Verrat an Europa
Ein Rotbuch iiber die Bolsechewisierung der Tschecho-Slowakei
Von Karl Vietz
Herausgegeben von der
ANTI-KOMINTERN
1.-100. Tausend
1938
Nibelungen-Verlag, GmbH., Berlin-Leipzig
INHALT
EinfUhrung
Warum Tschecho-Slowakei?
Die Griinder des Staates und ihre Absichten
Der innere Kurs der C.S.R.
Provokationen als staatspolitischer Grundsatz
Die Unterdriickung der Volksgruppen
Die Auslieferung an den Bolschewismus
Prag muss Moskau gehorchen
Sowjet-Militars in der Tschecho-Slowakei zu Hause
Generale konsultieren
Die "Landbriicke"
Prager Generalstabs-Philosophie
Die politische Infizierung des Landes
Kulturbolschewismus
Vortrage und Ausstellungen
Das Land mit Sowjetfilmen uberflutet
Selbst der Sport bleibt nicht verschont
Bolschewistische Tschechenpresse
Prag - Sammelpunkt der Umstiirzler
Die Wuhlarbeit gegen Deutschland
Die Bedrohung Polens
Schlusswort
"Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei ist sich ihrer internationalen Verantwortung gegeniiber dem
internationalen Proletariat bewusst. Sie stellt vor dem Proletariat die Perspektiven und das Ziel auf, die
Tschechoslowakei zu einem festen Bollwerk der Sowjetunion, zum Bollwerk und Brennpunkt der proletarischen
Revolution in Mitteleuropa zu machen."
J. Slansky, Mitglied des Politburos der K.P.Tsch.
und des Prager Abgeordnetenhauses.
EINFUHRUNG
20 Jahre nach der Griindung der tschechoslowakischen Republik sind die Gefahren, die von diesem Staat her seit 1918
die Mitte des Kontinents nicht zur Ruhe kommen liessen, in der kritischsten Weise akut und fiir die ganze Welt offenbar
geworden. Die Krise ist zum Ausbruch gekommen. Sie war immer da. Sie lag in der Zweckbestimmung des Staates und
in seiner inneren und ausseren Politik. Die ungehemmte Tschechisierung, die Drangsalierung der nichttschechischen
Volksgruppen ist nicht von heute, die Frontenstellung der Tschechen gegen ihre mitteleuropaische Umwelt ebenso nicht.
"Die Griindung dieses Staates ist ein Angriff gegen den Friedensgedanken, der Staat wird ein Herd standiger
Unruhe sein und eine Konsolidierung des Kontinentes verhindern",
warnten die sudetendeutschen Vertreter auf der St. Germainer Diktatkonferenz. Die Geschichte hat diese Warnung
gerechtfertigt. Wohl beteuerten die Tschechen, als sie sich von anderen Machten einen Staat schenken liessen, der weit
iiber das tschechische Siedlungsgebiet hinausreicht, das Regim, wiirde gerecht und grossziigig sein. "Es wiirde dem der
Schweiz ahnlich sein", versprach Dr. Benesch den Alliierten. Als aber die Diktatkonferenz entschieden hatte, machten
die verantwortlichen tschechischen Manner aus ihren Herzen keine Mordergrube mehr; sie verkiindeten, wie sie en in in
Wahrheit zu regieren dachten. Parolen wilden Hasses wurd das Volk geschleudert und die Regierungen selbst 'hielten
sich in ihrer Politik an diese Parolen, die immer wieder auf die Formel hinausliefen: Die Deutschen miissen
verschwinden! oder unverhohlen besagten: jedes Verbrechen ist erlaubt, wenn es am Deutschtum begangen wird.
Die Welt, die berufen gewesen ware, diesem Treiben Einhalt zu gebieten, hat tellnahmlos und gleichgiiltig zugesehen,
keine Kenntnis davon genommen, bis sie spatestens im Mai 1938 erkennen musste,
dass die bohmische Krise eine Krise des europaischen Friedens ist.
In konzentrierter Form wurde gewissermassen von den Tschechen im Friihjahr und Sommer 1938 wiederholt, was sie in
zwanzig Jahren gegen die Volksgruppen in ihren Staate, gegen die Nachbarn und gegen Europa sundigten.
Mit Ausschreitungen tschechisch-kommunistischen Mobs begann es, und immer war die tschechische Polizei auf der
Seite des Mobs und nicht der iiberfallenen Deutschen. In Troppau wurde eine Greisin niedergeschlagen und ein
Deutscher lebensgefahrlich verletzt. In Kgmotau veranstalteten tschechische Zivilisten und Soldaten eine wahre
Treibjagd auf die friedliche, wehrlose Bevolkerung. Ueber hundert Deutsche mussten verletzt dem Krankenhaus
zugefuhrt werden. In Mahrisch-Schonberg brachen Frauen und Kinder unter den Gummiknuppeln der tschechischen
Polizei zusammen. Kein Tag verging ohne Ueberfall auf Deutsche, und doch war das alles nur ein Anfang, nur ein
Vorspiel. Das Spiel begann am 20. Mai mit .der Mobilmachung, Mobilmachung gegen die Volksgruppen im Lande
und Mobilmachung gegen das Deutsche Reich, und es war nur von furchtbarer Folgerichtigkeit in diesem Treiben,
dass der Tag der Mobilmachung, der 20. Mai, mit der Ermordung zweier unschuldiger Deutscher, der Egerlander
Bauern Bohm und Hoffmann, begann.
Der sudetendeutsche Boden war enteignet. 4000 Schulklassen wurden den Deutschen weggenommen, 48 000
deutsche Beamte auf das Master geworfen, hunderte bluhender sudetendeutscher Industriewerke in Ruinen
verwandelt. Ueber 200 000 Sudetendeutsche hatte ein tschechischer Ministerprasident das Todesurteil mit den
Worten gesprochen: Sie wurden nie mehr in den Arbeitsprozess eingeschaltet werden.
Und nun gingen Organe des Staates ziim naekten Mord iiber. Nun rief der Staat Beserveiahrgange unter die
Waffen, warf er Truppen an die Grenzen, sehlekte seine Soldaten Ober die Grenze in das Uoheitsgeblet des
Naehbarn. Tseheehisebe Flieger kreisten iiber dentsehen Stadten, tseheehtsehe Soldaten ziindeten auf deutsehem
Boden Briieken an.
Liess sich das Deutsche Reich immer noch nicht aus der Ruhe bringen, die gequalten Sudetendeutschen in der
Leidenschaft eines misshandelten Volkes immer noch nicht zur Abschuttelung des Unterdruckerjoches mit der Waffe in
der Hand hinreissen? Wurde noch immer aus dem schwelenden Feuer kein lodernder Brand?
Viele befiirchteten, die Tschechen und ihre Auftraggeber hofften es.
Es hatte eines knappen Befehles bedurft, um die Grenzverletzungen tschechischer Flieger einzustellen. Der Befehl blieb
aus. Es bedurfte nur eines Befehles von oben, und die tschechische Polizei hatte sich in Komotau, Troppau, Mahrisch-
Schonberg, Falkenau, Tetschen, Reichenberg, Gablonz, Eger fur die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung
eingesetzt und iiberfallenen Deutschen Schutz gewahrt. Auch dieser Befehl blieb aus. Es bedurfte eines Befehls an die
Soldateska, keine weitere Treibjagden auf Deutsche zu veranstalten, aber der Befehl wurde nicht gegeben.
Wir haben bisher von Deutschen gesprochen, und diese sind ja auch in erster Linie 20 Jahre lang die Hauptleidtragenden
der tschechischen Politik gewesen, aber nicht die allein Leidtragenden. So wie die Deutschen im Staate wurden auch
Slowaken und Ungarn, Polen und Ukrainer drangsaliert. Deutsche und Ungarn aber, Slowaken, Polen und Ukrainer sind
in der tschechischen Republik starker als das Volk der Zwingherren, nach denen der Staat seinen Namen tragt. Sie sind
um das Zehn- und Fiinfzehnfache starker als die sieben Millionen Tschechen, denn sie sind abgesprengte Teile
europaischer Nationen. jeder Schlag gegen diese abgesprengten Teile aber ist zugleich auch als ein Schlag gegen die
Muttervolker gedacht.
Das heisst, dass sieben Millionen 120 Millionen provozieren. Das kleine Volk der Tschechen sucht das machtige
Deutschland zum Kriege herauszufordern, und die Ereignisse im Mai waren eine solche Herausforderung.
Es ist ungeheuerlich, unbegreiflich, unfasslich. Woher nehmen die sieben Millionen den Mut, sich gegen die
erdriickende Uebermacht der 120 Millionen zu stellen? Wie kommt es, dass die 48 prozentige Minderheit der
Tschechen in der tschechoslowakischen Republik die 52 Prozent der Bewohner anderer Nationalitaten drangsalieren
kann?
Die Antwort auf diese Frage ist denkbar einfach. Die scheinbare Anomalie, die Widersinnigkeit und Unnatiirlichkeit
ist in Wirklichkeit die logische Folge eines Geschaftsabschlusses, wie ihn die Welt noch nicht erlebte. Die
Kontrahenten dieses Geschaftes sind die bolschewistische Sowjetunion und die tschechoslowakische Republik.
Das Ziel der Sowjetunion ist die Bolschewisierung der Welt. Nie haben die zustandigen Faktoren des sowjetischen
Staates und der kommunistischen Internationale dariiber einen Zweifel gelassen.
Nicht weniger weit gesteckt sind die Plane der tschechischen Politik. Es ist ihr in aller Oeffentlichkeit proklamiertes
Vorhaben, die tschechischen Volksgrenzen bis zur tschechischen Staatsgrenze hin auszudehnen. Der Weg zu
diesem Ziel fiihrt iiber sieben Millionen Menschen nichttschechischen Volkstums. Die Tschechen konnen ihn nicht aus
eigener Kraft zuriicklegen. Sie brauchen, um nicht von den Unterdriickten in die Schranken gewiesen zu werden, die
Hilfe machtiger Bundesgenossen, die Biirgschaft dafiir zu leisten haben, dass die tschechische Politik nicht strandet. Als
diesen Bundesgenossen hat sich der Hradschin die bolschewistische Sowjetunion verschrieben. Und die
Gegenleistung? Fur die Garantierung des tschechischen Regimes - nicht etwa nur der Staatsgrenzen, sondern
auch des inneren Regimes - haben die verantwortlichen Manner der Tschechen ihren Staat der sowjetischen
Macht und der bolschewistischen Idee als Plattform und Ausstrahlungspunkt ins iibrige Europa zur Verfiigung
gestellt.
Wer aber die Frage erhebt, warum die Krise im Mai 1938 in die Entwicklungsstufeder akuten-Gefahrdung des
europaischenFriedens trat, findet sie von einer sehr einflussreichen tschechischen Personlichkeit beantwortet.
Dr. jaroslaus Stransky, Abgeordneter der tschechischen Volkssozialistischen Partei und Freund des Staatsprisidenten
Benesch, hat zweifellos nicht nur seinen personlichen Auffassungen Ausdruck gegeben, als er sagte: "Wir haben die
Wahl zwischen einer friedlichen und einer kriegerischen Tour'. Die friedliche Tour heisst, den Forderungen der
Sudetendeutschen entsprechen zu miissen. Im Fall der kriegerischen Auseinandersetzung wird eine machtige
Koalition Deutschland auf den Boden zwingen. Dann sind wir die unumschrankten Herren, dann brauchen wir
keine Riicksichten zu nehmen." Anders als aus den Urinstinkten, der Rassenseele der Tschechen und den Absichten
des Bolschewismus, der seine Ernte reifen sieht, wenn sich die Volker Europas zerfleischen, wird dieser grenzenlose
Zynismus nicht verstanden werden konnen.
Sie mussten den Volksgruppen im Lande Gerechtigkeit widerfahren lassen, sie miissten den berechtigten Anspriichen
der Sudetendeutschen Geniige tun, sie mussten von der Fiktion des NationalStaates lassen, und das erscheint ihnen
unertraglich. Sie ziehen den Krieg vor, der nur durch den Friedenswillen und die besonnene Haltung des Dritten Reiches
verhindert wurde und verhindert wird. "Wer ware ein solcher Pazifist, um nicht lieber den Krieg zu wollen, als eine
solche Demiitigung hinzunehmen?" fragte ein angesehenes tschechisches Blatt, der Pilsner "Cesky Dennik" im Juli
1938. Eine solche Demiitigung - damit meinen sie die Anerkennung des Lebensrechtes der Sudetendeutschen. Diese
Anerkennung steht nicht in ihrem Programm und widerspricht ihrem Ziel. Und sie widerspricht den auf Weltrevolution
und Krieg hinzielenden Planen ihren bolschewistischen Verbundeten.
Wir treten mit diesem Botbueh vor der it den Beweis an, dass die Tsehechen zum Werkzeug Moskaus geworden
sind, dass sie dem Weltfeind den Zugang zum Herzen Europas geoffnet untl die sehwerste und akuteste Gefahr
fur Europa und die Welt heraufbeschworen haben.
Warum Tschecho-Slowakei?
Die Grunder des Staates und ihre Absichten
Die Entstehung der tschechoslowakischen Republik ist nicht das Produkt einer eigenen nationalen Kraftanstrengung des
tschechischen Volkes, ebensowenig wie das Tschechentum je ein eigenstandiger politischer Faktor war. Dieser Mangel
an eigener Bestimmung wird dann zu einer grossen Gefahr fur die europaische Kultur und auch fiir jede europaische
Ordnung, wenn sich europa-feindliche Gewalten im bohmischen Raum festsetzen oder sonstwie das tschechische
Element fiir ihre Plane einspannen. Diese Gefahr ist im Jahre 1918 wieder aufs ausserste akut geworden, und so
bedrohlich fiir das Abendland, wie es in vergangenen Epochen zur Zeit der Awarenstiirme und der Tiirkeneinfalle war.
Am Beginn und am Ausgang des Mittelalters stehen Auflehnungen des tschechischen Volkes gegen die damaligen
Herrschaftsgewalten, und beide Male waren diese Auflehnungen in Ursache und Wirkung nicht etwa ein tschechisch-
nationaler Freiheitskampf. Es handelte sich nicht um selbstandige tschechische Handlungen. Vielmehr waren die seit
dem 6. Jahrhundert in Bohmen ansassigen slawischen Stamme, die im 8. Jahrhundert in das Reich eindrangen und selbst
noch das Weserbergland heimsuchten, die Trabanten, der Vorspann, das Instrument der mongolischen Awaren, und als
es im 15. Jahrhundert wieder zu einem kriegerisch-tschechischen Aufruhr gegen das Reich der europaischen Mitte kam,
als die Hussiten brandschatzend bis Wien, nach Franken und Thuringen und bis an die Ostsee zogen, lag der Antrieb
und lag auch schon die blosse Moglichkeit eines solchen kriegerischen Einbruchs nicht bei den Tschechen, wiederum
waren sie nur ein Vorspann, einer dem Abendland feindselig gesinnten Welt; die Hussitenkriege sind ohne die
gleichzeitige Bedrohung des Deutschen Reiches durch die Tiirken nicht denkbar.
Wenn die Tschechen in alien anderen Jahrhunderten nicht ihre Hass- und Zerstorungsinstinkte ausleben konnten, dann
keineswegs etwa aus friedfertiger Gesinnung oder aus anderen, in ihrem Volk liegenden Antrieben. Nicht, dass sie auf
Grund ihrer geographischen Lage im Herzen des Kontinents sich auch zur Erhaltung, Beschiitzung oder Mehrung der
europaischen Kultur verpflichtet gefiihlt hatten und darum Frieden hielten. Sie konnten vielmehr nur deshalb keinen
Schaden stiften, weil sie seit dem 9. Jahrhundert (807) eine starke Hand im Ziigel hielt: das Deutsche Reich.
Kaiser und Reich gaben dem Lande unendlich viel. Sie brachten die Handwerkskunst, die Schrift, die Rebe. Sie legten
den Grundstein nicht nur zu alien bohmischen Stadten ausser Tabor. Sie hoben auch sonst das Land wirtschaftlich
empor und liessen die herrlichen Baudenkmaler in Prag und anderen bohmischen Stadten erstehen, deren Anblick noch
heute den Beschauer erfreut. Um das Ordnungselement im Lande zu starken., riefen sie zum eingesessenen Deutschtum
Siedler aus den iibrigen Gebieten des Reiches hinzu.
In den Hussitenwirren wurde diese unendlich segensreiche Entwicklung unterbrochen, bald aber wieder aufgenommen.
Die Sudetenlander Bohmen, Mahren und Schlesien haben dann zum Deutschen Reich gehort bis 1806 und waren
schlimlich als ostcrreichische Provinzen von 1815 bis 1866 im Deutschen Bund.
Die europaische Geschichte verzeichnet aus den Jahrhunderten zwischen den Awarensturmen und dem Turkeneinbruch
und vom Turkeneinbruch bis in unsere Zeit eine nur geringe Kunde von) tschechischen Volk. Das erklart sich aus dem
Mangel an positiven tschechischen Beitragen fiir den Kulturaufbau Europas und durch das Ausbleiben tschechischer
kriegerischer Auflehnungen.
Sie blieben aus, weil keine fremde Macht die Tschechen aufputschte und fiir ihre Zwecke benutzte. Erst 1918 wurde die
Tradition der Awaren- und Hussitenzeit wieder aufgenommen.
An die beiden Beipiele aus vergangenen geschichtlichen Tagen kniipften die Machte an, die 1918 den
"tschechoslowakischen Staat" griindeten, um die Tschechoslowakei fiir ihre Zwecke ausspielen zu konnen. Welche
Machte waren es? Was bewog sie zu ihrem Tun? Ware die tschechoslowakische Republik wirklich gegriindet worden,
um dem Nationalitatenprinzip zum Siege zu verhelfen, also jedem Volke seinen Staat zu geben? Um das
Selbstbestimmungsversprechen einzulosen? Diese Frage verneint sich aus der nationalen Zusammensetzung des
tschechoslowakischen Staates von selbst. 7 Millionen Tschechen leben in diesem Staat und mehr als 7 Millionen Biirger
anderen Volkstums.
Sind die Grenzen unter Zugrundelegung historischen Rechts gezogen worden, wie die Tschechen sagen? Es gibt kein
solches historisches Recht der Tschechen! Die in den Denkschriften an die St.Germainer Konferenz ausgesprochene
tschechische Behauptung, seit dem 9. Jahrhundert habe ein tschechoslowakischer Staat bestanden, der 1526 von den
Habsburgern unterjocht worden sei, de jure aber "natiirlich" weiter existiert habe bis 1918, ist eines der vielen
Hirngespinste, deren Summe der tschechische Geschichtsmythos ist.
Hat eine kriegerische Leistung der Tschechen im Weltkriege die Moldau-Republik ins Leben gerufen? Die
Kriegsannalen verzeichnen keine solche Leistung!
Wo sind nun aber die Griinder der Tschechoslowakei und aus welchen Antrieben handelten sie?
Wir finden sie alle wieder, wenn wir, etwa in einer Sitzung der Genfer Liga im Jahre 1935, die Machte und handelnden
Figuren des Systems der sogenannten kollektiven Sicherheit Revue passieren lassen. Die gleichen Krafte, die den Genfer
Bund schulen, liobm auch den Tschechen-Staat aus der Taufe.
Ein erstes Mai - soweit ihr oft undurchsichtiges Wirken erforscht ist - meldeten sie sich so, dass es eine aufmerksame
Oeffentlichkeit wahrnehmen konnte, im Jahre 1889 zu Wort. Am 17. Jull jenes Jahres feierte der Pariser Gross-Orient
den Gedenktag des Sturmes auf die Bastille, den Beginn der franzosischen Revolution. In dem Hymnus, den der
Festredner bei dieser Erinnerungsfeier, der Hochgrad-Freimaurer Francolin, dem Bastillen-Sturm widmete, stehen die
Satze:
"Der Tag wird kommen, an dem die Volker, die weder ein 18. Jahrhundert noch 1789 hatten, emanzipiert werden, an
dem die Monarchien und Religionen stiirzen. Das ist der Tag, den wir erwarten. An diesem Tage werden alle Enterbten
emanzipiert, alle Ungerechtigkeiten gesiihnt, alle Privilegien beseitigt werden und alle vergewaltigten Provinzen in
Europa werden ihr Selbstbestimmungsrecht erhalten. Dann werden sich alle Grosslogen und Gross-Oriente zu einer
Universal-Verbruderung zusammenfinden. Das ist das glanzvolle Zukunftsideal, das uns vorschwebt."
Mit den vergewaltigten Provinzen meinten sie das Elsass und Lothringen, aber auch das tschechische Gebiet. Die
Freirnaurerei hatte langst ihre Koder zu den Tschechen ausgeworfen und die Tschechen hatten gern danach gegriffen.
Ihre berufenen Sprecher versicherten schon 1970 die Franzosen ihrer vollsten Sympathie. Tschechen und Franzosen
feierten lange vor dem Kriege Verbruderungsfeste in Prag, Paris, Nancy und anderen osterreichischen und franzosischen
Stadten. Eine Entwicklung bahnte sich an, die zum dritten Male in der Geschichte Bohmen zum unheilvollsten
Gefahrenherde Europas machen niusste, wenn sie zu Ende gefuhrt werden konnte.
Und sie wurde zu Ende gefuhrt.
Am 23. September 1911 fand wiederum in Paris ein Kongress der Gross-Oriente statt. Der Kongress beschloss, nunmehr
alle Vorbereitungen "fur die Verwirklichung der freimaurerischen Weltallianz zu treffen und internationale
Verhandlungen zur Begrundung der Liga der Nationen zu fuhren". An diesem Pariser Kongress nahmen ebenso
tschechische Vertreter teil wie an dem vom 28. und 29. Juni 1918, dessen Entschliessung von den als tschechischen
Agenten in Paris tatigen Professoren Masaryk und Benesch beeinflusst wurde. Im Punkt 3 dieser Entschliessung wurde
die Griindung eines tschechischen Staates proklamiert.
So ist der in der Weltkriegsgeschichte oft genannte 28. Juni auch der Griindungstag der tschechoslowakischen Republik.
In den offiziellen Geschichtswerken ist das Datum freilich nicht angefuhrt, aber es ist doch das entscheidende, denn die
Losung, die die Freimaurer lange vorbereitet hatten und auf ihrem Kongress am 28. Juni 1918 in alien Einzelheiten
umschrieben, wurde dann von der St.-Germainer Konferenz nur noch formal bestatigt. In ihrer Entschliessung hatten
sich die Gross-Oriente ausdriicklich den tschechischen Standpunkt vom historischen Recht zu eigen gemacht ("die
Lander Bohmen, Mahren und Schlesien miissen ungeteilt dem Staat einverleibt werden, weil sie immer eine Einheit
waren"), also damals schon das Urteil fiber die Nationalitaten gesprochen, die durch das Friedensdiktat dem
Tschechenstaat uberantwortet wurden. Und nicht minder klar tritt in jener Entschliessung der Zweck der Griindung
zutage.
"Prag Muss im neuen Europa das Zentrum aller Interessen des "Fortschritts" in der Mitte des Kontinents sein",
besagte der Schluss der Kongress-Botschaft, die dann an President Wilson gerichtet wurde, der zwar die erste
Durchfuhrungsmassnahme der Entschliessung, die Uebertragung der Aufgabe eines bewaffneten Wachters gegen
Deutschland an die Tschechoslowakei noch erlebte,
nicht mehr jedoch ihre letzte, aber durehaus folgerichtige, die Verleihung der Tschechoslowakei an die
Sowjetunion.
Dem Tschechenstaat war also schon seine Bestimmung gegeben, als er noch gar nicht de facto bestand. Und es ist klar,
er vurde nur dieser Bestimmung halber gegrundet.
Die Hegemonialpolitiker sehufen sich in Gestalt der tschechoslowakischen Republik eine Operationsbasis gegen
die deutsehe Mitte Europas.
Das war ihr Motiv.
Der tschechische Geschichtsmythus hat eine andere Entstehungsgeschichte des Staates zusammengeklittert. In dieser
Entstehungsgeschichte ist viel vom "kriegerischen Tatenruhm der tschechischen Legionare" die Rede, durch deren
Heldenmut die Freiheit erkampft worden sei. In Wahrheit zeigt gerade die Geschichte der tschechischen Legionen nur
dies, dass sich schon damals, eben Im Werden des tschechischen Staates, das Versailler Europa mit dem Bolschewismus
auf einer Linie traf .
Die Legionen waren jene Truppenverbande in den Lindern der Alliierten, die sich aus tschechischen Deserteuren und
Gefangenen zusammensetzten. Am starksten war die tschechische Legion in Russland. Sie war ein Bestandteil der
russischen Armee und wurde, solange der Zar herrschte, nur im Hinterland eingesetzt. Als im Fruhjahr 1917 Kerenski
ans Ruder kam, wurde die Legion ein selbstandiger Truppenteil unter eigenem tschechischen Kommando. Als die
Bolschewiken die Macht an sich rissen, sollte sie aufgelost werden.
Da trat wieder ein entscheidendes Ereignis in der Entstehungsgeschichte der Tschechoslowakei und des "neuen Europa"
ein. Nach Verhandlungen zwischen dem in Russland wellenden Professor Masaryk und den Bolschewiken, deren
eigentlicher Inhalt nie in der Oeffentlichkeit bekanntgeworden ist, aber offensichtlich bis in die Zeit des Prag-Moskauer
Paktes weist, zogen die tschechischen Legionare iiber Sibirien in die Heimat ab.
Sie liessen die Weissen in ihrem Kampf gegen die Bolsehewiken im Stich. Sie hatten die Zarenfamilie retten
konnen, riehteten es aber so ein, dass sie gerade einige Stunden nach der Ermordung der Romanows in
Jekaterinburg eintrafen.
Unter den weiteren zahllosen und furchtbaren Verbrechen, die die Tschechen auf ihrer Anabasis durch Sibirien am
weissen Russland zum Nutzen der bolschewistischen Revolution begingen, ist die Auslieferung des Admirals Koltschak
an die roten Horden das schnodeste. Koltschak kampfte in Sibirien gegen die Roten und war die letzte Hoffnung des
nationalen Russland. Die Legionare hatten beim Durchzug durch Irkutsk Schwierigkeiten.
Sie kauften sieh den Weg nach Wladiwostok frei, indem sie Koltschak den Boten zur Ermordung Ubergaben. Im
ganzen gesehen hat sich die bolsehewistisehe Revolution in Russland zweifellos nur dank der Haltung der
tsehechisehen Legionare durchsetzen konnen.
Die Legionare waren in den Jahren der entscheidenden Kampfe zwischen Weiss und Rot die starkste und
bestausgeriistete Truppenmacht auf russischem Boden. Dass sie sich zunachst neutral verhielten und dann offen den
Roten Hilfe leisteten, hat das Ende des alten Russland und den Sieg des weltrevolutionaren Bolschewismus gebracht. Es
ist fiir die Geschichte und das nationale Russland kein Trost, dass der Verrater der Weissen und des Generals Koltschak,
der Befehlshaber der Legion, General Radola Gajda, spater als Korruptionist aus dem tschechischen Heer ausgestossen
wurde.
Noch einmal leisteten die Tschechen der Sowjetunion in deren kriegerischen Auseinandersetzungen eine entscheidende
Hilfe. Als im Jahre 1920 die bolschewistischen Truppen unter Tuchatschewski in Polen einfielen und immer naher an
Warschau heranriickten, stellte Ungarn zwei Divisionen fiir den polnischen Abwehrkampf bereit. Die Budapester und
Warschauer Regierung waren sich iiber diese Unterstutzung einig geworden. Der Abtransport der ungarischen Soldaten
nach Polen sollte beginnen, da verweigerte die tschechische Regierung den Durchzug durch ihr Staatsgebiet. Einen
anderen Weg einzuschlagen war nicht moglich- Ungarn konnte also keine Hilfe gegen die bolsehewistisehe Bedrohung,
leisten. Die Tschechoslowakei trat dagegen auch noch mit der Sperre der Durchund Ausfuhr von Waffen und
Wirtschaftsgiitern an Polen auf die Seite der Sowjetunion.
Beistand leisteten die Tschechen dem Bolschewismus also schon in den Anfangen des sowjetrussischen Staates. Ueber
die Veranlassung zu diesem Beistand geben die bisherigen Aktenveroffentlichungen noch keinenhinlanglichen
Aufschluss. Die Welt wird voile Klarheit dariiber bekommen, wenn das Protokoll iiber die Verhandlungen Masaryks mit
den Bolschewiken iiber den Abzug der tschechischen Legionen einmal nicht mehr in Geheimfachern schlummern wird.
Hier ist der Ausgangspunkt der tschechisch-bolschewistischen Zusammenarbeit. Die Tschechen liessen das nationale
Russland im Stich. Sie taten es nicht ohne bolsehewistisehe Gegenleistung, wie, wir leicht aus Kopezkys Betrachtung
iiber die Zusammenhange zwischen der Oktober-Revolution und der tschechischen Staatsgriindung erkennen konnen: In
der "Kommunistischen Internationale", dem Zentralorgan der Kornintern, vom 7. Juli 1937 schreibt er:
"Die grosse Oktober-Revolution hatte einen starken und positiven Einfluss auf das Schicksal des tschechischen Volkes.
Die nationale Befreiung des tschechischen Volkes, die Unabhangigkeit der Tschechen, das Existieren des Tschechen als
Staat - das alles ist vorwiegend das Ergebnis des Einflusses der Oktober-Revolution. Die ganze tschechische Nation
wird stets mit Dankbarkeit daran denken, dass Genosse Stalin wahrend seiner Fahrt nach Oesterreich im Jahre 1912 die
Lage der Tschechen kennengelernt und noch vor dem Kriege in seinem Werk 'Marxismus und die nationale Frage' die
voile Unabhangigkeit des tschechischen Volkes forderte. Ohne den bolschewistischen Oktober von 1917 hatte es keinen
tschechischen Oktober von 1918 gegeben, ware im Oktober 1918 der tschechische Staat nicht ausgerufen worden. Mit
diesem starken Einfluss der Oktober-Revolution ist auch die Tatsache verkniipft, dass die Menge organisierter Arbeiter
der Tschechei in die Fusstapfen der proletarischen Bewegung getreten ist, und dass die kommunistische Bewegung in
der Tschechei zu einer Sache geworden ist, die von 15 Millionen der Bevolkerung eine Million erwachsener Burger und
Wahler erfasst.
Die enge historisehe Verbindung der Arbeitermassen der Tschechei mit der Saehe der Oktober-Revolution in der
Sowjetunion hat der revolutionaren kommunistisehen Bewegung Kraft verliehen."
Die "historischen Zusammenhange" bestehen dabei nicht nur ideologisch. Auch der praktische Hergang liegt klar
zutage: In Russland sicherten die tschechischen Legionen durch ihren Abzug dem Bolschewismus den Sieg. In
Mitteleuropa ermoglichten die Bolschewiken die Aufrichtung des tschechischen Staates und die tatsachliche
Ausdehnung dieses Staates weit iiber die Grenzen des tschechischen Elements hinaus. Wahrend die Sudetendeutschen
infolge ihrer Kriegsverluste zu schwach waren, um das gewaltsame Eindringen der Tschechen - die tschechische
Soldateska besetzte lange vor der St. Germainer Entscheidung das deutsche Sudetenland und die Slowakei - verhindern
zu konnen und auf die Hilfe des Deutschen Reiches hofften, entfesselte der Kommunismus im Reich den Biirgerkrieg,
und unter dem Einfluss der Bolschewiken lehnte es die damalige linksstehende Berliner Regierung ab, den
Sudetendeutschen zu helfen. Die polnische Minderheit in der Tschechei konnte nur in diesen Staat gepfercht werden,
weil die Sowjetunion die Republik Polen mit Krieg iiberzog, so dass diese ihre Bemiihungen, die Polen im Teschener
Schlesien zu retten, nicht zu einem Erfolg fiihren konnte, weil sie die Truppen an die bolschewistische Front abziehen
musste.
Die Verweigerung des Durchzugsrechts an die ungarischen Hilfstruppen fur Polen war also eine Tat, die gleicherweise
zum Nutzen des Bolschewismus und des tschechischen Staates war.
Im ganzen ist jedenfalls ersiehtlieb, dass der tseheehisehe Staat keineswegs eine tschechische Griindung, sondern
das Werk der Zusammenarbeit von Freimaurerei, Versailler Machten und Bolsehewismus war, deren Identitat
sehon In der Zeit der Griindung des tseheehisehen Staates zu erkennen ist.
Der innere Kurs der CSU.
Provokationen als staatspolitiseiter Grundsatz
Der Bestand der tschechoslowakischen Republik ist ebensowenig das Produkt einer eigenen Kraftanstrengung des
tschechischen Volkes oder das Ergebnis der tschechischen Staatskunst, wie die Griindung dieser Republik. Es fehlen
alle natiirlichen und polltilschen Voraussetzungen, den Staat als ein ideales, in sich gefestigtes Gemeinwesen ansehen zu
konnen, das aus eigener Kraft bestehen konnte. Sie fehlen, weil es die Grander so wollten. Es kam ihnen nicht darauf an,
einen ausgeglichenen Staat zu schaffen.
In dieser Zweckbestimmung liegt der eigentliche Grund der geopolitisch und ethnographisch grotesken
Zusammenfiigung, die "Tschechoslowakische Republik" heisst.
Angeblich, so sagte man in St. Germain, um mit der "an sich unmoralischen Existenz eines Vielvolkerstaates
aufzuraumen", wurde das alte Oesterreich-Ungarn zerschlagen. In der Kriegsagitation versprachen die Alliierten und
Assozilerten, der kiinftigen Neuordnung in Europa das Selbstbestimmungsrecht der Nationen zugrunde zu legen. Wie
die Praxis erwies, war dieses Versprechen nur ein Agitationstrick, um die Volkerschaften in Oesterreich gegen die
Wiener Zentralregierung und deren Politik rebellisch zu machen und also den Widerstand im Lande zu brechen.
Als nicht zuletzt unter der Wirkung dieses Agitationstricks Oesterreich-Ungarn zusammengebrochen war, und die
Diktatkon,ferenzen die Grenzen in Mitteleuropa - in Ausfiihrung der schon genannten Machte, die im Hintergrund
blieben - neu zogen, war vorn Selbstbestimmungsrecht nicht mehr die Rede. Zumal die Tschechoslowakei wurde das
sinnfalligste Zeugnis der krassesten Verletzung dieses Rechts. In der amtlichen Prager Phraseologie beisst die Republik
zwar Nationalstaat, aber ein Blick auf die Volkerkarte zeigt, dass sie in Wahrheit das Musterbeispiel eines
Nationalitatenstaates ist. In der Tschechoslowakei leben nach der amtlichen Volkszahlung im Jahre 1930 14 479 565
Einwohner. Davon sind:
Deutsche 3 231 688
Tschechen 7 406 493
Slowaken 2 282 277
Ungarn 691923
Ukrainer 549 169
Juden 186 642
Polen 81737
Sonstige 49 636
Nach dieser Statistik stellen die Tschechen mit knapp 51 Prozent die Mehrheit der Bevolkerung. Von einem national
einheitlichen Staat kann also nicht die Rede sein und das um so weniger, als die Statistik nachweislich zugunsten der
Tschechen gefalscht ist. So wurden die Deutschen im Hultschiner Landchen als Tschechen gezahlt, ebenso wurden die
Slowaken in Mahren dem tschechischen Volk zugerechnet und auch die Zahlen der Ungarn und Ukrainer sind viel zu
niedrig angegeben. Diese Falschung konnte leicht bewerkstelligt werden, weil bei der tschechoslowakischen
Volkszahlung die Nationalitat des einzelnen Burgers nicht durch die Frage nach Seiner Muttersprache ermittelt wird.
Die Zahlorgane fragen vielmehr den einzelnen, zu welchem Volkstum er sich bekennt. Dabei wird durch
wirtschaftlichen und politischen Druck dahin gearbeitet, dass sich viele Nichttschechen als Tschechen ausgeben. Oder
die Zahlorgane tragen willkiirlich und ohne Befragen des einzelnen dessen Nationalitat ein, wie es im Hultschiner
Landchen geschah.
Nach zuverlassigen Berechnungen neutraler Statistiker stellen die Tschechen hochstens 48 Prozent der
Bevolkerung des Staates.
Auch politisch-geographisch ist der tschechoslowakische Staat nicht im entferntesten eine Einheit. Seine widernatiirliche
Lage geht schon daraus hervor, dass 140 000 Quadratkilometer Flache von 3500 Kilometer Grenze umschlossen
werden. Damit entfernt sich die Tschechoslowakei unter alien europaischen Staaten am weitesten vom Ideal des Kreises.
Die Lang sau sdehnung des Staates von der ostlichsten Stadt bis nach der deutschbohmischen Stadt Asch an der
Westgrenze entspricht fast genau der Luftlinie von der Westgrenze bis London. Dem steht eine nur sehr geringe
Breitenausdehnung zwischen Nord und Siid gegeniiber.
Dariiber hinaus ist der Staat in sich geographisch aufgespalten; selbst das Land Bohmen, das sehr oft, aber vollkommen
unbegriindet, eine naturliche Einheit oder sogar eine Naturfestung genannt wird, ist von den Rissen der inneren
Aufspaltung durchzogen. Der Elbe- und Egergraben teilen das Land in zwei unterschiedlich ausgepragte Halften.
Die gegenwartigen Grenzen Bohmens sind nicht die Naturgrenzen, wie jedem Reisenden ohne weiteres eingeht, der zum
Beispiel von Sachsen her in das tschechische Sprachgebiet fahrt. Es ist ohne Schwierigkeiten moglich, auf vielen
natiirlichen und ausgebauten Wegen iiber das Erzgebirge in das deutschbohtnische Sprachgebiet zu kommen. Das
Gebirge ist keine Scheidemauer. Wohl aber hat die Sprachgrenze siidlich des Egergrabens eine solche Scheidemauer
entstehen lassen. Wiewohl die Sprachgrenze iiber nur hiigeliges Land fiihrt, fehlen Strassen fast vollkommen. Auch in
den iibrigen Landesgebieten ist auf der Linie der Sprachgrenze die tschechische von der deutschen Bevolkerung auch im
geographischen Sinne abgesetzt. Es ist also, wie Dr. Eduard Benesch 1908 in seiner zu dem Buch "Le problem
autrichien et la question tcheque" ausgeweiteten Doktordissertation darlegte, praktisch leicht durchfiihrbar, die
Siedlungsraume der Tschechen und Deutschen in zwei autonome Verwaltungseinheiten aufzuteilen.
