^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^M
X
/lUOA
A
INFO SOZIALARBEIT
»&ZSX2Sr
Hsf't 1
Fursorgeerzi ehung
vo»-h.t<-
iwdtfcM-
'fwfmt'wj/* (5«*»i iw kaaifatiAmtiA
Dieser Info dient der Information ""^"f^l^
zwischen sozialistischen Gruppen und Einzelnen .die im
Sozialisationsbereich arbeiten und wendet sich an
Sozialarbeiter, SozialpHdagogen, Heimerzieher, Kinder
gartnerinnen, Sozial planer, Psychologen, Erziehungsbe
ratungsstellen, Kriminologen, Wmr.BmKsMUto-
rer, Dozenten und Studenten an ^^J^^ttltZ-
etc. Itn Mittelpunkt dieser Ausgabe stent die Furso rge-
erziehung mit schwerpunktmaSiger Onenjnerung auf das
Thema "Wohngemeinschaft mit Jugendlichen der offentli-
chen Erziehung".
Einzelpreis drei Mark
■BL
ram
naMH
■mI
KM
ill:
INFO SOZIALARBEIT Heft 1
I N H A L T
Editorial
Vorbemerkungen zu dieser Ausgabe
Sozialarbeit im Kapitalismus
Der Sozialarbeiter
Soziopsychische Situation
der Sozialarbeiter
Schlaglichter zur Herkunft
der "Fursorge"jugendlichen
Konkretionen zum Aufbau
eines Jugendkollektivs
Verein Soziale Jugendarbeit e.V.
Konzeption fiir die Einrichtung
einer Wohngemeinschaft rait Minder jahri gen
in b'ffentlicher Erziehung
Verdeutli chung der Klassenlage
der Sozialarbeiter an Hand der im
Kollektiv gemachten Erfahrungen
"DIE KOLLEKTIV-ZEITUNG"
Solidaritat mit dem Georg-von-Rauch-Haus
Zunehmender Druck der Sozialburokratie
auf Jugendwohngemeinschaften
BUCHBESPRECHUNGEN
Gefesselte Jugend
Zur Sozialisation proletarischer Kinder
Mater i alien zur Lage
der Arbeiterjugend in Westberlin
Geschichte und Funktion der Sozialarbeit
Nachrichten
Seite
3
Seite
9
Seite
11
Seite
19
Seite
2o
Seite
22
Seite
25
Seite
32
Seite
37
Seite
41
Seite
55
Seite 59
Seite 63
Seite 65
Seite 67
Seite 71
Seite 72
Is^aS
Editorial
Die Wirtschaftskrise 1966/67, das Aufbrechen der Widerspriiche insbe-
sondere an den Ausbildungsstatten - Hochschulen und Schulen - haben
das gesamte System der BRD in eine gesellschaftliche Krise gefiihrt und
den Glauben in den "krisenfesten Kapitalismus" nachhaltig erschuttert.
BeeinfluBt durch die Studentenbevegung und konfrontiert mit ihrer ei-
genen mangelhaften Ausbildungssituation an den Hoheren Fachschulen und
einer Praxis, die sich auszeichnet durch fehlende Mittel, ungeniigender
personeller und materieller Ausstattung etc. stellte sich fur einen
iramer groBer werdenden Teil der im Sozialbereich Tatigen (Sozialarbei-
ter, Sozialpadagogen, Erzieher, Kindergartnerinnen etc.) die Frage
nach den Wider spriichen, durch die ihre Arbeit gepragt vird, der poli-
tischen Funktion von Sozialarbeit und der Selbstorganisation in diesem
Arbeit sf eld.
Die Funktion von Sozialarbeit mit ihren verschiedenen Bereichen im Re-
produktionssektor ist allerdings bisher erst auf einer sehr allgemei-
nen Ebene bestimmt: AKS-Papier, Gefesselte Jugend, Erziehung und Klas-
senkampf Nr. h/Ti. Sozialarbeit /Sozialpadagogik sind vernachlassigte
Bereiche gesellschaftlicher Reproduktion. Sie sind gesellsuhaftlich
notwendige Arbeit zur Erhaltung und Qualifizierung der Ware Arbeits-
kraft. Da der Kapitalismus auf die reibungslose Verwertung der Ware
Arbeitskraft angewiesen ist, beobachten vir im Verlauf der letzten^
Jahrhunderte eine immer starkere Verge se 11 sc haft ung der Sozialarbeit ,
die als Institutional sierung, Prof essionalisierung und Verstaatlich-
ung zum Ausdruck kommt.
Dabei sind die gesellschaftlichen Funktionen der Sozialarbeit zu dif-
ferenzieren: zum einen erfiillt sie allgemeine und materielle Aufgaben,
•die eine jede Gesellschaft im Hinblick auf die Erhaltung der mensch-
lichen Arbeitskraft wahrzunehmen hat (Sozialversorgung, Gesundheits-
fiirsorge. Vorschule, Kindergarten), zum anderen erwachsen ihr Aufga-
ben die sich als institutionalisierte Reaktion auf Phanomene verste-
hen'lassen, die sich direkt oder indirekt aus den spezifischen Wider-
spruchen der kapitalistischen Gesellschaft ableiten lassen: so die
materielle Unterstiitzung derjenigen, die aus dem ProduktionsprozeB her-
ausfallen und nicht voll integriert sind; so die disziplinatorische
Integration derjenigen, die vorgangige Erziehungsinstitutionen nicht
zu den gevriinschten "normalen" Verhaltensweisen gebracht haben. - Durch
den kapitalistischen Widerspruch von gesellschaftlicher Produktion und
privater Aneignung sind der Sozialarbeit materielle Grenzen gesetzt.
Die infrastrukturellen Bereiche werden nur soueit gefordert, vie es die
Stabilisierung des Systems erfordert.
tZ'f860'5'" » 4itSP ?°Sen habe° beute erkannt, daB die
^ZT' 8US der si=hP ^fSS+n"ht ^fgehoben sind und die Arbei-
HS« LS eeSeUsch^l^hS RH6^^ ^^den Teil rekrutiert,
lnBer « einer s h&r a ^f?" zu reproduzieren und sich ein
Der Staat hat .. s D^— eru ng befindet.
^ti^sr^T"::: Au:snoDeYnd MaBnah»- ^^en,
""aaderl!^, aufzufa"gen und nc£^?en der kaPi*alistischen Pro-
deren Rech?» ^ dle FinWzierunI. dL Z >? Reforme° nur soveit vor-
uad «wiS^fr"ffc Un^inEb„ !£?£ °*»? sie «r die Reproduktion der
Ch.r.Ei!11!^?*!***. fefi^!!!°^fn Slnd- "ie sozialpolitischen
"ierunggl' £e "bernehmea nicT ° ° a*en *aher einen widerspruchliohen
"»lit^ WH f d 5k°nomiS Ur«^ Sle S°Uen auch abienken von
' Vervahrl°sung, Armut etc! V°D 0bda=hl°sigkeit, Kriai-
^^3rt«a^^i^£wi??" - d~ *■* - **-
Eich So^alSrr3*101182^™,^^- ^Srb-lt dur<=nlief verschiedene
•*c. i„ a!^1*"-, Sozial.s,!!™66- lQ v^len Stadten nr^nisierten
**" J" ■ ^it« "• So2ialpSdagoSn iQ-Vlelen Stfidten organisierten
I IT?*"1' ^^ITli^*1 W& KindergAnerinnen
' »it PursorBezfi^j.r ?lch ""it Students », BD^^,,r-
etc- ^ StTW- S-iaIpld=r^n-Vielen Stfidt- organist
PenPr°jekten"if£PPen' bet^ligtfn riS?1^ W& Kindergartnerinnen
PsychiSeh KraSl ^^"Sslingen f S* studenten an Randgrup-
V°a ^^-nat^S:; ^ ^"ten'etgSrr' ?tra^an6enL,P
aoaeUen. n eigene Vereine zur Organisierung
"n erster Vp*
y°^Bsetzun ^^ offen . Wobe. «/T1 gemacht - jedoch ^.^ noch
*? ^Bung fich?i ^e* ** So»iSw ? ^^ "nterschiede und
**•»«* una erst diesem Berei<» ^?irzf^reen fur
STkrSLMs 5oc ^° sUnd d6r ^^^pSa'r-51^ &Uf ^^iative des
^ISClia, AKTlos fc^ daa S^f^af°«"c^n KorreSponaenz Berlin
TJZ'^° "**** in £?„!!0aite fQr S Zuk,^Sen- Die Zusanmenarbeit
fomullert; ,M Dnd" a^=hlieSendea >" WWwisationsBtirtena
Alt UCkten «w.eniSf lgea Soli^isie^nntutl0n z™ Jugendhilfetag
er^:re Und CIS • ^^ ■6gXi*^fhU*ea S«6enuber den un-
•l^i:r0&^^s^
jekt^ie*tri0rienti«rten ^U-flnden. Racist "Z1".65 Jetzt' A11'
ta«ert!vHertsn Grupnen ^ &>2aal^eiter^ri.a^-SO die kritisch
r^io-ii 14ete ^ektl,2U Sa*eW. E^ *f . ^;ieher ia lokalen pro-
S10aal" »«— e^"^^ -ird si.n^^f v^"end des Jugendhil^-
deit befaaBen... " ^ ^en Mdgiic^i^^^.
■ Anieige
DAS SOZIALISTISCHE BORO - WORUM GEHT ES?
Clubs, in Basisgruppen an den Hochschu ^ innerhaib der 'offi-
Jugendverbande und als kntische Gruppierungen in b
ziSllen- Organisation^ Gewer schaft en. K £e . ^ej.^.^^
weit verzweigten Praxis liegt die C w ^, eDi kuss1on praktische
Bewegung. Aber: Ergebnisse der theoret schen Diskuss o ^ ^
Erfahrungen. Modelle *?ezifischer und loka P sie infonna.
Auswertung fur die.sozial istische L,nke in sgesaim. .^^ fehu es
torisch nur unzureichend venmttelt weraen. u hfc und wenn
an Kooperation. die Uber d,e e, ene a arbeit {^ ^ ^
es darauf ankomnt. in ^"^^^^eich hinausgehende Forderungen
spezifischen Gruppen- oder J^eitsbereich nin s Koordination
und Selbstorganisation durchzusetzen, dann ist a ^^
meist unzureichend. Das SoZ1al istische Buro w l heite . ^
Ko™>unikation und Kooperation "jnter der sozia ist s c ^ grbSeren
ihren verschiedenen Gruppierungen zu entw «ein beitragen.
Effektivitat und zur Organisierung sozialistischer Rr
Deshalb n^chen wir "iinks". f^V^^J^^dSf &1a Istische
gerichtete sozial istische Zeitung. Deshalb aben a Informations
Buro und der Sozialistische Le^^""dt9^bt das Sozialistische Bi,ro
dienst fllr progressive Lehrer ^%eb^X^slhe Betriebs- und Ge-
Bilt der GFP "express - Zeitung fur ""fl^ziallstlsche Berufs-
werkschaftsarbeit" heraus. Weitere Infos fur soz Infonnations-
praxis sind in ihren ersten Ausgaben er «hienen. s URBEIT_ Er.
dienst ARBEITERBILDUNG und der I^0™^1""!^^ 5eines Biicher- & Paper-
ganzend fdrdert das Sozialistische Buro Bitwi Schriften fUr
vertriebs die Herstellung und Verbreitung ausge strategisch
die theoretische Arbeit, fur Schulun ft praxis Aktivit3ten
wichtigen Feldern. Uber lo^le.u"dHP^^iistischen BUros ist die
Weiterer wichtiger Arbeitsbereich des Sozialistis antiimperiali.
Unterstutzung von Auslandergruppen in der ™u™ punktuellen
stischen Dritte-Welt-Gruppen sowie die Koo« nat on
Aktionen im Bundnis mit anderen linken Organisation
In-ietzter Zeit kann das Sozialistische Buro eine erhebliche^Auswei
tung seiner Aktivitaten und f^^.^^ltlrt vor gut zwei Jahren im-
BUro und seine Projekte konnten seit de «» »* , h- g0nS0lidiert sind
merhin soweit gebracht werden. daB sie wcnn fullen ksnnEn. Urn
und die zugedachte POl^^fJ^^U™"^ und erweitern zu
das Sozialistische Buro und sel"^^0^^alistisches Buro" gegrundet.
kSnnen, haben wir den "Fdrdererkre « Sozialistisc ^ ^.^
Mir bitten alle. die sich Uber e;" A^~ich finanziell leisten ^
stische Buro engagieren mochten und «le " pbrderer bestimnen die Hohe
kbnnen; dem Fdrdererkreis beizutreten Die^or ^ 5___}
ihres Beitrages selbst (jindestens J^ocn ^n sozialistische
halten regel^aBig. "links" kostenjos zuge sandt^ ^ sozialistiscnen
Buro als einziges standig bes?tz;"0Hr^prer!
Linken auszubauen. brauchen wir neue Forderer.
Sozialistisches BUro. 6o5 Offenbach 4. Postfach 591
Jedoch veder dieser BeschluB noch der anschlieBende Appell und Aufruf
in der Sozialpadagogischen Korrespondenz Nr. 1 1/1970 konnten die An-
satze auf regionaler Ebene vorantreiben, - der Versueh, die Gruppen
auf nationaler Ebene zu organisieren, erfolgte nicht. Die Grunde hier-
fur durften einergeits unter der daaals besonders stark vuchernden
Fraktionierung innerhalb der Linken, andererseits aber aueh in der
Konzentrierung vieler Gruppen auf 6rtlicb.es und projektbezogenes Ar-
beiten zu sue hen sein. Ebenso konnte der Anspruch der Oenossen mit der
Zeitschrift Erziehung und KLassenkampf "die strategisehen Diskussionen,
Schulung, Initiierung und Verscharfung der Massenkampfe und die Ver-
einheitlichung des Organisationsprozesses sozialistiseher Erzieher
und proletarischer Jugend voranzutreiben" nicht eingelost verden. Sin
vesentlicher Grund - sicher nicht der einzige - dafur ist die in vie-
len Beitragen deutlich verdende Abhebung von den alltaglichen Erfah-
rungen, Konflikten und Problemen der Sozialarbeiter und Sozialpadago-
gen aus der Praxis. So notvendig ein theoretisches Organ fur den Er-
ziebungssektqr ist, es kann jedoch nicht daruber hinvegtauschen, da6
damit allein der Organisierungsgrad nicht vorangetrieben verden kann.
Im Sozialisationsbereich arbeiten heute eine Vielzahl von kleinen und
groBeren Gruppen, Einzelkampfern oft an gleichen Orten, ohne daB sie
Verbindung zueinander haben. Sie sind konfrontiert mit Problemen und
Konflikten, nit denen andere Gruppen schon ihre Erfahrungen gesammelt
haben. Ein Austausch, geschveige denn eine Koordination, findet nicht
statt. Informationen fliefien nur fiber informelle Kanale. Auch der poli-
tische Anspruch der Gruppen ist zum groSten Teil sehr heterogen. Ge-
meinsam ist ihnen alien eine Kritik an den gesellschaftlichen Zustan-
den, der Wille an der Ubervindung des Systems zu arbeiten und die
Zielsetzung, im Sozialbereich die Interessenvertretung der Betroffenen
zu ubernehmen, die Deklassierung von Individuen und Gruppen zu ver-
hindern und beizutragen zur Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse.
Pur diese Genossen und Gruppen reicht das bisherige Inforraationsange-
bot nicht aus; Publikationen sind entweder auf den studentischen Be-
reich bezogen, lassen die praktische Auseinandersetzung vennissen
(Erziehung und Klassenkampf ), sie sind nicht hinreicnend auf die gesam-
te BED orentiert, urn Ansatze fur Organisationsmoglichkeiten fur Prak-
tiker zu bieten (Sozialpadagogische Korrespondenz) oder versuchen, un-
ter dem Mantel der Wissensehaftlichkeit und Progressivitat "moderne"
.Methoden und In halt e zu vertreiben, ohne sie zu reflektieren, zu ana-
lysieren und zu fragen, wem diese dienen (Neue Praxis). Deshalb haben
sich einige Gruppen, die im Sozialisationsbereich arbeiten, entschlos-
sen, im R&hmen des Sozialistischen Buros diesen Informationsdienst
SOZIALARBEIT herauszugeben und zukunftig unter Einbeziehung veiterer
interessierter Gruppen zu einem Instrument der Konmunikation, Koordi-
nation und Organisierung im Sozialisationsbereich auszubauen. Das
Sozialistische Buro organisiert in Zusammenarbeit mit Basisgruppen
anderer Bereiche bereits weitere derartige Projekte, z.B. den Informa-
tionsdienst des Sozialistischen Lehrerbundes und fur Bildungsarbeiter
den Informationsdienst ARBEITERBILDUNG.
Der Informationsdienst SOZIALARBEIT wendet sich an Sozialarbeiter,
6Sozialpadagogen, Heimerzieher , Kindergartnerinnen, Sozialplaner,
Psychologen, Erziehungsberatungsstellen, Kriminologen, Pfarrer, Berufs-
schullehrer, Dozenten und Studenten an Fachausbildungsstatten, Studen-
ten, die in sozialpolitischen Projekten arbeiten und andere, die be-
ruflich im Sozialbereich tatig Bind. Durch den Info soil den Gruppen
und arbeitenden Genossen dadurch UnterstOtzung gegeben verden, indeo
sie die Moglichkeit erhalten und aufgefordert verden, ihre Erfahrung-
en, unmittelbsre Problesae, Konflikte und Bedurfnisse darzustellen und
mit anderen Gruppen in einen gemeinsamen Erfahrungsoustausch zu tre-
ten.
An der Vorbereitung dieser ersten Ausgabe des Infonnationsdienstes
SOZIALARBEIT varen beteiligt:
+ Verein fur Soziale Jugendarbeit Bochum/Essen
+ Zentrum fur Sozialplanung Essen
+ Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit Frankfurt
+ SPAK Mainz und Freiburg
+ Aktion Kritische Jugendhilfe Mainz
+ Sozialistisches Buro Offenbach.
Es vurden folgende Gesichtspunkte fur die Zielsetzung des Infos und
der moglichen Inhalte diskutiert:
1. kontinuierliche Berichterstattung und Diskussionvon Erfahrungen,
Strategien und Perspektiven in der Arbeit im Sozialbereich;
2. Wber den Erfahrungsaustausch hinous Koordination und langfristige
Zusammenarbeit;
3. Aufhebung der Vereinzelung und Zersplitterung von Individuen und
Gruppen; Aufhebung der Trennung zvischen den verschiedenen sozia-
len Berufen und Tatigkeitsfeldern;
1». Zusammenarbeit und organisatorische Verbindung mit dea Sozialisti-
schen Buro, das die Koordination und den Vertrieb ubernimsit und
vomit auch die berufsspezifische Orientierung aufgehoben vird;
5. Hetbodendiskussion, Konf liktanalysen , Hinveise auf regionale Orga-
nisationsmoglichkeiten, Arbeitsmodelle, Finanzierungsmoglichkeiten,
Personalverschiebebahnhof , Rezensionen, Dokumentationen, Anzeigen
u.a.
Es ist beabsichtigt, in den ersten Ausgaben des Inforoationsdienstes
SOZIALARBEIT problemorientiert schverpunktmaBig die Arbeit und Erfah-
rungen einzelner Gruppen darzustellen. Die Vorbereitungen ubernahmen
Hummer 1 die Gruppen Bochum/Essen, Thema: Fursorgeerzienung
Summer 2 AKS-Frankfurt , Thema: Berufsspezifische Probleme von Sozial-
arbeitern, Sozialpadagogen, Kindergartnerinnen etc. in In-
stitutionen
Hummer 3 SPAK Mainz/Freiburg, Thema: Arbeit mit psychisch Kranken.
Die inhaltliche Gestaltung und Ausvahl der Beitrage des Info aollen
unter Beteiligung von Vertretern aller interesBierter Gruppen auf
Plenar-Redaktionstagungen diskutiert verden. Dabei bietet sich Gele-
heit, die Kooperation der Gruppen durch unaittelbare Kontakte zu
vertiefen.
Ua die hier skizzierte.Konzeption des Informationsdienstes SOZIALARBEIT
und den zukunftigen Erfahrungsaustausch und die Zuaanmenarbeit zu dia-
fcutieren und verbindlich festzulegen. haben vir fur Januar/Februar 1973/
eine Arbeitstagung vorgesehen, an der alle zur Mitarbeit entschlos-
senen Genossen und Gruppen teilnehmen sollen. Wir bitten euch, mog-
lichst bis zum 1o. Januar 1973 eure Bereitschaft zur Teilnahme an der
Arbeitstagung, evtl. auch schon inhaltliche Vorschlage sowie erste
Kritik an der vorliegenden Ausgabe des Info an das Sozialistische
Biiro, 6o5 Offenbach It, Postfach 591 mitzuteilen. Uber den genauen Ver-
anstaltungsort (wahrscheinlich Frankfurt), Termin etc. werden wir euch
rechtzeitig informieren.
Vorbemerkungen zu dieser Ausgabe
Im Mittelpunkt dieser ersten Ausgabe des Informationsdienstes SOZIAL-
AKBEIT steht das Thema "Wohngemeinschaften mit Jugendlichen der offent-
lichen Erziehung". Die Wahl des Themas erfolgte, veil die Vereine
"Soziale Jugendarbeit" in Essen und Bochum, die diese Nummer gestaltet
haben, selbst Trager von Kollektiven sind. Das entspricht auch dem
Charakter dieses Infos, der dure h Praxis-Erfahrungsaustausch die Dis-
kussion unter Sozialarbeitern und anderen Praktikern im Sozialbereich
fordern soil.
:Anzeige
8
ANSATZPUNKTE SOZIALISTISCHER POLITIK IN DER BRD
THESEN DER ARBEITSGRUPPE SOZIALISTISCHES BORO
Die Thesen sollen einen Beitrag zur Organisierung sozialistischer
Arbeit und zur Kooperation von Sozialisten in der Bundesrepublik
leisten. Sie sind das Ergebnis tnehrerer der Selbstversta'ndigung
dienender Diskussionen innerhalb der Arbeitsgruppe Sozialisti-
sches Biiro. Keinerlei Anspruch auf Vollstandigkeit oder Origina- .
litat erhebend, sollen die Thesen weder eine konkrete analyti-
sche Aufarbeitung der gesellschaftlichen und politischen Situa-
tion in der Bundesrepublik, noch detaillierte strategische Kon-
zepte fur die sozialistische Arbeit ersetzen. Die Thesen wenden
sich nicht vornehmlich an ein nur theoretisch versiertes Publi-
kum, sondern an jene zahlreichen aktiven oder heute noch zuriick-
haltenden Gruppen und einzelne, denen an Selbstversta'ndigung,
Kommunikation und am Aufbau einer sozialistischen Bewegung in
der Bundesrepublik mit dem Ziel einer Umgestaltung der Gesell-
schaft gelegen ist. Den Thesen liegen keine systematischen,
theoretischen Interpretationsansatze gesellschaftlicher Entwick-
lung zugrunde, Sie knLipfen vielmehr an die Erscheinungsbilder
der heutigen Wirklichkeit an, wie sie sich all jenen darbieten,
die durch den Schleier der herrschenden Propaganda hindurch die
ta'gliche Ausbeutung, Unterdriickung und politische Manipulation
empb'rt watirnehmen. Mangel und Vorzlige dieses Verfahrens ent-
sprechen den grundsatzlichen Problemen sozialistischer Theorie
und Praxis heute.
