Skip to main content

Full text of "Informationsdienst Sozialarbeit (1972 - 1980)"

See other formats


INFORMATIONSDIENST 
SOZIALARBEIT 





a e Zn loo;ji ihri igen Bestehen des Deutschen Vereins 


EEN und z ‚um 69. Deutschen Fürsorgetag in Frankfurt 
—— Offenbach im März 1980 
R Einfachnummer - Preis DM 6,-- 











— ialistischen Büro 
Dieser Informationsdienst Sozialarbeit wird seit 8 Jahren im Sozialisti 
vo 


n Gruppen, die im Sozialisationsbereich arbeiten, herausgegeben. — 
Der Info dient der Kommunikation und Kooperation von Genossen, die m 
sozialistischem Anspruch im Feld der sozialen Arbeit tätig sind. x ai 
Der Info enthält neben einem Schwerpunktthema Darstellungen über A — 
Organisationsmodelle und Basisaktivitäten sozialistischer Sozialarbeiter/-p 


à > Mi f . ati und 
gen, Erzieher, Kindergärtnerinnen etc., Kurzberichte, Informationen 
Analysen aus dem So 


se, Stellenangebot 


. * 2.772 inwei- 
zial- und Gewerkschaftsbereich sowie Materialien, Hi 
e und Kleinanzeigen. 


Folgende Hefte sind noch lieferbar: 


Heft 5: 


Zur Organisierung im Sozialbereich (104 Seiten, DM 5,--) 


Heft 7: Jugendhilfetag — Sozialistische Aktion (80 Seiten, DM 4,--) de 

Heft 8: Reform und Reformismus als Problem praktischer Politik in 
Sozialarbeit (72 Seiten, DM 4,--) 

Heft 10: Knast und Sozialarbeit (64 Seiten, DM 3,50) . 

Heft 12: Probleme stadtteilbezogener Sozialarbeit — Teil II (80 Seiten, 
DM 4,--) 

Heft 13: Jugendarbeit — Jugendarbeitslosigkeit (96 Seiten, DM 5,--) 

Heft 14: Alternative Psychiatrie (80 Seiten, DM 4,--) 

Heft 16; Gewerkschaftsarbeit in der OTV (88 Seiten, DM 5,--) 

Heft 17: Kindergartenarbeit (96 Seiten, DM 5,--) 

Heft 18: Heimerziehung (168 Seiten, DM 8 ,--) 

Heft 19: Jugendhilferecht — Jugendhilfetag (96 Seiten, DM 6,--) 

Heft 20: Sozialarbeiterausbildung (104 Seiten, DM 7.--) 

Heft 21: Familienfürsorge (80 Seiten, DM 5 ,--) ' 

Heft 22; Jugendhilfetag 1978 in Köln/Geschlossene Heimerziehung 
(104 Seiten, DM 7 

Heft 23: Frauen und Sozialarbeit (144 Seiten, DM 8,--) ; 

Heft 24; Psycho-Methoden in der Sozialarbeit (96 Seiten, DM 6,--) 

Herausgeber: Sozialistisches Büro, Postfach 591, 605 Offenbach 4 

Verleger: 


Erste Auflage: 


Verlag 2000 GmbH Offenbach 
März 1980, 5000 Exemplare 
Alle Rechte bei dem Herausgeber 


Vertrieb: Verlag 2000 GmbH, Postfach 591, 605 Offenbach 4 
Postscheck Frankfurt Nr, 61041-604 

Preis: Einfachnummer DM 6,-- 
bei Abnahme von mind. 10 Ex. 20 % Rabatt ý 
Weiterverkäufer (Buchläden, Buchhandel) 40 % Rabat 
jeweils zuzüglich Versandkosten : 
Der Info kann auch im Abonnement bezogen — * 
Bezugsgebühren für das Jahr 1980 DM 15,-- und DM 4, 
Versandkosten 

Verantwortlich: Redaktionskollektiv Info Sozialarbeit 

Presserechtlich 

Verantwortlich: Günter Pabst Offenbach 

Druck: hbo-Druck Einhausen 

ISSN: 0170-2688 

ISBN: 3-88534-016-X 

Beilage: 


Spendenaufruf “Kita im Exil’, Prospekt — ir 
Sozialarbeit, päd.extra-Werbekarte, Aufruf Sozialhilfe 





INFO SOZIALARBEIT, HEFT 25 


INHALT 


Vorbemerkung zu dieser Ausgabe 
Aufruf der Sozialhilfe-Aktion 


Wolf Perdelwitz 
Zum Leben zuwenig - Zum Sterben zuviel 
- Zur Situation der Sozialhilfeempfänger - 


"Sie haben mich die ganzen Jahre regelrecht betrogen" 
- Bericht einer Betroffenen - 


"Angst und Isolation" - Brief an die Vorbereitungsgruppe 
Nette Sprüche - gesammelt im Hagener Sozialamt 


"Nein Kinder, das geht nicht" - Bericht einer Betroffenen 


Falco Werkentin 
Die Quantifizierung der Würde des Menschen nach dem BSHG 


Albert Hofmann 
Zweimal beschissen: Kochfeuerung und Beleuchtung 


Albert Hofmann 
Warenkorb 'Marke Schmalhans' - Die Bemessung der Würde 
des Menschen durch den Deutschen Verein - 


Ulf Luers 
Ein Deutscher Verein - Jubiläum des Deutschen Vereins 
für öffentliche und private Fürsorge - 


Auszug aus dem Programm des Deutschen Fürsorgetages 


Historische Dokumente/Auszüge aus dem Nachrichtendienst 
des Deutschen Vereins 

- 100 Jahre Fürsorgeerziehung 

- Offizielle Geschichtsschreibung 

- Mitteilung des Vorstandes v. 8.5.1933 

- Das Fürsorgewesen im Aufbauprogramm der Reichsregierung 
- Die Wohlfahrtspflege im Dritten Reich 

- Schlußwort des Vorsitzenden Prof. Polligkeit (1934) 


loo Jahre Deutscher Verein - 4 Jahre Interessengruppe Köln 


Interessengruppe Sozialhilfe Hagen 


23 


29 


35 


43 


45 





Interessengruppe Sozialhilfe Duisburg 65 

Arbeitsgemeinschaft sozialbenachteiligter Familien Hildesheim 69 

Selbsthilfe Gelsenkirchen 70 

Sozialhilfegruppe "Tu was" Frankfurt fa 

Frauenhaus Kassel 

St2əllungnahme zum $ 72 BSHG und dem Gutachten des Deutschen 

Vereins 14 

Frauenforum im Revier 

Frauen kommt aus Eueren Schneckenhäusern 83 

Adressen der Sozialhilfegruppen/Sozialhilfeleitfäden 85 

Berichte - Hinweise - Informationen - Kleinanzeigen 88 
96 


Mitteilungen des Arbeitsfeldes 





Tagungen der AG SPAK zu Sozialhilfe/Obdachlosenarbeit 






ARMUT IN DER BRD -- Fortsetzungsseminar — spez. für Obdachlosen -- 
Stadtteilarbeitsgruppen, 18.-20.4.80, Frankfurt/M. Anmeldung: AG SPAK, 
Belfortstr. 8, 8 München 80. 


ZUR STRATEGIE UND INTERESSENDURCHSETZUNG VON 
INITIATIVGRUPPEN — Sozialhilfe und Obdachlosenarbeit — 
25. - 27.4.80, Burckhardthaus Gelnhausen, Auskunft: AG SPAK, 
Belfortstr. 8, 8 München 80. 


Workshop: Probleme in der Obdachlosensiedlung (Erfahrungsaustausch, 
Rollenspiele) für Gruppen aus dem südd. Raum) 9. - 11.5. in Reutlingen, 
Auskunft: Ingrid Maier, Schloßgartenstr. 5, 7417 Pfullingen — oder bei 
AG SPAK, Belfortstr. 8, 8 München 80 (PB ODL) 


Informationsdienst für Obdachlose — Obdachlosenzeitungen - 
27. - 29.6.80, b. Nürnberg — Anmeldung: AG SPAK (PB ODL), 
Belfortstr. 8, 8 München 80. 


















VORBEMERKUNG ZU DIESER AUSGABE 


Kein "deutscher Verein" im Bereich der "öffentlichen und privaten 
Fürsorge" hat es wohl bislang so glänzend und geschickt verstanden, 
sein Wirken und seinen Einfluß auf die Sozialpolitik über 100 Jahre 
hinweg derart stillschweigend zu entfalten und auszubauen wie der 
"Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge". 

Mit den vorliegenden Aufsätzen und Materialien wollen wir versuchen, 
etwas Licht in die Arbeit des Deutschen Vereins zu bringen. Wir be- 
leuchten dabei nicht das gesamte Spektrum der Aktivitäten und Ein- 
flußnahmen des Deutschen Vereins auf die Sozialpolitik. Aus aktuel- 
lem Anlaß - der SOZIALHILFE-AKTION am 23. April 1980 in Frankfurt - 
beschränken wir uns auf den Bereich der Sozialhilfe. 


Im ersten Abschnitt wird die Lebenslage der Sozialhilfeempfänger do- 
kumentiert. Der zweite Teil zielt unmittelbar auf die Verantwortung 
des Deutschen Vereins für die Lebenslage der Sozialhilfeempfänger. 
Kritisiert wird der Warenkorb, den der Deutsche Verein als Grundla- 
ge für die Berechnung der Regelsätze erstellt hat. Daran anschlies- 
send wird die 100jährige Geschichte des Deutschen Vereins skizziert 
und anhand von Dokumenten der Widerspruch zwischen offizieller Ver- 
einsgeschichtsschreibung und historischer Wirklichkeit für die Zeit 
des Nationalsozialismus problematisiert. Abschließend wird am Bei- 
spiel einiger Sozialhilfe-Initiativen die Möglichkeit und Notwendig- 
keit von Gegenwehr nachgewiesen. 


Das Info versteht sich als eine Materialsammlung zur Unterstützung 
der SOZIALHILFE-AKTION am 23. April 1980 in Frankfurt. Aufgrund die- 
ser besonderen Aufgabenstellung bleibt der direkte Einfluß des Deut- 
schen Vereins auf die Sozialarbeiter und Sozialpädagogen ausgeklam- 
mert. Erinnern wollen wir aber an den Fürsorgetag 1969 in Essen, auf 
dem Sozialarbeiter des AKS-Berlin und anderer kritischer Gruppen aus 
Westdeutschland sich einig waren: "In Essen kann nur die gemeinsame 
Argumentation verhindern, daß kritische Stimmen als 'belebend' ab- 
sorbiert werden." Konzentriert wurde die Arbeitsgruppe "Entwicklungs- 
tendenzen in den Berufen der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen! be- 
sucht und zwölf vorbereitete Forderungen gegen die Versammlungslei- 
tung in die Diskussion eingebracht. (Siehe Sozialpädagogische Korres- 
pondenz, 1969, Nr. 6 und "Sozialarbeit zwischen Bürokratie und Klient" 
- Dokumente der Sozialarbeiterbewegung 1969 - 1973 reprint, Verlag 
2000, Offenbach). Ähnliche Ansätze gemeinsamen Auftretens von Sozial- 
arbeitern zum Fürsorgetag in Frankfurt sind uns (noch) nicht bekannt. 
Während seit ca. 10 Jahren der "Deutsche Jugendhilfetag " für kriti- 
sche Sozialarbeiter Forum zur Darstellung ihrer Kritik am Jugendhil- 
fesystem ist und zur Auseinandersetzung mit den Vertretern von Be- 
hörden und Institutionen benützt wird, scheinen kritische Sozial- 
arbeiter von dem Fürsorgetag 1980 mal wieder überrascht worden zu 


— 


sein. Ist es die Größe des Verbandes, seine Undurchschaubarkeit, 
seine vermeintliche Omnipotenz die bisher dazu führte, diesen Verein 


"rechts" liegen zu lassen? 


Zusätzlich zu dieser Materialzusammenstellung sollte über die Kon- 
taktadresse: Sozialhilfe-Aktion, FH Sozialarbeit, 


Limescorso 5 


6000 Frankfurt 50 
das auf S. 6 abgedruckte Plakat im DIN A 2 Format sowie der Aufruf 


(S.7 ) und die Informationsrundschreiben der Sozialhilfe-Aktion 
bestellt werden. Weiterhin benötigen wir zur Finanzierung der Sozial- 
hilfe-Aktion Spenden: Eingezahlt werden kann auf das Postscheckkonto 
Frankfurt 128 35-609 Albert Hofmann - Kennwort: Sozialhilfe-Aktion. 


Redaktionsgruppe: 

AG "Tu was" Frankfurt - Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit Frankfurt- 
Projektgruppe Warenkorb an der FHS Frankfurt - 

Redaktion Info Sozialarbeit 







MATERIALIEN ZUR SOZIALHILFE-AKTION 






. Pressemappe (Aufruf/Plakat/Info Sozialarbeit Heft 25 - 
Materialien zur Sozialhilfe-Aktion/Rundbriefe der Sozialhilfe- 


Aktion einschl. Porto) DM 12,-- 


2. Plakat der Sozialhilfe-Aktion DIN A 2 
l Ex. DM 2,50, ab 1o Ex. DM 2,-- pro Exemplar plus Porto 


3. Leitfaden zur Sozialhilfe 1 Ex. DM 2,-- 


4. Aufruf der Sozialhilfe-Aktion 
loEx. DM 2,-- Sozialhilfegruppen erhalten 


5oEx. DM 1o,-- den Aufruf kostenlos 


looE. DM 15,-- 
looo E.DM 1oo,-- 


Bestellungen nur gegen Vorauszahlung(Scheck/Briefmarken) plus 
Porto an: Sozialhilfe-Aktion c/o AG Tu was Fachbereich Sozial- 


arbeit, Limescorso 5, 6000 Frankfurt 


















påd. extra 


GZId, 
MOEI 


berichtet monatlich über die Arbeitsfelder der Sozialarbeit. 
Zum Beispiel: 
* Jugend und Bundeswehr 


Die Männerschule der Nation 


* Pennerleben 


* Lernen in Situationen 
Versuch, mit Freire in der BRD 
Randgruppenarbeit zu machen 

ı Heft viele Hinweise, Literatur, Texte und Medien, 













Dazu in jeden 

Hilfsmaterialien, z.B.: 

* Rezensionen von Sozialhilfeleitfäden 

%* Bericht über den Warenkorb Marke Schmalhans 

x Analyse des Deutschen Vereins: eben ein 
deutscher Verein’ und so fort 

Zum intimen Kennenlernen bieten wir das Probierheft an: 

das päd.extra Lexikon im Karteikasten und 4 fortlaufende Hefte 

päd.extra sozialarbeit für DM 18,-. 











schicken an: pädex-Verlag, PF 295, 6140 Bensheim 
— * 


Hiermit bestelle ich ein Probepaket päd.extra sozialarbeit für DM 18,-. 
Ich zahle [_] mit Scheck [_]gegen Rechnung (DM 2,50 Rechnungsgebühr) 







aß päd.extra sozialarbeit als Halbjahres- 


Ich bin damit einverstanden, d 
ht spätestens nach Erhalt des 


abo* weitergeliefert wird, wenn ich nic 
dritten Heftes kündige. 
* Halbjahresabo DM 29.50 ./. DM 3,— bei Abbuchung. 







Vorname: __ Be 


Name: _____ — — 





Straße: 








PLZ. Dr — — 





Unterschrift: 











Datum: 





SOZIALHILFE-AKTION 


Zum 100jährigen Bestehen des Deutschen Vereins 
und zum 69. Deutschen Fürsorgetag am 23. April 1980 in Frankfurt 


Je 


| ERN | 
meine verehrten Feftgafte, la 
Uuf das Mob! unserer Gogialhilfeenpfänger!Gie [eben Hod! KHod! Hog 


— 


FORDERUNGEN DER SOZIALHILFE-AKTION PROGRAMM DER SOZIALHILFE—- AKTION 


10,00 Uhr 
7 Informationsstände vor der Festhalle 
® Nichtanrechnung des Kindergeldes am Messegelände 

auf die Sozialhilfe zur Eröffnung des Fürsorgetages 


® Kostendeckende Regelsätze 


® Kostendeckende Beihilfen für Bekleidung Möbel, 


Hausrat, Heizung und Winterbrand 
15.00 Uhr 


a ic hende und nichtdiskriminierende Kundgebung und Informationsstände 
—— von Frauenhäusern vor der Paulskirche 
unc TOE TA : — 
anderen Selbsthilfe gruppen zum Festakt des Deutschen Vereins 





AUFRUF 


SOZIALHILFE-AKTION 

ZUM 100 JÄHRIGEN BESTEHEN DES DEUTSCHEN VEREINS 
UND ZUM 69. FÜRSORGETAG 

AM 23. APRIL 1980 IN FRANKFURT/M. 


"Der Deutsche Verein besteht 1980 100 Jah- 
re. Aus diesem besonderen Anlaß findet der 
69. Deutsche Fürsorgetag im Jubiläumsjahr 
am Vereinssitz in Frankfurt am Main statt. 
Der Festakt in der Paulskirche und das Kon- 
zept des Deutschen Fürsorgetages im Messe- 
gelände sind von einem besonderen Vorstands- 
ausschuß und von einer Arbeitsgruppe der 
hauptamtlichen Referenten in der Geschäfts- 
stelle vorbereitet worden. 

Es wird im Grundsatz an dem bewährten Ta- 
gungsablauf der vorhergehenden Deutschen 
Fürsorgetage festgehalten." 

(Aus dem Programm des Deutschen Vereins) 


Das 100jährige Bestehen des Deutschen Vereins und der 69. Deutsche 
Fürsorgetag finden zu einem Zeitpunkt statt, in dem der fortschrei- 
tende Abbau von Sozialleistungen auch auf die Sozialhilfe überge- 
griffen hat. 


Im November 1975 kritisiert der "Deutsche Städtetag" den "überpropor- 
tionalen Anstieg" der Sozialhilfeausgaben und die "schwerwiegenden 
zusätzlichen Belastungen" für die Träger der Sozialhilfe. Ein halbes 
Jahr später spricht der "Deutsche Landkreistag" von "Fehlentwicklun- 
gen bei der Sozialhilfe", von "Mißbrauchtatsbeständen" und "teilwei- 
se überzogenen und mißbräuchlich genommenen Leistungen". 1977 fassen 
die Ministerpräsidenten der Länder einen Beschluß zur "Reduzierung 
der Sozialhilfekosten". 
Unterstützt wird diese gegen die Sozialhilfeempfänger gerichtete 
Kampagne von einem Teil der Presse: 
e "Bild" vom 2.2.1977: 

Deutschlands faulster Gärtner lebt von Sozialhilfe 
e "Ouick" vom 10.2.1977: 

Unversehämte Arme - Sie leben in Saus und Braus - auf unsere Kosten 
e "Bild" vom 29.7.1978: 

1 430 Mark Sozialhilfe plus Schwarzarbeit = Mercedes - Wie der 

schlaue Alfons (28) mit Bauchweh schön lebt 


Der Deutsche Verein legt 1976 unter dem irreführenden Titel "Vor- 
schläge zur Weiterentwicklung der Sozialhilfe" auf die finanzielle 
Situation der Städte und Landkreise abgestimmte "Prüfungen" vor. 
Darin stellt er fest:"” ... die dafür aufgezeigten Wege erfordern ins- 
gesamt keine Mehraufwendungen. Die Einsparungen sind sogar 
höher, als es die voraussichtlichen Mehrausgaben sein werden." 


Schon 50 Jahre vorher schlug er mit dem Aufruf "Die Notwendigkeit 
von Sparmaßnahmen ergibt sich aus der Gesamtlage der deutschen Wirt- 
schaft", "Sparmaßnahmen unter möglichster Aufrechterhaltung des Ge- 
samtstandes der Fürsorge" vor. 

1977/78 rücken die ersten Bundesländer von der in den vergangenen 
Jahren geübten Praxis ab, die Regelsätze jeweils jährlich um einen 
minimalen Betrag anzuheben. Die Beträge für die sog. einmaligen Bei- 
hilfen, wie Bekleidungsbeihilfen werden von den Städten und Landkrei- 
sen eingefroren oder sogar gekürzt. 

Dies führt zu einer einschneidenden Verschlechterung der Lebenslage 
von Sozialhilfeempfängern. Davon findet sich allerdings in dem Pro- 
gramm des Deutschen Vereins zum 100jährigen Bestehen nichts. Dabei 
ist es gerade der Deutsche Verein,der unter dem Mantel der Unabhän- 
gigkeit und Wissenschaftlichkeit mit seinen Gutachten, Empfehlungen, 
Vorschlägen und insbesondere durch die Zusammenstellung des sog. 
Warenkorbs, der der Berechnung der Regelsätze zugrundeliegt, ent- 
scheidenen Einfluß auf die Lebenslage von Sozialhilfeempfängern aus- 


übt. 


Deshalb will die SOZIALHILFE-AKTION gegen "den bewährten Tagesablauf 
der vorhergehenden Fürsorgetage" die Lage von Sozialhilfeempfängern 
am 23. April 1980 darstellen. 

Angeknüpft wird dabei an erste Ansätze einer Gegenwehr von Sozialhil- 
feempfängern ‚wie sie sich in den rund 50 Sozialhilfegruppen in der 
BRD und in den ersten zentralen Demonstrationen in Wiesbaden und Bonn 


für die "Nichtanrechnung des Kindergeldes'" zeigt. 


Aufgabe der SOZIALHILFE-AKTION ist es: 
® Die Lebenslage der Sozialhilfeempfänger in der Öffentlichkeit be- 


kannt zu machen. 
© Den Einfluß des Deutschen Vereins auf die Lebenslage von Sozialhil- 


feempfängern klar zu stellen. 


Wir fordern Euch auf: 
® Bildet lokale Vorbereitungsgruppen 
© Beteiligt Euch an der SOZIALHILFE-AKTION am 23. April 1980 in 
Frankfurt 
- ab 10.00 Uhr Informationsstände vor der Festhalle/ 
Messegelände (Eröffnung des Fürsorgetages) 
- ab 15.00 Uhr Informationsstände und Kundgebung vor der 
Paulskirche (Festakt des Deutschen Vereins). 


unter den Forderungen 


- Kostendeckende Regelsätze 
- Nichtanrechnung des Kindergeldes auf die Sozialhilfe 


- Kostendeckende Beihilfen für Bekleidung, Möbel, Hausrat, 
Heizung und Winterbrand 

- Ausreichende und nichtdiskriminierende Finanzierung von 
Frauenhäusern und anderen Selbsthilfegruppen 


Diesen Aufruf unterstützen bisher: Soziale Arbeitsgemeinschaft e.V. 
Aachen/Sozialhilfebratung e.V. Gropiusstadt Berlin/Interessengruppe 
Sozialhilfe Duisburg/Düren/Esslingen/Landesarbeitsgemeinschaft soz- 
iale Brennpunkte e.V. Hessen/Sozialhilfegruppe Tu was Frankfurt/ 
Projektgruppe Margaretenhütte Gießen/Interessengruppe Sozialhilfe 
Hagen/Arbeitsgemeinschaft sozialbenachteiligter Familien Hildesheim/ 


NVS-Nothilfe Vereinigung für Sozialhilfe- und Arbeitsförderungsbe- 
rechtigte e.V. Kassel/Interessengruppe Sozialhilfe e.V. Köln/Kölner 
Selbsthilfe e.V. Kindergruppenarbeit Mühlheim/Verband alleinstehen- 
der Mütter und Väter, Ortsverbände Frankfurt und Mainz/Sozialhilfe- 
gruppe Velbert/Arbeitsfeld Sozialarbeit im Sozialistischen Büro/ 
Arbeitsgemeinschaft Sozialpolitische Arbeitskreise/Arbeitskreis 
Kritische Sozialarbeit Frankfurt/"ausgepackt"-Zeitung für Sozial- 
arbeiter in Frankfurt/Bund Deutscher Pfadfinder,Landesverband Hessen/ 
Jugendpolitisches Forum Wiesbaden/päd.extra Sozialarbeit/Projektgrup- 
pen "Warenkorb" der Fachhochschulen Fulda und Frankfurt/Fachschafts- 
rat Pädagogik Mainz 


Kontaktadresse: Sozialhilfe-Aktion c/o AG Tu was Fachbereich Sozial- 
arbeit, Limescorso 5, 6 Frankfurt 
Telf.: Albert Hofmann 0611/59 66 53 





rokla 


Zeitschrift für politische Ökonomie 
und sozialistische Politik 


Neustrukturierung 
bürgerlicher Herrschaft? 


x 


Editorial, Korporativismus als Form 
der Neustrukturierung bürgerlicher 
Herrschaft? / Hajo Funke/Bodo Zev- 
ner, Profit aus der Angst - Ökonomie 
und ‘Psychologie’ in der Wahlkampf- 
strategie der CDU/CSU / Karl E. Loh- 
mann, Strauß, die Grünen und das 
sozialistische Wahldilemma / Kurt 
Hübner/Dick Moraal, Zwischen Ver- 
bändegesetz und ’Konzentrierter 
Aktion’ - Korporativistische Neu- 
strukturierungsversuche / Bernhard 
Blanke, Reproduktion des Kapitals 
als Verfassungsproblem / Hans 
Kastendiek, Neokorporativismus? - 
Thesen und Analysen-Konzepte / 
Michele Salvati/Giorgio Brosio, Poli- 
tik und Markt in der Krise: Die indu- 
striellen Beziehungen im Europa der 
siebziger Jahre / Gerd Armanski, Mi- 


— — ee ee ee 


litarismus und Soldatenphantasien / 


Peter v. Oertzen/Redaktion Prokla, 


Kontroverse zur Bahro/Abendroth- 
Resolution in Prokla 36. 





Wolf Perdelwitz 


ZUM LEBEN ZUWENIG — ZUM STERBEN ZUVIEL 
— Zur Situation der Sozialhilfeempfänger — 
(aus: Stern Nr. 12/1977) 


Die selbstzufriedene Bilanz des Bundesfinanzministers, der kein 
Elend in unserem Land entdecken kann, ist leider falsch. Mit fünf 
Mark und 37 Pfennigen täglich glaubt der Wohlstandsstaat Bundesrepu- 
blik die Teller der ärmsten seiner Armen füllen zu können. 5,37 Mark 
- so viel steht einem Sozialhilfeempfänger pro Tag für seine Ernäh- 
rung zu. Keiner der Bürokraten, die diese Summe festlegten, war 

Je gezwungen, davon satt zu werden. Millionen - vor allem alte Leu- 
te, Kleinrentner - vegetieren am Rande des Existenzminimums, und sie 
schämen sich dessen auch noch. 


Am Samstag bereitete Willi Barteldes, 60, Schneider in Schleswig, 
das Ende vor. Er bestellte beim Eierhändler Hansen die wöchentliche 
Lieferung ab: "Nächste Woche brauchen wir keine Eier mehr." Dann 
räumte er die Wohnung auf und kündigte die Zeitung. Als am Montag- 
vormittag der Gerichtsvollzieher kam, um den Schneider und seine Frau 
wegen Mietschulden ins städtische Obdachlosenheim einzuweisen, waren 
beide tot. 

Willi Barteldes hatte erst seine Frau Käthe mit dem Beil erschlagen 
und dann sich selbst mit hundert Schlaftabletten das Leben genommen. 
Weil er sich seiner Armut schämte, hatte er im Frühsommer bereits 
auf die ihm zustehende Sozialhilfe verzichtet. Als der Winter kam, 
konnte er die neuerliche Schmach, das Obdachlosenasyl, nicht mehr 
ertragen. 

Eine Woche später schickte sich im bayrischen Töging, nach dem from- 
men Altötting, der Sozialhilfeempfänger Anton Vogl an, aus dem Le- 
ben zu scheiden. In der Nacht sprach der 56jährige auf Tonband: 

"Ich bin arbeitslos. Niemand stellt mich ein. 250 Mark Fürsorge sind 
zum Leben zuwenig und zum Sterben zuviel." Am Sonntagvormittag ging 
der ehemalige Tankstellenpächter zum Grab seiner Mutter und erschoß 
sich. 


"Das Netz der sozialen Sicherheit wird immer dichter", rühmte die 
Bundesregierung im vergangenen Wahlkampf ihre Sorge für Arme und Al- 
te, für Mühselige und Beladene. Und Ministerialrat Dr. Günther Hal- 
bach vom Arbeits- und Sozialministerium ist sicher: "Wir haben das 
bestausgebaute Sozialleistungsnetz der Welt." 

Mag sein. Doch der Schneider im Norden und der Fürsorgeempfänger im 
Süden setzten aus Armut ihrem Leben selber ein Ende. Waren sie nur 
Betriebsunfälle - durchgerutscht durch die Maschen eines an sich in- 
takten sozialen Netzes? Oder zeigt ihr Tod Fehler im System? 

"Trotz hoher Arbeitslosigkeit gibt es in unserem Lande kein verbrei- 
tetes Elend", behauptete Deutschlands oberster Kassenwart, Bundesfi- 
nanzminister Hans Apel, vor dem Bundestag. Eine vergleichende Studie 


BR i oe 


über die Lebensverhältnisse in Frankreich, Großbritannien und der 
Bundesrepublik, die zur Zeit im Auftrag der Europäischen Gemeinschaft 
erarbeitet wird und im Frühjahr veröffentlicht werden soll, dürfte 
ihn widerlegen: Auch in unserem Wohlstandsstaat leben Millionen in 
Armut. 

Auf erschreckendes Elend und bitterste Not waren schon die Kölner 
Sozialwissenschaftler Otker Bujard und Ulrich Lange gestoßen, als 
sie Ende letzten Jahres eine Untersuchung über "Theorie und Praxis 
der Sozialhilfe" vorlegten. Sie hatten tausend Männer und Frauen 
über 60 befragt, wie's denn wirklich aussähe mit dem goldenen Alter. 
Das Ergebnis: Das Bild vom fröhlichen Rentner-Tourismus, von sorglo- 
sen Senioren, die winters ihr Altenteil auf Mallorca verjuxen, ist 
falsch. 

Sicher: Wer in Not gerät, hat Anspruch wenigstens auf Sozialhilfe. 
Das macht je nach Bundesland monatlich zwischen 282 Mark (Bayern) 
und 296 Mark (Rheinland-Pfalz) zuzüglich Wohngeld aus. Familienan- 
gehörige bekommen etwas weniger, Invaliden , Rentner und werdende 
Mitter 30 Prozent mehr. Doch dieser Anspruch steht oft nur auf dem 


Papier des Bundessozialhilfegesetzes. 


SELBST FÜR NOTFAHRTEN MUSS KOSTENERSTATTUNG 
VORHER BEANTRAGT WERDEN 


"Die Hälfte aller alten Menschen, die berechtigt wären, Sozialhilfe 
zu beanspruchen, macht diesen Anspruch nicht geltend", fanden die 
Kölner Soziologen heraus. Als Gründe orteten sie Rechtsunkenntnis, 
unzureichende Beratung und die Angst, als Bettler zu gelten. 

Zu dieser Angst trägt das bisweilen rüde Vorgehen mancher Sozialäm- 
ter bei. Maria Etheber in Köln-Buchforst, 75 Jahre alt, hat solche 
Behördenkälte erfahren. Sie ist herzkrank und hat Zucker. Drei Kin- 
der hat sie in die Welt gesetzt. Die schicken ihr monatlich insge- 
samt 400 Mark, von denen sie lebt. Die Miete für ihre winzige Zwei- 
Zimmer-Wohnung zahlt sie von 44 Mark Wohngeld, die der Staat ihr gibt, 
und 30 Mark, die ihr der katholische Pfarrer monatlich zusteckt. 

Zur Adventszeit im vorigen Jahr fragte die alte Dame bei ihrem So- 
zialamt an, ob sie ein wenig Kohlen-Zuschuß und Weihnachtsbeihilfe 
bekommen könnte. Die bürokratische Antwort der Fürsorger: "Sie selbst 
haben am 16.12.1974 eine Erklärung abgegeben, wonach Sie auf weitere 
Zahlungen des Sozialamtes, gleich welcher Art, jetzt und für die Zu- 
kunft verzichten." 

Damals, im Dezember 1974, hatte das Kölner Sozialamt die Unterstüt- 
zungspflicht für Maria Etheber auf deren Kinder abgewälzt - ganz 

wie es das Gesetz befiehlt. Die schlauen Beamten hatten ihr jedoch 
flugs auch jene Verzichterklärung untergejubelt, die sie nun, zwei 
Jahre später, aus den Akten hervorkramten. Und so war's für Maria 
Etheber nichts mit den 80 Mark Weihnachtsbeihilfe, die sonst Kölner 
Sozialhilfeempfänger bekommen. (Gottlob gab die Domstadt auch in 
diesem Jahr wieder ihren Narren eine knappe halbe Million Zuschuß 
zum Karnevalszug.) 


Wie pingelig das Sozialamt auf die Pfennige sieht, erfuhr auch das 


Rentner-Ehepaar Ottersbach in Köln-Buchforst. Als Helene Ottersbach, 
79, auf Anweisung ihres Arztes sofort und mit einem Taxis ins Kran- 


= IR = 


kenhaus gefahren werden mußte, hoffte ihr Mann Willi, 72, die Fahrt- 
kosten, acht Mark, vom Sozialamt ersetzt zu bekommen. Doch das lehn- 
te der Sachbearbeiter Schneider ab. Die Notfahrt hätte vorher bean- 
tragt werden müssen. 

Aber als die Sachbearbeiter dann hörten, Frau Ottersbach sei sechs 
Wochen im Krankenhaus gewesen, wurden sie munter. Sie strichen ihr 
für diese Zeit die Sozialhilfe bis auf ein Taschengeld zusammen. 
Willi Ottersbach: "Wir sind nicht auf Rosen gebettet." 


Ihnen geht es wie vielen Rentnern in der Bundesrepublik. 2,3 Millio- 
nen Menschen in 1,1 Millionen Rentner-Haushalten haben weniger zum 
Leben, als ihnen nach den Sozialhilfe-Sätzen zustehe, errechnete im 
vorigen Jahr das rheinland-pfälzische Sozialministerium. Zwar warte- 
te das Bundessozialministerium 1976 mit imponierenden Zahlen auf: 
Seit 1971 haben sich die Renten verdoppelt, seit 1957 gar mehr als 
vervierfacht. Doch das starke Gefälle zu Lasten der Kleinrenten wird 
auch durch solche Rechnungen nicht eingeebnet. Wer 1957 eine Rente 
von 200 Mark bekam, kriegt heute 770 Mark. Wer indessen damals schon 
500 Mark bezog, kassiert mittlerweile 1930 Mark. Mit der Vervierfa- 
chung der Renten vervierfachte sich also auch der Einkommensunterschied 
zwischen den armen und den reichen Rentnern. 

Und dabei wird es fürs erste auch bleiben. Nach dem jüngsten Hickhack 
um die Rentenerhöhung wagt sich in Bonn auf Jahre hinaus niemand 
mehr an eine Änderung des bestehenden Systems. Der neue Arbeits- und 
Sozialminister Herbert Ehrenberg erklärte im Januar, die hohen Ren- 
ten sollten nicht zugunsten der Mini-Renten gekappt werden. Denn - 
so die skurrile Begründung aus Ministermund - hohe Renten seien das 
Ergebnis eines arbeitsamen Lebens. Wer dieserLogik des Sozialdemo- 
kraten Ehrenberg folgt, muß die kargen Renten von Arbeiterwitwen als 
gerechte Strafe für ein Leben in Faulheit halten. 


Gesellschaftlicher Wohlstand wird von allen erarbeitet. Auch wer im 
Alter arm ist, hat zumeist sein Leben lang hart gearbeitet - nur 
eben, wie Millionen Hausfrauen, an einem Platz in der Gesellschaft, 
der für die Rentenversicherung nicht oder wenig zählt. Doch an die 
absurde Gleichung "Hohe Leistung = hohes Einkommen" glauben im Wohl- 
standsstaat offenbar auch viele Arme selber. Weil sie "nichts mehr 
leisten", scheuen Rentner den Weg zum Sozialamt, sparen sich allein- 
stehende Mütter das Essen für ihre Kinder vom eigenen Munde ab. Da- 
bei macht die zunehmende körperliche Gebrechlichkeit der Alten nur 
um so wehrloser gegenüber der materiellen Not. 

Diese Not mag bisweilen banal aussehen, läßt aber dennoch das Leben 
zur Qual werden: In Kassel lebt Anna Wirges (Der Name wurde auf 
Wunsch der Betroffenen geändert), 73 Jahre alt, verwitwet. Ihre Zwei- 
Zimmer-Wohnung im vierten Stock hat noch Kohle-Öfen. Acht Briketts 
wenigstens braucht sie täglich zum Heizen. Seit sie Wasser in den 
Beinen hat, kann sie nur noch einmal am Tag Kohlen aus dem Keller 
holen und nicht mehr als vier Briketts schleppen. So wird nur die 
Wohnküche dürftig geheizt, das Schlafzimmer der alten Frau bleibt 
kalt. Sie muß ständig zwei Strickjacken tragen und mit Decken die 
Fensterritzen verstopfen. 

Die Soziologen Bujard und Ulrich stellten fest: "Nur knapp die Hälf- 
te der alten Menschen verfügt über Bad und Dusche, Zwei von drei Al- 
ten müssen in kalter Jahreszeit für ihre Einzelöfen täglich Kohlen 
und Öl heranschaffen. Zu materieller Not und schlechtem Gesundheits- 


— 


zustand kommt noch der Mangel an sozialen Beziehungen." So gaben 
77 Prozent der Befragten an, daß sie keine Cafés, Restaurants oder 
Gastwirtschaften besuchten. Aber auch die Bewirtung von Gästen zu 
Haus stellt für 54 Prozent eine zu große finanzielle Belastung dar. 


Zwar bestimmt das Gesetz, die Sozialhilfe solle mehr geben, als zur 
Sicherung des Existenzminimums notwendig ist. Doch die Wirklichkeit 
sieht anders aus: Als Studenten in Köln 1974 versuchten, für eine 
wissenschaftliche Studie eine Zeitlang von Sozialhilfesätzen zu le- 
ben, mußte das Experiment nach zwei Wochen abgebrochen werden. Die 
Teilnehmer waren entnervt vom ständigen extremen Sparenmüssen und 
sahen, wie sogar ihre sozialen Kontakte zusammenbrachen. 


Weit in die Millionenhöhe hatte im vorigen Frühjahr der rheinland- 
pfälzische Sozialminister Heinrich Geissler (CDU)das Heer der Armen 
im reichsten Land der Europäischen Gemeinschaft hochgerechnet: 

"Bei 2,1 Millionen Haushalten mit 5,8 Millionen Personen lagen im 
Jahre 1974 die monatlichen Nettoeinkommen unter den Bedarfssätzen 
der Sozialhilfe." Jeder zehnte Bundesbürger vegetiert demnach am 
Rande des Existenzminimums - oder darunter. 


Die Höhe der Sozialhilfe wird von Jahr zu Jahr nach den Preisstei- 
gerungsraten neu festgesetzt. Die Basis liefert der "Deutsche Ver- 
ein für öffentliche und private Fürsorge" in Frankfurt, der alle fünf 
bis sieben Jahre für die Bundesregierung ermittelt, was und wieviel 
ein Deutscher zum Leben braucht. Das Ergebnis heißt "Warenkorb". 

Er soll alles enthalten, was dem Sozialhilfe-Empfänger ein Leben er- 
möglicht, "das der Würde des Menschen entspricht" (Bundessozialhil- 
fegesetz , Paragraph 1). 

