wunschen uns, daB der Info nicht nur gelesen wird, so,.-- "h iten.
Leser noch starker als bisher aktiv an seiner Gestaltung rmtarre
MS,
Wir wunschen uns. HaR h^v- inf„ „,-„i.+ „„-i„r„., ,.,-ir-H. sondern
g mi tar
Der Info wird von Praktikern gemacht, es sind keine Zei tungsprof
d.h. wir mussen dem rait unterschiedlichen Produktionswei sen ^
tragen,mal wird der Info von einer Srtlichen AKS-Gruppe erarbeiv
(z.B. Heft 8 " Reform und Reformismus "), mal entsteht er aus " its-
Zusammenarbeit von Gruppen und Einzelnen, die sich aus einem firv
seminar ergibt (z.B. dieses Heft) Oder dokumentiert den Diskussi
prozeB der AKS-Gruppen (z.B. Heft 16 "Gewerkschaftsarbei t )• ht
Dabei muB aber auch einkalkul iert werden, daB ein Heft einmal n
wie geplant erscheint. So geschehen mit dem Thema "Altenarbeit .
Die Gruppe, die die Vorarbeiten und die Koordination iibernenmen
^e, war letztlich nicht mehr arbeitsfahig. „srhsten
Damn ist aber das Thema nicht vom Tisch, wir werden auf der nac
Kedaktionssitzung iiberlegen, wie die Realisierung sichergesten
werden kann. u0f-
Uir legen daher mit dieser Ausgabe eine Doppelnummer vor in der
fnung, daB die Beitrage auf ein groBes Interesse stoBen-
uas nachste Heft wird dann im 1. Quartal 1978 erscheinen.
uns folgende Arbeitsschwerpu
nkte
Fur das 1. Halbjahr 1978 haben wir
vorgenommen
• ARBEITSSEMINARE
- Thema: Ausbildungssituation
- Thema: Arbeit in der Familienfursorge
• INFO SOZIALARBEIT - THEMENSCHWERPUNKTE
- Heft 19: Jugendhilferecht/Auseinandersetzung mit unterschied-
lichen Konzepten der politischen Organisierung
- Heft 2o: Ausbildungssituation
- Heft 21: Familienfursorge
- weitere Themen, zu denen mit den Vorarbeiten begonnen w1rd"_beit
Arbeit mit Kindern - Justiz und "Resozialisierung" - Altenar
I AKTIONEN
- Mitarbeit an der SB-Initiative gegen kapi talistische Arbeits-
platzvernichtung und Existenzbedrohung
- 6 Deutscher Jugendhilfetag in Kbln(im nachsten Heft werden
dazu unsere Einschatzung und Vorschlage fur die Vorbereitung
legen) a
Sozial'arh^ten ?Cht?' wende sich a" d" Redaktionskol lektiv Info
Oder lllill Hm Soz:allstischen Buro, Postfach 591, 6o5 Offenbach
Oder an eine der nebenstehenden AKS-Gruppen.
Redaktionskol lektiv Info Sozialarbeit
15. November 1977
- 168
INFORMATIONSDIENST
SOZIALARBEIT
THEMEN: 3 C h
• JUGENDHILFERECHT *
* JUGENDHILFETAG 1978 •
* INTERESSEN UND ORGANISATION *
* GENUSSFILZE IM KAMPF UM DIE ARBEITSPLATZE •
• GEWERKSCHAFTSARBEIT IN DEN KIRCHEN •
• KURZBERICHTE/KLEINANZEIGEN •
Dieser Informationsdienst Sozialarbeit wird im Sozialistischen Biiro
von Gruppen, die im Sozialisationsbereich arbeiten, hcrausgegcben.
Der Info dient del Kommunikation und Reoperation von Genossen, die mit
sozialistischem Anspruch im Feld der sozialen Arbeit tatig sind. Der Info enthalt
neben einem Schwerpunktthema Darsteliungen Uber die Organiaationsmodelle
und Basisaktivitaten aozialistischer Sozialarbeiter/-padagogen, Erzieher etc.,
Kurzberichte, Informationen und Analysen aus dem Sozial- und Gewerkschafts-
bcreich sowie Materialien, Hinweise, Stellenangebote und Kleinanzeigen.
Folgende Hefte sind noch lieferbar:
HEFT 5: ZUR ORGANISIERUNG IM SOZIALBEREICH (104 Seiten, DM 5.--)
HEFT 7: JUGENDHILFETAG-SOZIAUSTISCHE AKTION (80 Seiten, DM 4.--)
HEFT 8: REFORM UND REFORMISMUS ALS PROBLEM PRAKTISCHER
POLITIK IN DER SOZIALARBEIT (72 Seiten, DM 4. -)
HEFT 9: SOZIALARBEIT IN JUGENDZENTREN (96 Seiten, DM 5.--)
HEFT 10: KNAST UND SOZIALARBEIT (64 Seiten, DM 3,50)
HEFT 1 1 : INSTITUTIONELLE PROBLEME STADTTEILBEZOGENER
SOZIALARBEIT (64 Seiten, DM 3,50)
HEFT 12: INSTITUTIONELLE PROBLEME STADTTEILBEZOGENER
SOZIALARBEIT - TEIL II (80 Seiten, DM 4.-)
HEFT IS: JUGENDARBEIT - JUGENDARBEITSLOSIGKEIT (96 Seiten, DM 5.-)
HEFT 14: ALTERNATIVE PSYCHIATRIE (80 Seiten, DM 4,-j
HEFT 15: STUDIUM UND BERUFSPRAKTIKUM (88 Seiten, DM 5.-)
HEFT 16: GEWERKSCHAFTSARBEIT IN DER OTV (88 Seiten, DM 5.--)
HEFT 17: KINDERGARTENARBE1T (96 Seiten, DM 5.-)
HEFT 18: HEIMERZ1EHUNG (168 Seiten, DM 8.--)
Herausgeber: Sozialistisches Biiro
Postfach 591, 605 Offenbach 4
Verleger: Verlag 2000 GmbH Offenbach
Erste Auflage: Februar 1978, 5000 Exemplars
AUe Rechte bei dem Herausgeber
Vertrieb:
INFO SOZIALARBEIT, HEFT 19
Verlag 2000 GmbH, Postfach 591, 605 Offenbach 4
Postscheck Frankfurt Nr. 61041 - 604
Preis:
Einfachnnmmer DM 6.-
bei Abnahme von mind. 10 Stiick 20 % Rabatt
Weiterverkaufer (Buchladen, Buchhandel) 40 % Rabatt
jeweils zuziiglich Versandkosten
Das Info kann auch im Abonnemcnt bezogen werdcn. Bezugsgebtihren fiir
das Jahr 1978 (Heft 19 - 22) DM 15.- und DM 2,80 Versandkosten
Verantwortlich: Redaktionskollektiv Info Sozialarbeit
Presserechtlich verantwortlich: Giinter Pabst, Offenbach
Beilagen: Russell-Unterstiitzungsaufruf : Prospekt Wohlthat'sche Buchhandlung;
Einladung Fafii-Seminar -
Titclbild: Marie Marcks aus "Ich habe meine Bezugsperson verloren"
Druck: hbo-Druck Einhausen
INHALT
Vorbsmeckung zu dieser Ausgabe Seite 3
Benno Hafeneger/Herbert Swoboda, Frankfurt
"Im Westen Deutschlands: Nichts Neues"
Zum Referentenentwurf des Jugendhilfegesetzes Seite 5
JLirgen Fiege/Herbert Swoboda, Frankfurt
Verwissenschaftl ichung und Padagogisierung -
Diszipl inierungsinstrumente der Jugendverbandsarbeit Seite 15
Arbeitsfeld Sozialarbeit
Jugendhilfetag -
Die Alltagsreal itat in den Mittelpunkt stellen Seite 25
Horst-Dieter Zahn, Offenbach
Gewerkschaftsarbeit in den Kirchen Seite 31
Peter Dammarin, Hamburg
Jugend- und Bundnispol iti k des KB
am Beispiel des RBJ Seite 39
AKS Westberlin
Organisierung als ProzeB -
Eine Antwort an Helga Karl Seite 57
Fachgruppe Sozialpadagogik, "Tubingen
Zur Landwehr-Wedekind-Kontroverse im Info Heft 16 Seite 75
Edgar Weick, Frankfurt
Berthold Simonsohn zum Gedenken Seite 83
Sozialarbei ter im Streik -
Jugendliche kampfen urn ihr Jugendhaus Seite 85
H.E. Brand, Frankfurt
GenuBfilze im Kampf urn die Arbeitsplatze Seite 89
Deutschland ein Wintermarchen -
Diesmal in Hof und Nurnberg Seite 93
Kleinanzeigen Seite 94
Auf ruf zur Unterstiitzung
des RUSSELL-Tribunals
Das drille Internationale Russell-Tribunal wird sich mit den Verhaltnissen in der Bundesrepublik
Deutschland beschaftigen, weil sich die Anzeichen mehren, dafi in diescm Lande Menschenrechte in
Gefahr sind. Solltc sich der Verdacht bewahrheiten, dafi in der BRD die Grund- und Menschenrechte
verletzt werden, dann ware dies ein Tatbestand von schwerwiegender Bedeutung, nichl nur fiir die Bur-
ger der Bundesrepublik.
Das Russell- Tribunal wird sich insbesondere mit der Untersuchung folgender Fragen befassen:
• Wird Biirgern in der Bundesrepublik aufgrund ihrer politischcn Uberzeugung das Recht verwehrt,
ihren Beruf auszuiiben?
• Wird durch straf-, zivilrechtliche Bestimmungen und durch aufien-echtliche Mafinabmen Zensur
ausgeiibl?
• Werden Grund- und Menschenrechte im Zusammenhang von Strafverfahren ausgehohlt oder
eliminiert?
Politiker der Bundesrepublik werfen dem Russell-Tribunal vor, es versuche eine unzulassige Einmi-
schung vorn Ausland her in die westdeulsche Politik, es beabsichtigc, die Bundesrepublik zu diffanue-
ren und es stelle das westdeulsche politischc System auf cine Stufe mil Unrechtsslaalcn. Tatsiichlich
heiBt es demgegeniiber in der Griindungserklarung des Tribunals: "... Das erste Internationale Russell-
Tribunal wurde 1966 cinbcrufen, um Kricgsverbrechen in Vietnam zu untersuchen. Das zweilc Inter-
nationale Russell-Tribunal wurde 1973 einberufen, um Menschenrechtsverletzungen in Latcinamenka
zu untersuchen. Ergebnisse und Wertungen dieser Trihunalc wurden in der OlTentlichkeit mit grofler
Sorgfalt gepriifl und international als begrundct angesehen. Das dritte Tribunal beschaftigt sich mit
Problemen, die von denen der ersten beiden sehr vcrschieden sind: mit denen einer politischen Demo-
kralie. Es wird hierbei vom gleichen Wunsch wie die beiden vorangegangenen Tribunale getragcn,
uberall fiir die Menschenrechte einzutrelen, und es wird sich der gleichen Priifung durch die offent-
liche Meinung unterziehen ... Das Tribunal weist ausdriicklich darauf hin, dafi es nichl nur Bcschwerden
uber Verletzungen von Menschenrcchten horen, sondem auch diejenigcn einladen wird, ihren Stand-
punkt vorzutragen, die beschuldigt werden, fur solche Menschenrechtsverletzungen vcrantworthch zu
scin ..."
Der Einsacz fiir die Vcrwirklichung der Menschenrechte und das Aufdeckcn aller Formen der Verlelzung
von Freiheitsrechten sind nichl erst dann angcbracht, wenn der Status der Rcchtsstaathchkeit schon
verlasscn ist; Wamungen und Understand kiimen dann zu spat. Darum begriifien und unterstutzen wir
das Russell-Tribunal, das untersuchen soil, ob und inwieweit Freiheitsrechte in der Bundesrepublik
verletzt werden.
Dieses Russell-Tribunal hat cntgegen seinen Vorgangcm nichl die Aufgabc vcrbrcchcrische Machcn-
schaften autorilarer und halbfaschistischer Systeme bekanntzumachen und anzuklagcn. Im Fade uer
Bundesrepublik muB es vielmehr darum gehen, einen Rechtsslaat, der die republikanischen r retheiten
und Menschenrechte in seiner Vcrfassung verankert hat und der auf die sch.cfe Bahn geraten ist, vor
dem Abgleiten zu bewaliren. Es gilt hier also, den Anfangen zu wehrcn.
Eine Verkctzerung oder cine globaie Verurleilung der Bundesrepublik liegt nicht in der Absicht ^des
Russell-Tribunals. Gerade aufgrund der Erfahrungen der deutschen CeschlchtemuS aber bedacht wer-
den dafi die Gefahren, die der Demokratie in der Bundesrepublik drohen, schleichend und gl«tenfl
kommen. Demgemafl darf nicht biedcrmannisch gewartet werden, bis der bereits schwelendc Brand
offen ausgebrochen ist.
In der Einrichtung des RusseU-Tribunals driickt sich auch aus, dafi die Sorge, die wir uber den RuO-g^S
der demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik empfinden, von v.elen Menschen ™ tvestlichen
Ausland geteih wird. Bei der okonomischen und politischen Bedeutung der Bundesrepublik rnhcuu-
gen Europa und angesichts der historischen Vergangcnheit karm den anderen europaischen Volkern die
Entwicklung in der Bundesrepublik nicht gleichgiiltig scin. WcsteuropSer vertrcicn ihre Icgitimen eigenen
Interessen, wenn sie sich u.a. in der Form dieses Tribunals mit den Angelegenhciten der Bundesrepublik
beschiiftigen. Wir kfinnen nichl in nalionalstaallicher Beschrankung die Bundesrepublik als erne Insel
belrachten, die nur ihre eigenen Staatsangehorigen angeht.
Aus dicsen Griinden fordern wir dazu auf, die Freiheitsrechte in Betricb und Buro in den Schulen und
Aus aiesen cjrunacn iorucrn wn ua*.« -«'. «•«• • iwwwimih. "• — - -— — • a-„^„ nnt
Hochschulen, in der dffentlichcn Verwaltung und in den Medien zu bewahren und zu verteidigcn. uas
.... -, .. -l: n»ntit die Freiheitsrechte, die jcdemgellcn.erhalten una vcr-
nnerlich kiihle, distanzierle Haltung" nicht. Es komml daraut
Russell-Tribunal ist ein Bcitrag hierzu. Damit die Freiheitsrechte, die j^dem gellcn, «rhJlte(n
wirklicht werden, geniigt in der Tat eine " ... . ..
an, sich fur diese Rechte zu engagiercn!
Herausgeber und Erstunterzeichner dieses Aufrufs sind die Mitglieder des deutschen Beirats fiir das
Russell Tribunal Dr. Ingcborg Drewilz, Schriftstcllerin - Prof. Dr. Helmut Gollwitzcr - Pfarrcr u.
Martin Niemoller - Prof. Dr. Wolf-Dieler Narr - Prof. Dr. Uwe Wesel
Dieser Aufruf ist mit einer Unterschriftenaktion verbunden, die bis zum 10. Miirz 1978 lauft; Aulrui
und Unterzeichnernamen snllen in einem GroBinserat veroffentlicht ^cnVVo^%ck'n\T0ffl„bach 4
schreiben sind erhiiltlich Uber die Adresse Wolf-Dieter Narr/Klaus Vack, Po.tfach 648, 6050 Offenbach 4.
VORBEMERKUNG ZU DIESER AUSGABE
Die Bundesregierung schickt sich an in diesem Jahr ein Jugendhilfe-
gesetz zu verabschieden. Im Herbst vergangenen Jahres wurde im be-
schranktem Umfang ein Referentenentwurf der Fachbffentl ichkeit vor-
gelegt. Dieser Entwurf reiBt aber selbst die Verbandsexperten nicht
mehr vom Hocker. Die Reformluft hat sich vollends verf llichtigt.
Wenn wir den Referentenentwurf unter die Lupe nehmen,so nicht in der Ab-
sicht einzelne Paragraphen zu kritisieren. Es geht uns um die Tendenz-
en, die in diesem Gesetz angel egt sind. Statt sich an den Interessen
der Kinder und Jugendlichen zu orientieren, wird das Jugendhilfegesetz
technokratisch durchstrukturiert, wird der diszipl inierende Charakter
offensichtlich. Hier gilt, was schon 1974 Jugendliche zum damaligen
Diskussionsentwurf sagten: "Die behandeln uns, aber wir kbnnen die
nicht behandeln" .
Neben dem Jugendhilfegesetz haben die Festlegungen zur Jugendpolitik
in den Perspektiven zum Bundesjugendplan fiir die jugendpolitische
Praxis weitreichende Folgerungen.
Ein wichtiger Kritikpunkt sind die in dem "Perspektivplan" vorge-
sehene "Wirkungsanalyse und Erfolgskontrolle".
In dem Beitrag "Verwissenschaftl ichung und Padagogisierung - Diszi-
plinierungsinstrument der Jugendverbandsarbeit" erfolgt eine Ausein-
andersetzung mit Positionen, wie sie von Mitarbeitern des Deutschen
Jugendinstituts vertreten werden.
Der zweite Schwerpunkt dieses Heftes ist der Organisierungsfrage ge-
widmet. Eine Auseinandersetzung mit der Jugend- und BLindnispolitik
des Kommunistischen Bundes(KB) erfolgt durch einen Betroffenen am
Beispiel des Ringes Bundischer Jugend(RBJ) .
Auf eine DKP-orientierte Kritik am Arbeitsfeldansatz des Sozialist-
ischen B'u'ros antwortet der AKS-Westberlin.
Beide Beitrage drucken wir nicht aus einer besserwisserischen Haltung
ab, so als ha'tten wir den Stein der Weisen gefunden. Sie sind fiir uns
AnstoB unsere erarbeiteten Positionen und Praxisansatze selbst immer
wieder zu liberprlifen und sektiererischen Tendenzen in den eigenen
Reihen entgegenzutreten, wie auch an den theoretischen und praktischen
Problemen weiterzuarbeiten.
In diesen Tagen und Wochen fanden und finden an vielen Orten Unter-
stiitzungsveranstaltungen zum Russell-Tribunal statt.
Es gibt aber auch vehernente Angriffe deutscher Beamter und Politiker
gegen die Durchfuhrung des Tribunals. Die Unterstlitzer wurden massiv
unter Druck gesetzt. Die FDP setzte ihren Jugendverband kurzentschlos-
sen vor die Alternative: entweder Unterstiitzung - oder der Verband
wird aufgelbst. Der SPD-Parteivorstand beschloB, das Unternehmen
als "verleumderisch" in seinen Absichten gegeniiber der BRD zu erklaren,
und forderte seine Mitglieder auf, sich an dem Tribunal in keiner
Weise zu beteiligen.
Aus dem Ministerium des Bundesinnenministers stammt ein Geheimpapner
liber das Russell-Tribunal, das eindrucksvoll den Freiheitsspielraum,
der in unserem Staate noch vorhanden ist, darlegt und zunehmend poli-
zeiliche Denkformen unserer Politiker offenbart. Der Inhalt des Pa-
piers: Das Tribunal soil mit alien Mitteln bekampft werden. Das Recht
spielt keine Rolle dabei ; man ist sozusagen zu jeder Schandtat bereit.
Die Staatsschutzstrategen liefern selbst eine Einschatzung der Wir-
kungen des Tribunals. Sichtbar wird vor all em die Angst vor einer
Santmlung und Starkung der demokratischen Krafte und den damit ver-
bundenen Mbglichkeiten des Einwirkens auf die weitere politischen^
Entwicklung der BRD. Deshalb werden vielerlei Mbglichkeiten der Ein-
wirkung auf das Tribunal erwogen: die Infiltration des Tribunals mit
"regierurgsverla'Blichen" Personen, die breite Palette der Diffamierung
verleumderisch, komnunistisch, scha'dlich etc. - und vor allem die Ver-
botsmbglichkeiten - keine Ra'ume fur Veranstaltungen, Einreiseverbot,
Entzug der Grundrechte. Der Vorschlagskatalog ware noch fortzusetzen.
Wovor aber diese Angst? Wie machtig ist denn das Tribunal?
"Wir sind ohne Macht. Das ist die Garantie unserer Unabhangigkeit.
Niemand hilft uns, ausgenommen die Gruppen der Unterstutzungskomi tees,
die, wie wir selbst, Zusammenschliisse von Privatpersonen sind.
Indem wir weder eine Regierung noch eine Partei reprasentieren, kon-
nen wir auch keine Befehle empfangen: wir untersuchen die Tatsachen,
wie man sagt, mit Herz und Gewissen oder, falls man diese Fomiulierung
vorzieht, mit aller Freiheit des Geistes." (J.P.Satre in seinem Ein-
leitungsreferat zum Vietnam-Tribunal)
Auch das 3. Russell-Tribunal wird an diesen Pnnzipien festhalten und
in der "Freiheit des Geistes" seine Arbeit aufnehmen.
Wir wollen ihm dabei helfen: objektiv, engagiert, sachlich.
Wir rufen alle Leser des Info Sozialarbeit auf, den beiliegenden
Aufruf mit Kollegen zu diskutieren, zu unterschreiben und fur das
Tribunal zu spenden und sich an den Unterstlitzungsaktionen zu be-
teil igen.
Neben dieser Arbeit mu|3 und wird die Al ltagsarbeit weitergehen.
Hier noch einmal zur Erinnerung die Termine der nachsten Arbeits-
tagungen:
3 - 5. Marz 1978 Arbeitstagung in Frankfurt; Thema :Familienfiirsorge
(siehe Beiblatt)
15. -16. April 1978 1. Vorbereitungstreffen zum Jugendhilfetag
Betr.: HEIMERZIEHER - SEMINAR IN WESTBERLIN lo./ll. 12. 1977
An dem 2. Heimerziehertreffen in Westberlin haben ca. 2oo Erzieh-
er und Sozialarbeiter teilgenommen.
Bis zum RedaktionsschluB hat uns leider kein zusammenfassender
Bericht iiber die Tagung vorgelegen, sodal3 wir in dieser Ausgabe
lediglich auf das Sonderheft der Berliner Heimerzieher-Zeitung
hinweisen kbnnen. Gegen Voreinsendung von DM 4,-- (Briefmarken/
Scheck) kann es bei der HEZ, Urbanstr. 126, 1 Berlin 61
bestellt werden. In der nachsten Ausgabe des Info Sozialarbeit
werden wir den Bericht Jber das Seminar nachholen.
Benno Hafeneger/Herbert Swoboda, Frankfurt
"IM WESTEN DEUTSCHLANDS: NICHTS NEUES"
ZUM REFERENTENENTWURF DES JUGENDHILFEGESETZES
Nach dem spektakularen Scheitern der Jugendhilf erechtsreform in Zu-
sammenhang mit dem ebenfalls abgeblasenen Jugendhilfetag 1974, schickt
sich die Bundesregierung nunmehr erneut an, einen Entwurf vorzulegen
Er soil im Mai 1978 als Kabinettsvorlage umgeandert und anschlieSend
vom Bundestag verabschiedet werden.
In einer Presseinformation des Bundesjugendministeriums heifit es:
"Das Gesetz soil 1982 in Kraft treten. Rechtsanspriiche, die wegen
ihrer zwingenden Leistungsverpflichtung groKere Kapazitaten an Ein-
richtungen, Diensten und Veranstaltungen voraussetzen, als sie bis
1982 verfiigbar sind, sollen erst am 1. Januar 1987 in Kraft treten."
Daneben gent die Diskussion um den Bildungsgesamtplan weiter. Da-
rait werden aller Voraus.sicht nach 1978 Ziele, Strukturen und Schwer-
punkte des auBerschul iscnen Bildungs- und Erziehungsbereiches gesetz-
lich f estgeschrieben.
Worin unterscheidet sich nun dieser Ref erentenentwurf von seinem Vor-
ganger? Bevor dies untersucht wird, ist es sinnvoll, sich nochmals
die Geschichte des Jugendhilf erechts abriBhaft ins Gedachtnis zuruck-
zuruf en.
Das seit 1922 gultige RJWG wurde nach dem Sieg iiber den deutschen
Faschismus mit geringfligigen Snderungen in der BRD ubernommen. Am
28.8.1953 und am 1.7.1962 wurde das JWG novelliert, was sich vor al-
lem auf die Funktion der Jugendamter bezog. Dadurch wurde dem Drang-
en reformfreudiger Experten nachgegeben, zu einer umfassenden Neu-
fassung des Gesetzes kam es jedoch nicht.
Erst die bffentliche Kritik am System der Jugendhilfe wie sie im Ge-
folge der Studentenbewegung aufkam, verstarkte den Druck zur Reform.
Diese Kritik druckte sich einerseits in Basisaktivitaten der Betrof-
fenen praktisch aus, wie auch theoretisch in verstarkter wissenschaft-
1 icher Diskussion.
Am 10. Jul i 1970 beruft die Bundesministerin Kathe Strobel eine
zwblfkbpfige Sachverstandigenkommission, die auf der Grundlage einer
vom "Deutschen Verein fiir bffentliche und private Fursorge" vorge-
legtenSynopse von Snderungsvorschlagen am 26. April 1973 einen Dis-
kussionsentwurf (DE) vorlegt, der vom Bundesfamil ienministerium in
einer Auflage von 20.000 Exemplaren verteilt wird. In dieser Kommis-
sion sind die Vertreter der institutionel len Jugendhilfe konserva-
tiver Pragung iiberreprasentiert. Die Jugend ist offiziell durch zwei
Vertreter von Mitgl iedsverbanden des Bundesjugendrings reprasentiert,
die zudem nur zeitweise an den Kommissionssitzunqen teilnehmen.
Die Diskussion des DE wird breit von den Verbandsexperten gefuhrt,
und dem Bundesministerium werden ca. 150 Knderungsvorschlage und
Stellungnahmen unterbreitet. Die Sozialarbeiter an der Basis und die
Betroffenen sind in die Diskussion nicht einbezogen.
