INFORMATIONSDIENST
SOZIALARBEIT
Ausserdem: Sozialarbeiterstreik in England und die Folgen *
Nachrichten aus der ÖTV * Materialien/Termine/Hinweise
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Offenbach im November 1979
Einfachnummer - Preis DM 6,-
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INFO SOZIALARBEIT, HEFT 24
Vorbemerkung 3
Zur Entwicklung der Methoden in der Sozialarbeit 7
Teamberatung mit TZI
Aus der Sicht einer Beraterin - Ein Interview 15
Wahrnehmung und Training sozialer Kompetenz
- Ein gruppendynamisches Seminar - 31
Transaktionsanalyse 43
Gestalttherapie 51
Gruppensupervision 55
Silbenrätsel für "Methoden-Fans" und solche, die es
nie werden wollen 60
Albert Hofmann
Auf welche Situation treffen die Methoden?
Einige Daten zur Sozialhilfe 61
Psychodrama - Ein Theaterstück 69
Literaturangaben zum Weiterlesen 83
Hans Weiss
Sozialarbeiterstreik in England und die Folgen 84
Nachrichten aus der ÖTV 88
Materialien/Hinweise/Stellenangebote 94
INFORMATIONSDIENST
SOZIALARBEIT
DER KAPIIAUSMUS
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DE ZIEHUNGSARBEIT
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Günter v. Juterzenka
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MEDIZIN UND DRITTE WELT
Am Beispiel Kapverden
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VORBEMERKUNG
Als wir vor fast 2 Jahren begannen, uns mit der zunehmenden Psycholo-
gisierung der Sozialarbeit zu beschäftigen, war unser Anspruch zunächst
begrenzt. Uns war die aus den USA gespeiste treibhausmäßige Ausbrei-
tung immer neuer psychotherapeutischer Ansätze unter dem Namen "Psy-
choboom" bekannt; die unter Bedingungen kommerzieller Verwertung vor
allem dem Modetrend folgende Flut von Therapieformen erweckt häufig
eher den Eindruck von Scharlatanerie als psycho-sozialer Hilfe. Des-
halb waren wir erstaunt und beunruhigt, als wir feststellten, daß die-
se Ansätze zunehmend auch in der Sozialarbeit und Sozialpädagogik Ver-
breitung finden und entsprechende Fortbildungsangebote mit Unterstüt-
zung oder sogar auf Anregung und mit Finanzierung der Anstellungsträ-
ger in wachsendem Maße nachgefragt werden; und dies nicht nur unter
Kollegen, die immer schon einen eher caritativen Anspruch verfolgt ha-
ben, sondern auch unter Freunden, denen wir eine politisch-kritische
Herangehensweise an ihre Arbeit zutrauen.
Davon überzeugt, daß hier in den letzten Jahren eine ganz wesentli-
che Neuorientierung stattgefunden hat, die auch ein politisches Ver-
ständnis von Sozialarbeit berührt, wollten wir zunächst für uns das
Ausmaß dieser Entwicklung dokumentieren. Wir wollten herausfinden,
welche Therapieformen in die Sozialarbeit/Sozialpädagogik Eingang
gefunden haben, wollten diesen Prozeß bewußt machen und zum Nachden-
ken anregen. Der Psychoboom in der Sozialarbeit Ausdruck für einen
allgemeinen Entpolitisierungsprozeß?
Auf der Tagung des Arbeitsfeldes Sozialarbeit 1978 in Westberlin
stieß das Thema auf großes Interesse und so entstand die Idee, dazu
eine Arbeitstagungvorzubereiten. Im Verlauf dieser Arbeit und der
theoretischen Beschäftigung mit den verschiedenen Ansätzen stieg un-
sere Neugier zu wissen, was unter dem Etikett "Fortbildung von So-
zialarbeitern in Gestalttherapie, Transaktionsanalyse etc." tatsäch-
lich ablief. Einzelne von uns, die an solchen Kursen teilgenommen
hatten, berichteten der Gruppe. Die distanziert-kritische Betrach-
tung wich allmählich einer individuellen Betroffenheit. In diesem Zu-
sammenhang wurde die Idee einer exakten Analyse und politischen Ein-
schätzung der Psycho-Methoden fallengelassen zugunsten von verschie-
denen Erfahrungsberichten und Diskussionsergebnissen. Die Arbeits-
tagung im März 1979 bestätigte,
0 daß das Interesse an psychotherapeutisch orientierten Methoden un-
ter Sozialarbeitern und Sozialpädagogen größer ist, als ursprüng-
lich angenommen;
0 daß die Kritik an verschiedenen Ansätzen und den damit verbundenen
Erwartungen - wie wir sie in einem Stehgreifspiel karikiert ha-
ben - zwar von vielen geteilt wird, daß aber ein erhebliches Infor-
mationsinteresse besteht, weil die Psycho-Methoden auf ein tatsäch-
- 3 =
liches Bedürfnis stoßen, das nicht wegzuleugnen ist, auch wenn es
fraglich bleibt, wieweit dies durch die verfiigbaren Ansátze abge-
deckt werden kann.
Auf die Fragen, die sich daran knüpfen, sind keine schnellen Antwor-
ten möglich, wie die Tagung zeigte. Die Fülle der Literatur über die
Psycho-Szene ist inzwischen ohnehin schon unüberschaubar. Wir haben
daher darauf verzichtet, auf diese Kontroversen direkt einzugehen.
Stattdessen sahen es auch die Tagungsteilnehmer als sinnvoller an,
Orientierungshilfen zu geben, Materialien, möglichst anschauliche
Erfahrungsberichte über einzelne Therapieformen und gruppendynamische
Verfahren zu geben, die heute in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik An-
wendung finden - wobei sich die Grenze zum allgemeinen Psychomarkt
als durchaus fließend erweist.
Die vorliegende Sammlung von Beiträgen, die leider nicht so Pine ni
tig geworden ist, wie sie ursprünglich geplant war (verschiedene Zu-
sagen sind zurückgezogen worden), soll zur Diskussion und zur Weiter-
se Kriterien liefern zur Beur-
arbeit anregen und vielleicht ansatzwei Ll a ;
teilung der Funktion und der möglichen Anwendungsbereic e der verschie-
denen Ansätze. Sie soll vor allem der Monopalisieroog Sen un
ie " " entgegenwirken, die eine kritische Reflexion kaum
durch die "Experten entgeg , ade Sattai Butwiekieus von
noch zuzulassen scheint. Dem soll auch pt
Fragestellungen dienen, wie sie ın unserer Diskussion und auf der Ar-
beitstagung entwickelt wurden.
Als erstes wäre genauer zu untersuchen, warum Sozialarbeiter auch po-
litisch engagierte, immer häufiger an Fortbildungsveranstaltungen teil-
nehmen, die sich mit Psychomethoden beschäftigen. Welche Motive und
Bedürfnisse stehen dahinter?
Vermutlich ein ganzes Bündel: Manche sind sicher ganz einfach froh,
aus dem Berufsalltag eine Weile herauszukommen, andere "sammeln" Fort-
bildungen, um bessere Chancen bei einer Beförderung zu haben. Viele
sind mit ihrer Arbeitssituation unzufrieden, haben den Eindruck, Si-
syphusarbeit zu leisten, Pflästerchen zu kleben, aber nicht wirklich
helfen zu können, rechnen sich die Erfolglosigkeit der Arbeit als per-
sönliches Versagen an und hoffen, dem mit Psychomethoden beizukom-
men. Bei den in der Vergangenheit politisch Engagierten dürfte eine
Rolle spielen, daß sie sich zum Teil mit hohem persönlichem Einsatz
und Verzicht auf Freizeit für Ziele eingesetzt haben, die nicht er-
reicht werden konnten, und jetzt endlich mal an sich selber denken
wollen. Dies könnte auch für einen Großteil der anderen Sozialarbeiter
zutreffen, die ihre Arbeitskraft für andere Leute einsetzen, manch-
mal noch in Auseinandersetzung mit ihrer vorgesetzten Dienststelle,
ohne Dank dafür zu ernten, und die einfach mal etwas neues kennen-
lernen wollen (wenn auch letztlich im Interesse der Klienten, ver-
steht sich).
Sicher spielt auch eine Rolle, daß die Sozialarbeiter beim Versuch,
den "Klienten" aus materiellen Schwierigkeiten heraus zu helfen,
häufig die Erfahrungen machen, daß dies wegen der geringen psychi-
schen Belastbarkeit und des mangelnden Durchhaltevermögens der Leu-
te nicht möglich ist, d.h. ein Bedarf an psychosozialer Unterstüt-
zung des Klienten sich bemerkbar macht, für den der Sozialarbeiter
seinerseits Kenntnisse erwerben will.
Welches Motiv überwiegt, wie sich das bei den Sozialarbeitern ver-
=k a
schiedener Arbeitsbereiche unterscheidet, wissen wir nicht. Sicher
scheint nur, daß die Psychomethoden "ankommen".
Ein zweiter Fragenkomplex betrifft das Interesse des Arbeitgebers an
Fortbildung in Psychomethoden. Es ist zu vermuten, daf ein Teil der
Vorgesetzten, die solche Fortbildungen unterstützten - und das sind
wahrscheinlich nicht die Konservativsten - die Sozialarbeiter in den
Stand versetzen wollen, entsprechend bestimmter Reformvorstellungen
auf die veränderten Bedürfnislagen von "Klienten" besser einzugehen.
(Beispiel: Bewährungshelfer erhalten Gelegenheit, sich in Familien-
beratung auszubilden); Sicher verbinden damit auch viele Vorgesetz-
te den Ehrgeiz, zu zeigen, daß sie auf dem neuesten, fortschrittlich-
sten wissenschaftlichen Stand der Methodenentwicklung sind, um sich
zu profilieren. Außerdem sollen solche Methodenfortbildungen die
"Teamfähigkeit" d.h. die Kooperation unter Kollegen, die Effektivi-
tät der Arbeit und die Arbeitszufriedenheit fördern.
Unklar ist, inwieweit Vorgesetzte sich von solcher Fortbildung die
Ruhigstellung politisch aktiver Kollegen versprechen, eine gewisse
Entpolitisierung durch Einengung der Sicht auf bestimmte Probleme
als "wesentliche". Klar ist, daß der Arbeitgeber durch Unterstützung
bestimmter Fortbildungsangebote gegenüber anderen, d.h. z.B. konkret
durch Gewährung von Freistellung, Einfluß auf die Art und Auswahl der
Veranstaltungen haben kann. Noch größer wird dieser Einfluß, wenn die
Trainer (Supervisoren, Berater) von der Institution selbst einge-
stellt werden oder sogar gleichzeitig Vorgesetztenfunktionen wahr-
nehmen.
Eine dritte Fragerichtung betrifft die Funktion von Psychomethoden
in der Sozialarbeit zum jetzigen Zeitpunkt. Geben sie nicht Halt und
Orientierung in einer Zeit, wo die Kritik an der Sozialarbeit als Kon-
trollinstrument zur Durchsetzung bürgerlicher Normen ziemlich allge-
mein geworden ist? Dienen sie nicht dazu, diese Verunsicherung zu
überspielen durch Formalisierung der Kommunikation zwischen meist
proletarischen Klienten und mittelständischen Sozialarbeitern, die
ihre Einstellungen und Haltungen nicht mehr so ungebrochen als Maß-
stäbe richtigen Verhaltens vor sich hertragen, wie dies frühere So-
zialarbeitergenerationen noch konnten?
Im Zusammenhang damit ist zu fragen, ob die Psychomethoden unter wis-
senschaftlichem Anspruch nicht gerade doch wieder ein bürgerliches
Bild von Normalität, Gesundheit und Optimismus über die Möglichkei-
ten von Selbsterkenntnis, Veränderbarkeit und Anpassungsfähigkeit
von Individuen vermitteln, das von den gesellschaftlichen Ursachen
absieht. D.h., es ist zu prüfen, inwieweit einzelne Methoden die
psychische Anpassungsfähigkeit des Einzelnen so betonen, daß die Ver-
änderung der Umwelt irrelevant wird, auch wenn die Methoden selbst
den Anspruch erheben, Menschen besser zur Auseinandersetzung mit der
Umwelt zu befähigen.
Ein weiteres Problem ist, ob die Psychomethoden, so wie sie angeboten
werden, als Kurzmethoden in Workshops, Wochen- oder Wochenendsemina-
ren, eher zur Desorientierung als zur Aufarbeitung von Problemen bei-
tragen. Zumindest machen Kollegen immer wieder die Erfahrung, daß
in so kurzen Trainings weit mehr angerissen wird, als aufgearbeitet
werden kann.
Außerdem wäre zu prüfen, welche Methode im einzelnen bei welchen Pro-
- § -=
blemen sinnvoll angewandt werden kann. Im Augenblick scheint die Aus-
wahl und Anwendung von Psychomethoden von noch anderen Faktoren als
den spezifischen Problemen der Sozialarbeiter oder der Klienten abzu-
hängen, z.B. davon,fiir welche Methodenfortbildungen es Dienstbefrei-
ung gibt, welche gerade gängig sind und durch Mundpropaganda weiter-
getragen und empfohlen werden,welcher Trainer als gut gilt usw. Wir
können daraus schließen, daß es auf die Methode in ihrer Spezifi-
tät gar nicht ankommt, daß einzelne Methoden austauschbar sind?
Was schließlich heißt in diesem Zusammenhang "Erfolg" einer Methode?
Die wesentlichste Fragestellung in diesem Zusammenhang müßte eigent-
lich sein, was eine Fortbildung in einer der Psychomethoden für die
Arbeit mit den Klienten bringt. Hier müssen wir unterscheiden zwi-
schen Methoden, die im Umgang mit Klienten direkt angewandt werden
und solchen, die den Sozialarbeiter befähigen sollen, mit dem Klien-
ten besser umzugehen. Für den ersten Fall liegen uns so gut wie kei-
ne Erfahrungen vor. Allenfalls erzählen Kollegen vereinzelt, daß Kli-
enten verwundert oder unwillig reagieren, wenn sie zu schematisch ge-
fragt werden. 7 ;
Herauskommen kann, daß die Sozialarbeiter durch eine Methodenfortbil-
dung lernen, besser zuzuhören, mehr darauf zu achten, inwieweit sie
eigene Probleme beim Umgang mit Klienten mithineinbringen, und da-
nach mit Interpretationen vorsichtiger werden. Doch wäre noch ge-
nauer zu prüfen, inwieweit Sozialarbeiter mīt Methodenfortbildung eher
die psychosozialen als die materiellen Schwierigkeiten der Klienten
sehen. Die lapidare Behauptung jedenfalls, daß sıcherere, zufriede-
nere Sozialarbeiter auch besser mit Klienten umgehen, ist sicher so
platt wie ungenau.
Eine andere Frage ist, inwieweit sich spezielle Methodenfortbildun-
gen auf die Arbeit mit den Klienten überhaupt auswirken können, wenn
die Sozialarbeiter, wie es häufig vorzukommen scheint, sich laufend
neuen Ansätzen zuwenden.
Arbeitsgruppe Psychomethoden Berlin
Kontaktadresse: Christa Reinhard
Bürknerstr. 6, looo Berlin 44
ZUR ENTWICKLUNG
DER METHODEN IN DER SOZIALARBEIT
SEIT 1968 AM BEISPIEL WESTBERLINS
Die zunehmende psychotherapeutische Orientierung der methodischen An-
sátze in der Sozialarbeit verlief parallel zum allgemeinen Psychoboom.
Sie entstand aus ganz ähnlichen Wurzeln und Formen, die sich bis zur
Reformphase der Bundesrepublik und zur Entstehung der Studenten- und
Sozialarbeiterbewegung Ende der 6oer Jahre zurückverfolgen lassen.
Nachdem die heute schon "klassischen Methoden" erst im Zuge der ame-
rikanischen "Re-education" nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland
bekannt geworden waren und noch in den 6oer Jahren das Programm der
in diesem Zusammenhang gegründeten Fortbildungsstätten (Haus Schwal-
bach, Gelnhausen, Münster) und der Sozialakademien bestimmten, tauch-
ten neuere Vorstellungen methodischen Arbeitens erst mit der grund-
sätzlichen Infragestellung traditioneller Arbeitsformen auf.
In diesem Zusammenhang spielte in Berlin ein Referat von Arno Kosmale
von der Senatsverwaltung für Jugend und Sport über "Neue Modelle in
der Sozialarbeit" eine wichtige Rolle, das dieser 1968 auf einer Fort-
bildungsveranstaltung für die Mitarbeiter der Familienfürsorge Rei-
nickendorf hielt. Er vertrat die Auffassung, daß die zur Überwindung
der alten Fürsorge für notwendig erachteten Veränderungen in Organi-
sation und Arbeitsweise der Sozialverwaltung auch eine entsprechend
wissenschaftlich fundierte Methodik erforderten. Dies entsprach dem
Trend, die Ausbildung der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen in Zu-
kunft auf eine "wissenschaftliche Grundlage" zu stellen (Gründung
der Fachhochschulen) und begründete gleichzeitig die Förderung der
sogenannten Modellbewegung, d.h. die Aufhebung der Vereinzelung der
Sozialarbeiter durch Teamarbeit, Schaffung von Außenstellen und an-
dere Modelleinrichtungen. (1) Dementsprechend wurde in Berlin die
Methoden-Fortbildung ausgebaut insbesondere durch Gründung der Fort-
bildungsstätte des Senators für Familie, Jugend und Sport "Haus Ko-
serstrafe'" im April 1968.
Die erste öffentliche Einrichtung in Berlin, die die Entwicklung von
Teamarbeit nach dem Kosmale-Modell in Angriff nahm, war das Jugend-
amt Reinickendorf. Von der Amtsleitung wurde die Verbesserung der
Teamfähigkeit durch gezielte Beratung für erforderlich gehalten. Die-
se Aufgabe übernahmen die Mitarbeiter des Hauses Koserstraße. Es wur-
den "Ein-Jahres-Kurse zur Methodenfortbildung" allein für die Mitar-
beiter der Fafü Reinickendorf eingerichtet. Die Absolvierung solcher
Fortbildungskurse wurde zur Voraussetzung für die Höherbesoldung ge-
macht. Zusätzlich wurde 1969-1970 die Fortbildung von Supervisoren
vorangetrieben , u.a. in Selbsterfahrungsgruppen bei G. Ammon, ei-
nem der ersten Psychoanalytiker in Berlin, der Gruppentherapien durch-
führte. In dieser Zeit entstanden nach der bereits 1964 beim Deut-
schen Verein in Frankfurt gestarteten Supervisorenausbildung die üb-
rigen Ausbildungsstätten an der Akademie für Jugendfragen Münster,
beim Burckardthaus Gelnhausen, an der Akademie Remscheid und im Haus
Koserstraße. Danach wurden auch entsprechende Stellen in den Bezirks-
ämtern geschaffen; zum Teil verfügen die Berliner Bezirke heute über
besondere Beratungsfürsorger, die sich fast ausschließlich Supervi-
sionsaufgaben widmen können.
Es folgten mit ähnlichen Modellversuchen die Jugendämter Charlotten-
burg (1970) und Spandau(1971). Gleichzeitig begann man, Methodenfort-
bildung frei für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen aller Bezirke auszu-
schreiben.
Das hier vermittelte Methodenverständnis ging von Anfang an von einer
kritischen Einstellung zu den klassischen Methoden amerikanischer Her-
kunft aus. Man versuchte, diese Methoden zu einem Gesamtkonzept "metho-
discher Sozialarbeit" zu integrieren. Dahinter stand das Bemühen, den
Anspruch der Sozialarbeit als "Hilfe zur Selbsthilfe" ernstzunehmen
und dementsprechend "relative Autonomie, Eigenverantwortlichkeit, so-
ziale Verantwortung, Entscheidungs- und Kritikfähigkeit der Klienten
zu fördern." (Fortbildungsprogramm des Hauses Koserstraße, 1972, 8.4).
Das erforderte eine "berufsspezifische Haltung des Sozialarbeiters",
eine "Fachlichkeit", die durch die Methodenfortbildung erreicht wer-
den sollte. Man war sich darüber im klaren, daß die Entfaltung dieser
Fachlichkeit unter den herrschenden Amtsstrukturen und Arbeitsbedin-
deshalb war das erste Ziel die Schaffung von
die Veränderung der bürokratischen Struk-
chtfertigter Hierarchie. Man bekannte
..(2)
gungen illusionär war;
mehr Handlungsspielräumen,
turen und die Beseitigung ungere H
sich offen zur Schaffung von "Unruhe" in den Amtern.
Doch bald empfand man diesen "integrativen" Weg der Entwicklung der
Teamfähigkeit und Fachlichkeit des Sozialarbeiters als unzureichend,
1972 wurde erstmals ein Kurs in Gesprächspsychotherapie (GT) in das
Programm der Koserstraße aufgenommen. Im nächsten Jahr waren es schon
drei Kurse; ein erster Kurs in Familientherapie (nach H.W. Maier,
nctioning (HSF) (nach Heimler) kam
Seattle) und in Human Social Fu
hinzu. Ab 1972 wurden auch Kurse in Verhaltenstherapie (VT) angebo-
ten, später auch klientenzentrierte Gesprächsführung (herkommend von
der Gesprächspsychotherapie) und Gestalttherapie (GST). Seit 1975
haben diese speziellen therapeutischen Ansätze die klassischen Me-
thoden ebenso aus dem Programm der Koserstraße verdrängt wie allge-
mein-psychologische oder soziologische Themenangebote.
Auch neben der offiziellen Fortbildungsstätte des Jugendsenats brei-
tete sich die sozialpädagogische Psychoszene weiter aus. Seit
1972 gewann K. Vopel über persönliche Kontakte mit Berliner Sozial-
arbeitern bei verschiedenen Bezirksämtern Interesse für seine grup-
pendynamischen Seminare die er bis dahin überwiegend auf Lehrer und
Psychologen abgestellt hatte. Über die Berliner Verwaltungsakademie
wurden die Angebote seines "Instituts für angewandte Sozialpsycho-
logie, Kommunikationstraining und Organisationsentwicklung'' (Hamburg)
in der Berliner Verwaltung etabliert. In den Jahren 1975-1978 wur-
den häufig die Belegschaften ganzer Ämter zu gruppendynamischen
Wochenkursen nach Westdeutschland geschickt, wo unter Vopels Leitung
Selbsterfahrungstrainings veranstaltet wurden, bei denen die rationale
Analyse und Verständigung über die ablaufenden Prozesse zunehmend in
den Hintergrund trat. (Vgl. Bericht in diesem Heft). Das Programm der
ISKO reicht inzwischen von Encounter-Gruppen über "Workshops für
Führungskräfte: Aktivieren und Motivieren" bis zur Transaktionsana-
lyse (TA) und Wochenend-Kursen über "Leben und Tod",
= 8 -
REAL—THERAPIE
Ein Beispiel fiir die vóllige Beliebigkeit, zu der sich das Ange-
bot an psychotherapeutischen Methoden in der Sozialarbeit/Sozial-
pädagogik entwickelt hat, ist das "REAL-INSTITUT" in Düsseldorf
und München, das seit 1977 in überregionalen Tageszeitungen sei-
ne Ausbildungslehrgänge zum 'Real-Therapeuten” anbietet. Es wen-
det sich an "therapeutische und pädagogische Fachkräfte..., die
in geschlossenen, halboffenen und offenen Einrichtungen der Ju-
gend-, Erwachsenen- und Sozialhilfe mit Patienten bzw. Klienten
arbeiten, wie z.B. in Heimen, Schulen, Kliniken, Strafanstalten
und Beratungsstellen, Jugend- und Sozialämtern, Bewährungshil-
fe oder Kindergärten, Häusern der offenen Tür oder freien ärzt-
lichen psychologischen Praxen." (Aus dem Prospekt für 1978).
Im Gegensatz zu vielen ähnlichen Einrichtungen bietet das REAL-
Institut nicht einzelne Kurse an oder eine bestimmte Therapie-
form unter Ausschluß aller anderen. Vielmehr wird hier eine
geschlossene Ausbildung angeboten, die über 2 Jahre läuft und
die verschiedensten Ansätze zu vereinigen sucht: "In der REAL-
Therapie haben die verschiedenen Ansätze eine unterstützende
Funktion: sie sind wie Werkzeuge. Erst wenn man ihre genaue Be-
stimmung kennt, sind sie wirklich wertvoll... Ziel der REAL-The-
rapie ist nicht einfach die Symptombeseitigung oder die Stär-
kung eines gestörten Aspektes eines Individuums, sondern die Be-
einflussung des gesamten Menschen. Ziel ist die Verbesserung
und Stabilisierung der ideellen und praktischen Lebensbewäl-
tigung mittels angemessener Selbstachtung."
"Als REAL-Therapie trägt sie Rechnung, daß heute im Zeitalter
der psychischen Massenerkrankung Hilfe rasch und mit möglichst
geringem Kostenaufwand geschehen muß."
Deshalb grenzt sie sich von vielen anderen Methoden ab und em-
pfiehlt sich folgendermaßen: "Der REAL-Therapeut ist im Unter-
schied zu vielen anderen Methoden aktiv und direktiv. Der REAL-
Therapeut wartet nicht in jedem Fall auf die Einsichts- und
Veränderungsbereitschaft eines Klienten. Gegebenenfalls setzt
er Bedingungen, die diesen Prozeß beschleunigen können. Vor al-
lem in der Randgruppenarbeit (Drogen, Kriminalität, Assoziali-
tät) und in der Psychiatrie, zunehmend aber auch im gesamten
Neurosenbereich, wo echter Leidensdruck und realistische Pro-
blemschau vermißt werden, ist dieser direktive Weg wichtig, wenn
diese Bereiche nicht gänzlich den Verwahrungsanstalten und der
Pharmakotherapie überlassen werden sollen.."
Es werden u.a. folgende Methoden trainiert: Gruppendynamik,
Encounter, Realitätstherapie, Rational-Emotiv-Therapie, Psycho-
drama, Gestalt, Körperarbeit, Primärtherapie, Transaktionsana-
lyse, REAL-Therapie mit Klienten. Die Mitarbeiter sind größten-
teils Diplompsychologen ; die Liste der "Lehrbeauftragten" reicht
von Prof. Dr. A. Ellis, dem Leiter des "Institut for Advanced
Study in Rational Psychotherapy" New York bis zu Alexander Lo-
wen persönlich! Die Literaturliste schließt alles ein von H.E.
Richter (Patient Familie) und T. Brocher (Gruppendynamik) über
Berne (Spiele für Erwachsene) bis Janov (Revolution der Psyche)
und Lowen (Bioenergetik).
Die Ausbildung findet in einer festen Gruppe an 9 Wochenenden
und in zwei Intensivwochen pro Jahr statt und kostet DM 1.600
pro Semester = insgesamt 6.400 DM.
KRIMINALSOZIOLOGISCHE
BIBLIOGRAFIE 1979
Bibliografie: neuerscheinende Bücher und Artikel
Aufsätze — Rezensionen — Berichte
SCHWERPUNKTHEFTE:
TERRORISMUS O FRAUEN 0 RICHTER
Abo und Probehefte: Ludwig Boltzmann Institut fiir Kriminal-
soziologie, Postfach 1, A-1016 Wien. Einzelheft: S 40 (DM 7). Abo:
S 150 (DM 23), Studenten S 100 (DM 16), Institute S 250 (DM 35)
Vom Baseler WILL-Institut (Workshop International of Living Learning)
werden auch in Berlin Kurse in Themenzentrierter Interaktion (TZI)
angeboten, die auch bei den Bezirksámtern Unterstützung finden. Die
Regionalgruppe wuchs in den letzten Jahren von 50 auf 200 Teilnehmer
an.
Vor allem aber ist in letzter Zeit Gestalttherapie im Kommen. Vom
Perls-Institut in Würzburg ebenso wie von anderen westdeutschen Insti-
tuten in München und Düsseldorf wurden in den letzten Jahren Gestalt-
gruppen aufgebaut, die sich steigender Nachfrage gerade auch unter
Sozialarbeitern/Sozialpädagogen erfreuen. Inzwischen ist ein "Ge-
staltzentrum' in Berlin im Entstehen begriffen. Demgegenüber bietet
auch die Transaktionsanalyse kaum noch eine Konkurrenz. Diesem Trend
konnte sich auch die staatliche Fachhochschule für Sozialarbeit in
ihrem Fortbildungsprogramm nicht entziehen. Obwohl hier immer noch
das Schwergewicht auf juristischen und soziologischen Themenstellun-
gen liegt, nehmen methodische Fortbildungsangebote - darunter auch
Gestalttherapie und Transaktionsanalyse - bereits 4o % im Gesamt-
programm ein. Die Bewerbungen übersteigen hier regelmäßig die Zahl
der verfügbaren Plätze um mehr als loo %, während andere Kursange-
bote gelegentlich aus mangelnder Nachfrage gar nicht zustandekommen.
In einer Untersuchung des Hauses Koserstraße von 1976 (3) wurde ein
ähnliches Verhältnis zwischen Zahl der Bewerbungen und angenommenen
Teilnehmern ermittelt; bei Verhaltenstherapie und Gesprächstherapie
lag das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage sogar bei 1:3!
Der Schwerpunkt in der regionalen Verteilung der Teilnehmer scheint
aber immer noch bei den drei bereits genannten Bezirksämtern zu lie-
gen, in denen die Methodenfortbildung auch von den Leitungen unter-
stützt wird. Auf Befragen wurde von diesen geäußert, daß man mit ei-
nem halben Tag Fortbildung pro Woche einverstanden ist und Dienst-
befreiung gewährt. Die Auswirkungen der längerfristigen Fortbildung
lagen für ein Viertel der Teilnehmer in Beförderungen, für über 30 %
zumindest in einer Verbesserung der Arbeitsplatzsituation. Entspre-
chend (?) positiv werden die Auswirkungen für die Klienten beurteilt -
ein bedenkliches Ergebnis, wenn gleichzeitig für diese fast ausschließ-
lich in Behörden tätigen Sozialarbeiter soziologische, juristische
und verwaltungstechnische Fortbildungsinhalte am untersten Ende der
Wichtigkeitsskala rangieren.
In der Praxis stellen sich die Wirkungen dieser neuen, intensiven
Methodenfortbildung widersprüchlich dar. Einerseits wird diese Fort-
bildung durch Dienstbefreiungen und z.T. Finanzierung durch die An-
stellungsträger lebhaft unterstützt und die Nachfrage von Seiten der
Sozialarbeiter/Sozialpädagogen insbesondere im Bereich behördlicher
Sozialarbeit wuchs in den letzten Jahren stetig an. Offensichtlich
liegt ein erhebliches Bedürfnis nach Methodenfortbildung vor. An-
dererseits sind die Wirkungen für die Betroffenen nicht klar auszu-
machen.
Nachdem immer mehr Amtsleitungen zur aktiven Unterstützung psycho-
logisch/psychotherapeutisch orientierter Methodenfortbildung überge-
gangen sind und zum Teil schon die Absolvierung eines solchen Kurses
zur Voraussetzung für die Anleitung von Praktikanten gemacht wird,
machen sich auch schon grundsätzliche Veränderungen in der Arbeits-
weise bemerkbar.
- ]] -
In einer Außenstelle des Jugendamtes Spandau, das in dieser Hinsicht
als vorbildlich gilt, sieht dies beispielsweise folgendermaßen aus:
Das Team hält unter sich regelmäßig Fallkonferenzen ab, die pro Woche
1,5 bis 2 Stunden in Anspruch nehmen. Daneben erhält das Team alle
2 Wochen von einem außenstehenden Methodiker eine 3-stündige Team-
Beratung, in der es aber auch um organisatorische Fragen geht. Vor
allem aber wird das Team in wöchentlich 2-3 stündigen Gruppensuper-
visionssitzungen in seiner Fallarbeit unterstützt. Zusätzliche indi-
viduelle Fortbildungen kommen hinzu.
Die Wirkung dieser Fortbildungs-Supervisions-Beratung wird z.T. in
der Verbesserung der Durchsetzungsfähigkeit des Teams gegenüber der
Amtshierarchie gesehen; hier allerdings kommt es in den letzten Jah-
ren auch zu den größten Konflikten, in denen sich nicht immer das
Team durchsetzt. Vor allem aber wirkt sich diese Form der Arbeit auf
die Teamfähigkeit jedes Einzelnen aus. Der Nutzen liegt in erster
Linie in einer effektiveren, d.h. reibungsloseren Zusammenarbeit in-
nerhalb der Gruppe sowie im Umgang mit anderen Teams. (Vgl. den Bei-
trag über Beratung in diesem Heft.) l ; l )
1976 wird von der stellvertretenden Amtsleiterin berichtet, daf im
Jugendamt Spandau praktisch niemand mehr arbeitet, der nicht minde-
stens einen derartigen Fortbildungskurs besucht hat. (4) Das alles
dient dem Ziel, "Beunruhigung, Verunsicherung und Unzufriedenheit
in Lernprozesse umzugestalten", d.h. Fortbildung, die den Lernenden
intellektuell wie emotional beansprucht, soll zu neuen veränderten
Einstellungen führen", die letztlich die "Familienfürsorge effektiver
zu gestalten" helfen. Alles dreht sich um Teamfähigkeit, die Dynamik
des Gruppengeschehens, Formen der Kommunkatıon , Bez1ehungsaspekte
und berufliche Identität.Daß dies alles aber letztlich “vor allem
dem Klienten" dient, dafür kann der Nachweis nur indirekt angetreten
werden: Be
"Wir halten den eingeschlagenen Weg der Familienfürsorge Spandau für
günstig, weil er zu einer größeren Leistungsfähigkeit...führt. Dabei
dürfte unbestreitbar sein, daß als wirksamstes Instrument des Sozial-
arbeiters neben Wissen und Techniken der bewußte Einsatz seiner Per-
sönlichkeit zu sehen ist. Was könnte daher näherliegen, als seine Funk-
tionsfähigkeit zu fördern, Fortbildung zu unterstützen und selbstän-
dige Arbeitsbereiche in relativ autonomen Arbeitsgruppen einzurich-
ten..." (ebda.)
Was dem Wohlbefinden des Sozialarbeiters dient, kommt dieser Auffas-
sung nach auch irgendwie den Klienten zugute. Diese Entwicklung geht
in Berlin einher mit dem Ausbau des Sozialpsychiatrischen Dienstes
und dem Aufbau von Kinder- und Jugendpsychiatrischen Beratungsstel-
len, Ehe-, Erziehungs- und Schulpsychologischen Beratungsstellen in
fast allen Bezirken sowie Psychologischen Diensten der Arbeitsämter
und verschiedensten Beratungsstellen der freien Verbände und der
Hochschulen. Während die schulpsychologischen Dienste ganz überwie-
gend mit Verhaltenstherapie arbeiten, bieten die übrigen Stellen
laut "Berliner Beratungsführer" von 1978 (5) eine bunte Palette von
methodischen Ansätzen. Die wenigen Beratungsstellen, die nur die klas-
sıschen Methoden wie "soziale Einzelfallhilfe", "soziale Gruppenar-
beit" oder "psychologische Beratung" nennen, nehmen sich ausgespro-
chen konservativ aus. Das Mindeste scheinen nach modernen Maßstäben
Kommunkationsgespriiche” zu sein. Wenn man sich auf Beratung be-
schränkt, dann bietet man doch mindestens "analytisch orientierte",
- 12 -
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"tiefenpsychologisch fundierte" oder sogar '"kommunikativ-systemtheore”
tisch orientierte" Beratung. Am häufigsten aber nennen die zum Teil
mit Sozialarbeitern und Psychologen besetzten Stellen gleich eine The-
rapie, nicht selten sogar nach Art des Hauses:
tiefenpsychologische Psychotherapie
analytische Psychotherapie
begleitende Psychotherapie
Familientherapie
Verhaltenstherapie
Gruppendynamik
tiefenpsychologisc
gestalttherapeutis
Gestalttherapie
therapeutische Maßnahmen
themenzentrierte Interaktıon
integrative, kommunikative,
h fundierte Therapie
che Verfahren
Partnerschafts-, strategische Therapie.