36 Seiten, broschiert, DM 2.—
Verlag 2ooo GmbH, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591
Zu den einzelnen Beitragen:
Der Artikel "Sozialarbeit im Kapitalismus" erschien uns deshalb not-
wendig, veil Sozialarbeit im allgemeinen wie auch s'ozialpadagogische
Arbeit in Kollektiven bestinunten Bedingungen unterworfen sind, deren
Kenntnis und Einbeziehung in die praktische Arbeit uns unerlaBlieh
scheinen. Dieser Artikel ist einer groBeren Arbeit entnommen, die dem-
nachst als Ganzes veroffentlicht werden soil.
Der Text "Die Sozialarbeiter" wurde von einer ehemals Obdachlosen, die
15 Jahre in Notunterkiinften gewohnt hat, geschrieben und bestatigt den
Beitrag iiber die "Soziopsychische Situation der Sozialarbeiter".
"Zur Herkunft der Fiirsorgejugendlichen" versucht schlaglichtartig ver-
schiedene Fakten zu bringen, die klar erkennen lassen, daS Fursorge-
abhangigkeit, Kriminalitat , Armut , Obdachlosigkeit etc. vom kapitali-
stischen System produziert werden. Die Beitrage im Mittelteil des In-
fos, beschaftigen sich mit der Einrichtung "Fursorgekollektiv". Dieje-
nigen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Kollektiv aufzubauen,
finden in dem Artikel "Konkretionen zum Aufbau eines Jugendwohnkollek-
tivs" praktische Hinweise. Es folgt eine Konzeption, die als Beispiel
fur Konzepte dienen kann zur Vorlage bei Sozialbehorden. Die "Verdeut-
lichung der KLassenlage der Sozialarbeiter ..." soil der Illusion ent-
gegentreten, daS der Sozialarbeiter als Kollektivberater im Kollektiv
mit den Jugendlichen als Gleicher unter Gleichen leben und arbeiten
kann. "Die Kollektivzeitung" wird von den Mitgliedern des Kollektivs
in Bochum selbst gemacht und an andere Jugendliche und in Heimen ver-
teilt.
Aktuelle Inf ormationen geben Berichte fiber das Georg-von-Rauch-Haus und
iiber die SchlieSung des Kollektivs Essen-Steele.
In der Rubrik "Buchbesprechungen" bringen wir wichtige Veroffentlichun-
gen zum Thema Fursorgeerziehung sowie eine Inhaltsangabe der Broschiire
"Geschichte und Funktion der Sozialarbeit". >.
JM
Die Nachrichtenspalte zum SchluB des Info soil ausgebaut werden. Es
sollen dort erscheinen: Offene Stellen, Nachrichten uber existieren-
de Gruppen und Arbeitsgemeinschaften, iiberregionale Veranstaltungen
u.a.
Sozialarbeit im Kapitalismus
Diese erste Ausgabe des Informationsdienstes SOZIALAHBEIT urde er-
stellt von folgenden Gruppen:
Verein Soziale Jugendarbeit , Essen; Zentrum fur Gruppenstudien und
Gemeinwesenarbeit, Essen; Verein Soziale Jugendarbeit, Bochum; Buro
fur Sozialplanung, Bochum.
Kontaktadresse: Biiro fur Sozialplanung
U63 Bochum/Ruhr-Universitat
Lennershofstr. 66 Bar. 8
Telefon 02321 77° 1W5
10
-Anzeige
INFORMATIONSDIENST FOR LEHRER
Dieser Informationsdienst wird herausgegeben vom Sozialistischen
Lehrerbund (SLB) im Sozialistischen Biiro. Der Informationsdienst
soil der Kommum'kation unter den sozialistischen Lehrern und
deren Organisierung dienen.
Einzelpreis DM 2.5o, Jahresabonnement DM lo.—
INFORMATIONSDIENST ARBEITERBILDUNG
Dieser Informationsdienst ist fiir Sozialisten in der Bildungs-
arbeit, in den Gewerkschaften, in den Volkshochschulen, an
Bildungsstatten, in Ougendverbanden , Jugendgruppen und politi-
schen Gruppen.
Einzelpreis DM 2.5o, Jahresabonnement DM lo.—
Verlag 2ooo GmbH, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591
Wie sehr die Sozialarbeit heute reformistisch, individua-
listisoh und psychologistisch sich darin ersch6pft,sys-
temstabilisierend zu wirken, indem sie "gesellschaftlicbe
Widerspriiche und Konflikte nicht unter dem Aspekt von
Repression und Befreiung, sondern unter dem Aspekt des
Erlernens einer jeweils tragfahigen, der Aktualitat der
gesellschaftlichen Verhaltnisse angepassten Eolle" sieht,
mag einroal daran deutlich werden, dafl im Mittelpunkt des
BSHG der Einzelne steht, der befahigt werden soil, __einen
Notstand zu uberwinden, der von ihm aus eigenen Kraften
und Mitteln nicht behoben werden kann, daB zum anderen
Lehrbiioher der Sozialarbeit massenbaft Methoden disku-
tieren und kritisieren, die Ziele der Sozialarbeit aber
als unverruckbar gegeben annehmen. Als Eeispiel dafiir
kann das Standardbuch der Sozialarbeiterausbildung von
Friedlander/Pfaff engelder gelten, deren Definitionen der
Ziele und Bereiche der Sozialarbeit exemplarisch fiir die
ubrige Literatur stehen konnen.
Ziel der Sozialarbeit ist es danach;
"Individuen, Gruppen und Gemeinden zu helfen, den hochst-
moglichen Grad von sozialem, geistigem und leiblichem
Wohlbefinden zu erreichen"
"Verbesserung der allgemeinen sozialen Bedingungen durch
Anhebung des gesundheitlicben und wirtschaftlichen
Standards und durch Beftirwortung besserer Wohn- und Ar-
beitsbedingungen und einer konstruktiven sozialen Ge-
setzgebung"
"Die Sozialarbeit verliert ihren Klassencharakter. Ihre
•Einrichtungen dienen der Verbesserung der Bedingungen fiir
alle Klasser. der gesamten Gemeinde"
"Diese Aufgabe wird durch soziale Einrichtungen wie Wohl-
fahrtsorganisationen, Schulen, Krankenhauser, Kliniken,
Arbeitsamter, Kirchen, Gerichte usw. angegangen " — das
Wohlbefinden der Einzelnen mit der Wohlfahrt der Gesell-
schaft, in der sie leben, in Einklang zu bringen"
"... soziale Krafte zu mobilisieren, um die sozialen. und
wirtschaftlichen Situationen aufzulosen, die zu Krank-
heit, psychischen Leiden, Frustrationen und asozialem
Verhalten fiihren"
"... indem sie ihnen (den Hilfsbediirf tigen) , die zu ihrem
Woble geschaffenen Hilfsquellen der Gemeinde erklart"
"... grundlegende wirtschaftliche Sicherheit aus Leistun-
gen der Sozialversicherung Oder Sozialhilfe, aus der Re- 11
12
alisierung von Versorgungsanspriichen oder aus freiwil-
liger Unterstiitzung durob soziale Einrichtungen zu er-
langen"
" Hilfe duroh Hinweis auf Nutzung anderer Einrioh-
tungen der Gemeinde (Arbeitsv.ermittlung, Berufsberatung,
Gesundheitsdienst, psychatrische Behandlung, kulturelle,
berufliche und schulische Fortbildung, Rehabilitation
und Moglichkeiten der Erholung und Freizeitgestaltung"
"... Einzelnen und Gruppen zu helfen, den besten Weg zu
einer befriedigenden Losung zu finden, ohne sie zur Kon-
formitat zu zwingen, es sei denn, ihr Verhalten und ihr
Handeln beeintrachtigen Wohlergehen und Rechte anderer
- asoziales Verhalten und Handeln konnen von der Sozial-
arbeit nicht unterstiitzt werden"
"... ein erfiillteres und befriedigenderes Leben aufzu-
bauen"
"... alien Biirgern einen angemessenen Lebensstandard,
soziale Sicherheit und die Befriedigung des allgemein-
menschlichen Bediirfnisses nach Liebe, Akzeptiertwerden,
Anerkennung und sozialem Status zu sichern"
Bedarf es noch weiterer Zitate?
Ich glaube nicht.
Die Nennung dieser Ziele im Zusammenhang meiner Arbeit
enthiillt i die Sozialarbeit von selbst als das was sie ist:
als Anpassungs instrument psychisch Geschadigter an die
Gesellschaft,|als Hilfe, nicht tief genug internalisierte
Normen und Rollenerwartungen zu verstarken, Rollen ein-
zuiiben.
Der grundlegende; gesellschaftliche Widerspruch der Tren-
nung der Produzenten vom Produkt, die Erniedrigung der
Masse zu Lohnsklaven, der verfremdete von auBen aufge-
zwungene Leistungsdruck in der Arbeit, die Abschb'pfung
des gesellschaftlichen Surplus von einigen Kapitalisten,
all das wird nicht angesprochen, auf all diese Punkte
werden die Krankheiten, die Mangel in der Bildung, der
Ausbildung, die psychischen Zusammenbriiche, die unver-
haltnismaBig starke Zunahme von Herzkrankheiten, Ge-
f aBerkrankungen , und vieles andere mehr, nicht zuriickge-
fuhrt. Es werden Erscheinungsbilder der Leiden angefer-
tigt, aber es wird nicht nach dem 'Dahinter1 gefragt. Es
werden heute Krankenhauser, Kindergarten, Jugendheime und
andere soziale Einrichtungen. errichtet , um Zivilisations-
schaden zu beheben. Ihre GroBe hatte vorgestern noch aus-
gereicht, fur 'morgen' aber wird nicht geplant.
Und schon gar nicht gibt es Forschungs- und Planungszen -
tren,|die sich mit den wahren .Ursachen befassen, die die
Gesellschaft dariiber aufklaren.
Stattdessenj verhilft die Sozialarbeit zu einem ' ange-
messenem' Lebensstandard, wobei zu fragen ware, ob das
Kriterium .' angemessen1 hier vielleicht schichtenspezifisch
zu verstehen ist, zu einem gesicherten 'sozialen Status1
zu emeu 'klassenlosen' Gesamtwohl, womit die Sozialar-
bext exnmal die Tatsache der Klassengesellschaft ;Sxpressis
verbis verleugnet, zum anderen sich als Ideologietrager
des Staates erweist, indem sie den Wohlfahrtsstaatsge-
danken proklamiert und in ihm auftretende Storungenun-
ter den Demokratiegedanken subsumiert. Zwar tritt diese
Sozialarbeit dafiir ein ' soziale und wirtschaftliche
Situationen aufzulosen, die zu Krankheit, psychischen
Leiden, Frustrationen und asozialem Verhalten fuhren ,
aber nicht dort, wo dieses nur moglich ware, namlich
auf der Produktionsebene, sondern dort, wo es Ifiir das
GroBkapital, die Oligopole, nicht mehr gefa.hr lich xst,
auf der Distributionsebene.
Auf der Distributionsebene, die den Pluralismus^zulaBt,
der in der Produktionssphare systemgefahrdend ware, aber
feilschen die Sozialbehorden - selbst durch und durch
biirokratisiert - mit anderen burokratisxerten Gruppen um
entsprechende Teile des Sozialprodukts , wobex fexlschen
hier vielleicht 'falsche Hoffnungen erweckt, denn Forde-
runKen und Entscheidungen richten sich an den Rentabi-
litatskriterien des Profitmechanismus" , an dem Gemexnde-
wohl' aus.
So gesehen kann die Sozialarbeit
technokratischen Abwehrsystems g
in Frage stellende, non-konforme
zeichnet werden, demgemaB zielen
auf: Ich-Stiitzung, Ich-Starkung,
ausuben zu konnen, auf Aus- und
serung des sozialen Status, auf
Resozialisierung, d.h. Wiedereinj
schaftsprozess als Lohnarbeiter
als Instrument eines
;egen systemgefahrdende,
Verhaltensweisen be-
dann ihre HilfsmaBnahmen
um Berufsrollen adaquat
Fortbildung, auf Verbes-
Rehabilitation und auf
jliederung in den Wirt-
und Konsument .
Obwohl der Sozialarbeit durch ihre Inter-Disziplmarxtat
die wissenschaftlichen Mittel in die Hand gegeben werden
konnten, um die psychischen Defekte auf die sie bedmgen-
den sozialen Ungleichheiten zuruckfiihren zu konnen und
um analytische Systemkritik zu iiben, wird sxe dann doch
zum Vollzugsorgan des kapitalistischen Staates und damit
der vermachteten Wirtschaft, weil einmal die Praxis der
Sozialarbeit durch und durch biirokratisxert xst, die
■Spitzen' der Sozialadministration gleichzeitig politi-
"sche Amter innehaben, der Einzelne als praktxzxerender
Sozialarbeiter den sich verselbstandigten Apparat nxcht
mehr beeinflussen kann, weil zum anderen m den Ausbxl-
dungsinstitutionen zwar z.T. facherintegratxv gelehrt
wird • die Ausbildung sich. aber zumeist auf Methoden und
das Erlernen von verwendbaren facts beschrankt, statt em
analytisches Denken anzustreben, durch projektorxentierte
Ausbildungsinhalte dieses zu iiben und Notwendigkext, Mog-
lichkeit, Organisation und Methodik zur Veranderung der
Grundbedingungen des Monopolkapitalismus nicht nur resig-
nativ anzudiskutieren, sondern sie zu theoretisxerenund
durch gleichzeitige Praxis zu verifizieren bzw. falsxfx-
Sozialarbeit im kapitalistischen System, die sich nicht
14
als anti-kapitalistische versteht, um als solche haupt-
sachlxch die Kntik an der bestehenden Gesellschafts-
ordnung als mren Inhalt zu definieren, wobei die Ge-
genstande, mit denen die Sozialarbeit - speziell die
Emzelfallhilfe - es zu tun hat, namlich die psychischen
Verkruppelungen emzelner Menschen exemplarisch als
Spiegel des inhumanen unsozialen Systems aufgefaBt und
als Ausgangspunkt aufklarerischer sozialer Lernprozesse
gesetzt werden, eine Sozialarbeit, die nicht beriicksich-
tigt, daB "der kapitalistische' ProduktionsprozeB, im Zu-
sammenhang-betrachtet oder als BeproduktionsprozeB, ...
also nicht nur Ware, nioht nur Mehrwert, (sondern) ...
das KapitalverhSltnis selbst produziert und reproduziert
auf der einen Seite den Kapitalisten, auf der anderen '
den Lohnarbeiter" , eine solche Sozialarbeit, die fur sich
diese Analyse nieht betrieben und keine Konsequenzen da-
raus gezogen hat, muB notwendigerweise zum Stiitzungsorgan
zum Anpassungsinstrument fur das immanent Ungleichheiten '
schaffende kapitalistische System herabsinken.
Wo diese Gefahr - bloBes Instrument im Dienste der Herr-
schenden zu sein - zwar erkannt word en ist, aber der not-
wendige Schritt zur Ideologiekritik des kapitalistischen
Systems nicht vollzogen wird, sondern wo die Sozialarbeit
xn emeu "ideologiefreien" (Melzer) wertfreien Eaum hin-
uber gerettet werden soil, wird iibersehen, daB gerade
rationales, wertfreies, wissenschaftliches Arbeiten, das
semen Ausgangspunkt nimmt bei der Hationalitat des
Systems, ohne dessen irrationalen Kern zu beriihren, sich
hat manipulativ in einen dem GroBkapital ungefahrlichen,
von ihm gewiinschten technokratischen Eaum drangen lassen.
.Damit aber unterstiitzt diese sogenannte 'ideologiefreie1
Sozialarbeit nicht minder die bestehenden Herrschaftsver-
haltnisse als eine sie offen unterstiitzende Sozialarbeit
es tut.
Diese 'ideologiefreie und wissenschaftsorientierte'
(.Melzer) Sozialarbeit, die nicht an den mit ihr konfron-
tierten individuellen Versagenserlebnissen exemplarisch
■evlrrationale Teilungjvon Kapital und Arbeit aufzeigt,
sich lhre Aufgabe dann auch nur "in der Vermittlung und
Gestaltung sozialer Lernprozesse-... die dem Einzelnen,
Familien und Gruppen.helfen sollen, in ihrer Gesellschaft
m einer Weise zu funktionieren, die sie zum Ertragen und
zum Nutzen von Frustrationen und Konflikten befahigt"-
Ausgehend von dem Postulat, soziale Schwierigkeiten'seien
Oedem Gesellschaftssystem immanent, versucht diese Sozial-
arbeit nicht als ihr oberstes Ziel, die Gesellschaft zu
andern, sondern beschrankt sich auf situative, d.h.
technokratische Veranderung der Konfliktsituationen, um
em reibungs loses Funktionieren zu erreichen, um die
Frustrationstoleranz zu erhohen.
Dieser funktionalen Auffassung von Sozialarbeit im
allgemeinen entsprechen dann auch viele Definitionen des
social casework, von denen ich nur drei zitieren mochte:
iSwithuh Bowers sohreibt: "Social casework ist eine Kunst,
bei der die Erkenntnis der_Wissenschaften iiber die -
menschlichen_Beziehungen und die Geschultheit im Hand-
haben von Beziehungen eingesetzt werden, um im Individu-
um Pahigkeiten zu mobilisieren und auBerdem in der Ge-
meinschaft Hilfsquellen zu erschlieBen, die geeignet
sind, eine bessere Anpassung des Klienten an das Ganze
oder einen Teil seiner Umgebung herbeizufuhren. "
Helen Perlman schreibt: "Social casework ist ein ProzeB,
der von bestimmten sozialen Institutionen angewandt wird,
um dem individuellen Menschen zu he If en, Schwierigkeiten
in seinem sozialen Funktionieren besser entgegentreten
zu konnen" .
Und Kamphius selbst, dem auch die beiden anderen Zitate
entnommen sind, definiert social casework als "eine be-
rufsmaBige' Methode, von Sozialarbeitern angewandt, um
einem Menschen zu helfen, der in einem der Sektoren sei-
nes sozialen Funktionierens der Hilfe bedarf."
Alle drei Definitionen - und die Eeihe lieBe sich noch
beliebig fortsetzen - stellen in den Mittelpunkt des
social casework den Menschen, der in seinem sozialen Um-
feld funktionsuntuchtig geworden ist, und den es nun an-
zupassen bzw. besser funktionabel zu machen gilt.
Nirgendwo wird aber davon gesprochen, daB die Aufgabe
ware, primar auf die soziale Umwelt einzuwirken, die den
Einzelnen psychisch uberstrapaziert, wird davon gespro-
chen, daB den Individuen Mittel in die Hand gegeben wer-
den sollten, um die Gesellschaft, die sie krank macht,
zu verandern, wird davon gesprochen, daB social casework
die Methode ist, die anhand von individuellen symptoma-
tischen Spannungen und Konflikten exemplarisch die sozi-
alen Widerspriiche aufdecken soil.
Als funktionaler ProzeB - der undialektisch nur die sicht-
baren Folgen von verschleierten Ursachen behandelt - aber
dient die soziale Einzelfallhilfe insgesamt der Neutrali-
lierung der symptomatischen Folgen ungeloster sozialer
Probleme.
So wird dann auch die Beziehung zwischen dem Sozialar-
beiter und dem Klienten gesehen als "therapeutische Be-
ziehung" (Melzer), in der das "Bediirfnis des Klienten
nach Hilfe und Veranderung seiner 'Lage im Mittelpunkt
steht", in der der Sozialarbeiter aber gleichzeitig eine
"b'ffentliche Rolle" . (Melzer) ausiibt, deren mit ihr ver-
bundenen Erwartungen-er ebenfalls erfiillen muB, d.h. in
der der Sozialarbeiter funktionalorientiert arbeitet.
Nicht aber wird diese Beziehung verstanden als politische
aufklarerische, in der. es darauf ankommt, den Arbeiter in
seinem dumpfen "UngleichheitsbewuBtsein" zu bestarken,
ihn dessen bewuBt zu machen, in der der- "dialektische
Zusammenhang zwischen geistigen, psychischen und sozialen
Elementen der ' 'condition ouvriere1 " zusammen mit dem Kli- TO
16
enten diesem bewuBt gemacht wird.
In der therapeutischen Beziehung stent per definition^m
die personliche Problematik des Klienten im Mittelpunkt,
d.h. aber, daB hier die personlichen Schwierigkeiten ab-
gehoben, abgetrennt von den okonomisqhen und sozialen
lebensbedingungen einer ganzen Klasse behandelt werden.
Das wird auch nicht vermieden durch scheinbare Offenheit,
scheinbare Progressivitat, wenn z.B. das lernen des Kli-
enten "nicht gedacht (ist) als eine Anpassung an beste-
hende Gesellschaftsformen. Oder als Unterwerfung und be-
dingungslose Bejahung sozialer Zustande ... (sondern) als
ein Vorgang der Einiibung der distanzierten und kritischen
Beeinf lussung" .
Unter der Postulierung der 'Ideologiefreiheit' , mit dem
Ziel des Sozialarbeiters, dem Klienten dann doch zu hel-
fen "in derartigen Pollen und in sozialen Beziehungen
besser zu f unktionieren" , verandert sich so die wertfreie,
ideologiefreie Absage an den Zwang zur Anpassung in ein
Stuck Zucker mit einem Zyankalikern.
Aus diesen Griinden kann der therapeutischen Beziehung
eine systemfreundliche Punktion nachgewieseh werden:
erstens tritt der Sozialarbeiter dem Klienten von vorn-
herein mit einem von der Individualpsycho'logie ubernom-
menen negativen Menschenbild entgegen. Denn die biirger-
liche Psychologie bezieht bis heute fast alles, was sie
zu sagen hat, aus der Ableitung und Generalisierung des
kranken Menschen. (s. Kroner)
In dieses Wissen un -- das Wissen iiber Neurosen, Psychosen,
weniger auffallige Ich-Schwachen, Anpassungsschwierig-
keiten - wird der Klie.nt integriert.
Der Ausdruck der therapeutischen Oder "helfenden" (Bang)
•Beziehung charakterisiert sehr treffend die von vorn-
herein angenommene, fehlerhafte, unvollkommene Person
des Klienten. Womit beabsichtigt wird, seine Reaktion
auf die krankel Gesellschaft ihm anzulasten, seine Reak-
tion der- Porderung auf Aufhebung der gesellschaftlichen
Ungleichheit Oder seine unref lektierte sich psychisch
darstellende Verweigerung der von auflen kommenden
Leistungserwartung als a-normal' und die gegebenen ge-
sellschaftlichen Bedingungen als normal hinzustellen.
Und so ist es dann auch in der Hauptsache das Ziel,
KurzschluBhandlungen, psychische Krankheiten und soziales
Versagen auf zuarbeiten, dem Klienten zu einer positiven
Einstellung gegemiber der Umwelt zu verhelfen, ihn an das
'Ganze', das 'Gemeinwohl' zu erinnern und zu binderi.
