge-
nannt. Er ist hier sehr sauber gearbeitet, daher besonders gut zu erfassen. Da das
Abb. 27: New York,
Sammlung Morgan: Frag-
ment eines Beschlages
in Gold.
I. Ein albanischer Schatzfund.
Motiv neben dem Greifen) als Leitmotiv der ganzen Gruppe gelten muß, seien gleich
seine Merkmale festgestellt. Am Ansatz des Kreislappens erscheint immer ein Loch
bzw. der gebohrte Ansatz eines solchen. Nehme ich es zur Lappenfläche hinzu, dann
kommt tatsächlich annähernd die Kreisform heraus. Man kann sich an dem vor-
liegenden Zierfragment auch gut eine Meinung bilden über den Ursprung des Motivs:
es scheint nichts anderes als der unterste Lappen der Palmette, man besehe daraufhin
die eine Halbpalmette neben den drei Kreislappen unseres Stückes. Und doch muß
die Frage offen bleiben, ob der Kreislappen oder die Palmette das Grundmotiv ist,
also Ausgestaltung oder Spaltung die Entwicklung bedingt. Der Kreislappen tritt auf
in Verbindung mit der Wellenlinie, so daß der Eindruck der Ranke entsteht. Wir
werden das Motiv daher nur mit Vorbehalt der Gruppe
der Palmettenranke einordnen können. Davon in Ab-
schnitt III ausführlich.
16. Schnalle mit Ranken, glattem, fünfteiligem
Scharnier und raupenförmigem Dorn (Abb. 28 u. Tafel V,
Xr. 16); 8,9 cm lang, der Bügel 4,1cm, die Platte 2,8 — 3 cm
breit, Dorn 3,5 cm lang. 114 g schwer. Rückseite: vier
Nieten. Abgebildet von Riegl a. a. O. Sp. 284.
Der oval ausbauchende Bügel hat konisch anstei-
gende Ränder und eine vorspringende Führung für den
Dorn. Die Platte zeigt eine ebene Fläche, in der mittels
Schrägschnitts Ranken stehen gelassen sind. Der Stiel
bewegt sich in S-Form durch die Fläche. Die beiden
ersten Einrollungen bestehen aus Kreisblatt und weit-
ausrankender Halbpalmette, die dritte im abschließen-
den Spitzbogen aus zwei Halbpalmetten. Technik:
Gegossen. Erhaltung: Tadellos.
Das Vorkommen der „Schnalle" im Schatzfunde
von Vrap ist ein wichtiges Merkmal für die Einordnung
des Schatzes, aber für sich allein noch nicht ausschlag-
gebend zu dessen Lokalisierung und Datierung; sie ge-
winnt erst Bedeutung: durch die andere negative Tatsache
des Fehlens der Fibel. Zieht man die ungarischen Funde zum
Vergleich heran (Abb. 22 u. 26', so zeigt sich, daß damit eine bestimmte Gruppe
gekennzeichnet ist, die selbe, der auch das Greifenbeschläg als Leitmotiv angehört
Die im ungarischen Boden gefundenen Schnallen sind wie die Greifenbeschläge nie
in Gold, sondern immer in Bronze gearbeitet. Was sie und unser Stück trotzdem
als zusammengehörig kennzeichnet, ist der Schmuck des Schnallenbeschläges mit der
Ranke. Ich ergänze den Eindruck von Abb. 26 durch ein besonders kennzeichnendes
Stück aus Keszthely 1 Abb. 29 nach Hampel, Altertümer I, S. 530, Fig. 1606, III, Tafel 139).
Doch bleibt auch da wie bei Bildung des Greifen immer noch ein beachtenswerter
Unterschied in der Qualität der Ausführung. Auf den ungarischen Schnallen sind
die Ranken zwar ebenfalls in Flachrelief und meist durchbrochen gearbeitet; auch
der Schnitt ist dort der gleiche, der Schrägschnitt, doch nachlässiger. Der Haupt-
Abb. 2S: New York, Sammlung
Morgan: Goldschnalle.
Schmucksachen in Gold.
29
unterschied der Schnallen aus Albanien und Keszthely liegt aber darin, daß letztere
die Halbpalmette ganz vermissen laßt. Wieder taucht die Frage auf: was ist das
Ursprüngliche? Hampel, der ohne weiteres die Halbpalmette als das Gegebene
nimmt, würde urteilen, daß in den ungarischen Funden die Empfindung für die edle
Abkunft des Kreislappens von der Palmette oft fast verloren gegangen sei. Es handle
sich dort wirklich nur noch um das ganz unverstandene Kreisblatt. An den Stücken
aus Albanien ständen dagegen Kreislappen und Halbpalmette noch vollkommen klar
nebeneinander, was darauf schließen ließe, daß der Goldfund von Vrap dem grie-
chischen Ursprungsgebiete dieser Ornamentgattung näher stehe als die ungarischen
Funde in Bronze. Sehe man genauer zu, so zeige sich, wie der Goldarbeiter
den Palmettenlappen sofort vergrößere und individualisiere, wo er sich von der
Palmette selbst gespalten hat. Immer aber bleibe die schöne Eleganz des Linien-
schwunges und das alte Gepräge der Palmette gewahrt. In Ungarn sei das nicht
Abb. 29: Keszthely (Ungarn): Bronzeschnalle.
Abb. 30: New York, Sammlung
Morgan: Riemenende in Gold.
mehr oder sehr selten der Fall. Man blättere daraufhin Hampel, Altertümer I,
S. 512 f. durch. — Es wird sich im Verlaufe der Arbeit zeigen, daß man die Dinge
auch in einem anderen Lichte sehen kann. Auffallend ist die große Schwere
unseres Stückes.
17. Riemen ende aus zwei Gliedern, verbunden durch ein fünfteiliges Scharnier
(Abb. 30, u. Tafel V, Nr. 17). Auf der Platte und auf dem Bügel Ranken. Rückseite:
zwei Nieten. 5,3 cm lang, 4 cm breit, 55,3 g schwer. Abgebildet „Der Islam" II S. 333.
Die Platte hat scheinbar rein ovale Form, man sieht ihre Zuspitzung nur auf der
Unterseite. Am Scharnier endet sie geradlinig. Das Ornament liegt um eine Flächen-
schicht tiefer als die ausgeschnittene Bogenfolge des Randes. In dem Flachrelief
sind zwei „gesprengte Palmetten" einander wagrecht gegenübergestellt. Den auf-
fallend groß wuchernden Mittellappen entsprechen verkümmerte Kreislappen an ihrer
Wurzel; beide zusammen ranken aus in gegenständige Halbpalmetten, die den Raum
oben und unten füllen. Ihre Stiele bilden rautenförmig einen Sporn. Der Grund ist
stellenweise durchbrochen. Der Bügel, in ausgesprochen tangential zugespitzten Huf-
30
I. Ein albanischer Schatzfund.
eisenbogen, zeigt Paare von Palmettenlappen mit verkehrt angesetzter Palmettenspitze
neben Wellenlinien eingefügt. Begrenzungslinien fehlen. Technik: Flauer GuU.
Erhaltung: Sehr gut.
Das Stück ist ein vorzügliches Schulbeispiel der Art, wie der Kunstkreis des
albanischen Schatzes sich frei im Gebiete einer uralten Ornamentik ergeht. Die
einzelnen Lappen der Palmette existieren sowohl in der Dimension wie in der Zu-
sammenfügung ganz für sich, die organische Verbindung ist gerade so weit gewahrt,
daß bei der Kombination von Kreis- und Wipfellappen der erstere an der Wurzel
des letzteren sitzt. Die Verkehrung des Zusammenhanges am Bügel ist zu beachten.
Es ist dieselbe Ornamentik, wie man sie auf den persisch-syrischen, in Ägypten ge-
fundenen Palmettenstoffen findet, die ich im Jahrbuch der königlich preußischen
Kunstsammlungen 1903 S. 153 f. behandelt habe. Doch ist dort der reine Palmetten-
charakter folgerichtiger durchgeführt. Davon später. Die bekanntesten Motive dieser
auf einem und demselben Grundmotiv aufgebauten Ornamentik sind der persische
Berlin, Kaiser-Friedrich-Mu-
seum: Ornament einer altarabischen
Grabstele aus Heluan.
Abb. 32: Kairo, Arabisches Mu-
seum: Krönung einer altarabischen
Grabstele.
Palmettenwipfel, der noch von unseren Großmüttern auf roten Schals und Tüchern
getragen wurde, und die sogenannte Herzblattbordüre. Die im Winkel auseinander-
stehenden Palmettenlappen, die das auffälligste Schmuckmotiv unserer Schnalle bilden,
finden auch in diesen Herzblättern Verwendung" und sind das Lieblingsmotiv der
altarabischen Grabsteine von Kairo, die ich ausführlich ,,Der Islam" II
S. 307 ff. behandelt habe. Sie sind der Mehrzahl nach in das dritte
Jahrhundert der Hedschra datiert und zeigen die Palmettenlappen, ähn-
lich im Winkel auseinanderstehend, als Krönung über einer die In-
schrift rahmenden Bordüre (Abb. 31 u. 32! Auch die Keszthely-
Bronzen weisen das Motiv auf, wie Abb. 33 nach Hampel, Altert. I
S. 563, Fig. 1749 (III Taf. 152, Fig. 7.) l belegen mag. Ich danke es
dem Entgegenkommen Geza Supkas, wenn ich eine bei der Xeuauf-
stellung der Völkerwanderungsfunde im Budapester Nationalmuseum von
Supka vorgenommene Rekonstruktion von Stücken, die man bei Hampel I S. 739 noch
ohne Zusammenhang abgebildet findet, geben darf (Abb. 34). Es sind Bronzekrönungen
in der uns hier interessierenden Form aus Bene-puszta. Es kommen zwei Arten vor:
einmal die gesprengte Palmette mit runden Seitenlappen und Knöpfen an den Spitzen,
zweimal mit spitzen Seitenlappen und doppelt geschweifter Spitze, die Innenflächen immer
00 ■
Abb.
Keszthely :
Zierglied in
Bronze.
1 Vgl« auch III, 105,2 und sonst passim.
3. Schmucksachen in Gold.
31
im Schrägschnitt belebt. Auch die dem gleichen Funde angehörigen Knöpfe zeigen
Palmetten mit Schrägschnittfüllung in einer unten halbrunden, oben zwiebeiförmigen
Umfassung. In der Mitte von Abb. 34 ein dreieckiges Stück mit einer Öffnung, über
Abb. 34: Budapest, Nationalmuseum: Zierglieder aus Bronze.
der diagonal zweistreifige Lappen auseinanderstehen, dazwischen eine Füllung in sym-
metrisch geschweiften Lappen. Von alldem wird ausführlicher unten in Abschnitt III
anläßlich der geometrischen Ranke und der Kairiner Grab-
steine zu reden sein. — An Schnalle Nr. 17 ist auch noch wie am
Beschlag Nr. 15 der kräftig herausgearbeitete Zackenrand be-
merkenswert, der, in kleinen Rundbogen verlaufend, das Oval
umsäumt. Er erinnert an ein bekanntes Motiv der christlichen
Architektur Syriens, das dort zinnenförmig zum Abschluß von
Friesen verwendet ist l. Ähnliche Motive an den Goldsachen von
Nagy-Szent-Miklos. Das Motiv der in einem höher liegen-
den Rande um ein tiefer liegendes Mittelfeld gelegten Bogen-
reihe fand ich auch in einem Bronze-Treibstock im Museum zu
Budapest. Es wird von dieser Mehrflächigkeit noch zu reden sein.
lS. Riemenende aus zwei durch ein dickes dreiteiliges
Scharnier verbundenen Gliedern (Abb. 35, Tafel V, Nr 18). Auf
der Platte ein Rankenwirbel, hinten drei Nieten. 5,8 cm lang,
3,2 cm breit, 67,3 g schwer.
Die Platte hat deutlich den Umriß eines hufeisenförmigen
Abb. 35: New York,
Sammlung Morgan: Rie-
menende in Gold.
1) Vgl. mein Mschatta S. 277 ff.
32
I. Ein albanischer Schatzfund.
helv
Ungarn): Beschlag
aus Silber.
Tangentialbogens. Innerhalb des Randsteges sieht man in der Mitte einen fünfteiligen
Stern im Schrägschnitt ohne Durchbruch ausgestochen. Von seinen Seiten werden
Ranken fortgeschleudert, die nach innen Kreisblätter ansetzen, nach außen in Halb-
palmetten übergehen. Der Bügel bildet einen Dreiviertelkreis, in den unten eine
Spitze hineinragt Bogen und Spitze sind kantig profiliert. Da der
Bügel die gleiche Bearbeitung auch auf der Rückseite zeigt, macht
er einen besonders straffen Eindruck. Technik: Schwerer Guß.
Erhaltung: Vorzüglich.
Das Stück ist der beste Zeuge des auserlesenen und sicheren
Geschmackes, der einzelne Stücke dieses Goldschmuckes gezeitigt
hat. Die straffe Profilierung des Bügels und der bohnenförmige
Ausschnitt sind Motive, die Riegl (Spätröm. Kunstindustrie S. I40f.)
als spätrömisch erweisen wollte '. Sie sind in den ungarischen
Funden aus Keszthely wiederholt zu finden, vgl. Hampel, Alter-
tümer I, S. 303 f. und S. 449 (Abb. 36). Hier aber kommen am Beschlag Elemente hinzu,
deren asiatische Art den Weg für den Ursprung des Motivs weist. Der gespitzte Huf-
eisenbogen ist eine spezifisch persische Kunstform, die später in der
ägyptischen Fatimiden-Architektur herrschend wird. In den
Keszthely-Funden spielt er wie später in den magyarischen eine
große Rolle. Ich gebe als Beispiel aus Keszthely Abb. $j nach
Hampel I, S. 560 Fig. 1720 (III Tafel 156 Fig. 7). Vgl. I S. 566,
Fig. 1763 (III 118). Er ist zu unterscheiden von dem nach innen
geschweiften indischen Kielbogen. Nicht anders ist es mit dem
Wirbel; er findet sich auf den ungarischen Funden häufig
zusammengestellt bei Hampel, Altertümer I S. 58). Ich gebe zwei
Beispiele z. T. vereinigt mit anderen Bronzen, die aus den gleichen
Funden stammen. Abb. ^ nach Hampel III, Taf. 103 zeigt Funde
aus dem Grabfeld von Nemesvölgy (Edelsthal) im Komitat Mo-
sony (Wieselburg). Zwei Scheiben mit erhöhtem Rand, in den
Zickzack eingeschlagen ist und im Felde auf vertieftem Grunde eine Mittelbosse
um die drei Ranken so wirbeln, daß sich immer zwei Einrollungen zu einem Trom-
petenmotiv vereinigen. (Vgl. Ham-
pel II, S. 128). Abb. 39 nach Ham-
pel III, Taf. 85 zeigt einen Fund
aus dem Gräberfeld von Martely
Komitat Csongräd. (Vgl. Hampel II,
S. 105 f). Die kleine Scheibe mit
dem Wirbel unter Fig. 3. Ich gebe
den ganzen Fund wegen einiger
interessanter Einzelheiten. Die Ranke
setzt öfter Trauben an, ein Motiv,
das auch sonst auf diesen Bronzen neben dem Kreisblatt, dem Greif und Hirsch wie
neben einer Menschengestalt vorkommt. Davon unten. Das Wirbelmotiv ist durch
Abb. 37 : Keszthely
(Ungarn ): Zierglied
aus Bronze.
Abb. 3V Nemesvölgy [Ungarn): Bronzefund.
1. unten Abb. 67 (Schnalle von Apahida).
124
33
Abb. 39: Martely (Ungarn), Grabfund. Die Zierglieder in Bronze.
Strzygowski, Altai.
34
I. Ein albanischer Schatzfund.
die Volkskunst Asiens zu verfolgen bis nach Ostasien, wo das Motiv besonders be-
liebt ist. Auffallend ist auch an diesem Stücke Nr. 18 seine große Schwere.
19 — 22. Vier Riemenenden mit der Lilienpalmette. Auf der Rückseite je zwei
Xagel. 19. mit Bügel, 56,5 g schwer (Abb. 40 u. Tafel V, Xr. 19). 20. mit Bügel
64 g schwer (Tafel V, Xr. 20). 21. ohne Bügel, Rohguß, 42,3 g schwer (Tafel V, Nr. 21).
22. ohne Bügel, Rohguß mit massiv ausgefülltem Gußkanal, 794 g schwer (Tafel V,
Xr. 22). Abgebildet von Riegl a. a. O. Sp. 283.
Die Platte ist bei allen 3,8 — 4 cm breit und mit dem Scharnier 3,7 cm hoch.
19 und 20 samt Bügel 5 cm, 22 mit Gußkanal ca. 5,5 cm lang. Beide Teile haben
zugespitzte Ovalform. In der Fläche innerhalb des Randsteges eine eigenartige
Lilienform: Gegenständige Kreislappen tragen eine verkümmerte, kleine Lanzettspitze
und ranken unten plump aus in Halbpalmetten, die
sich an langen Stielen um die Kreislappen herumziehen
und symmetrisch zu seiten der Spitze erscheinen.
In dem Nebeneinander von im
Rohguß erhaltenen und anderen fertig
gearbeiteten Stücken gleicher Art
Hegt neuerdings Anlaß vor, an eine
Werkstätte für die Herstellung solchen
Schmuckes zu denken. Die Stücke
scheinen direkt aus der Werkstatt in
ihr Versteck gebracht worden zu
sein. Das Ornament ist von Interesse,
weil hier einmal eine, wenn auch ver-
kümmerte Vollpalmette gebildet ist.
Kreisblatt und Halbpalmette waren
dem Handwerker geläufig, die Art
aber wie er die magere Spitze und die Rankenstiele bildet, weisen auf Ungewöhn-
lichkeit. Das Motiv der Vollpalmette muß unbekannt gewesen oder in Vergessenheit
geraten sein, schon auf Schale 7 (Tafel III) ist die Spitze unsicher gebildet. Sie
ist auf den ungarischen Funden nur selten und auch da wie ungeübt verwendet,
so bei Hampel I, S. 570 (vgl. unten Abschnitt III, 8). Kommt die Vollpalmette auch
selten in den Funden der Völkerwanderungszeit in Ungarn vor — ganz verkümmert
in einem Beschlag aus Xemesvölgy Abb. 41 nach Hampel III, Tafel 106, Fig. 8 — , so
ist es um so häufiger in den jüngeren Funden der Landnahmezeit. Damals fand ein
zweiter östlicher Vorstoß statt1, von dem Arne Spuren auch im Xorden nachweist2. —
Bei den beiden fertig gearbeiteten Stücken ist die Zuspitzung des Beschlages wie an
den ungarischen Funden deutlich. Schon darin liegt ein Fingerzeig nach dem Osten.
23. Rundes Schmuckstück (Scheibe) mit Ranken um ein mittleres Loch
(Abb. 42 und Tafel V, Xr. 23) Rückseite: drei 1,4cm lange Xägel. Mit Gußkanal 5,4 cm
lang, 3>3 cm breit, 66,2 g schwer.
Abb. 40: New York, Samm-
lung Morgan: Riemenende in
Gold.
Abb. 41 : Meines -
völgy (Ungarn):
Zierglied in Bronze.
gL Hampel, Arch. Ertesitü, 1904 S. 105 fr., Byz. Zeitschrift XVII, S. 645 f.
r Fornvännen 191 1.
3. Schmucksachen in Gold.
35
Das mittlere Loch, das nach dem Guf3 ohne Ausarbeitung blieb, umgibt wie
den Außenrand ein Steg; zwischen beiden zieht sich eine Ranke ohne Ende hin. Sie
verläuft ganz regelmäßig in drei Teilen, die aus einem nach innen gerichteten Kreis-
blatt, einem Mittellappen nach außen und einer Halbpalmette bestehen, deren Spitze
sich in die nächste Einrollung umsetzt. Technik: Roh aus der Gußform genommen,
ohne Nacharbeitung der Ränder samt dem trichterförmig
erhaltenen Gußkanal in Gold.
Das Stück liefert für den, der die Originale nicht zur
Hand hat, deutlicher als das Fragment 15 und die Stücke 21
und 22 den Beweis, daß nicht alle Stücke des Schatzes bereits
gebraucht waren, als man sie in dem Topf vergrub. Das
schöne Beschlag in Form eines Knopfes ist so erhalten wie
es aus der Gußform kam. Es verstärkt sich dadurch nur
neuerdings der Eindruck, daß der Fund von Vrap am Orte
oder in der Nähe seiner Gußstätte vergraben worden sei.
Von besonderem Interesse ist dann auch die „Ranke"
ohne Ende. Bei genauerem Zusehen erkennt man, daß sie
sich in drei großen Bogen um den mittleren Kreis legt. Jeden
dieser Bogen füllt innen ein Kreislappen, ihm geht eine Ver-
dickung voraus und es folgt ein frei abstehender Palmetten-
lappen. So entstand ein ganz fester, dreimal wiederkehrender
Rhythmus. Ich kenne kein zweites Beispiel dieser aus-
geprägten Art. Es steckt in dieser Komposition eine stark zur Entwicklung nach
der Arabeske hin drängende Kraft l. Selten deutlich liegt hier einmal der Übergang
von der einfachen Spaltung der alten Palmette zu ganz neuen Formen vor — möchte
man nach bisheriger Auffassung deuten. Die Verdickung, mit
welcher der Palmettenwipfel sich in den Rankenstiel umsetzt,
erscheint aber so neuartig, daß vielleicht an anderen Ursprung
gedacht werden muß. Davon unten. Der Gußkanal ist
ganz massiv in Gold ausgegossen.
24. Rechteckige Hülse zum Schmucke einer Scheide
oder eines Riemens (Abb. 43 u. Tafel V, Nr. 24.) Vorderseite:
mit Ranken in Rautenrahmen. Rückseite: zwei Löcher.
2,6 cm hoch, 3,25 cm breit, 0,9 cm dick, 39,7 g schwer.
Das Stück ist bis auf ein Loch nicht durchbrochen.
Die Ranken setzen oben und unten in der Mitte an und rollen sich flach zu Halb-
palmetten ein. Ein drittes Paar solcher Halbpalmetten — der Kreislappen ist nur
undeutlich ausgeprägt — zweigt vom unteren der Stielpaare ab und füllt den
Zwischenraum in der Mitte. Technik: Gegossen. Die Ranken sind im Schräg-
schnitt sehr hoch über dem tief ausgehobenen und etwas rauhen Grunde gearbeitet.
Das Stück ist wieder auffallend schwer. Erhaltung: Rautenrand stark abgegriffen.
Abb. 42 : New Vork, Samm-
lung Morgan: Scheibe in Gold
mit Gußkanal.
Abb. 43: New York,
Sammlung Morgan:
Hülse in Gold.
1) Man darf freilich den Begriff Arabeske nicht in dem Sinne nehmen, wie ihn Herzfeld, Enzy-
klopädie des Islam I, S. 38of. vorführt. Vgl. Riegl, Stilfragen S. 259^ und Mschatta S. 327^ Dazu unten
Abschnitt IV.
„ *
I. Ein albanischer Schatzfund.
Abb. 44: New York,
Sammlung Morgan:
Hülse in Gold.
Die Ornamentik, aus Ranke und Halbpalmette bestritten, bringt insofern Neues,
als die vertikale Anordnung der Rankenpaare an das persische Motiv des Ranken-
baumes oder Kandelabers erinnert, wie er in der Kuppel von St. Constanza, an den
LangschifTwänden der Geburtskirche von Bethlehem und am Taq-i-Bostan typisch
verwendet zu sehen ist1. Neuerdings ist es auch in Zentral-
asien aufgetaucht2. Wir haben das Motiv schon auf dem
Riemenende Nr. 14 festgestellt.
25. Rechteckige Hülse zum Schmuck einer Scheide
oder eines Riemens (Abb. 44 u. Tafel V, Nr. 25.) Vorderseite:
mit Herzdreiblättern, Rückseite: zwei Löcher. 1,9 cm hoch,
3,25 cm breit, 0,8 cm dick. 27,7 g schwer.
Zwei Herzformen sind horizontal gegeneinander gerichtet
mit den Spitzen nach außen. In diese wachsen innen Drei-
blätter herein, die auf der inneren Spitze aufsitzen. In den
Ecken Krabben, die an die Herzstiele anranken. Technik:
Das Ornament ist auffallend flach und unsicher geschnitten.
Erhaltung: Rückseite etwas eingedrückt.
Solche Hülsen kommen fast in jedem Schatzfunde von
Hampels zweiter Gruppe vor. Ich gebe Abb. 45 ein Beispiel
aus dem Gräberfeld von Csuny nach Hampel III Taf. 114.
Ein anderes findet man oben in Abb. 26, beide ohne Ornament.
Das Dreiblatt, von herzförmiger Ranke umschlossen, ge-
hört zu den beliebten Motiven der frühmittelalterlichen Orna-
mentik. Gewöhnlich tritt das Motiv horizontal mit der Spitze
nach oben auf. Diese herzförmige Umfassung ist ein per-
sisches Lieblingsmotiv, das sich überallhin, nach Arne bis
Lappland verbreitet hat3.
26 und 27. Zwei bügeiförmige Beschläge. (Abb. 46 u. Tafel V, Nr. 2671.
Vorderseite: zwei S-Ranken. Rückseite: drei Nieten. 26: (Abb. 46) 2,1 cm lang,
2,6 cm breit, 13,7 g schwer; 27: (Tafel V Nr. 27)
2 cm lang, 2,6 cm breit, 13,5 g schwer.
In der Mitte ein überhöhter Rundbogen,
außen ein ebensolcher Rundbogen mit einer
Stufe über der Mitte und Stufenansätzen unten.
Die füllenden S-förmigen Stiele stehen sich sym-
metrisch gegenüber und enden in Halbpalmetten.
Oben im Stufenaufsatz noch eine verkümmerte
Halbpalmette. Technik: Beide Stücke wohl aus
derselben Form gegossen. Erhaltung: Gut.
Diese merkwürdige Art von Ziergliedern kehrt ständig wieder in der zweiten
Gruppe ungarischer Funde, für die auch der Greif und die Kreisblatt-Ranke bezeich-
Abb. 45; Csuny (Ungarn):
Beschläge in Bronze.
Abb. 46: New York,
Sammlung Morgan:
Beschlag in Gold.
Abb. 47 : Keszthely
arn): Zierglied
in Bronze.
1 Vgl, „Werke der Volkskunst' 1. S. iaf.: ,,Hin Werk der Volkskunst im Lichte der Kunstforschung".
gl. ( »stcrr. Monatsschrift für den Orient XL (1914), Tafel IV.
3 Vgl. Arne, Sveriges Förbindelscr med Östem under vikingatiden. (Ur Fornvännen 191 1) S. iS.
3- Schmucksachen in Gold. 37
nend sind, vgl. Hampel, Altertümer III, Tafel 64 — 259. Eine Probe aus Csuny Abb. 45
aus Keszthely Abb. 47 nach Hampel I, S. 558. Schon oben Abb. 26 kann man in
dem Funde von Püspök-Szent Erzsebet sehen, wie sich solche Bügel ganz regel-
mässig neben Riemenzungen, Schnallen und Hülsen finden. Als Ornament ist immer
das Kreisblatt, bezvv. die Kreisblattranke genommen. Wie reich dieser Schmuck bis-
weilen sein kann, mag ein Fund aus Szeged belegen, den ich hier als Ganzes vor-
führe (Abb. 48), um das Bild der ungarischen Funde von Hampels zweiter Gruppe
abzurunden. Man sieht da in durchbrochener Arbeit eine grosse Riemenzunge mit *
reicher Kreisblattranke, das obere Ende mit einem gegenständigen Tierpaar1, dann
eine ähnlich ornamentierte Schnalle und unter den Beschlägen auch zwei von unseren
Bügeln, der grössere mit reichem Rankenschmuck. Die Zusammenfügung zweier
Halbpalmetten in S-Form, wie sie die albanischen Bügelbeschläge aufweisen, ist auch
in den ungarischen Funden öfters zu belegen. Vgl. für die Gesamtform Supka,
Österr. Monatsschrift für den Orient XLI, S. 82, der sie aus Indien herleitet. Sie
kommt ähnlich auch schon in dem Funde von Castel Trosino vor2.
28. Bügeiförmiges Beschlag (Tafel V, Nr. 28), entsprechend Nr. 26 und 27, nur
mit anderem Ornament. 2,2 cm lang (die Nieten stehen unten über den Rand vor),
2,5 cm breit, 10,5 g schwer.
Die Füllung wird besorgt durch eine richtige Wellenranke mit Kreislappen, an
den Enden fallen je drei Kreislappen auf langen Stielen (Stäben) herab. Im Stufen-
aufsatz sind roh zwei Kreisblätter oder besser Kreispunkte gegenständig angedeutet.
Die seitlichen Stufenenden fehlen, die Öffnung in der Mitte in Form des Hufeisen-
bogens. Technik: Gegossen. Erhaltung: Gut.
Die Rankenführung erinnert an den Wirbel auf dem Beschlag 18 (Abb. 35), unter
den ungarischen Funden ist auf Hampel, Altertümer I, S. 538, Fig. 1634 zu verweisen.
Auf die eigenartige Stäbchenform des Kreisblattes wird in Abschnitt IV näher ein-
zugehen sein.
29 und 30. Zwei Beschläge mit zwei Knöpfen und Ring (Tafel V, Nr. 29 u. 30).
5 cm lang, Ring 2,4 cm Dm.; 29. beide Knöpfe fest 33,3 g, 30. ein Knopf locker
37,2 g schwer.
Eigenartig ist, wie die Öse für die Aufnahme des schweren Ringes hergestellt
ist. Das Beschlag geht in einen gratigen Draht über, der nach rückwärts umgebogen,
dann breit geschlagen und mittels der beiden auch vorn sichtbaren Nieten über dem
Lederriemen befestigt ist. Als Parallele Abb. 49 aus Hödmezö Väsärhely (nach
Hampel III, Tafel 83 Fig. 229, vgl. I, S. 444, Fig. 1327, wo andere Beispiele).
31 und 32. Zwei Beschlägplättchen mit vier bzw. zwei Nietenknöpfchen (Tafel V,
Nr. 31 u. 32). 31: 3,9 cm lang, 2,6 cm breit, mit vier Nägeln, 17,21 g schwer.
32: 3,9 cm lang, 2,3 cm breit, mit drei Nägeln (einer lose), 4,2 g schwer.
Vgl. für diese Zierstücke Hampel, Altertümer I, S. 44Öf. Ich bilde Abb. 50 eine
Reihe ab.
1) Vgl. die KrönuDg alttürkischer und chinesischer Grabstelen bes. bei Radioff, Atlas der Altertümer
der Mongolei Taf. XXX.
2) Vgl. Monumenti antichi . . . dei Lincei vol. XII, Tav. XIII.
I. Ein albanischer Schatzfund.
Abb. 48: Szeged (Ungarn): Bronze-Grabfund.
33. Beschlägplättchen (Tafel V, Nr. 33', einst mit vier Nieten befestigt, in
der Mitte vier Löcher durch Diagonalstriche verbunden. 3,8 cm lang, 2,5 cm breit,
6,3 g schwer. Technik: Geschnitten. Erhaltung: In der Mitte gefaltet.
3- Schmucksachen in Gold.
39
34. Kleines Beschlägplättchen (Tafel V, Nr. 34), einst mit zwei Nägeln,
wovon jetzt einer fehlt 1,9 cm lang, 1,2 cm breit, 2,75 g schwer.
35. Rechteckiges Plättchen (Tafel V, Nr. 35) mit rechteckig ausgeschnittener
Mittelöffnung. 2,5 cm lang, 2 cm breit, 2,7 g schwer.
Von solchen Plättchen sind im Poltawaschatz (davon unten) Hunderte gefunden
worden. Sie sind alle ebenfalls rechteckig mit entsprechend oblongem Ausschnitt.
Abb. 49 : H6dmezö-Ydsär-
hely (Ungarn): Beschlag
mit Rinu; in Bronze.
Abb. 50: Szirak (Ungarn): Beschläge
in Gold.
Abb. 51 : Keszthely (Ungarn):
Zierstück in Bronze.
Der Unterschied liegt nur darin, daß dort in den vier Ecken wie an Nr. 31 und 32
Knöpfe bzw. Goldnägel sitzen. Ein Beispiel aus Ungarn Abb. 51 *.
36—38. Drei Stück Golddraht (Abb. 52), gezogen; ca. 5,5 cm lang, 0,3 — 0,5 cm
breit, 86,32 g schwer.
Stück photographiert.
39 — 45- Sieben
(Tafel V, Nr. 39-45),
Vielfach und unregelmäßig gedreht und zerdrückt. Nur ein
glatte Riemenzungen
(zwei Stücke breiter als die
anderen). Alle 5 — 5,2 cm lang, 2,3 oder 2,5 cm,
am oberen Rand 2,6 oder 2,7 cm breit, 4 mm dick,
innen hohl. 226,1 g zusammen, jedes ca. 31 g schwer.
Der kantige Rand an der Öffnung aufgelötet.
Fast genau gleich große Riemenzungen (ein
Stück 5,2x2,2 cm, die anderen acht kleiner), voll-
kommen entsprechend auch in der Form, jedoch
in Silber gearbeitet, sind, wie mir Dr. Arne freund-
lich mitteilt, in der Krim (Souksu bei Gursuff) ge-
funden 2, in Bronze kommen sie noch im Gouverne-
ment Wjatka vor.
46. Goldbarren (Tafel V, Nr. 46). Ein Stück
mit Bruchstelle. 7 cm lang, 1,2 cm obere Breite, unten spitz, 0,7 cm dick, 1 15,8 g schwer.
Ursprünglich acht Stück, wovon sieben Stück im Wiener Münzamt als reinstes
1) Die S. 24 — 39 und 48 abgedruckten Druckstöcke räch ungarischen Funden sind mir vom Kgl. National-
museum in Budapest durch Dr. Supkas Vermittlung zur Verfügung gestellt worden, wofür ich bestens danke.
2) Vgl. Izvjestija der arch. Komm, und Publikationen des Instituts in Odessa.
Abb. 52: New York, Sammlung Morgan:
Golddraht aus dem albanischen Schatze.
,q II. Die Schatzfunde der Völkerwanderungszeit aus dem Osten.
Feingold (mit ganz geringfügigem Silberzusatz) eingeschmolzen wurden. Das Vor-
kommen dieser Barren spricht auch wieder für einen Werkstattfund.
47 f. 20 Goldnägel (Tafel V, Nr. 47). 1,2 — 1,8 cm lang, zusammen 18,6 g schwer.
Zum Schluß zusammenfassend ein Wort über das Verhältnis der Schmucksachen
des albanischen Schatzes zu den ungarischen Bronzefunden der zweiten Gruppe,
wie sie Hampel nennt. Die Zusammengehörigkeit ist offenbar. Ich denke, wir haben
in den albanischen Stücken die östlichen Originale in Gold vor uns, die Hampel
Altertümer I, 646) annehmen zu müssen glaubte, um die Möglichkeit einer Ornament-
gruppe, wie der zweiten erklären zu können. Der Schatz ist nur der Vorläufer einer
noch viel intensiveren „persischen", d. h. aus Asien jenseits der Euphrat- und Tigris-
grenze kommenden Bewegung, der nachzugehen Gegenstand dieses Buches sein soll.
Der albanische Schatz hat mir dazu seinerzeit die Anregung gegeben. Er gehört
mit dem Schatzfunde von Nagy-Szent-Miklos zusammen zu den Hauptbeweisstücken
der in die Treibhäuser der Kultur vordringenden „Nomadenkunst". Das sei dem
Leser hier schon gesagt, damit er die nachfolgend versuchte Beweisführung doppelt
aufmerksam nachprüfe. Vorläufig sei nur nochmals gebeten, die Reichhaltigkeit
und Stilsicherheit des Ornamentes der albanischen Goldsachen gegenüber den
ungarischen Bronzen zu beachten.
II. Die Schatzfunde der Yölkerwanderungszeit
aus dem Osten.
Die voraufgehende Beschreibung des albanischen Schatzfundes hält absichtlich
darauf, die Buntheit der Eindrücke, die man bei Betrachtung der einzelnen Stücke
wie des ganzen Schatzes empfängt, nicht zu verwischen. Es hätten leicht mindestens
zwei stilistische Gruppen getrennt werden können; aber dann hätte ich schon über
stimmende Andeutungen hinaus zu der im Vorwort umschriebenen Aufgabe des
ganzen Buches übergehen müssen. In diese Untersuchung trete ich erst mit dem
vorliegenden Abschnitt ein und möchte hier zunächst einmal die naheliegende Trennung
zwischen dem hellenistisch-christlichen und den „östlichen" Kunstkreisen vornehmen,
weil ich mich im weiteren Verlaufe der Untersuchung nur noch um die Stücke
kümmern will, die diesen östlichen Kreisen angehören. Unter den Goldgefäßen ver-
treten die hellenistische Art der Pokal mit den Städtebüsten Nr. 2 (Tafel II), aber
auch nur soweit sein Original in Betracht kommt — davon gleich mehr; dann die
beiden Pokale mit gewölbten Schuppen Nr. 3 und 4 (Abb 71. Unter den Silber-
gefäßen die Schale mit flachem Griff Nr. 11 (Abb. 181 und mit einem Vorbehalt, der
das Netzmuster betrifft, der Kessel Nr. 10 (Tafel IV). Dieser hellenistische Teil des
Schatzes umfaßt also kaum fünf Gefäße; alle übrigen — mit Ausnahme des byzan-
tinischen Kruges Nr. 12 (Abb. 19) — gehören m. E. einer rein orientalischen Kunst an.
5 wird nun darauf ankommen, diese Zuweisung näher zu begründen. Dazu muß der
Schatz zunächst eingeordnet werden in die Reihe der übrisren Schatzfunde der Völker-
I. Die in Zypern gemachten hellenistisch-syrischen Schatzrunde. a\
wanderungszeit, soweit sie aus dem Osten stammen. Um den Gegensatz der Haupt-
masse des albanischen Schatzes zur hellenistischen Art zu zeigen, schicke ich Bei-
spiele der hellenistischen Art voraus. Die beiden Gruppen losen sich in den übrigen
Schatzfunden zunächst einmal rein örtlich voneinander. Die ungemischt hellenistisch-
christlichen gehören dem engeren Kreise des Mittelmeeres an, sind in Ägypten,
Syrien, Kleinasien oder auf den Inseln gefunden. Die östlich gerichteten Funde
dagegen stammen aus der ungarischen und südrussischen Tiefebene oder dem da-
zwischen liegenden Karpathengebiete. Als Beispiel für die erstere Gruppe greife ich
aus mehrfachen Gründen zwei zyprische Funde heraus.
i. Die in Zypern gemachten hellenistisch-syrischen Schatzfunde.
J. Pierpont Morgan sen. erwarb nicht nur den in Albanien gefundenen Schatz.
Er hat im Laufe der Jahre auch noch einen viel wertvolleren Fund zum größten
Teil in seiner Hand vereinigt, einen zyprischen Schatz, der schon deshalb hier nicht
unerwähnt bleiben kann, weil er ja auf jener Insel gefunden ist, der aller Wahr-
scheinlichkeit nach der Pokal mit den Stadtbüsten des albanischen Schatzfundes
angehört oder ursprünglich angehörte. Zum Vergleiche fordert dann auch die Tat-
sache heraus, daß der zyprische Schatz ebenfalls einen Stock von Silbergefäßen
neben Schmucksachen aus Gold zeigt, beide Gruppen freilich vollkommen verschieden
von denen aus Albanien. Trotzdem muß die Frage aufgeworfen werden, ob nicht
der albanische Schatz aus Zypern stammen könnte und Zypern sich vielleicht als
ein Zentrum der Toreutik in der Zeit des Überganges von der Antike zum Mittel-
alter nachweisen lasse? Wie laufen die Fäden in einer Zeit und auf einem Gebiet
der Kleinkunst, das wie kein zweites durch eine stattliche Reihe von Denkmälern
den Versuch einer Lösung solcher Fragen zuläßt. Welche andere Gruppe der
Kleinkunst wir auch nehmen: Elfenbein, Miniaturen, Stoffe, Glas- oder Tonwaren,
der Bestand an erhaltenen Denkmälern läßt nur im Gebiete der Metallplastik eine
umfassendere Untersuchung aussichtsreich erscheinen K Die Schätze, die im Nachlasse
von Pierpont Morgan vereinigt sind, bieten dazu geeigneten Anlaß. Sie reihen sich
würdig an die altbekannten großen Schatzfunde der zweiten Gruppe, Nagy-Szent
Miklos, Szilägy-Somlyo und Petroasa an und nur der neueste russische Fund aus
dem Gouvernement Poltawä läßt nach Zeit, Kunstkreis und Wert den Vergleich
damit zu.
In Zypern sind kurz nacheinander sechs Meilen westlich von Kyrenia an der
Nordküste beim Kloster Achiropoitos zwei christliche Schatzfunde gemacht worden.
Der erste Schatz wurde einige Jahre vor 1900 gefunden und vom British Museum
erworben. Er bestand ausschließlich aus Silberstücken und zwar einem Bassin, einer
runden Flachschüssel, einem sechseckigen Räuchergefäß, alle drei mit Figuren, bzw.
einem Kreuz geschmückt und etwa 36 Löffeln mit Tier- und Blattornamenten. Dieser
erste Fund wurde veröffentlicht von Dalton (Archaeologia LVII), der meint, die Stücke
1) Vgl. trotzdem dazu den Stoßseufzer von Hampel, Byz. Zeitschrift XVII (1908) S. 649. Den besten
Überblick über alle Gebiete der Kleinkunst gewährt Dalton, Byzantine art and archaeology 1911, auf den
ich ein für allemal verweise.
II. Die Schatzfunde der Völkerwanderungszeit aus dem Osten.
4-
müßten nicht zu gleicher Zeit entstanden sein, gehörten aber einzeln oder als Ganzes
etwa der zweiten Hälfte des sechsten oder dem Anfang des siebenten Jahrhunderts an.
Ob Zypern als Entstehungsort in Betracht komme oder eine der Großstädte wie
Konstantinopel, Antiochia oder Alexandria, läßt er offen. Es sei leicht möglich,
daß der Schatz bis in neuere Zeit einer Kirche oder einem Kloster gehört habe und
gelegentlich einer Türkenverfolgung vergraben worden" sei.
Der zweite Schatz, eben der, dessen Hauptteil jetzt im Besitz von Pierpont Morgan
ist, wurde im Frühsommer 1902 gefunden. Auch da waren die großen Stücke aus
Silber gearbeitet: zwei glatte Schüsseln mit Kreuzen und neun Schüsseln mit der
Geschichte des David. Die kleineren Stücke aber bildeten einen reichen Schatz
von Schmucksachen in Gold und Edelstein. Ein Teil des Schatzes wurde von der
englischen Regierung mit Beschlag belegt; er befindet sich im Museum zu Nikosia
auf Zypern. Dieser Teil ist ebenfalls von Dalton (Archaeologia Bd. LX) veröffentlicht
worden unter gleichzeitiger Aufzählung der Stücke, die über Paris in den Besitz von
Morgan kamen. Sie sind summarisch besprochen von Dalton im Burlington Magazin X
(19067) und Sambon in der Zeitschrift „Le Musee" 1906. Ein dritter Teil kam in
den Besitz des Verfassers und ist im Oriens christianus 1915 veröffentlicht1. Die
größte der Silberschüsseln, von der ich ausgehe, ist erst nachträglich in den Besitz
von Morgan gelangt.
Tafel VI zeigt die Innenseite dieser 49,3 cm großen Schüssel. Wir sehen in
drei Streifen übereinander in der Mitte den Kampf zwischen David und Goliath,
oben die Herausforderung, unten die Tötung des Goliath. In der Hauptgruppe steht
der kleine David auf einem Hügel, Goliath in einer Senkung des durch punktierte
Blumen und ziselierte Strichfolgen in seiner Modellierung wirkungsvoller gemachten
Bodens. Die begleitenden Kriegerpaare zu beiden Seiten halten sich links ruhig zu-
sehend, rechts wie zurückweichend. Goliath stürmt, vom Rücken gesehen und gedeckt
durch den Löwenschild mit erhobener Lanze vor und trägt die gleiche Rüstung
wie die Begleitmannschaft, dazu Chlamys, hohen Helm mit Feder und Schnürstiefel,
die die Zehen frei lassen. Überall sieht man die Modellierung dieser Kriegertracht
durch Punkte und Striche ergänzt. In den Gesichtern erscheinen die Augen ohne
Rücksicht auf Vorder- oder Seitenansicht als Spitzovale, die schmalen Nasenrücken
gehen in einem Zuge in die Augenbogen über, der kleine Mund ist immer in den
Winkeln und der Unterlippe betont. Nur ein Kopf, der des vorderen Kriegers links,
weicht von dem gleichartig jugendlichen .Typus ab. Uns interessiert in erster Linie
David in der Mittelszene. Seine, wie bei den andern in übertrieben kräftiger Mus-
kulatur herausmodellierten Beine stehen fest auf wie Säulen. Er erhebt die Linke
abwehrend mit der Chlamys und schwingt die im Augenblick noch gesenkte Schleuder.
Er trägt ein kurzes, um die Hüften gegürtetes Gewand mit kurzen, weiten Ärmeln.
Das kurze krause Haar ist durch Strichlagen nachziseliert. Im Gesicht ist versucht,
zornigen Ausdruck zu geben.
Ich mache hier Halt und frage: verbindet diese Silberschüssel aus Zypern
künstlerisch irgend etwas mit dem auf Zypern hindeutenden Goldpokal der Städte-
avenna ah. Vorort aramäischer Kunst, S. 96 f.
Strzygowski, Altai, Iran u. Völkerwanderung
Tafel VI
. ..
J. C. Hinrichs, Leipzig
C. G. Röder G.m.b.H., Leipzig
New York, Sammlung Morgan : Silberteller mit David und Goliat.
Aus dem Funde von Kyrenia, Zypern.
i. Die in Zypern gemachten hellenistisch-syrischen Schatzfunde. 43
büsten aus Albanien? Auf den ersten Blick scheint der abgrundtiefe Gegensatz in
allen geistigen Qualitäten unüberbrückbar. Die Schüssel weckt die Empfindung der
unmittelbaren Nähe eines jedes Motiv auf seine Wirkung wohl abwägenden Geistes,
der selbst seelische Erregung auszudrücken vermag; im Gegensatz dazu die völlige
geistige und seelische Öde in den Städtebüsten des Pokals (Tafel III und Abb. 2 — 5),
uniforme Wiederholung, deren einziges Ziel die repräsentative Pose ist. Und doch
läßt sich, glaube ich, ganz deutlich zeigen, daß dem Goldschmied des Städtepokals
ein Original vorgelegen haben dürfte, das in der Art der Silberschüssel ausgeführt
war. Ich nehme hier also die oben S. 8/ geäußerte Möglichkeit auf, daß wir in dem
Goldpokal kein Original, sondern die Kopie nach einem solchen vor uns haben, das
in Zypern gearbeitet war — wahrscheinlich in Silber. Fürs erste ist die Tecknik
verwandt, das Unterstützen der getriebenen Modellierung durch Punkt und Strich-
nacharbeitung. Aber das ist schließlich eine in Arbeiten der Übergangszeit häufig
nachweisbare Arbeitsart1. Von keiner größeren Beweiskraft sind auch die an Augen,
Mund und Nase hervorgehobenen Züge verwandter Behandlung. Beachtenswerter
scheint mir die auffallende Übereinstimmung in der Behandlung des Gewandes bei
David und den Städtebüsten: ein flutender Faltenreichtum, der sich in zahlreiche
Linienzüge auflöst und besonders der geschweifte Kontur am erhobenen linken
Oberarm des David und am rechten Oberarm der vier Stadttychen. Das sind
formale Liebhabereien, die bei der hier durch den Fundort, dort durch die Inschrift
naheliegenden Zurückführung auf das gleiche Kunstzentrum immerhin geltend gemacht
werden können. Der Teller mit den drei Szenen der Davidlegende gehört nun —
man beachte die antike Lokalgottheit2 in der Szene oben unter der (syrischen Art
der) Himmelsangabe — dem V. — VI. Jahrhundert an und ist jedenfalls sicher älter
als der Goldpokal, so daß für diesen auch vom chronologischen Gesichtspunkt aus ein
zyprisches Original aus der Zeit der Schüssel durchaus möglich ist. So, meine ich,
stützen sich die beiden Denkmäler gegenseitig und wir können mit Wahrscheinlich-
keit eine Stätte der Silberschmiedekunst in Zypern annehmen. Vielleicht gehören
ihr in dem albanischen Schatze auch noch andere Stücke und zwar als Originalarbeit
z. B. der Silberkessel an. Die Geschichte der Edelmetallarbeit ist noch zu wenig
geklärt, als daß sich heute mehr als solche Vermutungen äußern ließen3.
Was für das eine oder andere Stück des albanischen Schatzes möglich erscheint,
bleibt für den Schatz als Ganzes außer Betracht, die Annahme nämlich, daß er, weil
ein Stück auf Zypern weist, etwa als Ganzes von dorther stammen könnte. Es gilt
dies vor allem für die Schmucksachen aus Gold. Trotzdem möchte ich hier auf
einige Stücke des zweiten auf Zypern gefundenen Morgan-Schatzes eingehen, weil
sie eine typische Gruppe vertreten, der gegenüber der albanische Schmuck erst recht
in seiner Eigenart zur Geltung kommt. Der wesentliche Unterschied liegt gleich in
dem Zweck, dem die beiden Serien von Schmuckstücken dienen: der albanische
1) Vgl. meinen Aufsatz „Der Silberschild von Kersch". Materialien zur Archäologie Rußlands Nr. 8
(Petersburg 1892).
2) Vgl. Oriens christianus N.S. V (19 15) S. 98.
3) Vgl. das im Erscheinen begriffene Werk von Marc Rosenberg, Geschichte der Goldschmiede-
kunst auf technischer Grundlage, igiof.
II. Die Schatzfunde der Yölkerwanderungszeit aus dem Osten.
Schatz weist ausschließlich Beschläge, Knöpfe und Schnallen für Riemenzeug auf,
der zyprische dagegen gehört jener in der Antike und in unserer Zeit üblichen Art
von Schmucksachen an, die um den Hals, im Ohr und am Arme getragen werden.
Das für die Datierung wichtigste Stück des kyprischen Fundes ist eine Halskette
mit Medaillons, von denen sich der größte Teil bei Morgan befindet und vier große
und zwölf kleine Kaiserdarstellungen zeigt, die in einen massiven, schräg ansteigenden
Rahmen mit granuliertem Rand gefaßt und untereinander durch zwei Ösen, in die
eine dritte eingreift, verbunden sind1. Diese Ehrenkette datiert den ganzen Fund;
sie weist eine Münze TheodosiusII. (408 — 450), vier Medaillons und neun Münzen des
Mauritius Tiberius (582—602) und zwei Münzen Konstans II. 1642 — 668) auf. Da sich
dazu noch eine einzelne Münze, die in Zypern zurückblieb, Konstantins IV. (668—685)
gesellt, so ist der Schatz wohl Ende des VII. Jahrhunderts in die Erde gekommen.
Die Entstehungszeit der Ehrenkette dürfte etwa 650 sein, die anderen Stücke könnten
z. T. bis auf die Zeit Theodosius IL zurückgehen. Ich gebe Tafel VII den Typus
der großen und der kleinen Art, um aufmerksam darauf zu machen, wie wesentlich
verschieden die Formengebung dieser Goldmedaillons von der des Davidtellers ist.
Dagegen stehen die Kaisermedaillons einem Stücke sehr nahe, das künstlerisch und
kunsthistorisch wichtiger als die Ehrenkette ist, dem Hauptstück eines zweiten
Halsschmuckes, der sich aus vier Stücken zusammensetzt, von denen eines in Zypern
zurückblieb, während die andern in den Besitz des Verfassers kamen -. Tafel VII
zeigt das 6,5 cm im Durchmesser große Medaillon von 108,17 g Gewicht. Dazu ge-
hören zwei biegsame Schlangenketten von je 32,5 cm Länge und 67,46 g Schwere
und ein im Museum zu Nicosia aufbewahrtes Verbindungsstück aus vier Kegelstutzen
mit je einem Ring an jedem Ende, der in die Doppelringe der Ketten paßt, und
einer Hülse unten in der Mitte, die zwischen die Doppelhülse auf dem Medaillon
eingreift. So haben wir hier ein vollständiges Enkolpion erhalten, dessen Medaillon
durch seine Darstellungen engeren Bezug auf die Mosaiken an den heiligen Stätten
bei Jerusalem, die Geburtsstätte Christi in Bethlehem und den Ort der Taufe am
Jordan nimmt3. Uns interessiert hier nur die künstlerische Qualität dieses in Gold
1) Abb. bei Dalton, Byzt art and archaeology S. 533 unten.
2) Sie wurden -am 22. Juni 1906 in Graz erworben. Ein Grieche aus Zypern brachte sie auf der
Durchreise und stellte einen Kaufbrief aus, der u. a. folgende, auf Verlangen aus dem Stegreif geschriebene
Stelle enthält: „Le dil medaiilon, Irouve ä Tendroit, oü £tait anciennement la ville Lamboussa (nach
Dalton Lapithos) ä l'ile de Chypre (province Cyrinia) represente d'un cote la naissance et de lautre le
bapteme de Jesus Christ. En meme temps dans le meme endroit et dans le meme pöt de terre cachete
ils ont trouve les sous dits obiets. 1. Un collier compose de 9 zaphires et 9 perles. 2. Une paire de
boucles d'oreille omees tout autour de perles et au milieu de pierres precieuses de couleur violette. 3. Une
ceinture en or composee de 18 petits medaillons, attaches Tun ä l'autre ä l'aide de petits crochets, avec
ligures diverses. 4. Deux croix en or: de la chaine de l'une pendaient une dizaine d'amphores en or, et
de l'autre divers ornements en espece de monnaies et caurs. 5. Une paire de bracelets en or avec tigures
de vigne et raisain. Les objets susmentionnes ont ete vendus ä Chypre ä un Francais il y a d'ici deux
ans, qui les a revendus ä un americaine pour la somme de quatre mille cinq cent Livres anglaises." Die
Daten, von einigen eiligen Gedäcbtnisfehlern abgesehen, stimmen genau auf die Schmuckstücke, die Morgan
in Paris erworben hat. *
3 Ich will hier weder auf die Ketten noch auf die Darstellungen von Geburt und Anbetung unter
ric der Muttergottes, noch auf die Taufdarstellung der Rückseite näher eingehen. Darüber aus-
führlich im Orient christianus N. S. V (1915) S. 96f.
trzygowski, Altai, Iran u. Völkerwanderung
Tafel VII
J. C. Hinrichs, Leipzig
C. G. Röder G-m.b.H, Leipzig
Wien, Privatbesitz : Großes Goldmedaillon mit Nachbildung des Fassaden-
mosaiks von Bethlehem und Taufe Christi.
New York, Sammlung Morgan : Teile einer Medaillonkette in Gold.
Beide aus dem Funde von Kvreni.i. Zvnern.
Strzygowski, Altai, Iran u. Völkerwanderung
Tafel VIII
§W
J. C. Hinricbs, Leipzig
C. G. Röder GjtU>.h, Leipzig
New York, Sammlung Morgan : Schmucksachen in Gold und Edelstein.
Aus dem Funde von Kyrenia, Zypern.
i. Die in Zypern gemachten hellenistisch-syrischen Schat/.funde. 45
gegossenen und als Erinnerung für fromme Pilger wahrscheinlich in Jerusalem zum
Verkauf gelangten Medaillons. Nach der Schwere des Materials und der Gußtechnik
nähert sich das Stück schon, vor allem durch seinen massiven, schräg geschnittenen
Rand, den Schmucksachen des albanischen Schatzfundes. Im Zweck aber ist es
vollständig verschieden. Es mag vielleicht von einem Bischof auf der Brust getragen
worden sein. Die Schlangenketten wahren noch durchaus griechische Überlieferung,
ebenso, wie die Gestalten nach Haltung und Gewändern, Komposition und dem auf*
Repräsentation und Belehrung losgehenden Inhalt durchaus im Fahrwasser der spät-
hellenistischen Bildsprache bleiben. Die griechischen Inschriften lassen denn auch
keinen Zweifel, daß es sich um Schöpfungen aus dem Gebiete des Mittelmeerkreises,
etwa der aramäischen Kunst des VI. — VII. Jahrhunderts handelt. Die Durchbildung
der Gestalten ist nur im allgemeinen wie auf den Kaisermedaillen mit sehr derben
Mitteln vorgenommen und nähert sich in der summarischen Art fast schon den
Figuren des Städtepokals. Nur freilich ist die Formensprache völlig verschieden,
wenigstens in der albanischen Kopie. Das zyprische Original des Pokals mag dem
Medaillon näher gestanden haben.
Eine zweite Gruppe von Schmucksachen aus diesem zweiten zyprischen Funde
sei hier in Tafel VIII vorgeführt1, weil sie stärker noch als die Medaillons die alte
hellenistische Art, von der sich die albanischen Schmucksachen so sehr unterscheiden,
erkennen lassen. Sie liebt es, das Edelmetall feingliedrig und leicht zu verarbeiten
im Gegensatz zum Orient, der das Schwere, Massige schätzt. Uns interessieren vor
allem die Ornamentmotive. Es sei gleich gesagt, daß der Morganschmuck mehr
die syrische Abart des Hellenismus wiedergibt. Das zeigt sich gleich in dem Grund-
motiv der beiden Halsketten, dem an seinen Enden eingerollten Halbkreis, den jedes
einzelne Glied bildet, einmal plastisch dünn im Schrägschnitt gegossen, das andere
Mal breit aus Blech in der Fläche zugeschnitten und durch Palmetten mit Komma-
schlitzen gefüllt. Ich habe über das Motiv Mschatta S. 277 fr. gehandelt. An diesen
Ketten hängen Kreuze mit Rosetten bzw. Palmettenfüllung, die auch an den An-
hängern der breiten Kette wiederkehren. Diese zeigt den orientalischen Geschmack
mehr vorgeschritten, während die dünnere Kette mit den Amphoren und auf-
gesteckten Hülsen in durchbrochener Arbeit noch mehr hellenistische Motive fest-
hält. Das Armband aus Edelsteinen mit der Vogelagraffe und der Ohrring mit seinen
Perlen vervollständigen den Eindruck.
Auch das Armband mit Weinrankenschmuck in durchbrochener Arbeit gibt
gut die typisch syrische Art. Die Platte vorn zeigt eine Fassung, wie sie auch, an
den Goldmedaillons, von denen die Rede war, beobachtet werden kann.
Damit schließe ich die kurze Betrachtung der zyprischen Funde und möchte
nur noch darauf aufmerksam machen, daß die Insel an und für sich von alters her
als reich an Metallen gilt und früh schon in der Toreutik eine Rolle gespielt hat.
Dalton freilich war geneigt, eher an Import zu denken. Er hat die nötigen Daten
aus der Geschichte der Insel in der Archaeologia LVII, S. 16 und im Burlington
Magazin X, S. 354 zusammengestellt. Für den jetzigen Bestand an Schmucksachen,
1) Von den Ketten ist nur die Hälfte gegeben.
tß II. Die Schatzfunde der Yölkerwanderungszeit aus dem Osten.
den die zyprische Volkskunst aufweist, vergleiche man Magda Ohnefalsch-Richter,
Griechische Sitten und Gebräuche auf Zypern 1913.
Die zyprischen Funde vertreten einen Kreis, der sich eng an den syrischen
Hellenismus anschließt, in den sich aber doch auch schon fremdartige Elemente, wie
die massiven Goldränder der Medaillons mit ihren Ornamenten i, dann der Schräm-
schnitt und die Kommaschlitze der Ketten eindrängen. In der Hauptsache aber ist
dieser Kunstkreis doch geschlossen in der Qualität, die wir im allgemeinen als die
späthellenistisch-syrische bezeichnen können. Unser Forschungsziel liegt in der vor-
liegenden Arbeit nicht in dieser Richtung. Ich wollte nur einen Maßstab schaffen,
an dem die Eigenart des hier in Betracht kommenden Materials zu messen sein wird.
Im allgemeinen kann mit Bezug auf das einleitend berührte Problem des
Weltverkehres gesagt werden, daß in der Goldschmiedekunst Zyperns bis zum
YII. Jahrhundert nicht viel von der Weltbewegung, die sich im Norden und Süden
abspielt, zu spüren ist. Was sich gegenüber dem Hellenismus durchringt, ist die
alte svrische Eigenart. Innerasiatisches kommt in dem von alters her festsreeründeten
Metallgewerbe der Insel nur als Einschlag zur Geltung.
2. Die frühorientalischen Schatzfunde aus der russischen und
Donautiefebene mit Stücken in Zellenverglasung.
Die zyprischen Schätze gehören durchaus dem Mittelmeerkreise an. Ihnen steht
gegenüber eine zweite Gruppe, die um den Xordrand des Schwarzen Meeres herum
zu gruppieren ist und sich in allen Qualitäten wesentlich unterscheidet von den Er-
zeugnissen des Mittelmeerkreises. Im Material fällt auf, daß man das Gold nicht
mehr nach griechischer Art dünn und leicht verarbeitet, sondern massig und
schwer. Dazu kommt eine Vorliebe für das Stehenlassen breiter Flächen und deren
farbige Belebung. Die plastische Durchmodellierung in Licht und Schatten tritt
vollständig zurück — soweit nicht mit den eigentlich charakteristischen Stücken dieser
Schätze ältere Handels- oder Erbware vermengt ist. Diese älteren Einschläge können
sowohl hellenistischer, wie sasanidischer Art sein. Darauf ist mein Augenmerk nicht
gerichtet; ich führe diese Elemente nur vor, um davon um so sicherer jene Art zu
trennen, die bisher gern damit vermengt wurde, deren klare Sonderung aber not-
wendig wird, sollen wir auf dem Gebiete des Ornaments ähnlich vorwärts kommen
wie in der Architekturgeschichte2.
Ich beschreibe zunächst kurz die einzelnen Schatzfunde und fasse dann erst
die bezeichnenden Merkmale ihres Grundstockes zusammen. Dabei muß ausdrücklich
bemerkt werden, daß ich nur die bekannten großen Funde aus Osteuropa heranziehe.
Das Gesamtmaterial findet man am besten bei Hampel zusammengestellt, freilich
nur soweit es ungarischem Boden entstammt3. Ich stelle einen Fund aus diesem
Land an die Spitze.
J. ein antikes Medaillon aus dem Kuban bei Tolstoi-Kondakov, Ruskij drevnosti II, S. 45.
2) Vgl. darüber zuletzt „Der Ursprung des trikonchen Kirchenbaues" Zeitschrift f. christl. Kunst 1916.
Utertümer de« frühen Mittelalters in Ungarn. Die Abbildungen vereinigt in Bd. III.
2. Die frühorientalisclien Schatzfunde aus der russischen und Donautiefebene. 47
A. Die beiden Schatzfunde von Szilägy Somlyo an der siebenbürgischen
Grenze. Der eine von 1797 befindet sich im Hofmuseum zu Wien und umfaßt die
berühmten 24 Goldmedaillons der Kaiser des IV. Jahrhunderts, dazu hellenistischen
Schmuck. Besondere Beachtung verdienen die schweren Goldfassungen der Kaiser-
medaillen. Sie sind mit denen aus Zypern zusammenzuhalten. Der zweite Fund
von 1890 befindet sich im Nationalmuseum zu Budapest und weist jene Prachtstücke
der Zellenverglasung auf, die kaum ihresgleichen haben. Der Schatz ist zusammen-
fassend behandelt von F. v. Pulszky, Die Goldfunde von S-S, Budapest 1890,
de Baye, Le tresor de S-S, Paris 1892, und Hampel a. a.O. Bd. II S. 15 ff. und III Tafel 14 f.
Es handelt sich, von einigen Schalen abgesehen, um Schmucksachen, die in Gold
gearbeitet oder, wenn der Kern Silber ist, mit Gold überzogen sind. Die prachtvolle
Wirkung der roten Almandine oder anderer Halbedelsteine und Emails auf dem Gold-
grunde zeigt, daß nur die Farben, erst in zweiter Linie die Gestalten entscheiden.
Als Beispiel gebe ich Abb. 53 1 zwei der großen Fibeln und mache gleich darauf
aufmerksam, daß dieses für eine bestimmte Gattung von Gewand bezeichnende
Schmuckstück im albanischen Schatze nicht vorkommt, damit also sofort das Merk-
mal zur Unterscheidung zweier Gruppen innerhalb der Funde aus dem russischen
und ungarischen Tieflande gegeben ist. Was die Fibel als Leitmotiv für die eine
Gruppe bedeutet, das sind für die andere die Schnalle, die Riemenzunge und die Be-
schläge auf Leder. Im übrigen beachte man an Abb. 53 die rein geometrischen
Formen der farbigen Zellen: Dreiecke, Vierecke, Rauten, Kreise, Mandelmotive u. dgh
Auch wenn Motive von Tieren oder Pflanzen verwendet sind, handelt es sich nie
um Darstellung, sondern immer um Dekoration.
B. Der 1837 in Rumänien gefundene Schatz von Petroasa im Museum zu
Bukarest. Er ist gleich nach der Auffindung halb zerstört worden, 12 Stücke ließen
sich wiederherstellen. Bearbeitet von Odobescu, Le Tresor de Petrossa, Bukarest 1889/90.
Ein Teil des Schatzes ist ausgesprochen hellenistischen Ursprunges, so die beiden
Oinochoen und die Patera mit den Göttergestalten. Dagegen sind alle die Stücke,
die auf farbige Wirkung durch Verbindung von Gold und Edelsteinen ausgehen, von
der seltsamsten Art, so die beiden Henkelkörbe mit Tiergriffen oder die verschiedenen
Fibeln und sonstigen Schmuckstücke. Ich greife als Beispiel Abb. 54 den einen der
beiden Henkelkörbe heraus. ■ Sie sind der farbigen Steine beraubt, nur der Gold-
körper ist übrig gebheben. Man sieht die massive Durchbrucharbeit des zwölfeckieen
Korbes mit seinem geometrischen Rosettenmuster und die beiden breit ausladenden
Henkel, zu denen schräg vom unteren Vertikalrande des Korbes ein Panther empor-
steigt. Vgl. dazu die von Supka aufgewiesene altarmenische Analogie, eine Bronze-
axt aus Wan 2. Auf den Henkeln Zellen für farbige Füllungen.
C. Ich gehe über diese beiden Schatzfunde, die seit langem bekannt sind, flüchtiger
hinweg, um mich länger bei einem so gut wie unveröffentlichen Fund aufzuhalten, dem
Poltawaschatze. Im Jahre 1912 wurde im südlichen Teil des Gouvernements Poltawa
in der Ukraine bei dem Dorfe Malaja-Pereschtschepinskaja ein Schatz gefunden, der
1) Nach Hampel III Tafel 23.
2) Arch. Ertesitö 1914, S. 29 des SA.
4s
H. Die Schatzfunde der Völkerwanderung«* aus dem Osten.
Abb. S3: SU-*- (Ungarn): Fibel. ^Süber»it Goldblecb überzogen
und mit Granaten in Zellen besetzt.
>. Die frühorientalischen Schatzfunde aus der russischen und Donautiefebene.
49
heute in der Ermitage zu Petersburg zu sehen ist und sich wie der albanische aus
Goldgefäßen, Silbergefäßen und Schmucksachen in Gold zusammensetzt. Es dürfte
daher angezeigt sein, ihn etwas ausführlicher zu besprechen. Ich kann das lediglich
auf Grund des Augenscheines und einer sehr flüchtigen, dazu unvollständigen Be-
schreibung von Sarjezky in den Trudy der Poltawer gelehrten Archiv-Kommission IX
(1912) tun. Bessere Abbildungen wollte ich in Petersburg nicht erbitten, weil die
archäologische Kommission gerade mit einer würdigen Publikation des Schatzes be-
schäftigt ist l.
a) Goldgefäße. Der Poltawaschatz weist nicht weniger als elf Pokale von der
Form auf, wie sie oben im albanischen Schatze zu dreien vorgeführt wurden. Dazu
kommen noch zehn andere in Silber. Sie sind ungefähr gleich hoch (etwas über
15 cm)2 und unterscheiden sich von den albanischen lediglich dadurch, daß der Fuß
Abb. 54: Bukarest, Nationalmuseum, Petroasa-Schatz: Zwölfeckiger Henkelkorb in Gold,
die Steine ausgebrochen. (Mach Odobescu, Taf. XII).
unten kürzer, die Schale selbst oben" höher ist. Das geschieht durch Hinweglassen
des hohen konischen Unterteils einerseits und Ansetzen eines glatten kelchförmig
ausbauchenden Randes oben. Die Kugel, in der sich ein beweglicher Gegenstand
befindet, sitzt unmittelbar über dem breiten Trichterfuß. Die Schale baucht nicht
halbrund aus, sondern steigt glockenförmig an. Die Ornamente beschränken sich
auf die gleiche Zone wie an den albanischen Pokalen, d. h. auf den unteren Teil der
Ausbauchung, und zeigen bald eine muschelartige Umfassung, bald einen Palmetten-
streifen, bald Edelsteinfassung. Den oberen Rand des Ornamentes bildet entweder
ein einfacher Wulst oder ein Bandornament. Ich gebe hier den Pokal mit dem
Palmettenstreifen wieder (Abb. 55.) Wir sehen Stäbe mit herzförmiger Spitze, ein-
mal glatt aufsteigend, das andere Mal begleitet von drei Paaren von Palmettenlappen,
1) Während des Druckes finde ich bei Dr. Arne in Stockholm diese inzwischen erschienene amt-
liche Publikation des Grafen Bobrinsky „Pereschtschepinski klad" in den Materialien zur Archäologie
Rußlands (russ.) Bd. 84 (1914) S. in — 120 und Taf. I— XVI. Sie wird dem Schatze nicht gerecht und
der Wunsch nach einer monographisch erschöpfenden kunsthist. Publikation dadurch erst recht geweckt,
2) Vier goldene Pokale abgebildet bei Sarjezky S. 19.
Strzygowski, Altai. ±
50
II. Die Schatzfunde der Völkerwanderungszeit aus dem Osten.
von denen die beiden oberen sich ausbauchend mit eingerollter Spitze aufrichten,
das dritte, unterste Paar sich nach unten einrollt und ein Band zum nächsten Stamm
entsendet.
Von den übrigen Goldgefäßen ist eine Schale mit den Schalen 5 — 7 Abb. 89 im
albanischen Schatz zu vergleichen. Auch sie ist halbrund und ohne jeden Schmuck
massiv aus Gold gearbeitet mit 21 2 YVerschok Durchmesser (11,11 cm) und 56 Solotnik
Gewicht (238,56 g). Sie ist also kleiner und leichter als jede der Schalen aus
Albanien. Der Hauptunterschied liegt im Mangel eines Griffes.
Die übrigen Goldgefäße des Poltawaschatzes zeigen ganz typisch persische
Formen, so Sarjezky Nr. 25 die oblonge Palmettenschüssel und Xr. 29 die hohe,
schlanke Kanne, die, in einem flachen Spitz-
oval aufsteigend, nach einerSeite den schnabel-
förmigen Ausguß, nach der andern den Henkel
in Fragezeichenform ansetzt. Für beide halte
man sich an das schöne Vergleichsmaterial
bei Smirnov, Östliches Silber, Tafel XLI, wo
Schale, Schüssel und Kanne nebeneinander in
den bezeichnenden Formen abgebildet sind,
und zum Einzelvergleich an Tafel XLIV — LI.
b) Siibergefäße. Es ist eigentlich nichts
an Silbergefäßen im Polta waschatze, das sich
unmittelbar mit den Silbersachen des alba-
nischen Schatzes vergleichen ließe. Beide
Gruppen sind aber jedenfalls in gleicher Weise
zusammengewürfelt. Wie der albanische Schatz
seine Silber-Zimelie in dem Rautenkessel hat,
so der Poltawaschatz in zwei Stücken, die
hier besprochen werden müssen, weil sie
ohne die Möglichkeit einer Widerrede zwei
der Pole bezeichnen, zwischen denen die
Schätze der frühen Völkerwanderungszeit sich im Osten bewegen, d. h. dem
griechischen Mittelmeer und dem sasanidischen Persien.
Die Mittelmeerkunst ist vertreten durch eine große Flachschüssel (Abb. 56) von
60 cm Durchmesser, deren Rand teilweise zerstört ist. Der innere Boden zeigt in
der Art der Buchbehälter aus dem Silberschatz von Luksor l vergoldet das Christus-
monogramm mit A und CJÜ auf glattem Grunde, ringsum eine Inschrift, dort griechisch,
hier lateinisch: „EX AXTIQUIS REXOVATUM EST PER PATERXUM REVE-
RENTIS .... EPIS .... XOSTRUM AMEX". Eine glatte Schräge vermittelt dann zu dem
ebenen Außenrand, der zwischen zwei Lorbeerwülsten eine Weinranke zeigt, die in
den Achsen von vier in Kreise eingefügten Kreuzen unterbrochen wird. Während die
gleicharmigen Kreuze aus Zellen bestehen, ist die Ranke in Relief gearbeitet und
ähnlich gefüllt, wie das Rautennetz unseres Silberkessels. Es folgen sich Krug,
1 Vgl. meine Koptische Kunst S. 341 f. (Catalogue gen. des anticjuites egypt. du Musec du Caire
Nr. 7202 und 7203.)
Abb. 55: Petersburg, Ermitage, Poltawa-
schatz: Goldpokal.
2. Die frühorientalischen Schatzfunde aus der russischen und Donautiefebene.
51
Lamm, Eidechse, Pfau, Perlhuhn, ein Vogel mit erhobenen Flügeln, Korb, Vogel
mit Traube, Hirsch, Fasan usf. dazwischen wiederholt Blatt und Traube, im Grunde
punktiert Winden. Smirnov ist geneigt, die Persönlichkeit des Bischofs Paternus mit
einem Erzbischof von Tomi gleichen Namens zu identifizieren, der aus dem Ende
des V. Jahrhunderts bekannt ist '. — Im Gegensatz zu dieser bischöflichen Schüssel
aus dem Mittelmeerkreise ist der persische Einschlag unter den Silbersachen des
Poltawaschatzes unwiderleglich vertreten durch eine fragmentierte Silberschüssef
(Sarjezky Nr. 8), die den sasanidischen König zu Pferd auf der Jagd nach rechts
hin sprengend darstellt, wie er den Bogen gespannt hält. Vom Jagdwild sind noch
zwei Steinböcke erhalten. Es ist also ein Typus vorauszusetzen, wie er am besten
durch die Schüssel der Bibliotheque nationale (Smirnov Tafel XXXI) vertreten ist,
die ich in Abb. 57 gebe. Dargestellt ist nach der Krone wohl Peroz (459—486).
Abb. 56: Petersburg, Ermitage, Poltawaschatz : Silberschüssel des Paternus.
Diese beiden Schüsseln, die hellenistisch-christliche und die persische, umfassen
aber noch nicht den ganzen Umkreis der Kunstströme, die für den Forscher auf
dem Gebiete der Kunst des Überganges vom Altertum zum Mittelalter in Betracht
kommen. Das war bisher unser Glaube, falls man neben dem Hellenistischen das
Sasanidische überhaupt als selbständig zuließ.
c) Schmucksachen. Die Schmucksachen des Poltawaschatzes sind in der Be-
schreibung von Sarjezky fast ganz übergangen, besonders fehlt jede Abbildung der
ausschlaggebenden Gattung vom Typus der Verroterie cloisonnee. In ihrem Vor-
handensein liegt aber ein tiefgreifender Unterschied dem albanischen Schatze gegen-
über vor, der diese Technik nicht kennt. Im übrigen stimmen beide Serien darin
überein, daß der Schmuck nicht den hellenistischen Zweck als Hals- oder Arm-
geschmeide, auch nicht den der Schmucksachen von Szilägy-Szomlyo oder Petroasa
i) Vgl. dazu Pharmakowsky und Benischjewitz in den ]zvjestija der kais. arch. Kommission Bd. 49
S. ioif., wo auch die griechischen Stempel der Rückseite mit den Namen Zenophilos und Menas und
ein lateinischer Rundstempel D[ominus] N[oster] Anastasius P[ius] Aug[ustus] besprochen ist.
$2
II. Die Schatzfunde der Völkenvanderungszeit aus dem Osten.
hat, d.h. als Fibel, sondern wie in Albanien Riemenenden, Schnallen und Beschläge
aufweist, das meiste in schwerem Gold. Ich beschreibe ganz kurz.
Das Hauptstück ist der Zweckbestimmung nach außergewöhnlich '. Abb. 58 zeigt
eine von zwei flachgetriebenen Goldplatten, Gegenstücke, die durch Löcher am Rande
Abb. 57 : Paris, Bibl. nat.: Sasanidische Silberschüssel.
als Belagstücke gekennzeichnet sind. Ich habe mir auch da eine genauere Aufnahme
versagt, um der amtlichen Veröffentlichung nicht vorzugreifen. Jetzt durch den Krieg
ist alle Arbeit derart durcheinandergeworfen, daß ich wenigstens die Skizze, die ich
ohne Maßangabe machte, bringen muß. Man sieht ein Wangenblech, das oben in
einen horizontalen Streifen übergeht. Der Außenrand ist mit kleinen Quadraten in
1) Die amüiche Publikation siebt darin Sattelstücke.
2. Die frühorientalischen Schatzfunde aus der russischen und Donautiefebene.
53
doppelter Reihe, das Innenfeld ganz mit Palmettenranken in einer Art gefüllt, die
deutlich verrät, daß die Lappen ganz nach Belieben in eine flächenfüllende Form
gestreckt wurden. Zunächst sind oben in dem wagrechten Teil zwei herzförmige
Motive hintereinander gelegt. Dann erst an der Ecke beginnt die Ranke, zunächst
mit zwei Lappen, von denen sich der eine aufbäumt und am Ende eine Nase ansetzt,
der andere Glockenform hat. In der ersten Einrollung der Ranke sitzt ein Kreis-
lappen und ein länglicher Lappen, ähnlich dem ersten, der sich aufbäumt, nur mehr
wie ein flatterndes Band behandelt. Dieser Typus kommt nun rein zur Geltung in
der folgenden Einrollung, wo über dem Kreislappen zwei fast ganz zu flatternden
Bändern umgebildete Palmettenlappen die Fläche füllen. Die dritte Einrollung, nach
innen gerichtet, zeigt ganz neue Formen: über dem Kreislappen bäumt sich zunächst
einer ähnlich auf wie auf dem Goldpokal Abb. 55 und entsendet ein ganz selbständig
flatterndes'JBand. Damit ist das Prinzip der arabesken Bildung eingeschlagen. Der
Abb. 5S: Petersburg, Ermitage, Poltawa- Schatz: Wangenblech in Gold (Skizze).
zweite Lappen dieser Einrollung bäumt sich zu kugelförmigem. Ende mit spitzer
Nase auf. Die letzte Einrollung zeigt das gleiche Motiv, nur in die Länge gestreckt,
und dazu zwei kleinere flatternde Bänder, eines fragezeichenartig ohne Zusammen-
hang mit dem Ranken stil am Rande ansetzend. Ob diese Wangenbleche farbig
gefüllt waren, kann ich nicht sagen.
Neben diesem für unsere Bearbeitung des albanischen Schatzes wichtigsten Stücke
sind von den herrlichen Schmuckstücken des Poltawaschatzes noch zu nennen: eine große
schwere Goldschnalle mit viereckigem Bruststück, das sich der Schnalle gegenüber
zusammenzieht und in ein kreisrundes, großes Ende übergeht; der Rand ist mehr-
streifig wie an den Medaillons in Zypern. Dann zwei Riemenenden in schwerem Gold,
außen von Kugeln umrahmt, im Felde mit Zellen in Form halbrunder Schuppen
mit dunkler Füllung. Dann ein Riemenende mit einem gleichschenkligen Kreuz-
Medaillon in der Mitte von rautengeschmückten Längsstreifen, die wie das Kreuz
granuliert sind. Endlich eine dritte Riemenschnalle in Gold und grün emailliert
mit einem Muster ohne Ende aus Kreisen von axialen Linien durchsetzt sowohl im
oberen Felde wie an den hohen Vertikalrändern. Diese drei Riemenbeschläge enden
-i II. Die Schatzfunde der Volker« anderungszeit aus dem Osten.
halbrund. Eine weitere Goldplatte mit drei Befestigungslöchern endet spitzbogig und
zeigt auf breitem Grund in Relief Palmettenschmuck von wenig Eigenart. Dann
sind noch drei kleinere Schnallen da, eine in Silber, die beiden andern in Gold, von
denen die eine besonders schwer ein Brustschild in Lyraform mit dicken Randkugeln,
die Schließe mit stumpfen Kegelansätzen zeigt, beide Teile mit Edelsteinen in Zellen
geschmückt.
Das wertvollste Stück bleiben die Goldplatten mit „Palmetten"-Ornamenten. Die
herzförmigen Motive doppelt aneinandergerückt finden sich auch auf der recht-
eckigen Hülse Xr. 25, nur anders gelegt (Abb. 44). Die Füllung der Hauptflächen
mit Halbpalmetten in Rankenanordnung ist auch im albanischen Schatze Prinzip.
Dabei entstehen hier wie dort ähnliche, wenn auch nicht genau die gleichen Keim-
und Wucherformen. Sie sind an den Blechen des Poltawaschatzes weitgehender,
weil eben verhältnismäßig größere Flächen zu füllen waren. Immerhin ist deutlich
das Kreisblatt am Ansatz der Halbpalmetten da, wenn auch der ausgestochene Punkt
fehlt. Schnalle 16 (Abb. 30) des albanischen Schatzes gibt gut das Gegenbeispiel.
Die kolbenartigen Verdickungen an dem Riemenende Nr. 26 haben hier mehr den
Verdickungen des runden Schmuckstückes Xr. 25 Platz gemacht, wenn sich diese
auch hier mehr auf die Lappen als dort auf den Stil beziehen. Ich sehe im
Prinzip durchaus die gleiche Absicht am Werk, die Ranke mit Kreislappen-Ansatz
auf allerlei Art phantasievoll zur Flächenfüllung auszunutzen. Auch die Zuspitzung
der Bogen im Kontur der Stücke kommt im Poltawaschatze, wenn auch nicht so
regelmäßig als in dem aus Albanien vor, wie denn überhaupt die Einheitlichkeit
in der Ornamentik der Schmuckstücke des albanischen Schatzes gerade denen des
Poltawaschatzes gegenüber deutlich zutage tritt. Man erkennt erst jetzt, daß sie nicht
ihresgleichen hat — außer etwa in den ungarischen Bronzen. Die beiden Wangen-
bleche des Poltawaschatzes kann man daher diesen beiden Gruppen (Albanien-Ungarn)
nur mit Vorsicht anschließen. Im übrigen haben wir auf den Schmucksachen des
Poltawaschatzes einen Mischstil vor uns, dem gegenüber die Einheit der albanischen
und ungarischen Sachen doppelt auffällt
3. Der Schatz von Nagy-Szent-Miklos.
Der Schatz von Nagy-Szent-Miklos im Kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien
ist 1799 im südlichen Ungarn gefunden. Er besteht aus 23 Goldgefäßen und ist
von Hampel, Der Goldfund von Nagy-Szent-Miklos, Budapest 18S5 ausführlich behandelt
worden (vgl. dessen Altertümer I S. 643 f., II S. 401 f. und III Tafel 288 f.). In ihm
fehlen Stücke mit Zellenverglasung; nur das Hörn ( Hampel Nr. 17) macht eine Ausnahme.
Trotzdem verzichtet auch dieser Schatzfund nicht auf die farbige Belebung seiner
Goldflächen, die freilich hier in einer Weise mit ihrem Goldglanz den Ausschlag
geben, wie es auf den Goldsachen mit Zellenverglasung nie vorkommt. Die
farbige Wirkung wird lediglich durch Punkte oder Striche erzielt, die entweder
einzeln, oder in irgend welchen Gruppierungen in die Goldfläche einziseliert erscheinen
und mit einer farbigen Masse gefüllt waren. Diese ist leider ebenso wie die Emaillierung
des Grundes einzelner Stücke ausgebrochen, so daß heute nur noch das durch die
3. Der Schatz von Nagy-Szent-Miklos. 55
Punkte und Striche gerauhte Gold für sich allein wirkt. Wir haben es also schon
nach diesem technisch und formal sehr bedeutenden Unterschiede mit einer Gruppe
zu tun, die durchaus nicht mit den Schatzfunden in Zellenverglasung zusammenge-
worfen werden darf. Noch größer. sind die Gegensätze gegenüber dieser und der
hellenistischen Gruppe in anderen Richtungen. Daß in dem Schatze alle Schmuck-
stücke fehlen, wird wohl eher auf einen Zufall zurückzuführen sein. Die Funde von
Presztovacz bieten dafür einigermaßen Ersatz (Hampel I S. 657 f.); sie belegen, daß
der Miklos-Schatz wie der albanische zusammen mit Schnallen und Riemenbeschlägen,
nicht etwa mit Fibeln oder gar hellenistischen Schmucksachen zu denken ist. Aber
auch die Gefäße sind von anderer Form als in der hellenistischen und der Gruppe
mit Zellenverglasung. Sie nähern sich denen in den Schatzfunden aus Albanien und
Poltawa. Dort waren es Pokale in der Art unserer Speisekelche. Davon findet sich im
Schatze von Nagy-Szent-Miklos nur ein Beispiel, ein Paar gleicher Pokale (Hampel
Nr.22/3, S. 47, bzw. III Tafel 317). Im übrigen weist der Schatz sieben Krüge -oder
besser Flaschen auf, die ebensowenig zu tun haben mit den hellenistischen Oinochoen
im Schatz von Petroasa wie mit den z. T. hellenistischen, z. T. sasanidischen Krügen
des Poltawaschatzes. Am ehesten ließe sich damit der byzantinische Silberkrug im
albanischen Schatze vergleichen. Bei ihnen 'allen sitzt (ein Beispiel Abb. 59) über dem
Rinefuß ein breit ausladender Bauch, der mit einem stark vortretenden Wulst über-
geht in einen langen schmalen Hals. Dieser erweitert sich zumeist nach oben und
ist oder war durch einen S-förmigen Henkel mit dem Bauche verbunden. Wenn
also auch die Grundform der des Silberkruges im albanischen Schatze verwandt ist
(Abb. 19), so bestehen doch sehr wesentliche Unterschiede.
Die entschiedenste Sonderstellung gegenüber den syrisch-hellenistischen und
den Schätzen mit Zellenverglasung nimmt der Schatz von Nagy-S.-Miklos ein im
Hinblick auf die Gestalten seines reichen Reliefschmuckes. Denn die farbigen
Flächen, von denen die Rede war, haben nicht rein dekorativen Charakter allein wie
auf den Stücken mit Zellenverglasung, sondern kennzeichnen soweit dabei figürliche
Darstellungen in Betracht kommen, zugleich den Stoff. So vor allem an den
Füllungen der Medaillons zweier Krüge, die wohl die bekanntesten des ganzen Schatzes
sind, des Kruges mit dem „Zangenornament" und des fast noch reicheren mit der
Reiherlandschaft. Bevor ich auf sie eingehe, sei über die übrigen fünf Krüge gesagt,
daß drei von ihnen, der größte, ein zweiter mit glattem Bauch und ein dritter mit
ausgehöhltem Bogenmäander sich nahe stehen dadurch, daß zwischen Hals und Bauch
ein Wulst mit Rosetten aus Spitzovalen eingeschoben ist, wovon seltsame Gehänge
herabfallen, zweimal mit doppeltem Rand. Ich gebe als Unterlage für die später er-
folgende Herleitung des Motivs eine Aufnahme des Mäanderkruges (Abb. 59). Die hohe
Qualität in Ausnutzung der Glanzlichter hat kaum ihresgleichen. Die Wirkung wird
noch erhöht durch die Rauhung des Grundes um die T- förmigen Palmettenbäume
am vierfach gebuckelten Ausfluß, durch die Kannelierung des Halses und die Fie-
derung des äußeren Gehängerandes an der Schulter. Ein weiteres Paar von Krügen
zeigt wieder den Wellenmäander, hier aber aus Kettengliedern bestehend, die an
der engsten Stelle verbunden sind. Das dadurch entstehende Feld ist mit je einem
Schilde gefüllt, der ein farbiges Streumuster aus Kreuzen aufweist (Hampel Nr. 3/4.).
r(5 II. Die Schatzfunde der Yölkerwanderungszeit aus dem Osten.
Der Krug mit der Reiherlandschaft hat wohl gerade wegen dieser Darstellung l
immer verführt, den Schatz nahe mit der hellenistischen Kunst des Mittelmeeres zu-
sammenzubringen. Wie wenig er damit zu tun hat, zeigen die figürlichen Darstellungen,
die ich an der Hand des Kruges mit dem Zangenmuster durchsprechen möchte (Abb. 60),
weil sie sich darauf, durch andere vermehrt, wiederholen. Der Krug läßt sich in einem
Abb. 59: Wien, Hofmuseum: Schatz von Nagy-Szent Miklos, Goldkrug.
Motiv vergleichen mit dem iranischen Pokal aus Albanien (Tafel I), darin nämlich, daß
auch hier der Bauch mit verschlungenen Rundfeldern, dort acht, hier vier überzogen ist.
Wie aber auf dem Kruge mit dem Zangenornament das Motiv zu prachtvoller Wirkung
gebracht ist, das erinnert stark an die ältesten persischen Seidenstoffe, die Unkundige
jetzt für alexandrinisch ausgeben wollen '-. Davon unten. Die tonige Wirkung des
l) Vgl. dazu Supka, Motivenwanderung im frühen Mittelalter (Arch. Ertesitö 1914).
VgL Falke, Kunstgeschichte der Seidenweberei I S. 55, vgl. dazu Osterreichische Monatsschrift für
den Orient XL (1914) S. 77 f.
3. Der Schatz von Nagy-Szent-Miklos.
57
Goldglanzes ist gesteigert durch zwei Reihen übereinandergeschobener Scheiben, die
außen begleitet werden von Kugelreihen. Wo die Kreise sich verknoten, eine Kreis-
punktfüllung. Nimmt man zu diesem ornamentalen Hauptmotiv den Schmuck der
Zwickel un d das Zangenörnament — von beiden wird später zu reden sein — , so kommen
die Randornamente des Halses _
kaum noch in Betracht. Und
doch verdienen sie besondere
Beachtung, weil das untere, auf
dem Wulst, freilich mit schönen
Glanzflächen plastisch zur Gel-
tung gebracht, halbiert an dem
elend eingeritzten Mittelstreifen
des albanischen Silberkruges
(Abb. 19) wiederkehrt, während
das andere Ornament oben am
flachen Rande eine Ranke mit
Halbpalmetten auf gerauhtem
Grunde, also das Motiv zeigt,
das auch auf den Goldsachen
des albanischen Schatzes vor-
kommt. Auch fallen an der
Ranke die schräg geschnittenen
Glanzflächen auf und die fast
als Kreislappen wirkenden kleine-
ren Lappen der Palmette.
Die figürlichen Darstell-
ungen der vier Kreise gehören
wohl zum Fremdartigsten, was
wir in dieser Art besitzen. Das
eine Feld (Abb. 6d) zeigt einen
Panzerreiter, der einen Gefange-
nen an den Haaren neben sich
herführt und eine Lanze mit an-
gehängtem Fähnlein geschultert
hält. Man muß damit den ara-
mäisch-koptischen Reiterheiligen
vergleichen l, um sich des
Gegensatzes der Art des
Nagy-S.-Miklos- Reiters zum Vorderasiatischen bewußt zu werden. Ich füge dem
Material, das ich darüber anderwärts veröffentlicht habe2, hier Abb. 61 ein neues
Stück an, das ich 1912 in Luxor bei Todrus erworben habe. Es dürfte der Schirm
Abb. 60:
Wien, Hofmuseum, Schatz von Nagy-Szent-Miklos:
Goldkrug mit Zangenornament.
1) Zeitschrift für ägypt Sprache XL (1909) S. 49 f.
2) Vgl. auch Hellenistische und Koptische Kunst in Alexandria S. 21 f. und Der Dom zu Aachen S. 6 f.
IL
Die Schatzfunde der Völkerwanderungszeit aus dem Osten.
' T*
einer Tonlampe sein und hat 6,5 cm Durchmesser. Man sieht den Reiterheiligen
mit dem Nimbus, den Oberkörper repräsentativ in die Vorderansicht drehend, nach
rechts hin reiten und mit der Lanze quer nach einer Schlange stoßen. Das eng-
ärmlige Gewand ist quer über den Leib gezogen, die Füße nackt. Neben ihm links
oben eine Inschrift, die bisher (trotz der Bemühungen von Berchem, Crum, Sir
Thompson, Reich u. a.) niemand zu lesen vermochte. Wünsch, der das Rätsel viel-
leicht hätte lösen können, ist leider gefallen.
Sucht man nach Analogien für die Sonderart des Reiters auf dem Krug- von Na^v-
Szent-Miklos, so finden sie sich auf jenen großen Bronzekesseln, die in allen asiatischen
Sammlungen vorkommen, mit denen aber niemand etwas Rechtes anzufangen weiß,
weil sie der Inschriften entbehren. Ich sah zuletzt einen im Museum zu Etschmiadzin
^ (aus dem Kloster Hagarzin) ohne jeden
Schmuck außer Löwenköpfen über den
drei Füßen, die in Hufe endigen. Bezeich-
nend für den 0,825 m hohen Kessel ist,
daß die 0,77 m breite obere Öffnung einen
breiten flachen Rand hat, der in den Achsen
vier Ansätze von dreieckiger Form zeigt.
Ein anderes Exemplar, aber reich ge-
schmückt, befand sich auf der Exposition
des arts musulmans 1903 in Paris (Nr. 84
des Kataloges) und ist von Martin, Ahistory
of oriental carpets S. 261 abgebildet mit
der Unterschrift „from Upper Mesopotamia
or Armenia, decorated with man of
mongolian type, about I2O0". Das ist
natürlich alles ebenso Konjektur wie die
Datierung auf das XIII. Jahrhundert, die
man in Etschmiadzin nennt. Andere
in den Museen zu Petersburg, im kau-
Abb. 61
Wien, Privatbesitz, Lampenschirm in
Ton: Reiterheiliger.
Kessel dieser reichen Art findet man
kasischen Museum zu Tifljs u. a. O.
Ich gebe Abb. 62 u. 63 ein Exemplar, das von Gräfin Uwarov im 5. Bande von Radde
„Die Samrhlungen des kaukasischen Museums" Nr. 132, Tafel XIII vorgeführt wird.
Der Kupferkessel ist 0,48 m hoch und ruht auf drei Füßen, denen drei Ösen zum
Aufhängen entsprechen; am oberen flachen Rande die vier Dreieckansätze. Radde
brachte ihn 1885 aus dem Dagestan von den Quellen des awarischen Koissu aus
dem Aul Sumada. Man sieht (Abb. 62) in der Mitte des Bauches eine geometrische Ranke
mit Halbpalmetten. Eine solche füllt auch die Mandelmotive zwischen den vier Reitern,
die auf der oberen Hälfte des Kessels erscheinen, und ebenso den Oberrand (Abb. 63),
dessen Ansätze mit Löwenpaaren gefüllt sind, die sich ebenfalls in die geometrische
Ranke auflösen. Es ist eine strenge Einheitlichkeit in dem Ornament, das wie auf
dem Kruge von Nagy-Szent-Miklos seine besondere Färbung in dem Nebeneinander
mit den Reitern bekommt. Der Katalog beschreibt diese: auf Mauleseln mit schönen
Schabracken, Sätteln und Steigbügeln, in langfaltigem gegürtetem Kaftan, mit spitz-
3. Der Schatz von Nagy-Szcnt-Miklos. 59
konischem Helm, das Haar bis auf die Schultern, der Bart spitz, Fußzeug ebenfalls
spitz. Zwei halten ein langes, nicht ganz gerades Schwert, die andern Beilchen.
Grafin Uwarov nennt die Form des Kessels sasanidisch und von echtem Sasanidentypus
auch die am Bauche angeschraubten Tiger. Auch ein Exemplar im Stieglitzmuseum,
das ich aus Durchreibungen von Direktor Heger vor mir habe, wird dort als sasa-
nidisch bezeichnet. Es stimmt auffallend mit dem von Martin veröffentlichten
Exemplar überein. Ich möchte mich bei der Gruppe nicht aufhalten, sie verdient
eine monographische Bearbeitung1. Mich berührt hier nur die Verwandtschaft mit
r
1
Abb. 62: Tiflis, Kaukasisches Museum: Bronzekessel, Seitenansicht.
dem Kruge von Nagy-Szent-Miklos. Man möchte glauben, daß die Stücke, die nach
ihren Fundorten auf den Kaukasus und die Steppe weisen, vielleicht bezeichnende
Beispiele einer ursprünglichen Nomadenkunst sind.
Eine andere Seite des Kruges, Abb. 64, zeigt den Abb. 57 gegebenen Bogenschützen
jedoch auf einem Fabeltier. Dieses geflügelte Tier mit Menschenkopf wendet sich
mit dem Reiter nach links; dieser kehrt sich um, nach einem aufspringenden Lö-
wen (?) schießend. So ist die Kreisfläche auf das glücklichste gefüllt. Die Szene
selbst erinnert freilich sehr an sasanidische Jagdstoffe und Silberschüsseln, von denen
bereits oben S. 51 die Rede war. Auf ihnen kann die Handlung, das Reiten und
Schießen, in einer Richtung sowohl wie in der Spaltung der Bewegung nach zwei
Seiten hin ähnlich unserem Kruge beobachtet werden. Neu ist nur, daß statt des
Pferdes ein Flügeltier mit Menschenkopf in der Art altmesopotamischer Torwächter
verwendet ist und die beiden Menschenköpfe seltsame Kopfbedeckungen tragen.
1) Ich wäre dankbar für Zusendung weiteren Materials, das meine bisherigen Sammlungen ergänzen
könnte. Vorläufig muß ich besonders Direktor Heger danken für den Hinweis auf Radde.
6o
II. Die Schatzfunde der Völkerwanderungszeit aus dem Osten.
Diese Darstellungen wiederholen sich auf den Schmalseiten des zweiten Kruges mit der
Reiherlandschaft ,Abb.Ö5), wo das Tier mit Menschenkopf und der Reiter in lebhafter
Bewegung gegeben sind < Hampel S. 245, Altertümer III Tafel 301 2 ). Die Kopf-
bedeckung wechselt. Ob wir es also auf dem Krug mit Zangenornament mit einer
Darstellung des Bestellers, eines Fürsten, in der Art der in den Pranidhiszenen von
Bäzäklik gemalten zu tun haben ', bleibe dahingestellt. Auf dem Kruge mit der
Reiherlandschaft ist das Motiv jedenfalls rein dekorativ verwendet. Meine Aufnahme
gibt nur eine Schmalseite des Kruges. Man sieht oben den stehenden Reiher oder
Storch neben den bekannten schreitenden zwischen Lotos, dann den Rosettenwulst
mit dem Gehänge darunter.
Auf dem Bauche zwischen
den mit eigenartig ge-
sprengten Palmetten um-
rahmten beiden Kreisen der
flachen Seiten zweimal den
Reiter auf dem Flügeltier
übereinander, zusammenge-
faßt durch Zweige, die sich
unten verschränken, hinter
den Reitergruppen empor-
steigen und gefiederte Blätter,
ansetzen. Man vergleiche
für diese Art doch einmal
die Paare von Rebstämmen,
die man in einzelnen Feldern
der Mschattafassade sieht2,
und beachte, daß auch das
Tier mit dem Menschenkopf
dort im ersten Felde auftritt 3.
Ich komme auf diese dem
Parteiischen nahestehende
Fassade noch zurück, möchte
nur gleich hier anregen, sie vergleichend im Auge zu behalten. Der Krug mit
Reiherlandschaft schließt unten nach einer Einziehung mit einem steil profilierten
Fuß, an dem das Ornament, eine Bogenfolge mit dreilappigen Aufsätzen, wie sie
auch als Füllung der gesprengten Palmetten in den Rändern der Kreise am Bauche
auftreten, lediglich geritzt ist. Dieser Wechsel der Technik verdient Beachtung.
Das dritte Feld des Kruges mit dem Zangenornament zeigt einen heraldisch
dargestellten Adler, mit einer nackten Menschengestalt in den Fängen, die eine Schale
zu seinem Schnabel emporhebt4. Daß es nicht Ganymed sein kann, bezeugt die
Abb. 63: Tiflis, Kaukasisches Museum: Bronzekessel, Aufsicht.
1 Wie Supka (Üsterr. Monatshefte für den Orient XLI S. 81) meint. Vgl. Le Coq, Chotscho Tafel 28f.
' Ischatta Taf. VIII und S. 303^
31 a. a. O. Taf. IX.
let bei Hampel, Der Goldfund S. 12, Altertümer III Taf. 291 und sonst.
Der Schatz von Nagy-Szent-Miklos.
61
weibliche Brust. Schon Appelgren-Kivalo hat darauf aufmerksam gemacht, daß es
einen Kunstkreis gibt, den skythisch-permischen, wie er ihn nennt, in dem dieses mit
der indischen Darstellung des Garuda, der eine Naga trägt, verwandte Motiv typisch
wiederkehrt1. Hier sei gleich auch darauf verwiesen, daß der zweite, flache Krug
P^'.'^K
<j#BT*\l
..'. •■•
Abb. 64: Wien, Hofmuseum, Schatz von Nagy-Szent-Miklos-.
Goldkmg mit Zangenornament.
Abb. 65 : Wien, Hofmuseum ; Schatz
von Nagy-Szent-Mildos : Goldkrug mit
Reiherlandschaft (Schmalseite).
von Nagy-Szent-Miklos, an dem wir schon den Reiter mit dem Fabeltier zweimal
fanden, zweimal auch dieses Motiv wiedergibt2. (Hampel S. 20/1, Altertümer III
Tafel 299 300).
1) Zeitschrift der Finnischen Altertumsgesellschaft XXVI S. II f. Vgl. Supka a. a. O., ferner Anzeiger
der phil.-hist. Kl. d. Ak. d. Wiss. in Wien, 1916, S. 9 f. und Festschrift für Bode S. 208.
2) Die Darstellung ist häufig abgebildet, zuletzt von Supka, Monatshefte f. Kunstwiss. !X(i9i6), Taf. 6.
02
II. Die Schatzfunde der Völkerwanderungszeit aus dem Osten.
Das vierte Feld des Kruges zeigt (Abb. 641 eine Tierkampfszene, einen Flügel-
ereifen, der einen Hirsch überfällt. Das Motiv wiederholt sich ähnlich auf einer
der Schalen von Nagy-Szent-Miklos (Abb. 66 V, die ich hier wegen der eigenartigen
Formengebung der Tierleiber und des Ornamentes abbilde2. Ich gehe damit auf
eine im Rahmen des Schatzes von Xagy-Szent-Miklos abzutrennende zweite Gruppe
über. Man lese dazu Hampel, Der Goldfund S. 76 f.
Diese zweite Hauptgruppe des Miklos-Schatzes bilden Schalen (ein Beispiel
Abb. 66). Sie unterscheiden sich von denen aller anderen Schätze dadurch,
daß sie mit Schnallen
zum Anhängen an einen
Riemen versehen sind. Nur
an einem Paar kleiner
Schalen3 findet sich ein
Stiel (Hampel S. 34, bzw.
III Tafel 309), wie im Polta-
waschatze (Sarjezky Nr. 3).
Die Schalenform des alba-
nischen Schatzes mit kurzem
breitem Griff kommt im
Miklos -Schatze nur einmal
(Hampel S. 29 bzw. III.
Tafel 303) vor. Außerdem
weist der Miklos-Schatz
noch Näpfe in zwei Formen
auf, die in den andern
Schätzen fehlen, dazu ein
Hörn, für das eine Parallele
im Poltawaschatz (Sarjezky
Nr. 43) zu finden ist. Von
den hellenistischen oder
sasanidischen Silberschüs-
seln oder -schalen, die
sonst in fast allen Schatz-
funden nachweisbar sind, ist im Miklosschatze nichts vorhanden.
An Stelle farbiger Streueinlagen ist in dieser Gruppe eine seltsame Modellierung
in Strähnen getreten (Abb. 66). Die Zotteln des Löwen sind in Quer- oder Längs-
streifen gegeben, die sich an den Spitzen spiralig einrollen. Der Flügel erscheint als
Halbpalmette über spitzovalem Ansatz. Die Köpfe der Tiere gleichen assyrischen
Bildungen, und das den Grund füllende Ornament besteht aus Palmetten auf Stäben,
die Lappen rollen sich in der Art kleiner Kreisblätter ein und sind öfter mit ein-
gestochenen Strichpunkten versehen. Besonders deutlich wird diese Art an den auf
1 Nach einer Aufnahme des k. k. österr. archäologischen Instituts in Wien, wofür ich danke.
2) Vgl über die Tierkampfdarstellungen Amida Taf. XVI und S. 297, 349 und 366.
3J Abbildung unten in Abschnitt IV.
Abb. 66: Wien, Kunsthist. Hofmuseum: Schale in Gold.
3. Der Schatz von Nagy-Szent-Miklos. 6?
Segmentbogen stehenden dreilappigen Palmetten des Randornamentes. Eine zweite
Schale mit Schnalle zeigt im Feld einen Greif von ähnlicher Bildung mit ebenso
eigenartigem Ornament (II. 39, III Tfl. 314). Das merkwürdigste Stück in dieser Hin-
sicht ist eine Dose, deren Höhlung außen mit sechs Drachen (mit dreierlei Köpfen,
aber immer auf dem Vogelleib mit Palmettenschwanz) in Kreisen geschmückt ist, die
aus Gliedern langgestielter Palmettenlappen mit Kreisblattendigung zusammengesetzt
sind. Auch der Drache ist aus solchen Elementen, ähnlich wie Löwe und Hirsch *
der Schale (Abb. 66) gebildet. Wo die großen Kreise zusammenstoßen, sind kleine
Kreise eingeschoben, in denen heute noch farbige Füllungen sitzen; über und unter
den Kreismitten und oben am Rande kann man Emailspuren beobachten. Dieser
Rand und die Zwickel sind mit ganz wild durcheinander geführten Palmettenstäben
gefüllt, die alle den Punkt in der Kreisblattendigung und bisweilen auch einen Strich-
pu nkt zeigen. Der Grund war mit dunkelblauem Email gefüllt, von dem noch Spuren
an verschiedenen Stellen erhalten sind. Eine Abbildung der Dose folgt in einem
späteren Abschnitte (IV).
Ich will hier keine Monographie des Schatzes von Nagy-Szent-Miklos geben;
dieser Ehrenaufgabe hätte sich zeitgemäß längst das kunsthistorische Hofmuseum
in Wien zu unterziehen, Riegl hatte dazu den besten Willen. Ich hob hier nur das
heraus, was für meine Zwecke wichtig ist. Auf die Stabornamentik mit dem Kreis-
lappen komme ich unten zurück, und möchte hier nur nochmals darauf aufmerksam
machen, daß es auch Schmucksachen mit diesen Ornamenten gibt — aus Preszto-
vacz und anderen Orten. Hampel hat darüber Altertümer I S. 657 gehandelt. Auch
davon unten.
Jeder der vorgeführten Schatzfunde ist in seinem Bestände so sehr verschieden
von dem andern, besonders auch im Gebrauchszweck der einzelnen Stücke, daß dar-
aus auf die ungeheure Mannigfaltigkeit der verkehrenden Ware geschlossen werden
kann. Hält man daneben einen Schatz der Übergangszeit vom vorkonstantinischen
Hellenismus zur ersten Periode der Völkerwanderung, etwa den Silberschatz vom
Esquilin aus dem IV. Jahrhundert l, so zeigt sich der ungeheure Unterschied der
kulturellen Voraussetzungen, ganz zu schweigen von den älteren hellenistischen Funden,
die sich auch bei Verschiedenheit des örtlichen Ursprunges doch mehr einheitlich
zusammenschließen.
Ich habe die Schatzfunde des Ostens aus der Übergangszeit vom Altertum zum
Mittelalter in drei Gruppen vorgeführt. Die erste aus Zypern — zu der ich auch
den Siutschatz in Berlin hätte ziehen können 2 — beschränkt sich im wesentlichen auf
Gold und Silber selbst, die zweite Gruppe aus der russischen und Donautiefebene
verwendet, soweit nicht ältere hellenistische Stücke dazu gekommen sind, nur Gold mit
Zellenverglasung und die dritte, der Schatz von Nagy-Szent-Miklos, Gold oder solches
mit farbiger Emailfüllung. Soweit Material und Technik. Dazu kommt der Gegen-
satz im Zweck der Schmucksachen einer-, andererseits in den Formen der Krüo-e
1) Dalton, Catalogue of early Christian Antiquities S. 61.
2) Über den Siut-Schatz, von dem nur ein Teil nach Berlin kam, während sich andere Teile in den
Sammlungen Morgan, Freer und Burns in Amerika befinden, bereitet die Smithsonian Institution in
Washington durch Prof. Dennison ein Tafelwerk vor (Mitteilung von Prof. Zahn).
64
II. Die Schatzfunde der Yüikerwanderungszeit aus dem Osten.
bzw. Flaschen und Pokale. Weiter sehen wir hellenistische Darstellungen neben
christlichen und sasanidischen, dazu in Xagy-Szent-Miklos neben einer Art, die
wohl noch einen anderen Kreis vertritt. Der Schatz aus Albanien berührt sich mit
jedem dieser Schatzfunde, und die Belebung der Flächen am ehesten mit dem von
Xagy-Szent-Miklos, soweit die Verwendung von Einlagen oder farbiger Streufüllung
in Betracht kommt. Dagegen ist im Verhältnis von Muster und Grund durch das
Tiefendunkel und die Schrägstellung der Flächen zur Erzielung von tonigem Glanz
eine Richtung eingeschlagen, die auf den anderen Schatzfunden in dieser Art nicht
vorkommt. So ergibt sich beim Überblick über die Schatzfunde ein buntes Neben-
einander, das wohl nicht nur zeitlich und örtlich, sondern vor allem auch in den
Materialvoraussetzungen, der Übertragung aus einem Material in das andere und der
Kreuzung von Kunstströmen seine Erklärung finden dürfte. Diese Erklärung zu
geben sind wir ohne weiteres nicht imstande; aber an der Hand des albanischen
Schatzes läßt sich immerhin der Weg zeigen, den die Einzelforschung — und nur
sie kann weiterhelfen — allmählich wird gehen müssen.
Ich lasse im nächsten Abschnitte die Gefäße ganz beiseite und wende mich
»
zunächst ausschließlich dem Ornament der Schmucksachen des albanischen Schatzes
zu, wobei freilich zu beachten ist, daß die Schale mit ornamentiertem Griff (Taf. III >
die Verbindung zwischen den beiden Gruppen ebenso herstellt, wie der Schrägschnitt
an dem Pokale Taf. I. Bevor ich aber diesen eigenen Weg der näheren Untersuchung
antrete, sei doch einmal nach der Art der Stellungnahme der bisherigen Forschung
zu den Schatzfunden gefragt.
4. Die bisherige Beurteilung der vorgeführten Schatzfunde.
Die erste Gruppe, die Schatzfunde hellenistisch-christlicher Richtung haben einen
tüchtigen Bearbeiter in R. Zahn gefunden, der anläßlich des vorläufigen Berichtes
über die durch Schenkung an das Berliner Antiquarium übergegangene Sammlung
Friedrich Ludwigs von Gans aus Frankfurt a M. eine eingehende Behandlung ver-
spricht K Sie wird sich wohl zu einer Zusammenfassung des ganzen Bestandes ver-
wandter Funde ausgestalten. Zahn erkennt die nahe Verwandtschaft der Durch-
brucharbeit an Schmucksachen des III. und der folgenden Jahrhunderte mit der
Mschattafassade. Er sieht gleich Dalton die Verwandtschaft mit altpersischen Gold-
schmiedearbeiten, wie den von der iranischen Kunst beeinflußten merkwürdigen
sibirischen Schmucksachen. Er führt Belege an für die Umbildung griechischer
Formen im orientalischen Geiste und ahnt, daß das Schlingwerk von Palmetten in
irgend einem noch nicht erkennbaren Zusammenhange mit der später dafür ein-
tretenden Bandverschlingung steht. Die eingehende Untersuchung wird wohl ganz
unzweideutig dahin fuhren, den fortschreitenden Einfluß der östlichen Kunstwelt, wie
wir sie in diesem Bande in 'Ergänzung der Mschattaarbeit darlegen wollen, an-
zuerkennen.
Die Bearbeitung der zweiten und dritten Gruppe befindet sich in keinem so be-
friedigenden Fahrwasser. Die Hauptarbeit, die Vorführung der Schatzfunde derVölker-
l) Amtliche Berichte aus den königlichen Kunstsammlungen XXXV. (1913) S. 66ff.
4. Die bisherige Beurteilung der vorgeführten Schatzfunde. 65
wanderungszeit aus Österreich-Ungarn war vom österreichischen Unterrichtsministerium
in die Hände von A. Riegl gelegt worden. Dieser traf eine Zweiteilung. Der erste
1901 erschienene Band behandelt „die Frage nach den Schicksalen der Kunstindustrie
bei den bisherigen Trägern der allgemeinen Entwicklung — den Mittelmeervölkern —
und sollte die verbindenden Fäden bloßlegen, die zur vergangenen Antike zurück-
leiten" l. Man weiß, wie Riegl diese Aufgabe löste. Er schuf sich nach dem Vor-
bilde von Wickhoffs Bearbeitung der Wiener Genesis eine Methode, in der die von
der Kunstgeschichte völlig vernachlässigte systematische, d. h. auf Qualität losgehende
Forschung zur Lösung entwicklungsgeschichtlicher Probleme herangezogen wurde.
Das geschah leider in einem doppelten Sinne übereilt: einmal, weil Riegl syste-
matisch ohne System vorging, und zweitens, ignotum per ignotius, bevor noch ein irgend-
wie befriedigender Einblick in den Umfang des dafür in Betracht kommenden Materials
erreicht war, von dessen Sichtung garnicht zu reden. Dieses Vorgehen, so befruchtend
es auch gewirkt hat, wurde zu einem wahren Unglück für die beginnende systemati-
sche Forschung sowohl wie für die Studien auf dem Übergangsgebiete von der Antike
zum Mittelalter. Man lese neben Wickhoff und Riegl daraufhin nur Schmarsows
„Grundbegriffe der Kunstwissenschaft am Übergang vom Altertum zum Mittelalter,
kritisch erörtert und in systematischem Zusammenhange dargestellt" (1905). Die „Kunst-
geschichte" wurde durch diese Arbeiten ohne jeden Übergang aus dem historisch-
philologischen Spezialistentum, in dem sie zu ersticken drohte, in das entgegengesetzte
Extrem gezerrt und mußte auf solchem Wege Schiffbruch leiden. Sie stellte auf
Grund eines völlig unzulänglichen, daher unausgesetzt irreführenden Materials syste-
matische Dogmen auf, die jeder Objektivität entbehren. Die Kunstforschung wurde
für die einen, die diesen Dogmen folgten, ein mystisches Labyrinth, forderte von den
andern, die sie umstoßen mußten, einen unnützen Kraftaufwand und erschwerte
den unbefangenen Aufbau der so dringend erwünschten qualitativen Systematik für den
Augenblick ins fast Unmögliche. Hildebrand -Wölfflin taten dann noch das ihrige,
um jede frei ausblickende Forschung durch Einseitigkeit lahmzulegen. Die erste For-
derung für die Arbeit auf dem Gebiete der bildenden Kunst vom Ausgange der
Antike und beim Eintritt des Mittelalters muß sein, daß wir zunächst einmal die Syste-
matik in zweite Linie stellen und vorerst allein die Tatsachen lokaler, zeitlicher und so-
zialer Natur sprechen lassen. Treiben wir vorläufig Systematik da, wo sie für unsere un-
reifen Kräfte am Platze ist, am einzelnen, kritisch gesicherten Kunstwerk 2, suchen wir
nicht die eine quantitative Unbekannte dogmatisch mit der andern qualitativen Un-
bekannten zu lösen. Es kommt dabei nur entw'icklungsgeschichtlich bodenlose Ver-
wirrung heraus3.
i) Vgl. Riegl, Die spätrömische Kunstindustrie S. 1.
2) Vgl. meinen Aufsatz „Der Wandel der Kunstforschung", Zeitschr. f. bild. Kunst, L (1914/15), S. 3f.
3) Ich habe darauf schon 1902 in meiner Rezension von Riegls „Spätrömischer Kunstindustrie" in der
Byzantinischen Zeitschrift XI S. 263 ff. hingewiesen und meinen Standpunkt in dem Aufsatz „Hellas in des
Orients Umarmung" Beilage zur Münchner Allgemeinen Zeitung 1902 Nr. 40/1 vom 18/19. Februar dargelegt.
Vgl. die Antwort von Riegl „Spätrömisch oder orientalisch?" in der gleichen Beilage 1902 Nr. 93^4 vom
23/24. April. Meine Arbeiten über Kleinasieh, Mschatta, die koptische Kunst und Amida gaben wohl das
nötige Material zur Widerlegung. Das Expeditionswerk über Armenien wird, hoffe ich, zusammen mit dem
vorliegenden Buche den Schlußstein liefern. Über Systematik am Schluß dieses Buches.