Daß von öffentlichen Beratungsstellen Transaktionsanalyse, (6) bioener”
getische Übungen oder transzendentale Meditation als Behandlungsme”
thoden angeboten werden, scheint vielleicht nur noch eine Frage der
Zeit.
ANMERKUNGEN:
(1) Vgl. AKS Berlin, Wem nützt die Modellbewegung? in: Sozialarbeit
zwischen Bürokratie und Klient - Die SPK 1969-1973, Nootbaar
u.a. (Hrsg.), Offenbach 1978, S. LiT EE,
(2) Vgl. ebenda, Zur Kritik der integrativen Methode, S. 153 ff.
(3) Haus Koserstraße, Sonderdruck '77, S. 5 ff.
(4) Gerlinde Mattusch, Entwicklungsprozesse - Lernprozesse, darge”
stellt am Beispiel der Familienfürsorge Spandau von Berlin,
in: Neuer Rundbrief 4/1976, S. 2o ff.
(5) Arbeitsgruppe Psychosoziale Beratung und Therapie in Berlin,
Klaus Gnielka u.a. (Hrsg.), Berliner Beratungsführer, Berlin
1978.
(6) Vgl. die Auseinandersetzung um die Transaktionsanalyse, in:
Arbeitsmaterialien für Sozialpädagogen in der Jugendarbeit,
Neue Rupenhorner Reihe
Hs
TEAM-BERATUNG MIT TZI
AUS DER SICHT EINER BERATERIN
— EIN INTERVIEW —
1. SINN DER BERATUNGSTATIGKEIT
F}
Welches ist der Zweck Deiner Beratungstätigkeit?
Kannst Du vielleicht in diesem Zusammenhang auch schon auf die
themenzentrierte Interaktion eingehen?
: Den Sinn der Beratungstätigkeit muß man auf zwei Ebenen sehen:
Einmal auf der Ebene der Gruppe, d.h. bezogen auf die Personen
in dieser Gruppe und zumanderen bezogen auf die Institution, d.
h., in welcher Organisation arbeiten bestimmte Leute. Das ist ein-
mal die subjektive Ebene und zumanderen die Organisationsebene,
und Ziel wäre einmal, Konflikte innerhalb der Gruppe aufzuarbei-
ten, die in ihr im Bezugsfeld der Arbeit entstehen - das ist die
eine Seite - und die andere Seite wäre, Institutionen als solche
durchschaubar zu machen, Entscheidungsprozesse besser und schnel-
ler erkennen zu können und möglicherweise darauf Einfluß nehmen
zu können, also z.B. den Informationsfluß deutlicher zu machen
und zu verbessern, Kontakte von einzelnen informellen Gruppen in-
nerhalb einer Institution oder im weiteren Bezugsfeld.
: Kannst Du 'mal genauer sagen, welche Probleme es z.B. in so einer
Gruppe gibt? War Deine Gruppe ein Arbeitsteam oder besteht sie aus
Einzelnen, die zur Fortbildung erst zusammenkommen?
: Also, ich bin in eine bestehende Gruppe eingestiegen, d.h., in
ein Team, das sich bereits vorher gebildet hatte und mit einer
Psychologin gearbeitet hat, die mich für diese Arbeit auch vorge-
schlagen hat.
F: Wieviel Leute, wieviel Soztalarbeiter?
: Acht. Eine Außenstelle der Familienfürsorge, die sich zuvor gebil-
det hat auf dem Hintergrund, bürgernahe Sozialarbeit zu machen, d.
h. Aufgliederung von einzelnen Familienfürsorgebezirken in einer
Außenstelle, wobei davon ausgegangen wurde, die einzelnen Bezir-
ke aufzulösen, eine Aufnahmegruppe zu haben und eine Gruppe von
Sozialarbeitern, die in einer Team-Konferenz die einzelnen einge-
henden Fälle an denjenigen weitergaben, der sich dafür kompetent
gefühlt hat.
Das erste Problem, das mir da begegnet ist, waren sehr hohe Er-
wartungen an mich als jemanden, der auf dem Hintergrund von hohem
psychologischem Wissen Spannungen und tiefgründige Probleme auf-
lösen sollte. Dies war nicht mein Verständnis und von daher ha-
be ich zuerst Probleme aufgegriffen, die mir sehr viel arbeits-
spezifischer erschienen, nämlich die Frage der Auflösung der Be-
zirke.
Die erste Arbeit war, insbesondere Ängste, was die eigene Kompe-
- 18 a
tenz und die bisher innegehabte Omnipotenz im Einzelbezirk betraf,
aufzulösen. Das war eigentlich der erste Punkt. Das ist sicher ein
Problem, das in Wellenbewegungen durchgángig in der Arbeit von vier
Jahren immer wiederkehrt, wenn eine starke Fluktuation da ist, al-
so wenn sehr viel neue Leute dazukommen.
Das zweite Problem, das Nichtwahrhabenwollen, daf jeder Einzelne
des Teams Macht und Einfluf haben will, auch das ist ein Thema,
das wechselweise immer wiederkommt .
F: Und damit Konkurrenzverhalten?
B: Genau!
F: Stellt sich das ein auch zwischen schon lange zusammenarbeitenden
Kollegen oder gibt es da nicht besondere Probleme, wenn neue Leute
'peinkommen?
B: Ich habe die Gruppe ja als bestehende Gruppe übernommen, es waren
alles Leute, die sich sehr gut über Jahre hin durch Einzelbezirke
innerhalb der Familienfürsorge schon kannten, aber bisher völlig
ungeübt waren, miteinander umzugehen im Sinne von Offenheit.
Und da komme ich jetzt an den Punkt von T ZI, weil TZ I davon
ausgeht, eine Methode darzustellen, die Lernen innerhalb eines
guten, emotionalen Klimas besser ermöglicht, d.h., es ging mir
darum, am Anfang überhaupt eine emotionales Klima von Offenheit
zu schaffen, das ermöglicht hat, sowohl darüber zu reden, daß ich
in meiner Arbeit Fehler gemacht habe, als zuzulassen, daß ich kon-
kurriere mit den anderen, daß ich Einfluß haben will, daß ich
dann, wenn ich mehr Informationen habe, mehr Einfluß auf die Gruppe
habe; das überhaupt einzugestehen, das habe ich versucht über TZI
überhaupt erst aufzudecken. Insofern ist die Frage, ob das nur
bei neuen oder auch bei bereits bekannten Leuten auftritt, nicht
so wichtig.
F: Was heißt da "methodisch vorgehen"?
2. TZI ALS METHODE
B: Da müßte man ganz kurz sagen, was die Methode beinhaltet. Die Me-
thode geht einmal von der Autonomie des Einzelnen aus, d.h. das
Grundprinzip ist, "Jeder sei sein eigener Chairman", sein eige-
ner Vorsitzender. Sie geht weiter davon aus, daß es notwendig ist,
wenn ich mein eigener Vorsitzender bin, auch wirklich meine Mei-
nung einzubringen. Da gibt es sogenannte Hilfsregeln, die Ruth
COHN nicht als Reglementierung verstanden wissen will, sondern
wirklich als Hilfestellung in der Kommunikation. Für mich er-
scheint immer sehr wesentlich die Regel: Man spreche per ICH und
nicht per MAN, weil man davon ausgehen kann, daß ich mich hinter
man und wir sehr schnell verstecken kann. So kann z.B. in einer
Sitzung, wenn jemand in der Gruppe ständig davon redet, man müß-
te doch das und jenes verändern, ich jetzt als Berater sagen,
kannst Du das jetzt mal für Dich sagen, was möchtest Du?
Eine weitere Hilfsregel: "Störungen haben Vorrang" bedeutet nicht,
wenn einem die Nase vom anderen nicht paßt, so eine Störung ein-
zubringen, sondern Cohn setzt hinzu, eine Störung, die mich be-
hindert, am Gruppenprozeß weiter teilzunehmen. D.h., ich habe
= 16 =
z.B. im Seminar mit Studenten beobachtet, wie eine Studentin bei
einem sehr intensiven Gespräch über Beziehungen plötzlich immer
mehr aus dem Kreis 'rausrutschte. Ich hatte das Gefühl, sie geht
aus dem Gespräch "raus und ich hatte sie angesprochen darauf, ich
würde gern wissen, was sie bewegt. Sie konnte ihre ganze persön-
liche Betroffenheit mitteilen, die sie den ganzen Tag vorher schon
bewegt hat, die sie hinderte, ganz konkret an diesem Prozeß teilzu-
nehmen. Nachdem sie das ausgesprochen hatte, was relativ kurz war,
war sie
a) durch das Aussprechen bereits wieder in der Gruppe drin und
b) war sie nachher in der Lage, nachdem diese Entlastung passiert
ist, weiter mitzuarbeiten.
Das kann sehr nach einer therapeutischen Geschichte aussehen, weil
dabei natürlich Verhaltensmechanismen deutlich werden können, die
darauf hindeuten, daß dieses Gespräch vom Thema völlig weggehen
würde und im Grunde zu einem ganz stark therapeutisch gefärbten
Gespräch würde, wenn man voll darauf eingeht. Da aber Cohn sich
ganz klar abgrenzt, sowohl gegen eine Therapie-Gruppe, als auch
gegen reine Gruppendynamik, muß ich an der Stelle als Leiter so-
zusagen den Versuch unternehmen, sie zwar wieder einzubeziehen
in die Gruppe, aber am Thema weiterzuarbeiten.
Deshalb "Themenzentriert".
Genau!
Cohn geht von einem sogenannten Dreieck aus in der Gruppensitua-
tion, von drei bzw. vier Gruppenfaktoren: Das Thema als oberstes
Prinzip, die einzelnen Ichs und das Wir der Gruppe unter Einbe-
ziehung dessen, was in der Umwelt passiert. D.h., ich komme ein-
fach in eine Gruppe und bringe meine Vorerfahrung mit, bringe all
das mit, was ich am Tag erlebt habe. Cohn geht davon aus, wenn
einer dieser drei Faktoren: Thema, Ich, Wir ins Übergewicht ge-
rät, sollte der Leiter das Gleichgewicht wieder herzustellen ver-
suchen, d.h., eine sogenannte Balance zwischen Thema, Ich und Wir.
Das bedeutet, daß ich als jemand, der mit der themenzentrierten
Interaktion arbeitet, darauf achtet, daß z.B. so ein Gespräch
nicht in eine reine therapeutische Situation übergeht, indem ich
in immer tiefere Tiefen gehe, sondern immer wieder sehe, wo ist
mein Thema und wo muß ich eigentlich weiterarbeiten.
: Aber das kann natürlich auch zu dem Punkt kommen, wo so ein per-
sönliches Problem, das in so einer Gruppe nicht angegangen wer-
den kann, weil es so ein therapeutisches Herangehen erfordern
würde, so störend ist, daß die Gruppe unter Umständen nicht wet-
terarbeiten kann.
Ich denke, daß es dann notwendig ist, daß sich die Gruppe mit der
Frage auseinandersetzt, ob sie damit noch arbeiten will oder nicht,
bzw. denjenigen in die Lage versetzen kann, zu sagen, ich kann da
eigentlich nicht mitarbeiten, mich stört das so, ich muß etwas
anderes dafür unternehmen.
Dafür habe ich ein Beispiel: Ich hatte eine ganz junge Kollegin
vor einem halben Jahr bei uns, die hatte ganz starke Schwierig-
keiten, ihre Arbeit zu organisieren, was zuerst Gegenstand ei-
nes Gruppengesprächs war: Möglichkeiten der Hilfe aus der Gruppe,
wie können wir etwas besser organisieren, wie können wir Dich ent-
E. Y: n
F:
F:
: Mehr ist es im Grunde auch nicht,
: Man kommt eher dahin, s
lichkeiten gibt es noch, um be-
stimmte Dinge besser in den Griff zu kriegen, wo läßt Du die Dinge
zu stark an Dich herankommen, war ein Gespräch in so einer Gruppen-
sitzung. Es stellte sich aber nach zwei bis drei Sitzungen heraus,
daß das nichts nutzte und daß die Gruppe in der Weise reagierte,
daß sie der Kollegin ganz deutlich machte, dies ist kein Organi-
sationsproblem und kein Gruppenproblem, sondern das ist De in
Problem und es liegt auf einer anderen Ebene. Es liegt auf der
Ebene, wo Du ganz für Dich in therapeutischer Hinsicht etwas tun
mußt. Das hat sie auch gemacht, sie hat eine Art Verhaltensthera-
pie angefangen und inzwischen sind die Arbeitsstörungen, die ein-
deutig mit ganz anderen Dingen, mit Vorerfahrungen in ihrer frühen
Kindheit zusammenhingen, aufgearbeitet worden und waren nicht mehr
Gegenstand der Gruppe. Also sie arbeitet inzwischen. Es ging bei
ihr bis hin zu der Überlegung, bin ich hier nicht überhaupt unge-
eignet, will ich überhaupt in der Familienfürsorge arbeiten, will
ich nicht vielleicht ganz etwas anderes machen, will ich überhaupt
Sozialarbeit? - Also diese Fragen sind in der Gruppe besprochen
worden, aber nicht weiter. Dies scheint ein ganz wichtiger Punkt
bei der TZI zu sein, daß ich darauf achte, daß eben nicht so reine
gruppendynamische Trainingsgruppen daraus werden.
lasten, welche Organisationsmög
Was mir an dem auffällt, was Du erzählst von dieser themenzentrier-
ten Interaktion, das ist eigentlich für mich so ein Bewußtmachen
und noch 'mal ein bißchen genauer benennen, von etwas, was man
sich im Alltag so unter einem vernünftigen Gruppengespräch vor-
stellt. Es dient einfach zur eigenen Kontrolle, scheint mir eine
Systematisterung von Selbstverständlichkeiten, wenn tn der Gruppe
was laufen soll zu etnem bestimmten Thema.
wobei ich dazu sagen muß, daß
Ruth Cohn das ganze zu einer Ideologie stilisiert. D.h., daß sie
ja auch von dem Postulat "Sej Dein eigener Chairman" spricht. Ich
kann davon ausgehen, daß es eine Selbstverständlichkeit ist, au-
tonom mich im Gruppengespräch einzubringen. Diese Selbstverständ-
lichkeit ist aber im Alltag keine Selbstverständlichkeit. Ich mei-
ne, diese Hilfsregeln "Störungen haben den Vorrang", "Sprich per
ICH und nicht per MAN", "versuche, den anderen nicht zu interpre-
tieren, sondern versuche, den Hintergrund Deiner Frage dem ande-
ren zu vermitteln" - sind eigentlich Selbstverständlichkeiten,
aber diese Selbstverständlichkeiten sind in unserer Verformung
im Umgehen miteinander eben nicht so selbstverständlich.
so etwas, wohin eigentlich auch
kluge Leute, die mit Gruppen arbeiten und eine bestimmte Senst-
bilität haben, kommen können, ohne die Bücher von Cohn gelesen und
die Kurse gemacht zu haben, wo man aber, wenn man den Kurs macht
und die Bücher gelesen hat, vielleicht eher hinkommt.
o etwas zu systematisieren. Ich bin auch
ganz ehrlich, daß mir diese Methode - Cohn hört das Wort Metho-
de überhaupt nicht gern - auch sicher ein Stück auf den Leib ge-
schrieben war, weil ich glaube, daß ich vorher viele Dinge, die
da benannt sind, nicht so benannt habe. Die habe ich vielleicht
mit anderen Worten benannt.
Ich wollte damit sagen,es tst
Fe ES
3. VERHALTNIS BERATER — GRUPPE
F?
Nun wird ja dieser Ansatz nicht nur propagiert für Leute, die schon
in einer Gruppe drin sind, sondern besonders auch von der Koser-
straße angewandt für Berater. Das ist doch noch ein bißchen etwas
anderes. Nicht nur die Leute, die in einer Gruppe drin sind, die
zu einer Gruppe dazugehören, sondern besonders Leute, die in ei-
ne Gruppe 'reingehen und da das Gespräch strukturieren sollen
und mit Hilfe dieses Ansatzes die Gruppenmitglieder befähigen sol-
len, sich nach diesen Regeln zu verhalten.
: Ein Beispiel: Wenn ich hier ein fakultatives Seminar mit Studen-
ten anbiete zur themenzentrierten Interaktion, dann bin ich in
der Funktion erst einmal des Beraters, d .h., des Vermittlers der
Methode. Wenn Du das umsetzt, transformierst, wäre ich in der Si-
tuation des Beraters im Praxisfeld, d.h., ich gehe davon aus, die
mit mir Zusammensitzenden zu befähigen,
a) sich entsprechend dieser Methode im Gruppengeschehen zu ver-
halten und
b) - das ist auch das Anliegen von Cohn - sie zu befähigen, die-
se Methode in anderen Bereichen genauso zu benutzen.
F: Also selbst dann auch die Rolle des Beraters zu übernehmen.
: Und zwar ist es so, daß bei dem Leiter nicht davon ausgegangen
wird, daß er immer die Person non grata ist, sondern daß der Lei-
ter wechseln kann. Das heißt, wenn alle begriffen haben, was die
Regeln beinhalten, wenn jeder für sich in Anspruch nimmt, sein ei-
gener Chairman zu sein, kann jeder Einzelne Leiter sein.
: Das heißt, er verpflichtet sich, bloß besonders aufzupassen....
B: Der Leiter ist immer der Hüter der Regeln.
>
Wenn alle Gruppenmitglieder die Regeln praktisch verinnerlicht ha-
ben, kann jeder Leiter sein.
. BERATERTÄTIGKEIT KONKRET
: Ich würde jetzt ganz gerne auf die konkreten Sachen eingehen.
Kannst Du ungefähr sagen, wie es zu dieser Beratertätigkeit ge-
kommen ist?
1967/68 habe ich den Supervisoren-Lehrgang gemacht. Also ich muß
1970 da ungefähr eingestiegen sein. Es muß 1967/68 auch diese Dis-
kussion gelaufen sein über das Modell der bürgernahen Sozialar-
beit und die Entwicklung der Modelle von Kosmale. Dem ist die
Herausverlagerung einzelner Familienbezirke in Außenstellen und
eine große FaFü-Tagung vorausgegangen, in der Fragen von Teams
und Teamberatung besprochen worden sind. Da hat diese Gruppe ge-
sagt, wenn wir 'rausgehen, dann gehen wir nur mit ganz bestimmten
Leuten raus und wir suchen uns einen Berater.
: Und wie kamen die darauf, was stand da für eine Vorstellung da-
hinter?
: Diese Gruppe hat gesagt, wir haben noch nie zusammen gearbeitet.
Wir können zwar miteinander, aber wissen eigentlich gar nicht, wie
wir aufeinander reagieren.
a 19 =
F: Das war das Stichwort "teamfähtig werden".
en hat das nachher auf den Kreis der
de der Hintergrund, wie diese Gruppe
sich gebildet hat. Sie haben dann offensichtlich sehr schnell,
im ersten halben Jahr, festgestellt, daß zwei Leute nicht zu ih-
nen paßten. Den Prozeß kann ich nicht genau nachvollziehen, jeden-
falls sind zwei rausgegangen und zwei neue Kollegen sind dazugekom-
men und dann bin ich eingestiegen. Meine Vorstellung war von vorn-
herein die, mich nicht zu beschränken auf den inneren Gruppenprozeß,
sondern einzubeziehen, was Cohn sagt: Thema, die ICHs, die WIRs und
die Umwelt - und Umwelt heißt hier das ganz konkrete Berufsfeld,
d.h., die Organisation, in der sie sich befindet.
Das waren meine beiden Füße, einmal die interne Gruppensituation
und zum anderen die Situation der Gruppe innerhalb der Institu-
tion. Ich habe auch am Anfang - nachdem ich zwei Sitzungen mit-
erlebt hatte, wo ich das Gefühl hatte, ich komme jedesmal in den
Kühlschrank - gesagt, also, so kann ich nicht arbeiten, ich spü-
re, daß Ihr Erwartungen an mich habt, die ich nicht erfüllen kann
und will, - meine Vorstellung ist die Sache mit den zwei Füßen,
Ich möchte, daß
und da habe ich auch einen politischen Anspruch.
sich da etwas in Bewegung setzt, daß Kontakte zu anderen Gruppen
entstehen, ich möchte nicht nur imeigenen Saft braten. Und nach-
dem ich das so offen ausgesprochen habe, habe ich gesagt: Ihr
könnt Euch entscheiden, was Ihr wollt - da habe ich die Methode
auch noch mal vorgestellt - das ist meine Vorgehensweise, das
sind meine Ziele, und wenn Ihr mit mir arbeiten wollt, könnt Ihr
das und wenn nicht, dann müssen wir uns trennen. Dann haben sie
14 Tage Zeit gehabt und haben sich entschieden, sie wollen mit
mir weiterarbeiten. Um das immer wieder zurückzubeziehen auf die
Methode: Ich habe mich von meiner Person also sozusagen autonom
verhalten, d.h., ich habe ganz klar gesagt, was ich will, was ich
kann und wie ich mich weiter verhalten werde. Hätte so Schlängel-
geschichten machen können, weil ich mich nun besonders geschmei-
chelt fühlte, so eine Beratung zu machen, aber das wäre nicht im
B: Genau, und welche Auswirkung
Betroffenen. Das ist im Grun
Sinne von TZI gewesen.
Und danach sind wir sozusagen von innen nach außen gegangen - wir
haben zuerst versucht, die in sich verhärtete Gruppenstruktur auf-
zubrechen, d.h., das, was ich vorhin schon angeschnitten hatte:
Ängste, voreinander Dinge auszubreiten; Machteinfluß; Nähe - Di-
stanz, - all diese Fragen zu bearbeiten und dann zu sagen, wo
steht die Gruppe innerhalb der Institution. Das war der nächste
Schritt. In der ersten Phase hat sich die Gruppe ganz stark nach
außen abgekapselt, was zu Negativ-Reaktionen der Kollegen führte.
Der zweite Schritt war die Auseinandersetzung mit der Amtsleitung,
dieser deutlich zu machen, was läuft bei uns, zugleich ganz klar
zu sagen, was will die Gruppe, was braucht sie. Zum Beispiel sind
da klar die Fragen der Mitentscheidung bei Einstellungen gelaufen.
In der Zeit hat die Amtsleitung z.T. Bewerber davon abgehalten,
sich in diesem Team vorzustellen, weil ja so eine Gruppe unheimli-
che Anforderungen stellt und Mehrarbeit und was weiß ich noch al-
les fordert. Nachdem ich das zufällig über eine ehemalige Studen-
tin erfahren habe, wie der Ablauf war, - dieses allerdings nur
durch Zufall - habe ich das in die Gruppe eingebracht. Wir haben
versucht, zu intervenieren und haben erreicht, daß Bewerber sich
a A
zuerst im Team vorgestellt haben und wenn das Team gesagt hat, ja,
die wollen wir, dann wurde sie eingestellt. Das lief immer so, daß
die Bewerber sich erst in der Arbeitsstelle selbst vorstellten und
dann nochmal zu einem Gespräch mit mir zusammen in die Koserstraße
kamen, wo insbesondere abgecheckt worden ist die Frage: Was sind
die Vorstellungen im Team, wie sieht das Konzept aus, und die
Frage an den Bewerber: Kannst Du eigentlich damit etwas anfangen,
willst Du eigentlich hier arbeiten, welche Vorstellungen hast Du sel-
ber, was willst Du einbringen, was bist Du bereit, einzubringen,
welche Vorstellungen hast Du von der Arbeit? Da ist es ein paar
Mal passiert , daß jemand sagte, nein, unter diesen Bedingungen
nicht, ich will im Grunde doch lieber so was für mich machen. Oder
jemand sagte, nein, wenn i:h mir das genau ansehen, Familienfür-
sorge will ich gar nicht. Das ist dem aber erst klar geworden in
dem Gespräch....
Das waren so erste Erfolge, die nach außen zu verzeichnen waren,
das war die Auseinandersetzung mit der Amtsleitung.
Und die dritte Auseinandersetzung war die Auseinandersetzung mit
Kollegen, deutlich zu machen, was passiert eigentlich und auf dem
Hintergrund - und dies war ein langgehegter Wunsch meinerseits -
da auch stärker den Informationsfluß an der Basis zu vergrößern,
so etwas wie einen Außenstellentreff zu gründen. In Zusammenarbeit
mit einem anderen Team ist dann dieser Außenstellentreff gegründet
worden.
: Kommen noch andere Außenstellen dazu?
Ja, vier im ganzen. Dieser Außenstellentreff ist ein Informations-
kreis der Basis, wo Informationen, die von vielen Seiten einflies-
sen, ausgetauscht werden. Das hat mehrere Male dazu geführt, daß
die Amtsleitung Farbe bekennen mußte, also auch ganz klar sagen
mußte, wo sie steht. Wobei ich dazu sagen muß, daß das Anfang der
/oer Jahre möglich war und zur Zeit eben Tendenzen bestehen, so-
wohl den Außentreff zu beschneiden, als auch die Beratung. Ich
bin ganz ehrlich, wir haben die Beratung nur behalten können, weil
die Fachhochschule sie in Form der Fortbildung für Kollegen über-
nommen hat. Ich wäre weg vom Fenster, wenn wir das nicht übernom-
men hätten. Und dazu muß man sagen, daß dieses Team - ich arbei-
te jetzt schon fünf Jahre da - inzwischen eine völlig neue Grup-
pe ist. Es ist eine einzige Kollegin vom Anfang noch dabei. Im
letzten halben Jahr hat es so stark fluktuiert, es sind einige
Kollegen nach Westdeutschland gegangen aus ganz persönlichen Grün-
den - wie Eheschließung und Hausbau in Westdeutschland und solche
Geschichten - und diese Gruppe ist im Grunde eine völlig neue und
ist jetzt daran zu überlegen: Ist das Konzept, was wir haben, ei-
gentlich richtig, müssen wir nicht neu überlegen, wird den Betrof-
fenen eigentlich genug Rechnung getragen, haben wir nicht im Grun-
de zu viel an uns gedacht, müssen wir nicht vielmehr noch geziel-
ter daran arbeiten, für die Betroffenen Hilfen zu erarbeiten? Im
Grunde sind wir jetzt an dem Punkt, wo der Betroffene sehr viel
stärker im Mittelpunkt steht. Persönlich finde ich das sehr gut,
wobei ich aber sehe, daß das Umfeld, also sprich die Arbeitsbe-
dingungen im letzten halben Jahr sich massiv verschlechtert ha-
ben.
E. ;
5. SCHWIERIGKEITEN MIT DER AMTSLEITUNG
F: Du sagst, inzwischen wird das nicht mehr so gern gesehen von der
Amtsleitung und zum Teil behindert. Welche Gründe oder welche In-
teressen standen dahinter, daß die Amtsleitung diese Außenstellen-
bildung, Teambildung und die Beratung ursprünglich unterstützt
hat?
B: Dazu muß man sagen, daß die stellvertretende Amtsleiterin in der
Koserstraße fortgebildet ist und daher die Gründung der Teams
initiiert hat, da sie Gemeinwesenarbeit aufgebaut hat und selbst
ganz stark an Gruppenarbeit interessiert war,
Sie selbst war, so lange sie Sozialarbeiterin war, sehr am Aufbau
von Gruppen und einem hohen Grad von Interaktion zwischen den Kol-
legen interessiert. In dem Augenblick, wo der Wechsel stattgefun-
den hat vom Sozialarbeiter im Feld zu der leitenden Funktion, ist
sie in den Widerspruch geraten, in ihrer Funktion als stellvertre-
tende leitende Sozialarbeiterin Aufgaben übernehmen zu müssen, die
vom Inhalt her verwaltungsmäßig bestimmt und nicht pädagogisch
bestimmt waren, d.h., sie ist in einen Konflikt geraten, den sie
einmal für sich selbst austragen mußte und zum anderen als Kon-
fliktpotential an diejenigen weitergeben mußte, die praktisch dann
unter ihr standen.
Am Anfang glaube ich ganz eindeutig, daß da wirklich so was wie
hehre Absicht war, pädagogische Vorstellungen innerhalb des Amtes
verwirklichen zu können, sozusagen dieses Amt zu einem besonders
vorbildlichen im Sinne von Sozialarbeit/Sozialpädagogik zu machen,
fortschrittlicher Sozialarbeit. Sie sind, glaube ich, einmal immer
stärker in die Zwänge geraten von der Verwaltung, was auch bein-
haltet, die materielle Basis zu haben, was Beratung, Fortbildung
etc. betrifft, und zum anderen ist ihre Machtposition in dem Au-
genblick, in dem sich kleine Zellen außen bilden, wo sich ein
Außenstellentreff bildet, ist ihre Machtposition in ihren Augen
gefährdet worden. Wie sie mir auch immer ganz offen mitteilte:
"Sie müssen das bitte verstehen, aber wir wissen doch gar nicht
mehr, was da draußen passiert und auf einmal richtet sich das
gegen uns", Die letzte Ausschreibung im Fortbildungsprogramm der
Fachhochschule hat so viele Ängste mobilisiert , daß sie das
Team diese Fortbildung nicht machen lassen wollte, weil "rote
Lämpchen glühten", als sie den Text lasen, wo das Wort "Solidari-
tät" drinstand. Diese Solidarität von Betroffenen, nämlich Kolle-
gen an der Basis, könnte und würde sich ja ganz sicher gegen sie
richten. Anstatt zu begreifen - da kann ich immer die Wut krie-
gen - daß, wenn ich mir dieses zunutze mache, ich ein Potential
habe, mit dem ich woanders, nämlich den Leuten gegenüber, die
wiederum über mir sitzen, auftreten kann. Das ist überhaupt nicht
genutzt worden, es ist furchtbar überängstlich gebangt worden um
die eigene kleine Machtposition.
F: Ja aber, das, was Du sagst, daß ste begreifen, daß sie gegenüber
den nächsthöheren Stellen dann auch gemeinsame Sachen durchsetzen,
das würde ja voraussetzen, daß sie ein Engagement in bezug auf die
Arbeit selbst und letztlich auch den Klienten gegenüber haben.
B: Das würde ich bestreiten, daß sie dieses Engagement noch haben in
den höheren Stellen. Sie argumentieren nur noch verwaltungsmäßig
und nicht mehr pädagogisch.
War das früher so anders oder haben sie diese Folgen, die die Bil-
dung der Außenstellen und die Beratertätigkeit da hat, nicht sehen
können?
Sie haben die Folgen nicht gesehen, würde ich sagen, sie haben
nicht einschätzen können, daß das ein ganz massives Potential ist,
sie haben geglaubt, jedes Team kocht sein Süppchen in seinem Töpf-
chen und die Töpfchen haben nichts miteinander zu tun und jedes
Töpfchen kann dann am Strippchen von der Leitung her mit dem großen
Löffel immer mal angerührt werden. Dieses passierte nicht, die Töpf-
chen taten sich zusammen und unternahmen etwas gegen den großen
Rührlöffel und dieses war nicht entsprechend.
6. VERLAUF EINER SITZUNG
pe
Wie läuft so eine Sitzung ab?
Ihr habt einen bestimmten Termin, Du fährst da raus - oder wie
steht das aus?
: Wir treffen uns alle 14 Tage in der Koserstraße und haben drei
Stunden zur Verfügung.
: Während der Arbeitszeit?
: Während der Arbeitszeit. Wir treffen uns in der Koserstraße, um un-
gestört zu sein von Telefon und Rückfragen z.B. der Amtsleitung.
: Habt Ihr das ursprünglich da draußen gemacht und seid dann unge-
zogen?
: Nein, wir sind von Anfang an in der Koserstraße gewesen.
: Aber Du fährst zwischendurch auch mal raus?
Ich fahre zwischendrin mal raus, aber das sind dann Termine, die
in der Regel nichts mit Beratung zu tun haben.
Die erste Frage ist eigentlich immer, welche konkreten Probleme
sind für Euch im Augenblick wichtig und da kommt zum Beispiel
wie in der letzten Sitzung das Problem, es hat eine Bezirksneu-
aufteilung stattgefunden, wir haben Fälle dazubekommen. Wir ha-
ben in der Sitzung davor überlegt, sind eigentlich die Kriterien
der Aktenablage, sind die eigentlich, so wie wir sie bisher gehand-
habt haben, noch relevant? - Und wir haben festgestellt: Sie sind
nicht mehr relevant, nachdem wir Vergleichszahlen und Vergleichs-
kriterien haben aus anderen Teams. Wir haben festgestellt, das
müssen wir überdenken, haben neue Kriterien entwickelt. Ich habe
von einigen Dingen auch nicht gewußt, wie das gehandhabt wird und
war zum Teil ein bißchen erschrocken, daß Fälle da unter den Tisch
gefallen sind, denen man hätte zumindest noch einmal nachgehen
müssen oder zumindest das Angebot machen müssen von Beratung.
Wir haben diese Kriterien überarbeitet und da jetzt die Frage an-
stand, wir sollen auch noch eine halbe Stelle abgeben und neue
Fälle dazukriegen, kam die Frage, wie können wir uns dagegen weh-
ren? Da stelle ich sozusagen das Team vor das Problem: Ja, welche
- 23 =
Möglichkeiten seht Ihr, wie sieht die Gruppe ihre eigene Situation?
Dann haben sie ein paar Punkte aufgezählt, womit sie sich wehren
könnten und Kriterien aufgezählt, die eigentlich dagegensprechen,
ihnen die halbe Stelle wegzunehmen. Und die nächste Frage: Wie
wollt Ihr damit umgehen? Da war so ein bißchen Unsicherheit: Wann
steht das nächste Gespräch an mit der Amtsleitung? Ja, in 14 Tagen.
Gut, in 14 Tagen - was können wir dazu tun? Da habe ich dann ein
Rollenspiel vorgeschlagen. Da waren also drei die Amtsleitung und
die anderen vier waren das Team und da ich ja Teamberaterin bin,
habe ich das Team während der Vorüberlegungen beraten. Ich habe
mich zum Team gesetzt und wir haben überlegt, wie können wir die
Argumente - und jetzt kommt wieder TZI - so einbringen, daß sie
wirksam werden können, das heißt also nicht mit verteilten Rol-
len, sondern wer kann wozu am besten etwas sagen? - So vorberei-
tet sind wir dann in den Ring gestiegen. Die Amtsleitung hat die
Amtsleitung in einer Art und Weise gespielt, daß ich immer gedacht
habe: Meine Güte, sitzt da die Leitende selber? - Es ist ja nicht
zu fassen! Es war ausgezeichnet, aber wir hatten mit unserem Team
überlegt, mit welchen Argumenten könnte die Amtsleitung uns kom-
men und wir haben genau diese Argumente, die dann kamen, vorüber-
legt und hatten für jedes Argument auch eine entsprechende Antwort.
Ich hatte das Gefühl, so vorbereitet auf das nächste Amtsleiter-
gespräch - also sie hatten das Gefühl selbst - ja, damit kön-
nen wir in den Ring steigen. Unvorbereitet wären wir nicht in den
Ring gestiegen.
Das wäre zum Beispiel so eine Sitzung, die ganz geprägt ist von
der Situation, die sich ergibt im Arbeitsfeld. Ich muß sowieso
sagen, daß sich insgesamt die Sitzungen immer stärker in Richtung
Organisationsberatung verändert haben.
Wir haben auch Sitzungen, wo z.B. jemand kommt, ich wiirde gerne
sehen, daß wir heute mal die Schwierigkeiten besprechen, die ich
hier habe, meine Arbeit zu organisieren. Das wird dann so einge-
bracht - häufig hat die Gruppe auch Fragen schon vorher überlegt.
Oder aber Neuorganisation, neue Kriterien für Aktenablage. Am
nächsten Mittwoch ist des Thema Aktenführung dran, - sie haben
sich gewünscht, mit mir darüber zu reden. Was heißt das eigent-
lich: Wie führen wir unsere Akten, Bedeutung von Aktenführung? -
Eigentlich ein Seminarthema, aber dabei spielt immer - um wieder
auf TZI zu kommen - so die Frage eine Rolle: Wie macht das jeder
einzelne oder wie fühlt sich jeder einzelne dabei, bestimmte Din-
ge reinzuschreiben oder bestimmte Dinge rauszulassen? - Welche
Zwänge bestehen, Sachen reinzuschreiben, Sachen nicht reinzuschrei-
ben, wie stark verwaltungsmäßig fühlt sich der einzelne gebunden?
