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Full text of "Informationsdienst Sozialarbeit (1972 - 1980)"

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INFORMATIONSDIENST 
SOZIALARBEIT 





Ausserdem: Sozialarbeiterstreik in England und die Folgen * 
Nachrichten aus der ÖTV * Materialien/Termine/Hinweise 


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Offenbach im November 1979 
Einfachnummer - Preis DM 6,- 





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INFO SOZIALARBEIT, HEFT 24 


Vorbemerkung 3 
Zur Entwicklung der Methoden in der Sozialarbeit 7 


Teamberatung mit TZI 
Aus der Sicht einer Beraterin - Ein Interview 15 


Wahrnehmung und Training sozialer Kompetenz 


- Ein gruppendynamisches Seminar - 31 
Transaktionsanalyse 43 
Gestalttherapie 51 
Gruppensupervision 55 


Silbenrätsel für "Methoden-Fans" und solche, die es 
nie werden wollen 60 


Albert Hofmann 
Auf welche Situation treffen die Methoden? 


Einige Daten zur Sozialhilfe 61 
Psychodrama - Ein Theaterstück 69 
Literaturangaben zum Weiterlesen 83 


Hans Weiss 
Sozialarbeiterstreik in England und die Folgen 84 


Nachrichten aus der ÖTV 88 


Materialien/Hinweise/Stellenangebote 94 





INFORMATIONSDIENST 
SOZIALARBEIT 





DER KAPIIAUSMUS 
LEBT AUCH VON DER 
DE ZIEHUNGSARBEIT 


se una wer ann enfir de Hastom in deser Wunkhan $ 
Gomalarbeiter innen - a me utiche hee Ar Nahon’ 
Q Schwerpunkirhema ir 
FRAUEN UND SC VARIA BAUERN 
Plakat-Bauernverlag 


Offenbach/Stuftgert DM 10, 


Marlene Neske/ 
Günter v. Juterzenka 
Be E E 7WISCHENLUSUNG: ARBEITSKOLLEKTIVE 
INFORMATIONSDIENST ee ri 
GESUNDHEITSWESEN Pe RAS 
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Si hwerpunk! thema: 
MEDIZIN UND DRITTE WELT 


Am Beispiel Kapverden 


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Uta RON 


Haben Sie Interesse an aktuellen Themen: Okologie, Marxismusdiskus- 
sion, Arbeitskämpfe? 


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beexemplare unserer Monatszeitungen y 


Verlag 2000 GmbH, Postfach 591, 605 Offenbach 4 





VORBEMERKUNG 


Als wir vor fast 2 Jahren begannen, uns mit der zunehmenden Psycholo- 
gisierung der Sozialarbeit zu beschäftigen, war unser Anspruch zunächst 
begrenzt. Uns war die aus den USA gespeiste treibhausmäßige Ausbrei- 
tung immer neuer psychotherapeutischer Ansätze unter dem Namen "Psy- 
choboom" bekannt; die unter Bedingungen kommerzieller Verwertung vor 
allem dem Modetrend folgende Flut von Therapieformen erweckt häufig 
eher den Eindruck von Scharlatanerie als psycho-sozialer Hilfe. Des- 
halb waren wir erstaunt und beunruhigt, als wir feststellten, daß die- 
se Ansätze zunehmend auch in der Sozialarbeit und Sozialpädagogik Ver- 
breitung finden und entsprechende Fortbildungsangebote mit Unterstüt- 
zung oder sogar auf Anregung und mit Finanzierung der Anstellungsträ- 
ger in wachsendem Maße nachgefragt werden; und dies nicht nur unter 
Kollegen, die immer schon einen eher caritativen Anspruch verfolgt ha- 
ben, sondern auch unter Freunden, denen wir eine politisch-kritische 
Herangehensweise an ihre Arbeit zutrauen. 

Davon überzeugt, daß hier in den letzten Jahren eine ganz wesentli- 
che Neuorientierung stattgefunden hat, die auch ein politisches Ver- 
ständnis von Sozialarbeit berührt, wollten wir zunächst für uns das 
Ausmaß dieser Entwicklung dokumentieren. Wir wollten herausfinden, 
welche Therapieformen in die Sozialarbeit/Sozialpädagogik Eingang 
gefunden haben, wollten diesen Prozeß bewußt machen und zum Nachden- 
ken anregen. Der Psychoboom in der Sozialarbeit Ausdruck für einen 
allgemeinen Entpolitisierungsprozeß? 


Auf der Tagung des Arbeitsfeldes Sozialarbeit 1978 in Westberlin 
stieß das Thema auf großes Interesse und so entstand die Idee, dazu 
eine Arbeitstagungvorzubereiten. Im Verlauf dieser Arbeit und der 
theoretischen Beschäftigung mit den verschiedenen Ansätzen stieg un- 
sere Neugier zu wissen, was unter dem Etikett "Fortbildung von So- 
zialarbeitern in Gestalttherapie, Transaktionsanalyse etc." tatsäch- 
lich ablief. Einzelne von uns, die an solchen Kursen teilgenommen 
hatten, berichteten der Gruppe. Die distanziert-kritische Betrach- 
tung wich allmählich einer individuellen Betroffenheit. In diesem Zu- 
sammenhang wurde die Idee einer exakten Analyse und politischen Ein- 
schätzung der Psycho-Methoden fallengelassen zugunsten von verschie- 
denen Erfahrungsberichten und Diskussionsergebnissen. Die Arbeits- 
tagung im März 1979 bestätigte, 

0 daß das Interesse an psychotherapeutisch orientierten Methoden un- 
ter Sozialarbeitern und Sozialpädagogen größer ist, als ursprüng- 
lich angenommen; 

0 daß die Kritik an verschiedenen Ansätzen und den damit verbundenen 
Erwartungen - wie wir sie in einem Stehgreifspiel karikiert ha- 
ben - zwar von vielen geteilt wird, daß aber ein erhebliches Infor- 
mationsinteresse besteht, weil die Psycho-Methoden auf ein tatsäch- 


- 3 = 


liches Bedürfnis stoßen, das nicht wegzuleugnen ist, auch wenn es 

fraglich bleibt, wieweit dies durch die verfiigbaren Ansátze abge- 

deckt werden kann. 
Auf die Fragen, die sich daran knüpfen, sind keine schnellen Antwor- 
ten möglich, wie die Tagung zeigte. Die Fülle der Literatur über die 
Psycho-Szene ist inzwischen ohnehin schon unüberschaubar. Wir haben 
daher darauf verzichtet, auf diese Kontroversen direkt einzugehen. 
Stattdessen sahen es auch die Tagungsteilnehmer als sinnvoller an, 
Orientierungshilfen zu geben, Materialien, möglichst anschauliche 
Erfahrungsberichte über einzelne Therapieformen und gruppendynamische 
Verfahren zu geben, die heute in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik An- 
wendung finden - wobei sich die Grenze zum allgemeinen Psychomarkt 


als durchaus fließend erweist. 


Die vorliegende Sammlung von Beiträgen, die leider nicht so Pine ni 
tig geworden ist, wie sie ursprünglich geplant war (verschiedene Zu- 


sagen sind zurückgezogen worden), soll zur Diskussion und zur Weiter- 
se Kriterien liefern zur Beur- 


arbeit anregen und vielleicht ansatzwei Ll a ; 
teilung der Funktion und der möglichen Anwendungsbereic e der verschie- 
denen Ansätze. Sie soll vor allem der Monopalisieroog Sen un 

ie " " entgegenwirken, die eine kritische Reflexion kaum 
durch die "Experten entgeg , ade Sattai Butwiekieus von 


noch zuzulassen scheint. Dem soll auch pt 
Fragestellungen dienen, wie sie ın unserer Diskussion und auf der Ar- 


beitstagung entwickelt wurden. 


Als erstes wäre genauer zu untersuchen, warum Sozialarbeiter auch po- 
litisch engagierte, immer häufiger an Fortbildungsveranstaltungen teil- 
nehmen, die sich mit Psychomethoden beschäftigen. Welche Motive und 
Bedürfnisse stehen dahinter? 

Vermutlich ein ganzes Bündel: Manche sind sicher ganz einfach froh, 
aus dem Berufsalltag eine Weile herauszukommen, andere "sammeln" Fort- 
bildungen, um bessere Chancen bei einer Beförderung zu haben. Viele 
sind mit ihrer Arbeitssituation unzufrieden, haben den Eindruck, Si- 
syphusarbeit zu leisten, Pflästerchen zu kleben, aber nicht wirklich 
helfen zu können, rechnen sich die Erfolglosigkeit der Arbeit als per- 
sönliches Versagen an und hoffen, dem mit Psychomethoden beizukom- 
men. Bei den in der Vergangenheit politisch Engagierten dürfte eine 
Rolle spielen, daß sie sich zum Teil mit hohem persönlichem Einsatz 
und Verzicht auf Freizeit für Ziele eingesetzt haben, die nicht er- 
reicht werden konnten, und jetzt endlich mal an sich selber denken 
wollen. Dies könnte auch für einen Großteil der anderen Sozialarbeiter 
zutreffen, die ihre Arbeitskraft für andere Leute einsetzen, manch- 
mal noch in Auseinandersetzung mit ihrer vorgesetzten Dienststelle, 
ohne Dank dafür zu ernten, und die einfach mal etwas neues kennen- 
lernen wollen (wenn auch letztlich im Interesse der Klienten, ver- 


steht sich). 


Sicher spielt auch eine Rolle, daß die Sozialarbeiter beim Versuch, 
den "Klienten" aus materiellen Schwierigkeiten heraus zu helfen, 
häufig die Erfahrungen machen, daß dies wegen der geringen psychi- 
schen Belastbarkeit und des mangelnden Durchhaltevermögens der Leu- 
te nicht möglich ist, d.h. ein Bedarf an psychosozialer Unterstüt- 
zung des Klienten sich bemerkbar macht, für den der Sozialarbeiter 
seinerseits Kenntnisse erwerben will. 

Welches Motiv überwiegt, wie sich das bei den Sozialarbeitern ver- 


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schiedener Arbeitsbereiche unterscheidet, wissen wir nicht. Sicher 
scheint nur, daß die Psychomethoden "ankommen". 


Ein zweiter Fragenkomplex betrifft das Interesse des Arbeitgebers an 
Fortbildung in Psychomethoden. Es ist zu vermuten, daf ein Teil der 
Vorgesetzten, die solche Fortbildungen unterstützten - und das sind 
wahrscheinlich nicht die Konservativsten - die Sozialarbeiter in den 
Stand versetzen wollen, entsprechend bestimmter Reformvorstellungen 
auf die veränderten Bedürfnislagen von "Klienten" besser einzugehen. 
(Beispiel: Bewährungshelfer erhalten Gelegenheit, sich in Familien- 
beratung auszubilden); Sicher verbinden damit auch viele Vorgesetz- 
te den Ehrgeiz, zu zeigen, daß sie auf dem neuesten, fortschrittlich- 
sten wissenschaftlichen Stand der Methodenentwicklung sind, um sich 
zu profilieren. Außerdem sollen solche Methodenfortbildungen die 
"Teamfähigkeit" d.h. die Kooperation unter Kollegen, die Effektivi- 
tät der Arbeit und die Arbeitszufriedenheit fördern. 

Unklar ist, inwieweit Vorgesetzte sich von solcher Fortbildung die 
Ruhigstellung politisch aktiver Kollegen versprechen, eine gewisse 
Entpolitisierung durch Einengung der Sicht auf bestimmte Probleme 

als "wesentliche". Klar ist, daß der Arbeitgeber durch Unterstützung 
bestimmter Fortbildungsangebote gegenüber anderen, d.h. z.B. konkret 
durch Gewährung von Freistellung, Einfluß auf die Art und Auswahl der 
Veranstaltungen haben kann. Noch größer wird dieser Einfluß, wenn die 
Trainer (Supervisoren, Berater) von der Institution selbst einge- 
stellt werden oder sogar gleichzeitig Vorgesetztenfunktionen wahr- 
nehmen. 


Eine dritte Fragerichtung betrifft die Funktion von Psychomethoden 

in der Sozialarbeit zum jetzigen Zeitpunkt. Geben sie nicht Halt und 
Orientierung in einer Zeit, wo die Kritik an der Sozialarbeit als Kon- 
trollinstrument zur Durchsetzung bürgerlicher Normen ziemlich allge- 
mein geworden ist? Dienen sie nicht dazu, diese Verunsicherung zu 
überspielen durch Formalisierung der Kommunikation zwischen meist 
proletarischen Klienten und mittelständischen Sozialarbeitern, die 
ihre Einstellungen und Haltungen nicht mehr so ungebrochen als Maß- 
stäbe richtigen Verhaltens vor sich hertragen, wie dies frühere So- 
zialarbeitergenerationen noch konnten? 

Im Zusammenhang damit ist zu fragen, ob die Psychomethoden unter wis- 
senschaftlichem Anspruch nicht gerade doch wieder ein bürgerliches 
Bild von Normalität, Gesundheit und Optimismus über die Möglichkei- 
ten von Selbsterkenntnis, Veränderbarkeit und Anpassungsfähigkeit 

von Individuen vermitteln, das von den gesellschaftlichen Ursachen 
absieht. D.h., es ist zu prüfen, inwieweit einzelne Methoden die 
psychische Anpassungsfähigkeit des Einzelnen so betonen, daß die Ver- 
änderung der Umwelt irrelevant wird, auch wenn die Methoden selbst 
den Anspruch erheben, Menschen besser zur Auseinandersetzung mit der 
Umwelt zu befähigen. 


Ein weiteres Problem ist, ob die Psychomethoden, so wie sie angeboten 
werden, als Kurzmethoden in Workshops, Wochen- oder Wochenendsemina- 
ren, eher zur Desorientierung als zur Aufarbeitung von Problemen bei- 
tragen. Zumindest machen Kollegen immer wieder die Erfahrung, daß 

in so kurzen Trainings weit mehr angerissen wird, als aufgearbeitet 
werden kann. 

Außerdem wäre zu prüfen, welche Methode im einzelnen bei welchen Pro- 


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blemen sinnvoll angewandt werden kann. Im Augenblick scheint die Aus- 
wahl und Anwendung von Psychomethoden von noch anderen Faktoren als 
den spezifischen Problemen der Sozialarbeiter oder der Klienten abzu- 
hängen, z.B. davon,fiir welche Methodenfortbildungen es Dienstbefrei- 
ung gibt, welche gerade gängig sind und durch Mundpropaganda weiter- 
getragen und empfohlen werden,welcher Trainer als gut gilt usw. Wir 
können daraus schließen, daß es auf die Methode in ihrer Spezifi- 
tät gar nicht ankommt, daß einzelne Methoden austauschbar sind? 

Was schließlich heißt in diesem Zusammenhang "Erfolg" einer Methode? 


Die wesentlichste Fragestellung in diesem Zusammenhang müßte eigent- 
lich sein, was eine Fortbildung in einer der Psychomethoden für die 
Arbeit mit den Klienten bringt. Hier müssen wir unterscheiden zwi- 
schen Methoden, die im Umgang mit Klienten direkt angewandt werden 
und solchen, die den Sozialarbeiter befähigen sollen, mit dem Klien- 
ten besser umzugehen. Für den ersten Fall liegen uns so gut wie kei- 
ne Erfahrungen vor. Allenfalls erzählen Kollegen vereinzelt, daß Kli- 
enten verwundert oder unwillig reagieren, wenn sie zu schematisch ge- 


fragt werden. 7 ; 
Herauskommen kann, daß die Sozialarbeiter durch eine Methodenfortbil- 


dung lernen, besser zuzuhören, mehr darauf zu achten, inwieweit sie 
eigene Probleme beim Umgang mit Klienten mithineinbringen, und da- 


nach mit Interpretationen vorsichtiger werden. Doch wäre noch ge- 
nauer zu prüfen, inwieweit Sozialarbeiter mīt Methodenfortbildung eher 


die psychosozialen als die materiellen Schwierigkeiten der Klienten 

sehen. Die lapidare Behauptung jedenfalls, daß sıcherere, zufriede- 

nere Sozialarbeiter auch besser mit Klienten umgehen, ist sicher so 

platt wie ungenau. 

Eine andere Frage ist, inwieweit sich spezielle Methodenfortbildun- 

gen auf die Arbeit mit den Klienten überhaupt auswirken können, wenn 
die Sozialarbeiter, wie es häufig vorzukommen scheint, sich laufend 


neuen Ansätzen zuwenden. 


Arbeitsgruppe Psychomethoden Berlin 


Kontaktadresse: Christa Reinhard 
Bürknerstr. 6, looo Berlin 44 


ZUR ENTWICKLUNG 
DER METHODEN IN DER SOZIALARBEIT 
SEIT 1968 AM BEISPIEL WESTBERLINS 


Die zunehmende psychotherapeutische Orientierung der methodischen An- 
sátze in der Sozialarbeit verlief parallel zum allgemeinen Psychoboom. 
Sie entstand aus ganz ähnlichen Wurzeln und Formen, die sich bis zur 
Reformphase der Bundesrepublik und zur Entstehung der Studenten- und 
Sozialarbeiterbewegung Ende der 6oer Jahre zurückverfolgen lassen. 
Nachdem die heute schon "klassischen Methoden" erst im Zuge der ame- 
rikanischen "Re-education" nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland 
bekannt geworden waren und noch in den 6oer Jahren das Programm der 
in diesem Zusammenhang gegründeten Fortbildungsstätten (Haus Schwal- 
bach, Gelnhausen, Münster) und der Sozialakademien bestimmten, tauch- 
ten neuere Vorstellungen methodischen Arbeitens erst mit der grund- 
sätzlichen Infragestellung traditioneller Arbeitsformen auf. 

In diesem Zusammenhang spielte in Berlin ein Referat von Arno Kosmale 
von der Senatsverwaltung für Jugend und Sport über "Neue Modelle in 
der Sozialarbeit" eine wichtige Rolle, das dieser 1968 auf einer Fort- 
bildungsveranstaltung für die Mitarbeiter der Familienfürsorge Rei- 
nickendorf hielt. Er vertrat die Auffassung, daß die zur Überwindung 
der alten Fürsorge für notwendig erachteten Veränderungen in Organi- 
sation und Arbeitsweise der Sozialverwaltung auch eine entsprechend 
wissenschaftlich fundierte Methodik erforderten. Dies entsprach dem 
Trend, die Ausbildung der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen in Zu- 
kunft auf eine "wissenschaftliche Grundlage" zu stellen (Gründung 

der Fachhochschulen) und begründete gleichzeitig die Förderung der 
sogenannten Modellbewegung, d.h. die Aufhebung der Vereinzelung der 
Sozialarbeiter durch Teamarbeit, Schaffung von Außenstellen und an- 
dere Modelleinrichtungen. (1) Dementsprechend wurde in Berlin die 
Methoden-Fortbildung ausgebaut insbesondere durch Gründung der Fort- 
bildungsstätte des Senators für Familie, Jugend und Sport "Haus Ko- 
serstrafe'" im April 1968. 


Die erste öffentliche Einrichtung in Berlin, die die Entwicklung von 
Teamarbeit nach dem Kosmale-Modell in Angriff nahm, war das Jugend- 
amt Reinickendorf. Von der Amtsleitung wurde die Verbesserung der 
Teamfähigkeit durch gezielte Beratung für erforderlich gehalten. Die- 
se Aufgabe übernahmen die Mitarbeiter des Hauses Koserstraße. Es wur- 
den "Ein-Jahres-Kurse zur Methodenfortbildung" allein für die Mitar- 
beiter der Fafü Reinickendorf eingerichtet. Die Absolvierung solcher 
Fortbildungskurse wurde zur Voraussetzung für die Höherbesoldung ge- 
macht. Zusätzlich wurde 1969-1970 die Fortbildung von Supervisoren 
vorangetrieben , u.a. in Selbsterfahrungsgruppen bei G. Ammon, ei- 
nem der ersten Psychoanalytiker in Berlin, der Gruppentherapien durch- 
führte. In dieser Zeit entstanden nach der bereits 1964 beim Deut- 
schen Verein in Frankfurt gestarteten Supervisorenausbildung die üb- 
rigen Ausbildungsstätten an der Akademie für Jugendfragen Münster, 
beim Burckardthaus Gelnhausen, an der Akademie Remscheid und im Haus 


Koserstraße. Danach wurden auch entsprechende Stellen in den Bezirks- 
ämtern geschaffen; zum Teil verfügen die Berliner Bezirke heute über 
besondere Beratungsfürsorger, die sich fast ausschließlich Supervi- 
sionsaufgaben widmen können. 

Es folgten mit ähnlichen Modellversuchen die Jugendämter Charlotten- 
burg (1970) und Spandau(1971). Gleichzeitig begann man, Methodenfort- 
bildung frei für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen aller Bezirke auszu- 
schreiben. 

Das hier vermittelte Methodenverständnis ging von Anfang an von einer 
kritischen Einstellung zu den klassischen Methoden amerikanischer Her- 
kunft aus. Man versuchte, diese Methoden zu einem Gesamtkonzept "metho- 
discher Sozialarbeit" zu integrieren. Dahinter stand das Bemühen, den 
Anspruch der Sozialarbeit als "Hilfe zur Selbsthilfe" ernstzunehmen 
und dementsprechend "relative Autonomie, Eigenverantwortlichkeit, so- 
ziale Verantwortung, Entscheidungs- und Kritikfähigkeit der Klienten 
zu fördern." (Fortbildungsprogramm des Hauses Koserstraße, 1972, 8.4). 
Das erforderte eine "berufsspezifische Haltung des Sozialarbeiters", 
eine "Fachlichkeit", die durch die Methodenfortbildung erreicht wer- 
den sollte. Man war sich darüber im klaren, daß die Entfaltung dieser 


Fachlichkeit unter den herrschenden Amtsstrukturen und Arbeitsbedin- 
deshalb war das erste Ziel die Schaffung von 


die Veränderung der bürokratischen Struk- 
chtfertigter Hierarchie. Man bekannte 


..(2) 


gungen illusionär war; 
mehr Handlungsspielräumen, 
turen und die Beseitigung ungere H 
sich offen zur Schaffung von "Unruhe" in den Amtern. 


Doch bald empfand man diesen "integrativen" Weg der Entwicklung der 
Teamfähigkeit und Fachlichkeit des Sozialarbeiters als unzureichend, 
1972 wurde erstmals ein Kurs in Gesprächspsychotherapie (GT) in das 
Programm der Koserstraße aufgenommen. Im nächsten Jahr waren es schon 
drei Kurse; ein erster Kurs in Familientherapie (nach H.W. Maier, 


nctioning (HSF) (nach Heimler) kam 


Seattle) und in Human Social Fu 
hinzu. Ab 1972 wurden auch Kurse in Verhaltenstherapie (VT) angebo- 
ten, später auch klientenzentrierte Gesprächsführung (herkommend von 
der Gesprächspsychotherapie) und Gestalttherapie (GST). Seit 1975 
haben diese speziellen therapeutischen Ansätze die klassischen Me- 
thoden ebenso aus dem Programm der Koserstraße verdrängt wie allge- 


mein-psychologische oder soziologische Themenangebote. 


Auch neben der offiziellen Fortbildungsstätte des Jugendsenats brei- 
tete sich die sozialpädagogische Psychoszene weiter aus. Seit 

1972 gewann K. Vopel über persönliche Kontakte mit Berliner Sozial- 
arbeitern bei verschiedenen Bezirksämtern Interesse für seine grup- 
pendynamischen Seminare die er bis dahin überwiegend auf Lehrer und 
Psychologen abgestellt hatte. Über die Berliner Verwaltungsakademie 
wurden die Angebote seines "Instituts für angewandte Sozialpsycho- 
logie, Kommunikationstraining und Organisationsentwicklung'' (Hamburg) 
in der Berliner Verwaltung etabliert. In den Jahren 1975-1978 wur- 
den häufig die Belegschaften ganzer Ämter zu gruppendynamischen 
Wochenkursen nach Westdeutschland geschickt, wo unter Vopels Leitung 
Selbsterfahrungstrainings veranstaltet wurden, bei denen die rationale 
Analyse und Verständigung über die ablaufenden Prozesse zunehmend in 
den Hintergrund trat. (Vgl. Bericht in diesem Heft). Das Programm der 
ISKO reicht inzwischen von Encounter-Gruppen über "Workshops für 
Führungskräfte: Aktivieren und Motivieren" bis zur Transaktionsana- 
lyse (TA) und Wochenend-Kursen über "Leben und Tod", 


= 8 - 


REAL—THERAPIE 


Ein Beispiel fiir die vóllige Beliebigkeit, zu der sich das Ange- 
bot an psychotherapeutischen Methoden in der Sozialarbeit/Sozial- 
pädagogik entwickelt hat, ist das "REAL-INSTITUT" in Düsseldorf 
und München, das seit 1977 in überregionalen Tageszeitungen sei- 
ne Ausbildungslehrgänge zum 'Real-Therapeuten” anbietet. Es wen- 
det sich an "therapeutische und pädagogische Fachkräfte..., die 
in geschlossenen, halboffenen und offenen Einrichtungen der Ju- 
gend-, Erwachsenen- und Sozialhilfe mit Patienten bzw. Klienten 
arbeiten, wie z.B. in Heimen, Schulen, Kliniken, Strafanstalten 
und Beratungsstellen, Jugend- und Sozialämtern, Bewährungshil- 
fe oder Kindergärten, Häusern der offenen Tür oder freien ärzt- 
lichen psychologischen Praxen." (Aus dem Prospekt für 1978). 


Im Gegensatz zu vielen ähnlichen Einrichtungen bietet das REAL- 
Institut nicht einzelne Kurse an oder eine bestimmte Therapie- 
form unter Ausschluß aller anderen. Vielmehr wird hier eine 
geschlossene Ausbildung angeboten, die über 2 Jahre läuft und 
die verschiedensten Ansätze zu vereinigen sucht: "In der REAL- 
Therapie haben die verschiedenen Ansätze eine unterstützende 
Funktion: sie sind wie Werkzeuge. Erst wenn man ihre genaue Be- 
stimmung kennt, sind sie wirklich wertvoll... Ziel der REAL-The- 
rapie ist nicht einfach die Symptombeseitigung oder die Stär- 
kung eines gestörten Aspektes eines Individuums, sondern die Be- 
einflussung des gesamten Menschen. Ziel ist die Verbesserung 
und Stabilisierung der ideellen und praktischen Lebensbewäl- 
tigung mittels angemessener Selbstachtung." 

"Als REAL-Therapie trägt sie Rechnung, daß heute im Zeitalter 
der psychischen Massenerkrankung Hilfe rasch und mit möglichst 
geringem Kostenaufwand geschehen muß." 

Deshalb grenzt sie sich von vielen anderen Methoden ab und em- 
pfiehlt sich folgendermaßen: "Der REAL-Therapeut ist im Unter- 
schied zu vielen anderen Methoden aktiv und direktiv. Der REAL- 
Therapeut wartet nicht in jedem Fall auf die Einsichts- und 
Veränderungsbereitschaft eines Klienten. Gegebenenfalls setzt 
er Bedingungen, die diesen Prozeß beschleunigen können. Vor al- 
lem in der Randgruppenarbeit (Drogen, Kriminalität, Assoziali- 
tät) und in der Psychiatrie, zunehmend aber auch im gesamten 
Neurosenbereich, wo echter Leidensdruck und realistische Pro- 
blemschau vermißt werden, ist dieser direktive Weg wichtig, wenn 
diese Bereiche nicht gänzlich den Verwahrungsanstalten und der 
Pharmakotherapie überlassen werden sollen.." 


Es werden u.a. folgende Methoden trainiert: Gruppendynamik, 
Encounter, Realitätstherapie, Rational-Emotiv-Therapie, Psycho- 
drama, Gestalt, Körperarbeit, Primärtherapie, Transaktionsana- 
lyse, REAL-Therapie mit Klienten. Die Mitarbeiter sind größten- 
teils Diplompsychologen ; die Liste der "Lehrbeauftragten" reicht 
von Prof. Dr. A. Ellis, dem Leiter des "Institut for Advanced 
Study in Rational Psychotherapy" New York bis zu Alexander Lo- 
wen persönlich! Die Literaturliste schließt alles ein von H.E. 
Richter (Patient Familie) und T. Brocher (Gruppendynamik) über 
Berne (Spiele für Erwachsene) bis Janov (Revolution der Psyche) 
und Lowen (Bioenergetik). 


Die Ausbildung findet in einer festen Gruppe an 9 Wochenenden 
und in zwei Intensivwochen pro Jahr statt und kostet DM 1.600 
pro Semester = insgesamt 6.400 DM. 





KRIMINALSOZIOLOGISCHE 
BIBLIOGRAFIE 1979 


Bibliografie: neuerscheinende Bücher und Artikel 
Aufsätze — Rezensionen — Berichte 


SCHWERPUNKTHEFTE: 
TERRORISMUS O FRAUEN 0 RICHTER 


Abo und Probehefte: Ludwig Boltzmann Institut fiir Kriminal- 
soziologie, Postfach 1, A-1016 Wien. Einzelheft: S 40 (DM 7). Abo: 
S 150 (DM 23), Studenten S 100 (DM 16), Institute S 250 (DM 35) 





Vom Baseler WILL-Institut (Workshop International of Living Learning) 
werden auch in Berlin Kurse in Themenzentrierter Interaktion (TZI) 
angeboten, die auch bei den Bezirksámtern Unterstützung finden. Die 
Regionalgruppe wuchs in den letzten Jahren von 50 auf 200 Teilnehmer 
an. 

Vor allem aber ist in letzter Zeit Gestalttherapie im Kommen. Vom 
Perls-Institut in Würzburg ebenso wie von anderen westdeutschen Insti- 
tuten in München und Düsseldorf wurden in den letzten Jahren Gestalt- 
gruppen aufgebaut, die sich steigender Nachfrage gerade auch unter 
Sozialarbeitern/Sozialpädagogen erfreuen. Inzwischen ist ein "Ge- 
staltzentrum' in Berlin im Entstehen begriffen. Demgegenüber bietet 
auch die Transaktionsanalyse kaum noch eine Konkurrenz. Diesem Trend 
konnte sich auch die staatliche Fachhochschule für Sozialarbeit in 
ihrem Fortbildungsprogramm nicht entziehen. Obwohl hier immer noch 
das Schwergewicht auf juristischen und soziologischen Themenstellun- 
gen liegt, nehmen methodische Fortbildungsangebote - darunter auch 
Gestalttherapie und Transaktionsanalyse - bereits 4o % im Gesamt- 
programm ein. Die Bewerbungen übersteigen hier regelmäßig die Zahl 
der verfügbaren Plätze um mehr als loo %, während andere Kursange- 
bote gelegentlich aus mangelnder Nachfrage gar nicht zustandekommen. 


In einer Untersuchung des Hauses Koserstraße von 1976 (3) wurde ein 
ähnliches Verhältnis zwischen Zahl der Bewerbungen und angenommenen 
Teilnehmern ermittelt; bei Verhaltenstherapie und Gesprächstherapie 
lag das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage sogar bei 1:3! 

Der Schwerpunkt in der regionalen Verteilung der Teilnehmer scheint 
aber immer noch bei den drei bereits genannten Bezirksämtern zu lie- 
gen, in denen die Methodenfortbildung auch von den Leitungen unter- 
stützt wird. Auf Befragen wurde von diesen geäußert, daß man mit ei- 
nem halben Tag Fortbildung pro Woche einverstanden ist und Dienst- 
befreiung gewährt. Die Auswirkungen der längerfristigen Fortbildung 
lagen für ein Viertel der Teilnehmer in Beförderungen, für über 30 % 
zumindest in einer Verbesserung der Arbeitsplatzsituation. Entspre- 
chend (?) positiv werden die Auswirkungen für die Klienten beurteilt - 
ein bedenkliches Ergebnis, wenn gleichzeitig für diese fast ausschließ- 
lich in Behörden tätigen Sozialarbeiter soziologische, juristische 
und verwaltungstechnische Fortbildungsinhalte am untersten Ende der 
Wichtigkeitsskala rangieren. 


In der Praxis stellen sich die Wirkungen dieser neuen, intensiven 
Methodenfortbildung widersprüchlich dar. Einerseits wird diese Fort- 
bildung durch Dienstbefreiungen und z.T. Finanzierung durch die An- 
stellungsträger lebhaft unterstützt und die Nachfrage von Seiten der 
Sozialarbeiter/Sozialpädagogen insbesondere im Bereich behördlicher 
Sozialarbeit wuchs in den letzten Jahren stetig an. Offensichtlich 
liegt ein erhebliches Bedürfnis nach Methodenfortbildung vor. An- 
dererseits sind die Wirkungen für die Betroffenen nicht klar auszu- 
machen. 


Nachdem immer mehr Amtsleitungen zur aktiven Unterstützung psycho- 
logisch/psychotherapeutisch orientierter Methodenfortbildung überge- 
gangen sind und zum Teil schon die Absolvierung eines solchen Kurses 
zur Voraussetzung für die Anleitung von Praktikanten gemacht wird, 
machen sich auch schon grundsätzliche Veränderungen in der Arbeits- 
weise bemerkbar. 


- ]] - 


In einer Außenstelle des Jugendamtes Spandau, das in dieser Hinsicht 
als vorbildlich gilt, sieht dies beispielsweise folgendermaßen aus: 
Das Team hält unter sich regelmäßig Fallkonferenzen ab, die pro Woche 
1,5 bis 2 Stunden in Anspruch nehmen. Daneben erhält das Team alle 

2 Wochen von einem außenstehenden Methodiker eine 3-stündige Team- 
Beratung, in der es aber auch um organisatorische Fragen geht. Vor 
allem aber wird das Team in wöchentlich 2-3 stündigen Gruppensuper- 
visionssitzungen in seiner Fallarbeit unterstützt. Zusätzliche indi- 
viduelle Fortbildungen kommen hinzu. 

Die Wirkung dieser Fortbildungs-Supervisions-Beratung wird z.T. in 
der Verbesserung der Durchsetzungsfähigkeit des Teams gegenüber der 
Amtshierarchie gesehen; hier allerdings kommt es in den letzten Jah- 
ren auch zu den größten Konflikten, in denen sich nicht immer das 
Team durchsetzt. Vor allem aber wirkt sich diese Form der Arbeit auf 
die Teamfähigkeit jedes Einzelnen aus. Der Nutzen liegt in erster 
Linie in einer effektiveren, d.h. reibungsloseren Zusammenarbeit in- 
nerhalb der Gruppe sowie im Umgang mit anderen Teams. (Vgl. den Bei- 


trag über Beratung in diesem Heft.) l ; l ) 
1976 wird von der stellvertretenden Amtsleiterin berichtet, daf im 


Jugendamt Spandau praktisch niemand mehr arbeitet, der nicht minde- 
stens einen derartigen Fortbildungskurs besucht hat. (4) Das alles 
dient dem Ziel, "Beunruhigung, Verunsicherung und Unzufriedenheit 

in Lernprozesse umzugestalten", d.h. Fortbildung, die den Lernenden 
intellektuell wie emotional beansprucht, soll zu neuen veränderten 
Einstellungen führen", die letztlich die "Familienfürsorge effektiver 
zu gestalten" helfen. Alles dreht sich um Teamfähigkeit, die Dynamik 
des Gruppengeschehens, Formen der Kommunkatıon , Bez1ehungsaspekte 
und berufliche Identität.Daß dies alles aber letztlich “vor allem 

dem Klienten" dient, dafür kann der Nachweis nur indirekt angetreten 
werden: Be 

"Wir halten den eingeschlagenen Weg der Familienfürsorge Spandau für 
günstig, weil er zu einer größeren Leistungsfähigkeit...führt. Dabei 
dürfte unbestreitbar sein, daß als wirksamstes Instrument des Sozial- 
arbeiters neben Wissen und Techniken der bewußte Einsatz seiner Per- 
sönlichkeit zu sehen ist. Was könnte daher näherliegen, als seine Funk- 
tionsfähigkeit zu fördern, Fortbildung zu unterstützen und selbstän- 
dige Arbeitsbereiche in relativ autonomen Arbeitsgruppen einzurich- 


ten..." (ebda.) 


Was dem Wohlbefinden des Sozialarbeiters dient, kommt dieser Auffas- 
sung nach auch irgendwie den Klienten zugute. Diese Entwicklung geht 
in Berlin einher mit dem Ausbau des Sozialpsychiatrischen Dienstes 
und dem Aufbau von Kinder- und Jugendpsychiatrischen Beratungsstel- 
len, Ehe-, Erziehungs- und Schulpsychologischen Beratungsstellen in 
fast allen Bezirken sowie Psychologischen Diensten der Arbeitsämter 
und verschiedensten Beratungsstellen der freien Verbände und der 
Hochschulen. Während die schulpsychologischen Dienste ganz überwie- 
gend mit Verhaltenstherapie arbeiten, bieten die übrigen Stellen 
laut "Berliner Beratungsführer" von 1978 (5) eine bunte Palette von 
methodischen Ansätzen. Die wenigen Beratungsstellen, die nur die klas- 
sıschen Methoden wie "soziale Einzelfallhilfe", "soziale Gruppenar- 
beit" oder "psychologische Beratung" nennen, nehmen sich ausgespro- 
chen konservativ aus. Das Mindeste scheinen nach modernen Maßstäben 
Kommunkationsgespriiche” zu sein. Wenn man sich auf Beratung be- 
schränkt, dann bietet man doch mindestens "analytisch orientierte", 


- 12 - 





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"tiefenpsychologisch fundierte" oder sogar '"kommunikativ-systemtheore” 
tisch orientierte" Beratung. Am häufigsten aber nennen die zum Teil 
mit Sozialarbeitern und Psychologen besetzten Stellen gleich eine The- 
rapie, nicht selten sogar nach Art des Hauses: 

tiefenpsychologische Psychotherapie 

analytische Psychotherapie 

begleitende Psychotherapie 

Familientherapie 
Verhaltenstherapie 
Gruppendynamik 
tiefenpsychologisc 
gestalttherapeutis 
Gestalttherapie 
therapeutische Maßnahmen 
themenzentrierte Interaktıon 
integrative, kommunikative, 


h fundierte Therapie 
che Verfahren 


Partnerschafts-, strategische Therapie. 


