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Full text of "Informationsdienst Sozialarbeit (1972 - 1980)"

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wunschen  uns,  daB  der  Info  nicht  nur  gelesen  wird,  so,.--  "h  iten. 
Leser  noch  starker  als  bisher  aktiv  an   seiner  Gestaltung  rmtarre 


MS, 


Wir  wunschen  uns.  HaR  h^v-  inf„  „,-„i.+  „„-i„r„.,  ,.,-ir-H.  sondern 

g  mi  tar 

Der  Info  wird  von  Praktikern  gemacht,  es  sind  keine  Zei tungsprof 
d.h.  wir  mussen  dem  rait  unterschiedlichen  Produktionswei sen  ^ 
tragen,mal  wird  der  Info  von  einer  Srtlichen  AKS-Gruppe  erarbeiv 
(z.B.  Heft  8  "  Reform  und  Reformismus  "),  mal  entsteht  er  aus  "  its- 
Zusammenarbeit  von  Gruppen  und  Einzelnen,  die  sich  aus  einem  firv 
seminar  ergibt  (z.B.  dieses  Heft)  Oder  dokumentiert  den  Diskussi 
prozeB  der  AKS-Gruppen   (z.B.    Heft  16  "Gewerkschaftsarbei t   )•  ht 

Dabei  muB  aber  auch  einkalkul iert  werden,  daB  ein  Heft  einmal  n 
wie  geplant  erscheint.  So  geschehen  mit  dem  Thema  "Altenarbeit  . 
Die  Gruppe,  die  die  Vorarbeiten  und  die  Koordination  iibernenmen 
^e,     war  letztlich  nicht  mehr  arbeitsfahig.  „srhsten 

Damn  ist  aber  das  Thema  nicht  vom  Tisch,  wir  werden  auf  der  nac 
Kedaktionssitzung  iiberlegen,  wie  die  Realisierung  sichergesten 
werden   kann.  u0f- 

Uir  legen  daher  mit  dieser  Ausgabe  eine  Doppelnummer  vor     in  der 
fnung,  daB  die  Beitrage  auf  ein  groBes  Interesse  stoBen- 

uas  nachste  Heft  wird  dann  im  1.    Quartal    1978  erscheinen. 


uns  folgende  Arbeitsschwerpu 


nkte 


Fur  das  1.  Halbjahr  1978  haben  wir 
vorgenommen 

•  ARBEITSSEMINARE 

-  Thema:  Ausbildungssituation 

-  Thema:  Arbeit  in  der  Familienfursorge 

•  INFO  SOZIALARBEIT  -  THEMENSCHWERPUNKTE 

-  Heft  19:  Jugendhilferecht/Auseinandersetzung  mit  unterschied- 

lichen Konzepten  der  politischen  Organisierung 

-  Heft  2o:  Ausbildungssituation 

-  Heft  21:  Familienfursorge 

-  weitere  Themen,  zu  denen  mit  den  Vorarbeiten  begonnen  w1rd"_beit 
Arbeit  mit  Kindern  -  Justiz  und  "Resozialisierung"  -  Altenar 

I  AKTIONEN 

-  Mitarbeit  an  der  SB-Initiative  gegen  kapi talistische  Arbeits- 
platzvernichtung  und  Existenzbedrohung 

-  6     Deutscher  Jugendhilfetag   in  Kbln(im  nachsten  Heft  werden 
dazu  unsere  Einschatzung  und  Vorschlage  fur  die  Vorbereitung 
legen)  a 

Sozial'arh^ten  ?Cht?'  wende  sich  a"  d"  Redaktionskol lektiv  Info 
Oder lllill  Hm  Soz:allstischen  Buro,   Postfach  591,  6o5  Offenbach 
Oder  an  eine  der  nebenstehenden  AKS-Gruppen. 

Redaktionskol lektiv   Info  Sozialarbeit 
15.   November  1977 


-   168 


INFORMATIONSDIENST 


SOZIALARBEIT 


THEMEN:  3 C  h 

•  JUGENDHILFERECHT  * 

*  JUGENDHILFETAG  1978  • 
*  INTERESSEN  UND  ORGANISATION  * 


*  GENUSSFILZE  IM  KAMPF  UM  DIE  ARBEITSPLATZE  • 

•  GEWERKSCHAFTSARBEIT  IN  DEN  KIRCHEN  • 
•  KURZBERICHTE/KLEINANZEIGEN  • 


Dieser  Informationsdienst  Sozialarbeit  wird  im  Sozialistischen  Biiro 
von  Gruppen,  die  im  Sozialisationsbereich  arbeiten,  hcrausgegcben. 
Der  Info  dient  del  Kommunikation  und  Reoperation  von  Genossen,  die  mit 
sozialistischem  Anspruch  im  Feld  der  sozialen  Arbeit  tatig  sind.  Der  Info  enthalt 
neben  einem  Schwerpunktthema  Darsteliungen  Uber  die  Organiaationsmodelle 
und  Basisaktivitaten  aozialistischer  Sozialarbeiter/-padagogen,  Erzieher  etc., 
Kurzberichte,  Informationen  und  Analysen  aus  dem  Sozial-  und  Gewerkschafts- 
bcreich  sowie  Materialien,  Hinweise,  Stellenangebote  und  Kleinanzeigen. 
Folgende  Hefte  sind  noch  lieferbar: 

HEFT    5:    ZUR  ORGANISIERUNG  IM  SOZIALBEREICH  (104  Seiten,  DM  5.--) 

HEFT    7:    JUGENDHILFETAG-SOZIAUSTISCHE  AKTION  (80  Seiten,  DM  4.--) 

HEFT    8:    REFORM  UND  REFORMISMUS  ALS  PROBLEM  PRAKTISCHER 

POLITIK  IN  DER  SOZIALARBEIT  (72  Seiten,  DM  4. -) 
HEFT    9:    SOZIALARBEIT  IN  JUGENDZENTREN  (96  Seiten,  DM  5.--) 
HEFT  10:    KNAST  UND  SOZIALARBEIT  (64  Seiten,  DM  3,50) 

HEFT  1 1 :    INSTITUTIONELLE  PROBLEME  STADTTEILBEZOGENER 
SOZIALARBEIT  (64  Seiten,  DM  3,50) 

HEFT  12:    INSTITUTIONELLE  PROBLEME  STADTTEILBEZOGENER 
SOZIALARBEIT  -  TEIL  II  (80  Seiten,  DM  4.-) 

HEFT  IS:    JUGENDARBEIT  -  JUGENDARBEITSLOSIGKEIT  (96  Seiten,  DM  5.-) 

HEFT  14:    ALTERNATIVE  PSYCHIATRIE  (80  Seiten,  DM  4,-j 

HEFT  15:    STUDIUM  UND  BERUFSPRAKTIKUM  (88  Seiten,  DM  5.-) 

HEFT  16:    GEWERKSCHAFTSARBEIT  IN  DER  OTV  (88  Seiten,  DM  5.--) 

HEFT  17:    KINDERGARTENARBE1T  (96  Seiten,  DM  5.-) 

HEFT  18:    HEIMERZ1EHUNG  (168  Seiten,  DM  8.--) 

Herausgeber:     Sozialistisches  Biiro 

Postfach  591,  605  Offenbach  4 
Verleger:  Verlag  2000  GmbH  Offenbach 

Erste  Auflage:  Februar  1978, 5000  Exemplars 
AUe  Rechte  bei  dem  Herausgeber 
Vertrieb: 


INFO  SOZIALARBEIT,  HEFT  19 


Verlag  2000  GmbH,  Postfach  591,  605  Offenbach  4 
Postscheck  Frankfurt  Nr.  61041  -  604 


Preis: 


Einfachnnmmer  DM  6.- 
bei  Abnahme  von  mind.  10  Stiick  20  %  Rabatt 
Weiterverkaufer  (Buchladen,  Buchhandel)  40  %  Rabatt 
jeweils  zuziiglich  Versandkosten 

Das  Info  kann  auch  im  Abonnemcnt  bezogen  werdcn.  Bezugsgebtihren  fiir 
das  Jahr  1978  (Heft  19  -  22)  DM  15.-  und  DM  2,80  Versandkosten 

Verantwortlich:  Redaktionskollektiv  Info  Sozialarbeit 
Presserechtlich  verantwortlich:  Giinter  Pabst,  Offenbach 

Beilagen:  Russell-Unterstiitzungsaufruf :  Prospekt  Wohlthat'sche  Buchhandlung; 
Einladung  Fafii-Seminar  - 

Titclbild:  Marie  Marcks  aus  "Ich  habe  meine  Bezugsperson  verloren" 
Druck:  hbo-Druck  Einhausen 


INHALT 

Vorbsmeckung  zu  dieser  Ausgabe  Seite     3 

Benno  Hafeneger/Herbert  Swoboda,  Frankfurt 

"Im  Westen  Deutschlands:   Nichts  Neues" 

Zum  Referentenentwurf  des  Jugendhilfegesetzes  Seite     5 

JLirgen  Fiege/Herbert  Swoboda,  Frankfurt 

Verwissenschaftl ichung  und  Padagogisierung  - 

Diszipl inierungsinstrumente  der  Jugendverbandsarbeit  Seite  15 

Arbeitsfeld  Sozialarbeit 

Jugendhilfetag  - 

Die  Alltagsreal itat  in  den  Mittelpunkt  stellen  Seite  25 

Horst-Dieter  Zahn,  Offenbach 

Gewerkschaftsarbeit  in  den  Kirchen  Seite  31 

Peter  Dammarin,  Hamburg 

Jugend-  und  Bundnispol iti k  des  KB 

am  Beispiel   des  RBJ  Seite  39 

AKS  Westberlin 

Organisierung  als  ProzeB  - 

Eine  Antwort  an  Helga  Karl  Seite  57 

Fachgruppe  Sozialpadagogik,  "Tubingen 

Zur  Landwehr-Wedekind-Kontroverse  im  Info  Heft  16  Seite  75 

Edgar  Weick,  Frankfurt 

Berthold  Simonsohn  zum  Gedenken  Seite  83 

Sozialarbei ter  im  Streik  - 

Jugendliche  kampfen  urn  ihr  Jugendhaus  Seite  85 

H.E.   Brand,  Frankfurt 

GenuBfilze  im  Kampf  urn  die  Arbeitsplatze  Seite  89 

Deutschland  ein  Wintermarchen  - 

Diesmal    in  Hof  und  Nurnberg  Seite  93 

Kleinanzeigen  Seite  94 


Auf ruf  zur  Unterstiitzung 
des  RUSSELL-Tribunals 

Das  drille  Internationale  Russell-Tribunal  wird  sich  mit  den  Verhaltnissen  in  der  Bundesrepublik 
Deutschland  beschaftigen,  weil  sich  die  Anzeichen  mehren,  dafi  in  diescm  Lande  Menschenrechte  in 
Gefahr  sind.  Solltc  sich  der  Verdacht  bewahrheiten,  dafi  in  der  BRD  die  Grund-  und  Menschenrechte 
verletzt  werden,  dann  ware  dies  ein  Tatbestand  von  schwerwiegender  Bedeutung,  nichl  nur  fiir  die  Bur- 
ger der  Bundesrepublik. 
Das  Russell- Tribunal  wird  sich  insbesondere  mit  der  Untersuchung  folgender  Fragen  befassen: 

•  Wird  Biirgern  in  der  Bundesrepublik  aufgrund  ihrer  politischcn  Uberzeugung  das  Recht  verwehrt, 
ihren  Beruf  auszuiiben? 

•  Wird  durch  straf-,  zivilrechtliche  Bestimmungen  und  durch  aufien-echtliche  Mafinabmen  Zensur 
ausgeiibl? 

•  Werden  Grund-  und  Menschenrechte  im  Zusammenhang  von  Strafverfahren  ausgehohlt  oder 
eliminiert? 

Politiker  der  Bundesrepublik  werfen  dem  Russell-Tribunal  vor,  es  versuche  eine  unzulassige  Einmi- 
schung  vorn  Ausland  her  in  die  westdeulsche  Politik,  es  beabsichtigc,  die  Bundesrepublik  zu  diffanue- 
ren  und  es  stelle  das  westdeulsche  politischc  System  auf  cine  Stufe  mil  Unrechtsslaalcn.  Tatsiichlich 
heiBt  es  demgegeniiber  in  der  Griindungserklarung  des  Tribunals:  "...  Das  erste  Internationale  Russell- 
Tribunal  wurde  1966  cinbcrufen,  um  Kricgsverbrechen  in  Vietnam  zu  untersuchen.  Das  zweilc  Inter- 
nationale Russell-Tribunal  wurde  1973  einberufen,  um  Menschenrechtsverletzungen  in  Latcinamenka 
zu  untersuchen.  Ergebnisse  und  Wertungen  dieser  Trihunalc  wurden  in  der  OlTentlichkeit  mit  grofler 
Sorgfalt  gepriifl  und  international  als  begrundct  angesehen.  Das  dritte  Tribunal  beschaftigt  sich  mit 
Problemen,  die  von  denen  der  ersten  beiden  sehr  vcrschieden  sind:  mit  denen  einer  politischen  Demo- 
kralie.  Es  wird  hierbei  vom  gleichen  Wunsch  wie  die  beiden  vorangegangenen  Tribunale  getragcn, 
uberall  fiir  die  Menschenrechte  einzutrelen,  und  es  wird  sich  der  gleichen  Priifung  durch  die  offent- 
liche  Meinung  unterziehen  ...  Das  Tribunal  weist  ausdriicklich  darauf  hin,  dafi  es  nichl  nur  Bcschwerden 
uber  Verletzungen  von  Menschenrcchten  horen,  sondem  auch  diejenigcn  einladen  wird,  ihren  Stand- 
punkt  vorzutragen,  die  beschuldigt  werden,  fur  solche  Menschenrechtsverletzungen  vcrantworthch  zu 
scin  ..." 

Der  Einsacz  fiir  die  Vcrwirklichung  der  Menschenrechte  und  das  Aufdeckcn  aller  Formen  der  Verlelzung 
von  Freiheitsrechten  sind  nichl  erst  dann  angcbracht,  wenn  der  Status  der  Rcchtsstaathchkeit  schon 
verlasscn  ist;  Wamungen  und  Understand  kiimen  dann  zu  spat.  Darum  begriifien  und  unterstutzen  wir 
das  Russell-Tribunal,  das  untersuchen  soil,  ob  und  inwieweit  Freiheitsrechte  in  der  Bundesrepublik 
verletzt  werden. 

Dieses  Russell-Tribunal  hat  cntgegen  seinen  Vorgangcm  nichl  die  Aufgabc  vcrbrcchcrische  Machcn- 
schaften  autorilarer  und  halbfaschistischer  Systeme  bekanntzumachen  und  anzuklagcn.  Im  Fade  uer 
Bundesrepublik  muB  es  vielmehr  darum  gehen,  einen  Rechtsslaat,  der  die  republikanischen  r  retheiten 
und  Menschenrechte  in  seiner  Vcrfassung  verankert  hat  und  der  auf  die  sch.cfe  Bahn  geraten  ist,  vor 
dem  Abgleiten  zu  bewaliren.  Es  gilt  hier  also,  den  Anfangen  zu  wehrcn. 

Eine  Verkctzerung  oder  cine  globaie  Verurleilung  der  Bundesrepublik  liegt  nicht  in  der  Absicht ^des 
Russell-Tribunals.  Gerade  aufgrund  der  Erfahrungen  der  deutschen  CeschlchtemuS  aber  bedacht  wer- 
den  dafi  die  Gefahren,  die  der  Demokratie  in  der  Bundesrepublik  drohen,  schleichend  und  gl«tenfl 
kommen.  Demgemafl  darf  nicht  biedcrmannisch  gewartet  werden,  bis  der  bereits  schwelendc  Brand 
offen  ausgebrochen  ist. 

In  der  Einrichtung  des  RusseU-Tribunals  driickt  sich  auch  aus,  dafi  die  Sorge,  die  wir  uber  den  RuO-g^S 
der  demokratischen  Entwicklung  der  Bundesrepublik  empfinden,  von  v.elen  Menschen  ™  tvestlichen 
Ausland  geteih  wird.  Bei  der  okonomischen  und  politischen  Bedeutung  der  Bundesrepublik  rnhcuu- 
gen  Europa  und  angesichts  der  historischen  Vergangcnheit  karm  den  anderen  europaischen  Volkern  die 
Entwicklung  in  der  Bundesrepublik  nicht  gleichgiiltig  scin.  WcsteuropSer  vertrcicn  ihre  Icgitimen  eigenen 
Interessen,  wenn  sie  sich  u.a.  in  der  Form  dieses  Tribunals  mit  den  Angelegenhciten  der  Bundesrepublik 
beschiiftigen.  Wir  kfinnen  nichl  in  nalionalstaallicher  Beschrankung  die  Bundesrepublik  als  erne  Insel 
belrachten,  die  nur  ihre  eigenen  Staatsangehorigen  angeht. 
Aus  dicsen  Griinden  fordern  wir  dazu  auf,  die  Freiheitsrechte  in  Betricb  und  Buro  in  den  Schulen  und 


Aus  aiesen  cjrunacn  iorucrn  wn  ua*.«  -«'.  «•«•  •  iwwwimih.  "•  — - -—     — •  a-„^„    nnt 

Hochschulen,  in  der  dffentlichcn  Verwaltung  und  in  den  Medien  zu  bewahren  und  zu  verteidigcn.  uas 

....  -,  ..         -l: n»ntit  die  Freiheitsrechte,  die  jcdemgellcn.erhalten  una  vcr- 

nnerlich  kiihle,  distanzierle  Haltung"  nicht.  Es  komml  daraut 


Russell-Tribunal  ist  ein  Bcitrag  hierzu.  Damit  die  Freiheitsrechte,  die  j^dem  gellcn,  «rhJlte(n 

wirklicht  werden,  geniigt  in  der  Tat  eine  "  ...  .   ..  

an,  sich  fur  diese  Rechte  zu  engagiercn! 

Herausgeber  und  Erstunterzeichner  dieses  Aufrufs  sind  die  Mitglieder  des  deutschen  Beirats  fiir  das 

Russell  Tribunal  Dr.  Ingcborg  Drewilz,  Schriftstcllerin  -  Prof.  Dr.  Helmut  Gollwitzcr  -  Pfarrcr  u. 

Martin  Niemoller  -  Prof.  Dr.  Wolf-Dieler  Narr  -  Prof.  Dr.  Uwe  Wesel 

Dieser  Aufruf  ist  mit  einer  Unterschriftenaktion  verbunden,  die  bis  zum  10.  Miirz  1978  lauft;  Aulrui 

und  Unterzeichnernamen  snllen  in  einem  GroBinserat  veroffentlicht  ^cnVVo^%ck'n\T0ffl„bach  4 

schreiben  sind  erhiiltlich  Uber  die  Adresse  Wolf-Dieter  Narr/Klaus  Vack,  Po.tfach  648,  6050  Offenbach  4. 


VORBEMERKUNG  ZU  DIESER  AUSGABE 


Die  Bundesregierung  schickt  sich  an  in  diesem  Jahr  ein  Jugendhilfe- 

gesetz  zu  verabschieden.    Im  Herbst  vergangenen  Jahres  wurde  im  be- 

schranktem  Umfang  ein  Referentenentwurf  der  Fachbffentl ichkeit  vor- 

gelegt.   Dieser  Entwurf  reiBt  aber  selbst  die  Verbandsexperten  nicht 

mehr  vom  Hocker.  Die  Reformluft  hat  sich  vollends  verf llichtigt. 

Wenn  wir  den  Referentenentwurf  unter  die  Lupe  nehmen,so  nicht  in  der  Ab- 

sicht  einzelne  Paragraphen  zu  kritisieren.   Es  geht  uns  um  die  Tendenz- 

en,  die  in  diesem  Gesetz  angel egt  sind.   Statt  sich  an  den  Interessen 

der  Kinder  und  Jugendlichen  zu  orientieren,  wird  das  Jugendhilfegesetz 

technokratisch  durchstrukturiert,  wird  der  diszipl inierende  Charakter 

offensichtlich.    Hier  gilt,  was  schon  1974  Jugendliche  zum  damaligen 

Diskussionsentwurf  sagten:   "Die  behandeln  uns,  aber  wir  kbnnen  die 

nicht  behandeln" . 

Neben  dem  Jugendhilfegesetz  haben  die  Festlegungen  zur  Jugendpolitik 

in  den  Perspektiven  zum  Bundesjugendplan  fiir  die  jugendpolitische 

Praxis  weitreichende  Folgerungen. 

Ein  wichtiger  Kritikpunkt  sind  die  in  dem  "Perspektivplan"  vorge- 

sehene  "Wirkungsanalyse  und  Erfolgskontrolle". 

In  dem  Beitrag  "Verwissenschaftl  ichung  und  Padagogisierung  -  Diszi- 

plinierungsinstrument  der  Jugendverbandsarbeit"  erfolgt  eine  Ausein- 

andersetzung  mit  Positionen,  wie  sie  von  Mitarbeitern  des  Deutschen 

Jugendinstituts  vertreten  werden. 

Der  zweite  Schwerpunkt  dieses  Heftes  ist  der  Organisierungsfrage  ge- 
widmet.    Eine  Auseinandersetzung  mit  der  Jugend-  und  BLindnispolitik 
des  Kommunistischen  Bundes(KB)  erfolgt  durch  einen  Betroffenen  am 
Beispiel  des  Ringes  Bundischer  Jugend(RBJ) . 

Auf  eine  DKP-orientierte  Kritik  am  Arbeitsfeldansatz  des  Sozialist- 
ischen  B'u'ros  antwortet  der  AKS-Westberlin. 

Beide  Beitrage  drucken  wir  nicht  aus  einer  besserwisserischen  Haltung 
ab,   so  als  ha'tten  wir  den  Stein  der  Weisen  gefunden.   Sie  sind  fiir  uns 
AnstoB  unsere  erarbeiteten  Positionen  und  Praxisansatze  selbst  immer 
wieder  zu  liberprlifen  und  sektiererischen  Tendenzen  in  den  eigenen 
Reihen  entgegenzutreten,  wie  auch  an  den  theoretischen  und  praktischen 
Problemen  weiterzuarbeiten. 

In  diesen  Tagen  und  Wochen  fanden  und  finden  an  vielen  Orten  Unter- 
stiitzungsveranstaltungen  zum  Russell-Tribunal   statt. 
Es  gibt  aber  auch  vehernente  Angriffe  deutscher  Beamter  und  Politiker 
gegen  die  Durchfuhrung  des  Tribunals.   Die  Unterstlitzer  wurden  massiv 
unter  Druck  gesetzt.   Die  FDP  setzte  ihren  Jugendverband  kurzentschlos- 
sen  vor  die  Alternative:  entweder  Unterstiitzung  -  oder  der  Verband 
wird  aufgelbst.  Der  SPD-Parteivorstand  beschloB,  das  Unternehmen 
als  "verleumderisch"  in  seinen  Absichten  gegeniiber  der  BRD  zu  erklaren, 
und  forderte  seine  Mitglieder  auf,  sich  an  dem  Tribunal   in  keiner 


Weise  zu  beteiligen. 

Aus  dem  Ministerium  des  Bundesinnenministers  stammt  ein  Geheimpapner 
liber  das  Russell-Tribunal,  das  eindrucksvoll   den  Freiheitsspielraum, 
der  in  unserem  Staate  noch  vorhanden  ist,   darlegt  und  zunehmend  poli- 
zeiliche  Denkformen  unserer  Politiker  offenbart.   Der  Inhalt  des  Pa- 
piers:   Das  Tribunal   soil  mit  alien  Mitteln  bekampft  werden.   Das  Recht 
spielt  keine  Rolle  dabei ;  man  ist  sozusagen  zu  jeder  Schandtat  bereit. 
Die  Staatsschutzstrategen  liefern  selbst  eine  Einschatzung  der  Wir- 
kungen  des  Tribunals.    Sichtbar  wird  vor  all  em  die  Angst  vor  einer 
Santmlung  und  Starkung  der  demokratischen  Krafte  und  den  damit  ver- 
bundenen  Mbglichkeiten  des  Einwirkens  auf  die  weitere  politischen^ 
Entwicklung  der  BRD.   Deshalb  werden  vielerlei  Mbglichkeiten  der  Ein- 
wirkung  auf  das  Tribunal   erwogen:   die  Infiltration  des  Tribunals  mit 
"regierurgsverla'Blichen"   Personen,  die  breite  Palette  der  Diffamierung 
verleumderisch,  komnunistisch,  scha'dlich  etc.   -  und  vor  allem  die  Ver- 
botsmbglichkeiten  -  keine  Ra'ume  fur  Veranstaltungen,  Einreiseverbot, 
Entzug  der  Grundrechte.   Der  Vorschlagskatalog  ware  noch  fortzusetzen. 

Wovor  aber  diese  Angst?  Wie  machtig  ist  denn  das  Tribunal? 

"Wir  sind  ohne  Macht.   Das  ist  die  Garantie  unserer  Unabhangigkeit. 

Niemand  hilft  uns,  ausgenommen  die  Gruppen  der  Unterstutzungskomi tees, 

die,  wie  wir  selbst,  Zusammenschliisse  von  Privatpersonen  sind. 

Indem  wir  weder  eine  Regierung  noch  eine  Partei   reprasentieren,   kon- 

nen  wir  auch  keine  Befehle  empfangen:  wir  untersuchen  die  Tatsachen, 

wie  man  sagt,  mit  Herz  und  Gewissen  oder,  falls  man  diese  Fomiulierung 

vorzieht,  mit  aller  Freiheit  des  Geistes."   (J.P.Satre  in  seinem  Ein- 

leitungsreferat  zum  Vietnam-Tribunal) 

Auch  das  3.   Russell-Tribunal  wird  an  diesen  Pnnzipien  festhalten  und 

in  der  "Freiheit  des  Geistes"   seine  Arbeit  aufnehmen. 

Wir  wollen  ihm  dabei   helfen:   objektiv,   engagiert,  sachlich. 

Wir  rufen  alle  Leser  des  Info  Sozialarbeit  auf,  den  beiliegenden 

Aufruf  mit  Kollegen  zu  diskutieren,  zu  unterschreiben  und  fur  das 

Tribunal   zu  spenden  und  sich  an  den  Unterstlitzungsaktionen  zu  be- 

teil igen. 

Neben  dieser  Arbeit  mu|3  und  wird  die  Al  ltagsarbeit  weitergehen. 
Hier  noch  einmal   zur  Erinnerung  die  Termine  der  nachsten  Arbeits- 
tagungen: 

3     -  5.   Marz  1978  Arbeitstagung  in  Frankfurt;  Thema  :Familienfiirsorge 

(siehe  Beiblatt) 

15. -16. April   1978  1.   Vorbereitungstreffen  zum  Jugendhilfetag 


Betr.:    HEIMERZIEHER  -   SEMINAR  IN  WESTBERLIN    lo./ll. 12. 1977 

An  dem  2.    Heimerziehertreffen  in  Westberlin  haben  ca.    2oo  Erzieh- 
er  und  Sozialarbeiter  teilgenommen. 

Bis  zum  RedaktionsschluB  hat  uns  leider  kein  zusammenfassender 
Bericht  iiber  die  Tagung  vorgelegen,  sodal3  wir  in  dieser  Ausgabe 
lediglich  auf  das  Sonderheft  der  Berliner  Heimerzieher-Zeitung 
hinweisen  kbnnen.   Gegen  Voreinsendung  von  DM  4,--   (Briefmarken/ 
Scheck)   kann  es  bei   der  HEZ,  Urbanstr.    126,   1  Berlin  61 
bestellt  werden. In  der  nachsten  Ausgabe  des   Info  Sozialarbeit 
werden  wir  den  Bericht  Jber  das  Seminar  nachholen. 


Benno  Hafeneger/Herbert  Swoboda,  Frankfurt 

"IM  WESTEN  DEUTSCHLANDS:  NICHTS  NEUES" 

ZUM  REFERENTENENTWURF  DES  JUGENDHILFEGESETZES 


Nach  dem  spektakularen  Scheitern  der  Jugendhilf erechtsreform  in  Zu- 
sammenhang  mit  dem  ebenfalls  abgeblasenen  Jugendhilfetag  1974,  schickt 
sich  die  Bundesregierung  nunmehr  erneut  an,  einen  Entwurf  vorzulegen 
Er  soil  im  Mai  1978  als  Kabinettsvorlage  umgeandert  und  anschlieSend 
vom  Bundestag  verabschiedet  werden. 

In  einer  Presseinformation  des  Bundesjugendministeriums  heifit  es: 
"Das  Gesetz  soil  1982  in  Kraft  treten.  Rechtsanspriiche,  die  wegen 
ihrer  zwingenden  Leistungsverpflichtung  groKere  Kapazitaten  an  Ein- 
richtungen,  Diensten  und  Veranstaltungen  voraussetzen,  als  sie  bis 
1982  verfiigbar  sind,  sollen  erst  am  1.  Januar  1987  in  Kraft  treten." 
Daneben  gent  die  Diskussion  um  den  Bildungsgesamtplan  weiter.  Da- 
rait  werden  aller  Voraus.sicht  nach  1978  Ziele,  Strukturen  und  Schwer- 
punkte  des  auBerschul iscnen  Bildungs-  und  Erziehungsbereiches  gesetz- 
lich  f estgeschrieben. 

Worin  unterscheidet  sich  nun  dieser  Ref erentenentwurf  von  seinem  Vor- 
ganger?  Bevor  dies  untersucht  wird,  ist  es  sinnvoll,  sich  nochmals 
die  Geschichte  des  Jugendhilf erechts  abriBhaft  ins  Gedachtnis  zuruck- 
zuruf en. 


Das  seit  1922  gultige  RJWG  wurde  nach  dem  Sieg  iiber  den  deutschen 
Faschismus  mit  geringfligigen  Snderungen  in  der  BRD  ubernommen.  Am 
28.8.1953  und  am  1.7.1962  wurde  das  JWG  novelliert,  was  sich  vor  al- 
lem auf  die  Funktion  der  Jugendamter  bezog.  Dadurch  wurde  dem  Drang- 
en  reformfreudiger  Experten  nachgegeben,  zu  einer  umfassenden  Neu- 
fassung  des  Gesetzes  kam  es  jedoch  nicht. 

Erst  die  bffentliche  Kritik  am  System  der  Jugendhilfe  wie  sie  im  Ge- 
folge  der  Studentenbewegung  aufkam,  verstarkte  den  Druck  zur  Reform. 
Diese  Kritik  druckte  sich  einerseits  in  Basisaktivitaten  der  Betrof- 
fenen  praktisch  aus,  wie  auch  theoretisch  in  verstarkter  wissenschaft- 
1 icher  Diskussion. 


Am  10.  Jul i  1970  beruft  die  Bundesministerin  Kathe  Strobel  eine 
zwblfkbpfige  Sachverstandigenkommission,  die  auf  der  Grundlage  einer 
vom  "Deutschen  Verein  fiir  bffentliche  und  private  Fursorge"  vorge- 
legtenSynopse  von  Snderungsvorschlagen  am  26.  April  1973  einen  Dis- 
kussionsentwurf  (DE)  vorlegt,  der  vom  Bundesfamil ienministerium  in 
einer  Auflage  von  20.000  Exemplaren  verteilt  wird.  In  dieser  Kommis- 
sion  sind  die  Vertreter  der  institutionel len  Jugendhilfe  konserva- 
tiver  Pragung  iiberreprasentiert.  Die  Jugend  ist  offiziell  durch  zwei 
Vertreter  von  Mitgl iedsverbanden  des  Bundesjugendrings  reprasentiert, 
die  zudem  nur  zeitweise  an  den  Kommissionssitzunqen  teilnehmen. 
Die  Diskussion  des  DE  wird  breit  von  den  Verbandsexperten  gefuhrt, 
und  dem  Bundesministerium  werden  ca.  150  Knderungsvorschlage  und 


Stellungnahmen  unterbreitet.    Die  Sozialarbeiter  an  der  Basis  und  die 
Betroffenen  sind  in  die  Diskussion  nicht  einbezogen. 
Fur  die  erste  Gruppe  plant  die  Arbeitsqemeinschaft  fur  Jugendhilfe 
(AGJ)-dem  Anspruch  nach  ein  groBes  Diskussionsforum-den  5.   Jugend- 
hilfetag   (DJHT)  vom  8.    bis  11.   September  1974  in  Hamburg,   bei  dem 
3.000  Teilnehmer  erwartet  werden.   Zu  diesem  Zeitpunkt  sollte  aller- 
dings  laut  Timing  des  Bundesfamil ienministeriums  die  Phase  der  Ex- 
pertendiskussion'abgeschlossen  sein   (6.9.1974). 

Nachdem  die  Experten  dargestellt  haben,  was  wiinschbar  ist,  sei  nun  die 
Stunde  der  Parlamentarier,  zu  entscheiden,  was  machbar  (f  inanzierbar) 
und  mnglich  sei,  so  auBerte  sich  sinngem'a'B  Jugendministerin     Focke 
in  einem  Interview.  Am  27.  Marz  1974  erscheint  der  Referentenentwurf 
des  BMJFG  -  diesmal    nur  in  einer  Auflage  von  1500  -,  ein  in  seinen 
Anspruchen,  Rechten  und  Leistungen  erheblich  zuriickgestutzte     Dis- 
kussionsvorlage. 

Zuvor  fand  im  November  1973  eine  Expertentagung  der  Arbeitsgemein- 
schaft  fur  Jugendhilfe  statt.sowie  am  22./23.11. 1973  ein  Hearing  rait 
24  ausgewahlten  Experten  durch  das  Bundesfamil ienministeri urn  in  Zu- 
sammenarbeit  mit  dem  Bundesjugendkuratorium.   Sozialarbeiter  der  Ba- 
sis und  Betroffene  wurden  zu  beiden  Treffen  jedoch  nicht  eingeladen. 


scher 
endhilfe- 
bereitungs- 
ter  und 
len 

akzeptie- 
ugendhilfe 
sondern 
n  der 

Handlungs- 


Im  Januar  1974  bildet  sich  aus  verschiedenen  Gruppen  kriti 
Sozialarbeiter  die  "sozial istische  Aktion  5.  deutscher  Jug 
tag",  die  zur  Teilnahme  am  5.  DJHT  aufruft.  Zur  ersten  Vor 
taguna  in  Hamburg  finden  sich  bereits  liber  150  Sozialarbei 
Studehten  aus  dem  sozial padagogischen  Bereich  ein.  Sie  wol 
allerdings  nicht  den  Refenrentenentwurf  durch"Handaufheben 
ren,  der  Librigens  auch  bei  weiten  Teilen  von  Tragern  der  J 
Bestiirzung,  Enttauschung  und  Ablehnung  hervorgerufen  hat, 
die  Auswirkungen  des  Gesetzes  und  die  herrschende  Praxis  i 
Sozial padagogik  analysieren,  diskutieren  und  entsprechende 
konsequenzen  Ziehen. 

Die  AGJ,  bei  der  bis  zu  diesem  Zeitpunkt  lediglich  ca.   100  Anmeldun- 
gen  eingegangen  sind,   und  die  einige  Tage  spater  ein  Vorbereitungs- 
treffen  der  Jugendhilfetagsreferenten  mangels  ausreichender  Teil- 
nehmerzahl   absagen  mufl,  beschlieBt,  die  Notbremse  zu  Ziehen:  Am 
29.   Mai    1974  wird  nach  massiver  Hetze  gegen  die  sozial istische  Aktion 
und  unter  dem  Vorwand  einer  vermuteten  Strategie  der  Chaotisierung 
des  5.   DJHT  durch  die  sozial istische  Aktion  der  5.   Deutsche  Jugend- 
hilfetag  abgesetzt,  Der  Basis  wird  das  letzte  Forum  einer  breiten 
Diskussion  genommen,  das  doch  bedeutungsvoll    gewesen  ware,  selbst 
wenn  es  die  "Experten"  -  Diskussion  nicht  beeinfluBt  ha'tte. 

Parallel   zur  Absage  des  5.   Jugendhilfetags  wird  der  Jugendhilferechts- 
entwurf  faktisch  zuriickgezogen.   Dies  geschieht  auch  aufgrund  massiven 
Drucks  der  Stadte  und  Gemeinden,  die  fur  die  hohen  Folgekosten  der 
im  Entwurf  verankerten,  einklagbaren  Rechtsanspruche  aufkommen  mu'Bten. 
Der  in  der  Sra  Brandt  initiierte  Reformentwurf  wird  unter  AusschluB 
der  Fachoffentlichkeit  auf  das  "Machbare"  zurechtgestutzt.   So  sieht 
der  sog.   "Kabinettsentwurf  "  vom  15.8.1974  in  der  Tendenz  eine  Ver- 
scharfung  diszipl inierender  MaBnahmen  vor.bei   gleichzeitiger  Strei- 
chung  kostenaufwendiger  Rechtsanspruche. 
Dieser  -  zunachst  nur  durch  eine  Indiskretion  bekanntgewordene-  Ent- 


wurf wird  von  der"Regional gruppe  Kbln  zum  Jupofo"  einer  hervorragen- 
den  Analyse  entzogen,(l) 

Der  Kabinettsentwurf  verschwindet  zunachst  in  der  Schublade.   Statt- 
dessen  bastelt    das  BMJFG  an  den   "Perspektiven  zum  Bundesjugendplan", 
urn  dadurch  wenigstens  die  auBerschul ische  Jugendbildung  besser  in  den 
Griff  zu  kriegen.    In  relativer  Ahgeschlossenheit  entwickelt,  legte 
die  neue  Familienministerin  Antje  Huber  am  31.10.1977  nunmehr  den 
neuen  Referentenentwurf (RE)  des  Jugendhilfegesetzes  (JHG)   vor,zusammen 
mit  einem  450-seitiqen     Kommentar. 


"Das  Kind    ist   ein  Wesen  mit   eigener  Menschwiirde.  . ."    (Begriindung  zu 
Referentenentwurf  des  JHG      S.ll) 

"Nach   dem  Grundgesetz   sind   auch   Kinder   und   Jugendliche   Trager  von 
Grundrechten".    (Begriindung   zum  Referentenentwurf   des   JHG,    S.    27). 


Am  Beispiel  einiger  zentraler  Aussagen  des  RE  soil  gezeigt  werden, 
wie  sich  Jugendhilfe  unter  Krisenbedingungen  ausweist  und  welche 
Konfliktlbsungs-  und  Integrationsstrategien  vorgesehen  sind.  Die 
entscheidenden  Fragen  sind, 

1.  ob  ein  neues  JHG  gerade  unter  den  sich  weiter  verschlechternden 
Lebens-  und  Arbeitsbedingungen  und  -perspektiven  von  Kindern  und 
Jugendlichen  konsequent  an  deren  Interessen  ansetzt  oder  an  denen 
der  herrschenden  qesellschaftl ichen  Gruppen? 

2.  ob  das  JHG  sich  an  den  padagogischen  Erfordernissen  einer  fort- 
schrittl ichen  Sozialarbeit  sowohl  in  wie  auBerhalb  der  Institutio- 
nen  orientiert  und  Selbstorganisation/Selbstverwal tung  der  Be- 
troffenen fdrdert  und  absichern  hilft  oder  sich  einordnen  la'Bt 

in  den  sich  ausweitenden  Repressionsapparat  und  diszipl inierenden 
Charakter  annimmt. 

Im  folgenden  soil  versucht  werden,  diese  Fragen  durch  Fakten  zu  be- 
legen  und  Folgerungen  zu  Ziehen. 

Seitens  des  Bundesmim'steriums"  fiir  Jugend,  Familie  und  Gesundheit 
wird  der  RE  folgendermaBen  gesehen: 

"Das  Gesetz  ist  als  Leistungsgesetz  aufgebaut  mit  einem  detaillier- 
ten  Katalog  von  Forderungsangeboten  und  Hilfen  zur  Erziehung.  Es 
raumt  Kindern  und  Jugendlichen  und  deren  Erziehungsberechtigten  Rechts- 
anspruche auf  Hilfen  zur  Erziehung  ein,  soweit  dies  sachlich  geboten 
ist. 

Es  schreibt  vor,  dafl  Jugendhilfe  sich  an  den  Bediirfnissen  und  Wiin- 
schen  der  jungen  Menschen  und  Erziehungsberechtigten  zu  orientieren 
hat  und  sieht  ihre  Mitwirkung  an  der  Entseheidung  fiber  die  Leistung 
und  an  ihrer  Gestaltung  vor. 

Es  fbrdert  die  Weiterentwicklung  der  Aufgaben  der  Jugendarbeit  als 
eigenstandiges  Feld  sozialen  Lernens  in  Zielen  und  Inhalten  nach 
modernen  (!)  Gesichtspunkten. 

Der  Entwurf  sieht  insbesondere  eine  Intensivierung  der  familienunter- 
stiitzenden  Hilfen.  .  .vor".  (2) 


-  7 


ZIELSETZUNG 

Schon  im  §  1  wind  nur  vom  "Recht  auf  Erziehung"  (nicht  Bildung)  ge- 
sprochen,  mit  der  erbbiologischen  Begrundung,  Kindern  und  Jugendl i- 

Chen  ZU  ermbglicher  "ihre  Anlagen   und  Fahigkeiten  zu  entwickeln". 

Wie  bereits  im  RE  1974  werden  emanzipatorische  Zielsetzungen,  wie 
sie  sich  zunachst  andeuten  in  Formul ierungen  wie  "personlichen  und 

gesellschaftlichen  Lebensbedingungen  zu  erkennen,  ihre  eigenen  Rechte 

und  interessen  wahrzunehmen"  regl ementiert  und  i nfragegestel 1 t .  Die 
Zielsetzungen  sind  nur  mb'glich,  wenn  die  Juqendlichen  und  Kinder 

gleichzeitig  bereit  sind,  "ihre  Pflichten  gegeniiber  Staat  und  Gesell- 
schaft  zu  erfiillen". 

Die  Grenzen  der  Emanzipation  liegen  sowohl  in  §  1  wie  §  19  (Politi- 
sche  Bildung)  in  den  "Pflichten  gegeniiber  Staat  und  Gesellschaft". 
Unter  diesen  einschrankenden  Mbglichkeiten  wird  dann  auch  noch  auf- 

gefordert,  "an  deren  (Staat  und  Gesellschaf t,  d.V.)  Gestaltung  mit- 

zuwirken".  Mitwirkung  wird  im  Rahmen  gegebener  Strukturen  angeboten, 
ohne  Chancen  zu  erbffnen,  diese  auch  ve'randern  zu  konnen. 

MITBESTIMMUNG  UND  SELBSTBESTIMMUNG  DER  BETROFFENEN 

Formul ierungen  im  Gesetzestext  wie  "weitgehend  mitbestimmt  und  mit- 
gestaltet"  (§  18),  "alle  Leistungen  der  Jugendhilfe  schlieBen  Be- 
ratung  mit  dem  jungen  Menschen  ein",  "ihren  Wiinschen  soil  entsprochen 
werden"  (§  9),  "Inhalt  des  Gesamtplanes  ist  mit  dem  jungen  Volljahri- 
gen. . .  eingehend  zu  erortern  (§  41),  ". . .Fahigkeit  und  Bereitschaf t 
junger  Menschen  zur  Mitwirkung  entwickelt  und  gestarkt  werden"  (§64) 

lassen  die  Anspruche  des  Kommentares,  Mitbestimmung  und  EinfluBnah- 
me  der  Betroffenen  zu  sichern,  Makulatur  werden.  Es  bleibt  dem  Ein- 
zelfall  Liberlassen,  wieweit  die  Betroffenen  Liber  die  getroffenen 
Entscheidungen  informiert  und  gehort  werden,  sie  sind  strukturell 
Objekte  staatlicher  MaBnahmenpolitik,  die  in  Absprache  mit  den  Er- 
ziehungsberechtigten  im  Rahmen  eines  "Gesamtplanes  der  Leistungen" 
erstellt  werden.  Gegebenenfal  Is  haben  Sffentliche  Trager  und  Per- 

Sonensorgeberechtigte  "auf  sein  Einverstandnis  mit  der  notwendigen 
Hilfe  hinzuwirken".  Willigt  der  Jugendliche  "trotz  eingehender  Be- 
ratung  nicht  ein. . .  hat  der  Sffentliche  Trager  unverziiglich  das  Vor- 
mundschaftsgericht  in  Kenntnis  zu  setzen"  (§  8.4),  das  dann  einst- 
weilig  anordnen  kann.  Wird  dann  "Erziehung  auBerhalb  der  eigenen 

Familie  geleistet",  kann  auch  noch  der  Schriftwechsel  untersagt  wer- 
den (§  43).  Vom  Schein  der  Mitwirkung  und  Mitbestimmung  bleibt  ^nichts 
mehr  Librig;  wo  bleibt  die  "freie  Entfaltung  der  Personlichkeit"  (§  1) 
bei  einem  Zugriff system  bei  dem  nach  der  Untersuchung  des  jungen 
Menschen  der  "erzieherische  Bedarf"  festgestellt  und  dann  ein  Gesamt- 
plan  erstellt  wird?  In  diesem  System  bleibt  in  bezug  auf  selbstorga- 
nisierte  und  kollektive  Problembewal  tigung  und  Veranderung  von  Le- 
bensverhal tnissen  nicht  mehr  viel  Librig.  Bedarf sfeststel lung,  Unter- 
suchung und  Gesamtplan  sollen  zwar  die  sozialen  Bedingungen  mit  er- 
schlieBen,  aber  Fachleute  stellen  mit  wissenschaftl ichen  Erkenntnis- 
sen  und  entwickelten  Methoden  den  erzieherischen  Bedarf  "soweit  mog- 
lich und  zulassig"  fest.  Auch  die  "Erziehung  in  einer  Wohngruppe" 
(§  40),  eingeordnet  in  "Hilfe  zur  Erziehung  auIJerhalb  der  eigenen 
Familie",  wird  erst  in  Gefahrdungssi  tuationen  ermoglicht;  dazu  miis- 
sen  die  Jugendl ichen  als  Voraussetzung  "die  Anforderungen  eines  Aus- 
bildungs-  oder  eines  Arbeitsverhaltnisses  erfiillen"  und  "Bereitschaf t 


des  Jugendlichen  zur  Zusammenarbeit  bestehen".  Welcher  Jugendl iche 
hat  unter  diesen  Vorgaben  liberhaupt  noch  die  Chance  und  Bereitschaft, 
in  einer  Wohngruppe  zu  leben,  die  die  angestrebten  Zielsetzungen  be- 
reits zur  Voraussetzung  macht? 

Ein  Rechtsanspruch  auf  Hilfen,  die  seinen  WLinschen  entsprechen, 
der  Jugendliche  nicht;  er  kann  sich  von  der  eh  schon  vorgesehen 
lette  von  Einrichtungen,  Diensten  und  Veranstaltungen  lediglich 
Trager  aussuchen.  Das  kann  er  aber  nur,  soweit  es  dem  Zweck  der 
Lei  stung  nicht  widerspricht  -  und  den  setzt  letztlich  der  offen 
Trager  im  Einvernehmen  mit  den  Personensorgeberechtigten  fest  - 
keine  unvertretbaren  Mehrkosten  entstehen,  -  was  das  im  Einzelf 
heiBt,  setzt  ebenfalls  der  offentliche  Trager  fest.  So  liegen  d 
"Mitbestimmungstnoglichkeiten"  z.B.  in  der  Auswahl  des  Heimes:  z 
ob  er  in  einem  vom  Caritasverband  oder  vom  Landeswohlfahrtsverb 
getragenen  Wohnheim  "erzogen"  werden  will,  oder  an  einem  Erzieh 
kurs  beim  Evangel ischen  Gemeindeverband  oder  bei  der  AW  "befah 
wird,  Konflikte  zu  "verarbeiten". 


hat 
en  Pa- 
den 

tliche 
und 
all 
ie 
.B., 
and 
ungs- 
igt" 


Unter  Erziehungsmangeln 
dem  Kommentar  (S.177)  u. 
aus  dem  Elternhaus,  Schu 
bruch  von  Ausbildungsver 
letarische  Jugendliche  s 
den  und  -verhal tnissen  u 
tumsordnung  angreifen.  I 
weisungen  vorgenommen;  U 
die  'Del inquenten '  werde 

FAMILIENORIENTIERUNG 


und  sozial  abweichendem  Verhal ten  werden  nach 
a.  verstanden:  Eigentumsdel ikte,  Entweichen 
Iversaumnisse,  Arbeitsunstetigkei t  und  Ab- 
ha'ltnissen;  der  Staat  greift.  ein,  wenn  pro- 
ich  nicht  den  kapital istischen  Arbeitstugen- 
nterwerfen  wollen  und  die  bestehende  Eigen- 
n  diesen  Fallen  sollen  und  werden  Heimein- 
rsachen  und  Motive  interessieren  dabei  nicht, 
n  erstmal  'eingewiesen'  und  isoliert. 


Die  Abschni tte"Forcerung  und  Erziehung  in  der  Familie,  f amilienunter- 
stutzende  Hilfen  zur  Erziehung"  (§§  35,  35)  zeigen  al s  Kernbereiche 
des  RE  die  durchgangige  "famil  ienfreundl  iche  Tendenz".  So  begrLiBte 
auch  der  Bundesvorstand  der  CDU-Frauenvereinigung  die  Aussage  von 
Famil ienministerin  Huber,  daB  die  eigene  Familie,  das  Elternhaus, 
durch  nichts  zu  ersetzen  sei . 

Sie  lauten  im  Einzelnen: 

-  "Forderung  und  Unterstiltzung  der  Erziehung  in  der  Familie 

-  Forderung  der  Familienf reizeit,  Erholung  und  Gesundheit 

-  Familienbildung 

-  Beratung  und  offene  padagogisch-therapeutische  Hilfe 

-  Unterstiltzung  alleinerziehender  Elternteile  und  alleinstehender 
werdender  Mutter 

-  Unterstiitzung  von  Eltern  in  besonderen  LebensverhSltnissen 

-  Unterstutzung  von  Eltern  bei  Gefahrdung  oder  Stoning  der  Entwick- 
lung  der  Kinder  und  Jugendlichen 

-  Inobhutnahme  und  Riickfiihrung  eines  Kindes  oder  Jugendlichen 

-  Ubungs-  und  Erfahrungskurse 

-  Erziehungsbeistand" 

-  9  - 


Gesetzestextes  in 

E  Erziehung"  (und 
rn";  "Eltern. . . 
ern" ; 

ratungsangebo ten 
e  Problemlagen 
zuordnen;  dem 
Erziehung  in  der 
Hilfen  nachgeord- 
en  Familie"  in 

er  eigenen  Familie 


Dazu  finden  sich  in  den  ersten  beiden  Kapiteln  des 
standiger  Wiederholung  Formul ierungen  wie  "Recht  au 
nicht  Bildung);  "Erziehung  ist...  Recht...  der  Elte 
bei  der  Erziehung...  beraten,  unterstiitzen  und  ford 
"Dabei  wird  es  um  weitere  Ausdif f erenzierung  von  Be 
(Familien-  Jugend-  Erziehungsberatung)  gehen,  um  di 
von  Eltern  und  Jugendlichen  arbeitsteilig  Amtern  zu 
Funktionsverlust  der  Familie  soil  begegnet  werden. 
Familie  ist  vorrangig;  den  familienunterstiitzenden 
net  ist  die  Hilfe  zur  Erziehung  auBerhalb  der  eigen 
den  S§  37-40: 

"Nachrangigkeit  der  Hilfe  zur  Erziehung  auBerhalb  d 
Hilfe  zur  Erziehung  in  Familienpf lege 
Hilfe  zur  Erziehung  in  einera  Heim 
Hilfe  zur  Erziehung  in  einer  Wohngruppe." 

Um  "ungilnstigen  Entwicklungsbedingungen"   von   Kindern   und  Jugendlichen 
entgegenzuwirken,  sind  zuerst  Hilfen  flir  die  Familien  vorgesehen, 

dies  geht  soweit,  daB  "Beamte  und  Angestellte  des  offentlichen  Tragers 
der  Jugendhilfe  die  Wohnung  oder  die  Einrichtung  (auBerhalb  der  eigen- 
en Familie  d.V.)  zum  Zweck  der  Inobhutnahme  wahrend  der  Tageszeit... 
auch  wahrend  der  Nachtzeit  betreten  diirfen"  (§  32).  Bei  Gefahr  ijn 

Verzuge  kbnnen  auch  ohne  Anordnung  durch  den  Vormundschaftsrichter 
Wohnungsdurchsuchungen  vorgenommen  werden.  "Das  Kind  oder  der  Jugend- 

liche    ist  unverziiglich  dem  Personensorgeberechtigten   zu  iibergeben.  .  . " 

(§  32).  Es  werden  also  alle  Gewal tmaBnahmen  des  Staates  aufgeboten, 
um  Kinder  und  Jugendliche  in  die  Familie  zuriickzuholen.  Das  heiBt, 
der  Staat  wendet  alle  Gewaltmittel  an,  um  die  Familie  zum  Funktionie- 
ren  zu  bringen.  Da  es  sich  dabei  in  erster  Linie  um  proletarische 
Familien  handelt,  legitimiert  hier  der  Staat  sein  repressives  Ein- 
greifen  (=  Verletzung  der  Autonomie  der  Familie)  bei  gleichzeitiger 
Aufrechterhal tung  der  Famil ienideologie. 

Welche  Wohnungen  und  Einrichtungen  (wohngemeinschaft?  Jugendzentren? 
Selbsthilfegruppen?  Politische  Gruppen?)  entwicklungsgefahrdent  sind, 
entscheidet  jeweils  der  offentliche  Trager.  Es  liegt  in  seinem  Er- 
messen  mitzuteilen,  wohin  der/die  Betroffene(n)  gebracht  worden  sind 
(§  32,5). 