Strzygowski, Altai. 5
66
II. Die Schatzfunde der Yölkenvanderungszeit aus dem Osten.
Die zweite Gruppe der östlichen Schatzfunde, als deren Sammelpunkt ich die
Goldsachen mit Zellenverglasung genommen habe, hat Riegl auf spätrömischen Ur-
sprung zurückzufuhren gesucht. Es ist hier der Ort, die Art, wie er dieses Ergebnis
erzielt, kurz vorzuführen. Zum Ausgangspunkt ist die Schnalle von Apahida (Abb. 67) l
genommen. Das ovale, innen bohnenförmig — wie der Ring an dem albanischen
Riemenende Nr. 18 — umgebildete Beschlag wie der ebenso bohnenförmige Ansatz
für den Dorn und dieser selbst zeigen die in Gold gebildeten Zellen mit Granatein-
lagen gefüllt, auf dem Beschlag einen Vierpaß mit draufzulaufenden Zickzackradien
und auf dem Dorn gegenständige Linien von cv förmiger Schweifung. Entscheidend
sei, meint Riegl, das Verhältnis von Muster und Grund. Zusammenhängend, also
Grund, sei nur das Gold, die Granateinlagen ständen isoliert, also als Muster. Doch
sei alles getan, um das Verhältnis als das um-
gekehrte — das Gold als Muster, das Rot als
Grund — erscheinen zu lassen. Die Kunstabsicht
sei also auf eine oberflächliche Verschleierung
des Verhältnisses zwischen Muster und Grund
gerichtet. Hand in Hand damit ginge die Her-
stellung des Musters aus solchen Motiven, die
nicht nach der Natur gebildet wären, sondern,
als komplementäre Motive aus der Grundfläche
geboren, eine rein künstlerische Existenzursache
^M^2na»Ä hätten. In dem massigen Gesamtumriß kommen
tatsächlich das Bohnenmotiv, der Vierpaß und
die an Reziprokmuster heranreichende Aus-
stattung des Dorns mit seinem gewölbten Rück-
grat bewegt zur Geltung. — Soweit ist die fein-
sinnige Analyse, die ich hier nur schlagwortartig
wiederholt habe, richtig und für die Sichtung des
Materials wichtig. Nun aber kommt die ent-
wicklungsgeschichtliche Anwendung. Die älteste
Antike (die altägyptische Kunst) habe danach gestrebt, das gereihte Muster dem
Grunde ähnlich ruhig wirken zu lassen, die neue Art strebe umgekehrt danach, den
Grund dem zentralen Muster bewegt anzunähern. Die zwischen beiden liegende
griechisch-römische Kunst habe diesen Wandel herbeigeführt, die Granateinlage in
Gold wäre daher eine spezifisch spätrömische Kunstübung, die seit dem IV.Jahrh.
n.Chr. etwa in Übung sei. So ungefähr ist auch der Gedankengang für zwei andere
Merkmale, die später zu behandeln sein werden, den Keilschnitt und die Durchbruch-
arbeit. Wir fragen, wie Riegl den Beweis für diese bahnbrechende Tat der antiken
Kunst geführt habe. In dem Abschnitt über das Kunstgewerbe zieht er nur die Nutz-
anwendung, den Beweis glaubt er in den Abschnitten über Architektur, Plastik und
Malerei erbracht zu haben. Wir werden also diesen Untersuchungen etwas nachgehen
en.
Abb. 67: Klausenburg, Schnalle von
Apahida: Gold mit Zellenverglasung.
1 Nach Riegl, Spätrömische Kunstindustrie S. 172. Der Druckstock wurde mir entgegenkommend
-terr. archaolog. Institute zur Verfügung gestellt.
4. Die bisherige Beurteilung der vorgeführten Sckat/.funde. ßy
Als Ausgangspunkt der Architektur nimmt Riegl den ägyptischen Tempel und
sieht ganz richtig, daß die Griechen schließlich, trotzdem sie vom Holzhaus ausgingen,
doch in die semitische Strömung einmündeten. Sie hätten wie die Ägypter im Sinne
des gemeinantiken Kunstwollens, das ein Bauwerk äußerlich durchaus als isolierte
Einzelform zu schauen begehrte, den Tempel völlig als abgeschlossenen Baukristall
behandelt. So auch noch die hellenistische Kunst in der Rotunde. Erst die spät-
antike Kunst begründe den „Massenbau", d. h. die Komposition mehrerer Einzelformen
zu einer Einheit. „An den Zentralbau setzt sich nun eine Anzahl halbierter Zentral-
bauten (Apsiden)" usf. Die Wand werde wieder ungegliedert wie im Altori^ntalischen,
dafür trete ihre Durchbrechung durch Fenster ein. Beides, die Massenkomposition
und das koloristische Zusammenwirken von Wand und Durchbrechung wären Elemente,
die im Laufe der okzidentalischen, indogermanischen Entwicklung geworden seien. . . .
Man sieht, wie die Schlagworte „Massenkomposition" — ich nenne das Gruppenbau —
und „Kolorismus" — ich nannte die Qualität in dieser Zuspitzung Tiefendunkel1 —
eingeführt werden. Was ich Riegl vorwarf, daß er den Orient nicht gekannt habe,
führt ihn hier irre. Er meinte, Publikationen und ein Einzelstück könnten für Reisen
entschädigen. Warum ist ihm dann das Armenische entgangen und die Spuren des
Sakischen? Er hätte sonst gewiß erkannt, daß sein Massenbau sakisch-armenischen
Ursprunges und auch das die koloristische Wirkung schaffende Fenster von der sakischen
Trompenkuppel bzw. schon von den Bauten der Achamaniden(Persepolis) ausgegangen
ist. Ich werde in meinem Werke über die altchristliche Baukunst in Armenien auf diese
Dinge ausführlich eingehen und verweise vorläufig auf einige darauf vorbereitende
Aufsätze 2. Den Kern der Sache, die Rassenfrage, berühreich unten in Abschnitt IV, l u. 2.
Auch bei Behandlung der Plastik geht Riegl von Ägypten aus insofern, als er
das am Objekt klebende Sehen als gemeinantik hinstellt. Die Ägypter hätten mit
dem Körperschatten in der Ebene, die Griechen auch nach der dritten Dimension
gearbeitet. Der entscheidende Umschwung in spätrömischer Zeit liege in der Ein-
führung des Raumschattens: Der Schatten mußte als etwas den Körper von außen
Einhüllendes erscheinen, das ihn auf allen Seiten, und somit auch auf der Rückseite,
von der Umgebung loslöst. Auch diese Neuerung bezeichnet Riegl als ein okzidentales
Element. Ich habe schon in meinem Mschatta S. 271 ff. gezeigt, daß dieses Tiefen-
dunkel — ein Schatten ist das nicht mehr — von Persien ausgeht und komme darauf
unten noch zurück. Riegl kennt eben, wenn er vom Altorientalischen spricht, immer-
nur das Ägyptische und Mesopotamische, also die beiden semitischen Kunstströme.
Er ahnt nicht, daß daneben eine selbständige arische Kunst bestand, die wir freilich
nur rekonstruieren können: ihre Denkmäler sind infolge ihres Materials, des Luft-
ziegels mit farbiger oder Stuckverkleidung, verloren oder wegen der Unzugänglichkeit
Ostirans noch nicht wieder ausgegraben. Aus Material und Technik erklärt sich zum
guten Teil das Aufkommen des Tiefendunkels3. Also auch im Gebiete der Skulptur
x) Mschatta S. 271.
2) Monatshefte f. Kunstwiss. VIII (1915) S. 349 f. und Zeitschrift f. christliche Kunst XXVIII (1916),
S. 181 f. Ein dritter Aufsatz, der frühest entstandene, über die Entstehung der Kreuzkuppelkirche lag lange
unveröffentlicht beim Verleger der Zeitschrift f. Geschichte der Architektur und ist jetzt im Druck.
3) Vgl. Monatshefte a. a. O. S. 36of.
5*
£g in. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
kehren sich die Beweise, die Riegl zu erbringen glaubte, gegen ihn. Die Einführung des
Tiefendunkels ist weder eine spätrömische und noch weniger eine spezifisch okzidentale
Tat. — Das Gebiet der Malerei tritt bei Riegl zurück. Dafür ist Wickhoffs „Wiener
Genesis" einzustellen, mit der sich schon mein „Orient oder Rom" in der Einleitung
auseinandergesetzt hat K
Wir gehen nun auf die dritte Gruppe der Schatzfunde, den Schatz von Xagy-
Szent-Miklos über, den ich als eine Gruppe für sich vorgeführt habe. Er ist
wie gesagt bearbeitet worden von J. Hampel, Der Goldfund von Nagy-Szent-
Miklos, sog. „Schatz des Attila", Beitrag zur Kunstgeschichte der Völkerwanderungs-
zeit (1885). Hampel war klassischer Archäologe, hat aber doch neben den antiken
orientalische und barbarische Elemente anerkannt, wenn er auch mit aller Fahnen-
treue darauf aus ist, so viel als möglich antike Vorbilder aufzutreiben. Seine erste
Annahme, daß der Schatz schon im V. Jahrhundert im Besitze zweier gepidischer
Fürsten war, hat er später selbst aufgegeben, als ich auf Grund der Inschrift der
einen Schale auf den Zusammenhang mit den Bulgaren hinwies. Von diesen Namen
und Titeln, von der Kunst der Zeltnomaden, den Metallarbeiten der Altaier und
von Supkas Entdeckung des Türkischen in den „Runen"-Inschriften wird unten
ausführlich zu sprechen sein. Wenn man sich überzeugen will, welches Stilleben
in Deutschland in bezug auf die Völkerwanderungsfunde seit Riegl und Hampel
herrscht — die man nicht einmal gründlich liest — , so nehme man das Reallexikon
der germanischen Altertumskunde zur Hand, worin II S. 265 ff. die Goldschmiede-
kunst der Völkerwanderungszeit behandelt ist. Vielleicht werden jetzt endlich poli-
tische Interessen die Herren aus dem Halbschlaf wecken.
Entwicklungsgeschichtlichen Problemen aus der Zeit des Überganges von der
Antike zum Mittelalter, wie sie Riegl zu spinnen suchte, läßt sich vorläufig nicht mit
systematischen Dogmen beikommen. Wir müssen sehr im Kleinen arbeiten, wenn wir
< mühselig genug) weiter kommen wollen 2. Einen solchen Versuch möchte ich nachfolgend
bezüglich der Ranke auf den albanischen Schmucksachen machen. Die Frage nach
ihrer Art und der Versuch, ihrem Ursprung nachzuforschen, soll im Mittelpunkte
der vorliegenden Arbeit stehen. Auch da stoße ich wieder mit Riegischen Dogmen
zusammen.
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des
albanischen Schatzes.
Das Ornament der Schmucksachen des albanischen Schatzes, die ja dessen
stärkste Einheit bilden, ist schon bei der Einzelbeschreibung der Stücke zur Genüge
1) In einer Buchhandlung in Stockholm bekam ich eben ein neues Buch von Mrs. Arthur Strong
in die Hand: „Apothcosis and after life. Three lectures on certain phases of art and religion in the
ain Empire". London, 191 5. Ich sah nicht, daß es Qualitätsfragen behandelt oder auf das Ornament
cht.
2) l ber Aufsätze, die in dieser Art vorgehen, vergleiche man meine fortlaufende Bibliographie in
'tinischen Zeitschrift. Sic wird leider von den Kunsthistorikern nicht genutzt.
i. Das Problem der Ranke. 69
gekennzeichnet worden. Es ist auf den schweren Gußformen im Schrägschnitt, öfter
durchbrochen ausgeführt und setzt sich im wesentlichen zusammen aus einer Ranke
mit dem besonders charakteristischen „Kreislappen" und Halbpalmetten. Daneben
kommt die Vollpalmette nur verkümmert vor. Dafür sind andere Formen, scheinbar
Spaltungen der Palmette zu beobachten, wie die schräg, gleich Keulen auseinander-
stehenden Lappen von Nr. 17, das Wirbelmotiv auf Nr. 18, die Ranke ohne Ende
mit wuchernden Verdickungen des Stieles Nr. 23, die kandelaberartige Anordnung aut
Nr. 24, die herzförmige Umfassung von Nr. 25, die S-förmige Führung von Nr. 26/7
u. a. m. Vor allem war dann auch noch der spitz-hufeisenförmige Umriß neben dem
Kielbogen an den meisten Beschlägen hervorzuheben und der Bohnenausschnitt
von Nr. 18. Es wird nun zunächst unsere Aufgabe sein, den Ausbreitungsbezirk
dieser Ornamentik festzustellen. Dabei aber soll uns nicht nur das Hauptmotiv nach
der gestaltlichen Seite hin, der Kreislappen und die Halbpalmette leiten; viel
wichtiger ist das formale Motiv, die eigenartige farbige Wechselwirkung zwischen
Muster und Grund.
Davon war ja auch schon bei der Beschreibung der Schmucksachen die Rede.
Die Kreisblattranken ragen nicht in breiter Fläche über eine im Sinne der Antike
gleichmäßig vertiefte Grundfläche empor, sondern die zwischen ihnen freibleibenden Aus-
schnitte sind in die Wirkung des Musters einbezogen, beleben es farbig. Nur ausnahms-
weise tauchen Stellen eines flachen Grundes oderDurchbrechungen auf; im allgemeinen ist
der Raum zwischen den Ranken, Kreislappen und Palmetten vielmehr in hellen Glanz
oder kräftiges Dunkel gelegt, Modellierung und Grundfläche vermieden. Das Mittel
dazu ist der Schrägschnitt oder — wie ihn Riegl genannt hat1 — der Keilschnitt.
Riegl, der das Neue richtig sah, kam nur mit seiner dogmatischen Erklärung dieser
eigenartigen Kunstform aus dem spätrömischen Kunstwollen in arge Verlegenheit,
weil die koloristische, nach seiner Meinung in mittelrömischer Zeit einsetzende Ent-
wicklung nicht- konsequent festgehalten wurde — wie er selbst -andeuten mußte — ,
sondern in Rom sehr bald wieder in die antike Art der plastischen Isolierung
des Motivs verfiel. Die Sache liegt eben so, daß sich mit jener Gruppe, von der
Riegl ausging, den spätrömischen Keilschnittbronzen, kein neues antikes Kunst-
wollen, sondern ein anderer fremder Kunststrom im Bereiche des römischen
Reiches durchsetzte, dessen -Ziel die farbige Flächenwirkung und die Auflösung
des Motivs war, nicht die plastische Modellierung des Einzelmotivs, wie sie die
Antike liebte. Davon war schon gelegentlich der Bearbeitung der Mschatta-Fassade
ausführlich die Rede2 und es wird darauf unten nochmals zurückzukommen sein.
In den Schmucksachen unseres Schatzfundes liegen deutlich beide Richtungen neben-
einander, wie sie denn auch tatsächlich nebeneinander bestanden und nicht die eine als
ein veraltetes römisches Kunstwollen durch einen neuen, ebenso römischen Geschmack
verdrängt wurde. Nicht einmal in der von Altai -Iran ausgehenden asiatischen
Kunst des Mittelalters, der islamischen, herrscht die eine Art ausschließlich, geschweige
denn in den Übergangsformen und der mittelalterlichen Kunst des Abendlandes.
11 Spätrömische Kunstindustrie S. 154 f.
2) Jahrbuch der kgl. preuß. Kunstsammlungen XXV (1904) S. 271 f.
-q in. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
i. Das Problem der Ranke.
Riegl hat in seinen „Stilfragen, Grundlegungen zu einer Geschichte der Orna-
mentik" (1893) schon acht Jahre vor der „Spätrömischen Kunstindustrie in Österreich-
Ungarn" (1901) den für einen neueren Kunsthistoriker kühnen Versuch gemacht, die
Geschichte der Rankenornamentik bis zum Eintritt des Mittelalters zu schreiben. Er
ist zu dem Ergebnis gelangt 1 S. XIII), daß die bewegliche, rhythmische Pflanzenranke
in sämtlichen altorientalischen Stilen fehle und zuerst auf nachmals hellenischem Boden
in der mykenischen Kunst auftrete. Die Blütenmotive der hellenischen Ornamentik,
meint er, mögen orientalischer Abkunft gewesen sein: ihre in schönen Wellenlinien
dahinfließende Rankenverbindung aber sei spezifisch griechisch. Es wäre im kausalen
Zusammenhange des menschlichen Kunstschaffens aller bisherigen Geschichtsperioden
begründet, wenn sich herausstelle, daß die Ranke von Hellas aus sowohl nach dem
Abendlande, wie in das islamische Morgenland gegangen sei. Die Anschauung, daß
die Kunst da und dort ihren spontanen, autochthonen Ursprung genommen habe, sei
antihistorisch iS. XVII), es sei vielmehr ein natürlicher Vorgang, die antike Kunst
zum Ausgangspunkt der frühmittelalterlichen auch auf orientalischem Boden zu machen.
Riegl kannte Ägypten und Mesopotamien. Damit hört in den Stilfragen (vgl. S. 109)
die asiatische Kulturwelt auf und er bleibt eng im Kreise der Forschung, die man
sich gewöhnt hat, die historische zu nennen. Daß Ägypten und Mesopotamien nur
der Europa bezw. dem Mittelmeer nahe gerückte Teil Asiens waren und daneben
noch andere große Kulturen wie die indische und chinesische in Betracht kommen,
ganz abgesehen von den Nomaden und Nordvölkern, das wurde in den Stilfragen
und wird heute noch außer acht gelassen. Riegl selbst sieht, daß mit der myke-
nischen Kunst ein neues Element in den Kreis des alten Orients tritt. Statt dem
nachzuforschen, deutet er an, daß es doch nur der griechische Boden gewesen sei,
der den Wendepunkt gezeitigt habe. Und genau so macht er es — was uns hier
näher angeht — der Arabeske gegenüber. Er hatte mit seinem Buch über alt-
orientalische Teppiche 1891 Widerspruch erfahren gerade im Hinblick auf die darin
vertretene These der inneren Verwandtschaft der spätantiken Kunst mit den „saraze-
nischen" Dekorationselementen und daß der offenbar völlig fremdartige Charakter der
islamischen Kunst lediglich die Folge des Prozesses der allmählichen Anbequemung
der antiken Formen an das Schema einer durchgängigen Flächenverzierung gewesen
sei. Dafür sollten nun die Stilfragen den schlagenden Beweis liefern. Riegl kam
damals aus der Beschäftigung mit der Textilsammlung des österreichischen Museums
in Wien her. Er schlug sich mit den Semperianern herum, die die These des
Meisters, beim Werden einer Kunstform kämen auch Stoff und Technik in Betracht,
einseitig ausbeuteten. Diesem Treiben setzte Riegl seine Überzeugung von der
treibenden Kraft des „Kunstwollens" entgegen, eine neue Bezeichnung für das, was
man bis dahin Geschmack genannt hatte l. Dabei übersah er die erste und wichtigste
Folgerung, daß nämlich das Kunstwollen eine Sache ist, die von tausend Zufällig-
keiten, wie Mode, Weltverkehr, Eroberung, Macht usw. abhängig ist, selten, am aller-
!. Riegl selbst „Spätrömische Kunstindustrie" S. 125.
1. Das Problem der Ranke. J\
wenigsten aber in einer so bewegten Zeit, wie es die spätrömische ist, sich unabhängig
und auf sich gestellt entwickelt. Die Künstler und Handwerker, die in Rom und
Byzanz zusammenströmen, die Völker des Orients, die erstarkt in die Kultur der Zeit
einoreifen und nicht zuletzt der wachsende Weltverkehr wirken ganz gehörig
umstürzend auf den römischen Geschmack. Entscheidend aber sind für diese
Zeit Bewegungen, die seit Jahrhunderten von fernher durch das nordöstliche Iran
vorstießen und nun mit einem Mal in die unmittelbare Nähe der Hauptstädte getragen
wurden: die der Nomaden und Nordvölker. Ihr Geschmack mußte ein anderer sein
als der der alten Oasenvölker und ihrer Nachkommen, der Vertreter von Hochkulturen,
wie der Griechen und Römer." Daß aber der Umschwung in spätantiker Zeit sich vom
Osten her aus dem Eintritt dieses mit chinesischen und indischen Elementen
durchsetzten Geschmackes in den Kunstkreis des Mittelmeeres erklärt, was ich
nachzuweisen hoffe, übersah Riegl vollständig. Er wurde damit nur ein Opfer der
„historischen" Forschungsrichtung, in die er eingezwängt war — zu einer Zeit, in der
Jakob Grimm der vergleichenden Sprachforschung längst die neuen Wege gewiesen
hatte. Es gibt gar kein Gebiet, das so berufen wäre, diese Wege als die für Eu-
ropa in Zukunft neben den alten humanistischen maßgebenden zu erweisen, wie die
Forschung über bildende Kunst. Dafür sollen die Untersuchungen, in die wir jetzt
eintreten, den Versuch eines Beweises erbringen.
Was bei Riegl aus seinem Studienzusammenhang erklärlich ist, das reden bis auf
den heutigen Tag gedankenlos Leute nach, von denen man erwarten könnte, daß sie
klarer sähen. Ich ziele hier in erster Linie auf den unten zitierten und einen Artikel
über die Arabeske in der Enzyklopädie des Islam (I S. 380 ff), der freilich eine un-
überlegte, die Vorarbeiten verschweigende Auslassung ist. Ich hebe daraus nur den
Satz hervor, der für uns bezüglich der ,Pflanzenranke' (Arabeske) in Betracht
kommt: „Ihre Abstammung ist sicherlich das Rankenornament der Antike, mit
seiner konventionellen, immer unrealistischen, wenn auch realistisch dargestellten
Flora der Palmette, des Akanthus und daraus differenzierter Elemente". Dieser An-
schauung der humanistisch gerichteten Schule stelle ich in diesem Buche die Über-
zeugung gegenüber, daß „Antike" und „Arabeske" nichts miteinander zu tun haben,
die eine vielmehr mit Vorliebe von der Natur ausgeht, die andere aber von vorn-
herein geometrischen Ursprunges ist. Da Riegls Ansichten die gangbaren sind,
wird man verstehen, wenn ich die Rankenornamentik der Schmucksachen des
albanischen Schatzfundes als Gelegenheit benutze, in der Sache neuerdings — denn
schon Mschatta hätte in dieser Richtung die Augen öffnen sollen — das Wort
zu ergreifen. Auch fordert mich ein von der Wiener Akademie der Wissenschaften
in ihren Schriften geduldeter, unqualifizierbarer Angriff unmittelbar dazu heraus l.
Der schwere Irrtum Riegls und seiner Übertreiber liegt darin, die Palmettenranke
für ein Pflanzenornament anzusehen. Das ist die Ranke in einzelnen hohen
Oasenkulturen. Nicht nur bei den Griechen. Da es Zeit ist, daß der zünftige Kunst-
historiker neben dem Mittelmeerkreise auch die anderen Treibhäuser hoher Kunst
beachten lernt, seien hier einige Beispiele der Ranke aus Indien vorgeführt.
1) Sitzungsberichte der phil.-hist. Kl. 178. Bd., 5. Abh. „Problem oder Phantom'1.
72 III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
Indischer Naturalismus und Ursprung der Weinranke von Mschatta.
Zwar sind die ältesten Denkmäler des indischen Stammlandes, die Stupen von Santschi,
Barahat und Amaravati • erst in den Jahrhunderten um Christi Geburt entstanden, aber
die Kunst, die sich in ihnen auslebt, ist im Gegensatz zur Gandharakunst eine vom
Mittelmeer unabhängige. Sie bietet die Grundlage, auf der es mit der Zeit gelingen
muß, die Entwicklung der vorarisch-bodenständigen Kunst Indiens aus einer Fülle von
Atavismen herauszuschälen. Ich stelle in Taf. IX drei der ornamentierten Schmal-
seiten der vier Tore des Stupa von Santschi nebeneinander. Alle zeigen die Ranke
verwendet, entweder im Mittelfelde selbst oder als schmale Bändern am Rande, nur
am linken Xordpfeiler fehlt dieser Rand. Doch ist gerade an der Aufnahme dieses
Pfeilers (Taf. IX, rechts) im Hintergrunde zu sehen, daß die Ranke nicht nur an den
Hauptflächen, sondern auch sonst an den Toren des Stupa immer wieder als Rand-
streifen vorkommt. Sie hat nichts zu tun mit der Palmettenranke, sondern ist eine
richtige Pflanzenranke, in den meisten Fällen auf Lotos zurückgehend. Daneben finden
sich alle möglichen Abarten bis zur Einfügung von Girlanden und ganzer Landschaften
in die Rankenwindungen. Die Palmette kommt unabhängig von der Ranke vereinzelt
vor. Ich werde sie bei der kurzen Beschreibung der Abbildungen hervorheben.
Taf. IX, Mitte zeigt den Grundtypus (Osttor). Der dicke Lotosstiel wird von Knoten
mit Kelchblättern durchsetzt, die Lotosblume erscheint in den verschiedensten An-
sichten, oft ohne Verbindung mit dem Stiel, ist rein im Nebeneinander ihrer verschie-
denen Entwicklungsstadien und Ansichten gegeben, dazwischen wie in einer Land-
schaft Enten. Am Rande eine andere Ranke mit gleichem Stiel, aber gefüllt mit
Rosetten und Fruchtzöpfen. Die andere Seite des gleichen Tores zeigt Abb. 3 bei Grün-
wedel, Buddhistische Kunst in Indien S. 19. Am Westtor (Taf. IX, links) ist am Rande
wieder die Lotosrahke verwendet, das Mittelfeld aber mit einem Kandelaber2 gefüllt,
der aus oben langgestielten Lotosblüten besteht. Darüber kreuzen sich Lotoszweige,
begleitet von gefiederten Blättern 3, auf denen Paare von Löwenreitern diagonal nach
oben gruppiert sind. Im obersten Feld ein Stamm mit gefiederter Palmette; einem
Paar Weinblättern und stark herausprofilierten langstieligen Kreislappen. Taf. IX, rechts
endlich vom Nordtore zeigt das Mittelfeld ganz ausgefüllt mit solchen gefiederten
Palmetten, in Kandelaberform übereinander geordnet. Als Krönung über einer Lotos-
blume das heilige Zeichen, unten mit einem Lotosmedaillon mit Ranke, der Aufsatz
darüber mit einer Weinranke. Von oben her hängen Sträuße von Mohn, Lotos,
gefiederten Blättern und Girlanden herab. Den besten Schlüssel zu dem realistischen
Geiste, der die indische Kunst durchsetzt, bieten die Randstreifen; man sieht darin an
Wandarmen Girlanden und Schmucksachen hängen, an dem dritten Paar von oben
hängen auch richtige gesprengte Palmetten4.
Von dieser ausgesprochen naturalistischen Ranke ist die „Palmettenranke", die
wir überall im Norden Asiens vom Mittelmeer bis China herrschend finden, sehr weit
1 Vgl. die Karte bei Grünwedel, Buddhistische Kunst in Indien 2. Aufl., S. 23.
Vgl. über dieses Motiv Werke der Volkskunst (Wien1, Bd. I, S. 17 f. und Oriens christianus
: 14 f.
31 Ich möchte die Ficderun« z. T. überhaupt aus Indien herleiten. Vgl. Flury „Der Islam" IV, S. 429.
Vgl. andere Proben ähnlicher Ornamente bei Smith, A history ot" fine art in India S. 73 und 89.
Strzygowski, Altai, Iran u. Völkerwanderung
Tafel IX
J. C. Hinrichs, Leipzig
C. G. Röder G.m.b.H., Leipzig
Santschi, Torpfeiler des großen Stupa : Ornamentierte Steinreliefs.
i. Das Problem der Ranke. 73
entfernt. Erst die Weinranke bringt die vorgeführte indische Art zur Geltung. Viel-
leicht geht sie von den Indoskythen bzw. Saken in Baktrien aus und verbreitet sich
von dort aus in parthischer Zeit gleichmäßig nach Osten und Westen '. Mschatta
erscheint mir immer mehr ein Ausfluß dieses ostiranisch-turkestanischen, über Nord-
mesopotamien im Westen ausmündenden Stromes. Es ist hier zu erinnern an die
Stelle des Curtius Rufus, der zur Zeit des Claudius (41 — 54) in seiner Geschichte
Alexanders d.Gr. VIII, 9 von den Palästen der Radschas in Indien schreibt: „Regia auratas
columnas habet: totas eas vitis auro caelata percurrit aviumque, quarum visu maxime
gaudent, argenteae effigies opera distinguunt". Was der Santschipfeiler Taf. IX, Mitte in
Stein an der Lotosranke zeigt, sah man also auch in Gold und an der Weinranke mit
eingelegten silbernen Vögeln ausgeführt. Die Stelle bietet den Schlüssel zum Ver-
ständnis der Traubenspiegel in China2 sowohl, wie der Säulen und Pfeiler mit Wein-
laub und Vögeln im Westen, so im Lateran 3, in Konstantinopel 4 und an den Pfeilern
von Acre5. Die Mschatta-Fassade wird erst dadurch in ihrer Datierung und ihren
Zusammenhängen verständlich. Möglich, daß der Dionysoskult und gewisse Techniken
Träger indischer Motive waren. So fällt der Batikstoff mit dem Triumph des Bakchos
im Musee Guimet 6 in diesem Zusammenhange ebenso auf, wie die Elfenbeinschnitzereien
an der Domkanzel zu Aachen ", die den Bakchos im Weinlaub mit übergeschlagenem
Bein zeigen. Der Elfenbeinthron in Ravenna, die sog. Maximianskathedra, gibt wohl
den reichsten Beleg für die von Curtius Rufus beschriebene Art der Rankenfüllung.
Was wir in Indien als pflanzliches Motiv, d. h. als richtige Pflanzenranke auf-
treten sehen, das soll, wie man Riegl entnehmen mag, nicht auf die altorientalischen
Kulturen der Semiten zurückgehen. Die Neigung dazu lag dort m. E. ebenso vor
wie in Indien. Uns beschäftigt hier eine ganz andere Art, die aus der Spirale ent-
standene Wellenlinie. Sie mag überall bei primitiven Völkern auftauchen; aber ihre
Bedeutung und Entwicklung bei den Nomaden und Nordvölkern war doch eine andere
als im Mittelmeerkreise und in Indien, von der landschaftlichen Umbildung in der
späteren ostasiatischen Kunst ganz zu schweigen. Wir wollen den Prozeß, wie er
sich vor allem im Osten abspielte, an der Hand des Vergleichsmaterials für die eigen-
artige Ranke unserer albanischen Schmucksachen zu ergründen suchen. Dabei wird
zunächst einmal vom Fundort unseres Schatzes auf dem Balkan auszugehen und dann
schrittweise der Weg nach dem Ursprungsland und Ostasien zu suchen sein.
1) Vgl. über das Problem der Weinranke Mschatta S. 327 ff. Es sei hier verwiesen auf die Texte,
die Grünwedel im Anhange zu seinem Idikutschari-Bericht (Abbandlgn. der philos.-philol. Klasse der bayr.
Akad. d. Wiss. XXIV [1906], S. 1S1 f.) über die Weinkultur in diesen Gegenden veröffentlicht hat. Man
beachte auch die Weinblätter in Hatra (Andrae, Hatra I, S. 12, Abb. 20), an denen die gleiche Auflage zu
finden ist, wie in Mschatta, was für die Datierung dieses Baues nicht ohne Belang ist.
2) Vgl. Hirth, Über fremde Einflüsse in der chinesischen Kunst S. 13 f.
3) Mschatta 297 f., wo weitere Literatur.
4) Byzantinische Zeitschrift I (1892) S. 575f. 5) Oriens christianus II (1902) S. 421 f.
6) Annales du Musee Guimet XXV (1907) S. 159 f. Vgl. für die Einteilung des Stoffes mein „Orient
oder Rom" S. 90 f, für die indischen Zusammenhänge Guimet, Les portraits d'Antinoe S. 21.
7) Vgl. meine Hell, und kopt. Kunst in Alexandria S. 55 f., dazu S. 65 die ähnliche Elfenbeinschnitzerei
in Louvre und den Wollstoff aus Ägypten im Grassi-Museum zu Leipzig. Für das auch in Indien be-
liebte Standmotiv vgl. z. B. die Reliefs von Barahat (Smith, A history of fine art in India S. 74) und
Gandhara (Foucher, L'art greco-bouddhique I, S. 413). Dazu Zeitschrift f. Assyriologie XXVII (1912) S. 139 f.
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
2. Parallelen vom Balkan.
Ich beginne mit der Frage, ob die Ranke in der Eigenart, in der sie herrschend
auf einem im nordwestlichen Balkan gemachten Funde beobachtet wird, sonst noch
auf dem Balkan nachweisbar ist. Auf Schmucksachen aus diesem Gebiete vorläufig
nicht l. Wohl aber in Steinskulpturen. Der Fall könnte daher vielleicht liegen, wie mit
Bezug auf die mehrstreifige Bandverschlingung in der Zeit der Völkerwanderung in
Italien. Zuerst tauchen dort in gotischer und langobardischer Zeit Schmucksachen
mit diesem Motiv auf (Castell Trosino, Nocera Umbra, die Funde in Ravenna,
Cividale u. a. O.), dann erst z. T. Jahrhunderte später sind die dreistreifigen Band-
ornamente in breiter Schicht an den Baptisterien, Ciborien, Schranken, Altären,
Bischofstühlen u. dgl. auch in Stein zu beobachten. Sie sind also wahrscheinlich
von den wandernden Völkern mitgebracht und allmählich auch in Stein übertragen
worden. Die Holzsachen, die zwischen Metall und Stein vermittelnd zu denken sind,
gingen zumeist verloren. Doch werde ich unten ein vereinzeltes Beispiel vom Balkan
veröffentlichen. Die Steinskulpturen sind bisweilen vollständig, häufiger allerdings in
Fragmenten erhalten. In Italien sind sie in den letzten Jahrzehnten sorgfältig be-
achtet worden, nachdem sie Cattaneo in einer Monographie2 gesammelt und ver-
sucht hat, ihnen ihren Platz in der Kunstgeschichte Italiens anzuweisen. Inzwischen
wurde von verschiedenen Seiten darüber gearbeitet. Ähnlich wird es jetzt hoffentlich
auf dem Balkan werden. Zunächst auch auf dem Gebiete der mehrstreifigen Band-
ornamentik. Sie ist in ihrer außerordentlich weiten Verbreitung vorläufig nur für
das Gebiet des altkroatischen Reiches vorgelegt3. Hellas ist, was bisher kaum be-
achtet wurde, überschwemmt damit. Wichtige, noch deutlich auf das Ursprungs-
gebiet der Gruppe zurückweisende Monumente wie die Ikonostasen der beiden Kirchen
des Hosios Lukasklosters4 sind kaum beachtet. Doch ich will hier nicht dabei ver-
weilen.
Mit der Auffindung des albanischen Schatzes wird die Forschung für ein anderes
Ornamentmotiv, die Palmettenranke mit dem Kreislappen, in Fluß gebracht. Man
möchte freilich glauben, daß dafür alle Voraussetzungen auf byzantinischem Boden
fehlen, weil Brehier, der sich zuletzt eingehend mit der Steinplastik byzantinischer
Zeit beschäftigt hat, dafür keine Belege beibringt5. Und doch gibt es an keinem
geringeren Ort als in Athen selbst und gar auf der Akropolis eine ganze Schicht, die
hierher gehört. Ich glaube nämlich, daß ein gewisser Zusammenhang besteht zwischen
i In der Gegend von Tirana soll vor ca. 20— 30 Jahren ein anderer Goldi'und gemacht worden sein,
verschiedene Früchte darstellend. Der Finder wurde reich dadurch, daß er jährlich mit einem Stück nach
Konstantinopel oder Triest zum Verkaufe fuhr. Diese unsichere Nachricht würde auf einen Fund weisen,
der für uns nicht in Betracht kommt.
2 L'architettura in Italia dal secolo VI al mille circa. 1SS8.
Bujic, Hrvatski spomenici u kninskoj okolici. Zagreb 18S8.
^cbulu and Barnsley, The Monastery of Saint Luke, Tat". 22 f.
*udes sur lhistoire de la sculpture byzantine, Nouvelles archives des missions scientitiques N.S.
5. 19 ff. Doch hat BrJhier in einem Nachtrage „Nouvelles recherebes sur l'histoire de la
scu: tine" Nouvelles archives N.S. fasc. 9 (1913 . Tat". V VI wenigstens einige Beispiele dieser
Gruppe abgebildet
2. Parallelen vom Balkan.
75
unserer Rankenzierkunst und gewissen Steinornamenten, die ich 1888 auf der Ost-
terrasse der Akropolis zusammengestellt habe. Es sei ihnen hier, da bisher nicht
Gelegenheit war, sie in einem größeren Zusammenhange zu veröffentlichen, ein etwas
eingehenderes Studium gewidmet. Es sieht aus, als hätten alle in Rede stehenden
Steinbalken zu ein und demselben Denkmale gehört. Man findet die Hauptstücke auf
Abb. 68 vereinigt. Es kann, glaube ich, nicht die Rede davon sein, diese Ornamente
einem der in Hellas in größeren Massen eingewanderten und seßhaft gewordenen
Abb. 68: Athen, Akropolis: Ornamentierte Fragmente in Stein.
Völker, wie etwa in Ungarn oder bei der Bandornamentik auch in Hellas, zuzu-
schreiben. Vielmehr möchte ich auf einen vereinzelten Einbruch fremder Elemente
schließen.
Will man beurteilen lernen, wie fremdartig sich die in Abb. 68 vorgeführte Gruppe
im Rahmen der sonst in Athen für das frühe Mittelalter nachweisbaren Zierkunst aus-
nimmt, dann halte man die verschiedenen attischen Ornamentgruppen, wie ich sie
bisher in Einzelaufsätzen behandelt habe, nebeneinander. Zunächst die Steinornamente
auf der Akropolis, die mit dem Kloster Kaesariani zusammengehen und eine Art
Erechtheionstil in einer auffallend frühen Renaissance zur Geltung bringen. Auch da
ist die Palmette verwendet, aber nicht als Ranke, dafür in hellenischer Bildung. Man
-(j III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schat/.es.
kann gerade daran am besten abschätzen, wie überaus eigenartig sie in unserer Gruppe
auftritt. Ich habe die durch Kreuze als christlich gekennzeichnete attische Gruppe
dem IV. Jahrhundert zugewiesen K Es folgt eine zweite Gruppe aus dem V. Jahr-
hundert etwa, die den Einbruch des Kunsthandels von Konstantinopel in Athen wieder-
spiegelt2. Hier spielt der fette, zackige Akanthos die Hauptrolle. Davon unten.
Dann kommen die späten Ornamentgruppen des VIII. bis IX. Jahrhunderts, in denen
das zwei- oder dreistreifige Bandornament die Hauptrolle spielt3. Daneben läuft die
persisch-islamische Ornamentgruppe her, die ich in meinem Amidawerke ( S. 365 f. 1
behandelt habe. In die Zeit zwischen das V. und VIII. Jahrhundert, für die ich bisher
keine Belege beibringen konnte, gehört nun m. E.. die Ornamentschicht, die ich hier
mit den Schatzfunden in Albanien und in Ungarn zusammenstelle.
Man gehe aus von dem in Abb. 68 rechts unten als zweiter stehenden größeren
Balken, der nur mit einer breiten, schweren Ranke gefüllt ist. Der Stiel verläuft in
einer zweistreifigen Welle. Er ist wie an einzelnen Stücken des Schatzes von Nagy-
Szent-Miklos überall da, wo eine Halbpalmette ansetzt, abgeschnürt. Der Ansatz
jeder dieser Palmetten wird überdies wie dort und auf den Schmucksachen aus Al-
banien durch ein tiefes Bohrloch gekennzeichnet, um das sich der doppelt geränderte
„Kreislappen" legt. Oder ist das nicht annähernd dasselbe Motiv, das ich S. 27 mit
diesem Namen belegte? Man verfolge nur die Entwickelung der Palmette von einem
Bohrloch zum andern: Da sieht man in jedem der beiden vollen Wellentäler zwei
Halbpalmetten, deren Wipfel sich ähnlich wie auf dem andern Schmuckstück Nr. 24
weiterentwickelt, hier zu einer Vollpalmette. Die stilistische Behandlung wird ge-
kennzeichnet insbesondere durch den schrägen Schnitt, der auf jedem Lappen einen
mittleren Grat hervorbringt. Wir haben also drei Elemente, die auch die ungarischen
und den albanischen Fund charakterisieren: die in Arabeskenart wuchernde Pal-
mettenranke, das Kreisblatt mit dem Bohrloch und den Schrägschnitt, das Ganze
hier in Stein nur etwas anders gehandhabt als dort in Bronze und Gold.
Neben dem beschriebenen Friesstück steht rechts unten in der Ecke ein kleineres
Fragment, das zunächst links ein dreistreifiges Flechtornament zeigt, in drei Bändern
um Knöpfe geschlungen. Daneben inmitten einer reichen Profilierung eine zweistreifige
Ranke, in deren Füllungen immer je zwei Kreislappen mit ihren Bohrlöchern auffallen 4.
Es hält schwer, das Motiv klar zu erkennen. Deutlicher ist das an zwei Fragmenten
mit Tierdarstellungen, von denen das eine links oben die Ecke bildet. Man sieht
über einem gestreckt laufenden Körper, dessen Fell durch Kommaschlitze angedeutet
ist — wie auf den Gefäßen von Nagy-Szent-Miklos (Abb. 64) — , die Ranke mit den
beiden Kreisblättern. Hier und ähnlich an dem dritten Stück (daneben verkehrt liegend),
auf dem man Reste von Flügeln zu erkennen glaubt, ist ganz deutlich, daß der erste
Kreislappen, der sich am Stiel einrollt, den Ansatz einer Halbpalmette bedeutet, deren
1 . KaioaQiavfi" Eqrf/iSQtQ uo/aio/.oyixr'/ 1902, S. 82 f.
2) „Die Akropolis in altbyz. Zeit." Athenische Mitteilungen XIV (1889) S. 271 f.
Inedita der Architektur und Plastik aus der Zeit Basilios I", Byz. Zeitschrift III (1894) S. 1 f.
„H /">>'', tot xwjjyofi töjv ptXooöqxBv", Atlxiov tfjq loTopiX/jq xal &9vok. ktaigeiaq 1890 S. 117 f.
und chisch-kleinasiatische Ornament um 967 n. Chr.", Wiener Studien XXIV.
4) Vgl, die drei Kreislappen auf den Beschlägen von Csuny oben Abb. 22.
2. Parallelen vom Balkan.
77
A
II!
Abb. 69: Athen, Akropolis: Fragment einer Reliefplatte.
dritter bzw. vierter Lappen in eine neue, wenn auch verkümmerte Halbpalmette
ausrankt. Noch deutlicher ist die arabeske Tendenz an den anderen Rankenfragmenten.
Ich möchte an diese Beispiele
gleich den Rest einer Platte
anreihen, die ich ebenfalls auf
der Akropolis fand (Abb. 69).
Man sieht in der Mitte ein
von einem Perlstab gebildetes
Viereck, durchsetzt von einem
Bande in Rautenform, das
durch einen Knoten in den
Rand übergeht. Während
hier die Arabeske rahmend
abschließt, füllt die Mitte ein
Pfau, der an einem Pinien-
zapfen pickt K Für diese Zu-
sammenstellung des Tier-
motivs mit der Arabeske ver-
weise ich am besten auf die Löwenplatte mit den gleichen Motiven im National-
museum zu Athen, die ich in meinem Amidawerke (S. 371) abgebildet und besprochen
habe. Auf diesem, wie ich glaube, etwas jüngeren Stücke nun wird der östliche Ur-
sprung aller dieser Motive garantiert durch
das kufische Schriftornament am Rande.
Unsere Ornamentgruppe scheint älter, der
Schrägschnitt und das Kreisblatt nähern sie
der parthisch-sasanidischen Zeit.
Typisch für diesen Kreis sind die in
Abb. 68 in der Mitte links unten stehenden
beiden Steinbalken mit Ornamenten, die,
durch Querbänder in einzelne Felder zer-
legt, mit Füllungen versehen sind, die —
man könnte sagen — als kleine Bäume
gebildet erscheinen. Man sieht zwei Arten
solcher „Bäume". Der Typus des Steines
rechts, zu dem auch das Fragment links
darüber mit dem Kreuz gehört, zeigt das
Bäumchen einfach oder doppelt über-
einander mit seltsamen sfurkenförmisren
Früchten. Zur Feststellung der Grundform
wir am besten aus von der unleug--
gehen
bar als Baum gefaßten Füllung des Feldes
Abb. 70: Ravenna, S. Vitale: Kapitell der
unteren Säulen.
1) Vgl. Strzygowski, Der Pinienzapfen als Wasserspeier, Rom. Mitt. XVIII (1903) S. 185 f. Dazu
die Erklärung des Motivs bei v. Spieß, Die Bebälter des Unsterblichkeitstrankes (Mitt. d. Anthrop. Ges.
in Wien XLIV (1914) S. 17 t").
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
rechts unten (über dem Maßstabe). Der Stamm mit Wurzelblättern, der Palmetten-
krone und dem herabhängenden Gurkenpaar ist eindeutig erkennbar. Ich stelle
neben diese Fassung des
Motivs eine andere, allge-
mein bekannte: Die Trapez-
füllung einer Gruppe von
Kämpferkapitellen, als deren
bekanntestes Beispiel die
Säulen des Parterreg-e-
schosses von S. Vitale in
Ravenna gelten können
(Abb. 70). Man sieht den
Baum, seine Krone gebildet
aus Palmettenmotiven, und
die Früchte, die hier an
langen Stielen herabhängen.
Stamm und Krone sind
durch eine Querleiste ge-
trennt. Ich habe diese selt-
same Füllung immer für
persisch angesprochen l.
Die Steine von der Akro-
polis zeigen eine zweite Aus-
strahlung nach dem Mittel-
meere. Den Beweis für die
Vorliebe der persischen
Kunst für dieses Motiv er-
bringen frühislamische Ar-
beiten, die z.T. durchaus im
sasanidischen Fahrwasser
weitergehen. Als eines
der besten Beispiele führe
ich hier Teile der vor-
deren Seitenwand des
Mimbars von Kairuan
vor, des wertvollsten Zeu-
gen der iranischer Kunst
des IX. Jahrhunderts'2.
Man sieht (Abb. 71) in
der Reihe der drei Vertikalstreifen rechts mehrere Felder, die den Pal-
metten- oder Rankenbaum mit den gurkenähnlich herabhängenden Früchten
71. Kairuan, Mimbar: Einzelheit der Vorderseite.
1 1 Vgl Mschalta S. 361.
Kunstchronik N. F. Will. Sp. 3S6 ff. Die gute Photographie, die ich hier bieten kann, ver-
danl Herrn 1 lr. E. Kühnel. Über den Mimbar und die durchbrochenen Bandornamente unten ausführlich.
3. Parallelen in Ägypten. 70
zeigen1, und mag urteilen, ob es sich nicht ursprünglich um die Weinrebe und
das Kandelabermotiv 2 (wie sie in Mschatta nebeneinander vorkommen) handelte,
die, seit der parthischen Zeit spielerisch weitergebildet, die seltsamsten Formen
annahmen. Urform und Umbildung stehen öfter noch nebeneinander. Die zweite
Gattung der Bäumchen, wie sie Abb. 68 zeigt, findet im Prinzip ihre Parallele auf der
Hülse 24 des albanischen Schatzes, wo die persischen Analogien aufgezählt worden sind.
3. Parallelen in Ägypten.
Der Balkan und Ungarn sind, läßt sich annehmen, wahrscheinlich nur ein Neben-
schauplatz der Entwicklung, die wir aufzufinden suchen. Wir müssen nach dem Osten
gehen, um auf den eigentlichen Starkstrom zu stoßen. Den Ansatz gewinnt man —
vorläufig, solange die Kenntnis des Asiatischen noch im Hauptteil auf dem Papiere
steht — am besten in Ägypten, das ja, seit es aufgehört hat, selbständig in seiner
Kultur zu sein, immer von Asien abhängig blieb. Tatsächlich kann dort der albani-
sche Schatz als wichtiges Glied in eine Kette von Denkmälern eingeordnet werden,
die das Vordringen des neuen „Kunstwollens" nach dem Westen, den Eintritt der
„mittelalterlichen" Anschauungsweise gegenüber der antiken veranschaulichen. Sie be-
ginnt sich schon im späten Hellenismus in diesem Sinne durchzusetzen. Ich gehe zunächst
aus von dem Gestaltmotiv, der Palmettenranke, die so stark auf dem albanischen
und den Keszthely-Funden vorherrscht, daß man den Eindruck der absoluten Befangen-
heit in diesem Gestaltenkreise bekommt. Man kann dafür drei nach Material und
Technik wie dem Gebrauchszweck völlig getrennte Gruppen nachweisen.
A. Seidenstoffe. Im Jahre 1903 schon wies ich eine den Schmucksachen ähnliche
Gruppe in einem ganz anderen Materiale nach, in Seidenstoffen aus Ägypten. Ich nannte
sie Palmettenstoffe3. Abb. 72 und 73 geben Beispiele davon im Viktoria und Albert-
Museum in London (Inv. Nr. 303 und 355 — 1887), die von der Museumvenvaltung als aus
Akhmim (Panopolis) stammend veröffentlicht und als vielleicht syrisch oder byzantinisch
dem VII. — IX. Jahrhundert zugewiesen wurden. Man vergleiche damit die von mir eben-
falls in Ägypten erworbenen Stoffe des Kaiser Friedrich-Museums, die ich im Jahrbuch
der preuß. Kunstsammlungen 1903, veröffentlicht habe. Sie sind von genau dergleichen
Art. Da nun noch eine ganze Anzahl von entsprechenden Stoffen vorliegt, so haben
wir hier in Ägypten eine ähnlich geschlossene Gruppe von Palmettenornamenten, wie
ich sie in dem albanischen Schatze zusammen mit den Funden in Ungarn und den
Steinfragmenten in Athen nachgewiesen habe.
Abb. 72 zunächst zeigt das braune Schulterstück eines Gewandes. Man sieht auf
diesem ägyptischen Seidenstoffe den mittleren Kreis sowohl, wie die Füllung der ihn
umgebenden Halbkreislappen, ferner die Endigung und Füllung durch Ranken im
Felde ringsum, wie endlich die Bordüre, bestritten durch alle möglichen geometrischen
Motive vom Kreislappen zur Halb-, Bäumchen- und gesprengten Palmette, die sich
ganz nach Bedarf schief auslegt, viel mannigfaltiger noch als auf den ungarischen und
Balkanfunden. Andersartige Motive wie der geschweifte Palmettenwipfel, das Herz-
1) V, 5; VI, 2/3, 34 und 4/5- Ein Einzelfeld auch Mschatta S. 315 (= VI, 4/5).
2) Vgl. dazu Werke der Volkskunst (Wien) I S. 18 f. und oben S. 26, 35^ und 71 f.
3) Jahrbuch der kgl. preuß. Kunstsammlungen XXIV (1903) S. 153 f.
3q III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
blatt und Wellenglied weichen nur scheinbar vom Grundmotiv ab. In der Haupt-
sache ist es doch die arabeskenartig ausgebildete Palmettenranke, oder sonst irgend-
ein in seine Teile gespaltenes oder aus solchen zusammengesetztes geometrisches
Motiv, womit das ganze Muster bestritten wird. Ich habe im Jahrbuch 1903 S. 155 noch
ein zweites Schulterstück aus dem Grassimuseum in Leipzig abgebildet, das neben den
Palmettenmotiven Abb. 72 noch die Weintraube bringt, während ein Berliner Stück (Jahr-
buch S. 16b) Abb. 72 vollkommen entspricht. Für das T-förmige Motiv des Lappenrandes
am inneren Kreis vgl. den oberen Rand des Kruges von Nagy-Szent-Miklos (Abb. 59).
Abb. 71 zeigt einen runden Einsatz mit grünem Muster, das sehr häufig gefunden
wird und in den verschiedenen Exemplaren so genau übereinstimmt, daß ich z. B.
Abb. 72: London, Victoria and Albert-Museum : Seidenstoff aus Ägypten.
hier die Beschreibung zweier Berliner Stücke (Jahrbuch S* 1 54) wiederholen kann,
ohne irgend etwas Wesentliches am Text ändern zu müssen.
Inmitten des Medaillons sehen wir eine Art Baum. Der Stamm entwickelt sich
aus eckigem Ansatz und entsendet zunächst nach beiden Seiten — das Muster
baut sich durchweg rein symmetrisch auf — je eine Halbpalmette, zwischen deren
Lappen eine kurze Ranke von Efeuart hervorkommt. Über diesem Zweige liegt ein
zweiter, der auf langem Stiel eine Art Blatt trägt, dessen Form aus neupersischen
Stoffen sehr bekannt ist. Man hat sie Palmwipfel, geschweiftes Mandelmotiv und
ähnlich genannt. Sie ist unten rund, oben asymmetrisch spitz, mit stark geschweiften
Rändern. Diese werden gebildet von einer Reihe großer Punkte oder Knöpfe zwischen
Randstreifen. Das Innenfeld ist durch ein unregelmäßiges Schuppenmuster gefüllt.
Es folgen den Stamm aufwärts kleine Blätter und eine langgestielte Traube (?), dann
eine Art Krone, die in drei Stielen hervorwächst aus flügelartig auseinandergelegten
Halbpalmetten. Der mittlere Stamm bildet zunächst eine Verdickung, von der lang-
tielt kleine Herzblätter nach oben, Dreiblätter nach unten gehen. Den Abschluß
bildet eine Rosette mit sieben runden Lappen, denen innen ein Siebeneck mit kon-
3. Parallelen in Ägypten.
81
kaven Seiten entspricht. Es umschließt ein Fünfblatt und entsendet aus den Ecken
in die Rundlappen abwechselnd dreimal eine Palmette, viermal eine auf die Spitze
gestellte Herzform mit Kelchblättern. Die Seitenzweige der Krone verlaufen zunächst
wagerecht und richten sich dann mit einem ähnlichen Palmwipfel auf, wie er im unteren
Teile beschrieben wurde; nur ist er von einem Kelch runder Lappen umfaßt, über
denen sich der Wipfel nach innen statt nach außen umbiegt. Auch hier ist der Rand
punktiert und das Innenfeld geschuppt. Das ganze Medaillon wird umzogen .von
v-r
Abb. 73: London, Victoria and Albert-Museum : Seidenstoff aus Ägypten.
einem Streifen, der im Gegensatz zum Hauptfelde, worin das Muster hell auf dunklem
Grund erscheint, dunkel auf hellem Grund eine Palmettenranke zeigt: S-förmig ge-
schweifte Wellenglieder, symmetrisch abgesetzt, darin nach oben und unten drei-
lappige Füllungen; ein eigentlicher Palmettenstiel fehlt also.
Ich beschränke mich auf die Vorführung dieser beiden Beispiele und bitte im
übrigen den Jahrbuch- Aufsatz heranzuziehen. Heute ist insbesondere hervorzuheben,
daß die Füllung des Rundmedaillons besorgt wird von dem gleichen Baum-
typus, den ich S. 75 auf den Steinen der Akropolis, an Kapitellen und dem Mimbar
von Kairuan (Abb. 70 f.) besprochen habe, nur ist der „Baum" hier reicher gebildet und
weist so ausgesprochen die flächenfüllende Absicht in Ausgestaltung der Motive auf,
Strzy gowski, Altai. o
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen de» albanischen Schatzes.
daß er gut als Übergang zu den unten zu besprechenden rein iranischen Beispielen
verwendet werden kann. Die wie Bänder flatternden großen seitlichen Wipfel und
die Streckung der Lappen auf dem Schulterstück Abb. 72 ist dafür bezeichnend.
Neuerdings hat ein Praktiker, der Direktor des Kunstgewerbemuseums in
Berlin, Otto von Falke, in seiner Kunstgeschichte der Seidenweberei I S. 43 fi"
diese Gruppe behandelt, ohne deren erste Zusammenstellung im Jahrbuch der preul-5.
Kunstsammlungen zu erwähnen. Er urteilt, als wenn seit Jakobsthals Theorien über das
antike Ornament nichts gearbeitet worden wäre. Für Falke sind die Palmettenstoffe
eine Schöpfung der ägyptischen Weber von Panopolis; alle Elemente ihres Rankenwerkes
gingen — siehe Riegl — auf antike, nicht auf persische oder sonstige orientalische Formen
zurück. Hier sei nur ganz kurz aufmerksam gemacht darauf, dal-5 man nicht mit
Falke den Palmettenrand dieser Stoffe auf die intermittierende antike Wellenranke
zurückführen darf, sondern ihre arabeske Tendenz erkennen muß darin, daß immer
der unterste, größte Lappen für die folgende Palmette zugleich gilt1. Auch sollte
für die spätrömische Zeit nicht mehr auf die Arazeentheorie von Jakobsthal zurück-
gegriffen werden. Falke wird schon dadurch widerlegt, daß seine örtlich auf Panopolis
eingeschränkte - und in das VI. Jahrhundert datierte Gruppe in Ägypten nicht allein
steht. So hat sie zunächst im Gestaltmotiv ihre Parallele auf den altarabischen Grab-
steinen von Kairo, die ich schon im Jahre 191 1 für jeden Forscher zugänglich, aus-
gestattet mit einer reichen Auswahl von Abbildungen veröffentlicht habe 3. Falke hat
sich auch darum nicht gekümmert. Mit solcher flüchtigen Arbeit, die sich den An-
schein der Wissenschaftlichkeit gibt, muß dann unsereins rechnen, will er nicht in die
gleiche Unterlassungssünde verfallen wie der Vorgänger.
B. Grabstelen. Damit gehe ich auf die zweite Palmettengruppe in Ägypten über.
Ich habe a. a. O. die Ranke der Stelen nach Gruppen gegliedert, kann mir also hier die
Begründung dieser Systematik ersparen. Je eine Probe für jede Gruppe möge genügen.
Ich gebe zunächst zur Klarstellung von Material und Technik dieser Grabsteine eine
Originalaufnahme Abb. 74. Die Stelen sind als hohe Rechtecke in Kalkstein ge-
arbeitet, die Ornamente umgeben die Schrift von oben her mit einer Krönung als
Gehänge und sind wie die Schrift flach eingegraben. Ihre Datierungen schwanken
zwischen 190 — 355 d. H. (809 — 966 n. Chr.). Sie kommen nur in Kairo vor, eine
zweite Gruppe in Assuan ist in Sandstein ohne jedes Ornament gearbeitet. Die in
Abb. 74 gegebene Stele ist vom J. 207 d. H. (822 n. Chr.) datiert und zeigt das
zweite Lieblingsmotiv dieser Grabsteine, Wellenglieder kettenartig verschlungen, bis-
weilen von Punkten begleitet. Nur oben in der Krönung treten Palmetten hinzu.
1 Hatte Falke den Vergleich mit dem Sarkophag Riccardi (Orient oder Rom S. 52) und Spalato
Riegl, Stilfragen S. 2551 nicht in oberflächlicher Art durchgeführt, dann würde er bemerkt haben, ^laß
dort die Abbindun;,' der Palmette unten und die Einschiebung des von der Palmette unabhängigen Wellen-
Gliedes der Ranke bezeichnend ist. Damit hat die Art der Palmettenstofie nur dem Scheine nach /u tun.
2) Während meiner letzten Anwesenheit in Ägypten brachten Händler solche Seidenstoffe aus dem
im. Ein Stück, das Muster gelb auf rotem Grunde, ist in meinem Besitz. Es ist quadratisch 21x21 cm,
spricht \ ollkommen Abb. 73, weist aber noch die Zwickelfüllungen auf, die dem Mittelmedaillon von
Abb. 72 ähneln, dazu eine l.ordure zuzeiten des Baumes.
3 1 »er Islam II 305 fr. VgL Jahrbuch der preuß. Kunstsammlgn. XXV (1903 s. JS3 f. Combe be-
1912 eine Monographie über die Inschriften und Ornamente der C.rabstelen vor.
Parallelen in Ägypten,
83
Man wird hier schon den Eindruck gewinnen, dal.» es sich bei diesem Schmuck aus-
schließlich um geometrische Motive handelt und eine Verbindung mit der Antike
nicht notwendig vorliegen muß.
Ich gehe nun auf die verschiedenen
Palmettenornamente der großen Masse
dieser Grabsteine ein und bemerke, daß
sie im Original nicht gleich Abb. 74
hell auf dunkel, sondern wie in den nach-
folgenden Abbildungen dunkel auf der
hellen Vorderfläche des Steines er-
scheinen.
I. Ranken mit verkümmercen
Vollpalmetten Abb. 75. Die durch-
laufende Wellenlinie entsendet in jede
Hebung und Senkung langgestielte
Palmetten, die sehr flüchtig und roh
geritzt sind und bisweilen wie Bäumchen
in streng stilisierten Stickereien aussehen.
Dazu eine überreiche Krönung, deren
Gerippe die beiden schrägen Linien
und die in der Mitte aufragende Gerade
bilden. Diese trägt ein efeuartiges
Blatt l mit zwei Schlitzen und zweigt
Ganzpalmetten ab. Die Schrägen sind
doppelt: nach innen richten sich Halb-
palmetten auf, nach außen fallen Ranken
mit je drei Bäumchen herab, wovon
zwei ganz unorganisch zurückwachsen.
Das Spielerisch-Dekorative der ganzen
Art drängt sich deutlich auf. Vgl. den
indischen Batikstoff S. 73.
II. Ranken mit Halbpalmetten.
Abb. 31 und 32 S. 30. Diese Art über-
wiegt weitaus, bildet also die Haupt-
masse der Ornamente unserer Grab-
steine. Dabei zeigen sich gerade in
dieser Gruppe die meisten Varianten. Typische Mittelkrönung: auf der Wellenhe-
bung stehen radial ohne organische Verbindung drei Linien auf, die seitlichen schräg,
als Halbpalmetten gebildet, die mittlere gegen das obere Ende durch ein Diagonalkreuz
belebt, ähnlich den Bäumchen in Gruppe I. Die seitlichen Halbpalmetten in ihrer
stabartigen Bildung auffallend verwandt mit Nr. 17 (S. 29) des albanischen Schatzes.
1) Vgl. die ähnliche Zusammenstellung auf den albanischen Beschlägen Nr. 19 — 22 und den ungarischen
Beschlägen S. 34. — 37. Unten wird noch ein weiteres Beispiel aus Keszthely vorzuführen und auf die selt-
same Rolle der Vollpalmette näher einzugehen sein. Vgl. auch Hampel III, Taf. 199. 20.
6*
Abb. 74: Arabische Grabstele vom J. 822. (Nach
Moritz, Arabic Palaeography Taf. III.)
84
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
Die Ornamente sind durch Randlinien und Sterne aus zwei Dreiecken ergänzt. Ich
o-ebe in Abb. ~6 noch ein Beispiel der Welle mit Halbpalmetten, um zu zeigen, bis
zu welchem Grade der Vollendung diese bisweilen trotz aller flüchtigen Technik durch-
geführt sein können. Es ist eine Stele vom J. 217 d. H. (832/3 n.Chr.). Interessant ist
die Eckkrönung, sie verleugnet nicht die Einwirkung der kufischen Kalligraphie. Die
rechte Halbpalmette geht in das Kettengehänge des Randes über.
III. Ranke mit Zwickelzapfen, Abb. jy. Da, wo die Halbpalmette von der
Welle abzweigt, sitzt ein runder Zapfen. Die Ranken vereinigen sich an der
Ecke und gehen wieder in zwei Halbpalmetten symmetrisch auseinander. Die Mittel-
Typus I Typus II
Abb. 75: Kairo, Arabisches Museum:
Krönung einer Grabstele.
Abb. 76: Kairo, Arabisches Museum:
Ornament einer Grabstele vom J. S32.
Typus III
Abb.
Mitte
77: Kairo, Arabisches Museum:
Ornament einer Grabstele.
krönung nach dem beschriebenen Typus', nur liegen die Querarme der Mittelhasta
hier parallel wagrecht. Das ganze Gebilde sitzt ganz unorganisch auf einer Halbpal-
mette. Offenbar war bei Anlage der Ranke auf die Mitte keine Rücksicht genommen
worden. Zwischen Ecke und
Mitte sind je zwei dem Mittel-
gliede der Krönung ent-
sprechende Bäumchen als
Streumotive eingeschoben.
IV. Ranken mit ge-
wellten Halbpalmetten,
Abb. 78. Die Halbpalmette
sendet ihre Lappen nicht
wie bisher nach innen der Biegung des Wellenstieles zu, sondern nach außen; es
muß daher die Halbpalmette die Rundung des Hauptstieles mitmachen. Sie wird
dadurch in die Länge gezogen, behält aber ihre dreilappige Bildung bei. Die Stele
ist datiert vom J. 21 8 d. H. (833 n. Chr., Jan.'i. Ornamentales Hauptstück. Die Ranke
mit den nach rechts gewellten Halbpalmetten bildet den oberen Rand und trägt eine
mächtige Mittelkrönung, Eckakroterien und dazwischen Rosetten. Die ganze Anlage
ist offenbar für den Ansatz der Mittelkrönung durchkomponiert; es fällt daher auf,
daß die Ranke trotzdem nach einer Richtung läuft, statt sich symmetrisch nach
beiden Seiten zu entwickeln. In der Mitte richten sich die Wellentäler zu
einer Spitze auf, die der Krönung als Träger dient. Man sieht zunächst je zwei
breite Lappen, die sich unmittelbar an den Rankenstiel legen, also mit dem Stiel ver-
wachsen scheinen. Die Krönung setzt sich wieder aus drei Teilen zusammen, den
3. Parallelen in Ägypten.
85
beiden hier sehr groß geratenen schrägen Halbpalmetten, die mit den für die kufische
Kalligraphie bezeichnenden dreieckigen Blattausschnitten enden. In der Mitte eine
reiche Rankenbildung zu Seiten einer lanzettförmigen Spitze1. Die Ecken zeigen
wieder senkrecht stehende Halbpalmetten, diesmal einfach. Zwischen der Mitte und
den Ecken sitzen links eine Rosette, rechts ein Stern, beide roh ausgeführt. Am
Rande rechts sieht man an der Stele eine Ranke mit Dreiblättern oder Trauben.
V. Ranken mit gewellten Doppelhalbpalmetten, Abb. 79. Die Wellenlinie
wird sowohl in den Hebungen wie in den Senkungen gefüllt durch einwärts gelegte
Voll-, d. h. doppelte Halbpalmetten, die sich, mit den Lappen nach innen, zu einem
Bogen parallel zur Hauptwelle verbinden. Vereinzelt einmal nur ist dieses Gebilde
Typus IV
Abb. 78: Kairo, Arabisches Museum: Ornament einer
Grabstele vom J. 833 n. Chr.
Typus V
Abb. 79: Kairo, Arabisches Museum:
Krönung einer Grabstele.
mit dem Stamm verwachsen. Es entsteht dadurch eine der vorhergehenden Art
verwandte, ebenfalls reich' gefüllte Ranke. Die Ranke mit Doppelhalbpalmetten tritt
in diesem Beispiel in typischer Reinheit auf, die Umrisse sind dabei freilich besonders
unsauber, wie ausgesprengt. Die Krönung ohne jede Berührung darüber schwebend :
zunächst eine Wellenlinie mit je zwei angehängten Bäumchen und darin groß eine
gesprengte Doppelhalbpalmette, worüber eingestreut ein Ring und Punkte.
VI. Die Palmettenwelle. Eine Stele (Abb. 80) vom J. 225 d.H. (839 n.Chr., Nov.)
zeigt diejenige Form der Palmettenranke, welche sich von selbst ergab, sobald man
über die gewellten Halbpalmetten mit nach außen gekehrten Lappen einen Schritt zur
Vereinfachung weiterging: dann mußte der eigene Stiel der Halbpalmette wegfallen und
1) Vgl. damit die auffallende Ähnlichkeit auf dem Beschlag aus Keszthely bei Hampel, Altert. I.
S. 570. Auch in Abb. 72 wird man am Rande des Mittelmedallions ähnliches finden, annähernd auch am
Rande des Goldkruges oben Abb. 56. Die Lappen am Ansatz sind nach Abb. 87 Kreislappen.
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
die Lappen direkt vom Hauptstiel abzweigen. Daß diese in der Stele vom J. 839 n. Chr.
vorliegende Art nicht etwa mit der einfachen Kreislappen-Ranke S. 25 f. zu ver-
wechseln ist, beweist die ständige Zweizahl der Lappen und die Verbindung mit der
üblichen Krönung und kufischen Eckbildung aus Halbpalmetten. Die Ranke ist durch
Linien gesäumt. Unter der Mittelkrönung eine andere von einem kleinen Fragment.
Die Grabsteine von Kairo und die Seidenstoffe, die Falke auf Panopolis zurück-
führen will, die einen islamisch, die andern nach den darauf vorkommenden Namen
Josef und Zacharias christlich, stehen sich in einzelnen Motiven so nahe, daß man
sie gern als aus einer Quelle stammend nachweisen möchte. Davon später. Hier seien
nur einige der selbst noch im Rahmen des gleichen Gestaltmotivs, der Palmette, auf-
fallenden Übereinstimmungen hervorgehoben. Der Randstreifen von Abb. 72 und ~$
z. B. wird gebildet durch eine abgesetzte Palmettenranke, die in der oben aufgestellten
Reihe von Motiven der Stelen etwa zwischen Gruppe V und VI unterzubringen wäre.
Wir sehen Vollpalmetten mit einwärts gelegten Lappen, ähnlich Abb. 79, aber in der
Typus VI
Abb. So Kairo, Arabisches Museum: Ornament einer Grabstele vom J. 839 n. Chr.
runter ein anderes Beispiel.)
Art von 80 durch Verwendung eines Lappens wenn auch nicht zu der nach einer
Richtung, so doch abgesetzt fortlaufenden Welle verbunden. Doch fügt sich nicht
nur dieses Randmotiv in die Reihe der Stelenornamente ein. Läßt man von den
die Mittelfläche der Stoffe füllenden die auf farbige Wirkung berechneten Motive, wie
den asymmetrischen Palmettenwipfel und das gleichseitige Palmettenherzblatt weg,
so bleiben Motive, die sich sehr stark den Stelenornamenten nähern. In den Radien
des Mittelkreises Abb. J2 strahlen jene langgestielten, bäumchenartigen Voll-
palmetten mit nach auswärts gerichteten Lappen aus, die typisch für Gruppe I der
Stelenornamente sind. Sie setzen in Abb. 75 an den Wellenstiel und stehen in Abb. 77
ahnlich oben auf der Randlinie wie auf dem Stoff im Zwickel der großen Ranken-
bogen. Vor allem aber lassen die Palmetten stoffe die eigenartigen Mittelkrönungen
der Stelen latent erscheinen. Sie sind dort nicht streifenkrönend, sondern flächen-
füllend verwendet, bei 72 in den Ecken, bei jt, im Mittellot.
Die Krönung besteht meist aus den schräg auseinandergelegten Hälften einer
Palmette mit nach innen (Abb. 75, 78, 80 ) oder außen (Abb. 31, 32, jj, 791 gehenden
Lappen; öfter ist eine Bäumchenpalmette als Füllung genommen. In dem Seiden-
stoft'muster Abb. 72 stellen große Bogen eine achtteilige Rosette her und laufen, gefüllt
mit Wipfeln, in Palmetten und Herzblätter zusammen; in die Eckzwickel wächst
3. Parallelen in Ägypten. 87
genau wie in der Krönung der Stelen die gesprengte Palmette herein. Wir begegnen
auf den Stoffen wie auf den Stelen derselben Freiheit in Anwendung aller nur denk-
baren Palmettenmotive. Man betrachte daraufhin nur die Einfälle auf den Stelen in
Abb. 74, ;s und 81. Von besonderem Interesse ist Abb. 78, weil sich ihre Krönung im
Prinzip unmittelbar anschließt an das beliebteste zur Füllung von Medaillons ver-
wendete Palmettenmuster der Seidenstoffe1. Bezeichnend ist (Abb. 73) der „Baum",
ein kandelaberartiges Aufeinandertürmen von allerhand Palmettenmotiven. -Seitlich
zweigen die großen farbigen Palmettenwipfel ab, dazwischen legen sich Halbpalmetten
auseinander und stellenweise ist der Stiel ersetzt durch ovale oder rautenähnliche
/wischenstücke. Nach demselben Prinzip baut sich die Krönung Abb. 78 auf. In
der Mitte ist eine Raute gebildet, darüber und darunter legen sich ovale Lappen
auseinander, oben ranken um eine Lanzettspitze Palmettenranken aus. Von be-
sonderem Interesse sind die großen schrägstehenden Motive, die, Pa!mwipfeln ver-
gleichbar, sich wie auf der Stele Abb. 80 oben auseinanderlegen. An ihnen be-
gegnet jene keilförmige Umbildung der Spitzen, die vielleicht den Schlüssel zur Her-
leitung der Gattung liefert.
In der ausführlichen Aufzählung der
einzelnen Ornamente in der Zeitschrift „Der
Islam" II wurde diese für die Endigung kufi-
scher Buchstaben bezeichnende Umbildung
der Palmettenspitze öfter erwähnt (Abb. 78).
Uas beste Beispiel bietet 16 -, wo die an ... _ v . . ,. ,
r Abb. 81: Kairo, Arabisches Museum:
die Ränder gelegten Halbpalmetten rauten- Ornamentkronung einer Grabstele.
förmig endigen. Ähnlich einmal bei 26. Am
auffallendsten ist die Tatsache gerade an 22 (Abb. 78 ), wo die kufische Endigung auch
an der Ecklösung links begegnet. Es steht wohl außer Zweifel, daß die entsprechenden
Akroterien von 12 (Abb. y6), 14, 22 (Abb. 78) und 25 (Abb. 80) aus paarweis vertikal
gestellten Halbpalmetten oder 7 mit einer doppelspitzigen Vollpalmette durch die
entsprechenden Motive der kufischen Schrift eingegeben sind. Es stellt sich also
heraus, daß die Ornamentik der Stelen zwar den Mustern der Stoffe auf das engste
verwandt ist, aber ihre Eigenart durch die Hand des Kalligraphen erhält. Der
Schnörkel am Ende der Leiste 5, die Ecklösung von 26 und 29 oder die Endigung
auf Stele 28 sind direkt Belege kalligraphischer Übung. Davon unten mehr. Man
erinnere sich hier nur noch der Tatsache, daß oben S. "]"] (Amida S. 371) unter den
Beispielen von der Akropolis zu Athen auch eine Löwenplatte mit kufischem Schrift-
ornament genannt wurde.
Die vorgeführte Reihe von Ornamenten der ältesten arabischen Grabsteine wird
vielleicht den Eindruck erwecken, daß es darauf ankäme, nachzuweisen, wo zuerst
die scheinbar hellenistische Palmettenranke mit der arabischen Schrift in Verbindung
trat. Es müßte das in einem Gebiete geschehen sein, wo sich die geometrische Ranke
mit dem Kreislappen, erweitert zur Palmette, besonderer oder ausschließlicher Geltung
1 Vgl. dazu auch die verkümmerte Spitze und den rechten Randlappen am Fuße bei Hampel I S. 570.
2) Ich zitiere die dortigen Nummern, weil im „Islam" zahlreichere Belege gegeben sind.
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
erfreute und zugleich ein schöpferisches Kulturzentrum der islamischen Welt entstand.
In Ägypten war das, wenn man die Denkmäler heimischer Kunst in koptischen
Kirchen und auf Grabsteinen vergleicht, gewiß nicht der Fall. Was wir im vorliegenden
Buche an Denkmälern vom Nil besprechen, ist entweder wie Seide Import, vielleicht
im Weee des Weltverkehrs Nachahmung, oder wie die Grabstelen in Kairo von den tür-
kischen Tuluniden auf dem Nomadenwege mitgebrachtes älteres
Kulturgut. Dafür wird die letzte Gruppe, die ich für die Kreislappen-
ranke in Ägypten nachweisen kann, den entscheidenden Beleg
bringen. Über die türkische Kalligraphie unten S. 173 mehr.
C. Holzarbeiten. Wir haben zwei Gruppen von Kunst-
werken kennen gelernt, die sich im Schmuck so gut wie aus-
schließlich auf Palmettenmotive beschränken. Das sreradezu änest-
liehe Ausschließen jeder anderen Gattung — außer der Kette —
fallt hier ebenso auf wie an den Schmucksachen aus Albanien
und Ungarn. Nun liefert aber der trockene Boden Ägyptens
in dieser Richtung noch mehr: Nicht nur das Gestaltmotiv der
Ornamentgruppe findet sich dort, auch die technisch -formale
Eigenart der Goldsachen aus Albanien, der Schrägschnitt, laßt
sich am Nil und zwar in weiter Verbreitung nachweisen. Das ist
■fc * auch Riegl nicht entgangen1. Es handelt sich um Bretter, die
zum Teil aus dem trockenen Sande wieder an das Tageslicht
kamen, zum Teil aber noch an ihrer alten Stelle im Rahmen
der Architektur erhalten sind. Ich will hier und S. 175 einen
Teil dieser Denkmäler vorführen, (soweit diese noch nicht in den
Schriften über koptische Kunst S. 159 f. und Mschatta S. 265
veröffentlicht sind), muß aber wenigstens auf die Hauptgruppe
hier schon ausführlicher eingehen.
Abb. 82 zeigt das Fragment einer Füllung, im arabischen
Museum zu Kairo, 16x70 cm groß. Berücksichtigt man das
Prinzip der Symmetrie, nach dem das Stück geschmückt ist,
so war es ursprünglich 25x70 cm groß2. Den Rand bildet eine
Palmettenranke, die im Gegensatz zu ihren Parallelen auf alt-
arabischen Grabsteinen nicht geritzt, sondern in reinem Relief
gearbeitet ist. Mit dünnen Stielen und breiten Halbpalmetten
geschnitten, haben einzelne Lappen jenen eckigen Schnitt, den man schon auf
Grabsteinen öfter als dem Charakter arabischer Schrift entsprechend beobachtet
hat. Die Ranke teilt die Tafel in zwei Felder, ein kleineres quadratisches oben
und ein Längsfeld unten. Die Muster, die in diese Felder eingeschnitten sind,
treten neben der Ranke deutlich in ihrer technischen Eigentümlichkeit hervor. War
beim Randornament der Grund gleichmäßig vertieft und die Form scharf um-
rissen in der Vorderfläche des Reliefs stehen gelassen, so ist bei den Füllungen eigent-
Abb. 82: Kairo, Ara-
bisches Museum: Ge-
schnitztes Brett.
r Er £ibl zwei Beispiele bei Behandlung des Keilschnittes „Spätrömische Kunstindustrie" S. 164.
2 Wobei nicht gerechnet ist, daß sich da» Brett auch nach unten tortsetzte.
3. Parallelen in Ägypten.
89
lieh wieder eine Technik gehandhabt, die dem auf den Grabsteinen üblichen Einkratzen
verwandt ist. Auch hier wurde das Ornament in seinem Linienzuge aufgetragen, dann
aber so vertieft, daß das Messer der Linie beiderseits geneigt folgte: so entstand eine
im Durchschnitt dreieckig vertiefte Linie, deren Grat den imaginären Reliefgrund
berührt und darauf die ursprünglich auf der Vorderfläche skizzierte Ornamentlinie zieht.
Ist nun diese Linie oder das, was sie umschließt,
die Hauptsache an diesen Ornamenten? Riegl schon hat
diese Frage gestellt. Nehmen wir das untere Feld: da
läuft die Linie von der Ecke links oben in kurzem Bogen
nach der Mitte, wo sie abgebunden ist und zieht sich
dann wieder ausbauchend nach unten, ohne nochmals
den seitlichen Rand zu berühren. Unten biegt sie kurz
nach innen um und — hier tritt nun mit einem Mal ein
Wechsel ein — wir folgen nicht mehr dem Verlauf der
Linie im Grunde, sondern sehen füllend ein dreiteiliges
Blatt, das sie umschließt. Prüft man weiter, so werden
sich die beiden Schnörkel, die oben seitlich lotrecht und
wagrecht eingeschnitten sind und den Schwung des Um-
risses eines halben Efeublattes haben, schwerlich anders
denn als Zierlinien nehmen lassen: schöne Linien — ich
nenne sie S. 173 f. Schnörkel — symmetrisch angeordnet,
ohne daß der von ihnen umschlossenen Form ein anderer
selbständiger Wert zukäme als etwa der des uns ge-
läufigen Kreislappens; nur ist er hier zugespitzt. — Das
Ornament oben im Quadrate fängt am oberen Rande an
wie im unteren Felde; die Schräge nach der Mitte zu
biegt dann im Schwünge eines Fragezeichens nach außen
um. Auf dem herzförmigen Mittelschilde, den diese und
zwei Schnörkel oben umschließen, sind Linien eingeritzt.
Das Ornament des unteren Feldes kehrt fast genau
gleich wieder in den beiden Füllungen einer kleinen Tür
Abb.831, die ich im Chan el-Chalil zu Kairo für das Kaiser-
Friedrich-Museum in Berlin erwarb. Sie ist 0,730x0,252 m
groß und massiv in einem Stück gearbeitet. Der Schnitt ist
energischer als bei Abb. 82 und die Füllung des mittleren
Schildes unten eine andere. Eingekerbte Striche und kleine gestanzte Punkte (vgl. Abb. 79)
beleben die blattartigen Teile zwischen den Schnörkeln, die oben geradezu wuchern.
In den Kgl. Museen in Berlin befindet sich jetzt auch ein im Kairiner Kunst-
handel erworbenes Stück Abb. 84, das, 0,636x0,220 bzw. 0,135 m groß, oben eine
Art Zinne zeigt, die sich nach unten verbreitert und unregelmäßig abschließt; es war
also da wohl verdeckt. Das Ornament zeigt in der Hauptsache einen Schnörkelzug,
Abb. 83 : Berlin, Kaiser-Fried-
rich-Museum : Geschnitzter Tür-
flügel aus Kairo.
1) Ich gebe das unrichtig photographierte Stück in verkehrtem Licht, um den Vergleich nicht zu
erschweren. Nr. 336, das folgende Stück Nr. 335 meines Inventars.
90
III. Die gconieiri.-i.be Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
em der vorhergehenden Stücke verwandt ist. Abb. 85 zeigt den Typus dieser
v.ppe in seltener Reinheit. Das Brett vereinigt die Schnörke!züge der beiden Felder
n 82 in einem Felde. Das Stück ist durch Schenkung von Herz-Pascha an Berlin
übergegangen. Es ist 0,528x0,115 m groi.S und zeigt auf allen Seiten Falzansätze,
ist also eine Füllung. Wir sehen oben zunächst die beiden von der Mitte aus nach
oben geöffneten Schnörkel. Dann gehen von den Ecken Linien schräg nach der
Mitte unten. Den Zwickeln, die sie mit den Rändern bilden, ist durch je zwei Quer-
schnitte der Charakter von Blättern gegeben. Der mittlere
Schild zeigt drei Schlitze mit kleinen Kreisenden, die seine
Fläche beleben.
Dieser ganze Oberteil sitzt auf den ein-
Abb. ^4 : Berlin, Kaiser-
Friedrich-Museum : Geschnitztes
Breit ans Kairo.
Abb. S3: Pcilin. Kaiser-
Friedrich - Museum :
schnitztes Brett ans Kairo,
Abb. So-, Paris, Louvre:
Geschnitztes Brett.
gerollten Enden eines Schnörkelzuges, der ziemlich genau dem im unteren Felde
des vorher beschriebenen Stückes ähnlich ist: die Flächen sind wie oben durch
Kreise und Schlitze belebt. Dieses Stuck hat in meinem Inventar Xr. 359.
Eigenartig ist eine Tafel des Louvre ' (Abb. 86), die einst mit anderen zusammen
eine Täfelung bildete. Der obere Rand steigt im Bogen an; dementsprechend ent-
wickelt sich auch das durch ein flaches Band gegliederte Ornament. Es bildet nach
links oben eine Schleife, in der ein Yogelkopf mit Halsband und Schnörkelschnabel
erscheint. Dann folgt in der Spitze ein halbes Dreiblatt, das nächste Brett links
1 ( so m hoch, 0.40 m breit. Ich verdanke die ^holographische Aufnahme M \ van Berchem.
Vgl. I M ihiicl d'art musnlman II S. 90.
Parallelen in Ägypten,
91
körinte im Gegensinn ergänzt werden. Man bekäme dann eine spitzbogige Lünette.
Nach rechts hin sind die Felder mit Schnörkelornamenten im typischen Schrägschnitt
ausgeführt. Unter dem Yogelhalse die charakteristische „Sporenblüte", daneben
Kreislappen und oben rechts das trompetenförmige „Doppelschnörkelblatt".
Überblickt man die vorgeführte Gruppe von Brettern, so erscheinen die Orna-
mente auf den ersten Blick seltsam. Sieht man genauer zu, so findet sich auch da
der geometrische Schnörkel und der Schrägschnitt, dazu der Kreislappen als Fül-
lung, aber so sonderbar verwendet, dalo Gebilde zustande kommen, die nichts mit der
Abb. 87: Altkairo, Tür im Turm der Georgskirche: Füllungen.
Ornamentgruppe aus Ungarn und Albanien zu tun zu haben scheinen. Und doch
ist der Geist der gleiche; nur ist die Richtung, die bei dem albanischen Funde an-
geschlagen war und, kurz gesagt, auf Verdrängung alles (im antiken Geiste dem Motiv
als Unterlage dienenden) Grundes hinauslief, hier geflissentlich zum Prinzip erhoben.
Der Grund wird nicht in Flächen gezeigt, sondern lediglich durch Linien angedeutet,
die, im Schrägschnitt vertieft, wie Schnörkel auf dem Grunde gezogen erscheinen.
Es kehrt immer die langgezogene Kurve wieder, in deren Zwickeln Schnörkel
liegen: sie sind nichts anderes als die — hier zugespitzten — Kreislappen im Ornament
des albanischen Schatzes. Zwischen beiden Gruppen liegen Jahrhunderte.
Ein reiches Bild dieser — man könnte sagen abstrakten — Schrägschnitt-Orna-
mentik zeigen die Türfüllungen Abb. 8y , die ich im Winter I900/I an ihrer alten
Stelle in einem der Türme von Kasr esch-Schama'a bei Altkairo unter der heutigen
92
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
Ge "che fand. Es handelt sich um zwei von zehn Türfüllungen1. Wir sehen einen
Lreieckigen Schild unten; er hebt sich in seiner durch den Schnitt wie weich
gepolsterten Fläche auffällig von den tief eingeschnittenen symmetrischen Linien-
zügen ab, die sich besonders oben in reicher Verschnörkelung auftürmen. Zunächst
geht eine Hauptlinie, in Vasenform abgestuft, nach der oberen Ecke, wo sie wie eine
Ranke mit einem kurzen, spitzen Blatt endet und nach der Mitte zu einen Schnörkel
entsendet, der mit einem zweiten zusammen zur Umrahmung einer Form wird, die
ich das „Doppelschnörkelblatt" nenne, entsprechend der Halbpalmette des alba-
nischen Fundes. An der Basis zwei Volutenschnörkel, die
einer trompetenartigen Erweiterung Platz lassen und durch
einen flachen Bogen verbunden sind. Man wird in unserer
Füllung vier Paare solcher Schnörkelblätter finden, wenn man
nur beachtet, daß durch Verschiebungen in der Stellung der!
Schnörkel — je nachdem sie mehr horizontal oder vertikal
zur Mittelachse stehen — verschiedene Arten desselben Typus
entstehen. Die obersten legen sich schräg in die Ecken, das
folgende Paar scheint herabzuhängen, das nächste darunter
bildet die wagrechte Oberkante des Schildes, das vierte legt
sich seitlich an den Fuß der Schrägen. Dazwischen schön ge-
schwungene verbindende Linien, so oben in der Mitte ein
T-förmiger Linienzug2, der auf zwei Schnörkeln aufsteht, und
unten ein anderer, der sich aufrichtend das Schnörkelblatt
umzieht, ähnlich wie im quadratischen Oberteil von Abb. 82.
Beachtenswert ist noch der Abschluß des Schmuckes unten
in den Ecken. Wir sehen da in der Mitte zwei sich berührende
Schnörkel, die im Bogen nach oben dem Rande zu streben
und in der Eckmasse als „Sporenblüten" gebildet sind. Zu
beachten sind auch noch die am Ursprünge des Schildes ge-
zogenen Doppelbogen und Einkerbungen darunter.
Die Tür von Kasr esch-Schama'a war zu der Zeit, als ich
sie aufnahm, fast vollständig erhalten. Von ihrer Art gibt es
eine ganze Reihe Beispiele in Ägypten, sowohl in christlicher
Zeit wie aus islamischen Denkmälern. Ich erwähne hier nur
Es sind ebenfalls Türen. Die eine Abb. 88 fand ich 1901 in der
Bibliothekskammer des Kasr im Deir es-Surjani3 aufbewahrt. Der eine, nur teilweise
erhaltene Flügel ist 2,16 m lang und hat Füllungen von 0,50 m Höhe. Diese sind
mit (bis zu 2,5 cm tief ausgehobenen) Schnörkelornamenten im Schrägschnitt ausgefüllt,
in deren Mitte' unten4 wieder der schöne dreieckige Schild in Form eines Pokals
Abb. 88: Deir es-Surjani:
Türfüllung.
noch zwei Exemplare.
1) Ein sehr zerstörtes Feld im Kaiser-Friedrich-Museum (Xr. 334 meines Inventars). Das einzelne Feld
i-t 0499x0,228 m groß. Die Kirche selbst ist inzwischen abgebrannt und jetzt prächtig wiederaufgebaut.
2) wie in Abb. 59 auf dem Kruge von Xagy-Szent-Miklos. Vgl. auch Abb. 82 und die Krönung
der Stele Abb. 78.
3) Vgl. Oriens christianus I (1901) S. 356 f.
41 Ich habe auch diese Abbildung trotz der falschen Beleuchtung umgedreht. Am Original oben.
3- Parallelen in Ägypten. 93
auftritt. Er erscheint wie stehend auf einem Fuß, von dem sich Schnörkelblätter
nach der Seite ranken, während darüber andere aufgelöst ihre Spitzen über den
Schild hinweggehen lassen. Oben sieht man eine reiche Zusammenstellung von
halben und ganzen Schnörkelblättern, die sich auf mannigfache Art einrollen. — Be-
achtenswert ist, daß auf dem Schilde ein gesondertes Feld mit einer Palmette ausge-
spart ist, ein Motiv, das unmittelbar überleitet auf die reich verzierten Schilde der
Tür des Hakim (996 — 1020), die ich hier nicht abbilde, weil sie wiederholt veröffent-
licht ist '. Sie leitet bereits über auf die den Schrägschnitt aufgebenden reichen Türen,
als deren typischer Vertreter die Martorana-Tür in Palermo bekannt ist. Das Jahr looo
gibt etwa die letzte Grenze der reinen Schrägschnittarbeiten in Ägypten.
Zur Datierung dieser Holzarbeiten ist im übrigen folgendes zu bemerken. Die
Einzelstücke, die ich oben veröffentlichte, stammen zumeist aus den 1894 gemachten
Ausgrabungen von Ain es-Sira und sind nach den mit ihnen zugleich gefundenen Grab-
steinen von 228, 250 und 268 d. H. (842, 864 und 881 n. Chr.) in das IX. Jahrh. datiert.
Einen wertvollen zeitlichen Beleg bilden auch die Ornamente auf der Rückseite von
o',Wf*rV,,Jl.l,IJ"3r'r
p3^S
Abb. 89: Kairo, Arabisches Museum: Rückseite arabischer Bretter vom Jahre 1216.
Brettern, die 1216 wieder verwendet wurden. Drei stehen im Museum zu Kairo, eines im
Viktoria and Albert-Museum zu London. Sie stammen von der Brüstung eines Grabes
der Moschee des Sadat et-Talba bei der berühmten Moschee des Imam esch-Schafi'i
und sind inschriftlich datiert 61 3 d.H. (1216 n. Chr.). Sie zeigen das reich entwickelte
Arabeskenornament der späten Fatimidenzeit (969— II71)2. Für uns hat im Augen-
blick nur die Rückseite Wert." Ich habe einen Teil davon aufgenommen (Abb. 89).
Man sieht, daß zur Herstellung der neuen Schnitzereien ältere Schnitzbretter mit
unseren charakteristischen Schnörkelornamenten genommen wurden. Im Jahre 1216
war also jedenfalls diese alttürkische Dekorationsart seit Jahrhunderten wohl voll-
ständig durch die neue der Fatimiden überwunden. Die Datierung in das IX. Jahrh.
muß jedoch auch auf das X. erstreckt werden, nur ändern sich natürlich gewisse
Qualitäten. Die Türfüllung von Deir es-Surjani Abb. 88 zeigt eine Steigerung des
Tiefendunkels, ein Wuchern der Motive und zugleich die Neigung zur Anbringung
von positiven Einzelheiten, wie der Vollpalmette auf dem Schilde. Man wird dafür
1) Zuletzt bei Migeon, Manuel d'art musulman II S. 91. Vgl. Herz, Catalogue p. 172 und Berchem,
Corpus I pl. XVI. 1. Gay et, l'art arabe S. 86 gibt eine moderne Tafel.
2) Abbildungen bei Franz-Pascha, Kairo S. 45 und Berchem, Corpus insc. arab. Taf. XLIV Nr. 2;
Migeon, Manuel II S. 99 f.
i
111. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
m Vergleiche gut die in dem gleichen Natronkloster ausgeführten Stuckaturen
verwenden dürfen. Abb. 90 gibt davon eine gute Vorstellung. Es ist eines der
bisher unzulänglich veröffentlichten Felder jenes Frieses, den ich mehrfach besprochen
habe '. Man sieht, das Muster ist im Grunde das gleiche, nur sind die Schilde kleiner
geworden und die Schnörkel zu richtigen Halbpalmetten umgebildet, das Ganze in
Stucktechnik mit verschieden geformten Löchern im Tiefendunkel belebt. Diese
Stuckaturen nun sind wohl in die Zeit des Moses von Xisibis ins X. Jahrhundert zu
datieren- und aus Mesopotamien oder Iran herzuleiten, d. h. aus dem Lande, zu dem
wir nach Osten vorschreitend gleich übergehen.
Die Blüte dieser Technik wird wohl in der Zeit
des ersten türkischen Statthalters von Ägypten
(Ahmed ibn Tulun) und den Ornamenten seiner
Moschee in Kairo (876 — 78) zu suchen sein. Nur muß
man freilich damit rechnen, daß diese Stuckfriese un-
zählige Male überarbeitet sind und man den ur-
sprünglichen Charakter besser an den Türlaibungen
aus Holz studiert. Davon unten S. 176 f.
Wir stehen nun vor der Tatsache, daß im
Norden wie hier im Süden des Mittelmeeres eine
Ornamentgruppe, d. h. das gleiche Motiv und die
gleiche Technik und Qualität herrschend ist. Er-
klärt sich das durch spontane, unter den gleichen
Bedingungen vor sich gegangene Entstehung oder
liegt der Fall so, daß Ägypten den Norden oder
dieser Ägypten beeinflußt hat? Es ist nicht nur
von Falke, sondern schon früher von Berlin aus
durch Herzfeld der Versuch gemacht worden, diese
Art von Zierkunst als in Ägypten bodenständig
nachzuweisen 3. Dies geschah freilich ohne Kenntnis
der nordischen Gruppe, wie in ungenügender Be-
kanntschaft mit dem koptischen Ornament. In
Abb. 90: Deir es-Surjani. Kirche
cl-Hadra. Einzelfeld des Stuckirieses
Wirklichkeit ist der eigenartige Schmuck im Rahmen
der altchristlichen Kunst Ägyptens ebenso ein
Fremdkörper wie unter den Funden Ungarns und
des Balkan4. Der Schnörkel, die Halbpalmette mit allen ihren Keimformen, wie die
Technik des Schrägschnittes, sind in der nachgewiesenen reichen Mannigfaltigkeit
vielmehr in Kunstkreisen heimisch, die östlich zwischen dem Norden und Süden
liegen und nach beiden Richtungen hin vermitteln. Zunächst in Vorderasien, im
1 Vgl. zuletzt Monatshe.tc für Kunstwissenschaft 1 S. 19 und VIII Taf. So. Dazu Johann Gc
Mreilzüge Abb. 711. Ich benutze Aufi ahmen de> ägyp. Comite* de consen ation.
^ Vgl. Oriens christianu* I S. ^67 f.
Der Islam 1. 47 f. Vgl. dazu jetzt das Geständnis in der gleichen Zeitschrift VI ( 191 5) S. 214.
4 Vgl. darüber meine ,. Koptische Kun>f iCatalogue gen. du Musee du ( aire Einleitung und S. 160 f.,
S -'(>5 und 346.
4. Parallelen aus Mesopotamien und Iran. QC
engeren Sinne in Mesopotamien, Iran und weiter in Zentral- und Ostasien. Dort
hat sich die geometrische Ranke mit dem Kreislappen von alter Zeit her in Übung
erhalten, ist nicht erst vom späten Hellenismus, Rom oder gar von Byzanz aus neu
eingeführt worden. Wenn die Ranke in der islamischen Kunst eine ausschlaggebende
Rolle spielt, so beruht das wie bei der Profilierung ' auf alten in Asien heimischen
Voraussetzungen2. Auch die Technik des Schrägschnittes dürfte dort aufgekommen
sein. Es wird auch hier wieder die Entwicklung auf den Kopf gestellt :!, wenn nfan
annimmt, die Holzarbeit an sich und die ägyptischen Rretter im Besonderen hätten die
Originalität für sich. Es ist die in Mesopotamien und Iran heimische Verkleidungstechnik
in Stuck, die solche Formen übermittelt hat. darüber hinaus kommen für die Ent-
stehung Umstände in Betracht, die gleich zu erörtern sein werden.
4. Parallelen aus Mesopotamien und Iran.
Bis vor wenigen Jahren wußten wir nichts über die Kunst der christlichen und
islamischen Zeit in den Gebieten jenseits der syrischen Wüste und des Taurus.
Ich glaube der Forschung mit meinen Arbeiten über Mschatta und Amida Bahn ge-
brochen zuhaben. Nun fließt, nachdem die Aufmerksamkeit geweckt und die Probleme
gestellt wurden, das Material reichlicher und rascher, als zu erwarten war.
A. Samarra. Ich stelle die mesopotamische Gruppe voran — obwohl sie zeitlich
später anzusetzen ist als die iranische — weil sie, unmittelbar neben die ägyptischen
Beispiele gehalten, mehr als Worte von dem Verhältnis der ägyptischen Denkmäler,
die man hartnäckig zum Ausgangspunkt der ganzen Ornamentgattung machen will,
Zeugnis ablegt.
Abb. 91 zeigt das Stück einer Wandverkleidung in Stuck, wie sie Miss Bell im
Bet el-Chalife zu Samarra am Tigris gefunden hat4. Es handelt sich um den riesigen
Palast eines Kalifen aus dem IX. Jahrhundert. Er ist in Backstein erbaut, die Mauern
sind wie in der von Samarra abhängigen Moschee des Ibn Tulun in Kairo mit Stuck
überzogen, der in letzterer bis zu fünfzehn Schichten übereinander liegt, so daß all-
mählich die ursprünglichen Formen ganz verwischt wurden. Dafür tritt jetzt Samarra
ein, das Beispiel Abb. 91 gibt eine merkwürdige Bestätigung für die durch die lite-
rarischen Quellen bezeugte Abhängigkeit Ägyptens vom Zweiströmeland5. Man
sieht eine Folge schräger Geraden nebeneinander, die durch kleine Bogen am unteren
Ende zu ähnlichen Schilden zusammengezogen werden, wie wir einen solchen in
Abb. 87 und 88 sahen. Die im Schrägschnitt gebildeten Schilde sind oben durch die
gleichen Voluten verbunden wie an diesen Türfüllungen in Ägypten, so daß wir uns
auch an der Wand von Samarra ähnliche Ornamente ergänzen dürfen, wie sie an den
Türen erhalten sind (eine gute Vorstellung solcher reicher Stuckwände gibt heute
1) Amida S. 335 f.
2) Mschatta S. 327 f.
3) E. Herzf'eld, Der Islam I, S. 45. Vgl. dazu leider jetzt auch Diez, Die Kunst der islamischen
Völker S. 68.
4) Bell, Amurath to Amurath Fig. 156 zu S. 240/1 ; vgl. auch Yiollet, Description du Palais de al-
Moutasim Taf. XVI.
5) Vgl. Koptische Kunst S. XXIV und Oriens christianus I, 356 f.
96
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
noch Maqam Ali am Euphrat, aus etwas späterer Zeit 1'k Der untere Teil der Wand
zeigt die typischen Schnörkel, Strichpunkte und Einkerbungen, wie sie auch auf den
optischen Brettern und in der Ibn Tulun typisch wiederkehren. Eine Fülle ein-
schlägiger Wanddekorationen hat Viollet, Description du palais de al-Moutasim, nach
den in Samarra gefundenen Resten ergänzt veröffentlicht2.
Neuerdings haben nun Sarre-Herzfeld in Samarra Ausgrabungen veranstaltet und
dabei wie zu erwarten war, großartige Ergebnisse erzielt3. Sie haben damit gegen
ihre eigene Überzeugung den Beweis erbracht, daß Persien Ägypten gegenüber der
gebende Teil war; denn bei den vielen Grabungen, die in Ägypten im Gebiete der
Grab-, Kloster- und Privatarchitektur gemacht worden sind, ist auch nicht ein Bei-
Abb. 91 : Samarra, Bet el-Chalife: Rest einer Wandverkleidung in Stuck.
spiel stuckierter Wände entdeckt worden, so daß die aus literarischen Nachrichten hervor-
gehende Wahrscheinlichkeit, wonach die Stuckornamente in der Moschee des Ibn Tulun
und im Deir es-Surjani von Samarra, bzw. von Nisibis aus besorgt wurden, durch
den Erfolg der Ausgrabungen von Samarra nur voll bestätigt wird4. Diese Funde
haben aber noch etwas anderes gerade für die Technik der Schrägschnittmuster (ohne
Hervortreten der Grundfläche bis auf eine schmale Linie) ergeben. Sind die Stuck-
ornamente der Tulun und im syrischen Kloster an den Natronseen mit der Hand
gearbeitet, so sind unter den zahllosen Stuckornamenten von Samarra gerade nur
die Schrägschnittmuster mit dem Holzmodel durch Pressung hergestellt. Für diese
1) Vgl. Amida S. 557t". nach Sarre. Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen 190S S. 1 f . Bezüglich
der Datierung v^l. l'lury, Die Ornamente der Hakim- und Ashar-Moschee S. 8.
2 Memoires presentes par divers savents ä l'academie des inscriptions et belies lettres Tome XII,
He partie (1909).
Vgl Herzfeld, Erster. vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen von Samarra, Berlin 1912, S. 14 ff-
meine Kritik Monatshefte f. Kunstwissenschaft XVIII (1915) S. 369^
4. Parallelen aus Mesopotamien und Iran.
97
rasche Technik wurden Muster gefordert, die ein ungefährliches Abheben der Holz-
formen sicherstellten. Ich gebe als Beispiel Abb. 92 nach dem vorläufigen Ausgrabungs-
bericht Taf. XII. Es ist eine Wand aus dem Palast Balkuwara, erbaut zwischen
855 —859. Der untere Wandstreifen zeigt in zwei Reihen übereinander das gleiche
Motiv: oben ein Rundschild mit eingerollten Flügelenden, die ein flaschenartiges
Motiv- in die Mitte nehmen. Es wiederholt sich unter dem Schilde vergrößert und be-
gleitet von den gleichen spitzen Kreislappen, wie auf den ägyptischen Brettern, Abb. 82 f.
Diese Lappen bilden im Außenumriß ein Spitzoval, in das sich unter den Kelch
der Flasche die Schnörkel mit den Kreislappen nochmals einschmiegen.
Besonders hervorzuheben ist die Gliederung der durch den Schrägschnitt ent-
standenen Flächen durch Punkt und Strich, vor allem durch die Vereinigung beider.
Dafür gibt der vorläufige Bericht auf Tafel IV und XIII vortreffliche Belege '. In
unserer Abb. 92 sind sie etwas durch Sand verdeckt. In den unten zu besprechen-
den Stuckornamenten der Ibn Tulun-Moschee in Kairo bilden sie das Um und Auf
der Innengliederung der durch die Schnörkel umrissenen Schrägschnitt-Flächen.
Ich könnte die Beispiele dieser Ornamentik in Mesopotamien sehr häufen, nicht
nur durch weitere Parallelen in Stuck, sondern vor allem durch Bretter von ähn-
1 1 Ebenso eine Aufnahme bei Diez, Die Kunst der islamisehen Völker S. 3S Abb. 47.
Strzygowslcy, Altai. 7
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
lichem Schnitt. Zwei aus Tekrit in Berlin '. Ich denke, das wird nicht mehr nötig
in. Für die Abhängigkeit Ägyptens von Mesopotamien vergleiche z. B. die Kreis-
punkte im Rahmen des Surjani-Feldes (Abb. 90) mit den Bossen, die im Palast
Balkuwara (Abb. 92) die Öffnungen im oberen Teile der Wand umrahmen. Man
sieht, es ist durchaus die gleiche Art, nur in Ägypten verflacht. Auch die Auf-
teilung und der Linienschwung in der vertikalen Leiste, mit der die Stuckwand
Abb. 92 links endet, kehrt in Ägypten wieder. Wir sahen sie oben auf dem Holz-
fragment Abb. 82 im arabischen Museum und ähnlich in
Berlin Abb. 85.
B. Silberarbeiten. Das waren Beispiele aus dem
IX. Jahrhundert. Diese Ornamentik muß aber schon in sasa-
nidischer Zeit in Blüte gewesen sein. Den Beleg liefern einige
der ., spätrömischen" Keilschnittbronzen, die Riegl (Spätröm.
Kunstind. S.l 54f.) zusammengestellt hat und sasanidische Reliefs
in Silber und Bronze, wie sie das Werk von Smirnov über
„Östliches Silber" und die Münchener islamische Ausstellung
vom Jahre 1910 zutage gefördert haben. Ich gebe Abb. 93
nach Tafel L des Smirnovschen Albums die Ansicht der
Schmalseite eines Silberkruges, der 1878 in Maltzewa im
Gouvernement Perm gefunden und in die Petersburger
Stroganov-Sammlung gekommen ist. Auf diesem Pracht-
stück sieht man Ranken ähnlich in Spitzovalen geordnet, wie
auf den Pfeilern aus Acre 2; der syrische Hellenismus nahm
dafür — vielleicht vom Parteiischen her — Weinlaub, der
sasanidische die Palmette. Bei genauerem Zusehen zeigt sich,
daß die einzelnen Lappen genau so in schrägen Flächen ge-
schnitten sind, wie die oben in Abb. 68 vorgeführten Stein-
ornamente von der Akropolis in Athen. Der gleiche Schnitt
kehrt wieder auf der Schale aus Perm bei Smirnov Nr. 106.
Es ist also auch diese keulenförmige Umbildung des Schräg-
schnittes durch Denkmäler aus dem Osten belegt. Man be-
achte ferner die seltsamen Lappenformen und den W'echsel
der Technik an Ha's und Fuß. Die Anordnung in Spitzovalen
ist die gleiche wie an der Wand von Samarra Abb. 92, nur
eben nicht der mechanischen Technik in Stuck entsprechend durch Schnörkel, sondern
plastisch in der Form der geometrischen Ranke herausmodelliert. Wir haben in den
Spitzovalen eines jener Motive vor uns, die unten S. 1 51 als Lieblingsmotiv der flächen-
fullenden Zierkunst der Nomaden bezeichnet werden soll. Auch auf den Brettern
aus Ägypten Abb. 82 f. liegt das Motiv im Keim vor3.
Noch ein anderes Denkmal möchte ich bei dieser Gelegenheit veröffentlichen,
das ich im Stieglitz-Museum in Petersburg fand. Ich danke Abb. 94 der freundlichen
1 Vgl. Sarre-Herzfeld, Archäo). Reise im Euphrat- und Tigrisgebiet I S. 22.
2 Vgl, ehristianus IV (1902) S. 421 f. und Mschatta S. 300I.
''-<hat'a S. 321 ein anderes noch durchaus sasanidisch ornamentiertes Brett in Kairo.
Abb. 93: Petersburg,
Sammlung Stroganov:
Silberkru«' aus Perm.
4. Parallelen aus Mesopotamien und Iran.
99
Liebenswürdigkeit des Kustos, Herrn Dr. E. v. Querfeldt. Es handelt sich um eine
Bronzeschüssel von der Art, wie man mehrere in den Meisterwerken muhammedanischer
Kunst (Münchener Ausstellung 1910 II Tafel 1 37 ff.) zusammengestellt findet. Das
neue Exemplar hat 68,5 cm Durchmesser und ist ausgezeichnet erhalten '. Man sieht
Abb. 94: Petersburg, Stieglitz-Museum: Bronzeschüssel.
im Zentrum eine stehende Gestalt in weitem Kaftan und mit einem Kopfschmuck,
der etwas anklingt an die bizarren Formen, die in den Wandgemälden aus dem
Turfan vorkommen2, obwohl es sich hier vielleicht um eine entstellte Mauerkrone
1) Eine zweite kleinere Schüssel dieser Art im gleichen Museum mißt 58 cm Dm. Um ein Mittel-
medaillon mit einem Löwen, der eine Gazelle überfällt, stehen im Kreise Tiere: Adler, Löwe, Gazelle, Kamel,
Buckelochse und zwei gegeustäudig aufspringende Paare. Die Photographien wurden für F. Sarre angefertigt.
2) Vgl. dafür Le Coq, Chotscho Taf. XVII.
7*
«^y, in. | [lettische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
handeln könnte. Die Gestalt hält in der Rechten ein Schwert (?), in der Linken ein
flatterndes Band i?) erhoben. Das Muster des Gewandes, Rauten und Zickzack mit
Punkten, ist ähnlich ziseliert, wie auf den Krügen von Nagy-Szent-Miklos. Uns inter-
eren mehr die Ornamente, die in konzentrischen Kreisen um diese Figur gezogen
sind. Da sieht man zunächst im innersten Kreise Pfauen zuseiten der Figur, dann
durch eine Perlschnur getrennt Pfauen zuseiten des Kopfes und laufende Löwen und
Gazellen, stellenweise begleitet von Rankenteilen. Man beachte hier schon die kom-
pakte, keulenartig wirkende Bildung der Tierleiber. Der nächste wieder durch Perl-
schnüre gesäumte Kreis zeigt eine Wellenranke mit Dreiblättern und Punkten, wie
man sie (Abb. 8l) auch auf den arabischen Grabsteinen von Kairo aus dem IX. Jahr-
hundert verwendet sieht '. Der nächste breite Kreis macht von der Palmetten-
ranke ausgiebigen Gebrauch. Man sieht in elf Kreisen Tiere und Vögel, dreimal
auch Menschen, öfter begleitet von Rankenmotiven. Diese geben den Ausschlag
in den schönen Füllungen zwischen den Kreisen: Anmutige Linienspiele, bisweilen
aus einer gesprengten Palmette entspringend und auslaufend in Efeublätter, Trauben,
Granaten oder Yollpalmetten, bisweilen durchsetzt von einem Perlhuhn, begleitet von
knollig verdickten Lappen. In der nächsten Zone ähnlich gebildet eine Ranke, an
der die schotenähnlichen Lappenpaare zu beachten sind. handlich ein breiter Rand
mit 36 Bogen aus Perlenschnüren auf dünnen Säulchen, darin Tänzerinnen, Manner,
bekleidet und nackt, Tiere, Vögel und wieder die Ranke. Dieses schöne Stück zeigt
gleich den andern Schüsseln verwandter Art, wie frei spielerisch man sich in Ostpersien,
wohin ich die Stücke nach ihrem Ursprung versetzen möchte — das eine soll in
Sendschan erworben sein — , der Palmettenranke zu bedienen wußte.
Von einer dieser Schüsseln, die man in München der letzten Sasanidenzeit zuschrieb,
möchte ich hier noch eine Aufnahme geben (Abb. 95). Es ist wieder ein Bronze-
teller (von 68 cm Dm., gegossen) mit reich gravierten radialen Arkaden um einen
mittleren Kreis mit Architektur auf Flügelpalmette -. In den Arkaden aus Hufeisen-
bogen3 auf dünnen Säulchen, wie -man sie ähnlich häufig in den Kanonesarkaden ar-
menischer Evangeliare findet, sieht man Rankenbäume von der Art, die oben in den
Steinfragmenten aus Athen und auf dem Kairuaner Mimbar aus Bagdad Abb. (68
und 71 1 besprochen wurde. Sie kommen verkümmert ja auch auf unseren Schmuck-
sachen aus Albanien Nr. 14 und 24 vor. Jede zweite Arkade in Abb. 95 zeigt den
gleichen mit einer Flügelpalmette endigenden Baum. Uns interessieren mehr die
andern in jedem Felde wechselnden Motive. Man beachte die beiden auf das Ende
der Flügelpalmette zustrebenden Felder und vergleiche sie mit dem Ornament der
Wangenplatten und dem Goldpokal des Poltawaschatzes (Abb. 55 und 58) und wird auf
ihnen die haargleichen Wucherungen der Palmette finden, wie auf der hier abgebildeten
sasanidischen Bronzeschüssel. Auf der einen Seite links die Lappen, die fast zu
wehenden Bändern umgebildet sind, und auf der andern rechts die knopfartigen Ver-
dickungen mit angesetzten Nasen. Dazu oben in den Zwickeln zwischen den Bogen
1) Vgl. .. l)er Islam" II S. 3101V. und für das auf diesen Grabsteinen so häufige Kettenmotiv aus
Wellengliedern Meisterwerke II Tai. 1
2) Münchener Ausstellung Xr. 298S, Meisterwerke II Tafel 137. Danach meine Abbildung.
3 Zweimal sogleich als Kielbogen zugespit/.t.
\. Parallelen aus Mesopotamien und [ran.
101
Fullmotive mit allerhand launigen Formen, die den im Kreislappen und der Pal-
mette, ihren Spalt- oder Entstehungsformen und Wucherungen auslebenden Geist
in Persien heimisch erscheinen lassen.
Man wird der Gruppe der vorgeführten sasanidischen Silber- und Bronzesachen
vielleicht auch noch die ungarischen Taschenbleche l der Landnahmezeit zurechnen
Abb. 95: Sammlung Martin: Bron/.eschüssel.
dürfen. Sie zeigen, in Silber gearbeitet, ähnlich gravierte Ornamente wie die zuletzt
besprochene sasanidische Schüssel. Ich danke die Photographien zu Abb. 96 bis 98
Dr. Supka vom Nemzeti Muzeum in Budapest. Es sind die drei Taschenschilde
aus Szolyva, Tarczal und Bezded, die man bei Kampel Altertümer I S. 702, 710 und
1) Vgl. über diese Bezeichnung Posta, Archäologische Studien auf russ. Boden (3. asiat. Forschungs-
reise Zichy) III S. 142 f.
102
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
713, III Tafel 400, 403 und 360 in Zeichnung abgebildet und II S. 587 und 588 f.
beschrieben rindet; man mag dort auch einen Blick auf die anderen Beispiele werfen.
Die Gruppe verdient eingehende Beachtung, hier seien nur einige, in Abb. 96 bis 98
gegebene Beispiele vorgeführt. Das Taschenblech von Tarczal (Abb. 96) zeigt eine
Flächenfüllung durch Spitzovale aus zwei Bandern, die stellenweise rund abgebunden
und durch Kommaschlitze belebt sind. Das gleiche Band bildet auch den Außen-
rand. Die Füllung wird wie in den Nischen der Bronzeschüssel Abb. 95 besorgt
durch wuchernde Palmetten, über deren geometrischen Grundcharakter kein Zweifel
sein kann. In der Mitte wächst die Palmette aus einem kolbenförmigen Ansatz hervor,
der sich als Spitze fortsetzt und eine
neue Palmette trägt. Die Haupt-
lappen wuchern seitlich geschwungen
aus und tragen an der vereinigten
Spitze eine neue Palmette. Das ist
die ausgesprochen arabeske Tendenz
ohne Wahrung des Pflanzencharak-
ters. Noch deutlicher wird diese
gegen jedes organische Bedenken
nur auf Flächenfüllung losgehende
Art in den Füllungen der kleineren
Abschnitte oben und unten. Dort im
Kern auch überall der bezeichnende
Kreislappen. Besonders bemerkt
muß der gefiederte Rand der stab-
förmigen Ansätze und der Palmetten
selbst werden. Wir fanden ihn be-
reits an den Krügen von Nagy-
Szent-Miklos an jenen Gehängen ver-
wendet (Abb. 59 und 65), die auf der
Schulter angebracht sind.
Das Taschenblech von Szolyva
(Abb. gj] zeigt, wie eine Fläche
ohne Nischen bzw. Spitzovale rein mit der Palmette ohne Ende gefüllt wird. Zwei
Yertikalreihen von Flügelpalmetten übereinander nehmen eine versetzte dritte Reihe in
die Mitte, so daß das Flügelende immer den Kreislappen der nächsten Reihe abgibt.
Bezeichnend ist der doppelte Rand der Palmette und die schraffierte Fiederung, sowie
dsr radiale Strichpunkt in den Kelchen. Der Rand des Silberbleches ist profiliert;
oben plastisch das typische Lambrequinmuster, von dem noch zu reden sein wird.
Das Taschenblech von Bezded (Abb. 981 zeigt eine Flächenfullung im Sinne der
vorhergehenden Abbildung nur auf ein Hauptmotiv beschränkt, dieses aber derart
auseinandergezogen, daß der Grund überwiegt, daher durch ein Kreuz in der Mitte
und zwei Tierfiguren links und rechts oben gefüllt ' und zugleich mit dem Kreispunzen
Abb. 96: Budapest, Nationalmuseum : Taschenblech
aus Tarczal.
: e;ne links stellt unverkennbar den per.vsch.-n Drachen dar, von dorn ich Mschatta S. 31^ ge-
5. Parallelen in Zentralasien.
I03
gerauht ist1. Die Kreislappen sind knollig verdickt und gefiedert. Wenn Hampel
meint (a. a. O. I. S. 708), die eigenartige Zusammenfügung aller dieser Ornamente atme
trotz der geometrischen Umwandlung noch (in der symmetrischen Anordnung um eine
Mittelachse bei parallel laufender Achsenstellung und der Veränderung der Größenver-
hältnisse der einzelnen Glieder entsprechend der gegebenen Raumform) antiken Geist,
ererbt von altklassischer Zeit, so ist das ein Irrtum, den das vorliegende Buch deutlich
machen möchte: die geometrische Grundform ist das Ursprüngliche, ebenso die Symme-
trie um das Mittellot und die Achsenparallele. Antik ist von diesen drei Taschenblechen
nur das dritte gerade in dem, was Hampel S.711 uralt nennt, in der Hervorhebung des
Unterschiedes von Muster und Grund.
Hier sei vorläufig nur auf die Einordnung
in die Reihe der Belege der geometrischen
Ranke Gewicht gelegt. Auf alles andere
wird später gelegentlich einzugehen sein.
Ich habe im Vorstehenden immer vom
Sasanidischen, wie das üblich ist, sobald
man diese persischen Sachen vorführt, ge-
sprochen. Prinzipiell sei jedoch bemerkt,
daß es nahe läge, die Frage der Abhängig-
keit des Sasanidischen vom vorausgehenden
Parthertum, die von der Kunstgeschichte
noch kaum in Angriff genommen wurde,
schon hier zu berühren. Ich bin bei meinen
Arbeiten über Armenien darauf gekommen,
daß das Parthische bis 428, also tief in
sasanidische Zeit in Armenien herrschend
war und eigentlich immer in Geltung blieb.
