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Full text of "Informationsdienst Sozialarbeit (1972 - 1980)"

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•  Jahrespraktikant  (nur  mannlich),   Erzieher,   Sozialarbeiter  o.    Sozial- 
padagoge  mit  handwerkl  ichen  oder  medienpadagogischem  Interesse  flir 
Kinderheim  mit  12  Platzen  ab  Herbst  1978  gesucht.    Kinderhaus  e.V. 
4515  Bad   Essen,   Schledehauserstr.    14.  / 

/ 

ARBEITS-/WOHN-  UND  FREIZEITKONTAKTE 

I  Nachdem  ich  nun  einiges  u'ber  Wilhelm  Reich  gelesen  habe,   suche  ich 
nun  den  praktischen  Bezug  und   Kontakt  zu  einer  Gruppe   (Reich-Thera- 
pie?   Kosten?   Bedingungen?  Wartezeit?)    Rene  Zind,   Freil igrathstr.    44, 
6  Frankfurt/M.   60. 

I  Zimmer  frei   fiir  Genosse  in  Hamburg  in  einer  groften  Wohnung  mit  Gar- 
ten, 2  Mitbewohnerinnen;   Tel.  040/850  61  76 

I  "Kleinfamilie"   in  Braunschweig  sucht  Genossen-Freunde  mit  Kleinkind 
(ern),  um  drohender   Isolation  zu  entgehen.    Tel. 0531/  3375  53. 

I  Wir  planen  ein  Projekt  "Behinderung  und  Wohnen".   Wer  hat  Informatio- 
nen,  Erfahrungen,   Kontakte,  die  uns  evtl .  weiterhelfen  kbnnen  - 
Architekten,  Sozialplaner,   Pa'dagogen  etc.  Unser  erster  Selbstver- 
standnispapier  schicken  wir  gerne  zu.   Alwine  Thesing-Dittmar,  An 
der  Trift  3,   6072  Dreieich-Dreieichenhain,  Tel. 06103/  85  769. 

•  Wir   (1  Sozialarbeiter/1  Sozialpadagoge)   beabsichtigen  in  Alternative 
zu  FE/FEH  eine  Jugendwohngruppe  aufzubauen.   Wer  kann  uns  Info-Mate- 
rial   in  Bezug  auf  technisch-organisatorische,  finanzielle  und  in- 
haltliche  Voraussetzungen  lief ern? 

Wer  hat  grundsatzl ich   Interesse  u.  mbchte  sich  rait  uns  in  Verbindung 
setzen? 

Adr.   Wassermann/Busch,  Alfred-Del pstr.   34,  4780  Lippstadt/Kr.    Soest 
I  Wir  wollen  eine  Liste  von  guten  und  billigen  Tagungshausern  zusammen- 
stellen.   Wer  kann  Angaben  machen  Uber  Rauml ichkeiten,  Bettenzahl , 
Verpflegung,  Tagessatz  etc.   Wer  Tips  gibt,   bekommt  die  Liste  kosten- 
los.  AG  SPAK,  Belfortstr.  8,  8  Munchen  80. 

•  Suchen  Haus  ohne  groBe  formale  Auflagen  fur  Sommerfreizeit  1978  mit 
Kindern  aus  sozialen  Brennpunkten.   AW0  Kreisverband  -  Abt.    soziale 
Rehabilitation,  Arndtstr.  8,  4800  Bielefeld  1. 

I  Wir  haben  in  WG  in  Braunschweig  1  Zimmer  frei  und  suchen   "undogmati- 
schen"  ausgebildeten  Landwirt(in) ,  die/der  bereit  ist,  ein  Projekt 
mit  aufzubauen,   in  dem  versucht  wird,  Landwirtschaft  und  Kinder-/ 
Jugend-  und  Sozialarbeit  rauml ich  zu  koordinieren.   Christoph  Bbhm, 
Leonhardstr.   30,  33  Braunschweig,  Tel.   0531/794451. 

•  (1/21)  Sozialarbeiter  (26)  sucht  WG  in  Bremen.    Ich  bin  interessiert 
an  Leuten,  die  eine  undogmatische,   aber  konseguente  politische 
Praxis  anstreben  und  evtl.    Erfahrungen  in  der  politischen  Bildungs- 
und  Medienarbeit  haben.   Herbert  Effinger,  Elbchaussee  18,  2000  Ham- 
burg 50,   Tel.   040/3900640 

MATER1ALIEN  GESUCHT 

•  Jugendstrafvollzug/Sozialarbeit  in  und  auBerhalb  von  Anstal ten;Un- 
kosten  werden  erstattet;  Giinter  Hoffmann,  Blilowstr.    11,   294  Wilhelms- 
haven. 

I  Jugendarbeitslosigkeit  und  Kirche  (speziell    im  Rheinland);  Unkosten 
werden  erstattet.  Ottmar  Baumberger,  Madergasse  3  74  Tubingen. 

•  Abweichendes  Verhalten  und  Kriminal  itat  von  Frauen.   Unkosten  werden 
erstattet.   Susanne  Keckeisen,  Relenbergstr.   68,  7  Stuttgart  1. 

I  Sozial politische  Arbeit  im  Knast  -  Erfahrunaen  mit  den  Repressionen 
vori  ehrenamtl  ichen  Helfern  und  Gruppen.  Michael    Bauer  c/o  AG  SPAK, 
Belfortstr.  8,  8  Munchen  80. 


INFORMATIONSDIENST 

Mici-. 


SOZIALARBElf  X 


20o 


***~w. 


O  h, 


Ausserdem:  Jugendzentrumsbewegung  1971-1977    * 
Frauenforschung/-praxis    *   Jugendhilfetag     * 
Gerichtsurteile:  Honorarkrafte  in  der  Sozialarbeit  und 
in  Sachen  Ring  Biindischer  Jugend    * 


Offenbach  im  Juni  1978 
Einfachnummer  -  Preis  DM  7,-- 


/17-J2. 


INFO  SOZIALARBEIT  ,  HEFT  20 


INHALT 


Vorbemerkung  zu  dieser  Ausgabe 

Riidiger  Baron,  Westberlin 

Politische  Bedingungszusammenhange  der  Ausbildungsreform 

Michael  Rothschuh,  Hildesheim 

Ref ormpositionen  werden  rechtswidrig  -  Was  wird  aus 

der  Reform  der  Prufungen  nach  den  Hochschulgesetzen? 

SZ-Fachgruppe  Sbzialpadagogik,  Tubingen 

Das  Diplom  -  oder:  Was  aus  dem  Reform-Prof i  geworden  ist 

Frank  Duchting,  Hamburg 

Erfahrungen  mit  dem  Studienbegleitenden  Praktikum 

Hanns  Lindemann,  Wiesbaden 

Projektstudiengang  "Sozialwesen"  an  der  FH  Wiesbaden 

Tiram  Kunstreich,  Hamburg 

Sollte  man  heute  noch  Sozialpadagoge  werden? 

Barbara  Schulze/Jochen  Schaffer 

Die  FHSS  Berlin  - 

Geschichte  und  Perspektiven  aus  studentischer  Sicht 

AF  Sozialarbeit,  Miinchen 

Einschrankung  politischer  Rechte 

am  Beispiel  der  katholischen  Stif tungsfachhochscbule 

Frank  Duchting,  Hamburg 

Aufstieg  und  Fall  einer  evangelischen  FHS 

SB-Hochschulgruppe,  Frankfurt 

Zur  Griindung  eines 

■Arbeitsfeldes  der  SB-Hochschulgruppen' 


Albert  Herrenknecht/Rainer  Moritz,  Wertheim 
Jugendzentrumsbewegung   1971-1977 


AKS  Hamburg 

pie  Verbeamtung  der  Jugendverbande  nicht  bestatigt 

-  Urteil  des  Bundesverwaltungsgerichtes  in  Sachen  RBJ 


Seite  3 
Seite  5 

Seite  15 
Seite  27 
Seite  33 
Seite  39 
Seite  49 

Seite  58 

Seite  67 
Seite  71 

Seite  75 
Seite  79 

Seite  93 


Waltraut  Maas,  Ludwigshafen 

Honorarkraf te  sind  nicht  vollig  rechtlos 


Seite   97 


Monika  Jaeckel,  Miinchen 

Verein  fiir  sozialwissenschaf tliche  Frauenf orschung/ 

-Praxis  gegriindet  Seite  1  o  1 

Jugendpulitisches  Forum  zum  6.Deutschen  Jugendhilfetag    Seite  loA 


WORLD  CUP  1978  IN  yWSBWNK 


VORBEMERKUNG  ZU  DIESER  AUSGABE 


Im  Dezember  1976  erschien  der  erste  Info  zum  Thema  Ausbildung.  Bei 
dem  damals  vorangegangenen  Seminar  hatte  sich  allerdings  (aus  aktu- 
ellem  AnlaR)  der  Schwerpunkt  "Beruf spraktikum"  ergeben,  so  daB  vie- 
le  Aspekte  im  damaligen  Info  Nr .  15  nicht  bearbeitet  wurden. 
Bei  einer  Arbeitsf eldtagung  im  Herbst  1977  setzte  sich  daher  eine  Ar- 
beitsgruppe  zusammen,  mit  dem  Ziel,  crneut  die  Probleme  der  Ausbil- 
dung  von  padagogischen  Fachkraften  auf zugreif en.  Bei  den  Diskussio- 
nen  in  der  Vcrbereitungsgruppe  und  auf  einem  Seminar  im  Februar  1978 
entwickelten  sich  folgende  Schwerpunkte,  nach  denen  auch  der  vorlie- 
gende  Info  strukturiert  wurde. 

Ausgangspunkt  ist  die  Analyse  der  derzeitigen  Ausbildungsbedingungen, 
die  -  auf  dem  Hintergrund  der  gesellschaf tlichen  und  der  arbeitsmarkt- 
politischen  Situation  fiir  Sozialpadagogen  im  besonderen  -  zunehmend 
rigider,  repressiver  und  verschulter  werden  (vergl.  hierzu  die  mitt- 
lerweile  z.T.  schon  praktizierten  Empf ehiungen  des  Deutschen  Stadte- 
tages  zur  Ausbildung  von  Sozialarbeitern/padagogen) . 

Aufbauend  auf  der  Analyse  werden  dann  in  den  folgenden  Artikeln  kon~ 
krete  Erfahrungen  in  und  mit  der  Ausbildung  beschrieben-  Ursprung- 
lich  hatten  wir  den  Anspruch,  in  diesem  Heft  samtliche  Ebenen  der 
Ausbildung  im  sozialpadagogischen  Eereich  (d.h.  Fachschule,  Fachhoch- 
schule,  Universitat)  gleichermafien  mit  zu  berucksichtigen.  Wir  mei- 
nen   dali  gerade  die  Hierarchisierung  im  Sozialbereich  einen  wesent- 
lichen  Grund  dafiir  darstellt,  da(5  Kollegen  sich  nicht  fiir  verbesserte 
Arbeitsbedingungen  in  ihrem  eigenen  Interesse  und  im  lnteresse  der 
Betroffenen  einsetzen,  sondern  sich  gegeneinander  ausspielen  lassen. 
Schliefilich  wirkt  sich  auch  die  arbeitsmarktpolitische  Situation 
z.Zt.  so  aus,  da(J  jeweils  "hoher"  qualif izierte  Sozialpadagogen  den 
"niedriger"  qualif izierten  die  Stellen  wegnehmen;  ein  Problem,  das 
sicher  nicht  individuell  von  einem  arbeitslosen  Sozialpadagogen  zu 

losen  ist!  . 

Herausgekommen  ist  aber  doch  wieder  ein  Heft,  das  mit  Ausnahme  des 
Tubinger  Beitrages  zur  Universitatsausbildung  von  Padagogen,  lediglich 
die  Fachhochschulausbildung  schwerpunktmafiig  thematisiert .  Dies  ist 
sicher  der  sozialen  Zusammensetzung  des  Arbeitsf eldes  Sozialarbeit 
eeschuldet,  sowie  der  Tatsache,  da(3  es  uns  nicht  gelungen  ist,  Stu- 
denten  und  Dozenten  aus  dem  Fachschul-  und  Hochschulbereich  fiir  das 
Seminar  und  den  geplanten  Schwerpunkt  zu  interessieren. 
Wir  wollen  aber  in  den  nachsten  Heften  versuchen,  neben  dem  Jewells 
eeplanten  Schwerpunktthema  Situations-  und  Erfahrungsbenchte  insbe- 
sondere  aus  dem  Fachschul-  und  Hochschulbereich  zu  thematisieren. 
Wer  daran  mitarbeiten  will,  schreibe  an  das  Redaktionskollektiv . 
Neben  dem  Schwerpunktthema  "Ausbildung"  beschaftigt  sich  dieser  Info 
noch  mit  der  Geschichte  der  Jugendzentrumsbewegung  von  19/1  19//,  mit 
dem  Urteil  des  Bundesverwaltungsgerichtes  zum  Ring  Bundischer  Jugend 
und  einem  Landesarbeitsgerichtsurteil  zur  arbei tsrecht lichen  Situation 
von  Honorarkraften. 


internationale 


m 


taschenbiicherei 


Riideger  Baron,  Westberlin 

POLITISCHE  BEDINGUNGSZUSAMMENHANGE 
DER  AUSBILDUNGSREFORM 


Die  Schwierigkcitcn  der  Ausbildungssituation  an  den  Ausbildungsstat- 
ten  fur  Sozialarbeiter  und  Sozialpadagogen  in  der  BRD  sind  bis  heu- 
te  wesentlich  bedingt  durch  deren  Aufwertung  zu  Fachhochschulen  im 
Jahre  1971,  was  bedeutete,  dafi  im  Gegensatz  zu  den  vorherigen  Sozial- 
akademien  die  Fachhochschulen  -  wie  es  im  FHSG  des  Landes  Berlin 
heifit  "  nun  "anwendungsbezogene  Lehre  auf  wissenschaf tlicher  G^und- 
lage"  vermitteln  sollten.  Dementsprechend  wurde  eine  Anhebung  des 
Qualif ikationsniveaus  der  Lehrenden  (AH  3  -  AH  5-Stellen  nach 
§  13a  HSLG),  Verleihung  der  allgemeinen  Hochschulreif e  bereits  nach 
AbschluB  des  Grundstudiums  und  Anhebung  der  Eingangsvorausset zungen 
der  Studenten  (Fachhochschul-  oder  Hochschulreife)  vorgenoramen. 

Dahinter  stand  die  Absicht  zur  Verschmelzung  der  beruf sprakt ischen 
Ausbildungsgange  mit  der  universitaren  Ausbildung  in  sogenannten  Ge- 
samthochschulen,  d.h.  hier  Zusammenfassung  der  Soziala rbei terausbil- 
dung  mit  der  Diplompadagogenausbildung  zu  einem  Studiengang  mit  ver- 
schieden   gestaffelten  Abschliissen  (s.  etwa  Kasseler  Modell). 

Die  Entscheidung  fur  den  zahlenmaBigen  Ausbau  und  die  Verwissenschaf t- 
lichung  der  Ausbildung  von  Sozialarbeiterrysozialpadagogen  auf  Fach- 
hochschulebene  wurde  im  Zuge  der  allgemeinen  Reformphase  der  BRD 
primar  aus  bildungspolitischen  Griinden  getroffen  gegen  den  Wider- 
stand  der  vorwiegend  kommunalen  Anstellungstrager  (vgl .  Happe  in 
der  ZEIT  vom  11.2.1977).  Dies  beschwor  einen  Konflikt  zwischen  Wis- 
senschaf tlichkeit  und  Anwendungsorientierung  herauf,  der  bis  heute 
die  Studienreformproblematik  beherrscht.  Die  Verzogerung  der  Anpas- 
sung  der  Ausbildungs-  und  Priifungsordnungen  an  die  neuen  Qualifika- 
tionsanforderungen  ist  Ausdruck  dieser  Problematik,  deren  Losung  den 
Fachhochschulen  allein  uberlassen  wurde. 


Die  Problematik  resultiert 


1.  aus  dem  Fehlen  von  wissenschaf tlich  fundierten  Ausbi ldungszielen 
und  Qualifikationsanforderungen; 

was  bis  Anfang  der  70er  Jahre  an  Ausbildung  von  Sozialarbeitern  ge- 
leistet  wurde,  beschrankte  sich  im  wesentlichen  auf  die  Vorberei- 
tung  auf  und  die  Einubung  von  beruf spraktischen  Fertigkeiten;  Vor- 
stellungen  von  Prof essionalisierung  waren  noch  im  Anf angsstadium 
und  was  an  wissenschaf tlicher  Fundierung  vorhanden  war,  konnte  noch 
keinen  Anspruch  auf  Tragfahigkeit  erheben, 

2.  aus  den  mangelhaften  For t schri tten  der  Gesamthochschulentwicklung ; 
diese  Voraussetzung  fur  eine  wissenschaf tlich  fundierte  Ausbildung 
von  Sozialarbeitern/Sosialpadagogen  ist  von  der  Kultusbiirokratie  _ 
kaum  irgendwo  realisiert  worden.  Allgemein  wurde  dieser  Plan  mzwi- 


-  5  - 


sehen  begraben.  Damit  ist  klar,  dafl  sowohl  der  AnschluB  an  die  wis- 
senschaf tliche  Forschung  nicht  mehr  erreicht  werden  kann,  und  daB 
die  Studenten  beim  Obergang  in  verwandte  Studiengange  erhohte  Rei- 
bungsverluste  hinzunehmen  haben,  sofern  der  tibergang  iiberhaupt  noch 
moglich  ist. 

3.  aus  der  Anhebung  der  Eingangsvoraussetzungen  und  dem  Verzicht  auf 
einen  Beruf sbildungsabschluB  bzw.  ein  Vorpraktikum; 

die  Folge  war,  daB  immer  weniger  Studenten  bei  Antritt  des  Studiums 
iiber  Beruf serfahrungen  verfugen,  im  Durchschnitt  wesentlich  jiinger 
sind  und  von  ihrem  sozialen  Hintergrund  her  weiter  von  den  Adressaten 
der  Sozialarbeit/Sozialpadagogik  entfernt  sind  als  friihere  Sozial- 
arbeitergenerationen;  das  macht  ihre  schnelle  und  sichere  Orientie- 
rung  in  den  vielen  Arbeitssituationen  im  Bereich  der  Sozialarbeit/ 
Sozialpadagogik  noch  schwieriger,  Fluchttendenzen  nahmen  zu. 
Die  Praxis  ist  zunehmend  mit  Beruf sanfangern  konfrontiert,  die  fur 
sich  keine  langfristige  Perspektive  in  der  staatlichen  oder  verband- 
lichen  Sozialarbeit/Sozialpadagogik  sehen  oder  sehen  wollen. 

4.  aus  einer  mangelnden  Vorbereitung  der  Anstellungstrager  auf  Berufs- 
anfanger,  denen  das  BewuBtsein  von  der  Notwendigkeit  wissenschaf t- 
lich-kritischer  Reflexion  sozialarbeiterischer  Tatigkeit  vermittelt 
wurde,  auch  wenn  sie  diesen  Anspruch  in  der  Regel  nicht  einlosen 
konnten; 

die  dem  wissenschaftlichen  Anspruch  entsprechende  Offnung  der  behord- 
lichen  und  freien  Praxis  der  Sozialarbeit/  Sozialpadagogik  fur 
neue  organisatorische  und  methodi sche  Ansatze  kam  iiber  wenige  Modell- 
versuche  nicht  hinaus  (vergleiche,  Sozialpadagogische  Korrespondenz 
zur  Model lbewegung  und  Info  Sozialarbeit  Nr.  5);  Hoffnungen  auf  die 
Entwicklung  neuer  stadtteilbezogener  Tatigkeitsf elder  und  Berufsbil- 
der  fielen  den  ab  1975  massiv  einsetzenden  SparmaBnahmen  zum  Opfer; 
Reformplane,  wie  in  Berlin  die  sog.  Neustrukturierung  Sozialer  Dien- 
ste,  bleiben  schon  in  der  Planung  auf  bloBe  Verwaltungsrationali- 
sierung  beschrankt  und  im  Gestriipp  biirokratischer  Verf lechtungen  han- 
gen  (Buck/Miiller-Englisch,  im  Sozialmagazin  A/1976). 

Inzwischen  sind  die  Fachhochschulen,  die  in  den  letzten  Jahren  end- 
lich  die  Kapazitaten  fiir  eine  wissenschaftliche  Ausbildung  entwickelt 
und  entsprechende  Studienreformkonzepte  vorgelegt  haben,  von  zwei 
Seiten  unter  Druck  geraten,  wodurch  das  Entwickelte  wieder  zunichte 
gemacht  zu  werden  droht:  Es  sind  dies  einmal  die  allgemeine  hoch- 
schulpolitische  Situation,  die  durch  ein  immer  massiveres  Rollback 
gekennzeichnet  ist  zu  den  Verhaltnissen  von  1968,  und  zum  anderen 
die  berufspolitische  Situation,  die  ebenfalls  zum  Ruckzug  auf  tradi- 
tionelle  Arbeitsf ormen  und  Qualif ikationsanf orderungen  tendiert. 


DIE  HOCHSCHULPOLITISCHE  ENTWICKLUNG 

Die  hochschulpolitische  Situation  wird  gegenwartig  bestimmt  durch 
die  Umsetzung  des  Hochschullehrerurteils  des  Bundesverfassungsge- 
richts  von  1973  gegen  die  Drittelparitat  in  den  Hochschulgremien 
und  durch  das  Bundeshochschulrahmengesetz  vom  26.  Januar  1976,  das 
den  ordentlichen  Professoren  wieder  den  entscheidenden  Einflufi  in 
alien  Hochschulgremien  einraumt,  den  Hochschulzugang  fiir  Unterschichts- 


angehorige  durch  traditionelle  Auslesesysteme  und  Versperrung  des 
2.  Bildungsweges  wieder  drastisch  einschrankt  und  das  Ordnungsrecht 
zur  innerinstitutionellen  MaBregelung  unangepaBten  Verhaltens  von 
Studenten  wieder  verscharft.  Fiir  das  Land  Berlin  liegt  seit  dem  Som- 
mer  1977  der  Entwurf  fiir  ein  entsprechendes  neues  Hochschulgesetz  vor, 
das  sich  insbesondere  auch  in  Bezug  auf  die  Fachhochschulen  durch  Ent- 
politisierung  des  Studiums,  Entdemokratisierung  der  akademischen 
Selbstverwaltung  und  zentralistische  Biirokratisierung  des  Hochschul- 
wesens  negativ  auszeichnet. 

Gait  nach  dem  Fachhochschulgesetz  die  "Vorbereitung  auf  die  Verant- 
wortung  in  einer  freiheit lichen,  demokratischen  Gesellschaf t"  als 
eine  kritische  Aufgabe  der  Hochschule  insgesamt ,  so  hat  es  jetzt  nur 
noch  Ziel  von  Lehre  und  Studium  zu  sein,  die  Studenten  zu  "verant- 
wortlichem  Handeln  in  einem  freiheitlichen,  demokratischen  und  sozia- 
len Rechtsstaat"  zu  befahigen;  bei  jeder  Gelegenheit  wird  die  Ver- 
pflichtung  auf  die  "FDGO"  gefordert.  Dement sprechend  eng  ist  die 
Zielrichtung  des  Ordnungsrechts  aufzufassen  als  Festlegung  auf  das 
Grundgesetz  in  seiner  herrschenden  Interpretation  unter  Verdran- 
gung  jeder  Diskussion  iiber  seine  Weiterentwicklung ;  die  herkommliche 
Immunisierung  der  Wissenschaft  gegen  die  Frage  nach  ihren  politischen 
Implikationen  scheint  hier  wieder  durch  (s.  auch  Verfahren  gegen 
Studenten,die  in  Lehrveranstaltungen  Diskussionen  iiber  hochschulpoli- 
tische Fragen  f orderten) .  Offentliche  Seminarkritik,  mit  der  die  Stu- 
dentenbewegung  1965  in  Berlin  wesentlich  begann,  wird  -  so  kann  man 
sich  vorstellen  -  wieder  AnlaB  zu  Disziplinierungen  werden! 


Das  Mitsprache-  und  Mitentscheidungsrecht  der  Studenten  und 
Mitarbeitern  der  Hochschule  wird  wieder  zugunsten  der  hauptberuf li- 
chen Dozenten  reduziert,   bzw.  vollig  beseitigt.  Die  Fachbereichs- 
rate  (an  der  Fachhochschule  der  Akademische  Senat)  werden  von  18  auf 
15  Mitglieder  verkleinert  durch  Reduzierung  des  Anteils  der  Studen- 
ten von  6  auf  3,  d.h.  von  einem  Drittel  auf  ein  Fiinf  tel ;  der  der  Pro- 
fessoren dagegen  erhbht  sich  von  4/9  auf  eine  absolute  Mehrheit. 
fiber  Fragen  von  Forschung  und  Berufungen  entscheidet  sogar  letztlich 
die  Mehrheit  von  8  Hochschullehrern  allein!  iiber  Berufungslisten  und 
sogar  Erteilung  von  Lehrauftragen  wird  nur  noch  geheim  abgestimmt. 
In  Westberlin  ist  bereits  im  Mai  eine  Anderung  des  Fachhochschulge- 
setzes  vorgenommen  worden,  nach  der  nur  noch  4  Studentenvertreter 
in  den  Akademischen  Senaten  sitzen,  wahrend  sich  die  Zahl  der  Hoch- 
schullehrer  auf  9  erhoht. 

Die  Amtsperiode  aller  anderen  Mitglieder  des  Fachbereichsrat s  auBer 
den  Studenten  wird  auf  drei  Jahre  verlangert.  Das  bedeutet,  daB  eine 
einmal  gewahlte  Professorenmehrheit  kaum  noch  politische  Rucksich- 
ten  zu  nehmen  braucht,  zumal  da  auch  der  bisherige  Wahlmodus,  nach 
dem  Hochschullehrer  und  Lehrbeauf tragte  noch  gemeinsam  ihre  Vertre- 
ter  gewahlt  haben,  abgeschafft  wird;  die  Lehrbeauftragten  und  ande- 
ren Dozenten  (Neuschaf fung  von  Stellen  fiir  "Lehrkrafte  fur  besondere 
(praktische)  Aufgaben")  wahlen  ihre  zwei  Vertreter  allein,  obwohl 
sie  an  vielen  Fachhochschulen  noch  bis  zu  50  %  des  Lehrpersonals 

FUr  die  Reduzierung  des  studentischen  Einflusses  in  den  Entscheidungs- 
gremien  stellt  die  Moglichkeit  der  Uiedereinf iihrung  einer  verfaflten 
Studentenschaft  (die  es  seit  1969  in  Berlin  nur  noch  an  der  PH  gab) 
keine  Entschadigung  dar,  weil  ihre  Aufgaben  srrikt  auf  hocl:Schulpoli- 
tische  und  soziale  Belange  der  Studenten  beschrankt  bleibt.  Sie  kann 
nur  errichtet  werden  durch  2/3  Mehrheitsentscheid  einer  Urabst immung, 
an  der  sich  mindestens  50  %   der  Studenten  beteiligen  miissen.  Danach 


steht  der  AStA  unter  strengster  Aufsicht  des  Rektors  bzw.  des  Wis- 
senschaftssenators,  die  sofort  Ordnungsgelder  gegen  den  AStA  verhan- 
gen,  die  Mittelverwendung  von  Genehmigungen  abhangig  machen  Oder  sie 
sogar  ganz  sperren  konnen,  wenn  sie  meinen,  dafi  sich  der  AStA  nicht 
an  den  vorgeschriebenen  Aufgabenkreis  halt. 

iiberhaupt  wird  die  Stellung  des  Rektors  wesentlich  gestarkt.  Seine 
Abwahl  durch  das  Konzil  ist  nach  dem  Hochschulgesetzentwurf  nicht 
mehr  mdglich.  Unaufschiebbare  Entscheidungen  kann  er  allein  treffen 
und  braucht  sie  nur  nachtraglich  dem  akademischen  Senat  zur  Entschei- 
dung  vorzulegen.  Gegeniiber  der  Studentenschaf t  nimmt  er  selber  die 
Staatsaufsichtsfunktion  wahr.  Weiterhin  wird  die  Staatsauf sicht  des 
Wissenschaf tssenats  wesentlich  erweitert  sowohl  bei  der  Berufung 
von  Hochschullehrern  als  auch  beim  Erlafi  von  Rechtsverordnungen  je- 
der  Art.  Jede  vom  Fachbereichsrat  erlassene  Rechtsvorschrift  bedarf 
der  Zustimmung  des  Senators  und  er  kann  sie  jederzeit  zur  erneuten 
Beratung  und  BeschluBfassung  an  den  Fachbereichsrat  zuriickverweisen, 
wenn  er  Anderungen  fur  erforderlich  halt. 

Insbesondere  in  Bezug  auf  die  Studienordnung  trifft  der  Referenten- 
entwurf  wesentliche  Vorentscheidungen,  die  auf  Straffung  der  Ausbil- 
dung,  Abnehmerorientierung  der  Studieninhalte,  Entpolitisierung  und 
Verstaatlichung  des  Priifungswesens  hinauslaufen. 

Die  Bestatigung  von  Studien-  und  Priifungsordnungen  kann  der  Senator 
aus  jedem  "wichtigen  Grund"  versagen  und  stattdessen  selber  solche 
Ordnungen  erlassen,  sowie  iiberhaupt  durch  Rechtsverordnungen  Grund- 
satze  fiir  Studien-  und  Priifungsordnungen  erlassen.  AuBerdem  kann  er 
Studienreformkommissionen  berufen,  die  bei  staatlichen  Priifungen 
mehrheitlich  mit  Staatsvertretern  besetzt  werden, und  Empfehlungen 
erarbeiten  lassen,  die  vom  Wissenschaf tsenat  auch  jederzeit  durchge- 
setzt  werden  konnen. 

Inhalt  und  Form  des  Studiums  sind  von  den  Hochschulen  "im  Hinblick 
auf  die  Entwicklung  in  Wissenschaft  und  Kunst,  die  Bediirfnisse  der 
beruflichen  Praxis  und  die  notwendigen  Veranderungen  in  der  Berufs- 
welt  zu  iiberpriifen  und  weiterzuentwickeln. "  (§  10)  Die  Abnehmer- 
orientierung wird  noch  deutlicher,  wenn  es  zum  allgemeinen  Ziel  des 
Studiums  erklart  wird,  die  Studenten  "auf  berufliche  Tatigkeiten  vor- 
zubereiten  und  ihnen  die  dafiir  erf orderlichen  fachlichen  Kenntnisse, 
Fahigkeiten  und  Methoden  so  (zu)  vermitteln,  dafi  sie  zu  wissenschaf t- 
licher  Oder  kiinstlerischer  Arbeit,  und  zu  verantwortlichem  Handeln 
in  einem  f reiheitlichen,  demokratischen  und  sozialen  Rechtsstaat  be- 
fahigt  werden."  (§  26) 

Von  gesellschaftlichen  Erfordernissen  als  Kriterien  fiir  die  Studien- 
inhalte, die  sich  nicht  auf  die  Bediirfnisse  der  beruflichen  Praxis 
reduzieren  lassen,  oder  von  wissenschaftlich-kritischem  Denken  als 
Studienziel  ist  nicht  mehr  die  Rede.  Wie  die  Anforderungen  der  be- 
ruflichen Praxis  verstanden  werden,  macht  die  Zusammensetzung  etwa 
der  Studienreformkommissionen  deutlich,  die  nach  dem  Entwurf  iiberwie- 
gend  mit  Vertretern  der  Behordenpraxis  besetzt  sind. 
Im  iibrigen  soil  in  Zukunft  nach  erfolgreichem  Grundstudium  nur  noch 
eine  fachgebundene  Hochschulreife  verliehen  werden  und  iiberhaupt  fur 
Fachhochschulabsolventen  nur  noch  ein  goringer  Prozentsatz  an  NC- 
Studienplatzen  zur  Verfugung  stehen.  Die  Integration  der  Fachhoch- 
schulen  in  die  Universitaten  ist  ad  acta  gelegt.  Das  Studium  zweiter 
Klasse  wird  durch  die  neuerdings  in  Berlin  in  die  Debatte  geworfene 


-  8 


Bildung  einer  Gesamt-Fachhochschule  fiir  die  Zukunft  erneut  zemen- 
tiert. 


DIE  BERUFSPOLITISCHE  SITUATION 

Die  hochschulpolitische  Entwicklung  fallt  zusammen  mit  Vorstofien  vor 
allem  der  kommunalen  Arbeitgeber  gegen  die  Absicht   zur  Verwissen- 
schaftlichung  der  Ausbildung.  Diese  Tendenz  hat  sich  seit  der  Ver- 
schlechterung  der  Arbeitsmarktlage  fiir  Sozialarbeiter/Sozialpadagogen 
seit  etwa  1975/76  laufend  verscharft. 

Bereits  die  Auseinandersetzung  im  Berliner  Bereich  um  die  Frage,  ob 
die  Ausbildung  von  Sozialarbeiter/Sozialpadagoge  in  Zukunft  ein- 
oder  zweiphasig  strukturiert  sein  soil,  war  in  den  Jahren  1973-74 
bereits  gekennzeichnet  durch  den  Vorwurf  einer  angeblich  zu  theoreti- 
schen,  nicht  ausreichend  an  den  Bedurf nissen  der  Praxis  orientierten 
Ausbildung.  Vorgetragen  wurde  dies  durch  die  Amtsleitungen  und  Be- 
hordenspitzen.  Diese  wollten  sich  mit  der  Durchsetzung  der  Zweipha- 
sigkeit  den  ungehinderten  Zugriff  auf  den  entscheidenden  praktischen 
Teil  der  Ausbildung  unmittelbar  vor  der  staatlichen  Anerkennung  si- 
chern.  Es  wurde  die  Befiirchtung  geauBert,  daB  damit  die  wissenschaf t- 
lich-kritische  Fachhochschulausbildung  durch  strikte  Ausrichtung  des 
zweiten,  praktischen  Ausbildungsabschnittes  auf  die  herrschende  Pra- 
xis unter  der  Kontrolle  der  Anstellungstrager  wieder  riickgangig  ge- 
machc  oder  zumindest  ihr  kritisches  Potential  gebrochen  werden  soll- 
te. 

Auf  den  Beschlufi  des  Berliner  Abgeordnetenhauses  im  Dezember  1974  fiir 
die  Zweiphasigkeit  hin  bildete  sich  rasch  ein  Arbeitskreis  der  Aus- 
bildungsleiter  aus  den  Bezirksamtern,  der  fiir  sich  in  Anspruch  nahm, 
die  erforderliche  Fachkompetenz  zur  Ausgestaltung  der  2.  Phase  in 
sich  zu  vereinigen.  Dahinter  stand  die  mehr  oder  weniger  deutlich 
ausgesprochene  Erwartung,  daB  als  Dozenten  fiir  das  geplante  "sozial- 
padagogische  Seminar"  in  erster  Linie  die  Mitglieder  dieses  Arbeits- 
kreises  in  Frage  kamen.  Man  versuchte  sich  durch  Ausarbeitung  von 
Konzepten  zur  Praktikantenbeurteilung  u.a.  zu  qualif izieren. 
Die  Kritik  dieses  Kreises  an  der  gegenwartigen  Ausbildung  deckt  sich 
weitgehend  mit  den  Urteilen  und  Vorurteilen  gegen  die  Verwissenschaft- 
lichung  und  Versachlichung  (um  nicht  zu  sagen  Verweltlichung)  des 
sozialarbeiterischen  Beruf sbildes,  die  aus  der  Entschliefiung  der 
Bundesvereinigung  der  kommunalen  Spitzenverbande  vom  September  1976 
spricht.  Die  Entschliefiung  ist  von  einem  ausgesprochen  konservativen 
Geiste  getragen  und  stellt  den  Versuch  dar,  unter  Mifiachtung  sowohl 
neuerer  wissenschaf tlicher  Erkenntnisse  wie  auch  der  Veranderungen 
in  den  Tatigkeitsfeldern  der  Sozialarbeiter/Sozialpadagogen  in  den 
letzten  10-15  Jahren  die  Ausbildung  wieder  auf  die  traditionelle 
Rolle  der  von  caritativem  Geiste  beseelten-  Sozialverwalter  zuriickzu- 
schrauben.  Nach  dem  Ende  der  Reformphase  sieht  man  bei  den  kommuna- 
len Arbeitgebern  offensichtlich  nicht  die  geringste  Veranlassung 
mehr,  auf  die  mit  der  Bildungsreform  beabsichtigte  Schaffung  der  qua- 
lif ikatorischen  und  strukturellen  Voraussetzungen  fur  eine  tatsach- 
liche  Oberwindung  der  Kontroll-  und  Disziplinierungsfunktion  der  So- 
zialarbeiter/Sozialpadagogen einzugehen. 


Die  von  den  konmunalen  Spitzenverbanden  formulierten  Qualif ikations- 
anforderungen  orientieren  sich  ausschliefilich  an  den  Bereichen  Jugend- 
hilfe,  Sozial-  und  Gesundheitswesen.  Fur  diese  Berufsfelder  ist  die 
gegenwartige  Ausbildung  zu  theoretisch,  die  Fachhochschulabsolven- 
ten  haben  zu  grofie  Anpassungsschwierigkeiten  und  berufliches  Selbst- 
verstandnis  und  Einstellung  zur  Arbeit  entsprechen  nicht  den  gefor- 
derten  "Pflichten,  der  Haltung  und  der  Loyalitat  eines  Mitarbei- 
ters  in  der  kommunalen  Selbstverwaltung. "  Die  "theoretisierende  Ver- 
wissenschaf tlichung"  der  Ausbildung  soil  zurucktreten  hinter  einer 
"moglichst  breit  angelegten  praxisbezogenen  Grundausbildung"  vor 
allem  in  samtlichen  einschlagigen  Rechtsgebieten  und  der  "Gesund- 
heitshilfe". 

Zum  anderen  soil  nach  Meinung  der  Spitzenverbande  auf  der  Entwick- 
lung  der  erforderlichen  "personlichen  Haltung"  des  zukiinftigen  So- 
zialarbeiters/Sozialpadagogen  ein  Schwerpunkt  der  Ausbildung  liegen. 
Was  damit  gemeint  ist,  wird  deutlich,  wenn  u.a.  auf  die  Befahigung 
zur  "Motivierung  ehrenamtlicher  Krafte"  besonderer  Wert  gelegt  wird. 
"Das  setzt  Einfiihlungsvermogen.angemessene  Umgangsf ormen,  Toleranz 
gegenuber  Andersdenkenden.Respekt  vor  dem  ehrenamt lichen  Engagement 
und  das  Vermeiden  von  tiberheblichkeiten  gegenuber  Nicht-Professionel- 
len  voraus"  (Abs.  10),  woran  es  bei  den  jetzigen  Absolventen  anschei- 
nend  durchweg  mangelt.  Man  hat  den  Eindruck,  daB  hier  der  Verlust 
der  naiven  Helferhaltung  durch  wissenschaftsf eindliche  Denkschranken 
und  Auslesemechanismen  riickgangig  gemacht  werden  soil. 

Hinzu  kommt  die  Forderung  nach  Achtung  nicht  nur  der  verfassungsmas- 
sigen  Ordnung  (was  selbstverstandlich  ist),  sondern  auch  der  gesell- 
schaftlichen  Wirklichkeit  in  der  Bundesrepublik"  und  eine  "Grundhal- 
tung  dem  konmunalen  Dienstherren  gegenuber",  die  sich  jeder  Infrage 
stellung  der  Entscheidungen  der  kommunalen  Organe  enthalt. 

Die  EntschlieSung  ist  von  Seiten  der  Fachhochschulen,  Beruf sverban- 
de  und  Fachverbande  auf  vielfaltige  Kritik  gestoBen.  Was  dennoch 
etwa  in  Berlin  in  Bezug  auf  die  Ausgestaltung  der  2.  Ausbildungspha- 
se  geschieht,  bewegt  sich  weitgehend  auf  der  durch  die  konmunalen 
Spitzenverbande  abgesteckten  Ebene. 

Ein  Beschlufi  des  Abgeordnetenhauses  vom  April  1977  forderte  noch  rela- 
tiv  of fen  zur  Herstellung  eines  engen  Theorie-Praxisverbundes  auf _ 
und  bezeichnete  die  Ausgestaltung  der  2.  Phase  noch  als  eine  gemein- 
same  Aufgabe  von  Fachhochschulen  und  Praxisstellen,  bzw.  Anstel- 
lungstragern.  Vor  kurzem  jedoch  sind  erstmals  Gesetzentwiirf  e  zur 
Neuregelung  der  staatlichen  Anerkennung  bekanntgeworden,  die  voll- 
standig  auf  das  Zugriff sinteresse  der  Fachverwaltungen  ausgerichtet 
sind.  Die  damaligen  Befiirchtungen  gegen  die  Zweiphasigkeit  werden 
voll  bestatigt. 

Bezeichnend  ist  zunachst,  dafi  der  Gesetzentwurf,  fur  den  die  Senats- 
verwaltung  fiir  Jugend  und  Sport  federfUhrend  ist,  schon  gar  nicht 
mehr  mit  den  Ausbildungsstatten,  sondern  nur  noch  im  Kreise  der  be- 
troffenen  Fachverwaltungen  diskutiert  wird.  Nach  dem  Entwurf  soil 
ein  sozialpadagogisches  Fachseminar  eingerichtet  werden,  das  geeig- 
nete  Praktikantenstellen  auswahlt,  an  die  Beruf spraktikanten  vermit- 
telt  und  diesen  im  Anerkennungsjahr  an  38  Tagen  seminaristischen^ 
Unterricht  erteilt,  der  der  Erweiterung  und  Vertiefung  der  fiir  die 
Tatigkeit  in  einem  Praxisfeld  notwendigen  fachlichen  Kenntnisse  und 


10 


der  Einiibung  der  erforderlichen  methodischen  Fertigkeiten  dient.  Vom 
Umgang  mit  und  der  Anwendung  von  theoretisch  wissenschaf tlichen  Kennt- 
nissen  und  Methoden  ist  schon  gar  nicht  mehr  die  Rede. 
Der  Unterricht  soil  entsprechend  von  Fachseminarleitern  und  Honorar- 
dozenten  abgehalten  werden,  die  sich  nach  vorliegenden  Informationen 
vorzugsweise  aus  dem  Kreis  der  Ausbildungsleiter  der  Bezirke,  d.h. 
"in  der  praktischen  Arbeit  stehenden,  erfahrenen,  staatlich  anerkann- 
ten  Sozialarbeitern/Sozialpadagogen"  rekrutieren,  wie  es  in  einem 
CDU-Entwurf  heiBt,  wahrend  wissenschaf tliche  Ref lexionsfahigkeit 
oder  Qualif ikation  nicht  vorausgesetzt  werden. 

Den  Fachseminaren  ist  ein  11-kopfiger  Beirat  unter  Vorsitz  eines 
Vertreters  des  Senators  fiir  Jugend  und  Sport  beigegeben,  der  die 
iibrigen  Mitglieder  als  Vertreter  der  Wohlfahrtsverbande,  der  Jugend- 
verbande,  der  Fachhochschulen  und  der  Beruf spraktikanten  auf  Vor- 
schlag  beruf t. 

Fiir  die  staatliche  Anerkennung  haben  die  Beruf  spraktikanten  den 
regelmafiigen  Besuch  der  Seminare  nachzuweisen,  fiir  jedes  Vierteljahr 
einen  Erfahrungsbericht  vorzulegen  und  aufierdem  werden  von  den  Praxis- 
stellen Berichte  eingeholt. 

Eine  positive  Beurteilung  dieser  Berichte  ist  Voraussetzung  fiir  die 
Zulassung  zum  AbschluBkolloqium  in  dem  der  Beruf spraktikant  erkennen 
lassen  mufi,  daB  er  "  zur  selbstandigen 

und  verantwortlichen  Wahrnehmung  von  Aufgaben  der  Sozialarbeiter/ 
Sozialpadagogen  befahigt  ist."  (Die  CDU  fordert  noch  zusatzlich  eine 
schriftliche  Klausur!)  Die  Fahigkeit  zu  wissenschaf tlicher  Analyse 
sozialer  Problemsituationen,  die  Fahigkeit,  neue  Entwicklungen  und 
Probleme  im  Bereich  der  sozialen  Arbeit  zu  verfolgen  und  zu  verstehen 
und  neue  Aufgaben  auf  dem  Hintergrund  theoretischer  Kenntnisse  zu  be- 
waltigen,  sind  nicht  mehr  gef ragt . 

Dber  das  Vorliegen  der  geforderten  Befahigung  entscheidet  eine 
4-kopfige  Priifungskommission  unter  Vorsitz  eines  Vertreters  der  Fach- 
verwaltungen, der  aufierdem  eine  Lehrkraft  des  Sozialpadagogischen 
Seminars,  eine  Lehrkraft  einer  Fachhochschule  und  ein  Vertreter 
eines  Bezirksamtes  oder  eines  Wohlfahrtsverbandes  angehoren.  Ein  ge- 
wahlter  Vertreter  der  Beruf  spraktikanten  kann  der  Priifung  beiwohnen. 
Auch  wenn  diese  Priifungen  alle  mit  Erfolg  durchlaufen  sind,  kann 
die  Staatliche  Anerkennung  immer  noch  aufgrund  korperlicher  oder 
geistiger  Mangel,  aufgrund  einer  relevanten  strafrechtlichen  Verur- 
teilung  oder  sonstiger  "Unzuverlassigkeit  in  Bezug  auf  die  Berufs- 
ausubung"  verweigert  oder  noch  jederzeit  nachtraglich  entzogen  werden! 
Man  kann  den  Eindruck  gewinnen,  daB  letztlich  die  politische  und 
fachliche  Zuverlassigkeit  zum  Priifungsziel  erhoben  werden  soil. 
Wenige  Wochen  nach  Veroffentlichung  des  Gesetzentwurf es  im  Januar  1978 
waren  die  Fachhochschulen,  Verbande  und  Gewerkschaf ten  zur  Stellung- 
nahme  aufgefordert.  Danach  sah  es  einige  Zeit  so  aus,  als  wurde  der 
Entwurf  am  Widerstand  des  Wissenschaf tssenators  scheitern. 
Inzwischen  hat  man  sich  jedoch  auf  kleine  kosmetische  Veranderungen 
einigt.  Nocn  vor  ,jer  Sommerpause  soil  das  Gesetz  das  Abgeordneten- 

haus  passieren. 

Soll'te  dies  wahr  werden,  ware  dem  behordlichen  Arbeitgeber  jedes 
Mittel  an  die  Hand  gegeben,  unbotmafiiges  Verhalten  (wie  es  schon  in 
der  EntschlieBung  der  Spitzenverbande  ausgesprochen  wird)  zum  Anlafi 
von  Sanktionen  zu  machen  bis  hin  zu  einem  rein  fachlich  begrundeten 
Beruf sverbot! 


11  - 


DIE  AUSBILDUNGSREFORMENTW1CKLUNG  AN  DER  FHSS 

Unter  diesen  Bedingungen  hat  die  staatliche  Fachhochschule  eine  Aus- 
bildungsordnung  fur  die  1.  Phase  konzipiert,  die  im  Sommer  1977  vom 
Akademischen  Senat  verabschiedet  und  dem  Senator  zugeleitet  wurde. 
Die  ersten  Reaktionen  waren  erschiitternd.  -  Es  war  nicht  damit  zu 
rechnen,  dafi  der  Entwurf  reibungslos  akzeptiert  wurde,  zumal  da  dieser 
bisher  kaum  Konzessionen  etwa  an  die  Vorstellungen  der  kommunalen 
Arbeitgeber  enthalt. 

Bezeichnend  fur  den  vorgelegten  Entwurf  ist  die  enge  Verkniipfung 
zwischen  theoretischer  und  praktischer  Ausbildung,  die  Beseitigung 
des  sog.  Fachersalats  und  die  Einrichtung  eines  Projekts,  das  der 
intensiven  theoretischen  und  praktischen  Durchdringung  eines  Praxis- 
feldes  dient. 

Im  Einzelnen  ist  im  ersten  Semester  ein  Einfuhrungspraktikum  (Hospi- 
tation)  vorgesehen,  das  im  Zusammenhang  mit  einer  umfangreichen 
Lehrveranstaltung  zur  Einfuhrung  in  Geschichte  und  Funktion  der  So- 
zialarbeit/Sozialpadagogik  der  praktischen  und  historisch-wissen- 
schaftlichen  Fundierung  der  gesamten  Ausbildung  dient.  Daneben  fin- 
den  in  den  ersten  drei  Semestern  weitere  i   Lehrveranstaltungen 
zur  Sozialstruktur  der  BRD, 
zur  Sozialisationstheorie, 
zur  politischen  Okonomie, 

zur  Einfuhrung  in  das  BSHG  bzw.  Jugendrecht, 
zur  Sozialmedizin 

und  im  Bereich  der  padagogischen  Medien  statt. 

Das  Hauptstudium  soil  sich  urn  das  Projekt  im  Umfang  von  8  Semester- 
wochenstunden  und  3  Monaten  Praktikum  gruppieren.  Fur  juristische 
Lehrveranstaltungen  sind  im  5.  und  6.  Semester  insgesamt  24  Semester- 
wochenstunden  vorgesehen;  daneben  stehen  Einfiihrungen  in  Verwaltungs- 
strukturen  und  die  dienstrechtliche  Situation  des  Sozialarbeiters/ 
Sozialpadagogen. 

Gegen  das  gesellschaftswissenschaf tliche  Grundstudium  werden  vom 
Senator  fiir  Wissenschaft  und  Forschung  Einwande  vorgebracht,  die 
eine  Vernachlassigung  der  methodischen  und  psychosozialen  Ausbildung 
bemangeln.  Es  wird  behauptet,  daB  die  klassischen  Methoden  in  der 
Praxis  wieder  zunehmend  Bedeutung  gewinnen.  Oberhaupt  muB  die  be- 
rufspraktische  Ausrichtung  auch  schon  im  Grundstudium  deutlich  wer- 
den. Dazu  ist  mehr  Unterricht  in  den  einschlagigen  Rechtsgebieten, 
in  Sozialmedizin  sowie  Wissenschaf tstheorie  und  Statistik  erforder- 
lich. 

Mit  einem  Einfuhrungspraktikum  im  ersten  Semester  ist  der  Senator 
einverstanden.  Allerdings  erscheint  es  ihm  notwendig,  daB  dies  nicht 
iiber  zwei  Monate  parallel  zum  theoretischen  Unterricht  an  zwei  Tagen 
pro  Woche  stattfindet,  sondern  im  Block  und  mindestens  zur  Halfte  in 
der  vorlesungsfreien  Zeit.  Das  bedeutet,  daB  die  theoretische  Be- 
gleitung  und  Aufarbeitung  der  praktischen  Erfahrungen  und  Fruchtbar- 
machung  fiir  den  theoretischen  Unterricht  verunmoglicht  wird.  Ob 
hier  noch  der  Theorie-Praxis-V  e  r  b  u  n  d  ernstgenommen  wird,  er- 
scheint fraglich. 

Eine  ahnliche  Beurteilung  erfahrt  die  Konzipierung  des  Projekts.  Es 
wird  in  Frage  gestellt,  ob  die  geplante  Begleitung  der  Praktikan- 
ten  wiihrend  des  Projektpraktikums  nicht  eine  zu  hohe  Belastung  fiir 
die  Praxis  mitsichbringt.  Projekt  und  Praktikum  sollen  so  konzipiert 


-  12 


werden,  daB  sie  auch  vollig  getrennt  von  einander  ablaufen  konnen. 
Welche  Praxisstelle  sich  dann  noch  veranlafit  seheu  soil,  die  Dozenten 
zu  Arbeitsbesprechungen  zuzulassen  oder  die  Anleiter  im  theoreti- 
schen Unterricht  mitwirken  zu  lassen,  wird  fraglich.  Uberhaupt  meint 
der  Senator,  daB  8  Semesterwochenstunden  zur  Verfiigung  des  Projekts 
(2-3  Dozenten  mit  ca.  10  Studenten)  zu  viel  unkontrollierbaren  Frei- 
raum  bietet. 

Was  die  Priifungen  anbetrifft,  so  besteht  der  Senator  auf  differen- 
zierter  Benotung  und  Einzelleistungen.  Fiir  das  Grundstudium  werden 
fiinf  Leistungsscheine  verlangt,  fiir  die  entweder  langere  schriftli- 
che  Einzelarbeiten  oder  je  zwei  Klausuren  zu  erbringen  sind.  Seiner 
Vorstellung  nach  sind  im  Grundstudium  (wie  bisher)  12  verschiedene 
Fachgebiete  abzudecken,  was  eine  Gesamtbelastung  von  26  Wochenstun- 
den  in  j edem  Semester  bedeutet. 

Fiir  das  Hauptstudium  sind  ein  schrif tlicher  Bericht  iiber  das  Block- 
praktikum,  ein  schrif  tlicher  Bericht  iiber  das  Methodenpraktikum, 
eine  Fallklausur  im  Praxisseminar ,  eine  umfangreiche  Hausarbeit  im 
Vertiefungsgebiet  und  2  Leistungsscheine  in  Wahlfachern  vorgeschrie- 
ben  fiir  die  Zulassung  zur  AbschluBpriifung.  Diese  besteht  aus  einer 
Fallklausur  und  einer  miindlichen  Priifung.  Die  Klausurauf gabe  wird 
bei  den  Fachverwaltungen  ausgearbeitet.  Der  PriifungsausschuB  ist  zur 
Halfte  mit  Dozenten  der  Fachhochschule,  zur  anderen  Halfte  mit  Ver- 
tretern  der  Senatsfachverwaltungen  besetzt ;  aus  letzteren  wird  vom 
Wissenschaf tssenator  ein  Vorsitzender  bestimmt,  dessen  Stimme  bei 
Stimmengleichheit  den  Ausschlag  gibt. 

Diese  Stellungnahme  des  Wissenschaf tssenats  erscheint  noch  relativ 
gemaBigt  gegeniiber  der  der  Fachverwaltungen  und  der  Ausbildungslei- 
ter  der  Bezirke.  Wenn  nicht  die  in  dem  Ausbildungsref ormentwurf 
zum  Ausdruck  gebrachte  Absicht,  individuelle  Problemlagen  in  ihrem 
sozialen  Zusammenhang  zu  analysieren,  gleich  als  Linkslastigkeit  de- 
nunziert  wird,  dann  werden  mindestens  gegen  die  enge  Verbindung  von 
Praktika  und  Lehrveranstaltungen  so  massive  Widerstande  formuliert, 
das  man  sich  fragt,  ob  die  Praxis  allein  das  Ausbildungsmonopol  fiir 
sich  beanspruchen  will. 