Je weiter sich der Staat gegen Osten ausdehnt, desto tiefer werden die natiirlichen geographischen Kliifte in ihm. Die
Bohmisch-Mahrische Hone scheidet die Lander Bohmen und Mahren; die kleinen und weissen Karpaten riegeln Mahren
von der Slowakei ab und westlich vor diesen Gebirgsziigen verlauft eine Bruchlinie in der Senke zwischen Oderberg
und Lundenburg.
Die innere Aufgliederung des, Staates in verschiedene nationale und geographische Raume ist also unverkennbar.
Es ist sicher, dass sich die Schopfer 'der tschechoslowakischen Republik . ber diese natiirlichen inneren Schwierigkeiten
im klaren waren. Sie hatten dem Staat eine grossere innere Festigkeit leicht geben konnen, wenn sie wenigstens die
Staatsgrenzen entlang der Sprachgrenzen gezogen hatten, und die Tschechen hatten die inneren Kliifte zu einem Teil
unwirksam machen konnen, wenn sie die Nationalitatengegensatze durch eine kluge Politik ausgeglichen hatten.
Das waren echte Friedensbemiihungen gewesen. Aber es war eben nicht der Zweck, die Tschechoslowakei zur
Sicherung einer ruhigen Entwicklung in Mitteleuropa oder auch nur zu einer Schlichtung des Volkergegensatzes in
Bohmen ins Leben zu rufen. Sie sollte nach dem Willen der Grander zwar an raumlicher Ausdehnung, also als Glacis
gegeti-Deutschland gross, aber in sich selbst von ewigem Hader der Nationalitaten, von dauernder Unruhe erfiillt sein.
Und sie sollte erst recht ein Unruhefaktor im Verhaltnis zu den Nachbarstaaten sein. Darum betrieb die
tschechoslowakische Regierung jene brutale Politik der Entrechtung und Bedriickung der nichttschechischen
Volksgruppen im Lande. Da nun diese Volksgruppen in den unmittelbaren Nachbarstaaten ihre Muttervblker haben, so
die Sudetendeutschen in Deutschland, die Polen in Polen, die Magyaren in Ungarn, und diese Muttervolker
natiirlicherweise am Schicksal ihrer abgesprengten Teile in der Tschechoslowakei lebhaften Anteil nehmen, ist die
Misshandlung der Sudetendeutschen, der Polen oder Magyaren zugleich ein Schlag gegen die Nachbarstaaten. Als ein
solcher Schlag, als eine Provokation wird die Bedriickungspolitik gegen die Nationalitaten bewusst betrieben. Das
entspricht den eigenen tschechischen chauvinistischen Instinkten und es ist die Ausfiihrung des mit der Staatsgriindung
erhaltenen Auftrages, die grossen Nachbarmachte dauernd zu verargern und zu beunruhigen. In der Grenzziehung wurde
bewusst der Grand fiir diese Beunruhigung gelegt.
Die Tschechen hatten durch eine loyale Behandlung der Nationalitaten im Staate und durch eine neutrale Politik
gegeniiber den Nachbarstaaten ihrem eigenen Staat eine ruhige stetige Entwicklung sichern konnen. Das wollten sie
nicht und sollten sie nach dem Willen der Schopfer der Tschechoslowakischen Republik auch nicht.
Sie sollten Unruhe gegeniiber den Nachbarn stiften und haben das weidlich getan.
Die Folge dieser provokatorischen Politik musste notwendig eine Emporung in den Nachbarstaaten sein. Unter dem
Eindruck dieser Emporung musste sich das tschechische Volk unsicher und zu schwach fiihlen, um allein den Kurs der
Unfriedfertigkeit durchhalten zu konnen.
Das wiederum fiihrte logisch zu einer Verstarkung des tschechischen Anlehnungsbediirfnisses an die Machte, deren
ausfuhrendes Organ der Tschechenstaat ist.
Diese Entwicklung wollten die Patronatsmachte. Die Tschechen sollten sich niemals stark genug fiihlen, aus eigener
Kraft bestehen zu konnen, damit sie nicht auf den Gedanken kamen, sich jemals von den 1919 eingegangenen
Bindungen zu losen. Diese Bindungen sollten im Gegenteil immer straffer angespannt werden.
Das waren die Regeln des Spieles, das die grossen Machte mit ihrem Trabanten Tschechoslowakei spielten.
Sie setzten Iffass- und Zerstorungsinstinkte der Tschechen, die schon 1019 in den Denksehriften an die St.-
Germainer Konferenz erklarten, die Geschichte habe sie zu Todfeinden der Deutschen gemacht, in Dire
wohliiberlegten Rechnungen ein und die Tschechen fuhrten mit Stolz ihre Aufgabe durch.
Die Unterdriickung der Volksgruppen
Die Bedriickung der nichttschechischen Volksgruppen (Nationalitaten) ist seit der Errichtung des Staates von den
Tschechen mit den brutalsten Mitteln und Methoden betrieben worden. Wahrend in der Agitation vor dem Kriege und
im Kriege der Professor Masaryk immer wieder fur die Autonomie und fiir das Selbstbestimmungsrecht eingetreten war,
erklarte er, als 1919 zum erstenmal Vertreter des Sudetendeutschtums bei ihm - dem nunmehrigen Staatsprasidenten -
vorsprachen:
"Ueber Autonomie wird iiberhaupt nicht verhandelt."
Wahrend der Professor Benesch in der Kriegsagitation den Lockruf erklingen Hess: "Im tschechoslowakischen Staat
werden die Deutschen die gleichen Rechte haben wie die Tschechen, die deutsche Sprache wiirde die zweite
Landessprache werden, das Regime wiirde ahnlich sein, wie in der Schweiz" und viele andere Versprechungen im Sinne
eines gerechten, duldsamen und humanen Regimes gemacht wurden, verkiindeten nach der Staatsgriindung tschechische
Minister gegenteilige Regierungsprinzipien:
Minister Mares: "Wer von uns Tschechen bereit ist, den Deutschen ihren jetzigen Besitzstand im Staate zu lassen,
handelt entweder aus Angst vor den Deutschen oder in der Hoffnung auf die Deutschen. Eine solche Angst oder eine
solche Hoffnung ist nationaler Verrat!'
Minister Zahradnik:
"Es wird von den Deutschen abhangen, wie viele Hiebe auf sie fallen werden, damit sie, endlich iiberzeugt sind,
dass sie die Besiegten sind und wir die Sieger."
Minister Rasin: "Der tschechische Staat, den wir uns erkampft haben, muss ein tschechischer bleiben. Wir haben nach
dem Friedensvertrag das Recht, unsere Sachen so einzurichten, als ob unsere Nationalitaten iiberhaupt nicht existieren.
Wir miissen mit niemandem verhandeln oder uns ausgleichen."
Davon war auch in der Staatspraxis nicht im entferntesten die Rede. Den Deutschen wurden 2 300 000 Hektar ihres
landwirtschaftlichen Bodens genommen. Allein in den neun Jahren zwischen 1921 und 1930 schickte Prag 200 000
Tschechen als Kolonisten in das sudetendeutsche Siedlungsgebiet. Die Sudetendeutschen wurden aus den Aemtern des
offentlichen Dienstes entfernt. Ausserdem wurde durch gross angelegte politische und wirtschaftliche Manover der
Staatsfiihrung der grosste Teil ihrer einst bliihenden Industrie vernichtet. Damit wurde die Lebensgrundlage des
Sudetendeutschtums zu eng. Das sudetendeutsche Gebiet konnte die Menschen nicht mehr ernahren.
Es fiel einer furehtbaren Verelendung anheim, und nieht weniger als 40000 Sudetendeutsehe haben zwisehen
1921 und 1930 aus Not Selbstmord begangen.
Das war in einer Zeit, in der von einer allgemeinen Wirtschaftskrise durchaus keine Rede sein konnte!
Fiir die kulturelle Abwiirgung des Sudetendeutschtums spricht eine andere Zahl. Bis 1930, also dem Jahre der letzten
tschechischen Volkszahlung, wurden 4000 sudetendeutsche Schulklassen geschlossen. Die Presse-, Vereins- und
Versammlungsfrielheit wurde praktisch aufgehoben.
Das gleiche Schicksal mussten die Polen im Staate, die Magyaren, die Ukrainer, aber auch die Slowaken hinnehmen.
Das Schicksal der Slowaken tragt eine besondere Note gegeniiber demder Sudetendeutschen durch die Art der
Einverleibung dieses Volkes in den Tschechenstaat. Die Sudetendeutschen wurden iiberhaupt nicht gefragt, ob sie sich
dem tschechischen Staat eingliedern wollen.
Sie wollten es nicht. Ihre auf demokratische Weise frei gewahlten Abgeordneten beschlossen das sudetendeutsche
Gebiet der Republik Deutsch-Oesterreich einzuverleiben und iiber Deutsch-Oesterreich zum Deutschen Reich zu
kommen. Dieser Beschluss kam auf einwandfrei demokratische Weise zustande, und auch sonst bekundeten die
Sudetendeutschen mehrfach ihren Willen, vom Selbstbestimngsrecht Gebrauch machen zu wollen. Immer wieder
forderten in grossen Kundgebungen in den Jahren 1918/19 den Anschluss das Deutsche Reich.
Kein Sudetendeutscher wollte zum tschechoslowakischen Staat. Die Deutschen in Bohmen, Mahren und Schlesien
straubten sich gegen dieses Schicksal. Da sie aber aus den,schon erwahnten Griinden .vom deutschen Mutterland keine
Hilfe bekamen, konnten
die Tschechen mit Waffengewalt ihr Gebiet besetzen.
Auch Nordungarn, das slowakische und ungarische Siedlungsgebiet, das bis 1918 zum Reich der Stephanskrone
gehorte, brachten die Tschechen durch militarische Besetzung an sich. Zwischen Tschechen und einem Teil der
Slowaken, deren Legitimation ubrigens umstritten ist, war eine andere Verfahrensart vereinbart worden. Am 30. Mai
1917 hatten die Vertreter der in Amerika lebenden Slowaken mit dem tschechischen Agenten Masaryk einen Vertrag
schlossen. Nach der Unterzeichnungsstadt heisst er der Pittsburger Vertrag. In diesem stimmten diese
Auslandsslowaken dem echischen Begehren zu, das slowakische mit dem tschechischen Gebiet zu einem
tschechoslowakischen Staate zu vereinigen, aber nur unter der Bedingung, dass die Slowakei in dem kommenden Staate
politisch und verwaltungsmassig autonom sei, das Schulwesen selbst verwalte und eigene Gerichte habe. Dieser Vertrag
.wurde von den Tschechen gebrochen. Das Land wurde mit Waffengewalt unter Prager Herrschaft gebracht. Den
Slowaken wurde die Autonomie verweigert. Die Slowakei war in den Augen der Tschechen genau so eine
Ausbeutungskolonie wie das deutsche Sudetenland. Nach der amtlichen Prager Statistik sind zwischen 1921 und 1930
iiber 170 000 Tschechen aus Bohmen und Mahren in die Slowakei geschickt worden. Sie nehmen dort den Slowaken
das Brot weg. Sie siedeln auf dem den friiheren ungarischen Grundbesitzern geraubten Boden und haben den grossten
Teil der Beamtenstellen inne. Erst recht ausgebeutet wurde das ungarische Siedlungsgebiet.
So handeln im Osten und Westen des Staates die Tschechen wie Eroberer fremden Landes. Sie drangsalieren die
Bevolkerung und wenn scho n diese Drangsalierung in den Mutterlandern der Nationalitaten als ein grenzenloses
Unrecht empfunden werden musste, so mussten sich diese benachbarten Muttervolker durch die extreme politische
Haltung der tschechischen Aussenpolitik doppelt beunruhigt fiihlen.
Die deutsche Uebersetzung des Pittsburger Vertrages.
Tschechisch-slowakisches Abkommen,
abgeschlossen in Pittsburg, am 30. Mai 1918.
Die Vertreter der slowakischen und tschechischen Organisationen in den Vereinigen Staaten, der slowakischen Liga,
der Tschechischen Nationalen Vereinigung und des Verbandes tschechischer Katholiken
berieten in Gegenwart des Vorsitzenden des tschechisch- slowakischen Nationalrates, Professor Masaryk, iiber die
tschechisch-slowakische Frage und die bisherigen atischen Erklarungen und einigten sich aufFolgendes:
Wir billigen das politische Programm das eine Vereinigung der Tschechen und Slowaken in einem selbstdndigen Staate
der bohmischen Lander und der Slowakei anstrebt.
Die Slowakei wird ihre eigene Verwaltung, ihr Parlament und ihre Gerichte haben.
Das Slowakische wirid Amtssprache in der Schule, bei den Behorden und im offentlichen Leben Uberhaupt sein.
Der tschechisch-slowakische Staat soil eine Republik sein, seine Verfassung demokratisch. Die Organisation der
Zusammenarbeit zwischen Tschechen und Slowaken in den Vereinigten Staaten wird gernass den Erfordernissen und
einer Aenderung der Lage in gemeinsamer Verstdndigung studiert und verbessert werden.
Die Einzelheiten iiber die Einrichtungen des tschechisch-slowakischen Staates wird den befreiten Tschechen und
Slowaken und ihren rechtmdssigen Vertretern vorbehalten.
(gez.) T. G. Masaryk und andere Unterschriften.
Die Prager Aussenpolitik ist seit 1918 keinen Augenblick das Produkt eigener tschechischer Ueberlegung gewesen. Sie
ist niemals in Prag gemacht worden. Der Zweck der Staatsgriindung und der innere Kurs schlossen in Ursache und
Wirkung eine eigenstandigc Prager Aussenpolitik aus.
Die provokatorische Haltung gegeniiber den Nationalitaten und den Nachbarstaaten konnte aus eigener tschechischer
Kraft nicht durchgehalten werden. Wenn sich die Volksgruppen im Lande in der Leidenschaft eines misshandelten
Volkes einmal gegen die tschechische Gewaltherrschaft aufgelehnt hatten, dann konnte der Ausgang eines solchen
inneren Kampfes fiir niemanden zweifelhaft sein, der sich vergegenwartigt, dass die sogenannten Minderheiten in
Wahrheit die Mehrheit im Staate sind.
Damit aber die Volksgruppen von einem solchen Beginnen abgehalten wurden, damit also der Staat seine Funktion als
Gefass der Einfliisse und Bestrebungen seiner Griindermachte wahrnehmen konnte, musste der Bestand von den
Griindern gesichert werden. Zum Zwecke dieser Sicherung wurde die Tschechoslowakei in ein Netz von Pakten
eingefangen. Sogleich nach der formalen Staatsbegriindung durch St. Germain wurde ein tschechoslowakisch-
franzosisches Militarbiindnis geschlossen. Die Tschechoslowakei wurde damit fiir eine Reihe von Jahren zu einer
militarischen Bastion Frankreichs. Sie hatte im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens keinen tschechischen Generalstabschef.
Vielmehr versahen Franzosen dieses Amt. In Prag liess sich eine franzbsische Militarmission nieder, deren Mitglieder
die wichtigsten Kornmandostellen des Heeres bis zu den Brigadekommandos an sich nahmen. Die tschechischen
Offiziere mussten erst die hohe Kriegsschule in Paris besuchen, ehe ihnen selbstandige Kommandos ubertragen wurden.
Von Haus aus waren weiter die Signatarmachte der im Jahre 1919 in den Pariser Vororten abgeschlossenen
"Friedensvertrage" Biirgen des unversehrten Bestandes des Tschechenstaates. Militarvertrage wurden mit Polen,
Jugoslawien und Rumanien geschlossen.
Die Zeit machte manche dieser Vertrage illusorisch. Ein ganz neues System trat im Jahre 1934 an ihre Stelle. Das
System der "kollektiven Sicherheit". Es kam nun darauf an, welche Macht die Entscheidung in diesem System hatte.
Als das Versailler Europa aus seiner nahen geistigen Verwandtschaft zum weltzerstorenden Bolschewismus die
praktischen Folgerungen zog und die Sowjetunion in Genf einfuhrte, um mit ihr das System der "kollektiven Sicherheit"
zu schaffen, war es nicht nur durch die geistige Lage des tschechischen Volkes klar, dass die Tschechen an die Tradition
der Jahre 1918/20 ankniipfen wurden, in denen sie dem Bolschewismus den Steigbiigel hielten, damit er sich
durchsetzen konnte. Angesichts des tschechischen Prinzips, immer bei den Fortschrittlichsten der Fortschrittlichen zu
sein und in jedem Falle bei jener Macht zu stehen, die am weitesten will in ihrem Kampf gegen Deutschland und gegen
die Kulturwelt, hat das tschechische Volk in den entscheidenden Jahren seit 1933 seine Auslieferung an den
Bolschewismus nicht aur gern hingenommen. Nein, noch mehr,
der tschechische Aussenminister Dr. Beneseh war es, der die vorbereitenden Verhandlungen fiir die Einfiihrung
der Sowjetunion in Genf fiihrte und sich als erster der europaisehen Politiker der Sowjetniaeht bedingungslos
zur Verfiigung stellte.
Die Auslieferung an den Bolschewismus
Die Entscheidung liber die Auslieferung des Tschechenstaates an Moskau fiel schon im Jahre 1933.
In diesem Jahr gab das Schicksal dem Frieden in Europa und einer endlichen Beruhigung, einem Ausgleich in Bohmen,
eine grosse Chance.
Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler Kanzler des Deutschen Reiches. Der Nationalsozialismus iibernahm die
Gestaltung der Geschicke der Deutschen. Keiner seiner fiihrenden Manner liess je einen Zweifel iiber die friedfertigen
Absichten dieser Bewegung ubrig, und die Tschechen hatten in den vergangenen Jahren im eigenen Land Gelegenheit
genug gehabt, sich mit den nationalsozialistischen Grundsatzen vertraut zu machen. Gemass der nationalsozialistischen
Auffassung "Dein Volk liebe, die anderen aber achte" predigten die sudetendeutschen Nationalsozialisten unermiidlich
den Gedanken der Versohnung zwischen Tschechen und Deutschen. Die Sudetendeutsche Nationalsozialistische Partei
hatte sich aus der Deutschen Arbeiterpartel in Oesterreich entwickelt und im Friihjahr 1918 ihren Namen angenommen,
den sie auch in die neue tschechoslowakische Staatlichkeit hinuberrettete. Sie war die Frucht des praktischen
Anschauungsunterrichtes, den die Deutschen in Bohmen seit Jahrzehnten wohl oder iibel genossen, namlich der
Belehrung, dass der Nationalitatenkampf zugleich ein sozialer und nationaler ist. Wenn deutscher Boden weggenommen
wird und deutsche Arbeiter entlassen werden, an deren Stelle Tschechen kommen, so ist die nationale und soziale Frage
zugleich aufgeworfen. Aus dieser Ueberzeugung kam die nationale und soziale Abwehr der Deutschen, ihr Programm
fiir die Befriedung des Volkerstreites in Bohmen. Sie wollten, dass endlich Schluss werde mit dem alten Streit, und sie
stimmten Dr. Beneseh bei und dem Prasidenten Masaryk, die sich vor dem Kriege immer wieder dafiir ausgesprochen
hatten, das deutsche und das tschechische Gebiet in zwei verschiedene Verwaltungsbezirke zu teilen, diese Bezirke in
den Herrschaftsverhaltnissen voneinander abzusetzen, damit nicht die eine Gruppe in den Interessenbereich der anderen
eindringen konnte.
Die Nationalsozialisten waren also gegen jede Eindeutschung fremden Volkstums, wie es ja nicht nur ihrer friedfertigen
Gesinnung, sondern auch ihrem Rassenstandpunkt entsprach. Der politische Weg zur Absetzung der beiden Nationen
voneinander konnte nur die Autonomic sein. Die Gewahrung dieser Autonomie, um dit der sudetendeutsche
Nationalsozialismus kampfte, hatte endlich Frieden gebracht. Und sie hatte um so eher auch ein normales Verhaltnis
zum Deutschen Reich hergestellt, als seit dem 30. Januar 1933 ja auch dort Nationalsozialisten herrschten.
Es war wahrhaft eine grosse Chance fiir das tschechische Volk und den tschechoslowakischen Staat. Hatte dieses Volk
ein eigenes Entscheidungsrecht gehabt und waren ihm nicht in den 15 Jahren des brutalsten Kampfes gegen die
Volksgruppen alle Massstabe der Vernunft und des Moglichen vollends verlorengegangen, dann konnte Prag nur den
sudetendeutschen Nationalsozialismus als Briicke zur Verstandigung mit dem Deutschen Reiche benutzen.
Der Hradschin entschied sich anders. Verstandigung anzustreben und zu iiben, war nicht seine Aufgabe. Es war ihm
nicht gestattet. Er hatte jetzt erst recht eine aggressive Haltung gegen Deutschland anzunehmen.
Er riistete zum Praventivkrieg gegen das Reich
mit dem Ziel, in Deutschland wieder das parlamentarisch-demokratische System ans Ruder zu bringen, das sich immer
noch unbilligen Wiinschen willfahrig gezeigt hatte.
Der Krieg wurde nicht gefiihrt, weil Benesch unter dem Eindruck der Berichte, die ihm die jiidischen Emigranten aus
dem Reich lieferten, an die innere Schwache und den baldigen Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes
glaubte. Er war iiberzeugt, der Nationalsozialismus wiirde von innen her weggefegt werden. Es war durchaus als eine
Massnahme gegen den Nationalsozialismus im Reich gedacht, als er am 2. Oktober 1933 die Sudetendeutsche
Nationalsozialistische Partei vernichtete. Das deutsche Volk im Reich sollte an dieser Vernichtung sehen, wie es ihm
bald selbst gehen wiirde, wenn es den Nationalsozialismus nicht abschiittelte.
Die Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei in den Sudetenlandern war langst zur starksten Partei im Staate
geworden. Mit ihr wiirde friiher oder spater als Verhandlungspartner zu rechnen sein. Sie wiirde auf das Ende der
Herrschaft der Beunruhigungen und Provokationen hinarbeiten.
Um sich mit allem Nachdruck zu dieser brutalen friedensfeindlichen Herrschaft zu bekennen und um dem Deutschen
Reich unmissverstandlich zu zeigen, dass man in Prag auf eine Verstandigung im Inneren und nach aussen nicht den
geringsten Wert legte, sondern das Regiment des Terrors im Auftrage fremder Machte aufrechterhalten wollte, wurde
die Nationalsozialistische Partei in den Sudetenlandern aufgelost und verboten.
Eine Verfolgungswelle grossten Ausmasses brach fiber das ohnehin gequalte Sudetendeutschtum herein. Sie begann mit
dem sogenannten Volkssport-Prozess. Nationalsozialistische jugendliche des Volkssport-Verbandes wurden angeklagt,
sich militarisch organisiert und mit der Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei im Reich, die - laut
Anklageschrift -die Zertriimmerung der Tschechoslowakei anstrebe, Beziehungen unterhalten zu haben. Die Anklage
wurde zum Beweis erhoben, die jungen Nationalsozialisten wanderten in den Kerker.
Der Fiihrer und Reichskanzler hat in seiner Reichstag srede am 17. Mai 1934 zu jenem Urteil gesagt:
"Im vergangenen Jahr fand in Briinn der Prozess gegen Augehorige der Nationalsozialistischen Partei in der
Tschechoslowakei statt. Durch vereidigte Sachverstandige der tschechoslowakischen Armee wurde damals die
Behauptung aufgestellt, die Angeklagten stiinden in Beziehungen zur Nationalsozialistischen Partei Deutschlands,
befanden sich in Abhangigkeit von ihr und seien als Mitglieder des Volkssport-Vereins gleichzusetzen den Mitgliedern
der SA. und SS. in Deutschland, die eine von der Reichswehr ausgebildete und organisierte Reservearmee darstelle.
In derselben Zeit besassen aber die SA. und SS., genau so wie die Nationalsozialistische Partei uberhaupt, nicht nur
keine Beziehungen zur Reichswehr, sondern sie wurden im Gegenteil als staatsfeindliche Organisationen verfolgt,
verboten und endlich aufgelost. ja dariiber hinaus: Mitglieder der Nationalsozialistischen Deutschen ArbeiterPartei,
Angehorige der SA. und SS. waren nicht nur von alien staatlichen amtlichen Stellen ausgeschlossen, sondern sie durften
nicht einmal als Arbeiter in einem Heeresbetrieb aufgenommen werden. Die Nationalsozialisten in der
Tschechoslowakei aber wurden auf Grund dieser falschen Darstellung verurteilt."
Wieder einmal wurde eine weitreichende tschechische Entscheidung auf einer Luge aufgebaut.
Es war die Entscheidung gegen die jungen europaischen Krafte der Ordnung, fiir die Verewigung des Systems des
Unrechts und der nunmehr schon vom Bolschewismus angestifteten tschechischen Provokationen. Schon 1933 nahm der
damalige tschechoslowakische Aussenminister die Fuhlung mit Moskau auf.
Die Zeit ist in Erinnerung als eine Ara der hemmungslosesten Liigen. Zumal die Tschechoslowakei wurde mit den
Greuelliigen der aus dem Deutschen Reich ausgerissenen Juden iiberflutet.
Das Versailler Europa sah nach der Machtiibernahme durch den Nationalsozialismus in Deutschland seine Grundlagen
wanken, deren integrierender Bestandteil die Ohnmacht und Schwache des Reiches war. Das Vollzugsorgan des neuen
Europa, die Genfer Entente mit der Maschinerie der kollektiven Sicherheit, wurde unter Dampf gesetzt, um die
Versailler Vorherrschaftsordnung aufrechtzuerhalten.
Die ausfiihrende Hand Genfs in Mitteleuropa, die Tschechoslowakei, hatte, wenn es naeb dem Willen Ihres
Aussenministers gegangen ware, am liebsten sofort militartseh losgesehlagen.
Die nordbohmischen Garnisonen wurden verstarkt.
Noch war Deutschland Mitglied des Genfer Bundes. Um es auch in dieser seiner Eigenschaft iiber die Tendenzen des
neuen Kurses nicht im unklaren zu lassen, blieb auf der Genfer Abrustungskonferenz keine Schikane gegen das Reich
ungestartet. Daneben sammelte die Liga und sammelten ihre allergetreuesten Verfechter eifrig Interventionsvorwande,
durch Erorterung der Emigrantenfrage und Wehklagen iiber das Schicksal der Juden in Deutschland.
Der Einpeitscher jenes Kurses war der tschechische Aussenminister Benesch, Aer kleine Mann mit der grossen Tasche,
der in Europa herumreist und die Geschafte Frankreichs besorgt" (Lord Rothermere).
Nun besorgte er nicht mehr die Geschafte Frankreichs, sondern des Bolschewismus. Er war eifrig dabei, die Genfer Liga
zu bewegen, Deutschland mit Waffengewalt "zur Achtung jener demokratischen Grundsatze" , die man ihm 1918
aufgezwungen hatte, zuruckzufiihren, als sich das Reich durch Verlassen der Abrustungskonferenz und des
Vblkerbundes neuer Majorisierung, neuem Diktat entzog. Das war am 14. Oktober 1933.
Mit Genf waren die Tschechen auf das hochste iiberrascht. Einen solch mutigen Entschluss hatten sie nicht
vorausgesetzt.
Es gait nun, den Vogel wieder in den Kafig zu bringen, in dem er vorher gefangen war. Die Methode, die man sich fiir
das Einfangen zurechtlegte, war nicht neu: der Entflogene sollte durch das Spannen von Netzen in seine alte
Bewegungsunfreiheit gezwungen werden. Mit allerlei Paktvorschlagen sollte das Reich wieder in das Versailler Joch
eingespannt werden. Bei den Verhandlungen dariiber zeigte sich aber Deutschlands Wille, gleichberechtigt zu sein, als
unerschiitterlich.
Da brach, am 19. April 1934, der franzosische Aussenminister Bar'thou nach einer Beratung mit seinem tschechischen
Kollegen Dr. Benesch die Verhandlungen iiber das geplante System ab. Sie waren von seinem Standpunkt aus zwecklos
geworden. Sie waren auch nicht mehr notwendig, um die Vorherrschaft zu sichern. Dem Franzosen Barthou und seinem
engsten Mitarbeiter Benesch fiel der Entschluss zum Abbruch der Verhandlungen um so leichter, als sie sich in
Vorbesprechungen langst einer Macht versichert hatten, die "mit ihrer von keinem anderen Land erreichten
Waffengewalt den Bestand des Versailler Europas garantieren wiirde".
Wahrend der Fiihrer des deutschen Volkes und Kanzler des Deutschen Reiches die Angebote unterbreitete, die in eine
neue Epoche wirklichen Friedens weisen, fiihrten Barthou und Benesch, nachdem der tschechische Aussenminister mit
Erfolg die entsprechende Vermittlung besorgt hatte, im September 1934 den sowjetrussischen Aussenkommissar
Litwinow-Finkelstein in das Haus der "Liga der Nationen" in Genf ein.
Die bolsehewistisehe Sowjetunion wurde der Patronatsberr des "kollektiven Sieherheltssystems-.
Und dieses System erhielt seine besonderen Riickhalte.
zwisehen Paris, Prag und Moskau verhandelten naeh der Einfiihrung der Sowjetunion in die Genfer Liga die
Diplomaten und Militars mit dem Erfolg, dass am 2. Mai 1935 ein franzosisch-sowjetrussischer und am 10. Mai
ein tseheehtsehsomjetiseher Biindnisvertrag unterzelehnet werden konnte.
Der damals amtierende franzosische Aussenminister Laval hatte dabei immerhin so viel demokratisches Gewissen,
diesen Biindnisvertrag dem Parlament seines Landes zur Ratifizierung vorzulegen, ohne dass ihm die franzosische
Verfassung eine dahingehende Pflicht auferlegt hatte. Dr. Benesch machte es sich leichter. Sein demokratisches
Gewissen war weniger ausgepragt. Gewiss bediirfen an sich nur jene internationalen Vertragee die der tschechische
Aussen-minister abschliesst, laut § 54 der Verfassungsurkunde einer parlamentarischen Gutheissung, die dem Staat eine
Geldzahlung an den Vertragspartner auferlegen. Wo das historische Prinzip des Materialismus regiert, ist es schliesslich
nur folgerichtig, jene Staatshandlungen als die wichtigsten anzusehen und dementsprechend dem Parlament vorzulegen,
die eine Geldzahlung vorschreiben. Immerhin hielt dennoch der franzosische Aussenminister - bei ahnlicher
verfassungsmassigen Gegebenheiten in Frankreich - den. Bolschewikenpakt doch fur so entscheidend, dass er die
Kammer mit ihm befasste. Dr. Benesch konnte sich nicht einmal dazu aufraffen, diese demokratische Formalitat zu
erfullen. Mit so wenig Aufsehen wie moglich lancierte er die tschechische Republik in die nunmehr totale Unfreiheit und
Abhangigkeit.
So kam es, dass die Abgeordneten aller Nationalitaten des Prager Parlaments gleich den ubrigen Burgern des Staates
von der am 8. Juni 1935 durch den Prasidenten Masaryk vollzogenen Ratifizierung dieses Paktes, der schicksalhaft fur
die Tschechoslowakei und Europa werden musste, nur aus den Zeitungen erfuhren, ohne dass sie durch eine
entsprechende Ankundigung vorbereitet worden waren, ohne dass sich das Volk oder das Parlament fiir oder wider hatte
aussprechen konnen. Wenn auch nicht die Tschechen, so hatten doch die nichttschechischen Volksgruppen wenigstens
den Versuch unternommen, das Unheil abzuwenden.
Und sie wurden selbst durch die Ratifizierungsmeldung noch getauscht. Auch da las die Oeffentlichkeit nur von
politischen Vereinbarungen. Die militarischen Bestimmungen des Paktes blieben den Burgern noch geheim. Erst spater
wurde der Biindnisvertrag im Wortlaut bekannt. In den Spalten der sowjetrussischen Zeitungen, die nach Prag kamen,
konnte man zuerst das Dokument lesen. Es lautet:
Der Wortlaut des Biindnispaktes.
"Das Zentral-Exekutivkomitee der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Prdsident der Republik
Tschechoslowakei, beseelt von dem Wunsche, den Frieden in Europa zu festigen und sein Wohl fiir ihre Lander zu
garantieren, indent sie die genaue Anwendung der Bestimmungen der Volkerbundsatzung, die auf die Stiitzung der
nationalen Sicherheit, der territorialen Unteilbarkeit und politischen Unabhangigkeit der Staaten abzielen, in
vollkommener Weise verbiirgen,
entschlossen, ihre Krafte der Vorbereitung und dem Abschluss eines europaischen Abkommens zu widmen, das dieses
Ziel verfolgt und noch vorher die effektive Anwendung der Bestimmungen der Volkerbundsatzung zu fordern, soweit
dies von ihnen abhangt,
haben beschlossen, zu diesem Zweck einen Vertrag abzuschliessen, und haben zu ihren Bevollmachtigten ernannt:
das Zentral-Exekutivkomitee der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken: Herrn Serge) Alexandrowski, den
ausserordentlichen Gesandten und bevollmachtigten Minister der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in der
Tschechoslowakei,
der Prdsident der Republik Tschechoslowakei: Herrn Eduard Benesch, Aussenminister,
die nach Austausch ihrer Vollmachten, welche in der notwendigen Form und gehorigen Ordnung befunden worden
sind, folgende BeschlUsse vereinbart haben:
ARTIKEL I
In dem Falle, wenn die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken oder die Republik Tschechoslowakei Gegenstand
einer Bedrohung oder der Gefahr eines Ueberfalls von seiten irgendeines europaischen Staates werden sollten,
verpflichten sich die Republik Tschechoslowakei und dementsprechend die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken,
beiderseitig unverzuglich zur Konsultation zu schreiten, um Massnahmen zur Innehaltung der Bestimmungen im Artikel
10 der Volkerbundsatzung zu ergreifen.
ARTIKEL II
In dem Falle, wenn die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken oder die Republik Tschechoslowakei unter den
Bedingungen, die im Artikel 151 Paragraph 7, der Volkerbundsatzung vorgesehen sind, trotz der aufrichtig friedlichen
Absichten beider Lander Gegenstand eines nicht provozierten Ueberfalls von seiten irgendeines europaischen Staates
werden sollten, werden sich die Republik Tschechoslowakei und anderseits die Union der Sozialistischen
Sowjetrepubliken unverzuglich gegenseitig Hilfe und Unterstiitzung erweisen.
ARTIKEL III
In Anbetracht dessen, wenn jedes Mitglied des Volkerbundes, das entgegen den in den Artikeln 12, 13 urftl 15 der
Satzung Ubernommenen Pflichten zum Kriege greift, nach Artikel 16 der Volkerbundsatzung als jemand angesehen
wird, der einen Kriegsakt gegen alle anderen Mitglieder des Volkerbundes unternommen hat, verpflichten sich die
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und dementsprechend die Republik Tschechoslowakei, in dem Falle, dass
einer von ihnen unter diesen Umstdnden und trotz der aufrichtig friedlichen Absichten beider Lander Gegenstand eines
nicht provozierten Ueberfalls von seiten irgendeines europdischen Staates werden sollte, sich unverziiglich gegenseitig
Hilfe und Unter stiitzung zu erweisen, wobei sie in Uebereinstimmung mit Artikel 16 der Satzung zu handeln haben.
Die gleiche Verpflichtung ist fiir den Fall iibernommen worden, dass die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
oder die Republik Tschechoslowakei Ge enstand eines Ueberfalls seitens eines europdischen Staates unter den
Bedingungen werden sollte, die in den Paragraphen 1 und 3, Artikel 17, der Volkerbundsatzung vorgesehen sind.
ARTIKEL IV
Ohne Beeintrdchtigung der vorangegangenen Bestimmungen des vorliegenden Vertrages ist festgesetzt, dass, falls eine
der Hohen Vertragschliessenden Seiten Gegenstand eines Ueberfalls seitens eines oder mehrerer dritter Mdchte unter
Umstdnden wird, die keine Handhabe zur Erweisung von Hilfe und Unter stiitzung im Rahmen des vorliegenden
Vertrages bieten, sich dann die andere Hohe Vertragschliessende Seite verpflichtet, im Laufe des Konfliktes dem oder
die Ueberfallenen weder direkt noch indirekt zu helfen oder ihn bzw. sie zu unterstiltzen, wobei jede der Seiten erkldrt,
dass sie durch keinerlei Abkommen iiber Hilfeleistung gebunden ist, das im Widerspruch zu der vorliegenden
Verpflichtung stiinde.
ARTIKEL V
Da die oben festgesetzten Verpflichtungen den Pflichten der Hohen Vertragschliessenden Seiten in ihrer Eigenschdft
als Mitglieder des Volkerbundes entsprechen, wird im vorliegenden Vertrage nichts als Einschrdnkung der Aufgabe
dieses letzteren, Massnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, den allgemeinen Frieden wirksam zu verteidigen, oder als
Einschrdnkung der Verpflichtungen ausgelegt werden, die sich fiir die Hohen Vertragschliessenden Seiten aus der
Volkerbundsatzung ergeben.
ARTIKEL VI
Der vorliegende Vertrag, dessen russischer und tschechischer Wortlaut die gleiche Giiltigkeit haben werden, wird
ratifiziert und die Ratifizierungsurkunden werden in Moskau ausgetauscht werden, sobald dies moglich ist. Er wird im
Sekretariat des Volkerbundes registriert.
Er tritt im Augenblick des Austausches der Ratifizierungsurkunden in Kraft und wird auf die Dauer von fiinf Jahren in
Kraft bleiben. Wenn er nicht von einer der Hohen Vertragschliessenden Seiten mindestens ein Jahr vor Ablauf dieser
Periode vorsorglich gekiindigt wird, so bleibt er ohne Beschrankung des Termins in Kraft, wobei jede der Flohen
Vertragschliessenden Seiten die Moglichkeit haben wird, seine Wirksamkeit dadurch aufzuheben, dass sie ein Jahr
vorher eine dementsprechende vorsorgliche Erkldrung abgibt.
Zur Bekrdftigung dieses haben die Bevollmdchtigten den vorliegenden Vertrag unterzeichnet und ihm ihre Siegel
beigefugt.
Ausgefertigt in Prag in zwei Exemplaren. 16. Mai 1935
Protokoll iiber die Unterzeichnung.