Wenn sich nachweisen ließe, daß die Silber-
schüsseln in Nordiran entstanden sind,
dann wäre ihre mehr parthische als sasa-
nidische Färbung wahrscheinlich. Davon
unten. Die ungarischen Taschenbleche gehören wohl überhaupt einem jüngeren
Nordstrome an und sind von einem Reitervolke nach dem Westen gebracht worden.
Wir gehen jetzt auf dieses Völkerelement über, das wahrscheinlich zuerst die Parther
bezw. Saken mit Persien in Verbindung brachten.
Abb. 97: Budapest, Nationalmuseum:
Taschenblech aus Szolyva.
5. Parallelen in Zentralasien.
Bisher wurde nur indirekt auf den Bestand eines östlichen Zentrums geschlossen,
das den verschiedenen Strömen der Ranke mit dem Kreislappen in Ungarn, Albanien,
Athen, Ägypten, Mesopotamien und besonders Iran als Ausgangspunkt gedient
handelt habe. In dem Dreieck D von Mschatta (ebenda Tafel VIII) ist dieser symmetrisch zusammengestellt
mit dem Greifen. Hier auf dem Taschenblech (Detailzeichnung bei Hampel S. 771) mit einem Tier, dessen
Vorderteil an den chinesischen Drachen anklingt. Davon unten.
1) Vgl. oben Abb. 83^, 88 und cjof.
104
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
haben könnte. Aus den iranischen Landschaften selbst wurde kein Beleg, der dem
Gebiete der Architektur angehörte, .beigebracht. Das darf nicht wundernehmen, einmal
weil dort überhaupt noch nie auf Denkmäler dieser Art hin gegraben wurde, dann
aber, weil die für den Nachweis des Motivs in erster Linie in Betracht kommende
breite Masse der ostiranischen Denkmäler überhaupt für immer verloren sein könnte:
jene aus Luftziegeln errichteten Bauten, deren Mauern durch Gipsverblendung mit
Ornamenten ausgestattet waren. Da sie sich in feuchtem Klima kaum hundert Jahre
halten, in trockenem nur wenig länger, so gehören Bauten dieser Art, die in die vor-
Abb. 98: Budapest, Nationalmuseum: Taschenblech aus Bezded.
islamische Zeit zurückleiten könnten, zu den Belegen, die leider ohne Ausgrabungen
nicht aufzutreiben sind1. Um so wertvoller ist jedes andere Dokument, das auf die
Spur der von dieser untergegangenen Welt verwendeten Motive leiten kann. Wir
besitzen nun solche, wenn auch vorläufig nicht aus Iran selbst, so doch aus einem
Gebiet, in dem die Forschung nicht durch das persisch-französische Ausgrabungsab-
kommen an der Arbeit gehindert war, dem Gebiet zugleich, das vielleicht bald unser
Interesse mehr in Anspruch nehmen wird, als der unverantwortliche Luxus, den wir
uns mit der einseitigen Pflege des Griechisch-Römischen und alles dessen gönnen,
was damit zusammenhängt. Die griechische Kultur hat sich mit Alexander d. Gr.
bis in die fernen Gebiete jenseits des Kaspischen Meeres vorgewagt, am Oxus und
Jaxartes haben griechische Dynasten das baktrische Reich begründet, unterlagen aber
Monatshefte für den Orient VIII 1915 S. 361 f.; Zeitschrift f. Gesch. d. Arch. XV im Druck).
v Parallelen in Zentralasien. 105
bald dem Ansturm parteiischer und skythischer Völker, die mit diesem Kampf in den
Bereich der Geschichte des asiatischen Westens gelangten. Künstlerisch beginnt die
Gegenströmung seit etwa 100 v. Chr. Unter sakischen Fürsten traten dann Ostarier an
die Stelle der Griechen. Seit 400 n. Chr. ungefähr wurden allmählich nachdrängende
türkische Stämme die Herren. Es ist dieses alttürkische Element, das in der Kunstge-
schichte der zweiten Hälfte des ersten christlichen Jahrtausends immer regsamer hervor-
zutreten beginnt, nachdem in der Zeit vorher Skythen das weite Gebiet vom schwarzen
Meere bis zum Altai beherrscht hatten. Aus diesen vorwiegend sakischen und den um
Altai und Baikalsee gruppierten türkischen Gebieten nun stammen einige Werke in Me-
tallarbeit, die neue Ausblicke auf das Ursprungsgebiet unserer Ornamentgruppe gestatten.
A. Westaltaische Gruppe. Ich bespreche zunächst einige Stücke aus dem
transkaspischen, d. h. dem Gebiete westlich des Altai. Hier werden sich noch engere
Zusammenhänge mit Iran erwarten lassen, Mischformen, die man z. T. östlich im
türkisch-chinesischen, z. T. westlich im sakischen Gebiete nachweisen kann. In der
Tat gibt es einen Schatz, den ich sowohl für die persische Wucherung der Palmette,
Abb. 99: Petersburg, Ermitage: Goldsckale vom Kotschkar.
wie für die Ranke mit dem Kreislappen, wie endlich für eine dritte Ornamentgattung
anzuführen haben werde, die später als mit Vorliebe von den Indogermanen ver-
wendet nachzuweisen sein wird.
Diesen Beleg für die Wahrscheinlichkeit, daß das Ornament, wie wir es parallel
zu dem Typus des albanischen Schatzes in Ägypten und Vorderasien nachwiesen,
in Zentralasien bekannt war, fand ich in der Ermitage zu Petersburg auf einem Schatz-
funde, der aus einem Kurgan im Tale des Flusses Kotschkar, im Distrikt Semire-
tschensk, also westlich des Altai und nördlich des Tien-schan, anschließend an das Gebiet
von Fergana stammt1. Zu dem Schatze gehört bezeichnend zunächst eine Gold(?)schale
(Inv. Nr. 7238) von der Form der Goldschalen des albanischen Schatzes, nur ist sie
leichter. Sie hat den gleichen, flachen Griff, ich gebe Abb. 99 davon eine Auf-
nahme nach Smirnov, Östl. Silber Nr. 233. Ihr Griff ist wie bei der Goldschale Tafel III
gebildet; zwischen den großen Bogen am Ansatz und die geschweifte Spitze aber
sind zwei kleinere Bogen eingeschoben. Einen ähnlichen Griff mit nur einem solchen
eingeschobenen Zwischenbogen finden wir im Schatz von Nagy-S.-Miklos (Hampel,
1) Inv. Nr. 7216. Vgl. Otschet der kais. archäolog. Kommission für das J. 1891 S. 27.
jq£ Hl. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
Goldfund S. 29 und Altertümer Taf. 3 18). Und noch ein zweites Detail erinnert auf
der Schale vom Kotschkar an den S. Nikolaus-Schatz, das ist die Füllung der Mitte
des Griffes. Man sieht (Abb. 100) in Relief ein Motiv, das sehr anklingt an die Zwickel-
füllung zwischen den vier verschlungenen Kreismedaillons auf dem reichen Kruge mit
dem Zangenornament (Hampel, Goldfund S. 9 — 13 und Altertümer III Taf. 290 — 294 .
Dort wächst aus einer Herzform, die oben mit einer Nabe abschließt, eine kleine
funflappige Vollpalmette gerade in die Höhe und vier andere dreilappige sitzen radial
an langen Stielen (Abb. 60 u. 64.x Auf der Kotschkarschale ist in die Mitte ein flaschen-
förmiges Motiv genommen; davon zweigen mehrere Stiele radial ab, die in je eineji
asymmetrischen Palmettenwipfel enden. Das plastische Motiv fällt um so mehr auf, als
das übrige Ornament des Griffes in ähnlichem Nebeneinander wie an dem Krug Abb. 65
lediglich geritzt ist. Es bildet eine Ranke mit keulenförmigen Gliedern, die vielleicht
Abb. ioo: Petersburg, Ermitage: Griff der Schale Abb. 99
zu vergleichen wäre mit Abb. 42 des albanischen Schatzes. Nur sind auf der Kotsch-
karschale die keulenförmigen Verdickungen nicht arabesk fortlaufend, sondern jede
geschweifte spitze Keule bildet ein Glied für sich, woran das nächste ganz unorganisch
ansetzt. Das gleiche rankenähnliche Ornament auch am Außenrande der Schale.
Für die Form der Schale und die Technik des eingeritzten Ornamentes wird schließ-
lich noch eine Silberschale im Besitze der archäologischen Kommission in Petersburg l
aus dem Kuban stammend zu vergleichen sein. Das Ornament selbst ist freilich etwas
anders. Immerhin gehört es zusammen mit dem der Schale vom Kotschkar neben
die Wangenplatten im Schatze von Poltawa (Abb. 58) und die sasanidische Schüssel
Abb. 95. Am Kotschkarstücke finden wir die Parallele für die ohne organischen Zu-
sammenhang aneinandergefügten keulenförmigen Lappen der Goldplatte aus Poltawa.
Für das zentrale Motiv des Griffes, das plastisch ausgeführt ist, eine Art Flasche, ver-
gleiche man die Abb. 92 gegebene Wand in Balkuwara, wo das Motiv ebenfalls zentral
1) Smirnov, Östliches Silber Taf. CKXYIII Fig 322.
5. Parallelen in Zentralasien.
IQ/
zweimal übereinander verwendet ist1. Man lasse in Abb. 100 das zwischen die abge
setzten Keulen eingefügte Kreislappenpaar, verbunden durch zwei oder drei Rund
bogen, nicht ohne Beachtung; darin, wie in der abge-
setzten Ranke überhaupt stecken auffallend chine-
sische Motive.
Die keulenartig zusammengesetzte Ranke läßt sich
nun bezeichnend auch noch in wesentlich späterer Zeit
als auf der Schale vom Kotschkar bei den Kirgisen
nachweisen. In der kgl. Leibrüstkammer zu Stockholm
sah ich einen Säbel, dessen Scheide Silberbeschläge mit
dem gleichen Ornament auf rotem Samt aufweist.
Abb. 101 gibt davon eine Einzelheit. Ich danke es dem
Entgegenkommen des Direktors der Sammlung, Rudolf
Freiherrn von Cederström, wenn ich dieses wertvolle
Stück für die Kunstforschung nutzbar machen kann.
Das anscheinend frei rhythmisch über die Fläche ver-
teilte Muster baut sich, wenn auch verdeckt, doch nach
dem spitzoval aufsteigenden Rankenpaar auf, wie auf
den persischen Silbersachen Abb. 93, 95 und 96 bis 98.
Die plastische Herausarbeitung auf breitem Grunde
entspricht der Silberkanne Abb. 93, ebenso die straffe,
schrägschnittartige Behandlung jeder einzelnen Keule.
Wiederholt taucht auch der Kreislappen in spiraliger
Einrollung auf, bisweilen mit der gleichen nach chine-
sischer Art mehrfach abgesetzten Belebung, die schon
auf der Kotschkarschale Abb. 99/100 beobachtet wurde
und ähnlich auf den Bronzekrönungen in Budapest
Abb. 34. Wenn an der Säbelscheide in Stockholm
dreimal Paare und einmal ein einzelnes Rosenblatt in
der Mittelachse erscheinen, so weist das auf eine
spätere Zeit. Der Säbel ist, 1627 von Gustav Adolf
einem Polen abgenommen'2. Baron Cederström ver-
wies mich bezüglich der Datierung auf einen anderen
Säbel in der Ermitage zu Petersburg, der inschriftlich
den Namen des Kirgisenkhans Behadur Kutchum
trägt3. Das Ornament sei sonst auf Waffen nicht
bekannt , wahrscheinlich weil man andere Kirgisen-
waffen nicht kenne und orientalische Waffen vor dem
17. Jahrhundert überhaupt selten seien4. — Ich komme
Abb. 101 : Stockholm, Kgl. Leib-
rüstkammer: Silberbeschläg einer
Säbelscheide.
1) Vgl. auch die Mschatta-Dreiecke U und V (Mschatta S. 318 9).
2) Vgl. den Katalog der Lifriistkammaren Nr. 241.
3) Vgl. das Album der Sammlung Taf. VIII A 9.
4) Vgl. dazu auch Stöcklein, Orientalische Waffen, Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 1914 5 S. 106 f.
j0g in. pie geometrische Ranke <ler Schmucksachen des albanischen Schatzes.
nun wieder auf das Gebiet von Semiretschensk zurück, von dem ich in diesem
Abschnitt ausgegangen war. Über das heutige Ornament der Kirgisen später '.
Für den Vergleich mit den Schmucksachen des albanischen Schatzes und ver-
wandten Ornamenten in Ägypten kommen aus dem Schatzfunde vom Kotschkar vor
allem Schmucksachen in vergoldetem Silber in Betracht, wie ich sie in Abschnitt IV
nach einer Aufnahme geben werde, die ich Smirnov verdanke. Auf den ersten Blick
haben sie freilich nicht viel mehr als die Zweckbestimmung mit dem albanischen
Schatzfunde gemein: auch sie sind Riemenbeschläge, z.T. von ähnlicher Form; Tech-
nik und Ornament jedoch sind völlig verschieden. Sie sind aus Silberblech getrieben
und der Grund nachträglich ausgeschnitten. Bevor ich auf das in die Augen fallende
Ornament der Oberfläche eingehe, möchte ich hier nur den vertikalen Rand besprechen,
von dem man in Abschnitt IV nur am linken Rande der langen Beschläge rechts und
links etwas sehen wird. Doch geben meine Skizzen (Abb. 102 1 davon eine Vor-
stellung Man sieht wie auf dem Griff der Schale eingeritzte Linien, die am Rande
der Schmucksachen gebildet werden, durch Schnörkel-Bogen. Diese rollen sich
an einem Ende spiralig ein und bilden so aus Einzelgliedern eine Ranke, die durch
Boo-en mit Punkten und Strichen so gefüllt ist, daß der Eindruck von Blättern entsteht.
B. Ostaltaische Gruppe. Das
Überraschendste ist wohl, daß wir die
Kreislappenranke jenseits des Altai in
Abb. 102: Petersburg, Ermitage. Randornament der Ländern nachweisen können, die nicht
Kotschkar-Schmucksachen. mehr zum iranischen, sondern zum
südsibirischen Kulturkreise gehören.
Hoernes2 sagt von ihnen: „Mutmaßlich verhält sich die Bronzezeit Sibiriens nicht nur
chronologisch, sondern auch in anderer Hinsicht ganz ähnlich zur Bronzezeit Chinas, wie
diejenige Skandinaviens, zur süd- und mitteleuropäischen Bronzezeit" und anerkennt
auch sonst die große Ähnlichkeit der altchinesischen mit den sibirischen Bronzen. Darauf
wird gleich zurückzukommen sein. Das Wiener naturhistorische Hofmuseum besitzt eine
kleine Auswahl solcher Funde, freilich wenig, das für uns in Betracht käme, dafür
aber manches, was deutlich zeigt, daß nur die qualitativ besten Stücke der eigent-
lichen Bronzezeit Sibiriens vor Christi Geburt angehören. Ihre Art freilich hat sich
später und bis in unsere Zeit fortgesetzt, wenn auch nur in der Form der inzwischen
auch aus Eisen hergestellten Werkzeuge3. Die Ornamentik, von der ich ausgegangen
bin, jene also, die auf die geometrische Ranke mit dem Kreislappen im Schrägschnitt
gestellt erscheint, hört in ihrer typischen Reinheit sehr bald auf. Ich halte mich
an die ausgewählten Stücke, die Martin »L'äge du bronze au musee de Minoussinskc
Stockholm 1893 in vorzüglichen Lichtdrucken zusammengestellt hat. Keine der
russischen Publikationen4 kann sich darin mit seiner Ausgabe messen. Da ich nach-
1) Vgl. übrigens J, A. Castagne, Antiquites des steppes Kirghises et du pays dOrembourg 1910,
und Trudy der Orenburger gelehrten Archivkommission Bd. XXII.
2) Kultur der Urzeit II S. 114.
Xach freundlichen Mitteilungen von Direktor Heger.
4) Klcroput/.. Altertümer des Museums von Minussinsk, Tomsk 1S86. mit einem Atlas, in dem die Funde
getönten Zeichnungen wiedergegeben sind. Radioff, Sibirische Altertümer (Materialien zur Archäologie
5. Parallelen in Zentralasien.
IO9
folgend immer wieder auf Martin zurückgreife, wird es sich empfehlen, ihn doch auch
als Ganzes durchzublättern. Bis jetzt hat m. W. aus diesen wertvollen Zeugen der
Vergangenheit Nordasiens kunsthistorisch niemand etwas zu machen gewußt.
Abb. 103 zeigt nach Martin Tafel 17 eine Reihe von Bronzemessern aus diesen
im Museum von Minussinsk vereinigten Schätzen. Sie sind alle am russischen Ober-
lauf des Jenissei gefunden. Ich gebe zunächst Martins Einzelbeschreibung:
15. Couteau en cuivre. Le bout du manche ajoure et orne dune tote d'oiseau
ä grand bec. Le manche orne d'un poisson grave. L. 20,8 cm. Bieisk.
16—21. Couteaux. Le bout du manche orne d'une feuille.
16
17
18
19
20
21
fS
Abb. 103: Minussinsk. Museum: Bronzemesser.
16. Couteau en cuivre. L. 17,8 cm. Legostai'ewa.
17. Couteau en cuivre. L. 19,1 cm. Listviaiowa.
18. Couteau en cuivre. L. 12,8 cm. Aechka.
19. Couteau en cuivre. Les ornements tres usees. L. 19 cm. Koiä superieur.
20. Couteau en cuivre. L. 15,5 cm. Artemiewa.
21. Couteau en bronze. L. 14,3 cm. Potiechina.
Wir lassen vielleicht Messer 1 5 und 16 vorerst beiseite und gehen aus von 17, dessen
( 1 iflf ja so unweigerlich wie nur wünschenswert die. Kreislappenranke in einer Reinheit
Rußlands hrsg. von der kais. archiiolog. Kommission Xr. 3, 15 und 27), eine Zusammenstellung aller bis-
herigen Berichte. Die Tafeln sind nicht besser als bei Kiemente. Dazu einführend Radioff, Aus Sibirien
[1 5. 78 f.
HO Hl- D'e geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
zeigt, w!e wir sie nur auf den albanischen Gold- oder den ungarischen Bronzefunden
wiederfinden. Man sieht ein leicht geschweiftes Messer, eines der längsten der Reihe,
das rechteckig, aber am Rande in kleinen Bogen ausgezackt beginnt und — was
zum Zweck, dem die Messer dienten, zu gehören scheint — am Griff durchlocht ist.
Das größere obere Loch bildet geschickt die Mitte des krönenden Kreislappens, dem
zwei andere darunter folgen, der nächste mit einem kleineren Loch, der letzte unten
ohne eine solche Durchbohrung '. Immer bleibt bezeichnend die sichelförmige Form
des Kreislappens, weshalb denn auch die schwedischen Prähistoriker das Motiv gern
als Sichelornament bezeichnen. In den andern auf Abb. 102 erscheinenden Beispielen
ist Verrohung eingetreten, zwei bzw. eine Einrollung sind noch erkennbar, bei 21
ist nur noch das Randmotiv mit dem Loch da. Xr. 15, das Martin für einen Vogel-
kopf ansieht2, gehört wohl auch hierher.
Es entsteht nun die Frage, ob dieses Motiv bodenständig und seine Entstehung
etwa aus dem vorliegenden Material zu erklären ist. Abb. 104 zeigt nach Martin
Tafel 3,2 einen Kelt, den er beschreibt: „Celt en cuivre, ä douille quadrangulaire, ä
deux anneaux. Trou de rivet. Les faces portent des ornements (chinois ?) en relief. L. 14, 1,
Larg. 8,7. Kopieva". Wir sehen unter dem oberen Rand drei Rundlappen in Klee-
blattform 3 vereinigt, deren rechter einen Palmettenlappen ausgespart zeigt.
Ich lenke an dieser Stelle die Aufmerksamkeit auf die Einschiebung, die Martin
macht, indem er fragt, ob diese Ornamentik nicht chinesisch sei. Wir sind vom
Westen kommend weit nach dem Osten vorgedrungen, womöglich immer in dem
Glauben, daß griechische Kunst bis dahin eingewirkt haben dürfte. Und nun kommt
ein Mann von der Materialkenntnis Martins und blickt (wie schon Hoernes) statt nach
dem Westen für den Ursprung nach dem Osten. Sollte die Kreislappenornamentik
hier aus chinesischen Anregungen herkommen:
Ich gebe in Abb. 105 und 106 noch einige weitere Proben der südsibirischen
Ornamentik nach den Abbildungen von Martin. Abb. 105 ist seiner Tafel 7,1 ent-
nommen. Der Text dazu lautet: „Grande hache en bronze, ä douille transversale
circulaire, avec lame ajouree et grande tete d'oiseau de proie v:\ Travail remarquable
et parfaitement conserve, couvert d'une magnifique patine vert fonce. L. 21,8 cm.
Larg. 7,5 cm. Voudina". Ich denke, man kann sich kaum etwas Eleganteres denken.
Das Ende mit dem „Vogelkopf", den man mit dem islamischen Brett im Louvre
Abb. S6 vergleiche, ist mehr als dort stilvoll aus dem Motiv des Kreislappens heraus
komponiert. Oder ist der Kreislappen umgekehrt aus dem Motiv des Vogelkopfes
entstanden: Liegt also eine zweite Möglichkeit neben der chinesischen Herübernahme vor
oder laufen beide auf den gleichen Weg zurück? Abb. 106 ist Tafel 30 bei Martin ent-
nommen. Ich bespreche hier nur die Stücke, in denen der „Vogelkopf" vorkommt.
34: „Agrafe en bronze, ornee d'une tete d'oiseau, le revers avec un bouton en forme
d'un sabot de cheval. L. 5,2 cm. Larg. 3,7 cm. Batteni". Die Agrafe 35 aus Lepiechkina
i) Ein Messer bei Martin Tafel 20, Nr. 5 zeigt eine RanVe im Gegensinn, ebenfalls mit drei Ein-
rollungen, aber einem Loch auch in der dritten untersten Einrollung.
Vgl oben Abb. S6.
!.\/.u das Textblatt von Martin Ta'el 5, wo mehrere Kelte mit ähnlich dreilappigem Ornament
5. Parallelen in Zentralasien.
111
nennt er en forme d'un bouton bombe avec im aileron ajoure. Agrafe 36 aus
Kidrensk ebenso mit zwei Flügelspitzen. Agrafe 39 aus Nitchka mit einem Flügel
und Pferdehuf. Immer klingt das Motiv des Kreislappens schon oder noch durch.
32 aus Batteni ist spiralig in Durchbrucharbeit übersetzt. Auf die anderen Durch-
brucharbeiten komme ich unten zurück.
Die Datierung der vorgeführten Bronzefunde in Minussinsk anlangend wandte
ich mich an Dr. Arne in Stockholm unter Hinweis auf die scheinbar hellenistische
Art und die Verwandtschaft mit westlichen Funden etwa des
VIII. Jh. n. Chr., auf denen das gleiche Ornament herrschend
sei, und erhielt darauf folgende Antwort, die Dr. Arne bei
einer Ausgrabung gab, ohne daß es ihm möglich war, alle
seine Papiere durchzusehen: „Nur bin ich ziemlich sicher, daß
dieses Bronzemesser (Nr. 17 in Abb. 103) dem Ende der sibiri-
schen Bronzezeit angehört und daß diese Bronzezeit in die
letzten Jahrhunderte vor Christi Geburt zu verlegen ist. Ein-
zelne Bronzegeräte, wie Scheren, hat man auch in unserem
Lande trotz der lange währenden
Eisenzeit noch im IL Jh. nach Chr.
Ein Einfluß der hellenistischen Kunst
scheint mir also nicht ausgeschlossen
dagegen kann ich für diese Bronze-
messer kaum an eine so späte Zeit
wie das VIII. Jh. nach Chr. glauben,
trotzdem die Rankenornamentik stark
an die damalige ungarische erinnert.
Montelius ist auch meiner Meinung
bezüglich des Bronzemessers". Ich
meine, auf Grund dieses Gutachtens
und der von Martin und Hoernes
gemachten Äußerungen wird man
ruhig annehmen dürfen, daß die vor-
geführten sibirischen Bronzefunde zu
den ältesten Beispielen der geome-
trischen Ranke mit dem Kreislappen zu rechnen sind. Inzwischen ist das Buch von
Minns „Skythians and Greeks" 1913 erschienen, das S. 241 f. auch die Funde vom
Jenissei und Altai berücksichtigt. Darin wird anerkannt, daß die Altaier „appear to
have originated many types, that were afterwards spread far and wide". Dazu zählt
er in erster Linie die Messer, die er mit gewissen chinesischen Typen vergleicht.
Neben den Gebrauchsformen kämen vor allem auch die Ornamente in Betracht, be-
sonders der Tierstil. Die geometrische Ranke ließ Minns völlig unbeachtet, sowohl
in den Abbildungen wie im Text.
Während der Korrektur dieses Buches besuchte ich Prof. K. B. Wiklund in
Upsala und verdanke ihm den Hinweis auf eine Arbeit von A. M. Tallgren, in der
sich dieser finnische Forscher einleitend auch mit den Bronzen vom Jenissei be-
1* 1
Abb. 104 : Minus-
sinsk, Museum :
Bronzekelt.
Abb. 105: Minus-
sinsk, Museum:
Brenzeaxt.
1 12
111. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes
schaftigt1. Er gibt dort eine kurze Geschichte der Forschung über die uraltaischen
Altsachen und sucht im Gegensatz zu den grundlegenden Arbeiten von Aspelin zu
zeigen, daß der uralische Kreis nicht einfach als ein Ableger des altaischen vorzustellen
sei. Das berührt uns hier nicht weiter. Bei dieser Gelegenheit aber bespricht Tallgren
auch die einschlägige Literatur und ich kann Laien nur empfehlen, diese Einfuhrung
zu lesen. Auf S. 2of. geht er dann ein auf die einzelnen Gruppen der Jenisseifunde,
wie sie Martin in seinen Tafeln vereinigt hat. Die Bronzemesser zählt er zu den
Abb. 106: Minussinsk, Museum: Schmucksachen aus Bron/e.
allerhäufigsten Altsachen des sibirischen Bronzegebietes, dagegen gehörten sie auf
der europäischen Seite im uralischen Gebiet zu den größten Seltenheiten. Überdies
seien solche Messer schon um 200 v. Chr. in China als Münzen im Gebrauch (S. 15)-.
Was nun die Datierung und das Rankenornament im Besonderen anbelangt, so hatte
Prof. Wiklund die Güte, die Meinung Tallgrens brieflich einzuholen. „Was die
Bronzegegenstände von Minussinsk anbelangt, ist es meine feste Überzeugung, dal!
sie zu überwiegendem, großen Teile aus dem Ende des Bronzealters stammen. Es
sind nur zwei Typen — die Äxte und die sog. Hohlkelte — die in den großen
Steppengrabern aus der letzten Periode der Bronzezeit nicht vorkommen. Die Dolche
1 Die Kupfer- und Bronzezeit in Nord- und Ostrußland Bd. I, Helsingfors 1911 S. 1 — 4.
Vgl, Münsterberg, Chinesische Kunstgeschichte II S. 215.
6. Parallelen in Ostasien. 1 1 3
und Messer sind spät; die Messer mit Pflanzenornamenten - dem „Sichel"motiv —
können speziell um 400 v. Chr. datiert werden. Der Ursprung dürfte in den griechisch-
skythischen Kulturen nördlich vom schwarzen Meere zu suchen sein. Ein Dolch mit
demselben Ornament ist in einem unberührten Skelettgrabe in dem berühmten Grab-
felde zu Ananjino an der Kama gefunden worden. Das Grab enthielt u. a. einige
dreikantige, sog. skythische Bronzepfeilspitzen aus Eisen usw. Was die Ranke mit
Kreislappen-Sichelornament betrifft, weiß ich nicht sicher, was damit bezeichnet wird;
ich dürfte immerhin behaupten können, daß sie in den finnisch-ugrischen Gebieten
unbekannt ist, wo die Pflanzenmotive erst während einer verhältnismäßig späten Zeit
eine bedeutendere Rolle gespielt haben". Soweit Tallgren; er stimmt also bezüg-
lich der Entstehungszeit im Wesentlichen mit Arne überein.
Die Beispiele aus dem Jenissei-Gebiete, das bis jetzt kaum von der abendlän-
dischen Kunstforschung 'beachtet wurde, bilden den Übergang zum ostasiatischen
Kreise, in dem die Kreislappenranke viel mehr zu Hause ist als im Westen.
6. Parallelen in Ostasien.
Man wird sich wundern, in eine Studie über die Ausbreitung der Palmettenranke
auch Ostasien, und zwar sowohl China wie Japan hereingezogen zu sehen; aber schließlich
dürfte sich mancher Gegner einer solchen Ausweitung unseres Forschungkreises —
es kommen dafür in erster Linie natürlich die Humanistisch-Orthodoxen in Betracht —
damit abfinden, daß er, mit Wickhoff überzeugt von der Einheitlichkeit der Kunst-
entwicklung auf hellenischer Grundlage, auch in China ein Eindringen des für Hellas allein
in Anspruch genommenen Motivs erwartet l. Man wird also das Material von vorn-
herein daraufhin doppelt kritisch anzusehen haben. Es fließt so reich, daß es zu einem
gewissen Grade entschädigt für die Kärglichkeit der Spuren aus Zentralasien.
A. Altchinesische Belege. Zunächst machen schon die hieratischen Bronzen
davon ausgiebigen Gebrauch. Da das Gebiet merkwürdigerweise von Riegl unbeachtet
blieb, obwohl die Wiener Hofmuseen ganz gute Beispiele liefern, so sei darauf hier
etwas näher eingegangen. Zunächst scheint das Motiv als runde Abart des bekannten
eckigen Mäanders2 aufzutreten. Es erscheint dann, wie Riegl für die chinesische
Kunst ganz allgemein als grundsätzlich annimmt3, in Einzelglieder zerhackt. Aber der
chinesischen Kunst die fortlaufende Wellenranke absprechen wollen und den schönen
Linienschwung auf die Griechen beschränken, heißt doch die Massen altchinesischer
Bronzen, wie sie uns im Original und in großen kunsthistorischen Sammelwerken erhalten
sind, nicht kennen. Diese Bronzen gehören angeblich schon den Dynastien der Schang
(1766 — 1 1 22 v. Chr.), der Tschou (1 1 22 — 256 v. Chr.) und — hier beginnt sicherer Boden —
Han (202 v. — 221 n. Chr.) an. Das Sammelwerk Po-ku-t'u-lu ist 1 107 — 1 111 von Wan Fu,
das Si-ts'ing-ku-kien 1749 verfaßt4. Mir steht nur eine in meinem Besitze befindliche
1) Vgl. Festschrift für Büdinger S. 461 f.
2) Vgl. dazu gegen Wickhoff, der auch den chinesischen Mäander aus Hellas ableiten möchte, meine
Bemerkung Jahrbuch der kgl. preuß. Kunstsammlgn. XXIV2 (1903) S. 176 und Hoerschelmann, Die Entwick-
lung der altchinesischen Ornamentik (1907) S. 12, Anm. Ferner Hoernes, Urgesch. d. bild. Kunst2 S. 604.
3) Spätrömische Kunstindustrie S. 88.
4) Vgl. dazu Fr. Hirth, Über fremde Einflüsse S. 3f., Münsterberg, Chine-. Kunstgesch. II S. 99 f.
Strzygowsky, Altai. 8
114
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
Ausgabe des Pokutulu zur Verfugung '. Ich werde nach Möglichkeit Originale vor-
führen, weil die Umrißzeichnungen der Sammelwerke nur für die Beurteilung der
Gestalt zur Xot hinreichen. Technik und Form danach nicht zu beurteilen sind2.
Dabei muß ich freilich eine andere Tatsache in den Kauf nehmen, die nämlich, daß
die erhaltenen „Originale" späte Kopien der hieratischen Prototypen sind. Immerhin
werden diese Nachbildungen als Ergänzung der Abbildungen in den Sammelwerken
willkommen sein. Ich entnehme die Originale sämtlich dem Xaturhistorischen Hof-
museum in Wien :t. Sie kamen 1889 aus der
Sammlung Heinrich Frhr. v. Siebold.
Abb. 107 zeigt eine Vase, deren
Original wohl frühestens der Tangzeit
(618—907) angehört hat. Man sieht den
Grund des Musters am Bauche wie am
Halse mit der Spirale bzw. der „vegeta-
bilisch" umgebildeten Spiralranke gefüllt4.
Die Wellen haben eine, zumeist zwei, links
in einem Yertikalstreifen aber auch vier
Spiralfüllungen, dazu die kleinen Ansätze
von Palmettenlappen. Das S-förmige Motiv
wiegt vor; aber gerade da läßt sich gut
beobachten, wie das Bedürfnis der Zwickel-
füllung die palmettenartigen Lappen zeitigt.
Oben ein flaschenartiges Motiv, das, wieTeine
verkümmerte, verkehrte Yollpalmette ge-
bildet, zu vergleichen ist mit dem Motiv
auf dem Kriuje mit dem Zan^enmuster
aus Nagy-Szent-Miklos (Abb. 64) und
der Schale vom Kotschkar (Abb. loo),
wovon oben S. loö die Rede war, ebenso
wie auf der Stuckwand aus Samarra
(Abb. 92 . Im übrigen beachte man in
Abb. 107 den spitzbogigen Überfall oben
am Rande der Vase und vergleiche ihn
Abb. 107: Wien, Naturhist. Hofmuseum:
Bronzevase aus China.
mit dem ähnlichen Motiv am Hals-
ansatz einzelner Krüp;e von Nasry-Szent-
Miklos (Abb. 61 , 64). Auch das mehr-
streifige Bandornament an Bauch und Henkeln und das quadratische Muster ohne
Ende am Fuße werde zur Kenntnis genommen.
1) Ihre Band- und Si-itenEahl stimmt nicht mit dem Exemplare von Prof. Conrady übercin. das Hoer-
schelmano, Entwicklung der altchinesischen Ornamentik, /itiort. Zur < >rientieruD£ sei mitgeteilt, daß die
t den stillenden Löwen in meinem Exemplar, das 24 Hefte zählt, XVI, 39. nicht XXVI, 13 ab-
2) Vgl. da/.u auch Kohn, < Istasiatische Zeitschrift I S. 105.
\u 'nahmen von Dr. Wachsberger.
4) Vgl. dazu, außer den Sammelwerken selbst, Hoerschelmann Taf. II ff., X ff. und bes. XV.
(>. Parallelen in Ostasien, 115
Weitaus überwiegend und gewiß uralt — Hoerschelmann a. a. O. S. 31 f. datiert
den Eintritt des „Pflanzenornamentes", wie er die Ranke ganz allgemein nennt, zurück
bis in die Schangperiode — ist daneben die richtige Palmettenranke, die nicht als
Grund, sondern als Muster verwendet wird. Abb. 108 zeigt ein Beispiel nach Pokutulu
IV, 23. Es ist ein deckeiförmiges Stück, das die Palmettenranke voll in jener Art ent-
wickelt gibt, wie sie im Westen erst in spätrömischer Zeit aufzukommen beginnt, im
Persischen und dem Islam aber herrschend wird als sog. Arabeske. Sowohl auf dem
zentralen Buckel oben, wie am Randstreifen unten läuft die Welle ohne Ende um
den ganzen Kreis, dazwischen ein leerer und ein Streifen spitzbogiger Lappen. Die
Rankenwelle setzt am Stiel kleine halbrunde Bossen an, ebenso Einrollungen. Rechts
unten rollt jedoch die zweite Wellenfüllung nicht in einem Linienschwunge durch,
sondern zeigt die alte abgehackte Art. Man hat den Eindruck, als könnte hier der
Ursprung der Arabeske gefunden werden, denn man versteht so als Atavismus, wie
scheinbar aus der Spitze der Palmette ein neuer Rankenteil hervorwachsen kann.
An dem palmettenartigen Charakter der Ranke kann nicht gezweifelt werden, wenn man
die Gabelung der Spitzen beachtet. Der Ursprung
dieser Ranke ist gewiß kein vegetabilischer, sondern
ergibt sich aus dem Weiterspinnen der Spiralmotive
und dem Versehen derselben mit den zapfenartigen
Ansätzen.
Wie man sich diese Ranken ausgeführt zu
denken hat, darüber mögen die beiden Abbil- Abb. 108: Pokutulu: Chinesische Bronze.
düngen 109 u. 110 ungefähr Auskunft geben. Zu-
nächst Abb. 109, ein Gefäß, das freilich wohl ein aus verschiedenen alten Modellen
zusammengestoppelter, später Guß st. Die Ranke bzw. ihre verschiedenen Spalt-
ergebnisse sind hier auf dem typischen Mäandergrunde in der niedrigen Vorder-
fläche des Reliefs isoliert und überdies dadurch auffällig gemacht, daß die Stiele
mittlere Linienzüge aufweisen, deren schräge Flächen Glanzlichter werfen. Die
kleinen Auswüchse am Stiele sind nicht rund, sondern richtig palmettenartig. Auch
wird der Stiel stellenweise von Punkten durchsetzt. Neben den Rankenmotiven
findet sich auch das der Bohne (offen als sog. Pelte), des Auges, der Raute usf.
Auch der spitzbogige Überfall ist zweimal da. Eine andere Bronzevase des Wiener
Museums, Abb. HO, zeigt Bandmuster mit Mäanderbelebung1. Dazu in einer
Art Ritztechnik oben am Halse Rankenteile. Ich ziehe die Vase deshalb heran,
weil sie ein charakteristisches Beispiel des chinesischen Schrägschnittes unter An-
wendung gerade auf den Kreislappen ist, der in diesem Buche im Vordergrunde steht.
Man betrachte auf dem breiten Bauchstreifen die Füllungen, die abwechselnd oben
und unten zwischen die Mäanderbänder gelegt sind. In der Mitte ein Kreispunkt-
Ornament, darum das Mäanderband, verdeckt z.T. durch Kreislappen 'verschiedener
Art, als Linie fast auf dem Mäandergrund, als breiter Steg und endlich je zweimal
in der Diagonale auseinandergehend in schräg geschnittenen Flächen, deren Glanz-
lichter die Wirkung des Schmuckes wesentlich bestimmen. Ich denke, in dieser Art
1 Vgl. das seltsame Ornament von Särmadsch: Globus 1903 Nr. 21, Abb. 6; Hüsing, Der Zagros S.3L.
HO
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
wird man sich auch Teile der Ornamente von Hoerschelmann Tafel XXI ausgeführt
zu denken haben.
Nun könnte es ja freilich scheinen, daß die Wiener Gefäße nur bedingt für die
altchinesische Kunst vor dem Einsetzen des westasiatischen Einflusses herangezogen
werden dürfen. Man ergänze daher das Vorgebrachte durch Studium der Sammel-
werke und lese die Arbeiten von Hoerschelmann und Muth • nach, wo die Möglichkeiten
&
Abi). 109: Wien, Xaturhist. Hofmuseum:
Bronzevase.
Abb. 110: Wien. Xaturhist. Hofmuseum:
Bronzevase.
der Entstehung der vorgeführten Ornamente erörtert sind. So viel mag hier wieder-
holt werden, daß die Chinesen ihr altes Lieblingsornament, den Mäander, für eine
eckige Spirale ansahen und daraus wie aus der Spirale selbst nach den Daten
ihrer Sammelwerke schon vor Chr. S-förmige und fortlaufende Ornamente zusammen-
setzten. Die so entstandene geometrische Welle überdauere die Zeit der Tierornamentik,
auf die sie übrigens immer wieder einwirke, bis sich die kleinen Schnörkel und
1 Iäkchen selbständig zu pflanzenartigen Gebilden entwickelten. So setzt die bekann-
ilprinzipien der primitiven Ticrornamentik bei den Chinesen und Germanen (Beiträge zur Kultur-
und Univon-algeschichte XV).
6. Parallelen in Ostasien.
11;
teste Tierbildung-, das Tautieh, sich im Kontur aus verschiedenen Kurven zusammen,
deren Spitzen sich spalten, aufrollen und verästeln, auf die Umgebung über-
greifen und so den Eindruck des Vegetabilischen erwecken. In der Schangzeit noch
( — 1122 vor Chr.) seien diese geometrischen Ranken auf untergeordnete Teile wie
Füße, Henkel und Griffe übergegangen ^ein Beispiel unten Abb. 124). In derTschouzeit
(bis 256 vor Chr.) werde daraus die flächenfüllende geometrische Ranke. Meine Bei-
spiele sollten diesen Vorgang an späten Nachbildungen in Bronze deutlich machen.
Übrigens vergleiche man damit auch die Ornamente der Tsing-tschou-fu Ausgrabungen
von Müller und Schöde im Berliner Völkerkundemuseum (dort datiert ca. 300—201),
und ebendort einen Krug der japanischen Eisenzeit aus dem Baelz-Vermächtnis.
Ich gehe nun auf die unserer christlichen parallel laufende Zeit der ostasiatischen
Kunst über. Der Schrägschnitt und die Kreislappen-Palmette fehlen auch in dieser
Zeit der großen Blüte der
darstellenden altchinesi--
sehen Kunst im ersten
christlichen Jahrtausend
nicht. Es ist eine un-
verzeihliche Einseitigkeit
der Kunsthistoriker, daß
sie mit dieser alle Zeiten
wie einst die griechische
und später die germanische
Blüte der Kunst überragen-
den Bewegung chinesischer
Kunst nicht rechnen. Sie
muß auf ganz Asien, das
ja damals ein offenes
Durchzugsland war, zurück-
gewirkt haben. Das Ornament spielt freilich allmählich eine untergeordnete Rolle, die
Natur drängt sich siegreich in die. Form ein. Die Denkmäler sind in überreicher
Fülle erhalten und kommen jetzt Schritt für Schritt zur Bearbeitung. Für die
Geschichte von Schrägschnitt und Kreislappen-Palmette benutze ich am Schlüsse
dieses Abschnittes Material, das eines der Mitglieder meines Instituts, Karl With, von
einer Forschungsreise nach Japan mitgebracht hat l.
Die Traubenspiegel und ihren Zusammenhang mit dem Westen lasse ich hier aus
dem Spiele; auf sie wurde schon Mschatta S. 328 und oben S. 73 verwiesen. Siebe-
zeugen die Blüte dieser Ornamentik in baktrisch-parthischer Zeit. Die Palmettenranke
kommt darauf neben der neuen Weinranke vor. Auch die Wolkendarstellung auf
dem Grabmale der Familie Wu vom J. 147 n. Chr. sei nur beiläufig erwähnt2, sie ist
Abb. in: Schantung, Grabmal der Familie Wu vom J. 147 n. Chr.
Arabeske des krönenden Streifens.
1) Leider hat der Krieg die Herausgabe seines gesammelten Materials» wofür die Firma Bruckmann
gewonnen war, verhindert. Vgl. mein Vorwort zu Wachsberger, Stilkritische Studien zur Wandmalerei
Chinesisch-Turkestans, Berlin 191 6.
2) Chavannes, La sculpture sur pierre en Chine Taf. XXXII f., Mission arch. dans la Chine sept. Taf.
LVIIf. Münsterberg, Chines. Kunstgeschichte I S. 49.
ns
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
^^5^1
in Rankenart mit den bezeichnenden runden Auszackungen des Stieles ausgeführt l.
Wichtiger ist an diesem Grabmale eine „Arabeske", die eingeritzt wie die Ornamente
auf den Kairiner Grabstelen am oberen Rande der flachen Reliefstreifen hinläuft
Abb. Hl). Wir sehen den Wellenstiel, in dessen Täler sich je drei Kreislappen so
hineinlegen, daß sie auf den ersten Blick wie ein Palmettenmotiv wirken. In Wirk-
lichkeit ist es die abgesetzte „Ranke", von der ich schon oben S. 115 sprach in der
Richtung, daß sie die Anregung zur Ausbildung der Arabeske gegeben haben könnte.
In der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends, der Zeit des albanischen Schatzes,
verband ein reger Weltverkehr den Osten mit dem Westen und Süden Asiens.
Chavannes hat aus den Grotten und von Grab-
mälern Nordchinas ein reiches Material aus
dieser künstlerisch ereignisreichen Zeit ver-
öffentlicht, das auch für die Ranke von Be-
deutung ist. In der Grotte von Jun-kang
aus dem V.— VIII. Jh., Xr. 227 (Taf. CXXI),
kommt die reine einfache Ranke (Abb. 112)
mit Halbpalmetten vor wie auf dem Kairiner
Grabstein Abb. 86. Wir stehen so wenig
wie in der Darstellung vor einer rein chine-
sischen Form. Hatte China bis dahin die
unorganische Bildung bevorzugt — ohne die
organische ganz auszuschalten — , so werden
jetzt Muster wie die parthisch-hellenistische
Weinranke und ihre palmettisierte Abart
mm
häufiger.
In der vorliegenden Abbildung
Abb. 112: Grotte von Jun-kang: Rankenmotive.
erscheint neben der Ranke unten ein Fries
aus schrägen Halbpalmetten'2. Im übrigen
herrscht die Ranke mit dem Kreisblatt durch-
aus und die gesprengte Palmette im Schrag-
schnitt, so gleich jm untersten Felde von
Abb. 112. Vgl. das krönende Motiv von Abb. 79. Ich gebe hier noch zwei
Proben. Einmal Abb. 1 13 eine Ranke von einer 663 datierten Stele Chavannes,
Mission Xr. 760, Taf. CCCLIII). Es ist ein überhöhtes Feld mit Knopfornament am
Rande. Im Felde selbst steigt die Palmette in spitzoval bewegten Stielen empor.
Von den an der engsten Stelle immer durch zwei Xaben verbundenen Stielen
zweigen tue Füllungen flammenartig mit Kreislappen am Rande ab (vgl. damit
Abb. 90). Dazu kommen je zwei größere Bohnenmotive, die wie an der Wiener Bronze-
vase Abb. 110 in breiteren Flächen mit Kreislappen endigen. In Abb. 114 gebe
ich auch noch den Flügel eines Pferdes des um 700 errichteten Grabes
in
Hien-
jang-hien nach Chavannes a. a. O. Nr. 463 (Taf. CCXCVII). Er ist durchaus in der
typischen Palmettenform gebildet, sein unterer Abschluß in Kreislappen zeigt deutlich,
1 Vgl. dafür Abb. 34, 99 — 101 und 1 1 5.
2) Vgl. damit dieOrnamente von Riemenbeschlägen und Schließen aus dem Kuban, Otscheti895 S. 65 Fig.
'6o- ' iv III S. 301, Hampel, Denkmäler d. Landnahmezeit (urg.) Tat. 112.
6. L'arallclcn in Ostasien.
119
dai3 der Bildhauer dekorativ, nicht etwa naturalistisch vorgehen wollte. Neben solchen
Beispielen der Kreislappenranke ' kommt auch wieder die reine Palmette ohne die
krabbenartige Häufung an den Rändern vor, z. B. an der schönen Stele von 554» die
auf der letzten Ausstellung im Musee Cernuschi an die Öffentlichkeit kam2. Die ge-
sprengte Palmette Abb. 115 unter dem thronenden
Buddha zeigt nur am Ansatz die charakteristischen
Kreislappen und ebenso am Baldachin die Halbpal-
metten, deren Spitzen lang zur Mitte emporgezogen
sind. Dort im Kerne dieser Halbpalmetten auch die
Spitze im Schrägschnitt.
Die Entwicklung der ostasiatischen Palmettenranke
läßt sich am besten verfolgen an der Hand der
Heiligenscheine. Schon Chavannes gibt davon einige
Proben aus den Grotten von Longmen Nr. 387, 290,
339 u. a. Die erste weist die reinste Palmette auf
(Taf. CCLV), reiner als auf der Stele von 554. Mir
liegt näher, Beispiele von japanischen Bronzestatuen
der gleichen Zeit vorzuführen, weil daran auch der
Schrägschnitt gut zu beobachten ist.
B. Japanische Belege. Ich wähle aus der
Masse drei Beispiele, die als Typen für alle übrigen
Abb. 113: Chinesische
Stele vom J. 663.
Abb. 114: Flügel eines chinesischen
Grabpferdes um 700.
genommen werden können — mit Ausnahme der vielen Nimben in durchbrochener
Arbeit. An die Spitze sei die bekannte Trinität vom J. 623 aus dem Kondo des
Horiudschiklosters bei Nara gestellt Abb. 116. Sie wird durch einen großen Nimbus
zusammengefaßt, auf dem Flammen emporzüngeln, die unten aus den gleichen
1) Sie sind in Hinterindien (so in AnkorVat) und in Thibet (vgl. The Museum Journal, Philadelphia
V (19 14) S. 189 f.) sehr häufig.
2) Vgl. Ars asiatica II S. 20 1" und Ostasiatische Zeitschrift II (1913/4) S. 332 f.
120
111. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
Einrollungen hervorwachsen, wie wir sie auf dem Kelt aus Südsibirien (Abb. 104)
sahen '. Der Kopfnimbus der Mittelgestalt, des Buddha Sakjamuni, zeigt außen
herum die reine Halbpalmettenranke in Schrägschnitt, allerdings auf der Grund-
fläche isoliert. Beachtenswert sind auch die Nimben der Seitenfiguren, Seischi und
Kwannon, die außen herum unter den Flammen ein Muster aus Kommamotiven
und innen eine reichverschlungene Ranke zeigen.
Abb. 115: Chinesische Grabstele vom J. 554 (Ausschnitt).
Abb. 117 und 118 geben die Nimben zweier Buddhastatuen der Hakuho-Periode
l.nde VII. Jhdt). Die sitzende Gestalt Abb. 117 ist von einem Nimbus umgeben, der
als Grund für Bodhisatvas das Wolkenmuster in Rankenwindungen zeigt, deren reiche
Bewegung in schrägen Flächen mit lebhaft ausbauchenden Rändern die höchste Wirkung
in Ausnützung der Glanzflächen des Metalls darstellt. In jede Windung legt sich ein
unvergleichlich fesselndes Spiel von Licht und Schatten. Im Kopfnimbus einfachere
1; Abgebildet bei Tadjima, Selected relics I, Münsterberg, Chin. Kunstgesch. I S. 144. Meine Ab-
ang wie die folgenden nach Neuaufnahmen von With. Vgl. jetzt auch Glaser, Ostasiatische Zeitschrift III
404.
6. Parallelen in Ostasien.
121
Palmettenmotive zu seiten einer Lotosblüte. Die stehende Gestalt von Abb. llShebt
sich von einem Nimbus ab, auf dem die Fläche mit den Bodhisatvas mit eng aneinander-
liegenden Ranken von wesentlich derberer Bildung ausgefüllt ist. Hier ist der Schräg-
schnitt von beiden Seiten der Stiele derart steil emporgetrieben, daß fast nur eine schmale
Linie als Kamm die Vorderfläche bezeichnet, ähnlich wie wir es in den ägyptischen
Brettern und den Stuckaturen von Samarra gesehen haben, dort unter Vernichtung
Abb. 116: Nara, Horiudschikloster: Trinität vom J. 623 (Ausschnitt).
jedes Flächenrestes der Grundebene. Die beiden Statuen stammen aus einer Trini-
tätsdarstellung ähnlich wie Abb. 116. Im vorliegenden Falle handelt es sich um die
Jakuschi-Trinität im Kondo des Jakuschidschiklosters. Die sitzende Gestalt (Abb. 117)
gibt den Jakuschi, d. h. den Medizin-Buddha selbst, die stehende die links von ihr
befindliche Statue des Nikko Bosatsu l. Auf wie alten Voraussetzungen das vor-
geführte japanische Ornament des VII. nachchristlichen Jahrhunderts beruht, lehrt
ein Vergleich mit den Keramiken der altebinesischen Hanzeit (206 v. — 221 n. Chr.).
Gute Parallelen bei Laufer, Chinese pottery of the Han Dynasty Taf. XI (Getreide-
urnen).
Wir sahen, wie sich die Palmettenranke auf den alten hieratischen Bronzen
der Chinesen zusehends geradezu aus der Spirale entwickelt; ein Gleiches schließt
1) Vgl. Fenollosa, Ursprung und Entwicklung der chinesischen und japanischen Kunst I S. 57 und
Japanese temples and their treasures S. 26, Tafelband I Nr. 16, II Nr. 205 und 207.
122
111. l»ie geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
Riegl (Stilfragen S. 121) auch für das Mittelmeer nicht aus. In dem ewigen Fluß der
Möglichkeiten, die von den historischen Wissenschaften aufgedeckt werden, mag damit
der systematischen Forschung vielleicht ein fester Boden gewonnen sein. Für mich
ist die Hauptsache, daß auf diesem Wege auch der Ursprung des Kreislappens und
Schrägschnittes erklärbar scheint. Dazu gesellt sich der Eindruck, daß vielleicht vom
Abb. 117: Jakuschidschi-Kloster: Kopf des Medi/in-Buddha.
Chinesischen aus die Anregung zur „Arabeske" ausgegangen sein könnte." Vgl. da-
rüber im Zusammenhange den nächsten Abschnitt. Wie wir in China in der Zeit unseres
Goldschatzes Einflüsse vom Westen hervortreten sehen, so könnte darin vielleicht
eine Gegenbewegung ihr Merkmal hinterlassen haben. Solche Erscheinungen haben
einen Weltverkehr zur Voraussetzung, wie er sich, die Völkerwanderungen vorbereitend,
tatsächlich zuerst schon in mykenischer und dann wieder in spätrömischer Zeit an-
gebahnt hat l. Aber darüber in den nächsten Abschnitten.
7. Geometrische Ranke und Arabeske.
Wir haben das Motiv der Palmettenranke mit dem Kreisblatt verfolgt von
Albanien und Ungarn ausgehend, wo Kleinfunde die Frage nach dem Ursprungs-
lande offen ließen, nach Hellas und Ägypten, Ländern, in denen Reste von Bau-
denkmälern oder diese selbst den Gebrauch der Palmettenranke sichern, nach Meso-
potamien und Iran hin, wo Denkmäler der Architektur und Werke der Kleinkunst
in breiter Schicht nachweisbar sind. Ich habe auch solche Gruppen von Belegen
. 1. über let'tcre Hirth, China and the roman orient. Derselbe, „Fremde Einflüsse in der chine-
ICnnst" uml Temen de Lacouperie, Western Origin of the carly Chinese civilisation.
7. Geometrische Ranke und Arabeske.
123
der Palmettenranke mit berücksichtigt, die nicht gerade das Kreisblatt aufweisen,
aber von Riegl unbeachtet geblieben waren, wie die Palmettenstoffe, die
altarabischen Grabsteine und die sasanidischen Silber- und Bronzegefäße. Weiter
nach Osten in Zentralasien wurde ein Herd in .der Verwendung der Palmettenranke
mit dem Kreisblatte nachgewiesen. In China legte ich wieder darauf Gewicht, ein
Abb. 118: JakUschidschi-Kloster: Nikko Bosatsu (Ausschnitt).
Mißverständnis aufzuklären, das durch Riegls Unkenntnis der Denkmäler entstanden
war, als wenn dort nur die abgesetzte Welle bekannt gewesen wäre. Ich mußte also
in China zunächst die Rankenwelle selbst, nicht nur die Welle mit dem Kreisblatt
nachweisen und zeigen, daß sie dort mindestens ebenso alt wie im Mittelmeer-
kreise ist. Wenn wir auf diesem Wege zu einer ganz neuen Vorstellung von der
Ausbreitung der Palmettenranke gelangt sind, so fragt es sich, ob mit diesem Material
nicht die Grundlage für eine veränderte Auffassung von der Entwicklung der Ranke
überhaupt und der Arabeske im Besonderen gewonnen ist.
Es war oben die Rede davon, wie Riegl durch den Widerspruch, den seine Studien
über den orientalischen Teppich gefunden hatten, dazu kam, gerade auf die Ab-
leitung der Arabeske aus der hellenistischen Kunst Gewicht zu legen. Ich glaube,
daß hierin der Keim und Kern seiner Lebensarbeit liegt. Gelingt es an dieser^Stelle
124
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
in seine Entwicklungsthese Bresche zu legen, so stürzt der ganze Bau um so mehr,
wenn dabei auch die Tat der mykenischen Kunst vom Nordosten her ihre Er-
klärung findet und so Anfang und Ende in ganz anderem Lichte erscheinen. Was
Riegl an Vorstufen der Ranke in den semitischen Kunstkreisen des alten Orients
nachweisen konnte, ging auf die Spirale und ihre Zwickelfüllung, die Palmette zurück.
Ähnliche Anfänge scheinen auch in China vorzuliegen. Die Spirale füllt wie der
chinesische Mäander den Grund, sie schlingt sich paarweise zu S-Formen ein, wird
fortlaufend und bekommt Ansätze, die pflanzenartigen Charakter tragen, ohne irgend-
wie auf ein Pflanzenvorbild zurückzugehen '. Soweit schiene mir der spontane und
autochthone Ursprung der „Ranke" in China und am Mittelmeer immerhin möglich.
Ich weiß nur nicht, ob wirklich China, wie drüben die mykenische Kunst, als ge-
sonderte Träger bzw. Erreger der Entwicklung angesehen werden dürfen und nicht
doch ein Zusammenhang zwischen Ost und West besteht. Man erinnere sich nur
der Beobachtungen, die S. Reinach über das Motiv des gestreckten Galopps gemacht
hat2, oder der Studien von A. Reichel über Analogien einiger ostasiatischer Ornamente
mit Formen der kretisch-mykenischen Kunst3. Es muß zwischen China und dem
Mittelmeer eine Brücke gegeben haben, einen Weltverkehr, der die Nomaden und
Nordvölker in einem Zusammenhange zeigt, dem der großen Oasenkulturen des Südens
kaum nachstehend. Wir werden dieser Spur im nächsten Abschnitte nachzugehen haben.
Ich bleibe hier zunächst bei der Frage nach dem Ursprünge der geometrischen Ranke.
Die Spiralranke zeigt in Kulturtreibhäusern wie dem hellenisch-indischen (S. 72 f.)
jene Neigung sich pflanzlich zu beleben, die im alten China so gut wie in der sibi-
rischen Bronzekultur fehlt. Während die vorderasiatischen Völker mit Mesopotamien
im Zentrum, dazu den beiden andern alten Sitzen von Oasenkulturen, Ägypten und
Indien durch die wachsende Zivilisation vom Vorstellen zum Anschauen, von der
Form auf die leibhaftige Darstellung von Gestalten übergehen, bewahren sich die
Nomaden und Nordvölker (und damit, scheint es, im Zusammenhange China länger als
die genannten drei andern Treibhäuser der Kultur) die künstlerisch von der Natur
unabhängig schaffende Phantasie. Es entsteht so ein Gegensatz zwischen Nord- und
Südasien, der zur Folge hat, daß Nordasien imstande ist zu einer Zeit erfrischend
einzugreifen, als Südasien, Hellas und Rom mit inbegriffen, bereits am Ende der
Entwicklung angelangt waren. Ich werde in später folgenden Abschnitten versuchen
diesen Vorgang, soweit das heute einem Kunsthistoriker möglich ist, deutlich zu machen,
und möchte hier einleitend nur die Wahrscheinlichkeit dartun, daß die nordasiatisch-
chinesische Ranke, die wir oben in ihrer geometrischen Form verfolgt haben, bei
ihrer immer stärker nach dem Westen drängenden Bewegung unter dem Einfluß des
sakischen Hellenismus sich durch die auch in Mschatta und der Sophia nachweisbare
Palmettisierung in jene Rankenform umsetzte, die wir die Arabeske nennen.
1 Vgl jetzt auch zur Frage nach dem Ursprung der Spirale Würz, Spirale und Volute von der
vorgeschichtlichen Zeit bis zum Ausgang des Altertums I: Ursprung der Spirale und der Volute. Ent-
wicklung im Orient. Ferner Szombathy, Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wieu XI. \
(1915) S. 146 t.
2 Revue archeologique XXXVII 11900) fl".
IOD I (I9O7) S. 54 f.
7. Geometrische Ranke und Arabeske.
125
A. Chorasan-Inschriften. Ich halte es nicht für notwendig, das Wesen der
„Arabeske" hier nochmals zu erörtern; Riegl hat das in meisterhafter Weise getan, aus-
gehend von späten Beispielen aus dem XIX. Jh. und vom J. 1411 und dann entwick-
lungsgeschichtlich mit der spätantiken Kunst und den Stuckfriesen der Moschee
des Ibn Tulun (878) beginnend l. Ich will den Typus an einem ostiranischen Bei-
spiel aus dem XI./XII. Jh. ins Gedächtnis rufen, dessen ich ohnehin als entwicklungs-
geschichtlichen Beweisstückes ersten Ranges bedarf. Es ist der Inschriftfries Abb. 1 19
aus der Ruine einer Moschee in Chargird, südlich von Meschhed an der awghanischen
Grenze. Er bietet das in seiner Art technisch Vollendetste umsomehr als er nicht in
Stuck sondern aus einfachem Lehm, wie die Ziegel ringsum, ausgeführt ist. Das Relief
ist 8 — 10 cm tief und in zwei Lagen übereinander gearbeitet. Die obere gibt die
Inschrift mit Hasten, die sehr wirkungsvoll am Rande gestreift sind und am oberen
Ende ein Palmettengeschlinge reichster Art tragen. Unter dieser oberen Schicht
Abb. 119: Chargird, Moschee: Inschriftfries (Teilansicht).
läuft im zweiten Plan in der Mitte wagrecht eine Welle aus zwei frei nebeneinander
stehenden Stegen hin 2, an die oben und unten dünne Ranken so ansetzen, daß ihre
Lappen die von der oberen Schicht freigelassenen Räume mit durchaus vollständig
sichtbaren Gebilden von Halb"- und Vollpalmetten verschiedener Art füllen. Es dürfte
also die untere Ranke erst nach Fertigstellung der oberen Schicht gearbeitet sein,
eine Virtuosität der Mache, die in dieser tiefen Unterarbeitung und in solchem Material
nicht bald ihresgleichen hat. Aus derartigen Tatsachen schließe ich auf eine Jahrhunderte
alte, wahrscheinlich vorislamische, heimische Tradition3.
Wir stellen uns jetzt hier ganz auf die Arabesken dieses keramischen Frieses
ein. Jeder Stamm der aus gesäumten Bändern gebildeten Buchstaben endet oben
seitlich mit dem Kreislappen, der eine üppige Ranke austreibt, die im rechten Winkel
1) Stilfragen S. 259 f. Vgl. dazu Enzyklopädie des Islam I S. ßSof und oben S. 71.
2) Vgl. die Weinranke des Batikstoffes mit dem Dionysoszyklus im Musee Guimet. Darüber oben S. 73.
3) Ich habe diese keramische Inschrift schon in einem Aufsatz über „Die sasanidische Kirche und ihre
Ausstattung" veröffentlicht und bitte die Folgerungen, die ich dort (Monatshefte für Kunstwissenschaft
VIII [1915] S. 363 t".) ziehe, nachzulesen. Hier nur eine Einzelvergrößerung. Vgl. auch Diez, Die Kunst
der islamischen Völker S. 68.
jo^ III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
umfaßt wird von einer Linie, in welche die keilförmige Spitze des Buchstabens aus-
geht'. Das bezeichnend Arabeske ist nun, daß die Ranke über dem Kreislappen
aus einem , Blatt" hervorwächst, dessen Spitze sich in den Stiel umsetzt. Dieser
Stiel gabelt sich dann nochmals, und zwar treiben jetzt beide Verdickungen, die
durch eine Zwickelfüllung mit zwei Punkten zu einer Einheit verbunden erscheinen,
neue Stiele, die in zwei breiten Flügelpalmetten'2 endigen. Aus diesen Motiven, der
schön geschwungenen Wellenlinie, dem Kreislappen, der Gabelung und dem breiten
Füllsel setzt sich die Arabeske zusammen. Dazu kommt als Grundsatz, daß sie die
Neigung hat, sich ohne Ende in der Fläche auszubreiten. In der Inschrift von Char-
gird liegen gar zwei Flächen übereinander und die untere ist fast noch reicher im
Ornament als die obere. Der Wellenstiel verläuft in breiten Schwingungen in einer
Doppellinie, die Kreislappen bilden zwischen den Buchstabenkrönungen hoch auf-
steigende Wellen und nehmen öfter jene spitze Form an, die wir von den Brettern aus
Ägypten kennen (Abb. 82f.). Daneben kommt das Dreiblatt einfach oder in jener breiten
Form des Füllsels vor, bei dem öfter die asymmetrische Bildung in der Art zustande
kommt, daß der eine der unteren Lappen in den Stiel übergeht. Ich nannte das
Motiv oben S. 91 f. „Sporenblüte". Dann fallen die schönen T-förmigen Bildungen
auf, in denen Kreislappen in einem flaschenartigen Motiv zusammenlaufen, wie wir
es schon aus früheren Belegen S. 97 kennen. Punkt und Komma werden ausgiebig
verwendet, um Einheit in den bewegten Umriß zu bringen. Vor allem aber ist das
Tiefendunkel entscheidend, also eineUnterarbeitung, die den Grund völlig verschwinden
läßt, so, daß kein Schatten entstehen kann. Die hellen Ornamente wirken daher auf
dem tiefen Grunde farbig3.
Was wir hier in Lehm ausgeführt sehen, tritt in einem älteren Denkmale der selben
Gegend gemalt zutage. Abb. 120. u. 121 zeigen Inschriftfriese, die aus Sängbäst, eine
Tagreise südöstlich von Meschhed, bzw. der alten Hauptstadt Chorasans Tus stammen.
Sie schmücken das Innere eines quadratischen Baues mit Trompenkuppel und sind
in die Zeit des Arslan Jasib, Walis von Tus unter Sultan Mahmud von Ghasna
1998 — 1030' zu datieren. Darüber wird Dr. Diez, der Entdecker dieser wertvollen
Denkmäler, in dem Expeditionswerke des Wiener Institutes zu berichten haben4. Im
Innern des Kuppelbaues von Sängbäst gibt es zwei Inschriftfriese. Der eine, Abb. 121,
läuft am Fuße der Wand und um die Eingangstür hin und ist, wenn auch sehr mit-
genommen, doch im ursprünglichen Zustande erbalten. Der zweite unter der Kuppel,
Abb. 120, ist im XVII. Jh. übermalt, ohne daß freilich seine Grundart verändert worden
wäre. Deutlich erkennen läßt sich weder an dem einen noch an dem andern Friese
viel. Die Buchstaben und Ornamente sind weiß aus dem blauen (jetzt schwarz ge-
wordenen Grunde sgrafittoahnlich ausgespart. Die keilförmigen Enden der Hasten
setzen wie in Chargird Arabesken an, die herzförmig umrahmt sind. Man macht
sich von dieser Art vielleicht gut einen Begriff an der Hand von armenischen Minia-
1 Das ist der kalligraphische Typus, der im Ornament der Grabsteine von Kairo (vgl. oben S. 87)
eine so bedeutsame Rolle spielt.
Vgl. über den Typus und seinen Ursprung Mschalta S. 316.
3 Vgl. über «las Tiefendunkel Mschatta S. 271t.
VII der Arbeiten des Instituts. Vgl. vorläufig Diez, Die Kun>t der islamischen Völker S. gl.
7. Geometrische Ranke und Arabeske.
127
turen des Tübinger Evangeliars vomj. 1113 bzw. 893. In der Arbeit darüber „Klein-
armenische Miniaturenmalerei" (1907) l habe ich diese Art bereits aus dem Osten
hergeleitet und biete jetzt den Beleg für diese Annahme. Auch die im oberen Friese
rjÄT
Abb. 120: Sängbäst, Kuppelbau: Oberer gemalter Fries. Um iooo.
von Sängbäst durchlaufende Welle findet in der armenischen Handschrift Parallelen.
Abb. 120 zeigt wieder den zweistreifigen Hauptstiel, der beiderseits begleitet wird von
üppigem Lappenwerk, das in der Übermalung nicht mehr deutlich zu erkennen ist.
Abb. 121: Sängbäst, Kuppelbau: Unterer gemalter Fries. Um iooo..
Vielleicht wird man die Zwickelornamente der altarabischen Grabstele 32, die ich
„Der Islam" II S. 321 veröffentlicht habe, teilweise zur Ergänzung heranziehen dürfen.
Im allgemeinen aber gilt, daß die Friese von Sängbäst und Chargird eng verwandte
Art zeigen. Der Typus der Arabeske ist besonders in Chargird vorzüglich vertreten.
1) Atlas zum Katalog der armen. Handschriften der kgl. L'niv.-Bibl. zu Tübingen I, 2.
12S HI. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
Noch zwei beachtenswerte Denkmäler wären bei dieser Gelegenheit zu erwähnen,
das Grab Mahmuds von Ghasna und die Holztür von Somnath, die seinen Namen
trägt Sie wurde im J. 1842 von britischen Offizieren mitgenommen und befindet
sich heute im Arsenal zu Agra1. Der Sarkophag zeigt eine zweizeilige kufische In-
schrift, die Rawlinson las. Darin wird Gott angerufen für Nizam-ud-din Abul Kasim
Mahmud, Sohn des Sabaktegin. Eine Neschki-Inschrift auf der Rückseite nennt das
Todesdatum 421 d. H. (1030 n. Chr.). Zwischen den Hasten sind Ranken gebildet, die
häufig jenes trompetenförmige Blatt aufweisen, mit den gleichen Radien und Punkten
überdies wie das oben S. 94 abgebildete Feld aus dem Deir es-Surjani, so daß meine
Monatshefte für Kunstwissenschaft VIII (1915) S. 363 f. angenommene Verwandtschaft
dieser in Ägypten erhaltenen Stuckaturen mit Ostpersien neuerdings bestätigt wird.
Die Inschrift wird von einer Ranke von ähnlicher Art, nur einfacher als im oberen
der gemalten Friese von Sängbäst (Abb. 120) umrandet. Die Tür von Somnath
scheint eine vierteilige Falttür mit je sieben Sternen übereinander; darüber eine In-
schrift ebenfalls mit einer Anrufung für Mahmud, den Sohn Sabaktegins. Die Fül-
lung der sechsteiligen Sterne ist sehr eigenartig, mit der Arabeske von Chargird hat
sie nichts zu tun, bleibt aber auch jedem Naturalismus durchaus fern. Davon unten.
Ich spreche hier, wie alle andern vor mir, immer von der „Arabeske". Mit den
Arabern hat diese Ornamentart nicht mehr zu tun, wie etwa das „Gotische" mit
den Goten. Insofern aber die Goten Germanen waren2 und die Araber typische
Nomaden, dürften die Bezeichnungen immerhin ein Körnchen Wahrheit enthalten.
Davon später. Mir liegt zunächst nur daran, den Eindruck, den wir aus den beiden
Beispielen aus Chorasan erhalten haben, noch dahin zu verstärken, daß wir da-
mit nicht ganz zufällig dem zentralen Asien nahe gekommen sind. Vielmehr drängt
sich immer mehr die Überzeugung auf, daß die Arabeske eben dort auch ihren
Ursprung hat. Ich möchte dafür noch zwei Gründe aus dem Gebiete der geo-
metrischen Ranke geltend machen, bevor ich darauf zurückkomme, daß die Ara-
beske nichts anderes ist als eine Weiterbildung der dort und in China heimischen
geometrischen Ranke.
B. Die Kreisstab-Ranke. An der von Hampel „Der Goldfund" S. 112 ff. als
zweite Gruppe ausgeschiedenen Reihe von Schalen, Näpfen und Pfannen findet sich eine
bereits oben S. 62 erwähnte Ornamentik aus gekrümmten Stäben und Verknotungen,
die, was selbst Hampel zugibt, von der klassischen Tradition vollständig abweicht
und für die auch Südrußland, wohin er den Schatz verlegt, keine Parallelen bietet,
dafür Armenien, das der persischen Kunst stets offen gestanden habe. Weiter kam
Hampel nicht. Den Schlüssel geben die chinesischen Altsachen3. Ich greife zunächst
eines der bezeichnendsten Beispiele von Nagy-Szent-Miklos heraus.
1 Die beiden Denkmäler sind in Zeichnungen veröffentlicht im Journal of the asiatic socictv N. S.
XII 11S43 S. 73f. (Ich danke den wertvollen Nachweis Dr. Diez.) Vgl. Vule, The book of Ser Marco
Polo II S. 399^ und Fergusson, History of indian and eastern architecture II S. io/sf. Eine Wiederholung
der Skizze im Journal in meinem Buche „Die bildende Kunst des Ostens" S. 25, Abb. 9.
VgL dazu auch unten Abschnitt V.
3 Im Zusammenhang mit dem Wiener Jagdteppich hat Riegl für die Erklärung der „kleinen schnecken-
riigen Einrollungen" an das chinesische Wolkenmotiv gedacht. Jahrbuch d. Kunstsammlgn. d. Allh.
Kaiserhauses XIII (1892) S. 299.
7. Geometrische Ranke und Arabeske.
129
Abb. 122:
Abb. 122 zeigt eine Stelle des Napfes, von dem bereits oben S. 63 die Rede
war. Schon die Kreise setzen sich zusammen aus einzelnen Stabgliedern mit Kreis-
lappen. Andere kürzere
schließen sich am Innen-
rande an. Die Zwickelorna-
mente über den Zwischen-
scheibenmitfarbigen Kreuz-
füllungen bilden drei Krö-
nungen übereinander, die
alle aus solchen Stabglie-
dern zusammengefügt sind.
Man beachte die mittlere:
die Stäbe gehen diagonal
auseinander wie auf den
Kairiner Grabsteinen, dazu
ein lyraförmiges Mittelmo-
tiv. Darüber bilden die
Stäbe eine Raute, aus der
seitlich ein langer Stab, be-
gleitet von einem Bündel
kürzerer, herausschießt und
in ein außen dreizackiges Kreisblatt endet. Als
grundsätzlich kommt in Betracht die Auflösung in
Stäbe mit kreislappigem Ende, das sich dem Kreis-
punkt nähert. Die gleicht Art findet sich nun
wiederholt an Bronzen des Pokutulu. Ich gebe
Abb. 123 aus Bd. XVI, 7 eine von mehreren Glocken
gleicher Art. Leider kann ich kein Original er-
gänzend daneben stellen, es sei denn, daß man für
die formale Ausführung sich eben an die Art von
Nagy-Szent-Miklos hält. Wir sehen das Ornament
in drei Zonen verteilt. In der untersten ein Trapez,
dann einen lotrechten Streifen, seitlich begleitet von
zwei Paaren von wagrechten Streifen, endlich oben
eine durchbrochene Krönung. Alle drei Zonen sind
mit den eigenartigen Kreisblattstäbchen und durch
bossierte Kreispunkte gefüllt. In den Feldern der
beiden unteren Zonen sind die Stäbchen zweistreifig
und verästeln sich in Wellenlinien, die in den wag-
rechten Streifenpaaren Hakenkreuzform annehmen.
Wien, Hofmuseum, Nagy-Szent-Miklos-Schatz: Goldnapf
mit fünf Kreisen aus Stabranken.
Abb. 12^
Die arabeske Tendenz tritt in der Krönung und
Pokutulu:
Glocke.
Altchinesiche
spitzen Lappen unten zu Seiten der Wirbelscheibe
hervor. Daß der Zeichner des Pokutulu vielleicht öfter den Kreispunkt statt des
Kreislappens gebildet haben mag, soll der Vergleich mit Abb. 124, dem Fuße eines
Strzygowski, Altai. 9
13°
111. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
Abb. 124: Pokutulu: Altchine-
sischer Kessel Hinterer Teil .
Kessels aus Heft III, 7 dartun, wo wir das gleiche Stäbchenornament, aber bisweilen
mit deutlichen Kreislappen vor uns haben. Übrigens beachte man an dem Fuße
auch den gedrehten Wulst [vgL oben S. 3 .
Handelt es sich in China um gegossene Bronzen,
in Xagy-Szent-Miklos um Treibarbeiten in Gold, so be-
gegnen wir dem Ornament in Georgien in Stein. Es
liegt also wahrscheinlich der gleiche Fall vor wie bei
dem dreistreifigen Bandornament in Italien und der
Kreislappenranke auf der Akropolis: die durch Holz-
oder Metallarbeiten vom Norden oder Osten eingeführte
Ornamentik wird später in Stein nachgeahmt. Abb. 125
zeigt eine photographische Aufnahme, die ich 1889 in
der Ruine der 1009 erbauten Kathedrale von Kutais
gemacht habe. Sie ergänzt die Zeichnungen von Dubois
de Montpereux, Voyage au Caucase, Atlas III Tafel XVI
bis XVIII, auf die sich Hampel bezog. Wir sehen das Fußstück einer Wandver-
kleidung, dessen unterer Randstreifen mit palmettengefüllten S-Paaren geschmückt
ist. Darüber steigen Ecksäulchen auf von
jener seltsam gedrechselten Bildung, die in
Deutschland aus der Krypta der Schloß-
kirche zu Quedlinburg bekannt ist l. Im
Mittelfelde zwischen ihnen erscheint eine
S-Zierform, an der das Stabornament mit dem
Kreislappen sehr deutlich beobachtet wer-
den kann. Die Stäbe sind hier wie in China
mehrstreifig, der Punkt im Kreislappen immer
sehr scharf nachgebohrt. Das Parallelführen
neben dem Hauptstamm (wie in Xagy-Szent-
Miklos) und die Häufung der Stäbchen ist auf-
fallend genug. Man sieht an der Basis, wie die Ab-
lösung durch die Bandverschlingung einsetzt2.
Wir haben die Arabeske in ihrer typi-
schen Art kennen gelernt in Chorasan und
gingen dann bei Verfolgung der Spuren ihrer
Entwicklungsrichtung aus von der einen
T
-— -
■
y/<rfA
I
Abb.
125: Kutais, Kathedrale:
nplatte.
Ornamentierte
Gruppe des Schatzes von Nagy-Szent-Miklos
und deren chinesischen und kaukasischen
Parallelen, für die ebenfalls ein vermittelndes Zentrum in Zentralasien anzunehmen
sein dürfte. Auf diese Stelle weist auch noch eine weitere Tatsache. Die geome-
trische Ranke geht auffallend Hand in Hand mit dem verbreitetsten Muster ohne
Ende, den verschlungenen Kreisen, wie ich sie in Abb. 126 durch ein georgisches Beispiel
1 Abbildung bei Moellin^er, Die deutsch-romanische Architektur S. 176.
2) An den Beispielen bei Uwarov, Materialien zur Archäologie des Kaukasus HI. S. 33 1 . kann
weitere Über^än^e beobachten. VgL dazu oben S. 64 und unten S. 214.
7. Geometrische Ranke und Arabeske.
131
in Holzschnitzerei ins
Gedächtnis rufe. Es ist
ein Türflügel, der sich
heute im kais. russ. Mu-
seum für kirchliche
Altertümer in Tiflis be-
findet1. Bevor ich darauf eingehe,
möchte ich aufmerksam machen,
daß in Abb. 126 oben eine andere
Holzschnitzerei erscheint — viel-
leicht ein Stück des zugehörigen
Türrahmens, — an der dreierlei Ele-
mente nebeneinander beobachtet
werden können: erstens die geo-
metrische Ranke aus Stäbchen
mit dem Kreislappen, wie wir sie
eben an den Schalen von Nagy-
Szent-Miklos, in China und im
georgischen Kutais vorgeführt ha-
ben. Man mag feststellen, mit
welcher Meisterschaft das Motiv
hier in Holz wiederkehrt. Darunter
schmückt die Kante ein vierstrei-
figes Bandgeflecht, das im Schat-
ten liegt und in den mehrstreingen
Rändern der Palmettenornamente
und der Kreise unseres Türflügels
ebenso seine Parallele findet, wie
das Knopfornament, das als drittes
Motiv das Bandgeflecht und die
Stäbchenranke trennt. Alle diese
Elemente der Dekoration sind
nebeneinander mit der gleichen
Virtuosität verwendet. Man über-
sehe nicht, daß diese Zusammen-
stellung schließlich im Wesen die
gleiche ist, wie in der Inschrift
von Chargird: auch dort das ver-
schlungene Band — die Buch-
1) Nach Jermakoff, Phot. 17 149. Ich
habe das Museum und das Stück nicht selbst
gesehen. Vgl. Uwarov, Materialien X Tat.
XXXVIII, wo noch drei prächtige Beispiele
verwandter Art. Die Inschrift wird dort
anders gelesen.
Abb. 126: Tiflis, Museum für kirchliche Altertümer:
Georgische Holztür.
9*
1 ^ -. HI. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
Stäben — in Begleitung der Arabeske, nur in anderer Anordnung. Wir wollen die
Verbindungslinie Kaukasus -Chorasan, die sich damit andeutet, im Auge behalten1.
C. Die verschlungenen Kreise. Sie füllen in fünf Paaren die Fläche des
Türflügels — man beachte den Zapfen der Tür rechts oben — und sind im Grunde ein
Bandgeflecht Die dreistreifigen Bänder werden getrennt durch Knopfreihen. Ich
o-ehe auf das Motiv erst später ein. Hier seien nur die Füllungen und Zwickel ins
Auge gefaßt. Die geometrische Ranke ist neben Inschrift und Kreuz alleinherrschend.
Die Kreisfüllungen bringen paarweise geometrische Grundmotive wie Kreis, Viereck
und welligen Vierpaß, gefüllt mit Halbpalmetten und ihren Spalt- bzw. Keimformen 2.
Der Kreislappen ist besonders bei dem Wirbelmotiv in der Mitte scharf betont. Die
Muster sind um ihrer Auffälligkeit willen in glatter Vorderfläche auf tiefendunklem
Grunde gegeben. Im Gegensatz dazu stehen die Zwickelfüllungen, deren Palmetten
außer dem doppelten Rand auch noch im Schrägschnitt ausgehöhlt sind, so daß sie
ganz in Hell-Dunkellinien aufgelöst erscheinen. Im Mittellote sind es kreuzförmige
Rosetten, an den Rändern das Zangenornament, wobei die Bosse ersetzt ist durch
T-förmig auseinandergelegte Halbpalmetten. Eine genaue Datierung wird durch die
Inschrift im zweiten Felde rechts von oben leider nicht gegeben. Wie mir Dr. Theod.
Kluge gütigst mitteilt, handelt es sich um einen religiösen Spruch etwa im Sinne von
Matth. 27,29 u. dgl.: ..Reine Seele (oder heiliges Herz), beuge dich vor Gott, Amen".
Dem Schriftcharakter nach müsse die Inschrift aus dem Klarjeti stammen und datiere
spätestens aus dem X.XI. Jh. Ein terminus ante quem lasse sich nicht angeben.
Das auf der Tür verwendete Flächenmuster der verschlungenen Kreise ist ein
ausgesprochenes Stoffmuster. Darauf habe ich schon Mschatta S. 308 f. hingewiesen.
Was uns im Augenblick beschäftigt, ist die andere Tatsache, daß auf den erhaltenen
Stoffen dieser Art mit dem Muster der verschlungenen Kreise zumeist auch die Füllung
der Zwickel durch Palmettenbildungen verbunden ist und zwar wie auf dem georgischen
Brett bald in rosetten-, bald in baumförmiger Anordnung. Man blättere für die
Stoffvorbilder Falke, Kunstgesch. der Seidenweberei I S. jSf. oder die Schlußvig-
netten bei Hampel, Ujabb tanulmänyok a honfoglalasi kor emlekeiröl S. 8, 25, 71,
99 u. 174 durch. Wichtiger ist die Tatsache, daß sich sowohl im chinesischen Grenz-
gebiete wie in Armenien Wandmalereien, die solche Stoffmuster wiedergeben, erhalten
haben. In Zentralasien dürfte allmählich die figürliche von Indien und China vor-
dringende Malerei die alte auf flächenfüllende Muster eingestellte Art verdrängt haben.
Trotzdem finden sich davon immer noch reichlich Spuren an den Decken der tonnen-
gewölbten Räume, wie Abb. 127 eine solche aus Sengim in Turkestan3 zeigt, ein
anderes Beispiel werde ich unten Abb. 136 bringen. Man sieht den unteren Teil
einer Tonnenwölbunc: vor sich und bekommt also nur einen Ausschnitt des Musters
zu sehen, wird sich aber danach leicht das Muster ohne Ende aus Kreisen nebenein-
ander ergänzen können. Die Kreise zeigen im Zentrum figürliche Füllungen, der breite
Rand setzt sich zusammen aus Palmettenschließen gefüllt mit dem indischen Lotus
1 llüsing meint, das sei kunstgeschichtlich das kaukasische Comitativ-Sufhx sil im Tocharischen,
Aghwan-k im Westen und die Awghan im Osten iMitt. der Anthropolog. Ges. in Wien 19 16).
/gl. damit die Rosetten der Mschattafassade, Mschatta S. 294.
ir. Monatsschrift für den Orient XL 11914) S. 77 (Aufnahme von Prof. v. Oldenburg).
7« Geometrische Ranke und Arabeske.
133
und der chinesischen Glycinie. Die Zwickel zwischen den Kreisen sind nach chine-
sischer Art aus drei Vögeln gebildet, deren Köpfe sich nach der Mitte richten. Ein
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anderes Beispiel gibt Pelliot aus Tun-huang und datiert es um 700 l. Es handelt
sich um einen zeltartig ausgemalten Altarraum, wobei die Decke nicht nur einzelne
1) Vgl. Maybon, L'art decoratif XII (19 io) S. 58. Vgl. auch unten Abb. 134.
i ^ < 111. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
Stoffmuster nachahmt, sondern unmittelbar das Zeltdach als Ganzes nachzubilden
sucht. Es wird sich dabei vielleicht nicht um geknüpfte Teppiche handeln (davon
Abb. [28: Ani, Gregorkirche: Wandmalereien mit Nachbildung von Stoffmustern.
unten), sondern um gefilzte, gewirkte oder gewebte Stoffe. Auch in Abb. 127 ist
der Stoffcharakter noch durch die herabhängenden Fransen gewahrt. — Das zweite
7. Geometrische Ranke und Arabeske. I35
Beispiel in Armenien zeigt Abb. 128 nach einer Aufnahme unserer Institutsexpedition
in der Gregorkirche zu Ani vom J. 1215 K Die Kirche ist eines der wenigen armenischen
Denkmäler, in denen sich die Wandmalereien im Innern erhalten haben. Abb. 128
zeigt die Südostecke des zentralen Kuppelraumes. Über der Tür der rechten Apsis-
kapelle sieht man einen Stoff gemalt, der neben den an allen Wänden durchaus
figürlichen Malereien sehr auffällt. Auf rotbraunem Grunde sind in schwarzem Umriß
die verknoteten Kieise gegeben, darin hell mit grünem Flügelansätz die Drachen mit
Vogelschwanz 2. Die Zwickel füllen drei konzentrische Perlenkreise. Über diesem
Muster ein anderes in Kreisform, dessen Fragmente noch deutlich die Zusammensetzung
aus einer Kreislappenranke von chinesischer Art erkennen lassen. Es ist nicht aus-
geschlossen, daß wir hier die Nachahmung einer Ausstattung von Räumen vor uns
haben, wie sie in Armenien, durch die Parther vermittelt, vor Einführung des christ-
lichen Bilderkreises üblich war3.
Ich möchte nach dem Vorgebrachten glauben, daß die Hypothese, es seien Stoffe
gewesen, die von Zentralasien aus das Kreismuster ohne Ende verbreitet hätten, als
zulässig gelten kann. Für uns hat diese Feststellung zunächst nur den Wert, daß wir
damit eine Vorstellung von der Bedeutung der sakischen Ecke gewinnen, wo sich die
handwerklichen Techniken der Nomaden- und Nordvölker kreuzen mit griechischem,
indischem und chinesischem Kunstgute. Nach dem Westen vermitteln die daraus her-
vorgehenden Formen, unter welchen die geometrische Ranke vom Osten herwandernd
nicht die letzte Rolle spielt. Dazu muß folgendes besonders angemerkt werden.
Man läßt das Persische immer erst mit den Sasaniden, d. h. seit dem III. Jh.
nach Chr. als Entwicklungsfaktor gelten. Die parthische Kunst wird scheint's schlank-
weg für rein hellenistisch angesehen. Und doch geht gerade von ihr die eingeborene
Bewegung gegen das Griechentum aus, wie ich von Armenien zurückschließen muß.
Riegl, der noch beim orientalischen Teppich nach dem Nordosten blickte (davon
später), hat in den Stilfragen und der Spätrömischen Kunstindustrie jede Vorsicht
beiseite gelassen und sich vollständig dem Mittelmeerglauben verschrieben, dem alle,
Wulff und Falke inbegriffen, folgen. Die Beobachtungen, die ich anläßlich des al-
banischen Schatzfundes anstellte, die Bearbeitung des armenischen Materials,
nicht zuletzt die neuen Funde in Zentralasien und die Arbeit in der indischen und
ostasiatischen Abteilung meines Institutes haben den Weg frei gemacht: Zu dem
starken eingeborenen Element des Orients kommt der Weltverkehr, der hier in der
Nordostecke Vorderasiens eine Bedeutung gewinnt, wie vielleicht sonst nirgends auf
Gottes Erdboden. Mit der Bewegung, die von hier ausgeht, muß schon in der
hellenistischen Zeit und ausschlaggebend während der Völkerwanderung gerechnet
werden. Auch die Ausbreitung der „Arabeske" dürfte von hier ausgehen. Ist sie
schon in späthellenistischer bezw. frühchristlicher Zeit bis Ägypten vorgedrungen —
und bis Byzanz, wie wir später sehen werden — so hat der Islam, der hier im
1) Eine farbige Aufnahme bei Marr, Texte und Forschungen zur arm .-grusinischen Philologie (russ.) X
(1907) Taf. XV.
2) Vgl. Mschatta S. 312 und oben S. 3.
3) Vgl. dazu meine Ausführungen über Spuren ähnlicher Art Zeitschrift f. bild. Kunst N. F. XVIII
S. 321 f., Werke der Volkskunst, Wien I (1913) S. 10 f., und Oriens christianus N. S. V (1951) S. 107^
I ^5 111. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
rordöstiichen Iran künstlerisch seine eigentliche Kraft gewann, sie zusammen mit
dem Polygonalornament über das ganze Gebiet des Mittelmeeres verbreitet.
Hier im nordöstlichen Iran hat vor allem die Durchsetzung der nordasiatischen
geometrischen Ranke mit der vom Westen durch die Griechen erneut in diese Gebiete
getragenen Palmette stattgefunden. Wir wundern uns auf Schritt und Tritt — ich habe
das Mschatta S. 281 f. herausgearbeitet — wie formvollendet die Palmette in sasa-
nidischer Zeit und dann im frühen Islam Verwendung findet, reiner als in der späten
Kunst von Hellas und Rom selbst. Das geht nicht vom Mittelmeer aus, sondern
von jenem großhellenistischen, von eingeborenen und ost- wie südasiatischen Elementen
durchsetzten Kunstkreis im Innern Asiens, von dem ich zuerst Zeitschrift für Assy-
riologie XXYII 1912) S. 139 f. sprach. In diesem Kreise wird auch die alte geometrische
Ranke — z. T. vielleicht unter chinesischem Einfluß (S. 1 15, 118, 121) — zur eigentlichen
Arabeske umgebildet und zwar durch das Eingreifen der Weinranke zuerst und dann
ihrer nachträglichen Palmettisierung, wie ich das Mschatta S. 330f. beschrieben habe.
Wir verlassen jetzt für einige Zeit die geometrische Ranke. Sie wird in späteren
Abschnitten wieder in den Vordergrund treten. Für die jüngste türkische Entwicklung
vgl. Edhem Pascha, Die ottomanische Baukunst, 1873, S. 71 f.
8. Der Schrägschnitt.
Der Schrägschnitt bedeutet, qualitativ voll entwickelt, eine Verschleierung
des Grundes, wie das Tiefendunkel und der Goldgrund. Doch hat er diese künst-
lerische Bedeutung nicht von vornherein und überhaupt selten gehabt. Riegl, der
den Semperianern grundsätzlich den Wert der Form gegenüber der Technik ausein-
andersetzen wollte (Stilfragen S. VII £), hat sich im Laufe der eigenen Entwicklung
derart von dieser Absicht hinreißen lassen, daß er schließlich selbst den festen Boden
unter den Füßen verlor. In der „Spätrömischen Kunstindustrie" S. 154 f. macht er
den „Keilschnitt" ebenso wie das Tiefendunkel (Durchbruch) und die Granateinlage
in Gold zur letzten konsequenten Errungenschaft der Antike. Schon die Tatsache,
daß als Material für die Keilschnitt-Gruppe, die er spätrömisch nennt, Bronze ver-
wendet ist, während die barbarischen Stücke gleicher Art in Silber z. T. vergoldet
auftreten-, hätte ihn auf die Abfolge aufmerksam machen können. Das Edelmetall
geht, vom Osten kommend, voraus, seine Formen werden dann im Westen in Bronze,
dem Material, in dem sie ursprünglich auch im Osten entstanden waren, nachgeahmt.
Denn der Ausgangspunkt der Form scheint hier doch die Metalltechnik. Schon die
gestaltlichen Motive, die Riegl als die konstituierenden (Spätröm. Kunstind. S. 156) zu-
sammengestellt hat, wären dafür bezeichnend, sie kommen alle von der Spirale her, nicht
von der „klassischen" Spiralranke. Auch die geometrische Ranke entsteht aus ihr und
zwar in Ägypten ebenso wie in China und im Zentrum zwischen beiden, im nördlichen
A-ien. Der formale Gesichtspunkt aber, aus dem diese Gestalten künstlerisch geläutert
und weiter entwickelt werden, ist der, den Metallglanz zur vollen Wirkung zu bringen.
Riegl hat diese Technik ..Keilschnitt" genannt. Ich mußte die Bezeichnung auf-
geben, weil der keilförmige Schnitt in dem Augenblick einseitig wird, in dem di2
Schnörkel des Grundes in der Vorderfläche des Reliefs nicht durch eine Linie, sondern
8. Der Schrägschnitt.
137
durch die Fläche abgelöst und der Strichpunkt oder Kerben benutzt werden, um
gestaltliche Einheiten daraus zu bilden. Dann ist es eben der Schräg-, nicht der Keil-
schnitt, der angewendet wird. Schon die Kreislappen auf den Jenisseimessern
und die Ornamente auf Abb. 103, dem iranischen Kruge Abb. l und den chinesischen
Glocken (Abb. 129) zeigen dieselbe Art in Metall, die wir später in Samarra und Ägyp-
ten in Stuck und Holz übertragen wiederfinden. Dazu gehe ich jetzt über.
7 8 9
Abb. 129: Füllmotive von altchinesischen Glocken.
10
Es scheint, daß der Schrägschnitt in Metall in Ostiran deshalb einen fruchtbaren
Boden fand, weil er sich für eine gewisse Art der Stucktechnik besonders eignete,
die mechanische Vervielfältigung des Musters nämlich mittelst des Holzmodels. Die
Ausführung des Musters in Schrägschnittechnik gestattete ein ungefährliches Ab-
heben der Form, weil so Unterschneid ungen ausgeschlossen waren. Ich würde eine
selbständige Entstehung des Schrägschnittes in Stuck annehmen, wenn nicht von
China her wieder eine Mahnung zur Vorsicht vorläge.
Es war oben S. 88 f. die Rede von ägyptischen Brettern mit Ornamenten im
Schrägschnitt. Wir fanden das auf ihnen öfter wiederholte Muster des Schildes aus
Schnörkel- bzw. Kreislappenmotiven wieder in den Stuckwänden von Samarra und
könnten daher vermuten, daß es in Mesopotamien zu Hause wäre. Aber ein Blick
1 ^S HI. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
auf die althieratischen Bronzen Chinas weist doch wieder auf andere Wege. Man
vergleiche die nebenstehende Abbildung 129 nach Mustern, die sich häufig auf chi-
nesischen Glocken, wie eine in Abb. 123 gegeben ist, wiederholen1. Auch da handelt
es sich um die Füllung überhöhter Felder, wie an den ägyptischen Türen. Immer
bildet gleich den vorgeführten Beispielen aus Altkairo, dem Deir es-Surjani und anderen
Orten ein Dreieckschild mit Aufsatz das Grundmotiv. Muth (S. 55) sagt, diese
Bildungen stünden den von den Chinesen als Zikaden bezeichneten Formen (die kleine
Figur 2 in Abb. 129) nahe. Bei genauerem Zusehen stellt sich heraus, daß diese Orna-
mente aus der geometrischen Ranke, vielleicht mit Zugrundelegung der menschlichen
Gestalt, entwickelt sind. Wir sehen in den beiden Beispielen I und 4 die langge-
zogenen, in Kreislappen endigenden Motive, die bisweilen (Nr. 5) auch die von den
ägyptischen Parallelen her bekannte spitze Form annehmen. Dazu kommt wie auf
der Tür des Deir es-Surjani (Abb. 88) die auf den Schild gelegte Palmette der Glocke^
das Herzblatt auf 10, der Strichpunkt auf 3 usw. Sollten das alles Zufälle und in China
wie in Mesopotamien und Ägypten spontane, überall bodenständig entwickelte For-
men sein? Die Glocken gehören, nimmt man an, vor Christi Geburt, die Beispiele
aus Ägypten und Mesopotamien in die Zeit nach Christus. Wie wäre da ein Zu-
sammenhang denkbar? Er müßte ebenso zu schaffen sein wie zwischen den chine-
sischen und germanischen Altsachen. Tauchen die Ornamentformen in China schon
vor Christi Geburt auf, so im Norden Europas auch wieder (wie im vorliegenden
Falle am Mittelmeer) in der zweiten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrtausends.
In die Zwischenzeit fallen für den Schrägschnitt die Messer, Kelte usw. der süd-
sibirischen Bronzezeit. Sie werden kaum über das IL vorchristliche Jahrhundert herab-
gehen, dürften eher unabhängig vom Hellenismus zu datieren sein. Ich habe oben
mehr Gewicht gelegt auf das Gestaltmotiv der geometrischen Ranke mit dem Kreis-
lappen. Man beachte aber die künstlerisch hochwertigsten Stücke wie das Messer 17
in Abb. 103 und besonders die Axt Abb. 105 : die schräge Flächenführung macht im
wesentlichen die qualitative Eigenart. Gerade sie mag mit der Absicht, den Metall-
glanz zur Geltung zu bringen, aus der Spirale den Kreislappen geformt haben.
Für die Zeit nach Christi Geburt möchte ich als ältesten christlichen Beleg eine
Gruppe von Denkmälern anführen, die bisher nicht herangezogen wurden, weil der
Schrägschnitt da nicht mit dem Gestaltmotiv der geometrischen Ranke bzw. der Pal-
mette verknüpft auftritt, den „fetten, zackigen" Akanthus an den Theodosianischen
Kapitellen2. Ich gebe Abb. 130 ein Beispiel dafür von der Akropolis in Athen.
Wenn Riegl 3 und in seinen Fußstapfen Alten a. a. O. an diesem Blattschnitt nichts
andres sehen als eine Neuerung, die auf die römische Bohrtechnik zurückgeht, so
1) Die Zusammenstellung nach Muth, Stilprinzipien der primitiven Tierornamentik bei Chinesen und
Germanen Tafel XXVII.
2) Vgl. darüber Athenische Mitteilungen XIV (1889") S. 2S0 f. Wie v. Alten, Gesch. des altchristlichen
Kapitells S. 60 dazu kommt, mir unter Berufung auf Riegl, Stilfragen S. 279 (der richtig die Athen. Mitt.
zitiert, ohne meinen Namen hereinzuziehen) die Deutung dieses Blattschnittes auf Nachahmung des Acan-
thus spinosus anzuhängen, ist mir unerfindlich. Ich hatte die Pflicht, dort diese Erklärung des Prof. v. Held-
reich zu zitieren; es steht dort nicht, daß ich sie angenommen hätte, wenn auch später die Benennungen
rendet wurden.
3 Spätrömische Kunstindustrie S. 39.
8. Der Schrägschnitt.
139
werden sie den besten Beispielen des fetten zackigen Akanthus nicht gerecht. Dieser
ist zwar mittelst des Bohrers im Tiefendunkel herausgearbeitet, aber unter gleich-
zeitiger Anwendung des Meißels zur Herstellung des Schrägschnittes. Dadurch kommt
eben jene Eigenart heraus, die ich durch die Bezeichnung „fett und zackig" kenn-
zeichnen wollte. Abb. 130 gibt meine Originalaufnahme, nicht die Umzeichnung, wie
sie 1889 in den Athenischen Mitteilungen üblich war1. Man sieht ganz deutlich, daß
hier der Bohrer sehr wenig zur Wirkung mitgeholfen hat." In der Hauptsache ist es
vielmehr die Abgrenzung jedes Lappens durch schräge Flächen, die den Ausschlag
gibt. Und nun halte man die Beispiele der in Abb. 68 vorgeführten athenischen
Steinfragmente mit der geometrischen Ranke im Schrägschnitt neben das Kapitell-
fragment: die Art ist sehr verwandt. Man könnte meinen, daß hier wie dort ein
iranischer Meister an der Arbeit war (vgl. den sasanidischen Silberkrug Abb. 93).
Dabei ist zu bedenken, daß ich das
Kapitell sowohl wie jene Ornament-
gruppe auf der Akropolis in Athen
fand. Da aber die in den Athen.
Mitteilungen veröffentlichten Kapi-
tellfragmente aus dem V. — VI. Jh.
stammen, wird man auch mit den
Steinbalken zeitlich nicht zu weit
heruntergehen dürfen.
Der Schrägschnitt hat vielleicht
zum Teil auch mitgewirkt an der
Beliebtheit der mehrstreifigen Band-
ornamentik in der Metallplastik, die
ja das positive Muster betonen will
und dazu die Furchung der Linie
mit dem schimmernden Wechsel des
Metallglanzes benutzt. Wenn Riegl
daher (Spätröm. Kunstind. S. 157) von „jener oströmischen Bandornamentik" spricht,
„mit deren Erfindung man neuerdings durchaus die Longobarden beehren möchte",
so begreift man nicht, wie gerade Byzanz den Provinzen die Anregung dafür ge-
geben haben soll. Die Kunst von Byzanz vor Konstantin war rein griechisch-thra-
kisch; erst die Meister, die dann zum Bau der Polis zusammenströmten, brachten ihre
verschiedenen Arbeitsweisen mit, wie es in der Entwicklung des Kapitells in den
Steinbrüchen der Prokonnesos so deutlich zu beobachten ist. Riegl umgrenzt (S. 163)
das Ausbreitungsgebiet der Keilschnittbronzen zwischen England bis Italien und
Frankreich bis zum Balkan und meint, diese Beschränkung auf weströmische Fund-
stätten spräche freilich für weströmische Fabriken — wenn nur der oströmische Boden
untersucht wäre! Es könne da so gehen wie in Italien, das, einst unbeachtet, jetzt
die reichste Fundstätte barbarischer Kunst in Europa geworden sei. Wer kann dafür
bürgen, ruft Riegl aus, daß man die gleiche Erfahrung nicht auch im Oriente machen
Abb. 130: Athen, Akropolis: Fragment eines Akanthus-
Kapitells.
1) Der Bruch, der vertikal durch das Stück geht, findet sich in meinem alten Photogramm, nicht im Stein.
140
III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
werde, sobald erst die entsprechenden äußeren Bedingungen für eine Hinwegräumung
des anderthalb Jahrtausend alten Schuttes vorhanden sein würden? Und nun bringt
Riegl die paar Beispiele aus Ägypten und hat keine Ahnung von dem reichen asia-
tischen Material, das ich oben vorgelegt habe. Hätte er daraufhin nicht selbst seine
Anschauung vom oströmischen Ursprünge des Motivs geändert?
Das wertvollste Beispiel des Schrägschnittes ist oben ebenfalls nicht mitgeteilt, weil
er an ihm nicht in der geometrischen Ranke, sondern bei Behandlung des Tierleibes
verwendet ist. Abb. 13 1 zeigt ein katzenähnliches Tier in Gold, das in einem Tu-
mulus von Kelermes im Maikopschen Bezirk des Kuban ausgegraben, sich heute in
der Ermitage zu Petersburg (Inv. Nr. 1 40361 befindet l. Es mißt ca 32 cm in der Länge,
ist also ein Beleg von bedeutender Größe. Für seine Zweckbestimmung kommt in
Betracht, daß das Stück auf der Rückseite eine runde Handhabe aufweist. Das Tier
Abb. 131 : Petersburg, Ermitage: Tier in Gold aus Keiermes.
ist merkwürdig im Volumen zusammengedrängt gegeben. Füße und Schwanz sind
in Parallelen mit dem Körper so zusammengeschoben, daß nur Hals und Kopf vor-
treten, doch wird auch hier die Konturlinie durch deren Senkung festgehalten; nur
der Ausschnitt unter dem Halse bildet einen größeren auffallenden Fleck. Im übrigen
sind die Durchbrechungen möglichst klein und so die ganze Aufmerksamkeit des
Beschauers auf die höchst interessante Flächenführuns gesammelt. Man sehe sich
Füße und Hals an: Der Schrägschnitt ist hier völlig zum geometrischen Keilschnitt
geworden, es sind scharfkantige Grate entstanden, in denen sich die schrägen Flächen
treffen. Die Naturgestalt ist also lediglich das Mittel zur Geltendmachung einer starken
Formkraft, die den Tierleib vollständig vergewaltigt. Und dieses rein auf Form ge-
richtete Kunstempfinden äußert sich vielleicht noch stärker darin, daß der Künstler
Bedacht nimmt, die Wirkung der in den schrägen Flächen des Goldglanzes spielenden
Lichter durch den Kontrast zu heben, indem er in der Rahmung, die Schwanz und
1 Die Photographie verdanke ich dem Entgegenkommen der Herren Kiserit/ky und Pharmakov>k\ .
8. Der Schrägschnitt. \aI
Füße herstellen, möglicht kleine, unruhige Flächen vorherrschen läßt. Dabei kömmt
der Kreis und der Kreislappen auf Stäbchen zur Anwendung, den wir schon in der
geometrischen Ranke oben S. 129 bis nach China herüber nachweisen konnten. Es
sieht aus, als habe der Künstler die für die Bildung der vier Füße gefundene Form
— mit den drei Kreisen, über denen sich Kreislappen auf Stäbchen kreuzen, begrenzt
von runden Glanzflächen, die neben den Zehen und Falten die Schwielen bedeuten mögen
— als hätte er diese Fassung vieler kleiner Motive gestalriich gedankenlos auch auf
den Schwanz übertragen. Er tut damit bewußt im Grunde genau das Gleiche, was
Rafael leistet, indem er, um der formalen Läuterung willen, das rechte Bein der
Madonna im Grünen unnatürlich in die Dreieckspitze der Komposition zerrt oder wenn
Michelangelo in der Pietä Arme und Beine in gezwungener Weise bewegt l.
Hier haben wir also ein Meisterstück jenes Kunstkreises, der später die Wandlung
im Kunstempfinden der römischen Zeit herbeiführte. Rostovzev, einer der besten Kenner
der russischen Goldfunde, datiert das Stück nach mündlichen Mitteilungen in das Ende
des VII. oder den Anfang des VI. Jh. vor Chr., ähnlich Minns. Wenn man sagt, diese
Zeit läge zu weit zurück, als daß sie — auch wenn man Abb. 131 erst um 200 datierte —
noch auf den Westen gewirkt haben könnte, so beachte man zwei Einzelheiten, die
bisher unbesprochen blieben: einmal die Anwendung der Zellenverglasung am Ohre
des Tieres (von der später zu reden sein wird), und dann, daß die Bildung der Füße
und des Schwanzes, jenes runde Motiv mit drei Kreisen und den runden Glanzflächen
am Rande, genau so wiederkehrt in den südsibirischen Funden, die ich oben S. iiof.
besprochen habe. Ein weiteres Stück dieser Gruppe, das ich unten Abb. 178, Fig. 17
gebe, eine runde Agraffe mit dem eingerollten Tier, wie sie Martin beschreibt2, ist
nichts anderes als das Motiv, das zehnmal an unserem Tier vorkommt3. Die Bronze-
funde von Minussinsk leiten die Überlieferung einige Jahrhunderte weiter als die
Goldfunde von Kelermes. Sie beweisen, daß der Stil der großen Blütezeit hochasiati-
scher Kunst anhielt, freilich aber immer mehr in das spielerisch dekorative Fahrwasser
geriet. Die Durchbrucharbeit der Stücke Abb. 106 und die Einführung jener Motive,
die Riegl (Spätröm. Kunstind. S. 143) als negative bezeichnete, wie wir sie z.B. am Fuße
des Rinderpaares von Abb. 178, Fig. 16 beobachten werden und gewöhnlich auf den
Einfluß der mesopotamischen Kunst zurückführen, sind klare Belege dafür.
Das in ausgezeichneter Schrägschnittform ausgeführte Tier von Kelermes steht
nicht allein. Vielmehr ist es nur ein bisher wenig beachteter Vertreter einer Gruppe,
deren Hauptvertreter man öfter abgebildet findet, auf deren künstlerischen Wert man
aber kaum aufmerksam werden konnte, weil sie in Zeichnungen gegeben wurden,
wobei der Schrägschnitt nicht zur Geltung kam. Es ist daher ein Verdienst von
Minns „Scythians andGreeks", endlich einmal unmittelbar Photographien verwendet zu
haben. Das Tier Abb. 131 bringt auch er nicht4. Ich kann mir aber jedenfalls ersparen,
1) Vgl. mein „Werden des Barock" S. 2of.
2) Zu seiner Tafel (L'age du bronze au musee de Minoussinsk) 29, 17. Vgl. auch Tolstoi-Kondakov,
Russische Altertümer III (russ. Ausgabe S. 64).
3) Das Stück findet sich auch groß abgebildet beilvlementz, Altertümer des Museums zu Minussinsk (russ.)
Taf.VIIIi8. Für die NeigUDg zu solchen Bildungen vgl. Minns, Scythians andGreeks S.274 Fig. 194 u.S.2 58 Fig. 180 1.
4) Doch erwähnt er es S. 222 und sagt von den Kelermesfunden im allgemeinen: The chief pieces are
ref irred to Mesopotamian art of the Vllth orVBh Century, fresh evidence of direct contact between Scythand Assyrian.
j .-> III. Die geometrische Ranke der Schmucksachen des albanischen Schatzes.
die goldene Tierplatte von Kulolba (aus Kertsch, Minns S. 203) und die andere von Kos-
tromskaja ^Kuban), beide in der Ermitage (Minns S. 226 , hier abzubilden. Ein ver-
gleichender Blick wird lehren, daß wir in diesen Stücken formal genau entsprechende
Parallelen von Abb. 131 vor uns haben, nur ist die Tiergattung die typisch uralaltaische.
Ein drittes Stück, ein ähnliches Tier (Hirsch) in Relief auf einer Goldplatte aus Axju-
tintsy im Gouvernement Poltawa hat auch Minns S. 181 nur in Zeichnung gegeben.
Er sagt von diesen Werken, daß sie den Reiz der (griechischen) Linie vermissen ließen,
erkennt aber die geschickte Ausführung an. Beides sei bezeichnend „native work".
Die Hauptsache, den Schrägschnitt sieht er nicht, wie er denn überhaupt als klassischer
Philologe vielleicht dem Griechischen gerecht zu werden weiß, die eigenartige Form-
qualität der „skythischen" Art aber nicht versteht. Die Folge davon ist, daß ihm der Ge-
danke, es könnte die uralaltaische Art irgendwie auf Hellas zurückgewirkt haben, gar-
nicht kommt. Man wird aber wohl in Zukunft insbesondere die Bildung des Pferdeleibes
in den wunderbaren Goldsachen der „skythischen" Kurgane zum Gegenstand ernster ver-
gleichender Studien mit dem Parthenon bezw. den babylonisch -assyrischen und acha-
mandisch-sasanidischen Reliefs machen. Cherbuliez' Causeries atheniennes ä propos
dun cheval de Phidias erhalten durch dieses neue Material eine seltsame Wendung.
Grundsätzlich ist dazu zu bemerken, daß der Kunsthistoriker wird anfangen
müssen, sich bei entwicklungsgeschichtlicher Behandlung der künstlerifchen Qualität
nicht nur um die höher entwickelten Kulturen zu kümmern. Schon die Steinzeit hat
Beachtenswertes geleistet. Ich will hier lediglich bei der Verwertung von Glanz-
flächen bleiben. Ihre Wirkung ist schon in neolithischer Zeit erkannt und mit uner-
hörter Eleganz zur Geltung gebracht worden. Man nehme z. B. Montelius „Meister-
stücke im Museum vaterländischer Altertümer zu Stockholm" zur Hand und be-
trachte gleich die erste Tafel, die graue oder schwarze Steinhämmer von so sorg-
faltigem Schliff zeigt, dazu mit Graten und erhöhten Linien, daß Montelius ganz
mit Recht die Vollendung der bei aller Einfachheit schönen Form bewundert. Die
Streithämmer gehören in das III., besser vielleicht das II. Jahrtausend vor Chr. Die
Bronzezeit hat die Steinzeit an Qualität vielleicht noch überboten. Doch tritt in ihr
immer mehr die Wirkung mit kleinen Glanzflächen in den Vordergrund. Die besten
Beispiele vielleicht bieten die Halsringe in Bronze und Gold, von denen man einen
bei Montelius a. a. O. Tafel 7 abgebildet findet. Er datiert dieses in Schweden ge-
arbeitete Stück in das V. Jh. nach Christus. In die Zwischenzeit gehören die Funde
aus den skythischen Kurganen und den Gräbern am Jenissei. Ich will es dahin ge-
stellt sein lassen, ob arische oder Türkvölker die Urheber des Schrägschnittes
in diesen Gebieten sind, schwerlich dürfte erst die griechische Kunst solch hohe
Qualitätsleistungen hier angeregt haben. Ihre von den alten Kulturgebieten über-
nommene Neigung zur Herausarbeitung der realistischen Gestalt zwang sie zu Kom-
promissen, die dann das starke Formempfinden der Nomaden und Nordvölker immer
wieder lahmlegten. Man sollte daher geneigt sein, formkräftige Werke der Nomaden
und Nordvölker eher in die Zeit vor der Berührung mit der Antike zu setzen. Riegl
hat das gerade Gegenteil getan, seine Spätrömische Kunstindustrie wird hoffentlich
den Höhepunkt des humanistischen Wahnes von der Einheitlichkeit der Kunstent-
wicklung auf hellenischer Grundlage bedeuten.
8. Der Schrägschnitt. I43
Im gegebenen Falle handelt es sich um den Ersatz des nordischen Schrägschnittes
durch die im Süden übliche, naturalistische Modellierung. Im Abendland hat der
Schrägschnitt und die „Volute" in der La Tene-Zeit, d. h. in dem halben Jahrtausend
v. Chr., die Zone nordwärts der Alpen derart beherrscht, daß man begreift, wenn
die Einseitigkeit Riegls schon von Forschern auf diesem Gebiete zurückgewiesen
wurde und man darauf aufmerksam machte, daß die Keilschnittbronzen, früher als
.keltisch" bezeichnet, sehr wohl ihre Vorstufe in der, La Tene-Zeit haben dürften.
Was Riegl auf das Kunstwollen der spätrömischen Zeit zurückführt, ist eben da wie
dort bei den Nordvölkern wie bei den Nomaden aus der Nutzung des Metallglanzes
hervorgegangen und mit dem Vordringen dieses Geschmackes nach dem Süden von
ihnen übermittelt worden1.
Es wird nun unsere Aufgabe sein, nachdem wir an der Hand von Parallelen der
geometrischen Ranke und des Schrägschnittes in den Ausbreitungsbezirk dieser Motive
eingedrungen sind, den sozialen und Rassenproblemen nachzugehen, die hinter diesen
Parallelen stehen, dann nach der Rückwirkung auf das Mittelmeer, d. h. auf Byzanz,
die Araber und Germanen, zu fragen und auch die Bestimmung des Ursprunges des
albanischen Schatzfundes auf Grund aller dieser Untersuchungen zu versuchen. Damit
treten wir in den zweiten Hauptteil dieser Arbeit, der mit einer zeitgemäßen Be-
trachtung über die Lage der Kunstforschung schließen soll.
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
Trotz der mannigfachen Verschiedenheiten, die die großen Schatzfunde der
Völkerwanderungszeit aus dem Osten Europas voneinander trennen, bilden sie doch
eine Einheit insofern, als öfter die gleichen Gestalten und Formen, nur in wechseln-
der Verbindung angewendet werden. Ich sehe jetzt ganz ab vom hellenistischen
und dem durch Darstellungen auffälligen sasanidischen Einschlage. Es war davon
S. 64 die Rede, daß daneben doch noch ein drittes Element mitwirken müsse, ja
vielleicht den Ausschlag gebe. Das Forschen nach dieser Unbekannten führt auf
eine viel allgemeinere Problemstellung, auf die große Frage nämlich nach der Her-
kunft jener Kunstrichtung, die, der Art der Oasenkulturen fremd, grundsätzlich mit
deren Erbe bricht. Diese alle: China, Indien, Mesopotamien und Ägypten, dann die
in die Fußstapfen der letzteren tretende griechische Kunst hatten die Architektur
und darstellende Kunst zu kaum in ihrer Art überbietbarer Höhe entwickelt. Nun
mit einem Male erfolgt ein Rückschlag. Es treten Formen auf, die nichts mit
Architektur, darstellender oder im Sinne der Macht verblüffender Auswertung der
menschlichen Gestalt zu tun haben. Das Ornament übernimmt die Führung, nach
seinen Gesetzen wird auch verarbeitet, was von älterem Kunstgut einströmt. Man
hat den Islam und das Bilderverbot oder schon früher die syrische Kunst zur
Erklärung herangezogen. Keine der beiden Annahmen trifft, wie vertiefte Unter-
1) Vgl. Reinecke, Zur Kenntnis der La Tene-Denkmäler, Festschrift zur Feier des 50jährigen Be-
stehens des römisch-germanischen Centralmuseums in Mainz 1902 S. 93 (Ich danke den Hinweis Dr. Menghin).
, . IV. Die Kunst der Nomaden und Xordvölker.
suchungen lehren, zu. Vielmehr zeigt sich immer deutlicher, daß das, was wir in
dieser Richtung im Islam beobachten können, schon im späten Hellenismus da ist,
also zurückgehen dürfte auf einen Anstoß, der, in hellenistischer Zeit einsetzend, immer
mehr erstarkt, bis er im „Mittelalter" bei einzelnen Völkern geradezu ausschlaggebend
wird. Ich habe darauf bereits in meinem Amidabuche S. 319 hingewiesen und nehme
hier den dort verlassenen Weg nach fünfjähriger Unterbrechung wieder auf.