Von  dem  Ausbilderkreis  der  Bezirke  wurde  der  Entwurf  in  einer  andert- 
halbseitigen  Stellungnahme  rundweg  abgelehnt.  Vor  allem  gegen  die 
Hospitation  im  ersten  Semester  wird  mit  einer  angeblichen  ttberla- 
stung  der  Praxis  argumentiert,  obwohl  die  zeitliche  Belastung  mit  Prak- 
tika gegeniiber  den  jetzigen  Verhaltnissen  eindeutig  um  mindestens  zwei 
Drittel  geringer  ist.  Man  gewinnt  den  Eindruck,  dafi  jeder  Einblick  der 
Studenten  in  die  Praxis  abgelehnt  wird,  so  lange  dieser  nicht  gleich 
mit  bestimmten  Aufgaben  des  Praktikanten  und  Zielen  der  Anleitung 
verbunden  ist,  die  sich  zu  einer  Beurteilung  der  Fahigkeiten  und  der 
Eignung  des  Studenten  fiir  den  Sozialarbeiterberuf  verwenden  lassen. 
Es  wird  im  Grunde  an  der  bisherigen  Regelung  f estgehalten,  die  regel- 
maBig  zu  uen  leidigen  Frustrationen  auf  beiden  Seiten  gefuhrt  hat. 
DaB  diese  Unertraglichkeiten  ihre  Ursachen  vor  allem  in  der  mangeln- 
den  theoretischen  Vorbereitung  und  Anleitung  der  Praktikanten  und 
der  fehlenden  Reflexion  und  Aufarbeitung  ihrer  Erfahrungen  gehabt 
haben  -  was  gerade  durch  die  neue  Ausbildungsordnung  behoben  werden 
soil  -  will  man  nicht  wahr  haben.  Es  hat  den  Anschein,  daB  es  den 
Behordenleitungen  lediglich  um  einen  starkeren  Zugriff  auf  die  Prak- 
tikanten durch  verbindliche  Praxisbeurteilungen  ankommt  und  ihr  das 

-  13  - 


theoretische  Wissen  der  Studenteti  gleichgiiltig  ist,  wenn  sie  nur 
die  notigen  Rechtskenntnisse  mitbringen. 

DaB  sich  die  FHSS  in  dieser  Situation  mit  einer  kurzen  Darstellung 
ihrer  Ausbildungsreformabsichten  an  die  Sozialarbeiter  in  der  Praxis 
wandte,  wird  bei  den  Behordenleitungen  "beim  gegenwartigen  Stand 
des  Verfahrens"  "mit  Befremden"  zur  Kenntnis  genommen.  Diskussions- 
angebote  der  Fachhochschule  werden  von  dieser  Seite  (vor  einer  Be- 
statigung  der  Ausbildungsordnung  durch  den  Senator)  rundweg  abge- 
lehnt.  Sogar  in  den  Bezirksamtern  herrschen  z.T.  erhebliche  Wider- 
stande  gegen  GesprSche  uber  Ausbildungsf ragen.  Die  Weigerung  der 
offiziellen  "Praxis",  sich  inhaltlich  mit  der  Fachhochschule  uber 
die  Ausbildungsreform  auseinanderzusetzen,  geht  z.T.  sogar  so  weit,^ 
daB  in  einzelnen  Bezirksamtern  den  llochschullchrern  der  FHSS  das  Be- 
treten  der  Amtsraume  untersagt  wird. 

Der  Versuch,  mit  dera  gesetzlichen  Auftrag  der  Fachhochschulen  ernst 
zu  machen  und  eine  Verbindung  von  wissenschaf tlicher  und  praktischer 
Ausbildung  zu  realisieren,  scheitert  in  dem  Moment,  wo  es  sich  zeigt, 
daB  eine  wissenschaf tlich-kritische  Einstellung  zur  Arbeit  die  ge 
sellschaftliche  Funktion  der  Sozialarbeit/Sozialpadagogik  m  Gefahr 

Die  Helferideologie  ist  eine  notwendige  Voraussetzung  fur  die  Erf 31- 
lung  des  gesellschaftlichen  Auftrags  der  Sozialarbeit /Sozialpadagogik, 
eine  niichtern-sachliche  Einstellung  ist  ihr  inadaquat. 
Dies  wird  deutlich  vor  allem  in  dem  Moment,  wo  nach  dem  Ende  einer^ 
Prosperitats-  und  Ref ormperiodc  die  Kontroll-  und  nisziplimerungs 
funktion  der  Sozialarbeit  wieder  in  den  Vordergrund  drangt . 


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REFORMPOSITIONEN  WERDEN  RECHTSWIDRIG  - 
WAS  WIRD  AUS  DER  REFORM  DER  PROFUNGEN 
NACH  DEN  HOCHSCHULGESETZEN? 


Studienref orm  ist  immer  zugleich  Priif  ungsreform  - 

dieser  Allerweltssatz  heiBt  auch:  Wo  rechtliche  Grenzen  fur  die  Ver- 
anderung  von  Priifungen  in  Form  und  Inhalt  gesetzt  werden,  werden 
auch  die  Moglichkeiten  einer  Studienref orm  eingeschrankt . 
Forderungen  zur  Priif  ungsreform,  die  noch  vor  wenigen  Jahren  zumin- 
dest  teilweise  in  einigen  Priif  ungsordnungen  realisiert  wurden ,  sind 
durch  Interpretationen  der  Verfassung,  durch  das  Hochschulrahmenge- 
setz  und  zuletzt  durch  Landeshochschulgesetze  zu  Forderungen  "gegen 
das  geltende  Recht"  geworden  und  damit  aus  der  offiziellen  aktuellen 
Diskussion  eliminiert.  Dies  ist  eine  Seite  der  "Verrechtlichung"  von 
Priifungen  an  Hochschulen  in  den  letzten  6  Jahren;  die  andere  Seite 
der  zunehmenden  rechtlichen  Normierung  von  Priifungen  ist  eine  ver- 
starkte  Kontrollierbarkeit  und  Vorhersehbarkeit  von  Priifungen  -  und 
damit  auch  Verwirklichung  einer  bestimmten  Dimension  von  Priifungs- 
reformforderungen. 

Ich  will  in  diesem  Aufsatz  an  die  Grundf orderungen  zur  Priifungsre- 
form  erimiern  und  fragen,  in  welcher  Weise  die  Hoehschulgesetze  - 
vom  ersten  Entwurf  eines  Hochschulrahmengesetzes  1970  bis  hin  zum 
Niedersachsischen  Hochschulgesetz,  das  in  diesen  Tagen  verabschiedet 
wird  -  auf  diese  Forderungen  eingegangen  sind. 


1 .  WO  TRADITION  HERRSCHT,  BRAUCHT  MAN  KEINE  GESETZE 

Priifungen  sind  ohne  Gesetze,  ja  ohne  Priifungsordnungen  moglich  und 
auch  praktiziert  worden,  solange  die  Autoritat  der  Priifenden  aner- 
kannt  sowie  Verfahren  und  Inhalte  hinreichend  durch  Tradition  be- 
st immt  war en. 

An  Hochschulen  gab  es  vorwiegend  zwei  Arten  von  Priifungen  (wenn  man 
einmal  kirchliche  Priifungen  auBer  acht  laflt):  Staatspriifungen  fiir 
Arzte  Juristen,  Lehrer  u.a.  sowie  Hochschulpriifungen  wie  Promotion, 
Habilitation  und  in  den  letzten  Jahren  zunehmend  die  Diplom-Priif ung. 
Staatspriifungen  sollten  die  Allgemeinheit  vor  unfahigen  Kurpfu- 
schern  und  Winkeladvokaten  sichern,  gleichzeitig  aber  auch  fiir  die 
Loyalitat  des  Nachwuchses  in  "staatstragenden"  Amtern  sowohl  gegen- 
iiber  dem  Staat  als  auch  gegeniiber  dem  jeweiligen  Berufsstand  sorgen. 
Sie  wurden  von  staatlichen  Prufungsamtern  abgenommen,  so  daB  Prii- 
fungsinhalte  wie  z.T.  auch  Priif er  von  auBerhalb  der  Hochschule 
festgesetzt  werden  konnten.  Dieses  Priif ungssystem  hatte  z.B.  bei  den 
Juristen  die  Folge,  daB  sie  weniger  an  den  Hochschulveranstaltungen 
selbst  teilnehmen  muBten,  um  sich  fiir  die  Prufung  zu  qualif izieren, 
sondern  sich  bei  privaten  gut  bezahlten  Repetitoren  fur  die  Prufung 
fit  machen  lieBen. 

In  Hochschulpriifungen  erwarb  man  "akademische  Grade",  die  einerseits 


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den  Aufstieg  innerhalb  des  Hochschullehrkorpers  ermoglichten  (insb. 
Promotion  und  Habilitation)  andererseits  vom  Staat  oder  privacen 
Arbeitgebern  als  Qualif ikationsnachweis  gefordert  wurden. 
Fiir  die  "klassische"  Hochschulpriifung,  die  Promotion,  gab  es  nur 
geringfiigige  formale  Voraussetzungen  (erst  in  den  letzten  Jahre  n 
wird  in  der  Regel  ein  vorheriges  Diplom  oder  Staatsexamen  gefordert): 
Abitur  mufite  man  haben,  Latein  sprechen  und  i.d.R.  mindestens  8  Se- 
mester studiert  haben.  Der  Besuch  von  bestimmten  Veranstaltungen, 
studienbegleitende  Leistungsnachweise  oder  eine  Vorpriifung  wurden 
nicht  verlangt. 

Dieser  "Freiheit  des  Studiums"  stand  aber  die  Tatsache  gegeniiber, 
dafl  eine  Promotion  nur  dann  durchgefiihrt  wurde,  wenn  ein  "Doktor- 
vater"  dazu  bereit  war.  Dafiir  war  eine  informelle  Stufenleiter  zu 
durchlaufen,  in  der  man  iiber  Proseminare  und  Ubungen  -  die  vom 
Assistenten  im  "Auftrag"  des  Professors  gehalten  wurden  -  zu  Haupt- 
und  Oberseminaren  vordrang  und  nun  endlich  die  Moglichkeit  hatte, 
dem  kiinf tigen  Doktorvater  positiv  aufzufallen  und  sich  seiner  Vater- 
schaft  als  wiirdig  zu  erweisen  -  es  sei  denn,  man  hatte  personliche 
oder  zum  Beispiel  Uber  schlagende  Verbindungen  vermittelte  Bezie- 
hungen. 

Die  fehlende  rechtliche  Normierung  bedeutete  fiir  den  Kandidaten 
Entfaltungsfreiheit,  der  sich  des  Wohlwollens  seines  Priifers  sicher 
war;  zugleich  zwang  sie  die  Studenten  zur  Unterwerfung  unter  die 
Willkiir  des  Dozenten. 

Ahnliches  gilt  fiir  die  miindlichen  Priifungen,  deren  Verfahren  zumeist 
nicht  in  Prufungsordnungen  fixiert  war;  sie  konnten  haufig  im  Dienst- 
zimmer  des  Professors  ohne  Protokoll  oder  Beisitzer  abgenonimen  wer- 
den. 

Diplom-Priifungen  gab  es  ursprunglich  in  erster  Linie  an  Technischen 
Hochschulen,  die  nicht  als  "echte"  Hochschulen  gaiter.  Sie  waren 
friihzeitig  starker  normiert  und  hatten  ein  Studium  zur  Grundlage, 
das  eher  an  Schulsituationen  als  an  die  "Freiheit  des  Studiums"  an 
der  klassischen  deutschen  Universitat  erinnerte.  Die  Ausdehnung  des 
Hochschulbereichs  auf  andere  als  die  klassischen  Disziplinen,  die 
Expansion  der  Studentenzahlen  und  der  damit  verbundene  soziale  Struk- 
turwandel  der  Studentenschaf t  machte  die  Universitat  zunehmend  von 
einer  Statte  "freier  Forschung  und  Lehre"  zu  einer  Ausbildungsinsti- 
tution  fiir  einen  relativ  breiten  Bereich  des  Arbeitsmarktes.  Damit 
drangen  Diplom-Priifungen  zunehmend  in  den  Hochschulbereich  em: 
Das  Diplom  sollte  dem  Arbeitgeber  eine  nachweisbare  und  vergleichba- 
re  Qualif ikation  der  ihm  angebotenen  Ware  Arbeitskraft  ausweisen. 
In  diesem  Funktionswandel  der  Hochschule  diirfte  eine  wesentliche 
Ursache  des  Prozesses  der  "Verrechtlichung"  von  Priifungen  zu  sehen 
sein. 


2.  FORDERUNGEN  ZUR  PRCFUNGSREFORM 


In  den  5oer  Jahren  schalten  sich  f olgendePositionen  zur  Veranderung 
von  Priifungen  heraus  (I): 

-  Angleichung  von  Prufungsordnungen  und  Anstellungsbedingungen 

-  Grundsatz:  wer  lehrt  -  der  priift 

-  Entlastung  der  Priifungsplane  von  Faktenwissen  zugunsten  der  Er- 
kenntnis  von  Zusammenhangen. 

Der  Forderung  nach  Prufungsverscbarfung  mit  dem  Ziel  der  Aus- 
sonderung  der  Ungeeigneten  stehen 


die  Gruppierungen  -  je  nach  politischer  Zielsetzung  -  uneinheitlich 
gegeniiber:       Die  WRK  fordert  1958  Zwischenpriifungen  "mit  voller 
Scharfe",  weil  das  Honnefer  Modell  (Vorlaufer  fiir  BaFoG)  es  ermog- 
liche,  keine  Riicksicht  mehr  auf  die  soziale  Situation  des  Studenten 
zu  nehmen;  der  SDS  dagegen  sieht  z.B.  1953  die  Einfiihrung  des  Stu- 
dienhonorars  als  Voraussetzung  fiir  zusatzliche  Priifungsanf orderungen 
an.  Forderungen  nach  Kontrollierbarkeit  habe  ich  lediglich  beim  Libe- 
ralen  Studentenbund  1956  gefunden;  nach  seiner  Erklarung  sollen  mog- 
lichst  alle  Priifungen  bffentlich  sein,  es  soil  Beschwerdeinstanzen 
und  Beisitzer  in  den  Priifungen  geben. 

In  den  60er  Jahren  werden  solche  Forderungen  nach  Kontrolle  und 
Rechtssicherheit  im  Zuge  der  Umstrukturierung  der  Hochschulen  und 
aufgrund  der  Diskussionen  der  Studentenbewegung  nahezu  Allgemeingut: 

•  Die  Gottinger  Rektorenerklarung  beispielsweise  fordert  1968: 
"Priifungen  finden  in  formlicher  Ordnung  statt;  Verfahren  und  Anf or- 
derungen miissen  bekannt  sein;  Kommissionen  sichern  die  Ordnung  des 
Verfahrens  und  die  Angemessenheit  der  Anspriiche". 

•  Die  Kultusministerkonferenz  1968:  "Der  Friif ungsvorgang  soil  be- 
schrankt  offentlich  sein  und  nach  dem  Kollegialprinzip  erfolgen." 

(2) 

f  Ein  BeschluS  des  Verbandes  Deutscher  Studentenschaften  vom  Marz 
1968  stellt  statt  der  Rechtskontrolle  die  unmittelbare  Kontrolle 
durch  Of f entlichkeit  in  den  Mittelpunkt  (3): 

"Das  System  der  heutigen  Priifungen  an  den  Hochschulen  verstarkt 
das  Autorita'tsverhaltnis  zwischen  Priifenden  und  Studenten,  indem  es 
den  Priifern  -  in  der  Regel  Professoren  -  die  Moglichkeit  gibt,  in 
Examenspriifungen  relativ  unabhangig  und  ohne  dffentliche  Kontrolle 
uber  Priifungsbewertung  und  damit  Berufswege  und  -moglichkeiten  der 
Studenten  zu  entscheiden.  ...  Die  iibergroSe  Abhangigkeit  der  Studen- 
ten vom  Wohlwollen  der  Priifer  hindert  die  Studenten  daran,  selbst 
berechtigte  Kritik  zu  iiben  oder  offentlich  gegen  als  ungerecht  em- 
pfundene  HaBnahmen  der  Universitat  auf zutreten. " 
Daraus  werden  folgende  Vorschlage  abgeleitet: 

"1.  Die  prinzipielle  universitats-interne  Of fentlichkeit  aller  Prii- 
fungen 

2.  Freie  Wahl  der  Priifer  aus  dem  Kreis  der  Lehrenden 

3.  Die  schriftliche  Begriindung  der  Bewertung  und  ihre  Verbffentli- 
chung  gemeinsam  mit  der  Arbeit  zur  allgemeinen  Kontrolle 

4.  Einspruchsmoglichkeiten  des  Kandidaten  und  der  Beisitzer  gegen 
Durchfiihrung  und  Bewertung  der  Priifung". 

Wenn  vom  VDS  daruberhinaus  gefordert  wird,  dafi  einer  von  zwei  Bei- 
sitzern  Student  ist  und  ein  paritatisches  Appellationsgremium  iiber 
Einspniche  entscheidet,  so  geht  es  hierbei  nicht  nur  um  Kontrolle, 
sondern  um  Aufhebung  der  Alleinherrschaf t  der  Prufenden  uber  die  Ge- 
priif  ten. 

Zusammenfassend  lassen  sich  folgende  Dimensionen  in  den  Forderungen 
herausschalen: 

•  Abbau  von  Angst  und  Willkiir  durch  Rechtssicherheit  und  Kontrolle 

•  Das  Studium  soil  die  Priifung  bestimmen,  nicht  umgekehrt 

•  Priifungen  sollen  die  Konkurrenzfahigkeit  auf  dem  Arbeitsmarkt 
sichern  (Gleichwertigkeit  der  Abschliisse,  Steigerung  des  Niveaus) 

•  Herrschaft  durch  Priifungen  soil  abgebaut  werden  (Mitbestimmung) . 

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Dabei  soil  an  dieser  Stelle  offen  gehalten  werden,  ob  diese  Dimen— 
sionen  bruchlos  miteinander  vereinbar  sind. 


3.  DAS  BEISPIEL:  BREMER  JURISTENAUSBILDUNG 

Ein  weitgehend  gcschlossenes  Konzept  der  Priif ungsref orm  stellt  das 
Bremische  Juristenausbildungsgesetz  von  1973  dar  (4).  Die  Grundzuge 
der  intendierten  Priifungsref  orm  stelle  ich  anhand  der  Darstellung  von 
Huchting  (5)  vor : 

Ausgangspunkt  des  Reformkonzepts  ist  die  Kritik  am  "System  der  punk- 
tuellen,  nach  Notenskala  bewertenden,  Wissen  eines  einzelnen  abfra- 
genden  Priifungen  ohne  Ausbildungswert . "  (Huchting,  S.  175)  Die  Gren- 
ze  der  Reformierung  wird  in  der  Herrschaf tsfunktion  von  Priifungen 
gesehen,  die  nicht  aufgehoben  werden  konne ;  es  ginge  lediglich  um 
Verbesserungen  und  Erleichterungen.  Die  konsequente  Losung,  die  Ab- 
schaffung  der  Priifung,  wird  abgelehnt,  da  dadurch  der  Beruf seingangs- 
priifung  Tor  und  Tiir  geoffnet  waren  und  so  die  Abnehmer  faktisch  iiber 
die  Inhalte  allein  bestimmen  kbnnten.  Stattdessen  wird  gefordert: 

(1)  Bewertung  mit  bestanden/nicht  bestanden. 

Eine  zuverlassige  Messung  von  Leistung  ist  nicht  moglich,  die 
heute  vergebenen  Noten  haben  keinen  Informationsgehalt ;  statt 
der  Noten  soil  dem  Zeugnis  ein  Nachweisheft  beigegeben  werden, 
mit  dem  der  Abnehmer  iiber  die  Arbeitsschwerpunkte  des  Absolven- 
ten  unterrichtet  wird. 

(2)  Abschichtung  der  Priifung  durch  ausbildungsbegleitende  Leistungs- 
nachweise.  Die  punktuellen  Priifungen  sollen  aufgelost  werden 
durch  ausbildungsbegleitende  Leistungsnachweise.  Dies  ist  im 
Juristenausbildungsgesetz  nur  teilweise  verwirklicht .  Das  Ziel 
ist  der  Abbau  einer  alles  entscheidenden  Priifung,  Einbettung  der 
Priifung  in  die  Ausbildung  und  damit  Verhinderung  einer  Zerglie- 
derung  der  Ausbildung  in  Lernen  und  Priifungsvorbereitung. 

Die  Formen  der  Leistungsnachweise  werden  nicht  abschliefiend  im 
Gesetz  aufgezahlt,  sondern  sollen  aus  den  Ausbildungsveranstal- 
tungen  neu  entstehen  konnen.  Da  sich  der  Student  in  der  gewohnten 
Umgebung  befindet  (Arbeitsgruppe)  und  nicht  in  einer  Ausnahmesi- 
tuation,  sondern  einer  normalen  Arbeitssituation  seine  Leistung 
erbringt,  sieht  Huchting  die  Gefahr  gebannt,  daft  kontinuierliche 
ausbildungsbegleitende  Kontrollen  eine  dauernde  Priif ungssituation 
mit  sich  bringen. 

(3)  Gruppenpriifung 

Befiirwortet  wird  die  Forderung  von  Team-  und  Kollektivarbeit 
(integrierte  Gruppenarbeit)  bei  alien  Leistungsnachweisen  und 
der  Hausarbeit.  Dies  ist  im  Juristenausbildungsgesetz  nur  be- 
grenzt  verwirklicht. 

(4)  Mitbestimmung  durch  Studenten 

-  Wahlrecht  fiir  die  Themen  und  Arten  der  Priifung 

-  Auswahlrecht  unter  den  priifenden  Ausbildern 

-  Mitwirkung  der  Studenten  als  Priifer 

Diese  Mitwirkung  (paritatische  Zusammensetzung  von  Priifungsaus- 
schufi  und  Prufungskoranission)  ist  im  Juristenausbildungsgesetz 
nur  beratend  gegeben.  Huchting  halt  reale  Mitentscheidung  fiir 
notwendig:  Kontrolle  von  Herrschaft  ist  effektiv  nur  moglich 
durch  Mitbestimmung,  Studenten  konnen  sich  am  besten  in  die  Lage 
der  zu  priifenden  Kommilitonen  versetzen. 


(5)  Begriindungspf licht 

Die  Bewertung  muS   sorgfa'ltig  begriindet  werden,    damit   der  Student 
Riickmeldung  iiber  seine  Lernleistung   erhalt.    Zudem  ermoglicht 
erst    sie   eine   effektive   Kontrolle  der  Priifer. 

(6)  Off entlichkeit 

Offentlich  soil  nicht  nur  der  Priif ungsv0rgang  ,  sondern  auch  die 
anschlieBende  Beratung  iiber  das  Ergebnis  sein,  well  nur  so  eine 
effektive  Kontrolle  stattfinden  kann.  Der  Kandidat  soil  das 
Recht  haben,  die  Of fentlichkeit  auszuschlieSen. 

(7)  Grundsatz:  wer  lehrt,  der  priif t. 

Mit  diesem  Konzept  werden  durchaus  alle  vier  oben  genannten  Zielrich- 
tungen  verfolgt;  obwohl  auch  die  Konkurrenzf ahigkeit  der  Absolventen 
im  Blick  ist  (Nachweisheft),  wird  das  Konzept  insgesamt  und  nicht 
nur  in  der  Frage  der  Benotung  infrage  gestellt,  wenn  aufgrund  von 
AngebotsiiberschuB  auf  dem  Arbeitsmarkt  die  Abnehmer  in  der  Lage  sind, 
diese  Priifungen  faktisch  nicht  anzuerkennen. 


4.  VOM  GRUNDGESETZ  ZUM  HOCHSCHULGESETZ:  VERRECHTLICHUNG 
VON  PRDFUNGEN 

Priifungsordnungen  haben  sich  an  Hochschulen  in  den  vergangenen  Jah- 
ren  zu  immer  detaillierteren  Katalogen  von  Vorschriften  fiir  die 
Priifungen  entwickelt;  ihnen  vorgegeben  ist  ein  rechtlicher  Rahmen, 
der  ebenfalls  zunehmend  fester  gefiigt  ist.  Dies  mochte  ich  im  fol- 
genden  darstellen  und  dabei  fragen,  was  dabei  aus  den  genannten  Re- 
formforderungen  geworden  ist. 
Ich  beschranke  mich  beim  Landesrecht  jeweils  auf  Niedersachsen. 

Gegenwartige  Recht sgrundlagen  fiir  Hochschulpriif ungen 

Ein  Gesetz,  in  dem  Priifungsordnungen  und  Hochschulpriifungen  geregelt 
werden,  gibt  es  in  Niedersachsen  bisher  nicht.  Das  Vorschaltgesetz 
(6)  regelt  lediglich  die  Zustandigkeit  fur  die  Erstellung  von  Prii- 
fungsordnungen an  Hochschulen  (auSer  FHn) ,  der  ErrichtungserlaB  (7) 
das  Vorschlagsrecht  der  Fachhochschulen  fur  Priifungsordnungen  an  FHn. 
Die  "Allgemeinen  Bestimmungen  fiir  Diplompriifungsordnungen"  (ABD), 
die  von  der  Kultusministerkonferenz  aufgestellt  sind,  bilden  zwar 
ein  relativ  genaues  Muster  fiir  Priifungsordnungen  -  sie  haben  aber 
lediglich  Empf ehlungscharakter  (8). 

Obrig  bleiben  verfassungsrechtliche  Grundsatze,  aus  denen  in  der 
Diskussion  zunehmend  detailliertere  Folgerungen  fiir  Hochschulpriifun- 
gen abgeleitet  werden:  Darin  zeigt  sich  eine  zweischneidige  Entwick- 
lung:  Einerseits  konnen  mit  einer  solchen  Auslegung  Grundrechte  auf 
verschiedene  Lebensbereiche  anwendbar  gemacht  werden.  Andererseits 
haben  Aussagen  iiber  "verfassungsrechtliche  Anf orderungen  an  die  Aus- 
gestaltung  von  staatlichen  Priifungen"  die  mogliche  Folge,  daB  durch 
das  Bundesverfassungsgericht  eine  konkrete  Ausgestaltung  von  Prii- 
fungsordnungen als  die  einzig  mogliche  mit  "Ewigkeitscharakter"  fest- 
geschrieben  wird. 

Realitat  ist  dies  bereits  geworden  im  Urteil  des  Bundesverfassungsge- 
richts  vom  29.  Mai  1973  zur  Pari  tat enrege lung  im  niedersachsischen 
Hochschul-Vorschaltgesetz.  riurch  dieses  Urteil  ist  eine  Halbparitat 
in  Prufungsgremien  ohne  Regelung  der  Pat t-Auf losung  bereits  "verfas- 


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sungswidrig".  Im  Cibrigen  werden  vor  allem  folgende  Verfassungsricht- 
linien  fiir  Priifungsordnungen 'auf  gestellt: 

-  Priifungen  sind  in  der  Regel  Eingriffe  in  das  Grundrecht  der  freien 
Wahl  der  Ausbildungsstatte  bzw.  der  freien  Berufswahl.  Solche  Ein- 
griffe sind  nur  dann  gerechtf ertigt ,  wenn  durch  sie  "Gemeinschaf ts- 
giiter"  (Schutz  der  Bevolkerung  vor  unfahigen  Beruf  svertretern, 
Schutz  des  Ausbildungszwecks,  Gewahrleistung  von  Chancengleichheit 
u.a.)  geschiitzt  werden.  Das  Gebot  der  Verhaltnismafiigkeit  besagt 
dabei,  dafi  Forderungen,  die  an  den  Priif  ling  gestellt  werden,  in 
einem  angemessenen  Verhaltnis  zu  dem  gerechtf ertigten  Zweck  stehen. 

-  Das  Rechtsstaatsgebot  muS  in  Prufungen  eingehalten  werden:  Dazu 
gehort  die  Unabhangigkeit  des  Priif  ers,  der  Schutz  vor  dem  befange- 
nen  Priifer,  die  Sicherstellung  von  Kollegialpriifung,  Protokollie- 
rung  und  Begrundung  von  Priif  ungsentscheidungen,  das  Recht  auf  Ak- 
teneinsicht  u.a.. 

-  Aus  dem  Gebot  der  Vorhersehbarkeit  staatlichen  Handelns  und  dem 
Gebot  des  Vertrauensschutzes  wird  die  Pflicht  zur  Normierung  des 
Priif ungswesens,  die  Notwendigkeit  der  Offenlegung  der  Prufungs- 
praxis  und  die  Begrenztheit  der  Moglichkeit  zur  Priifungsordnungs- 
anderung  gefolgert. 

-  Das  Gebot  der  Gleichheit  (Art.  3  GG)  fuhrt  zur  Forderung  nach 
Chancengleichheit  im  Priifung  sverf  ahren.  AuBerdem  wird  daraus  abge- 
leitet,  daS  Priifungsordnungen  so  gestaltet  sein  miissen,  dafi  sie 
bundesweite  Anerkennung  finden.  (9) 

Diese  Positionen  lassen  sich  zum  Teil  den  oben  aufgefiihrten  Schutz- 
forderungen  der  Studenten  zuordnen;  unter  der  Hand  aber  kbnnen  die 
selben  Forderungen  zu  einer  Reglementierung  des  Studiums  durch  Pru- 
fungsbedingungen  fiihren. 


Vom  Hochschulrahmengesetzentwurf  1970  bis  zum  Niedersachsischen 
Hochschulgesetz  1978 

Ich  habe  die  Texte  des  Entwurfs  fur  ein  HRG  1970  (HRG  70),  des  Re- 
gierungsentwurfs  1973  (HRG  73),  des  geltenden  Hochschulrahmengesetzes 
1976  (HRG  76)  und  des  Niedersachsischen  Hochschulgesetzes  (NHG  Ent- 
wurf  Jan.  78)jeweils  in  den  die  Prufungen  und  Prufungsordnung  regeln- 
den  Teilen  verglichen;  dabei  habe  ich  nicht  die  Vorschriften  einbe- 
zogen,  die  z.B.  iiber  die  Regelung  von  Studienordnungen  ebenfalls 
Eingriffe  auf  Prufungen  sind. 

Auf  den  ersten  Blick  fallt  eine  ungeheure  Aufblahung  des  Textes  auf, 
an  der  sich  eine  Zunahme  und  Konkretisierung  rechtlicher  Normierung 
von  Priifungsordnungen  ablesen  last.  Der  Entwurf  von  1970  sah  ledig- 

lich  vor: 

-  Hochschulprtifungen  dienen  der  Feststellung,  ob  der  Student  das 
Studienziel  erreicht  hat 

-  sie  kb'nnen  ganz  oder  teilweise  durch  wahrend  des  Studiums  erbrachte 
Leistungen  abgelegt  werden 

-  nur  wer  lehrt,  priif t 

-  jede  Priif ungsleistung  ist  von  mind.  2  Priif ern  zu  bewerten 

-  die  Prufungsordnung  bestimmt  die  Regelstudienzeit 

-  aufgrund  der  Priifung  wird   i.d.R.    der  Diplomgrad  verliehen. 
Dabei  waren  Priifungsordnungen  als  nachrangig  gegeniiber   Studienord- 
nungen ausgewiesen    (Begriindung  zu   §   37)    in  dem  Grundsatz   "dalS  die 
Priifung  sich  am  Studienziel  auszurichten  hat,    nicht   umgekehrt   das 
Studienziel  an  der  Priifung.    Daraus   folgt,   dafi  Priifungsordnungen 


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den  Studienordnungen  angepafit  werden  mussen."  Bezieht  man  diesen 
Entwurf  auf  die  oben  genannten  Dimensionen  der  Priifungsreform  (S .13) 
so  sind  offenbar  die  ersten  beiden  intendiert: 
0  "Abbau  von  Angst  und  Willkiir  durch  Rechtssicherheit  und  Kontrolle" 

und 
"  "Das  Studium  soil  die  Priifung  bestimmen,  nicht  umgekehrt". 

•  Ein  Abbau  von  Herrschaft  durch  Prufungen  wird  nicht  beabsichtigt , 
die  auf  Mitbestimmung  zielenden  Forderungen  werden  aber  auch  nicht 
verboten. 

#  Die  Konkurrenzbedingungen  versucht  der  Entwurf  durch  den  einheit- 
lichen  Diplom-Grad  unabhangig  von  der  Studiendauer  zu  vereinheit- 
lichen;  ob  damit  aber  den  Anspriichen  der  Arbeitgeber  geniige  getan 
ist,  ist  fraglich.  Die  Arbeitgeber  nehmen  1971  warnend  dazu  Stel- 
lung  (10): 

"Den  Forderungen  nach  Aufhebung  oder  Minderung  des  Leistungsprinzips 
an  den  Hochschulen  darf  keinesfalls  nachgegeben  werden.  Auf  indivi- 
duelle,  transparente  und  objektive  Leistungsnachweise  kann  dabei  - 
ganz  im  Interesse  der  Studierenden  selbst  -  nicht  verzichtet  werden. 
Das  steht  nicht  im  Gegensatz  zur  Teamarbeit,  die  die  Industrie  be- 
jaht  und  die  auch  im  Hochschulbereich  in  Zukunft  steigende  Bedeutung 
haben  wird.  Wenn  eine  objektive  Leistungspriif ung  im  Rahmen  der  Hoch- 
schule  nicht  mehr  moglich  sein  sollte,  hatte  dies  die  von  uns  ge- 
wiinschte  aber  unausweichliche  Folge,  ersatzweise  Prufungen  bei  Ein- 
tritt  in  das  Beruf sleben  vorzunehmen. " 

Es  wird  sich  zeigen,  daS  die  Arbeitgeber  Gehbr  gefunden  haben.  Die 
Rolle  der  Prufungsordnung  verandert  sich  im  Laufe  der  Entwicklung 
zum  HRG  76:  In  §  11  HRG  76  heifit  es:  Die  Studienordnung  "regelt  auf 
der  Grundlage  der  Prufungsordnung"  Inhalt  und  Aufbau  des  Studiums. 
Da  die  Prufungsordnung  "Priifungsanforderungen  und  PrUfungsverfahren 
abschliefiend  zu  regeln"  hat  und  sich  dies  auch  auf  eventuell  anre- 
chenbare  Studienleistungen  bezieht,  regelt  die  Prufungsordnung  nahe- 
zu  alles,  was  fiir  den  Studenten  im  Laufe  seines  Studiums  verpflich- 
tend  ist.  Damit  werden  Prufungen  und  Priifungsordnungen  zum  entschei- 
denden  Steuerungsinstrument  fiir  das  Studium. 

Was  wird  im  Hochschulgesetz  aus  den  Ref ormforderungen  des  Bremer  Ju- 
ris tenausbij^ungsgesetzes? 

Zu  (1)  Bewertung  mit  bestanden/nicht  bestanden 

Das  HRG  kennt  keine  Bewertungsregeln.  Nach  NHG  dagegen  ist  in  der 
Prufungsordnung  zu  regeln,  nach  welchen  Grundsatzen  Priif ungsleistun- 
gen  zu  bewerten  sind.  In  einer  Rechtsverordnung  kann  der  Minister 
dabei  Grundsatze  erlassen,  die  die  Moglichkeit  des  Hochschulwech- 
sels  sichern  sollen.  Als  ein  solcher  Grundsatz  kann,  muB  aber  nicht 
zwingend,  die  Benotung  f estgeschrieben  werden. 

zu  (2)  Abschichtung  der  Priifung  durch  ausbildungsbegleitende  Lei- 
stungsnachweise^  

HRG  70  sah  die  Moglichkeit  vor,  dafi  Prufungen  ganz  oder  teilweise 
durch  wahrend  des  Studiums  erbrachte  Leistungen  abgelegt  werden  kon- 
nen.  Aufgrund  eines  Bundesratseinspruchs  kann  die  Priifung  nach  HRG  76 
lediglich  entlastet  werden,  aber  nicht  vollstandig  durch  Studien- 
leistungen ersetzt  werden.  AuBerdem  wird  vorgeschrieben,  dafi  Studien- 
leistungen, die  angerechnet  werden,  nach  Anforderung  und  Verf ahren 
einer  Priifungsleistung  gleichwertig  sein  mussen.  Damit  werden  sie 


21 


faktisch  zu  Priifungen  wahrend  des  Studiums,  fur  die  alle  Priifungs- 
regelungen  gelten.  Damit  wird  die  "Ausnahmesituation"  der  Priifung 
in  das  Studium  selbst  hineingetragen  und  das  Studium  von  dieser  Prii- 
fungssituation  bestimmt. 

zu  (3)  Gruppenpriifung 

Die  Moglichkeit,  integrative  Gruppenarbeiten  anzufertigen,  wird  auf- 
gehoben:  Im  HRG  70  gibt  es  keine  Regelungen  uber  Gruppenarbeiten. 
HRG  73  legt  bereits  das  Prinzip  der  individuellen  Leistung  f est ; 
Gruppenpriifungen  miissen  diese  Feststellung  ermoglichen.  HRG  76  dagegen 
schreibt  vor:  "Auch  bei  Gruppenarbeiten  mussen  die  individuellen  Lei- 
stungen  deutlich  abgrenzbar  und  bewertbar  sein. " 
Das  NHG  schlieBlich  macht  die  Gruppenarbeit  zu  einer  Farce: 
"Priifungsordnungen  konnen  bestimmen,  daB  in  geeigneten  Fallen  auch 
wesentliche  Beitrage  zu  einer  als  Priifungsauf gabe  gegebenen  Gruppen- 
arbeit als  individuelle  Priifungsleistungen  anerkannt  werden  konnen, 
wenn  diese  deutlich  abgrenzbar  und  bewertbar  sind."  Das  bedeutet, 
daB  Studienleistungen,  die  anerkannt  verden  sollen,  nur  m  diesera 
Rahmen  auch  als  Gruppenleistungen  moglich  sind. 

zu  (4)  Mitbestimmung  durch  Studenten 

Das  Wahlrecht  fiir  Themen  und  Prufer  wird  nicht  angesprochen.  Die 
Mitwirkung  der  Studenten  als  Friifer  vird  ab  HRG  73  untersagt ; 
"Priifungsleistungen  diirfen  nur  von  Personen  bewertet  werden,  die 
selbst  mindestens  die  durch  die  Prufung  festzustellende  oder  erne 
gleichwertige  Qualif ikation  besitzen. 

zu  (5)  Begriindungspf licht 

Gesichert  ist  im  NHG  lediglich  die  Akteneinsicht  nach  AbschluB  der 

Prufung. 

zu  (6)  Of fentlichkeit  ..f 

Nach  dem  NHG  kann  der  Prufungsvorgang  "nach  Maligabe  der  Prutungs- 
ordnung  fur  die  Studenten,  die  "demnachst  die  Prufung  ablegen  sowie 
andere  Mitglieder  der  Hochschule,  die  "ein  eigenes  berechtigtes  In 
teresse"  geltend  machen,  offentlich  sein.  Damitist  erne  kontrollie- 
rende  Of fentlichkeit  nur  indirekt  moglich,  namlich  wenn  das  Ziel  der 
Kontrolle  nicht  als  das  entscheidende  Interesse  offengelegt  wird. 
Im  NHG  ist  eine  Of fentlichkeit  der  Beratung  ausgeschlossen: 
Bei  der  Beratung  der  Prufer  uber  das  Priifungsergebnis  durfen  andere 
Personen  (auBer  Beisitzer)  nicht  anwesend  sein.  Dies  schlieBt  auch 
eine  Of fentlichkeit  mit  Einverstandnis  des  Prufenden  und  Prutlings 
aus  und  verhindert  sogar,  daB  studentische  Mitglieder  in  Prufungsaus- 
schiissen  ihr  Recht  wahrnehmen,  am  gesamten  Prufungsvorgang  teilzu- 
nehmen. 

Beziehen  wir  dies  wieder  auf  die  genannten  vier  Dimensionen  der 
Priifungsreform: 

t  Kontrolle  durch  Rechtssicherheit  wird  in  dem  Sinne  moglich,  als 
der  Rechtsweg  fiir  eine  Fiille  von  Fragen  jetzt  moglich  wird.  Die  Kon- 
trolle auf  dem  Rechtsweg  ist  aber  in  den  meisten  Fallen  lediglich 
eine  theoretische  Moglichkeit  (sie  wird  auch  fast  nur  von  Medizmern 
und  Juristen  genutzt) ;  sie  unterwirft  die  Entscheidung  i.d.Regel 
konservativen  Grundsatzen.  Eine  Kontrolle  durch  Offentlichkeit  da- 
gegen wird  durch  das  NHG  verhindert. 


22  - 


•  Spatestens  im  HRG  76  bestimmt  die  Priifung  das  Studium  und  nicht 
umgekehrt.  Priifungen  sind  als  entscheidendes  Steuerungsinstrument 
seitens  des  Staates  und  der  Arbeitgeber  wiederentdeckt .   Priifungen 
ermoglichen  zudem  nicht  nur  eine  Kontrolle  der  Studenten,  sondern 
zugleich  der  Dozenten.  Dies  ist  eine  -  aufgrund  der  veriinderten 
Strukturen  an  den  Hochschulen  und  in  den  Lehrkorpern  -  in  ihrer  Be- 
deutung  zunehmende  Funktion  von  Priifungen. 

•  Urn  die  Gleichwertigkeit  der  Hochschulabschliisse  und  damit  die  Kon- 
kurrenzfahigkeit  zu  sichern,  ist  der  Minister  im  NHG  ermachtigt, 
durch  Recht sverordnungen  zusatzlich  zu  den  Bestimmungen  des  NHG  in 
Priifungsordnungen  einzugreif en.  In  Studienreformkommissionen  konnen 
zudem  Arbeitgeber  selbst  uber  Studieninhalte  mi tbestimmen. 

•  Abbau  von  Herrschaft  ist  nicht  intendiert.  Die  Herrschaftsfunk- 
tion  wird  vielmehr  gefestigt,  sie  wird  zum  Tail  verlagert  von  der 
willkiirlichen  Herrschaft  des  einzelnen  Professors  zur  staatlichen 
Herrschaft  mittels  detaillierter  Priifungsvorschriften. 


5.   STUDIENKONTROLLE  DURCH  PRDFUNGEN 


"Die  Fachbereiche  geben  sich  Priifungsordnungn"  heiBt  es  im  NHG: 
Dies  scheint  die  Verwirklichung  der  Hochschulautonomie  zu  sein.  Tat- 
sachlich  aber  hat  das  Ministerium  die  Moglichkeit,  weit  in  Priifungs- 
formen  und  -inhalte  einzugreif en.  Dazu  sind  durch  das  Hochschulge- 
setz  mehrere  Instrumente  bereitgestellt,  die  nach  Bedarf  eingesetzt 
werden  konnen: 

-  Mit  Hilfe  der  Rechtsauf sicht  werden  die  Hochschulen  verpf lichtet , 
das  NHG  einzuhalten 

-  Mit  Hilfe  der  zeitlich  begrenzten  Fachaufsicht  kann  der  Minister 
an  Fachhochschulen  die  Genehmigung  aus  Griinden  der  "ZweckmaBig- 
keit"  versagen 

-  Der  Minister  kann  per  Rechtsverordnung  Grundsatze  fiir  Priifungsord- 
nungen erlassen,  die  die  Gleichwertigkeit  der  Abschliisse  sichern 
sollen.  Dies  kann  soweit  gehen,  daB  bestimmte  "Mindeststandards" 
festgelegt  werden 

-  Es  werden  Studienreformkommissionen  auf  Bundesebene  und  gleichzei- 
tig  auf  Landesebene  eingerichtet .   Der  Minister  kann  Empfehlungen 
einer  dieser  Kommissionen  fiir  verbindlich  erklaren.  Damit  konnen 
Musterprufungsordnungen  f estgeschrieben  werden. 


Diese  Kontrolle  uber  das  Studium  ist  gleichzeitig  auch 
keit  einer  politischen  Kontrolle  mit  Hilfe  von  Priifunge 
in  einem  Exkurs  an  einen  Fall  der  Fachhochschule  Mannhe 
Dem  Kultusministerium  (KM)  Baden-Wurttemberg  gingen  197 
ter  Seite  Informationen  zu,  wonach  die  Studien-  und  Prii 
an  der  Fachhochschule  fur  Sozialwesen  Mannheim  nicht  be 
soil  etwa  indem  die  Grundsatze  eines  ordnungsgemaBen  P 
fahrens  mifiachtet  wiirden.  AuBerdem  soil  es  bei  den  Leis 
sen  mehr  auf  die  richtige  politische  Gesinnung  der  Stud 
fachliche  Leistungen  ankommen".  (11) 
Daraufhin  wurde  die  FH  gezwungen,  "unverzuglich  samtlic 
74/75  geschriebenen  Klausuren  und  Hausarbeiten  einschli 
schluBarbeiten  mit  Aufgabenstellung  dem  KM  vorzulegen". 
Arbeiten  wurden  danach  monatelang  iiberpriift. 


die  Moglich- 

Dazu  sei 
im  erinnert: 
5  "von  drit- 
fungsordnung 
achtet  werden 
riifungsver- 
tungsnachwei- 
enten  als  auf 

he  im  WS 
eBlich  Ab- 
(12)  Diese 


23 


Nach  dem  HRG  76  miissen  alle  Studienleistungen,  die  fiir  eine  Prufung 
angerechnet  werden,  nach  Art  und  Verfahren  einer  Priifungsleistung 
gleichwertig  sein.  Das  bedeutet,  dafi  solche  Seminarref erate,  Hausar- 
beiten,  Sitzungsberichte  u.a.  samtlich  in  den  Priifungsakten  verwahrt 
werden  miissen.  Mit  Hilfe  eines  Vorgehens  wie  in  Mannheim  (13)  kann 
das  Ministeriura,  auf  dem  Weg  der  Amtshilfe  aber  auch  z.B.  das  Amt 
fiir  Verf assungsschutz,  konnen  moglicherweise  auch  Arbeitgeber 

-  den  Entwicklungsgang  eines  Studenten  wahrend  seines  Studiums  nach- 
vollziehen, 

-  die  Inhalte  nahezu  jedes  Seminars  anhand  der  in  ihm  geschriebenen 
Arbeiten  und  abgehaltenen  Priifungen  rekonstruieren. 

Sicherlich  wird  auch  in  Zukunft  nicht  jede  Arbeit,  jedes  Referat, 
jeder  Praxisbericht  tiberpruft  werden.  Aber  die  Moglichkeit  einer 
umfassendsten  Uberpriif ung  besteht  -  und  zwar  noch  Jahre  spater  unter 
veranderten  politischen  und  gesellschaftlichen  Gegebenheiten. 
Dies  schafft  Bedingungen  fiir  vorbeugende  Selbstzensur  von  Studenten 
und  Dozenten,  die  die  Freiheit  der  wissenschaf tlichen  und  praktischen 
Auseinandersetzung  in  Seminaren  und  Projekten  einschranken  wird. 


6.  ZUSAMMENFASSUNG 

Die  dargestellte  Verrechtlichung  ist  also  Ausdruck  einer  widerspriich- 
lichen  Entwicklung:  Die  Forderungen  nach  rechtlicher  Absicherung 
wurden  gestellt,  damit  Studenten  Schutz  vor  der  Willkiir  von  Dozenten 
haben,  damit  sie  ihr  Studium  so  planen  konnen,  daS  sie  auch  mit  dessen 
Erfolg  rechnen  konnen,  damit  die  Priifungen  kein  Gliicksspiel  sind.^ 
Die  Verrechtlichung  findet  aber  in  einer  Situation  statt,  in  der  in 
vielen  (zumeist  sozialwissenschaf tlichen)  Bereichen  zum  einen  die 
Bedeutung  von  Priifungen  und  Zensuren  kritisch  eingeschatzt  wird, 
zum  anderen  ein  gewisser  "Konsens  unterhalb  der  formalen  Ebene  iiber 
eine  moglichst  humane  Durchfuhrung  der  Priifungen  besteht. 
Dieser  Konsens  fiihrt  zu  einer  gewissen  Abwertung  der  Prufung.  Dieser 
Abwertung  wird  mit  der  Verrechtlichung  von  Prufungen  entgegengewirkt . 
Durch  die  konkrete  Ausgestaltung  des  Priif  ungsrechts  wird _ das  Studium 
in  Form  und  Inhalten  festgelegt,  Seminare  werden  durch  einbezogene 
Prufungen  der  Selbstbestimmung  von  Dozenten  und  Studenten  entzogen 
und  errungene  Arbeitsformen  wie  Gruppenarbeit  mehr  Oder  weniger  zu- 
nichte  gemacht. 

Die  Gewichtung  der  Prufungen  fiihrt  dazu,  daS  das  Gegnerverhaltnis 
von  Lehrenden  und  Lernenden,  das  teilweise  (z.B.  in  Projekten)  infol- 
ge  der  Studentenbewegung  gemildert  war,  wiederhergestellt  wird. 
Damit  wirkt  sich  die  Verrechtlichung  der  Prufungen   -  die  studenti- 
sche  Interessen  zum  Ausgangspunkt  hat  -  objektiv  gegen  studentische 
Interessen  aus. 

Die  Steuerung  des  Studiums  durch  diesen  ProzeB  der  Verrechtlichung 
zeigt  Wirkung  zu  einer  Zeit,  in  der  die  Auslesefunktion  von  Priifun- 
gen aufgrund  der  Arbeitsmarktlage  wieder  verstarkt  hervortritt.  Ar- 
beitgeber konnen  inhaltliche  Forderungen  in  Priif ungsordnungen  fest- 
schreiben  und  damit  auf  das  Studium  einwirken. 

Erst  die  gegenwartige  Arbeitsmarktlage  -  Konkurrenz  in  nahezu  alien 
Berufen  fiir  Hochschulabsolventen  -  schafft  zudem  in  den  "Kopfen" 
der  Betroffenen,  der  Lehrenden  und  Lernenden,  die  Bereitschaf t ,  die 


Auslese-  und  Herrschaftsfunktion  von  Prufungen  zu  verinnerlichen 
und  damit  in  jeder  konkreten  Priif ungs situation  zu  reproduzieren. 
Es  niitzt  jetzt  nichts,  allein  auf  die  verlorengegangenen  Reformposi- 
tionen  zu  starren  und  ihre  Liquidation  zu  beklagen.  Notwendig  ist 
es,  inhaltliche  Konzepte  zu  entwickeln,  in  denen  die  Studenten  als 
kiinftige  Arbeitnehmer  in  die  Lage  gebracht  werden,  ihre  Arbeitskraft 
verkauf en  zu  konnen  und  dennoch  auch  in  ihrer  politischen  Identitat 
zu  iiberleben  und  handlungsfahig  zu  sein. 


ANMERKUNGEN 

(1)  dazu:  R.  Neuhaus  (Bearbeiter) ,  Dokumente  zur  Hochschulreform 
1945-59,  hrg.  von  der  Westdt.  Rektorenkonferenz,  Wiesbaden  1961 

(2)  von  Schenck,  S.  115 

(3)  Schmidt/Thelen,  S.  95-96 

(4)  das  allerdings  kurz  nach  seiner  Verof fentlichung  zum  Teil  vom 
Staatsgerichtshof  in  Bremen  verworfen  wurde 

(5)  Konrad  Huchting,  Priifungsreform  in:  Der  neue  Jurist,  SL, 
1973,  S.  175  ff.  Huchting  hat  beim  Juristenausbildungsgesetz 
mitgearbeitet. 

(6)  Vorschaltgesetz  fiir  ein  Niedersachsisches  Gesamthochschulgesetz 
i.d.F.  vom  12.11.1973 

(7)  BeschluB  des  Niedersachsischen  Landesministeriums  zur  Errichtung 
von  Fachhochschulen  i.d.F.  vom  28.5.74 

(8)  Verwaltungsgericht  Oldenburg  Urteil  vom  18.7.77  AZ  II  D  83/77 

(9)  so  die  Entscheidung  des  Verwaltungsgerichts  Oldenburg,  a.a.O. 

(10)  Bundesverband  der  Deutschen  Industrie,  1971,  abgedruckt  in 
Schenck,  S.  122  f. 

(11)  KM  Baden-Wiirttemberg,  14.5.1975,  Erlafl  an  die  FH  fiir  Sozialwe- 
sen  Mannheim,  S.  2 

(12)  KM  Baden-Wiirttemberg,  ErlaS  vom  14.4.1975 

(13)  DaS  ein  solches  Vorgehen  nicht  unmoglich  ist,  zeigt  z.B.  die 
Tatsache,  dafi  in  diesem  Semester  das  MWK  die  Notenlisten  des  FB 
Sozialpadagogik  zugesandt  haben  wollte. 


LITERATURLISTE 


St 

w. 


Schmidt/D.  Thelen  FHochschulreform,  Ffm,  1969 

Pietzcker,  Verfassungsrechtliche  Anforderungen  an  die  Ausgestaltun  . 
staatlicher  Priifungen,  Berlin  1975 
Kvale,  Prufung  und  Herrschaft,  Weinheim  1972 
Tbieme,  Das  Hochschulrahmengesetz,  in:  Wissenschaf tsrecht,  Wissen- 
schaf tsverwaltung,  Wissenschaftsfbrderung,  1976,  S.  193 
Autorenkollektiv,  Kapitalistische  Hochschulreform,  Erlangen  1972 
R.  Neuhaus  (Bearbeiter), Dokumente  zur  Hochschulreform  1945-59, 

hrg.  von  der  Westdt.  Rektorenkonferenz,  Wiesbaden  1961 
Autorenkollektiv,  Der  neue  Jurist,  Materialien  zur  reformierten  Juri- 

stenausbildung  in  Bremen,  Luchterhand,  Darmstadt  1973 
Guntram  von  Schenck,  Das  Hochschulrahmengesetz,  Verlag  Neue  Gesell- 
schaft,  Bonn  1976. 


-  24 


25 


|H j—   ^ —7,^1 

Im  Verlag  der  Mitarbciter 

*      *      * 


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SZ-Fachgruppe  Sozialpadagogik,  Tiibingen 

DAS  DIPLOM  -  ODER 

WAS  AUS  DEM  REFORM-PROFI  GEWORDEN  1ST 


Im  Gegensatz  zu  den  meisten  Studenten  im  Arbeitsfeld  Sozialarbeit 
ist  unser  Hintergrund  nicht  die  Fachhochschule,  sondern  die  Univer- 
sitat:  Diplomstudiengang  Sozialpadagogik. 

Die  Durchsetzung  des  Diplomstudienganges  erfolgte  mit  den  ersten 
Schritten  der  kapitalistischen  Hochschulref orm  seit  Ende  der  60iger 
Jahre,  als  die  Notwendigkeit  bestand,  das  System  bildungs-  wie  auch 
sozialpoli tischer  Leistungen  und  Kontrollen  den  veranderten  Anfor- 
derungen  der  kapitalistischen  Wirtschaft  und  Gesellschaft  anzupassen. 
Die  im  Zuge  des  SPD-Reformeif ers  erfolgte  Bereitstellung  staatli- 
cher  Mittel  fur  den  Ausbau  des  Erziehungssektors  lieli 
Funktionen  fur  Erzieher  erwarten  (Entwicklung,  Planung  und  Erpro- 
bung  und  Kontrolle  neuer  Bildungssysteme  sowie  sonstiger  padagogi- 
scher  MaBnahmen)  und  damit  einen  automatischen  Bedarf  an  Fachkraf- 
ten,  die  von  den  Planern  als  Elite  eincr  sozial-technologischen  aus- 
gebildeten,  an  den  Konzeptionen  moderner  empirischer  Sozialf orschung 
geschulten  Padagogenhierarchie  vorgesehen  war. 

Neben  dieser  sozialtechnologischen  Innovationspadagogik  entstanden 
in  dieser  Reformphase  jedoch  auch  Stromungen  innerhalb  der  Padago- 
gik,  die  sich  als  Kritik  der  herrschenden  Padagogik  verstanden 
(verstehen) . 