Der derzeit gültige Warenkorb wurde 1971 aufgestellt und war monat- 
lich 179,90 Mark wert. Durch Anpassung an die Geldentwertung ist er 
nun runde hundert Mark mehr wert, sein Inhalt hat sich jedoch nicht 
geändert. Heute soll sich danach ein Erwachsener von 161,28 Mark im 
Monat ernähren können, für seine Frau reichen 153,92 Zehrgeld und 
für Kinder, je nach Alter, zwischen 102,63 und 201,98 Mark. 

(Weil Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren besonders viele Kalorien 
zum Wachsen benötigen, erhalten sie mehr Beihilfe zur Ernährung.) 


Doch auch der arme Mensch lebt nicht vom Brot allein. Eine halbe 
Kinokarte steckte der Frankfurter Verein einer jeden Familie ins 
Füllhorn, vier Briefmarken für jedes erwachsene Familienmitglied, 
drei Flaschen Bier monatlich für Vater und eine für Mutter, dazu 40 
Gramm Erdnüsse und alle Jahre ein neues Oberhemd. Wer bei solcher 
Fettlebe Porzellan zerschmeißt, muß nicht verzagen. Eine neue Tasse 
steckt ebenso im Monatsbudget wie alle sieben Monate eine neue Glüh- 
birne. 

Dem Normalverdiener fällt es leicht, über diesen Warenkorb und des- 
sen Seltsamkeit als trauriges Kuriosum zu spotten. Doch die ihn zu- 
sammenstellten, steckten selbst in einer Zwickmühle: Fällt ihr Wa- 
renkorb zu üppig aus, ragen die Fürsorgesätze plötzlich in die Ein- 
kommensgrößen der unteren Lohngruppen - und wer möchte dann noch 
Müllkarren schieben oder am Fließband stehen? Schon jetzt liegen kin- 
derreiche Arbeitnehmer mit ihrem Einkommen häufig unter den Sozial- 
hilfesätzen - meist ohne es zu wissen. Und weil sie es nicht wissen, 
versäumen sie, sich die Differenz beim Sozialamt zu holen. 


— 


Den Städten und Landkreisen ersparen sie damit unfreiwillig Millio- 
nenbeträge. Denn bei der Sozialhilfe macht zwar der Bund die Gesetze, 
aber zahlen müssen Kommunen und Kreise, die sich bei der Kostenflut 
im Sozialwesen längst an der Grenze des Möglichen sehen. 

Doch wer von der Sozialhilfe leben muß, rechnet nicht mit Millionen- 
beträgen, sondern mit Pfennigen, und zwar mit jedem einzelnen. Rose- 
marie Müßle, 38, Hausfrau und Mutter von zehn Kindern in Karlsruhe: 
"Wenn wieder ein Monat rum ist, dann wunder' ich mich, wie hast du 
das nur wieder geschafft." Ihr Mann Harald ist Müllmann bei der Stadt. 
Er ist 35 Jahre alt und sieht aus wie Ende 40. Die Lehre hat er als 
Ofensetzer gemacht - in einem sterbenden Beruf. Erst wurde er Hilfs- 
arbeiter, dann Kranführer, schließlich fand er seinen Job bei der 
Stadt. Einschließlich 1080 Mark Kindergeld und 750 Mark Sozialhilfe 
bringt er netto monatlich 2574 Mark nach Hause. Dafür gehen gleich 
520 für die Miete ab. 

Zum Leben - für Nahrung, Kleidung, Anschaffungen und ein bißchen 
Vergnügen - bleiben 2 054 Mark im Monat, ganze 171,17 Mark je Kopf 
der Zwölf-Personen-Familie. Genaugenommen - so Rosemarie Müßle - 

"ist nach dem Frühstück schon das Geld für den ganzen Tag aufgebraucht." 
Der Weg zu den billigsten Sonderangeboten wird da zwangsläufig, doch 


dieser Weg ist lang, wenn man in einem Neubauviertel in der Vorstadt 
wohnt. 


Dabei ist es nicht allein der ständige Geldmangel, das elende Spa- 
renmüssen an allen Ecken, das jeden Tag aufs neue bedrückt. Bis Juli 
1975 haben die Müßles wegen Mietschulden in der städtischen Obdach- 
losensiedlung Killisfeld gelebt. Dann besorgte ihnen die Stadt eine 
Sozialwohnung im Neubauviertel Oberreut. 

Ihre Hausnachbarn wissen, daß die Großfamilie vom Killisfeld kommt 

- und lassen es sie spüren.Harald Müßle: "Wenn meine Kinder was anstel- 
len, ist das immer gleich doppelt schlimm." Im vorigen Sommer wand- 
ten sich die 27 anderen Familien dieses ehrenwerten Hauses mit einem 
Beschwerdebrief an die Wohnungsbaugesellschaft und beklagten, daß 
durch die Müßles und ihre zehn Kinder "der Wohnwert des Hauses stän- 
dig herabsinkt". 

Spätestens mit vier Kindern sind trotz Kindergeld die meisten Fami- 
lien an der Armutsgrenze angelangt. Und mit jedem Kind mehr wird für 
diese Familien die Wahrscheinlichkeit größer, an den Rand der Ge- 
sellschaft und schließlich ins Obdachlosenghetto abzurutschen. Damit 
ist der Keim für neues Elend schon gelegt: Zwischen 50 und 60 Pro- 
zent der Ghetto-Kinder landen in der Sonderschule, wie der Karlsru- 
her Wissenschaftler Peter König nachwies. Gesellschaftlicher Auf- 
stieg ist so den Kindern von vornherein verbaut. 


Denn in Zeiten des Lehrstellenmangels haben Sonderschüler kaum noch 
eine Ausbildungs-Chance. Berufe, in denen gut verdient wird, blei- 
ben ihnen verschlossen. So setzt sich der Kreislauf fort - Armut 
führt zu mangelnder Ausbildung, mangelnde Ausbildung zu neuer Armut. 
Franz Bogner (der Name des Betroffenen wurde geändert) in München 
hatte als Vater einen Tagelöhner. Er selbst wurde als l4jähriger mit 
dem Abschluß der 5. Klasse aus der Schule entlassen. Er wurde Stras- 
senkehrer. Das war 1912. Bogner verdiente damals 1,60 Reichsmark pro 
Tag, und er war's zufrieden: "Für fünf Pfennig bekam man damals ja 
ein großes Stück Wurst, und ein Bier kostete auch nur fünf Pfennig." 
Doch als er dann das vierte Kind gezeugt hatte, reichte der Straßen- 


An 





1430 Mark Sozialhilfe plus Schwarzarbeit = Mercedes 
Wie der schlaue Alfons (28) 


mit Bauchweh Schön lebt 


Füllen Sre doch bile das 


Antragsformular li 
orfıc a 
dref a Ler Ahes @rligung 


uf 





“SIE HABEN MICH DIE GANZEN JAHRE REGELMÄSSIG 
BETROGEN” — BERICHT EINER BETROFFENEN 


Frau K., 29 Jahre, seh- und hörbehindert, 2 Kinder, 5 und 6 Jahre, 
geschieden 


"Im Februar 1976 bin ich geschieden worden. Dann bin ich zum Anwalt 
gegangen, der hat mich zum Sozialamt geschickt. Ich kam dahin - und 
irgendwie wußte ich überhaupt nicht, was ich wollte hier warum und 
weshalb, was ich dann auch gesagt habe. 


Nun bin ich dahingegangen und habe gesagt, ich möchte für die Kinder 
ein Paar Schuhe und so, wie das wäre. Dann wurde gesagt, das ginge 
nicht, ich hätte ja schließlich noch Eltern, also regelrecht, meine 
Eltern sollten das kaufen. 

Später habe ich dann einen Kindergartenplatz beantragt. Und da hat 
der Sachbearbeiter gesagt, ich soll erst einmal schaffen gehen. Ich 
täte auf Kosten des Staates leben, ich soll lieber schaffen gehen. 
Da habe ich dann gesagt, ich kann nicht arbeiten gehen, ich bin be- 
hindert. Aber das nützt nichts. 


Meine Behinderung ist dann vom Sozialamt überprüft worden. Der Sach- 
bearbeiter hat dann gemeint, das wäre gar nicht so und ich sollte 
versuchen, arbeiten zu gehen. Dann habe ich gesagt, das geht nicht. 
Er meinte, ich sollte wieder zum Augenarzt gehen. Das habe ich dann 
auch gemacht, und der Augenarzt hat dann geschrieben, daß ich auf 
Dauer erwerbsunfähig bin. 


Mit dem Sachbearbeiter in der "Wirtschaftlichen Sozialhilfe" habe ich 
mich überhaupt nicht verstanden. Es war unmöglich,mit dem Mann eine 
Einigung zu erzielen. Es ging soweit, daß er sagte: Ich könnte ihm 

am Arsch lecken. Und so, auf die Tour. Er hätte keine Zeit für mich. 
Tür aufgemacht - ich könnte nach Hause gehen. 

Ich habe manchmal Beihilfe gekriegt, wenn ich mal sowas hatte oder 
so, wenn ich was wollte. Aber es war unmöglich,mit ihm eine Einigung 
zu erzielen. 


Bis ich dann zum Verband alleinerziehender Mütter und Väter ging. 
Ich bin dorthin hingegangen und habe denen gesagt: ich komme einfach 
nicht klar mit den 600 Mark. Das geht einfach nicht. Also dann sind 
wir da hin, die Frau vom Verband und ich. Sie hat mit denen geredet, 
dann hatte ich erstmals DM 450.-- Beihilfe gekriegt. Dann hat sich 
auch herausgestellt, daß ich monatlich DM 50.-- mehr bekommen muß. 
Sie hatten mich die ganzen Jahre um DM 50.-- regelrecht betrogen. 
Wir haben dann eine Dienstaufsichtsbeschwerde gemacht. 


—— 


“ANGST UND ISOLATION” 
— Brief an die Vorbereitungsgruppe der Sozialhilfe-Aktion — 


*.s...... Mein von mir seit 12 Jahren getrenntlebender Ehemann ist 
gestorben, Dadurch sind mir hohe Unkosten entstanden, außerdem hat 
er nur Schulden hinterlassen. Um wenigstens meine in dieser Sache 
entstandenen Kosten zu decken, muß ich mit dem Sozialamt harte Käm- 
pfe um das Sterbegeld, das mir eigentlich zusteht, führen. Das hat 
zur Folge, daß ich jedesmal, wenn ich mit meiner ganzen psychischen 
und geistigen Kraft meine Interessen vertreten habe, nach einem bis 
zwei Tage einen Migräneanfall erleide. (Psychosomatisch) 
Andere bekamen Magengeschwüre. Trotzdem will ich versuchen, beim 
Gericht etwas zu erreichen, so wie es die Marburger Gruppe geschafft 
hat, Fahrgeld zu einem Treffen bewilligt zu bekommen. Leider ist 
unsere Gruppe noch ziemlich klein, und es gibt niemanden, der mich 
aktiv unterstützt. Die Einzige, die bereit ist, etwas zu tun, liegt 
mit einer Gehirnoperation im Krankenhaus. (23 Jahre) Nach 14 Tagen 
erhält sie ihre HZL nicht mehr voll, sondern lediglich ein Taschen- 
geld von 90.- DM. Ein Mitglied unserer Gruppe hat sich das Leben 
genommen, 23 Jahre - . Überhaupt ist die psychische Situation unter 
den Sozialhilfeempfängern alarmierend, bedingt durch das wenige Geld 
und die Angst zur "psychischen Folterung" zu gehen. So nennt es ein 
Mitglied unserer Gruppe. In der Mehrzahl handelt es sich wohl überall 
um alleinstehende Mütter mit Kindern; aber auch die Alleinstehenden 
haben es schwer. Sie leiden unter der Isolation - bedingt durch Man- 
gel an Geld. Sie können niemanden einladen und können niemanden be- 
suchen, einmal, weil sie das Fahrgeld nicht aufbringen können, zum 
anderen, weil sie kein Geld für kleine Geschenke haben. - Ich möchte 
sehr gerne nach Frankfurt kommen!!! - Leider ist meine Schreibma- 
schine zur Reparatur (Walze neu beziehen 25.- DM, Arbeitslohn für 
Walzeeinbauen 1 Std. = 35.- DM, zusammen 60.- DM!!!) 
Ich bedanke mich für Eure Einladung, auch im Rahmen unserer Gruppe 
und grüße Euch 
midt doch, wicht doch es py 
M puht tu kefas ‚ww es au a IT mene 
7 seken? , 








NETTE SPRÜCHE 


— Gesammelt im Hagener Sozialamt — 


© Eine Sozialhilfeempfängerin fragt nach dem ihr wegen Krankheit zu- 
stehenden Mehrbedarfszuschlag. Antwort des Sachbearbeiters: "So 
krank können Sie nicht sein, sonst wären Sie doch nicht hier." 


© Es soll geklärt werden, ob eine Sozialhilfeempfängerin in einer 
eheähnlichen Gemeinschaft lebt. Die Sozialhilfeempfängerin ist er- 
bost. Bemerkung des Sachbearbeiters: "Dann legen Sie sich doch meh- 
rere Männer zu, das läßt sich nicht so leicht kontrollieren." 


@''Wwas, Handschuhe wollen Sie haben? Das ich nicht lache! Stecken Sie 
ihre Hände in die Tasche, ich tue das auch." 


® Die Interessengruppe Sozialhilfe will die Sachbearbeiter entlasten, 
darum werden auch alle Anträge von uns schriftlich gestellt. Eine 
Sachbearbeiterin nutzte die gewonnene Zeit, um unseren Antrag nach 
Schreib- oder Tippfehlern abzusuchen. Zwei Fehler wurden säuberlich 
unterstrichen. Oh, heiliger Bürokratismus. 


® Der mündliche Antrag einer Sozialhilfeempfängerin wurde mit dem 
folgenden Satz abgelehnt: "Ja glauben Sie denn, ich habe einen Sack 
voll Geld unter dem Schreibtisch stehen?" 


® Eine Sozialhilfeempfängerin liegt im Krankenhaus. Da sie jetzt kein 
Geld für die Ernährung benötigt, bekommt sie dieses Geld auch nicht 
vom Sozialamt. Das ist richtig. Wenn sie aber Seife, Zahncreme, usw. 
beantragt, so ist das verständlich. Sozialhilfeempfänger waschen 

sich nämlich auch. Der Antrag wurde abgelehnt. Über die Begründung 
haben wir noch lange gelacht. "Für Kosmetik haben wir kein Geld." 


(aus: Broschüre der Interessengruppe Sozialhilfe Hagen e.V.) 


FÜLLEN SIE DAS HIER ERSTMAL AUS | 






‚2 vy 
Riv g 
he baro’ be 
ww d wien 


d 





r p — — — RUE 
Kia nn aan on anne Ts ana 


ENEY 1 
x af $ 








Jean Carpentier 
Aufwiegelung zur Gesundheit 


Aufzeichnungen eines 
französischen Kassenarztes 


Rotbuch 217 - 160 S. - ca. 9 Mark (Abo 8) 


Meine Kranken 

Mein Arzt 

Da fängt es schon an mit den Fallen. 
Da steckt schon der Gedanke 

des Besitzergreifens drin. 

Ich denke dabei an den Eindruck, 
den der Kranke hat, 

daß sich nämlich der Arzt 

einzig und allein um ihn kümmert. 
Versuche ich als Arzt, 

mich immer gleich zu verteidigen? 
Vielleicht ist etwas dran, aber... 


Susan George 


Wie die anderen sterben 

Die wahren Ursachen des Welthungers 

2. erweiterte Auflage 

Rotbuch 179 - 240 Seiten : 13 Mark (Abo 12) 


Aus dem Inhalt: Reiche und Arme - wer 
zahlt für wen? / Der Mythos von der Über- 
bevölkerung / Die einheimischen Eliten - 
und wie man dazugehört / Wem nützen neue 
lechnologien / Geplante Knappheit / No 
Business like Agribusiness / Wo steht die 

Uno?/ Wastreibtdie Weltbank 


»Manche Leser werden dies Buch unange- 
| messen polemisch, tendenziös und parteilich 
finden. Genau das hoffe ich.« 


Hellmuth Schehl 
Vor uns die Sintflut? 


Ökologie, Marxismus, und die 
herrschende Zukunftsgläubigkeit 


Rotbuch 167 : 96 Seiten - 6 Mark (Abo5) 


Hellmuth Schehl faßt die Daten der globalen 
Ökologischen Katastrophe, die sich über un- 
seren Köpfen zusammenbraut, zu einer be- 
stürzenden Gesamtbetrachtung zusammen. 
Widerlegen diese Fakten die linke Zukunfts- 
gläubigkeit? Ist die Frage »Sozialismus oder 
Barbarei« bereits überholt? Ist es nicht schon 

zu spät für jede Alternative? 





Rotbuch 











David Cooper 
Die Sprache 
der Verrücktheit 


Erkundungen ins 
Hinterland der Revolution 


Rotbuch 193 - 176 S. - 12 Mark (Abo 11) 


Die Sprache der Verrücktheit ist nicht mehr 
und nicht weniger als die Verwirklichung der 
Sprache. Unsere Wörter beginnen den ande- 
ren zu berühren, und darin liegt die Gefähr- 
lichkeit der Verrücktheit: wenn sie ihre Wahr- 
heit ausspricht. Eine Gefahr, die einzige Ge- 
fahr der Verrücktheit, ist die gewaltsame Ent- 
normalisierung der banalen Wörter einer in 
den Netzen der Sicherheit gefangenen Welt. 


Kursbuch 28: 


Das Elend mit der Psyche 
I Psychiatrie 
192 Seiten + 7 Mark (Abo 5) 


Totale Institution und Klassencharakter der 
Psychiatrie / Der Reformismus / SPK und 
Staatsapparat/Insassen: Patienten als Objekt/ 
Autobiografie eines Entkommenen/Psychi- 
sche Verelendung und die Politik der Psychia- 
trie 


Kursbuch 29: 


Das Elend mit der Psyche 


II Psychoanalyse 

208 Seiten - 7 Mark (Abo 5) 
Psychonanalyse als  Herrschaftswissen- 
schaft”/Auf der Couch (und dahinter)/Die 
Benutzung einer bürgerlichen Wissenschaft/ 
Odipus - ein bürgerlicher Konflikt?/Zur 
Ethnopsychoanalyse: Odipus in Afrika 


Kursbuch 51: 


Leben gegen Gewalt 

192 Seiten : 8 Mark (Abo 6) 

mit Artikeln von ::Peter Schneider/Heinar 
Kipphardt/Jakob Moneta/Inge Horni- 
scher/Yaak Karsunke/Heinrich Hanno- 
ver/K.H.Roth/WaAalter Adler/J.J.Pfänder 
und Christian 





“NEIN KINDER, DAS GEHT NICHT” 


— Bericht einer Betroffenen — 


Alleinerziehende Mutter, berufstätig, 3 Kinder, 
bezieht ergänzende Sozialhilfe 


"Was den Lebensunterhalt angeht, unter dem Motiv "'menschenwürdiges 
Dasein', so ist das meines Ermessens sehr sehr zweifelhaft. 

Ich weiß, welche Entbehrungen ich auf mich nehme. Z.B. wenn ich mal 
am Sonntag mit meinen Kindern in den Taunus fahre, so bedeutet dies 
Geld für die Straßenbahn. Oder - da ich meinen Kindern, wenn auch 
ein ganz geringes aber immerhin doch ein Taschengeld zugestehe. Ich 
weiß, daß das Opfer sind, die ich mir nur leisten kann, weil mein 
Bruder ab und an mal meinen Kindern etwas zusteckt. Nur so kann ich 
mir diese Extras leisten. Von dem Geld was ich verdiene plus der 
Sozialhilfe, könnte ich mir praktisch mit den Kindern gar nichts lei- 
sten. 


Theaterbesuch - auch Theaterbesuch mit den Kindern ist unmöglich. 
Wenn ich einmal im Jahr von der Wohlfahrt die verbilligten Karten 
bekommen kann, um ein Theater im Schauspiel zu sehen, mit meinen Kin- 
dern, dann ist es trotz der Verbilligung immer noch zu viel. Ein 
verbilligter Theaterbesuch ist für mich ein Zwanzigmarkschein und 

ein DM 20-Schein, um 2 Stunden Theater sehen zu können, ist zu viel. 
Ganz zu schweigen von dem Luxus einmal auszugehen, z.B. in ein Re- 
staurant. Das gibt es überhaupt nicht, das kann ich mir nicht lei- 
sten. 


Eingekauft wird, was Lebensmittel angeht, sowieso nur in Billigge- 
schäften. Mein Geschäft ist Aldi. Beim Aldi kauf ich auch nur die 

Sachen, die im Sonderangebot sind. In anderen Geschäften kaufe ich 
auch nur die Sonderangebote. 


Wenn es Kleidergeld gibt, z.B. für mich und meine Kinder, könnte ich 
nie sagen, daß ich vom Kleidergeld meinen Kindern ausreichend Klei- 
dung kaufen könnte. Außerdem bin ich gezwungen, das Geld - und ich 
glaube es geht vielen so - für den täglichen Bedarf und für das täg- 
liche Leben zu benützen. 

Ich habe das Glück, daß nun meine Kinder keine Ablehnung zeigen, wenn 
sie Kleider tragen, die von anderen Leuten kommen - aus zweiter Hand. 
Praktisch bekommen meine Kinder nur zum Geburtstag und zu Weihnach- 
ten jeweils ein einziges Kleidungsstück, welches ich neu mit ihnen 
gekauft habe. Neu kaufen muß ich in der Hauptsache Schuhe. Denn Schu- 
he, auch gebrauchte zu finden für Kinder, ist so gut wie unmöglich, 
die Kinder sind in einem heranwachsenden Alter,und der Schuhbedarf 
ist doch relativ hoch. 


Was sehr bedrückend ist, ist, daß man praktisch schon ein schweres 


— 


Schicksal hat und außerdem alleine als Mutter mit den Kindern da- 
steht. Hinzu kommt, daß die Kinder dann in der Schule, bei Klassen- 
kameraden sehen, daß sie praktisch in einer Welt leben, die bezeich- 
net wird als eine Konsumgesellschaft, in der der Lebensstil im all- 
gemeinen doch höher ist. Den Kindern wird doch klar bewußt, wie wir 
leben. Z.B. wir sind in der Stadt, es ist heiß , sie haben Lust auf 
ein Eis. Ich muß sagen: "Nein Kinder, das geht nicht". Sie haben auch 
mal Lust, sich Pommes frites auf der Straße zu kaufen - mal ganz 
frisch: "Nein, das geht nicht". Dann kaufen wir lieber die Pommes 
frites im Sonderangebot und machen sie zu Hause. Egal welche Wünsche 
die Kinder haben, ich muß als Mutter jedesmal sagen: "Nein". Das ist 
eine Sache, die eigentlich dem Herzen einer Mutter immer wieder sehr 
weh tut und in einer gewissen Beziehung zu einer Verbitterung führt. 
Gut - meine Kinder stellen keine großen Ansprüche. Sie kennen die 
Situation. Wenn sie einmal einen kleinen Wunsch äußern, dauert es 
sowieso schon lange. Sie wissen, daß ich ihn nicht erfüllen kann . 
Trotzdem rutscht es immer wieder durch und in den meisten Fällen oder 
eigentlich immer, muß ich sagen: "Nein Kinder, das geht nicht". 


Vielleicht kommen mal bessere Zeiten, dann können wir uns das auch 
leisten. Evtl. mal im Kino sitzen, im Cafe, ein Eis essen, viel- 
leicht eine Schallplatte, ein größeres Geburtstagsgeschenk..." 





Falco Werkentin 


DIE QUANTIFIZIERUNG DER WÜRDE DES MENSCHEN 
NACH DEM BUNDESSOZIALHILFEGESETZ 
(aus: Kritische Justiz Nr. 3/1974) 


So viele Reden auch am Verfassungstag gehalten wurden, so viele Leitartikel 
auch 25 Jahre Grundgesetz würdigten, über die tagtägliche mühevolle Arbeit, 
Verfassungsauftrag und Verfassungswirklichkeit in Übereinstimmung zu brin- 
gen, wurde wenig berichtet. Dies an einem Beispiel nachzuholen, versucht mein 
kleiner Beitrag. 

Zu berichten ist von einer Gruppe sozial erfahrener Experten, die 1970 auszog, 
die Würde des Menschen zu quantifizieren, und dabei so erfolgreich war, daß 
die Ergebnisse dieses Versuchs der Operationalisierung von Artikel ı Abs. ı des 
GG zur Grundlage sozialadministrativer Entscheidungen gemacht wurden. 
Interessant ist nicht nur der Weg, der hier zur Operationalisierung von Verfas- 
sungsnormen eingeschlagen wurde, sondern interessant sind auch die Ergebnis- 
se, haben wir doch fortan einen empirischen Maßstab, der für einen Teilbereich 
zu einer von wilden und subjektiven Urteilen freien Einschätzung unserer 
Verfassungswirklichkeit verhelfen kann. 

Hatte bereits 1954 das Bundesverwaltungsgericht! unter Verweis auf die Leit- 
gedanken des GG entschieden, daß Bedürftige gegenüber den Trägern der 
Sozialhilfe einen einklagbaren Rechtsanspruch auf die Gewährung des notwen- 
digen Lebensunterhalts haben, so erweiterte das am ı. 6. 1962 in Kraft getre- 
tene Bundessozialhilfegesetz (BSHG) diesen Rechtsanspruch ganz entscheidend 
($ 1, Abs. 2): »Aufgabe der Sozialhilfe ist es, dem Empfänger der Hilfe die 
Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen 
entspricht.« Diese in einem Standardkommentar zum BSHG zu Recht als 
»königliche Norm« gefeierte Festlegung, begründet mit der verfassungsrechtli- 
chen Feststellung der Unantastbarkeit der Menschenwürde, konfrontierte Ver- 
waltung und Praxis zunächst mit einem kaum lösbaren Problem. Man hatte 
zwar genug Erfahrung darüber, was Menschen brauchen, um physisch über- 
leben zu können. Hierzu gab es bereits wissenschaftliche Vorarbeiten; etwa ein 
Gutachten des Statistischen Amtes der Stadt Berlin von 1932 zur Bestimmung 
des notdürftigen Lebensunterhalts, »der die Fristung des Lebens und die Erhal- 
tung der Arbeitsfähigkeit gewährleisten soll«. Orientiert hatte man sich zu 
jener Zeit an der Bedürfnislosigkeit des chinesischen Kulis: »Der japanische 
oder chinesische Kuli, dessen Leistungsfähigkeit der Europäer bewundert, kann 
sich unbedenklich mit Reis und wenigen Zusätzen ernähren, denn in 1200 g 
Reis erhält er neben 72g Eiweiß 3900 Kalorien, und soviel braucht er für seine 
Muskelarbeit«.2 

Für die Frage aber, was über den notdürftigen Lebensunterhalt hinaus an finan- 
ziellen Mitteln aufgebracht werden müßte, um ein Leben führen zu können, das 


— DE aa 


der Würde des Menschen entspricht, gab es keine Vorarbeiten, sondern nur eine 
sehr allgemeine Orientierung mit $ 4 der VO zu $ 22 BSHG (Regelsatzverord- 
nung). Um möglichst alle Menschen ım Geltungsbereich des GG ın den Genuß 
eines Lebens kommen zu lassen, das der Würde des Menschen entspricht, hatte 
der weise Verordnungsgeber festgelegt: »Bei der Festsetzung der Regelsätze ıst 
darauf Bedacht zu nehmen, daß sie zusammen mit den Durchschnittsbeträgen 
für die Kosten der Unterkunft unter dem im Geltungsbereich der jeweiligen 
Regelsätze erzielten durchschnittlichen Netto-Arbeitsentgelt unterer Lohn- 
gruppen zuzüglich Kindergeld bleiben, soweit nicht die Verpflichtung, den 
Lebensunterhalt durch die Regelsätze im notwendigen Umfang zu sichern, 
insbesondere bei größeren Haushaltsgemeinschaften dem entgegensteht.« Klar 
war zumindest, daß — um einige untere Lohngruppen zu nennen — Büroboten, 
Hilfsarbeiter und Nachtwächter mit ihrem Lohn allemal eın Leben führten, das 
der Würde des Menschen entsprach. Aber die Praxis verlangte nach präziseren 
Angaben. Diese zu liefern, machte sich 1962 der »Deutsche Verein für öffent- 
liche und private Fürsorge« anheischig. Zusammengerufen wurde der Arbeits- 
kreis »Aufbau der Regelsätze«, eine Gruppe »sozialerfahrener Personen« (Ver- 
treter der Stadt- und Landkreise, der obersten Sozialbehörden der Länder, der 
Verbände der freien Wohlfahrtspflege, des Max-Planck-Instituts für Ernäh- 
rungsphysiologie), ganz wie es § 114 BSHG verlangt. Über die 1962 geleistete 
Arbeit wurde wenig bekannt. Immerhin kam es auf Grundlage dieser Arbeiten 
zu einer kräftigen Erhöhung der Regelsätze. 

1970 Jedoch war aufgrund der Wandlungen ın den Anschauungen darüber, 
»welches Ausmaß eine Hilfe zur Ermöglichung einer Lebensführung haben 
muß, die der Würde des Menschen entspricht« erneut eine Untersuchung 
anhängig, über die in einer Broschüre ausführlich berichtet wurde.? Hier heißt 
es zum Ausgangspunkt der Untersuchung: Welche Lebensführung der Würde 
des Menschen entspricht, ist in den Untersuchungen des Deutschen Vereins 
aufgrund der Lebenshaltung beurteilt worden, die in der Bevölkerung besteht« 
(5. 30). Anders formuliert, wie eine Lebensführung entsprechend der Würde des 
Menschen auszusehen hätte, ist schlicht und einfach mit der Auflistung der 
Lebensbedingungen zu ermitteln, die faktisch vorherrschen. Bereits das Statisti- 
sche Amt der Stadt Berlin hatte sich in der erwähnten Untersuchung 1932 über 
den notdürftigen Unterhalt dieser Methode bedient. Damals zog man aus der 
Tatsache, daß gerade kinderreiche Familien gezwungen waren, in den schlech- 
testen Wohnungen zu hausen, weil sie für die Ernährung bereits den größten 
Teil des Einkommens ausgeben mußten, die Schlußfolgerung: »Hiernach kann 
also für geringentlohnte Arbeiterfamilien in Berlin eine Einzimmerwohnung als 
üblich und daher standesgemäß betrachtet werden; selbst bei Vorhandensein 
mehrerer Kinder.«* 

Bei dem Versuch, die der Würde des Menschen entsprechende Lebensführung 
aufgrund der Lebenshaltung, die ın der Bevölkerung faktisch besteht, zu beur- 
teilen, kamen unsere Experten nicht umhin, festzustellen, »daß das Niveau der 
Lebenshaltung in der Bevölkerung nicht einheitlich ist« (S. 31) Anhand der 
Erhebungen des Statistischen Bundesamtes über die Wirtschaftsrechnungen 


94 


ausgewählter privater Haushalte® (Haushaltstyp 1: Rentner u. Sozialhilfeem- 
pfänger, Haushaltseinkommen für 2 Personen 1970 nicht über 650,-; Haushalt- 
styp 2: 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalt, Brutto-Einkommen 1970 zwischen 
1100 DM bis 1600 DM; Haushaltstyp 3: Haushaltsbruttoeinkommen 1970 
zwischen 2200 bis 2800 DM), die man zunächst analysierte, offenbarte sich, 
»daß die Lebenshaltung aller drei Gruppen als eine Lebensführung anzusehen 
ist, die der Würde des Menschen entspricht.« (S. 32) Wenn aber bereits 


Rentner- und Sozialhilfeempfänger-Haushalte ein Leben führten, das der 
Würde usw. entsprach, so drängte sich die folgende Schlußfolgerung von selbst 
auf: »Die Prüfungen ergaben außerdem, daß die Lebens- und Verbrauchsge- 
wohnheiten und damit die Lebenshaltung der unteren Verbrauchergruppe 
geeignet sind, um sie als Grundlage bei der Feststellung des Ausmaßes der 
Regelsätze heranzuzichen«. (S. 32)° Es waren aber nicht nur schnöde finanzpo- 
litische Überlegungen, die zu dieser Orientierung führten, sondern wie so oft, 
erwies sich auch hier das Nützliche als das zugleich Notwendige, als das sozial- 
pädagogisch Wertvolle. Wie unsere sozial erfahrenen Experten betonen, ist die 
Unterbietung der Lebensbedingungen der am schlechtesten bezahlten Lohnar- 
beiter Garant dafür, die »Selbstverantwortung und den Arbeitswillen der 
Hilfesuchenden zu erhalten«. (S. 32) 

Sich immer wieder in Erinnerung rufend, daß die »Regelsätze mehr als das zum 
Lebensunterhalt Unerläßliche und mehr als das zum Leben Notdürftige zu 
umfassen haben« ($. 30) hat der Arbeitskreis »Regelsätze« die Ergebnisse seiner 
Untersuchung schließlich in einem, nach verschiedenen Bedarfsgruppen detail- 
liert aufgegliederten Warenkorb zusammengefaßt, die Kosten für diesen 
Warenkorb ermittelt und Empfehlungen über die Neufestsetzung der Regel- 
sätze ausgesprochen, die im Juni 1971 gegenüber dem Vorjahr zu einer nominal 
23-prozentigen, real ı8-prozentigen Erhöhung der Sätze führten.’ 

Dieser Warenkorb® ist es wert, etwas ausführlicher dargestellt zu werden, 
erfahren wir doch so en detail, bei welchem Lebensniveau nach 25 Jahren 
Grundgesetz die unantastbare Würde des Menschen beginnt. Hier einige 
Beispiele (die DM-Beträge wurden 1970 ermittelt): 

Für die Bedarfsgruppe Ernährung eines Erwachsenen (Haushaltsvorstand oder 
Alleinstehend) sınd 104 DM pro Monat angesetzt. Der Warenkorb enthält 
neben Grundnahrungsmitteln wie Kartoffeln, Brot etc. an Gütern des geho- 
benen Ernährungsbedarfs einen Becher Joghurt, für ı DM Schokolade, 70 g 
Kalbfleisch, 40 g Erdnüsse und sogar für 0,50 DM Bonbons. Dieser Warenkorb 
wurde für den Kalorienbedarf nicht-erwerbstätiger Menschen ermittelt und ıst 
so knapp bemessen, daß nach Aussage unserer Experten für Sozialhilfeem- 
pfänger der Satz »wo fünf satt werden, wird auch ein sechster satt« nicht gilt. 
Obwohl der »Energiebedarf für die Durchführung der Lebensfunktionen« für 
Frauen um 15 Prozent unter dem der Männer liegt, wurde ihnen derselbe 
Tagesbedarf an Nahrungsmitteln zuerkannt, um die körperliche Mehrbelastung 
durch Hausarbeit auszugleichen. Kinder unter einem Jahr ließen sich 1970 für 
36,50 DM (1974 für 67,80 DM) ernähren, wußten die Experten zu berichten. 
Für die Bedarfsgruppe Instandhaltung von Kleidung, Wäsche u. Schuhen in 


— 


kleinerem Umfang und kleinere Instandsetzungen von Hausrat, ferner Beschaf- 
fung von Wäsche und Hausrat von geringerem Anschaffungswert wurden für den 
Haushaltsvorstand 8,60 DM, für Kinder unter einem Jahr 3,80 DM angesetzt. 
Zu den kleineren Reparaturen gehören z.B. volle Schuhbesohlungen nicht 
mehr. Die Übernahme so extremer Reperaturkosten gewährt das BSHG ın 
Form einmaliger Leistungen, die beim Sozialamt zu beantragen sind (S. 41). 
Für die Bedarfsgruppe Körperpflege und Reinigung sind für den Haushaltsvor- 
stand 16,50 DM angesetzt. Der Warenkorb enthält z. B. 4 Rasierklingen, ṣo g 
Zahncreme, 60 g Seife, alle vier Monate eine chemische Reinigung à 8 DM. Mit 
ı DM im Monat werden Toilettenpapier, Shampoo, Hansaplast und Husten- 
bonbons angesetzt. Da Kinder unter einem Jahr sich weder rasieren noch die 
Zähne putzen müssen und ihre Körperfläche im Vergleich zu der eines ausge- 
wachsenen Menschen wesentlich geringer ist, können sie mit 8,80 DM auskom- 
men. Der Warenkorb für Babys erfaßt z.B. 25 g Seife, 18 ccm Hautcreme, für 
0,05 DM Zellstoffwatte. 

Für die Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens hielt 
man beim Haushaltsvorstand den Betrag von 37 DM für der Würde des 
Menschen angemessen. Gerade hier komme die Berücksichtigung der Würde 
des Menschen so stark zur Geltung, daß einzig und allein »übersteigerte 
Ansprüche« (S. 43) ausgeschlossen werden sollten. Für den Haushaltsvorstand 
sind hier nicht nur im Warenkorb 5 Blatt Papier und 5 Briefumschläge sowie 4 
Postwertzeichen für Fernbriefe enthalten (gleichzeitig solle der entsprechende 
Betrag auch Telefongespräche ermöglichen) sondern sogar eine halbe Kino- 
karte und ein ganzes Taschenbuch (gleichzeitig als Abgeltung für Fernsehgebü- 
ren). Hınzu kommen außerdem ein Zeitungsabonnement, 6 Straßenbahnfahr- 
karten, ein Betrag von 1,80 DM für Vereins- und Versicherungsbeiträge, 3,25 
DM für Geschenke und »zur Bewirtung von Gästen« 300 g Kaffee, ṣo g Tabak 
und für 3,90 DM Bier. Da Kinder bis sechs Jahre weder Gäste empfangen noch 
lesen können, sie keine Briefe schreiben und auch nicht in das Kino dürfen, 
hielten unsere Experten zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse 1,55 DM für 
ausreichend. Kinder von 7 bis 14 Jahren werden immerhin bei einem Waren- 
korb, der z. B. 2 Straßenbahnfahrten, Y, Taschenbuch, 1, Kinokarte sowie 3 DM 
für Schulbedarf umfaßt (eine besondere Vergünstigung, wie hervorgehoben 
wird, da ja bekanntlich Schulgeldfreiheit herrscht) mit 9 DM im Monat 
beglückt. 

Die nach diesem auszugsweise wiedergegebenen Warenkorb festgelegten 
Regelsätze der Sozialhilfe können allerdings gekürzt werden, zum einen, um 
die »Hilfe zur Selbsthilfe bei unwirtschaftlichem Verhalten« anzuregen, zum 
anderen, um dem Grundsatz der individualisierenden Hilfe ($ 3, Abs. ı BSHG), 
die sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls zu richten hat, gerecht zu 
werden. Ein Beispiel für die letzte Möglichkeit: »... Abweichungen nach unten 
können sich bei Hilfeempfängern ergeben, die wegen geringer Körpergröße 
einen weit unter dem Durchschnitt liegenden Ernährungsbedarf haben« (S. 17). 
1971 erhielten rd. 803 000 Personen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. In 
der Gliederung nach Haushalten bestanden diese Unterstützten zu 68% aus 


— 


Einzelpersonen (hauptsächlich über 60) und zu 18% aus Ehepaaren und Eltern- 
teilen mit Kindern. 

Um abschließend zu einer Vergleichszahl zu kommen, die angibt, welches 
Haushaltseinkommen eine Familie erreichen muß, um den oben angeführten 
Warenkorb realisieren, d. h. also, um ein Leben entsprechend der Würde des 
Menschen führen zu können, habe ich für 1972 den Betrag ermittelt, der nach 
dem BSHG einer fünfköpfigen Familie (Vater erwerbstätig, Mutter, 3 schul- 
pflichtige Kinder) zusteht: 1332 DM.? Für dasselbe Jahr ist im Sozualbericht 
73'° das durchschnittliche monatl. Netto-Einkommen eines verheirateten Indu- 
strie-Facharbeiters mit drei Kindern (ohne Kindergeld von 85 DM also und 
ohne Weihnachts- u. Urlaubsgeld) angegeben: 1230 DM. 