Daß von öffentlichen Beratungsstellen Transaktionsanalyse, (6) bioener” 
getische Übungen oder transzendentale Meditation als Behandlungsme” 
thoden angeboten werden, scheint vielleicht nur noch eine Frage der 


Zeit. 


ANMERKUNGEN: 


(1) Vgl. AKS Berlin, Wem nützt die Modellbewegung? in: Sozialarbeit 
zwischen Bürokratie und Klient - Die SPK 1969-1973, Nootbaar 
u.a. (Hrsg.), Offenbach 1978, S. LiT EE, 

(2) Vgl. ebenda, Zur Kritik der integrativen Methode, S. 153 ff. 

(3) Haus Koserstraße, Sonderdruck '77, S. 5 ff. 

(4) Gerlinde Mattusch, Entwicklungsprozesse - Lernprozesse, darge” 
stellt am Beispiel der Familienfürsorge Spandau von Berlin, 
in: Neuer Rundbrief 4/1976, S. 2o ff. 

(5) Arbeitsgruppe Psychosoziale Beratung und Therapie in Berlin, 
Klaus Gnielka u.a. (Hrsg.), Berliner Beratungsführer, Berlin 
1978. 

(6) Vgl. die Auseinandersetzung um die Transaktionsanalyse, in: 
Arbeitsmaterialien für Sozialpädagogen in der Jugendarbeit, 


Neue Rupenhorner Reihe 


Hs 


TEAM-BERATUNG MIT TZI 
AUS DER SICHT EINER BERATERIN 
— EIN INTERVIEW — 


1. SINN DER BERATUNGSTATIGKEIT 


F} 


Welches ist der Zweck Deiner Beratungstätigkeit? 
Kannst Du vielleicht in diesem Zusammenhang auch schon auf die 
themenzentrierte Interaktion eingehen? 


: Den Sinn der Beratungstätigkeit muß man auf zwei Ebenen sehen: 


Einmal auf der Ebene der Gruppe, d.h. bezogen auf die Personen 

in dieser Gruppe und zumanderen bezogen auf die Institution, d. 
h., in welcher Organisation arbeiten bestimmte Leute. Das ist ein- 
mal die subjektive Ebene und zumanderen die Organisationsebene, 
und Ziel wäre einmal, Konflikte innerhalb der Gruppe aufzuarbei- 
ten, die in ihr im Bezugsfeld der Arbeit entstehen - das ist die 
eine Seite - und die andere Seite wäre, Institutionen als solche 
durchschaubar zu machen, Entscheidungsprozesse besser und schnel- 
ler erkennen zu können und möglicherweise darauf Einfluß nehmen 
zu können, also z.B. den Informationsfluß deutlicher zu machen 
und zu verbessern, Kontakte von einzelnen informellen Gruppen in- 
nerhalb einer Institution oder im weiteren Bezugsfeld. 


: Kannst Du 'mal genauer sagen, welche Probleme es z.B. in so einer 


Gruppe gibt? War Deine Gruppe ein Arbeitsteam oder besteht sie aus 
Einzelnen, die zur Fortbildung erst zusammenkommen? 


: Also, ich bin in eine bestehende Gruppe eingestiegen, d.h., in 


ein Team, das sich bereits vorher gebildet hatte und mit einer 
Psychologin gearbeitet hat, die mich für diese Arbeit auch vorge- 
schlagen hat. 


F: Wieviel Leute, wieviel Soztalarbeiter? 


: Acht. Eine Außenstelle der Familienfürsorge, die sich zuvor gebil- 


det hat auf dem Hintergrund, bürgernahe Sozialarbeit zu machen, d. 
h. Aufgliederung von einzelnen Familienfürsorgebezirken in einer 
Außenstelle, wobei davon ausgegangen wurde, die einzelnen Bezir- 
ke aufzulösen, eine Aufnahmegruppe zu haben und eine Gruppe von 
Sozialarbeitern, die in einer Team-Konferenz die einzelnen einge- 
henden Fälle an denjenigen weitergaben, der sich dafür kompetent 
gefühlt hat. 

Das erste Problem, das mir da begegnet ist, waren sehr hohe Er- 
wartungen an mich als jemanden, der auf dem Hintergrund von hohem 
psychologischem Wissen Spannungen und tiefgründige Probleme auf- 
lösen sollte. Dies war nicht mein Verständnis und von daher ha- 
be ich zuerst Probleme aufgegriffen, die mir sehr viel arbeits- 
spezifischer erschienen, nämlich die Frage der Auflösung der Be- 
zirke. 

Die erste Arbeit war, insbesondere Ängste, was die eigene Kompe- 


- 18 a 


tenz und die bisher innegehabte Omnipotenz im Einzelbezirk betraf, 
aufzulösen. Das war eigentlich der erste Punkt. Das ist sicher ein 
Problem, das in Wellenbewegungen durchgángig in der Arbeit von vier 
Jahren immer wiederkehrt, wenn eine starke Fluktuation da ist, al- 
so wenn sehr viel neue Leute dazukommen. 

Das zweite Problem, das Nichtwahrhabenwollen, daf jeder Einzelne 
des Teams Macht und Einfluf haben will, auch das ist ein Thema, 


das wechselweise immer wiederkommt . 


F: Und damit Konkurrenzverhalten? 


B: Genau! 

F: Stellt sich das ein auch zwischen schon lange zusammenarbeitenden 
Kollegen oder gibt es da nicht besondere Probleme, wenn neue Leute 
'peinkommen? 

B: Ich habe die Gruppe ja als bestehende Gruppe übernommen, es waren 


alles Leute, die sich sehr gut über Jahre hin durch Einzelbezirke 
innerhalb der Familienfürsorge schon kannten, aber bisher völlig 
ungeübt waren, miteinander umzugehen im Sinne von Offenheit. 

Und da komme ich jetzt an den Punkt von T ZI, weil TZ I davon 
ausgeht, eine Methode darzustellen, die Lernen innerhalb eines 
guten, emotionalen Klimas besser ermöglicht, d.h., es ging mir 
darum, am Anfang überhaupt eine emotionales Klima von Offenheit 

zu schaffen, das ermöglicht hat, sowohl darüber zu reden, daß ich 
in meiner Arbeit Fehler gemacht habe, als zuzulassen, daß ich kon- 
kurriere mit den anderen, daß ich Einfluß haben will, daß ich 
dann, wenn ich mehr Informationen habe, mehr Einfluß auf die Gruppe 
habe; das überhaupt einzugestehen, das habe ich versucht über TZI 
überhaupt erst aufzudecken. Insofern ist die Frage, ob das nur 

bei neuen oder auch bei bereits bekannten Leuten auftritt, nicht 


so wichtig. 


F: Was heißt da "methodisch vorgehen"? 


2. TZI ALS METHODE 


B: Da müßte man ganz kurz sagen, was die Methode beinhaltet. Die Me- 
thode geht einmal von der Autonomie des Einzelnen aus, d.h. das 
Grundprinzip ist, "Jeder sei sein eigener Chairman", sein eige- 
ner Vorsitzender. Sie geht weiter davon aus, daß es notwendig ist, 
wenn ich mein eigener Vorsitzender bin, auch wirklich meine Mei- 
nung einzubringen. Da gibt es sogenannte Hilfsregeln, die Ruth 
COHN nicht als Reglementierung verstanden wissen will, sondern 
wirklich als Hilfestellung in der Kommunikation. Für mich er- 
scheint immer sehr wesentlich die Regel: Man spreche per ICH und 
nicht per MAN, weil man davon ausgehen kann, daß ich mich hinter 
man und wir sehr schnell verstecken kann. So kann z.B. in einer 
Sitzung, wenn jemand in der Gruppe ständig davon redet, man müß- 
te doch das und jenes verändern, ich jetzt als Berater sagen, 
kannst Du das jetzt mal für Dich sagen, was möchtest Du? 

Eine weitere Hilfsregel: "Störungen haben Vorrang" bedeutet nicht, 
wenn einem die Nase vom anderen nicht paßt, so eine Störung ein- 
zubringen, sondern Cohn setzt hinzu, eine Störung, die mich be- 
hindert, am Gruppenprozeß weiter teilzunehmen. D.h., ich habe 


= 16 = 


z.B. im Seminar mit Studenten beobachtet, wie eine Studentin bei 
einem sehr intensiven Gespräch über Beziehungen plötzlich immer 
mehr aus dem Kreis 'rausrutschte. Ich hatte das Gefühl, sie geht 
aus dem Gespräch "raus und ich hatte sie angesprochen darauf, ich 
würde gern wissen, was sie bewegt. Sie konnte ihre ganze persön- 
liche Betroffenheit mitteilen, die sie den ganzen Tag vorher schon 
bewegt hat, die sie hinderte, ganz konkret an diesem Prozeß teilzu- 
nehmen. Nachdem sie das ausgesprochen hatte, was relativ kurz war, 
war sie 

a) durch das Aussprechen bereits wieder in der Gruppe drin und 

b) war sie nachher in der Lage, nachdem diese Entlastung passiert 
ist, weiter mitzuarbeiten. 

Das kann sehr nach einer therapeutischen Geschichte aussehen, weil 
dabei natürlich Verhaltensmechanismen deutlich werden können, die 
darauf hindeuten, daß dieses Gespräch vom Thema völlig weggehen 
würde und im Grunde zu einem ganz stark therapeutisch gefärbten 
Gespräch würde, wenn man voll darauf eingeht. Da aber Cohn sich 
ganz klar abgrenzt, sowohl gegen eine Therapie-Gruppe, als auch 
gegen reine Gruppendynamik, muß ich an der Stelle als Leiter so- 
zusagen den Versuch unternehmen, sie zwar wieder einzubeziehen 

in die Gruppe, aber am Thema weiterzuarbeiten. 


Deshalb "Themenzentriert". 


Genau! 

Cohn geht von einem sogenannten Dreieck aus in der Gruppensitua- 
tion, von drei bzw. vier Gruppenfaktoren: Das Thema als oberstes 
Prinzip, die einzelnen Ichs und das Wir der Gruppe unter Einbe- 
ziehung dessen, was in der Umwelt passiert. D.h., ich komme ein- 
fach in eine Gruppe und bringe meine Vorerfahrung mit, bringe all 
das mit, was ich am Tag erlebt habe. Cohn geht davon aus, wenn 
einer dieser drei Faktoren: Thema, Ich, Wir ins Übergewicht ge- 
rät, sollte der Leiter das Gleichgewicht wieder herzustellen ver- 
suchen, d.h., eine sogenannte Balance zwischen Thema, Ich und Wir. 
Das bedeutet, daß ich als jemand, der mit der themenzentrierten 
Interaktion arbeitet, darauf achtet, daß z.B. so ein Gespräch 
nicht in eine reine therapeutische Situation übergeht, indem ich 
in immer tiefere Tiefen gehe, sondern immer wieder sehe, wo ist 
mein Thema und wo muß ich eigentlich weiterarbeiten. 


: Aber das kann natürlich auch zu dem Punkt kommen, wo so ein per- 


sönliches Problem, das in so einer Gruppe nicht angegangen wer- 
den kann, weil es so ein therapeutisches Herangehen erfordern 
würde, so störend ist, daß die Gruppe unter Umständen nicht wet- 
terarbeiten kann. 


Ich denke, daß es dann notwendig ist, daß sich die Gruppe mit der 
Frage auseinandersetzt, ob sie damit noch arbeiten will oder nicht, 
bzw. denjenigen in die Lage versetzen kann, zu sagen, ich kann da 
eigentlich nicht mitarbeiten, mich stört das so, ich muß etwas 
anderes dafür unternehmen. 

Dafür habe ich ein Beispiel: Ich hatte eine ganz junge Kollegin 
vor einem halben Jahr bei uns, die hatte ganz starke Schwierig- 
keiten, ihre Arbeit zu organisieren, was zuerst Gegenstand ei- 

nes Gruppengesprächs war: Möglichkeiten der Hilfe aus der Gruppe, 
wie können wir etwas besser organisieren, wie können wir Dich ent- 


E. Y: n 


F: 


F: 


: Mehr ist es im Grunde auch nicht, 


: Man kommt eher dahin, s 


lichkeiten gibt es noch, um be- 


stimmte Dinge besser in den Griff zu kriegen, wo läßt Du die Dinge 
zu stark an Dich herankommen, war ein Gespräch in so einer Gruppen- 
sitzung. Es stellte sich aber nach zwei bis drei Sitzungen heraus, 
daß das nichts nutzte und daß die Gruppe in der Weise reagierte, 
daß sie der Kollegin ganz deutlich machte, dies ist kein Organi- 
sationsproblem und kein Gruppenproblem, sondern das ist De in 
Problem und es liegt auf einer anderen Ebene. Es liegt auf der 
Ebene, wo Du ganz für Dich in therapeutischer Hinsicht etwas tun 
mußt. Das hat sie auch gemacht, sie hat eine Art Verhaltensthera- 
pie angefangen und inzwischen sind die Arbeitsstörungen, die ein- 
deutig mit ganz anderen Dingen, mit Vorerfahrungen in ihrer frühen 
Kindheit zusammenhingen, aufgearbeitet worden und waren nicht mehr 
Gegenstand der Gruppe. Also sie arbeitet inzwischen. Es ging bei 
ihr bis hin zu der Überlegung, bin ich hier nicht überhaupt unge- 
eignet, will ich überhaupt in der Familienfürsorge arbeiten, will 
ich nicht vielleicht ganz etwas anderes machen, will ich überhaupt 
Sozialarbeit? - Also diese Fragen sind in der Gruppe besprochen 
worden, aber nicht weiter. Dies scheint ein ganz wichtiger Punkt 
bei der TZI zu sein, daß ich darauf achte, daß eben nicht so reine 


gruppendynamische Trainingsgruppen daraus werden. 


lasten, welche Organisationsmög 


Was mir an dem auffällt, was Du erzählst von dieser themenzentrier- 
ten Interaktion, das ist eigentlich für mich so ein Bewußtmachen 
und noch 'mal ein bißchen genauer benennen, von etwas, was man 
sich im Alltag so unter einem vernünftigen Gruppengespräch vor- 
stellt. Es dient einfach zur eigenen Kontrolle, scheint mir eine 
Systematisterung von Selbstverständlichkeiten, wenn tn der Gruppe 
was laufen soll zu etnem bestimmten Thema. 

wobei ich dazu sagen muß, daß 
Ruth Cohn das ganze zu einer Ideologie stilisiert. D.h., daß sie 
ja auch von dem Postulat "Sej Dein eigener Chairman" spricht. Ich 
kann davon ausgehen, daß es eine Selbstverständlichkeit ist, au- 
tonom mich im Gruppengespräch einzubringen. Diese Selbstverständ- 
lichkeit ist aber im Alltag keine Selbstverständlichkeit. Ich mei- 
ne, diese Hilfsregeln "Störungen haben den Vorrang", "Sprich per 
ICH und nicht per MAN", "versuche, den anderen nicht zu interpre- 
tieren, sondern versuche, den Hintergrund Deiner Frage dem ande- 
ren zu vermitteln" - sind eigentlich Selbstverständlichkeiten, 
aber diese Selbstverständlichkeiten sind in unserer Verformung 

im Umgehen miteinander eben nicht so selbstverständlich. 


so etwas, wohin eigentlich auch 
kluge Leute, die mit Gruppen arbeiten und eine bestimmte Senst- 
bilität haben, kommen können, ohne die Bücher von Cohn gelesen und 
die Kurse gemacht zu haben, wo man aber, wenn man den Kurs macht 
und die Bücher gelesen hat, vielleicht eher hinkommt. 


o etwas zu systematisieren. Ich bin auch 
ganz ehrlich, daß mir diese Methode - Cohn hört das Wort Metho- 
de überhaupt nicht gern - auch sicher ein Stück auf den Leib ge- 
schrieben war, weil ich glaube, daß ich vorher viele Dinge, die 
da benannt sind, nicht so benannt habe. Die habe ich vielleicht 


mit anderen Worten benannt. 


Ich wollte damit sagen,es tst 


Fe ES 


3. VERHALTNIS BERATER — GRUPPE 


F? 


Nun wird ja dieser Ansatz nicht nur propagiert für Leute, die schon 
in einer Gruppe drin sind, sondern besonders auch von der Koser- 
straße angewandt für Berater. Das ist doch noch ein bißchen etwas 
anderes. Nicht nur die Leute, die in einer Gruppe drin sind, die 

zu einer Gruppe dazugehören, sondern besonders Leute, die in ei- 

ne Gruppe 'reingehen und da das Gespräch strukturieren sollen 

und mit Hilfe dieses Ansatzes die Gruppenmitglieder befähigen sol- 
len, sich nach diesen Regeln zu verhalten. 


: Ein Beispiel: Wenn ich hier ein fakultatives Seminar mit Studen- 


ten anbiete zur themenzentrierten Interaktion, dann bin ich in 
der Funktion erst einmal des Beraters, d .h., des Vermittlers der 
Methode. Wenn Du das umsetzt, transformierst, wäre ich in der Si- 
tuation des Beraters im Praxisfeld, d.h., ich gehe davon aus, die 
mit mir Zusammensitzenden zu befähigen, 

a) sich entsprechend dieser Methode im Gruppengeschehen zu ver- 
halten und 

b) - das ist auch das Anliegen von Cohn - sie zu befähigen, die- 
se Methode in anderen Bereichen genauso zu benutzen. 


F: Also selbst dann auch die Rolle des Beraters zu übernehmen. 


: Und zwar ist es so, daß bei dem Leiter nicht davon ausgegangen 


wird, daß er immer die Person non grata ist, sondern daß der Lei- 
ter wechseln kann. Das heißt, wenn alle begriffen haben, was die 
Regeln beinhalten, wenn jeder für sich in Anspruch nimmt, sein ei- 
gener Chairman zu sein, kann jeder Einzelne Leiter sein. 


: Das heißt, er verpflichtet sich, bloß besonders aufzupassen.... 


B: Der Leiter ist immer der Hüter der Regeln. 


> 


Wenn alle Gruppenmitglieder die Regeln praktisch verinnerlicht ha- 
ben, kann jeder Leiter sein. 


. BERATERTÄTIGKEIT KONKRET 


: Ich würde jetzt ganz gerne auf die konkreten Sachen eingehen. 


Kannst Du ungefähr sagen, wie es zu dieser Beratertätigkeit ge- 
kommen ist? 


1967/68 habe ich den Supervisoren-Lehrgang gemacht. Also ich muß 
1970 da ungefähr eingestiegen sein. Es muß 1967/68 auch diese Dis- 
kussion gelaufen sein über das Modell der bürgernahen Sozialar- 
beit und die Entwicklung der Modelle von Kosmale. Dem ist die 
Herausverlagerung einzelner Familienbezirke in Außenstellen und 
eine große FaFü-Tagung vorausgegangen, in der Fragen von Teams 

und Teamberatung besprochen worden sind. Da hat diese Gruppe ge- 
sagt, wenn wir 'rausgehen, dann gehen wir nur mit ganz bestimmten 
Leuten raus und wir suchen uns einen Berater. 


: Und wie kamen die darauf, was stand da für eine Vorstellung da- 


hinter? 


: Diese Gruppe hat gesagt, wir haben noch nie zusammen gearbeitet. 


Wir können zwar miteinander, aber wissen eigentlich gar nicht, wie 
wir aufeinander reagieren. 


a 19 = 


F: Das war das Stichwort "teamfähtig werden". 

en hat das nachher auf den Kreis der 

de der Hintergrund, wie diese Gruppe 
sich gebildet hat. Sie haben dann offensichtlich sehr schnell, 

im ersten halben Jahr, festgestellt, daß zwei Leute nicht zu ih- 
nen paßten. Den Prozeß kann ich nicht genau nachvollziehen, jeden- 
falls sind zwei rausgegangen und zwei neue Kollegen sind dazugekom- 
men und dann bin ich eingestiegen. Meine Vorstellung war von vorn- 
herein die, mich nicht zu beschränken auf den inneren Gruppenprozeß, 
sondern einzubeziehen, was Cohn sagt: Thema, die ICHs, die WIRs und 
die Umwelt - und Umwelt heißt hier das ganz konkrete Berufsfeld, 
d.h., die Organisation, in der sie sich befindet. 

Das waren meine beiden Füße, einmal die interne Gruppensituation 
und zum anderen die Situation der Gruppe innerhalb der Institu- 
tion. Ich habe auch am Anfang - nachdem ich zwei Sitzungen mit- 
erlebt hatte, wo ich das Gefühl hatte, ich komme jedesmal in den 
Kühlschrank - gesagt, also, so kann ich nicht arbeiten, ich spü- 
re, daß Ihr Erwartungen an mich habt, die ich nicht erfüllen kann 


und will, - meine Vorstellung ist die Sache mit den zwei Füßen, 
Ich möchte, daß 


und da habe ich auch einen politischen Anspruch. 
sich da etwas in Bewegung setzt, daß Kontakte zu anderen Gruppen 
entstehen, ich möchte nicht nur imeigenen Saft braten. Und nach- 
dem ich das so offen ausgesprochen habe, habe ich gesagt: Ihr 
könnt Euch entscheiden, was Ihr wollt - da habe ich die Methode 
auch noch mal vorgestellt - das ist meine Vorgehensweise, das 
sind meine Ziele, und wenn Ihr mit mir arbeiten wollt, könnt Ihr 
das und wenn nicht, dann müssen wir uns trennen. Dann haben sie 

14 Tage Zeit gehabt und haben sich entschieden, sie wollen mit 

mir weiterarbeiten. Um das immer wieder zurückzubeziehen auf die 
Methode: Ich habe mich von meiner Person also sozusagen autonom 
verhalten, d.h., ich habe ganz klar gesagt, was ich will, was ich 
kann und wie ich mich weiter verhalten werde. Hätte so Schlängel- 
geschichten machen können, weil ich mich nun besonders geschmei- 
chelt fühlte, so eine Beratung zu machen, aber das wäre nicht im 


B: Genau, und welche Auswirkung 
Betroffenen. Das ist im Grun 


Sinne von TZI gewesen. 


Und danach sind wir sozusagen von innen nach außen gegangen - wir 
haben zuerst versucht, die in sich verhärtete Gruppenstruktur auf- 
zubrechen, d.h., das, was ich vorhin schon angeschnitten hatte: 
Ängste, voreinander Dinge auszubreiten; Machteinfluß; Nähe - Di- 
stanz, - all diese Fragen zu bearbeiten und dann zu sagen, wo 
steht die Gruppe innerhalb der Institution. Das war der nächste 
Schritt. In der ersten Phase hat sich die Gruppe ganz stark nach 
außen abgekapselt, was zu Negativ-Reaktionen der Kollegen führte. 


Der zweite Schritt war die Auseinandersetzung mit der Amtsleitung, 
dieser deutlich zu machen, was läuft bei uns, zugleich ganz klar 
zu sagen, was will die Gruppe, was braucht sie. Zum Beispiel sind 
da klar die Fragen der Mitentscheidung bei Einstellungen gelaufen. 
In der Zeit hat die Amtsleitung z.T. Bewerber davon abgehalten, 
sich in diesem Team vorzustellen, weil ja so eine Gruppe unheimli- 
che Anforderungen stellt und Mehrarbeit und was weiß ich noch al- 
les fordert. Nachdem ich das zufällig über eine ehemalige Studen- 
tin erfahren habe, wie der Ablauf war, - dieses allerdings nur 
durch Zufall - habe ich das in die Gruppe eingebracht. Wir haben 
versucht, zu intervenieren und haben erreicht, daß Bewerber sich 


a A 


zuerst im Team vorgestellt haben und wenn das Team gesagt hat, ja, 
die wollen wir, dann wurde sie eingestellt. Das lief immer so, daß 
die Bewerber sich erst in der Arbeitsstelle selbst vorstellten und 
dann nochmal zu einem Gespräch mit mir zusammen in die Koserstraße 
kamen, wo insbesondere abgecheckt worden ist die Frage: Was sind 
die Vorstellungen im Team, wie sieht das Konzept aus, und die 
Frage an den Bewerber: Kannst Du eigentlich damit etwas anfangen, 
willst Du eigentlich hier arbeiten, welche Vorstellungen hast Du sel- 
ber, was willst Du einbringen, was bist Du bereit, einzubringen, 
welche Vorstellungen hast Du von der Arbeit? Da ist es ein paar 
Mal passiert , daß jemand sagte, nein, unter diesen Bedingungen 
nicht, ich will im Grunde doch lieber so was für mich machen. Oder 
jemand sagte, nein, wenn i:h mir das genau ansehen, Familienfür- 
sorge will ich gar nicht. Das ist dem aber erst klar geworden in 
dem Gespräch.... 

Das waren so erste Erfolge, die nach außen zu verzeichnen waren, 
das war die Auseinandersetzung mit der Amtsleitung. 


Und die dritte Auseinandersetzung war die Auseinandersetzung mit 
Kollegen, deutlich zu machen, was passiert eigentlich und auf dem 
Hintergrund - und dies war ein langgehegter Wunsch meinerseits - 
da auch stärker den Informationsfluß an der Basis zu vergrößern, 
so etwas wie einen Außenstellentreff zu gründen. In Zusammenarbeit 
mit einem anderen Team ist dann dieser Außenstellentreff gegründet 
worden. 


: Kommen noch andere Außenstellen dazu? 


Ja, vier im ganzen. Dieser Außenstellentreff ist ein Informations- 
kreis der Basis, wo Informationen, die von vielen Seiten einflies- 
sen, ausgetauscht werden. Das hat mehrere Male dazu geführt, daß 
die Amtsleitung Farbe bekennen mußte, also auch ganz klar sagen 
mußte, wo sie steht. Wobei ich dazu sagen muß, daß das Anfang der 
/oer Jahre möglich war und zur Zeit eben Tendenzen bestehen, so- 
wohl den Außentreff zu beschneiden, als auch die Beratung. Ich 

bin ganz ehrlich, wir haben die Beratung nur behalten können, weil 
die Fachhochschule sie in Form der Fortbildung für Kollegen über- 
nommen hat. Ich wäre weg vom Fenster, wenn wir das nicht übernom- 
men hätten. Und dazu muß man sagen, daß dieses Team - ich arbei- 
te jetzt schon fünf Jahre da - inzwischen eine völlig neue Grup- 
pe ist. Es ist eine einzige Kollegin vom Anfang noch dabei. Im 
letzten halben Jahr hat es so stark fluktuiert, es sind einige 
Kollegen nach Westdeutschland gegangen aus ganz persönlichen Grün- 
den - wie Eheschließung und Hausbau in Westdeutschland und solche 
Geschichten - und diese Gruppe ist im Grunde eine völlig neue und 
ist jetzt daran zu überlegen: Ist das Konzept, was wir haben, ei- 
gentlich richtig, müssen wir nicht neu überlegen, wird den Betrof- 
fenen eigentlich genug Rechnung getragen, haben wir nicht im Grun- 
de zu viel an uns gedacht, müssen wir nicht vielmehr noch geziel- 
ter daran arbeiten, für die Betroffenen Hilfen zu erarbeiten? Im 
Grunde sind wir jetzt an dem Punkt, wo der Betroffene sehr viel 
stärker im Mittelpunkt steht. Persönlich finde ich das sehr gut, 
wobei ich aber sehe, daß das Umfeld, also sprich die Arbeitsbe- 
dingungen im letzten halben Jahr sich massiv verschlechtert ha- 
ben. 


E. ; 


5. SCHWIERIGKEITEN MIT DER AMTSLEITUNG 


F: Du sagst, inzwischen wird das nicht mehr so gern gesehen von der 
Amtsleitung und zum Teil behindert. Welche Gründe oder welche In- 
teressen standen dahinter, daß die Amtsleitung diese Außenstellen- 
bildung, Teambildung und die Beratung ursprünglich unterstützt 
hat? 


B: Dazu muß man sagen, daß die stellvertretende Amtsleiterin in der 
Koserstraße fortgebildet ist und daher die Gründung der Teams 
initiiert hat, da sie Gemeinwesenarbeit aufgebaut hat und selbst 
ganz stark an Gruppenarbeit interessiert war, 

Sie selbst war, so lange sie Sozialarbeiterin war, sehr am Aufbau 
von Gruppen und einem hohen Grad von Interaktion zwischen den Kol- 
legen interessiert. In dem Augenblick, wo der Wechsel stattgefun- 
den hat vom Sozialarbeiter im Feld zu der leitenden Funktion, ist 
sie in den Widerspruch geraten, in ihrer Funktion als stellvertre- 
tende leitende Sozialarbeiterin Aufgaben übernehmen zu müssen, die 
vom Inhalt her verwaltungsmäßig bestimmt und nicht pädagogisch 
bestimmt waren, d.h., sie ist in einen Konflikt geraten, den sie 
einmal für sich selbst austragen mußte und zum anderen als Kon- 
fliktpotential an diejenigen weitergeben mußte, die praktisch dann 
unter ihr standen. 


Am Anfang glaube ich ganz eindeutig, daß da wirklich so was wie 
hehre Absicht war, pädagogische Vorstellungen innerhalb des Amtes 
verwirklichen zu können, sozusagen dieses Amt zu einem besonders 
vorbildlichen im Sinne von Sozialarbeit/Sozialpädagogik zu machen, 
fortschrittlicher Sozialarbeit. Sie sind, glaube ich, einmal immer 
stärker in die Zwänge geraten von der Verwaltung, was auch bein- 
haltet, die materielle Basis zu haben, was Beratung, Fortbildung 
etc. betrifft, und zum anderen ist ihre Machtposition in dem Au- 
genblick, in dem sich kleine Zellen außen bilden, wo sich ein 
Außenstellentreff bildet, ist ihre Machtposition in ihren Augen 
gefährdet worden. Wie sie mir auch immer ganz offen mitteilte: 
"Sie müssen das bitte verstehen, aber wir wissen doch gar nicht 
mehr, was da draußen passiert und auf einmal richtet sich das 
gegen uns", Die letzte Ausschreibung im Fortbildungsprogramm der 
Fachhochschule hat so viele Ängste mobilisiert , daß sie das 

Team diese Fortbildung nicht machen lassen wollte, weil "rote 
Lämpchen glühten", als sie den Text lasen, wo das Wort "Solidari- 
tät" drinstand. Diese Solidarität von Betroffenen, nämlich Kolle- 
gen an der Basis, könnte und würde sich ja ganz sicher gegen sie 
richten. Anstatt zu begreifen - da kann ich immer die Wut krie- 
gen - daß, wenn ich mir dieses zunutze mache, ich ein Potential 
habe, mit dem ich woanders, nämlich den Leuten gegenüber, die 
wiederum über mir sitzen, auftreten kann. Das ist überhaupt nicht 
genutzt worden, es ist furchtbar überängstlich gebangt worden um 
die eigene kleine Machtposition. 


F: Ja aber, das, was Du sagst, daß ste begreifen, daß sie gegenüber 
den nächsthöheren Stellen dann auch gemeinsame Sachen durchsetzen, 
das würde ja voraussetzen, daß sie ein Engagement in bezug auf die 
Arbeit selbst und letztlich auch den Klienten gegenüber haben. 


B: Das würde ich bestreiten, daß sie dieses Engagement noch haben in 
den höheren Stellen. Sie argumentieren nur noch verwaltungsmäßig 


und nicht mehr pädagogisch. 


War das früher so anders oder haben sie diese Folgen, die die Bil- 
dung der Außenstellen und die Beratertätigkeit da hat, nicht sehen 
können? 


Sie haben die Folgen nicht gesehen, würde ich sagen, sie haben 

nicht einschätzen können, daß das ein ganz massives Potential ist, 
sie haben geglaubt, jedes Team kocht sein Süppchen in seinem Töpf- 
chen und die Töpfchen haben nichts miteinander zu tun und jedes 
Töpfchen kann dann am Strippchen von der Leitung her mit dem großen 
Löffel immer mal angerührt werden. Dieses passierte nicht, die Töpf- 
chen taten sich zusammen und unternahmen etwas gegen den großen 
Rührlöffel und dieses war nicht entsprechend. 


6. VERLAUF EINER SITZUNG 


pe 


Wie läuft so eine Sitzung ab? 
Ihr habt einen bestimmten Termin, Du fährst da raus - oder wie 
steht das aus? 


: Wir treffen uns alle 14 Tage in der Koserstraße und haben drei 


Stunden zur Verfügung. 


: Während der Arbeitszeit? 


: Während der Arbeitszeit. Wir treffen uns in der Koserstraße, um un- 


gestört zu sein von Telefon und Rückfragen z.B. der Amtsleitung. 


: Habt Ihr das ursprünglich da draußen gemacht und seid dann unge- 


zogen? 


: Nein, wir sind von Anfang an in der Koserstraße gewesen. 


: Aber Du fährst zwischendurch auch mal raus? 


Ich fahre zwischendrin mal raus, aber das sind dann Termine, die 
in der Regel nichts mit Beratung zu tun haben. 

Die erste Frage ist eigentlich immer, welche konkreten Probleme 
sind für Euch im Augenblick wichtig und da kommt zum Beispiel 

wie in der letzten Sitzung das Problem, es hat eine Bezirksneu- 
aufteilung stattgefunden, wir haben Fälle dazubekommen. Wir ha- 
ben in der Sitzung davor überlegt, sind eigentlich die Kriterien 
der Aktenablage, sind die eigentlich, so wie wir sie bisher gehand- 
habt haben, noch relevant? - Und wir haben festgestellt: Sie sind 
nicht mehr relevant, nachdem wir Vergleichszahlen und Vergleichs- 
kriterien haben aus anderen Teams. Wir haben festgestellt, das 
müssen wir überdenken, haben neue Kriterien entwickelt. Ich habe 
von einigen Dingen auch nicht gewußt, wie das gehandhabt wird und 
war zum Teil ein bißchen erschrocken, daß Fälle da unter den Tisch 
gefallen sind, denen man hätte zumindest noch einmal nachgehen 
müssen oder zumindest das Angebot machen müssen von Beratung. 


Wir haben diese Kriterien überarbeitet und da jetzt die Frage an- 
stand, wir sollen auch noch eine halbe Stelle abgeben und neue 

Fälle dazukriegen, kam die Frage, wie können wir uns dagegen weh- 
ren? Da stelle ich sozusagen das Team vor das Problem: Ja, welche 


- 23 = 


Möglichkeiten seht Ihr, wie sieht die Gruppe ihre eigene Situation? 
Dann haben sie ein paar Punkte aufgezählt, womit sie sich wehren 
könnten und Kriterien aufgezählt, die eigentlich dagegensprechen, 
ihnen die halbe Stelle wegzunehmen. Und die nächste Frage: Wie 
wollt Ihr damit umgehen? Da war so ein bißchen Unsicherheit: Wann 
steht das nächste Gespräch an mit der Amtsleitung? Ja, in 14 Tagen. 
Gut, in 14 Tagen - was können wir dazu tun? Da habe ich dann ein 
Rollenspiel vorgeschlagen. Da waren also drei die Amtsleitung und 
die anderen vier waren das Team und da ich ja Teamberaterin bin, 
habe ich das Team während der Vorüberlegungen beraten. Ich habe 
mich zum Team gesetzt und wir haben überlegt, wie können wir die 
Argumente - und jetzt kommt wieder TZI - so einbringen, daß sie 
wirksam werden können, das heißt also nicht mit verteilten Rol- 
len, sondern wer kann wozu am besten etwas sagen? - So vorberei- 
tet sind wir dann in den Ring gestiegen. Die Amtsleitung hat die 
Amtsleitung in einer Art und Weise gespielt, daß ich immer gedacht 
habe: Meine Güte, sitzt da die Leitende selber? - Es ist ja nicht 
zu fassen! Es war ausgezeichnet, aber wir hatten mit unserem Team 
überlegt, mit welchen Argumenten könnte die Amtsleitung uns kom- 
men und wir haben genau diese Argumente, die dann kamen, vorüber- 
legt und hatten für jedes Argument auch eine entsprechende Antwort. 
Ich hatte das Gefühl, so vorbereitet auf das nächste Amtsleiter- 
gespräch - also sie hatten das Gefühl selbst - ja, damit kön- 
nen wir in den Ring steigen. Unvorbereitet wären wir nicht in den 


Ring gestiegen. 