Es  sind  dies  Stromungen  "links-ref ormistischer"  Art,  deren  theore- 
tisches  Fundament  eine  "kritische"  Handlungstheorie  bildet,  deren 
Elemente  aus  verschiedenen  Bruchstucken  biirgerlicher  Theorieansatze 
(Interaktionismus,  Psychoanalyse,  Soziales  Lernen)  vermittelt  mit 
Ansatzen  Marxscher  Theorie  zusammengesetzt  sind. Padagogik  soil  nach 
diesen  Vorstellungen  immer  im  Interesse  der  Betroffenen  eine  "Eman- 
zipative  Padagogik"  sein.  Praktische  Handlungskonsequenzen  einer 
derart  "Kritischen  Padagogik"  sind  Ref ormpro j ekte  und  Reformen  der 
Institutionen  per  Wissenschaft  "von  oben",  die  die  Freiraume  dieser 
Gesellschaft  im  Interesse  der  Betroffenen  und  mit  den  Betroffenen 
ausnutzen  sollen.  Im  ganzen  laBt  sich  der  theoretische  Komplex  dieser 
Padagogik,  «ie  sie  auch  als  Grundlage  des  Diplomstudienganges  kon- 
zipiert  wurde,  und  wie  sie  von  den  meisten  Lehrenden  unseres  Insti- 
tuts  vertreten  wird,  charakterisieren  als  ein  Konzept  der  "neuen 
Fachlichkeit"  (kritischer)  Bezug  auf  die  der  Sozialarbeit  zugrunde- 
liegenden  gesellschaftlichen  Konflikte;  Methoden,  die  emanzipative 
Selbstref lexion  zulassen;  Orientierung  an  "modernen"  Sozialwissen- 
schaften;  wissenschaf tlich-"kritische"  Selbstref lexion  der  Profes- 
sionellen,  usw.  (vergleiche  dazu:  Thesen  von  .Hans  Thiersch  und  Hans 
Uwe  Otto  zur  Dipl.-Padagogen-Ausbildung  in  Neue  Praxis  3/l>J76) 
Mit  dem  Ende  der  Reformphase  (auf  gesellschaf tlicher  Ebene:  okonomi- 
sche  Krisensituation,   zunehmende  Finanzknappheit  des  Staates, 
verstarktem  Auftreten  offen  reaktionarer  Tendenzen)  anderten  sich 
auch  im  Sozialbereich  die  Verhaltnisse.  Neben  den  Mi ttelkurzungen 


-  27  - 


und  dem  Ausbleiben  der  angekiindigten  Planstellen  und  der  mit  diesem 
Ausbleiben  verbundenen  Konkurrenzsituation  und  drohenden  Arbeitslo- 
sigkeit  von  Sozialarbeitern  und  Padagogen  auf  dem  Arbeitsmarkt  (s.u.), 
veranderte  sich  auch  der  Sozialbereich  im  eigentlichen  Sinn: 
Einer  zunehmenden  Zahl  von  "sozialen  Fallen"  der  aus  dem  gesellschaf t- 
liclien  Arbeits  zusammenhang  herausgefallenen  Menschen  (Arbeitslose, 
"Verwahrlosce",  Deklassierte  etc.),  steht  auf  der  anderen  Seite  ein 
Kontroll-  und  Verwaltungssystem  der  sozialen  Berufe  gegeniiber,  das 
zunehmend  repressive  Methoden  restauriert  und  dadurch  die  in  der  Re- 
formphase  entstandenen  Ansatze  zurucknimmt .  (Exemplarischer  Fall: 
Heimerziehung) . 

Diese  Riicknahme  der  MSglichkeiten  ref ormistischer  Projekte,  also 
das  reale  Scheitern  der  "neuen  Fachlichkeitskonzeption"  hat  ebenso 
Auswirkungen  auf  den  Studiengang  Sozialpadagogik.  Auswirkungen,  die 
einerseits  direkte  Konsequenz  staatlicher  Reg  lenient  ierungen  sind 
(LHG,  verscharfte  Priifungsordnungen  etc.).  zum  anderen  aber  auch 
den  veranderten  Erwartungen  und  Einschatzungen  sowohl  der  Lehrenden 
als  auch  der  Studenten  hinsichtlich  der  Moglichkeiten  padagogischer 
Methoden,  praktisch  handlungsrelevant  zu  sein,  geschuldet  sind. 
Dies  soil  im  folgenden  anhand  des  Studienganges  etwas  erlautert  wer- 
den. 


VERANDERUNG  IM  DIPLOMSTUDIENGANG 

Ohne  hier  naher  auf  den  Studiengang  im  einzelnen  eingehen  zu  konnen 
sollen  hier  kurz  die  inhaltlichen  Schwerpunktsetzungen  angegeben 
wer den. 

Wiihrend  die  Ausrichtung  des  Studiums  an  den  Fachhochschulen  im  we- 
sentlichen  auf  die  Aneignung  bestimmter  isolierter  Handlungsmetho- 
den  ausgerichtet  ist,  ist  unser  Studium  der  Intention  nach  derart 
aufgebaut,  dafi  dem  Studenten  die  Erarbeitung  eines  breiten  Grundla- 
genwissens  ermoglicht  werden  soil. 

Dieses  Grundlagenwissen  besteht  zum  einen  aus  "gesellschaf tspoliti- 
schen  Grundlagen  der  Padagogik  (Politische  Okonomie)",  zum  anderen 
aus  Handlungs-  und  Sozialisationstheorien. 

Intention  dieser  Studiengestaltung  war  es  -  vgl ,  das  Konzept  der 
neuen  Fachlichkeit  -  den  Zusammenhang  zwischen  (padagogischem)  Han- 
deln  und  den  gesellschaf t lichen  Verhaltnissen  aufzuzeigen. 
Der  formale  Aufbau  des  Studiums  begiinstigt  dagegen  die  Trennung 
des  inhaltlichen  Zusammenhangs ,  indem  zwischen  Grundstudium  und 
Hauptstudium  unterschieden  wird,  wobei  das  Grundstudium  mehr  die 
"allgemeinen  Voraussetzungen"  anbietet,  wahrend  im  Hauptstudium 
Schwerpunkte  (Jugendarbeit/Gemeinwesenarbeit/Sozialplanung/Sozial- 
politik/Beratung  etc.)  studiert  werden,  was  zur  Folge  hat,  daB  Me- 
thoden der  Sozialarbeit  unabhangig  -  oder  nur  aufierlich  vermittelt  - 
von  den  gesellschaf tlichen  Bedingungen  gesehen  werden. 
Diese  Tendenz  hat  sich  durch  die  Entwicklung  in  den  letzten  Jahren 
erheblich  verstarkt:  Das  BewuBtsein  der  Unbeliebtheit  bei  staatli- 
chen  Bildungsbehbrden  hat  bei  den  Dozenten  zu  einer  hochschulpoliti- 
schen  Strategie  gefiihrt,  "Reformen"  von  oben  -  statt  sich  dagegen 
zu  wehren  -  lieber  selbst  durchzufiihren,  in  der  Hoffnung,  sich  Frei- 
raume  sichern  zu  konnen. 

So  werden  Studiengang  und  Prufungsordnung  an  das  neue"  LHG  angepaBt: 
Institutionalisierung  von  Pf lichtveranstaltungen',  die  sich  jedes 


28 


Jahr  wiederholen,  Trennung  von  Vo 
und  Hauptstudiengang  (Erarbeitung 
von  Spezialveranstaltungen  zu  akt 
Ausbildung  andern  sich:  War  friihe 
samtzusammenhangs  von  Sozialarbei 
mbglich  (wenn  auch  nur  in  der  Kri 
der  Studieninhalte),  so  wendet  ma 
nem  Wissen  zu  (z.B.  Recht  fur  Soz 
(Funktion  des  Rechtes  in  der  Gese 
werden. 


r s tudi engang  (Grund lagent heor ien) 

einzelner  Methoden,  Einschrankung 
uellen  Themen) .  Die  Inhalte  der 
r  noch  die  Erarbeitung  eines  Ge- 
t  und  kapitalistischer  Gesellschaft 
tik  der  reformistischen  Ausrichtung 
sich  heute  mehr  anwendungsbezoge- 
ialpadagogen) ,  dessen  Grundlagen 
llschaft)  nicht  mehr  erarbeitet 


Auch  im  StudentenbewuBtsein  zeigen  sich  Tendenzen,  die  zwar  in  frii- 
heren  Jahren  vorhanden  waren,  aber  erst  jetzt  manifester  werden. 
Konnte  man  noch  vor  2  Jahren  davon  ausgehen,  daB  die  Mehrheit  der 
Sozialpadagogikstudenten  "links"  war,  dafi  nach  der  politischen  Aus- 
richtung der  Padagogik  gefragt  wurde  (Zusammenhang  wissenschaf tlicher 
Methoden  und  kapitalistischer  Gesellschaft;  Padagogik  als  Wissen- 
schaft  der  optimalen  Verwaltung  der  Menschen,  die  aus  dem  Arbeitszu- 
sammenhang  der  Gesellschaft  rausgefallen  oder  noch  gar  nicht  reinge- 
kommen  sind)  so  werden  in  letzter  Zeit  Stimmen  unter  Studenten  laut, 
die  vom  Studium  hauptsachlich  die  Vermittlung  einzelner  Handlungs- 
techniken  erwarten. 

Mit  dieser  Erwartungshaltung  kommen  hauptsachlich  Studenten,  die 
ihr  Hauptpraktikum  (obligatorisch  6  Mon.)  hinter  sich  haben  und  im 
Praktikum  feststellen  mufiten,  daB  sie  konkreten  Konf liktsituationen 
nicht  gewachsen  waren. 

Trotz  Restaurationstendenzen  und  zunehmend  entpolitisiert-pragmati- 
scher  Motivationen,  die  den  Studiengang  verandert  haben,  ist  aber 
nach  wie  vor  eine  kritische  Grundorientierung,  zugleich  auch  eine 
Orientierung  auf  eine  wissenschaf tlich-innovatorische  Beruf spraxis, 
quasi  "oberhalb"normaler  Sozialarbeit  maBgeblich. 

BERUFSREALITAT  UND  -TENDENZEN 

Fromme  Wiinsche  allein  haben  noch  selten  die  Welt  verandert.  Allein 
dadurch,  daB  einige  Hundert  ein  Diplom  fur  wissenschaf tlich-innova- 
torische Sozialpadagogik  vorzuweisen  haben,  ist  solche  Sozialpodago- 
gik  noch  nicht  Praxis,  vor  allem:  ist  sie  noch  nicht  bezahlt.  Und 
auch  der  Nachweis,  daB  in  vielen  Bereichen  wie  Altenpadagagik,  Vor- 
schulerziehung,  Sozialpsychiatrie  usw.  ein  immenser  "gesellschaf tli- 
cher Bedarf"  herrsche,  bewirkt  in  einer  Gesellschaft  so  gut  wie 
nichts,  der  nicht  Bedarf  und  Bediirfnisbefriedigung,  sondern  Tausch- 
wertproduktion  und  Ausbeutung  zugrundeliegt. 

Die  fur  eine  bessere  Sozialarbeit  Ausgebildeten  sind  also,  genau 
wie  Graduierte  auch,  auf  einen  Arbeitsmarkt  geworfen,  der,  im  Zei- 
chen  staatlicher  Finanzkrise  und  Umverteilung  der  Haushalte  zuguri- 
sten  von  Subventionsprogrammen  furs  [Capital,  sowie  repressivem  MiB- 
trauens  gegeniiber  allem,  was  auch  nur  "emanzipatorische"  Sozialar- 
beit anstrebt,  die  Konkurrenz  um  die  vorhandenen  Stellen  verschSrft 
hat.  Mehr  noch:  Uberangebot  von  Ausgebildeten  von  der  einen,  Ratio- 
nalisierungsdruck,  Einsparungen  und  repressive  Liquidation  von  Mo- 
dellen  von  der  anderen  Seite  schlieBen  die  Klemme  inner  enger. 
Die  Diplomierten  erfahren  also  einen  Prozefi  der  Erniichterung,  die 
gesellschaftliche  Krise  am  eigenen  Leibe:  Sie  miissen  um  die  vorhan- 


-  29  - 


denen  Stellen  konkurrieren,  konnen  auch  langerfristig  arbeitslos 
werden,  oder  landen,  mit  Gliick,  in  gar  nicht  so  modellhaften  und  aka- 
demisch-auserlesenen  Institutionen  (bisher  vorwiegend  in  der  offenen 
Jugendarbeit,  in  Heimen,  weniger  in  Amtern)  und  sind  so  mit  den  An- 
forderungen  "normaler"  Krisen-Sozialarbeit  konfrontiert :  Zunahme  der 
"Falle",  zunehmende  Desorientierung  und  Deklassierungstendenzen  bei 
den  "Klienten". 

So  stellen  sich  fur  das  Gros  der  Diplomanden,  die  eine  Stelle  bekom- 
men  haben,  keine  speziellen  Diplom-Probleme  wie  Planung,  Leitung 
oder  Verwissenschaftlichung  von  Praxis,  wie  es  den  Reformern  an  der 
Universitat  vorschwebte  und  z.T.  noch  vorschwebt,  sondern  sie  erfah- 
ren  die  gesellschaftlichen  Grenzen  der  Sozialarbeit  angesichts  indi- 
vidualisierter  Krisenfolgen  in  ihrer  Beruf spraxis. 
Neben  dieser  Hauptgruppe,  fiir  die  der  Mythos  einer  "professionali- 
sierten",  wissenschaf tlichen  Padagogik  of  fensichtlich  an  der  Krisen- 
realitat  zerschellt  ist,  gibt  es  noch  eine  kleine,  andere  Gruppe 
von  Diplomierten,  die,  oft  nach  FHS-Studium  und  Beruf spraxis,  ein 
Aufbaustudium  hinter  sich  gebracht  hat.  Oft  hat  diese  Gruppe  friihe- 
re,  desillusionierende  Beruf serfahrung  so  verarbeitet,  daB  Scheitern 
in  der  Praxis  als  individuelles  Qualif ikationsdef izit  mterpretiert 
wurde,  woraus  sich  eine  starke  Motivation  zur  Hoherqualif lkation, 
vor  a  Hem  in  "Modebereichen"  wie  Gruppendynamik,  Superversion,  metho- 
disierte  Therapien,  Planung  usw.  ergeben  hat.  Sicher  ist  das  Studium 
selbst  nun  auch  ein  Erf ahrungsprozeS,  der  solche  Wissenschaf tsglau- 
bigkeit  und  auch  individuelle  Karriere-  und  Auf stiegshoffnungen  re- 
flektierbar  machen  kann.  Trotzdem  ist  zu  befiirchten,  daB  bei  dieser 
Gruppe  von  Studenten  das  Angebot  einer  prof essionell-klimschen  WeiB- 
kittelidentitat  auf  fruchtbaren  Boden  fallt. 

Diese  Aufbau-Diplomierten  haben  nun  bisweilen  Chancen  auf  die  weni- 
gen  Stellen,  die,  in  Model 1-  oder  Forschungsproj ekten,  in  der  Lehre 
an  FHSen  oder  Unis,  eher  noch  dem  akademischen  Leitbild  entsprechen. 
Doch  wird  es  eindeutig  eine  Minderheit  der  Absolventen  bleiben,  die 
es  solchermaSen  mit  dem  Dipl.  Psychologen  oder  Mediziner  aufnehmen 
kann,  was  insgeheim  oder  auch  explizit  die  Orientierung  fur  eine  ahn- 
lich  wissenschaftliche  und  gesellschaf tliche  Anerkennung  der  profes- 
sionell-monopolisierten  Fachkompetenz  "Dipl. Pad."  war. 
Alles  in  allem:  Der  Diplompadagoge  bleibt  also  im  Durchschnitt  auf 
dem  (krisenhaft-gesellschaftlichen)  Teppich. 


BERUFSVERBAND  ODER  GEWERKSCHAFT? 

Damit  aber  ist  auch  real  einem  Konzept  der  Boden  weitgehend  entzogen, 
dem  ein  Beruf sverband  fiir  Diplompadagogen  vorschwebt,  der  sogar  in 
Form  einer  "Bundesarbeitsgemeinschaf t  fiir  Diplompadagogen"  Realitat 
wurde,  eifrige  Griinder  und  -  zumindest  -  Vorsitzende  fand.  Hier 
geistert  immer  noch  die  "neue  Fachlichkeit"  herum,  ein  "Berufsbild 
soil  erstellt  werden,  fiir  das  man  wissenschaf tlich-kompetenter  Fur- 
sprecher,  pressure-group  und  praktischer  Interessent  in  einem  sein 
will,  nattirlich  keinesfalls  gegen  die  OTV,  wie  versichert  wird,  aber 
eben  doch  im  Moment  hiibsch  unter  sich,  wie  es  sich  fiir  Akademiker 
gehbrt . 

Abgesehen  von  reaktionaren,  standi sch-hierarchisierenden  Interessen, 
die  sich  im  Rahmen  einer  solchen  "Arbeitsgemeinschaf t"  einfinden, 
wird  hier  weiter  die  alte  Illusion  "wissenschaftlicher  Kompetenz" 


30 


gepflegt,  als  ware  allein  schon  durch  das  Anbieten  einer  "innovato- 
rischen"  Qualifikation  fiir  Problemlosung  im  Sozialbereich  und  durch 
die  Definition  eines  Platzes  in  der  gesellschaftlichen  Funktionshier- 
archie  ("Berufsbild")  "die"  Gesellschaft  von  der  Niitzlichkeit  zu 
"iiberzeugen"  und  damit  der  Beruf sstand  hergestellt  und  abgesichert. 
Realistischer  in  Bezug  auf  den  Arbeitsmarkt,  vor  allem  aber  politisch- 
strategisch  sinnvoller  ist  dagegen  die  Einsicht,  daB  aus  den  Diplo- 
mierten eben  "normale"  Sozialarbeiter  geworden  sind,  die  als  padago- 
gische  Lohnarbeiter  Interessen  an  Arbeitsbedingungen  und  -inhalten  ha- 
ben; Ankniipfungspunkt  der  Organisierung  ist  somit  nicht  ein  wissen- 
schaftlicher Nimbus,  sondern  die  Erfahrung  einer  Arbeit,  die  es  mit 
der  verstaatlicht-vergesellschaf teten  Sozialisation  bzw.  Reproduk- 
tion  der  Arbeitskraft  unter  Bedingungen  einer  krisenhaften  Gesell- 
schaft zu  tun  hat.  Damit  kann  aber  nur  eine  gewerkschaf tliche  Orga^ 
nisierung  zur  Debatte  stehen  (und  dariiber  hinausgehende  politische 
Organisation),  eine  Arbeit  in  der  OTV,  wobei  es  wichtig  ist,  Lohn- 
arbeiterinteressen  vermittelt  mit  inhaltlich-politischen  Interessen 
mit  der  Perspektive  von  Klassenlernprozessen  in  gewerkschaftliche 
Diskussionen  und  Aktionen  einzubringen  (vgl.  unseren  Beitrag  zur 
Landwehr/Wedekind-Kontroverse,  Info  Sozialarbeit  Heft  19  und  Info 
Sozialarbeit  Heft  16  Gewerkschaf tsarbeit  in  der  OTV). 


POLITISCHE  ARBEIT  IM  STUDIUM 

Ansatzpunkt  ist  hier  einmal  die,  vor  allem  im  Grundstudium  stattfin- 
dende  Beschaf tigung  mit  gesellschaf tstheoretischen  Voraussetzungen 
von  Padagogik:  Hier  konnen  wir  an  vorhandene  "kritische"  Anspriiche 
ankniipfen,  um  diese  zu  einer  marxistischen  Gesellschaf tsanalyse  wei- 
terzutreiben.  Zweitens  versuchen  wir,  in  immanenter  Kritik  einer  sich 
als  emanzipatorisch  verstehenden  Padagogik  herauszuarbeiten,  dafl  und 
warum  (gesellschaf tliche  Arbeitsteilung! )  kritische  (Einzel-)Ein- 
sichten  uber  die  kapitalistische  Gesellschaft,  eine  davon  einzelwis- 
senschaf tlich-getrennte  Sozialisationstheorie  und  padagogische  Me- 
thoden  auseinanderfallen,  und  daB  diese  Nicht-Vermittlung  zu  Sozial- 
technik,  bestenfalls  zu  einer  auf  kommunikative  Prozesse  reduzierten 
"Emanzipation"  fiihrt.  Wissenschaf tskritik  wird  so  zu  einer  Kritik 
an  beruflicher  Praxis,  wobei  es  Hauptziel  ist,  den  Mythos  des  weiBbe- 
kittelten  Intellektuellen  zu  zerstoren,  seine  vermeintlich  neutral- 
fachliche  oder  auch  emanzipationstechnische  Funktion  als  Herrschafts- 
moment  innerhalb  der  kapitalistischen  Arbeitsteilung  zu  kritisieren, 
damit  aber  Konf likthaftigkeit  und  Grenzen  padagogischer  Weltvera'n- 
derung  deutlich  zu  machen,  ohne  abstrakte  Negation:  beruf srevolu- 
tionaren  Ethos  jenseits  beruflich-gesellschaf tlicher  "Befangenheit" 
zu  predigen.  Vielmehr  geht  es  um  das  Bewufitsein  und  um  die  prakti- 
sche  Handlungs(gegen)qualif ikation,  die  im  Beruf sf eld  -  sicher  ver- 
zerrt  und  individualisiert  -  erfahrene  gesellschaf tliche  Konflikt- 
haftigkeit  als  solche  bewuBt  zu  machen,  um  die  zu  "Klienten"  defi- 
nierten  Menschen  zu  solidarischer  Realisierung  ihrer  (Reproduktions) 
Interessen  zu  befahigen.  Und  sowohl  fiir  die  "Prof essionellen"  als 
auch  fiir  die  "Adressaten"  wird  dann  eine  Linie  politisch-gesellschaf t- 
licher  Praxis  sichtbar  und  greifbar,  die  iiber  die  Institutionen, 
den  Sozialbereich  hinausgreif en  mufl,  um  auf  gesamtgesellschaf tliche 
Umwalzung  abzuzielen. 


-  31  - 


AG  SPAK- Mater ialien  zum  Thema 

Sozialpolitische 
Initiativen 


Zur  alternativen  Okonomie  2 
Leistungsdruck.Arbeitslosigkeit,  Berufsver 
bote  etc.  bewirken,  daB  immer  mehr  Men- 
schen  -  freiwillig  Oder  unfreiwillig  ■  aus  dem 
kapitalistischen  ProduktionsprozeB  fallen. 
Die  Suche  nach  Alternativen,  die  nicht  nur 
auf  den  'Freizeit'-Bereich  beschrankt  blei- 
ben,  sondern  auch  die  materielle  Reproduk- 
tion  absichern,  hat  zu  einem  sprunghaften 
Anstieg  von  Projekten  'Alternativer  Okono- 
mie' gefuhrt.  Dieses  Buch  enthalt:  Beitrage 
zur  Theorie,  zur  Diskussion  und  zur  Praxis 
der  alternativen  Okonomie  (Arbeitslosen- 
selbsthilfen,  Konsumverein,  Rotarbeit,  AAO, 
Gemeinschaftsbank  u.v.m.)  sowie  Notate  zur 
neuesten  Geschichte  der  Alternativen  Oko- 
nomie. 

264  S„  ISBN  3-88227-029-2 
DM  13- 

Obdachlosenpolitik  in  der  BRD 

enthalt;  Trendlinien  kommunaler  Obdachlo- 

senpo/itik,  ausfiihrliche  Projektgruppenberich- 

te  aus  Miinster  und  Marburg  sowie  konkrete 

Handlungsanleitungen  fiir  Sozialarbeiter  und 

Studenten  zur  Zusammenarbeit  mit  Obdach- 

losen. 

244S.,zahlr.Dokumente,ISBN  3-88227-028-4 

DM  13- 

Jugendarbeit  im  Ferienlager 
Erfahrungen,  praktische  Hinweise,  theoreti- 
sche  Oberlegungen. 

Die  Autoren  dieses  Buches  wollen  eine  Ant- 
wort  auf  die  standig  bei  der  Vorbereitung  und 
Durchfiihrung  van  Ferienlagern  wiederkehren- 
den  Fragen  geben,  damit  die  Betreuer  (-grup- 
pen)  nicht  immer  wieder  von  vorn  beginnen 
miissen.  Sie  wollen  Programmgestaltungsvor- 
schlage  machen,  die  aus  ihrer  Erfahrung  heraus 
erfolgreich  waren.  Sie  wollen  den  Betreuern 
Tips  und  Ratschlage  geben,  wie  Auseinander- 
setzungen  mit  dem  Trager  der  MaEnahme  er- 
folgreich in  ihrem  und  im  Interesse  der  Lager- 
teilnehmer  entschieden  werden  kbnnen.Nicht 
zuletzt  wollen  sie  einen  Beitrag  zur  Diskussion 
iiber  den  padagogisch-politischen  Stellenwert 
von  Ferienlagerarbeit  liefern. 
180  S.,  ISBN  3-88227-031-4 
DM  10,- 


Zur  alternativen  Okonomie  1 

Ein  Reader  verschiedener,  alternativ  zur 
bestehenden  Lebens-  und  Wirtschaftsform 
entwickelter,  auch  praktizierter  Modelle 
sowie  eine  Kritik  an  den  dargestellten 
Modellen.  Dieses  Buch  enthalt  Beitrage 
zu;  Geschichte  der  Genossenschaftsbewe- 
gung,  Kommunen  in  der  Neuen  Welt,  CLAP, 
Produktionskommunen,  u.v.m. 
4.  Aufl.,  192  S.,  ISBN  3-88227-019-5 
DM  6,50 


Handbuch  zur  praktischen  Medienarbeit  1 

Was  man  mit  Farbe  und  Papier  so  alles  machen 
kann 

Zeitung,  Plakat,  Flugblatt,  Briefe,  Infostand, 
Montage,  Drucktechniken 
Dieses  Handbuch  wurde  von  aktiven  Leuten 
aus  der  Jugendzentrumsbewegung  zusammen- 
gestellt.  Es  ist  eine  Aufforderung  und  Ermu- 
tigung  an  alle  Initiativgruppen,  mit  mehr  Phan- 
tasie  die  Freizeit  und  den  'grauen'  politischen 
Alltag  zu  gestalten,  essoll  fur  viele  eine  Hilfe 
sein,  sich  ausdriicken  zu  lernen,  Offentlichkeit 
zu  schaffen,  Gegenoffentlichkeit  herzustellen. 
192S.,zahlreicheAbb.,  ISBN  3-88227-026-8 
DM  8,50 


Demnachst  erscheinen: 

Reader  zur  Psychiatrie  und  Antipsychiatrie 

ca.  240  S.,  ca.  15,- DM 

Volkserziehung  in  Lateinamerika 

Von  der  Theorie  Paulo  Freires  zur  politischen 

Praxis  der  Unterdriickten 

ca.  240  S.,  ca.  DM  13,- 

Katalog  anfordernl 

Zu  beziehen  uber: 

Sozialpolitischer  Verlag,  Schlesische  StraBe  31, 

1000  Berlin  36 
oder  uber  den  Buchhandel. 
[Der  Sozialpolitische  Verlag  verlegt  und  vertreibt 
die  Materialien  der  Arbeitsgemeinschaft  Sozialpo- 
litischer Arbeitskreise  AG  SPAK) 


Frank  Duchting,  Hamburg 

ERFAHRUNGEN  MIT  DEM 
STUDIENBEGLEITENDEN  PRAKTIKUM 


Grundsatzlich  problematisch  in  der  Ausbildung  von  Sozialarbeitern 

auf  Fachhochschulebene  ist  die  Theorie-Praxis-Vermittlung: 

Wie  muB  die  Ausbildung  organisiert  sein,  mn  zum  einen  theoretisches 

Grundlagenwissen  zu  vermitteln,  zum  anderen  antizipacorisch  berufs- 

praktisches  Handeln  einzuiiben? 

Im  Zusammenhang  mit  dieser  Fragestellung  gibt  es  (im  Rahmen  der  iibli- 

chen  2-phasigen  Ausbildung)  unterschiedliche  Losungsansatze  an  den 

verschiedenen  Fachhachschulen: 

•  Blockpraktika,  die  in  vier  oder  sechs  Wochen  mehrmals  im  Rahmen 

des  Hauptstudiums  absolviert  werden. 

Der  entscheidende  Nachteil  dieses  Ansatzes  ist,  daS  die  Studenten 

zu  kurz  und  zerstiickelt  die  Praxis  kennenlernen,  ohne  diese  jedoch 

geniigend  reflektieren  und  aufarbeiten  zu  konnen. 

0  Freiwillige,  von  Dozenten  und/oder  Studenten  organisierte  Praktika. 
Abgesehen  von  den  Schwierigkeiten,  iiberhaupt  Praxisstellen  nach 
jeweiligem  Interesse  zu  bekommen,  die  dann  meistens  in  (z.T.  fach- 
hochschulorganisierten  Projekten  angesiedelt  sind,  ist  bei  diesem 
Ansatz  vor  allem  die  Freiwilligkeit  ein  Problem:  Studenten,  die 
nicht  an  einem  Praktikum  teilnehmen  (wollen),  verfiigen  nicht  mal 
ansatzweise  iiber  sozialpadagogische  Praxiserf ahrungen. 

1  Studienbegleitende  Praktika,  die  im  Rahmen  des  Studiums  als  seme- 
steriibergreifende  Pf lichtveranstaltungen  organisiert  sirid. 
Innerhalb  dieses  Ansatzes  gibt  es  unterschiedliche  Organisations- 
moglichkeiten. 

Eine  dieser  Moglichkeiten  soil  im  folgenden  dargestellt  werden, 

wobei  nicht  primar  die  Schwierigkeiten  in  der  Theorie-Praxis- 

Verbindung,  die  selbstverstandlich  auch  in  diesem  Ansatz  angelegt 

sind,  erortert  werden,  sonden  schwerpunktmaBig  die  Fragestellung 

untersucht  wird: 

Welche  studentischen  Erhaltensformen  und  Reaktionsweisen  lassen 

sich  im  Hinblick  aufs  studienbegleitende  Praktikum  heraus schalen, 

und: 

Wie  sind  diese  zu  erklaren? 


1.  STUDIENBEGLEITENDES  PRAKTIKUM 

Das  Praktikum  an  der  evangelischen  Fachhochschule  in  Hamburg  grenzt 
sich  von  den  anderen  Formen  der  Praktika  vor  allem  erstmal  dadurch 
ab  daBes  Pflicht  fiir  alle  Studenten  und  seine  erfolgreiche  Absol- 
vierung  Priifungsvoraussetzung  ist. 

Die  hauptamtlichen  Dozenten  bieten  fur  jedes  (3-semestrige)  Haupt- 
studium  einen  Kanon  von  sogenannten  Schwerpunkten  an:  Zur  Zeit  exi- 
stieren  -  bedingt  durch  die  jeweiligen  Qualif ikationen,  Praxiserf ah- 
rungen und  -kontakte  der  Dozenten  -  folgende  Schwerpunkte: 


33 


Sozialpsychiatrie,  Jugendarbeit  in  Kirchengemeinden  ,  aufierschuli- 

sche  Bildung,  soziale  Dienste  in  der  Justiz,  Kindererziehung  in  Ta- 

geseinrichtungen,  Diakonie  in  Kirchengemeinden. 

Diese  Schwerpunkte  setzen  sich  zusammen  aus  Praxisstellen,  in  denen 

die  Studenten  16  Stunden  pro  Woche  lernen  und  arbeiten,  und  einem 

wochentlichen  4-sttindigen  Vertiefungsseminar . 

Die  Auswahl  der  Praxisstellen  erfolgt  iiberwiegend  durch  die  Dozenten. 

Fur  die  Studenten  ist  es  aber  auch  moglich,  sich  im  Rahmen  der  ange- 

botenen  Schwerpunkte  selber  Praxisstellen  zu  wahlen.  Nicht  moglich  ist 

es  jedoch  sich  Praxisstellen  zu  wahlen  fur  die  kein  Schwerpunkt  ange- 

boten  wird  (z.B.  GWA,  Frauenarbeit.Behindertenarbeit) . 

Die  meisten  Praxisstellen  sind  in  den  "normalen"  Arbeitsbereichen 

der  Sozialarbeit  angesiedelt,  es  gibt  nur  wenige  in  Projekten.  Durch 

die  Anbindung  an  die  institutionalisierte  Sozialarbeit  ergibt  sich 

ein  wesentliches  Merkmal  dieser  Praktika: 

Fur  die  studienbegleitende  Ausbildung  ist  auf  diese  Weise  die  Konti- 

nuitat  gesichert,  denn  die  Stellen  brauchen  nicht  fiir  jede  neue 

Hauptstudiengeneration  neu  aufgetan,  sondern  immer  nur  neu  besetzt 

zu  werden.  So  sind  die  Praxisanleiter  (Sozialarbeiter  mit  langjahri- 

ger  Beruf serfahrung  in  den  Arbeitsf eldern)  auf  die  Fachhochschulaus- 

bildung  eingestellt.  Zudem  erfolgt  das  praktische  Lernen  in  alltag- 

lichen  Handlungsvollziigen  der  Sozialarbeit  und  nicht  in  extra  fiir 

diesen  Ausbildungszweck  geschaffenen  Ein-Punkt-Situationen. 

Das  Theorie-Praxis-Verhaltnis  ist  f olgendermaSen  organisiert: 
Kristallisationspunkt  ist  das  4-stiindige  Vertiefungsseminar  mit  sei- 
ner Aufgabe,  theoretisch  iibergreifend  die  praktische  Arbeit  der  Stu- 
denten zu  reflektieren  und  weiterzuentwickeln.  (Gleichzeitig  soil 
dem  Vertiefungsseminar  die  Funktion  zukommen,  theoretische  Reflexion 
und  Handlungsstrategien  so  auf zubereiten,  daB  diese  auch  verallgemei- 
nerbar  und  auf  andere  sozialpadagogische  Arbeitsfelder  iibertragbar 
s  ind ■ ) 

Zu  den  jeweiligen  Vertiefungsseminaren  komnen  noch  Methodenveranstal- 
tungen,  die  speziell  auf  die  praktischen  Anforderungen  in  den  Schwer- 
punkten  zugeschnitten  sind,  und  entsprechende  Erganzungsveranstaltun- 
gen.  Die  Arbeitsbedingungen  in  diesen  Veranstaltungen  sind  sehr  gut, 
da  ein  kleiner  Kreis  von  Studenten  (6-12  Studenten)  kontinuierlich 
iiber  3  Semester  zusammenarbeitet . 

Der  zweite  Strang  im  Hauptstudium  orientiert  sich  nicht  am  studienbe- 
gleitenden bzw.  Projektprinzip,  sondern  ist  dazu  querliegend  derart 
organisiert,  daB  j eder  Student  in  den  Fachern  BSHG,  Jugendrecht,  Ver- 
waltung,  Theorie  der  Sozialarbeit/Sozialpadagogik/Diakonie  Scheine 
erbringen  muS  und  in  diesen  Fachern  auch  zum  AbschluB  miindlich  ge- 
priift  wird. 


2.  STUDENTISCHES  ENGAGEMENT  IM  PRAKTIKUM 

Nachdem  die  Organisation  des  Praktikums  vorgestellt  wurde,  soil  nun 
spezieller  auf  mogliche  studentische  Verhaltensf ormen  eingegangen 
werden.  Mir  scheint  dieser  Aspekt  vor  allem  deshalb  so  wichtig,  weil 
viele  Stimmen(v.a.  im  Praxis-  und  Hochschulverwaltungsbereich)  be- 
zweifeln,  daft  Studenten  in  studienbegleitenden  Praktika  sinnvoll 
lernen;  weil  auch  im  hochschulinternen  Bereich  Unklarheit  dariiber 
besteht,  warum  Studenten  ganz  unterschiedlich  motiviert  mit  Praxis 


34 


umgehen;  und  schliefilich,  weil  grundsatzlich  zu  klaren  ware,  auf 
welche  Art  und  Weise  und  mit  welcher  Intensitat  Studenten  das  Prak- 
tikum  iiberhaupt  ernstnehmen  konnen,  sind  sie  doch  eben  Studenten  und 
von  den  Praxiskonf likten  nicht  existentiell  betroffen,  d.h.  in  keinem 
Lohnarbeiterverhaltnis  stehend  und  die  Praxis  nach  einer  uberschau- 
baren  Zeit  wieder  verlassend. 

Nach  meinen  Beobachtungen  und  Erfahrungen  lassen  sich  vier  Arten 
von  studentischem  Verhalten  dem  studienbegleitenden  Praktikum  gegen- 
iiber  beschreiben  (die  allerdings  in  der  Realitat  fast  nie  so  ideal- 
typisch  vorkommen,  sondern  eher  "iiberwiegend",  "in  der  Tendenz"). 

Die  kleinen  Praktiker 

Im  Grundstudium  waren  ihnen  die  Angebote  zu  theoretisch,  zu  wenig 
an  der  Praxis  orientiert  bzw.  mit  ihr  vermittelt.  Im  Hauptstudium 
stiirzen  sie  sich  regelrecht  in  ihre  Praxisstellen.  Haufig  engagieren 
sie  sich  weit  iiber  das  vorgesehene  ZeitmaB  in  ihren  Arbeitsbereichen. 
Die  Lehrveranstaltungen  beurteilen  sie  danach,  wieweit  sie  konkret 
etwas  fiir  ihre  Praxis  hergeben.  Politische  Auseinandersetzungen  (po- 
litische  Einschatzung  der  eigenen  Arbeit  bzw.  der  Sozialarbeit  all- 
gemein)  scheinen  fiir  sie  nicht  relevant  zu  sein.  Sie  vertreten  dage- 
gen  die  These  des  immer  vc/rhandenen  Freiraumes,  den  man  sich  als  gu- 
ter  und  kundiger  Sozialarbeiter  gegen  alle  Hemmnisse  gestalten  kann, 
besitzt  man  nur  geniigend'  anwendungsorientiertes  Wissen. 
Aus  der  politischen  Arbeit  und  den  aktuellen  Konflikten  im  Hochschul- 
bereich  fallen  diese  Studenten  weitgehend  raus.  Sie  definieren  ihr 
Arbeitsfeld  in  der  sozialpadagogischen  Praxis  und  lehnen  die  Fach- 
hochschule  als  primares  Arbeitsfeld  ab. 

Es  ist  zu  befurchten,  daB  diese  studentische  Einstellung  zu  einem 
beruf spraktischen  Verhalten  fiihrt,  das  sich  eng  in  dem  Rahmen  des 
eigenen  Arbeitsbereichs  bewegt  und  nicht  in  der  Lage  ist,  theoreti- 
sche und  praktische  Zusammenhange  zu  anderen  Arbeitsf eldern,  zum 
Bereich  der  sozialen  Arbeit  iiberhaupt  und  ihren  gesellschaf tlichen 
Bedingungen  herzustellen. 

Die  politischen  "Lohnarbeiter" 

Diese  Studenten  machen  schon  im  Studium  eine  deutliche  Trennung  zwi- 
schen  ihrer  Arbeit  in  den  Praxisstellen  und  der  "eigent lichen"  poli- 
tischen Arbeit.  Sie  erfiillen  nur  notgedrungen  die  Anforderungen  in 
der  Praxis  und  verhalten  sich  haufig  uninteressiert  in  den  fachlichen 
Veranstaltungen.  Engagement  in  der  praktischen  Arbeit  ist  dann  vor- 
handen,  wenn  es  im  Sinne  der  (partei)politischen  Arbeit  effektiv  er- 
scheint:  Die  Arbeit  im  Praxisfeld  ist  fur  sie  primar  politisch  defi- 
niert,  der  padagogische  Aspekt  der  Arbeit  wird  weggeschoben  (also: 
BewuBtsein  schaffen  durch  politische  Aufklarung  mit  dem  Ziel  der  Or- 
ganisierung),  die  subjektiven  Bef indlichkeiten  der  Zielgruppen  wer- 
den nicht  ernstgenommen.  Schlagen  die  politisch  definierten  Bemuhun- 
gen  fehl  (was  fast  durchweg  der  Fall  ist),  so  ist  die  Zielgruppe  eben 
schon  vom  System  verdorben,  bzw.  sind  die  institutionellen  Bedingun- 
gen zu  repressiv. 

Neben  der  Ablehnung  einer  Praxis,  die  erstmal  als  padagogische  Pra- 
xis (wenngleich  mit  politischem  Stellenwert)  ausgewiesen  ist,  fin- 
det  sich  bei  dieser  Gruppe  haufig  eine  Ablehnung  gegeniiber  differen- 
zierten  Theorieansatzen. 
Hochschulpolitisch  ist  diese  studentische  Gruppe  sehr  aktiv  und  enga- 

-  35  - 


giert  und  dominiert  haufig  den  restlichen  Haufen  der  Studenten. 
Das  Problem,  wie  die  Anforderungen  der  Berufspraxis  mit  dem  undif- 
ferenzierten  und  geringen  Studienwissen  und  den  sehr  diinnen  Praxis- 
kenntnissen  zusammengebracht  werden  konnen,  stellt  sich  fiir  diese 
Studenten  oft  gar  nicht,  da  sie  sehr  haufig  noch  weiterstudieren. 

Die  "Verbindlichen" 

Diese  Studenten  verstehen  die  Fachhochschule  als  ihr  primares  Ar- 
beitsfeld.  Die  Praxis  begreifen  sie  als  Lernfeld,  in  dem  Prozesse 
nur  moglich  und  sichtbar  sind,  wenn  man  sich  engagiert.  Ihr  Verant- 
wortungsbewufitsein  fiir  die  Anforderungen  der  Praxis,  vor  allem  der 
Zielgruppe,  ist  zwar  ausgepragt,  darf  aber  nicht  dazu  fiihren,  sich 
von  der  studienbegleitenden  Praxis  fressen  zu  lassen  und  keine  Zeit 
mehr  fiir  hochschulpolitische  Probleme  und  Aktivitaten  zu  haben. 
Diese  Studenten  schaffen  es  meist  nur  durch  hohen  personlichen/zeit- 
lichen  Aufwand,  beide  Bereiche  verbindlich  abzudecken.  Das  hat  oft 
zur  Folge,  dafi  keine  Freiraume  mehr  fiir  andere  Aktivitaten  bleiben 
und  daB  sich  ein  personlicher  Frust  einschleicht,  der  sich  gegeniiber 
der  Kommilitonen  (Kollegen)  in  ahnlich  hohen  Anspriichen  wie  an  sich 
selbst  -  moralisch  verpackt  -  auBern  kann. 

Studenten  auf  der  Suche  nach  sich  selbst 

Diese  Studenten  sehen  in  der  Bewaltigung  der  personlichen  Probleme 
die  wichtigste  Aufgabe  wahrend  des  Studiums.  Entsprechend  ist  ihr 
Engagement  in  hochschulpolitischen  Fragen  und  in  der  Praxis  abhangig 
von  ihrer  jeweiligen  personlichen  Bef indlichkeit .  Diese  laBt  sich 
haufig  nicht  mit  den  Anforderungen  des  Studiums  und  der  Praxis  ver- 
binden.  Wochenlanger  Ausfall  kann  genauso  vorkommen,  wie  sehr  inten- 
sives  Engagement. 

Meist  fiihlen  diese  Studenten  sich  von  den  Kommilitonen  und  den  Do- 
zenten  in  ihrer  Problematik  nicht  verstanden  und  nicht  akzeptiert. 
Sie  erfahren  innerhalb  der  Hochschule  keine  Hilfe  bei  der  Aufarbei- 
tung  ihrer  Probleme  und  ziehen  sich  in  bestimmte  Subkulturen  zuriick. 


3.  KONFLIKTE  ZWISCHEN  DIESEN  VERSCHIEDENEN  STUDENTISCHEN 

SELBSTVERSTANDNISSEN 

t  auf  der  Ebene  der  einzelnen  Schwerpunkte 

Treffen  mehrere  dieser  SelbstverstSndnisse  in  einem  Schwerpunkt,  so- 
gar  noch  in  einem  Praxisfeld  zusammen  (was  nicht  inner  der  Fall  ist, 
sondern:  bestimmte  Schwerpunkte  scheinen  thematisch  Studenten  mit 
kontroversen  Selbstverstandnissen  geradezu  "anzulocken") ,  so  gibt  es 
handfeste  Konflikte.  Es  findet  eine  Oberbelastung  der  "verbindliche- 
ren"  Studenten  statt,  die  Interesse  an  der  Auf rechterhaltung  und  Ver- 
besserung  der  Arbeit  haben,  weil  sie  die  anderen  Studenten,  die  nicht 
so  verbindlich  an  die  Arbeit  herangehen,  nicht  iiberzeugen  konnten, 
sich  im  Interesse  der  Arbeit  und  der  Zielgruppe  engagierter  zu  verhal- 
ten.  In  solchen  Fallen  komnt  es  nach  einiger  Zeit  zu  einer  regelrech- 
ten  Teilung  im  Schwerpunkt,  denn  die  einen  haben  es  nach  gewisser  Zeit 
satt,  immer  wieder  die  gleichen  Diskussionen  zu  fiihren  und  iibernehmen 
dann  lieber  die  Aufgaben  der  anderen  mit. 

Auch  auf  der  inhaltlichen  Ebene  gibt  es  zwischen  den  verschiedenen 
Gruppen  Konflikte.  Sind  die  einen  mehr  am  pragmatischen,  handlungs- 
orientierten  Wissen  interessiert  oder  lernen  als  anderes  Extrem  nur 


-  36  - 


fiir  Priifungen  und  Scheine  (vor  allem  die  "politischen") ,  so  sind 
andere  an  einer  dif ferenzierten  Theorie-Praxis  Verbindung  interes- 
siert. 

•  auf  der  hochschulpolitischen  Ebene 

Auch  hier  kommt  es  mittelfristig  zu  einer  Teilung  des  Semesters. 
Diejenigen,  die  in  der  Praxis  vollig  aufgehen,  halten  es  kaum  noch 
fiir  notig,  sich  an  VVs  und  Arbeit sgruppen  oder  studentischen  Aktio- 
nen  zu  beteiligen.  So  fallt  dann  manchmal  ein  halbes  Semester  aus 
und  die  Kontinuitat  der  studentischen  Hochschulpolitik  leidet  erheb- 
lich  darunter,  denn  fiir  die  neuen  Studenten  ist  es  wichtig,  am  An- 
fang  des  studiums  in   hochschulpolitischen  Fragen  nicht  sofort  al- 
lein  auf  sich  gestellt  zu  sein. 

Die  politisch  aktiven  Studenten,  vor  allem  die  organisierten,  domi- 
nieren  aufgrund  ihres  Einsatzes,  der  sich  aber  eben  nur  auf  den  po- 
litischen Bereich  bezieht,  die  VVs.  Die  Studenten,  die  wegen  der 
Doppelbelastung  durch  Studium  und  hochschulpolitisches  Engagement 
sich  ebenfalls  nicht  mit  vollem  Einsatz  auf  die  Belange  der  Studenten- 
politik  konzentrieren  konnen,  haben  es  schwer,  sich  immer  wieder 
gegen  die  dogmatischen  Studenten  durchzusetzen,  zumal  ihnen  ihr  Ein- 
satz nur  dann  abgenommen  wird,  wenn  sie  sich  auch  an  der  zeitaufwen- 
digen  Gremienarbeit  beteiligen.  Frustrierend  fiir  diese  Studenten  ist 
vor  allem  die  Erfahrung  im  Schwerpunkt,  wie  sich  die  'politischen' 
Studenten  aus  der  praktischen  Arbeit  entziehen,  aber  fiir  hochschul- 
politische Dinge  immer  Zeit  haben. 

Alles  in  allem  fiihren  diese  unterschied lichen  studentischen  Selbst- 
verstSndnisse fast  immer  zu  einer  Schwachung  der  studentischen  Posi- 
tion, Schulleitung,  Trager/Geldgeber,  Kultusbehorde  haben  es  in  ak- 
tuellen  "Uneinigkeitssituationen"  leicht,  Regelungen  durchzusetzen, 
die  gegen  die  studentischen  Interessen  gerichtet  sind. 

4.  WIE  LASSEN  SICH  DIESE  KONFLIKTE  ANDERN? 

Eine  zentrale  Aufgabe  bei  der  Aufarbeitung  dieser  Konflikte  kame 
der  Schwerpunktvertiefung  zu.  Hier  hatten  vor  allem  auch  die  Dozen- 
ten  die  Aufgabe,  Selbstverstandnisdiskussionen  der  Studenten  herbei- 
zufiihren.  Am  Anfang  jeden  neuen  Schwerpunktstudiums  sollte  diskutiert 
werden,  welchen  Stellenwert  die  Praxis  in  der  Ausbildung  der  Studen- 
ten hat  und  wie  wichtig  das  Arbeitsfeld  Hochschule  fiir  die  Ausbil- 
dung ist.  Enge  Professionalisierung  im  Praxisstudium  sollte  eindeu- 
tig  vermieden  werden  und  der  Wert  des  Praxisstudiums  fiir  die  spate- 
re  Beruf statigkeit  diskutiert  werden.  Die  Praxis  im  Studium  kann 
nur  exemplarischen  Charakter  haben.  Die  wenigsten  aller  Studenten 
werden  nach  dem  Examen  in  einem  Bereich  tatig,  den  sie  im  Schwerpunkt 
studiert  haben.  Deshalb  ist  die  zu  fiihrende  Selbstref lexion  eine  wich- 
tige  Aufgabe  in  der  Vorbereitung  auf  die  spatere  Berufspraxis.  Da 
die  Dozenten  bei  der  Beurteilung  des  studentischen  Selbstverstandnis- 
ses  unterschiedlicher  Meinung  sind,  solche  Reflexionen  z.T.  sicher 
nicht  fiir  nbtig  erachten,  sollte  die  Initiierung  solcher  Selbstver- 
standnisdiskussionen von  den  Studenten  ausgehen. 

Denkbar  ware  auch,  im  Bereich  des  Grundstudiums  starker  die  Diskus- 
sion  urn  das  Selbstverstandnis  der  Studenten  im  Hochschulbereich  und 
im  Praxisbereich  anzugehen.  Sicher  wiirde  es  dabei  auch  moglich  sein, 
iiber  die  fruhenAuseinandersetzungenmit  der  Praxis  (z.B.  in  Form  von 


37 


berufskundlichen  Seminaren  o.S.)  langfristige  LernprDzesse  zu  ent- 
wickeln  und  zudem  den  Wunsch  nach  Praxis  jedenfalls  teilweise  zu 
befriedigen. 


5.  SCHLUSSBEMERKUNG 

Diese  Art  des  studienbegleitenden  Praktikums  halte  ich  von  der  Atila- 
ge  und  den  Lemmoglichkeiten  im  Vergleich  zu  anders  organisierten 
'Praktika  fur  sehr  gut.  In  dieser  Form  des  Studiums  ist  es  moglich, 
Erfahrungen  in  praktischen  Arbeitsbereichen  der  Sozialarbeit  mit  der 
theoretischen  Aufarbeitung  und  Vertiefung  zu  verbinden.  AuBerdem 
kann,  bei  entsprechendem  Selbstverstandnis  genugend  Kapazitat  blei- 
ben,  um  auch  im  hochschulpolitischen  Bereich  engagiert  zu  arbeiten. 
Die  Notwendigkeit  der  Selbstref lexion  erscheint  mir  aber  in  dieser 
Form  des  studienbegleitenden  Praktikums  um  so  notwendiger,  als  leicht 
die  Gefahr  besteht,  die  im  Praktikum  gemachten  Erfahrungenblind  auf 
die  spateren  Moglichkeiten  im  Beruf  zu  ubertragen.  Dabei  ist  es  be- 
sonders  gefahrlich,  so  scheint  mir,  wenn  sich  Studenten  zu  eng  auf 
ein  Spezialgebiet  'prof essionalisieren'  und  nicht  die  Erfahrungen 
im  Studium  nutzen,  um  grundsatzliche  Probleme  und  Konflikte,  wie 
auch  Arbeitsweisen  zu  ref lektieren.  Spezialistentum  ist  m.E.  bei  der 
heutigen  Arbeitsmarktlage  fur  Sozialarbeiter  schon  im  eigenen  Inter- 


soviel  wie  mb'gli_._  - 
und  in  den  praktischen  Erfahrungen  strukturelle  Elemente  erkennen 
soil,  die  sich  auch  auf  ganz  anders  geartete  Beruf sbereiche  ubertra- 
gen lassen. 


MATERIALIEN/PAPERS  .... 

•  "Ehrfurcht  und  Duldsamkeit"  -  Dokumentation  iiber  das  gewaltsame  Ende 
des  Kita-Projektes  in  Frankfurt.  Gegen  Voreinsendung  von  DM  3,50  bei 
Ilka  Riemann,  Giinthersburgallee  75,  6  Frankfurt,  zu  beziehen 

•  "Der  Hessische  Landbote"  —  Provinzzeitung  der  jugendzentren  Nr.  5; 
Schwerpunktthema:  "Cber  den  Alltag  reden";  36  S./DM  1,50  Vorauszah- 
lung  in  Briefmarken  an  Redaktion  HL  c/o  BDP,  Hamburger  AUee  49, 

6  Frankfurt 

•  Mainzer  Sozialreport  Nr.  3  berichtet  iiber:  Arbeitsemigranten,  Jugendzen- 
trumsbewegung,  Berufsverbote  etc.;  120  S/DM  3,50  gegen  Voreinsendung 
bei  Albert  Hohner,  Rhabanusstr.  14,  65  Mainz,  zu  beziehen 

•  Erzieherzeitung  Nr.  15  berichtet  iiber  Erzieher  in  der  Rehabilitation, 
Tarifrunde  77/78,  Spracherziehung,  Kindererziehung  in  China,  Situation 
an  den  Fachschulen;  40  S./DM  2.-  gegen  Voreinsendung  in  Briefmarken 

zu  beziehen  bei:  Peter  Schenk  -  Verlag,  Heinrich;Fuchs;Str.  3,  69  Heidelberg 

•  Thing  —  Initiative  fiir  eine  sozialistische  Jugendzeitschrift  bisher  rait 

19  Ausgaben  erschienen,  Nr.  3/78  enthalt  Beitrage  zur  Problematik  Alltag 
und  Politik,  Drogen,  Knast,  Gewerkschaftsarbeit,  AKW-Bewegung  etc. 
Probeexemplar  3.-  DM  in  Briefmarken  an  Buchladen  Baererstr.  5, 
21  Hamburg  90  -  Harburg 

•  TUWAS  ;  Warte  nicht  auf  bessere  Zeiten,  Grundlagenmaterial  zur  Dokumen- 
tation und  Ausstellung  "Jugendarbeitslosigkeit",  herausgegeben  von  den 
Ruhrfestspielen  Recklinghausen,  Junges  Forum  und  Kunstamt  Kreuzberg; 
255  S./  DM  5.--  fur  Gruppen  gibt  es  Rabatt;  Bezug:  Elefanten  Press  Galerie, 
Dresdner  Str.  10,  1  Berlin  36 


Hanns  Lindemann,  Wiesbaden 

PROJEKTSTUDIENGANG  "SOZIALWESEN" 
AN  DER  FH  WIESBADEN 


Dieser  Beitrag  stelH  im  ersten  Teil  den  Studiengang  "Sozialwesen" 
an  der  Fachhochsakule  Wiesbaden  vor,   im  zweiten  Teil  sahildert  er 
einige  Erfahrungen  mit  der  Konzeption  des    "Projekbstudiums"  aus  stu- 
dentisaher  Siaht.    Dabei  muli  die  Einsohrankung  gemaeht  werden,   dali  weder 
die  konkreten  politischen  Hintergrunde   (u.a.   Kra  der  sozialdemokra   - 
tischen  BildungspolitikunterKultusminister  v.    Friedeburg  in  Uessen; 
projektierte  Erriohtung  einer  Gesamthoahsahule  Wiesbaden;  Interessen 
der  SPD-regierten  Stadt  Wiesbaden  an  "im  eigenen  Hause"  ausgebilde- 
ten  Sozialarbeitern)  der  Einriohtung  des  Faahbereiahs  im  Winterse- 
mester   1974/75  eingesohatzt  werden     noch,   dad  die  im  zweiten  Teil 
gemachten  Aus.fiihrungen  vmfassend  sind  und  eine  absahlieSende  Wertung 
darstellen.    Vielmehr  arbeitet  am  Fachbereich  eine  gemischte  Gruppe 
von  Dozenten  und  Studenten  an  einer  ersten  grundsdtzliahen  Auswer- 
tung  und  Einschatzung  des  Studienganges.    Deren  Arbeitsergebnisse  wer- 
den bei  ihrer  Vorlage  veroffentlicht. 