Die Meinungen über die Art dieses Anstoßes sind sehr geteilt. Die einen nehmen
den Wandel als Verfallserscheinung und schreiben ihn entweder dem absterbenden
Römertum oder dem Vordringen der germanischen Barbaren zu; andere sehen darin
den Ansatz einer neuen Entwicklung, ja geradezu den Anfang unserer eigenen heute
noch herrschenden Richtung. Riegl hat am entschiedensten gegen die Katastrophen-
theorie und die Barbarisierung in diesem Sinne Stellung genommen. Freilich sei ein
Verfall der Schönheit und Lebendigkeit in spätrömischer Zeit zu beobachten, aber
dafür trete eben ein neues „Kunstwollen" ein, das man zeitlich wirksam zwischen 313
und 768 etwa, örtlich über das ganze spätrömische Gebiet mit starkem Vorwiegen
der oströmischen Hälfte umschreiben könne l. In diesem Gebiet und in dieser Zeit
entstehe der „spätrömische Stil", wobei zeitlich charakteristische Züge des IV. Jh.
sich stetig in abnehmender Dichtigkeit bis in den vorchristlichen Hellenismus zurück-
verfolgen ließen, örtlich habe dem Autor freilich die genauere Kenntnis des syrischen.
arabischen, westafrikanischen, südfranzösischen und englischen Gebietes gefehlt. Man
sieht, in welchem Umkreis sich die Gedanken Riegls bewegten. Dem gegenüber machte
ich auf das Durchbrechen des Asiatischen aufmerksam und kann den altorientalischen
Zügen, die ich bisher in den Vordergrund stellte 2, jetzt nach der Ausdehnung meiner
Arbeiten über ganz Asien (soweit mir das Material erreichbar war) die nötige und
entscheidende Ergänzung folgen lassen. Riegl glaubt als Erklärung des Umschwunges
im Geschmack der spätrömischen Zeit, die Kunst spiegle „den ganzen aufgewühlten
Charakter der damaligen geistigen Zustände getreu wieder". In Wirklichkeit erklärt
sich die Wendung mehr daraus, wie ich darzulegen suche, daß gleichzeitig mit dieser
Auflösung der Weltverkehr alte orientalische Formen zusammen mit der starken Welle
des Geschmackes der vom Norden und Osten zuströmenden Kunstwogen auf den Plan
bringt. Nicht erst die wandernden Barbaren des europäischen Nordens sind es ge-
wesen, die Hellas und Rom im Gebiete der bildenden Kunst aus der Bahn warfen,
sondern viel früher schon begann die Südkunst dem Vordringen der nordischen und
Nomaden-Elemente zu unterliegen. Bei dem Wandel des Geschmacks handelt es sich
nicht um die letzte abschließende Phase des immanenten antiken Kunstwollens (Riegl
S. 215), sondern um den Anbruch einer neuen Zeit, in der das künstlerische Empfinden
unter den Einfluß der um Altai und Iran gruppierten Völker gerät und die Gefahr
naherückt, daß die Mittelmeerkunst durch die Art dieser Nomaden- und Nordvölker
vollständig verdrängt werde. Als der Islam sich zum Träger dieser Bewegung zu
1 Spätrömische Kunstindustrie, Einleitung.
2 VgL außer den oben S. 65 zitierten Arbeiten die beiden Aufsätze „Die Schicksale des Hellenismus
in der bildenden Kunst" und „Antike, Islam und Occident" in den Neuen Jahrbüchern für das klass.
Altertum XV 19351 S. 19 f. und XXIII (1909) S. 354 f. Dazu „Die nachklassische Kunst auf dem Balkan"
buch des freien Deutschen Hochstiftes zu Frankfurt 1910 S. 30 f.
A. Die drei Völkerzonen Eurasiens. I4C
machen anfing, war entscheidend, daß Goten und Franken bereits Christen und damit von
der zierenden zur darstellenden Kunst der Südvölker übergegangen waren.
Die grundsätzliche Bedeutung meiner Erklärung liegt darin, daß ich drei ganz ge-
trennte Völkergruppen annehme, die in ihrer Entwicklung weit auseinandergehen und
von denen die eine, mittlere, zwar ewig unverändert primitiv bleibt, aber zusammen mit
der anderen nieder entwickelten die dritte hoch entwickelte Gruppe seit Christi Geburt
etwa allmählich durchsetzt und schließlich zu Falle bringt. Das ist der wahre Kern des
Problems „Hellas in des Orients Umarmung" '. Es sind nicht nur die in ihrem Aus-
leben durch Hellas seit Alexander d. Gr. zurückgedrängten Vertreter der alten Oasen-
kulturen am Nil und im Zweiströmeland, die den Umschwung herbeiführen, sondern
vor allem der Eintritt der Nomaden und Nordvölker in die Treibhäuser der Kultur.
A. Die drei Völkerzonen Eurasiens. Es ist hier der Ort, diese grundsätzlich
notwendige Neueinstellung der Kunstforschung zur Sprache zu bringen. Ihr Un-
beachtetbleiben in sonst durch so viel ehrliche und tüchtige Denkarbeit zustande ge-
kommenen Werken wie denen von Riegl, Schmarsow und Worringer erklärt es, wenn
diese Arbeiten kunsthistorisch schließlich doch unbrauchbar sind. Die Unkenntnis
der einschlägigen Denkmäler trägt daran nicht allein die Schuld. Vielmehr fehlt es
an der grundlegenden Scheidung der drei geographisch zu trennenden Völkerzonen,
die sich im Rahmen des großen Erdkörpers Eurasien feststellen lassen. Dieser Körper
zerfällt in drei Gebiete, ein südliches und ein nördliches, die diagonal getrennt sind
durch einen vom atlantischen bis zum stillen Ozean durchlaufenden Streifen von
Steppen- bezw. Wüstengebieten. Der südlich der Steppenzone gelegene Teil um-
schließt die alten Treibhäuser der Kultur. Er ist sehr früh vom Holz- zum Stein-
bau übergegangen; die menschliche Gestalt als darstellendes Zeichen der bildenden
Kunst steht in ihm in historischer Zeit bereits obenan. Der jenseits der Steppen-
zone gelegene Norden ist lange beim Holzbau und dem Ornament geblieben. Erst ver-
hältnismäßig spät wurde er an den beiden Durchbruchstellen am Mittelmeer und um
das kaspische Meer herum von den Südkulturen zur Annahme von Stein und Ziegel,
und zur Darstellung der menschlichen Gestalt gedrängt. In der mittleren Zone, dem
langgezogenen Gebiete der Wanderhirten, in dem Zelt und Waffe allein fast den Aus-
schlag gaben, haben Stein und Holz ebensowenig jemals eine Bedeutung gewonnen
wie die menschliche Gestalt -und irgend eine Art von Darstellung. Von Grenz-
erscheinungen abgesehen, sind diese Wüsten und Steppen heute noch unverändert
bei ihrer ornamental flächenfüllenden Art geblieben. Der orientalische Teppich ist
eines jener heute noch hochgeschätzten Erzeugnisse, die aus diesen Gebieten her-
vorgingen. Da uns Kunsthistorikern die Südkulturen zur Not bekannt sind, be-
schränke ich mich darauf, nur den Nomaden- und den Nordstrom suchend gegen-
einander abzuwägen.
Wer sich kurz über das Nomadenproblem von der politischen und wirtschaftlichen
Seite her unterrichten will, lese nach, was Heinrich Schurtz darüber in dem Teile
„Hochasien und Sibirien" von Helmolts Weltgeschichte II S. I29f. sagt. Das Ent-
scheidende ist, daß der Nomadismus nach den Forschungen Hahns die Milchwirtschaft
1) Beilage zur Münchener Allg. Zeitung Xr. 48/9 vom 18/9. Februar 1902.
Strzygowski, Altai. 1°
146
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
und damit eine ältere Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht voraussetzt. Süd-
rußland, d. h. der Ursitz der Arier sei es gewesen, wo das Nomadentum entstanden sei
und von wo es auf Sibirien und Hochasien übergegriffen habe. Für den Kunstforscher
ergibt sich, wenn das richtig ist, der Schluß, daß man den Nomaden verhältnis-
mäßig höhere Kunstformen zutrauen, sie nicht auf eine Stufe mit Naturvölkern stellen
darf. Wie dem auch immer sei, so werden es Formen der eingesprengten Oasen wie
des Altai oder Transoxanien gewesen sein, wovon freilich nur, was für die Lebens-
weise der Nomaden geeignet war, beibehalten wurde. Ich kann also nicht erwarten,
daß Architektur, Plastik und Malerei in Betracht kommen, darf vielmehr lediglich mit
dem Handwerk rechnen, das dem beweglichen Leben folgen konnte. Der Übergang
von der Kunst der in den eingesprengten Oasen Ansässigen zur Kunst der Wander-
hirten würde so eine tiefgehende Wandlung in den künstlerischen Formen mit sich
gebracht haben. Vielleicht sind darauf Veränderungen zurückzuführen, die sonst
cferadezu unerklärlich erscheinen. Für den Kunsthistoriker ist es schwer, mit dem
Nomadenproblem vor Eintritt der Völkerwanderung auf sicherem Boden Fühlung zu
nehmen. Greifbar scheint für ihn nur die Kunst der Altaivölker im fernen Osten;
ich werde daher unten von ihr ausgehen.
Nicht leichter ist die Lage mit Bezug auf die Nordvölker. Auch da bietet
sich ein Anhaltspunkt zunächst nur an der fernen Grenze, diesmal im Westen bei
Kelten und Germanen, von denen freilich in dem Völkergewoge der zweiten Hälfte
des ersten Jahrtausends, die in diesem Buche im Vordergrunde steht, nur noch
letztere hervortreten. Die weiten Gebiete zwischen dem germanischen Norden und
dem fernen türkischen Osten nimmt der Kunsthistoriker vorläufig besser als unklares
Zwischen- bezw. Übergangsgebiet nicht zum Ausgangspunkt, obwohl für die Kunst
der nach Herodotos als „Skythen" benannten Völker jetzt die Arbeit von Ellis H.
Minns „Scythians and Greeks", Cambridge 1913, vorliegt1. Ich habe den Eindruck,
daß gerade der Teil des Landes, in dem sich die Skythen mit den Griechen be-
rühren, d. h. also das russische Tiefland an der Nordküste des schwarzen Meeres
zwar Formen, die von Iran und Altai ausgehen, vermittelnd nach Norden und Westen
weitergibt, selbst aber nicht eigentlich der schöpferische Teil ist. Dabei dürften
freilich zeitliche Unterschiede mitsprechen, ich habe die Zeit nach Christi Geburt im
Auge. Den Norden selbst werde ich in diesem Abschnitte nur gelegentlich heranziehen,
mein Schürfungsgebiet sind zunächst nur jene Nordvölker, die über den Kaukasus und
um das Kaspische Meer herum nach den südlichen Steppen vorgedrungen waren. Die
finnisch-ugrische Gruppe lasse ich beiseite — von gelegentlichen Erwähnungen abgesehen.
Am klarsten sehen wir im germanischen Norden. Dort ist, was die wandernden
Völker mit sich nach dem Süden und dann weiter nach dem Westen bringen, nicht
ij Vgl. im übrigen zur Skythenfrage Treidler im Archiv für Anthropologie N. V. XIII (191 5)
-,07, der die Skythen für mongolische Türkvölker ansieht, und dem entsprechend Supka, Oesterr. Mo-
natsschrift für den Orient XL (1915) S. 78 f. Für den arischen Ursprung der „Skythen" vgl. Kaspar Zeuss,
Die Deutschen und die Nachbarstämme 1837, dann Müllenhoff, Latyschew, Miller, ferner Herman Hirt,
Die Indogermanen I S. 1131"., Justi im Grundriß der iranischen Philologie II S. 44 1 f., Franke, Abh. d.
ktrl. preuß. Akad. d. Wiss. 1904 „Zur Kenntnis der Türkvölker und Skythen Zentralasiens", S. 21 f. und
Marquart, Eransahr (Abh. d. kgl. Ges. d. Wiss. zu Göttingen phil.-hist. Kl. N. F. III 1901 Nr. 2) u. a.
kh komme unten auf die Frage im Zusammenhange mit dem Auftreten der Saken zurück.
A. Die drei Völkerzonen Eurasiens. I47
durchaus das Ende ihrer prähistorischen Entwicklung — wie man erwarten
möchte — , sondern z. T. ein Formenschatz anderer Art, wahrscheinlich einer, der
ihnen von außen zugekommen sein dürfte. Ich vermute eine Rückwirkung ihrer vor mehr
als einem Jahrtausend nach dem Süden abgewanderten bezw. dort ansässigen Rassen-
genossen, der Iranier, Saken oder Armenier. Das wieder hätte einen Weltverkehr zur
Voraussetzung, der wohl mit den im IV. Jh. n.Chr. vom Osten einbrechenden asiatischen
Nomaden eine Steigerung erfuhr, aber schon vorher bestanden haben und nur in den
Verhältnissen gewachsen sein muß. Die Grundformen der auf diesem Wege zu
den Germanen vorgedrungenen Ornamente sind das flächenfüllende Bandgeflecht, ge-
wisse Tiermotive und die Fassung farbiger Füllungen in Goldzellen1. Wo sind diese
Formen ursprünglich bodenständig? Riegl hat sich in seiner „Spätrömischen Kunst-
industrie" bemüht, für die Granateinlage nachzuweisen, daß es die Antike gewesen
sei, die auch diese Art noch zustande gebracht habe. Er ist dabei in den allgemeinen
Fehler verfallen, die ersten Spuren des ornamentalen Einflusses, die vom Osten aus-
gehend auf antikem Boden beobachtet werden, für den Erreger selbst zu nehmen und
sowohl die Nomadenbewegung im Zentrum wie den Weg über das nördliche Iran,
Mesopotamien und das Schwarze Meer ganz beiseite zu schieben. So kommt es, daß
seine vom systematischen Standpunkt aus wertvollen Beobachtungen entwicklungs-
geschichtlich völlig irreführen2.
Zur Bestimmung des Zentrums, von dem die vielspältige Bewegung ausgeht, möchte
ich die Methode der Einkreisung anwenden. Die am weitesten ausgreifende Frage-
stellung wird sein: Kommt eines der drei Treibhäuser der Kunst in China, Indien und
aus Mesopotamien und Ägypten zusammengefaßt am Mittelmeer dafür in Betracht?
Die Mittelmeerkunst sowie die indische denken anthropomorph. Wulff möchte ein „semi-
tisches Kunstwollen" bezw. den jüdischen Einschlag in Syrien für die in der Spät-
antike durchbrechende Strömung verantwortlich machen3. Davon kann kaum die Rede
sein, weil dieser und der arabische Einschlag viel zu schwach und zu sehr vom Helle-
nismus untergraben waren, als daß sie den Ausschlag hätten geben können. Sie
werden lediglich zum guten Nährboden für die von außen an das Mittelmeer vor-
dringende Bewegung. Indien ist dem neuen Zentrum weniger verfallen als das
Mittelmeer. Ja die Gandharakunst zeigt deutlich, daß dort der anthropomorphe Helle-
nismus viel stärker fruchtbar .wurde als im dazwischen liegenden nordiranischen Ge-
biete. Trotzdem stellt sich immer mehr der Eindruck ein, daß der Zusammenhang der
indischen mit den iranischen und sakischen Völkern die Brücke zur Einführung in-
discher Motive nach dem Norden blieb. Wenn die Weinranke (vgl. oben S. 72) nicht
nach dem Norden weiterging, scheint mir dies ein Beleg dafür, daß sie nicht von Indien
ausging, sondern von Mittelasien und von dort erst nach Indien vordrang. Dagegen
könnte von Chorasan oder Indien, den Edelsteinländern aus, sehr wohl die Granat-
einlage in Gold ausgegangen sein. Es ist bekannt, daß ähnliche Techniken heute noch
in Indien volkstümlich sind4. Davon unten mehr.
1) Vgl. Preußische Jahrbücher LXXIII (1893) S- 448 f.
2) Vgl. Byzantinische Zeitschrift XI (1902) S. 263 f.
3) Altchristi, und byz. Kunst I S. 267 f, 272 f, II 408 f.
4) Die Belege dafür sind u. a. im Museum für Völkerkunde zu Berlin reichlich zu finden.
us
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölkcr.
Für den Ursprung des Durchbruches, Schrägschnittes und Bandgeflechtes bliebe
so von den Jahrtausendströmen in den alten Kulturtreibhäusern in Asien nur China
übrig. Ich bin überzeugt, daß wir von der ältesten chinesischen Kunst lediglich die
volkstümliche Unterschicht kennen." Sie geht teilweise mit dem künstlerischen Schaffen
der Naturvölker des Stillen Ozeans zusammen (z. B. im Augenornament), zeigt aber
in ihren rein asiatischen Elementen jene seltsame Übereinstimmung im Schmucke
der hieratischen Bronzen mit den germanischen Altsachen in Bronze, die für Be-
ziehungen auszunützen u. a. die zeitliche Kluft von mehr als einem Jahrtausend
hindert. Wenn nun aber die Strömung, die die altchinesischen Bronzen zeitigte, sich im
nördlichen Asien fortgesponnen hätte bis auf die Zeit, in der die Völker der altaischen
Rasse nach dem Westen aufbrachen, bzw. vom nördlichen Asien aus ihre Art schon
früher im Wege des Weltverkehres nach dem Mittelmeere und Xordeuropa durch-
gesickert wärer Ich schließe das Tarimbecken gleich Indien aus, weil sich dort weder
im Khotan noch in Chinesisch-Turkestan irgend welche Spuren gefunden haben, die
auf andere Voraussetzungen schließen ließen, als die eines Durchgangslandes zwischen ■
dem griechisch-persischen Westen, Indien und jener chinesischen Oberschicht, die
durchaus anthropomorph dachte l, für die das Ornament geradeso wie in Hellas
und Indien lediglich tektonisch eingeordneter Rahmen war, nur unter dem Einfluß
des nordeurasischen Zentrums erneut Flächenfüllung wurde.
Wie in meinen älteren Arbeiten muß ich auch hier wieder ein bisher von der neueren
Kunstgeschichte völlig unbeachtetes Forschungsgebiet urbar machen. Ich gehe dabei
aus von der Tatsache, daß der Norden Europas und Asiens gleicherweise während
der Blüte der südlichen Oasen von Völkern bewohnt war, die je nach Klima und
Pflanzendecke bald auf das Haus, das z. T. fahrbar zu denken ist, bald auf das Zelt ge-
wiesen waren. Eine genaue Trennung ist ebensowenig möglich, wie eine klare ethnische
Scheidung. In den Steppengebieten Asiens herrscht n. Chr. der Türke und das Zelt vor,
in den Niederungen und Bergen des Westens der Arier und sein Haus. Ich habe es
hier in erster Linie mit der Zierkunst zu tun. Hampel hat die Rolle der ural-
altaischen Nomaden einmal gestreift2. Er meinte, man könne bei ihnen nicht vor-
aussetzen, daß sie eine andere Kunst hatten, als sie von ihren gewesenen Nachbarn
erhielten oder als Eroberer von ihren Gefangenen übernahmen. Dabei muß man mit
Hampels Einstellung rechnen, um zu verstehen, warum wir bisher nicht aus der Sack-
gasse herauskamen, die immer nur von den hoch entwickelten Kulturen und womöglich
der mittelmeerländischen ausging. Dagegen ist nun zu bemerken: Die Völker Nord-
asiens und Europas bildeten eine so mächtige geschlossene Masse, daß mit ihrem Haus-
fleiß und Handwerk gerechnet werden muß, sobald sie handeltreibend oder kriegerisch
über ihre Grenzen vordrangen. Es wird sich um den Versuch handeln, von der Art
ihres Kunsttreibens eine Vorstellung zu gewinnen. Dieser Aufgabe sollen die nach-
folgenden Abschnitte des vorliegenden Buches nachzukommen suchen, hier sei dieser
Versuch zunächst nur allgemein eingeleitet, nachdem schon in den Abschnitten über
i) Vgl. Wachsberger, Ostasiatische Zeitschrift III S. 277 f. und in Buchform „Stilkritische Studien zur
Wandmalerei Chinesisch-Turkestans" Berlin 1916.
2) Neuere Untersuchungen über die Denkmäler der ungarischen Landnahmezeit (ung., vgl. Byz. Zeit-
schriit XVII, 1908, S. 648).
B. Die flächenfüllenden Muster. \aQ
die geometrische Ranke die Vorstellung geweckt wurde, daß es sich um eine Stufe
der Entwicklung handeln dürfte, die sich rein in der Zierkunst auslebte l.
B. Die flächenfüllenden Muster. Die künstlerische Tätigkeit des östlichen
Nomaden sammelt sich um Zelt, Roß und Waffe. Wir werden also in erster Reihe
auf dem Gebiete der textilen Techniken, der Metall- und Lederbearbeitung eigene, in
der Berührung mit den Außenvölkern zur Geltung kommende Motive erwarten
dürfen. Die sibirischen Bronzefunde haben in dieser Richtung einen Fingerzeig ge-
geben. Bei den Nordvölkern werden Textilien, wenn auch nicht in dem Ausmaße,
wie bei den Zeltnomaden, so doch neben der Bearbeitung des Holzes immerhin eine
beachtenswerte Rolle gespielt haben. Bevor ich daher auf die besondere Eigenart
beider Völkergruppen eingehe, die einerseits im Metall, andererseits im Holz zu wurzeln
scheint, möchte ich einleitend auf die beiden gemeinsame Neigung des wirkenden
und webenden, knüpfenden und stickenden Handwerkes und der Lederbearbeitung hin-
weisen, die sich in erster Linie in der Verwendung flächenfüllender Muster äußert2.
Dabei gibt den Ausschlag, ob die Fläche für sich bestehen bleibt und nur dekorativ
ausgefüllt oder benutzt wird, um mit der Einfügung der menschlichen Gestalt Träger
einer bedeutungsvollen Bildsprache zu werden. Zwischen beiden Richtungen scheint
die Grenze dessen zu liegen, was wir hohe Kultur nennen. Auch der Naturmensch
verwendet die menschliche Gestalt, er füllt mit ihr spielend Flächen; aber nur der
Kulturmensch entwickelt diese Mitteilung über die Tagesbedeutung hinaus zum wirkungs-
vollen Ausdruck sei es religiöser, sei es die weltliche Macht fördernder Art. Die Kunst-
historiker haben sich mit Vorliebe in den Dienst der herrschenden Kulturmächte gestellt 3,
indem sie der Kunst nachgingen, die auf diesem Wege groß geworden ist. Sie haben sich
vielleicht gefreut, in Hellas ein Zurückfluten des östlichen bzw. geistig dogmatisch
gewordenen Zwanges von Mesopotamien und Ägypten in rein menschlich natürliche
Bahnen beobachten zu können; aber sie haben in einem Atem auch die römische
Kaiser- und späte Barockkunst gelten lassen, die ebenso wie die vorgriechische
auf sklavische Unterwerfung des Menschen unter Dogmen ausgingen. Dem gegen-
über ist die seelische Wohltat der flächenfüllenden Zierkunst für gesellschaftliche
Schichten, die der Natur näher als dem Inhaber der Macht standen, nicht genügend
hoch eingeschätzt worden. Sie ist eben durch das unnatürliche, treibhausartige Em-
porschießen der Kultur in China und Indien, im Zweiströmeland und am Nil, wo
nicht zuletzt gerade die bildende Kunst als ein geistiges Machtmittel ersten Ranges
erkannt wurde, derart zurückgedrängt worden — nicht zuletzt, wie gesagt, auch von
der an den Bestand der Kultur geknüpften und von ihr abhängigen Forschung — ,
daß ihre hohe Bedeutung für den einfachen stillen Menschen, der seiner Phantasie
ohne Streben nach Macht von Gottes Gnaden und festen Besitz freien Lauf läßt,
erst wieder entdeckt werden muß.
Zum Wesen der flächenfüllenden Kunst gehört das im Hausfieiß wurzelnde Hand-
i) Ich verweise auf die grundlegende Vorarbeit von Wundt, Völkerpsychologie III S. 247 t". Die Kunst-
historiker sollten beginnen, unter Beachtung dieses Versuches induktiv weiterzukommen.
2) Vgl. dazu Riegl, Stilfragen S. IX f.
3) Schmarsow ist sogar (Jahrb. d. preuß. Kunstsammlungen "XXXII [191 1]) soweit gegangen, auf die
flächen füllende Kunst Deutungen der darstellenden zu übertragen.
j -q IV. Die Kunst der Nomaden und Xordvölker.
werk, das dem Tagesbedürfnis von Familie und Watte zu genügen sucht. Es gehört
dazu ein gewisses Eingesponnensein in Vorstellungen, die nicht auf unmittelbarer
Beobachtung beruhen, sondern eher einem Spiele der Phantasie mit ganz bestimmten
Mustern gleichkommen, die auf sehr verschiedene Art in den Besitz des Volkes ge-
drungen sein können. Ich habe „Werke der Volkskunst" I S. 12 f. zu zeigen gesucht, wie
unerhört weit zurückgehend die flächenfüllende Volkskunst der Armenier im XVII. Jh.
war und nehme an, daß dieses Beispiel ganz allgemein als bezeichnend für den Cha-
rakter dieser Kunstgattung gelten kann. Was sich an Kultureinflüssen jemals in einem
Volke geltend gemacht hat, kann auf diese Art seinen festen Niederschlag in der
Volksseele gefunden haben und in der bildenden Kunst ebenso wie in Sage und
Gebräuchen aus einer Begebenheit in zuständlichen Besitz übergegangen sein1.
Zum Charakter der flächenfüllenden Volkskunst gehört weiter, daß die Gesetze
der Symmetrie beobachtet werden — sie liegen im Wesen von Material und Technik —
und an den Gestalten eine Xaturferne erscheint, die es ermöglicht, mit jedem Motiv
— es sei ursprünglich pflanzlichen Charakters wie die Weinranke, verwende die mensch-
liche oder tierische Gestalt, oder sei rein abstrakt geometrisch — vollkommen frei nach
den Gesetzen der flächenfüllenden Arbeit zu verfahren. Das organische Wachstum
verliert hier jedes Recht, die Anpassung an den zu füllenden Raum entscheidet.
Eines der bezeichnendsten Mittel der flächenfüllenden Kunst ist das Muster
ohne Ende. Riegl — der wie Wickhoff und meine österreichischen Landsleute
überhaupt gern Fremdworte anwendet — nennt, es den „unendlichen Rapport"2. Ich
glaube gern, daß es zu allen Zeiten, seit es Hausfleiß und Gewerbe gibt, aufgetreten ist.
Aber seinen Eintritt in alle Gebiete der Großkunst feiert es doch erst, wie Riegl zu-
gibt, in spätrömischer Zeit und tritt im Islam eine Art Vorherrschaft an. Riegl sieht
natürlich darin einen charakteristischen Ausdruck des spätantiken Kunstwollens.
Typisch spätrömisch-koloristisch sei insbesondere das Streumuster und die Herüber-
nahme von Motiven aus dem organischen Bereiche — was eben Riegl für organisch
hält, in Wirklichkeit handelt es sich um Motive der geometrischen Ranke.
Über die wachsende Vorliebe für das Rautenmuster (vgl. S. 14 und 1151
äußerte ich mich anläßlich von Seidenstoffen aus Ägypten und Wechselwirkungen
zwischen China, Persien und Syrien in spätantiker Zeit3. Falke4 ist damit schnell
fertig gewesen: „Wenn man nun die Wahl hat, die Rautenmuster spätgriechischer
Stoffe entweder von den gleichartigen griechischen Webemustern klassischer Zeit
abzuleiten, oder aber von chinesischen Bronzen der Schangdynastie, das heißt aus
dem 2. Jahrtausend vor Chr., oder sie gar aus dem trüben Gewässer der Kunst des
stillen Ozeans herauszufischen, so kann die richtige Entscheidung einem unbefange-
nen Gemüt nicht schwer fallen". Ich bin heute mehr denn je überzeugt, daß das
Rautenmuster mit der Seide neuerlich beliebt wurde 3. Zu dem seinerzeit vorgeführten
Material sei noch hinzugefügt die sehr auffallende Tatsache, daß die alttürkischen
Sarkophage des VII. u. VIII. Jh. nach Chr. das Rautenmuster ähnlich über die Fläche
1 Vgl. „Die Zeit" vom 14. III. 1 9 1 1 „Ein österreichisches Museum".
2) Stilfragen S. 30 f. Spätrömische Kunstindustrie I S. 41 f.
..hrbuch dei kgL preuß. Kunstsammlungen XXIV (1903) S. 1 73 f.
4) Kunstgeschichte der Seidenweberei S. 34.
5) Vgl. dazu das altchines. Schriftzeichen für , Netzwerk" nach Franke, Ostas. Ztschr. IV (1916) S. 137.
B. Die flächenfüllenden Muster. I51
ziehen ' wie die phrygischen Felsgräber der vorchristlichen Zeit 2 es mit dem geome-
trischen Muster ohne Ende vielleicht in beiden Fällen in Nachahmung von Stofif-
behang taten3. Das Rautenmuster hat in der Wandmalerei Chinesisch-Turkestans
auch zu einer seltsamen Umbildung der Landschaft geführt. Die Gewölbe mehrerer
Höhlen wie der Schwertträgerhöhle von Ming-Öi, der Höhle mit dem Musikerchor
und der Hippokampenhöhle bei Qyzyl4 zeigen seltsam umgeformte Landschaften,
die sich m. E. aus der mit der Zeltanordnung der Malereien zusammenhängenden
Vorliebe für das Muster ohne Ende erklären lassen5.
Ein anderes Lieblingsmuster der flächenverzierenden Kunst sind die spitzoval
nebeneinander aufstrebenden Reihen, wie sie aus jenen Tapetenmustern geläufig sind,
die bis auf unsere Zeit herrschend waren. Sie gehen zurück auf Wandverkleidung
mit Stoffen. Ich habe von dem Motiv bereits anläßlich der Weinranke mit diagonal
gekreuzten Stielen an den Wulstprofilen der Fassade von Mschatta S. 288 und oben
S. 97f. und I02f, 107, 118 gesprochen.
Neben diesen auf ausgesprochen geometrischer Grundlage aufgebauten Mustern
galt das Rankenmuster ohne Ende immer für ein vegetabiles Muster. Es hat sich
herausgestellt, daß diese Ableitung falsch ist und wir auch die Ranke in den Kreis
der geometrischen Motive aufnehmen müssen, wenn sie auch wegen ihrer Ähnlichkeit mit
der wachsenden Pflanze öfter naturalisiert worden ist 6. Davon war oben wiederholt die
Rede. Hier ist nur noch nachzutragen, daß der Kreislappen gepaart oder fortlaufend
in Rankenform gebracht, heute noch ein Lieblingsmotiv der Kirgisen ist, die es mit
dem Widderhorn in Verbindung bringen. Es wird sich wohl um sehr viel ältere, im
Nomadentume wurzelnde Zusammenhänge handeln, wie oben S. 107 anläßlich des
Säbels in Stockholm gezeigt wurde.
Die monumentalste Ausbildung hat diese flächenfüllende Art in der Fassade von
Mschatta gefunden. Dieses im Rahmen der spätrömischen Kunst wie ein Markstein
der Entwicklung wirkende Wunder, dessen Übertragung nach Berlin ich als Krö-
nung der altchristlichen und frühislamischen Abteilung nur angeregt habe, um da-
mit die Augen der Forschung dauernd in diese Richtung zu drängen, ist nur zu
begreifen als Wirkung der Nomadenkunst in hellenistisch-römischer Zeit, wahrscheinlich
vermittelt durch die Parther. Tatsächlich findet man das für die Fassade bezeichnende
Weinblatt mit Traubenauflage in dem parthischen Hatra7, die Zickzackgliederung
der ganzen Fassade mit ihrer wuchernden Ornamentik nimmt sich aus wie der Stoff-
behang eines Zeltes8. Ich habe Mschatta S. 263 f. auf die Parallelen in der streifen-
förmigen Anordnung des Fassadenschmuckes in Babylon und des Dreiecks bei den
1) Radioff, Atlas der Altertümer der Mongolei Taf. XIII, i.
2) Perrot et Chipiez, Hist. de l'art V S. 82 f.
3) "Vgl. dazu Karutz, Unter Kirgisen und Turkmenen Taf. 22.
4) Grüuwedel, Altbuddhistische Kultstätten S. 50 f.
5) Diese Landschaften sind zusammengestellt von Wachsberger, Stilkritische Studien zur Wandmalerei
Chinesisch-Turkestans S. 94 f. Vgl. dazu mein Vorwort dieses Buches.
6) Vgl. dazu die richtigen Bemerkungen von Worringer „Abstractoin und Einfühlung" S. 79.
7) Andrae, Hatra II S. 12 Erg. 20. Vgl. oben S. 73.
8) Vgl. dagegen Diez, Die Kunst der islamischen Völker S. 28 f., dem ich nicht folgen kann. Solche
Zickzack-Ziegelmuster, wie er sie an modernen Bauten zitiert, auch bei uns an Scheunen und Zäunen.
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
Achamaniden und bis in die islamische Zeit hingewiesen. Im Zusammenhange mit
der um das Zelt und seine Ausstattung bewegten Phantasie des Nomaden werden
nachfolgend neue Überlegungen anzuregen sein, auch hinsichtlich der Enthüllung des
Zentrums „jenes großen dekorativen Stromes, der in China und Japan so gut wie im
Wege der Völkerwanderung im Westen, ferner in Byzanz und dem Islam auf Jahr-
hunderte hinaus und bis in die neueste Zeit immer wieder Triumphe feiert"
(Mschatta S. 325).
Nach diesen wenigen Andeutungen über die Art der verstärkt vom Nordosten
der antiken Welt vorbrechenden Flächenverzierung mit ihren typisch wiederkehrenden
Mustern gehe ich über auf die beiden Hauptkreise der Kunst der Nomaden- und
Nordvölker, wobei gewisse Typen der Flächenfüllung wie besonders die Ranke und
die verknoteten Kreise ohnehin genauer durchzusprechen sein werden.
Hochasien scheint zu keiner historischen Zeit in der Lage, das Entstehen unab-
hängiger Treibhäuser hoher Kunst zu ermöglichen. Seine durch künstliche Bewässe-
rung von den umliegenden Kultursitzen geschaffenen zeitlich und örtlich engbe-
grenzten Oasen kommen daher, sobald es sich um die Entstehung eines selbständigen,
für die Kunstentwicklung einschneidend wichtigen Anteiles handelt, nur in ihrer Um-
bildung in Betracht. In dieser Richtung waren vielmehr entscheidend gerade die weit-
aus vorherrschenden Gebiete Hochasiens, die ein festeres Gefüge der Kultur über-
haupt nicht aufkommen ließen. Ob nun gerade die reinen Nomadenlandschaften
den Ausschlag gaben, läßt sich heute noch nicht durchblicken. Wohl aber
dürften es Nomaden gewesen sein, die auf Handelswegen und durch Wanderungen zur
Verbreitung der außerhalb der südlichen Kulturoasen herrschenden Flächenkunst in
erster Linie beitrugen. Dem Händler und Krieger folgte die Familie, und diese
gewann, zusammen mit dem sie begleitenden Handwerker, in den friedlich oder durch
Kampf eroberten Gebieten Einfluß. So erkläre ich mir das Vordringen gewisser zwischen
Altai und Iran heimischer Zierformen nach dem Westen, wobei eine Differenzierung
von Nord und Süd nicht übersehen werden darf. In diesen Dingen klar zu urteilen,
ist heute noch unmöglich. Es soll nur auf die Notwendigkeit des Einsetzens einer
entsprechenden Richtung in der Forschung über bildende Kunst hingewiesen wer-
den, weil wir sonst in den wichtigsten Fragen der eigenen Kunstentwicklung fehlgehen
und die Goldkörner, die die Geschichte — wie ich sie fasse — liefern kann, un-
benutzt lassen.
Es scheint, daß für die Nomadenkunst Hochasiens neben den arischen in erster
Linie türkische Stämme in Betracht kommen. Wir sind bereits bei der Fest-
stellung des Ausbreitungsbezirkes der geometrischen Ranke mit dem Kreislappen in
ihr Gebiet vorgedrungen. Es ist möglich, daß die Türken an der bevorzugten Rolle
dieser Ornamentart nicht unbeteiligt waren, und man wird allmählich nachforschen
müssen, was sich sonst von türkischer Kunst aus vorseldschukischer Zeit erhalten hat1.
1 Dringend erwünscht wäre, wenn sich sachkundige Sprach- und Scbriftforscher recht bald über die
Inschriften des Schatzes von N.>l'\ -szent-Miklos äußern wollten. Die ungarischen Kollegen lesen sie jetzt
türkisch. So wahrscheinlich richtig ihr Vorschlag ist. muß doch ein Vorbehalt geltend gemacht werden.
Wenn die Schriftzeichen vom Brähmi ausgehen (vgl. S. 167), müßten sie wohl durch das Gebiet der
saken zu den Türken gedrungen sein. Dann fragt es sich aber, ob die Inschriften nicht auch sakisch
en werden können.
i. Die Türkvölker und der altaische Kreis. I53
1. Die Türkvölker und der altaische Kreis.
Der Begriff „Alttürkische Kunst" ist neu in der Forschung. Und doch können
wir nicht recht länger ohne ihn auskommen. Er drängt sich freilich nicht auf, solange
man auf darstellende Kunst, d. h. figürliche Plastik und Malerei, ausgeht. Aber
schon in der Architektur und besonders im Ornament stößt, wer sich mit dem
Islam und der Kunst der wandernden Völker in der zweiten Hälfte des ersten Jahr-
tausends beschäftigt, immer wieder auf die Nötigung, sich mit diesem Begriff ernstlich
auseinanderzusetzen. Seit der Zeit etwa, da die „Skythen" mit den Griechen am
pontischen Gestade zusammentrafen, „Indoskythen" Besitz ergriffen von den hellenisti-
schen Reichen in Transoxanien und später die Hunnen auf die Goten einen Druck
auszuüben begannen, setzt eine Bewegung ein, deren Erreger die aus Hochasien nach
dem Westen drängenden Völker sind. Es wird immer deutlicher, daß wir gewisse
im Süden zunächst friedlich über Persien bis nach Nordafrika vordringende Gruppen,
im Norden aber kriegerisch in immer neuen Stößen bis an die Donau gelangende Völker
am besten unter dem Namen der „Türken" zusammenfassen, denen später auch Seld-
schuken und Osmanen angehörten, für die diese Bezeichnung ja geläufig ist. Was
für alle diese Stämme als gemeinsam gelten kann, ist, daß sie ursprünglich als Reiter
und Nomaden auftreten und bei ihrem Vordringen große, mächtige Reiche gründen. Ob
sie nun auch irgendeinen Eigenbesitz an Kunst hatten oder überall die Kunst über-
nahmen, die sie vorfanden, das soll hier Gegenstand der Prüfung sein. Denn die
ganz allgemeine Frage, ob die Türken überhaupt für die bildende Kunst zugänglich
waren, müssen wir rückschließend doch wohl bejahen. Ich erinnere daran, daß erst
die Osmanen in Konstantinopel das von den Byzantinern nicht übernommene alt-
christliche Raumwunder der Sophienkirche in genialer Weise weiterbildeten, andererseits
die Seldschuken in Kleinasien eine Architektur einbürgerten, die an Monumentalität
der Außenwirkung kaum überboten werden kann, und endlich die türkischen Tulu-
niden in Kairo schon im IX. Jh. Denkmäler schufen, die bis auf den heutigen Tag
zum Bedeutendsten gehören, was nach der Pharaonenzeit am Nil entstanden ist.
Nun aber möchten wir diesen Regungen türkischen Geistes in Architektur und Klein-
kunst — die Ausführenden sind freilich öfter Nichttürken gewesen — auch in der
Heimat des Volkes nachgehen: haben sich keinerlei Spuren erhalten, die für die Vor-
stellung einer alttürkischen Kunst, ob selbständig oder übernommen, verwertbar wären?
Man wird vielleicht um so eher geneigt sein, das Suchen nach solchen Spuren
nicht für aussichtslos zu halten, wenn man sich vor Augen hält, daß die Türken die
lebendige Kulturscheide zwischen der griechisch-persischen Welt des Westens und
der ostasiatischen waren und auch indische Elemente, um nach China gelangen zu
können, in der Hauptsache den weiten Weg um das zwischengelagerte Gebirge und
die iranisch-türkische Ecke herum machen mußten. Wie hoch entwickelt die Kul-
tur in einem solchen zwischen Persien, Indien und China gelegenen Durchgangsgebiete
unter günstigen Bedingungen sein konnte, haben Entdeckungen im Turfan und
Khotan gezeigt. Kein Mensch hätte geahnt, daß uns in diesen, in historischer Zeit
scheinbar völlig kunstarmen Ländern so überwältigende Zeugen einer Mischkultur,
die alle bisherigen Vorstellungen von Zentralasien über den Haufen werfen, erhalten
1 ; , IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
geblieben sein könnten. Und in derselben Zeit etwa, in der die künstlich bewässerten
Oasen von Turfan und Khotan diese Kunstschätze hervorbrachten, ergossen sich die
durch Austrocknung ', Übervölkerung- und Ländergier aufgepeitschten türkischen
Nomaden, die sich um den Altai und Baikalsee gruppierten, nach Westen und Osten
in die fruchtbaren Gefilde der alten Treibhauskulturen. In China wurde gegen sie
die Mauer errichtet, im Westen hat Europa sich ihrer erwehren müssen und in den
Gebieten des Islam haben sie jene großen Reiche erstehen lassen, mit denen dann
die Kreuzfahrer in Berührung traten. Es wird also wohl kaum müßig erscheinen,
die Frage nach ihrem ursprünglichen Kunstbesitz aufzuwerfen 3.
Die Kunst der türkischen Heldenzeit dürfte zunächst einmal Nomadenkunst
gewesen sein. Sie wird also im Gegensatze zu den durch Jahrtausende stetig ge-
wordenen Kunstströmen der eigentlichen Geburtsstätten hochentwickelter Kulturen
in China, Indien, Mesopotamien und am Nil kaum mit der menschlichen Gestalt oder
der Architektur als Ausdrucksmittel gearbeitet, sondern sich im wesentlichen beim
Handwerk und Ornament befriedigt haben. Jedenfalls ist bis jetzt, wenn wir von den
im Transitverkehre liegenden künstlichen Oasen des Tarimbeckens absehen, nichts
zutage gekommen, was auf das Gegenteil schließen ließe — mit Ausnahme der
Orchonstelen, von denen am Schlüsse dieses Buches gesprochen werden soll. Wir
möchten glauben, daß in Hochasien das flächenverzierende Handwerk länger als
sonst irgendwo in den eurasischen Gebieten im wesentlichen unbeeinflußt von den
großen Kulturoasen, eher deren einstiger Anfangsart entsprechend, in voller Blüte stand.
Bei dem Versuche, einzelne Belege der asiatischen Nomadenkunst nachzuweisen,
können wir leicht begreiflich vorläufig nur selten unmittelbare Zeugen liefern. Zumeist
ist ein mittelbarer Weg einzuschlagen, dessen Beschaffenheit freilich so typisch wieder-
kehrt, daß seine Vorführung als Methode an die Spitze gestellt werden muß. Es
handelt sich dabei um den Eintritt des Kunstbesitzes der Nomaden in Kulturländer, die
wir kennen, besser gesagt, allmählich kennen lernen. Darunter steht obenan das alte
Gebiet der Parther, Chorasan. Es war ein wichtiges Einfallstor und führt einmal nach
dem iranischen Südgebiete und zu den Arabern, in zweiter Richtung nach dem arme-
nichen Hochlande und dem Kaukasus. Das zweite Einfallstor ist gekennzeichnet durch
den Weg, den die nach Ungarn vorstoßenden Türkvölker gezogen sind. Die Donau-
länder und der Norden liefern hier entscheidende Belege. Beide Bewegungen mischen sich
in der südrussischen Tiefebene, die Brücke wird geschlagen durch das Schwarze Meer.
Ich schließe nun gewöhnlich von diesen Wanderungsgebieten und den in den alten
Kulturländern in römischer Zeit neu auftauchenden Ziermotiven zurück auf die Ur-
sprungsgebiete zwischen Altai und Iran. Dabei ergibt sich eine Scheidung nach der
altaischen und der arischen Völkergruppe. Ich versuche zunächst die erstere und die
Türken im Besonderen künstlerisch festzustellen. Die geometrische Ranke hat dafür
einen Fingerzeig gegeben.
I ) Vgl. die Arbeiten Cholnokys über die Berieselungsverhältnisse Zentralasiens und ihre Beziehungen zur
V« lkerwanderung, ferner E. Brückner, Klimaschwankungen und Volkerwanderungen. Vortrag. Wien 1912, S. 23 f.
2 Vgl. die periodisch wiederkehrenden Wanderungen der Araber, die -sie in nabatäischer Zeit bis
Nordmesopotamien (Hatra) geführt hatten.
Vgl. über die älteste Geschichte der Türken die oben S. 146 zur Skythenfrage zitierten Werke,
ferner Schurtz bei Helmolt II S. 154 f. und Wirth, Ccschichte Sibiriens.
i. Die Türkvölker und der altaiscbe Kreis. 1 5 5
Freilich bleibt immer die Frage: Saken oder Türken? Als die Türken vordrangen,
zersetzten sie allmählich die arischen Stämme '. Dies geschieht nach der Zeit, als mit
Alexander sich ein Weltverkehr entwickelt hatte, der das Mittelmeer mit Indien und
der chinesischen Grenze in eine Einheit brachte. Damals beginnt jene Mischung die wir
in Khotan und Turfan vor uns sehen -. Chorasan freilich scheint eine starke Eigenart
besessen zu haben, die es jetzt nach allen Seiten hin zur Geltung brachte, vor allem
nach Armenien hin, mit dem es durch die gleiche Dynastie der Arsakiden verbunden
war, so daß dort der parthische Einschlag länger und ausschlaggebender in Geltung
blieb als in Südpersien und dem Zweiströmeland. Es wird unten darauf näher ein-
zugehen sein. Der christliche Kirchenbau war jedenfalls bereits stark im parteiischen
Geiste entwickelt, als die Dynastie der Arsakiden im J. 428 in Armenien von den
Sasaniden unterdrückt wurde. Die Türken sind in diese Gebiete erst mit den Seld-
schuken vorgedrungen, Persien und Ägypten haben sie friedlich schon viel früher
durchsetzt, wie oben S. 153 hervorgehoben wurde.
Der altaische Nordstrom hat seinen festen Stützpunkt in Ungarn gewonnen
schon zur Zeit der Hunnen und Avaren. Die Bulgaren befestigten diese ursprüng-
liche Stellung im Südosten Europas, die Magyaren und Osmanen haben sie dauernd ge-
macht. Um diesen Kern herum wechselt das Wirkungsgebiet in Zeit und Ausdehnung.
A. Rankenteppich und Zelt. Die wichtigste Kunstgattung, deren Verbreitung
durch die Nomaden bis auf den heutigen Tag nachwirkt, ist wohl die des Knüpf-
teppichs. Wir sind zwar nicht imstande, Originale aus jener Zeit vorzulegen, in der eine
alttürkische Art dieses Teppichs noch auf die Steppen Hochasiens beschränkt war —
was übrigens nach den Erfahrungen im Tarimbecken noch kommen kann — , aber wir
können doch allmählich ganz deutlich abtasten, wie die Knüpfung im Wege der Über-
tragung nach Persien, dem Kaukasus und im Fahrwasser des Nordstromes nach Europa
gelangt ist. Riegl — so wenig er auch in seinen Stilfragen mit Persien und dem zentralen
Asien rechnete — hat in seinem Buche über „Altorientalische Teppiche" (1891) die ein-
zelnen für die Entwicklung in Betracht kommenden Gebiete zu scheiden gesucht und
die alten Annahmen vom Ursprung des geknüpften Teppichs aus dem assyrisch-sasani-
dischen oder dem arabisch-islamischen Kunstkreise widerlegt. In einem Nachtrage „Ein
orientalischer Teppich v. J. 1202 und die ältesten orientalischen Teppiche" (1895) hat
er dann auch den positiven Schritt getan, die Nomaden als Träger der Kunstform
des Knüpfteppichs hinzustellen. Er fährt dann S. 24 fort: „Der erste zentralasiatische
Stamm, der in Westasien zur Herrschaft gelangt ist, waren die Parther, vielleicht
arischer Abkunft. Sie müssen es gewesen sein, die den Knüpfteppich als Möbel in
Persien eingeführt haben" (etwa seit dem III. Jh. v. Chr.). Uns interessiert im vor-
liegenden Abschnitte nicht, wie sich Riegl die Weiterentwicklung auf persischem Boden
vorgestellt hat (davon unten), sondern lediglich, wie er sich Aussehen und Ausbrei-
tung des Teppichs vor dem Eintritt in Persien dachte. „Was an orientalischen Tep-
1) Vgl. S. 187 f. Ich sehe ab von der neuerdings wieder in Fluß geratenden Frage nach den in vor-
'arischer Zeit angeblich vom Nordosten nach Mesopotamien vordringenden Sumeriern und den Gründen für
die Annahme ihres türkischen Ursprunges. Vgl. Ball, Chinese and Sumerian, und dazu Franke in der
OstasiatischeD Zeitschrift IV (1916) S. 136, Richthofen, China I S. 395 f. und Wirth, Die Turanier Vorder-
asiens und Europas in der Beilage zur Allg. Zeitung München 1904 Nr. 287.
2) Vgl. dazu Feist, Ostasiatische Zeitschrift II, 352.
156
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvöiker.
pichen früher entstanden ist — sei es in Zentralasien, sei es im Kaukasus, wo diese
kulturhistorische Spezialität gleichfalls aboriginal zu sein scheint, sei es in den sky-
thischen Einöden Osteuropas oder sonstwo im Bereiche der alten Welt — das würde,
falls uns derlei erhalten wäre, nicht so sehr Gegenstand des kunstgeschichtlichen als
des ethnographischen Interesses sein. Repräsentanten der urewigen Volkskunst, ohne
meßbare historische Entwicklung, weil ohne natürliche Antriebe zu einer solchen,
sind es, die wir dahinter zu vermuten haben, und zwar sind es im wesentlichen wohl
bloß geometrisch gemusterte Erzeugnisse gewesen. Eine solche primitive künstleri-
sche Ausstattung haben gewiß auch jene Knüpfteppiche zur Schau getragen, welche
die parthischen Eroberer als die ersten nach dem Iran gebracht haben." Gegen
diese Vorstellungen Riegls möchte ich einige Einwendungen machen. Zunächst sei die
Überzeugung vom vielleicht türkischen Ursprünge einer bestimmten Teppichgattung
begründet, die ihrer Art nach keine Wahl läßt zwischen Zentralasien, dem Kau-
kasus oder Osteuropa, sondern, zum Zelte gehörig, Hochasien als Ausgangspunkt
verlangt und den Kaukasus wie Persien oder gar Europa ' ausschließt. Zwei-
tens übersieht Riegl nicht nur die alttürkische sondern unterschätzt zugleich die No-
madenkunst überhaupt. Es ist nicht lange her, da hatte man auch das Chinesische den
Ethnographen überlassen — in Wien ja heute noch. Was aber ist uns die altchine-
sische Kunst geworden, seitdem wir begonnen haben, den europäischen bzw.
Mittelmeerdünkel zurückzuschrauben und einzusehen, daß es doch noch andere hoch-
wertige Kunstströmungen gegeben hat außer der antiken und italienischen! Ich
will die Xomaden nicht den Chinesen vergleichen; aber ihre Kunst muß doch wahr-
scheinlich höher gewertet werden als Riegl es tut. Der „orientalische" Teppich der
vorparthischen Zeit z. B. könnte nach dem, was wir aus der sibirischen Bronzezeit
wissen, bereits die geometrische Ranke verwendet haben. Träger dieser Gattung
scheinen Türken oder Saken gewesen zu sein. Ich möchte darauf etwas eingehen.
Abb. 132 zeigt eine Silberschüssel von 25,9 cm Dm. in der Ermitage zu Peters-
burg, wohin sie nach dem Tode ihres früheren Besitzers gekommen ist-. Da dieser
ein Stroganov war, stammt sie wohl aus dem Gebiete von Perm. In dem runden
Felde (Zeltr) sitzt auf einem Teppich ein Fürst in Vorderansicht mit überein-
andergeschlagenen Beinen. Er hält eine Trinkschale in der Rechten und wird
von zwei Dienerinnen3 und zwei Musikanten begleitet, unten zwei Löwen. Diese
Szene kommt sonst nicht auf den im übrigen sehr verwandten sasanidischen Schüsseln
vor4. Auch lassen Haartracht und Krone — zwischen einem Flügelpaar ein Halbmond —
1) Riegl wollte „Ein orient. Teppich v. J. 1202" S. 30 f. ein Beispiel des selbständigen europäischen
Knüpfteppiches beibringen. Indessen scheint die Technik dort wesenüich älter. Vgl. Axel Nilson's „Ut-
ställing af flossade väfnader en kort öfver sikt" gelegenüich einer Ausstellung im Nordischen Museum zu
Stockholm 19 14. Das älteste datierte Stück freilich erst von 1662. Dazu werden zu vergleichen sein
die Funde aus der Bronzezeit im Nationalmuseum zu Kopenhagen (vgl. Boye, Fund af egekister fra bronze
alderen i Danmark, Aarbröger 1S91) und im Museum vaterländischer^ Altertümer zu Kiel vgl. Hahne,
Brettchen webereistoffe aus Mohren) und Aufsätze von Direktor Knorr in den Museumsberichten und den
Mitteilungen des anthropologischen Vereines für Schleswig-Holstein.
2) Vgl, Smirnor, Östliches Silber Nr. 64, Riegl, Eid orient. Teppich S. 16, Mschatta S. 284.
dazu auch das Bild von Kuseir Amra, Zeitschr. f. bild. Kunst N. F. XVIII (1907) S. 213 f.
ammengestellt von Smirnov a. a. O.
I. Die Türkvölker und der altaisehe Kreis.
157
sich vereint nicht mit der durch Münzen bezeugten Art der sasanidischen Herrscher
in Einklang bringen1. Smirnov hält die Schüssel daher für eine spätere Kopie (etwa
aus den ersten Jahrhunderten des Islam), oder, was eher zuträfe, für das Idealbild
Abb. 132: St. Petersburg, Ermitage: Silberschüssel mit dem im Zelte (?) sitzenden Fürsten.
irgendeiner der damals schon legendären Chosroesgestalten. Ich meine nun, daß es
garnicht ausgemacht sei, in dem Bilde gerade einen Sasaniden sehen zu müssen.
Weil der Kopf 2 und die stilistische Mache mit der Silberschüssel Smirnov 6$ (Hormisd
II 301 — 309) übereinstimmt? Ob wir hier nicht eher den Typus eines indosakischen
1) Vgl. übrigens oben Abb. 57 und die Krone des Chosraw II Parwez (592 — 628) auf einer Silber-
münze bei Smith, Cat. of the coins in the Indian Museum Calcutta Taf. XXIV, 11.
2) Vgl. für Bart und Flügelhelm Le Coq, Chotscho Taf. 28 rechts. Für den Kopfschmuck auch LeCoq,
Taf. 46 f. Stein, Ancieut Khotan Taf. LXI.
i5S
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
oder türkischen Fürsten mit der als sasanidisch geltenden Krone vor uns haben:1
Der Sitztypus mit Dienenden kehrt später in seldschukischer und mongoli-
scher Zeit immer wieder2. Auch in den Malereien aus dem Turfan ist er latent
Man vergleiche bei Grünwedel, Altbuddhistische Kunstätten S. 47 die Frau mit der
Laute aus einem Fresko in Ming-Öi bei Qyzyl mit der Lautenspielerin links auf
unserer Schüssel. Das Fresko enthielt einen thronenden Dämonenfürsten, umgeben
von seinem Harem, die Lautenspielerin befand sich dort links unten. Im übrigen
kommt auch der auf einem Sitzmöbel thronende sasanidische Fürst der Chosroes-
schale in Paris (Smirnov 51) 3 unter den Stuckfigürchen aus Samarqand in der Er-
mitage vor, deren Veröffentlichung YVesselowski vorbereitet. Davon unten.
Der Teppich nun, den die Silberschüssel vorführt, zeigt eine Bordüre, die genau
so, d. h. mit der arabesk ausrankenden Spitze der Halbpalmette auch auf den alt-
arabischen Grabsteinen aus Kairo Typus VI vorkommt4. Das Innenfeld selbst wird
ebenfalls von einer Palmettenranke gefüllt: sie entspringt unten in der Mitte aus einer
Vollpalmette, die sich, auf langem Stil sitzend, auch seitlich wiederholt. Die unor-
ganische Zusammensetzung der Ranke und die seltsame Bildung der Vollpalmette
haben Parallelen auf der Goldschale vom Kotschkar vAbb. 99 u. 100) und der sasani-
dischen Bronzeschüssel, die Abb. 95 gegeben ist, die Ritztechnik und die Rauhung
des Grundes mit dem Punzen in Abb. 65 (Fuß) und 98. Für die geometrische Ranke als
Randbordüre eines Teppichs vgl. ein Gandhararelief bei Foucher, L'art greco-boud-
dhique S. 299.
Daß der Teppich mit der Palmettenranke eine im mittelasiatischen Gebiete beliebte
Art war, belegen Beispiele aus Chinesisch-Turkestan. Unter den im Turfan gefundenen
Fresken zeigt Abb. 133 einen solchen Teppich aus einer der Pranidhi-Szenen des
Tempels von Bäzäklik5. Wir sehen nach Le Coq zu Taf. 27 „einen Greis im Kostüm
der buddhistischen Mönche. Seine Kniee ruhen auf einem merkwürdigen rechtecki-
gen Teppich, der auf rötlichem Grunde ein gelbliches Rankenmuster zeigt. Eine
dunkelfarbige, schmucklose Einfassung umgibt den Teppich: besonders auffallend
sind die beiden dunkeln Dreiecke, die von der Einfassung her das Muster am vor-
deren Teile des Teppichs unterbrechen. Sollten etwa diese Dreiecke nur die zurück-
geklappten Ecken des eigentlichen Teppichs sein, den man auf einer Unterlage von
der Farbe seiner eigenen Rückseite ausgebreitet hatr" Man sehe sich nun die
Ranken musterung etwas genauer an. Die Welle setzt sich aus langgestielten Kreis-
1) Vgl. die Silbermünze des „Muhammad the Mahdi of Bukhara" um 760 bei Smith, Taf. XXIV, 14.
Die Musikanten tragen die sakische Jacke mit der Schneppe zwischen den Beinen. Vgl. Minns S. 162. 197 f.
2) Riegl, Ein Orient. Teppich S.20 und Amtl."Berichte aus den kgl. Kunstsammlungen XXXV ,1914) S.1S7.
Diesen Typus zeigen auch schon indoskythische Münzen (Cat. of indian coins in the Brit. Museum Taf.
XXV, 7 [Kadphises II] und XXVIII, 10 Hooerkes]. Auf Münzen der Kuschan und Gupta-Dynastien wird
er dann immer häufiger. Vgl. Smith a. a. O. Taf. XIII f.
3 Vgl. damit auch das Darmstädter Elfenbeinkästchen Bonner Jahrbücher Heft 108 9, S. 276.
4) Vgl. Der Islam II S. 318 und oben S. S6.
5) Bei dieser Gelegenheit sei gesagt, daß eine persönliche Auseinandersetzung mit Dr. v. Le Coq be-
friedigende Aufklärungen bezüglich der von mir in der Üsterr. Monatsschrift für den Orient XL S. 74
hervorgehobenen Selbstverständlichkeit ergab, mit der man die Gemälde aus den Höhlen von Turfan ent-
fernte und die ich auf Grund von Petersburger Mitteilungen und vom rein wissenschaftlichen gegenüber
dem Museumsstandpunkt aus als unzulässig erklärte.
i. Uie Türkvölker und der altaische Kreis.
159
läppen zusammen, die entweder paarweise, wechselständig oder einzeln auftreten oder
endlich als Füllung in der Art der Gabelranke e:n Paar entsenden, das durch ein
rundgezacktes Segment verbunden ist.
Abb.
Tempel von Bäzäklik, Wandbild: Mönch auf Teppich knieend.
Der Fall steht nicht vereinzelt. Eine andere Pranidhiszene des gleichen Tempels
Abb. 134 zeigt einen Bodhisatva, der nach Le Coq Taf. 20 „in voller Waffenrüstung
vor einer schmalen hohen Jurte kniet, deren Außenwände ein rötliches Rankenmuster
i6o
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
verziert". In dem Zelte hängen von einem Querstabe Flasche und Korb (?) herab.
Der Bodhisatva bringt das Zelt Buddha dar. Man beachte die Halbpalmetten
am Brustpanzer und das Motiv im Kopfschmuck: ein Paar gewellter Kreislappen durch
Abb. 134: Tempel von Bäzäklik. Wandbild: Zeltdarbringender Bodhisatva.
i. Die Türkvölker und der altaische Kreis.
161
ein rundgezacktes Segment verbunden K Der Bodhisatva nun kniet auf einem Teppich
von derselben Art, wie ihn Abb. 133 zeigte, und auch das Zelt ist mit einem Stoff
(Teppich?) bedeckt, der das gleiche Rankenmuster mit dem krabbenartig aneinander-
Abb. 135: Tunhuang: Inneres einer der Höhlen der 1000 Buddhas.
gereihten Kreislappen zeigt, gefüllt mit dem durch das rundgezackte Segment ver-
bundenen Lappenpaar. Ein drittes vorzügliches Beispiel findet sich bei Le Coq Taf. 26
links oben, wo das Muster gar auf die Dekoration eines Hauses (Stuck?) übertragen ist.
1) Das Motiv kehrt häufig in türkischen und chinesischen Werken wieder, so Nagy-Szent-Miklos,
Krug mit der Reiherlandschaft oben Abb. 65 und Schale 8 (Hampel, Alt. III Taf. 299 f. und 318). Dann
auf der Kotschkarschale (Abb. 99 u. 100), in den Nimben ostasiatischer Gottheiten Abb. 117 u. 118.
Strzygowsk i, Altai. * *
jg-, IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
Die .Jurte", das Zelt der Nomaden, wird wohl die Geburtsstätte des „orientalischenu
Teppichs gewesen sein K Welch ausschlaggebende Rolle es auch sonst in der Kunst
Zentralasiens gespielt hat, das lehren die Fresken des Khotan, Turfan und der Höhlen
von Tunhuang. Manche Räume ahmen, wie oben S. 133 gesagt, in ihrer Deckenaus-
stattung unmittelbar das Zelt nach. Bei der Wichtigkeit, die dieser Tatsache zukommt,
möchte ich davon einen anschaulichen Beleg in Abb. 135 geben2. Das Zelt ist hier
viereckig- gedacht. Man sieht oben das Zickzack und die herabhängende Posamen-
terie derLambrequinstreifen, aufweiche die Schrägen der Eckbordüren zulaufen. Dann
folgt ein Figurenstreifen und das Hauptfeld mit den tausend Buddhas (r), hockende
Gestalten, in Reihen über- und nebeneinander, die so sehr an die Füllung gotischer
Portalbogen erinnern. Die untere Wand setzt wieder mit dem Lambrequinmotiv ein und
der vortretende mittlere Wandteil nimmt sich aus wie ein herabhängender Türvorhang.
Das „Lambrequinmotiv' von dem seit Bernini wieder so ausgiebig Gebrauch
gemacht wurde, ist ebenfalls im Zelt geboren 3. Davon unten. Die Muster, die Kuppeln
bzw. Tonnengewölbe der Höhlenbauten des Turfan und in Tunhuang füllen 1 Abb. 126),
scheinen der zentralasiatischen Textilkunst entnommen. Ich gebe Abb. 136 noch
ein Beispiel nach einer Aufnahme, die mir S. v. Oldenburg gütigst zur Verfügung
gestellt hat. Es ist die dekorative Malerei einer Tonne in einer der Höhlen am
Murtuq4. Man sieht an beiden Seiten das Lambrequinmuster, dann die typisch vier-
teiligen Herzrosetten5 in einem schmäleren und die wuchernde geometrische Ranke
in einem breiten Randstreifen. Vielleicht erkennt mancher bei genauerem Zusehen,
daß wir die Ranke mit dem Kreisblatt der Teppiche, nur voller und reicher in Malerei
übersetzt vor uns haben. Die Mitte füllt ein aus „Pelten" zusammengesetztes Muster
ohne Ende. — Welche Rolle die Lambrequins heute noch im Zelt der Turkmenen
spielen, habe ich Österr. Monatsschrift für den Orient XL (1914) S. 75 f. erwähnt.
Das Nomadenzelt, das Lambrequinmotiv und der orientalische Teppich werden
wohl die wissenschaftliche Forschung in Zukunft samt den zahlreichen übrigen Motiven,
die mit dem Zelt zusammenhängen, viel beschäftigen. Andere Muster des mittel-
asiatischen Teppichs bei Le Coq Taf. 30, 36, 44, Stein, Ancient Khotan Taf. LXI, und
im Pelliotschen Material. Ich gehe darauf nicht ein, weil ich durchaus nicht über
den ältesten Teppich schreiben will, sondern ihn und das Zelt lediglich soweit heran-
ziehe, als er im Gesamtaufbau dieser Arbeit von Bedeutung ist6. Es fällt auf, da Li
1) Dabei verdient Beachtung eine Steile bei Menander über die oströmische Gesandtschaft des Ze-
marchos nach dem Altai zum Großkhan Dilzabul (bei Wirth, Geschichte Sibiriens S. 55';, wo das Gelage in
einem Zelt aus Seidentüchern von verschiedener Farbe abgehalten wurde. Das darf wohl als Ausnahme gelten.
2) Nach Aurel Stein, Ruins of desert Cathay II Taf. 160. Vgl. Aufnahmen der Pelliot-Expedition in
L'Art decoratif XII 11910) S. 55 f. Dazu Wachsberger, Stilkritische Studien S. 110 und Ostasiat. Zeitschr.
IV (1916) S. 45. (Diese Zeitschrift hat mir auch entgegenkommend den Druckstock zur Verfügung gestellt.
3) Vgl. Österreichische Monatsschrift für den Orient XL (1914) S. 75 t'. Das seltsamste Beispiel der
Verwendung des Lambrequins am Grabturm von Radkan bei Meschhed (s. Abb. 142 .
VgL Grünwedel, Alt. buddh. Kultstätten S. 307.
5) Vgl. darüber Mschalta S. 288 und oben S. 14 f.
6) Vgl. übrigens auch meine 1 e-prechung von Martin, A history of orie&tal carpet im Burlington Maga-
zine XIV (1908) Nr. LXVI1 S. 25 ff. Auffallend ist der Farbenakkord rot-gelb, der auch in Seidenstoffen aus
Ägypten (vgl. oben S. bz, Anm. 2 und in der Rankenornamentik der koptischen und in merowingischen
Handschriften vorwiegt.
I. Die Türkvölker und der altaische Kreis.
I63
die geometrische Ranke, die ja auch noch den späteren Perserteppich, zum Teil na-
turalistisch umgebildet, füllt, im Turfan nicht im Zusammenhang mit dem durch
Abb. 136: Murtuq-Höhle 4: Deckenmalerei.
einen Mittelstern, der sich in Vierteln in den Ecken wiederholt, angedeuteten Muster
ohne Ende auftritt. Diese Sonderart des Teppichs scheint nicht türkischen Ursprunges,
11*
./r IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvclker.
während die Vorliebe für die geometrische Ranke an sich mit der Bedeutung des
Altai als Metallzentrum zusammenhängt Davon gleich mehr.
Nur auf die oben Abb. 102 f. vorgeführten ungarischen Taschenbleche sei noch
mit einem Wort verwiesen, weil sie auf eine textile Vorlage zu weisen scheinen. In
ihrer flächenfüllenden Absicht als Muster ohne Ende auf Grund der geometrischen
Ranke bzw. dem arabesken Ausranken der Palmette scheinen sie gute Beispiele der
Nomadenart, wie sie textil gewiß nicht nur im Wege des Teppichs Eingang nach
dem Westen und Süden gefunden hat. Man möchte sich in der Art der Taschen-
bleche Pferdeschabracken geformt und gemustert denken. In solchem Zusammenhang
bekäme auch das Motiv des oberen Randes der Zierplatte vonSzolyva Abb. 97, das ich
bereits mit dem Lambrequinmotiv verglichen habe, seine Erklärung. Davon gleich mehr.
B. Metallarbeit (Xagy-Szent-Miklos}. Neben den von Frauen in der Jurte geübten
textilen Techniken scheint die Metallarbeit ein Hauptgebiet mittelasiatischer Kunst-
betätigung gewesen zu sein. Beispiele aus dem Osten und Westen des „Goldenen Ge-
birges", dem Erzlande des Altai wurden ja schon oben S. lo5f. mit den südsibirischen
Bronzefunden und den Silbersachen des Kotschkartales vorgeführt. Die Türken heißen
direkt ..Schmiede des Altai". Xoch am Anfang des VI. Jh. n. Chr. wohnte das tür-
kische Volk im Goldenen Gebirge und beutete dort die Bergwerke aus1. Ihre kriege-
rischen Erfolge werden nicht zuletzt den Metallpanzern und Waffen zugeschrieben2,
die sie zu schmieden wußten. Noch Dschengis Khan, der als Schmied auftritt, hält
diese mongolische Überlieferung aufrecht. Man lese darüber Helmolt, Weltgeschichte II
S. 154 nach. Der „goldene Berg" blieb nach türkischem Gesetz dem obersten Khakan
vorbehalten3. Dabei ist freilich zu beachten, daß die Türken noch ein zweites Ge-
birge als ihre eigentliche Heimat betrachteten, Ütüken, wohl am oberen Orchon4.
Zwischen Altai und Ütüken liegt als Zentrum der Ursprung des Jenissei. In diesem Zu-
sammenhange wäre nun der Nachweis wichtig, daß die südsibirische Bronzekultur in
der Ausbildung, die wir in den Jenisseifunden im Museum von Minussinsk vor uns
sehen, als türkisch gelten kann. Anfragen bei Ethnographen, die sich ja bis jetzt allein
neben den Prähistorikern um solche Fragen bemüht haben, ergaben freilich Zu-
stimmung. Immerhin wird zu bedenken sein, daß von Westen her die Saken, also Arier,
bis an den Altai herangereicht haben dürften5. Es wird daher erwünscht sein, für
die türkische Hypothese einige Belege zusammengestellt zu sehen.
Unter den östlichen Schatzfunden der Völkerwanderungszeit habe ich oben
S. 34f. einen ausgeschieden, der wegen des Zurücktretens der Zellenverglasung und durch
1) Parker, A thousand years of the Tartars.
j Die beginnende Forschung über orientalische Waffen sollte mit dieser Überlieferang rechnen UDd
vorsichtig sein, wenn sie wie Stöcklein im Münchner Jahrbuch I9'4'5 S. 1 10 und 115 Ornamente im Riegi-
schen Sinne sieht und dem Ursprung nach bestimmt. Vgl. oben S. 107.
3 Vgl. Wirth, Geschichte Sibiriens S. 61.
4 Vgl. Barthold, bei Radioff, Die alttürkischen Inschriften X. F. S. 27 des Anhanges.
; Ferner möchte ich auf eine Bemerkung von Barthold in Radioffs „Die alttürkischen Inschriften"
X. F. Anhang S. 19 verweisen, der daran erinnert, daß einst die Kirgisen, „die ursprünglich zu den arischen
Völkern gehört haben", am oberen Jenissei wohnten. Wenn aber das dabei in Betracht kommende „Land
und Wasser Kögmen" die Gegend am Fuße des TaDgnu-Ola-Gcbirges ist, dann sei gesagt, daß die Bronze-
funde alle vom mittleren Jenissei auf russischem Gebiet stammen. Aber freilich schließt das nicht aus, daß
sie auch am chinesischen Oberlauf vorkommen dürften.
i. Die Türkvölker und der altaische Kreis.
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Abb. 137: Inschriften der Goldgefäße von Nagy-Szent-Miklos.
i6ö
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvolker.
Verwendung einer anderen Art farbiger Füllungen auffällt; es ist der Schatz von
Xagy-Szent-Miklos. Mag auch die Gruppe der Krüge mehr dem indo-iranischen
Kreise verwandt sein, die Schalen mit dem Stab- und Tierornament (Abb. 66)
scheinen doch dem Zentralasiatisch-Chinesischen näherzurücken.
Es ist daher von vornherein verlockend zu glauben, daßSupka recht haben könnte
wenn er die bis jetzt nicht gelesenen „Runen" des Schatzes von Nagy-Szent-Miklos
für alttürkisch ansieht. Sie sind bei Hampel, Der Schatzfund S. 69 zusammengestellt
(Abb. 137). Wir dachten an nabatäische Parallelen, wie sie Dussaud veröffentlicht hat.
Aus der griechischen Inschrift einer Schnallenschale aber hatte ich freilich schon 18971
auf altbulgarischen Ursprung geschlossen, weil sie Titel und Namen enthält, die
auch auf den Inschriften der aus der Kirche vor den Mauern von Pliska-Aboba
stammenden Säulen vorkommen, die jetzt im Museum zu Sofia und der Vierzig-
Märtyrerkirche zu Tirnowo aufbewahrt werden2.
Die Inschrift der Schale (Abb. 138) lautet:
+ BOYHAA • XOAHAN • TGCH • AyrGTOirH •
BOYTAOYA • XCÜAHAN • TArfOri I • HTZITH •
TAICH.
Die beiden Säuleninschriften beginnen: Käi>a(g)
vßr/i OtuoiQiay und Kdvsg vßvytj MaZatu?'jQ. TCtJta
ßoyoxbg ßotjXä zov/.ovßgog r,xov xt/.. Das in der
ersten Säuleninschrift hinter xv.vaq stehende vßr/i er-
innert an die auf der Schale nach Zoajtav stehenden
Worte, welche alle auf /;; endigen. Keil3 hatte sie
für homogen und zwar für Titelbezeichnungen ange-
sehen. Für vßiyi, das auch in der Form vßrjyt] oder
vßvyt} vorkommt4, schlägt der Herausgeber der In-
schrift vor, es dem kumanisch- türkischen öweghii,
öwghii „erhaben, gepriesen" entsprechend anzusehen.
In der zweiten Säuleninschrift steht neben demselben vßvy/j anscheinend auch noch
das zweite auf unserer Schale vorkommende Wort ßov/j/.a = ßort).a, das der Heraus-
geber wie Kondakov5 auf das altslavische boljärin, Plural boljäre deutet, das als
Ausdruck für den höheren bulgarischen Adel auch aus den byzantinischen Quellen
des 9. bis 11. Jahrhunderts wohl bekannt sei. G. v. Nagy hatte diese Richtung der
Deutung schon 1896 aufgenommen. Doch war mir seine ungarische Schrift 1897
nicht bekannt. Er schloß auf einen awarisch-bulgarischen Khan als Besitzer.
War also soweit Datierung und ethnische Zuweisung in die Wege geleitet6, so
kommen jetzt die Inschriften dazu, die Abb. 137 vereinigt zeigt Supka macht den
Abb. 138: Wien, Hofmuseum, Nagy-
Szent-Miklosschatz: Boden derBuela-
Butaul-Schale.
I) Byzantinische Zeitschrift VI S. 585 f.
- Vgl. die Publikation des russ. archhol. Instituts über Pliska-Aboba und Archäologisch-epigraphische
Mitteilungen aus Österreich-Ungarn XIX (1896) S. 237 f. 3) Repertorium f. Kunstwiss. XI S. 256 f.
4) Arch.-epigr. Mitt. XVII S. 149 Nr. 72 und CIG IV n. 8691 b.
5 Geschichte und Denkmäler des byzantinischen Emails S. 39.
Immerhin ist zu beachten: Kanita heißt ein Sake in Südrußland (Justi, Iran. Namenbuch S. 155)
und einer im Rigweda (666 = VIII, 46). Darin ist ita Endung. Malamir erinnert an gotisch Walamir (vgl.
auch Bowila), O-murta-g an den MovgSayo^ in Olbia (Justi a. a. O. S. 218).
I. Die Türkvölker und der altaische Kreis. I67
Versuch auf Grund der von Nagy unternommenen mittelasiatischen Vergleiche weiter-
zubauen *. Die Voraussetzung des Versuches bildet die Annahme, daß die einzelnen
Schriftzeichen gegenüber den mongolischen2 a) eine epigraphische Vorstufe, b) eine
Abwandlung von der dortigen lapidaren bis zu der handschriftlichen Technik des
Schatzes und endlich c) eine Adaptierung der lapidaren Brähml-Lettern der Zeit um
Chr. Geb. für die alttürkische Phonetik bedeuten. Dieses Vorgehen ergab eine Lesart,
der zufolge sich die Aufschriften inhaltlich in zweierlei Gruppen teilen. Die erste
(Nr. 14, 13, 12, 11, 8, 6 b, 7, 9, 5 b, 15), in technischer Beziehung ganz primitive,
flüchtig hingeworfene Gruppe von Bodeneinritzungen birgt Worte, die flüchtige Be-
merkungen eines Goldschmiedes — entweder des Verfertigers oder Ausbesserers des
Schatzes — darstellen. Dieselbe Gruppe (Nr. loa, lob und die Vorschrift auf 16)
mit technisch klarer gefaßten, doch noch immer in der leichten Ritztechnik ein-
gegrabenen Wortfolgen gibt dann auch solche Aufschriften, die später durch den
Graveurstichel endgültig ausgeführt werden" sollten. Früher las Supka in dieser Gruppe
den Namen einer Verlobten Kulai-khan, Tochter Ülgens. Die zweite Gruppe (Nr. 1
bis 5 a, 6 a), in deren Art und Weise offensichtlich baktrisch-griechische Einflüsse
zu erkennen sind — sie stehen technisch der griechischen Inschrift der Taufschale,
sowie der türkischen Inschrift der Buela-Butaul-Schale des Schatzes nahe — ,
sind endgültig ausgeführte, lapidar eingegrabene Inschriften. Es ist dies erstens die
(abgesehen von ganz unwichtigen Varianten) stereotyp fünfmal wiederkehrende
Namensformel des Inhabers, der Lesung folgend „Yduk (Fürst) Tai-peg", zweitens
eine Opferformel (Nr. l a und l b) : „Kudahu Kungan Kojgan Oi" = der Fürst
lobpreist mit dieser Schale.
Ich führe die Ergebnisse des Lesung Supkas an, ohne ihnen in diesem Buche
mehr zu entnehmen, als daß die Inschriften alttürkische seien3. Supka selbst legt auf
dieses Ergebnis das Hauptgewicht und sieht wegen der Vokalisation Abweichungen
der Lesung und Deutung voraus. Der alttürkische Dialekt, in dem die auf die Ver-
fertigung des Schatzes selbst bezüglichen Inschriften verfaßt seien, wäre heute durch-
gehends in den südöstlichen Gebieten des zentralasiatischen Türkentums: im Uigu-
rischen, Teleutischen und Ostturkestanischen, folglich durchwegs an den Abhängen
des Altai zu finden. Auch für mich wäre nur diese allgemeinste Feststellung wichtig.
Zeitlich würde ich daraufhin gern um Jahrhunderte in der Datierung hinaufgehen.
Doch das sind Fragen, die erst behandelt werden können, wenn die Grundfragen,
die in diesem Buche aufgeworfen werden, sich zur Anerkennung durchgesetzt haben
und Kunsthistoriker durch Expeditionen wie Ausgrabungen nach dem Gebiete der
Nomaden und Nordvölker mehr Material herbeigeschafft haben. Vorläufig wird man
sich zum Vergleiche halten können an Silbergefäße aus den Gouvernements Wjatka,
Tomsk und Sibirien überhaupt, die Smirnov, Östliches Silber Tafel XCII zusammen-
1) Arch. Ertesitö 1915 und Monatshefte für Kunstwiss. IX (1916) S. 13 f.
2) Davon am Schlüsse des Buches. Das Folgende ist von Dr. Supka selbst richtig gestellt.
3) Von anderer Seite werden sie ebenfalls als solche anerkannt, aber anders gelesen. Vgl. z. B.
Mesjaros in der „Ethnographie" I, 1915 und in der gleichen ung. Zeitschrift die Antwort darauf von Sebestyen.
Mesjaros hält die Inschriften für das älteste türkische Schriftdenkmal, älter als die Stelen an Jenissei,
Orchon und Selenga, von denen unten zu sprechen sein wird ; er datiert sie etwa aus dem V/VI. Jh. Vgl.
auch v. Karabacek, Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. Ak. d. Wiss. in Wien, 1916, S. 9 f.
I^g IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
gestellt hat und die ziemlich genau die gleichen in Haarstrichen eingeritzten In-
schriften auf dem Außenboden zeigen, wie die erste Gruppe von Nagy-Szent-Miklos.
Melioransky, der sie bearbeitet hat1, setzt Nr. 168 ins VIII IX. Jh. Wichtig ist, daß
dieser silberne Henkelkrug als Kaufgeschenk für die Braut an die Verwandten ver-
schenkt wurde, also bei der Werbung Verwendung fand, wie Supka zuerst auch auf
dem ungarischen Schatze las. Nr. 170 frühestens aus dem VII. Jh. zeigt einen Stempel und
zwei Namen, wohl des Besitzers. Auf 169 liest Melioransky den Namen der Stadt
Legucen in der Mongolei oder eine Preisangabe. Interessant sind dann auch die
Silbergefäße vom Jenissei und Altai bei Smirnow Nr. 1S1 — 193, 199 — 219 und 318,
die entweder henkellose Krüge mit Ringfuß und Schulterleiste, aber ohne sonstigen
Schmuck, oder Pokale von der Art derjenigen aus Poltawa sind (vgl. oben S. 50) mit
halb chinesischen Arabesken sowohl von der geritzten Art (wie sie im Nagy-Szent-
Miklos-Schatz am Fuße der Gefäße Nr. 6 und 7 vorkommen, die oben Abb. 59 ge-
geben sind), wie von der plastischen Art auf gerauhtem Grunde. Vgl. auch Smirnov
Nr. 110, 1123 aus Wjatka. Wird also durch diesen Vergleich mit sibirischen Silber-
sachen bestätigt, was schon die Inschriften zu lehren scheinen', so spricht vor allem
auch das Ornament aus Kreisstäben, von dem oben S. 129 als einem auch in China
nachweisbaren, die Rede war, für die engen Beziehungen des Schatzes zum sakisch-
türkischen Kunstkreise. Freilich entsteht dabei eine Schwierigkeit Die Buela-Butaul-
Schale (Abb. 1381 zeigt auf dem Boden innen, ganz aus Kreisstäben zusammengesetzt,
1 wie Abb. 122 f.) ein Kreuz2; da ein solches auch am Anfang der Inschrift steht, so
kann an dem christlichen Charakter dieses Stückes nicht gezweifelt werden. Von
den sog. Taufschalen wird noch zu reden sein; auch sie bestätigen den christlichen
Einschlag. Doch stammen auch die verwandten altbulgarischen Säuleninschriften
aus einer christlichen Kirche. Man wird also annehmen müssen, daß sakische oder
türkische Handwerker für zum Christentum Übergetretene arbeiteten; sie haben dabei
kaum etwas von ihrer asiatischen Eigenart aufgegeben.
Als ein besonders gutes Beispiel dieser auf die Kreisstäbchen gestellten Orna-
mentik sei hier (Abb. 139) noch eine der beiden Goldpfannen mit verziertem Stiel
< Hampel Nr. 1 5 u. 16") abgebildet. In der Mitte des geriefelten Bodens der Drache wie auf
der Dose Abb. 122, umgeben von dem gedrehten Wulst, der oben S. 3 auch auf dem
Goldpokal aus Albanien beobachtet wurde. Am Rande die gleiche Stäbchenpalmette,
die schon auf der Schale mit Tierkampf Abb. 66 vorgeführt worden ist. Das wert-
vollste Muster aber weist die Füllung des gewellten Griffes auf: oben drei T-förmige
Stäbchenranken übereinander und unten um ein mittleres Kandelabermotiv3 zwei sym-
metrische Einrollungen, alles so durchaus beschränkt auf das Motiv des Kreislappens,
daß trotz der fast rokokoartigen Behandlung der flächenfüllenden Motive doch kein
Zweifel an der Zugehörigkeit zum alttürkischen Kunstkreise, wie ihn die Messer vom
Jenissei zuerst anzunehmen forderten, entstehen kann.
Auf dem Schatz von Nagy-Szent-Miklos begegnet die geometrische Ranke so-
wohl im Schrägschnitt (vgl. oberen Rand von Abb. 60 und 64) wie als Stäbchen-
1) Vgl. Byz. Zeitschrift XVIII S. 678.
2 Mschatta S. 319 erscheint im Mittelmedaillon von Abb. 93 ebenfalls ein Kreuz dieser Art — aber
ohne christliche Bedeutung. 3) Vgl. dafür Zeitschrift f. Gesch. d. Architektur VII (1916) S. 77.
i. Die Türkvölker und der altaische Kreis.
169
ranke mit im Tiefendunkel eingeschlagenen Strichpunktornamenten (Abb. 66). Auf
den Teppichen mit der geometrischen Ranke aus dem Turfan ist die Zusammen-
setzung aus Stäbchen bezeichnend. Man möchte daher glauben, daß ihre Einführung
nur im Gebiet des Altai bezvv. Ütüken zusammen mit der in der Metalltechnik da-
Abb. 139: Wien, Kunstbist. Hofmuseum, Schatz von Nagy-Szent-Miklos: Goldpfanne.
für entstandenen Vorliebe erklärbar sei. Eine textile Ornamentik von vornherein ist
das nicht. Dagegen scheint ein Motiv der Krüge von Nagy-Szent-Miklos nur als
Behang mit Fransen oder in Leder erklärlich.
C. Das Zattel-(Lambrequins-)Motiv. Es wird jetzt kaum noch verwunderlich er-
scheinen, wenn wir in den vorhergehenden Abschnitten immer wieder auf Hochasien
und Kunstkreise hinweisen konnten, die sich mit dem zentralasiatischen berühren, wie
I -q IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
China, Indien und Persien. Hier sei noch im besonderen eingegangen auf das seit
Beginn der Forschung über den Schatz von S. Miklos zum Steckenpferde der Kunst-
forschung gewordene „Zangenornament", von dem schon oben S. 55 die Rede war
i^Abb. 60). Es hängt vom Halswulst des Kruges herab in einer Reihe dreieckiger im
Schrägschnitt zu einem Mittelgrad ansteigender Zatteln, die da wo sie zusammen-
stoßen durch einen Kreispunkt verbunden sind. Hampel (Der Goldfund S. 95) leitet das
Motiv ab von dem Blattüberfall auf den anderen Krügen und meint, der Goldschmied
des Kruges mit dem „Zangenornament" habe die ursprüngliche Bestimmung nicht mehr
gekannt, was kaum glaublich ist, da die Krüge ja einheitlich entstanden scheinen. Die
Sache gewann an Interesse, da das gleiche Ornament auch am Theodorichsgrabe, an
einem Panzer mit Zellenverglasung ebenfalls in Ravenna und zahlreichen germanischen
Altsachen in Bronze1 nachweisbar ist. Die einen rieten auf eine Verballhornung des
lesbischen Kymas, andere auf eine Herübernahme aus der altgermanischen Holz-
technik usw. Zuletzt hat gar M. Händel in einer mühsamen Dissertation das „Scheiben-
dreieck" auf einen uralten Sonnenkult zurückführen wollen2. Bleiben wir bei der Form,
die das Ornament auf dem Kruge von Nagy-Szent-Miklos bat, so scheint auch dafür
ein chinesisches Beispiel näher zu liegen als alle übrigen. Abb. 140 zeigt einen Por-
zellankessel (Ting) von 23 cm Höhe und 28 cm Dm., den ich im Besitze von G. D.
Hornblower in Kairo fand. Er ist mit Ornamenten in brauner Glasur übersponnen.
Die Metallhenkel sind verloren. Man sieht zwei gehörnte Drachen3, die eine Tafel in
die Mitte nehmen, auf der unter der Glasur eine Inschrift angebracht ist. Eine
andere längere auf der Rückseite, wo zwischen den Füßen naturalistisch gebildete
Rosen angebracht sind. Dieses einzigartige Denkmal setzt sein Besitzer, ein guter
Kenner chinesischer Kunst, in die Periode der Sung (960 — 1280)4. Uns interessiert
vor allem der obere Rand des Gefäßes. Dort sehen wir die Reihe der hängenden
Dreiecke und auf ihnen kreisrunde Bossen mit einem Punkt darauf5. Das ist, sobald
die Form in die Ebene übertragen wird, das „Zangenmuster". So besteht also auch
bei diesem Motiv die Möglichkeit, daß es wieder nicht aus dem westlichen, sondern
aus dem mittel- bezw. ostasiatischen Gestaltenbereiche zu erklären sei6. Auch dürfte
zu überlegen sein, ob nicht das in Samarra so beliebte" und verkehrt auch in der
Moschee des Ibn Tulun8 in Kairo durchweg als obere Abgrenzung der Wand
i) Vgl. Haupt, Die älteste Kunst der Germanen Abb. 15 und Si.
2) Untersuchungen über den Ursprung des Zangenfrieses 1913.
3) Man vergleiche damit das gehörnte Flügeltier auf dem Taschenschild von Bezded Abb. 9S und
die sonst übliche Verwendung des chinesischen Drachen im islamischen Westen („Amida" S. 83 f.).
4) Was nach Bachell, L'art chinois S. 201 f. doch wohl zu früh ist. Für das frühe Vorkommen des
Drachen, vgl. übrigens Amida S. I26f. und 353 und die Stele von Singan Fu vom J. 781 (Monatshefte
1. Kunstwiss. VIII 19 15 S. 358), sowie dem alttürkischen Grabstein des Kül Tegin vom J. 731 bei Radloff,
Atlas der Altertümer der Mongolei Taf. XI, 1. Vgl. ebenda Taf. XXX.
5) Das Ornament kehrt am Bauche, von den Drachen verdeckt, nochmals wieder.
6) Man vergleiche damit auch die herabhängenden Zacken in Dreieckform mit den beiden Streifen
auf den ältesten chinesischen Bronzegefäßen, auf die ich S. ii4f. aufmerksam machte. Näheres darüber bei
v. Hoerschelmann, Entwicklung der altchinesischen Ornamentik S. 10. Die Chinesen bezeichnen diese
Schmuckform als Zikade. Vgl. oben S. 138.
Vgl. Viollet, Fouilles ä Samarra (191 1) Tafel VIII und XVII. Herzfeld, Vorl. Bericht S. 23.
8) Vgl. Mschatta S. 346 und v. Berchem, CIA Tafel XIV.
I. Die Türkvölker und der altaische Kreis.
171
verwendete Streifenmuster von Scheibe und Rundlappen1 darauf zurückgehen
könnte.
Frage ich nun nach dem Ursprünge des Gestaltmotivs, so liegt wegen des Ortes
der Anbringung und der hängenden Wirkung nahe, an ein Gebiet zu denken, das
oben bereits berührt wurde, das Zelt und die Lambrequins im besonderen. Ich habe
Abb. 140: Kairo, Sammlung Homblower: Porzellankessel (Ting).
von diesen „Zatteln" Abb. 126 und 135 Beispiele gegeben. Man sieht am äußersten
Rande der Deckenornamente die Folge hängender Dreiecke2 und auf jedem Drei-
eck eine Rosette. Hier ist das ursprüngliche Gestaltmotiv schon stark in Form
gebracht. Doch begegnen in den Malereien des Turfan auch ganz reale Nachbil-
1) Vgl. übrigens Viollet a. a. O. Taf. XVII, 1 und VII.
2) Solche auch häufig auf südsibirischen Bronzen. Vgl. Martin a. a. O. '^s. S. 162, Anna. 6) passim.
172
IV. Die Kunst der Nomaden und Xordvölker.
düngen des Lambrequins. Ein Beispiel hat Grünwedel in seinem Idikutschari-
Bericht abgebildet1, das ich Abb. 141 wiederhole. Dort sieht man unten geraffte
Stoffstreifen, an die Schellen genäht sind. Sie bilden nicht die eigentlichen Zatteln,
die darüber in den bezeichnenden Dreiecken erscheinen. Zatteln oder Lambrequins
sind Streifen, die am Äußern (und im Innern?) des Zeltes die Fuge der aufstreben-
den und deckenden Teile schließen. Sie sind öfter eine Bortenwirkerei (Posa-
oder Passementerie) mit Klapperblechen oder bisweilen vielleicht in Leder gearbeitet
und gewöhnlich vom Vorhang getrennt verwendet. Man sehe daraufhin die Tafeln
bei Chavannes CXXXIX — CLVII aus Jun-kang nach.
Es ist nicht unmöglich, daß die ur-
sprünglich für das Altaierzelt charak-
teristische Form des Lambrequins auch
in die Architektur Eingang gefunden hat.
Abb. 142 zeigt eineAufnahmevonE.Diez
nach dem Turm von Radkan bei Kut-
schan, einem Seldschukendenkmal etwa
des XII. Jh. in Chorasan. Man sieht
dort unter dem pyramidalen Dach zu-
nächst Reste der arabischen Inschrift,
dann beginnen jene vertikalen Wülste,
die den ganzen Bau gleichmäßig um-
geben und am oberen Ende überdeckt
sind von jenem Motiv, das ich hier be-
spreche. Es ist, möchte man glauben,
das Lambrequin, das nicht einfach drei-
sondern geschweift mit
WJ^W
eckig,
ange-
Abb. 141: Sengyma'uz, Höhle: Deckenborte der
Wandmalerei.
hängten Kreisen gestaltet ist. Die Sache
gewönne an Wahrscheinlichkeit, wenn
sich nachweisen ließe, daß diese Turme
Grabtürme sind und die Mongolen einst
ihre Toten in Zelten beizusetzen liebten-.
Das Lambrequin würde dann die Fuge
decken, wo die Zeltstangen und die Decke (Abb. 134) aufeinanderstoßen.
Ich komme hier, ohne es zu wollen, in der Deutung des Gestaltmotivs in das
Fahrwasser von Semper bezw. seiner Nachfolger. Aber die Nomadenkunst Hoch-
asiens, die Riegl öfter übersehen hat, bietet dazu einen gerechten Anlaß, der freilich,
wenn man alles und jedes auf Ägypten und Hellas zurückführt und hinter dem
Euphrat und Tigris eine wissenschaftliche Mauer zieht, nie zur Geltung kommen konnte.
Nun sie fällt, wird manches nachzuprüfen sein. So z. B. die Frage nach dem Ur-
sprung des „Blättersturzes" am Halse der Krüge von Nagy-Szent-Miklos, an der
Stelle, wo wir auch den „Zangenfries" auftreten sahen, den die Goten nach Westen
trugen. Man betrachte daraufhin oben Abb. 59 und 65 und wird vielleicht finden,
1 1 Abh. d. pliilos.-philol. Kl. der bayr. Ak. d. Wiss. XXIV (1909) Taf. XXIII. Danach Abb. 141.
1. darüber Diez in dem Chorasan-Reisewerke meines Instituts.
I. Die Türkvölker und der altaische Kreis.
173
daß die Fiederung der Ränder für den textilen Ursprung des Motivs als „Fransen"
ebenso spricht wie das Kreismuster ohne Ende, das den Bauch der Gefäße schmückt.
Auch die Reiherlandschaft ist auf den Palmettenstoffen zu finden1. Das Lambrequin
scheint mit dem chinesischen Porzellan auch auf das Abendland übergegriffen zu
haben. Es kommt an der Stelle, an der wir es an den Krügen von Nagy-Szent-
Miklos sehen, auch noch auf Meißner Porzellanen vor2.
Ich kehre nun wieder zu dem Leitmotiv dieses» Buches, der geometrischen Ranke
zurück, von der oben S. 128 gesagt wurde, daß sie ihren Ursprung in Hochasien haben
könnte. Abb. 141 nach einer gewissenhaften Zeichnung von Grünwedel, bietet klare Aus-
Abb. 142: Radkan, Seldschukischer Grabturm: Zattel-(Lambrequins-)Fries.
kunft darüber, wie eine solche Ranke ohne ausgesprochen griechischen Einfluß aussieht.
Man versuche darin etwas Pflanzliches oder auch nur die reine Palmette nachzuweisen,
d. h. sie von der Mittelmeerkünst abzuleiten. Sie ist der nordasiatische, auf die Spirale
zurückgehende Vorläufer der Arabeske, der dem Chinesischen ebenso nahe steht, wie
dem Iranischen. Vor allem ist die Verdoppelung der Lappen bezeichnend, die dann
in der armenischen und byzantinischen Miniaturenmalerei eine so große Rolle spielen
sollte. Die Füllungen der inneren, schmäleren Lambrequins zeigen Teile von Herz-
und Spiralrosetten.
D. Der geometrische Schnörkel. Die Vorliebe Mittelasiens für die geo-
metrische Ranke zeigt nicht nur die Wandmalerei. Auch in der arabischen Kalligra-
phie der Türken gibt sie noch als Ziermotiv neben den Buchstaben selbst den Ausschlag.
1) Vgl. Jahrbuch der kgl. preuß. Kunstsammlungen XXIV (1903) S. 158, dazu den Reiherteppich.
Katalog d. Ausstellg. Orient. Teppiche. Wien 1891 S. 144.
2) Vgl. Zimmermann, Frühzeit und Erfindung des Meißner Porzellans, passim und Schnorr v. Carols-
feld, Porzellan der europ. Fabriken des 18. Jh. S. 29.
174
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
Vielleicht ist gerade darauf die Umbildung des einfachen Kufi in das Rankenkufi zu-
rückzuführen. Kürzlich wurde auf einen ganz speziellen jüngeren Ornamentkreis hin-
gewiesen, der den Türkvölkern wo immer
sie seßhaft geschichtlich auftraten, gemein-
sam ist1. Vor allem ist da das charak-
teristische einfache Herzgefiecht ausschlag-
gebend. Abb. 143 zeigt einen Grabstein
aus Taschkend vom J. 608 d. H. (1212 n.
Chr.) '-. Wir sehen die Inschrift umrahmt
von kalligraphischen Schnörkeln, die oben
eine geschweifte Spitze bilden, sich dann
in Bogen und Schließen um das ganze
Feld herumziehen und unten in das gleiche
herzförmige Schlußornament zusammen-
laufen. Es rankt zu beiden Seiten ähnlich
aus wie die kleinen Füllungen zwischen der
2. und 3., sowie rechts zwischen der. 5. und
6. Zeile. Außerdem aber sieht man rechts
am Rande eine fast chinesisch stilisierte
Halbpalmette und oben als Krönung eben-
falls eine geometrische Ranke in symme-
trischem Aufbau. Es kann kein Zweifel
sein, daß hier im XIII. Jh. ein Kalligraph
ähnlich am Werke ist, wie wir ihn schon
oben S. 87 als Urheber der Rankenornamentik
auf den Kairiner Grabsteinen desIII.Jh. d. H.,
also des IX. Jh. n. Chr. zur Zeit der tür-
kischen Tuluniden vermuteten.
Karabacek hat eine ganze Masse von
Beispielen dieser Art veröffentlicht, die ich
hier wiedergebe, weil sie ein schöner Beleg
der Beliebtheit der geometrischen Ranke
bei den Türken sind1. Abb. 144 zeigt einige
seldschukische Incipit- Explicit- und
Füllungsornamente mit dem einfachen Herz-
gefiecht, wie sie mit leichten Variationen
noch durch das ganze VII. Jh. d. H. gehen.
Die geometrische Ranke zu seiten der
mittleren Herzform strebt hier mehr oder
minder nach abwärts. Es ist sehr bezeichnend,
Abb. 143: Taschkend, Museum: Grabstein vom J. 1212.
1) Sitzungsberichte d. Ak. d. Wiss. in Wien, phil.-hist. Klasse 178. Bd. 5. Abt. S. 25. Da der Ver-
fasser, v. Karabacek, seine Quellen nicht angibt, muß, wer nicht selbst auf paläographischem Gebiet
arbeitet, dessen Angaben auf Treu und Glauben hinnehmen. Die Druckstöcke sind mir von der Kais.
Akademie geliehen worden, wofür ich danke.
2 Xach der Aufnahme von M. Hartmann, Orientalist. Literatur-Zeitung IX (1906) zu Sp. 233.
i. Die Türkvölker und der altaische Kreis.
'75
daß die syrischen Formen der gleichen Epoche sich steil nach aufwärts richten.
Abb. 145 führt ajjubidische Proben aus dem VI. Jh. d. II. vor. Es hat also türkische
Lokalschulen gegeben, und wir
616—634 d. H. (= 1219 — 1236 n. Chr.K
1 ■ff~&\
666
können daher ganz gut in Ägyp-
ten ein anderes Merkmal bei
Verwendung der Herzform er-
warten als im Ursprungsland der
ganzen Gattung im Osten. Ein- 643— 655 d- H. (= 1245-1257 n. Chr.) v<uÖ\_
malwardaseinfacheHerzgefiecht
6bi~&*iC&F> odere/TÄTV
bezeichnend, in ägyptischen Bei- 655— 666 d- = 1257-1267 n. Chr)
spielen, die ich freilich nicht un-
mittelbar der Kalligraphie ent-
nehmen kann, kommt die Herz-
form für sich allein ohne die
durchgezogenen Enden sehr
häufig vor. Es setzt sich dann
gewöhnlich aus zwei vertikal gegeneinandergestellten Schnörkeln zusammen.
S. 88 f. war von der Gruppe tulunidischer Bretter mit Schnörkelornamenten im
Schrägschnitt die Rede. Die Zusammenstellung zweier Schnörkel zur Herzform ist dort
das weitaus beliebteste Motiv (Abb. 82 f.). Ich füge hier
noch einige Beispiele hinzu, die sich wie aus der Kalli-
graphie in die Holztechnik übertragen ausnehmen.
Mit der Sammlung Herz sind, aus den Tuluniden-
gräbern von Ain es-Syra stammend, zwei gleichartige
Leisten in das Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin : ge-
kommen (Abb. 146). Sie sind 1,5 cm dick und 0,104 m breit, das eine hat die volle Länge von
0,75x6 m ohne die Endfalze, das andere ist Bruchstück. Der 6 cm breite Zierstreifen
682 d. H. (== 1267— 12S3 n. Chr.) ^"^^fif^w
682—696 d. H. (=. 1283— 1296 n. Chr.) C^^lfÜ^C^^
Abb. 144: Seldschukische Schriftornamente.
Abb. 145: Syrische Abart der seld-
schukischen Schrü'tornamente.
Abb. 146: Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum: Altarabisches geschnitztes Brett aus Kairo.
wirkt zuerst unklar; man findet aber an dem vollständigen Stücke bald heraus, daß
die Motive streng symmetrisch um das mittlere herzförmige „Blatt" angeordnet sind.
Die Schnörkel, die es bilden, wiederholen sich in verkehrter Stellung daneben noch-
mals, dann folgt ein seitliches Mittelstück, in dem zwei Schnörkel horizontal liegen.
Man kann also sagen, das ganze, scheinbar so komplizirte Ornament setze sich im
Grundmotiv zusammen aus je vier Schnörkeln in der Art der geometrischen Ranke,
1) Nr. 358 und 361 meines Inventars. Vgl. Riegl, Spätröm. Kunstindustrie S. 164.
17Ö
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
Abb.
147 : Geschnitztes Brett aus der
Sammlung Herz.
zwei vertikalen und zwei horizontalen. Den reichen Eindruck bringt lediglich der
Schrägschnitt mit dem Wechsel von Licht und Schatten hervor und die zwischen-
durch eingeschobenen Füllmotive, kleine konzentrische Kreise und flaschenartige Mittel-
lösungen. An beiden Enden wiederholt sich das mittlere Herzmotiv nochmals. In der
Sammlung Herz sah ich noch drei andere Bruchstücke, eines in Abb. 147 '. Vier Schnör-
kel, von denen sich zwei mehr senkrecht aufrichten, zwei mehr horizontal hinziehen,
bilden am Ende eine halbe Herzform, in der
Mitte ein T-förmiges Gebilde, zu dessen Seite
ein typisches Füllmotiv, die Sporenblüte, wie
ich es S. 91 nannte, eingeschnitten ist.
Ein interessantes Stück besitzt das Ägyptische
Museum in Kairo (Nr. 8809) 2. Auch hier sind
vier Schnörkel genommen (Abb. 148), alle stehen
vertikal, einer davon vielleicht mehr diagonal. Die
dazwischen freibleibenden, schräg geschnittenen Flächen sind durch Einkerbungen,
Kommaschlitze und Punkte in Herzblätter, Lotos, Efeu und eine zwiebelföi mige Form
verwandelt. — In den beiden Vorhöfen der Kirche el-Mu'allaka im Kasr bei Alt-
kairo sind mehrere
alte Holzschnitze-
reien unserer Art ver-
baut (Abb. 149). In
l und 2 sind es vier
mehr oder weniger
eigenartig gestellte
Schnörkel und Füll-
ungen, die das Motiv
bilden; einmal (unten,
in Abb. 149,3) an den Seiten des Tabernakels zwei alte Bretter mit zwei Schnörkeln,
die eine langgezogene Raute um einen mittleren Kreis bilden. Ein ähnliches Orna-
ment ist aus der Sammlung Herz auf Berlin über-
gegangen3: Diagonalschnörkel, einmal mit einer großen
Einrollung zusammenstoßend, das andere Mal durch
zwei Vertikale, das Herzblatt bildende Schnörkel ver-
einigt. Dazu lange Kommaschlitze und pflanzenähnliche
Einkerbungen. Doch gehört das Stück eigentlich nicht
hierher. Der Herzblattschnörkel ist in l und 2 ebenso
eingeschoben, wie in den übrigen Brettschnitzereien,
die ich hier zum Vergleich mit den seldschukischen
Schriftornamenten angeführt habe.
E. Die Schnörkelbänder der Tulunmoschee in Kairo. Die Moschee des
Ibn Tulun3, von der oben wiederholt die Rede war, zeigt nicht in dem einheitlichen
Abb. 148: Kairo, Ägyptisches Museum: Geschnitztes Brett.
f^X
Abb. 149. Altkairo.Kasr esch-Schama'a,
Mu'allakakirche: Altarabische Brett-
ornamente.
I) 0,35 m lang, o,no m breit, 0,012 m dick.
2 Meine Abbildung nach dem Kataloge ,, Koptische Kunst" S. 161 Abb. 229 von Nr. 7243.
3 Vgl. oben S. 90, Abb. 85 und Riegl, Spiitröm. Kunstindustrie S. 164.
I. Die Türk Völker und der altaische Kreis.
177
Ornament der konstruktiven Hauptbogen1, wohl aber in den zahllosen Streifenorna-
ment ender kleinen Entlastungsbogen Motive (Abb. 1 50/3), die genau nach dem gleichen
Schema in Stuck ausgeschnitten sind wie unsere Holzornamente. Ausgangspunkt
sind immer die Schnörkel, ihre Form und ihre Stellung zueinander. Die Füllung mit
Einkerbungen, Kommaschlitzen, kleinen
Kreisen und Rauhung vervollständigt
dann ähnlich wie auf den Holzleisten das
Gesamtbild. Der Stuckarbeiter tut nur —
könnte es scheinen — eines nicht, er führt
sein Instrument nicht schräg wie der
Holzschneider, sondern fast senkrecht.
Es ist jedoch bezeichnend, daß, sobald
die Ornamente der Ibn Tulun in Holz
ausgeführt sind, wie an den Decken der
Türumrahmungen2, sie sofort den Schräg-
schnitt aufweisen.
Die Erklärung liegt darin, daß die
Stuckornamente vielfach übertüncht und
überarbeitet wurden. Während die Holz-
arbeiten in ihrem ursprünglichen Zustande
erhalten sind, erscheint so die Wanddeko-
ration entstellt. Auch sprach bei ihnen
mit, ob sie mit Holzmodeln mechanisch
oder durch Handarbeit hergestellt waren.
Für uns ist entscheidend, daß den Tulun-
ornamenten die gleichen Schnörkel zu-
grunde liegen, wie den Holzschnitzereien3.
Ich stelle Abb. 147 — 153 einen Teil dieser
Schnörkelornamente zusammen und be-
nütze die Gelegenheit, auf dieses wert-
volle Material einmal etwas ausführlicher
einzugehen. Der Krieg zerstört alle Er-
wartungen auf eine baldige Veröffent-
lichung der aus Ägypten gesammelten
Materialien für lange Zeit. Ich hatte mit
den Herren Herz und Somers-Clarke außer
den Kirchen auch noch die Veröffent-
lichung der Tulun- und Surjani-Orna-
mente durch das Comite de conservation
des monuments de l'art arabe verabredet.
Schema I: Hauptliwan.
II. Reihe
I. Bogen
III. Reihe
IL Reihe
2. Bogen
III. Reihe
II. Reihe
III. Reihe
Bogen
II. Reihe
4. Bogen
III. Reihe
IL Reihe
5. Bogen
III. Reihe
trmnr^
IL Reihe
6. Bogen
III. Reihe
IL Reihe
III. Reihe
Bogen
Abb. 150: Kairo, Tulun-Moschee : Schnörkelbänder.
Daraus wird nun wohl nichts werden.
1) Vgl. darüber Mschatta S. 346. Dazu Flury, „Der Islam" IV, S. 427 f.
2) Darüber auch oben S. 94.
3) Ein Beispiel bei Riegl, Spätröm. Kunstindustrie S. 165, mehrere besser bei Flury „Der Islam" IV, Tat". 1 .
Samarra erbrachte den Beweis, daß sie für Stuckarbeit mit Holzmodeln beliebt waren. Vgl. oben S. 95 f.
Strzygowski, Altai. I2
17«
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
II. Reihe
III. Reihe
8. Bogen
i9
Reihe
in. Reihe
m
11. Reihe
10
Im Hauptliwan sind von der ersten Reihe 12 Pfeiler nach dem Innenhofe zu eingestürzt >.
Ich habe die Ornamente in den Pfeileröffnungen der zweiten und dritten Reihe notiert und
zwar beidemale die nach der Hofseite zu2. Auch die Rückseiten nach den Umfassungs-
TT ... mauern zu haben solche Ornamente; sie
Hauptliwan. . , „ , . '
stimmen mit denen der Vorderseiten nicht
überein, wie ich in den Fällen III, 15, II, 16
und III. 16 aus meinen Notizen und Photo-
grammen feststellen konnte.
Xach dem nebenstehenden Schema
der beiden Hauptliwan-Reihen ist ein und
dasselbe Ornament an den drei ersten Öff-
nungen angewendet; es kehrt auch an den
9. Bogen beiden ersten Öffnungen der vierten Reihe
wieder. Im übrigen aber ist ein und das-
selbe Ornament, jedoch mit kleinen Vari-
anten auf Pfeiler 6 und 8 der zweiten und
4 (8) und 1 1 der dritten Reihe angebracht.
Bogen Sonst sind alle Streifen verschieden, so nahe
sich auch einzelne immerhin stehen mögen.
Übertragen wir diesen Einzelfall auf das
Ganze, so würde sich ergeben, daß unter
den 312 Streifen zehn Ornamente sechzigmal,
Bocren zehn zwanzig und zehn dreißigmal vorkom-
men; es blieben dann noch immer 232 Arten.
Ich habe dann in dem zweiten Schema
den Schmuck der 1 2 Vorderseiten der ersten
Reihe der XO-Seite und Pfeiler 7 — 122
auch der zweiten Reihe abgebildet. Da
kommt das selbe Ornament dreimal in der
zweiten Reihe vor 7. 9, II, im Falle 9
allerdings leicht variiert. Zieht man auch
das noch von der Zahl 2^2 ab. so bleiben
von 312 Ornamenten 212 Arten. Das ist na-
13- Bogen türlich nur sehr obenhin geschätzt, um einen Be-
griff von dem Reichtum an Motiven zu geben.
Man vergleiche dazu Riegl, Stilfragen S. 303.
Die ersten drei gleichen Paare von Or-
namenten im Hauptliwan sind reine Schnörkel-
14. Bogen Ornamente. Der erste wagrechte Schnörkel
mit der lotrechten Aufbäumung "gleicht der
Linie des ziehenden Schwanes4; das Motiv
Abb. 151: Kairo, Tulun-Moschee: Schnörkelbänder, der Fischblase dazwischen wird durch Be-
mmmMmk a ^
j|V( III. Reihe
II. Reihe
III. Reihe
II. Reihe
III. Reihe
©" H. Reihe
1 1
12. Bogen
1 Vgl. den Grundriß Amida S. 325.
Ich zähle die Reihen vom Hofe aus nach den Umfassungswänden /u und die Pfeiler von links nach
!'. - haner auf der Hofseite davorstehend gedacht. Vorn beißt also Hofseite, rückwärts die Seite
gsmauer /.u.
3 ■• hauer wieder im H<>fe stehend und von links nach rechts zählend gedacht
4 VgL meine „Bildende Kunst der Gegenwart-' S. S3 nach 1 ». Eckmann.
i. Die Türkvölker und der altaische Kreis.
179
gleitlinien und einen Kommaschlitz ergänzt und durch das Schlußzeichen, wie wir es noch
in unseren Schriftsätzen haben, übergeleitet in den nächsten Schwanenschnörkel. Faßte
der Zeichner die Ausbauchung der beiden Hauptmotive zusammen, so entstand ein fort-
laufendes Mäanderband, wie es I, 10 des
W-liwans zeigt. Kommaschlitze und Punk-
tierung der Innenflächen bringen passend
Gegensätze hervor.
Ein reines Schnörkelornament ist auch
das folgende Muster II, 4 des Hauptliwans.
Zwei lotrechte Schnörkel und zwei wagerechte
sind, durch zwei Paar Kommaschlitze erwei-
tert, so gruppiert, daß eine Gruppe die Kopf-
stel lung der andern ist. Ganz anders zusammen-
gestellt, kehren die vier Schnörkel und Bo-
gen wieder in dem folgenden II, 5 durch
das Lotosmotiv und in II, 7 durch (Vgl. Abb. 102
vom Kotschkarschatze) Kommaschlitze und
Punktierung ergänzt. Diese verwandten Mo-
tive kommen nur in Reihe II und hinterein-
ander vor, der Stuckator gibt also einen
Einfall gleich in drei ganz verschiedenen
Arten. Dagegen wendete der Stucka-
tor des NO-liwans das Motiv der Wellen-
linie, das ihm dort bei I, 7 einfiel, noch
zweimal, in II 10 und I 12 an, zweimal mit
reinen Schnörkeln, das dritte Mal II, 10 mit
der punktierten Fischblase gruppiert1. Ver-
einzelte Einfälle dieser Art sind die wie
A in M gestellten Schnörkel Hauptliwan III,
7 und die Zickzacklinie mit Schnörkeln und
Kommaschlitzen in II, 12 des Haupt- und
die Anordnung in I, 11 des NO-liwans.
Alle übrigen Ornamente sind zweifellos
ebenfalls Schnörkelgruppen, doch sind durch
Zusätze die umschlossenen Flächen zur Haupt-
sache gemacht, so daß wir überall statt der
zugrunde liegenden Schnörkelzüge Palmetten,
Lotos, Blütenkelche, Herzblätter, Sporen-
blüten u. dgl. sehen. Am häufigsten ist das
Einschneiden der Palmette in zwei herzblatt-
artig zusammengestellte Schnörkel. Wir hatten
dafür bis jetzt nur ein Beispiel in der Tür-
füllung Abb. 82 mit Rankenrand, wo der
Hauptliwan.
II. Reihe
15. Bogen
jsss&s^
III. Reihe
II. Reihe
16. Bogen
III. Reihe
Schema II:
I. Reihe 1.
Nordostliwan.
\Cr
I. Reihe 2. Bogen
8
sSP
I. Reihe
Bogen
I. Reihe 4. Bogen
I. Reihe 5. Bogen
I. Reihe 6. Bogen
^AS¥A}&Aj¥AJ^AS¥A,
^VA^Ostax^cs!^
IVJJMJJMIX
CT,
I. Reihe
IL Reihe
7. Bogen
-.*£.
I. Reihe
II. Reihe
8. Bogen
Abb. 152: Kairo, Tulun-Moschee :
Schnörkelbänder.
diagonale Schnörkelzug unten sich umsetzt in ein von ihm umschlossenes Dreiblatt. Auch in den
1) Vgl. damit den der mykenischen Zeit angehörenden Becher aus Megara bei Löschke. Arch. An-
zeiger 1891 S. 15 (Riegl, Stilfragen S. 121), wo dieselbe Form entstand durch die Absicht, die Einsenkung
zwischen Welle und Randstreifen zu füllen.
12
i8o
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
Stuckornamenten ist die Palmette, so oft sie umschlossen ist, dreiblätterig mit einer einzigen Aus-
nahme Hauptliwan III. 14. In meinen Beispielen findet man nur noch ein Beispiel einer Palmette
mit fünf Lappen im Hauptliwan III, 6; dort aber fehlt allein auch die Schnörkelumrahmung in
Form eines Herzblattes: wir sehen die Palmetten vielmehr um die Mittelrippe zweier durch drei
Bogen oben zu einem Blütenkelch umgebil-
Nordostliwan.
Reihe
Reihe
I. Reihe
Reihe
Reihe
Reihe
Reihe
II. Reihe
Bogen
Abb. 153: Kairo, Tulun-Moschee: Schnörkelbänder.
deten Vertikalschnörkel erscheinen. Diese
Form ist hier noch besonders durch Schraffie-
rung der Zwischenräume herausgehoben.