Das wäre zum Beispiel so eine Sitzung, die ganz geprägt ist von 
der Situation, die sich ergibt im Arbeitsfeld. Ich muß sowieso 
sagen, daß sich insgesamt die Sitzungen immer stärker in Richtung 
Organisationsberatung verändert haben. 


Wir haben auch Sitzungen, wo z.B. jemand kommt, ich wiirde gerne 
sehen, daß wir heute mal die Schwierigkeiten besprechen, die ich 
hier habe, meine Arbeit zu organisieren. Das wird dann so einge- 
bracht - häufig hat die Gruppe auch Fragen schon vorher überlegt. 
Oder aber Neuorganisation, neue Kriterien für Aktenablage. Am 
nächsten Mittwoch ist des Thema Aktenführung dran, - sie haben 
sich gewünscht, mit mir darüber zu reden. Was heißt das eigent- 
lich: Wie führen wir unsere Akten, Bedeutung von Aktenführung? - 
Eigentlich ein Seminarthema, aber dabei spielt immer - um wieder 
auf TZI zu kommen - so die Frage eine Rolle: Wie macht das jeder 
einzelne oder wie fühlt sich jeder einzelne dabei, bestimmte Din- 
ge reinzuschreiben oder bestimmte Dinge rauszulassen? - Welche 
Zwänge bestehen, Sachen reinzuschreiben, Sachen nicht reinzuschrei- 
ben, wie stark verwaltungsmäßig fühlt sich der einzelne gebunden? 


F: Ich habe aber jetzt auch den Findruck, es geht dabei mehr um die 
Arbeitsweise, um das Verhältnis der Kollegen zueinander. Konzepte 
in bezug auf die Klienten, also Fragen, wie gehe ich mit bestimm- 
ten Problemen der Klienten um bzw. wie verhalte ich mich dazu, 
gibt es nicht? 


B: Habe ich jetzt vielleicht nicht genügend ausgeführt, also z.B. 
die Frage: Aktenführung oder Kriterien zur Aktenablage sind in- 
haltlich gekoppelt mit der Frage: Kann ich einen Fall, wenn eine 
Mitteilung kommt vom Amt V, also Familien- und Heimpflege, daß 
Kindergatenschulden bestehen über 4.000,-- DM, kann ich das ein- 


= Mi s 


fach zur Ablage tun, oder welche Probleme kónnten bei dem relativ 
geringen Satz, der zu zahlen ist in Kindertagesstátten, welche Pro- 
bleme könnten dahinterstecken, welche Fragen müßte ich also in be- 
zug auf den Klienten stellen? D.h., daß das nicht so formal abge- 
handelt wird, sondern immer auch Fragen riickgekoppelt jetzt in be- 
zug auf den Betroffenen erfolgen. 


F: Ja, das ist mehr so eine sachliche Frage, würde ich sagen. Was 
kommt bei so einer Beratung mit TZI für die Klienten heraus? 


B: Ich kann das nicht so trennen. Ich denke, daß bei der Beratung, 
wenn Arbeit einmal funktionaler und durchsichtiger wird, für Kli- 
enten auch die Möglichkeit dabei herausspringt, schneller und adä- 
quatere Hilfe zu kriegen. D.h., je kompetenter ich mich mache in 
bezug auf Abläufe, in bezug auf Wissen, in bezug auf Information, 
desto kompetenter werde ich für die Klienten, und genau an der 
Stelle meine ich, ist auch die Verbindung zum Klienten hin zu se- 
hen. 


7. DAUER DER BERATUNG — WER SOLL BERATEN? 


F: Und Du würdest sagen, daß so eine Beratung laufend diesen Informa- 
tionsfluß anzuregen hätte und, wenn neue Kollegen reinkommen, sie 
in diese Gruppe einzuführen und in diese Arbeitsweise reinzubringen? 
Ich frage, weil diese Beratung ja, wenn ich das richtig sehe, gu- 
te 5 Jahre besteht, aber bisher nicht abgeschlossen ist und wahr- 
scheinlich von der Seite der Sozialarbeiter her nicht daran ge- 
dacht wird, sie irgendwann abzuschließen. 


B: Nein. Und zwar kann man an dieser Gruppe sehr gut aufzeigen, daß 
das Eintreten eines neuen Gruppenmitgliedes immer die Veränderung 
der Gesamtgruppe bedeutet., d.h., es werden immer in Wellenbewe- 
gungen die gleichen Prozesse noch einmal durchlaufen, vielleicht 
wie in konzentrischen Kreisen, daß sich das Niveau im Laufe der 
Jahre etwas verändert. Ich glaube aber, daß Beratung deswegen im- 
mer notwendig ist, weil die Gruppe ein Ingroupverhalten entwickelt, 
was im Grunde nur aufgebrochen werden kann durch Anreize von außen. 
Deswegen würde ich immer dafür plädieren, einen Berater zu haben, 
der nicht aus der Institution kommt, der mit ganz anderen Leuten, 
möglicherweise auch mit ganz anderen Dingen zu tun hat, als mit 
dieser Organisation oder Institution. 


F: Es ist eigentlich ein sehr abschreckender Beitrag, den wir hier 
produzieren, weil gleichzeitig sehr viel Positives genannt wird, 
was so eine Beratung bewirkt, aber andererseits durch die Ten- 
denz, daß das eigentlich immer laufen muß, man das jeder Insti- 
tution vergraulen kann, schon allein vom Finanziellen her. 


B: Ich glaube, daß die Tatsache, daß die Teams auch nach 5 Jahren 
noch funktionieren, der Beratung zuzuschreiben ist. Ich kann von 
anderen Teams in Berlin berichten, die alle relativ schnell ka- 
putt gegangen sind, weil Berater zugleich Vorgesetztenfunktionen 
oder Supervisorenfunktionen hatten und in Abhängigkeit und Gegen- 
abhängigkeit geraten sind, was jede Beratung und damit die Team- 
arbeit letztlich kaputt macht. 


- 25 = 


: Das ist die eine Seite, - und die andere Seite ist, daß man et- 


gentlich sagen muß, wenn so etwas immer noch nötig ist, ist es kei- 
ne Methode, die die Leute instandsetzt, es irgendwann alleine zu 
machen. Oder ist es auch nötig,weil wir alle eigentlich das Zu- 
sammenarbeiten nicht gelernt haben, weil wir allein letztlich nicht 


teamfähig sind? 


: Das würde ich nicht sagen. Man muß es etwas abschwächen. Ich würde 


sagen, daß die Gruppe schon fähig ist und fähig wäre, über einen 
längeren Zeitraum, so wie sie jetzt ist, zu funktionieren. Im Grun- 
de könnte man Beratung mit größeren Pausen machen im Sinne von Kon- 
sulationen. Wir tun das nicht, weil es im Augenblick für uns ei- 

ne politische Frage ist, wir werden von allen Ecken und Enden be- 
schnitten, wir haben uns das hart und bitter erkämpft und das ge- 


ben wir nicht auf. 


: Bedeutet das nicht auch so eine Art Gruppen-Egoismus, daß so eine 


Sache es praktisch verhindert, daß andere Leute sagen, das machen 
wir auch? Weil die Amtsleitung immer sagen kann: Das ist zu teuer, 
während, wenn wir auf diese sporadischen Konsultationen eingehen, 
möglicherweise das auch eher Verbreitung fände? 


: Ich glaube, daß man Teams mit Hilfe von TZI, was ja beinhaltet, 


daß jeder auch Leiter sein könnte, zur Selbständigkeit befähigen 
kann, wenn die Gruppe konstant bleibt. Wobei ich meine, daß von 
Zeit zu Zeit Impulse von außen notwendig sind, weil die Binnen- 
struktur sich im Laufe der Zeit in der Regel verdichtet. Wir waren 
eine Zeitlang so weit, daß ich gesagt habe, ich würde gerne aus- 
steigen, weil ich meine, die Gruppe kann das durchaus alleine. 
Dann ist dieser massive Wechsel eingetreten und ich habe gesehen, 
die Gruppe brauchte gerade jetzt doch wieder Hilfe von außen. 


8. ZUM POLITISCHEN STELLENWERT THERAPEUTISCHER METHODEN 


Fa 


Die Beratung in dieser Form reiht sich ein in eine Verbreitung 

von psychotherapeutisch orientierten Methoden allgemein, zu- 
mindest war dieser Ansatz einer, der von anderen vielleicht noch 
stärker therapeutisch strukturierten Methoden gefolgt wurde. 

Wie schätzt Du eigentlich die Stärke der Entwicklung von therapeu- 
tischen Methoden ein, wie sie in den letzten Jahren erfolgt ist, 
im Hinblick auf die Sozialarbeit und die Klienten? 


: Also, seit Mitte der 6oer Jahre ist so ein Punkt: Weg von nur 


finanzieller Hilfe - hin zu beratenden Funktionen. Dann, so An- 
fang der 7oer Jahre im Sinne von Familienberatung, neuen psycho- 
logischen Methoden, wie als erstes die klientenzentrierte Gesprächs- 
methode, dann der kommunikative Ansatz, dann der integrative An- 
satz, der verhaltenstherapeutische Ansatz. Ich würde sagen, daß 
die Hinwendung zu diesen Methoden ein Versuch ist, Beratung zu le- 
gitimieren. Ich meine, man muß sehen, daß im Grunde das, was So- 
zialarbeit beraten kann, relativ wenig ist, d.h. also, ursäch- 
lich in der Regel ökonomische Gründe vorhanden sind, die besei- 
tigt werden müssen, um bestimmte Hilfen anbieten zu können. Das 
bedeutet aber, daß eine Verlagerung auf den psychischen Breich 
sozusagen mein sozialarbeiterisches Handeln legitimiert. Da ich 
wenig Möglichkeiten habe, die Ursachen zu beseitigen, muß ich 


26 =- 


24 


gucken, was sind die Erscheinungsformen, um an den Erscheinungs- 
formen weiterzuarbeiten, und die kann ich dann auf weitgehend in- 
dividuelle Verhaltensweisen zurückführen. Ich kann also sagen, die 
Familie kommuniziert. Ich sehe, die Kommunkation in der Familie 
ist schlecht - das wäre die Erscheinungsebene - also setze ich 
an der Erscheinungsebene an und suche mir sozusagen ein psycholo- 
gisches Instrument, um an dieser Erscheinungsform etwas zu ver- 
ändern. Damit erfolgt zugleich - und ich meine, daß man diesen 
Aspekt nicht unterschätzen darf - eine Aufwertung des Berufs- 
standes des Sozialarbeiters, d.h., er ist nicht nur Büttel der 
Verwaltung, sondern er ist etwas in Annäherung zum Psychologen, 
welcher immer oder weitgehend von Sozialarbeitern als etwas Erstre- 
benswertes eingeschätzt worden ist. Ich vergesse nie die Äußerung 
einer Kollegin, die mir mitteilte: Wenn ich so in gruppendynami- 
schen Seminaren bin, habe ich mich eigentlich nie als Sozialarbei- 
terin gefühlt, sondern immer so als Psychologin. Das macht es im Grun- 
de deutlich. D.h., es war erstrebenswert, Methoden zu erlernen, 
die mich als Sozialarbeiter aufwerten, d.h., ein therapeutisches 
Instrumentarium zu haben, um Hilfe zu leisten, wobei übersehen 
worden ist - meines Erachtens - daß es eben weitgehend Arbeit 

an den Erscheinungsformen ist. 


Also, auf den Klienten bezogen, entfernen die Methoden einen ei- 
gentlich ein Stück weiter von den Problemen, soweit sie materiel- 
ler Art sind. 


: Ja. Einmal das, und zum anderen habe ich selber erfahren, daß ich 


mit den Methoden, die ich gelernt habe - und es ist nicht direkt 
die Gesprächsmethode, es ist Familientherapie, es ist der kommu- 
nikative Ansatz - daß ich damit den Klienten, mit denen ich umge- 
hen muß, nicht helfen kann, weil es nicht die Ebene ist, auf der 
es mit den Klienten, mit denen ich konkret etwas zu tun habe, über- 
haupt die Möglichkeit gibt, zu arbeiten. Mich hat mal, das ver- 
gesse ich nie, ein 13 Jahre altes Mädchen plötzlich gefragt: "Wie- 
so wiederholst Du mich eigentlich immerzu?' Die hat das Spielchen 
sehr schnell durchschaut, und es hat keinerlei Folgen gezeigt. Das 
bedeutet, daß das also für mich Methoden sind - und das schreiben 
andere ja auch - die das Klientenpotential, nämlich die Arbeiter- 
kinder und die Arbeiter nicht erreichen. Ich muß im Grunde andere 
Methoden entwickeln, so wie ich jetzt feststelle, daß ich mit den 
ausländischen Kindern eben anders arbeiten muß, als ich es bisher 
gewohnt war, pädagogisch zu arbeiten. 


Worauf führst Du das zunehmende Interesse an psychotherapeutischen 
Methoden zurück? Das kann ja, wie Du angedeutet hast, seine Ursache 
in veränderten Problemlagen haben, mit denen die Sozialarbeiter 

zu tun haben. Oder sind die Sozialarbeiter anders, haben die heute 
andere Ansprüche? 


Ich würde den Zusammenhang darin sehen, daß ohne die Ursache er- 
kannt zu haben, Sozialarbeiter sich in ihrem Arbeitsfeld unwohl 
fühlen. Wenn ich mich unwohl fühle, versuche ich, das in irgend- 
einer Weise zu beseitigen. Das kann einmal dazu führen, zu fragen, 
warum fühle ich mich unwohl? - Dann kann ich dazu kommen: Weil ich 
mich unbefriedigt fühle, weil ich im Grunde ja eine mittelmäßige 
oder gar keine Hilfe anbieten kann. Oder es kann dazu führen, 


w TE m 


Fz 


P: 


: Das heißt eigentlich, 


: Und mir scheint im Augenblick die Ge 


: Nein. Diese Gruppe ist so frust 


dieses Unbefriedigtsein mit Hilfe eines solchen psychologischen In~ 

riums zu verdrängen und mich selbst aufzuwerten, aufzuwer= 

ten auch gegenüber dem Klienten und zu glauben, ich biete darüber 
däquatere und bessere Hilfe an. Das hat 


den Klienten auch noch a 
sicher auch noch andere Ursachen. Ich sehe das im Zusammenhang mit 
ärker zu verakademisieren, immer 


der Tendenz, Sozialarbeit immer stä 
weiter von der Basis zu entfernen, damit Ansprüche immer höher zu 


schrauben in Richtung Theorie, also weg von dem, was eigentlich da 
passiert, und damit muß ich unzufrieden sein mit der konkreten Tä- 
tigkeit in der Sozialarbeit, d.h., ich muß immer mehr Mittel zur 
Verfügung haben, um genau dieses Unbefriedigtsein zu verdrängen. 


strumenta 


eine Theorie nicht als ein Werkzeug zum Ver- 


ständnis und zum Aufschließen der Wirklichkeit, sondern zum Uminter- 


pretieren der Wirklichkeit. 

stalttherapie so etwas zu sein, 
was die Sozialarbeit im Augenblick ergreift. Ich denke aber, daß 
das wichtig ist, so meine ich, die Ursachen nun nicht allein in 

der Sozialarbeit zu suchen. Das sind ja nun wieder Niederschläge 
anderer gesamtgesellschaftlicher Situationen, denn Du kannst also 
auch bei Studenten beobachten, daß alles, was Bioenergetik ist und 
ähnliche neuartige Richtungen, die etwas mit Körper und Entschwe- 
ben zu tun haben, aufgesogen werden. Ich denke da an das Buch von 
ZIEHE, die Frage nach der Entpolitisierung der Jugend, und für mich 
die Frage, in welchem Interesse passieren genau solche Prozesse, 
diemuß man auch als Gesamtes sehen, wenn man über Sozialarbeit dis- 


kutiert. 


Und auf welche Bedürfnisse stoßen die und wie werden solche Bedürf- 
solche Sachen? Wie siehst Du in diesem Zu- 


nisse umgebogen durch i i ; 
sammenhang Deine Beratungstätigkeit? Wirst Du da nicht auch mit ähn- 


liehen Interessen und Problemen der Sozialarbeiter konfrontiert? 


: Ja. Du meinst jetzt Interessen Richtung Methoden? 


: Psychologisieren, Therapien? 


riert auf Grund der bestehenden Ar- 


beitssituation, daß Psychologisieren sehr weit weg ist. Die haben 
auch mit Gestalt und ähnlichen Geschichten nicht sehr viel drauf, 
ob mit Hilfe oder ohne Hilfe - weiß ich nicht, aber wir sind in- 

zu überlegen, wie können wir auch gewerkschaft- 


zwischen so weit, 
lich bestimmte Dinge in den Griff kriegen, also bei uns gibt es 


in der Tat nichts mehr über Psychologie. 


Aber das ist sicher zum einen der Erfolg so einer Arbeit, zum an- 
deren vielleicht auch so ein Ausdruck einer FaFú-Sttuation, wo 
damals Leute gesagt haben, man kann sich in der FaFü noch weniger 


Leisten als in freien Beratungszusammenhängen. 


: Ja, auch Erziehungsberatung. Wenn z.B. ein Sozialarbeiter in der 


Erziehungsberatung sitzt und konkret mit Erziehungsproblemen kon- 
frontiert wird und sieht, da gibt es einfach Probleme in der Be- 
ziehung zwischen den Eheleuten, da finde ich es gut, wenn ein So- 
zialarbeiter in der Lage ist, auch auf solche Probleme einzuge- 
hen. Was aber für mich auch wieder nicht heißt, bis zum Frucht- 


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Die satirische Zeitschrift 


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...... Baar 
ATTE? 


ein Literaturmagazin 


Sogar eins der besten. Denn außer Infor- 
mationen über Bücher und Büchermacher 
(„Kulturmarkt“), außer Auszügen aus bemer- 
kenswerten Neuerscheinungen  (,Leser's 
Magazin“) bringt PARDON auch noch jede 
Menge Spaß. 


Und welche andere Bücherzeitschrift tut das 
schon? 










wasser der Großmutter zu psychologisieren, sondern zu sagen: Was 
ist die konkrete Situation, wie kann ich den Leuten helfen, bes- 
ser damit umzugehen. Aber an der Stelle modifiziere ich sicher 

zum Teil diese Methode und das ist meine ganz persönliche Einstel- 
lung dazu. Auch das, was m.E. Cohn nicht sieht, nämlich, daß ich 
diese Methode auch modifizierenkann im Hinblick darauf, politi- 
sierende Prozesse in Gang zu setzen. Da würde ich im Widerspruch 
zu ihr stehen. Sie sagt z.B., man kann die Methode auch anwen- 
den in jeder riesigen Versammlung und in jeder politischen Dis- 
kussion. - Man kann es nicht! Wenn ganz klar Gegensätze vorhanden 
sind, dann kann ich nicht mit unheimlich viel Offenheit und dem 
Darbieten meiner Flanke dem anderen meine Position nahebringen. 

Da würde ich ganz klar sehen, da funktioniert die Methode eindeutig 
nicht. Ich würde sie wirklich beschränken auf Lehr- und Lerngrup- 


pen. 


: Das heißt aber jetzt, daß diese Methode ein ganz gutes Hilfsmittel 


sein kann für Leute, die z.B. ihre Erkenntnisse über gesellschaft- 
liche und politische Zusammenhänge schon haben und auch woanders 
her haben. Daß die Methode selber aber in sich nichts Politisieren- 
des hat, aber auch nichts Entpolitisierendes. 

Das würde ich so sagen. Ich würde sagen, man kann sie benutzen, 

um Prozesse in Gang zu setzen, aber in sich, als Methode, weist 
sie keine Elemte von vornherein auf, die in Richtung Politisierung 
laufen würden. Aber ich kann sie benutzen als Instrumentarium und 
ich muß glaube ich, einen Standpunkt vorher haben, wenn ich damit 
arbeite. Ich denke, daß ich TZI sehr anders vertrete als Kollegen 
von mir, die die gleiche Methode praktizieren. Ich betrachte das 


als Instrumentarium und als nicht mehr. 


bläfter des y 


blätter des informationszentrums dritte welt 
Postfach 5328 D-7800 Freiburg 


Die blätter des iz3w informieren über den Zusam- 
menhang von kapitalistischer Wirtschaftsstruktur 
und Elend in der Dritten Welt + über Theorie und 
Praxis der Widerstandsbewegungen 


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ten; DM 28,— /öS 200,-/Sfr 28,80 (für Studenten, 
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WAHRNEHMUNG UND TRAINING SOZIALER KOMPETENZ 
— EIN GRUPPENDYNAMISCHES SEMINAR — 


EINIGE VOR— UND NACHBEMERKUNGEN ZUM SEMINAR 


Eine Fortbildungsstätte für Angehörige des öffentlichen Dienstes bot 
für Sozialarbeiter und Verwaltungssachbearbeiter eine mehrmonatige 
Fortbildung an. Die Fortbildung wurde - in meiner Dienststelle - wie 
üblich durch "Rundlauf'" den Mitarbeitern bekanntgegeben. Da wir sei- 
nerzeit in unserer '"Psycho-Arbeitsgruppe" gerade angefangen hatten, 
uns mit psychologischer und psychotherapeutisch orientierter Fortbil- 
dung für Sozialarbeiter zu beschäftigen - ich bisher keine Fortbil- 
dungserfahrung in diesem Bereich hatte - blieb ich an dem Schlagwort 
"Gesprächstherapie" hängen. Die Gesprächstherapie war ein Teil der 
Fortbildung und der Hinweis im Fortbildungsangebot entlockte mir die 
Assoziation, daß sich die Fortbildungsstätte davon eine positive Aus- 
wirkung auf das Verhalten Klient/Sozialarbeiter bzw. Sachbearbeiter 
versprach. 

Mein Verständnis von den Möglichkeiten der "sozialen Arbeit" in der 
Behörde ließ mich diese Zielvorstellung mit Skepsis aufnehmen. Ich 
meldete mich nach einigen Überlegungen an und versuchte noch andere 
Kollegen zur Anmeldung zu motivieren, was mir auch gelang. Bei der 
Anmeldung hatten wir angenommen, daß die angebotenen Themen in der 
Fortbildung alternativ gewählt werden könnten. Wir stellten erst nach 
der Anmeldungsbestätigung durch die Fortbildungsstätte fest, daß wir 
an der ganzen, mehrmonatigen Fortbildung teilnehmen mußten, die mit 
einem gruppendynamischen Seminar beginnen sollte. Wir dachten uns, 
daß eine solche Erfahrung nicht falsch sein kann und blieben bei unse- 
rer Anmeldung, einerseits recht unbelastet, da keiner so genau wußte, 
was auf ihn zukommen sollte, andererseits mit einigem Unbehagen, da 
wir natürlich schon so einige diffuse Sachen über gruppendynamische 
Seminare gehört hatten. 

Wir erfuhren , daß die Fortbildungsstätte schon auf eine langjäh- 
rige Praxis bezüglich gruppendynamischer Seminare zurückgreifen konn- 
te und viele, uns bekannte Kollegen ein derartiges Seminar mitge- 
macht hatten. 


Zu der Fortbildung meldeten sich 20 Teilnehmer an, davon etwa je zur 
Hälfte Sozialarbeiter und Verwaltungssachbearbeiter. Intention der 
Fortbildungsstätte war dabei, mit der Fortbildung dazu beizutragen, 
die permanente Spannung zwischen Sozialarbeitern und Sachbearbeitern 
abzubauen und die beiden Berufsgruppen im Interesse der "Sache" zu 
mehr Kooperationsbereitschaft zu bringen. 

Während wir in unserer Behörde selbständig die Teilnahme an der Fort- 
bildung entscheiden konnten (es wurde lediglich darauf geachtet, daß 
sowohl Sozialarbeiter als auch Sachbearbeiter dabei waren), ging die 
Auswahl in anderen Ämternrecht bürokratisch zu, Die Amtsleiter suchten 
die Mitarbeiter nach ihrem Gutdünken aus, einige wurden sogar wider 


= SL 


ihren Willen "abkommandiert". Andere Teilnehmer hatten sich ganz ge- 
zielt angemeldet, weil sie vordringlich Interesse an dem gruppendyna- 
mischen Seminar hatten und schon ein oder mehrere Seminare verschie- 
denster Art bei dem selben Trainer mitgemacht hatten. 

Mit dieser Teilnehmergruppe hatte ich denn auch von Anfang an die 
meisten Schwierigkeiten, weil sie sich mir als total unkritische An- 
hänger des Trainers darstellten und nur" ihre Gefühle in den Mittel- 
punkt stellten, ohne die Rahmenbedingungen dieser Fortbildung zu be- 
denken. 

So wurde beispielsweise Vertrauen verlangt, ohne aufzuzeigen, daß 

t einfach da ist, sondern irgendwie entsteht. Meine 
ung von Vertrauen und die Vorstellungen 
der "Fans" gingen total auseinander, eine Vermittlung war während die” 
ser einen Woche unmöglich und folgte auch nicht nach Abschluß des 


Seminars, da wir uns danach nicht mehr sahen. 


Vertrauen nich 
Vorstellung über die Entsteh 


Das gruppendynamische Seminar führte dann wirklich zu einer für mich 
wichtigen Erfahrung: die Art und Weise, in der der Therapeut das Se- 
minar durchführte und die Reaktion der Teilnehmer machte deutlich, 
daß mit psychologischen Mitteln Menschen total zu beeinflussen sind, 
läßt man die rationale Ebene beiseite. Das permanente Unbeachtetlas- 
sen der Sachzwänge in der Behörde und das Zurückführen von Schwierig- 
keiten am Arbeitsplatz auf die reine Gefühlsebene verhindert eine 
politische Auseinandersetzung und läßt den Einzelnen als den Verur- 
sacher der Schwierigkeiten erscheinen. Dies hat meiner Meinung nach 
katastrophale Folgen: die Sozialarbeiter beschäftigen sich immer mehr 
mit ihren psychischen Schwierigkeiten, "retten" sich von einem Semi- 
nar zum anderen in der Annahme, daß sie dann die Arbeit besser in 


den Griff bekommen, strukturelle Bedingungen am Arbeitsplatz werden 


immer weniger zur Kenntnis genommen. 
Ich möchte abschließend noch betonen, daß es mir nicht um eine tota- 


le Ablehnung von gruppendynamischen Seminaren geht. Vielmehr möchte 
ich problematisieren, daß die Bewältigung psychischer Probleme zum 


Bestandteil beruflicher Fortbildungen gemacht wird. 
Wenn ich von einem Kollegen weiß, daß er - nach meinem Verständnis - 


Klienten "in die Pfanne haut", kann ich nicht in einer Woche Vertrauen 
heucheln und diesen Kollegen meine psychischen Probleme und Schwie- 
rigkeiten offenbaren. Ich kann auch nicht den Grund für das Verhalten 
der Kollegen in unverarbeiteten frühkindlichen Erfahrungen suchen, 
sondern werde in erster Linie eine sachbezogene Auseinandersetzung 


mit ihm führen müssen. 


Der folgende Bericht gibt den Ablauf des gruppendynamischen Seminars, 
das eine Woche dauerte, wieder. Die Sitzungen wurden im "stillen" 

Kämmerlein" nach Abschluß der jeweiligen "Tagesarbeit" protokolliert. 
Im Seminar wurde zur Auflage gemacht, daß "nichts", was in der Woche 
abläuft, nach "außen" dringt. Der vorliegende Bericht wahrt die Ano- 


nymitát der Gruppenteilnehmer, so daß ich die Veröffentlichung für 


vertretbar halte. 


- 32 - 


Die Abkürzungen im Text bedeuten: 


V. = Therapeut 


Ey 
I 


Co-Therapeutin 


Z = verschiedene Gruppenmitglieder 


GRUPPENSITZUNG ABENDS NACH DER ANKUNFT 


Therapeut (V.) übernimmt sofort die Initiative: jeweils 2 Personen 
sollen sich jeweils 3 Minuten gegenseitig interviewen. Thema: Ablauf, 
Eindruck, die wichtigsten Gedanken und Gefühle der ersten 5 Minuten 
des Tages, sowie Name des Partners. 

Alle berichten dann. Ein großer Teil redet jeweils über einen länge- 
ren Zeitraum (z.B. vom "Aufstehen" bis zur "Abfahrt"). Danach stellt 
sich jeder mit Namen vor, sagt wie er genannt werden will und nennt 
die Namen der jeweils vor ihm Sitzenden. Es kommen wenig Äußerungen 
zu diesem "Spielchen" (viele scheinen überfahren worden zu sein, an- 
dere machen mit Bereitwilligkeit mit). Eine Gruppenteilnehmerin fragt 
V. welche Ausbildung er habe, worauf dieser meint, daß die Fragerin 
wohl Probleme habe, wenn sie so eine Frage stelle. V. fragt E.: "sol- 
len wir diese Frage beantworten?" V. antwortet auf die Frage nicht, 
weil so sehr viel Dynamik in die Gruppe kommt. V. setzt bei einigen 
zusätzliche Aggressionen frei, indem er lakonisch mitteilt, daß er 
viel über die Einzelnen in den Sitzungen erfahre, jedoch dieses nicht 
in die Gruppe trage (es sei denn, der Betreffende wünsche das). 

Am kommenden Tag soll dann darüber gesprochen werden, was jeder von 
der Tagung erwartet. 

Abends in einer Diskothek stellt sich heraus, daß ein erheblicher Teil 
der Fortbildungsteilnehmer schon einmal bei V. ein oder zwei solcher 
Seminare gemacht hat. 


1. SITZUNGSTAG: 


Um besser wach zu werden fordert V. auf, die Augen zu schließen und 
diverse Gymnastik zu machen (ganz groß machen, ganz klein, ganz breit - 
die Gruppe ordnet sich so an, daß sie sich nicht behindert, was V. 

die Bemerkung "sehr intelligent" entlockt -, dann - eine gedachte - 
Kerze im Abstand von 1 m, von 1 1/2 m ausblasen, schließlich 1 große 

- ebenfalls gedachte - Kerze in der Mitte des Raumes, wer bläst sie 
zuerst aus?). 

Dann werden 3 Gruppen gebildet unter dem Gesichtspunkt, daß jeweils 
die fremdesten Leute sich zu einer Gruppe zusammenfinden. V. teilt 
folgende Aufgabe mit: 

Jeder soll den, den er am fremdesten findet 5 Minuten zeichnen. Dabei 
soll nicht geredet werden. Der Gezeichnete soll sich dann dem Zeichner 
gegenüber äußern, was er beim Betrachten des Bildes empfindet. Der 
Zeichner gibt Stellungnahme, die Nicht-Gezeichneten äußern sich eben- 
falls. Anschließend kurze Besprechung im Plenum. 


- 33 - 


Dann Bildung von Zweiergruppen (neues Spiel ~ neues Glück): 

Jeder einzelne soll sagen, warum er mit dem anderen zusammenarbei- 
ten will; Ablehnung und Zustimmung mit Begründung finden statt und 
werden ernst genommen. Danach preist jede Zweiergruppe ihre "Fähig- 
keiten" und Interessen an, um eine weitere Zweiergruppe zu gewinnen. 
Auch hier ist Ablehnung und Zustimmung mit Begründung möglich und 


wird praktiziert. 


Nach der Mittagspause erfolgt Diskussion der Vierergruppen und Erar- 
beitung eines 3-Punkte-Vorschlages. Danach werden im Plenum die Vor- 


schläge eingebracht, einmal durch Aushängen der Plakate im Gruppen- 
ish-Bowl" Formation: 


raum, dann durch eine Fi 
Jeweils ein Gruppensprecher setzt sich ın die Mitte. Ein Platz wird 


für korrekturwütige (fähige) Gruppenmitglieder freigehalten. Die 
Delegation gibt eine Schilderung über die Vorgänge und Gefühle bei 
der Erarbeitung der Vorschläge. Anschließend werden die jeweiligen 


3 Punkte erläutert und diskutiert: 


1. Gruppe 


® Spannungsabbau bei der Arbeit mit unsympathischen bzw. 

schwierigen und älteren Kollegen/Klienten Ï Punkt 
0 Verhinderung des Abbaus des sozialen Engagements 

und der Sensibilität durch Routine 6 Punkte 
0 Wirkung auf andere Menschen, Selbsteinschätzung 

- Durchsetzungsfähigkeit - Konkurrenz 6 Punkte 


2. Gruppe 


O Warum bin ich Sozialarbeiter/Sachbearbeiter geworden? 


- meine Gefühle 


0 Wie sehe ich mich? 
Wie möchte ich gesehen werden? )Konsequenz der 


Wie nehme ich andere wahr? )Diskrepanz 
Wie nehmen mich die anderen wahr?) 3 Punkte 


0 Problem der Distanz 
a) wie nahe möchte ich andere an mich heranlassen? 


b) wie nahe will ich an andere herangehen? 

c) wie erreiche ich meine Idealdistanz? 9 Punkte 
Zu den beiden letzten Punkten folgt der Vorschlag, die 
Probleme in Spielen zu lösen 


3. Gruppe 


0 Abbau von Barrieren zwischen Verwaltungs- und 
Sozialdienst 

0 Stärkung des Durchsetzungsvermögens in der 
Hierarchie l Punkt 

O Abbau von Verhaltensklischees in Bezug auf den 
Klienten 


3 Punkte 


3 Punkte 


4. Gruppe 


O Wie wirke ich auf andere, warum wirke ich so, 
wie kann ich es ändern - z.B. ich möchte nicht, daß 


andere Angst vor mir haben. 


‘Er 


Ich möchte direkteren Zugang zu meinen Gefühlen 
finden, z.B. 


- meinen Ärger ausdrücken können l Punkt 
- erfahren, warum ich mich in Gruppen unwohl fühle l Punkt 
- meine Gefühle besser regulieren und kontrollieren 

können 1 Punkt 


- mich nicht unterbuttern lassen 

0 Ich möchte mich in dieser Woche wohlfühlen und 
entspannen - nicht alles zu verbissen sehen 

0 Ich möchte lernen, meine Arbeitssituation zu verändern 
- meine Arbeitseffizienz erhöhen, indem ich teamfähig 
werde 
- durch Rollenspiele die Situation der Klienten besser 
verstehen können 
- meinem Arbeitsstreß begegnen können. 


5. Gruppe 


0 Lernen miteinander zu sprechen unter dem besonderen 

Aspekt der Toleranzerweiterung l Punkt 
0 Erweiterung des sozialen Verständnisses (Motivation) 

unter Ausklammerung subjectiver Erfahrungstatbestände 


(Vorurteile, Übertragung) 4 Punkte 
0 Wirkung des eigenen Verhaltens auf andere Menschen, 
insbesondere Mitarbeiter und Klienten 2 Punkte 


Durch die eingebrachten Vorschläge wird eine Fraktionierung in eine 
sach-orientierte und eine psycho-orientierte Gruppe deutlicher. Je- 
des Gruppenmitglied erhält dann zwei Punkte, die es jeweils an den 
am meisten favorisierten Themen anbringt. Es kristallisiert sich das 
Thema: "Wie sehen mich die anderen" heraus (kurze Diskussion). Wei- 
tere Schwerpunkte werden nicht gesucht, weil V. abblockt und "eine 
andere Aktivität auch für recht wichtig hält". Jeder soll seine Po- 
sition zu einem Mittelpunkt einnehmen (Pfeifentasche). Er/sie soll 
sich je nachdem er seine Durchsetzungsmöglichkeit/fähigkeit sieht 

in ein dementsprechendes Verhältnis zum Mittelpunkt stellen. (Es 
wird ungeheuer dynamisch - Trainer steigen auf Stühle). Es bilden 
sich 3 Kreise (Psychos sind innen, sehen ihre Durchsetzung gesichert) 
l. Kreis Psychos, 2. Kreis kritisch-sachliche, 3. Kreis schweigen- 
de (außen), Sachbearbeiter überwiegen dabei. 

Es folgen kurze Kommentare, warum wer wo steht. 


V. erklärt striktes Alkoholverbot während der Trainingsstunden, was 
zu einem schülerhaften Verhalten führt; mal schnell während der Pau- 
se auf dem Zimmer einen Schluck aus der Wodkapulle zu nehmen. 


2. SITZUNGSTAG: 


V. meint, daß es an der Zeit sei, Verwaltungsdienst und Sozialdienst 
gegenüberzustellen. Die Gruppen stellen sich in verschiedene Ecken 
und werden dann aufgefordert, das Haus zu verlassen. 

Es folgt Tauziehen Verwaltungs/Sozialdienst, Sozialdienst gewinnt 

2 x. Danach werden die Gruppen getrennt, jede Gruppe schreibt die 
Vorurteile gegen die andere Berufsgruppe auf: 


- 35 -= 





è Vorurteile gegen Sachbearbeiter: 

stur, unflexibel, lahm, unkritisch, unqualifiziert, unhöflich, 
Alkoholiker, selbstherrlich, aufsässig, nicht entscheidungsfreudig, 
autoritätsfixiert, karrieresüchtig, Radfahrer, unehrlich, geizig, 
hinterhältig, Schemelpuper, arbeitsfaul, scheuen Auseinandersetzun- 
gen, unsozial, pingelig, Paragraphenreiter, unsachlich, emotionale 
Kleingärtner, verbohrt, nette Menschen, rigide, schikanös, scheuen 
Verantwortung, gute Kumpel bei Feiern, gute Kumpel, nette Kollegen. 