Der  Fachbereich  Sozialwesen  wurde  zum  Wintersemester  74/75  an  der 
Fachhochschule  Wiesbaden  gegriindet .  Seitens  des  zustandigen  Rultus- 
ministeriums  gab  es  keine  inhaltlichen  Vorgaben,  die  a  priori  eine 
eindeutige  Ausbildungskonzeption  festgelegt  hatten.  Bestiramt  war 
lediglich  die  quantitative  Entwicklung  des  Fachbereiches.  So  wurden 
im  ersten  Studienjahr  60  Studenten,  im  zweiten  Jahr  90  Studenten 
zugelassen,  im  dritten  Jahr  wurde  die  endgiiltige  jahrliche  Zulassungs- 
quote  von  120  Studenten  erreicht.  Diesem  Zuwachs  an  Ausbildungsnach- 
frage  hinkte  alsbald  das  Ausbildungsangebot ,  also  die  Dozent'enzahl^ 
hinterher.  Ursachlich  war  dafiir  die  Stellenbewirtschaftungspolitik 
im  Sffentlichen  Dienst,  die  auch  an  diesem  neuen  Fachbereich  nicht 
voruberging.  Zum  jetzigen  Zeitpunkt  (April  78),  an  dem  die  ersten 
Studenten  ihrem  Abschlufi  entgegengehen,  sind  erst  12  Dozenten  haupt- 
amtlich  eingestellt,  vorgesehen  sind  letztlich  jedoch  27  Dozenten. 
Diese  Entwicklung  hat  zur  Folge,  daB  ein  groBer  Teil  des  Lehrange- 
botes  iiber  nebenberuf liche  Lehrbeauf tragte  abgedeckt  wird.  Aufgrund 
einer  groben  Bestimmung  von  inhaltlichen  Prioritaten  in  der  Ausbil- 
dung  bzw.  bei  der  Stellenbesetzung  konnte  einem  Verlust  an  Ausbil- 
dungsqualitat  in  we  item  MaBe  entgegengewirkt  werden. 

Sowohl  durch  die  quantitativen  und  zeitlichen  Vorgaben  des  Kultus- 
ministeriums  -  die  Entwicklung  der  Studentenzahl  war  projektiert 
auf  einen  4jahrigen,  also  8-semestrigen  Ausbildungsgang  -  als  auch 
durch  Informationsgesprache  mit  dem  Ministerium,  wurde  deutlich, 
daS  eine  integrierte,  einphasige  Ausbildungskonzeption  vorgesehen 
„ar  Diese  Hinweise  auf  das  "Kasseler  Modell",  das  ein  einphasiger 


39 


^ 


Sozialwesenstudiengang  an  der  dortigen  Gesamthochschule  war,  fanden 
bei  der  Erarbeitung  einer  Studienordnung  fur  den  Wiesbadener  Fachbe- 
reich  eine  umfassende  Beriicksichtigung. 

Das  Ergebnis  bedeutete  einen  einphasigen,  achtsemestrigen  Studiengang. 
Dieser  gliedert  sich  auf  in: 

•  zwei  Sem.  Grundstudium/Eingangsphase 

•  sechs  Sem.  Hauptstudium,  unterteilt  in 

-  vier  Sem.  Proj ektstudium  (1.  berufspraktisches  Halbjahr)  ^ 

-  ein  Sem.  Verwaltungspraktikum  (2.  berufspraktisches  Halbjahr) 

-  ein  Sem.  Abschlufl/Auswertungssemester 

Zur  Verdeutlichung  die   folgende  Darstellung: 


Semester: 
1.  2. 

Grundstudium 
(Eingangsphase) 


I  3. 
I 


4. 


/ 


1.  berufspraktisches  2. berufs-  Auswer- 
Halbjahr  /praktisches  tungs/ 


I Proj  ektstudium 


-Hauptstudium 


Diese  Konzeption  hat  ihre  Grundlage  in  der  vom  Fachbereich  erarbei- 
teten  Studienordnung.  Dem  entspricht  auch  die  erstellte  Prufungsord- 
nung.  Beide  Ordnungen  liegen  dem  KM  zur  Genehmigung  vor.  Trotz  der 
allgemein  -  und  somit  auch  hochschulpolitischen  Entwicklung  im  Land 
Hessen  (Wahlen.im  Herbst  '78)  wird  erwartet,  daS  das  Genehmigungs- 
verfahren  demnachst  abgeschlossen  werden  kann. 

Um  zu  verhindern,  dafi  nun  die  gesamte  Studienordnung  im  eihzelnen 
rezitiert  wird,  sei  auf  dieselbe  hier  verwiesen.  Die  einzelnen  Stu- 
dienabschnitte  werden  nachstehend  kurz  erlautert.  Dabei  mufi  darauf 
hingewiesen  werden,  dafi  diese  Erlauterungen  dem  Stand  der  Diskussion 
am  Fachbereich  entsprechen,  jedoch  nicht  allgemeingiiltig  sind.  Die 
Entwicklung  der  Lehr-  und  Lernziele  ist  in  der  Diskussion,  die  auf 
dem  Hintergrund  der  Auswertung  der  gemachten  Erfahrungen  und  erstell- 
ten  Berichte  aus  den  Projektgruppen  stattfindet. 

Das  Grundstudium  dient  dem  Ausgleich  der  unterschiedlichen  Eingangs- 
voraussetzungen,  es  soil  eine  allgemeine  Orientierung  iiber  die  Ent- 
wicklung der  Berufsfelder  geben  und  die  Grundlage  vorbereiten  fur 
die  Entscheidung  des  Studenten,  entsprechend  sowohl  seinen  indivi- 
duellen  Fahigkeiten  und  Interessen  als  auch  den  Erf ordernissen  der 
Beruf spraxis,  die  Wahl  des  Studienschwerpunktes  zu  treffen.  (1) 

Das  Hauptstudium,  vor  allem  das  hier  eingebettete  Proj ektstudium, 
hat  auSer  allgemeinen  Lernzielen  und  Inhalten  wie  die  Aneignung  der 
allgemeinen  theoretischen  Kenntnisse,  Methoden  und  Fahigkeiten  fiir 
soziale  Berufe,  der  Einarbeitung  in  die  beruf srelevante  Praxis  und 
der  Entwicklung  der  Fahigkeit  zur  wissenschaftlichen  Reflexion  dieser 
Praxis  (2)j  der  Fahigkeit  zur  Analyse  der  okonomischen,  rechtlichen, 
sozialen  und  psychischen  Lage  der  Klienten,  der  Analyse  der  Tatig- 


40 


keitsfelder  von  Sozialarbeitern/Sozialpadagogen  und  des  Erkennens 
von  Handlungsspielraumen  zur  Entwicklung  von  Handlungsalternativen 
(3)  die  Aufgabe,  die  herkbmmliche  Trennung  von  Theorie  und  Praxis 
in  der  zweiphasigen  Ausbildung  tnit  anschlielSendem  Anerkennungsjahr, 
aufzuheben.  Es  soil  die  Reflexion  der  Theorie  anhand  der  gemachten 
Erfahrungen  aus  der  Praxis  und  die  Reflexion  der  eigenen  Praxis  auf 
dem  Hintergrund  der  vermittelten  und  angeeigneten  Theorie  ermb'glichen. 

Alle  Studenten  ordnen  sich  ab  dem  dritten  Semester  einer  Projekt- 
gruppe  zu,  die  jeweils  von  einem  hauptamtlichen  Dozenten  betreut 
wird.  Diese  Projektgruppen  haben  etwa  15-20  Mitglieder  und  arbeiten 
praktisch  in  den  verschiedensten  sozialen  Bereichen,  orientiert  an 
den  in  der  StO  genannten  drei  Schwerpunkten:  (4) 

-  Ftirsorge/Strafvollzug 

-  Padagogik 

-  Gemeinwesenarbeit 

Der  Charakter  der  Projektgruppenpraxis  ist  nicht  so  sehr  hospitierend, 
sondern  vielmehr  dadurch  gekennzeichnet,  dafi  die  einzelnen  Projekt- 
gruppen selbstandig  und  bzw.  in  Arbeitsteilung  an  den  Praxisorten 
Arbeiten  und  Aufgaben  ubernehmen,  die  sehr  unterschiedlich  sind.  Im 
Durchschnitt  befindet  sich  jeder  Student  etwa  acht  Stunden  wochent- 
lich  am  Praxisort.  Am  Fachbereich  findet  dann  fiir  jede  Gruppe  eine 
Reflexion  der  Arbeit  statt,  sowohl  die  Auswertung  der  geleisteten 
als  auch  die  Planung  der  zukiinftigen  Aktivitaten.  Weiterhin  werden 
entsprechend  den  Inhalten  der  Projektgruppen  Lehrveranstaltungen 
durchgefuhrt,  in  denen  die  weitere  wissenschaf tliche  Bearbeitung  der 
Arbeitsinhalte  gewahrleistet  ist.  Zusatzlich  werden  wie  schon  im 
Grundstudium  allgemeine  Lehrveranstaltungen  angeboten,  die  der  Stu- 
dent besuchen  kann. 

Diese  Konzeption  soil  die  herkommliche  Zersplitterung  des  Studiums 
in  "Facher"  aufheben  und  eine  Ausbildung  ermoglichen,  die  in  einem 
konkreten  Arbeitszusammenhang  steht  und  aus  ihm  abgeleitet  wird. 
Gleichzeitig  wird  durch  das  Engagement  in  der  Praxis  verhindert, 
daS  der  Student  sich  in  einer  passiv-konsumierenden  Rolle  befindet, 
die  ihm  keinerlei  praktische  Handlungsmbglichkeit  laBt.  Aufierdem 
wird  wie     ausgefiihrt,  die  Entfremdung  zwischen  theoretischer  Aus- 
bildung und  gesellschaftlicher  Praxis  aufgehoben.  Der  Student  wird 
nicht  erst  nach  dem  Studium  mit  der  Praxis  im  Sozialarbeiterberuf 
konfrontiert,  sondern  hat  schon  wahrend  des  Studiums  die  Moglich- 
keit,  iiber  seine  Erfahrungen  mit  der  Praxis  theoretisch  und  angelei- 
tet  zu  reflektieren.  "Die  Integration  der  Beitrage  verschiedener, 
wissenschaftlicher  Disziplinen  in  einem  an  der  Sache  orientierten, 
zielgerichteten  Lernen:  die  aktive  Rolle  der  Studenten  und  ihre  zu- 
nehmende  Selbstandigkeit  in  der  Bestimmung  der  Studieninhalte  und _ 
-formen;  die  Integration  von  Studium  und  Praxis;  das  sind  die  drei 
wesentlichen  Elemente  des  Projektstudiums"  (5). 

Drei  didaktische  Momente  bestimmen  das  Lernen  in  der  Projektgruppe: 
das  p.xemplarische  Lernen  verhindert  die  unendliche  Addition  vonDe- 
tailwissen,  weiches  unabhangig  voneinander  ist  und  ermbglicht  die 
Ausbildung  einer  Handlungskompetenz  zur  Aneignung  von  Wissen;  das 
kollektive_Lernen  hebt  den  konkurrierenden  Druck  von  Leistungen  auf 
den  einzelnen  Studenten  auf  und  ermoglicht  die  Einiibung  in  eine 
Teamarbeit;  das  aktive  Lernen  befahigt  und  notigt  den  Studenten  zur 

-  41  - 


Auseinandersetzung  mit  seiner  eigenen  Arbeit  und  der  Arbeit  der 
Gruppe  im  Projekt  wie  auch  mit  der  vermittelten  Theorie.  Es  wird 
kein  "Lernstoff"  mehr  konsumiert ,  sondern  konkrete  Probleme  werden 
reflektiert  und  gelost. 

Das  sich  dem  Projektstudium  anschlieBende  Verwaltungspraktikum  dient 
der  weiteren  Einfiihrung  in  die  beruf srelevante  Praxis.  Es  hat  das 
Ziel,  die  im  Projektstudium  erworbenen  praktischen  Erfahrungen  und 
theoretischen  Erkenntnisse  hinsichtlich  der  institutionalisierten 
Berufspraxis  und  der  Selbsterfahrung  in  beruflichen  Organisations- 
strukturen,  zu  uberprufen  und  zu  erweitern. 

Im  Herbst  1977  gingen  die  ersten  Studenten  ins  Verwaltungspraktikum. 
Die  Praktikanten  bleiben  im  halbjahrlichen  Praktikum  Studenten  und 
sie  sind  an  der  Hochschule  immatrikuliert .  Neben  der  Sorge  urn  eine 
geniigende  Anzahl  an  Praktikumsplatzen  befaBte  sich  eine  Arbeitsgrup- 
pe  mit  den  inhaltlichen  Zielen  des  Verwaltungspraktikums.  Doch  diese 
Arbeit  fand  da  ihre  Grenzen,  wo  den  Teilnehmern  die  eigene  Erfahrung 
des  Verwaltungspraktikums  fehlte.  Im  Rahmen  der  wochentlichen  Stu- 
dientage  bzw.  der  Blockstudientage  wurde  diese  Arbeit  wieder  aufge- 
nommen . 

Das  Verwaltungspraktikum  ist  als  eine  Fortsetzung  des  Projektstu- 
diums  zu  begreifen.  Die  Lernziele  aus  beiden  Studienbereichen  sind 
in  weitem  MaBe  identisch,  auch  wenn  diese  Bereiche  nach  der  formalen 
Gliederung  des  Studiums  als  losgelost  voneinander  erscheinen.  Neben 
der  Oberpriifung  der  im  Projektstudium  angeeigneten  theoretischen  Er- 
kenntnisse dient  das  Verwaltungspraktikum  der  Erweiterung  und  Refle- 
xion von  Erfahrungen.  Das  Verwaltungspraktikum  soil  eine  Verkniipfung 
von  padagogischem  und  Verwaltungshandeln  ermoglichen  und  gegenseitige 
Abhangigkeiten  verdeutlichen.  Es  stellt  eine  Vorwegnahme  der  spate- 
ren  Berufspraxis  dar  und  soil  die  kritische  Distanz  als  Voraussetzung 
fiir  eine  Reflexion  der  eigenen  Arbeit  im  anschlieBenden  Beruf  sail- 
tag  vertiefen.  Dies  beinhaltet  gleichzeitig  einen  kritischen  Abstand 
zur  eigenen  Personlichkeit .  Dabei  ist  die  Klarung  des  Verhaltnisses 
zwischen  dem  jeweiligen  Praktikanten  und  den  Kolleg(inn)en  am  Prak- 
tikumsplatz  von  grundlegender  Bedeutung,  da  sich  die  Realisierung 
praktischer  Handlungsvollziige  nicht  zuletzt  an  dem  Wohlwollen  oder 
der  Ablehnung  der  Kolleg(inn)en  orientiert  bzw.  auch  durch  sie  ver- 
hindert  werden  kann.  Besondere  Beachtung  findet  dabei  die  Struktur 
der  Organisation  (kommunale  bzw.  freie  Trager  der  sozialen  Arbeit), 
deren  Hierarchie  und  die  politischen  Gegebenheiten  "vor  Ort".  Auf 
diesem  Hintergrund  sollen  die  Grenzen  der  individuellen  und  institu- 
tionellen  Leistungsf ahigkeit  aufgezeigt  werden. .  Das  Wis sen  um  die 
Funktion  von  Gesetzen  und  Verwaltungsvorschrif ten  und  deren  Handha- 
bung  soil  vertieft  werden  mit  dem  Ziel  einer  ref lektierten  "Einubung 
in  die  herrschende  Praxis". 

Neben  der  unmittelbar  objektivierbaren  neuen  Erfahrung,  die  aus  dem 
Wechsel  des  Arbeitsf eldes  entsteht  (z.B.  Projektgruppenpraxis  im 
Bereich  der  Vorschule,  Verwaltungspraktikum  bei  der  Arbeiterwohl- 
fahrt)  und  deren  Beschreibung  sich  an  auBeren  Merkmalen  orientiert 
(Zielgruppe,  Arbeitsorganisation  und  -ansatz,  Finanzmittel  etc.), 
hat  das  Verwaltungspraktikum  zum  Inhalt,  dem  Praktikanten  die  selb- 
standige  Durchfiihrung  von  Arbeiten  im  Praktikum  zu  ermSglichen  mit 
dem  Ziel,  ihm  seine  Selbstandigkeit  im  spateren  Arbeitsbereich  zu 


42  - 


verdeutlichen.  Dies  geht  einher 
ven  Arbeitsfahigkeit  bzw.  Arbei 
Gefuhlen  und  Eindriicken  als  auc 
politisches/gewerkschaf tliches 
sollen  mogliche  Handlungsstrate 
eigenen  Arbeit  erortert  werden 
sich  daran  anschlieBenden  Auswe 
erfahrenen  Schwierigkeiten  mit 
lungen  abschlieBend  aufgearbeit 


mit  der  Hinterfragung  der  subjekti- 
tsdisziplin,  die  sowohl  subjektiven 
h  objektiven  Gegebenheiten  (Familie, 
Engagement  etc  .)  unterliegt.  Dabei 
gien  und  Formen  der  Organisation  der 

Wahrend  des  Praktikums  bzw.  in  der 
rtungs-  und  AbschluBphase  sollen  die 
der  Arbeit  und  in  den  Beruf svorstel- 
et  werden. 


Diese  Arbeit  findet  im  achten,  dem  AbschluB-  und  Auswertungssemester( 
statt.  Dazu  sind  von  Dozenten  betreute  Arbeitsgruppen  eingerichtet. 
Hinzukommt  die  Erstellung  der  schriftlichen  AbschluBarbeit  und  die 
Vorbereitung  auf  das  sich  anschlieBende  AbschluBgesprach.  Dabei 
soil  sich  die  Themenauswahl  auf  die  im  Studium  geleistete  Projektar- 
beit  zentrieren.  Hierdurch  soil  eine  von  den  konkreten  Erfahrungen 
losgeloste  Erstellung  einer  AbschluBarbeit,  die  sich  ansonsten  zu- 
meist  auf  die  fast  ausschliefiliche  Zitierung  von  Textstellen  aus 
f achspezif ischen  Werken  reduzieren  wurde,  verhindert  werden.  Viel- 
mehr  soil  dem  Kandidaten  bzw.  der  Gruppe  die  Moglichkeit  geboten 
werden,  selbstandig  und  kritisch  ein  Thema  aus  seiner/ihrer  erlebten 
Praxis  aufzuarbeiten. 


ERFAHRUNGEN  MIT  DEM  PROJEKTSTUDIUM 

Ich  arbeitete  mit  zwei  Kommilitoninnen  vier  Semester  in  einem  Modell- 
versuch  "Offene  Schule"  an  einer  Gesamtschule.  Ziel  der  Arbeit  des 
Model lversuchs  war  die  "Bildung  von  stabilen,  moglichst  langfristig 
arbeitenden  auBerunterrichtlichen  Gruppen,  in  denen  Schiiler  Defizite 
im  fachlichen,  sozialen  und  politischen  Lernen  abbauen  kb'nnen".  (6) 

eren  Ausfiihrungen  wird  jedoch  nicht  die  Arbeit  des  Modell- 
schrieben  oder  deren  Schwierigkeiten  benannt,  sondern  es 
ht  werden,  einige  Probleme,  entstanden  aus  der  Studien- 
des  Projekt studiums  und  der  darin  verankerten  Projektpra- 
r  Sicht  eines  betroffenen  Studenten  darzustellen  und  ein- 

Dabei  wird  hoffentlich  auch  der  Widerspruch  deutlich,  in 
h  befand:  auf  der  einen  Seite  die  voile  inhaltliche  Un- 
der Studienkonzeption  als  politischer  Anspruch  gegeniiber 
dern  des  Fachbereichs  bzw.  des  Kultusministeriums,  auf 
Seite  die  Schwierigkeit,  diesem  theoretisch-politischen 
der  eigenen  praktischen  Projektarbeit  gerecht  zu  werden. 

Im  Verlauf  des  zweiten  Studiensemesters  stellte  sich  die  Frage,  in 
welchem  Bereich  der  sozialen  Arbeit  das  zu  grundende  Studienprojekt 
angesiedelt  sein  sollte.  Die  drei  Studienschwerpunkte  warenbekannt. 
Es  traf  sich,  daB  einige  Lehrbeauf tragte  am  Fachbereich  tatig  waren, 
die  im  Beruf  mit  Schulern  und  Jugendlichen  arbeiteten.  Da  es  auf 
Seiten  der  Studenten  eine  'Basisgruppe'  gab,  die  sich  als  politisch 
denkend  und  handelnd  begriff,  wahlten  ihre  Mitglieder  ausschlieBlich 
den  Schwerpunkt  'Gemeinwesenarbeit '  fur  die  Projektarbeit.  Da  der 
Anspruch  vorhanden  war,  auch  im  Rahmen  der  Projektarbeit  politisch 
arbeiten,  sah  man  in  der  Schuler-  bzw.  Jugendarbeit  hierfur  die 
gunstigste  Realisierungsmoglichkeit.  Auf gearbeitet  wurde  in  dem  Pro- 


In  den  welt 
versuchs  be 
soil  versuc 
konzeption 
xis,  aus  de 
zuschatzen 
dem  ich  mic 
terstutzung 
den  Mitglie 
der  anderen 
Anspruch  in 


A3  - 


zefi  weder  die  Studienmotivation  im  allgemeinen  noch  die  Projektwahl- 
motivation  im  besonderen.  Legitimiert  wurde  diese  einseitige  Projekt- 
wahl  allein  durch  die  Anwesenheit  der  anderen  "fortschrittlichen 
Krafte"  in  diesem  Schwerpunktbereich. 

Mit  Beginn  des  dritten  Studiensemesters  mufite  eine  Klarung  der  Pro- 
jektinhalte  erfolgen.  Gleichzeitig  wurde  ein  Weg  zum  Einstieg  in 
die  'Praxis'  gesucht.  Zum  einen  wurden  dazu  Texte  (u.a.  zur  'teilneh- 
menden  Beobachtung')  gelesen,  zum  anderen  nahmen  wir  an  Sitzungen 
der  Model lversuchsmitarbeiter  (Schulpsychologen/Sozialarbeiter/Leh- 
rer)  teil.  Zu  Schulern  oder  Jugendlichen  hatten  wir  in  dieser  Phase 
keinen  Kontakt.  Wir  begriffen  die  wBchentlichen  Teamsitzungen  als 
unsere  Praxis.  Dem  Drangen  der  projektbetreuenden  Lehrbeauf tragten 
auf  einen  konkreten  Praxiseinstieg  setzten  wir  entgegen,  daB  zuerst 
ein  Konzept  fur  die  Arbeit  vorliegen  miisse.  So  planten  wir,  losgelost 
von  jeglicher  Realitat.  Hinzu  kam,  daB  wir  das  Konzept  des  Modell- 
versuchs  nicht  kritisch  analysierten,  sondern  es  vielmehr  als  fundiert 
und  somit  als  richtig  ansahen.  Wie  sollten  wir  es  auchkritisieren, 
kannten  wir  doch  die  Ausgangssituation  des  Konzepts,  die  Realitat 
der  Schule,  gar- nicht. 

Hinter  dem  dauernden  Vertagen  des  Praxiseinstieges  steckte  auch  die 
Schwierigkeit,  mit  der  Rolle  der  eigenen  Person  im  neuen  Arbeitsfeld 
fertig  zu  werden.  Dies  wurde  an  den  sehr  breit  gefiihrten  Diskussionen 
zum  Selbstverstandnis  des  Studenten  in  der  Praxis  deutlich.  Ich  be- 
griff  mich  als  Student,  der  in  erster  Linie  an  der  Hochschule  zu 
finden  sei,  der  nicht  disziplinieren  wollte,  kein  Lehrer  sein  wollte 
aber  auch  kein  Sozialarbeiter  im  'typischen  Sinne' .  Es  blieb  bei 
dieser  negativen  Ausgrenzung,  eine  positive  Bestimmung  der  eigenen 
Rolle  erfolgte  nicht. 

Als  sich  dieses  Verhalten  nicht  mehr  legitimieren  lieB  und  sich  der 
Druck  seitens  der  Projektbetreuer  bzw.  der  Modellversuchsmitarbei- 
ter  auf  Einstieg  in  die  Arbeit  verstarkte,  wurde  ein  neues  Konflikt- 
feld  freigelegt.  Die  Vorstellung  der  Modellversuchsmitarbeiter  war, 
daB  die  Studenten  im  Freistundenangebot  des  Modellversuchs  mitarbei- 
teten,  damit  sich  ein  erster  Kontakt  zwischen  Schulern  und  Studenten 
herstellte.  Dies  lehnten  die  Studenten  ab  mit  der  Begriindung,  diese 
Arbeit  beinhalte  nur  Auf sichtspf lichten  bzw.  diene  der  Befriedung 
der  Schiiler  und  der  Schule,  diese  Arbeit  habe  keinen  politischen 
Gehalt.  Alternativ  entwickelten  die  Studenten  das  Projekt  'Berufsfin- 
dung',  welches  sie  mit  einer  achten  oder  neunten  Klasse  durchfiihren 
wollten.  Da  sich  dieses  Konzept  aufgrund  der  Personalsituation  im 
Modellversuch  nicht  realisieren  lieB,  dies  aber  erst  gegen  Ende  des 
vierten  Semesters  deutlich  wurde,  hatten  die  Studenten  immer  noch 
keinen  kontinuierlichen  Kontakt  zu  Schulern,  denn  sie  hatten  zwi- 
schenzeitlich,  bis  auf  die  Teilnahme  an  einer  Klassenfahrt  oder  der 
Hospitation  in  einer  Klasse,  nur  theoretisch  an  'ihrem'  Projekt  'Be- 
rufsfindung'  weitergearbeitet . 

Hohepunkt  dieser  Entwicklung  war  meine  Erklarung  im  Verlauf  der  Se- 
mesterf erien,  ein  (oder  zwei)  Urlaubssemester  einlegen  zu  wollen, 
um  den  Eltern  beim  Hausbau  zu  helfen.  Dieser  EntschluB  war  vertret- 
bar,  denn  er  begriindete  sich  auf  einer  objektiv  unabweislichen  Ge- 
gebenheit.  Dieser  ErklMrung  folgten  endlose  Diskussionen  mit  den  Pro- 


44 


jektmitgliedern,  dem  Projektbetreuern  und  Vertretern  des  Fachberei- 
ches.  Die  Mitarbeiter  des  Modellversuchs  wurden  iiber  den  jeweiligen 
Stand  der  Diskussion  per  Telefon  unterrichtet,  da  auch  an  der  Ge- 
samtschule  Ferien  waren.  Sprachen  sich  der  Projektbetreuer  bzw.  die 
Vertreter  des  Fachbereichs  eindeutig  gegen  einen  Ausstieg  aus  dem 
Projekt  aus,  waren  auf  der  anderen  Seite  die  studentischen  Projekt- 
mitglieder  hin-  und  hergerissen,  deshalb,  weil  auch  sie  von  der  ge- 
samten  Entwicklung  des  Projektes  betroffen  waren.  Die  Fortfiihrung 
des  Projektes  nur  noch  mit  zwei  studentischen  Projektmitgliedern  kam 
nicht  in  Betracht,  vielmehr  waren  an  sich  schon  drei  Studenten  in 
einer  Proj ektgruppe  zu  wenig,  um  eine  kontinuierliche  Arbeit  leisten 
zu  kBnnen. 

Durch  die  gefiihrten  Gesprache  wurde  der  Hintergrund  der  Entscheidung 
zum  Projektausstieg  und  des  ambivalenten  Verhaltens  der  verbleiben- 
den  Studenten  deutlich:  neben  einigen  objektiven  Griinden(wie  die 
Nichtrealisierung  des  Beruf sf indungsprojektes) vor  allem  jedoch  subjek- 
tive  Griinde  (wie  keinen  Sinn  in  der  Arbeit  sehen,  Spannungen  in  der 
Proj ektgruppe,  mit  dem  Projektbetreuer  und  den  Mitarbeitern  des 
Modellversuchs,  letzthin  keine  Lust  mehr  haben  fur  eine  weitere  Pro- 
jektarbeit).  Am  Ende  zeigte  sich  jedoch  die  Unhaltbarkeit  der  eigenen 
Argumentation,  ich  verzichtete  auf  die  Urlaubssemester  und  wir  gin- 
gen  am  Schlufi  der  Semesterf erien  mehr  gezwungen  als  gewollt  wieder 
an  die  Projekt-  bzw.  Model lversuchsarbeit. 

Wir  ordneten  uns  der  Arbeit  des  Modellversuchs  zu.  Zwei  Projektmit- 
glieder  arbeiteten  an  einer  sozialpadagogischen  Betreuung  einer  ach- 
ten Klasse,  ich  arbeitete  mit  einem  Modellversuchsmitarbeiter  gemein- 
sam  in  einer  Photogruppe.  Die  zu  diesem  Zeitpunkt  mit  den  Mitarbei- 
tern des  Modellversuchs  gefiihrte  Auseinandersetzung  um  den  Status  der 
Studenten  im  Modellversuch,  ob  sie  nun  voile  'stimmberechtigte'  oder 
nur  assoziierte  Mitglieder  des  Modellversuchs  sind,  verlor  im  Verlauf 
der  Konkretisierung  der  praktischen  Arbeit  und  der  Zunahme  des  prak- 
tischen  Engagements  immer  mehr  an  Bedeutung.  Im  Mittelpunkt  standen 
nun  endlich  die  Probleme,  die  sich  aus  der  Arbeit  mit  Schulern  erga- 
ben.  Diese  Arbeit  war  mit  dem  AbschluB  des  sechsten  Studiensemesters 
bzw.  mit  dem  Beginn  des  Verwaltungspraktikums  (2.  beruf spraktisches 
Halbjahr)  beendet. 

Einige  Aspekte  aus  der  dargestellten  Projektentwicklung  erscheinen 
mir  besonders  wichtig.  Ich  will  sie  hier  nochmals  kurz  bennnen. 

Notwendig  ist  eine  moglichst  prazise  Analyse  der  Studien-  bzw.  Pro- 
jektwahlmotivation.  Sie  bedingt  die  Arbeitsfahigkeit  und  Disziplin 
in  der  spateren  Projektarbeit.  Sie  unterliegt,  da  sie  in  den  meisten 
FSllen  sehr  idealtypisch  ist,  einer  standigen  Konfrontation  mit  der 
herrschenden  Praxis  der  sozialen  Arbeit  und  sollte  deshalb  auch 
schriftlich  festgehalten  werden  mit  dem  Ziel,  sowohl  die  Moglichkeit 
zu  bieten,  sich  nochmal  zu  vergegenwartigen,  was  die  Ausgangssituation 
beim  Einstieg  in  die  Arbeit  war  als  auch  Veranderungsprozesse  und 
Veranderungen  feststellbar  zu  machen. 

Der  Einstieg  in  die  praktische  Arbeit  sollte,  auch  ohne  'fertiges' 
Konzept  oder  lange  Theoriediskussionen  moglichst  rasch  erfolgen. 
Die  dabei  entstehenden  Schwierigkeiten  sollten  offen  benannt  werden. 


-  45 


Der  angenommene  Uiderspruch  in  der  Studentenrolle  zwischen  Hoch- 
schule  und  Ort  der  sozialen  Praxis  lost  sich  nur  durch  eine  Konfron- 
tation  mit  den  Gegebenheiten  am  Praxisort.  Gleichzeitig  sollte  am 
Praxisort  unmittelbar  eine  Arbeitsauf gabe  iibernommen  werden, die 
eine  Identif ikation  mit  der  neuen  Rolle  im  Praxisfeld  ermoglicht. 
Die  Diskussionen  um  den  'subjektiven  Faktor'  konnen  nicht  abgelost 
von  der  gesellschaf tlichen  Realitat  in  der  Isolation  der  Hochschule 
gefuhrt  werden,  sondern  sie  bekommen  erst  ihre  Grundlage  in  der 
Auseinandersetzung  mit  der  gesellschaf tlichen  Praxis  und  den  dort 
gesammelten  Erfahrungen. 

In  diesem  Zusammenhang  gewinnt  auch  die  Diskussion  um  einen  Proj ekt- 
ausstieg  (Urlaubssemester)  Oder  einen  Studiengangwechsel  an  neuer 
Qualitat.  Die  Schwierigkeiten  der  Proj ektarbeit  sind  hoffentlich 
ansatzweise  deutlich  geworden.  Eine  Losung  der  Probleme  kann  nicht 
durch  eine  totale  Loslosung  von  den  Arbeits-  und  Studienzusammenhan- 
gen  erfolgen.  Auch  die  Tendenz,  sich  verstarkt  der  politischen  Arbeit 
am  Fachbereich  oder  in  der  Studentenschaf t  zu  widrnen,  kann  Ausdruck 
einer  sehr  leicht  legitimierbaren  Flucht  sein.  Dabei  steht  die  poli- 
tische  Arbeit  am  Fachbereich  und  in  der  Studentenschaf t  auBer  Zwei- 
fel.  Nur:  Projektarbeit  und  politische  Arbeit  miissen  in  einem  ausge- 
wogenen  Verhaltnis  zueinander  stehen. 

Diese  Aspekte  mbchte  ich  in  den  weiteren  Ausfiihrungen  auf  emer  all- 
gemeineren  Ebene  und  losgelost  vom  geschilderten  Proj ektverlaut  er- 
ganzen. 

Projektstudium  hat  im  Vergleich  zum  herkommlichen  zweiphasigen  Aus- 
bildungsgarg  nicht  nur  eine  andere  inhaltliche  Qualitat,  sondern  be- 
deutet  auch  im  Vergleich  zu  anderen  geisteswissenschaf tlichen  Stu- 
diengangen  ein  Mehr  an  Arbeit.  Neben  der  konkreten  Arbeit  am  Praxis- 
ort muB  diese  Arbeit  reflektiert  werden,  sie  muB  vorbereitet  werden, 
ein  Konzept  muB  entwickelt  werden,  Literatur  zum  Arbeitsgebiet  muB 
gelesen  und  in  die  Reflexion  und  Konzeption  einbezogen  werden,  all- 
gemeine  Theorien  der  sozialen  Arbeit  mussen  erarbeitet  werden,  Wis- 
sen  aus  den  Bereichen  der  Padagogik,  des  Rechts,  der  Soziologie, 
der  Psychologie  etc.  muB  angeeignet  werden.  Dies  geschieht  zum  einen 
aufgrund  der  Fragestellungen,  die  sich  aus  der  Reflexion  der  Pro- 
jektarbeit ergeben  und  zum  anderen  aufgrund  des  Interesses  des  Stu- 
denten.  Hinzukommt  der  Anspruch,  politisch  an  der  Hochschule  arbei- 
ten  zu  wollen.  Dem  entgegengesetzt  sind  objektive  Gegebenheiten 
wie  Familie  oder  Gewerkschaf tsarbeit  und  subjektive  Interessen  nach 
Freizeit  und  Ausgleich.  Der  scheinbare  Widerspruch  zwischen  den 
hier  genannten  Partikularinteressen  ist  zum  einen  durch  eine  straf- 
fe  Organisation  der  eigenen  Arbeit  und  zum  anderen  -  und  das  in 
einem  viel  hoherem   MaBe  -  durch  eine  Bestimmurig  der  eigenen  In- 
teressen aufzuheben.  Dabei  bedeutet  fur  mich  'Praxis'  nicht  nur  die 
eigentliche  Projektarbeit  am"Praxis"-ort,  sondern  auch  die  Reflexion 
und  Planung  der  Arbeit,  die  Aneignung  von  und  Auseinandersetzung 
mit  Theorien  der  sozialen  Arbeit  und  auch  die  politische  Arbeit  in 
der  Hochschule. 

Diesem  Anspruch  wurde  ich  im  Verlauf  des  Projektstudium  nur  ansatz- 
weise gerecht.  Die  Arbeit  beschrankte  sich  einerseits  auf  das  Pro- 
jekt,  andererseits  auf  das  politische  Engagement  in  der  Hochschule. 
Lehrveranstaltungen  wurden  besucht,  die  einschlagige  Literatur  dazu 
wurde  jedoch  nur  in  geringem  Umfang  gelesen.  Zum  einen  war  die  Refle- 
xion der  Projektarbeit  nicht  so  prazise,  als  daS  sich  aus  ihr  heraus 
eine  konkrete  Fragestellung  entwickelt  hatte,  die  kontinuierlich 
hatte  bearbeitet  werden  konnen  mit  der  Ruckkoppelung  zur  und  Uberprii- 
fung  in  der  Projektarbeit,  zum  anderen  standen  die  formalen  Konflik- 


Zeitschrift  f  iir  politische  Okonomie 
und  sozialistische  Politik 


Bahro-Diskussion: 

Spohn  *  Bahros  Beitrag  zur  Sozialismus-Dis- 
kussion/Sdiafer  *  Was  heiftt  biirokrarisdier 
Sozialismus?  /  Erbe  *  Klassenantagonismus 
oder  Schichtendifrerenzierung?  /  Damus  * 
Intelligent  im  „realen  Sozialismus" 

Rationalisierung  und 
Geweikschaften: 

Neusiifl  *  Produklivkraftentwiddung  und  Eman- 
npafion/Esser,radi,Vdrh  *  StrukrurelleArbeHs- 
losigke  tt  und  polHisdies  Konf  likt  potentia  I  /  Frosdi 
*  Mikroprozessoren  /  Roos,  Penth  *  Rationali- 
sierung bei  der  Bundespost  /  Interview  mit 
Bruno  Trentin  (CGILj/Armanski,  Burger,  Dam- 
mann,Rinne  *  US-Gewerks<haften  und  Arbeits- 

bedingungen 


im  Abo 
DMZ- 


te  (Status  der  Studenten  im  KV)  zu  sehr  im  Mittelpunkt  der  Projekt- 
diskussionen. 

Dies  war  mir  seinerzeit  nicht  klar.  Ich  hatte  zwar  ahnlich  Theoreti- 
sches  iiber  die  Notwendigkeit  der  Reflexion  im  Kopf,  allerdings  fand 
sie  wie  beschrieben  nur  selten  und  dazu  oberf lachlich  statt. 
Das  wird  auch  an  der  Schwierigkeit  der  semesterweise  zu  erstellen- 
den  Projektberichte  deutlich.  Diese  Berichte  baben  neben  der  Aufga- 
be,  den  Fachbereich  und  seine  interessierten  Mitglieder  uber  die  Ar- 
beit der  Projekte  zu  informierenyvor  allem  darin  ihre  Bedeutung,  daS 
sie  zuneinem  die  obengenannte  Reflexion  der  geleisteten  Arbeit  ver- 
tiefen  und  verdeutlichen,  zum  zweiten  die  Kontrolle  der  Weiterent- 
wicklung  der  Arbeit  ermbglichen  und  zum  dritten  die  Verbindung  von 
Theorie  und  Praxis  uberprufen  und  zum  Ausdruck  bringen. 
Sollte  der  Bericht  nun  mehr  enthalten  als  nur  die  soziografische  Be- 
schreibung  des  Praxisortes  oder  die  Darstellung  einer  Ferienfreizeit , 
er  also  mehr  den  Prozefi  der  kritischen  Auseinandersetzung  mit  der 
eigenen  Arbeit  und  den  gemachten  Beobachtungen  dokumentieren,  so 
setzt  dies  das  Vorhandensein  einer  Distanz  zur  eigenen  Arbeit  als 
Voraussetzung  zur  Kritik  derselben  voraus.  Einerseits  war  diese 
notwendige  Distanz  nicht  vorhanden,  andererseits  war  und  ist  es  ein 
sehr  unbequemer  und  auch  schmerzlicher  Prozefi,  sich  mit  dem  kritisch 
auseinanderzusetzen,  was  das  eigene  Handeln  bestimmt  bzw.  was  das 
eigene  Tun  eigentlich  ist.  Die  erstellten  Berichte  warenreine  Be- 
schreibungen  und  Darstellungen,  Prozesse  der  kritischen  Auseinander- 
setzung fanden  nicht  entsprechend  fundiert  statt,  als  dafi  sie  hat- 
ten  dokumentiert  werden  konnen.  Gerade  aus  dem  geschilderten  Zusam- 
menhang  heraus  halte  ich  die  kontinuierliche  Reflexion  der  Arbeit 
und  die  Erstellung  von  Projektberichten  fur  notwendig. 
Dieser  zweite  Teil  des  Beitrages  greift  nur  einige  Aspekte  des  Pro- 
jektstudiums  auf.  Zu  erganzen  ware  die  Bestimmung  der  Dozentenrol- 
le  in  der  Projektgruppe,  die  Schilderung  der  Schwierigkeit,  die  eige- 
nen Interessen  und  Arbeitsinhalte  festzustellen  und  die  eigene  Ar- 
beit 

durch  das  Proje...- 

schen,  aktiven  und  kollektiven  Lernens1,  die  politische  und  gesell- 
schaftliche  Bedeutung  des  Projektstudiums,  die  Sicherung  der  mate- 
riellen  Lage  der  Studenten  (Ferienjobben),  die  Diskussion  urn  die 
Frage,  ob  unentgeltlich  soziale  Arbeit  durch  die  Projektgruppen  ge- 
lei 

waren,  -.t.,  „.,.......-  — 

tung  dieser  Ausbildungskonzeption  fUr  den  gesamten  Bereicn  der  Hocn- 
schulausbildung  und  seiner  Studiengange  und  einiges  mehr. 


nteressen  und  Arbeitsmnaite  itsuusi-ciicii  uhu  "•■.»  -~B*-^~   «^ 
zu  organisieren,  naher  zu  benennen,  was  'gelernt'  wurde  im  und 
das  Projektstudium,  das  Verstandnis  der  Begriffe  'exemplan- 


cage,  ob  unentgeltlich  soziale  ArDexu  ouiui  u±e  riuj^^'-i-i-"  e>~ 
»istet  wird,  an  deren  Stelle  sonst  Sozialarbeiter  eingestellt  worden 
iren,  die  breite  Diskussion  um  den  Begriff  'Praxis',  die  Bedeu- 


ANMERKUNGEN 


Siehe  dazu  §  2  "Ziele  des  Grundstudiums"  der  Studienordnung  des 
Fachbereichs  Sozialwesen  der  FH  Wiesbaden  in  der  vorliegenden 
Fas sung 
a.a.O.,  §  3  "Ziele  des  Hauptstudiums 

(3)  a.a.O.,  §  4  "Kernstudium" 

(A)  a.a.O.,  §  5  "Schwerpunktstudium" 

Informationsschrift  "Fur  ein  richtiges  Verstandnis  des  Projekt- 
studiums" von  Kurt  Langer  aus  dem  Sommersemester  1976 
Bericht  fur  den  Zeitraum  Februar  1976  bis  Juli  1977,  abgedruckt 
in:  "Beratung  in  der  Schule  -  Diskussionsbeitrage  aus  den  Modell- 
versuchen"  Heft  5/77,  Frankfurt,  Sept.  1977. 


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Timm  Kunstreich,  Hamburg 

SOLLTE  MAN  HEUTE  NOCH  SOZIALPADAGOGE  WERDEN? 
-  IMPRESSIONEN  AUS  BERATUNGSGESPRACHEN  MIT 
STUDENTEN  DER  SOZIALPADAGOGIK  UND  SOLCHEN, 
DIE  ES  WERDEN  WOLLEN  - 


Probleme  der  Angst  vor  Arbeitslosigkeit  s 
eine  grofie  Rolle,  ohne  dafi  sie  immer  als 
Umgekehrt  versteckt  sich  aber  haufig  hint 
sigkeit  auch  die  Unsicherheit  gegeniiber  d 
spaterer  Praxis.  Dieses  Problem  betrifft 
arbeiter,  sondern  auch  z.B.  zukiinftige  In 
ich  mich  aber  auf  die  spezielle  Problemat 
denten  der  Sozialpadagogik  und  solchen,  d 
schranken.  (Anmerkung:  Der  Autor  ist  Stud 
schule  Hamburg.) 


pielen  in  der  Studienberatung 
solche  formuliert  werden. 
er  der  Angst  vor  Arbeitslo- 
en  vermuteten  Anforderungen 
nicht  nur  zukiinftige  Sozial- 
genieure.  Im  folgenden  will 
ik  in  der  Beratung  von  Stu- 
ie  es  werden  wollen,  be- 
ienberater  an  der  Fachhoch- 


PROBLEME  VON  STUDIENBEWERBERN 

Die  Beratung  von  Studienbewerbern  erfolgt  hauptsachlich  in  Gruppen- 
beratungen,  an  denen  in  der  Regel  pro  Gruppe  5-10  Bewerber  teil- 
nehmen.  Neben  der  Vermittlung  mehr  technischer  Informationen  (Zulas- 
sungsverfahren,  Termine  usw.)  haben  diese  Gruppenberatungen  vor  allem 
folgende  Ziele: 

•  informationssuchendes  Verhalten  zu  verstarken:  nicht  nur  die  Fund- 
orte  fur  weitere  Informationen  zu  nennen,  sondern  auch  zu  ermuti- 
gen,  sie  zu  gebrauchen.  Z.B.  Kontaktaufnahme  mit  Studenten  und  Ab- 
solventen  des  Studienganges ; 

•  sich  iiber  die  Motivation  zum  Studium  klarer  zu  werden: 

Z.B.  sich  dariiber  Rechenschaft  abzulegen,  inwieweit  der  Studien- 
wunsch  tatsachlich  der  eigene  Wunsch  ist  und  inwieweit  Einfliisse 
von  Elternhaus,  Bekanntschaf t  u.a.  eine  Rolle  spielen  und  welche 
Rolle  sie  spielen; 

•  durch  Erfahrungsaustausch  mit  den  anderen  Bewerbern  zu  lernen: 
Z.B.  wenn  ein  Bewerber  Probleme  und  Gesichtspunkte  in  die  Diskus- 
sion einbringt,  die  ein  anderer  noch  nicht  gesehen  oder  bedacht 
hatte. 

Die  Form  dieser  Beratung  nennen  wir  orientierende  Beratung. 

Die  Inhalte  der  Beratung  beziehen  sich  vor  alien  Dingen  auf  drei 

Punkte: 

1.  Das  Zulassungsverfahren, 

2  den  Aufbau  des  Studiums, 

3  die  Beruf sperspektive. 

Ouer  zu  diesen  drei  Punkten  liegt  die  Frage  der  Studien-  und  Berufs- 
notivation,  d.h.,  bei  j edem  dieser  Punkte  kann  sich  diese  Frage 
stellen  und  wird  sie  in  der  Regel  auch  diskutiert. 


49 


ZUM  ZULASSUNGSVERFAHREN 

Bundesweit  gesehen  ist  der  Studiengang  Sozialpadagogik  der  einzige 
wirklich  hart  zulassungsbeschrankte  Studiengang  an  Fachhochschulen. 
Je  nach  Ort  und  Grijfie  der  verschiedenen  Fachbereiche  ist  die  Hohe 
der  Zulassungsbeschrankung  aber  unterschiedlich.  Besonders  schwer 
ist  es,  in  Grofistadten  wie  Hamburg,  Berlin,  Frankfurt  und  Munchen 
einen  Studienplatz  zu  bekommen.  Da  nach  der  Erorterung  des  Zulas- 
sungsverfahrens,  das  sich  in  Hamburg  an  dem  der  ZVS  orientiert,  fur 
die  meisten  klar  ist,  daB  sie  nicht  sofort  in  Hamburg  einen  Studien- 
platz bekommen  werden,  sondern  u.U.  einige  Jahre  warten  miissen,  er- 
gibt  sich  hier  die  erste  Konf liktebene  in  bezug  auf  die  Studienmoti- 
vation.  Konkret  stellt  sich  hier  die  Frage:  "Was  bedeutet  mir  mehr, 
mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  mb'glichst  bald  einen  Studienplatz  zu 
bekommen,  wenn  ich  mich  bundesweit  bewerbe  oder  die  Wartezeit  in 
Kauf  zu  nehmen,  dafur  aber  in  Hamburg  zu  studieren?"  Fur  viele  Be- 
werber  ist  diese  Frage  tatsachlich  nur  eine  Scheinalternative,  da 
sie  aufgrund  familiarer  Bindungen   bzw.  okonomischer  Abhangigkeiten 
nicht  in  der  Lage  sind,  einen  anderen  Studienort  zu  wahlen.  Fur  min- 
dest  ebenso  viele  aber,  besonders  fiir  jungere  Bewerber,  lost  diese 
Frage  eine  ganze  Reihe  von  Angsten  aus: 

Da  die  meisten  Partnerbeziehungen  am  Wohnort  haben,  mussen  sie  sich 
die  Frage  stellen: 

-  Ist  meine  Beziehung  so  stabil,  daB  sie  auch  eine  zeitweise  Tren- 
nung  uberdauern  wird  oder  ist  sie  mir  soviel  wert,  daB  ich  das  ge- 
wiinschte  Studium  aufschiebe? 

-  Wie  soil  ich  das  denn  anfangen,  wenn  ich  in  einer  neuen  Stadt  bin 
und  niemanden  kenne;  wie  kann  ich  Kontakt  auf nehmen? 

-  Wie  werde  ich  da  tiberhaupt  mit  meinem  taglichen  Leben  fertig? 
Besonders  grofi  sind  die  Sngste  bei  den  Bewerbern,  die  bis  jetzt  noch 
bei  den  Eltern  wohnen  und  noch  nie  "auf  eigenen  Fiiflen  gestanden  ha- 
ben". Da  es  fiir  den  Studiengang  Sozialpadagogik  keine  vergleichbaren 
oder  Ausweichstudiengange  gibt,  spielt  dieser  Punkt  immer  eine  sehr 
starke  Rolle,  der  haufig  auch  noch  in  zusatzlichen  Einzelberatungen 
nach  diesen  Gruppenberatungen  sehr  intensiv  diskutiert  wird. 

ZUM  AUFBAU  DES  STUDIUMS 


Nach  Informationen  tiber  den  formalen  Aufbau  des  Studiums  (Grundstu- 
dium,  Vorpriifung,  Hauptstudium,  Beruf spraktikum)  ergibt  sich  in  der 
Regel  bei  der  Diskussion  der  Studienschwerpunkte  zugleich  auch  eine 
Diskussion  der  Motivation  zum  Studium.  Dabei  ist  auffallig,  daB  die 
meisten  einen  Schwerpunkt  nennen,  der  ganz  allgemein  mit  Kindern  oder 
Jugendlichen  zu  tun  hat,  und  daB  nur  Bewerber,  die  vorher  schon  eine 
vergleichbare  Ausbildung  (Erzieher  o.a.)  gemacht  haben  oder  schon 
einen  Beruf  haben  (2.  Bildungsweg)  schon  genauere  Vorstellungen  ha- 
ben -  entweder  davon,  was  sie  machen  wollen  oder  davon,  was  sie  ganz 
sicher  nicht  machen  wollen.  Da  in  einem  Beratungsgesprach  fast  immer 
Bewerber  mit  sehr  unterschiedlicher  Vorerfahrung  zusammenkonmen,  er- 
geben  sich  an  diesem  Punkt  haufig  Diskussionen  um  die  Erwartungen 
an  das  Studium.  Wahrend  diejenigen  mit  Beruf serf ahrung  in  ihrem  Stu- 
dium auch  eine  Zeit  der  freien  Entfaltung,  des  Sich-Verwirklichens 
sehen,  sehen  diejenigen,  die  direkt  von  der  Schule  kommen,  in  der 
Regel  im  Studium  ausschlieBlich  die  Beruf sausbildung.  Naturgemafl 
wird  dieser  Punkt  sehr  haufig  im  Zusammenhang  mit  dem  3.  Punkt  gese- 
hen: der  Berufsperspektive. 
-  50  - 


ZUR  BERUFSPERSPEKTIVE 

Vielen,  die  zur  Beratung  kommen,  war  vorher  abgeraten  worden,  Sozial- 
padagogik zu  studieren:  Da  bekommst  Du  sowieso  keine  Stellung,  der 
Bereich  ist  total  aussichtslos  usw.  Nicht  selten  werden  diese  Aufie- 
rungen  berichtet  aus  Gesprachen  mit  Studenten  bzw.  Absolventen.  Hier 
ist  es  erfahrungsgemafi  ziemlich  schwierig,  in  der  doch  relativ  kur- 
zen  Zeit  (eine  Beratung  dauert  ca.  1  1/2  bis  2  Stunden)  die  notigen 
"Gegeninformationen"  zu  geben,  ohne  die  Lage  zu  rosig  zu  schildern. 
Hier  wird  haufig  eine  Grundsatzdiskussion  gef  iihrt ,  ob  es  sich  uber- 
haupt lohnt,  noch  zu  studieren.  Ebenso  haufig  wird  fiber  den  Wert  und 
den  Sinn  bzw.  Unsinn  von  Prognosen  diskutiert.  Ziel  der  Beratung  in 
diesem  Punkt  kann  es  nicht  sein,  noch  "bessere"  Prognosen  zu  disku- 
tieren,  sondern  zu  ermutigen,  das  zu  tun,  was  man  wirklich  machen 
mochte.  Je  nach  Zusanmensetzung  der  Gruppe  ergeben  sich  hier  haufig 
sehr  grundsatzliche  Diskussionen  iiber  die  gesellschaf tspolitische 
Bedeutung  von  Sozialarbeit,  iiber  die  Funktion  des  einzelnen  Sozial- 
arbeiters,  iiber  die  Konflikte  zwischen  Lohnform  und  geglaubten,  po- 
stulierten  bzw.  angestrebten  Inhalten  der  Sozialarbeit  .  Gerade  die- 
ser Aspekt  fiihrt  haufig  wieder  auf  die  Ausgangspunkte  der  Diskussion 
zuriick:  Was  kann  ich  tun,  das  zu  verwirklichen,  was  ich  subjektiv 
als  einzig  sinnvoll  empfinde,  es  zugleich  aber  so  tun,  dafi  ich  auch 
davon  leben  kann? 

Als  Berater  stehe  ich  fast  in  jedem  Beratungsgesprach  vor  dem  Dilem- 
ma auf  der  einen  Seite  Informationen  geben  zu  mussen,  den  Bewerber 
aber  nicht  mit  einer  Informationsf lut  zu  iiberfordern  und  dem  Bewer- 
ber realistische  Informationen  iiber  die  Beruf swirklichkeit  und  Stu- 
dienwirklichkeit  zu  geben,  auf  der  anderen  Seite  ihn  aber  nicht  zu 
entmutigen. 

Eine  besondere  Gruppe  von  Bewerbern  sind  die  Studienfachwechsler.  Ent- 
weder kommen  sie  von  der  Universitat  und  sind  frustrierte  Padagogen, 
Lehrer  und  Soziologen  oder  sie  kommen  aus  anderen  Fachbereichen  der 
Fachhochschule,  vor  alien  Dingen  aus  den  technischen  Fachbereichen. 
Wahrend  die  Universitatsstudenten  in  der  Regel  zunachst  mangelnde 
Berufsaussichten  und  Iheoriemudigkeit  als  Grund  fur  den  angestrebten 
Wechsel  angeben  (was  sich  bei  naherer  Analyse  haufig  als  Motivations- 
krise  Oder  auch  als  fundamental  Lebenskrise  herausstellt) ,  ist  es 
bei  den  Fachwechslern  aus  den  technischen  Bereichen  haufig  so,  daB  sie 
die  repressiven  Studienbedingungen  in  diesen  Fachbereichen  nicht  lan- 
Eer  bereit  sind  hinzunehmen  und  nach  einer  langeren  Phase  der  Dis- 
kussion oder  des  "Insichgehens"  sich  um  eine  grundlegend  neue  Orien- 
tierung  bemuhen.  Gerade  von  solchen  Bewerbern  wird  haufig  das  expli- 
zit  formuliert,  was  andere  Bewerber  sich  haufig  nicht  eingestehen 
oder  nicht  wahrhaben  wollen:  daB  sie  das  Studium  der  Sozialpadagogik 
anstreben,  um  mit  sich  selbst  ins  Reine  zu  kommen,  d.h.,  dafi  sie  zu- 
nachst ganz  diffus  die  Erwartung  haben,  iiber  die  Inhalte  des  Studiums 
mit  den  eigenen  personlichen  Problemen  fertig  zu  werden. 