F: Ich habe aber jetzt auch den Findruck, es geht dabei mehr um die
Arbeitsweise, um das Verhältnis der Kollegen zueinander. Konzepte
in bezug auf die Klienten, also Fragen, wie gehe ich mit bestimm-
ten Problemen der Klienten um bzw. wie verhalte ich mich dazu,
gibt es nicht?
B: Habe ich jetzt vielleicht nicht genügend ausgeführt, also z.B.
die Frage: Aktenführung oder Kriterien zur Aktenablage sind in-
haltlich gekoppelt mit der Frage: Kann ich einen Fall, wenn eine
Mitteilung kommt vom Amt V, also Familien- und Heimpflege, daß
Kindergatenschulden bestehen über 4.000,-- DM, kann ich das ein-
= Mi s
fach zur Ablage tun, oder welche Probleme kónnten bei dem relativ
geringen Satz, der zu zahlen ist in Kindertagesstátten, welche Pro-
bleme könnten dahinterstecken, welche Fragen müßte ich also in be-
zug auf den Klienten stellen? D.h., daß das nicht so formal abge-
handelt wird, sondern immer auch Fragen riickgekoppelt jetzt in be-
zug auf den Betroffenen erfolgen.
F: Ja, das ist mehr so eine sachliche Frage, würde ich sagen. Was
kommt bei so einer Beratung mit TZI für die Klienten heraus?
B: Ich kann das nicht so trennen. Ich denke, daß bei der Beratung,
wenn Arbeit einmal funktionaler und durchsichtiger wird, für Kli-
enten auch die Möglichkeit dabei herausspringt, schneller und adä-
quatere Hilfe zu kriegen. D.h., je kompetenter ich mich mache in
bezug auf Abläufe, in bezug auf Wissen, in bezug auf Information,
desto kompetenter werde ich für die Klienten, und genau an der
Stelle meine ich, ist auch die Verbindung zum Klienten hin zu se-
hen.
7. DAUER DER BERATUNG — WER SOLL BERATEN?
F: Und Du würdest sagen, daß so eine Beratung laufend diesen Informa-
tionsfluß anzuregen hätte und, wenn neue Kollegen reinkommen, sie
in diese Gruppe einzuführen und in diese Arbeitsweise reinzubringen?
Ich frage, weil diese Beratung ja, wenn ich das richtig sehe, gu-
te 5 Jahre besteht, aber bisher nicht abgeschlossen ist und wahr-
scheinlich von der Seite der Sozialarbeiter her nicht daran ge-
dacht wird, sie irgendwann abzuschließen.
B: Nein. Und zwar kann man an dieser Gruppe sehr gut aufzeigen, daß
das Eintreten eines neuen Gruppenmitgliedes immer die Veränderung
der Gesamtgruppe bedeutet., d.h., es werden immer in Wellenbewe-
gungen die gleichen Prozesse noch einmal durchlaufen, vielleicht
wie in konzentrischen Kreisen, daß sich das Niveau im Laufe der
Jahre etwas verändert. Ich glaube aber, daß Beratung deswegen im-
mer notwendig ist, weil die Gruppe ein Ingroupverhalten entwickelt,
was im Grunde nur aufgebrochen werden kann durch Anreize von außen.
Deswegen würde ich immer dafür plädieren, einen Berater zu haben,
der nicht aus der Institution kommt, der mit ganz anderen Leuten,
möglicherweise auch mit ganz anderen Dingen zu tun hat, als mit
dieser Organisation oder Institution.
F: Es ist eigentlich ein sehr abschreckender Beitrag, den wir hier
produzieren, weil gleichzeitig sehr viel Positives genannt wird,
was so eine Beratung bewirkt, aber andererseits durch die Ten-
denz, daß das eigentlich immer laufen muß, man das jeder Insti-
tution vergraulen kann, schon allein vom Finanziellen her.
B: Ich glaube, daß die Tatsache, daß die Teams auch nach 5 Jahren
noch funktionieren, der Beratung zuzuschreiben ist. Ich kann von
anderen Teams in Berlin berichten, die alle relativ schnell ka-
putt gegangen sind, weil Berater zugleich Vorgesetztenfunktionen
oder Supervisorenfunktionen hatten und in Abhängigkeit und Gegen-
abhängigkeit geraten sind, was jede Beratung und damit die Team-
arbeit letztlich kaputt macht.
- 25 =
: Das ist die eine Seite, - und die andere Seite ist, daß man et-
gentlich sagen muß, wenn so etwas immer noch nötig ist, ist es kei-
ne Methode, die die Leute instandsetzt, es irgendwann alleine zu
machen. Oder ist es auch nötig,weil wir alle eigentlich das Zu-
sammenarbeiten nicht gelernt haben, weil wir allein letztlich nicht
teamfähig sind?
: Das würde ich nicht sagen. Man muß es etwas abschwächen. Ich würde
sagen, daß die Gruppe schon fähig ist und fähig wäre, über einen
längeren Zeitraum, so wie sie jetzt ist, zu funktionieren. Im Grun-
de könnte man Beratung mit größeren Pausen machen im Sinne von Kon-
sulationen. Wir tun das nicht, weil es im Augenblick für uns ei-
ne politische Frage ist, wir werden von allen Ecken und Enden be-
schnitten, wir haben uns das hart und bitter erkämpft und das ge-
ben wir nicht auf.
: Bedeutet das nicht auch so eine Art Gruppen-Egoismus, daß so eine
Sache es praktisch verhindert, daß andere Leute sagen, das machen
wir auch? Weil die Amtsleitung immer sagen kann: Das ist zu teuer,
während, wenn wir auf diese sporadischen Konsultationen eingehen,
möglicherweise das auch eher Verbreitung fände?
: Ich glaube, daß man Teams mit Hilfe von TZI, was ja beinhaltet,
daß jeder auch Leiter sein könnte, zur Selbständigkeit befähigen
kann, wenn die Gruppe konstant bleibt. Wobei ich meine, daß von
Zeit zu Zeit Impulse von außen notwendig sind, weil die Binnen-
struktur sich im Laufe der Zeit in der Regel verdichtet. Wir waren
eine Zeitlang so weit, daß ich gesagt habe, ich würde gerne aus-
steigen, weil ich meine, die Gruppe kann das durchaus alleine.
Dann ist dieser massive Wechsel eingetreten und ich habe gesehen,
die Gruppe brauchte gerade jetzt doch wieder Hilfe von außen.
8. ZUM POLITISCHEN STELLENWERT THERAPEUTISCHER METHODEN
Fa
Die Beratung in dieser Form reiht sich ein in eine Verbreitung
von psychotherapeutisch orientierten Methoden allgemein, zu-
mindest war dieser Ansatz einer, der von anderen vielleicht noch
stärker therapeutisch strukturierten Methoden gefolgt wurde.
Wie schätzt Du eigentlich die Stärke der Entwicklung von therapeu-
tischen Methoden ein, wie sie in den letzten Jahren erfolgt ist,
im Hinblick auf die Sozialarbeit und die Klienten?
: Also, seit Mitte der 6oer Jahre ist so ein Punkt: Weg von nur
finanzieller Hilfe - hin zu beratenden Funktionen. Dann, so An-
fang der 7oer Jahre im Sinne von Familienberatung, neuen psycho-
logischen Methoden, wie als erstes die klientenzentrierte Gesprächs-
methode, dann der kommunikative Ansatz, dann der integrative An-
satz, der verhaltenstherapeutische Ansatz. Ich würde sagen, daß
die Hinwendung zu diesen Methoden ein Versuch ist, Beratung zu le-
gitimieren. Ich meine, man muß sehen, daß im Grunde das, was So-
zialarbeit beraten kann, relativ wenig ist, d.h. also, ursäch-
lich in der Regel ökonomische Gründe vorhanden sind, die besei-
tigt werden müssen, um bestimmte Hilfen anbieten zu können. Das
bedeutet aber, daß eine Verlagerung auf den psychischen Breich
sozusagen mein sozialarbeiterisches Handeln legitimiert. Da ich
wenig Möglichkeiten habe, die Ursachen zu beseitigen, muß ich
26 =-
24
gucken, was sind die Erscheinungsformen, um an den Erscheinungs-
formen weiterzuarbeiten, und die kann ich dann auf weitgehend in-
dividuelle Verhaltensweisen zurückführen. Ich kann also sagen, die
Familie kommuniziert. Ich sehe, die Kommunkation in der Familie
ist schlecht - das wäre die Erscheinungsebene - also setze ich
an der Erscheinungsebene an und suche mir sozusagen ein psycholo-
gisches Instrument, um an dieser Erscheinungsform etwas zu ver-
ändern. Damit erfolgt zugleich - und ich meine, daß man diesen
Aspekt nicht unterschätzen darf - eine Aufwertung des Berufs-
standes des Sozialarbeiters, d.h., er ist nicht nur Büttel der
Verwaltung, sondern er ist etwas in Annäherung zum Psychologen,
welcher immer oder weitgehend von Sozialarbeitern als etwas Erstre-
benswertes eingeschätzt worden ist. Ich vergesse nie die Äußerung
einer Kollegin, die mir mitteilte: Wenn ich so in gruppendynami-
schen Seminaren bin, habe ich mich eigentlich nie als Sozialarbei-
terin gefühlt, sondern immer so als Psychologin. Das macht es im Grun-
de deutlich. D.h., es war erstrebenswert, Methoden zu erlernen,
die mich als Sozialarbeiter aufwerten, d.h., ein therapeutisches
Instrumentarium zu haben, um Hilfe zu leisten, wobei übersehen
worden ist - meines Erachtens - daß es eben weitgehend Arbeit
an den Erscheinungsformen ist.
Also, auf den Klienten bezogen, entfernen die Methoden einen ei-
gentlich ein Stück weiter von den Problemen, soweit sie materiel-
ler Art sind.
: Ja. Einmal das, und zum anderen habe ich selber erfahren, daß ich
mit den Methoden, die ich gelernt habe - und es ist nicht direkt
die Gesprächsmethode, es ist Familientherapie, es ist der kommu-
nikative Ansatz - daß ich damit den Klienten, mit denen ich umge-
hen muß, nicht helfen kann, weil es nicht die Ebene ist, auf der
es mit den Klienten, mit denen ich konkret etwas zu tun habe, über-
haupt die Möglichkeit gibt, zu arbeiten. Mich hat mal, das ver-
gesse ich nie, ein 13 Jahre altes Mädchen plötzlich gefragt: "Wie-
so wiederholst Du mich eigentlich immerzu?' Die hat das Spielchen
sehr schnell durchschaut, und es hat keinerlei Folgen gezeigt. Das
bedeutet, daß das also für mich Methoden sind - und das schreiben
andere ja auch - die das Klientenpotential, nämlich die Arbeiter-
kinder und die Arbeiter nicht erreichen. Ich muß im Grunde andere
Methoden entwickeln, so wie ich jetzt feststelle, daß ich mit den
ausländischen Kindern eben anders arbeiten muß, als ich es bisher
gewohnt war, pädagogisch zu arbeiten.
Worauf führst Du das zunehmende Interesse an psychotherapeutischen
Methoden zurück? Das kann ja, wie Du angedeutet hast, seine Ursache
in veränderten Problemlagen haben, mit denen die Sozialarbeiter
zu tun haben. Oder sind die Sozialarbeiter anders, haben die heute
andere Ansprüche?
Ich würde den Zusammenhang darin sehen, daß ohne die Ursache er-
kannt zu haben, Sozialarbeiter sich in ihrem Arbeitsfeld unwohl
fühlen. Wenn ich mich unwohl fühle, versuche ich, das in irgend-
einer Weise zu beseitigen. Das kann einmal dazu führen, zu fragen,
warum fühle ich mich unwohl? - Dann kann ich dazu kommen: Weil ich
mich unbefriedigt fühle, weil ich im Grunde ja eine mittelmäßige
oder gar keine Hilfe anbieten kann. Oder es kann dazu führen,
w TE m
Fz
P:
: Das heißt eigentlich,
: Und mir scheint im Augenblick die Ge
: Nein. Diese Gruppe ist so frust
dieses Unbefriedigtsein mit Hilfe eines solchen psychologischen In~
riums zu verdrängen und mich selbst aufzuwerten, aufzuwer=
ten auch gegenüber dem Klienten und zu glauben, ich biete darüber
däquatere und bessere Hilfe an. Das hat
den Klienten auch noch a
sicher auch noch andere Ursachen. Ich sehe das im Zusammenhang mit
ärker zu verakademisieren, immer
der Tendenz, Sozialarbeit immer stä
weiter von der Basis zu entfernen, damit Ansprüche immer höher zu
schrauben in Richtung Theorie, also weg von dem, was eigentlich da
passiert, und damit muß ich unzufrieden sein mit der konkreten Tä-
tigkeit in der Sozialarbeit, d.h., ich muß immer mehr Mittel zur
Verfügung haben, um genau dieses Unbefriedigtsein zu verdrängen.
strumenta
eine Theorie nicht als ein Werkzeug zum Ver-
ständnis und zum Aufschließen der Wirklichkeit, sondern zum Uminter-
pretieren der Wirklichkeit.
stalttherapie so etwas zu sein,
was die Sozialarbeit im Augenblick ergreift. Ich denke aber, daß
das wichtig ist, so meine ich, die Ursachen nun nicht allein in
der Sozialarbeit zu suchen. Das sind ja nun wieder Niederschläge
anderer gesamtgesellschaftlicher Situationen, denn Du kannst also
auch bei Studenten beobachten, daß alles, was Bioenergetik ist und
ähnliche neuartige Richtungen, die etwas mit Körper und Entschwe-
ben zu tun haben, aufgesogen werden. Ich denke da an das Buch von
ZIEHE, die Frage nach der Entpolitisierung der Jugend, und für mich
die Frage, in welchem Interesse passieren genau solche Prozesse,
diemuß man auch als Gesamtes sehen, wenn man über Sozialarbeit dis-
kutiert.
Und auf welche Bedürfnisse stoßen die und wie werden solche Bedürf-
solche Sachen? Wie siehst Du in diesem Zu-
nisse umgebogen durch i i ;
sammenhang Deine Beratungstätigkeit? Wirst Du da nicht auch mit ähn-
liehen Interessen und Problemen der Sozialarbeiter konfrontiert?
: Ja. Du meinst jetzt Interessen Richtung Methoden?
: Psychologisieren, Therapien?
riert auf Grund der bestehenden Ar-
beitssituation, daß Psychologisieren sehr weit weg ist. Die haben
auch mit Gestalt und ähnlichen Geschichten nicht sehr viel drauf,
ob mit Hilfe oder ohne Hilfe - weiß ich nicht, aber wir sind in-
zu überlegen, wie können wir auch gewerkschaft-
zwischen so weit,
lich bestimmte Dinge in den Griff kriegen, also bei uns gibt es
in der Tat nichts mehr über Psychologie.
Aber das ist sicher zum einen der Erfolg so einer Arbeit, zum an-
deren vielleicht auch so ein Ausdruck einer FaFú-Sttuation, wo
damals Leute gesagt haben, man kann sich in der FaFü noch weniger
Leisten als in freien Beratungszusammenhängen.
: Ja, auch Erziehungsberatung. Wenn z.B. ein Sozialarbeiter in der
Erziehungsberatung sitzt und konkret mit Erziehungsproblemen kon-
frontiert wird und sieht, da gibt es einfach Probleme in der Be-
ziehung zwischen den Eheleuten, da finde ich es gut, wenn ein So-
zialarbeiter in der Lage ist, auch auf solche Probleme einzuge-
hen. Was aber für mich auch wieder nicht heißt, bis zum Frucht-
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Die satirische Zeitschrift
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ein Literaturmagazin
Sogar eins der besten. Denn außer Infor-
mationen über Bücher und Büchermacher
(„Kulturmarkt“), außer Auszügen aus bemer-
kenswerten Neuerscheinungen (,Leser's
Magazin“) bringt PARDON auch noch jede
Menge Spaß.
Und welche andere Bücherzeitschrift tut das
schon?
wasser der Großmutter zu psychologisieren, sondern zu sagen: Was
ist die konkrete Situation, wie kann ich den Leuten helfen, bes-
ser damit umzugehen. Aber an der Stelle modifiziere ich sicher
zum Teil diese Methode und das ist meine ganz persönliche Einstel-
lung dazu. Auch das, was m.E. Cohn nicht sieht, nämlich, daß ich
diese Methode auch modifizierenkann im Hinblick darauf, politi-
sierende Prozesse in Gang zu setzen. Da würde ich im Widerspruch
zu ihr stehen. Sie sagt z.B., man kann die Methode auch anwen-
den in jeder riesigen Versammlung und in jeder politischen Dis-
kussion. - Man kann es nicht! Wenn ganz klar Gegensätze vorhanden
sind, dann kann ich nicht mit unheimlich viel Offenheit und dem
Darbieten meiner Flanke dem anderen meine Position nahebringen.
Da würde ich ganz klar sehen, da funktioniert die Methode eindeutig
nicht. Ich würde sie wirklich beschränken auf Lehr- und Lerngrup-
pen.
: Das heißt aber jetzt, daß diese Methode ein ganz gutes Hilfsmittel
sein kann für Leute, die z.B. ihre Erkenntnisse über gesellschaft-
liche und politische Zusammenhänge schon haben und auch woanders
her haben. Daß die Methode selber aber in sich nichts Politisieren-
des hat, aber auch nichts Entpolitisierendes.
Das würde ich so sagen. Ich würde sagen, man kann sie benutzen,
um Prozesse in Gang zu setzen, aber in sich, als Methode, weist
sie keine Elemte von vornherein auf, die in Richtung Politisierung
laufen würden. Aber ich kann sie benutzen als Instrumentarium und
ich muß glaube ich, einen Standpunkt vorher haben, wenn ich damit
arbeite. Ich denke, daß ich TZI sehr anders vertrete als Kollegen
von mir, die die gleiche Methode praktizieren. Ich betrachte das
als Instrumentarium und als nicht mehr.
bläfter des y
blätter des informationszentrums dritte welt
Postfach 5328 D-7800 Freiburg
Die blätter des iz3w informieren über den Zusam-
menhang von kapitalistischer Wirtschaftsstruktur
und Elend in der Dritten Welt + über Theorie und
Praxis der Widerstandsbewegungen
Jahresabonnement bei 8 Nummern mit 40 - 60 Sei-
ten; DM 28,— /öS 200,-/Sfr 28,80 (für Studenten,
Zivildienstleistende und andere einkommensschwa-
che Gruppen nach Selbsteinschátzung: DM 20,—/
6S 140,—/Sfr 20,40) Kostenloses Probeexemplar anfordern!
WAHRNEHMUNG UND TRAINING SOZIALER KOMPETENZ
— EIN GRUPPENDYNAMISCHES SEMINAR —
EINIGE VOR— UND NACHBEMERKUNGEN ZUM SEMINAR
Eine Fortbildungsstätte für Angehörige des öffentlichen Dienstes bot
für Sozialarbeiter und Verwaltungssachbearbeiter eine mehrmonatige
Fortbildung an. Die Fortbildung wurde - in meiner Dienststelle - wie
üblich durch "Rundlauf'" den Mitarbeitern bekanntgegeben. Da wir sei-
nerzeit in unserer '"Psycho-Arbeitsgruppe" gerade angefangen hatten,
uns mit psychologischer und psychotherapeutisch orientierter Fortbil-
dung für Sozialarbeiter zu beschäftigen - ich bisher keine Fortbil-
dungserfahrung in diesem Bereich hatte - blieb ich an dem Schlagwort
"Gesprächstherapie" hängen. Die Gesprächstherapie war ein Teil der
Fortbildung und der Hinweis im Fortbildungsangebot entlockte mir die
Assoziation, daß sich die Fortbildungsstätte davon eine positive Aus-
wirkung auf das Verhalten Klient/Sozialarbeiter bzw. Sachbearbeiter
versprach.
Mein Verständnis von den Möglichkeiten der "sozialen Arbeit" in der
Behörde ließ mich diese Zielvorstellung mit Skepsis aufnehmen. Ich
meldete mich nach einigen Überlegungen an und versuchte noch andere
Kollegen zur Anmeldung zu motivieren, was mir auch gelang. Bei der
Anmeldung hatten wir angenommen, daß die angebotenen Themen in der
Fortbildung alternativ gewählt werden könnten. Wir stellten erst nach
der Anmeldungsbestätigung durch die Fortbildungsstätte fest, daß wir
an der ganzen, mehrmonatigen Fortbildung teilnehmen mußten, die mit
einem gruppendynamischen Seminar beginnen sollte. Wir dachten uns,
daß eine solche Erfahrung nicht falsch sein kann und blieben bei unse-
rer Anmeldung, einerseits recht unbelastet, da keiner so genau wußte,
was auf ihn zukommen sollte, andererseits mit einigem Unbehagen, da
wir natürlich schon so einige diffuse Sachen über gruppendynamische
Seminare gehört hatten.
Wir erfuhren , daß die Fortbildungsstätte schon auf eine langjäh-
rige Praxis bezüglich gruppendynamischer Seminare zurückgreifen konn-
te und viele, uns bekannte Kollegen ein derartiges Seminar mitge-
macht hatten.
Zu der Fortbildung meldeten sich 20 Teilnehmer an, davon etwa je zur
Hälfte Sozialarbeiter und Verwaltungssachbearbeiter. Intention der
Fortbildungsstätte war dabei, mit der Fortbildung dazu beizutragen,
die permanente Spannung zwischen Sozialarbeitern und Sachbearbeitern
abzubauen und die beiden Berufsgruppen im Interesse der "Sache" zu
mehr Kooperationsbereitschaft zu bringen.
Während wir in unserer Behörde selbständig die Teilnahme an der Fort-
bildung entscheiden konnten (es wurde lediglich darauf geachtet, daß
sowohl Sozialarbeiter als auch Sachbearbeiter dabei waren), ging die
Auswahl in anderen Ämternrecht bürokratisch zu, Die Amtsleiter suchten
die Mitarbeiter nach ihrem Gutdünken aus, einige wurden sogar wider
= SL
ihren Willen "abkommandiert". Andere Teilnehmer hatten sich ganz ge-
zielt angemeldet, weil sie vordringlich Interesse an dem gruppendyna-
mischen Seminar hatten und schon ein oder mehrere Seminare verschie-
denster Art bei dem selben Trainer mitgemacht hatten.
Mit dieser Teilnehmergruppe hatte ich denn auch von Anfang an die
meisten Schwierigkeiten, weil sie sich mir als total unkritische An-
hänger des Trainers darstellten und nur" ihre Gefühle in den Mittel-
punkt stellten, ohne die Rahmenbedingungen dieser Fortbildung zu be-
denken.
So wurde beispielsweise Vertrauen verlangt, ohne aufzuzeigen, daß
t einfach da ist, sondern irgendwie entsteht. Meine
ung von Vertrauen und die Vorstellungen
der "Fans" gingen total auseinander, eine Vermittlung war während die”
ser einen Woche unmöglich und folgte auch nicht nach Abschluß des
Seminars, da wir uns danach nicht mehr sahen.
Vertrauen nich
Vorstellung über die Entsteh
Das gruppendynamische Seminar führte dann wirklich zu einer für mich
wichtigen Erfahrung: die Art und Weise, in der der Therapeut das Se-
minar durchführte und die Reaktion der Teilnehmer machte deutlich,
daß mit psychologischen Mitteln Menschen total zu beeinflussen sind,
läßt man die rationale Ebene beiseite. Das permanente Unbeachtetlas-
sen der Sachzwänge in der Behörde und das Zurückführen von Schwierig-
keiten am Arbeitsplatz auf die reine Gefühlsebene verhindert eine
politische Auseinandersetzung und läßt den Einzelnen als den Verur-
sacher der Schwierigkeiten erscheinen. Dies hat meiner Meinung nach
katastrophale Folgen: die Sozialarbeiter beschäftigen sich immer mehr
mit ihren psychischen Schwierigkeiten, "retten" sich von einem Semi-
nar zum anderen in der Annahme, daß sie dann die Arbeit besser in
den Griff bekommen, strukturelle Bedingungen am Arbeitsplatz werden
immer weniger zur Kenntnis genommen.
Ich möchte abschließend noch betonen, daß es mir nicht um eine tota-
le Ablehnung von gruppendynamischen Seminaren geht. Vielmehr möchte
ich problematisieren, daß die Bewältigung psychischer Probleme zum
Bestandteil beruflicher Fortbildungen gemacht wird.
Wenn ich von einem Kollegen weiß, daß er - nach meinem Verständnis -
Klienten "in die Pfanne haut", kann ich nicht in einer Woche Vertrauen
heucheln und diesen Kollegen meine psychischen Probleme und Schwie-
rigkeiten offenbaren. Ich kann auch nicht den Grund für das Verhalten
der Kollegen in unverarbeiteten frühkindlichen Erfahrungen suchen,
sondern werde in erster Linie eine sachbezogene Auseinandersetzung
mit ihm führen müssen.
Der folgende Bericht gibt den Ablauf des gruppendynamischen Seminars,
das eine Woche dauerte, wieder. Die Sitzungen wurden im "stillen"
Kämmerlein" nach Abschluß der jeweiligen "Tagesarbeit" protokolliert.
Im Seminar wurde zur Auflage gemacht, daß "nichts", was in der Woche
abläuft, nach "außen" dringt. Der vorliegende Bericht wahrt die Ano-
nymitát der Gruppenteilnehmer, so daß ich die Veröffentlichung für
vertretbar halte.
- 32 -
Die Abkürzungen im Text bedeuten:
V. = Therapeut
Ey
I
Co-Therapeutin
Z = verschiedene Gruppenmitglieder
GRUPPENSITZUNG ABENDS NACH DER ANKUNFT
Therapeut (V.) übernimmt sofort die Initiative: jeweils 2 Personen
sollen sich jeweils 3 Minuten gegenseitig interviewen. Thema: Ablauf,
Eindruck, die wichtigsten Gedanken und Gefühle der ersten 5 Minuten
des Tages, sowie Name des Partners.
Alle berichten dann. Ein großer Teil redet jeweils über einen länge-
ren Zeitraum (z.B. vom "Aufstehen" bis zur "Abfahrt"). Danach stellt
sich jeder mit Namen vor, sagt wie er genannt werden will und nennt
die Namen der jeweils vor ihm Sitzenden. Es kommen wenig Äußerungen
zu diesem "Spielchen" (viele scheinen überfahren worden zu sein, an-
dere machen mit Bereitwilligkeit mit). Eine Gruppenteilnehmerin fragt
V. welche Ausbildung er habe, worauf dieser meint, daß die Fragerin
wohl Probleme habe, wenn sie so eine Frage stelle. V. fragt E.: "sol-
len wir diese Frage beantworten?" V. antwortet auf die Frage nicht,
weil so sehr viel Dynamik in die Gruppe kommt. V. setzt bei einigen
zusätzliche Aggressionen frei, indem er lakonisch mitteilt, daß er
viel über die Einzelnen in den Sitzungen erfahre, jedoch dieses nicht
in die Gruppe trage (es sei denn, der Betreffende wünsche das).
Am kommenden Tag soll dann darüber gesprochen werden, was jeder von
der Tagung erwartet.
Abends in einer Diskothek stellt sich heraus, daß ein erheblicher Teil
der Fortbildungsteilnehmer schon einmal bei V. ein oder zwei solcher
Seminare gemacht hat.
1. SITZUNGSTAG:
Um besser wach zu werden fordert V. auf, die Augen zu schließen und
diverse Gymnastik zu machen (ganz groß machen, ganz klein, ganz breit -
die Gruppe ordnet sich so an, daß sie sich nicht behindert, was V.
die Bemerkung "sehr intelligent" entlockt -, dann - eine gedachte -
Kerze im Abstand von 1 m, von 1 1/2 m ausblasen, schließlich 1 große
- ebenfalls gedachte - Kerze in der Mitte des Raumes, wer bläst sie
zuerst aus?).
Dann werden 3 Gruppen gebildet unter dem Gesichtspunkt, daß jeweils
die fremdesten Leute sich zu einer Gruppe zusammenfinden. V. teilt
folgende Aufgabe mit:
Jeder soll den, den er am fremdesten findet 5 Minuten zeichnen. Dabei
soll nicht geredet werden. Der Gezeichnete soll sich dann dem Zeichner
gegenüber äußern, was er beim Betrachten des Bildes empfindet. Der
Zeichner gibt Stellungnahme, die Nicht-Gezeichneten äußern sich eben-
falls. Anschließend kurze Besprechung im Plenum.
- 33 -
Dann Bildung von Zweiergruppen (neues Spiel ~ neues Glück):
Jeder einzelne soll sagen, warum er mit dem anderen zusammenarbei-
ten will; Ablehnung und Zustimmung mit Begründung finden statt und
werden ernst genommen. Danach preist jede Zweiergruppe ihre "Fähig-
keiten" und Interessen an, um eine weitere Zweiergruppe zu gewinnen.
Auch hier ist Ablehnung und Zustimmung mit Begründung möglich und
wird praktiziert.
Nach der Mittagspause erfolgt Diskussion der Vierergruppen und Erar-
beitung eines 3-Punkte-Vorschlages. Danach werden im Plenum die Vor-
schläge eingebracht, einmal durch Aushängen der Plakate im Gruppen-
ish-Bowl" Formation:
raum, dann durch eine Fi
Jeweils ein Gruppensprecher setzt sich ın die Mitte. Ein Platz wird
für korrekturwütige (fähige) Gruppenmitglieder freigehalten. Die
Delegation gibt eine Schilderung über die Vorgänge und Gefühle bei
der Erarbeitung der Vorschläge. Anschließend werden die jeweiligen
3 Punkte erläutert und diskutiert:
1. Gruppe
® Spannungsabbau bei der Arbeit mit unsympathischen bzw.
schwierigen und älteren Kollegen/Klienten Ï Punkt
0 Verhinderung des Abbaus des sozialen Engagements
und der Sensibilität durch Routine 6 Punkte
0 Wirkung auf andere Menschen, Selbsteinschätzung
- Durchsetzungsfähigkeit - Konkurrenz 6 Punkte
2. Gruppe
O Warum bin ich Sozialarbeiter/Sachbearbeiter geworden?
- meine Gefühle
0 Wie sehe ich mich?
Wie möchte ich gesehen werden? )Konsequenz der
Wie nehme ich andere wahr? )Diskrepanz
Wie nehmen mich die anderen wahr?) 3 Punkte
0 Problem der Distanz
a) wie nahe möchte ich andere an mich heranlassen?
b) wie nahe will ich an andere herangehen?
c) wie erreiche ich meine Idealdistanz? 9 Punkte
Zu den beiden letzten Punkten folgt der Vorschlag, die
Probleme in Spielen zu lösen
3. Gruppe
0 Abbau von Barrieren zwischen Verwaltungs- und
Sozialdienst
0 Stärkung des Durchsetzungsvermögens in der
Hierarchie l Punkt
O Abbau von Verhaltensklischees in Bezug auf den
Klienten
3 Punkte
3 Punkte
4. Gruppe
O Wie wirke ich auf andere, warum wirke ich so,
wie kann ich es ändern - z.B. ich möchte nicht, daß
andere Angst vor mir haben.
‘Er
Ich möchte direkteren Zugang zu meinen Gefühlen
finden, z.B.
- meinen Ärger ausdrücken können l Punkt
- erfahren, warum ich mich in Gruppen unwohl fühle l Punkt
- meine Gefühle besser regulieren und kontrollieren
können 1 Punkt
- mich nicht unterbuttern lassen
0 Ich möchte mich in dieser Woche wohlfühlen und
entspannen - nicht alles zu verbissen sehen
0 Ich möchte lernen, meine Arbeitssituation zu verändern
- meine Arbeitseffizienz erhöhen, indem ich teamfähig
werde
- durch Rollenspiele die Situation der Klienten besser
verstehen können
- meinem Arbeitsstreß begegnen können.
5. Gruppe
0 Lernen miteinander zu sprechen unter dem besonderen
Aspekt der Toleranzerweiterung l Punkt
0 Erweiterung des sozialen Verständnisses (Motivation)
unter Ausklammerung subjectiver Erfahrungstatbestände
(Vorurteile, Übertragung) 4 Punkte
0 Wirkung des eigenen Verhaltens auf andere Menschen,
insbesondere Mitarbeiter und Klienten 2 Punkte
Durch die eingebrachten Vorschläge wird eine Fraktionierung in eine
sach-orientierte und eine psycho-orientierte Gruppe deutlicher. Je-
des Gruppenmitglied erhält dann zwei Punkte, die es jeweils an den
am meisten favorisierten Themen anbringt. Es kristallisiert sich das
Thema: "Wie sehen mich die anderen" heraus (kurze Diskussion). Wei-
tere Schwerpunkte werden nicht gesucht, weil V. abblockt und "eine
andere Aktivität auch für recht wichtig hält". Jeder soll seine Po-
sition zu einem Mittelpunkt einnehmen (Pfeifentasche). Er/sie soll
sich je nachdem er seine Durchsetzungsmöglichkeit/fähigkeit sieht
in ein dementsprechendes Verhältnis zum Mittelpunkt stellen. (Es
wird ungeheuer dynamisch - Trainer steigen auf Stühle). Es bilden
sich 3 Kreise (Psychos sind innen, sehen ihre Durchsetzung gesichert)
l. Kreis Psychos, 2. Kreis kritisch-sachliche, 3. Kreis schweigen-
de (außen), Sachbearbeiter überwiegen dabei.
Es folgen kurze Kommentare, warum wer wo steht.
V. erklärt striktes Alkoholverbot während der Trainingsstunden, was
zu einem schülerhaften Verhalten führt; mal schnell während der Pau-
se auf dem Zimmer einen Schluck aus der Wodkapulle zu nehmen.
2. SITZUNGSTAG:
V. meint, daß es an der Zeit sei, Verwaltungsdienst und Sozialdienst
gegenüberzustellen. Die Gruppen stellen sich in verschiedene Ecken
und werden dann aufgefordert, das Haus zu verlassen.
Es folgt Tauziehen Verwaltungs/Sozialdienst, Sozialdienst gewinnt
2 x. Danach werden die Gruppen getrennt, jede Gruppe schreibt die
Vorurteile gegen die andere Berufsgruppe auf:
- 35 -=
è Vorurteile gegen Sachbearbeiter:
stur, unflexibel, lahm, unkritisch, unqualifiziert, unhöflich,
Alkoholiker, selbstherrlich, aufsässig, nicht entscheidungsfreudig,
autoritätsfixiert, karrieresüchtig, Radfahrer, unehrlich, geizig,
hinterhältig, Schemelpuper, arbeitsfaul, scheuen Auseinandersetzun-
gen, unsozial, pingelig, Paragraphenreiter, unsachlich, emotionale
Kleingärtner, verbohrt, nette Menschen, rigide, schikanös, scheuen
Verantwortung, gute Kumpel bei Feiern, gute Kumpel, nette Kollegen.
è Vorurteile gegen Sozialarbeiter:
Sozialarbeiter arbeiten mehr mit Gefühl als mit Gesetz, sind faul,
haben eine Knöcke, leichtgläubig, gehen salopp angezogen, können
ihre eigenen Probleme nicht bewältigen, alle Sozialarbeiter gehören
auf die Couch, illusionsbeladen, frustriert, Sozialarbeiter haben
alle einen Dutt, abgelaufene Hacken und einen beseelten Blick, So-
zialarbeiter haben lange Haare, Sozialarbeiter haben Bart, reden
geschwollen und spicken ihre Aussagen mit Fremdwörtern, pseudointel-
lektuell, fühlen sich der Verwaltung gegenüber überlegen, Sozialar-
beiter halten Gesetze für überflüssig, wenn man sie braucht sind
sie nicht da, haben nicht den Blick für das Machbare und wesentliche,
arbeiten gegen uns, machen bewußt oder unbewußt falsche Angaben und
verlangen von uns, daß wir die Dinge ungeprüft hinnehmen, verwal-
tungstechnisch keine Ahnung, sind zu lieb , gegen Verwaltung und
Klient.