Fur die erste Gruppe plant die Arbeitsqemeinschaft fur Jugendhilfe
(AGJ)-dem Anspruch nach ein groBes Diskussionsforum-den 5. Jugend-
hilfetag (DJHT) vom 8. bis 11. September 1974 in Hamburg, bei dem
3.000 Teilnehmer erwartet werden. Zu diesem Zeitpunkt sollte aller-
dings laut Timing des Bundesfamil ienministeriums die Phase der Ex-
pertendiskussion'abgeschlossen sein (6.9.1974).
Nachdem die Experten dargestellt haben, was wiinschbar ist, sei nun die
Stunde der Parlamentarier, zu entscheiden, was machbar (f inanzierbar)
und mnglich sei, so auBerte sich sinngem'a'B Jugendministerin Focke
in einem Interview. Am 27. Marz 1974 erscheint der Referentenentwurf
des BMJFG - diesmal nur in einer Auflage von 1500 -, ein in seinen
Anspruchen, Rechten und Leistungen erheblich zuriickgestutzte Dis-
kussionsvorlage.
Zuvor fand im November 1973 eine Expertentagung der Arbeitsgemein-
schaft fur Jugendhilfe statt.sowie am 22./23.11. 1973 ein Hearing rait
24 ausgewahlten Experten durch das Bundesfamil ienministeri urn in Zu-
sammenarbeit mit dem Bundesjugendkuratorium. Sozialarbeiter der Ba-
sis und Betroffene wurden zu beiden Treffen jedoch nicht eingeladen.
scher
endhilfe-
bereitungs-
ter und
len
akzeptie-
ugendhilfe
sondern
n der
Handlungs-
Im Januar 1974 bildet sich aus verschiedenen Gruppen kriti
Sozialarbeiter die "sozial istische Aktion 5. deutscher Jug
tag", die zur Teilnahme am 5. DJHT aufruft. Zur ersten Vor
taguna in Hamburg finden sich bereits liber 150 Sozialarbei
Studehten aus dem sozial padagogischen Bereich ein. Sie wol
allerdings nicht den Refenrentenentwurf durch"Handaufheben
ren, der Librigens auch bei weiten Teilen von Tragern der J
Bestiirzung, Enttauschung und Ablehnung hervorgerufen hat,
die Auswirkungen des Gesetzes und die herrschende Praxis i
Sozial padagogik analysieren, diskutieren und entsprechende
konsequenzen Ziehen.
Die AGJ, bei der bis zu diesem Zeitpunkt lediglich ca. 100 Anmeldun-
gen eingegangen sind, und die einige Tage spater ein Vorbereitungs-
treffen der Jugendhilfetagsreferenten mangels ausreichender Teil-
nehmerzahl absagen mufl, beschlieBt, die Notbremse zu Ziehen: Am
29. Mai 1974 wird nach massiver Hetze gegen die sozial istische Aktion
und unter dem Vorwand einer vermuteten Strategie der Chaotisierung
des 5. DJHT durch die sozial istische Aktion der 5. Deutsche Jugend-
hilfetag abgesetzt, Der Basis wird das letzte Forum einer breiten
Diskussion genommen, das doch bedeutungsvoll gewesen ware, selbst
wenn es die "Experten" - Diskussion nicht beeinfluBt ha'tte.
Parallel zur Absage des 5. Jugendhilfetags wird der Jugendhilferechts-
entwurf faktisch zuriickgezogen. Dies geschieht auch aufgrund massiven
Drucks der Stadte und Gemeinden, die fur die hohen Folgekosten der
im Entwurf verankerten, einklagbaren Rechtsanspruche aufkommen mu'Bten.
Der in der Sra Brandt initiierte Reformentwurf wird unter AusschluB
der Fachoffentlichkeit auf das "Machbare" zurechtgestutzt. So sieht
der sog. "Kabinettsentwurf " vom 15.8.1974 in der Tendenz eine Ver-
scharfung diszipl inierender MaBnahmen vor.bei gleichzeitiger Strei-
chung kostenaufwendiger Rechtsanspruche.
Dieser - zunachst nur durch eine Indiskretion bekanntgewordene- Ent-
wurf wird von der"Regional gruppe Kbln zum Jupofo" einer hervorragen-
den Analyse entzogen,(l)
Der Kabinettsentwurf verschwindet zunachst in der Schublade. Statt-
dessen bastelt das BMJFG an den "Perspektiven zum Bundesjugendplan",
urn dadurch wenigstens die auBerschul ische Jugendbildung besser in den
Griff zu kriegen. In relativer Ahgeschlossenheit entwickelt, legte
die neue Familienministerin Antje Huber am 31.10.1977 nunmehr den
neuen Referentenentwurf (RE) des Jugendhilfegesetzes (JHG) vor,zusammen
mit einem 450-seitiqen Kommentar.
"Das Kind ist ein Wesen mit eigener Menschwiirde. . ." (Begriindung zu
Referentenentwurf des JHG S.ll)
"Nach dem Grundgesetz sind auch Kinder und Jugendliche Trager von
Grundrechten". (Begriindung zum Referentenentwurf des JHG, S. 27).
Am Beispiel einiger zentraler Aussagen des RE soil gezeigt werden,
wie sich Jugendhilfe unter Krisenbedingungen ausweist und welche
Konfliktlbsungs- und Integrationsstrategien vorgesehen sind. Die
entscheidenden Fragen sind,
1. ob ein neues JHG gerade unter den sich weiter verschlechternden
Lebens- und Arbeitsbedingungen und -perspektiven von Kindern und
Jugendlichen konsequent an deren Interessen ansetzt oder an denen
der herrschenden qesellschaftl ichen Gruppen?
2. ob das JHG sich an den padagogischen Erfordernissen einer fort-
schrittl ichen Sozialarbeit sowohl in wie auBerhalb der Institutio-
nen orientiert und Selbstorganisation/Selbstverwal tung der Be-
troffenen fdrdert und absichern hilft oder sich einordnen la'Bt
in den sich ausweitenden Repressionsapparat und diszipl inierenden
Charakter annimmt.
Im folgenden soil versucht werden, diese Fragen durch Fakten zu be-
legen und Folgerungen zu Ziehen.
Seitens des Bundesmim'steriums" fiir Jugend, Familie und Gesundheit
wird der RE folgendermaBen gesehen:
"Das Gesetz ist als Leistungsgesetz aufgebaut mit einem detaillier-
ten Katalog von Forderungsangeboten und Hilfen zur Erziehung. Es
raumt Kindern und Jugendlichen und deren Erziehungsberechtigten Rechts-
anspruche auf Hilfen zur Erziehung ein, soweit dies sachlich geboten
ist.
Es schreibt vor, dafl Jugendhilfe sich an den Bediirfnissen und Wiin-
schen der jungen Menschen und Erziehungsberechtigten zu orientieren
hat und sieht ihre Mitwirkung an der Entseheidung fiber die Leistung
und an ihrer Gestaltung vor.
Es fbrdert die Weiterentwicklung der Aufgaben der Jugendarbeit als
eigenstandiges Feld sozialen Lernens in Zielen und Inhalten nach
modernen (!) Gesichtspunkten.
Der Entwurf sieht insbesondere eine Intensivierung der familienunter-
stiitzenden Hilfen. . .vor". (2)
- 7
ZIELSETZUNG
Schon im § 1 wind nur vom "Recht auf Erziehung" (nicht Bildung) ge-
sprochen, mit der erbbiologischen Begrundung, Kindern und Jugendl i-
Chen ZU ermbglicher "ihre Anlagen und Fahigkeiten zu entwickeln".
Wie bereits im RE 1974 werden emanzipatorische Zielsetzungen, wie
sie sich zunachst andeuten in Formul ierungen wie "personlichen und
gesellschaftlichen Lebensbedingungen zu erkennen, ihre eigenen Rechte
und interessen wahrzunehmen" regl ementiert und i nfragegestel 1 t . Die
Zielsetzungen sind nur mb'glich, wenn die Juqendlichen und Kinder
gleichzeitig bereit sind, "ihre Pflichten gegeniiber Staat und Gesell-
schaft zu erfiillen".
Die Grenzen der Emanzipation liegen sowohl in § 1 wie § 19 (Politi-
sche Bildung) in den "Pflichten gegeniiber Staat und Gesellschaft".
Unter diesen einschrankenden Mbglichkeiten wird dann auch noch auf-
gefordert, "an deren (Staat und Gesellschaf t, d.V.) Gestaltung mit-
zuwirken". Mitwirkung wird im Rahmen gegebener Strukturen angeboten,
ohne Chancen zu erbffnen, diese auch ve'randern zu konnen.
MITBESTIMMUNG UND SELBSTBESTIMMUNG DER BETROFFENEN
Formul ierungen im Gesetzestext wie "weitgehend mitbestimmt und mit-
gestaltet" (§ 18), "alle Leistungen der Jugendhilfe schlieBen Be-
ratung mit dem jungen Menschen ein", "ihren Wiinschen soil entsprochen
werden" (§ 9), "Inhalt des Gesamtplanes ist mit dem jungen Volljahri-
gen. . . eingehend zu erortern (§ 41), ". . .Fahigkeit und Bereitschaf t
junger Menschen zur Mitwirkung entwickelt und gestarkt werden" (§64)
lassen die Anspruche des Kommentares, Mitbestimmung und EinfluBnah-
me der Betroffenen zu sichern, Makulatur werden. Es bleibt dem Ein-
zelfall Liberlassen, wieweit die Betroffenen Liber die getroffenen
Entscheidungen informiert und gehort werden, sie sind strukturell
Objekte staatlicher MaBnahmenpolitik, die in Absprache mit den Er-
ziehungsberechtigten im Rahmen eines "Gesamtplanes der Leistungen"
erstellt werden. Gegebenenfal Is haben Sffentliche Trager und Per-
Sonensorgeberechtigte "auf sein Einverstandnis mit der notwendigen
Hilfe hinzuwirken". Willigt der Jugendliche "trotz eingehender Be-
ratung nicht ein. . . hat der Sffentliche Trager unverziiglich das Vor-
mundschaftsgericht in Kenntnis zu setzen" (§ 8.4), das dann einst-
weilig anordnen kann. Wird dann "Erziehung auBerhalb der eigenen
Familie geleistet", kann auch noch der Schriftwechsel untersagt wer-
den (§ 43). Vom Schein der Mitwirkung und Mitbestimmung bleibt ^nichts
mehr Librig; wo bleibt die "freie Entfaltung der Personlichkeit" (§ 1)
bei einem Zugriff system bei dem nach der Untersuchung des jungen
Menschen der "erzieherische Bedarf" festgestellt und dann ein Gesamt-
plan erstellt wird? In diesem System bleibt in bezug auf selbstorga-
nisierte und kollektive Problembewal tigung und Veranderung von Le-
bensverhal tnissen nicht mehr viel Librig. Bedarf sfeststel lung, Unter-
suchung und Gesamtplan sollen zwar die sozialen Bedingungen mit er-
schlieBen, aber Fachleute stellen mit wissenschaftl ichen Erkenntnis-
sen und entwickelten Methoden den erzieherischen Bedarf "soweit mog-
lich und zulassig" fest. Auch die "Erziehung in einer Wohngruppe"
(§ 40), eingeordnet in "Hilfe zur Erziehung auIJerhalb der eigenen
Familie", wird erst in Gefahrdungssi tuationen ermoglicht; dazu miis-
sen die Jugendl ichen als Voraussetzung "die Anforderungen eines Aus-
bildungs- oder eines Arbeitsverhaltnisses erfiillen" und "Bereitschaf t
des Jugendlichen zur Zusammenarbeit bestehen". Welcher Jugendl iche
hat unter diesen Vorgaben liberhaupt noch die Chance und Bereitschaft,
in einer Wohngruppe zu leben, die die angestrebten Zielsetzungen be-
reits zur Voraussetzung macht?
Ein Rechtsanspruch auf Hilfen, die seinen WLinschen entsprechen,
der Jugendliche nicht; er kann sich von der eh schon vorgesehen
lette von Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen lediglich
Trager aussuchen. Das kann er aber nur, soweit es dem Zweck der
Lei stung nicht widerspricht - und den setzt letztlich der offen
Trager im Einvernehmen mit den Personensorgeberechtigten fest -
keine unvertretbaren Mehrkosten entstehen, - was das im Einzelf
heiBt, setzt ebenfalls der offentliche Trager fest. So liegen d
"Mitbestimmungstnoglichkeiten" z.B. in der Auswahl des Heimes: z
ob er in einem vom Caritasverband oder vom Landeswohlfahrtsverb
getragenen Wohnheim "erzogen" werden will, oder an einem Erzieh
kurs beim Evangel ischen Gemeindeverband oder bei der AW "befah
wird, Konflikte zu "verarbeiten".
hat
en Pa-
den
tliche
und
all
ie
.B.,
and
ungs-
igt"
Unter Erziehungsmangeln
dem Kommentar (S.177) u.
aus dem Elternhaus, Schu
bruch von Ausbildungsver
letarische Jugendliche s
den und -verhal tnissen u
tumsordnung angreifen. I
weisungen vorgenommen; U
die 'Del inquenten ' werde
FAMILIENORIENTIERUNG
und sozial abweichendem Verhal ten werden nach
a. verstanden: Eigentumsdel ikte, Entweichen
Iversaumnisse, Arbeitsunstetigkei t und Ab-
ha'ltnissen; der Staat greift. ein, wenn pro-
ich nicht den kapital istischen Arbeitstugen-
nterwerfen wollen und die bestehende Eigen-
n diesen Fallen sollen und werden Heimein-
rsachen und Motive interessieren dabei nicht,
n erstmal 'eingewiesen' und isoliert.
Die Abschni tte"Forcerung und Erziehung in der Familie, f amilienunter-
stutzende Hilfen zur Erziehung" (§§ 35, 35) zeigen al s Kernbereiche
des RE die durchgangige "famil ienfreundl iche Tendenz". So begrLiBte
auch der Bundesvorstand der CDU-Frauenvereinigung die Aussage von
Famil ienministerin Huber, daB die eigene Familie, das Elternhaus,
durch nichts zu ersetzen sei .
Sie lauten im Einzelnen:
- "Forderung und Unterstiltzung der Erziehung in der Familie
- Forderung der Familienf reizeit, Erholung und Gesundheit
- Familienbildung
- Beratung und offene padagogisch-therapeutische Hilfe
- Unterstiltzung alleinerziehender Elternteile und alleinstehender
werdender Mutter
- Unterstiitzung von Eltern in besonderen LebensverhSltnissen
- Unterstutzung von Eltern bei Gefahrdung oder Stoning der Entwick-
lung der Kinder und Jugendlichen
- Inobhutnahme und Riickfiihrung eines Kindes oder Jugendlichen
- Ubungs- und Erfahrungskurse
- Erziehungsbeistand"
- 9 -
Gesetzestextes in
E Erziehung" (und
rn"; "Eltern. . .
ern" ;
ratungsangebo ten
e Problemlagen
zuordnen; dem
Erziehung in der
Hilfen nachgeord-
en Familie" in
er eigenen Familie
Dazu finden sich in den ersten beiden Kapiteln des
standiger Wiederholung Formul ierungen wie "Recht au
nicht Bildung); "Erziehung ist... Recht... der Elte
bei der Erziehung... beraten, unterstiitzen und ford
"Dabei wird es um weitere Ausdif f erenzierung von Be
(Familien- Jugend- Erziehungsberatung) gehen, um di
von Eltern und Jugendlichen arbeitsteilig Amtern zu
Funktionsverlust der Familie soil begegnet werden.
Familie ist vorrangig; den familienunterstiitzenden
net ist die Hilfe zur Erziehung auBerhalb der eigen
den S§ 37-40:
"Nachrangigkeit der Hilfe zur Erziehung auBerhalb d
Hilfe zur Erziehung in Familienpf lege
Hilfe zur Erziehung in einera Heim
Hilfe zur Erziehung in einer Wohngruppe."
Um "ungilnstigen Entwicklungsbedingungen" von Kindern und Jugendlichen
entgegenzuwirken, sind zuerst Hilfen flir die Familien vorgesehen,
dies geht soweit, daB "Beamte und Angestellte des offentlichen Tragers
der Jugendhilfe die Wohnung oder die Einrichtung (auBerhalb der eigen-
en Familie d.V.) zum Zweck der Inobhutnahme wahrend der Tageszeit...
auch wahrend der Nachtzeit betreten diirfen" (§ 32). Bei Gefahr ijn
Verzuge kbnnen auch ohne Anordnung durch den Vormundschaftsrichter
Wohnungsdurchsuchungen vorgenommen werden. "Das Kind oder der Jugend-
liche ist unverziiglich dem Personensorgeberechtigten zu iibergeben. . . "
(§ 32). Es werden also alle Gewal tmaBnahmen des Staates aufgeboten,
um Kinder und Jugendliche in die Familie zuriickzuholen. Das heiBt,
der Staat wendet alle Gewaltmittel an, um die Familie zum Funktionie-
ren zu bringen. Da es sich dabei in erster Linie um proletarische
Familien handelt, legitimiert hier der Staat sein repressives Ein-
greifen (= Verletzung der Autonomie der Familie) bei gleichzeitiger
Aufrechterhal tung der Famil ienideologie.
Welche Wohnungen und Einrichtungen (wohngemeinschaft? Jugendzentren?
Selbsthilfegruppen? Politische Gruppen?) entwicklungsgefahrdent sind,
entscheidet jeweils der offentliche Trager. Es liegt in seinem Er-
messen mitzuteilen, wohin der/die Betroffene(n) gebracht worden sind
(§ 32,5).
Die Obungs- und Erfahrungskurse von mindestens 3-wochiger Dauer sol-
len "Hilfe zur Konf liktverarbeitung" (§ 33,2) anbieten und nicht be-
fahigen, Ursachen von Konflikten zu erkennen und zur offensiven Durch-
setzung eigener Interessen und Bedlirfnisse zu motivieren. Auch hier
ist die Vermeidung offener Konfl iktaustragung deutlich, die Betrof-
fenen sollen lernen, sich anzupassen, unterzuordnen, Konflikte zu ver-
arbeiten. Bei den famil ienerganzenden Hilfen zur Erziehung ist positiv,
daB fur Kinder vom 3. Lebensjahr an ein einklagbarer Rechtsanspruch
auf einen Kindergartenplatz zusteht (§ 38, 1).
Wo die Familie "versagt", muB dann doch die offentliche Erziehung her,
die Heimerziehung.
Bei § 39 wird unterschieden zwischen "Normal-Heimen und "padagogisch-
therapeutischen Heimen". Der Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen
in Heimen wird in der Kommentierung vorsichtig problematisiert, er-
fahrt dann aber seine BegrLindung: "Auch die Heimerziehung darf aber
nicht letztes Mittel in einer Kette nach Intensitat und Eingriffs-
10
charakter sich steigernder MaBnahmen sein, sondern ist die unter be-
stimmten Voraussetzungen am besten geeignete Hilfe. ... In der Dis-
kussion iiber die Heimerziehung sollten die... erreichten Verbesserun-
gen gesehen und gewiirdigt... werden". (S.182 f . ) Wie Realitat Und An-
gebote im einzelnen aussehen werden - das unterliegt Landesregelun-
gen- zeigt sich u.a. an der Auseinandersetzung um die Jugendwohnhei-
me Ziegel huttenweg, Zingelswiese, Luisenheim, KleemannstraSe in
Frankfurt und die Vorlage "Heil padagogische Intensivbetreuung" in
Hessen.
ANERKENNUNG UND FORDERUNG
Unterschieden wird zwischen Anerkennung und Fb'rderung. Ein freier
Trager hat "Anspruch auf Anerkennung, wenn er die Gewahr dafiir bietet,
da(3 seine Arbeit der freiheitlich demokratischen Grundordnung des
Grundgesetzes entspricht" (§ 97). Die Nachwei spf 1 icht liegt also im
Zweifel sfal le beim Trager. Anspruch auf Forderung hat er "soweit im
Jugendhilf eplan derartige Einrichtungen, Dienste oder Veranstaltun-
gen vorgesehen sind" (§ 99). SchlieBlich sollen "Einrichtungen,
Dienste und Veranstaltungen jeweils von dem offentlichen oder dem an-
erkannten freien Trager der Jugendhilfe geschaffen und betrieben wer-
den, der die Voraussetzungen fur die Leistung wirksamer Jugendhilfe
am besten erfiillt. Dabei sind besonders zu beriicksichtigen
1 . die Wiinsche, Bedlirfnisse und Interessen der jungen Menschen und
der Erziehungsberechtigten sowie ihr Wahlrecht nach § 9 Abs. 2
Satz 3,
2. die fachlichen Voraussetzungen entsprechend der jeweiligen Auf-
gabe, vor allem die Durchfiihrung durch Fachkrafte sowie Sachkunde
und Erfahrungen des Tragers der Jugendhilfe fur den Betrieb sol-
cher Einrichtungen, Dienste oder Veranstaltungen,
3. eine geniigende Vielfalt des Angebotes." (§ 98)
Unter diesen MaBgaben werden Sel bstorganisationsansatze, Initiativ-
gruppen, Selbsthilfegruppen und Jugendverbande, denen es um die Arti-
kulation und Durchsetzung der Interessen der Betroffenen geht, kaum
eine Chance haben, in die Forderung einbezogen zu werden. Erforder-
lich dazu sind:
- Arbeit muB der freiheitl ich-demokratischen Grundordnung des Grund-
qesetzes entsprechen
- 'fachliche' Voraussetzungen
- 'Sachkunde' und Erfahrungen
- Plural itat, d.h. Ausgewogenheit des Angebotes
- Eigenleistung
- zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwendung der Mittel
- 'MaBnahmen' mlissen im Jugendhilfeplan vorgesehen sein
- wissenschaftl iche und entwickelte Methoden.
Neben den Verbanden auch "Gruppen der Jugend" (§ 97) als freie Tra-
qer zu nennen, hat unter den o.g. Kriterien nur deklamatorischen
Charakter; allenfalls gelingt es gutsituierten Elterngruppen als e.V.
- 11 -
mit Mitgl iedskarten und -beitragen UnterstUtzunn zu bekommen, pro-
gressive sozial- und kapital ismuskritische Initiativen sicher nicht.
Hieran wird deutlich, daB Jugendarbeit institutionel 1 festgeschrieben
werden soil. Die mangelnde Flexibilitat macht die Unterstiitzung von
spontan sich bildenden Gruppen kaum mbglich. Dadurch wird eine Dis-
krepanz zwischen den die Jugend verwaltenden Verbanden und Institution-
en und spontanen Bewegungen unter der Jugend geschaffen, werden letzte-
re von einer Forderung so gut wie ausgeschlossen. Selbstorganisation
und Selbstverwaltung werden dadurch nicht gefbrdert.
JUGENDARBEIT
Gegenuber der Unterscheidung Jugendpflege und Jugendflirsorge urn JWG
wird im RE unterschieden zwischen Hilfen zur Erziehung, auf deren
Leistung ein Rechtsanspruch bestehen kann und Forderungsangeboten,
auf die kein Rechtsanspruch besteht. Zum Bereich der Fbrderungsange-
bote gehbrt neben der Familienbildung (§ 27) und Beratung (§ 28) die
Jugendarbeit (§§ 18 - 24)
"Grundsatze der Jugendarbeit
- Politische Bildung
- Kulturelle Bildung
- Beruf sorientierte Bildung
- Jugendsozialarbeit
- Jugendarbeit in Freizeit, Geselligkeit , Spiel, Sport und Erholung
- Internationale Jugendarbeit".
Die Bereiche stehen gleichberechtigt nebeneinander, d.h., ein Primat
der Politischen Bildung gibt es nicht. Gegenuber dem RE von 1974 sind
"berufsorientierte Bildung" und "Jugendsozialarbeit" neue Bereiche,
die die derzeitige Arbeitsmarktsituation widerspiegeln:
"a) Schulabganger- und Beruf svorbereitungsseminaren,
b) Lehrgangen fiir noch nicht beruf sreife Jugendliche,
c) ausbildungs- und beruf sbegleitenden Lehrgangen und Seminaren".
(§ 21).
"Leistungen zur Unterstiitzung und Erganzung der Schul- und Berufs-
bildung" (5 22).
Jugendarbeit soil nicht mehr in erster Linie politische Bildung in
Einheit von BewuBtseinsbildung und Aktion sein, sondern es werden
ihr kompensatorische Funktionen zugeordnet. Soziale Problemgruppen
sollen mit diesen Angeboten in die herrschende Gesellschaftsordnung
integriert werden. Das letztliche Scheitern solcher Vorstel lungen zeigt
die Palette von bildungs- und sozialpadagogischen Programmen zur Hil-
fe und Beratung von arbeitslosen Jugendl ichen.
Jugendliche sollen nicht befahigt werden, ihre gesellschaftl iche Lage
zu analysieren, ihre Interessen zu artikulieren und Strategien kol-
lektiver Durchsetzung ihrer Interessen und Bediirfnisse zu entwickeln.
Kategorien wie "Verhaltenssicherheit" al s Grundsatze von Jugendarbeit
und Formulierungen wie "Interesse an politischer Beteiligung und Mit-
arbeit wecken und starken", "Forderung des sozialen Engagements" in
der politischen Bildung (§ 19) "Pflichten und Verantwortlichkeiten
gegeniiber Staat und Gesellschaft befahigen" Zeigen die system integra-
tive und kompensatorische Absicht.
- 12
Methodisch 1st politische Bildung vorgesehen in "Fachtagungen, Lehr-
gangen und Seminaren, Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen" (§ 19) .