In der Masse von Ornamenten, die dieser
Reihe, sagen wir, der palmettisierten Schnör-
kel angehören, lassen sich je nach den Mo-
tiven, die miteinander verbunden sind, Grup-
pen bilden. Die reichste Art gibt Haupt-
10. Bogen liwan III, 4 und III, 1 1 : zugrunde liegen
drei Paar Vertikalschnörkel, von denen zwei
Paare herzartig verbunden, das dritte so
zu Seiten der mittleren auseinandergelegt
ist, daß sich oben durch das Einschneiden
dreier Bogen mit Kommaschlitzen das Lotos-,
unten durch vier Bogen das Blütenkelchmotiv
entwickelt. Der Nachdruck kommt auf die
eine Herzfigur durch das Einschneiden der
Palmette, die wieder mit Punkten und einem
Stiele mit dreieckiger Spitze gefüllt ist, wäh-
rend zur Füllung des Blütenkelches unten
lediglich die herzartie; zusammengestellten
Schnörkel dienen. Das Motiv kehrt wieder,
so oft die beschriebene Schnörkelstelluns; den
11. Bogen
12. Bogen
Ausgangspunkt des Schmuckes bildet, nur werden einzelne von den Füllmotiven variiert, sind also
nicht das Wesentliche an diesen Ornamenten. Hauptliwan III, 8 ist statt des Lotos oben ein
wagrechter Schnörkel mit zwei Punkten und einem Schlitz, III, 12 statt Palmette und Lotos ein
Doppelblatt mit Kreiseinschnitt gelegt, ähnlich wie an den kleinen Kapitellen der Fenster und
Pfeileröffnungen der Tulun. Hier sind auch durch je zwei Schnitte Blattlappen angedeutet und
der doppelte Rand durch Einschiebung eines Mittellappens selbständig umgebildet. III, 16
ist statt des Blütenkelches ein Dreiblatt verkehrt und punktiert eingeschnitten. Man be-
achte, daß alle diese Motive der dritten Reihe des Hauptliwans angehören und weder in
der zweiten, noch im NO-liwan vorkommen. Der Stuckator nützt also wieder den Einfall
einer bestimmten Schnörkelstellung aus. In der zweiten Reihe des Hauptliwans nähert
sich diesem Typus nur II, 15, wo jedoch die Füllmotive ganz abweichend sind und im
XO-liwan nur I, 1; doch ist dort in die Herzblattfigur keine Palmette eingeschnitten. Das
Lotosmotiv kommt, durch zwei Bogen gebildet, nicht zur Geltung und im Blütenkelch fehlt
ebenfalls die Füllung, so daß der Streifen leer wirkt.
Am häufigsten finden sich wie in der türkischen Kalligraphie und den Brettern S. 175 f.
die herzartig verbundenen Schnörkelpaare. Die Grundlage des Ornaments bildet ein Schnör-
kel in Gegenstellung und Wiederholung. Durch Einschneiden der Palmette in die Innenfläche
und des „Lotos" — eines ebenfalls geometrischen Motivs — in die Zwischenräume ent-
it ein uraltes orientalisches Motiv, das durch die Schnörkel zu neuem Leben erweckt
I. Die Türkvölker und der altaische Kreis. l8l
wird. Am reinsten angewendet finden wir das Motiv im Hauptliwan III, 9, 14, und im
NO-liwan II, 7, 9 und II. Typisch (außer III, 9) und eben nur durch die zugrundeliegenden
beiden Schnörkel erklärbar, ist das Ineinanderwachsen der beiden Formen, so daß der die
Palmette umschließende Schnörkel, der ihre untere Einrollung bildet, zugleich den Lotos-
umriß zieht. Dieser Umriß wird zu selbständiger Wirkung erhoben durch das Einschneiden
der drei Bogen am oberen Rande. Alles Übrige an dem Motive wechselt, je nachdem es dem
Stuckator gerade in die Hand kommt. Hauptliwan III, 9 und NO-liwan II, 9 ist die Wirkung
oben durch Kommaschlitze unterstützt, während das Motiv unten verbindende Bogen, die
in die Palmetten Rippen mit Dreieckspitzen entsenden, abrunden. III 14 stimmt genau
damit, nur ist die Palmette ausnahmsweise fünfblätterig. Am Hauptliwan kommt das Motiv
noch zweimal vor, doch mit größeren Abweichungen, die das Einschneiden des Lotosmotivs
am oberen Rande betreffen: III, 5 zeigt dort zwei durch kleine Schnörkel ergänzte Bogen,
III, 15 ebenso zwei Bogen, die ein kleiner Doppelschnörkel auffängt. Man wird also sagen
müssen, daß dem Stuckator durchaus nicht klar zu sein scheint, ein Pfianzenmotiv zu
bilden, sonst könnte er es nicht durch solche Einfälle" entstellen. Im NO-liwan II, 7 und
1 1 fehlen alle Zugaben bis auf den spitzen Schnitt der Palmettenlappen und die wieder
an die Türfüllung Abb. 82 erinnernde doppelstreifige Abbindung des Lotos, die auch II,
9 wiederkehrt, das sonst Hauptliwan III 9 entspricht.
Bei der Verbindung von Lotos und Palmette sind die Vertikalschnörkel so zusammen-
gestellt, daß sich ihre Einrollungen nach innen einander zuwenden. Zwei Vertikalschnörkel
können auch so verbunden sein, daß sich ihre Einrollungen nach außen und voneinander
abwenden. Das war schon Hauptliwan III, 12 der Fall, das wir bereits in einer Gruppe
besprochen haben, in der diese Art Schnörkelstellung getrennt neben der herzartigen
vorkommt. Es findet sich auch sehr reich ausgebildet Hauptliwan II, 11: oben sind, durch
Dreieckslinien getrennt, zwei Lotosmotive geschnitten, unten besteht die Füllung aus Schnörkel-
blasen mit Punkten und B ogenabschluß. Eine besondere Vorliebe für die hier zugrunde
liegende Schnörkelstellung hat der Stuckator der ersten Reihe des NO-liwans. I, 2 ergänzt
er diesen Schnörkelzug oben zum Blütenkelch, unten füllt er ihn mit Querschnörkeln und
Kommaschlitzen. I, 5 stellt er den Schnörkelzug mit der Spitze nach unten und füllt ihn
wieder mit dem Blütenkelchmotiv und auf der Gegenseite mit einem besonders eigenartigen
Schnörkel und dem Kommaschlitz. 1,9 stimmt damit bis auf die Füllung der Gegenseite:
wir sehen das Motiv der kleinen Kapitelle der Tulun (zwei Blätter mit dem Kreis unten)
eingeschnitten. Derselbe Stuckator liebt auch die einfach herzförmige Zusammenstellung
zweier kleinerer Schnörkel, die er oben und unten durch Bogen ergänzt. So NO-liwan I, 3,
wo die Bogen oben Rippen mit Dreieckspitze in die umgekehrten Herzformen entsenden,
während unten das Lotosmotiy eingeschnitten ist. In I, 6 begegnen wir einem eigenartigen
Einfalle: die oberen Bogen entsenden Lanzetten in die Herzformen sowohl, wie in die
lotosartigen Einschnitte unten. In I, 8 sind die weit auseinanderstehenden Herzformen
durch paarweise gruppierte Horizontalschnörkel verbunden. Auch I, 4 wird man hierher-
rechnen dürfen; die Herzschnörkel sind da verknüpft durch zwei auseinandergelegte Ver-
tikalschnörkel, in die oben wieder wie Hauptliwan III, 12 und NO-liwan I, 9 das Motiv
der kleinen Säulenkapitelle der Tulun, etwas variiert, unten Lotos eingeschnitten ist.
Es bleiben einige Muster, die vereinzelt vorkommen. So Hauptliwan II, 9, wo zwei
Vertikalschnörkel derart auseinandergesprengt sind, daß unten ein Herzschnörkelpaar mit
eingeschnittener Palmette Platz findet, während eine andere gestielte Palmette den Zwischen-
raum zwischen den Schnörkeln füllt und oben das Blütenkelchmotiv eingeschnitten ist. In
II, 10 sind dieselben Steilschnörkel paarweise parallel gestellt und in die Zwischenräume
I 32 ^ • D'e Kunst der Nomaden und Nordvolker
ein doppelter Lotos durch Herzschnörkel gefüllt geschnitten. III, 10 zeigt Vertikalschnörkel als
abgesetzte Wellenlinie gereiht, die Zwischenräume durch das Blütenkelchmotiv gefüllt. Weniger
glücklich sind XO-liwan II, 8 und 12 ausgefallen.
Der Stuckator der zweiten Reihe des Hauptliwans wendet zweimal auch Horizontalschnörkel
mit absonderlichen Motiven an, die freilich schwer unterzubringen waren. In II, 13 baucht er
den Schnörkel so aus, daß in der Höhlung das Profil einer Halbpalmette, durch Schraffierung
besonders hervorgehoben, Platz findet. Oben schneidet er das Lotosmotiv ein. Gleich daraui
II, 14 füllt er die Horizontalschnörkelfolge überhaupt nur mit dem Lotosmotiv und Schlitzen.
Überblicken wir die ganze scheinbar so bunte Reihe der Motive an den Stuckrändern
der Pfeileröffnungen der Tulun, so muß gesagt werden, daß, sobald erst einmal das zu-
grunde liegende Element der Schnörkelstellung erkannt ist, sich der ganze Reichtum auf
wenige Gruppen einschränkt. Führend sind jedenfalls diese Schnörkelzüge, nicht die uns
— deren Auge an der Antike und ihren Abkömmlingen gebildet ist — zuerst und aus-
schließlich fesselnden Innenflächen mit ihren „antiken" Formen von Palmette und Lotos.
Wenn wir auch hier wieder vergleichend zurückblicken, so ist unzweifelhaft, daß die Or-
namente an den Pfeileröffnungen sich durchaus an die der Holztüren anschließen. Auch
dort waren die Schnörkelzüge maßgebend, in der Mehrzahl sogar ausschließlich vor-
handen. In unseren Stuckornamenten zeigt sich die gleiche Neigung zu scheinbar anti-
kisierenden Füllmotiven, die Riegl, Stilfragen S. 303 f. im Anschluß an Prisse d'Avennes
(L'art arabe Taf. 44) verleiteten, überall vegetabilische Formen zu sehen. In dieser Rich-
tung ist von Bedeutung Hauptliwan II, 16, die Anwendung derselben Zweige, die wir in den
Zwickeln neben dem Spitzbogen des Grabsteins 32 l finden können, ebenso aber auch in
Chargird, Sängbäst und am Grabe des Mahmud von Ghasna (S> 125 f. Vgl. S. T 7 5 f . 1 . Xur
sind sie in der Tulun von Schnörkeln umfaßt und in die Form eines fortlaufenden Streifen-
oder Musters ohne Ende gebracht. Man überlege an dieser Stelle Riegls im Anschluß an
die Tulun-Ornamente (S. 306) aufgestellte These: „Die Saracenen haben eben konsequent und
entschieden fortgebildet, was sie im Keime und zum Teil schon im Aufsprossen von den an-
tiken Kulturvölkern übernommen haben: auch unter diesem Hinblick erscheint der Unterschied
zwischen spätantiker und saracenischer Ornamentik als ein gradueller, nicht als ein habitueller".
Die einzelnen Füllmotive sind fast alle schon von den Holztüren her bekannt, so die
herzblattartige Zusammenstellung von den Türfüllungen Abb. 82 f., besonders ausgeprägt auf den
Brettern in Abb. 143 f., Lotos und Blütenkelch in Abb. 145, die Kommaschlitze sehr häufig,
besonders in Abb. 84 und Abb. 85. Bemerkenswert ist, daß auch die an den Türfüllungen
Abb. 86 f. gebrauchte Form, die ich S. 91 die Sporenblüte genannt habe, in unseren
Stuckornamenten und zwar gereiht vorkommt Hauptliwan II, 6 und 8. wobei die Vertikal-
schnörkel so aufeinander folgen, daß der eine immer die Umkehr des andern bildet. Quer
durch das Ganze zieht sich ein Punktband, ähnlich dem, welches auf der Holztür Abb. 87 unten
den Schild abbindet2. Das Sporenblütenmotiv liegt auch Hauptliwan III. 13 zugrunde; doch
hat es statt der Abbindung nur einen Punkt. An, einzelnen Stellen des Bogens verschwinden
die vegetabilischen Einschnitte oben, und dann wird aus dem Ornament eine einfache
Schnörkelfolge, wie etwa XO-liwan I, 11.
Xach alldem muß man sagen, daß diese Reihen von Stuckomamenten parallel gehen
mit den Holzornamenten der Türen, die häufige Anwendung der Palmette sie der Gruppe
der Grabsteine nähert und sie vor allem mit den Brettern, die ich oben S. 1 75 wegen des
zentralen Herzmotivs der Schnörkel vorgeführt habe, zusammengehören. Xun erinnere man
1 Nr. 32 nach Der Islam II S. 321.
21 Vgl. da- gleiche Motiv an der Tür des Mahmud von Ghasna vgl S. 206 f. 1.
I. Die Türkvölker und der altaische Kreis.
183
sich, daß der Schöpfer der Moschee, an der sich die Stuckornamente finden, der Türke
Ahmed ibn Tulun (868 — 883) war. Es dürfte also auch von dieser Seite her berechtigt sein
anzunehmen, daß Türken zur Ausbreitung der Schnörkelornamentik beitrugen.
F. Der Nomadenweg. Wir gingen oben S. 155 f. aus von allerhand Belegen
dafür, daß die geometrische Ranke ein bei den Türkvölkern beliebtes Ornamentmotiv
war. Die Bretter aus Kairo lieferten für diese Art weitere Belege und die Stuckorna-
mente der Moschee des ibn Tulun gaben die Datierung dafür. Diese stellen sich weit
älter als die Belege aus dem Gebiete der Kalli-
graphie, wobei es eine nicht unwichtige Be-
stätigung meiner Herleitung der geometrischen
Ranke aus Hochasien ist, daß die Tuluniden
(868 — 905) die erste selbständige türkische Dy-
nastie im Bereiche des Islam waren. Die oben
gegebenen kalligraphischen Beispiele liefern
den Beleg für ein beachtenswertes Mittel
der Übertragung von Motiven aus Trans-
oxanien nach dem Westen : die Kalligraphie.
Sie mag den gleichen Weggegangen sein
wie das Papier, das zuerst seit 75 1 inSamarqand
erzeugt wurde, dann seit 794;' 5 in Baghdad,
später im Jemen und in Ägypten '. EineEtappe
der Übertragung der Formen des Ostens auf
Ägypten hat die ostpersische Expedition des
kunsthistorischen Institutes noch aufsuchen
können, den Karmatenstaat Bahrein im süd-
lichen Arabien am persischen Golf. Dr. Diez
fand bei Menama auf der Insel Bahrein die
Ruinen einer 1339/40 erbauten Moschee mit
eingebauten Säulen und Holzpfeilern eines
älteren Baues, „wohl aus der Zeit der Kar-
matenherrschaft" fügt Diez hinzu2. Abb. 1 54
zeigt einen der alten Holzpfeiler des Hofes.
Unter dem Sattelholze sieht man ein reiches Ornament und eine Inschrift in
blühendem Kufi, die die Glaubensformel aufweist und frühestens dem IV/V. Jh. d. H.
angehören kann. Der kunsthistorische Befund führt auf die Tuluniden- oder früheste
Fatimidenzeit, wenn ich von Ägypten aus urteile. Nun ist aber gerade dieses Gebiet
der Ausgangspunkt der persischen Bewegung, die über Syrien nach dem Maghrib
und von dort erst zurück nach Ägypten ging, der fatimidischen. „Eines der Ange-
binde, das den Fatimiden ihr nordarabisches Ursprungsland mitgegeben, war die Schrift"3,
eben jenes blühende Kufi das Abb. 154 zeigt, das auch karmatisch genannt wird. Schon
y4m
Abb. 154: Menama (Bahrein), Moschee :
Holzpfeiler.
1) Vgl. Monatshefte für Kunstwissenschaft VIII (191 5) S. 366, Karabacek, Das arabische Papier
S. 32 f., Jacob, Östliche Kulturelemente im Abendland S. 16 f., Hammer-Purgstall, ZDMG VIII (1854) S. 529 f.
2) Die Kunst der islamischen Völker S. 46.
3) M. Hartmann, OLZ XI (1906) Sp. 122.
184
IV. Die Kunst der Nomaden und Xordvölker.
Hartmann nahm, ohne die alten Holzreste von Bahrein zu kennen, an, daß diese
Schriftgattung von Transoxanien kommend, über Bahrein-Maghrib nach Ägypten ging.
Die Inschriften, die oben aus Sängbäst und Chargird gebracht wurden (Abb. 1 19 — 121)
und durch einzelne Merkmale, wie die Zweistreifigkeit der Ranke und einzelne Blatt-
formen als von Indien und Ghasna abhängig gekennzeichnet werden ', dürften viel-
leicht wertvolle Belege für diese Annahme sein. Im übrigen ist es natürlich nicht
meine Sache, in Fragen der Epigraphik mitzureden.
Den Kunsthistoriker interessiert in erster Linie das Ornament der alten Holz-
stütze von Bahrein. Ich will hier nicht von dem Sattelholze reden, das den Stamm-
baum verwandter Omajjadenformen in Spanien klarlegt2. Ich ziehe nur den Schräg-
schnitt, die geometrische Ranke mit dem Kreislappen und ihren Aufbau in Betracht
Die beiden Motive weisen das Denkmal durchaus der Gruppe zu, die in diesem
Werke im Vordergrunde des Interesses steht und deren Entwicklung ich aus Mittel-
asien herleite3. Der Aufbau aber ist der gleiche, wie wir ihn oben an den Stücken aus
Kairo (Abb. 87 f.) kennen lernten und in Samarra Abb. 92 f. und China Abb. 129 wieder-
fanden. Die Herzform unten, der Schild oben, dazwischen die Vollpalmette, alles ließ
sich annähernd gleich nachweisen. Das Bahreiner Material gehört offenbar ganz un-
mittelbar mit den vorgeführten Gruppen zusammen. Es verknüpft diese aber auch mit
den türkischen Anfangs- und End-, wie den entsprechenden Ornamenten zwischen den
Linien, und es ist wohl möglich, daß gerade Bahrein darin den Vermittler gemacht hat
— zunächst nach dem südlichen Arabien, woher ich das Ornament der Grabsteine von
Kairo leite. Diese Stelen, die oben Abb. 74 f. in einigen Beispielen vorführte, zeigen
gleich den Seidenstoffen (Abb. 72 u. y$) eine so ausgesprochene Vorliebe für die Pal-
mettenranke, daß ich, von umfassenden Arbeiten über koptische Kunst herkommend,
-ie auf enge Beziehungen zu Ostpersien zurückführen zu müssen glaubte, die über Arabien
den Weg nach Ägypten gefunden hätten. Über diese Annahme fällt nun Karabacek
eifernd her, mit welchem Rechte, das hat seine Bearbeitung von Kuseir Amra in
den Akademieschriften ebenso zur Genüge vorweggenommen wie seine übrigen „kunst-
historischen" Arbeiten. Am Schlüsse meiner Abhandlung hatte ich auch die Studie von
Martin Hartmann über die Grabsteine von Taschkend hereingezogen, von denen sich
einer sicher auf das Jahr 230 d. H. bezieht. Karabacek sagt nun, das sei zwar richtig,
aber der Stein sei ein Restitutionsdenkmal aus dem VI., VII. Jh. d. H. und habe mit
den Grabstelen von Kairo nicht das mindeste zu tun. Ich kann nicht die paläogra-
phischen Gründe nachprüfen, das mögen Fachleute auf diesem Gebiete tun, die sich
in Zentralasien umgesehen haben. Hier sei nur mit einigen Worten auf das Ornament
dieses aus Samarqand nach Taschkend gewanderten4 Grabsteines zurückgekommen
iAbb. 155). Des Nachweises der Übereinstimmung mit den Kairiner Grabsteinen
hat mich ein in Dingen, die sich gegen mich richten, gewiß unanfechtbarer Zeuge,
Herzfeld, enthoben, der gegen Karabacek sehr entschieden die Übereinstimmung be-
i) Vgl. oben S. 73 und 125 f. .
VgL Udhe, Baudenkmäler in Spanien und Portugal I, S 24.
3) Vgl. bes. die ebenfalls der Kommaschlitze und kleinen Kreise entbehrenden Türdecken der Tulun
„Der Islam" IV Tafel I.
4 Orientalistische Literatur-Zeitung IX (1906) S. 233 t.
i. Die Türkvölker und der altaische Kreis.
185
tont1: Bei dem Stein in Taschkend fehle wie beim Kairiner Typus die Randlinie am
unteren Ende, bei beiden sei die Krönung
durch ein Ornament, bestehend aus zwei
Halbpalmetten und einer Vollpalmette da-
zwischen gebildet, und beide zeigten die
oberen Ecken geschmückt mit zwei nach innen
gekehrten Halbpalmetten. Ich fahre fort: der
Taschkender Stein gibt die rein türkische, der
Kairiner Typus die persische Abart. Für den
Nachweis der türkischen Parallelen des Samar-
qander Grabsteines von 230 liefert Abb. 156
schöne Parallelen, die ich nach den Wiener
Sitzungsberichten dankend vorführe. Man
sieht, wie zäh sich die türkische Art durch
Jahrhunderte erhalten hat. Es ist die geome-
trische Ranke in ganz typischen Beispielen.
Sie erscheint hier schon und ebenso auf dem
Grabstein von 608 d. H. (Abb. 143) in einer
Weise gekrönt, die den Zusammenhang mit
dem Motive der Griffe der in diesem Bande
vorgeführten Goldschalen deutlich erkennen
läßt. Am einfachsten erscheint dieses zwie-
belförmige Motiv an den Goldschalen des al-
banischen Schatzes Taf. III und Abb. 8 u. 9;
durch einen oder mehrere Bogen erweitert dann
häufig bei Smirnov, Östliches Silber, so auch
auf unserer Schale vom Kotschkar Abb. loo
und den Schalen des Schatzes vonNagy-Szent-
Miklos (Hampel, Der Schatzfund S. 29, Alter-
tümer III, Taf. 303 und 318).
P'ür das Motiv auf den Kairiner Grab-
steinen habe ich bereits „Der Islam" II S. 333
auf unser Zierstück Nr. 17 (oben S. 29 f.) hin-
gewiesen, eine Übereinstimmung, die Kara-
bacek verschwiegen hat 2. Auf seine dafür ein-
geführte Tabula ansata-Gleichung komme ich
unten S. 219 noch zurück. Indem gezeigt wurde,
daß die bezeichnende Krönung der Grabstelen
ebenso und zwar ohne jeden Zusammenhang
mit der Schrift in den ungarischen Bronzen
der Keszthelygruppe vorkommt, wie auf dem
Riemenende aus Albanien, wurde schon auf ein östliches Gebiet als Ausgangspunkt der
Abb. 155: Taschkend, Museum: Grabstein
vom J. 230 d. H.
1) Der Islam VI (1915) S. 197.
2) Vgl. über seine Art Sarre „Der Islam" II (191 1) S. 196 f.
iS6
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
Krönungs-Ornament der Stele von 230 d. H.
5S5-597 d. H. (=
597 — 600 d. H. =
II 92 — 1200 n. Chr.).
1200 — 1203 n. Chr.).
<^~fy-^y_) 643—655 d. H. (= 1245— 1257 n
Abb
616 — 634 d. H. (=1219 — 1236 n. Chr..
Chr.).
694 — 703 d. H. (= 1295 — 1304 n. Chr. .
156: Anfangs-, End- und Zwischenlinien-Ornamente aus
der Seldschuken- und Uchanidenzeit.
ganzen Art geschlossen. Die Verbreitung der dabei als Leitmotiv in Betracht
kommenden geometrischen Ranke wies in die gleiche Richtung. Schon S. 88 wurde
dann auf den südlichen Nomadenweg als Mittler hingewiesen. Ein solcher Xomaden-
weg, jener der wandernden Völker war es auch im Norden, der die gleiche Orna-
mentik bis nach Ungarn und Al-
banien gefuhrt hat. Die Welle
mit dem Kreislappen, wie sie die
Bronzen vomjenissei ebenso wie
die Zeltstofle und Teppiche in
den Gemälden des Turfan und
die mit türkischen Aufschriften
versehenen Goldschalen aus Xa-
gy-Szent-Miklos zeigen, bildete
inHochasien den Ausgangspunkt
der ganzen Art. Diese Ornamen-
tik hat in ihrem Ursprung nichts
zu tun mit der Palmette. Be-
zeichnend ist, wie unbeholfen
die Vollpalmette behandelt wird,
wenn diese überhaupt einmal vor-
kommt (S. 34). Es handelt sich
eben in dieser ganzen, auf der geo-
metrischen Ranke aufgebauten Ornamentik nicht um ein Spaltprodukt der Palmette,
sondern um Weiterbildungen des Grundmotivs des Kreislappens, der von der Metall-
technik des Altai ausgegangen zu sein scheint. Die einzig dastehende folgerichtig
entwickelte Typenreihe der Gehänge auf den Kairiner Grabsteinen Abb. 75 f. gibt
den deutlichen Eindruck der Frische, mit der das vom Osten, wie es scheint durch
Kalligraphen ebenso wie durch persische Holz- und Stuckhandwerker nach Ägypten
gebrachte Grundmotiv dort in der Frühzeit des Islams weiter ausgebildet wurde. Die
Ornamente der späteren türkischen Kalligraphen bezeugen wie die Grabsteine, daß
diese Art gerade in ihrem Kreise seinen eigentlichen Kernboden gehabt haben muß.
Besonderer Beachtung bedarf in den S. 175 vorgeführten kalligraphischen Schnör-
keln das für die Rankenansätze als Träger auftretende herzförmige Bandgefiecht nach der
Seite, daß es auch für sich allein zu einem Bande ohne Ende erweitert vorkommt. Be-
zeichnende Beispiele dafür hat H. Stöcklein zusammengestellt l. Auch er weist nach, daß
wir es mit einem im Rahmen des Islam spezifisch türkischen Ornamente zu tun haben,
das seinen Ursprung auf das buddhistische Glückszeichen des langen Lebens Tschang
zurückleite und nicht vor dem Mono-olensturm vorkomme oder nur selten und dann als
o
zufallige Variation von Flechtornamenten. Die kalligraphischen Zeichen gehören dem
XIII. Jh. an, würden also diesen Ansatz ungefähr bestätigen, wenn nicht die Stele
von 230 d. H. doch dieser Datierung angehört und die Tulunidenornamente nicht deut-
lich zeigten, um wie viel früher die Entwicklung dieser Ornamentik einsetzt. /
einem Aufsatze über orientalische Waffen im Münchner Jahrbuch der bild. Kunst 1914 5 S. 1 19 f.
2. Die Saken und der arische Kreis. 187
In der Überschrift dieses Abschnittes erscheinen die Türken genannt auf dem
Hintergrunde ihrer Rasse. Was von ihrer Art, durch Perser und Armenier vermittelt,
nach Byzanz vordrang, im Islam herrschend und eine Zeit lang auch bei Germanen
nnd Slaven wirksam war, das ist qualitativ eine Kunstrichtung, die, scheint es, nicht nur
ihnen, sondern der altaischen Rasse und Ostasien überhaupt eigen ist: eine Kunst, die
sich auslebt in Linien- und Farbwerten; die Schaffung eigener Raumwerte in Licht und
Schatten liegt ihr fern. Die farbig auf den Flächen des Schrägschnittes spielenden
Glanzlichter der ältesten Bronze- und Goldsachen Abb. 103 f. und 131 geben den stärksten
Eindruck dieses Stiles. Die altchinesische Kunst scheint einst ein lebendiges Glied
dieser Entwicklung gewesen zu sein. Sie hat auch in der Zeit, in der sie in ihre auf
Darstellung losgehende Blüteperiode im ersten Jahrtausend nach Christus eintrat,
daran festgehalten und die nunmehr unvermeidlichen räumlichen Wirkungen durch
die Linie, nicht wie im Abendlande durch Flächenmodelierung in Licht und Schatten
zu erreichen gewußt l. So blieb der ausgesprochene Gegensatz zwischen der Mittel-
meerkunst, deren Grundsätze auf Europa übergingen, und der Kunst der Nomaden,
die sich in Ostasien zu hoher Blüte entwickelte, bis auf das XIX. Jh. bestehen.
Zwischen der antiken und dieser asiatischen Kunst, die in spätrömischer Zeit auf
den Hellenismus zu wirken beginnt, liegt also nicht nur ein Gegensatz sozialer Art
oder der des primitiven Anfanges zum raffinierten Ende einer Entwicklung vor, sondern
es scheint dabei doch auch der Gegensatz der Rasse eine Rolle zu spielen. Die
Skythen, Perser und der Islam waren es, die zwischen Ost und West vermittelten.
2. Die Saken und der arische Kreis.
Wir sind, vom albanischen Schatzfunde ausgehend, dem Motiv der geometrischen
Ranke und dem Kreislappen im Schrägschnitt gefolgt und haben dabei engere Fühlung
mit der Nomadenkunst des asiatischen Nordens als Ausgangspunkt gewonnen. Diesem
Strome nun, der vom südlichen Sibirien über Transoxanien, Iran, um die Salzwüste
nach Arabien und Ägypten geht, scheint ein anderer gegenüberzustehen, der ihn
kreuzt und in historischer Zeit die Richtung von Iran und dem Kaukasus nach dem
Schwarzen Meere und Nordeuropa nimmt. Es ist die Frage, ob wir darin nicht neben
jener türkischen Bewegung eine andere arische vor uns haben. Was ich als Kunst-
historiker wahrzunehmen glaube, das läßt sich, wie ich nachträglich sehe, in Einklang
bringen mit den politisch-historischen und kulturgeschichtlichen Überzeugungen Georg
Hüsings2. Ich möchte daher einleitend etwa folgendes über die historisch-ethnischen
Voraussetzungen der Ornamentwanderung, die ich hier vorführen will, sagen.
In der für uns zunächst entscheidenden Gegend zwischen dem Schwarzen und Kas-
pischen Meere, dem Pamir und Indien sitzen am Beginne der historischen Zeit im We-
sentlichen Völker des kaukasischen Sprachstammes ?. Sie werden seit 1700 etwa durch
1) Vgl. Wachsberger, Stilkritische Studien zur Wandmalerei Chinesisch Turkestans S. 14/5.
2) Vgl. dessen Arbeiten „Die iranische Überlieferung und das arische System" 1916, vor allem aber
„Völkerschichten in Iran" Mitteilungen der anthropol. Gesellschaft in Wien XXXXVI (iqiö). Dazu Franke
in der oben S. 146 angegebenen Schrift.
3) Kaukasisch im Sinne Rudolfs von Erckert, Die Sprachen des kaukasischen Stammes 1895 — nicht
im Sinne Blumenbachs.
lJ§ IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
die über den Kaukasus kommenden Inder verdrängt, die ihrerseits dann, um looo ge-
schoben von den nachwandernden Iraniern, gegen Indien weiterziehen. Diese Inder
bzw. Iranier werden im weiteren Verlauf ihrer Wanderungen getrennt durch einen
dritten Arierstamm, die Saken, die — abgesehen von dem uns hier nicht berührenden
Einfalle der Skutschen unter Partatua um 680 — nicht über den Kaukasus, sondern um
den Norden des Kaspischen Meeres herumwandernd, von Turkestan nach Awghanistan
vorstoßen. So schiebt sich ein neuer arischer Keil zwischen die Semiten und Türken.
Die Saken sitzen den Türken, die Iranier den Semiten und dem Mittelmeere zunächst.
Die Kunsthistoriker haben daher eine falsche, von den klassischen Philologen über-
nommene Meinung (Vgl. Herzfeld, Iran. Felsreliefs), wenn sie glauben, der Süden und
die persische Dynastie derSasaniden bedeute das eigentlich ausschlaggebende, iranische
Element in der Kunst des Orients, während der Norden und die sakische Dynastie
der Parther ganz im Hellenismus aufgegangen sei. Das baktrische Reich der Dia-
dochen war eine kurze Erobererepisode, während die Nähe der Mittelmeerkunst in
Mesopotamien und der angrenzenden Persis eher dauernd wirksam blieb. Für die
Parther und die indosakischen Fürsten geben darüber die Münzen zur Genüge Aus-
kunft. Der griechische Künstler wird schon unter Mithridates II (123 — 88 v. Chr.) zu-
rückgedrängt durch den einheimischen ' und in Indien läßt sich das Vorwiegen des
Neuen neben dem Griechischen von dem Augenblick an feststellen, in dem an Stelle
der griechischen die Kuschan- und Guptadynastie treten 2.
Die früheste Blüte der arischen Kunst auf iranischem Boden entwickelte sich frei-
lich einst in der Persis unter der einheimischen Dynastie der Achamaniden. Wir Kunst-
historiker sind daher geneigt, den Begriff „persisch", wie er später überdies für ein
politisch vereinigtes Gebiet gemünzt wurde, ohne Trennung von Iraniern und Saken zu
verwenden. In Wirklichkeit ist das südwestliche Gebiet (Persien) und das nordöstliche
(Chorasan) besser getrennt zu behandeln. Wie bereits Schneiderwirth „Die Parther"
1874 gezeigt hat, sind die eigentlichen Träger des Partherreiches sakische Stämme,
an ihrer Spitze die Parner und Daher. Diese saßen in Transoxanien und Turkestan
bis nach jenem Gouvernement Semiretschensk hin, aus dem der Kotschkarschatz
stammt. Wir werden uns daher nicht wundern, wenn in diesem Schatze neben dem
türkischen Element, von dem S. 105 f. die Rede war, das Arische überwiegt. Davon
wird im vorliegenden Abschnitte die Rede sein.
Es hat bisher niemand danach gefragt, was die Arier aus ihrer europäischen
Heimat künstlerisch mitbrachten oder dorthin zurückleiteten. Wenn es sich als
richtig bewahrheitet, daß die östlichen Zeltnomaden die geometrische Ranke mit dem
Kreislappen bevorzugen, sollte sich dann nicht auch für die westlichen Hausnomaden
eine besondere Neigung auf dem Gebiete des Ornamentes nachweisen lassen, d. h.
läßt sich bei den Iraniern und Saken nichts aufzeigen, das sie mit den stammver-
wandten Germanen teilen? Was die arischen Stämme der Griechen und Inder ge-
schaffen haben, ist in aller Munde, wenn auch die arischen Keime noch kaum von
dem Boden, den sie vorfanden, getrennt sind. Die Kunsthistoriker werden diese
Probleme schärfer anfassen müssen, wollen sie nicht länger im Schlepptau hinter andern
1 Wroth, Catalogue of the coins of Parthia Taf. VII f.
.ith, Catalogue of the coins in ihe Indian Museum Cakutta S. 35 f.
2. Die Saken und der arische Kreis. I89
Wissenschaften zurückbleiben. In Hellas ist die Loslösung gegenüber dem „Semiti-
schen" leichter, in Indien dagegen wurde noch kaum der Versuch gemacht, in der
bildenden Kunst zwischen Einheimischem und Arischem zu trennen. Doch bedürfte
es dazu nur der nötigen Arbeitskräfte — die freilich z. B. in Wien, trotz der guten
Photogramme, die wir Victor Goloubev verdanken, und der Nähe Berlins kaum auf-
zuziehen sind — , um auch hierin mit einiger Aussicht auf Erfolg eingreifen zu können-
Griechen und Inder scheinen in den Formen, wenn auch nicht im Inhalte zunächst
stärker als die Arier Irans und die Germanen in dem aufgegangen zu sein, was sie
in den eroberten Kulturgebieten vorfanden. Es ist leicht möglich, daß das Element,
das wir als ein spezifisch arisches bei Iraniern und Germanen nachweisen können,
den Indern und Griechen ganz oder wenigstens als herrschendes Motiv verloren ge-
gangen wäre und nur vereinzelt noch durchschlüge. Ich muß an dieses Problem
rühren, wenn mir auch vollkommen klar ist, daß meine gärenden Gedanken vielleicht
bald nach der Aussprache entweder durch mich selbst oder andere erst in das richti-
gere Fahrwasser gelangen könnten. Ich gedenke dabei einer Äußerung Radioffs anläßlich
der türkischen Texte, die von Berlin aus hoffentlich so rasch wie möglich veröffent-
licht würden, damit auch andere sich an ihrer Ausbeutung für die Wissenschaft be-
teiligen könnten: denn der erste Herausgeber bleibt, nach der mühevollen, lang-
wierigen Entzifferung immer an gewissen falschen Auffassungen hängen, die einem
frischeren Kopfe sofort in die Augen fallen l. Nun sind die Denkmäler der bildenden
Kunst nicht weniger schwer zu enträtselnde Monumente bzw. Dokumente2 als die
der Schrift. Ich möchte, daß die Kollegen wenigstens an den Hochschulen anfingen,
den Salonrock auszuziehen und im Arbeitskittel an diese des Faches harrenden
würdigen Probleme heranträten. Die Zeit wäre jetzt danach! Der Einzelne kommt
zu mühselig vorwärts, nur der erfrischende Wetteifer kann zu einem Durchbrechen
der alten Schranken führen. Mit der angeblichen Lösung des Problems der Sprache
der Hettiter, wie sie gewisse Berliner Kreise jetzt ausrufen, leider ohne vorher das nötige
Keilschriftmaterial vorgelegt zu haben — wenn unsereiner das täte! — wird die Frage
nach den Wanderungen der arischen Völker ohnedies neuerdings lebhaft in Gang
kommen. Die Kunstforschung könnte anfangen, dabei mitzureden; freilich nachdem
erst einmal systematisch aus der „Kunstgeschichte" eine Fachwissenschaft gemacht
wäre. Davon im Schlußabschnitte.
Uns Deutsche muß die Frage besonders beschäftigen, ob unsere arischen Vorfahren
jenseits des Schwarzen Meeres und des Kaukasus, die früh zu einer Großmacht empor-
gestiegenen „Perser", trotzdem sie den alten Kulturen des Zweiströmelandes bedenk-
lich nahe gekommen sind, doch etwas von ihrer ererbten arischen Art im Gebiete
der bildenden Kunst hindurchgerettet haben. Ich glaube zwei Dingen auf der Spur
zu sein, die bisher nicht zu erkennen waren, weil wir uns um die Frage nach arischen
Grundelementen der bildenden Kunst, seit unser Fach in die historisch-philologisch
spezialistische Zersplitterung eingetreten ist, überhaupt nicht gekümmert haben —
soweit nicht die Prähistoriker sich damit abgaben — • und zweitens, weil wir uns zu
sehr von dem arischen Edelvolk der Griechen einnehmen ließen, das m. E. ein gut Teil
1) Izvjestija der kais. Akademie der Wiss. in Petersburg 1912 S. 747.
2) Vgl. Vossler, Frankreichs Kultur im Spiegel seiner Sprachentwicklung S. 1.
,qq IV. Die Kunst der Nomaden und Xordvölker.
meiner Genialität in der bildenden Kunst derart an die Überwindung des Semitischen setzen
mußte, daß sein Eigenbesitz dabei gestaltlich so gut wie verloren ging. Sie wurden
wie die Ägypter in der Baukunst Durchbildner der Masse und konnten den ihnen
angeborenen Raumsinn nur durch feine Gegensätze im einzelnen zur Geltung bringen.
Als einen solchen Vorstoß des Arischen im Rahmen des am Mittelmeer Übernom-
menen betrachte ich die Kühnheit der Griechen, der „semitischen" mit Reliefs überzoge-
nen Wand die leere Cellamauer, künstlerisch gehoben durch den Kontrast der kan-
nelierten Säule, gegenüberzustellen1. Und nicht viel anders war es in der Plastik.
Von den Semiten war nun einmal der Naturalismus zugleich mit der Darstellung des
menschlichen Leibes übernommen 2. Aber die Griechen ließen sehr balddieBeschränkung;
des raumlichen Sehens durch Hervorhebung der gestaltlich charakteristischen Ansichten
fallen und stellten die Gestalt in den Dienst des räumlichen Formsehens3. Überall
also läutert sich bei ihnen das übernommene semitische Gut der Kulturtreibhäuser am
Nil und im Zweiströmeland im Sinne der räumlichen Klärung der Form. Wir möchten
die griechische Kunst nicht anders als sie ist; aber es läßt sich auch statt bei der
Masse in der Baukunst bei Raumformen und statt bei der naturalistisch erfaßten
Menschengestalt in der Plastik mit formalen Zeichen beginnen.
Ein drittes, das die Entwicklung einer spezifisch auf das Arisch-Germanische
gerichteten Forschungsrichtung verhindert hat, war, daß sowohl die Germanen, wie
besonders die Deutschen in neuerer Zeit künstlerisch völlig im Griechisch-Römischen
und der italienischen Renaissance aufgingen, damit aber jeden Spürsinn für die an-
geborene Eigenart so gut wie vollständig verloren. Dieser schreiende Fall des Sich-
Selbst-Verlierens ist noch viel tiefer greifend, als der eben besprochene der Griechen,
weil sich bei diesen doch wenigstens der Eigenwert der Rasse ankämpfend gegen das
Übernommene durchsetzte. Die Germanen, mit der sog. Gotik auf dem besten Wege
zur rassigen Eigenart — es fehlte u. a. der Übergang zur Kuppel im Rahmen der
selbst geschaffenen Raumform — beraubten sich, indem sie das Joch der italienischen
Renaissance auf ihren Rücken nahmen, des eigenen schwer errungenen Bodens einer
Entwicklung und pumpen nun seit Jahrhunderten bis auf den heutigen Tag durch
Kirche, Schule, Wissenschaft und Kunst, was sie nur von Antikem und Italienischem
auftreiben können, von Jugend auf durch alle Poren des Volkskörpers. Ich gehe an
anderer Stelle darauf näher ein4.
In diesem Buche möchte ich eindringlich hinweisen auf die einzigen Indogermanen
des Ostens, die in der Kunst halbwegs ihre arische Eigenart gewahrt oder durch günstige
Bodenverhältnisse gedrängt entwickelt haben, die Saken bezw. Parther. Wenn das bisher
kaum geahnt werden konnte, so liegt es nur daran, daß wir die alte parthische Volks-
kunst bisher nicht kannten 5 und uns erst auf dem Umwege über ein Inundationsgebiet des
i. Vgl. Amida S. 156.
2) Vgl. dazu auch Löwy, Typenwanderung. Jahreshefte des k. k. öster. archäol. Instituts XII (1909)
S. 301t, XIV (191 ij S. 34.
3 VgL Löwy „Die Xaturuiedergabe in der älteren griechischen Kunst" 1909 und „Lysipp und seine
sag in der griech. Plastik".
4 Vgl. meinen Aufsatz,,] >ie deutsche bildende Kunst und Italien". Das neue Deutschland III > 1915^.414.
Man lese nur. wie Riegl, Stilfrag S, 109 f. mit dem persischen Problem umspringt, das er
in der Spätrömiscben Kunstindustrie nicht mehr kennt bezw. geflissentlich übergeht.
2. Die Saken und der arische Kreis.
191
Parthischen, über Armenien, die Augen aufgehen. Ich habe diesen Punkt schon oben be-
rührt und bitte, einen Aufsatz in der Zeitschrift für Architekturgeschichte VII (I916) S. 5 1 ff.
nachzulesen — vorläufig; ich hoffe bald mein Werk über die altchristliche Architektur
Armeniens und das von Diez über die islamische Kunst Chorasans vorlegen zu können,
worin die Dinge mit möglichster Deutlichkeit und Breite behandelt werden sollen.
A. Der Raum als Wirkungsmittel. Arisch ist es, den Raum zum Träger
der künstlerischen Wirkung zu machen, das Ausdrucksbedürfnis letztlich im Räume
und seinen Wirkungsformen zu befriedigen. Um dieses Empfinden haben uns z. T. die
hinter den Griechen stehenden Semiten und die hinter den Italienern stehenden
antiken Säulenordnungen gebracht. Zwar haben Leonardo-Bramante erkannt, worauf
es ankam, aber die Bedeutung der Kuppel, die sie zum Träger ihrer Raumideen
machten, blieb doch unverstanden und beeinträchtigt durch die Proportionen der
antiken Säule und durch die Forderungen der Kirche nach der Längsrichtung1.
Auch machten sich Ansätze schon in der hellenistischen Kunst geltend — die •
große Wirkung des Pantheons ist u. a. ein Wahrzeichen dafür — und brachen auch
in Aquitanien später durch, aber die Verballhornung des struktiven Charakters im
Typus der altchristlichen „Basilika" hat der christlichen Baukunst des Nordens doch
immer den falschen Weg gewiesen, ob sie nun holzgedeckt von der künstlerischen
Höhe der Konstantinsbasilika in einen unerhörten Abgrund sank, oder später sich
mit Hülfe der Tonne und des Kreuzgewölbes wieder heraufarbeitete.
Der eigentliche Raumbau, die Kuppel, ist von den sakischen Ländern aus direkt
und in christlicher Zeit über Armenien auf die Kunstkreise des Mittel- und Schwarzen
Meeres übergegangen. Ob nun die Saken selbst den Kuppelbau schon bei ihrem Vor-
dringen aus dem Norden mitbrachten2 und ihn in den neuen Wohnsitzen gezwungen
durch die Verhältnisse des Bodens nur umbildeten oder ihn von ihren Vorgängern
annahmen, das ist hier nicht die Frage. Das Entscheidende ist vielmehr, daß sie
die über dem Quadrat mittelst Trompen gewölbte Raumzelle3 in die Großarchitektur
einführten und im volkstümlichen Hausbau bis zu einer südlich des Kaspischen Meeres
zwischen Iran und Mesopotamien schwankenden Grenze festgehalten haben. Grund
der Um- oder Neubildung dieser Raumschöpfung war negativ der Holzmangel und
positiv der ungebrannte Ziegel4. Ich sollte auf die Frage dieser sakischen Raumform
näher eingehen, weil sie heute schon klarer liegt als die Rolle der Arier im Gebiete des
Ornaments, wir daher vielleicht methodisch Handhaben für die Behandlung der Aufgabe
gewinnen könnten, die uns im vorliegenden Bande in erster Linie beschäftigt. Da
aber die Herausgabe des armenischen Expeditionswerkes nahe bevorsteht und ich
überdies in einigen Aufsätzen bereits auf die Ergebnisse vorbereitet habe5, so sei
1) Vgl. meine Besprechung von Frankl, Die Entwicklungsphasen der neueren Baukunst in der Theo-
logischen Literaturzeitung XL1 (1916) Sp. 61 f. und „Die bildende Kunst des Ostens" S. 47 f.
2) Vgl. die ukrainischen Kuppelbauten in Holz bei Pawluzky, Drewnosti Ukrainy I (Kiew 1905),
meine „Bildende Kunst des Ostens" S. 41 f., 46 und verwandte indische Konstruktionen.
3) Vgl. Zeitschrift f. Architekturgesch. VII (1916) S. 55 f. „Die Entstehung der Kreuzkuppelkirche" und
Amida S. 177 t'. 4) Vgl. Zeitschrift f. Architekturgesch. III S. 1 f. (1915).
5) Vgl. außer den zuletzt zitierten Schriften noch „Die sasanidische Kirche und ihre Ausstattung", Monats-
hefte f. Kunstwiss. VIII (1915) S. 349t'. „Der Ursprung des trikonchen Kirchenbaues" Zeitschrift f. christl.
Kunst XXVIII (1916) S. 181 f. und meine oben Anm. 1 genannte Besprechung von Frankl.
192
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
hier auf ein näheres Eingehen verzichtet — ebenso wie auf mehr als die Andeutung
jener offenbar germanischen Kraft, aus Licht und Luft im Bilde die zartesten Gefühls-
regungen zur Wirkung zu bringen — , vielmehr unmittelbar die Frage nach der Rolle
der Arier in der Geschichte der Zierkunst aufgeworfen.
Der Ansatz zur Behandlung dieser schwierigen Frage ist für den Kunsthistoriker
vielleicht besser in Italien gegeben, wo es ganz augenfällig ist, das die einwandernden
Goten und Langobarden ein eigenes Ornament mitbringen, daß sich bald sehr ent-
schieden gegen die Antike durchsetzt1. Im vorliegenden Buche aber bleibe ich bei
Altai — Iran, bezw. dem Kreuzungspunkte des Altaischen und Arischen. Da
gehen die Kunstströme in der Zeit, die uns beschäftigt, in der zweiten Hälfte des
ersten Jahrtausends bereits wirr durcheinander. Man wird daher den Versuch, nach-
dem das Altaische greifbar gemacht worden ist, nun auch gerade von dieser Stelle
aus dem Arischen beikommen zu wollen nur verstehen, wenn man mit der Fülle des
Materials rechnet, die gerade auf diese Stelle zu weisen
scheint, und damit, daß von hier aus ein ausge-
dehnter Handelsverkehr nach Indien, Persien und dem
Mittelmeer sowohl, wie nach Ungarn, Rußland und
Skandinavien stattfand. Davon gleich mehr. Einleiten
möchte ich diesen Abschnitt mit einem Stücke,
an dem die Kreuzung- der Kunstströme besonders
Abb. 157: Anarcs (Ungarn): Silberscheibe.
augenfällig ist, der Silberscheibe von Anarcs in
durchbrochener Arbeit (Abb. 157), die Hampel,
Altertümer I S. 701 besprochen und II S. 622 f.
beschrieben hat.
An dem Stücke muß zweierlei außer der Durch-
brucharbeit beschäftigen. Fürs erste die Isolierung
jenes geometrischen Palmettengebildes, das wir bereits
oben S. 102 f. auf ungarischen Taschenblechen kennen gelernt haben. Dort war daraus in
Xomadenart ein Muster ohne Ende gebildet. Hier ist ein Einzelmotiv, der „Lebensbaum"
daraus geworden. Weitere Beispiele dieser Art findet man nebeneinander in denStucka-
turen der Wände von Samarra (Herzfeld, Erster vorl. Bericht Tafel VI) und des Deir
es-Surjani, wie ich sie Tafel 80 der Monatshefte für Kunstwissenschaft VIII (1915) und
unten S. 2lof. vereinigte. Es ist kaum anzunehmen, daß sich in dieser Isolierung des
Motivs arisches Empfinden unabhängig von der alten bezw. Mittelmeerkunst regt. Doch
will ich darauf kein Gewicht legen, weil der Fall vorläufig vereinzelt stünde. Man lese
Monatshefte S. ßöof. die auf diese Kunstbewegung bezüglichen Bemerkungen nach.
Wir sehen den Palmettenbaum, der schon auf dem Seidenstoffe Abb. 73 begegnete. Es
fragt sich, ob diese Analogie zufällig ist und die Flächenfüllung auf Grund der geo-
metrischen Ranke nicht in den Webereien aus Ägypten wie in den Metallarbeiten aus
Ungarn auf den gleichen Kunstkreis zurückgeht. Man sieht Abb. 157 wie dort den
Palmettenbaum, jedoch rein geometrisch ohne jeden pflanzlichen Anstrich verwendet.
Schwer und ungelöst setzen Stamm und Aste wie Stäbe aneinander, halbrund ab-
schließend und durch Mittellinien geteilt. Mit derartigen Abbindungen hatte ich schon
J. mein „Die bildende Kunst des Ostens" S. 14 f.
2. Die Sakcn und der arische Kreis.
193
fjel eigentlich der kleinarmenischen Miniaturmalerei zu tun. Ich nannte das Motiv dort
O ö
„Nabe". Es ist vielleicht gleichbedeutend mit dem, was Riegl als „Heftel" bezeichnet1.
Hier geht uns mehr das zweite Motiv auf der Scheibe von Anarcs, der
gespaltene Stamm und seine Verästelung an. Auch das dürfte neben der Wucherung
der Palmette ein iranisches Motiv sein. Ich gebe in Abb. 1 58 ein weiteres der
ägyptischen Bretter, die ich oben S. 88 f. und 175 f. vorgeführt habe. Es handelt sich um
ein Exemplar von Türfüllungen, gefunden im Gräber-
viertel Imam Schafi'i, einst in den Magazinen des ara-
bischen Museums. Erhalten sind vier ganz gleich breite
Stücke, alle an einem Ende abgebrochen, am andern
aber mit den Falzen, die zur Einfügung in den Tür-
rahmen dienten. Man sieht auf ihnen den Rest eines
Ornamentfeldes, und je ein vollständig erhaltenes,
17x30 cm großes Feld, dessen Ornamentik nur bei zwei
Stücken völlig übereinstimmend ist. Unten liegt quer
ein Schnörkel, der durch zwei wagrechte Einschnitte
rechts das Ansehen einer Blüte gewinnt, die unten einen
Sporn hat (Sporenblüte). Darüber sieht man einen
S-förmigen Linienzug, der rechts neben sich eine Zwickel-
füllung, links eine Art Füllhorn hat und oben mit den
übereinandergelegten Hälften eines Schnörkelblattes
endet, eine Zusammenstellung von eigenartigem Reiz.
Das dritte Feld zeigt dieselbe Ornamentik, nur umge-
kehrt, der S-förmige Linienzug beherrscht wieder das
Ganze. Ebenso auch im vierten Felde, wo oben statt
des konischen Blattes zwei halbe Schnörkelblätter ver-
tikal nebeneinandergelegt sind und das Füllhorn in
der Ecke links oben mit einem Blättchen endet. —
Von den angrenzenden Ornamentfeldern erkennt man nur noch einige Schnörkel, die
sich kaum zusammenreimen lassen.
Als Rand kehrt das gleiche Motiv der geschlitzten und abgerundeten Stäbe wieder,
das auf der Scheibe von Anarcs den Stamm bildet. Ebenso auf dem ungarischen
Taschenblech Abb. 96. Es wechselt Abb. 158 mit Knöpfen, wie wir sie auf der
Wand von Samarra Abb. 92 als Randmotiv der Nischen beobachtet haben. Und in
Samarra ist das Motiv der abgerundeten und geschlitzten Stäbe auch häufig als
Rand verwendet, am besten Abb. 164 und bei Herzfeld, Vorl. Bericht S. XIII zu
beobachten. Wir haben also auch hier wieder ein spezifisch iranisches Motiv vor uns,
das übrigens seine monumentalste Verwendung an dem Steinbau der Bab el-Futuh
in Kairo von 1087 an den oberen Turmkanten gefunden hat. Diese in der Mitte
geschlitzten Stiele und Bänder leiten über auf das mehrstreifige Ornament.
B. Das mehrstreifige Bandgeflecht. Es ist nun beachtenswert, daß die
geometrische Ranke, der wir von Ungarn und Ägypten aus folgten, dort selten
Abb. 158
seum:
Kairo, Arabisches Mu-
Yerzierte Holztafel.
1) Veröffentlichungen der k. Universitätsbibliothek zu Tübingen S. 30 f.
2) Jahrbuch der Kunstsammlungen des Allerh. Kaiserhauses XIII (1892) S. 299.
S t r z y g o \v s k i , Altai.
13
1 '4
IV. Die Kunst der Nomaden und Xordvölker.
vereint mit einem anderen Motiv vorkommt, das die Germanen über Europa ver-
breitet haben, dem mehrstreifigen Bandornament. Ich kann mich des Eindruckes
nicht erwehren, daß dieses Bandornament eine arische Form ist, ob nun Urform
oder übernommen, darauf kommt es zunächst nicht an. Ich will der Ursprungsfrage
hier garnicht nachgehen. Wie die geometrische Ranke kommt auch das Band-
ornament schon in den Jahrtausenden vor Christus in Zentralasien und China wie
im Westen vor (bes. bei den Hettitern). Möglich, daß die Sumerer vermittelten —
das ist eine Frage für sich — , bevor die Arier den trennenden Keil zwischen den
fernen Osten und den alten Orient schoben. Wie aus der Art, in der die Griechen
auf den übernommenen Massenbau und die Naturgestalt reagierten, auf ihr unbewußtes
Raumgefühl zu schließen ist, so wäre auch aus dem beliebten Motiv des mehr-
streifigen Bandge-
flechtes festzustellen,
welches qualitative
Empfinden den pri-
mitiven Arier bei der
Wahl und Entwick-
dieses
hing
gerade
Abb. 159: Swartnotz, Kirchenruine: Reste des Kranzgesimses.
Motivs geleitet hat.
Ich will hier nur
seine Vorliebe dafür
nachweisen.
Die Neigung der
Germanen für diese Ornamentart ist bekannt. Sie wandert mit ihnen in zwei Stufen
nach den eroberten Gebieten. Die erste Stufe, die die Goten und Langobarden
vertreten, weist das mehrstreifige Bandornament rein
auf. Ganz Italien ist davon überschwemmt, wie schon
oben S. 74 gesagt wurde1. Die zweite jüngere Stufe
zeigt das mehrstreifige Band ganz durchsetzt von
der Tiergestalt. Darüber haben die Arbeiten von
Sophus Müller2 und, sehr gründlich durchgear-
beitet, von B. Salin :t Auskunft gegeben. Es ist, als
läge hier etwas der Lautverschiebung der Sprache
Paralleles vor. Der temperamentvolle Drang zu
kräftiger Bewegung4 mag dabei eine Rolle spielen,
nicht nur die Verwendung der tierischen Gestalt,
deren bei den Chinesen verwandte Art oben S. 11 3 f.
erwähnt wurde. Ursprünglich jedenfalls liegt das
mehrstreifige Bandgeflecht unbewegt da als Füllung
einer Fläche. Wie kam es zu den Germanen? Die prähistorische Kunst des Nordens hat das
Geflecht nicht gekannt. Wir begegnen ihm zuerst bei den Goten am Schwarzen Meere.
Abb. 160: Dwin: Kapitell.
1 VgL auch meine Bildende Kunst des Ostens S. 14!.
z Die Tier-Ornamentik im Norden, Hamburg 1SS1.
3) Die altgermanische Tierornamentik, Stockholm 1904.
4 Worringer, Formprobleme der Gotik.
2. Die Saken und der arische Kreis.
19!
Abb. 161. Talin, Kathedrale: Siidkonche.
13*
196
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
a) Die armenische Gruppe. Die Sache ist erst Gegenstand meiner Überlegung
geworden, seit ich entdeckte, welch ausschlaggebende Bedeutung das mehrstreifige
Bandgeflecht bei den Armeniern in
der christlichen Architektur ihrer gol-
denen Zeit, seit dem IV. Jh. etwa hatte.
Ich begriff jetzt auch, wie es an das
Kranzgesims des Theoderich -Grab-
males in Ravenna gekommen sein
konnte '. Im Abendland ist das ein
ganz einzig dastehender Fall. In Ar-
menien ist er typisch zu Hause. Abb.
159 zeigt die Reste des Kranzgesimses
der um 650 entstandenen Katho-
likatskirche von Swartnotz2. Man
sieht die Schräge über einem Wulste
vollständig gefüllt mit dem Zickzack
von vier zweistreifig durcheinander-
gekreuzten Bändern. In dieser Art
findet man es neben einem zweiten
Motiv an den meisten Kirchen Ar-
meniens am Kranzgesims der Kuppel
sowohl, wie an dem aller übrigen
Dachschrägen. Und nicht genugdamit.
Auch die Kapitelle sind häufig damit
überzogen. Nicht etwa — wie ich einst
annahm3 — in Anlehnung an byzan-
tinische Vorbilder, vielmehr in
Überleitung vom iranischen Hin-
terland Armeniens auf Byzanz.
Ich zeige hier zwei Kapitelle von
Bauten, die spätestens dem
VII. Jh. angehören. Das eine
(Abb. 160)4 fand ich in der Ruine
der alten Kirche von Dwin im
einst persischen Teile Arme-
niens. Es hat bei einem unteren
Durchmesser von 40 cm eine
Länge der oberen Quadratseite
von 57 cm und eine Höhe von
Abb. 163: Baghdad, Privatbesitz: Kapitell. 50 cm Wir sehen einen Knauf.
darüber in die Ecken unter die Deckplatte geschoben zwei Kreise, getrennt durch plumpe
1) Vgl. Österr. Monatsschrift für den Orient XL (1914) S. 4 ff.
2) Vgl. darüber „Der Dom zu Aachen und seine Entstellung" S. 33 f. (Kirche des hl. Gregor).
Etschmiadsin-EvangeLiai S. 10.
Die Aufnahme leider in verkehrtem Licht, da das Kapitell heute verkehrt auf dem Boden liegt.
Abb. 162: Artik, Kathedrale: Arkaden der Westkonche.
2. Die Saken und der arische Kreis. 1Q7
blattartige Motive. Nie wird dem Armenier, der ja auch Arier ist, spontan ein Naturmotiv
einfallen oder, wenn er es nachahmt, gelingen l. Die Kreise sowohl, wie der Knauf sind
nun ganz übersponnen mit dem mehrstreifigen Bandgeflecht. Am Knauf, der unten mit
einer Knopfreihe endet, ist es zweistreifig und in der selben Art geordnet wie sonst an den
Kranzgesimsen, in den Kreisen oben dreistreifig in vier Schlingen zu einem Band ohne
Ende gekreuzt-. Das andere Beispiel (Abb. 161 ') stammt von der Kathedrale zu Talin,
einer trikonchen Anlage des VII. Jh.3, und zeigt die Südkonche. Oben das zweistreifige
Band am Kranzgesims, an jeder der fünf Seiten der Konche ein Bogen mit wulstiger
Weinranke auf Säulen ruhend, die nach persischer Art paarweise nebeneinander stehen.
Die Kapitelle nun sind etwas veränderte Beispiele des Typus, den wir im Abendlande
„Würfelkapitell" nennen und der in der armenischen Architektur schon in den ältesten
Bauten der vorherrschende ist. Im gegebenen Falle sieht man die Halbkreislappen
mit Palmettenmotiven geschmückt und darunter um den Kern des Kapitellkörpers ein
Gespinst von dreistreifigen Bändern. In Abb. 162 zeige ich noch ein Beispiel des gewöhn-
lichen Würfelkapitells und darüber das dreistreifige Gespinst an den Bogen. Die
Aufnahme stammt von der großen Kirche in Artik. Man wird mir also wohl glauben,
wenn ich sage, die altarmenische Architektur mache von dem mehrstreifigen Band-
geflecht so ausgiebigen Gebrauch, daß man es wohl als für sie bezeichnend ansehen darf.
Und nun eine wichtige Tatsache: das mehrstreifige Bandgeflecht kommt in
Armenien nur an Kuppelbauten vor, nie an tonnengewölbten Langbauten, die nach-
weisbar auf griechische oder syrische Vorbilder zurückgehen. Die Kuppel aber hat
Armenien, das steht wohl außer Zweifel, von Ostiran übernommen, also — und
das ist der Schluß auf den es hier allein ankommt — wohl auch das Bandgeflecht.
b) Mesopotamische Beispiele. In Vorderasien selbst häufen sich jetzt, seit
man dort überhaupt der christlichen und islamischen Kunst im Gefolge meiner Arbeiten
Beachtung schenkt, die Beispiele für das Bandgeflecht. Ich habe zu wiederholten
Malen für den persischen Ursprung des byzantinischen Kämpferkapitells auf ein
Kapitell in Edessa hingewiesen4. Ein zweites in der Technik vollkommen überein-
stimmendes Exemplar hat neuerdings O. Reuther in Baghdad gefunden. Ich ver-
öffentliche hier eine seiner mir freundlich überlassenen Aufnahmen (Abb. 163). Das
Kapitell ist in Hellan, einem Stein gearbeitet, der bei Mosul gebrochen, von altersher
als Rohmaterial nach Baghdad gebracht und dort von Mosuler Steinmetzen verarbeitet
wird5. Es soll aus Arqarquf(DurKurigalzu) etwa 20 km westlich von Baghdad stammen.
Das ist nach Reuther kaum richtig, da in Arqarquf nur Babylonisches an der Oberfläche
liegt und keine Spuren einer christlichen Besiedlung festzustellen sind. Es wird heute
in einem Landhause als Blumentopf benutzt und ist — wohl bei einem der wieder-
holten Transporte — gespalten worden; dadurch wurde eine Seite stark beschädigt.
Das Kapitell ist 52 cm hoch, hat einen unteren Durchmesser von 56 cm, die Deckplatte
1) Vgl. dazu Ansichten wie die Ton Zimmermann, Vorkarolingische Miniaturen S. 6.
2) Vgl. den „Knoten" in Abb. 180 rechts und Zierstücke syrischer und arabischer Handschriften, da-
zu meine ,, Kleinarmenische Miniaturenmalerei".
3) Vgl. Zeitschrift für christl. Kunst XXVIII (1916) S. 185 f. 4) Kleinasien S. 119, Mschatta S. 256.
5) Wenn auch der Stein des Kapitells von Edessa Hellan, d. h. ebenfalls aus Mosul importiert wäre,
dann müßten wir in den Steinbrüchen bei Mosul eine Schule annehmen und bekämen damit einen der
Mittelpunkte, aus dem ich die koptischen Steinornamente herleite. Vgl. meine Koptische Kunst, Einleitung.
198
IV. Die Kunst der Nomaden und Xordviilker.
eine Seitenlänge von 91, 5 — 96 cm. Der Körper ist wie in Edessa mit einem Zickzack
von zwei Bändern versehen, die im Schrägschnitt gespalten sind. Am Baghdader Stück
sitzen an der Kreuzungsstelle Knöpfe. Oben schließt das Kapitell mit einem zwei-
streifigen Flechtband, unten mit einer Spirahvelle. Die Rauten sind gefüllt mit Blatt-
werk vom Typus der Wedelranke, wovon ich „Koptische Kunst" S. 44f. gehandelt
habe. Die Motive sind etwas anders als in Edessa.
Ein zweites Beispiel der Bandornamentik, diesmal sicher aus dem Iraq, aber aus
dem IX. Jh., hat Dr. Diez in Samarra aufgenommen. Abb. 164 zeigt einen Innen-
raum im Gebiete des Bet el-Chalife. Der Unterteil der Wand ist in fünf wagrechte
Streifen gegliedert, deren drei mittlere aus T-formen in zweistreifigen Bändern ein
Muster bilden. Jedes der kleinen Quadrate ist mit einer Vollpalmette gefüllt, die an
Abb. 164: Samarra, Stuckierte Wand.
einer aus Gabelungen bestehenden Ranke mit den bezeichnenden Strichpunktker-
bungen besteht. Eine kleine Probe des Musters findet sich am kunsthistorischen
Institut in Wien. Es ist im Schrägschnitt bis zu 3 cm Tiefe aus dem Stuck heraus-
modelliert. Die Wand wurde bei den deutschen Ausgrabungen freigelegt. In den
Kommaschlitzen sind noch rote, zwischen den Lappen der Palmetten blaue Spuren
erhalten. Im Augenblick beschäftigt uns nur das Bandornament; in Punkte und
Striche aufgelöst (S. 193) dient es als Umrahmung des ganzen Wandfeldes r.
C. Der Mimbar in Kairuan. Dieses dritte und Hauptbeispiel, ebenfalls aus
dem IX. Jh., ist aus Baghdad bezogen2. Der Mimbar war es in erster Reihe, der mich
neben den armenischen Kranzgesimsen auf die Annahme der hohen Entwicklung des
Bandgeflechtes in Persien führte, freilich vor allem in Iran, besser in Chorasan,
woher die Armenier zumeist ihre Formen nahmen. Solange dort keine Belege zu-
tage kommen, müssen wir uns an die Beispiele aus dem Iraq halten3. Taf. X gibt
i) Vgl. auch Diez, Die Kunst der islamischen Volker S. 38.
2) Vgl. oben S. 78, dazu Mschatta S. 347 f. und Kunstclironik Will (19067) Sp. 385 t'.
; Immerhin möchte ich auf das Bandgeflecht an dem Mihrab von Chargird hinweisen, den ich
Monatshefte für Kunstwissenschaft VIII (191 5) Taf. 79 Abb. 17 (vgl. S. 363, veröffentlicht habe.
Strzygowski, Altai, Iran u. Völkerwanderung
Tafel X
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J. C. Hinrichs, Leipzig
C. G. Röder G.m.b.H, Leipzig
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2. Die Saken und der arische Kreis.
199
eine Gesamtansicht des Mimbars von der Vorderseite nach einer alten Photographie.
Die Einzelaufnahmen 165 u. 166 (vgl. Abb.71), die Aufnahmen von der Rückseite Abb.
167 u. 168 und von den Treppenstufen Abb. 169 u. 170 danke ich E. Kühnel, der den
Mimbar auf meine Bitte während einer Restauration photographieren ließ K Mich wundert,
daß trotz wiederholter Hinweise noch niemand monographisch über dieses Glanz-
stück altislamischer Kunst gearbeitet hat2. Ist die Moschee Sidi Oqbas gar so entlegen?
Der Mimbar ist aus Platanenholz als ein hoher Aufbau mit 17 zu einem Stand-
platz emporführenden Stufen hergestellt; Pfosten, mit Weinlaub in Relief geschmückt,
bilden, wagrecht verspreizt, das Gerüst, dessen Felder mit Platten in durchbrochener
Arbeit von märchenhaftem Reichtum der zwei- und dreistreifigen Bandverschlingungen
neben einer Minderzahl anderer Muster gefüllt sind, von denen ein Teil bereits oben
S. 78 erwähnt wurde. Man beachte auch die Ränder der Weinlaubpfosten sowohl, wie
der Füllungen: Fiederung neben dem im albanischen Schatze (S. 27 f.) beobachteten
Zickzackrand (Vorderseite VIII) und Mustern, die an Mschattapalmetten erinnern,
kommen darin vor. Zum Schönsten gehören- die 17 Füllungen der Stufenbrüstung
(Taf. X) und die Füllungen an den Stufen selbst (Abb. 169 u. 170), darin Muster (Abb. 170,
IV, 2), die auch an (noch ganz sasanidischen) Brettern mit kufischen Inschriften in
Kairo (Mschatta S. 321) zu beobachten sind. Die vorliegende Veröffentlichung wird
hoffentlich ein eingehendes Studium dieser einzig dastehenden reichen Ornamentik,
in der als Füllung weitaus das Muster ohne Ende überwiegt, herausfordern.
Der technische Vorgang dürfte der bei Laubsägearbeiten gewesen sein. Das
Ornament wird auf das Brett gezeichnet, der Grund dann angebohrt und mit der
Säge ausgeschnitten; dazu gesellt sich der eigentliche Ornamentschnitt. Die Streif ung
der Bänder mag schon vor dem Ausschneiden erfolgt sein. Die Muster beruhen
auf der Kreuzung senkrechter und wagrechter Linien, auf solcher von Diagonalen
und auf Anwendung beider Systeme zugleich, oder endlich auf dem Kreise, für sich
allein oder wieder in Verbindung mit dem Koordinaten- oder Diagonalsystem. Auch
können die Kreuzungen eng oder so weit sein, daß Einzelmotive in den Zwischen-
feldern Raum finden. Endlich kommen Fälle vor, in denen mit zwei Ebenen überein-
ander ^arbeitet ist, besonders gern liegt die Nische in der vorderen Ebene, das
füllende Muster in der unteren, und ein gleiches gilt von einzelnen Kreismustern und
Vorderseite XI, 2 3. Neben dieser Mehrflächigkeit ist die herrschende Art das Durch-
brechen und Füllen eines Geflechtes, wobei beide Motive in der gleichen Ebene liegend
gedacht sind. Auch Ansätze zu den später so beliebten Muscharabijen — noch
1) Das geschah im Mai 1907 durch die Firma Lehnert und Landrock. Die Kanzel war damals von
der Habuverwaltung, in ihre Teile zerlegt, in ein Magazin gebracht worden, um durch den Holzschnitzer
Ksuri hergerichtet zu werden. Ich habe daraufhin in der Kunstchronik N. F. XVIII (1906/7) Sp. 3861".
die Bitte an die französische Regierung gerichtet, diese Restauration zu überwachen. Architekt Saladin
leitete diesen Aufruf an Herrn Roy, den damaligen Sekretär der tunesischen Regierung, und auch Herr
Merlin, der Direktor der Altertümer, nahm sich der Sache an, ebenso französische Blätter (Debats vom
9. Mai 1907 und La Tunisie francaise vom 12. Mai 1907). Was inzwischen geschehen ist, weiß ich nicht.
2) Eine solche Bearbeitung sollte (nach einer Mitteilung von Merlin 1907 an Kühnel) Saladin seit
Jahren vorhaben. Ich habe daher mit meiner Publikation an die zehn Jahre gewartet, von einer Mono-
graphie Saladins ist mir inzwischen nichts bekannt geworden. Sein Werk „La mosqee de Sidi Okba"
war schon 1899 erschienen. Man vergleiche dort die Tafeln XXIII und XXVI/VII. S. 105 auch ein Maßstab.
3) Die Felder lotrecht römisch, am hohen Ende d. h. Vorders. links, Rucks, rechts beginnend, gezählt.
200
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvolker.
geschnitzt, nicht gedrechselt — liegen vor1. Man wird in einzelnen Fällen sehr genau
darauf achten müssen, daß einzelne Tafeln in jüngerer Zeit, zum Teil sehr roh er-
VII VIII
Abb. 163: Kaiman, Mimbar: Einzelheiten der Vorderseite links.
gänzt sind, auf einzelnes hat schon Saladin aufmerksam gemacht, man beachte z. B.
Abb. 170 unten VII, 2 und 3.
Am meisten vorgeschritten zu dem später so überaus reich entwickelten Poly-
: Vgl. darüber Franz-Pascha, Die Baukunst des Islam S. 70 f. In unserer Tafel X weist die hinter
dem Mimbar erscheinende Maqsuta Muscharabijen auf.
2. Die Saken und der arische Kreis.
201
gonalornament sind die Dreiecke über Reihe Vorderseite VIII (Taf. X) und Rückseite XII
(Abb. 167): ein achtteiliger Stern in der Mitte entsendet nach allen Seiten seine Parallelen,
deren Felder, tiefer liegend, durch Arabesken gefüllt sind. Diese dienen auch als
Füllung von Nischen; sie sind dann in Licht und Schatten modelliert, während sonst
ausschließlich das Tiefendunkel wirkt. Was da in unvergleichlicher Güte vor uns
steht, ist gewiß dem Typus nach nicht das Werk einer Entwicklung von wenigen
Jahrzehnten. Wie der orientalische Teppich, so erwecken auch diese Holzschnitzereien,
die ein gütiges Geschick gleich der Alhambra durch alle Gefahren gerettet hat, den
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XI
XII
VII viii ix x
Abb. 166: Kaiman, Mimbar: Einzelheiten der Vorderseite rechts.
Eindruck einer uralten, geläuterten Überlieferung, zu der sich die Bandverschlingungen
des germanischen Westens verhalten wie die Bronzenachahmungen auf ungarischem
Boden zu den Schmucksachen des albanischen Schatzes in Gold. Es sind Meister-
leistungen eines künstlerisch überaus hoch stehenden Volkes gegenüber armseligen
Versuchen, solchen Vorbildern nachzueifern. Man wird so ziemlich alle Muster, die
bei Goten und Langobarden, auf dem Balkan und sonst, solange die Tierornamentik
noch nicht zersetzend eingriff — was ja im Süden nie geschah — , vorkommen,
hier beisammenfinden oder leicht aus den vorhandenen ableiten können, ausgeführt
mit .einer Stilsicherheit, die nicht ihresgleichen hat. Die überragende Qualität liegt
vor allem in der das Tiefendunkel zur vollen Wirkung bringenden Durchbrucharbeit,
2Q2 IV. Die Kunst der Nomaden und Xordvölker.
die so gehandhabt ist, daß die Muster bei allem überschwellenden Reichtum doch
klar und in unnachahmlicher Knappheit in das Feld gesetzt sind.
Ich muß den Mut haben auszusprechen, daß wir in dem Mimbar von Kairuan
vermutlich ein Hauptdenkmal indogermanischer Art vor uns haben. Die Einklei-
dung als islamische Kanzel in Xordafrika ist freilich sonderbar genug, aber schließ-
lich doch nicht viel anders als die der alexandrisch-koptischen Elfenbeinreliefs an der
■ •>
XII
XI X IX VIII
Abb. 167: Kairuan, Mimbar: Rückseite, linke Haltte.
VII
Kanzel Heinrichs II. im Dom zu Aachen1. Sind diese mit dem christlichen, so wurden
jene mit dem islamischen Strom an ferne Gestade verschlagen. Die Geschichte des
Mimbars ist leider noch von keinem Historiker geschrieben. Saladin behauptet2,
Ibrahim ibn el Aghlab (nach Lane-Poole, The moham. dynasties S. $~ regiert er
800 — 8ll) habe 242 d. H. — 8567 n. Chr. (nach Saladin 894) zugleich mit den Fayencen
des Mihrab einen Mimbar aufrichten lassen, geschnitzt in Platanenholz aus Baghdad.
So viel Daten, so viel Widersprüche Ich wäre zufrieden mit der Datierung ins IX. Jh.
und der Richtung von Baghdad her. Saladin und Migeon sind auch schnell fertig mit
der Bestimmung der Kunstart: die geometrischen Muster seien gehalten dans un
style tout a fait analogue ä celui des ivoires byzantins (Saladin), bezw. visiblement
1 Vgl. meine „Hell. u. kopt. Kunst in Alexandria" S. 19 f. und „Der Dom zu Aachen" S. 5.
.1 mosquee S. 7 und danach Migeon, Manuel d'art mus. S. 7, der übrigens von drei arabischen
Berichten spricht.
2. Die Saken und der arische Kreis.
203
de l'art byzantin (Migeon). Für die Arkaden gibt Saladin zu, daß sie noch mehr
orientalisch seien und das oberste Muster von VI, 4 in Abb. 71 vergleicht er mit den
Kapitellen vom Taq-i-Bostan (bei Morgan, Mission IV S. 309 und 355). Ich sah
Mschatta S. 315 und 347 f. in dem Mimbar die von der Antike unbeleckte, unver-
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fehlt
VI V IV III II I
Abb. 168: Kaiman, Mimbar: Rückseite, rechte Hälfte (III fehlt).
fälschte Grundanschauung des Orients verkörpert und die Frage bleibt m. E. nur,
ob hier Iranier oder Saken am Werke waren. Zur Entscheidung wären Werke auf-
zurufen, wie wir sie gleich in der Tür des Mahmud von Ghasna kennen lernen werden.
Auch spricht die Tatsache, daß die Armenier von den Saken künstlerisch unter
den Arsakiden in jenes Fahrwasser gebracht wurden, das sie zur Verwendung der
204
IV. Die Kunst der Nomaden und Xordvolker.
Kuppel und des mehrstreifigen Bandgeflechtes trieb. Man wird also eher eine sakische
Quelle, d. h. für den Mimbar von Kairuan Hände vermuten dürfen, die aus Ghorasan,
Seistan oder Awghanistan stammten, wo der türkische ebenso wie der nordarische und
indische Strom zusammenliefen.
Bevor ich in der Aufweisung von Ornamentmotiven, die gleich dem Dreistreif, wie
es scheint, besonders im sakischen Kreise heimisch waren, weiter gehe, sei in drei
Gruppen kurz auf gewisse rein künstlerische Merkmale aufmerksam gemacht, die in
diesem Kreise besonders beliebt gewesen zu sein scheinen.
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123 4
Abb. 169: Kairuan, Mimbar: Verzierte Bretter der Stufen.
D. Die Mehrflächigkeit. Es ist in diesem Buche zuerst S. 29 f. bei Abb. 30
von der Mehrflächigkeit gesprochen worden. Wir hatten dann ein überaus eindrucks-
volles Beispiel in dem ostiranischen Schriftfries von Chargird Abb. 1 19 vor uns und
sind bei dem prachtvollen Netzwerke des Mimbars von Kairuan Abb. 165 bis 170
darauf ebenso eingegangen, wie wir es unten noch bei einem armenischen Stück
Abb. 182 tun werden. Hier ist nun wohl der Ort die künstlerische Bedeutung des
Motivs als einer räumlichen Sonderung etwas näher ins Auge zu fassen und es in
seiner Ausbreitung zu umgrenzen. Zunächst die entscheidenden Belege.
a) Awghanische Beispiele. Die oben S. 128 genannte Tür des Mahmud
von Ghasna (998 — 1030) weist in ihren leider nur notdürftig veröffentlichten Füllungen
2. Die Saken und der arische Kreis.
205
der Sechsecksterne beachtenswerte Belege einmal für das mehrstreiiige Band und
zugleich für die Mehrflächigkeit auf. Ich entnehme Abb. 171 — 173 dem Journal of the
Asiatic Society of Bengal von 1843 N. S. vol. XII, part. I. Wäre der Krieg nicht, hätten
mir englische Fachgenossen gewiß gern eine neue Aufnahme besorgt. Man müßte jedes
einzelne der leider nur sehr spärlich erhaltenen Felder wissenschaftlich auf das Treueste
veröffentlichen.
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1234
Abb. 170: Kaiman, Mimbar: Verzierte Bretter der Stufen.
Der obere Stern, Abb. 171 weist zwei spitzovale Verschlingungen auf, die
eine dreistreifig, die andere mit jener Knopfreihe besetzt, die wir oben Abb. 90 am
Rande des Feldes aus dem Deir es-Surjani sahen und die in Samarra so oft vor-
kommt (Abb. 92). Das Knopf band bleibt in der Mitte, setzt nur unten seitlich wie
ein Standmotiv Pelten an, das dreistreifige füllt alle Ecken in Rankenart. Bald liegt
das eine, bald das andere oben. Wenn die Zeichnungen darin richtig sind, so er-
scheinen die beiden durch verschiedene Verzierung unterschiedenen Bänder klarer
nach zwei Flächen gegliedert in dem zweiten Stern Abb. 172. Das Knopfband
bildet da ein Sechseck, der Dreistreif ein darunter liegendes Dreieck, jedes Band
20Ö
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
Abb. 171.
Abb. 172.
Abb. 171 u. 172: Agra, Festung: Zwei Sterne von der Holztür des Mahmud von Ghasna.
2. Die Saken und der arische Kreis.
207
nach je drei Ecken ausrankend. Am deutlichsten und zwar in drei Flächen ge-
arbeitet — daraufhin wäre eben das Original zu überprüfen — ist der dritte Stern
Abb. 173 gearbeitet. Zunächst liegt unten tief eine Rosette. Man vergleiche damit
die Rosetten der Mschattafassade (Mschatta S.204). Dort folgt (Mschatta Taf. VIII f.) ein
höher liegender Rand mit persischen Vierblättern, hier mit dem Knopfband. Es biegt
nach außen um, erweitert sich dort fächerförmig, ein Tierkopf bildet die verbin-
dende Auflage. Auf der so entstehenden höher liegenden Rosette erscheinen dreistreirlg
T-förmige Rankenglieder, deren Spitzen arabesk ineinander geschlungen sind. End-
lich in den Ecken Palmetten, die über den Rand greifen und jene Rautenspitzen auf-
Abb. 173: Agra, Festung: Ein dritter Stern von der Holztür des Mahmud von Ghasna.
weisen, von denen S. 34 die Rede war. Am äußeren Rande bei allen drei Sternen das
gleiche aus Kreislappen-Paaren gebildete Nieren- oder Bohnenmotiv in Streifenfolge '.
b) Die norwegischen Parallelen. Abb. 174 und 175 zeigen Parallelen
dieser mehrfiächigen Bildung vom Osebergschiff, das, von Gustafson ausgegraben,
sich heute im Universitätsmuseum zu Kristiania befindet. Ich danke die Photographien
dem liebenswürdigen Entgegenkommen Prof. Bröggers. Die norwegische Regierung
bereitet eine würdige Monographie vor, den Ornamentband wird Dr. Schetelig in
Bergen bearbeiten2. Das Wikingerschiff selbst wird dem neunten Jahrhundert zu-
1) Vgl. dazu oben S. 32 und Arne, La Suede et l'Orient S. 119 (motif reniforme).
2) Vgl. Gustafson, Xorges Olttid, und Haupt, Monatshefte f. Kunstwiss. VIII (1915) S. 326 f.
:oS
IV. Die Kunst der Nomaden und Xordvölker.
geschrieben, die darin gefundenen Geräte dürften etwas früher zu datieren sein.
Abb. 174 gibt den oberen Teil eines Schlittens mit einem kastenförmigen Aufsatze,
der in den Ecken Löwenköpfe ansetzt1. Uns beschäftigen die Ornamente der Füll-
bretter. Da liegt zunächst zu oberst in breiten Streifenbändern ein sphärisches
Rautennetz mit Knöpfen in den Kreuzungen wie auf dem Silberkessel Taf. IV, da-
runter ein geradliniges Rautengitter aus schmaleren, dreistreifigen Bändern ohne
Knöpfe, endlich zu unterst ein glattes Rankengeschlinge von typisch nordischer Um-
bildung. Hier sind also drei Flächen grundsätzlich geschieden.
Anders in Abb. 176, der von Ericson angefertigten Nachbildung einer Deichsel,
die heute, wie andere Schnitzereien des Schiffes unter Wasser autbewahrt werden muß.
Auf den ersten Blick ist dieses Gewürm, auf dem ein Armband aufzuliegen scheint,
ganz unverständlich. Aber dann wird das „Armband" selbst lebendig, setzt die der
Abb. 174: Kristiania, Museum: Schlitten aus dem OsebergsckitT.
nordischen Tierornamentik so eigenen Beine, runde Kolben mit daneben aufliegen-
den Dreistreiffüßen an, auch Kopf und Schwanz finden sich dazu. So entsteht ein
Geflecht, das sich über dem tiefendunklen Grunde zusammenballt und immer höher
steigend, die „Armbänder" aus zwei Tieren trägt. Die Flächen sind also hier nicht
fein säuberlich getrennt wie am Schlitten und in der kufischen Inschrift von Chargird
Abb. 119, sondern durcheinander gebracht wie an der Tür des Ghasnaviden.
Nun scheint es ja offenkundig, daß ich nicht berechtigt sei, zwei so weit ausein-
anderliegende Kunstkreise, wie den norwegischen und iranischen nebeneinander zu
stellen. Ihre Art könnte ja da und dort unabhängig bodenwüchsig oder durch den
gemeinsamen Untergrund der Antike erklärbar sein. Im gegebenen Falle scheint mir
aber die Abhängigkeit des hohen Nordens von Mittelasien doch augenfällig, wenn man die
„Armbänder" mit dem eingerollten Tier vergleicht, (s. oben S. 141 u. vgl. Abb. 178, 17) und
1 Vgl Abb. 13 bei Haupt a. a. O. S. 325.
2. Die Saken und der arische Kreis.
209
sich der seltsamen Ornamentik dieser Tierleiber in Abb. 1 75 zuwendet. Die Bein-
kolben zeigen Muster ohne Ende, die andern Glieder Streifung von wechselnder Art.
E. Übersponnene Ornamente. Ich fasse diese Art in eine eigene Gruppe
zusammen und gehe gleich aus von der norwegischen Deichsel Abb. 17 15. Der
Tierleib ist mit diagonal aneinander gereihten Streifen geschmückt, der zu einem
rautenförmigen Muster verlängerte Schwanz weist Fiederung auf. Ich möchte fragen,
ob das nicht die gleiche Belebung runder Flächen ist wie in den Stuckfeldern
des Deir es-Surjani, von denen ich einige hier abbilde1. Auch sie zeigen eine
phantastische Zusammenstellung von Motiven, nur nicht aus dem Bereiche des nor-
dischen Ziertieres. In Abb. 176 erscheint in der Mitte ein Korb mit kleinen tiefen-
dunkeln Dreiecken, die in der
Fläche belassen und ausge-
stochen wechseln. Es fällt
nicht schwer, sie links unten
am Fußkolben von Abb. 175
wiederzufinden. Auch das
ausgestochene Rautennetz
der Füllhörner unten und
Halbblätter oben von Abb.
176 ist an der Deichsel rechts
unten zu sehen2. Über diese
beiden Motive hinaus ergeht
sich der nordische Schnitzer
in einer unerschöpflichen
Fülle anderer Kerbschnitt-
muster. Im Deir es-Surjani
kommt zu den Dreiecken und
Rauten noch die Häufung
von Kreispunkten im Haupt-
friese, wie man in Abb. 177
unten rechts an den trauben-
artigen Knollen feststellen mag. Ferner dienen diese Abbildungen dazu, die zwei-
fiächige Anordnung auch in diesen, in ostiranischer Art in einem ägyptischen Kloster
ausgeführten Stuckaturen nachzuweisen3. Schließlich noch eine Bemerkung über die
gefiederten Streifen, die zwischen den „Armbändern" in einer unteren Schicht ein
Rautenmuster herstellen. Das Motiv ist mir aus der koptischen Kunst geläufig4.
Ich habe es immer für eines der bezeichnendsten Merkmale des persischen Ein-
schlages gehalten und glaube jetzt, daß es aus Indien stammt. Man sehe sich darauf
hin nur den Pfeiler rechts auf Tafel IV 5 von den Toren des großen Stupa von San-
1) Sie sind aus meinem Aufsatz in den Monatsheften für Kunstwiss. VIII (1915) Tafel 80 von der
Firma Klinkhardt und Biermann überlassen worden.
2) Vgl. über diese „Flächenmusterung" auch Flury „Der Islam" IV S. 423 f.
3) Vgl. über die Surjani-Ornamente Mschatta S.342, Monatshefte a. a. O. und Flury „Der Islam" VI S. 71 f.
4) Vgl. meine Koptische Kunst Nr. 7344 S. 69 f. und Quibell, Excavations at Saqqara, passim.
5) Dazu oben S. 72 Anm. 3.
Strzygo wski , Altai. 14
Abb. 175: Kristiania, Museum: Verzierte Deichsel aus dem
Osebergschiff.
:io
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
tschi an. Solche naturalistische Motive können in Indien entstanden oder von dort
angeregt sein, in Nordost-Iran dagegen ebensowenig wie im koptischen Ägypten.
Und nun entsteht die Frage, ob die iranische Zweiflächigkeit zugleich mit den
Motiven des Rautennetzes und der übersponnenen Behandlung der runden Flächen
durch tiefendunkle Muster ohne Ende bis nach dem hohen Norden voro-edrungren
sein mag. Ich könnte auf den durch die Unzahl von Samanidenmünzen, die in
Skandinavien gefunden sind, bezeugten schwunghaften Handel verweisen1, oder auf die
in Ägypten, Italien und Frankreich nachweisbaren Spuren der Wanderung von per-
sischen und armenischen Künst-
2ߣSG9fä&&J!& * JE, " lern*. Auch der Rassenzu-
sammenhang muß beachtet wer-
den, der, durch Saken und Ger-
manen hergestellt, zwischen
Nord und Süd bestand. Daneben
bleibt die Möglichkeit selb-
ständig nordischen Ursprunges.
In diese Dinge läßt sich vor-
läufig noch nicht tiefer hinein-
blicken. Ich komme darauf
unten noch zurück.
F. Die Durchbrucharbeit.
Was an dem Mimbar von Kai-
ruan so sehr fesselt, ist unter an-
derem auch die ausgezeichnete
Durchbrucharbeit, in der er aus-
geführt ist. Von dieser Höhe der
Leistung in Anwendung des
Tiefendunkels sind zurück-
schließend die Bronze-Alt-
sachen zu betrachten, die Riegl
in seiner „Spätrömischen Kunst-
industrie" S. 1 40 f. bearbeitet hat.
Sie liegen z. T. fast ein halbes
Jahrtausend vor dem Mimbar, ebenso die Meisterleistung dieser früheren Zeit, die Fassade
von Mschatta, und die hellenistisch -syrischen Schmucksachen, die oben S. 4lf. be-
sprochen wurden und für die nach den Beispielen, die Zahn bearbeitet, sein Wort gilt3:
„die Arbeit ist an allen so gleich, daß man nicht umhin kann, an Herstellung in
einem Zentrum zu denken, das man wohl im hellenistischen Osten 4 zu suchen haben wird".
1 VgL Arne, La Suede et lOrient 1914.
2 Vgl. Der Dom zu Aachen und seine Entstellung S. 39, 43. 7$!. und „Das orientalische Italien"
Monatshefte f. Kunstwiss. I 11908) S. 16 f.
3 Amtl. Berichte aus den kgl. Kunstsammlungen XXXV 1 1913"! Sp. 88.
Von dorther könnten auch die durchbrochen gearbeiteten Dächer von Nischen auf „byzantinischen"
Elfenbeinarbeiten angeregt sein. Der bedeutendste Vertreter mit Szenen der Alexandersage und dem mit
hlagenen Beinen auf einem Löweuthron sitzenden Musikanten in Datmstadt. Vgl. oben S. 158 und
Abb. 176: Deir es-Surjani: Stuckfeld.
2. Die Saken und der arische Kreis
211
Ich setze dafür den iranischen Osten und seine Rückwirkung auf Svrien nach literarischen
Quellen, die ich bereits Jahrbuch der preuß. Kunstsammlungen XXIV (1903) S. 175 f.1
zusammengestellt habe. Damit aber ist der Umkreis des Suchens nur weiter nach
Osten ausgedehnt, keine Lösung geboten. Vielleicht gibt auch hier dereinst das No-
madengebiet und der Norden Auskunft. Ich führe einige Beispiele von Durchbruch-
arbeiten aus dem Kreise der südsibirischen Bronzekultur an und werde damit zu-
gleich den Übergang finden zu einem Denkmale, jdas wieder zurückleitet auf das
mehrstreifige Bandornament und die Frage nach seinem Ursprung in Europa.
Schon oben Abb. 106 wurden einige Stücke abgebildet, die ausgezeichnete Bei-
spiele der Durchbrucharbeit auf Grund
des Rautenmusters, der Welle (drei-
streifig!) und der Gegenstufen sind.
Abb. 178 zeigt einige Beschläge die,
ebenfalls Martin, L'äge du bronze au
musee de Minoussinsk (Taf. 29) zu-
sammengestellt hat. Ich wiederhole
seine kurzen Angaben nach den bei-
gedruckten Nummern: 11. Boucle de
ceinture, ornee d'un animal (tigre?) et
ajouree. L. 10, 9 cm. Larg. 7, 1 cm.
Mariassowa. 12. Boucle de ceinture,
ornee d'un animal (tigre?), autour du
bord un rang de petits points saillants.
L. 8,6 cm. Larg. 6,7 cm. Saiansk.
13. Agrafe ajouree, ornee d'une tete
d'animal. L. 9,6 cm. Larg. 6,5 cm.
Mariassowa. 14. Fragment d'une agrafe
en bronze ornee d'un cheval couche.
Larg. 5,9 cm. Mont Izych. 15. Plaque
de ceinture, ajouree et ornee de deux
animaux. Une partie cassee. L.9,5 cm.
Larg. 4,8 cm. Kaly. 16. Plaque de
ceinture ajouree et ornee de deux
animaux (beeufs?). L. 14 cm. Larg.
7,2 cm. Petite Inya. 17. Agrafe circulaire, ornee d'un animal enroule.
4,6 cm. Bieisk.
Bevor ich auf die Verwertung der in diesen Stücken zutage liegenden Tatsachen
eingehe, möchte ich gleich auch wenigstens an einem Beispiele zeigen, daß die Jenissei-
funde nicht die letzten Vertreter der Durchbrucharbeit nach dem Osten hin sind.
Abb. 179 gibt eine Einzelheit von der Laterne des Daibutsu, heute im Museum zu
Abb. 177: Deir es-Surjani: Einzelheit aus den Stuckaturen.
Diam.
Graeven, Bonner Jahrbücher Heft 108/9 S. 267 f, wo auch die andern Beispiele zusammengestellt sind.
Man vergleiche damit Gandhara-Skulpturen, die solche Nischen aufweisen, bei Foucher, L'art greco-boud-
dhique du Gandare II S. 193, 313 und 465. Die durchbrochenen Stellen erklären sich als Balkone.
1) Vgl. Diez, Jahrbuch der k. k. Zentralkommission, IV (1906) Sp. 212.
14*
212
IV. Die Kunst der Nomaden und Xordvölker.
Nara Japan), die schon 752 dagestanden haben dürfte, als derDaibutsu errichtet wurde >.
Man sieht den rautenförmig durchbrochenen Grund, auf dem sich die zart modellierten
Relieffiguren und Ornamente abheben. Die Jenisseifunde Abb. 178 zeigen die Durch-
brucharbeit als ständiges Wirkungsmittel ebenso wie die sibirischen Funde der ältesten
Zeit überhaupt, wovon gleich zu reden sein wird. Typisch ist dafür die Verwendung
des Tieres, vor allem von gelagerten Hirschen, von Tierkämpfen und Jagden. Abb. 1 78
zeigt in der Reihe der Hirsche unten mit dem über den Körper zurückgezogenen
Geweih bezeichnende Beispiele bezüglich des Gestaltlichen der Darstellung. Für
die formalen Werte ist dagegen Fig. 16 ein ausgezeichneter Beleg. Die beiden Rinder
in Durchbrucharbeit, den Körper in flachem Relief mit der bezeichnenden mandel-
Abb. 17S: Minussinsk, Museum: Bronzefunde vom Jenissei.
förmigen Betonung der Gelenke, die in den eigentlich sibirischen Funden durch
einen entsprechend großen Kreis häufig zum Strichpunkt-Ornament umgebildet sind,
entweder in der einfachen Form oder in Verdoppelung. Die erstere haben wir in
linearer Umbildung auf den Brettern aus Ägypten, den Stuckwänden von Samarra
und auf dem Goldfunde von Xagy-Szent-Miklos kennen gelernt2. Es scheint die
spätere lineare Umbildung des zuerst flächenhaft in Sibirien auftauchenden Motivs
zu sein, wobei es fraglich bleibt, ob dort altmesopotamische Einflüsse mitgewirkt
haben. Von besonderem Interesse ist dann in Abb. 178 auch noch Fig. 11 im
11 Vgl. W. Cohn, Ostasiatische Zeitschrift I (19123) S. 426; dorther auch der vom Verleger freund-
eliehene Druckstock. 2 Vgl. oben S. 97, 137 und 198.
2. Die Sakcn und der arische Kreis.
213
Vergleich mit dem Greifenbeschläge Nr. 13 (Abb. 21) des albanischen Schatzes. Die
Art, das Tier in durchbrochener Arbeit in den Rahmen zu setzen, ist die gleiche.
Die Durchbrucharbeit, die Riegl ebenfalls als spätrömisch nachweisen wollte, ist
also ganz allgemein üblich in Ostasien wie
in den südsibirischen Bronzefunden, die
mit den Funden von Kelermes stilistisch
und zeitlich zusammengehören l und nach
der Antike hin vermitteln. Leicht möglich,
daß der späte Hellenismus in Baktrien oder
durch die Saken, mit dieser türkisch -chine-
sischen Art Fühlung nahm, und die ira-
nische Kunst von dort aus die Anregung zum
Ausarbeiten der Weinranke im Tiefendunkel
erhielt, wie wir sie in Mschatta sehen. Die
gleiche Anregung kann zur Unterarbeitung
des dreistreifigen Bandornamentes geführt
haben, wie es auf dem Mimbar von Kairuan
in ausgezeichneten Belegstücken vor uns steht.
Doch kann auch Iran selbst darin der gebende
Teil sein, jedenfalls irgendeine volkstümliche
Richtung, die auffällige Tiefendunkelwirkungen
in der Fläche erzielen wollte.
Die am Jenissei gefundenen Durchbruch-
arbeiten, die eher weit vor als nach Christi
Geburt anzusetzen sind, keinesfalls aber, so-
weit es sich um Bronzetypen handelt, nach
Alexander (vgl. S. 111 u. 141), sind dem nicht
fremd, der die „skythisch-permischen" Denk-
mäler kennt 2. Sie mögen wohl deren Voraus-
setzung sein. Es sind Bronze- und Goldarbeiten,
die ihre volle Wirkung erst durch den unter-
gelegten Stoff erhielten, dem sie als ornamen-
tales Beschläge dienen sollten. Die Art des
Ornamentes ist eine andere als in Iran. Die
Gruppe ist zuletzt zusammengestellt vonMinns,
Scythians and Greeks S. 270 f. Auch er er-
kennt das hohe Alter der Durchbrucharbeit
in Sibirien und die Verwandtschaft mit dem
Kunstgute der spätrömischen Zeit, was beweise, daß dieser Stil eben bis in die späte
Abb.
179: Nara-Museum: Laterne des Daibutsu.
(Einzelheit).
i) Aus dem gleichen Tumulus, wie die Gürtelstücke, stammt auch ein Gorytos, den Pharmakowski
a. a. O. ebenfalls abbildet, ein Goldblech mit gestanzten Hirschen und Panthern, an dessen Rand man
das gleiche „Fußornament" gestanzt in Reihen sieht, von dem oben S. 141 die Rede war.
2) Vgl. Tolstoi-Kondakov, Russische Altertümer III, und Appelgren-Kivalo, Die Grundzüge des skythisch-
permischen Ornamentstiles, Zeitschrift der finnischen Altertumsgesellsch. XXVI.
214
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
Zeit anhielt, nicht aber, wie Riegl meinte, Rom auch darin noch schöpferisch auf-
getreten sei.
Ich kehre nach dieser qualitativen Umschau zum Bandgeflecht zurück und mache
in Abb. 178 auf zweierlei aufmerksam: auf den mebrstreifigen Rankenstiel von Nr. 13,
der in einen Tierkopf endigt, und auf das Randornament des Beschlages mit dem Stier-
paare (Nr, l6\, wo seitlich Streifen, oben und unten aber Zellen ausgehoben erscheinen,
die an einem Ende rund, am andern eckig sind. Damit haben wir den Übergang
Abb. 1S0: Petersburg, Ermitage: Kotschkar-Schatz. Schmuckstücke in Silber, vergoldet.
gegeben zu den Schmuckstücken jenes Schatzes, der, am Flusse Kotschkar im Distrikt
Semiretschensk1 gefunden, oben S.iosf. schon wegen der Goldschale und der Schnörkel-
ranke an seinen Rändern besprochen worden ist. Abb. 180 zeigt die vergoldeten
Silberbeschläge, wie sie heute in der Ermitage vereinigt sind. Was ist nun das vor-
herrschende Motiv dieser Durchbrucharbeiten: ist es die geometrische Ranke oder das
mehrstreifige Bandornament r Beide sind vereinigt und zum Verwechseln ahnlich 1 vgl.
S. 64 und 130 f.). Dazu kommt die Tierfüllung und -endigung, die an einzelnen Stellen un-
VTgL über dieses Gebiet Landsdell, Russisch-Central- Asien S. 108 f.
2. Die Saken und der arische Kreis.
215
mittelbar an Fig. 13 in Abb. 178 anschließt. Der Zusammenhang — Semiretschensk,
das Siebenströmeland, liegt diesseits des Altai, angrenzend an Samarkand und Fer-
ghana — mit der südsibirischen Jenisseigruppe ist auch gegeben durch das Randorna-
ment sämtlicher Stücke, die ausgestochenen Schuppen1, die ebenso Abb. 1 78, Fig. 16
Abb. 181: Lemberg, Armenisches Evangeliar vom Jh. 1198: Kanonestafel.
beobachtet wurden. In Gegensatz zu diesen hochasiatischen Motiven steht die band-
artige Ornamentik, die wir eher mit dem iranischen Kunstkreis in Zusammenhang bringen
möchten. So würden diese Schmuckstücke eine Mischung darstellen, die ihrer geographi-
schen Lage und allen andern Kulturerscheinungen, selbst Sprache und Rasse, entspricht.
1) Vgl. die Kreise des Kruges von Nagy-Szent-Miklos Abb. 60 und 64.
->j(j IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
Die Gestalt der Beschläge des Kotschkarschatzes erinnert an die der Schmuck-
stücke aus Albanien. Der zugespitzte mit dem runden wechselnde Bogen findet sich
dort wie an den Jenisseifunden Abb. 178. Doch ist Material und Technik der Kotsch-
karsachen von den albanischen Gold-, wie den sibirischen Bronzefunden vollständig
verschieden. Ich glaube, daß auch darin Iranisches bezw. Türkisches sich äußert
Ebenso endlich das Ornament. In dem Beschläge Abb. 180 rechts sieht man in der Mitte
einen Knoten aus drei durcheinander geschlungenen Ringen im Schrägschnitt. Der
ganze übrige Raum ist von richtigen Ranken gefüllt, die aus Tierfratzen entspringen
und in Tierköpfe endigen. Eine solche Eratze bildet die Mitte des anderen Beschlags
in Abb. 180 links. Darin laufen die Ranken zusammen, die ganz groteske Füllungen
aufweisen neben einem Löwen und einem luchsartigen Tiere (vgl. S. 23'. Auch eine
Palmette treibt der stellenweise gefiederte Stiel, ähnlich der auf den ungarischen Taschen-
blechen aus der Landnahmezeit, die übrigens ebenfalls aus Silber gearbeitet und ver-
goldet sind !. Die kleineren drei Beschläge, wechselnd in der Form, zeigen das gleiche
durchbrochene Ornament, die seltsam verdickten Ranken mit Kreislappen, im mitt-
leren ein Vogelpaar, sonst Tierköpfe. Auch von diesem Motiv aus spinnen sich
Beziehungen zur armenischen Miniaturenmalerei. In dem kleinarmenischen Evan-
geliar vom J. 1198 in Lemberg2 (Abb. 181) sieht man in einer der Kanonesarkaden
unten Rankenbäume aufgerichtet, die in den gleichen geometrischen Yerschlingungen
aufwachsen, wie wir sie an dem Beschlag rechts in Abb. 180 beobachtet haben. Darauf
sitzt oben ein Vogel, dessen Schwanz in einen Tierkopf mit den langen Ohren aus-
geht, wie sie öfter auf den Beschlägen vom Kotschkar beobachtet werden können*.
Ich gebe hier und unten S. 283 je eine volle Kanonestafel der armenischen Handschrift
von 11 98 2 um zu zeigen, wie reich wir uns die verlorenen Handschriften im eigentlichen
Persien, wovon Armenien abhängig ist, vorzustellen haben.
Die Ausbreitung des mehrstreifigen oder mehrsträhnigen Bandornamentes läßt
sich in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends von Iran aus vorschreitend nicht
nur bis nach Nordeuropa, Italien und dem nördlichen Balkan verfolgen; es muß
damals auch ein direkter nordiranischer Strom nach der syroägyptischen Ecke des
Mittelmeeres gegangen sein. Sowohl in der koptischen, wie in der syrischen Minia-
turenmalerei läßt sich ein fast unvermitteltes Verdrängen der altchristlichen Art durch
Bandornamente nachweisen. Sie gehen in den koptischen Handschriften, wie in Ar-
menien Hand in Hand mit der durch Tiere und Vögel belebten geometrischen Ranke4.
Der Islam mag da 'als Zwischenträger gewirkt haben. Ein gutes datiertes Bei-
spiel habe ich mit Somers-Clarke und Herz-Pascha in Antinoe ausgegraben5. Die
Bandornamentik ist dann in Ägypten auch in Stein vorherrschend geworden. Eine
große Masse von Belegen fanden sich aufPhilae0. Die Ausbreitung des Ornamentes
1 Vgl. Hampel, Altert. III, Taf. 400 f. und oben S. 102 f. 2) Vgl. mein Amida S. 362 und 369.
Solche Köpfe auch noch in späteren orientalischen Teppichen. Vgl. Riegl im Jahrbuch d.
Kunstsammlungen d. Allerhöchsten Kaiserhauses XIII (1892) S. 199.
4) Vgl. Hvvernat, Album de palaeographie copte, bes. Tat". XXII Vat. 5S vom J. SS4 und dann zahl-
he Beispiele aus dem X.Jh.
; Veröffentlicht von Moritz, Arabic palaeographv Tat". 107— 1 10.
6) Lyons-Garstin, A report on the island and temples of Philae Taf. 58 t'. Andere Beispiele bei Wulff,
Altchristliche und mittelalterliche Bildwerke I, Taf. 77 f.
2. Die Saken und der arische Kreis. 217
andererseits von Iran nach Osten wird belegt durch Stücke wie den kleinen Holz-
löffel aus Turkestan, den Le Coq, Chotscho S. 64 abgebildet hat.
Auf dem Stücke des Kotschkarschatzes in Abb. 180 rechts begegnet wie auf
dem Kapitell von Dwin Abb. 160 das Motiv des „Knotens", der u. a. als sog. gordischer
Knoten an Säulenpaaren als orientalisches Motiv bekannt ist. Daß er eine symbolische
Bedeutung hat, mag man aus der Anbringung eines ähnlichen Motivs zusammen mit der
Hand auf dem Hörne von Jasz-Bereny ersehen, das Hampel Altert. III Tafel 532 f. ver-
öffentlicht hat l. Auch dieses Denkmal gehört nicht der ausgehenden Antike an, wie
Hampel und Andere annahmen, sondern ist wie die Innsbrucker Emailschale ein gutes
Stück iranisch-türkischer Kunst2. Mit der Herleitung dieser Art Knoten hat sich kürz-
lich Stöcklein :i beschäftigt und seine buddhistisch-chinesische Herkunft, sowie die
türkische Vermittlung nach dem Westen klargestellt. Ich kann mich daher hier mit
der Erwähnung dieser unerwarteten Stütze für meine Anschauungen begnügen.
G. Die verknoteten Kreise. Das mehrstreifige Bandgeflecht ist auf das engste
verknüpft mit dem bereits oben S. 13of. erwähnten beliebten Stoffmuster der verknoteten
Kreise. Es wurde dort wegen seines engen Zusammenhanges mit der geometrischen
Ranke besprochen. Dieses Muster könnte seine Verbreitung in Vorderasien in Stoffen
und durch eine Kunstgattung gefunden haben, die bisher für Ornamentfragen unbeachtet
blieb. Die sakische Architektur war, soweit sie bodenständig ist, Verkleidungsarchitektur
im Gegensatz zur griechischen, die ihre Glieder aus einheitlichem Material, ursprünglich
Holz, dann Stein aufwachsen ließ. Im Zentrum sakischer Kunst, das im Nordosten,
d. h. da zu suchen ist, wo die Handelswege vom Mittelmeer her mit denen von Indien
und China wie in einem Kreuzwege zusammenliefen, kannte man ursprünglich als
einziges bodenständiges Baumaterial nur den sonnengebrannten Ziegel, der noch weniger
als der feuergebrannte Ziegel sich dazu eignete, künstlerische Wirkungen auszulösen.
Die Folge davon war, daß man die Bauten von alters her mit edlerem Material ver-
kleidete. Da nun aber der Kern dieser Bauten, der Rohziegel, keine Dauer hatte,
so sind fast alle Denkmäler dieser Art vom Erdboden verschwunden, mit ihnen die
alten Dekorationen, denen man vielleicht durch Ausgrabungen wird beikommen können.
Diese aber wurden bisher in jenen schwer zugänglichen, den Franzosen vorbehaltenen
Gebieten von niemandem unternommen, daher die sakische Kunst vorläufig nur mittel-
bar erschlossen werden kann. Das wichtigste Mittel ist der Rückschluß von sakisch be-
einflußten Steinbauten in Armenien und von Ziegelbauten in Mesopotamien her, ferner
von den durch Ausgrabungen oder erhalten nachweisbaren, im sakischen Stil durchge-
führten Bauten der Sasaniden und des frühen Islam, nicht zuletzt aber auch von Werken
der Kleinkunst aus, auf die unser Augenmerk in vorliegender Arbeit gerichtet ist.
Ich gehe von dem Krug mit dem Zangenornament im Schatze von Nagy-Szent-
Miklos (Abb. 60 u. 64) aus. Die verknoteten Kreise sind hier in einer Weise wirksam
gemacht, die ihresgleichen sucht. Perlschnüre säumen zwei Bänder von schuppen-
artig übereinandergelegten Scheiben, auf welchen die Glanzlichter des Goldes lebhaft
zur Geltung kommen. Dieses Motiv ist auch der armenischen Miniaturenmalerei ge-
läufig, Abb. 181 und wie eine der Kanonesarkaden des kleinarmenischen Evangeliars von
1) Vgl. dazu die monographische Bearbeitung des Homes von Hampel im Arch. Ertesitö 1905 S. 97 f.
2) Vgl. darüber Amida S. 120 f und 348 f. 3) Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 1914/5 S. n8f.
2l8
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
1113 bwz. 893 in Tübingen bezeugen K In Armenien, einem Gebiete, das dem Zentrum des
Sakischen in Chorasan ebenso im Westen zugewendet ist, wie das durch den Krug
vertretene türkische Gebiet im Osten, finden wir nun auch zahlreiche Belege des
Motivs der verknoteten Kreise als Wand- bzw. Flächendekoration. Ein ausgezeich-
netes Beispiel wurde bereits Abb. 131 in der schönen Holztür aus Georgien vorgelegt.
Armenische Beispiele bieten Abb. 182 und 1832, von der um looo entstandenen Kirche
des Gagik in Ani stammend, die der großen Kirche, die Nerses III um 650 in Swartnotz
gebaut hatte (vgl. oben S. I96), nachgebildet ist. Tatsächlich findet sich auch dort
schon eine Steinplatte mit den verknoteten Kreisen, die ich leider nur in einer Skizze
Abb. 182: Ani, Gagikkirche: Ver/.ierle Steinplatte.
besitze. Auf diesem Bruchstücke sind noch drei Kreise in zwei Reihen übereinander,
von Rosetten gefüllt, erhalten. Reicher sind die Motive in Ani. Abb. 182 zeigt ein
dreistreifiges Zickzack und verknotete Kreise in anmutiger Verflechtung durch-
einander geschlungen. Die Kreise sind wie auf der Holztür (Abb. 1261 durch Knopf-
reihen auffällig gemacht. Es ist das die gleiche Art, die wir an der Tür des Mahmud
von Ghasna als typisch verwendet nachgewiesen haben (vgl. oben S. 2067). Ein
Blick auf den nordischen Schlitten des VIII. Jh. Abb. 174 wird ferner belegen, daß
auch dort Kreise und Rauten übereinander gelegt sind. Das armenische Beispiel
liegt auf einem der Arierwege vermittelnd zwischen Awghanistan und Norwegen.
Mit der Zeit werden sich vielleicht auch noch andere Zwischenglieder finden.
1 Vgl. meine Kleinarmenische Miniaturenmalerei Taf. VIII in den Leistendes -förmigen Aufsatzes.
2> Beide Druckstöcke nach Photogrammen, die ich dem Architekten Toramanian verdanke.
2. Die Saken und der arische Kreis.
2I9
Abb. 183, ebenfalls eine Steinplatte, zeigt die verknoteten Kreise zweistreifig
ausgeführt und ganz durchsetzt von Palmettengebilden, so daß die Grundelemente der
Ornamentströme wie in Abb. 126 zu einer Einheit verbunden erscheinen. Das Band ist
im Schrägschnitt gefurcht und ebenso die Palmetten. In der äußeren Reihe sieht
man das flaschenartige Motiv, von dem oben S. 114 die Rede war, von hängenden,
in der inneren Reihe einen zweistreifigen abgebundenen Stab von liegenden Halb-
palmetten begleitet. In den Zwickeln Vollpalmetten und Vierpässe, die Palmetten-
motive immer mit entschiedener Betonung des Kreislappens. Man beachte auch,
daß das Ornament hier um eine rechteckig umrahmte Rundnische gelegt ist, und so
das n-förmige Motiv entsteht, das in armenischen (Abb. 181) und byzantinischen Minia-
Abb. 1S3: Ani, Gagikkirche: Verzierter n-förmiger Aufsatz.
turen sowie auf den altarabischen Grabsteinen eine so große Rolle spielt und neuer-
dings mit der Tabula ansata in Verbindung gebracht wird, obwohl es ein rein sakisch-
türkisches Motiv ist1.
Beispiele der verknoteten Kreise aus sasanidischer Zeit sind im ersten Dreieck-
felde von Mschatta, auch wieder mit der bezeichnenden Knopfreihe erhalten2. Das
Berliner Museum besitzt aber auch Reste einer Wandverkleidung in Stuck aus Meso-
potamien, Abb. 184 — 186, die gerade das bieten, was ich als Lieblingsmotiv der ost-
iranischen Stuckwände annehme: die verknoteten Kreise3. Ich bilde drei von den acht
Plattenfragmenten in einer Zusammenstellung ab, die ohne Anspruch auf Richtigkeit
1) Vgl. Amida 363 4 und „Der Islam" II S. 333. Dazu' die charakteristische Behauptung Karabaceks
(Sitzungsberichte der Ak. d. Wiss. in Wien, phil.-hist. Kl. 178. Bd., 5. Abh. S. 26 f.) und was Herzfeld (Der
Islam VI [19153 s. 192) dazu phantasiert. Wie die Steinmetzen der altarabischen Grabsteine die Tabula ansata
geben, habe ich Der Islam II. S 332 deutlich genug gezeigt. Das n-förmige Gehänge hat damit nichts zu tun.
2) Mschatta Taf. IX und S. 308 f.
3) Vgl. Amida S. 359 und Sarre, Jahrbuch d. kgl. preuß. Kunstsammlungen XXIX (1908), S. 69.
120
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
doch vielleicht eine Anregung dafür gibt, über den Zusammenhang nachzudenken;
möglicherweise gehören die drei Muster auch drei verschiedenen Wänden an. Die
Hauptsache ist, daß auf zweien, der Platte mit dem Flügelpaar und dem Steinbock,
der Kreis mit dem Knopfornament, einmal einfach, einmal doppelt als Rahmen ge-
nommen ist. Abb. 185 in den Achsen Spiral-Quadrate mit Kreislappen statt der ver-
schlingenden kleinen Kreise, was mich glauben läßt, daß die großen Kreise nicht
unmittelbar aneinander stießen. Doch sind das Fragen für sich. Das Muster der ver-
fx
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Abb. 184 — 186. Berlin: Kaiser-Friedrich-Museum : Stuckornamente aus Mesopotamien.
knoteten Kreise ist nun wie gesagt ein Lieblingsmotiv der persischen Seidenstoffe,
die Falke J neuerdings von dem alexandrinischen und antiochenischen Kunstkreise
herleitet. Nur die Füllung lässt er beschränkt als persisch gelten. Es .entsteht also
auch hier wieder die Frage, ist das Muster der verknoteten Kreise hellenistisch und
auf Persien übergegangen oder liegt der Fall umgekehrt? Falke argumentiert so
(S. 30): „Die Vermutung, daß die Seidenweberei in Persien älter sei, als auf römischem
Gebiet, hat keine Wahrscheinlichkeit für sich. Ihre Anfänge müßten dann schon in
das Partherreich der Arsakiden zurückreichen, dessen nationale Kultur noch niedriger
eingeschätzt wird, als die des sasanidischen Irans. In den Schriftquellen ist von einem
persischen Seidengewerbe vor der zwangsweisen Verpflanzung gräko-syrischer Weber
1 Kunstgeschichte der Seidenweberei I S. ■so und 80.
2. Die Saken und der arische Kreis. 221
durch Schapur II um 360 nach Susiana und Persis nichts überliefert, und die ältesten
sasanidischen Stoffe, die wir kennen, stammen erst aus dem 6. Jh. Sie entsprechen
stilistisch den gleichzeitigen Reiterstoffen von Alexandria. Diesen aber geht auf
griechischer Seite eine ansehnliche Denkmälerreihe voraus, die einen älteren Seiden-
stil enthüllt, dem Persien nichts gegenüberzustellen hat". Soviel Sätze, soviel falsche
Annahmen. Sie sind heute gang und gäbe. In erster Reihe steht die unbegreifliche
Vorstellung, daß Susiana und die Persis, zwei Südprovinzen, das Hochland von Iran
schlechtweg bedeuten. Daraus sind auch bei Herzfeld alle Fehler entstanden. Die
künstlerisch ausschlaggebende Provinz ist nicht dieses Steinland, sondern der stein-
arme Norden gewesen. Dort war man auf den Rohziegelbau und die dekorative
Verkleidung gewiesen. Über diese Gegend hat auch der Seidenhandel seinen Weg
genommen und dort in Baktrien und unter den Parthern hat jene wichtige Mischung
griechischer, west- und zentralasiatischer, indischer und chinesischer Elemente stattge-
funden, die unter Vortritt der Nomaden und Nordvölker Träger des neuen Stiles am
Mittelmeere wurde. Die Stoffe werden sich bei genauerer Untersuchung dafür ebenso
als Beleg nachweisen lassen wie die Metallsachen , die in diesem Bande im Vorder-
grunde stehen. Ägypten und Syrien waren der empfangende Teil, ähnlich, wie die
Persis und Susiana, Mesopotamien und Armenien. Auf dem Gebiete des Kuppel-
baues läßt sich das ganz schlagend nachweisen. Für die Seidenstoffe beginnt die
Forschung jetzt durch die Funde in Turkestan, Khotan und in Tunhuang an der
chinesischen Grenze ganz neue Grundlagen zu gewinnen1. Weiter aber werden ver-
gleichende Studien leiten, wie sie jetzt in meinem Institut von M. Dimand über die
Verzierung der ägyptischen Wollwirkereien geführt werden, die der koptischen und
arabischen Zeit angehören. Die flächenfüllenden Muster zeigen da so auffällige, mit
China und Indien neben iranischen Mustern in Verbindung zu bringende Motive, daß
der vergleichenden Forschung auch da deutlich die neuen Wege gewiesen werden,
wie sie dieses Buch bahnen will. Auf die Zellenverglasung, den Schmelz, die Fliesen-
technik u. s. f. kann ich hier leider nicht näher eingehen. Einschlägige Arbeiten wer-
den sich genau in dem weiten Umkreise zu bewegen haben, wie die Untersuchungen,
die ich hier führe. De Linas hat dafür längst den Weg gewiesen. Vgl. unten S. 237, 270 usw.