Bei weiterer Trennung soll sich jede Gruppe einen Sketch überlegen
bzw. vorbereiten, um die typischen Vorurteile der anderen Gruppe
satirisch darzustellen. Die Sozialarbeiter einigen sich über den
Ablauf des Sketchs erst in den letzten Minuten (1/2. Std. Zeit).
Vorfiihren der beiden Sketche ernten bei der Gegengruppe jeweils Bei-
fall, verliefen lustig und locker.
Es folgen wenige Kommentare dazu. Danach testet V. unsere Risiko-
bereitschaft:
Jeder soll für sich die unglücklichste und glücklichste Person aus-
suchen und die jeweiligen Gründe aufschreiben. Die Risikobereitschaft
soll daran gemessen werden, inwieweit jeder bereit ist, die Zettel
zu verteilen und in der Gruppe darüber zu sprechen.
Einige Aussprachen finden statt, die Restverteilung wegen Zeitman-
gel ohne Aussprache.
Nachmittags wird festgestellt, ob noch jemand über Dinge sprechen
will, die belastend sind, einer bringt seine Schwierigkeit vor,
danach erklären alle, daß sie "frei" sind für neue Aktivitäten.
V. verfügt ein neues Spiel:
man soll bequeme Körperstellung einnehmen, dem "Körper gegenüber gut
sein". 5 Leute bleiben auf den Stühlen, die anderen legen sich auf
den Boden
- wann habe ichmich im Seminar am einsamsten gefühlt?
- wen aus der Gruppe hätte ich in der Situation gern zum Austausch
gehabt?
- was hätte ich zu demjenigen gesagt?
- wie hätte die Person reagiert?
- wie würde die Gruppe auf die Vorstellungen reagieren?
- man soll sich vorstellen, wo man am liebsten wäre
- man hat 1/2 Minute Zeit zu sich zu kommen
- Gespräch mit dem Partner und Reaktion der Gruppe (vorgestellte)
soll schriftlich festgehalten werden.
Es folgen Äußerungen über die Übung. Zwei Leute heulen dabei. Die
Gruppe fühlt sichvonden "Ausbrüchen" betroffen.
Nach dem Abendessen folgt "Raucherdiskussion". Durch sein Verhalten
während der Diskussion wird X. von V. auf "den heißen Stuhl" gehievt.
X. wird "ganz schön" angemacht ‚hält aber durch. Der Versuch, noch
andere auf den "Stuhl" zu zerren, mißlingt.
Abschlußspiel:
Man soll sich einen Partner auswählen, sich gegenseitig in die Augen
sehen und den "ehrlich in sich aufsteigenden Satz" verbalisieren.
Nach der Aussage nochmals Augen schließen und Aussagen überprüfen
auf Ehrlichkeit und Wirkung.
3. SITZUNGSTAG:
Heute erstmals keine Lockerungsübung.
Ein Gruppenmitglied hat sich entschlossen, das Seminar abzubrechen.
Es folgt Aussprache über die Entscheidung, wegzugehen (jeder soll
sein Gefühl äußern). Vierergruppen werden gebildet, die sich darüber
unterhalten. Äußerung über Gefühle diesbezüglich im Plenum. Es
entsteht ein spontanes Gespräch über Angst und Vertrauen in bezug
auf V.. 2 Gruppenmitglieder äußern, daß sie Angst vor V. haben. Es
folgt ein Spiel:
X (die geäußert hat, daß sie Angst vor V. hat), setzt sich V. gegen-
über und soll sagen, was sie an ihm stört. Sie wird mit Psycho-
Tricks zum Heulen gebracht und steigt aus dem Experiment aus. Dann
folgen Diskussionen über Vertrauen. Jeder soll sagen, wie er das
Experiment erlebt hat. Man hat kein Vertrauen, Experimente mit V.
zu machen, da man sich V. ausgeliefert fühlt. V. greift seine Kriti-
ker an: Y habe eine Stimme wie eine tibetanische Gebetsmühle und
er könne kein Vertrauen zu solchen Personen haben (wisse nicht, was
sie wolle, reagiere aggressiv.
Nach der Mittagspause wird eine Diskussion von V. abgeblockt, er
ordnet ein neues Spiel an:
Jeder soll seinen Namen auf eine Karte schreiben, auf der Rückseite
soll er schreiben, wieviel Punkte (Vertrauenspunkte) er aus der
Gruppe erwartet.
Es folgt eine "Weihnachtsfeier" - alle haben die Augen geschlossen,
der Reihe nach soll jeder seine 2 Punkte verteilen (auf Namensschil-
der kleben). Danach setzt sich die jeweilige Erwartungsgruppe (wer
erwartet O Pkt., wer erwartet 1 Pkt. usw.) zusammen und bespricht
Gefühle im Zusammenhang mit der Erwartung und Realität. Es folgt
Rückkoppelung aus der Gruppe.
Ein Gruppenmitglied hat die gleiche Erwartungshaltung wie V., näm-
lich 5 Punkte, erhielt aber nur 1 Pkt., was ihn zu einem dynamischen
Ausbruch verleitet. Zum Abbau der bei Y. entstandenen Aggressionen
(Wut) wird eine Prügelei provoziert. Es folgt Aussprache in der
Gruppe über Y. dynamisches Verhalten! V. reagiert äußerst scharf
über das Wort "Prügelei" und verbietet, so etwas in die Öffentlich-
keit zu tragen, es handele sich um eine "konstruierte physische
Auseinandersetzung".
Es folgt Darstellung der beiden Therapeuten über ihre Erwartungs-
- 37 -
haltung bei der Verteilung der Vertrauenspunkte.
Dann soll jeder für sich feststellen, wen aus der Gruppe er mit
wichtigen Bezugspersonen vergleicht (Vater, Mutter, Bruder usw.),
um so möglicherweise Übertragungen klären zu können. Einige stellen
ihre Gedanken dar, keine intensive Diskussion. X., der in Y. seine
Mutter sieht und das Bedürfnis äußert, "Embryo" zu spielen, fühlt
sich wohl dabei, was er auch auf die Frage von V. so sagt, teilt
jedoch mit, daß ihm der Kontakt nicht ausreiche, er wolle mehr Leu-
te aus der Gruppe, sucht sich noch 4 aus, die auch alle in die Mit-
te kommen, alle liegen übereinander, Experiment wird mit verklärten
Gesichtern beendet.
4. SITZUNGSTAG:
Spiel: man soll sagen, wen man während der vergangenen Tage am mei-
sten gemieden hat. Es werden reihum Namen genannt. Im Fisch-Bowl
sollen je 2 Leute dieses Problem austragen. Y. nennt Z. Beide gehen
in die Mitte. Beide sollen spüren und fühlen, Ratio wird wie immer
auf Eis gelegt. Y. spürt, 2. spricht hingegen. Einige finden Z.
nach dem Experiment nun recht menschlich, weil "der Mund nun nicht
mehr so fremd ist", auch die Co-Trainerin sieht plötzlich Z's Sprech-
pausen Menschlichkeit durchschimmern. Lippenlecken und Handbewegun-
gen werden genau beobachtet und analysiert.
Neues Spiel:
Das Kamille-Creme- Erfrierungs-Massage-Spiel
Die Männer setzen sich in der Mitte auf Stühlen nach außen, schlies-
sen die Augen.
V. fragt die Frauen,was sie erwarten, es werden Gedanken an Kinder-
spiele (Plumpsack, Stühle wechseln) geäußert. V. gibt vor, die rech-
te Hand der Männer sei leicht erfroren und soll durch Massage wieder
geheilt werden. Die Frauen bekommen einen Klecks Creme, suchen sich
einen Patienten aus und massieren. Dann sagen die Männer reihum,
was sie dabei empfanden. Außer einem fanden alle das Spiel nett.
Dann wird die linke Hand der Frauen eingecremt. Empfindungen werden
dargestellt, Frauen äußern auch sexuelle Empfindungen, danach auch
noch einige "Psycho-Männer", die sich vorher nicht getraut haben,
dies zu äußern.
Eine Frau, die sich durch die Äußerung von X. getroffen fühlt, soll
sich auf Anweisung von V. austoben. X. stellt sich zunächst zur Ver-
fügung, lehnt aber ab, als V. das Tobespiel strukturieren will.
Neues Spiel:
10 Mutige sollen sich zum Fish-Bowl finden und aus ihrer Mitte einen
Leiter wählen. Es geht um ein Team, das eine neuartige Behörde pla-
nen soll. Jeder erhält 7 Groschen, die er an den Leiter des Teams
(von ihm gewünschten Leiter) mit Begründung geben soll.
Die anderen 10 Leute beobachten jeweils einen im Fish-Bowl. Z. legt
ein Furienverhalten an den Tag. Sie nimmt Gelder ohne Argumente vor-
zubringen, setzt sich drauf und besteht darauf, daß sie die beste
Leiterin sei, dies gegen die Einsicht der anderen. X macht mit, Y.
relativiert und versucht zu strukturieren. Z. gewinnt. Etwas Be-
troffenheit schleicht ein.
Kurzes Reflektieren über das Spiel. Z. rechtfertigt iher Verhalten
- 38 -
damit, daß sie sich sonst nicht durchsetzen kann, bzw. Skrupel hat,
und jetzt durch das andere Extrem versuchen wollte, zu neuen Ver-
haltensweisen zu kommen. Keine weitere Diskussion.
Nach dem Abendessen:
Vor der Sitzung wurden Zettel abgegeben, auf denen den Therapeuten
mitgeteilt wurde, was ihnen am besten gefallen hat und wie es wei-
tergehen soll.
Dann soll jeder sagen, wie er sich fühlt. Es ist gedrückte Stimmung,
kaum einer sagt, daß es ihm gut geht. X. erwähnt, daß Y. und Z. ein
Telegramm erhielten. Es hätte sie befremdet, daß jemand geschrieben
hätte "Laßt Euch nicht kaputtmachen”. V. will Y. aus der Gruppe wer-
fen, weil er nicht mehr mit ihm arbeiten kann (blockiert seine Ener-
gie, will sich nicht von Einzelnen die Gruppe "kaputtmachen" lassen,
Y. verunsichert ihn, so daß sich die Frage der weiteren Zusammenar-
beit stelle) Y. rechtfertigt sich und kann bleiben,
X. soll sagen, wie sie sich fühlt, heult, will von Y. gestreichelt
werden. XY. meldet Eifersucht an. V. meint, daß diese Art von Pro-
blemen relativ spät komme, man müsse sich auch damit auseinanderset-
zen, in den Ämtern sei dies auch ein Problem - Z. rastet aus -
XYZ. heulen - andere wollen weitermachen, weil es gerade so inter-
essant ist. Die Situation wird für V. etwas "eng", er meint, sich
erst mit E. besprechen zu müssen.
Zum Abschluß folgen Lockerungsübungen: Elefantentrampeln, Ja-Nein-
schreien, anschließend Diskussion mit dem Schreipartner über das
Gefühlte beim Schreien.
Erstmals erscheinen V. und E. in der Kneipe. Nebentisch lebt auf
und macht indirekte Werbung.
5. SITZUNGSTAG
Lockerungsübung: man soll einen Partner massieren und dabei auch
Laute von sich geben. Fast alle geben Laute! Anschließend wird
eine Zwiebel aufgezeichnet. In die Zwiebelringe sollen
von außen Gef P Qa u gerdmieben OTP PYON nach innen
Lim auf TPT A
- 39 —
Dann folgen 3 Sätze, wie man sich einschätzt, dann vermeintliche
Einschätzung von Vater und Mutter, dann soll man schreiben, was
Vater oder Mutter über das Verhalten von Tochter/Sohn während des
Seminars denkt, dazu soll ein Satz geschrieben werden, was man ant-
worten würde. Es entsteht,"feuchte Luft"! X. weint seit Beginn des
Spieles und stellt sich auf Befragen V. für ein Experiment zur Ver-
fügung. Es folgt ein Psychodrama. X. erklärt Konflikt mit ihrer Mut-
ter, will sie aus dem Zimmer haben; soll sie tun, in dem sie ihr
sagt "verschwinde", einige sagen wieder was sie denken, fühlen, Y.
stellt sich als Mutter zur Verfügung, X. landet unter Fihrung von
V. in ihren Armen. Z. weint.
Danach "Entspannung" dergestalt, daß sich jeder überlegen soll, wie
er zeichnerisch Freiheit darstellen würde. Die Bilder werden vorge-
stellt, keine Diskussion.
16.45 Uhr: Vierergruppen werden gebildet, um Vorstellungen für die
letzte Stunde einzubringen. Es kommen Vorschläge wie verhalte ich
mich meinen Kollegen gegenüber, wie dem Partner, wie werde ich fertig
mit diesem Seminar.
V. berichtet über seine Methoden, stellt seine Ausbildung vor und
beginnt mit einer Verkaufsschau, die nach dem Abendessen große Erfol-
ge zeigt.
V. meint, daß leitende Persönlichkeiten hier mitmachen sollten und
versucht zu motivieren, daß der jeweilige Partner und Kollege auch
gruppendynamisch werden sollen, Hinweise auf Psychogruppen in Berlin
werden als Lösungsvorschlag zur Verarbeitung des im Seminar Erfahrenen
eingebracht. ö
E. stellt auch ihren Werdegang vor und verhält sich V. gegenüber loyal.
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päd. extra buchverlage
in der padex Verlags-GmbH
Bahnhofstraße 5, 6140 Bensheim
In der Reihe reprint werden ım päd.extra
buchverlag verschollene Texte wieder
abgedruckt, die zum vertieften Verständ-
nis radikaldemokratischer, sozialistischer
Padagogik und klassenorientierter
Sozialisationsforschung seit 1900 bei-
tragen können. Den Schwerpunkt des
reprint-Programms werden Bücher und
Aufsatzsammlungen zu folgenden
Themenbereichen bilden ua.:
- Lebens- und Arbeitszeugnisse radikal-
demokratischer, sozialistischer
Padagogen
- Sozialgeschichtliche Dokumente und
Unterlagen zur Situation proletarischer
Kinder und Jugendlicher
- Sozialökologische Untersuchungen
der Lebenswelt von Großstadtkinder
und Jugendlichen
Narziß - Vorsicht beim Umgang mit
Begriffen: „Abnorme Selbstverliebtheit”,
„eitle Selbstbewunderung”, sind das
Verständnis, mit dem dieser Begriff ın
der Alltagssprache überfrachtet ist.
Aber nicht darum geht es in diesem
Buch, sondern hier soll ein Mythos zer-
schlagen werden, um den Blick zu
öffnen für eine neue Interpretation
gegenwärtig wirksamer Sozialisations-
und Lebensbedingungen und neuerer
Ergebnisse der Psychoanalyse
Häsing, Stubenrauch, Ziehe (Hrsg.)
Narziß
Ein neuer Sozialisationstypus?
160 Seiten, DM 12.80
päd. extra buchverlago
in der padex Verlags-GmbH
Bahnhofstraße 5, 6140 Bensheim
SOZIALARBEIT BRAUCHT KEINE KLIENTEN
— EIN LESERBRIEF —
Ich kann nicht mehr erkennen,wozu Sozialarbeit noch eine Klien-
tel braucht.
Hauptsächlich ~ so mein Eindruck - dient Sozialarbeit wohl
der Selbstverwirklichung des Sozialarbeiters, der sich ständig
fortbilden muß, um zu neuen, veränderten Einstellungen zu kom-
men, damit er sich in Gruppenprozessen behaupten kann.
Da werden Arbeitsgruppen zu Lerngruppen, in denen ständig neue
Konflikte zwischen Sozialarbeitergruppenmitgliedern und Hier-
archien aufbereitet, bearbeitet und bewältigt werden müssen.
Pseudowissenschaftliche, verpsychologisierte Sichtweisen der
Sozialarbeit trüben den Blick für die Bedürfnisse von Klienten.
Klientenbedürfnisse, die früher von einem zuständigen Sozial-
arbeiter erkannt wurden, werden nun fremdbestimmt durch eine
permanent fortgebildete,
mit ihrem Gruppenprozeß ständig beschäftigte,
(gelegentlich vermutlich ausgeflippte),
auf Identitätssuche befindliche,
ihre Fachkompetenz anzweifelnde,
mit Ausbildungsdefiziten behaftete,
um ihr Selbstverständnis ringende,
Teamfähigkeit erprobende,
zeitweilig auf Talsohlen wandelnde,
der allgemeinen Beunruhigung, Verunsicherung und Undzufrieden-
heit durch Neuerungen ausgesetzte
Sozialarbeitergruppe, die den Zeitaufwand für energieintensive
Prozesse mit dem Team erlebten Höhepunkten und Tiefen berück-
sichtigt haben möchte und angemessene Dienstbefreiung für die
individuelle Weiterbildung als selbstverständlich erachtet.
Beim Lesen des Artikels von Frau Mattusch (Nr. 4/76) ist mir
erst richtig bewußt geworden, daß ich als alleinstehende Mut-
ter mit ein bißchen erziehungsschwierigen Kindern die Sozial-
arbeiter mit meinen Problemen nicht zusätzlich belasten darf.
Neuer Rundbrief (des Senats für Familie, Jugend und Sport
Berlin) 1/1977
TRANSAKTIONSANALYSE (TA)
ERGEBNISSE EINES FORTBILDUNGSSEMINARS
Eine häufige Anwendung der TA als Methode im Bereich der Sozialarbeit/
Sozialpädagogik ist trotz der gewachsenen Popularität noch nicht zu
erkennen. Diese Methode hat in den Fortbildungsstätten noch keinen
nennenswerten Eingang gefunden. Es gibt bisher wenige Trainer bzw.
Therapeuten, die TA als Methode vermitteln bzw. als Therapie anwen-
den können. Angeboten wird TA bisher von der Fachhochschule für So-
zialarbeit im Fortbildungsprogramm der Volkshochschule und dem Evan-
gelischen Bildungswerk.
In der Praxis wird die TA als Methode und/oder
Therapie bei Suchtkranken wie Alkoholabhängigen, die eine Entzugs-
kur von 6 bis 12 Wochen im Jüdischen Krankenhaus machen, wie Drogen-
abhängigen, die sich auf der Drogenstation im Jugendstrafvollzug be-
finden, angewandt.
Ob nachweisbarer Erfolg durch die Anwendung von TA bei Suchtkranken
zur "Heilung" führt, ist uns nicht bekannt.
Von der Transaktionsanalyse erfuhr ich im Rahmen meiner Ausbildung
zum Sozialarbeiter, neugierig geworden durch die Ankündigung im Ver-
anstaltungskalender des Evangelischen Bildungswerkes, welche folgen-
dermaßen lautete:
"Tratiningsgruppe nach der Methode der Transaktionalen Analyse (TA)"
"Diese Gruppenarbeit dient der Verbesserung der Kommunikation, der
Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie des Rollenverständnisses. Mit der
Methode der TA können die Teilnehmer inner- und zwischenpersönliche
Schwierigkeiten bearbeiten, sich damit aus alten Abhängigkeiten lö-
sen und neue Verhaltensmuster erproben."
Und weiter aus einem Fortbildungsangebot der Staatlichen Fachhoch-
schule für Sozialarbeit:
"... Selbständigkeit und Eigenverantwortung stärken, TA ist eine
Gesprächsmethode, mit der man verborgene, nicht gelebte Möglichkei-
ten neu entdecken und aktivieren kann."
So entschloß ich mich zur Teilnahme an einer Trainungsgruppe.
Das Rekrutierungsfeld der Interessenten bezog sich auf Leute, die
im sozialen und erzieherischen Bereich tätig sind. Ich lernte dort
Leute kennen, die den Angeboten von Fortbildungsveranstaltungen der
"neuesten" Methoden nachjagten und sie wie Sehenswürdigkeiten abhak-
ten und andere Interessenten, die weniger oder keine Erfahrung mit
Psycho-Methoden gemacht haben und die TA als Methode, nicht als
Therapie, für sich kennenelernen wollten und sie auf ihre Anwendbar-
53 m
keit in der Sozialarbeit testen wollten. Da ich nicht unter dem Er-
wartungsdruck von Kollegen stand, endlich mit "der" Methode aufwarten
zu müssen, konnte ich unvoreingenommen die Methode kennenlernen und
sehen, wie sie auf meine Befindlichkeit wirkt.
DARSTELLUNG DER TA
In Amerika wurde von Eric Berne eine Psycho-Methode entwickelt zur
Analyse unbewußter Prägungen und Verhaltensabläufe.
Die Methode verspricht, festgelegte Verhaltensmuster zu entziffern
und Kommunikationsprozesse zu erkennen und evtl. zu verändern.
Die TA erkennt krankmachende gesellschaftlich bedingte Faktoren an
und hat sich von der traditionellen Einzeltherapieform losgesagt und
eine Gruppentherapie entwickelt, die auch Leute aus unteren Schichten
erreichen soll. Von daher ist der Wortschatz dieser Methode bewußt
einfach gehalten, da der Patient mit dem Wortschatz umgehen muß.
Die TA geht davon aus, daß die Intimität die intensivste Form des
Lebens ist, jedoch in unserer Gesellschaft außerordentlich selten
ist. Es ist nicht üblich, unkontrolliert Gefühle zu äußern, wahrzu-
nehmen und wichtig zunehmen. Vielmehr werden nur solche Gefühle ge-
zeigt und beachtet, die gesellschaftlich akzeptiert sind. - Nicht
akzeptiertes Verhalten wird sanktioniert. So, als wenn die gesamte
Person "nicht o.k." wäre. Z.B. dem Klienten der Sozialarbeit droht
Einweisung in Anstalten oder Kliniken.
Die Methode beinhaltet zwei Schwerpunkte:
a) Transaktions-Analyse
TA ist das Erkennen von Kommunikationsprozessen (verbal und non-
verbal) zwischen mindestens zwei Personen.
In der Kommunikation kommuniziert jede Person mit je drei Ich-
Zustandesbereichen (Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich, Kind-Ich).
Man unterscheidet: 1.) einfache (komplementäre )
2.) gekreuzte
3.) verdeckte
Transaktionen.
E. 7 EL EL
(K=—=> EL) bringst du mir bitte
ER ER einen heißen Tee?
(EL—>3K) hier nun trink mal schön.
K K
2.3 EL EL
(ER—PER) wo sind meine Socken?
ER ER
(EL=+K) paß auf deinen Kram sel-
!
K K ber auf!
3.) EL EL (ER= ER) wie geht es dir?
BEN
ER ga ER (ER&=ER) blendend!
E (EL--=>K) (denkt: der k di
K Az > enkt: der kann die ge-
sellschaftlichen Zusammen-
hänge nicht begriffen haben.
Das Erkennen von Transaktionen soll mit Hilfe dieses Modells deut-
lich werden und dient der eigenen Beobachtung.
b) Struktur-Analyse
Die Struktur-Analyse ist die Analyse der Einzelperson - was geht
im Menschen vor? D.h. die Korrespondenz zwischen den Ich-Zustands-
bereichen = Eltern-Ich (EL); Erwachsenen-Ich (ER); Kind-Ich (K).
(Siehe Skizze Struktur-Analyse)
Script-Analyse: Das Lebensscript beruht auf Eintragungen/Erleb-
nissen, die frühkindlich prä- und non-verbal negativ erlebt wur-
den (negativ = eigene Interpretation). Bedrohliche Erlebnisse in
Wiederholungsform sind Vorprägungen/Verfügungen für "existiere
nicht", "sei nicht wichtig". Diese Verfügungen sind die härtesten
Einschreibungen im Lebensscript, die die Identität bestimmen. Da
die Verfügungen nicht verstandesmäßig erfaßt werden, geht die TA-
Therapie die Bearbeitung mit Hilfe von Traumanalysen und Phanta-
sien an. Die Diagnose wird auf das Streben, Wollen und Handeln der
Person bezogen.
TH. A. HARRIS: “ICH BIN O.K. — DU BIST O.K.”
Unter einer "Transaktion" ist nach Harris's eigener Darstellung zu-
nächst jeder "Allerweltsdialog" (S. 12) zwischen mindestens zwei Per-
sonen zu verstehen. Gegenstand der Transaktions- oder eben schlicht
"Allerweltsdialoganalyse" ist es nun herauszuarbeiten, warum der Dia-
log so und nicht anders abläuft und darüberhinaus festzustellen, wel-
che verbalen und nichtverbalen Signale jeweils übermittelt werden.
Ziel dabei ist, bewußte und unbewußte Verzerrungen des Dialogs sicht-
bar und erfahrbar zu machen und auf diese Weise - durch gleichzei-
tige Offenlegung der verdeckten Motivations- und Triebkräfte - An-
derungen des kommunikativen Verhaltens zu bewirken. Erreicht werden
soll ein "normales" und das heißt zunächst sich selbst und den Partner
anerkennendes kommunikatives Verhalten. Dies ist in der Kurzformel
"Ich bin o.k. - Du bist o.k.", die gleichsam eine Lernzielbeschrei-
bung ist, ausgedrückt.
Als ein Vorteil der TA gegenüber der Psychoanalyse wird hervorgeho-
ben, daß jene nicht auf den Patienten bloß "angewandt" werde, son-
dern ihm ein Werkzeug an die Hand gebe, das ihm erlaube, an sıch
selbst zu arbeiten. (S. 14) Bedingung dafür ist allerdings, daß der
Patient in der Lage und willens ist, Begrifflichkeit und Denksche-
ma der TA zu erlernen und innerhalb dieses Systems sein Verhalten
zu analysieren.
Die Terminologie selbst wird in enger Anlehnung an die Psychoanalyse
entwickelt, wobei die TA für sich in Anspruch nimmt, die Esoterik psy-
choanalytischer Begrifflichkeit überwunden zu haben und sich einer
allgemeinverständlichen und leicht erlernbaren Sprache zu bedienen
(z.B. wird in der Behandlung ein Contrakt "Geschäftsabschluß" er-
klärt, der je nach Angebot und Nachfrage zustandekommt oder nicht.
Es werden nicht Erfahrungen gemacht, sondern es wird ein Computer
mit Daten gefüttert etc.).
= 45 e
Zeitschrift für politische Ökonomie
und sozialistische Politik
Krise des Marxismus?
dr E 2
AO o
Ao S,
Editorial, Was heißt Krise des Marxismus? / Lucio Magri, Krise des M Einzelheft
Kapitalismus und Krise der Linken / Diskussion „Krise des Marxis- DM 9.-
mus”, mit Beiträgen von Frieder 0. Wolf, Auflösung oder Erneuerung d
des Marxismus ?; Bernhard Blanke/ Gert Schäfer, Krise der Linken -
Krise des Marxismus; Willfried Spohn, Thesen zum historischen ji
Verhältnis von Marxismus und Arbeiterbewegung; Paul Oehike, Pro- # im Abo
bleme der Marxismusdiskussion in der BRD / Alexa Mohl, Wissen- DM 8.-
schaftlicher Sozialismus, was heißt das? / Christel Neusüß, Welche p
Momente bestimmen die gegenwartige Stagnationsphase? / Ulrich
Jurgens, Für eine Entmystifizierung des Gesetzes vom tendenziellen
Fall der Profitrate / Rainer Dombois, Stammarbeiter und Krisen- E Rotbuch
betroffenheit. Verlag
Das Persónlichkeitsmodell der TA basiert auf dem Psychoanalyse-Modell
der psychischen Struktur (Über-Ich/Ich/Es), wobei hier die Ich-Zustands-
bereiche als Eltern-Ich/Erwachsenen-Ich/Kind-Ich nebeneinandergestellt
werden. Analysiert werden nun die in einer Transaktion jeweils enthal-
tenen Ich-Anteile, wie sie miteinander korrespondieren. Es ergibt
sich das folgende intrapsychische funktionsanalytische Schema:
STRUKTUR/FUNKTIONS-ANALYSE
0 Eltern-Ich (EL)
kritisches EL: Normen, Verbote, Gebote, "du sollst, muß nicht,
könntest". Wird von Kleinkind als Fremdspeicherung
von Eltern/Bezugspersonen abgeguckt und übernommen.
nährendes EL: gut und fürsorglich mit sich und anderen umgehen,
sich selbst annehmen.
0 Erwachsenen-Ich (ER)
Ethos: entwickeltes Sozialwesen, soziales Verhalten, Ge-
gebenheiten einschátzen, erkennen und Handeln, Ver-
antwortungsbewußtsein, Ich-Aktivität, Umsetzen der
Normen aus EL.
Funktion: kognitives Denken, Tun, Planen, Agieren.
Pathos: gefühlsmäßiges Erleben, Vertrauen, Geduld, Anneh-
men. Insgesamt integrierte funktionierende Persön-
lichkeit.
0 Kind-Ich (K) Speicherungen aus dem bewußten und unbewußten Er-
lebenals Verhaltensweisen festgeschrieben.
rebellierend re-aktiv = Rückzug, EL wird empfindungsmäßig er-
und wartet und befürchtet; Folge: schmollender Rückzug,
angepaßt: Energieleistung aus dem freien Kind kann nicht
ins ER geholt werden, neurotischer Block.
freies K: aktiv, spontan, unüberlegt, lustbetont
re-
bell. frei
aktiv
re-aktiv
freifange-
paßt
= Y -
EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT DER THERAPIE
Wie aus zuverlássiger Quelle verlautet, wurde in den USA bereits
vor lo Jahren ein Computerprogramm entwickelt, mit dessen Hilfe
ein therapeutischer Dialog zwischen Computer (Arzt) und Mensch
(Patient) hergestellt werden konnte. Zunächst bloßes Spielzeug
psychiatrischer Kreise, entwickelte sich die Sache bald zum
ernstgemeinten Planspiel.
Wir zitieren folgenden Dialog, den ein Computer als Arzt (A) mit
einem Patienten (P) führt:
(P): Die Männer sind alle gleich.
(A): In welcher Weise?
(P): Sie machen uns immer wegen irgendwas verrückt.
(A): Können Sie ein Beispiel nennen?
(P): Na ja, die Idee zu diesem Gespräch stammt von meinem Freund,
er sagt, daß ich oft deprimiert bin.
(A): Es tut mir leid von ihnen zu hören, daß sie deprimiert sind.
(P): Das stimmt, ich bin unglücklich.
(A): Glauben Sie, daß dies Gespräch ihnen hilft, nicht mehr un-
glücklich zu sein?
(P): Ich brauche jedenfalls Hilfe, das steht fest.
(A): Was würde es für Sie bedeuten, Hilfe zu bekommen?
(P): Vielleicht könnte ich lernen, mit meiner Mutter auszukommen.
(A): Erzählen Sie mir mehr über ihre Familie.
(P): Meine Mutter erledigt alles für mich.
(A): Wer in Ihrer Familie erledigt noch alles für Sie?
(P): Mein Vater
(A): Ihr Vater
(P): Sie sind ein wenig wie mein Vater..... etc.
(Nach: Nagel/Seiffert, Inflation der Therapieformen, Hamburg 1979)
Wie berichtet wird, träumten Psychotherapeuten davon, daß ange-
sichts der hohen Rechenkapazität von Computern bald mehrere
hundert Patienten vermittels spezieller Programme behandelt
werden könnten und so, wie es heißt: "....die kostspielige Re-
lation Arzt-Patient hinfällig würde." (ebenda, S. 261) Vor-
stellbar sei,so heißt es weiter, "...die Entwicklung eines Net-
zes von psychotherapeutischen Computeranschlüssen....etwa einer
Phalanx von Telefonzellen vergleichbar, in denen wir für ein
paar Dollar pro Sitzung mit einem aufmerksamen und weitgehend
nicht-direktiven Computer sprechen könnten." (S.261)
Frage ist: Was machen die arbeitslosen Therapeuten?
Mit diesem Modell, so behauptet die TA, sei eine neue Sprache der
Psychologie gefunden. Wir vermuten eher, daß es sich hier lediglich
um einen der zahlreichen Versuche handelt, das langwierige und "un-
ökonomische" psychoanalytische Verfahren zu vereinfachen. Dagegen
wäre nichts einzuwenden, gingen nicht mit jenen Vereinfachungen
auch wesentliche Gehalte emanzipatorischer Art verloren. Dies ist
aber u.E. der Fall und hierauf soll, in der hier gebotenen Kürze,
näher eingegangen werden:
Die TA kommt, in der Gegenüberstellung von 2 Persönlichkeitsmodel-
len, zu einem Grundschema von vier möglichen Lebenseinstellungen
durch die vermittelt die Menschen sich selbst und andere sehen:
l; Ich bin nicht O.k. = Du bist o, kx
2. Ich bin nicht osk. = Du bist nicht o.k.
3, Ich bin o.k; = Du bist nicht 0.k.
4. Ich bin: o,k. = Du bist o.k
Die 4. Grundeinstellung entspricht der anzustrebenden Normalität;
diese herzustellen ist gleichsam das Lernziel der TA. In der Dar-
stellung von Harris wird die geltende Normalität diskussionslos als
gültig akzeptiert. Nach den Geltungsgründen von Normen wird weder
gefragt, noch werden diese gar kritisiert. Gerade das emanzipato-
rische Potential der Psychoanalyse, wie es sich beispielsweise in
Freuds Auseinandersetzung mit der kulturellen Sexualmoral oder sei-
ner Kritik am klassenspezifisch erzwungenen Triebverzicht ausdrückt,
wird bezeichnenderweise ignoriert. Die Vereinfachung wird erkauft
mit dem Rückfall hinter die in der Psychologie erreichten Höhe der
Reflexion der Verursachungsbedingungen psychischer Probleme. Mit dem
affirmativen Normbegriff der TA korrespondiert der naive Optimismus,
daß jeder sich ändern kónne,wenn er sich nur gehörig bemühe. Selbst-
veränderung wird zu einer reinen Willensfrage. Der Weg zur persön-
lichen Freiheit, oder wie die TA das nennt zum "o.k.-sein", so die
Verheißung der TA, stehe jedem offen, wenn er nur wolle. Die komplexe
Problematik von Freiheit und Determiniertheit des Willens, wie u.a.
auch Freud sie formuliert hatte, wird zugunsten einer pragmatischen
und problematischen Freiheitsvorstellung aufgelöst. Solcher "ein-
fachen" Lösung ist mit Mißtrauen zu begegnen. Nicht nur daß wie
selbstverständlich die Freiheit auf Selbstverwirklichung innerhalb
der bestehenden Normalität eingeschränkt wird; schwerwiegender noch
ist, daß die Thematisierung von Konfliktsituationen und Problemen
auf alltägliche Banalitäten beschränkt bleibt und keine Schlüsse auf
zugrundeliegende psychische Strukturen gezogen werden. Sexualität
als Konflikt- und Problembereich von zentraler Bedeutung kommt, man
glaubt es kaum, nicht vor. Es scheint, als sei das Buch von Harris
durch die Zensur amerikanischer Frauenvereine gegangen. Als hätte
es Freud und eines seiner Hauptverdienste, die Entwicklung und Er-
klärung von Persönlichkeitsstrukturen aus der kindlichen Sexualität
nie gegeben, wird alles zensiert , was über den Horizont sogenann-
ter "Kommunikationsprobleme'" hinausgeht. Der Text ist angereichert
mit Beispielen, wie Menschen, mangels eines voll ausgebildeten Er-
wachsenen-Ich, aneinander vorbeireden. Eine tiefergehende Analyse
von Ursachen fehlt jedoch. Vertretbar wäre dies, wenn sich der Autor
zwecks Verbesserung der Kommunikation mit den harmlosen Lebensregeln
zufriedengäbe, wie sie allenthalben in die Lektüre eingestreut sind.