è Vorurteile gegen Sozialarbeiter: 

Sozialarbeiter arbeiten mehr mit Gefühl als mit Gesetz, sind faul, 
haben eine Knöcke, leichtgläubig, gehen salopp angezogen, können 
ihre eigenen Probleme nicht bewältigen, alle Sozialarbeiter gehören 
auf die Couch, illusionsbeladen, frustriert, Sozialarbeiter haben 
alle einen Dutt, abgelaufene Hacken und einen beseelten Blick, So- 
zialarbeiter haben lange Haare, Sozialarbeiter haben Bart, reden 
geschwollen und spicken ihre Aussagen mit Fremdwörtern, pseudointel- 
lektuell, fühlen sich der Verwaltung gegenüber überlegen, Sozialar- 
beiter halten Gesetze für überflüssig, wenn man sie braucht sind 

sie nicht da, haben nicht den Blick für das Machbare und wesentliche, 
arbeiten gegen uns, machen bewußt oder unbewußt falsche Angaben und 
verlangen von uns, daß wir die Dinge ungeprüft hinnehmen, verwal- 
tungstechnisch keine Ahnung, sind zu lieb , gegen Verwaltung und 


Klient. 


Bei weiterer Trennung soll sich jede Gruppe einen Sketch überlegen 
bzw. vorbereiten, um die typischen Vorurteile der anderen Gruppe 
satirisch darzustellen. Die Sozialarbeiter einigen sich über den 
Ablauf des Sketchs erst in den letzten Minuten (1/2. Std. Zeit). 
Vorfiihren der beiden Sketche ernten bei der Gegengruppe jeweils Bei- 


fall, verliefen lustig und locker. 
Es folgen wenige Kommentare dazu. Danach testet V. unsere Risiko- 


bereitschaft: 

Jeder soll für sich die unglücklichste und glücklichste Person aus- 
suchen und die jeweiligen Gründe aufschreiben. Die Risikobereitschaft 
soll daran gemessen werden, inwieweit jeder bereit ist, die Zettel 

zu verteilen und in der Gruppe darüber zu sprechen. 

Einige Aussprachen finden statt, die Restverteilung wegen Zeitman- 
gel ohne Aussprache. 

Nachmittags wird festgestellt, ob noch jemand über Dinge sprechen 
will, die belastend sind, einer bringt seine Schwierigkeit vor, 
danach erklären alle, daß sie "frei" sind für neue Aktivitäten. 


V. verfügt ein neues Spiel: 
man soll bequeme Körperstellung einnehmen, dem "Körper gegenüber gut 


sein". 5 Leute bleiben auf den Stühlen, die anderen legen sich auf 

den Boden 

- wann habe ichmich im Seminar am einsamsten gefühlt? 

- wen aus der Gruppe hätte ich in der Situation gern zum Austausch 
gehabt? 

- was hätte ich zu demjenigen gesagt? 

- wie hätte die Person reagiert? 

- wie würde die Gruppe auf die Vorstellungen reagieren? 

- man soll sich vorstellen, wo man am liebsten wäre 

- man hat 1/2 Minute Zeit zu sich zu kommen 

- Gespräch mit dem Partner und Reaktion der Gruppe (vorgestellte) 


soll schriftlich festgehalten werden. 


Es folgen Äußerungen über die Übung. Zwei Leute heulen dabei. Die 
Gruppe fühlt sichvonden "Ausbrüchen" betroffen. 

Nach dem Abendessen folgt "Raucherdiskussion". Durch sein Verhalten 
während der Diskussion wird X. von V. auf "den heißen Stuhl" gehievt. 
X. wird "ganz schön" angemacht ‚hält aber durch. Der Versuch, noch 
andere auf den "Stuhl" zu zerren, mißlingt. 


Abschlußspiel: 

Man soll sich einen Partner auswählen, sich gegenseitig in die Augen 
sehen und den "ehrlich in sich aufsteigenden Satz" verbalisieren. 
Nach der Aussage nochmals Augen schließen und Aussagen überprüfen 
auf Ehrlichkeit und Wirkung. 


3. SITZUNGSTAG: 


Heute erstmals keine Lockerungsübung. 

Ein Gruppenmitglied hat sich entschlossen, das Seminar abzubrechen. 
Es folgt Aussprache über die Entscheidung, wegzugehen (jeder soll 
sein Gefühl äußern). Vierergruppen werden gebildet, die sich darüber 
unterhalten. Äußerung über Gefühle diesbezüglich im Plenum. Es 
entsteht ein spontanes Gespräch über Angst und Vertrauen in bezug 
auf V.. 2 Gruppenmitglieder äußern, daß sie Angst vor V. haben. Es 
folgt ein Spiel: 

X (die geäußert hat, daß sie Angst vor V. hat), setzt sich V. gegen- 
über und soll sagen, was sie an ihm stört. Sie wird mit Psycho- 
Tricks zum Heulen gebracht und steigt aus dem Experiment aus. Dann 
folgen Diskussionen über Vertrauen. Jeder soll sagen, wie er das 
Experiment erlebt hat. Man hat kein Vertrauen, Experimente mit V. 

zu machen, da man sich V. ausgeliefert fühlt. V. greift seine Kriti- 
ker an: Y habe eine Stimme wie eine tibetanische Gebetsmühle und 

er könne kein Vertrauen zu solchen Personen haben (wisse nicht, was 
sie wolle, reagiere aggressiv. 


Nach der Mittagspause wird eine Diskussion von V. abgeblockt, er 
ordnet ein neues Spiel an: 

Jeder soll seinen Namen auf eine Karte schreiben, auf der Rückseite 
soll er schreiben, wieviel Punkte (Vertrauenspunkte) er aus der 
Gruppe erwartet. 

Es folgt eine "Weihnachtsfeier" - alle haben die Augen geschlossen, 
der Reihe nach soll jeder seine 2 Punkte verteilen (auf Namensschil- 
der kleben). Danach setzt sich die jeweilige Erwartungsgruppe (wer 
erwartet O Pkt., wer erwartet 1 Pkt. usw.) zusammen und bespricht 
Gefühle im Zusammenhang mit der Erwartung und Realität. Es folgt 
Rückkoppelung aus der Gruppe. 

Ein Gruppenmitglied hat die gleiche Erwartungshaltung wie V., näm- 
lich 5 Punkte, erhielt aber nur 1 Pkt., was ihn zu einem dynamischen 
Ausbruch verleitet. Zum Abbau der bei Y. entstandenen Aggressionen 
(Wut) wird eine Prügelei provoziert. Es folgt Aussprache in der 
Gruppe über Y. dynamisches Verhalten! V. reagiert äußerst scharf 
über das Wort "Prügelei" und verbietet, so etwas in die Öffentlich- 
keit zu tragen, es handele sich um eine "konstruierte physische 
Auseinandersetzung". 


Es folgt Darstellung der beiden Therapeuten über ihre Erwartungs- 


- 37 - 


haltung bei der Verteilung der Vertrauenspunkte. 

Dann soll jeder für sich feststellen, wen aus der Gruppe er mit 
wichtigen Bezugspersonen vergleicht (Vater, Mutter, Bruder usw.), 
um so möglicherweise Übertragungen klären zu können. Einige stellen 
ihre Gedanken dar, keine intensive Diskussion. X., der in Y. seine 
Mutter sieht und das Bedürfnis äußert, "Embryo" zu spielen, fühlt 
sich wohl dabei, was er auch auf die Frage von V. so sagt, teilt 
jedoch mit, daß ihm der Kontakt nicht ausreiche, er wolle mehr Leu- 
te aus der Gruppe, sucht sich noch 4 aus, die auch alle in die Mit- 
te kommen, alle liegen übereinander, Experiment wird mit verklärten 


Gesichtern beendet. 


4. SITZUNGSTAG: 


Spiel: man soll sagen, wen man während der vergangenen Tage am mei- 
sten gemieden hat. Es werden reihum Namen genannt. Im Fisch-Bowl 
sollen je 2 Leute dieses Problem austragen. Y. nennt Z. Beide gehen 
in die Mitte. Beide sollen spüren und fühlen, Ratio wird wie immer 
auf Eis gelegt. Y. spürt, 2. spricht hingegen. Einige finden Z. 

nach dem Experiment nun recht menschlich, weil "der Mund nun nicht 
mehr so fremd ist", auch die Co-Trainerin sieht plötzlich Z's Sprech- 
pausen Menschlichkeit durchschimmern. Lippenlecken und Handbewegun- 


gen werden genau beobachtet und analysiert. 


Neues Spiel: 

Das Kamille-Creme- Erfrierungs-Massage-Spiel 

Die Männer setzen sich in der Mitte auf Stühlen nach außen, schlies- 
sen die Augen. 

V. fragt die Frauen,was sie erwarten, es werden Gedanken an Kinder- 
spiele (Plumpsack, Stühle wechseln) geäußert. V. gibt vor, die rech- 
te Hand der Männer sei leicht erfroren und soll durch Massage wieder 
geheilt werden. Die Frauen bekommen einen Klecks Creme, suchen sich 
einen Patienten aus und massieren. Dann sagen die Männer reihum, 

was sie dabei empfanden. Außer einem fanden alle das Spiel nett. 
Dann wird die linke Hand der Frauen eingecremt. Empfindungen werden 
dargestellt, Frauen äußern auch sexuelle Empfindungen, danach auch 
noch einige "Psycho-Männer", die sich vorher nicht getraut haben, 
dies zu äußern. 

Eine Frau, die sich durch die Äußerung von X. getroffen fühlt, soll 
sich auf Anweisung von V. austoben. X. stellt sich zunächst zur Ver- 
fügung, lehnt aber ab, als V. das Tobespiel strukturieren will. 


Neues Spiel: 
10 Mutige sollen sich zum Fish-Bowl finden und aus ihrer Mitte einen 


Leiter wählen. Es geht um ein Team, das eine neuartige Behörde pla- 
nen soll. Jeder erhält 7 Groschen, die er an den Leiter des Teams 
(von ihm gewünschten Leiter) mit Begründung geben soll. 

Die anderen 10 Leute beobachten jeweils einen im Fish-Bowl. Z. legt 
ein Furienverhalten an den Tag. Sie nimmt Gelder ohne Argumente vor- 
zubringen, setzt sich drauf und besteht darauf, daß sie die beste 
Leiterin sei, dies gegen die Einsicht der anderen. X macht mit, Y. 
relativiert und versucht zu strukturieren. Z. gewinnt. Etwas Be- 


troffenheit schleicht ein. 
Kurzes Reflektieren über das Spiel. Z. rechtfertigt iher Verhalten 


- 38 - 


damit, daß sie sich sonst nicht durchsetzen kann, bzw. Skrupel hat, 
und jetzt durch das andere Extrem versuchen wollte, zu neuen Ver- 
haltensweisen zu kommen. Keine weitere Diskussion. 


Nach dem Abendessen: 

Vor der Sitzung wurden Zettel abgegeben, auf denen den Therapeuten 
mitgeteilt wurde, was ihnen am besten gefallen hat und wie es wei- 
tergehen soll. 

Dann soll jeder sagen, wie er sich fühlt. Es ist gedrückte Stimmung, 
kaum einer sagt, daß es ihm gut geht. X. erwähnt, daß Y. und Z. ein 
Telegramm erhielten. Es hätte sie befremdet, daß jemand geschrieben 
hätte "Laßt Euch nicht kaputtmachen”. V. will Y. aus der Gruppe wer- 
fen, weil er nicht mehr mit ihm arbeiten kann (blockiert seine Ener- 
gie, will sich nicht von Einzelnen die Gruppe "kaputtmachen" lassen, 
Y. verunsichert ihn, so daß sich die Frage der weiteren Zusammenar- 
beit stelle) Y. rechtfertigt sich und kann bleiben, 

X. soll sagen, wie sie sich fühlt, heult, will von Y. gestreichelt 
werden. XY. meldet Eifersucht an. V. meint, daß diese Art von Pro- 
blemen relativ spät komme, man müsse sich auch damit auseinanderset- 
zen, in den Ämtern sei dies auch ein Problem - Z. rastet aus - 

XYZ. heulen - andere wollen weitermachen, weil es gerade so inter- 
essant ist. Die Situation wird für V. etwas "eng", er meint, sich 
erst mit E. besprechen zu müssen. 

Zum Abschluß folgen Lockerungsübungen: Elefantentrampeln, Ja-Nein- 
schreien, anschließend Diskussion mit dem Schreipartner über das 
Gefühlte beim Schreien. 

Erstmals erscheinen V. und E. in der Kneipe. Nebentisch lebt auf 

und macht indirekte Werbung. 


5. SITZUNGSTAG 


Lockerungsübung: man soll einen Partner massieren und dabei auch 
Laute von sich geben. Fast alle geben Laute! Anschließend wird 
eine Zwiebel aufgezeichnet. In die Zwiebelringe sollen 


von außen Gef P Qa u gerdmieben OTP PYON nach innen 


Lim auf TPT A 


- 39 — 


Dann folgen 3 Sätze, wie man sich einschätzt, dann vermeintliche 
Einschätzung von Vater und Mutter, dann soll man schreiben, was 
Vater oder Mutter über das Verhalten von Tochter/Sohn während des 
Seminars denkt, dazu soll ein Satz geschrieben werden, was man ant- 
worten würde. Es entsteht,"feuchte Luft"! X. weint seit Beginn des 
Spieles und stellt sich auf Befragen V. für ein Experiment zur Ver- 
fügung. Es folgt ein Psychodrama. X. erklärt Konflikt mit ihrer Mut- 
ter, will sie aus dem Zimmer haben; soll sie tun, in dem sie ihr 
sagt "verschwinde", einige sagen wieder was sie denken, fühlen, Y. 
stellt sich als Mutter zur Verfügung, X. landet unter Fihrung von 
V. in ihren Armen. Z. weint. 

Danach "Entspannung" dergestalt, daß sich jeder überlegen soll, wie 
er zeichnerisch Freiheit darstellen würde. Die Bilder werden vorge- 


stellt, keine Diskussion. 


16.45 Uhr: Vierergruppen werden gebildet, um Vorstellungen für die 
letzte Stunde einzubringen. Es kommen Vorschläge wie verhalte ich 
mich meinen Kollegen gegenüber, wie dem Partner, wie werde ich fertig 
mit diesem Seminar. 

V. berichtet über seine Methoden, stellt seine Ausbildung vor und 
beginnt mit einer Verkaufsschau, die nach dem Abendessen große Erfol- 
ge zeigt. 
V. meint, daß leitende Persönlichkeiten hier mitmachen sollten und 
versucht zu motivieren, daß der jeweilige Partner und Kollege auch 
gruppendynamisch werden sollen, Hinweise auf Psychogruppen in Berlin 
werden als Lösungsvorschlag zur Verarbeitung des im Seminar Erfahrenen 


eingebracht. ö 
E. stellt auch ihren Werdegang vor und verhält sich V. gegenüber loyal. 


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demokratischer, sozialistischer 
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Begriffen: „Abnorme Selbstverliebtheit”, 
„eitle Selbstbewunderung”, sind das 
Verständnis, mit dem dieser Begriff ın 
der Alltagssprache überfrachtet ist. 
Aber nicht darum geht es in diesem 
Buch, sondern hier soll ein Mythos zer- 
schlagen werden, um den Blick zu 
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SOZIALARBEIT BRAUCHT KEINE KLIENTEN 
— EIN LESERBRIEF — 


Ich kann nicht mehr erkennen,wozu Sozialarbeit noch eine Klien- 
tel braucht. 
Hauptsächlich ~ so mein Eindruck - dient Sozialarbeit wohl 
der Selbstverwirklichung des Sozialarbeiters, der sich ständig 
fortbilden muß, um zu neuen, veränderten Einstellungen zu kom- 
men, damit er sich in Gruppenprozessen behaupten kann. 
Da werden Arbeitsgruppen zu Lerngruppen, in denen ständig neue 
Konflikte zwischen Sozialarbeitergruppenmitgliedern und Hier- 
archien aufbereitet, bearbeitet und bewältigt werden müssen. 
Pseudowissenschaftliche, verpsychologisierte Sichtweisen der 
Sozialarbeit trüben den Blick für die Bedürfnisse von Klienten. 
Klientenbedürfnisse, die früher von einem zuständigen Sozial- 
arbeiter erkannt wurden, werden nun fremdbestimmt durch eine 

permanent fortgebildete, 

mit ihrem Gruppenprozeß ständig beschäftigte, 

(gelegentlich vermutlich ausgeflippte), 

auf Identitätssuche befindliche, 

ihre Fachkompetenz anzweifelnde, 

mit Ausbildungsdefiziten behaftete, 

um ihr Selbstverständnis ringende, 

Teamfähigkeit erprobende, 

zeitweilig auf Talsohlen wandelnde, 

der allgemeinen Beunruhigung, Verunsicherung und Undzufrieden- 

heit durch Neuerungen ausgesetzte 
Sozialarbeitergruppe, die den Zeitaufwand für energieintensive 
Prozesse mit dem Team erlebten Höhepunkten und Tiefen berück- 
sichtigt haben möchte und angemessene Dienstbefreiung für die 
individuelle Weiterbildung als selbstverständlich erachtet. 
Beim Lesen des Artikels von Frau Mattusch (Nr. 4/76) ist mir 
erst richtig bewußt geworden, daß ich als alleinstehende Mut- 
ter mit ein bißchen erziehungsschwierigen Kindern die Sozial- 
arbeiter mit meinen Problemen nicht zusätzlich belasten darf. 


Neuer Rundbrief (des Senats für Familie, Jugend und Sport 
Berlin) 1/1977 





TRANSAKTIONSANALYSE (TA) 


ERGEBNISSE EINES FORTBILDUNGSSEMINARS 


Eine häufige Anwendung der TA als Methode im Bereich der Sozialarbeit/ 
Sozialpädagogik ist trotz der gewachsenen Popularität noch nicht zu 
erkennen. Diese Methode hat in den Fortbildungsstätten noch keinen 
nennenswerten Eingang gefunden. Es gibt bisher wenige Trainer bzw. 
Therapeuten, die TA als Methode vermitteln bzw. als Therapie anwen- 
den können. Angeboten wird TA bisher von der Fachhochschule für So- 
zialarbeit im Fortbildungsprogramm der Volkshochschule und dem Evan- 
gelischen Bildungswerk. 


In der Praxis wird die TA als Methode und/oder 
Therapie bei Suchtkranken wie Alkoholabhängigen, die eine Entzugs- 
kur von 6 bis 12 Wochen im Jüdischen Krankenhaus machen, wie Drogen- 
abhängigen, die sich auf der Drogenstation im Jugendstrafvollzug be- 
finden, angewandt. 

Ob nachweisbarer Erfolg durch die Anwendung von TA bei Suchtkranken 
zur "Heilung" führt, ist uns nicht bekannt. 


Von der Transaktionsanalyse erfuhr ich im Rahmen meiner Ausbildung 
zum Sozialarbeiter, neugierig geworden durch die Ankündigung im Ver- 
anstaltungskalender des Evangelischen Bildungswerkes, welche folgen- 
dermaßen lautete: 

"Tratiningsgruppe nach der Methode der Transaktionalen Analyse (TA)" 


"Diese Gruppenarbeit dient der Verbesserung der Kommunikation, der 
Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie des Rollenverständnisses. Mit der 
Methode der TA können die Teilnehmer inner- und zwischenpersönliche 
Schwierigkeiten bearbeiten, sich damit aus alten Abhängigkeiten lö- 
sen und neue Verhaltensmuster erproben." 


Und weiter aus einem Fortbildungsangebot der Staatlichen Fachhoch- 
schule für Sozialarbeit: 


"... Selbständigkeit und Eigenverantwortung stärken, TA ist eine 
Gesprächsmethode, mit der man verborgene, nicht gelebte Möglichkei- 
ten neu entdecken und aktivieren kann." 


So entschloß ich mich zur Teilnahme an einer Trainungsgruppe. 


Das Rekrutierungsfeld der Interessenten bezog sich auf Leute, die 

im sozialen und erzieherischen Bereich tätig sind. Ich lernte dort 
Leute kennen, die den Angeboten von Fortbildungsveranstaltungen der 
"neuesten" Methoden nachjagten und sie wie Sehenswürdigkeiten abhak- 
ten und andere Interessenten, die weniger oder keine Erfahrung mit 
Psycho-Methoden gemacht haben und die TA als Methode, nicht als 
Therapie, für sich kennenelernen wollten und sie auf ihre Anwendbar- 


53 m 


keit in der Sozialarbeit testen wollten. Da ich nicht unter dem Er- 
wartungsdruck von Kollegen stand, endlich mit "der" Methode aufwarten 
zu müssen, konnte ich unvoreingenommen die Methode kennenlernen und 
sehen, wie sie auf meine Befindlichkeit wirkt. 


DARSTELLUNG DER TA 


In Amerika wurde von Eric Berne eine Psycho-Methode entwickelt zur 
Analyse unbewußter Prägungen und Verhaltensabläufe. 

Die Methode verspricht, festgelegte Verhaltensmuster zu entziffern 
und Kommunikationsprozesse zu erkennen und evtl. zu verändern. 

Die TA erkennt krankmachende gesellschaftlich bedingte Faktoren an 
und hat sich von der traditionellen Einzeltherapieform losgesagt und 
eine Gruppentherapie entwickelt, die auch Leute aus unteren Schichten 
erreichen soll. Von daher ist der Wortschatz dieser Methode bewußt 
einfach gehalten, da der Patient mit dem Wortschatz umgehen muß. 


Die TA geht davon aus, daß die Intimität die intensivste Form des 
Lebens ist, jedoch in unserer Gesellschaft außerordentlich selten 
ist. Es ist nicht üblich, unkontrolliert Gefühle zu äußern, wahrzu- 
nehmen und wichtig zunehmen. Vielmehr werden nur solche Gefühle ge- 
zeigt und beachtet, die gesellschaftlich akzeptiert sind. - Nicht 
akzeptiertes Verhalten wird sanktioniert. So, als wenn die gesamte 
Person "nicht o.k." wäre. Z.B. dem Klienten der Sozialarbeit droht 
Einweisung in Anstalten oder Kliniken. 


Die Methode beinhaltet zwei Schwerpunkte: 


a) Transaktions-Analyse 
TA ist das Erkennen von Kommunikationsprozessen (verbal und non- 
verbal) zwischen mindestens zwei Personen. 
In der Kommunikation kommuniziert jede Person mit je drei Ich- 
Zustandesbereichen (Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich, Kind-Ich). 
Man unterscheidet: 1.) einfache (komplementäre ) 
2.) gekreuzte 
3.) verdeckte 
Transaktionen. 


E. 7 EL EL 
(K=—=> EL) bringst du mir bitte 
ER ER einen heißen Tee? 


(EL—>3K) hier nun trink mal schön. 


K K 
2.3 EL EL 
(ER—PER) wo sind meine Socken? 
ER ER 
(EL=+K) paß auf deinen Kram sel- 
! 
K K ber auf! 
3.) EL EL (ER= ER) wie geht es dir? 
BEN 
ER ga ER (ER&=ER) blendend! 
E (EL--=>K) (denkt: der k di 
K Az > enkt: der kann die ge- 


sellschaftlichen Zusammen- 
hänge nicht begriffen haben. 


Das Erkennen von Transaktionen soll mit Hilfe dieses Modells deut- 
lich werden und dient der eigenen Beobachtung. 


b) Struktur-Analyse 
Die Struktur-Analyse ist die Analyse der Einzelperson - was geht 
im Menschen vor? D.h. die Korrespondenz zwischen den Ich-Zustands- 
bereichen = Eltern-Ich (EL); Erwachsenen-Ich (ER); Kind-Ich (K). 
(Siehe Skizze Struktur-Analyse) 
Script-Analyse: Das Lebensscript beruht auf Eintragungen/Erleb- 
nissen, die frühkindlich prä- und non-verbal negativ erlebt wur- 
den (negativ = eigene Interpretation). Bedrohliche Erlebnisse in 
Wiederholungsform sind Vorprägungen/Verfügungen für "existiere 
nicht", "sei nicht wichtig". Diese Verfügungen sind die härtesten 
Einschreibungen im Lebensscript, die die Identität bestimmen. Da 
die Verfügungen nicht verstandesmäßig erfaßt werden, geht die TA- 
Therapie die Bearbeitung mit Hilfe von Traumanalysen und Phanta- 
sien an. Die Diagnose wird auf das Streben, Wollen und Handeln der 
Person bezogen. 


TH. A. HARRIS: “ICH BIN O.K. — DU BIST O.K.” 


Unter einer "Transaktion" ist nach Harris's eigener Darstellung zu- 
nächst jeder "Allerweltsdialog" (S. 12) zwischen mindestens zwei Per- 
sonen zu verstehen. Gegenstand der Transaktions- oder eben schlicht 
"Allerweltsdialoganalyse" ist es nun herauszuarbeiten, warum der Dia- 
log so und nicht anders abläuft und darüberhinaus festzustellen, wel- 
che verbalen und nichtverbalen Signale jeweils übermittelt werden. 
Ziel dabei ist, bewußte und unbewußte Verzerrungen des Dialogs sicht- 
bar und erfahrbar zu machen und auf diese Weise - durch gleichzei- 
tige Offenlegung der verdeckten Motivations- und Triebkräfte - An- 
derungen des kommunikativen Verhaltens zu bewirken. Erreicht werden 
soll ein "normales" und das heißt zunächst sich selbst und den Partner 
anerkennendes kommunikatives Verhalten. Dies ist in der Kurzformel 
"Ich bin o.k. - Du bist o.k.", die gleichsam eine Lernzielbeschrei- 
bung ist, ausgedrückt. 


Als ein Vorteil der TA gegenüber der Psychoanalyse wird hervorgeho- 
ben, daß jene nicht auf den Patienten bloß "angewandt" werde, son- 
dern ihm ein Werkzeug an die Hand gebe, das ihm erlaube, an sıch 
selbst zu arbeiten. (S. 14) Bedingung dafür ist allerdings, daß der 
Patient in der Lage und willens ist, Begrifflichkeit und Denksche- 
ma der TA zu erlernen und innerhalb dieses Systems sein Verhalten 

zu analysieren. 

Die Terminologie selbst wird in enger Anlehnung an die Psychoanalyse 
entwickelt, wobei die TA für sich in Anspruch nimmt, die Esoterik psy- 
choanalytischer Begrifflichkeit überwunden zu haben und sich einer 
allgemeinverständlichen und leicht erlernbaren Sprache zu bedienen 
(z.B. wird in der Behandlung ein Contrakt "Geschäftsabschluß" er- 
klärt, der je nach Angebot und Nachfrage zustandekommt oder nicht. 

Es werden nicht Erfahrungen gemacht, sondern es wird ein Computer 
mit Daten gefüttert etc.). 


= 45 e 


Zeitschrift für politische Ökonomie 
und sozialistische Politik 


Krise des Marxismus? 


dr E 2 
AO o 
Ao S, 


Editorial, Was heißt Krise des Marxismus? / Lucio Magri, Krise des M Einzelheft 
Kapitalismus und Krise der Linken / Diskussion „Krise des Marxis- DM 9.- 
mus”, mit Beiträgen von Frieder 0. Wolf, Auflösung oder Erneuerung d 
des Marxismus ?; Bernhard Blanke/ Gert Schäfer, Krise der Linken - 

Krise des Marxismus; Willfried Spohn, Thesen zum historischen ji 

Verhältnis von Marxismus und Arbeiterbewegung; Paul Oehike, Pro- # im Abo 
bleme der Marxismusdiskussion in der BRD / Alexa Mohl, Wissen- DM 8.- 
schaftlicher Sozialismus, was heißt das? / Christel Neusüß, Welche p 
Momente bestimmen die gegenwartige Stagnationsphase? / Ulrich 

Jurgens, Für eine Entmystifizierung des Gesetzes vom tendenziellen 

Fall der Profitrate / Rainer Dombois, Stammarbeiter und Krisen- E Rotbuch 


betroffenheit. Verlag 





Das Persónlichkeitsmodell der TA basiert auf dem Psychoanalyse-Modell 
der psychischen Struktur (Über-Ich/Ich/Es), wobei hier die Ich-Zustands- 
bereiche als Eltern-Ich/Erwachsenen-Ich/Kind-Ich nebeneinandergestellt 
werden. Analysiert werden nun die in einer Transaktion jeweils enthal- 
tenen Ich-Anteile, wie sie miteinander korrespondieren. Es ergibt 

sich das folgende intrapsychische funktionsanalytische Schema: 


STRUKTUR/FUNKTIONS-ANALYSE 


0 Eltern-Ich (EL) 
kritisches EL: Normen, Verbote, Gebote, "du sollst, muß nicht, 
könntest". Wird von Kleinkind als Fremdspeicherung 
von Eltern/Bezugspersonen abgeguckt und übernommen. 
nährendes EL: gut und fürsorglich mit sich und anderen umgehen, 
sich selbst annehmen. 


0 Erwachsenen-Ich (ER) 

Ethos: entwickeltes Sozialwesen, soziales Verhalten, Ge- 
gebenheiten einschátzen, erkennen und Handeln, Ver- 
antwortungsbewußtsein, Ich-Aktivität, Umsetzen der 
Normen aus EL. 


Funktion: kognitives Denken, Tun, Planen, Agieren. 

Pathos: gefühlsmäßiges Erleben, Vertrauen, Geduld, Anneh- 
men. Insgesamt integrierte funktionierende Persön- 
lichkeit. 

0 Kind-Ich (K) Speicherungen aus dem bewußten und unbewußten Er- 
lebenals Verhaltensweisen festgeschrieben. 
rebellierend re-aktiv = Rückzug, EL wird empfindungsmäßig er- 
und wartet und befürchtet; Folge: schmollender Rückzug, 
angepaßt: Energieleistung aus dem freien Kind kann nicht 
ins ER geholt werden, neurotischer Block. 
freies K: aktiv, spontan, unüberlegt, lustbetont 


re- 
bell. frei 


aktiv 


re-aktiv 


freifange- 
paßt 





= Y - 






EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT DER THERAPIE 





Wie aus zuverlássiger Quelle verlautet, wurde in den USA bereits 
vor lo Jahren ein Computerprogramm entwickelt, mit dessen Hilfe 
ein therapeutischer Dialog zwischen Computer (Arzt) und Mensch 
(Patient) hergestellt werden konnte. Zunächst bloßes Spielzeug 
psychiatrischer Kreise, entwickelte sich die Sache bald zum 
ernstgemeinten Planspiel. 








Wir zitieren folgenden Dialog, den ein Computer als Arzt (A) mit 
einem Patienten (P) führt: 





(P): Die Männer sind alle gleich. 

(A): In welcher Weise? 

(P): Sie machen uns immer wegen irgendwas verrückt. 

(A): Können Sie ein Beispiel nennen? 

(P): Na ja, die Idee zu diesem Gespräch stammt von meinem Freund, 
er sagt, daß ich oft deprimiert bin. 

(A): Es tut mir leid von ihnen zu hören, daß sie deprimiert sind. 

(P): Das stimmt, ich bin unglücklich. 

(A): Glauben Sie, daß dies Gespräch ihnen hilft, nicht mehr un- 
glücklich zu sein? 

(P): Ich brauche jedenfalls Hilfe, das steht fest. 

(A): Was würde es für Sie bedeuten, Hilfe zu bekommen? 

(P): Vielleicht könnte ich lernen, mit meiner Mutter auszukommen. 

(A): Erzählen Sie mir mehr über ihre Familie. 

(P): Meine Mutter erledigt alles für mich. 

(A): Wer in Ihrer Familie erledigt noch alles für Sie? 

(P): Mein Vater 

(A): Ihr Vater 

(P): Sie sind ein wenig wie mein Vater..... etc. 


















(Nach: Nagel/Seiffert, Inflation der Therapieformen, Hamburg 1979) 





Wie berichtet wird, träumten Psychotherapeuten davon, daß ange- 
sichts der hohen Rechenkapazität von Computern bald mehrere 
hundert Patienten vermittels spezieller Programme behandelt 
werden könnten und so, wie es heißt: "....die kostspielige Re- 
lation Arzt-Patient hinfällig würde." (ebenda, S. 261) Vor- 
stellbar sei,so heißt es weiter, "...die Entwicklung eines Net- 
zes von psychotherapeutischen Computeranschlüssen....etwa einer 
Phalanx von Telefonzellen vergleichbar, in denen wir für ein 
paar Dollar pro Sitzung mit einem aufmerksamen und weitgehend 
nicht-direktiven Computer sprechen könnten." (S.261) 












Frage ist: Was machen die arbeitslosen Therapeuten? 


Mit diesem Modell, so behauptet die TA, sei eine neue Sprache der 
Psychologie gefunden. Wir vermuten eher, daß es sich hier lediglich 
um einen der zahlreichen Versuche handelt, das langwierige und "un- 
ökonomische" psychoanalytische Verfahren zu vereinfachen. Dagegen 
wäre nichts einzuwenden, gingen nicht mit jenen Vereinfachungen 
auch wesentliche Gehalte emanzipatorischer Art verloren. Dies ist 
aber u.E. der Fall und hierauf soll, in der hier gebotenen Kürze, 
näher eingegangen werden: 

Die TA kommt, in der Gegenüberstellung von 2 Persönlichkeitsmodel- 
len, zu einem Grundschema von vier möglichen Lebenseinstellungen 
durch die vermittelt die Menschen sich selbst und andere sehen: 

l; Ich bin nicht O.k. = Du bist o, kx 

2. Ich bin nicht osk. = Du bist nicht o.k. 

3, Ich bin o.k; = Du bist nicht 0.k. 

4. Ich bin: o,k. = Du bist o.k 

Die 4. Grundeinstellung entspricht der anzustrebenden Normalität; 
diese herzustellen ist gleichsam das Lernziel der TA. In der Dar- 
stellung von Harris wird die geltende Normalität diskussionslos als 
gültig akzeptiert. Nach den Geltungsgründen von Normen wird weder 
gefragt, noch werden diese gar kritisiert. Gerade das emanzipato- 
rische Potential der Psychoanalyse, wie es sich beispielsweise in 
Freuds Auseinandersetzung mit der kulturellen Sexualmoral oder sei- 
ner Kritik am klassenspezifisch erzwungenen Triebverzicht ausdrückt, 
wird bezeichnenderweise ignoriert. Die Vereinfachung wird erkauft 
mit dem Rückfall hinter die in der Psychologie erreichten Höhe der 
Reflexion der Verursachungsbedingungen psychischer Probleme. Mit dem 
affirmativen Normbegriff der TA korrespondiert der naive Optimismus, 
daß jeder sich ändern kónne,wenn er sich nur gehörig bemühe. Selbst- 
veränderung wird zu einer reinen Willensfrage. Der Weg zur persön- 
lichen Freiheit, oder wie die TA das nennt zum "o.k.-sein", so die 
Verheißung der TA, stehe jedem offen, wenn er nur wolle. Die komplexe 
Problematik von Freiheit und Determiniertheit des Willens, wie u.a. 
auch Freud sie formuliert hatte, wird zugunsten einer pragmatischen 
und problematischen Freiheitsvorstellung aufgelöst. Solcher "ein- 
fachen" Lösung ist mit Mißtrauen zu begegnen. Nicht nur daß wie 
selbstverständlich die Freiheit auf Selbstverwirklichung innerhalb 
der bestehenden Normalität eingeschränkt wird; schwerwiegender noch 
ist, daß die Thematisierung von Konfliktsituationen und Problemen 
auf alltägliche Banalitäten beschränkt bleibt und keine Schlüsse auf 
zugrundeliegende psychische Strukturen gezogen werden. Sexualität 
als Konflikt- und Problembereich von zentraler Bedeutung kommt, man 
glaubt es kaum, nicht vor. Es scheint, als sei das Buch von Harris 
durch die Zensur amerikanischer Frauenvereine gegangen. Als hätte 

es Freud und eines seiner Hauptverdienste, die Entwicklung und Er- 
klärung von Persönlichkeitsstrukturen aus der kindlichen Sexualität 
nie gegeben, wird alles zensiert , was über den Horizont sogenann- 
ter "Kommunikationsprobleme'" hinausgeht. Der Text ist angereichert 
mit Beispielen, wie Menschen, mangels eines voll ausgebildeten Er- 
wachsenen-Ich, aneinander vorbeireden. Eine tiefergehende Analyse 
von Ursachen fehlt jedoch. Vertretbar wäre dies, wenn sich der Autor 
zwecks Verbesserung der Kommunikation mit den harmlosen Lebensregeln 
zufriedengäbe, wie sie allenthalben in die Lektüre eingestreut sind. 
U.E. hört der Spaß aber auf, wenn die Rede von jenen "klinischen 
Fällen" psychischer Störungen ist, auf die angeblich die TA auch an- 
wendbar sein soll. Versagt nämlich die Methode, vermittels der dem 


= 3 O 


Patienten eingeredet werden soll, daß er "o.k." sei, dann zeigt sich, 
welche Gewalt hinter diesem Verfahren steckt. Das liest sich folgen- 
dermaßen: 

"In Verbindung mit der Gruppentherapie werden Medikamente verabreicht, 
die helfen die Stimmung zu heben und extreme Erregung zu beheben. In 
Fällen schwerer Depression wird die Elektroschock-Behandlung ange- 
wandt. Nach 2 oder 3 Schocks wird der Patient fröhlich, entspannt und 
bereit zu reden." (Harris, S. 129) 

Welch segensreiche Wirkung von Chemie und Elektrizität! Wozu die gan- 
ze teure Therapie auf der Couch? In absehbarer Zeit werden wir uns zur 
fröhlichen Entspannung einfach an die Steckdose anschließen! Diese ver- 
räterische Stelle zeigt, daß die so harmlos daherkommende TA tatsäch- 
lich nur die erste Eskalationsstufe im Kampf gegen den Unangepaßten 
ist. Dies läßt sich weiter belegen mit Therapiebeispielen, in denen 
der Analytiker beispielsweise mit Fragen wie: Warum weigern Sie sich, 
das El-Er-K-Schema anzuwenden? Jeden Weigerungsversuch des Patienten 
unerbittlich auf das System zurückverweist, innerhalb dessen er sich 
realisieren soll. Allenfalls kann so dem Klienten eingeredet werden, 
er könne in einer - gespenstisch gegenstandslosen - Privatheit jen- 
seits von Ökonomie und Politik über sich selbst verfügen. 