Der Palast von Hatra, die größte erhaltene Schöpfung der Parther, ist eine Grenz-
erscheinung'2. Er liegt im nördlichen Mesopotamien und ist für Araber von Saken oder
Armeniern erbaut. Dort sind die Außenmauern noch durchaus in Stein verkleidet
und ausschließlich die Tonne, nicht die Kuppel verwendet. In Chorasan aber setzt die
kunsthistorische Forschung eben erst mit der Expedition des Kunsthistorischen Institutes
meiner Lehrkanzel an der Wiener Universität ein. Ausgrabungen konnten nicht gemacht
werden ; wo sie versucht wurden (Nischapur), sind sie von den Ortsbehörden unter Hinweis
auf das Vorrecht der Franzosen eingestellt worden. Da ist also, soweit nicht früh-
islamische Denkmäler aushelfen, noch alles der Zukunft vorbehalten. Es ist die Haupt-
absicht des vorliegenden Buches, die Aufmerksamkeit auf diese wichtigste Einbruch-
steile der asiatischen Kunst hinzuleiten. Kleinasien, Mschatta und Amida haben
darauf vorbereitet.
1) Vgl. mein „Zentralasien als Forschungsgebiet", Osterr. Monatsschrift für den Orient XL (1914)
S. 68 f. bes. S. 78. 2) Vgl. darüber oben S. 73, 151 und Andrae, Hatra. 2 Bände. Leipzig 1908 u. 1912.
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
H. Stand der heutigen Forschung. Wir haben nun zwei Arten von Dekorations-
systemen auf Chorasan und sein Hinterland zurückgeführt: das mehrstreifige Band-
geflecht und die verknoteten Kreise. Wenn man ein kunsthistorisches Handbuch wie
Wulff „Altchristliche und byzantinische Kunst" hernimmt, so wird man die Mehrzahl
der in der Übergangszeit vom Altertum zum Mittelalter auftauchenden neuen Ornament-
reihen entgegen meinen in dem Werke über Mschatta vorgelegten Untersuchungen auf
Syrien bezogen finden1, mitAntiochia als Zentrum. Während so in Deutschland die For-
schung auf eine schiefe Bahn geraten ist, hat man in Frankreich und England die Mschatta-
Ergebnisse im wesentlichen angenommen 2. Die Erklärung liegt darin, daß dort nie die
Einseitigkeit unserer klassisch -philologischen Orthodoxie geherrscht hat, man dort
vielmehr, durch den Besitz der Kolonien geistig vorbereitet, von der Bedeutung der
vom Mittelmeer losgelösten Kunstströme im Innern Asiens und den von Indien und
China ausgehenden Einflüssen zu allen Zeiten eine ungefähre Vorstellung hatte. Die
Gruppe, die sich in Deutschland gegen meine Aufstellungen wendet, lenkt nur wieder
in die alte Schulmeinung ein, gegen die Arbeiten wie Kleinasien, Mschatta und Amida
vorgegangen waren. Wulff mit seinen Hintermännern und Schülern hat zudem die
Denkmäler der Völkerwanderung, denen auch der albanische Schatz angehört, völlig
außer acht gelassen. Der Boden seines Hauptgewährsmannes ist im wesentlichen die
Architektur und die dekorative Plastik im Dienste der Baukunst. Und selbst in
diesem engen Kreise wurden Steinarchitektur und Verkleidungsarchitektur nicht grund-
sätzlich geschieden. Die Folge ist, daß dieser Berliner Kreis wie Riegl niemals auf den
zentralen Herd im nordöstlichen Iran stoßen konnte, sich immer nur an Mesopotamien,
im besten Fall an die persischen Bauten in Susiana und der Persis hielt Von daher
und aus den Schriftquellen konnte freilich keine Erkenntnis kommen.
Ich beschränke mich an dieser Stelle auf das mehrstreifige Flechtwerk und das Muster
der verknoteten Kreise. In „Mschatta" und oben S. 71 f. habe ich bereits die Weinranke
untersucht, in „Amida" die Tiermotive. Für sie alle mag gelten, was ich schon für die
geometrische Ranke nachgewiesen zu haben glaube: sie kommen aus der sakischen
Einfallspforte, wo sich Einheimisches mit Griechischem, Indischem, Chinesischem und
dem Kunstbesitze der Nomaden und Xordvölker mischt. Wie weit dabei die letzteren
Elemente den Ausschlag gaben, läßt sich heute noch nicht im entferntesten beur-
teilen, die Forschung soll nur beobachtend in diese Richtung gelenkt werden. Wollte
ich mich durch die Tatsachen auf chinesischem Gebiete leiten lassen, so müßte ich
annehmen, daß das Bandornament ursprünglich von dort ausgehe. Hoerschelmann
erwähnt in seiner Entwicklung der altchinesischen Ornamentik S. 2 f. die Tatsache,
daß das alte Schriftzeichen für Ornament in den ältesten chinesischen Wörterbüchern
als Darstellung des Flechtmusters erklärt wird. Auch ist zu beachten, daß
dieses Muster, sogar mehrstreifig verwendet, ein Lieblingsornament der ältesten hiera-
tischen Bronzen ist (Abb. 107), aber freilich neben dem Tierornament zurücktritt. Doch
sehe ich die Dinge im vorliegenden Buche von der europäischen Seite an, für die
Altai (Abb. 106) und Iran die Ausgangspunkte sind.
ii Ahnlich schon Kondakov, Gesch. und Denkmäler der byzantinischen Email> S. 69 und Courajod.
2 VgL Brchier, Nouvedes recherches sur l'histore de la sculpture byzantine. Dazu oben S. 74 und
Dalton, Byzantine art and archaeology 191 1, Diehl, Manuel d'art by/.antin 1910.
3. Konstantinopel und der Mittelmecrkreis. 223
Nordostiran kam in der Kunst wie im Seidenhandel die Rolle des Vermittlers
zwischen dem Mittelmeere und Hochasien, Indien und China zu. Seine eigenen
Elemente liegen in der Verkleidung von Rohziegeln, die also zur Kuppel ebenso führten
wie zu den Ornamentsystemen, von denen Mschatta, Amida, Armenien, Samarra
und die in diesem Buche veröffentlichten Denkmäler eine Vorstellung geben. Die
Kuppel, auf sakisch-armenischem Boden zum vollen Ausdruck des für den arischen Ge-
schmack bezeichnenden Raumgefühls geworden, wiiJ<te das ganze Mittelalter hindurch
auf das Mittelmeer und Europa, bis sie seit der Renaissance auch dort die Herrschaft
antrat. Dagegen ist der Südträger des sakischen, von allen Seiten beeinflußten Ornaments
der Islam geworden, dessen entwickelte Kunst durchaus in der ostiranischen wurzelt.
Davon später und „Die bildende Kunst des Ostens" S. 7 f. und 28 f. Ich schließe da-
mit den Abschnitt über den Stand der heutigen Forschung nicht, der Rest des
Buches wird vielmehr fortlaufend darauf Bezug nehmen.
3. Konstantinopel und der Mittelmeerkreis.
Der Alexanderzug leitet für das Mittelmeer die Periode eines Weltverkehres ein,
wie er vorher nur zur Zeit des sumerisch-akkadischen Vorstoßes und in mykenischer
Zeit bestanden haben dürfte. Es findet ein Austausch von Formen zwischen dem
Süden Europas, den Ostküsten des Mittelmeeres und Asien statt, in dem — wie ich in
meinem „Hellas in des Orients Umarmung" anzudeuten suchte1 — zuerst griechische
Formen nach dem Osten und später immer mehr asiatische nach dem Westen drangen,
bis endlich die hellenistische Kunst ganz unterlag, soweit nicht das Christentum und
die Höfe die alten auf Darstellung und Verblüffung berechneten Formen in die neue
Zeit hinüberretteten. In dieser Richtung ist wohl die konservative Rolle von Rom und
Byzanz zu suchen; im übrigen haben gerade diese beiden Residenzen zusammen mit
den übrigen, nicht minder anspruchsvollen Großstädten am Mittelmeere durch das
wachsende Luxusbedürfnis dem Einzüge der asiatischen Kunstformen Tür und Tor
geöffnet.
Es ist anerkannt, daß sich in den Jahrhunderten um die Mitte des ersten Jahr-
tausends unserer Zeitrechnung am Mittelmeer ein Wandel des Geschmackes vollzieht,
den die einen auf die vordringenden Barbaren, die andern auf die letzte Phase einer
folgerichtigen Entwicklung der antiken Kunst zurückführen (vgl. oben S. 65f.). Die
Sache hat insofern allgemeinere Bedeutung, als damit zusammenhängt, wie die Kunst-
forschung Stellung zu nehmen hat zur humanistischen, auf den klassischen Sprachen
begründeten Geistesbildung des deutschen Volkes. Der Druck, den man damit auf
das Empfinden ausübt, ursprünglich wohltätig wie die christliche Religion, wirkt
ähnlich der römischen Kirche allmählich der Entstehung einer deutschtümlichen
Kultur entgegen. Es fragt sich nun, ob der Zeitraum geistiger Freiheit, den die
Germanen am Anfang ihrer historischen Zeit vor Eintritt des Christentums noch ge-
nossen, sie als Träger einer auf Asien zurückgehenden Kunst zeigt, oder ob sie schon
in der Zeit, in der ihre Wanderungen begannen und die Besitzergreifung von Gebieten,
die bis dahin die Römer innehatten, auch künstlerisch vollständig im Banne der An-
1) Beilage der Münchner Allgemeinen Zeitung Nr. 401 vom 18/19. II. 1902.
2 i , IV. Die Kunst der Nomaden und Xordvölker.
tike waren, wie Riegl will. Denn das steht ja, scheint es, außer Zweifel, daß die
Völkerwanderungskunst keine ausschließlich im Norden Europas bodenständige, aus
der prähistorischen Entwicklung naturgemäß hervorgehende, sondern z. T. wenigstens
entweder von Rom oder dem Orient übernommen ist. Darauf spitzt sich im letzten
Ende für uns Nordländer das Problem „Orient oder Rom" zu. Ich prüfe im vor-
liegenden Abschnitte die Voraussetzungen am Mittelmeer und werde im nächsten
Abschnitt auch auf den Norden selbst übergehen.
Als ich 1901 mein Buch „Orient oder Rom" schrieb, da lag mir nur das Christen-
tum und die Mittelmeerkunst im Sinne. Wickhoff hatte in der „Wiener Genesis" der
hellenistischen Kunst ein selbständiges Rom entgegengestellt, das schöpferisch im
Gebiete der bildenden Kunst neue, bahnbrechende Wege eingeschlagen haben sollte,
während ich gerade damals nach nahezu sechsjährigem Aufenthalte in Rom und
dem Oriente zu der Überzeugung gelangt war, daß Rom nur die letzte Phase des
Hellenismus in lokaler Färbung bedeute und der Orient mit dem Christentum stärker
als vorher die maßgebende Macht wurde. Riegl glaubte mit seiner spätrömischen
Kunstindustrie auszugleichen. Er schrieb mir damals anläßlich der Übersendung
meiner Kritik „Hellas in des Orients Umarmung": „Man kann die Dinge vom einseitig
antiken (Wickhoff), einseitig orientalischen (Sie) und einem vermittelnden Standpunkt
betrachten; dem letzteren suchte ich wenigstens nachzukommen". Riegl glaubte, die
hellenistische Kunst Ostroms löse das Rätsel. Inzwischen bin ich in der Erforschung
der christlichen und islamischen Kunst immer weiter nach Osten vorgeschritten und
glaube, soweit die Architektur und die darstellende Kunst in Betracht kommen, Be-
weismaterial genug für meine Überzeugung beigebracht zu haben; Armenien wird da
den Schlußstein liefern. Mit Mschatta und Amida war ich auch auf das Gebiet des
Ornaments übergegangen, das mir in „Orient oder Rom" noch fernlag. Die nordische
und Nomaden-Kunst hatte ich lediglich in Aufsätzen gestreift1. Nunmehr stehen in
diesem Buche die Schatzfunde der Völkerwanderungszeit aus dem Südosten Europas
im Vordergrunde der Betrachtung.
Die Bearbeitung dieser Schatzfunde hat seit Hampels und Riegls Anregungen
auffallend geringe Fortschritte gemacht. Das österreichische archäologische Institut
in Wien, das die Herausgabe der spätrömischen Kunstindustrie übernahm, brachte
in den abgelaufenen vierzehn Jahren nicht einmal den zweiten Band heraus, zu dem
der erste nur eine Einleitung sein sollte. Riegl bezeichnet diesen zweiten Band 1903
als im Drucke befindlich2. Es bewahrheitet sich somit, was schon von englischer Seite
(Minns S. 282) behauptet wurde: The volume in which he was to have treated of
the barbarian arts has never appeared: and now it never can.
Vielleicht erklärt sich die Verzögerung ziemlich einfach daraus, daß in den Schatz-
funden neben dem gewohnten antiken Erbe ein außerordentlich starker und mit den
Jahrhunderten zunehmender Einschlag fremdartiger Elemente steckt, mit dem der
nichts anzufangen weiß, der sich immer nur mit Geschichte, Philologie und Denk-
mälern der griechisch-römischen Mittelmeerwelt beschäftigt. Niemand will den ersten
unsicheren Schritten folgen, die zur wissenschaftlichen Eroberung jener anderen
1 PreuB. Jahrbücher LXXII (1S93) s- 448f- Vß1- (iazu Nettmann, ebenda (.XXIII (1916) S. 300X
2 Beiträge zur Kunstgeschichte, Wickhoff gewidmet, S. 5.
3. Konstantinopel und der Mittelmeerkreis. 22 C
Kunstvvelt führten, in deren Umarmung- Hellas und Rom derart erstickt wurden, daß
sie nur durch künstliche Renaissancen wiedererweckt werden konnten. Jeder wehrt
ab, und man darf kaum erwarten, daß es in absehbarer Zeit besser wird, weil der orienta-
lische Philologe, der es unternimmt, Kunstgeschichte zu studieren, von seinen Fachge-
nossen nicht für voll angesehen wird und ein Kunsthistoriker wieder, der sich ohne
Kenntnis der verschiedenen Sprachen mit den orientalischen Denkmälern beschäftigt, der
herrschenden Richtung von vornherein für einen Dilettanten gilt. So ist denn die
schwierige Forschung auf dem von vielen nationalen, sprachlich auseinandergehenden
Kräften durchsetzten Übergangsgebiete von der antiken zur mittelalterlichen Kunst
auch weiterhin auf Mitarbeiter angewiesen, die bereit sind, entweder als Spezialisten
Hungers zu sterben oder sich als Paria zwischen den erbgesessenen Forschungs-
richtungen herumzutreiben. Zu der notwendigen festeren Begründung auch auf philo-
logischer Grundlage kann es unter diesen Umständen garnicht kommen.
Das Schwierige bei Bearbeitung der Schatzfunde zunächst aus der Zeit des späten
Hellenismus, als Ideen und Formen zu wandern begannen, und dann der nachfolgenden
Völkerwanderungszeit selbst, liegt darin, daß die kleinen Gegenstände, um die es sich
dabei handelt, weit in der Welt herumkamen, d. h. den Zusammenhang mit dem Ur-
sprungsboden verloren und nur in ganz außergewöhnlichen Fällen Inschriften als
Fingerzeig für den Forscher aufweisen. Man möchte daher wünschen, daß die Be-
arbeitung der fest am heimatlichen Boden haftenden Denkmäler der Baukunst aus
der Übergangszeit vorausginge, so daß wenigstens von dieser Seite aus ein Anhalts-
punkt für die Erwägung der verschiedenen Möglichkeiten gegeben wäre. Und da
kommt nun eine Schuld zutage, die die neueren Kunsthistoriker ganz allein zu ver-
antworten haben, die nämlich, daß sie zwar gern mit dem bequem in Photographie
erreichbaren Materiale von Malerei und Plastik arbeiten, sich etwa auch noch
als Museumspraktiker oder Privatsammler mit dem Kunstgewerbe beschäftigen, aber
die feste unverrückbare Grundlage, die von der Baukunst gegeben wird, leichthin von
sich abschieben, als wenn sich die Probleme der Kunstentwicklung in irgend einem
Zweige ohne genauen Einblick in alle Kunstäußerungen behandeln ließen. Den
Denkmälern der Baukunst kommt man aber nur durch Reisen und Augenschein
bei, besonders solange es sich darum handelt, sie überhaupt erst nachzuweisen oder
wissenschaftlich brauchbar vorzuführen. Dazu wieder gehören Institute, Hilfskräfte
und Mittel, der einzelne kann da kaum den Anforderungen entsprechen. Da das alles
für den christlichen, islamischen und hochasiatischen Orient nicht besteht — wenigstens
nicht für Fachkunsthistoriker — , das große Asien, die Wiege der europäischen Welt,
aber zugleich von den Kunsthistorikern selbst als für das Studium der christlichen
und islamischen Kunst nicht in Betracht kommend angesehen wird — von seiner Bedeu-
tung als Maßstab des Verstehens der einseitigen Entwicklung der abendländischen Kunst
seit der Renaissance ganz zu schweigen — , so ist eben dem Kunsthistoriker nicht zu
helfen. Wie sehr die Entwicklung des Faches darunter leidet, zeigen große von
Berlin ausgehende Materialpublikationen wie das Textilwerk von Lessing bzw. dessen Be-
arbeitung durch Falke oder des letzteren Veröffentlichungen über Goldschmiedekunst1
i) Wie die Alten sungen .... So erklärt sich z. B. Zimmermann, Vorkarolingische Miniaturen
S. 32, die Kanne von S. Maurice sei „sicher bj-zantinischen Ursprunges".
S trzy gowski, Altai. IC
-,-.(5 IV« Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
und die in diesem Fahrwasser gehende Zusammenfassung des einschlägigen Materials von
Hampe im Reallexikon der germanischen Altertumskunde (II,S.2/Of.). Von dem Gebahren
des deutschen Vereines für Kunstwissenschaft und Clemen wird noch zu reden sein.
Auf der andern Seite stehen Architekten, die sich, im Banne von Rom, nicht
klar machen können, was alles schon in den Hellenismus vom Orient einmünden
mußte, bevor das, was wir in Rom vor uns sehen, möglich war. Sie beachten nicht,
daß die originellen Kräfte des Orients weiter bestehen, sowohl während Rom blüht
wie selbst noch in einer Zeit, als Rom (und die hellenistischen Großstädte überhaupt)
zugrunde ging. Von diesen Architekten wieder lassen sich Kunsthistoriker wie Wulff1
beeinflussen, der, nachdem die alten römischen Schranken der Forschung fielen, eine
neue Sackgasse schuf, die durch Kleinasien, Syrien und Ägypten mit Konstantinopel
als Zentrum gebildet wird. Wulff greift dabei freilich nur erneut auf Ainalov2 zurück
und lehnt jede maßgebende Einwirkung des tieferen Orients auf die entstehende alt-
christliche und byzantinische Kunst ab3.
Unter diesen Umständen muß der von mir seit anderthalb Jahrzehnten geführte
Kampf um die Frage „Orient oder Rom", folgerichtig erweitert auf „Orient oder
Byzanz"4, auch heute noch weitergetragen werden, so lästig auf die Dauer diese
längst hinter mir liegende Kampfstellung wird. Die Linie ist jetzt so weit vorge-
schoben, daß die Entstehungsgebiete des Hellenismus, die Küsten um das östliche
Mittelmeer herum, von den Einsichtigen als die eigentlichen Entstehungsgebiete der
christlichen Kunst zugegeben werden. Es handelt sich heute mehr darum, die An-
erkennung der bestimmenden Teilnahme der Länder jenseits des Euphrat und Tigris,
vor allem des sakischen Kunstkreises durchzusetzen, daneben des indischen und
chinesischen. Ich habe in einem Aufsatz über die Bedeutung der Gründung Kon-
stantinopels für die Entwicklung der christlichen Kunst5 auf diese notwendige Aus-
dehnung des Kampfes gegen die im Wanken begriffene Front der Rom- bzw.
Byzanz-zentrisch Gesinnten hingewiesen und dort auch einige bezeichnende Beispiele
als Belege der Bedeutung von Persien, Indien und China angeführt. Im vorliegenden
Werke bot sich bei Vorführung des albanischen Schatzes Gelegenheit, näher ein-
zugehen auf die Bedeutung des sakischen und alttürkischen Kunstkreises für die
Geschichte des byzantinischen Ornamentes. Freilich wäre, wie gesagt, zu wünschen, daß
dieser Arbeit hätte vorausgehen können eine andej'e, größere über die Entwicklung
des Kuppelbaues in Armenien auf Grund sakischer Anregungen. Sie wird nach Voll-
endung des vorliegenden, als Intermezzo anzusehenden Bandes, in den Druck gehen °.
A. Der Kuppelbau. Es war oben S. 191 davon die Rede, daß der Kuppelbau
die Richtung auf den ausgesprochen arischen Raumbau im Gebiet der sakischen Parther
1 .Altchristliche und byzantinische Kunst".
2 I >ie hellenistischen Grundlagen der byzantinischen Kunst 1900. Vgl. dazu Byz. Zeitschrift XI
(1902) S. 2y8f. und Kepertorium für Kunstwiss, XXVI \ 1903) S. 35 f.
gl. meinen Aufsatz „Die sasanidiscbe Kirche", Monatshefte lur Kunstwissenschaft V11I (.1915) S. 3491.
4) Vgl. die „Miniaturen des serbischen Psalters". Denkschriften d. Ak. d. Wiss. in Wien LH S. 87 t".
Dazu die Streitschriften von Brehier, Revue arch. 4, Serie X (1907) S. 396, Millet, ebenda (190S 1 S. 1 7 1 f .
In Dölgers ..Konstantin d, Or. und seine Zeit", Festgabe für de Waal, S. 363 ff.
me kurze Zusammenfassung der Ergebnisse biete ich in dem volkstümlichen Bündchen „Die
Kunst des Ostens" (Bibliothek des Ostens Bd. III), Leipzig 1916.
3. Konstantinopel und der Mittelrueerkreis. 227
genommen hat. Was vom nördlichen Iran über die hellenistischen Gebiete und Armenien
nach dem Mittelmeere vordringt und in Rom und Byzanz bewundert wird, darf also
nicht als römisch oder byzantinisch, sondern muß in seinen Zusammenhängen mit den
iranischen Ursprungsländern betrachtet werden. Die Grundlage für eine derartige
Forschungsrichtung wird die Vorführung des reichen armenischen Materials liefern, eine
Arbeit, die das Ergebnis einer im Herbste 1913 unternommenen Forschungsreise des dem
Verfasser unterstehenden Kunsthistorischen Instituts der Universität Wien ist. Als Haupt-
errungenschaft können schon hier veröffentlicht werden drei durch inschriftliches Material
und eindeutige Nachrichten der ältesten armenischen Schriftquellen belegte Tatsachen :
1. die der großen Blüte des armenischen Kirchenbaues in der Zeit vom IV. — VII. Jh.,
2. vor allem die unzweifelhaft festgestellte, ausschließliche Verwendung des Gewölbe-
baues und 3. die Tatsache der Vorherrschaft des Kuppelbaues, der zunächst in sakischer
Fassung über dem Quadrat mit Trompen und dann verstrebt durch vier. Konchen auf-
tritt, bis er allmählich zur Kreuzkuppel und unter dem Einfluß von Längstonnenbauten
zum typischen Trikonchos wird. Ich bin überzeugt, daß der Nachweis dieser Tat-
sachen mit der Zeit einen Umschwung im Gebiete unserer Vorstellungen von der
Entwicklung des christlichen Kuppelbaues herbeiführen muß. Vor allem dürfte die
Forschung über den Ursprung einzelner Typen, über die in letzter Zeit so viele
Hypothesen in der Luft herumschwirren — man denke nur an die Literatur über
den Ursprung trikoncher Bauten ' — , endlich einmal auf festen Boden gelangen.
Auf Grund der Erfahrungen, die ich in Armenien machte, bzw. der Zusammen-
hänge, die das armenische Material aufdeckte, muß ich annehmen, daß die quadratische
Kuppel aus dem arischen Holzbau stamme (Spuren in Indien und der Ukraina s.
S. 191, Anm. 2). Die runde Kuppel hat anderen Ursprung und wird in Persien2 wie
vom Hellenismus3 für Bäder verwendet.
Wenn Riegl (Stilfragen S. 272) feststellt, das Pantheon entferne sich weit vom
antiken Architekturideal, aber hinzufügt: „Und doch wird diesem niemand die Zuge-
hörigkeit zur klassischen Antike abstreiten", so muß ich dies allerdings in einem ähn-
lichen Sinne tun, wie ich die antike Steinsäule und diemenschliche Gestalt vom vorderen
Orient her in die Kunst der in das Mittelmeergebiet eingewanderten Griechen ein-
treten sehe. Sie übernehmen ihre Gestaltmotive vom Orient und haben dann Zeit
ihres Bestandes danach gerungen,, an solchen Voraussetzungen ihre rassige Eigenart
1) Ich verweise auf die Besprechung der einschlägigen Literatur von Freshfield und Ratbgen in der
Byzant. Zeitschrift XXXIII (19 14) S. 342 ff. und die inzwischen hinzugekommene Arbeit von Bühlmann
„Die Entstehung der Kreuzkuppelkirche", eines Kirchentypus, der auf das engste mit dem Trikonchos
zusammengeht. Bezeichnend ist die Stellungnahme Wulffs „Altchristi, u. byz. Kunst" S. 225, daß wohl
Alexandria das Vorbild geliefert haben werde, die typische Ausflucht dieses Forschers, wenn er dem Orient
ausweichen will. Vgl. dazu meine Aufsätze in der Zeitschrift für christliche Kunst XXVIII (1916) S. 181
und der Zeitschrift für Gesch. der Architektur VII (1916) S. 51 f.
2) Nebenbei sei bezüglich persischer Bäder erwähnt : in den auf ältere Quellen zurückgehenden Märchen
von Hatim Thai (übersetzt von D. Forbes), wird im 4. Buche das Bad Bedgard als ein prächtiges, von einer
hohen Kuppel überragtes Gebäude beschrieben. Vgl. Wollheims Nationalliteratur II, S. 172; ferner auch
hKusejr Amra S. 227 f.
3) Vgl. einen Papyrus vom J. 22 1 v. Chr. bei Helbing, Auswahl aus griech. Papyri S. 54 (Mitteilung
von A.Wilhelm). Zu der Stelle „Orient oder Rom" S. 154 Anm. sei gesagt, daß sich Puchstein geirrt
haben muß. Bei Eratosthenes finde ich nichts über Kuppeln in Athen. Auch die Beschreibung des
Herakleides (F. H. G. II S. 254) enthält nichts davon.
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
zur Geltung zu bringen. Das Pantheon ist nur eines der wenigen erhaltenen Beispiele
ihrer Versuche auf dem Gebiete des Kuppelbaues, wobei auf zylindrischer Grund-
lage machtige Dimensionen entwickelt werden sollten '. Andere liegen vor in jenen
Räumen, bei denen das sakische Quadrat den Ausgangspunkt bildet und Ecknischen
überleiten auf das Achteck bzw. Rund der Kuppel'2. Diese Konstruktion hat dann
in spätbyzantinischer Zeit eine große Blüte gefeiert, wahrscheinlich auf unmittelbar
nordiranischen oder armenischen Anstoß hin3. Der große Aufschwung, den die alt-
christliche Gewölbearchitektur durch Einführung des Pendentifs in Konstantinopel
genommen hat, läßt sich nur verstehen, wenn man den verschiedenen Typen von
Iran aus auf ihrem Wege durch Westasien bis zum Mittelmeere folgt4.
B. Die Wandverkleidung. Ein weiteres Gebiet, auf dem sich das Anwachsen des
sakischen Einflusses und seine Bedeutung für das Entstehen der byzantinischen und
europäischen Kunst im frühen Mittelalter ausgezeichnet beobachten läßt, ist das Gebiet
dekorativen Wandverkleidung, das, wohl im nordöstlichen Iran an den ohne Verkleidung
künstlerisch unbefriedigend wirkenden Rohziegelbauten entwickelt, sich im Hellenismus
durchsetzt und immer entschiedener auf den Westen einwirkt. In Mschatta (vgl. S. /$)
ist in Stein übertragen eine der glänzendsten Leistungen dieser Art erhalten. Ich
habe schon 1904 darauf hingewiesen, daß die Kunst, die wir in dieser Fassade vor
uns haben, nicht vom Mittelmeere, sondern vom Osten kommt, zunächst aus dem
nordmesopotamischen Städtedreieck Edessa — Amida — Nisibis, im weiteren Sinne aus
dem iranischen Osten. Im vorliegenden Bande konnte ich diesen Weg weiter ver-
folgen und hoffe die Forschung aus der Sackgasse, in die sie durch das starre Hin-
blicken auf die unproduktive Kunst im südlichen Persien gebracht wurde, heraus-
gerissen und ihr fruchtbare Wege im Nordosten gewiesen zu haben. Aus dem
Motivenschatze der wandernden nordiranischen Stuckatoren, die mit dem Wölbungs-
bezw. Kuppelbau nach Westen zogen, stammt ein gut Teil der Motive und des Ge-
schmackes her, den wir seit der römischen Kaiserzeit am Mittelmeere herrschend
finden 5. Hier ist nun der Ort, auf Riegls Behandlung des byzantinischen Pflanzen-
ornamentes und der Dekoration der Sophienkirche in Konstantinopel im besonderen
einzugehen. An keiner Stelle seiner Lebensarbeit vielleicht zeigt sich so deutlich,
wie Riegl offenkundigen Tatsachen Gewalt antut, um sie in seine Tendenz zu zwingen.
Wenn er dabei Klage darüber führt, daß das byzantinische Material nicht bearbeitet
sei, so bewies er damit nur seine Voreiligkeit. Es hat einer anderen Lebensarbeit
bedurft, um für die Behandlung der Kunst aus der Zeit des Überganges von der
Antike zum Mittelalter jene Grundlagen zu schaften, ohne deren Vorhandensein jeder
Versuch scheitern mußte, vor allem ein solcher, der allein Rom und Byzanz gelten
und von dort aus jene Reichskunst ausgehen lassen wollte, die alles befruchtet haben
soll. In Wirklichkeit waren Rom zuerst, dann Byzanz und Baghdad Marktplätze,
1 Vgl. für die Rotunde mit Opaion Foucher, L'art greco-bouddhique du Gandhara I, S. 1161".
2j Durm, Baukunst der Römer 2. Aufl. S. 270 f. Diehl, Manuel d'art bvz. S. 160. Vgl. Foucher S. 113.
31 Vgl. Am da S. 177 und 2631". Dazu Rosinlal, „Pendentifs, Trompen und Stalaktiten".
4) Vgl. die oben S. 191 zitierten Aufsätze und bes. Monatshefte f. Kunstwiss. VIII (191 5) S. 349X Das
k über den altchristlichen Kirchenbau Armeniens wird Material und Entwicklungsgeschichte zusammen-
fassend vorführen. Vgl. inzwischen auch „Die bildende Kunst des Ostens" S. 2S f.
5 - orientalische Italien", Monatshefte f. Kunstwiss. I (190S) S. 161.
3. Konstantinopel und der Mittelmeerkreis.
229
lebende Mittelpunkte des Welthandels, vor allem auf dem Gebiet der Prunk- und
Luxuskünste. Ihr Schaffen aber gründet sich zum größten Teile auf eingewanderte
Kräfte, deren lebendiges Keimen, Treiben und Reifen sich in den Provinzen abspielt.
Indem Riegl (Stilfragen S. 278 f.) das „Pflanzenrankenornament" der Kirchen von
Konstantinopel, beginnend mit der Studioskirche v. 463 und bis zur Blüte der Kunst
Justinians in der Sophienkirche, zergliedert, übersieht er ganz die entscheidende
Tatsache: Wie ich in Mschatta
die Palmettisierung der Wein-
ranke nachweisen konnte, so
vollzieht sich im V./VI. Jh., die
ebenfalls bereits in Mschatta
(S. 285) nachweisbare Palmetti-
sierung des Akanthus. Die geo-
metrische Ranke, im baktrisch-
parthischen Kreise stärker von
der Palmette durchsetzt, er-
obert seit dem Ende der par-
thischen Zeit die Mittelmeer-
kunst. Bei Erbauung der Kirchen
von Konstantinopel ist der Um-
bildungsprozeß im wesentlichen
vollendet. Die Flächenfüllung
mittelst der geometrischen
Ranke und die Verkleidungs-
architektur mit ihrer auf Tiefen-
dunkelwirkungen losgehenden
Durchbrucharbeit beherrscht
immer mehr die Innenaus-
stattung der Wände, während
mit dem Gewölbe das Mosaik
seinen Einzug hält1. Hätte
Riegl die Denkmäler des Ostens
gekannt, wie sie uns heute all-
mählich zugänglich werden, so
hätte er sich den Seitenhieb Abb- l87: Konstantinopel, Sophienkirche: Untere Säulenstellung.
auf eine „unerfindliche orien-
talische Originalkunst" (Stilfragen S. 278) erspart und sich nicht eigener Nach-
forschungen im Orient entschlagen können.
Das Problem „Konstantinopel" oder„Byzanz" hat — trotz Heisenberg (vgl. Amida,
Vorwort) — seit den neunziger Jahren, als ich dort durchging, und Riegl, der sich vom
grünen Tisch des Historikers aus damit beschäftigte, m. E. keine durchgreifende Bear-
beitung, wenn auch eine Vertiefung erfahren — ebensowenig eigentlich das Problem
1) Vgl. Ravenna, ein Vorort aramäischer Kunst, Oriens christianus N. S. V S. 104 f.
230
1Y. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
Rom" seit ich mit YVickhofif darum kämpfte. Blickt man heute nach Durcharbeitung
des asiatischen Materials auf beide zurück, so stellt sich in den luxuriösen Hofhaltungen
und der nicht minder repräsentativen Kirchenkunst eine Quelle der Auslieferung von
Hellas an Asien dar; der Hellenismus war dafür nur eine Übergangszeit gewesen.
„Konstantinopel steht nicht als ein Fels des Hellenismus in der Brandung der großen
Völkerwanderungen im Norden und Süden, sondern ist wie diese auf dem Gebiete
der bildenden Kunst ein Ver-
mittler asiatischer Formenschätze
an das Mittelalter im Abendlande
geworden" l. Das gilt natürlich
in erster Reihe für die dekorative
und Kleinkunst. Brehier, der
meiner Überzeugung beigetreten
ist, hat in seinen Etudes sur
l'histoire de la sculpture byzan-
tine2 gerade die dekorative Plastik
ausgiebig in dieser Richtung be-
leuchtet. Es ist bezeichnend,
daß YVulft sich darum einfach
nicht kümmert, sondern immer
noch seine hellenistisch-syrische
Gruppe vorschiebt, Persien aber,
das in Konstantinopel entscheidet,
ganz beiseite läßt — wahrschein-
lich, wie ich oben betonte, weil
er dessen Art mit Herzfeld in
Fars nicht finden konnte.
Die byzantinische Architektur
ist, wie gesagt, ohne die sakische
Voraussetzung und die unmittel-
bare Einflußnahme Armeniens
auf dem Gebiete des Kuppel-
baues nicht zu verstehen. Nur
unter der Einwirkung des Ostens
konnte die hellenistische Basilika
zusammen mit der gewölbten
orientalischen immer mehr zurückgedrängt und allmählich eine Architektur herrschend
werden, wie sie später im Barock auch im Abendlande sich durchsetzt. Und ebenso
erklären sich Einzelheiten, wie die neuen unantiken Kapitellformen in Konstantinopel
nur aus dem Vordringen der flächenverzierenden Verkleidungsarchitektur des ira-
Abb. iSS: Konstantinopel, Sophienkirche : Fensterwand.
i Aus meinem Aufsatz „Die Bedeutung Konstantinopels für die Entwicklung der christlichen Kunst"
in Dölgers Konstantin d. Gr. und seine Zeit S. 363 f.
2) Nouvelles archives des missions scientifiques N. S. III (191 1) S. 19 f. und dazu der Nachtrag ebend..
IX (19 13 S. 1 f. Vgl. oben S. 74.
3- Konstantinopel und der Mittelmeerkreis.
231
nischen Nordostens1, der selbst in dem Steinlande Armenien sich durchgesetzt hat2,
um wieviel mehr erst in den auf den Ziegel gewiesenen Großstädten des Mittelmeeres.
Der Unterschied liegt im wesentlichen darin, daß man in Chorasan und Turkestan
mit dem Rohziegel baute, also riesiger Mauerstärken bedurfte, um die Kuppel zu
verstreben, am Mittelmeere dagegen mit dem gebrannten Ziegel, wodurch der Glieder-
bau sich entwickeln konnte und die Mauer überflüssig wurde. Und für die Deko-
ration: daß man in der sakischen Ecke mit Stuck verkleidete, am Mittelmeer mit
Stein oder sonstigem edlem Materiale.
Die Folge ist die Übertragung aus einem
Abb. 189: Konstantinopel, Sophienkirche: Obere Säulenstellung.
Material, das durch Farbenkontraste im Tiefendunkel oder in Glanzflächen wirkt,
in ein Material, das eigentlich für die Modellierung in Licht und Schatten bzw.
für die Wirkung des Materials an sich bestimmt ist. Der Siegeszug der iranischen
Stuckatoren beginnt erst in nachjustinianischer Zeit.
Ich gebe hier einige Beispiele der Dekoration der Sophienkirche3. Wie an Mschatta
ist die iranische Art noch enge verknüpft mit antiken Formen. Abb. 187 zeigt das
Kapitell, die Zwickelfüllung und die Bogenlaibungen der unteren Säulenstellungen.
Am Kapitell ist der Akanthus zu einem Muster ohne Ende gedehnt: er wächst ent-
weder tangartig senkrecht breit in die Fläche oder löst sich wagrecht in Blattwedel
1) Mschatta S. 354 stellt dafür jüngere sasanidische Beispiele zusammen.
2) Vgl. oben S. 104 und „Die bildende Kunst des Ostens" S. 17 f.
'3) Nach älteren und den neuen Aufnahmen der Kgl. Meßbildanstalt in Berlin.
IV. Die Kunst der Nomaden und Nordvölker.
auf, die an Achterverschlingungen ansetzen. Ein solches geometrisches Grundelement,
das Spitzoval ohne Ende zweistreifig gehandhabt, beherrscht auch die Laibung. Die
Füllung durch Spalt- bzw. Ursprungsformen der Palmette wird dann im Zwickel im
Anschluß an die endlos ausspinnbare Ranke zur Hauptsache und zwar in der rich-
tigen geometrischen Ordnung, die kein Blattende kennt, sondern das eine Blatt aus
dem andern „arabesk" hervorwachsen läßt K Übrigens verbürgt das Monogramm
Justinians am Kapitell die Entstehungszeit. Man vergleiche diese Durchbrucharbeit mit
Abb. 190.
Abb. 191.
Abb. 190 — 192: Jerusalem, Felsendom: Mosaiken der unteren Säulenstellung (nach Vogüe).
Mschatta und wird den Fortschritt der Geometrisierung aller Gebilde in Konstantinopel
unverkennbar finden. Auch betrachte man daraufhin noch Abb. 188 die Auflösung
der Wand zwischen den Kuppelstützen und das alle Zierglieder beherrschende Netz-
werk: nur der Mimbar von Kairuan geht noch einen Schritt darüber hinaus, soweit
das zweistreifige Bandornament alleinherrschend in Betracht kommt. In der Geometri-
sierung eines Pflanzenmotivs aber bietet die Sophia selbst einen kaum überbietbaren
Beleg in der Formengebung der „Weinranke", die, in Marmorintarsia ausgeführt, die
Zwickel der oberen Säulenstellungen füllt, Abb. 189. Hier ist die Hand eines irani-
schen Meisters ebenso am Werke wie in den ähnlichen Zwickelfüllungen der Kubbet
1) VgL Salzenberg, Altchristl. Baudenkmäler von Konstantinopel Taf. XV. Riegl, Stilfragen S. 281.
3. Kon.stantinopcl und der Mittelmeerkreis. 2^3
es-Sachra in Jerusalem, die Abd el-Malik im J. 72 d. H. (69I/2 n. Chr.) ausführen ließ
(Abb. 190—192) \ freilich in Mosaik auf Goldgrund, so daß die Glanzflächen offenbar
der Füllung mit Gestalt entgegenwirkten und das Ornament magerer ist. Aber die Be-
handlung der Weinranke als eines rein dekorativen nicht darstellenden Gebildes ist
doch im Grunde völlig übereinstimmend durchgeführt. Ich begreife nicht, wie man
Mschatta in die gleiche omajjadische Zeit setzen kann. In der Sophia entspringen
die Ranken (Abb. 189) einem geometrischen Phantasiegebüde, das nicht Blatt, nicht
Korb, noch Vase ist. Zwei Reiher stehen wie auf den Zachariou-Stoffen und auf
dem Reiherkruge von Nagy-Szent-Miklos (Abb. 65) daneben. Die Ranke selbst schlingt
sich in der Art der ägyptischen Wedelranke ein2, kaum erinnern noch eingestreute
Trauben an das zugrunde liegende Motiv. Der Mosaizist des Felsendomes hat sich
(Abb. 190) nicht minder an der rein dekorativen Umbildung der Weinranke erfreut;
für ihn ist der Ausgangspunkt nicht ein zentrales Wurzelblatt, sondern jene Ranken-
stämme, die ich an Mschatta S. 303 f. als zweites Hauptmotiv vorzuführen hatte und
die in Indien und auf Teppichen wiederkehren. Doch treibt die linke Wurzel
neuerdings Herzblätter und Trauben. Die Krönung ist grundsätzlich die der Grab-
steine von Kairo: zwischen den schrägen Stämmen eine breite Art Vollpalmette aus
ITügelpaaren in Linienzügen, die sich kelchartig auseinanderlegen. In den andern
Feldern der Kubbet es-Sachra — bisher sind leider nur die vier bei Vogüe ver-
öffentlichten bekannt — gesellen sich zu den scheinbar vegetabilischen Elementen
Schmucksachen: Goldgeschmeide mit Perlen und Edelsteinen3.
C. Die Kleinkunst. Damit sind wir neben Kuppelbau und Wandverkleidung
bei dem dritten Hauptgebiete für den Nachweis wachsenden mittelasiatischen Einflusses
in der byzantinischen, islamischen und beginnenden europäischen Kunst angelangt,
bei der Kleinkunst, zumal den Gefäßen, Geräten und Schmucksachen aus Edel-
metall, die uns hier beschäftigen. Wir helfen uns gewöhnlich in der Erklärung des
Neuen, das offenkundig in diesen Zweigen der Kleinkunst auftaucht so, daß wir es
einfach „byzantinisch" nennen; damit aber ist natürlich nichts gewonnen, weil By-
zanz im besten Falle der Abnehmer oder Vermittler, niemals der Schöpfer neuer
Formen gewesen ist. Jeder sichere Nachweis von Motiven östlichen Ursprunges ist
daher von Bedeutung, die Folgerungen unabsehbar. Aber freilich ist die wissen-
schaftliche Forschung hier vor doppelt große Schwierigkeiten gestellt, weil diese
Gegenstände zumeist Wege zurücklegten, die sie weitab vom Entstehungsort brachten
und die Hauptquelle für Edelsteine, Indien, nur noch durch seine Plastik und Malerei
(Barahat und Adschanta) spricht.
Es ist natürlich und einfach, Denkmäler der bildenden Kunst dem Boden zu-
zuschreiben, auf dem sie stehen bzw. in dem sie gefunden worden sind. Venturi
hat dafür ein klassisches Beispiel geliefert. Leider ist jedoch das Recht des materiellen
Besitzes nicht einerlei mit dem Anspruch auf dessen historisch-geistige Einverleibung.
1) Vgl. Vogüe, Le temple de Jerusalem S. 84 f. und Taf. XXI f. Danach meine Abbildungen.
2) Vgl. meine Koptische Kunst S. 44 t.
3) Falke hätte in seiner Kunstgeschichte der Seidenweberei gut getan, sich etwas mit diesen und den
Mosaiken der Sophia zu beschäftigen, er wäre dann bei seinen Zuteilungen an Ägypten vorsichtiger geworden.
Die ostpersische Seidenweberei hat die Muster für die ältesten byzantinischen und islamischen Mosaikhand-
werker hergegeben. — Die Ranke von Abb. 191 vgl. man mit Ghasna (Bild. Kunst des Ostens Abb. 9).
234
IV. Die Kunst der Nomaden und Xordvölker.
Die nationale Eitelkeit war in dieser Hinsicht ebenso Verführerin wie der Glaube
an die dauernde Herrschaft des Griechisch-Römischen, nicht minder der Mangel an
Vertrautheit mit den Problemen des Weltverkehres, die immer gern unter dem Ge-
sichtswinkel der Zustände der jeweiligen Gegenwart angesehen werden. Es hat
freilich Zeiten gegeben, wo die Kultur, in der Treibhausluft einzelner Flußoasen für
sich abgeschlossen zu Kunstformen führte, die durchaus bodenständig waren: das ist
aber über fünftausend Jahre her. Es folgten Mischkulturen, die, zusammengebraut
aus im Laufe kurzer Jahrhunderte oder gar Jahrzehnte durcheinanderwogenden Kultur-
strömen aus verschiedenen Weltgegenden, geradezu jeder bodenständigen Eigenart
entbehrten. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Zeit des Überganges vom Alter-
tum zum Mittelalter eines der besten Beispiele letzterer Art ist. Damals überflutet
die von Hellas und Rom durch ein halbes Jahrtausend zurückgedrängte uralte Welt
des Orients die verhältnismäßig jungen Gebiete am Mittelmeere. Indien und China greifen
auf dem Land- und Seewege ebenso ein wie der Formenschatz, den die Nomaden
mitbringen und die Voraussetzungen, die auf mehr oder weniger unberührt prähisto-
rischem Nordboden gegeben waren. In diesem Chaos eines Weltverkehres, von dem
wir uns heute erst notdürftig einen Begriff machen können, weil er weit über die
gegenwärtige Ausdehnung unseres auf Europa eingestellten philologisch-historischen
Horizontes hinausgeht und ganz anders orientiert werden muß, kann der Kunsthistoriker
nur schwer festen Boden für Ursprungsfragen gewinnen, und es ist lächerlich, wenn Leute
wie der theologische Antiquar Wilpert daraus auf dieUntauglichkeit der ganzen Forsch-
ungsrichtung schließen K Rom ging nicht zuletzt künstlerisch zugrunde, weil es seit dem
IV. Jh. handelnd aus dem Weltverkehr ausschied. Es ist vergebene Liebesmühe, die
Kunst, die dort noch weitervegetiert, zum Träger der Entwicklung im abendländischen
Mittelalter aufbauschen zu wollen2. Nicht die Kirche, sondern die Bedürfnisse des
Kaiserhofes haben zunächst in Mailand, Ravenna und Konstantinopel den Ausschlag
gegeben; aber freilich die Kirche ging sehr bald die Wege des byzantinischen Hofes. Es
wurde alles daran gesetzt, die Gemüter durch Pracht und Prunk zu beeinflussen. Dazu
mußte Asien seine Schätze, Künstler und Handwerker liefern. Riegl hat geglaubt, die
einschlägigen Fragen mit dem Kunstwollen lösen zu können. Mit Hülfe von Dogmen
kann man in der Kunstgeschichte wie in der vergleichenden Völkerkunde, soweit ab-
solute Unsicherheit herrscht, freilich alles beweisen. Dabei aber wird der systematischen
Forschung ebenso Zwang angetan, wie der Entwicklungsgeschichte. Das ist der Schluß,
den ich aus dem Lebenswerk Riegls ziehe. Doch muß ich gleich hinzufügen: Ist er
auch in die Irre gegangen, die Energie der Arbeit hat keiner seiner Schüler oder Ge-
sinnungsgenossen seither auch nur entfernt wieder aufzuwenden vermocht. Die Epi-
gonen können, was er geschaffen hat, nicht fortführen, weil sie die Welt, nicht Rom
und das Abendland absuchen müßten, um in Riegls Art weiter arbeiten zu können.
a) Das „oströmische Kunstwollen". Eine der letzten Arbeiten Riegls war
der Mittelmeerkunst in oströmischer Färbung gewidmet 3. Riegl beobachtet da ganz
1) Vgl. Römische Quartalschrift XXIV (1910) S. 172 f.
2) Vgl. jetzt auch Giemen, „Romanische Monumentalmalerei in den Rheinlanden" und Zimmermann,
Vorkarolingische Miniaturen. Dazu Zeitschr. f. Architekturgesch. VII (1916) S. 76t".
3) Oströmische Beiträge in „Beiträge zur Kunstgeschichte, Franz Wickhoff gewidmet ', 1903. S. 1 ff.
3. Konstantinopel und der Mittelmeerkreis.
235
richtig, daß die Gewöhnung, die byzantinische Kunst als eine hervorragend dekorativ-
kunstgewerbliche zu betrachten, den aufs höchste überrascht findet, der entdeckt,
daß wir eigentlich bisher fast gar keine gesicherten Zeugnisse aus dieser Klasse
des oströmischen Kunstgewerbes der vorikonoklastischen Zeit besitzen. Man hielt
sich dafür an die Kunst der Barbarengräber. „Fanden sich hinwiederum Arbeiten,
die von einem so verfeinerten Kunstsinn zeugten, daß man sie den Barbaren nicht
zutrauen mochte, dann wurde man durch den ^ nichtklassischen, orientalisierenden
Charakter, welcher der gesamten nachkonstantinischen Kunst in so hohem Maße
eignet, in Versuchung geführt, sie schlechtweg auf orientalischen, insbesondere auf
persischen Ursprung zurückzuführen". Riegl ist natürlich dagegen und erwartet
Aufklärung von der genauen Erforschung des Schuttes der ehemaligen großen ost-
römischen Städte. Ein in Ephesus gefundenes Bronzeplättchen gab ihm in Er-
mangelung reicheren Materials Veranlassung, dieses ^^^^^^
„vollgültige Zeugnis des oströmischen Kunstgewerbes
in der vorikonoklastischen Zeit" im Wege des Ver-
gleiches mit verwandten Erscheinungen von unsicherer
Herkunft zur Grundlage der Zuweisung an das ost-
römische Kunstgebiet zu machen. Auf diesem Wege
kam er zur Annahme einer Schöpferkraft Konstanti-
nopels, die uns hierum so mehr angeht, als er gerade
die „Pflanzenornamentik", mit der sich dieses Buch
beschäftigt, Konstantinopel zuweist. Folgen wir
mit Abb. 193 seiner Beweisführung.
In einer Arkade, aus Balustern mit Zinnenbogen
und einer Basis, auf der im Zickzack Spitzovale
erscheinen, sieht man im unteren Teil ein zwei-
streifiges Dreieck, im oberen einen Bogenwulst,
scheinbar auf Keulen ruhend, die wagrecht ent-
springen aus der Mitte einer Gabelranke — so nennt
wenigstens Riegl das Motiv der geometrischen
Ranke, der hier durch Traube und Herzblatt ein naturalistischer Anstrich verliehen
ist. Im übrigen haben wir ein Gebilde von der Art der Krönung altarabischer Grabsteine
vor uns (Abb. 74), dem durch den Schrägschnitt in der Art der Steine von der Akropolis
(Abb. 68) und auf sasanidischen Silberarbeiten (Abb. 93) ihr Charakter gegeben ist.
Die Grundfläche ist nicht ganz verschwunden, doch fällt immerhin die ungriechische Art
ihrer möglichsten Zurückdrängung auf. Es dürfte sich um das Seitenbeschläg eines
Kästchens mit halbrundem Deckel handeln. Riegl schließt aus dem Festhalten an der
subordinierenden Trennung zwischen Rahmen und Innenfeld, und innerhalb des letzteren
zwischen Hauptmotiv und Füllsel auf die Entstehung, auf vormals klassisch-griechischem
Kunstboden und im Hinblick auf den Fundort in Kleinasien auf ein Produkt des ost-
römischen Kunstgewerbes. Indem er nun in diesem Gebiete nach Vergleichsmaterial
sucht, schildert er die unerwartete Enttäuschung, nichts ausByzanz nachweisen zu können.
Ich habe schon Mschatta S. 266 erklärt, daß diese Tatsache aus dem persischen Ursprung
des Bronzebleches zu erklären ist. Riegl, der, trotz des negativen Ergebnisses, Byzanz
Abb. 193: Wien, Kunsthistorisches
Holmuseum : Bronzetäfelchen aus
Ephesus.
IV, Die Kunst der Nomaden und Nordvülker.
zum Ausgangspunkt der „Pflanzenornamentik" des Stückes machen will, geht nun aus
von den Keszthelybronzen (vgl. Abb. 29), die er dem VI/VII. Jh. zuweist, und nennt
daneben gegen Westen u. a. Grumwirz (Mähren), St. Veit bei Wien, Enns in Ober-
österreich, Krungl in Obersteier, Grafenstein und Villach in Kärnten. Ja selbst bis
nach Italien — fährt Riegl fort — Albanien, Ägypten, Karthago und bis in den
Kaukasus ließe sich diese Gattung von Schmucksachen verfolgen. Auf einer Tafel
vereinigt er die charakteristischen Beispiele. Man wird sich unten überzeugen, daß
das wirklich in der Hauptsache Stücke sind, die als typische Vertreter der geome-
trischen Ranke mit dem Kreisblatt gelten können. Mit dem Plättchen aus Ephesus
freilich ist der Zusammenhang lockerer, doch lasse ich auch ihn vorläufig gelten.
Riegl meint, man könnte die Tendenz zu Brechungen und Schweifungen schlankweg
als orientalisierende bezeichnen, „aber gerade ihre Anwendung auf das Pflanzenornament,
diese spezifische Schöpfung der hellenischen Antike läßt die klassische Komponente
der postantiken Kunst unverkennbar hervortreten und die in diesen Zeilen behandelte
Ornamentik überhaupt als das direkte Verbindungsglied in der Entwicklung zwischen
dem antiken Pflanzenornament und der sarazenischen Arabeske erscheinen".
Man sieht, wie Riegl immer wieder sein Steckenpferd reitet, jede Art von Pal-
mettenranke als ausgesprochen antik hinzustellen. Der Schluß ist dann auch hier: die
Ausdrucksmittel des Kunstwollens könnten nicht spontan in allen Landschaften des
ungeheuren Ausbreitungsbezirkes erfunden sein, vielmehr nur im oströmischen Reich,
das die Führung hatte. Die Rhomäer seien den Barbaren des Ostens, den Slaven,
Avaren usw. gegenüber die Spendenden gewesen, und nicht umgekehrt. Auch kämen
für die fabrikmäßige Massenproduktion, auf die man diese Fundstücke zurückführen
müsse, nur die alten Emporien der Mittelmeerländer . in Betracht. Gegen Hampels
Pontos-Theorie sei einzuwenden, daß es sich nicht um eine provinzielle Geschmacks-
nuance, sondern um die Ausdrucksmittel für ein großes, durchgreifendes, weitherr-
schendes Kunstwollen handle, deren Erfindung man doch weit eher an einem der Haupt-
kulturzentren des Reiches suchen möchte. Der Kerngedanke bei Hampel vom griechi-
schen Ausgangspunkt sei aber durchaus richtig. Riegl stellt sich also eine wie früher
im römischen, so jetzt im oströmischen Weltreiche uniforme und normative Kunst
vor, die sich in den Provinzen den ägyptischen oder persischen, dem illyrischen oder
syrischen Lokalgeschmacke annähere. Clemen nennt sie daher jetzt die zweite reichs-
römische Provinzialkunst. Davon unten.
Im Todesjahre Riegls erschienen Hampels „Altertümer des frühen Mittelalters in
Ungarn". Er datiert die Funde von Keszthely (I, S. 174) im wesentlichen vor das
VI., aber im weiteren Sinne zwischen das IV. bis IX. Jahrhundert Obwohl er auch
ethnisch Verschiedenheiten voraussetzt, ist Hampel doch geneigt, das Überhandnehmen
des Greifenmotives und die typisch wiederkehrende Ranke (oben S. 22 f.), wie beide vor
dem Einbruch der Barbarenvölker in Pannonien in den ersten drei christlichen Jahr-
hunderten nicht anzutreffen seien, als altererbtes, von den barbarischen Ansiedlern
aus dem fernen Osten — wie Hampel annimmt, aus ihrer sarmatischen Heimat —
mitgebrachtes Gut anzusehen. Er glaubt, die „Sarmaten" mögen sich die Motive
im hellenistischen Kulturkreise angeeignet haben.
An Byzanz und ein künstlerisch führendes Weltreich denkt er gewiß nicht. Da-
3. Konstantinopel und der Mitlelmcerkreis. 2X7
gegen hat sich Riegl E. Diez angeschlossen in seiner Arbeit über die steirischen
Funde von Krungl und Hohenberg1. Auch für ihn ist der Ausgangspunkt dieser
Ornamentik die klassische Palmette: ihre Eigenart entstehe durch Auflösung des tak-
tischen Zusammenhanges der Einzelformen, die persische Färbung (im Rahmen des
Oströmischen) schlage durch. Ich empfinde, sowohl bei Hampel wie bei Diez ein
Abrücken vom Mittelmeer, für byzantinisch hat jedenfalls keiner von beiden die
Ornamentgruppe gehalten.
Das neue, im vorliegenden Werke ausgebreitete Material wird hoffentlich sowohl
der pontisch-griechischen Herleitung Hampels, wie der byzantinischen von Riegl den
Boden entziehen. Riegl hat in seiner Neigung, die Entwicklungsgeschichte einheitlich
zu dogmatisieren, den Begriff des Kunstwollens eingeführt, einen auf die Form ge-
richteten Werdezwang, der unklare Forscher des Nachdenkens enthebt. In Wirklich-
keit ist damit nur eine Sache, deren Erreger durchaus nicht etwa immer der auf sich
gestellte Künstler oder eine immanente Kunst sein muß, für eine Zeit zur treibenden
Kraft gemacht, in der Künstler und Kunst mehr denn je vor anderen Kulturwesenheiten
dienend zurücktreten mußten. Der steigende Luxus, der die Macht inszenieren soll,
hat niemals so charakterlos dem Weltverkehr Tür und Tor geöffnet wie in spätrömi-
scher und byzantinischer Zeit. Von einem „Kunstwollen", wie es Riegl meint, einem
spontanen Formwillen der bildenden Kunst kann in dieser Zeit weniger denn je die
Rede sein. — Der türkisch-sakische Strom kommt in Byzanz auch später erneut zu
durchschlagender Wirkung in der Änderung, die die dekorative Miniaturenmalerei im
X. Jh. etwa zu nehmen beginnt. Doch das sind Dinge, über die ich bereits „Klein-
armenische Miniaturenmalerei", Tübingen 1907, gehandelt habe.
b) Der Zellenschmelz. Auf ein Gebiet glaube ich hier doch im Besonderen
ein paar Worte wenden zu müssen, sei es auch nur, um dankbar Charles de Linas'
zu gedenken, der schon 1877 und 1878, also bei Eintritt der ausschließlich speziali-
stischen Zeit der Kunstforschung, in seinen beiden Bänden „Les origines de l'orfevrerie
cloisonnee" den Versuch machte, einem kunsthistorischen Problem aus der Zeit des
Überganges von der Antike zum Mittelalter in jenem weiten Umfange gerecht zu
werden, den meine Arbeiten schrittweis annehmen mußten, um jener neu anbrechenden
Zeit beizukommen. Linas hat wenigstens auf dem einen Gebiete des Emails ganz Asien
in den Bereich der Forschung gezogen und auch andere zu diesem weiten Ausblicke
gedrängt. Wenn Kondakow „Geschichte und Denkmäler des byzantischen Emails"
1892 die Lösung des Problems auch in anderer Richtung suchte, so ist er doch im
Gesichtskreis de Linas' geblieben: den Ausgangspunkt bildet für den einen das „tura-
nische", für den andern das „persische" Gebiet. Auch in diesem Falle scheint die
Übertragung nach Byzanz über Armenien gegangen zu sein und dieser Weg dürfte
ebenso auf anderen Gebieten geistigen Lebens nachweisbar sein-.
1) Jahrbuch der K. K. Zentralkommission IV (1906) S. 202 f.
2) Mit Bezug auf die Entwicklung der byzantischen Musik glaubt Dr. Wellesz drei Strömungen
verfolgen zu können: 1. die feierliche Lesung, 2. die Hymnen und Wechselgesänge, die nach gewissen
formalen Voraussetzungen erfunden sind, 3. Gesänge, die formal und rythmisch ungebunden sind, und
meist den Charakter leidenschaftlicher Anrufungen tragen. (Über die beiden ersten vgl. Osterr. Monats-
schrift für den Orient XLI [1915] S. 197 f. und 302 f.) Was die letzte Art betrifft, finden sich, abgesehen
von den Halleluja-Gesängen, Spuren in den ungemein reich verzierten Liedern der Armenier, in den
V-^3 V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
V. Der Xomadenvorstoss und die Neuordnung Eurasiens.
Soweit bisher versucht wurde, dem Einfluß der Nomadenkunst nachzugehen, voll-
zog sich dieser auf friedlichem Wege durch Nachbarschaft, Handel und Verkehr.
Das wird nun ganz anders von dem Augenblick an, in dem die Nomaden in Bewegung
geraten. Die Türken stoßen in das Herz Europas vor und haben über ein
Jahrtausend hindurch diesen Weltteil bedroht. Auch das Vordringen des Islams von
Nordafrika und Spanien her muß dabei künstlerisch in Betracht gezogen werden.
Es entschied sich jetzt zum zweiten Mal, ob Europa überhaupt kulturell unabhängig
werden sollte. Das erste Mal kam die Gefahr zugleich mit dem Christentum, dessen
Hellenisierung (in der Kunst Anthropomorphisierung) den allmählichen Sieg der Mittel-
meerkultur bedeutet. Immerhin gelang es dem Vorstoße der Nomaden und Nordvölker
in Europa jene Lage herbeizuführen, die wir als „Mittelalter" bezeichnen. Für den Kunst-
historiker sollte diese Periode immer weniger Zeitbegriff werden; sie bezeichnet einen
ganz bestimmten Kulturzustand, zu dessen Herausbildung sich Nomadenverstand, Hof-,
Kirchen- und Gelehrtenwille gründlich in die Hände gearbeitet haben. Heute erst
wird der Norden hoffentlich diese Bevormundung überwinden, vorausgesetzt, daß
der Weltkrieg mit einer Befreiung und nicht mit einem Rückschritt endet. Möchte er
uns Deutsche auf die Höhe der ersten arischen Blüte auf europäischem Boden, der
hellenischen heben. Wir würden freilich heute andere Wege gehen als die Griechen,
die genug damit zu tun hatten, sich von der Kultur des semitischen Orients loszu-
ringen. So müßten wir uns vom Erbe der Renaissance freimachen und anfangen,
Tatsachen nicht nur historisch, sondern auch nach ihrem Wesen zu betrachten. Das
Erfassen des Begriffs der sittlichen Freiheit, nicht Macht und geistiger Druck wird das
Wunder zu wirken haben. In der bildenden Kunst müssen wir aufhören italienisch
bzw. griechisch-römisch zu denken und dafür den seelischen Gehalt des deutschen
Fühlens den Ausschlag- geben lassen. Deshalb soll, was Griechen und Italiener in ihrer
Art geschaffen haben, nicht unterschätzt werden. Leonardo, Michelangelo und Gior-
gione haben ohnehin im germanischen Sinne vorgearbeitet. Das vorliegende Buch
mag in der Erkenntnis weiterhelfen.
&'
*&
i. Der Anfang des „Mittelalters".
Was wir Mittelalter nennen, ist nichts, anders als die Auseinandersetzung der
Nomaden und Nordvölker mit den hohen Kulturen des Südens. Da diese heute
noch lange nicht abgeschlossen ist, Macht und Besitz zusammen mit der kirchlichen
und humanistischen Orthodoxie nach wie vor am Ruder sind, so haben wir uns eben
vom „Mittelalter" noch nicht losgerungen. Zu seinen Kennzeichen gehört, was auf
„Akklamationen" der Byzantiner, und später in den Gesängen der „Maistores". Alle diese Gesänge
zeigen eine arabeskenartige Melodieführung, die von der innersten Struktur der beiden erstgenannten Arten
grundverschieden is*. Die Lösung scheint in der Richtung von Ostiran deshalb möglieb, weil die gleiche
Bauart der Melodien sich ebenso bei den Türken, wie im Jemen bezw. in Südrußland findet. Sie hat
dem XIV. Jh. mit dem Ausbreiten der türkischen Macht die Musik der christlichen Volker immer
mehr durchsetzt. All dies spricht dafür, daß eine Verbreitung dieser Gesangsart, die der Westen am
deutlichsten in der von Verzierungen überladenen Musik der Zigeuner kennen gelernt hat, über Armenien
l>ezw. auf dem Nomadenwege stattgefunden hat.
i. Der Anfang des ,, Mittelalters". 239
Überlieferung, statt entscheidend auf dem Wesen der Dinge baut, so leider auch das
historische Denken, wie es — trotz der Entwicklung der Naturwissenschaften — heute
noch ohne Grundlegung über die Wesenheiten geistigen Lebens z. B. im Gebiete der
Forschung über bildende Kunst genutzt wird. Davon im 'Schlußabschnitte.
Am Beginne jeder Kulturbewegung, deren Merkmale wir unter dem Begriffe „Mittel-
alter" zusammenreimen, steht eine ganz andere Vorstellung von der Welt und damit auch
ein anders geartetes Wesen der bildenden Kunst, als sie das orientalische Altertum kannte,
das über Hellas und zum Schluß mit Hof und Kirche auch in Europa siegte. Eine mittel-
alterliche Strömung war schon im Dipylonstil mit dem Vorstoße nordischer Völker in
die Mischung der Oasenkulturen am Mittelmeer eingetreten. Sie wurde ebenso rasch
durch die am Mittelmeer ausmündenden älteren Kunstströme überwunden wie die der
in Indien einwandernden Arier, scheint es, durch die ältere Dravidakunst. In Hellas
siegte die seelische Kraft des Ariers. Ein unentschiedener Kampf dagegen, ein rich-
tiges Mittelalter, scheint sich schon vor der europäischen Umwälzung an den Ein-
bruchsteilen der Nomaden und Nordvölker selbst> zwischen Kaspi und Altai mit
schwankender Grenze nach Süden zu durchgesetzt zu haben. Der Kreuzungspunkt des
europäisch-arischen und asiatisch-türkischen Stromes wird wohl unter dieser doppelten
Einwirkung zum festen Ausgangspunkte der ganzen Kunstbewegung geworden sein.
Bisher nahm man an, daß die Kunst unseres Mittelalters durch die getrennten
Vorstöße der Germanen und Araber herbeigeführt wurde. Diese Ansicht vertritt z. B.
Julius v. Schlosser in einem Aufsatz über die Genesis der mittelalterlichen Weltan-
schauung im VI. Ergänzungsbande des Instituts für österreichische Geschichtsforschung
S. 760 f. Mit solchen Ansichten wird man wohl brechen müssen. Es sind vielmehr
ganz allgemein die Nomaden und Nordvölker Eurasiens, die den Ausschlag gaben,
in deren Strom auch die Germanen und Araber einmünden. Mit ihnen ringt sich
das auf naturferne Flächenfüllung lossteuernde Handwerk gegen die von Natur und
Einzelform ausgehende hohe Kultur des Südens durch. Nicht Germanen und Araber
führen den Umschwung herbei, sondern in letzter Linie die Nomaden und Nordvölker
mit ihrer Freude an geometrischen Linien, Flächen und Farbenspielen. Das dekora-
.tive Element war bei ihnen ausschlaggebend, es kann garnicht die Rede davon sein,
daß Rhomäer und Romanen die neue Kunst gezeitigt hätten, der Ausgangspunkt
liegt im fernen Osten. Es ist- ein völliges Mißverstehen der Entwicklung, wenn man
annimmt, die Germanen des Nordens, wie die Beduinen Arabiens berührten sich in
einer „gewollten" Abwendung von der Natur; beide waren vielmehr im großen Strome
des Weltverkehres jenen Völkern zugeneigt, denen sie durch Rasse bezw. Wirtschaft
mehr als den Oasenkulturen nahestanden.
Noch weiter entfernt als Schlosser war Riegl von der Erkenntnis der Triebkräfte
beim Eintritt des Mittelalters. Der entscheidende Fehler in Riegls Geschichtskon-
struktion und der seiner Epigonen war, daß er sich in den falschen Begriff des Kunst-
wollens verbissen hatte und nun alles als Folge immanenter antiker Kräfte erklären
wollte. Das neue, dem Semitischen, wie Hellas und Rom fernliegende Empfinden
bahnt sich vielmehr durch innerasiatische, zuerst von den Parthern vermittelte, am
Mittelmeer schon in späthellenistischer Zeit hervortretende Einflüsse an und tritt in
seine volle Blüte mit den Völkerwanderungen. In Rußland und Ungarn liegen die
2 io V*. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
verschiedenen Schichten über und nebeneinander. Die Versuche von Hampel, Posta
und Arne haben gezeigt, wie schwer das Netz zu entwirren ist, wenn der Standpunkt zu
nah genommen wird. Ich hoffe, daß die neue Einstellung, die ich in diesem Buche
vorschlage, mit der Zeit zu einer klaren Problemstellung im Einzelnen, vor allem
auch nach der örtlichen und ethnischen Seite führen wird. Ich erwarte in dieser
Richtung viel von Dr. Supka — wenn er sich nur Jahre ruhiger Arbeit gönnt — ,
der bei Neuaufstellung der Funde aus der Völkerwanderungszeit im ungarischen
Nationalmuseum zu Budapest diesen Gesichtspunkten gerecht zu werden versuchen will.
Bei jeder derartigen Neuordnung wird immer zu bedenken sein, daß das Auf-
treten der Nomaden um die Mitte des ersten christlichen Jahrtausends zwar von
ausschlaggebender Bedeutung, dass aber die Wirkung dieser Katastrophe in der
Entwicklung der bildenden Kunst nach der jahrhundertelangen friedlichen Vor-
bereitung doch durchaus keine so unvermittelte war. Die neuen Keime hatten sich in
Iran, Mesopotamien, Syrien, Ägypten und am Mittelmeer überhaupt längst durch-
gesetzt. Es waren natürliche Voraussetzungen, die die Nomadenvölker zu regelmäßig
wiederkehrenden Wanderungen drängten und sie zu Vermittlern des Welthandels
machten. Erst als die Veränderungen in der Berieselung, Eroberungssucht und
Übervölkerung sie zwangen erobernd aufzutreten, da setzte sich ihr Geschmack, der
bis dahin friedlich in die bestehende Kunst durchgesickert war, vorherrschend durch.
Den von den Steppengebieten Hochasiens ausgehenden Zügen kommen andere von
Westen, besonders vom hohen Norden entgegen. Die Studien schwedischer Forscher,
vor allem eines Montelius und Arne, öffnen dafür immer mehr die Augen. Möchte
es dem vorliegenden Buche gelingen, die zäh in konventionellen Schulmeinungen und
einer Auffassung von der Rolle der bildenden Kunst in der Menscheitsentwicklung
dahinschleichende Kunstforschung:, die auf die Dauer eines wissenschaftlichen
Faches unwürdig ist, durcheinander zu rütteln und zunächst auf universalhistorischem
Gebiete zu neuen Problemen zu führen. Das Abendland ist durch Renaissancen in
eine Bahn geraten, die dringend nach der klaren Einsicht in das Versäumte verlangt.
Der Orient wieder ist dauernd im Mittelalter stecken geblieben. Es gibt dort noch
weniger eine Neuzeit als bei uns. Wir Abendländer sollten trotzdem den Orient nicht
unterschätzen. Er kann in uns etwas flüssig machen, mit dem zu rechnen wir
im Laufe der nach Antike und Italien orientierten Jahrhunderte verlernt haben:
unsere einst in der „Gotik" aufblühende Eigenart zu pflegen '. Die Maßstäbe, die
der nähere Verkehr mit dem Orient zeitigen wird-, dürften in dieser Richtung be-
freiend wirken. Indem wir uns zunächst den Ungarn, Bulgaren und Türken ver-
banden, haben wir alte Verkehrswege wieder aufzunehmen begonnen. Dem tür-
kischen Stoß der zweiten Hälfte des ersten christlichen Jahrtausend wird nun hoffent-
lich am Ende des zweiten eine Gegenbewegung deutscher Kultur folgen.
2. Ursprung des albanischen Schatzfundes.
Im Rahmen der Betrachtungen über den türkischen Vorstoß ist nun zunächst
der Versuch einer Lösung der Frage nach dem Ursprünge des albanischen Schatz-
i VgL nieinen Aufsatz „Die schwedische Großkunst der Gegenwart". Zeitschrift für bildende Kunst 1916.
Vgl. auch Schiller „Über Völkerwanderung, Kreuzzüge und Mittelalter".
2. Ursprung des albanischen Schatzfundes. 2J.1
fundes zu machen. Bei der Seltenheit alttürkischer Wegspuren in Europa wäre der
Nachweis der Schmucksachen als hochasiatisch von der größten Bedeutung. Wir
haben, von diesem Schatzfunde ausgehend, durch seine Einordnung in die Gruppe
der verwandten Schatzfunde der Völkerwanderungskunst aus dem Osten Europas
und Verfolgung der eigenartigen Ranke auf den Schmucksachen, ferner durch allge-
meine, die Rolle Innerasiens in der Kunstentwicklung des ersten Jahrtausends nach Chr.
betreffende Überlegungen die Untersuchung in ein so weites Feld rücken müssen,
daß es an sich Zeit wäre, nun auch den Versuch zu wagen, dem Schatz im Rahmen
des vorgeführten Materials und der dadurch entstandenen Probleme seine Stellung
anzuweisen. Es wird zu diesem Zwecke zunächst zusammenzufassen sein, was in
dieser Richtung als tatsächliche Unterlage herausgearbeitet worden ist.
A. Ort. Der Fund wurde, darin stimmen die Berichte des österreichisch-ungarischen
Konsuls (S. i) und des Direktors des kais. ottomanischen Museums (S. 2) überein, gemacht
in dem mittelalbanischen Städteviereck Durazzo — Tirana — Elbassan — Pekinje in einem
zentral gelegenen Dorfe Vrap, zwischen Arbona und Pekinje. Für dieses Gebiet liegt
leider eine Untersuchung der Altertümer, wie sie Ippen und Baron Nopcsa für Nord-
albanien und Skutari im Besonderen geliefert haben, nicht vor l. Immerhin kann so viel
gesagt werden, daß die Gegend bis jetzt durch keinen Denkmalfund als für die
Kunstentwicklung der Völkerwanderungszeit bedeutungsvoll gekennzeichnet ist2, wir
also bezüglich der Bestimmung der Zugehörigkeit des albanischen Schatzes völlig freie
Hand haben. Nach der ostgotischen Zeit gehört Albanien zuByzanz3, bleibt aber mit den
andern Küsten der Adria ein Spielball der aus dem Osten und Norden vordringenden
Völker. Der Schatzfund von Vrap ist eher geeignet in dunkle Verhältnisse hineinzuleuchten,
als daß er in eine historisch bereits festgestellte Tatsachenreihe einzuordnen wäre.
Erst mit dem Vorstoße der Bulgaren unter Zar Symeon (893 — 927), der nominell ganz
Albanien, tatsächlich aber wohl nur Teile mit seinem Reiche vereinigte4, ver-
breitet sich etwas Licht in diesen dunklen Jahrhunderten. Was insbesondere die in
Betracht kommende Gegend anbelangt, so besetzten die Bulgaren während des
ersten Krieges Symeons mit Kaiser Leo dem Weisen (ungefähr 893 — 896) Burgen
in der Provinz Dyrrhachion, stellten sie aber, wie Magister Leon in seinen Briefen
darlegt, im Frieden wieder zurück5.
1) Ippen, Die Denkmäler verschiedener Altersstufen in Albanien 1907, Nopcsa, Beiträge zur Vorge-
schichte und Ethnologie Nordalbaniens. Wien 1912. Vgl. jetzt besonders Jirecek bei v. Thalloczy, Illyrisch-
albanische Forschungen, Wien 1916.
2) Vgl. auch Philologische Wochenschrift 1903 Sp. 1084 f. Die Kunsthistoriker werden zu erinnern sein an
die altchristliche Glasschale von Podgorica und die Ruinen von Doclea, die unserem Kreise nahe kommen.
3) Vgl. Thalloczy a. a. O. I S. 68 f.
4) Vgl. F. R. v. Wiser, Die Balkanhalbinsel in der Zeit vor der Türkenherrschaft. Jahrbuch der
Münchner Orient. Gesellschaft 19 14 S. 64.
5) Vgl. Jirecek, Geschichte der Serben I S. 198. Die Briefe sind herausgegeben im Deltion der
hist.-ethnol. Gesellschaft von Hellas I (1884). Auch teilt mir Konstantin Jirecek freundlich mit, daß es
über die Landschaft zwischen Durazzo und Elbassan kein Detail aus dem frühen Mittelalter gebe. Tirana
komme erst bei Barletius (15 Jh.) vor. „Die Burg Petreila am Flusse Arza war schon Anna Komnena
als fj TlkxQOvXa bekannt. Das Land zwischen Durazzo und Tirana hieß Scuria, wohl von der seit dem
*3- Jh. genannten Adelsfamilie Scura, Sgura. Unter dem Metropoliten von Dyrrhachion gab es einen
Bischof Xovvaßiaq; sein Sitz ist wohl zu suchen zwischen Durazzo und den Bergen auf der Westseite des
Tales des Mat. Östlich von Tirana heißt eine Landschaft Bena, im 14. — 15. Jh. Sitz eines lateinischen Bischofs
Strzygowski, Altai. 16
2 ■ 2 V. 1 »er Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
In dem albanischen Schatze finden sich zwei Stücke, die auf eine christliche Um-
ibung Bezug haben. Es ist daher notwendig zu sagen, daß beide, der Goldpokal mit
den Städtebüsten Xr. 2 und der Silberkrug Xr. 12, mit dem entwicklungsgeschichtlich
entscheidenden Teile des Schatzes höchstens in der Weise in Verbindung stehen, daß
die Werkstatt vielleicht den Städtepokal nach einem zyprischen Originale kopiert hat.
Immerhin wird dabei zu erinnern sein daran, daß der Schatz im Gebiete der Bischof-
sitze Dyrrhachion bzw. Glavinitza gefunden wurde1. Doch glaube ich nicht, daß
es sich um einen kirchlichen Schatz handeln könnte. Soweit die örtlichen Tatsachen.
B. Zeit. Die Zeitbestimmung anlangend, fehlen an den Stücken des Schatzes
eigentliche Datierungsinschriften. Da es sich um einen Werkstattfund handelt und
der Xachweis dafür an den Schmucksachen erbracht werden kann, so dürften diese
die jüngsten Stücke des Schatzfundes sein. Alles Übrige kann nur als terminus post
quem verwendet werden. Die hellenistischen Gefäße scheiden ganz aus. Der Becher
mit den Stadtbüsten Xr. 2, der kaum im Originale vor dem VII. Jh., in der Kopie
aber noch später entstanden sein dürfte, sowie der byzantinische Krug Xr. 12 drücken
die Datierung bis ins VII. — IX. Jh. herunter. So weit die Anzeichen, wie sie der Schatz
selbst bietet. Die Parallelen in Ungarn aus der Keszthelygruppe datiert Hampel
(Altertümer I S. 790) zwischen das IV. und VIII. Jh., die Steine von der Akropolis
habe ich oben S. 76 als nicht zu fern von den Kapitellen mit dem fetten, zackigen
Akanthus, d. i. im V./VI. Jh. entstanden nachzuweisen gesucht. Die Palmettenstoffe
wird man als der vorislamischen Zeit angehörig vor dem Jahre 644 ansetzen dürfen,
die altarabischen Grabsteine von Kairo gehören ins IX. Jb. und ebenso im wesent-
lichen die im Schrägschnitt mit der geometrischen Ranke geschmückten Bretter,
die aber schon vor dem Islam zur Zeit der Besetzung Ägyptens durch die Perser
1614 — 618) in Gebrauch gekommen sein könnten. Es folgen die Beispiele in Persien
selbst, aus sasanidischer und frühislamischer Zeit, mit Samarra im IX. Jh. als Höhe-
punkt. Weiter zurück in die Zeit vor Christus führten dann die südsibirischen
Bronzefunde und jene chinesischen Altsachen, die für die Herleitung des Ornamentes,
nicht aber zur Datierung des Schatzes aus Albanien herangezogen wurden. Ich meine,
alle diese für die relative Chronologie im Wege des Vergleichs in Betracht kommen-
den Merkmale bestätigen nur die absoluten aus dem Bestände des Schatzes selbst
gezogenen Schlüsse auf das VII. — IX. Jh.
#
In diese Zeit setzt man von den Schätzen der Völkerwanderung jetzt am ehesten
noch den von Xagy-Szent-Miklos. Aber freilich fehlen dort hellenistische Beigaben, wie
sie in den älteren Funden von Petroasa, aus Poltawa und eben auch im albanischen
Schatzfunde nachweisbar sind. Infolgedessen wäre man doch wieder geneigt, mit
des letzteren Datierung nach Möglichkeit hinauf zu gehen, jedoch keinesfalls über
Ücndensis. unter dem damals lateinischen Erzbischhof von Durazzo. Im oberen Skumbital lag die
Stadt Scampae, Bischofsitz, nach dem 6. Jh. nicht mehr erwähnt. Elbassan ist eine Gründung
Mohammeds II 1466; es hieß ursprünglich Novigrad, Terra nuova. Neokastron. Nach Barletius war hier
im 15. Jh. eine verfallene Stadt in Ruinen, urbs Valmorum. Auf der Nordseite von Elbassan liegt die
Landschaft ( ermenika Sit/, des Bischhofs Tltorizor. unter Dyrrhachion. im 1 1. Jh. unter der Kirche v.'n
rid." VgL auch JireJek. Albanien in der Vergangenheit Österer. Monatsschrift für den Orient 191: .
1 Vgl. SuMlay, Die Kirchcnzustände im vortürkischen Albanien (Vestnik kr. hrvatsko-slavonsko
dalmatinskoga /.cmaliskog arkiva XVII 11915 v. 3 . . Über Glavinitza teilt mir Jirecek mit, daß es wahr-
2. Ursprung des albanischen Schatzfundes. 243
das VII./VIII. Jh. Riegl hat sich für das VII. Jh. ausgesprochen1. In diese Zeit
weist auch ein Schatzfund, den bulgarische Soldaten an derTschataldschalinie gemacht
haben und den Filow im archäologischen Anzeiger 1914 Sp. 417/8 veröffentlicht hat.
Es handelt sich u. a. um Beschläge in Goldblech, die bezeichnend im spitzen Huf-
eisenbogen umrahmt sind und plumpe Vollpalmetten mit Strichpunktfüllung, daneben
Schrägschnittmotive zeigen. Diese Stücke nun sind nach Münzbeigaben um die Zeit
zwischen 613 — 641 vergraben. Manches erinnert an der Vollpalmette an unsere Stücke
Nr. 19 — 22 und die verwandten Keszthelybronzen, von denen obenS. 26f. die Rede war.
Schließlich müssen wir uns in einer Zeit und bei einer Gattung von Kleinfunden, die
weder durch Inschriften, noch örtlich eine genauere Einordnung zulassen, mit einer
solchen annähernden Datierung begnügen. Möge es der Forschung bald gelingen,
darin weiter zu kommen. Forschungsreisen nach dem Innern Asiens und vor allem
Ausgrabungen werden da nach den Ausblicken, die der Krieg auf allen Seiten eröffnet,
hoffentlich nicht zu lange auf sich warten lassen. In erster Reihe sollte der Schatz
von Nagy-Szent-Miklos dazu Anlaß geben; seine Datierung und Einordnung ist mehr
denn je eine der wichtigsten Aufgaben im Gebiete der Forschung über bildende
Kunst geworden. Vielleicht kommen wir jetzt erst recht wieder auf die frühe Datierung
und z. T. wenigstens auf arische Hände zurück. Der albanische Schatz ist damit
nicht zu verwechseln.
Bei der Frage nach seiner Zeit wird in Zukunft vielleicht mit einer Tatsache
zu rechnen sein, auf die Jelic in einer Arbeit „Die kroatischen Denkmäler aus dem
Gebiete von Nin aus den Zeiten der nationalen kroatischen Regenten I. Die Hof-
kapelle des hl. Kreuzes in Nin"2 hingewiesen hat. Im Anschluß an meinen Nach-
weis des persischen Ursprunges der kreuzdurchsetzten Trompenkuppel3 weist er eine
Gruppe solcher Bauten in Dalmatien und den vorgelagerten Inseln nach. Er nimmt
an, es müsse zwischen dem IV. — VI. Jh. eine Berührung zwischen Dalmatien und
Vorderasien bestanden haben, die zur Ausbildung einer von Italien und Byzanz un-
abhängigen Bauschule auf den istrianisch-dalmatinischen Inseln in der Zeit von 500 — 700
geführt habe, die dann auch auf den Kontinent Einfluß gewann. Das Material ist, wie
mir Dr. Frey auf Grund meines Aufsatzes über „Die sasanidische Kirche und ihre
Ausstattung"4 mitteilt, durch Bauten zu erweitern, als deren typischer Vertreter die
Kirche S. Nicolo in Spalato gelten kann5. Auf diese Tatsachenkette wird an andrer
Stelle zurückzukommen sein. Hier ist nur zu sagen, daß diese Bauten ungefähr in die
gleiche Zeit fallen, wie der Schatzfund aus Albanien und die Keszthely-Bronzen. Es
scheint also, daß der persisch-türkische Vorstoß sich nicht nur auf das Gebiet der
scheinlich in. der Landschaft südlich von Valona lag, nach Patsch, Das Sandschak Berat in Albanien (Balkan-
kommission, Wien 1904), bei der großen Kirche (Ruine) Zoodochou Pigis südlich von den Ruinen von
Oricum. Um 900 kommt es in der Legende des hl. Bischhofs Riemens (Schüler der Slavenapostel) von
Ochrid vor, war also vielleicht schon im Besitz der Bulgaren. Später war der Bischof von Glavinitza dem
Erzbischof von Ochrid (ioi8f.) untergeordnet, also sicher bulgarisch unter Zar Samuel. Vgl. jetzt auch
Thalloczy a. a. O. I S. 185.
1) Jahrbuch d. k. k. Zentralkommission N.F. I (1903) S. 28 f.
2) Djela jugoslav. Akademije znanosti i umjetnosti Bd. XIX,
3) Zeitschrift für Geschichte der Architektur III S. 1 f. und Amida S. 177 f.
4.) Monatshefte für Kunstwissenschaft VIII (1915) S. 349 *"■ 5) Jahrbuch d. Centralcomm. V (1861) S. 255 .
16*
-. . V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
Kleinkunst allein beschränkt hat. Im Rahmen der Baukunst des Abendlandes läßt sich
dieser Stoß bis nach Oberitalien verfolgen, die Denkmäler dieser Schicht sind zusammen-
gestellt von Monneret de Villard1. Im Frankenreiche bildet Germigny-des-Pres und
verwandte Denkmäler den entsprechenden Beleg, ebenfalls aus karolingischer Zeit2.
Wir verweisen vorläufig nur auf das Tatsachenmaterial, die Schlüsse daraus sollen erst
unten und im Zusammenhange mit Untersuchungen auf dem Gebiete der armenischen
Architektur gezogen werden.
C. Werkstatt. Nicht minder schwierig ist die Bestimmung, wer als Träger der
Ornamentik angenommen werden kann, die zur Zeit, als der albanische Schatz ver-
graben wurde, herrschend war, also vor allem zur Zeit, der Schmucksachen und der
Schale Nr. 7. Wir möchten gern wissen, welches Volk damals Albanien besetzt
hielt und auf welchem Wege die aus dem fernen Asien stammende Kunstrichtung
nach der Westküste des Balkans gelangte. Hierüber können beim besten Willen nur
Mutmaßungen geäußert werden. Für Riegl(S. 28) war die Sache einfach: die Schmuck-
stücke stammten aus einem oströmischen Emporium. Vielleicht dachte er an Kon-
stantinopel, denn er meint, es sei immerhin möglich, daß die Fehlgüsse, auf die hin
oben S. 27 f. auf einen Werkstattfund geschlossen wurde, ihres materiellen Wertes
halber von irgend einer entfernten Stelle als Beutestücke mitgenommen worden
wären: „doch möchte man selbst in diesem Falle nicht mit einer allzuweiten Ent-
fernung rechnen". Man sieht, wie tief bei ihm die Überzeugung vom mittelländischen
Ursprung der ganzen Ornamentgruppe wurzelte. Er sieht die besondere Bedeutung
der albanischen Schmucksachen — und scheint nur sie, nicht auch die Gefäße gekannt
zu haben — in dem Umstände, daß die Ausdehnung des (ungarischen) Denkmalkreises,
in welchen sie gehörten, über Salona hinaus, woher man schon früher Zeugnisse
gleicher Art besessen habe, tiefer in die Balkanhalbinsel hinein nachgewiesen erscheine.
Dagegen hat schon Hampel (Altertümer I. S. 646) die ungarischen Bronzen als be-
scheidene einheimische Mittelware bezeichnet im Gegensatz zu den Goldgefäßen von
Nagy-Szent-Miklos, die er für Erzeugnisse örtlicher chersonesischer Kunst hielt
(Altertümer I. S. 634), aber freilich mit dem Zusatz: „darüber kann noch gestritten
werden und die Forschung hat noch nicht ihr letztes Wort gesprochen".
Hampel hat die Keszthelyfunde und den Schatz von Nagy-Szent-Miklos in zwei
Gruppen getrennt behandelt; bis zu einem gewissen Grade gehören beide in eine Gruppe
mit den Schmucksachen des albanischen Schatzes. Hier mündet ein asiatischer Strom
in Ungarn und den angrenzenden Gebieten ein, der in den Goldsachen in Originalen,
in den Bronzen zumeist in einheimischen Nachbildungen erhalten ist. Der Nachweis,
den ich seinerzeit lieferte, daß die griechischen Inschriften des Nagy-Szent-Miklos-
Schatzes dem Bulgarischen naheständen, ließ noch immer die Möglichkeit offen, die
Verfertiger für Byzantiner oder pontische Griechen anzusehen. Erst die Ausblicke,
die sich in diesem Buche eröffnet haben, machen es wahrscheinlich, daß Vertreter
der mittelasiatischen Nomadenkunst, die persische Einflüsse ebenso wie indische und
chinesische aufgenommen hatten, hier am Werke waren. Wenn die Inschriften, wie
Supka jetzt vorschlägt, auf Brähmi-Schriftzeichen zurückgehen, dann könnten die
1 Archivo storico lombardo XLI, i (1914 u. a. O. Vgl. auch Mothes, Cattanco und Rivoira.
2 I >er Dom zu Aachen und seine Entstellung S. 39 f. VgL auch Z. f. Gesch. d. Arch. VII (1916) S. 76 t".
2. Ursprung des albanischen Schatzfundes. 245
Kunsthistoriker mit Beruhigung in die Forschungsrichtung eintreten, für die ich mein
Leben lang kämpfe. Es wären dann Saken bezw. Türken, die als Verfertiger der Gold-
gefäße von Nagy-Szent-Miklos und der offenbar auf den Osten weisenden Stücke im
albanischen Schatzfund in Betracht kämen. Hampel a. a. O. war ganz im westasia-
tischen Kreise befangen. Er suchte die Vorlagen, die die chersonesische Kunst um-
bildete, in den Werken syrischer, armenischer oder byzantinischer Meister, Riegl wie
gesagt, vor allem in Byzanz selbst. Das ist bis heute der Gesichtskreis der Spezia-
listen in der Kunstforschung geblieben. Dafür tritt nun die neue Welt Mittelasiens
ein und die Frage, wie weit sie auf Südrußland übergriff.
Der Herstellungsbetrieb ist m. E. weder der des Hausfleißes, noch ein fabrik-
mäßiger, sondern der in wandernden Werkstätten gewesen, deren Meister im
Gefolge arischer oder türkischer Eroberer aus dem mittleren Asien nach Ungarn
und dem Balkan kamen. Auf einen solchen Betrieb weist gerade der Befund des
albanischen Schatzes. Wir sehen unverarbeitete Goldbarren (Nr. 46), neben im Guß
mißlungener Ware (Nr. 15) und solcher, die beim Eingraben des Schatzes noch un-
fertig war (Nr. 21 u. 22). Daß der Meister der Werkstätte zugleich Handel trieb, belegen
die fertigen Stücke, die die Hauptmasse bilden, darunter als sichere Stücke der Pokal
Nr. l, die' Schale Nr. 7 und die Hauptstücke unter den Schmucksachen. Bei anderen
Goldsachen könnte man zweifeln, ob die Werkstatt sie nach alten Mustern angefertigt
oder alt erworben habe. Der Städtepokal Nr. 2 läßt vermuten, daß sie auch alte
Sachen kopierte. Sicher byzantinisch ist nach den Stempeln der Silberkrug Nr. 12.
So bekommen wir einen deutlichen Einblick in die Art, wie die Nomadenware er-
zeugt und für den Handel ergänzt wurde. Der Meister bzw. Händler suchte jeder
Geschmacksrichtung seiner Zeit entgegenzukommen.
Auch der Schatz von Nagy-Szent-Miklos weist, wenn Supka richtig liest, den
Zusammenhang mit einer Werkstatt auf. Dort freilich fehlt der Händlereinschlag,
soweit dabei antiquarische Ware in Betracht kommt, vollständig, wenn nicht die
Krüge eine solche ältere Art vertreten. Es stehen sich, wie gesagt, zwei Kunstrich-
tungen von verschiedener Färbung gegenüber, die mehr persisch-indisch gerichtete
der Krüge und die stärker türkisch-chinesische der Schalen. Die flüchtig geritzten
Inschriften (S. 167) befinden sich auf Stücken der letzteren Gruppe, von denen einzelne
unzweideutig für Christen gearbeitet wurden. Es kann als zweifelhaft gelten, ob die
Inschriften mit griechischen Buchstaben nicht in anderer Sprache zu lesen sind1.
Immerhin ist nach den griechischen Zeichen und der monumentalen Art der An-
bringung wahrscheinlich, daß sie nicht für die Werkstatt bestimmt waren wie die
eingeritzten „türkischen" Inschriften der ersten Gruppe, sondern wie die der zweiten
Gruppe sich auf den Besteller beziehen. Im Augenblick sind die eingeritzten Ver-
merke für uns wichtiger. So lange Schrift, Sprache und Inhalt der Miklos-Inschriften
nicht einwandfrei feststehen, ist freilich die Parallele für den Betrieb, in dem wir uns
die Schmucksachen des albanischen Schatzes entstanden denken, unsicher.
1) Den letzten Versuch einer Entzifferung der Inschrift der sog. Taufschalen hat Hr. Sotiriou unter-
nommen in einer Seminararbeit, die am kunsthistorischen Institute der Universität Wien (Lehrkanzel
Strzygovski) im Manuskript liegt. Vgl. Keil (Repert. f. Kunstwiss. XI, 1888 S. 256^) und Hampel (Alter-
tümer II S. 416 f. ). Auch Sotiriou liest sie griechisch und sieht sie für Eucharisteria in dem Sinne an wie die
246
V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
Ich habe schon in einem Aufsatze über das orientalische Italien darauf hinge-
wiesen >, daß für die Stuckaturen von S. Maria in Valle in Cividale an persisch-helle-
nistischen Ursprung zu denken2, also ein wandernder orientalischer Künstler anzunehmen
wäre. Nicht anders ist es mit Germigny-des-Pres und einigen der ältesten west-
gotischen Kirchen Spaniens3. Armenier waren sicher in Ägypten tätig4. Für den
Goldfund aus Albanien liegt es näher an die einfache Tatsache zu erinnern, daß die
persische Herkunft anderer Goldfunde der Völkerwanderungszeit, nämlich einzelner
Stücke in Verroterie cloisonnee wie des Beschlags von Wolfsheim in Wiesbaden durch
Pahlawi-Inschriften gesichert ist5. Auch die Theca persica, in der Gregor d. Gr. die
heiliee Schrift an Adaloald sandte 6, wird als Beweis anzuführen sein. Die zahlreichen
ostpersischen Münzen aus dem IX. und X. Jh., die mitten unter den Funden der Völker-
wanderung in allen Teilen Europas, vor allem in Ungarn und Skandinavien auf-
tauchen, bestätigen die Bedeutung dieses Weltverkehres für die spätere Zeit".
Auch die Herkunft des Goldes der im Gegensatz zu den hellenistischen Schmuck-
sachen durch ihre Schwere auffallenden Gefäße und Lederbeschläge der Völkerwan-
derungszeit wird in Zukunft Gegenstand näherer Untersuchungen auch vonseiten der
Kunsthistoriker sein müssen. Sombart „Luxus und Kapitalismus" hat ausschließlich
mit der neueren Zeit gerechnet, und es erscheint schon dadurch in seiner Arbeit
manches schief. Baudrillart „Histoire du luxe prive et public" 1878 trug manches
Material zusammen, das in den Handbüchern über Altertumskunde ergänzt ist. Oben
S. 164 wurde der Bedeutung des „Goldenen Gebirges", des Altai, Erwähnung getan.
Es kommt aber auch der Westen in Betracht, vor allem Armenien. K. Jirecek macht
mich freundlich aufmerksam auf eine Stelle bei Theophanes ed. De Boor I S. 179,
7, wo von Goldbergwerken in den Bergen Armeniens unter Justinian die Rede ist
und meint, man mußte daraufhin auch die arabischen Texte durchsehen. Ich kann
Inschrift auf dem von mir „Koptische Kunst" Nr. 7201 veröffentlichten Kreuze: EvyaQtar^QiovTaQiiaivr^ vnhg
ävcmavosaq T/J? rpv///* diSvftOV. In ähnlicher Art liest Sotiriou die Inschrift der Miklos-Schale: AGA^ -
AATOC ANAriAYCON A(uto'v) eiC TO(tio)N XCU(ytoov) XJ\ MAAITON.
„Deaudatus (Name des Verstorbenen). Bringe ihn zur Ruhe an den Ort der Lebenden, o Christus. Mali-
ton (Name des Stifters)". Wie also Taritzena das Kreuz für ihren verstorbenen Gatten stiftet, so hätte
Maliton die Schale für Deodalus gegeben. Nur sei die Sprache barbarisch. Sotiriou teilt mit, daß die
griechische Kirche heute noch Dedikationsschalen kenne, die hängend aufbewahrt würden. Der Name
Avöado q oder AvSävog komme auch auf Inschriften des Hauran häutig vor (vgl. Littmann, Greek and
Latin incr. in Syria, Leyden 1910, Div. III, A, 2. p. 69, Nr. 84, vgl. p. 94, Nr. 159, p. 64, Nr. 71, p. 55,
Nr. 46 usw.). Dieser Name sei arabisch = awdät und bedeute: Fluß oder Tal. Das Ab- des Namens
dtavöaiOQ sei wohl als ein griechischer Zusatz (&e 0$ oder ösoq) an das arabische Wort aufzufassen. Es
fragt sich, ob Deaudatos nicht einfach Theodahat heißt wie Buela (vgl. S. 166, Anm. 6) Bowila.
1) Monatshefte für Kunstwissenschaft I (1908), S. 1 ff.
2) Man vergleiche dort das Fußband der Figuren und der Mittelnische mit seinen Rosetten aus
diagonal gestellten Lanzetüappen, durchsetzt von Randlappen in Kreuzform, beide durch Kommaschlitze
belebt, mit dem Schmuck des Halswulstes der Krüge von Nagy-Szent-Miklos (oben Abb. 59/60 und Ö4'5),
besonders aber auf dem größten Kruge, Hampel Nr. 1. Es sind die gleichen Schulgewohnheiten.
3) Amida S. 275 f. 4) Der Dom zu Aachen, S. 43.
5) Annalen des Vereines für nassauische Altertumskunde XII (1S731, ^•2,7' 'a'' •> 3- De Linas,
Les origines de l'orfevrerie I S. 1 f.
6) Archeologia LVIII, p. 37 des SA von Dalton, On some points in the history of inlaid jewellery.
7) Vgl. Hampel, Alt. II S. 459 und 639, Arne, La Suede et l'Orient S. 62 f., ferner Byz. Zeitschrift
XVII 11908) S. 646 f. und Supka, Arch. Ertesitö XXXV (1915) Heft 3—5.
2. Ursprung tlcs albanischen Schatzfundes.
247
die Frage hier nicht vornehmen, will ich nicht das Er-
scheinen dieses Werkes ins Endlose herausziehen. Byzanz
war für alles, was den. Luxus betrifft, der wichtigste
Handelsplatz, später Baghdad und die kleinen Residenzen.
Wenn wir uns also vorstellen, daß Saken, Türken, Ar-
menier oder Perser im Gefolge wandernder Völker nach
dem Westen kamen und dort handwerksmäßig auf Bestellung
und für den Handel arbeiteten1, so möchte doch auch gern
erkannt werden, welches Volk etwa in dem besonderen Falle
des albanischen Schatzes als Stützpunkt der Werkstatt in
Betracht kommt. Hunnen, Awaren und Bulgaren stünden
neben iranischen Nomaden in erster Linie, manche wer-
den auch an germanische oder slavische Stämme denken,
soweit Zeit und Ort dies zulassen. Dabei kommt nun ent-
scheidend der Ausbreitungsbereich solcher Schmucksachen
mit der Kreislappenranke in Betracht d. h. neben Keszthely
in Ungarn auch Krung-1 in Steiermark, dazwischen Enns in
Oberösterreich und St. Veit bei Wien. Ich füge zur Klar-
stellung den oben S. 24 f. aus Ungarn gebrachten Abbildungen
noch einige weitere Belege hinzu.
D. Ausbreitungsbereich der Kreislappenranke in Un-
garn und O esterreich. Die Funde von Keszthely weisen
wie die Schmucksachen von Vrap ebenfalls vorwiegend
Schnallen (S. 28 f.) und Riemenzungen (S. 24 f.), daneben den
Greifen in durchbrochener Arbeit (S. 22 f.) und zahlreiche
Arten von Beschlägen auf. Das Hauptmotiv ist die „Kreis-
ranke" wie sie Hampel (Altertümer I, S. 51lff.) ausführlich
beschreibt. Sie füllt als Einzelmotiv das Quadrat, in S-form
das Rechteck, nimmt einzeln oder in Paaren Richtung in
Streifen und füllt ohne Ende Flächen. Neben dem Kreis-
lappen gehen füllende Seitentriebe ab, die sich bisweilen mit
dem Kreislappen zu Halbpalmetten vereinigen. Die Durch-
brechung- des Grundes ist häun£. Ich o-ebe aus dem endlos
reichen Material, das Hampel abbildet, nur noch zwei Stücke
der ausgebildeten Kreislappenranke, so Abb. 194 eine Riemen-
zunge (Hampel, Alt. I, S. 529) mit sechs Einrollungen und ge-
radezu ermüdend wiederkehrenden fünf Kreislappen, die ent-
weder krabbenartig unmittelbar am Stiel ansetzen oder dessen
Ende bilden. Längliche Lappen neben Strichen und Punkten
füllen die Raidzwickel. Das zweite Beispiel, Abb. 195 ^Hampel
L%
£te
Abb. 194: Keszthely: Riemen-
zunge in Bronze.
1) Dafür sprechen auch Treibmodelle im ungarischen Nationalmuseum z. B. von Fönlak, Hampel,
Alt. I S. 666. Vgl. dazu ein schönes Stück aus Elisabetstadt, 19 14 erworben. Ein anderes steht dem
goldenen Zierstück nahe, das Supka Arch. Ertesitö 1903 S. 402 aus Tepe veröffentlicht hat. Vgl. auch
Martin, L'äge du bronze Taf. 25.
248
V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
Abb. lo
., . Keszthely:
in Bronze.
Zierstück
Alt I, S. 5701, ein Zierstück, zeigt, wie sich der Kreislappen zur Halbpalmette um-
bildet, sobald die Form, hier der flache Spitzbogen und unten die Ecken, dazu her-
ausfordert. Es ist ganz deutlich, daß hier kein „zähes Fest-
halten an klassischen Motiven" vorliegt, sondern im Gegen-
teil aus einem der antiken Kunst fremden Einzelmotiv, dem
Kreislappen, der dem untersten Lappen der Palmette ver-
wandt ist, durch das geometrische Spiel etwas palmetten-
ähnliches entsteht, das dann in Gebieten wie Baktrien be-
wußt der Palmette angenähert worden sein mag. So ging
das Motiv über Persien nach Ägypten und Hellas. In Un-
garn aber scheint der mittelasiatische Strom geradezu
rein auszumünden. Das Baummotiv, das auf dem Zierstück
Abb. 195 Einheit in die durchbrochenen „Halbpalmetten"
bringt, st so roh und derb gebildet, wie die „ Yollpalmetten"
mit ihren Zweigen auf dem albanischen Zierstück Nr. 19 — 22.
Immer wieder drängt sich der Eindruck auf. daß un-
möglich die mesopotamisch-griechische Vollpalmette den
Ausgangspunkt der Ornamentik unserer Gruppe bilden
kann, es sich also nicht um Spaltprodukte dieser Palmette, sondern um Ergänzungen
und Wucherungen des ursprünglich allein verwendeten Kreislappens handelt.
Dazu kommt eine andere bemerkenswerte Tatsache, die Be-
obachtung nämlich, in der ungarischen Gruppe herrsche neben der
Ranke mit dem Kreislappen die gleiche Vorliebe für den geome-
trischen Durchbruch wie in den Jenisseifunden, so daß auch dadurch
1^%'^>^ I ^er Zusammenhang der ungarischen und südsibirischen Bronze-
funde angedeutet werde. Man greife zurück auf Abb. 106, die ich oben
S. 1 12 gebe. Diese Durchbrucharbeiten finden ihre Gegenstücke in
Riemenzungen der Keszthelygruppe, die Hampel Alt. I, S. 580 f.
in einem eigenen Kapitel behandelt. Als Beispiel gebe ich Abb. 196
(Hampel/Alt. I, S. 589) eine Riemenzunge, die das gleiche Gitter-
werk „mit Rombusmuster" zeigt, das wir in Abb. 106 vom Jenissei
sehen. Vgl. dazu oben Abb. 179 die chinesische Parallele.
Im allgemeinen muß bei einem zusammenfassenden Vergleich
mit diesen ungarischen Funden gesagt werden, daß letztere eigent-
lich in den Keszthelyfunden, die oben Abb. 29, 33 und 57 und
hier Abb. 194 u. 195 abgebildet wurden, ein einheitlicheres Bild in
Anwendung der geometrischen Ranke mit dem Kreislappen bie-
ten als der albanische Schatzfund, in dem doch die Halbpalmette
stärker hervortritt Es sieht aus, als hätten vereinzelt mittel-
asiatische oder von solchen abhängige Arbeiter in Ungarn noch
reiner in zentralasiatischer Art gearbeitet als in der albanischen
YVerkstätte. (Von Interesse ist in dieser Richtung, einen süd-
russischen Fund aus Jassinowa zu vergleichen '). Der Kreis-
Abb. 196: Keszthely:
Riemenzunge aus Bronze.
edition Zichy III, S. 351.
2. Ursprung des albanischen Schatzfundes.
249
läppen und Schrägschnitt sind zwar in den Goldbeschlägen künstlerisch reiner durch-
geführt; doch zeigen die albanischen Goldsachen einen reicheren Formenschatz als die
ungarischen, trotz der unübersehbaren Masse von einschlägigen Altsachen, die dort
erbalten sind. Wir haben es also vielleicht mit einer Meisterwerkstätte zu tun,
während in Ungarn mehr das herkömmliche Handwerk zur Geltung kommt. Und
nun die Belege vom österreichischen Boden.
Die Funde von Krungl in Steiermark gebe ich Abb. 197 nach der Zusammen-
stellung von Diez im Jahrbuch der k. k. Zentralkommission IV (1906), Taf. VIII. Man
sieht, sie können mit denen aus Albanien oder Keszthely geradezu verwechselt werden.
Das Stück 12 mit dem geschweiften Spitzbogen im Umriß zeigt eine Füllung, die
roh zwischen die albanischen Schmuckstücke Nr. 17 f. gehört. Was vor allem auffällt,
Abb. 197: Wien, Naturhistorisches Hofmuseum: Zierstücke in Bronze aus St. Veit.
ist wieder ein ausgesprochenes Gegenstück zu den Jenisseifunden. Man vergleiche
das Beschlag der Schnalle 11 mit seiner durchbrochenen S-Ranke mit Abb. 178
Fig. 13: die formalen und gestaltlichen Eigenheiten sind die gleichen, nur der Tierkopf
fehlt in Krungl. Ich würde auf solche Einzelentsprechungen kein Gewicht legen, wenn
ihre stete Wiederkehr zusammen mit dem entwicklungsgeschichtlichen Nachweise, den
ich in diesem Buche zu führen suchte, schließlich nicht auch den verstocktesten Wider-
sacher der Ausweitung unseres Gesichtskreises nach Osten zur Prüfung anregen müßte.
Die Funde, die in dem Boden gemacht wurden, auf dem diese Arbeit entsteht, in
Wien, gebe ich in Abb. 198 — 200 nach der Aufnahme von Riegl, Beiträge zur Kunst-
geschichte, F. Wickhoff gewidmet S. 9. Sie befinden sich, aus St. Veit stammend,
heute im Naturhistorischen Hofmuseum. An ihnen tritt neben der Kreislappenranke
vor allem wieder der Schrägschnitt in volle, massgebende Wirkung. Auf der ge-
schweiften Riemenzunge Abb. 198 sehen wir drei Einrollungen mit je zwei Kreis-
lappen, die im Schrägschnitt nach innen und außen Glanzlichter werfen und drei-
V. Der Xomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
Abb.
199.
kugelige Trauben zwischen sich nehmen, wie wir sie auch auf dem Ziergliede in
Bronze Abb. 39, 7 a im Grabfund von Martely in Ungarn und auf den Seidenstoffen
Abb. 72 u. ~i sahen. Einfache Kreislappen oder solche zu Halbpalmetten ergänzt,
füllen die Randzwickel. Der gekerbte
Rand schließt auf einer Seite spitz, auf
der andern in einem rechteckigen Felde
mit S-Ranke. Die Schnalle in geperlten
Stäben Abb. 199 zeigt auf dem Beschlag
Paare von Kreislappen symmetrisch zu-
sehen einer Spitze, die zwischen Pal-
mettenlappen nach unten hin weist, eine
Bildung, die den Motiven der ägyptischen
Bretter 1 Abb. 82) nicht unähnlich ist. Das
schöne Beschlag Abb. 200 mit geperltem
Rande und reicher Palmettenfüllung in
richtigem Keilschnitt endet jenseits des
Gelenkes mit einem Paar großer Kreis-
lappen, die eine Traube in die Mitte
nehmen1.
Endlich bringt Abb. 201, ebenfalls
nach Riegl a. a. O. eine Riemenschnalle
ausEnnsin Oberösterreich, jetzt im Linzer
Museum. Sie ist deshalb lehrreich, weil wir
die Kreislappen der vier Einrollungen sich
wie auf den goldenen Wangenstücken im
Poltawaschatze (Abb. 58) und auf der sasa-
nidischen Bronzeschüssel (Abb. 95) dem
Raum entsprechend zu weit ausbauchen-
den Spitzen umbilden, das nordasiatische
Ornament also mit der gleichen spiele-
rischen Freiheit behandelt sehen, wie auf südrussischem bzw. persischem Boden. Alle
diese Beobachtungen wecken den Eindruck, daß man doch auch bei einem Teil dieser
Funde auf österreichisch-uno-arischem Boden noch mit den Händen asiatischer Hand-
O
_ _ werker selbst wird rechnen
müssen, die fliegenden Werk-
stätten wandernder Metallar-
beiter sich also wohl nicht nur
auf die Herstellung von Gold-
sachen beschränkt haben dürften.
Dies wird denn auch da-
durch bestätigt, daß in den an-
geführten Gegenden sich Goldsachen, wenn auch nicht in der Schmuckart der Keszthely-
i Vgl. für die eingeschobenen Kugeln koptische Parallelen: Koptische Kunst S. 72. 74, 172 und
Quibell, Excavations at Saqqaia III Tat', ^z f. und IV Taf. 34 t., besonders alle Funde von Bawit im Louvre.
Abb. 19S. Abb. 200.
Abb. 198 — 199: Wien: Naturhistorisches Hofmuseum :
Zierstücke in Bronze aus St. Veit.
Abb. 201: Linz, Museum: Riemenzunge aus Enns.
2. Ursprang des albanischen Schatzfundes.
251
und albanischen Funde nachweisen lassen, so doch mit jener eigenartigen Stab-
palmette, die oben S. 129 f. und an den Schalen aus Nagy-Szent-Miklos S. 62 beschrieben
wurde. Vertreter dieser Gattung sind die Goldsachen aus Presztovacz in Ungarn, jetzt
im kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien, die vergoldeten Bronzebeschläge aus
Abb. 202: Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum: Zierstücke in Gold aus Presztovacz.
Man möchte, wenn man die im
Blatnitza, jetzt im Budapester Nationalmuseum und der Goldfund von Hohenberg (bei
Steinach-Irdning in Steiermark), jetzt im Landesmuseum in Graz. Ich will auch von
ihnen einige Beispiele bringen.
Abb. 202 zeigt einige Stücke aus Presztovacz l.
Wiener Hofmuseum gleich daneben ausgestellten
Schalen von Nagy-Szent-Miklos angesehen hat,
glauben, sie müßten von der gleichen Hand ge-
macht sein. Es sind kleine Kasten aus Flecht-
werk mit Perlrändern, die im Rahmen wie im Felde
Stäbe mit Kreislappen und dazu die gerauhten
oder mitStrichpunkten versehenenLappen zeigen,
die wir S. 62 (vgl. bes. Hampel, Alt. III. Taf. 314)
besprochen haben. Diese, gegenüber den glän-
zenden Stäben durch Rauhung auffälligen Glieder
erinnern an die Stuckornamente von Samarra2
und dem Deir es-Surjani (S. 21of.).
Abb. 203 und 204 zeigen Beispiele aus Blatnitza3, Riemenzungen in vergoldeter
Bronze, mit Krönungsmotiven, die wir von Kairiner Grabsteinen Abb. 74 f. kennen.
Schräggestellte Stäbe mit Kreislappen -nehmen eine dreilappige Palmette mit Strich-
punkten in die Mitte und gehen unten über in horizontale Stäbe, die nach oben eine
Abb. 203
Abb. 204
Budapest, Nationalmuseum :
Vergoldete Bronzebeschläge aus Blatnitza.
1) Vgl. auch Hampel, Alt. I S. 657. 2) Herzfeld, Vorläufiger Bericht Taf. II S. 26 f.
3) Vgl. Hampel, Alt. I S. 658, III 321 f. Das dem Funde angehörige Schwert wurde zeither gereinigt,
V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
zweite Krönung auf dreieckigem Unterbau tragen. Der Rand, ein gerader Spitzbogen,
setzt am andern Ende drei durchlochte Glockenpalmetten an, die von dem „lyraförmigen
Mittelmotiv" des Miklosnapfes Abb. 122 und dem Ephesostäfelchen Abb. I93 bekannt
sind '. Die Füllung von Abb. 203 erinnert auch an die oben Abb. 96 f. angeführten
Taschenbleche und Abb. 13g. Für die gezackten Lappen von Abb. 204 vgl. Abb. 100.
Die Funde von Hohenberg (Abb. 205 nach Diez, Jahrbuch der k. k. Zentralkom-
mission IV [1906] Taf. VIII2) sind ebenfalls Hohlbeschläge wie die von Presztovacz,
z. T. mit grobgeperltem Rande. Die Füllungen werden besorgt von einer geometri-
schen Ranke, die durch Abschnürungen in Stäbchen geteilt ist. Die Kreislappen
wirken krabbenartig und sind im Schrägschnitt ausgetieft wie in St. Veit (Abb. 198 f.).
Abb. 205 : Graz, Landesmuseuni : Goldfund von Hohenberg.
Beachtenswert ist das kleine Beschlag mit dem Wirbelmotiv (5), das darin an die Stücke
des albanischen Schatzes Nr. 18 und 13 erinnert. In Hohenberg fanden sich auch
jene kleinen Goldzinnen, die wir im Schatze von Vrap Nr. 26 — 28 kennen lernten.
Man sieht in Abb. 205 Stücke in Nr. 6 u. 7 oben, hier mit dem Motiv der langen ge-
wellten Stiele der beiden Pfannen im Nagy-Szent-Miklos-Schatze, die Hampel (Der
Schatzfund S. 34 und Altertümer III, Taf. 309) abgebildet hat. Eine Neuaufnahme
oben Abb. 139. Die magyarischen Funde der Landnahmezeit und ihre Ornamentik
(Abb. 96 — 98 und 175) schließen hier unmittelbar an3.
E. Volkszugehörigkeit des Schatzes. So naheliegend es wäre, nach der Ört-
wobci Silber und Nickel eingelegt in Gold zu Tage kam in geometrischen Ornamenten, die tiefen Schräg-
schnitt zeigen.