Trotz  der  groBen  Schwierigkeiten  fur  die  meisten  Bewerber,  einen 
Studienplatz  zu  bekonmen,  ist  es  doch  erstaunlich,  wieviele  Schwie- 
rigkeiten die  meisten  Bewerber  in  Kauf  nehmen  -  seien  es  nun  lange 
Wartezeiten  oder  sei  es  der  Weggang  aus  der  gewohnten  Umgebung. 


51 


(^eT) 


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Sozialarbeit/Sozialpadagogik  sowie  den  Praxisbezug  der  Fach- 

hochschulausbildung.  Einfuhrende  Informationen  beziehen  sich  auf 

Probleme  des  Studiums  und  des  Berufs  aus  der  Sicht  der 

Fachhochschule  und  ihrer  Studenten  sowie  die  Studienorganisation 

an  den  Fach-  und  Gesamthochschulen  der  Bundesrepublik 

Deutschland. 

Den  angestrebten  Praxisbezug  des  Fachhochschulstudiums 

problematisieren  Erfahrungsberichte  Liber  Praktika,  Praxissemester, 

Berufsanerkennungsjahr,  Projektstudium,  Weiterbildung  und 

berufsfeldbezogene  Lehrplanentwicklungen.  Die  Situation  auf  dem 

Arbeitsmarkt  beschreiben  Daten  Liber  die  Sozialstruktur  und  die 

Bedarfsprognosen  von  Sozialarbeitern/Sozialpadagogen.  Alter- 

nativen  zur  Studienorganisation  in  der  Bundesrepublik  werden  im 

Vergleich  mit  der  Ausbildung  in  den  USA,  den  Niederlanden  und 

in  GroBbritannien  deutlich. 


Luchterhand 


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PROBLEME  VON  STUDENTEN 

Wahrend  bei  den  Studenten  anderer  Fachbereiche  Priifungsprobleme, 
Probleme  des  Studienabbruchs  bzw.  Studiengangswechsels  im  Vorder- 
grund  stehen,  spielen  diese  Probleme  bei  den  Studenten    der  Sozial- 
padagogik,  die  zu  uns  kommen,  kaum  eine  Rolle.  Obwohl  auch  sie  durch 
neue  Studien-  und  Priifungsordnungen  zunehmend  mehr  formalisierte 
Leistungen  (vor  alien  Dingen  Klausuren)  erbringen  miissen,  spielen  die 
Priifungsprobleme  nicht  die  Auslesefunktion  wie  in  den  meisten  ande- 
ren  Fachbereichen.  Es  sind  vielmehr  zwei  andere  Problembereiche, 
die  quantitativ  die  grofite  Rolle  spielen:  Das  Problem  des  Zweitstu- 
diums  und  die  Angst  vor  praktischem,  sozialpadagogischem  Handeln. 

ZUM  PROBLEM  DES  ZWEITSTUDIUMS 

Durch  die  im  HRG  getroffene  Beschrankung  der  Zweitstudienmoglichkei- 
ten  wird  die  mit  der  Graduierung  verbundene  allgemeine  Hochschulrei- 
fe  de  facto  zu  einer  eingeschrankten,  fachgebunden  Hochschulreif e. 
In  zulassungsbeschrankten  Studiengangen  werden  jetzt  nur  noch  zwei 
bis  hochstens  5  X   der  Studienplatze  an  Bewerber  vergeben,  die  schon 
einmal  ein  Studium  abgeschlossen  hatten  -  ganz  egal,  wie  sie  an  die- 
ses erste  Studium  herangekommen  sind:  iiber  die  Fachoberschule  oder 
tiber  das  Gymnasium.  Zusatzlich  zu  dieser  Quotierung  muB  der  Bewerber 
auch  noch  nachweisen,  dafi  sein  angestrebtes  Zweitstudium  eine  sinn- 
volle  Erganzung  des  Erststudiums  ist.  Um  diesen  unbestimmten  Begriff 
handhabbar  zu  machen,  wurden  3  Fallgruppen  von  "sinnvoll"  geschaffen. 

Fallgruppe  1 

Der  Bewerber  strebt  einen  Beruf  an,  der  nur  aufgrund  zweier  abge- 

schlossener  Studiengange  ausgeiibt  werden  kann. 

Fallgruppe  2 

Der  Bewerber  will  in  der  gleichen  Fachrichtung  weiterstudieren. 


ERSTSTUDIUM  ZWEITSTUDIUM 

(FH)  (Wissenschaftliche  Hochschule) 

SOZIALPADAGOGIK  GESELLSCHAFTSLEHRE/SOZIALKUNDE 

PHILOSOPHIE 

WISSENSCHAFTLICHE  POLITIK 
PSYCHOLOG1E 

PADAGOGIK  UND  RELIGIONSPADAGOGIK 
SOZIALWISSENSCHAFTEN/SOZIOLOGIE 

Fallgruppe  3 

Der  Bewerber  hat  ein  Erststudium  absolviert,  das  nicht  unmittelbar 
auf  den  erstrebten  Beruf  hinfiihrt. 

In  der  Fallgruppe  1  und  3  mufl  der  Bewerber  ein  Gutachten  der  Hoch- 
schule, an  der  er  studieren  mochte,  beibringen.  Ob  eine  "sinnvolle 
Erganzung"  vorliegt,  entscheidet  der  Hochschulprasident,  in  Zweifels- 
fallen  ein  "Obergutachter"  der  ZVS  in  Dortmund.  Bislang  kann  der  Be- 
werber seinen  Gutachter  selbst  wahlen.  Er  kann  auch  aus  mehreren 
Gutachten  verschiedener  Hochschulen  das  fur  ihn  giinstigste  der  ZVS 
vorlegen.  Dem  soil  nach  bislang  inoff iziellen  Auskiinften  in  Zukunft 
vorgebeugt  werden,  um  die  grofle  Zahl  der  erforderlich  en  Obergutach- 
ten  einzuschranken. 
(aus  Fachhochschul-Info  Nr.  15,  Hamburg  1978) 


Betroffen  sind  von  diesen  weiteren  Einschrankungen  des  zweiten  Bil- 
dungsweges  alle  Fachhochschulstudenten,  direkt  verarscht  fiihlen  sich 
diejenigen,  die  von  vornherein  an  die  Fachhochschule  gegangen  waren, 
um  an  der  Universitat  weiter  zu  studieren.  Nach  ersten  Erfahrungeh 
mit  dieser  Zweitstudienregelung  aus  dem  VIS  77/78  kann  man  feststel- 
len,  daB  hier  sehr  restriktiv  verfahren  wird: 

So  wurde  z.B.  im  Studiengang  Medizin  kein  einziger  Zweitstudienbe- 
werber  zugelassen,  der  von  einer  Fachhochschule  kam,  da  kein  Studien- 
gang einer  Fachhochschule  zur  Medizin  in  einer  sinnvollen  Erganzung 
steht.  Anders  sieht  es  aus  in  Psychologie,  wo  immerhin  doch  ein  gros- 
ser Teil  von  Sozialpadagogen  akzeptiert  wurde. 

In  Einzelberatungen  mit  Studenten,  die  in  dieser  Weise  um  ihre  Zu- 
kunftsplane  betrogen  wurden,  geht  es  neben  einer  genauen  Biskussion 
des  Zulassungsverfahrens  vor  alien  Dingen  darum,  welche  Moglichkei- 
ten  es  gibt,  sich  eine  Beruf sperspektive  zu  erarbeiten,  die  der  ur- 
spriinglich  angestrebten  moglichst  nahe  kommt.  Fur  jemanden,  der  sich 
aber  Dipl.-Psychologe  als  Beruf sziel  gesetzt  hat,  bleiben  Ausweich- 
studiengange  wie  Dipl.  Padagoge  oder  Dipl-Soziologe  immer  nur  zweite 
Wahl,  da  er  mit  diesen  AbschlUssen  nur  in  wenigen  Bereichen  mit  Di- 
plom-Psychologen  konkurrieren  kann. 

War  kurz  nach  Errichtung  der  Fachhochschulen  der  Anteil  der  Studen- 
ten die  an  die  Universitat  iiberwechselten,  sehr  hoch  und  wurde  da- 
mals  in  der  Regel  auch  auf  die  Absolvierung  des  Beruf spraktikums  ver- 
zichtet,  so  hat  sich  die  Situation  heute  total  geandert.   Eben  wegen 
dieser  Zeitstudienbeschrankung  aber  auch  wegen  der  generell  schwie- 
riger  gewordenen  Beruf saussichten  wird  in  der  Regel  jetzt  doch  das 
Beruf spraktikum  absolviert  und  relativ  wenige  studieren  dann  weiter 
(nach  Schatzungen  hochstens  20  %) . 

ANGST  VOR  DEN  ANFORDERUNGEN  SOZIALPADAGOGISCHER  PRAXIS 

Der  Anlafi,  weshalb  Sozialpadagogik-Studenten  unsere  Beratungsstelle 
bei  personlichen  Problemen  aufsuchen,  unterscheidet  sich  zunachst 
nicht  von  den  Begriindungen,  die  auch  andere  Studenten  geben:  Lern- 
schwierigkeiten,  in  der  Regel  gekoppelt  mit  Kontaktschwierigkeiten 
bis  hin  zu  Partnerproblemen.  Analysiert  man  jedoch  diese  "personli- 
chen Schwierigkeiten"  genauer,  so  lafit  sich  bei  fast  alien  Sozialpa- 
dagogik-Studenten eine  gemeinsame  Grundtendenz  in  den  Schwierigkei- 
ten feststellen.  Sie  sind  voller  Zweifel  iiber  die  eigene  Fahigkeit, 
mit  anderen  Menschen  umzugehen.  "Wie  kann  ich  anderen  Menschen  hel- 
fen  wenn  ich  selbst  Hilfe  gebrauche?"  "Wie  soil  ich  mich  verhalten, 
wenn  Jugendliche  meine  Unsicherheit  spuren?"  usw.  Die  naheliegende 
Interpretation,  daB  derartige  Schwierigkeiten  gerade  daher  ruhren, 
weil  sie  in  anderen  Gebieten  auch  Schwierigkeiten  haben,  wird  sogar 
von  vielen  betroffenen  Studenten  selbst  vertreten:  "Die  anderen  kon- 
nen  das  alles  viel  besser  als  ich,  die  anderen  haben  diese  Schwie- 
rigkeiten nicht,  ich  mochte  auch  so  sein  wie  die,  die  so  unbelastet 
an  ihre  Arbeit  gehen."  Diese  individualisierende  Interpretation  ver- 
schleiert  allerdings  mehr,  als  daB  sie  erklart.  In  ihr  werden  die  Be- 
dingungsfaktoren  der  Hochschulsozialisation  unterschlagen  und  auf 
simple  Kausalketten  wie  Elternhaus,  Schule  usw.  reduziert. 
Geht  man  hingegen  davon  aus,  daB  die  Schwierigkeiten  dieser  Studen^ 
ten  in  besonders  pragnanter  Weise  die  Schwierigkeiten  aller  Studen 
ten  in  den  gleichen  Bedingungen  eines  Studiengangs  darstellen,  also 


-  55 


sozusagen  die  Spitze  des  Eisberges  sind,  so  wird  der  Blick  auf  diese 
Bedingungen  selbst  gerichtet,  d.h.  auf  die  Studiensituation.  So  be- 
trachtet,  haben  zunachst  alle  Studenten  ahnliche  Schwierigkeiten, 
was  sie  j edoch  unterscheidet,  sind  die  Problemlosungsstrategien:  So 
konnen  die  Probleme,  mit  denen  die  Studenten  zu  uns  kommen,  ebenso 
gut  in  Partnerbeziehungen  bzw.  funktionierenden  Gruppen  diskutiert 
und  besprochen  werden  und  fingste  so  reduziert  bzw.  handhabbar  ge- 
macht  werden.  Die  Bedingungsfaktoren,  die  die  Angst  vor  der  eigenen 
Inkompetenz  und  vor  den  Anforderungen  der  Handlungsfelder  verstarken 
statt  zu  reduzieren,  lassen  sich  exemplarisch  unter  zwei  Aspekten 
zu  s  ammenf a  s  s  en : 

•  im  Vorherrschen  kognitiven  Lernens(Wissensanhaufung): 
Die  iibliche,  auch  in  Hamburg  durchgefiihrte  Zweiteilung  des  Studiums 
in  Grund-  und  Hauptstudium  geht  von  der  Annahme  aus,  dafi  es  einen 
bestimmten  Kanon  an  Grundwissen  in  den  Hauptfachern  der  Sozialpada- 
gogik  gibt  (Erziehungswissenschaf ten;  Sozialwissenschaften;  Psycho- 
logie;  Recht  und  Verwaltung).  Auf  diesem  Grundwissen  soil  im  Haupt- 
studium aufgebaut  werden  und  Vertief ungsmoglichkeiten  angeboten  wer- 
den. Abgesehen  davon,  dafi  es  berechtigte  Zweifel  gibt,  ob  Lernen  sich 
in  dieser  Weise  tatsachlich  vollzieht  (vgl.  die  Kritik  an  derartigen 
Lernvorstellungen  in  den  Ref ormhochschulen  Bremen  und  Kassel),  wider- 
spricht  schon  allein  die  Okonomie  der  Zeit  dem  Gelingen  dieses  Vor- 
habens:  In  drei  Semestern  soil  in  jedem  der  genannten  Facher  ein 
Grundlagenwissen  erworben  werden,  fur  das  die  Studenten  der  jweiligen 
Einzeldisziplinen  an  anderen  Hochschulen  mindestens  vier  Semester 
Zeit  haben.  Selbst  hohes  didaktisches  Konnen  der  Dozenten  vorausge- 
setzt,  kann  dabei  nicht  mehr  herauskommen,  als  Anhaufung  lexikali- 
schen  Wissens,  das  in  Klausuren  und  anderen  Leistungsformen  abgefragt 
wird.   Uberspitzt  formuliert  lernt  der  Student,  Wissen  anzuhaufen 
und  dieses  kurzfristig  fur  einen  bestimmten  Zweck  zu  gebrauchen.  Zu- 
sammenhange  und  systematisches  Herangehen  und  Vergleichen  der  durch 
die  Geschichte  der  biirgerlichen  Universitat  getrennten  Disziplinen 
findet  nicht  oder  nur  im  Ausnahmef all   statt.  Dafi  dieses  Lernverhal- 
ten  einseitig  die  kognitiven  Fahigkeiten  "fordert"  und  die  affekti- 
ven(motivationalen  Aspekte  des  Lernens  in  den  "Untergrund"  der  Klein- 
gruppe  bzw.  der  Partnerbeziehung  driickt,  hat  fiir  diejenigen  Studenten  , 
die  eben  dieser  affektiven  und  motivationalen  Basis  entbehren,  zur 
Folge,  dafi  dieses  Anhaufen  von  Wissen  bzw.  Halbwissen  sie  noch  mehr 
verunsichert.  Beklagt  wird  vor  alien  Dingen  das  Fehlen  des  Zusammen- 
hangs  der  Facher  untereinander  und  ihre  Bedeutung  fiir  die  noch  weit- 
gehend  unbekannte  Praxis.  Umgekehrt  bedeutet  es  fiir  die  Studenten, 
die  ihre  affektiven  und  motivationalen  Bediirfnisse  in  Kleingruppen 
und  Partnerbeziehungen  befriedigen  konnen  und  damit  eine  weitgehende 
Grundlage  ihrer  spateren  Handlungskompetenz  schaffen,  dafi  sie  diese 
sozusagen  gegen  die  offizielle  Lernstruktur  erwerben  -  als  "heimli- 
cher"  Lehrplan  des  Studiums.  Nicht  zuletzt  aus  diesem  Konflikt  unter- 
schiedlicher  Lernbediirfnisse  resultiert  das  Problem  der  zunehmenden 
Abwesenheit  in  den  Lehrveranstaltungen.  Wesentliche  Bediirfnisse  im 
Studium  werden  eben  aufierhalb  der  Lehrveranstaltungen  befriedigt. 

•  in  der  instrumentellen  Einstellung  zu  Medien  und  Methoden: 

In  Hamburg  ist  es  durch  die  Lage  der  Praktika  zumindest  im  Ansatz  ge- 

geben,  praktisches  Handeln  theoriebegleitend  zu  erlernen: 

Zu  Beginn  des  vierten  Semesters  wird  ein  4-wochiges  Informationsprak- 


56 


tikum  gemacht ,  das  sich  wahrend  des  vierten  und  fiinften  Semesters 
als  studienbegleitendes  Praktikum  an  2  Tagen  in  der  Woche  fortsetzt. 
Zentrale  Veranstaltungen,  die  dieses  Praktikum  begleiten,  sind  die 
Theorie-Praxis-Seminare,  die  als  Kleingruppenveranstaltungen  wahrend 
des  gesamten  Haupts tudiums  angeboten  werden.  Es  sollen  auch  hier 
wieder  die  besten  didaktischen  Bemiihungen  der  Dozenten  vorausgesetzt 
werden,  so  ergeben  sich  dennoch  eine  Reihe  von  Problemen.  Geiibt  darin, 
bewufites  Lernen  ausschliefilich  als  kognitives  Lernen  zu  begreifen, 
entsteht  durch  die  Konf rontation  mit  der  Praxis  bei  den  meisten  Stu- 
denten das  Bediirfnis,  ihre  Handlungskompetenz  durch  Lernen  vom  Um- 
gang  mit  Medien  und  Methoden  zu  verbessern  oder  erst  uberhaupt  zu  er- 
reichen.  Unter  dem  Primat  des  kognitiven  Lernens  wird  dieser  Wunsch 
allerdings  sehr  haufig  zur  reinen  Rezeptanwendung.  Frustriert  dariiber, 
dafi.es  solche  Rezepte  in  der  Regel  nicht  gibt,  wenden  sich  die  Ag- 
gressionen  haufig  gegen  das  Praxisfeld  bzw.  die  Fachhochschule 
und  produziert  ganz  allgemein  Unlust-  und  Angstgefiihle.  Da  dariiber 
hinaus  in  vielen  Medien-  und  Methodenseminaren  benotete  Scheine  ver- 
langt  werden  und  somit  auch  hier  abfragbares  bzw.  reproduzierbares 
Wissen  erarbeitet  werden  mufi,  bleibt  es  auch  hier  beim  Vorherrschen 
des  kognitiven  Lernens.  Unsicherheit  im  Praxisfeld  und  der  Zwang 
zuro  Anhaufen  von  Wissen  fu'hren  dann  hSufig  dazu,  dafi  Methoden  ledig- 
lich  als  auflerlich  anwendbare  Strategien  der  Manipulation  empfunden 
werden,  zugleich  aber  nach  ihnen  verlangt  wird'  im  Sinne  von  Rezept- 
anwendungen.  Phasen  der  Selbstref lexion  und  der  Diskussion  der  Wir- 
kungen,  die  die  Anwendung  der  Methoden  auf  die  Methoden anwender  hat, 
kommen  dabei  haufig  zu  kurz.  In  der  Beratung  von  Studenten,  die  un- 
ter diesen  Lernbedingungen  dann  noch  in  andere,  weitere  Konfliktla- 
gen  geraten  sind,  haben  wir  die  Erfahrung  gemacht,  dafi  diese  Studen- 
ten auch  ihre  eigenen  Probleme  auf  diese  instrumentelle  Weise  ange- 
hen,  d.h.  sie  als  Rationalisierungsstrategien  gebrauchen  oder  die 
Bedeutung  dieses  Wissens  fiir  ihre  eigene  Situation  schlichtweg  ver- 
drangen:  Die  Ergebnisse  der  Neurosenlehre,  wie  anfechtbar  sie  auch 
immer  sein  mogen,  sind  fur  die  Klienten  da,  nicht  fiir  einen  selbst. 


SCHLUSSBEMERKUNG : 


Hier  handelt  es  sich  urn  Impressionen  aus  meiner  Beratungstatigkeit , 
nicht  urn  eine  systematische  Analyse.  Mit  anderen  Worten:  Wem  diese 
systematischen  Ableitungen  und  andere  wichtige  Punkte  fehlen:  Ich 
habe  dieses  Mai  bewufit  darauf  verzichtet  -  ebenso  auf  Vorschlage 
zur  Aufhebung  der  verschiedenen  Konflikte. 


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Barbara  Schulze/Jochen  Schaffer 

DIE  FHSS  BERLIN  - 
GESCHICHTE  UND  PERSPEKTIVEN 
AUS  STUDENTISCHER  SICHT 


ZUR  GESCHICHTE 

Das  Seminar  fiir  Soziale  Arbeit,  Alice-Salomon-Schule,  der  Vorlauf er 
derFachhochschule,  wurde  1968  umbenannt  in  Akademie  fiir  Soziale  Ar- 
beit. In  die  Ausbildung  wurde  die  von  Jugendpf legem  und  -leiterin- 
nen  mit  aufgenommen.  Zu  den  obligatorischen  Sozial-  und  Verwaltungs- 
fachern  kamen  Deutsch,  Mathematik  und  Englisch  hinzu,  was  den  Stu- 
denten  nach  Abschlufl  des  Studiums  die  fachgebundene  Hochschulreife 
einbrachte.  Voraussetzung  fiir  den  Zugang  zur  Akademie  war:  Mittlere 
Reife  +  abgeschlossene  Beruf sausbildung.  Das  Aufnahmealter  lag  zwi- 
schen  22  und  .35  Jahren. 

Die  Akademie  umfaBte  180  Studenten  und  12  hauptamtliche  Dozenten. 
Die  Interessen  der  Studenten  wurden  durch  einen  ASTA  vertreten,  der 
aber  bereits  1970  wieder  feierlich  zu  Grabe  getragen  wurde,  da  er 
nicht  funktionsfahig  war. 

Am  1.4.1971  wurde  aus  der  Akademie  die  Fachhochschule  fiir  Sozialar- 
beit  und  Sozialpadagogik.  Damit  erfolgte  eine  Zustandigkeitsverschie- 
bung  vom  Senator  fur  Schulwesen  auf  den  damaligen  Senator  fur  Wis- 
senschaft  und  Kunst.  Die  Zahl  der  Studenten  erhShte  sich  auf  350, 
da  verschiedene  andere  Akademien  (von  der  AWO,  der  kath.  Kirche  und   < 
andere)  aufgelost  und  der  FHSS  einverleibt  wurden.  AuBerdem  wurden 
von  diesen  Einrichtungen  auch  die  meisten  Dozenten  ubernommen,  so 
daS  die  Zahl  der  Hauptamtlichen  auf  20  wuchs. 

Die  Ausbildung  erfolgte  jedoch  weiterhin  nach  der  alten  Akademie- 
ordnung.  Dies  hatte  zur  Folge,  daB  die  alten  Lehrinhalte  ubernommen 
wurden,  und  die  Studenten  zu  Beginn  ihres  Studiums  mit  einem  Stun- 
denplan  konfrontiert  wurden,  der  14  FScher  =  32  Wochenstunden  umfaBte 
(Sozialethik,  Soziologie,  Entwicklungspsychologie,  Lernpsychologie, 
Padagogik,  Politologie  ,  Rechtskunde,  Verwaltungskunde,  Gesundheits- 
und  Krankheitslehre,  Einfuhrung  in  die  Sozialarbeit,  Deutsch,  Eng- 
lisch, Statistik,  Musische  Gruppen).  Diese  Facher  waren  wahllos  an- 
einandergereiht.  Eine  {Coordination  bestand  nicht.  Die  "Theorie  , 
die  vermittelt  wurde,  war  losgelost  von  der  gesellschaf tlichen  Wirk- 
lichkeit,  in  der  Sozialarbeit  stattfindet;  zudem  war  die  Art  der 
Stof fvermittlung  durch  Vorlesungen  ineffektiv. 

Unter  den  Studenten  entstand  eine  starke  Verunsicherung,  und  sie  be- 
gannen  im  Mai  71  sich  aktiv  gegen  die  bestehende  Ausbildung  zu  weh- 
ren.  Unter  dem  Druck  der  Studenten  muftte  der  Vorlesungsbetrieb  im 
Juni  71  eingestellt  werden.  Die  Schulleitung,  die  selbst  nicht  in 
der  Lage  war,  ein  Gegenkonzept  vorzulegen,  sah  sich  deshalb  gezwun- 
gen,  die  Umfunktionierung  des  Unterrichts  zu  dulden. 

In  den  Diskussionen  kristallisierten  sich  folgende  Vorstellungen 
heraus: 

-  58  - 


1.  Der   Stundenplan  miisse  verkiirzt  werden; 

2.  durch     Schwerpunktsetzung  miisse   eine  Orientierung  auf   die   zukiinf- 
tige   Berufspraxis   ermoglicht  werden. 

So   entstand  -  von  den  Studenten  erarbeitet  -  der   erste  Stundenplan 
fiir  das   2.    Semester,   der  dem  Akademischen  Senat   zur  Abstimmung  vor- 
gelegt  wurde: 

A.  Grundkurse 

T.    Kritik  der  politisahen  Okonomie    (anstelle  des  Faches  Soziologie) 

2.  Kritik  des  Sbzialstaats  (anstelle  des  Fashes  Politologie) 

3.  Gesohiahte  der  Arbeiterbewegung    (auBerhalb  des  obligatorischen 
Lehrplans,    da  dafiir  kein  in  der  Ausbildung sordnung  vorgesehenes 
Faoh  in  Frage  karn). 

Da  man  den  vorhandenen  Dozenten  die  gewunsohte  Vemittlung  dieser 
Lehrinhalte  nicht  zutraute,   setsten  die  Studenten  gegeniiber  dem  Rek- 
torat  die  Forderung  durch,   mindestens  fiir  die  Hdlfte  dieser  neuen 
Lehrveranstaltungen  eigene  Vorschlage  fiir  neue  Lehrbeauftragte  zu 
machen. 

B.  Fachspezifisohe  Vorbereitungsfacher 

4.  Psyohologie  7.    Verwaltungskunde 

5.  Padagogik  8.   Sozialmedizin 
S.    Recht                                 9.   Statistik 

C.  Beruf sfe Ider 

Es  wurden  regelmxBige  Informationsveranstaltungen  mit  Praktikern 
veranstaltet,   in  denen  den  Studenten  ein  Uberblick  tiber  ihr  kiinfti- 
ges  Arbeitsgebiet  vermittelt  wurde. 


ZUM  HEUTIGEN  ZUSTAND 

In  den  folgenden  Jahren  verdoppelte  sich  die  Zahl  der  Studenten; 
augenblicklicher  Stand:  gut  700.  Die  Zahl  der  hauptamtlichen  Dozen- 
ten  wurde  auf  iiber  40  erhoht.  Mit  der  Berufung  von  so  vielen  Haupt- 
amtlichen wurden  nach  und  nach  alle  die  Lehrbeauftragten,  die  sich 
die  Studenten  ehemals  an  die  Schule  geholt  hatten,  wieder  hinausge- 
drangt. 

Das  'Chaotische'  und  Konzeptionslose  wurde  durch  eine  straff e  und 
gut  durchorganisierte  Verwaltung  ersetzt.  Die  Studenten  standen, 
bzw.  stehen  teils  hilflos,  teils  uninteressiert  daneben,  so  daB  der 
jetzige  Rektor  in  seiner  Riicktrittsbegriindung  schreiben  kann,  er 
"hinterlasse  die  FHSS  relativ  'normal'  verwaltbar  und  vertretbar". 

ZUM  FORMALEN  ABLAUF  DES  STUDIUMS 

Das  Studium  an  der  FHSS  ist  gegliedert  in  ein  GRUNDSTUDIUM  (1.-3. 
Semester),  ein  HAUPTSTUDIUM  (4.-6.  Sem. )  und  ein  einjahriges 
BERUFSPRAKTIKUM.  Nach  dem  3.  Semester  findet  eine  ZWISCHENPRUFUNG 
statt,  mit  der  die  allgemeine  Hochschulreife  verliehen  wird;  danach 
ohne  Ferien  das  BLOCKPRAKTIKUM.  Dieses  besteht  aus  zwei  Teilen  von 
je  3  Monaten  und  ist  Bestandteil  der  Ausbildung;  an  einem  Tag  pro 
Woche  findet  praxisbegleitender  Unterricht  in  der  Schule  statt.  Die 
Blockpraktika  umfassen  zeitlich  das  ganze  4.  Semester  und  zwei  Mona- 
te  der  Ferienzeit. 


59 


FACHERSALAT  UND  STUDIENINHALTE 

Im  Grundstudium  ist  der  Student  verpf lichtet,  an  12  verschiedenen 
Lehrveranstaltungen  teilzunehmen  mit  insgesamt  26  Semesterwochen- 
stunden;  im  3.  Semester  reduziert  sich  die  Zahl  lediglich  auf  8  Fa- 
cher  mit  16  Wochenstunden.  Im  Hauptstudium  betragt  die  Zahl  der  ob- 
ligatorischen  Lehrveranstaltungen  9  mit  insgesamt  21  Wochenstunden. 
Wir  haben  keine  obligatorischen  Projekte  oder  konstante  praktische 
Tatigkeitsf elder,  worauf  wir  die  Lehrinhalte  in  diesen  einzelnen 
Fachern  beziehen  konnen.  D.h.  in  jedem  Fach  wird  ein  anderes  Thema 
behandelt,  die  Dozenten  sprechen  sich  nicht  gegenseitig  ab.  So  be- 
handeln  wir  z.B.  in  Psychologie  Ottomeiers  Perspektivenverschran- 
kung,  in  Sozialmedizin  die  Drogenproblematik  und  in  Recht.das  neue 
Scheidungsrecht.  Sich  in  jede  Problematik  einzuarbeiten  und  eigene 
Problemstellungen  auszuf ormulieren  ist  fur  den  Studenten  unmoglich. 


omasum 

uCU  J*™  beeUrWgto   Inolii.M'i'm  htlfen^'t    P<-<6(eme  £«  User,,  dCe.  tt  auJ 

tiVtntf    Krott   nCekt    rntkr    z^    beoiCK]*"    Cn    o(<s-    U5t    is*.    Urn    Uit     Konr,- 
pU      *£t    0<'r  -  Sm/lir-f—'M  ur*>t   tovbUmti'tu*  ^'oner,  mtijuat  t«  e^lCenntn  u*cj 

UilL,tmt*o*n  enWckto    u.    G*n**,  bnucht  <**•  SozM*r-t**«- **>e  <«•' 


Um  darauf   einzugehen,   was  wir   zur  Aufhebung  des   Fachersalats   unter- 
nommen  haben  und  wie  wir  den  Unterricht  mitbestimmen,    ist   ein  kleiner 
Exkurs   notwendig,    der  eine  besondere  Einrichtung  der  FHSS  vorstellt: 


DER  TYP 

Diese  Typen   sind   eine  Art  von  Klassenverbanden  von   ca.    25   Studenten. 

Der  Vorteil   gegeniiber  den  an  den  Unis  iiblichen  Studienkollektiven 

ist   der,    dafi   die   Typen   indirekt    in  unserer   Studienordnung  verankert 

sind. 

Bei  diesem  Typensystem  schreibt  sich  nicht  jeder  Student  bei  irgend- 

einer  Unterrichtseinheit  gesondert  ein,  sondern  jeder  Typ  hat  ein 

Biindel  von  lehrangeboten  fiir  alle  Studenten  gemeinsam.  Daneben  gibt 

es  noch  eine  kleine  Anzahl  von  typenungebundenen  Fachern. 

Diese  Art  des  Studiums  ist  fur  die  Studenten  der  FHSS  z.Zt,  uner- 

setzlich  aus  mehreren  Griinden: 

•  Dadurch,  daB  ein  Typ  mindestens  3  Semester,  wenn  es  erwiinscht  wird 
auch  das  ganze  Studium,  zusaramenbleibt,  konnen  die  Studenten  sowohl 
hochschulpolitisch  als  auch,  was  Studieninhalte  angeht,  eine  iiber 
einen  langeren  Zeitraum  kontinuierliche  Diskussion  ansetzen. 

•  Die  Geataltung  des  Unterrichts ,  das  Angehen  von  gemeinsamen  Pro- 
jekten  als  theoriebegleitende  Praktika  und  deren  Aufarbeitung,  das 
Durchsetzen  eigener  Studieninhalte  und  deren  Aufbereitung  fiir  den 
Unterricht  kann  nur  in  einer  kleinen,  langer  zusammenarbeitenden 
Gruppe  geleistet  werden. 

•  Das  Studium  bedeutet  dadurch  fiir  den  einzelnen  Studenten  nicht 
eine  Zeit,  in  der  er  in  einer  anonymen  Masse  von  hunderten  Studenten 
verschwindet. 

Mic  wem  man/frau  zusammenarbeitet,  ist  vorher  zu  iibersehen,  das  Stu- 
dium wird  freundlicher,  personlicher. 

•  An  der  FHSS  gibt  es  zum  einen  auf  Lebenszeit  angestellte  Hoch- 
schullehrer  und  zum  anderen  jeweils  nur  fiir  ein  Semester  abgesicherte 
Lehrbeauf  tragte.  Die  letzteren  unterstiitzen  oft  die  Studenten  in  ih- 
ren  Interessenkonf likten  und  bieten  meist  f ortschrittliche  Themen 
fiir  den  Unterricht  an.  Waren  deshalb  alle  Facher  frei  zu  belegen, 
wiirden  die  Lehrveranstaltungen  der  fortschritt lichen  Lehrbeauf trag- 
ten  leicht  iiberlaufen,  wahrend  die  der  regressiven  Krafte  unterbe- 
legt  oder  leerlaufen  wiirden.  Bei  den  typenungebundenen  Fachern  wirkt 
sich  das  so  aus,  daB  die  Hauptamt lichen  -  da  sie  ja  ihre  Stunden- 
zahl  voll  machen  miissen  -  ihre  "boykottierten"  Unterrichtsstunden 

im  nachsten  Semester  nachholen  miissen  und  dadurch  Lehrbeauf  tragte 
aus  der  Schule  verdrangen. 

Jeder  Typ  hat  nun  ein  "gemischtes"  Biindel  von  Dozenten  und  Lehrbe- 
auftragten  jeder  fachlichen  und  politischen  Richtung  im  Lehrangebot. 

Durch  diesen  freiwilligen  Zwang  tragen  wir  unseren.  sehr  wichtigen 
Teil  dazu  bei,  f ortschrittliche  Lehrbeauf tragte  so  lange  wie  moglich 
zu  behalten  (sonst  sahe  es  an  der  FHSS  wesentlich  finsterer  aus). 
Dies  ging  schon  soweit,  daB  Studenten  in  eigener  Regie  und  Verwal- 
tung  bei  "typenf reien"  Fachern  Zwang  zu  bestimmten  Kombinationen  von 
Dozenten  in  den  Fachern  Soziologie  und  Sozialpolitik  durchgesetzt 
haben. 

DER  UNTERRICHT 

Eine  Einschatzung  der  Lehrveranstaltungen  fangt  schon  in  der  Ein- 
fiihrungswoche  an,  die  von  Studenten  fiir  das  neue  Semester  veranstal- 
tet  wird  (die  Frage,  wer  die  Einfiihrung  gestattet,  ist  alle  halben 
Jahre  wieder  AnstoB  zu  Auseinandersetzungen  zwischen  Doz./Rektorat 


61 


einerseits  und  Studenten  andererseits) .  Wir  versuchen  schon  da  den 

Neuen  aufzuzeigen,  wie  das  Studentenleben  im  Fachersalat  so  aussieht. 

Wir  in  unserem  Typ  ha'ben  uns  deshalb  gleich  von  Anfang  an  vorgenom- 

men: 

Wir  bereiten  unseren  Unterricht  selbst  vor. 

Unsere  Themenvorsehlage  wurden  da,  wo  wir  welche  gemacht  hatten, 

angenommen,  und  wir  schrieben  in  alien  Fachern  Referate  und  Thesen- 

papiere.  Wir  ackerten  wie  verriickt. 

Damit  war  leider  noch  nichts  erreicht.  Fast  j ede  Lehrveranstaltung 

war  von  der  anderen  thematisch  weiterhin  isoliert.  Nach  welchen  Kri- 

terien  sollten  wir  auch  die  Themen  aussuchen,  nach  welchen  Zielen  und 

Aspekten  ausrichten?  Die  meisten  hatten  zu  wenig  oder  gar  keine^ 

Erfahrung  im  sozialarbeiterischen  Bereich,  uns  fehlte  eine  gemeinsa- 

me  Erfahrung  als  Basis. 

Wir  riefen  also  alle  Dozenten  der  typengebundenen  (z.T.  auch  der  ty- 

penungebundenen)Facher  zusammen  und  meinten,  daB  was  getan  werden 

solle  und  daB  wir  fur  alle  Facher  ein  Oberthema  brauchten. 

Was  kam,  war  eine  Katastrophe: 

Wahrend  sich  manche  Dozenten  siezten,  wir  alle  duzten,  sprachen  die 

Dozenten  auch  in  puncto  Methodik  und  inhaltlicher  Ausrichtung  anein- 

ander  vorbei. 

SchlieBlich  wurde  das  Thema  "Gewalt  in  der  Familie"  fur  wiirdig  und 

geeignet  befunden. 

Da  jedoch  die  Lehrveranstaltungen  aufgrund  der  Stundenplanung  nicht 

je  nach  arbeitstechnischen  und  thematischen  Erfordernissen_ zusammen- 

gelegt  Oder  verschoben  werden  konnten  und  da  die  hochhonorierten 

Dozenten  sich  in  der  Folgezeit  kaum  noch  und  erst  recht  nicht  regel- 

maGig  absprachen,  war  die  Sache  bald  gestorben. 

Nach  einiger  Zeit  der  totalen  Arbeitsuberlastung  erinnerten  wir  uns 

daran,  daB  die  Dozenten  fur  die  Vorbereitung  des  Unternchts  bezahlt 

wurden  und  wir  nicht,  und  wir  arbeiteten  "nur  noch"  mit  halber  Kraft. 


WIE  KONNTE  DAS  ANDERS  LAUFEN? 

Uns  fehlt  ein  klarer  praktischer  Bezug  bei  den  Lehrveranstaltungen. 
Oft  diskutieren  wir  zu  hypothetisch,  zu  abstrakt.  Die  Theorie  muB 
sich  auf  eine  Praxis  beziehen:  Wir  brauchen  fur  jeden  Typ  ein  Pro- 
jekt,  in  dem  wir  mindestens  4  Semester  kontinuierlich  arbeiten  und 

lernen  konnen. 

Die  Inhalte  der  Lehrveranstaltungen  bekamen  dadurch  einen  klaren  Be- 
zug, wir  hatten  nicht  das  Gefiihl:  was  soil  das  nutzlose  Zeugs.  Wir 
wuSten  dann  besser,  was  wir  brauch-en  und  somit  lernen  muss-en. 
Daraus  wurden  sich  auch  Konsequenzen  fiir  die  Zusanmensetzung  eines 
Typs  ergeben. 

Zur  Zeit  ist  das  bestimmende  Moment  bei  der  Konstituierung  eines 
Typs  die  mehr  oder  weniger  grofle  Sympathie  zu  bestimmten  Menschen. 
Dieser  SympathieklarungsprozeB  erstreckt  sich  iiber  die  4  Wochen  nach 
der  Einfuhrungswoche,  die  wir  als  Orientierungsphase  vom  Rektorat 
erkampft  haben. 

Spater  aber,  wenn  die  erste  Sympathie  verflogen  ist,  stellt  sich 
heraus,  daB  die  in  den  Typen  organisierten  Menschen  oftmals  sehr 
widerspriichliche  Interessen  verfolgen,  was  ein  gemeinsames  Vorgehen 
in  vielen  Punkten  ungemein  erschwert. 
Hier  ware  eine  Zusanmensetzung  der  Typen,  die  sich  an  einem  Projekt 


62  - 


MATERIALIEN/PAPERS  .... 

•  Dokumcntation  der  Jugend-  und  Beratungsstelle  Giessen  wieder  erhaitlich: 
— Darstellung  der  Arbeit  -  Aktuelle  Drogenpolitik  in  der  BRD  -  Diskus- 
sion  um  VMindestkriterien"  und  "Therapieunwillige"  —  Historisches  iiber 
Opium  —  Die  legale  Drogenwelle  -  Pharmaindustrie ;  2o8  Seiten/DM  4,7o 
Bezug:Jugcndberatung,  Schanzenstr.  16,  63  Giessen  Telf.  o641/733o3 

•  Megaphon  —  Nachrichtenmagazin  der  Gefangcnen,  herausgegeben  von  der 

Selbsthilfeorganisation  Help  Union  e.V.,  Talackerstr.  12,  6  Frankfurt; 
Einzelpreis  DM  5.-/Abonnement  DM  23.-- 

•  Wer  einmal  aus  dem  Blechnapf  friBt  —  Dokumentation  iiber  die  Ereignisse 
in  der  JVA  Vierlande  1977;  60  S./DM  2.-,  Bezug:  Gefangenenselbstinitiative 
c/o  Medienzentrum  Fuhlsbiittel,  Fuhlsbutteler  Damm  93,  2  Hamburg  63 

•  Knackis  in  die  OTV?   —  Dokumentation  iiber  die  Auseinandersetzung  von 
Gefangenen  mit  der  OTV  in  die  Gewerkschaft  aufgenommen  zu  werden. 
Gegen  eine  Spende  zu  beziehen  bei  Bardo  Bayer,  Homburger  Str.  60  B, 
6365  Rosbach 

•  Die  Zecke  Nr.  7  —  Dokumentation  zum  Konflikt  am  Frankfurter  Berg  — 
Jugendhaus  genehmigt  —  Sozialarbeiter  gekiindigt,  32  S./DM  3.50. 
Gegen  Voreinsendung  in  Briefmarken  oder  Scheck  zu  beziehen  iiber 
Helmut  Schonberger,  Eckenheimer  Schulstr.  2,  6  Frankfurt  50 

0    HEZ  Nr.  3/78  enthalt  als  Schwerpunktthema  "Jugendliche  gegen 
Arbeitslosigkeit".  Gegen  Voreinsendung  von  DM  3.-  zu  beziehen  bei 
Redaktion  HEZ,  Urbanstr.  126,  1  Berlin  61 

•  Jugendzentrum-Dokumentation  "Das  Korbacher  Jugendhaus  1971  •  1977"  — 
Modellprojekt  des  Landes  Hessen  —  Planung  —  Realitat  und  Konflikte. 

60  S/DM  3.--.  Zusendung  gegen  Einzahlung  von  DM  3.-  auf  PSchKto 
Friedhelm  Emde,  Hann.  Str.  10,  354  Korbach,  PSchA  Frankfurt  514693-600 

•  Reoperation  Nr.  22/23  enthalt  als  Schwerpunktthema  "Arbeiterbildung  in 
der  Diskussion",  mit  Beitragen  von  Oskar  Negt,  Peter  v.  Oertzen,  Adolf  Brock 
Klaus  Kiirber  u.v.a.  Bezug:  Redaktion  "Kooperation",  Universitat  Bremen, 
Bibliothekstr.  ,  28  Bremen  33 


orientieren  wiirde,   also   schon  mal  ein  rein   sachlich  gemeinsames 
Interesse  zur  Grundlage  hat,   sehr  hilfreich. 

Auch   fiir   die   hoheren   Semester,    die   frustriert   und   vollig   desillusio- 
niert   aus   ihren  Praktika   zuriickkommen  und   sich  oftmals  durch   starke 
Motivations losigkeit   dem  Studium  gegeniiber  auszeichnen,   ware   ein 
starker   praxisorientierter   Typenzusammenhang   enorm  wichtig. 
Die   fiir   die  meisten  alles   entscheidende  Frage,   welche  ab  dem   5.    Sem. 
als    Damoklesschwert   iiber  dem   Studium   schwebt,    namlich   wie  verhindere 
ich,    daB   ich  zum   stinknormalen  Amtsarsch  werde,    kann   nur   durch   ge- 
meinsames  Erlernen  der  bestehenden  und   durch   gemeinsames   Praktizieren 
anderer  Methoden  im  "Projektstudium"   geklart  werden, 


ZUR  HOCHSCHULPOLITIK 


Die  studentische  Hochschulpolitik  an  der  FHSS  war  lange  Zeit  Produkt 
von  Beratungen,  Diskussionen  und  Abstimmungen  einer  regelmaBig  statt- 
findenden  W. 

-  63  - 


Wir  haben  auch  studentische  Vertreter  in  den  Gremien  der  FHSS,  doch 
das,  was  sich  alles  zusammen.  studentische  Hochschulpolitik  nennt, 
war  (ist)  ohne  System,  ohne  irgendeine  Linie.  Das  hat  mehrere  Griinde. 
Einmal  war  die  W  nur  ein  Sammelbecken  eiliger  Antrage,  eingebrach- 
ter  Resolutionen,  hochtrabender  Streikreden,  aber  nicht  zuletzt  eben 
auch  Forum  fur  Vordiskussionen,  die  doch  langst  auf  mederer  Ebene 
in  kleineren  Gruppen  hattan  lauf  en  miissen. 

Zudem  wurde  die  versammelte  Mannschaft  in  der  VV  immer  kleiner,  es 
waren  immer  dieselben  Menschen  anwesend.  Initiativen,  auf  der  VV 
vorgestellt,  gab  es  viele,  doch  die  standen  dann  ziemlich  allein  ohne 
weitere  Unterstiitzung  da  (HRG-Gruppe,  etc.). 

Zum  anderen  brachte  die  Gremienarbeit  fur  die  Interessen  der  Studen- 
ten  herzlich  wenig  ein;  auBer  dem  Zugang  zu  aktuellen  Inf ormationen 
iiber  hochschulrelevante  Ereignisse  und  MaBnahmen,  und  auBer  ein  paar 
"parlamentarischen  Stormanovern"  konnten  die  6  studentischen  Vertre- 
ter nichts  erreichen.  Es  hatten  durchaus  Abstimmungssiege  zusammen  mit 
fortschrittlichen  Dozenten  erzielt  werden  konnen,  doch  ein  fehlendes, 
klares,  zu  den  Sachproblemen  bezogenes  imperatives  Mandat  verhinder- 
te  politische  Aktionen  im  Akademischen  Senat.  Stattdessen  sahen  sich 
die  studentischen  Vertreter  oft  genug  dazu  gezwungen,  Beratungspau- 
sen  zu  beantragen,  um  bei  einer  entscheidenden  Abstirranung  zu  emer 
passablen  Verlegenheitslosung  zu  kommen . 


DURCH    DHR    FORSCWES   AUT-TReT€U 

erkKhdfen'  £ICH  DIE  studentischen 
VERTRETER   IM  AKADEHISCWE W  SEWAT 
IMMER  WIEDER     REDERECHT 


Ein  "neues"  System  der  studentischen  Selbstorganisation  sollte  die- 
sen  MiBstand  beheben.  Typeninterne  Probleme  und  hochschulpolitische 
Fragen  sollten  auf  Typentreffs  wochentlich  diskutiert  werden.  Dele- 
gierte  aus  alien  Typen  strukturieren  und  bereiten  die  14tagig  statt- 
findende  Semester-W  vor,  in  der  Tagesordnungspunkte  fur  die  Cesamt- 
VV  oder  semesterinterne  Fragen  diskutiert  werden.  Die  Vertreter  aus 
den  einzelnen  Semester-VV' s  wiederum  koordinieren  die  Beschliisse, 
um  die  TOP '  s  fiir  eine  Gesamt-VV  auf  zustellen,  die  dadurch  effektiver 
und  weniger  frustrierend  fiir  die  Studenten  ist,  da  durch  ihre  Vor- 
diskussionen entstandene  Vorstellungen  das  Ergebnis  in  der  Gesamt-W 
pragt  (und  nicht,  wie  vorher,  dieses  von  wortgewaltigen,  diszipli- 
nierten  K-  und  SEW-Gruppenangehorigen  vorausgeplant  und  erarbeitet 
war). 

Dies  sollte  erst  mal  eine  Grundlage  fiir  eine  studentische  Hochschul- 
politik sein.  Das  ganze  lief  so  2  Monate  und  schliefdann  ein.  Die 
W's  waren  wieder  unstrukturiert  wie  eh  und  je  und  wurden  schlecht 
besucht;  regelmaBige  Typentreffs  gab  es  nur  in  den  schon  immer  aktiv 
gewesenen  Typen. 

Warum  wurde  dieser  selbstorganisatorische  Rahmen  von  den  Studenten 
nicht  wahrgenommen,  um  gegeniiber  dem  Rektorat  und  dem  Senat  eine 
einheitliche  Position  in  Fragen  der  Ausbildung  und  hochschulpoliti- 
schen  Fragen  zu  formieren? 

Ganz  sicher  waren  dabei  die  vielen  regelma'Bigen  Tref fs  nicht  ganz  un- 
schuldig,  die  relativ  viel  Zeit  in  Anspruch  nahmen.  Dies  steht  j  e- 
doch  im  engen  Zusammenhang  mit  der  Frage,  welches  Ziel  und  welche 
Methodik  die  Studentenpolitik  haben  soil.  Wenn  die  Studenten  in  die- 
ser Zeit  Typentreff,  Semester-W,  Gesamt-VV,  Gremien  und  die  Vorbe- 
reitungstreff s  fiir  das  alles  besucht  haben,  ohne  zu  wissen,  warum 
("Das  HRG  konnen  wir  sowieso  nicht  abschaf f en") ,  dann  ist  klar,  daB 
nach  einiger  Zeit  sich  das  Unbehagen  in  schwindender  Beteiligung 
ausdriicken  muBte. 

Nichtsdestotrotz  wurde  das  nachste  Modell  zur  Selbstorganisation 
auf  den  Hochschul-Markt  geworfen: 

Als  Fundament  sollen  wieder  die  Typen  dienen,  so  daB  sich  die  poli- 
tischen  Vordiskussionen  nicht  iiber  den  Kopfen  der  "Studentenmasse" 
abspielen.Ein  Delegiertenrat ,  zusammengesetzt  aus  Vertretern  aller 


Typen, 


abwahlbar  und  mit  imperativem  Mandat,  soil  die  studentischen 


Belange  nach  aufien  vertreten. 
Vom  Deli-Rat  eingesetzt  sind  Arbeitsgruppen,  die  sich  mit  den  ein- 
zelnen Gremien  befassen  und  die  Informationen  von  dort  in  den  Deli- 
Rat  leiten.  Von  dort  flieBen  sie  in  die  Typen  zuriick. 
Das  wichtigste  Element  ist  der  Meinungs-  und  Inf ormationsaustausch 
zwischen  der  Basis,  also  den  Typen,  und  dem  Deli-Rat.  Dieser  oder 
ein  Typ  setzt  dann  schlieBlich  je  nach  Bedarf  eine  Semester-VV  oder 
eine  Gesamt-W  an  und  bereitet  sie  vor. 

Das  Entscheidende  jedoch,  namlich  was  die  studentische  Hochschulpo- 
litik pragen  und  erreichen  soil,  war  damit  wieder  nicht  geklart. 

Die  bisherige  stud.  Hochschulpolitik  bestand  hauptsachlich  darin, ge- 
oen  MaBnahmen  des  Rektorats  als  Vertreter  des  Senats  und  Mittler 
zwischen  diesem  und  den  Studenten  oder  gegen  Plane  und  Aktionen  des 
Senats  selbst  zu  kampfen. 


65 


Die  Kampfmittel  waren  haufig  als  Ausdruck  der  Hilf losigkeit  und  als 
Ersatz  einer  fehlenden  selbstbestimmten  VS  zu  erkennen:  Demonstratio- 
nen,  Eoykotte,  Erzwingung  von  Diskussionen  in  den  Seminaren  und 
Streik. 

Es  ging  (und  geht)  um  geplante  Ordnungsausschiisse,  Verringerung  der 
studentischen  Vertreter  in  den  Gremien,  sich  steigernde  Einfliisse 
der  staatlichen  Stellen  auf  die  Hochschule,  Studienordnung,  Priifungs- 
ordnung,  Verhinderung  einer  selbstbest immten  VS  etc.,  kurz,  alles 
das,  was  jetzt  schon  im  Vorgriff  auf  das  LHG  von  Seiten  des  Senats 
versucht  wird,  in  die  FHSS  einzubringen. 

Dabei  war  und  ist  die  Lage  der  Studenten  fatal:  es  gibt  nur  wenig  zu 
verteidigen,  vielmehr  soil  eine  schon  ohnehin  schlechte  Lage  fiir  die 
Studenten  noch  verschlechtert  werden  (es  waren  schon  vor  dem  LHG  zu 
wenig  Studenten  im  Akademischen  Senat).  So  verlagert  sich  die  Argu- 
mentation vom  aktivistischen  "Gegen..."  und  "Weg  mit..."  zu  der  schon 
resignativen  Einstellung:  "laBt  uns  wenigstens  das  verteidigen,  was 
wir  noch  haben" . 

Der  Deutsche  StSdtetag  und  die  Kommunalen  Spitzenverbande  gehen  an- 
ders  vor:  Sie  uberlegen,  zu  welchera  Zweck  und  welche  Art  von  Sozial- 
arbeitern  sie  benotigen.  Danach  geben  sie  ihre  "Empf ehlungen"  her- 
aus,  danach  richtet  sich  der  Staat.  (Siehe  dazu  S.9  ff  ) 


WAS  KONNEN  WIR  DARAUS  LERNEN? 

Wir  miissen  Klarheit   dariiber   gewinnen 

-  welchen  Verwendungszweck  das  Studium  hat, 

-  wie  die  entsprechende  sozialarbeiterische  Praxis  aussieht, 

-  vie  wir  die  daraus  gewonnenen  Erkenntnisse  und  Anspruche  als 
Kriterien  fiir  Studieninhalte  verwenden  konnen. 

Fiir  viele  Studenten  ist  es  neu,  Studieninhalte  und  -aufbau  zum  Gegen- 
stand  eigener  Hochschulpolitik  zu  machen,  doch  die  Geschichte  der 
Studentenbewegung  zeigt  gerade,  daB  Gegenunterricht  und  die  Erarbei- 
tung  anderer  Hochschulstrukturen  weit  bessere  und  mit  mehr  Engagement 
vertretene  Ziele  waren  als  der  Kampf  "gegen",  "nieder  mit"  und  "zer- 
schlagt  die. . . ". 

Auch  im  letzten  Streik  (WS  1977)  wurden  Zeichen  sichtbar,  die  darauf 
schlieBen  lassen,  daB  die  Studenten  aus  der  Ecke  der  Reaktion  auf 
die  Aktionen  des  Staates  herauskommen,  um  endlich  eigene  Vorstellun- 
gen  uber  Studium  und  Beruf  zu  erarbeiten.  Leider  blieb  es  bei  den 
Ansatzen,  denn  Streikfete  und  Demo  waren  10  mal  so  gut  besucht  wie 
die  Arbeitsgruppen  zur  Erarbeitung  studieninhaltlich  relevanter  Vor- 
stellungen  oder  einer  Konzeption  der  geplanten  Verfassten  Studenten- 
schaft,  oder  zur  Diskussion  iiber  Beruf sperspektiven,  zu  der  Sozial- 
arbeiter  und  Praktikanten  eingeladen  waren. 

Warum  ist  eine  konkrete  Ausarbeitung  von  Studiums-  und  Berufsziel 
nicht  schon  angegangen  worden? 

Ein  Biindnis  gegen  bestimmte  MaBnahmen  des  Staates  war  auf  breiter 
Ebene  relativ  leicht  zu  bilden,  eine  Einigkeit  in  der  Ablehnung 
konnte  bisher  weitgehend  erreicht  werden. 