Diese Gegenüberstellung des Familieneinkommens einer fünfköpfigen Sozial- 
hilfeempfängerfamilie mit dem Lohneinkommen eines Industriefacharbeiters 
macht deutlich, daß nach 25 Jahren sozialer Marktwirtschaft für ein Millionen- 
heer von Arbeiterfamilien die Mitarbeit der Ehefrau, Schwarzarbeit und Über- 
stundenschufterei sowie nicht familiengerechte Wohnverhältnisse immer noch 
notwendig sind, um auch nur die einfache Reproduktion der Arbeitskraft zu 
gewährleisten. Die Frage, ob die Ware Arbeitskraft zu ihrem Wert bezahlt 
wird, ist also weiter der theoretischen und empirischen Analyse wert. Wichtiger 
allerdings ıst die ın den Streikbewegungen der letzten Jahre zum Ausdruck 
gekommene praktische Antwort der Kollegen in den Betrieben. 

Die Träger der Sozialhilfe haben von Amts wegen einzugreifen, wenn ein 
Notstand bekannt wird ($ 5 BSHG), d.h. auch ohne Antrag. Jedoch verlangt 
die Gewährung von Leistungen nach dem BSHG (ein mitwirkungsbedürftiger 
Verwaltungsakt) das Einverständnis des Hilfeempfängers. So liegt es wohl am 
Unwillen (wieviel menschliche Größe verbirgt sich hier!) berufstätiger Fami- 
lienvorstände mit mehreren Kindern, daß es in der BRD so gut wie keine berufs- 
tätigen Familienvorstände aus der Gruppe der Hilfsarbeiter und sonstiger 
unterster Lohngruppen gibt, die Sozialhilfe erhalten. 

Übrigens lohnt es sich, als Experte beim Deutschen Verein für öffentliche und 
private Fürsorge über Sozialhilfe und» ähnliche Bereiche öffentlicher und 
privater Liebestätigkeit zu plaudern. Bereits 1972 gab es dafür auf Fortbil- 


dungsveranstaltungen ein Tageshonorar von 300 DM, Reisekosten 1. Klasse 
selbstverständlieh extra. 


ANMERKUNGEN 


1 Vgl. Entscheidung des BVerwG vom 24. 6. 1954. 

2 Zit. nach M. Arendsee, Wieviel braucht der Mensch zum Leben?, in: Proletarische Sozialpolitik, 
$. Jg-, Berlin 1932, Heft 5. 

3 Käthe Petersen, Die Regelsätze nach dem BSHG - Ihre Bedeutung, Bemessung und Festsetzung, 
Eigenverlag des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Ffm 1972. Die folgenden 
Sceitenangaben im Text beziehen sich immer auf diese Veröffentlichung. 


4 Zit. nach M. Arendsee, a. a. O. 
5 Vgl. Wirtschaft und Statistik, 1969, S. 273. 


— 


6 Zeigt sich hier, daß je nach sozialer Stellung die Würde des Menschen schr unterschiedlich ange- 
setzt ist, so zeigten sich vergleichbare Unterschiede, den notdürftigen Lebensbedarf betreffend, 
auch bereits in der Studie des Statistischen Amtes von Berlin 1932. Damals wurde mit wissenschaft- 
licher Gründlichkeit nachgewiesen, daß der einfache Arbeiter sehr wohl mit Grütze und Kartoffeln 
über die Runden kommt, der »Geistesarbeiter« hingegen auf Kalbfleisch und Rinderfilet ange- 
wiesen ist. | 

7 Gegenüber Juni 1971 erfolgte bis zum 1. Januar 1974 eine weitere nominale Anhebung der Regel- 
sätze um 25 Prozent. Deflationiert mit dem Lebenshaltungskostindex für Rentner und Sozialhil- 
feempfänger-Haushalte, ergibt sich real eine Anhebung um 6,5 Prozent. 

8 Der ganze Warenkorb ist wiedergegeben bei Petersen, a. a. O., S. 68-87. 

” Im Detail: 

801,— Regelsatz 

61,— Mehrbedarf (30% vom Regelsatz des Haushaltsvorstands, wenn er berufstätig ist. Dieser 


Mehrbedarf wird mit der erhöhten Kalorienbedarf, höheren Fahrgeld-K osten etc. berufstä- 
tiger Menschen begründet) 

360,— Kaltmiete (Nach dem BSHG werden voll angemessene Mietkosten übernommen. Als ange- 
messen werden ausdrücklich in einem Kommentar die Mieten des sozialen Wohnungsbaus be- 
zeichnet. Der hier angesetzte Mietbetrag errechnet sich nach der vom Wohngeldgesetz für 
einen fünfköpfigen Haushalt als familiengerecht anerkannten Wohnfläche von 90 m?, multi- 
pliziert mit dem durchschnittl. m?-Mietpreis im soz. Wohnungsbau (z. B. Berlin Märkisches 
Viertel, Zentralheizung, zentrale Warm-Wasser- Versorgung) 

60,— Heizung und Warm-Wasser- Versorgung | 

50,— Einmalige Hilfen (Dieser Betrag dürfte absolut zu gering angesetzt sein bei einer fünfköpfigen 
Familie. Hierunter fällt z. B. Schuhbesohlung (voll), Beschaffung von Kleidung größeren 
Anschaffungswerts, z. B. Oberhemden, Schuhe etc.) 





1332, 


'% Hrsg.: Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. 





Albert Hofmann 


ZWEIMAL BESCHISSEN ..... 
—KOCHFEUERUNG UND BELEUCHTUNG-— 
(aus: päd.extra Sozialarbeit Heft 7/8 1978) 


Als „persönliche Bedürfnisse” sieht der Regelsatz fürerwachsene Sozial- 
hilfeempfänger monatlich vor: 

(v.i.n.r.) 300 g Kaffee, Abonnement einer Tageszeitung, 50 g Tabak, 
6 Straßenbahnkarten, 3 Flaschen Bier (für die Bewirtung eines Gastes), 
5 Blatt Briefpapier, 4 Briefmarken, '%, Kinokarte, 1 Taschenbuch (als Ab- 
geltung für kulturelle Bedürfnisse), 1 Taschenbuch (für Geschenke), 
eine Rückfahrkarte für 30 km 


DELIKATESSEN 


surregtTr 


fur 


Konferenzen 
und 
Arheitsessen 





ach den Bestimmungen des Bun- 
dessozialhilfegesetzes (BSHG) 
wird Sozialhilfe gewähr’, wenn 
ein sog. Bedarf vorliegt. Dieser 
sog. Bedarf bildet das entscheidende 
Kriterium für den Bezug und für die zu 
erreichende Höhe der Unterstützung. 
Die Berechnung des Bedarfs erfolgt 
auf der Grundlage von Regelsätzen. 
Regelsätze soll heißen, diese Sätze 
regeln, wieviel man bedarf, um leben zu 
können. Der $ 22 BSHG bestimmt die 
Aufgaben der Regelsätze und weist die 
Festsetzung der Höhe der Regelsätze 
den zuständigen Landesbehörden (So- 
zialminister) zu, die die Höhe durch 
Rechtsverordnung festlegen. Bei der 
Bestimmung der Höhe der Regelsätze 
sind die Landesbehörden an die Regel- 
satzverordnung (RVo) gehalten. Die 
RVo bestimmt das Verhältnis der 
Regelsätze untereinander (das entschei- 
dende Kriterium ist das Alter und die 
Stellung im Haushalt; Alleinstehende 
sind dem Haushaltsvorstand gleichge- 
stellt) und weist ferner bei der Festset- 
zung der Höhe auf die Berücksichtigung 
der tatsächlichen Lebenshaltungskosten 
hin. Die Lebenshaltungskosten werden 
wiederum auf der Grundlage eines sog. 
Bedürfniskatalogs oder Warenkorbs er- 
rechnet. 


Die Bestimmung des Warenkorbes 


Der „Deutsche Verein für öffentliche 
und private Fürsorge” hat in Zusam- 
menarbeit mit „Wissenschaftlern, sozial 
erfahrenen Personen” einen für diese 
Berechnung vorgesehenen Warenkorb 
erstellt.° Dieser Warenkorb orientiert 
sich an dem $ I der RVo, der die Lei- 
stungen, die durch den Regelsatz ge- 
währt werden sollen, so festlegt: „Die 
Regelsätze umfassen die laufenden Lei- 
stungen für Ernährung, Kochfeuerung, 
Beschaffung von Wäsche von geringem 
Anschaffungswert, Instandhaltung von 
Kleidung, Wäsche und Schuhen in klei- 
nerem Umfang, Körperpflege, Beschaf- 


— 35 


fung von Hausrat, Beleuchtung, Betrieb 
elektrischer Geräte, Reinigung und per- 
sönliche Bedürfnisse des täglichen 
Lebens.” 


Auf dieser Grundlage nun ermittelte 
der „Deutsche Verein” äußerst detail- 
liert und mit peinlicher Akribie einen 
Warenkorb, den er in fünf sog. Bedarfs- 
gruppen unterteilte: 

l. Ernährung; 

2. Kochfeuerung und Beleuchtung 
(ohne Heizung) sowie weiterer elek- 
trischer Aufwand; 

3. Instandhaltung von Schuhen, Klei- 
dung und Wäsche; 

4. Körperpflege und Reinigung; 

5. Persönliche Bedürfnisse des täglichen 
Lebens. 

Dieser Warenkorb und die auf seiner 

Basis berechneten Regelsätze sind im 

Rahmen der materiellen Unterstützung 

außerordentlich bedeutend. 

Als rechnerische Größe bestimmen 
sie, wer Sozialhilfe beanspruchen kann 
und wie hoch die zu gewährende Unter- 
stützung ist. Bestimmen also primär 
über das qualitative und quantitative 
Niveau der Konsumtion. 

Ferner bilden die Regelsätze, durch- 
gängig bei sozialwissenschaftlichen Un- 
tersuchungen, die sog. Armutsgrenze. 

Unüberprüft ist dabei in allen Fällen, 
ob die Regelsätze tatsächlich ein Leben 
sichern können, das man gemeinhin 
unterstellt und wie es die $$ des BSHG 
— man denke etwa an den $ 1 „Würde 
des Menschen” — versprechen. 

Wie sehr den offiziellen Stellungnah- 
men zu mißtrauen ist und wie ärmlich 
sich ein Leben als Sozialhilfeempfänger 
gestaltet, wird im Folgenden beispiel- 
haft anhand der Bedarfsgruppe „Koch- 
feuerung und Beleuchtung” aufgezeigt. 


„Kochfeuerung und Beleuchtung” 


Die Grundlage des gegenwärtigen 
Warenkorbs bilden Untersuchungen 
des „Deutschen Vereins”, die im Jahre 
1970 durchgeführt wurden. Für die 


Bedarfsgruppe „Kochfeuerung und Be- 
leuchtung” bestimmten die „Wissen- 
schaftler und sozial erfahrenen Perso- 
nen”, für Beleuchtung und den Betrieb 
elektrischer Geräte einen 16 kWh 
Stromverbrauch, sowie für Kochfeue- 
rung einen 18 cbm Gasverbrauch. 

Bei der Berechnung der 16 kWh 
Strom wurde u.a. vom Verbrauch einer 
100 Watt Glühlampe ausgegangen. Von 
1962 bis 1970 war der Verbrauch für 
eine 60 Watt Glühlampe Berechnungs- 
grundlage (Immerhin, so möchte man 
sarkastisch anerkennen, eine Erhöhung 
um 40 Watt). 


Zu den obengenannten Mengen an 
Strom und Gas kommt monatlich noch, 
der 0.083. Anteil vom Preis einer 100 
Watt Glühlampe. Dieser etwas unge- 
wöhnliche Anteil, addiert sich über 
einen Zeitraum von 12 Monaten zu 
einer Summe, die den Kauf einer 100 
Watt Glühlampe ermöglicht. Anders: 
Den Sozialhilfeempfängern wird jähr- 
lich eine 100 Watt Glühlampe zugestan- 
den. 


Zusammenfassend ergibt sich für 
Haushaltsvorstände und Alleinstehende 
ein monatlicher Bedarf für „Koch- 
feuerung und Beleuchtung”, von: 


GAS 
Grund- und Verrechnungspreis 
18 cbm Verbrauch 


STROM 

Grundpreis 

16 kWh Verbrauch 

zuzüglich den 0,083. Anteil vom Preis 
einer 100 Watt Glühlampe. 


1975 erklärte das Frankfurter Dezernat 
für Soziales in seinen Richtlinien, daß 
für Haushaltsvorstände und Allein- 
stehende 9% vom Regelsatz für „Koch- 
feuerung und Beleuchtung” entfallen. 
Auf der Basis des Regelsatzes von 
DM 292,— (1978) ergibt dies einen Be- 
trag von DM 26,28. 


Fragen wir praktisch und arglos, mit 
welchem Rechnungsbetrag der Sozial- 
hilfeempfänger 1978 von den Stadtwer- 
ken Frankfurt konfrontiert würde, 
würde er sich nur an die vom „Deut- 
schen Verein” ermittelten Energiemen- 
gen halten? 


GAS 

Grundpreis 6,10 

18cbm x DM 0,82 14,78 
20,88 

12 MWST 2,51 
23.39 23,39 

STROM 

Grundpreis 5,00 

Verrechnungspreis 2,00 

16kWhx DM 0,12 1,92 

8,92 
Ausgleichsabgabe 4,1% 0,37 


99 Der 
Deutsche Verein’ 
sollte Abstand 
nehmen von 
artistischen 
Berechnungen. Denn 
die Forderung steht: 
Bezahlung der 
tatsächlich 
anfallenden 
Kosten. 99 


12 MWST 


Ergibt eine Gesamtsumme von 


Man vergleiche diesen Betrag von 
DM 33,78, den der Sozialhilfeempfän- 
ger tatsächlich an die Stadtwerke 
Frankfurt zahlen müßte, würde er nur 
die vom „Deutschen Verein” ermittelten 
Mengen verbrauchen, mit den Betrag 


Eu: e 


von DM 26,28, den er durch den Regel- 
satz zugestanden bekommt, so wird 
man unschwerlich eine Minus-Differenz 
von DM 7,50 (28,54%) entdecken. 

Anders ausgedrückt: den Sozialhilfe- 
empfängern wird nicht einmal der Be- 
trag gewährt, den sie benötigen würden, 
um die vom „Deutschen Verein” ermit- 
telten Minimalmengen zu bezahlen. 

Man bedenke, daß dieses nicht gerin- 
ge Defizit in der Haushaltskasse eınes 
Sozialhilfeempfängers auf der Unter- 
stellung beruht, daß die Energiemengen, 
die durch den Warenkorb gegeben sind, 
tatsächlich auch ausreichend sind. 

Fragen wir auch hier praktisch und 
arglos, ob mit den Mengen, wie sie der 
Warenkorb monatlich vorsieht, gewirt- 
schaftet werden kann? 

Gehen wir davon .aus, daß es der 
„Würde des Menschen” entspricht, 
wenn sich im Haushalt eines Sozial- 
hilfeempfängers folgende elektrische 
Geräte finden: 
eine 100 Watt Glühlampe, 
ein Kühlschrank, 
ein Radio, 
ein Fernseher, 
ein Bügeleisen 
und eine Waschmaschine. 





Diese Geräte haben folgenden Ver- 
brauch: 

stündlicher Verbrauch: 

eine 100 Watt Glühlampe 0,1 kWh 


ein Radio 0,05 kWh 
ein Kühlschrank 0,25 kWh 
‘ein Fernseher 0,4 kWh 
ein Bügeleisen 1,0 kWh 


7,5 kg Wäsche in der 
Waschmaschine waschen 4,0 kWh 


Erinnern wir uns, daß der Warenkorb 
für Beleuchtung und den Betrieb elek- 
trischer Geräte einen Verbrauch von 
16 kWh vorsieht. 

Wie könnte bzw. müßte ein Sozial- 
hilfeempfänger mit obigen elektrischen 
Geräten auf dieser Grundlage haushal- 


ten? 
tägl. monatl. 
kWh- (30 Tage) 
Verbrauch kWh- 


Verbrauch 
20 Minuten Licht täglich 0,033 0,99 
30 Minuten Radio täglich 0,025 0,75 
11,3 Minuten Fernsehen 
täglich 0,08 2,26 
I Stunde Kühlschrank täglich 0,25 7,5 
30 Minuten Bügeleisen 
monatlich — 0,5 
7,5 kg Wäsche in der 
Waschmaschine monatlich — 4,0 


ergibt einen monatlichen Verbrauch von 16,0 kWh 


— — 
= duia nme ferd -Modell komme, 


auch Se mit 


dem Sosalhilfe- Regeltat, 
durch, * 


qs 
den 


Der Regelsatz sieht vor: Zweimal Baden 


Es ist augenscheinlich, daß diese Bedin- 
gungen nicht eingehalten werden kön- 
nen. Angesichts dessen, verwundert es 
sicherlich nicht, daßsichauchdie 18cbm 
Gas als nicht ausreichend erweisen. 

Die Bewag-Gasag (Westberlin)? er- 
mittelte für einen „Eın-Personen-Haus- 
halt” einen Gasverbrauch von 15 cbm 
für Kochen. Wird zusätzlich Warmwas- 
ser durch Gas gewonnen, so erhöht sich 
der monatliche Verbrauch auf 60 cbm, 
um also auf dasca. 3,5 fache der Menge, 
wie esdurchden Regelsatz gewährt wird. 

Mit den Energiemengen, wie sie der 
Regelsatz vorsieht, soll nach den Vor- 
stellungen der „Wissenschaftler und 
sozial erfahrenen Personen” auch der 
Aufwand für Bäder abgegolten werden. 
Die Bewag-Gasag ermittelte für eine 
Badewannenfüllung 1, cbm Gas. 

15 cbm Gas für Kochen plus zweimal 
baden ergibt 18 cbm, die im Warenkorb 
vorgesehene Energiemenge. 

Sollen kurzfristige Schlußfolgerun- 
gen für die Praxis der Sozialhilfeemp- 
fänger und Sozialarbeiter gezogen wer- 
den, so liegt es an den Sozialhilfeemp- 
fängern Anträge auf Bezahlung der tat- 
sächlichen Energiekosten zu stellen. 
Sozialarbeiter können dazu ermuntern 
und aufklären. Für die Sozıialverwal- 
tungen ergibt sich dann die Schwierig- 
keit, den „Mehrbedarf” als nicht not- 


wendig abzuerkennen. Dies dürfte ıhr 
sicherlich nicht leichtfallen. 


Der „Deutsche Verein” hat seinerseits 
ın seinem letzten Geschäftsbericht für 
das Jahr 1976/77 angekündigt, daß der 
„Arbeitskreis für Regelsätze”, „gegen- 
wärtig (. . .) aus dem Bedarfsmengen- 
schema der Regelsätze die Kosten für 
Energie im Haushalt... untersucht”. Es 
ist nicht ausgeschlossen, daß der „Ar- 
beitskreis” sich nach einem längeren 
Zeitraum der „Beratung und Unter- 
suchung”, mit Vorschlägen zur leichten 
Anhebung der Beträge für Energie an 
die zuständigen Stellen wendet. Dem 
Arbeitskreis, sollte er sich ernstlich da- 
mit befassen, ist anzuraten, Abstand zu 
nehmen von artistischen Berechnungen 
und überzugehen auf die Forderung 
nach der Bezahlung der tatsächlich an- 
fallenden Kosten für Strom und Gas. 


1) Vorliegende Arbeit ist Teil einer noch in Vorbereitung 
befindlichen Untersuchung, die den Regelsatz ın seiner 
Gesamtheit analysiert. Diese Untersuchung wird ım 
koınmenden Semester an der FHS Frankfurt, Projekt 
Familienfürsorge begonnen. Leser, die über die Pro- 
blematik Regelsatz gearbeitet haben bzw. gegenwärtig 
arbeiten, werden gebeten, sich mit folgender Kontakt- 
adresse in Verbindung zu setzen: 

Albert Hofmann, Sömmeringstr. 13, 6000 Frankfurt 1 

2) siehe: Petersen, Die Regelsätze nach dem BSHG, Klei- 
nere Schriften des Deutschen Vereins, Nr. 43 

3)nach, Hauptberatungsstelle für Elektrizitätsanwen- 
dung, Frankfurt, „HEA-Bilderdienst-aktuell”, „Elek- 
trizität und ihre Anwendung” 

4) siehe, Gisela Knick, Regelsatz und Mehrbedarf, Soziale 
Arbeit, Sept. 1977, Berlin, S. 409-412 





WARUM FÜRCHTET DER DEUTSCHE VEREIN 
DIE ÖFFENTLICHKEIT 


DEUTSCHER VEREIN 


FÜR ÖFFENTLICHE UND PRIVATE FÜRSORGE AM STOCKBORN 1-3 
HANS-MUTHESIUS-HAUS 


8000 FRANKFURT 50 


eg (06 11) 58 03 / 230- 


ABTEILUNG FACHREFERATE, GUTACHTENERSTATTUNG 


Am Stockborn 1-3 - 6000 Fim. s0 WINARTA A B0 (ODER OBER VERMITTLUNG 58031) 
FURSORGETAG BANKKONTO: STADTSPARKASSE 
eA TAAl FRANKFURT 130 708 (BLZ 500 501 02) 
POSTSCHECKKONTO: FRANKFURT 
1008 47 -607 (BLZ 500 100 60) 






Deutscher Verein - Abt. Fachreferate - 





Herrn 
Albert Hofmann 
c/o J. Grubmüller 100 JAHRE 


Sömmerringstr. 13 


6000 Frankfurt 


UNSER ZEICHEN DATUM 


12. Oktober 1979 


IHRE NACHRICHT VOM 


15.9.1979 F 1 


IHR ZEICHEN 


serrerr: Einsicht in die Protokolle, Analysen und Prüfungen bei der 
Zusammenstellung der Warenkörbe in den Jahren 1955, 1962 


und 1970 


Sehr geehrter Herr Hofmann, 
auf Ihre Anfrage teilen wir Ihnen mit, daß wir zu unserem Bedauern 


nicht in der Lage sind, Ihnen das gewünschte Material zur Einsicht 
vorzulegen. Die im Verlauf der Neubearbeitungen des Bedarfsmengen- 
schemas (Warenkorb) für die Regelsätze in der Sozialhilfe für das 
zuständige Fachgremium angefertigten Beratungsunterlagen und Sitzungs- 
berichte sind nur für den Gebrauch der Mitglieder dieses Fachgre- 
miums bestimmt. Es handelt sich hierbei nur um momentane Zwischen- 
ergebnisse, die im weiteren Verlauf der Beratungen verändert oder 
ergänzt werden können. Lediglich die genehmigten Beratungsergebnis- 
se bilden die Grundlage für die von Ihnen genannten veröffentlich- 
ten Ausführungen, in denen die u.E. wesentlichen Einzelheiten dar- 
gestellt sind. Nach der Veröffentlichung der genehmigten Beratungs- 
ergebnisse werden die erwähnten Beratungsunterlagen und Sitzungsbe- 
richte nur noch für eine verhältnismäßig kurze Zeit aufbewahrt. Des- 
halb und mit Rücksicht auf einen im Jahre 1972 erfolgten Umzug der 
Geschäftsstelle in neue Büroräume, wobei der alte Aktenbestand be- 
trächtlich vermindert worden ist, müssen wir Sie um Verständnis 
bitten, daß wir nicht mehr über das vollständige Material verfügen. 
Der von Ihnen erwähnte Hinweis auf Prüfungen der Verbrauchsgewohn- 
heiten der Verbrauchergruppen (Heft 43 der Kleineren Schriften, 

S. 32) bezieht sich auf Beratungsunterlagen, insbesondere der Aus- 
wertung statistischen Materials (der laufenden Wirtschaftsrechnun- 
gen sowie der Einkommens- und Verbrauchsstichproben) des Statisti- 
schen Bundesamtes, Wiesbaden, das der Fachzeitschrift "Wirtschaft 


und Statistik" entnommen worden ist. 
Leider konnten wir Ihnen keine positive Antwort geben und bitten um 


Verständnis. 


Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag 


gez. Dr. Imlau 


Albert Hofmann 


WARENKORB ‘MARKE SCHMALHANS’ 
-Die Bemessung der “Würde des Menschen” durch den Deutschen Verein- 


Der steigenden Zahl der Sozialhilfebezieher soll mit Einsparungen begegnet wer- 
den. Die Erhöhung der Regelsätze läßt immer länger auf sich warten. Die Erhö- 


hungen fallen zunehmend geringer aus. 


Das 1970 gegebene Versprechen des ‘Deutschen Vereins’, den Warenkorb in kür- 
zeren Abständen zu überprüfen, ist -trotz einer ständigen Verschlechterung der 
Lebenslage der Sozialhilfebezieher - immer noch nicht eingelöst. 

Die folgende Analyse zeigt, daß der Warenkorb des ‘Deutschen Vereins der der 
Berechnung der Regelsätze zugrundeliegt, für den 'notwendigen Lebensunter- 


halt’ vorne und hinten nicht reicht. 


` er „Arbeitskreis kritische So- 
‚zialarbeit” (AkS) Frankfurt 
‚nennt es in einem Flugblatt 

einen „Skandal”, 49 Sozial- 
arbeiter in Frankfurt bezeichnen es ın 
einer Uhnterschriftensammlung, als 
„einen besonders sozialpolıtischen 
Rückschritt’’, Vertreter von „Sozialen 
Brennpunkten” in Hessen reagieren in 
einem Brief an den Hess. Sozialminister 
mit „Empörung” und „Unverständnis’, 
andere Sozialhilfeempfänger bezeich- 
nen es kurz und treffend als eine „Saue- 
rei” — die Rede ist von der Nichterhö- 
hung der Regelsätze.' 


4 
” 


Angriffe auf Regelsätze: 
Verschleppen und kürzen 


Angesichts der stetig ansteigenden Zahl 
von Sozialhilfebeziehern war ab 1975 
hinter den Kulissen eine aktive Regsam- 
keit zu spüren. Ausschüsse und Vereine 
berieten über Einschränkungen von 
Sozialhilfeleistungen. Auch der „Sozial- 
ausschuß des Deutschen Städtetages’” 
stellte in Zusammenarbeit mit dem 


„Deutschen Verein für öffentliche und 
private Fürsorge”, in „Hinblick auf die 
angespannte Situation der Städte, kriti- 


sche Überlegungen über Maß und Um- 
fang der Sozialhilfeleistungen’”? an. 

„Bezirke befürchten Haushaltsplei- 
te”, meldete z.B. die Süddeutsche Zei- 
tung — und: „’Explosionsartige’ Steige- 
rungen der Sozialhilfeleistungen bis zu 
20 Prozent gefährdeten den Etataus- 
gleich 1976 der sieben bayerischen 
Bezirke,” 

Im Januar 1978 rückten die ersten 
Bundesländer (Bayern, Hessen, Nord- 
rhein-Westfalen und Schleswig-Hol- 
stein) von der in den vorangegangenen 
Jahren geübten Praxis ab, die Regel- 
sätze für Sozialhilfeempfänger jährlich 


'zum Jahresbeginn oder zur Jahreshälfte 


um einen bescheidenen Betrag anzu- 
heben: erstes spürbares Ergebnis, der 
„Kostendämpfungsdiskussion in der 
Sozialhilfe”* (vgl. Tabelle 1). 

Im September 1978 entschloß sıch 
das Bundesland Hessen dann doch 
noch, die bereits 20 Monate unverän- 
derten Regelsätze für Haushaltsvor- 


— 


stände und Alleinstehende um monat- 
lich DM 5,— und für die weiteren Haus- 
haltsangehörigen um DM 3,— bzw. 
DM 4,— anzuheben. 

Kein zufälliger Zeitpunkt. Die Hes- 
senwahlen standen bevor und der Jah- 
reswechsel war so nahe, um der Forde- 
rung nach einer erneuten Erhöhung der 
Regelsätze zum Januar 1979 mit dem 
Hinweis auf die 4 Monate vorher durch- 
geführte Erhöhung entgegentreten zu 
können. Genau dies geschah. — Erst- 
malig erhöhten ferner nicht die Städte 
Bremen und Berlin. 

Die Erhöhung der Regelsätze ın den 
anderen Bundesländern kann aber nicht 


darüber hinwegtäuschen, daß auch hier| Zeitraum Erhöhung Empfäng. 
eine restriktive Sozialpolitik betrieben inDM in% 
wird. So gilt für alle Bundesländer, daß| 1972-73 14,— 6,9 7,9 
die Erhöhungsintervalle immer länger| 1973-74 18,— 8,3 7,8 
oder/und die Erhöhungsbeträge immer BD De d 37 

1975-76 14, 3,3 1.2 
geringer werden. (vgl. Tab. 1I und Tab. 2)| 197677 19— 71 48 
Wie die Tab. 2 ferner zeigt, sind die| 1977-78 — jl 3,7 
Regelsatzerhöhungen im Zeitraum| 1978-79 6— 24l 3,4 
Tab. 1: Festsetzung der Regelsätze für Haushaltsvorstände und Alleinstehende am... auf DM... 
Zusammengestellt nach Daten des „Deutschen Vereins” 

1.1.75 13.75 14975 11.76 1.7.76 14.77 1727 LAB 1478 1978 1.1.99 

Baden 
Württemberg 255,— 267,— 283,— 290, — 294,— 
Bayern 252,— 266, — 282, — 290, — 
Bremen 258, — 270, — 289, — 297, — 
Hamburg 260, — 268, — 285, — 292, — 300, — 
Hessen 260,— 273,— 292, — 297,— 
Niedersachsen 250,— 265,— 284,— 291,— 297, — 
Nordrhein- 250,— 272, — 293, — 
Westfalen 225, — 268, — 288, — 297, — 
Rheinland- 254, — 274, — 296, — 296, — 299, — 
Pfalz 250, — 268, — 286, — 292, — 295, — 
Saarland 250, — 265, — 280, — 285, — 290, — 297, — 
Schleswig- 
Holstein 254, — 268, — 288, — 300,— 
Berlin 250, — 265, — 285, — 297, — 
Durchschnitt: 254, — 268, — 287, — 291, — 297, — 


1977-1979 unter dem Anstieg des Preis- 
index für 2-Personen-Haushalte von 
Renten- und Sozialhilfeempfängern 
geblieben, was praktisch einen Abbau 
der Regelsätze bedeutet. 

Der Angriff auf die Regelsätze steht 
nicht isoliert: Ebenfalls gekürzt werden 
die sog. einmaligen Beihilfen. Bujard/ 
Lange kamen in ihrer Untersuchung 
über „Armut im Alter’ zu dem Ergeb- 


Tab.2: Erhöhung der Durchschnitts-Regelsätze 
für Haushaltsvorstände und Alleinstehende 
in DM und Prozent 


Anstieg d. Preisindex 
für 2-Pers.-Haush. von 
Renten- und Soz.hilfe- 


nis, daß die „Beträge häufig nicht aus- 
reichen, um den erforderlichen Gegen- 
stand auf dem normalen Wege zu erwer- 
ben... Die für die einmaligen Beihilfen 
angesetzten Richtwerte sind ohne Zwei- 
fel Minimalsätze.’” 

Dessen ungeachtet wird weiter abge- 
baut. Eine Tendenz dieses Abbaus zeigt 
eine von der „Landesarbeitsgemein- 
schaft soziale Brennpunkte Hessen” 
durchgeführte Umfrage zur gegenwärti- 
gen Handhabung der Beihilfegewäh- 
rung. 


Beispiele: 


In Offenbach a.M. war es bis 1974 
„üblich, daß 15% des Gesamtjahres- 
regelsatzes pro Person zur Grundlage 
für Bekleidungsbeihilfe diente, wobei in 
der Regel eine Pauschalisierung gewählt 
wurde. Stufenweise wurde dann 1975/76 
der Betrag auf zunächst 12,5% und 
dann auf 10% des Gesamtjahresregel- 
satzes herabgedrückt'’. In Darmstadt 


wird Bekleidungsbeihilfe für Bewohner 
von „sozialen Brennpunkten” „immer 


nur mit Gutscheinen gewährt. Bei For- 
derung nach Bargeld wurden 10% von 
der gewährten Summe abgezogen .. 
Der Verweis auf die freie Wohlfahrt 
geschieht häufig”. „Eine neue Variante 
ist (in Fulda) die, das eine ’Hilfe zum 
Lebensunterhalt-Empfängerin’, die 
ohnehin schon für diese Hilfe 12 Tage 
im Monat Pflichtarbeit leistet — wie ıhr 
gesagt wurde für Stromschulden, die 
das Amt übernahm — andere Einzel- 
anträge verwehrt werden, und erst nach 
Abarbeitung der Stromschulden behan- 
delt werden könnten.“s 


Sozialhilfe reicht 
vorne und hinten nicht 


Grundsätzliche Bedenken und Kritik an 
der Höhe der Sozialhilfe gab es bereits 
in Zeiten, als sie noch regelmäßig erhöht 





wurden. Strang kommt anhand seiner 
Untersuchung über „Erscheinungsfor- 
men der Sozialhilfebedürftigkeit”’, 1970 
zu dem Schluß, „daß die Regelsätze der- 
art knapp bemessen sind, daß die tat- 
sächlich realisierten Ausgaben zur 
Deckung des existierenden Bedarfs den 
erweiterten Lebens- und Kulturbedarf 
weitgehend aufbrauchen ... Die prakti- 
sche Befolgung des Prinzips der Men- 
schenwürde im BSHG muß demnach 
angesichts dieses Sachverhalts in Frage 
gestellt werden.” Insbdsondere sieht er 
„bei steigender Preistendenz’’, eine 
ständige Benachteiligung der Sozial- 
hilfeempfänger und warnt davor, 
„leichtfertig auf ’unrationelles’ und un- 
wirtschaftliches Verhalten (zu) schlie- 
Ben, wenn man erfährt, daß sich ein Teil 


der Befragten oft in dringenden finan- 


ziellen Schwierigkeiten befindet.’”* 
Auch die Münstermann, Schacht und 
Young-Erhebung (1974) in einem Dort- 
munder Stadtviertel ergab: „63 Prozent 
der Armen gaben an, daß sie weniger als 
nötig hatten... 65 Prozent der Armen.. 
gaben im Herbst 1974 an, sie hätten mit 
den Einkommenserhöhungen die Preis- 
steigerungen nicht kompensieren kön- 


Inen. Hier zeigt sich, daß die Armen 


"mehr bezahlen müssen’: die Konsum- 
güterpreise, die sich für alle Sozial- 
schichten absolut gleich erhöhen, tref- 
fen die niedrigen Einkommensgruppen 
natürlich stärker, da sie zumeist mit 
Einsparungen bei alltäglichen Gütern 
reagieren müssen.” 

Ein Ergebnis, das von Bujard/Lange 
bestätigt wird. „Die Skala weist auf, daß 
unter den befragten alten Menschen 
finanzielle Schwierigkeiten ein alltäg- 
liches Problem sind, kommen sie doch 
nicht nur bei besonderen und/oder 
unvorgesehenen Ausgaben Ín Schwie- 
rigkeiten, sondern durch die tägliche 
Notwendigkeiten, sich zu ernähren, zu 
bekleiden, zu wärmen etc.’’'’ Zur bun- 
desrepublikanischen Wirklichkeit ge- 


Pea T, pen 


hört auch, daß Menschen auf die Frage, 
„was sie für den Fall, sie erhielten 
2.000,— DM, mit dem Geld anfangen 
würden”, u.a. antworteten: „Ich würde 
mich einmal richtig satt essen.” ”' 

Daß die Sozialhilfe nicht ausreicht, 
wurde ebenso für die Sozialhilfe bezie- 
henden alleinerziehenden Mütter und 
Väter in Westberlin ermittelt. Das Er- 
gebnis: „acht von zehn kommen mit der 
Hilfe nicht aus.”!? 


Verordnete Unterernährung 


Die Sozialministerien lassen diese Er- 
gebnisse ungerührt. Ein Schreiben des 
AKS Frankfurt, in dem die Forderung: 
„Sofortige Erhöhung der Sozialhilfe auf 
einen Betrag, der der allgemeinen 
K.ostensteigerung angepaßt ist”, vertre- 
ten wurde, beantwortete der Hess. 
Sozialminister mit dem Hinweis: 

„Ihrer Besorgnis über eine rechtzei- 
tige Anpassung an die gestiegenen 
Preise darf ich entgegenhalten, daß... 
der am 1. Januar 1977 in Kraft getretene 
Eckregelsatz von 292,— DM (. . .) bis 
heute durch die Preissteigerung bei den 
Warenkorbpositionen nicht erreicht 
worden ist.“ 


Eine fadenscheinige Antwort. Sie 
lenkt von der eigentlichen (finanz)poli- 
tischen Entscheidung ab und hin zu dem 
vom „Deutschen Verein für öffentliche 
und private Fürsorge” erstellten Waren- 
korb. — 8 22 BSHG bestimmt, daß 
„laufende Leistungen zum Lebensunter- 
halt“ nach Regelsätzen gewährt wer- 
den. Der Inhalt und Aufbau der Regel- 
sätze wird einer Rechtsverordnung 
übertragen (Regelsatzverordnung). 
Diese Verordnung basiert auf Unter- 
suchungen des „Deutschen Vereins’, 
der für die Berechnung der Regelsätze 
zuletzt 1970 einen Warenkorb zusam- 
mengestellt hat.'* 


—_ 38 _ 


Die Waren und Dienstleistungen des 
Warenkorbs sind so bemessen, daß der 
Durchschnitts-Regelsatz von DM 297,-- 
für Haushaltsvorstände und Allein- 
stehende für das Jahr 1979 nach Be- 
darfsgruppen differenziert folgende 
Beträge ergibt:'’ 


Tab.3: Aufteilung des Regelsatzes für 


Haushaltsvorstände und Alleinstehende 
nach Bedarfsgruppen in Prozent und 
DM-Beträgen 


Ernährung 57% 169,29 
Kochfeuerung/ 

Beleuchtung 9% 26,73 
Instandhaltung/ 

Neubeschaffung v. 

Kleidung, Wäsche 

und Hausrat 5% 14,85 
Körperpflege/ 

Reinigung 9% 26,73 
Persönliche 

Bedürfnisse 20% 59,40 


Schon 1976 mußte ein Student 
monatlich für Ernährung (ohne Hilfe 
von daheim) nach einer Untersuchung 
des „Deutschen Studentenwerks’ 
DM 205,10 ausgeben.!® — 1976 betrug 
der Durchschnitts-Regelsatz für Haus- 


6 Die Erhöhungsintervalle 
werden immer länger, 
die Erhöhungsbeträge immer 


geringer GG 


haltsvorstände und Alleinstehende 
DM 268,—. Der Anteil für Ernährung 
(57%) betrug davon DM 152,76. Im 
Jahre 1976 hatte demnach ein Sozial- 
hilfeempfänger monatlich DM 52,34 
weniger für Ernährung zur Verfügung, 
als im vergleichbaren Zeitraum ein Stu- 
dent für Ernährung ausgab. Selbst 1979 
wird dem Sozialhilfeempfänger durch 
den Regelsatz noch immer monatlich 


DM 35,81 weniger zugestanden, als einıpflege und Reinigung?! sind ebenfalls 
Student 2 Jahre vorher für Ernährungl[unzureichend. Ein praktischer Versuch, 


ausgeben mußte. 