Die  Obungs-  und  Erfahrungskurse  von  mindestens  3-wochiger  Dauer  sol- 
len  "Hilfe  zur  Konf liktverarbeitung"  (§  33,2)  anbieten  und  nicht  be- 
fahigen,  Ursachen  von  Konflikten  zu  erkennen  und  zur  offensiven  Durch- 
setzung  eigener  Interessen  und  Bedlirfnisse  zu  motivieren.  Auch  hier 
ist  die  Vermeidung  offener  Konfl iktaustragung  deutlich,  die  Betrof- 
fenen  sollen  lernen,  sich  anzupassen,  unterzuordnen,  Konflikte  zu  ver- 
arbeiten.  Bei  den  famil ienerganzenden  Hilfen  zur  Erziehung  ist  positiv, 
daB  fur  Kinder  vom  3.  Lebensjahr  an  ein  einklagbarer  Rechtsanspruch 
auf  einen  Kindergartenplatz  zusteht  (§  38,  1). 

Wo  die  Familie  "versagt",  muB  dann  doch  die  offentliche  Erziehung  her, 
die  Heimerziehung. 

Bei  §  39  wird  unterschieden  zwischen  "Normal-Heimen  und  "padagogisch- 
therapeutischen  Heimen".  Der  Aufenthalt  von  Kindern  und  Jugendlichen 
in  Heimen  wird  in  der  Kommentierung  vorsichtig  problematisiert,  er- 
fahrt  dann  aber  seine  BegrLindung:  "Auch  die  Heimerziehung  darf  aber 
nicht  letztes  Mittel  in  einer  Kette  nach  Intensitat  und  Eingriffs- 


10 


charakter  sich  steigernder  MaBnahmen  sein,  sondern  ist  die  unter  be- 
stimmten  Voraussetzungen  am  besten  geeignete  Hilfe. ...  In  der  Dis- 
kussion  iiber  die  Heimerziehung  sollten  die...  erreichten  Verbesserun- 
gen  gesehen  und  gewiirdigt...  werden".  (S.182  f .  )  Wie  Realitat  Und  An- 
gebote  im  einzelnen  aussehen  werden  -  das  unterliegt  Landesregelun- 
gen-  zeigt  sich  u.a.  an  der  Auseinandersetzung  um  die  Jugendwohnhei- 
me     Ziegel huttenweg,  Zingelswiese,  Luisenheim,  KleemannstraSe  in 
Frankfurt  und  die  Vorlage  "Heil padagogische  Intensivbetreuung"  in 
Hessen. 

ANERKENNUNG  UND  FORDERUNG 


Unterschieden  wird  zwischen  Anerkennung  und  Fb'rderung.  Ein  freier 
Trager  hat  "Anspruch  auf  Anerkennung,  wenn  er  die  Gewahr  dafiir  bietet, 
da(3  seine  Arbeit  der  freiheitlich  demokratischen  Grundordnung  des 
Grundgesetzes  entspricht"  (§  97).  Die  Nachwei spf 1 icht  liegt  also  im 
Zweifel  sfal le  beim  Trager.  Anspruch  auf  Forderung  hat  er  "soweit  im 
Jugendhilf eplan  derartige  Einrichtungen,  Dienste  oder  Veranstaltun- 
gen  vorgesehen  sind"  (§  99).  SchlieBlich  sollen  "Einrichtungen, 
Dienste  und  Veranstaltungen  jeweils  von  dem  offentlichen  oder  dem  an- 
erkannten  freien  Trager  der  Jugendhilfe  geschaffen  und  betrieben  wer- 
den, der  die  Voraussetzungen  fur  die  Leistung  wirksamer  Jugendhilfe 
am  besten  erfiillt.  Dabei  sind  besonders  zu  beriicksichtigen 

1  .  die  Wiinsche,  Bedlirfnisse  und  Interessen  der  jungen  Menschen  und 
der  Erziehungsberechtigten  sowie  ihr  Wahlrecht  nach  §  9  Abs.  2 
Satz  3, 

2.  die  fachlichen  Voraussetzungen  entsprechend  der  jeweiligen  Auf- 
gabe,  vor  allem  die  Durchfiihrung  durch  Fachkrafte  sowie  Sachkunde 
und  Erfahrungen  des  Tragers  der  Jugendhilfe  fur  den  Betrieb  sol- 
cher  Einrichtungen,  Dienste  oder  Veranstaltungen, 

3.  eine  geniigende  Vielfalt  des  Angebotes."  (§  98) 

Unter  diesen  MaBgaben  werden  Sel bstorganisationsansatze,  Initiativ- 
gruppen,  Selbsthilfegruppen  und  Jugendverbande,  denen  es  um  die  Arti- 
kulation  und  Durchsetzung  der  Interessen  der  Betroffenen  geht,  kaum 
eine  Chance  haben,  in  die  Forderung  einbezogen  zu  werden.  Erforder- 
lich  dazu  sind: 

-  Arbeit  muB  der  freiheitl ich-demokratischen  Grundordnung  des  Grund- 
qesetzes  entsprechen 

-  'fachliche'  Voraussetzungen 

-  'Sachkunde'  und  Erfahrungen 

-  Plural itat,  d.h.  Ausgewogenheit  des  Angebotes 

-  Eigenleistung 

-  zweckentsprechende  und  wirtschaftliche  Verwendung  der  Mittel 

-  'MaBnahmen'  mlissen  im  Jugendhilfeplan  vorgesehen  sein 

-  wissenschaftl iche  und  entwickelte  Methoden. 

Neben  den  Verbanden  auch  "Gruppen  der  Jugend"   (§  97)  als  freie  Tra- 
qer  zu  nennen,  hat  unter  den  o.g.   Kriterien  nur  deklamatorischen 
Charakter;  allenfalls  gelingt  es  gutsituierten  Elterngruppen  als  e.V. 

-  11  - 


mit  Mitgl iedskarten  und  -beitragen  UnterstUtzunn  zu  bekommen,  pro- 
gressive sozial-  und  kapital ismuskritische  Initiativen  sicher  nicht. 
Hieran  wird  deutlich,  daB  Jugendarbeit  institutionel 1   festgeschrieben 
werden  soil.   Die  mangelnde  Flexibilitat  macht  die  Unterstiitzung  von 
spontan  sich  bildenden  Gruppen  kaum  mbglich.   Dadurch  wird  eine  Dis- 
krepanz  zwischen  den  die  Jugend  verwaltenden  Verbanden  und  Institution- 
en  und  spontanen  Bewegungen  unter  der  Jugend  geschaffen,  werden  letzte- 
re  von  einer  Forderung  so  gut  wie  ausgeschlossen.   Selbstorganisation 
und  Selbstverwaltung  werden  dadurch     nicht     gefbrdert. 

JUGENDARBEIT 

Gegenuber  der  Unterscheidung  Jugendpflege  und  Jugendflirsorge  urn  JWG 
wird  im  RE  unterschieden  zwischen  Hilfen  zur  Erziehung,  auf  deren 
Leistung  ein  Rechtsanspruch  bestehen  kann  und  Forderungsangeboten, 
auf  die  kein  Rechtsanspruch  besteht.   Zum  Bereich  der  Fbrderungsange- 
bote  gehbrt  neben  der  Familienbildung   (§  27)  und  Beratung   (§  28)  die 
Jugendarbeit  (§§  18  -  24) 

"Grundsatze  der  Jugendarbeit 

-  Politische  Bildung 

-  Kulturelle  Bildung 

-  Beruf sorientierte  Bildung 

-  Jugendsozialarbeit 

-  Jugendarbeit  in  Freizeit,  Geselligkeit ,  Spiel,  Sport  und  Erholung 

-  Internationale  Jugendarbeit". 

Die  Bereiche  stehen  gleichberechtigt  nebeneinander,  d.h.,  ein  Primat 
der  Politischen  Bildung  gibt  es  nicht.  Gegenuber  dem  RE  von  1974  sind 
"berufsorientierte  Bildung"  und  "Jugendsozialarbeit"  neue  Bereiche, 
die  die  derzeitige  Arbeitsmarktsituation  widerspiegeln: 

"a)  Schulabganger-  und  Beruf svorbereitungsseminaren, 

b)  Lehrgangen  fiir  noch  nicht  beruf sreife  Jugendliche, 

c)  ausbildungs-  und  beruf sbegleitenden  Lehrgangen  und  Seminaren". 
(§  21). 

"Leistungen  zur  Unterstiitzung  und  Erganzung  der  Schul-  und  Berufs- 
bildung"  (5  22). 

Jugendarbeit  soil  nicht  mehr  in  erster  Linie  politische  Bildung  in 
Einheit  von  BewuBtseinsbildung  und  Aktion  sein,  sondern  es  werden 
ihr  kompensatorische  Funktionen  zugeordnet.  Soziale  Problemgruppen 
sollen  mit  diesen  Angeboten  in  die  herrschende  Gesellschaftsordnung 
integriert  werden.  Das  letztliche  Scheitern  solcher  Vorstel lungen  zeigt 
die  Palette  von  bildungs-  und  sozialpadagogischen  Programmen  zur  Hil- 
fe  und  Beratung  von  arbeitslosen  Jugendl ichen. 

Jugendliche  sollen  nicht  befahigt  werden,  ihre  gesellschaftl iche  Lage 
zu  analysieren,  ihre  Interessen  zu  artikulieren  und  Strategien  kol- 
lektiver  Durchsetzung  ihrer  Interessen  und  Bediirfnisse  zu  entwickeln. 
Kategorien  wie  "Verhaltenssicherheit"  al s  Grundsatze  von  Jugendarbeit 
und  Formulierungen  wie  "Interesse  an  politischer  Beteiligung  und  Mit- 
arbeit  wecken  und  starken",  "Forderung  des  sozialen  Engagements"  in 
der  politischen  Bildung  (§  19)  "Pflichten  und  Verantwortlichkeiten 
gegeniiber  Staat  und  Gesellschaft  befahigen"  Zeigen  die  system  integra- 
tive und  kompensatorische  Absicht. 


-  12 


Methodisch  1st  politische  Bildung  vorgesehen  in  "Fachtagungen,  Lehr- 
gangen und  Seminaren,  Vortrags-  und  Diskussionsveranstaltungen"  (§  19) . 

Die  konventionellen  Methoden  entsprechen  weder  den  Bedurfnissen  und 
Interessen  von  Arbeiter jugendl ichen  noch  den  Erfahrungen  und  der  fach- 
1  ichen  Diskussion  der  letzten  Jahre,  wie  politische  Lernprozesse  ab- 
laufen.  Soziale  Verhaltnisse  sind  nicht  verbal-  in  schulisch  organi- 
siertem  Lernen  -  zu  Ibsen,  sondern  in  politischer  Praxis  und  sol i - 
darischen  Aktionen.  Die  Einbeziehung  solcher  Erfahrungen  falltaus  dem 
RE  vol  1  ig  raus.  Daruber  hinaus  gelten  flir  alle  emanzipatorischen 
Praxisansatze  die  Anerkennungs-  und  Fbrderungskriterien.  Hierkbnnen 
die  Behbrden jederzeit  administrate  regl ementieren  und  diszipl inierend 
eingrenzen  und  ggf.  die  Anerkennung  und  Forderung  zurucknehmen. 

TECHNOKRATISCHE  (VER-)  PLANUNG 


Das  Gesetz  wird  im  Kommentar  als  Leistungsgesetz  definiert.  Zu  den 
Prinzipien  einer  modernen  und  wirksamen  "Leistungsverwaltung"  gehbrt 
demzufolge  die  mittel-  und  langfristige  Planung  und  Bedarfsermittlung. 
Die  derzeit  geringen  und  knapper  werdenden  Mittel,  im  Sinne  biirokratisch 
festgelegter  Effizienz  einzusetzen,  erscheint  den  Kommentatoren 
hbchstens  Gebot.  Das  hat  zur  Folge  "den  Jugendhilfebestand  festzustel- 
len,  den  Jugendhilfebedarf  unter  Berticksichtigung  der  Wunsche,  Be- 
diirfnisse  und  Interessen  der  jungen  Menschen  und  der  Erziehungsbe- 
rechtigten  fiir  einen  mindestens  funf jahrigen  Zeitraum  zu  ermitteln" 
(§  105). 

Der  Jugendhilfeplan  ist  "mindestens  alle  2  Jahre  fortzuschreiben" 
(§  107).  Damit  wird  langfristig  festgeschrieben,  wie  auf  Problem- 
lagen  von  Kindern  und  Jugendlichen  staatlich  reagiert  wird; 
Spontaneitat,  Bedurfnisorientierung  und  methodische  Flexibilitat  wird 
gegen  die  sich  eingespielte  und  einspielende  Problemlbsungslogik  jede 
Chance  genommen.  Jugendliche  und  Kinder  mit  ihren  Problemen  und  Interes- 
sen werden  der  Planung  -  an  der  sie  eh  nicht  beteiligt sind  -  subsumiert 
und  nicht  umgekehrt. 

JUGENDHILFEAUSSCHUSS 

Die  Zweigliedrigkeit  des  jetzigen  Jugendamtes  (Verwaltung  und  Jugend- 
wohlfahrtsausschuB)  ubernimmt  der  RE  nicht.  Der  vorgesehene  Jugend- 
hilfeausschufi  (eine  Trennung  in  Pflege-  und  FiirsorgeausschuS  ist 
ebenfalls  nicht  mehr  vorgesehen)  wird  wie  andere  kommunale  Ausschus- 
se  zugeordnet  und  ist  nicht  mehr  Teil  des  Jugendamtes.  "Dem  Jugend- 

hilf eausschufi  gehoren  als  stimmberechtigte  Mitglieder  aiit  drei  Fiinftel 
des  Anteils  der  Stimmen  Mitglieder  der  Vertretungskorperschaf t  des 
offentlichen  Tragers  der  Jugendhilfe  an,  die  in  der  Jugendhilfe  er- 
fahren  sein  sollen.  Mit  je  einem  Fiinftel  des  Anteils  der  Stimmen  ge- 
horen ihm  Personen  an,  die  auf  Vorschlag  im  Bereich  des  offentlichen 
Tragers  der  Jugendhilfe  wirkenden  und  anerkannten 

1.  Verbande  und  Gruppen  der  Jugend  (§  97  Abs.  1  Nr.  1) 
und 

2.  Vereinigungen  (§  97  Abs.  1  Nr.  2.  S  92). 

Beratende  Mitglieder  sind  u.a.  ein  Vertreter  des  Arbeitsamtes,  eine 
Fachkraft  aus  dem  Schulbereich  und  ein  Vertreter  aus  dem  Bereich  der 
Fortbildung.  Auch  hier  schlagt  die  Arbeitsmarktsituation  durch;  aller- 
dings  sind  die  Jugendlichen  -  wie  auch  im  JwA  -  nicht  selbst  vertreten, 

-  13  - 


sie  werden  vertreten.  Die  Mehrheit  (3/5)  der  Mitglieder  kommen  aus 
der  Vertretungskbrperschaft;  die  Wirkungsmbgl ichkeiten  der  freien 
Trager,  vor  all  em  der  progressiven  Jugendverbande  und  Jugendringe 
(sie  werden  ira  Gesetz  nicht  mehr  erwahnt),  deren  Initiative  z.B.  das 
Jugendpolizei-Projekt  in  Frankfurt  mit  verhindert  hat  -  wird  erheb- 
lich  eingeschrankt,  Verbande  und  Gruppen  der  Jugend  delegieren  nur 

1/5  der  Mitglieder.  "Der  JugendhilfeausschuB  hat  BeschluSrecht  in 
Angelegenheiten  der  Jugendhilfe  im  Rahmen  der  von  der  Vertretungs- 
korperschaft  bereitgestellten  Mittel  und  der  von  ihr  gefafiten  Be- 

schiusse"  (§  93,2).  Die  Kontrolle  und  EinfluBnahme  der  Jugendhilfe- 
praxis  wird  erheblich  eingeschrankt  bzw.  in  eine  unverbindliche  An- 
regungs-  und  Fbrderungsfunktion  verwandelt  (§  93,1),  Mitwirkung  wird 
dem  AusschuB  bei  Erstellung  des  Jugendhilfeplanes  (§  107)  zugestan- 
den.  Neben  dem  JugendhilfeausschuB  soil  eine  Arbeitsgemeinschaft  (§  95) 
gebildet  werden,  deren  Stellenwert  nicht  zu  erkennen  und  deren  gesetz- 
lich  zugestandener  EinfluB  gleich  Null  ist.  In  ihm  sollen  wohl  alle 
Trager  von  Jugendhilfe  unverbindl ich  miteinander  reden,  die  beratende 
Funktion  hat  Alibifunktion.  Alle  Kompetenzen  liegen  letztlich  beim_ 
bffentlichen  Trager.  Gerade  hieran  wird  deutlich,  daB  weder  eine  Mit- 
wirkung der  von  den  MaBnahmen  Betroffenen  Klienten  noch  der  die  prak- 
tische  Arbeit  tragenden  Fachkra'fte  vorgesehen  ist.  Gegeniiber  der  bis- 
herigen  Konstruktion  des  Jugendamtes  wird  hier  dem  offentlichen  Trager 
mehr  Macht  und  Entscheidungsbefugnis  eingera'umt.  Die  Mitwirkung  des 
fachkundigen  Burgers  wird  zuriickgedrangt:  mehr  Staat  macht  sich  breit. 

ABSCHLIESSENDE  BEWERTUNG 

Bei  naherem  Hinsehen  schrumpfen  die  angeblichen  Verbesserungen  sehr 
zusammen,  so  ist  etwa  der  Rechtsanspruch  auf  Fortbildung  der  Mit- 
arbeiter  (§  103)  als  Verbesserung  anzusehen.  Im  Prinzip  sind  sie  aber 
nur  Verpackung  fur  zum  Teil  erhebliche  Verschlechterungen.  Eine  fort- 
schrittliche  Jugendhilfepraxis  wird  von  dem  vorliegenden  RE,der  wohl  nur 
mit  unwesentlichen  Vera'nderungen  so  verabschiedet  werden  wird,  keine 
Unterstiitzung  erfahren. 

Zusammenfassend  la'Bt  sich  feststellen,  daB  das  neue  Jugendhilferecht 
sich  nicht  an  den  Interessen  von  Kindern  und  Jugendlichen  orientiert. 
Vielmehr  hat  die  sozial  -1  iberale  Koalition  voll  die  Famil  ienonentne- 
rung  der  CDU  aufgegriffen  und  auf  eigene  programmatische  Ziele  weit- 
gehend  verzichtet.  . 

Die  Schwierigkeiten,  in  die  Kinder  und  Jugendliche  aufgrund  der  Knsen- 
erscheinungen  kommen,  werden  deren  Familien  noch  zusatzlich  angelastet. 
Was  dffentliche  Aufgabe  ware,  soil  privat  gelbst  werden.  Da  die  be- 
troffenen Klienten  meist  aus  proletarischen  Familien  kommen,  wird  auch 
deutlich,  wer  die  Zeche  letztlich  zu  bezahlen  hat. 
Gleichzeitig  maBt  sich  der  Staat  mehr  Eingriffskompetenzen  zu  und 
strukturiert  die  Jugendhilfe  technokratisch  durch. 
Beide  MaBnahmen  gehen  zu  Lasten  der  Betroffenen,  Initiativen  von  unten 
werden  dadurch  nicht  gefbrdert. 

Wo  einmal  programmatisch  mehr  Demokratie  gewagt  werden  sollte,  wird 
hier  einmal  mehr  Staat  etabliert. 

In  der  Haupttendenz  unterscheidet  sich  dieser  Entwurf  deshalb  nicht 
von  seinem  Vorlaufer. 

(1)  "Texte  zur  Jugendhilferechtskritik"  Verlag  Jugend  und  Politik 
Ffm.  74; 

(2)  Reinhard  Wilke  "Zum  Entwurf  eines  neuen  Jugendhilfegesetzes" 
deutsche  jugend,  Dez.  77,  S.  559 


Jiirgen  Fiege /Herbert  Swoboda,  Frankfurt 

VERWISSENSCHAFTLICHUNG  UND  PADAGOGISIERUNG 
DISZIPLINIERUNGSINSTRUMENTE 

DER 

JUGEND  VERBANDSARBEIT 


VORBEMERKUNG 

Nachdem  abzusehen  war,  daB  die  1970  begonnene  Reform  des  Jugendhilfe- 
gesetzes ins  Stocken  geraten  wurde  und  ihr  mit  der  bkonomischen  Krise 
1974  die  Luft  ausging,  holte  die  damalige  Ministerin  flir  Jugend,  Fa- 
mil  ie  und  Gesundheit  Katharina  Focke  einen  weiteren  Plan  aus  der 
Schublade,  um  zumindest  liber  diesen  Weg  Kontrolle  und  Effizienz  unter 
den  finanzpolitischen  Schwierigkeiten  sicherzustellen   die  "Perspek- 
tiven  zum  Bundesjugendplan".  Ein  erster  im  Herbst  1974  erarbeiteter 
Entwurf  sollte  zwar  sorgsam  vor  der  Offentl ichkeit  gehlitet  werden, 
wurde  aber  dann  doch  durch  eine  offene  Stelle  bekannt  und  schlug  in 
Jugendverbandskreisen    wie  eine  Bombe  ein.  Das  Ministerium  dekla- 
rierte  ihn  als  einen  vorlaufigen  Diskussionsentwurf  und  legte  eine 
uberarbeitete  Fassung  im  November  den  zentralen  Organisationen  der 
Jugendhilfe  vor,  mit  der  MaBgabe, innerhalb  von  drei  Monaten  Stellung 
zu  nehmen. 

Mit  den  Perspektiven  zum  Bundesjugendplan  will  der  Bund  "die  Aufga- 
ben  im  Bereich  der  Jugendfbrderung  verdeutl ichen"  und  "die  Fbrderung 
der  Jugendarbeit  aus  dem  Bundesjugendplan  strenger  als  bisher  auf 
zentrale  Aufgaben  konzentrieren". 

Wichtiger  Kritikpunkt  mehrerer  Stellungnahmen  von  Jugendverbanden  war 
die  Kontrollfunktion  der  in  deti  Perspektiven  vorgesehenen  "Wirkungs- 
analyse  und  Erfolgskontrolle". 

Mitarbeiter  des  Deutschen  Jugendinstituts  haben  sich  nun  dran  ge- 
macht,  ein  Konzept  flir  diese  Wirkungsanalyse  und  Erfolgskontrolle  zu 
entwickeln,  und  dieses  in  einem  Aufsatz  in  der  deutschen  Jugend 
10  -  11/1976  verbffentlicht  (Stackebrandt,  Schefold,  John,  Grieser: 
Wirkungsanal vsen  in  der  Jugendarbeit, in:  Deutsche  Jugend  10-11/76, 
S.  443  ff  und  S.  511  ff) 


GRUNDTENDENZEN 

Der  Artikel  weist  einige  Grundtendenzen  auf,  die  im  folgenden  an  Bei- 

spielen  belegt  werden  sollen: 

•  er  argumentiert  pa'dagogisch,  indem  er  Jugendarbeit  unabhangig  von 

ihrer  politischen  Bedeutung  auf  sozial padagogische  Bezuge  redu- 

ziert; 

■  er  reduziert  die  Auseinandersetzung  um  Wirkungsanalyse  und  Erfolgs- 
kontrolle auf  ein  wissenschaftl iches  Problem,  indem  er  den  politi- 
schen und  praktischen  Bezug  vernachla'ssigt  und 

■  er  verharmlost  und  verschleiert  die  in  den"Perspektiven"  und  insbe- 
sondere  in  der  Wirkungsanalyse  und  Erfolgskontrolle  enthaltenen  Ge- 
fahren  fur  die  Jugendarbeit.  -  15  - 


ck  zu  erwecken,  als  wollten  die 
nstitut  den  Jugendverbanden  einen  Ge- 
haftlich  ausgewiesen  -  eine  schon 
le  und  Wirkungsanalyse  konzipieren, 
e  suchen.  Tatsachlich  liberprufen  die 

ihre  Arbeit  kritisch  und  es  finden 
che  Korrekturen  statt.  Nur  weigerten 
ch,  sich  einer  Kontrolle  durch  den 
genstandigkeit  und  Unabhangigkeit 


Der  Artikel  versucht,  den  Eindru 
Autoren  und  das  Deutsche  Jugendi 
fallen  tun,  indem  sie  -  wissensc 
lange  liberfa'll  ige  Erfolgskontrol 
nach  der  die  Verbande  schon  lang 
Jugendverbande  schon  seit  langem 
auch  konzeptionelle  und  methodis 
sich  die  Verbande  bisher  energis 
Staat  auszusetzen  und  so  ihre  Ei 
aufzugeben. 

Der  Zeitpunkt,  zu  dem  der  neue  Artikel  erscheint,  ist  jedoch  nicht 
zufallig.  Das  Jugendministerium  hat  die  "Perspektiven"  zur  Diskus- 
sion  gestellt,  die  Verbande  haben  -  unterschiedlich  scharf,  aber 
weitgehend  Ubereinstimmend  -  Kritik  daran  gelibt. 
Nachdem  die  Jugendverbande  ihre  Stell ungnahme  abgegeben  haben  und 
der  2.  Entwurf  zur  Neufassung  im  Ministerium  liegt,  legen  die  Mit- 
arbeiter  des  DJI  ihr  Konzept  vor,  mit  dem  sie  allerdings  den  Ver- 
banden  einen  Barendienst  erweisen,  denn  abstrakte  Zielprojektionen, 
die  verbandsspezifische  Zielsetzungen  und  Methoden  vernachlassigen, 
dafiir  die  Verbandsarbeit  von  auBen  kontrol  lierbar  machen,  sind  flir 
die  Verbande  nicht  akzeptabel . 

Der  entpolitisierende  und  verwissenschaftl ichende  Ansatz  des  Artikel s 
wird  schon  daran  deutlich,  daB  nicht  die  "Perspektiven"  als  ganzes 
einer  kritischen  Untersuchung  unterzogen  werden;  vielmehr  wird  das 
Thema  "Perspektiven"  reduziert  auf  die  Probleme  Wirkungsanalyse  und 
Erfolgskontrolle  und  damit  werden  schwerwiegende  Eingriffe  in  die 
Arbeit  der  Jugendverbande  (4-Tage-Regelung  fur  Lehrgange,  40%-Klau- 
sel  flir  Personal kosten,  Schwerpunktsetzung  aufgrund  stagnierender 
Mittelansatze,s.u.)  aus  den  Oberlegungen  ausgeblendet. 
Um  die  Bedeutung  dieses  Vorgehens  einschatzen  zu  konnen,  muB  man  ^ 
sich  die  Interessen  des  DJI  verdeutl ichen:  Die  "wissenschaftl iche 
Erarbeitung  und  Anwendung  von  Wirkungsanalysen  und  Erfolgskontrol - 
len  schafft  eine  Legitimationsgrundlage  fiir  die  Arbeit  des  DJI.  Hier 
kann  es  sich  zudem  noch  profilieren  und  den  Nachweis seiner  Unentbehr- 
lichkeit  antreten.  Die  Tatsache,  daB  dadurch  eine  quasi-staatl  iche 
Kontrolle  der  Jugendverbande  stattf indet,  wodurch  deren  Autonomic 
beeintrachtigt  wird,  liegt  nicht  im  Interesse  des  DJI.  Deswegen  ge- 
hen  die  Autoren  auch  gar  nicht  darauf  ein.  Hier  wird  u.a.  deutlich, 
wie  staatliche  Jugendpol itik  wirkt:  Durch  finanzielle  Schwerpunkt- 
setzung machen  die  Subventionierten  -  und  in  diesem  Falle  das  DJI  - 
immer  das,  woflir  Zuschlisse,  Prestige  und  Existenznachweis  einzuheim- 
sen  sind.  Dadurch  wird  sozusagen  die  Richtigkeit  dieser  staatlichen 
Jugendpol itik-MaBnahmen  aus  sich  selbst  legitimiert. 


FINANZIERUNGSPROBLEME  VERNACHLASSIGT 

Das  Problem  der  Geldmittel  wird  von  den  Autoren  zwar  kurz  erwahnt, 
aber  nur.indem  sie  den  Vorwurf  ohne  Begrlindung  zuruckweisen,  die 
"Perspektiven"  verfolgtendie  Absicht,  Subventionen  zu  sparen.  Tat- 
sachlich wird  dieser  Verdacht  in  der  SchluBbemerkung  der  "Perspekti- 
ven" selber  erha'rtet.  Es  sei  mit  keiner  Erhohung  der  finanziellen^ 
Mittel  zu  rechnen,  daher  sei  "Konzentration  auf  zentrale  Aufgaben" 
und  "Fbrderung  weniger  wichtiger  oder  weniger  effektiver  (effektiv 

-  16  - 


wofu'r,  fiir  wen?-die  Verfasser)  Bereiche"  aufzugeben.  Daraus  leitet 
sich  dann  die  Notwendigkeit  von  Schwerpunktbildungen  ab.  Die  Reihen- 
folge  der  Argumente  ist  also:  kein  Geld  -  Konzentration  -  Schwerpunkt- 
bildung.  Nicht  aufgrund  gesell  schaftl  icher  Notwendigkeiten,  sondern 
aufgrund  finanzieller  Beschrankungen  wird  die  Schwerpunktbildung 
notig.  Erfolgskontrolle  und  Wirkungsanalyse  sollen  die  Aufgabe  u'ber- 
nehmen,  die  "Effektivitat"  bestimmter  Bereiche  zu  Uberprufen  und 
Schwerpunktsetzungen  vorzunehmen.  Orientiert  wird  dieses  Verfahren 
nicht  daran,  was  gesel 1 schaftl ich  im  Jugendbereich  notwendig  ist, 
sondern  was  finanziell  machbar  ist. 

Angesichts  der  Aussage,  daB  mit  hoheren  Mittelansa'tzen  nicht  zu  rech- 
nen ist,  mutet  es  schon  komisch  an,  wenn  die  Autoren  fordern,  "die 
finanzielle  Absicherung  dieser  Verfahren  (Wirkungsanalyse  als  Hand- 
lungsforschung,  gemeinsam  von  Wissenschaftlern  und  Tragern  durchge- 
fUhrt  -die  Verfasser)  m'u'Bte  allerdings  das  Bundesministerium  fiir 
Familie,  Jugend  und  Gesundheit  garantieren".  Das  BMFJG  garantiert 
noch  nicht  einmal  den  Bestand  der  derzeitigen  Mittelansatze,  geschwei- 
ge  denn  weitere  Projekte.  Und  wenn  wirklich  mit  mehr  Geld  zu  rechnen 
ware,  dann  ware  es  ja  wohl  angebracht,  dieses  in  die  praktische  Ar- 
beit zu  investieren. 

Auch  hier  wird  wieder  die  Interessenkoll ision  DJI- Jugendverbande  deut- 
lich: Dem  DJI  geht  es  eben  nicht  um  die  praktische  Arbeit  der  Ver- 
bande, sondern  um  wissenschaftl  iche  Untersuchungen. 

Um  die  interessenbedingte  Blindheit  des  Artikels  fur  die  Belange  der 
Jugend  gegenliber  finanziell en  Problemen  zu  verstehen,  muB  man  sich 
vergegenwartigen,  wo  die  "Perspektiven"  in  die  Forderung  eingreifen: 

l.Die  Perscnalmittel  sollen  auf  40%  der  Gesamtfbrderung  beschra'nkt 
werden.  Das  bedeutet  vor  allem  fur  kleinere  Verbande,  daB  sie  Per- 
sonal abbauen  mussen,  denn  40%  des  ZuschuBvolumens  bedeutet  bei 
einigen  Verbanden  Entlassung  von  Mitarbeitern,  da  von  einer  Er- 
hohung des  Sachkostenanteils  nicht  ausgegangen  werden  kann. 

2.Lehrgange  sollen  nur  noch  ab  einer  Dauer  von  4  Tagen  gefdrdert  wer- 
den. Das  bedeutet  flir  die  Verbande  Reduzierung  ihres  Lehrgangsan- 
gebots,  denn  die  meist  ehrenamtl ichen  Mitarbeiter  -  von  deren  zen- 
traler  Funktion  auch  die  "Perspektiven"  ausgehen  -  konnen  nicht 
vier  Tage  aus  Schule  und  Betrieb  wegbleiben.  Fortbildungsveran- 
staltungen  fiir  ehrenamtl  iche  Mitarbeiter  sind  daher  nur  an  den  zwei 
Tagen  eines  Wochenendes  moglich.  Im  Endeffekt  bedeutet  das,  daB 
Geld  eingespart  wird,  weil  weniger  Lehrgange  stattfinden  konnen. 

3. Man  unterscheidet  zwischen  Grund-  und  Aktivitatenfbrderung  im  Bun- 
desjugendplan.  Grundfbrderung  ist  die  finanzielle  Grundausstattung 
von  Tragern  flir  Personal  kosten,  Blirokosten  etc.  Aktivitatenfbr- 
derung steht  flir  Seminare,  Lehrgange,  Arbeitstagungen  etc.  zur 
Verfugung.  Die  Trennung  von  Grund-  und  Aktivitatenfbrderung  wird 
in  den  "Perspektiven"  aus  haushal tsrechtl  ichen  Grlinden  abgelehnt. 
Das  bedeutet,  daB  z.B.  bei  niedrigeren  Haushal tsansatzen  nicht  mehr 
nur  weniger  Geld  flir  Aktivitaten  vorhanden  ist,  sondern  daB  gleich- 
zeitig  auch  Hauptamtl iche  entlassen  werden  mussen.  Damit  werden  die 
Hauptamtl ichen  in  Unsicherheit  und  Abhangigkeit  gehalten. 


17  - 


4. Die  Brei tenfbrderung  wird  den  Landern  und  Konmunen  zugemutet,  die 
chronisch  unter  Finanznot  leiden.  Man  muB  sich  vergegenwartigen, 
daB  Zuschiisse  der  Gemeinden  trotz  einschla'giger  Entscheidungen  der 
Gerichte  uber  die  Zustandigkeit  der  Gemeinden  fur  die  Jugendfbr- 
derung  fur  Fahrten  und  Lager  -  wenn  uberhaupt  -  ungefahr  zwischen 
30  Pfennigen  und  1  Mark  pro  Tag  und  Teilnehmer  liegen.  Da  ist  ab- 
zusehen,  daB  in  Zukunft  bei  Fortfall  der  Fb'rderung  durch  den  Bund 
eine  faktische  Fb'rderungsverringerung  zu  erwarten  ist. 

5  Das  Alter  der  Jugendl ichen,  die  an  den  gefbrderten  MaBnahmen  teil- 
'nehmen  dlirfen,  wird  von  25  auf  21  reduziert,  gleichzeitig  werden 
die  Studentenverba'nde  aus  der  Fbrderung  ganz  herausgenominen.  Diese 
MaBnahme  erschwert  vor  all  em  die  Fortbildung  ehrenamtl icher  Mit- 
arbeiter.  Die  Einsparungsabsicht  ist  offensichtlich.  SchlieBlich 
mussen  die  Kader  der  Jugendarbeit  uber  21  Jahren  hauptamtlich  sein 
und  sind  damit  vielfaltig  kontrollier-  und  diszipl inierbar. 


POLITISCHE  ZUSAMMENHANGE  IGNORIERT 

Diese  Zusammenhange  und  Absichten  werden  von  den  Autoren  nicht  ge- 
sehen  Stattdessen  wird  die  Illusion  gefbrdert,  der  Bund  w'urde  fur 
Forschungsprojekte  noch  zusatzliche  Mittel  bereitstell en.  Gerade  aus 
dem  Zusammenhang  von  gleichbleibenden  Mittelansatzen  bzw.  Mittelkur- 
zungen  und  Effektivitatskontrol le  la'Bt  sich  folgern,  daB  nicht  eine 
Hbherq,ualifizierung  der  Jugendarbeit,  sondern  eine  diszipl inierende_ 
Kontrolle  beabsichtigt  wird.  Diese  Vermutung  wird  nicht  nur  von  linker. 
Kritikern  der  "Perspektiven"  gehegt,  sondern  sie  findet  sich  auch  in 
den  Stellungnahmen  von  Jugendverbanden  eher  konservativen  Zuschmtts 
(Vgl.  z.B.  Stellungnahme  des  Ring  deutscher  Pfadfinderverbande) . 

In  der  Befurchtung  mehrerer  Verbande  (z.B. Bund  der  Deutschen  Katholi- 
schen  Jugend,  Jugend  des  Deutschen  Alpenvereins) ,  daB  Wirkungsana- 
lyse  und  Erfolgskontrolle  eine  Blirokratisierung  der  Abrechnungs- 
praxis  bedeutet,  drUckt  sich  die  Vermutung  aus,  daB  nur  in  formal i- 
sierten  Verfahren  die  Arbeit  der  Verbande  abfragbar  ist,  denn  rnit 
welchen  inhaltlichen  Methoden  lassen  sich  die  Erfolge  unterschied- 
1 icher  Zielsetzungen  der  Einzel verbande  untersuchen.  Und  wie  das 
Ministerium  sich  das  praktisch  vorstellt,  kann  man  an  den  den  Verban- 
den  vom  Ministerium  bereits  vorgelegten  Fragebogen  ablesen,  in  aenen 
statistische  Erhebungen  uber  Alter  und  Zusammensetzung  der  Teilnenmer 
einer  MaBnahme  angestellt  werden.  Nur  da,  wo  politische  Brisanz  ver 
mutet  wird,  wird  auch  inhaltlich  Uberpruft,  wie  man  aus  diversen 
Disziplinierungsfallen  unschwer  erkennen  kann  (s.u.). 

Wenn  die  "Perspektiven"  politisches  Handeln  nicht  vorsehen,  sondern 
Jugendarbeit  als  Sozial isationsfeld  interpretieren,  in  dem  alien- 
falls  "Probehandeln"  mbglich  sei,  so  findet  sich  die  gleiche  Tendenz 
der  Padagogisierung  und  Verwissenschaftl ichung  von  Jugendarbeit  auch 
bei  den  Autoren.  Jugendarbeit  ist  "reflexiver  Lernort",  in  dem  be 
wuBte  Selbsterfahrung"  erfolgt  und  ein  "ProzeB  des  Miteinanderumge 
hens"  sich  vollzieht.  Pa'dagogische  Arbeit  wird  zwar  als  politisches 
Handeln  interpretiert.aber  die  dialektische  Umkehrung  von  politiscnem 
Handeln  als  Erziehungsfunktion  bleibt  auBerhalb  der  Oberlegung. 

Urn  MiBverstandnisse  zu  vermeiden,  mussen  wir  darauf  hinweisen,  daB 
-  18  - 


wir  gegen  richtig  verstandene  Wissenschaftl  ichkeit  nichts  haben.  Wis- 
senschaftl iche  Begleitung  von  Praxis  in  der  Jugendarbeit  ist  eine 
hbchst  wlinschenswerte  und  wichtige  Angelegenheit.  Das  Problem  ist 
hier  aber,  daB  organisatorisch  und  inhaltlich  getrennt  von  der  Praxis 
eine  wissenschaftl  iche  Begleitung  geplant  ist. 
Das  andere  Problem  der  Verwissenschaftl ichung  in  dem  Artikel  von 
Stackebrandt  u.a.  besteht  darin,  daB  die  Auseinandersetzung  urn  die 
"Perspektiven"  auf  ein  wissenschaftl  iches  Problem  reduziert  wird.  Da- 
mit wird  von  der  dahinterstehenden  politischen  Auseinandersetzung  und 
den  damit  verbundenen  Interessenkol 1 isionen  abgelenkt.  (Vgl.  zu  die- 
sem  Zusammenhang  von  praktischer  Jugendarbeit  und  wissenschaftl icher 
Begleitung  Stefan  Straub:  Jugendverbandsarbeit  mit  wissenschaftl ichem 
Anspruch?  uber  die  Funktion  hauptamtl icher  Mitarbeiter  in  der  Jugend- 
verbandsarbeit; in:  Deutsche  Jugend  2/1972). 

Hier  zeigt  sich  deutlich,  daB  politisches  Handeln  als  Interessenwahr- 
nehmung  Jugendl icher,  wie  es  zum  Selbstverstandnis  gewerkschaftl icher 
Jugendarbeit,  aber  auch  zu  dem  politischer  Jugendverbande  gehbrt, 
nicht  gewlinscht  ist.  Zusatzlich  ausgeblendet  wird  dieser  Ansatz  da- 
durch,  daB  von  der  Jugendarbeit  gesprochen  wird,  die  es  eben  nicht 
gibt.  Es  gibt  Jugendverbande,  die  aufgrund  unterschiedl icher,  ideolo- 
gischer,  politischer  und  praktischer  Zielsetzung  Erziehungs-  und  Bil- 
dungsarbeit  leisten.  Man  muB  hier  unterscheiden  zwischen  Fachverban- 
den  (z.B.  Feuerwehrjugend,  Sportjugend,  DRK-Jugend),  gewerkschaft- 
lichen  und  politischen  Verba'nden,  Freizeitverba'nden  (z.B.  Wanderjugend) 
und  schlieBlich  weltanschaul  ichen  (konfessionellen)  Verba'nden.  Hier- 
bei  gibt  es  teilweise  Oberschneidungen  wie  z.B.  die  Festlegung  auf 
"emanzipatorische  Jugendarbeit"  und  es  gibt  gewisse  Interessenidenti- 
taten  (z.B.  in  der  Frage  der  Berufsbildung) ,  aber  die  Jugendarbeit 
gibt  es  nicht,  es  sei  denn,  man  lieBe  sich  auf  extrem  formale  Begriff- 
lichkeiten  ein,  die  keine  praktische  Entsprechung  mehr  haben.  Allge- 
meinverbindliche  Zielsetzungen  und  damit  auch  Kontroll  kriterien  kbn- 
nen  daher  fur  Jugendarbeit  allgemein  nicht  festgelegt  werden.  Wohl- 
weislich  tun  das  auch  die  "Perspektiven"  nicht,  erstens  weil  es  nicht 
moglich  ist,  und  zweitens  weil  es  praktischer  ist,  sich  nicht  fest- 
zulegen  und  die  Interpretation  im  Bedarfsfall  nachzuschieben.  So  be- 
reits geschehen  im  §  9  des  JWG,  wo  die  Verbande  auf  die  Verfassung 
festgelegt  werden.  Diese  Verfassung  wird  dann  aber  jeweils  nach  Gut- 
diinken  der  staatl  ichen  Interpreten  ausgelegt,  wie  z.B.  bei  der  NFJD, 
wo  die  vermutete  Mitgl iedschaft  von  Funktionaren  in  der  DKP  zum  Ent- 
zug  der  Fbrderung  ausreichte.  Der  Miihe,  die  Verfassungsfeindl  ichkeit 
der  praktischen  Arbeit  nachzuweisen,  unterzog  man  sich  gar  nicht  erst 
lange.  Ein  anderer  Fall  -  der  Ring  Bundischer  Jugend  (RBJ)  in  Hamburg 
-  belegt  das  zusatzlich.  Dem  RBJ  wurde  die  Forderungswiirdigkeit  von 
der  Jugendbehbrde  aberkannt  (und  das  wurde  vom  Verwal tungsgericht  be- 
statigt),  weil  er  in  seinen  Verbffentlichungen  die  Plural itat  nicht 
qewahrt  habe  und  Intoleranz  gegenuber  dem  politischen  Gegner  ("Schmah- 
kritik")  propagiert  habe. 


STAAT,  JUGENDVERBANDE  UND  ARBEITSLOSIGKEIT 

Die  Rolle  des  Staates  wird  von  den  Autoren  -  wissentlich  oder  nicht, 
jedenfalls  faktisch  -  vol  Tig  fehl interpretiert,  wenn  z.B.  von  einem 
''neuen  Interesse  des  Staates  an  Jugendarbeit"  gesprochen  wird.  Wo- 
her  dieses  Interesse  kommt,  worin  dieses  Interesse  besteht,  wird  vor- 

-  19  - 


nehm  verschwiegen.  Genauso  falsch  ist  es  zu  behaupten,  der  Bundes- 
jugendplan  habe  in  der  Vergangenheit  auf  "bewuBte  Steuerung  von  Ju- 
gendarbeit" verzichtet.  Ausgangspunkt  des  Bundesjugendplans  waren  die 
durch  Kriegswirren,  Fluchtl  ingselend,  Jugendarbeitslosigkeit  und 
mangelnde  Freizeitmbgl  ichkeiten  riach  dem  Krieg  entstandenen  Defizite 
(Vgl.  A.  Keil:  Ougendpol iti k  und  Bundesjugendplan,  Analyse  und  Kritik 
der  staatlichen  Jugendfbrderung,  Mlinchen  1969, und 
J.  Denier:  Jugend  und  Politik  im  Kapital  ismus.  Zur  Kritik  der  staat- 
lichen Jugendbildung  am  Beispiel  pol itischer  Bildung  als  Schwerpunkt 
des  Bundesjugendplans,  GieSen  1973). 

In  dem  MaBe,  wie  diese  Defizite  abgebaut  wurden,  orientierte  sich 
der  BJP1  auf  ideologische  Konzepte:  zuna'chst  intensivierte  Fdrderung 
antikommunistischer  Propaganda  (Berl inbegegnungen,  Ost-West-Seminare 
etc  )  und  spa'ter  auf  allgemeinere  Probleme,  schlagwortartig  unter  dem 
Begriff  Emanzipation  zusammengefaBt.  In  dem  MaBe,  wie  durch  wieder- 
holte  Wirtschaftskrisen,  die  sich  standig  versch'a'rfen,  neue  Defizite 
entstehen  (Jugendarbeitslosigkeit,  Dequalifizierung  der  Berufsbil- 
dung,  Verscharfung  des  Leistungsdrucks  in  der  Schule,  mangelnde  Frei- 
zeitmbgl ichkeiten),  wird  das  Schwergewicht  wieder  auf  kompensaton- 
sche  Programme  gelegt.  Die  Abha'ngigkeit  staatlicher  Planung  von  ge- 
sellschaftlichen  und  bkonomischen  Entwicklungen  und  damit  die  ob- 
jektive  Funktion  des  BJP1  wird  durch  den  Artikel  unterschlagen.  Im 
Widerspruch  dazu  wird  dann  aber  die  kompensatorische  Funktion  von 
Jugendarbeit  fur  Defizite  aus  anderen  Bereichen  (die  Autorennennen 
bezeichnenderweise  nur  das  Erziehungs-  und  Bildungssystem,  nicht  et- 
wa  die  bkonomischen  Ursachen)  legitimiert,  doch  diese  Defizite  wer- 
den  verharmlost  als  "individuelle  Problemlagen"  Oder  Probleme  von 
Randgruppen. 

Die  Abgehobenheit  der  Argumentation  von  jedem  praktischen  und  pol iti- 
schen  Bezug  oder  -  wenn  man  weniger  hbflich  formu  lert  -  die  ver- 
schleierungsabsicht  des  Artikels  -  wird  dort  deutlich,  wo  die  dis- 
ziplinierenden  Absichten  der  "Perspektiven"  als  nicht  belegbar  abge- 

tan  werden.  ...  ,    ,  .  .+  ■■ 

Zwar  wird  im  Abschnitt  1.2  der  "Perspektiven"  die  Jugendarbeit  als 
Sozialisationsfeld  charakterisiert,  in  dem  diverse  Leistungen  er- 
bracht  werden  sollen,  u.a.  "Umsetzung  eigener  und  gesellschaftl  icher 
Interessen  und  Aufgaben".  Wie  das  geschehen  so  1,  wird  dann  aber 
nicht  ausgefuhrt.  Unter  den  Aufgaben  des  BJP1  (2.3)  taucht  die  Forde- 
rung  politischen  Engagements  und  politischer  Handlungsmbgl ichkeiten 
car  nicht  erst  auf.  In  Abschnitt  3.3.11.  werden  die  Aufgaben  der  po- 
litischen Bildung  benannt.  In  dem  Katalog  wird  die  "Einubung  demo- 
kratischer  Vernal tensweisen"  gefordert  sowie  "das  Eintreten  fur  ge- 
samtgesellschaftliche  Interessen  und  Wertvorstellungen".  Waren  es 
oben  noch  "eigene  Interessen",  so  wird  das  hier  verengt  zu  gesamt- 
gesellschaftlichen  Interessen",  was  bedeuten  muB,  daB  die  gesanntge- 
sellschaftlichen  Interessen  -  nochntals  verengt  auf  "Wertvorstellun- 
gen" -  nicht  von  den  betroffenen  Jugendlichen  artikuliert  werden  sol- 
len, sondern  von  Instanzen,  die  auBerhalb  ihres  Einwirkungsbereichs 
liegen.  Sozial isation,  Aufgabe  der  Jugendarbeit,  und  politische  Bil- 
dung wird  dadurch  zum  Eingriffsverhalten  von  Erwachsenen,  Institu- 
tionen  und  Behbrden,  nicht  aber  zum  Feld  sozialer  und  politischer  Er- 
fahrung.  Handeln  taucht  nur  als  "Probehandeln"  (3.3.1.3.1.)  i"1  . 
sterilen  Experimentierfeld  pa'dagogischer  Veranstal tungen  auf,  nicht 
aber  als  padagogisch  politisches  Prinzip  von  Jugendarbeit. 

-  2o  - 


TENDENZ:  REGLEMENTIERUNG  UND  VERSCHLEIERUNC, 

Also,  bereits  immanent  werden  Zielvorstellungen  von  Jugendarbeit  in 
den  "Perspektiven"  formuliert,  die  politisches  Handeln  einschranken 
oder  ausschl ieBen. 

Der  Nachweis,  daB  mit  Hilfe  des  §  9  JWG  und  mit  dem  Hinweis  auf 
mangelnde  Fachl  ichkeit,  mangelnde  Partnerschaft  seitens  der  Tra'ger 
u.a.  die  FbrderungswLirdigkeit  von  Verba'hden  in  Frage  gestellt  oder 
aberkannt  wird,  muB  nicht  erst  geflihrt  werden.  Er  ist  bereits  er- 
bracht  durch  die  beachtliche  AbschuBstrecke  SDS,  SHB,  VDS,  RBJ,  NFJD 
und  viele  weniger  spektakulare  Einzelfa'lle  z.B.  bei  Jugendzentren. 
Das  neueste  Beispiel  versucht  nicht  einmal  mehr  eini  umfassende  U'Cr- 
digung  eines  Verbandes:  Aus  dem  Bundesinnenministerium  wurde  ein 
Schreiben  bekannt,  in  dem  dem  BMJFG  empfohlen  wird,  denjenigen  Ver- 
banden  die  Fbrderung  zu  entziehen,  die  sich  am  Russel -Tribunal  be- 
tel ligen.  (Vgl.  links,  Nr.  2/1978).  Die  Jungdemokraten  zooen  bereits 
vorher  ihre  Unterstiitzung  des  Russel -Tribunals  auf  Druck  aus  der  FDP 
und  der  Bundesregierung  zuruck.  Diese  Tatsache  herunterzuspiel en, 
scheint  Absicht  der  Autoren  zu  sein.  Welche  andere  Absicht  kann  denn 
der  Staat  noch  haben,  als  die,  die  Verbande  genaLer  zu  kontrol  1  ieren. 
Mit  dem  Argument  der  Fachl ichkeit  (genessen  an  welchem  Wissenschafts- 
begriff,  abgeleitet  von  wessen  Interessen?)  und  der  Partnerschaft 
la'Bt  sich  jede  miBliebige  Stbrung  diszipl  inieren.  Durch  Erfolgskon- 
trolle  und  Wirkungsanalyse  lassen  sich  die  Verbande  luckenlos  u'ber- 
prlifen  und  man  ist  nicht  erst  darauf  angewiesen,  spektakulare  Ereig- 
nisse  zum  Vorwand  fiir  Mittelstreichungen  zu  nehmen.  Die  Tatsache 
z.B.,  daB  von  verbandsinternen  Arbeitstagungen  bereits  Protokolle  an- 
gefordert  wurden,  daB  die  Rechnungshbfe  nach  der  inhaltlichen  Be- 
rechtigung  von  EinzelmaBnahmen  fragten,  laBt  die  Betroffenen  das 
schlimmste  befurchten.  Das  sind  belegbare  Tatsachen  und  "ausweis- 
bare  Erfahrungen"! 

Das  gleiche  gilt  flir  das  angebliche  "Prinzip  der  Pluralita't"  und  die 
"Eigenstandigkeit  der  Jugendarbeit".  Grundsatzlich  ist  das  nie  in 
Frage  gestellt  worden,  sicher  nicht,  denn  das  wurde  der  immer  noch 
miihsam  aufrechterhal tenen  liberalen  Scheinlegitimation  zuwiderlaufen. 
Aber  praktisch  werden  diese  Prinzipien  dauernd  in  Frage  gestellt, und 
in  der  Haufigkeit  verdichtet  sich  das  zum  Prinzip.  Nicht  nur,  daB 
bestimmte  politische  Ansatze  in  der  Jugendarbeit  von  vornherein  von 
der  Fbrderung  ausgeschlossen  werden  (z.B.  die  SDAJ),  sondern  ge- 
fbrderte  Verbande  werden  of fen  erpreBt.  So  wurde  der  Bundesjugend- 
ring  vom  fruheren  Staatssekretar  im  Jugendministerium  und  Mitglied 
des  Haushal tsausschusses  des  Bundestages  aufgefordert,  der  NFJD  aus 
der  "schl immen  kommunistischen  Unterwanderung  herauszuhelfen".  Da 
der  DBJR  eine  derartige  Intervention  ablehnte,  wurdender  NFJD  die 
Mittel  "qualifiziert"  gestrichen,  was  nichts  anderes  heiBt,  als  daB 
die  Effektivitatskontrolle  und  Wirkungsanalyse  bereits  ins  Vorfeld 
der  EinzelmaBnahme  verlegt  wurde.  Wahrend  nach  rechts  in  der  Ge- 
schichte  des  Bundesjugendplans  noch  nie  diszipl inierend  eingegriffen 
wurde,  geschieht  das  nach  links  standig.  Die  standig  reklamierte 
pluralita't  und  Eigenstandigkeit  der  Jugendarbeit  wird  praktisch 
standig  durchbrochen.  Im  Fall  des  RBJ  wurde  sogar  das  Argument  der 
pluralita't  gegen  diesen  Jugendverband  eingesetzt.  Die  Pluralita't, 
reklamiert  fur  den  ganzen  Bereich  der  Jugendarbeit,  wird  hier  dazu 
benutzt,  diese  reklamierte  Pluralita't  einzuschra'nken,  indem  der  ein- 

-  21  - 


zelne  Verband  auf  Pluralita't  in  seinem  Angebot  verpflichtet  wird, 
d.h.   es  wird  den  Verbanden  das  Recht  auf  Entfaltung  einer  spezifischen 
Zielsetzung  generell   abgesprochen. 