Ganz  anders  sieht  es  aus,  wenn  wir  hinterf ragen,  warum  diese  und 
jene  Gruppen  etwas  ablehnen,  wenn  bestimmte  Ausbildungsziele  geauBert 
werden  sollen:  die  Einigkeit  wtirde  gleichzeitig  hinterfragt  werden. 
Es  geht  jedoch  kein  Weg  daran  vorbei,  daB  studentische  Hochschul- 
politik sich  an  erarbeiteten  Studieninhalten  orientieren  muB,  um  sich 
nicht  durch  Resolutionen,  Verurteilungen,  Ablehnungen  und  Boykotts 
(die  ich  allerdings  auch  als  Druckmittel  anerkenne,  solange  es  nicht 
nur  dabei  bleibt)  in  negativ  formulierten  Forderungen  zu  erschopfen. 
Wenn  dieser  Kurs  nicht  eingeschlagen  wird,  landen  die  Studenten  in 
einer  politischen  Sackgasse,  aus  der  heraus  staatliche  Mafinahmen  an- 
gegriffen  werden  konnen,  aber  in  der  keine  Moglichkeit  mehr  besteht, 
eigene  Positionen  zu  entwickeln  und  diese  dann  durchzusetzen  und  zu 
verteidigen.  ^^^ 


AF  Sozialarbeit,  Miinchen 


EINSCHRANKUNG  POLITISCHER  RECHTE 

AM  BEISPIEL  DER  KATHOLISCHEN  FACHHOCHSCHULE 


Grundsatzlich  besteht  an  den  katholischen  und  evangelischen  Fach- 
hochschulen  (FHS)  aufgrund  des  besonderen  Charakters  die  Moglichkeit, 
in  den  Verfassungen  der  jeweiligen  Schulen  Freiraume  aufrechtzuerhal- 
ten,  die  fur  die  staatlichen  FHS  aufgrund  der  Landerhochschulge- 
setze  (hier:  BayrHSchG)  grundsatzlich  beseitigt  sind.  So  gab  es  auch 
an  der  Katholischen  Stif tungsf achhochschule  Miinchen  (SFHS)  bis  zum 
17.1.78  eine  von  der  Hochschulleitung  anerkannce  VerfaBte  Studenten- 
schaft  (VS)  mit  den  demokratisch  gewahlten  Vertreterorganen,  dem 
Scudentenparlament  und  dem  ASTA.  Zwar  war  der  Erhalt  der  VS  niche 
ausschliefilich  aufgrund  des  Einsatzes  der  Studenten  moglich;  viel- 
mehr  muBten  gewisse  Komproraisse  eingegangen  werden  -  so  mufiten  min- 
destens  50  %  der  Studenten  in  der  VS  organisiert  sein  und  die  Sat- 
zung  der  VS  muBte  von  der  Hochschule  abgesegnet  werden  -  nur  so  war 
die  Anerkennung  als  Studentenvertretung  und  Genehmigung  von  Raumen 
etc.  zu  erreichen;  dies  war  Anfang  1975. 

In  der  Verfassung  der  SFHS,   die  nach  In-Kraf t-Treten  des  Bayr. 
HSchG  die  besonderen  Verhaltnisse  an  der  SFHS  regeln  sollte,  wurde 
zunachst  auch  noch  daran  gedacht,  das  Ordnungsrecht  nicht  zu  uberneh- 
men.  Anfangs  vertrat  die  Hochschulleitung  die  Meinung,  aufgrund  der 
Atmosphare  an  der  Schule  -  nach  dem  Motto  "wir  sind  alle  eine  groEe 
Familie"  -  sei  dieses  Repressionsinstrument  nicht  von  Noten.  SchlieS- 
lich  wurde  das  Ordnungsrecht  doch  verankert,  sehr  zum  Vorteil  der 
Hochschulleitung,  wie  sich  im  Verlauf  der  Zeit  herausstellen  sollte. 
Desweiteren  wurde  in  der  Verfassung  festgelegt,  dafi  jeder  Student 
den  "besonderen  Charakter"  der  SFHS  anerkennen  muB.  Diese  Anerken- 
nung des  Tendenzschutzes  innerhalb  der  Ausbildung  legten  die  Studen- 
ten bei  ihrer  Erstimmatrikulation  per  Unterschrift  ab. 
Zum  "besonderen  Charakter"  der  SFHS  gehorend,  verstand  die  Hochschul- 
leitung wohl  auch  ihre  standigen  Verbote  von  Veranstaltungen  und 
Biichertischen.  Als  Grund  der  Verbote  wurde  immer  wieder  angegeben, 
die  VS  habe  ausschlieSlich  hochschulpolitisches  Mandat.  Was  hochschul- 
und  was  allgemeinpoli tisch  ist,  bestinmt  selbstverstandlich  die 
Hochschulleitung. 

Das  Repressionskarussell  begann  sich  jedoch  erst  richtig  zu  drehen, 
als  1976/77  erstmals  organisierte  politische  Gruppen  (Liste  demo- 
kratische  Hochschule:  KHB,  Jusos,  Unorganisierte;  GO-Liste:  MSB,  SHB) 
ins  Studentenparlament  kamen  und  ihre  Aktivitaten  forcierten.  Immer 
wenn  die  VS  und  ihre  Organe  ihr  von  den  Studenten  gefordertes  politi- 
sches  Mandat  wahrnahm,  schlug  die  HS-Leitung  mit  immer  repressiveren 
MaSnahmen  zu: 


1.  So  wurde  em  thematisch  zum  1.  Mai  77  (zunehmende  Dequalif  izierung, 
Arbeitslosigkert,  politische  Unterdruckung)  geplanter  Buchertisch. 
an  den.  slch  unter  Schirmherrschaf t  des  ASTA's  samtliche  politische 


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Gruppen,  sowie  Unorganisierte  beteiligen  sollten,  kurzer  Hand  ver- 
boten.  Trotz  des  Verbots  wurde  er  durchgefuhrt,  was  ein  erhebliches 
Nachspiel  haben  sollte  (siehe  unten). 

2.  Auf  eine  geplante  Aktionswoche  gegen  das  Hochschulrahmengesetz 
reagierte  die  Hochschulleitung  mit  Raumverbot  fur  alle  Veranstaltun- 
gen (Begriindung:  Raumnut zung  zu  spat  beantragt!).  Der  Wille  der  Stu- 
denten,aktiv  gegen  das  HRG  vorzugehen,  war  groB  genug,  die  Veranstal- 
tungen doch  durchzuziehen.  Bei  einer  Filmvorfuhrung  iiber  einen  Poli- 
zeieinsatz  an  der  Miinchner  Uni  waren  auch  betroffene  Studenten  der 
Uni  anwesend.  Ihnen  erteilte  die  Hochschulleitung  als  "hochschulfrem- 
de  Personen"  Hausverbot.  Diese  Argumentation  wurde  von  der  HS-Lei- 
tung auch  in  der  Folgezeit  angefiihrt,  wenn  es  darum  ging,  ihr  nicht 
genehme  Personen  von  der  SFHS  f ernzuhalten.  Aufgrund  der  neuen  Re- 
pressalien  beschloB  eine  Vollversammlung,  auf  der  knapp  300  Studenten 
(von  gut  500  in  den  theoretischen  Semestern  studierenden)  anwesend 
waren,  einen  zweitagigen  Streik. 

3.  Die  Hochschulleitung  versuchte,  die  Studenten  massiv  einzuschiich- 
tern:  wahrend  der  Streik-Vollversammlung  wurden  Namen  notiert, 
Streikposten  wurden  personlich  auf  Konsequenzen  hingewiesen,  schlieB- 
lich  wurde  alien  Teilnehmern  der  sog.  "illegalen"  Vollversammlung 
(VV)  mit  dem  Ordnungsrecht  gedroht.  Bei  einem  Teil  der  Studenten 
blieb  dies  nicht  ohne  Wirkung. 

4.  Am  10.6.77  erhielten  8  Studenten  einen  Brief,  in  dem  mit  Hinweis 
auf  den  Buchertisch  zum  1.  Mai,  eine  weitere  Betatigung-  fur  MSB, 
KHB,  KSV,  SHB  verboten  wurde.  Es  heiflt  lapidar  "wenn  sie  dieser  Be- 
kanntmachung  (in  ihr  wird  die  Betatigung  fur  die  politischen  Gruppen 
untersagt,  die  Verf . )  zuwiderhandeln,  (haben)  Sie  die  in  der  Verfas- 
sung der  Stiftungsfachhochschule  Miinchen  dafiir  vorgesehenen  Konse- 
quenzen zu  erwarten."  Kurzgesagt:  Androhung  des  Ordnungsrecht s.  Von 
dieser  Exmatrikulationsandrohung  blieben  die  Jusos  ausgespart,  was 
die  Tendenz  aufzeigt,  samtliche  politische  Betatigung  links  von  der 
SPD  zu  unterbinden.  Auch  bei  den  Hausverboten  war  es  ja  so,  daB  sie 
sich  nicht  gegen  alle  "Hochschulfremden"  richteten,  sondern  nur  gegen 
solche,  denen  die  HS-Leitung  unterstellte,  daB  es  sich  um  Kommunisten 
handeln  miisse. 

5.  Zu  Beginn  des  Wintersemester  77/78  wurde  gegen  zuei  Studenten  das 
Ordnungsrecht  angewendet:  Da  sie  an  einem  Buchertisch  teilgenommen 
hatten  und  sich  dabei  als  KHB-ler  zu  erkennen  gegeben  hatten,  wurden 
sie  mit  der  geringsten  MaBnahme  des  Ordnungsrechts  belegt. 

6.  Diesen  "neuen  Kurs"  an  der  SFHS  wollte  die  Hochschulleitung  offen- 
bar  mit  aller  Deutlichkeit  sogleich  den  Studienbewerbern  fiir  das 

MS  1977/78  vermitteln.  Der  President  der  SFHS  verfaBte  einen  Brief, 
in  dem  der  "Besondere  Charakter"  der  SFHS  auf  ganz  spezifische  Art 
und  Weise  interpretiert  wird  und  schickte  ihn  jedem  einzelnen  Studien- 
bewerber  nach  Hause.  Die  angehenden  Studenten  erfuhren  damit  recht- 
zeitig,  was  sie  alles  mit  dem  "besonderen  Charakter"  anerkennen, 
denn  schlieBlich  mufiten  sie  eine  entsprechende  Erklarung  unterschrei- 
ben,  ehe  sie  an  der  SFHS  studieren  durften. 
Wortlich  heifit  es  u.a. : 
"Insbesondere. . .muB  darauf  hingewiesen  werden,  daB  eine  Betatigung 

-  69  - 


radikaler  studentischer  oder  politischer  Gruppierungen,  gleichgiiltig 
ob  sie  aus  dem  rechts-  Oder  linksradikalen  Bereich  stammen,  an  der 
Stif tungsfachhochschule  nicht  zugelassen  ist.  Es  ist  nicht  erlaubt, 
sich  fiir  politische  studentische  Gruppierungen  zu  engagieren,  die 
eindeutig  faschistische  oder  kommunistische  Tendenzen  verfolgen.  Zu 
solchen  Gruppierungen  gehoren  kommunistische  Verbande  oder  Verbande 
die  mit  ihnen  sympathisieren,  wie  z.B.  der  Marxistische  Studenten- 
bund  (MSB),  der  Kommunistische  Hochschulbund  (KHB),  der  Kommunisti- 
sche Studentenverband  (KSV)  oder  der  Sozialistische  Hochschulbund 
(SHB). 

Jeder  Student  an  der  Stif tungsfachhochschule  hat  das  Recht,  frei  seine 
Meinung  zu  sagen.  Dieses  Recht  der  freien  MeimmgsauBerung  schlieBt 
aber  nicht  ein,  daB  er  diese  Meinung  mit  der  Durchf iihrung  von  Veran- 
staltungen,  der  Aufstellung  von  Biichertischen  oder  Informationsstan- 
den,  der  Verteilung  oder  Auslegung  von  Zeitschrif ten  oder  Flugblat- 
tern  oder  dem  Aufstellen,  Herumtragen  oder  Aufhangen  von  Plakaten 
aufiert.  Insoweit  ist  das  Recht  der  Ausiibung  der  freien  MeinungsauBe- 
rung in  den  Gebauden  und  den  Raumen  der  nichtstaatlichen  Hochschule 
. . .  eingeschrankt. 

Die  Hochschulleitung  stellt  ausdriicklich  in  Ubereinstimmung  mit  dem 
Trager  der  Stif tungsfachhochschule  fest  (die  Stif tung  wurde  von  den 
bayerischen  Bischofen  in  s  Leben  gerufen,  die  Verf.),  daB  durch  die 
Betatigung  fiir  solche  politischen  Gruppierungen  das  Bild  der  katho  - 
lischen  Fachhochschule  in  der  Off entlichkeit  nicht  verfalscht  und  ge- 
pragt  werden  kann."  Der  Brief  endet  freundlich:  "Im  iibrigen  wiinschen 
wir  Ihnen  eine  gute  und  sonnige  Ferienzeit. . . " 

Auffallt,  daB  rechtsradikale  Gruppen  nicht  genannt  sind  und  daB  der 
"besondere"  Charakter"  nicht  positiv  definiert  wird,  es  wird  nicht 
gesagt,  was  an  einer  katholischen  FHS  gegenuber  staatlichen  besonde- 
res  zu  passieren  hat,  sondern  nur,  was  nicht. 

Die  groBe  Uberraschung  folgte  bei  den  Studenten-Parlaments-Wahlen  im 
Herbst  77.  Die  Studenten  blieben  nicht  etwa  zu  Hause  -  vielmehr  stell- 
ten  sich  annahernd  50  Studenten  (ein  Zehntel  der  Studierenden! )  auf 
vier  Listen  (Unorganisierte,  Jusos,  GO,  KHB)  der  Wahl.  Die  bisher 
groBte  Wahlbeteiligung  in  der  Geschichte  der  SFI1S  ist  deutlicher  Hin- 
weis  auf  das  gesteigerte  politische  Interesse  der  Studenten  auch 
trotz  -  oder  gerade  uegen?  -  der  neuen  RepressionsmaBnahmen. 
Dies  spiegelt  sich  auch  in  der  Urabstimmung  zum  Streik  im  November 
1977  wider:  60  %  der  eingeschriebenen  (!)  Studenten  stimmten  fur 
Streik.  Auch  wahrend  des  Streiks  war  Grad  und  QualitSt  der  Beteiligung 
groB  wie  nie  zuvor.  Durchschnittlich  beteiligten  sich  300  Studenten 
an  den  Veranstaltungen, 

Die  bisher  letzte  Runde  in  diesem  Kampf  ging  an  die  Hochschulleitung: 
Am  17.1.78  hat  sie  die  Anerkennung  der  VerfaBten  Studentenschaft  wi- 
derrufen.  Als  Griinde  werden  "ein  wiederholter  und  beharrlicher  MiB- 
brauch  und  die  Oberschreitung  der  Rechte  der  VerfaBten  Studenten- 
schaft" angegeben.  Diese  sind  beispielsweise  "die  Durchsetzung  nicht 
genebmigter  Biichertischveranstaltungen,  nicht  genehmigter  Versammlun- 
gen,  Streikunterstiitzung  oder  die  Oberschreitung  des  hochschulpoliti- 
schen  Mandats." 

Hier  zeigt  sich,  daS  die  HS-Leitung  die  VS  nur  solange  duldete,  als 
diese  nicht  eine  derart  breite  Aktivierung  der  Studenten  erreichen 
konnte. 


-  70 


Die  allgemeine  Stimmung  der  Studenten  ist  eindeutig  fiir  den  Erhalt 
der  VS.  Ca.  120  Leute  haben  am  23.1.  den  ASTA  besetzt,  um  eine  Rau- 
mung  von  seiten  der  HS-Leitung  zu  verhindern.  Dabei  fiel  auf,  daB 
viele  Studenten  beteiligt  waren,  die  sich  bisher  in  der  VerfaBten 
Studentenschaft  nicht  aktiv  beteiligt  haben.  Zwei  Mannschaf tswagen 
der  Polizei  warteten  auf  ihren  Einsatz.  Dazu  sollte  es  nicht  koimien, 
da  die  Studenten  einer  gewalttatigen  Auseinandersetzung  aus  dem  Weg 
gingen  und  nach  Androhung  des  Einsatzes  der  Polizei  den  ASTA  raum- 
ten.  Seit  dem  darauff olgenden  Tag  ist  der  ganze  Trakt,  in  dem  sich 
die  Raume  des  ASTA's  befinden,  geschlossen  "bis  zum  Sommersemester", 
wie  ein  Schild  verkiindet. 

Inzwischen  ist  das  Sommersemester  in  vollem  Gang,  in  den  ehemaligen 
AStA-Raumen  finden  Lehrveranstaltungen  statt  und  der  Prasident  der 
Schule  hat  seine  RepressionsmaBnahmen  verscharft. 
Die  Fortsetzung  der  Auseinandersetzungen  war  -  leider  -  nicht  nur 
von  der  Phantasie  der  Studenten,  sondern  auch  -  und  vor  allem  -  durch 
die  Macht  der  Hochschulleitung  bestitnmt.  Nachdem  mit  dem  Verbot  des 
AStA's  einem  Teil  der  gewahlten  AStA-  und  Studentenparlaments(StuPa)- 
mitgliedern  bereits  die  Androhung  des  Ordnungsrechts  zugegangen  war, 
wurden  jetzt  3  Studenten  relegiert. 

In  den  letzten  Monaten  hatten  trotz  Verbots  immer  wieder  StuPa-Sitzun- 
gen  stattgefunden:  der  grbfleren  Of fentlichkeit  wegen  im  Foyer  des 
Hauptbaus  der  Schule.  Bei  einer  Sitzung  Anfang  Mai  notierte  Vizepra- 
sident  Hundmeyer  die  Namen  der  Anwesenden   (bei  einer  Schule  mit  ein 
paar  Hundert  Studenten  kennt  er  naturlich  alle  Engagierten  nament- 

lich).  •      .„  '     ,  x. 

Der  Fehler,  die  Sitzung  in  Anwesenheit  des  Vizeprasidenten  durcnzu- 
fuhren  und  als  "StuPa-Sitzung"  zu  benennen,  hatte  Folgen:  Eine  Studen- 
tin  und  ein  Student  wurden  fiir  je  ein  Semester,  eine  andere  Koramilito- 
nin  wurde  fiir  zwei  Semester  der  Hochschule  verwiesen  (beginnend  ab 
WS  78/79).  Begriindung:  Leitung  von,  bzw.  erkennbare  Mitwirkung  in 
einer  verbotenen  StuPa-Sitzung  und  Hinweis  auf  friihere  Aktivitaten 
(die  drei  hatten  nach  dem  AStA-Verbot  oben  erwahnten  Brief  mit  Andro- 
hung des  Ordnungsrechts  bekommen) .  Daruber  hinaus  bekamen  ein  knap- 
pes  Dutzend  weiterer  Teilnehraer  der  StuPa-Sitzung  jetzt  eine  Andro- 
hung des  Ordnungsrechts. 

Die  Studenten  reagierten  sofort:  um  Of fentlichkeit  herzustellen,  ket- 
teten  sich  mehrere  Studenten  wahrend  der  Fronleichnamsprozession 
(mehrere  tausend  Teilnehmer)  vor  dem  Miinchener  Dom  an;  FlugblStter 
wurden  verteilt  u.a.m.  Dieser  Rahmen  wurde  gewahlt,  um  darauf  hinzu- 
weisen,  daB  Kardinal  Ratzinger  zugleich  Vorsitzender  des  Stiftungsra- 
tes  der  Schule  ist.  Der  Erfolg  war  maBig:  zwar  berichteten  die  Mun- 
chener  Zeitungen  uber  die  Aktion,  die  Hochschulleitung  jedoch  blieb 
hart.  Mit  Hinweis  auf  ein  "schwebendes  Verfahren"  wurde  jegliche  Aus- 
kunft  uber  die  Relegationen  verweigert,  Verhandlungen  abgelehnt. 
Die  Kampfkraft  der  Studenten  beginnt  zu  zerbrSckeln:  bei  der  letzten 
Vollversammlung  (auBerhalb  der  Schule!)  nahmen  zwar  noch  knapp  200 
Leute  teil,  aber  die  Schwierigkeiten  sind  uniibersehbar .  Viele  Stu- 
denten individualisieren  das  Problem  der  Relegationen  ("irgendwie 
sind  die  ja  selbst  schuld")  und  die  wirklich  aktiven  Leute  beginnen 
aufzugeben.  Sie  wissen,  gelingt  es  bis  Ende  Juni  (Ende  der  Vorlesun- 
gen)  nicht,  die  Relegationen  ruckgSngig  zu  machen,  dann  ist  diese 
Runde  um  die   zunehmenden  Repressionen  an  der  Stif tungsfachhochschu- 
le endgultig  verloren 


-  71 


Frank  Diichting,  Hamburg 

AUFSTIEG  UND  FALL  EINER  EVANGELISCHEN  FHS 


Die  evangelische  Fachhochschule  fiir  Sozialpadagogik  der  Diakonen- 
anstalt  des  Rauhen  Hauses  (so  der  voile  Name)  ist  eine  kirchliche 
FHS,  die  ausschlieBlich  von  der  Nordelbischen  Kirche  (NEK)  finanziert 
wird.  Pro  Jahr  werden  50  neue  Scudenten  aufgenommen.  Den  jeweils 
150  Studenten  werden  z.Zt.  7  Dozenten  und  ca.  25  Lehrbeauf tragte  an- 
geboten. 

Die  Ausbildung  ist  zweiphasig.  Die  Studenten  erhalten  nach  den  iib li- 
chen Priifungen  die  staatliche  Anerkennung,  haben  also  einen  gleich- 
wertigen  AbschluB,  wie  die  Kollegen  der  staatlichen  FHS.  Allerdings 
miissen  die  'evangelischen'  pro  Semester  175  DM  Studiengeld  aufbrin- 
gen. 


ENTWICKLUNG  DER  FACHHOCHSCHULE 

1971  entschlofl  sich  der  Trager,  die  bis  dahin  gefiihrte  Hohere  Fach- 
schule  in  eine  Fachhochschule  mit  staatlicher  Anerkennung  umzuwan- 
deln.  Begriindung:  die  Kirche  hatte  in  ihrem  sozialen  Tatigkeitsfeld 
einen  erheblichen  Bedarf  an  qualif izierten  Kraften,  das  der  Diakon, 
das  klassische  Berufsbild  der  Kirche,  nicht  mehr  bewaltigen  konnte. 
Seine  Ausbildung,  ausschliefilich  in  kirchlichen  Schulen  ohne  staatli- 
che Anerkennung  erworben,  war  zu  eng  und  weltfremd  geworden.  Der  Dia- 
kon kam  rait  seiner  unzureichenden  Qualif ikation  nicht  mehr  mit  den 
vielfaltigen  Problemen  seines  Arbeitsbereichs  zurecht.  Uro  nun  aber 
in  der  Kirche  nicht  nur  staatlich  ausgebildete  Sozialarbeiter  ein- 
stellen  zu  miissen,  wurde  diese  FHS  gegriindet,  die  neben  der  fachli- 
chen  Qualifikation  eines  Sozialpadagogen  noch  eine  spezifisch  kirch- 
licheQualifikation  vermitteln  sollte.  Dazu  gehort  die  Auseinander- 
setzung  mit  Theologie  und  kirchlichem  Handlungsverstandnis,  sowie 
Kenntnis  der  kirchlichen  Arbeitsfelder. 

Das  6semestrige  Studium  ist  unterteilt  in  Grund-  und  Hauptstudium. 
In  den  ersten  drei  Semestern  soil,  themenzentriert  um  feststehende 
Semesterthemen  kreisend,  ein  Grundlagenwissen  vermittelt  werden,  das 
im  Hauptstudium  Anwendung  finden  und  gleichzeitig  eine  breite  Basis 
fiir  die  spStere  T3tigkeit  legen  soil.  Im  Hauptstudium  arbeitet  jeder 
Student  16  Std.  die  Woche  in  einem  Arbeitsfeld  der  Sozialarbeit,  er- 
ganzt  diese  Arbeit  durch  ein  dreistiindiges  Vertiefungsseminar  und 
die  relevanten  (klassischen)  Methoden  und  studiert  BSHG,  JWG,  Verwal- 
tung  und  Theorie  der  SA/5P/Diakonie  (vergl.  hierzu  den  Artikel  in 
diesem  Info  zum  Projektstuium  S. 33) 

Die  kiirzlich  durchgefiihrte  Studienreform  hat  bewirkt,  dafi  alles,  was 
mit  Gemeinwesenarbeit  zu  tun  hatte,  rausgefallen  ist.  So  das  Semester- 
themades  bishengen  2.  Semesters,  Stadtteil-  und  Gemeindearbeit  und 
der  biahenge  Stud^enschwerpunkt  im  Hauptstudium: Gemeinwesenarbeit . 

-  72  - 


Es  sei  kein  Bedarf  fiir  diese  Facher  vorhanden  und  man  wolle  nicht 
an  der  Praxis  vorbei  ausbilden,  waren  die  Begriindungen  fiir  diese 
MaSnahme  (ein  Zusammenhang  mit  der  totalen  Reduktion  von  GWA  in  alien 
Bereichen  der  Praxis  und  Ausbildung  ist  nicht  zufallig.) 


RCCKENTW1CKLUNG  ZUR  DIAKONENSCHULE 

Die  Situation  an  unserer  FHS  ist  z.Zt.  gekennzeichnet  von  scharfen 
Angriffen  des  Tragers  auf  den  internen  Betrieb  der  Schule: 

Abbau  studentischer  Rechte 

•  Seitdem  die  FHS  Anfang  1978  eine  Verfassung  bekommen  hat,  ist  die 
Paritat,  die  bisher  praktiziert  wurde,  zugunsten  des  Tragers  veran- 
dert  worden.  Der  EinfluB  des  Tragers  ist  festgeschrieben. 

•  Den  Studenten  wird  verboten,  Wandzeitungen  an  der  bisher  dafiir 
vorgesehenen  Stelle  aufzuhangen.  AnlaB  fiir  dieses  Verbot  war  der 
Hinweis  auf  den  Buback-Nachruf  in  einer  Wandzeitung  des  ASTA. 

■  Der  Trager  uberlegte  sich,  ob  Kommunisten  von  der  Aufnahme  und  bei 
spaterem  Bekanntwerden  der  Mitgliedschaf t  in  kommunistischen  Organi- 
sationen  (bei  der  DKP  angefangen)  auch  vom  Studium  ausgeschlossen 
werden  konnen  (diese  Uberlegungen  sind  inzwischen  auf  Eis  gelegt  wor- 
den; stattdessen  hat  man  bei  der  Aufnahme,  die  nicht  iiber  Zensuren, 
sondern  iiber  personliche  Bewerbung  ablauft,  darauf  geachtet,  keine 
kritischen  Demokraten  auf zunehmen) . 

In  diesem  Zusammenhang  muB  nochmals  deutlich  erwahnt  werden,  dafi  der 
Tr3ger,  auf grund  seines  Geldgeberstatus ' ,  seine  Schule  formen  kann, 
wie  er  will,  Studentischer  Protest  gegen  all  diese  Maflnahmen  fiihrt 
eher  zu  einer  Beschleunigung  der  Entwicklung,  trotzdem  findet  er 
statt. 

Abbau  des  2.  Bildungsweges 

Bei  der  kiirzlich  erfolgten  Neuaufnahme  eines  Semesters  wurden  bevor- 
zugt  Studenten  mit  Abitur  und  eindeutig  kirchlicher  Vergangenheit 
(also  auch  nicht  Leute  aus  'kritischen'  Gemeinden)  aufgenommen.  Alle 
Bewerber,  die  nur  andeutungsweise  kritisch-politische  AuBerungen  ge- 
macht  hatten,  wurde  sofort  aussortiert.  Auf  diesem  Wege  wird  schon 
praktiziert,  was  als  KommunistenerlaB  groflziigig  zuruckgenoramen  wor- 
den war.  Gleichzeitig  wird  der  Abbau  des  2.  Bildungsweges  betrieben. 
Verschulte  Studenten,  die  durch  die  Miihle  der,  in  Hamburg  gangigen, 
Oberstuf enreform  an  den  Gymnasien  gelaufen  sind,  sind  eben  in  der 
Regel  ruhiger  und  eifriger,  als  Leute,  die  die  politischen  Widersprii- 
che  der  Sozialarbeif  im  kapitalistischen  System  bereits  in  ihrer 
Praxis  als  Erzieher  z.B.  erfahren  haben. 

Eingriffe  in  die  Lehrinhalte 

Der  Trager  iibt  zunehmend  EinfluB  auf  die  Ausbildungsinhal te  aus. 
Vor  allem  die  cheologischen  Dozenten  werden  scharf  angeschossen, 
wenn  sie  in  der  Ausbildung  eine,  der  Amtskirche  nicht  genehme  Theo- 
logie vertreten.  Theologie  soil  im  Examen  Priifungsfach  werden,  kirch- 
lich  gepragte  Studienschwerpunkte  sollen  verstBrkt  eingefiihrt  werden. 

Der  Trager  wiederholt  laufend  seine  Drohungen,  die  Schule  zu  schl les- 
sen, wenn  sich  die  Studenten  und  Dozenten  nicht  endlich  in  Wohlver- 
halten  iiben.  Langfristig  kann  man  annehroen,  daB  die  FHS  wieder  in 

-  73  - 


rein  kirchliche  Ausbildungsstatte  fiir  Diakone  umgewandelt  wird.  Die 
Kirchenoberen  iiberlegen  sich:  was  bekommen  wir  eigentlich  real  fiir 
den  enormen  finanziellen  Aufwand  aus  der  Schule  raus?  Nur  ca.  die 
Halfte  der  Studenten  geht  spater  in  kirchliche  Dienste,  die  andere 
Halfte  nimmt  Stellen  bei  freien  Tragern  Oder  beim  Staat  an.  Auflerdem 
gibe  es  laufend  Arger  mit  der  Schule.  Die  Gemeinden,  imnier  voran 
natiirlich  die  reaktionaren,  beschweren  sich  zunehmend  iiber  fehlende 
loyalitat  der  im  Rauhen  Haus  ausgebildeten  Sozialpadagogen.  Das  Image 
ist  schlecht  geworden,  der  Spruch  vom  'Rocen  Haus'  geht  um. 
Im  Zuge  der  Verringerung  von  Arbeitsplatzen  im  Sozialbereich  bei  der 
gleichzeitigen  Zunahme  qualif izierter  Sozialarbeiter  wird  es  der  Kir- 
che  mbglich,  groBziigig  auf  die  staatliche  Anerkennung  zu  verzichten. 
Durch  die  bisher  gefiihrte  FHS  weiB  man  nun,  wie  Sozialarbeiter  ausge- 
bildet  werden  miissen,  um  nicht  wieder  an  den  Anforderungen  der  Pra- 
xis zu  scheitern,  wie  das  der  Fall  war,  bevor  man  die  FHS  aufmachte. 
Der  Arger  wiirde  weniger  werden,  denn  es  wiirden  dann  an  der  Schule 
nur  noch  Leute  ausgebildet  werden,  die  von  vorneherein  auf  Kirche 
getrimmt  sind.  Das  Verhaltnis:  Input-Output,  das  jetzt  nach  Meinung 
des  Tragers  schief  hangt,  wiirde  wieder  stimmen.  Was  gabe  es  also  fur 
einen  Grund,  die  Schule  in  der  derzeitigen  Form  auf rechtzuerhalten? 
Allerdings  scheint  der  Trager  hier  nicht  radikal  vorzugehen.  In  der 
Vermutung  vieler  Studenten  sieht  die  Taktik  des  Tragers  erstmal  so 
aus,  die  Schule,  die  Dozenten,  die  Studenten,  die  Ausbildung  insge- 
samt  schlecht  zu  machen.  Sodann  konkrete  Eingriffe  in  die  Ausbildungs- 
inhalte  vorzunehmen,  den  EinfluS  des  Tragers  in  alien  Eereichen  zu 
verstarken  und  im  Endeffekt,  wenn  alles  nichts  hilft,  die  Schule  ir- 
gendwann  wieder  in  eigene  ideologische  Hoheit  zu  iiberfiihren. 
Besonders  anfallig  fiir  diese,  weithin  leider  noch  nicht  durchschaute 
Taktik  des  Tragers  sind  die  Studenten.  Ihnen  wird  alles  vorgeworfen, 
was  sich  irgendwie  zur  Erreichung  von  Verunsicherung  eignet.  Jede 
studentische  Aktion,  jeder  Protest,  jede  Resolution,  jeder  Kommentar 
wird  vom  Trager  dankbar  aufgenommen,  um  wieder  mal  sagen  zu  kbnnen: 
seht  ihr  -  das  sind  unsere  Studenten,  die  machen  dann  spater  den  Xr- 
ger in  den  Gemeinden!  Der  Trager  versucht.die  Dozenten  und  Studenten 
zu  spalten  was  teilweise  auch  ganz  gut  geht,  denn  die  Dozenten  haben 
aus  unterschiedlichen  Griinden  (teilweise  keine  ausreichende  Qualif i- 
kation  gemafi  HRG,  um  einen  vergleichbaren  Job  zu  kriegen)  ein  exi- 
stenzielles  Interesse  an  dem  Erhalt  der  Schule.  Viele  Studenten  und 
Dozenten  sind  immer  bereit,  dem  Trager  Abbitte  zu  leisten,  wenn  wie- 
der mal  irgendwelche  Studenten  sich  'daneben  benommen'  haben. 
Immer  mit  einem  Ohr  am  Bauch  des  Tragers,  nur  kein  falsches  Wort 
zur  unrechten  Zeit,  immer  taktieren!  Die  Einheit  der  Studenten  unter- 
einander  ist  aufgrund  verschiedener  Einschatzungen  der  momentanen 
Situation  gefahrdet,  erst  recht  die  Zusammenarbeit  mit  den  Dozenten. 
Alles  was  man  macht  ist  falsch:  Halt  man  still,  verkauft  man  nach 
und  nach  sich  und  seine  Rechte,  geht  es  vielleicht  langsamer  in 
Richtung  Diakonenschule.  Dafiir  ist  die  Situation  unter  der  Allgewalt 
des  Tragers  stSndig  furchtergben  aufzupassen  unertraglich.  Protestiert 
man  deutlich,  geht  es  eben  schneller.  Die  Situation  ist  recht  aus- 
weglos. 

SCHLUSSBEMERKUNG 

Die  Ausbildung  an  der  FHS  im  Rauhen  Haus  hat  sicher  viele  Vorteile, 
Das  Lernen  ist  angenehmer,  weil  insgesamt  eine  intimere  Atmosphare 
herrscht,  als  in  der  riesigen,  toten  staatlichen  FHS;  die  Ausein- 
andersetzungen  verlaufen  intensiver,  weil  der  direkte  Dialog  eher 
moglich  ist,  als  an  grofien  FHS  . 


Diese  Schule  in  dieser  Form  wird  geschlossen 
spater.  Es  wird  wieder  eine  rein  kirchliche  S 
Kirche  hat  es  nicht  mehr  notig,  ihre  zukunfti 
staatliche  Abschliisse  zu  qualif izieren.  Aus  d 
anbietenden  Sozialarbeitern  kann  sich  die  Kir 
ihr  genehm  sind.  Prof essionalisierte,  angepafi 
gefragt.  Sie  waren  es  immer,  aber  es  gab  eine 
Kirche  meinte,  fortschrittliche  Reformen  und 
tragen,  ein  neues  kirchliches  Selbstverstandn 
Die  Zeit  ist  vorbei. 


werden,  friiher  oder 
chule  entstehen.  Die 
gen  Mitarbeiter  iiber 
en  sich  in  Uberzahl 
che  die  raussuchen,  die 
te  Sozialarbeiter  sind 
Zeit,  in  der  auch  die 
neues  BewuBtsein  zu 
is  entwickeln  zu  wollen. 


Trotz  alledem:  es  ist  ungemein  wichtig,  uber  die  inhaltlichen  Dis- 
kussionen  eine  Gemeinsamkeit  in  der  politischen  Einschatzung  und  der 
strategischen  Vorgehensweise  zwischen  Dozenten  und  Studenten  zu  ent- 
wickeln. Blinder  Aktionismus  dieser  Gruppen  schadet  dieser  Gemeinsam- 
keit eher.  Allerdings  ist  es  wichtig,  genau  festzulegen,  wie  weit 
man  geht,  wo  es  keine  Gemeinsamkeit en  mehr  geben  kann,  weil  man  sich 
und  seine  Prinzipien,  seine  politische  Meinung  verrat.  Fiir  uns  Stu- 
denten ist  wichtig,  die  momentanen  und  zukiinftigen  Konflikte  als 
politische  Lernprozesse  auf zunehmen,  und  sie  damit  fiir  die  Alltags- 
arbeit  eines  Sozialarbeiters  verwertbar  zu  machen.  Dabei  mufi  es  mehr 
auf  die  strukturellen  Probleme  ankommen,  als  auf  Personen,  die  sie 
tragen,  denn  solche  Konflikte  werden  sich  in  alien  Bereichen  in  spe- 
zifischer  Form  mit  austauschabaren  Personen  wiederfinden  lassen. 


STELLENANGEBOTE 

•  SJD-Die  Falken  suchen  fiir  den  Erftkreis  einen  Bildungs-  und  Organisations- 
sekretar.  Bezahlung  nach  BAT.  Einstellungstermin  Juli,  Bedingung: 
Sozialarbeiter/-padagoge  oder  entsprechend.  SJD-Die  Falken, 
Alteburger  Str.  4,  5  Koln  1 

•  SJD-Die  Falken  suchen  fiir  den  Krcisvcrband  Bremen  einen  Bildungsreferen- 
ten/in.  SJD-Die  Falken,  Fedelhoven  67,  28  Bremen  1,  Tel.0421/326080 

•  Sozialpadagoge  fiir  Errichtung  mit  GWA-Ansatz  (Schwerpunkt  Kinderarbeit) 
in  Munchen  gesucht  BAT  Vb/IVb  -  Anfragen:  Edda  Neumann,  Franziska- 
nerstr.  9,  8  Miinchen  80,  Tel.  089/488732 

0  Jugendzentrum  sucht  Sozialarbeiter  und  Sozialpadagogen  (derzeit  arbeiten 
8  Mitarbeiter  ZDLs,  Honorarkrafte,  Werkstattbetreuer  mit).  Bewerbungen 
an:  Personalamt  der  Stadt  Ludwigsburg,  714  Ludwigsburg.  Bewcrbungs- 
durchschrift  und  nahcre  Informationen:  Aktionsrat  der  Villa  5,  Pflugfelder- 
Str.  5,  714  Ludwigsburg.  Tel  07141/18423 

•  Jugend-  und  Drogenberatungsstelle  in  GieBen  sucht  einen  Zivildienslleislen- 
den  mit  sozialpadagogischer  Ausbildung.  Tel  0641/73303 

•  Geroeinschaftspraxis  von  Arzten,  Psychologen,  Juristen  und  Sozialarbeitern 
in  einem  Arbeiter-Sudtteil  geplant.  Beginn:  Ende  1978  in    Kassel. 
Welche(r)  Arzt(in),  Psychologe(in),  Jurist(in)  hat  Interesse. 

Gerhard  Bertram,  Goethestr.  71,  35  Kassel.  Tel  0561/77922 
a  Sozialarbeiter  fiir  Jugendzentrum  in  Ostwestfalen.  Anfragen  unter 
Chiffrc  5/21  an  Sozialislisch.es  Biiro 

•  In  der  Zeit  vom  1.7.78  bis  spatestens  1.9.78  sind  2  Sozialpadagogen-Stellen 
bei  uns  zu  besetzen  (Berufspraktikant  und  Planstclle;  bevorzugt  mannlich) 
Wir  (3  Sozialarbeiterinnen)  arbeiten  in  einer  lOkdpfigen  Jugendgruppe  in 
einem  heilpadagogischen  Kinder-  und  Jugendhcim  in  Bcnsbcrg  bei  Koln. 

—Anfragen:  Lilo  02221/610864  — — — ^ —— — — — — 


SB-Hochschulgruppe,  Frankfurt 

ZUR  GRONDUNG  EINES 

ARBEITSFELDES  DER  SB-HOCHSCHULGRUPPEN' 


Vom  7.4.-9.4.1978  fand  in  Hannover  ein  Treffen  der  SB-Hochschulgrup- 
pen  statt,  an  dem  17  Gruppen  teilnahmen.  Ziel  war  die  Griindung  eines 
Arbeitsf eldes  Hochschule.  Dies  konnte  dann  doch  nicht  ausgefiihrt 
werden,  da  auf  Grund  eines  MiBverstandnisses  kein  Vertreter  der  Hoch- 
schullehrer  anwesend  war  und  somit  eine  Klarung  ihrer  Einstellung 
zu  einem  solchen  Arbeitsfeld,  das  Studenten  und  Wissenschaf tier 
umfafit  hatte,  nicht  moglich  war.  Man  einigte  sich  darauf,  ein  Ar- 
beitsfeld der  Hochschulgruppen  zu  griinden  und,  wenn  eine  Losung 
der  Probleme  moglich  ist,  zu  einem  spateren  Zeitpunkt  gemeinsam  mit 
den  Hochschullehrern  ein  Arbeitsfeld  Hochschule  zu  konstituieren. 
Froblematisch  in  der  Zusammenarbeit  erschien  die  unterschiedliche 
Funktion,  die  beide  Gruppierungen  in  der  Hochschule  wahrnehmen. 
Aufgabe  des  Arbeitsf eldes  soil  sein,  die  Hochschulpolitik  der  SB- 
Hochschulgruppen  sowie  der  Gruppen,  die  sich  am  SB  orientieren, 
durch  eine  gemeinsame  Strategie  zu  vereinheitlichen.  Die  Notwendig- 
keit  zeigte  sich  vor  allem  an  zwei  Punkten.  Es  gibt  nur  wenige  'alte' 
Gruppen,  die  auf  Grund  von  theoretischer  Fundierung  und  gemachter 
Erfahrung  schon  zu  einer  erf olgreichen  Arbeitsweise  gefunden  haben , 
jedoch  sehr  bald  an  die  Grenzen  ihrer  personalen  Kapazitat  stoBen. 
Hier  konnte  durch  Arbeitsteilung  mehr  erreicht  werden.  Daneben  stehen 
eine  Vielzahl  von  recht  'jungen'  Gruppen,  bis  hin  zu  Gruppierungen, 
die  noch  im  KonstitutionsprozeB  stehen.  Diese  konnten  sich  die  Er- 
fahrungen  der  anderen  Gruppen  zu  Nutze  machen  und  so  zu  groBerer 
politischer  Ef f ektivi tat  gelangen. 

Ein  anderes  Phanomen  sind  zunehmende  "Spaltungen"  der  SB-Hochschul- 
gruppen.  Das  fiihrt  dazu,  daB  in  manchen  Stadten  zwei  oder  drei  Grup- 
pen nebeneinander  bestehen.  Dies  kommt  bisweilen  sogar  an  einer 
Hochschule  vor. 

Die  inhaltliche  Diskussion  wurde  durch  zwei  Textvorlagen  bestimmt. 
Dabei  handelte  es  sich  zuerst  urn  den  Aufsatz  "Krise  der  Universitat" 
von  Joachim  Hirsch,  der  in  den  Januar/Februar  Ausgaben  1978  der 
"links"  abgedruckt  war.  Der  erste  Teil  des  Aufsatzes,  der  sich  vor 
allem  mit  den  strukturellen  Bedingungen  befaBt,  wurde  als  im  allge- 
meinen  richtig  erkannt.  Hirsch  geht  von  der  Funktion  der  Hochschule 
als  Institution  zur  Reproduktion  der  kapitalistischen  Klassenver- 
haltnisse  mit  legitimatorischem  Charakter  aus,  hinter  der  auch  die 
Funktion  der  Qualif ikation  zuriicktritt.  Der  Ausbau  der  Hochschulen 
hat  zu  einer  Briichigkeit  ihrer  ideologischen  Bestimmung  gefiihrt. 
Dies  jedoch  nicht  allein  durch  die  quantitative  Ausdehnung,  sondern 
durch  die  Verlagerung  gesellschaf tlicher  Widerspriiche  und  Krisener- 
scheinung  in  den  Ausbildungsapparat.  Gleichzeitig  ist  die  klassen- 
spezifische  Selektion  und  damit  die  Massenintegration  nicht  mehr  ge- 
wahrleistet.   Die  ideologische  Legitimation  ist  in  Gefahr. 
Weitgehenden  Anteil  an  dieser  Entwicklung  hat  die  Veranderung  der 

-  76  - 


universitaren  Sozialstruktur.  Die  Offnung  der  Hochschulen  fur  Arbei- 
terkinder  und  die  Hoffnung  auf  die  Mbglichkeit  des  Aufstiegs  hat  zu 
einer  Welle  der  Enttauschung  gefiihrt.  Dieses  Dilemma  ist  auch  durch 
die  staatliche  Hochschulpolitik  nicht  zu  losen:  Sie  muS  entweder  das 
alte  Auslesesystem  mit  seinen  Beschrankungen  wiedererrichten  oder  die 
Fiktion  von  massenhaf ten  Aufstiegschancen  wird  aufrechterhalten,  was 
zu  einer  Dequalif izierung  und  Proletarisierung  der  Akademiker  fiihrt. 

Die  Konsequenzen,  die  Joachim  Hirsch  aus  dieser  Analyse  zieht,  konn- 
ten jedoch  nicht  von  alien  Hochschulgruppenvertretern  ungebrochen 
nachvollzogen  werden.  Die  Situation  an  den  verschiedenen  Hochschulen 
ist  so  unterschiedlich,  daB  beim  jetzigen  Diskussionsstand  sich  noch 
keine  allgemeinen  Schliisse  ziehen  lassen.  Das  damit  aufgeworfene  Pro- 
blem des  unvermittelten  Nebeneinanders  von  abstrakt  theoretischer 
Analyse  und  konkretem  Erfahrungszusammenhang  ist  auf  den  nachsten 
Treffen  konsequent  anzugehen,  wenn  es  nicht  zu  entweder  theorieloser 
Handwerkelei  oder  unref lektierter  Adaption  irgendwelcher  theoreti- 
scher Ansatze  fiihren  soil. 

Hirsch   sieht  die  Hochschule  als  einen  Freiraum  an, der  von  den  sonst 
herrschenden  okonomischen  und  gesellschaf tlichen  Zwangen  teilweise 
entkoppelt  ist.  Die  Trennung  von  Theorie  und  Praxis  in  Verbindung 
mit  diesem  Freiraum  fiihrt  zu  einer  Verselbstandigung  des  Studiums 
als  Selbstzweck.  Da  die  Hochschule  auch  die  Auf stiegserwartungen  nicht 
erfullen  kann,  tritt  als  Folge  eine  massive  Gleichgiiltigkeit  gegen- 
iiber  den  Inhalten  und  dem  Lehrbetrieb  auf. 

Die  Beseitigung  der  gesellschaftlichen  Isolation  kann  erreicht  wer- 
den durch  eine  Radikalisierung  der  Beruf sperspektivedebatte,  so  daB 
"der  Doppelcharakter  von  beruflicher  Funktion  als  Anwendung  von  im 
weiteren  Sinne  '  technischen'  Kompetenzen  und  als  Ausiibung  hierarchi- 
scher  Herrschaft  deutlich  und  erfahrbar  wird."  ("links"  Nr.  96  S.19). 
Desweiteren  ist  "das  Studium  unabhangig  von  aktuellen  Marktlagen 
auf  Berufsfelder  und  Tatigkeitsgebiete  auszurichten,  die  fiir  die  Be- 

troffenen  interessant  und  wichtig  sind  "  (ebenda  S.  19).  Diese 

Ziele  sind  kollektiv  anzugehen.  Um  hier  auch  politische  Ansatzpunkte 
zu  finden,  "muB  'Politik'  einer  doppelten  Abstraktion  entkleidet 
werden:  von  der  Trennung  zwischen  'of f entlichem'  Handeln  und  'privaten' 
Bediirfnissen  und  von  einer  abstrakten  Allgemeinheit,  die  von  unter- 
schiedlichen  sozialen  Lagen,  Herrkunf tsmilieus,  Beruf serwartungen  und 
den  daraus  sich  ergebenden  Interessen  keine  Kenntnis  nehmen  liefl" 

(S.  20). 

Die  Politik  hat  an  den  Reflexionen  des  Uni-Alltags,  der  Lage  und  den 

Bediirfnissen  der  Subj  ekte  anzusetzen. 

Eine  weitere  Diskussion  befaBte  sich  mit  dem  Stellenwert  sozialisti- 
scher  Hochschulpolitik  im  Rahmen  des  SB.  Dazu  lag  ein  Thesenpapier 
des  SZ  Tubingen  vor.  Ausgangspunkt  war  dabei  die  Notwendigkeit  einer 
gesamtgesellschaftlichen  Orientierung  von  Hochschulpolitik,  die  je- 
doch ihre  Grenzen  in  den  Rahmenbedingungen  und  zunehmenden  Interven- 
tionen  von  staatlicher  Seite  findet,  wie  sie  von  Joachim  Hirsch  be- 
schrieben  worden  sind.  Die  Stellung  und  Funktion  von  Wissenschaft 
und  Intelligenz  kann  nur  erkannt  werden,  wenn  man  die  Entstehung  der 
biirgerlichen  Wissenschaft  als  Ergebnis  der  zunehmenden  Vergesell- 
schaftungstendenzen  weiB.  An  Stelle  der  besonderen  Ausbildung  in  der 
feudalistischen  Gesellschaft  muBte  die  allgemeine  und  vielseitig  ver- 
wertbare  im  burgerlichen  Staat  treten.  Gleichzeitig  nahm  die  "wert- 


77  - 


freie,  reine  Wissenschaf t",  also  die  Erkenntnis,  die  nicht  ein  niitz- 
licher  Beitrag  zur  Lebensbewaltigung  war,  immer  breiteren  Raum  ein. 
Die  Aufgabe  von  Sozialisten  kann  in  diesem  Rahmen  nur  heiflen,  mit 
Hilfe  von  Wissenschaf tskritik  den  Schein  aufzulosen  und  reale  Bedin- 
gungen  und  Verhaltnisse  aufzuzeigen.  Weiterhin  sind  so  die  Herrschafts- 
verhaltnisse  der  Intelligenz  zu  bekampfen. 

Die  gesellschaftlichen  Widerspriiche,  die  auch  an  der  Hochschule  er- 
fahrbar  sind,  jedoch  nur  im  gesamtgesellschaf tlichen  Bereich  gelost 
warden  konnen,  macht  auch  in  der  Hochschulpolitik  den  Bezug  zum  Pro- 
duktionssektor  notig.  Dieser  Zusammenhang ,  der  sich  im  SB  als  der 
vom  Arbeitsfeld  Hochschulgruppen  zum  Arbeitsfeld  Betriebund  Gewerk- 
schaft  darstellt,  hat  iiber  die  formale  Zusammengehorigkeit  zur  glei- 
chen  Organisation  hinauszugehen  und  inhaltliche  Formen  anzunehmen. 
Wie  dies  geschehen  und  aussehen  kann,  muB  noch  iiberlegt  werden. 
Da  an  der  Hochschule  ausgebildet  wird,  also  eine  Vorbereitung  auf 
die  spatere  Tatigkeit  im  Produktions-  und  Reproduktionsbereich  statt- 
findet,  stellt  sich  fur  Sozialisten  auch  die  Frage,  welche  Qualifi- 
kation  man  erwirbt.  "Notwendig  ist  also  eine  Ausbildung,  die  den  Ab- 
solventen  instandsetzt, seine  Berufsrolle  auszufiillen,  ohne  sein  lang- 
fristiges  politisches  Engagement  beim  ersten  Widerspruch  zwischen 
Vorstellung  und  Wirklichkeit  seiner  Tatigkeit  entweder  ungeduldig 
zu  zerstoren  Oder  resignierend  auf  zugeben"  _(H.  Wieser  (Hg.):  Jahrbuch 
zum  Klassenkampf  1973,  Berlin  1973  S.  186).  Eine  solche  Art  von 
Gegenqualifikation  kann  moglicherweise  in  einem  praxisorientierten 
Studium  in  interdisziplinaren  und  projektorientierten  Ausbildungsgan- 
gen  in  kollektiver  Zusammenarbeit  erworben  werden. 

Um  die  jetzt  im  Arbeitsfeld  anfallenden  Arbeiten  moglichst  schnell 
vorantreiben  zu  konnen,  wurde  auf  der  Tagung  ein  Koordinationsrat  ge- 
wahlt,  dem  die  Gruppen  Tubingen,  Nurnberg,  Duisburg  und  Frankfurt 
angehoren.  Hochschulgruppen  Oder  vereinzelte  Genossen,  die  mehr 
fiber  das  Arbeitsfeld  wissen  mochten,  konnen  sich  an  eine  der  oben 
genannten  Gruppen  oder  an  Reinhard  MUller,  Florastr.  10,  6000  Frank- 
furt 90,  wenden. 


r  fir  Umwakpoftik 
Projektgwppen 
>AKW  und  Umuakschutz' 
im  SozMistischen  Bum 


•  Grune  Liste 
Nordfriesland 

•  Bunte  Liste 
Hamburg 

•GroBflughafen 
Miinchen  II 

•  Nordsee  ist  Mordsee 

•  Kustenautobahn 
'  \j.v.a.m.     j 


Albert  Herrenknecht/Rainer  Moritz,  Wertheim 
JUGENDZENTRUMSKOORDINATION    1971    -    1977 


1.  E1NLEITUNG 

Seit  Bestehen  der  Jugendzentrumsbewegung  als  Bewegung  (etwa  ab  1971) 
hat  sich  immer  wieder  ein  breites  Bediirfnis  von  Initiativgruppen 
nach  iiberlokalen  Kontakten  und  Zusammenarbeit  gezeigt.  Der  Wunsch 
■  zusammenzuarbeiten'  hat  sich  dabei  seit  1971  mehrmals  geandert  und 
eine  unterschiedliche  Organisationspraxis  erfahren. 
Wollte  man  eine  Phaseneinteilung  festlegen,  so  viirden  sich  drei 
Hauptphasen  ergeben: 

1971  -72:  Zu  diesem  Zeitpunkt  bestanden  kaum  Oder  nur  vereinzelt 

Kontakte  zwischen  Jugendzentren.  Die  Mehrzahl  der  Kontakte 
wurden  tiber  das  Medium  Fernsehen  organisiert.  Folglich 
gab  es  zu  diesem  Zeitpunkt  keine  selbstorganisierte  Zusam- 
menarbeit zwischen  den  JZ  ,  sondern  nur  einen  iiber  Fernseh- 
sendungen  und  deren  breite  Of f entlichkeit  hergestellten 
Inf ormationszusammenhang.  Die  JZ-Bewegung  stand  am  Anfang 
und  bekam  iiber  das  Medium  Fernsehen  erst  ein  BewuBtsein, 
von  sich  selbst  als  Bewegung. 

1973  -75:  In  diesen  Zeitraum  fallt  die  erste  groSe  von  den  JZ 

selbst  getragene  Koordinationswelle.  Aus  dem  Hb'hepunkt  der 
JZ-Bewegung  heraus  entstand  ein  sehr  groBes  Bediirfnis  nach 
Zusammenarbeit  (und  nicht  nur  einpoliger  iiber  das  Fernse- 
hen vermittelter  Berichterstattung) ,  das  durch  eine  breite 
Eigenproduktion  an  Medien  (Dokumentationen,  Zeitungen  etc.) 
und  durch  Fernsehsendungen  ("diskus")  begleitet,  sehr  be- 
giinstigt  wurde. 