Eine weitere Untersuchung ist in die- 
sem Zusammenhang von Bedeutung. 
Die „Barmer Ersatzkasse’’ kam in der 
von ihr durchgeführten 
Aktion” zu dem Ergebnis, daß 59,52% 
der Bonner Studenten Untergewicht 
haben.!* 

Eine andere Erhebung beweist eben— 


falls, daß der 57%-Anteil für Ernährung 


im Regelsatz zu gering ist: Eine von der 
„Zentralstelle für rationelles Haushal- 
ten” (Bonn) durchgeführte statistische 
Auswertung von Beratungsmaterial 
ergab, daß eine Person 1977 für Ernäh- 
rung DM 223,— ausgab.'!” Im vergleich- 
baren Zeitraum betrug der Anteil für 
Ernährung im Regelsatz DM 163,59, 
also DM 59,41 niedriger. 


kd 


„Zweimal beschissen . . > 


Daß der Inhalt und der Betrag der 
Bedarfsgruppe Kochfeuerung und Be- 
leuchtung nicht ausreichen kann, habe 
ich schon an anderer Stelle nachgewie- 
sen??. DM 7,50 mehr müßte ein Sozial- 
hilfeempfänger für Strom und Gas be- 
zahlen, als der Regelsatz vorsieht, 
würde er sich nur an die Mengen halten, 
die der Warenkorb gewährt. „Anders 
ausgedrückt: den Sozialhilfeempfän- 
gern wird nicht einmal der Betrag ge- 
währt, den sıe benötigen würden, um 
die vom „Deutschen Verein’ ermittel- 
ten Minimalmengen zu bezahlen.” Zu- 
dem: Die vorgesehenen Mengen von 
16 kWH Strom für den Betrieb elektri- 
scher Geräte müssen wie auch die 
18 cbm Gas für Kochfeuerung und den 
Aufwand für Bäder als völlig unzurei- 
chend angesehen werden. Fazit: „Zwei- 


, 


mal beschissen . . .”. 


den ich durchführte, ergab, daß die 
60 Gramm Seife, die die Bedarfsgruppe 
für Haushaltsvorstände und Allein- 
stehende vorsieht, am 15. Tag aufge- 


„Wiege- braucht waren. Jugendlichen von 15-20 


Jahren werden sogar nur unerklärliche 
37,5 Gramm (!) Seife monatlich zuge- 
standen (nach meinem Test bereits am 
9. Tag aufgebraucht). 

„Es war Aufgabe des Arbeitskreises, 
nach wissenschaftlichen Gesichtspunk- 
ten... . ein neues Verbrauchsmengen- 
schema für Sozialhilfeempfänger zu 
entwickeln”??, wurde bereits bei der Zu- 
sammenstellung des Warenkorbs 1962 
versprochen. Leider hat es der Arbeits- 
kreis „Aufbau der Regelsätze” bis heute 
versäumt, zu veröffentlichen, welche 
„wissenschaftlichen Gesichtspunkte” 
nahelegen, daß z.B. Jugendlichen erst 
ab 21 Jahren Rasierseife und Rasier- 
klingen brauchen. 


Die vorgesehenen Mengen an Zahn- 
creme ermöglichen nur einmal tägliches 
Zähneputzen. (Wissenschaftliche Emp- 
fehlung: nach jeder Mahlzeit; minde- 
stens dreimal täglich.) Kinder und Ju- 
gendlichen wird umgerechnet alle 
12,5 Monate eine Zahnbürste zugestan- 
den. „Zahnmedizinisch-wissenschaft- 
liche Gesichtspunkte” können hier 
wohl nicht zugrunde gelegt worden sein; 
Zahnbürsten sollen nach 2-4 Monaten 
weggeworfen werden. 


Mit den für Haushaltsvorstände und 
Alleinstehende vorgesehenen Mengen 
an Waschpulver (grob) können an die 
12 kg Wäsche gewaschen werden. Dies 
entspricht etwa 2 Bettbezügen, 10 Hem- 
den, 15 Unterhosen und Unterhemden, 
15 Paar Socken, 2 Badetüchern und 


“3 Cordhosen. Nicht berücksichtigt wer- 


... und so wenig Seife 


den könnte ein weiterer Anfall von 
schmutziger Wäsche — wie Geschirr- 


Die Mengen der Bedarfsgruppe Körper-!tüchern, weitere Handtüchern, Schlaf- 


— 


anzüge, Vorhänge, Tischdecken, usw. 
Die 65 Gramm Waschpulver (fein) er- 
möglichen die Wäsche von 400 Gramm 
Wolle (ein leichter Pullover). 

Der Betrag von DM 14,85 für In- 
standhaltung von Schuhen, Kleidung 
und Wäsche sowie kleinere Instandset- 
zungen von Hausrat, Neubeschaffung 
von Wäsche und Hausrat von geringem 
Anschaffungswert?’, soll „im wesent- 
lichen der allgemeinen Haushaltsfüh- 
rung dienen”. Es sind also damit abzu- 
decken: Leim, Dübel, Schrauben, Nägel, 
kleine Werkzeuge, kleine Haushalts- 
geräte (z.B. Meßbecher), Kurzwaren 
(Knöpfe, Nadeln, Garn, Strickwolle, 


Reißverschlüsse), kleinere Schuhrepara- 
turen (Absätze, Schnürsenkel), uunia 
Wäscheanschaffungen (Taschentücher, 
Schals, Krawatten) usw. — 
Die Bedarfsgruppe Persönliche — 
dürfnisse?* sieht für Briefporto z 
Telefongespräche monatlich DM * 
vor. Ferner 6 Straßenbahnkarten. em 
Menge ermöglicht 3 Hın- und Rüc s 
fahrten und dürfte mit den Fahrten 7 
den Sozialämtern aufgebraucht — 
Der Betrag der vom Stat. — 
Hessen für die Berechnung der ur 
scheine zugrundegelegt wird, betrag: 
DM 1,16%. In den Verkehrsspitzen®S 
ten beträgt in Frankfurt der Fahrprei: 



















ICHMOCHTE STATT/NER HALBEN 


TUBE ZAHN PASTA, LIEBER N GANZE 
UCK SEIFE ! 





DM 1,50. Sozialhilfeempfänger sind in 
den Verkehrsspitzenzeiten, demnach in 
ihrer „Beziehung zur Umwelt’ ausge- 
schlossen. Zwar besteht in Frankfurt 
die Möglichkeit, die sog. „Grüne Karte” 
zu erwerben, eine Monatskarte für 
sozial schwache Einkommensschichten 
(die ebenfalls die Beförderung in den 
Verkehrsspitzenzeiten ausschließt) die 
jedoch einen Eigenanteil von DM 14,— 
verlangt. Im Regelsatz ıst für Fahrten 
aber nur ein Betrag von DM 6,96 vorge- 
sehen. Für alle Sozialhilfeempfänger in 
Frankfurt, die im Besitz der „Grünen 
Karte” sind, gilt also, daß die größere 
Beweglichkeit durch die „Grüne Karte”, 
mit dem Verzicht aut andere Leistungen 
aus dem Warenkorb erkauft werden 
muß. 

Für die Teilnahme am „kulturellen 
Leben” wird Haushaltsvorständen und 
Alleinstehenden u.a. ein Taschenbuch 
im Regelsatz angerechnet. Bei dem an- 
gerechneten Betrag handelt es sich um 
den Preis für die „Ein-Punkt’’-Ausga- 
ben, die dünnsten Taschenbücher. Eine 
Rückfrage beim ’Fischer Taschenbuch 
Verlag’ ergab. daß sich ım gesamten 


— 


ich sieben ! 


ich nut ss 


. fs 
Seint 2 hau 





= — 


4 


ler. EF BE 
EN) ya, = : 


| 


E E 
Sotia lamt Di EP L 


Taschenbuchsortiment nur noch 17 
„Ein-Punkt”-Ausgaben befinden und 
die letzte Neuerscheinung 5 Jahre zu- 
rückliegt. 

Der Betrag, der für diese „Ein- 
Punkt’-Ausgaben im Regelsatz ange- 
rechnet wird, beträgt DM 3,80. Dieser 
Betrag reicht z.B. nicht, um wöchentlich 
eine Fernsehzeitung zu kaufen. 

Kindern bis zu 7 Jahren wird über- 
haupt kein Fahrgeld zugestanden. In 
Frankfurt müssen Kinder jedoch schon 
ab 4 Jahren Fahrgeld bezahlen. Jugend- 
lichen von 7-14 Jahren werden durch 
die Regelsätze 2 Fahrscheine gewährt, 
Jugendlichen von 15-20 Jahren ganze 4. 


Für Spielzeug wird Kindern bis zu 
14 Jahren monatlich ein Betrag von 
DM 2,3126 gewährt. Ein „Mensch-ärger- 
dich-nicht”’-Spiel kostete im September 
1978 immerhin DM 9,60%; eine Puppe 
DM 37,99; ein Teddybär DM 45,58; ein 
Kunststoffbaukasten DM 39,34, ein 
Metallbaukasten DM 58,43; eine elek- 
trische Eisenbahn DM 168,34. (Für eine 
elektrische Eisenbahn müßte eine Mut- 
ter, die Sozialhilfe bezieht, 72 Monate 





A - ( 
A, 
BR C 
AY Q “f 
nA o h 2 





Ergänzung zu Artikel "Warenkorb Marke Schmalhans’ aus päd.extra sozialarbeit. 
ee Ki 


bzw. 6 Jahre den monatlichen Betrag 
für Spielzeug im Regelsatz sparen.) 


Die Darstellung der Mängel des Waren- 
korbs ließe sich weiterführen, soll aber 
hier abgebrochen werden. Daß Berech- 
nungsgrundlage der Regelsätze und die 
Regelsätze selbst unzureichend sind, ist 
hinreichend belegt; ebenso die höchst 
fragwürdige Weise, in der der „Deutsche 
Verein’ bei der Zusammenstellung des 
Warenkorbs vorging. 


Die (un) „saubere Logik” derer da 
oben — oder: 


Die „Würde des Menschen” 


Petersen schreibt: „Welche Lebens- 
führung der Würde des Menschen ent- 
spricht, ist in den Untersuchungen des 
"Deutschen Vereins’ aufgrund der 
Lebenshaltung beurteilt worden, die in 
der Bevölkerung besteht.”??® Und — 
„die Prüfungen ergaben außerdem, daß 
die Lebenshaltung der unteren Ver- 
brauchergruppen geeignet sind, um sie 
als Grundlage bei der Feststellung des 
Ausmaßes der Regelsätze heranzuzie- 
hen.””” — Zu dieser Methode bemerkt 
Werkentin, daß sie darin besteht, 
schlicht und einfach aufzulisten, was 
faktisch vorherrscht® und daß sie in 
leichtfertiger Weise unterstellt, daß die 
unteren Verbrauchergruppen tatsäch- 
lich über den notwendigen Lebens- 
unterhalt verfügen, der der „Würde des 
Menschen” entspricht. 

Die Fragwürdigkeit der vom „Deut- 
schen Verein” angewandten Methode 
wird ferner an folgendem Umstand 
deutlich: Welche Lebenshaltung in der 
Bevölkerung besteht, ermittelte der 
Arbeitskreis anhand der „Wirtschafts- 
rechnungen” („Einnahmen und Aus- 
gaben ausgewählter privater Haus- 
halte“) des Statistischen Bundesamtes 
Wiesbaden. — Die Ausgaben und Ein- 
nahmen der unteren Verbrauchergrup- 
pen werden von 2-Personen-Haushal- 
ten von Renten- und Sozialhilfeempfän- 


gern mit geringem Einkommen aufge- 
zeichnet. ’' 





„Die absolute Höhe der ausgaben- 
fähigen Einkommen bzw. Einnahmen 
je Haushalt, die bei den laufenden Wirt- 
schaftsrechnungen anfällt, ist also kei- 
neswegs, wie häufig angenommen wird, 
ein statistisches Ergebnis im eigent- 
lichen Sinne. Vielmehr wird sie durch 
die Vorgabe von Einkommensgrenzen 
bei der Auswahl der Haushalte auf 
einen ganz bestimmten Bereich fi- 
xiert.” >? Die Einkommensgrenzen der 
unteren Verbrauchergruppe orientier- 
ten sich „im Jahre 1964... an einem Ein- 
kommensniveau, das in etwa den dama- 
ligen Sätzen der Sozialhilfe entsprechen 
sollte.” Dieser Betrag wird seitdem 
„entsprechend der Steigerung der Ren- 
ten und Sozialhilfesätze fortgeschrie- 
ben,” 

Man vergegenwärtige sich die Metho- 
de des „Deutschen Vereins” konkret: 
Anhand der Untersuchungen des 
„Deutschen Vereins” wird die Höhe der 
Regelsätze bestimmt. Die Höhe der 
Regelsätze werden vom Statistischen 
Bundesamt zur Bestimmung und Ein- 
grenzung der unteren Verbraucher- 
gruppen verwandt. Renten und Sozial- 
hilfeempfänger zeichnen auf der Grund- 
lage ihres durch den „Deutschen Ver- 
ein” vorbestimmten Einkommens ihre 
Ausgaben auf. Für den „Deutschen Ver- 
ein” sind diese aufgezeichneten Aus- 
gaben wiederum der Beweis, daß die 
Lebenshaltung der unteren Verbrau- 
chergruppen ausreichend ist und als 
Grundlage für die Zusammenstellung 
der Regelsätze verwandt werden kann. 


9 Über das Fleisch, das in 
der Küche fehlt, 
wird nicht in der Küche 
entschieden 99 


Eine saubere Logik, die erklärbar 
wird, wenn man betrachtet, welcher 
Personenkreis an der Zusammenstel- 
lung des Warenkorbs beteiligt war: 
„Vertreter der Stadt- und Landkreise 
und der Kommunalen Spitzenverbände, 


— 4la— 


der Obersten Sozialbehörden der Län- 
der, der überörtlichen Träger, der Ver- 
bände der freien Wohlfahrtspflege, des 
Max-Planck-Instituts für Ernährungs- 
physiologie, des Statistischen Bundes- 
amtes und des Hessischen Landesamtes 
— ferner ein Vertreter des Bundesmini- 
steriums für Jugend, Familie und Ge- 
sundheit.”’’* Sieht man von den Vertre- 
tern des Statistischen Bundes- und Lan- 
desamtes und dem Ernährungsphysio- 
logen des Max-Planck-Instituts ab, so 
finden wir all die Repräsentanten von 
Gremien, die als Träger von Sozialhilfe 
naturgemäß an einem niedrigen Kosten- 
aufwand interessiert sind. Die aus- 
schließliche Beteiligung von Vertretern 
der Kommunen, Landkreise, der Sozial- 
behörden etc. läßt den Schluß zu, daß 
der „notwendige Lebensunterhalt”, 
bzw. die „Würde des Menschen” finanz- 
politischen Erwägungen ein- und unter- 
geordnet ist. 


Lediglich Untersuchungen in eintöni- 
ger Regelmäßigkeit angekündigt 


Angesichts der Unzulänglichkeit der 
Regelsätze sind neben der Forderung 
nach ihrer sofortigen Erhöhung wieder- 
holt Aufforderungen an die zuständigen 
Stellen ergangen, den Warenkorb zu 
überprüfen und neu zusammenzustel- 
len. — Der „Deutsche Verein” muß 
daran erinnert werden, daß er im Zu- 
sammenhang mit der Erstellung des 
Warenkorbs 1970 ankündigte, daß sich 
für ihn „die Erkenntnis ergeben (hat), 
daß der Warenkorb künftig in kürzeren 
Abständen als bisher überprüft werden 
sollte”, Aus dieser Ankündigung ist 
bisher nichts geworden. Wurde der erste 
Warenkorb des Jahres 1955 nach 7 Jah- 
ren (1962) erneuert, dieser wiederum 
1970 nach acht Jahren modifiziert, so ist 
dieser Warenkorb, bei dessen Erstellung 
die Haushaltsrechnungen des Jahres 
1967 zugrundegelegt wurden, mit 9 Jah- 
ren der am längsten unveränderte. Eine 
grundsätzliche Anderung ist auch in 
nächster Zukunft nicht vorgesehen. Seit 
2 Jahren werden lediglich Untersuchun- 


— 41b — 








gen über die „Kosten für Energie im 
Haushalt” und über die „Kosten für 
Schulausgaben” in eintöniger Regel- 
mäßigkeit angekündigt.’ 

So wichtig die Beschäftigung mit dem 
Warenkorb und damit ist, welcher 
„Lebensbedarf’” und welche „Würde 
des Menschen” Sozialhilfeempfängern 
zugestanden wird, so wenig sollte ver- 
gessen werden, daß eine evtl. Neugestal- 
tung des Warenkorbs durch den „Deut- 
schen Verein” auf den § 4 der Regelsatz- 
verordnung Rücksicht nehmen wird. 84 
der RegelsatzVO bestimmt, daß „bei der 
Festsetzung der Regelsätze (. . .) darauf 
Bedacht zu nehmen (ist), daß sie . 
unter dem ım Geltungsbereich der je- 
weiligen Regelsätze erzielten durch- 
schnittlichen Netto-Arbeitsentgelt unte- 
rer Lohngruppen . . . bleiben.” , 

Unterhalb dieser Grenze bleibt es 
dem Arbeitskreis „Aufbau der Regel- 
sätze” vorbehalten, Grundlagen für die 
Berechnung der Regelsätze zu erstellen. 
Zudem: „Die tatsächlichen Sozialhilfe- 
empfänger sowie die Höhe der Unter- 
stützungssätze dagegen sind zusätzlich 
von politischen Faktoren abhängig, 
d.h. der politische Charakter der Kri- 
senbewältigung bestimmt, ob und wie 
Zugangsbarrieren und Fürsorgerestrik- 
tionen ab- oder aufgebaut werden.''’’ 

Wurde eine Anhebung der Unterstüt- 
zungssätze in den 60er Jahren auf 
Grund von wirtschaftlichem Wachstum, 
Vollbeschäftigung und Lohnexpansion 
zugestanden, so dürfte das Sozialhilfe- 
system jetzt „am Ende einer Liberalisie- 
rungsphase angelangt sein.“* 

„Sind die Armen friedlich, bekommen 
sie gar nichts, sind sie aber rebellisch, 
bekommen sie manchmal ein wenig’ 
„A placid poor get nothing but a turbu- 
lent poor sometimes get something”, 
mit dieser Einschätzung endet die 
Untersuchung von Piven/Cloward über 
„Die Politik der öffentlichen Wohl- 
fahrt” in den USA”, Ansätze einer Be- 
wegung von Sozialhilfeempfängern sind 
gegenwärtig in der BRD erst im Ent- 
stehen begriffen*° und öffentlich noch 


nicht ausmachbar. Eine solche Bewe- 
gung gegen die restriktive Sozialpolitik 
ist aber in der gegenwärtigen (finanz)- 
politischen Situation wunabdingbare 
Voraussetzung zur Erlangung von Lei- 


ANMERKUNGEN 


I) Vgl. Flugblatt des AKS Frankfurt und die Reaktion 
der Frankfurter Sozialbürokratie, in: Informations- 
dienst Sozialarbeit 21, Offenbach 1978, S. 51 ff, Brief 
mit Unterschriften von 49 Sozialarbeitern in: „Brenn- 
punkt"-LAG Zeitung 3/1978, S. 6, hrsg. von „Lan- 
desarbeitsgemeinschaft soziale Brennpunkte Hes- 
sen”, 

2) Mitteilungen des Deutschen Städtetages vom 21.5.75, 
S. 143. 

3) Süddeutsche Zeitung vom 25.11.1975. 

4)Utz Krahmer, „Menschenwürde zu teugs”, in: päd. 
extra sozialarbeit, Heft 7/8, 1978, S. 30-33; vgl. ferner 
Stephan Leibfried, in: Piven/Cloward, Regulierung 
der Armut — Die Politik der öffentlichen Wohlfahrt, 
insbesondere die ausführliche Literaturübersicht zur 
„Strukturbereinigung” in der Sozialhilfe in Fuß- 
note 12. 

ENTF Lange, Armut im Alter, Weinheim 1978, 
6) Unveröffentl. Ergebnisse einer Umfrage der „Landes- 
arbeitsgemeinschaft soziale Brennpunkte Hessen”. 
7)H. Strang, Erscheinungsformen der Sozialhilfe- 

bedürftigkeit, Stuttgart 1970, S. 55. 

8)ebenda, S. 219. 

9)Münstermann, Schacht, Young, Armut in Deutsch- 
land, in: Böhret u.a. (Hrsg.), Gleiche Chancen im 
Sozialstaat ?, Opladen 1975, S. 27 ff. 

10) Bujard/Lange, a.a.0., S. 9. 

Il)ebenda, S. 101. 

12) Dokumentation des Verbands alleinstehender Mütter 
und Väter, Landesverband Berlin, Sommer 1978,S.2. 

13) Informationsdienst Sozialarbeit, a.a.O., S. 54. 

14) Petersen, Die Regeisatze nach dem BSHG, Ihre Be- 
deutung, Bemessung und Festsetzung, in: Kleinere 
Schriften des Deutschen Vereins, Nr. 43, 1972. 

15)Die prozentuale Aufteilung ist den „Frankfurter 
Richtlinien”, 2020/5, Januar 1975, entnommen. Die 
Aufteilung ın den „Frankfurter Richtlinien” ent- 
spricht geringfügig auf- oder abgerundet einer pro- 
zentualen Umrechnung der vom „Deutschen Verein” 
veröffentlichten „Monatlichen Aufwandbeträgen in 
DM zur Ermittlung des notwendigen Lebensunter- 
* für das Jahr 1970, in: Petersen, a.a.O., Anlage 7 

16)Das soziale Bild der Studentenschaft in der BRD, 
8. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, 
hrsg. vom Bundesminister für Bildung und Wissen- 
schaft, Bonn 1978, S. 107. 

I7)ebenda. 

18) Barmer Ersatzkasse, „Wiege-Aktion” 1974-1977. 

19)8. Erfahrungsbericht der Zentralstelle für rationelles 
Haushalten, Bonn 1978, S. 68. 

20) Vgl. päd.extra sozialarbeit, Heft 7/8, 1978, S. 28 ff. 

21) Vgl. Petersen, a.a.O., Anlage 5, S. 80. 

22) Petersen, a.a.O., S. 42. 

23) Vgl. Petersen, a.a.O., Anlage 4, S. 78. 

24) Vgl. Petersen, a.a.O., Anlage 6, S. 82. 

25)Monatliche Aufwandbeträge in DM zur Ermittlung 
des notwendigen Lebensunterhalts des Stat. Landes- 


in 


stungsverbesserungen bzw. zur Abwehr 
weiterer Verschlechterungen; denn: 
„Über das Fleisch, das (. . .) in der 
Küche fehlt, wird nicht in der Küche 
entschieden” (Bertolt Brecht). $ 





amtes Hessen, September 1978 (unveröffentl.). 
26)ebenda. 

27) Verbraucherpreise und Preisindizes der Lebenshaäl- 
tung in Hessen des Stat. Landesamtes Hessen, Sep- 
tember 1978. 

28) Petersen, a.a.O., S. 30. 

29)ebenda, S. 32. 

30) Werkentin, Die Quantifizierung der Würde des Men- 
schen im Rahmen des BSHG, in: Kritische Justiz, 
Heft 3, 1974, S. 296. 

31) Vgl. Wirtschaftsrechnungen, Einnahmen und Aus- 
gaben ausgewählter privater Haushalte, Stat. Bun- 
desamt Wiesbaden, Erläuterungen. 

32)Möglichkeiten und Grenzen der laufenden Wirt- 
schaftsrechnungen, in: wirtschaft und statistik, 1972, 
S. 322. 

33) Wirtschaftsrechnungen, a.a.O., Erläuterungen. 

34)NDV, 1971, S. 46. 

35S)NDV, 1971, S. 48. 

36) Vgl. Geschäftsbericht des Deutschen Vereins 1976/77 
S. 8. 

37)Monika Fuhrke, Sozialpolitik in der Krise, in: Pro- 
bleme des Klassenkampfs, Nr. 33, Berlin 1978, S. 18. 

38) Stephan Leibfried, a.a.O., S. 15. 

39) Pıven/Cloward, a.a.0., S. 390. 

40) Vgl. päd.extra sozialarbeit, Heft 7/8, 1978; vgl. ferner 
die Dokumentation zur zentralen Veranstaltung der 
„Landesarbeitsgemeinschaft sozialer Brennpunkte 
Hessen” am 30.9.1978 in Wiesbaden, an der 500 So- 
zialhilfeempfänger teilnahmen. Zu beziehen über: 
„LAG", Moselstr. 25, 6000 Frankfurt 1. 


Ulf Luers 


EIN DEUTSCHER VEREIN 
— Jubiläum des Deutschen Vereins 
für öffentliche und private Fürsorge — 


Herr Deutsch trifft wieder mal seinen Verein: 
Ach, Sie haben sich ja gar nicht verändert! 
Erstaunt dieser: Ja, sollte ich das denn? 
(Sehr frei nach B. Brecht) 


NOT MACHT ERFINDERISCH 


Vor hundert Jahren, Bismarck hatte gerade sein Gesetz "gegen die ge- 
meingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" erlassen, da 
trafen sich in Berlin eine Reihe Männer und gründeten einen Verein 
zur Armenpflege mit dem Grundsatz: 

"Es genügt nicht, dem Bedürftigen das Unentbehrliche an Nahrung, 
Kleidung und Obdach zu gewähren. Es muß vielmehr würdige Aufgabe 
der Armenhilfe sein, entweder zu verhüten, daß eine derartige Bedürf- 
tigkeit eintritt oder, wenn sie eingetreten, dahin zu wirken, daß 
ihre Folgen schnell wieder beseitigt werden und die wirtschaftliche 
Selbständigkeit wieder hergestellt wird". 

(Zitiert nach einer Pressemitteilung des DV von 1980) 


Dieses Verständnis,meint der Jubilar heute, sei "wmälzend neu" ge- 
wesen und er sei noch heute dieser Leitidee verpflichtet. Doch halt: 
Wer nun die Schlußfolgerung gezogen hat, da hätten sich soziale Er- 
neuerer vor hundert Jahren heimlich getroffen und mutige Bekenntnisse 
abgelegt, der irrt leider sehr. Die Männer waren Herren (Frauen 
stießen erst Jahre später hinzu, und sie waren "führende" Persön- 
lichkeiten ihrer Zeit, die sich auf einem Kongreß zum Thema "Maßnah- 
men zur Unterdrückung der Bettelei'" in Berlin zusammenfanden. Und 
erst wenn man sich die Protokolle der ersten und der nachfolgenden 
Konferenz (en) ansieht, wird deutlich, warum Bedürftigkeit verhütet 
und ihre Folgen beseitigt werden sollen: "Zum Schutz der Armenbehör- 
den gegen Mißbrauch" durch "Faule, Arbeitsscheue und Landstreicher". 


Bereits 1881 beschloß auf Antrag von Staatsminister Dr. Friedenthal 
der Deutsche Verein (DV) den Reichskanzler zu ersuchen, gesetzlich 
wieder die seit 1855 entfallene Möglichkeit zu schaffen, "ohne vor- 
gängige gerichtliche Prozedur", also durch Verwaltungsakt der örtli- 
chen Armenbehörden "Personen, welche Unterstützung aus Öffentlichen 
Armenmitteln erhalten und das Empfangene unnütz verwenden" in das 
Arbeitshaus zu "überweisen" (siehe Kasten). 

In einer ersten Würdigung der Tätigkeit des DV wurde beklagt, daß 
diese und viele nachfolgenden Eingaben einen wirksamen "Schutz der 
Armenbehörden gegen Mißbrauch" noch nicht erbracht haben. (Zitat aus 
Oertzen, 1898, S. 95 ff). 


— 


Esging also nicht um die Bedürfnisse der Armen, obwohl einer der Ini- 
tiatoren der Vereinsgründung sich in einer Denkschrift, die den An- 
stoß zur ersten Zusammenkunft gab, auf diese berief (DOELL 1879). 
Wenn man sich die Themen der Versammlungen (ab 1920 Fürsorgetage be- 
nannt) ansieht und, noch deutlicher wenn man die Protokolle der Jah- 
resversammlungen und die Entschließungen der ersten Jahrzehnte des 

DV ansieht, so wird ersichtlich, daß es vor allem um zwei Probleme 
ging, die die Herren Stadträte, Beigeordnete und Bürgermeister so- 
wie die auch beteiligten Geheim- und Regierungsräte, Prälaten und 
Direktoren immer wieder beschäftigten: 

© Die Frage der "gerechten Kostenverteilung" zwischen örtlichen Trä- 
gern der Armenfürsorge und überregionalen Verbänden der Länder. Hier- 
bei spielte vor allem der Streit eine Rolle, ob das konservativere 
Heimatprinzip oder der jeweilige Wohnort ausschlaggebend sein sollten. 
Ebenso wichtig war aber auch 

® die Hoffnung auf Kosteneinschränkungen durch neue gesetzliche Re- 
gelungen zur zwangsweisen Unterbringung und Beschäftigung der Wohn- 
sitzlosen. Nahtlos von 1881 bis in die Zeit des Nationalsozialismus 
zieht sich die Forderung nach einem Arbeitsscheuengesetz durch die 
Verhandlungen des DV. 

Es ist schon beeindruckend, wenn man verfolgt, wie die Honorationen 
sich stunden- und tagelang darüber stritten, ob "der Arme im einzel- 
nen Pflegefall eine größere Belastung für die Ortseimwohner hervor- 
bringt" (zitiert nach Bericht von 1890) oder nicht und wie man es 
verhindern kann, daß er dahin wandert, wo seine Unterstützung mögli- 
cherweise anderen anheimfällt (nicht etwa: wo es für ihn günstiger 
wäre!), 

Doch auch heute noch spielt die Frage der Kostenverteilung eine Rol- 
le in der Tätigkeit des Deutschen Vereins. So zeigt ein Blick in die 
Sammelhefte der Gutachten zum Sozial- und Jugendhilferecht, daß zum 
Beispiel der DV 1968 ein Gutachten zur Frage "wer die Kosten für die 
Übernachtungs- und Verpflegungsstätte für Nichtseßhafte zu tragen 
hat" (DV Kleine Schriften Heft 37, S. 72) erarbeitete. 


> * 
—EXW 
— 


Re nn 





Die Sachverständigen des Deutschen Vereins bei der Erstellung eines Gutachtens 


























100 Jahre Deutscher Verein — 69. Deutscher Fürsorgetag 1980 
— Gesamtthema: Soziale Arbeit — Soziale Sicherheit — 





Zeitplan Programm 


Mittwoch, 23.April 1980 Themenbereiche: 
(Referat/Informations- und Diskus- 
11.00 Uhr sionsgruppen ) 
Eröffnung des Deutschen Fürsorgetages * Familie im System der sozialen 
Sicherheit 
ab 13.30 Uhr * Familienunterhalt und Sozial- 
Eröffnung ‘Treffpunkt - Information leistungen 
und Gespräch” /Besichtigung sozialer * Ausländische Arbeitnehmer und 
Einrichtungen ihre Familien 
ab 16.00 Uhr * Jugendhilfe in der Reform 
Festakt loo Jahre Deutscher Verein * Aufgaben kommunaler 
Sozialplanung 
Donnerstag, 24. April 1980 * Ambulante soziale Dienste 
* Soziale Sicherheit im Alter 
9,00 — 17.30 Uhr * Integration Behinderter und 
psychisch Kranker 
Beratungen in 9 Themenbereichen * Soziale Berufe zwischen Generali- 


sierung und Spezialisierung 
Freitag, 25. April 1980 


9,00 — 10.30 Uhr Abstimmung der Ergebnisse in den Themenbereichen 
11.00 — 13.30 Uhr Schlußveranstaltung 


Nähere Informationen: Deutscher Verein, Am Stockborn 1-3, 6 Frankfurt 


ÜBERLEBEN IST ALLES 


Nun ist das ja durchaus eine für die Administrationen notwendige Ar- 
beit, und es wäre sicher nicht richtig angesichts einer Fülle von 
Gutachten und sonstigen Tätigkeiten, hieraus alleine Folgerungen für 
die heutige Bedeutung des DV zu ziehen. Dennoch: Wie immer man seine 
heutige Arbeit bewerten will, sie ist nicht verständlich ohne die 
Hintergründe der Entstehung, und ohne die seit dieser Zeit wesentlich- 
sten Impulse zu würdigen. Das liegt offensichtlich auch ganz im Sinne 
des DV selbst, der so stolz auf seine Tradition ist und sich so deut- 
lich auf die Verdienste seiner früheren Vorsitzenden, vor allem auf 
Wilhelm Polligkeit und Hans Muthesius, bezieht. 

Verein und Vorsitzende verstanden es, eine Strategie des Überlebens 
und der Ausweitung in so verschiedenen Staatsformen wie Monarchie, 
Republik, Faschismus und parlamentarische Demokratie zu entwickeln. 


Der Deutsche Verein (für Armenpflege und Wohltätigkeit, ab 1919: für 
öffentliche und private Fürsorge) entwickelte sich nach und nach von 


— 


“ELEMENTE UNSCHÄDLICH MACHEN” 
100 Jahre Fürsorgeerziehung = 100 Jahre Zwangsmaßnahmen 


Schon im 2. Jahr seines Bestehens beschloß der Deutsche Verein für Armen- 


pflege und Wohltätigkeit (heute: für öffentliche und private Fürsorge): 

“die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, der Gesetzgebung eine Bestimmung einzufügen, 
wonach es in ähnlicher Weise, wie nach dem preußischen Gesetze vom 21. Mai 1855 

Art. 13 der Fall war, den Behörden wiederum zustände, arbeitsfähige Personen, welchen 

zu ihrem eigenen Unterhalt oder zum Unterhalt ihrer Familie öffentliche Unterstützung 
gewährt werden muß, ohne vorgängige gerichtliche Prozedur 

durch eine Verwaltungsprozedur, welche mit Garantien des Schutzes 
gegen etwaige Willkür ausgerüstet ist, zur Arbeit innerhalb oder außerhalb des Arbeits- 


hauses anzuhalten.” (Zitiert nach DV 88. Heft, 1909 S. 3) 


Dieser Antrag wurde mehrfach wiederholt (1883, 1887, 1898). 

Als dennoch im Reichstag rechtsstaatliche Bedenken geäußert wurden, 

variierte Landsberg unter Berufung auf mehrere Schriften des DV die Vor- 
stellungen: 

Der Arbeitsscheue sei bis zu einem gewissen Grade der Willkür des betreffenden Unterneh- 
mers unterworfen, damit dieser direkten Zwang zur Arbeit gegen ihn ausüben 
kann. Nur “schwere” Mißhandlung werde dem Arbeitgeber untersagt. Die Widersetzlich- 
keit des Arbeitsscheuen gegen den Arbeitgeber, ebenso wie die Flucht, werde als Verge- 
hen und zwar, statt mit Haft oder Gefängnis, mit Arbeitshaus bestraft. Den Arbeitslohn 
zahlt der Unternehmer an die Gemeinde oder einen autorisierten Verein bar aus, der 
Verein beziehungsweise die Gemeinde reicht dafür der Familie des Arbeitsscheuen und 
diesem in Höhe des Lohnes Naturalverpflegung. Dieser Zustand des Arbeitsscheuen soll 
befristet sein, ist aber für den zweiten Rückfall bis zur Erledigung der Abhängigkeit der 
Familie des Arbeitsscheuen von dessen Erwerb auszudehnen. Diese Behandlung des Ar- 
beitsscheuen ist keine Strafe, sondern lediglich eine Maßregel der Zweckmäßigkeit, wie 
die Internierung eines Irren in der Irrenanstalt. ... 

Die Hauptsache aber ist es, die so gefährlichen Personen dauernd unschädlich zu machen, 
ohne sie in einer der Humanität widerstrebenden Weise zu behandeln. Die geschehe 

durch dauernde Verwahrung 1) in einer Arbeitsanstalt oder durch Deportation zu einer 
überseeischen Straf- und Arbeitsanstalt, nicht zur “Strafe”, sondern zum Zweck der Si- 
cherung. (Landsberg 1896, S. 21 u. 41) 

Und endlich wird wenigstens in Preußen durch das sogenannte “ Arbeitsscheuen- 
gesetz” von 1912 den sich “gegenüber den Faulen in Not und Drangsal befinden- 


den Armenverwaltungen” geholfen: 
$ la. Wer selbst oder in der Person seiner Ehefrau oder seiner noch nicht 16 Jahre alten 


Kinder aus öffentlichen Armenmitteln unterstützt wird, kann auch gegen seinen Willen 
auf Antrag des unterstützenden oder des erstattungspflichtigen Armenverbandes durch 
‚Beschluß des Kreis- (Stadt-) Ausschusses für die Dauer der Unterstützungsbedürftigkeit 

in einer öffentlichen Arbeitsanstalt oder in einer staatlich als geeignet anerkannten Privat- 
anstalt untergebracht werden. 

Also ohne Gerichtsverfahren. Doch das ging dem DV noch nicht weit genug, 
zumal nicht alle Länder folgten. Zwar wurde unmittelbar nach dem Kriege zu- 
nächst nur die “ Anstaltserziehung für sittlich gefährdete oder verwahrloste 
Jugendliche” (Polligkeit 1920) gefordert, doch schon ab 1922 setzte der DV 
eine Kommission für ein ““Bewahrungsgesetz”, wie es jetzt hieß, ein, die 1926 
eine Eingabe an die Reichsregierung formulierte: 

“Mit großer Genugtuunghaben unser Verein und die in ihm vertretenen Fachkreise davon 
Kenntnis genommen, daß die Reichsregierung die Vorarbeiten für ein Bewahrungsgesetz 
in Angriff genommen hat. Ein solches Gesetz wird seit Jahren als notwendige Ergänzung 


des Systems der Fürsorge empfunden, um Personen, die infolge geistiger oder psychischer 
Mängel verwahrlost sind oder zu verwahrlosen drohen, von der Gefahr der Verwahrlosung 
und ihrer Folgen zu schützen, zugleich auch die Kosten herabzumindern, die heute in 
Staat und Gesellschaft durch das gemeinschädliche Verhalten solcher Personen verursacht 
werden. Das Fehlen eines solchen Gesetzes macht es heute unmöglich, eine wirksame Be- 
kämpfung des ungeordneten Wanderns, des Landstreichens und der Prostitution aufzuneh- 
men, da sich gerade unter diesen Personen solche befinden, bei denen der Hang zu einem 
ungeordneten, arbeitsscheuen oder liederlichen Lebenswandel auf geistigen oder psychischen 
Mängeln beruht. Wir begegnen solchen haltlosen Menschen ferner unter den Gruppen der 
Trunksüchtigen und sonstigen Rauschgiftkranken und auch unter den Geschlechtskranken. 
Schließlich sind die Fälle nicht selten, in denen geistesschwache oder sonst psychisch defek- 
te uneheliche Mütter immer wieder das Opfer einer Verführung werden und ihre meist 
ebenfalls psychisch defekten Kinder der öffentlichen Fürsorge überlassen. Es kann kein 
Zweifel darüber bestehen, daß das Fehlen der Möglichkeit, solche haltlosen Personen zu 
ihrem eigenen Schutz in Bewahrung zu nehmen, eine dauernde und schwere Belastung der 
Öffentlichkeit darstellt. (Aus Nachrichtendienst des Deutschen Vereins (ND) von 1926 

S. 346) 

Immer wieder wurde ein “Zusammenwirken” der Fürsorgeträger “mit Polizei 
und Gericht gegenüber Arbeitsscheuen, Landstreichern und Bettlern’’gefordert, 
um ‘die Freizügigkeit zu beschränken’ (ND 1930, S. 315). Die Gedankenwelt 
des Faschismus begann nicht erst 1933, sie erhielt sodann nur einen deutliche- 
ren Ausdruck und der Deutsche Verein wirkte mit. In einer Festschrift des DV 
zum Thema “Arbeitseinsatz und Arbeitserziehung durch Fürsorge, mit dem vor- 
angestellten Leitmotiv ‘Die deutsche Fürsorge hat sich zur nationalsozialisti- 
schen Hilfe der Gemeinschaft und Erziehung zur Gemeinschaft gewandelt’’, 
schrieb Hans Muthesius eine zeitgemäße Begründung zur ‘“Pflichtarbeit” als 
“Maßnahmen des Fürsorgeamtes, die als Auslese- und Erziehungsmittel uner- 
läßlich sind”. (1938, S. 22) Und 1938 schrieb Baumgärtner in einem Beitrag 
zur Schrift “Der nichtseßhafte Mensch” (Mitautoren: Reichsminister Frick 
und Polligkeit): 

Es finden sich unter den mittellosen Wanderern in der Tat zahlreiche gefährliche Gewohn- 
heitsverbrecher, die bei ihrer unsteten Lebensweise eine besondere Bedrohung für die 
Volksgemeinschaft bedeuten. Die aktiven Verbrechernaturen bleiben allerdings weit hin- 
ter dem Heer der Gewohnheitsverbrecher aus Schwäche zurück. Doch auch diese 
“Schwächlinge’” sind nicht minder ernst zu nehmen. 347) Zwar begehen sie nur leichte 
Delikte, weil ihnen die Kraft zur schweren Kriminalität fehlt. Für die Volksgemeinschaft 
aber sind auch sie in gleicher Weise eine Gefahr. 348) Ihre Gefährlichkeit ist ihre schuld- 
hafte Lebensführung, ihr gemeinschaftsbelastender Zustand. 349) Bettel und Landstrei- 
cherei sind lediglich die Symptome dieser chronischen Gefährlichkeit. 