1 Vgl. dazu Math, Stilprinzipien Taf. XLIV Abb. 373 und altgermanische Tierkopfbildungen.
21 Die Druckstöcke von Abb. 197 und 205 wurden mir entgegenkommend durch Hoftat Kubitschek
überlassen, wofür ich danke. 3) Hampel, Alt. I S. 7C0 f.
2. Ursprung des albanischen Schatzfundes. 253
lichkeit des Fundes und der Zusammengehörigkeit mit Nagy-Szent-Miklos, wofür eine
mittelasiatische Werkstätte sicher scheint, auf albanischen oder bulgarischen Ursprung
zu schließen (S. 68), so sehr mahnen Unbestimmtheit der Datierung und Ausbreitungs-
bereich des Ornamentes der Schmucksachen zur Vorsicht. Man betrachte daraufhin
eine historische Karte. Eher könnten noch die Hunnen oder Awaren in Betracht
kommen. Die ungarische Forschung wird wohl auch für diese Zuteilung eintreten.
So verweist Dr. Supka für die Beziehungen ,der Awaren zur Metallplastik und
zu Zentralasien auf die von Minns, Scythians and Greeks S. 93 zitierte Stelle und
macht aufmerksam auf die Nachkommen der früheren Awaren, die sog. Morlaken ',
„die sich 598 n. Chr. in den Besitz der Küsten des adriatischen Meeres gesetzt und
ganz Dalmatien unterworfen hatten, später aber von den Kroaten unterjocht wurden.
Bis auf Konstantin Porphyrogenitus behielten sie ihren Namen und ihre Sprache bei,
haben aber nachmals beide eingebüßt" 2.
Hampel (Alt. I, 23) dachte an die Sarmaten, iranische Nomaden, die ähnlich den
Alanen nach Westen vordrangen. Von letzteren nimmt Jelic an3, daß sie bis Dal-
matien vordrangen und die Träger der Kuppel an die Gestade der östlichen Adria
gewesen seien. Noch eine weitere Möglichkeit kommt in Betracht, das südslavische
Reich, das Ludwig der Deutsche 840 Pribina überließ mit dem Hauptsitze Mosburk,
jetzt Szalavar an dem Flüßchen Szala, das sich südlich bei Keszthely in den Platten-
see ergießt4. Im Jahre 850 wurde dort durch den Salzburger Erzbischof eine Mutter-
gotteskirche gebaut, 865 noch von seinem Sohn Kocel eine andre geweiht. Schon
866 ging Kocel zur slavischen Liturgie über und setzte den bekannten Slavenapostel
Method als pannonischen Bischof durch. Dieser stirbt 885 in Mähren, nachdem ein
langer Streit mit Salzburg ausgebrochen war, der erst mit der Ersetzung Kocels
durch bayrische Gaugrafen und der deutschen Besiedelung des Landes endete. Aus
dieser Zeit haben sich slavische Ortsnamen weit über den Ausbreitungsbereich unserer
Schmucksachen hinaus bis nach Salzburg und Osttirol erhalten. Wenn sich die
Schmucksachen überhaupt mit den Slaven zusammenbringen ließen, würde nach dem
Orte die kurze Blüte des Reiches von Pribina und Kocel dafür passen.
Ich möchte allen diesen Spuren ohne irgend einen neuen Anstoß von sehen
meines eigenen Faches nicht nachgehen. Man halte sieb vorläufig an die Unter-
suchungen von Bela Pösta, der in seinen „Archäologischen Studien auf russischem
Boden" 5 versuchte, dem ethnischen Problem vom russischen Boden aus näher zu
kommen. Das vorliegende Buch soll den bei den Kunsthistorikern auf dem Ge-
biete der Ornamentforschung herrschenden Bann der Einstellung aut Rom und Byzanz
brechen und im Kreise der Goldschmiedewerke die pontische Theorie Hampels derart
im Hinblick auf das große asiatische Hinterland umbilden, daß die Bahn frei wird
1) Vgl. über diese Bezeichnung Kutschera, Mitt. d. geogr. Ges. in Wien Bd. 58 (1915) S. 464 f.
2) Castren, Ethnologische Vorlesungen über die altaischen Völker, Petersburg 1857 S. 74.
3) Hrvatski spomenici ninskoga podrueja I Dvorska Kapela Sv. Kriza u Ninu 19 11. Ich verdanke
eine Übersetzung Hrn. Sektionsrat Knoll in Agram. Vgl. Byz. Zeitschrift XXII (1913) S. 286 f.
4) Vgl. dafür und das Nachfolgende Stur, Die slavischen Sprachelemente in den Ortsnamen der
deutsch -österreichischen Alpenländer zwischen Donau und Drau, Sitz.-Ber. der K. Ak. d. Wiss. in Wien,
phil.-hist. Kl. 176. Bd., 6. Abh. S. 25 f.
5) Dritte asiatische Forschungsreise des Grafen Eugen Zichy Bd. III.
2CA V. 1 'er Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
für neue Forschungsrichtungen, in deren Entwicklung sich kunstgeschichtlich Anlaß
genug finden wird, auf die ethnische Frage zurückzukommen. Die Kultur der Reiter-
völker dürfte dabei eine Rolle spielen. Ihr wird vielleicht zunächst nachzugehen und
zu beachten sein, daß die Türken in dieser Zeit das Reitervolk schlechtweg, die
Arier aber mehr Fahrer waren. Man lese nur die einschlägigen Stellen in Radioffs
alttürkischen Inschriften der Mongolei nach und beachte, was bei Hehn, Kulturpflanzen
und Haustiere, ~. Aufl. S. 21 und 623 darüber gesagt wird.
Der albanische Schatzfund weist stärker als die anderen vorgeführten Verwandten
aus der Völkerwanderungskunst durch die Schale Nr. 7 mit dem geometrischen
Rankenornament auf den Osten als Ursprungsland. Er stellt sich durch solche Stücke
unmittelbar neben den Schatz von Xagy-Szent-Miklos. Gerade die Art, wie an diesem
Stücke der zwiebeiförmig geschweifte Griff mit der Kreislappenranke gefüllt ist,
zeigt deutlich, daß der Ausgangspunkt dieser Ornamentik jene geometrische Ranke
der Nomadengebiete Mittelasiens war, die sich über die halbmondförmige Rundung
hinaus, wenn es der zur Verfügung stehende Raum verlangte, jeder Art von Bildung
anbequemte. Auf dem Griffe dieser Schale findet man alle Lappenformen nebenein-
ander, reine Kreislappen neben runden und spitzen „Palmettenlappen", elegante
Halbpalmetten neben unbeholfenen Vollpalmetten, deren geometrische Entstehung
ebenso sicher ist, wie die des derben „Baumes" auf dem Zierstück aus Keszthely
Abb. 195. Dieser neue auf Flächenfüllung ausgehende Geist der vom Osten vor-
dringenden Nomaden zersetzt die mit den alten Treibhäusern der Kultur in Ver-
bindung stehende Kunst der persischen und Mittelmeergebiete allmählich derart, daß
die Kunst reif wird für den Umschwung, der im Süden mit dem Islam erfolgt und
am Mittelmeer und in Europa nur aufgehalten wurde durch das Christentum und die
auf die dienende Rolle der darstellenden Kunst rechnenden Fürstenhöfe.
Die Schatzfunde aus dem Südosten Europas, und so auch der albanische, sind
keine solchen, die rein arischen Händen angehören. Das Fehlen geometrischer Linien-
spiele wie des Bandgeflechtes ist dafür bezeichnend — möchte ich schließen. Dagegen
scheinen die Saken den Ausschlag gegeben zu haben, als es sich um die Entstehung
der germanischen Kunst der Völkerwanderung im Norden und der islamischen im
Süden handelte. Darauf gehe ich jetzt über.
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise
des Mittelmeeres.
Die für den albanischen und den Goldschatz von Nagv-Szent-Miklos bezeichnende
geometrische Ranke bildet einen Fremdkörper in der Ornamentik der sog. Völker-
wanderungskunst des Nordens ebenso, wie z. T. schon auf römischem Gebiete, wo sich
der Akanthus zu vorherrschender Anwendung durchgesetzt hatte. Riegl 1 hat zwar
versucht, in Südfrankreich einen zweiten Wirkungskreis dieser Ornamentik festzustellen;
man sehe daraufhin das von ihm herangezogene Werk von Barriere-Flavy, Etüde
sur les sepultures barbares du midi et de l'ouest de la France, Industrie wisigothique
und besonders die von Riegl zitierten Tafeln XII, NVII, XXVIII, XXX I durch und
1 Beiträge /.ur Kunstgeschichte, Wickhoff gewidmet, S. 10.
3- Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvolkern im Umkreise des Mittelmeeres. 255
wird erstaunt fragen, wofür diese Altsachen eigentlich den Beweis liefern sollen. Riegl
beruft sich auf das „üppig bewegte Pflanzenornament mit höchst charakteristisch
beschnittenen Rändern, auf granuliertem Grunde". Aber das ließe sich höchstens
auf Taf. XXXI finden und hat gewiß nichts so Ausschlaggebendes mit dem Pflanzen-
ornament von Keszthely oder Nagy-Szent-Miklos (Riegl nennt besonders Hampel,
Atlas, Taf. 47) zu tun, daß man daraufhin den Schluß auf ein gemeinsames Drittes
ziehen müßte, „das sowohl aus kunst- wie aus wirtschaftsgeschichtlichen Gründen
nur in der oströmischen Kunstproduktion gesucht werden kann". Ich glaube schon, daß
bei den Germanen in Südfrankreich vielleicht noch hellenistischer oder byzantinischer
Einfluß auftreten kann1; mit der von Riegl in jenem Aufsatze behandelten generellen
Frage hat das aber nichts zu tun. Die ungarische Palmettenranke steht mit dem alba-
nischen Schatzfunde und den damit im Zusammenhange behandelten Altsachen damals
tatsächlich einzig im Rahmen der Kunst Europas da. Das Pflanzenornament der Angel-
sachsen schließt eher an die südfranzösischen als an die Spuren in Österreich-Ungarn2.
Als sich die Völker im Norden und Südosten des Mittelmeeres, die Germanen
und Araber in Bewegung setzten, war der Vorstoß der Türken bereits im Gange.
Aus dem Widerspiele dieser Kräfte gegen die alten Treibhauskulturen geht die neue
Zeit hervor, in der nur Hof und Kirche der Kunst konservativen Halt gaben. Auf
beide haben Türken3, Germanen und Araber4 im ersten Jahrtausend kaum einen mehr
als örtlichen Einfluß gewonnen. Ihr Wirken hat die semitischen Kulturvölker und
von den Ariern die Griechen, Armenier und Iranier neben Südeuropa, und für das
Klosterwesen vielleicht den Buddhismus, zur Voraussetzung. Nachdem in meinen
Arbeiten über „Orient oder Rom", „Kleinasien, ein Neuland", „Koptische Kunst",
„Amida" und in zahlreichen Aufsätzen, auf die in der Bibliographie der byzantinischen
Zeitschrift und z.T. auch im vorliegenden Buche in Anmerkungen verwiesen wurde,
diese kultliche Kunst des Christentums sowohl, wie im Amidawerke auch die des
Islams im Vordergrunde stand, und im vorhergehenden Abschnitte neue Forschungs-
grundlagen rein vom ziergeschichtlichen Standpunkte für die altaischen und arischen
Erreger herausgearbeitet wurden, sei jetzt auf den damals noch flüssigen Bestand der
wandernden Völker im Umkreise des Mittelmeeres selbst eingegangen, auf die Ger-
1) Vgl. mein „Kleinasien, ein Neuland" S. 195 f., 208 f., 230.
2) Wie unmittelbar asiatische Rankenornamente im Westen aussahen, belegt das Book of Keils (Zimmer-
mann, Vorkarolingische Miniaturen Taf. 196).
3) Über den Einfluß auf das Kostüm vgl. übrigens Kondakov, Gesch. u. Denkmäler des byzantinischen
Emails S. 57/8 und unten. Dazu ist u. a. zu bemerken: „In der weiblichen Tracht herrscht in Europa
seit dem 14. Jahrh., vorbereitet durch die römische Kultur und die Richtung des Christentums, der über
Spanien eingeschleppte „tropische" Weiberrock, die Dschubba (franz. jupe). Die arische Hosentracht aber
hat sich von den Iraniern über den ganzen Islam verbreitet und ist dort festgehalten worden. Die Tracht
der Saken ist Mütze, Armeljacke und Hose, und die germanische Tracht ist, wie Reste ausweisen, offenbar die
gleiche gewesen, wurde aber an den römischen Grenzen bei den Vornehmen durch die Tracht der Römerin
verdrängt („Thusnelda") wie später das Hemd und der Mantel durch die spanische Tracht, die von den
Arabern übernommen wurde". (Mitteilung von Dr. Hüsing.) So haben wir heute in der weiblichen Tracht
den völligen Umtausch: die Semitinnen kleiden sich arisch, die Arierinnen semitisch. Auch hier hat das
„klassische" Altertum alle Begriffe verwirrt: die griechische Tracht ist, wie die italische, semitisch-hettitisch.
4) Immerhin sucht H. Glück, Der Breit- und Langhausbau in Syrien auf kulturgeschichtlicher
Grundlage 'Arbeiten des kunsthist. Instituts der Universität Wien (Lehrkanzel Strzygowski Bd. VI) ara-
bische Elemente in der christlichen Kunst Syriens nachzuweisen.
256
V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
manen und die unter dem Sammelnamen des Islams vereinigten Orientalen. Sie sind
nicht durchaus Erreger einer neuen Kunst, sondern zum guten Teile Träger der
besprochenen älteren türkisch-altaischen und sakisch-arischen Bewegung, die schon
seit Christi Geburt etwa bis an das Mittelmeer durchgesickert war und nun mit der
Völkerwanderung in Nord und Süd ihren Siegeslauf antrat.
Die frühe germanische und die islamische Kunstbewegung kann nur von ihrem
türkisch -sakischen Ausgangspunkt in der Altai -Iran -Ecke aus verstanden werden.
Wir glauben, weil die Ursitze der wandernden Germanen und Araber weit von dieser
Keimstelle weg in Nordeuropa bzw. Arabien liegen, müßte ihre Kunst von dem da-
zwischen ausgebreiteten Mittelmeer her erklärt werden, und vergessen ganz, daß
primitive Völker trotz aller aus den Kulturoasen zu ihnen vordringenden religiösen
Strömungen künstlerisch nicht im Handumdrehen Vertreter hoher Kultur werden
konnten, sondern lieber den Zustrom anderer niederer Kunstkreise aufnahmen, be-
vor sie in die überlegene, aber ihnen zunächst unverständliche Strömung hoher
Kulturen einlenkten. So verhielten sich schon die Griechen, als sie im Gefolge der
„dorischen Wanderung" in den kretisch-mykenischen Kulturkreis eintraten. Der
geometrische Dipylonstil war geradezu eine Absage gegen die Kunst, die sie vor-
fanden. Später unterlagen sie freilich wie die Inder und Iranier den älteren Oasen-
kulturen des Orients. Die Araber, und was sie" dem Islam unterwarfen, nahmen
im Gebiete der bildenden Kunst nie — die kurze Zeitspanne der Omajjaden in Syrien
liegt vor der Entstehung der islamischen Kunst — die Mittelmeerkunst an, sie
hielten vielmehr an der sakisch-türkischen Art, die sie in Nordostpersien übernommen
hatten, fest bis auf den heutigen Tag. Und die Germanen brachen z. T. mit der
Art ihrer eigenen vorgeschichtlichen Vergangenheit und nahmen auch zunächst die
Kunst jener Völker an, die ihre Wanderungen ausgelöst hatten bzw. mit denen sie
wandernd in Berührung traten. Diesen Dingen sei hier getrennt nachgegangen.
Religionen decken wie Sprachen immer wieder Rassen- und Volkszusammenhänge
zu. Weil die Saken, Iranier und Inder heute nicht dem Christentum angehören, fallen
sie außerhalb des Gesichtskreises des auf Europa geeichten deutschen Kunsthistorikers.
Ihm stehen die Semiten näher als jene im Zuge der indogermanischen Achse nach dem
östlichen Iran gelangten Arier, soweit er überhaupt über Hellas und Rom hinausblickt.
Daher ist es heute noch so schwer über die religiösen und sprachlichen Grenzen hin-
auszukommen, was jedoch bald in Angriff genommen werden muß, soll der Humanis-
mus, dem wir so viel zu verdanken haben, nicht allmählich zum Fluche des deutschen
Volkes werden1. Vor allem gilt es, von dem Rätsel der islamischen Kunst den
Schleier zu ziehen und zu zeigen, daß damit nicht nur wichtige den Nomaden, vor
allem den Türken eigene Merkmale, sondern auch, was den Europäer mehr beschäftigen
wird, wertvolle arische Züge zugedeckt werden, deren Kenntnis für das Verständnis
der späthellenistischen und frühen mittelalterlichen Kunst notwendig ist.
A. Die Araber und der islamische Kreis. Die einzig dastehende katastrophale
Bewegung, die die scheinbar für die Ewigkeit verankerten Oasenkulturen in Vorder-
asien und Nordafrika über den Haufen rannte und den Islam zur Weltmacht em-
portrug, geht aus von den Nomaden Arabiens. Die erste arabische Zeit, der auch
i VgL dazu auch Jacob, Östliche Kulturelemente im Abendland S, 24.
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittelmeeres. 257
noch die Omajjaden in Syrien zuzurechnen sind, hört bald auf, der Islam mündet
rascher, als es die im ersten Ansturm erreichte Berührung mit dem Mittelmeere
erwarten ließ, in jene Richtung ein, die vorzuführen Gegenstand dieses Buches
war. Das erklärt sich aus einem doppelten Grunde. Fürs erste waren die Be-
wohner der arabischen Halbinsel in ihrem ursprünglich ausschlaggebenden Teile
in der Zeit vor Muhammed vom Mittelmeere unabhängig eigene Wege gegan-
gen, die sie mehr mit Persien und dem Osten überhaupt als mit dem Westen in
Verbindung brachten; und dann gab schließlich künstlerisch ihre Nomadenart
den Ausschlag, umsomehr als ihr vom Nordosten her, wie gezeigt wurde, eine ähn-
liche Strömung entgegenkam. Darin liegt z. T. wenigstens die Erklärung, warum
sehr bald, Damaskus und Baghdad gegenüber, jene Gegend kulturell führend in den
Vordergrund trat, in der dann auch ein Firdousi wirkte, und warum die islamische
Kunst jene einzig dastehende rein dekorative Richtung auf ornamentaler Grundlage
nahm, die sie von jeder anderen Kunstart im Bereiche Vorderasiens ebenso auf-
fallend unterscheidet, wie gegenüber dem christlichen Europa und Ostasien.
a) Der Anteil der Araber. Die heute herrschende Ansicht vom Ursprünge der
islamischen Kunst nimmt freilich an, ganz Asien sei in der Zeit nach Alexander d. Gr.
durchgreifend hellenisiert worden und die spätrömische Kunst habe aus sich heraus jene
neue Richtung angebahnt, die, mit dem Christentum zur vollen Reife gelangend, den Nähr-
boden zur Befriedigung der Kunstbedürfnisse auch der Araber bzw. des Islams abgegeben
habe. Merkwürdigerweise hat diese von Gayet und Riegl aufgestellte Theorie selbst bei
Arabisten Eingang gefunden. Wie verkehrt sie ist, habe ich oben zu zeigen versucht.
Dabei muß von vornherein auf eine Lücke aufmerksam gemacht werden. Die
islamische Kunstforschung beginnt gleich mit Denkmälern, die aus der Zeit nach Mu-
hammed und aus einer Periode vorliegen, in der die Araber bereits die gesamte Kultur-
welt der südöstlichen Küsten des Mittelmeeres überschwemmt und Vorderasien bis an die
indischen und chinesischen Grenzen erobert hatten. Um sich zu vergegenwärtigen, wie
viel dieser Zeit an künstlerischer Tätigkeit vorausliegen dürfte, blicke man zurück auf
den Norden, wo etwas früher die der semitischen parallele germanische Völkerwande-
rung stattgefunden hatte. Wenn wir den Nationalgeschmack dieser Nordländer etwa nach
dem beurteilen wollten, was Theodorich oder Martin von Tours an Monumentalbauten
oder die Klöster und Kirchen in Gallien und Spanien an Kunst überhaupt schufen,
so würden wir auf vollkommen falsche Fährte gelangen. Den Ausgangspunkt müssen
da, wie es auch bei den Arabern sein sollte, die volkstümlichen Geräte und Schmuck-
sachen bilden. Sie treten im Norden allerorten in Gräbern zutage und lehren etwas
sehr Überraschendes: neben einheimischen und griechisch-römischen Elementen macht
sich stark auch mittelasiatischer Einfluß geltend. Um wieviel mehr das bei den
Arabern vorauszusetzen ist, wurde oben besprochen. Leider findet sich in der arabi-
schen Reiseliteratur wie dem Tagebuche von Euting und den Werken von Doughty,
Palgrave, Lady Blunt u. a. darüber kaum eine Andeutung. Nur die üblichen Felszeich-
nungen von Tieren und Jagden wurden beachtet1. Hoffen wir, daß die Zukunft über den
1) Euting, Tagebuch II S, 137 f. Vgl. ferner Bemerkung I, 193 über die Bedeutung des Halsbandes
und öfter über moderne Zickzack- und Rautenmotive. II S. 143 teilt er eine altarabische Zeichnung (Haken-
kreuz und Hase) mit. Doughty, Travels in Arabia deserta I S. 512 gibt Tierzeichnungen.
Strzygowski, Altai. I"
-,-g V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
< Vnamentgeschmack der nomadisierenden Araber aus der Zeit vor Muhammed noch
Aufschluß bringt l. Erwarten läßt sich von vornherein Verwandtschaft mit den No-
maden Nordasiens durch Vermittlung Irans und Nordmesopotamiens. Diese Gebiete,
die schon das ornamentale Schaffen des Hellenismus allmählich derart mit asiatischen
Elementen durchsetzten, daß man in spätrömischer und byzantinischer Zeit, wie ge-
zeigt wurde, von einer Vorherrschaft des asiatischen Geschmackes reden kann, hatten
die Umgebung der Wüste: Syrien, die Küsten Arabiens und Iraq längst im Wege
des Handels und Weltverkehres durchsetzt. An der Westküste Arabiens spielte sich
der indochinesische Seehandel ab; die Städtekulturen dieser Gegenden verdanken
ausschließlich dem Transitverkehr ihre Blüte. Von Rom und Byzanz waren die heidni-
schen Araber durch den Pufferstaat der Ghassaniden, von Persien durch das ebenfalls
arabische Reich von Hira getrennt. Wenn ihnen durch diese Stammesbrüder oder
die westliche Handelsstraße Kunstformen übermittelt wurden, können es nur syrische,
d. h. halbpersische oder vom Osten aus nur unmittelbar persisch-türkische, nebst
indochinesischen Elementen gewesen sein. Ein Hauptmittler persischer Art war
Bahrein, wovon oben S. 183 die Rede war.
Es gibt zwei monumentale Zeugen, die in diesem Zusammenhange zu nennen
sind: Hatra und Mschatta, beide für nomadisierende Araber erbaute Anlagen der
vorislamischen Zeit und typisch hellenistische Grenzerscheinungen. Hatra2, aus dem
III. Jh., verbindet mit der iranisch -armenischen Gußmauertechnik den typischen
Liwanbau, der wohl auf Nomadenbrauch zurückzuführen sein wird, und im Oberbau
hauranische Art aufweist. Mschatta wurde schon in meiner Festschrift für die Eröffnung
des Kaiser Friedrich-Museums als typisch persisch in der Architektur und nordmeso-
potamisch-sasanidisch in der Ornamentik der Fassade angesprochen. Wenn man sich
nach den Ergebnissen dieses Buches vor die Fassade stellt, taucht, wie gesagt, der Ge-
danke auf, ob nicht in dem seltsamen Zickzackfries mit den bossierten Rosetten wieder
das oben besprochene Zattel- oder Lambrequinmotiv, eines der Leitmotive in der
Kunst der Zeltnomaden, wiederkehrt. Die Mschattafassade zeigte dann die monu-
mentalste Fassung die dem hochasiatischen Geschmack im Westen von hellenistisch-
persischen Händen gegeben wurde (vgl. oben S. 72 f. und 1 5 1 f., dazu Diez, Kunst der
islamischen Völker S. 28 f.).
Eine eigene Monumentalarchitektur haben die arabischen Nomaden natürlich
nicht besessen. Über die Baukunst der Städte hätte die südarabische Expedition
der Wiener Akademie Aufschluß bringen können, wenn ihr ein Kunsthistoriker bei-
gegeben worden wäre3. Hoffen wir, daß jetzt die Bearbeitung des Glaserschen Materials
Anregungen bringen wird. Die arabische Moschee schließt an Muhammeds Haus in
Medina an: ein Hof, von Hallen umschlossen, die auf Palmstämmen ruhten4. Man
sollte meinen, daß die Formkraft der Araber wenigstens zur Schaffung einer eigenen
Stütze für diese Hallen hingereicht hätte; in Wirklichkeit haben sie anfangs ihr
1) In der Literatur werden jemenische StofTe und soluqische Schwerter (vgl. Schwarzlose, Waffen
der Araber) erwähnt. Mitteilung von Dr. Grohmann.
2 Andrac, Hatra, 2 Bde. 1908 und 19 12.
3 VgL D. II. Müller, Die Burgen und Schlösser Südarabiens, Sitegsber. d. pliil.-h.ist. Kl. d. k. Ak. d.
Wiss. in Wien XCVII, S. 955 f.
Amida S. 323 f.
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittelmeeres.
259
Säulenmaterial aus christlichen Kirchen geholt l. Für diesen offenbaren Mangel eines
angeborenen Bausinnes, der letzter Hand in dem mangelnden Verständnis des Nomaden
für den Innenraum wurzelt2, spricht auch überzeugend die Art, wie die bekanntesten
Moscheen, die Amr- und Azhar-Moschee in Kairo und diejenigen von Kairuan und
Kordova durch Agglomeration zu ihrer heutigen Ausdehnung gelangt sind, also von
vornherein des Hauptmerkmals einer ausgeprägten Bauform, des geschlossenen Or-
ganismus entbehren.
b) Perser und Türken. Mit dem Eintritte der Perser und Türken in den
Islam gesellten sich zu den Semiten Arier und Altaier. Was sie, und zwar haupt-
sächlich künstlerisch, gegenüber dem Mittelmeere und den Hochkulturen überhaupt
einigte, war das Vorherrschen des Nomadentums in den Rassenteilen, die sich zu-
nächst zusammenschlössen. Den Ausschlag in dem dadurch zur Einheit zusammen-
gefaßten Nomadengebiete gaben nicht die eingesprengten Oasen von Hochkulturen
wie Mesopotamien oder das Sammelbecken der persischen, indischen und chinesischen
Kunst im Tarimbecken, sondern eben die Nomadengebiete. Daher ist auch in der
Baukunst wenigstens ursprünglich der offene Hof entscheidend und der mehr denkmal-
artige nicht so sehr raumkünstlerische Charakter des Grabbaues. Erst die Osmanen
brachten von Brussa und Konstantinopel aus die Kuppel als ausgesprochene Raum-
form zur großartigsten Entwicklung. Für die ältere Zeit lassen sich die treibenden
Kräfte vorläufig noch am deutlichsten in Ägypten überblicken.
Architektur kam dort in das islamische Bauen erst, als Perser und Türken an Stelle
der Araber die Führung übernahmen. Der Türke Ahmed ibn Tulun war es, der in
Ägypten die Pfeilermoschee aus Mesopotamien einführte3 und jene Art der Stuck-
ornamente, von der oben die Rede war; sie kam wahrscheinlich über Bahrein, wie
S. 183 f. gesagt wurde. Ein geradezu ostpersischer Moscheentypus drang mit den Aju-
biden nach Syrien und Ägypten, mit den Seldschuken nach Kleinasien vor: die Me-
drese. Auch sie war, wie das Haus des Muhammed, bzw. die Moschee eine Hofanlage
und zwar dieser arabischen Form gegenüber die von den Türken bevorzugte4. Auf
den Hof münden in den Achsen Säle mit offenen Tonnengewölben, Liwane, zwischen
denen in den Ecken mehrgeschossige Schulräume eingebaut sind. • Ob dieser Form
schon dem Ursprünge nach etwas geradezu Türkisches anhaftet, ist vorläufig nicht
zu durchschauen.
Günstiger ist das Beobachtungsfeld im Gebiete der Wandverkleidung in Stuck,
die uns nach der ornamentalen Seite hin bereits mehrfach beschäftigt hat (vgl. S. 94f.,
176f. und 209f.). Dabei spitzt sich das Problem der islamischen Kunstentwicklung,
soweit der mittelasiatische Einfluß in Betracht kommt, ähnlich zu, wie bei der
Ranke, für die man Ägypten zum gebenden Teile machen wollte. Die keramische
Technik kann als die transoxanische und turkestanische Plastik schlechtweg bezeichnet
werden5. Sie steht im Tarimbecken so stark unter dem Einflüsse von Gandhara und
1) Vgl. dazu auch „Der Islam" II (191 1) S.79f. und Kaufmann, Die Ausgrabung d.Menas-HeiliglümerS. 56.
2) In 1001 Nacht werden Bauten gern Geistern (Dschinnen) zugeschrieben.
3) Vgl. meine Koptische Kunst S. XXIII f.
4) Vgl. über den Typus Diez, Die Kunst der islamischen Völker S. 96 f.
5) Vgl. meinen Aufsatz in der Österr. Monatsschrift für den Orient XL (19 14) S. 71 f. und Monats-
hefte für Kunstwissenschaft VIII (1915) S. 361 1".
i7 +
->£q Y. Der Xomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
China, daß nicht der Nomadencharakter, sondern die figürliche Plastik durchschlägt,
die erst auf iranischem Boden in die typische Nomadenart umgebildet wird. Wie
sich diese Umbildung vollzog, daß läßt sich in einem Falle noch deutlich aufweisen.
Ich greife ihn aus der ungeheuren Fülle der Probleme, die sich aus der neuen
Auflassung vom Wesen der islamischen Kunst ergeben, heraus, weil er ein scharfes
Licht auf die Befangenheit der Spezialisten auf dem Gebiete der islamischen Kunst-
forschung wirft, die durchaus nicht von der westöstlichen Richtung der Entwick-
lung, von der Antike und Byzanz abgehen wollen.
c) Mittelasiatische Keramik auf dem Wege nach Mosul. Da es sich
dabei um figürlichen Schmuck handelt, also keinesfalls um einen Einschlag der
Nomadenkunst, sondern um einen solchen von Seiten der Oasenkulturen, so kann
die Fragestellung nur sein: ist die in der ostislamischen Kunst auftauchende mensch-
liche Gestalt altorientalisch- hellenistischen oder chinesisch-indischen Ursprunges? Den
Anlaß zu dieser Problemstellung gab eine Arbeit von Friedrich Sarre über islamische
Tongefäße aus Mesopotamien '.
Es ist bezeichnend für den Gesichtskreis dieses Aufsatzes, daß er an dem Problem
achtlos vorüberging und erst ein kunsthistorischer Laie, M. Hartmann, auf die
Sachlage aufmerksam machen mußte, ohne daß es ihm gelungen wäre, Sarre zur
Einsicht zu bringen2. Es handelt sich dabei um Tongefäße, die im Kunsthandel
auftauchten und heute in Sammlungen und Museen von Paris, London und Berlin
zu finden sind. Abb. 206 gibt davon eine Vorstellung3. Sie zeigt den Oberteil eines
dieser offenbar als Massenware erzeugten Gefäße. In einer halbrund schließenden
Xische sitzt unter einem Yogelpaar auf durchbrochenem Rankengrund eine Gestalt,
wie wir sie bereits von der „sasanidischen" Silberschüssel Abb. 132 her kennen:
sie hockt nämlich auf einem mit der geometrischen Ranke geschmückten Teppich,
dessen Typus ebenfalls (vgl. oben S. 1 5 8 f.) bereits vorgeführt wurde. Der Mann ist ge-
kleidet in einen Kandusch (Kaba^ mit ornamentierten Rändern, die über der Brust ge-
kreuzt sind; um die Hüften ein Gürtel. Das Kostüm kehrt wieder bei zwei Gestalten,
die beiderseits neben der Mittelnische wie Pfeiler dastehen und ebenso wie die Haupt-
figur Gefäße und dergl. mit einer Hand vor die Brust halten — man vergleiche die
Silberschüssel — während die andere Hand wechselnd bewegt ist. Über den stehenden
Gestalten Büsten mit reichem Kopf- und Brustschmucke. Seitlich zerbrochene Löwen-
henkel von S-förmigen-, Rosetten- und Knopfornamenten umrahmt, ähnlich wie die
Nischen selbst. Unten zwischen Löwenköpfen ein Feld mit eigenartiger geometrischer
Ranke auf gerauhtem Grunde4. Diese Ranke ließe sich mit ihren spitzovalen „Ein-
rollungen", d. h. Kreislappen, die krabbenartig wirken, mit der Stabranke der Schalen
von Nagy-Szent-Miklos (Abb. 122), die Ranke oben in Durchbrucharbeit mit der des
transoxanischen Kotschkarschatzes (Abb. 1 80) vergleichen.
1 Jahrbuch der kgl. preuß. Kunstsammlungen XXVI (1905)' S. 69 f.
i Di« wissenschaftliche Auseinandersetzung spielte sich in der Orientalfetischen Literaturzeitung ab.
Zu« BFentlichte Hartmans 1905 Sp. 277 f. eine Besprechung der Arbeit Sarres, der im gleichen
rgange Sp. 541 f. antwortete. Neuerdings ist er dann Amtliche Berichte aus den ki;l. Kunstsammlungen
WXIV (1913) Sp. 45 ff. und XXXV 11914! Sp. 1S1 f. auf die Sache zurückgekommen.
ck wurde von der Groteschen Verlagsbuchhandlung aus dem Jahrbuch a. a. O. S ~
gestellt, wofür ich danke. \ Vgl. die ungarischen Taschenbleche Abb. 96 — 9S.
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittelmeeres.
2Ö1
Ich denke, es wird jedem Beschauer sofort auffallen, daß die Figuren und besonders
deren Köpfe dem typisch indochinesischen Mischstil angehören. Aber das leugnete
eben Sarre. Die islamische Kunst muß — er berief sich dabei (OLZ 1905,
Sp. 547) auch noch auf mich — unbedingt in allen für ihre Genesis in Betracht kom-
Abb. 206 : London, Victoria and Albert -Museum : Oberteil eines Tonkruges.
menden Elementen am mesopotamischen Schlagbaume1 Haltmachen. Zentralasiatische
Einflüsse sind erst seit dem Mongolensturme möglich, eine These, die Sarre im Einver-
nehmen mit Falke2 vertrat. Daß es vor den Mongolen schon Türken gegeben hat
und überdies die Saken Mittler zwischen dem Hellenismus zuerst und später dem Islam
und den indochinesischen Kunstkreisen waren, geht einzelnen Herren auf keine Weise
ein. Und doch hat sich Hartmann alle erdenkliche Mühe gegeben, auf seine Art da-
von zu überzeugen. Der Kunsthistoriker kann den Beweis anschaulich erbringen.
1) Vgl. darüber Monatshefte VIII (1915) S. 3601".
2) Kunstgeschichte der Seidenweberei . I, S. 87 f. Bei Sarre fangen jetzt allmählich die bei den Aus-
grabungen von Samarra gemachten Erfahrungen an, ernüchternd zu wirken.
26:
V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasien>.
Der Schmuck — denn es handelt sich wohl kaum um Portrats, weder hier noch
sonst außer vielleicht auf Münzen des gottlosen Muqtadir — ist auf diesen Krügen
in einer eigenartigen Technik ausgeführt, die wir gewöhnlich als „Barbotin-" oder
Gießbüchsenwerk bezeichnen. Ägypten weist darin wohl die trefflichsten Beispiele auf
und ebenso andere Mittelmeerländer. Aber die eigentliche Heimat dieser Technik scheint
später doch Transoxanien und Turkestan mit Khotan gewesen zu sein. Von dort aus
muß eine ausgedehnte Ausfuhr nach Persien und Mesopotamien stattgefunden haben,
der vielleicht auch die Stücke angehören, die Sarre in den genannten Arbeiten vor-
Abb. 207: Thronende Gestalt. Abb. 20S: Musikant:
Petersburg, Ermitage: Tonfiguren aus Afrasijab.
geführt hat. Neben vollständigen Krügen kommen allerhand Figürchen von solchen
und möglicherweise einst architektonisch verwendeten Reliefs in Betracht. Dafür seien
hier einige Belege vorgeführt.
Bei Ausgrabungen, die von russischer Seite im Jahre 1904 auf dem Ruinenfelde
von Afrasijab bei Samarkand durchgeführt wurden1, stellte man fest, daß es sich
um den alten Kern dieser Stadt handle, wie sie von den arabischen Geographen des
X. Jh. beschrieben wird. Das „Schahristan" wurde von den Bewohnern endgültig erst
nach der mongolischen Verheerung von 1220 verlassen. Bei den Ausgrabungen wurde
ein Bau freigelegt, dessen Ziegel den Namen der vorislamischen Herrscher von Sogd
1 Vgl. Orientalistische Lileraturzeitung VIII (1905) Sp. 557 f. und Kondakow, Gesch. und Denk-
v/.antinisclien Emails S. 52 f. Er verlegt den Ort Afrasijab nach Taschkend.
3- Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittelmeeres.
263
„Ichschid" trugen, den man nach Hartmann weder in dieser Bedeutung noch als Eigen-
namen später als die ersten vier Jahrhunderte der Hedschra antrifft. Durch Kauf
wurden dort auch Tonfiguren von Menschen und Tieren aufgebracht, die kaum aus
der Zeit nach der islamischen Eroberung 712 stammen dürften und die man zu-
sammenbringen kann mit jener Stelle der Buchara-Chronik, die von dem Verkaufe von
Götzenbildern in vorislamischer Zeit handelt1. Diese Kleinplastiken aus Transoxanien
und Khotan fand ich unbeachtet in der Ermitage zu Petersburg. Ich verdanke
die nachfolgend gegebenen Abbildungen der Güte Smirnovs. Die beiden Figürchen
Abb. 207 und 208 sind ausdrücklich als aus Afrasijab stammend (Sammlung Litinsky,
Inv. Nr. 7578) bezeichnet. Sie erscheinen in der gleichen Technik ausgeführt wie
die auf dem Teppich hockende Gestalt auf Abb. 206. Neben die thronende Gestalt
mit dem Schwerte zwischen den Beinen2 ist die bekannte Miniatur Karls des Kahlen
in München zu halten und damit auch der Abb. 209 wiedergegebene Kopf der Samm-
lung Petrovsky in Petersburg (Inv. 321, Höhe 6,5 cm) zu ver-
gleichen3. Vielleicht sehen sich die deutschen Kunsthistoriker
doch mit der Zeit Grünwedels und Le Coq's Publikationen auf
die im Zentralasiatischen vorkommenden nordischen Typen
hin an. Wir sehen einen schnurrbärtigen Mann mit langem
gescheiteltem Haare von breitem Gesichtstypus mit einem
Kettenring um den Hals. Doch will ich hier dabei nicht stehen
bleiben.
Wichtiger ist an der thronenden Gestalt von Abb. 207
der offene, mit zwei Streifen über der Brust auseinander-
laufende Kandusch und die weiten reichfaltigen Hosen. Man wird
geneigt sein, diese Art für sasanidisch anzusehen, ohne darauf
zu achten, daß die Sasaniden-Falten wahrscheinlich auf die von
China über Zentralasien eingeführte Seidenmode zurückgehen.
Als eine Spur von Beweis möchte ich gleich hier die Vorführung zweier Flügelfiguren
einschalten, die auch wieder Sarre (Jahrbuch 1905 S. 85) Anlaß lieferten, sein Fest-
halten an einem (ihm für die islamische Forschung zwischen Persien und Zentralasien
nötig scheinenden) Schlagbaume zu stützen. Es sind zwei Flügelfiguren Abb. 210 und 21 1
im Museum in Konia, einst an der Porte du bazar4, wo sie über der spitzbogigen Portal-
nische beiderseits in die Wand eingelassen waren. Sarre nimmt an, daß sie der mittel-
alterlich islamischen Kunst und dem Jahre 1 22 1 etwa angehören. Davon aber kann nicht
die Rede sein. Es scheint vielmehr, als seien sie von den Seldschuken aus ihrer türkisch-
sakischen Heimat mitgebracht und an dem Tore ihrer neuen Hauptstadt wiederver-
wendet worden. Abb. 210 und 211 zeigt die beiden Figuren in Aufnahmen, die ich
Abb. 209: Petersburg,
Ermitage: Ton-Köpfchen.
1) Orientalistische Literaturzeitung .VII (1904) S. 50.
2) Vgl. für diesen iranischen Typus die Chosraw-Schale in Paris bei Dieulafoy, L'art antique de la
Perse V Taf. XXII, Smirnov, Östliches Silber Taf. XXIV, 51 (der daneben ein anderes Beispiel aus
Samarkand stellt) und Sarre-Herzfeld, Iranische Felsreliefs S. 213.
3) Vgl. damit auch ein Köpfchen Journal as. Soc. Beng. Extra Number 1889 Taf, XIX S. 72, eben-
falls einem Tonköpfchen aus Zentralasien.
4) Texier, Description de l'Asie mineure Taf. 97. Vgl. auch Delaborde, Voyage en Asie
mineure.
V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
Abb. 210: Konia, Museuni: Steinrelief.
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Miltelmceres. 265
Max vanBerchem verdanke1. Wir sehen zwei „laufende" Flügelgestalten'2 mit eigenartigen
Mützen und langen Zöpfen, die, in kurze Röcke und faltige Hosen gekleidet, die Arme
nach der Mitte strecken. Nach Texiers Abbildung scheinen sie Fläschchen auszu-
gießen3 und Bänder zu halten. Was uns im Rahmen dieses
Buches vielleicht am meisten beschäftigt, sind die Mützen,
für deren Form die chinesischen Genien in der Bordüre des
freilich viele Jahrhunderte jüngeren seidenen Jagdteppichs im
Besitze des österreichischen Kaiserhauses zu vergleichen sind4.
Auf den Mützen in Konia findet sich der reine „Schnörkel",
hier ohne die Füllung durch Strichpunkte, Einkerbungen
und Palmetten, die wir als Grundlage der geometrischen
Ranke von China bis Kairo überall herrschend fanden. Ich
glaube jedoch nicht, daß die reine Form dieser geritzten
Linien jünger als das Jahr 1000 sein kann, möchte diese
Ornamente vielmehr gleichzeitig mit den ägyptischen Brettern Abb- 211: Koma> Museum:
(Abb. 82 f. und 146) und den Stuckaturen der Jbn Tulun vop es egens uc^es xon
v ^ ' Abb. 210.
(Abb. 150 f.) ansetzen, d. h. spätestens ins IX. Jh. Dafür spricht
auch das Kostüm, das die Nähe des Alt-Türkischen bzw. Parthisch-Sasanidischen ver-
langt. Man vergleiche die Silberschüssel Abb. 132 und das Tonrelief aus Afrasijab
Abb. 207 und wird sich hier zusammen mit der Chosrawschale und vielleicht dem
leider in der Hauptsache zerstörten Gotarzesrelief5 inmitten einer kleinen Gruppe
finden, die es überflüssig macht, wie Sarre zur Erklärung auf den Aufenthalt Ala-
ed-dins in Konstantinopel und seine spätere Wirksamkeit für die bildende Kunst hin-
zuweisen. Viel wichtiger wäre ein Hinweis auf die große Blüte der Kunst in Ost-
persien gewesen, die nicht erst zur Zeit des Mongoleneinbruches nach Ikonium kam,
sondern durch Saken, Türken und im Besonderen durch Seldschuken von allem An-
fang an nach dem Westen verbreitet wurde. Ihre Wurzel scheint sie z. T. wenigstens
in älteren iranischen Voraussetzungen zu haben. Davon lebt noch eine Spur von Er-
innerung bei Firdousi, der Darab Handwerker und Meister aus Hindustan (und von
den Romäern) und an einer andern Stelle Chosraw Parwez solche aus China, Indien
und andern Kulturländern bezw. Zimmerleute aus Rum und aus China, aus Mekran
und Baghdad und iranischem Land kommen läßt6.
Ich bilde hier noch einige Stücke aus Zentralasien ab, die geeignet sind, den
Zusammenhang der „Mossulware", wofür sie Sarre im wesentlichen nimmt, mit dem
türkisch-persischen Nordosten, der ganz von Indien und China durchsetzt ist, zu belegen.
Abb. 212 zeigt ein Fragment der Sammlung Petrovsky (Inv. 392, 342), 7,5 cm hoch,
1) Die Aufnahmen Sarres waren Zeichnungen, die von ihm „Seldschukische Kleinkunst" Taf. I
gebrachten Photogramme aber sind unscharf. Ich gebe bessere Aufnahmen, aber von dem zweiten Relief
nur den Kopf Abb. 210.
2) Vgl. für das Motiv Studnitzka, Die Siegesgöttin.
3) Vgl. die Genien mit dem Pinienzapfen an Portalen mesopotamischer Paläste. Dazu mein „Der
Pinienzapfen als Wasserspeier" Römische Mitteilungen XVII (1903) S. 185 f.
4) Riegl, Jahrbuch des Allerh. Kaiserhauses XIII (1892) Taf. XVI f.
5) Vgl. Morgan, Mission IV S. 286 und Hüsing, Der Zagros und seine Völker S. 7 und 66.
6) Schahname ed T. Macau Bd. III 1262, vgl. IV S. 201 1 und 2006 (Mitteilung von Leo Mayer).
266 ^ • Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
einen hockenden Musikanten darstellend unter einem gebrochenen Giebel mit Knopf-
ornament auf Yolutensäulen K Die Musikantendarstellung ist besonders beliebt Auch
der stehende Mann von Abb. 20S dürfte diesem Kreise angehören. Ich zeige Abb. 213
Abb. 212: Petersburg, Ermitage: Tonrelief eines hockenden Musikanten.
ein ebenfalls aus der Sammlung Petrovsky stammendes Fragment (Inv. Nr. 266),
das 5 cm hoch ist und den Anfang einer Reihe ähnlich stehender Musikanten vor-
Abb. 213: Petersburg. Ermitage: Stehende Musikanten.
fuhrt, und Abb. 214 das Bruchstück eines anderen Kruges (Sammlung Petrovsky, Inv.
Nr. 729, 13,5 cm hoch), das sie in langer Reihe auf dem Haisansatze eines Gefäßes
1) Ich kann auch hier wieder nicht unterdrücken, auszusprechen, daß mir die Stuck. leko-ationen des
orthodoxen Baptisteriums in Ravenna nach den architektonischen Rahmen von Meistern aus dem Osten
ausgefiihit zu sein scheinen.
3- Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvolkern im Umkreise des Mittelmeeres. 26/
zeigt1. Am Halse selbst eine Rosette. Alle diese Figürchen sind auf die Grund-
fläche der Krüge aufgesetzt, so daß sie leicht, wie Abb. 213 und 214 zeigt, wieder
abfielen. Dazu kommen in den feuchten Ton eingeritzte Striche und Punkte, die
mit der Auflagetechnik nichts zu tun haben.
Man wird schon bemerkt haben, daß die Technik die gleiche ist, wie auf den
Krügen aus Mesopotamien. Ich gebe als typisches Beispiel Abb. 215. Der Krug
zeigt ein vollständiges Exemplar mit den Vögeln auf den Henkeln und stammt aus
der Sammlung Bielinko (Inv. 7577, H: 27,5cm), die 1898 von der Ermitage gekauft
Abb. 214: Petersburg, Ermitage: Fragment eines Tonkruges.
ist, über die man das Albom rissunkov 1882 — 1898 S. 341 vergleiche. In Barbotin-
Technik sind da Weinblätter und chinesische neben Affenköpfen aufgelegt. Abb.
216 — 218 gibt drei bessere solcher Köpfchen, wie sie in riesigen Mengen in der Er-
mitage vorzufinden sind, beide aus der Sammlung Petrovsky Inv. 36, 84 und 137,
0,6 — 8 cm hoch. Die eigentümliche Haartracht und der Kandusch werden noch einmal
Gegenstand besonderen Studiums sein, ebenso der langbärtige Kopf mit dem hohen
Turban von Abb. 219 2 (Sammlung Petrovsky Nr. 645, 1,43 cm hoch).
Überblickt man die vorgeführten Bruchstücke, die sich nach Tausenden vermehren
1) Vgl. damit die Bronzerigürchen, die ich Koptische Kunst S. 325 f. aus Ägypten zusammengestellt
habe; dazu das indische Figürchen „Hellenistische und koptische Kunst in Alexandria" S. 82.
2) Dieser bärtige Kopf in Abb. 219 ist zu vergleichen mit Memphis-Keramiken bei Minns „Skythi-
ans and Gieeks" S. XXXVII.
26S
V. Der Xomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
ließen1, so möchte man mit Kondakov daran erinnern, daß „die hohe Kultur Chora-
sans und der Reichtum Balchs, der Mutter der Städte, die enorme Fruchtbarkeit
des Murghab, welche schon Antiochos Soter (280 — 262 v. Chr.) veranlaßte, die nach
ihm benannte Stadt samt den angrenzenden Feldern mit einer weitausgedehnten
Mauer zu umgeben, und der blühende Zustand der ganzen Mervv-Oase bis zum
zehnten Jahrhundert" Tatsachen sind, die naturgemäß zur Annahme fuhren, die Ver-
schiebung der Kultur nach dem Aralsee habe sich schon ganz zu Anfang des Mittel-
alters vollzogen. Kondakov verweist auf die Gesandschaft des Dilzabul (vgl. oben
S. 162, A. l) und die riesige Beute, die
Sasaniden und Araber in den mittel-
asiatischen Städten machten. Wenn
aber Kondakov fortfährt: „So mächtig
^^war der Einfluß der griechischen
Kultur, daß die orientalische Kunst
jener Zeit die Sprache der antiken
Kunst redete", und als Beleg dafür
die Funde von Afrasijab anführt, so
muß ich doch auf Grund der vor-
geführten Beispiele für die am Beginn
des Mittelalters in Betracht kommen-
den Denkmäler Einspruch erheben.
Mag immerhin wie in Gandhara auch
im Gebiete von Baktria eine Beein-
flussung durch die griechische Kunst
anzunehmen sein, so ist sie jedenfalls
sehr bald durch die hier neben den
indischen vor allem aus China zur
Geltung kommenden Einwirkungen
völlig umgewandelt worden.
Der Beweis für diese These läßt
sich an der Hand von Laufer, Chinese
pottery of the Han Dynasty, S. I42f.
erbringen. Es gibt keine Keramik,
die der vorgeführten zentralasiatischen
näher stünde als die der Han-Dvnastie (202 — 221 n. Chr.), die Laufer in den Typen
wieder abhängig zeigt von den Hanreliefs in Schantung (vgl. oben S. H7L). Vor allem
ist die Barbotintechnik verwandt. Sie wird heute noch geübt, allerdings nicht mit
der Gießbüchse, sondern durch Auflegen von gepreßten Motiven. Man sehe bei
Laufer Tafel XXXV ff. durch und wird sich erstaunt überzeugen, daß wir in China
die gleiche Art vor uns haben wie aus Afrasijab und Chinesisch -Turkestan. Ich
meine also, es wird mit dem üblichen Schlüsse auf hellenische Anregungen in Zukunft
1 Vgl. u. a. Le Coq, Chotscho und die Werke von Marc Aurel Stein. Dann vor allem die verschiedenen
Arbeiten von Hoernle z. B. „A report on the Britisch Collection of antiquides from Central Asia". Ferner
Amtliche Berichte aus den kgl. Museen XXXV (1914) Sp. 1S1 t". u. s. f.
Abb. 215: Petersburg, Ermitage: Tonkrug.
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittelmeeres.
269
auch bezüglich dieser Gruppe doch etwas vorsichtiger umzugehen sein1. Und nun
komme ich wieder zurück auf Sarres Beispiel, der voreilig für die „Mossulwaare" auf
Anregungen vom Westen her schloß.
Abb. 216: Köpfchen. Abb. 217: Bruststück. Abb. 218: Köpfchen.
Petersburg, Ermitage: Bruchstücke von Tonfigürchen.
Abb. 219: Petersburg,
Ermitage: Bärtiger
Turbanträger.
Man wird sich
zur Genüge über-
zeugt haben, daß
die „mesopotami-
schen" Gefäße ihre
Voraussetzung in
den sakisch-tür-
kischen Oasen der
vorislamischen
Zeit haben. Ihr
Schmuck ist später
auf persisch-meso-
potamischem Bo-
den Hnrrrmf>r7f -^-bb. 220: Wien, Kunsthistorisches Institut der Universität
(Lehrkanzel Strzvgowski): Oberer Rand eines Kruges mit
worden von jener Barbotinfiguren.
Nomadenart , die
wir in diesem Buche vorgeführt haben. Ich will hier als Beispiele
dieser späteren Art eine kleine Sammlung von Scherben vorführen,
die Dr. Diez auf der ostpersischen Institutsexpedition gesammelt
hat. Das Stück Abb. 220, das stark absticht von allen übrigen,
ist in Safiabad in der Isfarain-Ebene in Nordostpersien'2 aui dem
1) Laufer lehnt jede Einflußnahme vom Westen her auf China ab — was
auch wieder zu weit geht. A. a. O. S. 2 12 f. Anm. 7 gibt er türkische bezw.
sibirische Einflüsse in der Hanzeit zu.
2) Vgl. darüber dereinst das in Ausarbeitung befindliche Institutswerk (Bd. VI)
von Dr. Ernst Diez: Churasanische Baudenkmäler, Ergebnisse einer 1912 — 1914
270
V. Der Xomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasicns.
Burgberge aufgelesen. Es ist der obere Rand eines Gefäßes, das in der typischen
Barbotintechnik Figürchen gereiht zeigt, im Gesicht ein blaugrünes Mosaiksteinchen.
Die Stücke Abb. 221 sind im Judenbazar zu Teheran gekauft und stammen angeblich
Abb. 221: Wien, Kunsthistorisches Institut der Universität (Lehrkanzel Str/ygowski):
Bruchstücke von Tongefaßen aus Teheran.
aus Raj, dem alten Tähran. Es ist genau die gleiche Technik wie an den meso-
potamischen Gefäßen, und zwar handelt es sich immer um Bruchstücke des Über-
ganges vom Bauche zum Halse. Xr. 4 mit der Naschi-Inschrift zeigt eine geometri-
sche Ranke, die ebensogut auf einer altchinesischen Bronzevase angebracht sein
vom Kunsthistorischen Institute der Wiener Universität (Lehrkanzel Strzygowski) zur Erforschung der Ge-
schichte islamischer Kunst unternommenen Forschungsreise.
Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittelmeeres.
27I
könnte. Man vergleiche hierzu übrigens oben in Abb. 11 1 das geritzte Ornament vom
Grab der Wu (147 n. Chr.). Ebenso die Ranke auf dem Bruchstück 1. Dazu kommt
der gerauhte Grund und die übrigen aus der geometrischen Ranke geschaffenen
Ornamente, besonders auch auf Nr. 2. Die andern drei Stücke unten zeigen das zweite
Lieblingsmotiv, Tiere: steigende Löwen, Adler im Profil, dann das angeschirrte Pferd,
dessen Hinterteil in einen Löwenkopf übergeht und den Falken, der eine Ente
erbeutet. Dazwischen die Barbotintropfen, in die ein Punkt eingetieft ist und Rosetten.
Auch ganze Gefäße hat Diez aus Raj in Teheran gekauft. Sie befinden sich mit den
Bruchstücken zusammen in unserer Sammlung in Wien. Der eine Abb. 222 ohne
Hals und Henkel zeigt eine Inschrift in blühendem Kufi (nach M. van Berchem: „Die
Ehre gehört Gott, Das Reich gehört Gott, Werk des ?") aus dem XIII. Jh. Die
auf solchen Gefäßen seltene Meistersignatur ist sicher der Name, jedoch leider
Abb. 222: Wien, Kunsthist. Institut (Lehrkanzel
Strzygowski) : Tonkrug aus Raj.
Abb. 223: Wien, Kunsthist. Institut (Lehrkanzel
Strzygowski): Glasierter Tonkrug aus Raj.
nicht deutlich zu lesen'. Das obere Randornament entspricht dem auf Abb. 221, 2:
Herzformen aus geometrischen Schnörkeln abwechselnd ineinander gelegt mit Bar-
botinknöpfen. Die Füllungen zwischen den Buchstaben sind mit der Inschrift von
Chargird (Abb. 119) zu vergleichen. Es sind treffliche Beispiele der geometrischen
Ranke, nur der Technik entsprechend etwas verschwommen. Darunter ein Band von
Herzformen und Eindrücke mit einem spitzen Instrument.
Die Stücke, die ich bisher vorführte, waren alle in unglasiertem Ton hergestellt.
Diez brachte aber aus der gleichen Quelle auch ein Gefäß Abb. 223 mit, dessen
Ornamentstreifen am oberen Bauchrande — man versteht, warum immer nur Frag-
mente von dieser Schulterstelle vorkommen — grün glasiert ist: eine Folge von
Bogen, in denen jedesmal ein Vogel sitzt, mit dem nächsten paarweise gruppiert.
Neben ihm Rankenwerk mit allerhand herzförmigen „Blättern". Oben die typische
Knopfreihe in Barbotintechnik. Vielleicht ist in solchen technischen Voraussetzungen
der Ursprung dieses bis nach Ägypten beliebten Ornamentes zu suchen.
272 V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
Angesichts der beiden zuletzt vorgeführten Krüge, die ja auch wieder typische
Vertreter einer zahlreich zu belegenden Gattung sind', greife man wieder auf Laufers
Buch über die Han-Keramik zurück und wird Taf. XXVII f. finden, daß diese Form
mit dem ornamentierten Schulterstreifen die Lieblingsform auch in China war.
Ich habe mich etwas länger bei der Kleinkeramik aufgehalten. In ähnlicher Art
würden die anderen Arten der zum guten Teil mit den Aufgaben der Verkleidungs-
architektur in Verbindung stehenden Gebiete zu behandeln sein. Wir führten oben
zur Genüge Beispiele aus der Übergangszeit von der Antike zum Islam vor, Mschatta
hat dafür vielleicht noch mehr beigebracht. Hier sei nur neben den Seidenstoffen
den Stuckarbeiten und Holzschnitzereien, sowie der Kalligraphie als Mittler noch
einer Gruppe im Vorübergehen Erwähnung getan, die nicht unbeachtet bleiben darf.
Leider ist nichts erhalten von jenen Mittelgliedern, die zwischen den Emailziegel-
wänden der Babylonier, Assyrer und Altperser herüber zu dem seldschukischen gla-
sierten Tonmosaik führen, das z. B. in der Sirtscheli Medrese von Konia imj. 12423
von Muhammed, dem Baumeister aus Tus (in der entscheidenden Gegend zwi-
schen Meschhed, Xischapur und Metw), ausgeführt wurde2. Auch für die eigentlichen
Fayencefließen dieser Spätzeit in Kleinasien und Ägypten läßt sich sagen, daß die Ent-
wicklung auf Persien zurückleite. Diese ist durch die nach farbigen und Formgruppen
zu scheidenden Fayencegefäße und Scherben gegeben. Sichere Mittelglieder sind bis
jetzt aus parthischer (Warka), nicht aber aus sasanidischerZeit nachgewiesen. Und doch
könnten gerade die vor und nach dieser Zeit oft auf dunkelblauem Grunde wirkenden
hellen Farbmuster reiche Anregungen für die Entstehung von Tiefendunkelkomposi-
tionen in der Plastik gegeben haben.
Ich begnüge mich mit diesen kurzen Andeutungen über die islamische Kunst
und ihren Zusammenhang mit der türkischen. Im übrigen mag man sich vorläufig
an das halten, was Ernst Diez im Handbuch der Kunstwissenschaft über „Die Kunst
der islamischen Völker" zusammengestellt hat.
d) Islamische Kunst — ein Rest Völkerwanderungskunst. In Europa
ist die Völkerwanderungsart sehr bald durch das Christentum derart zurück gedrängt
worden, daß die darstellende Kunst der südlichen Oasenkulturen geradezu die
Alleinherrschaft antrat, die Kunst der Nordvölker und Nomaden, von Nachwir-
kungen durch die alte Holz- und Kleinkunst abgesehen, ausstirbt. Anders im Islam.
In ihm lebt die Kunst, die wir hinter der hellenistischen bezw. spätrömischen und
sasanidischen Machtkulisse erst geradezu wieder entdecken mußten, bis auf den
heutigen Tag weiter, wenn auch allmählich völlig degenerierend.
Es muß jedem nur irgend Beobachtenden auffallen, wie vollkommen verschieden
der Geist der islamischen Kunst im Kreise aller übrigen, ob nun christlichen, buddhis-
tischen oder sonst religiösen Kunstströme dasteht. Man erklärt ihre rein auf Schmuck
und Dekoration eingestellte Richtung gern mit dem Bilderverbot oder weil sie eben
1 Hierher, gehören auch bemalte Krüge und Schalen mit Glasur, die ebenso in Chorasan wie in
China vorkommen. Beispiele im Wiener kunsthistorischen Institut.
Vgl. dazu l>ie/.. I »ie Kunst der islamischen Völicer S. 115 t.
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittelmeeres. 27 ?
eine semitische sei. Aber diese Gründe sind von vornherein nicht stichhaltig, der
letztere bedarf keiner Widerlegung und der erste wäre, wenn das Bilderverbot über-
haupt bestanden hat1, nur negativ gültig; ein solches Verbot verhindert zwar die
Darstellung, schafft aber noch keine Kunstformen. Man hat sich freilich geholfen
und gesagt, die islamischen Motive wären antik und nur die Form habe sich, den
Forderungen des Geschmackes gehorchend, geändert. Eine solche Behauptung wurde
gleicherweise für die islamische (Riegl) wie für die altgermanische Kunst (Salin) auf-
gestellt. Sie trifft weder für die eine noch für die andere Richtung zu. Vielmehr
gilt es, aus der einzig noch lebendig erhaltenen Kunst der Zeit jener Wande-
rungen, der des Islam, heute sowohl die Kunst der Nomaden wie die für die Nord-
völker entscheidend gewordenen Züge herauszufinden. Die islamische Kunst bleibt
inmitten der alten Oasenkulturen als der für uns bedeutungsvollste Rest der Völker-
wanderungszeit bestehen. Die Kunst der Nordvölker ist völlig mit Hof und Kirche an
die vordringenden Südkulturen ausgeliefert worden. Wir wenden uns zum Schlüsse
kurz auch noch ihr zu.
B. Die Germanen und der europäische Kreis. Der 1915 erschienene Stand-
bericht über die Kulturforschung der Merowingerzeit von Brenner2 erlaubt den
Faden da wieder aufzunehmen, wo ihn Riegl aus der Hand gegeben hat. Seine An-
schauungen sind noch immer, wenigstens in Deutschland, die herrschenden. Und
doch stellt auch Brenner S. 254 f. auf Grund der Forschungen von Pilloy fest, daß
zwischen den spätrömischen und den merowingischen Grabfeldern ein Zusammenhang
nicht besteht. In den nordostfranzösischen und belgischen Gräbern des IV. Jh. fehlen
die germanischen Typen der Merowingerzeit, Schnallen und Fibeln, wie die doppel-
konische Urne ganz und haben dort auch keinerlei Vorbilder und Verwandte.
Eine ähnliche Feststellung hat Götze mit Bezug auf das Verhältnis der gotischen
Funde zu den bosporanischen gemacht. Anläßlich der 191 5 im Tapetensaale des
Kaiser Friedrich-Museums in Berlin aus Privatbesitz veranstalteten Sonderausstellung
frühgermanischer Kunst d. h. ostgotischer Altertümer der Völkerwanderungszeit aus
Südrußland (vgl. Katalog S. 5 f.) glaubt er die gotische Kunst trotz ihrer teilweisen
Abstammung von der Antike als eine durchaus nationale Lebensäußerung ansehen
zu müssen. In beiden Fällen aber handelt es sich darum, daß neben dem antiken
und nationalen Element auch, das vom Osten immer aufs Neue im Wege des Welt-
verkehres Einströmende erkannt werde. Die Goten hatten nicht nur mit der bos-
poranischen Kunst Fühlung — die selbst eine Mischung von Antike mit fremden,
namentlich sakischen Elementen war — , sondern im Wege des Nomadenverkehres
und zur See durch Kleinasien und Armenien auch unmittelbar Anschluß an Asien. Das
wird sich wohl für die einzelnen Kunstzweige allmählich überzeugend nachweisen lassen.
a) Der Schrägschnitt. Die „Kerbschnittschnallen", die Riegl auf Rom zurück-
führen wollte, während Lindenschmidt (Handb. S. 350) sie für die germanische Kunst
1) Vgl. für das Bilderverbot mein „Amra und seine Malereien", Zeitschrift für bild. Kunst, N. F.
XVIII (1907) S. 213 f. Die Literatur ist zuletzt zusammengefaßt von van Berchem bei Sarre-Herzfeld,
Archäologische Reise im Euphrat- und Tigrisgebiet I, S. 37 f.
2) VII. Bericht der römisch-germanischen Kommission 1912 (erschienen 191 5) S. 253 f.
Strzygowski, Altai. 18
27< V. Der Xomadenvorstofi und die Neuordnung Eurasiens.
in Anspruch nahm, kommen schon in vormerowingischer Zeit vor; Brenner glaubt,
daß sie später den aus anderer Richtung eingedrungenen germanischen Stil beein-
flußt hätten. Ich habe gezeigt, daß wir es gerade in der Schrägschnittechnik mit
einem alten asiatischen Einschlag zu tun haben und halte es immerhin für möglich, daß
schon im vierten und dritten Jh. v. Chr. entweder an unmittelbare Einfuhr vonOslen
zu denken ist oder an Bronzenachahmung solcher Importware, die dann wohl für
die La Tene-Zeit in Bronze, erst später in Gold oder Silber anzunehmen ist. Doch
muß darauf verwiesen werden, daß die verbreitete Meinung in Deutschland jetzt
doch die von Lindenschmidt ist, diese Art sei im Wesen altgermanisch und iden-
tisch mit dem im V. Jh. von der Holztechnik übernommenen Kerbschnitt. Solche
Bronze-Schmuckstücke seien wahrscheinlich unter Verwendung geschnitzter Holz-
matrizen gegossen1. Es würde dann also der gleiche Fall vorliegen, wie in Samarra,
wo auf dieselbe Art die Schrägschnittstuckaturen gearbeitet wurden (oben S. 95 f.).
Daß das aber nur die billige Auswertung einer in Bronze wohl verständlichen, ur-
sprünglich auf die Wirkung des Metallglanzes berechneten Materialqualität ist, sollte
auch für den Schrägschnitt in Deutschland bei runden Formen neben der Ableitung
eckisfer Formen vom Kerbschnitt nicht übersehen werden. Davon unten mehr.
b)Die Granateinlage in Gold. Nicht anders liegt der Fall bei dem zweiten Element
des beginnenden Yölkerwanderungsstiles, das Riegl aus einem römischen, koloristischen
Kunstwollen hervorgehen lassen möchte, der Granateinlage in Gold2. Brenner S. 269 be-
stätigt in Zusammenfassung der inzwischen erschienenen Arbeiten v. Stern, Reineck und
Ebert diese Ansicht Riegls. Die prachtvollen Gold- und Almandinsachen, die von Süd-
rußland bis weit nach dem Westen verbreitet sind, verdankten zum mindesten ihre Ver-
zierungstechnik den griechischen Goldschmieden der pontischen Länder. Da wären wir
also glücklich wieder bei Hampel 1885 angelangt. Aber Brenner macht einen Nachsatz:
„Über die eigentliche Herkunft der Schmuckformen einerseits, der Verzierungstechnik
andererseits werden wohl erst weitere Untersuchungen sicheren Aufschluß geben können
(s. Dalton, Archaeologia 58 (I902) S. 2371}". Ich habe gefunden, daß sich mit selb-
ständig denkenden Archäologen immer noch eher verhandeln läßt als mit neueren
Kunsthistorikern, besonders solchen, die einseitig arbeiten oder auf die Richtung irgend
eines Lehrers eingeschworen sind. Nun fand ich an der Stelle, die als die hohe
Schule der Forschung auf dem Gebiete der Goldschmiedekunst gelten kann, in
der Ermitage zu Petersburg, ein Stück, das für die farbige Einlage in Gold eben-
so ausschlaggebend ist wie das Goldtier von Kelermes (Abb. 131) für den Schräg-
schnitt. Auch dieses Stück (Abb. 224) stammt aus Kelermes im Kuban. Der halb-
runde breite Stab (Inv. 14072) mit den Löwenkopfenden ist 1904 zusammen mit einem
zweiten Exemplar gefunden, das etwas zerstört ist. Pharmakowsky, der ein Stück
zusammen mit dem daneben abgebildeten kurzen Stabe mit Widderköpfen veröffent-
lichte 3, meint, es gehöre mit diesem und der kürzeren Querstange zusammen zu einem
Gürtel. Die Rückseite ist flach und zeigt zwei Paare rechteckiger Öffnungen. An
den Seiten treten drei Ouerstäbe vor, die mit zwei Paar Widderköpfen und in der
1) Goetze, Katalog S. 7. VgL Riegl, Spätrömische Kunstindustrie S. 154t.
Vgl. oben S. 66 und Rieg] a. a. < ). S. 172 f.
5 Archäologischer Anzeiger XX (1905) Sp. 58.
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittclmeeres.
275
Mitte mit Kugeln enden, die mit zehn Reihen von Perlenschnüren und am Ende
mit einer Rosette aus Zellen für Einlagen geschmückt sind. Solche Zellenverglasung
sieht man nun gut erhalten auf dem runden Mittelteile zwischen den durch Kugel-
reihen und Kreiszellen dazwischen begrenzten Löwenköpfen. An den Köpfen selbst
hatten die Augen Einlagen; im übrigen sind die Flächen dieser Köpfe belebt durch
eingeschlagene Punkte und aufgesetzte Knopfreihen. Der verbindende Teil zeigt in
der Mitte eine Reihe rechteckiger, seitlich zwei Reihen dreieckiger Zellen. Die Stege
sind breit und kommen mit ihrem Goldglanze neben den braunen Einlagen entschieden
VST * : • 7-s — v :
Abb. 224: Petersburg, Ermitage: Schmuckstücke mit Zellenverglasung aus Kelermes.
zur Geltung. Die durchscheinenden Einlagen, aus Bernstein hergestellt, könnten
Vorläufer des ähnlich durchscheinenden Glasschmelzes sein, der in byzantinischer
Zeit üblich wurde. Das Stück aus Kelermes stammt aus der gleichen Zeit und vom
gleichen Orte, wie das Goldtier, das ich oben S. 140 f. besprochen habe, also um 600
vor Chr. Die Bernsteineinlage fehlt denn auch bei diesem nicht. Abb. 131 zeigt
das Ohr in Mandelform mit eingelegtem Zickzackrande, die Mittelfüllung ist ausge-
fallen K Wir haben also in diesem Falle zwei von den Techniken der Völker-
wanderungszeit, die Riegl auf die spätrömische Kunst zurückführen wollte, den Keil-
schnitt und die Zelleneinlage in Gold weit vor Christi Geburt in einem Schatzfunde
1) Minns, Scythians and Greeks, S. 222 sagt dazu: The eyes and nostrils were filled with glass pastes
which bad themselves stones let into them; the ears had pastes of different colours, separated by gold clois-
50ns, a very important instance of this interesting technic.
18*
V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
und am gleichen Stücke vereinigt. Es scheint mir nicht ausgeschlossen, daß die später
im Abendlande und schon in den Schatzfunden von Petroasa und Poltawa herrschende
Art, bei der der Bernstein ersetzt ist durch den indischen Almandin, sich durchgesetzt
hat in „indoskythischer" Zeit, die in Zentralasien ein Reich sieht, das Indien und
Transoxanien verbindet. Der Ural lieferte dem Westen das nötige Edelmetall.
Minns hat in seinemBuche Scythians and Greeks S. 281 f. auch in dieser Richtung
Stellung genommen. Nachdem er S. 272 f. im Anschluß an Daltons Werk über den
Oxusschatz und die russischen Publikationen einiges Material vorgelegt hat — wieder
mit Ausschluß des am meisten bezeichnenden Kelermes-Stückes — geht er auf die
Herleitung der Granateinlage in Gold bei den Germanen über und nennt dafür die
Alanen: „These Alans came into close touch with the Teutonic tribes pressing down
from the north-west: and the latter acquired from them a taste for gold and jewels,
which they could not have developed in their own country, and some new elements
of a beast-style. Hence a decided resemblance between the art of the Great Migra-
tion period and the Scytho-Siberian". Er erwähnt dann Riegls spätrömische Ur-
sprungstheorie und sein Bestreben, den barbarischen Geschmack vom Römischen
herzuleiten. Minns betont die Unmöglichkeit, diese These heute noch durchzuführen
(vgl. oben S. 224). Ich meine auch, der zweite Band der „Spätrömischen Kunst-
industrie" täte besser,, einfach die Denkmäler in gediegenen, den heutigen wissen-
schaftlichen Anforderungen entsprechenden Abbildungen mit systematisch beschreiben-
dem Texte vorzulegen l.
Meine eigene Meinung über den Ursprung der Zellenverglasung wird bestimmt
durch die Tatsache, daß die Technik heute noch die in Indien für Schmuck mit
Vorliebe gebrauchte ist und wahrscheinlich schon für einzelne Schmucksachen der
Gestalten auf den Stupen von Santschi, Bharahat und Amravati vorausgesetzt werden
darf. Auch weist der Ursprung des Almandins auf Indien2. Daneben darf die Vor-
liebe der Nomaden Sibiriens nicht außer Acht bleiben. Sie lösen die vom Süden
übernommene „Darstellung" — einmal durch die durchbrochenen Stellen, in denen die
Farbe des Untergrundes mitspricht und dann durch die Durchsetzung der Gestalten
mit den farbigen Einlagen — vollständig in ein buntes Fleckenmuster auf. Es scheint,
daß die Technik, auf die Rosenberg Monatshefte IX (1916) neuerdings3 aufmerksam
gemacht hat, doch nicht nur nördlich des Kaukasus zwischen Don und Wolga hei-
misch ist, sondern vor allem in Sibirien. Das Aufkommen der Zellen, die auf den
Grund aufgelötet sind und der Einzelfassung der mugeligen Steine (en cabochon)
wird eingehende Studien erfordern. Wir sahen beide nebeneinander oben S. 48 auf
dem Beispiel aus dem Schatzfunde von Silägy-Somlyo. Durchbrucharbeiten mit
Steinen gefüllt wie an dem Korbe von Petroasa (Abb. 54) und Zellenverglasung
kommen in der wirkungsvollsten Art vereinigt auf der Chosrawschale in Paris vor4.
c) Das mehr streifige Bandgeflecht. Auch das eigentliche Grundelement
1) Bemerkt sei, daß Dr. Supka eine Arbeit über den Fund von Nagy-Szent-Miklos vorbereitet, die
noch 1916 im Arch. Ertesitö erscheinen wird.
I VgL dafür Hampel, Alt. I S. 473. Dazu allerdings Götze, Katalog S. 7.
Vgl. auch Kondakow, Gesch. und Denkmäler des byz. Emails S. 36.
Vgl. die farbige Abbildung bei Dieulafoy, L'art antique de la Perse V Tat". XXXIV.
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvolkern im Umkreise des Mittchneeres.
27;
des „Völkerwanderungsstiles" ', die mehrstreifige Bandverschlingung, möchte ich,
so viel auch für seine spontane Entstehung an verschiedenen Orten spricht, in Nord-
europa auf innerasiatische Anregungen zurückführen. Die geometrischen Flechtmo-
tive tauchen im Altertum zwar vereinzelt auf2, aber zur Herrschaft auf gewissen
Gebieten kommen sie doch erst mit dem Vordringen des Ostens. So sind für mich
schon die sog. „römischen" Pavimentmosaiken mit ihren reichen Flechtmustern
orientalisches Lehngut3. Und ebenso will mir, was oben S. 98 f. ausgeführt wurde,
das Auftreten der unbegreiflich vollendeten Flechtwerkmuster auf dem Mimbar in
Kairuan und die nachfolgende Polygonalornamentik der Moslim nur aus einer bei
den iranischen und sakischen Ariern von altersher bestehenden und vielleicht durch
Abb. 225: Stockholm, Nationalmuseum: Hängegefäß der Bronzezeit.
die aus Zentralasien vordringenden türkischen Elemente verstärkten Geschmacksrich-
tung erklärbar erscheinen. Man beachte, wie nahe sich die geometrische Ranke und
das Bandgeflecht bisweilen berühren. Darauf hat (vgl. oben S. 64) ahnungsvoll schon
R. Zahn hingewiesen. S. I30f. hob ich das enge Zusammengehen beider Zierarten
in der armenischen Gruppe hervor und der Kotschkarschatz (S. 2l4f.) zeigt beide voll-
ständig ineinander übergehend: Syrien, Armenien, Semiretschensk — es läßt sich er-
warten, daß diese enge Verschmelzung an der Kreuzungsstelle des Altaischen und
Arischen in der sakischen Ecke bei Nachgrabungen deutlicher wird. Die Hauptsache
ist eben, daß die Kunsthistoriker in jener Gegend zum Spaten greifen. Ich möchte
auch hier wieder betonen, daß wir zu wenig mit der neben den Treibhauspflanzen
am Nil, im Euphrat- und Tigrisgebiete und in Hellas d. h. neben der Kunst des
1) Vgl. Preuß. Jahrbücher LXXIII (1893) S. 448 f.
2) Auch in China. Vgl. Abb. 107, Pokutulu an verschiedenen Stellen und Laufer, Chinese pottery
Taf. LXIL
3) Vgl. dagegen Riegl, Stilfragen S. 268.
Y. Der Xomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
„Altertums" bestehenden Art der Nomaden- und Xordvölker rechnen — , die trotz
der hohen Kultur des Südens weiter lebt, ihren Brennpunkt in Mittelasien hat und
nach der vorübergehenden Blüte der darstellenden Kunst um das Mittelmeer herum
bei den Germanen und im Islam wieder zum Vorschein kommt.
Abb. 226: Das Hängegefäß Abb. 225 von unten gesehen.
Es warS. 2l6f. bereits die Rede davon, daß in der koptischen und syrischen Minia-
turenmalerei etwa im VIII. Jh. ein Umschwung zu beobachten ist, der wie im Arme-
nischen und im Islam das Bandgeflecht zur Vorherrschaft bringt. Ein gleiches gilt
für die lateinischen Handschriften der Langobarden, Merowinger und Iren \ Leicht
Für Italien
möglich,
daß hier der gleiche Anstoß wirkt wie im südlichen Orient.
1 I tau Material ist gut zusammengestellt von Zimmermann, Vorkarolingische Miniaturen, 1916. Schade,
•laß dem Verfasser für die Bearbeitung der wertvollen Sammlung nur die oberflächlichste Kenntnis von
W icklioff, Riegl. Falke u. a. Vertretern seiner Schule zur Verfügung stand. Er denke seine eigenen Be-
rkungen S. 26 zu Ende.
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Xordvölkern im Unikreise des Mittelmeeres. 27Q
und Gallien im besonderen werden gotische neben armenischen und Handschriften
persischer Sekten in Betracht kommen. Davon unten mehr.
Die Bandornamentik, von der hier die Rede ist, muß wohl unterschieden werden
von derjenigen der Bronzezeit in Europa. Um den Vergleich klar durchführen zu
können, gebe ich ein Beispiel dieser älteren Art. Abb. 225 u. 226 zeigt ein im Torfmoor
bei Slättäng in Schweden gefundenes Bronzegefäß im Nationalmuseum zu Stockholm1.
Es ist sehr dünn ä cire perdue gegossen und die vierstreifigen Bandornamente
aus freier Hand mit einer Genauigkeit gepuntzt, die Montelius mit Recht hervorhebt.
Er hat „Die typologische Methode" S. 58 f., die „Schnur"-Ornamente, ob sie nun
einheimisch oder aus Südeuropa angeregt sind, besprochen2. Ich gehe darauf nur
ein, um die Unterschiede gegenüber der über tausend Jahre — Montelius datiert
das Bronzegefäß ins IX. Jh. v. Chr. — jüngeren Art der Völkerwanderungszeit her-
vorzuheben. Es fehlen die oben S. 204f. als sakisch vorgeführten Werte der
Mehrflächigkeit und des Durchbruchs, die Bänder laufen durchaus ohne Kreuzung
und Verknotung streifenförmig in der Fläche hin. Auch kommen die in der euro-
päischen Bronzezeit verwendeten Motive kaum noch öfter in den Funden der Völker-
wanderungszeit vor. Die bekannten Steinarbeiten der Langobarden auf italienischem
Boden haben damit nichts zu tun.
Diese geometrischen Bandverschlingungen drängen sich dem Kunstfreunde in
Italien, wo sie als Kontrast gegen Antike und Renaissance in ihrer primitiven
Steintechnik ganz vorsintflutlich wirken, stark auf. Man muß nicht erst nach Cividale
oder Ravenna gehen, auf Schritt und Tritt, am stärksten bemerkbar in Rom, fällt
der auf klassischem Boden nach dem Schönen forschende Blick auf diese rohen
Steinreliefs von Kanzeln, Altären, Schranken, Baptisterien und dergl. In Süditalien
begegnet der gleiche Geschmack, mittelbar aus derselben Quelle stammend, aber in
färbigen Steinchen und Glas von den Arabern zur Geltung gebracht. In Rom treffen
solche germanische Fragmente — deren Art später von den Comasken übernommen
wurde — zusammen mit den etwas jüngeren vom Islam angeregten Cosmatenar-
beiten, die einen schwer und unbeholfen in Relief, die andern virtuos farbig in Mo-
saik ausgeführt3. So findet die an der sakischen Ecke beginnende Doppelbewegung
hier wieder ihre Vereinigung.
Im Norden fallen die germanischen Altsachen nicht so entschieden auf, aus dem
sehr einfachen Grunde, weil ihre Art nicht so früh und durchschlagend in die Steinbau-
kunst übergegangen, vielmehr lange wahrscheinlich noch neben dem Kerbschnitt
in Holz geübt worden ist und Steindenkmäler im Norden erst aus späterer Zeit er-
halten sind. Außerdem haben die germanischen Altsachen unglaublicher Weise in
den großen Museen, Berlin voran, neben Antike und Italien nicht die erforderliche
Vertretung gefunden. Mit Unrecht — nicht nur aus nationalen Gründen.
So wird das neue deutsche Museum und ebenso das neue asiatische Museum in Ber-
lin erst dann seine volle Daseinsberechtigung erweisen, wenn als Ausgangspunkt neben
dem Prähistorischen u. a. auch die breite Masse der Schmucksachen aus der Völker-
1) Nach Montelius, Meisterwerke im Museum vaterländischer Altertümer Taf. 6. Vgl. den Text S. 9 f.
2) Für den nordischen Ursprung tritt C. Schuchhardt, Jahrbuch der kgl. preuß. Kunstsammlungen 1916 ein.
3) Vgl. Monatshefte f. Kunstwiss. I (1908) S. 16 f. und meine Bildende Kunst des Ostens S. 14t".
tj,q V. Der Xomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
wanderungszeit in Europa sowohl wie in Asien genommen sein wird1. Heute muß
man eine Unzahl von Lokalmuseen aufsuchen, um sich an der Hand der Bronzefibeln
vor allem, dann der Gold- und Silbersachen einen vollen Überblick über den Reichtum
an zwei- und dreistreifigen Bandornamenten zu verschaffen. Den besten Einblick
gewähren in alle Elemente altgermanischen Schmuckstiles Funde wie der von Witis-
lingen im Nationalmuseum zu München; aber freilich gehört dieser nicht mehr der
ersten Entwicklungsstufe an. Diese ist gegeben z. B. durch den Kunstbesitz der Goten und
Langobarden, beginnt also jedenfalls vor dem /.Jahrhundert2. Auf dem Balkan bleibt es
dauernd bei der darin hervortretenden, rein äußerlichen Verbindung der mehrstreifigen
Bandornamentik mit Tiermotiven3, wie sie im gesamten Orient, nur das ferne Ostasien
ausgenommen, nachweisbar ist. Um den Typus dieser ersten Stufe, der in Stein so wohl-
bekannt ist4, auch in dem wahrscheinlich ursprünglichen Material zu zeigen, möchte ich
hier nur einen einzigen, noch unveröffentlichten Beleg vorführen. Das Stück verdient be-
sondere Beachtung, weil es, eine Tafel in Holz 5 gearbeitet, ein Beleg jener Ware ist,
die in einem leicht versendbaren Stoffe — gleich dem Mimbar von Kaiman, der
aus Baghdad bezogen wurde, und den Türen des Deir es-Surjani, wohl aus Nisibis6 —
häufig Zwischenträger zwischen Ost und West war.
Abb. 227 zeigt diese alte Holzschnitzerei von 41,1x32 — 33cm Größe. Sie ist
2,2 cm dick, von dunkler Färbung, links teilweise abgewittert und wurmstichig, mit
einem Sprunge schräg von oben rechts nach links unten. Das Stück hat sich offenbar
nur erhalten, weil die Rückseite im XIII. oder am Anfang des XIV. Jh. wieder ver-
wendet worden ist als Malfläche für eine in ganzer Gestalt thronende Madonna, die
Christus" auf dem rechten Schenkel zeigt und zwar stehend gleich zwei Engelpaaren,
die ähnlich klein seitlich übereinandergemalt sind. Das Bild erscheint als schwarze Ma-
donna d.h. ist rauchgeschwärzt und oft übermalt. Von der alten Malerei ist besonders
im Kopfe der Madonna gerade noch so viel da, daß man das Stück mit den volks-
tümlichen Werken aus der Zeit des Cimabue oder Giotto zusammenstellen kann.
Ein glatt geschweiftes Reliefprofil bildet den Rand. Ich gehe darauf nicht weiter ein.
Die Tafel ist von der Bildseite gesehen unverletzt, von der Reliefseite gesehen am lin-
ken Rande fast vollständig erhalten, am rechten dagegen schräg abgesplittert. Diese
Verletzung geschah vielleicht beim Einschlagen von kleinen schmiedeeisernen Ringen,
die zu je dreien auf jeder Seite des Gemäldes im Rande sitzen. Die Tafel stammt
aus dem Handel und soll vom Balkan, angeblich aus Spalato gebracht sein. Die
Malerei auf der Rückseite spricht für Zusammenhänge mit Italien. Sie ist seit 1912
im Besitze des Verfassers.
Stellt man die Aufmerksamkeit ganz auf das Relief ein, so bemerkt man, daß
dieses nur unten vollständig ist. Der Rand links und besonders auffallend der obere
ij Vgl. meine Vorschläge Ostasiatische Zeitschrift II (19 13) S. 1 f. und schon Deutsche Literatur-
zeitung 1905 Sp. 2896.
2) Vgl. darüber oben S. 74 und 194. 3) Vgl. die Literatur darüber oben S. 76.
4) Vgl. meine Bildende Kunst des Ostens Abb. 5.
5) Prof. Molisch, der das Holz untersucht hat, teilt mir freundlich mit, daß die durchwegs einreihigen
Markstrahlzellen, der Mangel an Harzgängen und einiges andere keinen Zweifel darüber lassen, daß es sich
um Tannenbolz (Abies pectinata) handelt.
61 Vgl. Oriens christiahus I 1901" S. 356 f. 7) Oder Anna mit Maria (segnend, R z. Engel gesenkt .
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittelmeeres.
281
Rand sind schräg herausgesägt, wahrscheinlich als man die Tafel aus einer größeren
Wand für den Zweck der Malerei zurecht schnitt. Wir müssen also bei Betrachtung
des Musters mit diesem größeren Umfange des ursprünglichen Bestandes rechnen.
Dann wird zunächst ganz klar, daß die breite Borte rechts und unten wohl nach
oben und links weiter lief, und, was wir vor uns haben, nur die rechte untere Ecke
Abb. 227: Wien, Privatbesitz: Geschnitzes Brett.
einer größeren Tafel war. Von dem weggesägten oberen Teile läßt sich noch so viel
feststellen, daß dort ebensolche Kreise folgten, wie man sie unter dem Querstreifen
sieht, der offenbar die Mitte bildete. Man erkennt am Rande noch deutlich die Kreis-
teile, die den Rand berühren und sieht ganz deutlich, daß die Linie, die die Bordüre
rechts von diesen Feldern trennt — sie ist mit dem Hohlstemmeisen von unten herauf
mit einer Art Blattstab versehen — nach oben weiterlief. Eine ähnliche Linie, schief
durchgeschnitten, begrenzt das Relief heute auch links. Das Ornament läuft verkehrt.
V. Der Xomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
Das Mittelfeld der Tafel ist oben mit zwei Kreisen gefüllt Sie werden von
einem punktierten Stege gebildet, der seitlich abgeschrägt in den Grund übergeht.
Nach der Mitte zu, wo sich die Kreise verknoten und Vollpalmetten die Ranken-
zweige verbinden, ist alles zweistreifig. In dem Kreise rechts sieht man ein Tier so un-
bestimmt gebildet, daß es ebenso für einen Hasen wie für einen Löwen gehalten werden
kann. Es schreitet mit erhobenem Kopfe und Schwänze nach links. Halbpalmetten
und Krabben d. h. Kreislappen füllen die Lücken. Im Kreise links erscheint ein
nach links hin flatternder Vogel, der zurückblickt. Das Gefieder ist durch Zickzack-
schnitte angegeben. Im Streifen darunter sieht man zwei Pfauen symmetrisch mit
verschlungenen Hälsen und erhobenen Flügeln einander gegenüberstehen, ihre Schwänze
rollen sich in Palmettenranken ein. Im Mittellote Reste eines Palmettenbaumes. Die
breiten Borten rechts und unten sind rein zweistreifig mit Bändern gefüllt, die nach
innen Zickzackbogen bilden, in die- sich von außen her Rundbogen einschlingen.
Alle Lücken füllt die drei- oder fünflappige Palmette. Der schmale Streifen
oben zeigt zweistreifige S-Glieder paarweise zusammengestellt und zu Halbpalmetten
ergänzt.
Die durchbrochene Arbeit des Mimbars von Kairuan ist in diesem Stücke vom
Balkan wieder dem flachen Relief gewichen1. Manches erinnert an die Funde vom
Kotschkar und vom Jenissei (Abb. 180 und 178), (so das ausgestochene Ornament
am Rande links und rechts vom Mittelfelde, jene zellenartigen kurzen Rillen, die an
einem Ende rund, am andern eckig sind). Dazwischen liegt vermittelnd Armenien.
Ich gebe in Abb. 228 noch eine der Miniaturen des kleinarmenischen Evangeliars
von 1198 in Lemberg, das als Krönung die gleichen mit den Hälsen verschlungenen
Pfauen zeigt, wie unsere Tafel2. Die Art wie ihr Schwanz auf dieser Holztafel über-
geht in eine Palmettenranke erinnert an Bildungen im Kotschkarschatze (Abb. 1801
bzw. an die Ranken, die in der Miniatur Abb. 181 sich aus dem Vogelschwanz ent-
wickeln und in Vogelköpfe endigen.
Ich gebe die Kanonestafel des armenischen Evangeliars ebenso wie die in
Abb. 181 vorgeführte im vollen Umfange — obwohl eine Einzelheit für den Ver-
gleich genügt hätte — , um neuerdings eindringlich auf den armenischen, mit dem
sakisch-parthischen Hinterlande in engster Verbindung stehenden Kunstkreis auf-
merksam zu machen3. Diese reiche Ornamentik ist gewiß nicht erst in den letzten
Jahrhunderten vor dem Jahre 1000 entstanden, für die wir sie dokumentarisch be-
legen können4, sondern hat ihre Voraussetzung in älteren persischen Miniaturen wie
i) Vgl. damit auch die oben S. 76 über die mittelalterliche Kunst in Hellas zitierten Arbeiten und
Schulz and Barnsley, The monastery of Saint Luke Taf. 22 f.
2) Vgl. dazu auch das Elfenbeinkästchen von Burgos vom J. 1026, das auch sonst, wie die islamischen
Elfenbeinarbeiten überhaupt, besonders in der Verwendung des Tierornamentes, Parallelen zu unserer Holz-
tafel zeigt. Vgl. auch Martin, A history of oriental carpets (ig. 258 u. a., so ein Silberstück aus dem
Holm bei Driesen im Museum für Volkerkunde zu Berlin.
3) Vgl. andere Miniaturen des gleichen Evangeliars „Amida" S. 362 und 369. Dazu die dort ange-
gebene Literatur. Vgl. damit auch die Ornamente der russischen Kirchen von Wladimir und Susdal
und die armenischen von Achthamar vom J. 915 — 921 (Bachmann, Kirchen u. Moscheen in Armenien
S. 45 f.). Dort an der Xordseitc auch die Pfauen mit verschlungenen Hälsen.
4) Vgl. meine Kleinarmenische Miniaturmalerei S. 24t". und „Ein zweites Etschmiadsin-Evangelbi"
Festschrift Huschard/.an S. 345 f. Dazu meine Byzantinischen Denkmäler Bd. I S. 75 f.
Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittelmeeres.
283
Abb. 228: Lemberg, Armenisches Evangeliar vom J. 1198: Hypothesis.
sie z. B. für die Manichäer bezeugt sind1. Wir bekommen so einen Eindruck von
dem reichen Ornamentenschatze, mit dem die Goten am schwarzen Meere in Be-
rührung kamen. Die Denkmäler der armenischen Architektur bieten, wie oben
S. 193 f. ausgeführt wurde, geradezu den Schlüssel zum Verständnisse des Aufkommens
1) Vgl. K. Müller, Sitzungsber. d. kgl. preuß. Ak. d. Wiss. Phil.-hist. Kl. 1904 S. 352 und Abhand-
lungen 1904. Dazu meine „Kleinarmenische Miniaturenmalerei" S. 37.
V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
der Bandverschlingungen. Götze (Katalog 6) sieht ganz richtig, wenn er sagt, die
(im alten Sakengebiete) in Südrußland entwickelte Kunst sei die Wurzel der natio-
nalen Kunst bei sämtlichen germanischen Stämmen der Völkerwanderungszeit
geworden.
d) Das Tiergeriemsel. Die zweite Stufe in der Entwicklung altgermanischer Kunst
bedeutet jene Schicht, die am Balkan und im näheren Oriente garnicht, in Italien nur in
einzelnen versprengten Stücken nachweisbar, dafür aber im Norden die herrschende ist.
In ihr treten die ursprünglichen Elemente: Zelleaverglasung, Tierendigung und Bandver-
schlingung zurück gegen eine überraschend eigenartige Tierornamentik, die sich jetzt
als Flächenfüllung geltend macht. Das ist jenes sonderbare Geriemsel, erkennbar daran,
daß man Bandverschlingungen vor sich zu haben meint, die aber stellenweise durch
Verdickungen und Unterbrechungen Rätsel aufgeben. Es gelang nordischen Forschern,
zu zeigen, daß die verdickten Schlingen nichts anderes als die Gelenke der Vorder-
und Hinterfüße seien, zusammen mit einer hufeisenförmigen Verdickung, diebezeichnend
für den Kopf ist. In ihr kann man die Andeutung des Auges, davor die Schlinge für
das Maul oder den Schnabel finden. Hals, Rumpf, Beine und Schwanz sind ganz will-
kürlich bandartig durcheinandergeschlungen, nur für die Füße gibt es noch eine kon-
ventionelle Form: breiter werdende Enden, gewöhnlich dreiteilig. Dieses Tiergeriemsel
zusammen mit der Tierendigung und Randtieren bestreitet bisweilen ausschließlich
den Schmuck ganzer großer Schmuckstücke und man fragt sich erstaunt, woher diese
sonderbar unantike und unorientalische Bildung komme. Haben wir es da mit aus-
gesprochen germanischer Erfindung zu tun oder wie liegt die Sache sonst?
Wir haben ein ausgezeichnetes Stück dieser Art oben S. 209 in Abb. 175 aus
dem in Norwegen gefundenen Osebergschiffe kennen gelernt, etwa aus dem VIII Jh.
Die geläufige Art, die sich etwas später durchgesetzt hat, ist an dem Osebergschift"
selbst zu beobachten, dessen Bug Abb. 229 wiedergibt. Während an der Deichsel
eines der Schlitten (Abb. 175), die im Innern des Schiffes als Grabbeigaben gefunden
wurden, das Tierornament noch im vollkommensten Tiefendunkel und in einer gerade-
zu nur gewaltsam zur Einheit gebrachten Mehrflächigkeit durchgeführt ist, zeigt der
offenbar einer jüngeren Zeit angehörige Bug des Schiffes jene flächenhaft glatte Be-
handlung, wie sie dann auf den germanischen Altsachen typisch geworden ist. Man
sieht die übereinander geschichteten Planken des Schiffes am Kiel und am Bord
— dahinter das Zelt an der Stelle, wo die ähnliche Hütte zur Aufnahme des Toten
mit seinen reichen Beigaben stand — geschmückt mit dem Tiergeriemsel, wie es
sich an den Stabkirchen Schwedens und Norwegens ausgezeichnet in seiner Weiter-
entwicklung beobachten läßt1. Ich gehe auf diese spätere Art nicht ein2; dagegen
möchte ich noch einen Augenblick bei den oben von den Totenbeigaben des Oseberg-
schiffes gegebenen Abbildungen 174 und 175 verweilen, an denen neben dem Motiv an
sich auch die Mehrflächigkeit und S. 209 die Flächenbelebung hervorgehoben wurde.
1) Vgl. darüber und über die einschlägige neuere Literatur A. Haupt, Zur Entwicklung der roma-
nischen Ornamentik, Monatshefte f. Kunstviss. VIII (19 15) S. 309 f.
2) Vgl. Sophus Müller, Die Tierornamentik im Norden, 1881, und Salin, Die altgermanische Tier-
omamentik, 1904. Dazu meine Besprechung, Deutsche Literaturzeitung 191 5 Sp. 2893 f. und Schmarsow.
Jahrbuch d. kgl. preuß. Kunstsammlungen XXXII (1911) S. 88 f.
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittclmeeres.
285
Es ist S. 210 die Frage aufgeworfen worden, wie diese arische Art im Wege
der von Iran nach Skandinavien führenden indogermanischen Achse nach Norden
Abb. 229: Kristiania, Universitäts-Museum: Osebergschiff.
(Aufgenommen bei den Ausgrabungen) *.
gelangt sein kann2. Im gegebenen Falle könnten Goldsachen der Träger gewesen
sein. Wie in der Wikingerzeit Silber, so hat vorher Gold im Weltverkehre die aus-
1) Der Druckstock wurde mir freundlich von Herrn Geheimrat Haupt, bezw. dem Verlage Klinkhardt
und Biermann zur Verfügung gestellt.
2) Das Nationalmuseum zu Stockholm besitzt nicht so reiche Beispiele alter Stabkirchen wie Kristi-
ania, dafür aber einige besonders beachtenswerte Denkmäler. So fiel mir angesichts der Reste von
-,gß V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
Nchlaggebende Rolle gespielt1. Um die Ornamente der Deichsel (Abb. 175) läßt
sich aus Goldschmuck eine reiche Gruppe bilden, die in dem Schatzfunde von
I liddensö im Museum zu Stralsund, dem Funde von Hornelund im Kgl. Museum zu
Kopenhagen, dem Goldsporne von Röd (Bezirk Rygge) im Universitäts-Museum zu
Kristiania und Stücken wie der Goldscheibe von Johannishus im Nationalmuseum zu
Stockholm u. a. hervorragende Vertreter zählt. Ich möchte hier nicht näher darauf
eingehen2 und bemerke nur, das in Schützengräben des ukrainischen Galiziens Gold-
sachen gefunden wurden, die, scheint es, ebenfalls diesem Kreise angehören3.
In diesem Buche sind die ural-altaischen Bronzefunde und öfter die vom Jenissei
herangezogen worden. Sie geben meines Erachtens Anlaß genug, über den Zusammen-
hang auch der zweiten Stufe des germanischen Bandornamentes, der ausgesprochenen
Tierornamentik mit dem Osten nachzudenken. Vor allem sind die Verdickungen
der Gelenke in Schlingenform so deutlich auf jenen Goldsachen von Ungarn bis
Sibirien heimisch — vgl. oben S. 62, 129 und Abb. 178, 16 — daß ihre Umbildung im
Wege der Durchsetzung mit dem arischen Bandornament gewiß als Hypothese zu-
lässig ist. Hier werden Forschungen, die nicht einseitig nur von der Kenntnis des
europäischen Materiales ausgehen, allmählich Wandel schaffen müssen. Inzwischen
schlage man auch im gegebenen Falle Minns „Scythians and Greeks" S. 282 nach
und erinnere sich, daß oben S. I4lf. bei Besprechung der in Gold gearbeiteten Tiere
des Sakengebietes und der verwandten Bronzen vom Jenissei eine Gattung von
Tierornament erwähnt wurde — Abb. 178, 17 gibt davon eine Vorstellung — die
oben S. 208 verglichen wurde mit dem eingerollten Tiere der Deichsel aus dem Ose-
bergschiff in Kristiania (Abb. 175), das auf den ersten Blick wie ein Armband wirkt.
Damit scheint doch ebenfalls eine Spur von Zusammenhang aufgewiesen.
Manche neigen heute noch dazu, das nordische Tierornament für die eigenste
Schöpfung germanischen Geistes anzusehen; die dunklen Nachrichten von Wurm-
bildern und Drachen mögen darin bestärken. Und doch wäre zur Vorsicht zu mahnen.
So lange wir — ich wiederhole — nicht die Schiebungen in der uralten zentral- und
nordasiatischen Kunst kennen, wird schwerlich ein halbwegs befriedigendes Urteil
gefällt werden können. Die altchinesische Ornamentik zeigt ganz verwandte Neigungen
und schon aus diesem Grunde fragt es sich, ob die gleiche Entwicklung vom geo-
metrischen zum Tierornament4 dort und im europäischen Norden so ganz auf eigenstem
Boden unabhängig von einem nach beiden Seiten vermittelnd anregenden Nordasien'1
Hemse (Goüand) und der Kungsärabank an den Bändern die Kreislappenendigung auf. Die Ranken wirken dort
wie Arabesken. Vgl. Roosval, Die Kirchen Gotlands S. 94, Taf. 39 und Janse, Medeltidsminnen frän Öster-
uutland Fig. 2 — 7. Dazu Fornvännen 1907 S. 51. Die Stücke stammen aus dem XII.— XIII. Jahrhundert.
1) Vgl. dazu auch Schmarsow a. a. O. S. 106.
2) Wie ratlos man den Funden dieser Zeit noch gegenübersteht, lese man bei Ebert, Der Goldrin.^
von Strobjehnen, Praehistorische-Zeitschrift III (1911) S. 104 f. nach.
3) Höchstes Interesse verdienen in der Frage der Zusammenhänge mit dem Osten die Bronzebeschlä^c
eines Holzeimers aus dem Osebergschiffe. Die Henkclbeschläge zeigen eine mit übereinandergeschlagencn
Beinen, also nach indisch-sakischcr Art hockende Figur, deren Bruslfläche bunt emailliert ist.
4) Arne, La Suede et l'Orient S. 19 und 99 denkt an den umgekehrten Weg der Entwicklung.
3 Vgl. dazu jetzt auch Appelgren-Kivalo, „Om den s. k. karolingiska stilens Ursprung" (Opuscula
archaeologica, Oscari Montelio septuagenario dicata (1913) S. 365 f.), der für die Verbindung der Skythen
über Südrußland mit dem Norden Aithikos von Istrien (etwa IV. Jh.) zitiert.
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittelmeeres. 287
vor sich gegangen ist. Dazu kommt in beiden Fällen die andere Frage, ob die ver-
wandte Entwicklung auf Grund eines gemeinsamen Anstoßes nicht für das Handwerk
auf die gleichen im Materiale liegenden Voraussetzungen zurückzuführen ist, vor
allem auf die Arbeit in Holz, von der wir so wenige Belege besitzen1. Was das
Osebergschiff gebracht hat, wirft ein Streiflicht sondergleichen auf diesen Umstand
und darauf, daß wir Unrecht tun, den Kerbschnitt allein für den Ansatz der Ent-
wicklung verantwortlich zu machen und im übrigen die römische Grundlage gelten
zu lassen2. Doch will ich hier auf die Sache nicht näher eingehen, genug daß
solche Probleme allmählich auf die Tagesordnung kommen.
Es fällt auf, wie wenig Beachtung meine Bemerkung Deutsche Literaturzeitung 1 905
Sp. 2895 und die nachfolgende Bearbeitung der angeregten Frage durch Muth „Stilprin-
zipien der primitiven Tierornamentik bei Chinesen und Germanen" (191 1) gefunden hat.
Ich sehe in dieser Tatsache nur einen Beweis -für die Unreife der deutschen kunst-
historischen Forschung. Die Tatsache, daß der Weg, den die Germanen erst in der
zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends gehen, von den Chinesen schon in den Jahr-
hunderten vor Christus zurückgelegt wurde, hätte bei entsprechender Fachreife einen
Sturm von Erstaunen auslösen und eine ganze Bibliothek von Erklärungsversuchen
auslösen müssen. Wir aber schlafen, nichts vermag die Seelenruhe unseres „sicheren"
Besitzes zu erschüttern3. Uns interessiert, was die Deutschen aus antiken und italienischen
Anregungen gemacht, nicht aber, was sie selbständig oder in Zusammenhang mit
ihrer nordisch-eurasischen Heimat geschaffen haben. Armes Deutschtum! Als ich
beim Deutschen Verein für Kunstwissenschaft eine Stelle anregte, die an meinem In-
stitute den Zusammenhang mit dem Oriente zu studieren hätte, wurde das abgelehnt.
Vielleicht wird man sich jetzt nach dem Kriege, wenn alle Welt nach dem Osten
sturmläuft, allmählich der Masse anschließen. Dabei wird nicht nur das Ornament,
sondern, wie ich schon in meinem „Aachen" und „Kleinasien" ausführte, vor allem
auch die Architektur und die darstellende Kunst heranzuziehen sein, letztere freilich
weniger für den Nachweis des Nordstromes, als für den über das Mittelmeer ein-
mündenden Südstrom.
e) Kirche und Kloster. Es wäre verkehrt zu glauben, daß in der Zeit, in der
sich im Norden das germanische Tierornament entwickelte, also rund von 600 — 800,
im germanischen Süden die Baukunst von ihrer in Gallien und am Rheine in helle-
nistisch-christlicher Zeit erreichten Höhe wieder vollkommen heruntergekommen sei,
so daß man z. B. beim Bauplan von St. Gallen mit einem damals vorherrschenden
Holzbau rechnen müßte. Das wäre gerade so, wie wenn im XVIII. Jh. bei der all-
gemein nachweisbaren Vorherrschaft eines ornamentalen Geschmackes im Norden,
des Rokoko, die vom Süden getragene Architektur zugrunde gegangen wäre. Vielleicht
behauptet man das auch nach tausend Jahren. Im XVIII. Jh. war es die Akademie
und der Klassizismus, die den Baumeister auf der Höhe erhielten, und nicht ganz
unähnlich mag es tausend Jahre früher gewesen sein, nur war der Hort der helle-
nistischen, wie der neuen römisch-katholischen Bewegung Hof, Kirche und Kloster.
1) Vgl. Hoerschelmann, Entwicklung der altchin. Ornamentik S. 23 und Muth, Stilprinzipien S. 119.
2) Vgl. Schmarsow, Jahrbuch d. kgl. preuß. Kunstsammlungen XXXI (191 1) S. 69.
3) Vgl. auch bezüglich der Edda den Mahnruf Jacobs, Östliche Kulturelemente im Abendland S. 4.
->§g V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
Von diesen geht denn auch die große Kulturarbeit aus, die dann unter Karl d. Gr.
zum Wiederaufleben des alten Reichsgedankens führt. Daraus wohl und aus ähnlichen
Anzeichen1 hat man geschlossen, daß die gesamte karolingische Kunst eine Renais-
sance Roms gewesen sei. Für die Baukunst kann das, wie ich im „Dom zu Aachen"
S. 23 f. gezeigt habe, nicht gelten, am allerwenigsten für die Klöster.
Gewiß wird in frühgermanischer Zeit im Norden allgemein, im alten Gallien und
am Rheine vereinzelt der Holzbau auch für Kirche und Kloster üblich gewesen sein.
Mancher „Palast" wird wie der des Attila in Ungarn aus Holz errichtet und mit ge-
schnitzten Brettern verkleidet zu denken sein. Auch für die Halle Heorot in Däne-
mark und die ersten ländlichen Versammlungsräume mag das gelten. Gute Belege
dieser Art sind ja noch in den skandinavischen Stabkirchen erhalten. Aber in den
größeren Städten und Klöstern wurde vom Süden her gewiß nach wie vor hauptsäch-
lich in Stein oder Ziegel gebaut Im Plan von St. Gallen waren außer der Kirche wohl
auch die um den Kreuzgang gruppierten Gebäude, dann die Aula des Abtes u. a. in
monumentalem Material ausgeführt gedacht. Vor allem hat sich die Kirche d. h.
die Basilika nicht erst im Norden aus irgendeiner entsprechenden Form des Bauern-
hauses entwickelt. Und ebensowenig dürften die Voraussetzungen der Ornamente
gerade nur im Holzbau, der Flecht- oder Bronzetechnik zu suchen sein, sondern
kamen wie die Basilika und der Zentralbau aus dem hellenistisch-armenischen und
römischen, so ihrerseits aus uralten eurasischen Überlieferungen, die, für sich ge-
nommen, allerdings einst auf ursprüngliche Materialstile zurückgegangen sein mögen.
Man wird, scheint es, zwei Strömungen in der Entwicklung der frühchristlichen
Kunst auf dem Boden Galliens zu trennen haben. Die eine ältere ist die helle-
nistische, die mit dem Vordringen der Westgoten neu belebt wird. Die andere ist
die römische, die mit der Christianisierung der Franken einsetzt. Für die eine ist
bezeichnend die reiche Fülle gewölbter Bauformen, wie sie in gallischen Zentral-
bauten nachklingt und in Spanien zu einer heute noch in breiter Schicht nachweis-
baren Bauschule geführt hat, als deren besten Vertreter Haupt die Kirche S. Pedro
de Nave nachgewiesen hat2. Vielleicht knüpft an sie auch die „romanische" Kunst
an, indem sie das westgotische Wölbesystem später überträgt auf die zweite, näm-
lich die römische Schicht, die sich bei allem hellenistischen Einschlage3 doch im
Wesentlichen in der holzgedeckten Basilika auslebte.
Wir rechnen für die spätrömisch-fränkische Zeit zu wenig mit einer Tatsache,
die das spätere Aufkommen der Bezeichnung „Gotik" vielleicht nicht so ganz un-
begründet erscheinen läßt. Man vergegenwärtige sich nur das Auftreten der Goten
in Italien, wie der große Theoderich die Denkmäler Roms schützt und in Ravenna ge-
radezu eine Blütezeit aller Künste herbeiführt. Er allein und sein Aufenthalt in Byzanz
wird das nicht zu verantworten haben. Ebensowenig die Griechen und Römer seiner
1 Vgl. Clemen, Die monumentale Wandmalerei in den Rheinlanden S. 676.
2) Zeitschrift für Gesch. d. Architektur IV (1911) S. 222f.
3 Das Material jetzt gut zusammengetragen von Clemen, a. a. O. S. 695 f.. nur setzt er S. 681
den Kintritt der Wendung zum Lateinischen in der spätrömisch-fränkischen Zeit Galliens zu früh an.
S. 6S9 ist meine Arbeit über Spalato mißverstanden: Der Kuppelbau kann nicht mitsprechen, wenn es
um einen Markstein der „romanischen" Kunst handelt. Vgl. im Übrigen für den hellenistischen Ein-
schlag mein „Kleinasien" S. 206 f.
3- Die Wirkung hei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittelmeeres. 289
Umgebung. Vielmehr werden schon da die Kulturerrungenschaften des langen Auf-
enthaltes am Schwarzen Meere — die Goten erlangten durch den Kleinasiaten Ulfilas
ungefähr gleichzeitig mit den Armeniern ihre eigene Schrift1 — auch für das Gebiet der
bildenden Kunst mitsprechen. Sicher scheint, daß die Westgoten im südlichen Gallien
und Spanien zu Trägern eines eigenen Steinschnittes wurden und ihn über die mero-
wingische Zeit hinweg auf Karl d. Gr. und das bedeutungsvolle Jahr 1000 herüber
brachten. Venantius Fort. carm. II, 19 sagt von der unter dem Goten Launebod errichteten
Basilika St. Saturnin in Toulouse „quod nullus veniens Romana e gente fabrivit, hoc
vir barbarica prole peregit opus". Gregor von Tours spricht mit Stolz von der
Kirche des hl. Martin, „einem Werk unserer Künstler", und im X. Jh. heißt es von der
Peterskirche in Rouen ausdrücklich, sie sei quadris lapidibus, manu Gothica a primo
Lothario erbaut2. Es hat daher schon Wiltheim angenommen, daß die Goten eine
eigene Art zu bauen gehabt hätten3. Dem entspricht, was Haupt (a. a. O. S. 223 u. 238)
jetzt im Anschluß an S. Pedro de Nave und die andern von ihm untersuchten
westgotischen Bauten in Spanien feststellt, ihre großsteinige Quader- und Wölbe-
technik, die solchen, denen die Reise nach Spanien versagt ist, vom Grabmale des
großen Theodorich in Ravenna her eindrucktvoll im Gedächtnis ist4. Ich meine
damit nicht den großen Kuppelstein allein, sondern die ganze saubere Quadertechnik,
die Vogüe zusammen mit der Bauform an Syrien, mich an Armenien denken ließ.
Ob die Goten den Quaderschnitt nun in Gallien aus den Händen hellenistischer Bau-
meister genommen haben — die Gallier selbst bauten mit kleinen Bruchsteinen —
oder ihn aus dem Osten und von der Berührung mit Kleinasiaten und Armeniern
her mitbrachten, das ist daher sehr die Frage. Es gibt zum mindesten ein im Rahmen
des Hellenistischen und Römischen im engeren Sinne recht fremdartiges Motiv, dessen
Auftreten in vorislamischer Zeit in Spanien und in karolingischer Zeit in der Schweiz
und an der Loire sich gut durch die Herübernahme aus Kleinasien und Armenien
vonseiten der Westgoten erklären ließe, den Hufeisenbogen, der in Spanien zugleich
mit der Wölbetechnik auftritt5.
Lasse ich mich durch solche Anzeichen leiten, dann komme ich für den vor-
fränkischen, hellenistischen Kreis zu einer weiteren Unterteilung in eine Gruppe, die
den Südstrom von Alexandria und Antiochia aufnimmt, und eine zweite, die im Ge-
folge der Goten auftritt und von Kleinasien und Armenien her durchsetzt ist. Die
klarsten Belege für diese beiden Unterabteilungen besitzen wir freilich in Gallien
erst aus karolingischer Zeit. Der Dom zu Aachen ist der lebende Zeuge des Süd-
1) Vgl. dazu auch den Codex argenteus in Upsala, wo die auf jeder Seite unten gemalten Nischen-
reihen den iranischen Einschlag belegen. Vgl. oben Abb. 71, 95, 193, 206 und 212 und die armenischen
Beispiele Abb. 161 f., 181, 2-26; dazu die chinesische Art Abb. H2f.
2) Acta SS. 24 Aug. IV, 818/9 § 401 Vita S. Audoenii.
3) Vgl. dazu Reimers, Zeitschrift f. bild. Kunst XXII (1887) S. 20.
4) Über dessen armenische Art vgl. Zeitschrift f. Gesch. d. Architektur I (1908) S. 247 f. und Oriens
Christ. N. F. V (191 5) S. 86 f., dazu „Die bildende Kunst des Ostens" S. 16 und oben S. 196.
5) Vgl. dagegen Rivoira, Architettura musulmana S. 248 f. Alle im vorliegenden Abschnitte gestreiften
Probleme findet man berührt bei Haupt, Die älteste Kunst insbes. die Baukunst der Germanen. Dazu meine
Besprechung im Zentralblatt f. kunstwiss. Lit. I (1909) S. H4f., wo mein vorliegendes Werk bereits an-
gemeldet wurde. Vgl. für den Hufeisenbogen auch Haupt, Zeitschr. f. Gesch. d. Architektur IV S. 220,
.mein „Der Dom zu Aachen" S. 40 und „Kleinasien", Register. Eine seiner Wurzeln liegt wohl in Indien.
Strzygovrski, Altai. 19
-.^q V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
-.tromes, denn er ist wahrscheinlich wie S. Vitale nichts anderes als eine der Nach-
bildungen des verlorenen Oktogons Konstantins d. G. in Antiochia. Und ahnlich ist
Germigny-des-Pres ein bezeichnender Vertreter des armenischen Typus von Bagaran
624 — 31) ', also ein klarer Beleg des mit den Westgoten auf dem Landwege auf
Gallien übergreifenden Xordstromes. Da im Augenblick ein neuer Vorstoß des auf der
Linie Rom-Wien-Berlin üblichen Kesseltreibens gegen mich2 in dem Werke von
Paul Genien „Die romanische Monumentalmalerei in den Rheinlanden", Düsseldorf
1916, vorliegt, in dem gerade diese, in meinem Buche „Der Dom zu Aachen und
<eine Entstellung" I904 behandelten Probleme jetzt nach zwölf Jahren in wahrhaft
mustergültiger Methode abgetan werden, so sei hier etwas näher darauf eingegangen.