U.E. hört der Spaß aber auf, wenn die Rede von jenen "klinischen
Fällen" psychischer Störungen ist, auf die angeblich die TA auch an-
wendbar sein soll. Versagt nämlich die Methode, vermittels der dem
= 3 O
Patienten eingeredet werden soll, daß er "o.k." sei, dann zeigt sich,
welche Gewalt hinter diesem Verfahren steckt. Das liest sich folgen-
dermaßen:
"In Verbindung mit der Gruppentherapie werden Medikamente verabreicht,
die helfen die Stimmung zu heben und extreme Erregung zu beheben. In
Fällen schwerer Depression wird die Elektroschock-Behandlung ange-
wandt. Nach 2 oder 3 Schocks wird der Patient fröhlich, entspannt und
bereit zu reden." (Harris, S. 129)
Welch segensreiche Wirkung von Chemie und Elektrizität! Wozu die gan-
ze teure Therapie auf der Couch? In absehbarer Zeit werden wir uns zur
fröhlichen Entspannung einfach an die Steckdose anschließen! Diese ver-
räterische Stelle zeigt, daß die so harmlos daherkommende TA tatsäch-
lich nur die erste Eskalationsstufe im Kampf gegen den Unangepaßten
ist. Dies läßt sich weiter belegen mit Therapiebeispielen, in denen
der Analytiker beispielsweise mit Fragen wie: Warum weigern Sie sich,
das El-Er-K-Schema anzuwenden? Jeden Weigerungsversuch des Patienten
unerbittlich auf das System zurückverweist, innerhalb dessen er sich
realisieren soll. Allenfalls kann so dem Klienten eingeredet werden,
er könne in einer - gespenstisch gegenstandslosen - Privatheit jen-
seits von Ökonomie und Politik über sich selbst verfügen.
INFO SCHULE
Heft 35
“UMGANG MIT
FASCHISMUS”
(104 S./DM 7,--)
REIHE ROTER PAUKER | |REIHE
Heft 16 ROTER PAUKER
SCHÜLER — Heft 15
ÖFFENTLICHKEIT MEDIENPRAXIS
-Rosta-Fenster und -Öffentlichkeit für
Schablonendruck Schüler u. Lehrlinge-
(72 Seiten, DM By) (104 Seiten, DM 7,--
VERLAG 2000, POSTFACH 591, 605 OFFENBACH
GESTALTTHERAPIE
Gestalttherapie ist eine therapeutische Methode, die in den USA nach
der Psychoanalyse und der Verhaltenstherapie die drittstárkste thera-
peutische Richtung darstellt. Auch inder BRD breitet sie sich immer
mehr aus, begleitet von entsprechenden Publikationen.
Meine erste Bekanntschaft mit Gestalttherapie machte ich am Fritz-
Pearls-Institut (FPI), so genannt nach dem Begriinder der Gestalt-
therapie. Der folgende Erfahrungsbericht entstand nach der Teilnahme
an einem der Auswahlseminare, die 2 mal jährlich stattfinden und ent-
scheidend sind für die Zulassung zur 3-jährigen Ausbildung zum Ge-
stalt-Therapeuten. Das Seminar erstreckte sich als Workshop über 5
Tage. Etwa 15 Teilnehmer waren zugelassen. Entscheidendes Kriterium
für die Aufnahme in die Ausbildung war die Fähigkeit, unter den Be-
dingungen des workshops an einem Problem zu "arbeiten". Das schaffte
eine besondere Drucksituation, besonders in den letzten Tagen , als
die Zeit knapp wurde. Zwei der Teilnehmer konnten nicht vor der Grup-
pe an einem Problem arbeiten und wurden daher nicht zur Ausbildung
zugelassen; ihnen wurde stattdessen Einzeltherapie empfohlen.
ERFAHRUNGSBERICHT
Ich fuhr zur Tagungsstätte, im schönen Sauerland gelegen. Nach und
nach reisten die Teilnehmer an. Diese ließen sich einteilen in die
Sorte der gänzlich Neuen auf dem Psycho-Gebiet, die hauptsächlich
neugierig waren, und die der Psycho-Profis, die schon einiges hin-
ter sich hatten an Ausprobieren und Erlernen von Methoden. Letztere
reisten mit präzisen Vorstellungen und Wünschen an. Sie wußten, woran
sie arbeiten wollten und kamen daher auch schnell zum Zuge. Angefangen
hat es dann damit, daß wir alle im Kreis saßen, uns kurz vorstellten
und erzählten, welche Vorerfahrung wir hatten und wie wir an "Gestalt"
geraten waren. Danach sollten wir uns den Raum aneignen - uns einfüh-
len mit allen Sinnen, jedoch ohne Sprache. Das schweigsame, konzen-
trierte Tun erzeugte eine eigenartige, ruhig-meditative Stimmung.
Die nächste Übung lautete: Nimm zu den Menschen im Raum Kontakt auf -
wiederum averbal. Da mir alle im Raume fremd waren, setzte ich mich
alsbald auf einen an der Wand stehenden Tisch, wo mir eine andere
Frau schweigend Gesellschaft leistete. Nach diesen beiden Übungen
setzten wir uns wieder in die Runde, um zu berichten, wie wir den
Raum und die Menschen erlebt hatten.
Die wichtigste, sich immer wiederholende Frage lautete dabei, wie
fühlst du dich jetzt. Der Reihe nach berichteten die Einzelnen de-
tailliert ihr Erleben. Eine Frau antwortete auf diese Frage, daß
sie sich vor einem Mann aus der Gruppe, Peter, fürchtete. Dieser nahm
- 51 -
den Vorwurf nicht an. Die Frau wurde daraufhin gebeten, ihre Angst
zu beschreiben: Wie macht er Dir Angst? Sie sagte, seine ganze Hal-
tung und Sprache würden sie einschränken. Er konnte das Geäußerte
offensichtlich nicht verstehen - so ging das eine Weile hin und her,
währenddessen die Frau immer aufgeregter wurde und anfing, die Hän-
de zu verkrampfen und auf dem Stuhl herumzurutschen. Die Therapeutin
fragte: Was tun deine Hände? worauf die Frau in Schluchzen ausbrach
und stammelte, ich bin so hilflos und kann mich nicht wehren. Ein-
mal aufgebrochen erlebte sie mit großer Heftigkeit diese Hilflosig-
keit, die durch eine Übertragung auf diesen Mann ausgelöst worden
war. Dieses Zittern und Schluchzen erschütterte mich sehr. Ich staun-
te über das Ablaufende, weil ich mir nicht vorstellen konnte, selber
derart heftig und entblößend vor diesem fremden Menschen agieren zu
können. Die Szene endete mit einer Umarmung der beiden. Der Frau war
klar geworden, daß sie an Konflikten aus einer anderen Beziehung
"gearbeitet" hatte. Anschließend wurden wieder die einzelnen Gruppen-
mitglieder nach ihren Gefühlen befragt und wie sie das Abgelaufene
erlebt haben. Aus diesem Erzählen ergab sich meist schon eine neue
Arbeit, die in der Regel zwischen einem Teilnehmer und der Therapeu-
tin stattfand. Die Gestaltarbeit fand im wesentlichen als Einzelthera-
pie in der Gruppe statt. Gruppenmitglieder sollten nicht während einer
Arbeit eingreifen, es sei denn, sie waren direkt angesprochen, -
So arbeitete Eine(r) nach der(m) Anderen. Zuerst die Profis, danach
die Ungeübten, die es erst schafften, nachdem sich Beziehungen und
Übertragungen entwickelt hatten. Am 4. Tag gelang es mir schließlich
auch, an einer nicht verarbeiteten Trennung zu arbeiten, die mir
hochstieg, d.h. Gestalt wurde, als eine andere Frau an einer Tren-
nung arbeitete. -
Danach fühlte ich mich viel mehr als vorher in die Gruppe integriert.
Ich wurde von den anderen auf mein Erleben hin angesprochen und be-
fragt. Endlich hatte ich das Gefühl, dazu zu gehören, während ich
vorher eher als Beobachter von draußen zugeschaut hatte. Die ganzen
5 Tage waren erfüllt von Erlebnissen und psychischen Abläufen, die so
dicht und intensiv waren, daß alle Teilnehmer keine Lust hatten, das
Haus zu verlassen und woanders hinzugehen.
Nach Berlin zuückgekehrt, fand ich meine Wahrnehmung für den körper-
lich-emotionalen Ausdruck geschärft. Viel deutlicher als vorher sah
ich, was jemand mitteilt, gerade auch die Dissonanzen zwischen verba-
len und körperlichen Aussagen.
Nach dieser Erfahrung las ich verstärkt über Gestalttherapie, weil
ich nicht nur erleben, sondern auch wissen wollte, was "Gestalt" ist.
Bei der Einordnung des Gelesenen habe ich immer noch Schwierigkeiten.
Die "Gestalt" selber begreift sichals eine Methode, deren Eigenart
in der neuen Organisation schon bekannter Elemente besteht. Sie hat
nicht, wie etwa die Psychoanalyse, den Anspruch, eine wissenschaftli-
che Methode des Subjekts zu sein, vielmehr begreift sie sich als eine
Art und Weise, mit der Wirklichkeit umzugehen. Ihr theoretischer Hin-
tergrund besteht aus einigen Prämissen, die auch in der Therapie ganz
direkte Rollen spielen,z.B. das "Hier-und-Jetzt-Prinzip".
a El
PRAMISSEN DER GESTALTTHERAPIE
l. Den Namen nimmt die Gestalttherapie von der Gestaltpsychologie,
deren wichtigste Vertreter Koffka, Köhler und W. und M. Wertheimer
sind. \hre Grundannahme besagt, daß die menschliche Natur in Struk-
turen oder Ganzheiten organisiert ist und von den Individuen auch so
erfahren wird. D.h., das Erleben strebt nach ganzen Strukturen. Unab-
geschlossene Erlebnisse binden Energie und schaffen Unbehagen. Ziel
der Gestalttherapie ist, die Fähigkeit, unvollendete Erlebnisse ab-
zuschließen, zu stärken. Der Neurotiker zeichnet sich dadurch aus,
daß er besonders viele unabgeschlossene Situationen mit sich herum-
schleppt.
2. Das Leben und das Verhalten wird von der Homöostase bestimmt. Da-
mit ist ein Vorgang gemeint, durch den der Organismus seine Gesund-
heit unter wechselnden Bedingungen aufrechterhält. Jedes Bedürfnis
stört das homöostatische Gleichgewicht, darum läuft dieser Prozeß
ständig ab. Das vorherrschende, zur Befriedigung drängende Bedürf-
nis wird "Figur". Nach seiner Erledigung tritt ein anderes in den Vor-
dergrund. Es wird von einer Hierarchie der Bedürfnisse ausgegangen,
die sich ständig verändert.
3, Das holistische Prinzip bedeutet in der Philosophie Ganzheitsleh-
re. Damit wendet sich die Gestalttherapie gegen die in den Wissen-
schaften übliche Spaltung des Menschen in Geist-Seele-Körper und be-
steht auf dessen Unteilbarkeit. Denken und Handeln werden als ver-
schiedene Aktivitätsstufen des Menschen betrachtet, wobei die psy-
chische Tätigkeit Energie sparend ist. Diese Betrachtungsweise be-
tont die Gleichwertigkeit von geistiger Tätigkeit und Handeln. Die
Gestalt und andere Therapien, die sich auf dieses Prinzip berufen,
grenzen sich durch diese Auffassung explizit von der Psychoanalyse
ab.
4. Das Individuum lebt nicht isoliert, sondern in einem es umgebenden
Feld, in dem es jederzeit Teil ist. Sein Verhalten ist eine Funktion
des ganzen Feldes, das ihn und seine Umwelt einschließt. Das Indivi-
duum fiihrt die Auseinandersetzung mit der Umwelt durch den Kontakt
mit ihr. Riickzug und Kontakt bilden ein dialektisches Wechselverhált-
nis. Ein Neurotiker kann weder richtig mit der Welt in Kontakt kom-
men noch sich zurückziehen. Es geht darum, Beziehungen zu erreichen,
die sowohl fürs Individuum als auch für die Gesellschaft befriedi-
gend sind.
5. Das Hier-und-Jetzt-Prinzip bedeutet Vorrang der Erfahrung vor der
Interpretation und Verbalisation . Gestalt versteht sich als Experi-
mentaltherapie. Das gegenwärtige Erleben ist Gegenstand der Therapie.
Eine der wichtigsten Fragen lautet: Wie fühlst du dich jetzt? Die Ver-
gangenheit ist nur insofern wichtig als sie in die Gegenwart wirkt.
Es geht um das bewußte Erleben im Hier und Jetzt, das weitertreibend
wirkt. Wenn jemand in der Lage ist, klar und deutlich zu erleben, wird
er vom eigenen Richtungssinn zum nächsten wichtigen Erleben geführt.
Durch dieses präzise Erleben kommt er zu Lösungen seiner Schwierig-
keiten. Dies verstärkt seinen selbst-support, d.h. die Fähigkeit, den
eigenen Emotionen zu vertrauen und dadurch zu größerer Entscheidungs-
fähigkeit zu gelangen, ein Ziel der Therapie.
- 53 -
6. Emotionen werden von der Gestalt als die treibende Kraft im Le-
ben, ja als das eigentliche Leben betrachtet. Práziseres und unblok-
kiertes Erleben von Emotionen bedeutet mehr Kraft und mehr Leben.
Emotionen sind die Sprache des Organismus. Sie liefern Energie für
die Besetzung von Erregung und mobilisieren Mittel und Wege, Bedürf-
nisse zu befriedigen.
Da meine Erfahrungen mit Gestalt noch gering sind, bringe ich im
folgenden nur eine kurze, vorläufige Einschätzung. l
Gestalttherapie scheint mir als Methode geeignet für Menschen, die
Schwierigkeiten haben mit der Wahrnehmung und dem Ausagieren von
Emotionen, z.B. die Kopflastigen. Außerdem für solche, die sich sel-
ber nicht trauen, d.h. die zu wenig die eigenen Bedürfnisse ernst
nehmen. Ihnen kann Gestalt präziseres Wahrnehmen und Erleben dessen
bringen, was ist. Außerdem können in der Gruppe ansatzweise neue Er-
fahrungen gemacht werden, aufgrund der wachsenden Sicherheit gegen-
über den eigenen Bedürfnissen, und dem jetzigen Sein. Problematisch
könnte die Anwendung sein, wenn Personen sehr ichbezogen ihre Bedürf-
nisse leben und eher Schwierigkeiten im sozialen Bereich haben und
die Gruppe nicht in der Lage ist, diese Probleme anzugehen, Ebenso
dort, wo jemand passiv die Erfüllung seiner Bedürfnisse von der Um-
welt erwartet. Weil die Gestalttherapie meistens Einzeltherapie ist,
könnte dieser Zug eher noch verstärkt werden. Voraussetzung für das
Sich-Einlassen-Können auf Gestalttherapie ist eine gewisse emotio-
nale Ansprechbarkeit und Belastbarkeit, was den Kreis der Personen,
die etwas mit Gestalt anfangen können,einengt.
Das Arbeitsfeld Schule im
Sozialistischen Büro gibt
viermal im Jahr den
Informationsdienst
Schule heraus:
INFO SCHULE — HEFT 35
“UMGANG MIT
ERAMOS INFO SCHULE — HEFT 34+31
Beiträge: Mit Festreden sich X
festreden/Antifaschistische | ALTERNATIVE PADAGOGIK
Tage in Hamburg/Plakat zur | Beiträge: Politikformen der pád.
Reichskristallnacht/Projekt- | Intelligenz in der Krise/
tage an einer Volks- und Dimensionen alternativer Páda-
Realschule/Nazistische Ten- | gogik/Rechtliche Grundlagen
denzen bei Jugendlichen etc.| für Alternativschulen/ etc.
104 Seiten/ DM 7,-- 64 Seiten/DM 4,-- £0S./DMS.-
GRUPPENSUPERVISION
Seit einem Jahr mache ich zusammen mit drei anderen Sozialarbeitern
eine Gruppensupervision. Wir alle (außer mir noch zwei Frauen und
ein Mann) sind in unterschiedlichen Arbeitsgebieten bei der evange-
lischen Kirche beschäftigt - meistals "Einzelkämpfer" - oder in sehr
kleinen Dienststellen.
Unsere Supervisorin haben wir uns selbst gesucht; sie hat mit unserem
Anstellungsträger nichts zu tun. Die Kosten wurden vom Arbeitgeber
ganz oder teilweise übernommen. Die ersten zehn Doppelstunden haben
wir ganz in der Freizeit gemacht, beim zweiten und letzten "Zehner-
block" trafen wir uns auch öfter in der Arbeitszeit.
Der Ablauf eines Gruppentreffens sieht etwa so aus: Wir tauschen die
Protokolle aus, die jeder einzelne über das letzte Treffen gemacht
hat. In einer aktuellen Runde wird geklärt: Was liegt bei mir an
Problemen an? Will ich das hier in der Gruppe besprechen? Wir ent-
scheiden uns dann gemeinsam für ein Problem. Bei der Bearbeitung
stellt die Supervisorin ab und zu Rückfragen, versucht wesentliche
Punkte herauszuarbeiten oder macht methodische Vorschläge: z.B. Phan-
tasieübungen, Rollenspiele zweier Teilnehmer, Rollenspiel "mit sich
selbst' (man/frau wechselt zwischen zwei Stühlen und spielt einmal
sich selbst, einmal z.B. den Klienten oder Vorgesetzten).
Das Vorgehen ist sicher stark von der Person und der Ausbildung der
Supervisorin abhängig; ich hatte den Eindruck, daß unsere ziemlich
"undogmatisch'" die verschiedensten Methoden einsetzte, die ihr für
die Arbeit brauchbar schienen und mit denen sie selbst bereits Er-
fahrungen gemacht hatte.
Ich selbst habe die Supervision und die dadurch ausgelösten Verände-
rungen bei mir ziemlich positiv empfunden. Den Vorwurf, Supervision
entpolitisiere die Leute und passe sie noch besser an die bestehen-
den Verhältnisse an, kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen.
Diese Erfahrung hängt ganz eng mit meiner Geschichte zusammen und 1st
wahrscheinlich nur unter ganz bestimmten Bedingungen möglich gewe-
sen. Deshalb will ich versuchen meinen Hintergrund etwas deutlicher
zu machen:
Zu meiner Geschichte:
Ich war früher Erzieherin. Mein Politisierungsprozeß fing noch wäh-
rend der Erzieherausbildung an: Beim Jugendhilfetag 1970 war ich
ziemlich beeindruckt von der linken Kritik an der herkömmlichen Vor-
schulerziehung und kam ziemlich aufgewühlt und verändert in meine
kirchliche Erzieherfachschule zurück. Nach dem Anerkennungsjahr fing
ich gleich ein Sozialpädagogikstudium an. Gleich im ersten Semester
an der Fachhochschule mußten wir uns gegen eine Verschärfung der
Prüfungsordnung wehren. Weil ich da mitmischte, wurde ich ziemlich
schnell in den AStA gewählt, ohne recht zu wissen wie mir geschah.
= 55 -
Ich lernte viele neue Leute kennen; wie bei vielen anderen war mei-
ne politische Entwicklung von einigen Zufállen und persónlichen Kon-
takten mit beeinflußt.
An der Fachhochschule gab es damals noch keine politischen Gruppen.
Einige "Undogmatische" gründeten so eine Art Diskussionszirkel zur
"Organisationsfrage". Zuerst waren wir stärker gewerkschaftlich ori-
entiert, dann tendierten einige von uns zur AK (damals "Rote Zellen -
Arbeitskonferenz"). Diese Gruppe übte vor allem durch ihre gründli-
chen Kapitalschulungen große Anziehungskraft auf die pluralistisch/
wissenschaftlich verunsicherten Sozialarbeiterstudenten aus.
Nach dem Ende des Studiums bekam ich ziemlich schnell eine Stelle
als Beraterin fiir Mitarbeiter im kirchlichen Dienst. Tátigkeitsmerk-
male: Zustándig fiir berufsbezogene Beratung und Fortbildung, ziemlich
viel Außendienst, "Ein-Frau-Dienststelle", die Kollegin des benach-
barten Bezirks 70 km entfernt, alle 4 bis 6 Wochen zentrale Treffen
mit Kollegen aus anderen Bezirken und dem Abteilungsleiter.
Ich nahm die Stelle an, ohne recht zu wissen, was an Arbeitsbela-
stung und Anforderungen auf mich zukam. Ein Grund für die schnelle
Entscheidung war meine Angst, länger arbeitslos zu sein.
Ich fing also zunächst mal mutterseelenallein und ohne Konzeption
(weder vorgegeben noch eigene!) an, Kontakt zu meiner Zielgruppe auf-
zunehmen.Die Gruppenzusammenhänge aus dem Studium waren auseinander-
gefallen, ich gehörte keiner politischen Gruppe an. Meine Einstel-
lung zum Beruf war aber ziemlich stark von AK-Einschätzungen geprägt:
Den Beruf zynisch - also nur zur Reproduktion - ausüben. Politische
Tätigkeit nur außerhalb des Berufes. Die zynische Einstellung hatte
ich zwar im Hinterkopf, aber da ich sonst nirgends aktiv war, war
mein politisches Engagement gleich null. Diese Ausgangslage hatte
recht schlimme Folgen. In Stichworten:
e Ich konnte mich mit meiner Arbeit nicht identifizieren, fand
etwa 1 1/2 Jahre keine "Berufsrolle".
e Von allen Seiten spürte ich Erwartungen, die nicht offen ausge-
sprochen wurden, weder vom Anstellungsträger noch von den Leuten,
die ich beraten sollte. Ich versuchte diesen "imaginären" Erwar-
tungen gerecht zu werden und versäumte darüber, eigene Zielvor-
stellungen zu entwickeln, verhandene Freiräume zu erkennen und zu
nutzen.
e Nie sprach ich offen mit anderen Mitarbeitern im Haus über meine
Schwierigkeiten, zog mich zurück und saß oft völlig entmutigt
und apathisch am Schreibtisch.
e Um nicht als "links" aufzufallen, schluckte ich ziemlich viel an
eigener Meinung und Ärger hinunter. (z.B. bei den monatlichen Tref-
fen aller Berater, wenn wieder einmal ein "Hammer" geäußert oder be-
schlossen wurde).
e Ich führte eigentlich ein Doppelleben - konnte Beruf und Privat-
leben überhaupt nicht in Einklang bringen.
e Das Ganze führte zu ziemlich starken psychosomatischen Beschwer-
den wie Magenschmerzen usw.
Oft war mir danach zu Mute, den ganzen Kram hinzuschmeißen. Was mich
letztlich an diesem Schritt hinderte war wohl, daß ich mir so eine
"Niederlage" nicht eingestehen wollte.
Inzwischen weiß ich von anderen Sozialarbeitern, daß meine Schwierig-
keiten keine Einzelerscheinungen sind, sondern daß viele linke Be-
= ER
rufsanfánger mit Überforderung, "Doppelleben" usw. zu kämpfen haben.
Eine Wende in meiner Misere zeichnete sich nach 1 1/2 Jahren ab: In
anderen Bezirken wurden neue Berater eingestellt. Besonders eine Kol-
legin, die ich für ziemlich unbedarft gehalten hatte, verblüffte mich
durch ihre couragierten Äußerungen beim monatlichen Berater-Treffen.
Nachdem dies keine Repressionen nach sich zog, fing auch ich lang-
sam an 'aufzutauen' und den Mund aufzumachen. Mit meinem politischen
Anspruch stand ich ganz schön beschämt da: Die anscheinend unbedarf-
te Kollegin hatte sicher mit ihren Äußerungen mehr an Veränderung be-
wirkt, als ich mit allen Einschätzungen, die ich ja nur im Kopf hat-
te.
Heute kann ich mit einigen Kollegen über die Zeit damals reden und
sie bestätigen mir, sie hätten mich früher "ziemlich angepaßt" erlebt.
Zu dieser Auftauphase - etwa 2 1/2 Jahre nach meinem Berufsanfang -
beschloß ich fast gleichzeitig in den AKS (Arbeitskreis Kritische
Sozialarbeit) zu gehen und eine Gruppensupervision anzufangen.
Die Initiative zur Supervision ging von einer Kollegin aus, die ich
flüchtig kannte. Meine Erwartungen- waren damals noch recht diffus:
"Na, schaden kann es jedenfalls nichts, meine Vereinzelung in der
Dienststelle durch eine Gruppe auszugleichen. ...Und vielleicht bringt
es mich wirklichin einigen Beratungsfällen weiter."
Gleich in einer der ersten Stunden hatte ich ein "Aha-Erlebnis". Ich
erzählte von meinen Schwierigkeiten im ersten Berufsjahr und eine
Kollegin, mit der ich seit zwei Jahre Tür an Tür arbeitete, sagte
dazu: "Ja, das ging mir ganz ähnlich und zwar fast zur selben Zeit.."
Dabei stellte sich heraus, daß wir uns gegenseitig für total "cool"
und souverän gehalten hatten. Wir wären nie auf die Idee gekommen,
uns das in der Dienststelle einfach mal zu sagen.
Seitdem wurde in der Gruppe für mich ziemlich viel Solidarität spür-
bar, die Offenheit blieb aber nicht nur auf die Gruppe beschränkt
sondern übertrug sich auch nach außen. (Berater-Team, Mitarbeiter).
Mit der Zeit erkannte ich, daß der enorme Leistungsdruck, unter dem
ich stand, das ständige schlechte Gewissen, weniger durch objektive
Anforderungen meines Arbeitgebers entstanden war, sondern daß ich
mich selbst noch viel mehr unter Druck setzte.
Genauso ging es mir mit Meinungsäußerungen, politischen Stellungnah-
men usw.: Ich hatte in einer Art innerer Zensur die möglichen Repres-
sionen meines Anstellungsträgers in der Phantasie vorweggenommen,
aber nie probiert, wo in Wirklichkeit die Grenze ist.
Inzwischen sage ich zwar auch nicht "alles" - aber zumindest nichts,
wovo ich nicht überzeugt bin. Repressionen habe ich deshalb (noch?)
nicht zu spüren bekommen. Ich habe in den meisten Punkten die Unter-
stützung einiger Kollegen, die Auseinandersetzung bei unseren Tref-
fen ist auch fachlich viel interessanter geworden.
Die Erfahrungen mit "Selbstzensur'' und deren Überwindung haben mehre-
re Kollegen aus dem AKS in ganz ähnlicher Weise gemacht.
Nachdem ich meinen "internalisierten Leistungsdruck" erkannt hatte,
konnte ich einige Veränderungen der Arbeitsbedingungen (z.B. Ein-
schränkung von überregionalen Aufgaben) vorschlagen und mit Kolle-
gen durchsetzen. Früher hätte ich befürchtet, alle anderen würden
mich bei so einem Vorschlag für faul oder unfähig halten.
- 58 -
Ich versuche zum Schluf nochmal einiges zusammenzufassen was mir
wichtig scheint:
Die Supervisionsgruppe ist ein gewisser Schonraum: Es gibt keine
Hierarchie, keine Repressionen, man kann Dinge äußern, die sonst
nicht ohne weiteres ausgesprochen werden. Darin liegt sicher eine
gewisse Gefahr: Wenn man sich mit so einer Gruppe eine Insel, ein
Ventil schafft. Ich habe eben die Erfahrung gemacht, daß Offenheit
und Solidarität nicht nur auf die Gruppe beschränkt blieb, daß ich
mich auch "draußen" anders verhalten konnte.
Für mich war es wichtig, eine Art emotionales Lernen zu lernen. Bis-
her war ich immer sehr verkopft an Probleme rangegangen. Rational
war mir dann vieles klar, ich kam aber auf der Verhaltensebene nicht
weiter. Durch meine ersten Protokolle zieht sich immer wieder der
Satz: "...ich hätte nicht für möglich gehalten, daß soviel in Bewe-
gung kommt."
Ich will auch nochmal an die Bedingungen erinnern, die in meinem
Fall einen positiven Verlauf beeinflußt haben:
- Wir hatten uns aus eigenem Antrieb für die Supervision entschie-
den
- Die Supervision war uns nicht von Amts wegen zugeteilt worden;
wir suchten uns selbst jemanden mit dem wir arbeiten konnten.
Problematisch ist die Sache dann, wenn der Supervisor in die Hierar-
chie der eigenen Institution eingebunden ist. Wegen Dienstbefreiung
und finanzieller Beteiligung sollte man auf jeden Fall mit dem Ar-
beitgeber verhandeln. Bei einigen Trägern gibt es Richtlinien dafür,
was einem in welchem Zeitraum an Supervision zusteht.
Nach Abschluß der Gruppensupervision bleiben für mich doch einige
Punkte, die durch Supervision nicht zu lösen sind, wo sie an ihre
Grenzen stößt:
e Das Problem ein Doppelleben zu führen, besteht nach wie vor, auch
wenn es etwas abgemildert ist, und ich in Kleidung, Verhalten usw.
"echter" sein kann als vorher. Kollegen, die bei evangelischen
oder katholischen Trägern arbeiten, berichten ähnliches. Der Druck
auf das Privatleben - oder zumindest unsere Angst davor - hat
durch neue Einstellungsrichtlinien im letzten Jahr noch zugenom-
men.
e Daß ich in politischer Hinsicht bisher keine Repressionen des An-
stellungsträgers spürte, liegt wohl weniger an dessen Großherzig-
keit als an der Tatsache, daß meine Schritte wirklich sehr klein
waren.
Zwei Punkte an meiner Arbeit sind trotz (oder wegen?) Supervision
inzwischen für mich nicht mehr tragbar:
e Eine nie ganz geklärte Verknüpfung von Beratungs- und Kontroll-
funktion in meinem Dienstauftrag und - was noch schwerer wiegt:
e Die Vereinzelung in meinem Aufgabenbereich: Die Supervisionsgrup-
pe kann mir ein echtes Arbeitsteam nicht ersetzen!
Ich habe mir inzwischen eine neue Stelle gesucht, wo ich wirklich
mit Kollegen im Team zusammenarbeiten kann.
SILBENRATSEL FUR “METHODEN-FANS”
UND SOLCHE, DIE ES NIE WERDEN WOLLEN
ons- ly- fi- psy- sen- ti- on- vi- heits- ein- er- in- me- cho- Be-
ca- ma- se- fah- ter- cho- su- trans- ser- band- lan- kind- work-
heit- ak- psy- per- si- psy- trai- pe- ak- arls- boom- lie- sel- ich-
rung- bst- tion- ner- on- ton- ko- stra- dra- cho- ti- a- na- se-
pro- cho- kis
Aus diesen Silben sind 16 Wörter der nachfolgenden Bedeutungen zu bild-
en. (Pro Strich(-) ein Buchstabe), (Zahlen in Klammern: Anzahl der Buch-
staben. Die Buchstaben in den Kreisen ergeben von oben nach unten ge-
lesen den Lösungsspruch. Die richtige Lösung bitte an die Kontakt-
l. rebellierendes Ich(12) == --- Af - - - -
2. Traditionelle Methode in
der Sozialarbeit (8) O
3. Ziel des Strebens von
Geist und Körper (7) =-- > _
spannende Erfahrung (15) a
Kommunikatives Handeln(11)
tiefe Traurigkeit,Schwermut (11) == --
~s > Una DB
unerläßl.technisches Instru-
ment b.d. Anwendung der
Heimler-Methode (7) rö
8. Bekanntes Fortbildungs-
Institut (Straßenname) (11) O
9. szenische Darstellung akuter
Problemsituationen als
therapeutische Methode (11) -- - - - - O- - - -
lo."Wiederaufbereitungssitzung"
für Sozialarbeiter (11) -5 zu um.
Il.der "run" auf die Psychometh(lo)- - - - - - >. - -
12.Anleiter einer Psychogruppe (7)- - - - - - - qe - - - - - - - - - - -
13.Begründer der Gestalttherapie(6) - - - - - A - - - - - - - - - - -
14.Psychomethode mit der selbst
internationale Spannungen
gelöst werden können (19) ------- O) ETET ae
15.Kenner und Könner der Psychometh. - - - - - (5 ==. ---
l6.wichtiges Utensil bei der Anwendung
der Gestalttherapie (6) O - - - - -
- 60 -
Albert Hofmann
AUF WELCHE SITUATION TREFFEN DIE METHODEN?
EINIGE DATEN ZUR SOZIALHILFE
1. ZUNAHME DER SOZIALHILFEEMPFANGER — ABNAHME DER LEISTUNGEN
"Eigentlich müßte sie schon längst bedeutungslos geworden sein, die
Sozialhilfe" - sinnierte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "denn
das Netz der sozialen Sicherheit ist in den vergangenen Jahren immer
enger geknüpft worden. Wirkliche Notlagen, in denen die Sozialhilfe
einzuspringen hat, sollte es nur noch ausnahmsweise geben."(1)
Daß die Sozialhilfe nicht bedeutungslos geworden ist, zeigen die
jüngst vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen. (2) Im
Jahre 1977 waren immerhin 2 164 ooo Menschen offiziell von Sozial-
hilfe abhängig. Etwa jeder 28. Bundesbürger war somit Sozialhilfe-
empfänger. Noch höher liegt der Anteil der Sozialhilfeempfänger an
der Bevölkerung in ausgewählten Städten. Etwa jeder 13. Einwohner
von Berlin und etwa jeder 18. Einwohner von Hamburg bezog 1977 Sozi-
alhilfe.
Diese Zahlen des "offiziellen Papuerismus", dürften nur einen Teil
der tatsächlichen Sozialhilfeberechtigten wiedergeben. Zur Erinnerung:
auf fast 6 Millionen schätzte 1975 der damalige Sozialminister von
Rheinland-Pfalz und gegenwärtige Generalsekretär der CDU Heiner Geiß-
ler die Anzahl der Menschen, welche mit ihrem Einkommen unter dem
Sozialhilfeniveau liegen.
Die Berechnung des Ministeriums ergab ferner, daß sich diese 6 Milli-
onen Menschen auf 2 Millionen Haushalte verteilen. Jeder 11. (!) Haus-
halt in der BRD wäre demnach sozialhilfebedürftig. Es ist hier nicht
der Ort zu überprüfen, inwieweit die Zahlen des ehemaligen Sozial-
ministers H. Geißler aus politischen Gründen überzogen sind. Daß die
offizielle Zahl der Sozialhilfebezieher unter den tatsächlichen Sozial-
hilfeberechtigten liegt, ist allgemein unbestritten. (3)
Wie immer - 2 164 ooo registrierte Sozialhilfeempfänger im Jahre 1977
(und diese Zahl ist schlimm genug), bedeuteten gegenüber dem Vorjahr
1976 eine Erhöhung um 6,7 Prozent bei den Empfängern laufender Hilfe
zum Lebensunterhalt. Seit 1972 stieg die Zahl der laufend unterstütz-
ten Sozialhilfeempfänger um nicht weniger als 50 %(!).
Zweifelsohne, entgegen vorhandener Schönfärberei, die den Anstieg der
Sozialhilfeempfänger mit Verbesserungen des Bundessozialhilfegeset-
zes (BSHG) begründen will, ist dieser Anstieg, wie es selbst von dem
"Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge" nicht mehr
übersehen werden kann, durch die "schwerste Wirtschaftskrise, in der
sich die westlichen Industrieländer seit den 30er Jahren befinden",
geprägt.(4) Vor diesem Hintergrund betrug beispielsweise in Baden-
Württemberg von 1973 zu 1974 die Steigerung der Empfänger laufender
Hilfe zum Lebensunterhalt 24,8 %. Die Zahl der Haushalte, denen zum
Arbeitslosengeld auch Sozialhilfe gewährt werden mußte, steigerte sich
um 375,88 Z (!!). (In den Landkreisen um 388,85 %).(5)
- 61 -
"In Köln waren im Februar 1975 etwa 1500 Arbeitslose mit ihren Fami-
lien - jeder achte Arbeitslose ! - auf Hilfe zum Lebensunterhalt
angewiesen.'"(6)
Dieser Anteil der Sozialhilfeempfänger unter den Arbeitslosen ent-
spricht den Ergebnissen einer Untersuchung des "Instituts für Ar-
beitsmarkt- und Berufsforschung" (IAB).(7) Die Untersuchung erbrach-
te das Ergebnis, daß der Anteil der Sozialhilfeempfänger unter den
Arbeitslosen nach gut einem Jahr Arbeitslosigkeit 7 Prozent beträgt.