Diese primar negative AuSrichtung aber halt die Sozial-
arbeit - speziell den Sozialarbeiter in der therapeuti-
schen Beziehung - davon ab, die dahinter liegenden sozio-
okonomischen Bedingungen zu erfragen - um diese selbst
als a-normal .zu entlarven - und diese mit den Klienten
zusammen aus dem Weg zu raumen.
Im persbnlichenl Gesprach mit Studenten der Sozialarbeit
und praktizierenden Sozialarbeitern wurde mir oft, wenn
ich auf das psychologisch kurzsichtige therapeutische
Verhalten hinwies, erwidert: 'aber meine Aufgabe ist es
doch, meinem Klienten zu helfen, sich selbst zu verstehen,
Ich-Starke zu. entwickeln, Realitatssinn zu erwerben. Ich
bin je. auch dafiir, daB die Gesellschaft geandert werden
muB, aber erstens muB ich doch zuerst dem kranken Men-
schen helfen und zweitens kann ich die Gesellschaft nicht
allein verandern und drittens ist das auch nicht mehr
meine Aufgabe, sondern die des Klienten1.
Kir den es dann meistens zu spat ist, denn in dem ProzeB
der sozialarbeiterischen Hilfe, ihm zu einem normalen
Funktionieren zu verhelfen, werden ihm alle gesellschaft-
lichen Normen und Werte oktroyiert, die ihm bis clato
fehlten und die ihm zukiinftig den Einblick in den Klas-
sencharakter dieser Gesellschaft verwehren.
Damit bin ich beim zweiten Grund, aus dem die Sozial-
arbeit, so wie sie sich heute versteht, zur Anpassung
fiihrt. tit • i
Das Problem wird individualisiert, auch wenn der aiicK
erweitert wird z.B. auf die Familie (Richter), so wird
das Problem dennoch auch dort individualisiert, indem
das Individuum mit all seinen Eechten, Interessen und
Bedurfnissen gegeniiber der Gesellschaft fiir vorrangig
gehalten wird. Auch wenn der Pamilienrahmen mit^einbe-
zogen wird in die therapeutische Beziehung, so ist
trotzdem auch dort das Individuum die letzte Analyse-
einheit, der eigentliche Hilfegegenstand..
DaB psychologische Konzepte wie die der Annahme der
Aggressivitat in jedem Menschen (Freud), des standigen
Konflikts zwischen Libido und Realitat, der zugunsten
der libidokontrolle entschieden werden soil, u.a. dem
individualistischen Konzept entgegenkommen, liegt auf
der Hand.
Damit will ich nicht sagen, daB die Psychologie un-
brauchbar fiir die Sozialarbeit sei, nein, die Sozial-
arbeit kann nicht ohne die Hilfswissenschaft der
Psychologie arbeiten, nur muB der einzelne Sozialarbei-
•ter immer eines gegenwartig sein: daB die Psychologie,
wie sie bisher betrieben wird, mit all ihren Tests,
ihren lernpsychologischen Gesetzen den Konstruktionen von
Es-Ich-Ober-Ich, ihrem Aggressionskonzept u.a. empirisch
nicht absehen kann von den Bedingungen der Gesellschaft,
in der sie steht, d.h. daB die Sozialarbeit von der
Psychologie nur immanente Informationen erhalten wird,
daB es aber fur den Sozialarbeiter darauf ankommt, die
systemimmanenten Informationen auf dem Hintergrund einer
dialektischen - materialistischen Systemanalyse auf ihren
Wahrheitsgehalt abzuklopfen, um nicht technokratisch zu
handeln sondern den objektiven Interessen der Mehrheit
der Gesellschaft, i.e. die Lohnabhangigen, entsprecbend.
Ein
dritter Grund, der in den beiden ersten schon implizit17
enthalten ist, soil der Deutlichkeit halber noch einmal
genannt werden,: es ist das sogenannte Ziel der Sozial-
arbeit 'Hilfe zur Selbsthilfe' zu geben.
Auf dem Hintergrund des genannten psychologischen An-
satzes und der Tatsache, daB die Sozialarbeit sich nicht
als klassenbewuBte Ideologiekritik versteht, wird hier
nur noch einmal mehr die Ideologie des Monopolkapitalis-
mus wiedergegeben, daB namlich Chancengleichheit bestiin-
de, daB jeder - bei^ entsprechendem personlichen Einsatz
- alles erreichen konne.
Erst einmal wissen wir,daB der Chancengleichheit das die
Herrschaftsverhaltnisse widerspiegelnde Klassenbildungs-
wesen (Volksschule - Gymnasium) entgegensteht. Im zwei-
ten soil der Klient zu einem konformeren Eollenverstand-
nis, einem tieferen, Selbstverstandnis und zu besserer
Eealitatsbewaltigung gebracht werden. Wie aber soil der
Klient das anders verstehen, als daB er - nun fit ge-
macht - in den Konsumkreisel hineinspringt, wenn ihm in
der Auseinandersetzung mit dem Sozialarbeiter deutlich
gemacbt wurde, daB er nicht funktioniert hatte, daB per-
sonliche Schwierigkeiten fur sein Versagen verantwort-
lich gewesen waren.
Zu diesem individualistischen Ansatz in der Sozialarbeit
moge folgendes Zitat stellvertretend gelten: "Ich glaube,
daB Erau C. auf dem Wege ist, mit allem fertig zu werden,
was auf sie zukommt, sowohl im Falle der Biickkehr ihres
Mamies wie seines Verbleibens in der Haft. Ich glaube,
daB Erau C. eine Menge persbnlicher Eeserven hat, auf die
sie zuriickgreifen kann, urn die Situation zu meistern;
ganz offensichtlich ist sie durch ihre Erlebnisse ge-
reift... Eigentlich ist Erau C. in der Lage vieles
aus eigener Kraft zu tun, nachdem sie den Krisenpunkt
iiberwunden hat, als sie mit ihren Gefuhlen kampfen muBte
und fast bis zur vollkommenen Untatigkeit bedrangt war.
Ich glaube, daB Erau C. ... wirkldch erfassen kann, was
es fire sie bedeutet, ohne Anstellung zu verbleiben, eben-
so gut wie mit den Realitaten fertig zu werden, die aus
der Fortsetzung der Trennung von ihrem Ehemann resultie-
ren konnen."
18
Zusammenfassung in Thesen
1 . Indem die Sozialarbeit in den Mittelpunkt ihres Zieles
den Einzelnen stellt, den zugrundeliegenden sozialen
Konflikten.also individualisiert, wirkt sie system-
stabilisierend.
2. Die Sozialarbeit kritisiert nicht die Produktionsba-
sis, sondern hochstens - als biirokratisches System -
die Verteilung des Sozialprodukts. Damit aber kann sie
die zugrundeliegenden Ungleichheiten nicht aufdecken.
i>. Erne ideologiefreie, w.ertfreie, wissenschaftsorien-
tierte Sozialarbeit tragt zur Stabilisierung des
Systems bei, daB sie sich nicht ir.it der Ideologie
des jetzt und hier herrschenden Systems auseinander-
setzt und iibersieht, daB ihr von den Wissenschaften
nur immanente Informationen geliefert werden.
4. Am methodischen Beispiel der sozialen Einzelfallhilf e
zeigt sich, daB die Sozialarbeit nur funktional
orientiert ist und die symptomatischen Folgen unge-
loster sozialer Probleme nur neutralisieren kann.
5. Die therapeutische Beziehung zwischen Sozialarbeiter
und Klient ist gepragt durch psychologistisches und
individualistisches Arbeiten. In ihr soil dem Klien-
ten zu einem besseren Eunktionieren verholfen werden.
Die Sozialarbeiter
Was haben sie fur eine Funktion?
Was haben sie selbst fiir ein Problem?
Eine Sozialarbeiterin hat ein Einkommen und kann sich nicht in der Ob-
dachlosensiedlung zurecht finden. Sozialarbeiter wissen Uberhaupt
nicht, in welcher Stellung sie stehen. Der Druck von oben zerstbrt das
Verhaltnis zwischen Obdachlosen und Fiirsorgerin.
Wo steht der Sozialarbeiter?
Bei der Stadt als Beruhigungsmittel !
Bei den Betroffenen als Stadtverwaltung!
Sie sehen sich selber als hilflose Geschb'pfe.
(VerfaBt von einer ehemals Obdachlosen, die 15 Jahre in Notunterkunf-
ten gewohnt hat)
19
Soziopsychische Situation
der Sozialarbeiter
1. Sozialarbeiter kommen zum groBten Teil aus klein- und
mitt elbiirger lichen Schichten.
2. Sie reproduzieren in der Regel kleinburgerliche Werte:
Eigentum als hb'chstes Gut, das geschiitzt werden muB;
Konkurrenz , besser sein als der Nachbar. Leistungs-
denken .
3. "Schuld" wird als Grund fur Obdachlosigkeit, Krimi-
nalitat usw. angesehen. Der Wille der Betroffenen,
aus ihrer Lage herauszukommen, soil geweckt werden.
4-. Der Sozialarbeiter bilft einzelnen und dadurch der
kapitalistischen Struktur. Wenn man einzelnen hilft
("soziales Aspirin"), hilft man der Struktur, weil
der Status quo nicht verandert wird.
5. Rehabilitation in burgerliches Wohlverhalten hinein
soil dafiir sorgen, daB kleinburgerliche Werte iiber-
nommen werden und daB die Betroffenen keine MSglich-
keit haben, eigene Fiihrer, eigene Hilfsmittel, eigene
Organisationen zu produzieren.
6. Sozialarbeiter lernen meist in der Ausbildung, daB sie
den Betroffenen zu helfen haben, d.h. die Motivation
zum Beruf ist entweder caritativ Oder wird nicht klar
diskutiert.
7- Das fiihrt dazu, daB sie mit ihrer beruflichen Identi-
tat Schwierigkeiten haben. Zwar ist "Sozialarbeit"
vom offiziellen Berufsbild und von den Tatigkeitsmerk-
malen her relativ klar beschrieben. Die Beschreibung
wird aber immer von Institutionen geliefert und ist
deshalb immer im Sinne der Institution, niemals im
Sinne der Betroffenen.
8. Bisher ist die Frage unbeantwortet , welche Rolle die
Betroffenen, die in der Regel Proletarier sind, dem
Sozialarbeiter zuweisen wiirden, wenn sie die Moglich-
keit dazu hatten.
9. Wer sich als kritischer Sozialarbeiter versteht, be-
5(-. fmdet sich in einem permanenten Rollenkonflikt:
^u - Als Vertreter der Institution muB er behordliche
hjT%^
MaBnahmen durchfiihren.
- Andererseits mochte er sich mit den Betroffenen
solidarisieren.
Bei behordlichen Sozialarbeitern muB die Entscheidung
immer zugunsten der Institution ausfallen. In dieser
Lage helfen sich manche Sozialarbeiter damit, daB sie
versuchen, innerhalb der Behorde zu reformieren. Unver-
sehens sind sie dann mit iiber 50 % ihrer Zeit mit Re-
formideen, Intrigen und dem entsprechenden Xrger in der
Institution- verwickelt. Da sich aber Institutionen im
kapitalistischen Staat nicht andern lassen, endet der
Reformer als Zyniker, Versager Oder resignierter Techno-
krat. Also wird er untauglich zur Arbeit mit dem Prole-
tariat. Die einzige Art, in Institutionen zu uberleben,
ist die Arbeit in Gruppen von Gleichgesinnten, giinstigen-
falls in der Institution, zumindest aber im Stadtteil,
sowie Kontakte zu Hochschul- und Fachschulgruppen. Es
muB' der weitverbreiteten Vorstellung entgegengewirkt
werden, daB ein Sozialarbeiter - wie gut auch immer ge-
schult - auf sich gestellt, sozialistische Praxis ver-
wirklichen kann.
Ein nicht zu unterschatzendes Handicap fur gute Praxis
ist die pseudo'wissenschaftliche Ausbildung an Fachhoch-
schulen, die dem Wunsch vieler Sozialarbeiter, zu den
Intellektuellen zu zahlen, entgegenkommt, und sich in
ihrer Redeweise niederschlagt ; diese unterscheidet sich
von der Sprache des Proletariats immer mehr. Auf diese
Weise versuchen die Sozialarbeiter ihre Scham iiber ihre
oft "niedere Herkunft" zu kompensieren. Die kleinburger-
liche Linke an' den Universitaten fordert diesen ProzeB
noch. In diesem Zusammenhang kann man von einer ver-
schleierten Aufsteigermentalitat sprechen.
Dazu kommt, daB die psycho-sozialen Techniken, die
Sozialarbeitern an Fachhochschulen vermittelt werden
und die dazu dienen sollen, unangepaBte Verhaltensweisen
zu korrigieren, die Tendenz zur Anpassung an die biir-
gerliche Mittelschicht haben. Da bisher psycho-soziale
Techniken mit sozialistischen Ansatzen kaum vorhanden
sind, inussen zur Zeit selbst sozialistische Sozialarbei-
ter mit unzulanglichen Oder unbrauchbaren "Werkzeugen"
arbeiten. Nur ganz miihsam werden hier und da neue Me-
thoden nichtkapitalistischer Sozialarbeit entwickelt.
21
Schlaglichter zur Herkunft
der "Fiirsorge" jugendlichen
22
14 Mil3 . bundesdeutsche Familien verfiigen iibep weniger
als DM 600,00 im Monat.
2,6 Mill, davon iiber weniger als DM 300,00 im Monat.
- Die meisten der kriminell gewordenen Kinder und
Jugendlichen stammen aus solchen Haushalten.
(konkret Nr. 13, 72)
- Erziehungsheime sind zum groBten Teil mit Kindern
aus solchen Familien gefiillt; Kinder aus reichen Fami-
lien, die von ihren Eltern nicht erzogen werden konnen,
kommen in Internate
- Zufall?
- Trunkenheit, Abhangigkeit von Fiirsorgeeinrichtungen,
Mangel an Familienzusammenhalt, priigelnde Eltern, un-
systematisches Denken, Unfahigkeit zur Kooperation, uber-
wiegend Strafe als Erziehungsmittel, Vernachlassigung
der Kinder durch die Eltern, SchulschwSchen u.a. sind
erwiesen in Familien von deliquent gewordenen Jugend-
lichen und fast durchweg gehoren diese Familien der Un-
terschicht an
- und fast durchweg sind die Kinder in diesen Familien
auf sich allein angewiesen, weil entweder die Mutter - wenn
sie zu Hause ist - nicht selbstandig erziehen, d.h. ver-
antwortlich handeln kann, oder aber die Mutter mitarbei-
ten mufi oder die Familien unvollstandig sind (Trennung,
Scheidung, Krankheit, Einsitzen, Tod), sodaB dadurch die
Chancen,Normen und Eollen zu vermitteln, noch weiter
sinken
- die Verwahrlosungserscheinungen werden von der Offent-
lichkeit als dissoziale Verhaltensweisen eingestuft. und
mit Heimerziehung, Gefangnis beantwortet
- die schichtenspezifische Herkunft der Fiirsorgejugend-
lichen wird dann abgetan mit einerr. sarkastischen Salto
in die Humanitat: man soil doch bloB nicht das Materiel-
le so iiberbewerten
und wahrend man Tausende "zur Besinnung" in die Gefang-
nisse sperrt, weil sie das Materiel]e iiberbewertet haben
und sich das, was sie durch Arbeit ihr Xeben lang nicht
erreichen konnen, einfach so- nahmen - laBt man Horten,
Goergen und Co.laufen
- Zufall?
- daB die (geschatzte) Mehrwertrate in der westd. In-
dustrie 1969 387 # betrug (oder der Arbeiter von 8-Std.
6 davon fur den Kapitalisten schuftete)
- Zufall?
- daB der durchschnittliche Bruttostundenlohn 1969 nur
5,29 DM betrug - der Multimillionar und Hauptaktionar
der Daimler Benz AG - Herr Friedrich Flick (+) - 1969
allein aus seinem Kapitalanteil bei Daimler einen Ver-
dienst von 107 Mill. DM kassiert hat, das ist umgerech-
net auf die Stundenzahl eines Arbeiters ein Stundenlohn
von 62.390,00 DM
- Zufall?
- daB Arbeiter sich um tlberstunden reiBen und dabei je-
der der Konkurrent des anderen ist
- daB von 1966 - 68 die Netto-Profite der 100 groBten
AG's um 4-5,7 %, die Netto-lohne und Gehalter im gleichen
Zeitraum aber nur um 3,1 % stiegen
- daB den Berufsgenossenschaften jahrlich rund 2,5 Mill.
Arbeitsunfalle gemeldet werden
- Schichtarbeit, Stechuhr
- Rationalisierung, Einsparung, zunehmend mehr arbeits-
lose Arbeitswillige und -fahige iiber 45 Jahren
- zunehmender Ruin von Kleinbetrieben, des Handwerks
- (Obdachlosenasyle, "Schlichtwohnungen" , Kasernen)
• - 60 % der Kinder von Obdachlosen in Sonderschulen
- zunehmende Frauenarbeit bei igeringerem lohn bei glei-
cher Arbeit wie die Manner (rund 1/3 niedriger)
- Akkordarbeit, Pramiensysteme,
- Notstandsgesetze gegen politische Streiks
- daB weniger als 2 % der Bundesbiirger 35 % des Privat-
und 70 % des Produktiwermbgens ihr Eigen nennen - das
alles.ist kein Zufall mehr, das hat mit Chancengleich-
heit nichts zu tun, da ist die Kennzeichnung besonders
auffalliger Gruppen als Unterschicht und Randgruppen nur
23
noch fur den methodischen Ansatz zu ihrer Politisierung
notig, denn diese Probleme sind dem spatkapitalistischen
System inherent und sind Klassenfragen.
lit.:
- Autoren Kollektiv Marx-Arbeitsgrp. Historiker
"Schulungstext zur Kritik der P olitischen Okonomie"
- Konkret 15/72
- Karl Marx: "Das Kapital" Bd. 1
Einige Thesen zu den Ausfiihrungen iiber die Herkunft
der Piirsorgejugendlichen.
Am krassesten zeigen sioh die Grundwiderspriiche unserer
Gesellschaftsordnung in den sog. Randgruppen.
Wohlfahrtsstaatsideologie sowie die Ersatzbefriedigung
durch Konaum verschleiern die standig fortschreitende
Ausbeutung und Verelendung der Arbeiter.
Dissozial ist, wer sich nicht an den sozialen Normen der
Mittelschicht orientiert.
Juristische Normen sind an Kapitalinteressen orientiert.
Chancengleichheit bedeutet: Chancen fur die Reichen,
Machtigen, Einf luBreichen, aber keine Chancen fur die
Unterprivilegierten.
Nicht nur Gesetze und Zwang, sondern Sprachbarrieren,
nur teilweise oder gar nicht gelungene Anpassung an dxe
Normen der Mittelschicht, schlechtere Schul- und Berufs-
ausbildung u.a. verhindern die Gleichberechtigung der
Arbeiter in der Gesellschaft.
Die soziale Diskriminierung der Arbeiter bzw. der Unter-
schicht ist bedingt durch ihre Unterprivilegierung auf
.der Produktionsebene.
So ist die gesellschaftliche Realitat nur die auBere Er-
scheinungsform der zugrundeliegenden bkonomischen ?er-
haltnisse: auf der einen Seite diejenigen, die die Ver-
fiigungsgewalt iiber das Kapital haben, die Kapitalisten,
die sich den gesellschaft lich erzeugten Reichtum aneignen,
und auf der anderen Seite diejenigen, die gar nichts be-
sitzen auBer ihrer Arbeitskraft, die sie gezwungen sind_
zu verkaufen, die nicht am Mehrwert teilhaben diirfen, die
aus ihrer bkonomischen Abhangigkeit heraus nicht die Mog-
lichkeit haben, gesellschaftliche Prozesse zu durch-
schauen bzw. zu beeinflussen.
Konkretionen zum Aufbau
eines Jugendwohnkollektivs
24
*<S is
Vorbemerkungen
Dieser Artikel ist fiir den "Praktiker" geschrieben. Ganz
konkret geht er auf so wichtige Pragen wie Tragerschaft,
Pinanzierung, Mitglieder im Jugendwohnkollektiv, bau-
liche und Standortbedingungen und ihre Auswirkungen , Um-
weltkontakte, Kollektivberater usw. ein. Allerdings kon-
nen hier keine Patentrezepte vermittelt werden. Es wird
nur versucht, die Erfahrungen der bisher bestehenden
Kollektive zusammenzufassen und zu verallgemeinern. So
konnen sich situationsbedingt beim Aufbau eines neuen
Kollektivs auch andere Entwicklungen zeigen wenn auch
die Entwicklungstendenzen bisher allgemein in die in
diesem Artikel aufgezeigte Richtung gehen. Dieser Arti-
kel ist allerdings vor der Zerschlagung des Essener Kol-
lektivs geschrieben worden (vgl. Dokumentation) , die
wohl eine neue Stufe der Eskalation gegen fortschrittli-
che Projekte im sozialen Bereich darstellt. AuBerdem ist
auch nicht auf die Erfahrungen des Georg-von-Rauch-Hau-
ses eingegangen worden. Dieses "Projekt" unterscheidet
sich durch die mit einer breiten Massenmobilisierung ver-
bundene Initiierung von der "betroffenen Basis" in
wesentlichen Punkten von den bisberigen Projekten und
sollte in diesem Info an anderer Stelle ausfiihrlich be-
handelt werden.
Zur TraRerschaft
. Da in den Anfangen Jugendwohnkollektive im Zuge der
Randgruppenstrategie meist von politischen Tragergruppen
(APOJ initiiert wurden, ist mit Unterstiitzung der Jugend-
wohnkollektive (Jk) nur zu rechnen, wenn sich die Ini-
tiatoren als "honorige" Trager ausweisen kb'nnen. So muBte
z.B. ein Miinchener Jk erst nachweisen, daB die Mitglie-
der keine "verkappten Maoisten" waren.
Aber auch dann bleibt die Unterstiitzung zuerst meist nur
ideell. Es empfiehlt sich deshalb, einen eingetragenen
Verein zu griinden, der einem Spitzenverband der deutschen
Wohlfahrtspf lege - in NRW sind gute Erfahrungen mit dem
DPWV gemacht worden - anschlieBt und. der eine relativ
groBe Autonomie sichert.
Dieser Verein sollte auBerdem moglichst schnell versu-
chen, den Status der Gemeinniitzigkeit zu erreichen.
25
26
Dieser Verein, der als Trager fungiert, hat die ver-
antwortliche Leitung und Vertretung der Durchfiihrung
der offentlichen Erziehung im Jk nach auBen inne. Er
ist zustandig fur . finanzielle Regelungen, Einstellung
und Entlassung des Personals.
Der Trager ist - und sollte es auoh sein - zur Haupt-
seite juristischer Trager. Gut sind xiir solch einen
Verein immer einige. liberals oder progressive Renommier-
theologen Oder -intellektuelle. Weiter empfiehlt sich
die Berufung eines padagogischen Beirats, in den einige
"wissenschaftliche Mitarbeiter" aufgenommen werden soil-
ten. Dieser Beirat darf allerdings nur beratende Funktion
haben, d.h. in padagogischer und psychologischer Hin-
sicht Hilfe leisten.