Die konventionellen Methoden entsprechen weder den Bedurfnissen und
Interessen von Arbeiter jugendl ichen noch den Erfahrungen und der fach-
1 ichen Diskussion der letzten Jahre, wie politische Lernprozesse ab-
laufen. Soziale Verhaltnisse sind nicht verbal- in schulisch organi-
siertem Lernen - zu Ibsen, sondern in politischer Praxis und sol i -
darischen Aktionen. Die Einbeziehung solcher Erfahrungen falltaus dem
RE vol 1 ig raus. Daruber hinaus gelten flir alle emanzipatorischen
Praxisansatze die Anerkennungs- und Fbrderungskriterien. Hierkbnnen
die Behbrden jederzeit administrate regl ementieren und diszipl inierend
eingrenzen und ggf. die Anerkennung und Forderung zurucknehmen.
TECHNOKRATISCHE (VER-) PLANUNG
Das Gesetz wird im Kommentar als Leistungsgesetz definiert. Zu den
Prinzipien einer modernen und wirksamen "Leistungsverwaltung" gehbrt
demzufolge die mittel- und langfristige Planung und Bedarfsermittlung.
Die derzeit geringen und knapper werdenden Mittel, im Sinne biirokratisch
festgelegter Effizienz einzusetzen, erscheint den Kommentatoren
hbchstens Gebot. Das hat zur Folge "den Jugendhilfebestand festzustel-
len, den Jugendhilfebedarf unter Berticksichtigung der Wunsche, Be-
diirfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Erziehungsbe-
rechtigten fiir einen mindestens funf jahrigen Zeitraum zu ermitteln"
(§ 105).
Der Jugendhilfeplan ist "mindestens alle 2 Jahre fortzuschreiben"
(§ 107). Damit wird langfristig festgeschrieben, wie auf Problem-
lagen von Kindern und Jugendlichen staatlich reagiert wird;
Spontaneitat, Bedurfnisorientierung und methodische Flexibilitat wird
gegen die sich eingespielte und einspielende Problemlbsungslogik jede
Chance genommen. Jugendliche und Kinder mit ihren Problemen und Interes-
sen werden der Planung - an der sie eh nicht beteiligt sind - subsumiert
und nicht umgekehrt.
JUGENDHILFEAUSSCHUSS
Die Zweigliedrigkeit des jetzigen Jugendamtes (Verwaltung und Jugend-
wohlfahrtsausschuB) ubernimmt der RE nicht. Der vorgesehene Jugend-
hilfeausschufi (eine Trennung in Pflege- und FiirsorgeausschuS ist
ebenfalls nicht mehr vorgesehen) wird wie andere kommunale Ausschus-
se zugeordnet und ist nicht mehr Teil des Jugendamtes. "Dem Jugend-
hilf eausschufi gehoren als stimmberechtigte Mitglieder aiit drei Fiinftel
des Anteils der Stimmen Mitglieder der Vertretungskorperschaf t des
offentlichen Tragers der Jugendhilfe an, die in der Jugendhilfe er-
fahren sein sollen. Mit je einem Fiinftel des Anteils der Stimmen ge-
horen ihm Personen an, die auf Vorschlag im Bereich des offentlichen
Tragers der Jugendhilfe wirkenden und anerkannten
1. Verbande und Gruppen der Jugend (§ 97 Abs. 1 Nr. 1)
und
2. Vereinigungen (§ 97 Abs. 1 Nr. 2. S 92).
Beratende Mitglieder sind u.a. ein Vertreter des Arbeitsamtes, eine
Fachkraft aus dem Schulbereich und ein Vertreter aus dem Bereich der
Fortbildung. Auch hier schlagt die Arbeitsmarktsituation durch; aller-
dings sind die Jugendlichen - wie auch im JwA - nicht selbst vertreten,
- 13 -
sie werden vertreten. Die Mehrheit (3/5) der Mitglieder kommen aus
der Vertretungskbrperschaft; die Wirkungsmbgl ichkeiten der freien
Trager, vor all em der progressiven Jugendverbande und Jugendringe
(sie werden ira Gesetz nicht mehr erwahnt), deren Initiative z.B. das
Jugendpolizei-Projekt in Frankfurt mit verhindert hat - wird erheb-
lich eingeschrankt, Verbande und Gruppen der Jugend delegieren nur
1/5 der Mitglieder. "Der JugendhilfeausschuB hat BeschluSrecht in
Angelegenheiten der Jugendhilfe im Rahmen der von der Vertretungs-
korperschaft bereitgestellten Mittel und der von ihr gefafiten Be-
schiusse" (§ 93,2). Die Kontrolle und EinfluBnahme der Jugendhilfe-
praxis wird erheblich eingeschrankt bzw. in eine unverbindliche An-
regungs- und Fbrderungsfunktion verwandelt (§ 93,1), Mitwirkung wird
dem AusschuB bei Erstellung des Jugendhilfeplanes (§ 107) zugestan-
den. Neben dem JugendhilfeausschuB soil eine Arbeitsgemeinschaft (§ 95)
gebildet werden, deren Stellenwert nicht zu erkennen und deren gesetz-
lich zugestandener EinfluB gleich Null ist. In ihm sollen wohl alle
Trager von Jugendhilfe unverbindl ich miteinander reden, die beratende
Funktion hat Alibifunktion. Alle Kompetenzen liegen letztlich beim_
bffentlichen Trager. Gerade hieran wird deutlich, daB weder eine Mit-
wirkung der von den MaBnahmen Betroffenen Klienten noch der die prak-
tische Arbeit tragenden Fachkra'fte vorgesehen ist. Gegeniiber der bis-
herigen Konstruktion des Jugendamtes wird hier dem offentlichen Trager
mehr Macht und Entscheidungsbefugnis eingera'umt. Die Mitwirkung des
fachkundigen Burgers wird zuriickgedrangt: mehr Staat macht sich breit.
ABSCHLIESSENDE BEWERTUNG
Bei naherem Hinsehen schrumpfen die angeblichen Verbesserungen sehr
zusammen, so ist etwa der Rechtsanspruch auf Fortbildung der Mit-
arbeiter (§ 103) als Verbesserung anzusehen. Im Prinzip sind sie aber
nur Verpackung fur zum Teil erhebliche Verschlechterungen. Eine fort-
schrittliche Jugendhilfepraxis wird von dem vorliegenden RE,der wohl nur
mit unwesentlichen Vera'nderungen so verabschiedet werden wird, keine
Unterstiitzung erfahren.
Zusammenfassend la'Bt sich feststellen, daB das neue Jugendhilferecht
sich nicht an den Interessen von Kindern und Jugendlichen orientiert.
Vielmehr hat die sozial -1 iberale Koalition voll die Famil ienonentne-
rung der CDU aufgegriffen und auf eigene programmatische Ziele weit-
gehend verzichtet. .
Die Schwierigkeiten, in die Kinder und Jugendliche aufgrund der Knsen-
erscheinungen kommen, werden deren Familien noch zusatzlich angelastet.
Was dffentliche Aufgabe ware, soil privat gelbst werden. Da die be-
troffenen Klienten meist aus proletarischen Familien kommen, wird auch
deutlich, wer die Zeche letztlich zu bezahlen hat.
Gleichzeitig maBt sich der Staat mehr Eingriffskompetenzen zu und
strukturiert die Jugendhilfe technokratisch durch.
Beide MaBnahmen gehen zu Lasten der Betroffenen, Initiativen von unten
werden dadurch nicht gefbrdert.
Wo einmal programmatisch mehr Demokratie gewagt werden sollte, wird
hier einmal mehr Staat etabliert.
In der Haupttendenz unterscheidet sich dieser Entwurf deshalb nicht
von seinem Vorlaufer.
(1) "Texte zur Jugendhilferechtskritik" Verlag Jugend und Politik
Ffm. 74;
(2) Reinhard Wilke "Zum Entwurf eines neuen Jugendhilfegesetzes"
deutsche jugend, Dez. 77, S. 559
Jiirgen Fiege /Herbert Swoboda, Frankfurt
VERWISSENSCHAFTLICHUNG UND PADAGOGISIERUNG
DISZIPLINIERUNGSINSTRUMENTE
DER
JUGEND VERBANDSARBEIT
VORBEMERKUNG
Nachdem abzusehen war, daB die 1970 begonnene Reform des Jugendhilfe-
gesetzes ins Stocken geraten wurde und ihr mit der bkonomischen Krise
1974 die Luft ausging, holte die damalige Ministerin flir Jugend, Fa-
mil ie und Gesundheit Katharina Focke einen weiteren Plan aus der
Schublade, um zumindest liber diesen Weg Kontrolle und Effizienz unter
den finanzpolitischen Schwierigkeiten sicherzustellen die "Perspek-
tiven zum Bundesjugendplan". Ein erster im Herbst 1974 erarbeiteter
Entwurf sollte zwar sorgsam vor der Offentl ichkeit gehlitet werden,
wurde aber dann doch durch eine offene Stelle bekannt und schlug in
Jugendverbandskreisen wie eine Bombe ein. Das Ministerium dekla-
rierte ihn als einen vorlaufigen Diskussionsentwurf und legte eine
uberarbeitete Fassung im November den zentralen Organisationen der
Jugendhilfe vor, mit der MaBgabe, innerhalb von drei Monaten Stellung
zu nehmen.
Mit den Perspektiven zum Bundesjugendplan will der Bund "die Aufga-
ben im Bereich der Jugendfbrderung verdeutl ichen" und "die Fbrderung
der Jugendarbeit aus dem Bundesjugendplan strenger als bisher auf
zentrale Aufgaben konzentrieren".
Wichtiger Kritikpunkt mehrerer Stellungnahmen von Jugendverbanden war
die Kontrollfunktion der in deti Perspektiven vorgesehenen "Wirkungs-
analyse und Erfolgskontrolle".
Mitarbeiter des Deutschen Jugendinstituts haben sich nun dran ge-
macht, ein Konzept flir diese Wirkungsanalyse und Erfolgskontrolle zu
entwickeln, und dieses in einem Aufsatz in der deutschen Jugend
10 - 11/1976 verbffentlicht (Stackebrandt, Schefold, John, Grieser:
Wirkungsanal vsen in der Jugendarbeit, in: Deutsche Jugend 10-11/76,
S. 443 ff und S. 511 ff)
GRUNDTENDENZEN
Der Artikel weist einige Grundtendenzen auf, die im folgenden an Bei-
spielen belegt werden sollen:
• er argumentiert pa'dagogisch, indem er Jugendarbeit unabhangig von
ihrer politischen Bedeutung auf sozial padagogische Bezuge redu-
ziert;
■ er reduziert die Auseinandersetzung um Wirkungsanalyse und Erfolgs-
kontrolle auf ein wissenschaftl iches Problem, indem er den politi-
schen und praktischen Bezug vernachla'ssigt und
■ er verharmlost und verschleiert die in den"Perspektiven" und insbe-
sondere in der Wirkungsanalyse und Erfolgskontrolle enthaltenen Ge-
fahren fur die Jugendarbeit. - 15 -
ck zu erwecken, als wollten die
nstitut den Jugendverbanden einen Ge-
haftlich ausgewiesen - eine schon
le und Wirkungsanalyse konzipieren,
e suchen. Tatsachlich liberprufen die
ihre Arbeit kritisch und es finden
che Korrekturen statt. Nur weigerten
ch, sich einer Kontrolle durch den
genstandigkeit und Unabhangigkeit
Der Artikel versucht, den Eindru
Autoren und das Deutsche Jugendi
fallen tun, indem sie - wissensc
lange liberfa'll ige Erfolgskontrol
nach der die Verbande schon lang
Jugendverbande schon seit langem
auch konzeptionelle und methodis
sich die Verbande bisher energis
Staat auszusetzen und so ihre Ei
aufzugeben.
Der Zeitpunkt, zu dem der neue Artikel erscheint, ist jedoch nicht
zufallig. Das Jugendministerium hat die "Perspektiven" zur Diskus-
sion gestellt, die Verbande haben - unterschiedlich scharf, aber
weitgehend Ubereinstimmend - Kritik daran gelibt.
Nachdem die Jugendverbande ihre Stell ungnahme abgegeben haben und
der 2. Entwurf zur Neufassung im Ministerium liegt, legen die Mit-
arbeiter des DJI ihr Konzept vor, mit dem sie allerdings den Ver-
banden einen Barendienst erweisen, denn abstrakte Zielprojektionen,
die verbandsspezifische Zielsetzungen und Methoden vernachlassigen,
dafiir die Verbandsarbeit von auBen kontrol lierbar machen, sind flir
die Verbande nicht akzeptabel .
Der entpolitisierende und verwissenschaftl ichende Ansatz des Artikel s
wird schon daran deutlich, daB nicht die "Perspektiven" als ganzes
einer kritischen Untersuchung unterzogen werden; vielmehr wird das
Thema "Perspektiven" reduziert auf die Probleme Wirkungsanalyse und
Erfolgskontrolle und damit werden schwerwiegende Eingriffe in die
Arbeit der Jugendverbande (4-Tage-Regelung fur Lehrgange, 40%-Klau-
sel flir Personal kosten, Schwerpunktsetzung aufgrund stagnierender
Mittelansatze,s.u.) aus den Oberlegungen ausgeblendet.
Um die Bedeutung dieses Vorgehens einschatzen zu konnen, muB man ^
sich die Interessen des DJI verdeutl ichen: Die "wissenschaftl iche
Erarbeitung und Anwendung von Wirkungsanalysen und Erfolgskontrol -
len schafft eine Legitimationsgrundlage fiir die Arbeit des DJI. Hier
kann es sich zudem noch profilieren und den Nachweis seiner Unentbehr-
lichkeit antreten. Die Tatsache, daB dadurch eine quasi-staatl iche
Kontrolle der Jugendverbande stattf indet, wodurch deren Autonomic
beeintrachtigt wird, liegt nicht im Interesse des DJI. Deswegen ge-
hen die Autoren auch gar nicht darauf ein. Hier wird u.a. deutlich,
wie staatliche Jugendpol itik wirkt: Durch finanzielle Schwerpunkt-
setzung machen die Subventionierten - und in diesem Falle das DJI -
immer das, woflir Zuschlisse, Prestige und Existenznachweis einzuheim-
sen sind. Dadurch wird sozusagen die Richtigkeit dieser staatlichen
Jugendpol itik-MaBnahmen aus sich selbst legitimiert.
FINANZIERUNGSPROBLEME VERNACHLASSIGT
Das Problem der Geldmittel wird von den Autoren zwar kurz erwahnt,
aber nur.indem sie den Vorwurf ohne Begrlindung zuruckweisen, die
"Perspektiven" verfolgtendie Absicht, Subventionen zu sparen. Tat-
sachlich wird dieser Verdacht in der SchluBbemerkung der "Perspekti-
ven" selber erha'rtet. Es sei mit keiner Erhohung der finanziellen^
Mittel zu rechnen, daher sei "Konzentration auf zentrale Aufgaben"
und "Fbrderung weniger wichtiger oder weniger effektiver (effektiv
- 16 -
wofu'r, fiir wen?-die Verfasser) Bereiche" aufzugeben. Daraus leitet
sich dann die Notwendigkeit von Schwerpunktbildungen ab. Die Reihen-
folge der Argumente ist also: kein Geld - Konzentration - Schwerpunkt-
bildung. Nicht aufgrund gesell schaftl icher Notwendigkeiten, sondern
aufgrund finanzieller Beschrankungen wird die Schwerpunktbildung
notig. Erfolgskontrolle und Wirkungsanalyse sollen die Aufgabe u'ber-
nehmen, die "Effektivitat" bestimmter Bereiche zu Uberprufen und
Schwerpunktsetzungen vorzunehmen. Orientiert wird dieses Verfahren
nicht daran, was gesel 1 schaftl ich im Jugendbereich notwendig ist,
sondern was finanziell machbar ist.
Angesichts der Aussage, daB mit hoheren Mittelansa'tzen nicht zu rech-
nen ist, mutet es schon komisch an, wenn die Autoren fordern, "die
finanzielle Absicherung dieser Verfahren (Wirkungsanalyse als Hand-
lungsforschung, gemeinsam von Wissenschaftlern und Tragern durchge-
fUhrt -die Verfasser) m'u'Bte allerdings das Bundesministerium fiir
Familie, Jugend und Gesundheit garantieren". Das BMFJG garantiert
noch nicht einmal den Bestand der derzeitigen Mittelansatze, geschwei-
ge denn weitere Projekte. Und wenn wirklich mit mehr Geld zu rechnen
ware, dann ware es ja wohl angebracht, dieses in die praktische Ar-
beit zu investieren.
Auch hier wird wieder die Interessenkoll ision DJI- Jugendverbande deut-
lich: Dem DJI geht es eben nicht um die praktische Arbeit der Ver-
bande, sondern um wissenschaftl iche Untersuchungen.
Um die interessenbedingte Blindheit des Artikels fur die Belange der
Jugend gegenliber finanziell en Problemen zu verstehen, muB man sich
vergegenwartigen, wo die "Perspektiven" in die Forderung eingreifen:
l.Die Perscnalmittel sollen auf 40% der Gesamtfbrderung beschra'nkt
werden. Das bedeutet vor allem fur kleinere Verbande, daB sie Per-
sonal abbauen mussen, denn 40% des ZuschuBvolumens bedeutet bei
einigen Verbanden Entlassung von Mitarbeitern, da von einer Er-
hohung des Sachkostenanteils nicht ausgegangen werden kann.
2.Lehrgange sollen nur noch ab einer Dauer von 4 Tagen gefdrdert wer-
den. Das bedeutet flir die Verbande Reduzierung ihres Lehrgangsan-
gebots, denn die meist ehrenamtl ichen Mitarbeiter - von deren zen-
traler Funktion auch die "Perspektiven" ausgehen - konnen nicht
vier Tage aus Schule und Betrieb wegbleiben. Fortbildungsveran-
staltungen fiir ehrenamtl iche Mitarbeiter sind daher nur an den zwei
Tagen eines Wochenendes moglich. Im Endeffekt bedeutet das, daB
Geld eingespart wird, weil weniger Lehrgange stattfinden konnen.
3. Man unterscheidet zwischen Grund- und Aktivitatenfbrderung im Bun-
desjugendplan. Grundfbrderung ist die finanzielle Grundausstattung
von Tragern flir Personal kosten, Blirokosten etc. Aktivitatenfbr-
derung steht flir Seminare, Lehrgange, Arbeitstagungen etc. zur
Verfugung. Die Trennung von Grund- und Aktivitatenfbrderung wird
in den "Perspektiven" aus haushal tsrechtl ichen Grlinden abgelehnt.
Das bedeutet, daB z.B. bei niedrigeren Haushal tsansatzen nicht mehr
nur weniger Geld flir Aktivitaten vorhanden ist, sondern daB gleich-
zeitig auch Hauptamtl iche entlassen werden mussen. Damit werden die
Hauptamtl ichen in Unsicherheit und Abhangigkeit gehalten.
17 -
4. Die Brei tenfbrderung wird den Landern und Konmunen zugemutet, die
chronisch unter Finanznot leiden. Man muB sich vergegenwartigen,
daB Zuschiisse der Gemeinden trotz einschla'giger Entscheidungen der
Gerichte uber die Zustandigkeit der Gemeinden fur die Jugendfbr-
derung fur Fahrten und Lager - wenn uberhaupt - ungefahr zwischen
30 Pfennigen und 1 Mark pro Tag und Teilnehmer liegen. Da ist ab-
zusehen, daB in Zukunft bei Fortfall der Fb'rderung durch den Bund
eine faktische Fb'rderungsverringerung zu erwarten ist.
5 Das Alter der Jugendl ichen, die an den gefbrderten MaBnahmen teil-
'nehmen dlirfen, wird von 25 auf 21 reduziert, gleichzeitig werden
die Studentenverba'nde aus der Fbrderung ganz herausgenominen. Diese
MaBnahme erschwert vor all em die Fortbildung ehrenamtl icher Mit-
arbeiter. Die Einsparungsabsicht ist offensichtlich. SchlieBlich
mussen die Kader der Jugendarbeit uber 21 Jahren hauptamtlich sein
und sind damit vielfaltig kontrollier- und diszipl inierbar.
POLITISCHE ZUSAMMENHANGE IGNORIERT
Diese Zusammenhange und Absichten werden von den Autoren nicht ge-
sehen Stattdessen wird die Illusion gefbrdert, der Bund w'urde fur
Forschungsprojekte noch zusatzliche Mittel bereitstell en. Gerade aus
dem Zusammenhang von gleichbleibenden Mittelansatzen bzw. Mittelkur-
zungen und Effektivitatskontrol le la'Bt sich folgern, daB nicht eine
Hbherq,ualifizierung der Jugendarbeit, sondern eine diszipl inierende_
Kontrolle beabsichtigt wird. Diese Vermutung wird nicht nur von linker.
Kritikern der "Perspektiven" gehegt, sondern sie findet sich auch in
den Stellungnahmen von Jugendverbanden eher konservativen Zuschmtts
(Vgl. z.B. Stellungnahme des Ring deutscher Pfadfinderverbande) .
In der Befurchtung mehrerer Verbande (z.B. Bund der Deutschen Katholi-
schen Jugend, Jugend des Deutschen Alpenvereins) , daB Wirkungsana-
lyse und Erfolgskontrolle eine Blirokratisierung der Abrechnungs-
praxis bedeutet, drUckt sich die Vermutung aus, daB nur in formal i-
sierten Verfahren die Arbeit der Verbande abfragbar ist, denn rnit
welchen inhaltlichen Methoden lassen sich die Erfolge unterschied-
1 icher Zielsetzungen der Einzel verbande untersuchen. Und wie das
Ministerium sich das praktisch vorstellt, kann man an den den Verban-
den vom Ministerium bereits vorgelegten Fragebogen ablesen, in aenen
statistische Erhebungen uber Alter und Zusammensetzung der Teilnenmer
einer MaBnahme angestellt werden. Nur da, wo politische Brisanz ver
mutet wird, wird auch inhaltlich Uberpruft, wie man aus diversen
Disziplinierungsfallen unschwer erkennen kann (s.u.).
Wenn die "Perspektiven" politisches Handeln nicht vorsehen, sondern
Jugendarbeit als Sozial isationsfeld interpretieren, in dem alien-
falls "Probehandeln" mbglich sei, so findet sich die gleiche Tendenz
der Padagogisierung und Verwissenschaftl ichung von Jugendarbeit auch
bei den Autoren. Jugendarbeit ist "reflexiver Lernort", in dem be
wuBte Selbsterfahrung" erfolgt und ein "ProzeB des Miteinanderumge
hens" sich vollzieht. Pa'dagogische Arbeit wird zwar als politisches
Handeln interpretiert.aber die dialektische Umkehrung von politiscnem
Handeln als Erziehungsfunktion bleibt auBerhalb der Oberlegung.
Urn MiBverstandnisse zu vermeiden, mussen wir darauf hinweisen, daB
- 18 -
wir gegen richtig verstandene Wissenschaftl ichkeit nichts haben. Wis-
senschaftl iche Begleitung von Praxis in der Jugendarbeit ist eine
hbchst wlinschenswerte und wichtige Angelegenheit. Das Problem ist
hier aber, daB organisatorisch und inhaltlich getrennt von der Praxis
eine wissenschaftl iche Begleitung geplant ist.
Das andere Problem der Verwissenschaftl ichung in dem Artikel von
Stackebrandt u.a. besteht darin, daB die Auseinandersetzung urn die
"Perspektiven" auf ein wissenschaftl iches Problem reduziert wird. Da-
mit wird von der dahinterstehenden politischen Auseinandersetzung und
den damit verbundenen Interessenkol 1 isionen abgelenkt. (Vgl. zu die-
sem Zusammenhang von praktischer Jugendarbeit und wissenschaftl icher
Begleitung Stefan Straub: Jugendverbandsarbeit mit wissenschaftl ichem
Anspruch? uber die Funktion hauptamtl icher Mitarbeiter in der Jugend-
verbandsarbeit; in: Deutsche Jugend 2/1972).
Hier zeigt sich deutlich, daB politisches Handeln als Interessenwahr-
nehmung Jugendl icher, wie es zum Selbstverstandnis gewerkschaftl icher
Jugendarbeit, aber auch zu dem politischer Jugendverbande gehbrt,
nicht gewlinscht ist. Zusatzlich ausgeblendet wird dieser Ansatz da-
durch, daB von der Jugendarbeit gesprochen wird, die es eben nicht
gibt. Es gibt Jugendverbande, die aufgrund unterschiedl icher, ideolo-
gischer, politischer und praktischer Zielsetzung Erziehungs- und Bil-
dungsarbeit leisten. Man muB hier unterscheiden zwischen Fachverban-
den (z.B. Feuerwehrjugend, Sportjugend, DRK-Jugend), gewerkschaft-
lichen und politischen Verba'nden, Freizeitverba'nden (z.B. Wanderjugend)
und schlieBlich weltanschaul ichen (konfessionellen) Verba'nden. Hier-
bei gibt es teilweise Oberschneidungen wie z.B. die Festlegung auf
"emanzipatorische Jugendarbeit" und es gibt gewisse Interessenidenti-
taten (z.B. in der Frage der Berufsbildung) , aber die Jugendarbeit
gibt es nicht, es sei denn, man lieBe sich auf extrem formale Begriff-
lichkeiten ein, die keine praktische Entsprechung mehr haben. Allge-
meinverbindliche Zielsetzungen und damit auch Kontroll kriterien kbn-
nen daher fur Jugendarbeit allgemein nicht festgelegt werden. Wohl-
weislich tun das auch die "Perspektiven" nicht, erstens weil es nicht
moglich ist, und zweitens weil es praktischer ist, sich nicht fest-
zulegen und die Interpretation im Bedarfsfall nachzuschieben. So be-
reits geschehen im § 9 des JWG, wo die Verbande auf die Verfassung
festgelegt werden. Diese Verfassung wird dann aber jeweils nach Gut-
diinken der staatl ichen Interpreten ausgelegt, wie z.B. bei der NFJD,
wo die vermutete Mitgl iedschaft von Funktionaren in der DKP zum Ent-
zug der Fbrderung ausreichte. Der Miihe, die Verfassungsfeindl ichkeit
der praktischen Arbeit nachzuweisen, unterzog man sich gar nicht erst
lange. Ein anderer Fall - der Ring Bundischer Jugend (RBJ) in Hamburg
- belegt das zusatzlich. Dem RBJ wurde die Forderungswiirdigkeit von
der Jugendbehbrde aberkannt (und das wurde vom Verwal tungsgericht be-
statigt), weil er in seinen Verbffentlichungen die Plural itat nicht
qewahrt habe und Intoleranz gegenuber dem politischen Gegner ("Schmah-
kritik") propagiert habe.