Is  unpartei- 
it",  die 
s  gesell- 
aber  immer 
nstanz  ist, 
eren  und  z.B. 
es  wird  u.a. 
ert  wird  Ju- 
her  Produkti- 

ktiven"  die 
der  Jugend- 
igkeit  eben 
n  Jugendver- 
Programme 


Der  Staat  erscheint  in  der  Darstellung  der  DJI-Autoren  a 
ische  gesamtgesellschaftl iche  Instanz,  als  "Offentl ichke 
gegeniiber  der  "Privatheit"  der  Trager  der  Jugendhilfe  da 
schaftliche  Interesse  durchzusetzen  hat.  Es  stellt  sich 
mehr  heraus,  daB  der  Staat  diejenige  gesellschaftl iche  I 
die  die  Produktions-  und  Herrschaftsverhal tnisse  garanti 
liber  die  Bi  1  dung  und  die  Erziehung  reproduzieren  soll.Di 
deutlich  am  Beispiel  der  Jugendarbeitslosigkeit.  Produzi 
gendarbeitslosigkeit  durch  die  Mechanismen  kapital istisc 
onsweise  und  aufgrund  der  Marktmechanismen. 
Diesen  Tatbestand  ignorierend  kategorisieren  die  "Perspe 
Jugendarbeitslosigkeit  als  "zeitlich  begrenzte  Aufgabe" 
hilfe,  um  dariiber  hinwegzutauschen,  daB  Jugendarbeitslos 
kein  Betriebsunfall  und  kein  tempcrares  Ereignis  ist.  De 
banden  wird  zugemutet,  den  Jugendlichen  kompensatorische 
fiir  das  "Defizit"  an  Arbeit  und  Ausbildung  anzubieten. 

Diese  Zumutung  entlarven  die  Autoren  nicht  etwa,  wenn  sie  auf  den  Zu- 
sammenhang  von  Schwerpunktbildung  und  Wirkungsanalyse  eingehen,   son- 
dern  sie  werfen  den  Verbanden  auch  noch  ihre  "Hilflosigkeit. . .   gegen- 
iiber der  Jugendarbeitslosigkeit"  vor  (S.  452).   "Helfen"  kann  man 
jungen  Arbeitslosen  nur,   indem  man  ihnen  Arbeit  und  Ausbildung  ver- 
schafft.  Dazu  sind  aber  nur  Staat  und  Unternehmer  in  der  Lage  und 
nicht  die  Jugendverbande.   Nicht  nur,  daB  die  Jugendverbande  unquali- 
fiziert  angegriffen,  sondern  vor  allem  daB  mit  derartiger  Argumenta- 
tion die  wahren  Ursachen  der  Arbeitslosigkeit  verschleiert  und  die 
staatliche  Propaganda  u'bernommen  werden,   ist  schlimm. 
Um  die  Massenloyal  ita't  zu  erhalten,  muB  der  biirgerliche  Staat  die  Ur- 
sachen der  Arbeitslosigkeit  verschleiern  und  nur  die  schlimmsten  Fol- 
gen  bekampfen.   Durch  den  Ausbau  des  Repressionsapparates  wird  Wider- 
stand  niedergehalten,  und  durch  Subventionen  an  die  Kapitalisten  wer- 
den zusatzlich  die  Produktionsverhal tnisse  stabil isiert.  Auf  die  Be- 
triebsabgabe  der  Unternehmer  wird  verzichtet,  die  Jugendarbeitslosig- 
keit wird  mit  kompensatorischen  Programmen  angegangen.   Ware  der  Staat 
die  Instanz,  die  gesamtgesellschaftl iche  Interessen  vertritt,  dann^ 
mUBte  die  Betriebsabgabe  durchgesetzt  und  die  Jugendarbeitslosigkeit 
an  ihrem  Entstehungsort  beka'mpft  werden.  Hieran  zeigt  sich,  daB  der 
Staat  gerade  parti kulare  Interessen,  na'mlich  die  der  Unternehmer  ver- 
tritt, gegeniiber  einem  gesel  lschaftl  ichen  Interesse  an  Ausbildung  und 
Arbeit. 

Dieser  Zusammenhang  wird  von  den  Autoren  nicht  einmal   problemati- 
siert.   So  wird  es  auch  erklarbar,  wenn  die  Legitimation  der  Jugend- 
arbeit  gegeniiber  dem  Staat  als  Legitimation  "privater  Trager"  gegen 
liber  der  "Bffentl  ichen  Kontrolle"  durch  die  Ministerialblirokratie 
gerechtfertigt  wird.   Die  Verhaltnisse  stehen  auf  dem  Kopf.   Dort,  wo 
Menschen,  Jugendliche  organisiert  zusammen  lernen  und  leben,  zusam- 
men  ihre  Interessen  wahrnehmen,   ist  "Privatspha're",  dort,  wo  Mini- 
sterial kontroll ieren,   ist  "Dffentl  ichkeit". 


22 


JUGEND  VERB ANDE : 

SOZIALPADAGOGISCHE  "LERNFELDER"  ODER  HANDLUNr.SORT? 

Die  Tendenz,  Jugendarbeit  zu  pa'dagogisieren,  wird  bei  den  Autoren 
deutlich,  wenn  man  untersucht,  wie  sie  Verbande  beschreiben.  Da  wird 
von  Zielgruppenorientierung  geschrieben,  von  Orientierung  an  den 
Jugendlichen  und  ihren  Problemen,  Abkehr  von  Verbandsziel en ,  Trans- 
parenz  etc.  Zunachst  muB  klargestellt  werden,  daB  Jugendverbande  aus 
Mitgliedern  bestehen,  daB  in  den  meisten  Verbanden  demokratische 
Strukturen  bestehen,  liber  die  die  Jugendlichen  die  Ziele  des  Ver- 
bandes  artikul ieren.  Hier  mehr  Transparenz  herzustel len,  mag  bei 
einigen  Verbanden  notwendig  sein.  Transparenz  aber  fiir  wen?  Doch  wohl 
flir  die  sich  in  den  Verbanden  manifestierende  Dffentl  ichkeit  und 
nicht  fu'r  Wissenschaft  und  ZuschuBgeber.  Das  Verbandsinteresse  der 
Gewerkschaftsjugend  -  Interessenvertretung  der  in  ihr  organisierten 
arbeitenden  Jugendlichen  -  ist  ein  allgemeines  und  kein  privates 
Interesse.  Anders  mag  das  bei  bestimmten  Fachverbanden  liegen,  die 
eine  gesell schaftl iche  Orientierung  ihrer  Arbeit  explizit  ablehnen, 
oder  bei  parteipol  itisehen  Verbanden,  deren  .parti  ell  es  Ziel  nicht 
identisch  ist  mit  bffentl  ichen  Interessen.  Aber  gerade  durch  die 
unterschiedl ichen  Ansatze  realisiert  sich  plurale  Jugendarbeit,  die 
nicht  durch  allgemeine  Vorgaben  durch  den  Staat  oder  die  Wissenschaft 
eingeschrankt  werden  darf.  Es  kann  auch  nicht  angehen,  die  einzelnen 
Jugendverbande  auf  plural istische  Ziel setzungen  festzulegen,  denn  da- 
durch  wu'rde  die  verbandsspezif ische  Zielsetzung  zugunsten  fremdbe- 
stimmter  Anforderungen  eingeschrankt.  Das  wu'rde  gerade  ein  Aufgeben 
des  plural istischen  Anspruchs  bedeuten.  Jugendverbande  sind  nicht  zu 
verwechseln  mit  sozialpa'dagogischen  oder  Bildungsinstitutionen,  son- 
dern sie  sind  mehr;  sie  sind  zwar  Erziehungs-  und  Lernorte,  sie  sind 
aber  auch  Handlungsorte,  in  denen  sich  die  Bedurfnisse  von  Jugend- 
lichen organisiert  manifestieren.  Wenn  sie  umfunktioniert  werden  zu 
sozialpa'dagogischen  oder  reinen  Bildungszwecken,  dann  verlieren  sie 
gegeniiber  der  Gesamtschule  z.B.  ihre  Existenzberechtigung,  denn  dann 
wlirden  sie  sich  nicht  mehr  von  sozialpa'dagogischen  und  Bildunqsein- 
richtungen  unterscheiden.  Der  Unterschied  besteht  gerade  in  der  Frei- 
willigkeit  und  der  Selbstbestimmung  durch  und  in  demokratischen  Struk- 
turen. Wer  die  Selbstbestimmung  auch  in  der  Frage  der  Zielsetzung 
durch  padagogische,  administrative  oder  politische  Vorgaben  oder 
Kontrollen  einschra'nkt,  der  entzieht  den  Jugendverbanden  die  Existenz- 
basis. 

ERFOLGSKONTROLLE  DURCH  WEN? 


Mehrere  Verbande  haben 
deutlich  gemacht,  daB 
troll e  nur  im  Rahmen  i 
len  kb'nnen  (z.B.  Bund 
katholischen  Jugend  un 
Forderung,  die  die  Una 
es  ist  aber  auch  eine 
Wirkungsanalyse  nur  ve 
will  man  z.B.  den  Pflli 
setzen  zu  einer  Kinder 
schaftsschulung  vergle 


in  ihren  Stel lungnahmen  zu  den  "Perspektiven" 
sie  sich  eine  Wirkungsanalyse  und  Erfolgskon- 
hrer  verbandsspezif ischen  Zielsetzung  vorstel- 
der  Deutschen  Landjugend,  Bund  der  deutschen 
d  auch  der  DBJR).  Das  ist  eine  politische 
bha'ngigkeit  der  Jugendverbande  garantieren  soil; 
praktische  Feststell ung,  wenn  man  sagt,  daB 
rbandsspezifisch  geleistet  werden  kann.  Wie 
gewettbewerb  der  Landjugend  ins  Verhaltnis 
republik  der  Falken,  wie  will  man  eine  Gewerk- 
ichen  mit  einem  Lehrgang  flir  Bergflihrer? 


Ein  anderes  Problem  ergibt  sich,  wenn  man  liberlegt,  wie  z.B.  bei 


23 


sozialen  und  pol  i 
ziert  werden  mliss 
ge  und  Wirkungen 
-  sofern  sie  Liber 
verfLigen  -  diirfte 
ausgehen,  daB  soz 
unmittelbar  als  E 
noch  meBbar  sind. 
schen  Lernens  abl 
abgesehen  davon, 
Interesse  des  Sta 
wie  soil  der  aufz 


tischen  Lernprozessen  -  die  jeweils  noch  spezifi- 
en  auf  die  Zielsetzung  bestimmter  Verbande  -  Erfol- 
gemessen  werden  sollen.  Selbst  fiir  Wissenschaftl er 
ein  Grundwissen  erkenntnistheoretischer  Probleme 
das  ein  Unding  sein.  Man  kann  doch  nicht  davon 
iale  Lernprozesse  (z.B.  Verhaltensanderungen)  sich 
rgebnis  eines  Lehrgangs  auswirken  und  dann  auch 

Ebensowenig  lassen  sich  die  Konsequenzen  politi- 
esen  z.B.  in  konkretem  politischem  Verhalten.  Mai 
daB  derartige  Auswirkungen  wohl  auch  gar  nicht  im 
ates  sein  dlirften,  denn  "Wer  seine  Lage  erkannt  hat, 
uhalten  sein  " (Brecht) ,  sie  zu  verandern  . 


Wirkungsanalyse  und  Erfolgskontrol le  -  soweit  Uberhaupt  machbar  - 
kbnnen  also  nur  von  den  Einzel tragern  geleistet  werden,  sie  konnen 
nicht  allgemeinverbindlich  gemacht  werden.  Genauso  verhalt  es  sich 
mit  der  in  den  "Perspektiven"  geforderten  Mitarbeiterschulung.  Ge- 
wiB  sind  Erfahrungsaustausch  und  allgemeinpol itische  und  padagogische 
Fortbildung  in  Zusammenarbei t  verschiedener  Verbande  denkbar,  aber 
vorrangig  fur  die  praktische  Arbeit  ist  die  verbandsspezifische  Fort- 
bildung. Die  Zentralisierungstendenzen  der   "Perspektiven"  lassen  sich 
u  a  daran  ablesen,  daB  z.B.  das  Europaische  Jugendzentrum  in  StraB- 
bura  ausgebaut  werden  soil  und  die  Mitgl iedsbeitrage  fur  das  Euro- 
paische Jugendwerk  auf  6  Mill,  franzbsische  Franc  verdoppelt  werden 
sollen,  wahrend  die  Breitenarbeit  bei  international  en  Begegnungen 
faktisch  weniger  Mittel  zur  Verfiigung  haben  wird. 

QUALIFIZIERUNG  DURCH  SELBSTORGANISATION 

Das  Fazit  all  dessen  ist,  daB  die  Autoren  des  Artikels  "Wirkungs- 
analysen  in  der  Jugendarbeit"  den  Jugendverbanden  kein  Model  1  zur  _ 
Qualifizierung  ihrer  Arbeit  angeboten  haben.  Sie  haben  ihnen  ener  ein- 
en  Barendienst  erwiesen,  indem  sie  die  wissenschaftl ichen  und  prakti- 
schen  Schwachpunkte  der  "Perspektiven"  aufzupol ieren  versuchten.  DaB 
damit  letztlich  eine  Diszipl inierung  und  Kontrolle  und  nicht  eine 
Qualifizierung  der  Jugendverbandsarbei t  verbunden  ware,  durfte  durcn 
die  in  unserem  Beitrag  aufgezahlten  Beispiele  und  durch  die  Analyse 
deutlich  geworden  sein.  Den  Jugendverbanden  durfte  nach  dem  Artikei 
von  Stackebrandt  u.a.   klar   geworden  sein,  daB  sie  eine  Qualifi- 
zierung ihrer  Arbeit  -  auch  gemessen  an  gesamtgesell  schaftncnen  oe- 
dLirfnissen  -  am  besten  sel ber  organisieren. 


SUCHEN  PRAKTIKANTEN  FOR  AUSSERSCHULISCHE  JUGENDARBEIT 


SJD  -  Die  Falken,  OV  ULM  sucht  ab  Sommer/Herbst  1978 
eine(n)   Praktikantin(en)  fiir  die 
fiir  die  verbandliche  auBerschul  ische  Jugendarbeit. 
Bewerbung:   SJD-Die  Falken,  Zeitblomstr.23,  79  Ulm 


m 


Arbeitsfeld  Sozialarbeit 

TUOENDHILFETAG  - 

DIE  ALLTAGSREALITAT  IN  DEN  MITTELPUNKT  STELLEN 


I.  IN  WELCHER  SITUATION  FINDET  DER  JHT  STATT? 

Die  nun  schon  seit  einigen  Jahren  andauernde  okonomische  Krise  und 
die  in  ihrem  Gefolge  auftretende  Rollback-Pol itik  der  Bonner  Partei- 
en  wird  auch  1978  ihre  Auswirkungen  auf  die  Jugend-  und  Sozialpoli- 
tik  haben.  Selbst  die  wirtschaftspol  iti schen  Wetterpropheten,  die  in 
ihren  Verlautbarungen  eher  ideologischen  Nebel  verbreiten,  kommen 
nicht  umhin  festzustellen,  daB  die  Arbeitslosenrate  in  den  nachsten 
Monaten  und  voraussichtl ich  Jahren  nicht  sinken  wird.  Offenkundig, 
daB  die  kapital  istische  Produktionsweise  nicht  nur  nicht  in  der  Lage 
ist,  die  gesellschaftlichen  Probleme  zu  bewaltigen,  sie  ist  eine 
existentielle  Bedrohung  des  sozialen  und  bkonomi schen  Besitzstandes 
der  Lohnabhangigen.  Das  briichig  gewordene  "Netz  der  sozialen  Sicher- 
heit"  soil  mit  dem  "Ausbau  der  inneren  Sicherheit"  geflickt  werden. 

Augenfallig  und  fiir  jeden  sichtbar  signal  isieren  Jugendarbeitslosig- 
keit,  der  verscharfte  Numerus  Clausus,  Berufsverbote  und  Abstriche 
in  den  Reformen  und  Finanzierungsspielraumen  der  staatl ichen  Jugend- 
politik  die  veranderten  dkonomischen  und  politischen  Bedingungen  ei- 
ner  emanzipatorischen  Jugendarbeit. 

Die  Jugendarbeitslosigkeit  verweist  auf  die  strukturellen  Wider- 
sprliche  im  System  der  Berufsbildung  und  der  Arbei  tsplatzentwicklung. 
Numerus  Clausus,  Berufsverbote  und  die  Veranderung  der  staatl ichen 
Jugendpol itik  zeigen  einerseits  die  Grenzen  der  Reformhoffnungen  der 
letzten  Jahre  und  sind  andererseits  zum  Instrument  der  Einengung  und 
Unterdruckung  fortschrittlicher  Initiativen  und  gewonnener  institutio- 
neller   Spiel raume  geworden.  Es  wird  nun  deutlicher  als  zuvor,  daB 
sich  Jugendarbeit,  berufliche  Bildung  und  die  MaBnahmen  gegen  Jugend- 
arbeitslosigkeit in  das  kapitalistische  Kalkiil  der  Krisenbewal tigung 
einzufLigen  haben. 

Ansatze  zu  selbstandiger,  an  den  Interessen  der  Jugendl ichen  orien- 
tierter  Arbeit  im  Bereich  der  Jugendzentren,  der  Verbandsarbeit,  der 
Juqendbildung  haben  nun  neben  dem  verscharften  Leistungs-  und  Kon- 
kurrenzdruck  in  den  Betrieben  oder  urn  Ausbildungsplatze  und  neben 
den  miserablen  Freizeitbedingungen  aijch  starker  mit  den  erklarten 
Integrationsabsichten  der  staatl ichen  und  von  den  freien  Tragern  be- 
triebenen  Jugendpolitik  zu  kampfen.  Diese  Jugendpol itik  auBert  sich 
in 

I  der  Kurzunq  bzw.  Umverteilung  von  Mitteln  fiir  die  politische  Ju- 
gendarbeit zugunsten  kompensatorischer  MaBnahmen  fur  sogenannte 
Randgruppen; 
■  in  der  Einfrierung  oder  Streichung  von  Stellen  und  Mitteln; 


im  RLickzug  der  Verbande  und  Organisationen  auf  ihre  ureigensten 
Verbandsinteressen  und  -ideologien,  unter  faktischer  Aufgabe  allge- 


25 


meiner,  emanzipatorischer  Ziel setzungen  in  der  praktischen  Arbeit; 

•  in  einer  wachsenden  politischen  Kontrolle  der  beschaftigten  Sozial- 
arbeiter  und  Referenten  fur  politische  Bildungsarbeit; 

•  in  der  verstarkten  politischen  Disziplinierung  bis  hi n  zur  Krimi- 
nalisierung  derjenigen  Jugendl  ichen,  die  urn  Freiraume  flir  ihre 
politische  Arbeit  und  Freizeitorganisation  kampfen; 

•  in  der  Wiedereinf Jhrung  der  geschlossenen  Unterbringung  von  Kindern 
und  Jugendl ichen. 

Dies  ist  der  Hintergrund  auf  dem  der  6.  DJHT  vom  9.-11.11.1978  in 
Kbln  stattfinden  wird.  Schaut  man  sich  dagegen  die  bisher  bekanntge- 
wordene  Konzeption  und  Absichtserklarungen  an,  so  wird  man  kaum  Hin- 
weise  auf  die  oben  beschriebene  Situation  finden,  eher  wird  nan 
an  die  Thematik  des  1974  von  der  AGJ  abgesagten  5.  DJHT  erinnert. 
Mit  dem  Thema"Bildung  und  Erziehung  durch  Jugendhil fe,!will  die  AGJ 
auf  die  parlamentarischen  Beratungen  flir  ein  neues  Jugendhilferecht 
Einflu[5  nehmen. 

"Die  AGJ  will  in  die  Offensive  gehen  und  flir  einen  Bildungs-  und  Er- 
ziehungsanspruch  der  Kinder  und  Jugendlichen  eintreten.  Dies  soil  auf 
dem  Jugendhilfetag  dokumentiert  und  demonstriert  werden  und  zwar  in 
den  Bereichen 

-  Elementarerziehung 

-  neue  Formen  der  Erziehungshilfe 

-  Jugendberatung 

-  Jugendhilfe  und  Schule 

-  Jugendhilfe  und  Jugendarbeitslosigkeit 

-  soziales  Lernen  durch  Freizeitaktivitaten." 
(Dieter  Greese  in:  deutsche  jugend  8/77) 


EXK.URS:  AGJ  UND  JUGENDHILFETAG 

Jugendhilfetage  fanden  von  1966  -  1970  in  zwei jahrigem  Rythmus  statt. 
Sie  wurden  veranstaltet  von  der  Arbeitsgemeinschaft  Jugendhilfe  (AGJ 

-  eine  Interessengemeinschaft  von  ca.  60  bundesdeutschen  Jugendhilfe- 
organisationen  (Landerjugendminister,  Landesjugendamter,  Wohlfahrts- 
verbande,  die  im  DBJR  organisierten  Jugendverbande  -  mit  Ausnahme  des 
Bundes  Deutscher  Pfadfinder/BDJ,  der  1974  nicht  aufgenommen  wurde  - 
von  der  Deutschen  Jugend  des  Ostens  bis  hin  zu  den  SJD  Die  Falken  und 
Fachorganisationen  von  der  Aktion  Jugendschutz  bis  zur  GEW  und  OTV). 

1970  wurden-  wie  in  anderen  gesellschaftl ichen  Bereichen  -  die  eta- 
blierten  Jugendhilfeorganisationen  mit  einer  breiten  Protestbewegung 
aus  dem  Sozialbereich  konfrontiert;  den  -  mit  Unterstlitzung  des 
Sozialistischen  Bu'ros  -  in  der  Sozial  istischen  Aktion  zusammenge- 
schlossenen  Initiativen  und  Sozialarbeitergruppen  -  gelang  es  nicht 
nur,  die  Verbande  und  Institutionen  zu  verunsichern,  ihrer  radikalen 
Kritik  am  hergebrachten  Jugendhilfesystem  und  der  Situation  der  Kin- 
der und  Jugendlichen  hatten  Kirche  und  Staat  nichts  entgegenzusetzen. 

Vieles  was  von  der  Sozialistischen  Aktion  eingebracht,  diskutiert 
und  in  Resolutionen  verabschiedet  wurde,  fand  spa'ter  Eingang  in  Kon- 
zeptionen  und  Projekte.  Aufgeschreckt  durch  die  radikale  Infragestel- 
lung  des  Jugendhilfesystems  brauchte  die  AGJ  vier  Jahre,  urn  1974  zum 

-  26  - 


5.  DJHT  einzuladen.  Doch  kaum  hatte  sich  wieder  eine  sozial istische 
Aktion  gebildet  und  deutlich  gemacht,  daB  sie  den  JHT  als  Forum 
n:itzen  wlirde,  urn  der  "rein  fachlich  orientierten  und  politisch  unver- 
bindlichen  Diskussion  liber  gesetzliche  Reformtendenzen,  die  wirkliche 
Praxis  der  Jugendhilfe  und  die  Lage  der  Betroffenen  entgegenzustellen", 
war  flir  die  AGJ  klar,  daS  sie  die  politischen  Auseinandersetzungen 
auf  dem  5.  DJHT  nicht  in  ihr  genehme  Bahnen  wlirde  lenken  konnen. 

Im  Zentrum  unserer  Kritik  standen 

-  die  inhaltliche  Ausrichtung;  "die  Widersprlichl  ichkeit  der  Sozial- 
arbeit  als  Versorgungs-  und  Disziplinierungsinstrument  staatlicher 
Politik,  die  reale  Verschlechterung  der  Lebensbedingungen  der  Ar- 
beiterklasse  greift  die  AGJ  ebensowenig  auf,  wie  die  aktuellen 
Kampfe  der  Arbeiterbewegung  und  die  politischen  Konflikte  im  Sozial- 
bereich." Die  angebotene  Thematik  zielte  auf  eine  "Verrechtl ichung" 
und  "Verfachl ichung"  der  Diskussion  und  damit  auf  die  Leugnung 
materiel ler  Interessen  und  die  Verharmlosung  und  Neutral isierung 
gesel  lschaftl  icher  Widersprliche. 

-  die  organisatorische  Form,  die  die  Artikulation  gemeinsamer  Interes- 
sen und  ihre  Durchsetzung  verhindern 

-  die  Teilnehmergebuhr 

Es  ware  zu  einer  harten  Auseinandersetzung  urn  die  Jugendhilfepraxis 
in  Verbindung  mit  einer  radikalen  Kritik  am  Jugendhilferecht  gekom- 
men,  bei  der  abzusehen  war,  daB  die  AGJ  und  die  Mehrzahl  der  ihr  an- 
geschlossenen  Verbande  nicht  die  erwartete  Integration  und  Orientie- 
rung  von  Fachbasis  und  Betroffenen  auf  die  von  ihnen  definierte  Re- 
formpolitik  hatte  leisten  konnen.  Statt  sich  dieser  Auseinandersetzung 
zu  stellen,  begann  die  AGJ  mit  einer  Diffamierungskampagne  gegen  die 
Sozial istische  Aktion,  an  deren  Ende  die  Absage  des  5.  DJHT  stand. 
Die  Sozialistische  Aktion  zog  daraus  die  Konsequenz  und  veranstaltete 
vom  6.-8.12.1974  zusammen  mit  dem  BDP/BDJ,  Judos  und  Jusos  Ffm.  in 
Frankfurt  ein  jugendpol itisches  Forum,  an  dem  2.500  Jugendliche,  Er- 
zieher  und  Wissenschaftler  teilnahmen. 

Die  AGJ  reagierte  mit  einer  Stellungnahme  durch  ihren  Geschaftsflihrer 
Dieter  Greese  (Blickpunkt  Mai  1975);  sie  versuchte  noch  einmal  ihre 
Absage  zu  rechtfertigen,  sah  sich  aber  andererseits  -  sicher  auch  aus 
organisationsegoistischen  Grlinden  -  angesichts  der  breiten  Zustim- 
mung.die  das  jugendpol itische  Forum  fand,  gezwungen,  die  Aufnahme  des 
Dialogs  zu  fordern. 


n.  JUGENDHILFETAG  1978  -  EIN  SCHRITT  VOR,  ZWEI  SCHRITTE  ZURUCK 

Offensichtlich  hat  sich  innerhalb  der  AGJ  die  Fraktion,  die  die  Kon- 
zeption der  offenen  Jugendhilfetage  liberhaupt  zu  den  Akten  legen  wol- 
lte,  nicht  durchgesetzt. 

Nach  drei  Jahren  Denkpause,  immerhin  beabsichtigte  die  AGJ  im  Herbst 
1978  den  6.  DJHT  als  offenes  Forum  durchzufuhren.  Es  scheint,  als 
hatten  sie  auch  zumindest  in  einigen  Punkten  Lehren  aus  dem  Fiasko 
von  1974  gezogen: 

-  der  Teilnehmerbeitrag  entfallt  fur  jeden,  der  "sich  im  Rahmen  sei- 
ner Organisation  aktiv  beteiligt"; 

-  27  - 


Wir  gehen  davon  aus,  daB  "Organisation"  nicht  eingegrenzt  wird  auf 
traditionelle  Tra'gerverbande,   sondern  Initiativen,  Projekte  und 
spezifische  Zusammenschlu'sse  ebenso  umfaSt; 

-   In  Koln  erhalt  jeder  die  Chance,   seine  Ziel vorstel lungen  im  Rahmen 
der  Tagungsthematik  zu  artikulieren  und  seine  Praxis  zu  demon- 
strieren.   Dies  soil   im  Rahmen  eines  "Marktes  der  Jugendhilfe"   in 
Form  von   "Standen,  Diskussionsveranstal  tungen,   Theater-  oder  Roll  en- 
spiel,  Dia-  und  Video-Vorflihrungen  und  Liederdarbietungen"  moglich 
sein. 

Hier  ergeben  sich  flir  uns  Ansatzpunkte  der  Schokoladenseite  der  Ju- 
gendhilfe, wis  sie  sicher  von  der  Mehrzahl   der  Verbande  in  Form  von 
Selbstdarstellungen  offeriert  wird,  an  einigen  exemplarischen  Bei- 
spielen  die  Alltagsreal itat  der  von  Jugendhilfe  Betroffenen  und  sie 
Ausubenden  gegenliberstellen. 

Darliberhinaus  werden  wir  den  Markt  der  Jugendhilfe  zur  Sel bstdarstel - 
lung  und  als  Ort  der  Kommunikation  und  der  Diskussion  von  regionalen 
und  Liberregionalen  Aktivita'ten  nutzen.    Inwieweit  durch  die  Hintertur 
(die  AGJ  beha'lt  sich  die  Entscheidung  liber  die  Aufnahme  einzelner  Bei- 
tra'ge  in  das  Programm  vor)  nicht  durch  eine  Aus-  und  Begrenzung  ins- 
besondere  von   Initiativen  und  Projekten,  die  nicht  einem  groBen  Tra'ger- 
verband  angehdren,  erfolgt  und  eine  Reihe  von  Darstellungen  dem  Prin- 
zip  "Ausgewogenheit"  zum  Opfer  fallen,  wird  sich  im  Laufe  der  na'chsten 
Monate  herausstellen.   Der  Brief  der  AGJ-Referentin  Brigitte  Hartmann- 
Beutel  auf  die  Stellungnahme  der  pad.extra-Redaktion  hat  diese  Be- 
flirchtungen  1  eider  nicht  ausraumen  kdnnen. 

Sollte  es  -  was  wir  nicht  hoffen  -  zu  einer  Ausgrenzung  kommen,  so 
wird  dies  sicher  Gegenstand  der  Auseinandersetzungen  auf  dem  JHT  sein. 

Die  veranderte  Organisationsfora  la'Bt  einen  Schritt  nach  vorn  vermuten, 
vorausqesetzt  die  Hintertlir  bleibt  zu.   Die  AGJ  geht  aber  wieder  zwei 
Schritte  zuriick,  betrachtet  frau/man  die  inhaltliche  Ausrichtung  und 
die  Zielsetzung  des  JHT.  Die  AGJ  versucht  einen  Zug  wieder  in  Fahrt  zu 
bringen,   der  schon  la'ngst  ausrangiert  wurde. 

Unverantwortlich  so  zu  tun,  als  sei  der  von  ihr  gewahlte  Zeitpunkt 
(November)   geeignet,   in  die  Offensive  zu  gehen  und  den  Eindruck  zu 
erweck-en,  als  kdnnten  vom  JHT  noch  Impulse,  geschweige  denn  Vera'nde- 
rungen  am  vorgelegten  Jugendhilfegesetz   (Referentenentwurf )  ausgehen. 
Heute  schon  sind  die  parlamentarischen  Weichen  flir  dieses  Gesetz  einer 
amputierten  Jugendhilferechtsreform  gestellt. 

Im  November  1977  wurde  -  nachdem  1974  eine  umfassende  Jugendhilfe- 
rechtsreform durch  die  okonomische  Krise  gestoppt  wurde  -  der  neue 
Referentenentwurf  in  einer  begrenzten  Anzahl   den  riiversen  Verba'nden 
und  Organisationen  zugestellt  und  ihnen  zwei  Monate  zur  Stellungnahme 
zugebilligt.   So  werden  lediglich  die  Voten  der  Spitzenfunktionare  ein- 
geholt,  die  Fachbasis  wird  von  einer  Diskussion  praktisch  ausgeschlos- 
sen.    Im  Fru'hjahr  wird  dann  die  Kabinettsvorlage  erstellt  und   im  Herbst 
soil   das  Gesetz  verabschiedet  werden  und  scheibchenweise  in  Kraft 
treten. 

Die  Absicht  der  AGJ.uber  den  JHT  EinfluB  auf  dieses  Gesetz  nehmen  zu 
kdnnen  ist  eine  Illusion,  auf  diese  Art  und  Weise  la'Bt  sich  kein  Handlui 
spielraum  zuriickgewinnen- der  Reformzug  wurde  verschrottet.der  Entwurf 

-  28  - 


wurf  tragt  eindeutig  die  Handschrift  des  Deutschen  Vereins,  der  im 
Gegensatz  zur  AGJ  die  Funktion  der  Jugendhilfe  auf  die  Beseitigung 
von  Sozial isationsdefiziten  und  die  Leistungsbeschra'nkung  auf  18  Jan- 
re  festschreiben  will,  wahrend  die  AGJ  Jugendhilfe  als  eigenstandige 
Sozial isationsinstanz  neben  Familie  und  Schule  postuliert. 
Die  plural  istische  Zusammensetzung  der  AGJ  sel ber  verhindert  aber  ei- 
ne offensive  Konfrontation  dieser  unterschiedl ichen  Schwerpunktsetzun- 
aen,  so  daB  sich  der  Verdacht  einer  ubemreifenden  Arbeitsteilung  ein- 
stellt: 

-  Staat  und  Legislative  besorgen  das  Geschaft  des  aktuellen  repres- 
siven  Krisenmanagements  angesichts  finanzieller  Engpa'sse; 

-  die  AGJ  und  die  Mehrzahl  der  Tra'gerverbande  wollen  mit  einem  fach- 
lich  abstrakt  eingeklagter  Bildungsauftrag  der  Jugendhilfe  eine 
mittlerweile  frustrierte  Fachbffentl ichkei t  bei  Laune  halten. 

In  unseren  Augen  ist  aber  gerade  diese  Aufspaltung  von  Tagespolitik 
und  abgehobener  Fachlichkeitideologisch;  eine  wirkliche  Parteinahme 
flir  die  materiellen  und  psycho-sozialen  Interessen  der  Betroffenen 
kann  inhaltliche  Forderungen  nicht  von  der  Form  der  politischen  Durch- 
setzung  abtrennen.  Eine  solche  Parteinahme  setzt  allerdings  auch  auf 
die  kollektive  Selbstveranderung  von  Verha'l tnissen  und  Verhalten  und 
nicht  auf  eine  Konzeption  von  Fachl  ichkeit,  die  letztlich  darauf 
hinauslauft,  die  ganze  Gesellschaft  sozial therapeutisch  zu  behandeln. 

Wenn  dieser  Jugendhilfetag  flir  uns  liberhaupt  eine  Funktion  erhalten 
soil,  dann  darin,  daB  wir  ihn  von  den  Orientierungen  auf  eh  aussichts- 
lose  Vorschlage  flir  Gesetzesa'nderungen  befreien  und  eine  ungeschmink- 
te  Bestandsaufnahme  der  all  tag! ichen  Jugendhilfe,  der  Situation  und 
der  Interessen  von  Betroffenen  und  Jugendhilfemitarbeitern,  sowie 
die  Entwicklung  von  Handlungsperspektiven  und  Widerstandsformen  ent- 
gegensetzen. 

HI.  TEILNEHMEN  UND  ALTERNATIVEN  AUFZEIGEN 

Unsere  Aufgabe  besteht  darin,  die  Moglichkeiten  von  Alternativen 
inner-  und  auBerhalb  von  Institutionen  in  unserer  Kritik  und  unseren 
Darstellungen  sichtbar  werden  zu  lassen,  die  den  Lebenszusammenhang 
der  Betroffenen  ernst  nehmen. 

Eine  Sozialarbeit,  die  sich  als  Alternative  zur  verwaltenden  Fiirsor- 
ge  versteht,  kann  nicht  die  sozialstrukturellen  Bedingungen  dieses 
El  ends  aufheben,  aber  sie  kann  Hilfestellungen  geben  fur  Verarbei- 
tungsmoglichkeiten,  die  nicht  in  der  Sackgasse  von  Resignation  oder 
individueller  Gewalt  enden,  sondern  Selbsthilfe-potential   bei  den 
Betroffenen  mobilisieren,  urn  kollektive  Vera'nderungsstrategien  in 
der  Nachbarschaft,   im  Stadtteil   und  im  Jugendzentrum  in  Gang  zu  setzen. 
Diese  in  einer  offenen  und  kontextbezogenen  Sozialarbeit  angelegten 
Moglichkeiten,  gilt  es  weiterzuentwickel n  anstatt  sich  zur  bloBen 
Konfliktkanalisierung  miBbrauchen  zu  lassen,  was  mit  dem  Jugendhilfe- 
recht  beabsichtigt  wird. 

So  gesehen  wird  der  JHT  nicht  nur  ein  Forum  eintrachtig  nebeneinander 
sich  darstellender  Jugendhilfekonzepte  sein,  sondern  wir  werden  da- 
fijr  zu  sorgen  haben,  daB  die  Kontroversen  auf  den  Tisch  kommen. 


29 


Ein  endgultiges    Konzept    fur  unsere  Teilnahme  wollen  wir  heut  noch 
nicht  vorstellen,  da  die  Diskussionen  in  den  AKS-Gruppen  erst  begon- 
nen  haben.   Vorlaufige  Oberlegungen  gehen  in  folgende  Richtung: 

-  Aqitation  und  Diskussion  mit  der  Bevbl kerung/Herstellen  von  Offent- 
lichkeit  mit  Blick  auf  die  tatsachl ichen  Probleme  in  dieser  Gesell- 
schaft  und  insbesondere  der  Jugendhilfe; 

-  Erarbeitung  von  exemplarischen  Projekten  1m  Markt  der  Mb'glichkei  ten 
(z.B.  Repression  1m  Sozialbereich/Jugendarbeitslosigkeit/  Geschlos- 
sene  Heime); 

-  Film/Theater/Diskussionsveranstaltungen  zu  spezifischen  Themen; 

-  Fete  im  Lehrer-  und  Sozialarbeiterzentrum  zugunsten  des  Rotarbeiter- 
fonds; 

-  BLicher-  und  Kommunikationsecke/Teestube. 

Nun  haben  wir  aber  nicht  die  Absicht,  uns  isoliert  und  unkoordiniert 
von  anderen  Gruppen,   Projekten  und   Initiativen  vorzubereiten.   Daher 
laden  wir  Vertreter  von  AKS-Gruppen,  Projekten,  Initiativen,  J"9Snd" 
verbanden  etc.   zu  einem  ersten  Vorbereitungstreffen  am  15./16.4 .78 
nach   Kbln  ein. 


Anmeldung: 


AF  Sozialarbeit/Redaktionskollektiv  Info  Sozialarbeit 

Postfach  591 

6050  Offenbach/Main 


Dokumentation  zum 
Jugendpolitischen  Forum  ]97A 

Im  Hinblick  auf  die  bereits  angelaufenen  Vorbereitungen  zum 
6.  Deutschen  Jugendhilf etag,  der  im  November  in  Koln  stattfindet, 
gewinnt  die  Dokumentation  zum  Jugendpolitischen  Forum  neue  Aktua- 
litat.  Das  JupoFo  ist  unter  dem  Thema  "Jugend  in  der  Klassengesell- 
schaft  -  Moglichkeiten'fortschrittlicher  Praxis"  als  Alternativ- 
veranstaltung  zum  5.  Deutschen  Jugendhilf etag,  den  die  AGJ 
abgesagt  hatte,  von  der  Sozialistischen  Aktion  initiiert  worden. 

Auf  272  Seiten  bringt  die  Dokumentation  Materialmen  und  Protokolle, 
Arbeitspapiere  und  Resolutionen,  Erfahrungsberichte,  Meinungen, 
Ergebnisse,  Einschatzungen. . .  Wer  also  Genaueres  wissen  will  uber 
Zustandekommen  der  Initiative  JupoFo,  iiber  dessen  Vorbereitungen 
und  Verlauf,  mufi  dieses  Buch  kennen  -  bei  dem  von  ehemals  DM  8, 
auf  DM  3,-  (!)  geschrumpf ten  Preis  wohl  kein  Problem! 

Bestellungen  bei: 

VERLAG  JUGEND  UND  POLITIK,  HAMBURGER  ALLEE  49,  6000  FRANKFURT  90 


30   - 


Horst-Dieter  Zahn,  Offenbach 
GEWERKSCHAFTSARBEIT  IN  DEN  KIRCHEN 


"Auch  in  der  Kirche  muB  den  Ergebnissen  der  Entwicklung  des  Arbeits- 
und  Sozialrechts  wahrend  der  letzten  hundert  Jahre  Rechnung  getragen 
werden.  Der  groBe  gesellschaf tliche  ProzeB  der  Miindigmachung  des 
Arbeitnehmers  muS  von  der  Kirche  in  ihrer  eigenen  Gemeinschaft  geist- 
lich  bewaltigt  und  rechtlich  verarbeitet  und  geordnet  werden." 

So  eine  Kommission  des  Rates  der  EKD  (Evangel ische  Kirche  in  Deutsch- 
land)  im  Jahr  1959.  Seitdem  hat  sich  in  den  Kirchen  selber  jedoch 
wenig  verandert.  Im  Gegenteil:  Okonomische  Krise  und  politische 
"Tendenzwende"  spiegeln  sich  in  den  Kirchen  wider  und  machen  beson- 
ders  dringl ich.daB  die  arbeitsrechtl iche  Situation  ihrer  Beschaftiq- 
ten  grundlegend  verbessert  wird. 

GROSSUNTERNEHMEN  KIRCHE 

Zusammen  sind  die  Kathol ische  und  die  Evangel ische  Kirche  das  zweit- 
qrb'Bte  Unternehmen  in  der  Bundesrepubl  ik  mit  ca.  480  000  Beschaftig- 
ten.  Dennoch  gelten  weder  das  Betriebsverfassungsgesetz  noch  das 
Personal vertretungsgesetz,  dennoch  gibt  es  keine  Tarifvertrage  zwi- 
schen  den  Kirchen  und  der  Gewerkschaft  (mit  Ausnahme  von  Schleswig- 
Holstein  1960). 

Auf  Wunsch  der  Kirchenleitungen  wurden  die  Einrichtungen  und  Anstal- 
ten  der  Kirchen  ausdrlicklich  aus  den  Regelungen  des  BetrVG  heraus- 
genommen  ("Tendenzschutzparagraph"  118).  Die  Kirchen  erklairten  da- 
mals  noch,  sie  wurden  stattdessen  eigene,  "beispiel hafte" ,  das  heiBt 
liber  das  BetrVG  hinausgehende  Regelungen  schaffen.  Davon  kann  bis- 
her  jedoch  keine  Rede  sein.  Die  verschiedenen  Mitarbeitervertretungs- 
gesetze,  Hitarbeitervertretungsordnungen  usw.  bieten  weit  weniger 
Rechte  auf  Hitwirkung,  von  Mitbestimmung  ganz  zu  schweigen,  als  das 
BetrVG.  Und  selbst  diese  vergleichsweise  harmlosen  Vertretungsrechte 
stehen  oft  auf  dem  Papier  -  in  zahlreichen  Dienststellen  gibt  es 
Liberhaupt  keine  Mitarbeitervertretungen. 

Nun  gegen  solche  fehlenden  Rechte  hatte  niemand  etwas  einzuwenden, 
wenn  die  Beschaftigten  in  den  Kirchen  keine  Probleme  batten.  Wenn  - 
sozusagen  in  Vorwegnahme  des  Gottesreiches  -  gleicher  Lohn  fur 
qleiche  Arbeit  gezahlt  wlirde  (und  ausreichend  ware);  niemand  dis- 
kriminiert  wtirde,  freie  Entfaltung  in  der  Arbeit  und  gemeinsame, 
demokratische  Regelung  der  Ziele  und  Regeln  moglich  waren... 
Selbstverstandlich  ist  das  nicht  so.  Die  Kirchenmacht  wird  von  oben 
nach  unten  ausge'u'bt. 

Genauso  selbstverstandlich  aber  ist  es  in  den  Kirchen  bisher  gewesen, 
dali  die  Beschaftigten  keine  wirksamen  Rechte  gegenuber  der  Hierarchie 
und  ihren  Entscheidungen  haben: 

-  31  - 


ichen  Dienstes  werden 
heiBt  es  zum  Beispiel 
burg  (deren  veranderte 
turns  Limburg  mitgeteilt 
Der  BAT  (Bundesange- 
g. . .  rierangezogen  wer- 
von  Weihnachtsgeld 
he  Regelurigen  aus  dem 
bisher  im  Belieben  der 


•  Tarifvertrage  und  Tarifstruktur  des  Dffentl 
"in  Anlehnung"  ubernommen  oder  auch  nicht.  So 
in  der  Arbeitsvertragsordnung  der  Dibzese  Lim 
Fassung  den  Mitarbeitern  im  Amtsblatt  des  Bis 
wurde),  es  handelte  sich  urn  "eiqenes  Recht  . 
stelltentarif)  kbnne  "allenfalls  zur  Auslegun 
den"  Sei  es  die  Zahlung  von  Tariferhohungen, 
oder'die  "Gewahrung"  von  Urlaub  -  ob  und  welc 
Offentl ichen  Dienst  Ubernommen  werden,  steht 
Kirchenhierarchien. 

•  In  zahlreichen  Arbeitsvertr'a'gen  wird  eine  Verpfl  ichtung  auf  "christ- 
liche  Grundsatze"  formuliert.  Wie  diese  Grundsatze  in  der  Arbeit  aus- 
sehen,  bestimmt  der  jeweilige  kirchliche  Arbeitgeber.  In  letzter 

Zeit  mehren  sich  sogar  die  Falle,  in  denen  das  Privatleben  beobachtet 
und  reglementiert  wird: 

..."Arbeitgeber  und  Arbeitnehmer  haben  stets  dessen  eingedenk  zu  sein, 

daB  ein  Arbeitsverhaltnia  im  kirchlichen  Raum  von  der  Natur  der  Sache 

her  ein  eigenes  Geprage  hat. 

Das  gesamte  Verhalten  der  Arbeitnehmer   in  und  aufier   dem  Dienst  mulS 

der  Verantwortung  entsprechen.die  sie  als  Mitarbeiter  im  Dienste 

der  Kirche  ubernommen  haben.  Es  wird  varausgesetzt,  daB  sie  den 

christlichen  Grundsatzen  bei  der  Erfullung  ihrer  dienstlichen  Pflich- 

ten  Rechnung  tragen." 

(Aus  der  Arbeitsvertragsordnung  (AVO)  des  Bi stums  Limburg  vom 

31.  Dezember  1976) 

■  Im  Zusammenhang  mit  finanziellen  und  politischen  Entscheidungen 
der  Kirchenoberen  mehren  sich  die  MaBregelungen  ganzer  Amter  una  tin- 
richtungen.  Bei  Heimschl ieftungen  etwa  wird  die  Rechtlosigkeit  urcn- 
licher  Beschaftigter  besonders  deutlich.  Gleichzeitig  werden  die 
Wiedererb'ffnung  von  Heimen  oder  die  Erneuerung  von  Arbeitsvertragen 
von  christlicher  Gesinnung  abhangig  gemacht. 

GEWERKSCHAFTLICHE  ORGANISIERUNG  -  ERST  AM  ANFANG 

Obwohl   in  der  gewerkschaftl ichen  Organisierung  in  den  lejzten  Jahren 
Fortschritte  erzielt  wurden,  sind  erst  ungefahr  30  000  kirchiicne 
Mitarbeiter  OTV-Mitgl ieder. 
Das  hat  verschiedene  Gru'nde: 

I  Ein  Grund  liegt  in  der  Struktur  der  Beschaftigten:  ca.  ein  Drjttel 
arbeitet  nebenberufl  ich  in  den  Kirchen.   Dierestl ichen  zwei   ^ittei 
teilen  sich  noch  einmal    in  die  dienstrechtlich  gespaltenen  Gruppen 
von  Angestellten,  Arbeitern,   Beamten  und  Pfarrern  auf     Hinzu  kommt 
noch  die  organisatorische  Zerspl itterung  in  Werke  (z.B.  Diakonisches 
Werk),  Gemeinden,  gesamtkirchl iche  Einrichtungen,   Einnchtungen  in 
der  Rechtsform  von  Vereinen  usw.  Das  fuhrt  dazu,  daB  eine  einzeine 
Kirche  zwar  beispiel sweise  15  000  Beschaftigte  haben  kann   (Evange  i 
sche  Kirche  in  Hessen  und  Nassau),  die  Belegschaft  aber  in  za hi  re  cue 
Anstellungstrager  zersplittert  ist.   Hinzu  kommt  noch:   Es  gibt  WON 
eine  "Dunkelziffer"  von  Gewerkschaftsmitgliedern  aus  erziehenscnen, 


Gewerkschaft 

Offentliche  Dienste,  Transport  und  Verkehr 

Bezirksverwaltung  Hessen 
Abteilung  Kirchliche  Mitarbeiter 


Im  November  1977 


An  alle  Beschaftigten  Im  kirchlichen  Bereich 


Arbeitsrechts-Regelungsgesefc  Oder  Tarifvertrag  fur  die  kirchlichen  Mitarbeiter? 


Liebe  Kolleginnen,  liebe  Kollegen! 


In  ihrem  Amtsblatt  Nr.  12  Mm  15.  Dezember  1976  empfiehlt  die  Euangellsche  Kirche  DeuisehlanrR  (FKni  ihr.n 
Gliedkirchen,  die  Arbeitsverhal.nisse  der  Mitarbeiter  im  Kirchendiens.'auf  dj kTu^^TJZ^lT. 
Arbeilsrechts-Regelungsgesetzes  neu  zu  regeln. 


ndienst  auf  der  Grundlage  eines  sogenannten 


Nach  Auffassung  der  Gewerkschaft  OTV  ist  durch  Schaffung  eines  kirchlichen  Arbeltsrechts-Regelungsgesetzes 
der  Abschlut)  ernes  Tanfvertrages  fur  d,e  Beschaftigten  im  Kirchenbere,ch  ausgeschlessen.  Das  Arbei?srechts- 
Regelungsgesetz  beruht  ,h  rechthche,  Seziehung  auf  einseitiger  Grundlage,  denn  die  Arbeits-  und  v«gu?ungs- 
bedmgungen  der  .m  Kirchenbereich  Beschaftigten  werden  nur  kirchenintern  geregelt.  Verhandlungspartner  IS 
echtar  Tar,f»ertrage  sind  n,cht  vorhanden.  Die  Arbe.thehmerseite  hat  zur  Haup.sache  nur  beratende  Moglich- 
TX^LTZr^ S. GS :9S'eT '  d6r  ^ei'sbed'"9""9="-  Ein  Arbeitsrechtsflegelungsgesetz  S  die 
Beschaftigten  der  Kuche  weiterhin  unter  e,n  Sonderrecht.  Dieses  Sonderrecht  schlieSt  sie  von  der  Solidarity 
mit  anderen  Arbeitnehmern  aus. 

Der  Bezirksvorstand  der  Gewerkschaft  OTV-Hessen  hat  in  seme,  Sitzung  am  19.  Oktober  1977  Absichten  der 
Kirche  fur  die  Schaffung  ernes  solchen  Arbeitsrechts-RegelungsgeseUes  uneingeschrankt  abgelehnt  Er  fordert 
vielmehr  die  Kirchen  in  Hessen  auf,  ihre  Bereitschaft  zum  ADschluB  eines  Tarifvertrages  mit  der  Gewerkschaft 
OTV  zu  erklaren. 

Die  Gewerkschaft  OTV-Hessen  erteilt  gleichzeitig  eine  Absage  zu  Aufforderungen  der  Kirche  bei  der  Schaf- 
fung und  Gestaltung  eines  Arbeitsrechts-Regelungsgesetzes  mitzuarbeiten.  Sie  ist  ledigiich  bereit  ernsthafte 
Gesprache  und  Verhandlungen  mit  der  Zielsetzung  des  Abschlusses  echter  Tarifvertrage  zwischen  Kirchen  und 
der  OTV  zu  fuhren. 

Diese  Grundauffassung  der  gesamten  OTV-Hessen  gilt  nicht  nur  gegenuber  den  in  Hessen  beslenendert  Evan- 
geltschen  Landeskirchen,  scndern  dariiber  hinaus  auch  fur  alle  Gliederungen  derselben  sowie  fur  den  Bereich 
der  Katholischen  Kirche  und  deren  Gliederungen. 

Der  BeschluB  des  Bezirksvorstandes  der  OTV-Hessen  bedeutet  nicht,  daB  die  OTV  nicht  weiterhin  gesprachs- 
offen  und  gespracris bereit  ist,  wenn  es  darum  geht,  die  Arbeitsbedingungen  der  Beschaftigten  im  kirchlichen 
Bereich  in  positivem  Sinne  zu  regeln  Die  Verabschiedung  eines  Arbeitsrechts-Hegelungsgesetzes  kann-aber 
allein  aus  gesellschaftspolitischen  GrCinden  fur  die  OTV  keine  Losung  sein,  da  sich  die  Kirche  als  Arbeitgeber 
und  auch  i.  S.  des  Tarifvertragsgesetzes  in  die  arbeitsrechtliche  Isolation  begibt. 

Mit  freundlichen  GruSen 
gez.  Walter  Klopschinski 


Eine   Verfiffentllchung   der   Gewerkschaft   Oftentlictie   Dienste.  Transport  und  Verkehr  (OTV),  Bezirk  Hessen, 

Wilheltn-Leuschner-StraBe  69/77,  6000  FrankfunVM. 

Presserechtllch  verantwortlicb:  Walter  Klopschinski,  Wllhelm-Leuschner-Strafle  69.77.  6000  Franklurt/M. 


-  32 


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pad. extra  \ 

pad. extra   sozialarbeit 


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pad. extra  und  padex  sozialarbeit  smd  Zeitschnf- 
ten  des  padex-Verlags-Kollektivs. 
Beide  wenden  sich  sowohl  an  Berufstatige  alsl 
auch  an  Studierende,  die  sich  nicht  mit  den  offi-l 
ziellen   Informationen  und  Analysen  zufneden 
geben,  an  die,  die  mehr  wollen  als  disziplimerenj 
und  harmonisieren. 


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i.£hncidtnundnnsende.n«npM«Verlas.KOIrierSi.  70  (. 
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Abbuchung) 


sozialen  Bereichen  und  aus  den  Krankenhausern,   die  als   kirchliche 
Mitarbeiter  in  den  Gewerkschaf ten  unbekannt  sind. 