Ein neues Projekt sollte in der Regel anfangs von einer
ziemlich kleinen Kerngruppe geplant werden, die spater
dann einige "Pachleute" zur Hilfe Ziehen sollte. (Wir
sind gern zu.solchen Hilfestellungen bereit.) Doch soll-
te man diese "Fachleute" nicht zu intensiv mit dem Pro-
jekt verbinden, da sonst die Gefahr groB ist, daB sich
zwischen Trager und padagogischem Personal eine Arbeit-
geber-Arbeitnehmerposition mit alien sich daraus erge-
benen Konsequenzen entwickelt.
So ist es am besten, wenn zwar offiziell ein Verein als
Trager fungiert, der Trager im Grunde genommen aber nur
eine Projektgruppe bildet, in die auch das padagogische
Personal integriert ist.
Es sind also folgende Gremien notwendig: ein gemein-
niitziger Verein mit Vorstand, eine Mitgliederversammlung
und ein wissenschaftlioher Beirat.
Zur Finanzierung
Die groBten Finanzierungsschwierigkeiten ergeben sich bei
der Erstausstattung und Einrichtung eines Jk, da hier oft
umfangreiche Eigenmittel aufgebracht bzw. vorgeschossen
werden miissen, da in der Vorbereitungs- und Anlaufzeit
eine Kostendeckung durch Pf legesatze nicht erreicht wer-
den kann und da durch die noch nicht voll erreichte Aus-
baustufe des Kollektivs die Kosten pro Jugendlicher be-
sonders hoch sind.
Zwar werden die anfallenden Selbstkosten zu einem groflen
Teil nachtraglich vom LJA ersetzt, doch miissen die da-
bei entstehenden immensen Verzogerungen - die auch bei
der Zahlung der normalen Pf legesatze gang und gabe sind
- als bewuBte Repressionen verstanden werden.
Es empfiehlt sich zur Vorfinanzierung dringend das An-
streben der Gemeinmitzigkeit des Vereins, da dadurch die
besten Moglic.hkeiten gegeben sind., durch Spenden an Geld
zu gelangen. (Antrag auf Aufnahme in die BuBgeldkartei
beim OLG, Spenden von Klassenlotterien, Sparkassen, gros-
sen Indus trieunternehmen und Kaufhauskonzernen, Spenden-
aufrufe an liberale Organisationen und Personen} Auch
Asten und Fachschaften sind oft bereit, Geld vorzu-
strecken! .
Die Pinanzierung sollte sonst grundsatzlich pauschal
iiber .Pf legesatze bzw. Tagessatze der Jugendlichen er-
folgen: Pur Jugendliche, die der PE oder PEH unterste-
hen, durch das LJA, fur andere Jugendliche durch das
ortliche JA. Folgende Kosten sollte das LJA iibernehmen:
Personal- und Verwaltungskosten, Mietausfall, Versiche-
rungen, Honorare fiir Supervision und Einzelfallhilf e,
Nachhilfe... Bei der Verhandlung iiber die Hohe der Pf le-
gesatze sollte man sich vorher an die bestehenden Kol-
lektive wenden, da die LJAter hier ziemlich willkiirlich
verfahren und die Pflegesatze bei den einzelnen Jk sehr
stark differieren. Es tauchen vor alien Dingen immer
wieder Repressionen finanzieller Art auf.
Weiter fordert das LJA gewisse Mitsprache bei der Auf-
nahme neuer Jugendlicher.
Die Jugendlichen, die arbeiten, miissen einen Anteil ihres
Lohns bzw. Lehrgeldes ans LJA abgeben. Die in dieser Hin-
sicht bestehenden Bestimmungen bieten kaum einen Anreiz
zur Arbeitsaufnahme und fordern so bei einigen Jugend-
lichen ein "Rentnerdasein".
Zur Frage der Kollektivmitglieder
Als geeigneter Personenkreis hat sich eine Mitglieder-
zahl von ca. 5 Jugendlichen ergeben. Wenn eine groBere
Anzahl aufgenommen werden soil, empfiehlt es sich lang-
sam aufzubauen, d.h. es muB erst eine Kerngruppe vorhan-
den sein, die sich einigermaBen gefestigt hat, bevor das
Kollektiv vergroBert wird. Man sollte sich nicht durch
die Notsituation einzelner Trebeganger unter Druck setzen
las sen.
Die Jugendlichen sollten zwischen 15 und 19 Jahren alt
sein, wobei 16 als das ideale Eintrittsalter erscheint.
Die meisten Kollektive sind reine Jungenkollektive ; es
gibt allerdings auch Madchenkollektive. In Berlin sind
Erfahrungen mit einem koedukativen Kollektiv gemacht
worden, einer MSglichkeit, die allerdings z.B. von den
LJAtern in NRW blockiert wird. In diesem Berliner Kollek-
tiv (2 Madchen - 5 Jungen) ergaben sich Probleme weniger
im sexuellen Bereich als aus der Schwierigkeit sich von
den traditionellen Rollenmustern zu losen; es bestand z.B
die Gefahr der Ausnutzung der Madchen fiir hausliche Ar-
beiten.
Es hat sich als sinnvoll erwiesen, bestimmte Aufnahme-
kriterien zu handhaben. Zwar sind wir der Meinung, daB
ca. 2/3 aller Jugendlichen in PE und PEH in Kollektiven
untergebracht werden konnen, daB also die Jk eine echte
Alternative zur Heimerziehung darstellen; doch da die Jk
im Moment noch Modellcharakter haben, sollte heute unter
den... Jugendlichen noch eine gewisse Vorauswahl getroffen
werden .
27
.
1. Die Jugendlichen sollten arbeitsfahig bzw. arbeits-
willig sein d.b. zur Schule oder zur Arbeit gehen oder
und wenn es moglich ist, in letzter Zeit auch gearbeitet
hab en ;
2. sie sollten nicht iiber schwere psychische Storungen
und Schaden verfiigen, da wir keine Psychotherapeuten
sind und auch der politische Anspruch unserer Arbeit
unter solchen Voraussetzungen fragwiirdig ware;
3. die Jugendlichen sollten, falls moglich, keine zu^
lange Heimerfahrung haben, d.h. sie sollten gruppenfahig
sein, Verbalisierungs- und Artikulierungsfahigkeit be-
sitzen, einen gewissen Toleranzbereich gegeniiber Frustra-
tionen und Aggressionen haben, Eigenschaften wie Koope-
rationsfahigkeit, Initiativbereitschaft, Rucksichtnahme :
auf andere aufweisen und auch bereit sein, an den Aktivi-
taten des Kollektivs teilzunehmen;
4. sie sollten aus der Arbeiterklasse stammen;
5. sie sollten selbst den Wunsch haben, in einem Kollek-
tiv zu leben;
6. sie sollten nicht drogenabhangig sein.
Diese Kriterien lassen sich alle allerdings in den
wenigsten Fallen realisieren. Zudem wird die ganze Pro-
blematik der Jugendlichen aus den Kontaktgesprachen kaum
und aus den Akten erst recht nicht ersichtlich. Da aus-
reichende Informationen iiber den Werdegang und die augen-
blickliche Situation fehlen, empfiehlt sich eine vier-
wochige Probezeit und eine darauf folgende Aufnahme durch
GruppenbeschluB. Es kommen grundsatzlich nur Jugendliche
in Frage, die FE, PEH oder anderen offentlichen Erzie-
hungsmaBnahmen unter liegen bzw. akut von Heimeinweisung
bedroht sind, d.h. dringend eine Unterbringung auBerhalb
der Pamilie bediirfen oder auch Jugendliche, die unter
Bewahrung stehen. . . ■
Aufnahmen konnen auf dem Verwaltungswege,Vorschlag des
LJA Oder auf Empfeblung des Vereins (entwichene FE-Zog-
linge, Trebeganger) erfolgen.
Bauliche Voraussetzungen und StandortbedinKungen
Es ist ziemlich schwierig, geeignete Hauser oder Woh-
nungen zu bekommen. Meist sind dazu gute informelle Kon-
takte zu politischen Instanzen der Stadt oder zu kirch-
lichen Kreisen notwendig. Bei Einschaltung eines Makler-
biiros kann man mit Unkosten bis zu 500, — DM rechnen.
So erscheinen dann manchmal Hausbesetzungen schon langer
leer stehender Hauser als ein durchaus angemessenes Mit-
tel, die zustandigen Stellen auf die Mangelsituation
aufmerksam zu machen.. Wenn Hauser zur. Verfiigung gestellt
werden, sind es zumeist Abbruchhauser, die in den nach-
sten Jahren im Zuge von SanierungsmaBnahmen abgerissen
werden sollen und die von der Stadt schon aufgekauft wor-
28 den sind. Der Zustand dieser Hauser ist deshalb oft sehr
miserabel und zumeist muB mit hohen Investitionskosten
gerechnet werden. Wie sollten nun die Wohnungen bzw.
Hauser geschaffen sein - wobei betont werden muB, daB
grundsatzlich Hauser Wohnungen vorzuziehen sind?
Es sollten moglichst mehrere kleine Haume zur Verfiigung
stehen, so daB jedes Kollektivmitglied anfangs iiber sein
eigenes Zimmer verfiigen kann und auch Wohngelegenheiten
fur das padagogische Personal vorhanden sind. AuBerdem
sollten ein Arbeits- und ein Gemeinschaftsraum zur Ver-
fiigung stehen; dazu Bad, Toilette.
Gut sind auch immer Speicher- oder Kellerraume fiir
Tischtennis, zum Basteln und auch ein kleiner Biiroraum.
Bei der Ersteinrichtung sollte besonders auf eine gute
Einrichtung der Kiiche Wert gelegt werden, um die Kol-
lektivmitglieder weitgehend von uberf liissiger Hausar-
beit zu entlasten.
Die Einrichtung der meisten Zimmer kann aus Schenkungen
und vom Sperrmiill hestritten werden, doch sind meist
erhebliche Kosten fiir Eenovierung, Umbau usw. aufzu-
bringen.
Die gemeinsame Renovierung und Einrichtung kann in be-
grenztem Umfang das Selbstwertgefiihl steigern (nach
langem Heimauf enthalt sehr wichtig), bei zu starker Be-
anspruchung konnen allerdings durch Uberforderung in
organisatorischen Problemen starke Konflikte auftreten.
Da die meisten Jugendlichen aus der Arbeiterklasse stam-
men, sind Hauser im gewohnten Milieu - also in reinen
Arbeiterwohnbezirken am besten geeignet. AuBerdem sollten
giinstige Verkehrsverbindungen zu den gangigen Arbeits-
platzen und zu den Kommunikationszentren in der City ge-
geben sein.
Sehr wichtig sind die Kontakte zur Umwelt und die Zusam-
menarbeit mit den Anwohnern. Anfangs sind die meisten
Kollektive Diskriminierungen, abfalligen Blicken, dauern-
der Beschwerden beim Vermieter, meist wegen Larms und
haufiger Besucher, ausgesetzt.
Diese Konflikte werden meist noch durch das Auftreten von
Polizei und Justiz verstarkt, die in jedem Kollektiv ei-
nen potentiellen Kriminellenhort sehen. So sind Durch-
suchungen der Sitte, des politischen Kommissariats und
des Eauschgiftdezernats an der Regel. Wahrend der Biirger-
kriegsaktionen gegen die RAP (Bader-Meinhoff-Gruppe)
wurden grofie Aktionen und Polizeieinsatze gegen verschie-
dene Kollektive vorgenommen. Diese Einsatze bleiben den
Anwohnern natiirlich nicht verborgen. und sind den Kontak-
ten zur Umwelt nicht gerade f order lich.
Dazu noch ein Beispiel aus Frankfurt: Als vom Jk ein Un-
fallwagen gerufen wurde, weil ein Jugendlicher .die Trep-
pe herunter gestiirzt war, leitete die Polizei sofort Er-
mittlungen wegen Gewalttatigkeit und DrogengenuB ein.
In Diisseldorf versuchten Bewohner mit Hilfe der ortlichen
CDU-Fraktion , die Errichtung eines Jk in einem klein- 29
biirgerlichen Bezirk zu verhindern, weil "die Sicherheit
von Frauen und Kindern gefeihrdet" sei und "der Wert der
Eigentumswohnungen sinke" .
Erst durch gezielte Offentlichkeitsarbeit (Presse, Fern-
sehen, Rundfunk, Rundbriefe, Hearings) konnte der re-
aktionare Charakter dieser Fraktionen entlarvt werden.
Man sollte deshalb fiir die Anwohner immer eine Infor-
mationsveranstaltung durchfvihren, und iiber die Ziele der-
Wohngemeinschaft aufklaren. Auch gegeniiber dem Vermieter
muB die padagogische Konzeption erlautert werden.
Zur Frage und Eunktion von Hausordnungen
Zu Anfang erscheint die Erstellung einer Hausordnung bzw.
eines Punktionsplanes meist erforderlich. Sie sollte ge-
meinsam diskutiert und besohlossen werden und sich be-
sonders mit dem Verbot des Handels und Genusses von
Rauschmitteln, der Vermeidung ubermaBigen Alkoholgenus-
ses, der permanenten ttbernachtung von Gasten und ent-
wichenen Zoglingen und auf Gebiete wie Aufraumen, In-
standhaltung, Einkaufen und Kochen beziehen.
Diese Hausordnung ist nach langerem Zusammenleben im
Kollektiv* meist nicht mehr notwendig.
Zum padagogischen Personal
Fiir Jedes Kollektiv sollten 2 padagogische Mitarbeiter
(Fachkrafte) eingestellt werden. Am besten ein Sozial-
arbeiter und ein Sozialpadagoge. Weiterhin ist ein teil-
zeitbeschaftigter Mitarbeiter einzustellen (Kriegsdienst-
verweigerer, Jahrespraktikant) . Empfehlenswert ist auch
die Einstellung einer Hauswirtschaftlerin oder Kochin
fiir 2-3 Stunden taglich, die kooht und sich urn die Kiiche
kiimmert. Manchmal erscheint zur Entlastung des Sozialar-
beiters auch noch die Halbtagsbeschaftigung einer Sekre-
tarin gegeben, die gleichzeitig auch fiir andere Angele-
genheiten des Vereins zustandig sein kann.
Die Aufgabenteilung zwischen Sozialpadagoge (Kollektiv-
beraterj und Sozialarbeiter sollte etwa wie folgt aus-
sehen, wobei allerdings echte Team-work Grundvoraus-
setzung bleibt: der Kollektivberater iibernimmt zur Haupt-
seite die Analyse und Interpretation der Gruppenprozesse,
die Realisierung des padagogischen Konzeptes und in.Ein-
zelfallen auch therapeutische Aufgaben. Der Sozialarbei-
ter kiimmert sich vorrangig um Arbeitsvermittlung, Kon-
takte zum Arbeitsplatz, Jugendamt, Eltern, Vormund und
um Versorgungsangelegenheiten.
Das padagogische Personal verfiigt iiber die Aufsichts-
pflicht, doch wird die Verantwortung z.T. vom Trager
iibemommen.
30 Auflerdem sollten Kontakte zu psychologischen und psycho-
m
therapeutischen Fachkraften vorhanden sein. Der padago-
eische Beirat sollte nur beratende Funktion haben.
Die Supervision der padagogischen Fachkrafte sollte die
Projektgruppe bzw. der Trager iibernehmen, d.h. besonders
die Besprechung der Probleme der Position des Kollektiv-
beraters in der Gruppe und andere Gruppenprobleme.
Wenn dies nioht gegeben ist, d. h. der Berater nicht
gleichberechtigt in den Tragerverein integriert ist, er-
gibt sich sehr leicht die Gefahr eines Arbeitgeber-Ar-
beitnehmerverhaltnisses mit den bekannten Konsequenzen.
' Anzeige '
REIHE BETRIEB UND GEWERKSCHAFTEN
GEWERKSCHAFTEN HEUTE - ORDNUNGSFAKTOR ODER GEGENMACHT?
Funktion und Strategie der Gewerkschaften im Spatkapitalismus.
Autor: Hansgeorg Conert
Ein kritischer Beitrag zur Standortbestimmung der Gewerkschaften
in der BRD heute. Ausgangspunkt ist die Erwartungshaltung der
Mitqlieder gegeniiber den Gewerkschaften. Es wird verdeutlicnt,
daB organisierte wie auch nicht organisierte Lohnabhangige von
den Gewerkschaften die Durchsetzung von Anspruchen erwarten,
die den engen Rahmen der vom Profitziel diktierten Funktions-
bedingungen des Spatkapitalismus sprengen. Da3 nunmehr auch in
der BRD die Regierung konsequent daran gent, den Ablaut des
kapitalistischen Produktions- und Verwertungsprozesses zu
steuern, verbessert keineswegs den gewerkschaftlichen Aktions-
raum, sondern verengt ihn zunehmend.
Die Gewerkschaften konnen sich daher der Entscheidung nicht
entziehen: integrieren sie sich in das System des organisier-
ten Kapitalismus und ordnen sich damit den jeweiligen Beding-
unqen privater Profitmaximierung unter Oder begreifen sie lhre
Aufgabe als antikapitalistische Gegenmacht und gehen zu einer
Strategie der Durchsetzung systemverandernder Reformen uber.'
Die notwendigen Konsequenzen fur die konkrete Politik der Ge-
werkschaften, fur die innerverbandliche Demokratie, fur die
Mitbestimmungskonzeption, fur die Bildungsarbeit sow;e fur die
Strategie der Gewerkschaften in der politischen Sphare werden
in dieser Broschure umrissen und zur Diskussion gestellt.
88 Seiten, broschiert, DM 3.3o
Verlag Zooo GmbH, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591
-J 31
^a
Verein Soziale Jugendarbeit e.V.
Konzeption fur die Einricbtung einer Wohngemeinschaft
mit Minderjahrigen in offentlicher Erziehung.
32
Als Erziehungsziel fur die Jugendlichen wird angestrebt,
daB sie durch Selbsterfahrung, Selbsterziehung und
Selbstorganisation die Ursache ihres Scheiterns in der
Familie und Gesellschaft einsehen ,und lernen, ihre Pro-
bleme und Konflikte selbst zu losen.
Dieses Ziel wird nicht in alien Fallen zu erreichen sem.
Bei umweltgeschadigten Jugendlicben ist es aber beson-
ders wichtig, ihre eigene Stabilitat zu entwickeln. Dazu
gebort Entwicklung der Eigentatigkeit und Eigenverant-
wortung, die Entwicklung der Verantwortung fiir die Grup-
pe und die Fahigkeit, in jenen Umweltkonstellationen
stabil zu bleiben, in denen sie friiher zusammengebrochen
sind. Besonders wird zu erstreben sein, daB die Jugend-
licben kontinuierlich einer Berufsausbildung Oder einer
Berufsarbeit nachgehen.
Um das zu erreichen, soil nach den Methoden der Sozialen
Gruppenarbeit vorgegangen werden. Diese Methoden beinhal-
ten Initiierung und Kontrolle gruppendynamischer Pro-
zesse. Die entsprechenden soziometrischen Verfahren_ (So-
ziogramm, Autosoziogramm) sind dabei anzuwenden. Weiter-
hin gehoren dazu auch Gruppendiskussionen, Soziodramen,
Planspiele fiir Konfliktlosungen und dergleichen mehr.
Da die Ursache, die zur FE/FEH-Massnahme gefiihrt hat en,
im sozialen Umfeld der Jugendlicben zu suchen sind, ge-
niigt es jedoch nicht, einen gruppeninternen Entwicklungs-
prozeB in Gang zu setzen. Daher wird angestrebt, sta'ndi-
gen Kontakt mit der Umwelt .herzustellen, aus der sie^
kommen und in der zu leben sie wieder fahig werden miis-
sen. Das soil u.a. ex'reicht werden durch Kommunikation
mit den Jugendlicben des betreffenden Stadtteils, ein-
zelnen Jugendlichen sowie formellen und informellen
Gruppen. Durch Training sollen die Kommunikationspartner
lernen, iiber Preizeitkontakte hinaus voneinander zu lernen:
die Jugendlichen der Wohngemeinschaft, indem sie erfahren
und erfragen, wie die,.. Jugendlichen in der Gegend leben;
die Jugendlichen des Stadtteils, indem sie. erfahren, wie
man in die offentliche Erziehung kommt und welche Ur-
sachen dazu gefiihrt haben.
Der "Verein Soziale Jugendarbeit e.V.", Essen-Steele
ist der Trager der Wohngemeinschaft. Dieser Verein ist
dem "Deutschen Paritatischen Wohlfahrtsverband" ange-
schlossen.
Es ist vorgesehen, in einer Gruppe von 8 Jugendlichen
zu arbeiten, da erfahrungsgemaB eine GruppengroBe zwi-
schen 6 und 8 Mitgliedern fiir einen dynamischen ProzeB
am funktionsfahigsten ist. Diese GruppengroBe hangt aber
von den Raumlichkeiten ab. Zu einem gegebenen Zeitpunkt
ist beabsichtigt, eine 2. Wohngemeinschaft zu griinden,
die aber raumlich von der 1. Wohngemeinschaft getrennt
sein soil.
Von der Aufnahme ausgeschlossen werden Jugendliche, fiir
die FE oder FEH lediglich beantragt ist, da das landes-
jugendamt dafiir keine Kosten iibernimmt.
Es sollen nach Moglichkeit nur schulentlassene Jugend-
liche aufgenommen werden. Jugendliche mit erheblichen
geistigen oder psychischen Mangeln konnen nicht aufge-
nommen werden, weil sie eine Therapie benotigen, die die
Gruppe nicht ermoglichen kann.
Es sollen nur Jugendliche mannlichen Geschlechts aufge-
nommen werden.
Im Hinblick auf die Senkung des VolljShrigkeitsalters von
21 auf 18 Jahre sollen Jugendliche, die 16 Jahre alt
sind, aufgenommen werden. Dieses Alter ist auch aus
Griinden der Aufnahme einer lehre bzw. des Besuches einer
Schule giinstiger als hohere Altersklassen.
Padagogisches Personal
a) Sozialarbeiter
Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Kommunikation mit
den Jugendlichen, Initiierung von Gruppenprozessen,
Abwicklung der Verwaltungsaufgaben, Berichte schrei-
ben, Kontaktaufnahme nach auBen: Eltern, Behorden,
formelle Gruppen, soziales Umfeld, andere Kollektive,
Entwicklung von Konzeptionen zur offentlichen Er-
ziehung.
b) Kollektivberater
Angestrebt wird, als Kollektivberater ebenfalls einen
Sozialarbeiter einzustellen.
Schwerpunkt der Arbeit liegt im besonders engen Kon-
takt zum Kollektiv. Er kiimmert sich ausschlieBlich um
die Angelegenheiten der Gruppe, z.B.
gruppendynamische Prozesse, Selbsterfahrung, Selbst-
organisation.
Er kummert sich um die Arbeitsbeschaffung, halt Kon-
takt zu den Arbeitgebern. Von Verwaltungsarbeiten und
33
anderen auBeren Aufgaben ist er befreit.
Fur den Sozialarbeiter und den Kollektivberater ist
Supervision unerlaBlich. Die Supervision findet regel-
maBig statt und wird vom Verein sichergestellt .
Weiteres Personal sind eine SekretUrin und eine stunden-
weise beschaftigte Putzfrau bzw. Wirtschafterin, sowie
ein Ersatzdienstleistender bzw. ein Praktikant. Der Er-
satzdienstleistende arbeitet nach den Grundsatzen fur
den Dienst von Ersatzdienstleistenden bei anerkannten
Einrichtungen .