STAAT, JUGENDVERBANDE UND ARBEITSLOSIGKEIT
Die Rolle des Staates wird von den Autoren - wissentlich oder nicht,
jedenfalls faktisch - vol Tig fehl interpretiert, wenn z.B. von einem
''neuen Interesse des Staates an Jugendarbeit" gesprochen wird. Wo-
her dieses Interesse kommt, worin dieses Interesse besteht, wird vor-
- 19 -
nehm verschwiegen. Genauso falsch ist es zu behaupten, der Bundes-
jugendplan habe in der Vergangenheit auf "bewuBte Steuerung von Ju-
gendarbeit" verzichtet. Ausgangspunkt des Bundesjugendplans waren die
durch Kriegswirren, Fluchtl ingselend, Jugendarbeitslosigkeit und
mangelnde Freizeitmbgl ichkeiten riach dem Krieg entstandenen Defizite
(Vgl. A. Keil: Ougendpol iti k und Bundesjugendplan, Analyse und Kritik
der staatlichen Jugendfbrderung, Mlinchen 1969, und
J. Denier: Jugend und Politik im Kapital ismus. Zur Kritik der staat-
lichen Jugendbildung am Beispiel pol itischer Bildung als Schwerpunkt
des Bundesjugendplans, GieSen 1973).
In dem MaBe, wie diese Defizite abgebaut wurden, orientierte sich
der BJP1 auf ideologische Konzepte: zuna'chst intensivierte Fdrderung
antikommunistischer Propaganda (Berl inbegegnungen, Ost-West-Seminare
etc ) und spa'ter auf allgemeinere Probleme, schlagwortartig unter dem
Begriff Emanzipation zusammengefaBt. In dem MaBe, wie durch wieder-
holte Wirtschaftskrisen, die sich standig versch'a'rfen, neue Defizite
entstehen (Jugendarbeitslosigkeit, Dequalifizierung der Berufsbil-
dung, Verscharfung des Leistungsdrucks in der Schule, mangelnde Frei-
zeitmbgl ichkeiten), wird das Schwergewicht wieder auf kompensaton-
sche Programme gelegt. Die Abha'ngigkeit staatlicher Planung von ge-
sellschaftlichen und bkonomischen Entwicklungen und damit die ob-
jektive Funktion des BJP1 wird durch den Artikel unterschlagen. Im
Widerspruch dazu wird dann aber die kompensatorische Funktion von
Jugendarbeit fur Defizite aus anderen Bereichen (die Autorennennen
bezeichnenderweise nur das Erziehungs- und Bildungssystem, nicht et-
wa die bkonomischen Ursachen) legitimiert, doch diese Defizite wer-
den verharmlost als "individuelle Problemlagen" Oder Probleme von
Randgruppen.
Die Abgehobenheit der Argumentation von jedem praktischen und pol iti-
schen Bezug oder - wenn man weniger hbflich formu lert - die ver-
schleierungsabsicht des Artikels - wird dort deutlich, wo die dis-
ziplinierenden Absichten der "Perspektiven" als nicht belegbar abge-
tan werden. ... , , . .+ ■■
Zwar wird im Abschnitt 1.2 der "Perspektiven" die Jugendarbeit als
Sozialisationsfeld charakterisiert, in dem diverse Leistungen er-
bracht werden sollen, u.a. "Umsetzung eigener und gesellschaftl icher
Interessen und Aufgaben". Wie das geschehen so 1, wird dann aber
nicht ausgefuhrt. Unter den Aufgaben des BJP1 (2.3) taucht die Forde-
rung politischen Engagements und politischer Handlungsmbgl ichkeiten
car nicht erst auf. In Abschnitt 3.3.11. werden die Aufgaben der po-
litischen Bildung benannt. In dem Katalog wird die "Einubung demo-
kratischer Vernal tensweisen" gefordert sowie "das Eintreten fur ge-
samtgesellschaftliche Interessen und Wertvorstellungen". Waren es
oben noch "eigene Interessen", so wird das hier verengt zu gesamt-
gesellschaftlichen Interessen", was bedeuten muB, daB die gesanntge-
sellschaftlichen Interessen - nochntals verengt auf "Wertvorstellun-
gen" - nicht von den betroffenen Jugendlichen artikuliert werden sol-
len, sondern von Instanzen, die auBerhalb ihres Einwirkungsbereichs
liegen. Sozial isation, Aufgabe der Jugendarbeit, und politische Bil-
dung wird dadurch zum Eingriffsverhalten von Erwachsenen, Institu-
tionen und Behbrden, nicht aber zum Feld sozialer und politischer Er-
fahrung. Handeln taucht nur als "Probehandeln" (3.3.1.3.1.) i"1 .
sterilen Experimentierfeld pa'dagogischer Veranstal tungen auf, nicht
aber als padagogisch politisches Prinzip von Jugendarbeit.
- 2o -
TENDENZ: REGLEMENTIERUNG UND VERSCHLEIERUNC,
Also, bereits immanent werden Zielvorstellungen von Jugendarbeit in
den "Perspektiven" formuliert, die politisches Handeln einschranken
oder ausschl ieBen.
Der Nachweis, daB mit Hilfe des § 9 JWG und mit dem Hinweis auf
mangelnde Fachl ichkeit, mangelnde Partnerschaft seitens der Tra'ger
u.a. die FbrderungswLirdigkeit von Verba'hden in Frage gestellt oder
aberkannt wird, muB nicht erst geflihrt werden. Er ist bereits er-
bracht durch die beachtliche AbschuBstrecke SDS, SHB, VDS, RBJ, NFJD
und viele weniger spektakulare Einzelfa'lle z.B. bei Jugendzentren.
Das neueste Beispiel versucht nicht einmal mehr eini umfassende U'Cr-
digung eines Verbandes: Aus dem Bundesinnenministerium wurde ein
Schreiben bekannt, in dem dem BMJFG empfohlen wird, denjenigen Ver-
banden die Fbrderung zu entziehen, die sich am Russel -Tribunal be-
tel ligen. (Vgl. links, Nr. 2/1978). Die Jungdemokraten zooen bereits
vorher ihre Unterstiitzung des Russel -Tribunals auf Druck aus der FDP
und der Bundesregierung zuruck. Diese Tatsache herunterzuspiel en,
scheint Absicht der Autoren zu sein. Welche andere Absicht kann denn
der Staat noch haben, als die, die Verbande genaLer zu kontrol 1 ieren.
Mit dem Argument der Fachl ichkeit (genessen an welchem Wissenschafts-
begriff, abgeleitet von wessen Interessen?) und der Partnerschaft
la'Bt sich jede miBliebige Stbrung diszipl inieren. Durch Erfolgskon-
trolle und Wirkungsanalyse lassen sich die Verbande luckenlos u'ber-
prlifen und man ist nicht erst darauf angewiesen, spektakulare Ereig-
nisse zum Vorwand fiir Mittelstreichungen zu nehmen. Die Tatsache
z.B., daB von verbandsinternen Arbeitstagungen bereits Protokolle an-
gefordert wurden, daB die Rechnungshbfe nach der inhaltlichen Be-
rechtigung von EinzelmaBnahmen fragten, laBt die Betroffenen das
schlimmste befurchten. Das sind belegbare Tatsachen und "ausweis-
bare Erfahrungen"!
Das gleiche gilt flir das angebliche "Prinzip der Pluralita't" und die
"Eigenstandigkeit der Jugendarbeit". Grundsatzlich ist das nie in
Frage gestellt worden, sicher nicht, denn das wurde der immer noch
miihsam aufrechterhal tenen liberalen Scheinlegitimation zuwiderlaufen.
Aber praktisch werden diese Prinzipien dauernd in Frage gestellt, und
in der Haufigkeit verdichtet sich das zum Prinzip. Nicht nur, daB
bestimmte politische Ansatze in der Jugendarbeit von vornherein von
der Fbrderung ausgeschlossen werden (z.B. die SDAJ), sondern ge-
fbrderte Verbande werden of fen erpreBt. So wurde der Bundesjugend-
ring vom fruheren Staatssekretar im Jugendministerium und Mitglied
des Haushal tsausschusses des Bundestages aufgefordert, der NFJD aus
der "schl immen kommunistischen Unterwanderung herauszuhelfen". Da
der DBJR eine derartige Intervention ablehnte, wurdender NFJD die
Mittel "qualifiziert" gestrichen, was nichts anderes heiBt, als daB
die Effektivitatskontrolle und Wirkungsanalyse bereits ins Vorfeld
der EinzelmaBnahme verlegt wurde. Wahrend nach rechts in der Ge-
schichte des Bundesjugendplans noch nie diszipl inierend eingegriffen
wurde, geschieht das nach links standig. Die standig reklamierte
pluralita't und Eigenstandigkeit der Jugendarbeit wird praktisch
standig durchbrochen. Im Fall des RBJ wurde sogar das Argument der
pluralita't gegen diesen Jugendverband eingesetzt. Die Pluralita't,
reklamiert fur den ganzen Bereich der Jugendarbeit, wird hier dazu
benutzt, diese reklamierte Pluralita't einzuschra'nken, indem der ein-
- 21 -
zelne Verband auf Pluralita't in seinem Angebot verpflichtet wird,
d.h. es wird den Verbanden das Recht auf Entfaltung einer spezifischen
Zielsetzung generell abgesprochen.
Is unpartei-
it", die
s gesell-
aber immer
nstanz ist,
eren und z.B.
es wird u.a.
ert wird Ju-
her Produkti-
ktiven" die
der Jugend-
igkeit eben
n Jugendver-
Programme
Der Staat erscheint in der Darstellung der DJI-Autoren a
ische gesamtgesellschaftl iche Instanz, als "Offentl ichke
gegeniiber der "Privatheit" der Trager der Jugendhilfe da
schaftliche Interesse durchzusetzen hat. Es stellt sich
mehr heraus, daB der Staat diejenige gesellschaftl iche I
die die Produktions- und Herrschaftsverhal tnisse garanti
liber die Bi 1 dung und die Erziehung reproduzieren soll.Di
deutlich am Beispiel der Jugendarbeitslosigkeit. Produzi
gendarbeitslosigkeit durch die Mechanismen kapital istisc
onsweise und aufgrund der Marktmechanismen.
Diesen Tatbestand ignorierend kategorisieren die "Perspe
Jugendarbeitslosigkeit als "zeitlich begrenzte Aufgabe"
hilfe, um dariiber hinwegzutauschen, daB Jugendarbeitslos
kein Betriebsunfall und kein tempcrares Ereignis ist. De
banden wird zugemutet, den Jugendlichen kompensatorische
fiir das "Defizit" an Arbeit und Ausbildung anzubieten.
Diese Zumutung entlarven die Autoren nicht etwa, wenn sie auf den Zu-
sammenhang von Schwerpunktbildung und Wirkungsanalyse eingehen, son-
dern sie werfen den Verbanden auch noch ihre "Hilflosigkeit. . . gegen-
iiber der Jugendarbeitslosigkeit" vor (S. 452). "Helfen" kann man
jungen Arbeitslosen nur, indem man ihnen Arbeit und Ausbildung ver-
schafft. Dazu sind aber nur Staat und Unternehmer in der Lage und
nicht die Jugendverbande. Nicht nur, daB die Jugendverbande unquali-
fiziert angegriffen, sondern vor allem daB mit derartiger Argumenta-
tion die wahren Ursachen der Arbeitslosigkeit verschleiert und die
staatliche Propaganda u'bernommen werden, ist schlimm.
Um die Massenloyal ita't zu erhalten, muB der biirgerliche Staat die Ur-
sachen der Arbeitslosigkeit verschleiern und nur die schlimmsten Fol-
gen bekampfen. Durch den Ausbau des Repressionsapparates wird Wider-
stand niedergehalten, und durch Subventionen an die Kapitalisten wer-
den zusatzlich die Produktionsverhal tnisse stabil isiert. Auf die Be-
triebsabgabe der Unternehmer wird verzichtet, die Jugendarbeitslosig-
keit wird mit kompensatorischen Programmen angegangen. Ware der Staat
die Instanz, die gesamtgesellschaftl iche Interessen vertritt, dann^
mUBte die Betriebsabgabe durchgesetzt und die Jugendarbeitslosigkeit
an ihrem Entstehungsort beka'mpft werden. Hieran zeigt sich, daB der
Staat gerade parti kulare Interessen, na'mlich die der Unternehmer ver-
tritt, gegeniiber einem gesel lschaftl ichen Interesse an Ausbildung und
Arbeit.
Dieser Zusammenhang wird von den Autoren nicht einmal problemati-
siert. So wird es auch erklarbar, wenn die Legitimation der Jugend-
arbeit gegeniiber dem Staat als Legitimation "privater Trager" gegen
liber der "Bffentl ichen Kontrolle" durch die Ministerialblirokratie
gerechtfertigt wird. Die Verhaltnisse stehen auf dem Kopf. Dort, wo
Menschen, Jugendliche organisiert zusammen lernen und leben, zusam-
men ihre Interessen wahrnehmen, ist "Privatspha're", dort, wo Mini-
sterial kontroll ieren, ist "Dffentl ichkeit".
22
JUGEND VERB ANDE :
SOZIALPADAGOGISCHE "LERNFELDER" ODER HANDLUNr.SORT?
Die Tendenz, Jugendarbeit zu pa'dagogisieren, wird bei den Autoren
deutlich, wenn man untersucht, wie sie Verbande beschreiben. Da wird
von Zielgruppenorientierung geschrieben, von Orientierung an den
Jugendlichen und ihren Problemen, Abkehr von Verbandsziel en , Trans-
parenz etc. Zunachst muB klargestellt werden, daB Jugendverbande aus
Mitgliedern bestehen, daB in den meisten Verbanden demokratische
Strukturen bestehen, liber die die Jugendlichen die Ziele des Ver-
bandes artikul ieren. Hier mehr Transparenz herzustel len, mag bei
einigen Verbanden notwendig sein. Transparenz aber fiir wen? Doch wohl
flir die sich in den Verbanden manifestierende Dffentl ichkeit und
nicht fu'r Wissenschaft und ZuschuBgeber. Das Verbandsinteresse der
Gewerkschaftsjugend - Interessenvertretung der in ihr organisierten
arbeitenden Jugendlichen - ist ein allgemeines und kein privates
Interesse. Anders mag das bei bestimmten Fachverbanden liegen, die
eine gesell schaftl iche Orientierung ihrer Arbeit explizit ablehnen,
oder bei parteipol itisehen Verbanden, deren .parti ell es Ziel nicht
identisch ist mit bffentl ichen Interessen. Aber gerade durch die
unterschiedl ichen Ansatze realisiert sich plurale Jugendarbeit, die
nicht durch allgemeine Vorgaben durch den Staat oder die Wissenschaft
eingeschrankt werden darf. Es kann auch nicht angehen, die einzelnen
Jugendverbande auf plural istische Ziel setzungen festzulegen, denn da-
durch wu'rde die verbandsspezif ische Zielsetzung zugunsten fremdbe-
stimmter Anforderungen eingeschrankt. Das wu'rde gerade ein Aufgeben
des plural istischen Anspruchs bedeuten. Jugendverbande sind nicht zu
verwechseln mit sozialpa'dagogischen oder Bildungsinstitutionen, son-
dern sie sind mehr; sie sind zwar Erziehungs- und Lernorte, sie sind
aber auch Handlungsorte, in denen sich die Bedurfnisse von Jugend-
lichen organisiert manifestieren. Wenn sie umfunktioniert werden zu
sozialpa'dagogischen oder reinen Bildungszwecken, dann verlieren sie
gegeniiber der Gesamtschule z.B. ihre Existenzberechtigung, denn dann
wlirden sie sich nicht mehr von sozialpa'dagogischen und Bildunqsein-
richtungen unterscheiden. Der Unterschied besteht gerade in der Frei-
willigkeit und der Selbstbestimmung durch und in demokratischen Struk-
turen. Wer die Selbstbestimmung auch in der Frage der Zielsetzung
durch padagogische, administrative oder politische Vorgaben oder
Kontrollen einschra'nkt, der entzieht den Jugendverbanden die Existenz-
basis.
ERFOLGSKONTROLLE DURCH WEN?
Mehrere Verbande haben
deutlich gemacht, daB
troll e nur im Rahmen i
len kb'nnen (z.B. Bund
katholischen Jugend un
Forderung, die die Una
es ist aber auch eine
Wirkungsanalyse nur ve
will man z.B. den Pflli
setzen zu einer Kinder
schaftsschulung vergle
in ihren Stel lungnahmen zu den "Perspektiven"
sie sich eine Wirkungsanalyse und Erfolgskon-
hrer verbandsspezif ischen Zielsetzung vorstel-
der Deutschen Landjugend, Bund der deutschen
d auch der DBJR). Das ist eine politische
bha'ngigkeit der Jugendverbande garantieren soil;
praktische Feststell ung, wenn man sagt, daB
rbandsspezifisch geleistet werden kann. Wie
gewettbewerb der Landjugend ins Verhaltnis
republik der Falken, wie will man eine Gewerk-
ichen mit einem Lehrgang flir Bergflihrer?
Ein anderes Problem ergibt sich, wenn man liberlegt, wie z.B. bei
23
sozialen und pol i
ziert werden mliss
ge und Wirkungen
- sofern sie Liber
verfLigen - diirfte
ausgehen, daB soz
unmittelbar als E
noch meBbar sind.
schen Lernens abl
abgesehen davon,
Interesse des Sta
wie soil der aufz
tischen Lernprozessen - die jeweils noch spezifi-
en auf die Zielsetzung bestimmter Verbande - Erfol-
gemessen werden sollen. Selbst fiir Wissenschaftl er
ein Grundwissen erkenntnistheoretischer Probleme
das ein Unding sein. Man kann doch nicht davon
iale Lernprozesse (z.B. Verhaltensanderungen) sich
rgebnis eines Lehrgangs auswirken und dann auch
Ebensowenig lassen sich die Konsequenzen politi-
esen z.B. in konkretem politischem Verhalten. Mai
daB derartige Auswirkungen wohl auch gar nicht im
ates sein dlirften, denn "Wer seine Lage erkannt hat,
uhalten sein " (Brecht) , sie zu verandern .
Wirkungsanalyse und Erfolgskontrol le - soweit Uberhaupt machbar -
kbnnen also nur von den Einzel tragern geleistet werden, sie konnen
nicht allgemeinverbindlich gemacht werden. Genauso verhalt es sich
mit der in den "Perspektiven" geforderten Mitarbeiterschulung. Ge-
wiB sind Erfahrungsaustausch und allgemeinpol itische und padagogische
Fortbildung in Zusammenarbei t verschiedener Verbande denkbar, aber
vorrangig fur die praktische Arbeit ist die verbandsspezifische Fort-
bildung. Die Zentralisierungstendenzen der "Perspektiven" lassen sich
u a daran ablesen, daB z.B. das Europaische Jugendzentrum in StraB-
bura ausgebaut werden soil und die Mitgl iedsbeitrage fur das Euro-
paische Jugendwerk auf 6 Mill, franzbsische Franc verdoppelt werden
sollen, wahrend die Breitenarbeit bei international en Begegnungen
faktisch weniger Mittel zur Verfiigung haben wird.
QUALIFIZIERUNG DURCH SELBSTORGANISATION
Das Fazit all dessen ist, daB die Autoren des Artikels "Wirkungs-
analysen in der Jugendarbeit" den Jugendverbanden kein Model 1 zur _
Qualifizierung ihrer Arbeit angeboten haben. Sie haben ihnen ener ein-
en Barendienst erwiesen, indem sie die wissenschaftl ichen und prakti-
schen Schwachpunkte der "Perspektiven" aufzupol ieren versuchten. DaB
damit letztlich eine Diszipl inierung und Kontrolle und nicht eine
Qualifizierung der Jugendverbandsarbei t verbunden ware, durfte durcn
die in unserem Beitrag aufgezahlten Beispiele und durch die Analyse
deutlich geworden sein. Den Jugendverbanden durfte nach dem Artikei
von Stackebrandt u.a. klar geworden sein, daB sie eine Qualifi-
zierung ihrer Arbeit - auch gemessen an gesamtgesell schaftncnen oe-
dLirfnissen - am besten sel ber organisieren.
SUCHEN PRAKTIKANTEN FOR AUSSERSCHULISCHE JUGENDARBEIT
SJD - Die Falken, OV ULM sucht ab Sommer/Herbst 1978
eine(n) Praktikantin(en) fiir die
fiir die verbandliche auBerschul ische Jugendarbeit.
Bewerbung: SJD-Die Falken, Zeitblomstr.23, 79 Ulm
m
Arbeitsfeld Sozialarbeit
TUOENDHILFETAG -
DIE ALLTAGSREALITAT IN DEN MITTELPUNKT STELLEN
I. IN WELCHER SITUATION FINDET DER JHT STATT?
Die nun schon seit einigen Jahren andauernde okonomische Krise und
die in ihrem Gefolge auftretende Rollback-Pol itik der Bonner Partei-
en wird auch 1978 ihre Auswirkungen auf die Jugend- und Sozialpoli-
tik haben. Selbst die wirtschaftspol iti schen Wetterpropheten, die in
ihren Verlautbarungen eher ideologischen Nebel verbreiten, kommen
nicht umhin festzustellen, daB die Arbeitslosenrate in den nachsten
Monaten und voraussichtl ich Jahren nicht sinken wird. Offenkundig,
daB die kapital istische Produktionsweise nicht nur nicht in der Lage
ist, die gesellschaftlichen Probleme zu bewaltigen, sie ist eine
existentielle Bedrohung des sozialen und bkonomi schen Besitzstandes
der Lohnabhangigen. Das briichig gewordene "Netz der sozialen Sicher-
heit" soil mit dem "Ausbau der inneren Sicherheit" geflickt werden.
Augenfallig und fiir jeden sichtbar signal isieren Jugendarbeitslosig-
keit, der verscharfte Numerus Clausus, Berufsverbote und Abstriche
in den Reformen und Finanzierungsspielraumen der staatl ichen Jugend-
politik die veranderten dkonomischen und politischen Bedingungen ei-
ner emanzipatorischen Jugendarbeit.
Die Jugendarbeitslosigkeit verweist auf die strukturellen Wider-
sprliche im System der Berufsbildung und der Arbei tsplatzentwicklung.
Numerus Clausus, Berufsverbote und die Veranderung der staatl ichen
Jugendpol itik zeigen einerseits die Grenzen der Reformhoffnungen der
letzten Jahre und sind andererseits zum Instrument der Einengung und
Unterdruckung fortschrittlicher Initiativen und gewonnener institutio-
neller Spiel raume geworden. Es wird nun deutlicher als zuvor, daB
sich Jugendarbeit, berufliche Bildung und die MaBnahmen gegen Jugend-
arbeitslosigkeit in das kapitalistische Kalkiil der Krisenbewal tigung
einzufLigen haben.
Ansatze zu selbstandiger, an den Interessen der Jugendl ichen orien-
tierter Arbeit im Bereich der Jugendzentren, der Verbandsarbeit, der
Juqendbildung haben nun neben dem verscharften Leistungs- und Kon-
kurrenzdruck in den Betrieben oder urn Ausbildungsplatze und neben
den miserablen Freizeitbedingungen aijch starker mit den erklarten
Integrationsabsichten der staatl ichen und von den freien Tragern be-
triebenen Jugendpolitik zu kampfen. Diese Jugendpol itik auBert sich
in
I der Kurzunq bzw. Umverteilung von Mitteln fiir die politische Ju-
gendarbeit zugunsten kompensatorischer MaBnahmen fur sogenannte
Randgruppen;
■ in der Einfrierung oder Streichung von Stellen und Mitteln;
im RLickzug der Verbande und Organisationen auf ihre ureigensten
Verbandsinteressen und -ideologien, unter faktischer Aufgabe allge-
25
meiner, emanzipatorischer Ziel setzungen in der praktischen Arbeit;
• in einer wachsenden politischen Kontrolle der beschaftigten Sozial-
arbeiter und Referenten fur politische Bildungsarbeit;
• in der verstarkten politischen Disziplinierung bis hi n zur Krimi-
nalisierung derjenigen Jugendl ichen, die urn Freiraume flir ihre
politische Arbeit und Freizeitorganisation kampfen;
• in der Wiedereinf Jhrung der geschlossenen Unterbringung von Kindern
und Jugendl ichen.
Dies ist der Hintergrund auf dem der 6. DJHT vom 9.-11.11.1978 in
Kbln stattfinden wird. Schaut man sich dagegen die bisher bekanntge-
wordene Konzeption und Absichtserklarungen an, so wird man kaum Hin-
weise auf die oben beschriebene Situation finden, eher wird nan
an die Thematik des 1974 von der AGJ abgesagten 5. DJHT erinnert.
Mit dem Thema"Bildung und Erziehung durch Jugendhil fe,!will die AGJ
auf die parlamentarischen Beratungen flir ein neues Jugendhilferecht
Einflu[5 nehmen.
"Die AGJ will in die Offensive gehen und flir einen Bildungs- und Er-
ziehungsanspruch der Kinder und Jugendlichen eintreten. Dies soil auf
dem Jugendhilfetag dokumentiert und demonstriert werden und zwar in
den Bereichen
- Elementarerziehung
- neue Formen der Erziehungshilfe
- Jugendberatung
- Jugendhilfe und Schule
- Jugendhilfe und Jugendarbeitslosigkeit
- soziales Lernen durch Freizeitaktivitaten."