•  Gewerkschaftl iche  Aktivitat  wird  auBerdem  in  vielen  Fallen  behin- 
dert.    Die  verschiedenen  Fachgruppen  kirchlicher  Mitarbeiter  in  der 
OTV   haben  hier  Erfahrungen  sammeln  kbnnen.   Diese  Behinderungen  rei- 
chen  vom  direkten,  ausdrtickl  ichen  Verbot,  gewerkschaftl  iches   In- 
formationsmaterial    zu  verteilen,   bis   zur  persdnl ichen   Behinderung 
und  Einschiichterung  gewerkschaftl  ich  Aktiver. 

f  Nicht  zuletzt  ist  bei   einem,GroBteil    von  Hitarbeitern  eine  obrig- 
keitshb'rige  Frbmmigkeit  entscheidendes  Hindernis  fur  einen  Gewerk- 
schaftsbeitritt.   Das  besondere  kirchliche  Betriebskl ima  wirkt  sich 
hier  starker  aus  als  es  irgendein  Personalchef  eines  GroBunternehmens 
zu  traumen  wagte.   Die  Firmenideologie  erweist  sich  als  fast  perfek- 
ter   Kitt.    Unter  Begriffen  wie  "Dienstgemeinschaft"  und  wie  sie 
immer  heiBen  mbgen,  wird  ein   Interessengegensatz  zwischen  Kapital 
und  Arbeit  geleugnet.   Wo  es  nicht  mehr  anders  gent,  wird  das  Schreck- 
gemalde  eines  Streiks  gezeichnet,  der  die  Verkundung  des  Gotteswortes 
unmbgl ich  macht. 

Man   stelle  sich  vor  -  das  Abendmahl   muB  ausfallen,  weil    der  Kuster 
sich  im  Streik  befindet  und  die  Weinflasche  nicht  entkorkt!   Oder: 
Die  Gemeinde  steht  vor  verschlossenem  Kirchentor  -  der  Pfarrer  halt 
die  Predigt  nicht,  weil    er  zwei   Tage  mehr  Urlaub  will.   Oswald  von 
Nell-Breuning,  bekannter  fortschrittl icher  Sozialethiker  an  der 
Kathol.    Hochschule  St.Georgen,   hat  dazu  festgestel 1 t,   daB  niemand 
daran  denke,    "die  Kirche  zu  bestreiken,   etwa  um  sie  zur  Anderung 
ihrer  Glaubens-  und  Sittenlehre  zu  zwingen;  zu   bestreiken  waren  im- 
mer nur  kirchliche  Anstalten  oder  Einrichtungen   in  ihrer  Eigenschaft 
als  Arbeitgeber,  wenn  berechtigte  Forderungen  in  Bezug  auf  Dinge, 
die  Gegenstand  tarifvertragl icher  Regelung  sein  kbnnen,  anders  nicht 
durchzusetzen  waren". 

Von  den  Kirchenoberen  wird  die  in  absehbarer  Zeit  gegenstandslose 
Frage  eines  Streiks  nur  hochgespiel t,  damit  das  Gespenst  des   (wombg- 
1  ich  roten)    Klassenkampfes  am  Leben  bleibt. 

WIE  CEHT  ES  WEITER  -  ETWA  AUF  DEM  "3.  WEG"? 

Wahrend  auf  offizieller  Ebene  wenigstens  in  der  EKD  Gesprachsbereit- 
schaft  mit  den  DGB-Gewerkschaften  gezeigt  wird,   schaffen  fuhrende 
Landeskirchen  wie  Hessen-Nassau,   Rheinland  und  Bayern  die  Voraus- 
setzungen  fur  einen  "dritten  Weg".   Unter  Umgehung  und  Ausschaltung 
von  Gewerkschaften  und  Tarifvertragen  sollen  von  kircheninternen 
Kommissionen  Betriebsvereinbarungen  abgeschlossen  werden.   Dieser 
"dritte  Weg"   bietet  kaum  eine  Verbesserung  gegenLiber  dem  jetzigen 
Zustand: 

I   Sonder-  und  Einzel regel ungen  wlirden  fortgeschrieben,  eine  allgemei- 
ne  Rechts-  und  Arbeitssicherheit  auch  im  Bereich  der  Kirchen  kame 
nicht  voran. 

I  Der  immerhin  gegebene  geringe  Druck,  die  BAT-Regel ungen  in  den 
kirchl  ichen  Arbei  tsordnungen  zu  ubernehmen,  wlirde  nachlassen,  wenn 


35 


es  ein  innerkirchl iches,  eigenstandiges  Tarifwerk  gabe.  Eine  Abkop- 
pelung  vom  BAT  ist  zu  befiirchten. 

•  Vereinbarungen  ini  Sinne  des  "dritten  Weges"  hatten  den  Charakter 
von  Betriebsvereinbarungen  und  bieten  damit  wesentlich  weniger 
Sicherheit  als  ein  Tan'fabkommen.  Sie  kb'nnen  einseitig  und  innerhalb 
relativ  kurzer  Zeit  gekiindigt  werden.  Im  Falle  ihrer  KUndigung  wlir- 
den  nur  noch  die  allgemein  g'dltigen  gesetzl  ichen  Normen  gelten, 
wahrend  tarifvertragl iche  Bestimmungen  auch  im  tariflosen  Zustand 
nachwirken. 

I  In  den  vorgesehenen  Kommissionen  hatten  die  Vertreter  der  abhan- 
gig  Beschaftigten  eine  schlechte  Position:  Akzeptiert  die  andere 
Seite  ihre  Forderungen  und  Begriindungen  nicht,  ist  nichts  mehr  zu 
maclien.  Ein  der  Kundigung  von  Vereinbarungen  entsprechendes  Recht 
auf  Arbeitsverweigerung  soil  es  nicht  geben,  der  Weg  in  die  Offent- 
lichkeit  ist  durch  die  Bestimmungen  der  kirchl ichen  Dienstordnungen 
verwehrt. 

•  Beschlusse  und  Schlichtungsentscheidungen  in  Kommissionen  des 

"3.  Weges"  sind  vor  Gerichten  rechtsunerheblich.  Durchsetzungsrechte 
soil  es  keine  geben.  Damit  w'urde  sich  die  arbeitsrechtliche  Lage 
der  kirchl ichen  Beschaftigten  eher  noch  verschlechtern. 


DEN  DRUCK  VERSTARKEN 

Weiter  forciert  werden  mu|3  dagegen  die  Aktivierung  gewerkschaftl  icher 
Arbeit.  Die  Unterstutzung  der  aktiven  Kollegen  in  den  Kirchen  durch 
die  Funktionare  und  Organe  der  OTV  ist  inzwischen  nicht  mehr  wie  zu 
Anfang  schuchtern  und  halbherzig.  Die  Fachgruppen  Kirchl iche  Hi  tar- 
be  iter  werden  unterstutzt,  die  Offentlichkeitsarbeit  ist  verstarkt 
worden.  Offensichtlich  hat  sich  herumgesprochen,  daB  es  auf  die 
Dauer  gewerkschaftspol  itisch  verhangnisvoll  ware,  an  der  Orgam- 
sierung  der  kirchl ichen  Mitarbeiter  vorbeizugehen. 

sge- 

en 

mi  t 

iten 

DGB- 

Dort 

unver- 

den 
t 

Tarif- 
icher 
icht 
e  Ge- 


Versta'rkter  Druck  muB  in  Zukunft  auf  diejenigen  Funktionare  au 
ubt  werden,  die  als  Reprasentanten  der  Gewerkschaften  In  Greim 
und  bei  alien  mbglichen  offiziellen  und  bffentlichen  Anlassen 
kirchl ichen  Oberen  zusammenkommen.  Diese  zahlreichen  Gelegenhe 
flir  die  Kirchenhierarchie,  ein  freundl  iches  Verhaltnis  zu  den 
Gewerkschaften  zu  demonstrieren,  waren  ein  guter  Ansatzpunkt. 
kbnnten  Gewerkschaftsfunktionare,  anstatt  noch  (wie  allzuoft) 
bindlich  Sympathien  auszutauschen,  darauf  hinweisen,  wie  es  in 
Kirchen  aussieht  und  daB  ihrer  Meinung  nach  eine  Zusammenarbei 
zwischen  Kirchen  und  Gewerkschaften  nur  vorankommen  kann,  wenn 
vertrage  rait  der  DTV  abgeschlossen  werden.  Ein  solcher  b'ffentl 
Druck  durch  die  "Gesprachspartner"  der  Kirchen  ware  durchaus  n 
ohne  Wirkung,  denn  er  wiirde  am  kirchlichen  Anspruch  auf  sozia' 
rechtigkeit  ansetzen. 

Auf  der  anderen  Seite  kann  mit  einer  solchen  Strategie  das  entschei- 
dende  Problem  der  Gewerkschaftsarbei.t  in  den  Kirchen  noch  nicht  ge- 
lbst  werden:  KirchenfLirsten  weisen  immer  wieder  (nicht  ohne  inneres 
Vergnligen)  darauf  hin,  daB  offensichtlich  bei  den  Beschaftigten 


-  36  - 


Wenn  einer  sich  pardon  kauft, 
dann  kann  er  was  erleben. 


EinFoto-Magazin  Eine  Pragramm-Zeitschrift    Ein  Blatt  fiir  Tierfreunde       Ein  Oppositionsblatt 

I    -ay  , 
i 


Eine  HumDr-Zertschrift         Eine  Spott-lllustrierte  Ein  Freizeit-Magazin  Einen  Industrie- Kurier 


z: 


%Mid 

l^v^ 

i;^    1i' 

"f~jM£^ 

-X^y 

~J3l.   . 

Eine  Burger-Gazette  Ein  Koalitions- Papier  Ein  Musik-Magazin  Ein  Manner- Magazin 

pardOII  ist  niimlhhU  Zeits<hriften! 


wenig  Interesse  an  einer  gewerkschaftlichen  Organisierung  besteht. 
Der  Organisationsgrad  ist  insgesamt  noch  verschwindend  gering 
(zwischen  sechs  und  sieben  Prozent).  In  der  Tat  hat  das  Eintreten 
fiir  Tarifvertra'ge  unter  diesen  Bedingungen  nicht  genligend  Nachdruck. 
Die  Organisierung  von  Kollegen  (und  die  Bildung  von  Betriebsgrup- 
pen)  in  den  gesamtkirchl ichen  ftntern  und  konfessionellen  Kranken- 
ha'usern,  vor  allem  der  groBen  Sta'dte  ist  dabei  schon  verhiiltnis- 
ma'Big  weit.  Schwierigkeiten  gibt  es  vor  allem  in  den  Gemeinden 
(Kiister,  Gemeindeschwestern,  Diakone,  Kinderga'rtnerinnen) ,  vielen 
Heimen  und  kleineren  Dienststellen.  Sta'rkere  Abha'ngigkeit  vom  Vorge- 
setzten,  noch  ausgepra'gte  Loyal i tat  (Oberstunden  fiir  "Gotteslohn 
und  vieles  mehr)  und  Angst  vor  gewerkschaftl ichem  Engagement,  ja 
oft  sogar  schon  vor  der  Mitgliedschaft,  spielen  hier  eine  groBe  Rol- 
le. 

Es  ist  zu  vermuten,  daB  unter  den  gegenwa'rtigen  Bedingungen  keine 
weiteren  Tarifvertra'ge  (Schleswig-Holstein  1960  als  einzige  Aus- 
nahme)  durchgesetzt  werden  kbnnen;  und  daB  der  "3.  Weg"  in  den 
evangelischen  Kirchen  nicht  zu  verhindern  ist. 
Die  DTV  Hessen  hat  im  Oktober  1977  zum  "3.  Weg"  mitgeteilt:  Jie 
Gewerkschaft  DTV  Hessen  erteilt  gleichzeitig  eine  Absage  zu  Aut- 
forderungen  der  Kirche,  bei  der  Schaffung  und  Gestaltung  eines  Ar- 
beitsrechts-Regelungsgesetzes  mitzuarbeiten.  Sie  ist  lediglicn  oe- 
reit,  ernsthafte  Gesprache  und  Verhandlungen  mit  der  Zielsetzung  aes 
Abschlusses  echter  Tarifvertra'ge  zwischen  Kirchen  und  der  DTV  zu 
f'u'hren." 

Umso  mehr  kommt  es  darauf  an,  die  Werbung  zu  intensivieren  Dabe\ 
kann  trotz  fehlender  Tarifvertra'ge  den  Kolleginnen  und  Kollegen  aer 
Sinn  gewerkschaftl icher  Organisierung  klargemacht  werden: 

-  Erfahrungsaustausch  liber  Arbeitsbedingungen  und  Entlolinung, 

-  Personliche  Unterst'Jtzung  durch  Mitglieder  der  Fachgruppe  Kirch- 
1 icher  Mitarbeiter  bei  Konflikten, 

-  Unterstlitzung  durch  Dffentl  ichkeitsarbeit  und  arbeitsrechtl  iche 
Beratung, 

-  Einbezieh'ung  von  Erfahrungen  und  Problemen  im  Dffentl  ichen  Dienst 
insgesamt. 

Vermutlich  kbnnen  Tarifvertra'ge  als  entscheidende  Einbruche  in  den 
bisher  uneingeschrankten  Machtbereich  der  Kirchenhierarchien  nur 
Liber  diesen  langen  Weg  erreicht  werden. 


Peter  Dammann,  Hamburg 

JUGEND-  UND  BUNDNISPOLITIK 

DES  KOMMUNISTISCHEN  BUNDES  (KB) 

AM  BEISPIEL  DES  "RING  BUNDISCHER  JUGEND" 


Es  ist  nun  Liber  ein  Jahr  her,  daB  der  Bund  Demokratischer  Jugend/Ring 
Blindischer  Jugend  (BDJ/RBJ)  als  arbeitende  Organisation  nicht  mehr 
existiert. 

Gerade  in  Hamburg  war  der  BDJ/RBJ  bis  dahin  sehr  aktiv  (Schu'ler-, 
Kinder-,  Frauengruppen,  Filmclub,  Bezirkszentren  etc.)  und  Liber  die 
Beteiligung  an  groBeren  Aktionseinheiten  bekannt. 
Die  Ursachen  des  Auseinanderfallens  des  BDJ/RBJ  wurden  bisher  nicht 
dffentl  ich  diskutiert  und  es  herrscht  daruber  allgemeines  Ra'tselraten. 

B  bisher  keine  dffentl iche  Diskussion  oder  Stellungnahme  erfolgte, 

t  mehrere  Gru'nde: 


DaB 
ha 


•  Seit  Anfang  der  70er  Jahre  gab  es  eine  "KB-Fraktion"  im  BDJ/RBJ. 
Zwei  Mitglieder  des  "Leitenden  Gremiums"  des  KB  diskutierten  mit 
dieser  "Fraktion"  uber  die  Linie  und  Aktionen  des  BDJ/RBJ.  Das  ein- 
fache  Mitglied  wuBte  nur  zufa'llig  von  diesen  Aktionen  und  hat  Dis- 
kussionspapiere  aus  diesem  Kreis  nicht  bekommen. 

t  Die  Auflbsung  des  BDJ/RBJ  wurde  vom  KB  aus  partei-  und  machtpoli- 
tischen  Grunden  betrieben,  so  daB  dem  KB  keineswegs  an  einer  Ana- 
lyse dieses  Prozesses  gelegen  ist. 

DaB  ich  erst  jetzt  meine  Erfahrungen  mit  dem  Versuch  eines  demokrati- 
schen  Jugendverbandes  und  der  Politik  des  KB  aufschreibe,  ha'ngt  mit 
dem  muhsamen  ProzeB  des  Ausbruchs  aus  der  Welt  der  K-Gruppen  zusam- 
men,  der  zugleich  ein  ProzeB  der  persbnl  ichen  Identita'tszerstdrung 
und  -findung  ist.  Die  Funktion  des  Artikels  sehe  ich  darin,  daB 

I  Parteiladen-  und  Machtpolitik  keineswegs  ein  Problem  der  K-Gruppen 
all ein  ist.  Der  Kampf  gegen  Stel lvertreterpol itik,  Machtpolitik  und 
die  MiBachtung  konkreter  BedLirfnisse  unter  Linken  ist  und  bleibt 
eine  sta'ndige  Aufgabe.  Die  gesellschaftl  ichen  Grundlagen,  die  eine 
solche  Politikauffassung  fbrdern,  bestehen  nach  wie  vor. 

I  Innerhalb  der  Linken  wurden  im  letzten  Jahr  viele  Erfahrungen  liber 
die  Auswirkung  von  Macht-  und  Parteiladenpol itik  verdffentl icht 
(Majorisierung  der  BUU-Hamburg  durch  den  KB,"Wir  warn  die  sta'rksten 
der  Partei n"-Rotbuch,  usw.)  und  viele  Genossen  sind  aus  den  K- 
Gruppen  ausgetreten. 

|  Vielleicht  anderen  Genossen  geholfen  werden  kann,  die  heute  noch 
ihren  Austritt  aus  K-Gruppen  als  "persbnliches  Versagen"  betrachten. 
Der  Artikel  soil  dazu  beitragen,  eine  prinzipielle  Kritik  an  sektie- 
rerischer  Politik  und  deren  Folgen  zu  leisten.  Ich  glaube  auch,  daB 
er  ein  Beitrag  zur  Diskussion  Liber  andere  Organisationsmdglichkeiten 
linker  Politik(  ohne  ein  Rezept  anzubieten)  sein  kann. 


-  39  - 


1.  DIE  ENTW1CKLUNG  DES  "RING  BDNDISCHER  JUGEND"  (RBJ) 

Der  RBJ  bestand  seit  Ende  der  50er  Jahre.  Der  RBJ  war  ein  Dachverband 
von  Gruppen  wie  die  "autonome  Jungenschaft" ,  die  "Trucht" ,  die  "fah- 
renden  Gesellen",  die  "Skara"  u.a.  Im  Unterschied  zu  den  Pfad- 
findern  handelte  es  sich  bei  der  Blindischen  Jugend  urn  wesentlich 
kleinere  Gruppen  (Mitgl  iederzahlen  ca .  zwischen  100  -  200),  die  gleich- 
zeitig  einen  elitaren  und  intel lektjellen  Anspruch  hatten.  Die  Akti- 
vit'a'ten  dieser  Gruppen  lagen  vor  all  em  im  musischen  Bereich  (Singe- 
wettstreit  etc.).  Lesen  und  selber  Gedichte  schreiben  sowie  im  Auf 
Fahrt  gehen".  Ober  einzelne  Gruppen  gab  es  auch  Verbindungen  zu 
rechtsradikalen  Organisationen  (NPD). 

Ende  der  60er  Jahre,  bedingt  u.a.  durch  die  Studentenunruhen,  Viet- 
nam etc.  polarisierte  sich  der  RBJ  stark.  Rechtere  Gruppierungen  t ra- 
te n  aus  bzw.  losten  sich  zum  Teil  auf.  Obrig  blieben  im  RBJ  ca.  secns 
Verbande.  Zunachst  wurden  trotz  Anderung  der  Inhalte  (Psychoanalyse, 
Marx,  Mao,  Pol itokonomie,  Emanzipationsseminare  etc.)  traditione!  le 
Formen  wie  das  "auf  Fahrt  gehen",  musische  Aktivitaten  etc  beibe- 
halten  Ober  das  Studium  von  Marx  und  Engels  etc.  entwickelte  sicn 
Anfang  der  70er  Jahre  das  Interesse  an  einer  Auseinandersetzung  mit 
kommunistischen  Gruppen.  Erste  Kontakte  mit  der  SDAJ  waren  "emlich 
schnell  beendet,  da  die  SDAJ  nichts  Besseres  zu  tun  hatte.als  Mitgl  leder 
des  MSB  in  den  RBJ  (heimlich!)  ' reinzuschleusen.  Darauf  wandten  sich 
eine  Handvoll  von  RBJ-Genossen  an  die  Vorlauferorganisationen  des  KB 
(SALZ  und  KAB).  Sie  gingen  dabei  davon  aus,  daB  sie  als  Fraktion  im 
RBJ  einwirken  wollten,  jeweils  abwagend,  was  fur  eine  parteipoli tiscn 
unabhangige  Jugendorganisation  gut  und  was  mcht  brauchbar  1st.  uer 
Wunsch  dieser  Fraktion,  effektiver  einwirken  zu  konnen  und  auch  das 
Interesse  der  Mitgl  ieder  fiihrte  zu  einer  Umwandlung  der_Strukturen 
im  RBJ.  Nach  mehreren  Phasen  sah  das  dann  so  aus,  daB  ein  G«amtvor- 
stand"  (GV)  existierte,  in  dem  die  Anleiter  der  Bezirke  und  Bereiche 
(Schiller,  Kinder,  Frauen,  Portugal,  Organisation  und  TechrnK,  be- 
schaftsstelle  sowie  Mitglieder  der  Redaktion  der  Kampfenden  Jugend 
-  vorher  hieB  die  Zeitung  "RBJ-Kommuni  kation  )  saBen. 


Berliner  Zeitung 

fiir  Erzieher  und 
Sozialarbeiter 


S TRUKTUR  IN  HAMBURG 


GESAMTVORSTANI) 


KB—  FRAKTION 


GESCHAF1SSTELLE 


K|  -  RtOAKTION 


3 


(Bereiche) 


FILM  - 
KOMMISSION 


FRAUEN  - 
KOMMISSION 


KINDER  - 
KOMMISSION 


SCHDLER  - 
KOMMISSION 


ORGANISATION        PORTUGAL     - 
(Technik)  KOittllSSION 


FUHLSBCTTEL 


NOR DER - 
STEDT 


EPPEN  - 
DORF 


I>ic  '■  '""-•' ■'••'"  Bezirke  hatten  wieden 

m  ihrr  cigenc 

i  Slruktu 

BF.7.IRKS  - 

AN  LEU  UNO 

FRAUEN 

SCHULER 

In  den  Bereichen  Film,  Frauen  etc.  saBen  jeweils  Vertreter  aus  den 
Bezirken.    (Jeder  Bereich  hatte  so  also  ca.   8  Mitglieder  (je  einen   aus 
7  Bezirken  und  einem  Anleiter  aus  dem  GV). 

In  anderen  Stadtteilgruppen  wurden  ahnliche  Strukturen  aufgebaut. 
Es  fanden  monatliche  Treffen  der  Stadtdelegierten  statt.  Mindestens 
einmal   im  Jahr  wurden  Bundesverbandsseminare  mi t  ca.   100  Tei  I  nerimern 
liber  1   Woche  und  1  anger  durchgefiihrt.  Auf  den  Bundesverbandssemina- 
ren  wurden  auch  die  Delegierten  fur  den  BDJ-AusschuB  gewahlt.  Der 
BDJ-AusschuB  war  von  je  drei  Mitgliedern  des  BDP  (Bund  Deutscher 
Pfadfinder)   und  des  RBJ  besetzt. 

DieFraktion  bestand  aus  unterschiedlich  vielen  und  teilweise  wech- 
selnden  Genossen,   die  immer  schon  im  RBJ  gewesen  waren  und  sich  in    _ 
den  letzten  3  Jahren  meist  wbchentlich  trafen.   Der  KB  war  durch  zwei 
LG  (Leitendes  Gremi urn) -Mitglieder  vertreten.   Diese  Verbindungen 
zwischen  RBJ  und  KB  waren  den  Mitgliedern  nicht  bekannt.   Im  Gesamt- 
vorstand  selbst  wuBten  nur  wenige  Genaues.   1971   bzw.  1972  wurde  von 
dieser  Fraktion  eine  Diskussion  im  Gesamtvorstand  mitnert,  aie 
die  bisherigen  Bemlihungen  des  KB  zusammenfaBt.  Ober  diese  Diskussion 
existiert  ein  Protokoll   eines  damaligen  Mitglieds  aus  dem  Gesamtvor- 
stand  (heute  beim  SSB-Sozialistischer  Studertenbund,  Studentenorga- 

nisation  des  KB):  .  ,        .   .1         , 

"Das  BUndnis  mit  der  Arbeit erklasse   laBt  sich  konkret  herstellen  aLs 
Bundnis  mit  den  bewuSten  Teilen  der  Arbeiterklasse  in  ihrer  P«*** 
schen  Organisation.    Diese  Organisation  . . .    leitet  alle  fortschnttLi 
ohen  Dmokraten  und  Kommunisten       ihrem  Kampf  urn  den  SoziaUsmus  an. 
...In  unserer  Klassenkampfsituation  gibt  es  noch  nicht  die.  .  .JW. 
Die  fortschrittliahste  Organisation  der  Arbeiterklasse  heute  in ^ 
der  BED   (ist)  der  KB.    ...   Sioh  heute  durch  den  KB  anleiten  zu  Lassen 
bedeutet,   die  StoBriohtung  des  Kampf  es,   wie  er  u.a.    im  AY.   (9*™*™* 
ist  der  "Arbeiterkampf"  propagiert  wird,anzuwenden  als  Richtscnnur 
fur  die  Politik  in  unserem  Verband  und  mit  unserem  Verband.    ...    W 
Arbeiterkampf  erhalten  wir  auch  eine  Anleitung,     W  %  e     der  Kampj 
in  Richtung  auf  die  obigen  Ziele  zu  fUhren  ist.    ...   Anleitung  bedeu 
tet  jedoch  nicht  nur  Ausriohtung  des  Kampfes  und  angehen  der  notwen 
digen  Sohritte,   sondern  auch  Kontrolle;   Fragen  wir  uns:  Haben  wir 
den  Sahulkampf  in  unserem  Bereich  so  entfaltet . .  . .    daB  wir  die  Aur 
trage  der  Arbeiterklasse   (gemeint  ist  logischer  Weise  damit  der  r.ei 
verstanden     haben?  ...   Als  Propagandisten  der  Arbeiterklasse  un  Be 
reich  der  k  leinbiirgerlichen  Jugend  (admit  meinten  wir  uns  aann  ganz 
unbesaheiden  selbst)   haben  wir  die  besondere  Aufgabe,   die  Auftrage 
der  Arbeiterklasse  fitr  unsere  Bedingungen  zu  konkretisieren  und  un  _ 
sere  Erfahrungen  in  die  Auseinandersetzung  hineinzutragen  und  so  die 
Entwiaklung  der  Arbeit erbewegung  voranzutreiben. . .  " 

Das  Papier  trug  den  Titel   "Woher  kommt  unsere  Klarheit"  und  wurde 
eigens  noch  einmal  im  Gesamtvorstand  als  Ergebnis  unserer  Diskussion 
besta'tigt.   Diese  "Diskussionsergebnisse"  fra!5en  sich  langsam  -  im- 
mer schbn  von  oben  nach  unten  -  durch  unsere  Struktur.   Die  meisten 
der  Mitglieder  hatten  dem  nichts  entgegenzustellen  bzw.  einige  gin- 
gen  weg.  Diese  Diskussionsergebnisse  brachten  natlirlich  auch  eine 
Veranderung  der  MaBstabe  in  der  Organisation  mit  sich.   War  die  Jugend- 
arbeit  vorher  stark  auf  eine  Bildungsarbeit  ausgerichtet,   die  einzel- 
nen  Mitglieder  das  "Aufsteigen"  zum  zweiten  Bildungsweg,  zum  Lehrer 
etc.   ermbglichte        und  wurden  die  wenigen  Arbeiterjugendlichen  eher 


42 


karitativ  mitgeschleppt,  so  anderte  sich  dieses  Verhaltnis  im  Laufe 
der  Zeit.   Wurde  z.B.    frliher  eine  Art  Volkshochschularbeit  -  auch  fLir 
Arbei terjugendliche  -  gemacht,  hieB  es  spater.es  sei  anmaBend  von 
uns  Kleinblirgern   (als  schwankende  Klasse),  Arbeiterjugendliche  anlei- 
ten  zu  wollen.   Die  Arbeit  wurde  -  nicht  selten  zum  VerdruB     der  Ar- 
beiterjugendlichen -  eingestellt  und  ihnen  nahegelegt,  sich  an  ihre 
Arbei terorganisation  zu  wenden. 

Von  den  ca.   30  Arbeiterjugendlichen  taten  das  aber     nur  drei  Oder 
vier,  ein  groBer  Teil  war  dann  erstmal   weg.  An  die  Stelle  eines  rela- 
tiv  elitaren  und  antiautoritaren  Verhaltnisses  zu  Arbeitern  trat 
das  vbllige  Gegenteil:  Auf  einmal  waren  wir  die  Vertreter  der  Arbei - 
ter  unter  den  kleinburgerlichen   (geradezu  ein  Schimpfwort)  Jugendli- 
chen.   Statt  vom  Arbeiter  zum  zweiten  Bildungsweg  wurde  es  wieder 
"modern",  nach  dem  Abituroder  nach  Abbruch  des  Studiums  Berufe  wie 
Drucker,   Hafenarbeiter  etc.   anzusteuern.   Es  fanden  tatsachlich  Dis- 
kussionen  Liber  die  Lange  des  Urlaubes  mit  Argumenten  statt,  wie:    die 
Arbeiter  hatten  auch  nur  3  Wochen  und  da  kbnne  man  den  restlichen  Ur- 
laub  wohl   in  die  Organisation  stecken.   So  wurde  in  Wohngemeinschaften 
arglistig  beaugt,  teilweise  sogar  aufs  kra'ftigste  kritisiert,  wenn 
sich  einer  ein  teures  Tonband  etc.   kaufte  und  es  wurde  darauf  geach- 
tet,   daB  nicht  etwa  einer  kleidungsma'Sig  zu  hohe  Ansprliche  stellt 
usw.   usw..  Die  meisten  kleinburgerlichen  Freuden,  die  z.B.  Studenten 
aufgrund  ihrer  Studiensituation  qenossen  (langes  Ausschlafen,  langer 
Urlaub...)  wurden  z.T.  ganz  einfach  negiert.   Oft  hatten  diese  Ver- 
zichte  zur  Folge,  daB  die  politische  Arbeit  nicht  als  lustvoll,  freu- 
dig  etc.   angepackt,   sondern  als  PflichtLibung  und  lastige  Arbeit  ange- 
sehen  wurde. 

Wie  man  sich  denken  kann,wurden  die  "KleinbLirger  des  BDJ"  nicht  durch 
das  erste  Papier  (Woher  kommt  unsere  Klarheit?)   bekehrt,  sondern  der 
KB  muBte  sich  immer  wieder  ins  Zeug  schmeiBen,  urn  seine  eigene  Fuh- 
rungsrolle  durchzusetzen.   Z.B.  fand  Ostern  1973  ein  langeres  Seminar 
des  RBJ-Bundesverbandes  statt.   Die  dort  geschriebenen  Diskussionspro- 
tokolle  wurden  wie  folgt  von  einem  leitenden  KBler  schriftlich  kriti- 
siert: 

Zunachst  wird  aus  dem  Protokoll   zitiert:        "Im  Imperialismus  kommt 
es  zu  spontanen  Bewegungen  gegen  einzelne  MiBstdnde.    Diese  Bewegungen 
sind  noch  nicht  gegen  das  ganze  kapitalistische  System  gerichtet  und 
haben  auch  keine  longer fristige  Perspektive. " 
Der  KB  kommentiert  das: 

"Wichtiger  ist  noch  die  unter schiedliche  StoBrichtung ,    mit    der     die- 
se spontanen  Kampfe  gefiihrt  werden  kOnnen.   Und  diese  StoBriohtung 
hangt  wieder  davon  ab,  welche  Klassen  oder  Schichten  diesen  Kampf 
aegen  einzelne  MiBstande  des  Kapitalismus  fuhren.    Es  gibt  den  okono- 
mischen  Kampf  der  Arbeiterklasse,   aber  auch  den  reaktion&ren  urn  den 
Erhalt  von  Privilegien  der  Zwischenschichten.    Es  gibt  den  Kampf  ge- 
gen politische  Vnterdruckung  aber  auch  den  gegen  Gleichmacherei.    . . . 
In  den  RBJ-Protokollen  geht  es  erst  einmal  urn  das  Unterlassen,^  urn 
die  klare  Benennung  solcher  Stramungen,    deren  Charakter  reaktionar 
ist     weil  er  bilrgerliehe,   vorimperialistische  Zustande  wilder  her- 
stellen will.-.  Der  demokratisahe  Kampf  des  Proletariats  und  der  klein- 
hurgerlicl-i,e'n:::Sohichten  unteracheidet  sich  also  in  der  Richtung,    in 
der  er  qeftthrt  wird,    und  nicht  nur  durch  das  MaB  der  Konsequenz. 

Was  ist  der  Kerr,  der  falsahen  Auffassungen  iiber  den  demokratisahen 

-  43  - 


. 


Kampf.    ...Fehlendes  Bewulitsein  von  der  Tatsache,   dali  die  Zwischen- 
sohiahten  uberhaupt  keine  eigenstandige  Klassenperspektive  haben  und 
deswegen  nur  die  der  Arbeiterklasse  existiert.  " 

Siebt  man  solche  Kritik       im  Zusammenhang  mit  der  Aussage  "die  fort- 
schrittlichste  Organisation  der  Arbeiterklasse  heute  in  der  BRD 
(ist)   der  KB..."   (siehe  vorn),  dann  wird  deutlich,  was  fur     ein  wahn- 
sinniger  FUhrungsanspruch  erhoben  wird.   Im  RBJ  wurde  damals  sowas 
nicht  angegriffen.   Wenn  jemand  den  Anschein  erwecken  konnte,  e^  wur- 
de Lenin  zitieren,  dann  gab  es  nur  noch  "Auslegungsdiskussionen   . 

Zur  Verbesserung  der  Zeitungsarbeit  wurde  noch  im  damaligen  RBJ  vor 
allem  an  Lenins  "Was  tun"  diskutiert.  Wesentlich  war  dabei   fur  die 
weitere  Entwicklung  des  RBJ    die  Ubernahme  von  der  Vorstellung  Lemns, 
daB  die  sozialistische  Ideologie  von  auBen  in  die  Arbeiterbewegung 
etc.   hineingetragen  werden  muB,  das  "bewuBte  Element"  sich  mcht 
aus  den  spontanen  Kampfen  der  Massen  entwickelt.   Zwei  Dinge  hatten 
diese  Vorstellungen  zur  Auswirkung.  Einmal  wurde  der  Vorstellung 
nachgehangen,  man  selbst  kbnne  bewuBt  eine  Bewegung  machen.   tndios 
lang  wurden  immer  wieder  Mobilisierungsplane  durchgegangen,  jeder 
BDJler  hatte  samtliche  Formen  (Flugblatt,  WZ  und  und  und)  drauf. 
Gleichzeitig  flihrte  das  eigene  Selbstverstandnis  vom     bewuBten  Ele- 
ment" zu  einemarroganteiVerhaltnis   (mehr  oder  wemger  geschickt  auf- 
qetraqen)  gegenilber  Mitschiilern,   Kommilitonen  etc.  Viele  von  uns 
waren  standig  der  Meinung  "Klarheit  schaffen  zu  mussen   ,  was     zu  der 
verruckten  Situation  fiihrte,  u'berall   und  immer  mitreden  zu  wollen, 
oft  ohne  die  konkreten  Kenntnisse  zu  haben. 

In  der  Zeitungsarbeit  wurden  mehr  und  mehr  die  Positionen  des  "Arbei- 
terkampfes"   (Zentralorgan  des  KB)  ubernommen  und  auf  den  eigenen  Be- 
reich  zugeschnitten.   Ab  und  zu  wurden  ganze  Artikel    aus  Jem     Arbei- 
terkampf"  einfach  nochmals  abgedruckt.   Teilweise  nahmen  Artikel   und 
Flugblatter  dabei  groteske  Formen  an.  Es  waren  mcht  nur  a™a"e'™ 
die  gleichen  Inhalte,  sondern  -  da  vorher  Ak-Artikel   gelesen  wurden  - 
auch  gleiche  Phrasen  und  Wortspiele. 

Es  wurde  auch  versucht,  den  RBJ  auf  Bundesebene  auszubauen  (siehe 
auch  vorn  die  Struktur).   Dazu  dienten  alte  bundische  Kontakte  und 
Seminare.  Mit  verschiedenen  Stadtgruppen  (Darmstadt,   Pforzheim, 
Duisburg,   Kassel . . . )  wurde  der  RBJ-Bundesverband  gegrundet  und  gleicn 
danach  zusammen  mit  dem  "Bund  Deutscher  Pfadfinder"   (BDP)  wurde  der 
Dachverband  "Bund  Demokratischer  Jugend"   (BDJ)  gegrundet.    (Wenn  im 
weiteren  Artikel         VOm      BDJ  die  Rede  ist,   ist  jewel  Is  der  BDJ/KBJ 
gemeint).   Die  Diskussionen  mit  dem  BDJ/BDP  verliefen  nicht  sehr 
erfolgreich.  Wir  konzentrierten  uns   im  RBJ  darauf,   unseren  eigenen 
Verband  aufzubauen.    Hauptsachlich  durch  eine  enorme  Belastung  der 
ca.   150-200  aktiven  Mitglieder  (und  die  gab  es  fast  immer  schon)  wur- 
den unsere  Aktivitaten  ungeheuer  ausgeweitet. 

Die  Kampfende  Jugend  (KJ)  erschien  mit  einer  Auflage  von  knapp   5000 
und  ca.    50  Seiten  alle  6-8  Wochen.   Dazu   kamen  noch  unregelma'Big 
Bezirks-  und  Stadtzeitungen,  Schulerzeitungen  und  zentrale  Broschu- 
ren  (Griechenland,  Film,  §  218,  Vietnam...)    .   Es  existierte  ein 
20-40  Mann/Frau  Chor  (Langspielplatte  und  Auftritte  auf  KB-GroBveran- 
staltungen),  ein  BDJ-Filmclub  mit  7-14  Vorstellungen  im  Monat  (Zu- 


44 


schauerschm'tt  ca.    5-600  pro  Monat).    Frauengruppen,   Kindergruppen 
(mit  Zeltlagern),  Schlilergruppen,   Fahrten  im  Sommer,   sowie  6  alte 
Laden  in  den  Bezirken,  die  als  Zentren   dienten.  Fur  den  Papieraus- 
stoB  in  der  Organisation  und  nach  auBen  muBten  eigens  komplizierte 
Systeme  entwickelt  werden.    Bei  dieser  Entfaltung  der  BDJ/RBJ-Praxis 
(vor  allem  durch  die  immer  groBere  Belastung  weniger  Genossen)  und 
durch  die  standige  Orientierung  am  KB  kam  es  bei  den  RBJ-"Funktio- 
naren"    (GV,   Bereichsgruppen  und  Bezirksanleitungen)    kaum  noch  zu  Wi- 
derspruchen  zum  KB.   Bereitwillig  bescheinigte  dann  auch  der  BoB  des 
SSB   (Sozialistischer  Schuler  Bund,  Schulerorganisation  des  KB) 
dem  RBJ/BDJ: 

"Dem  aufmerksamen  Leser  fallt  auf:  Da  werden  Analysen  und  Einschatzun- 
gen  aus  Papieren  des  KB  und  des  SSB  zum  Schulkampf  wiedergegeben, 
Pavolen  des  KB,    SSB  und  des  Elternrats  Arnkielstr .    ubernommen  und 
mit  praktischen  Beispielen  und  eigenen  Erfahrungen  angereichert.    Es 
ist  ausgezeichnet,   dali  der  RBJ  bereiz  ist,   sich  die  Standpunkte  der 
Kommunisten  anzueignen,   aber  warum  verschweigt  er  das?   Varum  sohmiickt 
er  sich  mit  fremden  Federn?  Warum  gibt  sioh  die  RBJ-Fuhrung  den  An- 
schein,   die  KB-SV-Politik  (SV^Sohiilervertretung )  ware  von  ihr  ent- 
wickelt werden?  Warum  verheimlicht  sie  ihren  Mitgliedern,    dali  es  ge- 
rade  die  Kormunisten  sind  und    nur    die  Kommunisten  sein  konnen,  die 
aufgrund  der  "???"  marxistisohen  Lehre  die   ("????")   Einsicht  in  die 
Bedingungen,   den  Gang  und.  die  allgemeinen  Resultate  des  Klassenkam- 
pfes  und  der  proletarischen  Bewegung  besitzen.    Wem  niitzt  dieses  Ver- 
steckspiel?  Will  er  damit  vortauschen,    dali  er,    der  RBJ,    zu  denselben 
Ergebnissen  kommen  konnte?  Offensiahtlich!  Damit   leugnet  er  aber  die 
fuhrende  Rolle  der  Arbeiterklasse,   denn  die  hat  der  RBJ   (gottseidank) 
bestimnt  nicht  organisiert.  " 

(zitiert  nach  einem  "Rundbrief  der  Leitung  des  SSB  an  alle  Mitglie- 
der.  Betrifft  Auseinandersetzung  mit  dem  RBu  "} 

AuBer  dem  "Lob"   ("...es  ist  ausgezeichnet. . . ")  also  auch  ein  Tadel ! 
Der  Vorwurf  hatte  den  Hintergrund,  daB  die  Mi tgliederzahl  des  RBJ- 
Hamburg  im  wesentlichen  stagnierte  und  bei   neuen  Mitglie- 

dem die  Frage  auftrat,  ob  diese  sich  nicht  auch  im  SSB  Oder  KB  or- 
organisieren  kbnnten.  Auch  im  RBJ  (insbesondere  bei  den  Schlilern)wurde 
inmer  haufiger  diskutiert,  was  denn  eigentlich  der  Unterschied  zwi- 
schen  RBJ  und  KB/SSB  sei. 

An  diesen  Auseinandersetzungen  nahmen  auch  die  leitenden  Genossen 
des  KB  teil   und  insbesondere  von  ihnen  wurde  auf  einmal   gefordert, 
der  RBJ  solle  "linkspluralistisch"   (so  wb'rtlich   ein  LGer)  sein  und 
die  bestehenden  Differenzen  im  RBJ  offentlich  diskutieren. 
Nun  war  das  allerdings  ein  Problem.   Nach  Ansicht  des  KB  sollte  der 
BDJ  einerseits  linkspluralistisch  sein,  andererseits  aber  keine  re- 
formistischen,   revisionistischen  Oder  gar  verschiedene  andere  kommu- 
nistische  Positionen  vertreten.   Ein  Teil   der  RBJler  verkauften  den 
Arbeiterkampf,  viele  lasen  inn  und  schauten  gottergeben  zum  "gros- 
sen  Bruder"    (RBJ-Jargon)  auf.   Dieser  Widerspruch  nahm  ab  Sommer  1975 
eine  immer  zentralere  Bedeutung  im  BDJ/RBJ  ein.  Anla'Blich    der     Aus- 
trittserklarung  einer  leitenden  RBJlerin  erschienen  die  "Thesen" 
2Um  Demo k rat ieverstandnis  des  BDJ  in  der  KJ   (5/75).    In  der  Austritts- 
erklarung  hieB  es  u.a. : 

"Auf  der  Grundlage  der  Anerkennung  der  Kommunisten  als  konsequente- 
te   Vertreter  des  Standpunktes  der  Arbeiterklasse  gibt  es  innerhalb 


-  45 


des  BDJ  keine  Hindernisse  fur  die  Mitglieder,   sich  dxesem  Standpunkt 
sowohl  theoretisch  als  vor  allem  praktisch  zuzuwenden.      (KJ  5/76, 
S.    42) 

Es  hieB  zu  dieser  These  miisse  sich  der  BDO  bekennen,  da  dies  eines 
der  wesentlichen  Prinzipien  des  demokratischen  Jugendverbandes  sei. 
In  den  "Thesen  zum  Demokratieverstandnis  des  BDJ     wurde  daraut 

Vefm^Ts'i  keine  kommunistisohen  Organisation.   Eine  Anerkennung 
einer  fuhrenden  Rolle  der  Kormunisten  und  der  Arbeiterbewegungtst 
nioht  Kriterium  der  Mitgliedschaft  im  BDJ.    ...    Der  BEJ  betraohtet 
sich  nioht  als    'Durchlauferhitzer'  fur  andere,   z.B.    komnmietieehe 
Oraanisationen,   sondern  beansprucht  einen  selbstandtgen,   gle^choe 
rechtiqten  Platz  neben  alien  anderen  demokratischen  Organisational . 
Er  stellt  andererseits  auch  keinen    'Fuhrungsanspruch'  gegenuber  der 
demokratischen  Bewegung  auf,   sondem  kdmpft  in  seder  Frage  ffe 
Durahsetzung  der  jeweils  bestmoglichen  Antwort.    Der  BDJ  fordert  den 
Gebrauoh  des  eigenen  Kopfes  und  nioht  ein  glaubzges  Annangertum. 

Speziell  diese  Passage  "Gebrauch  des  eigenen  Kopfes"  gait  in  einigen 
BDJ/KB-Kreisen  schon  als  antikommunistische  Tendenz  in  den  l™5en- 
Diesen  Ausschnitten  aus  den  Thesen  sei  noch  hinzugefugt,  daB  sie.bevor 
sie  in  der "Kampf enden  Jugend  abgedruckt  wurden,  zusammen  mit  zwei 
KB-LG-Mitgliedern  redigiert  und  gutgeheiBen  wurden.  Gerade,  aus  den 

geaenuber  dera  KB  kritischen  Zitaten  (keine  Anerkennung 

3es  FUhrungsanspruches,   Konkurrenz  zum  KB  etc.)  wird  deutlich,  daB 
hier  einerseits  nach  jahrelanger  fester  und  unkritischer  (eben  mit 
sehr  wenig  Gebrauch  des  eigenen  Kopfes)  Anlehnung  an  den  KB  versucnt 
wurde, das  Selbstverstandnis  des  BDJs  zu  entwickeln,  andererseits  hier 
zumindest  bei   den  beiden  KB-LG-Vertretern  ein  Schwenk  gemacht  wurde. 
(Vergleiche  z.B.  die  Kritik  von  SSB,  wo  ja  geradeder  Vorwurf  darin 
bestand,  die  Flihrung  des  KBs  nicht  anzuerkennen). 
Dieser  "Schwenk"  war  allerdings  nur  taktischer  Natur,  wie  viele 
von  uns  erst  sehr  spat  und  manche  allerdings  bis  heute  mcht  gemerKt 
haben.   Oberall  dort,  wo  der  BDJ  -  incl.   der  Leitungsmitglieder  -  die- 
se Aufforderung  ernst  nahraen  und  dazu  etwa  noch  zu  anderen  politi- 
schen  Ergebnissen,  Einschatzungen  etc.   kamen,  war  die  Hb'lle  los. 
Es  begann  mit  einer  unterschiedlichen  Einschatzung  zu  den  Wahlen  in 
Portugal,  setzte  sich  fort  z.B.   in  einer  Differenz  der  Frauengrup- 
pen  zu  den  KB-Frauen  Liber  den  Zeitpunkt  einer  Demonstration  gegen 
den  §  218  sowie  im  strikten  Bestehen  auf  der  Flihrung  eines  eigenen 
Spendensairmlungskontos  fur  Portugal,  Kritiken  der  Kinderkommission 
an  der  Betreuung  von  Kindern  auf  Frauenveranstaltungen  usw.usw. 

Es  ist  eigentlich  heute  ziemlich  egal,  welche  Differenzen  im  einzel- 
nen  bestanden,  wichtig  ist,  daB  sie  mit  der  Entwicklung  des  Selbst- 
versta'ndnisses  des  BDJ  uberhaupt  deutlich  (wenn  auch  nicht  oftent- 
lich)  wurden.  Schon  vor  dieser  "Belebung"  schwelte  die  Auseinander- 
setzung  liber  die  Plattform  des  BDJ   (in  manchen  BDJ/KB-Kreisen  sagte 
man  dazu  auch  "Existenzberechtigung  des  BDJ").  Beispielhaft  fur  die- 
se Auseinandersetzung  ist  eine  in  der  "Kampf enden        Jugend  1/76  ao- 
gedruckte  Austrittserklarung  (  von  5  Mitgliedern  aus  zwei  Bezirken 
in  Hamburg)  und  die  Erwiderung  von  drei  Mitgliedern  des  Gesamtvor- 
standes  (GV). 


-  46 


In  der  Stel lungnahme  der  GV-Mitgl  ieder  heiBt  es: 
"Die  Kernpunkte  der  Kritik  sind: 

1.  Der  BDJ  vertrete    'opportunistisohe  Standpunkte' 

2.  Der  BDJ  vertrete  Standpunkte,    die  sich  von  denen  des  Kommunisti- 
schen  Bundes    (KB)  unterscheiden ;   dies  sei  nur  gerechtfertigt,    wenn 
gleiohzeitig  die  Positionen  des  KB  offentliah  kritisiert  werden.  " 

(Zitiert  nach  der  Antwort  der  GVler) 

Was  den  ersten  Punkt  betrif ft, wurde  kritisiert,  daB  eine  Spenden- 
aktion  fiir  zwei  chilenische  Genossinnen  teilweise  auf  "Amnesty-Inter- 
national-Niveau"  gefuhrt  wurde.    "Die  Frauen  wurden  gefoltert,   also 
miissen  wir  sie  rausholen.    Dabei  wird  nur  an  die  Humanitat  appellievt 
und  auf  die  Entwicklung  eines  antifaschistischen  Bewulitseins  ver- 
ziohtet.    Das  so  gesammelte  Geld  wird  den  Genossinnen  wenig  helfen, 
wenn  z.B.    die  BRD-Regierung  ihre  Aufnahme  ablehnt."  (zitiert  nach 
der  Austrittserklarung) 

Als  Antwort  darauf  hieB  es: 

"Sioherlioh  gibt  es  in  dieser  Kampagne  auch  Aspekte,  die  mehr  vom 
humanitaren  als  vom  politischgn  Aspekt  ausgehen,    nur  stellen  wir  von 
daher  nioht  diese  Aktion  in  Frage,   sondern  begreifen  die  Moglioh- 
keit  solcher  Aktionen.    Wir  waren  froh,   wenn  bei  uns  tausende  solcher 
Jugendlichen  organisiert  waren,    die  aufgrund  ihrer  Betroffenheit  Uber 
die  brutalste  Behandlung  politischer  Gefangener  bereit  sind,   das  Ih- 
rige  zu  tun,   aber  auch  bereit  sind,   Uber  die  Hintergru'nde  und  Ursa- 
chen  solcher  Praktiken  des  Imperialismus  zu  diskutieren  und  ihre 
Erkenntnisse  weiterzutragen.    Das  stitrkt  die  Internationale  Solidari- 
tat  und  beginnt  nicht  erst  dort,   wo  jemand  bereit  ist,    sein  Geld  fiir 
den  MIR  zu  geben.    . . .    Wir  wollen  einen  radikal  demokratischen  und 
pluralistischen  Verband  aufbauen,   der  versohiedene  politisohe  Stromun- 
qen  und  Standpunkte,   wie  sie  gerade  auch  unter  fortschrittlichen 

Jugendlichen  vorhanden  sind,    zusammen faBt.    ..." 
Was  den  zweiten  Punkt  der  Kritik  betrifft  hieB     es: 
"Im  allgemeinen  mu/3  gesagt  werden,    daB  es  natiirlioh  jedem  freisteht, 
die  Standpunkte  des  BDJ  speziell  an  denen  des  KB  zu  messen;  der  BDJ 
als  selbststandigetradikaldemokratische  Jugendorganisation  hat  jedoah 
keinesfalls  solche    'Pfliaht',   sioh  etwa     zu    'rechtfertigen' ,   wenn 
seine  Besahliisse  nioht  mit  denen  des  KB  oder  einer  anderen  Organisa- 
tion Oder  Partei  ubereinstimmen.  "   (aus  der  Stellungnahme  der  3  GVler, 


Wahrend  diese  Auseinandersetzungen  Gegenstand  der  Diskussion  waren 
und  solche  Austritte  meist  mit  der  Anklindigung  verbunden  waren,  man 
werde  jetzt  zum  KB  gehen  (bzw.  SSB),war  die  Haltung  des  KB-Leitungs- 
areffliums  noch  zwiespaltig.   Einerseits  kundigten  sie  an,  daB  sie  die 
Stellungnahme  der  GVler  fiir  "hubsch",  "geschickt"  etc.   hielten  und 
celbst  eine  unterstlitzende  Stellungnahme  schreiben  wollten,  anderer- 
ceits  kamen  solche  Stellungnahmen  trotz  mehrfacher  Aufforderung  und 
Rpsuche  von  uns   (zwecks  Abholung)  nicht  ruber.   Es  bestanden  offen- 
cichtlich  Differenzen  im  LG  des  KB  dariiber,  wie  welter  mit  dem  BDJ 
71,   verfahren  sei.    So  wurde  zwischendurch  gefordert,  man  sollte  doch 
iinmal   eine  Bestandsaufnahme  machen  etc.   Die  Differenz  (und  hier 
tlnn  man  nur  mutmaBen,  denn  noch  kaum  einer  hat  je  etwas  uber  Dif- 
ferenzen in  der  KB-Leitung  gehbrt)  bestand    darin  daB 
fr  Verband  der  offentlich  total  mit  dem  KB  identif lziert  wurde, 
•cht  fur  sehr  nutzlich  gehalten  wurde  und  gleichzeitig  ein  taktisch 

-  47  - 


gemeintes  "linkspluralistisches"  Auftreten  nach  auBen  (siehe  die 
Erklarungen)   zur  Folge  hatte,  daB  Teile  des  BDJs  diesen  Anspruch 
ernstnahmen  und  dadurch  sich  der  EinfluB  des  KBs       im      BDJ  verrin- 
gerte. 

Wurde  die  Teilnahme  des  BDJ  an  der  KoKo-Fete  (KoKo  =  Koordinierungs- 
Konferenz  Hamburger  Jugendverbande,  Vorlaufer  des  heutigen  Landesju- 
qendrinqs)   gegen  die  Jugendarbeitslosigkeit  noch  von  den  KB-LG- 
Genossen  unterstiitzt,  so  wurde  nach  Auftreten  von  Fehlern  des  Vorstandes 
in  der  Durchfiihrung  dieser  Fete  jeder  Kontakt  seitens  des  LG  abge- 
brochen  und  stattdessen  liber  den  Bezirk  Al tona   (dort  saS  em  BDJler 
rait  dem  Aufgabengebiet  BDJ  in  der  KB-Anleitung  des  Bezirks)  eine 
scheinbare  "Kulturrevclution"  durchgefuhrt. 