Die Sekretarin ist fiir die anfallenden Sohreibarbeiten
sowie die Buchfiihrung zustandig und nimmt als Proto-
kollfiihrerin an Gesprachen teil.
Padagogiscb.es Konzept
a) Nach einer direkten Phase bei Start mit neuen Jugend-
lichen soil diese allmahlich durch Selbstbestimmung
und Selbstorganisation der Jugendlichen in Einklang
mit dem Kollektivberater und dem Sozialarbeiter ab-
gelost werden.
b) Mir die Sauberkeit in ihren Raumen sind die Jugend-
lichen selbst verantwortlich.
Das Kochen iibernimmt zumindest in der Anfangsphase
eine Kochin - stundenweise. Eventuell kann das Kochen
bzw- die Gesamtverpf legung .zu einem spateren Zeit-
punkt von der Gruppe selbst iibernommen werden. Ein-
kaufen, Ordnungsarbeiten, wie Kiiche und andere Raume
sauberhalten und andere gemeinsame Arbeiten, sollen
von den Jugendlichen selbst organisiert werden.
c) Bedingung fiir den Aufenthalt in der Wohngemeinschaft
ist, daB jeder Jugendliche einer Beschaftigung (Schule,
Lehre oder andere Arbeit) nachgeht.
Nach der Aufnahme eines Jugendlichen wird ihm eine
Prist von 14 Tagen (im Hochstfall von 4 Wochen) ein-
geraumt, innerhalb derer er sich einen Arbeitsplatz,
eine lehrstelle oder einen Schulplatz gesucht haben
soil.
Ist ein Jugendlicher langer als 14 Tage durch eigenes
Verschulden ohne Arbeit (z.B. keine. lust etc.) muB er
die Wohngemeinschaft wieder. verlassen.
d) Pur Jugendliche unter 18 Jahren gelten die Bestimmungen
des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Off entlich-
keit .
e) Nach Aufnahme des Minder jahrigen wird nach einem noch
04 zu vereinbarenden Zeitabstand schriftlich iiber seine
°^ Entwicklung mitgeteilt und es wird nach dieser Beob-
achtungszeit in Absprache mit dem landesgugendamt
entschieden, ob ein weiterer Verbleib in der Wohnge-
meinschaft den erzieherischen Bediirfnissen des Ju-
gendlichen und der Gruppe entspricht .
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht des landesjugendamtes
wird in jedem Einzelfall voll anerkannt.
Es ist nicht daran gedacht, die Wohngemeinschaft als
Kontakt- oder Anlaufstelle fiir entwichene oder gefahr-
dete Jugendliche zu benutzen.
Es ist vorgesehen, daB in der Wohngemeinschaft anfangs
der Ersatzdienstleistende und der Kollektivberater mit
den Jugendlichen zusammen wohnen, daB der Sozialarbeiter
(der zustandig ist fiir Verwaltung, Offentlichkeitsar-
beit etc.) nicht in der Wohngemeinschaft lebt, da er
dadurch Gruppenprozesse von "AuBen" besser iibersehen,
feststellen, analysieren und-initiieren kann. Zudem soil
er, um Spannungen aus der Gruppe herauszunehmen, die
Siindenbockrolle ubernehmen, deren Aufarbeitung und Funk-
tion fiir die Gruppe dann leichter fallt, als die Siinden-
bocksituation in einer in sich geschlossenen Gruppe.
Wenn moglich, soil keine Pluktuation in der Gruppe auf-
kommen, d.h. es soil versucht werden, nach einer Start-
phase, in der gepriift werden soil, ob die dann in der
Wohngemeinschaft lebenden Jugendlichen den Anspriichen
einer Wohngemeinschaft geniigen, diese Gruppenzusammen-
setzung konstant zu halten. Palls das gelingt, sollte es
nach gegebener Zeit moglich sein, daB die Gruppe ge-
schlossen die Wohngemeinschaft verlassen kann. Falls es
nach Absprache mit dem Landes jugendamt moglich ist, in
der Endphase die Gruppe sich allein verwalten und organi-
sieren zu lassen, so sollten dann der Kollektivberater
und der Ersatzdienstleistende nicht mehr in die Gruppe
integriert sein und sich so weit als moglich aus der
Gruppe zuriickziehen.
Padagogisches Ziel
Es soil angestrebt werden, daB die Jugendlichen sich an
regelmafiige Arbeit gewohnen und der .Arbeit schlieBlich
auch nachgehen,so daB sie in der Lage sind, ihren Le-
bensunterhalt selbst zu verdienen.
Die Jugendlichen sollen zur Selbstandigkeit gefiihrt wer-
den, d.h. daB sie alle Dinge, die sie selbst betreffen,
selbst regeln (Amterverkehr, Arbeitssuche, etc.)
Die iiberwiegend anzutreffende Planlosigkeit in Bezug auf
ihre Zukunft soil ersetzt werden durch selbstandiges,
vorausschauendes Planen.
35
Kommunikation und Kooperation im Gruppenzusammer_h.ang und
"draufien" als Einzelne in ungewohnten Umgebungen sollen
gefcrdert werden.
Am Ende des Aufenthaltes in der Wohngemeinschaft (nach
individuell angemessener Zeit) soil die Aufhebung der
offentlichen Erziehung (IE - EEH) erf ol gen.
Die Jugendlichen sollen dann so weit sein, daB sie
selbstandig ihr Leben verantwortlich einteilen, planen
und wirtschaftlich sichern konnen.
Weis
chen
DieWeismanner
mad
Verlg.g
Zielig-Stp, 89
H^k H ■ 1B««B«4*fc»« J^& "rfnuters Buch 1st eine hervor-
WIJllI KjHUBr* JlFSm rag<-nde Analyse des Zusaramen-
1B ^r % « ImT" • i ?*v™ hangs von Informationsvermitt-
H7IA AlltA HnMIWinflT ^-unS und Anpassung, wie man
WlUVUlV HKHUtUlK eben so fntertanen herstellt,
1 f ffji.«.ff jLMJjlljLlJf -' -U4- nit Zwang, nleht mit Ge-
ilieineinllODlCUlSlCIll ^, sondern mit den feinen
Au j — . « - i * Mitteln der Naehrirhtengebung".
uberdasHerstellenvoDUatertanen westd.Rundf. e.so ^/fjt^t.
36
GUMERWABRAfr7££l^ not als Pfllrht"
. _. , — -chulen." BUcherei
in) VONEINEMDERAUSZOG und Bildung. Illustriertr Ab
LJ\jUNDDASrVRCHTENLERNTE 13 Jahre. dm 8.80
J^XSS
Breeht-Iexte fiir Kinder. Der
Hessische Rundfunk '.meint: "FUr
Kinder das beste antiautori ta-
re Huch." JM 9.80 <ni scjU^c
nj\ Martin Sperr:
^ ^ Aussensetter
Die l.eute sind anstiindig. "rfer
anders ist, wird anstar.riig pe-
jagt. Illuntriert. i)K 9.8C
)X>kinders™eik
^en santa nicx)la
"Die bisher geschlossenste Dar-
stellung ei^es gesellschafts-
kritisohen Themas fiir Kinder."
?AZ. Ab 8 Jahre. 7.80
&>
Ernst Herhaus:
Kinderbuch fur
-Kin urkomisches, verwirrendes
Buch, das mit jedem Satz I.'ach-
denken herausfordert . liessi-
kommBndEBEvolulnape-Bo llee elne b 2 Jahre
Verdeutlichung der Klassenlage
der Sozialarbeiter anhand der im
Kollektiv gemachten Erfahrungen
Aufgrund der zumeist an burgerlich-mittelstandischen
Normen und okonomischen Bedingungen orientierten Be-
diirfnissen und Verhaltensweisen der Sozialarbeiter und
Sozialpadagogen (1) miissen diese eine den Bediirfnissen
der proletarischen Jugendlichen entgegengesetzte Hal-
tung einnehmen.
Am deutlichsten sichtbar wird es , wenn Sozialarbeiter
mit einer kleinen Gruppe von Arbeiterjugendlichen zu-
sammenarbeiten "miissen", und zwar qua "Erziehungsauf-
trag" staatlicher Oder kommunaler Behorden. Das gilt
insbesondere fiir Heimerzieher und Kollektivberater, da
hier permanent Interessenkollisionen als Klassengegen-
satze entlarvt werden.
Es kann im folgenden nioht darum gehen, eine detaillierte
Analyse, ausgehend vom Widerspruch zwischen Lohnarbeit
und Kapital, zu liefern, sondern es sollen nur einige
Widerspruche, die sich im Jugendkollektiv krass zeigen,
genannt werden. Diese lassen sich generalisierend auf
die derzeitigen Arbeitsf elder der Sozialarbeit iibertra-
gen.
Kollektivberater gehen als institutionell bezahlte leute
ins Kollektiv, urn dort zu arbeiten und Geld zu verdienen,
damit sie leben konnen. Das ergibt sich aus der kapita-
listischen Produktionsweise, in der die Subsistenzmittel
nur vermittelt iiber das Geld zu erwerben sind. Der Kol-
lektivberater erha.lt das Geld aber nur dann, wenn er
seine "padagogische" Arbeitskraft verkauft. Selbst diese
Arbeit-ist entfremdet, well sie nur ein Mittel ist, urn
die Bediirfnisse auBer ihr zu befriedigen. Die "padago-
gische Arbeitskraft wird vom Kapital gekauft, damit sie
Voraussetzungen fiir die Verwertung proletarischer Ar-
beitskraft schafft. Fiir den Kollektivberater bedeutet
das Arbeit, fiir die betroffenen Kollektiv-Jugendlichen
jedoch bedeutet sie Ereizeit. Das Kollektiv ist fiir die
Jugendlichen Wohnung, Lebensbereich, nicht Arbeitsbereich.
In diesem Lebensbereich sollen die Voraussetzungen her-
gestellt werden, damit er seine Arbeitskraft im Produk-
tionsprozeB verwerten lassen kann.
In der Praxis sieht das so aus, daB die Jugendlichen vom
Kollektivberater fordern, daB er wie sie zu arbeiten habe 37
8
Oder verschwinden aolle. Der Kollektivberater auBert den
Anspruch, Gleicher unter Gleiohen zu sein. Beide Ein-
stellungen unterstellen, daB es jetzt und im Kollektiv
moglich ist, die gesellschaftlich-bkonomischen Wider-
spruche aufzuheben. DaB der Widerspruch im Historisohen,
im Klassengegensatz von Kapital und Lohnarbeit liegt,
wird nicht erkannt.
Die nicht mehr im Kollektiv behauptete Gleichheit von
Jugendlichen und Beratern laBt die objektiv vorhandene
unterschiedliche Stellung von Jugendlichen und Berater
auBer aoht. Der Kollektivberater wird bezahlt und ar-
beitet dort, weil er ganz gewisse "padagogische" Fahig-
keiten hat, z.B. Konf liktlosungsmuster anzubieten und
sie auch durchzusetzen ( "einzutrainieren") . Die Jugend-
lichen sollen ja gerade der gesellschaftlichen Norm ent-
sprechend erzogen werden von jemandem, der diese Norm
verkorpert - dem Kollektivberater. Also kann er wob.1
kaum Gleicher unter Gleichen sein.
Burgerlich sozialisierte ausgebildete Sozialarbeiter
glaubten, daB es sehr gut moglich sei, den Jugendlichen
antikapitalistische Praxis und Theorien vermitteln zu
konnen. Teils opponierten diese stark gegen die verbale
Politisierung, z.T. ubernahmen sie diese Argumentation.
Die Folge davon war, daB sie nicht arbeiteten, dafiir
aber ihr "Rentnerdasein" pseudo-politisch (wie ubernom-
men vom Kollektivberater) rechtf ertigten ("wir werden ja
sowieso ausgebeutet") . Das war die logische Folge aus
der burgerlich-revolutionaren Verba 1-Haltung der padago-
gischen Mitarbeiter , die zumeist keinen Ausweg sehen,
echt politisch zu arbeiten, da sie selbst kaum ihre pri-
vilegierte Position gefahrden konnen.
Viele Kollektivberater gingen anfangs davon aus, person-
liche Verhaltensstbrungen zu heilen und Unterprivile-
giertheit zu beheben, um kritische und autonome Ent-
scheidungen treffende Kollektivmitglieder zu erziehen.
Durch diese sozialintegrative Zielsetzung iibersahen wir,
daB proletarischen Jugendlichen Grenzen gesetzt sind,
kaum aber den burgerlich erzogenen und ausgebildeten
Sozialarbeitern. Dieses Konzept versagte, Frustrationen
und Aggressionen hauften. sich. Durch die Vermittlung des
Konzepts der "nivellierten Mittelstandsgesellschaft"
Schelskys internalisierten wir die These von der po.si-
tiven MSglichkeit zur sozialen Mobilitat, gaben sie wei-
ter an die proletarischen Jugendlichen, indem wir Bil-
dungsangebote machten (Fernsehen, Theater, Kurse).-Die
Erfahrungen, die die Jugendlichen im Heim, in der Pamilie,
im Betrieb gemacht haben, wurden dazu- benutzt, sie-vor
neuerlichem "Abstieg" zu warnen und ihnen wurde dann der
mogliche Aufstieg iiber Schule/Iehre nahegelegt. Das biir-
gerliche Aufstiegs- und.Konkurrenzverhalten wurde durch
die Jugendlichen kopiert- und kam zum Ausdruck: "Ich will
auch Sozialarbeiter werden!"
Wenn von den Kollektivberatern der Anspruch gestellt
wird, die Jugendlichen durch das Kollektiv in die Ar-
beiterklasse zu reintegrieren, ihnen KlassenbewuBtsein
und Klassensolidaritat zu vermitteln, tritt darin das
falsche Verstandnis vom Verhaltnis Produktions- und
Heproduktionssphare zutage.
Die Reklassierung kann also nur die gemeinsame Aktion
der Jugendlichen sein, die lediglich vom Kollektivbe-
rater unterstiitzt werden kann. Er stellt seine Kennt-
nisse zur Verfiigung, wenn sie in Verhandlungen/Kampfen
mit der Sozialburokratie als Vertreter des Kapitals ge-
braucht werden. V'eiterhin kann er als "Vermittler" zu
politischen Gruppen werden, da er ja die Verhaltnisse
am Ort, zumindest anfangs, sehr viel besser kennt als
die Jugendlichen.
Andererseits muB der Kollektivberater von den proleta-
rischen Jugendlichen lernen. Er muB klar seine privile-
gierte Stellung erkennen, d.h. auch erkennen, in wessen
Dienst er steht. Das bedeutet, daB er in jeder Konflikt-
situation mit den Kollektivjugendlichen reflektieren muB:
Verhindere ich durch meine (burgerlich gepragten) Ein-
stellungen, Verhaltensweisen und Machtbefugnisse (qua
Er^iehungsauf trag! ) eine Sozialisation, die die Einzelnen
befahigen kann, sich zunachst in ihrer Klasse zu orien-
tieren und in der Folge aktiv an Klassenkampfen teilzu-
nehmen?
Um zu dieser Einsicht zu gelangen, kann man freilich
nicht mehr langer die biirgerlichen liberalistischen
Sozialisationstheorien von Dnterprivilegiertheit aufrccht
erhalten. Ein Beispiel: Fursorgejugendlichen wird stan-
dig 'vorgehalten, sie seien nicht kooperationsfahig, zur
Solidarisierung untereinander untauglich etc. Konnen sie
im Heim kooperieren, sich solidarisieren? Nein. Von sei-
ten der Institutionen werden die Jugendlichen docb stan-
dig gespalten, um Wohlverhalten zu gewahrleisten. Ko-
operation, nach Vorstellungen der Institutionen, meint:
optimale Integration und Arbeitskraftverwertung in der
Produktion. Solidaritat heiBt: im formalen Bereich (Jber-
einstimmung erzielen (auswahlen der Ferns ehprogramme ) .
Denn sobald z.B. Bewohner der Obdachlosenghettos kollek-
tiv gegen diese Verhaltnisse opponieren, versucht die
Bourgeoisie, sie mittels ihrer Helfershelfer (Sozialar-
beiter, Psychologen, Polizei) zu spalten und zu zerschla-
gen. (2)
Man muB konzidieren, daB die wenigsten Sozialpadagogen
sich ihrer gesellschaftlichen Funktion, namlich "Klienten"
an die biirgerlich-mittelstandischen Normen anzupassen,
sie dazu zu motivieren, sich der intensiven Ausbeutung 39
xm Productions- und, was zunehmend wichtiger wird, auch
im Reproduktionsbereich willfahrig hinzugeben, nioht be-
wuBt sind. Weshalb sie sioh dieser Ablaufe nicht bewuBt
sind, soil hier nicht erortert werden (Information da-
ruber in "Erziehung und Klassenkampf " Kr. V71).
Die Erzieher, gleich in welchem Bereich sie tatig sind,
miissen sich daruber im klaren sein, rait welchen "Klienten'
sie arbeiten, zu welcher Klasse sie gehbren, wie sie mit
ihnen arbeiten miissen, in- welchem Auftrage und fiir wes-
sen Interesse sie arbeiten. Die Widerspriiche zwischen
Kapital und Arbeit verscharfen sich zusehends, was fol-
gendermaBen zum Ausdruck kommt: Zerschlagung der fort-
schrittliohen politischen Projekte, die von jugendlichen
Arbeitern getragen werden (Georg-von-Eauch-Haus in Ber-
lin, Wohnkollektiv Essen) . ..Genossen, die bisher geglaubt
haben, daB es auch langerfristig Arbeitsbereiche mit re-
lativ grofiem Freiraum fiir politische Arbeit gibt, wer-
den ihre Meinung andern miissen und den verscharften
Kampf in ihrem konkreten "sozialen" Arbeitsfeld gegen
die Bourgeoisie aufnehmen. miissen. Biindnispartner sind
primar diejenigen, die zu neunzig Prozent die "Klienten"
sind: die Arbeiter und unteren Angestellten.
(1) Gefesselte Jugend: Piirsorgeerziehung im Kapitalismus .
Autorenkollektiv Edition Suhrkamp Ffm. 1971 .
(2) Vgl. Erziehung und Klassenkampf Kr. 7/72
Bericht iiber die Arbeit in der Obdachlosensiedlung
BrelohstraBe in Bochum.
XO
rrzJ
cz-=3
L.
3n dieyfir Af&gflh&.
"ErinneruDgan,'-H8UB Eckafesrdt
VK -Informational)
Gcrichtsverhandlung
Let>en3laii:t eiaes TUraorge-
zBglings...
Heitpoisere. . .
^*MMMa|H*iHMnHdUaHMjRnnuJ
Witten den 19. 4-. 72
Brotokoll der Ereignisse wafcxend ineiaer tfnterbrinj-uug
iffi~f:rzie£ungsheim", J fta-usTScEiEerdK?
Etw,-/ Mitte September wuroe ich nach 11/2 monatirer UntersMOhim^s-
haf i. in das oa. Brziehungsheim eii;gewie3cr.. Bis sop secohah sat
meiren ^unsch in einem 3rief an den VntfrsDChimgsriohter ,
in lea ich averts, icb sal den Verhaltnissen der tTnlersnehungphaf-t
aeelisch nioht gewachsen.Bei neiner Einlieferrung wurde mir
sofort ein Plate in einem der 8 Hauser und ein Arbeit splat z
zugcteilt. Ich bekam Arbeit skleidung und wurd? beauftragt, mich
unv rzuglich in die Werkhalle zu be^eben.Die Arbeit b«stand darin
ftir die Fa. Hella Autoriieklichter zu nieten. Dieses gesohah in
Akkt-.rtl und wurde nach folgendem Punktesystem jjewertetj
Dea Tagespensum War 125o STCK. Wurde e.e erreicht, bekam man
6 p-nkte= 6o Pfennig. Filx Jede.nicht gescfcafften 5o STCK. wurde
1 Pmkt abgezogen. Sehaffte man also nur 95o STCK! so hatte mars
den lag umsonst gearbeltet.An Tascbengeld konntc man erreichen
6.- die Woche.
Die Ausgangsregelung war folgende:
Die ersten 6-8 Wochen grundsat zlich kein Ausgang.
Dan:, je nach Belieben Dea Erziehers 2-4 Wochen Sonntags
von ^-lS^TJhr.
Hat . e man in dieser Zelt alls Vorschriften eingehaltcn, wurde
der Ausgang Sonntags bis 1S22 bewilllgt.
Samstags und Mittwooha Ausgang nur naoh einera halben Jahr vor-
Bildlioher Ftihrang und einer Aiffien-Arbeltsstelle.
D-Je erste Woche in Heim verlief ohne wesentlieh* Schwierigkeltea,
da ich mica grundsatzlich zurtiokhaltend verh.teJt.Diese Passlvit&t
mit dsr ich den unwillkurlichen Oder willkttr lichen Provokationfn
vcn 3eiten der anderen begegnete, verfehlte ihre Wirkung nicht.
Als ich dann noch varsuchte, raeine Leidensgeaossen fur meine
Id«<n zu begeistern, lief das Mass iiber. 2wei meiner Zimmer-
nochbarci drangen nachts in mein zunmer(Breibettziiimii»r) ein,
warden mieh samt neinem Bett aufs Gesicht,unde stellten mir
ein voll aufgedrehtes Gasfeuerzeug tmter die Fiiae.IM.nses schiec
sie aber doch nicht so ganz zu befriedigen und 30 b!?3Chlo3oea
sie mir noch raitRasierklingen die Arme raid Beine anf zuschneiden,
was da-nn auch mit unheimlicher Kaltbliitigkeit get an wunle.
Danach vsrlie^en sie das Simmer mit der Begrundung, <*s wlirde
ftir heute genUgen. Awf meine darauff olgende Strafanzelge hat sich
bis Jetzt noch nicht das geriiifrste getan.Kach elniger Zeit ftiichtet
ioh aus dem Heim und wohn<? seltdem ia Bochuner Kolektiv.
MBBtSI;
7? BTTilRS FPHRSORSSZSGIiISGS
I eh bin 18 Jahr« alt und nan kann wohl sagfn,bir, auf zwei Lebens-
Jahr«t, ««ir. /*anz#s l.»b«n in Hwira.
Ton f:.ll«n Vsrwanton kenn* ich rmr
Ins "'ut*-»r,di» i.rank ist.
•Laaur-ntna.1
o:i»r ist,
^ai3 r!»r «i(r*ntlich» Crund fur a-ln
▼urdi Tir nle r^sagt.
Ich k-ian ouf *<7 Jahre Xind»rh«ia zurickblleken. Kin •van£«llsehes
Eaia Obrlffens.In aeiner Orupps warn.-, oa. 85-50 Junr.an.
2-3 >:rzi*hsrinn«n hatt«n uns zu b*aufsichtipen,nit ur.s :;<3hularbei',*n
tj'ii'cjm Oder eb«n ii«T»er bel u^.s zu sein.
B«4 p,oileehten sehuli^ohen Leistun,«;rn,den "ot«n : od-r r .-rir'fs.'i :;ie
zon ??nbusstoek Oder zui. Teprichklopfer.
Sohl; •e,:uchtl?:unp:?n waren an der Tap;esordr.unf,.
Kit '■!- Jahren Y.fin ich in *in J.ehrlingsh-in.Hier war ich 2 Jahre.