(Dieter Greese in: deutsche jugend 8/77)
EXK.URS: AGJ UND JUGENDHILFETAG
Jugendhilfetage fanden von 1966 - 1970 in zwei jahrigem Rythmus statt.
Sie wurden veranstaltet von der Arbeitsgemeinschaft Jugendhilfe (AGJ
- eine Interessengemeinschaft von ca. 60 bundesdeutschen Jugendhilfe-
organisationen (Landerjugendminister, Landesjugendamter, Wohlfahrts-
verbande, die im DBJR organisierten Jugendverbande - mit Ausnahme des
Bundes Deutscher Pfadfinder/BDJ, der 1974 nicht aufgenommen wurde -
von der Deutschen Jugend des Ostens bis hin zu den SJD Die Falken und
Fachorganisationen von der Aktion Jugendschutz bis zur GEW und OTV).
1970 wurden- wie in anderen gesellschaftl ichen Bereichen - die eta-
blierten Jugendhilfeorganisationen mit einer breiten Protestbewegung
aus dem Sozialbereich konfrontiert; den - mit Unterstlitzung des
Sozialistischen Bu'ros - in der Sozial istischen Aktion zusammenge-
schlossenen Initiativen und Sozialarbeitergruppen - gelang es nicht
nur, die Verbande und Institutionen zu verunsichern, ihrer radikalen
Kritik am hergebrachten Jugendhilfesystem und der Situation der Kin-
der und Jugendlichen hatten Kirche und Staat nichts entgegenzusetzen.
Vieles was von der Sozialistischen Aktion eingebracht, diskutiert
und in Resolutionen verabschiedet wurde, fand spa'ter Eingang in Kon-
zeptionen und Projekte. Aufgeschreckt durch die radikale Infragestel-
lung des Jugendhilfesystems brauchte die AGJ vier Jahre, urn 1974 zum
- 26 -
5. DJHT einzuladen. Doch kaum hatte sich wieder eine sozial istische
Aktion gebildet und deutlich gemacht, daB sie den JHT als Forum
n:itzen wlirde, urn der "rein fachlich orientierten und politisch unver-
bindlichen Diskussion liber gesetzliche Reformtendenzen, die wirkliche
Praxis der Jugendhilfe und die Lage der Betroffenen entgegenzustellen",
war flir die AGJ klar, daS sie die politischen Auseinandersetzungen
auf dem 5. DJHT nicht in ihr genehme Bahnen wlirde lenken konnen.
Im Zentrum unserer Kritik standen
- die inhaltliche Ausrichtung; "die Widersprlichl ichkeit der Sozial-
arbeit als Versorgungs- und Disziplinierungsinstrument staatlicher
Politik, die reale Verschlechterung der Lebensbedingungen der Ar-
beiterklasse greift die AGJ ebensowenig auf, wie die aktuellen
Kampfe der Arbeiterbewegung und die politischen Konflikte im Sozial-
bereich." Die angebotene Thematik zielte auf eine "Verrechtl ichung"
und "Verfachl ichung" der Diskussion und damit auf die Leugnung
materiel ler Interessen und die Verharmlosung und Neutral isierung
gesel lschaftl icher Widersprliche.
- die organisatorische Form, die die Artikulation gemeinsamer Interes-
sen und ihre Durchsetzung verhindern
- die Teilnehmergebuhr
Es ware zu einer harten Auseinandersetzung urn die Jugendhilfepraxis
in Verbindung mit einer radikalen Kritik am Jugendhilferecht gekom-
men, bei der abzusehen war, daB die AGJ und die Mehrzahl der ihr an-
geschlossenen Verbande nicht die erwartete Integration und Orientie-
rung von Fachbasis und Betroffenen auf die von ihnen definierte Re-
formpolitik hatte leisten konnen. Statt sich dieser Auseinandersetzung
zu stellen, begann die AGJ mit einer Diffamierungskampagne gegen die
Sozial istische Aktion, an deren Ende die Absage des 5. DJHT stand.
Die Sozialistische Aktion zog daraus die Konsequenz und veranstaltete
vom 6.-8.12.1974 zusammen mit dem BDP/BDJ, Judos und Jusos Ffm. in
Frankfurt ein jugendpol itisches Forum, an dem 2.500 Jugendliche, Er-
zieher und Wissenschaftler teilnahmen.
Die AGJ reagierte mit einer Stellungnahme durch ihren Geschaftsflihrer
Dieter Greese (Blickpunkt Mai 1975); sie versuchte noch einmal ihre
Absage zu rechtfertigen, sah sich aber andererseits - sicher auch aus
organisationsegoistischen Grlinden - angesichts der breiten Zustim-
mung.die das jugendpol itische Forum fand, gezwungen, die Aufnahme des
Dialogs zu fordern.
n. JUGENDHILFETAG 1978 - EIN SCHRITT VOR, ZWEI SCHRITTE ZURUCK
Offensichtlich hat sich innerhalb der AGJ die Fraktion, die die Kon-
zeption der offenen Jugendhilfetage liberhaupt zu den Akten legen wol-
lte, nicht durchgesetzt.
Nach drei Jahren Denkpause, immerhin beabsichtigte die AGJ im Herbst
1978 den 6. DJHT als offenes Forum durchzufuhren. Es scheint, als
hatten sie auch zumindest in einigen Punkten Lehren aus dem Fiasko
von 1974 gezogen:
- der Teilnehmerbeitrag entfallt fur jeden, der "sich im Rahmen sei-
ner Organisation aktiv beteiligt";
- 27 -
Wir gehen davon aus, daB "Organisation" nicht eingegrenzt wird auf
traditionelle Tra'gerverbande, sondern Initiativen, Projekte und
spezifische Zusammenschlu'sse ebenso umfaSt;
- In Koln erhalt jeder die Chance, seine Ziel vorstel lungen im Rahmen
der Tagungsthematik zu artikulieren und seine Praxis zu demon-
strieren. Dies soil im Rahmen eines "Marktes der Jugendhilfe" in
Form von "Standen, Diskussionsveranstal tungen, Theater- oder Roll en-
spiel, Dia- und Video-Vorflihrungen und Liederdarbietungen" moglich
sein.
Hier ergeben sich flir uns Ansatzpunkte der Schokoladenseite der Ju-
gendhilfe, wis sie sicher von der Mehrzahl der Verbande in Form von
Selbstdarstellungen offeriert wird, an einigen exemplarischen Bei-
spielen die Alltagsreal itat der von Jugendhilfe Betroffenen und sie
Ausubenden gegenliberstellen.
Darliberhinaus werden wir den Markt der Jugendhilfe zur Sel bstdarstel -
lung und als Ort der Kommunikation und der Diskussion von regionalen
und Liberregionalen Aktivita'ten nutzen. Inwieweit durch die Hintertur
(die AGJ beha'lt sich die Entscheidung liber die Aufnahme einzelner Bei-
tra'ge in das Programm vor) nicht durch eine Aus- und Begrenzung ins-
besondere von Initiativen und Projekten, die nicht einem groBen Tra'ger-
verband angehdren, erfolgt und eine Reihe von Darstellungen dem Prin-
zip "Ausgewogenheit" zum Opfer fallen, wird sich im Laufe der na'chsten
Monate herausstellen. Der Brief der AGJ-Referentin Brigitte Hartmann-
Beutel auf die Stellungnahme der pad.extra-Redaktion hat diese Be-
flirchtungen 1 eider nicht ausraumen kdnnen.
Sollte es - was wir nicht hoffen - zu einer Ausgrenzung kommen, so
wird dies sicher Gegenstand der Auseinandersetzungen auf dem JHT sein.
Die veranderte Organisationsfora la'Bt einen Schritt nach vorn vermuten,
vorausqesetzt die Hintertlir bleibt zu. Die AGJ geht aber wieder zwei
Schritte zuriick, betrachtet frau/man die inhaltliche Ausrichtung und
die Zielsetzung des JHT. Die AGJ versucht einen Zug wieder in Fahrt zu
bringen, der schon la'ngst ausrangiert wurde.
Unverantwortlich so zu tun, als sei der von ihr gewahlte Zeitpunkt
(November) geeignet, in die Offensive zu gehen und den Eindruck zu
erweck-en, als kdnnten vom JHT noch Impulse, geschweige denn Vera'nde-
rungen am vorgelegten Jugendhilfegesetz (Referentenentwurf ) ausgehen.
Heute schon sind die parlamentarischen Weichen flir dieses Gesetz einer
amputierten Jugendhilferechtsreform gestellt.
Im November 1977 wurde - nachdem 1974 eine umfassende Jugendhilfe-
rechtsreform durch die okonomische Krise gestoppt wurde - der neue
Referentenentwurf in einer begrenzten Anzahl den riiversen Verba'nden
und Organisationen zugestellt und ihnen zwei Monate zur Stellungnahme
zugebilligt. So werden lediglich die Voten der Spitzenfunktionare ein-
geholt, die Fachbasis wird von einer Diskussion praktisch ausgeschlos-
sen. Im Fru'hjahr wird dann die Kabinettsvorlage erstellt und im Herbst
soil das Gesetz verabschiedet werden und scheibchenweise in Kraft
treten.
Die Absicht der AGJ.uber den JHT EinfluB auf dieses Gesetz nehmen zu
kdnnen ist eine Illusion, auf diese Art und Weise la'Bt sich kein Handlui
spielraum zuriickgewinnen- der Reformzug wurde verschrottet.der Entwurf
- 28 -
wurf tragt eindeutig die Handschrift des Deutschen Vereins, der im
Gegensatz zur AGJ die Funktion der Jugendhilfe auf die Beseitigung
von Sozial isationsdefiziten und die Leistungsbeschra'nkung auf 18 Jan-
re festschreiben will, wahrend die AGJ Jugendhilfe als eigenstandige
Sozial isationsinstanz neben Familie und Schule postuliert.
Die plural istische Zusammensetzung der AGJ sel ber verhindert aber ei-
ne offensive Konfrontation dieser unterschiedl ichen Schwerpunktsetzun-
aen, so daB sich der Verdacht einer ubemreifenden Arbeitsteilung ein-
stellt:
- Staat und Legislative besorgen das Geschaft des aktuellen repres-
siven Krisenmanagements angesichts finanzieller Engpa'sse;
- die AGJ und die Mehrzahl der Tra'gerverbande wollen mit einem fach-
lich abstrakt eingeklagter Bildungsauftrag der Jugendhilfe eine
mittlerweile frustrierte Fachbffentl ichkei t bei Laune halten.
In unseren Augen ist aber gerade diese Aufspaltung von Tagespolitik
und abgehobener Fachlichkeitideologisch; eine wirkliche Parteinahme
flir die materiellen und psycho-sozialen Interessen der Betroffenen
kann inhaltliche Forderungen nicht von der Form der politischen Durch-
setzung abtrennen. Eine solche Parteinahme setzt allerdings auch auf
die kollektive Selbstveranderung von Verha'l tnissen und Verhalten und
nicht auf eine Konzeption von Fachl ichkeit, die letztlich darauf
hinauslauft, die ganze Gesellschaft sozial therapeutisch zu behandeln.
Wenn dieser Jugendhilfetag flir uns liberhaupt eine Funktion erhalten
soil, dann darin, daB wir ihn von den Orientierungen auf eh aussichts-
lose Vorschlage flir Gesetzesa'nderungen befreien und eine ungeschmink-
te Bestandsaufnahme der all tag! ichen Jugendhilfe, der Situation und
der Interessen von Betroffenen und Jugendhilfemitarbeitern, sowie
die Entwicklung von Handlungsperspektiven und Widerstandsformen ent-
gegensetzen.
HI. TEILNEHMEN UND ALTERNATIVEN AUFZEIGEN
Unsere Aufgabe besteht darin, die Moglichkeiten von Alternativen
inner- und auBerhalb von Institutionen in unserer Kritik und unseren
Darstellungen sichtbar werden zu lassen, die den Lebenszusammenhang
der Betroffenen ernst nehmen.
Eine Sozialarbeit, die sich als Alternative zur verwaltenden Fiirsor-
ge versteht, kann nicht die sozialstrukturellen Bedingungen dieses
El ends aufheben, aber sie kann Hilfestellungen geben fur Verarbei-
tungsmoglichkeiten, die nicht in der Sackgasse von Resignation oder
individueller Gewalt enden, sondern Selbsthilfe-potential bei den
Betroffenen mobilisieren, urn kollektive Vera'nderungsstrategien in
der Nachbarschaft, im Stadtteil und im Jugendzentrum in Gang zu setzen.
Diese in einer offenen und kontextbezogenen Sozialarbeit angelegten
Moglichkeiten, gilt es weiterzuentwickel n anstatt sich zur bloBen
Konfliktkanalisierung miBbrauchen zu lassen, was mit dem Jugendhilfe-
recht beabsichtigt wird.
So gesehen wird der JHT nicht nur ein Forum eintrachtig nebeneinander
sich darstellender Jugendhilfekonzepte sein, sondern wir werden da-
fijr zu sorgen haben, daB die Kontroversen auf den Tisch kommen.
29
Ein endgultiges Konzept fur unsere Teilnahme wollen wir heut noch
nicht vorstellen, da die Diskussionen in den AKS-Gruppen erst begon-
nen haben. Vorlaufige Oberlegungen gehen in folgende Richtung:
- Aqitation und Diskussion mit der Bevbl kerung/Herstellen von Offent-
lichkeit mit Blick auf die tatsachl ichen Probleme in dieser Gesell-
schaft und insbesondere der Jugendhilfe;
- Erarbeitung von exemplarischen Projekten 1m Markt der Mb'glichkei ten
(z.B. Repression 1m Sozialbereich/Jugendarbeitslosigkeit/ Geschlos-
sene Heime);
- Film/Theater/Diskussionsveranstaltungen zu spezifischen Themen;
- Fete im Lehrer- und Sozialarbeiterzentrum zugunsten des Rotarbeiter-
fonds;
- BLicher- und Kommunikationsecke/Teestube.
Nun haben wir aber nicht die Absicht, uns isoliert und unkoordiniert
von anderen Gruppen, Projekten und Initiativen vorzubereiten. Daher
laden wir Vertreter von AKS-Gruppen, Projekten, Initiativen, J"9Snd"
verbanden etc. zu einem ersten Vorbereitungstreffen am 15./16.4 .78
nach Kbln ein.
Anmeldung:
AF Sozialarbeit/Redaktionskollektiv Info Sozialarbeit
Postfach 591
6050 Offenbach/Main
Dokumentation zum
Jugendpolitischen Forum ]97A
Im Hinblick auf die bereits angelaufenen Vorbereitungen zum
6. Deutschen Jugendhilf etag, der im November in Koln stattfindet,
gewinnt die Dokumentation zum Jugendpolitischen Forum neue Aktua-
litat. Das JupoFo ist unter dem Thema "Jugend in der Klassengesell-
schaft - Moglichkeiten'fortschrittlicher Praxis" als Alternativ-
veranstaltung zum 5. Deutschen Jugendhilf etag, den die AGJ
abgesagt hatte, von der Sozialistischen Aktion initiiert worden.
Auf 272 Seiten bringt die Dokumentation Materialmen und Protokolle,
Arbeitspapiere und Resolutionen, Erfahrungsberichte, Meinungen,
Ergebnisse, Einschatzungen. . . Wer also Genaueres wissen will uber
Zustandekommen der Initiative JupoFo, iiber dessen Vorbereitungen
und Verlauf, mufi dieses Buch kennen - bei dem von ehemals DM 8,
auf DM 3,- (!) geschrumpf ten Preis wohl kein Problem!
Bestellungen bei:
VERLAG JUGEND UND POLITIK, HAMBURGER ALLEE 49, 6000 FRANKFURT 90
30 -
Horst-Dieter Zahn, Offenbach
GEWERKSCHAFTSARBEIT IN DEN KIRCHEN
"Auch in der Kirche muB den Ergebnissen der Entwicklung des Arbeits-
und Sozialrechts wahrend der letzten hundert Jahre Rechnung getragen
werden. Der groBe gesellschaf tliche ProzeB der Miindigmachung des
Arbeitnehmers muS von der Kirche in ihrer eigenen Gemeinschaft geist-
lich bewaltigt und rechtlich verarbeitet und geordnet werden."
So eine Kommission des Rates der EKD (Evangel ische Kirche in Deutsch-
land) im Jahr 1959. Seitdem hat sich in den Kirchen selber jedoch
wenig verandert. Im Gegenteil: Okonomische Krise und politische
"Tendenzwende" spiegeln sich in den Kirchen wider und machen beson-
ders dringl ich.daB die arbeitsrechtl iche Situation ihrer Beschaftiq-
ten grundlegend verbessert wird.
GROSSUNTERNEHMEN KIRCHE
Zusammen sind die Kathol ische und die Evangel ische Kirche das zweit-
qrb'Bte Unternehmen in der Bundesrepubl ik mit ca. 480 000 Beschaftig-
ten. Dennoch gelten weder das Betriebsverfassungsgesetz noch das
Personal vertretungsgesetz, dennoch gibt es keine Tarifvertrage zwi-
schen den Kirchen und der Gewerkschaft (mit Ausnahme von Schleswig-
Holstein 1960).
Auf Wunsch der Kirchenleitungen wurden die Einrichtungen und Anstal-
ten der Kirchen ausdrlicklich aus den Regelungen des BetrVG heraus-
genommen ("Tendenzschutzparagraph" 118). Die Kirchen erklairten da-
mals noch, sie wurden stattdessen eigene, "beispiel hafte" , das heiBt
liber das BetrVG hinausgehende Regelungen schaffen. Davon kann bis-
her jedoch keine Rede sein. Die verschiedenen Mitarbeitervertretungs-
gesetze, Hitarbeitervertretungsordnungen usw. bieten weit weniger
Rechte auf Hitwirkung, von Mitbestimmung ganz zu schweigen, als das
BetrVG. Und selbst diese vergleichsweise harmlosen Vertretungsrechte
stehen oft auf dem Papier - in zahlreichen Dienststellen gibt es
Liberhaupt keine Mitarbeitervertretungen.
Nun gegen solche fehlenden Rechte hatte niemand etwas einzuwenden,
wenn die Beschaftigten in den Kirchen keine Probleme batten. Wenn -
sozusagen in Vorwegnahme des Gottesreiches - gleicher Lohn fur
qleiche Arbeit gezahlt wlirde (und ausreichend ware); niemand dis-
kriminiert wtirde, freie Entfaltung in der Arbeit und gemeinsame,
demokratische Regelung der Ziele und Regeln moglich waren...
Selbstverstandlich ist das nicht so. Die Kirchenmacht wird von oben
nach unten ausge'u'bt.
Genauso selbstverstandlich aber ist es in den Kirchen bisher gewesen,
dali die Beschaftigten keine wirksamen Rechte gegenuber der Hierarchie
und ihren Entscheidungen haben:
- 31 -
ichen Dienstes werden
heiBt es zum Beispiel
burg (deren veranderte
turns Limburg mitgeteilt
Der BAT (Bundesange-
g. . . rierangezogen wer-
von Weihnachtsgeld
he Regelurigen aus dem
bisher im Belieben der
• Tarifvertrage und Tarifstruktur des Dffentl
"in Anlehnung" ubernommen oder auch nicht. So
in der Arbeitsvertragsordnung der Dibzese Lim
Fassung den Mitarbeitern im Amtsblatt des Bis
wurde), es handelte sich urn "eiqenes Recht .
stelltentarif) kbnne "allenfalls zur Auslegun
den" Sei es die Zahlung von Tariferhohungen,
oder'die "Gewahrung" von Urlaub - ob und welc
Offentl ichen Dienst Ubernommen werden, steht
Kirchenhierarchien.
• In zahlreichen Arbeitsvertr'a'gen wird eine Verpfl ichtung auf "christ-
liche Grundsatze" formuliert. Wie diese Grundsatze in der Arbeit aus-
sehen, bestimmt der jeweilige kirchliche Arbeitgeber. In letzter
Zeit mehren sich sogar die Falle, in denen das Privatleben beobachtet
und reglementiert wird:
..."Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben stets dessen eingedenk zu sein,
daB ein Arbeitsverhaltnia im kirchlichen Raum von der Natur der Sache
her ein eigenes Geprage hat.
Das gesamte Verhalten der Arbeitnehmer in und aufier dem Dienst mulS
der Verantwortung entsprechen.die sie als Mitarbeiter im Dienste
der Kirche ubernommen haben. Es wird varausgesetzt, daB sie den
christlichen Grundsatzen bei der Erfullung ihrer dienstlichen Pflich-
ten Rechnung tragen."
(Aus der Arbeitsvertragsordnung (AVO) des Bi stums Limburg vom
31. Dezember 1976)
■ Im Zusammenhang mit finanziellen und politischen Entscheidungen
der Kirchenoberen mehren sich die MaBregelungen ganzer Amter una tin-
richtungen. Bei Heimschl ieftungen etwa wird die Rechtlosigkeit urcn-
licher Beschaftigter besonders deutlich. Gleichzeitig werden die
Wiedererb'ffnung von Heimen oder die Erneuerung von Arbeitsvertragen
von christlicher Gesinnung abhangig gemacht.
GEWERKSCHAFTLICHE ORGANISIERUNG - ERST AM ANFANG
Obwohl in der gewerkschaftl ichen Organisierung in den lejzten Jahren
Fortschritte erzielt wurden, sind erst ungefahr 30 000 kirchiicne
Mitarbeiter OTV-Mitgl ieder.
Das hat verschiedene Gru'nde:
I Ein Grund liegt in der Struktur der Beschaftigten: ca. ein Drjttel
arbeitet nebenberufl ich in den Kirchen. Dierestl ichen zwei ^ittei
teilen sich noch einmal in die dienstrechtlich gespaltenen Gruppen
von Angestellten, Arbeitern, Beamten und Pfarrern auf Hinzu kommt
noch die organisatorische Zerspl itterung in Werke (z.B. Diakonisches
Werk), Gemeinden, gesamtkirchl iche Einrichtungen, Einnchtungen in
der Rechtsform von Vereinen usw. Das fuhrt dazu, daB eine einzeine
Kirche zwar beispiel sweise 15 000 Beschaftigte haben kann (Evange i
sche Kirche in Hessen und Nassau), die Belegschaft aber in za hi re cue
Anstellungstrager zersplittert ist. Hinzu kommt noch: Es gibt WON
eine "Dunkelziffer" von Gewerkschaftsmitgliedern aus erziehenscnen,
Gewerkschaft
Offentliche Dienste, Transport und Verkehr
Bezirksverwaltung Hessen
Abteilung Kirchliche Mitarbeiter
Im November 1977
An alle Beschaftigten Im kirchlichen Bereich
Arbeitsrechts-Regelungsgesefc Oder Tarifvertrag fur die kirchlichen Mitarbeiter?
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
In ihrem Amtsblatt Nr. 12 Mm 15. Dezember 1976 empfiehlt die Euangellsche Kirche DeuisehlanrR (FKni ihr.n
Gliedkirchen, die Arbeitsverhal.nisse der Mitarbeiter im Kirchendiens.'auf dj kTu^^TJZ^lT.
Arbeilsrechts-Regelungsgesetzes neu zu regeln.
ndienst auf der Grundlage eines sogenannten
Nach Auffassung der Gewerkschaft OTV ist durch Schaffung eines kirchlichen Arbeltsrechts-Regelungsgesetzes
der Abschlut) ernes Tanfvertrages fur d,e Beschaftigten im Kirchenbere,ch ausgeschlessen. Das Arbei?srechts-
Regelungsgesetz beruht ,h rechthche, Seziehung auf einseitiger Grundlage, denn die Arbeits- und v«gu?ungs-
bedmgungen der .m Kirchenbereich Beschaftigten werden nur kirchenintern geregelt. Verhandlungspartner IS
echtar Tar,f»ertrage sind n,cht vorhanden. Die Arbe.thehmerseite hat zur Haup.sache nur beratende Moglich-
TX^LTZr^ S. GS :9S'eT ' d6r ^ei'sbed'"9""9="- Ein Arbeitsrechtsflegelungsgesetz S die
Beschaftigten der Kuche weiterhin unter e,n Sonderrecht. Dieses Sonderrecht schlieSt sie von der Solidarity
mit anderen Arbeitnehmern aus.
Der Bezirksvorstand der Gewerkschaft OTV-Hessen hat in seme, Sitzung am 19. Oktober 1977 Absichten der
Kirche fur die Schaffung ernes solchen Arbeitsrechts-RegelungsgeseUes uneingeschrankt abgelehnt Er fordert
vielmehr die Kirchen in Hessen auf, ihre Bereitschaft zum ADschluB eines Tarifvertrages mit der Gewerkschaft
OTV zu erklaren.
Die Gewerkschaft OTV-Hessen erteilt gleichzeitig eine Absage zu Aufforderungen der Kirche bei der Schaf-
fung und Gestaltung eines Arbeitsrechts-Regelungsgesetzes mitzuarbeiten. Sie ist ledigiich bereit ernsthafte
Gesprache und Verhandlungen mit der Zielsetzung des Abschlusses echter Tarifvertrage zwischen Kirchen und
der OTV zu fuhren.
Diese Grundauffassung der gesamten OTV-Hessen gilt nicht nur gegenuber den in Hessen beslenendert Evan-
geltschen Landeskirchen, scndern dariiber hinaus auch fur alle Gliederungen derselben sowie fur den Bereich
der Katholischen Kirche und deren Gliederungen.
Der BeschluB des Bezirksvorstandes der OTV-Hessen bedeutet nicht, daB die OTV nicht weiterhin gesprachs-
offen und gespracris bereit ist, wenn es darum geht, die Arbeitsbedingungen der Beschaftigten im kirchlichen
Bereich in positivem Sinne zu regeln Die Verabschiedung eines Arbeitsrechts-Hegelungsgesetzes kann-aber
allein aus gesellschaftspolitischen GrCinden fur die OTV keine Losung sein, da sich die Kirche als Arbeitgeber
und auch i. S. des Tarifvertragsgesetzes in die arbeitsrechtliche Isolation begibt.