Ein  Kristallisationspunkt  fur  die  Auseinandersetzungen  im  BDJ  war- 
die  Teilnahme  an  der  KoKo-Fete  zur  Jugendarbeitlsosigkeit     und  die 
Unterschrift  unter  ein  Flugblatt,   in  dem  u.a.   Mitbestimmung     gefor- 
dert  wurde     Von  einer  Gruppe  von  Altonaer  BDJlern  (die  z.T.   eben  von 
dem  KB  "beraten"  wurden,   in  Wirklichkei t  nichts  anderes  als  Schach- 
figuren  der  KB-Leitung  waren)  wurden  daraufhin  zwei    Kntikpunkte 
formuliert:  .  . 

-  Eine  Entscheidung  zur  Teilnahme  wurde  ohne  eine  breite  Diskus- 
sion  unter  den  Mitgliedern  getroffen; 

-  Die  Verankerung  von  reformistischen  Positionen  im  BDJ  und  die 
Loslbsung  von  den  solidarischen  Beziehungen  zum  KB. 

Zweifellos  positiv  war  im  BDJ  die  Auslosung  eines  wirklich  breiten 
Diskussionsprozesses  uber  die  Mitbestimmung,  sowie  damn  einherge- 
hend  grundsStzliche  Kritik       an  der  Politik  des  BDJ     z.B.   mangelnde 
ideologische  Schulung  der  Mitglieder,  Trichterpolitik.Abgehobenheit  der 
Politik  von  den  praktischen  Aufgaben  etc!.  Diese  Diskussion  wurde  von 
den  Altonaer  Genossen  am  Anfang  sicher  mit  der  ehrlichen  Absicnt 
zur  Verbesserung  der  Politik  des  BDJ/RBJ  gefuhrt  und  viele  von  -.hnen 
waren  sicher  spa'ter  selbst  erstaunt.damit  die  Entwicklung  zu  dem  Be- 
schluB  den  BDJ  quasi   aufzulbsen,  ausgelost  zu  haben.  fi;hrtB 

Trotzdem  war  der  zweite      Punkt  der  letztlich  zur  Auflosung  fuhrte 
von  Anfang  an  mit  in  der  Diskussion.   Da  tauchten  dann  solche  Schnacks 
auf  wie,  man  wolle  den  "Verband  aus  seiner  engen  und  so  idariscnen 
Beziehung  zum  KB  und  zu  den   fortschrittl ichsten  (!)  Teilen  der  Ar- 
beiterklasse  herauslbsen"  Oder  "in  der  kapitalistischen  Gesellscnatt 
gibt  es  nur  zwei   autonome  Krafte:  die  Arbei terklasse  und  die  Bourge- 
oisie.  Dieser  Tatsache  muB  auch  der  BDJ  Rechnung  tragen.indem  man 
sich  eindeutig  auf  die  eine  Oder  andere  Seite  stellt." 

Dies  mundete  schlieBlich  verbunden  mit  den  heftigsten  Angriffen  auf 
eine  Gruppe  von  BDJlern,   die  forderte,  daB  auch  z.B.  Mitbestimmungs 
positionen   in  einem  plural istischen  Verband  einen  Platz  haben  mus- 
sen.zu  der  einfachen  Frage:  Wenn  es  keine  Differenzen  mehr  zum  KB 
gibt,  warum  geht  man  dann  nicht  gleich  in  den  KB  (diese  Frage  wurde 
nun  von  einem  eigens  vom  KB  beauftragten  Genossen  gestellt)? 

Beim  Vorgehen  des  KB     ist  besonders  zu  verurteilen,  daB  fur  das  LG 
schon  im  Januar  1976  (so  ein  KBler)  feststand   ,   daB  der  BDJ  zunachst 
einmal  aufgelbst  werden  soil.   Die  ganze  Zeit  aber  wurden  alle  be- 
teiligten  Genossen  wie  Schachfiguren  bei   einem  Spielchen  hin-  und 
hergeschoben,  ohne  klar  und  offen  diese  Position  von  Anfang  an  zu 


48  - 


vertreten.   Zweitens  wird  in  einem  oder  zwei  Arbei terkampfartikeln 
schlicht  und  einfach  gelogen,  wenn  es  dort  heiBt: 
"Insbesondere  die  mit  den  Kontakten  zum  BDJ-Vorstand  beauftragten 
Genossen  des  KB  haben  in  alien  Gesprachen  und  von  Anfang  an  die  Not- 
wendigkeit  betont,  daB  der  BDJ  vorhandene  Tendenzen  Uberwinden  muB, 
sich  zum  Anha'ngsel  des  KB  zu  machen..."   (Es  erubrigt  sich  dazu  ein 
Kommentar,  wenn  solche  Aussagen  mit  den  zu  Beginn  zitierten  Papieren 
vergl ichen  wird) . 

M.E.    haben  die  meisten  Mitglieder  des  Gesamtvorstandes  und  viele 
Mitglieder  des  BDJ/RBJ  ebenfalls  zwei  entscheidends  Fehler  gemacht. 
Es  wurden  richtige  Kritiken  (verstarkte  ideologische  Auseinander- 
setzung,  Trichterpolitik,  autorita're  Leitungsstrukturen,  die  eben 
zur  Unzufriedenheit  bei   der  Politik  gefiihrt  haben)  nicht  wirklich 
konsequent  aufgegriffen  und  Mbglichkeiten  der  Verbesserung  disku- 
tiert.  Aus  meinen  Gesprachen  mit  BDJlern,  die  in  engere  Arbei tszusam- 
menhange  mit  dem  KB  getreten  sind,  habe  ich  erfahren,  daB  sie  gerade 
in  diesen  Punkten  -  die  m.E.der  beste  Teil  der  Kritik  war-  beim  KB 
vom  Regen  in  die  Traufe  gekommen  sind. 

Dieses  mangelnde  Verhaltnis  des  Gesamtvorstandes  zur  Selbstkritik 
war  gepaart  mit  einer  heute  unglaublichen  Naivitat  gegeniiber  dem  KB. 
Es  wurde  in  Stellungnahmen  immer  wieder  beschworen,  daB  wir  in  unse- 
rer  BUndnispol itik  doch  so  gute  Erfahrungen  mit  dem  KB    gemacht  ratten 
wurde  geschrieben,  daB  der  KB  uberhaupt  eine  unheimlich  solidari- 
sche  Organisation  ware  usw.   usw.   Es  wurde  kaum  und  nur  von  sehr  weni- 
gen  darauf  hingewiesen,  daB  hier  aus  organisationsborm'erten  und 
machtpolitischen  Grunden  nichts  anderes  als  die  Liquidation  des 
BDJ/RBJ  abgezogen  wlirde.   DaB  der  KB  dabei   keinesfalls  vor  Lu'gen 
(siehe  oben)     Oder  seiner  beliebten  Methode,Geruchte  gegen  sich  selbst 
erfinden,  urn  sich  dann  wortgewaltig  zu  empbren,  vor  politischer  Dif- 
famierung  und  zum  Einspannen  ehrlicherweise  empbrter  Genossen  flir 
seine  Zwecke  zurlickschreckte,  wurde  dabei   sehr  anschaulich  deutlich. 

Man  sollte  noch  erganzen,  daB  diese  Politik  fast  ausschlieBlich  vom 
Leitungsgremium  betrieben  wurde  und  fast  kein  KBler  aufgrund  der 
Arbeiterkampfartikel   sich  sein  eigenes  Bild  von  dem  Erfolg  von  ca. 
5  Jahren  Blindnispolitik  des  KBs  macnen  konnte.   Gerade  fur  die  Genos- 
sen des  SSB  ware  das  sicher  eine  fruchtbare  Sache  gewesen. 

Den  BDJ/RBJ  gibt  es  heute  nicht  mehr  als  arbeitende  Organisation. 
Ergebm's  einer  Delegiertenkonferenz  des  BDJ-RBJ  Ostern  75  war,  daB 
man  "reuevoll"  alle  reformistischen  Positionen  uberwinden  wollte  und 
das   insbesondere  in  der  Auseinandersetzung  mit  dem  KB.   Die  meisten 
Mitglieder  des  BDJ-RBJ  sind  dann  auch  gleich  oder  spa'ter  zum  KB 
oder  SSB  gegangen.  Fur  den  BDJ  wurde  eine  Art  geschaftsfuhrender 
AusschuB  gewahlt,  der  dafu'r  sorgen  sollte,  daB  Mietvertrage  gekun- 
digt  wurden,  Schulden  des  BDJ  beglichen  und  AuBenstande  eingetrie- 
ben  wurden.   Dann  geschah  erstmal   eine  ganze  Zeit  gar  nichts. 
Nach  den  Sommerferien  entwickelte  eine  Handvoll  von  alten  BDJlern 
die  Idee   (!), eines  der  Bezirkszentren  zu  erhalten  und  eine  "Demokra- 
tische  Initiative"  aufzubauen.  Ohne  daB  es  eine  einheitliche  Kritik 
am  KB  gegeben  hatte,  hatten  diese  BDJler  doch  alle  ein  ziemliches  Un- 
behagen,  was  die  organisationsbornierte,  taktische  und  selbstkritik- 
lose  Abwicklung  der  BDJ-Krise  seitens  des  KB  betraf.  Man  war  sich 


49 


daruber  einig.in  diesen  Punkten  zu  einer  Kritik  kommen  zu  miissen, 
solange  aber  nicht  in  organisatorischem  Zusammenhang  mit  dem  KB 
zusammenzuarbeiten.  Diese  Ideen  allein  geniigten,  daB  vom  KB  liber 
einige  Alt-BDJler  diesem  Kreis  eine  Art  Konterrevolution  rrnt  Beisei- 
teschaffung  des  technischen  Apparates  und  Ergaunerung  von  BDJ-Manda- 
ten  im  Deutschen  Bundesjugendring  (DBJR)  unterstellt  wurde.  Dazu 
wurde  am  26.10.76  eigens  eine  Versammlung  einberufen.   Diese  Vorwurte 
waren  insgesamt  an  den  Haaren  herbeigezogen  und  der  Clou  war,   daB 
trotz  Beschuldigungen  im  AnschluB  an  die  Diskussion  ein  Initiator 
der  Idee  (')  des"demokratischen  Zentrums"  wieder  in  den  Geschafts- 
ausschuB  gewahlt  wurde.   AuBer  den  wirtschaftlichen  Putschbeschuldi- 
qunqen  wurde  noch  so  eine  Art  Tribunal  gegen  die  Initiatoren  der  ge- 
nlanten  Initiative  durchgefiihrt.  Diese  waren  allerdings  uberhaupt 
nicht  bereit,  ihre  politischen  Oberlegungen  in  diesem  Kreis  darzule- 
gen. 

Der  eigentliche  Witz  aber  kam  gegen  Ende  der  Tribunalveranstaltung. 
Der  KB,  der  gleich  mit  3  LG-Mitgliedem  erschienen  war,   (bei  einer 
Versammlung  von  50-60  Leuten)  brachte  eine  Resolution  em!    In  die- 
ser  -  leider  nur  mlindlich  vorgetragenen  Resolution  -  beantragte  der 
KB  (>)     daB  der  BDJ/RBJ  gegenLiber  alien  Organisationen  erkla'ren  soil, 
daB  der  BDJ   nicht  aufgelbst  sei,  sondern  eine  lebhafte  Diskussion 
urn  eine  demokratische  Jugendarbeit  stattfinde.   Gleichzeitig  wurde 
vorgeschlagen,  daB  ein  neuer  Termin  stattfinden  soil,  zu  dem law 
andere  demokratische  Initiativen  eingeladen  werden  soil  ten  (J-zentren, 
Kinderhaus  e.V.   usw. )  und  eine  KJ-Extra  sollte  erscheinen,  um  die 
Vorstellungen  der  Initiativen  dort  zu  verbreiten. 
Dahinter  stand  und  steht   (?)  die  Vorstellung  des   KB-LGs ,  daB  die 
Mandate  des  BDJ/RBJ  im  DBJR,  im  Hamburger  Jugendring  etc.   tur  sie 
nutzlich  sein  konnten  und  so  ein  "plural istischer     Verband,  der .™t 
und  macht  was  der  KB  will,  fur  ihn   als  ein  gutes  taktisches  Instrument 
dienen  kann.    Nun  kam  diese  Resolution  nicht  zur  Abstimmung,  da  die 
Mehrzahl   der  Alt-BDJler  doch  einigermaBen  erstaunt  waren,   da  es  dis- 
her  doch  so  war,  daB  der  KB  den  BDJ  aufgelbst  wissen  wollte.   Da  der 
KB  selbst  einsah,  daB  bei  den  verbreiteten  und  groBen  Zweifeln  eine 
Abstimmung  blbdsinnig  gewesen  ware,  zog  er  die  Resolution  zunacnsx 
zuriick  und  schlug  die  Vorbereitung  einer  neuen  Versammlung  vor.   uie 
se  Versammlung  hat  bis  heute  nicht  stattgefunden,  ein  Protokoi irun- 
rer  (eine  Alt-BDJlerin,  heute  im  SSB)  hat  es  bis  heute  nicht  ge- 
schafft,  ein  -  vielleicht  auch  zu  peinliches  -  Protokoi 1  zu  erstei- 
len.    (Es  existiert  nur  ein  Protokoll   der  dort  zu     Anklage  und  ver- 
hor  bestellten  BDJler). 

M.E.   ist  der  Versuch,  einen  BDJ/RBJ  mit  pluralistischem  Anstrich  und 
fest  in  der  Hand  des  KB  neu  aufzubauen,  eine  Farce.   Dieses  Nachspiel 
und  solche  Vorschlage  des  KB  zeigen  nur  nochmal    im  Nachhinein.   dab 
die  Liquidierung  des  alten  BDJ/RBJ  allein  aus  machtpol ltischen  brun- 
den  geschah!   Und  sollte  der  KB  wirklich  nochmal   den  Versuch  machen, 
seine  diversen  Sympathisanten  in  die  Form  eines  demokratischen  Ju- 
gendverbandes  zu  stecken,  so  ist  es  wirklich  leicht  und  bilng  zu 
prophezeien,  daB  in  diesem  Verband  alles  gegen  Fraktionsbildungen 
und  Entwicklung      eigener  politischer  Vorstellungen  getan  wird,   um 
eine  Loslbsung  vom  KB  zu  verhindern. 

Ich  glaube,  daB  diese  kurze  Geschichte  des  BDJ/RBJ  in  gewisser  Weise 


ein  Lehrstiick  ist.   Man  sollte  nicht  mehr  so  naiv  sein  zu  glauben, 
daB  es  dem  KB  nur  um  die  Sache  gent,   daB  er  astrein  das  Prinzip  der 
Aktionseinheit  mit  gleichberechtigter  Teilnahme  handhabt,  die  Aus- 
einandersetzung  mit  anderen  Gruppen   nur   ideologisch   und  often  von 
Organisation  zu  Organisation  flihrt  usw.,   sondern  sehen,   daB  in  dem 
Leitungsgremium  die  Mentalitat  kapitalistischer  Manager  vorherrscht, 
irnmer  bedacht,   den  Marktanteil    und  Marktwert  zu  erhbhen,  ausgehend 
davon,  daB  sie  Recht  haben  und  die  "einzige  korrekte  Linie"  vertreten. 


2.  WIE  WAR  DAS  ALLES  MOGLICH  ? 


Ich  glaube  nicht,  daB  der  KB  in  der  nachsten  Zeit  den  BDJ/RBJ  zu 
neuem  Leben  erwecken  will.  Im  Herbst  1976,  kurz  nach  dem  letzten 
Anlauf  seitens  des  KB,  bekam  die  Anti-AKW-Bewegung  einen  Aufschwung 
und  der  KB  ist  vol  1  damit  beschaftigt  gewesen,  diese  Bewegung  in 
Hamburg  zu  majorisieren  (mit  dem  Ergebnis  der  "KB-UU").  Trotzdem  muB 
man  sich  im  Nachhinein  die  Frage  stellen,  wie  eine  solche  Entwick- 
lung uberhaupt  mbglich  gewesen  ist. 


Die  Orientierung  an  der  Politik  des  KB  ,  die  Anerkennun 
den  Rolle  der  Arbeiterklasse  (dargestellt  durch  den  KB) 
nahme  von  Lenins  Konzept  von  der  Bedeutung  des  bewuBte 
das  alles  wurde  im  BDJ  weitgehend  durchgesetzt.  Vorgega 
dabei  nach  dem  Prinzip;  Wissen  und  Informationen  sind  Ma 
de  ein  relativ  kleiner  Kreis  von  Leuten  (ohne  Wissen  de 
Teils  der  Organisation)  von  Seiten  des  KB  an  Klassiker 
sowie  alle  aktuellen  Problerne  und  Aufgaben  durchdiskuti 
Kreis  war  den  meisten  BDJlern  derart  uberlegen,  daB  er 
sentlichen  den  Gesamtvorstand  zusammensetzen  konnte  (di 
den  ausgesucht  und  dann  nachtraglich  von  Mitgliedern  in 
ken  und  Arbeitsbereichen  bestatigt).  Im  Gesamtvorstand 
le  Informationen  (sowohl  aus  den  Bezirken  als  auch  den 
zusammen.  Die  Durchsetzung  der  Politik  fand  dann  mit  de 
Argumenten"  statt  Oder  auch  mit  moralischem  Druck  (wenn 
machst,  bist  du  kein  guter  Genosse,  bzw.  umgekehrt  habt 
v0n  dem  und  dem  gehdrt,  der  hat  50  KJ's  ganz  alleine  ve 


g  der  flihren- 

die  Ober- 
n  Elements, 
ngen  wurde 
cht.   So  wur- 
s  grSBten 
n  geschult, 
ert.   Dieser 

auch  im  we- 
e  Leute  wur- 

den  Bezi r- 
liefen  so  al- 
Kommissionen) 
n  "besseren 

du  das  nicht 

ihr  schon 
rkauft  etc. ) . 


Die  "besseren  Argumente"  kamen  meist  zustande,   indem  einfach  die 
Leute  fiir  Seminare  etc.  ausgesucht  wurden   (Teilnehmerbeschrankung) . 
Pundierte  Positionen  gegen  die  herrschende  Linie  im  BDJ  hat  es 
eigentlich  nie  gegeben  und  die  Mitglieder  des  BDJ  hatten  eigentlich 
auch  kaum  Chancen  dazu.   Schulungen  fanden  meistens  anhand  des"Arbeit- 
erkampfes"  statt,  eine  kritische  Auseinandersetzung  mit  anderen  kom- 
munistischen  und  sozialistischen  Gruppen  gab  es  kaum  (z.B.    an  deren 
7eitungen),  ja  selbst  eine  Auseinandersetzung  mit  Jungdemokraten.Jusos 
etc     fand  praktisch  nicht  statt.   Etwaige  Tendenzen  von  Mitgliedern 
wurden  auf  zwei   Wegen  bekampft:   Durch  das  linke  Tugendri ttertum 
fs0'    ne  Art  von  Glaubensbekenntnis  wurde  honoriert  und  man  fand  da- 
durch  Anerkennung  und  Zuneigung)  und  durch  die  sogenannte  Politik  der 
"objektiven  Aufgaben".    Das  fuhrte  dazu,  daB  bei   Hundert  von  Aufgaben 
fjr  Linke,  welche  vom  KB  als  objektiv  wichtigste  bestimmt  wurden, 
Uberhaupt  keine  Zeit  blieb 


-  50  - 


51 


irgendetwas  anderes  zu  machen.)Die  wirkungsvollste  Methode  aller- 
dings  war  immer  der  erste  Punkt.   Da  zumeist  BDOler  ihre  ganzen  zwi- 
schenmenschlichen  Beziehungen  auf  die  Leute  in  der  Organisation 
konzentrierten,  ihre  Arbeit  und  der  Spiegel    ihrer  Arbeit  in  der  An- 
erkennung der  anderen  Mitglieder  lagen,  waren  politische  Differen- 
zen  und  Auseinandersetzungen  meist  gleichzeitig  mit  zwischenmensch- 
lichen  Dramen,  Tranen  etc.   verbunden. 

Wir  hatten  eigentlich  auch  nie  genugend  qualifizierte  Mitglieder,   urn 
alle  Funktionen  zu  besetzen  (vergleiche  Organisationsstruktur) . 
Viele  "Funktiona're"  ertrugen  ihre  Arbeitsbelastungen  mit  einem  ziem- 
lich  elitaren  Martyrertum  (zig  Terminen  etc.).  wohnten  die  Genossen 
dann  zusatzlich  noch  in  BDJ-Wohngemeinschaften,  hatten  sie  kaum  Zeit 
und  Lust,   Kontakte  auBerhalb  der  Organisation  zu  pflegen.    In  dieser 
Art  "Halbwelt"  wurde  fur  das  Martyrertum  das  Selbstverstandnis  ein- 
getauscht,   nicht  irgendwo  der  Student  XY  zu  sein,  sondern  man  war 
ein  "Propagandist  der  Arbeiterklasse".   Nicht  nur  irgendeiner,  son- 
dern immerhin  in  Oder  bei  der  fortschrittlichsten  Organisation  der 
Arbeiterklasse  in  der  BRD,   einer  der  mit  stolzgeschwell  ter  Brust  zu 
den  wichtigsten  Widersachern  der  BRD-Imperialisten  gehb'rt,  wobei 
der  BRD-Imperialismus  ja  immerhin  dabei   ist,  sich  giinstige  Voraus- 
setzungen  fLir  das  weltweite  Hegemoniestreben  der  Imperial  isten  zu 
schaffen. 

Ich  bin  heute  der  Meinung,  daB  eine  solche  Negation  der  antiautori- 
taren  Phase  auf  Dauer  nicht  in  der  Linken  durchzuhal ten  ist.    Im  Rah- 
men  der  allgemeinen  Reformeuphorie  waren  wir  Anfang  der  70er_Jahre 
angetreten  und  mir  geht's  da  a'hnlich  wie  es  Luciano  Bosio   (einer 
der  GHinder  der  linken  Organisation  "Lotta  Continua")  zusammenfaBt:_ 

"Es  stimmt,   daB  1968  vorbei  ist",       "aber  im  gewis- 

sen  Sinne  ist  eine  nioht-my stifizierende  Buekkehr  zu    '68  auf  einer 
politisahen  Ebene  die  einzige  Moglichkeit,    urn  diese  Militanten  nicht 
fiir  die  revolutionise  Aufgabe  zu  verlieren  und  aus  dieser  personli- 
ehen  Erfahrung  die  Grundlage  fur  eine  kollektive  Aufgabe  zu  machen. 
Auch  das  war    '58.    Iah  gehore  nicht  zu  denen,   die    '68  ftir  die  Arbei- 
terklasse gemacht  haben.   Am  Anfang  war  ich  dabei,   weil  die  Lehrer  mir 
in  die  Eier  getreten  haben",   erklOrt  Luciano  spassend. 
"Man  muB  auf  das  Bedurfnis  der  Militanten  eingehen  ktinnen,   die  Poli- 
tik  von  der  individuellen  Ebene  aus  aufbauen  zu  kdnnen.    Wenn  der 
Kampf  weiter  gehen  soil,   wie  man  sagt   (Lotta  Continua  =  der  Kampf 
geht  weiter,   s.    Ubers,),   kann  man  nicht  immer  von  den  Leuten  erwar- 
ten,   dati  sie    'fiir'  andere  kampfen,  " 

"Nun,   die  politisahen  Zeiten  haben  sich  geandert,    Ilach    '68  empfana 
man  quasi  spontan  die  Notwendigkeit  eines  totalen  Militantismus, 
urn  eine  vollstandige   Veranderung  zu  erreichen,   die  kurz  bevorzuste- 
hen  schien.    Das  ist  heute  nicht  mehr  so,   Ftir  die  Organisationen  s.B. 
dienen  die  KOmpfe  nicht  mehr  als  Reservoir  fiir  Militante.    Seit  einem 
guten  Jahr  stagnieren  die  Mitglieder zahlen.  "  , . .    (zitiert  naak: 
"Politikon",   Nr.    64,   Februar   77) 

(Man  muB  hierzu  erganzen,  daB  "Lotta  Continua"  in  Italien  ca.   20000- 
30000  Mitglieder  hatte,  eine  Tageszeitung  herausgegeben  h at  etc. 
und  heute  auf  2-3000  Genossen  dezimiert  ist.  M.E.  war  das  vor  alien 
ein  Ergebnis  einer  Politik,  die  nicht  auf  die  individuelle  Ebene  der 
Genossen  eingegangen  ist.  Der  KB  hat  vor  dem  Herbst  76  seitenlang 
Einschatzungen  von  LC  nachgedruckt,  GroBveranstaltungen  mit  LC-Ver- 


52 


tretern  durchgefuhrt  etc..   Das  weitgehende  Auseinanderfal len  von  LC 
wird  m.W.    voni  KB  einfach  verschwiegen,   vielleicht  auch,  weil   man 
keine  Probleme  in  der  eigenen  Organisation  will...) 

Fur  die  meisten  von  uns  hat  sich  von  diesem  Ausgangspunkt  vor  allem 
eine  Politisierung  Liber  den  Kopf  entwickelt  (endlose  Schulungen), 
so  daB  -  wie  Engels   sagt  -  die  linke  Theorie  zu  einer  Leidenschaft 
des  Kopfes  wurde,  statt  liber  den  Kopf  eine  Theorie  der  Leidenschaft. 
Eine  Anerkennung  der  Genossen  fand  hauptsachl  ich  Liber  objektiv  poli- 
tische (meist)  theoretische  Leistungen  statt.   Gleichzeitig  wurden  da- 
durch  oft  alle  Zweifel,  ftngste  und  Wiinsche,  die  man  hatte,  versteckt, 
ideologische  Exkurse  verpbnt  und  lieber  so  getan,  als  sei  man  der 
lupenreine  Marxist/Leninist.   Hinter  einer  solchen  Fassade  verkiim- 
merte  die  menschl  iche  Kommunikation,   Einerseits  verkehrte  man  mit 
den  anderen  Genossen  hauptsachlich  liber  die  theoretisch-akademische 
Diskussion,  andererseits  fbrderte  eine  solche  Situation  die  Konkur- 
renz  und  das  Gerangel   urn  die  Gunst  der  Gruppenautoritat. 

Shnlich  wie  im  kapi talistischen  ProduktionsprozeB  war  die  Arbeit 
weniger  Zweck  der  Tatigkeit,  sondern  vielmehr  ein  Hittel.  Anerken- 
nung,  Funktionen  und  bedeutungsvolle  Aufgaben  waren  Zweck  der  gan- 
zen Geschichte. 

Ist  eine  solche  Situation  erstmal   mehr  oder  weniger  entstanden,hat 
die  Arbeit  wenig  von  einem  emanzipatorischen  Charakter  an  sich   (d.h. 
z.B.   die  Veranderung  des  Menschen  und  der  Beziehung  unter  den  Men- 
schen),   sondern     Konkurrenz,  entfremdete  Arbeit,   burger! iches  Tugend- 
rittertum  und  ideologische  Knickerei   und  der  Kampf  urn  einen  Platz 
an  der  Sonne  in  der  theoretischen  Hackordnung  bliihen,  wachsen  und 
gedeihen.   Die  Mogl ichkeit.sol  idarische  Beziehungen  unter  den  Men- 
schen zu  entwickeln,  seine  Bedlirfnisse  nach  Anerkennung,  sowie  Aus- 
einandersetzung  mit  seinen  Arbeitsergebnissen,  alles  Punkte,  unter 
denen  heute  durchaus  Ansatze  auch  von  subjektiver  Befreiung  mbglich 
sind,  fallen  unter  den  Tisch. 

Die  Arbeit  wurde  daher  oft  lustlos  gemacht,   immer  wieder  hbrte  man 
verzweifelt  Genossen  stbhnen,  sie  konnten  nicht  mehr,  hatten  Magen- 
schmerzen  usw.   usf,   Diese  wurden  dann  meistens  auch  noch  abgespeist 
mit  der  Erklarung,  daB  sie  sich  mit  dieser  Situation  einrichten  muB- 
ten,   da  immer  mehr  zu  tun  sei,  als  man  schaffe.   "Du  muBt  eben  lernen, 
Politik  mit  Magenschmerzen  zu  machen".    (Original-SpruchJ 

Nur  auf  dem  Hintergrund  solcher  Verhal tnisse  in  unserer  Organisa- 
tion war  es  mdglich,   daB  der  KB  -  als  Oberautoritat  -  spa'ter  seine 
Vorstellungen  doch  sehr  schnell   durchsetzen  konnte, 

Es  hat  in  der  letzten  Zeit  mehrere  Verbffentlichungen  aus  der  Welt 
der  K-Gruppen  gegeben  (u.a.   Rotbuch  177.   "Wir  warn     die  sta'rksten 
der  Partein").An  meinem  eigenen  und  am  Ablb'sungsprozeB  anderer  Ge- 
nossen habe  ich  immer  wieder  gesehen,  daB  ein  Austritt  zunachst  zu 
Identitatskrisen  flihrt,   Aber  weil   gerade  viele  Genossen  in  den  K- 
Gruppen  ein  kritisches  Verhaltnis  zur  Politik  ihrer  eigenen  Organi- 
sation verlieren,   sich  total  mit  der  oder  der  Gruppe  identifizieren, 
halte  ich  einen  Austritt  aus  diesen  Gruppen  fiir  notwendig  und  fiir 
eine  Voraussetzung,  urn  uberhaupt  ein  kritisches  Verhaltnis  zu  ihrer 
Politik  zu  entwickeln. 


53 


Axel  Hiibner,  Frankfurt 
NACHBEMERKUNG  EINES  BETEILIGTEN 


Khnlich  wie  im  Ring  BLindischer  Jugend  flihrte  die  Studenten-,  Lehr- 
lings-  und  Schulerbewegung  auch  zu  einer  starker  Politisierung  im 
Bund  Deutscher  Pfadfinder.    Dabei   stand  die  Kritik  der  bisherigen 
autoritaren  Padagogik  ("Der  Pfadfinder  gehorcht  seinen  Eltern  und 
seinem  Arbeitgeber  ohne  Frage"  -  so  ein  Internationales  Pfadfinder- 
gesetz)    und  die  Auseinandersetzung  mit  den  Machenschaften  der  inter- 
nationalen  Pfadfinderbewegung  im  Vordergrund.   Es  wurde  erkannt,  daB 
durch  die  enge  Verflechtung  von  GroBkapital ,  Mi  1 1  tar  und  Pfadfinder- 
tum  in  vielen  Landern  Jugendliche  zu  extrem  antidemokratischem  Ver- 
halten  erzogen  wurden,   Exemplarisch  machte  sich  die  Kritik  etwa  am 
AusschluB  der  Chilenischen  Pfadfinder  aus  der  Wei torganisation  fest 
(wegen  "sozialdemokratischer  Tendenzen"),   sowie  an  Reden  des  US- 
General   Westmoreland,  der  die  pfadfinderischen  Tugenden  als  hochst 
brauchbar  fur  den  Einsatz  der  Amerikaner  in  Vietnam  pries.   Diese 
Kritik  flihrte  zum  AusschluB  des  BDP  aus  dem  Weltpfadfinderbund,   im 
Zusammenhang  damit  traten  1971   die  konservativen  Telle  aus  dem  BDP 
aus  und  griindeten  den  "Bund  der  Pfadfinder", 

In  dieser  Situation  ergaben  sich  Kontakte  zum  Ring  BLindischer  Ju- 

'  ■ -' T— ';"--  stammend  vergleichbare  Ent- 


ebrocnene   iraoition  rausibur^uii.uici 

fligte.  Der  ZusammenschluB  zwischen  RBJ  und  BDP  zum  "E . - 

scher  Jugend"  hatte  zum  Ziel,  gemeinsam  einen  Jugendverband  aufzu- 
■  ._    ,■     e..j_.L..jiiii.i t i__  a**,  c+ii^on+on-     Lehrlings- 


1  ZIELE 

Der  BUND  DEMOKRATISCHER  JUGEND  ist  ein  ZusammenschluB  unabhdngiger 
Jugendverbande .    Ziel  des  Zusammenschlusses  ist  der  Aufbau  eines  _ 
demokratisohen  Jugendverbande st   der  im  Biindnis  mit  den  fovtsckrvtt- 
Ziehen  Krdften  der-  Gesellsahaft  bei  der  Vertretung  und  Durchsetzung 
der  Interessen  der  arbeitenden  und  lernenden  Jugend  und  von  Kindeni 
und  Eltern  mitwirkt, 


-   54 


Der  BDJ  bekennt  sich  zur  freiheitlioh-demokratisehen  Grundordnung  im 
Sinne  des  Grundgesetzes  fiir  die  BRD  und  macht  es  sich  zur  Aufgabe, 
die  demokratisohen  Grundreohte,   wie  sie  im  Grundgesetz  der  BRD  ver- 
ankert  sind,    zu  verwirkliahen  und  setzt  sich  fiir  die  Demokratisie- 
rung  der  Gesellschaft  ein. 

Ev  tritt  imperialistisahent   natzonalistisehen  und  militaristisahen 
Kr'aften  und  Ideologien  aktiv  entgegen,    Er  engagiert  sich  im  nationa- 
len  und  internationalen  Bereich  fur  die  Solidaritdt  der  Jugend.  gegen 
Unterdriickung  und  Ausbeutung. 

Der  BDJ  nimrnt  die  jugendpolitische   Vertretung  seiner  Mitgliedsverbdn- 
de  auf  Bundesebene  wahr. 

2  AKTIVITA'TEN 

Der  BDJ  fUrdert  die  diesen  Zielen  e>itsprechenden  Aktivitdten  seiner 
Mitgliedsverbdnde  und  -gruppen, 

-  Veranstaltung  von  Seminaren  und  anderen  Ma&nahmen  der  politischen 
Jugendbildung)    Initiierung  und  Unterstiitzung  von  Kampagnen,    die 
der  Erhaltung  und  Stdrkung  der  demokratisohen  Rechte  der  Bevolke- 
rung  und  der  Demokratisierung  der  Gesellschaft  dienen, 

-  Organisierung  und  Durahfiihrung  von  internationalen  Jugendbegegnun- 
gen  mit  dem  Ziel,   die  Solidaritat  der  arbeitenden  und  lernenden 
Jugend  im  interriationalen  Bereich  zu  festigen, 

—  Initiierung  und  Unterstiitzung  von  Schiilergruppen, 

—  Veranstaltung  von  Ferienlagern  fiir  Kinder  und  Aufbau  von  Kinder- 
gruppen, 

—  Unterstiitzung  von  Kinderldden  und  Spielplatzinitiativen, 

-  Unterstiitzung  von  freien  Jugendinitiativen  zur  Griindung  von  Jugend- 
zentren  und  Jugendwohnkoilektiven, 

—  jugendpolitisehe     Aktivitdten,    die  die  Rechte  von  Kindern  und  Ju- 
gendlichen  starken> 

-  Herausgabe  von  politischen  Jugendzeitungen,   Materialien  und  wissen- 
schaftliahen  Untersuchungen  fiir  eine  demokratische  Jugendarbeit. 

Den  Mitgliedern  des  BDP  im  Leitungsgremium  des  BDJ,  dem  Bundesaus- 
schuB.  war  zwar  bekannt,  daB  sich  einzelne  Mitglieder  des  RBJ  am  KB 
orientierten,  doch  wurde  dies  nicht  als  Hindernis  fiir  eine  Koopera- 
tion  gesehen.  Vielmehr  gingen  wir  davon  aus,  daB  einer  Vereinnah^ 
mung  des  RBJ  durch  den  KB  in  dem  MaBe  gemeinsam  entgegengewirkt 
werden  konnte,  indem  sich  eine  eigenstandige  Politik  des  BDJ  heraus- 
bildete.  Die  weitere  Entwicklung  zeigte,  daB  dies  eine  Fehleinschat- 
zung  war.  Peter  Dammann  weist  sehr  lapidar  darauf  hi n .  daB  "Diskus- 
sionen  zwischen  BDP  und  RBJ  nicht  sehr  erfolgreich  verliefen"  (S.44) 
Konkret  stellte  sich  das  den  BDP-Mitgliedern  so  dar,  daB  es  zuneh- 
mend  unmbglich  wurde,  etwa  liber  gemeinsame  Seminare  zu  Fragen  wie 
Rolle  der  Gewerkschaften:,  der  Mitbestimmung,  des  Reformismus,  des 
Faschismus  gemeinsame  Einschatzungen  zu  finden.  Entweder  hatten 
die  Vertreter  des  RBJ  festgelegte  Auffassungen,  die  auch  in  Diskus- 
sionen  nicht  zu  modifizieren  waren,  oder  sie  entwickelten  mit  Ver- 
tretern  des  BDP  gemeinsame  Positionen,  die  sie  spater  wieder  revi- 
dierten  -  weil  sie  void  KB  verworfen  wurden,  wie  jetzt  klar  ist. 

Es  war  sicher  ein  politischer  Fehler,  daB  der  BDP  nicht  in  die  Dis- 
kussion  einbezogen  wurde,  als  im  RBJ  die  latenten  Widersprliche  zwi- 


-  55 


schen  eigenstandiger  Politik  und  KB-Orientierung  aufbrachen,  und  daB 
fijhrende  ortreter  des  RBJ  diese  prinzipiellen  politischen  Fragen 
sehr  stark  als  individuelle  Probleme  betrachteten,   Der  BDP  hat  es 
sicher  versaumt,  sich  aktiv  in  die  Auseinandersetzungen  einzuschal- 
ten  und  hat  sie  eher  wegzureden  versucht, 

Der  Bericht  von  Peter  Dammann  klart  dariiber  auf,  wie  die  sektiereri- 
sche  Politik  des  KB  einen  wichtigen  Ansatz  in  der  Jugendarbeit 
zwar  geschadigt,  aber  nicht  zerstbrt  hat,   Er  zeigt  auch,  wie  solche 
Erfahrungen  verarbeitet  und  produktiv  gewendet  werden  kdnnen, 


KRIMINALSOZIOLOGISCHE 
BIBLIOGRAFIE  1976/77 


Komplette  Bibliografie  von   Neuerscheinungen  auf  dem   Buchmarkt 
und  von  Artikeln  aus  Qber  60  internalionalen  Fachzeitschnften,  Rezen- 
sionen,  Berichte  und  Aufsatze  zu  Schwerpunktthemen  — 
erscheint  vierteljahrlich 


Heft  11—13/1976 

Kriminalitat  in  den  Massenmedien 


Heft  14—15/1977 

Rechtssoziologie,  Sicherheitsideologien 


Heft  16/1977 

Sozialarbelt,  Randgruppenarbeit 


Abonnement  und  Probehefte: 
Ludwig-Boltzmann-lnstitut 
fur  Kriminalsoziologie 
A-1016  Wien,  Postfach  1 

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Einzelheft 

S     40—  (DM     7,—) 


Arbeitskreis  Kritische  Sozialarbeit,  Westberlin 

ORGANISIERUNG  ALS  PROZESS  - 
EINE  ANTWORT  AN  HELGA  KARL 


VORBEMERKUNG 

In  der  Zeitschrift  "Demokratische  Erziehung"   (DE)  erschien  im  Novem- 
ber 1976  unter  dem  Namen  Helga  Karl   ein  Aufsatz  "Zur  Organisation  von 
Sozialarbei tern" ,  der  sich  kritisch  mit  den  Orgarisationsversuchen  im 
Bereich  der  sozialen  Arbeit  seit  Ende  der  60er  Jahre  -  insbesondere 
mit  dem  Info  Sozialarbeit  -  auseinandersetzte.   (Helga  Karl,  Zur  Or- 
ganisation von  Sozialarbeitern,   in  Demokratische  Erziehung,  November 
1976,  S.   65  ff).   Der  AKS  Westberlin,  der  auf  einen  derartigen  Ansatz 
zuruckgeht,  verfaBte  daraufhin  eine  Entgegnung,  die  der  "Demokrati- 
schen  Erziehung"   im  Juni    1977  zuging,  deren  Abdruck  jedoch  mit  der 
Bemerkung  abgelehnt  wurde,  daB  sie  zu  umfangreich  sei   und  die  Ver- 
offentl  ichung  des  Aufsatzes  von  Helga   Karl    schon  zu  weit  zuruckl iege. 

Wir  halten  die  in  der  Kontroverse  angesprochenen  Fragen  jedoch  fur 
so  wichtig,  daB  wir  unsere  Stellungnahme  hier  abdrucken  wollen  ein- 
schlieBlich  einer  kurzen  Wiedergabe  der  wichtigsten  Aussagen  des  Auf- 
satzes aus  der  DE. 


DIE  POSITION  VON  HELGA  KARL 

Fur  Karl  war  die  Sozialarbeiterbewegung  "anfangs  das  Spiegelbild  der 
Studentenbewegung",  die  sich  vornehmlich  gegen  die  unzulanglichen 
Arbeitsbedingungen,  gegen  die  Starre  des  biirokrati schen  Verwaltungs- 
apparats,  gegen  eine  mangelhafte  Sozialplanung  und  a'hnliches  richte- 
te.   Dazu  fuhrt  sie  aus: 

"Dieser  berechtigten  Kritik  lag  jedoch  keine  Gesel lschafts-  und  Klas- 
senanalvse  zugrunde;  nicht  objektive  Interessengemeinsamkeiten  von 
Sozialarbeitern  und  Klienten  (die  in  der  Mehrheit  sicher  der  Arbei- 
terklasse  angehdren)  waren  Ausgangspunkt  der  Analyse  und  Strategie, 
sondern  die  'Sol  idarisierung  mit  den  Klienten'  per  Willensakt. 
Entsprechend  war  die  Praxis:  Statt  B'u'ndnispolitik  mit  den  Organi- 
sationen  der  Arbeiterschaft  (v. a.  den  Gewerkschaften)  anzustreben, 
wurde  der  eigene  Flihrungsanspruch  hervorgekehrt. " 

Der  Versuch,  die  Sozialarbeiter  urn  eine  Zeitschrift  wie  die  "Sozial- 
padagogische  Korrespondenz"  und  im  Zusammenhang  mit  dem  Jugendhilfe- 
tag  zu  organisieren,  kam  jedoch  nicht  voran. 

"Die  Ursache  hierfur  war,  daB  dieses  Biindnis   ( 'Sozialistische  Aktion 
jugendhilfetag1)  nur  durch  die  Gegnerschaft  zu  den  Funktionaren  der 
Institutionen  und  Organisationen  der  etablierten  Sozialarbeit  zusam- 
mengehalten  wurde,  nicht  aber  durch  eine  gemeinsame  Strategie. 
Auch  mit  Hilfe  der  Zeitschrift  "Erziehung  und  Klassenkampf    gelang 
dies  ebensowenig,  wie  mit  dem  seit  1972  erscheinenden  "Info  Sozial- 

-  57 


arbeit",  das  im  Zentrum  der  Karlschen  Kritik  steht.   Sie  selbst  faBt 
diese  Kritik  folgendermaBen  zusammen:   "Diese  Beispiele  sollen  zeijen, 
daS  die  beim  IS  mi tarbei tender)  Gruppen  und  Einzelpersonen  keine  ein- 
heitliche  theoretische  Analyse  haben,  man  aber  trotzdem  von  einer  do- 
minierenden  Linie  sprechen  kann,  die  m.E.  folgende  Markmale  aufweist: 

-  eine  konkrete  Gesellschafts-  und  Klassenanalyse  wird  weitgehend 
ausgespart; 

-  die  Analyse  der  gesell schaftl ichen  Funktionen  von  Sozialarbeit  er- 
folgt  nur  punktuell,  wird  nicht  aus  einer  Analyse  der  kapitalisti- 
schen  Produktionsweise  systematisch  entwickelt; 

-  es  wird  dabei  die  herrschaftssichernde,  reaktionare  Funktion  der 
Sozialarbeit  betont,  in  den  neueren  Heften  jedoch  wieder  auf  die 
'Widerspriichl  ichkeit'   hingewiesen; 

-  die  Auf gabenstel lung  des  linken  Sozialarbeiters  liegt  v. a.  auf 
Ideologiekritik  und  politischer  Unterstlitzung  von  sozialen  Be- 
wegungen; 

-  materielle  Interessen  von  Sozialarbeitern  wie  Klienten  werden  kaum 
thematisiert. " 


Das  f'u'hrt  zu  folgendem  Ergebnis: 

"Aufgeben  der  eigenen  Interessen  zugunsten  eines  voluntaristischen 
'Sich-stellen-auf-den-Standpunkt-der-Arbeiterklasse",  was  ist  das 
anderes  als  entweder  das  uralte  Konzept  der  Klassenverratsstrategie 
fur  Intel lektuel le  (dieser  Strategie  mu'Bte  dann  aber  die  Annahme 
eines  Klassengegensatzes  zwischen  Sozialarbeitern  und  Klienten  zu- 
grundeliegen)  oder  der  biirgerliche  Karitativismus,  nur  eben  diesmal 
auf   'links'   verbramt.   Das  heiSt  nun  nicht,  daB  die  Kollegen  vom  IS 
bestimmte  Interessen  von  Sozialarbeitern  gar  nicht  aufgreifen  (sonst 
waren  ihre  bisherigen  Erfolge  kaum  denkbar) .   Jedoch  beruht  die  In- 
teressenvertretung  entgegen  ihrer  kapital ismuskritischen  Analyse 
nicht  auf  der  objektiven  sozialen  Stellung  von  Sozialarbeitern  und 
'Klienten',   sondern  wird  vor  allem  auf  die  Bedingungen  und  spontanen 
RuBerungen  in  der  unmittelbaren  Situation   (Arbeitsplatz,  Wohnbereich 
usw.)   gegrlindet. 

...Resultat  ist  eine  Spontaneitatstheorie,  die  erkenntnismaSig  und 
praktisch  die  objektiven  Bedingungen  vernachlassigt,  Sel bstorgani- 
sationsformen  fetischisiert,  Methoden  gegeniiber  Inhalten  verabsolu- 
tiert.   Die  Spontaneitatstheorie  schlagt  sich  in  den  Praxisberichten 
des  IS  standig  als  Gegensatz   'fortschrittl iche  spontane  Basis'  versus 
'hemmende  Gewerkschafts-   (bzw.  Sozial-)burokratie'    nieder..." 

Das  hat  seine  Ursache  nach  Karl   nicht  nur  in  den  besonderen  ideolo- 
gischen  Entwicklungsbedingungen  der  Intelligenz,  der  die  Sozial- 
arbeiter  zuzurechnen  sind,  sondern  auch  im  Charakter  der  heutigen 
Gewerkschaften: 

"DaB  das   IS  die  zur  Zeit  wichtigste  Strdmung  innerhalb  der  Sozial- 
arbeiterbewegung  ist,  ist  nicht  nur  auf  die   'objektiven  Bedingungen', 
die  die  spontane  Herausbildung  solcher  Konzepte  begunstigen,  zuriick- 
zuflihren.   Das  IS  ist  ebenso  Folge  der  mangel nden  Vertretung  der  Grup- 
peninteressen  der  Sozialpadagogen  und  Sozialarbeiter  durch  die  DGB- 


58 


Gewerkschaften  sowie  Ausdruck  der  Schwache  marxistischer  Organisation- 
en  und  Positionen. 

Wie  sehr  sich  der  DGB  fiir  Sozialarbeiterinteressen  einsetzt,   hangt 
einmal   vom  Grad  der  Organisierung  und  Aktivierung  der  Sozialarbeiter 
selbst  ab  und  der  Vermittlung  von  spezifischen  und  allgemeinen  Lohn- 
arbeiterinteressen.    Zum  anderen  aber  von  der  Durchsetzung  einer  Ge- 
werkschaftspol itik,  die  sich  urn  alle  Lebensbedingungen  der  Arbeiter 
klimmert.  . ." 

ENTGEGNUNG  DES  AKS  WESTBERLIN 

Grundlegende  Kritik  haben  wir  an  H.    Karls  Verstandnis  von  politischer 
Bewegung  und  deren  Organisation  anzumelden.    Ihrer  Auffassung  zufolge 
kann  sich  politisch  bewegen  offenbar  nur  dann  etwas,  wenn  es  durch 
eine  "Gesellschafts-  und  Klassenanalyse"  angeleitet  ist  und  dement- 
sprechend  gleichfbrmig  sich  bewegt.  Davon  scheint  die  Autorin  so 
uberzeugt,  daB  sie  meint,  alles  als  illusorisch  und  vergeblich  ab- 
tun  zu  mlissen,  was  sich  auBerhalb  des  dinghaft-fest  gefligten  Rahmens 
der  schon  immer  "richtigen"  Einsicht  in  die  Bewegungsgesetze  dieser 
Gesellschaft  artikuliert  und  sei  es  auch  berechtigt. 
Ware  das  Begriffsschema ,mit  dem  Helga   Karl   arbeitet,  das  Heraus- 
stellen  der  "Gesellschafts-  und  Klassenanalyse"  als  Bedingung  der 
Mogl  ichkeit  politischer  Bewegungen  einerseits  und  der  inzwischen  zum 
Dogma  erstarrte  Spontaneismusentwurf  gegen  alle,  die  dieser  Auffas- 
sung nicht  folgen,  andererseits  nur  Begriffsmythologie,  dann  brauch- 
ten  wir  die  Auseinandersetzung  nicht  zu  fu'hren.   Es  steckt  aber  mehr 
dahinter,  der  Versuch  namlich,  die  Lernprozesse  und  Erfahrungen  der 
Studenten-  und  Sozialarbeiterbewegung  zu  denunzieren  und  gleichzeitig 
die  Resultate  dieser  Bewegungen  zu  vereinnahmen. 


tsenierkenswert  ist  zunachst  die  schematische  Vorgehensweise  von  Helga 
Karl    in  der  Bestimmung  des  Verhaltnisses  von  Sozialarbeiter-   und 
Studentenbewegung.   Dies  wird  als   "spiegelbildlich"  qualifiziert,  be- 
zuglich  der  Kampfformen,   politischen  Einschatzungen  und  der  Strate- 
gie.   Entsprechend  ihrer  Auffassung  von  jeweils  einheitlichen  Bewe- 
gungen,  erspart  sich  die  Autorin  jede  Differenzierung  und  formal  i- 
siert  das  politische  Konzept  des  damaligen  "Arbeitskreis  kritische 
Sozialarbeit"    (AKS)    zu  einem  einheitlichen,  was  sich  ihr  folgender- 
maBen  darstellt: 

-  Propagierung  des  antiblirokrati  schen  Kampfes  gegen  die  Institutio- 
nen  von  Sozialarbei  t; 

-  Auffassung  der  Sozialarbeit  als  das  Zentrum  der  gesamtgesellschaft- 
lichen  Bewegung; 

-  Solidarisierung  mit  den  Klienten  "per  Willensakt"   (Helga  Karl, 
Zur  Organisation  von  Sozialarbeitern,  in;   Demokratische  Erziehung, 
November  1976,   S.    660) 

Daruber  urteilt  die  Autorin  so:    "Statt  Bundnispolitik  mit  den  Orga- 
nisationen  der  Arbeiterschaft   (v. a.    den  Gewerkschaften)  anzustreben, 
wurde  der  eigene  Fu'hrungsanspruch  hervorgekehrt. "    (Karl,   S.   660) 
Bei   naherem  Hinsehen  erweist  sich  diese  "Analyse"  jedoch  eher  als 
eine  Aneinanderreihung  von  unbelegten  Behauptungen.   Mit  der  wirkli- 
chen  Geschichte  der  Sozialarbeiterbewegung  scheint  die  Autorin  da- 
gegen  weniger  vertraut  zu  sein. 

-  59  - 


Zuerst  ist  zu  sagen,  da(3  sowohl   in  der  Studenten-  als  auch  in  tier 
Sozialarbeiterbewegung  sehr  heterogene  Elemente  kaum  unterscheidbar 
gemischt  waren.   Was  wir  keineswegs  fUr  einen  Nachteil    halten,   sondern 
was  einen  Gewinn  an  Phantasie  bedeutet. 

Von  daher  ist  die  technisch  formale  Auffassung  eines  "spiegelbildli- 
chen"  Vernal tnisses  einerseits  sehr  unpra'zise,  andererseits  verhin- 
dert  sie  die  Analyse  des  Spezifischen  der  Sozialarbeiterbewegung, 
worauf  es  doch  gerade  ankame. 

Was  die  Gemeinsamkeiten  betrifft,  so  lag  eine  darin,  daB  groBe  Teile 
der  Sozialarbeiter-     wie  der  Studentenbewegung  die  Prinzipien  der 
Demokratie  ernstnehmend  an  deren  Real isierung  arbeiten  wollten.    Die 
Propagierung  des   "antiblirokratischen  Kampfes"  ist  daher  als  Kampf 
um  die  Demokratisierung     der  Burokratie  zu  verstehen.   Derartige 
Selbstuberschatzungen  dagegen,  wie  sie  Karl   unterstellt   (Sozialar- 
beitals  "Zentrum  der  gesamtgesel Ischaftlichen  Bewegung")  wird  man 
in  den  damaligen  Verbffentlichungen  vergeblich  suchen.     Oberblickt 
man  grob  die  Geschichte  der  Studenten-  und  Sozialarbeiterbewegung, 
dann  fallt  eine  Differenz  auf:  Die  Studentenbewegung  hatte  eher  hoch- 
schulpolitische  und  al Igemei n-pol itische  Anlasse,  wahrend  die  Sozial- 
arbeiterbewegung sich  aufgrund  berufs-  und  ausbildungsspezifischer 
MiBstande  entwickelte. 

Zwar  ist  es  richtig,  daB  Aktionsformen  der  Studentenbewegung  Vorbil- 
der  waren,  so  z.B.   Springertribunal   und  VietnamkongreB  fur  den  in 
der  Anfangsphase  des  Berliner  AKS  geplanten  SozialarbeiterkongreB, 
aber  damit  endet  schon  die  Parallele. 