In d^-.ien Heiu bekan ein 'r- -'.-.hrl.tet 4,-U*.: Taseher.^eld in d»r 'Hoc".-.
Ten
7-B
ware*
Wafer.1
Kachd
d»:r '.'
Attf -J
»«il
verr'1
Anso'
in ko
nur
Wash*
Ausch
unre
«i:n
Naeh'i
Nach
d«T 7?
Sinn.-.
di!> ■'-
Ha'beTi
"Soz'
3t:ne-
we.re r,
Seine
Pa.co'".
Besc'
lie U
let »
Sclvir
Ton «
Trots
wei
\ st aus bin ich dann "auf und davon" .
oaate war ich unterwe/i;a,ka.Ti nit . Itauschglft in .er^>-runs und
^epackt .
rid der U-P'aft habe ich •'Woche . nunkelhaft aiterlebt.
*» nan uinh laufen gelnsi?er: hat, wurde ich in '-ianburr wieder vcn
ollaei (diesnal in lausch ) f;eschnappt.
*r Davids-'Tache -rrurde ich von rolizeibeasiten zusaroen^rschla.'en
ich daaalire Preunde von rair.die ebenfalls niichtir, waren nicl-t
ten wollte.
1 legend landete ich in ;>idelber,i,wo ich !«ifh -ine Zeltlnnr
rtmunen aufhielt.
at i«an aich entgultl/; auf^e^rlffen und r.scr: Jortuund ftir 5
r in tlntersuchunsshaft "esteckt.
MeSend war ich wieder ? I.'onpte in eineni Iiehrliri.-shein.ffe«ren
•'lnSfligea Arbeitsbesuch und hHufi^ere.-i Trinken kau ich in
rziehungsheini.
-!« ich ~*> . onate hier war.bekan ich in der 7,'oche 2 .^tuntten ..u
t "onaten erhohte sich sich die stunaensahl .--luf 4- Stunden in
oche.
:. bin ich 5 Kinuten zu spat ^ekounen-Kierrauf hat nrnn niir no
'■tunden Ausgang fUr 4 "-'oehen pesperrt.
^ei mu5t« ich sosenannte "Sozialarbeit" verrlchten. Unter
-tlarbeit" verstand man hier,Plur.2iaaer,Klosetts uew. putzen.
unserer "Arbeitserzieher" hat raich,wie auch schon ar.dere /.oil
einer T-ppalie zusaramen^eschla^en.
FSuste Bchlu^en mir ins Cesicht.sein "nie spUrte ich l.i der
■;rube.^lut spritzte Diir bus Auren und der r'ase.
■.veren bel der Heinileltung hatte wenig Sinn, der Heimleiter lief
nicht nit aich Heden.
.-■n neu in diesem Hause.so kann nan ffir Privatfirraen Spielzeu^,
oehen und 3i!nerchen herstellen. Schon belra 7 Ta/r hatte nan hier
inen in der Mrne,
der vielen ^las-n die nmn bei dier;»r Arbeit bekftm suCts rear.
rarbeiten.
;anp.
rt
■Sin Arbeitstait betru* 9,5 ^tunden.von 8.00 bis 17.3o Uhr.
Hierzwischen fielen 2 Zi/Tirettenpausen und 1 :;tunde f'itta^.
Alf irir einen nauen SportplAtz beknmen.HuOtfliep. eini^e von uns,
2 ''onnt* l«n£,°,5 Stunden pro Ta^ :.Taulwurfe k,i?uttnnch«n.
Hb'i-vH bin ich wieder in einen Lehrlin^sheiT:
Ira .'vnaen und Interes?a roeiner.noch in den l»ef>inffnlsShnllchen Ge^tos
Xj^V-inden Xolle^en.Tle alien in Keiaen lebenden Jurendlichen,
mfa ich die fiff entlichkelt ,speziell die fiir eine b->snere Zukunft
kr-'n^fende^. Juieendl4*fce dle?es Landes auf,
uns zu heifer. !
\Aus diesera 1st «r entwichen und i?t nun in eir.-nt Osf«nrnis.
TeMw'WqlekhAeSd^skiQeK I Das Haos fie- Moll detr3«#W»iaucM'
■l
^
l« der KuchA* welch afa 6WU5
r^ept- M oP rich* dfe Ey-fccs-ale*
Alls. Leyfe ydihem skbr»
Z«n» Beispiel Kauptverhandldnp E*8«n
FUrsorgezHglinge "
Dai. die Justiz nicbt neutrsl 1st und )» kapital 1st lscben Staat
rirht wertfrel urteilon kann , weiB alttlerwelle Jeder.
Dai-' Heiaerziebnng lamer Dl skrlnlnlerucg und Diaziplinierung von
pr: letarisehen Jugendl tchen war und 1st, wird aoeh so langsara
jeoga klar.
Es 1st natUrllofe sobon etvas schvierlger, dabinter zu seben, vie
die Kl»ssenjostiz, die die DicbtbUrgerltoben den blfrgerlicben
An>»eklagt«D gegenliber veitaus diskrlBinlerender behandelt, alt
den Helaleitern und Erziehern geaeinsRise Sacbe maetit . Nlc*t a»-
Bou.it sind Hauptrerbandlungen vor dea Jugendsebbf fengerieht fUr
die dl fentliohkeit -jersperrt. Nleht etwa,.-«le es imaer gesagt wird,
dort personliehe Problene des Jugeudlicben verhandelt werden, sonden
daieit die gam lnfaae Gericbtspraxis bloB nicbt axis Liebt der
Of dentil obke it gelangt.
Dti kano Vie folgt aussehen :
Dif Jogendlicben feoimen in der Hegel nit den Heinle! tern oder
Erziehern znr Verhandlung. Eln Rechtsanvalt kann ja auch nicbt
vor. den Jugendlicben bezablt werden. Oder aogar doch? Von den
briobstens 6,- DM in der Voohe, die sle krlegen?
DU- Erzieber dUrfen dann aucb vSbrend der VflThandlnng zar Perron
d"ju Jugendlicben etwaa aagen. Das hHrt sicb dann so an:? Er is '-
soistens unebrllob", " er niaat es nit der Ehrllchkeit nlcht no
»*nan", " er lUgt oft", " er aaoht kleinere Diebereien" usw.usw.
Nlobts wird dann gesagt, dafl die Jugendlicben brutal In Heta be-
bandelt warden. DaB sie gezwungen werden zu lHgen. DaB sle ge-
n(Uigt- sind, zu steblen, da sie voa Arbeitsverd ienst Ja docb
»o gut wi» niobts oenalten dUrfen DaS sie unregelaSOig
arbeiten geben. Soil denn ein Jagendlloher etwa gerne arbeiten
geiien, wenn er au* elnem Bauernbof an Tag 12 Stunden aalocben
buO and nur elnige luapige Mark bebalten darf ??
in einer Verh-ndlang vor flea RecUinghauser Gerioht sagte
Y^M
writer anderem ein Erzleber, daB der Angaklagte 16-JHhrige 12
Stunden tSglicb arte i ten aiisse. DaB sind 60 Stunden veohentlicb !
Ot.wobl er It. JugBDCJarbeitsschutzgesetz § 10 our hBchstens 44 Std .
nrbeiten darf, erzSblt der KrzJeher auoh dies noeh vor den RSchter;
3: 8 zelgt uns doch klar, doB FUrsorgejugendliche Freiwild sitid , die
Tur nooh irgendwo, nawlieh In Heinen bzw. in deren angeaohlosseneii
'.. sbeutungsbotriefeen ganz legal and brutal ausgebeutet wsrdeij . Die
K ; aasenjustlz erkenrst das jver, aber sle 1st ja dafitr da, diese
c-.-inzan VorgKnge aueb nooh zo versohleiern bzv dencn einen "drauf-
yygeten, die alvh wagon, dagefen anzugehen,
'^er das 1st nlcht alias, was bei einer solchen HauptYerhand long
n- a Lloht konat. Zwei veitsre Belspiela :
fc*.ne» 17-jJtbrlgeo Hilf sarbeiter, der in der "He lms tatt"( welch
scbtfner frledliober Sane!" Meckinghofen lebt, vorden In eineis-
r*ttaluer Batrieb ganz einfach die Haare abgeschnitten . Was £«-
Hchlabt daraufhin? NICHTS! Die Erzleber Oder der Helmleiter bielteTi
«* nlcbt netig, den Jugendlichen zti raten, zuni Reehtsanwalt zn
£-3 ben bzw. sine Anzeige siu erstatten.
A'Jl vessen Selte die Erzleher steheti, , koaat maistens bei eltien
soloben Gertobtster»in raus. Da werden die Jugendlioheo in die
t'lanne gebauen, wo ea nur gebt. Hier kbnnen die Saoke ganz legal
*>« Rabmen des Gesetzea ihre Hacbe Uben . Das nennt sicb dann such
roob Erzleber II
Kin welterer Jugendl iober , 18 Jabre alt, wurde daon so beurteilt:
- gebt seine VerbreoberlaufDabn" ! ! ! ! Das wurde Ton einen Er-
zleber zitiert.Der Origninalaosapruob ataaist von eineo Direktor
sinea nordrbeinwestialisehen Erziebangshelmes, der den betrerfenders
.'ugeDdllohen aber nooh nieaals gesehen nooh gesprochen hat !!
lob m«ine, dafi alios Gerede am " Ufcirareiorrcen" liberates GesehvKt*
1st. 3p8testens bei der " Beurte ilung" , besser, verurteilung der
FUrsorgeJagendliohen erkennt wan genau, was letzten Endes nit
ibnen g*«Obeb«n soil: sle sollen total engepaBt warden, sie aollrn
kap«ltge«aebt warden, daait sie bloB keine krltisehen, ver-
antvr,rtnngabeirnflten Personen werden, die sicb ?>ichtB gefallen
lasne-n. Die Parole »uB also lauten: erzfthlt das euren Kollegen i-»
ErzJenungabei«! SoblieOt Euoh dort gegen den Terror der Erzleber, die
la auob la Auftrage der Bonzen Encb knuten, zu9asBien ! Kampft nioht
gegnr.Binander sondern kKapft caltelnander gegen brutale Erzleher
ond ieiMleiter !
/^P>
^xso^cziS^Yi^ll
CHULDIG".
AUCH BU KANNST DEN KRIEGSDIENS
VERWEIGERNM
verwalg»r« den Kriegsdienst I!
ABOh DtT KanDat den Kriegsdienst verweigorn!
jednr Dentsobe StaatsbUrger bat It. Artikel H.3. des Grundgesetaes
dae :eobt den KRIEGSDIEMST za verwelgem. In den Artikel beiflt es :
« JIIEMAND DARr GEGEN SECT GEVISSEN MIT DER WAFFE ZUM
KRIEGSDIENST GEZVtJNGEN WEHDEN !
Das gilt ebenso filr ainen Fursorf-Rzogl Ing vie fur einen Student*!*
ScMiler, Beaaten und Professor, fiureb di« Verh^ndlunj? su kommor! , jst
fi'r J E P E N magllch. Ft!r ein*n Arbfllter 1st es sojznr leiobtox-
durub daa Verfahreo zu komasn ais Mr einen Studenten.
MAf-'i BES ER5TEN BCHH1TT? ! INROKIERE DICH!! SCRRKIB ONS AN 1!
W< r inforaieren und boraten Dleb kostenlos !Mit una sehaffst T)u »»
a!? Kriegsdienstverwolgerer anerVannt 7,u werden.
Ho*- aktadresse :
vy jundeagesohSftsstelle
a 8 8 9 1 />* ^\
01
35
w- "T>ielmshttbe i
-y
VK Wuppe
*»63 B o c b » ■
Leaner shot str . 66
HEIMMISERE
" ; le WUrde des Mensoben ist unantaatbar. Die freie Entfaltung
der PersBbnllcbkeit wird also It. Grundgesetz garantlert. Booh
zv;"Ob«n Tbeorie na<J Praxis klaTft eine rieseogroSe LUoke. In
vj ;- i«n Berelehen uiiserer Gesellscbaf t wird gegen diesen Artikel
det Cruiidgesetzes, gegen dlese Kensohlicbe SelbstverstHDdllobkeit,
ic\i <rnd verstoBen. Ein solober Beret ch, wo die Anlagen and
F^blgkeiten junger Menseben rait voller Absiobt abgetStet und z#r-
st'i t werden, i»t die Kel»erziebmjg in der B R D !
Tausende gibi es von solcheu Helean !
Ang<-fangen bei den SSugl lngsheiir, ;:n , Kir.rterbeiwen . jugendneiraon libor
die LehrlingsbelBe bis bin zu den ^BfSi-.gnlaKbTi lichen Gattos, den
Erxi ebon gsanstal ten.
fie genannten Einriobtiragen, warden von elneis GroBteil der
"He.imzbglinge" tatsKcbliob durchlaufen.
Es t,eglnnt i» SSuglingstaela UDd endet im Erzisbungsheim bz*. in
GefHngnls. 1st das GOTTGEWOLLT ! MiiB das so sein, oder «r 1st
dar*n Sebuld??
Es ,?ibt heute Leute, darunter auob Padagogen, die glaoben, n»i»»9-
wohner, zomindest ein GroBteil waren an ihren Sobictsal selbst
Schald . Hierbei lassen sie die Frage der Ursaobe auBer acht.
Cnsfrer Meinoug naoh, kann a**»rB allein von eineo Selostversch-jlden
kelne Rede sein.
Die Kinder kennen ihre Eltern teilweise nicbt, wlssen nicht, oli eie
Gesonwister baben. Sie koraen aus zerrUtteten Faailienverhaltnlssen
Sie komen ans der Arbelterklasse.
Die Ursaobe liegt an unseren unaensoblicben Syoteo.
Vli alls wlasen a» besten, was dieses System Tag iUr Tag ausriobtet.
Vir alle seben es Tag fUr Tag 1 Die Ursaobe 1st der Kapitalismus .
Ein System, wo der Profit tlber allee geht, selbst Uber Leicben,
Bin Syste», wo eioe kleine Anznhl von Million&ren, Uber die Msssen
d«v Werktatigen berrsobeD kann!!
Ka'-n solob ein System liber bo up t den BefiUrfnissen der BevOlkeroag
g«reobt werden . Tiele der Jagesdlloben.koameD troti unseren
sogenannten " sozialen Reobtsstsat" noob lamer aus azoslaleti
Siedlnngen, die es aucb bente i« Zeitalter der Atombombe und der
Moaderoberung nocb ismer gibt.
Sie werden Ton der FUrsorge abgebolt ond in die Heiae gesteckt.
" Flirsorge?* Hiervon kann keine Rede sein. Die beutige FUrsorge
ba^iert auf der alten rerstaubten und autoritaren Praktiken d^s
preaSentnms and der Nazizeit.
I.'l* TTnterdrUokoiig der Heinkinder beginnt ■eistens sohon i»
frUbesten Alter. Meistens werden sie nnqnalifi^ierten Personal
liber lassen.
SchXKge. Einsperrungen gebOren bier tur TagesordDung, nicbt zoletzt
urn die 8 ebon von jebnr bdstebenden Absebreokuagsfunktlonen dlesar
Einricbtungen auirechtzuerbalt«n. Plese ordnnniten lassen sioh oft
sobwe)- TOB K&sernen Ordnungen untersclieideo.
Die vifobigen KnttppelpKdagogen , sind nicbt in der Lsge aul Jedes
Kind ilnzugeben. aicb isit jedeia Kind zu befassen.
Bel »«bulpfllcbtigen Kindera koamt eg nicbt aelten vor, 3eD eln*
Klndvjrpf legerin ait 50 Kindern Scnnlarbeiten aacben aufl.
Es isj so aooh leioht verstandlicb, da8 dar GroBteil dies»r. Kinder
in cer Sob ale znrtloJcbleibt und die Sondersobole, vo gbnliebe Ter-
hKltritsse berraoben,d.b. wo die OnterdrUckung nocbt fortgesetzt virfl ,
frevtf j'-tern.
Id dtsi neiateD Heiaen 1st der Kontakt bzw. der Beaucb Ton Madon*'^
striikt unteraagt. Hier lauft dss sexuelle NlobtaofklHren paralell
aach den Motto. " Die Frau bzv. der Mann das unbckannte Vesen."
Fehiverbalten ( Moistens gegen die kleinbtirgerlioben E^lebunga-
*or->n), die bel jed«a Kind noraal alnfl, werden in den Heitsen
alt <;obl&ge, die an ZUcbtigutigen greozen , geabndet. Vervand werdfn
hlf-^o KleiderbUgel, Han<3feg«r an d Teppiobklopf er .
Die binder warden each auBen bin ureaorgt und gebegt.
Der ,rane All tag dieser Jnngen ond Mttdobea, die wie " Doofies" be-
ha-i(5'!lt nnd so aucb tiiuliert verd<»n, siebt entsciileden andera tins.
Nach dea Anfenthalt in eineis Kindsrbels koanen s ie entweder als
ge'Jc <kte nnd unterdrtiokte , verscbUohterte Jngendliehe, odor nl*
we3-ie, die gegen alles ibrer A? free a iyj tat Ausdruck verleicben.
(Wa. veratandlicb 1st I).
Id 'leaen Lebrlingabeiner Nfrrt der Terror, wenn auoh nicbt lmaer in
der gleicban veise, fortgesetzt. Die roiber berangebildeten Sonder-
scbttler taaben nur aeiBtena die HBglichkeit Hilfsarbeiterberuie zu
befcleiden, in denen es Torio»»eij kann, <3as nan 5 Jabre lang lf-O,-
DM vardlent bat( in dieaea Fall an der Tanks telie) und hiervon nur
ela »inl»ale» Taacbengeld erbKlt. Sollte aan nun auf die Idee konmen
giob gegen dieao MiflstSnde zv wehren, so hat aan alt Drnclc und
Bbilloben MaBnabean zc reobaen . Venn der Jngendlicb, durcb die vorber
verpfuaobte Erziebung 1» Klnderbeia, alch ntobt der Hansordnung be-
dlagongaloa bengt.ao wird er in ein ErziBhungabain abgeacboben. Hlar
v<derfgbrt dea Jogendlloben eineErxiebung ( wenn aan es nocb so nennen
kaan), die allee andere in ibrer BlOdbeit nnd Verdnrsanng, wie in
lbr«T BrntalitKt, Ubertrifft. Die E_zlehnDgBbel»e habnn kleinblirger-
Ucba Erziebnngaaittel nnd - zlele. ErsatzwelseniBat nan auoh
anagawSblte proletariaobe Mittel, z.b, Priigel.
TJaoptzlal In bezng anf den ejnzelen 1st die totale Vereinzelong. Allen
vird getan n« Orappenbildungen und GruppensolidaritKt zu yerhiudern.
/eolation in den Erziehungsbeiaen der FUraorge bedeutet alao Preaaur.
r.'ia Jngendlioben warden vie zn dreasierende Tiere aus ibrer I,ebes«-
vflt gerlaaen nnd naoh ilmen freaden und ihror vorberigen Erziebung
eri tgegengeaetzten Noraen droasiert.
Die Bewobner von NotuDt*rkUnften , die Jogendlicben in den Heiaen
«t-rd«n teilweiae ala " asorlal" bezeiebnet.
■D'.a trifft niobt zo !
AVOtifl iat das Sjatea ; ea tat der Kapital isaus , der dieae jungen
Menaoben Tag ftir Tag in dieae Ricbtung bringt!
Viel Gerede wnrde biaber im die EUraorgeerziebnng geaacbt, konkrete
Vurbeaaarungen blleben aber ana.
lib aobliefle nit den Vorten dea KoaaiuniBten Max Holz :
Daa Vort kann nicbt rotten
Das Vort brlcbt keine Ketten
Die Tat allein aaebt frei !
r.....
jm
Enzensberger, Nitsche,
Roehler, Schafhausen (Herausgeber)
Klassenbuch
Ein Lesebuch zu den
Klassenkampfen in Deutschland
1750-1970
Das Klassenbuch ist in drei Bande aufgeteilt. Klassenbuch 1 umfafit
den Zeitraum von 1756-1849, Klassenbuch 2 den von 1850-1919,
Klassenbuch 3 den von 1920-1971.
Je Band ca. 240 Seiten, DM 7.80,-
Leinen 1 Band 720 Seiten, DM 64,-
Ein Lesebuch zu den Klassenkampfen in Deutschland, das sich auf
Texte deutscher Sprache beschrankt. kann spatestens im Stadium des
Imperialismus keine zureichendeDarstellungderKlassenkampfe mehr
Ieisten. Audi aus diesem Grund kann. das Klassenbuch das Studium
der historischen Ereignisse, der okonomischen Theorie, der Literatur
geschichte, der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung und
ihrer Organisationen nicht ersetzen. Doch kann ein solches Studium
zur Buchstabenklauberei verkommen, wenn ihm die Anschauung
fehlt. Ein Feld von historischen Erfahrungen, das die Klassenkampfe
in Deutschland sinnlich greirbar und begreiflich macht, versucht das
Lesebuch zu eroffnen.
Wir wissen, dag Lesebiicher nicht aus sich selbst heraus Erkenntnis-
prozesse bei den Lesern einleiten konnen. Die Wirksamkeit unserer
Arbeit hangt davon ab, ob Schiiler, Lehrer, Lehrlinge und andere von
einem politischen Interesse aus an die Texte des Lesebuchs herange-
hen. Das Klassenbuch soil Hilfsdienste Ieisten, vor allem fiir eine
Arbeit im Ausbildungsbereich, sei es im Deutsch-, Geschichts- oder
Arbeitslehreunterricht.
Luchterhand
Soli&aritat
mit dem Georg-von-Rauch-Haus!
Am 2. Juli 1971 besetzten Jugendliche und Studenten eine
leerstehende Fabrik in einem Kreuzberger Sanierungsge-
biet. Im Laufe der folgenden Monate wurde die Fabrik zum
Jugendzentrum Kreuzberg ausgebaut. Die Arbeit stellt ei-
nen ersten Versuch dar, auBerhalb der bestehenden Par-
teien und Organisationen ein Zentrum fiir Schiiler, Lehr-
linge und Jungarbeiter zu schaffen. Im November wurde
verstarkt die Diskussion iiber die Moglichkeiten der Ein-
richtung von Lehrlingswohngemeinschaften gefiihrt.
Am 3.12.71 wurde dann das ehemalige Martha-Maria-Haus
auf dem Gelande des Bethanienkrankenhauses von einigen
hundert Jugendlichen besetzt.
Spater wurde zwischen dem Eigentiimer der Gebaude, dem
Bezirksamt Kreuzberg und dem Projekt (Trager ist das
Jugendzentrum Kreuzberg e.V.) ein Nutzungsvertrag, der
die legale Fortsetzung des Proj'ekts ermoglichen sollte,
fiir eine befristete Zeit abgeschlossen. Seit dieser Zeit
wird das Gebaude von etwa 60 Jugendlichen und 15 alteren
Personen (Arbeiter, Studenten, Sozialarbeiter, Lehrer
etc.) bewohnt und in eigener Regie verwaltet. Bei den
Jugendlichen handelt es sich zum iiberwiegenden Teil urn
ehemalige Heiminsassen Oder Jugendliche, die von zu
Hause entwichen sind und urn eine stabile Gruppe von
Lehrlingen und Jungarbeitern. Der groBte Teil der Ju-
gendlichen wuchs unter sctweren Lebens- und Erziehungs-
bedingungen auf und verbrachte die meisten Jahre in FE-
Heimen. Nach ihrer Flucht aus dem Heim Oder dem Zuhause
fiihrten sie als Trebeganger ein illegales Dasein, was
meistens mit dem. totalen Absinken in die Kriminalitat
verbunden ist.