Diesem Autor, der sich ausdrücklich auf Polligkeit bezieht, gingen die Gesetze 
des NS-Regimes noch nicht weit genug: 

“Die unverbesserlichen, gewohnheitsmäßigen arbeitsscheuen Vagabunden, die Psychopa- 
then, die nicht unter die Geisteskrankheit und Geistesschwäche fallen, sind auf die Dauer 
zu bewahren.” (aaO S. 115) 

Doch kaum ist das 3. Reich zusammengebrochen, da fordert eine Referentin 
auf einer Tagung des DV “zur Überwindung der deutschen Volksnot’ Verord- 
nungen 

“zur Unterbringung verwahrloster Frauen und Mädchen.... Die zuständigen Stellen sollen 
„ermächtigt werden, Frauen und Mädchen über 18 Jahren, die durch ihren Lebenswan- 
del zur Verbreitung von Geschlechtskrankheiten beitragen und damit eine Gefahr für die 
Volksgesundheit bedeuten, oder die sonst verwahrlost sind, aufzugreifen und in einer 
entsprechenden Anstalt einer geregelten Arbeit, einem geordneten Leben und einer er- 
zieherischen Beeinflussung zuzuführen’ (DV Heft 1, Reihe B, 1947 S. 58) 

Auch für die “männlichen Jugendlichen” von 18-25 Jahren werden zur Gewöh- 
nung an “geordnete Arbeit” wieder “ Arbeitserziehungsanstalten’’ gefordert. 
(Ebenda, S. 59) 


einer zunächst mehr losen Zusammenkunft honoriger Herren zu einer 
mächtigen Organisation mit fast 100 Mitarbeitern, über 2 500 Mitglie- 


dern, einer eigenen Akademie und Tagungsstätte. 
Einfluß beruhen vor allem auf zwei Strategien: 


Seine Erfolge und sein 
® Eine breit gefächerte Mitgliederstruktur aus Kommunen, Staatsadmi- 
nistrationen, Wohlfahrts verbänden und Einzelpersonen (von Wissen- 
schaft, Wirtschaft und Pensionären), die bei aller Streuung doch 
der Repräsentanten der Kommunen und 


stets vor allem vom Interesse 
Kommunalverbände beeinflußt wurde. Diese Verbindung von persönli- 
chen Privilegien und delegierter Macht ist zwar auch in vergleich- 


baren Verbänden vorfindbar, jedoch nirgendwo so geballt vereinigt 
wie im Deutschen Verein. Das bedeutet aber zugleich: Es ist nicht 
der Verband, der real von Armut und Fürsorge Betroffenen, sondern 
der ihrer Verwalter. 
è In seiner Aufgabenstellung hat sich der Deutsche Verein stets vor 
allem als Clearingstelle der Zuständigkeiten und lange als eine 
Vereinigung zum Schutze der Kommunen bzw. der Abwehr neuer Belastun- 
gen verstanden und soweit hierzu inhaltlich Positionen zur Legiti- 
mierung erforderlich waren, standen sie stets im Einklang mit den 
vorherrschenden zeitgeschichtlichen Strömungen mit einer hinter 
den Erfordernissen der Zeit nachhinkenden Bereitschaft zu Reformen. 


DIE OFFIZIOSE SCHALTSTELLE 


hl korporative als auch persönliche Mitgliedschaf- 
ten. Gegründet von einer Reihe Einzelpersonen, überwiegend in kommu- 
naler Armenfürsorge tätig traten ihm sehr bald Gemeinden, Gemeinde- 
verbände und öffentliche Landesorganisationen und nur zögernd auch 
kirchliche und sonstige Träger der Armenfürsorge bei. Sieben Jahre 
nach der Gründung gehörten ihm 146 Städte, 19 kommunale und landes- 
rechtliche Träger an, dagegen nur 27 Vereine, vorwiegend solche mit 
dem Titelzusatz "gegen Bettelei", ferner rund 150 Einzelmitglieder, 
durchweg mit wohlklingenden Titeln, darunter eine Reihe bekannter 
Industrieller. 

Heute zählt der DV neben 1 140 Einzelpersonen, 631 Städte, Kreise, 
Gemeinden und kommunale Ämter, 65 Bundes- und Landesbehörden, sowie 
713 Verbände, sonstige Organisationen und Betriebe zu seinen Mitglie- 
dern (Stand: 1977). Es sind also sehr viel mehr Verbände und Betrie- 
darunter fast alle Dachverbände konfessioneller 
Dennoch bilden die Städte den größten 
geschlossenen Block in der Mitgliedschaft. Und um die traditionelle 
Gewichtung aufrecht zu erhalten wurde 1976 eine Satzungsänderung be- 
schlossen, nach der künftig die Gemeinden (und anderen kommunalen 
Instanzen), Bundes- und Landesbehörden sowie die Bundes- und Landes- 
verbände der Wohlfahrtspflege jeweils 3 Stimmen je Mitgliedschaft 
zählen. Dies gilt nicht für örtliche und Kreis-Verbände der sogenann- 


Der DV kennt sowo 


be dem DV beigetreten, 
und paritätischer Wohlfahrt. 


ten freien Träger. 


Hieraus, wie auch aus der Zusammensetzung der Vorstände ergibt sich 
die Dominanz der kommunalen Interessen, zumal auch sehr viele der 
Einzelmitglieder pensionierte oder aktive Kommunalpolitiker sind, 
Zwar hat sich der DV wiederholt zum subsidiären und auch pluralisti- 


— 48 — 


schen Prinzip bekannt, zugleich hat er aber auch für sich in Anspruch 
genommen, über die Interessen einzelner Spitzen- und Fachverbände 
hinweg eine Art "offiziöse Schaltstelle"zu sein. Schon 1912 begrün- 
dete Wilh. POLLIGKEIT den Vorrang öffentlicher Fürsorge mit einem 
Führungsanspruch gegenüber der freien Wohlfahrtspflege, wobei er 
dies noch nicht auf den DV bezog und Weisungsbefugnis ablehnte. 
Später, und inzwischen für Jahrzehnte der massgebliche Mann des DV, 
sprach er sich für eine Art "Flurbereinigung'" 

unter den Fachorganisationen aus, die nebeneinander und oft in Unkennt- 
nis voneinander arbeiten. Da er jedoch richtig sah, daß der Versuch, 
die "einzelnen Fachorganisationen in unseren Verein einzugliedern 
...an den Widerständen ... scheitern würde", entwarf er die Vorstel- 
lung einer besseren "Arbeitsteilung im Zusammenwirken" und ihm 
schwebte eine Art ständiger "Ältestenausschuß" vor. (Zitate nach ND 
1927, S. 270). Dieses Ziel haben dann die Nationalsozialisten auf 
ihre Weise realisiert (und den DV integriert). In der Nachkriegszeit 
ist es dem DV dann wieder gelungen, seine Stellung in der BRD so zu 
stärken, daß er heute als die mächtigste Organisation im Fürsorgebe- 
reich anzusehen ist, so mächtig, daß er alle Versuche der Bundesre- 
gierung zu einer Neuordnung des Organisationswesens unbeschadet zu- 
rückweisen konnte . (Vgl. LÜERS 1977, S. 268) 


DIE OPPORTUNISTISCHE REFORMBEREITSCHAFT 


Das Bekenntnis zur Notwendigkeit von Reformen ist im Fürsorgewesen 
so alt, wie es Träger der sozialen Arbeit gibt. Dazu waren die Not 
der Betroffenen und die Zweifel an den Hilfeformen zu unüberseh- 

und hörbar. Auch der DV war stets für Reformen: 


© In der Monarchie 

zur "Überbrückung der Klassengegensätze" und gegen "selbstsüchtige 
Bestrebungen einzelner Bevölkerungsteile" (aus der Gründungsver samm- 
lung zitiert nach ND 1930 §. 324) - was im Klartext hieß: der DV 
war Teil des Kampfes gegen die Gewerkschaften und Sozialdemokratie. 


® In der Weimarer Republik 

trat der DV für eine stärkere Berücksichtigung des Individualprin- 
zips ein, die Fürsorge sollte von den Besonderheiten des Einzelfalls 
ausgehen. Dabei wurden zwar die Finanznöte der öffentlichen Hände, 
nicht jedoch die ökonomischen Zwänge des Wirtschaftssystems betont. 


® Im Dritten Reich 

jubelte POLLIGKEIT als Sprecher des DV: "Was lange Jahre unmöglich 
war, tst jetzt erreicht" und erklärte zum neuen Grundsatz "jedem 
das Seine, aber nur in dem Maße, wie es das Wohl des ganzen Staates 
verlangt". (Zitate nach ND 1933, S. 67) Dieser schnellen Anpassung 
verdankte der DV ein zunächst eigenständiges und später ab 1937 

in das NS-Regime eingepaßtes Überleben. Rechtzeitig vor dem Kriege 
wurde die Frage der Verwendbarkeit des Einzelnen als Soldat oder Ar- 
beiter zum Mittelpunkt der Fürsorgetätigkeit erhoben. 


© In den ersten Jahren der parlamentarischen Demokratie betonte der 
DV das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit und erinnerte zunehmend 


— 


rwirklichung an die Kriterien der 


bei der Diskussion über seine Ve 1 
fähigkeit der Träger. 


Wirtschaftlichkeit und Leistungs 


1äßt sich immer wieder aufzeigen: In vie- 
d auch Kommissionsvorschlägen zeigt der 
und - selten genug -~ auch progressiven 
h stößt er jedoch stets wieder auf die 
So kommt es, daß alle inhaltlich 
der Hürde der administrativen Kri- 


Diese Widersprüchlichkeit 
len Einzeldiskussionen un 
DV Ansätze einer innovativen 
Reformbereitschaft. Letztlic 
Grenzen seiner eigenen Struktur. 


weiter führenden Diskussionen an 
terien der Zuordnung, Abgrenzung und Machbarkeit scheitern. 
unistische Anpassungsfähigkeit auch 


Offensichtlich ist diese opport t — 

ein Ausdruck widersprüchlicher Gestaltung der Sozialpolitik. Die 

in ihren Traditionen verharrende Administration muß Defizite der po- 

litisch-parlamentarischen Politikgestaltung ausgleichen und es kann 
ntanten nicht verargt werden, wenn sie 


den im DV versammelten Repräse > 
nd mangelnder Ressourcen ım Wider- 


sich angesichts vieler Aufgaben u " 
spruch zur Reformbereitschaft neuen Tendenzen abwartend gegenüber 


verhalten. r — 
Sehr befremdlich ist jedoch die völlig unkritische Distanz des DV 
Repräsentanten, vor allem Wilh. 


zu seiner Geschichte und zu seinen j a ; 
POLLIGKEIT und Hans MUTHESIUS. Am Wirken von POLLIGKEIT läßt sich 


zeigen, wie fließend die Übergänge von einem System zum anderen wa- 
ren und wie wenig Chancen für wirklich neue Anfänge bestanden. Liest 
man seine frühen Schriften mit seinem unkritischen Staatsverständnis 
und der Sorge vor der "Zersetzung unseres Volkskörpers" (1908, S. 833% 
so erklären sich auch die peinlichen Anbiederungsversuche an das NS- 


Regime. (siehe auch S. ) Sie waren ja nicht ungewöhnlich. 

Ein deutscher Sozialpolitiker, der auch unbestreitbare Verdienste hat - 
doch sein Verein tut 1946 so, als habe es die NS-Zeit nie gegeben. 

Auch darinein deutscher Verein. 


Wie sagte doch POLLIGKEIT schon beim 50-jährigem Jubiläum: "Als 
deutscher Verein will er deutsches Kulturgut auf dem beson- 


deren Gebiete des Fürsorgewesens pflegen, deutscher Kultur und deut- 


schem Volkstum dienen". 


LITERATURHINWEISE 


l. Schriften des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit, 


1881 - 1917 
2. Schriften des Deutschen Vereins für 
sorge, ab 1920. Hier insbesondere: 
lung der deutschen Fürsorge, 75 Jahre 
ND = Nachrichtendienst des Deutschen Vereins... 
LAMMERS, A.: Staatsarmenpflege, Berlin 1881 
OERTZEN, Cl. von: Armenpflege in Deutschland, Gotha 1898 
LANDSBERG, J.F.: Bettelei, Landstreicherei und Armenpflege, 
Düsseldorf 1896 
7. POLLIGKEIT, W.: Das Rec 
8. Der nichtseßhafte Mensc 
und Menschenordnung im Großdeutschen Reich. Darin Bei 
BAUMGÄRTNER, POLLIGKEIT u.a. 
9, LÜERS, U.: Im Irrgarten der Sozia 
BARABAS, BLANKE, SACHSSE u. STASCHEI 
1978, Reinbek 1977 


öffentliche und private Für- 
1955, Beiträge zur Entwick- 
Deutscher Verein 

ab 1920 


O 60 


ht des Kindes auf Erziehung, Dresden 1908 
h - Ein Beitrag zur Neugestaltung der Raum- 
träge von 


1- und Jugendhilfeträger. In: 
T: Jahrbuch der Sozialarbeit 


Bes 


HISTORISCHE DOKUMENTE — AUSZÜGE AUS DEM 
NACHRICHTENDIENST DES DEUTSCHEN VEREINS 


DER DEUTSCHE VEREIN IM GESCHEHEN SEINER ZEIT 
—OFFIZIELLE GESCHICHTSSCHREIBUNG-— 
(aus: 75 Jahre Deutscher Verein, C.Heymanns Verlag 1955 ) 


1935 Der DV erhält eine neue Sat- 

zung, die eine Bildung der Ver- 
einsorgane nach nationalsozialistischen 
Gesichtspunkten vorsieht. Der Leiter 
des Hauptamtes für Volkswohlfahrt 
der NSDAP beruft den Amtsleiter Alt- 
haus zum Vorsitzenden des DV. Prof. 
Polligkeit wird gezwungen, seinen Vor- 
sitz niederzulegen. Mit dieser Satzungs- 
änderung, die den DV dem Einfluß 
des Hauptamtes für Volkswohlfahrt 
der NSDAP preisgibt, verliert er die 
Fähigkeit, innerlich frei und selbstän- 
dig nach fachlichen Gesichtspunkten 


Fürsorgepolitik zu betreiben. 


1936 Die Geschäftsstelle des DV von 
Frankfurt a. M. nach Berlin ver- 
legt. Der bisherige Geschäftsführer, 
Prof. Dr. Polligkeit, wird beurlaubt. 
Als Herausgeber des ND zeichnet 
Reichsamtsleiter Althaus. 


1937 Der DV wird in den „Reichs- 

zusammenschluß für öffentliche 
und freie Wohlfahrtspflege“ als dessen 
wissenschaftliches Organ aufgenom- 
men, wobei ihm, wie er bekannt gibt, 
die Aufgabe zugedacht sei, insbeson- 
dere die Fragen, die für die Zusam- 
menarbeit zwischen öffentlicher und 
privater Wohlfahrtspflege von Bedeu- 
tung sind, in der bisherigen Weise 
wissenschaftlich zu bearbeiten und für 
die Praxis nutzbar zu machen. 


1938 Die Zahl der von der öffent- 
31.12. lichen Fürsorge laufend unter- 

stützten Personen ist auf 
1 462 000 zurückgegangen. 


1938 Im DV befaßt man sich mit 
Jan. der Frage einer Erweiterung 

der gesetzlichen Unterhalts- 
pflicht zu einer „Familiennotgemein- 


schaft“. 


23.— Die Würzburger Tagung des DV 
24.5. behandelt u.a. das Thema „Ar- 

beitseinsatz und Arbeitserziehung 
durch Fürsorge.“ Deutschland hat sich, 
wie es in der Motivierung dieser The- 
matik heißt, vom „Wohlfahrtsstaat 
zum Arbeitsstaat“ entwickelt. „Die kol- 
lektive Fürsorge hat sich zur national- 
sozialistischen Hilfe der Gemeinschaft 
und Erziehung zur Gemeinschaft ge- 
wandelt. Fürsorge ist nicht mehr Mit- 
leid mit dem Schwachen, sondern Hil- 
fe zum Starkwerden. Die Wohlfahrts- 
pflege ist im nationalsozialistischen 
Staat besonders darum bemüht, die 
von ihr Betreuten zu arbeitswilligen 
und arbeitsfähigen Menschen zu ma- 
chen, die als Arbeiter in der Nation 
ihre Pflicht tun.“ 


1938 Hitler Oberbefehlshaber der 
Wehrmacht. 

Nach vorheriger Zustimmung Groß- 

britanniens, Frankreichs und Italiens 

im Münchener Abkommen Vereini- 

gung des Sudetenlandes mit dem Deut- 

schen Reich. 


‘Nationalsozialisten organisieren am 8. 


und 9. November Ausschreitungen ge- 
gen die Juden. Die systematische Ver- 
folgung der Juden durch die Macht- 
haber des 3. Reiches endet mit dem 
Tode von Millionen in Vernichtungs- 
lagern. 


— 


MITTEILUNG DES VORSTANDES VOM 8.MAI 1933 
(aus: Nachrichtendienst des DV S.66/1933) 


An die Mitglieder unseres Vereins. 


Von dem ernsten Willen beseelt, audı die Arbeit im Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorzı 
in den Dienst der nationalen Erhebung und des Aufbauwerkes der Reichsregierung zu stellen, hat unter dem 
24. März ds. Js. eine Reihe von Vorstandsmitgliedern den Antrag gestellt, in Verfolgung dieses Zieles zunächst 
die Organe des Vereins (Vorstand und Hauptausschuß) neu zu bilden. Mit allen gegen eine Stimme hat darauf- 
hin der Vorstand unter Niederlegung seiner Aemter mir bis auf weiteres die Funktionen des Vorstandes im 
Sinne der Vereinssatzung übertragen und midı zugleich beauftragt, zur gegebenen Zeit die Neuwahl des Vor- 
standes und Hauptausschusses des Vereins in die Wege zu leiten. Im Falle einer Verhinderung werde ich durdı 
Herrn Schatzrat Dr. Hartmann vertreten, 

Die Neuwahl des Vorstandes, die satzungsgemäß durch den Ilauptausschuß zu erfolgen hat, setzt eine 
Neubildung des Hauptausschusses voraus, da dieser durdı das Ausscheiden zahlreidıer Mitglieder zusammen- 
geschrumpft ist und in seiner Zusammensetzung nicht die Kräfte umfaßt, die für eine Beteiligung des Vereins an 
dem bevorstehenden Aufbauwerk unentbehrlich sind. Die für diese Wahl zuständige Mitgliederversammlung wird 
erst Wahlen vornehmen können, wenn in den Kommunalverwaltungen, aus deren Kreisen sidi die Mitglieder des 
Hauptausscdusses zu einem erheblichen Teil zusammensetzen, eine endgültige Besetzung der Fachdezernate fü: 
Wohlfahrtspflege erfolgt ist. Aus diesem Grunde ist ein Ueberleitungsausschuft gebildet worden, dem folgende 


Personen beigetreten sind: 
Professor Dr. Polligkeit, als Vorsitzender 
Öberbürgermeister Dr. Neinhaus, Heidelberg 
Landrat Dr, Röhrig, Weimar 
Pfarrer Dr. Stahl, Wiesbaden 
komm. Präsident Dr. Storck, Lübeck. 
Pfarrer Wendelin, Dresden. 


Landesdircktor von Arnim, Berlin 

1. Bürgermeister Fiehler, München 

Schatzrat Dr. Hartmann, Hannover 

Prälat Dr. Kreutz, Freiburg 

Landrat Matthaei, Recklinghausen 
Der Überleitungsausschuß hat am 29. April und 5. Mai in Berlin getagt und mir Vollmacht erteilt, die Geschäfte 
des Vereins bis zur Neubildung der Vereinsorgane fortzufübren. Weiterhin ist der Hauptausschuf des Verein: 
für aufgelöst erklärt worden. Bis auf weiteres übernimmt der Überleitungsausshufi die Aufgaben des Haupt- 
ausschusses, Eine Neufassung der Vereinssatzungen ist in Vorbereitung, Zur Genehmigung dieser neuen Satzung 
und zur Vornahme von Neuwahlen wird zu gegebener Zeit eine Mitgliederversammlung einberufen. 

Getreu seiner jahrzehntelangen Überlieferung, gestützt auf das Vertrauen und die lebendige Mitarbeit seiner 
Mitglieder wird unser Verein auch in der kommenden Zeit sein Bestes zu leisten suchen im Dienst au den Not- 
leidenden und am Gemeinwohl. Neue Aufgaben, aber auch neue Möglichkeiten stehen vor uns, ihre Grüße und 
Bedeutung für das von der Reichsregierung begonnene Aufbauwerk habe ich in einem Aufsatz gekennzeichnet, 


der die vorliegende Nummer des „Nachrichtendienstes“ einleitet. 
Professor Dr. Polligkeit. 


Frankfurt a. M., den 8, Mai 1933. 





DAS FÜRSORGEWESEN IM AUFBAUPROGRAMM DER REICHSREGIERUNG 
( Aufsatz v. Wilhelm Polligkeit in NDV 1/1933, S.66 -67 — Auszüge) 


Nach langen Jahren tiefer Enttäuschung durchzieht 
eine Welle neuen Hoffens und des Glaubens an eine bes- 
sere Zukunft unser Volk. Mit aller Wucht ist der Wille 
zum Durchbruch gelangt, gegen die inneren und äußeren 
Mächte anzukämpfen, die den Wiederaufstieg Deutsdı- 
lands niederhalten. Dieser Wille zur Gegenwehr allein 
schon ist ein Erfolg. Denn die seelischen Kräfte zu be- 
leben, die unter der Wirkung der letzten Krisenjahre 
nachließen und die Gefahr eines Defaitismus zeitigten, 
war die unerläßliche Voraussetzung, um in gemeinsamer 
Anstrengung die Not der Gegenwart zu überwinden. 


— 52 


Adolf Hitler, der Führer der nationalen Revolution, 
hat unserem Volk dieses Vertrauen in seine eigene Kraft 
wiedergegeben. ... Auf der 50-Jahr-Feier un- 
scres Vereins, die am 26. November 1950 in Berlin statt- 
fand und in ihren Verhandlungen dem Thema „Die 
Stellung der Wohlfahrtspflege zur Wirtschaft, zum Staat 
und zum Menschen“ gewidmet war, kennzeidinete der 
Unterzeichnete als Vorsitzender in seiner Begrüßungs- 
ansprache die Zielsetzung des Vereins mit folgenden 
Worten: 

„Der Name des Vereins ist ein Programm. Als 
deutscher Verein will er deutsdies Kulturgut auf 
dem besonderen Gebiete des Fürsorgewesens pflegen, 
deutscher Kultur und deutschem Volkstum dienen. 
Weit über die jetzigen Grenzen unseres Vaterlandes 
reichen seine Beziehungen, und wenn wir heute die 
besondere Freude haben, Freunde aus ehemals reiche- 
deutschen und deutsdıstimmigen Gebieten des Aus- 
landes unter uns zu sehen, so sei das ein Anlaf, er- 
neut zu bekunden, daß wir unabhängig von politischen 
Grenzen und Hemmungen die Erhaltung und Reinhal- 
tung deutscher Art im Fürsorgewesen als eine heilige 
Aufgabe deutscher Kulturpolitik und damit auch un- 
seres Vereins betradıten. _........ 


Was lange Jahre unmöglich war, ist 
jetzt erreichbar. Die straffe Zusammenfassung 
der Gesetzgebungsgewalt in den Händen der Reichsre- 
gierung ermöglicht eine Neuordnung des Fürsorgewe- 
sens, wie es den Zeiterfordernissen entspricht. Nicht 
mehr steht die Gefahr abweichender Regelung durch 
die Landesgesetzgebung entgegen. Die Gefahren von 
Kompromissen, wie sie sidı in den Parlamenten als die 
typische Lösungsform herausgebilklet hatten, sind be- 
seitigt. Gegenüber dem Gruppenegoismus, der einseitige 
Vorteile ohne Rücksicht auf die Benachteiligung anderer 
Volksteile erstrebte, steht zur Abwehr der Grundsatz, 
daß zwar jedem das Seine gebührt, aber doch nur in 
dem Maße, wie es das Wohl des ganzen Staates ver- 
langt. Gegen eine Uebersteigerung des Fürsorgegedan- 
kens tritt heute mit Recht die Forderung nadı verstärkter 
Selbsthilfe und Selbstverantwortung auf. Im Grunde ist 
es nur ein Besinnen auf die gesunden Prinzipien wohl- 
verstandener Fürsorge. Kampf, Risiko und äußerste An- 
spannung eigener Kräfte sind unverzichtbare Bestand- 
teile des Lebens. 


— 


DIE WOHLFAHRTSPFLEGE IM DRITTEN REICH 
( Rede des Regierungspräsidenten Matthaei auf der Mitgliederversammlung 


vom Februar 1934, abgedruckt in NDV 1934, S.42 ff - Auszüge) 


Deutiche Volksgenoſſen, deutſche Xolfägenojjinnen! 

Seit der legten Tagung de3 Deutſchen Vereins für offent- 
lihe und private Fürforge ift ein gewaltige Gejcheben über 
Deutſchland hingebrauft. Jahrelang Ihon mußten ehte Man. 
ner und rauen mit Sorge in die Zukunft jeben bei der Ent: 
wiclung, welche die Verhältniffe in innen- und außenpoliti 
iher Sinficht nahm. Wenn auh der Deutſche Verein fid nie 
malg um Politik gekümmert bat, fo gebt es doh nicht an, a! 
der politiihen Entwidlung vorbeizugehen und in dem Ginn 
weiter zu arbeiten, wie bisher. Das ganze Tenfen und Fühlen 
de3 Deutschen Volkes ift durch die nationalſozialiſtiſche Nevo- 
lution jo gewaltig umgeſtaltet, dab alles, was wir wollen. 
wiinfchen und bandeln, eingeftelt werden muß auf das eine 
Biel: die Grundgedanfen deg Nationalloztalismus im Deut- 
ihen Wolf zu verwirklichen. Deshalb mijjen wir alle, die mir 
in der Moblfahrtspflege arbeiten, uns Far werden über dic 
Grundgedanken des Nationaljozialismus und über ihre Mus 
wirkung auf die Wohlfahrtspflege. ES iit jelbitverjtändlic. 
daf; diejenigen Kreiſe, die früber oft verſucht haben, mit ihren 
Ideen im Deutſchen Verein Fuß zu fallen, beute nicht mehr 
unter uns weilen. Ste haben aus dem Satzungsentwurf er- 
ichen, daß wir diefe Kreiſe nicht mehr unter uns als mii 
beratend und mitarbeitend baben wollen. 

Als alter Freund dea Vereins, der über ein Sahrzehn: 
defien Arbeit bat verfolgen dürfen, zum Zeil aud jelbjt daran 
beteiligt war, babe ich erlebt, daß e3 der Vereinsleitung unter 
Führung von Profeſſor Polligfeit oft Schwer geweſen ift, fit 
der an fie berangetragenen internationalen, pazifiſtiſchen, bon 
Humanitätsduſelei erfüllten Gedanfengänge zu eriwehren. Ic: 
bebe aber deutlich hervor, day e3 unter der Führung von Prof. 
Nolligfeit ausgezeichnet gelungen ift, dieſe Kräfte niederzu- 
“alten und fie nicht zur Führung kommen zu laſſen. Für die 
Jufunft ift es felbftverftändlid, dağ nur und ausſchließlich 
ser Nationalfozialismus als Grundlage der Vereinsarbeit be 
rachtet wird, 

Sch ſpreche in Ihrer aller Namen, wenn ich aus Anlaß der 
eutigen Verſammlung erkläre, daß wir nichts anderes fein 
vollen als getreue und zuverläflige Arbeiter am Aufbau des 
Dritten Reiches, die nichts andere3 wollen, als ihrem Führer 
ldolf Hitler feine ſchwere Arbeit erleichtern. . . .. 

Entſchuldigen Sie, wenn ich in meinen Ausführungen im— 
mer wieder politiſch werde, aber es ift nötig, um die Haupt— 
gefahr aufzuzeigen: die Gefahr der Thjeftivität. Bon woher 
fam fie? Vom Judentum. Das Judentum fonnte allein bei 
joldjer Objektivität gewinnen, e8 ging davon aus, das deutſche 


— — 


Volk daran zu hindern, jubjektiv zu fein, und feine eigenen 
Ssntereffen, Raſſe und Volfstum in den Vordergrund zu ſtel— 
len. Wir Deutichen mit unferer Saglidyfeit find hereingefallen, 
wenn wir dem Judentum auf dem Weg der Objektivität ge- 
folgt find. Heute wijfen wir, daß dies ein falicher Weg iſt. .... 


Wir werden heute dafiir jorgen, daß die Gedanfen des 
Nationaljozialiamus fih durchſetzen und daß dem deutichen 
Volk, ſoweit es notleidet,befier und durchgreifender gebolfenwird. 

Sch babe vorher die Abfichten der. Eozialdemofratie für 
Volt und Staat angedeutet. Was ift im Gegenfaß hierau das 
einzige Biel unſeres Führers? Volt und Staat fo miteinander 
au verbinden, daß es Feine Unterſchiede zwiichen beiden Ne- 
griffen mehr gibt, jondern dab jeder Einzelne fidh als Volks— 
genoſſe und Teil des Staates fühlt: und nicht Die Mochte an 
crite Stelle ſiellt, ſondern die Pflichten. Wir wollen ins Xoli 
die VUeberzeugung tragen., dal; Jeder Einzelne niht nur für 
ſeinen enaeren Xebensfreis, die Familie, jondern aud fiir die 
Geſamtheit dte Verantwortung übernimmt. Drei Geſichts 
punkte müſſen für unſere Arbeit maßgebend ſein: Die Wohl 
fahrtspflege muß danach trachten, fid ſelbſt überflüſſig au 
machen. Das Verantwortungsbewußtſein des Einzelnen fikh 
ich und feine Familie muß geſtärkt werden. Wohliahrtspflege 
iſt nur Solange und in dem Umfange berechtigt und möglich— 
als diewirtſchaftlichen Verhältniſſe hierfür die Mittel übrig baben. 

Aus defen Grundſäßtzen ergeben ſich Me Unterſchiede zwi— 
iden der früheren Auffaſſung von Wohlfahrtspflege und dem, 
was künftig an deren Stelle tritt. 

Der Führer hat es zum Gemeingut des Volkes gemacht. 
daß jeder ſich gegenüber der Allgemeinheit verantwortlich zu 
fühlen bat. Ym allermeiſten miijfen fih die Eltern kinderrei 
cher Familien dieſer Verantwortung bewußt fein. Sm prakti— 
ſchen Leben beſtätigt ſich, daß jedes Kind mehr eine weitere 
Einſchränkung der perſönlichen Bedürfniſſe der Eltern bede- 
tet. Es darf nicht ſoweit kommen, daß die geiſtesbeſchränkte 
Mutter alljährlich niederkommt, ohne jemals einen Vater an— 
geben zu können. Hier fehlt es am Verantwortungsbewußtſein. 
Es iſt eine Sünde und Schande, daß wir unſer deutſches Voll 
durch erbgeſchädigte Kinder weiter verſeuchen laſſen. Muß hier 
nicht der Staat eingreifen? Entſpringt ein Eingreifen nicht 
der Verantwortung, die wir unſerm Gott gegenüber übernom— 
men haben? 


Unſer Führer wird uns alle auf einen Nenner bringen, 


Unter der Fülle der uns geſtellten Aufgaben nenne ich 
Bevölkerungspolitik, Geſundheitsweſen, Siedlungsweſen. War 
es nicht eine Schande, in welchem Umfange die Propaganda 
für eine Geburtenkontrolle getrieben wurde? Man vergleiche 
nur im Gegenſatz zu den Verhältniſſen der letzten Jahre die 
Kinderzahl auf Grund von alten Stammbäumen. Hat man 


— 55 — 


früher gefragt, ob man fih Kinder leijten fann? Die Propa- 
ganda für Geburteneinihränfung geht freilich auf das inter- 
nationale Judentum zurüd, das ein Recht verfiindete auf ein 
Sichausleben in jeder Hinſicht. Der Nationalſozialismus fagt 
dem Ginzelnen, er diirfe fih nur inſoweit ausleben, al3 ba- 
durch nicht die Allgemeinheit geichädigt wird. 

Man hat die Erziehung der Jugend gröblich vernacdhläfjigt. 
Die jungen Mädchen wollten lieber Damen als Dienjtmäd- 
hen fein, hatten feine Ahnung von Haushalt und Kinder- 
pflege, wenn fie heirateten. Nele gewaltigen Aufgaben bat 
die NS-Frauenſchaft zu erfüllen, um die Mädchen zur Haus- 
frau und Mutter vorzubereiten und um fie wieder ftola dar- 
auf zu machen, diefe Pflichten zu erfüllen. Sie müffen erfen- 
nen, daß fie dadurd) an der Zufunft des Volkes mitarbeiten! 

Bei der Erziehung der jungen Mädchen hört man öfter3 
den Einwand, wir fönnen nicht alle heiraten. Es gibt aud 
heute noch typiiche Fyrauenberufe, 3.8. den Beruf der Für- 
jorgerin. Freilich muß diejer Beruf im Einne des National- 
lezialismug erfüllt werden und im Sinne einer Abkehr von 
der materialiittichen Einjtellung. .... 

Sd habe verjudht, in großen Zügen die Srundgedanfen des 
Nationaljozialismus und ihre Muswirfung auf die Wohl: 
fohrtspflege zu zeigen. Adolf Hitler trog feiner Größe wird 
die gewaltigen Mufgaben allein niht bewältigen fünnen, wenn 
wir nicht alle als feine Soldaten mit ibm fämpfen mit aller 
Kraft und mit ganzem Herzen! HSeılSitler! 


SCHLUSSWORT DES VORSITZENDEN PROF. POLLIGKEIT 
( Mitgliederversammlung Februar 1934, abgedruckt in NDV 1934, 
Seite 34 ff. — Auszüge ) 


Deutihe Volf3genojfen! 

Es wird Ihnen, wie mir perfünlid, ein Bedürfnis fein, 
unjerem alten Freund und Mitarbeiter Regierungspräfident 
Matthaei aufrichtig und berzlidy für jeine Ausführungen zu 
danfen. Er hat ung die Grundgedanken und Ziele unferer Mr- 
beit dargelegt. Auch wenn er von Einzelheiten und perjönlichen 
Auffaſſungen fprad), fo zeigte er dod, dag c zur Zeit nidi 
darauf anfommt, über Einzelfragen zu debattieren, jondern, 
daß wir uns an die große Linie halten müjjen, daß wir Sol: 
daten eines Führers find, Glieder eines Nolfes, Verfechter 
eines Gedanfens, verantwortliche Mithelfer an der Erfüllung 
cines großen Bieles! Innerhalb unferes Irbeitägebietes 
fommt e3 gegenüber mannigfachen Auseinanderſetzungen Im 


— 36— 


früherer Zeit, gegenüber Streitigfeiten über Cinzelfragen vor 
allem darauf an, fih zufammenzufinden in dem Streben, die 
Arbeit im Sinne der Nidhtlinien des Führers zu tun. Ich 
ſtimme hierin mit den Musführungen von Seren Regierungs— 
präjidenten Matthaei völlig überein, möchte fie nur in einigen 
Nunften nod) ergänzen... .. 

Zu Beginn der Tagung babe ich gelagt, dağ heute nod) 

nicht der Nugenblid gekommen ift, um über die äußere Form 
su ſprechen, in der die Vereinsarbeit fünftig weitergeführt 
werden fann. Xediglich al perjönliches Bekenntnis und nicht 
al3 offizielle Stellungnahme unſeres Vereins möchte id) fagen: 
Sch habe im Laufe meiner Berufstätigkeit gelernt, dat die 
Quellen, die ein Volkstum ſpeiſen, immer von unten heraus und 
aus dem Bolte unmittelbar dringen. Es ift unfere Aufgabe, die- 
jen Quellen nachzuſpüren. Wir alle jteben vor der Murgabe, 
die Kräfte des Volkes zufammenzufafien, um damit ein ein- 
beitliches Volfstum zu fihern. Tag Ziel ift von unjerem be- 
gnadeten Führer Adolf Hitler aufgezeichnet, der in ciner ge- 
nial intuitiven Art jedem Volksgenoſſen flar machte, daß er 
jelber das Seine beizutragen habe und daß es darauf an- 
fommt, al3 Soldaten des Dritten Reihs in Reih und Glied 
zu ftehen. Unjer Führer bat die Arbeit der NS-Volfsmohl- 
fahrt ins Leben gerufen, die in der furzen Reit ihres Be- 
ſtehen Rieſiges geleiitet hat... .. 
Es geht darum, deutiches Kulturgut zu erhalten und, wie 
Herr Prafident Matthaei fagte, dem Fiihrer feine ichivere Mr- 
beit zu erleichtern. Sollten unſere Dienſte hierzu gebraudt 
werden, fol die Arbeit, die wir bisher geleiftet haben, aud 
fünftig nutzbar gemacht werden, jo dürfen Sie überzeugt fein, 
dag wir mit einem rüdbaltlofen Bekenntnis zum national- 
foztaltjtiihen Staat und zu unſerem Führer jteben. 

Wir gedenken in diefer Stunde mit Dankbarkeit und Ver- 
trauen der Männer, die Deutichland aus feiner Not heraus— 
geführt baben. Ein dreifaches Ziegbeil unierem Führer und 
"olfsfanzler Wolf itler und unjerem Reichspräſidenten 
Generalfeldmarihall von Hindenburg! 