Im Augenblick der Unterzeichnung des sowjetisch-tschechoslowakischen Vertrages iiber gegenseitige Hilfe vorn
heutigen Tage haben die Bevollmdchtigten das nachfolgende Protokoll unterzeichnet, welches den auszutauschenden
Ratifizierungsurkunden des Vertrages beigefugt werden wird.
1.
Es gilt als vereinbart, dass es laut Artikel III die Pflicht jeder vertragschliessenden Seite ist, der anderen unverziiglich
Hilfe zu leisten, wobei sie sich ohne Aufschub von den Empfehlungen des Volkerbundrates leiten zu lassen haben,
sobald sie gemdss Artikel 16 der Satzung erteilt sind. Ferner gilt als vereinbart, dass beide vertragschliessenden Seiten
nach Vereinbarung handeln werden, um zu erreichen, dass der Rat seine Empfehlungen mit alter Beschleunigung, die
die Umstdnde erfordern, erteilt, und dass, falls der Rat trotzdem aus dem einen oder anderen Grunde keinerlei
Empfehlug erteilt, oder falls er keine Einstimmigkeit erzielt, dann die Pflicht der Hilfeleistung nichtsdestoweniger
erfiillt wird. Ausserdern ist vereinbart, dass die Verpflichtungen der Hilfeleistung, die im vorliegenden Vertrag
vorgesehen sind, nur den Fall eines Ueberfalles betreffen, der auf das eigene Territorium der einen oder der anderen
vertragschliessenden Seite veriibt wird.
Beide Regierungen konstatieren, dass die Verpflichtungen, die in den 1. Artikeln I, II und III des vorliegenden
Vertrages vorgesehen sind, der in dem Bestreben, die Schajfung eines regionalen Sicherheitssystems in Osteuropa,
dessen Anfang mit dem franzosisch-sowjetischen Vertrag vom 2. Mai 1935 gemacht worden ist, zu fordern
abgeschlossen worden ist, sich in den gleichen Grenzen halten, die im Punkt IV des Protokolls iiber die Unterzeichnung
des genannten Vertrages festgelegt sind. Gleichzeitig erkennen beide Regierungen an, dass die Verpflichtungen der
gegenseitigen Hilfe zwischen ihnen nur insoweit wirksam sein kann, als beim Auftreten der Bedingungen, die im
vorliegenden Vertrag vorgesehen sind, der Seite, die das Opfer eines Ueberfalls geworden ist, von seiten Frankreichs
Hilfe geleistet wird.
3.
Beide Regierungen halten den Abschluss eines Regionalabkommens fiir wiinschenswert, dessen Ziel die Organisierung
der Sicherheit der vertragschliessenden Staaten sein wtirde, und das gleichzeitig Verpflichtungen iiber gegenseitige
Hilfe; enthalten oder von solchen begleitet sein konnte, .und billigen sich gegenseitig in einem entsprechenden Fall die
Moglichkeit "zu, unter gegenseitigem Einverstandnis in der Form, direkt oder indirekt, die sich als geeignet erweisen
sollte, an derartigen Abkommen teilzunehmen, wobei die Verpflichtungen dieser Abkommen diejenigen ersetzen
miissen, die sich aus dem vorliegenden Vertrag ergeben.
Ausgefertigt in Prag in zwei Exemplaren. 16. Mai 1935.
Ihren Gliickseligkeitsgefiihlen iiber das Werk, das sie vollbracht hatten, gaben Benesch und Litwinow-Finkelstein in
Telegrammen Ausdruck. Benesch drahtete Litwinow:
"Ich bin begliickt von der Moglichkeit, Ihnen mitteilen zu konnen, dass zu der Zeit, als Sie und andere Mitglieder der
Regierung der UdSSR mit einem Vertreter des befreundeten Trankreich iiber das Problem der Organisierung des
Friedens berieten, die Verhandlungen zum Abschluss gekommen sind, die mit einem Vertreter der UdSSR wegen eines
Vertrages, ausgearbeitet im Geiste des Volkerbundpaktes und zum Zwecke seiner Starkung, entsprechend den
Prinzipien, iiber die wir uns in Genf geeinigt haben, gepflogen worden sind.
Indem ich zur Unterzeichnung dieses Vertrages schreite, bin ich gliicklich, die Moglichkeit zu haben, die GlUckwunsche
der Regierung der Tschechoslowakei zu diesem neuen. Erfolg Ubermitteln zu konnen, der auf die Organisierung der
allgemeinen Sicherheit und auf die Festigung des Weltfriedens abzielt. Ich schatze mich gliicklich, dass wir die
Freundschaft zwischen unseren beiden Ldndern verstdrken, indem wir sie fiir den Dienst des Friedens ausnutzen. Ich
freue mich iiber die Moglichkeit, demndchst mit Ihnen und anderen Mitgliedern der Regierung der UdSSR in
personlichen Kontakt zu treten und auf diese Weise die Zusammenarbeit zwischen unseren Ldndern, die das Ziel der
Starkung des Wohlergehens unserer beiden Volker und gleichzeitig des Wohlergehens aller anderen Voter verfolgt,
noch enger zu gestalten.
(gez.) Dr. Eduard Benesch. "
Auch Litwinow schwelgte im Gliick. Er antwortete auf das Telegramm Beneschs:
"Ich danke Ihnen herzlich fiir Ihr liebenswiirdiges Telegramm. Mit ser Befriedigung habe ich von der Unterzeichnung
des sowjetisch-tschechoslowakischen Vertrages iiber gegenseitige Hilfe erfahren und begliickwUnsche Sie zur
erfolgreichen Vollendung einer Sache, die, davon bin ich Uberzeugt, zur noch grosseren Vertiefung der Beziehungen
der aufrichtigen Freundschaft, die zwischen unseren Ldndern besteht, dienen wird. Ich betrachte es als meine
angenehme Pflicht, bei dieser Gelegenheit der gewaltigen Verdienste zu gedenken, die Sie personlich bei der Festigung
des Weltfriedens haben, zu dessen wertvollsten Instrumenten der soeben von Ihnen unterzeichnete sowjetisch-
tschechoslowakische Vertrag gehort. Mit grosein Interesse werde ich Ihre Ankunft in Moskau erwarten, Uberzeugt, dass
dieser Besuch eine neue wichtige Etappe in der gleichen Richtung sein wird. "
In seiner ganzen politischen Laufbahn hat Dr. Benesch in keiner Erklarung, die er von sich gab, so viel von Gliick
gesprochen, wie in diesem Telegramm an den bolschewistischen Aussenkommissar Litwinow-Finkelstein, auch nicht in
seinen Kundgebungen anlasslich der Griindung des tschechoslowakischen Staates.
Der Bundnispakt war ihm die Krbnung seines Lebens, und in der Tat, wie Litwinow sagte, "die erfolgreiche Vollendung
einer Sache, zur noch grosseren Vertiefung der Beziehungen", die zwischen den beiden Staaten bestanden, diente.
Das sind Vertrag, Protokoll und Beneschs Gliicksgefiihle.
Prag muss Moskau gehorchen
Vom journalistischen und politischen Horizont der Mehrzahl der tschechischen Zeitungen aus gesehen, war mit dem
Abschluss dieses Vertrages nichts geschehen, was eine grossere als zweispaltige Ueberschrift verdient hatte. Man ging
immer noch vorsichtig ans Werk und sagte noch nicht die voile Wahrheit, die ja auch in der Terminologie des Vertrages
selbst keineswegs zum Ausdruck kommt.
Aufrichtiger Friedenswille - Sicherheit - Unverschrtheit - Unantastbarkeit - regionale Abkommen - Beistand und wie es
in dieser Terminologie sonst schon heisst, das waren im Fruhjahr 1935 keine neuen Vokabeln mehr.
Dem Leser wurde auch der Inhalt des Paktes von keiner Zeitung kommentiert. Die Blatter, die uberhaupt zu dem
Ereignis Stellung nahmen, schrieben in der gleichen Tonart, nun sei dem tschechoslowakischen Staat der machtigste
Beistand gegeben, der iiiberhaupt denkbar sei.
So nahm fiir den ersten Augenblick die tschechische Oeffentlichkeit den Pakt ohne jedes weitere Aufheben hin,
sudetendeutsche und slowakische Blatter machten Einwande, aber die voile Wahrheit zu sagen war auch ihnen nicht
moglich. Dem stand die Pressezensur imWege. Und sie konnten um so weniger eine deutliche Stellungnahme beziehen,
als kurz davor ein deutsches Blatt, das sonst durchaus loyal war, wegen einer Kritik an der aussenpolitischen Linie des
Hradschin auf mehrere Monate verboten worden war. Das war die Warnung an die Blatter, sich mit dem Pakt nur in
vorsichtigen Wendungen zu befassen. Wenn nicht, dann wurden auch sie eingestellt.
So wollten die einen, und durften die anderen nicht sagen, was in Wirklichkeit geschehen war und wie alle Begriffe eine
neue Auslegung bekommen, wenn die Bolschewiken die Interpreten sind. Es war von sowjetrussischer Seite zu jener
Zeit schon langst keine Unklarheit mehr dariiber gelassen, dass Moskau seine individuelle Auffassung von
"unprovoziertem Angriff" oder "Verteldigungskreg" hat.
In der offiziellen Kriegslehre des Kommunismus ist der revolutionare Angriffskrieg in jedem Fall ein
Verteldigungskrieg des Sowjetstaates als des Tragers des "Sozialismus".
Diese Doktrin ist in einem amtlichen Moskauer Werk dahin erlautert worden:
"Man muss streng unterscheiden zwischen dem Verteidigungskrieg im historisch-politischen und im strategischen Sinne.
Der proletarische Staat oder eine fiir ihre nationale Befreiung kampfende unterdruckte Nation fiihren immer, unabhangig
davon, wer angefangen, wer zuerst angegriffen hat, einen Verteidigungs-, d. h. einen gerechten Krieg. Die Frage nach
dem Charakter der Strategie jedoch wird nach der Lage, nach dem Krafteverhaltnis usw. entschieden.
Gleichzeitig wird jeder Krieg, den der Ratebund fiihren wird, im historisch-politischen Sinn ein
Verteidigungskrieg und gereeht, sein, unabhangig davon, wer ihn zuerst beginnen wird."
(L. S. Degtjarew, "Die politische Arbeit in der Roten Armee", Moskau 1930, zitiert bei Adamheit, "Rote Armee - Rote
Weltrevolution - Roter Imperialismus".)
Die "Konsultation", in der der Angreifer ermittelt wird, ist also praktisch iiberfliissig. Es ist in jedem Fall der Gegner des
Sowjetstaates und seiner Verbiindeten.
"Nicht derjenige fahrt einen ungereehten Krieg, der als erster angegriffen hat, sondern derjenige, der der
Vertreter der Reaktion, der Konterrevolution, der Ausbeutung, des Imperialismus gegen die proletarische
Revolution ist",
wurde auf dem VI. Kongress der Kommunistischen Internationale in Moskau proklamiert.
Jeder Hinweis auf diese bolschewistische Kriegsschulddoktrin wurde von der tschechischen Zensur unterdriickt. Da
uberdies antibolschewistische Aufklarungsarbeit in der Tschechoslowakei nie gepflegt worden war, und nun erst recht
die der bolschewistischen Praktiken Kundigen schweigen mussten, diirfte es nur ein sehr geringer Ausschnitt der
Oeffentlichkeit gewesen sein, der sich des eigentlichen Sinnes und der mechanischen-Funktion des Paktes bewusst
wurde, und wenn schon - das tschechische Volk war bis auf nicht nennenswerte und vollkommen einflusslose Kreise
innerlich diesem Vertrag zugeneigt.
Die praktische Vorbereitung des Beistandes wurde iibrigens schon betrieben, als das Bundnis noch gar nicht unter Dach
und Fach war. Im Juni reiste Dr. Benesch zur Ratifizierung nach Moskau. Vorher aber waren schon die tschechischen
Militars dort und sowjetrussische Offiziere in der Tschechoslowakei gewesen. Mit einem Besuchsaustausch der
Luftwaffenchefs der Tschechoslowakei und der Sowjetunion nahm die praktische militarische Zusammenarbeit ihren
Anfang. Wenige Monate darauf war es jedermann klar, warum die Militars, und gerade die Befehlshaber der Luftflotten,
vorangingen.
Die Tschechoslowakei ist nicht von Tschechen gegriindet worden. Die Tschechoslowakei ist nicht von Tschechen
erhalten worden, die Tschechoslowakei fiihrt keine selbstandige Aussenpolitik. Das ging aus dem Vertrag ein ubriges
Mai in aller Unmissverstandlichkeit hervor. Beistand wird erst geleistet, wenn es Frankreich wiinscht, wenn Paris seine
Zustimmung gibt.
Der Hradschin war nie gewohnt, selbstandig handeln zu diirfen, immer bekam er von dritten Michten die Parole.
Wenn nun durch den Sowjetpakt auch der Schein von Selbstandigkeit verlorenging, so war das kein Vorgang, der an die
Ehre des amtlichen rag riihrte. Und auch nicht daran entziindete sich eine erste tschechische Kritik am Pakt. Diese Kritik
wurde durch eine andere Ursache ausgelost.
Der alte Dr. Kramarsch, Fiihrer der nach 1918 Nationaldemokraten genannten panslawistischen Jungtschechen, 1916 in
Wien wegen Hochverrats zum Tode verurteilt, 1917 von Kaiser Karl begnadigt, durch seine russische Frau bis' zur
Bolschewikenrevolution Besitzer riesiger Latifundien in der Krim; dieser Dr. Kramarsch hat 1908 sein Trutzpalais aus
den gleichen Griinden und Gefuhlen neben das Habsburgische Hradschin-Schloss in Prag gesetzt, die 1625 den Grafen
Wallenstein bewogen, seine Prager Burg dem Kaiser Ferdinand 11. "vor die Nase" zu setzen. jawohl, auch Palaste sind
in Prag politische Demonstranten.
Wallensteins Machtherrlichkeit fand ein jahes Ende. Im Schicksal Kramarschs fiigt es sich indessen, dass er mit seinem
Volk gegen Habsburg gewann. 1918 wurde der zwei Jahre vorher zum Tode verurteilte Dr. Karl Kramarsch erster
Ministerprasident der Tschechoslowakei.
Er war zeitlebens Panslawist. Er hatte jenen Plan eines grossrussischen Reiches ausgearbeitet, dessen Westgrenze auf
der Linie Stettin-Berlin-Dresden-Niirnberg-Regensburg verlief. (Er war damit immer noch entgegenkommender als der
Planzeichner des russischen Vertrauensmannes Klofac, Hanus Kuffner, der nach dem Sieg der Alliierten dem deutschen
Volk alles in allem nur eine Reservation im Dreieck Hamburg-Thiiringen-Emden zubilligte.) Kramarschs Blick war
immer zur Zarensonne gerichtet, so gebannt, wie der Blick Dr. Beneschs nach dem aufgeklarten Paris. In den
Diktatkonferenzen sahen sich die beiden Manner, die Kampfer fiir eine Sache und doch auf den Tod verfeindete Gegner
waren, wieder. Kramarsch sah mit Ingrimm, wie ihm Benesch auf den Diktatonkonferenzen den Rang streitig machte. Es
bedriickte ihn, so wie ihn das von der bolschewistischen Revolution herbeigefuhrte Ende seiner allslawischen
Grossreichsplane vergramte. 1919 konnte Kramarsch kraft seines Ministerprasidentenamtes der neuerworbenen
ostlichen Provinz des Staates noch den Namen Karpatenrussland geben, entgegen der Bezeichnung Karpatenukraine, die
dem nationalen Charakter dieser Provinz entsprochen hatte. Als die Briicke zum russischen Grossreich dachte sich
Kraniarsch Karpatenrussland. Es war nun 1935 die Briicke zu einer anderen fiber Russland herrschenden Macht
geworden.
Aber, um Kramarschs Schicksal weiter zu verfolgen: wahrend er 1919 noch in Paris weilte, wurde er in Prag von der
Linken vom Ministerprasidentenamt gestiirzt. Aus dem Palais Kolowrat zog er sich in sein Haus auf der Bastei
gegeniiber dem Hradschin zuriick, das nun wiederum steinerne Demonstration gegen die "Burg" war. Nur war eben der
Hradschin nicht mehr das Schloss Habsburgs, sondern der Sitz Masaryks und Beneschs.
Dieser Dr. Kramarsch hatte nie aufgehort, von der Erneuerung der Zarenkrone zu traumen, die das allslawische
Grossreich doch noch bringen und auch die Tschechoslowakei einschliessen wiirde.
Nun fuhr Dr. Benesch, sein Antipode, zur Ratifizierung des Paktes im Juni nach der Hauptstadt des bolschewistischen
Russland. Dort hielt er eine Rede, die die Panslawisten als ungeheuerlich empfinden mussten, die aber doch in den
ersten Berichten nicht falsch wiedergegeben sein konnte, denn was Benesch in Moskau gesagt hatte, liess er durch die
Feder seines Stellvertreters Dr. Krofta in der halbamtlichen "Prager Presse" noch einmal bekraftigen und durch das
geschriebene Wort festhalten:
"Zur Zusammenarbeit mit der Sowjetunion fiihrt uns nichts, was auch nur annahernd dem alten romantischen
Panslawismus ahneln wiirde, diesem romantischen Traum von der Vereinigung alien Slawentums, diesem naiven
Glauben an die Moglichkeit einer besonderen internationalen Politik der slawischen Volker."
Aussenminister Dr. Benesch unterstrich es mit den Worten:
"Ich bin seit je ein Freund des sowjetischen Russland gewesen und habe schon 1919 mit Wilson auf dem
Standpunkt der Anerkennung und Annaherung gestanden. 16 Jahre lang habe Ich keine andere Politik verfolgt
als die' der Freundschaft mit der Sowjetunion ..."
Gewiss war Benesch seit je ein Freund des Bolschewismus. Er und sein Mentor Masaryk hatten ja dem Bolschewismus
durch die Abberufung der Legionare in den Sattel geholfen. Daran konnte auch Dr. Kramarsch nicht rutteln. Aber er
meldete sich in seiner Eigenschaft als Panslawistenfuhrer zum Wort und schleuderte dem Dr. Benesch in den "Narodni
Listy" den Schimpf entgegen:
"Als Fiihrer des slawischen Romantismus muss ich iiber Dinge sprechen, von denen andere besser geschwiegen hatten.
Wenn es keinen slawischen Romantismus gegeben hatte, wenn sich das alte Russland nicht um den Preis seiner Existenz
fiir die slawischen Volker geopfert hatte,
dann wiirden sich Litwinow-Wallaeh-Finkelstein, Stalin-Dschugaschwill und Herr Dr. Eduard Benesch heute
nicht im altehrwiirdigen Kreml die Hande sehiitteln, sondern hochstens In einem kleinen Cafe im Pariser
Quartier Latin, und die Herren wiirden hochstens von blutigen Ueberfallen auf zaristisehe Kassen erzahlen.
Die 'Naiven' bleiben dabei: Luge ist Luge, Mord ist Mord, Raub ist Raub. Diese Naiven sterben langsam aus. Sie
konnten sich angesichts des bolschewistischen Anschauungsunterrichts bis zum Tode nicht von ihrer Naivitat'
iiberzeugen. Herr Dr. Eduard Benesch aber ist mit seiner weisen Politik so weit gekommen, dass die Sowjets seine letzte
Hilfe sind.
Er muss ihnen gehorchen.
Er darf ihnen nichts iibelnehmen..."
Was Kramarsch als einsamer, einflussloser, vergramter, alter Herr andeutete, aussprach und bis zu seinem Tode im
Jahre 1937 immer wieder, wenn auch vollig umsonst, seinem Volk einzuhammern suchte, war das-. Seit dem Abschluss
des Paktes gibt es vollends keine von Moskau unabhangige Politik der Tschechoslowakei mehr. Der Hradschin muss
den Bolschewiken gehorchen, er darf ihnen nichts iibelnehmen. Immer war er nur Objekt, aber immerhin doch "nur"
Objekt der franzosischen Hegemonialpolitik und der anderen politischen Machte des aufklarerischen Fortschritts, die
sich gegen die Mitte Europas verschworen hatten und diese Mitte dauernd beunruhigten, in Schwache und Schrecken
hielten, zu welchem Zwecke sie den Tschechenstaat griindeten. Damit liess sich die nationale tscherhische Politik
immerhin noch in Einklang bringen, denn es war ja nicht nur ihr Auftrag, sondern auch ihre eigene Initiative, am
deutschen Volk Verbrechen zu begehen. Nun aber war ein neuer Auftrag gekommen, eine neue Mission gegeben. Und
diese Mission reichte in ihrem Raumgreifen ungleich weiter als nur bis Deutschland, Ungarn, Oesterreich und auch
Polen. Die iibernationale, internationale Funktion der Tschechoslowakei wurde nun, verlangerter Arm der
bolschewistischen Sowjetunion in ihrem Kampf um die Revolutionierung der Welt zu sein. Darum durfte Benesch keine
irgendwie nationalen Motive oder solche der allslawischen Rassengemeinschaft anklingen lassen. Er musste in Moskau
bei der Ratifizierung des Paktes feierlich die panstawistische Idee verdammen.
"Russland" ist nicht mehr das Idol allslawischer Traumer. Die an seine Stelle getretene Sowjetunion ist der
Ausgangspunkt der Weltrevolution, die die Menschheit nicht nach Nationen, sondern nach Klassen gliedert. Nicht
Volker, Volkerfamilien oder Rassen kennt der Bolschewismus. Er gebietet zwar im sowjetrussischen Herrschaftsbereich
iiber viele Sprachen und Volker, aber er hat eine neue Art, eine neue Norm der Nationalitatenpolitik entwickelt. Es ist
die Nationalitatenpolitik "mit sozialistischem Inhalt", wie es Stalin nannte. Es ist die bolschewistische Vermanschung
des nationalen Gesichts eines jeden Volkes.
Jede nationale Regung ist eine Sicherung der Nationen vor dem Bolschewismus und ein Hemmnis auf dem Wege zur
Weltrevolution. Der Panslawismus, so musste jetzt Benesch iiberlegen, ist eine nationale Regung und also in Moskau
doppelt verpont: er konnte mit gewaltsamen Mitteln zum Verstummen gebrachte Saiten im russischen Volk wieder
anklingen lassen. Die "riickstandigen", noch im Volkstum oder im Panslawismus denkenden Russen, die sich aus der
Vorkriegszeit eine Erinnerung in ihr Dasein im Boischewikenstaat heriibergerettet haben, konnten Hoffnungen,
Anregungen und Kraft fiir ihr nationales Sehnen aus dem tschechisch-sowjetrussischen Biindnis ziehen, wenn diesem
Biindnis nationale, allslawische Motive unterlegt wiirden. Und in der Tschechoslowakei konnte gleicherweise wieder
reger von einem Gross-Slawenreich getraumt werden, konnte also die politische Rechte das Biindnis fiir ihre Agitation
und Ziele, die gleichbedeutend sind mit dem Ende der bolschewistischen Schreckensherrschaft in Russland, nutzen.
In diesen Punkten nun stellte Dr. Benesch in seinem hohnvollen Nachruf auf den "panslawistischen Romantismus" die
von Moskau gewiinschte Klarheit her. Er musste ein Stiick seiner eigenen Vergangenheit verraten (worin er freilich
schon seit der Denkschriftenzeit eine umfangreiche Praxis hatte), wenn er in den Augen Litwinow-Finkelsteins
vollkommen sein wollte. Er musste seinem Volke sagen: nicht um Nationalismus, allslawische Gefiihle, um
Grossrussenreich geht es bei diesem Biindnis. Es geht allein um die proletarische Weltrevolution.
Die mundtoten Russen schwiegen auf die hohnischen Worte vom "romantischen Panslawismus". Wie konnten sie auch
sprechen! Den Dr. Kramarsch konnte man freilich nicht in die Tschekakeller sperren. Er konnte die Wahrheit sagen.
Mit dem Abschwur Dr. Beneschs waren auch die "positiven"-ideologischen Hintergriinde der neuen
Bundesgenossenschaft dargelegt. Die Hradschin-B latter brauchten nun in der Propaglerung der Biindnispolltik nur auf
Beneschs Betrachtung aufzubauen, als sie daran gingen, die "geistesgeschichtliche Einordnung" des Paktes urbi et orbi
klarzumachen. Orbis fiihrte dabei das Wort. Namlich der aus den Geheimfonds des tschechoslowakischen
Aussenministeriums gespeiste Orbis-Verlag in der Foch-Gasse in Prag mit seinem Hauptreptil "Prager Presse", von dem
sehr bald nach dem Abschluss des Bundnispaktes ein Tschechenblatt sagen konnte:
"Warum halt man die Tschechen fur Bolschewiken? Weil man unser Reprasentationsorgan liest, die 'Prager
Presse'. Sie ist so geschrieben, dass Auslander nicht wissen, ist es ein Blatt der Kommunistischen Internationale
oder auch der Moskauer Regierung?" ("Venkov").
Die andere Grundlage, nach der die Tschechenblatter dem Volk den Sinn der neuen Epoche klarmachten, war die in der
"Kori-imunistischen Internationale" verkiindete Doktrin:
"Unter dem Einfluss der Siege der Sowjetmacht geht in der Tschechoslowakei, wie iibrigens in der ganzen anderen Welt
auch, der Prozess der ideologischen und politischen Annaherung der Arbeiter, der Sozialdemokraten und der
Kommunisten4 vor sich. Die Beziehungen der Tschechoslowakei zu der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken
tragen zur Annaherung der Kornmunisten und der Arbeiter-Sozialisten und zur Durchfiihrung der Politik der
einheitlichen antifaschistischen Volksfront bei. Das Volk der Tschechoslowakei erkennt, dass das Sowjetsystern zur
Realisierung der reifsten, der festesten und der hochsten Form der Demokratie fiihrt.
Sowjetunion und Bolschewismus also sind das Fortschrittlichste vorn Fortschrittlichen, und im Fortschritt wollten sich
die Tschechen oder doch wenigstens ihre verantwortlichen Manner noch nie von jemandem schlagen lassen. Dass es
sich um jenen Fortschritt handelt, der Bruch mit aller Disziplin, Loslosung von eder Ordnung bedeutet, bedarf keiner
Erklarung.
Mit Genugtuung griff die "Prager Presse" den kommunistischen Hinweis auf, der Bolschewismus sei die hochste
Vervollkommnung der Lehre der Enzyklopadisten, die am Beginn der Aufklarung standen.
Der Aussenminister Dr. Benesch selber vertiefte sich iibrigens wieder einmal in die Geschichte. Dabei kam heraus, was
das Ergebnis jeder tschechischen Geschichtsbetrachtung ist: ein neues Blatt der romantisch-sentirnentalen Auffassung.
Es habe ihn tief geriihrt, so erklarte Dr. Benesch wahrend der Ratifizierungsfeler in Moskau, dass nun zum erstenmal in
der 1200jahrigen Geschichte der Tschechoslowakei ein tschechischer Minister nach Moskau komme. Bei aller Absage
an den Panslawismus konnte sich Benesch dieses mythische Zauberwort doch nicht verkneifen.
Hier irrte sich Benesch im Entstehungsdatum des tschechoslowakischen Staates um voile 1200 Jahre.
Sowjet-Militars in der Tschechoslowakei zu Hause
Die Erorterungen liber die bolschewistisch-demokratisch-marxistische Gemeinsamkeit von geistigen Grundlagen und
politischen Machtinteressen der Moskau-Versailler Welt horten seit dem Mai 1935 in der tschechischen Presse
nicht. mehr auf. Sie wurden aber bald von einem anderen Thema des gleichen Charakters uberschattet, namlich der
publizistischen Behandlung der militarischen Zusammenarbeit zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion.
Diese publizistische Behandlung wurde in grosstem Umfang betrieben, aus dem durchsichtigen Grunde, den Tschechen
durch die Hinweise auf "die gewaltige sowjetrussische Armee und deren Kampfstarke" immer wieder neuen Mut zur
Unfriedfertigkeit, also neuen Uebermut einzuimpfen.
Weder ist es moglich, noch kommt es darauf an, hier etwa eine liickenlose Uebersicht liber die einzelnen Vorgange in
der tschechischsowjetrussischen militarischen Zusammenarbeit zu geben. Allerdings konnte dieses Bild. leicht bis in alle
Einzelziige nachgezeichnet werden, wenn sich nicht die tschechische Regierung im Jahre 1936 unter dem Eindruck des
Verwunderns und der Riickfragen europaischer Grossmachte (nicht Deutschlands) zu strengster Geheimhaltung der
Einzelmassnahmen entschlossen hatte. Bis dahin war auch das amtliche Prag noch durchaus offenherzig und
unbekiimmert; gehorte es doch zum iibermutigen Provozieren, den Nachbarn gegemiber immer wieder mit Hinweisen
auf die gewaltige Macht des grossen bolschewistischen Freundes aufzutrumpfen.
Erst als sich die Krafteverhaltnisse auf dem Kontinent durch die deutsche Nachrustung wesentlich geandert hatten,
begann der Hradschin den Weg des grundsatzlichen Dementlerens einzuschlagen. Im Sommer 1936 erst wurden diese
Dementis fur notwendig gehalten, obwohl zu dieser Zeit schon ein ganzes Jahr lang Mitteilungen liber den
Ausbau der Tschechoslowakei zum Flugzeugmuttersehiff der Sowjetunion
gemacht worden waren, und zwar auch in tschechischen Zeitungen. Um es besonders zu bet(5nen: die Tschechoslowakei
hat ihren Namen "Flugzeugmuttersehiff der Sowjets" nicht von "boswilligen deutschen oder ungarischen Agitatoren"
erhalten, sondern vielmehr von den eigenen franzosischen Freunden, denen es bestimmt fernlag, den Tschechenstaat
damit zu beleidigen oder unbegriindet zu verdachtigen. Vom "Paris Soir" stammt der Begriff "Flugzeugmuttersehiff der
Sowjets". Noch im Juni 1935, unmittelbar nach der Ratifizierung des tschechisch-sowjetischen Paktes, konnte das
Pariser Blatt an der Tschechoslowakei die neue, die Flugzeugmutterschiff-Funktion, wahrnehmen. Es hatten eben nicht
umsonst die Luftwaffenchefs der beiden Staaten Sowjetunion und Tschechoslowakei zuerst, noch vor der Ratifizierung
des Paktes, miteinander verhandel t. Und da man noch in der Zeit der Offenherzigkeiten war, konnte auch ein
Sowjetflieger der Umwelt zur Kenntnis bringen, worauf es den Bolschewiken gerade bei der Zusammenarbeit der
Luftstreitkrafte ankam:
"Unsere viermotorigen Bomber TB3, versehen mit Motoren, die Von unserem Ingenieur Mikulin konstruiert sind,
fliegen durchschnittlich 200 Kilometer und erreichen eine Steighohe von 6000 bis 7000 Meter. Sie tragen
Maschinengewehre und Betriebsstoff fiir 2000 Kilometer, Der Verbrauch betragt 150 Kilogramm je Motor und Stunde,
also 600 Kilogramm fiir vier Motoren, sechs Tonnen fiir zehn Flugstunden.
Die Strecke Minsk-Berlin misst 950 Kilometer. Der TB3 kann demnach diesen Weg mit einer Tonne Sprengstoff
zuriicklegen, vorausgesetzt, dass uns Deutsche und Polen Minsk als Operatiorisbasis belassen. Aber auf dem Fluge von
Minsk nach Berlin, bei einer Entfernung von fast 1000 Kilometer, laufen unsere Flugzeuge Gefahr, von Maschinen, die
mehr als 300 Kilometer in der Stunde bewaltigen, eingeholt zu werden. Ausserdem mussten sie, um den
Abwehrgeschiitzen auszuweichen, auf Maximalho he gehen, was den Abwurf der Bomben weniger wirksam macht.
Die Schaffung von Flugzeugstiitzpunkten vor und hinter Prag ist also fiir uns das Ideal. Von da aus konnen wir
die Flugzeit auf die Halfte verringern. Wir brauchen nur halb soviel Betriebsstoff. Dadurch wird es uns moglich,
drei Tonnen Sprengstoff mehr mitzufuhren."
(Denkschrift des "Slowakischen Rates" an den Genfer Bund.)
Selbstverstandlich ist zu erganzen: "... nach Deutschland mitzufuhren".
Vor der allgemeinen Dementierzeit nannte die militarische Sowjetzeitung "Na Strashe" triumphierend folgende Platze
"neue Flughafen des tschechischen Bundesgenossen": Munkacs, Ungwar, Kaschau, Pressburg, Mahrisch-Ostrau,
Olmiitz, Briinn, Iglau, Pardubitz, Reichenberg, Prag, Budweis, Pilsen, Karlsbad, Eger.
Nicht auf Zivilkarten verzeichnet sind weiter die Flugplatze Sachsisch-Bereg in der Karpatenukraine, Chust, Neuhausel,
Altsobl, Neusohl, Bistritz, Deutschendorf-Kasmark, Parkan, Ralovo, und erst in spaterer Zeit sind die Flughafen in
Pystlan, Sillein, Trentschin angelegt worden. Natiirlich hat sich der Stand seit dern Friihjahr 1935 von Monat zu Monat
geandert. Er erhohte sich unaufhaltsam.
Den Zweck dieser Flugplatze als Reservehafen fiir die Rote Luftflotte nannte man auch auf tschechischer Seite im Jahre
1935 immer wieder beim vollen Namen. Und noch im August 1936, als die tschechische Regierung im allgemeinen
schon zum Dementieren iibergegangen war, erklarte das Organ des Ministerprasidenten
"Wir bauen Flugplatze, und im Ausland macht man sich diese und jene Gedanken dariiber. Nun denn, wenn die
Flugplatze fiir die Staatsverteidigung notwendig sein werden, dann werden wir natiirlich keine Ganse darauf weiden. Sie
werden auch alien .Freunden dienen, die uns helfen." ("Slovensky Dennik".)
Die sowjetrussische Mitarbeit bei der Planung und beim Ausbau dieser Flughafen ist eine militarische
Selbstverstandlichkeit, die keiner weiteren Hervorhebung bedarf. Ein Bundesgenosse und erst recht ein so
selbstherrlicher Bundesgenosse wie die Rote Armee lasst sich nicht vom Partner die Anlagen ausfiihren, die im
Ernstfalle ja doch nicht diesem Partner gehoren. jene Truppe, die diese Anlagen braucht, muss alle ihre Finessen
kennen, wenn sie im Ernstfall sofort der Lage gewachsen sein will.
Sowjetrussen, Offiziere und Arbeiter, befanden sich bei Flugplatzbauten in der Tschechoslowakei, ebenso wie sie an den
Kommissionen beteiligt waren, die das Land bereisten, um die geeignetsten Platze fiir die Anlage von Flughafen
ausfindig zu machen. Nahe der b'sterreichischen Grenze in Siichnahren und bei Pressburg sind sowjetrussische
Kommissionen auch wiederholt in den dortigen Festungsanlagen gesehen worden. Ueber die osterreichischen Grenzen
heriiber konnten miihelos die sowjetrussischen Uniformen erkannt werden, und in sudetendeutschen Bezirken in
Nordbohmen traten sowjetrussische Offiziere ebenfalls in aller Oeffentlichkeit auf. In den Waldgriinden der Karpaten,
die nur da und dort von den breiten Schneisen der Reserveflugplatze gelichtet sind, konnten unwillkommene Zuschauer
freilich ferngehalten werden.
Wenige Monate nach dem Paktabschluss operierten fiber tschechoslowakischem Gebiet 30 sowjetrussische
Beobachtungsmaschinen, drei Eskader Bombenflugzeuge, jede zu drei Maschinen, eine besondere Gruppe schwerer
Kampfflugzeuge, 324 Jagdmaschinen, ("Narodni Listy", Prag.)
Diese Maschinen und alle anderen auch - im Ernstfalle werden die Friedensberechnungen natiirlich leicht hinfallig - gilt
es, aus der Sowjetunion in die Tschechoslowakei zu bringen. Der polnische Luftraum, der kiirzeste Weg, steht dafiir
nicht zur Verfiigung.
Also musste der Flugverkehr urn Polen herum von Kiew iiber Rumanien nach der Karpatenukraine und der Slowakei
geleitet werden. Die Strecke ist voller Tiicken, wie die Probefliige ergaben. Damit sich eine moglichst hohe Zahl von
Flugzeugfiihrern auf ihr einfliegen konnten, wurde am 1. Mai 1936 eine "zivile" Flugverkehrslinie Prag-Moskau
eroffnet. Die Eroffnungsfeler fand statt, aber der Verkehr wurde noch nicht aufgenommen. Erst im August 1936 konnten
regelmassige Fliige durchgefuhrt werden. Der Zeitraum bis dahin war mit Versuchen ausgefullt gewesen, und noch als
man die flugsicherste Route gefunden zu haben meinte, ereignete es sich, dass der damalige rote Fliegerchef Alksnis im
August 1936 fur seinen Flug von Moskau nach Prag - in einer sowjetrussischen Elitemaschine! - 9 Tage brauchte. Der
Flugmeldedienst funktionierte damals noch nicht. Sechs Tage lang marschierte jeden Morgen die tschechoslowakische
Ehrenkompanie im Prager Flughafen Gbell zur Begriissung des sowjetrussischen Luftwaffenchefs auf. Sechs Tage lang
kehrte sie abends wieder heim, ohne die Ehre gehabt zu haben. Erst am 7. Tage kam der Gast. Er war von
Wetterunbilden aufgehalten worden oder aber in der Zwischenzeit in der Karpatenukraine anderen Geschaften
nachgegangen ("Nede'Ini List", Prag).
Wie immer, die Strecke will gekannt sein. Sie ist 2400 km lang, und fiir dieses notwendige Kennenlernen wurde die
zivile Fluglinie Prag-Ungwar-Kiew-Moskau eingerichtet. Es diirfte die einzige Verkehrslinie der Welt sein, die nicht fiir
Fahrgaste, sondern fiir Flugzeugfuhrer betrieben wurde. Nur ein einziger ziviler Fluggast wurde registriert und auch bei
diesem einzigen handelte es sich um einen Mann, der in Sachen Bolschewismus reiste, den tschechischen
Kommunistenanfuhrer Klement Gottwald, der zum Befehlsempfang nach Moskau flog.
Mit der Verausserung tschechoslowakischen Bodens, tschechoslowakischer Flugplatze an die sowjetrussische Luftflotte
sind vom Mittelpunkt des Kontinents her selbst noch London, Rom und Stockholm in den Aktionsradius
sowjetrussischer Bom ber einbezogen, von denen besondere Typen, wie die Sow)ets ruhmredig verkundeten, schon
1934 2000 km ohne Zwischenlandung zuriicklegen konnten.