Zu  diesem  Zeitpunkt  laBt  sich  ein  Boom  an  uberregionalen 
und  regionalen  Seminaren,  Treffen  etc.  feststellen.  Die 
JZ-Bewegung  hatte  sich  teilweise  iiberregional  organisiert, 
auch  wenn  ihr  spontaner  Charakter  als  offene  Massenbewe- 
gung  damals  dieser  breiteren  Selbstorganisation  Grenzen 
setzte  und  die  uberregionalen  Treffen  meist  vereinzelte 
Hohepunkte  darstellten. 

1976  -77:  Erst  die  massenhaft  auftretende  Bildung  von  REGI0NAL- 

ZUSAMMENSCHLUSSEN  in  dieser  Phase  und  der  daraus  entstan- 
dene  Mittelbau  zwischen  einzelnen  JZ-Initiativen  und  den 
uberregionalen  Treffen  ermbglichte  es,  die  iiberregionale 
Zusammenarbeit  verbindlicher  zu  organisieren.  liber  den  sich 
anbahnenden  StrukturwandlungsprozeB  in  der  JZ-Bewegung 
(Griindung  von  Regionalzusaramenschliissen  und  Organisierung 
nach  regionalen  Zentren  hauptsachlich  in  der  Provinz)  hat 
sich  die  JZ-Bewegung  die  bisher  gefestigsten  Kommunikations- 
strukturen  geschaffen  -  allerdingsnicht  ganz  freiwillig, 
sondern  durch  den  verstarkten  Druck  auf  sie  dazu  gezwungen. 

-  79  - 


Die  Zusaramenarbeit  zwischen  Jugendzentren  ist  ein  wichtiger  Faktor, 
der  die  JZ-BEWEGUNG  iiberhaupt  als  BEWEGUNG  ausraacht.  Nur  iiber  eine 
abstrakte  Identif ikation  mit  den  anderen  JZ  und  ihren  Kampfen  und 
allgemeine  Strukturmerkmale  (antikapitalistischen  Zielrichtung,  Mas- 
senhaftigkeit  etc.)  kann  sich  die  JZ-Bewegung  zu  keiner  BEWEGUNG 
entwickeln.  Ohne  konkrete  Zusammenarbeit,  ohne  inneren  Inf ormations- 
austausch,  ohne  Treffen  und  Erfahrungsaustausch  bleibt  eine  Zusammen- 
arbeit abstrakt  und  hilft  weder  ein  SelbstbewuBtsein  als  Bewegung 
zu  entwickeln,  noch  fordert  es  die  Weiterentwicklung  der  Bewegung. 
(Organisierung  der  Defizite  der  Bewegung). 

Der  Grad  der  Zusaramenarbeit  der  JZ  untereinander  ist  immer  ein  Grad- 
messer  fiir  den  (Zu)Stand  der  Bewegung. 


2.  DIE  GESCHICHTE  DER  UBERREGIONALEN  ZUSAMMENARBEIT 
VON  JUGENDZENTREN  1971/72 

Seit  Anfang  der  70iger  Jahre  -  seit  dem  Zeitpunkt  also,  zu  dem  sich 
der  Kampf  um  selbstverwaltete  Jugendzentren  zu  einer  Bewegung  ausbrei- 
tete  -  besteht  ein  Bediirfnis  nach  iiberortlichen  Kontakten  und  Infor- 
mationsaustausch.  Zum  ersten  Fixpunkt  dieses  Bedurfnisses  wurde  die 
damals  im  ARD  ausgestrahlte  Sendung  "Jour  fix"  (April  1971  bis  Okto- 
ber  1972),  die  es  ermoglichte,  daB  die  Jugendzentrums-Initiativen  von- 
einander  erfuhren,  eine  Anlaufstelle  hattenund  Inf ormationen  iiber 
andere  JZ  anfordern  konnten  (Manuskriptwiinsche) . 

Zu  diesem  Zeitpunkt  leistet  das  Fernsehen  die  Arbeit,  die  die  noch 
zu  schwache  JZ-Bewegung  nicht  leisten  konnte:  es  koordinierte  iiber 
das  Medium  die  laufende  Information  und  sorgte  somit  fiir  eine  weite 
Verbreitung.  Die  Folge  dieses  'Multiplikatoref fektes'  war,  daB  immer 
mehr  Initiativgruppen  bekannt  wurden  (also  die  Dimension  einer  breiten 
Bewegung  immer  deutlicher  wurde),  ein  breites  Bediirfnis  nach  Kontak- 
ten und  Zusammenarbeit  geweckt  (und  die  Adressen  nachgefragt  wurden, 
um  die  Kontakte  unter  den  JZ  vom  Fernsehen  unabhangig  laufen  zu  las- 
sen),  dafl  immer  mehr  Initiativgruppen  gegriindet  wurden  (die  durch 
die  Sendungen  Anregungen,  Tips  und  den  Mut  dazu  bekommen  hatten). 

Das  Fernsehen  hatte  mit  seinen  Sendungen  ein  Bediirfnis  geweckt,  das 
aber  selbst  an  der  BeschrSnktheit  des  Mediums  (eindimensionale  Kommu- 
nikation)  nicht  weiterentwickelt  werden  konnte.  Konkrete  brtliche 
Frobleme,  der  Wunsch  nach  personlichen  Kontakten,  die  Organisierung 
gemeinsamer  Aktionen  und  konkrete  gegenseitige  Unterstiitzung  waren 
auf  der  abstrakten  Berichterstattungsebene  des  Fernsehens  nicht  mbg- 
lich.  Das  Fernsehen  hatte  die  JZ  zwar  durch  die  Sendereihen  zusammen- 
gebracht,  konnte  ihre  konkreten  Bediirfnisse  nach  Zusammenarbeit  aber 
nicht  aufgreifen  und  organisieren.  Aus  diesem  Widerspruch  heraus  ent- 
wickelten  sich  allmahlich  Formen  regionaler  Selbstorganisation,  die 
das  bewuStgewordene  Bediirfnis  nach  engerer  Zusammenarbeit  angingen. 
So  z.B.  wurde  im  Jahre  1972  im  Rems-Murr-Kreis  uber  die  Jusos,  bedingt 
durch  andere  giinstige  Vorteile  (grofle  Dichte  der  JZ;  Ballungs-Rand- 
Gebiet  mit  offensichtlichen  Freizeitmangel;  kurze  Entfernungen)  der 
erste  und  inzwischen  "klassische"  Dachverband  der  Jugendzentren  gegriin- 
det. 

Die  immer  starkere  Verbreitung  der  JZ-Bewegung  (beinahe  in  jeder 
Kleinstadt  grundeten  sich  JZ-Initiativen)  und  ibx  Ansteigen  zu  einer 


-   80 


Massenbewegung  machten  es  auch  objektiv  moglich  und   sinnvoll   zusam- 
menzuarbeiten.    Die  gleichen  Probleme    (Aufbauphase   einer   JZ- Initiative, 
Kampf   um  ein  Haus)   und  die  geringen  Entfernungen,   die  Identifikation 
mit      einer     Bewegung  begiinstigten  die  Voraussetzungen  zur  Zusam- 
menarbeit. 

Dennoch  war  die  Griindung  von  Regionalzusammenschliissen  die  grofie  Aus- 
nahme,    da   das   Bediirfnis  nach  Zusammenarbeit   1972  noch   lange  nicht 
so  ausgepragt  und  organisiert  war,   daB  sich  daraus   eine  breitere  Or- 
ganisierung hatte  entwickeln  konnen.    Die  JZ-Initiativen  waren  noch 
zu  sehr  mit  den  eigenen  Problemen    (Aufbau  der  JZ-Initiative,   Mobili- 
sierung  der  Jugendlichen,   mangelnde  Erfahrung  mit   JZ-Arbeit   etc.) 
beschaftigt,    es   bes^and  auch  wenig   Information   dariiber,   was   in  der 
naheren  und  weiteren  Umgebung  alles   in  Bezug  auf  JZs   lief,    da  die 
JZ-Bewegung    sich  erst   allmahlich      zur  Massenbewegung  verbreiterte 
und  noch  nicht  iiberall  prasent  war. 


3.  DIE  GESCHICHTE  DER  DBERREGIONALEN  ZUSAMMENARBEIT 
VON  JUGENDZENTREN  1973-75 

Die  Hohepunkt sphase  der  Jugendzentrumsbewegung,  die  in  diesem  Zeit- 
raum  1973-75  lag,  blieb  auch  nicht  ohne  Auswirkung  auf  die  Entwick- 
lung  der  ii  b  e  r  regionalen  Zusammenarbeit.  Diese  Phase  der  JZ-Be- 
wegung war  gekennzeichnet  durch  ein  breites  Engagement  der  Linken  in 
der  Bewegung  und  offene  Massenkampfe  um  Jugendhauser ,  an  denen  sich 
viele  Jugendliche  beteiligten,  durch  einen  Boom  an  Hausbesetzungen 
und  eine  Ausweitung  der  Jugendhauskampf e  bis  beinahe  in  die  letzte 
Provinz  hinein.  Begleitet  wurde  dieser  Hohepunkt  der  JZ-Bewegung  durch 
eine  breite  Of fentlichkeitsarbeit  (im  Fernsehen  iiber  "diskus",  die  von 
Februar  73  -  Oktober  74  ausgestrahlt  wurde,  durch  eine  breite  Publi- 
zierung  in  linken  Zeitungen  ("links", "Wir  wollen  alles"  -  1973  -1975, 
"Erziehung  und  Klassenkampf")  und  durch  eine  Vielzahl  von  Eigenpro  - 
duktionen  (Filme,  Dokumentationen)  aus  der  JZ-Bewegung  selbst. 
Trotz  dieser  breiten  Kampfwelle  und  den  vielen  bundesweiten  Kontak- 
ten unter  Jugendzentren  wurde  die  regionale  Zusammenarbeit 
nicht  weitergetrieben: 

die  offenen  Massenkampfe,  die  Scene-Kontakte,  die  gegenseitige  kon- 
krete Hilfe  uber  bundesweite  Kontakte  und  Besuche,  die  vielen  infor- 
mellen  Beziehungen  unter  den  JZs,  die  breite  Berichterstattung  uber 
die  Bewegung  und  die  realtiv  guten  Moglichkeiten  der  Initiativgruppen 
sich  selbst  mitzuteilen  (es  gab  ja  eine  Menge  iiberregional  verbrei- 
teter  Zeitungen,  die  viel  iiber  JZ  brachten),  bedurften  damals  keiner 
verbindlicheren  (und  damit  regionalen)  Organisierung. 
Die  Fiille  der  Ereignisse  und  Abfolge  der  Hauserkampfe  liefl  kaum  andere 
Organisationsformen  zu.  Die  Bewegung  uberschlug  sich  in  ihrer  eigenen 
Kurzfristigkeit.  Eine  verbindlichere  Organisierung  erschien  angesichts 
der  offensiven  Kampfe  hinderlich.  .  . 

Hinzukoramt,  daB  die  Bewegung  zum  damaligen  Zeitpunkt  noch  Metropolen- 
und  Unistadt-orientiert  war  und  sich  die  Organisationsformen  danach 
richteten:  es  gab  informelle  Treffs  (Initiativgruppe  Westberliner  JZ, 
Frankfurter  Jugendhausrat)  und  viele  bundesweite  Scene-Kontakte 
(Berlin,  Bielefeld,  Hamburg,  Hannover,  Tubingen,  Frankfurt)  zwischen 
den  spektakularen  Zentren  der  Bewegung. 

Erstaus  diesem  Hohepunkt  (73/J5  )  und  den  danach  zuriickgehcnden  Kam- 
pfen um  selbstverwaltete  Jugendzentren  heraus  lSBt  sich  ein  breites 

-  81  - 


Bedurfnis  nach  regionaler  Organisierung  erkennen.  Die  zum  damaligen 
Zeitpunkt  massenhaft  veranstalteten  Treffen  und  Seminare  deuten 
auf  eine  breite  Organisierungswelle  hin.  (Organisierung  natiirlich 
immer  nur  in  dem  Selbstverstandnis  der  JZ-Bewegung  als  lockere  Kon- 
takte  und  kontinuierlicher  Erf ahrungsaustausch  unter  autonomen  JZ- 
Initiativen) . 

Es  griindete  sich  1973  das  KOOB  Neustadt,  das  versuchte  dieses  breit 
vorhandene  Bedurfnis  aufzugreifen  und  zu  koordinieren.  Das  KOOB  Neu- 
stadt war  durch  seine  Bekanntheit  iiber  die  Ferns ehsendungen  zu  einer 
Anlauf-  und  Anf ragezentrale  fur  JZ-Fragen  geworden  und  erfullte  in 
der  Anfangsphase  (1)  unbestritten  eine  wichtige  Funktion  in  der  Kdor- 
dinat ionsarbei  t . 

Es  setzte  damit  die  Funktion  der  Fernsehredaktian  fort  bzw.  erganz- 
te  sie  und  wurde  zu  einer  zentralen  Inf ormationszentrale.  (In  seinem 
Grundungsselbstverstandnis  und  in  der  praktischen  Arbeit  damals  auch 
ohne  Fuhrungsanspruch).  Itn  regionalen  Bereich  gab  es  damals  den  schon 
zum  klassischen  Modell  gewordenen  Rems-Murr-Dachverband,  "Provinz- 
treffen"  rait  einem  Rundbrief  des  ROOB  Ostwestfalen/Lippe  (74-75), 
ein  KOOB  fiir  Schleswig-Holstein.eine  iiber  die  Friedrich-Naumann 
Stiftung  organisierte  Koordination  von  JZ  in  Nordhessen  (74-75), 
Zusammenschliisse  in  Bremen,  Mittelrhein  und  Karlsruhe-Land, u.v.m.  (2) 

In  dieser  Phase  gab  es  auch  mehrere  uberregionale  Treffen  und  Semi- 
nare. So  z.B.  vom  SB  (Sozialistisches  Biiro),  bei  der  Regionalkonf e- 
renz  fur  Baden-Wiirttemberg  28.  /29. 4. 1973,  ein  Bundesseminar  in 
Vlotho  (27.12.73-4.1.74),  mehrere  vom  BDP  (Bund  Deutscher  Pfadfinder) 
bundesweit  ausgeschriebene  Seminare  (74-75). Als  weitere  herausragen- 
de  Ereignisse  ist  das  Jugendpolitische  Forum  zu  nennen,  das  vom 
6.-8.12.74  in  Frankfurt  stattfand,  das    (13.-15.  Juni  1975)Bundes- 
treffen  in  Wetzlar,  das  Treffen  Norddeutscher  JZ  im  UJZ  Glocksee 
(3.-5.10.75),  ein  Treffen  von  JZ  in  der  "Provinz"  Liineburger  Heide 
(1./2. 11.75)  und  ein  Treffen  von  Vertretern  Kolner  JZ  am  22. /23. 11.75. 


4.  DAS  BEI  TREFFEN  UND  SEMINAREN  1974-75  FORMULIERTE 
SELBSTVERSTANDNIS  VON  KOORDINATION 

Alle  hier  zitierten  Dokumente  stammen  aus  den  Jahren  1974-75,  wo  das 
Bedurfnis  nach  Zusammenarbeit  immer  manif ester  wurde: 

"Uie  groli  dieses  Bedurfnis  nach  regelmdliigen  Treffen  und  einem  inten- 
siven  Erfahrungsaustausoh  ist,    lalit  sich  allein  an  der  relativ  hohen 
Zahl  der  Teilnehmer,    die  teils  aus  den  entlegendsten  Zipfeln  Nord- 
deutschlands  angereist  kamen,   ablesen.   Aus  einem  Fragebogen  ging 
ebenfalls  hervor,   dali  zahlreiahe  Gruppen  keine  oder  kaum  Kontakte 
zu  vergleichbaren  Einrichtungen  haben,   bzw.    hatten. " 
(Einschatzung  zum  Treffen  Norddeutsaher  JZ  in  Glocksee    -  3. -S.  10.75) 

Wahrend  das  KOOB  Neustadt  1974  (vom  10.-17.11.74)  noch  zu  einer  bun- 
desweiten  Aktionsvoche  raobilisierte,  die  als  abstrakte  Kampagne  ohne 
Resonanz  bei  der  Basis  der  JZ-Bewegung  bleiben  muBte  wurde  bei  re- 
gionalen Treffen  bereits  intensiver  und  konkreter  fiber  Zusammenarbeits- 
formen  diskutiert, 

^S,^,B^ilefeid  fo™uliert  in  seinem  Aufruf  zum  Sternmarsch  vom 
26.10.74  folgende  Kritik  an  der  damaligen  Koordinationspraxia: 


82 


"Von  Neustadt  hort  man  kaum  noch  was  und  der  BDP  bringt  nur  noch 
einige  Broschitren  iiber  Jugendarbeit  und  Jugendzentren  heraus,   was 
sicherlich  gut  ist,   aber  nicht  ausreicht.    Gerade  Weil  die  meisten 
Aktivitaten  VON  OBEN  ausgingen,  muliten  sie  relativ  wirkungslos  blei- 
ben.   Dabei  gibt  es  viel,  was  man  voneinander  lernen  konnte.  " 

In  dieser  Kritik  werden  die  damals   in  der  iiberregionalen  Arbeit   aktiv- 

sten  Gruppen,    der  BDP  und  das  KOOB  Neustadt   genannt. 

Der  BDP  veranstaltete  in     Nordrhein-Westfalen  zwei   Seminare 

(24. /25. 11. 73  und    9./10.2.74)   und  war   auch  mit  bundesweit  ausgeschrie- 

benen  Seminaren  aktiv.    Auf   dem  bundesweiten  Seminar  vom  13.-15.12.74 

wurde  zu  dem  Punkt   "Uberregionale  Zusammenarbeit"  folgende  Stellung- 

nahme  von  den  Teilnehmern  formuliert: 

"Ee  wurde  auf  dem  AbsahluBplenum  aieForderung  nach  einer  regionalen 
und  iiberregionalen  Zusammenarbeit  und  nach  Seminaren  mit  einer  Per- 
spektive,   an  der  kontinuierlioh  weitergearbeitet  wird,  aufgestellt . 
Dieser  Forderung  stimmten  zwar  alle  Anwesenden  zu,   konkrete  Zusagen 
fiir  eine  uberregionale  Arbeit  konnten  jedoch  nicht  gemacht  werden. 
In  diesem  Zusammenhang  wurde  iiber  eine  uberregionale  Zeitung,   die 
der  Dachverband  herausgibt,   diskutiert.   Diese  Zeitung  wurde  als  Mittel 
der  effektiven  O'ffentlichkeitsarbeit  angesehen:  inhaltlich  richtungs- 
weisend  und  Diskussionsforum  iiber  offene  Fragen  konnte  sie  gleichzei- 
tig  eine  Meinungspluralitat  der  verschiedenen  Jugendzentren  aufzei- 
gen  und  eine  politisahe  Einheit  der  Jugendzentrumsbewegung  darstellen. 
Wir  stellten  fest,   da!3  es  im  Moment  nicht  mbglich  ist,   eine  solche 
uberregionale  Zeitung  der  gesamten  Bewegung  heraus zubring en.    Das  Ple- 
num forderte  zum  Schluli  der  Diskussion  eine  verstdrkte  regionale 
Zusammenarbeit,   wie  sie  z.B.   in  Hessen  schon  existiert.   Parallel  da- 
zu  mtissen  aber  auch  Kontakte  zu  JZ  und  JZ-Initiativen  in  anderen  Bun- 
deslltndern  geknupft  werden.  " 

(Protokoll  des  JZ-Seminars  BDP  IS. -IS. 12.74  im  Bessunger  Forst  bei 
Darmstadt) 

Neben  der  falschen  Einschatzung,    die  JZ-Bewegung,   die  politisch   im- 
mer verschiedenere  Stromungen  umfasste,   fiber   einen  Dachverband      poli- 
tisch vereinheitlichen  zu  wollen   und  iiber  eine  uberregionale   Zeitung 
eine  "Linie"   in  die  JZ-Bewegung   hineinzubringen  anstatt  die  Zeitung 
als   Selbstdarstellung  der  JZ-Basis   zu  verstehen,   wurden  hier   zumin- 
dest  zwei  wichtige  Punkte  angesprochen:   das  Bedurfnis  nach  einem  zen- 
tralen Kommunikationsmittel    (Zeitung)   der  JZ-Bewegung,   deren  Produk- 
tionsprozeB  aber  damals   noch  nicht  geleistet  werden  konnte  und  die 
Prioritatensetzung  von  regionaler   Zusammenarbeit. 
An  diesem  Beispiel   zeigt   sich  wieder  deutlich  die  Ohnmacht,    die 
bundesweiten  Treffen   folgt,   wenn  die   Strukturen  fur   eine    sinnvolle 
Weiterarbeit  nicht  vorhanden  sind.    Die  Treffen  sind  als   Treffen  sehr 
sinnvoll   und  fiir  die  Teilnehmer   sehr  anregend,   aber  verpuffen  dann 
ohne   Konsequenzen. 

"Was  so  ein  Treffen  den  Teilnehmern  gebracht  hat,    IWt  sich  hdufig 
erst  spater  feststellen,   nimliah  dann,   wenn  sich  herausstellt ,   ob 
diese  Anregungen  und  DenhanstOBe  auch  wirklich  die  drtliche  Arbeit 
vorangetrieben  haben.    Die  Tatsache,   dali  auch  nach  dem  Treffen  2  Ar- 
beitsgruppen:    "Kampf  urns  Jugendzentrum"  und  die   "Frauengruppe"  welter 
zusammenarbeiten  und  sich  regeVm&liig  treffen,   scheint  mir  in  dieser 

-  83  - 


Hinsicht  ein  vielverspreohend.es  Ergebrtis  zu  sein. 

Daruber  hinaus  wurden  zahlreiche  Kontakte  gekniipft,  Adressen  ausge- 

tauscht,   gegenseitige  Besuche  und  eine  engere  Zusammenarbeit  im  lo- 

kalen  und  regionalen  Rahmen  vereinbart. 

All  dies  deutet  darauf  hin,   dali  Treffen  dieser  Art  keine  einmaligen 

Luftblasen  sind." 

Auch  werm  wie  hier  beim  Treffen  Norddeutscher  Jugendzentren  in  Glock- 

see  (3.-5.10.75)  noch  im  AnschluB  an  das  Treffen  iiber  personliche 

Kontakte  Aktivitaten  weiterlaufen  (was  ja  ein  sinnvolles  Ergebnis 

des  Treffens  ist),  so  werden  diese  Kontakte  durch  den  Alltag  immer 

starker  kaputtgemacht  werden,  veil  die  Entfernungen  zu  groB  sind, 

die  Leute  in  anderen  Beziigen  stehen,  das  Interesse  daran  erlahmt_. 

Von  alien  Teilnehmern  wurde  die  Wichtigkeit  anerkannt,    auch  kiinftig 

Treffen  dieser  Art  durchzufuhren.    Die  beteiligten  Gruppen  sollten 

jedoch 

-  starker  in  die  inhaltliohe   Vorbereitung  einbezogen  werden 

-  es  sollen  auf  lokaler  und  regionaler  Ebene   Vorbereitungstreffen 
organisiert  werden 

-  in  den  Zwischenzeiten  soil  eine  stdrkere  Zusarrmenarbeit  und  engere 
Koordinierung  stattfinden.    (Gloaksee  a.a.O.) 

Die  hier  benannten  Defizite  (inhaltliche  Vorbereitung,  regionale 
Vorbereitungstreffs,  Zusammenarbeit  zwischen  den  Treffen)  sind  ge- 
nau  die  Faktoren,  die  eine  kontinuierliche  Zusammenarbeit  verhindern. 
Ohne  bestehende  regionale  Strukturen,  ohne  regionalen  Arbeitszusam- 
menhang  und  standigen  Kontakt  untereinander  erstarrt  die  Koordina- 
tionsarbeit  und  kann  hochstens  wieder  durch  ein  neues  Treffen  akti- 
yiert  werden.  Das  Bewufitsein  iiber  das  Fehlen  einer  "Zwischeninstanz" 
in  der  JZ-Bewegung  zwischen  den  zentralen  Treffen  und  den  Einzel- 
Jugendzentren,  namlich  von  Regionalzusammenschliissen,  war  nicht  nur 
in  Glocksee,  sondern  auch  beim  Bundestref fen  in  Wetzlar  vorhanden: 
"Die  Konferenz  spraoh  sioh  gegen  eine  bundesweite  Koordination  der 
JZ-Gruppen  unter  den  derzeitigen  Voraussetzungen  aus  und  setzte  sioh 
fiir  die  Intensivierung  der  regionalen  Koordination  auf  Kreis-,   Be- 
zirks-  und  Landesebene  ein.    Noch  innerhalb  dieses  Jahres   (1975)  soil 
versucht  werden,   einige  Informationsburos  zu  griinden.    Ist  dies  ge- 
schehen,   so  sollen  im  ndahsten  Jahr  Gespraohe  zwischen  den   Vertretern 
dieser  Euros   laufen,   in  denen  man  eine  bundesweite  Koordination  vor- 
bereiten  soil. " 

Dieser  auf  dem  Wetzlarer  Bundestref fen  1975  gefallte  BeschluB  zielt 
durchaus  in  die  richtige  Richtung,  auch  wenn  ihm  keine  Praxis  aus 
der  Ecke,  die  ihn  zustande  gebracht  hatte,  folgte.  Erst  2  Jahre  spa- 
ter  kara  es  dann  mit  anderen  Leuten,  aus  einem  anderen  Zusammenhang 
heraus  zum  FRANKFURTER  TREFFEN,  wo  dieser  fommlierte  Anspruch  dann 
eingelost  wurde. 

Parallel  zu  dieser  Erklarung  wurde  dem  K00B  Hagen  (ehemals  Neustadt) 
und  dessen  zentralistischer  und  abgehobener  JZ-Politik  eine  eindeu- 
tige  Absage  erteilt.  Das  K00B  Hagen,  das  anfangs  eine  durchaus  posi- 
tive Arbeit  fur  die  JZ-Bewegung  leistete  (z.B.  Materialversand,  Vor- 
finanzierung  beim  Treffen  Ost-Westfalen-Lippe/September  1975)  war 
immer  starker  durch  eine  angehobene  Stellvercreterpolitik  hervorge- 
treten  und  wurde  durch  zwei  Offene  Brief e  (aus  Rems-Murr-DV  vom  23. 
April  1974  und  Bad  Kreuznach  vom  14.8.74)  von  den  Regionalzusammen- 
schlussen  kritisiert. 


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Einzelne  Treffen  konnen  die  JZ-Bewegung  durchaus  kurzfristig  beleben 
das  SelbstbewuBtsein  einer  Bewegung  aufkommen  lassen,  neue  loka- 
le  und  regionale  Aktivitaten  anregen,  sind  aber  als  abgehobene  Hohe- 
punkte  untauglich  fiir  den  Aufbau  regionalbezogener  Strukturen,  die 
einzig  eine  kontinuierliche  Zusammenarbeit  garantieren  konnen.  Aus 
der  Regionalitat  aber  kommt  die  neue  Bewegung  in  der  Bewegung: 
Wir  sind  Leute  aus  30  Jugendzentren  und  Jugendzentrumsinitiativgrup- 
pen  und  haben  im  Uerbst  1976  den  Arbeitskreis  aller  Jugendzentren 
und  Jugendinitiativgruppen  im  Lahn-Dill-Kreis    (AKJZ)  gegriindet. 
Wir  wollten  nicht  mehr  in  unseren  Dorfern  und  Kleinstddten  alleine 
vor  uns  hinwurschteln. 

Wir  haben  erkannt,   da/3  wir  a'hnliche  Schwierigkeiten  und  Probleme  in 
den  Jugendzentren  haben  -  wie  Finanzen,   Rdume,    Druak  durch  Offentlich- 

keit,   Einschrankung  der  Selbstverwaltung 

Wir  gehen  unsere  Probleme  und  Schwierigkeiten  jetzt  gemeinsam  an, 
informieren  und  unterstiitz^n  uns  gegenseitig.  (Flugblatt  des  AKJZ 
Lahn-Dill  sum  Laubacher  JZ-Gpen-Air-Festival  3.-5.6.77 ) 


5.  EINSCHATZUNG  DER  OBERREGIONALEN  ZUSAMMENARBEIT  19731975 

Obwohl  bereits  in  der  Phase  1973-75  in  keimhafter  Form  Modelle  regio- 
naler Koordination  existierten  (z.B.  Provinztr'ef fen  in  Ostwestfalen- 
Lippe)  war  zu  diesem  Zeitpunkt  die  Koordinationsarbeit  in  der  Haupt- 
sache  ii  b  e  r-regional  orientiert: 

•  eine  wirklich  regional-bezogene  Koordination  von  Jugendzentren 
existierte  nur  in  Ausnahmef alien  (Z.B.  Liineburger  Heide,  Ost- 
Westfalen-Lippe,  Rems-Murr) .  Die  Organisierung  der  JZ  umfafite  oft 
viel  zu  groSe  Gebiete,  in  denen  die  Arbeit  verpuffen  muBte. 

•  die  Zusammenarbeit  der  JZ  basiprte  oft  auf  informellen  Kontakten, 
Besuchen  und  Aktionshilf en  und  war  mehr  nach  Sympathie,  politischer 
Indentif ikation  (Spontis)  subjektiv  ausgerichtet  und  hatte  nicht 
das  Ziel  verbindlichere  Strukturen  aufzubauen.  Diese  Arbeitsform 
lag  aber  nicht  allein  an  den  Aktiven,  sondern  auch  an  den  anderen 
Anf orderungen  einer  offenen  Massenbewegung  (mehr  Spontaneitat  war 
erforderlich) ; 

0  das  Fehlen  von  regionalen  Arbeitszusammenhangen  und  damit  die  feh- 
lende  Riickvermittlung  zur  Basis  liefien  zumindest  die  bundesweiten 
Treffen  als  abgehobene  For  en  erscheinen,  die  nicht  in  der  Lage 
sind,  die  JZ-Bewegung  an  ihren  Problemen  zu  organisieren,  sondern 
mehr  Massen-Schau-Tref fen  waren,  um  zu  zeigen,  wieviel  JZ  man  zu~ 
sammenbringen  kann.  Die  geweckten  Erwartungen  wurden  dann  oft  sehr 
enttluscht  und  Frust  machte  sich  breit,  weil  keine  Weiterarbeit 
mehr  moglich  war; 

•  die  bundesweit  organisierten  Treffen  und  bundesweit  ausgeschriebenen 
Seminare  konnte  das  Bediirfnis  nach  weiterer  Zusammenarbeit  nicht 
weiterorganisieren  (3)  und  waren  somit  uneffektiv  in  dem  Bestreben, 
die  Koaimunikationsstrukturen  der  JZ-Bewegung  zu  verbessern.  Auch 
wenn  durch  solche  Treffen  neue  Kontakte  entstanden  und  Nachfolge- 
Treffen  (4)  organisiert  wurden,  so  schlaffte  das  Interesse  an  Zusam- 
menarbeit doch  immer  mehr  ab,  weil  die  Entfernungen  zu  groB,  die 
Probleme  zu  unterschiedlich  waren.  Die  Treffen  waren  somit  einmali- 
ge  Hbhepunkte,  die  die  JZ-Bewegung  in  ihren  Alltagsproblemen  nicht 
weiterbrachte ; 

•  die  politische  Differenzen  bei  diesen  Treffen  (Prof ilierungs-Inter- 


85  - 


essen  der  Jusos  in  Wetzlar,  Rekrutierungsinteresse  des  KB  in  Glock- 
see  z.B.)  taten  das  ihrige  dazu  bei,  daB  eine  weitere  Zusamnenar- 
beit  behindert  wurde.  Die  inneren  Widerspriiche  (Scene-Probleme, 
politische  Gruppen,  Kampf phasen.. • •)  fraktionierten  die  JZ-Initiativ- 
gruppen  nach  den  Gruppen,  die  sich  miteinander  identifizieren  konn- 
ten  und  daher  iiberregional  weiterhin  zusammentraf en  und  behinderten 
damit  die  regionale  Organisierung; 

die  Selbstorganisation  der  JZ  wurde  oft  nur  verbal  vertreten,  wah- 
rend  es  in  der  Realitat  darum  ging,  die  politischen  Stromungen  in 
der  JZ  zu  vereinnahmen  und  eine  'Linie'  hineinzubringen  (z.B.  die 
DKP-Politik  der  KOOB  Hagen,  die  Sozialistische  Fraktions-Strategie 
des  BDP  (5). 


6.  VERANDERUNGEN  IN  DER  JUGENDZENTRUMSBEWEGUNG  1976-77 

Die  Entwicklungstendenzen  in  der  Zusammenarbeit  der  JZ  untereinander 
hangen  immer  eng  mit  der  Entwicklung  in  den  JZ  selbst  zusammen.  Die 
Geschichte  der  Zusammenarbeit  der  JZ  untereinander  ist  deshalb  immer 
auch  eine  Geschichte  des  Zustandes  in  den  JZ  .  Fur  die  Phase  1976-77 
lassen  sich  in  der  JZ-Bewegung  auf  der  Ebene  der  einzelnen  Jugend- 
zentren  -  unabhangig  von  lokalen  Ungleichzeitigkeiten  -  folgende  Ent- 
wicklungstrends  erkennen,  die  erst  die  massenhafte  Entstehung  von 
Regionalzusammenschliissen  erklarbar  machen: 

•  Die  Zahl  der  Jugendzentren  und  Jugendzentrumsinitiativen  ist  riick- 
laufig  und  umfafit  ca.  noch  1  200  Initiativgruppen  in  der  BRD. 

•  Die  JZ-Bewegung  entwickelte  sich  von  einer  offenen  Massenbewegung 
der  spektakularen  Aktionen  und  Hauserkampfe  zu  einer  widerspriich- 
lichen  Bewegung  des  Alltagskampf es  in  den  Hausern.  Der  alltagliche 
Handlungszwang  in  den  JZ,  die  auseinandertreibenden  Interessen, 
die  Probleme  der  kaputten  Scene,  politische  Differenzen,  die  Spal- 
tung  in  Macher  und  Besucher,  die  personlichen  Probleme,  die  immer 
starker  in  Erscheinung  traten,  fiihrten  zu  einer  Oberlastung  der 
Aktiven,  die  zu  Hilf s-Sozialarbeitern  funktionalisiert  wurden. 

Der  JZ-Beweguig  war  es  nicht  gelungen,  die  Kampferfahrung  aus  der 
Zeit  vor  der  Haus-Nahme  in  den  Alltag  mithiniiberzuretten:  die 
einstige  Kampf-Einigkeit  zerfiel  im  Haus  meist  in  eine  Interessens- 
streiterei  und  Uneinigkeit  iiber  die  Perspektive.  Das  Fehlen  des 
gemeinsamen  Kampfes,  Kampf zieles  (Haus)  und  Kampfgegners  (Stadt), 
liefl  die  Alltagsinteressen  dominieren.  Erst  die  gemeinsame  Bedro- 
hungssituation  lHBt  die  alte  Solidaritat  wiedererstehen. 

•  Die  JZ  haben  sich  von  Cliquenzentren  (GroSgruppen.bei  denen  die  Leu- 
te  sich  besser  und  nailer  kannten),in  denen  mehr  aktiv  waren.Politik 
personlicher  und  konkreter  gelebt  wurde,  zu  Konsum-  und  Massenbe- 
suchszentren  (der  Jiingeren)  entwickelt.  Die  Kerngruppen  wurden  klei- 
ner,  es  gab  weniger  Leute,  die  aktiv  waren  und  die  Alteren  konnten 
sich  nicht  mehr  mit  dem  JZ  identifizieren.  Alltagsfrust  und  in- 
haltliche  Ratlosigkeit,  Ideenmangel,  fehlendes  Verantwortungsbewufit- 
aein,  Perspektive-Verlust,  personliche  Probleme  (wovon  selbst  le- 
ben?)  produzierten  bei  den  Alteren  einen  IDENTTTATSZERFALL .  Sie 
wollten  nicht  die  Lehrerrolle  fur  andere  ubernehmen,  weil  sie  mit 
sich  selbst  nicht  mehr  klarkamen. 


86 


•  In  den  JZ  zeigte  sich  auch  zunehmend  eine  politische  Polarisierung 
in  die  JZ,  die  sich  weiterhin  als  politische  Zentren  verstanden 
und  liber  das  JZ  politische  Projekte  (Selbsthilfegruppen,  Gegen- 

of fentlichkeit,  AKW-Gruppen,  Mediengruppen,  Organisierung  von 
WG's)  organisierten  und  die  JZ,  die  durch  den  Mangel  an  politisch 
Aktiven  und  Perspektive  zu  verwalteten  Sozialarbeiter-Zentren, 
halbstaatlichen  Freizeitheimen  zu  Konsum-Veranstaltungs-Hausern 
wurden,  Oder  ganz  kaputtgingen.  Aus  den  politischen  Jugendzentren 
heraus  kann  aber  nur  die  Wiederbelehung  der  JZ-Bewegung  komnen. 

•  Es  tritt  zusehends  ein  GENERATIONSWECHSEL  in  der  JZ-Bewegung  ein; 
die  erste  Jugendhaus-Generation,  die  meist  eine  Kampf-Generation 
war,  die  das  JZ  erkampft  hat  und  sich  mit  dem  Haus  identif iziert , 
hat  das  JZ  kampflos  (Privatisierung,  Ausstieg)  Oder  aufgrund  per- 
sonlicher Weiterentwicklung  (andere  politische  Projekte)  ver lassen 
und  das  Haus  somit  einer  zweiten  Generation  ohne  Geschichtsbewufit- 
sein,  ohne  politische  Massenbewegung  (wie  bei  der  ersten  die  Stu- 
denten,  Schiiler-  und  Lehrlingsbewegung)  im  Rucken,  zwangsangepaBt 
durch  Arbeitslosigkeit  und  SchulstreB,uberlassen. 

Viele  Initiativ-Gruppen  gingen  dadurch  kaputt. 

Alle  diese  Entwicklungstendenzen  fiihren  dazuv  dafl  die  Zusammenarbeit 
nicht  mehr  allein  eine  Frage  von  personlichem  Interesse  der  Aktiven 
und  Erf ahrungsaustausch  ist,  sondern  ein  politischer  Zwang  zur  Zusam- 
menarbeit besteht,  urn  Gegendruck  zu  erzeugen,  sich  gemeinsam  zu  weh- 
ren,  errungene  Positionen  zu  halten.  Der  verstarkte  aufiere  Druck  und 
die  zunehmenden  inneren  Schwierigkeiten  erforderten  eine  breitere 
Organisierung  der  Jugendzentren. 

Neben  dem  Ansteigen  des  aufieren  Druckes  auf  die  JZ-Bewegung  zwangen 
noch  drei  weitere  Griinde  die  JZ  1976, sich  verbindlicher  zu  organi- 
sieren  und  sich  wieder  starker  zu  artikulieren: 

t  der  Off entlichkeitsverlust.der  1976  eintrat,  indem  es  neben  dem 
ID  keine  iiberregionale  Zeitung  und  kaum  informelle  Kontakte  gab, 
die  JZ-Nachrichten  verbreitet  hatten  und  es  deshalb  urn  die  JZ-Be- 
wegung sehr  still  wurde; 

•  der  Trend,  iiber  die  JZ-Bewegung  nur  noch  dann  zu  berichten,  wenn 
die  Meldungen  in  die  allgemeine  Repressionswelle  paBten  und  somit 
propagandistisch  verwertet  werden  konnten (z.B.  Rebel  1  KB,  Pfingst- 
kongreB  76  SB),  was  zu  einen)  vollig  falschen  und  pessimistischen 
Bffentlichkeitsbild  iiber  die  JZ-Bewegung  fiihrte; 

•  die  "Geschichtsschreibung"  der  Sozialarbeiter-Fachliteratur,  die 
sich  in  Krisenmeldungen,  Todes-Nachrufen,  Theorie-Revisionen 
iiberschlug  und  die  JZ-Bewegung  am  Schreibtisch  in  Buchern  begraben 
wollte. 


Die  massenhafte  Bildung  von  Regionalzusammenschliissen  1976-77 
sicher  eng  mit  der  Tatsache,  daB  die  JZ-Bewegung  in  die  Defen 
geraten  ist  (Isolationsangst  der  noch  existierenden  Gruppen, 
gang  der  Massenbewegung  und  die  Bildung  von  regionalen  Zentre 
Xod  der  Bewegung  in  den  Metropolen  und  die  Uberlebensprobleme 
JZ_Gruppen  in  der  Provinz,  die  Krise  in  der  Bewegung  durch  in 
Zersetzung  und  aufleren  Druck)  verbunden.  Die  Regionalzusammen 
sind  aber  nicht  nur  eine  Reaktion  auf  veranderte  Bedingungen, 
stellen  auch  einen  Lernprozefi  der  JZ-Bewegung  dar,  sich  gemaB 
verHnderten  Bedingungen  zu  organisieren  und  die  inneren  Struk 
weiterzuentwickeln. 


ist 
sive 
Riick- 
n(  der 

der 
nere 
schliisse 

sondern 

den 
turen 

-  87  - 


7.  DER  AUFBAU  EINER  VERBINDLICHEREN  ZUSAMMENARBEIT 
DER  JUGENDZENTREN  1976-77 

Das  Vorhandensein  der  Regionalzusammenschlusse,     die  seit  Anfang 
1976  immer  starker  werdenden  Versuche,  die  Arbeit  dieser  Zusammen- 
schliisse  auch  bundesweit  zu  koordinieren,  leiteten  eine  neue  Phase 
in  der  Geschichte  der  selbstorganisierten  Zusammenarbeit  der  Jugend- 
zentren  ein.  Uber  bestehende  regionale  Arbeitszusammenhange  eine 
bundesweite  Kontaktebene  aufzubauen,  bietet  Vorteile,  die  bei  der 
friiheren  Zusammenarbeit  nicht  moglich  waren: 

-  Verteilung  des  Arbeitsaufwandes  durch  dezentrale  Organisierung 

-  groflere  Kontinuitat  und  Verbindlichkeit  durch  den  Hintergrund 
bestehender  regionaler  Arbeitszusaramenhange 

-  verbesserte  Kommunikationsstrukturen  durch  die  Herausgabe  der 
bundesweiten  Wandzeitung  und  internen  Materialaustausch 

-  Entwicklung  neuer  und  verbesserter  Strukturen  durch  regelmaBige 
halbjahrliche  Bundestref fen  (und  Landestreff en)  der  Regionalzusam- 
menschlusse. 

Erst  die  Existenz  der  Regionalzusammenschlusse,  die  eine  Art  Mittel- 
bau  zwischen  Einzel-Jugendzentren  und  iiberregionalen  Treffen  darstel- 
len,  schufen  die  Strukturen,  die  die  iiberregionale  Zusammenarbeit 
verbindlicher  und  effektiver  gestalten. 

Obwohl  das  Bediirfnis  zur  Zusammenarbeit  gerade  seit  dem  Abflauen  der 
Bewegung  (seit  Ende  75)  sehr  grofl  war,  war  es  zu  dieser  Form  der  Zu- 
sammenarbeit dennoch  ein  langer  Weg  von  1  1/2  Jahren.  Erste  Impulse 
zu  einer  breiteren  Zusammenarbeit  gingen  von  Tiedeke  Heilmann  aus, 
der  1976  als  Projektbereichssprecher  Jugendzentren  der  AG  SPAK  zwei 
Nummern  eines  "JZ-Rundbriefes"  in  Wandzeitungsform  an  ihm  bekannte 
Adressen  schickte,  und  im  Briefkopf  des  Rundbriefes  selbst  neue  Kon- 
taktadressen  mitteilte.  Uber  diese  Adresseninformation  lief  dann 
langsam  ein  Briefkontakt  zwischen  den  Gruppen  an,  der  durch  Mate- 
rialaustausch, Besuche,  etc.  erganzt  wurde  und  dann  im  Marz  1977 
schliefilich  zu  der  Entscheidung  fiihrte,  doch  endlich  einmal  alle 
Leute  zu  einem  Treffen  zusammenzuholen,  was  dann  recht  kurzfristig 
im  "FRANKFURTER  TREFFEN"  im  April  1977  geschah.  Dies  war  die  sub- 
jektive  Seite,  die  zum  FRANKFURTER  TREFFEN  fiihrte.  Hinter  ihr  steckt 
aber  ein  ganzer  ProzeB  von  Vorbereitungsarbeiten,  ohne  die  dieses 
Treffen  nicht  moglich  gewesen  ware,  so  z.B.  gab  es  seit  1976  mehrere 
Versuche,  auf  Regional-  und  Landesebene  die  Kontakte  unter  den  JZs  zu 
verbessern:  In  Hessen  iiber  den  BDP   (Seminare,  Treffen,  Zeitung, 
iiberregionale  Feste),  in  Baden-Wiirttemberg  iiber  die  DJD  (Rundbriefe, 
Fragebogen,  Rundreise) ,  im  Norden  uber  die  AG  SPAK  (Tiedeke,  Pro- 
vinztreffen  in  der  Liineburger  Heide,  Medienseminare) ,  im  Saarland 
iiber  den  Verband  Saarlandischer  Jugendzentren  in  Selbstverwaltung, 
in  Schleswig-Holstein  iiber  Inf o-Rundbrief e  etc. 

Diese  Zentren  der  JZ-Bewegung  wurden  allmahlich  zu  Fixpunkten  und 
Anlaufstellen  fiir  die  JZ  in  der  Umgebung  und  fiir  die  iiberregionale 
Zusammenarbeit.  Uber  ihre  8f f entlichkeitsarbeit  wurden  sie  zur  Sam- 
melbewegung  der  noch  existierenden  Jugendzentren.  In  der  Organi- 
sierung nach  regionalen  Zentren  scheint  sich  eine  'neue  JZ-Bewegung' 
in  der  Bewegung  zu  konstituieren.  Erst  diese  regionalen  Koordina- 
tionszentren  schufen  die  Moglichkeit,  auch  bundesweit  Kontakte  zu 
kniipfen.ohne  in  eine  abgehobene  Form  hineinzugeraten  und  die  JZ-Be- 
wegung nur  noch  verwalten  zu  wollen.  Eine  Dachverbandsgrtindung  auf 


-  88 


Bundesebene,  ein  Aufbau  von  Landesdachverbanden  wird  von  alien 
Gruppen  als  unnbtige  Biirokratisierung  der  JZ-Bewegung  und  als  For- 
malisierung  der  Selbstverwaltung  abgelehnt.  Die  JZ-Bewegung  kann 
weder  politisch  vereinheitlicht  noch  zentral  und  nach  dem  Vereins- 
recht  organisiert  werden,  ohne  selbst  die  Grundlagen,  die  sie  zur 
Bewegung  gemacht  hat,  zu  verlieren.  Koordinationsarbeit  ist  deshalb 
inmer  ein  KompromiB  zwischen  unterschiedlichen  politischen  Vorstel- 
lungen  und  verschiedenen  Organisationsformen. 

Diese  Uberlegungen  gingen  in  das  Grundverstandnis  der  iiberregionalen 
Treffen  der  Regionalzusammenschlusse  mit  ein. 

Der  Sinn  dieser  im  FRANKFURTER  TREFFEN  (6)  modellhaft  skizzierten 
Zusammenarbeit  ist  es,  die  Defizite,  die  die  JZ-Bewegung  momentan 
auf  der  Koordinationsebene  erfahrt,  zu  begleichen: 

-  Informationsdefizite  iiber  die  JZ-Bewegung  durch  die  Wandzeitung 
und  iiber  den  ID  zu  beseitigen 

-  die  Meldungen  iiber  JZ  nicht  nur  auf  Repressionsmeldungen  von  Druck 
und  SchlieBung  zu  verkiirzen,  sondern  auch  Erfolgsmeldungen  und 
Alltagsberichte  zu  bringen 

-  ein  feines  informelles  Netz  von  Kontakten  (7)  und  Strukturen  auf- 
bauen,  die  das  Organisationsdefizit  der  Bewegung  iiberwinden  und 
die  Zusammenarbeit  verbindlicher  gestalten 

-  den  Diskussionsprozefi  um  den  politischen  Stellenwert  der  JZ-Bewe- 
gung und  ihr  Selbstverstandnis  neu  und  intensiver  zu  fiihren 

-  mogliche  Perspektiven  der  JZ-Bewegung  (Selbsthilfegruppen,  Okologie- 
Gruppen,  Wohngemeinschaf ten,  Provinzarbeit. . . )  in  breiterem  Rah- 
men  zu  diskutieren  und  Erfahrungen  auszutauschen 

-  Erfahrungen  iiber  Koordinationsmodelle  und  die  Praxis  der  Regional- 
arbeit  auszutauschen  und  somit  neue  Anregungen  zu  vermitteln  und 
doppelteFehler  zu  vermeiden 

-  Perspektiven  der  JZ-Bewegung  in  Bezug  auf  die  Orientierung  an 
Jugendverbandsarbeit  (BDP,  AG  SPAK  etc.)  diskutieren 

-  iiber  die  Alltagsprobleme  in  den  Jugendzentren  und  die  Bewegung 
oder  Bewegungslosigkeit  im  Jugendhausalltag,  iiber  die  Rolle  der 
Aktiven  und  ihre  Probleme  reden  und  damit  unsere  eigenen  Probleme 
anzugehen  (Subjektiver  Faktor  der  JZ-Bewegung) 

-  das  Bild  der  JZ-Bewegung,  wie  es  durch  Diplomarbeiten  und  die  so- 
zialpadagogischeFachliteratur  verzerrt  wurde  zu  korregieren  und 
dagegen  unser  Selbstbewufitsein  von  der  Bewegung  zu  stellen  und  die- 
se Falschmeldungen  durch  unsere  Praxis  zu  widerlegen 

-  Uber  eine  breite  und  intensivere  Of fentlichkeitsarbeit  dazu  bei- 
tragen,  daS  das  Bewufltsein  der  JZ-Bewegung  als  Bewegung  nicht  ver- 
lorengeht,  sondern  neu  entsteht  (Wandzeitung  an  alle  JZ  in  der  BRD 
und  Westberlin!) 

-  ein  breites  dezentrales  Netz  von  Strukturen  aufzubauen,  die  die 
politische  Arbeit  gerade  in  der  Provinz  vorantreiben  und  somit 
ein  sinnvolles  Gegenmittel  zu  der  allgemeinen  Repressionstendenz 
darstellen  (Gegen-Organisierung) . 

8  ZUSAMMENFASSENDE  THESEN  ZUR  GESCHICHTE  DER 

SELBSTORGANISIERTEN  ZUSAMMENARBEIT  VON  JUGENDZENTREN  1971-77 

i   Es  existieren  in  der  Geschichte  der  JZ-Bewegung  immer  mehrere 
Koordinationsformen  von  Jugendzentren  nebeneinander.  Dies  hSngt  mit 


89 


der  allgemeinen  ungleichzeitigen  Entwicklung  der  JZ-Bewegung  zusam- 
men.  Die  jeweiligen  lokalen  und  regionalen  Bedingungen,  die  politi- 
sche  Zielsetzung  der  Zusammenarbeit ,  die  Vorstellungen  der  Aktiven 
und  die  praktische  Organisationsf orm  schufen  ein  breites  Spektrum 
recht  unterschiedlicher  Koordinationsf ormen,  deren  gemeinsamer  Nenner 
darin  besteht,  ein  Teil  der  selbstorganisierten  JZ-Bewegung  zu  sein. 

2.  Obwohl  wahrend  der  ganzen  Entwicklungsphase  derZusanunenarbeit 
von  JZ  untereinander  immer  regionale  und  Uberregionale  Kooperations- 
formen  nebeneinander  existieren,  lassen  sich  dennoch  drei  relativ 
klar  erkennbare  Phasen  bestimmen: 

•  die  Phase  71/72  in  der  aufgrund  der  unterentwickelten  eigenen  Struk- 
turen  keine  selbstorganisierte  Zusanmenarbeit  im  breiteren  Rahmen 
scactfand,  sondern  die  offentlichen  Medien  eine  solche  Rolle  aus- 
fiillten. 

•  die  Phase  73-75,  in  der  zwar  langsam  die  Zahl  der  Regionalzusammen- 
schliisse  anwuchs,  aber  dennoch  eindeutig  von  einer  Dominanz  der 
iiberregionalen  Kontakte  und  Zusammenarbeit  gesprochen  werden  kann; 

•  die  Phase  76/77,  in  der  die  Organisierung  der  JZ-Bewegung  nach 
regionalen  Zentren  die  uberhand  gewonnen  hat  und  eine  uberregionale 
Zusammenarbeit  iiber  die  Treffen  der  Regionalzusammenschlusse  er- 
folgt. 

3.  Der  Strukturwandel  in  der  Zusammenarbeit  der  JZ  untereinander 
hangt  eng  mit  dem  Strukturwandel  in  der  JZ-Bewegung  selbst  zusanmen. 
Die  inneren  Entwicklungstendenzen  (Zerfallprozesse  in  der  Bewegung, 
Generationswechsel  etc.)  und  die  von  auBen  herangetragenen  neuen  An- 
forderungen  (politischer  Druck,  Jugendarbeitslosigkeit  etc.)  haben  die 
JZs  zu  einer  verbindlicheren  Zusammenarbeit  gezwungen.  Die  Notwen- 
digkeit  zur  Zusammenarbeit  ist  fur  die  JZs  heute  keine  Frage  des  Wol- 
lens  mehr,  sondern  zu  einer  Uberlebensstrategie  geworden. 

4.  Konnte  zum  Zeitpunkt  des  Hohepunktes  der  JZ-Bewegung  (73-75)  die- 
se  die  Zusammenarbeit  aus  dem  Schwung  der  offensiven  Bewegung  her- 
aus  noch  recht  strukturlos  und  spontan  iiber  viele  informelle  Kon- 
takte  und  spontane  Hilf saktionen  in  bundesweiten  Rahmen  gestalten, 
so  erfordert  der  zunehmende  Druck  auf  die  JZ-Bewegung  heute  verbind- 
liche  Gegenstrukturen  und  ein  besser  funktionierendes  Kommunikations- 
system  untereinander. 

5.  Eine  verbindlichere  Zusammenarbeit  unter  den  JZs  kann  nur  dann 
erreicht  werden,  wenn  die  Basis  der  JZ-Bewegung  und  die  Arbeitszu- 
sammenhange  in  den  Regionen  und  Provinzen  stark  genug  sind,  um 
eine  solche  Koordinationsarbeit  zu  leisten.  Eine  Verbesserung  der 
Zusammenarbeit  ist  nicht  iiber  die  Zentralisierung  der  Bewegung  in 
biirokratischen  Landes-  und  Bundesdachverbanden  und  der  damit  einher- 
gehenden  politischen  Vereinheitlichung  und  Formalisierung  moglich, 
sondern  nur  in  der  konkreten  Starkung  der  regionalen  Zentren  der 
Bewegung. 

6.  Die  Geschichte  der  iiberregionalen  Zusammenarbeit  derJZ  unterein- 
ander war  auch  immer  eine  Geschichte  der  Auseinandersetzung  mit  sol- 
Chen  politischen  Gruppen  (wie  dem  Exponent  KOOB  Hagen  (8))  die 

sich  gem  als  die  "Fiihrung  der  JZ-Bewegung"  verstanden  und  ihr  zwang- 
haft  Positionen  aufdrangen  wollten,  die  nicht  in  der  alltSglichen 

-  90  - 


politischen  Praxis  entstanden  waren,  also  Stellvertreterpolitik  be- 
treiben  wollten.  Eine  solche  abgehobene  Fiihrungsposition  kann  des- 
halb  keine  Basis  haben,  weil  es  die  JZ-Bewegung  gar  nicht  gibt 
und  es  selbst  auf  der  Ebene  der  (Coordination  keine  Kontinuitat  gibt, 
die  irgendeine  Gruppe  in  einer  solchen  Position  (durch  Wahl,  durch 
basisdemokratische  Kontrolle  etc.)  legitimieren  wiirde. 