Mit freundlichen GruSen
gez. Walter Klopschinski
Eine Verfiffentllchung der Gewerkschaft Oftentlictie Dienste. Transport und Verkehr (OTV), Bezirk Hessen,
Wilheltn-Leuschner-StraBe 69/77, 6000 FrankfunVM.
Presserechtllch verantwortlicb: Walter Klopschinski, Wllhelm-Leuschner-Strafle 69.77. 6000 Franklurt/M.
- 32
L
pad. extra \
pad. extra sozialarbeit
: W '
_^— — — — -, ... , i -. i, l,» *
c
pad. extra und padex sozialarbeit smd Zeitschnf-
ten des padex-Verlags-Kollektivs.
Beide wenden sich sowohl an Berufstatige alsl
auch an Studierende, die sich nicht mit den offi-l
ziellen Informationen und Analysen zufneden
geben, an die, die mehr wollen als disziplimerenj
und harmonisieren.
coupon
i.£hncidtnundnnsende.n«npM«Verlas.KOIrierSi. 70 (.
Name des neuen Abonnenten
D Ich bestclle pad. extra ab Heft
(pad. extra kann ruckwirkend ab Heft 1/77
beslelli werden)
O im Studentenjahresabo 38,- DM*
O im Normalabo 60,- DM*
G ]ch beslelle padex sozlalarheil
abHeft 38.- DM-
(padex sozialarbeit kann rikkwirkend
ah Heft 1/77 beslelll werden.)
* zzgl. DM 3,- Rcchnungxgcbuhr (enifalll bei
Abbuchung)
sozialen Bereichen und aus den Krankenhausern, die als kirchliche
Mitarbeiter in den Gewerkschaf ten unbekannt sind.
• Gewerkschaftl iche Aktivitat wird auBerdem in vielen Fallen behin-
dert. Die verschiedenen Fachgruppen kirchlicher Mitarbeiter in der
OTV haben hier Erfahrungen sammeln kbnnen. Diese Behinderungen rei-
chen vom direkten, ausdrtickl ichen Verbot, gewerkschaftl iches In-
formationsmaterial zu verteilen, bis zur persdnl ichen Behinderung
und Einschiichterung gewerkschaftl ich Aktiver.
f Nicht zuletzt ist bei einem,GroBteil von Hitarbeitern eine obrig-
keitshb'rige Frbmmigkeit entscheidendes Hindernis fur einen Gewerk-
schaftsbeitritt. Das besondere kirchliche Betriebskl ima wirkt sich
hier starker aus als es irgendein Personalchef eines GroBunternehmens
zu traumen wagte. Die Firmenideologie erweist sich als fast perfek-
ter Kitt. Unter Begriffen wie "Dienstgemeinschaft" und wie sie
immer heiBen mbgen, wird ein Interessengegensatz zwischen Kapital
und Arbeit geleugnet. Wo es nicht mehr anders gent, wird das Schreck-
gemalde eines Streiks gezeichnet, der die Verkundung des Gotteswortes
unmbgl ich macht.
Man stelle sich vor - das Abendmahl muB ausfallen, weil der Kuster
sich im Streik befindet und die Weinflasche nicht entkorkt! Oder:
Die Gemeinde steht vor verschlossenem Kirchentor - der Pfarrer halt
die Predigt nicht, weil er zwei Tage mehr Urlaub will. Oswald von
Nell-Breuning, bekannter fortschrittl icher Sozialethiker an der
Kathol. Hochschule St.Georgen, hat dazu festgestel 1 t, daB niemand
daran denke, "die Kirche zu bestreiken, etwa um sie zur Anderung
ihrer Glaubens- und Sittenlehre zu zwingen; zu bestreiken waren im-
mer nur kirchliche Anstalten oder Einrichtungen in ihrer Eigenschaft
als Arbeitgeber, wenn berechtigte Forderungen in Bezug auf Dinge,
die Gegenstand tarifvertragl icher Regelung sein kbnnen, anders nicht
durchzusetzen waren".
Von den Kirchenoberen wird die in absehbarer Zeit gegenstandslose
Frage eines Streiks nur hochgespiel t, damit das Gespenst des (wombg-
1 ich roten) Klassenkampfes am Leben bleibt.
WIE CEHT ES WEITER - ETWA AUF DEM "3. WEG"?
Wahrend auf offizieller Ebene wenigstens in der EKD Gesprachsbereit-
schaft mit den DGB-Gewerkschaften gezeigt wird, schaffen fuhrende
Landeskirchen wie Hessen-Nassau, Rheinland und Bayern die Voraus-
setzungen fur einen "dritten Weg". Unter Umgehung und Ausschaltung
von Gewerkschaften und Tarifvertragen sollen von kircheninternen
Kommissionen Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden. Dieser
"dritte Weg" bietet kaum eine Verbesserung gegenLiber dem jetzigen
Zustand:
I Sonder- und Einzel regel ungen wlirden fortgeschrieben, eine allgemei-
ne Rechts- und Arbeitssicherheit auch im Bereich der Kirchen kame
nicht voran.
I Der immerhin gegebene geringe Druck, die BAT-Regel ungen in den
kirchl ichen Arbei tsordnungen zu ubernehmen, wlirde nachlassen, wenn
35
es ein innerkirchl iches, eigenstandiges Tarifwerk gabe. Eine Abkop-
pelung vom BAT ist zu befiirchten.
• Vereinbarungen ini Sinne des "dritten Weges" hatten den Charakter
von Betriebsvereinbarungen und bieten damit wesentlich weniger
Sicherheit als ein Tan'fabkommen. Sie kb'nnen einseitig und innerhalb
relativ kurzer Zeit gekiindigt werden. Im Falle ihrer KUndigung wlir-
den nur noch die allgemein g'dltigen gesetzl ichen Normen gelten,
wahrend tarifvertragl iche Bestimmungen auch im tariflosen Zustand
nachwirken.
I In den vorgesehenen Kommissionen hatten die Vertreter der abhan-
gig Beschaftigten eine schlechte Position: Akzeptiert die andere
Seite ihre Forderungen und Begriindungen nicht, ist nichts mehr zu
maclien. Ein der Kundigung von Vereinbarungen entsprechendes Recht
auf Arbeitsverweigerung soil es nicht geben, der Weg in die Offent-
lichkeit ist durch die Bestimmungen der kirchl ichen Dienstordnungen
verwehrt.
• Beschlusse und Schlichtungsentscheidungen in Kommissionen des
"3. Weges" sind vor Gerichten rechtsunerheblich. Durchsetzungsrechte
soil es keine geben. Damit w'urde sich die arbeitsrechtliche Lage
der kirchl ichen Beschaftigten eher noch verschlechtern.
DEN DRUCK VERSTARKEN
Weiter forciert werden mu|3 dagegen die Aktivierung gewerkschaftl icher
Arbeit. Die Unterstutzung der aktiven Kollegen in den Kirchen durch
die Funktionare und Organe der OTV ist inzwischen nicht mehr wie zu
Anfang schuchtern und halbherzig. Die Fachgruppen Kirchl iche Hi tar-
be iter werden unterstutzt, die Offentlichkeitsarbeit ist verstarkt
worden. Offensichtlich hat sich herumgesprochen, daB es auf die
Dauer gewerkschaftspol itisch verhangnisvoll ware, an der Orgam-
sierung der kirchl ichen Mitarbeiter vorbeizugehen.
sge-
en
mi t
iten
DGB-
Dort
unver-
den
t
Tarif-
icher
icht
e Ge-
Versta'rkter Druck muB in Zukunft auf diejenigen Funktionare au
ubt werden, die als Reprasentanten der Gewerkschaften In Greim
und bei alien mbglichen offiziellen und bffentlichen Anlassen
kirchl ichen Oberen zusammenkommen. Diese zahlreichen Gelegenhe
flir die Kirchenhierarchie, ein freundl iches Verhaltnis zu den
Gewerkschaften zu demonstrieren, waren ein guter Ansatzpunkt.
kbnnten Gewerkschaftsfunktionare, anstatt noch (wie allzuoft)
bindlich Sympathien auszutauschen, darauf hinweisen, wie es in
Kirchen aussieht und daB ihrer Meinung nach eine Zusammenarbei
zwischen Kirchen und Gewerkschaften nur vorankommen kann, wenn
vertrage rait der DTV abgeschlossen werden. Ein solcher b'ffentl
Druck durch die "Gesprachspartner" der Kirchen ware durchaus n
ohne Wirkung, denn er wiirde am kirchlichen Anspruch auf sozia'
rechtigkeit ansetzen.
Auf der anderen Seite kann mit einer solchen Strategie das entschei-
dende Problem der Gewerkschaftsarbei.t in den Kirchen noch nicht ge-
lbst werden: KirchenfLirsten weisen immer wieder (nicht ohne inneres
Vergnligen) darauf hin, daB offensichtlich bei den Beschaftigten
- 36 -
Wenn einer sich pardon kauft,
dann kann er was erleben.
EinFoto-Magazin Eine Pragramm-Zeitschrift Ein Blatt fiir Tierfreunde Ein Oppositionsblatt
I -ay ,
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Eine HumDr-Zertschrift Eine Spott-lllustrierte Ein Freizeit-Magazin Einen Industrie- Kurier
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Eine Burger-Gazette Ein Koalitions- Papier Ein Musik-Magazin Ein Manner- Magazin
pardOII ist niimlhhU Zeits<hriften!
wenig Interesse an einer gewerkschaftlichen Organisierung besteht.
Der Organisationsgrad ist insgesamt noch verschwindend gering
(zwischen sechs und sieben Prozent). In der Tat hat das Eintreten
fiir Tarifvertra'ge unter diesen Bedingungen nicht genligend Nachdruck.
Die Organisierung von Kollegen (und die Bildung von Betriebsgrup-
pen) in den gesamtkirchl ichen ftntern und konfessionellen Kranken-
ha'usern, vor allem der groBen Sta'dte ist dabei schon verhiiltnis-
ma'Big weit. Schwierigkeiten gibt es vor allem in den Gemeinden
(Kiister, Gemeindeschwestern, Diakone, Kinderga'rtnerinnen) , vielen
Heimen und kleineren Dienststellen. Sta'rkere Abha'ngigkeit vom Vorge-
setzten, noch ausgepra'gte Loyal i tat (Oberstunden fiir "Gotteslohn
und vieles mehr) und Angst vor gewerkschaftl ichem Engagement, ja
oft sogar schon vor der Mitgliedschaft, spielen hier eine groBe Rol-
le.
Es ist zu vermuten, daB unter den gegenwa'rtigen Bedingungen keine
weiteren Tarifvertra'ge (Schleswig-Holstein 1960 als einzige Aus-
nahme) durchgesetzt werden kbnnen; und daB der "3. Weg" in den
evangelischen Kirchen nicht zu verhindern ist.
Die DTV Hessen hat im Oktober 1977 zum "3. Weg" mitgeteilt: Jie
Gewerkschaft DTV Hessen erteilt gleichzeitig eine Absage zu Aut-
forderungen der Kirche, bei der Schaffung und Gestaltung eines Ar-
beitsrechts-Regelungsgesetzes mitzuarbeiten. Sie ist lediglicn oe-
reit, ernsthafte Gesprache und Verhandlungen mit der Zielsetzung aes
Abschlusses echter Tarifvertra'ge zwischen Kirchen und der DTV zu
f'u'hren."
Umso mehr kommt es darauf an, die Werbung zu intensivieren Dabe\
kann trotz fehlender Tarifvertra'ge den Kolleginnen und Kollegen aer
Sinn gewerkschaftl icher Organisierung klargemacht werden:
- Erfahrungsaustausch liber Arbeitsbedingungen und Entlolinung,
- Personliche Unterst'Jtzung durch Mitglieder der Fachgruppe Kirch-
1 icher Mitarbeiter bei Konflikten,
- Unterstlitzung durch Dffentl ichkeitsarbeit und arbeitsrechtl iche
Beratung,
- Einbezieh'ung von Erfahrungen und Problemen im Dffentl ichen Dienst
insgesamt.
Vermutlich kbnnen Tarifvertra'ge als entscheidende Einbruche in den
bisher uneingeschrankten Machtbereich der Kirchenhierarchien nur
Liber diesen langen Weg erreicht werden.
Peter Dammann, Hamburg
JUGEND- UND BUNDNISPOLITIK
DES KOMMUNISTISCHEN BUNDES (KB)
AM BEISPIEL DES "RING BUNDISCHER JUGEND"
Es ist nun Liber ein Jahr her, daB der Bund Demokratischer Jugend/Ring
Blindischer Jugend (BDJ/RBJ) als arbeitende Organisation nicht mehr
existiert.
Gerade in Hamburg war der BDJ/RBJ bis dahin sehr aktiv (Schu'ler-,
Kinder-, Frauengruppen, Filmclub, Bezirkszentren etc.) und Liber die
Beteiligung an groBeren Aktionseinheiten bekannt.
Die Ursachen des Auseinanderfallens des BDJ/RBJ wurden bisher nicht
dffentl ich diskutiert und es herrscht daruber allgemeines Ra'tselraten.
B bisher keine dffentl iche Diskussion oder Stellungnahme erfolgte,
t mehrere Gru'nde:
DaB
ha
• Seit Anfang der 70er Jahre gab es eine "KB-Fraktion" im BDJ/RBJ.
Zwei Mitglieder des "Leitenden Gremiums" des KB diskutierten mit
dieser "Fraktion" uber die Linie und Aktionen des BDJ/RBJ. Das ein-
fache Mitglied wuBte nur zufa'llig von diesen Aktionen und hat Dis-
kussionspapiere aus diesem Kreis nicht bekommen.
t Die Auflbsung des BDJ/RBJ wurde vom KB aus partei- und machtpoli-
tischen Grunden betrieben, so daB dem KB keineswegs an einer Ana-
lyse dieses Prozesses gelegen ist.
DaB ich erst jetzt meine Erfahrungen mit dem Versuch eines demokrati-
schen Jugendverbandes und der Politik des KB aufschreibe, ha'ngt mit
dem muhsamen ProzeB des Ausbruchs aus der Welt der K-Gruppen zusam-
men, der zugleich ein ProzeB der persbnl ichen Identita'tszerstdrung
und -findung ist. Die Funktion des Artikels sehe ich darin, daB
I Parteiladen- und Machtpolitik keineswegs ein Problem der K-Gruppen
all ein ist. Der Kampf gegen Stel lvertreterpol itik, Machtpolitik und
die MiBachtung konkreter BedLirfnisse unter Linken ist und bleibt
eine sta'ndige Aufgabe. Die gesellschaftl ichen Grundlagen, die eine
solche Politikauffassung fbrdern, bestehen nach wie vor.
I Innerhalb der Linken wurden im letzten Jahr viele Erfahrungen liber
die Auswirkung von Macht- und Parteiladenpol itik verdffentl icht
(Majorisierung der BUU-Hamburg durch den KB,"Wir warn die sta'rksten
der Partei n"-Rotbuch, usw.) und viele Genossen sind aus den K-
Gruppen ausgetreten.
| Vielleicht anderen Genossen geholfen werden kann, die heute noch
ihren Austritt aus K-Gruppen als "persbnliches Versagen" betrachten.
Der Artikel soil dazu beitragen, eine prinzipielle Kritik an sektie-
rerischer Politik und deren Folgen zu leisten. Ich glaube auch, daB
er ein Beitrag zur Diskussion Liber andere Organisationsmdglichkeiten
linker Politik( ohne ein Rezept anzubieten) sein kann.
- 39 -
1. DIE ENTW1CKLUNG DES "RING BDNDISCHER JUGEND" (RBJ)
Der RBJ bestand seit Ende der 50er Jahre. Der RBJ war ein Dachverband
von Gruppen wie die "autonome Jungenschaft" , die "Trucht" , die "fah-
renden Gesellen", die "Skara" u.a. Im Unterschied zu den Pfad-
findern handelte es sich bei der Blindischen Jugend urn wesentlich
kleinere Gruppen (Mitgl iederzahlen ca . zwischen 100 - 200), die gleich-
zeitig einen elitaren und intel lektjellen Anspruch hatten. Die Akti-
vit'a'ten dieser Gruppen lagen vor all em im musischen Bereich (Singe-
wettstreit etc.). Lesen und selber Gedichte schreiben sowie im Auf
Fahrt gehen". Ober einzelne Gruppen gab es auch Verbindungen zu
rechtsradikalen Organisationen (NPD).
Ende der 60er Jahre, bedingt u.a. durch die Studentenunruhen, Viet-
nam etc. polarisierte sich der RBJ stark. Rechtere Gruppierungen t ra-
te n aus bzw. losten sich zum Teil auf. Obrig blieben im RBJ ca. secns
Verbande. Zunachst wurden trotz Anderung der Inhalte (Psychoanalyse,
Marx, Mao, Pol itokonomie, Emanzipationsseminare etc.) traditione! le
Formen wie das "auf Fahrt gehen", musische Aktivitaten etc beibe-
halten Ober das Studium von Marx und Engels etc. entwickelte sicn
Anfang der 70er Jahre das Interesse an einer Auseinandersetzung mit
kommunistischen Gruppen. Erste Kontakte mit der SDAJ waren "emlich
schnell beendet, da die SDAJ nichts Besseres zu tun hatte.als Mitgl leder
des MSB in den RBJ (heimlich!) ' reinzuschleusen. Darauf wandten sich
eine Handvoll von RBJ-Genossen an die Vorlauferorganisationen des KB
(SALZ und KAB). Sie gingen dabei davon aus, daB sie als Fraktion im
RBJ einwirken wollten, jeweils abwagend, was fur eine parteipoli tiscn
unabhangige Jugendorganisation gut und was mcht brauchbar 1st. uer
Wunsch dieser Fraktion, effektiver einwirken zu konnen und auch das
Interesse der Mitgl ieder fiihrte zu einer Umwandlung der_Strukturen
im RBJ. Nach mehreren Phasen sah das dann so aus, daB ein G«amtvor-
stand" (GV) existierte, in dem die Anleiter der Bezirke und Bereiche
(Schiller, Kinder, Frauen, Portugal, Organisation und TechrnK, be-
schaftsstelle sowie Mitglieder der Redaktion der Kampfenden Jugend
- vorher hieB die Zeitung "RBJ-Kommuni kation ) saBen.
Berliner Zeitung
fiir Erzieher und
Sozialarbeiter
S TRUKTUR IN HAMBURG
GESAMTVORSTANI)
KB— FRAKTION
GESCHAF1SSTELLE
K| - RtOAKTION
3
(Bereiche)
FILM -
KOMMISSION
FRAUEN -
KOMMISSION
KINDER -
KOMMISSION
SCHDLER -
KOMMISSION
ORGANISATION PORTUGAL -
(Technik) KOittllSSION
FUHLSBCTTEL
NOR DER -
STEDT
EPPEN -
DORF
I>ic '■ '""-•' ■'••'" Bezirke hatten wieden
m ihrr cigenc
i Slruktu
BF.7.IRKS -
AN LEU UNO
FRAUEN
SCHULER
In den Bereichen Film, Frauen etc. saBen jeweils Vertreter aus den
Bezirken. (Jeder Bereich hatte so also ca. 8 Mitglieder (je einen aus
7 Bezirken und einem Anleiter aus dem GV).
In anderen Stadtteilgruppen wurden ahnliche Strukturen aufgebaut.
Es fanden monatliche Treffen der Stadtdelegierten statt. Mindestens
einmal im Jahr wurden Bundesverbandsseminare mi t ca. 100 Tei I nerimern
liber 1 Woche und 1 anger durchgefiihrt. Auf den Bundesverbandssemina-
ren wurden auch die Delegierten fur den BDJ-AusschuB gewahlt. Der
BDJ-AusschuB war von je drei Mitgliedern des BDP (Bund Deutscher
Pfadfinder) und des RBJ besetzt.
DieFraktion bestand aus unterschiedlich vielen und teilweise wech-
selnden Genossen, die immer schon im RBJ gewesen waren und sich in _
den letzten 3 Jahren meist wbchentlich trafen. Der KB war durch zwei
LG (Leitendes Gremi urn) -Mitglieder vertreten. Diese Verbindungen
zwischen RBJ und KB waren den Mitgliedern nicht bekannt. Im Gesamt-
vorstand selbst wuBten nur wenige Genaues. 1971 bzw. 1972 wurde von
dieser Fraktion eine Diskussion im Gesamtvorstand mitnert, aie
die bisherigen Bemlihungen des KB zusammenfaBt. Ober diese Diskussion
existiert ein Protokoll eines damaligen Mitglieds aus dem Gesamtvor-
stand (heute beim SSB-Sozialistischer Studertenbund, Studentenorga-
nisation des KB): . , . .1 ,
"Das BUndnis mit der Arbeit erklasse laBt sich konkret herstellen aLs
Bundnis mit den bewuSten Teilen der Arbeiterklasse in ihrer P«***
schen Organisation. Diese Organisation . . . leitet alle fortschnttLi
ohen Dmokraten und Kommunisten ihrem Kampf urn den SoziaUsmus an.
...In unserer Klassenkampfsituation gibt es noch nicht die. . .JW.
Die fortschrittliahste Organisation der Arbeiterklasse heute in ^
der BED (ist) der KB. ... Sioh heute durch den KB anleiten zu Lassen
bedeutet, die StoBriohtung des Kampf es, wie er u.a. im AY. (9*™*™*
ist der "Arbeiterkampf" propagiert wird,anzuwenden als Richtscnnur
fur die Politik in unserem Verband und mit unserem Verband. ... W
Arbeiterkampf erhalten wir auch eine Anleitung, W % e der Kampj
in Richtung auf die obigen Ziele zu fUhren ist. ... Anleitung bedeu
tet jedoch nicht nur Ausriohtung des Kampfes und angehen der notwen
digen Sohritte, sondern auch Kontrolle; Fragen wir uns: Haben wir
den Sahulkampf in unserem Bereich so entfaltet . . . . daB wir die Aur
trage der Arbeiterklasse (gemeint ist logischer Weise damit der r.ei
verstanden haben? ... Als Propagandisten der Arbeiterklasse un Be
reich der k leinbiirgerlichen Jugend (admit meinten wir uns aann ganz
unbesaheiden selbst) haben wir die besondere Aufgabe, die Auftrage
der Arbeiterklasse fitr unsere Bedingungen zu konkretisieren und un _
sere Erfahrungen in die Auseinandersetzung hineinzutragen und so die
Entwiaklung der Arbeit erbewegung voranzutreiben. . . "
Das Papier trug den Titel "Woher kommt unsere Klarheit" und wurde
eigens noch einmal im Gesamtvorstand als Ergebnis unserer Diskussion
besta'tigt. Diese "Diskussionsergebnisse" fra!5en sich langsam - im-
mer schbn von oben nach unten - durch unsere Struktur. Die meisten
der Mitglieder hatten dem nichts entgegenzustellen bzw. einige gin-
gen weg. Diese Diskussionsergebnisse brachten natlirlich auch eine
Veranderung der MaBstabe in der Organisation mit sich. War die Jugend-
arbeit vorher stark auf eine Bildungsarbeit ausgerichtet, die einzel-
nen Mitglieder das "Aufsteigen" zum zweiten Bildungsweg, zum Lehrer
etc. ermbglichte und wurden die wenigen Arbeiterjugendlichen eher
42
karitativ mitgeschleppt, so anderte sich dieses Verhaltnis im Laufe
der Zeit. Wurde z.B. frliher eine Art Volkshochschularbeit - auch fLir
Arbei terjugendliche - gemacht, hieB es spater.es sei anmaBend von
uns Kleinblirgern (als schwankende Klasse), Arbeiterjugendliche anlei-
ten zu wollen. Die Arbeit wurde - nicht selten zum VerdruB der Ar-
beiterjugendlichen - eingestellt und ihnen nahegelegt, sich an ihre
Arbei terorganisation zu wenden.
Von den ca. 30 Arbeiterjugendlichen taten das aber nur drei Oder
vier, ein groBer Teil war dann erstmal weg. An die Stelle eines rela-
tiv elitaren und antiautoritaren Verhaltnisses zu Arbeitern trat
das vbllige Gegenteil: Auf einmal waren wir die Vertreter der Arbei -
ter unter den kleinburgerlichen (geradezu ein Schimpfwort) Jugendli-
chen. Statt vom Arbeiter zum zweiten Bildungsweg wurde es wieder
"modern", nach dem Abituroder nach Abbruch des Studiums Berufe wie
Drucker, Hafenarbeiter etc. anzusteuern. Es fanden tatsachlich Dis-
kussionen Liber die Lange des Urlaubes mit Argumenten statt, wie: die
Arbeiter hatten auch nur 3 Wochen und da kbnne man den restlichen Ur-
laub wohl in die Organisation stecken. So wurde in Wohngemeinschaften
arglistig beaugt, teilweise sogar aufs kra'ftigste kritisiert, wenn
sich einer ein teures Tonband etc. kaufte und es wurde darauf geach-
tet, daB nicht etwa einer kleidungsma'Sig zu hohe Ansprliche stellt
usw. usw.. Die meisten kleinburgerlichen Freuden, die z.B. Studenten
aufgrund ihrer Studiensituation qenossen (langes Ausschlafen, langer
Urlaub...) wurden z.T. ganz einfach negiert. Oft hatten diese Ver-
zichte zur Folge, daB die politische Arbeit nicht als lustvoll, freu-
dig etc. angepackt, sondern als PflichtLibung und lastige Arbeit ange-
sehen wurde.