INFO SCHULE 


Heft 35 

“UMGANG MIT 
FASCHISMUS” 
(104 S./DM 7,--) 


REIHE ROTER PAUKER | |REIHE 


Heft 16 ROTER PAUKER 


SCHÜLER — Heft 15 


ÖFFENTLICHKEIT MEDIENPRAXIS 
-Rosta-Fenster und -Öffentlichkeit für 


Schablonendruck Schüler u. Lehrlinge- 
(72 Seiten, DM By) (104 Seiten, DM 7,-- 


VERLAG 2000, POSTFACH 591, 605 OFFENBACH 





GESTALTTHERAPIE 


Gestalttherapie ist eine therapeutische Methode, die in den USA nach 
der Psychoanalyse und der Verhaltenstherapie die drittstárkste thera- 
peutische Richtung darstellt. Auch inder BRD breitet sie sich immer 
mehr aus, begleitet von entsprechenden Publikationen. 


Meine erste Bekanntschaft mit Gestalttherapie machte ich am Fritz- 
Pearls-Institut (FPI), so genannt nach dem Begriinder der Gestalt- 
therapie. Der folgende Erfahrungsbericht entstand nach der Teilnahme 
an einem der Auswahlseminare, die 2 mal jährlich stattfinden und ent- 
scheidend sind für die Zulassung zur 3-jährigen Ausbildung zum Ge- 
stalt-Therapeuten. Das Seminar erstreckte sich als Workshop über 5 
Tage. Etwa 15 Teilnehmer waren zugelassen. Entscheidendes Kriterium 
für die Aufnahme in die Ausbildung war die Fähigkeit, unter den Be- 
dingungen des workshops an einem Problem zu "arbeiten". Das schaffte 
eine besondere Drucksituation, besonders in den letzten Tagen , als 
die Zeit knapp wurde. Zwei der Teilnehmer konnten nicht vor der Grup- 
pe an einem Problem arbeiten und wurden daher nicht zur Ausbildung 
zugelassen; ihnen wurde stattdessen Einzeltherapie empfohlen. 


ERFAHRUNGSBERICHT 


Ich fuhr zur Tagungsstätte, im schönen Sauerland gelegen. Nach und 
nach reisten die Teilnehmer an. Diese ließen sich einteilen in die 
Sorte der gänzlich Neuen auf dem Psycho-Gebiet, die hauptsächlich 
neugierig waren, und die der Psycho-Profis, die schon einiges hin- 
ter sich hatten an Ausprobieren und Erlernen von Methoden. Letztere 
reisten mit präzisen Vorstellungen und Wünschen an. Sie wußten, woran 
sie arbeiten wollten und kamen daher auch schnell zum Zuge. Angefangen 
hat es dann damit, daß wir alle im Kreis saßen, uns kurz vorstellten 
und erzählten, welche Vorerfahrung wir hatten und wie wir an "Gestalt" 
geraten waren. Danach sollten wir uns den Raum aneignen - uns einfüh- 
len mit allen Sinnen, jedoch ohne Sprache. Das schweigsame, konzen- 
trierte Tun erzeugte eine eigenartige, ruhig-meditative Stimmung. 


Die nächste Übung lautete: Nimm zu den Menschen im Raum Kontakt auf - 
wiederum averbal. Da mir alle im Raume fremd waren, setzte ich mich 
alsbald auf einen an der Wand stehenden Tisch, wo mir eine andere 
Frau schweigend Gesellschaft leistete. Nach diesen beiden Übungen 
setzten wir uns wieder in die Runde, um zu berichten, wie wir den 
Raum und die Menschen erlebt hatten. 


Die wichtigste, sich immer wiederholende Frage lautete dabei, wie 
fühlst du dich jetzt. Der Reihe nach berichteten die Einzelnen de- 
tailliert ihr Erleben. Eine Frau antwortete auf diese Frage, daß 

sie sich vor einem Mann aus der Gruppe, Peter, fürchtete. Dieser nahm 


- 51 - 


den Vorwurf nicht an. Die Frau wurde daraufhin gebeten, ihre Angst 

zu beschreiben: Wie macht er Dir Angst? Sie sagte, seine ganze Hal- 
tung und Sprache würden sie einschränken. Er konnte das Geäußerte 
offensichtlich nicht verstehen - so ging das eine Weile hin und her, 
währenddessen die Frau immer aufgeregter wurde und anfing, die Hän- 
de zu verkrampfen und auf dem Stuhl herumzurutschen. Die Therapeutin 
fragte: Was tun deine Hände? worauf die Frau in Schluchzen ausbrach 
und stammelte, ich bin so hilflos und kann mich nicht wehren. Ein- 
mal aufgebrochen erlebte sie mit großer Heftigkeit diese Hilflosig- 
keit, die durch eine Übertragung auf diesen Mann ausgelöst worden 
war. Dieses Zittern und Schluchzen erschütterte mich sehr. Ich staun- 
te über das Ablaufende, weil ich mir nicht vorstellen konnte, selber 
derart heftig und entblößend vor diesem fremden Menschen agieren zu 
können. Die Szene endete mit einer Umarmung der beiden. Der Frau war 
klar geworden, daß sie an Konflikten aus einer anderen Beziehung 
"gearbeitet" hatte. Anschließend wurden wieder die einzelnen Gruppen- 
mitglieder nach ihren Gefühlen befragt und wie sie das Abgelaufene 
erlebt haben. Aus diesem Erzählen ergab sich meist schon eine neue 
Arbeit, die in der Regel zwischen einem Teilnehmer und der Therapeu- 
tin stattfand. Die Gestaltarbeit fand im wesentlichen als Einzelthera- 
pie in der Gruppe statt. Gruppenmitglieder sollten nicht während einer 
Arbeit eingreifen, es sei denn, sie waren direkt angesprochen, - 


So arbeitete Eine(r) nach der(m) Anderen. Zuerst die Profis, danach 
die Ungeübten, die es erst schafften, nachdem sich Beziehungen und 
Übertragungen entwickelt hatten. Am 4. Tag gelang es mir schließlich 
auch, an einer nicht verarbeiteten Trennung zu arbeiten, die mir 
hochstieg, d.h. Gestalt wurde, als eine andere Frau an einer Tren- 
nung arbeitete. - 

Danach fühlte ich mich viel mehr als vorher in die Gruppe integriert. 
Ich wurde von den anderen auf mein Erleben hin angesprochen und be- 
fragt. Endlich hatte ich das Gefühl, dazu zu gehören, während ich 
vorher eher als Beobachter von draußen zugeschaut hatte. Die ganzen 

5 Tage waren erfüllt von Erlebnissen und psychischen Abläufen, die so 
dicht und intensiv waren, daß alle Teilnehmer keine Lust hatten, das 
Haus zu verlassen und woanders hinzugehen. 

Nach Berlin zuückgekehrt, fand ich meine Wahrnehmung für den körper- 
lich-emotionalen Ausdruck geschärft. Viel deutlicher als vorher sah 
ich, was jemand mitteilt, gerade auch die Dissonanzen zwischen verba- 
len und körperlichen Aussagen. 


Nach dieser Erfahrung las ich verstärkt über Gestalttherapie, weil 
ich nicht nur erleben, sondern auch wissen wollte, was "Gestalt" ist. 
Bei der Einordnung des Gelesenen habe ich immer noch Schwierigkeiten. 
Die "Gestalt" selber begreift sichals eine Methode, deren Eigenart 

in der neuen Organisation schon bekannter Elemente besteht. Sie hat 
nicht, wie etwa die Psychoanalyse, den Anspruch, eine wissenschaftli- 
che Methode des Subjekts zu sein, vielmehr begreift sie sich als eine 
Art und Weise, mit der Wirklichkeit umzugehen. Ihr theoretischer Hin- 
tergrund besteht aus einigen Prämissen, die auch in der Therapie ganz 
direkte Rollen spielen,z.B. das "Hier-und-Jetzt-Prinzip". 


a El 


PRAMISSEN DER GESTALTTHERAPIE 


l. Den Namen nimmt die Gestalttherapie von der Gestaltpsychologie, 
deren wichtigste Vertreter Koffka, Köhler und W. und M. Wertheimer 
sind. \hre Grundannahme besagt, daß die menschliche Natur in Struk- 
turen oder Ganzheiten organisiert ist und von den Individuen auch so 
erfahren wird. D.h., das Erleben strebt nach ganzen Strukturen. Unab- 
geschlossene Erlebnisse binden Energie und schaffen Unbehagen. Ziel 
der Gestalttherapie ist, die Fähigkeit, unvollendete Erlebnisse ab- 
zuschließen, zu stärken. Der Neurotiker zeichnet sich dadurch aus, 
daß er besonders viele unabgeschlossene Situationen mit sich herum- 


schleppt. 


2. Das Leben und das Verhalten wird von der Homöostase bestimmt. Da- 
mit ist ein Vorgang gemeint, durch den der Organismus seine Gesund- 
heit unter wechselnden Bedingungen aufrechterhält. Jedes Bedürfnis 
stört das homöostatische Gleichgewicht, darum läuft dieser Prozeß 
ständig ab. Das vorherrschende, zur Befriedigung drängende Bedürf- 
nis wird "Figur". Nach seiner Erledigung tritt ein anderes in den Vor- 
dergrund. Es wird von einer Hierarchie der Bedürfnisse ausgegangen, 
die sich ständig verändert. 


3, Das holistische Prinzip bedeutet in der Philosophie Ganzheitsleh- 
re. Damit wendet sich die Gestalttherapie gegen die in den Wissen- 
schaften übliche Spaltung des Menschen in Geist-Seele-Körper und be- 
steht auf dessen Unteilbarkeit. Denken und Handeln werden als ver- 
schiedene Aktivitätsstufen des Menschen betrachtet, wobei die psy- 
chische Tätigkeit Energie sparend ist. Diese Betrachtungsweise be- 
tont die Gleichwertigkeit von geistiger Tätigkeit und Handeln. Die 
Gestalt und andere Therapien, die sich auf dieses Prinzip berufen, 
grenzen sich durch diese Auffassung explizit von der Psychoanalyse 


ab. 


4. Das Individuum lebt nicht isoliert, sondern in einem es umgebenden 
Feld, in dem es jederzeit Teil ist. Sein Verhalten ist eine Funktion 
des ganzen Feldes, das ihn und seine Umwelt einschließt. Das Indivi- 
duum fiihrt die Auseinandersetzung mit der Umwelt durch den Kontakt 
mit ihr. Riickzug und Kontakt bilden ein dialektisches Wechselverhált- 
nis. Ein Neurotiker kann weder richtig mit der Welt in Kontakt kom- 
men noch sich zurückziehen. Es geht darum, Beziehungen zu erreichen, 
die sowohl fürs Individuum als auch für die Gesellschaft befriedi- 


gend sind. 


5. Das Hier-und-Jetzt-Prinzip bedeutet Vorrang der Erfahrung vor der 
Interpretation und Verbalisation . Gestalt versteht sich als Experi- 
mentaltherapie. Das gegenwärtige Erleben ist Gegenstand der Therapie. 
Eine der wichtigsten Fragen lautet: Wie fühlst du dich jetzt? Die Ver- 
gangenheit ist nur insofern wichtig als sie in die Gegenwart wirkt. 

Es geht um das bewußte Erleben im Hier und Jetzt, das weitertreibend 
wirkt. Wenn jemand in der Lage ist, klar und deutlich zu erleben, wird 
er vom eigenen Richtungssinn zum nächsten wichtigen Erleben geführt. 
Durch dieses präzise Erleben kommt er zu Lösungen seiner Schwierig- 
keiten. Dies verstärkt seinen selbst-support, d.h. die Fähigkeit, den 
eigenen Emotionen zu vertrauen und dadurch zu größerer Entscheidungs- 
fähigkeit zu gelangen, ein Ziel der Therapie. 


- 53 - 


6. Emotionen werden von der Gestalt als die treibende Kraft im Le- 
ben, ja als das eigentliche Leben betrachtet. Práziseres und unblok- 
kiertes Erleben von Emotionen bedeutet mehr Kraft und mehr Leben. 
Emotionen sind die Sprache des Organismus. Sie liefern Energie für 
die Besetzung von Erregung und mobilisieren Mittel und Wege, Bedürf- 


nisse zu befriedigen. 


Da meine Erfahrungen mit Gestalt noch gering sind, bringe ich im 
folgenden nur eine kurze, vorläufige Einschätzung. l 
Gestalttherapie scheint mir als Methode geeignet für Menschen, die 
Schwierigkeiten haben mit der Wahrnehmung und dem Ausagieren von 
Emotionen, z.B. die Kopflastigen. Außerdem für solche, die sich sel- 
ber nicht trauen, d.h. die zu wenig die eigenen Bedürfnisse ernst 
nehmen. Ihnen kann Gestalt präziseres Wahrnehmen und Erleben dessen 
bringen, was ist. Außerdem können in der Gruppe ansatzweise neue Er- 
fahrungen gemacht werden, aufgrund der wachsenden Sicherheit gegen- 
über den eigenen Bedürfnissen, und dem jetzigen Sein. Problematisch 
könnte die Anwendung sein, wenn Personen sehr ichbezogen ihre Bedürf- 
nisse leben und eher Schwierigkeiten im sozialen Bereich haben und 
die Gruppe nicht in der Lage ist, diese Probleme anzugehen, Ebenso 
dort, wo jemand passiv die Erfüllung seiner Bedürfnisse von der Um- 
welt erwartet. Weil die Gestalttherapie meistens Einzeltherapie ist, 
könnte dieser Zug eher noch verstärkt werden. Voraussetzung für das 
Sich-Einlassen-Können auf Gestalttherapie ist eine gewisse emotio- 
nale Ansprechbarkeit und Belastbarkeit, was den Kreis der Personen, 
die etwas mit Gestalt anfangen können,einengt. 









Das Arbeitsfeld Schule im 
Sozialistischen Büro gibt 
viermal im Jahr den 
Informationsdienst 
Schule heraus: 













INFO SCHULE — HEFT 35 
“UMGANG MIT 
ERAMOS INFO SCHULE — HEFT 34+31 
Beiträge: Mit Festreden sich X 
festreden/Antifaschistische | ALTERNATIVE PADAGOGIK 


Tage in Hamburg/Plakat zur | Beiträge: Politikformen der pád. 
Reichskristallnacht/Projekt- | Intelligenz in der Krise/ 

tage an einer Volks- und Dimensionen alternativer Páda- 
Realschule/Nazistische Ten- | gogik/Rechtliche Grundlagen 
denzen bei Jugendlichen etc.| für Alternativschulen/ etc. 

104 Seiten/ DM 7,-- 64 Seiten/DM 4,--  £0S./DMS.- 
















GRUPPENSUPERVISION 


Seit einem Jahr mache ich zusammen mit drei anderen Sozialarbeitern 
eine Gruppensupervision. Wir alle (außer mir noch zwei Frauen und 
ein Mann) sind in unterschiedlichen Arbeitsgebieten bei der evange- 
lischen Kirche beschäftigt - meistals "Einzelkämpfer" - oder in sehr 
kleinen Dienststellen. 

Unsere Supervisorin haben wir uns selbst gesucht; sie hat mit unserem 
Anstellungsträger nichts zu tun. Die Kosten wurden vom Arbeitgeber 
ganz oder teilweise übernommen. Die ersten zehn Doppelstunden haben 
wir ganz in der Freizeit gemacht, beim zweiten und letzten "Zehner- 
block" trafen wir uns auch öfter in der Arbeitszeit. 


Der Ablauf eines Gruppentreffens sieht etwa so aus: Wir tauschen die 
Protokolle aus, die jeder einzelne über das letzte Treffen gemacht 
hat. In einer aktuellen Runde wird geklärt: Was liegt bei mir an 
Problemen an? Will ich das hier in der Gruppe besprechen? Wir ent- 
scheiden uns dann gemeinsam für ein Problem. Bei der Bearbeitung 
stellt die Supervisorin ab und zu Rückfragen, versucht wesentliche 
Punkte herauszuarbeiten oder macht methodische Vorschläge: z.B. Phan- 
tasieübungen, Rollenspiele zweier Teilnehmer, Rollenspiel "mit sich 
selbst' (man/frau wechselt zwischen zwei Stühlen und spielt einmal 
sich selbst, einmal z.B. den Klienten oder Vorgesetzten). 

Das Vorgehen ist sicher stark von der Person und der Ausbildung der 
Supervisorin abhängig; ich hatte den Eindruck, daß unsere ziemlich 
"undogmatisch'" die verschiedensten Methoden einsetzte, die ihr für 
die Arbeit brauchbar schienen und mit denen sie selbst bereits Er- 
fahrungen gemacht hatte. 


Ich selbst habe die Supervision und die dadurch ausgelösten Verände- 
rungen bei mir ziemlich positiv empfunden. Den Vorwurf, Supervision 
entpolitisiere die Leute und passe sie noch besser an die bestehen- 
den Verhältnisse an, kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. 
Diese Erfahrung hängt ganz eng mit meiner Geschichte zusammen und 1st 
wahrscheinlich nur unter ganz bestimmten Bedingungen möglich gewe- 
sen. Deshalb will ich versuchen meinen Hintergrund etwas deutlicher 
zu machen: 

Zu meiner Geschichte: 

Ich war früher Erzieherin. Mein Politisierungsprozeß fing noch wäh- 
rend der Erzieherausbildung an: Beim Jugendhilfetag 1970 war ich 
ziemlich beeindruckt von der linken Kritik an der herkömmlichen Vor- 
schulerziehung und kam ziemlich aufgewühlt und verändert in meine 
kirchliche Erzieherfachschule zurück. Nach dem Anerkennungsjahr fing 
ich gleich ein Sozialpädagogikstudium an. Gleich im ersten Semester 
an der Fachhochschule mußten wir uns gegen eine Verschärfung der 
Prüfungsordnung wehren. Weil ich da mitmischte, wurde ich ziemlich 
schnell in den AStA gewählt, ohne recht zu wissen wie mir geschah. 


= 55 - 





Ich lernte viele neue Leute kennen; wie bei vielen anderen war mei- 
ne politische Entwicklung von einigen Zufállen und persónlichen Kon- 
takten mit beeinflußt. 

An der Fachhochschule gab es damals noch keine politischen Gruppen. 
Einige "Undogmatische" gründeten so eine Art Diskussionszirkel zur 
"Organisationsfrage". Zuerst waren wir stärker gewerkschaftlich ori- 
entiert, dann tendierten einige von uns zur AK (damals "Rote Zellen - 
Arbeitskonferenz"). Diese Gruppe übte vor allem durch ihre gründli- 
chen Kapitalschulungen große Anziehungskraft auf die pluralistisch/ 
wissenschaftlich verunsicherten Sozialarbeiterstudenten aus. 


Nach dem Ende des Studiums bekam ich ziemlich schnell eine Stelle 

als Beraterin fiir Mitarbeiter im kirchlichen Dienst. Tátigkeitsmerk- 

male: Zustándig fiir berufsbezogene Beratung und Fortbildung, ziemlich 

viel Außendienst, "Ein-Frau-Dienststelle", die Kollegin des benach- 
barten Bezirks 70 km entfernt, alle 4 bis 6 Wochen zentrale Treffen 
mit Kollegen aus anderen Bezirken und dem Abteilungsleiter. 

Ich nahm die Stelle an, ohne recht zu wissen, was an Arbeitsbela- 

stung und Anforderungen auf mich zukam. Ein Grund für die schnelle 

Entscheidung war meine Angst, länger arbeitslos zu sein. 

Ich fing also zunächst mal mutterseelenallein und ohne Konzeption 

(weder vorgegeben noch eigene!) an, Kontakt zu meiner Zielgruppe auf- 

zunehmen.Die Gruppenzusammenhänge aus dem Studium waren auseinander- 

gefallen, ich gehörte keiner politischen Gruppe an. Meine Einstel- 
lung zum Beruf war aber ziemlich stark von AK-Einschätzungen geprägt: 

Den Beruf zynisch - also nur zur Reproduktion - ausüben. Politische 

Tätigkeit nur außerhalb des Berufes. Die zynische Einstellung hatte 

ich zwar im Hinterkopf, aber da ich sonst nirgends aktiv war, war 

mein politisches Engagement gleich null. Diese Ausgangslage hatte 
recht schlimme Folgen. In Stichworten: 

e Ich konnte mich mit meiner Arbeit nicht identifizieren, fand 
etwa 1 1/2 Jahre keine "Berufsrolle". 

e Von allen Seiten spürte ich Erwartungen, die nicht offen ausge- 
sprochen wurden, weder vom Anstellungsträger noch von den Leuten, 
die ich beraten sollte. Ich versuchte diesen "imaginären" Erwar- 
tungen gerecht zu werden und versäumte darüber, eigene Zielvor- 
stellungen zu entwickeln, verhandene Freiräume zu erkennen und zu 
nutzen. 

e Nie sprach ich offen mit anderen Mitarbeitern im Haus über meine 
Schwierigkeiten, zog mich zurück und saß oft völlig entmutigt 
und apathisch am Schreibtisch. 

e Um nicht als "links" aufzufallen, schluckte ich ziemlich viel an 
eigener Meinung und Ärger hinunter. (z.B. bei den monatlichen Tref- 
fen aller Berater, wenn wieder einmal ein "Hammer" geäußert oder be- 
schlossen wurde). 

e Ich führte eigentlich ein Doppelleben - konnte Beruf und Privat- 
leben überhaupt nicht in Einklang bringen. 

e Das Ganze führte zu ziemlich starken psychosomatischen Beschwer- 
den wie Magenschmerzen usw. 


Oft war mir danach zu Mute, den ganzen Kram hinzuschmeißen. Was mich 
letztlich an diesem Schritt hinderte war wohl, daß ich mir so eine 
"Niederlage" nicht eingestehen wollte. 

Inzwischen weiß ich von anderen Sozialarbeitern, daß meine Schwierig- 
keiten keine Einzelerscheinungen sind, sondern daß viele linke Be- 


= ER 


rufsanfánger mit Überforderung, "Doppelleben" usw. zu kämpfen haben. 


Eine Wende in meiner Misere zeichnete sich nach 1 1/2 Jahren ab: In 
anderen Bezirken wurden neue Berater eingestellt. Besonders eine Kol- 
legin, die ich für ziemlich unbedarft gehalten hatte, verblüffte mich 
durch ihre couragierten Äußerungen beim monatlichen Berater-Treffen. 
Nachdem dies keine Repressionen nach sich zog, fing auch ich lang- 

sam an 'aufzutauen' und den Mund aufzumachen. Mit meinem politischen 
Anspruch stand ich ganz schön beschämt da: Die anscheinend unbedarf- 
te Kollegin hatte sicher mit ihren Äußerungen mehr an Veränderung be- 
wirkt, als ich mit allen Einschätzungen, die ich ja nur im Kopf hat- 
te. 

Heute kann ich mit einigen Kollegen über die Zeit damals reden und 

sie bestätigen mir, sie hätten mich früher "ziemlich angepaßt" erlebt. 
Zu dieser Auftauphase - etwa 2 1/2 Jahre nach meinem Berufsanfang - 
beschloß ich fast gleichzeitig in den AKS (Arbeitskreis Kritische 
Sozialarbeit) zu gehen und eine Gruppensupervision anzufangen. 

Die Initiative zur Supervision ging von einer Kollegin aus, die ich 
flüchtig kannte. Meine Erwartungen- waren damals noch recht diffus: 
"Na, schaden kann es jedenfalls nichts, meine Vereinzelung in der 
Dienststelle durch eine Gruppe auszugleichen. ...Und vielleicht bringt 
es mich wirklichin einigen Beratungsfällen weiter." 


Gleich in einer der ersten Stunden hatte ich ein "Aha-Erlebnis". Ich 
erzählte von meinen Schwierigkeiten im ersten Berufsjahr und eine 
Kollegin, mit der ich seit zwei Jahre Tür an Tür arbeitete, sagte 
dazu: "Ja, das ging mir ganz ähnlich und zwar fast zur selben Zeit.." 
Dabei stellte sich heraus, daß wir uns gegenseitig für total "cool" 
und souverän gehalten hatten. Wir wären nie auf die Idee gekommen, 
uns das in der Dienststelle einfach mal zu sagen. 

Seitdem wurde in der Gruppe für mich ziemlich viel Solidarität spür- 
bar, die Offenheit blieb aber nicht nur auf die Gruppe beschränkt 
sondern übertrug sich auch nach außen. (Berater-Team, Mitarbeiter). 
Mit der Zeit erkannte ich, daß der enorme Leistungsdruck, unter dem 
ich stand, das ständige schlechte Gewissen, weniger durch objektive 
Anforderungen meines Arbeitgebers entstanden war, sondern daß ich 
mich selbst noch viel mehr unter Druck setzte. 

Genauso ging es mir mit Meinungsäußerungen, politischen Stellungnah- 
men usw.: Ich hatte in einer Art innerer Zensur die möglichen Repres- 
sionen meines Anstellungsträgers in der Phantasie vorweggenommen, 
aber nie probiert, wo in Wirklichkeit die Grenze ist. 


Inzwischen sage ich zwar auch nicht "alles" - aber zumindest nichts, 
wovo ich nicht überzeugt bin. Repressionen habe ich deshalb (noch?) 
nicht zu spüren bekommen. Ich habe in den meisten Punkten die Unter- 
stützung einiger Kollegen, die Auseinandersetzung bei unseren Tref- 
fen ist auch fachlich viel interessanter geworden. 


Die Erfahrungen mit "Selbstzensur'' und deren Überwindung haben mehre- 
re Kollegen aus dem AKS in ganz ähnlicher Weise gemacht. 

Nachdem ich meinen "internalisierten Leistungsdruck" erkannt hatte, 
konnte ich einige Veränderungen der Arbeitsbedingungen (z.B. Ein- 
schränkung von überregionalen Aufgaben) vorschlagen und mit Kolle- 
gen durchsetzen. Früher hätte ich befürchtet, alle anderen würden 
mich bei so einem Vorschlag für faul oder unfähig halten. 


- 58 - 


Ich versuche zum Schluf nochmal einiges zusammenzufassen was mir 

wichtig scheint: 

Die Supervisionsgruppe ist ein gewisser Schonraum: Es gibt keine 

Hierarchie, keine Repressionen, man kann Dinge äußern, die sonst 

nicht ohne weiteres ausgesprochen werden. Darin liegt sicher eine 

gewisse Gefahr: Wenn man sich mit so einer Gruppe eine Insel, ein 

Ventil schafft. Ich habe eben die Erfahrung gemacht, daß Offenheit 

und Solidarität nicht nur auf die Gruppe beschränkt blieb, daß ich 

mich auch "draußen" anders verhalten konnte. 

Für mich war es wichtig, eine Art emotionales Lernen zu lernen. Bis- 

her war ich immer sehr verkopft an Probleme rangegangen. Rational 

war mir dann vieles klar, ich kam aber auf der Verhaltensebene nicht 

weiter. Durch meine ersten Protokolle zieht sich immer wieder der 

Satz: "...ich hätte nicht für möglich gehalten, daß soviel in Bewe- 

gung kommt." 

Ich will auch nochmal an die Bedingungen erinnern, die in meinem 

Fall einen positiven Verlauf beeinflußt haben: 

- Wir hatten uns aus eigenem Antrieb für die Supervision entschie- 
den 

- Die Supervision war uns nicht von Amts wegen zugeteilt worden; 
wir suchten uns selbst jemanden mit dem wir arbeiten konnten. 


Problematisch ist die Sache dann, wenn der Supervisor in die Hierar- 
chie der eigenen Institution eingebunden ist. Wegen Dienstbefreiung 
und finanzieller Beteiligung sollte man auf jeden Fall mit dem Ar- 
beitgeber verhandeln. Bei einigen Trägern gibt es Richtlinien dafür, 
was einem in welchem Zeitraum an Supervision zusteht. 


Nach Abschluß der Gruppensupervision bleiben für mich doch einige 
Punkte, die durch Supervision nicht zu lösen sind, wo sie an ihre 
Grenzen stößt: 

e Das Problem ein Doppelleben zu führen, besteht nach wie vor, auch 
wenn es etwas abgemildert ist, und ich in Kleidung, Verhalten usw. 
"echter" sein kann als vorher. Kollegen, die bei evangelischen 
oder katholischen Trägern arbeiten, berichten ähnliches. Der Druck 
auf das Privatleben - oder zumindest unsere Angst davor - hat 
durch neue Einstellungsrichtlinien im letzten Jahr noch zugenom- 
men. 

e Daß ich in politischer Hinsicht bisher keine Repressionen des An- 
stellungsträgers spürte, liegt wohl weniger an dessen Großherzig- 
keit als an der Tatsache, daß meine Schritte wirklich sehr klein 
waren. 

Zwei Punkte an meiner Arbeit sind trotz (oder wegen?) Supervision 

inzwischen für mich nicht mehr tragbar: 

e Eine nie ganz geklärte Verknüpfung von Beratungs- und Kontroll- 
funktion in meinem Dienstauftrag und - was noch schwerer wiegt: 

e Die Vereinzelung in meinem Aufgabenbereich: Die Supervisionsgrup- 
pe kann mir ein echtes Arbeitsteam nicht ersetzen! 

Ich habe mir inzwischen eine neue Stelle gesucht, wo ich wirklich 

mit Kollegen im Team zusammenarbeiten kann. 


SILBENRATSEL FUR “METHODEN-FANS” 
UND SOLCHE, DIE ES NIE WERDEN WOLLEN 


ons- ly- fi- psy- sen- ti- on- vi- heits- ein- er- in- me- cho- Be- 
ca- ma- se- fah- ter- cho- su- trans- ser- band- lan- kind- work- 
heit- ak- psy- per- si- psy- trai- pe- ak- arls- boom- lie- sel- ich- 
rung- bst- tion- ner- on- ton- ko- stra- dra- cho- ti- a- na- se- 
pro- cho- kis 


Aus diesen Silben sind 16 Wörter der nachfolgenden Bedeutungen zu bild- 
en. (Pro Strich(-) ein Buchstabe), (Zahlen in Klammern: Anzahl der Buch- 


staben. Die Buchstaben in den Kreisen ergeben von oben nach unten ge- 
lesen den Lösungsspruch. Die richtige Lösung bitte an die Kontakt- 


l. rebellierendes Ich(12) == --- Af - - - - 


2. Traditionelle Methode in 
der Sozialarbeit (8) O 


3. Ziel des Strebens von 
Geist und Körper (7) =-- > _ 


spannende Erfahrung (15) a 


Kommunikatives Handeln(11) 


tiefe Traurigkeit,Schwermut (11) == -- 


~s > Una DB 


unerläßl.technisches Instru- 


ment b.d. Anwendung der 
Heimler-Methode (7) rö 


8. Bekanntes Fortbildungs- 
Institut (Straßenname) (11) O 


9. szenische Darstellung akuter 
Problemsituationen als 
therapeutische Methode (11)  -- - - - - O- - - - 


lo."Wiederaufbereitungssitzung" 

für Sozialarbeiter (11) -5 zu um. 
Il.der "run" auf die Psychometh(lo)- - - - - - >. - - 
12.Anleiter einer Psychogruppe (7)- - - - - - - qe - - - - - - - - - - - 
13.Begründer der Gestalttherapie(6) - - - - - A - - - - - - - - - - - 
14.Psychomethode mit der selbst 

internationale Spannungen 

gelöst werden können (19)  ------- O) ETET ae 
15.Kenner und Könner der Psychometh. - - - - - (5 ==. --- 
l6.wichtiges Utensil bei der Anwendung 

der Gestalttherapie (6) O - - - - - 


- 60 - 


Albert Hofmann 


AUF WELCHE SITUATION TREFFEN DIE METHODEN? 
EINIGE DATEN ZUR SOZIALHILFE 


1. ZUNAHME DER SOZIALHILFEEMPFANGER — ABNAHME DER LEISTUNGEN 


"Eigentlich müßte sie schon längst bedeutungslos geworden sein, die 
Sozialhilfe" - sinnierte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "denn 
das Netz der sozialen Sicherheit ist in den vergangenen Jahren immer 
enger geknüpft worden. Wirkliche Notlagen, in denen die Sozialhilfe 
einzuspringen hat, sollte es nur noch ausnahmsweise geben."(1) 

Daß die Sozialhilfe nicht bedeutungslos geworden ist, zeigen die 
jüngst vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen. (2) Im 
Jahre 1977 waren immerhin 2 164 ooo Menschen offiziell von Sozial- 
hilfe abhängig. Etwa jeder 28. Bundesbürger war somit Sozialhilfe- 
empfänger. Noch höher liegt der Anteil der Sozialhilfeempfänger an 

der Bevölkerung in ausgewählten Städten. Etwa jeder 13. Einwohner 

von Berlin und etwa jeder 18. Einwohner von Hamburg bezog 1977 Sozi- 
alhilfe. 

Diese Zahlen des "offiziellen Papuerismus", dürften nur einen Teil 

der tatsächlichen Sozialhilfeberechtigten wiedergeben. Zur Erinnerung: 
auf fast 6 Millionen schätzte 1975 der damalige Sozialminister von 
Rheinland-Pfalz und gegenwärtige Generalsekretär der CDU Heiner Geiß- 
ler die Anzahl der Menschen, welche mit ihrem Einkommen unter dem 
Sozialhilfeniveau liegen. 

Die Berechnung des Ministeriums ergab ferner, daß sich diese 6 Milli- 
onen Menschen auf 2 Millionen Haushalte verteilen. Jeder 11. (!) Haus- 
halt in der BRD wäre demnach sozialhilfebedürftig. Es ist hier nicht 
der Ort zu überprüfen, inwieweit die Zahlen des ehemaligen Sozial- 
ministers H. Geißler aus politischen Gründen überzogen sind. Daß die 
offizielle Zahl der Sozialhilfebezieher unter den tatsächlichen Sozial- 
hilfeberechtigten liegt, ist allgemein unbestritten. (3) 


Wie immer - 2 164 ooo registrierte Sozialhilfeempfänger im Jahre 1977 
(und diese Zahl ist schlimm genug), bedeuteten gegenüber dem Vorjahr 
1976 eine Erhöhung um 6,7 Prozent bei den Empfängern laufender Hilfe 
zum Lebensunterhalt. Seit 1972 stieg die Zahl der laufend unterstütz- 
ten Sozialhilfeempfänger um nicht weniger als 50 %(!). 

Zweifelsohne, entgegen vorhandener Schönfärberei, die den Anstieg der 
Sozialhilfeempfänger mit Verbesserungen des Bundessozialhilfegeset- 
zes (BSHG) begründen will, ist dieser Anstieg, wie es selbst von dem 
"Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge" nicht mehr 
übersehen werden kann, durch die "schwerste Wirtschaftskrise, in der 
sich die westlichen Industrieländer seit den 30er Jahren befinden", 
geprägt.(4) Vor diesem Hintergrund betrug beispielsweise in Baden- 
Württemberg von 1973 zu 1974 die Steigerung der Empfänger laufender 
Hilfe zum Lebensunterhalt 24,8 %. Die Zahl der Haushalte, denen zum 
Arbeitslosengeld auch Sozialhilfe gewährt werden mußte, steigerte sich 
um 375,88 Z (!!). (In den Landkreisen um 388,85 %).(5) 


- 61 - 


"In Köln waren im Februar 1975 etwa 1500 Arbeitslose mit ihren Fami- 
lien - jeder achte Arbeitslose ! - auf Hilfe zum Lebensunterhalt 
angewiesen.'"(6) 

Dieser Anteil der Sozialhilfeempfänger unter den Arbeitslosen ent- 
spricht den Ergebnissen einer Untersuchung des "Instituts für Ar- 
beitsmarkt- und Berufsforschung" (IAB).(7) Die Untersuchung erbrach- 
te das Ergebnis, daß der Anteil der Sozialhilfeempfänger unter den 
Arbeitslosen nach gut einem Jahr Arbeitslosigkeit 7 Prozent beträgt. 
Dieser Anteil steigerte sich bis 1977 auf 9,8 %.(8) Mit anderen Wor- 
ten: etwa jeder lo. Arbeitslose bezog 1977 Sozialhilfe. Sprungartig 
erhöht sich die Anzahl der Arbeitslosen, die Sozialhilfe beanspruchen 
müssen, bei einer Dauer der Arbeitslosigkeit von zwei und mehr Jah- 
ren. Jeder 4. Arbeitslose (24 %) bezog nach der Untersuchung des IAB 
nach einer Dauer der Arbeitslosigkeit von zwei und mehr Jahren Sozial- 
hilfe. 