= B7 





100 JAHRE DEUTSCHER VEREIN — 
4 JAHRE INTERESSENGRUPPE SOZIALHILFE KÖLN 


"Der Deutsche Verein besteht 1980 100 Jahre. Aus diesem besonderen 
Anlaß findet der 69. Deutsche Fürsorgetag im Jubiläumsjahr am Vereins: 
sitz in Frankfurt statt. Der Festakt in der Paulskirche und das Kon- 
zept des Deutschen Fürsorgetages im Messegelände sind von einem be- 
sonderen Vorstandsausschuß und von einer Arbeitsgruppe der hauptamt- 
lichen Referenten in der Geschäftsstelle vorbereitet worden. Es wird 


im Grundsatz an dem bewährten Tagungsablauf der vorhergehenden Für- 
sorgetage festgehalten." (NDV 11/1979) 


Und wie sieht der "bewährte Tagungsablauf'" aus? Da werden 3 Tage 
lang Reden gehalten: "Fachleute" aus der ganzen BRD werden in 18 
Arbeitsgruppen "Soziales" diskutieren; am Schluß gibt's dann ein 
Buch, in dem nochmal alles zusammengefaßt wird, was da so an Vor- 
trägen und Berichten erzählt wurde. (- Man könnte eigentlich viel 
Geld sparen, wenn man gleich das Buch herausgeben würde -) 
Und wer sind die "Fachleute"? Das sind u.a. Sozialarbeiter, Verbands- 
funktionäre von den Wohlfahrtsverbänden, Ministerialbeamte, Verwal- 
tungsleute von den Sozial- und Jugendämtern und, und, und. Die ein- 
zigen, die hier fehlen, sind die über die man diskutiert: die So- 
zialhilfeempfänger, Rentner, Behinderten, die Frauen aus den Frauen- 
häusern. Und warum? Höchstwahrscheinlich weil sie bei soviel "Fach- 
leuten" nur stören würden. So wie z.B. beim letzten Fürsorgetag in 
Dortmund, wo den Vertretern der Dortmunder Selbsthilfe das Mikrofon 
einfach abgedreht wurde! - Denn "es wird im Grundsatz an dem bewähr- 
ten Tagungsablauf festgehalten"! - Und wo kämen wir hin, wenn auf 
einmal die Leute, über deren Köpfe hinweg der Deutsche Verein Sozial- 
politik macht: 
® Preis- und Tragezeitlisten für Bekleidungsbeihilfen empfiehlt 
® empfiehlt, die Bekleidungsbeihilfen nicht zu pauschalieren, weil 
sonst alles zu teuer wird und - Gott sei Dank - noch nicht einmal 
die Hälfte der Beihilfeberechtigten ihre Ansprüche geltend machen 
auch einmal zu Wort kämen. 


Wenn das alles mal bekannter würde, dann wäre sicherlich der "bewähr- 

te Tagungsablauf" getrübt. 

Und das wollen wir dieses Mal auch machen. Deswegen der Aktionstag, 

deswegen gibt es auch uns: die Interessengruppe Sozialhilfe Köln e.V.! 

Es ist längst Zeit, den "Fachleuten" mal zu sagen, was sie so alles 

mit ihrer Fachlichkeit in den letzten 100 Jahren erreicht haben! 

© So wird heute immer noch das KINDERGELD als einziger Bevölkerungs- 
gruppe den Sozialhilfeempfängern als Einkommen auf die Sozialhilfe 
angerechnet 

© So ist es heute noch immer jedem KLEINRENTNER ganz egal, wie hoch 
die Rentenerhöhung ist, ob Brutto- oder Nettorente. Denn er ist so- 
wieso auf Sozialhilfe angewiesen. Und was bei der Rente erhöht wird, 
wird bei der Sozialhilfe gestrichen. Unterm Strich bleibt 0! 


— 


“ÜBER RECHTE AUFGEKLÄRT” 


—Weitverzweigte Aktionsgruppe informiert die Sozialhilfeempfänger— 


Von Andrea Lindenau 


Mit großem Programm hatte 
die „Interessengruppe Sozialhil- 
fe e.V," zum Nachbarschaftsfest 
ins Gemeindehaus St. Franzis- 
kus in Bilderstöckchen geladen. 
Gründe zum Feiern gab es ge- 
nug: gelunaene Offentlichkeits- 
arbeit der Gruppe Nippes, vor 
allem der große Erfolg der er- 
stellten Broschüre „Tips für So- 
zialhilfeempfänger“, die nur von 
Betroffenen erarbeitet wurde. 


Das Fest war nach einhelliger 
Meinung eine gelungene Sache, 
die großen Vorbereitungen hat- 
ten sich gelohnt. Für nur wenig 
Eintrittsgeld — die Künstler 
traten alle ohne Honorar auf — 
wurde den Besuchern einiges 
geboten, vom Schlager bis zum 
Rock. Die Nippeser Gruppe 
stand auch setbst auf der Bühne: 
mit einem selbstgetexteten Lied 
nach einer Melodie von den 
Bläck Fööss — „Hück es Zahl- 
daag om Sozialamp“. 

Die Interessengruppe, die in 
Köln mittlerweile etwa 80 Mit- 
glieder stark ist und in mehre- 
ren Stadtteilen Untergruppen 
aufgebaut hat, ist entstanden 
aus der Erfahruna, daß man ge- 
meinsam stärker ist. Die Proble- 
me, mit denen man als Sozial- 
hilfeempfänger zu kämpfen hat, 
sind vielfältig: Es fängt — so 
wurde betont — damit an, daß 
mancher seine Rechte gar nicht 
kennt, geschweige denn weiß, 
wie man sie durchsetzen kann. 

Der Gang zum Sozialamt ge- 
hört für viele Betroffene nicht 
gerade zu den angenehmsten 
Wegen: Als Gründe nennt die 
Interessengruppe die „teils er- 
niedrigende Behandlung” durch 
die Sachbearbeiter, zu lange 
Bearbeitungsdauer auf Grund 
Personalmangels, schlechte und 
unpräzise Auskünfte. 


In diesem Punkt hat die 
Gruppe schon eine Reaktion der 
Stadt erreicht: Der Leiter des 
allgemeinen sozialen Dienstes, 
Bernd Mauermann, der auch 
zum Fest nach Bilderstöckchen 
gekommen war, nannte als po 
sitives Resultat der Zusammen- 
arbeit eine Schulung für Sach- 
bearbeiter, die eine sachgerech- 
tere Bearbeitung ermöglichen 
soll. 

Neben der Wahrnehmung der 
bestehenden Rechte formuliert 
die Interessengruppe Sozialhilfe 
auch darüber. hinausgehende 
Forderungen. In erster Linie 
fordert sie die Abschaffung der 
Anrechnung des Kindergeldes 
als Einkommen, denn jeder 
deutsche Bürger bekommt un- 
abhängig von seinem Einkom- 
men für seine Kinder Kinder- 
geld — der Sozialhilfeempfän- 
ger allerdings bekommt es auf 
Heller und Pfennig von den 
Beihilfesätzen wieder abgezo- 
gen. Um diese Forderung zu un- 
terstützen, wurden bisher schon 
etwa 1500 Unterschriften ge- 
sammelt und beim Fest der 
Landtagsabgeordneten Anke 
Brunn übergeben, die versprach, 
sich entsprechend dafür einzu- 
setzen. 

In ihrem Treffpunkt an der 
Longericher Straße hat die Nip- 
peser Gruppe mittlerweile eine 
Kleiderkammer eingerichtet — 
ein Stück Selbsthilfe, das gro- 
ßen Anklang gefunden hat. Ne- 
ben der Arbeit verbringen die 
Mitglieder auch oft ihre Freizeit 
zusammen: Ausflüge und Zelt- 
lager wurden schon organisiert, 
und ab und zu erlaubt man sich 
den für Sozialhilfeempfänger 
teuren Spaß des Kegelns. 

Besonders stolz sind die Mit- 
arbeiter der Interessengruppe 
auf ihre Broschüre „Tips für So- 
zialhilfeempfänger“, 


Kölner Stadtanzeiger v. 25.1.1979 


© So werden heute immer noch ALLEINERZIEHENDE FRAUEN diskriminiert. 
Wenn sie einen Freund haben, heißt es nämlich: Sozialhilfe gestri- 
chen - dein Freund kann zahlen! 

und, und, und 


Und um dies alles mal zu ändern, um unsere "Fachlichkeit'" als Betrof- 

fene und Leidtragende ins Spiel zu bringen, gibt es seit 4 Jahren die 

Interessengruppe Sozialhilfe Köln e.V. !!! 

Damals haben wir ganz klein in Köln-Chorweiler angefangen. Wir haben 

uns mit den damals noch herrschenden Zuständen am örtlichen Sozial- 

amt auseinandergesetzt (Lebensmittelgutscheine gab's statt Bargeld; 

l mal wöchentlich Zahltag; viel zu enge Räume und zu wenig Sachbear- 

beiter und vieles mehr). Tja, einiges haben wir ja ändern können, 

aber vieles ging nicht, weil es da z.B. Richtlinien vom Deutschen 

Verein gibt, an die sich die Kölner Sozialämter halten. Oder weil 

da Bundesministerien für zuständig sind und Gesetze geändert werden 

müßten. Und wir haben damals noch etwas erfahren und gelernt: die 

ohnmächtige Wut, die viele Sozialhilfeempfänger ihrem Sozialamt ge- 

genüber empfinden: 

® die Hilflosigkeit und die mangelhafte Informiertheit über die 
Rechtsansprüche 

@ die einseitige, meist negative Information der Öffentlichkeit über 
Sozialhilfeempfänger - das sind doch alles Penner und Arbeitsscheue. 
die auf Kosten der Steuerzahler in Saus und Braus leben. 

Und da haben wir uns gesagt, wir müssen dreierlei machen: 

© 1. müssen wir die Sozialhilfeempfänger, die wir kennen, in ihren 
Rechten beraten. 
Dann müssen wir 2. sehen, daß wir ein anderes Bild in der Öffent- 
lichkeit über Sozialhilfeempfänger dargestellt bekommen. 

© Und als letztes müssen wir versuchen - und, wo wir können, helfen - 
daß es viele, viele andere Sozialhilfe-Gruppen gibt, damit eines 
Tages eine "Gewerkschaft der Armen" entsteht, und wir nicht mehr 
von den "Fachleuten à la Deutscher Verein" abhängig sind!!! 


Heute gibt es schon über 50 Sozialhilfegruppen alleine in Nordrhein- 
Westfalen. Das finden wir dufte! Im Februar dieses Jahres haben wir 
unser eigenes Büro aufgemacht, wo keine "Fachleute" sitzen, sondern 
"Leute vom Fach" - nämlich wir Sozialhilfeempfänger selber!!! 

Wir wünschen uns, daß der Aktionstag genauso ein Erfolg wird, wie 
die beiden Kindergelddemonstrationen im letzten Jahr. Wir wünschen 
uns und allen anderen Sozialhilfeempfängern, daß im Jahr des 100jäh- 
rigen Bestehens des Deutschen Vereins endlich eine "Gewerkschaft der 
Armen" auf die Beine kommt. Denn nur gemeinsam können wir uns mit 


unseren Forderungen gegen die "Fachleute des Deutschen Vereins" 
durchsetzen!!! 


—1 


INTERESSENGRUPPE SOZIALHILFE HAGEN 


Die Interessengruppe Sozialhilfe informiert alle Betroffenen im Rah- 
men des Bundessozialhilfegesetzes. Alle Fragen, die von Sachbearbei- 
tern ungenügend beantwortet wurden, alle Fragen, die wegen mangeln- 
der Information nicht gestellt wurden, werden jeden Freitag von 

15 - 19 Uhr am Rastebaum 22 mit Ihnen besprochen. Wenn nötig, schrei- 
ben wir Ihren Antrag, Ihren Widerspruch oder wir gehen mit Ihnen zum 
Sozialamt. 

Die Kinder können zu jedem Gruppentreffen mitgebracht werden, ein 
großer Spielplatz ist direkt vor der Tür. 

Wir veranstalten gemeinsame Nachmittage, Wanderungen, Kinderpartys 
usw. All diese Dinge lassen sich nur planen und durchführen, wenn 

Sie auch mithelfen. Wir möbeln Ihr Selbstbewußtsein schon wieder auf. 


KINDERGELDFORDERUNG IN BONN — ZWEITER ANLAUF — 


Wie bereits in unserer ersten Broschüre berichtet, war für den 
20.10.1979 eine Kundgebung aller Sozialhilfeempfänger, bezüglich der 
Kindergeldforderung, in Bonn angesetzt. 

Da sich unser Verein bisher noch selbst finanzieren muß, war es sehr 
problematisch, das Geld für einen Bus aufzutreiben. An vielen Stellen, 
die wir hier nicht einzeln aufführen möchten, wurden wir abgewiesen 
oder gar nicht erst angehört. Erst nach endlosen Telefonaten und 

einem Aufruf in der Zeitung sagte uns die SPD und CDU Hagen zu, je 

die Hälfte beizusteuern. Wir möchten uns hiermit nochmals recht herz- 
lich bedanken. 


Die Abfahrt war für 8 Uhr angesetzt. Wir hatten mittlerweile 30 So- 
zialhilfeempfänger und Interessierte zusammengetrommelt. Wenn man be- 
denkt, daß es in Hagen ca. 3.000 Sozialhilfeempfänger gibt, war das 
Interesse eigentlich recht mager. 

Erster Zwischenstop war bereits in Vorhalle. Unsere lieben Kleinen 
hatten es vor der Abfahrt versäumt, das stille Örtchen aufzusuchen. 
Dieses mußte nun dringendst nachgeholt werden. 

Nach der zweiten Pause auf der Autobahn kamen wir dann doch noch wi- 
der Erwarten pünktlich um 10 Uhr in Bonn an der Beethovenhalle an. 

Da unser Busfahrer, HerrSomborn, stets etwas ängstlich seinen Bus be- 
obachtet hatte, konnte sich unser Schriftführer folgende Bemerkung 
nicht verkneifen: "Für eine Gruppe "Asozialer' habt Ihr Euch wirk- 
lich gut gehalten. Wir können ja ruhig aussprechen, was unsere Nach- 
barn denken!" Hier mußte selbst Herr Somborn schmunzeln. 


Leichte Panik kam beim Verlassen des Busses auf. Alles menschenleer. 


Keine Busse zu sehen, Sollten wir uns im Datum vertan haben? - Nach 
10 Minuten ängstlichen Wartens kam die Befreiung. Aus allen Richtun- 


E re 





gen strömten Busse mit weiteren Demonstranten auf die Parkplätze. 
Wir mußtanuns jedoch alle noch bis zum Abmarsch zum Münsterplatz in 
Geduld fassen. Wie wir vom Veranstalter der Demonstration "Sozialer 
Brennpunkt Hessen eV" erfuhren, wurden ca. 50 Gruppen erwartet. Wäh- 
rend der Wartezeit vertrieben wir uns die kalten Füße mit flotter 
Musik. Es waren einige bekannte Schlager zur Unterstützung unserer 
Forderungen umgedichtet worden. Auch nahmen wir Kontakte zu anderen 
Gruppen auf. Einige von uns wurden mutig und begaben sich an den Ver- 
kauf unserer Broschüre "Arm sein is dooof", Selbst die Polizisten 
wurden nicht verschont und mußten den Geldbeutel zücken. 

Unsere Kinder wurden nun allerdings langsam ungeduldig. Einer der 


Jüngsten fragte verzweifelt: "Streiken wir jetzt hier solange, bis 
wir das Kindergeld bekommen?" 


Bis 11.30 Uhr hatten sich ca. 3.000 Demonstranten eingefunden,und 

wir marschierten geschlossen, unsere Spruchbänder straffend, zum 
Münsterplatz. Ein Kamerateam begleitete uns. Die Polizei riegelte 

die Straßen ab, so daß wir ohne Unterbrechungen um 12 Uhr in der 
Fußgängerzone eintrafen. 

Hier war bereits vom Veranstalter ein Podium für die Redner errich- 
tet worden. Die Organisation war wirklich tadellos. 

Trotz Rufchören nach der Familienministerin Frau A. Huber tauchte 
keiner der geladenen Politiker auf. Obwohl sie bereits seit Monaten 
eingeladen waren, vermieden sie auch diesmal wieder ein Gespräch mit 
uns. 

Als erstes erfolgte nun die Begrüßung aller anwesenden Gruppen. Wir 
waren angenehm überrascht,daß sich mittlerweile so viele Anhänger un- 
serer Sache in ganz Deutschland zusammengetan haben. 

Zur Unterstützung unserer Kindergeldforderung wurden 10 400 Unter- 
schriften abgegeben. 

Nun kamen einige der Gruppenmitglieder zu Wort. Es wurde darauf hin- 
gewiesen, daß dies die erste Demonstration von Sozialhilfeempfängern 
in der BRD sei. Und daß wir uns nicht mehr schämen, uns in der Öf- 
fentlichkeit dazu zu bekennen. Wir wollen nun für unsere Rechte 
kämpfen. Es wurde auch Kritik an der Herzlosigkeit des Staates geübt. 
Obwohl dies die zweite Zusammenkunft in Bonn war, wurden wir wiederum 
von den Politikern ignoriert. Wo bleibt die Gleichheit des Menschen 
vor dem Grundgesetz! Uns nimmt man ganz offensichtlich nicht für voll. 
Wir werden uns jedoch zu wehren wissen und auf uns aufmerksam machen. 
Einer der Redner bemerkte sehr treffend: "Unsere Politiker haben ja 
genug, deshalb ist auch keiner hier! Die werden trotz ihres Gehaltes 
nicht rot, wenn sie auch noch zusätzlich das Kindergeld einstreichen." 
Außerdem wurde beklagt, daß soviel Geld für die Rüstung und Entwick- 


lungshilfe gewährt, sollten die Verantwortlichen erst einmal die Miß- 
stände im eigenen Land beheben." 


Gegen 13.30 Uhr löste sich die Kundgebung dann langsam auf, und wir 
strebten hungrig und fußkrank zu den Bussen. Herr Somborn brachte 
uns wohlbehalten wieder zurück. 

Erreicht haben wir im Moment nur wenig. Aber es hat uns allen großen 


Mut gemacht, daß sich so viele Menschen für die gleiche Sache ein- 
setzen. 


Wir machen weiter! 
K. Huttegger 


63 — 


4 ĉa! ' Male 
Kin 


—* 





INTERESSENGRUPPE SOZIALHILFE DUISBURG 


VOR DEM ANFANG 


1977 erschien in Duisburg unter dem Titel: "SOZIALHILFE IN DUISBURG" 
eine Sozialhilfebroschüre. In der Broschüre stehen wichtige Hinwei- 
se über die Rechte der Sozialhilfeempfänger und wie man sich gegen 
die Bürokratie zur Wehr setzen kann. Diese Broschüre war Ausgangs- 
punkt zur Gründung der INTERESSENGRUPPE SOZIALHILFE IN DUISBURG. 


DIE GRÜNDUNG DER INTERESSENGRUPPE SOZIALHILFE 


Im November 1978 lud eine Sozialhilfeempfängerin aus Duisburg, die 
sich nicht mehr mit der schlechten Lage von Sozialhilfeempfängern 
abfinden wollte, andere Gleichgestellte zu einem gemeinsamen Erfah- 
rungsaustausch ein. 

In der hiesigen Presse richtete sie einen Aufruf an alle Mitbetrof- 
fenen,zu dieser Aussprache zu kommen. Weil sie auch wußte und am 
eigenen Leib erfahren hatte, daß man ohne juristische Hilfe gegen 
den Machtfaktor Sozialamt nicht ankommt, lud sie wohlweislich einen 
Rechtsanwalt zu diesem Treffen ein. Dieser Rechtsanwalt kam und 
kommt auch noch heute zu fast jeder Zusammenkunft der Interessen- 
gruppe. Diesem Rechtsanwalt verdanken viele Sozialhilfeempfänger 
heute, daß sie ihre berechtigten Forderungen beim Sozialamt durch- 
setzen konnten und können. (Dieses nur nebenher). Das erste Treffen 
der Sozialhilfegruppe war ein voller Erfolg. Es kamen viele mit 
einem Paket von Sorgen. 

Bei der Aussprache wurde vielen klar, daß man sich nur gemeinsam ge- 
gen das Sozialamt zur Wehr setzen und seine Rechte erkämpfen kann. 
Die Treffen wurden dann alle 14 Tage wiederholt und so ist es heu- 
te noch. 


WAS GESCHAH WEITER? 


Zu diesen besagten Treffen kamen viele Leute auch aus den weiter 
entfernten Stadtteilen, wie z.B. aus Hamborn. Auf die Dauer war 

der Fahrtweg für viele zu lang und zu teuer. Deshalb überlegten wir, 
auch in Hamborn eine Interessengruppe aufzubauen. Die AWO in Ham- 
born-Kopernikusstraße war bereit, uns die erforderlichen Räumlich- 
keiten zur Verfügung zu stellen. Am 19. Februar 1979 gründete sich 
dann die Interessengruppe Sozialhilfe in Hamborn. Getroffen wird 
sich auch hier bis heute noch alle 14 Tage im Gemeinschaftszentrum 
der AWO , Kopernikusstraße 110. Unterstützt werden wir auch hier 
durch den Rechtsanwalt. 


= bb 


WIE ARBEITET DIE SOZIALHILFEGRUPPE 


In Duisburg bestanden also im Februar 1979 zwei Stadtteilgruppen, 
die gemeinsam eine Interessengruppe bilden. Es können sich durchaus 
auch noch neue Stadtteilgruppen in Zukunft entwickeln, aber alle 
werden gemeinsam planen und Aktionen durchführen. 

Nun Vorrang hat natürlich die Aussprache untereinander, d.h. wir 
finden uns l4tägig zusammen und diskutieren wie wir uns und dem 
Einzelnen helfen können, unsere Forderungen gegenüber dem Sozialamt 
durchzusetzen. Wir gehen mit zu den Sozialämtern, wir reden über 
Widersprüche gegen die Bescheide des Sozialamtes und helfen bei 

der Formulierung. Einzelberatung ist ebenso möglich durch den Rechts- 
anwalt, wie auch mit Sozialarbeiterinnen der AWO oder auch mit Mit- 
gliedern der Interessengruppe. Wir geben dabei Erfahrungen weiter, 
die wir selber gemacht haben oder die uns von anderen Gruppen aus 
anderen Städten übermittelt werden. Wir helfen bei Anträgen für das 
Sozialamt sowie auch bei Anträgen für einmalige Beihilfen (Kleider- 
beihilfen, Kohlengeld, Möbelbeihilfen u.s.w.). Kurzum: Wir informie- 
ren über alle Fragen, die ein Sozialhilfeempfänger hat. n 

Wir haben eine Kontaktadresse,an die sich jeder Sozialhilfeempfän- 
ger wenden kann. Die Personen der Kontaktadresse helfen selber so 
gut sie können. In dringenden und eiligen Angelegenheiten vermitteln 
sie an Rechtsanwalt oder Sozialarbeiter (die das Vertrauen der In- 
teressengruppe haben). 


AKTIONEN DER INTERESSENGRUPPE 


Eine sehr wichtige Angelegenheit ist auch die Öffentlichkeitsarbeit. 
Von Anfang an wurde dieses von der Interessengruppe Sozialhilfe er= 
kannt. Es wurden Zeitungsartikel verfasst, Reporter wurden eingela- 
den, die über das Los der Sozialhilfeempfänger in dem jeweiligen 
Presseorgan berichteten. Auch das Westdeutsche Fernsehen war auf 

der Kopernikusstraße und hat Aufnahmen von der Sozialhilfegruppe ge- 
macht. 

Die Interessengruppe hat mehrere Informationsstände zum Thema: j 
"SITUATION DER SOZIALHILFEEMPFÄNGER" gemacht, um die Öffentlichkeit 
auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. ; 
Beim 60jährigen Bestehen der AWO haben wir in der Mercatorhalle in 
Duisburg ebenfalls einen Infostand gemacht. Dort haben wir plastisch 
dargestellt mit was ein Hilfeempfänger auskommen muß. Bei jeder 
Öffentlichkeitsarbeit haben wir vom Sozialamt, dem Land und Bund 
gefordert: 

l. Gebt uns endlich kostendeckende Regelsätze. 

2. Gebt uns unser Kindergeld. 

3. Laßt uns menschenwürdig leben. e , 

Dabei wurden in Duisburg ca. 1 400 Unterschriften für die Nichtan- 
rechnung des Kindergeldes auf die Sozialhilfe gesammelt. Das Kinder- 
geld wird den Sozialhilfeempfängern von der Sozialhilfeleistung 
abgezogen, so daß sie also als einzige Bürger der BRD kein Kinder- 
geld erhalten. Damit ist die Sozialhilfegruppe nicht einverstanden. 
Wir waren zweimal in Bonn und haben dort demonstriert. Am 20. Ok- 
tober 1979 zusammen mit rund 2 000 Sozialhilfeempfängern auch aus 
anderen Städten. 


= HO 


WIE SOLL ES WEITERGEHEN? 


Wir werden uns nach wie vor alle 14 Tage im Gemeinschaftszentrum 
der AWO Kopernikusstraße 110 in Duisburg-Hamborn um 20.00 Uhr tref- 
fen. Darüberhinaus kommt jede Woche dienstags die Arbeitsgruppe der 
Interessengruppe Sozialhilfe zusammen, die übrigens Anfang 1980 ge- 
bildet wurde. Sie hat die Aufgabe, Briefe zu beantworten, Infostän- 
de vorzubereiten u.s.w. 

In den einzelnen Stadtteilen sollen Informationsabende stattfinden, 
bei der die Interessengruppe Sozialhilfeempfänger über allgemeine 
Fragen der Sozialhilfe informieren möchte. Erstmals wird das am 

25. Januar 1980 in Duisburg-Neumühl im Bürgerhaus stattfinden. 

Wir haben diese Form der Information gewählt, um auch die Sozial- 
hilfeempfänger, die bisher nicht in die Gruppen kamen,anzusprechen. 
Zu der Öffentlichkeitsarbeit gehört auch, daß wir den engeren Kon- 
takt zu anderen Sozialhilfegruppen in anderen Städten verstärken. 
Dabei werden gemeinsame Aktionen geplant und durchgeführt, ebenso 
wird ein intensiver Informationsaustausch gepflegt. ; 
Interne Aktionen der Gruppe stehen auch noch an. Z.B. soll über eine 
Vereinsgründung der Interessengruppen weiter nachgedacht werden und 
eventuell noch in diesem Jahr verwirklicht werden. 


SCHWIERIGKEITEN DER INTERESSENGRUPPE 


Uns beschäftigt schon seit längerem die Frage der Vereinsgründung . 
Wir überlegen, ob es andere Möglichkeiten gibt, eine rechtliche Kör- 
perschaft zu verwirklichen oder ob unsere derzeitige Arbeits- und 
Gruppenform nicht eine Alternative ist. Die Gruppe legt auch keinen 
Wert auf Funktionärstum , so wie es sich manchmal in Vereinen heraus- 
entwickelt. 

Neue in der Gruppe haben es oft schwer, bis sie genauestens über 

die Arbeit und Aktionen der Gruppe unterrichtet sind. Die älteren 
Gruppenmitglieder haben meistens einen gewaltigen Informationsvor- 
sprung. Um dies auszugleichen, planen wir ein Wochenendseminar, was 
gleichzeitig dazu dienen soll, sich besser kennenzulernen. 


Interessengruppe Sozialhilfe Duisburg 


Kontaktadresse: Erna Colligno, Am Kreyenbergshof 51, 41 Duisburg ll, 
Telefon: 0203/59 63 65 


— 





ARBEITSGEMEINSCHAFT 
SOZIALBENACHTEILIGTER FAMILIEN HILDESHEIM 


Auslösendes Moment der Gründung der Hildesheimer Gruppe war die skan- 
dalöse Tatsache, daß das Kindergeld auf die Sozialhilfe als Einkom- 
men mitangerechnet wird. 

Ein Leserbrief unter dem Motto "Sozialhilfe-Empfänger sollen sich mel- 
den, die es auch ungerecht finden, daß Kindergeld als Einkommen ange- 
rechnet wird", war der Anfang unserer Arbeitsgemeinschaft. Am selben 
Tag meldeten sich per Telefon 17 Familien. 2 Wochen später (Mai 1979) 
trafen wir uns das erste Mal. Heute (Februar 1980) treffen sich etwa 
40 Familien in regelmäßigen Abständen in der Altenbegegnungsstätte 
der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Drispenstedt, Ehrlicherstr. 18. Hier 
werden Probleme besprochen, wie zum Beispiel das Beantragen von Woh- 
nungsrenovierung oder Bekleidungshilfe; nicht nur die Kindergeldfra- 
ge ist hier Gesprächsthema. 

Frau S., die Mitbegründerin der Hildesheimer Initiative "Für jedes 
bischen Recht muß ich kämpfen. Freiwillig rücken die auf dem Sozial- 
amt nichts raus, man bekommt kaum Informationen." 


In Hildesheim veranstaltete die Initiative in letzter Zeit regelmäs- 

sige Informationsabende, für die jeweils mit Flugblättern vor dem 

Sozialamt geworben wurde. Im März wird ein Kindernachmittag veran- 

staltet, wo neben Informationen auch eine Theatergruppe mit einge- 

plant ist. 

Weitere Aktionen waren bis heute: 

® Information regionaler Zeitungen über die AG 

® Einladungen und Schreiben an Ratsmitglieder, Sozialamt, Jugendamt, 
Landtags- und Bundestagsabgeordnete 

® Verteilen von Info-Schriften vor dem Sozialamt der Stadt Hildes- 
heim 

® Sternfahrt nach Bonn am 20.10.79 

© Nordschau-Magazin Hannover dreht bei uns 3.12.79. 18.12.79 wurde 
der Film gezeigt (19.30) 

® Anrufe und Adressen entgegengenommen (wegen der Sendung) .Aus dem 


ganzen Sendegebiet (Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Holstein er- 
halten wir Post). 


AG sozial benachteiligter Familien Niedersachsen, Ehrlicherstr. 18, 
3200 Hildesheim, 05121/59841. 


— 


SELBSTHILFE GELSENKIRCHEN 


ZWANGSARBEIT IN DER BRD — UND WIE MAN SICH DAGEGEN ZUR WEHR SETZT 


Zwangsarbeit - ein Wort, das nicht gerade häufig in Zusammenhang mit 
der BRD genannt wird. Aber es gibt sie, verkleidet unter dem Begriff 
"Hilfe zur Arbeit", jedenfalls für Sozialhilfeempfänger. Gerade in 
Gebieten großer Arbeitslosigkeit, wie bei uns im Ruhrgebiet, werden 
durchgängig alle arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger zur sogenannten 
gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeit herangezogen. Die geforderten 
Arbeiten bestehen etwa darin, daß Männer das Parkstadion von Schalke 
04 reinigen müssen; Frauen werden als Putzfrauen in Altenheimen ein- 
gesetzt, wozu gelegentlich auch einmal die Wohnung des Heimleiters 
gehört. Wer die Ableistung dieser Arbeiten verweigert, da er für sie 
keinenLohn erhält, bekommt auch keine Sozialhilfe mehr. 

Bei diesem System sparen die Städte doppelt. Sie müssen keine Plan- 
stellen schaffen und die geforderte Arbeitsleistung nach Tariflohn 
bezahlen. Eine Vielzahl von insbesondere randständigen Sozialhilfe- 
empfängern (Nichtseßhafte, alleinstehende junge Erwachsene) nimmt 
lieber die Sperrung von Sozialhilfe in Kauf und schlägt sich anders 
durch, als solche Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Betroffene wer- 
den in Kriminalität abgedrängt, für die dann nicht mehr die Stadt, 
sondern die Justiz zuständig ist; die Stadt spart Kosten. Es gibt 
eın paar Sozialhilfeberechtigte weniger. 


Nun zur Selbsthilfe Gelsenkirchen und zu dem, was wir zu dieser Si- 
tuation getan haben: Im Arbeitslosenprojekt der Selbsthilfe Gelsen- 
kirchen eV (Schreinerwerkstatt, Haushaltsauflösungen, Entrümpelun- 

gen mit einem LKW, Teestube) arbeiten Jugendliche und junge Erwachse- 
ne mit, die Sozialhilfe beziehen. Dieses Projekt wird vom Landschafts- 
verband im Rahmen des Programms zur Bekämpfung der Jugendarbeitslo- 
sigkeit finanziert. Gleichzeitig macht das Sozialamt aber denjenigen 
Jugendlichen die Teilnahme an dieser Maßnahme unmöglich, die Sozial- 
hilfe beziehen, da diese zur Pflichtarbeit herangezogen werden. 

Eine der Betroffenen wehrte sich dagegen und lehnte diese Arbeiten 

ab, da sie durch die Pflichtarbeit nicht von der Sozialhilfe unabhän- 
gig wird, und ihr die Möglichkeit einer Betreuung durch diese Selbst- 
hilfe genommen würde. Desweiteren wies sie daraufhin, daß der In- 

halt der Pflichtarbeit nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, 
sıe ıst Insbesondere nicht zusätzlich im Sinne des Bundessozialhilfe- 
gesetzes, es werden vielmehr solche Arbeiten ausgeführt, für die 
eigentlich Planstellen im Haushalt der Stadt vorhanden sein müßten 
(Putz- und Aufräumarbeiten). 


Sie legte also gegen die Aufforderung des Sozialamtes zur Ableistung 
von Pflichtarbeit im Juni 1978 Widerspruch ein. Das Sozialamt rea- 
gierte, indem es die Sozialhilfe im September 1978 um 20 % kürzte 


— S 


und die völlige Einstellung zum 1.10.79 ankündigte. Eine beim Ver- 
waltungsgericht Gelsenkirchen beantragte einstweilige Verfügung hat- 
te zunächst Erfolg. Das Sozialamt wurde verpflichtet, bis zur end- 
gültigen Entscheidung über die Widersprüche Sozialhilfe zu leisten. 
Auf Betreiben des Sozialamtes Gelsenkirchen änderte das Oberverwal- 
tungsgericht im Mai 1979 diese Entscheidung ab und gab der Stadt die 
Möglichkeit zurück, die Sozialhilfe zu kürzen. Hinzuweisen ist dabei 
darauf, daß es sich lediglich um ein Verfahren um Erlaß einer einst- 
weiligen Verfügung handelt, bei welchem der Sachverhalt nur grob ge- 
prüft werden kann. Eine endgültige Entscheidung steht also immer 
noch aus. Nachdem die Stadt die Behauptung der Betroffenen, sie sol- 
le Putzarbeiten ableisten, ein halbes Jahr unwidersprochen ließ, wur- 
de vor dem Verwaltungsgericht plötzlich behauptet, man erwarte von 
ihr Mithilfe bei der Betreuung alter Leute, etwa durch Zeitung vor- 
lesen, gemeinsame Spaziergänge etc.. Man will also vermeiden, daß 
die gängige Praxis, Betroffene zu Putzarbeiten heranzuziehen, von 
einem Verwaltungsgericht überprüft wird. 


Ein ordentliches Gerichtsverfahren wird von der Stadtverwaltung Gel- 
senkirchen erheblich verzögert. Bis heute war die Stadtverwaltung 
nicht in der Lage, über Widersprüche vom Mai und September 1978 zu 
entscheiden. Stattdessen beschäftigt sich die Verwaltung damit, der 
Betroffenen möglichst viele Schwierigkeiten zu machen. Diese erhält 
seit Februar 1979 BAFöG, da sie die Abendreal-Schule besucht. Zu- 
nächst versuchte das Sozialamt Wohngeld einzubehalten, das für einen 
Zeitraum gezahlt wurde, in welchem sie keine Sozialhilfe bezog. 
Nachdem dieser Versuch aber mißlang, stellte das Sozialamt jetzt die 
Forderung an die Betroffene auf, die gesamte Sozialhilfe zurückzu- 
zahlen, da angeblich von Anfang an kein Anspruch bestanden hat, ob- 
wohl die Entscheidung im Hauptverfahren vor dem Verwaltungsgericht 
noch aussteht. Auf dem Hintergrund der Tatsache, daß dieses Verfah- 
ren von der Stadtverwaltung verzögert wird, kann ein solches Schrei- 
ben nur als eine Schikane betrachtet werden. Dahinter steckt der Ver- 
such, betroffenen Sozialhilfeempfängern deutlich zu machen, mit wel- 
chen Konsequenzen zu rechnen ist, wenn sie versuchen, sich gegen Ent- 
scheidungen des Sozialamtes zu wehren. Für die Betroffene ist die 
Forderung,ca. 1.200,- DM innerhalb von 4 Wochen zurückzuzahlen,eine 
Bedrohung, zumal sie BAFöG bezieht und zu der Zahlung gar nicht in 
der Lage ist. 

Sozialdezernent Neumann ließ vor wenigen Tagen (WAZ vom 05.12.79) 
verlauten, daß beim Sozialamt "jeder frei und offen seine ihm recht- 
lich zustehenden Ansprüche geltend machen kann". Die Wirklichkeit 
sieht genau anders aus. 


Die Selbsthilfe Gelsenkirchen verfügt inzwischen über eine ausge- 
feilte rechtliche Argumentation zu diesem Problemkreis, die gute Aus- 
sichten für Betroffene bietet, sich gegen die Verpflichtung zur 
Zwangsarbeit zu wehren. Wer diese braucht, kann sich mit uns in Ver- 
bindung setzen: 


Selbsthilfe Gelsenkirchen 
Horster Straße 46 oder 75 
4660 Gelsenkirchen-Buer 
Telefon (0209) 59 33 28 
37 85 58 


— 


LEITFADEN 
DER 


—⸗ SOZIAL 
HILFE 





Jutta Stößinger 


“DEN ARMEN WOLLEN SIE MUT MACHEN” 
— Frankfurter Leitfaden zur Sozialhilfe — 
(aus: Frankfurter Rundschau v. 12.5.1979) 


“Ich laß mir doch nichts schenken’, sagen die einen. “Das steht mir doch wahr- 
scheinlich gar nicht zu”, vermuten die anderen. Daß Sozialhilfe kein Almosen ist, 
sondern das verbriefte Recht eines jeden Bürgers, der seinen Lebensunterhalt vor- 
übergehend oder längerfristig nicht alleine sichern kann, wissen längst nicht alle. 
Kein Wunder: Das Amtsdeutsch zählt nicht gerade zur Umgangssprache, und 
mancher Sachbearbeiter hilft lieber Vater Staat beim Sparen als einem Rentner 


über die Runden. 


Das haben Dozenten und Studenten 
der Fachhochschule Frankfurt heraus- 
gefunden und einen allgemeinverständ- 
lichen „Leitfaden der Sozialhilfe“ er- 
stellt: Mit zahlreichen Tips, Berech- 
nungsbeispielen und Adressen. 

"Mut machen — das ist eines der 
Hauptanliegen der Verfasser. Und: Der 
Leitfaden soll für jeden verständlich, 
anwendbar und möglichst ausführlich 
sein — Eigenschaften, die die Broschüre 
des Hessischen Sozialministerlums 
(„Sozialleistungen in Hessen — ein 
Wegweiser“) nach Meinung der Fach- 
hochschüler vermissen läßt. Zwar wer- 
den dort verschiedene Hilfeleistungen 
aufgezählt, aber „weder ist der Regel- 
satz erklärt, noch sind Rechenbeispiele 
aufgeführt, noch werden konkrete An- 
gaben zu Bemessungsgrundlagen ge- 
macht“. Die Frankfurter „Seniorenzei- 
tung“ ist, so heißt es weiter, „da eine 
lobenswerte Ausnahme“. Nur: Dort gibt 
es mehr Informationen über Freizeitan- 
gebote und städtische Vergünstigungen 
als über Details der Sozialhilfe. 

Anders auf den 72 Seiten des „Sozial- 
hilfeleitfadens“: Da findet man Infor- 
mationen über die Antragstellung, über 
die sogenannten Regelsätze, über Klei- 
der-, Möbel-, Hausrat- und Brennstoff- 
beihilfen. Es gibt Informationen über 
eine Unterstützung bei Krankheiten, 
über WMüttergenesungskur, über die 
Altenhilfe, über Urlaubszuschüsse, über 
mögliche Übernahmen von Funk- und 
Fernsehgebühren, von Umzugs-, Reno- 
vierungs- und Reparaturkosten. Erklärt 
werden auch Möglichkeiten des Wider- 
spruchs und der Klage, wenn man 
meint, nicht anders zu seinem im Bun- 


dessozialhilfegesetz verankerten Recht 
auf ein „menschenwürdiges Leben“ zu 
kommen. 