Dieser Anteil steigerte sich bis 1977 auf 9,8 %.(8) Mit anderen Wor-
ten: etwa jeder lo. Arbeitslose bezog 1977 Sozialhilfe. Sprungartig
erhöht sich die Anzahl der Arbeitslosen, die Sozialhilfe beanspruchen
müssen, bei einer Dauer der Arbeitslosigkeit von zwei und mehr Jah-
ren. Jeder 4. Arbeitslose (24 %) bezog nach der Untersuchung des IAB
nach einer Dauer der Arbeitslosigkeit von zwei und mehr Jahren Sozial-
hilfe.
Noch schlimmer verhält es sich bei arbeitslosen Ehepaaren mit Kin-
dern: jedes 3. Ehepaar mit Kindern (38,1 %) mußte 1977 zusätzlich
zum Arbeitslosengeld oder zur Arbeitslosenhilfe Sozialhilfe in An-
spruch nehmen. (9) Es darf unterstellt werden, daß die Zahl der Ar-
beitslosen, die Sozialhilfe beziehen könnte, noch höher liegt, denn
im gleichen Zeitraum wurden 16 % der Arbeitslosen von Verwandten und
Bekannten unterstiitzt.(lo)
JUGENDARBEITSLOSIGKEIT
Als Berufsanfänger haben Jugendliche keinerlei Ansprüche auf Arbeits-
losengeld bzw. Arbeitslosenhilfe. Bei evtl. Bedürftigkeit der Fami-
lie bleibt ihnen nur der Gang zum Sozialamt. Jugendliche Arbeitslose
sind also in steigendem Maße auf Leistungen der Sozialhilfe angewie-
sen.
35 Prozent (!) der Sozialhilfeempfänger waren 1977 unter 21 Jahren (!).
Der Anteil der 14-21-jährigen betrug davon 231 659. Am stärksten stieg
in dieser Gruppe der Sozialhilfeempfänger der Anteil der 14- bis
unter 18-jáhrigen. Von 1.000 Jugendlichen dieser Altersgruppe bezogen
im Jahre 1970 25 Sozialhilfe. Im Jahre 1974 waren es bereits 34, so-
dann im Jahre 1976 vierzig. (11)
Es gibt gegenwärtig keine Anzeichen, daß die Entwicklung zu immer mehr
Sozialhilfebedürftigkeit gestoppt werden könnte. Im Gegenteil - der
Sozialbericht 1978 prognostiziert bis 1982 (gegenüber 1975) eine Ver-
doppelung der Sozialhilfeleistungen (von 8 Mill. auf 17 Mill.).(12)
Eigentlich überflüssig zu bemerken, daß diese prognostizierte Aus-
gabenverdoppelung keinen geplanten Leistungsverbesserungen geschul-
det ist: Die Bundesregierung ist sich ihrer "Mitverantwortung für die
Belastbarkeit insbesondere der kommunalen Haushalte bewußt" und be-
tont in der Begründung zum Entwurf der 4. BSHG-Novelle, daß sie sich
veranlaßt sehe, "trotz mannigfacher Wünsche für einen weiteren Ausbau
der Leistungen der Sozialhilfe einen im wesentlichen kostenneutralen
Gesetzentwurf vorzulegen.'(13)
Angesichts der steil ansteigenden Zahl von Sozialhilfebeziehern sind
die Länder ihrerseits zu Leistungseinschränkungen übergegangen. Im
Januar 1978 rückten erstmals einige Bundesländer, von der in den ver-
gangenen Jahre geübten Praxis ab, die Regelsätze für Sozialhilfe-
empfänger, jeweils jährlich, zum Jahresbeginn oder zur Jahreshälfte,
um einen kleinen bescheidenen Betrag anzuheben. (14) Vorläufiger Höhe-
w EY a
punkt und erstes greifbares, wenn auch nicht einziges Ergebnis, der
seit geraumer Zeit geführten '"Kostendämpfungsdiskussion in der So-
zialhilfe".(15)
Der Angriff auf die Regelsátze steht nicht isoliert. Ebenfalls einge-
schránkt werden die sogenannten einmaligen Beihilfen. Bujard/Lange
kamen in ihrer Untersuchung über "Armut im Alter" zu dem Ergebnis,
daß die "Beträge häufig nicht ausreichen, um den erforderlichen Ge-
genstand auf dem normalen Wege zu erwerben... Die für die einmaligen
Beihilfen eingesetzten Richtwerte sind ohne Zweifel Minimalsátze."(16)
Dessen ungeachtet wird munter weiter abgebaut. Exakte Informationen
aus dem gesamten Bundesgebiet fehlen leider. Eine Tendenz des Abbaus
zeigt die von der "Landesarbeitsgemeinschaft soziale Brennpunkte Hessen"
durchgeführte Umfrage. Die "Landesarbeitsgemeinschaft" befragte in
einem Fragebogen verschiedene Projekte zur gegenwärtigen Handhabung
der Beihilfegewährung: (17)
In Offenbach a.M. war es bis 1974 "üblich, daß 15 % des Gesamtjahres-
regelsatzes pro Person zur Grundlage für Bekleidungsbeihilfe diente,
wobei in der Regel eine Pauschalisierung gewählt wurde. Stufenweise
wurde dann 1975/76 der Betrag auf zunächst 12,5 % und dann auf lo %
des Gesamtjahresregelsatzes herabgedriickt."
In Darmstadt wird Bekleidungsbeihilfe für Bewohner von "sozialen
Brennpunkten" immer nur mit Gutscheinen gewährt. Bei Forderung nach
Bargeld werden lo % von der gewährten Summe abgezogen...Der Verweis
auf die freie Wohlfahrt geschieht häufig."
"Eine neue Variante ist (in Fulda) die, daß eine Hilfe zum Lebens-
unterhalt-Empfängerin, die ohnehin schon für diese Hilfe 12 Tage im
Monat Pflichtarbeit leistet - wie ihr gesagt wurde für Stromschul-
den, die das Amt übernahm - andere Einzelbeträge verwehrt werden,
die erst nach Abarbeitung der Stromschulden behandelt werden könn-
ten."
2. VERSCHLECHTERUNG DER LEBENSSITUATION
Diese restriktive Praxis der Länder und Kommunen führt zweifelslos
zu einer einschneidenden Verschlechterung der Lebenssituation von
Sozialhilfeempfängern.
Grundsätzliche Bedenken und Kritik an der Höhe der Sozialhilfe, selbst
in Zeiten als sie noch regelmäßig erhöht wurde, wurde schon wieder-
holt vorgebracht.
Strang kommt anhand seiner Untersuchung über "Erscheinungsformen der
Sozialhilfebedirftigkeit" 1970 zu dem Schluß, "daß die Regelsátze
derart knapp bemessen sind, daß die tatsächlich realisierten Ausgaben
zur Deckung des existierenden Bedarfs den erweiteren Lebens- und Kul-
turbedarf weitgehend aufbrauchen... Die praktische Befolgung des Prin-
zips der Menschwürde im BSHG muß demnach angesichts dieses Sachver-
halts in Frage gestellt werden."
Insbesondere sieht er "bei steigender Preistendenz'" eine ständige Be-
nachteiligung der Sozialhilfeempfänger und warnt davor, "leichtfertig
auf 'unrationelles' und unwirtschaftliches Verhalten (zu) schließen,
wenn man erfährt, daß sich ein Teil der Befragten oft in dringenden
finanziellen Schwierigkeiten befindet.'"(18)
Eine Schlußfolgerung, die sich ebenfalls in der Untersuchung von Mün-
- 63 -
stermann, Schacht und Young aus dem Jahre 1974 findet.
Die Erhebung in einem Dortmunder Stadtviertel ergab: "63 Prozent der
Armen gaben an, daß sie weniger als nötig hatten..Zum anderen meinten
vor allem die Armen, die Einkommenssteigerungen hätten nicht ausge-
reicht, um die Preissteigerungen auszugleichen. 65 Prozent der Armen..,
gaben im Herbst 1974 an, sie hätten mit Einkommenserhöhungen die
Preissteigerungen nicht kompensieren können. Hier zeigt sich, daß die
Armen 'mehr bezahlen müssen': die Konsumgüterpreise, die sich für al-
le Sozialschichten absolut gleich erhöhen, treffen die niedrigen
Einkommensgruppen natürlich stärker, da sie zumeist mit Einsparungen
bei alltäglichen Gütern reagieren müssen.'(19)
Ein Ergebnis, das wiederum von Bujard/Lange für die Gegenwart be -
stätigt wird. "Die Skala weist auf, daß unter den befragten alten
Menschen finanzielle Schwierigkeiten ein alltägliches Problem ist,
kommen sie doch nicht nur bei besonderen und/oder unvorhergesehenen
Ausgaben in Schwierigkeiten, sondern durch die täglichen Notwendig-
keiten sich zu ernähren, zu bekleiden, zu erwärmen etc."
Und zur bundesrepublikanischen Wirklichkeit gehört auch, daß Men-
schen auf die Frage, "was sie für den Fall, sie erhielten 2.000 DM,
mit dem Geld anfangen würden", u.a. antworteten: "Ich würde mich
einmal richtig satt essen."(2o)
Daß die Sozialhilfe nicht ausreicht, wurde ferner für die Gruppe der
alleinerziehenden Mütter und Väter durch eine Untersuchung des "Ver-
bands alleinerziehender Mütter und Väter" (Landesverband Westberlin)
ermittelt. Der Landesverband befragte seine Mitglieder von denen be-
kannt war, daß sie Sozialhilfe beziehen, mittels eines Fragebogens.
Das Ergebnis: "acht von zehn kommen mit der Hilfe nicht aus". (21)
3. FINANZIELLE SITUATION UND PSYCHO-SOZIALE BELASTUNGEN
"When poverty comes in at the door,
love leaps out of the window"
(Altes englisches Sprichwort)
Der Zusammenhang von materieller/finanzieller Situation von Sozial-
hilfeempfángern und den damit evtl. verbundenen psycho-sozialen Be-
lastungen, war meines Wissen noch nie Gegenstand einer wissenschaft-
lichen Untersuchung.
Einige Hinweise über die "Auswirkungen der Sozialhilfebedürftigkeit
auf das soziale Verhalten, die Mentalität und individuelle Lebens-
gestaltung" finden sich bei Strang, der folgende Schwierigkeiten auf-
zeigt: Resignation, Verzweiflung, Schrumpfung der Lebensperspektive,
Abbau der sozio-kulturellen Persönlichkeit, soziale Isolation und
Einsamkeit, familiale Spannungen, Schwierigkeiten der Haushalts-
führung und des Wirtschaftsgebarens."(22)
Strang hält fest, daß "die mit der Situation der Sozilahilfebedürf-
tigkeit verbundene wirtschaftliche Eingeschränktheit" sich "disfunk-
tional auf Ehe und Familie auswirkt".
Auf die Frage: "Wie wirkt sich ihre wirtschaftliche Lage auf das
Familienleben aus?", antworteten 1,5 Z, daß sie aufgrund der wirt-
schaftlichen Situation dauernd Spannungen und Streit hatten, 4,5 %
bekannten ziemlich oft Spannungen und Streit und 24,6 % der Befragten
- 6 -
erklärten manchmal Spannungen zu haben. "Ein Anlaß für familiale
Spannungen ist oft dann gegeben, wenn die Kinder (als Kostenfaktor)
in Bezug auf Kleidung, Spielzeug etc. im Vergleich und in der sozia-
len Konkurrenz mit den Gleichaltrigen nicht mithalten können und da-
her als 'arm' auffällig werden."(23)
Weitere Hinweise über den Zusammenhang vonmaterieller/finanzieller
Situation und psychischen Belastungen finden sich in den in der Ge-
genwart verstärkt durchgeführten Untersuchungen über den Zusammenhang
von Arbeitslosigkeit und psycho-sozialen Problemen.
Wen mag es verwundern?
'
'Finanzielle und psycho-soziale Belastungen stehen in einem engen
Zusammenhang", schlußfolgert das bereits erwähnte Institut für Ar-
beitsmarkt- und Berufsforschung in der Untersuchung über "Finanziel-
le und psycho-soziale Belastungen während der Arbeitslosigkeit". (24)
"So geben bei nur geringen finanziellen Schwierigkeiten 14 % der Ar-
beitslosen an, häufiger als sonst Ärger in der Familie zu haben; bei
Arbeitslosen, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen konn-
ten, sind es dagegen 49 %.'"(25)
"Die psycho-sozialen Belastungen sind bei langanhaltender Arbeitslo-
sigkeit (vor allem bei Arbeitslosen nach einer Dauer der Arbeitslo-
sigkeit von zwei Jahren und mehr) besonders hoch."(26)
Zu verstärkten familialen Spannungen kommt es ferner, durch die Ab-
hängigkeit der arbeitslosen Jugendlichen von ihren Familien. "Die
Familienbeziehungen werden durch die Arbeitslosigkeit vor allen bei
Jugendlichen stark belastet: 50 % der Jugendlichen...stimmten der
Aussage zu 'in der Familie gab es häufiger als sonst Ärger'".(27)
4. METHODEN ALS SOZIALE KONTROLLE
In den "Kritischen Randglossen", einem für die Sozialarbeit überaus
wichtigen Text hat Marx in seiner Polemik gegen Arnold Ruge aufge-
zeigt, daß die Administration des damaligen England es aufgegeben
hatte, "durch positive Mittel die Quelle des Pauperismus zu verstop-
fen; sie begnügte sich damit, sooft er an der Oberfläche des offi-
ziellen Landes hervorsprudelte, mit polizeilicher Milde ihm ein To-
tenbett zu graben.'(28)
Sind die psychologisch/psychotherapeutischen Methoden in der Sozial-
arbeit neben und in Ergänzung zu z.B. Jugendpolizei u.ä. gegenwärtig
ein verstärkter Reflex auf den gegenwärtigen Pauperismus?
Sollen sie ihm mit "polizeilicher Milde" ein Totenbett graben?
Methoden als soziale Kontrolle? - wie es G.Amendt für die Zwangsbe-
ratung des $ 218 sieht: "Die Schädigung des Einzelnen ist nicht nur
sein privates Problem, sondern auch Gegenstand der sozialen Kontrolle
über auffälliges, unerwünschtes und mißliebiges Verhalten. Private
Leidenerfahrung ist somit immer auch ein Stück öffentlich relevanten
Verhaltens, das durch die Instanzen sozialer Kontrolle auf den rich-
tigen Nenner, das passende Eitkett gebracht und gegebenenfalls unter-
drückt wird."(29)
In ihrer Autobiographie "Fürsorge im Wohlstand - ein Bericht aus
Frankreich" hat Madeleine Prudhomme nach 15-jähriger Tätigkeit in
der Familienfürsorge einer Pariser Vorstadt festgehalten:
"Es geht nicht darum eine Hilfstechnik zu vervollkommen" - und
"die übertriebenen individuellen Methoden der Familienfürsorge halten
u
die Fürsorgerinnen davon ab, das gesellschaftliche Leben zu erfassen..
Unsere Arbeit wäre erfolgreicher, wenn wir uns über den einzelnen
'Fall' hinaus mit den großen Problemen global hefaßten: Fremdarbeiter,
Rentner, Frauen, Jugendliche, wenn wir an die Ursachen herangingen
und nicht immer nur an die Folgen. "(30)
ANMERKUNGEN
( 1) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.11.1975
( 2) Über die Anzahl der Hilfeempfänger und über die Einnahmen und
Ausgaben der Sozialhilfeträger wird jährlich vom Stat. Bundesamt
getrennt berichtet.
Für das Jahr 1977 siehe, "Wirtschaft und Statistik", 4, 1979,
S. 284 ff. Neuere Zahlen liegen nicht vor.
Detaillierte Daten über die Sozialhilfeempfänger sind nur ver-
streut zu finden. Dies erklärt auch, warum im vorliegenden Auf-
satz Zahlen verschiedener Jahre verwendet werden.
"Amtliche Statistiken informieren uns exakter über die Zahl der
gelegten Eier, Schlachtviehauftrieb, Ochsenpreise, Düngemittel-
umsatz, Aktienkurse, Eisenbahn-Kilometer, Postpakete, belegte
Hotelbetten, Ödland und Abwässer als über viele Lebenstatbe-
stände. Liest man z.B. die Zeitschrift "Wirtschaft und Statistik"
des Statistischen Bundesamtes, fällt schon rein optisch das weit
größere Interesse an Wirtschaftsdaten auf (daher auch der be-
zeichnete Zeitschriften-Name!) als das Interesse an Informatio-
nen über die Bürger unseres Landes. Genaue Zahlen über Produktion,
Handel, Preise und Absatz sind in unserem Wirtschaftssystem of-
fenkundig dringender und interessanter als soziale Daten."
(Theorie und Praxis der sozialen Arbeit, 1977, S. 55)
( 3) Neue Soziale Frage - Zahlen, Daten, Fakten, vorgelegt von Heiner
Geißler, 5. Nov. 1975
Die Zahlen von H.Geißler wurden nach der Veröffentlichung allge-
mein als zu hoch kritisiert. Vgl. hierzu die "Armutsdiskussion'".
Einen Überblick hierzu findet sich in Nachrichtendienst des
Deutschen Vereins, 1976, S. 144-149
"Verfolgt man die jüngste wissenschaftliche Auseinandersetzung
über Armut in der Bundesrepublik, so erkennt man, daß es in die-
ser vorrangig um das Ausmaß von Armut geht. Die Diskutanten un-
terlegen je unterschiedliche Einkommendaten, Armutsgrenzen und
andere Prämissen und können so unbegrenzt darüber streiten, ob
es in unserer Gesellschaft eine Million oder gar sechs Milli-
onen Armen gibt. Wenn man nicht nur solche Debatten verfolgt
oder sich in sie auf der vorgegebenen Argumentationsebene ein-
schaltet, sondern wenn man sich in die Realität von Armut hin-
einbegibt und sie konkret kennengelernt hat, so wird einem die
Nutzlosigkeit eines solchen Streits über Mengen deutlich."
Bujard/Lange in ihrer Einleitung zu "Armut im Alter"
( 4) NDV 1976, S. 73
( 5) Zeitschrift für kommunale Selbstverwaltung, Offizielles Organ
des Deutschen Landkreistages, 1975, S. 415
( 6) Theorie und Praxis der sozialen Arbeit, 1975, S. 254
( 7) Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung,
1976, S. 397 ff
( 8) Wirtschaft und Statistik, 4, 1979
( 9)
(lo)
(11)
(12)
(13)
(14)
(15)
(16)
(17)
(18)
(19)
(20)
(21)
(22)
(23)
(24)
(25)
ebenda
Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, a.a.0.
NDV 1978, S. 248
Sozialbericht 1978, S. 248
Begründung zu dem Entwurf eines 4. Gesetzes zur Änderung des
BSHG, 31.5.78
Nicht erhöht wurden die Regelsätze am 1. Januar 1978 in den
Bundesländern Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schles-
wig-Holstein. Im Januar 1979 wurden die Regelsätze in den Städ-
ten Bremen und Berlin nicht erhöht. Es gilt für alle Bundes-
länder, daß die Erhöhungsintervalle immer länger und/oder die
Erhöhungsbeträge immer geringer werden.
Wie nachfolgende Tabelle zeigt, sind die Erhöhungen der Regel-
sätze im Zeitraum 1977-1979 unter dem Anstieg des Preisindex für
2-Personen-Haushalte von Renten und Sozialhilfeempfänger geblie-
ben. Eine Situation die einen realen Abbau der Unterstützungs-
beträge bedeteutet.
Erhöhung der Durchschnitts-Regelsätze für
Haushaltesvorstände und Alleinstehende in
DM und Prozent
Zeitraum Erhöhung Anstieg des Preisindex für 2-
in DM in ž Pers.-Haush.v.Renten- u.Sozial-
hilfeempfänger
1972-1973 l4,-- 6,9 7,9
1973-1974 18, 8,3 7,8
1974-1975 19,-- 8,1 8,4
1975-1976 14,-- 9,5 7,2
1976-1977 19,=- 7,1 4,8
1977-1978 4,=- 1,4 3,7
1978-1979 6,=- 2,1 3,4
Quelle: Zusammengestellt nach Nachrichtendienst des Deutschen
Vereins und stat. Jahrbuch
Zur "Kostendämpfungsdiskussion in der Sozialhilfe" siehe, Men-
schenwiirde zu teuer, in pád extra sozialarbeit, Heft 7/8, 1978,
S. 30-33; ferner Stephan Leibfried, in: Piven/Cloward, Regu-
lierung der Armut, Frankfurt 1977, besonders Fußnote 12, mit
ausführlicher Literaturübersicht zur "Strukturbereinigung" in
der Sozialhilfe.
Bujard/Lange, Armut im Alter, Weinheim und Basel, 1978, S.160
Unveröffentl. Ergebnisse einer Umfrage der "Landesarbeitsge-
meinschaft Hessen"
Strang, Erscheinungsformen der Sozialhilfebedürftigkeit, Stuttg.
1970, S. 55 und 219
Münstermann, Schacht, Young, Armut in Deutschland, in:
Böhret ua. (Hgb.), Gleiche Chancen im Sozialstaat?, Opladen
1975; Ba 27 EL
Bujard/Lange, a.a.0., S. 99-lol
Dokumentation des Verbands alleinstehender Mütter und Väter,
Landesverband Westberlin 1978
Strang, a.a.0., S: 2lo-220
ebenda, S. 218/219
siehe Fußnote 7, S. 412
ebenda, S. 412
(28)
(29) G. Amendt,
(26) ebenda, S. 413
(27) Arbeitslose Jugendliche:
fenen,
schung,
1978, S. 198 ff
° . - j
Ben und die Sozialreform,
Antwort anf soziale Emanzipationsbewegungen,
(30) Madeleine Prudhomme,
Frankreich,
Press DM 1.20 ruhen monstlech ia Oben, 18 Obi 1979, 17 Jahrgang, Nr. 10
ca
Gewerkschaftsjugend zz
yA, As Vas)
wo
de +
Ko: » les 10% - s
¿€ A A E A | en
¿.. A
Aus der Oktober-Ausgabe:
Karl Lauschke:
Gewerkschaftsjugend: Oberursel -
Hawreliuk und die Folgen
Willi Hoss:
10 Jahre Plakat - Interview
Wolf Lindner:
Totale Kommunikation durch Profitfunk
und vieles mehr
Aus der November- Ausgabe:
Manfred Liebel:
Gewerkschaftsjugend
Herbert Obenland:
Kritik an Jakob Moneta
Eberhard Schmidt:
DGB Historiker-KongreB
Edgar Weick:
DGB-Grundsatzprogramm
Marx, Kritische Randglosse zu dem Artikel
in MEW 1, S.
in: Nagel, Seifert (Hgb.),
Fúrsorge
Verlag Frauenpolitik,
Jakob Moneta:
Belastungen und Reaktionen der Betrof-
in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsfor-
392 TE
1979, S. 195
im Wohlstand - Ein Bericht aus
1977, S. 118
Aus der September-Ausgabe:
Geschichtsstreit über Weimar
Edgar Weick:
Strauß will die Gewerkschaften erpressen
A.D.Timm
IG Chemie gegen Frankfurter Rundschau
Personalkonflikte in der IG Chemie
Die Mehrheitsfraktion räumt auf
Außerdem:
Plakat-Gruppe:
Gemeinsam gegen Datenerfassung bei
Daimler-Benz
Außerdem:
Die verbotene Antikriegs-Broschüre
Klassenmedium Fernsehen (NDR)
Selbstverwaltete Betriebe - 9 Thesen
Arbeiterkultur und die Linke
und vieles mehr
express” ist die erste unabhängige
Gewerkschaftszeitung in der BRD.
express” bringt kritische Beiträge zur
aktuellen Gewerkschaftspolitik, die man
nicht in der offiziellen Gewerkschafts-
presse findet.
, express” berichtet ausführlich über
Streiks, Betriebskämpfe und politische
Aktionen der Lohnabhängigen im In- und
Ausland.
, express" veröffentlicht Analysen zur
sozialen Lage und zum Bewußtsein der
arbeitenden Klasse.
„express" diskutiert Alternativen zur ge-
werkschaftlichen Strategie und Politik.
Probeexemplar und Bestellungen:
Verlag 2000 GmbH, 605 Offenbach 4,
Postfach 591
'Der König von Preu-
Beratung als staatliche
common sanse
PSYGHODRAMA
Mitspielende Personen:
a
Therapeut (Ther. M.)
Therapeut (Ther. R.)
Sozialarbeiterin (Soz. H.)
Sozialarbeiterin (Soz. M.)
Sozialarbeiterin (Soz. Ma.)
Sozialarbeiterin (Soz. Ch.)
Sozialarbeiter (Soz. Rii.)
Sozialarbeiter (Soz. Ro.)
Eine Klientin (Kl. C.)
Anmerkungen:
Welturaufführung des Stückes
am lo. März 1979 in Westberlin
anläßlich einer Tagung des Arbeitsfeld
Sozialarbeit im SB zum Thema “Psycho-
Methoden in der Fortbildung”.
IM FORTBILDUNGSINSTITUT (1. SZENE)
(Es spielen: 2 Therapeuten: Therapeutin M. und Therapeut Re
Die Einrichtung des Fortbildungsinstituts ist vergleichbar mit der
eines Apothekenlabors. In der Mitte des Raumes steht ern großer Ar-
beitstisch. An den Wänden ringsrum befinden sich Regale, die be-
schriftete Gefäße und Behälter enthalten. Es ist noch früh am Mor-
gen, ca. 8.00 Uhr.
Therapeut R. sitzt auf dem Arbeitstisch und blättert im Terminka-
lender. Therapeutin M. betritt das Arbeitszimmer)
Therapeut R.: Guten Morgen, wie fühlst Du Dich?
Therapeutin M.: Guten Morgen, ja danke, gut - was haben wir denn
heute?
Therapeut R.: Tja, - heute nachmittag steht die Sozialarbeiterfort-
bildung auf dem Programm.
Therapeutin M.: Sozialarbeiter? Ah ja! Weißt Du eigentlich genau,
was das ist? Ich meine Sozialarbeit?
Therapeut R.: Na so in etwa! Da gehts um Menschen! Menschliche Pro-
bleme, Konfliktsituationen, gestörte Interaktion, Kommunikations-
schwierigkeiten, Transaktionsdysfunktionalitäten,na ja, um Hil-
fe von Mensch zu Mensch eben!
Therapeutin M.: Ah ja! Na dazu hättenwir ja einiges anzubieten....
(Therapeutin M. geht zu einem Regal und holt ein Gefäß mit der
Aufschrift Psa) Wie wär's denn damit? Da ist doch eigentlich
alles drin!
Therapeut R.: Psychoanalyse? Nein, nein, das ist doch viel zu kom-
pliziert, zu schwierig - weißt Du, soviel Zeit haben die Leute
doch gar nicht. Außerdem - viel zu unverständlich!
Therapeutin M.: Na ja, aber bewährt, bewährt - wir brauchen ja nicht
das Ganze zu nehmen, aber auf jeden Fall etwas davon!
Therapeut R.: Nun gut, ganz ohne geht's ja nicht.Aber nicht zu viel
davon! Die komplizierten Sachen müssen wir weglassen.
(Therapeutin M. stellt das Gefäß auf den Tisch und schüttet einen
Teil des Inhalts in eine von Therapeut R. herbeigeholte große
Schüssel, eine Art Mörser)
Therapeutin M.: Gut, einverstanden - also es geht um den Menschen,
sagst Du? Dann wäre doch auch dies ganz gut!
(Therapeutin M. geht zu einem der Regale und holt einen Behälter
mit der Aufschrift Be)
Therapeut R.: Bioenergetik! Ja ausgezeichnet - Die Einheit der phy-
sisch-psychischen Funktionen, Entfaltung von Körper und Geist -
Auf jeden Fall etwas davon! f
(Therapeut R. Schüttet einen Teil des Inhalts in die Schüssel mit
Psa und mischt das Ganze)
Therapeutin M.: Schön, na das wird ja schon! Aber es fehlt noch das
o A
Soziale, die zwischenmenschlichen Beziehungen in ihrer Gesamt-
heit, verstehst Du?
(Therapeutin M. geht zu einem Regal und holt einen Behälter mit der
Aufschrift TA) Ich hab's, wir nehmen nach TA dazu!
Therapeut R.: Tja?
Therapeutin M.: Transaktionsanalyse! Du weißt doch, ich bin o.k!
Therapeut R.: Ja natürlich! Ich bin o.k. - Du bist o.k.!
Therapeut R. und Therapeutin M. Wir sind o.k.!
(Therapeutin M. Liest vor, was auf der Gebrauchsanweisung steht)
Therapeutin M.: ''Transaktionsanalyse, anwendbar auf Probleme der
Ehe, der Kindererziehung, psychische Störungen, Aggressionen
und Gewalt, Schwierigkeiten in der Pubertät und: internationale
Spannungen!"
Therapeut R.: Na, das ist o.k.! Auf jeden Fall reichlich davon
beimischen!
(Therapeut M. gibt reichlich TA in die bereits angefertigte Mischung
und verrührt das Ganze)\nternationale Spannungen sogar? Das ist
ja wirklich sehr o.k.
Therapeutin M.: So, das hätten wir schon, jetzt fehlt nur noch der
Gruppenbezug.
Therapeut R.: Kein Problem, das haben wir gleich - hier; Psycho-
drama, das macht sich gut für den Gruppenbezug!
(Therapeut R. geht zu einem Regal und holt einen Behälter mit Auf-
schrift PD und schüttet etwas davon in die Schüssel, rührt
das Genze um)
Therapeut M.: Ich glaube, das reicht, wir haben wirklich an alles
gedacht!
Therapeut R.: Ja, alles drin, sehr schön! Und jetzt kommen wir
gleich zur Anwendung, da bin ich aber gespannt, wie das wirkt!
(Therapeut R. verläßt mit der Mischung unter dem Arm den Raum. Das
Lieht geht aus, Musik von Pink Floyd erklingt).
IM THERAPIEZENTRUM (2. SZENE)
Es spielen: Therapeut R., 4 Sozialarbeiterinnen: H., M., Ma., Ch.
und 1 Sozialarbeiter Rü.,
Diese Szene spielt in einem Therapiezentrum. An der Linken Wand
des Raumes steht ein Tisch, auf dem sich Teegeschirr, Teenetz, ein
Paket mit Tee etc. befindet, dahinter eine kleine Kochgelegenheit.
In der Mitte des Raumes stehen ca. lo bequeme Stühle, relativ unor-
dentlich angeordnet. Es ist ungefähr 17.00 Uhr am Nachmittag.
Therapeut R. steht am Tisch und ist damit beschäftigt Tee zu kochen.
Er erwartet eine Sozialarbeitergruppe aus dem Sozialamt eines Ber-
Liner Bezirkes, die Probleme untereinander und im Umgang mit ihren
Klienten haben. Mit Hilfe der Gestalttherapie sollen diese besei-
tigt werden.)
- 71 -
Sozialarbeiterin M. und Sozialarbeiterin Ma., betreten den Raum -
beide mit Latzhosen bekleidet -
Therapeut R.: Guten Tag!
Sozialarbeiter M.: Tag, ich bin die Marion
Sozialarbeiterin Ma.: Tag, ich bin Maria
Therapeut R.: Tag, ich bin Rolf.
Sozialarbeiterin M.: Hast Du die Isa mal wieder gesehen?
Sozialarbeiterin Ma.: Nein, die müßte doch jetzt bald ihr Kind
kriegen.
Sozualarbeiterin M.: Ja, so anfang März glaube ich, das müßte ja
jetzt bald sein.
(Sozialarbeiterin H. betritt den Raum - ebenfalls mit Latzhose be-
kleidet -)
Sozialarbeiterin H.: Hallo! Tag!
Sozialarbeiterin M. und Sozialarbeiterin Ma.: Tag!
Therapeut R.: Tag, ich bin der Rolf
Sozialarbeiterin H.: Ich bin die Helga, sind ja noch nicht viele hier.
Sozialarbeiterin Ma.: Na ja, ist ja noch etwas Zeit
(Sozialarbeiter Rü. - mit Latzhose bekleidet - betritt den Raum)
Sozialarbeiter Rü.: Tag, ich bin Rüdiger
(Sozialarbeiterin Ch. betritt den Raum und umarmt Sozialarbeiterin
Ma. zur Begrüßung)
Sozialarbeiterin Ch.: Tag, ich bin Christa, na? Hallo Maria!
Therapeut R.: Guten Tag!
Sozialarbeiterin Ma.: Tag Christa! Sag mal, geht's Du auch zur Ar-
beitsfeldtagung vom SB?
Sozialarbeiterin Ch.: Was? SB? Damit habe ich nichts am Hut, hör
mir bloß mit dem Verein auf!
Sozialarbeiter Rü.: Was? Na, nal
Sozialarbeiterin Ma.: Duuuu - das müssen wir nochmal intensiv
diskutieren,find ich
Sozialarbeiter Rü.: Da wir ich auchdran interessiert
(Therapeut R. wendet sich an die Gruppe)
Therapeut R.: So
Sozialarbeiterin Ch.: Na gut, können wir ja mal machen!
Therapeut R.: Sooo, was meint ihr? Sollen wir nicht mal anfangen?
Ja? Setzt euch mal so im Halbkreis, jeder sucht sich einen Platz
wo es ihm angenehm ist - Wenn jemand Tee möchte, - steht da auf
dem Tisch -.
(Jeder Sozialarbeiter nimmt sich einen Stuhl. Die Stühle werden
im Halbkreis angeordnet. 2 Sozialarbeiter setzen sich, 3 Soztalar-
beiter holen Tee und setzen sich dann ebenfalls.)
So,jetzt setzt euch bequem hin - entspannt euch-
schaut bei euch nach, wie ihr euch jetzt fühlt!
YE e
(Längeres Schweigen.)
(Der Therapeut sieht jeden an.
Im Gegensatz zu den anderen Sozialarbeitern macht Sozialarbeiter Rú.
einen sehr nervösen Eindruck. Er rutseht unruhig auf seinem Stuhl
hin und her, kann seine Hände nicht ruhig halten.)
Therapeut R.: Nun? was ist? Was ist mir Dir?
Sozialarbeiter Rü.: Ich bin etwas nervös
Therapeut R.: Sieh nach was das ist ---- nervös! Was ist es?
Sozialarbeiter Rü.: Äh, ja ---- ich meine, Du machst mich nervös! Du
guckst mich so an wie meine Klienten, die wollen auch immer was
von mir --- ich kann denen nichts geben, und ich kann so schlecht
nein sagen!
Therapeut R.: Willst Du an dem Problem arbeiten?
Sozialarbeiter Rü.: Ja, ja
Therapeut R.: Setz Deinen Klienten mal aufs Kissen --- ja, so ---
und jetzt sieh nach! Sprich mit ihm!
(Sozialarbeiter Rü. setzt sich auf das Kissen und nimmt die Rolle des
Klienten ein. Die übrigen Sozialarbeiter machen einen recht betroffe-
nen Eindruck und verfolgen das Geschehen interessiert.)
Sozialarbeiter Rü.: Also, ich brauch Kleidergeld. Sehen Sie, es ist
so kalt geworden, draußen, richtig strenger Winter und ich habe
keinen warmen Mantel.
(Sozialarbeiter Rü. wieder in der Rolle des Sozialarbeiters auf dem
Stuhl)
Aber Sie wissen doch genau Herr Müller, daß Sie diesen Winter
schon mal wegen Kleidergeld hier waren und auch welches bekom-
men haben.
(Sozialarbeiter Rü. wieder als Klient auf dem Kissen).
Dafür hab ich mir so nen normalen Mantel gekauft. Mehr für'n
Ubergang,wissen Sie. Konnt ich doch nicht wissen, daß es so
kalt wird dieses Jahr.
(Sozialarbeiter Rü. wieder auf dem Stuhl wendet sich an den Thera-
peuten)
Tja, das ist dann der Punkt, wo ich nicht mehr weiß, was ich
sagen soll.