Wie man sich denken kann,wurden die "KleinbLirger des BDJ" nicht durch
das erste Papier (Woher kommt unsere Klarheit?) bekehrt, sondern der
KB muBte sich immer wieder ins Zeug schmeiBen, urn seine eigene Fuh-
rungsrolle durchzusetzen. Z.B. fand Ostern 1973 ein langeres Seminar
des RBJ-Bundesverbandes statt. Die dort geschriebenen Diskussionspro-
tokolle wurden wie folgt von einem leitenden KBler schriftlich kriti-
siert:
Zunachst wird aus dem Protokoll zitiert: "Im Imperialismus kommt
es zu spontanen Bewegungen gegen einzelne MiBstdnde. Diese Bewegungen
sind noch nicht gegen das ganze kapitalistische System gerichtet und
haben auch keine longer fristige Perspektive. "
Der KB kommentiert das:
"Wichtiger ist noch die unter schiedliche StoBrichtung , mit der die-
se spontanen Kampfe gefiihrt werden kOnnen. Und diese StoBriohtung
hangt wieder davon ab, welche Klassen oder Schichten diesen Kampf
aegen einzelne MiBstande des Kapitalismus fuhren. Es gibt den okono-
mischen Kampf der Arbeiterklasse, aber auch den reaktion&ren urn den
Erhalt von Privilegien der Zwischenschichten. Es gibt den Kampf ge-
gen politische Vnterdruckung aber auch den gegen Gleichmacherei. . . .
In den RBJ-Protokollen geht es erst einmal urn das Unterlassen,^ urn
die klare Benennung solcher Stramungen, deren Charakter reaktionar
ist weil er bilrgerliehe, vorimperialistische Zustande wilder her-
stellen will.-. Der demokratisahe Kampf des Proletariats und der klein-
hurgerlicl-i,e'n:::Sohichten unteracheidet sich also in der Richtung, in
der er qeftthrt wird, und nicht nur durch das MaB der Konsequenz.
Was ist der Kerr, der falsahen Auffassungen iiber den demokratisahen
- 43 -
.
Kampf. ...Fehlendes Bewulitsein von der Tatsache, dali die Zwischen-
sohiahten uberhaupt keine eigenstandige Klassenperspektive haben und
deswegen nur die der Arbeiterklasse existiert. "
Siebt man solche Kritik im Zusammenhang mit der Aussage "die fort-
schrittlichste Organisation der Arbeiterklasse heute in der BRD
(ist) der KB..." (siehe vorn), dann wird deutlich, was fur ein wahn-
sinniger FUhrungsanspruch erhoben wird. Im RBJ wurde damals sowas
nicht angegriffen. Wenn jemand den Anschein erwecken konnte, e^ wur-
de Lenin zitieren, dann gab es nur noch "Auslegungsdiskussionen .
Zur Verbesserung der Zeitungsarbeit wurde noch im damaligen RBJ vor
allem an Lenins "Was tun" diskutiert. Wesentlich war dabei fur die
weitere Entwicklung des RBJ die Ubernahme von der Vorstellung Lemns,
daB die sozialistische Ideologie von auBen in die Arbeiterbewegung
etc. hineingetragen werden muB, das "bewuBte Element" sich mcht
aus den spontanen Kampfen der Massen entwickelt. Zwei Dinge hatten
diese Vorstellungen zur Auswirkung. Einmal wurde der Vorstellung
nachgehangen, man selbst kbnne bewuBt eine Bewegung machen. tndios
lang wurden immer wieder Mobilisierungsplane durchgegangen, jeder
BDJler hatte samtliche Formen (Flugblatt, WZ und und und) drauf.
Gleichzeitig flihrte das eigene Selbstverstandnis vom bewuBten Ele-
ment" zu einemarroganteiVerhaltnis (mehr oder wemger geschickt auf-
qetraqen) gegenilber Mitschiilern, Kommilitonen etc. Viele von uns
waren standig der Meinung "Klarheit schaffen zu mussen , was zu der
verruckten Situation fiihrte, u'berall und immer mitreden zu wollen,
oft ohne die konkreten Kenntnisse zu haben.
In der Zeitungsarbeit wurden mehr und mehr die Positionen des "Arbei-
terkampfes" (Zentralorgan des KB) ubernommen und auf den eigenen Be-
reich zugeschnitten. Ab und zu wurden ganze Artikel aus Jem Arbei-
terkampf" einfach nochmals abgedruckt. Teilweise nahmen Artikel und
Flugblatter dabei groteske Formen an. Es waren mcht nur a™a"e'™
die gleichen Inhalte, sondern - da vorher Ak-Artikel gelesen wurden -
auch gleiche Phrasen und Wortspiele.
Es wurde auch versucht, den RBJ auf Bundesebene auszubauen (siehe
auch vorn die Struktur). Dazu dienten alte bundische Kontakte und
Seminare. Mit verschiedenen Stadtgruppen (Darmstadt, Pforzheim,
Duisburg, Kassel . . . ) wurde der RBJ-Bundesverband gegrundet und gleicn
danach zusammen mit dem "Bund Deutscher Pfadfinder" (BDP) wurde der
Dachverband "Bund Demokratischer Jugend" (BDJ) gegrundet. (Wenn im
weiteren Artikel VOm BDJ die Rede ist, ist jewel Is der BDJ/KBJ
gemeint). Die Diskussionen mit dem BDJ/BDP verliefen nicht sehr
erfolgreich. Wir konzentrierten uns im RBJ darauf, unseren eigenen
Verband aufzubauen. Hauptsachlich durch eine enorme Belastung der
ca. 150-200 aktiven Mitglieder (und die gab es fast immer schon) wur-
den unsere Aktivitaten ungeheuer ausgeweitet.
Die Kampfende Jugend (KJ) erschien mit einer Auflage von knapp 5000
und ca. 50 Seiten alle 6-8 Wochen. Dazu kamen noch unregelma'Big
Bezirks- und Stadtzeitungen, Schulerzeitungen und zentrale Broschu-
ren (Griechenland, Film, § 218, Vietnam...) . Es existierte ein
20-40 Mann/Frau Chor (Langspielplatte und Auftritte auf KB-GroBveran-
staltungen), ein BDJ-Filmclub mit 7-14 Vorstellungen im Monat (Zu-
44
schauerschm'tt ca. 5-600 pro Monat). Frauengruppen, Kindergruppen
(mit Zeltlagern), Schlilergruppen, Fahrten im Sommer, sowie 6 alte
Laden in den Bezirken, die als Zentren dienten. Fur den Papieraus-
stoB in der Organisation und nach auBen muBten eigens komplizierte
Systeme entwickelt werden. Bei dieser Entfaltung der BDJ/RBJ-Praxis
(vor allem durch die immer groBere Belastung weniger Genossen) und
durch die standige Orientierung am KB kam es bei den RBJ-"Funktio-
naren" (GV, Bereichsgruppen und Bezirksanleitungen) kaum noch zu Wi-
derspruchen zum KB. Bereitwillig bescheinigte dann auch der BoB des
SSB (Sozialistischer Schuler Bund, Schulerorganisation des KB)
dem RBJ/BDJ:
"Dem aufmerksamen Leser fallt auf: Da werden Analysen und Einschatzun-
gen aus Papieren des KB und des SSB zum Schulkampf wiedergegeben,
Pavolen des KB, SSB und des Elternrats Arnkielstr . ubernommen und
mit praktischen Beispielen und eigenen Erfahrungen angereichert. Es
ist ausgezeichnet, dali der RBJ bereiz ist, sich die Standpunkte der
Kommunisten anzueignen, aber warum verschweigt er das? Varum sohmiickt
er sich mit fremden Federn? Warum gibt sioh die RBJ-Fuhrung den An-
schein, die KB-SV-Politik (SV^Sohiilervertretung ) ware von ihr ent-
wickelt werden? Warum verheimlicht sie ihren Mitgliedern, dali es ge-
rade die Kormunisten sind und nur die Kommunisten sein konnen, die
aufgrund der "???" marxistisohen Lehre die ("????") Einsicht in die
Bedingungen, den Gang und. die allgemeinen Resultate des Klassenkam-
pfes und der proletarischen Bewegung besitzen. Wem niitzt dieses Ver-
steckspiel? Will er damit vortauschen, dali er, der RBJ, zu denselben
Ergebnissen kommen konnte? Offensiahtlich! Damit leugnet er aber die
fuhrende Rolle der Arbeiterklasse, denn die hat der RBJ (gottseidank)
bestimnt nicht organisiert. "
(zitiert nach einem "Rundbrief der Leitung des SSB an alle Mitglie-
der. Betrifft Auseinandersetzung mit dem RBu "}
AuBer dem "Lob" ("...es ist ausgezeichnet. . . ") also auch ein Tadel !
Der Vorwurf hatte den Hintergrund, daB die Mi tgliederzahl des RBJ-
Hamburg im wesentlichen stagnierte und bei neuen Mitglie-
dem die Frage auftrat, ob diese sich nicht auch im SSB Oder KB or-
organisieren kbnnten. Auch im RBJ (insbesondere bei den Schlilern)wurde
inmer haufiger diskutiert, was denn eigentlich der Unterschied zwi-
schen RBJ und KB/SSB sei.
An diesen Auseinandersetzungen nahmen auch die leitenden Genossen
des KB teil und insbesondere von ihnen wurde auf einmal gefordert,
der RBJ solle "linkspluralistisch" (so wb'rtlich ein LGer) sein und
die bestehenden Differenzen im RBJ offentlich diskutieren.
Nun war das allerdings ein Problem. Nach Ansicht des KB sollte der
BDJ einerseits linkspluralistisch sein, andererseits aber keine re-
formistischen, revisionistischen Oder gar verschiedene andere kommu-
nistische Positionen vertreten. Ein Teil der RBJler verkauften den
Arbeiterkampf, viele lasen inn und schauten gottergeben zum "gros-
sen Bruder" (RBJ-Jargon) auf. Dieser Widerspruch nahm ab Sommer 1975
eine immer zentralere Bedeutung im BDJ/RBJ ein. Anla'Blich der Aus-
trittserklarung einer leitenden RBJlerin erschienen die "Thesen"
2Um Demo k rat ieverstandnis des BDJ in der KJ (5/75). In der Austritts-
erklarung hieB es u.a. :
"Auf der Grundlage der Anerkennung der Kommunisten als konsequente-
te Vertreter des Standpunktes der Arbeiterklasse gibt es innerhalb
- 45
des BDJ keine Hindernisse fur die Mitglieder, sich dxesem Standpunkt
sowohl theoretisch als vor allem praktisch zuzuwenden. (KJ 5/76,
S. 42)
Es hieB zu dieser These miisse sich der BDO bekennen, da dies eines
der wesentlichen Prinzipien des demokratischen Jugendverbandes sei.
In den "Thesen zum Demokratieverstandnis des BDJ wurde daraut
Vefm^Ts'i keine kommunistisohen Organisation. Eine Anerkennung
einer fuhrenden Rolle der Kormunisten und der Arbeiterbewegungtst
nioht Kriterium der Mitgliedschaft im BDJ. ... Der BEJ betraohtet
sich nioht als 'Durchlauferhitzer' fur andere, z.B. komnmietieehe
Oraanisationen, sondern beansprucht einen selbstandtgen, gle^choe
rechtiqten Platz neben alien anderen demokratischen Organisational .
Er stellt andererseits auch keinen 'Fuhrungsanspruch' gegenuber der
demokratischen Bewegung auf, sondem kdmpft in seder Frage ffe
Durahsetzung der jeweils bestmoglichen Antwort. Der BDJ fordert den
Gebrauoh des eigenen Kopfes und nioht ein glaubzges Annangertum.
Speziell diese Passage "Gebrauch des eigenen Kopfes" gait in einigen
BDJ/KB-Kreisen schon als antikommunistische Tendenz in den l™5en-
Diesen Ausschnitten aus den Thesen sei noch hinzugefugt, daB sie.bevor
sie in der "Kampf enden Jugend abgedruckt wurden, zusammen mit zwei
KB-LG-Mitgliedern redigiert und gutgeheiBen wurden. Gerade, aus den
geaenuber dera KB kritischen Zitaten (keine Anerkennung
3es FUhrungsanspruches, Konkurrenz zum KB etc.) wird deutlich, daB
hier einerseits nach jahrelanger fester und unkritischer (eben mit
sehr wenig Gebrauch des eigenen Kopfes) Anlehnung an den KB versucnt
wurde, das Selbstverstandnis des BDJs zu entwickeln, andererseits hier
zumindest bei den beiden KB-LG-Vertretern ein Schwenk gemacht wurde.
(Vergleiche z.B. die Kritik von SSB, wo ja geradeder Vorwurf darin
bestand, die Flihrung des KBs nicht anzuerkennen).
Dieser "Schwenk" war allerdings nur taktischer Natur, wie viele
von uns erst sehr spat und manche allerdings bis heute mcht gemerKt
haben. Oberall dort, wo der BDJ - incl. der Leitungsmitglieder - die-
se Aufforderung ernst nahraen und dazu etwa noch zu anderen politi-
schen Ergebnissen, Einschatzungen etc. kamen, war die Hb'lle los.
Es begann mit einer unterschiedlichen Einschatzung zu den Wahlen in
Portugal, setzte sich fort z.B. in einer Differenz der Frauengrup-
pen zu den KB-Frauen Liber den Zeitpunkt einer Demonstration gegen
den § 218 sowie im strikten Bestehen auf der Flihrung eines eigenen
Spendensairmlungskontos fur Portugal, Kritiken der Kinderkommission
an der Betreuung von Kindern auf Frauenveranstaltungen usw.usw.
Es ist eigentlich heute ziemlich egal, welche Differenzen im einzel-
nen bestanden, wichtig ist, daB sie mit der Entwicklung des Selbst-
versta'ndnisses des BDJ uberhaupt deutlich (wenn auch nicht oftent-
lich) wurden. Schon vor dieser "Belebung" schwelte die Auseinander-
setzung liber die Plattform des BDJ (in manchen BDJ/KB-Kreisen sagte
man dazu auch "Existenzberechtigung des BDJ"). Beispielhaft fur die-
se Auseinandersetzung ist eine in der "Kampf enden Jugend 1/76 ao-
gedruckte Austrittserklarung ( von 5 Mitgliedern aus zwei Bezirken
in Hamburg) und die Erwiderung von drei Mitgliedern des Gesamtvor-
standes (GV).
- 46
In der Stel lungnahme der GV-Mitgl ieder heiBt es:
"Die Kernpunkte der Kritik sind:
1. Der BDJ vertrete 'opportunistisohe Standpunkte'
2. Der BDJ vertrete Standpunkte, die sich von denen des Kommunisti-
schen Bundes (KB) unterscheiden ; dies sei nur gerechtfertigt, wenn
gleiohzeitig die Positionen des KB offentliah kritisiert werden. "
(Zitiert nach der Antwort der GVler)
Was den ersten Punkt betrif ft, wurde kritisiert, daB eine Spenden-
aktion fiir zwei chilenische Genossinnen teilweise auf "Amnesty-Inter-
national-Niveau" gefuhrt wurde. "Die Frauen wurden gefoltert, also
miissen wir sie rausholen. Dabei wird nur an die Humanitat appellievt
und auf die Entwicklung eines antifaschistischen Bewulitseins ver-
ziohtet. Das so gesammelte Geld wird den Genossinnen wenig helfen,
wenn z.B. die BRD-Regierung ihre Aufnahme ablehnt." (zitiert nach
der Austrittserklarung)
Als Antwort darauf hieB es:
"Sioherlioh gibt es in dieser Kampagne auch Aspekte, die mehr vom
humanitaren als vom politischgn Aspekt ausgehen, nur stellen wir von
daher nioht diese Aktion in Frage, sondern begreifen die Moglioh-
keit solcher Aktionen. Wir waren froh, wenn bei uns tausende solcher
Jugendlichen organisiert waren, die aufgrund ihrer Betroffenheit Uber
die brutalste Behandlung politischer Gefangener bereit sind, das Ih-
rige zu tun, aber auch bereit sind, Uber die Hintergru'nde und Ursa-
chen solcher Praktiken des Imperialismus zu diskutieren und ihre
Erkenntnisse weiterzutragen. Das stitrkt die Internationale Solidari-
tat und beginnt nicht erst dort, wo jemand bereit ist, sein Geld fiir
den MIR zu geben. . . . Wir wollen einen radikal demokratischen und
pluralistischen Verband aufbauen, der versohiedene politisohe Stromun-
qen und Standpunkte, wie sie gerade auch unter fortschrittlichen
Jugendlichen vorhanden sind, zusammen faBt. ..."
Was den zweiten Punkt der Kritik betrifft hieB es:
"Im allgemeinen mu/3 gesagt werden, daB es natiirlioh jedem freisteht,
die Standpunkte des BDJ speziell an denen des KB zu messen; der BDJ
als selbststandigetradikaldemokratische Jugendorganisation hat jedoah
keinesfalls solche 'Pfliaht', sioh etwa zu 'rechtfertigen' , wenn
seine Besahliisse nioht mit denen des KB oder einer anderen Organisa-
tion Oder Partei ubereinstimmen. " (aus der Stellungnahme der 3 GVler,
Wahrend diese Auseinandersetzungen Gegenstand der Diskussion waren
und solche Austritte meist mit der Anklindigung verbunden waren, man
werde jetzt zum KB gehen (bzw. SSB),war die Haltung des KB-Leitungs-
areffliums noch zwiespaltig. Einerseits kundigten sie an, daB sie die
Stellungnahme der GVler fiir "hubsch", "geschickt" etc. hielten und
celbst eine unterstlitzende Stellungnahme schreiben wollten, anderer-
ceits kamen solche Stellungnahmen trotz mehrfacher Aufforderung und
Rpsuche von uns (zwecks Abholung) nicht ruber. Es bestanden offen-
cichtlich Differenzen im LG des KB dariiber, wie welter mit dem BDJ
71, verfahren sei. So wurde zwischendurch gefordert, man sollte doch
iinmal eine Bestandsaufnahme machen etc. Die Differenz (und hier
tlnn man nur mutmaBen, denn noch kaum einer hat je etwas uber Dif-
ferenzen in der KB-Leitung gehbrt) bestand darin daB
fr Verband der offentlich total mit dem KB identif lziert wurde,
•cht fur sehr nutzlich gehalten wurde und gleichzeitig ein taktisch
- 47 -
gemeintes "linkspluralistisches" Auftreten nach auBen (siehe die
Erklarungen) zur Folge hatte, daB Teile des BDJs diesen Anspruch
ernstnahmen und dadurch sich der EinfluB des KBs im BDJ verrin-
gerte.
Wurde die Teilnahme des BDJ an der KoKo-Fete (KoKo = Koordinierungs-
Konferenz Hamburger Jugendverbande, Vorlaufer des heutigen Landesju-
qendrinqs) gegen die Jugendarbeitslosigkeit noch von den KB-LG-
Genossen unterstiitzt, so wurde nach Auftreten von Fehlern des Vorstandes
in der Durchfiihrung dieser Fete jeder Kontakt seitens des LG abge-
brochen und stattdessen liber den Bezirk Al tona (dort saS em BDJler
rait dem Aufgabengebiet BDJ in der KB-Anleitung des Bezirks) eine
scheinbare "Kulturrevclution" durchgefuhrt.
Ein Kristallisationspunkt fur die Auseinandersetzungen im BDJ war-
die Teilnahme an der KoKo-Fete zur Jugendarbeitlsosigkeit und die
Unterschrift unter ein Flugblatt, in dem u.a. Mitbestimmung gefor-
dert wurde Von einer Gruppe von Altonaer BDJlern (die z.T. eben von
dem KB "beraten" wurden, in Wirklichkei t nichts anderes als Schach-
figuren der KB-Leitung waren) wurden daraufhin zwei Kntikpunkte
formuliert: . .
- Eine Entscheidung zur Teilnahme wurde ohne eine breite Diskus-
sion unter den Mitgliedern getroffen;
- Die Verankerung von reformistischen Positionen im BDJ und die
Loslbsung von den solidarischen Beziehungen zum KB.
Zweifellos positiv war im BDJ die Auslosung eines wirklich breiten
Diskussionsprozesses uber die Mitbestimmung, sowie damn einherge-
hend grundsStzliche Kritik an der Politik des BDJ z.B. mangelnde
ideologische Schulung der Mitglieder, Trichterpolitik.Abgehobenheit der
Politik von den praktischen Aufgaben etc!. Diese Diskussion wurde von
den Altonaer Genossen am Anfang sicher mit der ehrlichen Absicnt
zur Verbesserung der Politik des BDJ/RBJ gefuhrt und viele von -.hnen
waren sicher spa'ter selbst erstaunt.damit die Entwicklung zu dem Be-
schluB den BDJ quasi aufzulbsen, ausgelost zu haben. fi;hrtB
Trotzdem war der zweite Punkt der letztlich zur Auflosung fuhrte
von Anfang an mit in der Diskussion. Da tauchten dann solche Schnacks
auf wie, man wolle den "Verband aus seiner engen und so idariscnen
Beziehung zum KB und zu den fortschrittl ichsten (!) Teilen der Ar-
beiterklasse herauslbsen" Oder "in der kapitalistischen Gesellscnatt
gibt es nur zwei autonome Krafte: die Arbei terklasse und die Bourge-
oisie. Dieser Tatsache muB auch der BDJ Rechnung tragen.indem man
sich eindeutig auf die eine Oder andere Seite stellt."
Dies mundete schlieBlich verbunden mit den heftigsten Angriffen auf
eine Gruppe von BDJlern, die forderte, daB auch z.B. Mitbestimmungs
positionen in einem plural istischen Verband einen Platz haben mus-
sen.zu der einfachen Frage: Wenn es keine Differenzen mehr zum KB
gibt, warum geht man dann nicht gleich in den KB (diese Frage wurde
nun von einem eigens vom KB beauftragten Genossen gestellt)?
Beim Vorgehen des KB ist besonders zu verurteilen, daB fur das LG
schon im Januar 1976 (so ein KBler) feststand , daB der BDJ zunachst
einmal aufgelbst werden soil. Die ganze Zeit aber wurden alle be-
teiligten Genossen wie Schachfiguren bei einem Spielchen hin- und
hergeschoben, ohne klar und offen diese Position von Anfang an zu
48 -
vertreten. Zweitens wird in einem oder zwei Arbei terkampfartikeln
schlicht und einfach gelogen, wenn es dort heiBt:
"Insbesondere die mit den Kontakten zum BDJ-Vorstand beauftragten
Genossen des KB haben in alien Gesprachen und von Anfang an die Not-
wendigkeit betont, daB der BDJ vorhandene Tendenzen Uberwinden muB,
sich zum Anha'ngsel des KB zu machen..." (Es erubrigt sich dazu ein
Kommentar, wenn solche Aussagen mit den zu Beginn zitierten Papieren
vergl ichen wird) .
M.E. haben die meisten Mitglieder des Gesamtvorstandes und viele
Mitglieder des BDJ/RBJ ebenfalls zwei entscheidends Fehler gemacht.
Es wurden richtige Kritiken (verstarkte ideologische Auseinander-
setzung, Trichterpolitik, autorita're Leitungsstrukturen, die eben
zur Unzufriedenheit bei der Politik gefiihrt haben) nicht wirklich
konsequent aufgegriffen und Mbglichkeiten der Verbesserung disku-
tiert. Aus meinen Gesprachen mit BDJlern, die in engere Arbei tszusam-
menhange mit dem KB getreten sind, habe ich erfahren, daB sie gerade
in diesen Punkten - die m.E.der beste Teil der Kritik war- beim KB
vom Regen in die Traufe gekommen sind.
Dieses mangelnde Verhaltnis des Gesamtvorstandes zur Selbstkritik
war gepaart mit einer heute unglaublichen Naivitat gegeniiber dem KB.
Es wurde in Stellungnahmen immer wieder beschworen, daB wir in unse-
rer BUndnispol itik doch so gute Erfahrungen mit dem KB gemacht ratten
wurde geschrieben, daB der KB uberhaupt eine unheimlich solidari-
sche Organisation ware usw. usw. Es wurde kaum und nur von sehr weni-
gen darauf hingewiesen, daB hier aus organisationsborm'erten und
machtpolitischen Grunden nichts anderes als die Liquidation des
BDJ/RBJ abgezogen wlirde. DaB der KB dabei keinesfalls vor Lu'gen
(siehe oben) Oder seiner beliebten Methode,Geruchte gegen sich selbst
erfinden, urn sich dann wortgewaltig zu empbren, vor politischer Dif-
famierung und zum Einspannen ehrlicherweise empbrter Genossen flir
seine Zwecke zurlickschreckte, wurde dabei sehr anschaulich deutlich.
Man sollte noch erganzen, daB diese Politik fast ausschlieBlich vom
Leitungsgremium betrieben wurde und fast kein KBler aufgrund der
Arbeiterkampfartikel sich sein eigenes Bild von dem Erfolg von ca.
5 Jahren Blindnispolitik des KBs macnen konnte. Gerade fur die Genos-
sen des SSB ware das sicher eine fruchtbare Sache gewesen.
Den BDJ/RBJ gibt es heute nicht mehr als arbeitende Organisation.
Ergebm's einer Delegiertenkonferenz des BDJ-RBJ Ostern 75 war, daB
man "reuevoll" alle reformistischen Positionen uberwinden wollte und
das insbesondere in der Auseinandersetzung mit dem KB. Die meisten
Mitglieder des BDJ-RBJ sind dann auch gleich oder spa'ter zum KB
oder SSB gegangen. Fur den BDJ wurde eine Art geschaftsfuhrender
AusschuB gewahlt, der dafu'r sorgen sollte, daB Mietvertrage gekun-
digt wurden, Schulden des BDJ beglichen und AuBenstande eingetrie-
ben wurden. Dann geschah erstmal eine ganze Zeit gar nichts.