Die Studenten und Dozenten der 
Fachhochschule haben den Leitfaden im 
Verlauf von mehreren Semestern erar- 
beitet, haben Gespräche mit möglichen 
Interessenten gesucht und Informa- 
tionsstände in Stadtteilen aufgebaut. 
Die Ergebnisse dieser Aktionen waren 
oft entmutigend. Betroffene lehnten das 
Gespräch bisweilen mit den Worten ab: 
„Das ist immer so ein Bettelkram, da 
schämt man sich so.“ Nichtbetroffene 
reagierten mitunter mit Vorurteilen: 
„Geht doch schaffen, dann braucht ihr 
keine Sozialhilfe.“ Und Fachkundige 
kriegten’s wohl auch manchmal mit der 
Angst: „Schickt uns bloß nicht noch 
mehr Leute ins Amt.“ 

Tatsächlich sind viele Sozialstationen 
überlastet. „Bereits vor 8 Uhr wartet 
eine große Anzahl von Ratsuchenden 
auf Einlaß ... eine Wartezeit von drei 
bis vier Stunden ist keine Seltenheit“, 
heißt es in einer Examensarbeit -von 
Frankfurter Fachhochschülern. Die 
Sozialarbeiter sind überfordert; 'manche 
mögen es auch mit jenem Trierer Amts- 
leiter halten, der vor zwei Jahren in 
einem Gespräch mit dem „Spiegel“ 
äußerte: „Wenn wir die Leute über ihre 
Ansprüche aufklären würden, wären 
wir sehr schnell pleite.“ 

Die Folge: Nur 24,1 Prozent der über 
65jährigen bundesdeutschen Sozialhilfe- 
empfänger — so eine Studie des Kölner 
Instituts für Sozialforschung — gaben 
an, durch das Sozialamt über die bezo- 


gene Hilfeleistung informiert worden zu 
sein. 


E _ 


In Frankfurt bekommen rund 21 500 
Bürger Sozialhilfe und/oder ständige 
Hilfe in besonderen Lebenslagen (Stand 


Sozialhilfeleitfaden 


für die Rentner 


Ob jemand Anspruch auf Sozial- 
hilfe hat und wie man seinen Bedarf 
errechnet, zeigt folgendes Beispiel 
aus dem „Sozialhilfeleitfaden“: 

„Das Rentnerehepaar X bezieht 
eine Rente von monatlich 960 Mark. 
Um festzustellen, ob das Ehepaar zu- 
sätzlich „ergänzende“ Sozialhilfe er- 
halten kann, ist folgende Rechnung 
notwendig: 


297 Mark 

Regelsatz für den Rentner 

89,10 

Mehrbedarfszuschlag (30 Prozent von 
297 Mark), den er erhält, weil er über 
65 Jahre alt ist. 

238 Mark 

Regelsatz für seine Frau 

71,40 

Mehrbedarfszuschlag (30 Prozent von 
238 Mark), weil sie über 65 Jahre alt 
ist. 

350 Mark 

Miete inklusive Umlagen, abzüglich 
Wohngeld. 

1045,50 Mark 

Bedarf des Rentnerehepaares. 


Wird von dieser Summe die Rente 
von 960 Mark abgezogen, so bleibt 
ein Anspruch auf Hilfe zum Lebens- 
unterhalt in Höhe von 85,50 Mark 
monatlich. Anders herum: das Rent- 
nerehepaar liegt mit seiner Rente um 
85,50 Mark unter dem Bedarfsstart 
der Sozialhilfe. Das Ehepaar kann 
beim zuständigen Sozialamt „ergän- 
zende“ Sozialhilfe beantragen. Es 
kann außerdem die Übernahme von 
Kosten für Kleidung, Mobiliar, 
Hausrat, Brennstoff, erforderliche 
Renovierungen und Reparaturen bè- 
antragen. | 

Erhält das Rentnerehepaar diese 
Hilfen, so braucht es in der Regel 
nicht zu befürchten, daß seine Kin- 
der vom Sozialamt in Anspruch ge- 
nommen werden. Nur bei sehr gut 
verdienenden Kindern könnte dies 
der Fall sein.“ JS. 





— y 


einen 


1977), wobei die Sozialhilfeempfänger in 
Heimen und Anstalten nicht‘ mitgezählt 
wurden. Die Zahl derer, die Anspruch 
auf die Unterstützung hätten, sie jedoch 
richt in Anspruch nehmen, ist schwer 
zu ermitteln. Immerhin heißt es in der 
Frankfurter Examensarbeit, daß „die 
Zahl der Personen in der Bumdesrepy- 
biik, deren Einkommen unter den Be- 
darfssätzen der Sozialhilfe liegt, - rund 
siebenmal so groß ist wie die Zhhl derer, 
die Sozialhilfe beziehen“. 


Der Grund: Vielen eigentlich An- 
spruchsberechtigten fehlen die Informa- 
tionen über Sozialhilfe; andere haben 
Probleme mit der Antragstellung; wie- 
der andere (und oft kommt eins zum an- 
deren) fürchten, daß die Unterstützung 
zurückgezahlt werden muß (was nur in 
extremen Ausnahmefällen stimmt) oder 
daß die Kinder und Kindeskinder in die 
Pflicht genommen werden könnten (was 
für Enkelkinder gar nicht und für Kin- 
der nur selten zutrifft). 


Schließlich: Oft schämen sich die 
Armen (im Unterschied zu manchem 
Reichen), staatliche Hilfen in Anspruch 
zu nehmen. Die Fachhochschüler: „In 
einer am Profit orientierten Gesell- 
schaft, in der nur der gesunde und voll- 
wertig Arbeitende mithalten kann, da 
werden Alte, Kranke, Arbeitsunfähige, 
Arbeitslose an den Rand gedrängt ... 
Sie glauben, daß sie versagt haben, daß 
sie selbst schuld an ihrer Not sind.“ 


Der Zusammenhang zwischen zuneh- 
mender Arbeitslosigkeit und einem stei- 
genden Bedarf an Sozialhilfe ist hinge- 
gen unübersehbar. Dies konstatierte 
auch das rheinland-pfälzische Sozial- 
ministerium in einer Dokumentation 
mit dem Titel „Begleiter der 'Arbeitslo- 
sigkeit: Abstieg und Armut“. Staatsmi- 
nister Georg Gölter berief sich auf die 
amtliche Sozialhilfestatistik von 1975, 
wonach schon damals die Zahl der 
Haushalte, die Sozialhilfe bezogen, aber 
(in der Regel, arbeitsfähigen) 


HaushaltsvorsStand unter 60 Jahren hat- 
ten, um 66000 (22 Prozent) gestiegen 
war. Das Ministerium: „Die seither ein- 
getretene Entwicklung hat die finan- 
zielle Lage der Arbeitslosen erheblich 
verschärft.“ 


Unter der sogenannten „Armuts- 
grenze des Sozialhilfegesetzes“ — 
sprich, unterm Existenzminimum — 
kann nämlich auch derjenige liegen, der 
bislang gar keine Sozialhilfe bekommt, 
sondern noch Arbeitslosengeld oder 
-hilfe bezieht. Im Klartext: Die Unter» 
stützung vom Arbeitsamt plus Wohn- 
und Kindergeld kann in einzelnen Fällen 
noch geringer sein als die vom Sozial- 
amt. Das hat jedenfalls das Ministerium 
errechnet, Arbeitslose, die davon betrof- 
fen sind, können (ergänzende) Sozial- 
hilfe beantragen. 


Sozialhilfe beantragen können aber 
auch vor allem Leute, die gar keine Ein- 
künfte und größere Ersparnisse haben 
oder deren Rente oder Nettoeinkünfte 
einschließlich Wohngeld, Kindergeld 
und Unterhaltszahlungen unter dem Be- 
darfssatz der Sozialhilfe liegen. Auch 
wer keinen Anspruch auf regelmäßige 
Hilfe zum Lebensunterhalt hat, aber 
unter einer bestimmten Einkommens- 
grenze liegt, kann in besonderen Notla- 
gen (Krankheit, Kur, Zahnersatz) Un- 
terstützung beantragen oder gelegent- 
liche Behilfen (für Kleidung, Möbel 
Hausrat) beziehen. 


Der „Sozialhilfeleitfaden“ nennt in 
diesem Zusammenhang nicht nur die 
derzeit in Hessen gültigen Regelsätze 
(zum Beispiel: 297 Mark pro Monat für 
einen Haushaltsvorstand oder erwach- 
senen Alleinstehenden, 267 Mark für 
einen 15 bis 20 Jahre alten Haushaltsan- 
gehörigen, 134 Mark für ein Kind unter 
sieben Jahren), sondern erklärt auch, 
wie man seinen Bedarf an Sozialhilfe 
berechnet. Erklärt wird auch, was ein 
Mehrbedarfszuschlag ist und wer ihn — 
zusätzlich zum Regelsatz — bekommt: 
Nämlich Personen, die über 65 Jahre alt 
sind, Erwerbsunfähige, werdende Müt- 


ter und Elternteile, die zwei, drei oder 
mehr Kinder alleine versorgen. 


Erklärt wird weiter, wie man einen 
Antrag auf Sozialhilfe stellt und welche 
Papiere man vorlegen muß (Mietver- 
trag, Lohnbescheinigung, Rentenbe- 
scheid, Unterlagen über Versicherungs- 
beiträge zum Beispiel). Und erklärt wird 

chließlich, wie man einen schriftlichen 

Widerspruch gegen abschlägige Be- 
scheide aufsetzt und gegebenenfalls eine 
Klage einlettet, Für spezielle Probleme 
gibt es im Leitfaden außerdem einen 
Anhang von Adressen. Da ist die Alten- 
hilfe ebenso aufgeführt wie das Frauen- 
zentrum, der Verband alleinerziehender 
Mütter und Väter, das Wohnungsamt 
und der Evangelische Volksdienst. 


Für die umfassende Informations- 
schrift haben die Fachhochschüler in- 
zwischen bei zahlreichen Verbänden, 
Fachkrankenhäusern, Diakonischen 
Werken, Bahnhofsmissionen, Behinder- 
tenclubs, Altenheimen, Kinderschutz- 
stellen, Anwaltsbüros, Strafvollzugsan- 
stalten und Volkshochschulen aus dem 
ganzen Bundesgebiet (und sogar aus 
dem Ausland) Interesse geweckt. Über 
600 briefliche Bestellungen und Anfra- 
gen zum Leitfaden liegen vor. Rund 9000 
Hefte wurden inzwischen verkauft. 


Die eigentlichen Adressaten, die Be— 
troffenen selbst, meldeten sich bisher 
weniger zahlreich. Ihre Briefe deuten 
das Ausmaß von noch vorhandener Not, 
von Uninformiertheit undScham nur an. 
Eine alleinstehende Mutter aus Düssel- 
dorf möchte beispielsweise wissen, ob 
ihr vielleicht besondere „Zuschüsse“ zu- 
stehen und schreibt: „Ich bekomme 
jeden Monat 425 Mark Sozialhilfe, dazu 
die Miete und die Sozialversicherung.” 
— Dafür braucht niemand einen Knie- 
fall zu machen. 


Der Sozialhilfeleitfaden ist gegen 2,50 
Mark in Briefmarken zu bestellen über: 
Sozialhilfegruppe TUWAS, c/o Fach- 
hochschule, Fachbereich Sozialarbeit, 
Limescorso 5, 6000 Frankfurt/Main 
(siehe auch Kasten). 


— 








SOZIALHILFE - LEITFADEN 
BEHINDERTEN- LEITFADEN 


Zu beziehen gegen je 2.50 DM in Briefmarken bei: AG TUWAS 
Fachhochschule, Fachbereich Sozialarbeit, Limescorso 5 6 Ffm 50 


Frauenhaus Kassel 


STELLUNGNAHME ZUM § 72 BSHG 
UND DEM GUTACHTEN DES DEUTSCHEN VEREINS 


Ende 1977 ließen die Stadt Frankfurt und der Landeswohlfahrtsverband 
Hessen vom Deutschen Verein ein Rechtsgutachten erstellen. 

Es ging um die Frage, wer für die Finanzierung des Frankfurter "Heim's 
für Mutter und Kind" zuständig ist. 

Das Ergebnis dieses Gutachtens bestimmt heute die öffentliche Diskus- 
ston: überall sollen Frauenhäuser nach $ 72 BSHG finanziert werden. 
Das Gutachten des Deutschen Vereins ist abgedruckt in: Nachrichten- 
dienst des Deutschen Vereins, 1978, 5.77. 

Nachfolgend kritisiert das Frauenhaus Kassel dieses Gutachten. Die 
Stellungnahme haben wir der Broschüre entnommen: "Frauenhäuser sol- 
len an die Kandare genommen werden! Selbstverwaltungskonzept in Ge- 
fahr! $ 72 BSHG für Frauenhäuser - nein danke!" Diese Broschüre ist 
über das Frauenhaus Kassel e.V., Postfach 101103, 35 Kassel zu be- 
ztehen. (die Redaktion) 


VORBEMERKUNG 


Im $ 72 BSHG wird die besondere Hilfe für bestimmte Randgruppen wie 
Obdachlose, Fixer usw. geregelt, die nicht mehr in der Lage sind,am 
Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen und mit fremder Hilfe inte- 
griert werden müssen. 

Der gleiche Paragraph ist maßgebend für die Bewilligung von Pflege- 
sätzen für mißhandelte Frauen, die ins Frauenhaus aufgenommen werden 
wollen. Im Gutachten des Deutschen Vereins wird deshalb auch als eine 
Voraussetzung für das Zutreffen des $ 72 BSHG ausgeführt, daß die 
Lebensverhältnisse einer geprügelten Frau "von den allgemeinen 
Lebensverhältnissen der Durchschnittsbevölkerung abweichen." 


WEICHEN DIE LEBENSVERHÄLTNISSE MISSHANDELTER FRAUEN SPÜRBAR 
VON DENEN DER DURCHSCHNITTSBEVÖLKERUNG AB? 


Gegen diese These spricht allein die große Anzahl der geschlagenen 
Frauen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes kommt es in 5 Mio 
Haushalten in der BRD einmal monatlich zu schweren Prügeleien. Die 
Dunkelziffer dürfte hier nicht unerheblich sein. 


Die Anzahl der Mißhandlungen von Frauen hat sich auch mit der Fami- 
lienrechtsreform nicht geändert, die formal die Vorrangstellung des 
Mannes in der Familie aufheben soll. Gerichte, Lehrbücher und Ver- 
waltungspraxis gehen nach wie vor von der "Hausfrauenehe" als die 
typische Form der Ehe aus. Bei der Sozialhilfe, dem Armenrechtsan- 
spruch, der Steuer usw. wird stets der Mann automatisch als Haus- 
haltsvorstand angesehen. 


JI 


Es wird deutlich, daß eine Gesetzesänderung noch lange nicht die Än- 
derung in der Praxis bedeutet. Es haben sich nur die Buchstaben ver- 
ändert, die diskriminierende Praxis ist geblieben. Breite öffentli- 
che Diskussionen, intensive Aufklärungsarbeit wurden in der Vorberei- 
tungsphase nicht geführt, eine breite Bewußtseinsänderung hat nicht 
stattgefunden, weder bei Männern noch bei Frauen, ebenso bei Rich- 
tern, Sozialarbeitern ... 


Wir gehen davon aus, daß j ed e Frau einem Unterdrückungsverhält- 
nis unterliegt und nicht nur die geschlagenen Frauen; körperliche 
Gewalt ist die sichtbarste Ausformung des allgemein-gesellschaftli- 
chen Gewaltverhältnisses gegenüber Frauen. Oder anders gesagt: Auch 
Männer, die ihre Frau nicht schlagen, haben keine inhaltliche Beden- 
ken gegen Frauenmißhandlung; sie verfügen nur über ein anderes In- 
strumentarium der Unterdrückung. Zudem kanm nicht davon ausgegangen 
werden, daß Männer, die nicht mißhandeln, auch tatsächlich gegen 
private Gewalt sind oder sich gar dagegen einsetzen. Die Macht (Ge- 
walt)-Strukturen in der Beziehung Mann/Frau sind breit vorhanden 
und werden nur unterschiedlich praktiziert. 


INSOFERN MEINEN WIR, DASS DIE LEBENSVERHÄLTNISSE MISSHANDELTER FRAUEN 


NICHT "'SPÜRBAR" VON DENEN DER (WEIBLICHEN) DURCHSCHNITTSBEVÖLKERUNG 
ABWEICHEN! 


Als Erscheinungsformen der besonderen Lebensverhältnisse mißhandel- 

ter Frauen werden im Gutachten des Deutschen Vereins der "hohe Grad 

der sozialen Ausgliederung" und die damit verbundenen "größeren 
Schwierigkeiten der Wiedereingliederung'' genannt, sowie mangelnde 
Außenkontakte der betroffenen Frauen und Ablehnung mißhandelter Frauen 
durch ihre Umwelt. Außerdem unterstellt Herr Giese in seinem Gutachten, 
daß Gewalt in der Ehe "strengster allgemeiner Mißbilligung" unterliegt. 


IST DER SCHRITT INS FRAUENHAUS EINE SOZIALE AUSGLIEDERUNG? 


Die soziale Ausgliederung der Frau besteht in ihrer Isolation während 
der Ehe aufgrund massiver Einschränkung durch den Mann und ihrer an- 
erzogenen "Bestimmung" für den Mann. 

Wir sehen dies im Zusammenhang mit einer langen Kette der Erziehung 
und gesellschaftlichen "Aufbereitung" von Frauen: im Kindergarten, 
in der Schule, in den Medien. Werbeslogans wie "etwas schöner sein 
als andere macht Sie erfolgreicher bei Männern" oder "Ihr Erfolg ist 
Ihre Attraktivität" sind brutaler Ausdruck dieser gesellschaftlichen 
Zustände. 

Solange das bestehende Rollenbild von Mann und Frau (und die daraus 
folgenden Konsequenzen) weder breit erkannt noch problematisiert 
wird, wird es auch keine "strengste allgemeine Mißbilligung von kör- 


perlicher Gewalt in der Ehe" geben, wie im Gutachten des Herrn Giese 
behauptet wird. 


_78 — 


WIRD PRIVATE GEWALT 
ÖFFENTLICH MISSBILLIGT? 


Wir sind der Meinung, daß Gewalt in der 
Ehe bzw. "Partnerschaft" allgemein als 
unproblematisch, normal angesehen wird, 
weil einerseits oft gar nicht bekannt 
wird, wenn ein Mann eine Frau schlägt und 
andererseits die meisten Frauen als auch 
die Männer das übliche Rollenbild ak- 
zeptieren, die Frau müsse dem Mann un- 
terlegen (= untertan) sein. Auch in Ehen 
und Beziehungen, in denen es nicht zu körperlicher Gewalt komt, gilt 


der Mann als der Herr im Hause, der seine Frau zu Gehorsam bringen 
muß. 





Immer wieder müssen wir bei Interviews mit Passanten auf der Straße 
feststellen, daß es als normal angesehen wird, wenn "die Frau mal 
eine hinter die Ohren kriegt". Ähnlich lautenden Äußerungen begeg- 
nen wir immer wieder bei Behördenbesuchen seitens der Sachbearbeiter. 
Diese Grundeinstellung drückt sich aus in weitverbreiteten Sprüchen 
wie "willst Du eine treue Frau, so schlage ihr die Augen blau". In 
einer Infas-Umfrage für den "Stern" hatten 35 % der Befragten nichts 


dagegen, wenn Frauen mißhandelt werden, allerdings würden nur 17 % 
Tıerquälereien hinnehmen. 


Viel geläufiger als Vorurteile gegen mißhandelte Frauen sind uns 
"Erklärungen" für die Mißhandlung, die der Frau die Schuld in die 
Schuhe schieben: "Sie hat ihn zur Weißglut gebracht" oder "Sie hat 
ihn in seiner Ehre gekränkt" .. 
Vorurteile werden viel mehr den Frauen entgegengebracht, die sich gegen 
Schläge und Mißhandlungen wehren oder 
ir Frauen, die ins Frauenhaus fliehen, um 
a sich vor Gewalttätigkeiten zu schützen. 
Hier weichen Frauen von allgemein gülti- 
gen und gesellschaftlich akzeptierten 
Normen ab. 
Wir allerdings sehen in dem Schritt ins 
Frauenhaus einen positiven Ansatz für 
ihr weiteres Leben, es ist der aktive 
Versuch, sich aus einer unerträglichen 
Situation zu befreien. Gerade dieser 
Schritt wird aber im Gutachten des Deut- 
schen Vereins zum Vorwand genommen, die 
Frauen einer "Randgruppe" der Gesellschaft 
zuzuordnen. Es wird also vorausgesetzt, 
daß diese Frauen nicht gemeinschaftsfähig sind und so auf fremde Hil- 
fe in starkem Maße angewiesen sind, daß sie von der Bevölkerung als 
Sonderfälle betrachtet und abgelehnt werden. 





— 


Im Gutachten des Deutschen Vereins heißt es: die Frauen brau- 


chen "persönliche Hilfe, die als Beratung und persönliche Be- 
treuung darauf gerichtet ist, die Ursachen der zutage getrete- 
nen schwierigen Beziehungs- konflikte festzustellen, sie dem 
Hilfesuchenden und nach Mög- lichkeit auch dem Partner bewußt 
zu machen und entweder - bei Fähigkeit und Bereitschaft des 
Partners - die Familienbezie- hungen wieder herzustellen oder 
die Selbsthilfe der Hilfe- suchenden bis zu einer selbstän- 
digen Existenz zu fördern. "An anderer Stelle führt Herr 
Giese aus, welches die Ur- sachen der "schwierigen Bezie- 
hungskonflikte", also der Mißhandlungen sind. Er behauptet: 
o hantu suo mnetbtaudug " familie 


e Train" puid diufokig, sick Alit u helm 
o Doum auol mufòk 9, dut Gol inmaigakiu 


IST DIE FRAU SELBST SCHULD, WENN SIE MISSHANDELT WIRD? 


Hier wird eindeutig den Frauen die Schuld zugeschoben, daß sie miß- 
handelt werden. Die Ursachen der Gewalt sind in dieser Einschätzung 
des Herrn Giese nicht soziale Schwierigkeiten, sondern persönliche 
Probleme der Frauen. 

In unserer Gesellschaft werden alle Frauen dazu erzogen, dem Mann 

zu gehorchen, alle Frauen werden zur Unfähigkeit erzogen, eıne part- 
nerschaftliche Beziehung zu einem Mann aufzubauen, ebenso der Mann. 
Somit kann es nicht das persönliche Problem von Frauen sein, wenn sie 
sich gegenüber Männern nicht oder zu wenig durchsetzen. Nichts ist 
widersinniger als den Frauen einzureden, daß sie einen seelischen De- 
fekt haben, wenn sie sich dem weiblichen Rollenbild - passiv, alles 
ertragend, bereit sich unterzuordnen - entsprechend verhalten haben. 
Wir halten den Schritt, ins 
Frauenhaus zu gehen, nicht 
für ein Zeichen der Unselb- 
ständigkeit, sondern für den 
möglichen Beginn einer Ver- 
selbständigung. D.h. die 

Frau beginnt sich selbst zu 
helfen, jedoch nicht verein- 
zelt, sondern mit anderen 
Frauen zusammen. Herrn Gie- 
se scheint entgangen zu sein, 
daß Frauenhäuser Selbsthilfe- 
projekte sind. 

Alle Frauen werden in finan- 
zieller Abhängigkeit gehal- 
ten. Bei vielen ist es so, 
daß sie vom Mann Haushalts- 
geld zugeteilt bekommen. Selbst in Ehen, wo die Frau selbst Geld ver- 





— 


dient, ist es nicht üblich, daß sie und der Mann gleichberechtigt 
das Geld aufteilen. Die Verfügungsgewalt über das Geld, das die Fami- 
lie verbrauchen kann, steht meist allein dem Mann zu. Viele Frauen 
erhalten kein persönliches Taschengeld; wenn sie sich persönliche 
Dinge kaufen wollen, müssen sie um jeden Pfennig betteln. Einerseits 
wird von Frauen verlangt, daß die Familie gut zu essen hat und daß 
sie selbst den üblichen Schönheitsnormen entspricht. Die Vorbilder 
für das Aussehen der Frauen, der Kinder, der Wohnung werden von der 
Werbung geliefert. Über das Geld, das für die Verwirklichung dieser 
Ansprüche nötig ist, verfügt die Frau aber nicht. (Ein typischer 
Witz über Frauen: "Meine Frau will sich schon wieder einen neuen 
Pelzmantel kaufen", der mit der Realität nichts zu tun hat.) 


Auch in gutbürgerlichen Familien haben Frauen oft kein eigenes Geld. 
In Familien, die von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe leben 
müssen, ist die Situation der Frauen unerträglich. Es ist kei- 

ner Frau vorzuwerfen, wenn sie angesichts der knappen Sozial- 

hilfe von vornherein die Hoffnung aufgibt, mit dem Geld über 

den Monat zu kommen. Andere Frauen haben ein erstaunliches Ge- 
schick entwickelt, mit wenig Geld die Familie über den gan- 

zen Monat zu ernähren. Da die meisten Frauen nicht die Ver- 
fügungsgewalt über das Geld haben, ist es reiner Hohn, ihnen 
Unfähigkeit im Umgang mit Geld vorzuwerfen. 


Diese sozialen Schwierigkeiten, die Tatsache, daß Frauen von klein 
auf dazu erzogen werden, sich dem Mann unterzuordnen, daß sie ge- 
sellschaftlich isoliert werden, daß sie in finanzieller Hinsicht in 
Abhängigkeit gehalten werden, werden im Gutachten des Herrn Giese 

als seelische Defekte der Frauen beschrieben, als Fehler in ihren 
Köpfen. 

Das wirkt sich auf die Haltung aus, die nach Herrn Gieses Meinung 
ein Sozialarbeiter den Frauen gegenüber einzunehmen hat: Giese be- 
trachtet sie als hilflose, unselbständige Wesen, denen ihre persön- 
lichen Probleme "bewußt" gemacht werden müssen, deren Schwierigkeiten 
in Partnerbeziehungen aufgearbeitet werden müssen usw. Es ist die 
Frage, ob man Frauen nicht gerade indem man ihnen ihre Unselbständig- 
keit vor Augen hält und ihnen gleichzeitig vermittelt, daß diese ein 


persönlicher Fehler von ihnen ist, ihre Unselbständigkeit untermauert 
und ihnen das Selbstvertrauen raubt. 


Wenn eine Frau ins Frauenhaus geht, hat sie Mut bewiesen, sich einer 
neuen unbekannten Situation zu stellen. Mut, ihr Leben in die eigenen 
Hände zu nehmen. Gleichzeitig ist sie verwirrt über die neue Situa- 
tion und hat Angst, sie nicht bewältigen zu können. Angst vor mate- 
riellen Schwierigkeiten, vor Behördengängen, vor dem Zusammenwohnen 
mit vielen fremden Frauen und Kindern. In dieser Situation muß die 
Frau konkret unterstützt werden. Ihr Mut, sich auf eine neue Lebens- 
situation einzulassen, muß anerkannt werden. Sie muß tatkräftige Hil- 
fe bekommen bei Ämtergängen usw. Vielleicht ist es auch möglich, daß 
sie Erfahrungen von Frauen, die sich erfolgreich gegen ihre Männer 
durchgesetzt haben, für sich verwerten kann. 


Unser Ziel ist es, die Widerstandskräfte der Frauen zu stärken. Für 
die Frauen heißt das, daß wir sie in ihrem Widerstand unterstützen 
wollen. Wir wollen mit ihnen zusammen Wege erarbeiten, wie sie ihre 
Rechte als Frauen durchsetzen können! Wir wollen Punkte für einen 
neuen, besseren Anfang setzen! 


eur 


ANMERKUNG 
ZUM INFO SOZIALARBEIT, HEFT 23 
“FRAUEN UND SOZIALARBEIT” 


Im Info Sozialarbeit mit dem Schwerpunktthema “Frauen und 
Sozialarbeit” haben wir auf Seite 56 das Symbol des “ Frauen- 
forum im Revier” unbeabsichtigter Weise auseinandergeschnitten 
und in einer Weise montiert, daß der Symbolcharakter des Em- 
blems nicht mehr sichtbar wurde. Darüber hinaus hatten wir ver- 
gessen die Grafikerin zu nennen. Dies haben die Frauen vom Frau- 
enforum im Revier zu Recht kritisiert. 

In der 2. Auflage des Info “ Frauen und Sozialarbeit” haben wir 
die Korrekturen bereits vorgenommen. In dieser Ausgabe drucken 
wir das Emblem in der Form ab, wie es sie auch als Aufkleber 

zu bekommen sind. Im nebenstehenden Beitrag wird über die Ent- 
stehungsgeschichte des 1. Frauenforums im Revier berichtet. 

Das Symbol des “Frauenforum im Revier” wurde von der 
Grafikerin Iris Büchsenschütz entworfen. 

Wir bitten unsere Fehler zu entschuldigen. (die Redaktion) 





Frauentorum ım Revier Pädagogische Hochschule Ruhr Fachbereich Ill 
4600 Dortmund 50 Emilfigge-Str.50 Postf.380 Tel (0231) 7552853 


“FRAUEN KOMMT AUS EUEREN SCHNECKENHÄUSERN’” 


—Von der Entstehungsgeschichte des 1. Frauenforums im Revier— 


Die politischen Strukturen im Ruhrgebiet sind besonders von dem ur- 
sprünglichen in diesen Gebieten dominierenden Bergbau geprägt. Die 
Gewerkschaft hat hier bis heute noch ständisch-patriarchalische Züge. 
Auch das Verhältnis der Frauen zur Politik ist infolgedessen von 
dieser Situation geprägt. Die häusliche Abhängigkeit bei gleichzeitig 
hoher Belastung bewirkt, daß der Stellenwert organisierter Politik 

in ihrem Leben gering ist. Der Mann hat in der Familie das Privileg 
"politisch" zu sein. Aber auch von diesen Männern werden die meisten 
nicht politisch aktiv. Sie delegieren per Wahl ihre politische Inter- 
essenvertretung. Die politische Vertretung aus diesen Stadtgebieten, 
die Ratsvertreter, die sich aus der Arbeiterbevölkerung rekrutieren, 
sind aber durch Herkunft und Bildung so diskriminiert, daß sie sich 
häufig nur durch Anpassung an Fraktionsmehrheiten behaupten können. 
Hieraus folgt, daß die spezifischen lokalen Bedingungen und Sachver- 
halte, die besonders für Frauen entscheidende Bedeutung haben, nur 
eine sehr schwache Interessenvertretung gegenüber der kommunalen 
Verwaltung haben, in deren Aufgabenbereich letztlich die Versorgung 
mit öffentlichen Dienstleistungen liegt. 


Der Grundgedanke, auf dem die Konzeption des l. Frauenforums im Re- 
vier aufbaut, ist die stadtteilbezogene Erwachsenenbildungsarbeit als 
Zielgruppenarbeit. Sie gewinnt ihre Bedeutung dadurch, daß sie jene 
gesellschaftlichen Gruppen erreicht, die in besonderer Weise benach- 
teiligt sind, Hausfrauen, Arbeitslose, Rentner, Invaliden, Jugendli- 
che, die durch ihre spezielle Arbeits- und Lebenssituation nicht in 
der Lage sind, über eine andere Institution oder Interessenvertre- 
tung z.B. über Gewerkschaftsarbeit, ihre Interessen politische zu 
vertreten und die infolgedessen auch auf diesem Wege nicht von poli- 
tischer Bildung erreicht werden. Der Stadtteil ist der Raum, in dem 
Folgen politischer Maßnahmen sich konkret als Lebenserfahrung nie- 
derschlagen und damit unmittelbar auf ihre reale Substanz überprüf- 


bar sind. Diese Erfahrungen sind Ausgangspunkt für die Bildungsar- 
beit. 


Auf diesem Hintergrund fand in der Woche vom 20. - 25.03.79 an der 
Pädagogischen Hochschule Ruhr eine große Bildungsveranstaltung für 
Frauen aus dem Ruhrgebiet statt. Veranstalter waren die Pädagogische 
Hochschule Ruhr als Gastgeberin und der Verein Sozialwissenschaftli- 
che Forschung und Praxis für Frauen. Finanziert wurde das Projekt 
teilweise über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (Übernahme der Per- 
sonalkosten für zwei Frauen zur Vorbereitung, Durchführung und Doku- 
mentation). Die Honorar- und Reisekosten für die Referentinnen und 
Teamerinnen wurden von der Landeszentrale für Politische Bildung, 

die Sachkosten vom Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales über- 
nommen. Das 1. Frauenforum im Revier sprach in über 100 Veranstaltun- 


— 83 


gen ca. 5 000 Teilnehmerinnen an und wird gegenwärtig ausgewertet. 
Es werden zu den verschiedenen Themenschwerpunkten jeweils eigene 

Materialbände für die frauenpolitische Arbeit in den verschiedenen 
Institutionen zusammengestellt. 


Die Idee für dieses Frauenforum brachten einige Dozentinnen vom Be- 
such der 2. Berliner Sommeruniversität für Frauen im Jahre 1977 mit. 
Die Planungen erfolgten in zwei Richtungen: Wissenschaftliche Er- 
kenntnisse sollten betroffenen Frauen dienstbar gemacht werden und 
Probleme von Frauen sollten in die wissenschaftlichen Fragestellun- 
gen eingebracht werden. Dieser wechselseitige Vermittlungsprozeß 

ist bei jeder Öffnung der Hochschule für andere Bevölkerungsgruppen 
notwendig. Daß berufliche und politische Weiterbildung nötig und 
nützlich ist, wird inzwischen allgemein akzeptiert. Eine Frau oder 
eine Hausfrau aber, die Weiterbildung betreiben will für sich selbst 
und nicht etwa nur, um ihren Kindern bei den Schulaufgaben besser 
helfen zu können oder den Haushalt besser zu machen, hat es schwer, 
ein entsprechendes Angebot zu finden. Darüber hinaus muß sie ihre 
Interessen oft gegen weit verbreitete Vorurteile durchsetzen. Oft- 
mals stößt allein der Plan, an einer solchen Veranstaltung teilzu- 
nehmen, schon in der Familie auf schwere Hindernisse. Er wird als 
Provokation empfunden, da tendenziell in einem solchen Schritt ein 
Angriff auf die Rollenverteilung angelegt ist, die unter dem Heili- 
genschein des Familienfriedens glorifiziert wird. 


Bildungsarbeit mit Hausfrauen muß organisatorisch und inhaltlich an 
den Problemen ansetzen, die im Stadtteil sichtbar und erfahrbar wer- 
den. Die Bildungsarbeit soll den Frauen Wissen über ihre Situation 
in der Gesellschaft, über die ihnen gesetzlich und politisch zuste- 
henden Rechte vermitteln. Sie soll Argumentationshilfen geben, das 
Erlernen sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten fördern, zum Artiku- 
lieren der Interessen anregen, soll erreichen, daß Frauen hellhöriger 
werden gegenüber Vorgängen, die sie betreffen und diskriminieren. 
Dieses Wissen und diese Fähigkeiten sollen helfen, daß Frauen fähig 
werden, ihr Handeln als politisch zu verstehen. Ob man diesem Ziel 
näherkommt, muß sich im Alltag und der politischen Praxis der teil- 
nehmenden Frauen erweisen. 


Der Zugang zur Politik über Probleme des Alltags, als Politisierung 
des Alltags, eröffnet allen Frauen die Chance, sich in ihrer tägli- 
chen Arbeit als politisch handelnde Subjekte zu begreifen und zu- 
gleich mit ihren Interessen politisch Einfluß zu nehmen. 

Diesen Prozeß des Heraustretens in die Öffentlichkeit des Stadtteils 
symbolisiert das Zeichen des Frauenforums. Es soll zeigen, wie Frauen 
miteinander in Kontakt treten und schrittweise, gemeinsam mit ande- 
ren Frauen solidarisch für ihre Rechte eintreten. In dem Zeichen 
angelegt ist die freundlich-beschwingte Aufforderung doch hinzuzu- 
kommen und mitzumachen. 


=D 


ADRESSEN DER SOZIALHILFEGRUPPEN/ 


SOZIALHILFELEITFÄDEN 


Der Berliner Leitfaden: 


„Sozialhilfeempfänger werden behandelt 
wie der letzte Dreck! — Sozialhilfebro- 
schüre’’ (3. Auflage). Kontakt: „Chamis- 
so-Laden”, Willibald-Alexis-Str. 15, 
l Berlin 61, 8& Seiten, DM 4,-, Stu- 
denten DM 2,-, Sozialhilfeempfänger 
kostenlos. 


Der Bielefelder Leitfaden: 


„Leitfaden durch das Sozialamt”. Über: 
Pippi-Langstrumpf-Laden, August-Bebel- 
Str. 80, 4800 Bielefeld. 14 Seiten, DM 
l,— in Briefmarken. 


Der Dortmunder Leitfaden: 


„Sozialhilfe — Dein gutes Recht’. Hrsg. 
von der Dortmunder Selbsthilfe e.V., 
Stollenstr. 6, 4600 Dortmund. 16 Sei- 
ten. DM 1,-— in Briefmarken. 


Der Düsseldorfer Leitfaden: 


„In jeder Lebenslage”. Sozialhilfe- 
Info der Selbsthilfe Düsseldorf, Koper- 
nikusstr. 53 oder Buchladen, Konkor- 
diastr. 81, 4000 Düsseldorf. 44 Seiten. 
DM. 2,- plus Porto (in Briefmarken). 


Der Duisburger Leitfaden: 


„Sozialhilfe in Duisburg’ Informa- 
tionen, die wir vom Sozialamt selten 


hören” (2. Aufl. Jan. 1979; 3-4000 
Exemp.). Über: Helmut Loeven c/o 
Literaturvertrieb, Finkenstr. 56, 4l 


Duisburg 1. 45 Seiten. DM 2, 
alhilfeempfänger DM 0,50. 


‚ Sozi- 


Der Kölner Leitfaden: 


„Wichtige Tips über Sozialhilfe. Entwor- 
fen von Betroffenen für Betroffene.” 
(Jan. 1978; Auflage 3-4000). Hrsg. von: 
Interessengruppe Sozialhilfe e.V. Köln, 
c/o Annegret Rückriem, Lindenthalgürtel 
94, 5 Köln-41, Tel. 402870. 40 Seiten. 
DM 2,- und Porto DM 0,60 (in Brief- 
marken). 


Der Münsteraner Leitfaden: 


„Wie ich bekomme, was mir zusteht’. 
Hrsg. von: Sozialhilfegruppe Münster 
GESA, Ewaldistr. 29, 4400 Münster. 
40 Seiten. DM 2, - in Briefmarken. 


Der Stuttgarter Leitfaden: 


„Sozialhilfe in Stuttgart” Hrsg. von: 
Arbeiterselbsthilfe e.V., Rostocker Str. 9, 
7000 Stuttgart 50. 52 Seiten. DM 2, 

plus Porto DM 0,60 (in Briefmarken). 


Leitfäden zu speziellen Hilfen: 
Der Frankfurter Leitfaden: 


„Leitfaden: Sozialhilfe für Behinderte” 
Über: Sozialhilfegruppe TUWAS, c/o 
Fachhochschule/Fachbereich Sozialar- 
beit, Limescorso 5, 6 Frankfurt/Main. 
Ca. 80 Seiten. DM 2,- plus DM 0,60 
Porto (in Briefmarken). 