Es ist nun einmal der unausrottbare Glaube der beiden in Deutschland nach-
weisbaren Orthodoxien, der römisch-katholischen und der philologisch-historischen,
das alle Wege nach Rom führen müssen. Darüber hinaus hat man den deutschen
Geist mit einer humanistischen Schutzwand vernagelt. Clemen hat nun in seinem Buche
wie Riegl (vgl. oben S. 224) eine mittlere Linie herausgebracht. Er kann sich dem
vereinten Anstürme von Courajod, Dieulafoy und — wie Clemen S. 671 ausdrücklich
nachweist, zuletzt natürlich3 — meiner Wenigkeit gegenüber nicht der Einsicht ver-
schließen, daß der Orient doch nicht so ganz ohne Bedeutung gewesen sei; aber
da läßt sich helfen (S. 716 — 724): die Motive entstünden in Rom, gingen unreif nach
dem Orient, würden dort organisch durchgebildet und kämen gereift wieder nach
Rom und dem Abendlande zurück, wo damit eine neue, dje zweite römische, eine
Provinzial-Reichskunst durchgesetzt werde, in der sich dann die Entwicklung vom V.
zum VIII. Jh. vollziehe. Gemeint ist wohl (S. 674) mit der zweiten reichsrömischen
Kunst die „spätrömische" Kunst Riegls, mit der ersten die von Wickhoff in der
Wiener Genesis angenommene. Ich denke, das vorliegende Buch gibt als Ganzes
Clemen S. 6751 die nötige Antwort. Im Hinblick auf die Baukunst läßt sich seine
ungerechtfertigt im belehrenden Tone vorgebrachte Anschauung kurz widerlegen.
Mancher wird vielleicht bisher mein Eingehen auf Riegls Leitsätze für nicht mehr
zeitgemäß gehalten haben: Clemen ist der leibhaftige Beleg dafür, wie notwendig
das war. Ich gehe aus von seiner Bemerkung S. 700, daß trotz der orientalischen
Einschläge das meiste sich aus der italisch-römischen und der provinzial-fränkischen
Überlieferung ableiten ließe. Damit ist das Wenige, was zugestanden war, gleich
1) Vgl. Zeitschrift für Geschichte der Architektur VII 1916) S. 76.
2 Wie sich das im Munde von Schülern dieser Linie ausnimmt, entnehme man t. B. Zimmermann,
Vorkarolingische Miniaturen S. 6 oben. Zur sachlichen Berichtigung solcher Bemerkungen vgl. S. 7, wo
eine alexandrinis-che Fischdarstellung mit Luxeuil verglichen wird.
3 In der Form von Clemens Abwehr S. 6;o liegt Methode. Es ist die übliche der alten Schule.
Zuerst heißt es, was wollen denn die Neuerer, sie wurmen ja nur alte Geschichten auf. Und dann werden
sie gegeneinander ausgespielt. So hier Courajod gegen mich. Als dessen Lecons erschienen, lagen meine
Keinen, die mit dem ersten Bande der Byz. Zeitschrift beginnende programmatische Tätigkeit, ferner Byz.
Denkmäler I II hinter mir, und ich stand bereits in jener Bahn, die mit „Orient oder Rom" begann und
bei ..Altai-Iran" hält. Wer hat die volle Ausdehnung des Anstoßes, der für die Entstehung der chri-t-
lichen und nordischen Kunst, in Betracht kommt, vor mir auch mir geahnt, und haben besonders die deutschen
Universitätslehrer in dieser Richtung vorgearbeitet? Ich schätze gewiß Courajods und Diculafoys Arbeiten,
aber im Entferntesten richtunggebend sind sie für mich — soweit nicht Dieulafoy nüchtern Material vor-
_'t bat — nie gewesen. Der Ton Clemens erinnert an die Wiener Art. Vgl. oben S. 71, ferner Gott.
Anzeigen 1902, S. 711 und Wessely. Studien zur Palaeographie und Papyruskunde IV (1905) S. ioSf.
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittelmeereß. 29I
wieder zurückgenommen. Das ist Clemens Art. Ich bespreche nur die beiden
Hauptbeispiele.
Nehmen wir zunächst den Dom zu Aachen. Giemen (S. 689 f.) findet seine
Zweistöckigkeit, die Emporenanlage, in nuce schon im Pantheon vorgebildet; im
Pantheon schon schlummere auch der Gedanke der inneren Stützenreihe und das
selbe Pantheon trage auch die größere Hälfte jener freien und aufgelösten Varianten
des Zentralproblems in sich, die dann in den nächsten Jahrhunderten sich entfaltet
hätten l. Diese Keime also — möchte man glaube« — gingen nun nach dem Oriente,
würden dort entwickelt und kehrten dann nach Rom zurück. Nein — Clemen
merkt nicht, daß er sich S. 690 selbst widerspricht — , die Skizzenbücher italienischer
Architekten des XVI. und XVII. Jh. belegten, daß die Entwicklung in Rom selbst
vor sich gegangen sei2.
Vielleicht sieht Clemen diese hellenistischen Bauten (vgl. oben S. 191 u. 227) doch
noch einmal im Besonderen auf das Aachener Oktogon hin durch und überprüft bei
dieser Gelegenheit auch seine Beweisführung dafür, daß in Kleinasien und Syrien eigent-
lich kein Bau vorkomme, der in der Größe und in Anbetracht der Emporen und Treppen
mit Aachen verglichen werden könnte. Er wird dann vermutlich auf ein kleines Über-
sehen kommen, darauf nämlich, daß er das berühmte Oktogon Konstantins d. Gr. in
Antiochia zu erwähnen vergessen hat — oder er hält es für eine der „doch wirklich
nur an den Haaren herbeigezogenen Parallelen" (S. 691). S. Vitale in Ravenna sowohl,
wie der Dom zu Aachen gehen darauf zurück3 und auch die Emporenkirchen von
Xazianz, Wiranschehr und Bosra sind ohne diesen kanonischen Bau kaum denkbar.
Noch schlimmer steht es mit Clemens Beweisführung für Germigny- des -Pres.
War das Pantheon in nuce das Aachener Oktogon, so steckt der kleine Bau des
Westgoten Theodulf vom J. 806 schon im Grabmale der Galla Placidia zu Ravenna.
Dieser „italische Urtypus" 4 habe im Osten bis nach Armenien hin eine „schein-
bar" wirkliche Schule geschaffen und kehre dann auf diesem Umwege wieder nach
dem Abendlande zurück. Auch hier merkt Clemen S. 714 .wieder nicht, daß er
S. 693 sagt, die Lösung des Innenraumes mit den vier großen Nischen (Germigny)
sei schon am Anfang des V. Jh. in S. Lorenzo in Mailand erreicht worden — so
sei also der entscheidendste und wichtigste Schritt für die Ausbildung des Zentral-
baues auf italischem Boden und vor der Hagia Sophia erfolgt. Ich gönne Clemen
gewiß seine Entdecker-Freude; vielleicht aber sieht er sich gelegentlich den Aufsatz
in der Zeitschrift für Geschichte der Architektur VII (1916) S. 51h und in der Zeitschrift
für christl. Kunst XXVIII (1916) S. 181 f. über den Ursprung dieses Typus an; er
a
1) Diese Art von Keimlehre scheint jetzt schon Gemeingut der Schule, der Clemen mit angehört.
So sieht Zimmermann a. a. O. S. 5 in! einem Q des römischen Yergil (vgl. seine Figur 2) die Fischform
der vorkarolingischer initialen „latent vorhanden".
2) Auch in Gallien sieht Clemen S. 682 f. Werke der römischen Zeit für Belege römischer Kunst an,
ohne nach dem hellenistischen Einschlage zu fragen. Ebensowenig geschieht das S. 686 bei den christlichen
Figurensarkophagen Galliens. Schönewolf (Die Darstellung der Auferstehung, vgl. Byz. Zeitschrift XVII, 2S6 und
XX. 6031 und ich bleiben da ganz unbeachtet. Den Ausschlag gibt die französische Auffassung der Dinge.
3) Vgl. Orient oder Rom S. 138 f., Der Dom zu Aachen S. 29, Byz. Denkmäler III S. XXIII, Klein-
asien S. 95 und 185. Der schwächliche Versuch von Bogner, Studien zur deutschen Kunstgeschichte
Heft 72/3 ändert daran nichts.
4) Vgl. über seinen orientalischen Ursprung Orient oder Rom S. 19 f., Kleinasien S. 135 f.
19*
V. Der Nomaden vorstoB und die Neuordnung Enrasiens.
wird dann merken, daß meine Herleitung in der Schrift über Aachen, ausführlich
Mschatta S. 232 £ und die Ahnung Dehios doch ernstere Beachtung verdient hätten1.
Lassen wir also Rom und Italien besser beiseite. Es hat seit der Zeit der
arischen Wanderungen Wege genug zwischen Asien und Europa gegeben, auf denen
der Umweg über das Mittelmeer wegfiel'-. Mit den Goten wurde der alte Landweg,
den auch die Armenier nach Gallien und Italien gingen, wieder häufiger betreten.
Vielleicht erklären sich auf diesem Wege auch noch eine Reihe anderer Züge,
die den Armeniern und Merowingern merkwürdigerweise gemeinsam sind. Da-
hin gehört zunächst der Gebrauch der Fisch vogel-Initiale, d. h. von Anfangs-
buchstaben, die in den Pergamenthandschriften an die Kapitelanfänge gesetzt und
aus Fischen und Vögeln gebildet werden. Es ist eine bisher unerklärte Tatsache,
warum sie — soweit das Material erhalten und gesammelt ist — zuerst in merowin-
gischen, später in koptischen und armenischen Handschriften vorkommen. Die
eben in den Denkmälern deutscher Kunst III, I erscheinende Zusammenstellung der
ältesten Miniaturen der germanischen Völker ermöglicht die vergleichende Arbeit.
Sie hätte nur neben den irischen Handschriften vor allem auch den gotischen Codex
argenteus in Upsala und neben den armenischen auch einige Stichproben kop-
tischen, syrischen und arabischen Schriftschmuckes bringen sollen. Immerhin wird es
jetzt nicht schwer sein zu zeigen, daß auch auf dem Gebiete der Handschriftenaus-
stattung Rom und Italien wiederholt auszuschalten sind und die germanischen
Völker ebenso wie der übrige Norden mit dem Osten unmittelbar Hand in Hand
gehen. Die Goten vermitteln nach Italien und Gallien hin, ihre Art geht dann auch
in die lateinischen Handschriften über. Dazu kommt der starke Einfluß der kop-
tischen Kunst auf die langobardische, wahrscheinlich im Wege der Klöster. Da
aber der Mittelmeerweg aus Ägypten die gleichen mittelasiatischen, in ihrem Ur-
sprünge vom Mittelmeer unabhängigen Formen bringt, so bildet sich ein ziemlich
einheitliches Gepräge, in dem die Tierinitiale, das Bandgeflecht und die geometrische
Ranke zunächst den Ausschlag geben3. Ich habe, wie dieses Buch zeigt, Grund an-
zunehmen, daß sie iranischen Ursprunges sind und in irgend einer Art, durch Ar-
menien vermittelt, u. a. vielleicht zusammenhängen mit den wertvollen Pergament-
kodizes der Manichäer, die nach Augustin reich geschmückt waren4. Die Turfanfunde
von Grünwedel u. a. zeigen, daß auch in diese dunklen Fragen eines Tages Licht
kommen könnte. Der Ursprung der TW-Initiale ist vorläufig nicht aufgeklärt5. Gerade
1) Man vergleiche mit Bagaran auch die spanischen Beispiele, die Lamperez y Romea (Revue hispa-
nique XVI (1907) S. 565 f.) mit Germigny-des-Pres zusammenstellt. Es wird dann ziemlich deutlich, werden,
wie der Weg gegangen ist. — Nachtrag zu S. 227. 3 Es könnte sein, daß Puchstein Athenaus XI 501 e
vor Augen hatte und Eralosthenes mit Timachidas (um 99 v. Chr.) verwechselte. Prot". Wilhelm verweist auch
auf Blinkenberg, Die Lindische Tempelchronik S. 44 Nr. 17 und darauf, daß Eratosthenes (Athen. XI p. 501 d,
ed. Kaibel III S. 106) die Omphaloi der Schalen und die Tholoi der Bäder als ähnlich bezeichnet.
2) Vgl. über den continentalen Karawanenweg Pösta, Ost. Monatsschr. f. d. Orient XL II (19 16) S. 24 1.
3) Es wäre zu wünschen, daß der Deutsche Verein für Kunstwissenschaft seinen Mitarbeitern nur
dann vergleichende Einleitungen gestattete, wenn sie sich etwas durch selbständige Arbeiten in den dafür
in Betracht kommenden Gebieten umgesehen haben. Dann würden so peinliche Erscheinungen, wie eine
in der Einleitung von Zimmermanns „Yorkarolingische Miniaturen" vorliegt, vermieden.
41 VgL meine Kkinarmenische Miniaturenmalerei S. 37 und oben S. 282 f.
Vgl. dazu Supka, Arch. Ertcsito XXXV ( 1915) S. 125 des deutschen Auszuges.
3< Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittelmeeres. 203
sie scheint erst von den Goten eingeführt, weil sie in Irland und bei den Angel-
sachsen nicht auftritt.
Im IV. Jahrhundert muß Gallien künstlerich geradezu eine Provinz der orienta-
lischen Kirche gewesen sein. Will man eine Stichprobe dafür, so halte man sich u. a.
das sonst unerklärliche irische Phänomen vor Augen. Nach Irland war das
Christentum im IV. Jahrhundert oder früher z. T. von Britannien hinübergedrungen. Die
Insel blieb dem damals empfangenen Glauben treu, während Britannien durch die
erobernden Angeln und Sachsen aufs neue dem Heidentume verfiel. In ganz einziger
Art trat so eine Isolierung jener für das IV. Jahrhundert bezeichnenden keltisch-
christlichen Kultur ein. Als daher zur Zeit Gregors des Großen Missionen durch
den Barbarenwall in Gallien und Britannien vordrangen, stießen diese Vertreter Roms
auf die Reste des abendländischen Christentums aus der zweiten Hälfte des IV Jahr-
hunderts. Der Gegensatz von Einst und Jetzt war groß; er macht sich am schärfsten
geltend darin, daß die Iren noch etwas besaßen, was dem Kontinent inzwischen ver-
loren gegangen war: die Kenntnis des Griechischen. Man erklärt das aus der Iso-
lierung des altirischen Christentums, jenes abendländischen Christentums, „in welchem
durch den Übertritt der Gebildeten in Massen die klassische Bildung jener Zeit eine be-
deutende Rolle spielte und in dem namentlich bei den geistigen Führern auch im Abend-
lande lebendige Kenntnis des Griechischen vorhanden war"1. Ich möchte glauben,
daß darüber die zweite, seit dem IV. Jahrhunderte zwischen Orient und Okzident ver-
mittelnde Strömung nicht vergessen werden sollte: die Wanderung ägyptischer,
syrischer und kleinasiatischer Mönche nach dem Westen. Irland ist auch in der Zeit
seiner Isolierung zur See in unmittelbarer Verbindung mit den Klöstern des Orients
geblieben. Nur so ist zu verstehen, wie das Griechische auf der fernen Insel durch
Jahrhunderte derart lebendig erhalten werden konnte, daß die Iren, nachdem sie in
den Schoß der römischen Kirche aufgenommen waren, als Kulturträger nach dem
Osten ziehen und seit Karl dem Kahlen als Lehrer des Griechischen im Franken-
reiche auftreten konnten2.
In Irland haben sich Elemente der keltischen Bronzezeit bis in christliche Minia-
turen und Metallarbeiten gerettet, Züge, die nach dem La Tene in dieser Spätzeit auf
dem Kontinent kaum mehr allgemein nachweisbar sind, so die (wie seinerzeit in China)
auffallende Vorliebe für die .Spirale, das Wirbel- und Trompetenmotiv3. Zu dieser
einzigartigen Tatsache kommt eine andere, die Irland Armenien nahe bringt, die
Vorliebe für die Grabstele und in erster Reihe das sie schmückende oder frei als
Grabstein heraus gearbeitete Kreuz. Auch die Widdergestalt ist vereinzelt wie in
Phrygien und Armenien nachweisbar4. Über alles das und die Stuckdekoration bei
anderer Gelegenheit. Die Germanen haben leider — darin hat Clemen S. 676 natür-
lich recht — die lateinische Sprache und das römische Recht angenommen. Renais-
sance und Humanismus haben dann auch in der Kunst ausgemerzt, was etwa noch
an selbständiger Kraft übrig geblieben war. Darüber gleich ausführlicher. Eben
1) Zimmer, Pelagius in Irland S. 5.
2) Wiederholt aus meinem „Kleinas:en, ein Neuland" S. 231 f. Dazu jetzt Clemen a. a. O. S. 678.
3) Reginald Smith „Guide to the antiquities of the early iron age" ist mir leider nicht zugänglich.
4) Man beachte u. a., daß Kelten und Phryger lange Jahrhunderte balkamsche Nachbarn waren.
V. Der Nomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
rade darin liegt der ganz einzige Wert der Forschung über bildende Kunst, daß sie
deutlicher als im Gebiete anderer Lebenswesenheiten heute noch die vor der Roma-
nisierung liegende Eigenart unserer Vorfahren aufweisen kann.
fi Das Deutsche in deutscher Kunst und Forschung. Zum Schlüsse muß
ich mich noch auseinandersetzen mit einigen neueren Schriften zur ältesten deutschen
Kunst, so zunächst mit einem geistreichen Buch in der Art Riegischer Dogmatik,
Worringers „Formprobleme der Gotik".
Auch da wird systematisch ohne System und historisch ohne genügende Denkmäler-
kenntnis gearbeitet. Die Folge ist ein bestechender Phantasiebau, dem jeder Boden
fehlt. Schon die Scheidung von vier Menschentypen, einem primitiven, klassischen,
orientalischen und nordischen Menschen, triflt — ich will von seinem primitiven
Menschen garnicht reden — nicht zu, weil YVorringer den eurasischen Kulturzusammen-
hang ebensowenig beachtet, wie die Trennung der südasiatischen Oasenkulturen. Man
muß noch lange keine — wie er es nennt — Rassenromantik im Chamberlainschen
Sinne treiben und kann in der bildenden Kunst doch streng zwischen Ariern, Altaiern
und Semiten scheiden1. Und darauf dürfte es wohl zunächst ankommen, denn dann
wird man kaum in jenes seltsame Mißverständnis verfallen können, das für YVorringer
so bezeichnend ist, die verhältnismäßig späten Mischformen des Griechischen und
Christlich-Islamischen zwei fest ausgeprägten Menschen typen als Urhebern zuzuschreiben,
dem klassischen und orientalischen Menschen. Vielmehr liegt in beiden bzw. in allen
drei Richtungen eine Reaktion arischer Elemente auf semitische Voraussetzungen vor.
Rassenrein ist keiner von diesen Strömen. Das waren bis zu einem gewissen Grade in
ihrer Art die Oasenkulturen am Hoangho, Indus, im Zweistromland und am Nil ebenso
wie die Kunst der Nomaden und Nordvölker Eurasiens, die wir am Anfange der histo-
rischen Zeit nachweisen können. Die griechische Kunst aber wurde in dem für den Arier
charakteristischen Raumempfinden in ihrer freien Entwicklung gehindert durch den
semitischen Geschmack an Massenformen, dem zugleich ein Kleben an der Natur
anhaftete: sie hatte genug damit zu tun, diese Voraussetzungen zu überwinden2. Ihre
geniale Tat wirkt durch Christentum und Renaissance bis heute nach. Aber eben
diese Nachwirkung hat den Nordarier verhindert, sich seinerseits in der bildenden
Kunst halbwegs rassenrein zu entwickeln.
Über das Gebiet, das der vorliegende Abschnitt behandelt, wurden mir zwei
Schriften bekannt, die durch die Schicksalswende des gegenwärtigen Krieges ange-
regt sind: Carl Neumann „Von ältester deutscher Kunst"3 und Albrecht Haupt
„Die Anfänge der germanischen Baukunst"4. In beiden wird darauf aufmerksam ge-
macht, daß es jetzt endlich wohl an der Zeit wäre, wenn der Deutsche anfinge, sich
mehr mit dem Deutschen in der deutschen Kunst und besonders mit deren An-
fängen zu beschäftigen, als in unermüdlicher Verbohrtheit immer wieder den vom
Süden kommenden Renaissancen nachzulaufen5. Ich selbst habe in diesem Sinne in
der Italien-Nummer der Zeitschrift „Das neue Deutschland" III (191 5) S. 41-j.f-
ilung genommen mit einem Aufsatze „Die deutsche bildende Kunst und
f Vgl. dazu auch Math, Stilprinzipien S. 120t'. 2 Vgl. meine Bildende Kunst des Os 5 S. 4.
0 Jahrbücher O.XUl . 1016) S. 3-151. 4 Die Bauweh VII (1916. S. 1 1 t".
5^ Vgl. dazu auch Clemcn S. 673 und 6S2.
3. Die Wirkung bei den Nomaden und Nordvölkern im Umkreise des Mittelmeeres. 2Q5
Italien" und einem andern in „Unser Vaterland" I (1916) über „Die bildende Kunst
der Arier".
Neumanns Einführung sollte gelesen werden, bevor man das vorliegende Buch
über Altai-Iran durchzuarbeiten beginnt. Sie faßt zusammen, was von Riegl, mir,
Salin und Haupt über die älteste deutsche Kunst bisher erarbeitet worden ist. Riegl
„mit seiner verhängnisvollen Mitgift scholastischer Denkart, die sich in eigenen
Netzen verfing" wird trefflich gekennzeichnet, meine Arbeiten sind als vorbereitend
für die ihnen im vorliegenden Buche gegebene Zuspitzung erkannt. Es bliebe nur
übrig zu dem Stellung zu nehmen, was Neumann über Salin und Haupt sagt, die
Männer, die neben Sophus Müller am Entschiedensten für die Eigenart altgerma-
nischer Kunst eingetreten sind.
Bernhardt Salin, der jetzige Reichsantiquar Schwedens und Nachfolger von
Montelius, hat in seinem oben S. 194 erwähnten Buche über „Die altgermanische
Tierornamentik" 1904 das Musterbeispiel einer klar gegliederten, sorgfaltigen Material-
sammlung geliefert. Als richtiger Museumsmann bzw. Denkmalpfleger ist er streng
in dem gesteckten Rahmen geblieben, hat nicht rechts noch links geblickt, nur das
seiner Meinung nach Beglaubigte, z. B. die Herleitung des Tiermotivs aus der klas-
sischen Kunst wurde als Voraussetzung zugelassen. „Vom Orient spricht er kaum"
— sagt mit Recht Neumann — „denn der Orient liegt seinem Sondergebiete: ger-
manisch selbständiger Kunst fern". Das eben ist der Glaube, den das vorliegende Buch
erschüttern will. Ebensowenig wie die darstellende und Monumentalkunst Karls
d. Gr. außerhalb der gleichzeitig im Orient bis nach dem Frankenreiche hin leben-
digen Kunstbewegung zu denken ist1, so wenig entsteht die germanische Kunst der
Völkerwanderungszeit ohne Zusammenhang mit dem Volkskörper des eurasischen
Nordens, dem sie angehört. Die zwischen Skandinavien und Indien verlaufende
arische Achse mit ihren Abzweigungen gibt die Zone, in die auch die nordische
Tierornamentik trotz ihrer ausgesprochenen Eigenart gestellt werden muß, sowohl
dem Motive wie der Form nach. Vorläufig kann es als durchaus unentschieden
gelten, wer in dieser arischen Welt im Ganzen und Einzelnen der gebende und der
nehmende Teil war, der Norden oder der Osten. Wie die Sprachforschung ange-
fangen hat, genauer auf Lautgebung und Satzbau zu achten, nicht nur Formenlehre
und Wörterbuch zu vergleichen, so glaube auch ich im vorliegenden Buche — soweit
sich vorläufig mit so unsicheren Tatbeständen überhaupt systematisch arbeiten läßt —
die beiden Forschungsrichtungen auseinander gehalten zu haben.
Haupts Aufsatz gipfelt in den Worten: „Auf allen Gebieten haben wir zu zeigen,
daß wir eine selbständige Welt für uns zu bilden vermögen", auch in der bildenden
Kunst, wie die Anfänge germanischer Baukunst beweisen. „Trotz alledem sollen
Römer, Griechen, Syrier, schließlich wohl gar noch Hethiter die geistigen Urheber
solches beglaubigt germanischen Werkes sein; auch nach dem Willen der deutschen
Kunstforschung!" Vielleicht werden wir uns auf Grund des vorliegenden Buches
i) Vgl. mein „Der Dom zu Aachen". Die seltsame Vorstellung Clemens, der S. 694 sich den
Orient im Gegensatz zum Abendland als ein „durch den Einbruch der Mohammedaner glücklich oder un-
glücklich mumifiziertes Präparat vom Ausgang des VII. Jh." denkt, sollte man dem Fachvertreter der
Bonner Universität nicht zutrauen. Vgl. dazu meinen Aufsatz „Die Bedeutung Konstantinopels für die
Entwicklung der christlichen Kunst" in Dölgers Konstantin d. Gr. und seine Zeit, S. 363 f.
-t,(5 V. Der Xomadenvorstoß und die Neuordnung Eurasiens.
einigen: die vom Süden vordringende kirchliche und höfische Kunst bringt in Dar-
stellung und Monumentalbau das Landfremde, die volkstümliche Kunst des Nordens
aber gehört in ihren natürlichen Zusammenhang, den der Nordvölker und Nomaden.
Was ich hier vorbringe, ist vielleicht nur ein erstes Aufdämmern von Erkenntnissen,
die sich bei mir allmählich auf Grund langjähriger vergleichender Studien in den euro-
päischen und asiatischen Kunstgebieten durchsetzen. Wie die Wahrheit endgültig
aussehen wird, das dürfte sich vielleicht greifen lassen, wenn der — hoffen wir —
unvermeidliche Kampf mit der heute gültigen Anschauung der Kunsthistoriker zur
Klärung und Bewährung des Haltbaren führen wird. Aus Erfahrung weiß ich, daß
solche Dinge Jahrzehnte brauchen. Heute erst fängt man an, sich mit „Orient oder
Rom" ernstlich auseinanderzusetzen, obwohl fünfzehn Jahre vergangen sind, seit ich
die These aufstellte, und ein Schüler Wickhoffs sie damals mit „gewissen Schulheft-
problemen" verglich.
Unabweislich für den Betrieb einer derart gerichteten Kunstforschung ist die
Lösung des Rätsels der islamischen Kunst. Sie hat lebendig erhalten, was in „byzan-
tinischer" und „romanischer" Zeit nachwirkte, inzwischen aber im Norden nahezu
untergegangen ist: die alte Kunst der Nomaden und Nordvölker bei ihrem Eintritt
in die Völkerwanderung. Wie Altai — Iran auch für den Kunstforscher des Nor-
dens keine Gebiete sein dürfen, die er bei seinen Arbeiten wie selbstverständlich
ausschaltet, ebensowenig darf er die islamische Kunst vernachlässigen. In ihr stecken
starke arische Einschläge, die zwar für europäische Augen durch die Religion und
die inzwischen leider erfolgte Abtrennung des fernen Orients vom Norden verblaßt, ja
fast verschwunden sind, sich aber bei schärferer Einstellung des Blickes doch noch
in Spuren wiederfinden lassen.
Ich habe den Eindruck, daß sich deutsches Kunstempfinden ursprünglich eher mit
dem Chinesischen als dem Griechisch-Semitischen berührt. Daß wir über ein Dutzend
Jahrhunderte im Banne von Hellas, Rom und dem näheren Oriente lebten, besagt
nicht, diese durch Christentum und Humanismus herbeigeführte Strömung sei
auch die natürliche gewesen. Wenn einmal der Durchbruch nach Indien zu einer
für den Deutschen neuen arischen Entwicklung führt und er in China auf einen Zweig
stößt, der sich auf dem gemeinsamen Boden der nordischen und Nomadenart in einer
blühenden Kulturoase entwickelt hat1, dann wird man sich vielleicht auch erinnern,,
daß es in der Blütezeit germanischer Kunst, der „Gotik", durch den spanischen
Islam verbindende Wege zum arischen Mittler der Nomaden- und Nordkunst, dem
Perser gegeben hat. Sobald erst einmal von seiten der Forschung des Mittelalters
begonnen wird, der Entwicklung von Ritterwesen, Wappen und Minnedienst auf asiati-
schem Boden bei Persern, Türken und Chinesen nachzugehen, dürfte sich zeigen, daß.
die ritterliche Ordnung, die mit Recht als ein Grundzug der „Gotik" bezeichnet wird2,
die Brücke nach dem persischen d. h. arischen Oriente schlägt. Ich habe dafür
>chon in meinem „Mschatta" S. 2>72> em Zitat aus Burdach anführen können, der als
seine Überzeugung ausspricht, daß der mittelalterlich-romantische Begriff des Minne-
dienstes und sein konventioneller literarischer Ausdruck bei den südfranzösischen,
i VgL dazu auch meine Bildende Kunst des Ostens S. 71 f.
2) VgL zuletzt Hamann, Zeitschrift für Ästhetik u. «11g. Kunstwissenschaft X (1915) S. 359.
VI. Wesen und Wert von Renaissancen. 297
deutschen und italienischen Minnesängern, ferner die Motive und der romantische
Idealismus der mittelalterischen Ritterromane zurückginge auf die romantisch-märchen-
hafte Hofdichtung der Perser im Zeitalter der Samaniden und im Zeitalter Firdousis
und der persischen Restauration unter Mahmud von Ghasna. Die indo-persische Sitte der
Hofdichter und der konventionellen Panegyrik zur Ehrung regierender und hochgestellter
Frauen sowie das ins Arabische übernommene Schema des persischen Liebesromans
haben unmittelbar sehr wesentlich eingewirkt1. In der bildenden Kunst vermittelt in
dieser Zeit zwischen dem Persischen und Abendländischen auch das Armenische. Da-
von an anderer Stelle. Hier sei nur gesagt, daß Armenier und Perser heute wieder die
Mittler werden sollten. Wenn der Krieg der deutschen Kulturpolitik der Zukunft
diese Richtung weist, dann war das Bündnis mit der Türkei das richtige Vorspiel.
VI. Wesen und Wert von Renaissancen.
Wir haben in diesem Buche die Völker im Norden Asiens und Europas, im
wesentlichen Arier und Türken, am Werke gesehen, soweit sie nicht dem Einfluß der
alten Oasenkulturen unterlegen waren. Die große chinesische Kunstblüte schied
ebenso aus wie die indische und die Mesopotamien und Ägypten zusammenfassende
Mittelmeerkunst. In diesen Treibhäusern war die menschliche Gestalt zum Ausdrucks-
mittel gemacht worden, nachdem die Architektur das Verständnis für den Wert von
Gegenstand und Gestalt im Sinne von Mitteln zur Darstellung ewiger Macht ge-
weckt hatte. Dahingegen waren die Nomaden und Nordvölker im Kampfe mit
einer kargen Natur bei einfachen geometrischen Zeichen geblieben. Im Zelt oder
einem lediglich der Lebensnotdurft dienenden, womöglich fahrbaren Hause lebend,
kannten sie die bildende Kunst nur im Sinne der Freude an der formalen Flächen-
füllung. Darstellung lag ihnen ebenso fern wie die in den Oasen üblich gewordene
Ausnutzung der Kunst im Dienste der Macht. Das Spiel der Phantasie genügte
ihnen, bildete den Inhalt ihrer Kunst. Wir haben natürlich keine zeitgenössischen
Bekenntnisse in diesem Sinne, weder bei den Oasenvölkern und noch weniger bei
den Nomaden und Nordvölkern. Solche seelische Zustände sind dem Geiste unbewußt,
wie der Pulsschlag im körperlichen Dasein. Sie werden erst empfunden, wenn die
Gefahr einer Wandlung eintritt und finden dann, falls die Schrift eine Aussprache
ermöglicht, rührenden Ausdruck.
1. Türken. Solche Zeugnisse liegen für die Osttürken vor. Sie bestätigen mittel-
bar, was ich eben als den seelischen Gehalt der Kunst der Nomaden und Nordvölker
zu kennzeichnen suchte.
Über die Türken an der Grenze ihres Nomadentums und am Anfang ihrer
historischen Zeit haben die am Orchon südlich des Baikalsees und nördlich am
Jenissei gefundenen Grabstelen ebenso Aufschluß gegeben, wie die Funde in Chinesisch-
1) Burdach in Sitzungsberichte der kgl. preuß. Ak. d. Wiss., phil.-hist. Kl. XXVII (1904) S. 900.
Er verweist mit Recht darauf, daß schon Jakob Grimm und Müllenhoff vor Jahrzehnten versucht haben,
den nationalen Elementen des abendländischen Mittelalters nachzugehen. Es scheint, daß diese Studien-
richtung aus der Bahn geworfen wurde durch den Einfluß der klassischen Philologie, die ja auch sonst,
in Schule und Lehre, ahnungslos was sie eigentlich tut, amtlich den Ausschlag zu geben verlangt.
VI. Wesen und Wert von Renaissancen.
Turkestan. Aus ihnen bekommt man ein ziemlich klares Bild der Abwehr, wie sie bei
den ..Schmieden des Altai" eintrat, als sie mit Chinesen, Indern und Persern in
nähere Berührung traten. Die osttürkischen Chane aus dem Anfange des VIII. Jh.
wußten wohl, was den Nomaden bevorstand, wenn sie nach dem Süden zogen: „Wenn
Du in jene Gegend hinziehst, Türkenvolk" sagt die eine Orchonstele wortlich, „so
bi.-t Du in Gefahr umzukommen. Wenn Du aber, im Lande Ütüken bleibend,
Karawanen aussendest, wenn Du im Gebirge Ütüken, wo es keine Kostbarkeiten,
aber auch keine Sorgen gibt, wohnen bleib.rt, dann wirst Du ewig die Stammesgemein-
schaft zusammenhalten"1. Ist das nicht der Schwanengesang an die vorhistorische Zeit,
wie ihn. gleichzeitig etwa oder etwas früher die Germanen und Araber angestimmt
haben dürften: Bis zu dem Augenblick, in dem solche Mahnungen notwendig wurden,
waren die Nomaden und Nordvölker gebend. Die Frau, die in der Jurte oder dem
Hause herrschte und der Mann in Waffen, der Hausrat und Schmuck durch Metall-
arbeit ergänzte, waren noch unabhängig von Luxus und Weltverkehr. Ihre Kara-
wanen freilich dienten beiden, ohne zunächst die eigenen Bedürfnisse zu ändern.
Aber gerade die osttürkischen Herrscher, die solche Klagelieder anstimmten,
scheinen es gewesen zu sein, die dem Chinesischen Tür und Tor öffneten. Nicht nur
Gold, Silber, starke Getränke und Seide bezogen sie von China. Die gleichen Orchon-
stelen melden am Schluß ihrer Seiteninschriften -: „daraufhabe ich vom chinesischen
Kaiser Arbeiter kommen lassen (und die Arbeit ausgeführt), meine Worte haben sie
nicht verdorben, denn man schickte mir innere Arbeiter (des chinesischen) Chans,
von diesen habe ich das Steinwerk behauen lassen, innen und außen habe ich es mit
Verzierungen versehen i und den Stein aufstellen lassem. ... So viele Gebäude.
Verzierungen und Kunst habe ich, der Verwandte i : i des Bilgä-Chan, Jolluk-Tegin,
einen Monat und vier Tage verweilend geschrieben, verziert. . . ." Es waren also
Chinesen, die dem redend eingeführten Toten sein Grabmal errichteten. Und wenn
man diesen Grabstelen die Stele von Singan Fu gegenüberstellt, die die Nestorianer
zum Gedächtnis ihrer Kirche in der chinesischen Hauptstadt aufrichteten .
dann sieht man, daß hier tatsächlich China vermittelnd die gleiche Kunstform ge-
liefert hat. Wie an den Orchonstelen neben den chinesischen türkische Inschriften
stehen, so in Singan Fu syrische. Im übrigen belehren uns ja die von Chavannes
veröffentlichten chinesischen Grabdenkmäler der Tangzeit, von denen ich oben S. 117 t.
Einzelheiten veröffentlichte, zur Genüge, daß die Orchonstelen tatsächlich der
chinesischen Kunst angehören. Die Inschriften bestätigen also nur die kunsthistorische
Wahrscheinlichkeit. Von den beiden Orchonstelen kenne ich leider keine besseren
Aufnahmen als die im Atlas der Altertümer der Mongolei von Radloff. Ein größeres
Denkmal am Üngin ' vom J. 692 zeigt die in ein Fußstück eingelassene Stele, davor
an der Ostseite granitene Löwen, an der Westseite vier Menschengestalten in sitzender
Stellung mit untergeschlagenen Beinen. Das wichtigste Denkmal, das desTonjukuk5
vom 1. 716 besteht aus einem Steinsarkophage mit sorgfältig ausgehauenen Ver-
1 Radloff, Die alttürkischen Inschriften dpr Mongolei X. F. Anhang von Barthoki S. 27.
2 Radloff; a. a. < >. N F. S. 15).
Monatshefte tür Kunstwissenschaft VIII 119151 S. ^381".
Radloff, ... ... O, 1 S. 243 f. 5) Radloff, a. a. O. 2. F. S. If.
VI. Wesen und Wert von Renaissancen.
299
zierungen und dem Fundamente eines Gebäudes mit zwei Inschriftpfeilern innerhall)
einer rechteckigen Erderhöhung, auf die im Osten eine Reihe aufrechter Steinfließen
zuführt. Chinesische Quellen berichten denn auch z. B., daß nach Kül-Tegins Tode
der chinesische Kaiser eine Gesandtschaft in die Residenz des Chans schickte: es
wurden Statuen und ein Stein mit Inschriften aufgestellt; es wurde ein Gebäude errichtet
und auf dessen vier Wänden Schlachtszenen gemalt; sechs ausgezeichnete Künstler
arbeiteten an diesem Werk; ein ähnliches Kunstwerk hatte man in diesem Lande
noch nie gesehen l.
So hatte also chinesische Kunst im Wege des Grabluxus Eingang bei den ost-
türkischen Nomaden gefunden. Bei den Westtürken kamen dazu indische und persische
Einwirkungen, so daß sich dort eine ganz einzigartige Blüte von Mischkunst entwickelte,
in der nur eines noch als eigenartig türkischer Nomadeneinschlag nachweisbar ist:
die Ausstattung der Räume mit Malereien, die in Anordnung und Motiven auf das
Zelt Bezug nehmen. Davon war oben S. 1 55 f. die Rede. Wir haben das Material im
Wiener Institut z. T. durchgearbeitet, das Buch von Wachsberger „Stilkritische Studien
zur Wandmalerei Chinesisch-Turkestans" Berlin 1916 gibt darüber ausführlich, soweit
die im wesentlichen chinesische Wandmalerei in Beträcht kommt, Auskunft. Die
Plastik ist vorwiegend indisch durchsetzt, auf diesem Wege sickert auch der Helle-
nismus durch, die Architektur ist iranisch, davon habe ich bezüglich der Trompen-
kuppel über dem Quadrat in Luftziegelbau Zeitschrift für Architekturgeschichte V
(1916) S. 51 f. gehandelt. Eine andere Gruppe quadratischer Tempelräume mit Um-
gang läßt sich auf dem Nomadenwege über Hatra bis nach dem Jemen und Abessy-
nien verfolgen; davon an anderer Stelle.
' So sehen wir die Türken, sobald sie ihre schlichte Nomadenart oder das No-
madengebiet selbst in Nordasien aufgeben, wie es die Orchon-Inschriften voraus-
sagen, in der bildenden Kunst aufgehen in den Formen der Kulturoasen, mit denen
sie in Berührung treten. Die Seldschuken und Osmanen, von denen bereits oben
S. 153 die Rede war, haben später nicht anders gehandelt, sie sind Träger jener
islamischen Kunstformen geworden, die sie in Ostpersien und Syrien angenommen
hatten. Auf die Kunstentwicklung hatten die Türken nur solange einen eigenartigen
Einfluß, als sie ihren Weidegründen und Jagdrevieren in Hochasien treu blieben und
Karawanen aussendeten. Vertreter dieser mit dem Rosse verwachsenen Reitervölker
waren es, die zuerst mit ihren Metall- und Textilarbeiten handeltreibend und Kriegsdienst
suchend zwischen China und dem Westen vermittelten, später aber erobernd bis in
das Herz Chinas und Europas vordrangen.
2. Arier. Der zweite ältere Stoß, dem wir oben zu folgen suchten, war der
arische. Ein anderer Teil jener Nomaden Europas, die bei dem Vorstoße nach dem
Süden aus der semitischen Mischkultur die Mittelmeerkunst zeitigten, wanderte wohl
von Südrußland über den Kaukasus und um das Kaspische Meer nach Transoxanien,
Iran und Indien ein. Wir ließen auch hier wieder Indien und den südiranischen Teil,
1) Vgl. Thomson, Inscriptions de l'Orkhon, und Radioff,, a. a. O., N. F. Anhang S. 12 (Barthold).
2) Wie notwendig eine Klärung des Begriffes Renaissance bei den Kunsthistorikern allmählich wird,
lese man z. B. bei Schmarsow (Jahrbuch der preuß. Kunstsamml. XXXII, 191 1, S. 89) nach, der eine
Verwendung des Schlagwortes bei Salin aufgreift.
■*qq VI. Wesen und Wert von Renaissancen.
der mit der Mittelmeerkultur in engste Berührung trat, beiseite und legten den
Nachdruck auf den Norden und auf die Zeit, die der Durchsetzung dieser arischen
Landnehmer mit türkischen Elementen folgte. Die Bedeutung, die das arabische
Nomadenvolk mit dem Islam gewonnen hatte (nicht zuletzt auch das Verkleiden
der Rohziegelbauten in fiächenverzierenden Techniken) scheint dort der hergebrachten
Nomadenart dauernden Halt gegeben zu haben. Der Islam wurde nach Jahrhunderten
ihres Durchsickerns im Wege des Weltverkehrs ihr Träger in die alten Oasenkultur-
gebiete des Mittelmeeres, in ihm lebt sich die Nomadenkunst bis auf den heutigen
Tag aus. Ihren Weg nach Norden fand sie einmal auf diesem Umwege und direkt
über Armenien und um das Schwarze Meer herum. Das „Mittelalter" — es kann
eigentlich nur in den alten Treibhäusern der Kultur von einem solchen im Gegensatz
zum Altertum gesprochen werden1 — bereitet sich vor, als die sakischen Parther Ele-
mente der Nomadenkunst nach Iran, Armenien und Mesopotamien übermittelten.
Im Gegensatze dazu — das sollte als Wesen erkannt werden — sind Renais-
sancen zumeist solche Bewegungen, in denen Nomaden und Nord Völker unter den
Einfluß der Treibhauskulturen kommen. Unter dieser Voraussetzung ist Burckhardts
Kennzeichnung „Eine Eigentümlichkeit höherer Kulturen ist ihre Fähigkeit zu Re-
naissancen" nachzuprüfen 2. „Entweder ein und dasselbe oder ein später gekommenes
Volk nimmt mit einer Art von Erbrecht oder mit dem Recht der Bewunderung eine
vergangene Kultur teilweise zu der seinigen an. Diese Renaissancen sind zu unter-
scheiden von den politischen Restaurationen, mit welchen sie stellenweise gleichwohl
zusammentreffen." Eine reine Renaissance war für Burckhardt die italienische,
Restauration und zugleich Renaissance die Kultur Karls d. Gr., bei der Herstellung
des Persertums durch die Sasaniden ist er im Zweifel. Uns muß gerade diese Zeit
im Hinblick auf Altai-Iran und Völkerwanderung etwas beschäftigen. Sie ist es
wohl, die verschuldet, daß der Zusammenhang der islamischen Kunst mit Nomaden
und Nordvölkern bisher nicht erkannt wurde.
Als der erste Indogermanenstoß über den Kaukasus erfolgte, werden wohl rein
ornamentale Formen, wie sie die Griechen an das Mittelmeer brachten, nach Iran vor-
gedrungen sein. Der Rückschlag von seiten der Oasenkulturen zeigt sich in der
Achamanidenkunst. Wenn wir daher erst in sasanidischer Zeit von einer Renaissance
sprechen, so ist das nicht richtig. Denn abgesehen von dem Einfluß der babylonisch-
assyrischen Kunst, der ja schon eine Renaissance zeitigte, erfolgt eine zweite „Renais-
sancebewegung" mit der Eroberung des Landes durch Alexander d. Gr. Die alte
achamanidische Hofkunst wird von griechischen Elementen durchsetzt, schon in
parthischer Zeit hat sie neue Typen angenommen, wie das leider stark zerstörte
Gotarzes-Relief von 49 n. Chr.3 und wahrscheinlich noch ein anderes in der Nähe
von Budhi, nördlich der Linie Herat-Bamian belegt4. Jedenfalls bleibt die Übung
1) Vgl. oben S. 238 f. 2) Weltgeschichtliche Betrachtungen S. 87.
Vgl« Hüsing, Der Zagros und seine Volker S. 7. Ob vielleicht auch die S. S, 56 und 58 ab-
gebildeten Denkmälerr
„In der Nähe von Budhi bemerkte Ferrier (Voyages I S. 428) Skulpturen auf einem Felsen: ein
iig auf dem Throne, von seinem Hofstaat umgeben, vor ihm ein gefesselter Krieger auf der Erde au>-
treckt, der auf seinen Befehl erdrosselt wird, ein anderer Krieger, von seinen Fesseln befreit, liegt auf
den Knien und ruft, wie es scheint, die königliche Gnade an. Die beigefügte arabische Inschrift scheint
VI. Wesen und Wert von Renaissancen. 30I
des Felsreliefs bestehen und ist nicht erst in sasanidischer Zeit wieder aufgenommen
worden1. Die Volkskunst erhielt sich neben dieser „Gottes-Gnadenkunst" wohl un-
berührt, lebte ebenso, zuerst von den Griechen zurückgedrängt, später — schon
seit 100 v. Chr. nach den Münzen — siegreich vordringend fort, wie die einheimische
Religion, die Weiterbildung des Mazdaismus.
Als die Nomaden politisch die Oberhand gewannen, setzte sich das „Mittel-
alter" endgültig durch. Im Osten gingen dabei die alten Treibhauskulturen in der
Kunst allmählich unter, soweit nicht Architektur' und darstellende Kunst schon vor-
her von der Einwirkung durch die Oasenkulturen betroffen worden waren. Vor allem
muß das für die Fälle gelten, in denen das „Bilderverbot" durchbrochen wurde,
wobei sicher indische, chinesische und westliche Einflüsse, d. h. Renaissancen, einzeln
oder gemeinsam den Ausschlag gaben2.
Im Westen „rettete" das Christentum Gegenstand und Gestalt. Die sog. karo-
lingische Renaissance hat darin ausschlaggebend Bahn gebrochen. Sie brachte den
Einschlag zu allgemein nationaler Geltung, der bis dahin, vor allem im Süden und am
Rhein dem germanischen Vorstoß widerstanden hatte: die Kirche. Es handelt sich
nicht so sehr um eine Wiedergeburt der Mittelmeerkunst, wie um eine Einsetzung in
die Allgemeingültigkeit und das bewußte Zurückdrängen des urkräftig Barbarischen 3.
Erst mit der Gotik entwickelte sich eine neue germanische Blüte, die dann durch
die italienische Renaissance vernichtet wurde. Rom trägt die griechische Kunst her-
über bis in die Zeit, wo man in Florenz wissenschaftlich zu sehen beginnt und die
romanischen Elemente Italiens die sogenannte Renaissance aufrichten. Die großen
Germanen, ein Eeonardo, Bramante, Giorgione haben den Sturz nicht aufhalten
können, das „Gewöhnliche meistert die Welt". Die zweite arische Blüte im Norden,
die wir gewöhnlich Gotik nennen und die viel rassenreiner als das Griechische war,
unterliegt dem zum guten Teil unkünstlerischen Anstürme der italienischen Renais-
sance. Michelangelo und Dürer zeigen den tragischen Kampf der Unterliegenden.
Seit dieser Zeit vegetiert die europäische Kunst im Dienste der Macht ohne eigenen
seelischen Gehalt. Große germanische Persönlichkeiten der bildenden Kunst wie
Rembrandt und Böcklin bleiben im Kern unverstanden und die Kunst hört auf,
Volkssache zu sein. Sie wird ein Macht- und Genußmittel in den Händen der
herrschenden Oberschicht. Erst heute meldet sich der Ruf nach einer Volkskunst,
die dem Ringen der breiten Massen, ihrer Sehnsucht Ausdruck geben soll. Inzwischen
sind die Wege so verfahren, daß es einer tiefgreifenden Änderung der Gesinnung
bedarf, um gangbare Geleise zu schaffen.
Dieser neuen Gesinnung kann von seiten der Kunstforschung nur auf systema-
tischem Wege vorgearbeitet werden. Was soll denn das historische Sammelsurium
noch weiter in einer Zeit, die ihre Kräfte auf allen Gebieten zusammenfassen und
zielbewußt auf die jetzt endlich unvermeidlich gewordene Tat einstellen muß? Wir
an die Stelle einer älteren gesetzt und weit jünger als das Monument zu sein. Nach Aussage der Ein-
geborenen sollen in der Nähe noch Ruinen einer Stadt sein". (Spiegel, Eran. Altertumskunde I S. 27.)
1) Vgl. die Zusammenstellung bei Sarre-Herzield, „Iranische Felsreliefs". Dazu oben S. 52 und 157.
2) Vgl. darüber oben S. 143 und besonders S. 273.
3) Vgl. Der Dom zu Aachen S. 1 f.
;02
VI. Wesen und Wert von Renaissancen.
haben uns lange genug gegönnt so zu arbeiten, wie wenn das Leben vom Gelehrten
nichts anderes verlangte, als daß er einseitig sich vom Kleinen ins Kleinste verliere.
Nun aber muß der politischen Organisation, die die Welt auseinanderreißt, eine
andere entgegentreten, die kulturelle, die das Neue zusammenhält. Wir wollen
Linguistik, Philologie, pragmatische Geschichte und Philosophie nicht ausmerzen;
sie sollen nur für uns als Hülfswissenschaften in zweite Linie treten. Die Tatsachen, die
sie erarbeitet haben, müssen ohnehin als Grundlage für die systematisch auf induk-
tivem Boden geführte Wesensforschung dienen und wir können gar nicht anders als
nach wie vor philologisch-historisch weiterarbeiten, aber freilich indem jedes Fach
seine Fragen zunächst auf Grund der aus der Art der einzelnen Kulturwesenheit
entspringenden Erkenntnis des Notwendigen stellt und den Umfang seiner Aufgaben
nicht einseitig nur im Hinblick auf zeitlich fernliegende Ouerschnitte bestimmt, sondern
erkennt, daß daneben fachmännische Längsschnitte, die bis auf die Gegenwart führen,
notwendig und unentbehrlich geworden sind. Erst sie geben ein klares Bild vom Auf-
baue der Wissenschaft auf dem Grundrisse der Tatsachen und tragen unmittelbar
Früchte für die Gegenwart und unseren eigenen Charakter.
Für die Lebenswesenheit „Bildende Kunst" habe ich seit Jahren eine Wert-
einteilung aufgestellt ', die hier an den Schluß gestellt werden muß, um die Begriffe,
die im vorliegenden Buche verwendet wurden, einerseits deutlich zur Unterscheidung
zu' bringen, andererseits zu zeigen, daß sie nicht nach Meinung und Geschmack ge-
wählt, vielmehr in ihrem Nebeneinander zur erschöpfenden Einheit, wie sie im Kunst-
werk ohne Trennung vorliegt, abgerundet sind. Es war immer wieder von Stoff und
Werk (Material und Technik), Gegenstand und Gestalt, Form und Inhalt mit ihren
Erregern und Zielen die Rede. Nachfolgender Aufbau gibt den Schlüssel dieser für
tue Zwecke wissenschaftlicher Forschung vorgenommenen, wie ich glaube, natür-
lichen Trennung.
I. Handwerk.
1. Stoff und Werk.
Erreger: Schaffen.
Ziel: Können.
—
V
Sachliche Gebunden-
heit.
(Außenleben)
Persönliche Freiheit,
i Innenleben i
II. Geistige Werte.
Welt.
Bedeutung (Innenwelt). Erscheinung (Außenwelt).
2. (Sache) Gegenstand.
Erreger: Geistiger Zustand.
Ziel: (Zweck i Deutung.
5. Inhalt.
Erreger: Seele.
Ziel: Ausdruck.
Gestalt.
Erreger: Natur.
Ziel: Darstellung.
Form.
Erreger: Sinne.
Ziel: Wirkung.
1) Vgl. Die Zukunft der Kunstwissenschaft, Beilage zur München« AUg. Zeitung Nr. 5, vm
9. III. 1903. Turners path from nature to art, Burlington Magazine LX (190S1 S. 33s (• Die Kunstgeschichte
.111 der Wiener Universität, Osterreichische Rundschau XXI (1909) S. 393 f. System und Methode der
Kunstbetrachtung, Volksbildungsarchiv III (1912) S. 44t. Ein Werk der Volkskunst im Lichte der Kunst-
forschung, Werke der Volkskunst I (191 31 S. I2f. Ostasien im Rahmen vergleichender Kunstforschung,
isiatische Zeitschrift II (1913 1 S. 1 f . Bildende Kunst, Das Jahr 1913, hrsg. von Sarason S. 4801". Das
Kunsthistorische Institut der Wiener Universität, Die Geisteswissenschaften I (19134) S. 12 f. Der Wandel
VII. Eine neue Gesinnung — eine Notwendigkeit. 203
Man wird in der Schlagwortliste am Schlüsse des Buches die Belegstellen für die
einzelnen Werte, soweit sie in diesen Untersuchungen behandelt wurden, zusammen-
gestellt finden.
Wir hatten uns im Verlaufe des Buches wiederholt mit Riegl auseinander zu
setzen, vor allem auch in der Richtung, da(.! hervorgehoben wurde, er habe historisch
ohne genügende Kenntnis des Materials und systematisch ohne System gearbeitet
(S. 65). Da zeigt sich "gleich, worauf wir hinaus wollen: Keine Dogmen als Folge
unzulänglicher Denkmälerkenntnis, sondern zunächst einmal Einblick in die Schiebungen
der Kunst, zum mindesten in den Teil des Erdkreises, der für die unmittelbare Berührung
mit Europa in Betracht kommt. Wir haben uns im vorliegenden Buch ausschließlich
fast in historischer Zeit bewegt. Soweit man zurückblicken kann, stehen sich bereits
am Anfange der Geschichte auf dem Gebiete der bildenden Kunst deutlich erkennbar
drei große Menschheitskörper gegenüber, der eine, die breite Masse vertretend, ringt
sich langsam der kargen Natur gegenüber zu halbwegs günstigen äußeren Lebens-
bedingungen durch, der andere, in einzelnen Flußoasen getrennt lebend, schwingt
sich treibhausartig rasch zu überragenden Kulturen auf, dazwischen der vom Atlan-
tischen bis zum Stillen Ozean fast reichende Nomadenweg. Der eine Körper um-
faßt den Norden und verfügt mit dem mittleren über die Landwege, der zweite liegt,
durch hohe Gebirge getrennt, im Süden und gewinnt erst Zusammenhang zu Schiff
um die in das Meer vortretenden Landmassen herum. Am Beginne der historischen
Zeit besteht ein Weltverkehr auf der inneren, eurasischen Linie, die uns inzwischen
leider aus dem Bewußtsein geschwunden ist. Erst der Weltkrieg schließt die Augen
dafür wieder auf und zeigt, welcher Gefahr wir durch das Gewährenlassen auf der
äußeren Linie entgegengehen. Russen und Engländer sind auf dem besten Wege, die
Zange über Persien hinweg zu schließen und uns so für immer der Aussicht auf Wie-
derherstellung der alten Verbindung zu berauben. Gelingt es uns, diese Gefahr zu
bannen, dann nur keine Renaissance im obigen Sinne, auch nicht ich weiß nicht
welcher indogermanischen Kunst! Die humanistischen Kinderschuhe sind ausgetreten.
Stellen wir uns endlich auf eigene Füße. Die Kunstgeschichte kann dazu im Wege
einer auf planmäßiger Grundlage vorgehenden Wesensforschung nicht unbedeutend
beitragen. Darüber zum Schluß noch einige Worte.
VII. Eine neue Gesinnung — eine Notwendigkeit.
Im Zusammenhange der Ideen des vorliegenden Buches muß noch etwas bei
deutscher Art verweilt werden. Es ist eine der betrübendsten Tatsachen, daß sie
sich in der Kunstforschung nicht durchsetzen will. Es fehlt dieser jede systematische
über das Materialsammeln und -Ordnen hinausgehende Organisation, zum guten Teil
deshalb, weil die mittelalterlichen und Renaissance-Mächte, die bis in unsere Zeit hinein
lebendig blieben, zu sehr an der hergebrachten Wertung beteiligt sind. Deutsch
der Kunstforschung, Zeitschrift für bildende Kunst L (1914/5) S. 3 t". L. Potpeschnigg, Einführung in die
Betrachtung von Werken der bildenden Kunst (Arbeiten des kunsthistorischen Instituts der k. k. Universität
Wien (Lehrkanzel Strzygowski) Bd. II (Wien 191 5). Religion und Persönlichkeit in der bildenden Kunst
(schwedisch), Ord och Bild 1916. Die bildende Kunst der Arier, Unser Vaterland I (1916).
■^qi VII. Eine neue Gesinnung — eine Notwendigkeit.
wäre es, sich auch davon endlich frei zu machen und die Sache unabhängig von allen
ererbten Rücksichten rein um ihrer selbst willen zu organisieren. So müßte der
Deutsche vor allem erkennen lernen, wovon seine Art in historischer Zeit ausging, wie
sich daraus Eigenart entwickelte, diese verdrängt wurde und ein mühseliges Ringen
begann, in dem die bildende Kunst fast unterlag, so daß heute der Weg zum Deutschen
kaum zu finden ist. Und doch wird dieser Weg allmählich über die Hemmnisse hinweg,
die Ästhetik und Kunstgeschichte, Akademien und Fakultäten aufgeführt haben, sichtbar.
Die „Kunsthistoriker" haben sich bisher im besten Falle um die beiden westlichsten
Oasenkulturen am Nil und im Zweiströmelande gekümmert, sind dann der großen
hellenischen Blüte nachgegangen und glaubten wunder welche Großtat zu verrichten,
indem sie unter Kenntnisnahme dieser Bewegung die Nachwirkungen auf italischem
Boden und dann in Nordeuropa bis in alle Einzelheiten sicher stellten. Darüber sind
ihre Augen schwach geworden und der Horizont hat sich trotz aller möglichen Brillen
nur immer mehr verengt. Vor allem haben wir mit der Achtung für das „Barbari-
sche", d. h. Urwüchsige in unserem Yolkscharakter auch die Möglichkeit einer frisch
vorwärtsgehenden, seelisch und künstlerisch national gerichteten Forschung eingebüßt.
Die Kunstgeschichte, statt das deutsche Volk durch die ihren Händen anvertrauten,
eindrucksvollen Denkmäler auf die Weite und Tiefe des Arbeitsfeldes einzustellen,
ergeht sich heute nur zu oft in Armseligkeiten.
Die bildende Kunst reicht mit ihren Nachweisen an geologische Zeitalter heran.
Die Zeugen der Entwicklung des Seelenlebens der Menschheit, die damit geboten
sind, gestatten eine zeitliche Erweiterung der Forschung, auf die einzugehen in
diesem Buche nicht Gelegenheit genommen wurde '. Der Verfasser ist zufrieden, wenn
er zunächst von der Notwendigkeit der örtlichen Ausdehnung des engen Gesichts-
kreises überzeugt und die Fachgenossen dazu angeregt hat, öfter eine Karte der
gesamteurasiatischen Landmasse herzunehmen und die Rolle der arischen Völkerachse,
die sich zwischen Altai und Iran mit den Nomadenwegen kreuzt, gegenüber den
Treibhäusern im Süden zu überlegen. Vielleicht entsteht dann doch allmählich der
deutliche Eindruck, daß neben den Hochkulturen auch in historischer Zeit noch schlich-
tere Gesellschaftszustände, durch Nomaden und Nordvölker vermittelt, Beachtung
verdienen. Auf dem Gebiete der deutschen Kunstforschung im besonderen sollten sie
in gewissem Sinne vorerst den Ausschlag geben. Nur auf diesem Wege können wir die
Brücke über die germanischen zu den großen arischen Problemen finden, die jetzt
hoffentlich in den Vordergrund des deutschen Denkens treten werden. Abrücken von
den z.T. auf „semitischem" Boden erwachsenen Kunstströmen in Hellas, Rom un 1 dem
späteren Italien, Besinnen auf die Rolle der Nordarier in Asien, das ist jetzt unser
Weg. Die Inder scheinen über das Wesen der Dinge ohne Geschichte nachgedacht
zu haben. Für uns wäre es Zeit, über der Geschichte das Wesen nicht zu vergessen.
Dazu gehört freilich, daß sich die deutsche Kunstforschung nicht länger von
einer Strömung gefangen halten läßt, der kürzlich ein Kunsthistoriker naiv Ausdruck
gegeben hat- mit der Behauptung, Universalgeschichte der Kunst sei nur im enzyklo-
pädischen Sinne denkbar, was besagen will, als eine bunte zusammenhanglose Masse,
i Vgl. M. Hörncs, Urgeschichte der bildenden Kunst in Kuropa 2. A.
2) Die Geisteswissenschaften I (1913/4) S. 6^4 f.
VII. Eine neue Gesinnung — eine Notwendigkeit. iq-
die sich zu keinen entwicklungsgeschichtlichen Einheiten zusammenschließen lasse.
Und doch hat gerade Wickhoff für diese Einheitlichkeit das Wort ergriffen ' und Riegl
dafür nach Kräften tlen Unterbau zu legen gesucht, nur natürlich auf hellenischen
Grundmauern. Sobald die gegenteilige Ansicht geäußert und Anstalten getroffen
werden, den starken Strom zur Anerkennung zu bringen, der einst von den alten
Oasenkulturen des Orientes unmittelbar ausging und später mittelbar, von Mittelasien
als Ursprungszentrum aus, Ost und West verband, wird dagegen als gegen eine Utopie
gewühlt. Und doch liegt es im Sinne der Zeit, diesen Dingen nachzugehen und die
vergleichende, z. T. indogermanische Kunstforschung als Stütze der Bewegung zu
benutzen, die die Deutschen jetzt im Vereine mit den Völkern von alttürkischer Ober-
schicht, den Ungarn und Bulgaren, zusammen mit den Osmanen an der Arbeit zeigt,
den Quertreibereien der äußeren Linie entgegen den alten Zusammenhang wieder
aufzurichten. Dazu wird freilich für die Dauer nicht Herrschsucht, sondern Lebens-
einsicht den Weg zu bahnen haben. — Fasse ich die Ergebnisse im Hinblick auf die
jetzige Lage der geisteswissenschaftlichen Forschung im allgemeinen und der kunst-
wissenschaftlichen im besonderen zusammen, so läßt sich sagen:
Für die Bewegung, die hoffentlich jetzt mit dem Kriege einsetzt, werden nicht
die örtlich und zeitlich eingeschachtelten historisch-philologischen Spezialisten in Be-
tracht kommen, sondern Fachleute, die den Erdkreis im Auge haben und über
Religion ohne konfessionelle, über Staat und Recht ohne politische, über Kunst,
Wirtschaft, Technik usf. ohne die europäische Schranke arbeiten, Fachmänner, die
neben der üblichen „gelahrten" Arbeitsweise der Universitäten und Akademien, soweit
die geisteswissenschaftliche Richtung in Betracht kommt, zunächst einmal über das
Wesen ihres Fachs nachgedacht und auf dem Wege der vergleichenden Methode gelernt
haben, die Ergebnisse der historisch-philologischen und philosophischen Arbeit fach-
gemäß, d. h. ihrem Wesen nach, zuordnen, entwicklungsgeschichtlich aufzubauen und
für das Leben nutzbar bereitzustellen. Sie werden ebenso wie die Naturwissen-
schaften Forschungsinstitute brauchen, in denen induktiv verarbeitet wird, was als Fach-
Tatsache kritisch festgestellt worden ist. Ihr Ziel wird die planmäßig geordnete Vor-
führung von Möglichkeiten des Wesens und der Entwicklung sein, die sie dann im
Sinne der angewandten Forschung in den Dienst der Gegenwart stellen. Damit im
Zusammenhang wird in Zukunft als Maßstab für die Auswahl der geisteswissen-
schaftlichen Probleme deren Lebenswert, vor allem in der Richtung deutsch-arischer
Eigenart und sittlicher Freiheit, mitzusprechen haben.
Machen wir uns klar: Wenn der Weltkrieg auf dem Gebiete der Geisteswissen-
schaften nicht endgültig freimacht von der semitisch-griechisch-römischen und Renais-
sance-Grundlage, wir weiter Sklaven der einseitigen sog. humanistischen Geistes-
richtung bleiben, man amtlich Hülfswissenschaften, wie politische Geschichte, Philo-
logie und Philosophie für das Um und Auf des geisteswissenschaftlichen Schaffens
ansieht und mit einer Kurzsichtigkeit, die erst nach Jahrzehnten neu gerichteter
Arbeit ganz zu durchschauen sein wird, alles fernhält, was 1. über den Kreis der aka-
demisch begrenzten Mittelmeerkultur hinausblickt oder gar 2. nach systematischer
Geistesforschung, d. h. nach dem aussieht, was (in seiner alles Leben durchsetzenden
1) Vgl. oben S. 113.
Strzygowski; Altai. 2°
3o6
VII. Eine nein. Gesinnung — eine Notwendigkeit.
Wesensmannigfaltigkeit, wissenschaftlich gegliedert) den eigentlichen Kern aller auf die
Möglichkeiten von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Menschengeschlechter
ichteten geistigen Arbeit bilden sollte, dann hat der Krieg nicht den sittlichen
Erfolg gezeitigt, den wir von der übermenschlichen Anstrengung aller Völker erwarten
dürfen. Dazu aber gehört die Arbeit auf Grund einer für die einzelnen Geistes-
richtungen festgestellten Wesensforschung, die dann vergleichend erdgeschichtlich
sich durchringt und ihre Ergebnisse im Dienste des geistigen Lebens der Gegenwart
anwendet, nicht in den Bibliotheken zu Staub und Moder zerfallen läßt l. Wer den
verkümmerten Geist des heutigen Gelehrtentypus im Gebiete der Kunstforschung
kennen lernen will, der lese im ersten Bande der „Geisteswissenschaften" S. 932 f. die
gewundenen Sophismen, die der bereits einmal zitierte Kunsthistoriker meiner am
Kopfe dieser Zeitschrift S. 12 f. gegebenen Vorführung der Ziele des kunsthistorischen
Institutes der Wiener Universität entgegenstellt. Ich habe darauf eigentlich schon mit
dem Aufsatze „Der Wandel der Kunstfor.schung" im Festhefte zum 50jährigen Bestände
der Zeitschrift für bildende Kunst geantwortet. Das vorliegende Buch mag als Vor-
führung eines Einzelfalles für meine Forderung nach Einstellung der Kunstforschung
an Universitäten bezw. wissenschaftlichen Instituten auf den Gesamtkreis der Erde, zu-
nächst auf eurasischem Boden gelten. Die Auseinandersetzung auf systematischem
Gebiete wird bei anderer Gelegenheit folgen.
Es wäre ganz unbegreiflich, gerade die Forschung über bildende Kunst, die
zeitlich, örtlich und sozial über ein Material verfugt, das keine andere Wissenschaf:
aufweisen kann, so vernachlässigt zu sehen, wenn diese Forschimg nicht mehr als
jede andere unter Druck und Gunst de" Macht stünde. Sobald sie höhere Werte als
die dem augenblicklichen Machthaber und Besitzer vorteilhaften ins Auge faßt, wird
sie als uferlos und nebulos von den eigenen im Dienste von Macht und Besitz
stehenden Fachgenossen heruntergesetzt.
So muß dem Durchbruch des Nordens, der sich wie einst unter arisch-altaischer
so heute unter deutsch-türkischer Führung vorbereitet, ein Umschwung in der
geisteswissenschaftlichen Arbeit parallel gehen. Geschieht das nicht, dann werden
wir die Forschung, nach wie vor gehemmt durch ererbten Unverstand, nur mit halber
Kraft und unzulänglichen Mitteln weiterführen können. Daß sie sich durchsetzt,
davon freilich ist der Verfasser fest überzeugt, sonst würde er manches nicht ertragen.
Ist es Zufall, daß von den Ariern die Deutschen, Ukrainer, Armenier und Perser,
von den Ural-Altaiern die Ungarn, Bulgaren und Türken zum Zusammenwirken mit dem
Schwerte, später hoffentlich zu vereinter geistiger Arbeit aufgerufen werden bezw. werden
sollten? Ich denke, dieses Buch hat gezeigt, wie eng sie am Anfange der nordischen
Geschichte zusammengelebt haben. Daraus und nicht aus einem eingebildeten Um-
schwung in der geistigen Verfassung der Mittelmeervölker entstand die neue Welt,
in der wir heute noch leben und für deren Ursprung wir nach so vielen Jahrhunderten
blind geworden sind. Aus der neuen Erkenntnis wird eine starke sittliche Kraft
strömen. Wir gehen natürliche, der nordischen Menschheit von der Erde vorgezeich-
nete Wege, indem wir uns von der versinkenden Welt der sudlichen Kultuitrdb-
1 Ein« ii volkstümlichen Versuch dieser Art habe ich mit meinem Buche „Die bildende Kunst der
gemacht. Vgl. dazu ,,I>ie bildende Kunst der Arier" Unser Vaterland I (1916).
VII. Eide neue Gesinnung — eine Notwendigkeit 307
häuser abwenden und endlich mit der Wesensforschung das alte Strombett der nordi-
schen Völker wieder aufsuchen. Eines freilich bleibt nach dem Durchbruch mit Hülfe der
Bulgaren noch unweigerlich zu tun übrig: daß wir den ältesten arischen Weg nach
Persien und Indien über Südrußland, d. h. die Ukraina ' wieder freimachen. Ohne
diese Wendung ist das ideale Kriegsziel nur unvollständig erreicht. Gebt den Ukrainern
die Möglichkeit, sich geistig frei und national zu entwickeln, dann werden sie ein
lebendiges Glied in der Kette werden, die den einen der beiden alten Nomadenwege
zum Kulturstrome der Zukunft machen soll. Auf dem Boden der Ukraina liefen die
Wege zusammen, die Nordeuropa mit dem asiatischen Steppengebiet verbanden.
Solange dieses wichtige Durchgangsgebiet vom russischen Machthaber in der Weise
ausgebeutet wird, daß er die Kultur der eingeborenen Bevölkerung unterdrückt und
sie abhält, die natürliche Brücke zwischen Europa und Asien zu bilden, so daß
bisher aller Verkehr sich auf der äußeren Linie abspielen mußte, ist der Krieg Mittel-
europas gegen Russland eine Sache der Pflicht. Und ich fürchte, man wird in Ruß-
land nicht ohne Zwang zur Einsicht kommen, daß dieses Gebiet zur Erschließung
alter, wichtiger Verkehrswege frei werden muß. Ähnliches gilt für Armenien.
Um meiner Volkszugehörigkeit willen möchte ich wünschen, daß es zuerst der
Deutsche wäre, der zur Vernunft käme. Er sitzt in der angestammten Mitte und
ist so vorbestimmt, in zielbewußter Erkenntnis zu handeln. Ich vertraue dem deutschen
Volke, daß es zur vollen Klarheit heranreifen wird, wenn es auch — vorläufig
noch mehr als auf die Dauer gesund ist — allerhand überlieferten Kram hochhält und
dadurch seine eigene Entwicklung und die der Menschheit aufhält. Sollte es der
Reaktion aber dennoch, trotz ihrer Blindheit und ihres Leichtsinnes, gelingen, die Ober-
hand zu gewinnen, so wird den vorgezeichneten Weg über kurz oder lang ein anderes
Volk gehen. Die Menschheit wird vorwärts kommen, ist sie sich doch der Außen-
und Innenwelt in ihrer Weite und Tiefe bewußt geworden. Führer kann nur der
sein, der erkennt, daß Macht und Besitz keine Lebenswesenheiten sind, auf denen
Staat und Gesellschaft aufgebaut werden dürfen, vielmehr gerade gut genug, um der
Erkenntnis der Dinge helfend den Weg zu bereiten.
Der Wandel der Gesinnung, der hier für die Forschung über bildende Kunst
und die Geisteswissenschaften überhaupt gefordert wird, ist schließlich der gleiche,
der sich im Innen- und Außenleben von Staat und Gesellschaft durchsetzen muß,
sollen die ungeheuren Opfer des Krieges Segen bringen und die so teuer erkauften
Erfahrungen der Organisation bleibenden Wert behalten. Wie der deutsche Reichs-
kanzler am 28. September 1916 im Reichstage sagte: „Freie Bahn für alle Tüch-
tigen! muß unsere Losung sein. Führen wir sie frei, vorurteilsfrei durch, dann geht
unser Reich fest gefügt, weil jeder Stein und jeder Balken mitträgt und stützt, einer
gesunden Zukunft entgegen".
1) Vgl. über die heutige Ukraina: Stephan Rudnyckyj, Ukraina. Land und Volk, Wien 1916. Dazu
die Schriften, die der Verlag des Bundes zur Befreiung der Ukraina herausgibt. Über die alten Holz-
kirchen, die in gewissen Zügen auf altarische Grundlagen zurückgehen und in Iran wie in Indien nach-
klingen, vgl. vorläufig oben S. 191 und 227. Prinz Johann Georg, Herzog zu Sachsen hat in den
Monatsheften für Kunstwissenschaft VIII [1915] S. 393t". auf die ruthenischen Ausläufer hingewiesen. Vgl.
dazu auch mein „Die bildende Kunst des Ostens" S. 41 f.
20*
Anhang.
Anhang.
Im Augenblick des Druckabschlusses lerne ich die von Emile Male in der Revue
de Paris im Juli 1916 begonnene Reihe von „Studien über die deutsche Kunst"
kennen — leider nur aus einer deutschen Übersetzung, die ich Dr. Grautofif verdanke.
Der erste Aufsatz „Die Kunst der germanischen Völker" deckt sich ziemlich genau
mit einem Teile dieses Buches. Es dürfte vielleicht am Platze sein, daran zu er-
innern, daß ich darüber im März d. J. in Stockholm, Göteborg und Lund Vorträge
hielt, die kurz darauf auch in „Konsthistoriska sällskapets publikation" 1916
S. 1 f. und „Die bildende Kunst des Ostens" im Auszuge erschienen sind. Da Male
jede deutsche Quelle anzugeben vermeidet, darf man sich nicht wundern, diese
wie ältere meiner Arbeiten zur Sache gleich denen anderer deutscher Facho-enossen ver-
schwiegen zu sehen. Auch Male leitet die Granateinlage in Gold (vo-1. oben S. 274 f.
aus dem Osten her und verwendet das persische und skythische Material als Bele"-.
Die vorkarolingische Tierinitiale (vgl. oben S. 292 f.) führt er auf den Orient zurück
und sieht als Vermittler dafür die Klöster an. Abgesehen von der Rolle die ich
auch in dieser Richtung den Goten zuteile, bleibt besonders in der Gruppe der
dreistreifigen Bandgeflechte ein scharfer Gegensatz unserer Anschauungen bestehen.
Der zusammenfassende Schlußsatz lautet bei Male: „Die Skulptur ist dem-
nach von der Lombardei ausgegangen (vgl. oben S. 193 und 276 f.), aber wie wir
gesehen haben, ist sie ausschließlich orientalischen Ursprungs. Die deutschen Ge-
lehrten sind daher im Irrtum, wenn sie behaupten, daß die lombardischen Stämme beim
Hintritt nach Italien die Grundelemente der dekorativen Kunst, die sich im VIII. und
IX. Jahrhundert verbreitete, eingeführt hätten. Die Lombardei hat von den Ger-
manen nichts erhalten: alles im Gegenteil von den Christen des Orients, den Griechen
Asiens, den Syrern, den Ägyptern, welche die großen Schöpfer waren, als die klas-
sische Kunst verlöschte. Demzufolge verdankt Italien den Barbaren, die es an sich
gerissen haben, ebenso wenig wie Frankreich. Diese Barbaren besaßen keinerlei
künstlerischen Geist, sie verstanden nur zu zerstören. In der Kunst des Mittelalters
läßt sich nicht ein einziges deutsches Element feststellen. Vielmehr hat Deutschland
diese Kunst des Mittelalters, die es sich rühmte, geschaffen zu haben, fix und ferti'o-
von Italien und Frankreich übernommen".
Male steht also — von seiner Kriegstimmung abgesehen — heute I916 noch auf
dem Standpunkte von Riegl 1893 — 1903. Er weiß nichts davon, daß der vorder-
asiatische Südstrom und der germanische Nordstrom unabhängig voneinander sind,
aber den gleichen Ursprung im fernen Gebiete Altai-Iran haben. Die deutsche
Kunstforschung, deren humanistische Einseitigkeit Male ganz entgangen ist, wird eines
„germanischen Stolzes" angeklagt, dessen sich die eigentlichen Fachvertreter der
Jetztzeit leider nur zu wenig schuldig gemacht haben. Vielleicht dämmert an der
] [and der in diesem Buche behandelten Fragen die Erkenntnis auf, daß wir gut täten,
über der einseitigen Geschichtsforschung den Erdkreis nicht zu vergessen und im
Wege einer vergleichenden YVesensforschung u.a. auch dem Deutschen gerecht zu werden
Schlagwortreihe.
Die Zahlen beziehen sich auf die Seiten, die fettgedruckten auf die Hauptstellen.
Aachen 73, 202, 289 t".
Aboba 166
Achamaniden 67, 1S8, 300
Achmed ibn Tulun 94, 183. 259
Achse, arische 295
Achterverschlingung 232
Achthamar 282
Acrepfeiler 73
Adler 617
Adschanta 233
Afrasijab 262 f.
Ägypten 67, 70, 79t, 149. »77i i83f- r92, 215, 259,
Bretter 88f., 175^, 193 [308
Grabsteine vgl. Kairo
Seidenstoffe 79 f.
Wollstoffe 221
Agra, Arsenal: sog. Türen von Somnath 128, 2067
Ainalov, D. B. 226
Aithikos 286
Ajubiden 259
Ajubidische Schriftornamente 175
Akademien 71, 304 f.
Akanthus, fett und zackig 76, 138 f., 231. 242
■
Akkader 223
Alanen 253, 276
Albanien 24of.
Alexandria 221, 227, 289
Stadtbüste 6 f.
Almandin 276
Altai 105 f., 146, 164 f., 167, 239, 246
Alten, v. 138
Alter Orient, Wiedererwachen 144
Amarawati 72, 276
Ananjew 26
Ananjino, Grabfeld 113
Anarcs 192
Angelsächsische Kunst 22. 256 f.
Ani 135, 218
Antiochia 8, 289, 291
Apahida-Schnalle 32, 66
Appelgren-Kivalo, H. 61, 2S6
Aquitanien 191
Araber 239, 256f.
Arabeske VIII, 35, 71, 76, 82, 93, 118, 122f.. 133 t..
Architekten 226 [201, 232, 236
Architektur 46, 143, 153, 225 f
Arier 187 f., 201, 239, 254, 294, 299 f., 304
Armenien IX, 103, 155, 191, I96f., 203, 218, 227,
Armenier 210, 230, 297 [237, 246, 290 f., 307
Armenische Miniaturen 2 16 f.
Arne, T. J. 3, 25 f., 33, 36, m, 240
Arquarquf 197
Arsakiden 155, 203
Artik 197
Asiatischer Durchbruch 144
Athen, Akropolis 74f., 98, 139, 235, 242
Attila-Palast 288
Augenornament 115, 148
Ausgrabungen im Orient 139, 221, 243, 277
A waren 253
Afghanistan 204 f.
Axjutintsy 142
Bäder, antike 227, 292
Bagaran 290
Baghdad 183, 197 f., 228; 247
Bahrein 183, 258
Baktrien 188, 221
Balch 268
Balkan 74 f.
Bandgeflecht 131, 139, 147, 2 76 f.
Bandornament 193t, 2 16 f., 276f.
Ausbreitung 216
einfach geschlitzt 193
doppelt gestreift 194 f., 280 t'.
Dreistreif 74, 196^, 2i8f, 272f.
Geflecht 193t, 276f.. 308
in Hellas 75 f.
HO
Schi a<T wortreihe
dornament in Italien 74. 279
und Ranke 64, 1 30 t. . 214
Barahat 72. 233, 276
Barbarenkunst 144. 235, 301, 30S
Barbotin 262 f.
Barock 149. 230
Basilika 191, 230
Batik 73
Baummotiv 77, 24S
Bawit 26
Bäzäklik 60, 158
Bedgard 227
Belgrad, Museum, Silber/.ylinder 17 f.
Bene-puszta 30
Berlin, Kgl. Museum, Antiquarium : Siütschatz 63^
Asiatisches Museum 280
Deutscher Verein f. Kunstwissenschaft 287, 292
Kaiser-Friedrich-Museum 280
Ausstellung, frühgermanische 273 f.
Geschnitzte Bretter 89 f., 92, 175 f.
Koptisches Relief, Stadtgöttin 7
Mschatta VII, 72 f.
Stoffe 79
Stuckplatten 219 t.
Tekrit-Bretter 98
Völkerkunde-Museum 117, 147, 282
Bernstein 275
Beschläge 22 f., 44, 47, 53, 194
Bethlehem 36, 44
Bezded 10 1 f.
Bilderverbot 143, 273, 301
Blatnitza 251
Böcklin 301
Bogen, Hufeisen- 12, 29, 31 f., 100, 289
Kiel- 12 f., 32 f., 100, 185
Rund- 36
Spitz- 54, 215
mit Stufe 36
Bogenzinnen 31
Bohnenmotiv 32, 69, 115
Bohrtechnik 138 f.
Bosporanische Kunst 273
Bowila 166, 246
Bramante 191, 301
Brautkauf 168
Brehier, L. 74, 230
Brenner 273
Bretter, geschnitzte 88, 137, 175 f.
Brögger 207
Bronze 23, 108 f., 136, 142
Bronzekessel 58 f.
Bronzezeit 279
dapest, Nationalmuseum 30, 39, 240
Bronzefunde 23^
Szflagy Somlyo 47
Tascbenbleche 101 f., 164, 193, 216, 252
Budapest, Nationalmuseum, Treibstock 31, 247
Budhi 300
Bukarest, Petrasa-Schatz 47 t
Bulgaren 6S, 155. 241
BurckharJt. J. 300
Burdach, K. 296 f.
Burgos, Eltenbeinkasten 282
Byzanz 139, 228 f., 22S1"., 2441.
Gastel Trosino 37, 74
Cederström, R. Frh. v. 107
Chamberlain, H. St. 294 ■
Cbargird 125 t"., 131, 182. 1S4. 19S. 208
Cherbuliez 142
Chersones 244
China 109t., 184, 1S7, 242. 286t".
Bandornament 222
Bronzekessel 130
Glocke 129, 137 f.
Grabpferd 11S
Han-Keramik 121
Jun-kang Grotte 118, 172
Kunst 113 f., 117, 148, 156, 26S. 286t".. 296, 298
Porzellankessel 170
Netzwerk 1 50
Stele vom Jahre 663: 1 iS f.
Stele vom Jahre 554-. 119
Tierornament 113, 194.
Traubenspiegel 73, 116
Tschang 186
Wu-Grab 117 f.
Chorasan IX, 221
Kunstkreis 125 t'., 147, 1S8, 19S. 231
Chorasan-Kaukasus 132
Cimabue 280
Cividale 246
Genien, Paul 225, 236, 288, 290 f., 295
Comasken, Cosmaten 279
Conradv 1 14
Courajod 290
Csuny 23, 36
Curtius Rufus VIII, 9: 73
Dalmatien 243
Dalton, O. M. 41 f., 45
Darmstadt, Elfenbeinkasten 138. 210
Darstellung 124, 143 f., 153, 1S7. 223. 297
Datierungsfragen 43f., 82 f., 93, 243
Davidschüsseln 42 f.
Deichsel 208 f.
Deir-es-Surjani 92, 94, 209f, 128
Dekoratives Denken 17, 143 f.
De Linas 221, 237
Deutsche Gesinnung 303 t".
Deutsche Kunst IX, 294 f., 30S
Deutsche Kunstforschung IX, 304 t.
S< hlagwortreihe
Hl
I »ieulafoy, M. 290
Diez, E. 126, 183, 191, 198, 237. 269
Dil/abul 162, 26S
I »imandj M. 221
Dionysoskult 73
Dipylonstil 239
Dorische Wanderung 256
Drache 3, 63, 102, 135, 168, 170
Dravidakunst 239
Dreiblatt 14, 36, 80, 89, 100, 126, 179 t'.
Dreieckmuster 209, 235
Dreieckspitze 181
Driesen 282
Durazzo 1, 3, 11, 26, 241t".
Durchbruch 29f., 64, 66, 199 1., 210f., 229, 248
1 Hirer 301
Dwin 196
Edelsteine 233
Edessa 197
Efeu 80, 100
Einfallstore des Weltverkehrs 154
Elfenbein mit Durchbruch 210
islamisch 282
Email 54f., 63, 237, 275
Empore 291
Enkolpion 44
Enns 236, 250
Ente 72
Entwicklungsgeschichte 70, 208
Epigraphik 184
Eratosthenes 227, 292
Erechtheionstil 75
Esquilin-Schatz 63
Ethnologen VIII, 156, 164
Etschmiadsin, Kessel 58
Eurasien 145 f.
Europa, Knüpfung 156
Nordkunst 273
Falke, O. v. 82, 94, 132, 150, 22Ö, 225, 233
Faltenwurf 4 f., 10, 43, 263
Farben 54 f., 198
Farbenakkord rot-gelb 162
Fatimiden 183
Fayence 272
Felsrelief 300
Fibel 28, 47, 55
Fiederung 1, 72, 199, 209
Finnisch-ugrischer Kreis 113, 146
Fischblase 178 f.
Fischgrätenornament 19
Fisch-Vogel-Initiale 292
Flächenfiihrung 106 f., 140, 149
Flächenfüllung 79, 102, 132, 145, 149 f., 229, 239
Flächenmusterung 209
Flächenzwang 23
Flaschenartiges Motiv 97, 106, 114, 126, 219
Fleck, auffallender 140
Fliese 221
Flügelmotiv 78, 220
Form 69, 114, 117 (China 1, 124, 136, 140t'., 297
arische 189
griechische 190
Hellas, zerstörend 142
leere Wand 190
ostasiatische 187
Raum 191 f.
Vordrängen des Grundes 89, 91
Forschungsinstitute 305
Franken 144, 288 f., 308
Füllhorn 193
Fußornament 209, 213
Gabelranke 159, 235
Gandharakunst 72, 147, 158
Gallien, Christliche Kunst 288 f.
Galopp 124
Gans 14
Gans, L. v., Sammlung 64
Ganymed 61
Garuda 61
Gegenstand 301
Geisteswissenschaften IX, 302, 303
Gelenkbildung 212
Geometrisches Ornament 66
Georgische Kunst 130 f.
Germanen XV, 223, 239, 2 73 f., 30S
Germanische Kunst I46f., 201, 295
Germigny-des-Pres 243, 290 f.
Geschmack 32, 70, 240
Gestalt 114, 124, 140, 143, 171, 190. 301
menschliche 32, 145, 147 f., 149, 190,227,260^, 297
naturferne 150, 197, 233
Ghasna 128, 182, 204f., 208, 233
Giorgione 238, 301
Giotto 280
Gipsverblendung 94 f., 104
Girlande 72
Glanz 23, 55 f., 60, 115, 140f, 143
Glavinitza 242
Gliederbau 231
Glockenform 53
Glycinie 133
Gold X, 12 f., 22 f., 39, 46, 52 f., 246. 276, 284
Goldenes Gebirge 164
Golubev, Vict. 3, 1S9, 319
Gotartzes-Relief 265, 299
Goten 74, 145, 194, 201, 288 f., 308
Gotik 240, 288, 296 f., 301
Götze 273 f., 284
Grabstelen, arabische 82 t".
312
Schlag wortreihe
Grabstelen, ii =ni>che 293
türki>che 170. -
Granate 100
tdnlage 47 f- 6°. '36, '4'- U7- 246. 274 f..
Greif 22 t'., 62 f.. 256
Griechische Kunst 25 28, 45- 103. 1S8, 194, 227, 239,
Griffe 185 [294, 296
Grimm, Jakob X. 71
Grumwirz 236
Grund 103, 136, 235. 260
Grün wedel 172
Gruppenbau 67
Gußfehler 27. 33
Gußkanal 3;
Hahn 3
Hakenkreuz 129
Halil Edhem 2
Halsketten 44
Hampel, J. 23 t".. 36, 46, 6S. 103. 12S. 132, 148,
Hand 217 [170, 236. 240 244, 274
Händel, M. 170
Händler 22, 245 f.
Handwerk 146, 149 f.. 153
Hartmann. M. 1S3 f.. 260
Hase 282
Hatim Thai 227
Hatra 73, 151, 251. 23S. 299
Haupt. A. 170. 28Sf.. 2941.
Heftel 193
Heger. Franz 59
Hegeso-Relief 23
Hehn. Vikt. VIII
Heiligenschein, chinesischer 119t'.
Hellan 197
Hellas 74t"., 282
Hellenistischer Kreis 40f.. 46t., 63, 223. 226. 230
Heorot-Halle 2S8
Herfeld, E. 35. 94. 96, iS4f., 219, 221
Herz-Pascha 90, 176 f.
Herzförmiges Bandgeflecht 186
Herzmotiv 36. 53t'.. 69, So, 106, 162, 175f., 1 7 9 f . .
Hettiter 189 [184. 235. 271
Hiddensö, Fund 2S6
Hirsch 32, 62
Historisch-philologische Richtung 1S9, 239
Hochasien 152
Hödmezö Väsarhely 37
Hof 234
Hohenberg 237. 252
Holz 74. 130. 145. 149. 199t.. 2*So. 2SS
Holzkirchen 191. 22- 288 307
Holzmodel 961.. 137. 177
II rg - 26
Homeland, Fi;
es, M. 108. 304
Hoerschelmann 114..
Hufeisenbogen 29, 32
Humanismus 113, 190. 223. 23S 256. 297. 303 30s
Hüsing, G. 15S. 166, 187 f.
lllori, Pokal 3
Inder 1S8
Indische Kunst 37. 721'.. 147. 210, 276. 2S9
Indochinesischer Mischstil 261
Indogermanen 187 t"., 201
Indogermanische Kunstforschung IX. 305. 306
Indosaken 73, iSS
Inhalt 192, 297
Initiale 292, 30S
Innsbruck, Emailschale 217
Inschriften VIII, arabische 1251.
Iran 221 f., 239
Ornament 3, S, 9Sf., 104. 210
Iranier 147, iSS
Iraq 95 f., 19S
Irland 293
Islamische Kunst IX, 69. 14.3 f.. 1S7. 25'» f.. 295t.
Italien, Kunst 22 S
Bandgeflecht 194. 279
Jagd 59
Jakobsthal $2
Jakuschidschikloster, Trinität 120;.
Japanische Kunst 119 f.
Jassinowa 248
Jasz-Bereny, Hora 217
Jelie. L. 243. 253
Jemen 1S3
Jenisseifunde 120, 164. 16S, 211. 249. 2S2, 286
Jerusalem 45, 233
JireJek. K. 241t". 246
Johannishus, Fund 286
Jurte 159 t".
Kairo. Ägyptisches Museum 176
Arabisches Museum, Grabstelen 30, S2 f., 117
# 127, 170. 174, 233, 235. 242
Holzschnitzereien 88f., 1 >4 ^>5- 199. 242
Bab el-Futuh 193
Hakimtor 93
Imam Schart 'i 93, 193
Kasr esch-Schama'a 91, 176
Sammlung Homblower 170
v denstoffe 79 f., iS4f.
Tulunornamente 95t".. 17(>f. i>4 '
Kairuan 7S. 198f., 2IO, 232
Kaisariani 73
Kaisermiinzen 44
Kalligraphie, arabische Si N" '26
türkische 174 t"., 1 S3 f., 1S6
Kandelabermotiv 35t.. 72, 76 ; . 168 1 )2 230t.
Schla"wortrethe
313
131, 135, 182, 193, 198,
[205 f., 208, 2lSf., 27I
Kandusch 260 t".
Kapitell 139, 196t'.
Kämp'er- 16, 78, 197 t.
Karabacek, v. 174, 184, 219
Karl d. Gr. 288, 295, 299t'.
Karl d. Kahle 263. 293
Karmaten 1S3
Kaukasicr 187
Kaukasus 26
Keil, B. 7 f., 21, 166
Keilschnitt 66, 98, 136 f., 143
Kelermes, Goldfunde 140, 213, 274
Keramik 260 f.
Kerbschnittmuster 209, 273 f.
Kcrynia 41 f., 31
Keszthely 26f., 85, 236, 242, 247 f.
Kettenmotiv 831°., 88
Khotan 221
Kirche 234, 288
Kirgisen 107 f., 151, 164
Klausenburg, Museum 66
Kleinasien 289
Kleinkunst 41, 233 f.
Kluge, Th. 132
Knopfornament 88, 98
Knoten 197, 216
Knüpfteppich 155 t.
Kocel 227
Kommaschlitz 45, 102, 176, 179 f
Konchen 227
Kondakov, N. 166, 237, 268
Konia 263
Konstantinopel 223 f.
Ottom. Mus., Goldpokal 1 f.,
Säulentrommel 73
Sophienkirche 228 f.
Stadtbüste 4
Türkische Moscheen 153
Kopenhagen 286
Kopfcypus, nordischer 263
Koptische Kunst 7 f., 69, 215, 292
Korb 14 f.
Kostromskaja 142
Kostüm 255
Kotschkarschatz 105, 179, 1S5, 2 1 4 f . , 260, 277, 282
Schale 105 f., 114
Krabbe 31
Kranzgesims 196 t'.
Kreislappen 12, 2 7 f., 53,
spitz 97, 138
Kreispunkt 57, 129
Kreisstäbchen I2gf.: 141, 168
Kreisverschlingung 56f., 63, 130 f., 132t., 217f.
Kremsmünster, Tassilokelch 1 1
Kreuz 53, 55, 102, 168
Kreuzkuppelkirche 227
10, 14, 49. 56. 64>
[168, 245
69, 76, 89 f., 115, 186,
[207, 220, 247 f., 282
Kreuzungen 199
Kristiania 207 f., 21S. 2S4
Kroatien 74
Krönungsornament 86 f., 129, 185, 219
Krungl 236, 249 (Abb. 197 Unterschrift falsch)
Kuban 46
Kufi, blühendes 77, 87, 183
Kugel 250
Kühn«l, E. 78, 199
Kulolba 142
Kulturen, hohe 142, 149, 306
Kulturfbrscher VIII
Kunsthistoriker IX, 189, 222 t"., 225. 304, 306
Kunstforschung, vergleichende IX, 305
Kunstwollen 69 f., 79, 143 f., 234C, 237, 239
Kuppel 191, 197, 221, 223, 226f., 292
Kutais 130
Kwiatkowski, v. I, 14
Lambrequins 102, 162, 169 f.
Landschaft, Ranken- 72
Rauten- 151
Reiher- 172
Langobarden 74, 194, 201
Lanzettformen 19, 181
Lappland 36
La Tene-Zeit 143, 274, 293
Laufer, B. 268 f.
Lebensbaum 81, 192
Le Coq, A. von 15S
Lehm 126
Leipzig, Grassistoff 80
Leitmotive 28, 194
Lemberg, Armenisches Evangeliar 215, 282 t",
Leonardo 191, 238
Licht und Schatten 46, 176, 187, 192, 201
Lilie 33
Lindenschmidt 273^
Linie, griechische 28, 142, 187
Löffel 41, 217
London, Viktoria and Albert-Museum 79, 93, 260
Lotus 60, 72, 133, 179 f.
Löwe 58, 100, 282
Löwenreiter 59, 72
Luchs 23, 215
Luftziegel 104, 191, 228, 230
Luksor-Schatz 50
Luxus 223, 229, 237, 246, 299
Mäander 113 t.
Macht 71, 143, 149, 238, 306
Madonna 280
Mahmud von Gasna 126, 128, 203, 297
Male, E. IX, 308
Mandelmotiv 58, 80
Manichäer 283, 292
3M
Schlagwortreihe
Ali 96
Marmor-Intarsia 232
Martely 25. 32. 250
Martin, F. R. ioSt".. 210
M.is>e 294
Material it., 63, 70, 213, 231
Wirkung n
Mauers'.ärke 231
Mazdaismus 301
Medrese 239
Mehrflächigkeit 29f., 31, 125, 199. 204 f.
Melioransky 16S
Menghin, O. 143
Menschentypen 294
Menschheit 307
Merowinger 273 f.
Merw 26S
Mesjaros 167
Mesopotamien 67, 70, 95 t".. 149, 212
Messer, sibirische 13S
Metall 130, 136t"., 149. 164f.. 221, 276
Metallfüllung 4
Metallglanz II, 136
Methode 147, 154, 290, 302
Michelangelo 141, 23S, 301
Migeon, G. 202
Mimbar 198 t".
Ming Üi 151
Miniaturenmalerei 2 16 f., 237, 278t"., 292
Minnedienst 296
Minns in, 141, 146, 213. 275 t".
Minussinsk. Museum 141
Mschkulturen 234
Mittelalter X, 79, 144. 23Sf.. 300 f.
Mittelasien, hellenistischer Kreis VII f., 136
Mittelmeerglaube VII f., 135, 305
Kunst 46, 144, 187, 223 f.
Modellierung 142
Mohn 72
Mongolen 261
Monogramme 19
Montelius, O. 1 11, 142, 240, 279
Morgan, J. P. VII, 1. 41t".
Morlaken 253
M ~aik 229
Moscheen 153, 258
Mschatta VII, 3, 26, 60, 64, 69, 72 f., 131, 210,
Murtuq 162 [213, 219, 228C, 258
Mnschaiabije 199 t'.
Muschel 14
Musik 237 f.
Musikanten 266t".
Muster und Grund 103
ohne Ende 15, 132, 150 f., 163. 199 f., 209, 231
Muth 116 f.. 137. 287
Mykenae 70. 124 179, 223. 236
240 f.
14, 40 f.. 43 fn
Nabe 106, 118, 193
Nagy, G. v. 166
Nara. Horiudschiklosier, Trinität 1 19 f.
Museum. Laterne 211 f.
Naturalismus 190. 210
Naturvölker 148 f.
Negative Ornamente 141
Nemesvölgy 32
Neolithische Kunst 142
Netzwerk 232
Neumann, C, 2941'.
New York, Sammlung Morgan
Albanischer Schatz Vllf., 1 f., 91,
Nr. 2. Pokal mit Stadtbüsten 31'.
49, 55i 242, 245
3 u. 4. Schuppenpokale 1 1 f., 14, 40, 55
3 u. 6. Goldschalen 11 f., 50, 62
S u. 9. Golddeckel (?) 13
10. Silberkessel 14 t'., 40, 20S
11. Silberschale 17 t'., 40, 105
12. Silberkrug, christl. 19t".. 40. 33. 37. 242.
13. Greifenbeschläg 22!".. 213, 252 "244
14. Riemeoende 25 t".
15. Beschlägfragrnent 26 f., 243
16. Schnalle 28 f., 44
17. Riemenende mit Palmettenkrönung 29 t'..
18. Riemenende mit Wirbel 31 f., 252 [S3
19 — 22. Vier Riemenenden 33 f., 245
23. Scheibe mit Ranke 33 1". . 44
24. Hülse mit Rankenbaum 35 f.
25. Hülse mit Herzformen 36 t., 54
26 u. 27. Bügelbeschläge 36, 44, 245
2S. Bügelbeschläg 37
29 t". Beschläge 32
Zyprische Schätze 41 1.
Nierenmotiv 207
Nin 243
Nischapur 221 [297
Nische 7S, 101, n8f., 195, 215, 235, 266, 283,289,
Nisibis 94, 66
Nomaden 39, 71, 142, 143f.. 145t, 156, 187.238t.. 244
Weg 88, 183 f.
Nordarier IX, 294
Nordasiatische Kunst 124
Nordvölker IX, 71, 142, 143 f., 146 f.. 239, 297
Norwegen 207 f.
Oberitalien 244, 30S
Oldenburg, S. v. 162
Omajjaden 256
Orchonstelen 154, 29 7 f.
Organisation 65, 302 f.
Orient 290, 295
Orientalischer Teppich 155 f.
Ornament 143 t., 1 53 f.
geometrisches 91
Schlagwortreibe
315
< hnamentiorscher VIII
Orthodoxie 222, 290
Osebergschifi 207 f., 284 f., 2S6
Osmanen 153, 259, 299
Ostgoten 273t'
Ostiranische Kunst 128
Oströmische Kunst 144, 224, 234 f.
Palermo 93
Palmette VIII, 12, 28, 186, 216, 229, 248
-Baum 55, 77 f., 83, 87, 100, 192, 282
Poppelschnörkel 91
tlächearullend 53, 80 f.
Flügel- 100, 126
gesprengte 29 f., 72
griechische 136
Halb- 25 f., 29, 58, 69, 80, 83 f., 94, 248
Herzblatt 30
Keimformen 28!"., 54, 100
Keulen form 98, 106
und Kreislappen VIII, 28 f., 74, 248, 254, 282
Kreisstäbchen 141, 251
Mschatta- 199
Palmettisierung 229
-Ranke vgl. „Ranke"
Schnörkelfüllung 1 79 f.
Spaltformen 232
-Spitze 83, 85
Stäbchen- 62, 168
-Stoffe 30 t'., 79 f., 86 f., 242
Voll- 12, 33 f., 50, 76, 83, 100, 114, 158, 184,
187, 198, 207, 219, 243, 248, 282
Welle 85 f.
Wipfel 36, 80 f., 87, 106
Wucherformeii 28f., 54, ioof., 105 f.
Zwickelzapfen 84
Panopolis 79, 82
Panther 47
Papier 183
Parallelführung 140
Paris, Chosrawschale 263^, 276
Louvre 90
Sammlung Economo, Goldschale 1, I2f., 64, 245
Sammlung Guimet 73
Parthenon 142
Parther 103, 135, 188, 221
Paternus-Schüssel 50
Pavimentmosaiken 277
Pelte 162, 205
Pendentif 228
Pereschtschepina 47 f.
Perlhuhn 100
Perser 189, 2 59 f.
Persis 188, 221, 228
Persische Kunst 39, 235, 296
Einfluß 235
Persischer Teppich 163
Petersburg, Ermitage 47 f., 98, 105 f., i40f., 156, 158,
Stieglitz-Museum 98 f. [262 f., 274
Petroasa 47 f., 242
Pfau 77, 100, 282
Pferd 142
Pflanzenornament 1131'., 1 79 f., 235^
ri-förmiges Motiv 219
Pharmakowsky 274
Phidias 142
Philae 215
Philologie, klass. 142, i88f„ 225, 297, 302, 304^
Pinienzapfen 265
Pokale 2 f., 49
Po-ku-t'u-lu 113 t'., 129
Poltawaschatz 39, 47 f., 100, 242, 250
Polygonalornament 136, 277^
Pontostheorie 235 f., 253 f.
Porzellan 170, 173
Pösta, B. 240, 253, 292
Prähistorische Kunst VIII, 147, 189
Presztovacz 55, 63, 251
Profilierung 32, 60, 95
Prunk 22Sf.
Psalm 29, 3: 21
Puchstein, 0. 227, 292
Punzierung 15, 21
Püspök-Szent-Erzsebet 26
Quaderschnitt 289
Qualität, künstlerische 23, 39, 44, 142 f.. 204 f., 3
Quedlinburg 130
Quyzyl 151
Radkan, Turm 172 t'.
Radlov, W. 189
Raffael 141
Ranke VIII, 70, 123f., 236
Abschnürung 76
und Bandornament 64, 130!"., 214
Baum 36, ioo, 216
Bronze und Gold 22 f.
abgesetzt 115, 118
flächenfüllend 53 f.
geometrische 123f., 173, 183t"., 229
indische 72 t".
im Islam 95
keulenförmig 106
mit Krabbenansätzen 119
Kreislappen- 25 f., 105, 109 f., 247 t.
Kreisstab- 37, 62, 128 f., 168 f.
-Kufi 174t.
nordische 208
ohne Ende 34t'., 151, 164
Palmetten- vgl. „Palmette" «,
Pflanzen- 72 f., 228
02
3i6
Schlagwort reihe
Ranke aus Spirale 23. 121t'., 124. 136
-Stamm 233
in Süd Frankreich 254
Teppich 155 f.
mit Tieen 30. 73
Verdickung 35. 53, 100
Wirbel 31t'.
125.
12;
mit zweistreiriger Welle 73,
Rasse 1^7. 2IO, 294
Rauhung 177
Raumgefühl 223, 294
Rautenmuster 14!"., 29, 1 1 5 f . , 150f., I96f., 2o8f.
Ravenna, Grabmal der Galla Placidia 291
Maximianskathedra 73
Orthodoxes Baptisterium 266
Theodorichgrab 196, 289
S. Vitale 78, 290 *>
Realistisches Denken 17, vgl. „Gestalt"
Rebstamm 60
Reciprokornament 69
Reichel. A. 124
Reiherlandschaft 56, 60, 233
Reinach, S. 124
Reiter 57 t".
Reiterstoffe 221
Reitervölker 103, 254, 299
Relief 55^
Religion 149, vgl. „Macht"
Renaissance IXf., 75, 225, 238, 240, 294, 297 f.
Reuther. O. 197
Rbomäer 239
Riefelung in S-Form 11
Riegl, A. VIII f., 113, 135 t., 145, 224, 234, 273, 295,
Albanischer Schatz VII. 244 [3°5i 3°S
Altorientalische Teppiche 70, 123, 155 f.
Oströmische Beiträge 234f., 244, 255
Spätrömische Kunstindustrie 32, 65 t"., 88 f., 98,
I36f., 142, 144, 147, 176, 190, 210, 224,
2 73 f., 290
Spätrömisch oder orientalisch? 65, 249t".
Stilfragen 33, 7of., 113, 123^, 138^ 149T.,
Riemenzunge 22 t'., 47, 52 f. [179, 182, 190, 227
Rillen 282
Ritztechnik 60, 158
Röd, Fund 286
Rohziegelbau 104, 191, 228, 230
Rom 223 t"., 226, 230, 234, 290
v Costanza 36
Kaiserkunst 149
I-ateranpfeiler 73
Pantheon 191, 227, 291
Reichskunst 226
lthiiste 5 f.
Romanen 239
Rosenberg, M. 276'-
ten 45. 47, 6o, 80, S4. 132. 162. 207
Rostovzev, M. 141
Rotunde 227 f.
Säbel 107
Sackgasse, kunsthistorische I4>. 2:^
Safiabad 266
Saken IX, 67, 105, 155, 164, 187 f.. 217 222 226r.
Saladin, H. 199 f.
Salin, B. 194, 273, 295 f.
Salonik, Georgskirche 16
Samaniden 210, 297
Samarkand 158
Samarra 95 f.. 170, 184, 192, 198, 242, 274
Sängbäst 126t'., 182, 184
Santschi 72, 209
Sarmaten 236, 253
Sarre, F. 96, 99, 260 f.
Sasanidische Kunst io, 46t., 103. 135, 18S
Brett 199
Kessel 5 8 f.
Krone 157
Silberkrug 13, 98, 139, 235
Silberschüsseln 51 f., 99 f., 156 f.. 250. 260
Sattelholz 184
Säule 227
Säulenordnungen 191
Schalen-Typen 17
Schantung 117!'.
Schatten 67
Schatzfunde 46 f., 224
Scheibendreieck 170
Schetelig 207
Schildmuster Sgf., 95, 137, 182, 1S4
Schlitten 208
Schlosser, J. v. 239
Schmarsow, A. 65, 145, 149
Schmelz 54!"., 221, 237
Schmuck 22 f., 44 f., 47 f., 53, 72
Schnalle 22 f., 28, 44, 47, 52 f., 55
Schnörkel, geometrischer 89 f., 108, 173, 177f., 265
-blatt 193
Schraffierung 180 f.
Schrägschnitl 12, 22 f., 46, 69, 76, 88 f., 95, 121,
Schuppenmuster 215 [136f., 1S4. 235, 273f.
Schurtz, H. 145
Schwanenlinie 178
Schwanz mit Tierkopf 216, 282
Segment, gezackt 161
Seidenstoffe X, 17, 30, 56, 79 f., S6, 192, 220, 294
Seistan 203
Scldschukenkunst 153. 174, 259, 299
Siniirjetschensk 105, 188, 214
Semiten 67, 73, i88f., 304
Semper, G. 80, 136. 172
Sengim 132, 172
S-förmiger Linienzug 28- 36. 55, 81. 114- 2S2
s* hlagwortreihe
317
Sibirische Kunst 108 f., 167t"., 2 10 f., 242, 286
Sichelornament 109 f.
Silber 50, 98 f., 136, 284
>ingan Fu 29S
Sitztypus 158
Siut-Schatz 63 t.
Skythenfrage 146, 153, 156, 187
Skythenfunde 113, 140 f., 213
Slaven 253
Smirnov, J. J. 4, 50, 98, 106, 137, 167 f., 263
Somers-Clarke 177
Sotiriou, G. 245
Soziale Voraussetzungen 149
Spalato 243
Spanien 184, 246, 289, 292
Spätrömische Kunst 144
Spirale 114, 124, 136, 293
Spitzovales Muster 3, 98, 102, 118, 151, 193, 232, 260
Sporenbliite 91, 126, 179 f.
Sprachforschung 71, 295
St. Gallen 287 f.
St. Maurice 225
S. Pedro de Nave 288'
Stäbchen 128 f., 251
Stabkirchen 284, 288
Stadttychen 4 f.
Standmotiv, indisches 73
Stein 74, 130, 145
S:eppenzone 145
Sternornament 32, 199, 205 f.
Stickerei 83, 149 f-
Stockholm 25, 107, 142, 279, 286, 30S
S;ocklein, H. 107, 164, 186, 217
Stoffbehaog 135, 151
Stoffmuster 132 f., 163
S.ralsund 284
Strichpunktornament Ö2f., 97 f., 137, 167, 198, 212
Strobjehnen, Ring 286
Strong, E. 68
Strzygowski, J. 65, 144, 147 f., 222 f.
Aachen 290
Amida IX, 69, 76f., 144, 224
Armenien 191, 22Öf., 282
Ch'nesische Kunst 287
Deutsche Kunst 294 f.
Gründung Konstantinopels 226, 230
Hellas 74 f.
. Hellas in des Orients Umarmung 65 f., 145, 223
Hellenische und koptische Kunst 73
Italien 190
Kleinarmenische Miniaturenmalerei 127, 193, 197,
Koptische Kunst 69, 88, 94, 197 [237^282
Kreuzkuppel 67 •
Mschatta VII, 31, 33, 45, 60, 64, 72f., 88, 132,
136, 151 f., 203, 207, 222, 224, 228, 258, 291
Orient oder Eyzanz 226
Strzygowski, J., Orient oder Rom 68. 73, 224 226,
Pinienzapfen 77 [296
Volkskunst 150
Wandel der Kunstforschung 65 f.
Wechselwirkungen 30, 79 f., 150
Stuckatoren 228
Stuckornamente 179t., 259t'.
Stucktechnik 137
Stufenaufsatz 37
Südkunst 144
Südrußland 25, 39, 146, 154, 273. 284, 286
Sumcrier 154, 194, 223
Supka, G. 30, 36, 39, 47, 60 f., 101, 166 f., 240. 276
Susiana 221
Swartnotz 196, 218
Symmetrie 103, 150
Syrische Kunst 45 f , 143, 147. 211, 216, 30S
Systematik 65, 122, 124, 301 f.
Szeged 36 f.
Szilagy Somlyo 47 f.
Szirrik 39
Szoliva 10 1 f.
Tabula ansata 185, 219
Tai-peg 3, 167
Talin 197
Tallgren, A. M. 1 1 1 f.
Taq-i-Bostan 36, 203
Tarczal ioif.
Tarimbecken 148, 153 f.
Taschkend, Grabsteine 174, 184 f.
Tatsache 238, 302, 305
Technik lf., 63, 96 f., 114, 136t.. 167. 199
Teheran 270 f.
Teppich 145, 155f., 265
Terra sigillata 17
Textilarbeit 149 f.
T-förmiges Ornament 55, 92, 126, 132, 16S, 176,
Theodahat 246 [^ 207
Theoderich 288
Tiefendunkel 67, 126, 136, 201. 213, 239
Tier mit Menschenkopf 59
Tierfratzen 215
Tiergeriemsel 28-tf.
Tierinitiale 292, 30S
Tierkampf 62, 76
Tierornament 37, 141, 147, 194, 201, 207, 208 f.,
Tii'lis 58, 131 [216, 222, 271, 282t"., 295.
Holztür 131, 218
Tirana 1, 3, 11, 74, 241
Tonnengewölbe 132, 221
1 Toreutik, hellenistische 18 *
Toulouse und Tour 289
Transoxanien 146, 183
Traube 32, 100, 235
Treibhäuser der Kultur 145, 149. 152, 3o6f.
Schlagwortreilie
Trikonc!.
Trompe -
nkuppel 243
Trompeten muster 23. uv
Tscbataltscha-Schat/ 243
Tübingen. Armenisches Evangeliar 2IJ
Tuluniden 153, 1^3
Tun-huang 133, 221
Turan 2
Türen S9L, 131
Türken IX. 105. 133t.. 188, 259f 297t
Turkestan 153. 221. 231
Türkische Kalligraphie 173 r . . 1S3Ü
Kirnst 151. 153 f. : 215. 254
Turkmenen 162
Überfall 114, 172
Übersponnene Ornamente 209 f.
Ukraina vgl. „Südrußland" und 306 f.
Einlas 2S9
Ungarn 22 f.. 461., 133
Universitäten 304 t.
la. Codex an;. 2S9. 292
Ural 276
Uralaltaisehe Kunst 142, 146. \i
("iüken 164. .
Vase 141".
Verblüffung 223
\"erdickung der Ranke 35
Yerkleidungsarchitektur 219. 222
Yieq^aßornament 69. 132. 207. 219
Viollet, H. 95 t.
Vogel 14, 100
Vogelkopt 110
Völkerwanderung IX. 154t.. 23
Kunst 224. 2731'.
Vi lkerzonen Eurasiens 143 f.
Volkskunst 150. 156, 301
Volute 143
Yoßler. K. 1S9
Yrap 1 f.. 241 f.
W - rger, A. 117, 162. 299
en 164
Wan 47
Wandbilder 132
Wanderbirteo 145 t.
Wandverkleidung 219. 222. 228f.
u. Museum des Kunstvereins 3
lranke 198, 233
iblait mit Auflag* 151
2 :; 50 72 f.. 79. 136. 147.
YYdlengl
199. 2
[232 t".
Wellenlinie 2$. S3 f.. 179
mehrstreifig 73, 76, 211
Wellesz, E. 2371.
Weltverkehr 22, 25. 46. 71. 122. 124. 133. 138 iü
147 f., :o2. 2231.. 22St".. 234. 233
Werkstätten 341".. 244
Werte, künstlerische 302
Wesensforschung 302 f.
:_;oten 2 SS f.
WickhofY. F. 65, 6S. 113. 224, 290, 305
Widder 293
Wien, Akademie der Wiss. 71, 3
Archäologisches Institut 224
Jagdteppich 265
Kunsthist. Hofmuseum. Schatz von Szil
Somlyo 47
Ephesosbeschläg 235 f.
Xagy-Szent-Miklos 14, 22. 31. 54f.. 63
Blattüberfall 172 "164 f.. 222
Füllhörner 54, 62
Inschriften 152, 1651".. 244
Krüge 21, 55 f., ioo
Gehänge 102
mit hohlem Mäander 55 f., 92
mit Kettenmäander 55
mit Reiherlandschaft 56 t"., 60
mit Zangenomament 57 1., 76, 106. 1 1.:
Napf mit Kxeisstabranke 63. 129 f.
Pfanne i6Sf., 252
Pokale 3. 12
Schalen 62 f., 103 t".
Buela-Butaul 166 f.
Tai-peg 3, 167
Taufschale 21. 167 f.
Tierkampf 62
Kunsthist. Institut 135, 183 is". 198 227 2
Xaturhist. Hofmuseum ioSf.. 1 50. 249
Altchinesische Bronzen 1141.
Veit-Funde 236
Sammlung Strzygowski 42. 44. 37 f.. 2Sof.
Südarabische Expedition 25S
Wiener Art 290
Wikingerschiff 2
Wiklund, K. B. 1 1 1
Wilhelm. A. 227. 292
Wilpert. J. 234
Wirbel 32. 37, 69, 132. 293
Wirtschaftliche Voraussetzungen 145. 14S
With, K. 117
WitisT.ngen 2 So
Wjatka 39
Wladimir 282
\V61fflin, H. 65
Wolkenmotiv 117
Woninger, W. 143. 151. 104, 2M4
Wulff, O. 147. 222, 2261.. 230
[3°°
Schlagwortreihe — Nachträge und Verbesserungen
319
Wulst, gedrehter 3, 130, 16S
Wundt, W. 149
Wiirfelkapitell 197
Zahn, R. 64, 210, 277
Zangenornament 132, 170 f.
Zattelmotiv 169 f., 25S
Zellenverglasung 66, 131, 141, 246, 274f.
Zelt 14, 133, 152, 155f, 299
Zenobios 20
Zentralasien 103 f.
Zickzack 199, 21S, 2S2
Ziegel 104, 217, 22S. 231
Zierkunst 143 t'.
Zierstücke 23 f.
Zikade 13S, 170
Zimmermann, E. 197, 27S, 290t'.
Zinnenband 3, 235
Ziselierung 43
Zweiflächigkeit 209 f.
Zwiebelform 12, 31, 1S5, 254
Zypern, Geschichte 7 t'., 45 t'.
Schatzfunde 41 f.
St ad tb äste 5
Toreutik 6, 41 f.
Nachträge und Verbesserungen.
S. 41 Z. 7 von unten: Kerynia statt Kyrenia.
S, 43 Z. 9 von oben: 8 f. statt 87.
S. 72 Tafel IX ist nach Aufnahmen hergestellt, die ich Victor Golubev verdanke
S. 74 ist die Seitenzahl zu berichtigen.
S. 107 Anm. 1: Lifrustkammaren Vägledning (191 5) statt Lifrüstkammaren.
S. 110 Zu dem Vergleich der Kreislappenranke mit dem Vogelkopf vgl. auch Appelgren-Kivalo, Vogel-
kopf und Hirfch, Finnisch-ugrische Forschungen XII (1912), Festgabe für Villi. Thomsen.
S. 249 soll die Unterschrift von Abb. 197 lauten: Graz, Landesmuseum: Fund von Krungl.
V
NK
1263
,S8
IMS
Strzyqowski. Josef
1862-1941
Altai-Iran und
Volkerwanderung :
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59 QUEEI
S PARK
Toronto
5,
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