Das ganze Deutsche Reich aber ist von den Aktionsbereichen der tschechisch-sowjetrussischen Luftflotte auf der einen
und der franzosischen Luftflotte auf der anderen uberschnitten.
Die Lufteinkreisung Deutschlands ist vollkommen.
Von den tschechischen Militarlufthafen nachst der Grenze konnen jetzt erreicht werden: Gleiwitz, Beuthen und das
oberschlesische Industrierevier in 6 Minuten, Chemnitz in 10 Minuten, Dresden von Prag in 16 Minuten, Berlin in 37
Minuten und Wien in 6 Minuten. Ungarns Hauptstadt ist nur 3 Minuten Flugzeit von der Grenze entfernt.
Generale konsultieren
Der Artikel 1 des tschechisch-sowjetrussischen Paktes verpflichtet die Generalstabe, im Fall einer Angriffsgefahr, aber
auch schon bei einer Drohung seitens eines europaischen Staates, zur Konsultierung zusammenzutreten. Es war nur eine
Bestatigung der schon friiher wiedergegebenen sowjetrussischen Auffassung, dass die blosse Existenz biirgerlicher
Staaten allein schon eine Bedrohung der Sowjetunion und ihrer Verbiindeten bedeutet, als die Generalstabe unmittelbar
nach Abschluss des Paktes die Konsultation aufnahmen. Dabei schweigt sich der Vertrag dariiber aus, wie die
Konsultation im einzelnen vor sich zu gehen habe, wer an ihr beteiligt ist und welche Fragen behandelt werden sollen.
Laut Vertragswortlaut miissen das durchaus nicht die Generalstabe sein. Es weiss aber heute jeder, dass es sich bei den
heutigen Befragungen (Konsultationen) praktisch nur um Generalstabsbesprechungen handeln kann.
Also: die Konsultation ist eine Dauereinrichtung und wird von den Generalstaben besorgt.
Zu Generalstabsbesprechungen weilte schon im Mai 1935 der tschechische Fliegerchef Armeegeneral Fajfr in Moskau;
im August 1935 der damalige Kommandeur der Sowjet-Kriegsschule Leningrad, Schaposchnikow, in Prag; im
September 1935 der tschechische Generalstabschef Armeegeneral Krejci in Moskau; im August 1936 der rote
Luftwaffenchef Alksnis in Prag; im August 1936 der tschechische General Luza in Moskau; im August und September
1936 der Sowjetgeneral Mereckow in Prag.
In der Geschichte der Allianzenpolltik ist eine Konsultation von diesem Ausmass bis dahin nicht verzeichnet gewesen.
Sie erklart und bestatigt eben die bolschewistische Auffassung von der "standigen Bedrohung", und die Tschechen
waren mit dem Abschluss des Paktes automatische Verfechter dieser Auffassung ge,worden. Bei den genannten
Generalstabsbesuchen handelt es sich iiberdies nur um die vom amtlichen Tschechoslowakischen PressBuro und von der
Telegraph-Agentur der Sowjetunion verzeichneten Reisen. Ueber :die nichtoffiziellen Besuche sow)etrussischer Militars
in der Tschechoslowakei zog im Juni 1936 eine neutrale Stelle folgende Bilanz des letzten vergangenen halben Jahres:
"In der Tseheehoslowakei wird fieberhaft an der Aufriistung und am Festungsbau gearbeitet, vor allem an der
Grenze Deutsehlands. Die Munitionsfabriken arbeiten Tag und Nacht in drei Schichten.
Dieser Teil des Heeresprogramms kann weder Verwunderung noch - ausser bei den Deutschen - irgendeine Besorgnis
erregen. Anders steht es hingegen mit der tschechisch-sowjetischen militarischen Zusammenarbeit. Auf Grund
verlisslicher Quellen sind wir in der Lage festzustellen, dass diese Zusammenarbeit bereits seit vielen Monaten besteht.
In der ersten Januarwoche dieses Jahres (1936) meldeten sich vier Sowjetoffiziere im tschechoslowakischen
Ministerium fur Landesverteidigung, wo sie mit General Zak konferierten, der Kommandant der Garnison von Pressburg
ist. Drei oder vier Offiziere wurden in den Abteilungen des National- Verteidigungsministeriums einquartiert und traten
in der Uniform des tschechoslowakischen Heeres auf, und zwar als Instrukteure oder als Offiziere, die die Abteilungen
beaufsichtigten.
Einer der Sowjetoffiziere, der Kapitan Kosarew, wurde dem Informationsreferat (Nachrichtenabteilung) des
Kriegsministeriums zugeteilt, was ja an sich schon beweist, wie intim die sowjetischtschechischen Beziehungen auf
militarischem Gebiet sind. Andere Sowjetoffiziere, z. B. der Major Lchotzkij, ein Flieger-Instrukteur, versieht bei der
tschechoslowakischen Luftwaffe den Dienst. Lchotzkij hat als erster in der Tschechoslowakei ein neues, sehr leichtes
Schnellflugzeug sowjetrussischer Konstruktion vorgefiihrt. Am 12. Februar 1936 leitete er die Nachtiibungen der Flieger
bei Prag.
In der Munitionsfabrik "Dynamitka" in der Slowakei ist ein sowjetrussischer Ingenieur deutscher Geburt namens
Menzer beschaftigt. Die in der Slowakei begonnene Aufriistung schreitet schnell vorwarts.
Am 11. Januar traf aus Pressburg in einem Militarflugzeug der Oberstleutnant Nemec in Begleitung zweier
Sowjetoffiziere in der ostslowakischen Hauptstadt Kaschau ein. Er meldete sich bei dem Garnisonskommandanten.
Oberstleutnant Nemec erhielt vom Landesmilitarkommandanten einen Befehl des tschechischen Ministeriums fiir
Landesverteidigung und uberreichte seine Instruktionen. Von seinen beiden sowjetrussischen Begleitern ist einer
Fliegeroffizier. Er figuriert als Major Volsky; der andere, ein Offizier des 32. Infanterie-Regiments, als Hauptmann
Lazarowsky. Ungeachtet der tschechisch-russischen Schreibweise beider Namen sind beide Offiziere Sowjetbiirger
polnischer Herkunft. Seit dem 11. Januar war Major Volsky dreimal im Ministerium fiir Landesverteidigung in Prag.
Seine Tatigkeit und die der anderen Sowjetoffiziere unterliegt keinem Zweifel. Nach einwandfrei verbiirgter Mitteilung
bemiiht sich Volsky durch ein nicht allzu originelles Mittel, die Spur seiner militarischen Tatigkeit zu vertuschen. Er hat
unter dem Namen Schalkhaz ein Hotelzimmer gemietet und zeigt sich auf der Strasse hauptsachlich in Zivil. Diese
Maskerade bleibt jedoch ohne Wirkung. In breiten Kreisen ist bekannt geworden, dass Volsky und Lazarowsky in der
Sowjet-Ukraine im aktiven Heeresdienst standen. Beide waren im, April 1936 in Ungwar tatig. Fiir Volsky wurde im
Schonborn-Schloss Deregwar ein Zimmer fiir den 30. April bestellt und auf Veranlassung des Kaschauer
Militarlandeskommandos wurde ein Auto fiir Besichtigungen im Gebiet von Sachsisch-Bereg, Munkacs, Ungwar zur
Verfiigung gehalten. Lazarowsky wohnte hingegen im Hotel Corona. Sein Wirkungsbereich erstreckt sich auf die ganze
Karpaten-Ukraine, den Ostzipfel der Tschechoslowakei, der nur 120 km von der sowjetrussischen Grenze entfernt ist.
Das tschechische Ministerium fiir Landesverteidigung rechtfertigt sich vor der offentlichen Meinung damit, dass die
Zusammenarbeit mit den Sowjetoffizieren auf Frankreichs Wunsch hin erfolgt sei und noch erfolge. Dem Ministerium
soil durch den franzosischen General Schweissguth mitgeteilt worden sein, dass der franzosische Generalstab gern
sowjetrussische Offiziere in den Luftfahrtabtellungen als Instrukt.eure und als Aufseher bei den Uebungen sahe.
Nach dem Aufenthalt der Offiziere des Sowjetgeneralstabes in Prag kamen am 3. Januar 1936 24 andere Sowjetoffiziere
in der tschechoslowakischen Hauptstadt an. Sie wurden in der Kriegsschule Bohdanec einquartiert. Die
Neuangekommenen sind spater nach einer Beratung des tschechoslowakischen Generalstabschefs Krejci mit dem Chef
der sowjetrussischen Offiziersabteilung, dem Obersten Porubowskij, auf die Truppe aufgeteilt worden. In Prag blieb
Oberst Porubowskij in der Abteilung 11 NO (des National- Verteidigungsministeriums) zur Verfiigung des Chefs des
tschechischen Generalstabes. Er nahm Wohnung in der Kriegsschule.
Auf dem Prager Militarflugplatz Rusin fiihren zwei sowjetrussische Fliegeroffiziere Uebungen durch. Sie iiberwachen
die Ausbildung der tschechischen Flieger. Zwei weitere Offiziere sind einem Artillerie-Regiment, zwei einem
Nachrichten-Regiment und dem Rundfunk zugeteilt. Bei den Nachrichtentruppen befindet sich auch ein sowjetrussischer
Hauptmann namens Andrejew.
Zwei andere Sowjetoffiziere wieder sind aus Kaschau nach der Karpaten-Ukraine abkommandiert worden. Bei der
Errichtung einer neuen Radlostation in Nesztercebanya lag die Bauleitung in den Handen der Sowjetrussen.
Uebrigens ist bekannt, wer iiber die Sowjetoffiziere in der Tschechoslowakei zu verfugen hat. Diese Funktion ist dem
General Votruba iibertragen worden.
Der Leiter der sowjetrussischen Offiziersgruppe in Briinn ist der rote Major Klitz. Ihm stehen 6 Oberleutnants und ein
Leutnant zur Seite. Major Klitz und der Oberleutnant A. J. Petrow fiihrten Uebungen in Briinn durch. Zwei
Sowjetoffiziere sind in Reichenberg, einer in Komotau und einer in Dux in Nordwestbohmen stationiert. Das sind die
Kettenglieder der Zusammenarbeit.
Ein neuer Transport von Sowjetoffizieren kam im Mai an. Nicht weniger als 48 Offiziere der Roten Armee trafen in
MahrischOstrau und in Neusohl in der Slowakei ein.
Von den Neuangekommenen sind vier Offiziere, Trager hoher Dienstgrade, in der Prager Kriegsschule geblieben. Die
anderen kamen zur Truppe, hauptsachlich zu den Fliegern und zu den Abteilungen fur Radiotelegraphie und -telephonic
In die Industrie, die unter Aufsicht des Staates oder Heeres steht, sind schliesslich zwolf Sowjetoffiziere abkommandiert
worden." ("lllustrowanny Kuryer Codzienny", 25. 6. 1936.)
Auch in der technischen Durchfiihrung der militarischen Zusammenarbeit mit der Sowjetunion hat die
Tschechoslowakei keine eigenen Wiinsche zu haben. Sie hat nur auszufiihren, was Moskau will, im ubrigen lasst sich
aber die Rote Armee von den Biindnisfreunden nicht in ihre Karten schauen. So steht dem riesigen Aufgebot
sowjetrussischer Offiziere, Ingenieure und Spezialisten in der Tschechoslowakei, von dem wir im Vorhergehenden
einen kleinen Ausschnitt kennenlernten, die Kommandierung eines einzigen Tschechen nach der Sowjetunion
gegeniiber: Am 1. November 1935 wurde Oberst Dostal der Sowjetkavallerie zugeteilt, und zwar einem Regimentsstab.
Die "Landbrucke"
Als die Griindermachte der Tschechoslowakei diesem Staat das nordwestungarische Gebiet zutellten, dem Kramarsch
den Namen Karpatenrussland gab, handelten sie durchaus aus der Ueberlegung, dass diese Provinz die Landbrucke
zwischen der Sowjetunion, die damals schon bestand, und der Tschechoslowakei sein miisse.
Mittelbar hat auch die tschechische Regierung bereits seit 1919 alles getan, um das karpaienukrainische Gebiet zum
Durchzugs, gebiet des Bolschewismus zu machen. Durch die grenzenlose Verelendung der karpatenukrainischen
Bevolkerung wurde das Land dem Kommunismus planmassig ausgeliefert. In der Dumpfheit und Trostlosigkeit ihrer
Lage hat sich die Bevolkerung der Karpaten-ukraine von Anbeginn an die bolschewistischen Paradiesverheissungen
geklammert. Ein tschechischer Beamter in dieser Kolonie, der dieser Entwicklung aus nationalistischer Gesinnung
entgegenarbeiten wollte, schrieb schon, ehe von der Sowjetunion her das voile Gewicht der bolschewistischen Agitation
in der Karpatenukraine eingesetzt wurde.
"In Karpatenrussland breitet sich der Kommunismus in weit grosserem Umfang aus als im Westen des
tschechoslowakischen Staates. Im Westen (in BQhmen) sieht man den Bolschewismus 'durch die Zivilisation filtriert'.
Das Volk hier nimmt ihn in seiner unmittelbaren Form, als Rohstoff, auf." ("Lidove' Listy, Prag.)
Die Karpatenukraine musste durch die tschechische Politik der nationalen und sozialen Entrechtung ein doppelt
fruchtbarer Acker fiir den Bolschewismus werden, der fiir die Behandlung solchen Gebiets schon auf dem II. Kongress
der Kommunistischen Internationale die Parole ausgegeben hatte:
"Die Arbeitslosen und Kurzarbeiter sind die natiirlichen Stosstrups der proletarischen Revolution. Sie haben nichts zu
verlieren und alles zu gewinnen. Darum ist es eine zwingende Notwendigkeit fiir die Kommunistische Partei, diesen
natiirlichen Stosstrupp mit dem Bewusstsein seiner Aufgabe zu erfullen, ihn zu mobilisieren, zusammenzufassen und mit
den Arbeitenden zu gemeinsamten Aktionen zu verbinden."
Die Bevolkerung der Karpatenukraine hatte in der Tat nichts zu verlieren. Hier war also ein ideales Gelande fiir den
Bolschewismus, ein um so idealeres, als zur sozialen Not auch noch die Unterdriickung der einzelnen Nationalitaten
kam. Dem Nationalitatenkonflikt gait seit je die besondere Aufmerksamkeit der Moskauer Agenten. Er wurde Ja auch
dem tschechoslowakischen Staat in die Wiege gelegt, damit dieser Staat imm.er ein Spielball in der Hand fremder
Schutzmachte bleibe. Fiir die Nationalitaten hatte Moskau auch schon sehr friih die Parole gegeben. Sie lautet, "die
Propaganda in den Knotenpunkten nationaler Gegensatze besonders eifrig zu betreiben und vor allem in den national
gemischten Heeren 'politische Aufklarungsarbeit' zu leisten".
Das Musterbeispiel eines solchen Knotenpunktes sozialer und nationaler Gegensatze ist die Tschechoslowakei als
Gesamtheit und das Volkerwirrsal der Karpatenukraine irn besonderen. Hier leben die ukrainischen Ruthenen,
Magyaren, Rumanen, Deutsche (etwa 10 000), Slowaken und schliesslich die nach 1918 ins Land eingedrungenen
tschechischen Kolonisten, die den ohnehin in trostlosem Elend dahinvegetierenden Eingesessenen das Brot wegnehmen.
Das waren die iiberaus giinstigen Vorbedingungen fur die Bolschewisierung der Karpatenukraine. Was Wunder, dass
dieses Land den Abschluss des Biindnisses zwischen Prag und Moskau wie den ersten Strahl des Morgenrotes einer
schoneren Zukunft begriisste. Und es schien, als wiirde dieser Schein nicht einmal triigen! Manch einer, der mit seiner
Familie jahrelang gehungert hatte, fand gleich nach dem Abschluss des tschechisch-sowjetischen Vertrages Arbeit an
einer der vielen, vielen Baustellen, an denen Jetzt allenthalben ini Lande eifrig geschafft wurde.
Die tschechischen Blatter fiihrten Rubriken iiber die in der Karpatenukraine ausgefiihrten Arbeiten der offentlichen
Hand. Diese Rubriken sind mit "Unsere Kulturinvestitionen in dem von Ungarn vernachlassigten Gebiet" und ahnlichem
uberschrieben.
Seltsam nur, dass die Besinnung auf die "Kulturverpflichtung" just erst mit dem Abschluss des Bolschewistenpaktes
kam, wahrend in den ersten 16 Jahren des Bestandes des Staates kein Tscheche von ihr sprach.
Die Kultivierungsmission trat also spat zutage. Dafiir aber in s gewaltigem Umfang, dass das Tschechoslowakische
Pressburo beispielsweise als Baubeschliisse eines einzigen Tages einmal nannte., In Neutra wird eine Eisenbahnbriicke
gebaut, in Buch au ein grosses Lagerhaus, in Neded eine neue Briicke, in Rachowo ein Touristenhaus, in Wraba und
Dakov bei Sevljus je eine neue Schule, in den slowakischen Stadten Galanta ein Krankenhaus und eine Wasserleitung,
in Komorn ein Aemtergebaude, in Illau eine Wasserleitung, in Liptau eine Wasserleitung, in Trentschin und in Sillein
neue Bahnhofe.
Es sind durchaus begriissenswerte Bauten: Krankenhauser, Wasser-leitungen, Schulen. Aber gerade von den Schulen ist
bekannt, dass sie nicht gebaut werden, damit in ihnen Kinder unterrichtet werden, sondern um als Reservekasernen zu
dienen. Und solange sie noch nicht diesem Zweck dienen, weil grossere sowjetrussische Truphfenteile noch nicht im
Lande sind, diirfen sich in den oft riesenhaften Schulpalasten fiinf oder auch nur zwei Kinder tummeln.
Ein anderes Mai, schon 1936, berichtete das Tschechoslowakische Pressburo iiber den Beschluss des Ausbaues von
Verbindungsstrassen zwischen den Bahnhofen Irschau, Keviazd, Dovhe und Osoj der Karpatenschmalspurbahn. Zwolf
am gleichen Tage in Auftrag gegebene "technische Projekte von iiberaus grosser Wichtigkeit" wurden im einzelnen
nicht genannt. Natiirlich wurden sie aus strategischen Griinden nicht naher umschrieben. Die Mittel fiir die Ausfuhrung
dieser Projekte wurden dem Haushalt des tschechischen Fiirsorgeministeriums entnommen. Man konnte demnach auf
nichtstrategische Bauten schliessen, wenn nicht das tschechische Fursorgeministerium seit je die militarhygienischen
Auslagen bestritte, ebenso wie der Haushaltplan des Arbeitsministeriums die Mittel fiir den Festungs- und Kasernenbau
enthalt und das Innenministerium die Fliegerausbildung und Erhaltung einzelner Spezialtruppen bezahlt. Ebenso, sind in
den Haushalt des Innenministeriums die Mittel fiir die Pensionen der verabschiedeten Offiziere eingesetzt, wahrend
wiederum das Finanzministerium die Grenzwache bezahlt, die militarisch voll ausgebildet ist und im Ernstfall unter dem
Oberkommando des Heeres steht.
Das eine militarische Bauvorhaben tarnte man als "Erfiillung einer kulturellen Verpflichtung". Das andere wurde mit
"Erschliessung schoner Landschaften" begriindet. Die neue Briicke, die im Sommer 1936 von Veljatin bei Bust iiber den
Theissfluss nach Rumanien gebaut wurde, nannte das Ministerblatt "Ceske Slovo" immerhin beim richtigen Namen,
namlich eine
"bessere Verbindung zum Bundesgenossen".
Das grosste Biindnisbauwerk in der Karpatenukraine aber blieb der Anschluss des dortigen Eisenbahnnetzes an das
slowakische und sein Ausbau bis zur Landesgrenze im Osten. Um die weitere Verbindung nach dem sowjetukrainischen
Knotenpunkt Mogilew herzustellen und iiberhaupt eine reibungslose Durchfiihrung des Antransportes der
sowjetrussischen Truppen zu sichern, hat sich die tschechische Diplomatie im Jahre 1936 eifrig bemiiht, durch
rumanisches und polnisches Gebiet einen Korridor nach der Sowjetunion zu schaffen. Der tschechische Gesandte in
Bukarest, Jan Seba, hat in seinem Buch "Sowjetrussland und die Kleine Entente in der Weltpolltik" ausfuhrlich diese
Plane behandelt, die der Ausfuhrung nahe waren, als der rumanische Aussenminister Titulescu von seinem Amt
zuriicktreten musste und damit ein der Sowjetunion und dem Hradschin besonders genehmer Mann verschwand.
Vollends klargemacht zum Gefecht ist das sowjetrussische Flugzeugmutterschiff Tschechoslowakei auf seinem
slowakischen Gebiet.
Am Mittel- und Oberlauf der Fliisse Waag, Neutra, Gran und Eipel - die Gebiete sind nach Norden, gegen Polen, durch
natiirliche Hemmnisse geschiitzt und gegen den ungarischen Siiden stark befestigt - entstanden in dem Zeitraum
zwischen Friihjahr 1935 und Sommer 1936 iiber 100 Industriebetriebe.
Das Wortspiel, "wie Pilze aus dem Boden geschossen" hinkt insofern, als die Betriebe nicht aus dem Lande heraus
gegriindet, sondern in der Mehrzahl der Falle aus Bohmen, Mahren und Schlesien hierher verlegt wurden. Es geschah
dem Bolschewismus zuliebe und in der gern erreichten Nebenwirkung, dem Sudetendeutschtum weiteren
wirtschaftlichen Schaden zuzufiigen. Dem slowakischen Volkstum wurde dabei wenig geholfen. Denn man stellte nur in
sehr geringem Umfang in die nach der Slowakei verlegten Industriebetriebe slowakische Arbeiter ein. Man brachte aber
auch nicht die sudetendeutschen Arbeiter mit, sondern schaffte tschechische heran, die "einzig und allein verlasslichen".
Den eindeutig strategischen Charakter der Industrieverlegung betonte der General Weinerek anlasslieh der
Sperrung der Nahriseh-Sehonberger Mineralol-Raffinerie ausdriicklich.
Waffenfabriken wurden in der Slowakei gebaut, elektrotechnische und chemische, pharmazeutische und metallurgische
Fabriken aller Art, aber auch Betriebe der Textil- und Nahrungsmittelindustrie. In dem einzigen Jahr 1935/36 ist nach
den Ermittlungen des tschechoslowakischen statistischen Staatsamtes die bis dahin so gut wie rein agrarische Struktur
der Slowakei in eine industriell-agrarische mit industriellem Uebergewicht umgewandelt worden. Der Einsatz der
finanziellen Mittel erhellt sich in ungefahren Umrissen aus der Steuerstatistik. Schon im Jahre 1935 war das
Steueraufkommen in der Slowakei um 29 Prozent hoher als im Jahre 1934. Im Jahre 1936 stieg es weiterhin um das
Doppelte. Zur gleichen Zeit ging im ganzen iibrigen Staatsgebiet die Steuerleistung zuriick.
Der agitatorische Gewinn des Bolschewismus aus diesem Aufschwung war gewaltig. Denn natiirlich behauptete die
kommunistische Propaganda, es sei die Auswirkung des Sowjetpaktes, die diesen Reichtum nach der Slowakei brachte,
und sie irrte ausnahmsweise in diesem Punkte einmal nicht.
Das Kapitel Bahnbauten ist ein eigenes fiir sich. Durch Natur und geschichtliche Entwicklung ist das Gesicht der
Slowakei und der Karpatenukraine gegen Siiden gewendet. Die Fliisse streben mit Ausnahme des Dunajec dem Siiden zu
und miinden in die Donau. Nord-sudlich verliefen zur ungarischen Zeit auch die Bahnstrecken. In der Nordslowakei
schuf nur die Kaschau-Oderberger Bahn eine Verbindung zwischen Westen und Osten. Eine zweite solche Ost-West-
Verbindung gab es im Siiden noch in Gestalt der Strecke Briinn-Szob-Pressburg-Budapest. Um diese Strecke der
Tschechoslowakei zuzuschanzen und um den tschechischen Drang zur Donau zu befriedigen, wurde 1919 die neue
Grenze zwischen der Tschechoslowakei und dem ungarischen Staat tief in das ungarische Siedlungsgebliet gelegt.
Strategisch hatte Prag mit dieser Eisenbahnlinie nicht viel gewonnen. Die ungarische und osterreichische Grenze war zu
nahe. Nicht weniger gefahrdet ist auch die nordliche Ost-West-Verbindung, die sogenannte KaschauOderberger Bahn,
die im Teschener Schlesien unmittelbar der tschechisch-polnischen Grenze entlang verlauft.
Dariiber herrschte bei den Tschechen in den ersten Jahren des Bestandes des Staates kein Kopfzerbrechen, da "sich alle
tschechischen Militars dariiber einig waren, dass die Ostslowakei und Karpatenrussland im Kriegsfall ja doch nicht zu
halten sind und geraumt werden miissen". Die Prager Regierung Hess die Dinge bis 1935 also bei ihrem alten Stande,
um aber nach dem Abschluss des Bundnisses mit der Sowjetunion fiir Bahnbauten in diesem Landesteil plotzlich im
Jahre 1935 allein mehr auszugeben als in. den 17 Jahren zuvor. Es waren in diesem Jahr vier Milliarden Kronen, also
nach dem damaligen Stand der Krone etwa 500 Millionen Reichsmark.
Furs erste wurde die Vlarapassbahn ausgebaut. Das war bis 1935 die einzige, das tschechische und slowakische
Siedlungsgebiet verbindende Linie. Sie iiberwindet die weissen Karpaten fast genau in der Mitte zwischen Nord- und
Sudgrenze des Staates, ist also die am wenigsten gefahrdete Strecke. Durch den Bau der grossen westostlich in der Mitte
des Staates verttufenden Transversale zwischen Pilsen und der Karpathenukraine ist sie das Mittelstiick der strategisch
wilchtigen tschechoslowakischen Bahnstrecke geworden. Bei Margareten (Margecany) in der Slowakei findet diese
Transversalbahn - die den sibirischen Legionarserinnerungen gemass auch "Magistrale" genannt wird - den Anschluss
an die KaschauOderberger Strecke. Von Margareten nach Osten wurde sie fast genau in der Landesmitte weiter
ausgebaut. Gegen Westen wurde sie schon im Sommer 1936 bis Rotenstein fertiggestellt. Den strategischen Wert der
Bahn pries der Fisenbahnminister Bechyne' bei der Eroffnungsfeier.
Eine weitere Strecke im Zuge der strategischen Bauten auf Grund der militarischen Zusammenarbeit zwischen der
Tschechoslowakei und der Sowjetunion verbindet zwischen Gold-Morawitz und Ozbeg (Zbeh) das Waag- und Grantal.
Am Oberlauf der Gran wurden die neuen Linien zwischen Neusohl und Sankt Martin und von Neusohl nach Diviaky
gebaut.
Niemals konnen wirtschaftliche oder iiberhaupt zivile Notwendigkeiten eine Eisenbahnstrecke so legen lassen wie diese
letztere. Wirtschaftlich zu erschliessen ist in diesem Winkel nichts. Wenn die Prager Regierung den Bau als ein
Erfordernis des "Fremdenverkehrs" erklarte, so hatte sie als die Fremden wohl die sowjetrussischen Truppen im Auge.
Es widerspricht allem sonstigen tschechischen Dienst am unmilitarischen Touristen, wenn hier mit einem
Kostenaufwand von 360 Millionen Kronen eine Bahn gebaut wurde, die bei nur 43 kni Lange durch 14 km Tunnels
fiihrt. Nicht anders steht es um die wirtschaftliche Seite bei der Strecke Neusohl-St. -Martin. Fiir den zivilen Giiter- und
Personenverkehr reichte bis zum Bolschewikenbundnis die bestehende Verbindung Neusohl-Kremmnitz-St. Martin aus.
Die Kaschau-Oderberger Bahn, die bis 1935 nur auf der Teilstrecke Oderberg-Sillein zweigleisig war, wurde
durchgehend zweigleisig ausgebaut. Dariiber hinaus hat sie im Osten neue Nebenstrecken zwischen Kiralyhaza und
Tschap (Cop) [nicht zu verwechseln mit dem siidslowakischen Szob] und Kiralyhaza-Ungwar -Munkacs erhalten.
Buchstablich mit jedem Monat anderte sich seit dem Friihjahr 1935 das Bild des slowakischen und karpatenukrainischen
Eisenbahnnetzes, und anderte sich die Generalstabskarte iiberhaupt, denn auch das Strassennetz wurde dichter, besser.
Die tschechische Presse sprach immer wieder von der Erfullung einer Kulturverpflichtung. Der Staatsprasident nannte
am 18. September 1936 in Pressburg ein arideres Motiv: "Ohne die Slowakei - was ware fur uns die Kleine Entente?
Ohne die Slowakei und Karpatenrussland - wie stiinde es da um unsere Verbindung mit der Sowjetunion?"
Die "Landbriicke", iiber die die sowjetrussischen Truppen einmal marschieren sollen, ist auch in ihrer weiteren
Ausdehnung nach Westen, also nach Mahren und Bohmen, keineswegs vernachlassict. Freilich kam es hier nicht mehr
in erster Linie auf den Bau von Eisenbahnen und anderen Verkehrswegen an. Daran bestand kein spiirbarer Mangel.
Hier ging es darum, den westlichen Kopf der Briicke seiner Bestimmung als das unmittelbare Ausfallsglacis gegea die
Nachbarstaaten entprechend auszugestalten. Der Briickenkopf wurde befestigt.
Die erste Festungslinie, vom Osten als dem Anmarschwege der sowjetrussischen Truppen her gesehen, verlauft entlang
der mahrisch-slowakischen Grenze iiber die weissen und kleinen Karpaten, Aso zwischen dem Teschener Schlesien und
Pressburg. Die zweite Linie beginnt am nordlichen Endpunkt, der erste in den Beskiden, fasst das ostschlesische
Industrierevier mit seinem Witkowitzer und Ostrauer Grosswerken ein, biegt bei Oderberg nach Westen ab, zieht sich
am Siidrande des Gesenkes lang ins Adlergebirge, kommt der Siidspitze der Grafschaft Glatz sehr nahe, um von da nach
Sudwesten abzubiegen und iiber die Bohmisch-Mahrische Hohe bis gegen Iglau zu verlaufen. Bei Pardubitz erheben
sich die ersten Werke der dritten Linie, die in nordwestlicher Richtung bis Turnau verlauft hier im rechten Winkel
abbiegt, Melnik und das Kladno-Industrierevier einschliesst und bei der Skodazentrale Pilsen miindet.
Festungen sind bekanntlich nicht immer Verteidigungswerke, sondern Ausfallbasen.
Damit ist - als Gegner wird selbstverstandlieb immer das Deutsehe Beteh angenommen - der sowjetrussisehe
Naehsehub gesiehert und die Bastion fur den Ausfall gegen das Reich gesehaffen.
Die letzten Zweifel iiber die Plane der tschechisch-sowjetischen Zusammenarbeit auf militarischem Gebiet wurden
durch die Themen der Manover zerstreut, die seit dem Jahre 1935 in der Tschechoslowakei abgehalten wurden. Bei all
diesen Manovern ist die tschechische Briicke fiir die Rote Armee auf ihre Tauglichkeit hin gepriift worden. In jedem
Falle im Beisein und unter Mitwirkung sowjetrussischer Militars wurden die Manover abgehalten: a) in der
Karpatenukraine, b) in der Westslowakei und c) ostlich und westlich der Bohmisch-Mahrischen Hohe, und immer war
das Thema gleich - ein Vorstoss eines vom Osten kommenden Heeres nach Westen.
Bei einem Manover in der Slowakei entdeckte ein tschechischer Biindnisphilosoph, das Kriegsgelande ware das Gebiet,
iiber das mehrfach in der Geschichte der Ansturm der "wilden Horden des Ostens" hinwegbrauste, der Hunnen, Awaren,
Ungarn, Mongolen und Turken. "Tschechoslowaken" seien es gewesen, die der zuletzt eingedrungenen Hydra, der
tiirkischen, den Kopf abgeschlagen hatten.
Das ist sehr sinnig, aber der Gedanke ist nicht zu Ende gesponnen . . .
Prager Generalstabs-Philosophie
Die Philosophen der Prager Presse, die die Ideenverwandtschaft des tschechischen und sowjetrussischen Regimes
ausdeuteten, fanden einen militarischen Wetteiferer in der Person des tschechischen Generalstabsobersten Moravec. Er
hiitete sich, so unbekiimmert zu sprechen wie jener Sowjetoffizier, der die Betrachtung iiber die Langenunterschiede der
Strecken Minsk-Berlin und Prag-Berlin anstellte. Er gab sich als der Taktiker der Ideologic des Bundnisses, als er in
seinem Buch "Tazveni v Habesi a valecne moznosti ve sredni Evrope" ("Der Krieg in Abessinien und
Kriegsmoglichkeiten in Mitteleuropa") schrieb:
"Das moralische Potential eines kriegfuhrenden Staates ist das Produkt aus der Idee, fiir die man sich schlagt, und aus
den Fahigkeiten der Fiihrer. Einem erfolgreichen Krieg muss die ideenmassige Einheit des grosstmoglichen Teils der
Bewohner des kriegfuhrenden Staates vorausgehen, wobei der Eroberungskrieg ein starkeres moralisches Potential
erfordert als der Verteidigungskrieg. Eine kleine Nation, deren Moral und Fuhrung hochwertig sind, kann auch einem
grosseren Volk gegeniiber siegreich bestehen.
In Staaten mit mehreren Nationalitaten kann die Idee nur eine solebe sein, die der nationalen, also dem
Volkstumsgedanken iibergeordnet ist. Die starkere Moral ergibt sieh aus dein Fortsehritt. Der Fortsehritt aber
ist in den Staaten mit deniohratiseher und bolsehewistiseher Verfassung zu Ilause, also in den Staaten unter
franzosiseher uiiLd sowjetrussiseher Fiihrung. Die sehwaehere Moral ist in den Staaten mit faschistisch -
diktatorischer Fiihrung: Deutsehland, Italien, Japan. Die Tsehechoslowakei hat sich In den fortschrittlieben
Bloek eingereibt. Es ist dies der Bloek der sattirierten Staaten, die die Welt vor den landhungrigen, unruhigen,
kriegliebenden Volkern schutzen."
In der weiteren Betrachtung stellte Moravec nicht nur im materiellen, sondern auch im moralischen potentiel de guerre
die Rote Armee der Sowjetunion an die Spitze aller Armeen der Welt.
Dem Volkstumsgedanken eine andere Idee iiberzuordnen, das ist eines der vielen Zeichen des Dilemmas, in dem sich
die Tschechen befinden, aus dem sie die sonderbarsten Auswege suchen, und sei es die Behauptung, das moralische
Potential sei am starksten in der Roten Armee entwickelt.
Aber es kommt hier nicht darauf an, auf welche Art und Weise und mit welchen Doktrinen die Tschechen nun
verhindern wollen, dass die nicht-tschechischen Soldaten in ihrem Heer in einem Krie~,e ihnen die Gefolgschaft'
verweigern, also das Beispiel nachahmen, das ihnen die tschechischen Legionare im Weltkrieg, die spater zumeist
Offiziere der tschechoslowakischen Armee wurden, gegeben haben. Bezeichnender ist vielmehr,
wie selbst vom tseheebisehen Generalstab im Heer,
fiir das Moravec' Buchlein in erster Linie bestimmt war,
der bolschewistisehen Agitation Vorsehub geleistet
und wie auch hier an den tschechischen Fortschrittswahn geriihrt wird.
Schon mit der Lehre von der Vorherrschaft einer ubernationalen Idee wurde ein Mann wie
Moravec Propagandist des Bolschehewismus,
noch ehe er das sowjetrussische System als die hochste Entfaltung des Fortschritts pries.
Moravec' Wirken ist ein Ausschnitt aus der pro-bolschewistischen Agitation, die in der tschechischen Armee betrieben
wird. Es ist ein Wesensbestandteil dieser Agitation, die militarische Macht der "faschistischen" Staaten nur ja als
geringfugig hinzustellen, damit die Soldaten bei gutem Mut bleiben und nicht etwa die Flinte ins Korn werfen. Die
Risikoquote wird bewusst zu niedrig beziffert, um der Kriegsgeneigtheit keinen Abbruch zu tun. Noch deutlicher geht
diese Taktik aus den weiteren Darlegungen es Generalstabsobersten Moravec hervor:
"Der Krieg zwischen Deutsehland und der Koalition wird zwar etwas langer daiiern. und kostspieliger sein. Dennoch
wird er zum Siege der Koalition fiihren. Im Konfliktsfall wird die Tsehechoslowakei im Gegensatz zu Rumanien und
Jugoslawien nicht in Ruhe mobilisieren konnen. Sie muss daher Vorkehrungen treffen, als da sind Befestigungen an der
Grenze, Fliegertruppen in besonderer Starke und anderes mehr . . .
Die Tsehechoslowakei ist die Festung, die ins Vorfeld hinausgesehoben und dabei das Verbindungsglied zwisehen
Frankreieh und Sowjetrussland ist. . . . Wir werden bestinimt siegen. Aber davon, ob wir vorbereitet sind, wird
es abhangen, ob wir friiher oder spater siegen, mit grosseren oder kleineren Verlusten."
Und dann das Entscheidende:
"Ein kleiner Staat innerhalb eines Blockes muss die militarische Fiihrung selbstverstandlich dein machtigsten
Bundesgenossen uberlassen."
Der "machtigste Bundesgenosse" ist natiirlich die Sowjetunion.
Alle militarischen Sorgen nimmt jetzt der "machtigste", in der militarischen Koalition fuhrende Bundesgenosse dem
kleinen Staat ab. Alles bestimmt im Paktsystern der rote und nicht der tschechische Generalstab.