Durch die Aufnahme im Georg-von-Rauch-Haus hatten sie
zum ersten Mai Gelegenheit, ihre Lebenssituation kol-
lektiv selbst zu gestalten und den Teufelskreis von Ver-
wahrlosung und Kriminalitat zu durchbrechen.
Durch die kollektive Selbstorganisation und die soziale
Zusammensetzung waren giinstige Voraussetzungen gegeben:
- die Jugendlichen in ihrem Selbstbewufitsein so weit zu
starken, daB sie ihre passive Fursorgeempfangerhaltung
iiberwinden und ihre Interessen . selbst vertreten
- den Jugendlichen solche Erfahrungen zu vermitteln, daB
55
sie bei entsprechend kollektivem Engagement ihre Bage
verandern konnen und ein Abgleiten in die Subkultur .
der Kriminalitat verhindert wird.
Die bisherigen Erfahrungen im Georg-von-Rauch-Haus zei-
gen, daB die kollektive Selbsterziehung zur Personlich-
keitsstabilisierung, zur Ausbildung sozialer Fahigkeiten
und zur Aufhebung sozialer Isolierung fiihren kann (s.
Padagogengutachten in der Dokumentation der Jugendlichen)
und auch dazu gefuhrt haben, daB die Jugendlichen trotz
auBerer und innerer Schwierigkeiten
- ihren. Auf enthalt legalisiert haben
- sich kollektiv Oder einzeln Arbeits- und Schulplatze
gesucht haben und in der Bage waren, ihre Interessen
gegeniiber der Behorde wahrzunehmen.
Was dieses Projekt iiber die bisherigen Ansatze der Ju-
gendkollektive hinaus interessant und nachahmenswert
macht, ist die politische Brisanz, die in Selbstorgani-
sation begriindet ist.
Am 19.4.1972 sturmten 800 Polizisten das Georg-von-Rauch-
Haus; 250 bewaffnete und behelmte Polizisten, einige
Staatsanwalte und ein Richter drangen in die rund 90
Zimmer ein und kehrten das Unterste zu oberst.
Gesucht wurden Beweise fur einen Zusammenhang zwischen
den Bewohnern und einem Bombenanschlag auf den briti-
' schen Yachtclub. Gefunden und ohne Quittung beschlag-
nahmt wurden ubliche Haushaltsgegenstande, (Benzin,
Isolierband, Batterien, Wecker, Unkraut-Ex) ; 28 Jugend-
liche wurden festgenommen, von ihnen muBten 23 wieder 01s
zum Nachmittag'entlassen werden, weil die Vorwiirfe un-
haltbar waren; 2 Jugendliche befanden sich noch am_19:
Mai in Haft, 7 Jugendliche haben in der Zwischenzeit ihre
Arbeitsstellen verloren.
Bis heute sind die Verdachtsmomente nur Verdachtigungen
geblieben; was den Eindruck vermittelt, daB es weniger _
urn die Aufklarung strafrechtlicher Taten ging, als urn die
Verunsicherung und Kriminalisierung eines politischen
Projekts.
Die wahrend der Durchsuchung durchwiihlten Raume wurden
in verwiistetem Zustand zuriickgelassen und so durch die _
Polizei fotografiert. Diese Aktion war der bisherige Hohe-
punkt einer Kampagne, mit der versucht wurde, das Georg-
von-Rauch-Haus zu kriminalisieren (Kriminalisierung.be-
zeichnet den Versuch, durch haufige. und unverhaltnismaBig
groBe Polizeieinsatze, durch Falschmeldungen und unge-
rechtfertigte Verdachtigungen; "Terrorzentrale" und "Hort
von Kriminellen", gegeniiber der-Offentlichkeit-den Ein-
druck zu erwecken, dort lebten Verbrecher, Tagediebe,
kurz Kriminelle.).
Bereits anlaBlich der Besetzung des Hauses hat ein mas-
OD siver Polizeieinsatz gegen demonstrierende Sympathisanten
e~^
stattgefunden. Ein Polizeisturm auf das Eaus selbst war
durch den, das Hausrecht ausiibenden Bezirksjugendstadt-
rat Beck verhindert worden. Nicht verhindert wurden
Falschmeldungen und andauernde Versuche, insbesondere
der Springer-Presse, die Bewohner des Hauses zu dis-
kriminieren.
Nicht verhindert wurden die mehrfachen uberfalle von
Schlagern einiger .'Zuhalterringe; , die sich nicht damit
abfinden wollten, daB "ihre MSdchen" nicht mehr fiir sie
gewinnbringend "arbeiten".
Von den Bewohnern selbst verhindert wurde der Versuch
der Biirokratie,das Haus mit Hilfe eines Stacheldraht-
zaunes in ein Ghetto zu verwandeln, urn die Bewohner von
ihrer Nachbarschaft zu isolieren.
Vor diesem Hintergrund erweisen sich auch die Bemiihungen
des Bezirksamtes, das Projekt zu einem "sozialpadago-
gischen Modellversuch" zu erklaren, als widerspruchlich.
Der Versuch, die Bestimmungen der Heimaufsicht auf das
Haus anzuwenden, widerspricht der sichtbar wachsenden
Fahigkeit des Kollektivs zur Selbstorganisation ihrer
lebensprobleme. Auf die Zerschlagung des Kollektivprin-
zips richtete sich auch die versuchte Entsendung von
Jugendlichen nicht gewiinschter Sosialarbeiter .
Dieses einzige von Arbeiterjugendlichen selbst organi-
sierte Wohnkollektiv in"der BRD und Westberlin (z.Zt.50
Mitglieder) wird vom Senat geschlossen, falls das Kol-
lektiv nicht die von der Berliner Sozialburokratie in
einem Entwurf fiir einen endgiiltigen Nutzungsvertrag ■■ f or-
mulierten Bedingungen akzeptiert. Senatsdirektor Kreft
drohte, daB das Kollektiv nicht weiter gefuhrt werden
konne, wenn er nicht mit dem unterschriebenen Vertrag am
Freitag, dem 6.10.72, in einer wichtigen Sitzung im Ab-
geordnetenhaus von Berlin erscheinen konne.
"Uber einzelne Formulierungen kann hier noch verhandelt
werden, iiber den Inhalt nicht mehr."
Diese gescheiterte Verhandlung wurde von den Jugend-
lichen als Erpressung bezeichnet.
'Es fallt einem schwer, diese Behauptung der Jugendlichen
zu widerlegen, wenn man erfahrt, welche Bedingungen des
Senats sie als unzumutbar zurtickweisen: -
- sie sollen den selbstgewahlten Kamen Georg-von-Rauch-
Haus nicht verwenden diirfen,
- sie sollen eine Fiille von Daten der Bewohner des Kol-
lektivs regelmaBig der Behorde mitteilen,
- sie sollen bedingungslos die Kontrollen und MaBnahmen
der Ordnungsverwaltungen (von. der Polizei bis /zum Ge-
sundheitsamt) akzeptieren,
- sie sollen ihr bewahrtes kollektives Verhandlungsprin-
zj_p _ Wesentliche Voraussetzung fiir ihre gemeinsame
Entwicklung und Stabilitat - aufgeben und kleine Kom-
missionen bilden, °'
- sie sollen sich zur "Kommunikation und Kooperation"
mit der Biirokratie bereiterklaren, die den Jugend-.
lichen eine Mile von einengenden Yerpf lichtungen
auferlegt, dem
- Senat aber bei Nichteinhaltung von Yertragsbestim-
mungen eine fristlose Kvindigung der Yereinbarung ge-
stattet, die sowieso - wer kann das verstehen? - auf
einen Zeitraum von 6 Monaten begrenzt sein soil und
dann mit einer Prist von 3 Monaten kiindbar ist,
- sie sollen sich zu Formen der Zusammenarbeit mit der
Biirokratie entschliefien, die dem Prinzip der Selbst-
organisation direkt widersprechen und die das Kollek-
tiv zu einem Erziehungsheim der offentlichen Erzie-
hung machen wiirde.
Wie die Praxis in den Erziehungsheimen aussieht,ist durchi
die Heimkampagnen der zuriickliegenden Jahre und vielfache
Veroff entlichungen klar aufgezeigt worden: strikte Dis-
ziplinierung durch autoritare Erziehung; Erziehung zur
Unselbstandigkeit, Passivitat und Unmundigkeit in von der
Offentlichkeit isolierter Umgebung. Das Ergebnis: Krimi-
nalisierung wahrend und nach der Zeit des Heimaufent-
haltes und somit keine Chance zur Wahrnehmung ihrer Rech-
te als politischer Staatsburger.
Nicht kritische, mit dem Willen zur positiven, prakti-
schen Veranderung der Gesellschaft ausgestattete Men-
schen werden gewiinscht, sondern gehorsame und unter-
wiirfige Individuen, die nicht in der Lage sind, die Be-
dingungen ihrer eigenen Existenz kritisch zu untersuchen.
Die Jugendlichen sagen zu dem Vertragsentwurf des Senats:
"Dieser Vertrag ist eindeutig gegen unsere Interessen ge-
richtet. Wenn wir ihn annehmen, geben wir uns selbst auf.
Wir sind zu weiteren Verhandlungen bereit, aber es ist
klar, da£ wir, wenn der Senat bei s einen Forderungen
bleibt, und das Georg-von-Rauch-Haus geschlossen wird,
.nicht freiwillig unser Kollektiv auflosen werden!"
58
(Nachtrag: Dem. Georg-von-Rauch-Haus ist' inzvischeu zum 31. Jaauar
1973 gekundigt warden, nachdem. das Kollektiv die unterzeichnung
eines van Berliner Senat angebotenen' "Nutzungsvertrages" ablehhen
nmSfce, da dieser eine weitgehehde "Verheimung" und die standige Kon-
trolle der Selbstorganisation der Trebeganger und Lehrlinge durch
den Senat bedeutet hatte. Das Kollektiv fordert dazu auf, Solidari-
tatsadressen fur das Rauch-Haus zu senden an die Senatorin fur
Familie, Jugend und Sport, Frau Use Reichelt, 1 Berlin 3o, Am
Karlsbad 8 - 1o. Von jeder Solidaritatsadresse bitte einen Durch-
schlag an das Kollektiv Georg-von-Rauch-Haus, 1 Berlin 36, Mariannen-
platz 1 a. Weitere Informationen iiber' das Kollektiv (u.a. gibt es die
Dokumentation "Kampfen, lerhen, leben" fur DM 5. — ). Spenden fur die
Verteidigung des Georg-von-Rauch-Hauses sind zu uberweisen an K.
Friederichs, Postscheckamt Berlin-West Hr. 283Vjrlt.)
Zunehmender Druck der Sozialbiirokratie
auf Jugendwolin.gemeinsch.af ten.
Seit gut 2 Jahren arbeiten Jugendwohngemeinschaften als
Alternative zur Heimerziehung, die in ihrer padagogi-
schen Praxis den gesellschaftlicben Anforderungen nicht
mehr gefecht werden konnte.
Die Jugendwohngemeinschaften haben in dieser Zeit ihre
padagogische Berechtigung wissenschaftlich und praktisch
nachgewiesen, auBerdem arbeiten sie zum groBen Teil ef-
fektiver als die Heime.
In der letzten Zeit bestatigt sich immer mehr der Ver-
dacht, daB - entgegen alien AuBerungen in der Offent-
lichkeit - die Sozialbiirokratie die fortschrittlichen
Ansatze ungeschehen machen mochte.
Das einzige von Arbeiterjugendlichen selbst organisierte
GroBkollektiv in der BED und in Westberlin, das Georg-
von-Rauch-Haus, steht vor der SchlieBung durch den Senat
von Berlin. (s.Artikel: "Solidaritat mit dem Georg-von-
Rauch-Haus .")
Ein weiteres Indiz fur den allgemeinen Trend der Sozial-
burokratie, die Selbstandigkeit der Jugendwohngemein-
schaften einzuschranken, sind die Vorfalle im Land-
schaftsverband Rheinland in den letzten Monaten.
Dem Jugendwohnkollektiv
Erziehung in Essen-Steel
Griinden, ohne Vorwarnung
satze von der Verwaltung
gestrichen, was faktisch
gleichkam, da der Trager
denen er evtl. Hausmiete
tungskosten etc. hatte b
fur Jugendliche der offentlichen
e wurden unter fadenscheinigen
ohne Verhandlung, die Pflege-
des Landesjugendamtes Rheinland
einer SchlieBung des Kollektivs
keine Eigenmittel besaB, aus
, Gehalter fiir Personal, Yerwal-
ezahlen konnen.
Zwar betonte der zustandige Referent fiir Sffentliche Er-
ziehung im LJA Rheinland, Prof. Dr. Dr. Krauss, immer
wieder in der Offentlichkeit, daB Jugendwohngemeinschaf-
ten in der offentlichen Erziehung durchaus ihren Platz
hatten.
Aber wenn Prof. Krauss von Jugendwohngemeinschaften
spricht, dann meint er in Wirklichkeit Mini-Heime, wenn
wir aber Kollektiv sagen, dann meinen wir Selbsterfah-
rung, Selbsterziehung und Selbstorganisation der Jugend-
lichen,
59
60
Wenn Prof. Krauss vom LJA sagt, er wiirde die Jugendwohn—
gemeinschaften weiter fordern, dann meint er, die be--
stehenden Kollektive - gleich Erziehungsheinie - in die
Sozialbiirokratie zu integrieren, d.h. sie den Kontrollen
und Mafinahmen der Ordnungsverwaltungen -von der Heimauf—
sicht bis zur Polizei und dem Gesundheitsamt - auszu-
liefern.
Wenn wir noch Kollektive unterhalten oder initiieren,
dann mit der Absicht, Jugendliche, die ihr ganzes Leben
lang unter der Biirokratie gelitten haben, die zu Fallen
degradiert worden sind, rauszureifien aus dieser 'Klammer-
Biirokratie' , die die Jugendlichen unselbstandig und le-
thargisch macht und sie nicht selten kriminalisiert .
Und so sieht die Verhandlungstaktik des LJA Rheinland
gegeniiber den Kollektiven in Rheinland aus:
In zahfliissigen Verhandlungen und mit behb'rdlichen Tricks,
die sich in Kompetenzschwierigkeiten, Urlaubsvertre-
tungen, Zahlungsverzogerungen, Sonderauflagen auBern, _
soil die Arbeit der Jugendwohnkollektive und ihrer Tra-
ger zerstort und unmoglich gemacht werden.
Ihren deutlichen Hohepunkt hat diese Entwicklung im
Landschaftsverband Rheinland am Beispiel des Jugendkol-
lektivs vom Verein Soziale Jugendarbeit e.V. Essen. Ent-
gegen vorherigen schriftlichen Zusagen und unter Anwen-
dung oben angefuhrter Methoden kiindigte die Verwaltung
des LJA,ohne Riicksprache mit dem Trager, vbllig iiber-
raschend per Postzustellungsurkunde die bestehende Fi-
nanzvereinbarung.
Das aber bedeutet automatisch die Auflb'sung des Kollek-
tivs. Als formeller AnlaB zur Kiindigung diente die unge-
niigende bauliche Verfassung des Hauses, in dem das Kol-
lektiv 1 1/2 Jahre hatte wohnen miissen.
Seit Marz 1972 aber stand der Trager des Kollektivs
standig in Verhandlungen mit der Verwaltung des LJA
Rheinland wegen des baulichen Zustandes des Hauses ,
drang der Trager auf den Erhalt von Zuschiissen vom LJA
zur Renovierung des Hauses.
Da eine Renovierung aber sehr hohe Investitionen erfor-
dert hatte, weigerte sich das LJA, in dieses Haus noch
Gelder zu investieren. Der Trager stimmte zu., jedoch
unter dem Vorbehalt, daB dann ein neues Haus fiir das
Kollektiv gefunden werden miisse, und daB das LJA sich an
der Suche nach einem neuen Haus beteiligen miisse (z.B.
Itbernahme evtl. Maklergebiihren) , und daB auBerdem dann
das LJA Mittel zur Ersteinrichtung des neuen Hauses zur
Verfiigung stellen miiBte.
Wiederholt fragte der Trager die Vertreter vom LJA in den
laufenden Verhandlungen, die sichtlich verzogert wurden,
ob das LJA.bindend zusagen konne, daB das Kollektiv im
neuen Haus auch weiterhin finanziell unterstiitzt wiirde,
die Antwort lautete jedesmal eindeutig: ja!
Wie das LJA dann aber wirklich handelte, das sah dann
so aus: Anfang Juli, als noch zwei Jugendliche im alten
Haus lebten (es sollte eine neue Gruppe aufgebaut wer-
den) wurde dem Trager mitgeteilt, daB aus baulichen
Griinden von einer weiteren Belegung mit Jugendlichen
der offentlichen Erziehung .zunachst abgesehen werde.
Gleichzeitig aber wurden die Verhandlungen iiber ein
■neues Haus vom LJA standig verzogert.
Gegen Ende Juli. kam dann die Kiindigung der Pflegesatze
mit der Begriindung:
a. der bauliche Zustand sei nicht mehr tragbar
b. es wiirde in dem Kollektiv keine Gruppe mehr betreut.
Diese formalistische Begriindung erweist sich in der Zu-
sammenschau der Ereignisse als geradezu lacherlich, wenn
man bedenkt, daB seit 4 Monaten Verhandlungen gefiihrt
wurden zur Veranderung der Wohnverhaltnisse, daB diese
Verhandlungen aber vom LJA standig verschleppt wurden
("wir konnen noch keine endgiiltige Zusage machen, wir
brauchen erst noch ein Gutachten von der Bauauf sicht,
dann noch eins von der Bauverwaltung im Landschaftsver-
band" etc.), desweiteren erweist sich der zweite Teil
der Begriindung geradezu als Schlag ins Gesicht der Logik,
wenn man sich vor Augen halt, daB Anfang Juli das LJA
sich geweigert hatte, neue Jugendliche in das alte Haus
einzuweisen, bzw. es untersagt hatte, daB in dem alten
Haus noch weitere Jugendliche der offentlichen Erziehung
betreut wiirden!
Besonders kennzeichnend fiir die Taktik der Verwaltung
des LJA war, daB die Kiindigung der Pflegesatze den Trager
erreichte, als der Vorstand des Tragers im Urlaub war,
als die wichtigen Kontakte zur Stadt Essen, mit der Ver-
handlungen gefiihrt wurden wegen eines neuen Hauses,
nicht zu Gesprachen genutzt werden konnten, weil die zu-
standigen Sachbearbeiter im Urlaub waren, schlieBlich
als der Unterzeichner des Kiindigungsschreibens , Prof.
Krauss, ebenfalls in Urlaub war.
Sofortige Gesprache mit dem zustandigen Sachbearbeiter im
LJA fiihrten zu nichts , weil dieser sich fiir diese Ver-
' handlung als nicht kompetent erklarte.
Ende August kam Prof. Krauss aus dem Urlaub zuriick, seine
erschopfende Auskunft:. er kb'nne nicht verbindlich ver-
handeln, da jetzt der. zustandige Sachbearbeiter bis Mitte
September im Urlaub sei I
Daraus folgte: erst zwei Monate nach der Kiindigung der
Pflegesatze, hatte der Trager die Moglichkeit gehabt, mit
der Verwaltung des LJA und den dort zustandigen Herren
zu verhandeln. - -
Durch dieses Hin- und Herschieben der Kompetenzen und die
zeitliche Verzogerung aber trat dann der vom LJA gewunsch-
te Effekt ein: das Personal, das ja sein Gehalt iiber 61
die Pflegesatze erhalten hatte, war gezwungen, sich naoh
anderen Arbeitsstellen umzusehen.
Die Moglichkeit, ein derartiges Kollektiv weiter zu be-
treiben, ist damit furs erste nicht mehr gegeben.
Wir meinen der 'Fall Essen' ist nicht isoliert zu sehen.
So ist dann die Schilderung auch nicht als Situations-
beschreibung eines Kollektivs zu sehen, sondern als exem—
plarische Darstellung der Strategie der Sozialbiirokratie.
Das was hier dem Essener Kollektiv geschah, kann morgen
jedem anderen Kollektiv auch geschehen.
Die Vorgange um das Kollektiv in Essen sind im Zusammen-
hang zu sehen mit der lendenz der Sozialbiirokratie, den
teilweise erworbenen Freiraum der Kollektive wieder ein-
zudammen, die bestehenden Kollektive durch Vereinbarungen
einseitigen Charakters an die Sozialbiirokratie zu binden,
die Kollektive zu disziplinieren. Auf diesem Wege sollen
die Kollektive, die einst als Alternative zur Heimerzie-
hung entstanden sind, wieder in die Heimerziehung inte-
griert werden.
Wenn notig, d'.h. wenn die Kollektive, die finanziell von
der Sozialbiirokratie abhangig sind, sich diesem Zwang
widersetzen, dann werden Drohungen ausgestoBen. Nach-
druck hinter diese Drohungen aber wird gesetzt durch
exemplarisches SchlieBen von Kollektiven nach der Devi-
se: "So geht es euch auch, wenn ihr nicht spurt".
62
Buchbesprecttung
Autorenkollektiv: Gefesselte Jugend. FUrsorgeerziehung
im Kapitalismus . Frankfurt/Main 1971 • Ed. Suhrkamp 514.
Das Autorenkollektiv hat es sich zur Aufgabe gesetzt,
"die marxistische Theorie fiir die Klarung einiger we-
sentlicher Probleme der Sozialarbeit und Sozialpadago-
gik wieder nutzbar zu machen" . (10)
Untersucht wird .
- in- Form des historischen Abrisses die Funktion der
in Heimen betriebenen FUrsorgeerziehung im Kontext
der Entwicklung des Kapitalismus in Deutschland
- die klassenspezifischen Ursachen fiir Verwahrlosung
und Kriminalisierung eines Teils der Arbeiterjugend
- die Fiirsorgeerziehung in der BED hinsichtlich Erzie-
hungspraxis, Ideologie und Reformtendenzen
- die Geechichte des Kampfes der revolutionaren Arbei-
terbewegung gegen die Verwahrlosung und Kriminali-
sierung der proletarischen Jugend und den burger lichen
Fursorgeapparat
- die heutigen Perspektiven der Organisierung der Sozial-
arbeiter und Erzieher. (10)
Das Autorenkollektiv ist fast identisch mit den Verfas-
sern der Beitrage in "Erziehung und Klassenkampf " Mr. 4,
ebenso entsprechen die beiden zuletzt genannten Themen
in den Grundziigen zwei bereits dort veroff entlichten
Aufsatzen.
"Gefesselte Jugend" ist kein Beitrag zur akademischen
Diskussion um die Funktion der Fiirsorgeerziehung, son-
dern soil dem politischen Ziel der Gewinnung forts.chritt-
licher Sozialarbeiter und Sozialpadagogen als Biindnis-
partner der Arbeiterklasse dienen. Es vermittelt Infor-
mationen und gesellschaftsanalytische Erkenntnisse, die
den Sozialarbeiter- und Sozialpadagogikstudenten in der
Ausbildung weitgehend vorenthalten werden, die aber not-
wendig sind, um Strategien einer Sozialarbeit im Dienste
der Interessen der Arbeiterklasse. und ihrer Kinder und
Jugendlichen zu entwickeln.