Bereits  die  Titel   der  1968  zur  Vorbereitung  des  Kongresses  gebilde- 
ten  Arbeitsgruppen  geben  einen  Hinweis  darauf,   in  welchem  Umfang 
eigene  Interessen  -  anders  als  bei  Springertribunal    und  Vietnam- 
KongreB  -  Gegenstand  der  Diskussion  waren:   Funktion  der  Sozialarbeit, 
Strukturen  der  Verwaltung,  Jugendpflege,  Jugendamt,  Gesundhei tsamt, 
Ausbildung,   Kindertagesstatten,  Heimerziehung,  Elternarbeit.    (Sozial- 
pa'dagogische  Korrespondenz  (SPK)  Nr.   3/1969)   Diese  Arbeitsgruppen 
stellten  zugleich  die  organisatorische  Grundstruktur  des  AKS  dar. 
DaB  es  zur  Durchfiihrung  des  Kongresses  nicht  kam,  da  die  Aufarbei- 
tung  der  eigenen  Berufsproblemati k  sich  als  umfangreicher  und  schwie- 
riger  erwies,  als  man  zunachst  geglaubt  hatte,  war  dabei   keineswegs 
ein  Nachteil.   Die  Langfristigkeit  der  Arbeit,  auf  die  man  durch  die 
auftretenden  Schwierigkeiten  verwiesen  war,   trug  auch  zur  Kontinui- 
tat  bei.   So  hatte  die  KongreBidee  zwar  initiierend  §ewtrkt>als  ange- 
messene  Form  der  Arbeit  erwiesen  sich  jedoch  kleinere  Veranstaltungen, 
die  Herausgabe  einer  Zeitung  sowie  Plenumsveranstaltungen  zur  inter- 
nen  Diskussion  als  die  der  Sozialarbeiterbewegung  adaquateren  MSg- 
lichkeiten, 


60 


Ahnliches  gilt  auch  flir  das  von  Karl  als  Beispiel  genannte  "Go-in" 
im  Gesundheitsamt  Berlin-Wedding.   Nicht  der  formale  Aspekt  der 
"Obernahme"   dieser  studentischen  Aktionsform  ist  von  Interesse, 
sondern  die  spezifische  Art  der  Umsetzung  durch  die  Sozialarbeiter. 
Anders  als  im  studentischen  Milieu,  wo  Go-ins  von  breiten  Solidari- 
sierungsbewegungen  getragen  wurden,  daher  das  Risiko  des  einzelnen 
geringer  war,  waren  die  Akteure  im  Wedding  nicht  durch  eine  breite 
Solidaritat  abgesichert.   Diejenigen,  die  sich  zu  Sprechern  der  Kol- 
legen  gemacht  hatten,  muBten  zudem  erleben,  daB  ihnen  die  Adressa- 
ten  ihrer  Aktion  davonliefen.   Das  wesentliche  an  dem  Go-in  war  die 
Erfahrung,  daB  in  so  unterschiedlichen  gesell schaftlichen  Bereichen 
wie  Universitat  und  kommunaler  Sozialadministration  die  gleichen  Mit- 
tel   nicht  zum  gleichen  Ergebnis  fLihren  konnen.  Wesentlich  war  ferner 
der  daraus  gezogene  SchluB,  daB  Aufklarungsarbeit  unter  den  Kollegen 
einen  Schwerpunkt  zuk'u'nftiger  Arbeit  bilden  musse. 

So  wurden  also  studentische  Vorbilder  nicht  "spiegelbildlich"  umge- 
setzt,  sondern  von  solchen  Ausgangspunkten  entwickelten  sich  ganz 
andere,  den  eigenen  Mdglichkeiten  und  Erfordernissen  entsprechende 
Arbeitsweisen.    DaB  Karl   sich  groBzugig  liber  solche  Besonderheiten 
hinwegsetzt,  legt  den  Verdacht  nahe,  daB  es  ihr  mit  der  Metapher  von 
der  "Spiegel bi ldl ichkei t"  gar  nicht  auf  Analyse  ankommt,  sondern 
vielmehr  darauf .Sozialarbeiter-  und  Studentenbewegung  auf  den  glei- 
chen Nenner  eines  ziel-  und  theorielosen  Antiautoritarismus  zu  brin- 
gen,  um  sie  gleichermaSen  abqualif izieren  zu  konnen.   Nun  war  der 
Antiautoritarismus  nicht  -  wie  Karl   zu  glauben  scheint  -  die  Marotte 
einer  kleinburgerlichen  Intelligenz,  sondern  Ausdruck  des  MiBtrauens 
in  scheindemokratische  Institutionen  und  die  verlogene  offizielle 
Politik  von  Parteien  und  Gewerkschaften.   Es  ist  in  der  Studenten- 
und  Sozialarbeiterbewegung  durchaus  erkannt  worden,   daB  man  gesell- 
schaftlich  isoliert  auf  die  Dauer  wenig  wlirde  ausrichten  konnen. 
Aus  dieser  Einsicht  resultierte  auch  die  von  Sozialarbeitern  prokla- 
mierte  "Solidarisierung  mit  den  Klienten".   Dies  Konzept  hatte  aller- 
dings  nie  den  Stellenwert,  den  H.   Karl   ihm  zumiBt,  wenn  sie  die  So- 
lidarisierung mit  Klienten  gleichsam  zur  Quintessenz  der  AKS-Strate- 
gie  stilisiert. 

Nimmt  man  die  SPK  seit  1969  als  reprasentativ  fiir  das  damalige  Mei- 
nungsspektrum  des  AKS,  so  wird  man  dort  vergeblich  auch  nur  einen 
Artikel    suchen,  der  diese  Form  der  "Solidarisierung"  als  Strategie 
vertreten  hatte.   Im  Gegenteil,  bereits  in  der  SPK  Nr.   7/Januar  1970 
findet  sich  eine  umfangreiche  und  detaillierte  Analyse  der  struktu- 
rellen  Momente  der  Sozialarbeit  (Hierarchie,   hohe  Fallzahl,  Parzel- 
lierung),  die  einer  "Solidarisierung  mit  den  Klienten"  objektiv  ent- 
gegenstehen.   Das  Ergebnis,  daB  unter  kapitalistischen  Bedingungen 
diese  Solidarisierung  unmbglich  ist,  allenfalls  als  Ausnahme  gelten 
kann,  wird  dort  explizit  formuliert.   Diese  Auffassung  kann  seit  An- 
fang  1970  fiir  die  Mehrheit  der  im  AKS  Organisierten  als  verbindlich 
angesehen  werden. 

Die  Parole  "Solidarisierung  mit  Klienten"  hatte  ihre  histonsche 
Bedeutung  als   Kampfbegriff .   Sie  wurde  benutzt  von  denjenigen,  die 
sich  aufgrund  ihrer  Arbeitsauffassung  von  der  herrschenden  klienten- 
feindlichen  Praxis  distanzierten  und  diese  kritisierten.   "Solidari- 
sierung mit  Klienten"  war  die  Kurzformel   der  Kritik  der  bestehenden 
Praxis,  als  solche  war  sie  Ausgangspunkt  produktiver  und  weiterfun- 


-  61 


render  Auseinandersetzungen     urn  die  Funktion  von  Sozialarbeit. 

Went  davon  entfernt,   dies  zur  Kenntnis  zu  nehmen  un d    die  fruhzeitige 
kritische  Auseinandersetzung  mit  dieser  Formel   innerhalb  der  Sozial- 
arbeiterbewegung auch  nur  zu  erwahnen,  unternimmtes  H.    Karl  viel- 
mehr,   der  damaligen  Bewegung  insgesamt  ideal istische  Illusionen  zu 
unterschieben  (Sol idarisierung  "per  Willensakt",  Helga  Karl,  S.   6bU) 
und  gleichzeitig  ihre  Kritik  anzubringen,  man  habe  keine  "Bundms- 
nolitik  mit  den  Organisationen  der  Arbei terschaft,    (v. a.   den  Ge- 
werkschaften)"  (Karl,  S.   660)  angestrebt,  sondern  stattdessen  den 
"eigenen  Fiihrungsanspruch"  hervorgekehrt.  Die  histonsche  Realitat 
zeiqtwiederum  ein  anderes  Bild.  Wie  die  ersten  Nummern  der  SPK  von 
1969  ausfiihrlich  belegen,  war  damals  eine  groBe  Anzahl   von  Kollegen 
zur  Kooperation  mit  den  Gewerkschaften  bereit.    Nur  hat  eben  der  bald 
erkannte  Zustand  jener  Organisationen  eine  "Blindni spol i ti k"  geradezu 
verhindert. 

Dazu  ein  Beispiel:  Als  1969  die  Berliner  Kindergartnen nnen  wegen 
unertraglicher  Arbeitsbedingungen  StreikmaBnahmen  diskutierten, 
hatte  die  DTV  zunachst  ihre  Unterstlitzung  zugesagt.  Als  es  dann  aber 
zu  einem  1-tagigen  Streik  kam,  blieb  nicht  nur  jede  Streikunterstut- 
zung  aus;  im  Gegenteil   erfolgte  in  Presseerkla'rungen  und  Interviews 
eine  klare  Distanzierung,  wodurch  der  Streik  -  entgegen  der  Absicht 
der  Kindergartnerinnen  -  in  die  Illegalitat  gedrangt  wurde. 
(Der  Kindergartnerinnenstreik  ist  ausflihrlich  dokumentiert  in  SPK. 
Nr.   2,  3,  4/1969)   Eben  aus  der  Erfahrung,  wie  unzulangl  ich  dre  eige- 
nen    Interessen  von  Gewerkschaften  vertreten  wurden,   zogen  viele 
den  richtigen  SchluB,  daB  Selbstorganisation  erforderlich  war,  urn 
Uberhaupt  auf  die  Gewerkschaften  EinfluB  nehmen  zu  konnen.   Ohne  die 
massiven  selbstorgani sierten  Vorbereitungen  der  Kindergartnerinnen 
ware  wahrscheinlich  nicht  einmal  die  -  erst  nach  langem  Zbgern  von 
der  OTV-Bezirksleitung  angesetzte  -  Protestversammlung  zustandege- 
kommen!   Angesichts  dieser  Situation  -  die  mit  andereri  Orten  ver- 
gleichbar  war  -,in  der  die  OTV  gegen  die  Interessen  ihrer  Mitglieder 
auftrat,  von  fehlender  "Biindnispoliti  k"  unsererseits  zu  sprechen, 
zeigt  eklatantes  Unverstandnis. 

Wie  stellt  sich  nun  die  AKS-Bewegung  fur  Karl   unter  der  Pramisse  der 
Homogenitat  weiter  dar? 

Bestimmend  waren  die  "antiautoritaren  Gruppen";  Randgruppentheone, 
Randgruppenprojekte,  "revolutionare  Berufspraxis"  (Karl,  S.  660)  seien 
die  Inhalte  der  Bewegung  gewesen,  eine  Reihe  von  "Freiraumil lusio- 
nen"  das  Ergebnis. 

Kommen  wir  zu  den  Differenzierungen  innerhalb  der  Sozialarbeiterbe- 
wegung,  iiber  die  sich     H.   Karl  ausschweigt.  Von  Beginn  an  gab  es  im 
AKS  zumindest  zwei   unterscheidbare  Positionen.    (Vgl .    SPK  Nr.    17/18 
1971)  Die  eine,  personell  Uberwiegend  vertreten  von  den  schon  in 
der  Sozialarbeit  Tatigen,  la'Bt  sich  als  radikal-demokratische  charak- 
terisieren.   Den  Schwerpunkt  der  politischen  Arbeit  setzte  diese  Grup- 
pe  in  der  praktischen  und  theoretischen  Auseinandersetzung  mit  den 
Konflikten  der  institutionellen  Praxis.   Sie  hielt  die  Selbstorgani- 
sation fur  notwendig,  urn  Reformmbglichkeiten  zu  nutzen  und  der  vol  1- 
standigen  Integration  in  bestehende  Strukturen  etwas  entgegensetzen 
Zu  konnen.   Eine  andere  Gruppierung  setzte  sich  aus  Berufspraktikan- 
ten  und  Sozialarbeiterstudenten  zusarmen.   Sie  vertraten  das  Konzept, 


62  - 


zunachst  eine  kleine  Gruppe  bewuBter  Sozialarbeiter  zusammenzufassen, 
die  ihre  Praxis  allein  unter  politischen  Gesichtspunkten  auffaBte. 
Innerhalb  der  Institutionen  sollten  mit  den  Mitteln  der  Provokation 
BewuBtseinsprozesse  eingeleitet  werden,  auBerhalb  der  Institutionen 
sollten  in  selbstorganisierten  Projekten  Alternativen  zur  Sozialar- 
beit erprobt  werden. 


Diejenigen,  die  sich  in  auBerinst 
folgten  allein  politischen,  aus  d 
Vorstellungen.  Ihr  Interesse  gait 
als  Subjekt  gesellschaftlicher  Ve 
nen.  Diese  Gruppen  spalteten  sich 
ihren  politischen  noch  ihren  orga 
Als  die  Versuche,  mit  provokative 
zialarbeit  in  absehbarer  Zeit  zu 
sich  andererseits  bald  herausstel 
gesellschaftlicher  Veranderung  ka 
interesse  Oder  Resignation  ein. 


itutionellen  Projekten  engagierten, 
er  Randgruppentheorie  abgeleiteten 

den  "Klienten"   deshalb,  weil   diese 
randerung   in  Frage  zu   kommen  schie- 

bald  vom  AKS  ab,  weil   dieser  weder 
nisatorischen  Auffassungen  folgte. 
n  Mitteln  die  i nsti tutionel le  So- 
verandern,  an  Grenzen  stieB  und 
He,  daB  die  Klienten  als  Subjekt 
urn  in  Frage  kamen,   stellte  sich  Des- 


Die  Differenz  dieser  auch  personell   unterscheidbaren  Gruppen  inner- 
halb der  Sozialarbeiterbewegung  gestattet  sich  H.    Karl   zu  ignorieren. 
Ihr  Interesse  gilt  ausschlieBl  ich  der  zuletzt  genannten  Gruppierung 
und  deren  Positionen.   Damit  konzentriert  die  Autorin  ihre  Bemlihungen 
gerade  auf  den  Teilaspekt  der  Sozialarbeiterbewegung,  der  heute  le- 
diglich  noch  von  historischem  Interesse  ist,   sie  kritisiert  Positio- 
nen, die  sich  in  einer  ganzer  Anzahl   von  Analysen  -  auch  des  Info- 
Sozialarbeit  -  als  unhaltbar  erwiesen  haben.   Ihrer  eindimensionalen 
Fixierung  aufs  historisch  Oberholte  entgehen  dabei   die  Momente,  die 
die  Kontinuitat  der  Sozialarbeiterbewegung  ausgemacht  haben. 
Dazu  gehbrt  nicht  zuletzt  die  Fahigkeit,  sich  selbst  zu  kritisieren 
und  die  eigene  Arbeitsweise  veranderten  Realitaten  anzupassen.    Durch 
die  Spaltung  und  das  Wegbleiben  vieler  Studenten  verringerte  sich 
auch  die  Arbei tsfahigkeit  der  Gruppen.  Aus  der  Einschatzung  heraus, 
daB  der  AKS  seine  Wirksamkeit  als  Gegenbffentlichkeit  nicht     zuletzt 
der  "Sozialpadagogischen  Korrespondenz"  verdankte,  konzentrierten 
wir  unsere  Arbeit  auf  die  Herausgabe  der  Zeitung.    Das  hatte  seine 
Nachteile.   Dachten  wir  zunachst  noch,  gleichzeitig  theoretisch  arbei- 
ten,   die  Zeitung  machen  und  an  Praxiskonf li kten  aktiv  teilnehmen  zu 
konnen,  so  wurde  bald  deutlich,  daB  die  Redaktionsarbei t  fast  die  ge- 
samte  Arbeitskraft  absorbierte.   Wir  entschieden  uns  schlieBlich  daflir, 
die  SPK  Ende  73  einzustellen     und  stattdessen  am  Info  Sozialarbeit 
mitzuarbeiten. 


II 


Karls  Aufsatz  erweckt  den  Eindruck,  als  handele  es  sich  um  eine  syste- 
matische  Untersuchung  der  bis  zum  Sommer  1976  erschienenen  Beitrage 
des    "Informationsdienstes  Sozialarbeit"   zu  Problemen  der  Tatigkeit 
und  Organisierung  von  Sozialarbeitern.   Der  Schein  jedoch  trugt: 
Die  Zitate  stammen  ganz  Uberwiegend  aus  den  ersten  Heften  1,   2  und 
5  und  sind  zudem  in  bedenklicher  Weise  selektiv  und  verkiirzt.   Ob 
Karl  jedoch  bei   umfassenderer  Analyse  der  Infos  zu  einem  anderen  Er- 

-  63  - 


:      . 


gebnis  gekommen  ware,   ist  zweifelhaft.   Der  MaBstab,   den  sie  an  den 

Informationsdienst  eines  solchen  Organisationsversuchs  wie  das  Ar- 

beitsfeld  Sozialarbeit  im  SB  anlegt,  erweist  sich  flir  jeden  infor- 

mierten  Leser  als  unangemessen  und  muB  deshalb  mit  Notwendigkei t  ein 

falsches  Ergebnis  produzieren.   Karl   faBt  dies  folgendermaBen  zusam- 

men: 

"-  eine  konkrete  Gesellschafts-  und  Klassenanalyse  wi rd  weitgehend 

ausgespart; 

-  eine  Analyse  der  gesellschaftlichen  Funktion  von  Sozialarbeit  er- 
folgt  nur  punktuell ,  wird  nicht  aus  ei ner  Analyse  der  kapitalisti- 
schen  Produktionsweise  systematisch  entwickelt; 

-  es  wird  dabei  die  herrschaftssichernde,  reaktiona're  Funktion  der 
Sozialarbeit  betont,  in  den  neueren  Heften  jedoch  wieder  auf  die 
'Widersprlichlichkeit'   hingewiesen; 

-  die  Aufgabenstellung  des  linken  Sozialarbeiters  liegt  v. a.   auf 
Ideologiekritik  und  politischer  Unterstutzung  von  sozialen  Bewe- 
gungen;  . 

-  materielle  Interessen  von  Sozialarbeitern  und  Klienten  werden 
kaum  thematisiert."   (Karl,  S.   665) 

Wir  mbchten  in  drei  Punkten  auf  diese  Kritik  na'her  eingehen  und  zu- 
nachst  zeigen,  wie  sehr  Karls  MaBstabe  der  Kritik  Selbstverstandms 
sowie  Aufgaben  und  Zielsetzung  des   Infos  Sozialarbeit  verfehlen. 

In  der  ersten  Nummer  wurden  Inhalt  und  Aufgabenstellung  des  Infos 
folgendermaBen  umrissen: 

"1.   kontinuierliche  Berichterstattung  und  Diskussion  von  Erfahrungen, 
Strategien  und  Perspektiven  in  der  Arbeit  im  Sozialbereich; 

2.  Uber  den  Erfahrungsaustausch  hinaus  Koordination  und  langfristige 
Zusammenarbeit;  ,  . 

3.  Auflbsung  der  Vereinzelung  und  Zersplitterung  von  Individuen  und 
Gruppen;  Aufhebung  der  Trennung  zwischen  den  verschiedenen  sozialen 
Berufen  und  Ta'tigkeitsfeldern;  . 

4.  Zusammenarbeit  und  organisatorische  Verbindung  mit  dem  Soziansti- 
schen  Buro-.das  die  Koordination  und  den  Vertrieb  ubernimmt  und  wo- 
mit  auch  die  berufsspezifische  Orientierung  aufgehoben  wird; 

5.  Methodendiskussion,   Konfliktanalysen,  Hinweise  auf  regionale  Orga- 
nisationsmbglichkeiten,  Arbeitsmodelle,  Finanzierungsmbgl  ichkeiten, 
Personalverschiebebahnhof,  Rezensionen,  Dokumentationer,  Anzeigen 
u.a."   (Informationsdienst  Sozialarbeit  Nr.   1,  S.   7) 

Mit  dieser  arbeitspraktischen  Orientierung  setzte  man  sich  ausdriick- 
lich  gegen  den  von  Karl   dem  Info  zugeschriebenen  Anspruch  ab,  ein 
theoretisches  Organ  als  Motor  eines  politischen  Organisationsprozes- 
ses  im  Leninscher  Sinne  schaffen  zu  wollen.   Dies  kommt  in  der  Kritik 
vorangegangener  Versuche  dieser  Art  zum  Ausdruck: 
"Ebenso  konnte  der  Anspruch  der  Genossen  mit  der  Zeitschrift  Erzie- 
hung  und  Klassenkampf. . .   nicht  eingelbst  werden.   Ein  wesentlicher 
Grund..  .dafiir  ist  die  in  vielen  Beitragen  deutlich  werdende  Abhebung 
von  den  allta'glichen  Erfahrungen,  Konflikten  und  Problemen  der  So- 
zialarbeiter  und  Sozialpadagogen  aus  der  Praxis.   So  notwendig  ein 
theoretisches  Organ  flir  den  Erziehungssektor  ist,  es  kann  jedoch 
nicht  daruber  hinwegta'uschen,  daB  damit  allein  der  Organisierungs- 
grad  nicht  vorangetrieben  werden  kann."   (Info  Sozialarbeit  Heft  1, 
S.   6) 


-  64  - 


Die  sehr  heterogenen  Erfahrungen  und  Probleme  der  taglichen  Praxis 
der  Sozialarbei ter  und  -padagogen  auszutauschen,  Aktivitaten  zu  koor- 
dinieren  und  zu  unterstutzen  und  -  soweit  von  diesen  selbst  leistbar 
-   die  subjektiven  Erfahrungen  zu  verallgemeinern  und  auf  theoreti- 
sche  Begriffe  zu  bringen,  war  von  Anfang  an  die  Aufgabe  des  Infos, 
ohne   daB  dabei    die  theoretischen  Mangel    vieler  Beitrage  Libersehen 
worden  waren: 

"Die  Berichte  spiegeln  den  BewuBtseinsstand  einer  groBer  Zahl    von 
Sozialarbeitern  wider,   die  -  ohne  bereits  Liber  eine  langfristige 
Strategie  zu  verfLigen  -  flir  die  Verbesserung  ihrer  Arbeitsbedingun- 
gen  eintreten  und  die  Funktion  der  Sozialarbeit  im  Interesse  der 
'Klientel'    verandern  wollen.    Es  war  nicht  zu  erwarten,   daB  die  Be- 
richte eine  Antwort  auf  die  'richtige  Strategie'   geben;  sie  werfen 

Fragen     und  Probleme  auf  Es  fehlt  eine  ausreichende  politische 

Analyse  der  Konfli ktbedingungen."    (Info  Sozialarbeit  Heft  2,   S.   67; 
vgl.    auch  Info  Sozialarbeit  Heft  5,   S.    10  f . ) 

Es   lag  den  Herausgebern  des  Infos  fern,  mit  solcher  Kritik  alle  sub- 
jektiven Erfahrungen  und  Lernprozesse  an  der  Basis  in  Karls  Sinne 
'durch  Theorie  von  oben  erdrlicken  zu  wollen.  Vielmehr  wurde  und  wird 
daran  festgehal ten,  das   Info  als  eine  Plattform  der  Diskussion     zu 
gestalten  und  Handlungsalternativen  im  Sozialbereich  in  engster  Aus- 
einandersetzung  mit  der  praktischen  Erfahrung  zu  entwickeln  (vgl. 
Info  Sozialarbeit  Heft  5,   S.   9  ff.   und   Info  Sozialarbeit  Heft  13, 
S.   81).   Die  Diskussion  auf  der  vom  Redaktionskol  lektiv  1973  liberre- 
gional   organisierten  Tagung  lieferte  unterschiedliche  Einschatzungen, 
deren  Vielfalt  Karl    in  ihrer  engstirnigen  Suche  nach  der  "dominie- 
renden  Linie"  iibersieht.   Tatsachlich  wurde  von  einigen  Teilnehmern 
etwa  die  Notwendigkeit  des  Parteiaufbaus  betont  unter  der  sicherlich 
voluntaristischen  Voraussetzung,  daB  der  Sozialarbeiter  "Biindnis- 
partner  des  Proletariats  sein  will"   (Info  Sozialarbeit  Heft  5,  S.7). 
Gleichzeitig  wurde  aber  auch  an  der  Organisierun  g vor  Ort  und  der 
Aufarbeitung  zersplitterter  Erfahrungen  sowie  der  Weiterentwicklung 
bisheriger  sozialistischer  Arbeitsansatze  festgehalten  aus  folgen- 
der  Einschatzung  heraus: 

"Ausgehend  von  der  politischen  Situation  in  der  BRD,  der  noch  wem'g 
entwickelten  Klassenkampfe,   der  Bindung  der  Liberwiegenden  Mehrheit 
der  Arbeiter  und  Angestellten  an  den  reformistischen  Weg  der  SPD, 
stellt  sich  flir  die  Mehrheit  der  Teilnehmer  nicht  die  Frage  nach     dem 
Parteiaufbau.. .   Es  geht  darum,  erst  einmal  selbst  sich  an  dem  Ort, 
wo  man  arbeitet,     zu  politisieren,  d.h.   nicht  zu  trennen  zwischen 
Beruf   (als  Reproduktionsort)  und  Freizeit  (als  politischer  Ort  der 
Organisierung) ,  sondern  anzusetzen  an  den  eigenen  Interessen  und  Be- 
dLirfnissen."    (Info  Sozialarbeit  Heft  5,  S.    9) 


Diese  Offenheit  der  Diskussion  ,geg 
keine  Theorie  ersetzen  kann,  was  a 
es  vornehmlich  zu  sein,  was  Karl  n 
ran  getan,  das  Info  an  seinem  eige 
ihr  nicht  schwer  gefallen  nachzuwe 
Aufgabenstellung  nur  sehr  unzureic 
an  manchen  wichtigen  Entwicklungen 
Hoffnungen  auf  Entwicklung  neuer  p 
ta'uscht  hat,  was  nicht  zuletzt  auc 
schen  und  politischen  Verhaltnisse 


ru'ndet  auf  der  Oberzeugung,  daB 
n  wirklicher  Bewegung  fehlt,  scheint 
icht  behagt.   Sie  hatte  besser  da- 
nen  Anspruch  zu  messen.   Es  ware 
isen,  daB  das  Info  der  eigenen 
hend  gerecht  geworden  ist,  daB  es 

vorbeigegangen  ist  und  viele 
raktischer  Perspektiven  ent- 
h  auf  die  Veranderung  der  bkonomi- 

in  den  letzten  Jahren  zuriickzu- 


55 


ten  in  besser- 
chtigen  Ana- 

und  Refor- 
der  Diskussion 
die  es  ange- 
erhalb  der 
t  Heft  8,5.3), 
sicherheit 
ung,  tnit  der 
en     zu  haben, 


flihren  ist.   Stattdessen  meint  Karl  alle  Unzulanglichkei 
wisserischer  Manier  allein  auf  das  Fehlen  der  einzig  ri 
lyse  und  Theorie  zurlickflihren  zu  konnen. 
Wenn  etwa  in  einem  langeren  Aufsatz  zum  Problem  "Reform 
mismus"  einleitend  bemerkt  wird,  daB  man  nur  den  Stand 
wiedergeben  will,  ohne  fertige  Ldsungen  vorzutauschen, 
sichts  der  tausend  verschiedenen  "richtigen  Linien"   inn 
gegenwartigen  Linken  nicht  geben  kann  (Info  Sozialarbei 
so  ist  das  fiir  Karl   ein  Zeichen  von  unverzei  hlicher  "Un 
und  Hilflosigkeit"   (Karl,  S.   663).  Die  Selbstliberschatz 
sie  vorgibt,  den  "roten  Stein  der  Weisen"  langst  gefund 
1st  wenig  hilfreich. 

Die  um  das  Info  organisierten  Sozialarbeitergruppen  waren  in  der  La- 
ge,  die  eigenen  Illusionen  liber  Veranderungsmbglichkeiten  angesichts 
des  Endes  der  Reformphase  und  des  politischen  Rollback's  in  der  BRD 
selbst  zu  kritisieren  (vgl .   insbes.    Info  Sozialarbeit  Heft  8,  S.   9 
und  11).    Im  Info  13  kommt  das  Redaktionskollektiv  rait  Blick  auf  die 
Auswirkungen  der  okonomischen  Krise  fiir  die  Realisierungsmbgl  ichkei- 
ten  von  Alternativprojekten  zu  dem  SchluB: 

"Den  Sozialarbei tern  und  Erziehern  wird  nachdriicklich  ihre  eigene 
Existenz  als  ebenfalls  Lohnabhangige  vor  Augen  gefuhrt.   Hier  besteht 
die  Gefahr,  daB  sich  die  Interessen  der  Sozialarbeiter  von  den  Be- 
dlirfnissen  des    'Klientels'    vollstandig  abtrennen  und  sich  in  berufs- 
sta'ndischer  Weise  gegen  die  Betroffenen  wenden.  Der  Spielraum  fur 
fortschrittliche  Initiativen  und     selbstorganisierte  Projekte  gent 
zunehmend  verloren."    (Info  Sozialarbeit  Heft  13,  S.    7  f.)  Viele  Dar- 
stellungen  des  Stellenwerts  alternativer  Projekte  erweisen  sich  als 
uberzogen;  die  allgemeinen,  an  der  Logik  des   Kapitalverhal  tnisses  an- 
setzenden  Analysen  als   zu  wenig  mit  den  konkret-historischen  Auspra- 
gungen  des  Reproduktionsbereichs  vermittelt;  und  viele  Beitrage  des 
Infos  fur  die  Probleme  der  Kollegen  mit  der  taglichen  Kleinarbeit  im 
Amt  unbrauchbar  (Info  Sozialarbeit  Heft  13,  S.   83  ff.).    Was  das  (Re- 
daktionskollektiv feststellt,  "ist  der  Widerspruch  zwischen  kaum 
inhaltlich  angerissenen  Postulaten  politischer  Arbeit  im  Arbeitsfeld, 
die  sich  nicht  zuletzt  an  dem  halbherzig  hergestellten  Bezug  zum  or- 
ganisatorischen  Zusammenhang  des  SB  festmachen,  und  der  konkreten 
Praxis  der  AKS-Gruppen,  die  durch  eine  zunehmende  Orientierungslosig- 
keit  gekennzeichnet  ist."    (Info  Sozialarbeit  Heft  13,  S.   82).   Diese 
Orientierungslosigkeit  wird  als  Ausdruck  veranderter  gesellschaft- 
licher  Bedingungen  erkannt  und  zum  AnlaB  genommen,   bisherige  Posi- 
tionen  zu  Liberdenken  -  was  eine  offene  Konzeption     politischer  Arbeit 
auch  zula&t,  im  Gegensatz  zu  dogmatischen  Positionen,  die  im  Stil 
des  um  die  wette  laufenden  Igels  davon  leben,  auf  jede  neue  Frage 
die  Antwort  immer  schon  im  vorhinein  parat  zu  haben. 


Karl   bleibt  den  Beweis  daflir  schuldig, 
mit  denen  das  Arbeitsfeld  Sozialarbeit 
zu  kampfen  haben  wird,   vermeiden  lieBen 
wartigen  Umstanden  mehr  oder  weniger  wi 
eine  der  vielen  Auffassungen  Liber  "das 
eine  daraus  folgende  Klassenanalyse,  di 
wissenschaftlich  fundiert  zu  sein  (vgl. 
Es  handelt  sich  beim  Info  immer  noch  am 
tatsachlichen  Verhaltnisse  einer  existi 


daB  sich  die  Schwierigkeiten, 
im  SB  sicher  auch  weiterhin 

durch  eine  unter  den  gegen- 
llklirlichen  Festlegung  auf 
Wesen  des  Kapitalismus"  und 
e  nur  von  sich  selbst  behauptet, 

Karl,  S.   663).    Im  Gegenteil! 

ehesten  um  einen  Ausdruck  der 
erenden  Sozialarbei terbewe- 


-  66 


gung,   die  nicht  nach  den  Ideen  dieser  oder  jener  Wei tverbesserer 
fragt,  wenn  Karl   selbst  zugeben  muB,  daB  die  hier  vertretenen  Vor- 
stellungen  und  keine  anderen  unter  den  linken  Sozialarbeitern  domi- 
nieren   (Karl,   S.   671). 

Auf  derselben  dogmatischen  Voreingenommenheit  beruht  Karls  Vorwurf , 
das   Info  folge  wesentlich  einem  eindimensionalen  Verstandnis  der 
Funktion  von  Sozialarbeit.   Obwohl   sie  gleichzeitig  diese  Aussage 
dahingehend  relativiert,  daB  in  spateren  Heften   (ab  Info  11)   die 
Widersprlichlichkeit  dieser  Funktion  wieder  hervorgehoben  wird,  kehrt 
doch  der  Vorwurf,  daB  "die  Analyse  wie  die  konkrete  Politik  zu  sehr 
bei    der  reinen  Negation  des  Bestehenden. . .   stehenbleibt"  immer  wie- 
der (Karl,  S.    664,   S.   665,  S.   666). 

Abgesehen  davon,  daB  Karl  wiederum  sich  nicht  bemu'ht,  die  Stellung 
des    Infos  zu  dieser  Frage  als  einen  liber  Jahre  sich  entwickelnden 
ProzeB  zu  begreifen,  sondern  ihre  Kritik  fast  ausschli eBlich  an  den 
ersten  Heften  festmacht,  ist  es  sicherlich  richtig,  daB  das  Info  in 
dieser  wichtigen  Frage  keine  gesamtgesellschaftl  iche  Perspektive  ent- 
wickelt  hat.   Dieser  Vorwurf  trifft  aber  alle  linken  Theorie-  und 
Organisationsansatze  und  auch  Karl   selber  bietet  durchaus  keine  Liber- 
zeugende  Alternative,  wie  im  folgenden  noch  zu  zeigen  sein  wird. 
Es   erscheint  uns  auch  im  nachhinein     die  Betonung  des  repressiven, 
systemstabili si erenden  Aspekts  von  Sozialarbeit  in  den  Anfangen  der 
Bewegung  gerechtfertigt  insbesondere  auch,  um  die  Entstehungsbedin- 
gungen  staatlicher  Sozialarbeit  aus  der  Armenpflege  und  ihre  Einbin- 
dung  in  burokratische,  hierarchisch  gegliederte  Institutionen  wieder 
ins   BewuBtsein  zu   rlicken.   Die  Dbernahme  des  fursorgerischen  Schutzes 
durch  den  Staat  war  geschichtlich  Ausdruck  verdeckter  und  offener 
Klassenauseinandersetzungen.   Zur  Vermeidungvon  Legitimationsverlusten 
des  Systems  sind  sozialpoli tische  Zugestandnisse  inner  wieder  notwen- 
dig  und  Veranderungen  innerhalb  der  Funktionsbereiche  angezeigt 
(beispielsweise  Finanzierung  von  Wohngemeinschaften  und  selbstverwal- 
teten  Jugendzentren  in  der  letzten  Reformphase);  wo  solche  Legitima- 
tionsverluste  nicht  mehr  drohen,  werden  im  Zuge  bkonomischer  Krisen 
diese  Zugestandnisse  wieder  abgebaut.    In  solchen     Zeiten  verblaBt 
sehr  schnell  der  Schein  der  angeblichen  Gemeinwohlorientierung  der 
Sozialpojitik.   Wie  jegliche  staatliche  Intervention  erweist  sich  auch 
die  Sozialpolitik  als  systemerhaltend  und  -verandernd  zugleich;  nie 
iedoch  unumkehrbar,   systemiiberwindend.   Diese  in  Info  8  ausfuhrlich 
entwickelte  Einschatzung  findet  sich  im  Ansatz  bereits  drei   Hefte 
vorher:   "Es  gibt  keine  Mbglichkeit,  sich  den  gesellschaftlichen  Wi- 
derspriichen,  die  sich  immer  auch  in  der  eigenen  (Berufs-)Tatigkeit 
ausdrucken,     zu  entfliehen.   Die  eigene  Tatigkeit  wird  immer  Doppel- 
charakter  haben:   einmal   einen  herrschaftssichernden. . . ,  zum  anderen 
einen     die  reale  Situation  der  proletarischen  Jugend  verbessernden. . . " 
(Info  Sozialarbeit  Heft  5,  S.   27). 

Was  will    Karl  mehr? 

was  am  SchluB  bleibt,   ist  der  nur  angedeutete  Vorwurf,  daB  diese 
Einschatzung  immer  noch  zu  negativ  bleibt;  im  Grunde  wiinscht  Karl 
pine  positive  Identifikation  mit  der  sozialarbeiteri  schen  Tatigkeit, 
well   diese  -  so  muB  man  zwischen  den  Zeilen  lesen  -  im  wesentlichen 
materiel le  Unterstutzung  der  Betroffenen  ("die  in  der  Mehrheit  sicher 
der  Arbeiterklasse  angehbren"  -  Karl,  S.   660)  bedeutet.   So  werden 
Sozialarbeiter,  die  selber  Lohnabhangige  sind,  sehr  einfach  zu  Bun- 


67 


desgenossen  der  Arbei terklasse  und  dann  ist  es  nicht  mehr  weit  zura 
Eintritt  in  die  Gewerkschaft  Oder  die  Partei. 

Damit  kommen  wir  schlieBlich  zu  dem  Vorwurf,  der  Organisationsansatz 
des  Arbeitsfeldes  Sozialarbeit  grlinde  sich  auf  ein  "Aufgeben  der 
eigenen  Interessen  zugiinsten  eines  voluntaristischen   ' Sich-stellen- 
auf-den-Standpunkt-der-Arbeiterklasse'"    (Karl,  S.   666)   und  auf  eine 
Vernachlassigung  der  materiellen  Interessengemeinsamkeiten  zwischen 
Sozialarbeitern  und  Klientel.  Tatsachlich  ist  nicht  zu  leugnen,  daB 
Karl  auch  hier  eine  durchaus  schwache  Stelle  berlihrt.    Das   Info  hat 
immer  noch  zu  tragen  an  der  Herkunft  der  Sozialarbeiterbewegung  aus 
dem  idealistisch-moralischen  Protest.    Doch  ganz  so  eindimensional  , 
wie  sie  die  Sache  darstellen  mb'chte,  verhalt  es  sich  auch  in  diesem 
Falle  nicht  rait  dem  Info.   Selbst  das  von  ihr  angefUhrte  Zitat   (Karl, 
S.   666)  bekommt  einen  anderen  Klang,  wenn  man  es  im  Zusammenhang 
liest: 

"Im  Vordergrund  der  Forderungen  hat  nicht  das  Eigeninteresse  der  So- 
zialarbeiter,  das  sich  Liberwiegend  als  Professionalisierungsinteres- 
se  darstellt,  zu  stehen,   sondern  das  Interesse  des    'Klientel',  das 
begriffen  wird  als  Teil  der  Arbeiterklasse. "  Doch  dann  geht  es  wei- 
ter:    "Im  Vordergrund  hat  zu   stehen  die  Solidaritat  mit  den  Betroffe- 
nen,  die  sich  u.a.  darstellt  in  einer  konsequenten  Vertretung  der  ma- 
teriellen  Interessen  und  extensiver  Ausnutzung  der  Gesetze.   Auf  die- 
sem Hintergrund  ist  auch  das   Eigeninteresse  der  Sozialarbeiter  im 
Hinblick  auf  materielle  Verbesserungen  und  Veranderung  der  Arbeits- 
platzsituation  zu  definieren."   (Info  Sozialarbeit  Heft  2,  S.   65) 

In  der  gleichen  Nummer  wird  die  Auseinandersetzung  urn  die  Eingruppie- 
rung  von  Sozialarbeitern  und  -padagogen  nach  dem  BAT  und  der  Frank- 
furter Konflikt  urn  die  Arbeitsbedingungen  in  den  Kindertagesstatten_ 
dargestellt  und  analysiert:   "Erzieher,  die  fur  hdhere  Gehalter  strei- 
ken,  sind  keine  Egoisten  ohne  Ideale,  sondern  Padagogen,  die  auf  dem 
besten  Weg  sind,  mit  der  Demokratisierung  in  diesem  Lande  ernst  zu 
machen...   Sozialarbeit,  die  ernst  macht  mit  ihrem  padagogisch-poli- 
tischen  Auftrag,  die  Emanzipation  der  Kinder  und  Jugendlichen  voran- 
zutreiben,  muB  den  politischen  und  juristischen  Rahmen  ihrer  Arbeit 
ins  Auge  fassen     und  inn  dort  vera'ndern,  wo  er  entsteht..."   (Info 
Sozialarbeit  Heft  2,  S.   7). 

DaS  die  hier  angerissene  Problematik  nicht  sehr  intensiv  weiterver- 
folgt  wurde,  wird  auch  in  dem  Strategie-Papier  im  Info  13  festge- 
stellt;   davon  aber,  daB  "materielle  Interessen  von  Sozialarbeitern 
und  Klienten...    kaum  thematisiert"    (Karl,   S.    665)  werden,   kann  nicht 
die  Rede  sein.  Was  die  Position  des  Infos  von  der  der  Stamokap-Ver- 
treter  unterscheidet,   ist  die  explizite  Bezugnahme  auf  den  Inhalt 
sozialarbeiterischer  Tatigkeit,  wenn  von  der  Interessenbasis     zur 
Organisierung  von  Sozialarbeitern  die  Rede  ist: 

"War  es  bis  vor  ca.    zwei  Jahren  noch  mbglich,  liber  eine  unvermi ttel- 
te  und  damit  abstrakte  Orientierung  an  der  Interessenlage  der  Arbei- 
terklasse unter  Ausblendung  der  eigenen  Verstrickung  als  lohnabhan- 
gige  Sozialarbeiter  eine  aktive  und  fordernde  Rolle  einzunehmen, 
erweist  sich  heute  diese  Strategie  als  vollends  unpraktikabel ,  da 
die  Genossen  als  Objekt  staatlicher  Repression  nun  selber  Betroffene 
sind...  herrscht. . .   weitgehend  Unklarheit  darliber,  wie  Sozialarbei- 
ter unmittelbar  ihre  eigenen  Interessen  wahrnehmen  kbnnen,  wird  der 
solidarische  Bezug  zu  den  Betroffenen  erst  recht  unmbglich  gemacht." 


-  68 


Weil    Sozialarbeit  unter  kapitalistischen  Produktionsbedingungen  als 
staatliche    Aufgabe  primar  kontrollierende  und  disziplinieren- 

de  Funktionen  erflillt,  was  unabhangig  vom  subjektiven  Wollen  des 
Sozialarbeiters     allein  schon  durch  die  liberwiegend  blirokratische 
Organisationsform  der  Arbeit  erzwungen  wird,   konnen  Interessengemein- 
samkeiten  zwischen  Sozialarbeitern  und  Betroffenen   nicht     gradlinig 
aus  deren  Lohnarbeiterexistenz  abgeleitet  werden.   Sozialarbeiter 
kommen  nicht  umhin,  bei  der  eigenen  Interessenvertretung  sich  immer 
auch  mit  dem  Inhalt  ihrer  Arbeit  und  den  Interessen  der  Betroffenen 
auseinanderzusetzen,  was  dort  zu  Konflikten  flihrt,  wo  sich  Sozialar- 
beiter gemeinsam  mit  denen  zu  organisieren  versuchen,  liber  deren 
Disziplin  sie  im  Krisenfall   aus  einer  privilegierten  Position  heraus 
zu  wachen    haben.   (Vgl .  dazu  das   Info  Sozialarbeit  16,  insbes.   die 
Aufsa'tze  von  E.   Wedekind  und  R.   Landwehr). 


Ill 


Gesellschafts-  und 
uch  ihre  eigene  in 

nz  nicht  identisch 
icht  ohne  weiteres 
ch  die  Arbeit  des 
nhalt  la'Bt  aber 
dustrie  nicht  zu: 
it  des   Sozialar- 
und  deshalb  nicht 
nung  und  Auslibung 


Helga  Karl    kritisiert  nicht  nur  das  Fehlen  einer 
Klassenanalyse  im  Info  Sozialarbeit  -  sie  flihrt  a 
groben  Zligen  vor. 

Sozialarbeiter  sind  danach  als  Teil  der  Intellige 
mit  der  herrschenden  Klasse,  sie  sind  aber  auch  n 
der  Arbeiterklasse  zuzurechnen.  Zwar  vollzieht  si 
Sozialarbeiters  in  der  Form  der  Lohnarbeit;  ihr  I 
die  Durchkapital isierung  nach  dem  Beispiel  der  In 
als  qualifizierte  geistige  Arbeit  ist  die  Tatigke 
beiters/Sozial  padagogen  nicht  beliebig  zerlegbar 
durch  Maschinen  zu  ersetzen,  sondern  an  die  Erler 
einer  bestimmten  Berufsrolle  gebunden. 

Diese  Feststellungen  dlirften  auch  fur  die  Autoren  des   Info  Sozialar- 
beit keine  uberraschung  sein;  aber  H.    Karl    sieht  unter  Berufung  auf 
die  Analysen  des   Institut  fur  marxistische  Studien  und  Forschung 
(IMSF)   "neuere  Entwicklungstendenzen" ,  die  diese  Aussagen  modifizie- 
ren:    Da  wir'uns  nicht  mehr  in  der  Phase  des   "einfachen  Monopolkapi- 
talismus"  befinden,   sondern  in  der  des  staatsmonopolistischen  Kapi- 
talismus,   haben  wir  es  heute  mit  einer  deutlichen  Zunahme  qualifi- 
zierter  geistiger  Arbeit  und  ihrer  Konzentration  in  bestimmten  Be- 
reichen  zu  tun.   Damit  sei  die  Moglichkeit,  aber  auch  die  Notwendig- 
keit  kostensparender  Rationalisierung  der  sozialarbeiterischen  Tatig- 
keit gegeben,  was  in  Regelstudienzeiten,  Mittelknapphei t  und  Stellen- 
kiirzungen     zum  Ausdruck  kommt.   -  So  einfach  bringt  man  die  neuesten 
Entwicklungen  auf  den  Begriff,  wenn  man  sich  nur  einer  Gesellschafts- 
und   Klassenanalyse  bedient! 

Man  fragt  sich,  ob  wir  etwa  erst  sei   dem  Roll-back  in  der  Bildungs- 
politik,  seit  dem  Ende  der  Reformperiode  und  der  Krise  der  Staats- 
finanzen  die  Phase  des  "einfachen  Monopolkapitalismus"  verlassen  ha- 
ben,  ob  das  Kapital    in  der  BRD  erst  Anfang  der  70er  Jahre  entdeckt 
hat!   daB  die  Sozialausgaben  fur  es  tote  Kosten  sind,  die  so  niedrig 
wie'mbglich  zu  halten  sind.  Tatsachlich  befinden  wir  uns  den  Autoren 
der  Theorie  des  staatsmonopolistischen  Kapitalismus  nach  bereits  seit 

-  69  - 


dem  1.   Weltkrieg  in  dieser  neuen  Periode  des  Kapitalismus   (Lenin), 
ohne  daB  sich  bisher  jedoch  die  von  Karl  skizzierten  "neueren  Ten- 
denzen"  im  sozialarbeiterischen  Bereich  durchgesetzt  ha'tten!   Wenn 
sie  statt  solcher  Allgemeinplatze  konkreter  auf  den  Inhalt  der  Ta'tig- 
keit  des  Sozialarbeiters  einginge,  wlirde  es  ihr  schwerfallen,  aus 
den  mi t  jeder  Krise  wiederkehrenden  Rationalisierungsbestrebungen 
des  Staates  ohne  weiteres  auf  einen  "eindeutigen  Vermittlungszusam- 
menhang  der  Interessen  der  Intel ligenz  und  der  Arbeiterklasse,  der 
Sozialarbeiter  und  der  Klienten"  zu  schlieBen  (Karl,  S.   670).   Es 
ist   zwar  wahrscheinlich,   daB  mit  zunehmenden  Schwierigkeiten  bei 
der  Stellensuche,  zunehmender  Unterwerfung  padagogischer  Konzepte 
unter  eine  am  Kapitalprofit  orientierte  Kostenrational  ita't  irmier 
mehr  Sozialarbeitern  die  Tatsache  ihrer  Lohnabhangigkeit  bewuBt 
wird;  dennoch  bleiben  sie  aufgrund  von  Ausbildung  und   (meist)   Beam- 
tenstatus  ,ebenso  wie  ihrer  gesellschaftlichen  Funktion  nach  privile- 
gierte  Exekutoren  der  durch  die  herrschende  Klasse  gesetzten  Normen. 
(Vgl.  dazu  Tirrm  Kunstreich,  Der  insti tutionalisierte  Konflikt, 
Offenbach  1975,  Kap.   IV  und  V.)   Daran  andert  auch  ihre  von  Karl   be- 
tonte  untergeordnete  Stellung  nichts;  auch  der  Lehrer  bildet  das 
unterste  Glied  einer  umfassenden  Hierarchie  und  ist  dennoch  in  ge- 
samtgesellschaftlich  durchaus  relevantem  MaBe  an  der  Produktion  und 
Reproduktion  der  herrschenden  Ideologie  beteiligt! 

Der  Sozialarbeiter  tritt  dem  "Klienten"  umso  mehr  als  kontrpllie- 
render  und  disziplinierender  Vollstrecker  fremder  Normen  gegenuber, 
als  es  sich  bei   den  von  Sozialarbeit  Betroffenen  eben  nicht  urn  typi- 
sche  Angehbrige  "der  Arbeiterklasse"  handelt,  sondern  ganz  Liberwie- 
gend    urn  deren  "Bodensatz":   schlecht  qualifizierte,  unregelma'Big 
bescha'ftigte,   durch  schlechte  Sozialisationsbedingungen,   Krankheit 
oder  Alter  in  ihrer  Reproduktionsfahigkeit  eingeschrankte  Vertreter 
des  Teils  der  industriellen  Reservearmee,  der  sta'ndig  in  der  Gefahr 
steht,  seine  Verwertbarkeit  fLir  das  Kapital   zu  verlieren  oder  sie 
schon  verloren  hat.    Karls  oben     zitierte  eindeutige  Zuordnung  der 
Klienten  zur  Arbeiterklasse  ist  ein  schlechter  Ausweis  fur  eine 
Klassenanalyse  und  fallt  im  Grunde  noch  hinter  das  mit  der  Randgrup- 
pendiskussion  erreichte  Niveau  zurlick.    (Von  der  fur  viele  Vertreter 
ihrer  Theorie  daraus  folgenden  Konsequenz,  namlich  den  vom  sozialen 
Abstieg  bedrohten  Klienten  zu  einem  ordentlichen  Vertreter  der  Ar- 
beiterklasse machen  zu  wollen  oder  -  wenn  dies  unmb'glich  ist  -  inn 
als  "Lumpenproletarier"  einfach  aufzugeben,  und  damit  genau  die 
Selektionsfunktion  zu  erfu'llen,  die  das  Kapital   von  einer  funktio- 
nierenden  Sozialarbeit  erwartet,  ganz  zu  schweigen. . . ) 

Diese  Probleme,  mit  denen  die  Schwierigkeiten  der  Analyse  erst  an- 
fangen,   bleiben  also  auch  bei   Karl   ungeldst;  auch  sie  kommt  nicht 
Liber  die  Einsicht  in  einen  irgendwie  gearteten  Zusammenhang  zwischen 
Klienten-  und  Sozialarbeiterinteressen  hinaus  -  genau  das,  was   sie 
an  den  Beitragen  im  Info  Sozialarbeit  kritisiert!   Ihre  Argumentation 
richtet  sich  also  nicht  wirklich  gegen  die  "Solidarisierung  mit  den 
Klienten"  oder  andere  Formen  des  Eintretens  fiir  die  Interessen  der 
von  Sozialarbeit  Betroffenen,   sondern  gegen  die  Begrlindung  dafu'r: 
nicht  "per  Willensakt",  sondern  per  wissenschaftl icher  Analyse  der 
"objektiven  Interessengemeinsamkeiten  von  Sozialarbeitern  und  Klien- 
ten"  (Karl,  S.   660)  hat  dies  zu  geschehen  -  auch  wenn  diese  Analyse 
keinen  Deut  weiterflihrt,  als  die  weniger  theoretisch  fundierte,  da- 


70  - 


fiir  aber  weit  innovativere  und  differenziertere  kritisch  reflektier- 
te  Erfahrung  in  der  Aktion. 

Urn  es   klarzustel  len:   Wir  sind  durchaus  der  Meinung,  daB  den  vom  In- 
formationsdienst  Sozialarbeit  bisher  geleisteten  Ansatzen  zur  Ent- 
wicklung  einer  politischen  Perspektive  eine  wissenschaftlich  fundier- 
te Analyse  der  Klassenlage  von  Sozialarbeitern  bitter  nottut.   Dazu 
kann  die  Auseinandersetzung  u.a.  auch  mit  der  von  Karl   zitierten 
Literatur  sicherlich  gute  Dienste  leisten.  Wenn  sie  jedoch  so  tut, 
als  brauche  man  sich  nur  auf  den  dort  vertretenen  Standpunkt  zu  stel- 
len     und  alle  Probleme  seien  gelbst,so  liberzeugt  uns  das  nicht. 

Aber  was  steckt  wirklich  hinter  dem  Bemuhen,  den  Berg  wissenschaft- 
1  icher  Wahrheitssuche  kreiBen  zu  lassen,  um  sich  dann  doch  mit  einem 
Mauslein  zufriedenzugeben?  Es  ist  eine  allzu  bekannte  und  verbreite- 
te  Form  der  Verarbeitung  der  Studenten-  und  Sozialarbei terbewegung, 
die  sich  ruhmt,  alle  antiautoritaren  und  d.h.   angeblich  blirgerlichen 
Elemente  der  linken  Bewegung  Liberwunden    zu  haben.   In  dem  MaBe  nam- 
lich, wie  nach  dem  Hohepunkt  der  Studentenbewegung  um  1968/69  deut- 
lich  wurde,  daB  die  Neue  Linke  keine  gesel lschaftliche  Massenbewe- 
gung  werden  konnte,  wei  1   sie  Liber  den  universitaren  Bereich  hinaus 
keine  materiel  le  Basis  in  entsprechend  entwickelten  gesamtgesell  schaf  t- 
lichen  Widerspruchen  hatte,  d.h.   die  Starke  der  Studentenbewegung 
weitgehend  auf  einer  Erfahrungsbasis  innerhalb  des  Bi  ldungssektors 
beruhte,  begann  ein  groBer  Teil  der  studentischen  Linken  im  Blick 
auf  die  spatere  BerufsausLibung  sich  abzusetzen  und  sich  nach  gesi- 
cherten  Haltepunkten  umzusehen.   Den  Widerspruch  zwischen  einem     zu- 
nehmend  radikaleren  sozialistischen  Anspruch  und  einer  mit  Unver- 
standnis  und  ausgesprochener  Feindseligkei t  reagierenden  Arbeiter- 
schaft,  der  sich  in  der  llnmoglichkei  t  ausdruckte,  den  gewonnenen  ge- 
sell schaftskri tischen  Standpunkt  in  eine  "sozialistische  Berufspra- 
xis"   umzusetzen,  vermochten  sie  nicht  auszuhalten.   Und  tatsachlich 
erwies  sich  ja  die  Vorstellung,  die  gewonnenen  Erkenntnisse  in  einem 
"langen  Marsch  durch  die  Institutionen"  bruchlos  zur  Revolutionie- 
rung  der  Gesellschaft  einsetzen  zu  kbnnen,  als  ausgesprochen  naiv, 
wie  die  Installierung  eines  umfassenden  politischen  Oberprufungssy- 
stems  inzwischen  gezeigt  hat.   Doch  daB  dennoch  gerade  diese  naive 
MaBlosigkeit  der  Studentenbewegung  die  politischen  Verhaltnisse  in 
der  Bundesrepublik  in  Bewegung  gesetzt  hat  wie  kein  anderes  Ereig- 
nis  der  deutschen  Nachkriegsentwicklung,  will   von  den  "Oberwindern" 
der  Studentenbewegung  niemand  mehr  wahr  haben. 