Es gehort nicht unmittelbar in den Rahmen dieser Betrachtung, ist aber bezeichnend, wie der Prager
Generalsstabsphilosoph Moravec, da er erst einmal auf der schiefen Ebene angekommen ist, auf der abschiissigen Bahn
seines Gedankensystems weiterrollt, und wie er wieder einmal bestatigt, dass der tschechoslowakische Staat das Objekt
der Interessen dieser und jener Volker, nur nicht das seiner eigenen Bewohner ist. Fiir die Franzosen und Englander
schrieb Moravec das nur in der Sprache dieser Volker herausgekommene Buch "Der strategische Wert der
Tschechoslowakei fur die Westmachte", und darin die kuhnen Satze:
"Wenn es Deutschland eines Tages gelingt, die Achse Hamburg-Persischer Golf zu beherrschen, wird es im Besitz der
reichen Petroleumvorrate Rumaniens und Mossuls sein. Alle Volker, die schon vor dem Kriege durch die Plane der
deutschen Hegemonie betroffen worden sind, haben sich nun -zu Organisationen zusammengeschlossen. Wenn die
Tschechoslowakei verschwinden sollte, so wiirde nicht nur Frankreich im gleichen Augenblick seine Position in
Mitteleuropa verlieren. Die Bedeutung der Tschechoslowakei fiir Grossbritannlen ist nicht geringer. Die Niederlage der
Tschechoslowakei wiirde die Petroleumvorrate Rumaniens und Mossuls den militarischen Aktionen offnen, die sich
gegen den Suez-Kanal und sogar gegen Indien richten. In der Tat wiirden die Luftstutzpunkte leicht mit Brennstoff
versorgt werden konnen. Die deutschen Geschwader hatten keine Miihe, ihre Fliige zwischen dem Schwarzen Meer,
dem Kaspischen Meer und dem Mittelmeer auszufiihren. Nach den Erkenntnissen der modernen Strategie ergibt sich die
Notwendigkeit, an den Hangen der Sudeten und der Karpaten, d. h. an der Nordgrenze der Tschechoslowakei Indien zu
verteidigen."
Nun, wenn von der politisch-geographischen Position der Tschechoslowakei sogar Indien abhangt, um wie viel mehr
erst der europaische Kontinent, in dessen Mitte der Tschechenstaat liegt?
Und in dieser tschechischen Schliisselstellung setzen sich die Bolschewisten mit jedem Tag tiefer fest. Ueber die
Massstabe, in denen sich die roten Offiziere in der Tschechoslowakei breitmachen, berichtete im August ein
unverdachtiger neutraler Augenzeuge der Amerikaner L. Dennis:
"Neuerdings bin ich, ein amerikanischer Schriftsteller und friiher einmal ein Diplomat und dann ein Bankier, durch die
Sowjetunion, durch die Tschechoslowakei und durch das westliche Europa gereist. Ich hatte so Gelegenheit, mich mit
zwei Fragen zu beschaftigen:
Wissen viele Amerikaner und Englander, wie nahe die militarische Linie der "Sowjetunion an die Grenze des
westlichen Europas reicht, wie nahe an England? Tatsachlich verlauft diese Linie entlang der M'estgrenze der
Tschechoslowakei, sie reicht bis auf 150 Meilen an Berlin heran, einen Meridian naher an London, als die
nachste sowjetriassisehe Grenze im Osten. Und wie viele Amerikaner und Englander machen es sieh klar, dass
die Sowjetunion die grosste Armee und die grosste Luftmaeht auf dem Kontinent besitzt und dass der Kreml die
ausserste Kraft einsetzt, um diese Kriegsmaschinerie zu starken und auszudehnen?
Als ich in Prag ankam und ohne Erfolg in einem der grossten Hotels ein Zimmer zu finden versuchte, fragte ich die
Portiers, wo. her diese Ueberfiillung kame? Sie antworteten ohne Bedenken, die ganzen Hotels seien stark
von sowjetischen Generalen und Stabsoffizieren besetzt.
Es ist interessant, dass der amerikanische Militarattache zu den grossen tschechischen Manovern nicht eingeladen
wurde, die in Zusammenarbeit mit dem sowjetrussischen Verbiindeten stattfanden.
Ich habe mich auch davon uberzeugen konnen, dass sich eine sehr betrachtliche Zahl von Sowjetoffizieren in der
Tschechoslowakei nicht nur zur Manoverzeit aufhalt, sondern standig in engster, geregelter Zusammenarbeit mit der
Armee steht. Diese Tatsache an und fiir sich wiirde nicht besonders auffallend sein, denn schliesslicb ist die Sowjetunion
mit der Tschechoslowakei und mit Frankreich verbiindet.
Im britischen Unterhaus ist bestritten worden, dass die Sowjetunion in der Tschechoslowakei eine militarische Mission
unterhielte, die in Verbindung mit der tschechoslowakischen Armee stehe. Es ist dort nur auf eine Anfrage die formelle
Erklarung des tschechischen Ministerprasidenten wiederholt worden, die das Zusammenwirken einer grosseren Anzahl
von Sowjetoffizieren mit der tschechischen Armee bestritt.
Wenn der britische Militarattache In Prag befragt wiirde, konnte er, wenigstens unter Eid, nur die ]Richtigkeit
dieser formellen Erklarung des tschechoslowakischen Premiers seinerseits bestreiten.
Tatsache ist, dass die Sowjetunion mit der ganzen existierenden Luftflotte gegenwartig iiber eine Anzahl von
Flughafen auf tseheehoslowakiseheiii Boden verf iigt und dass bald eine strategische Bahnlinie bereit sein wird,
um die Sowjettruppen durch Rumanien und die Tschechoslowakei geradewegs in das Herz Europas zu fiihren.
Dies sollte nieht verschwiegen werden, wie es die amerikanische und englische Presse tut.
Was sich auf dem anderen Ende dieser Verbindung oder dieser Einfallspforte nach Europa befindet, ist natiirlich das
eigentlich Wichtige. Ueber die militarischen Einzelheiten gibt es selbstverstandlich nur sparliche amtliche
Aufstellungen. Aus sehr natiirlichen Griinden diplomatischer und wirtschaftlicher Art konnen die Feststellungen
auslandischer Diplomaten und Militarattaches der Weltpresse nicht zuganglich gemacht werden, noch haben solche
Beobachter die Moglichkeit, alles Wichtige ausfindig zu machen. Der inoffizielle Besucher der Sowjetunion, der nicht
durch diplomatische Immunitat geschiitzt ist, und dem besondere Fiihrer allerlei zeigen, kann nur beschrankte
Feststellungen machen und nur bedingt Schliisse aus ihnen ziehen.
Er ist natiirlich kein Spion. Aber auch ein solcher oberflachlicher Besucher, der die Sowjetunion bereist hat, wie ich es
soeben getan habe, muss doch bemerken, dass es
Zeichen fur fieberhafte Kriegsvorbereitungen gibt."
Die militarische Unterordnung der Tschechoslowakei unter die Sowjetunion war im Grunde schon im Jahre 1936
vollkommen, auch in den Einzelheiten der praktischen Zusammenarbeit. Die Verausserung der Kommandogewalt
geschah ja, wie wir an Moravec' Darlegung sahen, schon mit dem Paktschluss und den Konsultationen, deren Ergebnis
eben die Erkenntnis war, dass sich in einem Block ein kleiner Staat dem grossen zu unterwerfen habe.
In das tschechische Heer kamen nicht nur sowjetrussische Instrukteure. Auch das Reglement der Roten. Armee, die
Kampftaktik wurde iibernommen, natiirlich in Anpassung an die spezifisch tschechoslowakischen Verhaltnisse. In
vorsichtigen Worten machte davon am 14. Dezember 1936 der tschechische Divisionsgeneral Luza Mitteilung, wie das
bolschewistische Moskauer Organ "Sa Industrialisaziju" hervorhebt.
"Der Eindruck, den ich durch die Teilnahme an den Manovern der Roten Armee im weissrussischen Militarbezirk
gewonnen habe, ist zwingend. Die militarische Ausbildung der Truppen, die an den Manovern beteiligt waren, ist
absolut vorbildlich. Der Kommandostab der Truppen des weissrussischen Militarbezirks weist den hochsten Grad
taktischer und technischer Vorbereitung auf. Die Rote Armee ist mit der modernsten Technik reich saturiert. Aber nicht,
nur in dieser Beziehung stellt sie die beste Truppe in der Welt dar. Es gibt iiberhaupt kein Heer, das sich mit dem
sowjetrussischen messen konnte.
Wir haben bei den Manovern viel Wertvolles und Interessantes gesehen und werden nun die Beispiele In der
tschechoslowakisehen Armee anwenden."
Natiirlich doch: es muss das Bestreben jeder Armee sein, sich das Beste, was ihre Fiihrer sahen, zu eigen zu machen. So
miisste der tschechische Generalstab auch dann handeln, wenn nicht der ausserliche Zwang, den das Bundnis ohnehin
mit sich bringt, vorlage. Es ist weiterhin ein Erfordernis aus dem Bundnis und eine natiirliche logische Folge, wenn den
Soldaten der tschechoslowakischen Armee immer wieder Lehrsatze eingepragt werden wie dieser:
"Wir mussen die Sowjetunion nieht nur verteidigen, sondern ihr auch mit alien Mitteln helfen, gegen alle ihre
Feinde kampfen, gleiehviel, unter weleber Maske sie sieh verbergen."
(Professor Nejedly, 7. 11. 1937.)
Die politisehe Infizierung des Landes
Die Tschechoslowakei unterstiitzt den Kommunismus nicht nur "moralisch".
Die Tschechen haben den Bolschewismus in der Sowjetunion in den Sattel gehoben. Sie haben ihm ihr Land als eine
militarische Operationsbasis ausgeliefert. Sie haben ihr Staatsgebiet in jeder Hinsicht zum Infektionsherd des
kommunistischen Virus gemacht. Das taten die tschechischen Regierungen schon, ehe sie mit dein sowjetrussischen
Staat in formlicher Bundesgenossenschaft standen, indem sie durch immerwahrende Schiirung der nationalen und
sozialen Gegensatze den Boden fur die Ausfuhrung der Thesen bereiteten, die auf den Kongressen der
Kommunistischen Internationale fur die Nationalitatenstaaten aufgestellt wurden. Die tschechische Regierung entzog
auch bewusst jeder Gegenpropaganda gegen die bolschewistische Weltzerstorungslehre den Boden und die
Wirkungsmoglichkeit, indem sie die neuen europaischen Aufbauidee durch ihren brutalen Vernichtungskampf gegen die
National sozialistische Deutsche Arbeiterpartei in den Sudetenlandern al Instrument einerwirksamenAbwehr des
kommunistischenUmsturze bedenkenlos zerstorte. Die Regierung duldet und fordert nicht nu die Ausbreitung der
kommunistischen Ideologie. Sie schiitzt dies Ausbreitung, indem sie zum Nutzen des Kommunismus mit Polizei gewalt
andere politisehe Bewegungen bekampft.
Diese Haltung ist folgerichtig in einem Staate, der als Instrumen fiir den Kampf gegen alle Ordnungstendenzen
geschaffen wurd und sich militarisch der Sowjetunion auslieferte. Es war nur ein weitere logische Folge, wenn die
Regierung die
kommunistisehe Infiltration
forderte, denn damit wurde das Militarbiindnis "popular" gemach Die Haltung der Bevolkerung wurde gewissermassen
dem Ziele de Staatspolltik gleichgeschaltet.
Fiir die Agitation standen zahllose politische Parteien und Gruppen und kulturelle oder wirtschaftliche Vereinigungen
zur Verfiigung, und viele neue wurden nach dem Abschluss des Bundnispaktes gegriindet. Die gegebene Kerntruppe
aller dieser im Dienste des Moskauer Weltrevolutionsstrebens stehenden Biinde ist natiirlich die
Kommunistisehe Partei der Tschechoslowakei.
Besonders stark ist die Partei in den grossen Stadten und in den beiden fiir die militarische Zusammenarbeit
wesentlichen Provinzen des Staates, der Slowakei und der Karpatenukraine, vertreten. Wahrend im Jahre 1935 in
Mahren und Schlesien nur 74 750 Stimmen fiir die kommunistischen Listen abgegeben wurden, betrug diese Zahl in der
Slowakei 210 785 und in der Karpatenukraine 79 400. Die absolute Zahl der kommunistischen Wahler liegt also in der
Karpatenukraine holier als in dem Verwaltungsgebiet Mahren-Schlesien. Das relative Uebergewicht ist noch bedeutend
starker, denn in Mahrisch-Schlesien leben doppelt soviel Wahlberechtigte wie in der Karpatenukraine.
Die Leitung der Kommunistischen Partei liegt in den Handen eines dreigliedr gen Polit-Buros, dessen Mitglieder die
tschech schen Abgeordneten Gottwald, Smeral und Sverma sind.
An den wichtigen Beratungen des Polit-Buros ninimt regelmassig ein Mitglied der Prager Sowjet-Gesandtsehaft
teil.
Das Pollt-Buro beherrscht nach Moskauer Vorbild das Organisationsbiiro, das Zentral-Exekutiv-Komitee (Z.E.K.) und
das Zentral-Komitee (Z.K.) der Partei. Die Verbindung mit den Kreisen, Bezirken, Ortsgruppen und Zellen im Lande
wird liber das Zentralsekretarlat durch ein gewaltiges Netz von Funktionaren und Instrukteuren aufrechterhalten.
Organisierte Mitglieder der Partei werden etwa 100 000 gezahlt. Die Zahl der kommunistischen Wahler lag mit 849 509
im Jahre 1935 um das Achteinhalbfache hoher. Inzwischen haben diese Zahlen infolge der Auswirkungen des Paktes mit
der Sowjetunion eine weitere wesentliche Steigerung erfahren.
Die Agitation der Partei bekam mit dem Abschluss des Bundnispaktes mit der Sowjetunion ein neues Gesicht. War bis
dahin die Entfesselung von Lohnkampfen, die Stoning des Arbeitsfriedens und die Aufputschung der sozial
notleidenden Bevolkerung das Entscheidende, so wurde nun die Taktik geandert, weil es eben seit dem Pakt darauf
ankam, die ganze Bevolkerung zu erfassen. Die Agitationsmethode wurde nun in Ausfuhrung der Beschlusse des VII.
Weltkongresses der Komintern in Moskau (August 1935) im Sinne der von Dimitroff proklamierten "Taktik des
Trojanischen Pferdes" spezialisiert, wie aus dem Beschluss hervorgeht, den das Polit-Biiro im Spatherbst 1935 fasste.
Der Auftrag lautete:
1 . Um die
Jugend
im Geiste Moskaus vorzubereiten, sind vor allem die tschechischen Lehrer davon zu uberzeugen, dass Sowjetrussland
ein Paradies der Padagogik darstellt. Motto: wer die Jugenderzieher hat, hat die Jugend und wer die Jugend hat, hat die
Zukunft. Die Schulen sollen zuerst erobert werden.
2. Es gilt in die
Parteien
einzudringen sowie in die unpolitischen Organisationen. Mit den links eingestellten Personen der Leitung der
verschiedenartigen Vereine hat ein Beauftragter der Kommunistischen Partei in Fuhlung zu treten. Sie sind unauffallig
mit sowjetrussischen Agitationsschriften auszuriisten, aber nicht aufzufordern, Mitglieder der Partei zu werden.
3. Besonderes Augenmerk haben die Vertrauensmanner im tschechischen
Vereinsleben
auf die Gestaltung der offentlichen Veranstaltungen zu richten. Die Veranstaltungen miissen mehr und mehr
bolschewistischen Feststil annehmen.
4. Im Rahmen der
Legionar-Organisationen
und des
Wehr-Turn-Verbandes "Sokol"
ist eine den Zielen dieser Verbande angepasste Tatigkeit zu erltfalten. (In einem anderen Kapitel berichten wir, wie sich
der Bolschewismus im ganzen tschechischen Sportsleben einnistete.)
5. Wenn nicht anders in
rechtsstehende Organisationen
eingedrungen werden kann, dann darf man sich den panslawistischen Gedanken zunutze machen und sagen: Jetzt ist fiir
die Verwirklichung der panslawistischen Idee die Voraussetzung geschaffen.
Schon Im Februar 1936 konnte In einer Sitzung des Pragler Polit-Biiros iiber die ersten Erfolge dieser Durchdringung
des tschechischen Vereinslebens Bericht erstattet werden. Im Verlaufe von wenigen Monaten, seit dem Abschluss des
Paktes, waren in der Mehrzahl der Vereine Vertrauensmanner gewonnen worden, la es gab schon ganze
Vereinsleitungen, die aktiv "im antifaschistischen Sinne" arbeiteten.
Auf der anderen Ebene, der Gewinnung der Schuljugend, wirkte sich die Entsendung von
500 Lehrern zum"Studienaufenthalt" in die Sowjetunion
bereits spiirbar aus. So ergaben in den hoheren Schulen Stichproben, dass
50 Prozent der Schiiler den jungkommunistischen Organisationen
angehorten. Ein weiterer Prozentsatz ging, ideologisch mit, ohne organisatorisch gebunden zu sein. Ganz und gar in das
eindeutig bolschewistische Fahrwasser gerieten in den Jahren 1935/36 folgende Biinde:
Bund der Proletarischen Freidenker, Verein der Arbeiterfreidenker, Freidenkerverein "Flamme", Sozialdemokratischer
Konfessionslosenverein, Pazifistische Antikriegsbewegung, Pazifistische Arbeiter-Organisation, Internationale
Frauenliga gegen Krieg und Faschismus, Liga gegen den Imperialismus, Liga fiir Menschenrechte, Fortschrittliga,
Weltliga fiir Sexualreform, Kiinstler-Internationale, Schriftsteller-Internationale, Arbeiter-Bildungsliga, Verein der
Theaterarbeiter, Sozialistischer junglehrerverband, Industrievcrband der Textilarbeiter in der Tschechoslowakei,
Sozialistischer Sangerverband und die Industrieverbande der Papierarbeiter, Glasarbeiter und Metallarbeiter.
Eindeutig war seit je die Haltung des
Bundes der Freunde der Sowjetunion, der Gesellschaft zur Forderung kultureller Beziehungen init der UdSSR,
der "Freunde Spaniens"
oder gar der
Gesellschaft der Freunde Birobidshans,,
der sowjetrussischen judenrepublik. In 16 Ortsgruppen sind Freunde Birobidshans versammelt.
Diese Biinde, die zusammen viele Millionen Mitglieder aller Gesellschaftsschichten umfassen, haben sich fiir die
Weiterverbreitung der bolschewistischen Ideologie noch viel brauchbarer erwiesen als die Kommunistische Partei
selbst. Durch sie gelangte der kommunistische Bazillus nach oben und unten in das gesamte offentliche Leben des
Staates, bis in tschechisch-nationale und auch politischklerikale Kreise. Gerade aus den Kreisen, die auf Grund ihrer
friiheren politischen Einstellung dem kommunistischen Gedanken nicht wohlwollend gegeniiberstanden, nun aber ihre
Haltung iiberpriiften, wurden die Manner und Frauen ausgesucht, die auf Kosten der bolschewistischen Biinde nach der
Sowjetunion geschickt wurden, um dort den "Anschltiss an den Fortschritt" zu finden.
Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 1936 bereisten iiber 2000 Tschechen als Touristen die
Sowjetunion.
Dort wurden ihnen natiirlich nur Potemkinsche Dorfer gezeiet. Ein solcher Tourist, ein tschechischer Professor, hatte
aber das Bestreben, in der Sowjetunion mit seinen eigenen Augen und nicht durch die Brille der Propaganda die
Verhaltnisse im Lande zu priifen. Er machte sich fur einige Stunden von seiner Reisegesellschaft unabhangig. Das
musste er mit dem Tode biissen. Er wurde, angeblich in einem selbst verschuldeten Streite, von Bolschewisten ermordet.
Seit jenem abschreckenden Erlebnis verlasst keiner der tschechlschen Sowjettouristen die vorgeschriebene Route mehr.
Niemand sieht mehr Bilder, die er nicht sehen soil. Es ist alles nur noch "rosenrot" und "paradiesisch". Darin stimmen
die Berichte der heimkehrenden Touristen unisono uberein. Dass gerade viele Lehrer nach Sowjetrussland geschickt
wurden, hatte neben der "erzieherischen Absicht" noch den anderen Zweck, die Organisationen der tschechischen
Lehrer in die Hand der Kommunisten zu bringen. In der Tat gelang das sehr bald.
Die Reisetatigkeit wurde nicht nur von der Kommunistischen Partei und den bolschewistischen Biinden, sondern auch
vom Staat selbst lebhaft gefordert. Die "Zentralorganisation der tschechischen Lehrer und Professoren" organisierte seit
1935 alljahrlich fur ihre Mitglieder Fahrten nach der Sowjetunion. Der Staat half mit Kostenzuschiissen aus. Ebenso
wurde im Fruhjahr 1937 die grosse "Studienfahrt" von Hauslern und Kleinbauern zur Landwirtschaftsaus stellung in
Moskau aus offentlichen Mitteln bezahlt. Von der Kommunistischen Partei wurden wiederholt Stossbrigaden-
Wettbewerbe ausgeschrieben. Die Preise waren jeweils Fahrten nach Sowjetrussland. Die Zuruckgekehrten wurden
sofort von der Kommunistischen Partei als Redner eingesetzt.
Im Februar 1937 wurde eine Abordnung der Prager tschechischen Kunstakademie nach Moskau geschickt.
Zu jeder grosseren bolschewistischen Feier in Moskau wurden Sonderabordnungen entsandt. Die Abor dnung fiir die
bolschewistischen Malfeiern im Jahre 1938 setzte sich aus Vertretern aller tschechischen Linkspartelen, zu denen auch
die volkssozialistische Partei Dr. Beneschs gehort, zusammen. Fiir die Volkssozialisten fuhren die Abgeordnete Zemin
und der Legionarsabgeordnete David mit. David ist Vorsitzender des Wehrausschusses des Prager Abgeordnetenhauses,
Die in der tschechischen Politik durch ihre Beziehungen zu Benesch sehr einflussreiche Zemin ist durch ihren
Ausspruch bekannt geworden: "Unser Regierungsprinzip ist:
Wir haben die Deutschen gejagt und werden sie weiter jagen!"
Die tschechische Abordnung, die im Oktober 1937 anlasslich der Revolutionsfeierlichkeiten in Moskau weilte,
uberreichte bei einem Festempfang, der in der tschechoslowakischen Gesandtschaft stattfand, den Exponenten des
bolschewistischen Staates eine "Tafel des Ruhmes" und ein "Goldenes Buch". In diesem Buch sprachen auf 3600 Bogen
150 000 tschechische Einzelpersonen und 3600 Betriebe mit 2 700 000 Gefolgschaf tsmitgliedern der Sowjetunion ihre
Gliickwunsche aus. Insgesamt bekundeten also fast drei Millionen Tschechen ihre Zustimmung zum Bolschewismus -
bei einer Volkszahl von sieben Millionen Tschechen uberhaupt. Diese Zahlen sprechen deutlich fiir die umfassende
Durchdringung des tschechischen Elementes mit dem bolschewistischen Gedankengut.
Bei der Ueberreichung der Ehrengaben fiihrte der tschechische Gesandte aus: "Ich habe die Ehre, Ihnen zum Fest des
20. Jahrestages des Oktober-Umsturzes zu gratulieren. Die tschechoslowakische Republik begriisst innigst die Erfolge
und Errungenschaften der Sowjetunion."
Der diplomatische Vertreter Prags huldigte dem bolschewistischen Umsturz und seinen "Erfolgen". In der
umfangreichen Entsendung von tschechischen Sowjetunion-Reisenden aber wurde ein Kader von Agitatoren
ausgebildet, der dann, in die Heimat zuruckgekommen, auf die Oeffentlichkeit losgelassen wurde und in der schon
genannten Tendenz seine Aufgaben durchfiihrte. Nichtkommunistische Reisende, Sozialdemokraten und Manner des
burgerlichen Lagers wurden in Sowjetrussland besonders "pfleglich" behandelt und in Poteinkinschen Kulissen
irregefiihrt.
Uebrigens wurde auch im ganzen tschechischen Staat das bolschewistische Umsturzjubilaum in aller Feierlichkeit
begangen. Die Mitglieder der Regierung und alle namhaften Personlichkeiten des offentlichen Lebens nahmen an den
Gedenkfeiern teil. Laut Bericht des Tschechoslowakischen Pressbiiros waren beim Staatsakt in der Sowjetgesandtschaft
in Prag vertreten: "Die Vertreter der Regierung, darunter Aussenminister Krofta, der Minister fiir soziale Fiirsorge
Necas, Finanzminister Kalfus, Gesundheitsminister Czech (jiidischer Sozialdemokrat), die namhaftesten Vertreter aller
politischen und wirtschaftlichen Kreise, die fiihrenden Manner der Kunst, Wissenschaft, Literatur, Presse und so
weiter."
Wenn vorher in den allgemein links orientierten, aber nicht aus gepragt kommunistischen politischen, wirtschaftlichen,
kulturellen und anderen Vereinigungen noch zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten um die Fiihrung gerungen
wurde, so bedurfte es jetzt keines Streites um den Machtanspruch mehr. Die Sozialdemokraten sahen ebenso wie die
Militars ein, dass in einem Block dem Machtilgeren die Entscheidung zufalle. Der politischen Weiterung dieser klaren
Ausrichtung auf die extremste Linke waren sie sich durchaus bewusst.
Der "Blaue Pfeil" ist der Triebwagenzug, der die schnellste Verbindung zwischen der Slowakei und Prag herstellt.
"Wir Marxisten miissen nun dafiir sorgen, dass aus dem blauen Pfeil der rote Pfeil wird", verkiindete der
sozialdemokratische Minister Dr. Meissner, ein tschechischer Jude.
Und wahrend die Kommunisten in den Organisationen, in denen sie auf "das biirgerliche Denken der noch vorhandenen
reaktionaren. Elemente" Riicksicht nehmen mussten, die bolschewistische Doktrin nur in homoopathischen Dosen
verabreichten, machten sie in der Erziehung ihrer Partelmitglieder aus dem Herzen keine Mordergrube.
"Wir Kommunisten geben unbeirrt auf unser Ziel los, auf die sowjetisehe Republik, au deren Sliitze Klement
Gottwald stehen wird.
In der Ueberzeugung, dass die Interessen des proletarischen Klassenkampfes und der Erfolg der proletarischen
Revolution das unerlassliche Gebot vorschreiben, in jedem Lande diirfe nur eine einige Arbeitermasse bestehen, wird
der Kommunistischen Partei der Auftrag erteilt werden, in der Frage dieser Einigung die Initiative an sich zu reissen."
Mit dieser Fanfare eroffnete das kommunistische Hauptorgan "Rude Pravo" den Kampf fur die Bildung der
"Volksfront".
Das Thema
Volksfront
ist viel erortert und mit alien diesen Erorterungen in seinem eigentlichen Gehalt immer nur verschleiert worden. Und es
liegt doch gerade in der Tschechoslowakei vollkommen klar.
Moskau bedarf nicht im entferntesten einer verabredeten Zusammenarbeit zwischen den marxistischen Parteien im
Parlament, um die Volksfront und in ihr die Fiihrung zu haben. Es bedarf keinerlei organisatorischer Bindung und
Normung und keiner Festlegung einer Generallinie, um doch die kommunistischen Ziele in der Staatspolitik oder auch
nur in der parlaments-geometrischen Handhabung der Demokratie durchzusetzen. Die Kommunisten haben sich auch
niemals sonderlich bemiiht, solche organisatorischen Bindungen herzustellen. Sie hatten sich wohl bemiiht, wenn es eine
sachliche Notwendigkeit erfordert hatte.
Aber wozu eine gemeinsame Fraktion, wozu einen gemeinsamen Ausschuss der Koalitionsgruppen? Die
Kommunistische Partei hat ja doch die Macht in der Hand. Sie ist das Zunglein an der Waage. Sie braucht nicht in die
Regierung einzutreten und Minister zu stellen, um auf die Staatspolitik Einfluss zu haben. Sie hatte und hat diesen
Einfluss durch die Krafteverteilung im Parlament von selbst. Ohne die kommunistischen Stimmen kann weder die
Regierung einen Gesetzesvorschlag noch die Opposition einen Antrag durchbringen. Wer in einem Parlament diese
Schliisselstellung innehalt, bei dem liegt in jedem Falle die Entscheidung. Da die
Kommunisten im Besitz der Schliisselstellung
sind, ist es klar, dass sie ihr Votum nach jenen Erfordernissen abgeben, die das bolschewistische Ziel vorschreibt. Diese
bolschewistischen Ziele erfordern es also, dass der Aussenminister Dr. Eduard Benesch, der Freund Litwinow-
Finkelsteins, zum Staatsprasidenten gewahlt wurde.
Die Stimmen der kommunistischen Abgeordneten gaben den Ausschlag, um der Kandidatur Benesch' zum Siege
zu verhelfen.
Mit dem alten Kramarsch wird alle Welt sagen diirfen: Wir sind nicht so naiv zu glauben, die Kommunisten hatten
Benesch aus einem sentimentalen Gefiihl des Dankes dafiir gewahlt, dass er Litwinow-Finkelstein in Genf einfuhrte und
den Pakt abschloss. Indem sie sich fur Benesch entschieden, verpflichteten sie ihn dem Bolschewismus fiir alle Zeiten.
Sie verpflichteten Gell Prasidenten und sie verpflichteten ein ubriges Mai den ganzen Staat auf die Moskauer Linie.
Die kommunistische Fraktion stimmte iiberdies im Jahre 1935 zum erstenntal und seitdem immer wieder fiir die
Rustungskredite der Regierung und fiir den Staatshaushalt iiberhaupt.
Bei diesen Voten handelte es sich um allersensationellste Erscheinungen. Es war zum ersten Mai, dass eine
kommunistische Fraktion in einer parlamentarischen Demokratie fiir die Rushing und fiir einen nicht parteimassig
kommunistischen Staatsprasidenten stimmte. Die Burgschaften dafiir, dass sich diese kommunistische Entscheidung
einwandfrei im Sinne des bolschewistischen Zieles auswirkte, waren zweifellos vollkommen. Die Kommunisten wussten
sich ihrer Sache in der Tschechoslowakei absolut sicher.
Das ist die revolutionare Bedeutung, in doppeltem Sinne revolutionare Bedeutung ihrer Stimmabgabe fiir Benesch und
fiir die tschechischen Riistungsvorlagen.
Nicht minder ist klar, warlim die kommunistische Fraktion fur das tschechoslowakische
Staatsverteidigungsgesetz stimmte,
das die am wenigsten vom Kommunismus durchdrungenen sudetendeutschen und ungarischen Grenzgebiete des Staates
des letzten Restes der autonomen Rechte beraubte. Waren nicht tschechoslowakisches Staats- und kommunistisches
Parteiziel ein und dasselbe, dann ware das Votum der Kommunisten bei der Prasidentenwahl, bei den Riistungskrediten
und beim Verteidigungsgesetz negativ ausgefallen, so wie in den Jahren vor dem Paktabschluss, als die Kommunistische
Partei grundsatzlich gegen jeden Militarhaushalt stimmte.
So greift im Wirken der Kommunistischen Partei, der Staatspolltik und der zahllosen Organisationen ein Rad in das
andere und immer wieder pocht jener Sektor auf seine Rechte, bei dem die eigentliche Entscheidung liegt:
"Der erste ernsthafte Erfolg der proletarischen Revolution in Frankreich, in Spanien, in Belgien, in der
Tschechoslowakei wird fur Hitler ein Totengelaute bedeuten... Wie der Krieg verlaufen wird, konnen wir im voraus
nicht sagen. Die Fronten werden durchbrochen werden. Darin besteht eben der Krieg. Bei dem gegenwartigen Stand des
Flugwesens werden alle Grenzen durchbrochen werden, alle nationalen Gebiete missachtet und verwiistet werden. Nur
ausgesprochene Reaktionare konnen unter diesen Gesichtspunkten das Proletariat zur Verteidigung einer "eigenen"
nationalen Grenze aufrufen. Die tatsachliche Aufgabe des Proletariats besteht darin, die Kriegsschwierigkeiten der
"eigenen" Bourgeoisie auszunutzen, sie in den Abgrund zu stiirzen, die nationalen Grenzen abzuschaffen, die Wirtschaft
und Kultur zu ersticken. Letzten Endes entscheiden nicht die militarischen Fronten das Schicksal des Krieges, sondern
jene soziale Front, die zwischen Proletariat und Bourgeoisie hindurchgeht." (Ein kommunistisches Flugblatt.)
Die Durchdringung der Tschechoslowakei, die Infizierung der Bevblkerung und Durchsetzung aller Zweige des
bffentlichen Lebensware nicht in der kurzen Zeitspanne, die Moskau dafiir brauchte, gelungen, wenn nicht
a) das tschechische Volk innerlich, durch seinen rassischen Charakter und in seinem politischen Empfinden fur diese
DurchSetzung vorbereitet gewesen ware und wenn nicht
b) die sogenannten biirgerlich-nationalen, ja auch die christlich-konfessionellen Parteien des tschechischen Volkes dem
Kommunismus in seiner Agitation Vorschub geleistet und schliesslich an dieser Agitation mitgewirkt hatten.
Dazu gehoren auch die im allgemeinen als antikommunistisch angesehenen agrarisch-standischen Parteien, die sich den
"nunmehrigen Staatsnotwendigkeiten" nicht verschlossen und aus ihrer rein standisch-wirtschaftlichen Haltung heraus
die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion begriissten. Auch die Zeitungen dieser Parteien spannten sich vor den
bolschewistischen Agitationsapparat. Sie konnten natiirlich ihren bauerlichen Lesern nicht sofort mit einer
Verherrlichung des kommunistischen Dorfkollektivs kommen, sondern mussten auf die Mentalitat ihrer Kreise
Riicksicht nehmen. So kam es, dass an einem Tage, an dem das kommunistische "Rude, Pravo" das bauerliche Kollektiv
als das Ideal verherrlichte, ein, hochstehender agrarischer Funktionar, aktiver Minister, seinen Anhangern gegeniiber die
Biindnispolitik und Auslieferung an die Sowjets mit der Erklarung zu rechtfertigen suchte: das sowjetrussische System
critw entwickele sich mehr und mehr auf den Stand der westeuropaischen Demokratie zuriick. Die Kollektiv-
Landwirtschaft sei eigentlich nur eine anders genannte Form des bauerlichen Genossenschaftswesens.
Der Minister, der das sagte, sprach zweifellos bewusst die Unwahrheit.
Noch frivoler waren die Agitationskunststiicke der politisch-katholischen Parteien.
Deren Hauptorgan in Prag berichtete iiber die religiose Lage in der Sowjetunion:
"Die russische Seele tendiert zu Bezirken neuer Religiositit. Wenn man sich zum Beispiel in Moskau entschlossen hat,
das bisherige Gottlosen-Museum in ein Museum firr Religionsgeschichte umzuwandeln, oder wenn der Sekretar der
Kommunistischen Partei der Ukraine fiir die Wiedereinfiihrung der Baumfeste eintritt, oder wenn sich die kirchlichen
Trauungen in Sowjetrussland haufen, dann sind das alles sehr ernsthaft zu wertende Zeichen eines tiefgehenden
Umbruchs."
So ausserte sich das Blatt der "Katholischen Aktion", obschon kurz davor laut einem Bericht der Telegraphen-Agentur
der Sowjetunion, der auf dem Wege iiber das Tschechoslowakische Pressbiiro auch den tschechischen Redaktionen
unterbreitet wurde, die "Prawda" iiber die "gewaltige antireligibse Arbeit" der sowjetrussischen Gottlosen folgende
Zahlen nannte:
"50 000 Zellen des Gottlosen-Verbandes, die etwa fiinf Millionen Menschen umfassen, arbeiten im Gebiet der
Sowjetunion. Ausserdem zahlt der Verband noch 2 Millionen Jugendliche kampfende Gottlose. Mehr als 30
antireligiose Museen wurden gegriindet. Zehntausende Vortrage werden veranstaltet."
Wahrend also die Bolschewisten selbst aus der "gewaltigen antlreligiosen Arbeit" kein Hehl machten und sie in Hymnen
priesen, schwiegen die politisch-katholischen Organe in der Tschechoslowakei nicht nur die Tatsachen in der
Sowjetunion tot. Sie wussten es sogar genau anders als die Bolschewisten selbst. Und urn nur ja beim glaubigen
Menschen und Wahler der konfessionellen Parteien das letzte Bedenken gegen den Bolschewistenkurs auszuraumen,
wurde angekiindigt, der Vatikan werde alsbald ein Konkordat mit der Sowjetregierung abschliessen.
Wenn dem Mann von der Strasse auf diese Weise die Bolsehewistenfreundliehkeit des Heiligen Vaters eingeredet
wird, kann er natiirlich nichts gegen das bolsehewistisehe Prinzip, gegen den tschechisch-sowjetischen Pakt
einwenden.
So drang die Agitation in alle Bereiche des offentlichen Lebens ein, so uberwanden auch burgerlich-nationale und
konfessionelle Parteien die letzten psychologischen Widerstande in ihrer Anhangerschaft. Als ausgepragte
Bolschewistengegner blieb schliesslich nur noch die kleine Gruppe des national-demokratischen Panslawisten Dr.
Kramarsch ubrig. Als Dr. Kramarsch im Jahre 1937 starb, war buchstablich "der letzte Mann" gefallen.
Solange er lebte, liess er keinen Sonntag voriibergehen, ohne in seinem Kampfblatt die Tschechen zu warnen und die
Zustande in der Sowjetunion beim richtigen Namen zu nennen. In menschlich erschutternden Worten klagte der
vereinsamte Mann dariiber, wie in tschechischen Zeitungen nur noch das Sowjetregime als das Ideal gepriesen werde,
als ob es im tschechischen Leben selbst nichts Lobenswertes gebe.
Mit Kramarsch trat der letzte Mahner und Warner vom Schauplatz der Geschicke ab. "Das lebende Gewissen der
Nationalen" verstummte. Ohne diese letzte Behinderung und Gegenwirkung walzte sich die bolsehewistisehe Flut iiber
das Land. Moskau allein erzog seitdem den tschechischen Menschen.
Dem Freunde der europaischen Gesittung blieb nur der Trost, dass die Slowaken, vor allem aber die Sudetendeutschen,
unangekrankelt blieben. Zwar kamen die tschechischen Kommunisten immer wieder zu grossen Aufmarschen in das
sudetendeutsche Gebiet, wo sie ihre Karnpfrufe erschallen liessen. Das Sudetendeutschturn als nationalsozialistisches
Volkstum, also als Trager der neuen europaischen Ordnungsidee, liess sich jedoch von den Lockrufen nicht betoren.