Noch schlimmer verhält es sich bei arbeitslosen Ehepaaren mit Kin- 
dern: jedes 3. Ehepaar mit Kindern (38,1 %) mußte 1977 zusätzlich 
zum Arbeitslosengeld oder zur Arbeitslosenhilfe Sozialhilfe in An- 
spruch nehmen. (9) Es darf unterstellt werden, daß die Zahl der Ar- 
beitslosen, die Sozialhilfe beziehen könnte, noch höher liegt, denn 
im gleichen Zeitraum wurden 16 % der Arbeitslosen von Verwandten und 
Bekannten unterstiitzt.(lo) 


JUGENDARBEITSLOSIGKEIT 


Als Berufsanfänger haben Jugendliche keinerlei Ansprüche auf Arbeits- 
losengeld bzw. Arbeitslosenhilfe. Bei evtl. Bedürftigkeit der Fami- 
lie bleibt ihnen nur der Gang zum Sozialamt. Jugendliche Arbeitslose 
sind also in steigendem Maße auf Leistungen der Sozialhilfe angewie- 
sen. 

35 Prozent (!) der Sozialhilfeempfänger waren 1977 unter 21 Jahren (!). 
Der Anteil der 14-21-jährigen betrug davon 231 659. Am stärksten stieg 
in dieser Gruppe der Sozialhilfeempfänger der Anteil der 14- bis 

unter 18-jáhrigen. Von 1.000 Jugendlichen dieser Altersgruppe bezogen 
im Jahre 1970 25 Sozialhilfe. Im Jahre 1974 waren es bereits 34, so- 
dann im Jahre 1976 vierzig. (11) 

Es gibt gegenwärtig keine Anzeichen, daß die Entwicklung zu immer mehr 
Sozialhilfebedürftigkeit gestoppt werden könnte. Im Gegenteil - der 
Sozialbericht 1978 prognostiziert bis 1982 (gegenüber 1975) eine Ver- 
doppelung der Sozialhilfeleistungen (von 8 Mill. auf 17 Mill.).(12) 


Eigentlich überflüssig zu bemerken, daß diese prognostizierte Aus- 
gabenverdoppelung keinen geplanten Leistungsverbesserungen geschul- 
det ist: Die Bundesregierung ist sich ihrer "Mitverantwortung für die 
Belastbarkeit insbesondere der kommunalen Haushalte bewußt" und be- 
tont in der Begründung zum Entwurf der 4. BSHG-Novelle, daß sie sich 
veranlaßt sehe, "trotz mannigfacher Wünsche für einen weiteren Ausbau 
der Leistungen der Sozialhilfe einen im wesentlichen kostenneutralen 
Gesetzentwurf vorzulegen.'(13) 

Angesichts der steil ansteigenden Zahl von Sozialhilfebeziehern sind 
die Länder ihrerseits zu Leistungseinschränkungen übergegangen. Im 
Januar 1978 rückten erstmals einige Bundesländer, von der in den ver- 
gangenen Jahre geübten Praxis ab, die Regelsätze für Sozialhilfe- 
empfänger, jeweils jährlich, zum Jahresbeginn oder zur Jahreshälfte, 
um einen kleinen bescheidenen Betrag anzuheben. (14) Vorläufiger Höhe- 


w EY a 


punkt und erstes greifbares, wenn auch nicht einziges Ergebnis, der 
seit geraumer Zeit geführten '"Kostendämpfungsdiskussion in der So- 
zialhilfe".(15) 


Der Angriff auf die Regelsátze steht nicht isoliert. Ebenfalls einge- 
schránkt werden die sogenannten einmaligen Beihilfen. Bujard/Lange 
kamen in ihrer Untersuchung über "Armut im Alter" zu dem Ergebnis, 
daß die "Beträge häufig nicht ausreichen, um den erforderlichen Ge- 
genstand auf dem normalen Wege zu erwerben... Die für die einmaligen 
Beihilfen eingesetzten Richtwerte sind ohne Zweifel Minimalsátze."(16) 


Dessen ungeachtet wird munter weiter abgebaut. Exakte Informationen 
aus dem gesamten Bundesgebiet fehlen leider. Eine Tendenz des Abbaus 
zeigt die von der "Landesarbeitsgemeinschaft soziale Brennpunkte Hessen" 
durchgeführte Umfrage. Die "Landesarbeitsgemeinschaft" befragte in 
einem Fragebogen verschiedene Projekte zur gegenwärtigen Handhabung 
der Beihilfegewährung: (17) 

In Offenbach a.M. war es bis 1974 "üblich, daß 15 % des Gesamtjahres- 
regelsatzes pro Person zur Grundlage für Bekleidungsbeihilfe diente, 
wobei in der Regel eine Pauschalisierung gewählt wurde. Stufenweise 
wurde dann 1975/76 der Betrag auf zunächst 12,5 % und dann auf lo % 
des Gesamtjahresregelsatzes herabgedriickt." 

In Darmstadt wird Bekleidungsbeihilfe für Bewohner von "sozialen 
Brennpunkten" immer nur mit Gutscheinen gewährt. Bei Forderung nach 
Bargeld werden lo % von der gewährten Summe abgezogen...Der Verweis 
auf die freie Wohlfahrt geschieht häufig." 

"Eine neue Variante ist (in Fulda) die, daß eine Hilfe zum Lebens- 
unterhalt-Empfängerin, die ohnehin schon für diese Hilfe 12 Tage im 
Monat Pflichtarbeit leistet - wie ihr gesagt wurde für Stromschul- 
den, die das Amt übernahm - andere Einzelbeträge verwehrt werden, 
die erst nach Abarbeitung der Stromschulden behandelt werden könn- 
ten." 


2. VERSCHLECHTERUNG DER LEBENSSITUATION 


Diese restriktive Praxis der Länder und Kommunen führt zweifelslos 
zu einer einschneidenden Verschlechterung der Lebenssituation von 
Sozialhilfeempfängern. 


Grundsätzliche Bedenken und Kritik an der Höhe der Sozialhilfe, selbst 
in Zeiten als sie noch regelmäßig erhöht wurde, wurde schon wieder- 
holt vorgebracht. 

Strang kommt anhand seiner Untersuchung über "Erscheinungsformen der 
Sozialhilfebedirftigkeit" 1970 zu dem Schluß, "daß die Regelsátze 
derart knapp bemessen sind, daß die tatsächlich realisierten Ausgaben 
zur Deckung des existierenden Bedarfs den erweiteren Lebens- und Kul- 
turbedarf weitgehend aufbrauchen... Die praktische Befolgung des Prin- 
zips der Menschwürde im BSHG muß demnach angesichts dieses Sachver- 
halts in Frage gestellt werden." 

Insbesondere sieht er "bei steigender Preistendenz'" eine ständige Be- 
nachteiligung der Sozialhilfeempfänger und warnt davor, "leichtfertig 
auf 'unrationelles' und unwirtschaftliches Verhalten (zu) schließen, 
wenn man erfährt, daß sich ein Teil der Befragten oft in dringenden 
finanziellen Schwierigkeiten befindet.'"(18) 

Eine Schlußfolgerung, die sich ebenfalls in der Untersuchung von Mün- 


- 63 - 


stermann, Schacht und Young aus dem Jahre 1974 findet. 


Die Erhebung in einem Dortmunder Stadtviertel ergab: "63 Prozent der 
Armen gaben an, daß sie weniger als nötig hatten..Zum anderen meinten 
vor allem die Armen, die Einkommenssteigerungen hätten nicht ausge- 
reicht, um die Preissteigerungen auszugleichen. 65 Prozent der Armen.., 
gaben im Herbst 1974 an, sie hätten mit Einkommenserhöhungen die 
Preissteigerungen nicht kompensieren können. Hier zeigt sich, daß die 
Armen 'mehr bezahlen müssen': die Konsumgüterpreise, die sich für al- 
le Sozialschichten absolut gleich erhöhen, treffen die niedrigen 
Einkommensgruppen natürlich stärker, da sie zumeist mit Einsparungen 
bei alltäglichen Gütern reagieren müssen.'(19) 

Ein Ergebnis, das wiederum von Bujard/Lange für die Gegenwart be - 
stätigt wird. "Die Skala weist auf, daß unter den befragten alten 
Menschen finanzielle Schwierigkeiten ein alltägliches Problem ist, 
kommen sie doch nicht nur bei besonderen und/oder unvorhergesehenen 
Ausgaben in Schwierigkeiten, sondern durch die täglichen Notwendig- 
keiten sich zu ernähren, zu bekleiden, zu erwärmen etc." 

Und zur bundesrepublikanischen Wirklichkeit gehört auch, daß Men- 
schen auf die Frage, "was sie für den Fall, sie erhielten 2.000 DM, 
mit dem Geld anfangen würden", u.a. antworteten: "Ich würde mich 
einmal richtig satt essen."(2o) 


Daß die Sozialhilfe nicht ausreicht, wurde ferner für die Gruppe der 
alleinerziehenden Mütter und Väter durch eine Untersuchung des "Ver- 
bands alleinerziehender Mütter und Väter" (Landesverband Westberlin) 
ermittelt. Der Landesverband befragte seine Mitglieder von denen be- 
kannt war, daß sie Sozialhilfe beziehen, mittels eines Fragebogens. 
Das Ergebnis: "acht von zehn kommen mit der Hilfe nicht aus". (21) 


3. FINANZIELLE SITUATION UND PSYCHO-SOZIALE BELASTUNGEN 


"When poverty comes in at the door, 
love leaps out of the window" 
(Altes englisches Sprichwort) 


Der Zusammenhang von materieller/finanzieller Situation von Sozial- 
hilfeempfángern und den damit evtl. verbundenen psycho-sozialen Be- 
lastungen, war meines Wissen noch nie Gegenstand einer wissenschaft- 
lichen Untersuchung. 

Einige Hinweise über die "Auswirkungen der Sozialhilfebedürftigkeit 
auf das soziale Verhalten, die Mentalität und individuelle Lebens- 
gestaltung" finden sich bei Strang, der folgende Schwierigkeiten auf- 
zeigt: Resignation, Verzweiflung, Schrumpfung der Lebensperspektive, 
Abbau der sozio-kulturellen Persönlichkeit, soziale Isolation und 
Einsamkeit, familiale Spannungen, Schwierigkeiten der Haushalts- 
führung und des Wirtschaftsgebarens."(22) 

Strang hält fest, daß "die mit der Situation der Sozilahilfebedürf- 
tigkeit verbundene wirtschaftliche Eingeschränktheit" sich "disfunk- 
tional auf Ehe und Familie auswirkt". 

Auf die Frage: "Wie wirkt sich ihre wirtschaftliche Lage auf das 
Familienleben aus?", antworteten 1,5 Z, daß sie aufgrund der wirt- 
schaftlichen Situation dauernd Spannungen und Streit hatten, 4,5 % 
bekannten ziemlich oft Spannungen und Streit und 24,6 % der Befragten 


- 6 - 


erklärten manchmal Spannungen zu haben. "Ein Anlaß für familiale 
Spannungen ist oft dann gegeben, wenn die Kinder (als Kostenfaktor) 
in Bezug auf Kleidung, Spielzeug etc. im Vergleich und in der sozia- 
len Konkurrenz mit den Gleichaltrigen nicht mithalten können und da- 
her als 'arm' auffällig werden."(23) 


Weitere Hinweise über den Zusammenhang vonmaterieller/finanzieller 
Situation und psychischen Belastungen finden sich in den in der Ge- 
genwart verstärkt durchgeführten Untersuchungen über den Zusammenhang 
von Arbeitslosigkeit und psycho-sozialen Problemen. 


Wen mag es verwundern? 
' 


'Finanzielle und psycho-soziale Belastungen stehen in einem engen 


Zusammenhang", schlußfolgert das bereits erwähnte Institut für Ar- 
beitsmarkt- und Berufsforschung in der Untersuchung über "Finanziel- 
le und psycho-soziale Belastungen während der Arbeitslosigkeit". (24) 
"So geben bei nur geringen finanziellen Schwierigkeiten 14 % der Ar- 
beitslosen an, häufiger als sonst Ärger in der Familie zu haben; bei 
Arbeitslosen, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen konn- 
ten, sind es dagegen 49 %.'"(25) 

"Die psycho-sozialen Belastungen sind bei langanhaltender Arbeitslo- 
sigkeit (vor allem bei Arbeitslosen nach einer Dauer der Arbeitslo- 
sigkeit von zwei Jahren und mehr) besonders hoch."(26) 

Zu verstärkten familialen Spannungen kommt es ferner, durch die Ab- 
hängigkeit der arbeitslosen Jugendlichen von ihren Familien. "Die 
Familienbeziehungen werden durch die Arbeitslosigkeit vor allen bei 
Jugendlichen stark belastet: 50 % der Jugendlichen...stimmten der 
Aussage zu 'in der Familie gab es häufiger als sonst Ärger'".(27) 


4. METHODEN ALS SOZIALE KONTROLLE 


In den "Kritischen Randglossen", einem für die Sozialarbeit überaus 
wichtigen Text hat Marx in seiner Polemik gegen Arnold Ruge aufge- 
zeigt, daß die Administration des damaligen England es aufgegeben 
hatte, "durch positive Mittel die Quelle des Pauperismus zu verstop- 
fen; sie begnügte sich damit, sooft er an der Oberfläche des offi- 
ziellen Landes hervorsprudelte, mit polizeilicher Milde ihm ein To- 
tenbett zu graben.'(28) 

Sind die psychologisch/psychotherapeutischen Methoden in der Sozial- 
arbeit neben und in Ergänzung zu z.B. Jugendpolizei u.ä. gegenwärtig 
ein verstärkter Reflex auf den gegenwärtigen Pauperismus? 

Sollen sie ihm mit "polizeilicher Milde" ein Totenbett graben? 
Methoden als soziale Kontrolle? - wie es G.Amendt für die Zwangsbe- 
ratung des $ 218 sieht: "Die Schädigung des Einzelnen ist nicht nur 
sein privates Problem, sondern auch Gegenstand der sozialen Kontrolle 
über auffälliges, unerwünschtes und mißliebiges Verhalten. Private 
Leidenerfahrung ist somit immer auch ein Stück öffentlich relevanten 
Verhaltens, das durch die Instanzen sozialer Kontrolle auf den rich- 
tigen Nenner, das passende Eitkett gebracht und gegebenenfalls unter- 
drückt wird."(29) 

In ihrer Autobiographie "Fürsorge im Wohlstand - ein Bericht aus 
Frankreich" hat Madeleine Prudhomme nach 15-jähriger Tätigkeit in 
der Familienfürsorge einer Pariser Vorstadt festgehalten: 

"Es geht nicht darum eine Hilfstechnik zu vervollkommen" - und 

"die übertriebenen individuellen Methoden der Familienfürsorge halten 


u 


die Fürsorgerinnen davon ab, das gesellschaftliche Leben zu erfassen.. 
Unsere Arbeit wäre erfolgreicher, wenn wir uns über den einzelnen 
'Fall' hinaus mit den großen Problemen global hefaßten: Fremdarbeiter, 


Rentner, Frauen, Jugendliche, wenn wir an die Ursachen herangingen 
und nicht immer nur an die Folgen. "(30) 


ANMERKUNGEN 


( 1) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.11.1975 

( 2) Über die Anzahl der Hilfeempfänger und über die Einnahmen und 

Ausgaben der Sozialhilfeträger wird jährlich vom Stat. Bundesamt 

getrennt berichtet. 

Für das Jahr 1977 siehe, "Wirtschaft und Statistik", 4, 1979, 

S. 284 ff. Neuere Zahlen liegen nicht vor. 

Detaillierte Daten über die Sozialhilfeempfänger sind nur ver- 

streut zu finden. Dies erklärt auch, warum im vorliegenden Auf- 

satz Zahlen verschiedener Jahre verwendet werden. 

"Amtliche Statistiken informieren uns exakter über die Zahl der 

gelegten Eier, Schlachtviehauftrieb, Ochsenpreise, Düngemittel- 

umsatz, Aktienkurse, Eisenbahn-Kilometer, Postpakete, belegte 

Hotelbetten, Ödland und Abwässer als über viele Lebenstatbe- 

stände. Liest man z.B. die Zeitschrift "Wirtschaft und Statistik" 

des Statistischen Bundesamtes, fällt schon rein optisch das weit 

größere Interesse an Wirtschaftsdaten auf (daher auch der be- 

zeichnete Zeitschriften-Name!) als das Interesse an Informatio- 

nen über die Bürger unseres Landes. Genaue Zahlen über Produktion, 

Handel, Preise und Absatz sind in unserem Wirtschaftssystem of- 

fenkundig dringender und interessanter als soziale Daten." 

(Theorie und Praxis der sozialen Arbeit, 1977, S. 55) 

( 3) Neue Soziale Frage - Zahlen, Daten, Fakten, vorgelegt von Heiner 
Geißler, 5. Nov. 1975 
Die Zahlen von H.Geißler wurden nach der Veröffentlichung allge- 
mein als zu hoch kritisiert. Vgl. hierzu die "Armutsdiskussion'". 
Einen Überblick hierzu findet sich in Nachrichtendienst des 
Deutschen Vereins, 1976, S. 144-149 
"Verfolgt man die jüngste wissenschaftliche Auseinandersetzung 
über Armut in der Bundesrepublik, so erkennt man, daß es in die- 
ser vorrangig um das Ausmaß von Armut geht. Die Diskutanten un- 
terlegen je unterschiedliche Einkommendaten, Armutsgrenzen und 
andere Prämissen und können so unbegrenzt darüber streiten, ob 
es in unserer Gesellschaft eine Million oder gar sechs Milli- 
onen Armen gibt. Wenn man nicht nur solche Debatten verfolgt 
oder sich in sie auf der vorgegebenen Argumentationsebene ein- 
schaltet, sondern wenn man sich in die Realität von Armut hin- 
einbegibt und sie konkret kennengelernt hat, so wird einem die 
Nutzlosigkeit eines solchen Streits über Mengen deutlich." 
Bujard/Lange in ihrer Einleitung zu "Armut im Alter" 

( 4) NDV 1976, S. 73 

( 5) Zeitschrift für kommunale Selbstverwaltung, Offizielles Organ 
des Deutschen Landkreistages, 1975, S. 415 

( 6) Theorie und Praxis der sozialen Arbeit, 1975, S. 254 

( 7) Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 
1976, S. 397 ff 

( 8) Wirtschaft und Statistik, 4, 1979 


( 9) 
(lo) 
(11) 
(12) 
(13) 


(14) 


(15) 


(16) 
(17) 


(18) 
(19) 
(20) 
(21) 
(22) 
(23) 


(24) 
(25) 


ebenda 

Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, a.a.0. 
NDV 1978, S. 248 

Sozialbericht 1978, S. 248 

Begründung zu dem Entwurf eines 4. Gesetzes zur Änderung des 
BSHG, 31.5.78 

Nicht erhöht wurden die Regelsätze am 1. Januar 1978 in den 
Bundesländern Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schles- 
wig-Holstein. Im Januar 1979 wurden die Regelsätze in den Städ- 
ten Bremen und Berlin nicht erhöht. Es gilt für alle Bundes- 
länder, daß die Erhöhungsintervalle immer länger und/oder die 
Erhöhungsbeträge immer geringer werden. 

Wie nachfolgende Tabelle zeigt, sind die Erhöhungen der Regel- 
sätze im Zeitraum 1977-1979 unter dem Anstieg des Preisindex für 
2-Personen-Haushalte von Renten und Sozialhilfeempfänger geblie- 
ben. Eine Situation die einen realen Abbau der Unterstützungs- 
beträge bedeteutet. 


Erhöhung der Durchschnitts-Regelsätze für 
Haushaltesvorstände und Alleinstehende in 
DM und Prozent 


Zeitraum Erhöhung Anstieg des Preisindex für 2- 
in DM in ž Pers.-Haush.v.Renten- u.Sozial- 

hilfeempfänger 

1972-1973 l4,-- 6,9 7,9 

1973-1974 18, 8,3 7,8 

1974-1975 19,-- 8,1 8,4 

1975-1976 14,-- 9,5 7,2 

1976-1977 19,=- 7,1 4,8 

1977-1978 4,=- 1,4 3,7 

1978-1979 6,=- 2,1 3,4 


Quelle: Zusammengestellt nach Nachrichtendienst des Deutschen 
Vereins und stat. Jahrbuch 

Zur "Kostendämpfungsdiskussion in der Sozialhilfe" siehe, Men- 

schenwiirde zu teuer, in pád extra sozialarbeit, Heft 7/8, 1978, 

S. 30-33; ferner Stephan Leibfried, in: Piven/Cloward, Regu- 

lierung der Armut, Frankfurt 1977, besonders Fußnote 12, mit 

ausführlicher Literaturübersicht zur "Strukturbereinigung" in 

der Sozialhilfe. 

Bujard/Lange, Armut im Alter, Weinheim und Basel, 1978, S.160 

Unveröffentl. Ergebnisse einer Umfrage der "Landesarbeitsge- 

meinschaft Hessen" 

Strang, Erscheinungsformen der Sozialhilfebedürftigkeit, Stuttg. 

1970, S. 55 und 219 

Münstermann, Schacht, Young, Armut in Deutschland, in: 

Böhret ua. (Hgb.), Gleiche Chancen im Sozialstaat?, Opladen 

1975; Ba 27 EL 

Bujard/Lange, a.a.0., S. 99-lol 

Dokumentation des Verbands alleinstehender Mütter und Väter, 

Landesverband Westberlin 1978 

Strang, a.a.0., S: 2lo-220 

ebenda, S. 218/219 

siehe Fußnote 7, S. 412 

ebenda, S. 412 


(28) 


(29) G. Amendt, 


(26) ebenda, S. 413 
(27) Arbeitslose Jugendliche: 


fenen, 
schung, 


1978, S. 198 ff 


° . - j 
Ben und die Sozialreform, 


Antwort anf soziale Emanzipationsbewegungen, 
(30) Madeleine Prudhomme, 
Frankreich, 









Press DM 1.20 ruhen monstlech ia Oben, 18 Obi 1979, 17 Jahrgang, Nr. 10 
ca 


Gewerkschaftsjugend zz 








yA, As Vas) 


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Aus der Oktober-Ausgabe: 

Karl Lauschke: 

Gewerkschaftsjugend: Oberursel - 
Hawreliuk und die Folgen 

Willi Hoss: 

10 Jahre Plakat - Interview 

Wolf Lindner: 

Totale Kommunikation durch Profitfunk 


und vieles mehr 


Aus der November- Ausgabe: 
Manfred Liebel: 
Gewerkschaftsjugend 

Herbert Obenland: 

Kritik an Jakob Moneta 
Eberhard Schmidt: 

DGB Historiker-KongreB 

Edgar Weick: 
DGB-Grundsatzprogramm 


Marx, Kritische Randglosse zu dem Artikel 
in MEW 1, S. 
in: Nagel, Seifert (Hgb.), 


Fúrsorge 
Verlag Frauenpolitik, 


Jakob Moneta: 





Belastungen und Reaktionen der Betrof- 
in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsfor- 


392 TE 


1979, S. 195 


im Wohlstand - Ein Bericht aus 


1977, S. 118 


Aus der September-Ausgabe: 





Geschichtsstreit über Weimar 

Edgar Weick: 

Strauß will die Gewerkschaften erpressen 
A.D.Timm 

IG Chemie gegen Frankfurter Rundschau 







Personalkonflikte in der IG Chemie 








Die Mehrheitsfraktion räumt auf 
Außerdem: 
Plakat-Gruppe: 


Gemeinsam gegen Datenerfassung bei 







Daimler-Benz 
Außerdem: 


Die verbotene Antikriegs-Broschüre 













Klassenmedium Fernsehen (NDR) 





Selbstverwaltete Betriebe - 9 Thesen 









Arbeiterkultur und die Linke 
und vieles mehr 


express” ist die erste unabhängige 
Gewerkschaftszeitung in der BRD. 






express” bringt kritische Beiträge zur 
aktuellen Gewerkschaftspolitik, die man 
nicht in der offiziellen Gewerkschafts- 
presse findet. 








, express” berichtet ausführlich über 
Streiks, Betriebskämpfe und politische 
Aktionen der Lohnabhängigen im In- und 
Ausland. 







, express" veröffentlicht Analysen zur 
sozialen Lage und zum Bewußtsein der 
arbeitenden Klasse. 






„express" diskutiert Alternativen zur ge- 
werkschaftlichen Strategie und Politik. 
Probeexemplar und Bestellungen: 
Verlag 2000 GmbH, 605 Offenbach 4, 
Postfach 591 







'Der König von Preu- 


Beratung als staatliche 


common sanse 





PSYGHODRAMA 


Mitspielende Personen: 


a 


Therapeut (Ther. M.) 
Therapeut (Ther. R.) 


Sozialarbeiterin (Soz. H.) 
Sozialarbeiterin (Soz. M.) 
Sozialarbeiterin (Soz. Ma.) 
Sozialarbeiterin (Soz. Ch.) 
Sozialarbeiter (Soz. Rii.) 


Sozialarbeiter (Soz. Ro.) 


Eine Klientin (Kl. C.) 


Anmerkungen: 

Welturaufführung des Stückes 

am lo. März 1979 in Westberlin 
anläßlich einer Tagung des Arbeitsfeld 
Sozialarbeit im SB zum Thema “Psycho- 
Methoden in der Fortbildung”. 


IM FORTBILDUNGSINSTITUT (1. SZENE) 


(Es spielen: 2 Therapeuten: Therapeutin M. und Therapeut Re 

Die Einrichtung des Fortbildungsinstituts ist vergleichbar mit der 
eines Apothekenlabors. In der Mitte des Raumes steht ern großer Ar- 
beitstisch. An den Wänden ringsrum befinden sich Regale, die be- 
schriftete Gefäße und Behälter enthalten. Es ist noch früh am Mor- 
gen, ca. 8.00 Uhr. 
Therapeut R. sitzt auf dem Arbeitstisch und blättert im Terminka- 
lender. Therapeutin M. betritt das Arbeitszimmer) 


Therapeut R.: Guten Morgen, wie fühlst Du Dich? 


Therapeutin M.: Guten Morgen, ja danke, gut - was haben wir denn 
heute? 


Therapeut R.: Tja, - heute nachmittag steht die Sozialarbeiterfort- 
bildung auf dem Programm. 


Therapeutin M.: Sozialarbeiter? Ah ja! Weißt Du eigentlich genau, 
was das ist? Ich meine Sozialarbeit? 


Therapeut R.: Na so in etwa! Da gehts um Menschen! Menschliche Pro- 
bleme, Konfliktsituationen, gestörte Interaktion, Kommunikations- 
schwierigkeiten, Transaktionsdysfunktionalitäten,na ja, um Hil- 
fe von Mensch zu Mensch eben! 


Therapeutin M.: Ah ja! Na dazu hättenwir ja einiges anzubieten.... 
(Therapeutin M. geht zu einem Regal und holt ein Gefäß mit der 


Aufschrift Psa) Wie wär's denn damit? Da ist doch eigentlich 
alles drin! 


Therapeut R.: Psychoanalyse? Nein, nein, das ist doch viel zu kom- 
pliziert, zu schwierig - weißt Du, soviel Zeit haben die Leute 
doch gar nicht. Außerdem - viel zu unverständlich! 


Therapeutin M.: Na ja, aber bewährt, bewährt - wir brauchen ja nicht 
das Ganze zu nehmen, aber auf jeden Fall etwas davon! 


Therapeut R.: Nun gut, ganz ohne geht's ja nicht.Aber nicht zu viel 
davon! Die komplizierten Sachen müssen wir weglassen. 


(Therapeutin M. stellt das Gefäß auf den Tisch und schüttet einen 
Teil des Inhalts in eine von Therapeut R. herbeigeholte große 
Schüssel, eine Art Mörser) 


Therapeutin M.: Gut, einverstanden - also es geht um den Menschen, 
sagst Du? Dann wäre doch auch dies ganz gut! 

(Therapeutin M. geht zu einem der Regale und holt einen Behälter 

mit der Aufschrift Be) 


Therapeut R.: Bioenergetik! Ja ausgezeichnet - Die Einheit der phy- 
sisch-psychischen Funktionen, Entfaltung von Körper und Geist - 
Auf jeden Fall etwas davon! f 

(Therapeut R. Schüttet einen Teil des Inhalts in die Schüssel mit 
Psa und mischt das Ganze) 


Therapeutin M.: Schön, na das wird ja schon! Aber es fehlt noch das 


o A 


Soziale, die zwischenmenschlichen Beziehungen in ihrer Gesamt- 
heit, verstehst Du? 

(Therapeutin M. geht zu einem Regal und holt einen Behälter mit der 
Aufschrift TA) Ich hab's, wir nehmen nach TA dazu! 


Therapeut R.: Tja? 


Therapeutin M.: Transaktionsanalyse! Du weißt doch, ich bin o.k! 
Therapeut R.: Ja natürlich! Ich bin o.k. - Du bist o.k.! 


Therapeut R. und Therapeutin M. Wir sind o.k.! 
(Therapeutin M. Liest vor, was auf der Gebrauchsanweisung steht) 
Therapeutin M.: ''Transaktionsanalyse, anwendbar auf Probleme der 
Ehe, der Kindererziehung, psychische Störungen, Aggressionen 


und Gewalt, Schwierigkeiten in der Pubertät und: internationale 
Spannungen!" 


Therapeut R.: Na, das ist o.k.! Auf jeden Fall reichlich davon 
beimischen! 
(Therapeut M. gibt reichlich TA in die bereits angefertigte Mischung 


und verrührt das Ganze)\nternationale Spannungen sogar? Das ist 
ja wirklich sehr o.k. 


Therapeutin M.: So, das hätten wir schon, jetzt fehlt nur noch der 
Gruppenbezug. 


Therapeut R.: Kein Problem, das haben wir gleich - hier; Psycho- 
drama, das macht sich gut für den Gruppenbezug! 
(Therapeut R. geht zu einem Regal und holt einen Behälter mit Auf- 


schrift PD und schüttet etwas davon in die Schüssel, rührt 
das Genze um) 


Therapeut M.: Ich glaube, das reicht, wir haben wirklich an alles 
gedacht! 


Therapeut R.: Ja, alles drin, sehr schön! Und jetzt kommen wir 
gleich zur Anwendung, da bin ich aber gespannt, wie das wirkt! 


(Therapeut R. verläßt mit der Mischung unter dem Arm den Raum. Das 
Lieht geht aus, Musik von Pink Floyd erklingt). 


IM THERAPIEZENTRUM (2. SZENE) 


Es spielen: Therapeut R., 4 Sozialarbeiterinnen: H., M., Ma., Ch. 
und 1 Sozialarbeiter Rü., 

Diese Szene spielt in einem Therapiezentrum. An der Linken Wand 

des Raumes steht ein Tisch, auf dem sich Teegeschirr, Teenetz, ein 
Paket mit Tee etc. befindet, dahinter eine kleine Kochgelegenheit. 
In der Mitte des Raumes stehen ca. lo bequeme Stühle, relativ unor- 
dentlich angeordnet. Es ist ungefähr 17.00 Uhr am Nachmittag. 
Therapeut R. steht am Tisch und ist damit beschäftigt Tee zu kochen. 
Er erwartet eine Sozialarbeitergruppe aus dem Sozialamt eines Ber- 
Liner Bezirkes, die Probleme untereinander und im Umgang mit ihren 


Klienten haben. Mit Hilfe der Gestalttherapie sollen diese besei- 
tigt werden.) 


- 71 - 


Sozialarbeiterin M. und Sozialarbeiterin Ma., betreten den Raum - 
beide mit Latzhosen bekleidet - 

Therapeut R.: Guten Tag! 

Sozialarbeiter M.: Tag, ich bin die Marion 

Sozialarbeiterin Ma.: Tag, ich bin Maria 


Therapeut R.: Tag, ich bin Rolf. 


Sozialarbeiterin M.: Hast Du die Isa mal wieder gesehen? 


Sozialarbeiterin Ma.: Nein, die müßte doch jetzt bald ihr Kind 
kriegen. 


Sozualarbeiterin M.: Ja, so anfang März glaube ich, das müßte ja 
jetzt bald sein. 

(Sozialarbeiterin H. betritt den Raum - ebenfalls mit Latzhose be- 
kleidet -) 


Sozialarbeiterin H.: Hallo! Tag! 

Sozialarbeiterin M. und Sozialarbeiterin Ma.: Tag! 
Therapeut R.: Tag, ich bin der Rolf 
Sozialarbeiterin H.: Ich bin die Helga, sind ja noch nicht viele hier. 


Sozialarbeiterin Ma.: Na ja, ist ja noch etwas Zeit 
(Sozialarbeiter Rü. - mit Latzhose bekleidet - betritt den Raum) 
Sozialarbeiter Rü.: Tag, ich bin Rüdiger 

(Sozialarbeiterin Ch. betritt den Raum und umarmt Sozialarbeiterin 
Ma. zur Begrüßung) 


Sozialarbeiterin Ch.: Tag, ich bin Christa, na? Hallo Maria! 
Therapeut R.: Guten Tag! 


Sozialarbeiterin Ma.: Tag Christa! Sag mal, geht's Du auch zur Ar- 
beitsfeldtagung vom SB? 


Sozialarbeiterin Ch.: Was? SB? Damit habe ich nichts am Hut, hör 
mir bloß mit dem Verein auf! 


Sozialarbeiter Rü.: Was? Na, nal 


Sozialarbeiterin Ma.: Duuuu - das müssen wir nochmal intensiv 
diskutieren,find ich 


Sozialarbeiter Rü.: Da wir ich auchdran interessiert 


(Therapeut R. wendet sich an die Gruppe) 
Therapeut R.: So 


Sozialarbeiterin Ch.: Na gut, können wir ja mal machen! 


Therapeut R.: Sooo, was meint ihr? Sollen wir nicht mal anfangen? 
Ja? Setzt euch mal so im Halbkreis, jeder sucht sich einen Platz 
wo es ihm angenehm ist - Wenn jemand Tee möchte, - steht da auf 
dem Tisch -. 

(Jeder Sozialarbeiter nimmt sich einen Stuhl. Die Stühle werden 

im Halbkreis angeordnet. 2 Sozialarbeiter setzen sich, 3 Soztalar- 

beiter holen Tee und setzen sich dann ebenfalls.) 

So,jetzt setzt euch bequem hin - entspannt euch- 
schaut bei euch nach, wie ihr euch jetzt fühlt! 


YE e 


(Längeres Schweigen.) 

(Der Therapeut sieht jeden an. 

Im Gegensatz zu den anderen Sozialarbeitern macht Sozialarbeiter Rú. 
einen sehr nervösen Eindruck. Er rutseht unruhig auf seinem Stuhl 
hin und her, kann seine Hände nicht ruhig halten.) 


Therapeut R.: Nun? was ist? Was ist mir Dir? 


Sozialarbeiter Rü.: Ich bin etwas nervös 


Therapeut R.: Sieh nach was das ist ---- nervös! Was ist es? 

Sozialarbeiter Rü.: Äh, ja ---- ich meine, Du machst mich nervös! Du 
guckst mich so an wie meine Klienten, die wollen auch immer was 
von mir --- ich kann denen nichts geben, und ich kann so schlecht 


nein sagen! 
Therapeut R.: Willst Du an dem Problem arbeiten? 
Sozialarbeiter Rü.: Ja, ja 


Therapeut R.: Setz Deinen Klienten mal aufs Kissen --- ja, so --- 
und jetzt sieh nach! Sprich mit ihm! 
(Sozialarbeiter Rü. setzt sich auf das Kissen und nimmt die Rolle des 
Klienten ein. Die übrigen Sozialarbeiter machen einen recht betroffe- 
nen Eindruck und verfolgen das Geschehen interessiert.) 
Sozialarbeiter Rü.: Also, ich brauch Kleidergeld. Sehen Sie, es ist 
so kalt geworden, draußen, richtig strenger Winter und ich habe 
keinen warmen Mantel. 
(Sozialarbeiter Rü. wieder in der Rolle des Sozialarbeiters auf dem 
Stuhl) 
Aber Sie wissen doch genau Herr Müller, daß Sie diesen Winter 
schon mal wegen Kleidergeld hier waren und auch welches bekom- 
men haben. 
(Sozialarbeiter Rü. wieder als Klient auf dem Kissen). 
Dafür hab ich mir so nen normalen Mantel gekauft. Mehr für'n 
Ubergang,wissen Sie. Konnt ich doch nicht wissen, daß es so 
kalt wird dieses Jahr. 
(Sozialarbeiter Rü. wieder auf dem Stuhl wendet sich an den Thera- 
peuten) 
Tja, das ist dann der Punkt, wo ich nicht mehr weiß, was ich 
sagen soll. 


Therapeut R.: Schau nach, wie das ist - nicht mehr wissen, 
was sagen. 