Im  Gegensatz  zu  den  K-Gruppen,  die  unter  abstrakter  Berufung  auf 
feme,   idealisierte  Leitbilder  Theorie  und  Praxis  mit  Gewalt  zusam- 
menzuzwingen  versuchten,  bestand  die  Lbsung  dieses  Teils  der  auslau- 
fenden  Studentenbewegung  in  der  Reduzierung  ihres  linken  Anspruchs 
auf  das  von  dieser  Gesellschaft  geduldete  MaB  an  sozial-reformeri- 
schem  Engagement,  das  sich  innerhalb  der  anerkannten  Parteien  und 
Gewerkschaften  bewegt.   Wo  von  Haus  aus  sozial   abgesicherte  BLirger- 
sohne  oder  -tochter  sich  in  eine  selbstmbrderische  Konfrontation 
mit  dem  Staatsapparat  warfen,  da  zogen  sich  -  so  hat  man  den  Ein- 
druck  -  die  in  ihrer  gesellschaftlichen  Position  unsicheren  oder  ver- 
unsicherten  Aufsteiger  aus  Arbeiterschichten  oder  kleinbLirgerlichen 
Existenzen  auf  Einstell  ungen  und  Vernal  tenswei sen  zurLick,  die  das 
berufliche  Fortkomnen  mdglichst  nicht  gefahrden  und  gleichwohl   den 


71  - 


Widerruf  bisher  vertretener  linker  Positionen  ersparen.  Unter  dem 
Schirm  einer  bewuBt  undefinierten  "gewerkschaftlichen  Orientierung" 
wird  so  das  Kunststuck  versucht,  einen  linken  Anspruch  vor  sich  her 
zu  tragen  und  dennoch  in  dieser  kapitalistischen  Gesellschaft  nicht 
anzuecken.    (DaB  dies  nicht  gelingt,  zeigen  die  zahlreichen  Berufsver- 
bote  auch  gegen  DKP-  und  SEW-Anhanger.   Doch  wahrend  diese  von  den 
K-Gruppen  im  Sinne  der  Parole  "viel   Feind  -  viel   Ehr"  nur  als  Be- 
statigung  ihrer  Politik  aufgefaBt  werden,  gelten  Berufsverbote  fur 
die  Traditionsparteien  als  Pannen,  die  jeden  Organi sierungsfortschritt 
in  Frage  stellen. ) 

Dem  Ruckzugauf  das  Bestehende  dient  die  Forderung  nach  wissenschaft- 
licher  Analyse  als  immerwahrende  Legitimation.   Denn  da  die  Kluft 
zwischen  sozialistischer  Theorie  und  Praxis  notwendigerweise  nicht 
iiberbrlickt  werden  kann,  so  lange  eine  aktive  Klassenkampfbewegung 
fehlt     ist  der  Nachweis  mangelnder  wissenschaftlicher  Ausgewiesen- 
heit  fremder  Praxis  leicht.   Sicherheit  ist  demgegeniiber  in  einer 
"Linie"  zu  finden,  fur  die  eine  ihrem  Umfang  nach  nicht  so  schnell 
zu  bewaltigende  Literatur  und  die  Existenz  von  Organisationen  in 
Anspruch  genommen  werden  kann,  die  sich  nicht  als  bloBe  Sekten  abtun 
lassen.   Das  erklart  die  Arroganz,  mit  der  auch  Karl   den  unausweich: 
lichen  Schwierigkeiten  und  Widersprlichen  einer  von  einem  sozialisti- 
schen  Anspruch  getragenen  Praxis  begegnet,  die  nicht  ihre  eigene 
ist.   Dem  liegt  im  Grunde  ein  jene  Dialektik  von  Theone  und  Praxis 
negierender,  d.h.   burgerlicher  Wissenschaftsbegnff  zugrunde.   Hin- 
ter  der  Aura  einer  Wissenschaftlichkeit,  die  sich  mehr  durch  Berge 
bedruckten  Papiers  als  durch  praxisrelevante  Ergebmsse  auszeichnet, 
verbirgt  sich  der  Versuch,  unbedarften  Gemutern  den  Eindruck     zu 
suggerieren,  daB  es  hier  eine  Richtung  gabe,  die  Sicherheit  bietet 
well   Fur  sie  die  letzten  Streitfragen  der  Menschheit  keine  Probleme 
mehr  darstellen.   Was  sich  zunachst  als  legitimes  Bemuhen  um  eine 
ausgewiesene  Fundierung  der  gesellschaftlichen  Praxis  darstellt, 
entpuppt  sich  so  bei   naherem  Hinsehen  als  die  Forderung  nach  oppor- 
tunist! scher  Anpassung  an  die  den  Rahmen  des   Etablierten  beachtenden 
Organisationen  -  nicht,  weil   diese  Uber  eine  Theorie  groBerer  Trag- 
fahigkeit  und  Reichweite  verfugen,  sondern  weil   die  feachtung  des 
von  ihnen  kontroll ierten  Rahmens  die  Gefahrdung  der  beruflichen 
Existenz  weitgehend  ausschlieBt.   Der  hier  -  im  Gegensatz  zu  vielen 
Positionen  innerhalb  der  Neuen  Linken  -  tatsachlich  vorhandene  Rea- 
lismus  wird  erkauft  durch  den  Ruckgriff  genau  auf  die  Institution^, 
aus  deren  erwiesener  Unzulanglichkeit  die  Studentenbewegung  und  en e 
Neue  Linke  einmal   entstand. 

Aus  dieser  zu  einem  wesentlichen  Teil  durch  personliche  Unsicherheit 
gepragten  Haltung  folgt  dann  natu'rlich  unbefragt,  daB  Interessenge- 
meinsamkeiten  zwischen  Sozialarbeitern  und  Klienten  nur  eines  zulas- 
sen:   "Bundnispolitik  mit  den  Organisationen  der  Arbeiterschaft   (v. a. 
den  Gewerkschaften)"    (Karl,   S.   660). 

Gewerkschaftsarbeit  wird  hier  -  wie  es  ju'ngst  im  Berliner  GEW-Kon- 
flikt  anklang  -  in  jedem  Falle  undenkbar  auBerhalb  des  DGB!  Angeb- 
lich  wird  eine  solche  Bundnispolitik  auch  erleichtert  durch  die 
"(notwendigerweise)  starkere  Rekrutierung  von  Sozialarbeitern  aus 
der  Arbeiterklasse"   (Karl,  S.   670,  dagegen  Kunstreich,  a.a.O.,  S.41ff.) 
Wiederum  begreift  Karl    kurzschllissig  eine  vorubergehende  Erscheinung 
als  eine  durchgehende  historische  Tendenz:  Der  von  ihr  beobachtete 


72  - 


Trend  zur  Anpassung  der  Arbeitsbedingungen  im  Sozialbereich  an  die 
anderer  Lohnabhangiger  gent  in  Wirklichkeit  einher  mit  einer  erneu- 
ten  Beschrankung  des  Hochschulzugangs  fur  Arbeiterkinder  und  dem  Ab- 
bau  des  zweiten  Bildungsweges. 

Zwar  hat  sich  tatsachlich  an  den  Ausbildungsstatten  in  den  letzten 
Jahren  eine  Entwicklung  weg  vom  Karitativismus  vollzogen,   die  nicht 
einfach  ruckgangig  zu  machen  ist.   Doch  weil   die  Resultate  dieser  Be- 
wegung  nicht  in  das  von  Karl   vertretene  Konzept  passen,  ist  dieser 
Entwicklung  nicht  wirklich  zu  trauen.   Karl   bemuht  die  leninistischen 
Ladenhuter  von  der  Unzuverlassigkei t  der  Intelligenz,  um  das  Vor- 
herrschen  spontaneistischer  Theorien  und  Organisationsansatze  unter 
den  sich  als  links  verstehenden  Sozialarbeitern  zu  erklaren.   warum 
dagegen  nach  Karls  Meinung  in     d  e  n     Bereichen  der  Hochschule 
"Spontitum  und  Antiautoritarismus  weitgehend  zurlickgedrangt  sind 
(und)  die  Politik  der  gewerkschaftlichen  Orientierung  so  breit  wie 
nie  zuvor  verankert  ist"    (Karl,   S.    671),  wo  ausgerechnet  das  klassi- 
sche  Bildungsburgertum  und  entsprechende  Berufsperspektiven  noch 
viel  starker  vertreten  sind,  bleibt    unqeklart.         Allerdings  ist 
auch  diese  Einschatzung  wohl   durch  die  Entwicklung  liberholt:   Die 
Streikbewegung  1976/77  an  den  Hochschulen  fu'hrte  in  einem  nur  mit 
der  alten  Studentenbewegung  vergleichbaren  MaBe  wieder  zur  Mobili- 
sierung  vor  allem  der  unorganisierten  Studenten  und  hat  z.B.   in  Ber- 
lin zu  erdrutschahnlichen  Verlusten  in  der  Anhangerschaft  der  unter 
ADS,  Spartakus,  SHB  oder  wie  auch  immer  firmierenden  DKP-bzw.   SEW- 
orientierten  Studentengruppen  gefuhrt. 

Karl    ha'tte  besser  daran  getan,  das  Vorherrschen  undogmati  scher  und 
starker  an  praktischen  Konfliktsituationen  ansetzender  Positionen 
unter  den  Sozialarbeitern  -  die  auch  ihrer  Meinung  nach  "zur  Zeit 
wichtig-ste  Strbmung  innerhalb  der  Sozialarbeiterbewegung"   (Karl, 
S.   671)   -  auf  ihre  Ursachen  hin  zu  analysieren,   Man  wiirde  auch  gern 
naheres  uber  die  von  ihr  nur  beilaufig  erwahnte  heutige  "Schwache 
marxistischer  Organisationen  und  Positionen"    (ebda.)   lesen.   Hier  be- 
reits  scheint  sie  von  ihrer  Klassenanalyse  verlassen  zu  werden. 
Stattdessen  meint  sie,  den  Sozialarbeitern  eine  mit  keinem  Wort  naher 
bestimmte  "gewerkschaftliche  Orientierung  und  Organisierung"  als 
einzig  mbglichen  Weg  zur  Lbsung  aller  Fragen  verordnen  zu  kbnnen: 
der  bekannte  Versuch,  die  StoBrichtung  der  Studentenbewegung  zu  de- 
nunzieren,  aber  gleichwohl    ihre  Resultate  fur  die  eigenen  Organisa- 
tionszwecke  zu  vereinnahmen. 

DaB  das  ganze  auch  noch  mit  Illusionen  uber  die  Wirkungsmbglichkeiten 
innerhalb  der  Gewerkschaften  versu'Bt  wird,   ist  hier  fast  nebensach- 
lich;  die  Erfahrungen  zeigen,  daB  gerade  die  zunehmende  Organisie- 
rung und  Aktivierung  der  Sozialarbeiter  innerhalb  der  OTV  haufig 
auf  den  Unwillen  der  Gewerkschaftsflihrung  stbBt  und  zu  schwerwiegen- 
den  Behinderungen  bis  hin  zur  Verunmbgl ichung  der  Fachgruppenarbeit 
flihren  kann.   Diese  Erfahrungen  haben  im  SB  organisierte  Sozialarbei- 
ter gemacht,  die  nicht  daran  denken,  deshalb  die  Arbeit  in  den  Ge- 
werkschaften aufzugeben,  aber  die  meinen,  nicht  auf  eine  erganzende 
Organisierung  in  AKS-Gruppen  verzichten  zu   konnen.    (Vgl .  auch  dazu 
das   Info  Nr.   16  zur  Gewerkschaftsfrage) . 

Was  wirklich  hinter  der  vbllig  unkritischen  Forderung  nach  gewerk- 
schaftlicher  Organisierung  steht,  wird  durch  H.   Karls  eigene  Diktion 
deutlich:   Die  Organisierung  in  den  Gewerkschaften  wird  von  ihr  nicht 

-  73  - 


k 


als  Weg  begriffen  zur  Forderung  der  Entwicklung  einer  fortschrittli- 
chen  Berufspraxis,  zur  Durchsetzung  von  Lohnarbeiterinteressen  etc., 
sondern  umgekehrt,  die  Interessenwahrnehmung  durch  die  Gewerkschaf- 
ten  soil   nur  als  Mittel   eingesetzt  werden.   "um  die  gewerkschaftl iche 
Orientierung  und  Organisierung  von  Sozialarbeitern  voranzubringen" 
(Karl,  S.  671).   Nicht  der  sich  im  sozialen  Konfliktfeld  mutig  enga- 
gierende  Sozialarbei ter  ist  gefragt,   sondern  das  sich  der  Organisa- 
tion unterordnende,  in  ihr  untertauchende  Mitglied,  das  sich  kritik- 
los  "einbinden"  la'Bt,  wie  es  bei   H.   Karl   selber  heiBt  (Karl,  S.662). 
Dazu  dient  letztlich  das  Leninsche  Argument:  Zwar  kommt  fur  die  So- 
zialarbeiter  (wie  letztlich  fur  alle  nicht-monopolistischen  Schich- 
ten)   keine  andere  als  die  Organisierung  rait  der  Arbeiterklasse  in 
Frage,  aber  wegen  ihrer   "Unzuverlassigkeit"  nur  eine  untergeordnete, 
eine  rait  den  durch  den  DGB  verkbrperten  "allgemeinen  Lohnarbeiterin- 
teressen" vermittelte.    (ebda.)  Nur  so  kann  die  Todsunde  wider  den 
marxistisch-leninistischen  Geist,   der  Spontaneismus  uberwunden  wer- 
den.  Diese  Fetischisierung  der  bestehenden  Gewerkschaften  raacht  das 
neu'gewonnene  Mitglied  zum  Objekt  im  Kampf  um  den  EinfluB  einer  be- 
stimmten  Richtung,  die  leisetreterisch  sogar  darauf  verzichtet, 
ihren  eigenen  Namen  zu  nennen. 

Dagegen  sind  die  am  SB  orientierten  Gruppen      sich  ihrer  Her- 
kunft  aus  der  Studentenbewegung  bewuBt  geblieben,  daB  sie  deren  zen- 
trales  Anliegen:  Aufklarung  durch  DTfentlichkeit,  vorantreiben  und 
zugleich  an  dem  wichtigsten  Ergebnis  ihres  Scheiterns  festhal.ten, 
daB  namlich  auch  der  ProzeB  der  Erkenntnis  von  objektiven  gesell- 
schaftlichen  Bedingungen  abha'ngig  ist,  von  Voraussetzungen  also, 
die  weder  durch  noch  so  aufwendige  und  gezielte  Anstrengungen  der 
Wissenschaft  noch  etwa  durch  Berufung  auf  einen  angeblich     real  en 
Sozialismus"  iiberholt  werden  kbnnen. 

Rudiger  Baron, 
Ferdinand  Dupuis, 
Rolf  Landwehr, 
Isa  Trippner 


-  74 


Fachgruppe  Sozialpadagogik,  Tubingen 

ZUR  LANDWEHR  -  WEDEKIND  -  KONTROVERSE 


VORBEMERKUNG 

Die  Fachgruppe  Sozialpadagogik  im  SozialistischenZentrum  Tubingen 
besteht  vorwiegend  aus  Diplompadagogikstudenten/innen,  die  zeitwei- 
se  im  Praktikum  stehen  bzw.  neben  dem  Studium  her  in  Projekten  mit- 
arbeiten  -  und  einem  Sozialarbei ter.  Wir  sind  auch  zum  groBten  Teil 
Mitglieder  im  SZ/SB. 

Nach  der  Diskussion  unseres  Artikels  auf  der  Redaktionskonferenz  am 
14.1.  entschlossen  wir  uns,  noch  eine  Vorbemerkung  zu  schreiben  um 
deutlich  zu  machen,  auf  welchem  Hintergrund  unsere"  Diskussion  der 
Artikel  im  Informationsdienst  Nr.  16  stattfand. 

Wir  hatten  uns  schon  vor  dem  Erscheinen  der  beiden  Artikel  mit  Fra- 
gen  der  gewerkschaftl ichen  Arbeit  von  Sozialarbeitern/Sozialpadago- 
gen  auseinandergesetzt.  Das  hat  seinen  Grund  vor  allem  darin,  daB 
wir  in  unserer  politischen  Praxis  im  Rahmen  der  Fachschaft  mit  Ten- 
denzen  konfrontiert  waren  -  sowoh.l  seitens  der  Dozenten  als  auch  bei 
Studenten  -  die  die  Organisationsfrage  fur  Diplompadagogen  nit  einem 
Berufsverband  Ibsen  wollten.  Dieser  sollte  angeblich  geeignet  sein, 
mit  der  schwierigen  Stellensituation  fertig  zu  werden^  indem  er  die 
"spezifische  Fachiichkeit"  und  "Nutzl  ichkeit"  von  Diplompadagogen 
gegenliber  den  Tragern  propagieren  sollte.  Er  sollte  quasi  die  Ehre 
eines  Berufsstandes  retten,  der  sich  noch  gar  nicht  etabliert  hatte. 

Demgegenuber  forderten  wir  ,ausgehend  von  einer  Kritik  an  der  Hierar- 
chie  im  Sozialbereich  und  der  "El  ite-Innovations-Funktion"  von  Di- 
plompadagogen,  die  Organisierung  in  der  OTV. 

Unsere  Forderung  nach  Organisierung  im  gewerkschaftl ichen  Rahmen  ist 
nun  aber  verbunden  mit  einer  inhaltl ichen  Position  zur  Gewerkschafts- 
arbeit,  wie  wir  sie  im  folgenden  Beitrag  anhand  der  Auseinander- 
setzung  mit  den  Artikeln  von  Wedekind  und  Landwehr  darstellen  wollen. 

In  unserer  Gruppe  diskutieren  wir  in  diesem  Zusammenhang  auch,  wie 
auf  dem  Hintergrund  einer  gesellschaftl ichen  Bestimmung  von  Sozial- 
arbei t  eine  "fortschrittliche"  Sozialarbei t  mdglich  ist.  Wir  ver- 
suchen  dies  zu  bestimmen  fur  die  Bereiche,  in  denen  wir  selber  Praxis- 
erfahrungen  haben  (Jugendarbeit) .  Da  wir  diese  Diskussion  beileibe 
noch  nicht  zu  Ende  gefuhrt  haben,  kbnnen  wir  in  unserem  Artikel  noch 
keine  konkreten  Aussagen  fur  bestimmte  Berufsbereiche  bringen;  d.h. 
wie  wir  in  einzelnen  Institutionen/Feldern  der  Sozialarbeit  unsere 
Gewerkschaftsstrategie  konkretisieren  bzw.  welche  padagogisch-pol i- 
tischen  Konzepte  wir  in  den  gewerkschaftlichen  Rahmen  einbringen 
wollen.  Dies  stellt  sicher  noch  einen  Mangel  unseres  Artikels  dar, 
doch  glauben  wir,  uns  auf  einer  eher  allgemeinen  Ebene  mit  den 

-  75  - 


Positioner!  von  R.L.  und  E.W.  auseinandersetzen  zu  kbnnen  und  halten 
dies  auch  fiir  notig. 

Wenn  wir  im  folgenden  unsere  Kritik  ausfiihren,  so  stent  dahinter  die 
Absicht,  bestimmte,  Liber  die  persb'nl  iche  Position  von  EW  und  RL  hin- 
ausgehende  Versuche  sozial istischer  Positionsbestimmungen  auf  dem 
Hintergrund  unserer  Diskussion  zu  kritisieren.  So  z.B.  Positionen, 
die  einseitig  die  Bestimmung  des  Sozialarbei ters  als  Lohnarbeiter 
fur  eine  mbgliche  sozial istische  Perspektive  in  den  Vordergrund 
rlicken,  wie  sie  z.B.  nicht  nur  von  DKP  (nahen)  Gruppen  auch  an  unse- 
rem  Fachbereich  vertreten  werden. 

Wir  mbchten  auch  noch  darauf  hinweisen,  daB  es  innerhalb  der  Redakti- 
onskonferenz  Kontroversen  liber  unsere  Vorstel lungen  zur  Gewerkschafts- 
arbeit  von  linken  Sozialarbeitern  gab. 


EINE  EALSCHE  ALTERNATIVE 

Wir  auBern  uns  zu  der  Kontroverse  zwischen  EW  und  RL  im  INFO  16,  da 
in  dieser  Diskussion  unserer  Meinung  nach  falsche.fiir  die  politische 
Arbeit  von  Sozial isten  im  Sozialbereich  folgenreiche  Alternativen 
aufgestell t  werden. 

Den  Hintergrund  fur  diese  Kontroverse  gibt  die  im  AF  Sozialarbeit  ge- 
laufene  und  laufende  Strategiediskussior  ab. 

In  der  Reformphase  Ende  der  60er/Anfang  der  70er  Jahre  war  es  fur  die 
Sozialisten  scheinbar  problemlos,  ihre  Politik  im  Sozialbereich  zu 
bestimmen: 

Staatlicherseits  wurden  Reformprojekte  gefbrdert  urn  dysfunktionale 
Strukturen  im  Sozialbereich  aufzuweichen;  ausgehend  von  Zielen,  wie 
sie  auch  von  der  auBerparlamentarischen  Opposition  gepragt  wurden, 
gerieten  sowohl  die  sogenannten  "Klienten"  als  auch  die  im  Sozialbe- 
reich Tatigen  in  Bewegung. 

Die  in  den  Reformmodellen  gegebenen  Handlungsspielraume  und  die  sich 
verstarkt  artikul  ierende  Basis  erbffnete  flir  die  Linke  im  Sozialbe- 
reich die  Mbglichkeit,  fortschrittl  iche  Berufspraxis  und  sozialisti- 
sche  politische  Praxis  gleichzusetzen.  Auf  der  anderen  Seite  ermog- 
lichte  diese  gesellschaftl  iche  Situation  eine  Oberschatzung/Fehlein- 
schatzung  staatlicher  Reformpol  itik  als  tendenziell  systemliberwindend. 
Darin  kam  sicher  auch  noch  die  APO-Strategie  zum  Ausdruck,  die  ein 
wesentliches  gesel  lschaftsvera'nderndes  Potential  in  den  "Randgrup- 
pen"  und  in  Krisenerscheinungen  des  Reproduktionssektors  gefunden  zu 
haben  glaubte. 

Flir  die  Genoss(inn)en  im  Sozialbereich  stellte  die  Formbestimmtheit 
der  Sozialarbeit  (als  staatliche  Lohnarbeit)  damals  anscheinend  kein 
Problem  dar;  wichtig  war  flir  sie  der  politische  Bezug  zu  den  "Klien- 
ten", der  Versuch  einer  Sozialarbeit  im  Interesse  der  Betroffenen. 

Eine  solche  Strategie  muBte  in  Schwierigkeiten  geraten,  als  sich  das 
Ende  der  Reformphase  abzeichnete. 

Mit  Beginn  der  bkonomischen  Krise,  dem  verstarkten  Einsetzen  staat- 
licher Repression  wurde  einer  solchen  Politik  die  Grundlage  entzogen: 
Die  staatliche  Finanzkrise  zwang  zur  Zurlickdra'ngung  von  Reformmodel- 
len. Neben  der  bkonomischen  Restriktion  erschien  auch  die  politische 


76 


Dynamik  mancher  Reformmodelle  (z.B.  im  Markischen  Viertel  von  "harm- 
loser  Gemeinwesenarbeit"  zu  "harten  Mieterinitiativen")  als  zu  ge- 
fahrlich.  Denn  obgleich  die  Reformen  auch  bestimmten  gesel  lschaft- 
lichen  Erfordernissen  entsprachen,  so  setzten  sie  doch  teilweise  ei- 
ne Eigendynamik  f rei ,  deren  politische  Dimension  liber  die  Integrations 
erfordernisse  weit  hinausging. 

Stellenstreichungen,  Rational isierungen,  politische  Repression  wurden 
immer  mehr  zum  All  tag  im  Sozialbereich. 

In  einer  solchen  Situation  mag  es  als  naheliegend  erscheinen,  sich 
auf  die  materiellen  Interessen  der  Sozialarbeiter  zu  besinnen,  sich 
derer  wieder  zu  erinnern,  die  auch  wa'hrend  der  Reformphase  in  "nor- 
malen  Institutionen"  arbeiteten;  d.h.  letztlich  die  Formbestimmtheit 
der  Sozialarbeit  zum  Ausgangspunkt  der  politischen  Strategie  zu 
machen. 

Mit  dieser  Wende  zum  Selbstverstandnis  als  bloBer  Lohnarbeiter  ist 
fur  uns  die  Gefahr  standischer  Interessenvertretung  gegeben. "Stan- 
disch"  deswegen,  da  die  Bestimmung  von  Sozialarbeit  als  Lohnarbeit 
zu   kurz  greift:  Lohnarbeit  ist  nicht  gleich  Lohnarbeit.  Sie  rauB  unter- 
schieden  werden  nach  ihrer  jeweiligen  Stellung  zum  ProduktionsprozeB 
des  Kapitals.  Und  Sozialarbeit  als  staatliche  Lohnarbeit  reprodu- 
ziert  das  Kapitalverhal tnis  eben  nicht  unmittelbar,  sondern  ist  un- 
produktive  Arbeit;  diese  entscheidende  Differenz  zum  Bereich  der  pro- 
duktiven  Arbeit  (im  kapitalistischen  Sinne)  kann  nicht  einfacb  u'ber- 
gangen  werden.  Eine  Vereinheitlichung  mit  der  Arbeiterklasse  liber 
materielle  Interessensvertretung  von  Sozialarbeitern  la'Bt  sich  v. a. 
deswegen  nicht  herstellen,  da  die  Vertretung  sozialarbeiterischer  Be- 
rufsinteressen  sich  positiv  auf  die  gesellschaftl iche  Funktion  der 
Sozialarbeit  bezieht  (Kontroll-  und  Integrationsfunktion  auch  gegen- 
Uber  Teilen  der  Arbeiterklasse).  Es  besteht  also  die  Gefahr,  die  Be- 
sonderheit  des  "Arbei tsgegenstandes"  der  Sozialarbeit  aus  den  Augen 
zu  verlieren. 

Dies  ist  unserer  Meinung  nach  bei  dem  Genossen  RL  der  Fall.  Die  we- 
sentliche  Bestimmung  der  Sozialarbeit  ist  flir  inn  die  Kategorie  der 
Lohnarbeit,  was  zur  Konsequenz  hat,  das  politische  Schwergewicht  auf 
die  Interessenvertretung  im  Rahmen  der  Gewerkschaften  zu  legen.  Das 
erscheint  uns  bei  RL  als  besonders  verwunderl ich,  da  er  doch  die  gar- 
ze  Zeit  auf  die  Kontroll funktion  der  Sozialarbeit  abhebt.  Wo  bleibt 
da  der  sozialistische  Anspruch  des  Genossen  RL;  denn  die  Interessen- 
vertretung ist  ein  positiver  Bezug  auf  die  gesel 1 schaftl iche  Funktion 
des  Sozial arbei ters. 

EW  dagegen  sieht  die  Gefahren  dieser  Wende  zum  Versta'ndnis  von  Sozial- 
arbeit als  bloBe  Lohnarbeit,  macht  aber  den  Fehler,  daB  er  den  "Ge- 
brauchswert"  der  Sozialarbeit  als  vor  allem  positiv  flir  das  "Klientel" 
begreift.  ("Sozial isationsarbeit  in  der  Arbeiterklasse").  Von  daher 
kommt  er  auch  zu  der  Einschatzung,  daB  Interessenvertretung  von 
Sozialarbeitern  und  padagogisch-pol  itische  Anspriiche  notwendig  mit- 
einander  kollidieren. 

Unserer  Meinung  nach  sind  die  Alternativen,  wie  sie  sich  so  darstel- 
len,  falsch.  Flir  uns  mlissen  beide  Seiten  -  Formbestimmtheit  der  So- 
zialarbeit als  staatliche  Lohnarbeit  -  und  die  stoff  1  iche  Seite,  d.h. 
Funktion  der  Sozialarbeit,  Besonderheit  des  "Arbeitsgegenstandes"  - 
in  die  Strategiebestimmung  eingehen. 


EW  versucht  in  seinem  Artikel,  die  "Nahtstelle  zwischen  b'konomischer 
Interessenvertretung  und  politisch  -padagogisch  -inhaltl  ichen  Ziel- 
en"  zu  bearbeiten.  Voraussetzung  dazu  ist,  daB  eine  Kritik  an  der 
herrschenden  Sozialarbeit  formuliert  worden  ist,  denn  erst  auf  die- 
ser  Grundlage  konnen  "Interessenvertretung"  und  "politisch  -padago- 
qische  Ziele"  zueinander  in  Widerspruch  treten.  Ohne  diese  Kritik 
fiihrt  das  hbchstens  zu  einem  "schlechten  Gewissen"  bzw.  subjektivem 

Unbehagen.  jn       .  .  .  .   . 

Diese  Kritik  ist  bei  EW  allerdings  mcht  grundlegend  geleistet,  da 
er  die  Funktion  von  Sozialarbeit  von'  vornherein  als  "Sozial isations 
arbeit  in  der  Arbeiterklasse"  versteht.  Er  iibersieht,  daB  Sozial- 
arbeit als  gesellschaftlich  bestimmte  geleistet  wird,  also  immer 
auch  Kontroll-  und  Integrationsfunktion  beinhaltet.  Die  Sozialarbeit, 
die  W  sich  vorstellt,  ist  auch  von  bkonomischen  und  politiscnen 
Faktoren  -  vermittelt  liber  staatliche  Eingriffe  1m  Sozial bereich- 
bestimmt;  fur  die  Sozialisationsarbeit  sind  bestimmte  Zielvorstel- 
lungen  bei  den  Tragern  der  Sozialarbeit,  beim  Gesetzgeber  vorhanden, 
finanzielle  Einschrankungen  etc.  gehen  auch  an  diesem  gesellscnatt- 
lichem  Bereich  nicht  vorbei. 

Zum  anderen  hat  es  Sozialarbeit  nicht  mit  "der"  Arbeiterklasse  zu 
tun,  sondern  je  nach  Tatigkeifebereich  mit  bestimmten  Schichten  der 
Arbeiterklasse  bzw.  mit  Menschen,  die  keine  Moglichkeit  mehr  oder 
noch  nicht)  haben,  ihre  Arbeitskraft  zum  Verkauf  anzubieten  Von  da- 
her  relativiert  sich  auch  der  Anspruch,daB  das  sog.  K'ient.e' 
der  Sozialarbeit  die  "breitesten  Lbsungen"  fur  die  dringend  ten 
Schwierigkeiten,  in  denen  die  menschliche  Gesellschaft  steckt  (vgl . 
S.  56)  bereithalt;  damit  relativiert  sich  auch  die  vermeintl  iche 
polit  sche  EinfluBmbglichkeit  des  Sozial ar belters ;  in  seiner  Berufs- 
tatigkeit.  Vielleicht  erklart  das  auch,  wie  EW  "uber  eine  kritische 
Auseinandersetzung  mit  den  Inhalten  (seiner)  Tatigkeit  und  der  « 
genen  erfahrungsbezogenen  sinnl  ichen  und  materiel len  Betroffenheit 
im  All  tag"  einen   "praktischen  Bezug  zu  den  Interessen  und  Proble- 
men  der  Arbeiterklasse  und  "den  iibrigen  Lohnabhangigen  herstellt. 

Unserer  Meinung  nach  sind  aber  die  sinnl iche  und  materielle  Betrof- 
fenheit des  Sozialarbeiters  und  die  des  Klientels  auf  unterschied- 
1 ichen  Ebenen  angesiedelt:  DaB  ein  Sozialarbeiter  in  seiner  beruf- 
1  ichen  Funktion  mit  dem  materiellen  und  psychischen  Elend  seiner 
"Klienten"  massiv  konfrontiert  ist,  heilit  noch  lange  mcht,  daB  die 
Betroffenheit  die  gleiche  ist.  Die  "Klienten"  sind  existentiell  be- 
droht  in  ihrer  Lage  und  den  staatl ichen  "BemUhungen  erstmal  unter- 
worfen.  Die  Betroffenheit  des  linken  Sozialarbeiters  in  der  Beruts- 
situation  liegt  v. a.  darin,  daB  er  urn  die  gesellschaftl ichen  Umstan- 
de  weiB,  die  die  Lage  der  "Klienten"  produzieren,  und  im  Wissen,  clali 
seine  BemUhungen  gesellschaftl ichen  Grenzen  unterliegen. 
Zum  anderen  kann  die  Barriere  der  unterschiedl  ichen  Betroffenheit 
nicht  voluntaristisch  ubersprungen  werden  und  berufliche  (Repro- 
duktions-)  Interessen  in  ihrem  Unterschied  zu  den  Betroffeneninteres- 
sen  nicht  verschwiegen  werden.  Diese  unterschiedl iche  Interessens- 
lage  und  Betroffenheit  auch  im  Umgang  mit  dem  "Klientel"  deutlich  zu 
machen,  erscheint  uns  wichtig  und  richtig.  Unterschiedl iche  Interes- 
sen wegleugnen  zu  wollen,  ist  fatal. 

An  anderer  Stelle  seines  Artikels  (S.  56)  sieht  EW,  welche  Gefahren 


78 


in  einer  einseitigen  Auflbsung  der  Bestimmung  der  Sozialarbeiter- 
tatigkeit  liegen  (nur  Lohnerzieherverstandnis  fu'hrt  zur  Gleichgultig- 
keit;  nur  inhaltl iche  Seite  zu  beachten  zu  karitativem  Oberengage- 
ment);  er  sieht  auch,  daB  "Hilfe"  immer  gleich  "Gewalt"  bedeutet. 
Dies  erscheint  uns  aber  unvereinbar  mit  den  Konsequenzen,  die  er  mit 
der  "einbindenden  Betroffenheit"  zieht.  Damit  scheint  er  doch  Ver- 
tretung  von  Reproduktionsinteressen  hinter  die  "sol idarische  Betrof- 
fenheit" zu  stellen  (was  iibrigens  wieder  unterstellt,  daB  die  sozial- 
arbeiterische  Tatigkeit  wirklich  "im  Dienste  der  Betroffenen"  stlinde). 
Das  damit  verbundene  "schlechte  Gewissen"  driickt  sich  auch  in  den 
beiden  Beispielen  EW's  aus,  wo  angesichts  der  Interessen  der  Betrof- 
fenen Zweifel  an  der  Legitimitat  der  eigenen  Interessensdurchsetzung 
aufkommx. 

EW  meint,  Reproduktionsinteressen  zuriickstellen  zu  mu'ssen,  weil  sie 
die  Interessen  der  Betroffenen  und  die  "Niitzl  ichkeit"  der  Arbeit  flir 
sie  beeintrachtigen.  Fur  uns  wurde  EW's  Position  an  dieser  Stelle  nie 
ganz  eindeutig,  jedoch  lassen  sich  an  seiner  Argumentation  auch  Ten- 
denzen  ausmachen,  wie  wir  sie  hier  ausgefiihrt  haben.  Bisweilen  schei- 
nen  uns  allerdings  seine  theoretischen  Bestimnungen  (z.B.  S.  56)  und 
seine  Folgerungen  fiir  die  pol  itisch-padagogische  Praxis  (darauf  be- 
zieht  sich  unsere  Kritik  im  wesentl ichen)  in  Widerspruch  zueinander 
zu  stehen. 

Wir  dagegen  meinen,  daB  die  Vertretung  von  Reproduktionsinteres-sen 
(gegen  Arbeitsuberlastung,  Stel lenstreichungen,  Rational isierungen 
z.B.)  notwendig  ist,  damit  ein  "niitzl  icher  Charakter"  der  Arbeit 
uberhaupt  gewahrleistet  ist.  Und  zwar  "niitzl  ich"  nicht  im  Sinne  der 
herrschenden  Sozialarbeit,  sondern  auf  der  Grundlage  einer  Kritik  an 
ihr;  d.h.  es  gilt  in  der  Interessensvertretung  pol itisch-padagogi- 
sche Konzepte  als  Alternative  zur  bestehenden  Sozialarbeit  durchzu- 
setzen.  Wir  m'ussen  uns  allerdings  klar  daru'ber  sein,  daB  derartige 
Konzepte  (zu  den  Kriterien  dazu  siehe  unten)  nicht  "die  revolutiona- 
re  Perspektive"  darstellen,  sondern  in  sich  widerspruchl ich  bleiben. 
Der  gesellschaftl iche  Rahmen  bleibt  weiter  bestehen  ebenso  wie  da- 
durch  die  Unterschiede  in  der  Lage  der  Sozialarbeiter  und  der  "Klien- 
ten" nicht  aufgehoben  sind. 

Mit  den  Konsequenzen,  die  W.  fur  eine  Gewerkschaftsarbeit  zieht, 
konnen  wir  im  AnschluB  an  das  eben  gesagte  weitgehend  ubereinstim- 
men.  Flir  uns  ist  es  ebenso  notwendig,  daB  gewerkschaftl iche  Forderun- 
gen  sich  nicht  nur  auf  Lohninteressen  und  Arbeitsbedingungen  be- 
schranken,  sondern  daB  pol itisch-padagogische  Konzepte  einbezogen 
werden. 

Wie  wir  schon  eingangs  sagten,  sind  bei  RL  die  Mbgl ichkeiten  sozial i- 
stischer  Politik  einseitig  uber  die  Formbestimmung  von  Sozialarbeit 
als  Lohnarbeit  hergeleitet.  Dabei  geht  ihm  das  von  EW  angesprochene 
Problem  der  "Besonderheit  des  Arbeitsgegenstandes"  verloren.bzw.  er 
bestreitet,  daB  sich  die  Praxis  von  sozial istischen  Sozialarbeitern 
uberhaupt  von  der  "normal er  Sozialarbeiter"  fur  die  "Klienten"  wahr- 
nehmbar  unterscheiden  kbnnte. 

RL  tut  so,  als  ob  sich  die  "objektive  Funktion"  der  Sozialarbeit 
(Kontrolle,  Integration)  widerspruchslos  in  der  beruflichen  Praxis 
durchsetzt,  d.h.  daB  eine  subjektive  (kollektive)  EinfluBnahme  ausge- 
schlossen  ware.  Von  daher  wird  die  Unterscheidung  von  sozial istischen 


79  - 


Sozialarbeitern  und  "normalen  Sozialarbeitern"  bei  ihm  zu  einer  Un- 
terscheidung  des  BewuBtseins: 

"Eine  Differenz  ist  fur  den  Betroffenen  nicht  bemerkbar,  weil  es 
sich  (...)  urn  eine  Differenz  des  BewuBtseins  handelt". (S.  62) 
Abgesehen  davon,  daB  dies  eine  sehr  bequeme  Einstellung,  ist  flir  uns 
diese  These  unhaltbar!  BewuBtsein  -  zumal  sozial istisches  -  kann 
nicht  einfach  auf  einer  theoretischen  Ebene  oder  der  sogenannten 
politischen  Sphare  verweilen,  sondern  ist  konstituierendes  Moment 
einer  jeglichen,  auch  der  beruflichen  Praxis. 

Wir  wollen  hier  nicht  den  Illusionen  das  Wort  reden,  als  sei  eine 
bestimmte  berufliche  Praxis  und  sozial istische  Praxis  identisch.Doch 
gerade  von  einem  sozial  istischen  BewuBtsein  aus,  muB  man  sich  u'ber 
die  politische  Dimension  auch  beruflicher  Praxis  klar  sein.  Fiir  uns 
heiBt  das,  daB  wir  unserkonkretes  Verhalten  in  der  Sozialarbeit,  z.B. 
welche  "Methoden"  wir  anwenden,  iiberpriifen  mussen  anhand  unserer 
politischen  Perspektive.  (Auf  Therapiemethoden  bezogen  heiBt  das  z.B. 
zu  fragen,  welches  Lernkonzept  hinter  einer  bestimmten  Methode  steckt: 
ein  Lernkonzept,  das  die.  Betroffenen  als  Objekt  manipuliert  oder  ein 
Lernkonzept,  das  den  Subjekten  die  produktive  Aufarbeitung  lhrer  Ge- 
schichte  ermb'glicht!) 


einen  Seite 
n  la'Bt,  auf 

daB  un- 
nem  quali- 
gegenuber 
n  ist,  was 
nn  er  bietet 
tel"  an,  die 
t"  der 
nis  zu  den 


RL  widerspricht  sich  allerdings  selber,  wenn  er  auf  der 
den  Unterschied  zu  einer  Differenz  des  BewuBtseins  werde 
der  anderen  Seite  es  aber  fiir  ihn  selbstwerstandl  ich  ist 
ser  eigenes  Interesse  an  politischer  Iderttitat  uns  zu  ei 
tativ  anderem  Verhalten  ihnen  (den  "Klienten"  d.  Verf.) 
veranlaBt"  (S.  64),  wobei  uns  wirklich  nicht  klargeworde 
bei  RL  dieses  "qualitativ  andere  Verhalten"  ausmacht.  De 
auch  keine  Alternative  im  Verhalten  gegen'u'ber  dem  Klien 
die  zutreffend  festgestellte  "vampirma'Sige  Angewiesenhei 
Sozialarbeit  auf  die  Fa'higkeit,  ein  persbnliches  Verhalt 
Betroffenen  einzugehen,  Liberwindet. 

Die  Mbglichkeit,  die  angesprochene  politische  Dimension  der  beruf- 
lichen Praxis  "im  sozial istischen  Sinne"  wirksam  werden  zu  lassen, 
muB  sicherlich  nach  einzelnen  Arbeitsbereichen  der  Sozialarbeit  dif- 
ferenziert  werden.  Es  unterscheiden  sich  da  Bereiche  wie  Offene 
Jugendarbeit,  Heimerziehung  und  Sozialamt  voneinander;  sowohl  in 
ihrer"Nahe"  zum  "Klienten"  wie  auch  in  ihrer  institutionellen  Kon- 
trolliertheit,  und  damit  zusammenhangend  in  den  Spielraumen  fiir  das, 
was  fortschrittliche  Praxis  in  der  Sozialarbeit  sein  kann. 
Uns  erscheint  es  als  deutlich,  daB  die  unterschiedl ichen  strategi- 
schen  Konseguenzen  von  RL  und  EW  von  den  unterschiedl ichen  Arbeits- 
erfahrungen  in  unterschiedl ich  strukturierten  Bereichen  der  Sozial- 
arbeit abhangen,  die  nicht  einfach  unter  den  Tisch  diskutiert  wer- 
den kbnnen.  Das  heiBt  auch,  daB  eine  Strategiebestimmung  diese  lo- 
kalen,  institutionellen,  politischen  Besonderheiten  berucksichtigen 

muB. 

Eindeutigere  Aussagen  macht  RL  hingegen  bei  seiner  Feststellungen 

zur  bkonotnischen  Interessenvertretung. 

Unbestritten  ist  auch  fiir  uns  die  Notwendigkeit  der  Vertretung 

materieller  Interessen  zur  Sicherung  der  Reproduktion  der  eigenen 

Arbeitskraft  (ein  Aspekt  der  von  vielen  Sozialarbeitern  wegen  ihres 

karitativen  BewuBtseins  vernachla'ssigt  wird). 

-  80  - 


SB-BroschUrenreihe  "I 1nks-reprint" 

Heft  1  *  November  1977  *  Prei$  fiinf  Mark 


i. 


Allerdings  wird  es  fur  uns  da  politisch  gefahrlich,  wo  bkonomische 
Interessen  unabhangig  von  fortschrittl ichen  pol itisch-padagogischen 
Konzepten  vertreten  werden.  Denn  dadurch  kann  der  Okonomismus  der 
Gewerkschaften  nur  fortgeschrieben  werden.  . 

Auflerdem  hat  eine  traditionelle  gewerkschaftl iche  Orientierung  bei 
Sozialarbeitern  wohl   eher  etwas  mit  standi scher  Interessensvertre- 
tung   (s  o       zu  tun,  als  daB  sie  einen  sozial istischen  Charakter  hat. 
Es  kann  also  gar  nicht  darum  gehen,   "blirgerliche  Sozialarbeitsideo- 
logie  mit  menschelndem  Pathos"   (S.  64)  zu  reproduzieren,  sondern  da- 
rum,  auf  gewerkschaftl ich-organisierter  und  politischer  Ebene  Forde- 
rungen  nach  einer  Sozialarbeit  vorzutragen,  die  den  Kntenen  unser- 
er  politischen  Perspektive  am  ehesten  geniigt. 
Dabei   kann  die  sozialistische  Praxis  von  Sozial arbentern  dennoch 
nicht  stehenbleiben:  selbst  die  Durchsetzung  derartiger  Forderungen 
sprengt  den  gesellschaftl ichen  burger! ichen  Bezugsrahmen  der  Soz!al- 
arbeit  noch  nicht.    (Nicht  nur)  aus  diesem  Grund  heraus  haben  manche 
von  uns  die  Konsequenz  der  politischen  Organisierung  im  SB  gezogen. 


Edgar  Weick,  Frankfurt 

BERTHOLD  SIMONSOHN  ZUM  GEDENKEN 


FALKEN  -  BILDUNGS-  UND  FREIZEITWERK  WATTENSCHEID 
SUCHT  MITARBEITER 


m 


Die  Jugendlichen  und  das  Mitarbeiterteam  eines  im  Aufbau  befind- 

1 ichen  Jugendheims 

"  Haus  der  offenen  TUr" 

sucht  zum  1.  April  1978  oder  spater 
sozial padagogische  Fachkrafte:  Sozialarbeiter(in)  oder 

Sozial padagogen  (in) 

Schwerpunkte  des  Aufgabengebietes  ist  die  Arbeit  mit  Jugend- 
lichen -  vorrangig  Lehrlinge  und  Jungarbeiter. 
Die  Ta'tigkeit  erfordert  Einflihlungsvermbgen  in  die  Probleme 
Jugendlicher  und  Experiment! erf reudigkeit. 
Kenntnisse  im  musisch-kreativen  Bereich  waren  gut. 

Wir  erproben  mit  den  Jugendlichen  gemeinsam  ein  Mitbestimmungs- 
modell.  Unsere  Arbeit  sehen  wir  politisch. 

Geboten  wird:  Vergutung  nach  BAT 

12  Tage  bezahlter  Bildungsurlaub 
Bewerbungen  bitte  an: 

Falken  -  Bildungs-  und  Freizeitwerk,  Wattenscheid  e.V. 
Schulstr.  16,  463  Bochum  6 


Berthold  Simonsohn  ist  am  8.  Januar  1978  in  Frankfurt  gestorben.  Er 
war  unter  der  jiingeren  Generation  der  Linken  nur  wenigen  bekannt.ob- 
wohl  er  zu  jenen  Genossinnen  und  Genossen  gehbrte,  die  1961  mit  der 
Unterstiitzung  des  SDS  durch  die  "Sozialistische  Fbrderergesel  lschaft" 
der  existentiellen  Bedrohung  junger  Intel lektueller  durch  den  Partei- 
vorstand  der  SPD  entgegentrat.  Der  SPD-Parteivorstand  hatte  am  6.11. 
1961  nach  vergebl ichen  Anstrengungen,  den  SDS  durch  eine  Spaltung  zu 
zerschlagen,  beschlossen,  daB  eine  Mitgliedschaft  im  SDS  und  in  der 
"Sozialistischen  Fbrderergesel lschaft"  mit  einer  Mitgliedschaft  in 
der  SPD  unvereinbar  sei.  Die  SPD  hatte  nach  der  Verabschiedung  des 
Godesberger  Programms  1959  mit  den  sozialistischen  Intel lektuellen 
gebrochen,  die  die  Preisgabe  sozialistischer  Ziele  kritisierten  und 
sich  der  ihnen  zugemuteten  Unterwerfung  widersetzten. 

Berthold  Simonsohn  gehbrte  zu  der  kleinen  Gruppe  sozialistischer 
Intellektueller,  Hochschullehrer  und  Gewerkschafter  um  Wolfgang 
Abendroth,  Ossip  Flechtheim,  Heinz  Brakemeier,  Fritz  Lamm  und  seinem 
inzwischen  ebenfalls  verstorbenen  Freund  Heinz-Joachim  Heydorn,  die 
mit  der  Unterstiitzung  des  SDS  zur  Kontinuitat  marxistischen  Denkens 
und  zur  historischen  Kontinuitat  der  Linken  in  der  BRD  beigetragen 
haben.  Er  hat  politische  Erfahrungen  aus  dem  Untergang  der  Weimarer 
Republik  und  seine  leidvollen  Erfahrungen  mit  dem  Faschismus  ver- 
mittelt  wo  immer  ihm  seine  Funktion  in  der  sozialistischen  Jugend- 
arbeit,  der  Sozialarbeit,  der  Sozial padagogik,  der  Jugendhilfe  und 
seine  Arbeit  als  Professor  an  der  Universitat  Frankfurt  die  Mbglich- 
keit  gaben. 

Hit  Heinz-Joachim  Heydorn,  Gemot  Koneffke  und  Heinz  Brakemeier  u.a. 
gehbrte  Berthold  Simonsohn  in  den  funfziger  Jahren  dem  wissenschaft- 
1 ichen  Beirat  der  Sozialistischen  Jugend  "Die  Falken"  an,  der  auf 
Initiative  von  Lorenz  Knorr  zustandelcam   und  die  Aufgabe  hatte, die 
sozialistische  Erziehung  in  dieser  Jugendorganisation  zu  unter- 
stiitzen.  In  der  Zeitschrift  "Junge  Gemeinschaft"  verbffentl  ichte  da- 
nials  Berthold  Simonsohn  wichtige  Beitrage  zur  politischen  Bildung 
und  iiber  Probleme  der  sozialistischen  Erziehung. 

Ober  zwanzig  Jahre  war  er  in  verschiedenen  Funktionen  Mitarbeiter 
der  Arbeiterwohlfahrt.  Seine  politische  Oberzeugung  fand  immer  in 
konkreter  praktiscner  Ta'tigkeit  seinen  Ausdruck  -  und  sie  sollte  ihn 
auch  dort  noch  finden,  wo  Probleme  und  Bedingungen  einen  Sozial isten 
in  besonderer  Weise  herausfordern:  in  der  Humanisierung  des  Straf- 
vollzugs  und  in  der  Rehabilitation  von  jugendlichen  Strafgefangenen. 

Mit  der  SPD  hatte  Berthold  Simonsohn  seine  Erfahrungen  schon  als 
Abiturient  in  Bernburg  gemacht.  Das  Angebot,  sein  Abitur  schon  ein 

-  83  - 


halbes  Jahr  friiher  ablegen  zu  diirfen,  wurde  auf 
deutschnationalen  Vorsitzenden  des  Elternbeirat 
kratischen  Schuldirektor  zuru'ckgenommen,  weil  d 
aufsatzes  tiber  Wilhelm  II.  AnstoB  erregte.  Al  s 
Berthold  Simonsohn  in  Leipzig  und  Halle  dem  Soz 
tenbund  an  und  trat  1931  von  der  SPD  zur  SAP  Lib 
des  Faschismus  widmete  er  sich  vol!  und  ganz  de 
arbeit.  Nach  der  "Kristallnacht"  am  9.  November 
Simonsohn  verhaftet  und  kam  auf  einige  Wochen  i 
hausen.  Von  1942  bis  Kriegsende  schleppten  ihn 
Konzentrationslager  Theresienstadt,  Auschwitz  u 
Folgen  der  KZ-Haft  hat  er  bis  zu  seinem  Tode  ge 


Veranlassung  einer 
s  von  dem  sozialdemo- 
er  Inhalt  des  Abitur- 
Student  schloB  sich 
ial istischen  Studen- 
er.    In  den  Jahren 
r  jlidischen  Sozial- 

1938  wurde  Berthold 
n  das  KZ  Sachsen- 
die  Nazis  durch  die 
nd  Dachau.  An  den 
1 itten. 


SOZIALARBEITER  IM  STREIK  - 
JUGENDLICHE  KAMPFEN  UM  IHR  JUGENDHAUS 


Die  Erfahrungen  des  Faschismus  haben  Berthold  Simonsohn  in  seiner 
politischen  Oberzeugung  nicht  erschu'ttert.   Er  blieb  der  Sozialist, 
der  er  von  seiner  Jugend  an  war.   Dies  bezeugen  seine  Freunde,  die 
ihn  in  der  jlidischen  Sozialarbeit  und  Wohlfahrtpflege  kennenlernten. 
Dies  konnten  Studenten  und  Mitarbeiter  an  der  Universitat  Frankfurt 
auch  in  Situationen  erfahren,   in  denen  heute  oft  die  politische 
Moral  dem  Opportunismus  geopfert  wird.  • 


61)  , 

DM 

25 

72), 

DM 

3o 

83), 

DM 

3o 

Der   Jahrgang    1977   von    "links"    (Nummern   84    -    94)    liegt 
gebunden   vor.    Die   gebundene  Jahresausgabe   kostet   DM   3o. 
Die   Preise   sind   Selbstkosten,    also  Herstellungskosten 
der   Zeitungen,    Bindekosten    (stabiler   Karton  mit   Leinen- 
rficken)    und  Versandkosten . 