Dass der Staat sowjetrussische Offiziere in sein Gebiet schickte oder auch den Sangerchor der Roten Armee und
Sowjetfilme sonder Zahl, das zu verhindern lag nicht in der Macht der Deutschen, aber sie konnten das Auftreten dieses
Sangerchors eine Angelegenheit der im deutschen Gebiet ansassigen tschechischen Kolonisten und der linksradikalen
Elemente sein lassen, die zwar deutsch sprechen, aber durch ihre rassische Herkunft doch keine Deutschen sind. So
blieben die bolschewistischen Werbeabende des Sangerchors der Roten Armee interne Veranstaltungen des
tschechischen und des jiidischen Elements in Deutschbbhmen, das aber ohnehin seit je kommunistisch war.
Das sudetendeutsche Gebiet konnte noch so sehr, wie an anderer Stelle im einzelnen dargelegt wird, mit
sowjetrussischen Filmen und bolschewistischen Tendenzschriften iiberschiittet werden: die eingesessene, boden- und
volksverbundene Bevolkerung, die sich seit langem im Abwehrkampf gegen die Tschechen eine stark ausgepragte
politische Ueberzeugung gebildet hatte, konnte nicht wankend gemacht werden. Sie fiel dem bolschewistischen Bazillus
nicht anheim. Aber sie konnte freilich nicht hindern, dass es der tschechische Staat fiir richtig hielt, mit der
Umsturzdoktrin und kulturbolschewistischen Sudeleien einen Angriff auf die unschuldige Kinderseele zu unternehmen.
Der Staat bestimmt die Tendenz des Schulunterrichts und die Lehrbiicher. Er scheute sich nicht, fiir den
Literaturunterricht in den sudetendeutschen Schulen ein Lehrbuch vorzuschreiben, das in Europa wohl nicht
seinesgleichen hat, steht doch in diesem Schullehrbuch - es heisst "Ein Erntekranz aus 100 Jahren Dichtung" und ist von
dem tschechischen Juden Fuchs zusammengestellt - zum Beispiel der folgende Hymnus des Tschechen K. Toman "An
Lenin":
"Die Sonne erlosch nicht - doch ein Mensch verstarb, und weil er gross war, taumelte die Erde ... Zu Gottes Thron -
entschwebt Nikolai Lenin im Purpur, welcher Menschenblut bedeutet - um das Haupt den Heiligenschein naiver
Abendwolkchen - begleitet vom Gebet einfaltiger Herzen -und vom Geifer der Wut. Geht hin, ihr Zeugen - ihr Klager,
geht hin und sprecht: Es wartet. Gott - Floss Blut? gemordet ward? Er tat's. Doch Millionen - und aber Millionen
Dumpfen, Stumpfen -flosste er Glauben ein - die Hymne auf den fortgelagten Hunger."
Den grossten Teil dieses "Erntekranzes aus 100 Jahren Dichtung" hat der tschechische Literat Petr Bezruc gewunden. In
einem seiner Gedichte mahnt er die Kinder: "Geh in die Kirche mit einem Rausch!", und er verhohnt nicht nur die
Kirche, Religion und Autoritat, er gibt auch die Parole:
"Stiirzen muss die Gutsherrschaft, Priester und Lehrer muss von der Stelle!"
Oder nehmen wir aus einem anderen amtlich vorgeschriebenen SchullehrbucK, dem "Raz-dva", dieses Kulturdokument:
"Wer den Tschechen liebt - heil ihm, er lebe!
"Wer den Russen liebt - heil ihm, er lebe!
"Wer den Serben liebt - heil ihm, er lebe!
"Wer den Slowenen liebt - heil ihm, er lebe!
"Wer den Ungarn liebt, den treffe der Sehlag!
"Wer den Deutschen liebt, den treffe der Sehlag!
Es war einmal ein Weissbuch, das erschien im Fruhjahr 1935. Darin klagt ein westeuropaischer Staat: "Der Geist, in
dem die deutsche Jugend erzogen wird, ist es, der den Eindruck der Unsicherheit in Europa fordert und kraftigt."
Vom Geist der tschechischen jugenderziehung sprach das Weissbuch nicht, und auch dagegen hat sich nie ein
Humanitatsapostel irgendwo im "neuen Europa" ausgesprochen, dass die Hassagitation der Tschechen noch in
unpolitischen Hausfrauen-Zeitschriften betrieben wird. Siehe "Novy Svet":
"Ihr Tschechinnen miisst In eure Gehirne die Ueberzeugung einpragen, dass, wenn die deutsehe Itestialitat
wahrend des Weltkrieges teufliseh und furchtbar war, die Bestialitat der heutigen Deutstchen noeb viel
furehtbarer ist. Vergesst daher nirgends und niemals dieses Tier in Mensehengestalt, kampfen wir dagegen
Immer und iiberall.
Nicht nur mittelbar, in allerunmittelbarster Weise war diese Aufputschung der niedrigsten tschechischen Instinkte Dienst
am Bolschewistenziel. je starker der tschechische Hass gegen die Deutschen, desto grosser natiirlich die Geneigtheit,
sich fiir den Dolschewismus zu schlagen und die Aufgabe des Provozierens durchzufuhren.
Die Tschechen waren sich dabei niemals im unklaren dariiber, zu wessen Nutzen sie provozierten, oder sie hatten doch
wenigstens die Moglichkeit, sich diese Klarheit zu verschaffen. Der alte Bolschewist Tretjakow liess sich nach einem
Besuch in Prag im Jahre 1936 in einer Sowjetzeitschrift ganz unmissverstandlich iiber die kommenden
Herrschaftsverhaltnisse im Tschechenstaat aus:
"In der Prager Sowjetgesandtsehaft gehen die kommunistisehen Pioniere des Landes ein und aus.
jede Abteilung dieser Pioniere wird nach einem fuhrenden Bolschewisten benannt, so zum Beispiel nach Stalin,
Dimitrow, WoroschiLow, Budjonny, und hat ihr Lied und ihre Fahne. Das Lied der nach Tschapajew benannten
Abteilung heisst zum Beispiel:
'Tod den Weissen! Geh in den Kampf fiir die Revolution!'
Als Sing weise sind die Melodien tschechischer Volkslieder gewahlt."
Unbekummert schloss Tretjakow seine Betrachtung:
"Die kommenden Herren der Tschechoslowakei gehen In der Sowjetgesandtsehaft ein und aus,
die Herren eines schbnen Landes, in dem sich niemand mehr wird vom Kampf driicken konnen."
Kulturbolschewismus
Tschechen begannen in den ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts eine nationale tschechische Kultur zu entwickeln,
und zwar unter lebhafter und, wie die Geschichte zeigt, geradezu selbstmorderisch selbstloser Forderung der deutschen
Geisteswissenschaft von Herder bis zu den Romantikern.
Diese Ansatze kamen aber nie zu voller Entfaltung, sei es aus Mangel an naturlichem Talent oder sei es, weil sich das
Tschechentum in seiner politischen Haltung in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts fremden Gewalten zu
verschreiben begann. Die eine Richtung tendierte nach Russland. Die andere suchte Anschluss an den westlerischen
Fortschritt. So wie in der Politik wurde es sehr bald auch im Kulturschaffen modisch, sich westlerisch-aufgeklart zu
geben. Die Nivellierungstendenzen der mechanischen Allerweltszivilisation breiteten sich aus und gewannen
vollkommen die Oberhand, als der tschechische Staat gegriindet worden war. Ausser den Legionarsbiichern ist seit 1920
kein tschechisch-patriotisches Buch mehr erschienen, und auch der Nationalismus der Legionarsliteratur ist nicht rein,
nicht aus dem Volk gewachsen, wie es angesichts des Wirkens der Legionare gar nicht anders sein kann.
Auch im Kulturellen war also die Bereitschaft fiir das Eindringen fremder Einflusse gegeben. Diese Einfliisse wirkten
sich schon aus, ehe Prag noch auf Moskau umgeschaltet war. In vollem, breiten-i Strom ergossen sie sich aber nun, nach
Abschluss des Paktes., 3n5 Land. Die Vorherbestimmung und die politische Umschaltung bahnte dem
Kulturbolschewismus eine natiirliche Gasse, wie er sie sonst nirgendwo in Europa fand. Eine "Woche der
Sowjetkulturwurde in den meisten tschechischen Stadten veranstaltet.
Von der Politik ausgehend und der Politik dienend, griff der Kulturbolschewismus in einem Masse um sich, dessen
Auswirkunen dem Betrachter ohne weiteres klarwerden, wenn er sich nur in Ausschnitten iiber die reine Zahl der
Buchauflagen, Theater- und Filmauffuhrungen, Vortrage, Konzerte usw. unterrichtet. Da lesen wir in den Kulturtellen
der tschechischen Zeitungen aller polltischen Schattierungen in langatmigen Berichten von folgendem:
Januar-September 1937: Puschkin-Ausstellung in Prag mit bolschewistischen Photomontagen und Tendenzschriften,
von 400 000 Menschen besucht.
5.1.1937: Auffuhrung des bolschewistischen Lustspiels "Das fremde Kind" im Prager Arbeitertheater "Trest";
7.1.1937: Griindung eines Puschkin-Institutes in Prag unter dem Patronat der Sowjetgesandtschaft; Beteiligung aller
namhaften tschechischen wissenschaftlichen Organisationen.
16.1.1937: Lenin-, Liebknecht-, Luxemburg-Feiern in vielen Stadten in der Tschechoslowakei unter Teilnahme von
bolschewistischen Spieltruppen, So der "Roten Raketen" und des "Severak";
23.1.1937: Der tschechische Unterrichtsminister ordnet Puschkin-Feiern in den Schulen an. Puschkin wird als ein friiher
Vorkampfer des Bolschewismus gefeiert.
1. 2.1937: Abend sowjetrussischer Musik in Mahrisch-Ostrau, veranstaltet von der dortigen Ortsgruppe der
"Gesellschaft fiir wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zur Sowjetunion";
3. 2.1937: Ball der gemischtsprachigen Ortsgruppe Aussig des Bundes der Freunde der Sowjetunion unter dem
Leitwort: "Hier Radio Moskau". Fotomontagen aus der Sowjetunion schmucken den Ballsaal;
12.2.1937: Urauffuhrung des bolschewistischen Schauspiels "Die Gewehre der Frau Carrara" im Theater "Svitani" in
Prag-Nusle;
18. 2.1937: Auffuhrung des Schauspiels "Fuente ovejuna" Non Lope de Vega durch die Ortsgruppe Tyrnau des
Verbandes der Freunde der Sowjetunion. Dem Schauspiel wurde eine klassenkampferische revolutionare Tendenz
unterlegt;
18. 2.1937: Sowjetrussischer Liederalbend in der "umelecka Beseda" in Prag anlisslich des Todestages Puschkins, von
der "Gesellschaft fiir kulturelle Verbindungen mit der UdSSR." veranstaltet;
27.2.1937: Puschkin-Feier in der Prager Lucerna, von 30 kulturellen tschechischen Organisationen, darunter den
Vereinigrungen der tschechischen Lehrer, veranstaltet;
4. 3. 1937: Sowjetrussischer Theaterabend der kommunistischen Ortszelle in Oblat;
5. 3.1937: Sow)etrussischer Liederabend der Russin (!) Mira Freimuth in Prag;
13.3.1937: Theaterauffuhrung der bolschewistischen Spieltruppe "Rote Raketen" in Sandau in Nordbohmen;
20. bis 25. 3. 1937: Konzerte des Sowjetrussen Rachmaninoff,
4.4.1937: Auffuhrung des Sowjetmarchenspiels "Die Zauberformel" in der Volkshalle in Kleische;
6.4.1937: Die gleiche Auffuhrung vor 500 Kindern in Bokau;
1.5.1937: Im ganzen Staatsgebiet maifeiern im "proletarischen Stil";
1.6.1937: Bolschewistisches " unserer Zeit" in Aussig mit dem Schlussbild "Sieg in Rotspinien";
17.6.1937: "Fiesco"-Auffiihrung Im Neuen Deutschen Theater in Prag. Der jiidische Regisseur lasst Fiesco als einen
Helden des Klassenkampfes auftreten;
26. u. 27.6.1937: Das bolschewistische "Kollektiv" Burian sucht nordbohmische Stadte mit der "Dreigroschenoper"
heim;
4.8. 1937: Beginn der neuen Spielzeit im kommunistischen Parteitheater "D 37" der tschechischen Juden Wachsmann
und Werich mit dem Umsturzdrama "Die Welt gehort uns";
22. 8. 1937: Sowjetrussische Laienspieler fiihren in Prag das Tendenzstuck "Das Wunder in der Steppe" auf;
1. 9. bis Mitte Sept. 1937: Sechs Konzertabende des Sangerchores der Roten Armee unter Leitung von Alexandrow in
Prag;
22. bis 24. 9. Vorstellung der katalanisch - bolschewistischen Spieltruppe "Cobla" im Parteitheater in Prag-Karolinental;
30.9.1937: Konzert des Sangerchores der Roten Armee fur die Prager Garnison; anwesend waren als Vertreter des
tschechischen Kriegsministeriums zahlreiche hohe Offiziere mit dein General Vozenilek an der Spitze; ausserdern die
Kommandeurc der in Prag stationierten Einheiten, General Obratilek, Generall Smek, General Eisenberg, und als
Vertreter des Generalstabes Oberst Fabian. Die Lieder iiber Stalin und Woroschilow und das Partisanenlied fanden den
grossten Beifall. (Siehe auch "Prawda" vom 2.10.1937.)
2.10.1937: Empfang der Stadt Prag zu Ehren des Sangerchores der Roten Armee in den Raumen des Rathauses.
4. 10. 1937: Der Sangerchor der Roten Armee, der unterdessen auch nach sudetendeutschen Stadten geschickt worden
war, reist vom Prager Wilsonbahnhof nach der Sowjetunion zuriick. Auf dem Bahnhof stand eine grosse
Menschenmenge, darunter offizielle Vertreter der Prager Garnison und der Regierung. Der Sangerchor sang zum
Abschied noch einmal die Internationale, worauf die Menge Hochrufe auf die Sowjetunion ausbrachte;
7.10.1937: Spanisch-bolschewistischer Kiinstlerabend in Prag;
15.10.1937: Vortragsabend sowjetrussischer "Wissenschaftler" in Briinn;
27.10.1937: Anlasslich der 20jahrigen Herrschaft der Sowjets Prager Erinnerungsfeiern mit politischem und kulturellem
Inhalt; Auffuhrung von Gorkis "Vassa Schelesnovowa" im Staatlichen Nationaltheater und eine Reihe von
bolschewistischen Konzerten und Filmauffiihrungen;
27. 10. 1937: Anlasslich des 20jahrigen Bestandes der Sowjetunion Konzert des Gesangvereins der mahrischen Lehrer
mit bolschewistischem Programm;
27.10.1937: Auffuhrung des Sowjetstiickes "Der Traum des Piloten" von Wodopjanow;
27.10.1937: In Pressburg Auffuhrung von Gorkis "Burger" durch eine kommunistische Spieltruppe;
2.11.1937: Der Prager Rundfunk iibertragt eine Rede Stalins und die Erwiderung Beneschs: Gruss des Prasidenten der
C. S. R. an den Sowjetverband;
4.1 1.1937: Erstauffuhrung des Sowjetstiickes "Die gliickliche Frau" im Prager Stadttheater;
4.1 1.1937: 20-Jahr-Feier der UdSSR. in Reichenberg mit bolschewistischem Programm;
9.11.1937: "Kiinstlerische" Feiern des 20. Jahrestages des bolschewistischen Umsturzes in Prag, Briinn, Pressburg,
Saaz, Aussig, Eger, Kaschau, Pardubitz, Koniggratz, Mahrisch-Ostrau, Olmiitz, Prerau, Budweis, Sillein, Prossnitz,
Bohmisch-Triibau, Pilsen, Klattau, Pribram, Tabor, jungbunzlau und vielen anderen Stadten;
23.11.1937: Kommunistische Laienspieler fiihren die aus der Sowjetunion importierten Tendenzwerke "Das Wunder in
der Wiiste", "Arbeit zum Lachen", "Ein Madchen vom Himmel" auf;
8.12.1937: Das Kommunistische Parteitheater unter Leitung von Wachsmann und Werich fiihrt das Sowjetstiick "Die
Faust aufs Auge" auf, dem sich das extrem-deutschfeindliche Machwerk "Tezka barbora" ("Die schwere Barbara")
anschliesst.
Vortrage und Ausstellungen
Den Eifer, mit dem sich der Bolschewismus bemiiht, in Vortragen seine Lehre auszubreiten, erkennen wir wiederum
sehr deutlich aus einem nur kleinen raumlichen und zeitlichen Ausschnitt.
In Prag wurden von, der "Sozialistischen Akademie", einer Art von Partei-Hochschule, die vollkommen im
kommunistischen Fahrwasser schwimmt, im Jahre 1936 allein 32 Kurse mit 1357 Horern veranstaltet. Das ist nur ein
Teil aus der Heranbildung von Agitatoren, die sich dann auf das ganze Land verstreuen und fiir den Gcdanken der
botschewistischen Weltrevolution werben. Zur Vervollkommnung wurden die meisten Horer spater nach Moskau
geschickt. Im Jahre 1937 sprach am 14. Januar der kommunistische Abgeordnete Kreibich iiber die Verfassung der
Sowjetunion, am 21. Januar sprach Kreibich iiber Lenin und sein Werk, beide Male vor einem sogenannten biirgerlichen
Publikum. Die Kurse der "Sozialistischen Akademie" wurden das ganze Jahr iiber fortgefuhrt. Ihre Themen reichen von
der "Einfiihrung in den dialektischen Materialismus" bis zur Erorterung der letzten "Errungenschaften im
Sowjetparadies". Im Rahmen dieser Kurse sprach der Kommunist Gottwald iiber "Probleme der Weltwirtschaft und
Weltpolltik", der Bolschewist Hanus iiber "Das Schulwesen in der Sowjetunion", der Kommunist Hofmeister iiber
"Begriindung des Wesens der Kunst mit Marx- und Engels-Zitaten", Universitats-Professor Nejedly iiber Marx-
Mardochals "Das Kapital" und viele andere inlandische und auslandische, auch sowjetrussische, Redner zum Thema
"sozialistischer Staat", wie sie ihn verstehen. Auch der emigrierte deutsche Literat Thomas Mann Hess es sich nicht
nehmen, vor gemischtsprachigem Publikum in der Tschechslowakei seine Ansichten iiber "Die Zukunft Europas" zu
entwickeln, und erst recht stand Heinrich Mann im Dienst des Bolschewismus, der ihn dafiir mit der Verleihung des
Heimatrechts in einer tschechischen Gemeinde entlohnte.
Eine Aufzahlung der Vortragsveranstaltungen zum Zweck de Propagierung des Bolschewismus wiirde zahllose Seiten
umfassen
Die Kronung dieser Art von Vortragswesen war die Heranziehung von kommunistischen Rednern aus der
Tschechoslowakei und aus der Sowjetunion fiir den Wehrunterrieht In einzelnen Truppenteilen. Auch die
aktiven Soldaten wurden von bolsehewistisehen Agitatoren geschult, zweifellos nicht zum Nutzen der
"patriotischen Schakale".
Die Ausstellungen, die im Dienste der Ausbreitung der bolsehewistisehen Idee in der Tschechoslowakei veranstaltet
werden, haben mehrfach international peinliches Aufsehen erregt, so wie die seinerzeitige Sudeleien-Anhaufung im
tschechischen Kiinstlerverein "Ma'nes", bei der es sich wie iiblich um eine Wanderausstellung handelte, die im ganzen
Staat gezeigt wurde. Alle diese Ausstellungen waren nur mbglich durch die lebhafte
Forderung und finanzielle 'Unterstiitzung seitens der Regierung,
deren Mitglieder bei der "Manes"-Ausstellung, in der fuhrende europaische Staatsmanner in der schamlosesten Weise
verunglimpft wurden, den Ehrenschutz iibernahmen.
Auch diese Ausstellungen sind nicht Einzelvorgange, sondern Glieder einer Kette und Rader 'n der grossen Maschinerie.
In Prag zeigte die Sowjetregierung selbst im Marz 1937 die Ausstellung "Die Sowietunion lebt und arbeitet". Diese
Ausstellung wanderte durch den ganzen Staat. Im Mai wurde sie in der Skoda-Stadt Plisen gezeigt, und zwar im Rathaus
der Stadt, das aus diesem Anlass mit der Fahne der Weltrevolution geschmuckt war. Von Prag, wo sie einen Monat
hindurch gezeigt wurde, nahm die Ausstellung "Kino von gestern und heute" ihren Ausgang in das ganze Staatsgebiet.
Veranstalter war die "Gesellschaft fiir internationale Kultur". Knallige "Erfolg-Statistiken" und gestellte Bilder aus
seinem Bereich unterbreitete das graphische Gewerbe der Sowjetunion im April 1937 der Prager Oeffentlichkeit.
Eine allgemeine Uebersicht iiber die Potemkinschen Dorfer des sowjetrussischen Wirtschaftslebens wurde von dem
Genossen Ernst Neuschul im September 1937 in Aussig aufgebaut; im Oktober kam die beriichtigte "Manes"-Schau
nach Teplitz-Schbnau. Im November wurde in Prag die Ausstellung "Sowjetrussische Jugend" gezeigt, die ebenfalls von
sowjetrussischer Seite selbst gestaltet wurde. Am 10. Dezember wurde das Ernigrantenheirn Prag-Straschnitz mit dem
gesampten verfiigbaren bolsehewistisehen Buchmaterial ausstaffiert und der Oeffentlichkeit zuganglich gemacht.
Daneben wurde natiirlich die ubliche Versammlungstatigkeit der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei der
Propagierung des Endzieles der Aufrichtung des "sozialistischen" Staates gewidmet, und iiber das normale Mass der
kommunistischen Parteikundgebungen hinaus fanden die Massenmeetings statt, iiber die die sowjetrussischen Zeitungen
immer wieder mit grosser Genugtuung berichteten. Triumphierend durfte die "Prawda" am 22. Januar 1937 melden:
"Lenins Todestag wird in der ganzen Tschechoslowakei durch zahllose Arbeiterversammlungen, Meetings, Vortrage
und kunstlerische Abende gewiirdigt."
Die Flut der Kundgebungen steigt zur Zeit sowjetrussischer Gedenktage an und ebbte, zumal seit dem Krieg Spanien,
nicht mehr ab, den die Tschechen auch auf ihrem Boden auf bolschewistischer Seite mitfochten. Innerstaathche
Ereignisse sind weniger die Anlasse zu diesen kommunistischen Kundgebungen als solche, die durch das
Weltrevolutionierungsbestreben Moskaus gegeben sind, So fanden im Jahre 1937 statt:
am 18. Januar eine offentliche Versammlung in Reichenberg mit dem Thema "Spanien und wir". Redner-. ein spanischer
Kommunist, Kapitan E. V. Voska, Prag, und Dr. Holubec, Prag;
am 22. Januar in Reichenberg eine "Kundgebung fur das demokratische Spanien" mit den Rednern Professor Sabras, C.
Wiinsche und C. Weisskopf. Griindung einer Ortsgruppe der "Gesellschaft der Freunde des demokratischen Spaniens";
am 23. Januar Lenin-Feiern in alien grossen tschechischen Stadten;
am 25. Januar: der kommunistische Abgeordnete Beuer des Prager Parlaments und der Kommunist Nowotny, der in der
"internationalen Brigade" kampfte, sprechen in Steinschonau Uber ihre Erlebnisse in Spanien;
am 25. Januar: die marxistischen Journalisten Kern und Frau Rybak berichten in einer Kundgebung der
"Demokratischen Jugend Prags" fiber ihre Eindriicke in Spanien;
am 26. Januar: tschechische Lenin-Feiern in sudetendeutschen und slowakischen Stadten.
Weitere Lenin-Feiern am 10. Februar in Freiwaldau, am 11. Februar in Bohmischdorf, am 12. Februar in Engelsberg,
am 13. Februar in Freudental, am 14. Februar in Jagerndorf.
Zur gleichen Zeit in vielen Stadten des Staates kommunistische Piotestaufmarsche gegen einen Ausgleich zwischen
Tschechen und Deutschen.
Am 26. Februar Kundgebung im Reichenberger Schutzenhaus. Die Abgeordneten Kohler, Sverrna und Beuer warnen
die Regierung, Verhandlungen mit der Sudetendeutschen Partei aufzunehmen.
Am 2. Marz Kundgebungen kommunistischer Amazonen gegen deutsch-tschechische Ausgleichverhandlungen.
Am 12. Marz: Klement Gottwald und andere kommunistische Abgeordnete nehmen in Komotau gegen eine Erfullung
der nationalen Forderungen der Sudetendeutschen Partei Stellung.
Am 13. Marz: Der kommunistische Abgeordnete Beuer berichtet in Bohmisch-Leipa im Rahmen des
Unterstutzungsvereins fiir Spanien "Solidaritat" fiber seine "Fronterlebnisse".
So ging es das ganze Jahr 1937 und auch 1938 durch, und erst recht umfangreich war natiirlich die
Versammlungstatigkeit im tschechischen Gebiet, wo der Bolschewismus seit je einen ungleich starkeren Resonanzboden
hatte als bei den Sudetendeutschen. In diesem Gebiet konnten in der Tat Massenmeetings zustande gebracht werden,
wahrend es sich, wie schon friiher gesagt, bei den Rednern und Kundgebungsteilnehmern im deutschen Sudetenlande
vorwiegend um Tschechen handelte, die aus Innerbohrnen abkommandiert wurden. Die Wahlen im Mai und Juni 1938
zeigten deutlich auf, dass das Sudetendeutschturn trotz aller tschechisch-bolschewistischen Agitation gesund blieb.
Der "Bund der Freunde der Sowjetunion" ist einer der vielen in der Tschechoslowakei, die fiir den Bolschewismus
agitieren. Seine Tatigkeit ist nur ein Ausschnitt aus dem gesamten Werbefeldzug. Die Welt kann sich dementsprechend
ein Bild von dem Umfang der sowjetischen Agitationsfront machen, wenn sie die Tatigkeit dieses Bundes um das
Zwanzig- oder Dreissigfache multipliziert. Im Jahre 1936 wurden allein von diesem Bund nicht weniger als 3786
Veranstaltungen abgehalten, an denen 354 500 Personen teilnahmen. Im grossen und ganzen sind die Themen der
Abende des "Bundes der Freunde der Sowjetunion" in kulturelle, politische und militarische eingeteilt. Die Redner stellt
die Kommunistische Partei in der Person von Sowjetrussen oder Tschechen, die in Moskau aus~,ebildet wurden, bereit.
Fiir die Durchfiihrung der sogenannten kulturellen Werbeabende wurde ein besonderer Kulturausschuss ge,grundet, an
dessen Spitze Dr. Bozdech steht. Die zumeist behandelten militarischen Themen waren: "Die Rote Armee", "Wie
vertidigt die Sowjetunion ihr Land?", "Die Geschichte der Roten Arrnee", "Das Biindnis UdSSR.-CSR.", "Die
sowjetrussische Militarwirtschaft" und andere.
Neben den allgemeinen, von den halb- und ganz-bolschewistischen Biinden, von offiziellen und offiziosen Stellen
veranstalteten Erinnerungs-Felern an den Jahrestag der bolschewistischen OktoberRevolution gedachte der "Bund der
Freunde der Sowjetunion" im November 1937 dieses Ereignisses in besonderen Feiern in folgenden Orten:
Briinn - 6. und 7. November,
Freudental - 6. November,
Asch - 6. November,
Neudeck - 6. November,
Reichenberg - 6. November,
Pressburg - 7. November,
Pilsen - 7. November,
Mahrisch-Ostrau - 7. November,
Gablonz - 7. November,
Grottau - 7. November,
Jagerndorf - 7. November,
Barringen - 7. November,
Karlsbad - 14. November,
Eger - 20. November,
Warnsdorf - 27. November,
Bodenbach - 27. November.
Das Sudetendeutschturn konnte die Feiern, die landfremde Elemente veranstalteten, nicht verhindern. Aber es ist ihnen
ferngeblieben und hat so ein iibriges Zeugnis seines Ordnungs- und Aufbauwillens abgelegt. Es hat sich nicht
provozieren lassen und nicht die Ruhe gestort, obwohl die Feiern nicht zuletzt dazu bestimmt waren, Zusammenstosse
hervorzurufen.
Abende der Rezitationen aus den Werken Gorkis, Lenins und anderer sowjetischer Autoren pflegt der "Bund der
Freunde der Sowjetunion" ebenso wie Vortrage iiber russische Geschichte in bolschewistischer Schau, Vermittlung
sowjetrussischer Musik und Reiseschilderungen aus der Sowjetunion.
Ein besonderes Augenmerk widmet der Bund ausserdem der Abhaltung von russischen Sprachkursen im tschechischen
Gebiet. Solche Kurse, an denen- rnehrere hundert Tschechen teilnahmen, fanden im Jahre 1937 in elf verschiedenen
Stadten statt.
Der Prager Verlag des Bundes brachte an grosseren Werken 1936/1937 folgende Veroffentlichungen heraus:
"Die Stachanow-Bewegung, im Lande der freien Arbeit" (tschechisch),
"Neue Sowjet-Lyrik, ein Sowjetliederbuch" (tschechisch),
"Land der Sowjetunion - Land der Hoffnung" (tschechisch und deutsch),
"Hebung der Lebensverhaltnisse in der UdSSR." (tschechisch),
"Die demokratischste Verfassung der Welt" (tschechisch, Auflage 80 000),
"Die Verfassung des freiesten Volkes" (slowakisch, Auflage 10 000, ungarisch, Auflage 5000) und
"Was ist uns die UdSSR.?"
Flugblatter verteilte der Bund 400 000 tschechische, 400 000 deutsche, 400 000 slowakische und 170 000) ungaril he.
Er verteilte ausserdern die Funkprogramme der Sowjetsender unentgeltlich an tschechische, deutsche, ungarische und
slowakische Rundfunkhorer in deren Muttersprache. Weiter verfugt er iiber zehn eigene Filmtheater.
Dass daneben die grossen Prager Buchhandlungen pertnanente Ausstellungen bolschew stischen Schrifttums sind, weiss
Jeder Tschechoslowakei-Reisende. Vorn harmlos getarnten Kindermarchenbuch bis zur massivsten Biirgerkriegianfare
fehlt in den Ausstellfenstern der tschechischen Buchhandlungen keine bolschewistische Tendenzschrift.
Auch hierfiir nur ein Auszug, bei dem Verfassername oder Buchtitel fur sich sprechen:
J. W. Stalin: "Triumph der sozialistischen Demokratie" (Verfassung der UdSSR. vom 25. November 1936).
J. W. Stalin: "Die Wahrheit iiber den Prozess gegen die terroristischen Verschworer in Moskau".
J. W. Stalin: "20 Jahre Sowjetunion im Bild".
Willy Bredel: "Dein unbekannter Bruder".
Irmgard Keun: "Nach Mitternacht".
Ilja Ehrenburg: "No parasan".
Ilja Ehrenburg: "Ohne Atempause". (Liebeskonflikte der Sowjetjugend.)
Upton Sinclair: "Drei Freiwillige".
Upton Sinclair: "William Fox".
Ernst Fischer: "Die neuen Menschenrechte".
Lenin. "Gesammelte Werke".
Ruth Rewald: "Der Jude aus Mexiko".
Gennadij Fisch: "Die Eroberung von Kiismasjarvi
"Spaniens Bauern im Kampf um Boden und Freiheit."
Willy Miinzenberg: "Propaganda als Waffe"
"Budionnys Kurier."
V. Kershenzew: "Leben Lenins".
S. Nowikow-Priboj : "Tsushima".
Kolzow-Ehrenburg: "Guadalajara".
Jan Jansen: "Katholiken und Kommunisten im deutschen Freiheitskampf " .
Bernhard Menne: "Krupp, Deutschlands Kanonenkonige".
H. Oltens: "Kirche - Volksfront - Bolschewismus".
Jack Conroy: "Die Enterbten".
Professor Nejedly: "Lenin".
"Das Licht der Sowjets".
"Prag-Moskau".
Weisskopf: "Die Versuchung".
Die kommunistische Kinderliteratur ist vertreten mit "Der Bar", "Fliege Suse", "Mischa und Grischa-, "Die Schule",
"Karlchen", "Das Eismeer", "Wie der Bar vom vielen Honig Zahnschmerzen bekam" von Boris Korrillow, und "Die
Kinder der Elendskolonte" von dem tschechisch-Jiidischen Literaten-Ehepaar Kurt und jarmila Hausner.
Selbstverstandlich fehlt es nicht an bolschewistischer Literatur in russischer Sprache, die zumal in der Karpatenukraine,
wo solche Werke im Original gelesen werden konnen, sehr stark verbreitet ist. Und es fehlt im ganzen Staat nicht an den
Ausgaben der bolschewistischen "Standard-Literatur". So wurde eine Gesamtausgabe von Marx-Engels neu
herausgebracht, ebenso die vielbandige "Geschichte des Burgerkrieges in der UdSSR", die von Stalin, Molotow,
Woroschilow, Kirow, Shdanow und Bubnow redigiert wurde. Kalinin hatte in der Tschechei grossen Erfolg mit seinem
Erinnerungsbuch "Vom Zarenrussland zur Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken". Viele Biicher wurden
geschenkweise aus der Sowjetunion geschickt. Die Moskauer "Gesellschaft fiir kulturelle Beziehungen mit dem
Ausland" verteilte an die tschechische Universitat in Prag 59 Bande, an die Musikhochschule 40 Bande, an die
Landwirtschaftsakademie 107 Bande, an die Abtellung Chemie der Technischen Hochschule 77 Bande, an die
maschinen technische Abteilung 81 Bande, an die Comenius-Bucherei 37 Bande und so weiter.
In den offentlichen Lesesalen im ganzen Staat liegen aus die "Kommunistische Internationale", die von Thomas Mann
und Konrad Falke herausgegebene "Kultur"-Zeitschrift "Mass und Wert", "Das Wort", an dessen'Redaktion Bert Brecht,
Lion Feuchtwanger und Willy Bredel beteiligt sind, dann "Weg und Ziel", "USSR im Bau", "Internationale Literatur"
und die Zeitschrift der Freunde der Sowjetunion "Neue Welt". Fiir den Vertrieb dieser Zeitschriften hat sich der
offizielle Hradschin-Verlag "Orbis" nicht nur hergegeben, sondern sogar ein Monopol gesichert.
Praktisch steht also der gesainte beini "Orbis" zentralisierte Agitationsapparat der tschechischen Regierung im
Dienst des Bolsehewismus.
Im ubrigen war die Tschechoslowakei schon vor dem Abschluss des Sowjetpaktes ein Dorado der judischen
Emigrantenliteratur.
Das Land mit Sowjetfilmen uberflutet
Das Hereinfluten und die Ausbreitung des Kulturbolschewismus war in diesem Umfang nur moglich, weil natiirliche
Voraussetzungen bestanden, eben der Mangel an einer volkischen tschechischen Kunstschopfung, und weil kunstliche
Voraussetzun schaffen wurden.
Gegen die Lander der neuen europaischen Ordnungsidee wurden Schranken errichtet, fiber die Buch- und Film- und
andere kulturelle Produktionen dieser Lander nicht hinweggelassen wurden. Der Sprache, in der auch ein Masaryk noch
seine ersten Werke verfasste, damit sie nicht unter Ausschluss der Oeffentlichkeit erscheinen mussten, namlich der
deutschen Sprache, wurden Herrimnisse und Schikanen sonder Zahl in den Weg gelegt. Alle deutschen Tageszeitungen
ohne Ausnahme waren Jahre hindurch in der Tschechoslowakei verboten. Die Bucheinfuhr wurde auch vielfach fiir das
schongeistige Schrifttum gesperrt, nicht nur fiir die grundlegenden Biicher der nationalsozialistischen Bewegung, nicht
nur fiir alle Literatur, die sich kritisch mit dem tschechoslowakischen Staat befasste, sondern auch fiir unpolitische
Schopfungen wie Schafers "Dreizehn Biicher der deutschen Seele".
Der Raum wurde nach einer bestimmten Seite hin abgeriegelt, damit er von einer anderen Seite her ausgefullt werden
konnte. Darum die Einfuhrverbote auch gegen deutsche und ungarische Unterhaltungsromane und gegen deutsche Spiel-
und Kulturfilme ohne jede politische Tendenz. Dafiir drang ungehemmt der Sowjetfilm ins Land.
Der Film erfasst jeden Bewohner, auch den, der nicht in kommunistische Parteiversammlungen geht oder die
Veranstaltungen des Bundes der Freunde der Sowjetunion und der anderen probolschewistischen Organisationen
besucht. Der Film bietet ausserdem die vielfiltigsten Moglichkeiten der unauffalligen Tendenzgebung, aber hierin
strengten sich die Bolschewisten nicht einmal sonderlich an. In den meisten ihrer Filme, die sie in der Tschechoslowakei
laufen liessen, ist die Tendenz faustdick aufgetragen, und in den meisten ist das Grundmotiv die Verherrlichung, des
"sozialistischen" Staates, der kollektiven Wirtschaft und die Verunglimpfung des biirgerlichen Regimes oder auch ganz
unmittelbar des deutschen Volkes. Nicht wenig Erfolg versprach, sich Moskau ausserdeni ebenso wie die tschechische
Regierung von den Wochenschauen, die liber die Starke der sowjetrussischen Armee Aufschluss geben. Gerade dieser
Zweig der "Filmkunst" fand seine besondere Pflege.
Auch auf diesem Gebiet miissten ungezahlte Seiten angefiillt werden, wenn man eine liickenlose Uebersicht geben
wollte. Die Programme aller Lichtspieltheater im tschechischen Gebiet miissten registriert werden. Dort stehen die
Sowjetfilme an der Spitze der Auffiihrungszahlen. Im sudetendeutschen Gebiet sind diese Zahlen niedriger, und
dennoch, absolut gesehen, sehr hoch. Sie sind hoch, nicht weil die Deutschen Sowjetfilme sehen wollen; vielmehr wird
die Auffiihrung den deutschen Kinobesitzern vom Staat aufgezwungen. So mussten zum Beispiel allein im Monat Januar
1937 im deutschen Nordbohmen folgende Sowjetfilme gezeigt werden:
Bad Schlag
Bad Schlag
Tiirmitz
Josefs thai
Morchenstern
Bokau
Oberrosenthal
Tiirmitz
Drahowitz
Peterswald
Reichenberg
Maffersdorf
Karbitz
Steinschonau
Zwickau
Bohmisch-Leipa
Predlitz
Josefs thai
Neudeck
Neudeck
Podersam
Rothau
Graslitz
"Tochter der russischen Revolution"
"Zirkus"
"Zirkus"
"Wir von Kronstadt"
"Wir von Kronstadt"
"Zirkus"
"Die sieben Polarhelden"
"Wir von Kronstadt"
"Zirkus"
"Zirkus"
"Der letzte Zug aus Madrid"
"Zirkus"
"Zirkus"
"Unser Zeitalter"
"Zirkus"
"Die sieben Polarhelden"
"Zirkus"
"Zirkus"
"Tochter der russischen Revolution"
"Die sieben Polarhelden"
"Zirkus"
"Die sieben Polarhelden"
"Zirkus"
Im Februar 1937 wurde der extrem deutschfeindliche "Zirkus "-Film vorgefiihrt in:
Deutsch-Gabel, Schonfeld, Kosten, Rossbach, Kunnersdorf, Gorkau, Lobositz, Bistritz, Reichenberg, Spindlermiihle,
Wisterschan, Bohmisch-Kamnitz, Konigsberg, johannisthal, Gablonz, Tannwald, Schonlinde.