Das erste Kapitel (13-65) liefert ein Stiick Sozialge-
schichte und verbindet dabei Kenntnisse iiber die Ent-
wicklung der Produktivkraft und der Produktionsverhalt-
nisse im Kapitalismus mit den entsprechenden Formen
63
64
offentlicher Erziehung. Die Details dieser Schilderung
kbnnen auch anderweitig nachgelesen werden, die ab-
schlieBende Interpretation jedoch ware es wert, weiter
verfolgt zu werden: Die These lautet, Fursorgeerziehung
habe darin ihre notwendige Grenze, daB-die '"'Unange-
paBtheit1 proletarischer Kinder und Jugendlicher in
ihren verschiedenen Ursachen und Formen nicht nur eine
Abweichung von der Norm (ist) , die leicht zu korrigieren
ware, sondern eine Folge von lebens- und Erziehungsbe-
dingungen, die dem Proletariat durch den Kapitalismus
aufgedriiekt werden". (61f) Die Fursorgeerziehung kann
diese Probleme padagogisch nicht losen, "weil sie die
'Schwierigkeiten' der Kinder und Jugendlichen klassen-
spezifisch, d-h. ideologisch deutet und weil sie sich
das Paradoxon zum Ziel gesetzt hat, die proletarischen
Kinder und Jugendlichen mit denjenigen gesellschaftlichen
Verhaltnissen zu versohnen, an denen diese zerbrochen
sind".(62)
Eine materialistische Analyse der Ursachen von Verwahr-
losung und Kriminalitat als Haupttypen abweichenden
Verbaltens proletarischer Jugendlicher gibt das zweite
Kapitel (66-150). Dieses Kapitel diirfte wegen des hier
erreichten Konkretisierungsgrades als das wichtigste des
gesamten Bandes anzusehen sein. Hier ist es gelungen,
die in linken Publikationen oft klaffende Lucke zwischen
der Darstellung der marxistischen Grundkategorien und
der Ubernahme von Detailinformationen aus der biirger-
lichen Sozialforschung zu schlieBen und den marxisti-
schen Ansatz bis in die Interpretation von Statistiken,
Gesetzestexten und lebensbedingungen der Arbeiterklasse
- einschlieBlich sozialpsychologischer Phanomene - durch-
zuhalten. Das hier zusammengetragene Material diirfte ge-
rade fiir die politische Aufklarungsarbeit unter Sozial-
arbeiter- und Sozialpadagogikstudenten brauchbar sein.
Kapitel III iiber "Ideologie und Praxis in der Heimerzie-
hung" macht m.W. erstmalig den Versuch, die in der Fur-
sorgeerziehung herrschende sozialintegrative Ideologie
mit der sozialen Situation der Heimerzieher, ihren schlech-
ten materiellen Bedingungen, ihrem geringen Sozialpres-
tige und ihrem Aufstiegsdenken, in Zusammenhang zu brin-
gen (157-164) . Als Zusammenfassung niitzlich sind die Tei-
le iiber das Disziplinarsystem und die Rolle der Familien-
ideologie in der Heimerziehung. Wichtige Materialien
iiber die Tatigkeitsbereiche der Fiirsorgeverbande und das
Problem des Subsidiaritatsprinzips bringt das Kapitel IV
(193-218). Nicht ausreichend behandelt wird die Holle der
Kirchen und anderer freier Trager im Fiirsorgewesen, da
hier ausschlieBlich Veroffentlichungen ideologiekritisch
untersucht werden, ohne der Frage nach der Sicherung ma-
terieller Interessen und politischer EinfluBbereiche durch
die freien.Trager nachzugehen.
Kapitel V (219-239) zeigt die Grenzen jeglicher Reform-
bemiihungen im Erziehungs- bzw. Fiirsorgesektor auf, die
Ohnmacht der zahlreichen Programmentwiirfe fiir eine
bessere bffentliche Erziehung, die stets an den vom
Kapitalismus diktierten "Sachzwangen" scheitern miissen.
Die letzten beiden Kapitel sind der Frage der Strategie
der Arbeiterklasse und ihrer Partei auf dem Fiirsorge-
bzw. Sozialsektor gewidmet. (240-285) (286-301) Nach
einer Diskussion der Marxschen Theorie iiber das Lumpen-
proletariat und der Randgruppentheorie folgt die Aus-
wertung von Quellen iiber den Kampf der KPD gegen die
biirgerliche Fursorgeerziehung in der Weimarer Zeit. Uber-
legungen zur Rolle des Sozialstaats, der Sozialpolitik _
und der Reformen im Kapitalismus gehen ein in Thesen fiir
eine Praxis der Sozialarbeit, die im Interesse der Kid -
enten, der Arbeiterklasse nand. ihrer Jugendlichen steht
und die auch zu einer Solidarisierung der Sozialarbeiter
im Kampf urn gemeinsame Interessen fiihrt. (298f) Diese
Thesen bleiben jedoch in ihrer Allgemeinheit hinter dem
entsprechenden Artikel in "Erziehung und Klassenkampf "
zuriick .
Unbeantwortet lassen die Verfasser die Frage, welche
organisatorischen Konsequenzen sich fiir Sozialarbeiter
und Sozialpadagogen aus ihrer Analyse der Fursorge-
erziehung ergeben. Insofern bleibt "Gefesselte Jugend"
im Vorfeld politisch-strategischer Oberlegungen.
Jan Raspe: Zur Sozialisation proletarischer Kinder.
Frankfurt 1972, Verlag Roter Stern.
Die wachsende Anzahl von Arbeiten iiber den Sozialisa-
tionsprozeB des Arbeiterkindes ist fast nicht mehr tiber-
schaubar. Auch in den Bereich von Sozialpadagogik und
Sozialarbeit, der bis vor wenigen Jahren noch von den
idealistischen Vorstellungen der Reformpadagogik gepragt
war,dringen immer mehr empirische Einzelergebnisse der biir-
gerlichen Sozialforschung, besonders der USA, ein. Wenn
bisher auch die Versuche der Erarbeitung einer Soziali-
sationstheorie in den Anfangen stecken blieben und es
aufgrund mangelnder materieller und historischer Basis
auch weiterhin bleiben werden, erscheint die Zielsetzung
dieser Theorieansatze in der augenblicklichen Situation
des Erstehens von Klassenkampfen klar: Die Bourgeoisie
will mit Hilfe der. Ergebnisse der Sozialisationsfor-
schung und den sich.daraus entwickelnden Strategien, wie
z.B. der kompensatorischen Erziehung, das Postulat der
Chancengleichheit in unserer kapitalistischen Gesellschaft
proklamieren, mit dem Ziel, die Arbeiterklasse in dieses DO
System zu integrieren, den erhohten Bedarf an Arbeits-
kraft, d.h. Ausbeutungsobjekten, zu realisieren und an-
hand einiger individueller Aufsteiger, die die kapita-
listische Leistungsideologie internalisiert haben und
von den Herrschenden protegiert werden, aufzeigen, daB
wir eine. klassenlose Gesellschaft haben.
Neben der Arbeit von E. Brechstein, die Sozialisation
des Arbeiterkindes in Familie und Schule (Freiburg 1971/
Selbstverlag) und der stellenweise hervorragenden Arbeit
des Autorenkollektivs urn Gottschalch (Sozialisations-
forschung), gehort die vorliegende kurze Analyse zu den
wenigen Arbeiten, die iiber einen reformistischen Charak-
ter hinausgehen.
Easpes Ausgangspunkt ist, daB die sozialen Erfahrungen
des Arbeiterkindes vom friihesten Alter an Erfahrungen
des Klassengegensatzes sind und in ihnen gleichzeitig
auf Grund der familialen Situation sich die wesentlichen
Lernprozesse abspielen. Die daduroh vermittelte Struk-
tur der Lernfahigkeit des Kindes ist dann sowohl an
einen bestimmten Inhalt, namlich die allgemeinen sozi-
alen Zusammenhange der Klassenlage gebunden als auoh an
eine bestimmte Form - das Kind lernt in kollektiven Er-
f ahr ungs z us ammenh angen .
Auf dieser Grundlage legt Easpe seiner Arbeit die poli-
tische uberzeugung zugrunde, daB sich der widerspriich-
liche Charakter der Sozialisation des Arbeiterkindes nur
in einer direkten, organisierten, antikapitalistischen
Erziehungspraxis - als Teil und Ausdruok des proleta-
rischen Klassenkampf es - grundsatzlich aufheben laBt.
Doch hier liegen dann auch die deutlichen Mangel der
Arbeit Easpes. Xosgelost von einer proletarischen Organi-
sation, ohne Kontakt zu den Anfangen proletarischer
Kinderarbeit (Projekt Brehlohstr.) ist seine Arbeit eine
Analyse, vollkommen losgelbst von den auf f lammenden
Klassenkampfen und so ohne jede praktische und organi-
satorische Konsequenzen.
Vielleicht sollte man an diesem Ort auch die Praxis der
Obernanme von englischsprachigen Zitaten kritisieren.
Soil hierdurch etwa ein Schein von Wissenschaftlichkeit
gewahrt werden? Eine ttbersetzung dieser Zitate wiirde den
meisten von uns wohl besser niitzen.
Trotz dieser Mangel linden sich bei Easpe einige gute
Ansatzpunkte zur Analyse und Interpretation der neueren
burgerlichen Untersuchungen des Sozialisationsprozesses ,
eine gute Zusammenfassung neuerer Ergebnisse der For-
schungsliteratur zur Sozialisation des Arbeiterkindes
eine vergleichende Betrachtung der Entwicklung des Ar-
beiterkindes, unter. "historisch gesellschaftlichen Be-
dmgungen offener Klassenkampfe"?
66 Bie Notwendigkeit einer polit-okonomischen Analyse des
Sozialisationsprozesses wird jedoch von Easpe erkannt
und auch in Angriff genommen. Hierbei werden Aspekte wie
Klassenlage, Widerspruch zwischen gesellschaftlicher
Produktion und kleinbiirgerlicher Reproduktion in der
Familie in Beziehung gesetzt zu Erziehungsverhalten und
Wertorientierung der Eltern, familiale Eollenstruktur,
Aspekte wie Identifikation, Abhangigkeit, Aggression,
Sprache, lernen und Leistungsmotivation.
Es findet sich hier auch eine ausgezeichnete Kritik der
psychologisierenden Erklarungsversuche der Situation des
Pro letarier kindes bei Eiihle.
Aus der verifizierten These, daB proletarische Lebens-
verhaltnisse im Kind die Anlage einer widerspriichlichen
Personlichkeitsstruktur fordern, die sowohl Elemente
eines aktiven kampferischen Klassenhandelns umfaBt als
auch die passiv-fatalistischer Anpassung (S. 33) ergibt
sich fur Easpe die These, daB nur eine direkte antikapi-
talistische Erziehung die Bildung der kollektiven Iden-
titat des proletarischen Kindes zu fordern vermag (S.39).
Eichtig erkennt Easpe dann auch, daB eine "derartig ein-
seitige Aufhebung von Dysfunktionalitaten" selbst nur
mit dem Entstehen neuer Widerspriichlichkeiten einher-
gehen kann; d.h. also, daB der Charakter der Wider-
spriiche und ihre Losung auch davon abhangt, wie das
Proletariat darauf antwortet.
Diese vom Proletariat angefangenen Antworten miissen von
alien im sozialen Bereich Tatigen unterstiitzt werden.
Zur Erkenntnis dieser Forderung ist Easpes Buch stellen-
weise gut geeignet.
Autorenkollektiv: Materialien zur Lage der Arbeiter-
,-juKend in Westberlin. Frankfurt 1972, Verlag Boter Stern.
Die soziologische Jugendforschung, die in der BED jahre-
lang stagnierte und sich vorwiegend in idealistischen
Ergiissen jugendbewegter Zupfgei genhanserl manif estierte
und in denen versucht wurde, kleinbiirgerliche Lebens-
und Sozialisationsbedingungen auf die Arbeiter jugend zu
iibertragen, konnte nicht dazu beitragen, die soziookono-
mische Lage der Arbeiterjugend transparent zu machen.
Erst mit dera von Hubner, Reichelt und Liebel in "Erzie-
hung und. Klassenkampf" Heft 1 vercffentlichten Aufsatz
"Politokonomische Bestimnung zur Lage der Arbeiterjugend
im Kapitalismus und deren Bedeutung fur die Entwicklung
des KlassenbewuBtseins" ergaben sich Perspektiven fur
eine- soziockonomische Jugendforschung, die den Interessen
der Jugend des Proletariats dient.
Die ersten Ergebnisse liegen in den "Materialien" vor. 67
68
Obwohl in ihren Aussagen auf West-Ber3in beschrankt und
wie auoh von den Autoren ausdrucklich festgestellt wird,
in ihren Aussagen iiber Klassenlage und Entwicklungsten-
denzen der arbeitenden Jugend theoretisch nicbt abge-
sichert, weil ein enger Kontakt zu einer proletarischen
Jugendorganisation fehlte, tritt dem Leser doch ein re-
lativ geschlossenes Bild der lage der Arbeitei-jugend ent-
gegen, das vielen in. diesem Bereich arbeitenden Kollegen
und Genossen zur Ori entierung diener. kanr; .
Richtig erkennen die Autoren, daB ihre Materi alien Stoff
fur politische Auseinandersetzungen liefern, die aller-
dings nur auf der Grundlage der Praxis einer proleta-
rischen Jugendorganisation gefuhrt werden kann .
Dies verweist auob inharent auf den groBten Mangel die-
ser Arbeit: das vollige Fehlen einer bistorischen Kom-
ponente und damit die Gefahr des Soziologismus .
Ein kurzer histori scher AbriB zur Lage und zur Organi-
sation der Arbeiterjugend hatte sicher mehr zum Ver-
standnis beigetragen wie der vorgegebene Anhang, dem wir,
d.b. wobl die meisten Sozialarbeiter, vollig hilflos ge-
geniiberstehen, da die empirische Sozialforschung erst
langsam in den Ausbildungsbereicb Sozialarbeit/Sozial-
padagogik eindringt.
Die Autoren verstehen ihr Euch ''als Beitrag zur Klarung
der Frage, wie der ProzeB des Heranwacfcsens und der ge-
sellschaftlichen Integration von der Klassenstruktur der
kapitalistischen Gesellschaft und der jeweiligen Klas-
senzugehcrigkeit gepragt wird , und wie der kapitalisti-
sche ProduktionsprozeB, die auf ihn bezogene individuel
le Qualifikation und die von der Stellung im Produktions-
prozeB im wesentlichen abhangigen Reproduktionsbedin-
gungen sich auf die cbjektive Stellung und dasEewuBt-
sein von Kindern und Jugendlichen Jewells einwirken
(S-7).
Von dieser Themenstellung her ergeben sich 4- kiare ae-
reiche fiir das Buch :
1. Die Rolle des Schulsystems beim EntstehungsprozeB der
Arbeiter jugend;
2. die Situation der arbeitenden Jugend;
•3. die Ausbildungsbedingungen der arbeitenden Jugend;
4-. die Reproduktionsbedingungen der arbeitenden Jugend-
lichen.
An dieser Stelle 1st nocbmal die unserer Ansicbt r.ach
zu enge Beschrankung auf West-Berlin zu bemangeln.
Doch iiberwiegen die positiven Seiten: z.B. wird auf die
Fortdauer der sozialen Selektion auf den Gesamtschulen
kingewiesen und die Reformideologie im Schulbereich ent-
larvt; es wird dargestellt, wie sich das Kapitalinteres-
se an der Verwertung der jugendlichen Arbeitskraft un-
mittelbar auf das Lobnniveau und auf die Stellung der
jugendlichen Arbeiter und Lehrlinge auswirkt.
Weiterhin f inden sich Hinweise auf die Unterschiede m- Jn-
Leo Kofler /Andre as Buro:
Van Handelskapitalismus
sum Neo-finperialismus der Gegenwart
Eine Einfuhrung in die Entwiaklung
der huvgerlichen Gesellschaft
Diese Schrift gibt eine erste Einfiihrung in die Ent-
wicklung der biirgerlichen Gesellschaft und schlieBt
eine LLicke in der linken Schulungsliteratur. Allzu oft
beginnt das Wissen von jungen Sozialisten Liber die ka-
pitalistisch-bsrgerliche Gesellschaft in der Gegen-
wart, und das zusammenhanglose geschichtliche Schulwis-
sen reduziert sich auf Daten liber Kriege und Thronbe-
steigungen. Der rait dieser Broschlire unternommene Ver-
such, tausend Jahre Geschichte auf wenigen Seiten dar-
zustellen, zwingt dazu, mit groben Strichen zu skiz-
zieren, Einzelheiten fortzulassen, die vielfaltigen
Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten, die zeit-
liche Ungleichheit in der Entwicklung der Gesellschaft
beiseite zu schieben und auch, selbst wenn der Blick ab
und zu darliber hinausgeht, die europaischen Gesell-
schaften in den Mittelpunkt des Blickfeldes zu rlicken.
Solche Vergrbberung der Wirklichkeit hat nicht nur Nach-
teile. Sie hilft zunachst auch, Oberblick zu gewinnen
und die groBe Linie der Entwicklung zu erkennen.
Diese Schrift, daran sei kein Zweifel gelassen, ist
parteiisch geschrieben. Sie steht auf der Seite der Un-
terdruckten, der Benachteiligten, der Nicht-Gleichbe-
rechtigten, denen die Chance zur Entfaltung ihrer Per-
sdnlichkeit in dieser Gesellschaft und - in Bezug auf
die Volker der armen Welt - von diesen kapitalisti-
schen und imperialistischen Gesellschaften verwehrt
wird. Diese Schrift ist alien kritischen jungen Leuten,
all jenen, die sich in den letzten Jahren politisiert
haben, alien Lernenden und Lehrenden zur Lekture zu
empfehlen.
96 Seiten, broschiert, DM 5.—
Verlag 2ooo GmbH, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591
dustrie ur.d Handwerk, auf die beschissene rechtliche und
soziale Situation am Arbeitsplatz , auf die Fiktion von
Berufsberatung, eine Kritik des Stufenplans, eine Dar-
stellung der Berufsschulsituation und der Reproduktions-
bedingungen in der Arbeiterfamilie (Arbeitsverhaltnis ,
Einkommen, Vermogen, Wohnsituation) .
Kurz wird auch auf die Konsequenzen fur die weiblichen
Jugendlichen eingegangen.
Wir sind der Ansicht, da£ die Materialien ihren Zweck
erfiillen. Namlich C"ugendlichen, Jugendorganisationen
und sozialpadagogisoh arbeitenden Kollegen und Genossen,
die die Lage der arbeitenden Jugend grund legend veran-_
dern wollen, einige Programme und padagogische und poli-
tische Konzepte bereitzustellen.
70
M
Geschichte und Funktion
der Sozialarbeit
Ausziige aus Vorwort und Inhaltsverzeichnis
Das vorliegende Papier, der Versuch einer material istischen histori-
schen "Analyse" und Funktionsbestimmung der Sozialarbeit ist ein
Novum in ihrer Geschichte - zumindest seit der offenbar zur Vergessen-
heit gewordenen Auseinandersetzung um eine "Fursorge"-Selbstorganisa-
tion der Arbeiter nach dem 1. Weltkrieg. Damals standen sich revolu-
tionare Krafte.z.B. Clara Zetkin, die das Konzept der "Roten Arbeiter-
hilfe", eine Organisation praktischer Selbsthilfe und Sol idarita't im
allta'glichen Klassenkampf , vertraten, und Revisionisten in der SPD um
die spatere AWO-Begrunderin Marie Juchacz gegenliber, die aus humani-
stischer Gesinnung die schlimmsten Auswirkungen kapital istischer Aus-
beutung mit Hilfe einer caritativen Wohlfahrtsorganisation verhindern
wollte.
Oas vorliegende Papier zeigt, daB diese historisch zuriickliegende Al-
ternative auch heute nicht an Aktualitat eingebiiBt hat; es stellt sich
dar als ein Arbeitsergebnis einer immer groBer werdenden Zahl von
Sozialarbeitern, die begreifen, daB sie bisher bewuBtlos und ohnmach-
tig an den Symptomen eines Ausbeutungssystems, der kapital istischen
Gesellschaft, kuriert haben und die begriffen haben, daB die Vernach-
lassigung ihres Arbeitsfeldes (die vielfach beklagte Situation fehlen-
der Mittel , fehlenden Personals und mangelhafter Ausbildung) strukturell
bedingt ist in einem gesellschaft! ichen System, in dem Profit und
private Aneignung von Reichtum an erster Stelle und "Kosten" verursachen-
de "soziale Fragen" an allerletzter Stelle rangieren.
Aus dem Inhalt: Zur gesellschaftl ichen Situation der Armenpflege in
der feudal en Gesellschaft - Sozialarbeit im Umbruch zur kapital isti-
schen Gesellschaft - Marx' Analyse der burger! ichen Gesellschaft und
ihre Bedeutung fiir eine Analyse der Sozialarbeit - Bismarck'sche
Sozialpolitik und Sozialarbeit - Geschichte der Sozialarbeit 1880 - 1930
Sozialarbeit im Faschismus 1933 - 1945 - Geschichte des Jugendhilfe-
rechts (das RJWG 1923, Jugendhilfe-Recht im Faschismus, Diskussion um
die Novelle 1953, Diskussion um das JWG 1961) - Ausgewa'hlte Literatur
zur Sozialarbeit.
Ca. 7o Seiten, vervielfaltigt mit festem Utischlag. DM 3.—
Bezug u'ber AKS, c/o Gunter Pabst, 6 Frankfurt, Hamburger All ee 47
Sozialistisches Bliro, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591
71
Nachrichten
°PWV, Wupperta? riif ^L • ndesar^itsgemeinschaft Wohnkollektive i*
WohlfahrtsverbaS tt SI^' ^"-ft: Deutscher Paritatischer
PraktikerseSe f^W^6^ •^hUm' fU'hrt ^gelmaBig eintagifle
terbildungwe^anstaituna ^I^563? lm "J^gebiet durch, die als *i"
statt am 1. Member 197? an?[kannLsInd- Das na'c^te Seminar findet
Verein Soz ale Juaendarh^t ^ ^°hnen im Kapltallamis'1. Auskunft-
023Z1/702576 oder 701465 ** Ur0 fUr &"1«lplanung, Telefon
BA? ^l^bll^^^f^^^en Konektivberate,. Bezahlung nach
burgerstr. lo, Telefon 0561/18054. Kaufl*ann, 35 Kassel , WeiBen-
^^^^^l^^.^mse (A..G.SPAK, ver-
Vom 12. - 17. Dezember findet in Srh S!mil]are u"d Arbeitstagungen.
teilarbeit statt. -Interessenten W„S ?™e Ta9un9 zum Thema Stadt-
stelle, 8 MUnchen 2, Kobellstr Y|nd?V]ch a" die SPAK-Bundesgeschaft5
r< 12> Telefon 0811/586119.
H
PM
72
'-■SiJ^SiPS^I&V