Erhaitlich   sind   zur   Zeit   aufierdem  noch    folgende   fruhe- 
ren   gebundenen  Ausgaben: 

Jahrgang    1974    (enthait   die   Nummern   51 

Jahrgang    1975    (enthait   die   Nummern   62 

Jahrgang    1976    (enthait  die  Nummern   73 

Die   Lieferung   erfolgt   ausschlieBlich   liber   unseren   Verlag 

2ooo    (also  kein   Buchhandelsvertrieb)    gegen   Vorauszahlung 

des   Preises    (Verrechnungsscheck   beifiigen  oder  Bestellung 

gegen  Vorausrechnung) . 

Eine   Zusammenstellung  wichtiger  Beitrage   aus    "links" 
(begrenzte   Auswahl) ,    von    1969   bis    1973,    ist   als   Fischer 
Taschenbuch  erschienen.    Das   Taschenbuch    "Fur 'eine   neue 
sozialistische   Linke   -  Analysen,    Strategien,    Modelle" 
ist   im  Buchhandel    zu   haben,    kann   aber   auch  Uber   unseren 
Verlag   2ooo  bezogen  werden    (bei   Bestellung   DM   5 . 8o   in 
Briefmarken  oder   als   Verrechnungsscheck  beilegen) . 

Verlag  2ooo  GmbH,    Postfach   591,    6o5o   Offenbach    4 


Seit  Montag,  16.1.  ^treiken  die  Sozialarbeiter  der  Arbeitsgemein- 
schaft  Jugend-  und  Sozialarbeit  am  Frankfurter  Berg,   einem  BGB-Verein, 
dessen  Trager  der  Internationale  Bund  flir  Sozialarbeit  Jugendsozial- 
werk  e.V.    (Trager  von  der  Zingelswiese)  und  der  ev.   Regionalverband 
sind. 

Der  Frankfurter  Berg  ist  eine  Hochhaussiedlung  im  Norden  Frankfurts. 
Sie  wird  begrenzt  von  einem  Autobahnzubringer,  Amikasernen  und  dem 
Bonameser  Mil itarflughafen.   Fur  die  4.000  Bewohner  gibt  es  in  diesem 
Stadtteil   auBer  einem  kleinen  Einkaufszentrum  und  einer  Kneipe  keine 
anderen  Freizeitmbgl ichkeiten.   Schon  im  Marz  1975  stellte  der  stell- 
vertretende  SPD-Fraktionsvorsitzende  Erwin  Schbppner  fest: 
"Diese  Hochhaussiedlung  ist  fiir  mich  die  schlimmste  Demonstration, 
wie  man  es  nicht  machen  sollte."  Auch  der  Magistrat  bezeichnete  im 
August  1977  die  raumli'chen  Bedingungen  flir  die  Kinder-  und  Jugend- 
arbeit  als   "vbllig  unzureichend. "  Deshalb  sei   als  nachstes  der  Bau 
des  Jugendhauses  vorgesehen.  Von  1972  an  wurde  die  Siedlung  in  den 
Akten  des  Bauamtes  als   "Sozialer  Brennpunkt"  geflihrt,  was  heiBt,  vbl- 
lig manqelhafte  Infrastruktur  und  keine  ausreichende  soziale  Versor- 
gung.   Von  dem  Begriff  "sozialer  Brennpunkt"  hat  man  in  Frankfurt 
Ubrigens  Abschied  genommen  und  das  Etikett  gewechselt.    Es  heiBt  jetzt: 
"Wohnbereiche  mit  mangel nder  Infrastruktur." 

Und  genau  urn  diese  Infrastruktur  gent  es,   nachdem  sich  trotz  aller 
Versprechungen  und  scheinbarem  ProblembewuBtsein  der  zustandigen  Stel- 
len  fiir  die  1109  Kinder  und  Jugendlichen  unter  18  Jahren  nichts  ge- 
tan  hat,  obwohl    in  der  Statistik  nachzulesen  ist,  daB  im  Vergleich 
zur  Gesamtstadt  Liberproportional    Kinder  und  Jugendliche,  Arbeiter 
und  kleine  Angestellte,   Senioren   (der  neue  Film  von  Rosa  von  Praun- 
heim  "Der  24.    Stock"  handelt  von  den  Alten  in  der  Siedlung)    in  der 
Bevbl kerung  vertreten  sind. 


Schon  seit  8  Jahren  werd 
dem  schon  oft  versproche 
Uberbrlickten  den  Zustand 
durch  absurde  und  vbllig 
Baracke,  die  bis  dahin  h 
genutzt  wurde,  schlieBen 
Jugendlichen,  keinen  Tre 
Sozialarbeiter,  daB  sie 
arbeit  kam  fast  vbllig  z 


en  die  Jugendlichen  und  Sozialarbeiter  mit 
■nen  Jugendhaus  hingehalten.   Provisorien 
zeitweilig.   Nachdem  das  Liegenschaftsamt 
unerfullbare  Auflagen  im  Frlihjahr  1976  die 
ilfsweise  als  Jugendclub  und  fur  Kinderarbeit 
lieB,  bedeutete  diese  Situation  flir  die 
ffpunkt  auBer  der  Kneipe  zu  haben,  fiir  die 
"auf  der  StraBe"  arbeiten  muBten.    Die  Kinder- 
urn  Erliegen. 


Im  Oktober  1976  erhielten  sie  dann  eine  kleine  Zweizimmerwohnung  fur 
Beratung  und  als  Btiro.    Illeqitim  verantworteten  die  Sozialarbeiter 
die  Nutzung  als  Jugendhausersatz,  weil   diese  Arbeit  in  diesem  sozia- 

-  85  - 


len  Brennpunkt  unverzichtbar  ist  und  die  Jugendl ichen  darauf  drang- 
ten.  DaB  diese  Situation  bei  solch  raumlicher  Enge  auf  Dauer  aller- 
dings  untragbar  ist,  war  sowohl  den  Sozialarbeitern  als  auch  den 
Jugendl ichen  klar. 

Wahrend  der  letzten  2  Jahre  schien  sich  dann  einiges  zu  tun:  der  Bau 
des  Jugendhauses  wurde  des  bfteren  fest  zugesagt,  Planungen  wurden 
eingeleitet  und  die  Betroffenen  vom  Frankfurter  Berg  begannen  schon, 
den  Versprechungen  Glauben  zu  schenken.  Inzwischen  gehen  allerdings 
schon  wieder  2  Jahre  ins  Land  und  auBer  schonen  Worten  und  unklaren 
Versprechungen  ist  nichts  zu  sehen: 

WIR  VERLANGEN  DIE  SOFORTIGE  ZUSAGE  DES  MAG1STRATS,  DASS  MIT  DEM  BAU 
DES  JUGENDHAUSES  BIS  MflRZ  78  BEGONNEN  WIRD. 

Wahrend  ihrer  Arbeit  am  Frankfurter  Berg  hatten  die  Betroffenen  oft- 
mals  erfahren,  was  es  heiBt,  in  einem  sozialen  Brennpunkt  mit  vollig 
unzureichender  Infrastruktur  zu  arbeiten.  Nachem  die  Baracke  geschlos- 
sen  war,  kam  die  Kinderarbeit  fast  vollig  zum  Erliegen.  Aus  diesem 
Grund  hat  sich  in  Zusammenarbeit  mit  einer  Elterrinitiative  ergeben, 
daB  nach  Gespra'chen  mit  der  Neuen  Heimat,  dem  Bautrager  der  Sied- 
lung,  und  Vertretern  der  Stadt  ein  Antrag  auf  Errichtung  einer  Spiel  - 
stube  in  einer  schal 1-isol ierten  Vierzimmerwohnung  eingereicht  wurde. 
Die  Stadt  hatte  eine  Erweiterung  des  geplanten  Jugendhauses  urn  Raume 
fur  Kinderarbeit  abgelehnt.  Nun  aber  jtb'Bt  auch  der  jetzige  Kompro- 
miBvorschlag  -  wie  das  Verhalten  von  Faller,  dem  Leiter  des  Jugend- 
amtes  beweist  -  auf  keine  Unterstlitzung.  Auf  grund  der  langja'hrigen 
Verschleppung  des  Jugendhauses  und  der  Erfahrungen  damit 


FORDERN  WIR 
WIRD! 


DASS  DIE  ERRICHTUNG  DER  SPIELSTUBE  SOF0RT- EINGELEITET 


Seit  1.1.78  soil  nun  als  Krbnung  der  ganzen  Misere  am  Frankfurter 
Berg  die  dritte  Sozialarbeiterstelle  (ein  Mitarbeiter  hatte  gekun- 
digt)  der  Arbeitsgemeinschaf t  "eingefroren"  werden,  d.h.,  daB  die 
Sozialarbeiter  unter  den  augenblickl ichen  schwierigen  Bedingungen 
eine  Stelle  gestrichen  bekommen,  obwohl  die  Gelder  daf'ur  vorhanden 
sind.  Die  lacherliche  Begrundung  der  Gesellschafter  (Trager)  fur 
diese  MaBnahme,  "daB  damit  Druck  auf  die  Stadt  ausgeiibt  werden  soil  , 
flihrt  sich  selbst  ad  absurdum,  denn  die  einzigen,  auf  die  damit  Druck 
ausgeiibt  wird,  sind  die  Jugendlichen  und  die  Sozialarbeiter.  Eine 
Einschrankung  der  Arbeit  oder  Mehrarbeit  liber  das  belastbare  MaB 
hinaus  ware  die  Folge.  Dahinter  steht,  daB  die  Gesellschafter  bzw. 
Trager  der  Arbeitsgemeinschaft  entgegen  anderslautenden  Erklarun- 
gen  vorhaben,  sich  vom  Frankfurter  Berg  zurlickzuziehen.  Und  das,  ob- 
wohl sie  den  Sozialarbeitern  auf  der  Gesellschafterversammlung  vom 
18.11.77  andere  Zusagen  machten  und  die  Bewerbungsunterlagen  schon 
dem  International  en  Bund  fiir  Sozialarbeit  als  Einstellungstrager 
vorlagen. 

WIR  FORDERN  DIE  SOFORTIGE  BESETZUNG  DER  DRITTEN  STELLE, UM  BIS  ZUM 
JUGENDHAUSBAU  DIE  NOTWENDIGSTE  ARBEIT  ZU  GEWSHRLEISTEN  UND  UM  UNSER- 
ER  VERANTWORTUNG  DEN  JUGENDLICHEN  GEGENOBER  NACHKOMMEN  ZU  KONNEN! 


-  86 


Am  16.1.  begann  dann  der 
Sozialdezernent  Burgermei 
aus  der  Affare  Ziehen  wol 
sammelt  und  einen  Brief  a 
ylaubten  diesen  Versprech 
wo  sie  nach  einem  Gesprac 
reichten,  zu  Berg  (SPD)  v 
Jugendlichen  auf  die  nach 
wies  den  Jugendlichen  seh 
Glauben  geschenkt  werden 
belassen  und  bereiten  wei 


Streik  mit  einer  Rundfunksendung,   in  der 
ster  Berg  sich  mal   wieder  mit  Versprechungen 
Ite.    Die  Jugendlichen,   die  Unterschriften  ge- 
n  die  Verantwortl ichen  geschrieben  hatten, 
ungen  nicht  und  fuhren  sofort  zum  Rathaus, 
h  mit  Oberbiirgermeister  Wallmann   (CDU)   er- 
orgelassen  zu  werden.   Er  vertrbstete  die 
ste  Magistratssitzung.    Sein  Verhalten  be- 
r  schnell ,   inwieweit  seinen  Versprechen 
kann.   Sie  sind  nicht  gewi lit,  es  dabei   zu 
tere  Aktivitaten  vor. 


LETZTE  MELDUNG  ZUM  KAMPF  UMS  JUGENDHAUS: 
JUGENDHAUS   BEWILLIGT  -  SOZIALARBEITER  GEFEUERT 

Nachdem  am  21.1.78  anlaBlich  eines  Siedlungsfestes  zwei  Jugendliche 
verkleidet  mit  Frack  und  Zylinder  als  Oberbiirgermeister  Wallmann(CDU) 
und  Sozialdezernent  Berg  (SPD)  symbol isch  den  Grundstein  fur  das 
Jugendhaus  legten,  hat  am  3.2.78  der  Magistrat  der  Stadt  Frankfurt 
Beschllisse  gefaBt,  die  es  ermbgl  ichen,   das  Jugendhaus  noch  in  diesem 
Jahr  fertigzustellen. 

Damit  wurde  das  wichtigste  Streikziel   erreicht,  namlich  die  qualitive 
Verbesserung  der  Lebensbedingungen  der  Jugendlichen  in  der  bden  Beton- 
wliste  "Frankfurter  Berg"  und  der  Arbeitsbedingungen  der  Sozialarbeiter. 
Mit  dem  BeschluS  des  Magistrats  zum  Jugendhausbau  und  den  wiederholten 
Erklarungen  der  Trager,    in  diesem  Fall   die  3.    Stelle  wieder  zu  besetzen 
waren  die  Forderungen  zum  grb'Bten  Teil   erfullt  und  die  Voraussetzung 
geschaffen,   die  Arbeit  wieder  aufzunehmen. 

Aber  der  Arbeitgeber  sah  wohl   eine  Gelegenheit  gekommen  einen  unbe- 
quemen  Mitarbeiter  loszuwerden. 

Am  gleichen  Tag  wurde  der  Sozialarbeiter  Helmut  Schbnberger  fristlos 
geklindigt,  obwohl   er  bffentlich  erklarte,  daB  sich  der  Streik  nicht 
gegen  den  Arbeitgeber  richtet  und  der  Vorsitzende  der  Arbeitsgemein- 
schaft "die  Aktivitaten  der  Sozialarbeiter  als  legitirr,"  empfand. 
(FR  17.1.78)  und  am  23.1.78  in  der  Hessenschau  erklarte:"  Wir  denken 
nicht  an  arbeitsrechtl  iciie  MaSnahraen".   Auf  diesem  Hintergrund  hat  sich 
das  Restteam  entschlossen,  weiter  im  Streik  zu  bleiben 


Diese  nach  auBen  hi n  jeder  Logik  wiedersprechende  Reaktion 
Anstell  ungstragers,  des  Internationalen  Bundes  fiir  Soziala 
Jugendsozialwerk  e.V.,  wird  deutlich,  wenn  man  sich  die  Pe 
tik  des  Internationalen  Bundes  fur  Sozialarbeit  naher  ansc 
So  wurden  allein  im  letzten  Jahr  im  Rhein-Main-Gebiet  16  M 
darunter  1  Betriebsratsmitgl  ied  (liber  5%  der  hessischen  Be 
fristlos  gekundigt,  weil  sie  die  "Ruhe  und  Oronungs-Pol iti 
bandes  nicht  mehr  mitmachen  wollten  und  sich  in  Konflikten 
Seite  der  Betroffenen  stellten.  Das  bekannteste  Beispiel  i 
flikt  um  die  Zingel swiese,  einem  Jugendheim  in  Frankfurt  ( 
arbeit  Heft  16) 

WIE  KANN  MAN  UNS  UNTERSTOTZEN 

Schreibt  Briefe  an  das  Jugendsozialwerk, z.Hd.    Herrn  Moka ,  Miinchner  Str. 
38,  6  Frankfurt  und  an  den  Magistrat  der  Stadt  Frankfurt  -  Sozial- 

-  87  - 


sweise  des 
rbeit  - 
rsonalpol  i- 
haut. 

itarbeiter, 
schaftigten) 
k"  des  Ver- 
auf  die 
st  der  Kon- 
Info  Sozial- 


dezernent  Martin  Berg,  Berliner  Str.33,  6  Frankfurt. 
Durchschriften  bitte  an  das  Sozialarbeiterteam. 

AuBerdem  ist  die  Streikkasse  leer,  wenn  Ihr  wollt,  kbnnt  Ihr  uns  auch 
so  unterstutzen. 

In  den  nachsten  Tagen  werden  wir  eine  Dokumentation  fertigstel len , 
sie  kann  gegen  Voreinsendung  von  DM  3,--  (einschl.  Porto)  in  Brief - 
marken/Scheck  bestellt  werden  bei: 

Sozialarbeiterteam 
c/o  Helmut  Schbnberger 

Eckenheimer  Schulstr.  2 


H.E.  Brand,  Frankfurt 

GENUSSFILZE  EM  KAMPF  UM  DIE  ARBEITSPLATZE 


6  Frankfurt  5o  Telf.   0611/  54  41  82 


Anmerkung  der  Redaktion: 

Das  Sozial  istische  Bu'ro  unterstutzt  die  Streikaktivitaten  des  Sozial - 
arbei terteams  mit  einer  Spende  aus  dem  Sol idari tats-  und  Rotarbeits- 
fonds  von  DM  2oo ,--. 

Wer  den  Solidaritatsfonds  unterstutzen  will,  Liberweise  seine  Spende 
unter  dem  Kennwort  "Solidaritatsfonds"  an  Sozial  istisches  BLiro, 
6o5  Offenbach  4,  Postscheckkonto  Nr.   29  56  8o-6o5  Frankfurt/Main. 


TAGUNGSVORSCHAU  1978  -  AG  SPAK 

•  Projektbcrcich  Resozialisierung 

21.-  23.4.   Bempflingcn   Orientierungstagung  zur  Arbeit  im  Knast 

9.  •  1 1.6.      Bempflingcn    Strafvollzug-Sozialtherapie  als  Losung  oder  Alibi 

12.-  14.5.     Raum  Koln  Moglidikciten  der  Arbeilsbcschaffung  nach  der  Entlassung 

26.-  28.5.     Methoden  in  der  Knastarbeit 

28.    2.5.       Ulmbach    Binnenpmblematik  der  Wohngcmeinschaften  aus  der  Sicht  der  Bewohner 

13.-21.5.    Fortbildungsseminar 

•  Projektbereich  PsycMscb  Kranke 

17.  -  19.3.    Heidelberg    Therapeutische  Wohngemeinschaften 

26.  -  28.5.    Hamburg    Uberregionaler  Erfahrungsaustausch  der  Projeklgruppen 

•  Projektbereich  Jugendzentren 

April  Rcgionaltrcffcn  Schleswig  Holstein 

April  Oldau    Weitcrarbeil  am  Mcdienhandbuch  II 

26.-  28.5.     Raum  Miinchen     Koordinationstreffen  der  Gruppen  im  siiddeutschen  Raum 

•  Projektbereich  Obdachlosigkeit/Wohngebietsarbeit 

17.  -  19.3.  Osnabriick    Zur  Praxis  von  Vorschul-  und  Schiilerarbeit  met  ODL-Kindern 

28.  -  3o.4.  GieBen    Schlechte  Schiiler  gibt  es  nicht  -  Handelnder  Unterricht  - 

Juni  Regensburg     Formen  und  Schwierigkeiten  der  Selbstorganisalion 

26-  -  28.5.  Rofldorf    Rechtliche  Situation  von  Obdachloscn  -  iiberregionale  Tagung 

7.  -  9.7.  Bewohnerarbeit  in  ODL-Siedlungen  (Paulo  Freire-Methoden) 

•  Projektbereichsiibergreifende  Tagungen 
31.3.-2.4.    Einfiihrung  in  die  Padagogik  Paulo  Freires 

16.  -  18.6.     Randgruppeiitheorie  -  Kritik  an  der  Marginaulatstheorie 

NXHERE  1NFORMATIONEN:  AG  SPAK  -  Bundesgcschaftsstclle  - 
Belfortstr.  8,  8000  Miinchen  8o;  Telf.  o89/  45  39  16 


DIE  LOSUNG  DES  KARDINALS 

Politiker  aller  Bundestagsparteien,   Sprecher  der  Unternehmerverbande, 
kirchliche  WLirdentrager  und  gewerkschaf  tl  iche  Spitzenfunktionare  be- 
arbeiten  uns  seit  Jahren  mit  ihren  Beteuerungen,  daS  ihnen  kein  Pro- 
blem nehr  schlaflose  Nachte  bereite    als  die  Arbeitslosigkeit.    Ihre 
Lb'sungsrezeptur  ist  im  Grunde  denkbar  einfach:  wenn  mehr  konsumiert 
wird,   kann  auch  mehr  produziert  werden  und  die  Zahl   der  Arbeits- 
platze  wieder  steigen.   DaB  sich  das   Problem  in  Wirklichkeit  anders 
stellt,   fic'nt  die  wackeren  Ritter  des  Uachstums  nicht  an.    Sie  tun 
so,  als  wiiBten  sie  weder,  daB  von  der  arbeitenden  Bevb'lkerung  nur 
so  viel    konsumiert  werden  kann,  als   sie  sich  zuvor  in  Form  von  Loh- 
nen  erkampft  hat,  noch,  daB  durch  den  Einsatz  neuer  arbeitsplatzbe- 
seitigender  Technologien  (Rational isierung)  mehr  produziert  werden 
kann,  wa'hrend  gleichzeitig  die  Zahl    der  Arbeitsplatze  weiter  zurlick- 
geht. 

Dabei  fehlt  es  den  Wachstumsexperten  bei  der  Entwicklung  von  Lbsungs- 
rezepten  keineswegs  an  kiihnen  Phantasien.   So  entdeckte  Anfang  1978 
der  Vorsitzende  der  Deutschen  Bischofskonferenz,   Kardinal    Hb'ffner, 
den  Stein  der  Ueisen  in  der  Steigerung  der  Geburtenrate.   Ware  nicht 
die  Zahl   der  Geburten  in  der  BRD  von  Liber  1  Million  im  Jahre  1967 
auf  knapp  Liber  600  000  zehn  Jahre  spater  zurlickgegangen,  so  rechne- 
te  der  Kardinal,  waren  in  diesem  Zeitraum  2,4  Millionen  Kinder  mehr 
auf  die  Welt  gekoramen.   Welch  ein  Boom  an  Babywasche,   Kinderspielzeug, 
Kindergarten  und  Schulen  ware  doch  die  Folge  gewesenl   Enthusiastisch 
stellte  der  Kardinal   die  Frage,   "ob  wir  dann  auch  eine  Million  Ar- 
beitslose  ha'tten"   (Frankfurter  Rundschau,   12.1.1978). 

In  einigen  Jahren  wlirde  allerdings  auch  der  Kardinal  mit  sei nem  Re- 
zept  in  Bedrangnis  kommen,  denn  dann  wLirden  2,4  Millionen  weitere 
BundesbLirger  ins  "Erwerbsleben"  drangen;   und  damit  diese  ihrerseits 
wieder  Arbeit  fanden,  bliebe  wohl    kein  anderer  Weg,  als  daB  sie  in 
noch  grbBerem  MaBstab  Kinder  in  die  Welt  setzten,  urn  arbeiten  zu 
kb'nnen.    Selbst  die  Kardinale  dLirften  dann  in  absehbarer  Zeit  im 
Interesse  der  Erhaltung  der  Arbeitsplatze  nicht  mehr  keusch  abseits 
stehen. 

DER  ATOMFILZ  GREIFT  REGULIEREND  EIN 

Doch  vergessen  wir  nicht,  daS  die  verschiedensten  Spielarten  des 
GenuBfilzes  bereitstehen,  hier  regulierend  einzugreifen.  Am  vertrau- 

-  89  - 


tester)  unter  den  GenuBfilzen  dlirfte  uns  inzwischen  der  Atomfilz  sein, 
der  uns  in  einer  konzertierten  Aktion  von  Unternehmern,  Regierungs- 
und  Oppositicmspolitikern,  Betriebsraten  der  Atomindustrie  und  Ge- 
werkschaftsfunktionaren  zu  beweisen  versucht,  daB  der  GenuB  am  Leben 
zuklinf tig  nur  liber  Atomstrom  zu  sichern  sei.   DaB  der  Atomfilz  in 
Wirklichkeit  aber  nur  dazu  beitragt,  unsere  Lebenserwartungen  zu  re- 
duzieren,   indem  uns  seine  Atomkraftwerke  schon  bei   "Normal betrieb" 
gesundheitl ich  schadigen,   im  Extremfall   aber  mit  Katastrophen  unvor- 
stellbaren  AusmaBes  bedrohen,  verschweigt  er  lieber.   Insofern  ist 
der  Atomfilz  ein  Bruder  des  Rustungs-  und  Kriegsfilzes. 

Doch  sollte  der  Atomfilz  -  alien  dlisteren  Prognosen  zum  Trotz  - 
seine  Regul ierungsfunktion  hinsichtlich  des  Arbeitsplatzbeschaffungs- 
programms  des  (Cardinals  nur  unzureichend  erfullen,  so  stehen  andere, 
wenn  auch  mindere  GenuBfilze  bereit,  die  Zahl   der  auf  den  Arbeits- 
markt  Drangenden  fruhzeitig  zu  reduzieren  und  die  Zahl  der  Alters- 
rentner  nicht  allzu  sehr  in  die  Hone  schnellen  zu  lassen. 

DER  PILSFILZ  MOBILISIERT 

Im  Herbst  1977  ging  der  Pilsfilz   in  die  Offensive.   Eine  Einheits- 
front  von  Unternehmern,  Betriebsraten  und  Gewerkschaftsfunktiona'ren 
aus  der  Brauindustrie  richtete  einen  eindringl ichen  Appell  an  die 
Bevolkerung:   laEt  euch  nicht  von  der  "Verteufelung"  des  Alkohols 
durch  Regierung  und  firzte  beirren,  trisfct  mehr  Bier  und  sichert  da- 
durch  die  Arbeitsplatze  in  der  Brauindustrie.   DaB  pro  Kopf  der  Be- 
volkerung -  und  das  schlieBt  selbst  die  Sauglinge  ein  -  im  Jahre 
1976  in  der  BRD  bereits  beachtliche  150  Liter  Bier,  7,3  Liter  Schnaps 
und  26  Liter  Wein  getrunken  wurden  und  es  bereits  1,5  Millionen  Al- 
koholiker  gibt,  fallt  bei  den  wackeren  Bierfilzen  unter  den  Stamm- 
tisch.  Auch  die  Tatsache,  daB  wir  -  selbst  bei  bestem  Wilier  -  wohl 
kaum  eine  Chance  ha'tten,   im  Kampf  urn  die  Arbeitsplatze  in  der  Brau- 
industrie erfolgreich  gegenuber  den  arbeitsplatzvernichtenden  auto- 
matischen  Sudwerken,  Abfull-  und  Verladeanlagen  an  der  Sauffront  zu 
bestehen.  Vielleicht  sollter  die  Ratioralisierungsexperten  der  Brau- 
industrie den  unvollkommenen  Menschen  mbglichst  schnell   durch  den 
vollautomatischen  Saufer  ersetzen! 

Versuchen  wir  dennoch,  den  Rat  der  Bierlobby  zu  befolgen,  so  werden 
wir  zwangslaufig  optimal   regul ierend  in  das  Arbeitsbeschaffungspro- 
gramm  des  Kardinals  eingreifen:   zum  einen  durch  Senkung  der  Lebens- 
erwartung  der  arbeitsf'a'higen  Bevolkerung  als  Folge  des  Al  kohol  ismus; 
zum  anderen  durch  Schaffung  zahlloser  neuer  Arbeitsplatze  zur  Be- 
handlung  der  Alkoholiker  -  in  Krankenhausern,   Entziehungsanstal ten, 
im  Haus-zu-Haus-Einsatz  von  Sozialarbeitern  und  nicht  zuletzt  auch 
in  der  Ausbildung  weiterer  Sozialarbeiter,  die  ihre  im  Kampf  urn  die 
Erhaltung  der  Arbeitsplatze  in  der  Brauindustrie  an  vorderster  Front 
mittrinkenden  Sozialarbeiterkollegen  pflegen  miissen.   Nicht  zu  ver- 
gessen  auch  die  von  der  Gewerkschaft  Nahrung-GenuB-Gaststatten  (N6G) 
neu  einzustellenden  Funktionare,  die  abend  flir  abend  durch  die 
Kneipen  Ziehen,  urn  die  Leute  zum  Trinken  zu  animieren. 


90  - 


DAS  FILZKARTELL 


Und  sollte  auch  dies  nicht  ausreichen,   urn  in  die  Beschaftigungsstra- 
tegie  des   Kardinals  optimal    regulierend  einzugreifen,   so  stehen  wei- 
tere  GenuBfilze  bereit.   So  wandte  sich  bereits  die  NGG  -  dieses  Mai 
im  Interesse  der  Erhaltung  der  Arbeitsplatze  in  der  Tabakindustrie  - 
auch  gegen  die  "Verteufelung"  des  Rauchens  und  hat  inzwischen  den 
Kampf  sogar  noch  an  einer  weiteren  Front  aufgenommen:   gegen  die  Zahn- 
a'rzte  und  deren  "Kampagne"  gegen  Zucker  und  SiiBigkeiten.    SchlieBlich 
sei  die  Schadlichkeit  von  Zucker  durch  nichts  bewiesen;  fest  stehe 
dagegen  liber  den  Hauptbetreiber  dieser  Kampagne, den  Vorsitzenden  der 
7ahnarztl ichen  Vereinigung  von  Nordrhein/Westfalen:    "Er  muB  es  wis- 
sen.   Seiner  Frau  gehoren  mehrere  Reformhauser."  So  die  Mitglieder- 
zeitung  der  NGG  "Einigkeit"  auf  Seite  7  in  ihrer  Ausgabe  vom  Januar 
1978.   Unmittelbar  neben  diesem  Artikel   aber  dankt  der  2.   Vorsitzende 
der  NGG,  der  Kollege  Doding,  der  Geschaftsleitung  der  Binding-Braue- 
rei  fur  einen  "gelungenen  Bierempfana",  zu  dem  diese  die  Betriebs- 
rate  aus  der  SuBwarenindustrie  geladen  hatte:  wen  wundert  es  da  noch, 
da!3  die  Gewerkschaft  ein  so  starkes  Interesse  am  Wohlergehen  der  Brau- 
ereiindustrie  zeigt? 

So  konnte  man  das  Spiel   noch  lange  weiterspielen.  Wenn  es  demnachst 
in  der  chemischen  Industrie  kriselt,  wird  uns  vielleicht  die  IG  Che- 
mi  e  aufrufen,  mehr  Tabletten  im  Interesse  der  Erhaltung  der  Arbeits- 
platze zu  schlucken.   Und  auch  dadurch  wiirde  das  Kodell   des  Kardinals 

-  erneut  mit  gewerkschaftl  icher  Unterstlitzung  -  optimal   regul  iert. 
Der  Kardinal   selbst  kame  allerdings  in  arge  Bedrangnis.  Mit  seiner 
Geburtensteigerungsstrategie  mu'Bte  er  gegen  die  Anti-Babypille  sein, 
aus  Sorge  urn  die  Arbeitsplatze  in  der  chemischen   Industrie  aber  de- 
ren Massenproduktion  beflirworten. 

Und  was  flir  das  Inland  gilt,  warum  sollte  es  nicht  auch  flir  das  Aus- 
land  gelten?  Exportfilz  Eugen  Loderer,  Vorsitzender  der  IG  Hetall 
und  VW-Aufsichtsratsmitglied,  machte  sich  im  Januar  1978  unter  slid- 
afrikanischer  Sonne  -     vor  langen  Reihen  fabrikneuer  VK-Kafer  flir 
das  westdeutsche  Fernsehen  gefilmt  -  daf'ur  stark,  keinen  Wirtschafts- 
boykott  gegen  das  rassistische  siidafrikanische  Regime  zu  verhangen, 
da  dieser  u.a.   Arbeitsplatze  in  der  BRD  gefahrden'wurde.    Und  erst 
wenige  Monate  zuvor  hatte  er  -  ebenfalls  im  Interesse  der  Arbeits- 
platze in  der  BRD  -  die  Liefertng  atomarer  Technologien  an  die  ter- 
rorist! schen  Regimes  in  Brasilien  und  im  Iran  befurwortet  -  mogen 
diese  damit  eines  Tages  auch  Atombomben  bauen  oder  die  eigene  Be- 
volkerung dem  Strahlentod  auf  "friedl ichem"  Wege  ausliefern. 

Die  die  Menschheit  insgesamt  bedrohende  Irrational itat  der  herrschen- 
den  Produktionsweise,  die  zur  Sicherung  der  Profite  nur  ein  Wachstum 
urn  jeden  Preis  -  auch  urn  den  Preis  der  Selbstvernichtung  des  Menschen 

-  kennt,  wird  hier  exemplarisch  deutlich.  Aber  auch,  in  welchem  Aus- 
maB  die  Gewerkschaften,  die  die  kurz-  wie  langfristigen  Lebens-  und 
Oberlebensinteressen  der  arbeitenden  Bevolkerung  zu  vertreten  bean- 
spruchen,  zum  Bestandteil   des  Wachstumskartells  geworden  sind. 

Im  Namen  uneingeschrankten  Genusses  und  steigender  Lebensqual itat  be- 
drohen uns  die  kapital  istischen  Wachstumsanbeter  mit  Arbeitslosigkeit, 


91 


Krankheit,   El  end  und  Katastrophen  riesigen  Ausmaftes.  Auf  die  weni- 
gen  Arbeitsplatze,  die  auf  diesem  Weg  tatsachlich  geschaffen  werden, 
sollten  wir  in  unserem  eigenen  Oberlebensinteresse  besser  verzicft- 
ten.  Am  Ende  des  vom  Genu(3filz  vorgezeichneten  Weges  steht  viel- 
leicht  nur  ein  steigender  Bedarf  an  Totengr'a'bern.  Arbeitsplatze  al- 
so um  jeden  Preis? 


SOZIALKRITIK  -  NICHT  IN  BAYERN 


Jahrelang  wurden  Elvis-Presley-Platten  in  aller  Welt  verkauft,  auch 
in  Bayern.   Nun  geriet  Elvis  ins  politische  Schufrfeld  -  ins  bayrische. 

Da  haben  doch  tatsachlich  Leute  vom  sta'dtischen  Jugendamt  in  MLinchen 
den  englischen  Text  "In  the  Ghetto"  ("Glosscherbnviertl ")  ins  Bayri- 
sche Libersetzt  und  an  die  Jugendlichen  verteilt. 

Hier  der  Text: 

Und  da  Hunga  duad  weh,  und  da  Hunga  treibt'n  auf  d'   StraB  bei   Nacht, 
und  da  Hunga  lernt  eam's  Schtehln,  und  wia  ma  zuaschlogt.   Dann,   in 
der  vazweifedn  Nacht,  draht  er  durch,  in  seim  ohnmachtign  Zorn.   Sei 
SchiaBeisen  auf'm  Vordersitz  vom  gstoina  Wong  nutzt  earn  nix.    Er  kummt 
ned  weit. 

Eine  derartige  Argumentation,   so  Hundhammer,   ru'cke  bedenklich  nahe  an 
an  diejenige  von  Terrorbanden  und  Linksextremisten. 

Elvis  also  als  Terrorist  und  Linksradikaler.    Hundhammer  fordert  die 
sofortige  Einziehung  des  Textes  und  die  "Bestrafung"  der  Verantwort- 
1 ichen. 

Eine  Zensur  der  Informationsfreiheit  ist  also  die  Konsequenz,  die 
Herr  Dr.   Hundhammer  fur  die  Jugendlichen  vorschla'gt.   Vielleicht  lernt 
er  demna'chst  noch  Englisch.   Besser  ware  es,  er  wu'rde  sich  einmal    in 
der  Deutschen  Popszene  umhbren,  damit  er  weil3,  was  unserer  Jugend  so 
auf  der  Seele  brennt  und  wie  sie  sich  heute  artikuliert.   Kann  sein, 
er  fa'llt  dabei  vom  Glauben  ab. 

-  92  - 


DEUTSCHLAND  -  EIN  WINTERMARCHEN 
DIESMAL  IN  HOF  UND  NURNBERG 


Wieder  einmal  werden  die  Grenzen  zwischen  Satire  und  "Verungl impfung" 
von  der  Exekutive  des  Staates  gezogen! 

Was  ist  geschehen? 

Zwei  Mitglieder  der  Sozialistischen  Jugend  Deutschlands  (Falken)  ver- 
teilen  in  Hof  ein  Flugblatt  gegen  Berufsverbot  in  der  BRD,  auf  dessen 
RLickseite  das  satirische  Poster  des  Berliner  KLinstlers  Volland  (Akti- 
on  Sauberer  Staat)  abgedruckt  war. 

Eine  solche  Informations-  und  Aufkla'rungsarbeit  ist  jedoch  im  Sep- 
tember/Oktober  1977  in  der  BRD  -  wahrend  der  bundesweiten  Fahndung 
nach  Sympathisanten  -  ein  gefahrliches  Unternehmen.  Die  Flugblattver- 
teiler  werden  verhaftet,  Hausdurchsuchungen  vorgenommen  und  ca. 
5.000  Flugblattexemplare  werden  beschlagnahmt.  Die  Staatsanwal tschaft 
Hof  leitet  gegen  die  Verteiler  ein  Verfahren  wegen  "Verungl impfung 
von  Staatsorganen"  ein. 

Damit  ist  auch  fur  die  sogenannten  Zonenrandgebiete  die  Grenze  der 
Meinungs-  und  Pressefreiheit  gesteckt  und  ein  erneutes  Exempel  rechts- 
staatlicher  Ordnung  statuiert. 

Dennoch:  die  Falken  wollen  3  Wochen  spa'ter  in  NUrnberg  mit  einem 
weiteren  Flugblatt  iiber  diesen  skandalbsen  Vorfall  protestieren  (wie- 
derum  mit  dem  Abdruck  des  Volland-Plakats) .  Auch  hier  sehen  sich  die 
Staatschutzorgane  (in  Form  von  8-10  Pol izeibeamten)  genbtigt,  einzu- 
greifen.  Die  Flugblatter  werden  beschlagnahmt,  Anzeigen  werden  einge- 
leitet,  der  §  90a  StGB  dient  als  juristische  Legitimation. 

Grundgesetz  Artikel  5 

"Jeder  hat  das  Recht,  seine  Meinung  in  Wort,  Schrift  und  Bild  frei  zu 
aufiern  und  zu  verbreiten  und  sich  aus  allgemein  zugangl ichen  Quellen 
ungehindert  zu  unterrichten.  Die  Pressefreiheit  und  die  Freiheit  der 
Berichterstattung  durch  Rundfunk  und  Film  werden  gewahrleistet .  Eine 
Zensur  findet  nicht  statt..." 

Es  besteht  nicht  nur  ein  Widerspruch  zwischen  Verfassungsanspruch 
und  -wirklichkeit;  es  ist  auch  wichtig  zu  wissen,  dal3  am  selben  Tag 
der  Beschlagnahmung  der  Fal ken-Flugblatter  eine  neofaschistische  Grup- 
pe  fur  die  "Freiheit  und  Recht  fur  Karl  Heinz  Hoffmann"  in  der  Nlirn- 
berger  Uffentlichkeit  ungehindert  werben  kann. 


Eine  Zensur  findet  nicht  statt... 
Bundesdeutsche  Meinungs-  und  Pressefreiheit! 


fur  wen? 


93 


MATERIALIEN/KLEINANZEIGEN 


I  Heute  weiB  es  jeder  Pimpf  -  das  UJZ  wird  flinf,  unter  dieser  Parole 
haben  wir  eine  Dokumentation  unserer  flinf  jahrigen  Geschichte  ge- 
macht,  die  nicht  langweilig  ist .   Sie  ist  100  Seiten  dick  und  wird 
Euch  DM  6.-  Vorausbezahlung  zugeschickt.   UJZ  Kornstr.   28/30, 
3000  Hannover;   Stadtsparkasse  Hannover,   Kto .    Diemer  tir.23  392. 

I  Thing  -  Sozial  istische  Jugendzeitschrift  Nr.  4/5  entha'lt  Beitra'ge 
zur  Jugendarbeitslosigkeit  und  die  MaBnahmen  der  SPD,  Stadtzei tun- 
gen  und  betriebliche  Offentl ichkeit,   Beschwerderecht  in  der  Bundes- 
wehr,   Schulkampf;  Bezug  gegen  Voreinsendung  von  DM  2.-  bei   Thing- 
Redaktion,c/o  Buchladen,  Carmer  Str.    11,   1000  Berlin  12. 

i  AuBerschulische  politische  Bildung  mit  Hauptschlilern  in  Jugendbil- 
dungssta'tten,  die  Dissertation  entha'lt  eine  Kritik  und  Weiterent- 
wicklung  der  Didaktikdiskussion,  Fallstudien  zu  div.   Lehrgangskon- 
zepten,  Ansa'tze  zur  dialektischen  Verbindung  von  Theorie  und  Praxis. 
380  S.,  Bezug  gegen  Voreinsendung  von  DM  22.-  bei  Franz  Josef 
Krafeld,   Konkordiastr.   5,  4000  Dusseldorf,   PSCHA  123966  -  500  Kb'ln. 
Der  blaue  Anton  -  Zeitung  der  DGB-Jugend  Schwetzingen  -  erscheint 
alle  zwei  Monate.   Schwerpunktthema  der  letzten  Nummer:   neofaschisti- 
sche  Tendenzen  in  der  BRD  und  antifaschistischer  Widerstand  nach 
1933.   Probeexemplare:   DGB-Jugend  Schwetzingen,  Carl-Theodorstr.  33, 
683  Schwetzingen. 

Das  Modell   Ahlen  in  der  Lehrerausbildung  -  eine  Dokumentation  zum 
Thema  "Weniger  Demokratie,  mehr  Bundeswehr":   10  S./DM  1.-  Bezug: 
Michael   Hafner,  Schillerstr.   67,  469  Heme  1. 

KOZ-Kreuzberger  Stadtteilzeitung  Nr.   24  entha'lt  u.a.  Auslanderpro- 
blematik  -  Sozial  hilferecht,   Katnpf  urn  den  Rollstuhl,  Berichte  aus 
dem  Stadtteil,  Sanierung  und  Schul  problematic  Gegen  Voreinsendung 
von  DM  2.-   (Briefmarken)   bei   Maryse  Durand,   Kortestr.8,   1  Berlin  61, 
zu  beziehen. 

Frankfurter  Psychiatriekonflikt  -  Dokumentation;  die  Folgen  der  Sen- 
dung  aus  der  Reihe  die  Kranke  Seele  "Patienten  machen  eine  Rundfunk- 
sendung".  Gegen  Voreinsendung  von  DM  6.-  auf  PSCHA  Frankfurt  13191601 
Sozial therapie. 

Medizin  als  Strafe  -  Erfahrungen  aus  dem  Strafvollzug  von  der  Arzte- 
gruppe  Westberlin  fur  eine  ausreichende  medizinische  Versorguna  in 
den  Haftanstalten,   151  S./DM  8.50  Bezug:  AG  SPAK  -  Publ  ikationen  - 
Friesenstr.   13,  1  Berlin  61. 

Sozial hilfeempf anger  werden  behandelt  wie  der  letzte  Dreck  -  Rat- 
geber  fur  Sozial hilfeempf anger  in  Westberlin  -  aber  auch  geeignet 
zur  Nachahmung  in  anderen  Sta'dten;  Gegen  Voreinsendung  von  DM  4.- 
(Briefmarken)  zu  beziehen  bei  Chamissoladen,  Will ibald-Alexis-Str. 
15,    1  Berlin  61. 

Bericht  zur  Entwicklung  und  gegenwa'rtigen  Situation  Hamburger  Aktiv- 
spielpla'tze  -  Forderungen  zur  Sicherung  ihres  Bestandes  und  ihrer 

94  - 


weiteren  Entwicklung;   50S./DM  3.-  gegen  Voreinsendung   (Briefmarken) 
zu  beziehen  bei  Hamburger  Spielplatzinitiativen,  Hallerstr.  44, 
2000  Hamburg  13,   Tel.   030/44  06  88. 

•  Gasmaske  Nr.   4,  alternative  Jugendzeitung  fur  1   DM  in  Briefmarken 
erha'ltlich  bei   Klaus  Farin,  Velsenstr.   20,  466  Gel  senkirchen-Buer. 
Inhal t:Neutronenbombe/Springer/Lyrik/Tips/Grafik/Arbeitslosigkeit  - 
Schicksal . 

I  Medienarbeit  Nr.   15  berichtet  liber  die  Medienarbeit  des  Kinderhauses 
Heinrichstr. ,   Erfahrungen  mit  Video,  Medienarbeit  mit  Jugendl ichen, 
Hinweise,   Tips  etc.    Bezug:   5  Nummern  im  Abonnement  DM  10.-  an: 
Medienpa'dagogik  Zentrum,  PSCHA  Hamburg  Nr.  4373  -  208. 

•  Wir  wollen's  anders  Nr.   1  -  Zeitschrift  der  Arbeiterselbsthilfeini- 
tiativen.   46  S./DM  2.50  gegen  Voreinsendung  bei  ASH  Bonames,  Am 
Burghof  20,  6000  Frankfurt/Main  56. 

STELLENANGEBOTE/-SUCHE 

■  Der  Verein  Brlickenhaus  sucht  fur  ein  von  der  Robert-Bosch-Stiftung 
gefbrdertes  Projekt  Kinder-  und  Jugendarbeit  3  Sozialarbeiter/-pa- 
dagogen(innen) .  Aufgabengebiete:  Arbeit  in  einer  Kontakt-  und  Betreu- 
ungsstelle  mit  Obernachtungsmbgl  ichkeiten  -  Mobile  Jugendarbeit  - 
Stadtteil bezogene  Kinderarbeit.    Informationen  und  Bewerbungen  an: 
Verein  Brlickenhaus  -  Steingaustr.  54,  7312  Kirchheim,  Tel. 07021/ 
43530. 

•  Team  eines  Wohnheims  fur  Behinderte  sucht  Logopade/in  zum  1.2.1978 
(Honorarkraft,  2x  2,5  Std.   pro  Woche/pro  Std.  DM  25.-  und  einen  Er- 
satzdienstleistenden.   Tel.   0611/504898 

•  Zivildienststelle  gesucht  -  Abiturient  mit  Erfahrung  in  der  offenen 
Jugendarbeit,   Psychiatrie  und  Kinderbetreuung  sucht  ZDL-Stelle  in 
alternativer  sozialer  Einrichtung  zum  August  1978  in  Norddeutschland. 
Hartmut  Gaidies,  Am  Hesekamp  8,  3118  Bad  Bevensen. 

•  Die  ESG-Geschaftsstelle  in  Stuttgart  sucht  fur  die  theologische  Ar- 
beit eine(n)   Referentin(en).   Voraussetzung: (Fach-)Hochschulabschluft, 
Bezahlung  BAT  Ila.   Einstellung  mbgl ichst  zum  1.8.78;Anfragen:   ESG- 
Geschaftsstelle,  c/o  Till   Wilsdorf,  Kniebisstr.   29,  7  Stuttgart  1. 

•  Das  Jugendwohnkollektiv  in  Odenthal    b.    Kbln  "Walter  Dbrken-Hof" 
(ehem.   Klever  Hof)   sucht  ab  sofort  einen  Sozialarbeiter(in)/pa'dago- 
gen(in)  vorzugsweise  mit  handwerkl ichem  Vorberuf.  Abgeschlossene 
Sozialarbeiter/Padagogen-Ausbildung  mit  zwei ja'hriger  Berufspraxis 
sind  Voraussetzung.  Anfragen  uber  Chiffre  2/43  an  Sozial istisches 
BLiro. 

•  Projektgruppe,  die  an  dem  Aufbau  eines  Jugendwohnkollektivs  in  Darm- 
stadt arbeitet,  sucht  noch  Kontakt  zu  Sozialarbeitern,  Pa'dagogen, 
Psychologen,  die  mitarbeiten  mbchten.   Volkmar  Hahn,  Frankfurter- 
str.   90,  61  Darmstadt. 

|  Dringend^werden  fur  eine  seit  2,5  Jahren  gut  gehende  Kinderartzpraxis 
in  Frankfurt  gesucht: 
-Kinderarzt/in 
-Allgemeinarzt/in 
-Krankengymnastin 

Diese  Mitarbeiter  sollten  Interesse  an  Teamarbeit  in  einer  Gruppen- 
praxis  haben,   insbesondere  am  Aufbau  von  sozialmedizinischer  Be- 
treuung  der  Bevblkerung  in  bestimmten  Stadtteilen,  an  enger  Koopera- 
tion  mit  einer  Erziehungsberatungsstelle,  die  auch  seit  2,5  Jahren 
im  selben  Haus  arbeitet.   Nahere  Informationen:0611/54  56  57;0611/ 

54  10  02. 

-  95  - 


li 
I*- 


I  Jahrespraktikant   (nur  man.nl ich) ,   Erzieher,   Sozialarbei ter  o.    Sozial- 
pa'dagoge  mit  handwerkl  ichen  oder  medienpadagogischem  Interesse  flir 
Kinderheim  mit   12   Platzen  ab  Herbst   1978  gesucht.    Kinder>aus   e.V. 
4515  Bad   Essen,   Schledehauserstr.   14.  / 

/ 

ARBF.ITS-/WOHN-  UND  FREIZEITKONTAKTE 

I  Nachdem  ich  nun  einiges  Liber  Hi  1  helm  Reich  gelesen  habe,   suche  ich 
nun  den   praktischen   Bezug  und    Kontakt  zu  einer  Gruppe   (Reich-Thera- 
pie?  Kosten?  Bedingunqen?  Wartezeit?)   Rene  Zind,  Freiligrathstr.   44, 
6  Frankfurt/M.   60. 

I  Zimmer  frei   flir  Genosse  in  Hamburg  in  einer  groBen  Wohnung  mit  Gar- 
ten, 2  Mitbewohnerinnen;  Tel.   040/850  51  76 

•  "Kleinfamil ie"   in  Braunschweig  sucht  Genossen-Freunde  mit  Kleinkind 
(ern),   um  drohender   Isolation   zu   entgehen.    Tel. 0531/   3375  53. 

•  Wir  planen  ein  Projekt  "Behinderung  und  Uohnen".    Wer  hat   Informatio- 
nen,   Erfahrungen,   Kontakte,  die  uns  evtl .  weiterhelfen  konnen  - 
Architekten,  Sozialplaner,   Pe'dagogen  etc.   Unser  erster  Selbstver- 
standnispapier  schicken  wir  gerne  zu.  Alwine  Thesing-Dittmar,  An 
der  Trift  3,  6072  Dreieicn-Dreieichenhain,   Tel .06103/  85  769. 

I  Wir   (1  Sozialarbeiter/1   Sozial padagoge)   beabsichtigen  in  Alternative 
zu  FE/FEH  eine  Jugendwohnqruppe  aufzubauen.    Wer  kann  uns   Info-Mate- 
rial   in  Bezug  auf  techni sch-organisatorische,  finanzielle  und   in- 
haltiiche  Voraussetzungen  liefern? 

Wer  hat  grundsatzl  ich   Interesse  u.  mb'chte  sich  mit  uns   in  Verbindung 
setzen? 
Adr.   Wassermann/Busch,  Alfred-Del pstr.   34,  4780  Lippstadt/Kr.    Soest 

I  Wir  wollen  eine  Liste  von  guten  und  bill  igen  Taqungshausern  zusammen- 
stellen.    Wer  kann  Angaben  machen  Liber  Rauml ichkeiten,    Bettenzahl  , 
Verpflegung,  Tagessatz  etc.   Wer  Tips  aibt,   bekommt  die  Liste  kosten- 
los.  AG  SPAK,  Belfortstr.   8,  8  Munchen  80. 

I  Suchen  Haus  ohne  groBe  formale  Auflagen  fur  Sommerfreizeit  1978  mit 
Kindern  aus  sozialen  Brennpunkten.   AW0  Kreisverband  -  Abt.    soziale 
Rehabilitation,  Arndtstr.   8,  4800  Bielefeld  1. 

•  Wir  haben   in  WG   in  Braunschweig  1  Zimmer  frei   und  suchen  "undogmati- 
schen"  ausgebildeten  Landwirt(in) ,  die/der  bereit  ist,  ein  Projekt 
mit  aufzubauen,    in  dem  versucht  wird,   Landwirtschaft  und   Kinder-/ 
Jugend-  und  Sozialarbeit  raumlich  zu   koordinieren.   Christoph  Bbhm, 
Leonhardstr.   30,  33  Braunschweig,  Tel.   0531/794451. 

•  (1/21)   Sozialarbeiter  (26)   sucht  WG  in  Bremen.    Ich  bin  interessiert 
an  Leuten,  die  eine  undogmatische,  aber  konsequente  politische 
Praxis  anstreben  und  evtl.    Erfahrungen   in  der  politischen  Bildungs- 
und  Medienarbeit  haben.   Herbert  Effinger,   Elbchaussee  18,  2000  Ham- 
burg  50,    Tel .    040/3900640 

MATERIALMEN  GESUCHT 

I  Jugendstrafvollzug/Sozialarbeit  in  und  auBerhalb  von  Anstal ten;lln- 
kosten  werden  erstattet;  Giinter  Hoffmann,   BLilowstr.    11,   294  Wilhelms- 
haven. 

•  Jugendarbeitslosigkeit  und   Kirche   (speziell    im  Rheinland);  Unkosten 
werden  erstattet.    Ottmar   Baumberger,  Madergasse  3   74   Tubingen. 

•  Abweichendes  Verbal  ten  und   Kriminal  itat  von  Frauen.   Unkosten  werden 
erstattet.   Susanne  Keckeisen,  Relenbergstr.   68,  7  Stuttgart  1. 

•  Sozial politische  Arbeit  im  Knast  -   Erfahrunaen  mit  den  Repressionen 
von  ehrenamtlnchen  Helfern  und  Gruppen.   Michael    Bauer  c/o  AG  SPAK, 
Belfortstr.  8,  8  Miinchen  80. 


INFORMATIONSDIEN 


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SOZIALARBElf 


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«*~-. 


"**»*n 


Ausserdem:  Jugendzentrumsbewegung  1971-1977    * 
Frauenforschung/-praxis    *    Jugendhilfetag      * 
Gerichtsurteile :  Honorarkrafte  in  der  Sozialarbeit  und 
in  Sachen  Ring  Biindischer  Jugend    * 


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Offenbach  im  Juni  1978 
Einfachnummer  -  Preis  DM  7,-- 


/f23- 


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