"Wir aus Kronstadt" lief Im Februar 1937 in:
Komotau, Peterswald, Aich, Karbitz, Tyssa, Oberpolitz, Trupschitz, Mies, Hobenstein, Haindorf, Bohmisch-Leipa,
Reichstadt, Peterswald.
Im gleichen Monat wurde die Auffiihrung des Bolschewikenfilmes "Die Tochter der russischen Revolution"
vorgeschrieben in:
Karbitz, Bohmisch-Leipa, Weisskirchlitz, Eibenberg, Spindlermiihle, Graupen, Schonfeld, Wisterschan, Bruch, Ossegg.
"Die sieben Polarhelden" wurden gespielt in: Tiirmitz, Bohmisch-Kamnitz, Aich, Maffersdorf, Bad Schlag, Bokau,
Neustadt, Kosten, Karbitz, Warnsdorf.
Im Mai 1937 wurden gezeigt in:
Aussig
Peterswald
Steinschonau
Steinschonau
Weipert
Gablonz
Gablonz
Ringelhain
Warnsdorf
Reichenberg
Turn
Rumburg
Die sieben Polarhelden" und "Dubrowsky"
Wir aus Kronstadt"
Zirkus"
Tochter der russischen Revolution"
Zirkus"
Zirkus"
Die sieben Polarhelden"
Zirkus"
Madrid in Flammen"
Der spanische Biirgerkrieg"
Wir aus Kronstadt"
Zufallige Begegnung"
Josefs thai
Konigsberg
Graupen
Oberrosenthal
Schonfeld
Schoripriesen
Schoripriesen
Neustadt
Komotau
Komotau
Bernsdorf
Trupschitz
Morchenstern
Jungbuch
Reichstadt
Seestadtl
Barzdorf
Schmiedeberg
Kriegern
Predlitz
Bokau
Tannwald
Ober-Altstadt
Eger
Tochter der russischen Revolution"
Zirkus"
Tochter der russischen Revolution"
Tochter der russischen Revolution"
Tochter der russischen Revolution"
Der spanische Biirgerkrieg"
Die sieben Polarlielden"
Die sieben Polarhelden"
Brand im Wolgaland"
Dreissig Tage im Lande der Sowjetunion"
Wir aus Kronstadt"
Gliickliche Jugend"
Zirkus"
Wir aus Kronstadt"
Zirkus"
Tochter der russischen Revolution"
Zirkus"
Tochter der russischen Revolution"
Zirkus"
Die sieben Polarhelden"
Der spanische Biirgerkrieg"
Die sieben Polarhelden"
Gliickliche Jugend"
Die Kinder des Kapitan Grant".
Im April und Mai allein wurden die Sowjetfilme
"Wir aus Kronstadt",
"Die sieben Polarhelden",
"Die Tochter der russischen Revolution",
"Gulliver",
"Madrid in Flammen",
"Die Kinder des Kapitan Grant",
"Tschapajew"
"Dreissig Tage im Lande der Sowjetunion",
"Das Geheimnis des versunkenen Schiffes",
"Gliickliche Jugend",
"Der spanische Biirgerkrieg",
"Zufallige Begegnung",
"Frauen erwachen",
der Filmberlcht von der Rede Stalins auf dem 8. Ratekongress und
"Die Oberfliegung des Nordpols von Moskau bis San Francisco"
in folgenden Gemeinden gezeigt:
Schlackenwerth, Gablonz, Graupen, Mariaschein, Zuckmantel, Bad Schlag, Schmiedeberg, Rossbach, Jungbuch,
Kostenblatt, Schwaderbach, Kosten, Morchenstern, Maffersdorf, Barringen, Moldau, Komotau, Oberleutensdorf,
Langenau, Bohmisch-Kromnau, Bernsdorf, Warnsdorf, Schonfeld, Rochlitz, Falkenau, Alt-Rohlau, Turmitz, Karlsbad,
Aich, Nestomitz, Leitmeritz, Arnsdorf, Dux, Chodau, Troppau, Oberpolitz, Bilin, Niedergrund, Podersam,
GrossPriesen, Bistritz, Haindorf, Josefsthal, Bodenbach, Zwickau, Arnau, Konigswald, Niirchen, Seestadtl, Eichwal,d,
Schonlinde, Rothau, Asch, Bansen, Stein-Schonau.
Spater kamen die Sowjetfilme
Zar Peter der Grosse",
Wolga, Wolga",
Rote Armee tanzt und singt",
Marsch der Jugend",
Die Riickkehr der Papanin-Expedition"
Freunde",
November",
Nacht",
Wir schworen",
Die ganze Welt lacht",
"Madrid heute",
"Durch Sport zur Wehrhaftigkeit",
"Lenin im September",
"Helden der Luft",
"Von der Roten Armee",
"Professor Poljesajew",
"Der Triumphzug",
"Sturm iiber Asien",
"Der stille Don",
"Die kleine Nachtigall",
"Das Komodiantenschiff",
eine Filmreportage iiber die Judenrepublik, Birobidshan
und die Film- und Zeitberichte iiber die sowjetrussischen Manover und die 20-Jahr-Feier des Bestandes der
Sowjetherrschaft.
Wie gesagt, liefen diese bolschewistischen Filme in alien Bezirksstadten des gesamten tschechischen Sprachgebietes, in
Prag oft mehr als ein halbes Dutzend zur gleichen Zeit. Ausserdem wurden in den tschechischen Stadten noch gezeigt:
"Die Heimat ruft",
"Die Freundinnen",
"Ein Deputierter aus dem Baltikum",
"Dreizehn",
"Sohn der Mongolei",
"Beethoven-Konzert" und andere.
Weigerte sich ein deutscher Inhaber eines Filmtheaters, die bolschewistischen Machwerke zu zeigen, dann wurde ihm
von den tschechischen Behorden der Entzug der Lizenz, das ist die vom Staat gegebene Genehmigung der Vorfiihrung
von Filmen, angedroht.
Die Regierung zeigte sich wieder einmal als Schrittmacher der bolschewistischen Agitation.
Der umfassende Charakter der bolschewistischen Infizierung geht wohl aus dieser Liste sehr beredt hervor. Und es
handelt sich nur um einen Ausschnitt aus einem Teilgeblet des Staates und um einen zeitlichen Ausschnitt von wenigen
Monaten. Dieser Ausschnitt ist giiltig fiir das ganze Jahr, fiir die ganzen Jahre seit 1935!
Die bolschewistische Agitation macht sich alle zur Verfugung stehenden Mittel der Beeinflussung der ' Bevolkerung
zunutze, und die einzige Instanz, die es anders einrichten konnte, der Staat, hindert die Agitation nicht, sondern fordert
sie. Er fordert sie in der Finanzierung von Ausstellungen, in der Bezahlung von Austauschreisen, in der Anschaffung
von Biichern fiir die offentlichen Lesehallen. Er fordert sie ebenso in seiner Rundfunkpolltik. Wenn der Bund der
Freunde der Sowjetunion alliiberall im Lande Kurse fiir den Unterricht in russischer Sprache einrichtet, so
natiirlicherweise deshalb, um die Tschechen instandzusetzen, an den bolschewistischen Ereignissen in Sowjetrussland
Uber den Rundfunk in allerunmittelbarster Weise teilnehmen zu lassen. Wir sagten schon, der Bund der Freunde der
Sowjetunion verteilt im ganzen Lande die Programme der Sowjetsender, und er hat erwirkt, dass die Tageszeitungen
ausfiihrlich diese Programme ankiindigen und auch besprechen, um sie nur ja popular zu machen. Nun erleichtert zwar
die Kenntnis der tschechischen Sprache das Verstehen von Sendungen in russischer Sprache. Damit aber die Tschechen
auch in ihrer eigenen Sprache den Moskauer Rundfunk horen konnen, senden die Stationen in Sowjetrussland einen Teil
ihres Programms in tschechischer Sprache. Das ist recht viel der Aufmerksamkeit fiir ein Volk, das iiberhaupt nur 7
Millionen Kopfe zahlt. Gering kann der tschechische Horerkreis, der sich aus der Sowjetunion in unmittelbarer Weise
aufklaren lasst und den echten Bolschewismus unfiltriert in sich aufnimmt, nicht sein, wie verschiedene tschechische
Protestaktionen gegen auslandische Stoning der Moskauer Sendungen beweisen. Und diese. Protcstaktionen zeigen
ajuch, dass es nicht nur Kommunisten sind, die Moskau horen. Aus einer kleinen tschechischen Stadt wurden
gelegentlich einer Stoning der Moskauer Sendung 41 Protestschreiben an den Postminister gerichtet, in denen ein
sofortiges radikales Eingreifen verlangt wurde. Von diesen 41 Protestierenden waren, wie eine Untersuchung ergab, nur
vier Partelkommunisten.
"Ueberall herrscht Emporung iiber die Stoning der Moskauer Sendungen", schreibt am 4. Februar 1937 das
kommunistische Hauptblatt "Die Rote Fahne". Wenn dieses "iiberall" auch nicht wortlich genommen sein will, so steht
doch fest, dass die Sowjetsender eine grosse Zahl von regelmassigen tschechischen Horern haben. In einer Stadt mit 10
000 Einwohnern protestierten 125 standige Horer des Moskauer Rundfunks gegen die Storungen. Sie drohten zugleich
dem Staat, die Radiokonzession abzugeben, wenn nicht gegen die Storungen durchgegriffen wiirde.
Offenbar liegt den Kommunisten doch an der Mbglichkeit der unmittelbaren Anteilnahme am Leben in der Sowjetunion
durch den Rundfunk sehr viel, obschon ihnen fiir ihre Tatigkeit auch die tschechischen Sender selbst zur Verfugung
stehen. Diese tschechischen Sender bringen taglich sogenannte Arbeiterprogramme, die einen ausgesprochen
probolschewistischen Charakter tragen. Im Rahmen dieser Arbeiterprogramme sprechen immer wieder Tschechen, die
aus der Sowjetunion zuriickkehrten, nachdem sie dort fiir ihre Aufgabe reif gemacht worden waren, iiber ihre
Reiseerlebnisse. So wurden von verschiedenen Rednern folgende Themen behandelt:
"Rote Armee", "Kultur und Aufklarung in der UdSSR.", "Herrschaft des Proletariats", "Sowjet-Demokratie", "Jugend in
der UdSSR.", "Die Frau in der UdSSR", "Stachanow-Bewegung", "Die Aussenpolitik der UdSSR", "Die
Wirtschaftskraft der Sowjetunion", "Die Sowjetunion und China", "Das Leben in der Sowjet-Fabrik", "Kolchos-Bauern"
und so weiter.
Der Sender Kaschau brachte anlasslich der Wiederkehr des Jahrestages der Oktober-Revolution ein eigenes
prosowjetisches Festprogramm. Alle tschechischen Stationen iibertrugen am 1. Dezember 1937 die Morsefunkspriiche
der Sowjetsende-Stationen unter dem Nordpol. Auch Lebensbeschreibungen bekannter bolschewistischer Anfuhrer
wurden wiederholt, selbstverstandlich im iiberaus posltiven Sinne, gesendet.
Im ganzen ist ersichtlich, wie alle technischen Mittel der Verbreitung von "Kultur" im Dienste der bolschewistischen
Propaganda stehen. Der Aussenminister selbst erklarte im Parlament im Marz 1937, er habe gegen diese Kultur-
Propaganda durchaus nichts einzuwenden.
Die Tatsachen zeigen, dass er nicht bloss platonisch auf dem Standpunkt steht, nichts einzuwenden., Moskau aber weiss,
welche Frucht diese Aussaat-gerade auf kulturellem Gebiet einmal tragen muss. Der Kulturbolschewismus ruft nicht
unmittelbar politische Krankheitszeichen hervor. Er infiziert, und es bedarf einer Weile, ehe sich an der Oberflache des
Staatskorpers die Zeichen dieser Infizierung zeigen, wie ja iiberhaupt die Taktik wendig ist und die Agitation nicht dort
mit dem Holzhammer zuschlagt, wo man "patriotischen Schakalen" erst die Zahne ausbrechen muss, ehe sie, dann
wehrlos, totgeschlagen werden.
Selbst der Sport bleibt nicht verschont
Die Totalitat des bolschewistischen Angriffs mit dem Ziel der inneren Eroberung der Tschechoslowakei bringt es mit
sich, dass Moskau nicht nur nach der Politik und der Kultur, der Wirtschaft und auch den Konfessionen seine Fiihler
ausstreckt, sondern sich auch im Sportleben eine Basis schafft. Mit Genugtuung verzeichnet die
"Kommunistische internationale"
im Juni 1937:
"Die Sportbewegung tragt grosse Moglichkeiten zur Mobilisierung und Organisierung der Massen fiir den
autifasehistisehen Kampf in sich.
Im Interesse des Kampfes gegen den Faschismus besteht jetzt fiir alle Antifaschisten und in Besonderheit auch fiir die
Kommunisten die Notwendigkeit, von Grund auf ihrVerhaltnis zur Sportbewegung zu revidieren.
In der Durchfuhrung der Aktionseinheit innerhalb der Sportbewegung sind in der Tschechoslowakei einige Erfolge zu
verzeichnen. 1936 organisierten verschiedene Sportverbande, um die faschistischen Olympischen Spiele in Berlin zu
boykottieren, ein Volks-Sportfest in Prag. Fiir die Vorbereitung dieses Festes wurde ein Ausschuss gebildet, in dem
Vertreter von 28 verschiedenen Sportorganisationen sassen. Zum erstenmal trafen sich dann im Prager Stadion
Mitglieder roter Sportverbande, sozialdemokratische und bourgeoise Sportier.
Das Sportfest wurde zu einer politischen Demonstration. Unsere Leute hielten Reden iiber die Notwendigkeit des
Systems der kollektiven Sicherheit.
Auch nach dem Fest blieb der Ausschuss fiir Volkssport, wie er sich nannte, beisammen. Er ergriff in einer Reihe von
Frage die breiten Massen der Sportier interessieren, die Initiative. Er nahni die Mitglieder des Sokol-Verbandes unter
seinen Schutz, die fiir ihre Leistungen wahrend der Berliner, Olympischen Spiele eine offensichtlich tendenziose, zu
schlechte Beurteilung durch die faschistischen Schiedsrichter erfahren hatten.
Die antifaschistischen Sportier brachten der ganzen tschechoslowakischen Oeffentlichkeit die Wahrheit dariiber zum
Bewusstsein, wie sich die Faschisten dem tschechischen Sokol gegeniiber in Berlin verhalten hatten und kniipften auf
diese Weise zum ersten Male nahere Beziehungen zu diesem machtigen Turnerverband an.
Der 28. Oktober ist ein Nationalfelertag der Tschechoslowakei. An diesem Tage organisierten der Ausschuss fiir
Volkssport gemeinsam mit dem tschechischen "Friedens-Komitee" einen Staffettenlauf zum Schloss des Prasidenten
Benesch. Die Laufer iiberbrachten dem Prasidenten eine Kollektiv-Adresse, die die Forderung der Sportier enthielt. In
diesem Brief wurde gefordert, aus sozialen und militarischen Interessen den Sportgedanken unter den Massen zu
fordern, Stadien zu bauen usw.
Wie an dem Beispiel der Tschechoslowakei zu ersehen ist, konnen die sportlichen Organisationen der Arbeiter sehr
wohl in nahere Verbindung mit den anderen Sportorganisationen treten, eine gemeinsame Sprache mit deren Mitgliedern
finden und die Initiative dazu ergreifen, alle fortschrittlichen Elemente im Sportwesen zusammenzuschweissen. Ein
solches Vorgehen wird den Sportorganisationen der Arbeiter nicht nur dazu helfen,
die Massen der anderen Sportier in den antifaschistischen Kampf hineinzuziehen.
Es wird ihnen auch helfen, selbst an Starke zuzunehmen."
"Arbeiter" heisst in diesem Falle, wie immer in der Moskauer Termitiologie, naturlich Kommunisten, und so sehen wir,
wie sich der Bolschewismus auch auf dem Gebiete des Sportes eine Basis schafft, von der aus er das gesamte sportliche
Leben unter seine Fittiche bekommen will. Um den "burgerlichen" Sportlern das Aufgehen in der "antifaschistischen'4
Front zu erleichtern, richtete es Moskau unter geschickter Ausnutzung der tschechischen Grossmannssucht so ein, dass
ein Tscheche Tennismeister der Sowjetunion wurde.
Der Kerntrupp der kommunistischen Sportler-Bewegung ist der ATUS, der immer mehr die halbbolschewistischen
Verbande um sich schart.
Es liegt im Rahmen der Politischen Tendenzen, die die Bolschewisten mit den Sportlern verfolgen, wenn sie den
tschechischen Gewichtsheber Psenicka in die Sowjetunion einluden und dort gebiihrend, d. h. liber alle Gebiihr, feierten.
Am 12. und 13. Juni 1937 wurde in Arnau ein "Internationaler Volks- und Sporttag" abgehalten, der unter der Parole
"Kampf dem Faschismus" sozialdemokratische und kommunistische Sportier vereinigte. Im Kino "Kapitol" in Prag fand
am 7. November 1937 eine Kundgebung statt, in der sich, naturlich
auf Vorschlag der Kommunisten, die tschechischen Sportorganisationen fur enge tschechischsowjetisehe
"Sportbeziehungen" einsetzten.
Die "patriotischen Schakale" waren wieder einmal auf einem Sondergebiet in das Netz gegangen.
Bolschewistische Tschechen-Presse
Das sinnfalligste Zeugnis der "Volksfront der Tatsachen", die nun einmal besteht, ob die marxistischen Parteien und
Gruppen organisatorisch oder sonstwie in irgendeiner ausseren Form miteinander verbunden sind oder nicht, ist die
Zeitung, die tschechische Presse. In diesem Punkte lasst sich gegen den Versuch, die Bolschewisierung der
Tschechoslowakei nachzuweisen, leicht einwenden, es konnte nicht so gefahrlich sein, denn es bestiinden nur wenige
kommunistische Zeitungen, die in ihrer Auflagenzahl weit hinter den Blattern der anderen politischen Parteien und
Gruppen zuriickliegen. Dieser Gegeneinwand ist aber nicht stichhaltig. Gewiss bestehen nur zwei grosse
kommunistische Zeitungen im Lande iiberhaupt. Aber auch diese beiden Organe brauchte es nicht zu geben"und
dennoch wiirden von der tschechischen Publizistik die Geschafte Moskaus in umfassender Weise besorgt, ja man konnte
sagen, die rein kommu-nistischen Parteiblatter storen den Agitationsfeldzug, indem sie immer wieder allzu offen die
Karten aufdecken und die "Bourgeoisie" durch die Massivitat ihrer Tonart und die Ruckhaltlosigkeit, in der sie auf das
Endziel der Aufrichtung des "sozialistischen" Staates hinweisen, abschrecken. Von diesem Standpunkt aus ist die
gesamte iibrige Presse mit Ausnahme nur ganz weniger an Verbreitung und Einfluss geringer Organe ein geeigneteres
Instrument als die kommunistische' Partelpresse. Wenn das kommunistische "Rude Pravo" zur 20-Jahr-Feier der
Sowjetunion in langen bebilderten Reportagen lobhudelnde Betrachtungen fiber den "Staat der Arbeiter und Soldaten"
anstellt, so ist das nicht so wirksam wie die Oktober-Revolution-Sondernummer etwa des tschechischen
volkssozialistischen "Ceske Slovo" oder der halbamtlichen "Lidove Noviny", und nicht nur das "Ceske Slovo" und die
"Lidove Noviny", auch die iibrigen grossen tschechischen Zeitungen haben sich des langen und breiten und nur in
zustimmendem Sinne liber das Ergebnis von zwanzig Jahren bolschewistischer Herrschaft in der Sowjetunion
ausgelassen. Nicht anders ist es mit den deutsch geschriebenen Prager Zeitungen, die sich in tschechischen und in
jiidischen Handen befinden. Die "Prager Pressehaben wir bereits als ein Oregan kennengelernt, bei dessen Lektiire die
Leser sich nur die Zwangswahl stellen konnen, es handele sich um ein Blatt, das der Kommunistischen Internationale
beziehungsweise der Sowjetunion gehort. Dass sie in Wirklichkeit in ihren finanziellen Hintergriinden Besitz der
tschechischen Regierung ist, bestatigt nur die Identitat der Ziele des Hradschin und des Kreml. In der Propagierung des
Kulturbolschewismus lasst sich das demokratische "Prager Tagblatt" von der "Prager Presse" nicht iibertreffen, und
auch die jiidischdemokratische "Bohemia" schwimmt im gleichen Fahrwasser.
Dass die von den aus dem Deutschen Reich gekommenen judlschen Emigranten in Prag herausgegebenen Zeitungen und
ZeitSchriften eindeutig auf der Bolschewistenlinie liegen, versteht sich am Rande.
Neutrale Themen werden in diesen Blattern immer wieder in probolschewistischem Sinne abgewandelt. In wohl
abgewogener Dosierung, je nachdem, was die einzelnen Organe ihren Lesern zuzumuten zu diirfen glauben, ohne allzu
plump zu sein, wird von Fortschritten der Sowjetunion berichtet und das im politischen Teil gleicherweise wie im
wirtschaftlichen, kulturellen und allgemeinen, in dem sich immer noch Aufsatze iiber "glorreiche Erfolge dier
Sovjetluftfahrt" unterbringen lassen, wenn einmal das politische Ressort keinen Stoff im Sinne der bolschewistischen
Agitation hat.
Sie uberschlagen sich vor Freude, wenn sie einen "positiven" Bericht aus der Sowjetunion geben konnen und sind in
banger Sorge, wenn sich unangenehme Nach-richten nicht verschweigen lassen, so etwa Meldungen iiber die
Hinrichtung von bolschewistischen Generalen oder Kommissaren, die man in leibeigener Person vor noch gar nicht
langer Zeit auf tschechischem Boden begriissen konnte. Dann wehklagen sie, wie der publizistische Vertrauensmann des
Hradschin, Ferdinand Peroutka, in den halbamtlichen "Lidove Noviny": "Die Weltdemokratie hat ganz gewiss kein
Interesse daran, dass das Sowjetreginie durch innere Wirren untergraben werde. Wir verfolgen die Ereignisse in der
Sowjetunion mit Bangigkeit. Wir miissen uns wiinschen, dass unser Verbundeter, mit dem wir vielleicht bald ein fur das
ganze Jahrhundert entscheidenden Kampf fiihren werden, stark ist."
Natiirlich kreisen ihre Wunsche um ein moglichst starkes Sowjetrussland, denn sie sind nun. schon lange in der
"antifaschistischen Front" so verrannt, so abgestempelt, dass ein Einlenken nicht mehr moglich ware, auch wenn das
politisch opportun und praktisch denkbar ware.
So empfinden sie innere Wirren in Sowjetrussland, von denen die Optimisten glauben, sie konnten einmal das Ende des
sowjetischen Regimes besiegeln, nicht mit der Genugtuung des Kulturmenschen iiber die Hoffnung eines
Zusammenbruchs der furchtbarsten Schreckensherrschaft aller Zeiten. Sie empfinden, nur Bangigkeit, also Angst.
Ein lehrreiches Zeugnis fur die praktische Hilfe, die die tschechoslowakische Demokratie, wie sie ja offiziell immer
noch genannt wird, dem Bolschewismus leistet, ist die Haltung der Tschechoslowakei zu den kriegerischen Ereignissen
in Spanien seit dent Sommer des Jahres 1936.
Das ganze grosse Spiel mit den verteilten Rollen wurde in der
tschechischen haltung zur Spanienfrage
offenbar. Was der Staat nicht in eigener Regie besorgen kann, lasst er von den dutzenderlei halb- und
ganzbolschewistischen Organisationen tun, und er begmigt sich damit, nicht nur eins, sondern beide Augen
zuzudriicken. So wie man in der Handhabung der Pressezensur den Sudetendeutschen gegemiber die Ziigel ganz straff
halt, um sie gegemiber den kommunistischen Organen auf dem Boden schleifen zu lassen, so konnen Polizei und
Gendarmerie sehr wohlwollend und nachsichtig sein, wenn Kommunisten verbotene Sammlungen, aber auch verbotenen
Menschenschmuggel betreiben. Die Sicherheitsorgane sehen es einfach nicht. Dann sind sie auch nicht zum Einschreiten
verpflichtet. Aber sie sehen es sehr wohl, wenn sich drei Sudetendeutsche unvorbereitet zu einem Kranzchen treffen.
Das ist dann eine unangemeldete Versammlung und also ein Verstoss gegen das Gesetz.
In der Spanienfrage war sich auch die formell nicht und praktisch doch bestehende "Volksfront" vollkommen einig. Die
Geldsammlungen und der Menschenschmuggel wurden ebenso von Kommunisten wie von Sozialdemokraten betrieben.
Dabei waren nicht nur die ausfuhrenden Organe durch die politischen Interessen, sondern auch in jedem Fall durch ihre
jiidische Herkunft geeint.
Nur einige wenige Daten dariiber: Die bolschewistischen Vereine in Reichenberg fiihrten gemeinsam mit der
kommunistischen Juc,end und der sozialdemokratischen Partei im Monat Mai 1937 grossangelegte Geld- und
Materialsammlungen fur Spanien durch. Seit dem Beginn des spanischen Krieges wurden ohne Pause im ganzen
Staatsgebiet sogenannte Spanien-Solidaritats-Wochen veranstaltet. Die Frauenorganisationen kommunistischen, aber
auch biirgerlichen Charakters wurden immer wieder angehalten, in ihren Versammlungen und Tagungen eine Spende fiir
die roten Spanien-Kinder beizutragen. Dass nicht die Kinder in Spanien, sondern die Skoda-Werke den Erlos solcher
Sammlungen bekamen, lisst sich an dem durch die Truppen Francos erbeuteten Waffenmaterial leicht ablesen. Die
gesamte Tatigkeit zur Unterstiitzung des bolschewistischen Spanien wurde bei der eigens hierfur getyriindeten
"Gesellschaft fiir das demokratische Spanien" zentrallsiert. In diese Gesellschaft entsandten die politischen und
kulturellen Parteien und Vereinigungen bis tief in das biirgerliche Lager hinein Vertreter. Die gesamte Volksfront der
Tatsachen ersteht vor uns, wenn wir die unterzeichneten Organisationen auf dem Aufruf lesen, den die Gesellschaft am
20. Mai 1937 erliess, um die Unterstiitzung Rotspaniens zu aktivieren. Wir lesen da nicht nur die Namen der
marxistischen Parteien, sondern auch folgende:
Tschechoslowakische Lehrergemeinde, Arbeiter-Akademie, Verband der Kriegsbeschadigten, Deutscher Jugendbund,
Ethische Bewegung der tschechoslowakischen Studentenschaft, Proletarischer Bund fur Korpererziehung, Friedens-
Gesellschaft CheMicky, Verband der' fortschrittlichen Studentenschaft, Einheitsverband der P rivatangestellten, Klub
der Arbeitertouristen, Liga fiir Menschenrechte, Internationale Kulturliga, Verband der sozialdemokratischen Lehrer
und Professoren, Verband der sozialdemokratischen Studenten, Vereinigung fortschrittlicher Schauspieler,
Sozialistische Akademie, Gesellschaftsklub der tschechoslowakischen volkssozialistischen Partei, Verband
evangelischer Akademiker, Verband der fortschrittlichen Freidenker, Bund der Freunde der Sowjetunion, Verband der
tschechoslowakischen Lehrerschaft, Syndikar der weiblichen arbeitenden Intelligenz, Union fiir Recht und Freiheit,
Frauenliga fiir Frieden und Freiheit und viele andere Organisationen.
Die tschechoslowakische Regierung wurde im Parlament von sudetendeutscher Seite darauf aufmerksam gemacht, dass
die Hilfstatigkeit fiir das bolschewistische Spanien den Landesgesetzen und der selbst iibernommenen
Nichteinmischungsverpflichtung widerspricht. Der Aussenminister antwortete jedoch fiir die Regierung am 23. Februar
1938, sie habe keinen Grund einzuschreiten., di es sich bei den Lieferungen um charitative Massnahmen ohrie politische
Tendenz handele.
Es war also auch eine "Charitative Massnahme ohne politische Tendenz", dass in grosser Zahl tschechoslowakische
Staatsbiirger als Kanonenfutter an die bolschewistische Front in Spanien verschickt wurden, iiber welchen Vorgang die
kommunistischen Zeitungen in alter Offenheit immer wieder berichteten.
Am 10. Oktober 1937 wurde ein Tell der Tschechen, die an der Spanienfront kampften, ziim Bataillon Dimitroff
mit den beiden Kompanien "Zizka" und "T. G. Masaryk" zusammengefasst. Ueberdies war die
Tschechoslowakei die Sammelstelle fiir Spanienkaumfer ans Polen aus den siidost-europaischen Staaten.
Damit war wieder einmal die internationale Funktion der Tschechoslowakei als eines instrumentes in den
Handen Moskaus klar erwiesen.
Prag - sammelpunkt der Umsturzler
Der tschechische Staat ist nicht nur der roten Armee fiir mlilitarische Operationen ausgeliefert. Das tschechische Volk
hat nicht nur sich selbst vergiften lassen und vergiftet. Die Tschechoslowakei ist auch der Hauptumschlagsplatz der
furchtbaren Ware Bolschewismus auf deren Wege aus der Sowjet-Union ins zivilisierte Europa.
Immer laufen die Faden durch Prag, von Prag aus oder in Prag zusammen, ob in den osteuropaischen Staaten
Kanonenfutter fiir Spanien gesammelt wurde, ob der GPU-Ageiit Skoblin nationale Russen nach der Sowjet-Union
verschleppte, ob in Polen die Kommunisten morden, ob die jugoslawische Polizei kommunistische Zirkel ausheben
muss, oder ob Nachbarlinder der Tschechoslowakei mit kommunistischen Agitationsschriften iiberflutet werden - immer
wird in diesem Zusammenhang Prag genannt, die zweite Hauptstadt des Bolschewismus. Dieser Beiname der
einstmals deutschen Kalserstadt ist nicht riihmlich, aber doppelt verdient, seit sich in Prag die Organisationen und Biiros
niedergelassen haben, die von hier aus iiber die Grenzen hinweg das bolschewistische Gift ausstreuen.
Sehr bald nach dem Krieg schuf sich die Komintern in West- und Zentraleuropa Biiros, die bestimmte Aufgaben neben
und iiber den kommunistischen Parteien in den einzelnen Staaten, also den Sektionen der kommunistischen
Internationale zu erfiillen haben. Im roten Berlin der vornationalsozialistischen Zeit wurde das MEB einger chtet, das
mitteleuropaische Biiro, das nach Deutschland, Oesterreich, der Tschechoslowakei usw. wirkte. Daneben bestand ein
Biiro fiir die Weststaaten (WEB), wahrend in Wien ein besonderes Biiro sass, das als Jalkanbiiro- fungierte und
zeitweilig von Dimitroff geleitet wurde. Die beiden erstgenannten Biiros wurden im Jahre 1931/32 in Berlin vereinigt.
Leiter der neugeschaffenen Zentralstelle wurde der durch den Leipziger Brandstifterprozess bekanntgewordene spatere
Generalsekretar der Komintern Dimitroff.
Der Sieg der nationalsozialistischen Bewegung machte dem bolschewistischen Treiben im Reich ein Ende. Deutschland
war nicht mehr der geeignete Boden fiir die kommunistischen Weltzerstorer und ihre Biiros.
Mit den zahllosen Juden und Marxisten beider Internationalen wanderte im Jahre 1933 auch das .MEB naeh
Prag aus, um hier sehr bald in die bedeutsamste Phase seines Wirkens zu treten.
Es wurde nun auf breiteste Grundlage gestellt, schon vor dem Abschluss des tschechisch-sowjetischen Paktes, und
danach nahm seine Arbeit erst recht an Umfang und Intensitat zu.
Alle ihre Verzweigungen werden erkenntlich, wenn wir die Person des tschechischen Kommunistenanfiihrers Klement
Gottwalul - trotz seinem deutschen Namen ein Nationaltscheche, der die deutsche Sprache nur mangelhaft beherrscht -
und die Aernter, die in seiner Hand vereinigt sind, naher betrachten.
Gottwald ist neben Dimitroff, Manuilski, Florin und Ercoll funfter Sekretar des Exekutivkomitees der kommunistischen
Internationale in Moskau, kurz EKKI genannt. Er ist Vorsitzender des MEB; dann erster Leiter des Polit-Buros der
Kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei und iiberdies Abgeordneter des Prager Parlaments und Vorsitzender
der kommunistischen Parteifraktion in diesem Parlament.
Unter dem Sehutz der tschechoslowakischen Abgeordnetenimmunitat nimmt er also Funktionen wahr, die
samtliehe der Tschechoslowakei benachbarten Staaten nieht nur angehen, sondern direkt bedrohen und inuner
wieder diplomatisehe Schritte beint Ilradsehin notwendig maehten.
Ein iibriges seiner Aernter tragt keine besondere Bezeichnung. Gottwald ist nicht nur Verbindumsmann vom EKKI zu
den legalen und illegalen kommunistischen Parteien in Mitteleuropa, er ist auch der Verbindungsmann zwischen der
tschechoslowakischen und sowjet-russischen Regierung. Immer dann tritt er als Unterhandler zwischen diesen beiden
Instanzen auf, wenn aus Griinden der Tarnung oder anderen Erwagungen der offizielle diplomatisehe Weg gemieden
wird. Es ist nicht iibertrieben, wenn man Gottwald als den machtigsten Mann im Staate bezeichnet. Die Machtfulle
kommt nicht von den tschechoslowakischen, sondern von den bolschewistischen Aemtern her, die er bekleidet, und der
Bolschewismus entscheidet nun einmal in der Tschechoslowakei.
In der Leitung des MEB stehen Gottwald als dem Vorsitzenden noch Holzknecht und Prochmak vom Zentralkom,tee
der Kommunistischen Partei Polens und Krumrow, Berend, Doppfer und Ackermann zur Seite. Daruber hinaus ist in der
Leitung des Biiros je ein Mitglied derjenigen kommunistischen Parteien deren Leitung sich in Prag niedergelassen hat.,
seit sie aus den Landern, in denen sie urspriinglich wirkten, vertrieben wurden, also der Illegalen kommunistischen
Sektiolien, so der deutschen, pollnischen, rumanischen, ungarischen, jugoslawischen und bulganischen Sektion. Nach
der Wiedervereinigung der Ostmark mit dern Reich verlegten auch die Agenten des Bolschewismus, die bis zum Marz
1938 in Wien wirkten, ihren Sitz nach der Tschechoslowakei. und zwar nach Pressburg. Der kommunistische Kurier
Katz (Jude) brachte am 13. Marz 1938 Dokumente der Wiener Biiros der Komintern nach Pressburg, wo er sie den
Sowjetvertrauensleuten Sankoff-Rappaport (Jude) und Kretschmer aushandigte.
Zur Durchfiihrung seiner Arbeiten steht dem MEB die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei zur Verfugung. In
ihren Raumen hat das MEB und haben die illegalen kommunistischen Parteien ihre Biiros. Bei der K.P. Tsch. ist der
gesamte technische Apparat zusammengefasst. Die individuelle Einwirkung auf die Nachbarstaaten selbst besorgen aber
in erster Linie die illegalen Kommunisten, die friiher aus diesen Landern geflohen sind und in der Tschechoslowakei aus
noch zu erorternden Griinden gerne aufgenommen wurden.
Die Wuhlarbeit gegen Deutschland
Im August 1935 wurde an der Grenze zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei auf oberschlesischem Gebiet
ein tschechischer kommunistischer Kurier von den deutschen Zollbeamten gestellt. Der Kommunist versuchte der
Festnahme zu entgehen, indem er das Feuer auf die reichsdeutschen Beamten eroffnete. In der Tat gelang es ihm, sich
auf tschechoslowakisches Staatsgebiet zuriickzuziehen. Er liess aber sein Gepack im Stich. Darin wurde ein
verschliisselter Plan der illegalen kommunistischen Organisation gefunden.
Funde, die bei anderen kommunistischen Schmugglern aus der Tschechoslowakei gemacht wurden, und andere
Entdeckungen brachten den Sicherheitsbehorden jener Lander, die gleicherweise von der Tschechoslowakei aus bedroht
werden, Klarheit iiber die Organisation und Arbeit der illegalen kommunistischen Parteileitungen und ihre Auftraggeber
in Prag. Soweit Deutschland betroffen ist, zeigt sich das Folgende.
Im Jahre 1933 verlegte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Deutschlands seinen Sitz fiir kurze Zeit nach
Paris. Es nahm den Namen Auslandskomitee (A. K.) an. Die Funktion dieses A. K. ist die gleiche wie die des friiheren
Z.K.. es hat die von Moskau iibermittelten Beschliisse durchzufiihren.
Nach kurzer Tatickeit in Paris siedelte das Komitee nach Prag iiber. Die schon damals zwischen Benesch und Litwinow
gefiihrten Verhandlungen erklaren die Uebersiedlung in die tschechische Hauptstadt. Wie die illegalen Parteileitungen
anderer Lander nahm das deutsche A. K. seinen Sitz im Zentralgebaude der Kommunistischen Partei der
Tschechoslowakei. Dem A. K. untersteht der "Deutsche Vertreter" (D. V.) in Prag, der zur Kommunistischen Partei der
Tschechoslowakei in bestimmten Beziehungen steht, (Die K. P. Tsch. ist ein Ebenbild der Nationalitatenvielfalt der
Tschechoslowakei" Dem internationalen Charakter der Partei entsprechend, tritt sie nach aussen als eine ubervolkische
Einheit auf. In sich ist sie aber national gegliedert, und zwar in so viele Abteilungen, wie es Nationalitaten in der
Tschechoslowakei gibt. Im inneren Gefiige haben die Abteilungen keine Bedeutung, schon allein darum, weil es nur
wenige deutsche, slowakische, ungarische kommunistische Wahler in der Tschechoslowakei gibt.)