7.  Alle  Versuche,  die  JZ-Bewegung  von  auBen  organisieren  zu  wollen, 
miissen  daran  scheitern,  daS  sie  nicht  in  der  Lage  sind,  die  spezifi- 
schen  Interessen  der  JZ-Bewegung,  die  nur  in  Selbstorganisation  ge- 
lost  werden  konnen,  anzugehen.  Dennoch  braucht  die  JZ-Bewegung  gera- 
de  angesichts  des  zunehmenden  Drucks  neue  Verbtindete  in  fortschritt- 
lichen  Jugendverbanden  (BDP,  AG  SPAK,  DJD) ,  die  ihr  bei  der  Bewalti- 
gung  der  Koordinationsarbeit  konkret  und  ohne  Fremdanspruch  helfen. 
Und  in  diesem  Bereich  gibt  es  bereits  konkrete  Ergebnisse  erfolgrei- 
cher  Zusammenarbeit. 

8.  Angesichts  der  allgemeinen  politischen  Situation  in  der  BRD  liegt 
die  Perspektive  der  Koordinationsarbeit  in  der  Schaffung  eines  fei- 
nen  informellen  und  dezentralisierten  Informationsnetzes,  das  in  der 
Lage  ist,  der  politischen  Repression  standzuhalten.  Gerade  die  Regio- 
nalzusammenschliisse  mit  ihren  kleinen  Einheiten  und  die  breite  Ver- 
teilung  der  JZ  (vor  allem  in  der  Provinz)  erlauben  es, iiber  die  JZ 
ein  Netz  von  Strukturen  aufzubauen,  das  ein  politisches  Uberleben 
moglich  macht. 


9.  Koordinationsarbeit  allein  ohne  eine  ent 
der  JZ  an  der  Basis  bleibt  eine  abgehobene 
die  Organisationsform  nach  Regionalzusammen 
weitai  Treffen  der  Regionalzusammenschlusse 
der  Wandzeitung  der  Regionalzusammenschluss 
auch  die  Basis  zu  aktivieren,  neue  Anregung 
formationsf lufl  innerhalb  der  Bewegung  zu  ve 
die  iiberreffionale  Koordination  zu  einem  Fi 
bung  der  ganzen  JZ-Bewegung  und  zu  keinem  v 
Superaktiven. 


sprechende  Aktivierung 
Angelegenheit .  Gerade 
schliissen  und  die  bundes- 
sowie  die  Herausgabe 
e  bieten  die  MSglichkeit, 
en  zu  liefern  und  den  In- 
rbessern.  Dadurch  wird 
xpunkt  fur  eine  Neubele- 
ereinzelten  Hohepunkt  der 


10.  Die  JZ-Bewegung  ist  in  ihrer  Breite  (quantitativ)  schwacher  ge- 
worden und  in  den  Metropolen  kaum  mehr  vertreten.  Sie  ist  aber  poli- 
tisch  starker  geworden  (verbindlichere  Zusammenarbeit)  und  in  der 
Provinz  immer  noch  zunehmend.  Die  Organisierung  nach  Regionalzusam- 
menschliissen  entspricht  also  diesem  Entwicklungstrend  und  wird,  so- 
lange  dieser  andauert,  auch  noch  Zukunft  haben.  Die  JZ-Bewegung  sta- 
bilisiert  sich  durch  diese  Koordinationsform  aber  nicht  nur  selbst, 
sondern  schafft  auch  Strukturen  fiir  eine  sinnvolle  regionale  politi- 
sche  Arbeit   (Provinzarbeit,  Okologiegruppen,  Selbsthilfegruppen 
etc.).  Die  JZ-Bewegung  hat  damit  durch  die  Schaffung  von  diesen  Al- 
ternativstrukturen,  durch  die  Koordination  geschafft,  was  bisher  im- 
mer als  die  Grenze  ihrer  politischen  Perspektive  erschien:  die  Uber- 
windung  der  nur  Jugendhaus  bezogenen  Arbeit.  Inwiefern  die  vorhan- 
denen  Kontakte  nun  dazu  genutzt  werden,  wird  die  Zukunft  zeigen. 

11,  Ob  sich  aus  den  Regionalzusammenschliissen  eine  "neue  Bewegung 
in  der  JZ-Bewegung  vollziehen  kann  und  wird,  hangt  von  der  tatsiich- 
lichen  Leistungsf Uhigkeit  der  Regionalzusammenschlusse,  vom  BewuBt- 


91 


sein  der  Jugendzentren,  die  die  Regionalzusammenschlusse  tragen 
(mit  welcher  Zielsetzung  sie  Koordinationsarbeit  machen)  von  der 
Weiterentwicklung  der  Zusammenarbeit  und  der  Verbesserun'g  des  Infor- 
mationssystems  unter  den  Regionalzusammenschliissen  ab.  Der  neue 
Impuls,  der  von  den  Treffen  der  Regionalzusammenschlusse  bisher  aus- 
ging,  ist  nicht  zu  iibersehen,  aber  dennoch  erscheint  die  These  der 
"neuen  Bewegung  in  der  JZ-Bewegung"  noch  als  Oberschatzung  der  bis- 
her geleisteten  Ansatze.  AuBerdem  darf  durch  die  Anfangseuphorie  we- 
der  ein  Leistungsdruck  auf  die  JZ-Bewegung  ausgeubt  noch  die  Weckung 
von  Bediirfnissen,  die  nicht  eingehalten  werden  konnen,  ("rganisato- 
rische  Stabilisierung)  betrieben  werden.  Ein  neuer  Anfang  ist  da  - 
allerdings  eben  erst  ein  Neuanfang. 


ANMERKUNGEN: 


(1)  7.u   diesem  Zeitpunkt  arbeitete  das  KOOB  Neustadt  noch  nach  seinem 
anfanglichen  Anspruch,  naralich  die  Selbstorganisationsprozesse  in 
der  JZ-Bewegung  zu  unterstutzen  und  diese  als  Dienstleistungsbetrieb 
voranzutreiben  (z.B.  Material  und  Doku-Versand).  Heute  ist  das  KOOB 
Hagen  nur  noch  eine  abgehobene  Institution,  die  fur  sich  beantspmcht , 
lm  Namen  der  JZ-Bewegung  zu  sprechen,  indem  es  deren  angebliche  For- 
derungen  in  DKP-Schemen  preflt. 

(2)  Hier  soil  kein  Vollstandigkeitsanspruch  vertreten  werden: 
sicher  gab  es  neben  den  hier  aufgezahlten  Regionalzusammenschliissen 
noch  andere.  Dennoch  erreichte  ihre  Zahl  nicht  das  AusmaB  von 
1976/77. 

(3)  Dies  gilt  vor  allem  fur  die  in  diesem  Zeitraum  vom  BDP  bundes- 
weit  ausgeschriebenen  Seminare. 

(4)  Vgl.  Protokoll  vom  Treffen  Norddeutscher  Jugendzentren  (3-. -5. 
Oktober  1975)  in  Hannover-Glocksee. 

(5)  Vgl.  dazu  die  beiden  Materialien  Nummern  2/3  und  12,  die  damals 
im  Verlag  Jugend  und  Politik  (BDP-Verlag)  erschienen. 

(6)  Das  FRANKFURTER  TREFFEN  (erstes  Bundestreff en  Regionaler  Zusam- 
menschlusse  von  JZ  )  fand  am  22. /23.  April  1977  in  Frankfurt  statt. 
Information  dariiber  befindet  sich  in  dem  im  November  bei  Jugend 
und  Politik  erschienenen  'Lesebuch  zur  JZ-Bewegung'  (Traume,  Hoff- 
nungen,  Kampfe".) 

(7)  Die  gleiche  Intention  verfolgt  das  unter  Anmerkung  6  zitierte 
Lesebuch  zur  JZ-Bewegung,  das  parallel  zu  dem  NeuformierungsprozeB 
in  der  JZ-Bewegung  erschienen  ist. 

(8)  Uber  das  KOOB  Hagen  existiert  eine  58  Seiten  Starke  Dokumenta- 
tion  der  Regionalzusammenschlusse,  die  iiber  den  BDP-LV  Hessen, 
Hamburger  Allee  49,  6000  Frankfurt  90,  erhaltlich  ist. 


oR.<S-/tNiS4rioN 


-  92  - 


Arbeitskreis  Kritische  Sozialarbeit,  Hamburg 

DIE  VERBEAMTUNG 

DER  JUGENDVERBANDE  NICHT  BESTATIGT 


Dem  "Ring  Biindischer  Jugend"  in  Hamburg  wurde  am  25.9.74,  gestiitzt 
auf  einige  kurze  Zitate  aus  Publikationen,  an  denen  der  RBJ  oder 
einzelne  Gruppen  als  Herausgeber  beteiligt  waren,  beschieden,  dafi 
eine  weitere  staatliche  Fb'rderung  abgelehnt  wird.  Es  bestanden 
Zweifel,  daB  er  die  Gewahr  fiir  eine  den  Zielen  des  Grundgesetzes 
forderliche  Arbeit  nach  §  9  JWG  biete.  In  der  Antwort  auf  den  Wider- 
spruch  des  RBJ  schrieb  die  Freie  und  Hansestadt  Hamburg: 
"Vielmehr  wird  die  Verfassungswirklichkeit  (in  den  Verof fentlichun- 
gen  des  RBJ)  einseitig  und  stark  verzerrt  dargestellt  und  in  grob 
vereinfachender,  teilweise  verung limp fender  Form  abgewertet.  Wer 
aber  den  Staat  in  der  Ausgestaltung,  die  er  durch  das  Grundgesetz 
erfaliren  hat,  pauschal  abwertet  und  verunglimpf t,  stellt  damit  auch 
die  freiheitlich  demokratische  Grundordnung  in  Frage."  (Widerspruchs- 
bescheid  der  Freien  und  Hansestadt  Hamburg  vom  31.11.74,  S.  4) 
(siehe  Kasten:  kritisierte  Zitate) 

Das  Hamburger  Verwaltungsgericht  schlofi  sich  in  seinem  Urteil  vom 
2.10.75  dieser  Argumentation  voll  an.  Im  Urteil  heifit  es  u.a.: 
Der  RBJ  ". . .miSachtet  ...  seine  Verpf lichtung,  die  bestehende  staat- 
liche Ordnung  in  ihrer  wirklichen  Form  aufzuzeigen  und  nicht  durch 
verzerrte  Darstellungen  ein  Begreifen  der  Verfassungswirklichkeit 
mit  ihren  Zusammenhangen  und  Notwendigkeiten  zu  verhindern.  Statt- 
dessen  verunglimpft  der  RBJ  die  bestehende  Staatsgewalt  schlecht- 
hin  als  volksfeindlich. . ." 

Der  RBJ  berief  sich  u.a.  in  der  Verhandlung  auf  den  Art.  5  GG  mit  der 
Begriindung,  daB  dadurch  auch  eine  vermeintlich  "falsche"  Meinung  ge- 
schiitzt  sei.  Auch  das  wurde  vom  VG  Hamburg  abgelehnt,  da  "...Jugend- 
liche  in  besonderem  Mafie  gefiihlsbetont  reagieren.  Sie  sind  in  der 
Bildung  ihrer  Meinung  leicht  durch  Indoktrination  zu  beeinf lussen. 
...die  Verof fentlichungen  des  RBJ  (sind)  geeignet,  heftige  Ablehnung 
gegen  die  bestehende  staatliche  Ordnung  hervorzuruf en,  nicht  aber 
dazu  angetan,  innerlich  unabhangig  ein  abgewogenes  Urteil  iiber  Wert 
oder  Unwert  der  Verfassungswirklichkeit  zu  ermoglichen.  Sie  sind 
daher  durch  Art.  5  GG  nicht  gedeckt."  (Entscheidung  des  Verwaltungs- 
gerichts  Hamburg  vom  2.10.75) 

Dieses  Urteil  rief  einigen  Wirbel  hervor,  da  es  sich  auf  eine  gegen- 
iiber  dem  maBgeblichen  SDS-Urteil  von  1969  sehr  verscharfte  Auslegung 
des  JWG  §  9  (im  Zusammenhang  mit  Art.  5  GG)  bezieht  und  letztlich 
alle  demokratischen  Jugendverbande  und  freien  Trager  der  Jugendhilfe 
betrifft.  In  der  Zeitschrift  "Kritische  Justiz"  (1/77)  wurden  von 
Thomas  Blanke  und  Ulrich  Stascheit  die  repressiven  Tendenzen  einer 
solchen  Auslegung  der  Anerkennungsgrundsiitze  herausgearbeitet : 
"Anstelle  dieser  Verpf  lichtung  auf'die  unveranderbaren  Grundsa'tze 


93  - 


DEN  ZIELEN  DES  GRUNDGESETZES  NICHT  FORDERLICHE 
AUSSERUNGEN 

•  Im  Extrablatt  "Kampfende  Jugend"  zum  1.  Mai  1974  wurdc  die  Berufsver- 
botepraxis  so  dargestellt: 

"Mit  Abgrenzungsbeschliissen,  Knebelerlassen  und  dem  Hcrumrcitcn  auf  ciner 
von  den  Herrschcndcn  nach  Belieben  ausgelcgtcn  sog.  "freihenlich.-demoLralischen 
Grundordnung"  ist  ein  abgefeimtes  System  politischer  Unterdriickung,  Vcrleum- 
dung  und  Kriminalisierung  geschaffen  worden,  die  es  jedem  aufbegehrenden  De- 
mokraten  zu  einem  bedrohlichen  Risiko  machen  sollen,  sich  mit  Entschicdcnheit 
offentlich  zu  aufiern". 
(Extrablatt  dcr  "Kampfenden  Jugend"  zum  I,  Mai  74) 

•  In  einem  Heft  "Zur  Politik  der  Jungen  Union/Schiiler  und  andercn  Reaktionare" 
vom  Juni  1974,  Seite  3,  wurdc  dem  Staatsapparat  vorgeworfen,  dan  er 

"im  Biindnis  und  mit  Hiife  der  rechten  und  rechtsradikalen  Krafte  vcrscharft 
gegen  "links",  gegen  Demokraten,  Sozialisten  und  Kommunisten  vorgehl  und 
die  demokratischen  Rechte  der  arbeitenden  und  Iernenden  Bevolkerung  einsrhrankt, 
unterhohlt  und  abbaut". 

•  Auf  Seite  4  desselben  Heftes  wurde  die  Haupttendcnz  gegenwartigcr  Bildungs- 
politik  so  dargestellt: 

"Diese  Politik  dient  der  Verhartung  der  biirgrrlichen,  kapitalistiscben  Klassenbil- 
dung  und  einer  noch  strikteren  Handhabung  des  Bildungsprivilegs  zugunsten 
der  Kinder  der  Kapitalistenklasse  und  derjenigen  Teile  der  Ubrigen  Jugend,  die 
mit  der  Politik  der  Kapitalistenklasse  —  auch  mit  dieser  Bildungspolitik  — 
einverstanden  sind". 

•  Auf  Seite  47  desselben  Heftes  wurdc  gegen  die  Argumentation  des  "Bundes 
demokratischer  Schtiler"  (rechter  Ablcger  der  "Jungen  Union")  eingewendet: 
"...tagtaglich  hintertrcibt  und  untcrdriickt  der  kapitalistischc  Staat  die  Freiheit 
der  W'ohnung,  der  Meinung,  der  Organisation,  der  "Andersdenkenden", 
tagtaglich  miflachten  die  "zustandigen  Stellen"  die  bcrechtigten  Forderungen 
dcr  Arbciter  und  ubrigen  Werktatigen  nach  besscren  und  gcrechteren  Lcbcns-, 
Arbeits-  und  Ausbildungsbedingungen.  Der  BdS  fordcrt  "freien  Wcttbewerb 
unter  Behicksichtigung  des  Gemeinwohlprinzips"  -  das  ist  nichts  anderes  als 
die  faschistische  Fordcrung  "Gemeinnutz  geht  vor  Eigennuiz"." 

•  Die  Jungc  Union,  die  Schiilcrunion  und  der  Bund  Demokratischer  Schiilrr 
wurden  auf  Seite  3  desselben  Heftes  wie  folgt  gekennzetchnet: 

"Diese  Organisationen  vertreten  in  dcr  Jugend  die  Politik  der  reaktionarsten, 
am  mcistcn  zur  faschistischen,  gcwaltsamen  Unterdriickung  dcr  demokrati- 
schen Krafte  und  Rechte  der  Bevolkerung  drangenden  Elemente  der  Kapi- 
talistenklasse, Millionen  und  Abermillionen  Mark  haben  die  roaflgeblichen 
Menopolkapitalisten  seit  Jahren  in  die  Aufzucht  dieser  antidemokratischen 
Organisationen  investiert". 

•  In  der  Stadtteilzcitung  3/74,  S.  15,  des  RBJ  Hamburg-Harburg  wurdc  zustim- 
mend  bcrichtet,  dafl  ein  CDU-Mitglicd  aus  einer  Jugendzentrumsinitiative 
durch  MehrheitsbeschluB  ausgeschlossen  wurde. 

•  In  Heft  3/74  der  Zeitschrift  "Kampfende  Jugend"  wurde  zu  Stdrversuchen 
und  gcwaltsamen  Angriffcn  von  rechtsradikalen  Jugcndlichcn  festgcstellt: 
"Im  Gegensatz  zu  den  Einrichtungen  der  biirger lichen  Jugendpflege  besteht 
in  unserer  Organisation  und  ihrcn  Einrichtungen  und  Veranstaftungen  kcine 
Freiheit  Air  die  Feinde  dcr  Arbeiterklasse  und  der  demokratischen  Rechte 
des  Volkes". 

Auf  Grundlage  dieser  sieben  Zitate  wurde  dem  RBJ  die  Fordcrung    entzogen 
und  der  Bescheid  der  Hansestadt  Hamburg  durch  das  VC-Hamburg  am  2.10.75 
bestatigt. 
(Die  ZiUte  sind  der  Urteilsbegriindung  des  VC-Hamburg  entnommen). 


unserer  Verfassungsordnung'  setzt  das  VG  Hamburg  die  Verpf lichtung 
auf  die  'bestehende  staatliche  Ordnung'.  Damit  verlangt  das  VG  Ham- 
burg von  den  Jugendverbanden  eine  Verpf lichtung,  die  der  'besonderen 
politischen  Treuepf licht '  Hhnelt,  die  das  Bundesverfassungsgericht 
in  seinem  Beruf sverbotsbeschluB  von  den  Beschaf tigten  im  offentlichen 
Dienst  erwartet:  'Die  Treuepf licht  gebietet,  den  Staat  und  seine 
geltendeVerfassungsordnung,  auch  soweit  sie  in  Wege  einer  Verfas- 
sungsanderung  veranderbar  ist,  zu  bejahen. '  Wenn  nun  das  VG  Hamburg 
auch  die  Jugendverbande  auf  die  'bestehende  staatliche  Ordnung'  ver- 
pflichten  will,  so  bedeutet  das  -  uberspitzt  gesprochen  -  eine  'Ver- 
beamtung  der  Jugendverbande'.  Wie  der  Beamte  seine  Alimentation, 
so  verliert  ein  Jugendverband  seine  Zuschiisse,  wenn  er  seine  Pf  licht 
gegeniiber  'dem  Staat  und  seiner  geltenden  Verfassungsordnung'  ver- 
nachlassigt ." 

Der  RBJ  beantragte  eine  Sprungrevision  zum  Bundesverwaltungsgericht , 
der  das  VG  Hamburg  wegen  der  grundsatzlichen  Bedeutung  der  Entschei- 
dung (Verscharfung  gegeniiber  dem  SDS-Urteil  von  1969)  zustimmte. 
Vor  der  Verhandlung  schaltete  sich  der  Oberbundesanwalt  ein  (ver- 
tritt  vor  dem  Bundesverwaltungsgericht  die  Interessen  der  Bundesre- 
gierung). 
In  einem  Schreiben  vom  20.10.77  aufierte  er  sich  wie  folgt: 

•  Die  Meinung  der  Bundesregierung  sei,  daB  die  Anerkennung  nach  JWG 
§  9  Abs.  1  einer  weiten  und  freien  Auslegung  bediirfe  und  kein  Be- 
harren  im  Bestehenden  zu  verlangen  sei. 

•  Interpretationen  aus  dem  offentlichen  Dienstrecht  zur  Auslegung 
des  §  9  Abs.  1  JWG  seien  nicht  zulassig.  DieTreuepf licht  der  Beam- 
ten  kbnne  nicht  ftir  die  Jugendverbande  gelten. 

•  Die  Entscheidung,  ob  ein  Trager  der  freien  Jugendhilfe  die  Gewahr 
fur  eine  den  Zielen  des  Grundgesetzes  fbrderliche  Arbeit  bietet, 
sei  auf  Grundlage  des  Gesamtbildes  der  Organisation  oder  Einrich- 
tung  zu  treffen. 

Das  hat  das  VG  Hamburg  aber  ebenso  wenig  geleistet  wie  die  Hambur- 
ger Jugendbehorde.  Eine  abschlieBende  Beurteilung  der  Aberkennung 
des  Klagers  sei  daher  nicht  mbglich. 

Das  Bundesverwaltungsgericht  entschied  am  16.2.78,  daS  ein  abschlies- 
sendes  Urteil  nicht  moglich  sei,  weil  eben  dieses  "Gesamtbild"  der 
Organisation  nicht  vorliege,  und  hat  die  Sache  zuriickverwiesen  an 
das  Oberverwaltungsgericht  in  Hamburg,  und  zwar  zur  erneuten  Tatsa- 
chenverhandlung  im  Sinne  einer  "Gesamtwiirdigung"  des  Verbandes. 
Damit  ist  zwar  das  Urteil  des  VG  Hamburg  aufgehoben,  aber  so  gliick- 
lich  sind  wir  mit  diesem  Urteil  nicht.  Seit  der  Aberkennung  sind  nun 
drei  Jahre  verstrichen  und  der  ProzeB  kostet  ernorra  viel  Zeit  und 
Geld.  U.a.  hat  die  Aberkennung  der  Fbrderung  dazu  beigetragen,  die 
politischen  Aktivitaten  des  RBJ  fast  total  einzuschranken.  Uns 
ware  es  lieber  gewesen,  beschieden  zu  bekommen,  dafi  die  kritisierten 
XuSerungen  des  RBJ  (siehe  Kasten)  durch  Art.  5  GG  und  JWG  §  9 
Abs.  1  gedeckt  sind.  Das  Bundesverwaltungsgericht  und  auch  der  Ober- 
bundesanwalt haben  sich  um  eine  solche  Entscheidung  gedriickt,  nicht 
zuletzt  wohl  deshalb,  weil  eine  Entscheidung  sowohl  fiir  als  gegen 
den  RBJ  in  der  augenblicklichen  Situation  der  Diskussion  um  den  Ju- 
gendhilfegesetz-Entwurf  ein  politisch  heiSes  Eisen  ware. 

Uns  liegt  die  schriftliche  Begrundung  des  Urteils  noch  nicht  vor. 
gobald  wir  diese  haben,  werden  wir  eine  ausfiihrlichere  Analyse  geben. 

-  95  - 


damm-fege  Hitner  kahlmaas 
nowrki  ■  rabatsch  ■  schon 

jugendpolitik 
in  der  krise 


repressm  und  widerstand  in 
jugendfuisorge  jugendverbanden 
jugendzentien  •  heimemehung 


Es  erscheint  mehr  denn  je 
notig,  verkiirzte  Vorstel- 
lungen  iiber  Resignation, 
Apathie,  Gleichgiiltigkeit, 
Desinteresse  und  Aggres- 
sion bei  Jugendlichen  zu 
iiberdenken  -  waren  darin 
doch  immer  Formen  von 
Widerstand,  Gegenwehr, 
Verweigerung  als  Reaktio- 
nen  auf  Verschlechterungen 
ihrer  Lebensverhaltnisse 
enthalten. 

Den  Titel  JUGENDPOLITIK 
IN  DER  KRISE  -  im  doppel- 
ten  Sinn  von  Wirtschafts- 
krise  und  Krise  der 
Jugendpolitik  -  versuchen 
die  Beitrage  dieses  Buchs 
zu  konkretisieren.  Exem- 
plarisch  werden  Moglich- 
keiten  und  Wirklichkeit 
relevanter  Bereiche  der 
Jugendhilfe  untersucht: 


-  Willi  Kahl,  Wirtschafts- 
krise  und  Jugendpolitik 

-  Udo  Maas,  Zur  politi- 
schen  E ins chat zung  von 
Jugendarbeitsschutzgesetz 
und  Berufesbildungsgesetz 

-  Michael  Nowicki,  Staats- 
gewalt  und  Jugendpolitik 

-  DietheM  Damm/Bernhard 
Schon,  Repression  gegen 
Jugendzentren 

-  Damm/Fiege/Hubner, 
Repression  und  Widerstand 
in  Jugendverbanden 

-  Manfred  Rabatsch, 
Jugendfiirsorge  in  der 
Bundesrepublik 

-  Barbara  und  Axel  Hiibner 
Zur  Wiedereinfiihrung  ge- 
schlossener  Heime  in 
Hessen 

216  Seiten,  DM  9,80 

Bestellungen  bei: 

VERLAG 

JUGEND  UND  POLITIK 

Hamburger  Allee  49 

6000  Frankfurt  a.  M.  90 


Waltraud  Maas,  Ludwigshafen 

HONORARKRAFTE  SIND  NICHT  VOLLIG  RECHTLOS!! 


Durch  Urteil  des  Landesarbeitsgerichtes  (LAG)  Rheinland-Pfalz  steht 
nun  rechtskraf tig  test,    daB  es  sich  bei  Honorarkraften  (HK) ,  die 
als  "freie  Mitarbeiter"  auf  der  Basis  von  Honorarvereinbarungen  ein- 
gesetzt  werden,  um  Arbeitnehmer  im  Sinne  des  Arbeitsrechtes  handelt. 


1.  ZUR  SITUATION  VON  HONORARKRAFTEN 

In  sehr  vielen  Stadten  wird  ein  GroBteil  der  Jugendarbeit  von  soge- 
nannten  HK  getragen,  die  vorwiegend  in  Jugendf reizeitstatten,  in  der 
Erziehungsberatung,  in  Spielwohnungen  und  auf  Abenteuerspielpiatzen 
eingesetzt  werden. Honorarkraf te  sind  sowohl  Leute,  die  sich  noch  in 
einer  Ausbildung  befinden,  als  auch  ausgebildete  Sozialarbeiter,  Pa- 
dagogen  und  Psychologen.  Durch  die  steigende  Zahl  der  Arbeitslosen 
-  gerade  auch  in  den  sozialen  Bereichen  -  bedeutet  diese  Tatigkeit 
fur  viele  die  einzige  Absicherung  ihrer  materiellen  Existenz. 
Oblicherweise  haben  Honorarkraf  te  eine  "Vereinbarung  fiir  freie  Mitar- 
beiter" unterschrieben,  die  auf  der  einen  Seite  keinerlei  Rechte 
fiir  die  Honorarkraf  te  beinhaltet  und  auf  der  anderen  Seite  auch  die 
Klausel  enthalt,  daB  durch  die  Tatigkeit  als  Honorarkraft  ein  Arbeits 
verhaltnis  nicht  begriindet  ist.  Der  Einsatz  von  Honorarkraf  ten  hat 
fiir  die  Stadt  inf olgedessen  zwei  entscheidende  Vorteile: 
•  Honorarkraf te  sind  weitaus  billiger  als  fest  angestellte  Mitarbei- 
ter. Sie  erhalten  je  nach  Vorbildung  ein  bestimmtes  Stundenhonorar , 
wobei  der  Stadt  keine  weiteren  Unkosten  entstehen;  denn  Honorarkraf- 
te  haben  nach  den  Vertragen  weder  Anspruch  auf  Sozialversicherung 
(d.h.  keine  Renten-  und  Arbeitslosenversicherung)  noch  einen  Ver- 
giitungsanspruch  fiir  Urlaub,  Fortbildung,  Feiertage  oder  fur  den 
Krankheitsfall. 

a  Honorarkrafte  haben  keinen  Kiindigungsschutz,  d.h.  politisch  unbe- 
queroe  Honorarkrafte  konnen  kurzfristig  entlassen  werden. 


2  ZUSTANDEKOMMEN  DES  OBEN  GENANNTEN  URTEILS  DURCH  KLAGE 
GEGEN  DIE  STADT  LUDWIGSHAFEN 

Ab  November  1976  war  ich  zusammen  mit  3  anderen  Honorarkraften  in 
einer  Jugendeinrichtung  der  Stadt  Ludwigshafen  tHtig.  Aufgrund  unse- 

es  Versuches,  zusammen  mit  den  Jugendlichen  auf  die  dort  herrschen- 
Aen   Miflstande  aufmerksam  zu  machen  und  diese  abzuandern,  kam  es  zu 
Auseinandersetzungen  mit  der  Stadt.  Der  Jugendraum  wurde  daraufhin 
eeschlossen,  und  alle  Honorarkrafte  wurden  am  24.3.77  fristlos  ent- 
lassen. Da  es  in  diesem  Bericht  um  die  Situation  von  Honorarkraften 

eht,  mochte  ich  nicht  naher  auf  die  Entstehung  und  Zuspitzung  des 
Konf liktes  zwischen  der  Stadt  und  dem  Jugendclub  eingehen. 


-  97 


Nach  unserer  Kiindigung  reichte  ich  zusammen  mit  einem  betroffenen  Kol- 
legen  Klage  beim  Arbeitsgericht  Ludwigshafen  ein,  urn  zum  einen  die 
Aufhebung  der  fristlosen  Kiindigung,  und  zum  anderen  die  Feststellung 
eines  Arbeitsverhaltnisses  von  Honorarkraften  zu  erwirken.  Der  Klage 
wurde  vom  Arbeitsgericht  stattgegeben,  woraufhin  die  Stadt  beim  Lan- 
desarbeitsgericht  in  Mainz  Berufung  einlegte.  Dort  fand  am  23.2.78 
die  Verhandlung  statt,  das  Urteil  wurde  mir  jedoch  erst  jetzt  in 
seinen  Entscheidungsgriinden  bekanntgegeben.  Das  Beruf ungsgericht  hat 
zwar  die  Klage  gegen  die  fristlose  Kiindigung  abgewiesen,  aber  gleich- 
zeitig  die  Arbeitnehmereigenschaf t  von  Honorarkraften  festgestellt. 
Dies  ist  ein  wichtiger  Inhalt  des  Urteils,  der  interessant  ist  fur 
alle  Honorarkrafte,  da  dies  eine  grundlegende  Verbesserung  ihrer  Si- 
tuation bedeuten  kann. 


3.  GEGEBENHEITEN,  DURCH  DIE  EIN  ARBEITSVERHALTNIS  BEGRtJNDET  IST 

Fur  die  rechtliche  Bewertung  des  Vertragsverhaltnisses  ist  es  ohne 
Bedeutung,  was  man  nun  in  dem  "Vertrag  fiir  freie  Mitarbeiter"  unter- 
schrieben  hat,  es  kommt  vielmehr  darauf  an,  ob  die  Art  der  Tatigkeit 
der  eines  Arbeitnehmers  entspricht.  An  dieser  Stelle  ist  einzufugen, 
dafi  uns  die  OTV,  in  der  wir  Mitglied  sind,  keinen  Rechtsschutz  ge- 
wahrt  hat.  Wortliches  Zitat  aus  einem  Schreiben  des  Rechtsschutzse- 
kretariats  der  OTV  in  Speyer  vom  5.5.77:  "Es  ist  immer  eine  prekare 
Angelegenheit,  wenn  man  zunachst  mit  allem  einverstanden  ist  und 
im  nachhinein  von  seiner  unterschrif tlich  erklarten  Zustinmung  ab- 
weichen  mochte."  In  dieser  Haltung  kommt  die  Verflechtung  zwischen 
Arbeitgeber  und  Gewerkschaft  zum  Ausdruck:  der  Oberbiirgermeister  der 
Stadt  Ludwigshafen  ist  Mitglied  der  OTV,  und  der  fiir  unsere  Kiindigung 
verantwortliche  Stadtjugendpf leger  Nitsch  ist  Vorsitzender  der  So- 
zialarbeitergruppe  der  OTV. 

Aus  dem  Urteil  des  LAG  geht  jedoch  hervor: 

Fiir  die  Abgrenzung  zwischen  Arbeitsverhaltnis  und  freiem  Dienstver- 
haltnis  kommt  es  weder  auf  die  wirtschaf tliche  Abhangigkeit  an,  noch 
darauf,  ob  die  Tatigkeit  haupt-  oder  nebenberuf lich  ausgeubt  wird, 
maflgeblich  ist  vielmehr  die  personliche  "Abhangigkeit  des  Dienstlei- 
stenden  von  einem  Dienstherrn.  Die  personliche  Abhangigkeit  ergibt 
sich  zum  einen  aus  der  Weisungsgebundenheit  und  zum  anderen  aus  der 
Eingliederung  in  den  Betrieb  d.h.  vorgegebene  Arbeitszeit,  Bestim- 
mung  des  Arbeitsortes  und  keine  vb'llig  freie  Gestaltungsmoglichkeit 
der  Art  und  des  Umfanges  der  Arbeitsleistung". 

In  unserem  Fall  wurde  noch  als  wesentlicher  Umstand  die  Tatsache  an- 
gefiihrt,  daB  wir  im  Rahmen  staatlicher  Leistungsverwaltung  tatig  wa- 
ren,  d.h.  uns  waren  Aufgaben  ubertragen,  zu  deren  Ausfiihrung  die 
staatlichen  JugendSmter  gemafi  dem  Jugendwohlf ahrtsgesetz  verpflich- 
tet  sind.  "Anders  als  bei  Volkshochschulen  sind  in  der  Jugendarbeit 
standige,  gesetzlich  festgelegte  staatliche  Aufgaben   zu  erfiillen, 
die  nicht  von  der  Nachfrage  der  Bevolkerung  abhangig  sind.  Die  Ta- 
tigkeit ist  auf  Dauer  angelegt  und  in  der  Aufgabenstellung  der  staat- 
lichen Jugendamter  indiziert." 

Alle  Honorarkrafte,  bei  denen  ahnliche  Bedingungen  vorliegen,  soil- 
ten  sich  zusammentun  und  in  den  einzelnen  Stadten  Arbeitskreise  bil- 
den,  urn  ihre  Situation  zu  diskutieren  und  um  sich  mbgliche  Vorgehens- 
weisen  zu  uberlegen.  So  konnten  sie  zum  Beispiel  eine  gemeinsame  Sta- 


98 


LEHRERKALENDER  1978/79 

Auch  fur  das  neue  Schuljahr  gibt  es  ihn 
wieder:  den  praktisch-padagogischen, 
politisch  nicht  abstinenten,  aber  auch 
witzigen  Lehrerkalender:  mit  Notizen 
zum  Verhaltnis  von  AUtag,  Schule  und 
Erziehung,  mit  konkreten  Anregungen 
fur  den  Unterricht,  aber  auch  mit  vielen 
Daten  zur  taglichen  Repression. 
Der  LK  ist  Gebrauchsbuch  und  Polit- 
kaleidoskop  zugleich  -  er  soil  Mut  ma- 
chen,  auf  Einschiichterungen  wieder  so- 
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MEIN  STBAPRAUM  1ST 

60RLEBEN 


tusklage  anstreben,  durch  die  ihre  Arbeitnehmereigenschaf t  festge- 
stellt  werden  soil.  Sie  kb'nnen  zumindest  Anspriiche  geltend  machen 
auf  Vergiitung  derjenigen  Stunden,  die  wegen  der  Feiertage  ausgefal- 
len  sind,  auf  bezahlten  Urlaub,  sowie  auf  Lohnfortzahlung  im  Krank- 
heitsfall. 

Die  Urteile  konnen  bei  den  Gerichten  angefordert  werden:  Arbeitsge- 
richt  Ludwigshafen,  Berlinerstr.  10,  Geschaftszeichen:  3  Ca  656/77 
und  Landesarbeitsgericht  Rheinland-Pfalz  Mainz,  Ernst-Ludwigstr.  1, 
Geschaftszeichen:  k   Sa  439/77. 

Wer  noch  bestinmte  Informationen  mochte,  kann  sich  auch  an  mich  wen- 
den:  Waltraud  Maas,  Seydlitzstr.  15,  67  Ludwigshafen. 


STELLENSUCHE 


I  Wir,  Sozialarbeiterpaar  (27  u.  30  J)  und  8  Kinder  (8-14  J.)  suchen 
2  Erzieher/Sozialarbeiter  (Paar?  ),  die  mit  uns  zusammenleben  und  arbeiten 
mochten  und  Erfahrung  und  Engagement  mitbringen.  Hermann  Strohmeier, 
Schlosserstr.  9,  49  Herford 

i  Sozialpadagoge(in)  gesucht  von  einem  Team,  das  mit  jungerwachsenen 
Mannern,  die  unter  Bewahrung  stehen  oder  aus  der  Haft  entlassen  sind, 
arbeitet.  Anfragen:  Sudau-Haus,  Greifenbergerstr.  50,  2  Hamburg  73, 
Tel.:  040/6476845 

>  Sozialarbeiter,  nicht  ortsgebundcn,  sucht  ab  Dezember  1978  Arbeitsstelle 
(auch  halbtags)  im  extramuralen  sozialpsychiatrischen  Bereich. 
Praxiserfahrung  vorhanden.  Angebote  unter  Chiffre  7/23 

i  Sozialpadagogin  (24)  sucht  interessante  Tatigkeit  im  Bereich  Jugendarbeit 
Raum  Ruhrgebiet.  Ellen  Hombergen,  Bottcherstr.  30,  4272  Kirchhellen 

|  Sozialpadagogin  sucht  Jahrespraktikantenstelle  zum  1.10.78  oder  spater 
im  Raum  Frankfurt/Darmstadt  im  Bereich  vor-  oder  auBerschulischer 
Erziehung,  Gesundheitswesen.  lrmgard  Gerlach,  Sandbergstr.  53, 
61  Darmstadt 

Sozialarbeiterin  sucht  ab  1.10.  fur  ein  halbes  Jahr  Praktikumsstelle  fiir 
das  Anerkennungsjahr  im  Bereich  Hort,  KinderUgesstatte  oder  Farailien- 
fursorge  im  Raum  DO,  HB.  E;  Marga  Boucher,  Sandbergstr.  53, 
61  Darmstadt 

Sozialpadagoge  sucht  ab  1.9.  Stelie  als  Zivildienstleistender  (mdglichst 
in  Verbindung  mit  Anerkennungsjahr)  im  sozialpadagogischen  Bereich 
im  Raum  DO,  HB,  E;  Michael  v.  Knobloch,  Heidelbergerstr.  83, 
61  Darmstadt 

Sozialpadagogin  (grad.  und  dipl.)  sucht  Arbeitsplatz  in  Berlin  im  Bereich 
Heimerziehung,  Hort  oder  Sozialpsychiatrie.  Renate  Fetzke,  Schwabstr.12/1 
74  Tubingen 

Sozialpadagogin,  29,  sucht  ab  September  1978  Alternativprojekt  im  Raum 
Heidelberg  (Randgrupperurbeit);  Gisela  Figge,  Miihrenkamp  48 
433  Muhlheim 

Erzieherin,  26  sucht  Stelie  in  Eltern-Kind-Gruppe 
nicht  ortsgebundcn;  Telf.  o5231/  2757o 


J 


Monika  Jaeckel,  Miinchen 

VEREIN  FOR  SOZIALWISSENSCHAFTLICHE 
FRAUENFORSCHUNG/-PRAXIS  GEGRDNDET 


Am  11. /12.  Februar  1978  fand  in  Darmstadt  bereits  die  3.  Konferenz 
von  Sozialwissenschaftlerinnen  statt,  die  sich  auf  dem  18.  Deutschen 
Soziologentag  1976  in  Bielefeld  organisiert  hatten.  Nachdem  auf 
der  1.  und  2.  Konferenz  vorwiegend  neue  Ansatze  einer  f eministischen 
Theorie  und  emanzipatorischen  Praxis  von  Frauenf orschung  sowie  die 
dazu  notwendigen  methodischen  Ansatze  diskutiert  wurden,  standen 
beim  Darmstadter  Treffen  in  erster  Linie  Fragen  der  Organisation 
im  Vordergrund. 

Das  Plenum  beschloB  die  Griindung  des  Vereins  "Sozialwissenschaf tli- 
che  Forschung  und  Praxis  fiir  Frauen  e.V.".  Ziel  dieser  Organisation 
ist  es,  interdisziplinare  Forschung, Lehre  und  Praxis  auf  nationaler 
und  internationaler  Ebene  durch  wissenschaf tliche  Diskussion,  Koor- 
dination  von  Projekten,  Inf ormationsaustausch  und  Veroff entlichun- 
gen  zu  fordern. 

Frauen  haben  inzwischen  reichhaltige  und  differenzierte  Erfahrungen 
in  der  praktischen  Arbeit  mit  Frauen  gemacht.  Sie  haben  VHS-Kurse, 
Familienbildungsurlaub,  Frauenumschulungsprojekte,  Stadtteilfrauen- 
treffen  und  Beratung,  madchenspezif ische  Ansatze  in  Jugendf reizeit- 
heimen  und  in  Schulen  etc.  durchgef iihrt .  An  verschiedenen  Universi- 
taten,  PH1 s  und  FH's  werden  seit  Jahren  Frauenseminare  veranstaltet , 
in  denen  versucht  wird,  die  Problematik  der  Frauenemanzipation  in 
die  mannlich  beherrschte  Hochburg  des  etablierten  Wissenschaf tsbe- 
triebs  hineinzutragen.  In  zunehmendem  MaBe  wird  die  Frauenfrage  Ge- 
genstand  von  Diplom-  und  Doktorarbeiten.  Trotz  der  groBen  Bandbrei- 
te  dieser  Erfahrungen  fehlt  den  Frauen  ein  intensiver  und  koordinier- 
ter  Erfahrungsaustausch,  eine  kritische,  kollektive  Reflexion  der 
vorhandenen  Ansatze,  eine  systematische  Analyse  und  Theoriebildung 
und  daher  eine  weiterf iihrende  und  allgemeine  politische  Strategie 
zur  Frauenbef reiung. 


Der  Verein  hat  folgende  Ziele: 

(  er  will  ein  Verstandnis  von  Frauenf orschung  dure 
als  emanzipatorische  Forschung  versteht,  d.h.  ei 
schung,  das  nicht  bei  der  Analyse  von  BewuBtsein 
bleibt,  sondern  von  der  elementaren  Veranderung 
Situation  der  Frauen  ausgeht.  Das  bedeutet,  daB 
schen  Frauen  als  Wissenschaf tlerinnen  und  Frauen 
von  Wissenschaft  inhaltlich  und  methodisch  tende 
werden  muB.  Erst  wenn  wir  den  widersprLichlichen 
aller  Frauen  (namlich:  verantwortlich  zu  sein  fu 
sellschaf tliche  Reproduktion  bei  gleichzeitiger 
Entwertung  dieser  Arbeit)  durch  Praxis  und  Fors 
meine  BewuBtsein  heben,  konnen  wir  die  bisherige 


hsetzen,  das  sich 
n  Konzept  von  For- 
sinhalten  stehen- 
der  unterdriickten 
die  Trennung  zwi- 

als  Gegenstand 
ntiell  aufgehoben 
Lebenszusammenhang 
r  die  gesamtge- 
gesellschaf tlicher 
chung  ins  allge- 

Aufarbeitung  des 


101 


eigenen  Leidens  und  die  Analyse  unserer  -  an  mannlichen  MaBstaben 
gemessenen  -  defizitaren  Lebenssituation  in  eine  offensive  Strate- 
gic umwenden; 

•  durch  den  Zusammenschlufi  in  diesem  Verein  sollen  unsere  beruf li- 
chen Interessen  wirkungsvoller  durchgesetzt  werden.  Beruf liche  Dis- 
kriminierungen  von  Sozialwissenschaf tlerinnen  -  dazu  gehoren  alle 
Disziplinen,  die  sich  mit  Gesellschaf tswissenschaft  befassen  -  und 
in  den  Praxisfeldern  arbeitenden  Frauen  miissen  offentlich  gemacht 
werden,  ebenso  die  Verweigerung  von  feministischen  Forschungspro- 
jekten  und  Lehrinhalten.  Wir  werden  uns  Strategien  zur  Beseitigung 
der  Diffamierungen  und  Unterdriickungen  von  Frauen  erarbeiten. 

•  der  Verein  ist  die  Voraussetzung  fur  eine  Organisation,  die  die 
Isolierung  der  Frauen  in  der  Wissenschaft  und  in  den  sozialwissen- 
schaftlichen  Praxisfeldern  aufhebt.  Geplant  ist  der  Aufbau  eines 
Frauenarchivs,  eines  Informationsdienstes  fiber  laufende  und  geplan- 
te  Projekte,  iiber  angebotene  Stellen.  Geplant  ist  eine  Zeitschrift 
als  Forum  fur  unseren  wissenschaf tlichen  Diskussionszusammenhang 
und  Erfahrungsaustausch; 

•  der  Verein  will  prinzipiell  interdisziplinare  Forschung  fordern, 
da  Frauenforschung  und  -praxis  sicb  nicht  in  gangige  Disziplinen 
und  Berufs.zweige  einordnen  lassen.  Hierzu  gehort  auch  der  Erfah- 
rungsaustausch und  die  Schwerpunktbildung  spezieller  Beruf sgruppen. 

Das  alles  erfordert  die  aktive  Mitarbeit  moglichst  vieler  Frauen. 
Als  nachste  Schritte  sind  geplant: 

1.  Einrichtung  regionaler  Arbeitskreise.  In  Munchen  und  Bielefeld 
arbeiten  bereits  Gruppen; 

2.  Informationsaustausch  durch  Aufbau  des  Frauenarchivs  (in  Dort- 
mund ist  bereits  ein  Anfang  gemacht)  und  Verbreitung  der  bereits 
erarbeiteten  Materialien; 

3.  ein  KongreB  zum  Thema  "Feministische  Theorie  und  Praxis  in  sozia- 
len  und  padagogischen  Beruf sfeldern"  vom  24.-26.  November  78 

in  K81n. 


"FEMINISTISCHE  THEORIE  UND  PRAXIS  IN  SOZIALEN  UND 
PADAGOGISCHEN  BERUFSFELDERN". 

Geplant  ist  ein  Arbeitstreffen  von  Frauen,  die  feministische  Inhal- 
te  in  ihrer  Berufspraxis  umzusetzen  versuchen. 

Emanzipatorische  PraxisansStze  in  der  Madchen-  und  Frauenarbeit  wer- 
den xm  Rahmen  von  Gemeinwesen-  und  Stadtteilarbeit,  im  Beratungsbe- 
reich,  in  der  Eltern-  und  Erwachsenenbildung,  in  Jugendf reizeitpro- 
jekten,  im  Kindergarten  und  in  der  Schule  etc.  inzwischen  an  vielen 
Stellen  entwickelt. 

Oft  fehlt  es  den  einzelnen  Frauen  oder  Gruppen  mit  ihren  Versuchen 
Sozial-  Oder  padagogische  Arbeit  an  den  BedUrfnissen  und  Interessen 
von  Frauen  und  Madchen  auszurichten,  an  Konmunikationsmbglichkeiten 
mit  anderen,  die  Ahnliches  versuchen. 

Der  KongreB  soil  Gelegenheit  geben  zum  intensiven  Erfahrungsaustausch 
aus  der  Vielfalt  f emimstischer  Berufspraxis. 


-  102  - 


Einige  sich  schon  abzeichnende  Themenschwerpunkte: 

•  Prinzipien   f eministischer  Padagogik 

(Parteilichkeit  fiir  Madchen  versus  "Gleichbehandlung",  Sensibili- 
sierung  fiir  die  "unauf falligen"  madchenspezif ischen  Widerstands- 
formen  versus  einer  Padagogik,  die  sich  an  Auf f alligkeit/Storen/ 
Kultur  der  Lauten  ausrichtet  etc.) 

•  Feministische  Einschatzungen  und  Strategien  gegeniiber  herrschender 
Familienpolitik 

•  Die  geschichtliche  Entwicklung  und  Funktion  von  Sozialarbeit  als 
Vergesellschaftung  der  Frauenrolle/Professionalisierung  von  Haus- 
arbeit.Probleme  zwischen  Sozialarbeiterinnen/Erzieherinnen  einer- 
seits  und  Miittern,  Sozialhilfeempf angerinnen  andererseits  etc. 

•  Mutter-Kind-Bundnis  als  Basis  fiir  gesellschaf  tlichen  Widerstand 
Einschatzung  der  Widerstandsmbglichkeiten  im  Reproduktionsbereich 

•  Ansatze  einer  handlungsbezogenen  Bildungsarbeit  mit  Frauen 


•  Feministische  Forschungsmethoden 

Prinzipien  und  Durchsetzungsstrategien  von  an  der  Praxis  orientier- 
ter  feministischer  Forschung 

Die  Themen  sind  hervorgegangen  aus  dem  praktischen  und  theoretischen 
Zusammenhang  aktueller  Projekte,  werden  also  im  Zuge  einer  breiten 
Beteiligung  von  Frauen  an  dem  KongreB  auch  ihre  Erweiterung  finden. 
Der  KongreB  soil  am  Freitag,  den  24.11  abends  mit  mehreren  parallel 
laufenden  Vortragen  beginnen,  am  Samstag,  den  25. 11.  mit  vorbereite- 
ten  Arbeitsgruppen  (Thesenpapiere/Ref erate/detailliert'e  Praxisberich- 
te)  zu  einzelnen  Fragestellungen  fortgefiihrt  werden  (abends  natiirlich 
ein  rauschendes  Frauenfest),  und  am  Sonntag,  den  26.11.  mit  der  er- 
sten  ordentlichen  Mitgliederinnenversammlung  des  Vereines  "Sozial- 
wissenschaf tliche  Forschung  und  Praxis  fur  Frauen  e.V.",  auf  der 
iiber  Sinn  und  Zweck  des  Vereins,  Zielsetzung  und  Vorgehensf ragen  dis- 
kutiert  werden  soil,  schlieflen.  (Wer  mochte  ist  aufgerufen,  dem  Ver- 
ein beizutreten). 

Frauen,  die  Interesse  haben,  eigene  Praxis-  oder  Forschungsansatze 
darzustellen  und  mit  anderen  zu  diskutieren,  sollen  ihre  Beitrage 
bis  zum  30.  September  anmelden  (kurze  Inhaltsangabe,  angeben  ob  Vor- 
trag  oder  Arbeitsgruppenbeitrag). 

Alle  interessierten  und  engagierten  Frauen  sind  herzlich  eingeladen. 
Wir  wollen  mit  unserer  beruflichen  Konmunikation  und  Organisierung 
beginnen! 

Koordination  der  Beitrage  fiir 


Kontaktadresse  des  Vereins: 

Cr  Carola  Moller  den  KongreB: 

Herwarthstr.  22  Monika  Jaeckel  c/o 

Deutsches  Jugendinstitut 
Saarstr.  7.  8000  Miinchen  40 
Tel.  089-38183239 


5000  Koln  1 
Tel.-:  0221-731037 


-  103 


JUGENDPOLITISCHES  FORUM 

ZUM  6.  DEUTSCHEN  JUGENDHILFETAG 

Gruppen  und  Initiativen,  die  am  6.  DJHT  vom  o   ini    («  ra 
und  Sich  aufgrund  ihrer  Alltagserfa bingiTZ  j'jLnd Z^^^ 
|der  Jugcndpolifk  des  biirgerlichen  Staafes  ,usdZeLZn    haben       h   "* 
einem  Jugendpolitischen  Forum  zum  6.  Deutschen  Wendhil'f  ,  *" 

geschlossen.  "eutschen  Jugendhilfetag  zusammen- 

Mittlerweile  haben  zwei  Vorbereitunestreffen  i„  v.  i      .  c     _, 

die  Moglichkei.en  genauerer  VoST.1  f  stattgefunden,  auf  denen 

ku,ierl  wurde,  Die  VomE^S^  Z^ZT^^T^  ^ 

ten"  und  zu  3£S£KK^^% 

zum  geplanten  jugendhilfetag,  siehe  "links"  Nr    97  "eJlungnahine 

In  offenen  Briefen  v.   16.4    und  11  6    an  Hip  An  a       t     a 

eincr  s.Hrtrpr,.,,  p  ,     i-  AGJ  wurden  Forderungen  nach 

Xn  F  ,       J  ,gUng  V°n  Betroffen™  »"d  der  Gruppen  des  Jugendpoliti- 

•chen  Forums  be,  den  geplanten  Veranstahungen  artikuliert.  P 

'  Offenen  r"  "'^T"  "^  ^  «**  V°"  der  AGJ  Portulicrte  Prinzip  eines 
spieleln  darUfge      H      UgCSu   **  "^  ™  im  "Markt  dcr  Jugendhilfe"  wider- 
sp.egeln  darf   sondern  auch  inhaltlich  in  den  zentralen  Veranstahungen.  Ob  die 

A,V,,         A        Bundcsregieru«g  aus  Angst  vor  den  zu  erwartenden  inhaltliehen 
Ause.nandersetzungen  in  letzter  Minute  nicht  doch  noch  von  dem  Prinzip 
Oflencr  Jugendhilfetag"  abweichen  werden,  wird  sich  zeigen  miissen. 

«.ni;?encPu       SChe/0rUm  WM  auf  J'eden  Fa»  seine  Vorbereitungen  und  die 
geplanten  Schntte  offentlich  machen.  Dies  erfolgt  u.a.  durch  eine  regelmafiige 
Bcncnterstattung  ,n  pad.extra  Sozialarbeit  (erscheint  monatlich);  iiber  die  Redak 
tion  lautt  auch  die  zentrale  Koordination.-  Jugendpolitisches  Forum 

c/o  pad.extra  Sozialarbeit,  Postfach  119086,  6  Frankfurt. 

Gruppen,  Initiativen  und  einzelne,  die  sich  an  den  Vorbereitungen  beteiligen 

wollen,  wenden  sich  an  die  jeweilige  Kontaktadresse: 

mfmp8i6EllVii7G:  Ma"fred  RabatSCh'  Gro6b^e„str.  56a,  1  Berlin  61, 

JUGENDHILFERECHT:  Stefan  Peil,  FHS  K6I„,  Fachbereich  Sozialarbeit, 
Honnmger  Weg  115,  5  Koln  51,  0221/32  73  51 

LR^I°N  IM  SOZIALBEREICH:  Arbeitsfeld  Sozialarbeit,  Postfach  591, 
605  Offenbach,  0611/83  25  93 

JUfinr,NnDp  EN,TfREN.;  W°'fgang  HatSChCr'  C/°  BDP  H«s™.  Hamburger  Allee  49, 
6000  Frankfurt/Main  90,  0611/77  90  10 

KlNc?^1N£1AlIVfE?:~  Westb"lin"  Kindertage  -  Vorbereitungsgruppe 

a/KSSKSKS* K6nigstraflc  43'  J00° Berlin  3^ 

OT^lJU4?E0N3D0?6R0f4I0T21,anfred  ^^  »™  *«  "*"'  ^"^  5° 

Das  nachste  Vorbereitungstreffen  findet  am  2S./24.  September  in  Koln  statt. 

Protokolle  der  heiden  Vorbereitiin»«trpff»„  ..    j  j- 

a       .  '"""-reitungstrellen  und  die  offenen  Br  efr  an  dip  API 

werden  Interesscnten  geeen  Vor.insendim,,  .,        ^..  ""L"cn  DrI£IC  ^  die  AOJ 

Soz.a.arbeU  ,m  ~^£Z£22lg?£  SSg^ZL.