Sozialarbeiter Rü.: Ich bin so hilflos, am liebsten würde ich dann 
weggehn. 

(Sozialarbeiter Rü. wird sichtlich unruhiger, reibt sich die Hände 

und macht sie auf und zu) 


Therapeut R.: Wie fühlt sich das an, hilflos sein? 


Was ist mit Deinen Händen? 


Sozialarbeiter Rü.: Sie suchen einen Halt. Ich bin so hilflos. 
(Sozialarbeiter Rü. fängt an zu stottern und bricht in Tränen aus) 


Therapeut R.: Sag, ich bin so hilflos.------ 
Sozialarbeiter Rü.: Ich kann doch nicht dafür, daß ich Ihnen kein 
Kleidergeld mehr geben darf. Das ist doch nicht meine Schuld. 


- 13 - 


Therapeut R.: Ich kann doch nichts dafür.... 

(Er ist völlig verzweifelt und in Tränen aufgelöst. Er fängt ganz 
laut an zu schreien. Er springt vom Stuhl auf. Der Therapeut geht 
auf ihn zu und versucht ihn zu beruhigen. Wie 2 Ringkämpfer stehen 
ste sich gegenüber, ) 

Sozialarbeiter Rü.: Ich kann........... 


Therapeut R.: Kannst Du da stehen bleiben? 
(Das Licht geht aus, der Radetzkymarsch ertönt) 


IM SOZIALAMT (3. SZENE) 


(Es spielen: Sozialarbeiterin M und Klientin C. l 

Diese Szene spielt im Sozialamt. Ein großer mit Papieren, einem Ton- 
bandgerät und einem Gummibaum bepackter Schreibtisch befindet sich 
in der rechten hinteren Hälfte des Raumes, dahinter und an den Sei- 
ten Aktenschränke mit Aktenordnern, hinter dem Schreibtisch und an 
dessen linke Seite jeweils ein Stuhl, auf den Fensterbänken aufge- 
reiht typische Amtspflanzen (z.B. Alpenveilchen, Philodendron). Es 
ist ungefähr 10,30 Uhr am Vormittag. i 

Die Sozialarbeiterin sitzt am Schreibtisch und blättert in einem 
Aktenordner. 

Die Klientin klopft an und betritt den Raum). 


Klientin C.: Tach 
Sozialarbeiterin M.: Tag, wie kann ich Ihnen helfen? 


Klientin C.: Ich bin abgebrannt 


Sozialarbeiterin M.: Ach Gott! - Sie sind obdachlos, da bin ich 
nicht zuständig. 

Klientin C.: Nee, wieso? - Ich hab keine Knete mehr! 

Sozialarbeiterin M.: Ach so! - Wie kommt denn das? 


Klientin C.: Na, is alle und kommt nix nach! Sie geben mir nix mehr... 
Sozialarbeiterin M.: Ist das Konto gesperrt? 


Klientin C.: Quatsch! Beim Arbeitsamt ham se mich rausgeschmissen - 
Ich wär faul! 


Sozialarbeiterin M.: Aber, aber, na das werden wir gleich haben. 
Setzen Sie sich. Sooo - Nun erzählen Sie mal! 

(Die Soztalarbeiterin stellt das bereitstehende Tonband an und 

nimt einen Stift zur Hand). 

Klientin C.: Was is dat für'n Rundfunk? 


Sozialarbeiterin M.: Oh nein, wir wollen uns nur kennenlernen. Ent- 
spannen Sie sich und fühlen Sie sich wie zu Hause. Sie sollen 
sich als verantwortlicher Erwachsener benehmen. Sprechen Sie 
sich aus! 

(Die Sozialarbeiterin macht Notizen) 

Klientin C.: Na, ich brauche Geld! 


= Me 


32 Faschismus heute? A&K akut 
Neuer Faschismus?: Fragen, Diskussionsbeiträge, Positionen; 5 x x - = 
Zur { horakterisierung ots histise her Herrs hoh Berufsverbi yte 1 Nicht heimlich und nicht kühl 
Faschismus — Adenauer-Äro — heute; Die neve und die olte Entgegnungen on Dienst- und ondere Herren 
Rechte; Neonazistische Tendenzen in der Schule; Neve Repression Beiträge u.o. von Altvater, J. Beck, Böll, Brückner, 
in der BRD: Berichte, Glossen; Soziolismus-Diskussion: Bahros Chotjewitz, Gollwitzer, Karsunke, Karsunke, Kluge, Moßmann, 
Kritik am realen Sozialismus; Nichtkommerzielle Rundfunkpraxis Negt, D. Richter, P. Se hneider, Steffen, Zwerenz 


in Italien 136 Seiten + zahlr. Abb. 6,80 DM 


33 Geschichte schreiben/SPD-Kultur 2 Zwei Kulturen 
Geschichte als kollektive Praxis, Gesellschafts- oder Sozial TUNIX, Mescalero und die Folgen 
geschichte? Alternative Geschichtsschreibung: der Beitrog von Hrsg. Hoffmann-Axthelm, Kallschever, Knödler-Bunte, Wartmann 
E.P.Thompson — Untersus nunge, Interviews und Diskussion; 232 Seiten + Abb, 12,50 DM 


Kapitalismus als Kultur; Verstaatlichung von Lebensverhöltnissen. 3 No : Izustánde 
34 Neue Lebensformen Politische Kultur in Deutschland 


Wunsch und Praxis Hrsg. Knódler-Bunte, Preuss-Lausitz, Siebel i 


Zeitgeschichte der gegenkulturellen Bewegung; Zwangs Beiträge v.0.von J. Beck, S.Cobler, F. Dröge, K Esc hen, 
alternativen: Diolektik von Subkultur und Hinterwelt O. Flechtheim, H. Hartwig, Y Karsunke, D. Richter, G Seyfried, 
Diskussion úber Landkommunen; Asthetik der Alternativszene; Vogelgesang LWawrzyn R. Wolff, P. P. Zahl 

Dos Beispiel Longo Mai; Provinzarbeit; Analysen: Christionia, Tvind 320 Seiten + zahlr. Abb. 16,80 DM 


35 Kulturarbeit — Kultur selber machen 
März 1979) 
Industrielle K ulturertahrung Theaoterorbeint out dem Lande 
Freie Ros kgr ‚ppen; Was ist Str MBenkultur? Schreiben lernen 
Neue Kulturzentren — Kulturhäuser; Anımationsbewegun yin 


Frankreich; Stodtsonierung als Kulturzerstörung 


36 Linker Konservatismus? (Jun: 1979 
Unser konservativer Alltag; Aufklärung im Nebel; Neuer 
Konservatismus von links? Besonderheiten des deutschen 
Konservatismus — konservative Revolution; Das Konservative in 
unseren Wünschen und Bildern; Rechte Unterwanderung der 
Alternativscene; Konservatives vom Neuen Sozialisationstyp 
Das Linke und das Rechte 


37 Frauenbewegung und Linke (se; 1979) 
Autonomie der Frauenbewegung; Frouen und Linke in anderen 
Ländern; Weibliche Identität; Schwierigkeiten linker Frauen mit 





der Frauenbewegung; Was hat die Linke von der Frauen 
bewegung gelernt? Rechter Feminismus = Frauen im Faschismus; 


Weibliche Mythen 


38 Kinderalltag \De.. 197% 


Kinderöffentlichkeit - Kindertheater 

Politik im Kindertheater; Wie grausam sind Kinder‘ 
Geschichte des Kinderalltags f igen der neven 
Erziehung; Zeiterfahrung: Langeweile, Kinder 
tröume, Spe Ntanetöt:; Kinderfilme We Ju 


Märchen? Kinderöffentlichkeit: Straßen I ds 
Plätze Zimmer, Feste 








Bestellungen über den 


Buchhandel oder 
Verlag Ästhetik und Kommunikation IM zu Ai! 
Fuggerstraße 18 TEE b 

1000 Berlin 30 p w El 


Sozialarbeiterin M.: Wie sind Sie in diese Situation gekommen? 


Klientin C.: Na, die wollten mich putzen schicken. Dabei bin ich doch 
gelernte Frisöse! 


Sozialarbeiterin M.: Na, so was! 


Klientin C.: Und dann haben se mich auf'n Markt geschickt - Obst ver- 
kaufen. Aber da hab ich mich geweigert, nen ganzen Tag Kisten 
schleppen! 


Sozialarbeiterin M.: Richtig! 


Klientin C.: Ja, und dann ham se gemeint, ich hätt nicht die nötige 
Arbeitsbereitschaft, deshalb ist mein Anspruch nun futsch! 


Sozialarbeiterin M.: Ja, gibts denn sowas! Na, das werden wir schon 
kriegen! 

(Die Sozialarbterin liest vor) 
Also, Sie sind arbeitslos, haben seit dem 1. Januar Arbeitslosen- 
geld bezogen und dieses Anspruches sind Sie wegen fortgestzter 
Ablehnung der Ihnen angebotenen Ersatzbeschäftigungen verlustig 
gegangen. - 
Ist das korrekt? 


Klientin C.: Hmm? 


Sozialarbeiterin M.: Na, dann woll'n wir mal! 

(Die Sozstialarbeiterin nimmt einen Fragebogen) 
Also, wir legen jetzt das Fundament für eine kreative Reorgan!- 
sation Ihres Lebens. Nun wollen wir mal sehen, wie es bei Ihnen 
im einzelnen aussieht. Sind Sie bereit,mir einige Fragen zu be- 
antworten? - Sie werden sehen, es werden sich Ihnen völlig neue 
Möglichkeiten eröffnen.... 


Klientin C.: Na, gut. 
Sozialarbeiterin M.: Erste Frage: Gehen Sie gern zur Arbeit? 


Klientin C.: Nee, warum? - Aber ich hab nichts dagegen, wenn Se mir 
nur ne vernünftige Arbeit geben, in mein Beruf. 


Sozialarbeiterin M.: War das Ihr Wunsch Frisóse zu werden? 


Klientin C.: Ja, ich stellte mir da wirklich was Schönes vor. 


Sozialarbeiterin M.: Na, sehen Sie! - Haben Sie Hobbies? 
(Klientin überlegt kurz) 
Klientin C.: Ja, ich geh gern indie Disco - John Travolat - kennen 


Se den? Damit isses auch vorbei, seit ich ohne Arbeit bin. 


Sozialarbeiterin M.: Was fühlen Sie, wenn Sie an Ihre Familie 
denken? 


Klientin C.: Familie? 
Sozialarbeiterin M.: Na, Ihre Eltern und Geschwister! 


Klientin C.: Die können mich mal! - Sind ja doch nie da. Entweder 
sie arbeiten oder sind inner Kneipe - und dann will der Alte mit 
nem besoffenen Kopp noch Geld von mir. 

Nee, - hörn Sie bloß auf! 


Sozialarbeiterin M.: Lieben Sie Ihre Geschwister? 


Klientin C.: Lieben - ? Na, pennen Sie mal mit dreien in einem Zimmer! 


w FE 


Sozialarbeiterin M.: Haben Sie Freunde und Freundinnen? 


Klientin C.: Ach, das läuft auch nicht mehr so, seit ich arb.... 
(Klientin wird von Sozialarbeiterin unterbrochen) 
Sozialarbeiterin M.: Wie geht's Ihnen persönlich? 


Klientin C.: Schlecht! - Hab ich doch schon gesagt! 
Sozialarbeiterin M.: Aber Sie sind doch soweit gesund? 
Klientin C.: Ja, noch! 


Sozialarbeiterin M.: Ja, ja Gesundheit ist das Wichtigste! Wie 
kommen Sie mit Ihrem Geld aus? 


Klientin C.: Das hab ich Ihnen doch schon gesagt! 
Sozialarbeiterin M.: ....ich meine, wenn Sie welches haben. 
Klientin C.: Na, bisses alle ist 


Sozialarbeiterin M.: Schön - damit hätten wir's 
(zählt und rechnet - murmel - murmel) 

Also, Sie haben 38 Punkte erreicht! 

In eine Klinik müssen Sie noch nicht. 


Klientin C.: (steht auf) Was...? 
Sozialarbeiterin M.: .... aber Sie haben dringend Hilfe nötig! 
Klientin C.: ((setzt sich wieder) Deshalb bin ich doch gekommen! 


Sozialarbeiterin M.: Sie haben viele frustrierende Erfahrungen 
gemacht.... 


Klientin C.: Das kann man wohl sagen! 


Sozialarbeiterin M.: Ihr Problem besteht darin, daß Sie sich nicht 


die gewünschte Befriedigung verschaffen können, weder im Beruf 
noch in der Familie. 


Klientin C.: Ach, nee! 


Sozialarbeiterin M.: Sie haben viel mehr psychische Energie als Sie 
denken, nutzen Sie sie! 


Klientin C.: Das ist ja nen Ding! 


Sozialarbeiterin M.: Sie müssen versuchen, die positiven Erfahrungen 


aus der Vergangenheit in die Bewältigung des Hier und Jetzt zu 
integrieren...... 


Klientin Ce Was Ist los... 1 


Sozialarbeiterin M.: Ja, Sie müssen die Welt um Licht Ihrer schönen 
Erinnerungen sehen. Wenn Sie sich vorstellen, wie gerne Sie da- 


mals in die Lehre gegangen sind - und auch putzen kann Freude 
machen. 


Klientin C.: Na, ich weiß nicht. 


Sozialarbeiterin M.: Denken Sie einfach daran, wieviel Freude Sie 
damals als Kind hatten, dann wird alles leichter! 


Klientin C.: Meinen Sie wirklich? 


Sozialarbeiterin M.: Wir haben nun einen Teil Ihres Persönlichkeits- 


= 77 - 


profils erstellt. Beim náchsten Mal werden wir daran weiterar- 
beiten. Es wird Ihnen erlauben, Ihre wichtigsten Bereiche Ihres 
Lebens nebeneinander zu betrachten und Ihnen ermöglichen, sie neu 
nach Ihrem Willen zusammenzufügen. 


Klientin C.: Und das geht? 


Sozialarbeiterin M.: Sie werden sehen, auch das Putzen und Kisten 
schleppen macht Ihnen nichts mehr aus, wenn Sie es von der rich- 
tigen Seite betrachten. 

Da machen Sie sich mal keine Sorgen! Also - bis bald! 

(Sozialarbeiterin steht auf und verabschiedet die Klientin) 


SOZIALARBEITER BEIM KAFFEETRINKEN (4. SZENE) 


Es spielen: 4 Sozialarbeiter und 1 Klientin) 


Sozialarbeiterin M.: Also, so kann das nicht weitergehen, ich merke 
immer deutlicher, daß mir bestimmte Leute in unserer Gruppe un- 
heimlich auf den Wecker fallen, daß ich mit einigen eigentlich 
gar nicht zusammenarbeiten kann und es auch nicht will. 

(Die Sozialarbeiter trinken Kaffee) 

Sozialarbeiterin Ma.: Ja, da hast Du was Wahres gesagt, endlich wird 
der Punkt mal angesprochen, das beschäftigt mich nämlich auch 
schon die ganze Zeit. 


Sozialarbeiterin CH.: Mir geht's auch so, vielleicht sollten wir mal 
ehrlich sein und jeder nur noch mit den Leuten zusammenarbeiten, 
mit denen er Lust hat zu arbeiten, die er mag, mit denen er klar 
kommt. 


Sozialarbeiter Rü.: Ach, Ihr wollt nach dem Lustprinzip arbeiten, 
also eine Lustgruppe gründen. 


Sozialarbeiterin M.: Hach, das kann natürlich nur von Dir kommen, 
für Dich ist ja alleine das Wort Lust schon ein rotes Tuch. 


(Zwischendurch kommt die Klientin rein, und versucht ihr Anliegen 
vorzubringen). 
Klientin C.: Kann ich mal stören? Ich wollte.... 


Sozialarbeiter Rü.: Würden Sie bitte einen Moment draußen Platz 
nehmen und warten - 
Ja, ich finde diese ganze Diskussion hier überflüssig, das ist 
doch totale Reformscheiße, was Ihr hier vorhabt. Was habt Ihr 
eigentlich für ein Bewußtsein! 


Sozialarbeiterin M.: Ja klar, das kennen wir schon... 
und abends zur Gewerkschaftssitzung. 


Sozialarbeiter Rü.: Sehr richtig, da werden die richtigen Probleme 
besprochen, bei der momentan herrschenden Arbeitslosigkeit soll- 
ten wir uns lieber um mehr Stellen für Sozialarbeiter bemühen, 
und. 


Sozialarbeiterin M.: Ich kann das nicht mehr hören... 


TN 





Berichte Tatsachen Hinter- 






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* HEZ-EINE ZEITUNG 
VON UND FÜR ERZIE- 
HER/INNEN UND SOZ- 
IALARBEITER/INNEN. 
C/O ZEITUNGSCOOP. 
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TAGS AB 19.00 UHR) 
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SENDUNG NACH ER- 
HALT DER ZAHLUNG 
AN:L.ERFURTH , PSCHA 
BLN.W., SONDERKON- 
TO Z, NR. 720 65 - 
10% 


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„links” ist das Organ des Soziali- 
stischen Büros. Durch information 
und Diskussion will diese Zeitung 
politische Praxis und theoretische 
Verständigung der im SB organi- 
sierten oder an ihm orientierten Lin- 
ken unterstützen. ”links” will — über 
diese Funktion für den Organisie- 
rungsprozeß des SB hinausgehend 
— Erfahrungen aus der politischen 
Arbeit, Beiträge zur Analyse der 
Klassenauseinandersetzungen und 
Berichte aus der internationalen 
Linken vermitteln und damit zur Er- 
neuerung der Arbeiterbewegung 
und zum Ausbau der sozialistischen 
Ansätze in der Bundesrepublik bei- 
tragen. 


Aus der Oktober-Ausgabe: 
Thomas Schróder : 

Rechte Gefahr und linke 
Identität - Kanzlerkandi- 
datur Strauß 

Josef Huber: 

Netzwerk 

Robert Detobel: 
Kambodscha 


Aus der November-Ausgabe: 


“links”-Tagung: 
Strauß und die Folgen 


Jens Huhn: 

Nikaragua 

Gespräch mit Theo Pinkus 
SZ Tübingen 

Krise des Fortschritts 


Wer sich für sämtliche zur Zeit er- 
hältliche Broschüren aus dem 
Schriftenprogramm des Verlag 
2000 GmbH — Sozialistisches Bü- 
ro interessiert, findet diese in der 
aktuellen Broschürenliste Win- 
ter 1979/80. Alle Broschüren sind 
im linken Buchhandel erhältlich, 
können jedoch auch gegen Vor- 
auszahlung beim Verlag bezogen 
werden: Verlag 2000 GmbH, 
Postfach 591, 6050 Offenbach. 4. 





Sozialarbeiter Rü.: Laß mich doch mals ausreden, ich war ja noch gar 


Sozialarbeiterin M.: Oh je... 


Sozialarbeiter Rü.: ....und überhaupt, Ihr mit Euren Flippi-Klamotten, 
damit schreckt Ihr nur die Klienten ab. 


Sozialarbeiterin M.: Du nicht - wa - mit Deinen ständig fetten 
Haaren... 


Sozialarbeiterin H.: Leute, paßt mal auf, so kommen wir doch offen- 
sichtlich nicht weiter. Ich hab da letztes Wochenende was Tolles 
kennengelernt, das muß ich Euch unbedingt erzählen, da war ich 
nämlich im Institut für Transaktionsanalyse in der Koserstraße... 
Dort hab ich endlich die Methode kennengelernt, mit der sich alle 
Probleme lösen lassen, - selbst internationale Konflikte. 

(Klientin kommt rein, versucht ihr Anliegen vorzubringen, wird wie- 

der abgewiesen) 

Klientin C.: Also, ich wollte.... 


Sozialarbeiterin Ma.: Nun erzähl schon, Transaktionsanalyse, was 
ist denn das? 


Sozialarbeiterin H.: Mit Hilfe der Transaktionsanalyse kann man die 
kompliziertesten Kommunikationsprozesse zwischen mindestens 2 
Menschen erkennen und verändern. Denn in jeder Kommunikation re- 
agieren die Beteiligten mit je 3 Ich-Zuständen aufeinander, die 
Psyche des Menschen zerfällt in 3 Teile: 

I. dem Eltern-Ich, was alle Normen Gebote, Verbote, alles Gute 
und Fürsorgliche beinhaltet 

2. dem Erwachsenen-Ich, das bedeutet, das Einschätzen können von 
Gegebenheiten, soziales Verhalten, Verantwortung,Geduld: pla- 
nen, agieren, funktionieren, annehmen und - 

3. aus dem Kindheits-Ich, dem spontanen, freien, unüberlegten, 
lustbetonten, rebellierenden, aber auch aus dem ángstlichen 
angepaßten Ich. 


Sozialarbeiterin Ma.: Was, der Mensch in 3 Teilen, das ist doch ge- 
nau das, was wir nicht mehr wollen, wir streben doch die Ganz- 
heit des Menschen an. 


Sozialarbeiterin H.: Hör doch erst mal richtig zu - also bedingt 
durch diese 3-Teiligkeit der Psyche werden 4 Reaktionsmuster pro- 
duziert, die das Verhalten der Menschen untereinander bestimmen: 
l. ich bin nicht o.k. - du bist o.k. (die angsterfüllte Abhángig- 

keit des unreifen Menschen) 
2. ich bin nicht o.k. - du bist nicht o.k. (die Grundeinstellung 
der Verzweiflung und Resignation) 


3. ich bin o.k. - du bist nicht nicht o.k. (die kriminelle Grund- 
einstellung) 
4, ich bin o.k. - du bist o.k. (die Reaktion des Erwachsenen, der 
mit sich selbst und anderen in Frieden lebt). 
Wenn alle Menschen auf dieser Erwachsenenebene miteinander um- 
gehen würden, gebe es keine Konflikte und Probleme mehr unter den 
Mensch. k 
(Klientin kommt rein und versucht wieder ihr Anligen vorzubringen) 
Klientin C.: Ich brauche Geld 
Sozialarbeiter Rú.: Wir haben hier Wichtigeres zu besprechen, merken 


- 80. - 


Sie denn nicht, daß Sie stören? 

(Klientin zieht wütend ab) 

Klientin C.: Denen werde ich es noch zeigen, wenn ich zuhause bin, 
werde ich sofort an deren Chef schreiben und mich beschweren. 


Sozialarbeiterin Ch.: Also, ich verstehe das alles nicht, vielleicht 
kannst Du das mal an einem Beispiel erklären. 


Sozialarbeiter Rü.: Das ist eine gute Idee! 


Sozialarbeiterin H.: Ich hab da letztens auf einem Fest was erlebt. 
Da hat doch so'n Typ ner Frau einfach in den Arsch gekniffen, der 
hatte halt gute Laune. 


Sozialarbeiterin M.: Was soll denn das?! 


Sozialarbeiterin H.: Siehst Du, typisch rebellierendes Kindheits-Ich! 
So hat die Frau auf dem Fest nicht reagiert, die hat nämlich ge- 
antwortet: ''Meine Mutter hat immer gesagt, ich soll noch die ande- 
re Arschbacke hinhalten.'' - Das war wirklich reife erwachsene Re- 
aktion, dadurch wird nämlich vermittelt, das was Du da gemacht 
hast, ist überhaupt nicht tragisch, ich lebe mit mir selbst und 
anderen in Frieden. 


Sozialarbeiterin M.: Weißt Du, wie kannst Du uns nur etwas Idioti- 
sches auftischen! 


Sozialarbeiterin H.: Siehst Du, jetzt spricht aus Dir das kritische 
Eltern=Ich, 


Sozialarbeiter Rü.: Jetzt hört aber auf Leute, die Sprechstunde hat 
schon längst begonnen. 


5. SZENE 


(Klientin schreibt und schreibt.... 
schließlich liest sie laut vor) 


Klientin C.: Sehr geehrter Herr Stadtrat!'' 
nee, ''sehr geehrter'' wird gestrichen - also 


"Herr Stadtrat! 

Ich weiß nicht mehr wozu Sozialarbeit noch Klienten 
braucht! 

Erst war ich bei meiner Fürsorgerin, weil ich Geld brauch: 
te. Die hat so'n Interview mit Tonband gemacht und ir- 
gendwas von einer ''karitiven Reganisation von meiner 
Persönlichkeit'' erzählt. Ich habe nichts verstanden 

und am Ende hatte ich immer noch kein Geld. 

Dann wollte ich zu ihrem Vorgesetzten. Da saßen aber 
mindestens lo Fürsorger zusammen in dem Zimmer. Die 
hatten so viele Probleme und erzählten was von Team- 
konflikten und Fortbildung. Die haben mich gar nicht 

zu Wort kommen lassen und ich wollte sie nun nicht auch 
noch mit meinen Geldsorgen belästigen. 


- El = 


Fürsorge muß wohl auch hauptsächlich der Selbstver- 
wirklichung der Sozialarbeiter dienen, die sich stän- 
dig fortbilden müssen, um ihre Konflikte zu bewältigen. 
Nachdem ich das alles erfahren habe, ist mir klar ge- 
worden, daß ich die Sozialarbeiter nicht noch zusätz- 
lich mit meinem saufenden Vater, meiner Arbeitslosig- 
keit und meinen Mietschulden belasten darf. 

Hilf dir selbst, dann hilft dir der Staat! 


Verachtungsvoll..... m 


(Faltet das Blatt, steckt es in einen Umschlag. 

Holt ein Telefonbuch studiert es eifrig) 

Klientin C.: Ja, da müßte es gehen.... 

(Holt eine Tasche, packt Werkzeug ein - langsam,dann immer lauter: 

> . . 1 . . > . e . se VIA onto P] 
fetzige Mustk - hebt immer triumphierender immer größere Werkzeuge 

in die Tasche. 

Stellt einen Spiegel auf den Tisch zieht einen Strumpf über den Kopf, 
schneidet Augenlöcher hinein, nimmt die Tasche und geht triumphierend 
hinaus.) 


EMPIRIE EINER SUBKULTUR 
Obdachlosensiedlung Wiesbaden- 
Mühltal 


220 Seiten 8.50 DM 


OBDACHLOSENPOLITIK IN DER BR 
244 Seiten 13 DM 


VORSCHUL- UND SCHÜLERARBEIT 
MIT OBDACHLOSENKINDERN 
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160 Seiten 


NEOFASCHISMUS— 

DIE RECHTEN IM AUFWIND 

320 Seiten 13 DM 

Texte von I.Drewitz, A.Klönne, J.Moneta u.v.a. ge- 
gen die Bagatellisierung neofaschistischer und rechts- 
radikaler Vorgänge und Tendenzen in der BRD. 


Sozialpolitischer Verlag, Schlesische Straße 31, 1000 Berlin 36 





GANZ WENIGE LITERATURANGABEN 
ZUM WEITERLESEN: 


Jörg Bopp, Psychoboom, in: Sozialmagazin, März 1979. 

Gerhard Vinnai, Lockerungsübungen gegen Kleinbürgerelend, in: 
Päd-extra-Sozialarbeit, März 1979 

Nerbert Nagel/Monika Seifert (Hrsg.), Inflation der Therapieformen- 
Gruppen- und Einzeltherapien in der sozialpädagogischen und klini- 
schen Praxis, RoRo-Taschenbuch 1979. 

(z.T. etwas schwer zu lesen!) 


Johann Schülein, Psychoanalyse und Psychoboom, in: Psyche, Mai/ 
Juni 1978, S. 420-440. 


Familientherapie, in: Sozialmagazin, Februar u. Juni 1978, 
Psychodrama, in: Sozialmagazin, November 1978. 
Gestaltarbeit und Pädagogik, in: Sozialmagazin, April 1979. 


Nicolas Hoffmann (Hrsg.), Therapeutische Methoden in der Sozial- 
arbeit, Salzburg 1977. 


(Darstellungen der Vertreter verschiedenster Methoden) 


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4) Centralorgan 
tur 
detormierte Interaktion 


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lo, 


Hans Weiss 


SOZIALARBEITERSTREIK IN ENGLAND UND DIE FOLGEN 


Wenn die Zollbeamten streiken, fangen sogar ehrliche englische Búrger 
an zu schmuggeln. Wenn die Ambulanzwagenfahrer streiken, sterben Tau- 
sende von Patienten (falls man den Medien glaubt). Wenn die Lastwa- 
genfahrer streiken, bricht angeblich ganz England zusammen (ich habe 
im Jánner aus Osterreich 2 Briefe von Freunden erhalten mit der be- 
sorgten Anfrage, ob sie mir Eßpakete schicken sollen,weil nach Mel- 
dungen österreichischer Zeitungen aufgrund dieses Streiks in England 
die Versorgung zusammen gebrochen sei. Wie sich kurze Zeit später 
herausstellte, waren diese Falschmeldungen vom englischen Wirtschafts- 
bund in die Welt gesetzt worden, um die Labour-Regierung zum Einsatz 
der Armee gegen Streikende zu zwingen. Aber darüber wurde in öster- 
reichischen und deutschen Zeitungen vermutlich nicht mehr berichtet). 
Was passiert jedoch, wenn die Sozialarbeiter streiken? - 


In England waren die field-social-workers (es gibt in England 2 Kate- 
gorien von Sozialarbeitern: die field-social-workers und die residen- 
tial social workers) bis Ende Febraur 1979 teilweise seit 6 Monaten 

in Streik. 

Die Auswirkungen des Streiks bieten die einmalige Chance, festzustel- 
len, wie die Öffentlichkeit die Sozialarbeit beurteilt und welchen 
gesellschaftlichen Nutzen die Sozialarbeit hat. Schärfer ausgedrückt: 
Der Streik bietet die Mögichkeit, dieselbe Frage ernsthaft zu stellen, 
die der englische Minster für Gesundheit und soziale Verwaltung pole- 
mich gestellt hat: "Brauchen wir die Sozialarbeiter eigentlich?" 


STREIKFORDERUNGEN 


Il. Höhere Löhne und ein verbessertes Gehaltsschema 

2. 35-Stunden-Woche 

3. In einzelnen Bezirken forderten Sozialarbeiter auch eine Erhöhurg 
des Personalstandes der Sozialarbeiterdienste. 


BEGRÜNDUNG DER SOZIALARBEITER FÜR IHRE FORDERUNGEN 


Seit 1971 haben in England verschiedene soziale Veränderungen zu ei- 
ner bedeutsamen Zunahme an die Anforderungen und den Verantwortungs- 
bereich der Sozialarbeiter geführt. Die wichtigsten Veränderungen 
waren: Zunahme der Arbeitslosigkeit, steigende Lebenshaltungskosten 
bei ungenügender Steigung der Löhne, seit einigen Jahren aktive Poli- 
tik der Rückverlagerung von sozialen und medizinischen Institutionen in 
die community. Sichtbar werden alle diese Veränderungen z.%. an den 
insgesamt (seit 1971) 36 neum eingeführten Gesetzen, von de ıen die Ar- 
beit der Sozialarbeiter teilweise schwerwiegend betroffen wurde. 


URSACHEN UND HINTERGRÜNDE DER SOZIALEN VERÄNDERUNGEN 


Wie fast täglich den Schlagzeilen der westlichen Presse zu entnehmen 


= Mi - 


ist, befinden sich die westlichen Industriestaaten wieder einmal in 

einer der regelmäßig wiederkehrenden ökonomischen Krisen. Die engli- 

sche Gesellschaft ist wohl eine der davon am schwersten betroffenen. 

Das zeigt sich in den Arbeitslosenzahlen (derzeit ca. 1,3 Millionen 

mit steigender Tendenz), geringem Wirtschaftswachstum, einem astro- 

nomischen Außenhandelsdefizit und hohen Inflationsraten. Die Antwort 
des englischen Staatsapparates auf die Krise besteht aus folgenden 

4 Strategien: 

l. Direkte und indirekte Investitionshilfen für das Privatkapital 

2. Restrukturierung der nationalisierten Industrie mit der Ankün- 
digung von massiven Entlassungen (Rationalisierung heißt das). 

3. Ausgabenkürzungen im sozialen Sektor. Dies betrifft vor allem die 
Bereiche Erziehung, Gesundheit und Wohnen. Im verstaatlichten Ge- 
sundheitswesen bedeutet dies z.B. die Schließung vieler community- 
orientierter Spitäler (mit teilweise sehr radikal und erfolgreich 
geführten Kämpfen gegen diese Schließungen), in der Psychiatrie 
eine Bewegung von kostenaufwendigen spitalgebundenen Diensten zu 
kostensparenden gemeindenahen Diensten (natürlich verbunden mit 
dem Argument, daß dies auch vorteilhafter für die Patienten ist), 
Ausweitung des privaten Sektors im Bereich der Medizin, Kostenbe- 
teiligung der Patienten bei Zahn- und Augenärzten, etc. 

4. Lohnkürzungen durch Schaffung von Arbeitslosigkeit und seit 1974 
Errichtung des "social contract" (ähnlich wie die "Sozialpartner- 
schaft"in Österreich). Seit 1974 ist ein deutlicher Rückgang der 
Reallöhne in England zu beobachten. Dies ist auch die Ursache der 
recht verbissen geführten Streiks der letzten Monate, wobei die 
Gewerkschaftsbasis meist auch gegen die eigenen Gewerkschaftsfüh- 


rer kämpft, die häufig die Politik der Labour-Regierung d.h. Lohn- 
abbau vertreten. 


GESCHICHTE DES STREIKS 


Seit Sommer 1977 standen die Sozialarbeiter mit ihren Arbeitgebern in 
Verhandlung über ihre Forderungen und wurden dabei von der Gewerk- 
schaft (NALGO) unterstützt. Die Forderungen wurden als ungerechtfer- 
tigt zurückgewiesen. Im Juni 1978 führten Sozialarbeiter eines Lon- 
doner Bezirks einen eintägigen Warnstreik zur Unterstützung ihrer 
Forderungen durch. Die Arbeitgeber ließen sich davon jedoch nicht be- 
eindrucken. Im September 1978 führten 2000 Sozialarbeiter in London 
eine Demonstration durch. Ohne Erfolg. Die Streiks wurden ausgewei- 
tet. Bis Jänner 1979 befanden sich insgesamt 2 600 Sozialarbeiter 
aus 14 Distrikten in Streik. Im Jänner 1979 fanden auf nationaler 
Ebene Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft und den Arbeitgebern 
statt. Da auch andere Berufsgruppen von NALGO (z.B. die residential 
social workers) in Lohnverhandlungen standen, stimmten die Gewerk- 
schaft angesichts der stark geschrumpften Streikkasse (von 3 Mill. 
Pfund auf 1 1/4 Millionen Pfund) einem Verhandlungsergebnis zu, das 
die streikenden Sozialarbeiter als Niederlage empfanden. Einige So- 
zialarbeitergruppen streikten weiter und erzielten teilweise ein we- 
sentlich besseres Ergebnis als die Gewerkschaft. Die Sozialarbeiter 
einiger Bezirke sind derzeit immer noch auf Streik. 


HABEN SOZIALARBEITER ÜBERHAUPT EIN RECHT AUF STREIK? 


In Österreich sind Streiks und Demonstrationen, außer wenn sie von 
Unternehmen geführt werden, generell unüblich und verpönt. Lohnkon- 
flikte werden in Österreich "sozialpartnerschaftlich " gelöst. In Eng- 


= € - 


land ist das ganze System der "Sozialpartnerschaft" noch kaum ent- 
wickelt. Streiks sind für die Lohnabhängigen oft die einzige Möglich- 
keit, sich den für die Reproduktion notwendigen Anteil am gesellschaft- 
lichen Reichtum zu sichern. Die Gewerkschaften werden als mehr oder 
weniger anerkannte Vertreter der Klasse der Lohnabhängigen angesehen, 
wobei diese allerdings schon längst die Perspektive auf Verändung 
dieser Gesellschaft in eine klassenlose aufgegeben haben und sich auf 
die Vertretung von Lohnforderungen beschränken. 


Von der Öffentlichkeit und selbst von vielen Sozialarbeitern wurde 
die Meinung vertreten, Sozialarbeiter hätten aus folgenden Gründen 
kein Recht zu streiken: 

|. Wurde argumentiert, die Lohnforderungen der field social workers 
sind nicht gerechtfertigt, wenn man das Lohnniveau der residential 
social workers oder anderer Berufsgruppen als Vergleich heranzieht 
(die residential social workers verdienen etwa 1/3 weniger als die 
field social workers). Mit der Erfüllung der Forderungen der field 
social workers füttere man nur fette Schwäne. - Sinnvoll disku- 
tieren läßt sich die Frage nach der gerechtfertigten Lohnhöhe wohl 
erst unter weniger anarchischen gesellschaftlichen Verhältnissen 
als die Unseren. Ich halte es generell für ungerechtfertigt, wenn 
eine Berufsgruppe, die von der Gesellschaft etabliert worden ist, 
weil sie offensichtlich zum Funktionieren der Gesellschaft notwen- 
dig ist, gegenüber anderen Berufsgruppen bevorzugt behandelt wird. 
Um es radikal zu formulieren: Ein Müllarbeiter hat meiner Meinung 
nach das Recht auf denselben Lohn wie ein Arzt. Unter den heutigen 
gesellschaftlichen Verhältnissen ist dies sicher eine utopische 
Forderung. 