Der "Deutsche Vertreter" in Prag bearbeitet die Bezirke Schlesien, Sachsen, Mitteldeutschland, Berlin-Brandenburg und
Bayern. Seine Aufgabe ist, in den ihm zugewiesenen Gebieten Auitatoren anzusetzen, die er vorher in Prag fur ihre
Aufgaben ausgebildet hat, Nachrichtenverbindungen anzuknupfen und Instrukteure fiir Sonderzwecke zu entsenden. Im
iibrigen hat er (im Technischen) iiber das Funktionieren des sogenannten Grenzapparates zu wachen.
Der D. V. tragt gegeniiber dem Leiter des MEB die Veranwortung fiir die ihm unterstellten Gebiete.
Die Verbindungen des D.V. von Prag in die ihin zugewiesenen Gebiete werden von einer eigens hierfiir geschaffenen
Organisation, dem sogenannten Grenzapparat, hergestellt. Der Grenzapparat hat die Personen- und Materialtransporte
zu iiberwachen und fiir das Funktionieren des Kurierdienstes zu sorgen.
Die gesamte Grenze, iiber die hinweg zu wirken die Aufgabe dus "Deutschen Vertreters" ist, ist in Zonen
untergegliedert, die Gebietsabschnitte genannt werden. Die Leiter dieser Abschnitte erhalten ihre Weisungen und die
erforderlichen finanziellen Mittel von der Deutschen Abteilung bzw. dem D.V. in Prag. Er empfangt die in seinem
Reichsgebletsabschnitt arbeitenden Kommunisten und halt mit ihnen die erforderlichen Besprechungen ab. Von ihm
werden die jenseits der Grenzen tatigen Agenten bezahlt, wihrend die in seinem Amt auf tschechoslowakischem Boden
wirkenden Funktionare von der Deutschen Abteilung in Prag besoldet werden.
Die Gebietsabschnitte wiederum sind untergegliedert in mehrere Abschnitte, die ihrerseits mit den einzeinen Sektoren
des Grenzapparates, der den Schmuggel iiber die Grenze besorgt, identisch sind. Die Schmuggler sind gleichsam
hauptamtlich beschaftigt. Sie betreiben ihr unerquickliches Handwerk als Beruf und werden von ihren Auftraggebern
nicht nur entlohnt, sondern auch mit Waffen und Munition versorgt, von denen sie wiederholt bei ihren
Schmuggelgangen Gebrauch gemacht haben. So wurden in der Nacht zum 7. Juli 1934 zwei tschechische Kommunisten
bei dem Versuch, illegale Hetzschriften iiber die Grenze zu bringen, auf reichsdeutschem Boden von einem Zollbeamten
gestellt. Sie konn
da sie auf den Anruf des Zollbeamten ten nicht verhaftet werden, mit Schiissen antworteten, von denen vier den
Beamten trafen. Als Hilfe hinzukam, ergriffen sie unter Zuriicklassung des Materials die Flucht. Ebenso kam es im Juni
1934 an der Grenze bei Posseck im Vogtland zwischen tschechischen Kommunisten und deutschen Zollbeamten zu
einer Schiesserei. Die Kommunisten fiihrten nicht weniger als sieben Zentner illegales Material mit sich. Sie verletzten
einen der Beamten und toteten seinen Hund, um sich schliesslich unter Zuriicklassung des Materials iiber die Grenze
zuriickzuziehen. Am 4. Juli 1935 brachten kommunistische Schmuggler bei Altenberg im Erzgebirge bolschewistische
Hetzschriften iiber die tschechoslowakisch-deutsche Grenze. Auch in diesem Fall beantworteten die Kommunisten die
Aufforderung der Beamten, stehenzubleiben, mit Schiissen. Ein Gendarmerie-Hauptwachtmeister wurde schwer, ein
anderer Beamter leicht verletzt. Drei von den Kommunisten wurden getotet. In ihrem Gepack fand man neben dem
illegalen Material 600 Schuss Munition. Am 6. August 1935 wurde ein kommunistischer Kurier gestellt, der zwei Pakete
iiber die reichsdeutsche Grenze bei Ziegenhals in Oberschlesien gebracht hatte. Er eroffnete das Feuer, das ihm die
Riickkehr iiber die tschechische Grenze ermoglichte.
Die Schmuggler erhalten das Material, das sie iiber die Grenze zu bringen haben, von den Abschnittsleitern, die zumeist
in Gemeinden unmittelbar an der tschechisch-deutschen Grenze ihren Sitz haben. Daneben ist es eine Sonderaufgabe der
Abschnittsleiter, die Veranderungen im Zoll- und Sicherheitsdienst auf reichsdeutscher Seite zu verfolgen und nach Prag
zu melden.
Fiir andere Arbeitszweige hat der Deutsche Vertreter in Prag spezielle Organisationen zur Verfiigung, unter denen die
sogenannte zentrale Fraktionsleitung (Z.F.L) hervorragt. Ueber die zentrale Fraktionsleitung werden dem D.V., den
Gebietsabschnitts- und Abschnittsleitern die Agenten zugefiihrt, die fiir die "praktische Arbeit" eingesetzt werden.
Die Z.F.L. erfasst, siebt und bildet die, kommunistischen Emigranten ans, die aus Deutschland koimnen.
In Hilfsstellung zur Z. F. L. steht dabei die ehemalige "Rote Hilfe", die spater auf den Namen "Solidaritat" und
schliesslich in "Union fiir Freiheit und Recht" umgetauft wurde.
Bei dieser "Union fiir Freiheit und Recht" arbeitet die sogen annte Aufnahmekommission, deren Aufgabe es ist, die
Kommunisten auf ihre Verwendbarkeit fiir Schmugglerdienste oder die Wiihlarbeit in Deutschland zu priifen. Wer fiir
diese Dienste wiirdig befunden wird, kommt in Heirne bzw. Lager. Die "Unwiirdigen" werden den tschechischen
Polizeibehorden zur Ausweisung aus dem Staatsgebiet iibergeben.
Emigrantenheime bestanden 1938 in Prag-Straschnitz, Briinn, Kaschau und Wee (Schatz) im nordwestbohn-iischen
Kreise Schlan. Die Leiterin des Heimes in Prag-Straschnitz ist die friihere kommunistische Reichstagsabgeordnete
Hanna Sandtner. Sie vertritt zugleich den kommunistischen Funktionar Karl Svab in der "Vereinigung zur Unterstiitzung
deutscher Emigranten", die von der K. P. Tsch. ins Leben gerufen wurde. Das Lager Msec ist das bedeutendste der vier.
Finanziell wird es von dem Komitee erhalten, das seinen Namen nach dem tschechisch-kommunistischen Juden Salda
tragt. Besondere Merkmale, so die Einberufung der Insassen dieses Lagers auf jeweils sechs Monate und die Aufnahme
von nur ausgewahlten Leuten, haben sehr bald die Annahme erhartet, dass das Lager Msec eine kommunistische
Parteischule fiir Spezialisten ist, und zwar fiir Spezialisten des militarischen Nachrichtendienstes.
Hier ist eine der Kernfragen der tschechisch-sowjetrussischen Zusammenarbeit angeschnitten, und in diesem Punkte ist
auch die Erklarung fiir die wohlwollende Behandlung der Emigranten durch die tschechischen Behorden gegeben.
Im Lager Msec bildet sich der tschechische Generalstab ein Kundschafterkorps heran, auf das er ganz besondere
Hoffnungen setzt.
Ihre Ausbildung erhalten die Kundschafter von tschechischen Nachrichtenoffizieren, den letzten Schliff aber von
Beauftragten des Obersten der Roten Armee, des Juden Leon (Leiba A.) Schnittmann.
Schnittmann war fruher als sowjetrussischer Militarattache bei der tschechischen Regierung beglaubigt. Er wurde dann
aus diesem Amt abberufen, blieb aber trotzdem in Prag. Als Militarattache' und Verbindungsmann der Roten Armee
zum Prager Generalstab hatte er nicht nur hinreichende Kenntnisse liber die tschechoslowakische Armee gesammelt,
sondern auch die Nachbarlander bereist und dort mit den Sowjetvertretungen und kommunistischen Agenten Fuhlung
genommen, die er fiir seine spatere Arbeit gewann, namlich fiir den Spionagedienst.
Lejba Schnittmann ubernahm seiner offiziellen Abberufung von seiner Funktion eines Militarattaches die
Leitung eines Kundschafterbiiros in Prag, das engste Fuhlung mit den zustandigen tschechischen Stellen halt.
In Zusammenarbeit mit der zweiten Abteilung des tschechischen Generalstabes, der Spionageabtellung, organisiert und
leitet eben dieser Leon Schnittmann den tschechisch-sowjetischen Spionagedienst in den Nachbarlandern der
Tschechoslowakei, fiir den er sich als seine Werkzeuge ausser den schon fruher erwahnten Korrnitinisten die
Emigranten aussticht, die im Lager Msec auf ihre Arbeit vorbereitet werden.
Im Jahre 1938 belief sich der Stand dieser in der sogenannten Ernigrantenlegion zusammengefassten Agenten und
Kundschafter auf rund 2000 Mann -, 2000 von Tschechen und Bolschewiken gemeinsam ausgebildete Spione, die der
Nationalist nach Tschechen, Ungarn, Polen, Jugoslawen, Deutsche und Bulgaren sind.
wir sehen also tschechische Behorden, tschechische militarstellen, sowjetrussische Instanzen und kommunistische
Emigranten aus verschiedenen Landern einer gemeinsamen Sache dienen.
Auch die finanzielle Betreuung der Emigranten ist Zeugnis der Identitat der tschechisch-sowjetischen Interessen und der
in der Tschechoslowakei bestehenden Volksfront der Tatsachen. Neben der Roten Hilfe ("Union fiir Freiheit und
Recht"), der "Vereinigung zur Unterstutzung deutscher Emigranten" und den zahllosen anderen Biinden, die im Dienste
der Bolschewisierung der Tschechoslowakei stehen, sind es immer wieder auch amtliche und halbamtliche Stellen, die
fiir die Emigranten beisteuern. Auch in offentlichen Betrieben finden Sammlungen fiir diese Zwecke statt, selbst die
Beamten im Prager Innenministerium wurden unter moralischen Druck gesetzt, den Emigranten von ihren Einkunften
abzugeben.
Einer der namhaftesten finanziellen Forderer des Emigrantenunwesens ist der in Chicago III, Greenvier Arw. 3911,
wohnende Salonkommunist Erwin Holzgrefe. Holzgrefe ist Obmann der Ortsgruppe der "Naturfreunde" in Chicago und
uberweist allmonatlich grosse Betrage fiir die marxistischen Emigranten in der Tschechoslowakei. Er bringt die Mittel
durch Sammlungen bei vermogenden Personlichkeiten in den Vereinigten Staaten auf. Seine beauftragte Bank, die die
Ueberwetsulrigen durchfuhrt, ist das Ozean-Travel-Biiro, Chicago, 2223 North Ashland Av. Empfanger des Geldes ist
der Geschaftsfuhrer der "Vereinigung zur Unterstutzung deutscher Emigranten" Karl Svab. Diese Vereinigung ist eine
Schwestergesellschaft der "Humanite", 138 Rue Montmartre, in Paris; die Zeitung gleichen Namens wird an die in der
Tschechoslowakei lebenden Emigranten zu einem um 50 Prozent ermassigten Bezugspreis abegeben. Svaib steht weiter
in standiger Verbindung mit dem "bureau international pour le respect du droit et de Palde aux refugies politiques". Er
nimmt sich auch der "sozialdemokratischen Fliichtlingshilfe" in Prag an und arbeitet mit der von dem jiidischen
Emigranten Dr. Goldschmidt geleiteten "Zentrale Hilfsstelle fiir deutsche Fluchtlingskinder in Prag, Joachimsthaler
Strasse 3, zusammen.
Die Emigranten in den Heimen werden kostenlos verpflegt und ausgestattet. Soweit sie in Privatquartieren untergebracht
sind, erhalten sie eine monatliche Unterstutzung von 60 Kronen, die sich bei Verheirateten auf 80 Kronen und je in Kind
um 10 Kronen erhoht, Im Jahre 1933 ging die Zahl des Bestandes des Emigrantenheimes In Prag-Straschnitz auf 118
Personen (115 Reichsdeutsche, 3 Italiener) zuriick, weil eine grosse Zahl der Insassen an den spanischen
Kriegsschauplatz geschickt wurde. Sparer wurde die Teilnahme am Krieg in Spanien fiir diejenigen Emigranten
verboten, die fiir den tschechisch-sowjetischen Nachrichtendienst ausgebildet waren. Die Spanienkampfer erhielten die
notwendigen Passe von der Polizeidirektion in Prag, die auf das engste mit Svab zusammenarbeit.
Aber auch die sozialdemokratischen Emigranten aus dem Reich und aus anderen Landern werden in die gemeinsame
tschechisch-sowjetische Arbeit eingespannt.
Sie nehmen dariiber hinaus noch gewisse Funktionen im selbstandigen Wirkungskreis wahr.
Nach der Machtubernahme im Reich emigrierte ein Teil der aktivsten Funktionare der SPD (Sopade) und der Vorstand
dieser Partei in die Tschechoslowakei. Das Parteibiiro liess sich in Prag nieder und entfaltete alsbald seine Tatigkeit
gegen Deutschland. Entlang der Grenze, in den grosseren sudetendeutschen Stadten, wurden Emigranten als sogenannte
"Grenzsekretare" eingesetzt, die sich als Untergliederungen Stutzpunkte in den kleinen Gemeinden schufen. Soweit der
Vorstand der Sopade nicht iiber eigene Mittel verfiigte, die er aus Deutschland verschoben hatte, oder bei der Flucht
mitbrachte, standen ihm in fast unumschrankter Stimme Mittel des Generalsekretars der II. Internationale zur
Verfugung. Das Geld wurde fur die Griindung von Zeitunen und fur die Absetzung von Greuelliigen und
Herzmeldungen verwendet. Aehnlich wie die Kommunisten versuchten auch die Sozialdemokraten, einen Kurierund
Schmtiggeldienst nach dem Reich aufrechtzuerhalten.
Die Zusammenarbeit ist im iibrigen durchaus international und steht auf breitester Basis. Die Mitglieder der Sopade und
der revolutionaren Sozialdemokraten Oesterreichs schufen sich eine gemeinsame Aktionsgrundlage mit der
tschechischen und deutschen sozialdemokratischen Partei in der Tschechoslowakei. Im Exekutivausschuss der II.
Internationale waren sie ja ohnehin vereingt. Sie finden regste Fbrderung durch sozialdemokratische Mitglieder der
tschechoslowakischen Regierung, die dafiir sorgten, dass die sozialdemokratischen Emigranten mit tschechischen Passen
ausgeristel wurden. Emigranten aus Deutschland und Oesterreich wurden in die Wehrorganisation der deutschen
sozialdemokratischen Partei in der Tschechoslowakei, die "Republikanische Wehr", eingestellt. deren Name vielfach in
der internationalen Presse auftauchte, als sie im Mai 1938 von der tschechischen Regierung mit Waffen aus,geriistet
wurde. Ebenso international bekanntgeworden, dass die "Republikanische Wehr" in der gleichen Zeit von tschechischen
Offizieren militarisch gedrillt und in den Kasernen des Heeres auf den tschechischen Staat und seine Verfassung
vereidigt wurde.
Auch hier spilt aber der militarische Einsatz als Kampftruppe fur die offene Feldschlacht eine zweitrangige Rolle. Wie
bei den kommunistischen Emigranten hoffen die tschechischen Milltarstellen auf eine besondere Brauchbarkeit der
Sozialdemokraten im Kundschafterdienst und in der Zersetzungsagitation in den feindlichen Heeren.
Fur diese Tatigkeit iibien sich die sozialdemokratischen Emigranten seit 1933 hinlanglich nilt der schon erwahnten
Verbreitung von, Greuelliigen und Hetznachrichten iiber Deutschland. Der Jin erster Linie benutzte technische Betrieb
sozialdemokratischer Einigranten ist die Druckerei "Graphia" in Karlsbad, wo die Schrifteni hergestellt werden, die fiir
die Einschmuggelung in das Reich bestimmt sind, so die "Sozialistische Aktion", "Der Nachrichtendienst" und die
"Information". Die Erfinder der in diesen Druckschriften enthaltenen Liigennachrichten sitzen im Biiro der Sopade in
Prag, Palckystrasse 24, von wo aus auch die "Deutschlandberichte" in die Welt gehen. Den "Deutschlandberichten" war
der grosste Teil der Greuelliigen entnommen, die in den Jahren nach dem nationalsozialistischen Sieg im Reich von der
deutschfeindlichen Presse aller Lander verbreitet wurden.
Die Haupttatigkeit der in der Tschechoslowakei ausgebildeten marxistischen Agenten ist, wie wir sehen, erst fiir einen
spateren Fall vorgesehen. Ihr gegenwartiges Wirken seit dem Jahr 1934 ist gewissermassen nur ein Auftakt. Aber ein
Auftakt, der geeignet ist, der Welt die Augen dariiber zu offnen, in welch umfassendem Masse Prag eine Zentrale des
Umstiirzlertums und Terrorismus ist. Allein in dem einen Jahr zwischen Februar 1937 und dem gleichen Monat des
Jahres 1938 waren von den 221 im deutschen Reichsgebiet wegen kommunistischer Betatigung verurteilten Personen
nicht weniger als 91 solche, die im unmittelbaren Auftrage der Prager bolschewistischen Organisationen arbeiteten.
Aber auch bei den iibrigen Verurteilten, so bei den 24 Polen, Jugoslawen, Italienern, Griechen, Rumanen fuhrten die
Spuren zum MEB in Prag.
Die gleichen peinlichen Erfahrungen wie Deutschand, mussten Polen, Ungarn, Jugoslawien und andere Staaten machen.
Mehrfach haben sich die Regierungen dieser Lander genbtigt gesehen, bei der tschechischen Regierung gegen die
kommunistischen Umtriebe Protest einzulegen. Der jugoslawische Innenminister nahm auch in aller Oeffentlichkeit zu
den Dingen Stellung. Er erkarte am 24. April 1936 in einer deutschen Zeitung:
"Von Prag ans erhalt die jugoslawische Sektion der Komintern ihre Weisungen und ihr Geld. Es ist
bezeiehtieiidg dass der einzige uns entkommene Teilnehmer des Attentats auf den Ministerprasidenten
Stojadinowitsch nach Prag fliichtete und dort aufgenommen wurde. Die tschechoslowakische Hauptstadt ist der
aktivste und gefahrlichste Vorposten des Bolsehewismus in Europa."
Die Bedrohung Polens
Die gemeinsame tschechisch-sowjetische Minierarbeit gegen Polen hat seit dem Jahre 1920 nicht mehr aufgehort. Mit
der Sesshaftwerdung des Bolschewismus und seiner vielerlei Organisationen in der Tschechoslowakei in den Jahren
nach 1933 trat sie in ihre entscheidende Entwicklungsstufe. 1938 gestaltete sie sich besonders intensiv, nachdem aus
Moskau der Instruktor Avdejew genommen war und in Mahrisch-Ostrau, der tschechischen Grossstadt nahe der
polnischen Grenze, seinen Sitz aufgeschlagen hatte. (Avdejew ist iibrigens im Besitz des sowjetrussischen
Diplomatenpasses Nr. 1 17, ausgestellt am 23. Februar 1938.)
Im Zentralkommitee der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei fand die K. P. P., die polnische Sektion der
kommunistischen Internationale, ihre Heimstatt. Als Auffangorganisation, fur die aus Polen kommenden Emigranten
wurde die "Union der jiidischen Studenten Polens" geschaffen. Das politische Biiro des Zentralkomitees der K. P. P.
wurde der K. P. Tsch. angegliedert.
Lange Zeit hindurch wurde das offizielle Organ des Z. K. der K. P. P. "Now Przeglad" in der Tschechoslowakei
gedruckt und von dort durch Schmuggler, die in ahnlicher Weise zusammengefasst und ausgebildet waren wie die
deutschen Kommunisten, in das polnische Staatsgeblet gebracht. Die bekanntesten polnischen Konmunistenfuhrer, wie
z, B. Saul Amsterdam, Adam Landi, Isak Zydlowski, Berek Berman, Stanislaus Martens und andere, leiten von Prag aus
die Tatigkeit der bolschewistischen Agenten in Polen. Wiederholt haben sie in Mahrisch-Ostrau, Teschen, Sillein und
anderen Stadten, die von der polnischen Grenze nicht weit entfernt sind, Besprechungen mit ihren in Polen tatigen
Agenten abgehalten. Durch die tschechischen Amtsstellen sind die Agenten mit tschechischen Passen ausgeriistet,
obwohl sie polnische Staatsbiirger sindDie K. P. P. in der Tschechoslowakei hat eritkang der Grenzzone eine anze Reihe
von Grenzstellen eingerichtet, die den Nachrichten-, Material- und Waffenschmuggel organisieren. Diese Grenzstellen
stehen in en-ster Verbindung mit den tschechischen Zollbehorden, denen die jeweiligen Schmuggelziige avisiert werden,
damit sie unbehelligt passieren konnen. Die Grenzstelle in Mahrisch-Ostrau wird von dem kommunistischen
Abgeordneten im Prager Parlament Kliment geleitet; die la Karwin vom Abgeordnereti Sliwka. Zwei weitere Stehen an
der tschechisch-polnischen Grenze im Teschener Schlesien stehen unter der Leitung der Abgeordneten Sziroky und
Clementis. In der Ostslowakei ist in der Kanzlei des Abgeordneten Koszyk eine solche Uebergangsstelle eingerichtet.
Im Osten des Staates, also in den Landern Slowakei und Karpatenukraine, sind von diesen Grenzstellen noch jene in
Pressburg, Ungwar, Munkacs, Sachsisch-Bereg, Hust, Volove, Rachovo, Losoncz, Rimska-Sobota und Nagy-Szolos
bekanntgeworden.
Um die erforderliche Zahl von Agenten heranzubilden, hat die illegale Leitung der K. P. P. in Prag im ganzen
tschechischen Staatsgebtet sehulungskurse fur kommunistische Instrukteure eingerichtet, so in Munkacs,
Witkowitz, Trzlivietz, Ungwar, Czadeza, Sillein, Mahrisch-Ostrau, Briinn und in Prag-Karolinental, im Hause
des kommunistischen Zentralorgans "Rudi- Pravo".
Die Teilnehmer an diesen Kursen sind in erster Linie Kommunisten, die aus Polen geflohen sind oder aber eigens fur die
Sehulungskurse einberufen und zu diesem Zweck iiber die Grenze heriibergeschmuggelt werden. Mit tschechischen
Passen oder mit falschen Papieren ausgeriistet, werden sie nach der entsprechenden Ausbildung iiber die Grenze
zuriickgebracht, um in Polen ihre Tatigkeit aufzunehmen.
Parallel zu der "Aufnahmekommission" fiir die Emigranten aus Deutschland besteht eine solche fiir die umstiirzlerischen
Elemente, die aus Polen kommen. Ihr Sitz befindet sich im Hause Prag II, Goldmachergasse 8a, also bei der "Union fiir
Freiheit und Recht", der friiheren "Roten Hilfe".
In der Reihe der kommunistischen Funktionare, die in der Bearbeitung Polens eine besondere Rolle spielen, heben sich
neben den schon genannten die Prager jiidtsch-kommunistischen Rechtsanwalte Dr. Siegmund Stein (Prag, Lange Gasse
70) und Dr. Sekanina hervor, die massgeblich die kommunistische Wiihlarbeit beeinflussen, soweit sie von Bessarabien
her in der zum polnischen Staat gehorigen Westukraine iiber die polnische Grenze hinweg geleistet wird. Ein Treffpunkt
fiir die polnischen und iibrigen osteuropaischen kommunistischen Agitatoren ist die kommunistische Buchhandlung in
Prag in der Hyberner-Passage, gegeniiber dem Haupteingang des Masaryk-Bahnhofs. Irn Haus "Odeon" in der
Jungmannstrasse in Prag ist eine andere Verbindungsstelle fiir die polnischen Kommunisten untergebracht, in der die
Mitglieder der Kommunistischen Partei der Westukraine ein und aus gehen. Der jiidisch-ukrainische Kommunist Kottler
aus Stanislau hat hier sein Absteigequartier.
Die polnische Sektion in der K. P. Tsch. leitet der Jude Dr. Grossmann in Prag-Lieben, v haji 30/1 1.
In Briinn besorgt die technischen Arbeiten fiir die illegale Kommunistische Partei Polens der Jude Sally Schonberg, der
aus Bielitz stammt und als Student an der Technischen Hochschule Briinn inskribiert ist. Schonbergs nachste Mitarbeiter
sind die ebenfalls jiidischen Studenten der Technischen Hochschule Friedmann aus Boryslaw und Mendel Lowental aus
Drohobycz in Galizien.
Eine weitere gewichtige Rolle in der illegalen K. P. P. in der Tschechoslowakei spielt der aus Lublin stammende
judische Ingenieur Israel Bursztyn, der ohne standigen Wohnsitz in der Tschechoslowakei lebt. In Prag ist der polnische
Kommunist Buziak ansassig, in Briinn der aus Lublin gebiirtige judische Ingenieur Galka, und wiederum in Prag, Nusle
1237, der Kommunist Schmul Majzner, geboren in Zambrow. 1934 fliichtete er aus Polen in die Tschechoslowakei, wo
er einer der eifrigsten Agenten des Bolschewismus wurde.
Der Jude Jakob Kojfman leitet den illegalen rumanischen kommunistischen Stiitzpunkt in Briinn, in dem vornehmlich
die kommunistischen Agenten aus Bessarabien zusammengefasst sind. Von der Tatigkeit dieses Stutzpunktes ist auch
Polen unmittelbar betroffen, denn hier erfahren die Agenten ihre Ausrichtung, die von Bessarabien her iiber die Grenze
in das ostpolnische Gebiet hineinwirken. Vielfach wird die Post auch fur die westpolnischen Agitatoren iiber die
bessarabische Grenze gebracht.
Als kommunistische Kuriere und Schmuggler, die den Nachrichtendienst oder Materialtransport iiber die tschechisch-
polnische Grenze besorgen, sind u. a. folgende Personen festgestellt worden: Franz Goczal, Distriktsekretar der
"Fiskultur" in Zukow bei Teschen; Franz Pitucha, ebenfalls Sekretar der Fiskultur in Leszna Dolna im Teschener
Schlesien; Anton Mikula, Vorsitzender des Verbandes Fiskultur, Distriktsekretar der tschechischen Kommunistischen
Partei und Schriftleiter der auf tschechischem Gebiet erscheinenden polnisch-kommunistischen Zeitungen "Glos
Robotniczy" und "Glos Ludowy". Mikula war friiher Abgeordneter im Prager Parlament; Josef Klus, Sekretar des
Kreiskomitees der polnischen K. P. irn Teschener Schlesien und zugleich Anfiihrer einer Schmugglerbande; J.
Reichenber, wohnhaft im Haus Hvezda in Orlau.
Anlaufstellen und Sammelpunkte der polnischen Kommunisten tschechischer und polnischer Staatsangehorigkeit sind:
die Druckerei und Buchhandlung Fibinger in Orlau, wo die kommunistischen Schriften hergestellt werden, die fiir die
Verbreitung in Polen bestimmt sind. Die Druckerei ist im Besitz der Kommurii stischen Partei. Der angebliche
Eigentiimer Fibinger ist nur ein Strohniann. Das Auto der Druckerei benutzt der Abgeordnete Sliwka. Im Juli und
August 1937 stellte die Druckerei 200 000 kommunistische Flugblatter in polnischer Sprache her, die spater nach Polen
eingeschinuggelt wurden;
der Antiquitatenladen "Gentleman" in Tschechisch-Teschen wurde ebenfalls als Ausgabestelle fiir kommunistische
Flugblatter, die spater nach Polen gebracht wurden, benutzt;
das Haus Nr. 650 in Orlau, das dem jiidischen Zahntechniker Stiirner gehort, ist der Versammlungsort der polnisch-
kommunistischen Agenten.
In Rudka in der Nordslowakei ist die Sammelstelle im Hause des Burgermeisters.
Die Sammelstelle Rudka untersteht der Grenzstelle Sillein, die von dem Kommunisten Major, der friiher Mitglied des
Prager Parlaments war, geleitet wird. Sillein ist auch die Durchgangs- und Verbindungsstelle zwischen den polnischen
Kommunisten im Teschener Schlesien und denen in der Slowakei und der Karpatenukraine. In Sillein wurde der lange
Zeit hindurch getriebene Schmuggel in den u csamen Gebieten der Hohen Tatra organisiert. "Sportier" und Frauen, die
selbstverfertigte Stickereien im polnischen Kurort Zakopane verkauften, betatigten sich als Schmuggler von illegalem
Material.
Ein vielbegangener Schmugglerpfad war der in der Nahe von Gadow, Bezirk Rybnik. Der schon genannte polnische
Kommunist Franz Sobola ist Leiter des dortigen Grenzapparates. Er und seine Frau brachten jahrelang polnische
kommunistische Emigranten in die Tschechoslowakei und fiihrten ausgebildete Agitatoren nach Polen hiniiber.
Die Druckschriften, die Sobola und seine Frau schmuggelten, wurden ihnen vom Bezirkssekretariat der K. P. Tsch. in
MahrischOstrau ausgefolgt. Unter der Anfuhrung Sobolas waren weiter als Schmuggler tatig Rudolf Rubica, Anton
Rychter, Rudolf Rychter, Friedrich Teichner und Ernst Teichner. Im Teschener Schlesien waren weitere
Schmugglerwege die in der Nahe von Chocholow im Bezirk Jablunkau und die Strecke Masklowitz-Zibridowitz; auf
diesem Wege wurden besonders viele kommunistische Schriften iiber die Grenze gebracht, dann auf den Pfaden bei
Rafalowa, Stotzek-Wiesla, Jasina-Borochta, Zabie-Kolomea und SkolarskieOporzec. Wiederholt wurden nach dem
Ueberschreiten der Grenze an diesen Stellen kommunistische Schmuggler von den polnischen Zollorganen verhaftet.
Eine besondere Aktion wurde im Jahre 1937 von der kommunistischen Zeitung "Delnicky Denik" in Mahrisch-Ostrau,
Bahnhofstrasse 4, durchgefiihrt. In grossen Mengen wurde illegales Material iiber die polnische Grenze geschmuggelt.
Beteiligt an dieser Aktion waren. die Abgeordneten Karol Sliwka in Karwin, N. Kliment in Mahrisch-Ostrau, der
kommunistische Parteisekretar Karl Bogacz und die eigens aus Prag hierfur entsandten polnischen Juden Hugo Sabath
und Franz Polaczek; als Schmuggler wurden gedungen der tschechische Eisenbahnangestellte Dwornik aus Teschen,
Stefanikstrasse 38, Oskar Kowasc aus Slivitz bei Teschen, J. Turn aus Konska bei Teschen, der Jude Bernhard Schein,
dann Friedrich Teichner, Hilda Teichner, Erich Teichner, Rudolf Kublica, Anton Rychter und Rudolf Rychter aus
Deutsch-Lutin und Friedrich Heskowitz aus Teschen.
Wie schon gesagt, wurden Kommunisten aus Polen in tschechoslowakische Grenzorte zu Parteiversammlungen gerufen.
Eine solche Versammlung fand am 15. Marz 1937 in Ober-Orlik statt; ihr Inhalt lasst sich leicht aus der Tatsache
erraten, dass nach der Versammlung die kommunistische Agitation in den benachbarten polnischen Bezirken im
grossten Umfange zunahm. Am 18. und 19. Oktober 1937 fand in der tschechoslowakischen Gemeinde Sllvnik eine
Bezirksversammlung der K.P.Tsch. statt, an der auch Kommunisten aus den benachbarten polnischen Bezirken beteiligt
waren. Ein komniunistischer Abgeordneter des Prager Parlaments gab den polnischen Teilnehmern die Weisungen fur
ihre weitere Tatigkeit.
Weiterhin ist voll den einzelnen kommunistischen Aktionen in Polen, die auf tschechoslowakischem Gebiete
abgesehlossen mid vorbereitet wurden, insbesondere der Bauernstreik im Sommer 1937 bekanntgetvorden. Die
Aufrufe zu diesem Streik wurden auf tschechoslowakischem Gebiete gedruckt und nach Polen gebracht.
Sie enthielten die Aufforderung an die Bauern, Zusammenstosse mit der Polizei und anderen politischen Gruppen zu
provozieren. Im Auftrage des MEB liess die K.P.Tsch. diesem Unternehmen alle notwendige technische Hilfe
angedeihen.
Wiederum hat die illegale K.P.Tsch. der Tschechoslowakei besonders intensiv gearbeitet, als es gait, Kommunisten aus
Polen fiir den Militardienst auf bolschewistischer Seite in Spanien anzuwerben. Mit allerlei Versprechungen wurden
polnische Arbeitslose, auch solche, die nicht der Kommunistischen Partei angehorten, in die Tschechoslowakei gelockt,
wo sie von der "Roten Hilfe" ubernommen wurden, die sie mit Geldmitteln und den notwendigen falschen Dokumenten
versah und dann fiber Oesterreich und die Schweiz nach Spanien brachte. Ein Sammelpunkt fiir diese "Freiwilligen"
befand sich in der Wohnung des Bezirkssekretars der K.P.Tsch. in Trzinietz, Adam Cislar. Bevorzugt wurden als
Kampfer fiir den Bolschewismus in Spanien jene Polen, die Soldaten der Reserve in der polnischen Armee waren und
weiterhin solche, die von den polnischen Gerichten wegen ungesetzlicher Tatigkeit fiir den Kommunismus verurteilt
worden waren.
Analog der Entwicklung bei den deutschen Emigranten wurde die Anwerbung und Verschickun,gvon Kommunisten
nach Spanien Ende 1937 eingeschrankt.
Dass ans der Tschechoslowakei auch Waffen an die Kommunisten in Polen geliefert wurden, ist wiederholt von
den politischen behorden festgestellt worden. Unter andereill konnte ein Transport abgefangen werden, den der
jiidische kommunistische Stadtrat von Kaschau, Leopold Lewy, in gang gesetz hatte.
Die Tatigkeit der illegalen polnischen Kommunisten ist der tschechischen Regierung ebenso bekannt wie die der
Emigranten und Organisationen, die aus Deutschland in die Tschechoslowakei kamen. Der Regierung fehlt auch die
blosse Moglichkeit, sich auf Unkenntnis dieser Dinge auszureden, derin das ganze System und einzelne Massnahmen
des Wirkens der illegalen K. P. P. sind von den zustandigen Stellen auf diplomatischem Wege dem Hridschin zur
Kenntnis gebracht worden. Auf einen der diplomatischen Schritte hin erklarte sich das tschechische Aussenministerium
bereit, der Tatigkeit ein Ende zu bereiten. Es erkannte die polnische Protestriote als berechtigt an, war also wohl genau
liber die illegalen Querverbindungen zwischen Polen und der Tschechoslowakei und liber die Polens durch das MEB
bzw. durch die K.P.P. im Bilde.
Nun wurde zwar die polnische Note anerkannt, aber praktisch unternahm die tschechische Regierung nichts. Sie duldet
und fordert nach wie vor das Wirken des Kommunismus fiber die grenze hinweg.
Sie fordert es, denn es liegt Vollkommen irn Sinne ihrer provozierenden Politik, und die tschechischen amtlichen Stellen
fiihlen sich zu dieser Forderung nicht nur berufen, sondern sind dazu sogar verpflichtet. Diese Verpflichtung iibernahni
die tschechische Regierung zugleich mit dem Abschluss des Biindrispaktes mit der Sowjet-Union.
Es ware eine der von Litwinow-Finkelstein dem damaligen Aussenminister Benesch gestellten Bedingungen fur
die Gewahrung sowjetrussischer Waffenhilfe, dass der tschechenstaat dem MEB und den illegalen leitungen der
kommunistischen Parteien seine Unterstutzung angedeihen lassen miisse.
SCHLUSSWORT
Auf Grund des Dargelegten stellen wir fest:
Die Feinde Deutschlands, haben aus geraubten Gebieten im Riicken Deutschlands einen Vasallenstaat
zusammengestiickelt; sieben Millionen Deutsche, Slowaken, Ungarn, Polen und Ukrainer sind seitdem - entgegen dem
"Selbstbestimmungsrecht der Volker" - auf Gedeih und Verderb der tschechischen Tyrannei ausgeliefert. Die
Unterdriickung der Volker im Tschechenstaate zeitigte bald den natiirlichen Widerstand, der nur mit immer wieder
gesteigertem Druck niedergehalten werden konnte. Als die Unterdriicker schliesslich einsehen mussten, dass sie nicht
nur sieben Millionen in ihrem eigenen Staate lebende Nicht-Tschechen gegen sich haben, sondern dass das Unrecht an
diesen sieben Millionen auch von ihren Muttervolkern als Herausforderung empfunden wird, waren sie gezwungen,
einen Verbiindeten zu suchen.
Diesen fanden sie im Weltfeind Nr. 1, dem Bolsehewismus. Mit ihm sehlossen sie folgenden sauberen Pakt:
Moskau hilft Prag bei der Unterdriickung von 7 Millionen nichttschechischer Menschen;
Prag liefert als Gegenleistung dafiir das von ihm besetzte Gebiet dem Weltfeind aus und stellt es ihm als
Aufmarsehgebiet im Ifferzen Europas zur Verfiigung.
Und die Folgen ?
Fiir die von den Tschechen unterdriickten Volker
- Auslieferung an den bolschewistisehen Terror und drohende Vernichtung ihrer nationalen Existenz.
Fiir die Nachbarldnder
- Schaffung eines bolsehewistischen Pestherdes unmittelbar an den Grenzen Polens, Deutschlands und Ungarns,
eines Aufmarschgebiets der Roten Armee und einer Flugbasis der Boten Luftflotte an diesen Grenzen.
Fiir Europa
- Sabotage jeder Friedenspolltik und dauernde drohende Kriegsgefahr.
Das ist die tschechische Mission -
\ err at an Europa!