Therapeut R.: Schau nach, wie das ist - nicht mehr wissen,
was sagen.
Sozialarbeiter Rü.: Ich bin so hilflos, am liebsten würde ich dann
weggehn.
(Sozialarbeiter Rü. wird sichtlich unruhiger, reibt sich die Hände
und macht sie auf und zu)
Therapeut R.: Wie fühlt sich das an, hilflos sein?
Was ist mit Deinen Händen?
Sozialarbeiter Rü.: Sie suchen einen Halt. Ich bin so hilflos.
(Sozialarbeiter Rü. fängt an zu stottern und bricht in Tränen aus)
Therapeut R.: Sag, ich bin so hilflos.------
Sozialarbeiter Rü.: Ich kann doch nicht dafür, daß ich Ihnen kein
Kleidergeld mehr geben darf. Das ist doch nicht meine Schuld.
- 13 -
Therapeut R.: Ich kann doch nichts dafür....
(Er ist völlig verzweifelt und in Tränen aufgelöst. Er fängt ganz
laut an zu schreien. Er springt vom Stuhl auf. Der Therapeut geht
auf ihn zu und versucht ihn zu beruhigen. Wie 2 Ringkämpfer stehen
ste sich gegenüber, )
Sozialarbeiter Rü.: Ich kann...........
Therapeut R.: Kannst Du da stehen bleiben?
(Das Licht geht aus, der Radetzkymarsch ertönt)
IM SOZIALAMT (3. SZENE)
(Es spielen: Sozialarbeiterin M und Klientin C. l
Diese Szene spielt im Sozialamt. Ein großer mit Papieren, einem Ton-
bandgerät und einem Gummibaum bepackter Schreibtisch befindet sich
in der rechten hinteren Hälfte des Raumes, dahinter und an den Sei-
ten Aktenschränke mit Aktenordnern, hinter dem Schreibtisch und an
dessen linke Seite jeweils ein Stuhl, auf den Fensterbänken aufge-
reiht typische Amtspflanzen (z.B. Alpenveilchen, Philodendron). Es
ist ungefähr 10,30 Uhr am Vormittag. i
Die Sozialarbeiterin sitzt am Schreibtisch und blättert in einem
Aktenordner.
Die Klientin klopft an und betritt den Raum).
Klientin C.: Tach
Sozialarbeiterin M.: Tag, wie kann ich Ihnen helfen?
Klientin C.: Ich bin abgebrannt
Sozialarbeiterin M.: Ach Gott! - Sie sind obdachlos, da bin ich
nicht zuständig.
Klientin C.: Nee, wieso? - Ich hab keine Knete mehr!
Sozialarbeiterin M.: Ach so! - Wie kommt denn das?
Klientin C.: Na, is alle und kommt nix nach! Sie geben mir nix mehr...
Sozialarbeiterin M.: Ist das Konto gesperrt?
Klientin C.: Quatsch! Beim Arbeitsamt ham se mich rausgeschmissen -
Ich wär faul!
Sozialarbeiterin M.: Aber, aber, na das werden wir gleich haben.
Setzen Sie sich. Sooo - Nun erzählen Sie mal!
(Die Soztalarbeiterin stellt das bereitstehende Tonband an und
nimt einen Stift zur Hand).
Klientin C.: Was is dat für'n Rundfunk?
Sozialarbeiterin M.: Oh nein, wir wollen uns nur kennenlernen. Ent-
spannen Sie sich und fühlen Sie sich wie zu Hause. Sie sollen
sich als verantwortlicher Erwachsener benehmen. Sprechen Sie
sich aus!
(Die Sozialarbeiterin macht Notizen)
Klientin C.: Na, ich brauche Geld!
= Me
32 Faschismus heute? A&K akut
Neuer Faschismus?: Fragen, Diskussionsbeiträge, Positionen; 5 x x - =
Zur { horakterisierung ots histise her Herrs hoh Berufsverbi yte 1 Nicht heimlich und nicht kühl
Faschismus — Adenauer-Äro — heute; Die neve und die olte Entgegnungen on Dienst- und ondere Herren
Rechte; Neonazistische Tendenzen in der Schule; Neve Repression Beiträge u.o. von Altvater, J. Beck, Böll, Brückner,
in der BRD: Berichte, Glossen; Soziolismus-Diskussion: Bahros Chotjewitz, Gollwitzer, Karsunke, Karsunke, Kluge, Moßmann,
Kritik am realen Sozialismus; Nichtkommerzielle Rundfunkpraxis Negt, D. Richter, P. Se hneider, Steffen, Zwerenz
in Italien 136 Seiten + zahlr. Abb. 6,80 DM
33 Geschichte schreiben/SPD-Kultur 2 Zwei Kulturen
Geschichte als kollektive Praxis, Gesellschafts- oder Sozial TUNIX, Mescalero und die Folgen
geschichte? Alternative Geschichtsschreibung: der Beitrog von Hrsg. Hoffmann-Axthelm, Kallschever, Knödler-Bunte, Wartmann
E.P.Thompson — Untersus nunge, Interviews und Diskussion; 232 Seiten + Abb, 12,50 DM
Kapitalismus als Kultur; Verstaatlichung von Lebensverhöltnissen. 3 No : Izustánde
34 Neue Lebensformen Politische Kultur in Deutschland
Wunsch und Praxis Hrsg. Knódler-Bunte, Preuss-Lausitz, Siebel i
Zeitgeschichte der gegenkulturellen Bewegung; Zwangs Beiträge v.0.von J. Beck, S.Cobler, F. Dröge, K Esc hen,
alternativen: Diolektik von Subkultur und Hinterwelt O. Flechtheim, H. Hartwig, Y Karsunke, D. Richter, G Seyfried,
Diskussion úber Landkommunen; Asthetik der Alternativszene; Vogelgesang LWawrzyn R. Wolff, P. P. Zahl
Dos Beispiel Longo Mai; Provinzarbeit; Analysen: Christionia, Tvind 320 Seiten + zahlr. Abb. 16,80 DM
35 Kulturarbeit — Kultur selber machen
März 1979)
Industrielle K ulturertahrung Theaoterorbeint out dem Lande
Freie Ros kgr ‚ppen; Was ist Str MBenkultur? Schreiben lernen
Neue Kulturzentren — Kulturhäuser; Anımationsbewegun yin
Frankreich; Stodtsonierung als Kulturzerstörung
36 Linker Konservatismus? (Jun: 1979
Unser konservativer Alltag; Aufklärung im Nebel; Neuer
Konservatismus von links? Besonderheiten des deutschen
Konservatismus — konservative Revolution; Das Konservative in
unseren Wünschen und Bildern; Rechte Unterwanderung der
Alternativscene; Konservatives vom Neuen Sozialisationstyp
Das Linke und das Rechte
37 Frauenbewegung und Linke (se; 1979)
Autonomie der Frauenbewegung; Frouen und Linke in anderen
Ländern; Weibliche Identität; Schwierigkeiten linker Frauen mit
der Frauenbewegung; Was hat die Linke von der Frauen
bewegung gelernt? Rechter Feminismus = Frauen im Faschismus;
Weibliche Mythen
38 Kinderalltag \De.. 197%
Kinderöffentlichkeit - Kindertheater
Politik im Kindertheater; Wie grausam sind Kinder‘
Geschichte des Kinderalltags f igen der neven
Erziehung; Zeiterfahrung: Langeweile, Kinder
tröume, Spe Ntanetöt:; Kinderfilme We Ju
Märchen? Kinderöffentlichkeit: Straßen I ds
Plätze Zimmer, Feste
Bestellungen über den
Buchhandel oder
Verlag Ästhetik und Kommunikation IM zu Ai!
Fuggerstraße 18 TEE b
1000 Berlin 30 p w El
Sozialarbeiterin M.: Wie sind Sie in diese Situation gekommen?
Klientin C.: Na, die wollten mich putzen schicken. Dabei bin ich doch
gelernte Frisöse!
Sozialarbeiterin M.: Na, so was!
Klientin C.: Und dann haben se mich auf'n Markt geschickt - Obst ver-
kaufen. Aber da hab ich mich geweigert, nen ganzen Tag Kisten
schleppen!
Sozialarbeiterin M.: Richtig!
Klientin C.: Ja, und dann ham se gemeint, ich hätt nicht die nötige
Arbeitsbereitschaft, deshalb ist mein Anspruch nun futsch!
Sozialarbeiterin M.: Ja, gibts denn sowas! Na, das werden wir schon
kriegen!
(Die Sozialarbterin liest vor)
Also, Sie sind arbeitslos, haben seit dem 1. Januar Arbeitslosen-
geld bezogen und dieses Anspruches sind Sie wegen fortgestzter
Ablehnung der Ihnen angebotenen Ersatzbeschäftigungen verlustig
gegangen. -
Ist das korrekt?
Klientin C.: Hmm?
Sozialarbeiterin M.: Na, dann woll'n wir mal!
(Die Sozstialarbeiterin nimmt einen Fragebogen)
Also, wir legen jetzt das Fundament für eine kreative Reorgan!-
sation Ihres Lebens. Nun wollen wir mal sehen, wie es bei Ihnen
im einzelnen aussieht. Sind Sie bereit,mir einige Fragen zu be-
antworten? - Sie werden sehen, es werden sich Ihnen völlig neue
Möglichkeiten eröffnen....
Klientin C.: Na, gut.
Sozialarbeiterin M.: Erste Frage: Gehen Sie gern zur Arbeit?
Klientin C.: Nee, warum? - Aber ich hab nichts dagegen, wenn Se mir
nur ne vernünftige Arbeit geben, in mein Beruf.
Sozialarbeiterin M.: War das Ihr Wunsch Frisóse zu werden?
Klientin C.: Ja, ich stellte mir da wirklich was Schönes vor.
Sozialarbeiterin M.: Na, sehen Sie! - Haben Sie Hobbies?
(Klientin überlegt kurz)
Klientin C.: Ja, ich geh gern indie Disco - John Travolat - kennen
Se den? Damit isses auch vorbei, seit ich ohne Arbeit bin.
Sozialarbeiterin M.: Was fühlen Sie, wenn Sie an Ihre Familie
denken?
Klientin C.: Familie?
Sozialarbeiterin M.: Na, Ihre Eltern und Geschwister!
Klientin C.: Die können mich mal! - Sind ja doch nie da. Entweder
sie arbeiten oder sind inner Kneipe - und dann will der Alte mit
nem besoffenen Kopp noch Geld von mir.
Nee, - hörn Sie bloß auf!
Sozialarbeiterin M.: Lieben Sie Ihre Geschwister?
Klientin C.: Lieben - ? Na, pennen Sie mal mit dreien in einem Zimmer!
w FE
Sozialarbeiterin M.: Haben Sie Freunde und Freundinnen?
Klientin C.: Ach, das läuft auch nicht mehr so, seit ich arb....
(Klientin wird von Sozialarbeiterin unterbrochen)
Sozialarbeiterin M.: Wie geht's Ihnen persönlich?
Klientin C.: Schlecht! - Hab ich doch schon gesagt!
Sozialarbeiterin M.: Aber Sie sind doch soweit gesund?
Klientin C.: Ja, noch!
Sozialarbeiterin M.: Ja, ja Gesundheit ist das Wichtigste! Wie
kommen Sie mit Ihrem Geld aus?
Klientin C.: Das hab ich Ihnen doch schon gesagt!
Sozialarbeiterin M.: ....ich meine, wenn Sie welches haben.
Klientin C.: Na, bisses alle ist
Sozialarbeiterin M.: Schön - damit hätten wir's
(zählt und rechnet - murmel - murmel)
Also, Sie haben 38 Punkte erreicht!
In eine Klinik müssen Sie noch nicht.
Klientin C.: (steht auf) Was...?
Sozialarbeiterin M.: .... aber Sie haben dringend Hilfe nötig!
Klientin C.: ((setzt sich wieder) Deshalb bin ich doch gekommen!
Sozialarbeiterin M.: Sie haben viele frustrierende Erfahrungen
gemacht....
Klientin C.: Das kann man wohl sagen!
Sozialarbeiterin M.: Ihr Problem besteht darin, daß Sie sich nicht
die gewünschte Befriedigung verschaffen können, weder im Beruf
noch in der Familie.
Klientin C.: Ach, nee!
Sozialarbeiterin M.: Sie haben viel mehr psychische Energie als Sie
denken, nutzen Sie sie!
Klientin C.: Das ist ja nen Ding!
Sozialarbeiterin M.: Sie müssen versuchen, die positiven Erfahrungen
aus der Vergangenheit in die Bewältigung des Hier und Jetzt zu
integrieren......
Klientin Ce Was Ist los... 1
Sozialarbeiterin M.: Ja, Sie müssen die Welt um Licht Ihrer schönen
Erinnerungen sehen. Wenn Sie sich vorstellen, wie gerne Sie da-
mals in die Lehre gegangen sind - und auch putzen kann Freude
machen.
Klientin C.: Na, ich weiß nicht.
Sozialarbeiterin M.: Denken Sie einfach daran, wieviel Freude Sie
damals als Kind hatten, dann wird alles leichter!
Klientin C.: Meinen Sie wirklich?
Sozialarbeiterin M.: Wir haben nun einen Teil Ihres Persönlichkeits-
= 77 -
profils erstellt. Beim náchsten Mal werden wir daran weiterar-
beiten. Es wird Ihnen erlauben, Ihre wichtigsten Bereiche Ihres
Lebens nebeneinander zu betrachten und Ihnen ermöglichen, sie neu
nach Ihrem Willen zusammenzufügen.
Klientin C.: Und das geht?
Sozialarbeiterin M.: Sie werden sehen, auch das Putzen und Kisten
schleppen macht Ihnen nichts mehr aus, wenn Sie es von der rich-
tigen Seite betrachten.
Da machen Sie sich mal keine Sorgen! Also - bis bald!
(Sozialarbeiterin steht auf und verabschiedet die Klientin)
SOZIALARBEITER BEIM KAFFEETRINKEN (4. SZENE)
Es spielen: 4 Sozialarbeiter und 1 Klientin)
Sozialarbeiterin M.: Also, so kann das nicht weitergehen, ich merke
immer deutlicher, daß mir bestimmte Leute in unserer Gruppe un-
heimlich auf den Wecker fallen, daß ich mit einigen eigentlich
gar nicht zusammenarbeiten kann und es auch nicht will.
(Die Sozialarbeiter trinken Kaffee)
Sozialarbeiterin Ma.: Ja, da hast Du was Wahres gesagt, endlich wird
der Punkt mal angesprochen, das beschäftigt mich nämlich auch
schon die ganze Zeit.
Sozialarbeiterin CH.: Mir geht's auch so, vielleicht sollten wir mal
ehrlich sein und jeder nur noch mit den Leuten zusammenarbeiten,
mit denen er Lust hat zu arbeiten, die er mag, mit denen er klar
kommt.
Sozialarbeiter Rü.: Ach, Ihr wollt nach dem Lustprinzip arbeiten,
also eine Lustgruppe gründen.
Sozialarbeiterin M.: Hach, das kann natürlich nur von Dir kommen,
für Dich ist ja alleine das Wort Lust schon ein rotes Tuch.
(Zwischendurch kommt die Klientin rein, und versucht ihr Anliegen
vorzubringen).
Klientin C.: Kann ich mal stören? Ich wollte....
Sozialarbeiter Rü.: Würden Sie bitte einen Moment draußen Platz
nehmen und warten -
Ja, ich finde diese ganze Diskussion hier überflüssig, das ist
doch totale Reformscheiße, was Ihr hier vorhabt. Was habt Ihr
eigentlich für ein Bewußtsein!
Sozialarbeiterin M.: Ja klar, das kennen wir schon...
und abends zur Gewerkschaftssitzung.
Sozialarbeiter Rü.: Sehr richtig, da werden die richtigen Probleme
besprochen, bei der momentan herrschenden Arbeitslosigkeit soll-
ten wir uns lieber um mehr Stellen für Sozialarbeiter bemühen,
und.
Sozialarbeiterin M.: Ich kann das nicht mehr hören...
TN
Berichte Tatsachen Hinter-
Kostenlose
Probeexemplare
gründe!Die (Ñ! |
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monatlich...
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* HEZ-EINE ZEITUNG
VON UND FÜR ERZIE-
HER/INNEN UND SOZ-
IALARBEITER/INNEN.
C/O ZEITUNGSCOOP.
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1000 BERLIN 36
TEL.6123037 (MON-
TAGS AB 19.00 UHR)
JAHRESABO. DM 30,-
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SENDUNG NACH ER-
HALT DER ZAHLUNG
AN:L.ERFURTH , PSCHA
BLN.W., SONDERKON-
TO Z, NR. 720 65 -
10%
dv A ; e
„links” ist das Organ des Soziali-
stischen Büros. Durch information
und Diskussion will diese Zeitung
politische Praxis und theoretische
Verständigung der im SB organi-
sierten oder an ihm orientierten Lin-
ken unterstützen. ”links” will — über
diese Funktion für den Organisie-
rungsprozeß des SB hinausgehend
— Erfahrungen aus der politischen
Arbeit, Beiträge zur Analyse der
Klassenauseinandersetzungen und
Berichte aus der internationalen
Linken vermitteln und damit zur Er-
neuerung der Arbeiterbewegung
und zum Ausbau der sozialistischen
Ansätze in der Bundesrepublik bei-
tragen.
Aus der Oktober-Ausgabe:
Thomas Schróder :
Rechte Gefahr und linke
Identität - Kanzlerkandi-
datur Strauß
Josef Huber:
Netzwerk
Robert Detobel:
Kambodscha
Aus der November-Ausgabe:
“links”-Tagung:
Strauß und die Folgen
Jens Huhn:
Nikaragua
Gespräch mit Theo Pinkus
SZ Tübingen
Krise des Fortschritts
Wer sich für sämtliche zur Zeit er-
hältliche Broschüren aus dem
Schriftenprogramm des Verlag
2000 GmbH — Sozialistisches Bü-
ro interessiert, findet diese in der
aktuellen Broschürenliste Win-
ter 1979/80. Alle Broschüren sind
im linken Buchhandel erhältlich,
können jedoch auch gegen Vor-
auszahlung beim Verlag bezogen
werden: Verlag 2000 GmbH,
Postfach 591, 6050 Offenbach. 4.
Sozialarbeiter Rü.: Laß mich doch mals ausreden, ich war ja noch gar
Sozialarbeiterin M.: Oh je...
Sozialarbeiter Rü.: ....und überhaupt, Ihr mit Euren Flippi-Klamotten,
damit schreckt Ihr nur die Klienten ab.
Sozialarbeiterin M.: Du nicht - wa - mit Deinen ständig fetten
Haaren...
Sozialarbeiterin H.: Leute, paßt mal auf, so kommen wir doch offen-
sichtlich nicht weiter. Ich hab da letztes Wochenende was Tolles
kennengelernt, das muß ich Euch unbedingt erzählen, da war ich
nämlich im Institut für Transaktionsanalyse in der Koserstraße...
Dort hab ich endlich die Methode kennengelernt, mit der sich alle
Probleme lösen lassen, - selbst internationale Konflikte.
(Klientin kommt rein, versucht ihr Anliegen vorzubringen, wird wie-
der abgewiesen)
Klientin C.: Also, ich wollte....
Sozialarbeiterin Ma.: Nun erzähl schon, Transaktionsanalyse, was
ist denn das?
Sozialarbeiterin H.: Mit Hilfe der Transaktionsanalyse kann man die
kompliziertesten Kommunikationsprozesse zwischen mindestens 2
Menschen erkennen und verändern. Denn in jeder Kommunikation re-
agieren die Beteiligten mit je 3 Ich-Zuständen aufeinander, die
Psyche des Menschen zerfällt in 3 Teile:
I. dem Eltern-Ich, was alle Normen Gebote, Verbote, alles Gute
und Fürsorgliche beinhaltet
2. dem Erwachsenen-Ich, das bedeutet, das Einschätzen können von
Gegebenheiten, soziales Verhalten, Verantwortung,Geduld: pla-
nen, agieren, funktionieren, annehmen und -
3. aus dem Kindheits-Ich, dem spontanen, freien, unüberlegten,
lustbetonten, rebellierenden, aber auch aus dem ángstlichen
angepaßten Ich.
Sozialarbeiterin Ma.: Was, der Mensch in 3 Teilen, das ist doch ge-
nau das, was wir nicht mehr wollen, wir streben doch die Ganz-
heit des Menschen an.
Sozialarbeiterin H.: Hör doch erst mal richtig zu - also bedingt
durch diese 3-Teiligkeit der Psyche werden 4 Reaktionsmuster pro-
duziert, die das Verhalten der Menschen untereinander bestimmen:
l. ich bin nicht o.k. - du bist o.k. (die angsterfüllte Abhángig-
keit des unreifen Menschen)
2. ich bin nicht o.k. - du bist nicht o.k. (die Grundeinstellung
der Verzweiflung und Resignation)
3. ich bin o.k. - du bist nicht nicht o.k. (die kriminelle Grund-
einstellung)
4, ich bin o.k. - du bist o.k. (die Reaktion des Erwachsenen, der
mit sich selbst und anderen in Frieden lebt).
Wenn alle Menschen auf dieser Erwachsenenebene miteinander um-
gehen würden, gebe es keine Konflikte und Probleme mehr unter den
Mensch. k
(Klientin kommt rein und versucht wieder ihr Anligen vorzubringen)
Klientin C.: Ich brauche Geld
Sozialarbeiter Rú.: Wir haben hier Wichtigeres zu besprechen, merken
- 80. -
Sie denn nicht, daß Sie stören?
(Klientin zieht wütend ab)
Klientin C.: Denen werde ich es noch zeigen, wenn ich zuhause bin,
werde ich sofort an deren Chef schreiben und mich beschweren.
Sozialarbeiterin Ch.: Also, ich verstehe das alles nicht, vielleicht
kannst Du das mal an einem Beispiel erklären.
Sozialarbeiter Rü.: Das ist eine gute Idee!
Sozialarbeiterin H.: Ich hab da letztens auf einem Fest was erlebt.
Da hat doch so'n Typ ner Frau einfach in den Arsch gekniffen, der
hatte halt gute Laune.
Sozialarbeiterin M.: Was soll denn das?!
Sozialarbeiterin H.: Siehst Du, typisch rebellierendes Kindheits-Ich!
So hat die Frau auf dem Fest nicht reagiert, die hat nämlich ge-
antwortet: ''Meine Mutter hat immer gesagt, ich soll noch die ande-
re Arschbacke hinhalten.'' - Das war wirklich reife erwachsene Re-
aktion, dadurch wird nämlich vermittelt, das was Du da gemacht
hast, ist überhaupt nicht tragisch, ich lebe mit mir selbst und
anderen in Frieden.
Sozialarbeiterin M.: Weißt Du, wie kannst Du uns nur etwas Idioti-
sches auftischen!
Sozialarbeiterin H.: Siehst Du, jetzt spricht aus Dir das kritische
Eltern=Ich,
Sozialarbeiter Rü.: Jetzt hört aber auf Leute, die Sprechstunde hat
schon längst begonnen.
5. SZENE
(Klientin schreibt und schreibt....
schließlich liest sie laut vor)
Klientin C.: Sehr geehrter Herr Stadtrat!''
nee, ''sehr geehrter'' wird gestrichen - also
"Herr Stadtrat!
Ich weiß nicht mehr wozu Sozialarbeit noch Klienten
braucht!
Erst war ich bei meiner Fürsorgerin, weil ich Geld brauch:
te. Die hat so'n Interview mit Tonband gemacht und ir-
gendwas von einer ''karitiven Reganisation von meiner
Persönlichkeit'' erzählt. Ich habe nichts verstanden
und am Ende hatte ich immer noch kein Geld.
Dann wollte ich zu ihrem Vorgesetzten. Da saßen aber
mindestens lo Fürsorger zusammen in dem Zimmer. Die
hatten so viele Probleme und erzählten was von Team-
konflikten und Fortbildung. Die haben mich gar nicht
zu Wort kommen lassen und ich wollte sie nun nicht auch
noch mit meinen Geldsorgen belästigen.
- El =
Fürsorge muß wohl auch hauptsächlich der Selbstver-
wirklichung der Sozialarbeiter dienen, die sich stän-
dig fortbilden müssen, um ihre Konflikte zu bewältigen.
Nachdem ich das alles erfahren habe, ist mir klar ge-
worden, daß ich die Sozialarbeiter nicht noch zusätz-
lich mit meinem saufenden Vater, meiner Arbeitslosig-
keit und meinen Mietschulden belasten darf.
Hilf dir selbst, dann hilft dir der Staat!
Verachtungsvoll..... m
(Faltet das Blatt, steckt es in einen Umschlag.
Holt ein Telefonbuch studiert es eifrig)
Klientin C.: Ja, da müßte es gehen....
(Holt eine Tasche, packt Werkzeug ein - langsam,dann immer lauter:
> . . 1 . . > . e . se VIA onto P]
fetzige Mustk - hebt immer triumphierender immer größere Werkzeuge
in die Tasche.
Stellt einen Spiegel auf den Tisch zieht einen Strumpf über den Kopf,
schneidet Augenlöcher hinein, nimmt die Tasche und geht triumphierend
hinaus.)
EMPIRIE EINER SUBKULTUR
Obdachlosensiedlung Wiesbaden-
Mühltal
220 Seiten 8.50 DM
OBDACHLOSENPOLITIK IN DER BR
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DIE RECHTEN IM AUFWIND
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Texte von I.Drewitz, A.Klönne, J.Moneta u.v.a. ge-
gen die Bagatellisierung neofaschistischer und rechts-
radikaler Vorgänge und Tendenzen in der BRD.
Sozialpolitischer Verlag, Schlesische Straße 31, 1000 Berlin 36
GANZ WENIGE LITERATURANGABEN
ZUM WEITERLESEN:
Jörg Bopp, Psychoboom, in: Sozialmagazin, März 1979.
Gerhard Vinnai, Lockerungsübungen gegen Kleinbürgerelend, in:
Päd-extra-Sozialarbeit, März 1979
Nerbert Nagel/Monika Seifert (Hrsg.), Inflation der Therapieformen-
Gruppen- und Einzeltherapien in der sozialpädagogischen und klini-
schen Praxis, RoRo-Taschenbuch 1979.
(z.T. etwas schwer zu lesen!)
Johann Schülein, Psychoanalyse und Psychoboom, in: Psyche, Mai/
Juni 1978, S. 420-440.
Familientherapie, in: Sozialmagazin, Februar u. Juni 1978,
Psychodrama, in: Sozialmagazin, November 1978.
Gestaltarbeit und Pädagogik, in: Sozialmagazin, April 1979.
Nicolas Hoffmann (Hrsg.), Therapeutische Methoden in der Sozial-
arbeit, Salzburg 1977.
(Darstellungen der Vertreter verschiedenster Methoden)
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4) Centralorgan
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detormierte Interaktion
t ER ii une;,
empfing,
lo,
Hans Weiss
SOZIALARBEITERSTREIK IN ENGLAND UND DIE FOLGEN
Wenn die Zollbeamten streiken, fangen sogar ehrliche englische Búrger
an zu schmuggeln. Wenn die Ambulanzwagenfahrer streiken, sterben Tau-
sende von Patienten (falls man den Medien glaubt). Wenn die Lastwa-
genfahrer streiken, bricht angeblich ganz England zusammen (ich habe
im Jánner aus Osterreich 2 Briefe von Freunden erhalten mit der be-
sorgten Anfrage, ob sie mir Eßpakete schicken sollen,weil nach Mel-
dungen österreichischer Zeitungen aufgrund dieses Streiks in England
die Versorgung zusammen gebrochen sei. Wie sich kurze Zeit später
herausstellte, waren diese Falschmeldungen vom englischen Wirtschafts-
bund in die Welt gesetzt worden, um die Labour-Regierung zum Einsatz
der Armee gegen Streikende zu zwingen. Aber darüber wurde in öster-
reichischen und deutschen Zeitungen vermutlich nicht mehr berichtet).
Was passiert jedoch, wenn die Sozialarbeiter streiken? -
In England waren die field-social-workers (es gibt in England 2 Kate-
gorien von Sozialarbeitern: die field-social-workers und die residen-
tial social workers) bis Ende Febraur 1979 teilweise seit 6 Monaten
in Streik.
Die Auswirkungen des Streiks bieten die einmalige Chance, festzustel-
len, wie die Öffentlichkeit die Sozialarbeit beurteilt und welchen
gesellschaftlichen Nutzen die Sozialarbeit hat. Schärfer ausgedrückt:
Der Streik bietet die Mögichkeit, dieselbe Frage ernsthaft zu stellen,
die der englische Minster für Gesundheit und soziale Verwaltung pole-
mich gestellt hat: "Brauchen wir die Sozialarbeiter eigentlich?"
STREIKFORDERUNGEN
Il. Höhere Löhne und ein verbessertes Gehaltsschema
2. 35-Stunden-Woche
3. In einzelnen Bezirken forderten Sozialarbeiter auch eine Erhöhurg
des Personalstandes der Sozialarbeiterdienste.
BEGRÜNDUNG DER SOZIALARBEITER FÜR IHRE FORDERUNGEN
Seit 1971 haben in England verschiedene soziale Veränderungen zu ei-
ner bedeutsamen Zunahme an die Anforderungen und den Verantwortungs-
bereich der Sozialarbeiter geführt. Die wichtigsten Veränderungen
waren: Zunahme der Arbeitslosigkeit, steigende Lebenshaltungskosten
bei ungenügender Steigung der Löhne, seit einigen Jahren aktive Poli-
tik der Rückverlagerung von sozialen und medizinischen Institutionen in
die community. Sichtbar werden alle diese Veränderungen z.%. an den
insgesamt (seit 1971) 36 neum eingeführten Gesetzen, von de ıen die Ar-
beit der Sozialarbeiter teilweise schwerwiegend betroffen wurde.
URSACHEN UND HINTERGRÜNDE DER SOZIALEN VERÄNDERUNGEN
Wie fast täglich den Schlagzeilen der westlichen Presse zu entnehmen
= Mi -
ist, befinden sich die westlichen Industriestaaten wieder einmal in
einer der regelmäßig wiederkehrenden ökonomischen Krisen. Die engli-
sche Gesellschaft ist wohl eine der davon am schwersten betroffenen.
Das zeigt sich in den Arbeitslosenzahlen (derzeit ca. 1,3 Millionen
mit steigender Tendenz), geringem Wirtschaftswachstum, einem astro-
nomischen Außenhandelsdefizit und hohen Inflationsraten. Die Antwort
des englischen Staatsapparates auf die Krise besteht aus folgenden
4 Strategien:
l. Direkte und indirekte Investitionshilfen für das Privatkapital
2. Restrukturierung der nationalisierten Industrie mit der Ankün-
digung von massiven Entlassungen (Rationalisierung heißt das).
3. Ausgabenkürzungen im sozialen Sektor. Dies betrifft vor allem die
Bereiche Erziehung, Gesundheit und Wohnen. Im verstaatlichten Ge-
sundheitswesen bedeutet dies z.B. die Schließung vieler community-
orientierter Spitäler (mit teilweise sehr radikal und erfolgreich
geführten Kämpfen gegen diese Schließungen), in der Psychiatrie
eine Bewegung von kostenaufwendigen spitalgebundenen Diensten zu
kostensparenden gemeindenahen Diensten (natürlich verbunden mit
dem Argument, daß dies auch vorteilhafter für die Patienten ist),
Ausweitung des privaten Sektors im Bereich der Medizin, Kostenbe-
teiligung der Patienten bei Zahn- und Augenärzten, etc.
4. Lohnkürzungen durch Schaffung von Arbeitslosigkeit und seit 1974
Errichtung des "social contract" (ähnlich wie die "Sozialpartner-
schaft"in Österreich). Seit 1974 ist ein deutlicher Rückgang der
Reallöhne in England zu beobachten. Dies ist auch die Ursache der
recht verbissen geführten Streiks der letzten Monate, wobei die
Gewerkschaftsbasis meist auch gegen die eigenen Gewerkschaftsfüh-
rer kämpft, die häufig die Politik der Labour-Regierung d.h. Lohn-
abbau vertreten.
GESCHICHTE DES STREIKS
Seit Sommer 1977 standen die Sozialarbeiter mit ihren Arbeitgebern in
Verhandlung über ihre Forderungen und wurden dabei von der Gewerk-
schaft (NALGO) unterstützt. Die Forderungen wurden als ungerechtfer-
tigt zurückgewiesen. Im Juni 1978 führten Sozialarbeiter eines Lon-
doner Bezirks einen eintägigen Warnstreik zur Unterstützung ihrer
Forderungen durch. Die Arbeitgeber ließen sich davon jedoch nicht be-
eindrucken. Im September 1978 führten 2000 Sozialarbeiter in London
eine Demonstration durch. Ohne Erfolg. Die Streiks wurden ausgewei-
tet. Bis Jänner 1979 befanden sich insgesamt 2 600 Sozialarbeiter
aus 14 Distrikten in Streik. Im Jänner 1979 fanden auf nationaler
Ebene Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft und den Arbeitgebern
statt. Da auch andere Berufsgruppen von NALGO (z.B. die residential
social workers) in Lohnverhandlungen standen, stimmten die Gewerk-
schaft angesichts der stark geschrumpften Streikkasse (von 3 Mill.
Pfund auf 1 1/4 Millionen Pfund) einem Verhandlungsergebnis zu, das
die streikenden Sozialarbeiter als Niederlage empfanden. Einige So-
zialarbeitergruppen streikten weiter und erzielten teilweise ein we-
sentlich besseres Ergebnis als die Gewerkschaft. Die Sozialarbeiter
einiger Bezirke sind derzeit immer noch auf Streik.
HABEN SOZIALARBEITER ÜBERHAUPT EIN RECHT AUF STREIK?
In Österreich sind Streiks und Demonstrationen, außer wenn sie von
Unternehmen geführt werden, generell unüblich und verpönt. Lohnkon-
flikte werden in Österreich "sozialpartnerschaftlich " gelöst. In Eng-
= € -
land ist das ganze System der "Sozialpartnerschaft" noch kaum ent-
wickelt. Streiks sind für die Lohnabhängigen oft die einzige Möglich-
keit, sich den für die Reproduktion notwendigen Anteil am gesellschaft-
lichen Reichtum zu sichern. Die Gewerkschaften werden als mehr oder
weniger anerkannte Vertreter der Klasse der Lohnabhängigen angesehen,
wobei diese allerdings schon längst die Perspektive auf Verändung
dieser Gesellschaft in eine klassenlose aufgegeben haben und sich auf
die Vertretung von Lohnforderungen beschränken.
Von der Öffentlichkeit und selbst von vielen Sozialarbeitern wurde
die Meinung vertreten, Sozialarbeiter hätten aus folgenden Gründen
kein Recht zu streiken:
|. Wurde argumentiert, die Lohnforderungen der field social workers
sind nicht gerechtfertigt, wenn man das Lohnniveau der residential
social workers oder anderer Berufsgruppen als Vergleich heranzieht
(die residential social workers verdienen etwa 1/3 weniger als die
field social workers). Mit der Erfüllung der Forderungen der field
social workers füttere man nur fette Schwäne. - Sinnvoll disku-
tieren läßt sich die Frage nach der gerechtfertigten Lohnhöhe wohl
erst unter weniger anarchischen gesellschaftlichen Verhältnissen
als die Unseren. Ich halte es generell für ungerechtfertigt, wenn
eine Berufsgruppe, die von der Gesellschaft etabliert worden ist,
weil sie offensichtlich zum Funktionieren der Gesellschaft notwen-
dig ist, gegenüber anderen Berufsgruppen bevorzugt behandelt wird.
Um es radikal zu formulieren: Ein Müllarbeiter hat meiner Meinung
nach das Recht auf denselben Lohn wie ein Arzt. Unter den heutigen
gesellschaftlichen Verhältnissen ist dies sicher eine utopische
Forderung.