2. Die Folgen des Streiks treffen die Falschen, nämlich in erster 
Linie die Klienten und nicht die Arbeitgeber. (Dasselbe Argument 
wird derzeit vertreten, um die Ambulanzwagenfahrer oder die Kran- 
kenschwe stern von einem Streik abzuhalten). - Die Sozialarbeiter 
argumentieren zu Recht, daß ihr Beruf genauso wie andere Berufe 
notwendig ist für das Funktionieren der Gesellschaft und daß die- 
ses Argument eine Art von Erpressung darstellt, um sie schlecht 
zu bezahlen (Umgekehrt kann natürlich die Abhängigkeit der Gesell- 
schaft von einer bestimmten Professionsgruppe, wie z.B. den Ärz- 
ten, als Erpressungsmittel für weit überhöhte Lohnforderungen ein- 
gesetzt werden). 


WARES KLUG, ZUSTREIKEN? 


Aus moralischen Gründen war der Streik vielleicht gerechtfertigt, ei- 
ne kluge Entscheidung war es zweifellos nicht. Als größten Erfolg 
kann man einen Streik bezeichnen, der zwar angedroht, jedoch nicht 
durchgeführt wird, weil der Wert der Arbeitskräfte und die Berech- 
tigung der Forderungen außer Frage stehen. Als zweitbesten Erfolg 
kann man einen Streik bezeichnen, der den Arbeitgeber in seinen Aus- 
wirkungen so hart trifft, daß er den Forderungen nach kurzem Streik 
zustimmt. Das drittbeste Resultat wäre wohl, wenn die Öffentlichkeit 
durch den Streik so stark betroffen ist, daß der Arbeitgeber zu Zu- 
geständnissen gezwungen wird. Alle diese Möglichkeiten warem beim 
Sozialarbeiterstreik jedoch von vorneherein auszuschließen. Es war 
vorauszusehen, daß niemand außer den Klienten stark davon betroffen 
wird. Gerade die Klienten der Sozialarbeiter gehören zu jenen Grup- 
pen der Gesellschaft, um deren Situation man sich i.a. nicht allzu- 


T e 


viel schert und deren Organisations- und Protestmöglichkeiten ziem- 
lich gering sind. Der Streik hatte außerdem nie die Unterstützung der 


Britischen Vereinigung von Sozialarbeitern (British Association for 
Social Workers). 


FOLGEN DES STREIKS 


Im Bezirk Chester kam ein Mann an einem Streikposten der Sozialar- 
beiter vorbei und erklärte, er sei ein Streikbrecher. "Ich habe eu- 
re Arbeit getan, ich habe in einem Club für alte Leute Piano ge- 
spielt". - Den Sozialarbeitern bleib der Mund offen stehen. Was der 
Mann ausdrückte, entsprach der Meinung der (rechten) Öffentlichkeit 
über die Tätigkeit und den Nutzen von Sozialarbeitern. Da in den Au- 
gen der Öffentlichkeit offensichtlich niemand betroffen war von der 
Verweigerung der Arbeit der Sozialarbeiter, war der häufigste Kommen- 
tar dazu: Deren Jobs sind völlig unnütz. Alles was sie tun, ist die 
Untersützung von faulen Schweinen. Selbst von liberalen Medien wie dem 


GUARDIAN oder SOCIETY TODAY erhielten die Sozialarbeiter keine Unter- 
stützung. 


Jedoch auch von linker Seite her stehen die Sozialarbeiter oft unter 
Beschuß.Sozialarbeit wird als Profession angesehen, welche den 
Sand im gesellschaftlichen Getriebe beseitigt, indem sie von den ge- 
sellschaftlichen Normen Abweichende kontrolliert und gesellschaft- 
liche Konflikte im Sinne der Herrschenden glättet und beschwichtigt. 


WER VERMISST DIE SOZIALARBEITER ALSO WÄHREND DES STREIKS ? 


l. Kinder: Die Kontrolle von Sozialarbeitern stellt oft einen Schutz 
gegen Mißhandlungen von Kindern dar. Die Verlegung von Kindern 
aus Heimen zu Pflegeeltern wurde teilweise eingeschränkt. 


2. Alte Leute: Diese wurden verstärkt von zu Hause in Institutionen 
abgeschoben. Geriatrische Abteilungen wurden zunehmend überfüllt, 
während sich Wohnheime für ältere Menschen leerten. 

3. Psychiatrische Patienten: Bei Zwangseinweisungen werden i.a. So- 


zialarbeiter beigezogen (in England beträgt die Zahl der Zwangs- 
einweisungen allerdings nur ca. 16 %). Die Aufgabe der Sozialar- 
beiter kann gesetzlich jedoch auch von der Polizei oder vom näch- 
sten Angehörigen des Einzuweisenden übernommen werden, 

4. Jugendliche: In vielen Fällen wurden Jugendgerichtsverhandlungen 
aufgeschoben oder Jugendliche ohne die Unterstützung eines Sozial- 
arbeiters verurteilt. 


Eine positive Auswirkung des Streiks war, daß viele Klienten begon- 
nen haben, sich selbst zu organisieren, teilweise wurden Dienste auch 
von Freiwilligenorganisationen übernommen. In manchen Fällen wurden 
Aufgaben der Sozialarbeiter von anderen Professionen im Bereich des 
Erziehungs- und Gesundheitswesens oder von der Polizei übernommen. 
Eine Folge des Streiks wird vermutlich sein, daß die Arbeitgeber der 
Sozialarbeiter in Zukunft eine stärkere Kontrolle über die Aufgaben 
der Sozialarbeiter ausüben werden und daß die Budgets der Sozialar- 
beiterdienste gekürzt werden. Wie widersprüchlich die Streikfolgen 
selbst dort sind, wo die Forderung nach der 35-Stundenwoche und die 
Lohnerhöhungen erfüllt wurden: Um die Sozialarbeiterdienste auf dem- 
selben Stand wie vor dem Streik zu halten, mußten aufgrund der Ein- 
führung der 35-Stundenwoche zusätzlich Sozialarbeiter angestellt wer- 


- BT m 


den. Das Sozialbudget von Islington reicht dazu jedoch nicht aus. 


Der Streik hat jedoch nicht nur das Bild aufgezeigt, das sich die Öf- 
fentlichkeit von Sozialarbeitern macht, sondern auch bei einzelnen So- 
zialarbeitern Zweifel am Sinn ihrer Tätigkeit geweckt. Einige haben 
radikale Konsequenzen gezogen: Eine Sozialarbeiterin, die während 

des Streiks für die Öffentlichkeitsarbeit in Islington zuständig war, 
kündigte nach Wiederaufnahme ihrer Arbeit: "Nach dem Streik sind wir 
alle zu unseren Büros gegangen, wo uns Berge von Post entgegengekom- 
men sind. Ich habe mich vor meinen Schreibtisch gesetzt und meinen 
Kollegen zugesehen, wie sie sich durch die Post gewühlt haben und 

dann gleich versucht haben, mit allen Klienten wieder Kontakt aufzu- 
nehmen. Ich habe diesen Job lo Jahre lang gemacht. Ich hatte es plötz- 
lich satt. Es ist, glaube ich, nur eine Art von Beschäftigungsthera- 
pie. Ein paar wenige Klienten haben wahrscheinlich gelitten unter dem 
Streik, aber die meisten haben Möglichkeiten gefunden, selbst mit ih- 
ren Problemen fertig zu werden, ohne uns, und ohne von jemand abhän- 
gig zu sein." 


(entnommen aus "betrifft Sozialarbeit"/Osterreich, Heft 26) 


Der Gewerkschaftsfunktionar 
soll so sein wie der 
Vorsitzende-nurkleiner 








Heidi Bischoff - Pflanz gegen 


Otv 





Urteil gefällt. 





NACHRICHTEN AUS DER OTV 


Das Landgericht Stuttgart hat die Klage von Heidemarie Bischoff- 
Pflanz gegen ihren Ausschluß aus der ÖTV kostenpflichtig abgewiesen. 
Insgesamt belaufen sich nach dem Scheitern der Klage die Kosten für 
die ÖTV-Rechtsanwälte, ihre eigenen Anwälte in Berlin und Stuttgart, 
sowie Gerichtskosten, Zeugengebühren etc. auf über 6.800 DM. Ein Teil 
dieser Summe, nämlich 1.800.-- DM ist schon durch eine frühere Samm- 


lung zustande gekommen. 


Erinnern wir uns: 


Ausschlußverfahren 
gegen Berliner Vorstandsmitglied 


Gegen das Vorstandsmitglied der Abtei- | 


lung Sozialarbeit in der Berliner ÖTV, 
Heidemarie Bischoff-Planz, seit 1963 
Mitglied der OTV, wurde ein Ausschluß- 
verfahren eingeleitet. Im folgenden 
drucken wir Auszüge eines Flugblatts 
von Mitgliedern der Abteilung Sozial- 
arbeit gegen das Verfahren ab. 


Heidemarie Bischoff-Pflanz ist 1963 in 
die UTV eingetreten. Sie hat als Kinder- 
gärtnerin in Wilmersdorf gearbeitet und 
sich von Anfang an für die OTV im so- 
zialpädagogischen Bereich eingesetzt. 
Aufgrund ihres Engagements wurde sie 
in den Personalrat gewählt. 

Seit 1967 ist sie im Vorstand der Abt. 
Sozialarbeit. Seit 1971 ist sie Vorsitzen- 
de der Abteilung. In dieser Zeit geschah 
einiges. Auch wegen der Aktivitäten der 
Kollegin Bischoff-Pflanz wurde die Ab- 
teilung stärker: Während früher nur etwa 
40 Mitglieder zu den Versammlungen 
kamen, sind es jetzt 200 bis 250. 

Die Kollegin Bischoff-Pflanz wurde zur 
Delegierten für den Gewerkschaftstag 
1972 in Berlin gewählt und ebenso in 


den Vorstand der Bundesabteilung So- 
zialarbeit 

Kolleginnen, Kollegen 

am 7. April 1975 

hat der Bezirksvorstand Berlin der ÖTV 
gegen Heidemarie Bischoff-Pflanz 

das Ausschlußverfahren beantragt. 


Was ist geschehen? 


Wie Ihr wißt, gibt es die Unvereinbar- 
keits-Beschlüsse. D.h.: Gewerkschafts- 
mitglieder, die linksradikalen Organisa- 
tionen angehören, werden aus der Ge- 
werkschaft ausgeschlossen. So ist es 
einigen Mitgliedern der Abteilung Sozial- 
arbeit der ÖTV ergangen, die bei den 
letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus 
auf linksradikalen Listen kandidierten. 
Wenn ein Ausschluß-Verfahren gegen 
ein Mitglied beantragt worden ist, be- 
schließt der Bezirksvorstand gleichzeitig 
ein Hausverbot für das OTV-Haus, und: 
begründet das so, daß während des Aus- 
schluß-Verfahrens alle Mitgliederrechte 
und -pflichten ruhen, so auch das Recht 
eines Mitglieds, das OTV-Haus zu betre 


An den letzten Mitglieder-Versammlun- 
gen der Abteilung Sozialarbeit nahmen 
— trotz Hausverbots — einige der vom 
Ausschluß bedrohten Mitglieder teil. Die 
Abteilungs-Geschäftsführer der ÖTV, 
Hoppe und Werk, forderten die Kollegin 
Bischoff-Pflanz auf, diese vom Ausschluß 
betroffenen Mitglieder aus dem Saal zu 
weisen. 


Die Kollegin Bischoff-Pflanz erklárte 
dazu: 

a) formal: 

Sie übt nicht das Hausrecht aus. Sie sei 
nur ehrenamtliche Funktionárin. Vom 
Hausrecht könnten nur die bei der ÖTV 
Beschäftigten Gebrauch machen. Zudem 
befand sich der Kollege Ingo Hinz zu der 
Zeit im OTV-Haus. 

b) inhaltlich: 

Wenn gegen jemand ein Ausschluß-Ver- 
fahren eingeleitet worden ist, so ist er 
noch nicht ausgeschlossen. Erst die letz- 
te Instanz, der Gewerkschaftstag, ent- 
scheidet endgültig über den Ausschluß. 
Es muß den vom Ausschluß bedrohten 
Mitgliedern die Möglichkeit gegeben 
werden, ihren Kollegen innerhalb der Ge- 
werkschaft Rede und Antwort zu stehen. 
Dazu müssen sie zwar ohne Stimmrecht 
doch an den Versammlungen teilnehmen 
können. 

So beschloß es auch die Mitglieder-Ver- 
sammlung, bei einigen wenigen Stimm- 
enthaltungen, daß die beiden anwesen- 
den, vom Ausschluß bedrohten Mit- 
glieder als Gäste dableiben könnten. 
(Diese Versammlung war eine sogenann- 
te “Teilmitgliederversammlung”, weil 
nämlich immer mehr Mitglieder zu den 
Versammlungen kamen, die alle nicht 
mehr in den größten Raum im ÖTV- 
Haus reinpaßten). Etwa 120 Mitglieder 
waren anwesend. 

Auf den Beschluß der Versammlung er- 
klärte die Geschäftsführerin Hoppe, daß 
dies nun keine gewerkschaftliche Ver- 
sammlung sei und verließ den Raum. 
Kollegen, stellt Euch die absurde Situa- 


tion vor: 120 Mitglieder sind anwesend. 
Und 2 andere, deren Mitgliedschaft zu- 
mindest umstritten ist, sollen also be- 
wirken, daß dies keine ÖTV-Veranstal- 
tung mehr sein soll! 


Weil die Kollegin Bischoff-Pflanz die 
Veranstaltung doch durchführte, wurde 
gegen sie das Ausschluß-Verfahren ein- 
geleitet. 

Was können wir aus dem Vorgang lernen: 
“Der Bezirksvorstand ist der Meinung, 
daß Sie sich gewerkschaftsschädigend 
und satzungswidrig verhalten haben, da 
Sie Mehrheits-Beschlüsse der ÖTV nicht 
anerkennen.” 

So steht es in der Begründung für das 
Ausschluß-Verfahren. Hier finden wir 
eine Sprachverwirrung: 

Weil die Kollegin Bischoff-Pflanz Mehr- 
heitsbeschlüsse anerkennt, die der Mit- 
glieder-Versammlung, soll sie ausgeschlos- 
sen werden. 

Weiter wird ihr vorgeworfen, sie hätte 
erklärt, sie sei ‘grundsätzlich gegen die 
Unvereinbarkeits-Beschlüsse des DGB 
und der Gewerkschaften und (würde) 
dafür Sorge tragen, daß diese beiden vom 
Ausschluß-Verfahren Betroffenen an den 
Sitzungen teilnehmen könnten, bis das 
Verfahren abgeschlossen sei.” 

Nun kann man für oder gegen die Un- 
vereinbarkeitsbeschlüsse sein. Da dies 
eine wichtige gewerkschaftspolitische 
Frage ist, muß wohl auch die Diskussion 
darüber gestattet sein. Denn die strikte 
Durchführung der Unvereinbarkeitsbe- 
schlüsse bedroht den Charakter der Ein- 
heitsgewerkschaft. Schließlich ist der 
Entscheidungsprozeß über die Unverein- 
barkeits-Beschlüsse auch in der Gewerk- 
schaft nicht abgeschlossen. 


(entnommen: "express" - 
Zeitung fiir sozialistische 
Betriebs- und Gewerkschafts- 
arbeit Nr. 6/1975) 





Heide B.P. hat alle satzungsgemäßen Möglichkeiten gegen das Aus- 
schlußverfahren vorzugehen wahrgenommen. Sie wandte sich schließlich 
auch an den Gewerkschaftstag der ÖTV (1976), der nach der Satzung die 
letzte Revisionsinstanz (zumindest bis zu diesem Gewerkschaftstag; er 
entmachtete sich selbst und gab die Kompetenz an den Beirat ab.) dar- 
stellt. Ihr Ausschluß wurde dort dann letztendlich bestätigt; aller- 
dings gab es in ihrem Fall beträchtliche Gegenstimmen., 


Der "express" kommentierte die Diskussion über die Ausschlußverfahren 
folgendermaßen: 

"In der Diskussion der Beschwerden gegen die Ausschlüsse wurde grund- 
sätzlich die Problematik von Unvereinbarkeitsbeschlüssen nicht unter- 
sucht, sondern lediglich die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme in 
Einzelfällen kritisiert. Die geschickte Mischung, mit der einige ÖTV- 
Vorstände und Verwaltungen sich unbequemer Kritiker und Wortführer 
mit Hilfe der negativen Fixierung der überwiegenden Mehrheit der Dele- 
gierten auf K-Organisationen, die durch örtliche Erfahrung gespeist 
ist, und der Appellation an grundsätzliche Gewerkschaftsloyalität, ge- 
lang in allen Fällen. Es war noch nicht ausreichend sichtbar zu ma- 
chen, auch nicht in den Fällen, die im Prinzip nichts mit der Zusam- 
menarbeit mit K-Gruppen zu tun hatten, daß hier Methoden angewandt 
werden, die prinzipiell unangenehme Diskussionen und fundierte Aus- 
einandersetzungen administrativ zu verhindern suchen. Dergleichen ist 
vielen Delegierten in ihren Bereichen noch nicht ausreichend erfahr- 
bar geworden. In drei Ausschlußfällen gab es jedoch beträchtliche Ge- 
genstimmen. Künftig wird der Gewerkschaftstag laut Beschluß mit Aus- 


schlußbeschwerden nicht mehr befaßt. Letzte Instanz ist jetzt der 
Beirat." 


Als nächstes klagtesie dann gegen ihren Gewerkschaftsausschluß. Zunächst 
vor dem Landgericht Berlin, weil, laut Satzung,'der Bezirksvorstand 
seine Tätigkeit im Auftrag des Bundesvorstands" ausübt. Doch zu dem 
Termin im Mai 1976 kam der ÖTV-Rechtsanwalt aus Stuttgart, dem Sitz 
des Hauptvorstands, nach Berlin gejettet, um mitzuteilen, daß einen 
Monat zuvor die ÖTV-Satzung in einem Punkt geändert worden war. Es 
wurde eine Zentralisierung der Klageverfahren beschlossen ("wegen der 
häufiger werdenden Klagen gegen die ÖTV"), so daß der Gerichtsstand 
nunmehr Stuttgart sei. Und: "Eine Prorogation wird die Antragstellerin 
nicht vornehmen." Ins Deutsche übersetzt heißt das, daß zwar auch die 
Möglichkeit besteht, sich auf ein anderes Gericht zu einigen (beispiels- 
weise Berlin), die ÖTV-Führung sich jedoch nicht darauf einlassen wird. 
Für diese simple Mitteilung der Änderung des Gerichtsstandes hatte 

sie an den ÖTV-Anwalt über 1 800 DM zu zahlen. 

Inzwischen hat nun das Landgericht Stuttgart den Ausschluß der gewähl- 
ten Abteilungsvorsitzenden aus der ÖTV für rechtens befunden. 


"Der Ausschluß der Klägerin wäre dann als offenbar unbillig anzusehen, 
wenn die Klägerin schon vor der Sitzung am 17.3.1975 bei der Einlass- 
kontrolle hauptamtliche Funktionäre der Beklagten aufgefordert hät- 
te, die Mitglieder Röhr und Reckling am Betreten des Gewerkschafts- 
hauses zu hindern und dieses Ersuchen abgelehnt worden wäre. Diese 
Behauptung der Klägerin ist aber nicht bewiesen worden. 

Keiner der Zeugen konnte bestätigen, daß die Klägerin schon bei der 
Einlasskontrolle die Gewerkschaftssekretärin Frau Hoppe aufgefordert 
hat, unter Ausübung ihres Hausrechts die Mitglieder Röhr und Reckitng 


- 91 - 


zu entfernen, und daß dies Frau Hoppe abgelehnt hat. Die Zeugin Hop- 
pe hat einen solchen Vorfall glaubhaft in Abrede gestellt. Der Ge- 
werkschaftssekretär Hinz war, wte er glaubhaft bekundete, weder bei 
der Einlaßkontrolle anwesend, noch bei der anschließenden Versamm- 
lung. Die von der Klägerin benannten Zeugen haben indes ausgesagt, 
daß es bei Beginn der Sitzung zwischen der Klägerin und Frau Hoppe 
eine Auseinandersetzung über die Ausübung des Hausrechtes und die 
Teilnahme der Mitglieder Röhr und Reckling gab. Zu diesem Zeitpunkt 
war jedoch bereits die Klägerin für den Ablauf der Sitzung verantwort- 
Lich. Ihr oblag die Einhaltung der Satzung, was ihr als langjähriges 
Gewerkschaftsmitglied in zeitweilig sogar führender Position auch | 
hätte bekannt sein müssen, zumal sie von Frau Hoppe noch entsprechend 
belehrt worden war, wie diese bekundete." 
Sämtliche Kosten gehen zu Lasten der Klägerin, die ein Anliegen vie- 
ler Gewerkschaftsmitglieder durchzufechten versuchte. 


Wir bitten Euch daher, einen Beitrag auf das Unterstützungskonto von 
Heidi zu überweisen. Die Kontonummer: Liselott Schrödter, Postscheck- 
amt Bln.-West 32 17 30 - 109. 


Übrigens: Seit dem 1.6.79 ist Heidi wieder gewerkschaftlich organi- 
siert, nämlich in der GEW! 


NICHT NUR REDEN - HANDELN!!! 


P.S. An diesem Beispiel wird wieder einmal deutlich, daß es keinen 
Zweck hat, sich in diesen Fragen auf die Gerichte zu verlassen. Umso 
schwerer wirkt die Tatsache, daß die nach der Amtsenthebung von Heidi 
Pflanz vom Bezirksvorstand verfügte Abschaffung der Mitgliederver- 
sammlungen der Abteilung Sozialarbeit von den Gewerkschaftskollegen 
widerstandslos hingenommen wurde... 


“AUSTRITTSERKLARUNG AUS DER OTV/FREIE TRÄGER 


"Um die Lebendigkeit ihrer Gewerkschaft und die ständige Weiterent- 
wicklung erfolgreicher gewerkschaftlicher Arbeit zu sichern, haben 
die Mitglieder unserer Organisation die Möglichkeit, ihre Meinung tn 
die Beschlüsse und Handlungen der verantwortlichen Organe dieser Or- 
ganisation einzubringen." 

(Zitat: "Leitsätze für Vertrauensleute der Gewerkschaft ÖTV') 


Wir, eine Gruppe von Pädagogen, Mitglieder der ÖTV, haben uns z.T. 
seit drei Jahren darum bemüht,eine Betriebsgruppe der ÖTV-Hamburg 
beim DPWV zu gründen. Wir arbeiten bei unterschiedlichen Freien Trä- 
gern (Jugend hilft Jugend, Jugendhilfe e.V., Alida Schmidt Stiftung) 
im DPWV in zumeist kleineren Einrichtungen mit 10-50 Mitarbeitern. 
Durch unsere unterschiedlichen Anstellungsträger entsteht für uns 
eine isolierte Situation. Gerade deshalb ist es für uns wichtig uns 
zusammenzuschließen, um unsere Interessen als Arbeitnehmer und Gewerk- 
schafter vertreten zu können. 

Von der Bezirksverwaltung wurden wir immer wieder vertröstet. Schon 
1976 (!) versprach man uns: 


- 92 - 


"Wirmoóchten Dich daher bitten, gemeinsam mit dem zuständigen Geschäfts- 
führer, dem Kollegen Eckard Schön, zunächst zu prüfen, ob bei Euch 

die Kriterien zur Bildung einer ÖTV-Betriebsgruppe erfüllt sind und 
wenn ja, daß dann ordnungsgemäß mit Einladung durch die Organisation 
selber die entsprechenden Wahlen durchgeführt werden." 


Nach zahlreichen Bitten und Forderungen schrieb die Bezirksverwaltung 
durch Eckard Schön im August 1978: 

nminsichtlich der Frage der Organisation der ÖTV-Mitglieder in dte- 
sem Bereich (DPWV) gibt es zur Zeit verschiedene Überlegungen, die 
wir hoffen, in diesem Jahr noch abschließen zu können. Wir wollen 
dann auch in diesem Bereich ÖTV-Betriebsgruppen bilden, die sich ak- 
tiv an der gewerkschaftlichen Arbeit beteiligen können." 

Bis heute ist nichts geschehen. Bis heute wurden wir auf jene Art hin- 
gehalten. Bis heute wird uns so jede aktive Beteiligung an den Be- 
schlüssen und Handlungen der ÖTV verweigert. Da auch die letzte Ab- 
teilungsversammlung der Fachgruppe Sozialarbeit 1974 stattgefunden 
hat und weitere Versammlungen nicht genehmigt werden, glauben wir, 

daß von der Bezirksverwaltung bewußt jede Beteiligung der ÖTV-Mitglie- 
der beim DPWV verhindert werden soll. Da wir so an jeder gewerkschaft- 
lichen Interessenvertretung gehindert werden, haben wir beschlossen, 
aus der ÖTV auszutreten. 


wir sind nicht bereit, weitere Jahre ausschließlich Beiträge zu zah- 
len und damit u.a. eine solche undemokratische und mitgliederfeindli- 
che Vorgehensweise der Bezirksverwaltung zu stützen. Dort wird nichts 
mehr gefürchtet, als die Lebendigkeit einer Gewerkschaft durch die 
Beteiligung der Mitglieder an den Beschlüssen und Handlungen der ver- 
antwortlichen Organe. Hiermit geben wir unseren Austritt bekannt. Wir 
überprüfen, ob wir unsere Interessen in der GEW realisieren können." 


- 93 — 


MATERIALIEN ,HINWEISE,STELLENANGEBOTE,TERMINE 


O Jugendarbeitslosigkeit in Hamburg, eine Untersuchungsarbeit, 
Herausgegeben vom AKS Hamburg, 65 Seiten; Bezug: gegen Voreinsen- 
dung von DM 3.- über Sozialistisches Büro, Altonaerstr. 28, 

2 Hamburg 6 

0 Materialmappe THERAPEUTISCHE WOHNGEMEINSCHAFTEN für Psychisch Kran- 
ke - über Möglichkeiten und Probleme (80 Seiten), erhältlich gegen 
DM 4.- (einschl. Porto) in Briefmarken bei AG SPAK, Belfortstr. 8, 
8 München 80 

0 Materialmappe "BEWUSSTSEINSBILDENDE ARBEIT" - neuere Texte von und 
zu Paulo Freire (Diskussionen, Seminarergebnisse, etc.) ca. 120 Sei- 
ten, erhältlich gegen Kostenbeteiligung DM 5.-- (und 1.-- DM Ver- 
sandkostenanteil) mit Briefmarken über AG SPAK, Belfortstr. 8, 

8 München 80 

O "Streetwork/Straßensozialarbeit".Eine umfangreiche Literatur-Liste 
zu dieser Arbeitsform, unter besonderer Berücksichtigung der 
'mobilen Jugendarbeit' kann gegen DM 1.- für das Rückporto bei 
Hannes Kiebel, Alemannenstraße 8, 4630 Bochum 1, angefordert wer- 
den. 

0 Die INITIATIVE "Der KINDER WEGEN..." hat ein Heft herausgegeben mit 
Beiträgen über Pflegeeltern, Kindergartenstreik, Alternative Wahl- 
beteiligung, Sanfte Geburt und vieles mehr. Für DM 2.- zu beziehen 
über Christine Tigges, Friedrich-Wilhelm-Str. 5, 28 Bremen 
(0421/505846). 

0 Ich arbeite in einer Obdachlosensiedlung und suche für meine Arbeit 
nach Erfahrungsberichten mit Männergesprächsgruppen. 

Klaus Kiesheyer, 4600 Do-Schüren, Ob der Kolmke 5. 

O "Geschichte und Erfahrung in der Jugendarbeit 2. Teil: Arbeit mit 
Jugendgruppen - geschichtliche Erfahrungen nach '45 und heutige 
Möglichkeiten", 

Bei diesem Treffen wird an unsere Juni-Tagung über die Jugendbewe- 
gung in der Weimarer Zeit angeknüpft. Es können aber auch Leute mit- 
machen, die beim 1. Mal nicht dabei waren. Wir werden die geschicht- 
lichen Erfahrungen aus der Arbeit mit Jugendgruppen auf die heutige 
Jugendarbeit beziehen. Wir möchten aber nicht nur diskutieren..... 
Termin: 20. - 25. November 1979; Ort: Quelle bei Bielefeld 
Anmeldung an: Arbeitsfeld Bildungsarbeit, Sozialistische Büro, 
Postfach 591, 6050 Offenbach 

(Über diese Adresse kann auch der Bildungsarbeiter-Rundbrief 5/79 
gegen Voreinsendung von DM 2.- bezogen werden mit ausführlichen Be- 
richten, Informationen und einem Programm der nächsten Tagung) 

O Wir sind 5 Erwachsene + 4 Kinder (davon 1 Pflegekind) und haben ein 
altes Schloß mit 200 qm Wohnfläche und 12 000 qm Land gekauft. Zur 
Zeit renovieren wir und versuchen die Raten abzutragen. Unser Ziel 
ist, in einem Teil des Hauses ein Kleinstheim zu errichten und in 
dem anderen eine alternative Tagungsstätte und Ferienaufenthalte 





für Kinder durchzuführen. Um das alles zu schaffen, brauchen wir 

mehr qualifizierte Leute(Pädagogen und Handwerker). 

Kinderschloß Ockstadt e.V. bei Freidberg; Telf. 06031/5515 

Die Mitarbeiter der PRO FAMILIA Fulda suchen Sozialarbeiter(in) 

für eine Halbtagsstelle und eine Ganztagsstelle, Bezahlung BAT IV b. 

Schwerpunkte: Beratungsgespräche, Gruppenarbeit, Verwaltung und 

Organisation, Öffentlichkeitsarbeit, Buchhalterkenntnisse (erwünscht 

für eine Stelle).Erwartungen von uns: längerfristige Ambitionen, 

Wohnsitz im Raum Fulda, Berufserfahrung. 

PRO FAMILIA, Marktstr. 21, 6400 Fulda. 

Der Jugendhausförderverein e.V. in Schramberg/Schwarzwald stellt 

zum 1.1.1980 eine(n) SOZIALARBEITER(IN)/SOZIALPÄDAGOGE (I)N 

für sein Jugendhaus in Selbstverwaltung ein. 

Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen sind zu richten an: 

Wolfgang Teichmann, Tierstein 4, 7230 Schramberg, Tel.:07422/3441. 

"Kinder entdecken Kultur" ist das Schwerpunktthema der pädagogisch- 

en Zeitschrift "die Lupe". Heft 24. Sie wird herausgegeben vom 

Spiel & Lernzentrum Braunschweig, Bruchtorwall 1-3, 33 Braunschweig 

und kostet DM 5,--. Beschrieben werden die Aktionen und Erfahrungen 

mit der KIEK-Kinder entdecken Kultur-Woche-. 

"lo Jahre Diskussion Jugendwohngemeinschaften: Chance oder Illusion?" 

Auf 240 Seiten wurden wichtige Artikel aus dieser Zeit zusammenge- 

stellt. Bezug gegen DM lo,-- plus Versandkosten über 

Verein Alternative Heimerziehung e.V.,Vereinsstr.87,2 Hamburg 6 

Die Arbeitsgruppe Psychologie München, Pläntschweg 22, 8 München 60 

gibt heraus: 

- Entäusserung und Entfremdung in den Pariser Manuskripten 
(65 Seiten, DM 6,--) 

- Die Kultur Teil 1: Der Entstehungs- und Entwicklungsprozess der 
Privatperson oder das Selbst (145 Seiten, DM 7,50) 

- Selbstorganisation psychisch Kranker: dargestellt an drei 
Organisationen (SPK,DAYTOP,TC München); (160 Seiten, DM 11,-) 

- Zur Kritik der Humanistischen Psychologie: eine Kritik der 
Philosophie und Praxis der Gesprächs-Psychotherapie von Rogers 
und der Kommunikationstherapie von Watzlawick. 

(90 Seiten, DM 7,--) 

"Der alltägliche Skandal" - Dokumentation über das Mädchenheim im 

Diakoniezentrum Heiligensee(Westberlin) 

Bezug: HEZ - Zeitung für Erzieher und Sozialarbeiter c/o Zeitungs- 

coop, Eisenbahnstr. 4, 1 Berlin 36 

",...auch wenn das Kind schon blau geschlagen wurde ..." 

Aus der Arbeit der Beratungsstelle für Kinderschutzarbeit des 

Deutschen Kinderschutzbundes, Ortsverband München e.V.. 

Dokumentiert werden die Arbeit und die Erfahrungen der ersten ein- 

einhalb Jahre des Aufbaus.. Das Buch richtet sich an Kollegen in 

der verbandlichen und öffentlichen Familienarbeit, aber auch an 

Ärzte und Juristen. 168 Seiten,DM 6,-- . Gegen Voreinsendung von 

DM 8,50 (einschl.Porto) auf das Konto 9922-801 PSCHA München 

Deutscher Kinderschutzbund, Stichwort: Jahrbuch 


Sozialpädagoge(in)/Pädagoge(in)/Psychologe(in) zum Aufbau einer 
Jugendwohngruppe im Raum Darmstadt gesucht. 
Telf. 06151/ 714803 oder 713 801 


- 95 -= 





O Tagung des Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit im SB Hamburg 


Thema: 
"Neuorganisation sozialer Dienste - Und es bleibt doch alles beim 


- Und es bleibt doch alles beim Alten?" 


16.11.1979 Podiumsdiskussion 19.30 Uhr, ESG, Grindelallee 9 
Teilnehmer: Verena Fesel, FHS Hamburg; Christian Marzahn,Uni Bremen; 
Siegfried Müller,Redaktion Neue Praxis; Vertreter der GEW; Ver- 
treter der ÖTV angefragt; Liesel Werninger, Sozialarbeiterin a.D.; 
Timm Kunstreich,Aks Hamburg 

17.11.1979 Tagung in Arbeitsgruppen im SPZ,Sedanstr.19 

mit Kolleginnen und Kollegen aus Westberlin,Frankfurt,Bremen,Biele- 
feld und München 

Abends Féte in den Räumen des Sozialistischen Büros, Altonaerstr.28, 
2 Hamburg 6 


Teilnehmer ausserhalb Hamburgs melden sich bitte beim AKS c/o 
Sozialistisches Büro, Altonaerstr. 28, 2 Hamburg 6 an, damit für 
Euch Übernachtungsplätze organisiert werden. 





Reihe "Arbeitsfeldmaterialien zum Sozial- und Cesundheitsbereich" 


Humanisierung des Gesundheitswesen -Berichte - Konzepte - Erfahrungen - 


Das ausgeprägte Interesse und der intensive Wunsch nach Information und 
Erfahrungsaustausch über Reformversuche und Alternativen im Gesundheits- 
wesen veranlaßte das Oberstufenkolleg an der Universität Bielefeld eine 
Tagung durchzuführen. Die auf dieser Tagung im Rahmen eines Projektbasars 
vorgestellten und diskutierten Projekte und Initiativen werden in einem 
ca. 240 Seiten umfangreichen Materialband zusammengestellt. Er ist nach 
folgenden Schwerpunkten gegliedert: 

a) Neue Formen der Aus-,Fort- und Weiterbildung im Gesundheitswesen 

b) Kooperative Praxis und alternative Zielsetzungen 

c) Verbände und Initiativen 

d) Zeitungsprojekte 

Eingeleitet wird der Materialband durch ein Referat von Prof. Dr.Dr. Rolf 
Schwendter (Gesamthochschule Kassel) 

Da die Projektdarstellungen auch Gruppen und Initiativen aus dem sozial- 
arbeiterischen und sozialpsychiatrischen Bereich umfassen, erweitert sich 
der Adressatenkreis. Angesprochen sind: Laien, Selbsthilfegruppen, Sozial- 
und Gesundheitsarbeiter, Ärzte, Pädagogen, Gewerkschafter, Ausbilder und 
Auszubildende etc, Dyu A43.- 




























Reihe Plakat-Bauern-Verlag 





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Grünstift ~ Bauernkarikaturen aus Frankreich und der BRD ca. 120 seiten[Dn A0,- 


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DER INDUSTRIELLE SACKT EIN 























zialistische Zeitung 


bringt monatlich auf etwa 28 Seiten Informationen und Anregun- 
gen fúr die politische Arbeit, Beitráge zur sozialistischen Theo" 
rie und Strategie, Berichte aus der Linken international. „links 
ist illusionslos, undogmatisch — eine Zeitung für Theorie der 
Praxis und für Praxis der Theorie. 

Einzelpreis DM 2—. 


Bezugspreis, jährlich, DM 22,— + DM 6,— Versandkosten 


DIVISA 


| Zeitung für sozialistische 
s- und : 
Betriebs U. on 


Sprachrohr der Kollegen und Genossen, die sozialistische Be- 
triebs- und Gewerkschaftsarbeit machen. Informationen poe 
die Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit. Beiträge, 
die man nicht in den Gewerkschaftszeitungen findet. 
Einzelpreis DM 1,20. 


Bezugspreis, jährlich, DM 14,— + DM 6,— Versandkosten 


Probeexemplare anfordern bzw. Abonnementsbestellung bei 
Verlag 2000 GmbH, Postfach 591, 605 Offenbach 4.