Der Marburger Leitfaden: 


„BSHG-Merkblatt” (4. Aufl. 1978). Hrsg. 
von: Bundesvereinigung Lebenshilfe für 
geistig Behinderte e.V., Postfach 80, 
3550 Marburg 7. 40 Seiten. DM 3,50 
plus Porto DM 0,60 (in Briefmarken). 


(Zur näheren Beschreibung dieser Leitfäden s. päd.extra sozialarbeit Nr. 9/ 


1979 5., 37 ff.) 


Soziale Arbeitsgemeinschaft e.V. 
c/o Helmut Köhler 
Großköllnstr. 33 

51 Aachen 


Veronika Vanca 

Sandstr. 152 

5010 Bergheim-3 (Quadrath) 
Tel: 02271/95001 


Caritasverb. Bergisch-Gladbach 
- Arbeitskreis Sozialhilfe 
Laurentiusstr. 32 

506 Bergisch-Gladbach-2 

Tel: 02202/32903 + 36315 
Christa Bunzeck 

Borchertstr. 20 

463 Bochum 

Tel: 0234/853220 


Andrea Hildmann 
Bunzlauerweg 2 

53 Bonn | 

Tel: 02221/660590 


Sozialhilfegruppe Burscheid 
e/o Karla Ostrowski 
Dünweg 14 

5093 Burscheid 2 

Tel: 02174/8421 


Nachbarschaftszentrum 
Nettebruch 4 

4354 Datteln 

Tel: 02363/8916 


Neuländer Club 
Interessengruppe Sozialhilfe 
c/o Gisela Tappe 

Im Lindenort 16 

493 Detmold 


Frauengruppe Sozialhilfe 
c/o Karin Urbanneck 
Buschei 103 

46 Dortmund 7 

Tel: 0231/2324 36 


Frauen-lnitiative Scharnhorst 
c/o Christel Langiewicz 
Döbelnerstr. 6 

46 Dortmund 1 


Barbara Linnenbrügger 
Hopfenstr. 4 
46 Dortmund | 


Interessengruppe Soziale Hilfe e.V. 
c/o Bruno Trojan 
Lindenhorsterstr. 7] 

46 Dortmund-I 

Tel: 0231/8561 11 

Gisela Böhm 

Kurt-Tucholskistr. 11 

4000 Düsseldorf-13 

Tel: 0211/703722 


Selbsthilfe Düsseldorf 
Aachenerstr. 10 
4000 Düsseldorf-1 
Tel: 0211/349231 


Erna Collignon 

Am Kreyenberghof 51 
41 Duisburg-l 1 

Tel: 0203/596365 


Gisela Sühr 
Vallenziennerstr. 174 
516 Düren 

Tel: 02421/63499 


Karin Schulz 
Niederstr. 17 

43 Essen | 

Tel: 0201/313436 


Interessengemeinschaft Sozialhilfe 
c/o Harald Habich 
Grabbrunnenstr. 10 

7300 Esslingen 


Landesarbeitsgemeinschaft 
Soziale Brennpunkte Hessen e.V. 
-Geschäftsstelle — 

Moselstr. 25 

6000 Frankfurt 1 

Tel: 0611/234397 


Gelsenkirchner Selbsthilfe e.V. 
Horsterstr. 75 

466 Gelsenkirchen-Buer 

Tel: 0209/378558 od. 593328 


August Egeling 
Dorstenerstr. 39 

466 Gelsenkirchen-Buer 
Tel: 0209/370812 


Willi Dünow 
Gärtnerweg 14 
4180 Goch 

Tel: 02823/6217 


Elfi Engelbrecht 
Ringstr. 3 

3505 Gudensberg-6 
Tel: 05603/4275 


Max Marquart 
Neuenkirchnerstr. 46a 
483 Gütersloh | 

Tel: 04221/57760 


Peter Coring 
Tannenbergstr. 76 
4432 Gronau 


Barbara Lüders 
Scheelring 17 

2 Hamburg 61 
Tel: 040/5508027 


Interessengruppe Sozialhilfe 
c/o Edelgard Goebel 

58 Hagen-1 

Tel: 02331/56454 


Arbeitsgemeinschaft 

sozial benachteiligter Familien 
Niedersachsen 

Gruppe Hildesheim 
Ehrlichstr. 18 

3200 Hildesheim 

Tel: 05121/59841 


Margret Setzkorn 
Am Hoverkamp 125 
4044 Kaarst 

Tel: 02101/868796 


NVS-Nothilfe 

Vereinigung für 

Sozial- u. Arbeitsförderungsberechtigte 
EV, 

35 Kassel 

Postfach 420206 

Tel. 0561/43475 


Interessengruppe Sozialhilfe e.V. Köln 
c/o Annegret Rückriem 
Lindenthalgürtel 94 

5 Köln 41 

Tel: 0221/402870 


Sozialhilfegruppe Köln-Mühlheim 
c/o Herr Sinnhuber 

von Sparrstr. 17 

5 Köln 80 

Tel: 0221/627190 od. privat 629996 


Interessengruppe der Sozial- 
hilfeempfänger 

c/o Elisabeth Nannig 
Remscheiderstr. 112 

5000 Köln 91 

Tel: 0221/854135 


Marianne Düppen 
Heidelbergstr. 11 
5 Köln 80 

Tel: 0221/623154 


Wenn weitere Gruppen oder Kontaktpersonen bekannt sind, oder wenn 


Gerhard Feth 
Danzigerstr. 1 
5910-Kreuztal 
Tel: 02732/21850 


Erika Beier 
Düsselring 79 

402 Mettmann 
Tel: 02104/72625 


Peter Leipziger 
Humboldtstr. 6 

405 Mönchengladbach 1 
Tel: 02161/14369 


GESA e.V.. 
Ewaldistr. 24 

44 Münster 

Tel: 0251/64477 


Luise Kamper 
Westlintelerweg 39 
2980 Norden/Ostfriesl. 
Tel: 04931/6322 


Frauen helfen Frauen 
c/o Ursula Tinius 
Ludwigstr. 14 

42 Oberhausen 1 


Arbeiterselbsthilfe e.V. 
Rostockerstr. 9 

7 Stuttgart 50 

Tel: 0711/541079 


Ilse Helbach 
Siegfriedstr. 3 
4750 Unna-Massen 
Tel: 02303/52900 


Cornelia Lenartz 
Frohnstr. 17 
562 Velbert 11 
Tel: 02127/7106 


sich die Adressen ändern, gebt uns bitte Bescheid. 


BERICHTE — HINWEISE — INFORMATIONEN — KLEINANZEIGEN 


® JA ZUM 7. DEUTSCHEN JUGENDHILFETAG — ABER WIE UND WANN ? 
(aus: Informationen zur Jugendlörderung 1/80) 


Einstimmig abgelehnt hat die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe 
(AGJ) auf ihrer Mitgliederversammlung am 20. November 1979 in Kiel 
die Abschaffung des Jugendhilfetages. Die Mitgliederversammlung be- 
schloß zugleich die Bildung einer Arbeitsgruppe, die sich aus je 
zwei Vertreter(inne)n der Mitgliedersäulen zusammensetzt und auf der 
Grundlage der im folgenden wiedergegebenen Position der Jugendver- 
bünde (Mehrheitsbeschluß) sowie der schriftlichen Stellungnahmen der 
Mitglieder und der Ergebnisse der Diskussion während der Mitglieder- 
versammlung zu der Zukunft von Jugendhilfetagen eine Vorlage für 

den 7. Deutschen Jugendhilfetag erarbeiten soll. Über die "Konzep- 
tion" dieser Arbeitsgruppe wollen die Mitglieder auf ihrer nächsten 
Versammlung im Mai/Juni 1980 endgültig entscheiden. Als Zeitpunkt 
ist für den 7. Deutschen Jugendhilfetag bisher das Frühjahr 1983 
vorgesehen. 


Grundsätze zur Durchführung zukünftiger Jugendhilfetage der AGJ 


Vorbemerkung: 


Diese Grundsätze zur Durchführung zukünftiger Jugendhilfetage der 

AGJ sind gemeinsame Grundpositionen der Säule Jugendverbände in der 
AGJ. Sie sollen als verbindliche Leitlinie für ein durch den Vorstand 
der AGJ einzusetzendes Vorbereitungskomitee beim 7. Deutschen Jugend- 
hilfetag gelten. 

Nach wie vor ist die Durchführung von Jugendhilfetagen ein Satzungs- 
auftrag der AGJ, der für alle Mitglieder verbindlich ist, und der 

mit dem Eintritt in die AGJ anerkannt wurde. Daraus ergibt sich die 
unmittelbare Verpflichtung aller Mitglieder, sich aktiv am Jugend- 
hilfetag zu beteiligen. 


I. 


Die Mitgliedsorganisationen der AGJ wollen eine offene, sachbezogende 
Auseinandersetzung mit kritischen, auch radikalen Positionen in der 
Jugendhilfe führen. Dies ist in verschiedenen Formen möglich. Eine 
Möglichkeit ergibt sich durch die Veranstaltung des Deutschen Jugend- 
hilfetages, wie er durch die Satzung der AGJ vorgegeben ist. Die 

Form soll dem Markt der Möglichkeiten nach dem Modell des 6. Deut- 
schen Jugendhilfetages entsprechen. Andere Formen der Auseinander- 
setzung, wie z.B. in Fachkongressen oder in Fachausschüssen, sollten 
deshalb nicht vernachlässigt werden. 


— 


Il. 


Die Funktion von Jugendhilfetagen ist es, die Praxis der Jugendhilfe 
in der Öffentlichkeit darzustellen und Unterstützung für die Ziele, 
Aktivitäten und Probleme von Jugendhilfe zu erreichen. Jugendhilfeta- 
ge dienen darüber hinaus auch dem fachlichen und jugendpolitischen 
Austausch in Theorie und Praxis sowie der Einflußnahme auf jugendpo- 
litische Entwicklungen außerhalb des traditionellen Mitgliederspek- 
trums der AGJ. 

Zielgruppe für einen Jugendhilfetag sollen nicht die Jugend im all- 
gemeinen, sondern vor allem Fachleute der Jugendarbeit sein (Mit- 
arbeiter in der Jugendarbeit, Studenten, Sozialarbeiter usw.). 


LiL: 


Um eine sachliche und fachpolitische Darstellung der Arbeit in der 
Jugendhilfe zu gewährleisten, muß die Organisation des Jugendhilfe- 
tages sicherstellen, daß alle Beteiligten ihre inhaltlichen Vorstel- 
lungen einbringen können und eine tatsächliche Diskussion möglich 
ist. Daher sind die Veranstaltungen während der künftigen Jugendhil- 
fetage nach folgenden Grundsätzen zu gestalten: Da Großveranstaltun- 
gen nach den bisherigen Erfahrungen nicht sinnvoll erscheinen, ist 
das diesbezügliche Angebot von Räumlichkeiten so zu gestalten, daß 
der Charakter der Veranstaltungen als Diskussionform gewährleistet 
bleibt. Veranstaltungen können nur von einzelnen Trägern oder Träger- 
gruppen in eigener Regie und Verantwortung durchgeführt werden; die 
Arbeitsgemeinschaft AGJ tritt lediglich als Koordinator auf und ver- 
zichtet auf eigene Veranstaltungen. Dabei werden die Träger der AGJ 
dazu aufgerufen, auch die Vertreter der in der AGJ nicht vertretenen 
Träger und Gruppen bei der Vorbereitung einzubeziehen. 


IV. 


Die Mitglieder der AGJ und alle anderen Gruppierungen nehmen insge- 
samt in eigener politischer und finanzieller Verantwortung am Jugend- 
hilfetag teil. Die AGJ stellt lediglich den Rahmen zur Verfügung. 
Dazu gehören insbesondere Information und Werbung, ausreichende Räum- 
lichkeiten und organisatorische Hilfestellung. Voraussetzung für die 
Teilnahme ist in diesem Zusammenhang eine ausführliche Beschreibung 
der vorgesehenen Aktivitäten während des Jugendhilfetages sowie die 
verpflichtende Teilnahme an Vorbereitungstreffen und die Einhaltung 
getroffener Absprachen. Die Verpflichtung zur Vorbereitung betrifft 
auch die Mitglieder der AGJ, die Vorbereitungstreffen selbst dienen 
lediglich der organisatorischen Koordination. Entscheidungen über 
inhaltliche Vorgaben bleiben dem AGJ-Vorstand vorbehalten. 


Va 


Ein Markt der Möglichkeiten ist die geeigneste Form, entsprechend 
den Aufgaben und der Funktion von Jugendhilfetagen den Interessen 
der Beteiligten Rechnung zu tragen. Daher ist hier sowohl eine trä- 
gerspezifische als auch eine thematische Aufteilung notwendig, wobei 
die Teilnehmer selbst entscheiden, ob fachspezifische Projekte in 
Verbindung mit einem Trägerbereich oder einem thematischen Bereich 
untergebracht werden. Dies erfordert eine größere räumliche Trennung 
verschiedener Blöcke als es in Köln möglich war. 


— 


VI./VII. 


Den Beteiligten sind weitreichende Möglichkeiten einzuräumen, ihre 
Selbstdarstellung nicht nur durch einen Stand, sondern vor allem 
auch durch Aktivitäten - beispielsweise kulturelle und andere Pro- 
dukte ihrer Arbeit, Medien - zu führen. Hierzu müssen mehrere Bühnen 
bzw. Podeste zur Verfügung stehen, auch in geschlossenen Räumen. 

Ein Podest, wie es in Köln im Marktbereich aufgebaut wurde, ist für 
die Gewährleistung einer solchen auch programmgemäßen Struktur in 
der Gestaltung des Jugendhilfetages nicht ausreichend. 


Um eine vielfältige Beteiligung am Jugendhilfetag zu ermöglichen, 
soll die Themenstellung zukünftiger Jugendhilfetage so allgemein for- 
muliert werden, daß möglichst viele Bereiche der Jugendhilfe berück- 
sichtigt sind. In diesem Rahmen ist die trägerspezifische und themen- 
spezifische Aufteilung vorzunehmen. Die Wahl des Themas des 6. Deut- 
schen Jugendhilfetag wird insoweit positiv bewertet. Das Thema eines 
Jugendhilfetages sollte als Motto der Veranstaltung begriffen wer- 


den können und einen Gesamtakzent der Arbeit aller Jugendhilfeträger 
aufzeigen. 


VIII. 


Der Zeitraum für die Durchführung von Jugendhilfetagen muß einerseits 
den Interessen und Möglichkeiten der AGJ und ihrer Mitgliedsorgani- 
sationen entsprechen, andererseits den Beteiligten ausreichend Raum 
für die Darstellung ihrer Arbeit geben. Daher soll der Jugendhilfe- 
tag zukünftig im Abstand von vier bis fünf Jahren durchgeführt wer- 
den. Eine Dauer von ca. drei Tagen erscheint in diesem Zusammenhang 
als sinnvoll. 

Die Verpflichtung zur Durchführung von Jugendhilfetagen darf nicht 


dazu führen, daß die Geschäftsstelle der AGJ zum Veranstaltungsbüro 
wird. 


IX. 


Aus den bisherigen Aussagen ergibt sich die Aufgabenstellung der AGJ 
als Veranstalter des Jugendhilfetages: Sie stellt den organisatori- 
schen Rahmen und die Voraussetzungen für die Durchführung des Jugend- 
hilfetages und hat darüber hinaus die koordinierende Funktion. Sie 
beteiligt sich nicht mit Beiträgen am Jugendhilfetag, es sei denn 

mit einer Darstellung im Rahmen des Marktes. 

Die AGJ übernimmt die formelle Eröffnung des Jugendhilfetages, jedoch 
nicht in Form einer Veranstaltung. Der Jugendbilfetag läuft ohne 
gesonderte Abschlußveranstaltung zu einem festzusetzenden Zeitpunkt 
aus. Die Teilnehmer haben sich im vorhinein zu verpflichten, das Ge- 
lände anschließend geordnet zu räumen und zu verlassen. 


X. 


Die Finanzierung des Jugendhilfetages - soweit die AGJ davon betroffen 
ist - ist rechtzeitig durch öffentliche Zuschußgeber im Rahmen der Pro- 
jektförderung sicherzustellen. Sollte dies nicht möglich sein, ver- 
zichtet die AGJ jeweils per Beschluß durch die Mitgliederversammlung 
auf die Durchführung eines Jugendhilfetages, und zwar unter Benennung 
ihrer Bemühungen um eine finanzielle Absicherung der Veranstaltung. 


Yu 


© SELBSTHILFEMATERIALIEN DER JUGENDZENTRUMSBEWEGUNG 
NÄCHSTES JZ — BUNDESTREFFEN 18.-20. APRIL IN BIELEFELD 


In unseren Köpfen spuken sie schon seit geraumer Weile herum, doch 
jetzt drängen sie mit Macht zur Realisierung: Die Selbsthilfe-Mate- 
rialien für selbstverwaltete Jugendzentren und JZ-Initiativen. Her- 
ausgeber sind die Regionalzusammenschlüsse der Jugendzentren, die 
sich in den vergangenen Jahren in vielen Regionen (leider noch nicht 
in allen) gebildet haben, um die gegenseitige Unterstützung und Koope- 
ration der Jugendzentren zu ermöglichen oder zu verbessern. Die Mate- 
rialien sollen aber auch bereits bestehenden Jugendzentren weitere 
Erfahrungen vermitteln und neue Impulse geben und somit einen kleinen 
Beitrag gegen die teilweise zu beobachtende inhaltliche Abflachung 


und Entpolitisierung in schon länger bestehenden Jugendzentren lei- 
sten. 


Die JZ-Selbsthilfe-Materialien sollen nicht in Form eines Handbuches 
oder einer Loseblatt-Sammlung erscheinen, da sich diese Form gerade 
im Bereich der Medienarbeit als nicht besonders brauchbar für die 
alltägliche Praxis im Jugendzentrum erwiesen hat. Es ist vielmehr an 
eine Art Medien-Paket gedacht, das aus verschiedenen Teilen (Heften, 
Wandzeitungen, Videofilmen, Kassetten, Dias usw.) besteht, die dann 
teils von den einzelnen JZs angeschafft und teils bei den Regionalzu- 
sammenschlüssen deponiert und dort ausgeliehen werden können. Somit 
können die Materialien auch leichter fortgeschrieben und immer wieder 
aktualisiert werden, wenn Informationen eines Themenbereiches veral- 
ten. Jeder Themenbereich der Materialien soll mit dem geeignetsten 
Medium dargestellt werden. Alle Bereiche zusammen ergeben das Medien- 
paket. 


Bisher wird an folgenden konkreten Themenbereichen (Kapiteln) der 
Materialien gearbeitet: 
- Selbstverwaltung in Jugendzentren (Anspruch der SV, Wirklichkeit, 
Erfahrungen, Einschätzungen, Selbstorganisationsmodelle) Kontakt: 
Jugendhausclub Degerloch e.V., Obere Weinsteige, 7 Stuttgart 70 
Rechtliches (Trägerschaft, e.V., Gemeinnützigkeit, Satzungen, 
Nutzungsverträge, Versicherungs- und Steuerfragen, GEMA usw.) 
Kontakt: Verband saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung 
- VSJS, Feldmannstr. 92, 66 Saarbrücken. 
Literatur über Jugendzentren (Bücher, Artikel, Dokumentationen, 
Diplomarbeiten, kurz alles, was je von und über JZ geschrieben 
wurde) Kontakt: Dieter Koschek, Freihofstr. 11, 8990 Lindau/Bodensee 
Filmarbeit in Jugendzentren (Filme von und über Jugendzentren, JZ- 
Filmprogramme, Verleihe, technische Hilfen) Kontakt: Thomas Scheuer, 
Brombergstr. 24, 78 Freiburg (0761/70 91 93) 
Musik - "zwischen Disco und Dis-Dur'" (JZ-Lieder, Gruppenadressen, 
Selbermachen von Liedern und Instrumenten, Musiktheater und Revuen, 
GEMA-Erfahrungen, Einsatz von Tonband und Kassette im JZ, prakti- 
sche Tips zur Organisation von Konzerten, Festivals usw.) Kontakt: 
Wolfgang Hering, Poststraße 54, 65 Mainz 21 
Video-Arbeit (Adressen von Video-Gruppen, Zusammenarbeit, Liste von 
Videofilmen über JZs, technische Tips) Kontakt: Anette Leyk, Die- 
burger Straße 83, 6101 Roßdorf,Darmstadt 
Foto-Arbeit "subjektiv durchs Objektiv" (Fotografie als subjektives 
und politisches Medium im JZ, Dokumentationen, Ausstellungen, Tech- 
nisches, Herstellung und Einsatz von Ton-Dia-Serien) Kontakt: 
Martina Winkel, Alicenstraße 39, 61 Darmstadt 


1 = 


- Öffentlichkeitsarbeit (Aktionsformen, Informationsvermittlung nach 
innen und außen, Berichte von spektakulären Aktionen, Druck, Pla- 
katherstellung usw.) Kontakt: Tiedeke Heilmann, Uelzener Str. 10, 
3111 Suhlendorf (05820/638) 

Unsere Bitte also an alle, die an einem der Bereiche mitarbeiten wol- 

len oder die Material, Erfahrungen und Hinweise dazu haben: Schickt 

das Zeug an die angegebenen Kontaktpersonen oder setzt Euch mit Ih- 
nen in Verbindung. Wer sich für die Materialien allgemein interes- 
siert oder noch nicht aufgeführte Themenbereiche beisteuern möchte, 
kann sich an Tiedeke Heilmann wenden.Also schickt, was das Zeugs 
hält! 


Noch zwei kurze Terminankündigungen in diesem Zusammenhang: Das näch- 
ste JZ-Bundestreffen - also das 7.!! - findet vom 18. bis 20. April 
bei Bielefeld statt. Das Redaktionskollektiv für die Selbsthilfe-Ma- 
terialien trifft sich wieder am 30. Mai bis l. Juni im selbstverwal- 
teten JZ in Waldkirch bei Freiburg. Informationen und Anmeldung für 
beide Treffen beim alten Tiedeke (Adresse siehe oben). Bei dem kön- 
nen sich auch alle Jugendzentren melden, die noch nicht regelmäßig 
die bundesweite JZ-Wandzeitung bekommen. Die nächste JZ-Wandzeitung 
gibt's nämlich in der zweiten Märzwoche. 


© AMBULANTE HILFEN FÜR BEHINDERTE — 
SERVICEHÄUSER FÜR BEHINDERTE MENSCHEN 


Die Bundesarbeitsgemeinschaft "Hilfe für Behinderte" e.V., Dachor- 
ganisation von z.Zt. 32 Behindertenselbsthilfeverbänden, hat zwei 
neue Broschüren zum Thema "ambulante Hilfen" und "Servicehäuser für 
behinderte Menschen" herausgegeben. 

Die erste Broschüre bietet einen guten Überblick über die sozialpoli- 
tischen Erwägungen zum Ausbau der ambulanten Hilfen. Ebenso versucht 
sie die rechtlichen Grundlagen, sowie die wichtigen Anspruchsvoraus- 
setzungen für ambulante Hilfen systematisch darzustellen. Darüber 
hinaus wurden in der Broschüre die Hilfen für Behinderte über Sozial- 
stationen und durch den Einsatz von Zivildienstleistenden näher be- 
leuchtet. 

In der zweiten Broschüre greift die BAG das Thema "Servicehäuser für 
behinderte Menschen" auf und legt Empfehlungen für die Errichtung 

und den Betrieb solcher Wohnhäuser vor, um hierdurch behinderten 
Menschen eine echte Alternative zum ständigen Aufenthalt in einem 
Heim zu bieten. Im Interesse der behinderten Menschen hofft die BAG, 
daß möglichst viele Organisationen, Städte, Gemeinden und Landkreise 
ihre Anregungen aufgreifen. 

Beide Broschüren können kostenlos über die Geschäftsstelle Kirchfeld- 
straße 149, 4000 Düsseldorf 1, angefordert werden. 


© PSYCHISCH KRANKEN IN DER GEMEINDE HELFEN — 
MANNHEIMER-KREIS-TAGUNG 1980 WILL ALTERNATIVEN 
ZUM “ABSCHIEBEN” AUFZEIGEN 


Der "Mannheimer Kreis", das große Jahrestreffen aller im psychoso- 
zialen Bereich tätigen Berufsgruppen, besteht 1980 zehn Jahre. Die 
"Jubiläums"-Veranstaltung soll dort stattfinden, wo diese gemeinde- 


— 


psychiatrische Bewegung ihren Anfang nahm, nämlich in Mannheim, und 
zwar vom 15. bis 18. Mai 1980. Die Tagung steht unter dem Rahmen- 
thema "Ausgrenzen oder sich ertragen - der Beitrag der Gemeinden zur 
Auflösung der psychiatrischen Großkrankenhäuser". Sie soll Wege auf- 
zeigen, wie durch die Aktivierung ortsnaher Hilfen das Abschieben 
Gefährdeter, Kranker und Behinderter in entlegene Krankenhäuser, An- 
stalten und Heime reduziert werden kann. 

Veranstaltet wird die Tagung von der Deutschen Gesellschaft für So- 
ziale Psychatrie (DGSP). Nach Mitteilung der DGSP werden wieder über 
2.000 Teilnehmer erwartet: Ärzte, Psychologen, Pädagogen, Seelsorger, 
Sozialarbeiter, Schwestern, Pfleger, Arbeits- und Beschäftigungsthe- 
rapeuten, Verwaltungsleute, Laienhelfer und nicht zuletzt Betroffene, 
deren Mitwirkung in den Arbeitsgruppen des Mannheimer Kreises seit 


der Gründung Tradition hat. Kontakt: DGSP, Postfach 1253, 3050 Wuns- 
törf 1, 


© TAGUNGEN DER AG SPAK 


Ausbildung und Berufsperspektive von Bewohnern in Wohngemeinschaften, 
11. - 13.4. Krebsmühle. Auskunft: Koordinierungsstelle für Wohnge- 
meinschaften, Westenborken 49/I, 4280 Borken. 

Möglichkeiten und Grenzen von Knastgruppen in der "totalen Institu- 
tion". Neue Modelle in der Reso-Arbeit. Seminar der AG SPAK, 9.- 
11.5. b. Karlsruhe. Auskunft: Ruth Weikum c/o ahs, Danneckerstr. 7, 
7 Stuttgart 1. 

Seminar: "Theater im Knast", für Gruppen, die Theaterspiel als Me- 
thode in der Knastarbeit anwenden wollen. 9.-11.5.80 Altenmelle. 
Seminar: "Neue Psychiatrie - alte Strukturen in neuem Gewand?" - 
Ziel dieses Einführungsseminars ist es, die Strukturen der Psychia- 
trie verständlich zu machen und Anregung zum Weiterdenken, Weiter- 
lesen zu geben. - 21.-23.3. in Wildbad b. Wzb. 

Seminar: "Versorgung als Repression" - Theorietagung zur Dialektik 
von Kontrolle und Versorgung, 18.-20.4. 

Seminar: Verhaltensunsicherheiten bei Äußerungen von Sexualität oder 
Aggressivität in "Laien'"-helfergruppen, 20.-22.6. in Melle. 

Seminar: "Die Bedeutung der Theorie Paulo Freires für eine politi- 
sche Veränderung - nur für engagierte Mitarbeiter in Initiativgrup- 
pen, die sich längerfristig für eine Mitarbeit interessieren. 
15.-18,5. 

Seminar: "Stadtviertelarbeit - Bewußtseinsbildung - Veränderung" 

13. - 20.7. Nähere Auskunft und Anmeldung - wenn nicht anderes ange- 
geben bei der Geschäftsstelle, wo auch die Tagungsvorschau aller 
geplanten Seminare der AG SPAK für 1980, gegen 0,50 DM (in Brief- 
marken) zu beziehen ist: AG SPAK, Belfortstr. 8, 8 München 80. 


© MATERIALIEN 


Erfahrungsbericht _OBDACHLOSENARBEILT 


Dieser Bericht enthält eine konkrete Beschreibung der Arbeit der 
Gruppe von 1976 bis 1979 mit weitergehenden Informationen zur Situa- 
tion der Obdachlosen, Kommunalpolitik etc., 216 S. Bezug: 7.00 DM 
(einschl. Porto), Vorkasse: Postscheckamt München: Nr. 205 47-808 - 
AG SPAK, oder per Briefmarken, Belfortstr. 8, 8 München 80 


— 


Sondernummer der HEZ - Berliner Zeitschrift für Erzieher und Sozial- 
arbeiter über die Reaktionen auf den Heimerziehungsskandal im Mäd- 
chenheim im Diakoniezentrum Heiligensee. Was hat eine Dokumentation 
bewirkt? Gegen Voreinsendung von DM 3.-- plus Porto ist das Heft 
über HEZ c/o Zeitungskooperative, Eisenbahnstr. 4, 1 Berlin 36 zu 
beziehen. 


Thema "Arbeitslosigkeit" 


Artikeldienst der Arbeitsgemeinschaft Junge Presse NRW zum Thema 
"Arbeitslosigkeit". Das 66 Seiten umfangreiche Heft enthält Beiträ- 
ge zur Jugendarbeitslosigkeit, Berufsbildungssystem, ABM-Maßnahmen, 
Selbsthilfen, Lehrlingsbewegung, Forderungskatalog franz. Arbeitslo- 
senkomitees u.a. Bezug: AGJPNW c/o Ansgar Klein, Im Erlengrund 1, 
5205 St. Augustin 2. 


Spielplatz-Dokumentationen 


Die Interessengruppe Spichernplatz bietet folgendes Informationsma- 
terial an: 
Buch: Dokumentation über die Neugestaltung des Spichernplatzes im 
Stadtteil Derendorf in Düsseldorf: Band I, 1976, 191 Seiten, 
Größe DIN A5, Auflage 1000,. Preis 5.-- DM/ Band II, 1977, 
253 Seiten, Größe DIN A5, Auflage 1000, Preis 5.-- DM/ 
Band III, 1979, 292 Seiten, Größe DIN A 5, Auflage 1000, 
Preis 5.-- DM 
Tonbandcassette: "Kampf um einen Spielplatz", Rundfunksendung vom 
29. Oktober 1976, 60 Min. Musik- und Sprechteil, Preis 5.- DM 
Video-Cassette: "Ein Spielplatz", Fernsehfilm des WDR von 1976, 
farbig, 20 Minuten. Kostenlose Ausleihe, Portokosten trägt der 
Ausleiher. 
Überweisungen bitte auf das Konto 7443211 bei der Deutschen Bank, 
D'dorf. Kontaktadresse: Interessengruppe Spichernplatz, Meinecke- 
straße 28, 4000 Düsseldorf 30, Tel. 0211-433729 


Dokumentation "Kommunikationszentrum Honigfabrik" 


schildert die Entstehungsgeschichte des Zentrums, die bisher gelei- 
stete Arbeit und die Perspektiven der Arbeit in diesem Jahr. 
Bezug: Honigfabrik e.V. Industriestr. 125-131, 2102 Hamburg 93. 


"ausgepackt" - Informationsblatt für Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, 
Erzieher in Frankfurt und Umgebung 


Bisher sind drei Ausgaben erschienen: ausgepackt wurde zu Problemen 
und Konflikten an einzelnen Arbeitsplätzen, zur Sozialpolitik Frank- 
furts und Umgebung, zu Unterstützungsmöglichkeiten für Klienten (z. 
B. BSHG), zu Veranstaltungen und Terminen, aber auch über positive 
Arbeitsansätze und Erfahrungen. 

Bezug gegen Voreinsendung von DM 1,50 (einschl. Porto): 

Wolfgang Scherer, Bornwiesenweg 47, 6 Frankfurt 1. 


Reader; Arbeit mit Mädchengruppen 


im schulischen und außerschulischen Bereich geplant. 

Schickt uns Material: Examensarbeiten, Protokolle, Erfahrungsbe- 
richte oder Kurzinformationen. 

Erika Leuteritz, Bahnhofstr. 64, 4400 Münster 


= BE. 


® MATERIALIEN ZUM PROJEKTBEREICH AUSLÄNDISCHE ARBEITER 


Für Initiativgruppen, Lehrer und Gesundheits- und Sozialarbeiter gibt 
es schon seit längerem eine interessante Reihe, die sich mit Proble- 
men der ausländischen Mitbürger beschäftigt. Die vom "Verein der 
Initiativen in der Ausländerarbeit" herausgegebene Materialienreihe 
bietet eine interessante Mischung von aktuellen Informationen, Hinter- 
grundberichten und Analysen. Schwerpunkt des neuesten Heftes 25 ist 
z.B.: Bildungsarbeit mit erwachsenen Ausländern z.b. Aktivitäten 
einer spanischen Frauengruppe und Texte zum kommunalen Wahlrecht. 
Daneben regelmäßig eine Auflistung der Neuerscheinungen zum Bereich 
ausländische Mitarbeiter, Presseartikel, Berichte zur aktuellen Aus- 
länderpolitik, Hinweise auf Veranstaltungen von Initiativen und So- 
zialarbeitern sowie einen Veranstaltungskalender. Die Materialien- 
reihe lebt davon, daß betroffene Initiativen in ihr ein Sprachrohr ge- 
funden haben, in dem sie ihre Berichte und Erfahrungen artikulieren 
können. Neben der regelmäßigen Reihe (4 Hefte im Jahr für 20.- DM) 
werden noch Sonderhefte veröffentlicht, die für alle die, die mit 
Ausländern zu tun haben, wichtig sind. Beispiel: Unal Akpinar: 
Sozialisationsbedingungen in der Türkei, oder Faruk Sen: Volkssektor 
Türkei - eine neue Wirtschaftsform. 

Bestellungen und Abos bitte richten an: Verband der Initiativen in 
der Ausländerarbeit (VIA), Rheinweg 34, 5300 Bonn. Dort kann man auch 
ein aktuelles Verzeichnis der Veröffentlichungen erhalten. 


© TAGUNGEN DES ARBEITSKREISES ENTWICKLUNGSPOLITIK (AKE) 


Lehrgänge über spezielle Problembereiche der Dritten Welt und der 

Entwicklungspolitik 

(Grundkenntnisse über den Themenbereich Dritte Welt werden voraus- 

gesetzt): 

28.03. - 30.03. Massentourismus und Dritte Welt 

18.04. - 20.04. Tansania 

29.04. - 02.05. Algerien 

30.04. - 03.05. Türkei 

09.05. - 11.05. Pädagogik der Dritten Welt 

15.05. - 18.05. Ausländische Frauen in der BRD 

27.05. - 30.05. Entwicklungspolitische Arbeit vor Ort/Arbeit in 
Dritte-Welt-Gruppen 

05.06. - 08.06. Regionalplanung in der Dritten Welt 

09.06. - 13.06. Frauen in der Dritten Welt 

16.06. - 19.06. Entwicklungspolitik 


Seminare über Probleme der in der Bundesrepublik Deutschland leben- 

den ausländischen Arbeiter und ihrer Familien, vor allem für Inter- 

essenten, die selbst haupt- oder ehrenamtlich in der Ausländerarbeit 

tätig sind: 

14.05. - 18.05. Ausländische Frauen in der Bundesrepublik Deutsch- 
land 

19.05. - 24.05. Probleme der Arbeit mit ausländischen Kindern und 
Jugendlichen in der offenen Jugendarbeit 


23.06. - 27.06. u ie 


Nähere Informationen: AKE, Postfach 1109, 4973 Vlotho. 


= 08 


MITTEILUNGEN DER ARBEITSF ELDER 
BILDUNGSARBEIT UND SOZIALARBEIT 


. . 
Planung Info Sozialarbeit 1980 
C 


Folgende Themen wollen wir in diesem Jahr bearbeiten: 
@ Neustrukturierung sozialer Dienste (Heft 26) 


© Aussteigen - Weitermachen - Wie 
Zur politischen Strategie im Sozialbereich 


© Ökologie und Sozialarbeit 
Linke Politik in der Jugendarbeit 


® Weitere Themen mit denen wir u 


ns beschäftigen bzw. beschäftigen 
wollen: Behindertenarbeit, 


Schulsozialarbeit und Elternarbeit 


Info-Leserinnen und Leser, die Interesse an einer Mitarbeit haben, 
schreiben uns: Arbeitsfeld 


Sozialarbeit im SB,Postfach 591,605 
Offenbach 4 


. . 
Planung: Tagungen/Arbeitseminare 1980 
rin 


© Jugendgruppenarbeit im Stadtteil 
"Jugendgruppenarbeit im Stadtteil" 
ten 3-jährigen Projekt während unse 
feld Bildungsarbeit im Sozialistise 


Jahren verschiedene Projekte, die Jugendliche nicht nur als poten- 
tielle "Klassenkämpfer", "Antifaschisten" oder "Kernkraftgegner" und 
auch nicht nur in ihrem Freizeitinteregse ansprechen, sondern mit 
und in einer Gruppe, die im sozialen Lebensraum angesiedelt ist, 

m arbeiten. Es sollen die unterschiedlich- 


sten Interessen und Bedürfnisse in der Gruppe zum Tragen kommen. 
Eine solche Gruppenarbeit 


wollen wir exemplarisch kennenlernen. 
Termin: 25.-27. April 1980 bei Frankfurt 
Genaueres über Inhalt und Ablauf wie auch den Bericht von der letzten 
Tagung zur "Jugendbewegung" kann jeder im neuen Rundbrief 1/80 des 
AF Bildungsarbeit nachlesen. Der Rundbrief kann gegen Voreinsendung 
von DM 2.-- (Briefmarken) bestellt werden beim: Sozialistischen Büro, 
Postfach 591, 6050 Offenbach. 


untersuchen wir an einem konkre- 
rer nächsten Tagung vom Arbeits- 
hen Büro. Es gibt seit einigen 


E] Arbeitsfeldtagung Ye 13. = 16, Mai 1980 

Thema: Sozialpolitik in den 8oer Jahren und Auswirkungen auf eine 
politische Arbeit im Sozialbereich 

Diese Tagung dient der Selbstverständnis-Diskussion der im Arbeits- 
feld mitarbeitenden Genossi 


x % ; nnen und Genossen. Im begrenztem Umfang 
können auch Gäste an diesem Seminar teilnehmen 


® Arbeitsseminar (voraussichtlich Herbst 1980) 
Thema: Linke Politik in der Jugendarbeit 


— 







INFORMATIONSDIENST 
ARBEITSFELD SCHULE 






INFORMATIONSDIENST 
ARBEITSFELD SCHULE 







7 m 
Schwerpunktthema: 


KINDHEIT UND LERNEN 


und Protokolle des Glo« kseeschul-Kongresses * 


BE SONDERSCHULE 
Abstellgleis 


| oder 
| Freiraum? 
1 


« Berichte 





\usserden Der Kinder 
{ 













Arbeitsfeldmaterialien ac” > 
zum Sozialbereich GESUNDHEITSWESENS 


SOZIALARBEIT 
ZWISCHEN 
BÜROKRATIE UND KLIENT 


Dokumente der Sozialarbeiterbewegung 
Sozialpädagogische Korrespondenz 
1969 - 1973 
(reprint) 


Berichte + Konzepte * Alternativen 


Arbeitsteldmatenalen zum Sozial 
und Gesundheitsbereich Het 9 


Wolien Sie mehr wissen über die Informationsdienste und Arbeitsmaterla- 
lien aus den Arbeitsfeldern Schule. Sozialarbeit und Gesundheitswesen? 


Haben Sie Interesse an aktuellen Themen: Ökologie, Marismusdiskus 
sion, Arbeitskämpfe? 


Dann fordern Sie unseren Verlagskatalog an und lassen Sie sich auch Pro 
beexemplare unserer Monatszeitungen “inks” und “express” zuschicken. 


J 


t monatlich auf etwa 32 Seiten Info 
gen für die politische 


a 





N raim 


—— 
p'a 
A. 


arg 





> 





A 
<- D SMi 


e