2. Die Folgen des Streiks treffen die Falschen, nämlich in erster
Linie die Klienten und nicht die Arbeitgeber. (Dasselbe Argument
wird derzeit vertreten, um die Ambulanzwagenfahrer oder die Kran-
kenschwe stern von einem Streik abzuhalten). - Die Sozialarbeiter
argumentieren zu Recht, daß ihr Beruf genauso wie andere Berufe
notwendig ist für das Funktionieren der Gesellschaft und daß die-
ses Argument eine Art von Erpressung darstellt, um sie schlecht
zu bezahlen (Umgekehrt kann natürlich die Abhängigkeit der Gesell-
schaft von einer bestimmten Professionsgruppe, wie z.B. den Ärz-
ten, als Erpressungsmittel für weit überhöhte Lohnforderungen ein-
gesetzt werden).
WARES KLUG, ZUSTREIKEN?
Aus moralischen Gründen war der Streik vielleicht gerechtfertigt, ei-
ne kluge Entscheidung war es zweifellos nicht. Als größten Erfolg
kann man einen Streik bezeichnen, der zwar angedroht, jedoch nicht
durchgeführt wird, weil der Wert der Arbeitskräfte und die Berech-
tigung der Forderungen außer Frage stehen. Als zweitbesten Erfolg
kann man einen Streik bezeichnen, der den Arbeitgeber in seinen Aus-
wirkungen so hart trifft, daß er den Forderungen nach kurzem Streik
zustimmt. Das drittbeste Resultat wäre wohl, wenn die Öffentlichkeit
durch den Streik so stark betroffen ist, daß der Arbeitgeber zu Zu-
geständnissen gezwungen wird. Alle diese Möglichkeiten warem beim
Sozialarbeiterstreik jedoch von vorneherein auszuschließen. Es war
vorauszusehen, daß niemand außer den Klienten stark davon betroffen
wird. Gerade die Klienten der Sozialarbeiter gehören zu jenen Grup-
pen der Gesellschaft, um deren Situation man sich i.a. nicht allzu-
T e
viel schert und deren Organisations- und Protestmöglichkeiten ziem-
lich gering sind. Der Streik hatte außerdem nie die Unterstützung der
Britischen Vereinigung von Sozialarbeitern (British Association for
Social Workers).
FOLGEN DES STREIKS
Im Bezirk Chester kam ein Mann an einem Streikposten der Sozialar-
beiter vorbei und erklärte, er sei ein Streikbrecher. "Ich habe eu-
re Arbeit getan, ich habe in einem Club für alte Leute Piano ge-
spielt". - Den Sozialarbeitern bleib der Mund offen stehen. Was der
Mann ausdrückte, entsprach der Meinung der (rechten) Öffentlichkeit
über die Tätigkeit und den Nutzen von Sozialarbeitern. Da in den Au-
gen der Öffentlichkeit offensichtlich niemand betroffen war von der
Verweigerung der Arbeit der Sozialarbeiter, war der häufigste Kommen-
tar dazu: Deren Jobs sind völlig unnütz. Alles was sie tun, ist die
Untersützung von faulen Schweinen. Selbst von liberalen Medien wie dem
GUARDIAN oder SOCIETY TODAY erhielten die Sozialarbeiter keine Unter-
stützung.
Jedoch auch von linker Seite her stehen die Sozialarbeiter oft unter
Beschuß.Sozialarbeit wird als Profession angesehen, welche den
Sand im gesellschaftlichen Getriebe beseitigt, indem sie von den ge-
sellschaftlichen Normen Abweichende kontrolliert und gesellschaft-
liche Konflikte im Sinne der Herrschenden glättet und beschwichtigt.
WER VERMISST DIE SOZIALARBEITER ALSO WÄHREND DES STREIKS ?
l. Kinder: Die Kontrolle von Sozialarbeitern stellt oft einen Schutz
gegen Mißhandlungen von Kindern dar. Die Verlegung von Kindern
aus Heimen zu Pflegeeltern wurde teilweise eingeschränkt.
2. Alte Leute: Diese wurden verstärkt von zu Hause in Institutionen
abgeschoben. Geriatrische Abteilungen wurden zunehmend überfüllt,
während sich Wohnheime für ältere Menschen leerten.
3. Psychiatrische Patienten: Bei Zwangseinweisungen werden i.a. So-
zialarbeiter beigezogen (in England beträgt die Zahl der Zwangs-
einweisungen allerdings nur ca. 16 %). Die Aufgabe der Sozialar-
beiter kann gesetzlich jedoch auch von der Polizei oder vom näch-
sten Angehörigen des Einzuweisenden übernommen werden,
4. Jugendliche: In vielen Fällen wurden Jugendgerichtsverhandlungen
aufgeschoben oder Jugendliche ohne die Unterstützung eines Sozial-
arbeiters verurteilt.
Eine positive Auswirkung des Streiks war, daß viele Klienten begon-
nen haben, sich selbst zu organisieren, teilweise wurden Dienste auch
von Freiwilligenorganisationen übernommen. In manchen Fällen wurden
Aufgaben der Sozialarbeiter von anderen Professionen im Bereich des
Erziehungs- und Gesundheitswesens oder von der Polizei übernommen.
Eine Folge des Streiks wird vermutlich sein, daß die Arbeitgeber der
Sozialarbeiter in Zukunft eine stärkere Kontrolle über die Aufgaben
der Sozialarbeiter ausüben werden und daß die Budgets der Sozialar-
beiterdienste gekürzt werden. Wie widersprüchlich die Streikfolgen
selbst dort sind, wo die Forderung nach der 35-Stundenwoche und die
Lohnerhöhungen erfüllt wurden: Um die Sozialarbeiterdienste auf dem-
selben Stand wie vor dem Streik zu halten, mußten aufgrund der Ein-
führung der 35-Stundenwoche zusätzlich Sozialarbeiter angestellt wer-
- BT m
den. Das Sozialbudget von Islington reicht dazu jedoch nicht aus.
Der Streik hat jedoch nicht nur das Bild aufgezeigt, das sich die Öf-
fentlichkeit von Sozialarbeitern macht, sondern auch bei einzelnen So-
zialarbeitern Zweifel am Sinn ihrer Tätigkeit geweckt. Einige haben
radikale Konsequenzen gezogen: Eine Sozialarbeiterin, die während
des Streiks für die Öffentlichkeitsarbeit in Islington zuständig war,
kündigte nach Wiederaufnahme ihrer Arbeit: "Nach dem Streik sind wir
alle zu unseren Büros gegangen, wo uns Berge von Post entgegengekom-
men sind. Ich habe mich vor meinen Schreibtisch gesetzt und meinen
Kollegen zugesehen, wie sie sich durch die Post gewühlt haben und
dann gleich versucht haben, mit allen Klienten wieder Kontakt aufzu-
nehmen. Ich habe diesen Job lo Jahre lang gemacht. Ich hatte es plötz-
lich satt. Es ist, glaube ich, nur eine Art von Beschäftigungsthera-
pie. Ein paar wenige Klienten haben wahrscheinlich gelitten unter dem
Streik, aber die meisten haben Möglichkeiten gefunden, selbst mit ih-
ren Problemen fertig zu werden, ohne uns, und ohne von jemand abhän-
gig zu sein."
(entnommen aus "betrifft Sozialarbeit"/Osterreich, Heft 26)
Der Gewerkschaftsfunktionar
soll so sein wie der
Vorsitzende-nurkleiner
Heidi Bischoff - Pflanz gegen
Otv
Urteil gefällt.
NACHRICHTEN AUS DER OTV
Das Landgericht Stuttgart hat die Klage von Heidemarie Bischoff-
Pflanz gegen ihren Ausschluß aus der ÖTV kostenpflichtig abgewiesen.
Insgesamt belaufen sich nach dem Scheitern der Klage die Kosten für
die ÖTV-Rechtsanwälte, ihre eigenen Anwälte in Berlin und Stuttgart,
sowie Gerichtskosten, Zeugengebühren etc. auf über 6.800 DM. Ein Teil
dieser Summe, nämlich 1.800.-- DM ist schon durch eine frühere Samm-
lung zustande gekommen.
Erinnern wir uns:
Ausschlußverfahren
gegen Berliner Vorstandsmitglied
Gegen das Vorstandsmitglied der Abtei- |
lung Sozialarbeit in der Berliner ÖTV,
Heidemarie Bischoff-Planz, seit 1963
Mitglied der OTV, wurde ein Ausschluß-
verfahren eingeleitet. Im folgenden
drucken wir Auszüge eines Flugblatts
von Mitgliedern der Abteilung Sozial-
arbeit gegen das Verfahren ab.
Heidemarie Bischoff-Pflanz ist 1963 in
die UTV eingetreten. Sie hat als Kinder-
gärtnerin in Wilmersdorf gearbeitet und
sich von Anfang an für die OTV im so-
zialpädagogischen Bereich eingesetzt.
Aufgrund ihres Engagements wurde sie
in den Personalrat gewählt.
Seit 1967 ist sie im Vorstand der Abt.
Sozialarbeit. Seit 1971 ist sie Vorsitzen-
de der Abteilung. In dieser Zeit geschah
einiges. Auch wegen der Aktivitäten der
Kollegin Bischoff-Pflanz wurde die Ab-
teilung stärker: Während früher nur etwa
40 Mitglieder zu den Versammlungen
kamen, sind es jetzt 200 bis 250.
Die Kollegin Bischoff-Pflanz wurde zur
Delegierten für den Gewerkschaftstag
1972 in Berlin gewählt und ebenso in
den Vorstand der Bundesabteilung So-
zialarbeit
Kolleginnen, Kollegen
am 7. April 1975
hat der Bezirksvorstand Berlin der ÖTV
gegen Heidemarie Bischoff-Pflanz
das Ausschlußverfahren beantragt.
Was ist geschehen?
Wie Ihr wißt, gibt es die Unvereinbar-
keits-Beschlüsse. D.h.: Gewerkschafts-
mitglieder, die linksradikalen Organisa-
tionen angehören, werden aus der Ge-
werkschaft ausgeschlossen. So ist es
einigen Mitgliedern der Abteilung Sozial-
arbeit der ÖTV ergangen, die bei den
letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus
auf linksradikalen Listen kandidierten.
Wenn ein Ausschluß-Verfahren gegen
ein Mitglied beantragt worden ist, be-
schließt der Bezirksvorstand gleichzeitig
ein Hausverbot für das OTV-Haus, und:
begründet das so, daß während des Aus-
schluß-Verfahrens alle Mitgliederrechte
und -pflichten ruhen, so auch das Recht
eines Mitglieds, das OTV-Haus zu betre
An den letzten Mitglieder-Versammlun-
gen der Abteilung Sozialarbeit nahmen
— trotz Hausverbots — einige der vom
Ausschluß bedrohten Mitglieder teil. Die
Abteilungs-Geschäftsführer der ÖTV,
Hoppe und Werk, forderten die Kollegin
Bischoff-Pflanz auf, diese vom Ausschluß
betroffenen Mitglieder aus dem Saal zu
weisen.
Die Kollegin Bischoff-Pflanz erklárte
dazu:
a) formal:
Sie übt nicht das Hausrecht aus. Sie sei
nur ehrenamtliche Funktionárin. Vom
Hausrecht könnten nur die bei der ÖTV
Beschäftigten Gebrauch machen. Zudem
befand sich der Kollege Ingo Hinz zu der
Zeit im OTV-Haus.
b) inhaltlich:
Wenn gegen jemand ein Ausschluß-Ver-
fahren eingeleitet worden ist, so ist er
noch nicht ausgeschlossen. Erst die letz-
te Instanz, der Gewerkschaftstag, ent-
scheidet endgültig über den Ausschluß.
Es muß den vom Ausschluß bedrohten
Mitgliedern die Möglichkeit gegeben
werden, ihren Kollegen innerhalb der Ge-
werkschaft Rede und Antwort zu stehen.
Dazu müssen sie zwar ohne Stimmrecht
doch an den Versammlungen teilnehmen
können.
So beschloß es auch die Mitglieder-Ver-
sammlung, bei einigen wenigen Stimm-
enthaltungen, daß die beiden anwesen-
den, vom Ausschluß bedrohten Mit-
glieder als Gäste dableiben könnten.
(Diese Versammlung war eine sogenann-
te “Teilmitgliederversammlung”, weil
nämlich immer mehr Mitglieder zu den
Versammlungen kamen, die alle nicht
mehr in den größten Raum im ÖTV-
Haus reinpaßten). Etwa 120 Mitglieder
waren anwesend.
Auf den Beschluß der Versammlung er-
klärte die Geschäftsführerin Hoppe, daß
dies nun keine gewerkschaftliche Ver-
sammlung sei und verließ den Raum.
Kollegen, stellt Euch die absurde Situa-
tion vor: 120 Mitglieder sind anwesend.
Und 2 andere, deren Mitgliedschaft zu-
mindest umstritten ist, sollen also be-
wirken, daß dies keine ÖTV-Veranstal-
tung mehr sein soll!
Weil die Kollegin Bischoff-Pflanz die
Veranstaltung doch durchführte, wurde
gegen sie das Ausschluß-Verfahren ein-
geleitet.
Was können wir aus dem Vorgang lernen:
“Der Bezirksvorstand ist der Meinung,
daß Sie sich gewerkschaftsschädigend
und satzungswidrig verhalten haben, da
Sie Mehrheits-Beschlüsse der ÖTV nicht
anerkennen.”
So steht es in der Begründung für das
Ausschluß-Verfahren. Hier finden wir
eine Sprachverwirrung:
Weil die Kollegin Bischoff-Pflanz Mehr-
heitsbeschlüsse anerkennt, die der Mit-
glieder-Versammlung, soll sie ausgeschlos-
sen werden.
Weiter wird ihr vorgeworfen, sie hätte
erklärt, sie sei ‘grundsätzlich gegen die
Unvereinbarkeits-Beschlüsse des DGB
und der Gewerkschaften und (würde)
dafür Sorge tragen, daß diese beiden vom
Ausschluß-Verfahren Betroffenen an den
Sitzungen teilnehmen könnten, bis das
Verfahren abgeschlossen sei.”
Nun kann man für oder gegen die Un-
vereinbarkeitsbeschlüsse sein. Da dies
eine wichtige gewerkschaftspolitische
Frage ist, muß wohl auch die Diskussion
darüber gestattet sein. Denn die strikte
Durchführung der Unvereinbarkeitsbe-
schlüsse bedroht den Charakter der Ein-
heitsgewerkschaft. Schließlich ist der
Entscheidungsprozeß über die Unverein-
barkeits-Beschlüsse auch in der Gewerk-
schaft nicht abgeschlossen.
(entnommen: "express" -
Zeitung fiir sozialistische
Betriebs- und Gewerkschafts-
arbeit Nr. 6/1975)
Heide B.P. hat alle satzungsgemäßen Möglichkeiten gegen das Aus-
schlußverfahren vorzugehen wahrgenommen. Sie wandte sich schließlich
auch an den Gewerkschaftstag der ÖTV (1976), der nach der Satzung die
letzte Revisionsinstanz (zumindest bis zu diesem Gewerkschaftstag; er
entmachtete sich selbst und gab die Kompetenz an den Beirat ab.) dar-
stellt. Ihr Ausschluß wurde dort dann letztendlich bestätigt; aller-
dings gab es in ihrem Fall beträchtliche Gegenstimmen.,
Der "express" kommentierte die Diskussion über die Ausschlußverfahren
folgendermaßen:
"In der Diskussion der Beschwerden gegen die Ausschlüsse wurde grund-
sätzlich die Problematik von Unvereinbarkeitsbeschlüssen nicht unter-
sucht, sondern lediglich die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme in
Einzelfällen kritisiert. Die geschickte Mischung, mit der einige ÖTV-
Vorstände und Verwaltungen sich unbequemer Kritiker und Wortführer
mit Hilfe der negativen Fixierung der überwiegenden Mehrheit der Dele-
gierten auf K-Organisationen, die durch örtliche Erfahrung gespeist
ist, und der Appellation an grundsätzliche Gewerkschaftsloyalität, ge-
lang in allen Fällen. Es war noch nicht ausreichend sichtbar zu ma-
chen, auch nicht in den Fällen, die im Prinzip nichts mit der Zusam-
menarbeit mit K-Gruppen zu tun hatten, daß hier Methoden angewandt
werden, die prinzipiell unangenehme Diskussionen und fundierte Aus-
einandersetzungen administrativ zu verhindern suchen. Dergleichen ist
vielen Delegierten in ihren Bereichen noch nicht ausreichend erfahr-
bar geworden. In drei Ausschlußfällen gab es jedoch beträchtliche Ge-
genstimmen. Künftig wird der Gewerkschaftstag laut Beschluß mit Aus-
schlußbeschwerden nicht mehr befaßt. Letzte Instanz ist jetzt der
Beirat."
Als nächstes klagtesie dann gegen ihren Gewerkschaftsausschluß. Zunächst
vor dem Landgericht Berlin, weil, laut Satzung,'der Bezirksvorstand
seine Tätigkeit im Auftrag des Bundesvorstands" ausübt. Doch zu dem
Termin im Mai 1976 kam der ÖTV-Rechtsanwalt aus Stuttgart, dem Sitz
des Hauptvorstands, nach Berlin gejettet, um mitzuteilen, daß einen
Monat zuvor die ÖTV-Satzung in einem Punkt geändert worden war. Es
wurde eine Zentralisierung der Klageverfahren beschlossen ("wegen der
häufiger werdenden Klagen gegen die ÖTV"), so daß der Gerichtsstand
nunmehr Stuttgart sei. Und: "Eine Prorogation wird die Antragstellerin
nicht vornehmen." Ins Deutsche übersetzt heißt das, daß zwar auch die
Möglichkeit besteht, sich auf ein anderes Gericht zu einigen (beispiels-
weise Berlin), die ÖTV-Führung sich jedoch nicht darauf einlassen wird.
Für diese simple Mitteilung der Änderung des Gerichtsstandes hatte
sie an den ÖTV-Anwalt über 1 800 DM zu zahlen.
Inzwischen hat nun das Landgericht Stuttgart den Ausschluß der gewähl-
ten Abteilungsvorsitzenden aus der ÖTV für rechtens befunden.
"Der Ausschluß der Klägerin wäre dann als offenbar unbillig anzusehen,
wenn die Klägerin schon vor der Sitzung am 17.3.1975 bei der Einlass-
kontrolle hauptamtliche Funktionäre der Beklagten aufgefordert hät-
te, die Mitglieder Röhr und Reckling am Betreten des Gewerkschafts-
hauses zu hindern und dieses Ersuchen abgelehnt worden wäre. Diese
Behauptung der Klägerin ist aber nicht bewiesen worden.
Keiner der Zeugen konnte bestätigen, daß die Klägerin schon bei der
Einlasskontrolle die Gewerkschaftssekretärin Frau Hoppe aufgefordert
hat, unter Ausübung ihres Hausrechts die Mitglieder Röhr und Reckitng
- 91 -
zu entfernen, und daß dies Frau Hoppe abgelehnt hat. Die Zeugin Hop-
pe hat einen solchen Vorfall glaubhaft in Abrede gestellt. Der Ge-
werkschaftssekretär Hinz war, wte er glaubhaft bekundete, weder bei
der Einlaßkontrolle anwesend, noch bei der anschließenden Versamm-
lung. Die von der Klägerin benannten Zeugen haben indes ausgesagt,
daß es bei Beginn der Sitzung zwischen der Klägerin und Frau Hoppe
eine Auseinandersetzung über die Ausübung des Hausrechtes und die
Teilnahme der Mitglieder Röhr und Reckling gab. Zu diesem Zeitpunkt
war jedoch bereits die Klägerin für den Ablauf der Sitzung verantwort-
Lich. Ihr oblag die Einhaltung der Satzung, was ihr als langjähriges
Gewerkschaftsmitglied in zeitweilig sogar führender Position auch |
hätte bekannt sein müssen, zumal sie von Frau Hoppe noch entsprechend
belehrt worden war, wie diese bekundete."
Sämtliche Kosten gehen zu Lasten der Klägerin, die ein Anliegen vie-
ler Gewerkschaftsmitglieder durchzufechten versuchte.
Wir bitten Euch daher, einen Beitrag auf das Unterstützungskonto von
Heidi zu überweisen. Die Kontonummer: Liselott Schrödter, Postscheck-
amt Bln.-West 32 17 30 - 109.
Übrigens: Seit dem 1.6.79 ist Heidi wieder gewerkschaftlich organi-
siert, nämlich in der GEW!
NICHT NUR REDEN - HANDELN!!!
P.S. An diesem Beispiel wird wieder einmal deutlich, daß es keinen
Zweck hat, sich in diesen Fragen auf die Gerichte zu verlassen. Umso
schwerer wirkt die Tatsache, daß die nach der Amtsenthebung von Heidi
Pflanz vom Bezirksvorstand verfügte Abschaffung der Mitgliederver-
sammlungen der Abteilung Sozialarbeit von den Gewerkschaftskollegen
widerstandslos hingenommen wurde...
“AUSTRITTSERKLARUNG AUS DER OTV/FREIE TRÄGER
"Um die Lebendigkeit ihrer Gewerkschaft und die ständige Weiterent-
wicklung erfolgreicher gewerkschaftlicher Arbeit zu sichern, haben
die Mitglieder unserer Organisation die Möglichkeit, ihre Meinung tn
die Beschlüsse und Handlungen der verantwortlichen Organe dieser Or-
ganisation einzubringen."
(Zitat: "Leitsätze für Vertrauensleute der Gewerkschaft ÖTV')
Wir, eine Gruppe von Pädagogen, Mitglieder der ÖTV, haben uns z.T.
seit drei Jahren darum bemüht,eine Betriebsgruppe der ÖTV-Hamburg
beim DPWV zu gründen. Wir arbeiten bei unterschiedlichen Freien Trä-
gern (Jugend hilft Jugend, Jugendhilfe e.V., Alida Schmidt Stiftung)
im DPWV in zumeist kleineren Einrichtungen mit 10-50 Mitarbeitern.
Durch unsere unterschiedlichen Anstellungsträger entsteht für uns
eine isolierte Situation. Gerade deshalb ist es für uns wichtig uns
zusammenzuschließen, um unsere Interessen als Arbeitnehmer und Gewerk-
schafter vertreten zu können.
Von der Bezirksverwaltung wurden wir immer wieder vertröstet. Schon
1976 (!) versprach man uns:
- 92 -
"Wirmoóchten Dich daher bitten, gemeinsam mit dem zuständigen Geschäfts-
führer, dem Kollegen Eckard Schön, zunächst zu prüfen, ob bei Euch
die Kriterien zur Bildung einer ÖTV-Betriebsgruppe erfüllt sind und
wenn ja, daß dann ordnungsgemäß mit Einladung durch die Organisation
selber die entsprechenden Wahlen durchgeführt werden."
Nach zahlreichen Bitten und Forderungen schrieb die Bezirksverwaltung
durch Eckard Schön im August 1978:
nminsichtlich der Frage der Organisation der ÖTV-Mitglieder in dte-
sem Bereich (DPWV) gibt es zur Zeit verschiedene Überlegungen, die
wir hoffen, in diesem Jahr noch abschließen zu können. Wir wollen
dann auch in diesem Bereich ÖTV-Betriebsgruppen bilden, die sich ak-
tiv an der gewerkschaftlichen Arbeit beteiligen können."
Bis heute ist nichts geschehen. Bis heute wurden wir auf jene Art hin-
gehalten. Bis heute wird uns so jede aktive Beteiligung an den Be-
schlüssen und Handlungen der ÖTV verweigert. Da auch die letzte Ab-
teilungsversammlung der Fachgruppe Sozialarbeit 1974 stattgefunden
hat und weitere Versammlungen nicht genehmigt werden, glauben wir,
daß von der Bezirksverwaltung bewußt jede Beteiligung der ÖTV-Mitglie-
der beim DPWV verhindert werden soll. Da wir so an jeder gewerkschaft-
lichen Interessenvertretung gehindert werden, haben wir beschlossen,
aus der ÖTV auszutreten.
wir sind nicht bereit, weitere Jahre ausschließlich Beiträge zu zah-
len und damit u.a. eine solche undemokratische und mitgliederfeindli-
che Vorgehensweise der Bezirksverwaltung zu stützen. Dort wird nichts
mehr gefürchtet, als die Lebendigkeit einer Gewerkschaft durch die
Beteiligung der Mitglieder an den Beschlüssen und Handlungen der ver-
antwortlichen Organe. Hiermit geben wir unseren Austritt bekannt. Wir
überprüfen, ob wir unsere Interessen in der GEW realisieren können."
- 93 —
MATERIALIEN ,HINWEISE,STELLENANGEBOTE,TERMINE
O Jugendarbeitslosigkeit in Hamburg, eine Untersuchungsarbeit,
Herausgegeben vom AKS Hamburg, 65 Seiten; Bezug: gegen Voreinsen-
dung von DM 3.- über Sozialistisches Büro, Altonaerstr. 28,
2 Hamburg 6
0 Materialmappe THERAPEUTISCHE WOHNGEMEINSCHAFTEN für Psychisch Kran-
ke - über Möglichkeiten und Probleme (80 Seiten), erhältlich gegen
DM 4.- (einschl. Porto) in Briefmarken bei AG SPAK, Belfortstr. 8,
8 München 80
0 Materialmappe "BEWUSSTSEINSBILDENDE ARBEIT" - neuere Texte von und
zu Paulo Freire (Diskussionen, Seminarergebnisse, etc.) ca. 120 Sei-
ten, erhältlich gegen Kostenbeteiligung DM 5.-- (und 1.-- DM Ver-
sandkostenanteil) mit Briefmarken über AG SPAK, Belfortstr. 8,
8 München 80
O "Streetwork/Straßensozialarbeit".Eine umfangreiche Literatur-Liste
zu dieser Arbeitsform, unter besonderer Berücksichtigung der
'mobilen Jugendarbeit' kann gegen DM 1.- für das Rückporto bei
Hannes Kiebel, Alemannenstraße 8, 4630 Bochum 1, angefordert wer-
den.
0 Die INITIATIVE "Der KINDER WEGEN..." hat ein Heft herausgegeben mit
Beiträgen über Pflegeeltern, Kindergartenstreik, Alternative Wahl-
beteiligung, Sanfte Geburt und vieles mehr. Für DM 2.- zu beziehen
über Christine Tigges, Friedrich-Wilhelm-Str. 5, 28 Bremen
(0421/505846).
0 Ich arbeite in einer Obdachlosensiedlung und suche für meine Arbeit
nach Erfahrungsberichten mit Männergesprächsgruppen.
Klaus Kiesheyer, 4600 Do-Schüren, Ob der Kolmke 5.
O "Geschichte und Erfahrung in der Jugendarbeit 2. Teil: Arbeit mit
Jugendgruppen - geschichtliche Erfahrungen nach '45 und heutige
Möglichkeiten",
Bei diesem Treffen wird an unsere Juni-Tagung über die Jugendbewe-
gung in der Weimarer Zeit angeknüpft. Es können aber auch Leute mit-
machen, die beim 1. Mal nicht dabei waren. Wir werden die geschicht-
lichen Erfahrungen aus der Arbeit mit Jugendgruppen auf die heutige
Jugendarbeit beziehen. Wir möchten aber nicht nur diskutieren.....
Termin: 20. - 25. November 1979; Ort: Quelle bei Bielefeld
Anmeldung an: Arbeitsfeld Bildungsarbeit, Sozialistische Büro,
Postfach 591, 6050 Offenbach
(Über diese Adresse kann auch der Bildungsarbeiter-Rundbrief 5/79
gegen Voreinsendung von DM 2.- bezogen werden mit ausführlichen Be-
richten, Informationen und einem Programm der nächsten Tagung)
O Wir sind 5 Erwachsene + 4 Kinder (davon 1 Pflegekind) und haben ein
altes Schloß mit 200 qm Wohnfläche und 12 000 qm Land gekauft. Zur
Zeit renovieren wir und versuchen die Raten abzutragen. Unser Ziel
ist, in einem Teil des Hauses ein Kleinstheim zu errichten und in
dem anderen eine alternative Tagungsstätte und Ferienaufenthalte
für Kinder durchzuführen. Um das alles zu schaffen, brauchen wir
mehr qualifizierte Leute(Pädagogen und Handwerker).
Kinderschloß Ockstadt e.V. bei Freidberg; Telf. 06031/5515
Die Mitarbeiter der PRO FAMILIA Fulda suchen Sozialarbeiter(in)
für eine Halbtagsstelle und eine Ganztagsstelle, Bezahlung BAT IV b.
Schwerpunkte: Beratungsgespräche, Gruppenarbeit, Verwaltung und
Organisation, Öffentlichkeitsarbeit, Buchhalterkenntnisse (erwünscht
für eine Stelle).Erwartungen von uns: längerfristige Ambitionen,
Wohnsitz im Raum Fulda, Berufserfahrung.
PRO FAMILIA, Marktstr. 21, 6400 Fulda.
Der Jugendhausförderverein e.V. in Schramberg/Schwarzwald stellt
zum 1.1.1980 eine(n) SOZIALARBEITER(IN)/SOZIALPÄDAGOGE (I)N
für sein Jugendhaus in Selbstverwaltung ein.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen sind zu richten an:
Wolfgang Teichmann, Tierstein 4, 7230 Schramberg, Tel.:07422/3441.
"Kinder entdecken Kultur" ist das Schwerpunktthema der pädagogisch-
en Zeitschrift "die Lupe". Heft 24. Sie wird herausgegeben vom
Spiel & Lernzentrum Braunschweig, Bruchtorwall 1-3, 33 Braunschweig
und kostet DM 5,--. Beschrieben werden die Aktionen und Erfahrungen
mit der KIEK-Kinder entdecken Kultur-Woche-.
"lo Jahre Diskussion Jugendwohngemeinschaften: Chance oder Illusion?"
Auf 240 Seiten wurden wichtige Artikel aus dieser Zeit zusammenge-
stellt. Bezug gegen DM lo,-- plus Versandkosten über
Verein Alternative Heimerziehung e.V.,Vereinsstr.87,2 Hamburg 6
Die Arbeitsgruppe Psychologie München, Pläntschweg 22, 8 München 60
gibt heraus:
- Entäusserung und Entfremdung in den Pariser Manuskripten
(65 Seiten, DM 6,--)
- Die Kultur Teil 1: Der Entstehungs- und Entwicklungsprozess der
Privatperson oder das Selbst (145 Seiten, DM 7,50)
- Selbstorganisation psychisch Kranker: dargestellt an drei
Organisationen (SPK,DAYTOP,TC München); (160 Seiten, DM 11,-)
- Zur Kritik der Humanistischen Psychologie: eine Kritik der
Philosophie und Praxis der Gesprächs-Psychotherapie von Rogers
und der Kommunikationstherapie von Watzlawick.
(90 Seiten, DM 7,--)
"Der alltägliche Skandal" - Dokumentation über das Mädchenheim im
Diakoniezentrum Heiligensee(Westberlin)
Bezug: HEZ - Zeitung für Erzieher und Sozialarbeiter c/o Zeitungs-
coop, Eisenbahnstr. 4, 1 Berlin 36
",...auch wenn das Kind schon blau geschlagen wurde ..."
Aus der Arbeit der Beratungsstelle für Kinderschutzarbeit des
Deutschen Kinderschutzbundes, Ortsverband München e.V..
Dokumentiert werden die Arbeit und die Erfahrungen der ersten ein-
einhalb Jahre des Aufbaus.. Das Buch richtet sich an Kollegen in
der verbandlichen und öffentlichen Familienarbeit, aber auch an
Ärzte und Juristen. 168 Seiten,DM 6,-- . Gegen Voreinsendung von
DM 8,50 (einschl.Porto) auf das Konto 9922-801 PSCHA München
Deutscher Kinderschutzbund, Stichwort: Jahrbuch
Sozialpädagoge(in)/Pädagoge(in)/Psychologe(in) zum Aufbau einer
Jugendwohngruppe im Raum Darmstadt gesucht.
Telf. 06151/ 714803 oder 713 801
- 95 -=
O Tagung des Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit im SB Hamburg
Thema:
"Neuorganisation sozialer Dienste - Und es bleibt doch alles beim
- Und es bleibt doch alles beim Alten?"
16.11.1979 Podiumsdiskussion 19.30 Uhr, ESG, Grindelallee 9
Teilnehmer: Verena Fesel, FHS Hamburg; Christian Marzahn,Uni Bremen;
Siegfried Müller,Redaktion Neue Praxis; Vertreter der GEW; Ver-
treter der ÖTV angefragt; Liesel Werninger, Sozialarbeiterin a.D.;
Timm Kunstreich,Aks Hamburg
17.11.1979 Tagung in Arbeitsgruppen im SPZ,Sedanstr.19
mit Kolleginnen und Kollegen aus Westberlin,Frankfurt,Bremen,Biele-
feld und München
Abends Féte in den Räumen des Sozialistischen Büros, Altonaerstr.28,
2 Hamburg 6
Teilnehmer ausserhalb Hamburgs melden sich bitte beim AKS c/o
Sozialistisches Büro, Altonaerstr. 28, 2 Hamburg 6 an, damit für
Euch Übernachtungsplätze organisiert werden.
Reihe "Arbeitsfeldmaterialien zum Sozial- und Cesundheitsbereich"
Humanisierung des Gesundheitswesen -Berichte - Konzepte - Erfahrungen -
Das ausgeprägte Interesse und der intensive Wunsch nach Information und
Erfahrungsaustausch über Reformversuche und Alternativen im Gesundheits-
wesen veranlaßte das Oberstufenkolleg an der Universität Bielefeld eine
Tagung durchzuführen. Die auf dieser Tagung im Rahmen eines Projektbasars
vorgestellten und diskutierten Projekte und Initiativen werden in einem
ca. 240 Seiten umfangreichen Materialband zusammengestellt. Er ist nach
folgenden Schwerpunkten gegliedert:
a) Neue Formen der Aus-,Fort- und Weiterbildung im Gesundheitswesen
b) Kooperative Praxis und alternative Zielsetzungen
c) Verbände und Initiativen
d) Zeitungsprojekte
Eingeleitet wird der Materialband durch ein Referat von Prof. Dr.Dr. Rolf
Schwendter (Gesamthochschule Kassel)
Da die Projektdarstellungen auch Gruppen und Initiativen aus dem sozial-
arbeiterischen und sozialpsychiatrischen Bereich umfassen, erweitert sich
der Adressatenkreis. Angesprochen sind: Laien, Selbsthilfegruppen, Sozial-
und Gesundheitsarbeiter, Ärzte, Pädagogen, Gewerkschafter, Ausbilder und
Auszubildende etc, Dyu A43.-
Reihe Plakat-Bauern-Verlag
)
Ls
Grünstift ~ Bauernkarikaturen aus Frankreich und der BRD ca. 120 seiten[Dn A0,-
2 KONSUMENTEN,
HÖHERE i
MILCHPREISE ¿
YO
KEINE HÖHEREN
BAUERN, ERZEUGERPREISE !
DER BAUER SCHUFTET
DER KONSUMENT BEZAHLT
DER INDUSTRIELLE SACKT EIN
zialistische Zeitung
bringt monatlich auf etwa 28 Seiten Informationen und Anregun-
gen fúr die politische Arbeit, Beitráge zur sozialistischen Theo"
rie und Strategie, Berichte aus der Linken international. „links
ist illusionslos, undogmatisch — eine Zeitung für Theorie der
Praxis und für Praxis der Theorie.
Einzelpreis DM 2—.
Bezugspreis, jährlich, DM 22,— + DM 6,— Versandkosten
DIVISA
| Zeitung für sozialistische
s- und :
Betriebs U. on
Sprachrohr der Kollegen und Genossen, die sozialistische Be-
triebs- und Gewerkschaftsarbeit machen. Informationen poe
die Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit. Beiträge,
die man nicht in den Gewerkschaftszeitungen findet.
Einzelpreis DM 1,20.
Bezugspreis, jährlich, DM 14,— + DM 6,— Versandkosten
Probeexemplare anfordern bzw. Abonnementsbestellung bei
Verlag 2000 GmbH, Postfach 591, 605 Offenbach 4.