Nach den Sommerferien entwickelte eine Handvoll von alten BDJlern
die Idee (!), eines der Bezirkszentren zu erhalten und eine "Demokra-
tische Initiative" aufzubauen. Ohne daB es eine einheitliche Kritik
am KB gegeben hatte, hatten diese BDJler doch alle ein ziemliches Un-
behagen, was die organisationsbornierte, taktische und selbstkritik-
lose Abwicklung der BDJ-Krise seitens des KB betraf. Man war sich
49
daruber einig.in diesen Punkten zu einer Kritik kommen zu miissen,
solange aber nicht in organisatorischem Zusammenhang mit dem KB
zusammenzuarbeiten. Diese Ideen allein geniigten, daB vom KB liber
einige Alt-BDJler diesem Kreis eine Art Konterrevolution rrnt Beisei-
teschaffung des technischen Apparates und Ergaunerung von BDJ-Manda-
ten im Deutschen Bundesjugendring (DBJR) unterstellt wurde. Dazu
wurde am 26.10.76 eigens eine Versammlung einberufen. Diese Vorwurte
waren insgesamt an den Haaren herbeigezogen und der Clou war, daB
trotz Beschuldigungen im AnschluB an die Diskussion ein Initiator
der Idee (') des"demokratischen Zentrums" wieder in den Geschafts-
ausschuB gewahlt wurde. AuBer den wirtschaftlichen Putschbeschuldi-
qunqen wurde noch so eine Art Tribunal gegen die Initiatoren der ge-
nlanten Initiative durchgefiihrt. Diese waren allerdings uberhaupt
nicht bereit, ihre politischen Oberlegungen in diesem Kreis darzule-
gen.
Der eigentliche Witz aber kam gegen Ende der Tribunalveranstaltung.
Der KB, der gleich mit 3 LG-Mitgliedem erschienen war, (bei einer
Versammlung von 50-60 Leuten) brachte eine Resolution em! In die-
ser - leider nur mlindlich vorgetragenen Resolution - beantragte der
KB (>) daB der BDJ/RBJ gegenLiber alien Organisationen erkla'ren soil,
daB der BDJ nicht aufgelbst sei, sondern eine lebhafte Diskussion
urn eine demokratische Jugendarbeit stattfinde. Gleichzeitig wurde
vorgeschlagen, daB ein neuer Termin stattfinden soil, zu dem law
andere demokratische Initiativen eingeladen werden soil ten (J-zentren,
Kinderhaus e.V. usw. ) und eine KJ-Extra sollte erscheinen, um die
Vorstellungen der Initiativen dort zu verbreiten.
Dahinter stand und steht (?) die Vorstellung des KB-LGs , daB die
Mandate des BDJ/RBJ im DBJR, im Hamburger Jugendring etc. tur sie
nutzlich sein konnten und so ein "plural istischer Verband, der .™t
und macht was der KB will, fur ihn als ein gutes taktisches Instrument
dienen kann. Nun kam diese Resolution nicht zur Abstimmung, da die
Mehrzahl der Alt-BDJler doch einigermaBen erstaunt waren, da es dis-
her doch so war, daB der KB den BDJ aufgelbst wissen wollte. Da der
KB selbst einsah, daB bei den verbreiteten und groBen Zweifeln eine
Abstimmung blbdsinnig gewesen ware, zog er die Resolution zunacnsx
zuriick und schlug die Vorbereitung einer neuen Versammlung vor. uie
se Versammlung hat bis heute nicht stattgefunden, ein Protokoi irun-
rer (eine Alt-BDJlerin, heute im SSB) hat es bis heute nicht ge-
schafft, ein - vielleicht auch zu peinliches - Protokoi 1 zu erstei-
len. (Es existiert nur ein Protokoll der dort zu Anklage und ver-
hor bestellten BDJler).
M.E. ist der Versuch, einen BDJ/RBJ mit pluralistischem Anstrich und
fest in der Hand des KB neu aufzubauen, eine Farce. Dieses Nachspiel
und solche Vorschlage des KB zeigen nur nochmal im Nachhinein. dab
die Liquidierung des alten BDJ/RBJ allein aus machtpol ltischen brun-
den geschah! Und sollte der KB wirklich nochmal den Versuch machen,
seine diversen Sympathisanten in die Form eines demokratischen Ju-
gendverbandes zu stecken, so ist es wirklich leicht und bilng zu
prophezeien, daB in diesem Verband alles gegen Fraktionsbildungen
und Entwicklung eigener politischer Vorstellungen getan wird, um
eine Loslbsung vom KB zu verhindern.
Ich glaube, daB diese kurze Geschichte des BDJ/RBJ in gewisser Weise
ein Lehrstiick ist. Man sollte nicht mehr so naiv sein zu glauben,
daB es dem KB nur um die Sache gent, daB er astrein das Prinzip der
Aktionseinheit mit gleichberechtigter Teilnahme handhabt, die Aus-
einandersetzung mit anderen Gruppen nur ideologisch und often von
Organisation zu Organisation flihrt usw., sondern sehen, daB in dem
Leitungsgremium die Mentalitat kapitalistischer Manager vorherrscht,
irnmer bedacht, den Marktanteil und Marktwert zu erhbhen, ausgehend
davon, daB sie Recht haben und die "einzige korrekte Linie" vertreten.
2. WIE WAR DAS ALLES MOGLICH ?
Ich glaube nicht, daB der KB in der nachsten Zeit den BDJ/RBJ zu
neuem Leben erwecken will. Im Herbst 1976, kurz nach dem letzten
Anlauf seitens des KB, bekam die Anti-AKW-Bewegung einen Aufschwung
und der KB ist vol 1 damit beschaftigt gewesen, diese Bewegung in
Hamburg zu majorisieren (mit dem Ergebnis der "KB-UU"). Trotzdem muB
man sich im Nachhinein die Frage stellen, wie eine solche Entwick-
lung uberhaupt mbglich gewesen ist.
Die Orientierung an der Politik des KB , die Anerkennun
den Rolle der Arbeiterklasse (dargestellt durch den KB)
nahme von Lenins Konzept von der Bedeutung des bewuBte
das alles wurde im BDJ weitgehend durchgesetzt. Vorgega
dabei nach dem Prinzip; Wissen und Informationen sind Ma
de ein relativ kleiner Kreis von Leuten (ohne Wissen de
Teils der Organisation) von Seiten des KB an Klassiker
sowie alle aktuellen Problerne und Aufgaben durchdiskuti
Kreis war den meisten BDJlern derart uberlegen, daB er
sentlichen den Gesamtvorstand zusammensetzen konnte (di
den ausgesucht und dann nachtraglich von Mitgliedern in
ken und Arbeitsbereichen bestatigt). Im Gesamtvorstand
le Informationen (sowohl aus den Bezirken als auch den
zusammen. Die Durchsetzung der Politik fand dann mit de
Argumenten" statt Oder auch mit moralischem Druck (wenn
machst, bist du kein guter Genosse, bzw. umgekehrt habt
v0n dem und dem gehdrt, der hat 50 KJ's ganz alleine ve
g der flihren-
die Ober-
n Elements,
ngen wurde
cht. So wur-
s grSBten
n geschult,
ert. Dieser
auch im we-
e Leute wur-
den Bezi r-
liefen so al-
Kommissionen)
n "besseren
du das nicht
ihr schon
rkauft etc. ) .
Die "besseren Argumente" kamen meist zustande, indem einfach die
Leute fiir Seminare etc. ausgesucht wurden (Teilnehmerbeschrankung) .
Pundierte Positionen gegen die herrschende Linie im BDJ hat es
eigentlich nie gegeben und die Mitglieder des BDJ hatten eigentlich
auch kaum Chancen dazu. Schulungen fanden meistens anhand des"Arbeit-
erkampfes" statt, eine kritische Auseinandersetzung mit anderen kom-
munistischen und sozialistischen Gruppen gab es kaum (z.B. an deren
7eitungen), ja selbst eine Auseinandersetzung mit Jungdemokraten.Jusos
etc fand praktisch nicht statt. Etwaige Tendenzen von Mitgliedern
wurden auf zwei Wegen bekampft: Durch das linke Tugendri ttertum
fs0' ne Art von Glaubensbekenntnis wurde honoriert und man fand da-
durch Anerkennung und Zuneigung) und durch die sogenannte Politik der
"objektiven Aufgaben". Das fuhrte dazu, daB bei Hundert von Aufgaben
fjr Linke, welche vom KB als objektiv wichtigste bestimmt wurden,
Uberhaupt keine Zeit blieb
- 50 -
51
irgendetwas anderes zu machen.)Die wirkungsvollste Methode aller-
dings war immer der erste Punkt. Da zumeist BDOler ihre ganzen zwi-
schenmenschlichen Beziehungen auf die Leute in der Organisation
konzentrierten, ihre Arbeit und der Spiegel ihrer Arbeit in der An-
erkennung der anderen Mitglieder lagen, waren politische Differen-
zen und Auseinandersetzungen meist gleichzeitig mit zwischenmensch-
lichen Dramen, Tranen etc. verbunden.
Wir hatten eigentlich auch nie genugend qualifizierte Mitglieder, urn
alle Funktionen zu besetzen (vergleiche Organisationsstruktur) .
Viele "Funktiona're" ertrugen ihre Arbeitsbelastungen mit einem ziem-
lich elitaren Martyrertum (zig Terminen etc.). wohnten die Genossen
dann zusatzlich noch in BDJ-Wohngemeinschaften, hatten sie kaum Zeit
und Lust, Kontakte auBerhalb der Organisation zu pflegen. In dieser
Art "Halbwelt" wurde fur das Martyrertum das Selbstverstandnis ein-
getauscht, nicht irgendwo der Student XY zu sein, sondern man war
ein "Propagandist der Arbeiterklasse". Nicht nur irgendeiner, son-
dern immerhin in Oder bei der fortschrittlichsten Organisation der
Arbeiterklasse in der BRD, einer der mit stolzgeschwell ter Brust zu
den wichtigsten Widersachern der BRD-Imperialisten gehb'rt, wobei
der BRD-Imperialismus ja immerhin dabei ist, sich giinstige Voraus-
setzungen fLir das weltweite Hegemoniestreben der Imperial isten zu
schaffen.
Ich bin heute der Meinung, daB eine solche Negation der antiautori-
taren Phase auf Dauer nicht in der Linken durchzuhal ten ist. Im Rah-
men der allgemeinen Reformeuphorie waren wir Anfang der 70er_Jahre
angetreten und mir geht's da a'hnlich wie es Luciano Bosio (einer
der GHinder der linken Organisation "Lotta Continua") zusammenfaBt:_
"Es stimmt, daB 1968 vorbei ist", "aber im gewis-
sen Sinne ist eine nioht-my stifizierende Buekkehr zu '68 auf einer
politisahen Ebene die einzige Moglichkeit, urn diese Militanten nicht
fiir die revolutionise Aufgabe zu verlieren und aus dieser personli-
ehen Erfahrung die Grundlage fur eine kollektive Aufgabe zu machen.
Auch das war '58. Iah gehore nicht zu denen, die '68 ftir die Arbei-
terklasse gemacht haben. Am Anfang war ich dabei, weil die Lehrer mir
in die Eier getreten haben", erklOrt Luciano spassend.
"Man muB auf das Bedurfnis der Militanten eingehen ktinnen, die Poli-
tik von der individuellen Ebene aus aufbauen zu kdnnen. Wenn der
Kampf weiter gehen soil, wie man sagt (Lotta Continua = der Kampf
geht weiter, s. Ubers,), kann man nicht immer von den Leuten erwar-
ten, dati sie 'fiir' andere kampfen, "
"Nun, die politisahen Zeiten haben sich geandert, Ilach '68 empfana
man quasi spontan die Notwendigkeit eines totalen Militantismus,
urn eine vollstandige Veranderung zu erreichen, die kurz bevorzuste-
hen schien. Das ist heute nicht mehr so, Ftir die Organisationen s.B.
dienen die KOmpfe nicht mehr als Reservoir fiir Militante. Seit einem
guten Jahr stagnieren die Mitglieder zahlen. " , . . (zitiert naak:
"Politikon", Nr. 64, Februar 77)
(Man muB hierzu erganzen, daB "Lotta Continua" in Italien ca. 20000-
30000 Mitglieder hatte, eine Tageszeitung herausgegeben h at etc.
und heute auf 2-3000 Genossen dezimiert ist. M.E. war das vor alien
ein Ergebnis einer Politik, die nicht auf die individuelle Ebene der
Genossen eingegangen ist. Der KB hat vor dem Herbst 76 seitenlang
Einschatzungen von LC nachgedruckt, GroBveranstaltungen mit LC-Ver-
52
tretern durchgefuhrt etc.. Das weitgehende Auseinanderfal len von LC
wird m.W. voni KB einfach verschwiegen, vielleicht auch, weil man
keine Probleme in der eigenen Organisation will...)
Fur die meisten von uns hat sich von diesem Ausgangspunkt vor allem
eine Politisierung Liber den Kopf entwickelt (endlose Schulungen),
so daB - wie Engels sagt - die linke Theorie zu einer Leidenschaft
des Kopfes wurde, statt liber den Kopf eine Theorie der Leidenschaft.
Eine Anerkennung der Genossen fand hauptsachl ich Liber objektiv poli-
tische (meist) theoretische Leistungen statt. Gleichzeitig wurden da-
durch oft alle Zweifel, ftngste und Wiinsche, die man hatte, versteckt,
ideologische Exkurse verpbnt und lieber so getan, als sei man der
lupenreine Marxist/Leninist. Hinter einer solchen Fassade verkiim-
merte die menschl iche Kommunikation, Einerseits verkehrte man mit
den anderen Genossen hauptsachlich liber die theoretisch-akademische
Diskussion, andererseits fbrderte eine solche Situation die Konkur-
renz und das Gerangel urn die Gunst der Gruppenautoritat.
Shnlich wie im kapi talistischen ProduktionsprozeB war die Arbeit
weniger Zweck der Tatigkeit, sondern vielmehr ein Hittel. Anerken-
nung, Funktionen und bedeutungsvolle Aufgaben waren Zweck der gan-
zen Geschichte.
Ist eine solche Situation erstmal mehr oder weniger entstanden,hat
die Arbeit wenig von einem emanzipatorischen Charakter an sich (d.h.
z.B. die Veranderung des Menschen und der Beziehung unter den Men-
schen), sondern Konkurrenz, entfremdete Arbeit, burger! iches Tugend-
rittertum und ideologische Knickerei und der Kampf urn einen Platz
an der Sonne in der theoretischen Hackordnung bliihen, wachsen und
gedeihen. Die Mogl ichkeit.sol idarische Beziehungen unter den Men-
schen zu entwickeln, seine Bedlirfnisse nach Anerkennung, sowie Aus-
einandersetzung mit seinen Arbeitsergebnissen, alles Punkte, unter
denen heute durchaus Ansatze auch von subjektiver Befreiung mbglich
sind, fallen unter den Tisch.
Die Arbeit wurde daher oft lustlos gemacht, immer wieder hbrte man
verzweifelt Genossen stbhnen, sie konnten nicht mehr, hatten Magen-
schmerzen usw. usf, Diese wurden dann meistens auch noch abgespeist
mit der Erklarung, daB sie sich mit dieser Situation einrichten muB-
ten, da immer mehr zu tun sei, als man schaffe. "Du muBt eben lernen,
Politik mit Magenschmerzen zu machen". (Original-SpruchJ
Nur auf dem Hintergrund solcher Verhal tnisse in unserer Organisa-
tion war es mdglich, daB der KB - als Oberautoritat - spa'ter seine
Vorstellungen doch sehr schnell durchsetzen konnte,
Es hat in der letzten Zeit mehrere Verbffentlichungen aus der Welt
der K-Gruppen gegeben (u.a. Rotbuch 177. "Wir warn die sta'rksten
der Partein").An meinem eigenen und am Ablb'sungsprozeB anderer Ge-
nossen habe ich immer wieder gesehen, daB ein Austritt zunachst zu
Identitatskrisen flihrt, Aber weil gerade viele Genossen in den K-
Gruppen ein kritisches Verhaltnis zur Politik ihrer eigenen Organi-
sation verlieren, sich total mit der oder der Gruppe identifizieren,
halte ich einen Austritt aus diesen Gruppen fiir notwendig und fiir
eine Voraussetzung, urn uberhaupt ein kritisches Verhaltnis zu ihrer
Politik zu entwickeln.
53
Axel Hiibner, Frankfurt
NACHBEMERKUNG EINES BETEILIGTEN
Khnlich wie im Ring BLindischer Jugend flihrte die Studenten-, Lehr-
lings- und Schulerbewegung auch zu einer starker Politisierung im
Bund Deutscher Pfadfinder. Dabei stand die Kritik der bisherigen
autoritaren Padagogik ("Der Pfadfinder gehorcht seinen Eltern und
seinem Arbeitgeber ohne Frage" - so ein Internationales Pfadfinder-
gesetz) und die Auseinandersetzung mit den Machenschaften der inter-
nationalen Pfadfinderbewegung im Vordergrund. Es wurde erkannt, daB
durch die enge Verflechtung von GroBkapital , Mi 1 1 tar und Pfadfinder-
tum in vielen Landern Jugendliche zu extrem antidemokratischem Ver-
halten erzogen wurden, Exemplarisch machte sich die Kritik etwa am
AusschluB der Chilenischen Pfadfinder aus der Wei torganisation fest
(wegen "sozialdemokratischer Tendenzen"), sowie an Reden des US-
General Westmoreland, der die pfadfinderischen Tugenden als hochst
brauchbar fur den Einsatz der Amerikaner in Vietnam pries. Diese
Kritik flihrte zum AusschluB des BDP aus dem Weltpfadfinderbund, im
Zusammenhang damit traten 1971 die konservativen Telle aus dem BDP
aus und griindeten den "Bund der Pfadfinder",
In dieser Situation ergaben sich Kontakte zum Ring BLindischer Ju-
' ■ -' T— ';"-- stammend vergleichbare Ent-
ebrocnene iraoition rausibur^uii.uici
fligte. Der ZusammenschluB zwischen RBJ und BDP zum "E . -
scher Jugend" hatte zum Ziel, gemeinsam einen Jugendverband aufzu-
■ ._ ,■ e..j_.L..jiiii.i t i__ a**, c+ii^on+on- Lehrlings-
1 ZIELE
Der BUND DEMOKRATISCHER JUGEND ist ein ZusammenschluB unabhdngiger
Jugendverbande . Ziel des Zusammenschlusses ist der Aufbau eines _
demokratisohen Jugendverbande st der im Biindnis mit den fovtsckrvtt-
Ziehen Krdften der- Gesellsahaft bei der Vertretung und Durchsetzung
der Interessen der arbeitenden und lernenden Jugend und von Kindeni
und Eltern mitwirkt,
- 54
Der BDJ bekennt sich zur freiheitlioh-demokratisehen Grundordnung im
Sinne des Grundgesetzes fiir die BRD und macht es sich zur Aufgabe,
die demokratisohen Grundreohte, wie sie im Grundgesetz der BRD ver-
ankert sind, zu verwirkliahen und setzt sich fiir die Demokratisie-
rung der Gesellschaft ein.
Ev tritt imperialistisahent natzonalistisehen und militaristisahen
Kr'aften und Ideologien aktiv entgegen, Er engagiert sich im nationa-
len und internationalen Bereich fur die Solidaritdt der Jugend. gegen
Unterdriickung und Ausbeutung.
Der BDJ nimrnt die jugendpolitische Vertretung seiner Mitgliedsverbdn-
de auf Bundesebene wahr.
2 AKTIVITA'TEN
Der BDJ fUrdert die diesen Zielen e>itsprechenden Aktivitdten seiner
Mitgliedsverbdnde und -gruppen,
- Veranstaltung von Seminaren und anderen Ma&nahmen der politischen
Jugendbildung) Initiierung und Unterstiitzung von Kampagnen, die
der Erhaltung und Stdrkung der demokratisohen Rechte der Bevolke-
rung und der Demokratisierung der Gesellschaft dienen,
- Organisierung und Durahfiihrung von internationalen Jugendbegegnun-
gen mit dem Ziel, die Solidaritat der arbeitenden und lernenden
Jugend im interriationalen Bereich zu festigen,
— Initiierung und Unterstiitzung von Schiilergruppen,
— Veranstaltung von Ferienlagern fiir Kinder und Aufbau von Kinder-
gruppen,
— Unterstiitzung von Kinderldden und Spielplatzinitiativen,
- Unterstiitzung von freien Jugendinitiativen zur Griindung von Jugend-
zentren und Jugendwohnkoilektiven,
— jugendpolitisehe Aktivitdten, die die Rechte von Kindern und Ju-
gendlichen starken>
- Herausgabe von politischen Jugendzeitungen, Materialien und wissen-
schaftliahen Untersuchungen fiir eine demokratische Jugendarbeit.
Den Mitgliedern des BDP im Leitungsgremium des BDJ, dem Bundesaus-
schuB. war zwar bekannt, daB sich einzelne Mitglieder des RBJ am KB
orientierten, doch wurde dies nicht als Hindernis fiir eine Koopera-
tion gesehen. Vielmehr gingen wir davon aus, daB einer Vereinnah^
mung des RBJ durch den KB in dem MaBe gemeinsam entgegengewirkt
werden konnte, indem sich eine eigenstandige Politik des BDJ heraus-
bildete. Die weitere Entwicklung zeigte, daB dies eine Fehleinschat-
zung war. Peter Dammann weist sehr lapidar darauf hi n . daB "Diskus-
sionen zwischen BDP und RBJ nicht sehr erfolgreich verliefen" (S.44)
Konkret stellte sich das den BDP-Mitgliedern so dar, daB es zuneh-
mend unmbglich wurde, etwa liber gemeinsame Seminare zu Fragen wie
Rolle der Gewerkschaften:, der Mitbestimmung, des Reformismus, des
Faschismus gemeinsame Einschatzungen zu finden. Entweder hatten
die Vertreter des RBJ festgelegte Auffassungen, die auch in Diskus-
sionen nicht zu modifizieren waren, oder sie entwickelten mit Ver-
tretern des BDP gemeinsame Positionen, die sie spater wieder revi-
dierten - weil sie void KB verworfen wurden, wie jetzt klar ist.
Es war sicher ein politischer Fehler, daB der BDP nicht in die Dis-
kussion einbezogen wurde, als im RBJ die latenten Widersprliche zwi-
- 55
schen eigenstandiger Politik und KB-Orientierung aufbrachen, und daB
fijhrende ortreter des RBJ diese prinzipiellen politischen Fragen
sehr stark als individuelle Probleme betrachteten, Der BDP hat es
sicher versaumt, sich aktiv in die Auseinandersetzungen einzuschal-
ten und hat sie eher wegzureden versucht,
Der Bericht von Peter Dammann klart dariiber auf, wie die sektiereri-
sche Politik des KB einen wichtigen Ansatz in der Jugendarbeit
zwar geschadigt, aber nicht zerstbrt hat, Er zeigt auch, wie solche
Erfahrungen verarbeitet und produktiv gewendet werden kdnnen,
KRIMINALSOZIOLOGISCHE
BIBLIOGRAFIE 1976/77
Komplette Bibliografie von Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt
und von Artikeln aus Qber 60 internalionalen Fachzeitschnften, Rezen-
sionen, Berichte und Aufsatze zu Schwerpunktthemen —
erscheint vierteljahrlich
Heft 11—13/1976
Kriminalitat in den Massenmedien
Heft 14—15/1977
Rechtssoziologie, Sicherheitsideologien
Heft 16/1977
Sozialarbelt, Randgruppenarbeit
Abonnement und Probehefte:
Ludwig-Boltzmann-lnstitut
fur Kriminalsoziologie
A-1016 Wien, Postfach 1
for Studenten
S 75- (DM 12,-)
for Einzelpersonen
S 150- (DM 23,-)
fQr Institute
S 250— (DM 35,— )
Einzelheft
S 40— (DM 7,—)
Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit, Westberlin
ORGANISIERUNG ALS PROZESS -
EINE ANTWORT AN HELGA KARL
VORBEMERKUNG
In der Zeitschrift "Demokratische Erziehung" (DE) erschien im Novem-
ber 1976 unter dem Namen Helga Karl ein Aufsatz "Zur Organisation von
Sozialarbei tern" , der sich kritisch mit den Orgarisationsversuchen im
Bereich der sozialen Arbeit seit Ende der 60er Jahre - insbesondere
mit dem Info Sozialarbeit - auseinandersetzte. (Helga Karl, Zur Or-
ganisation von Sozialarbeitern, in Demokratische Erziehung, November
1976, S. 65 ff). Der AKS Westberlin, der auf einen derartigen Ansatz
zuruckgeht, verfaBte daraufhin eine Entgegnung, die der "Demokrati-
schen Erziehung" im Juni 1977 zuging, deren Abdruck jedoch mit der
Bemerkung abgelehnt wurde, daB sie zu umfangreich sei und die Ver-
offentl ichung des Aufsatzes von Helga Karl schon zu weit zuruckl iege.
Wir halten die in der Kontroverse angesprochenen Fragen jedoch fur
so wichtig, daB wir unsere Stellungnahme hier abdrucken wollen ein-
schlieBlich einer kurzen Wiedergabe der wichtigsten Aussagen des Auf-
satzes aus der DE.
DIE POSITION VON HELGA KARL
Fur Karl war die Sozialarbeiterbewegung "anfangs das Spiegelbild der
Studentenbewegung", die sich vornehmlich gegen die unzulanglichen
Arbeitsbedingungen, gegen die Starre des biirokrati schen Verwaltungs-
apparats, gegen eine mangelhafte Sozialplanung und a'hnliches richte-
te. Dazu fuhrt sie aus:
"Dieser berechtigten Kritik lag jedoch keine Gesel lschafts- und Klas-
senanalvse zugrunde; nicht objektive Interessengemeinsamkeiten von
Sozialarbeitern und Klienten (die in der Mehrheit sicher der Arbei-
terklasse angehdren) waren Ausgangspunkt der Analyse und Strategie,
sondern die 'Sol idarisierung mit den Klienten' per Willensakt.
Entsprechend war die Praxis: Statt B'u'ndnispolitik mit den Organi-
sationen der Arbeiterschaft (v. a. den Gewerkschaften) anzustreben,
wurde der eigene Flihrungsanspruch hervorgekehrt. "
Der Versuch, die Sozialarbeiter urn eine Zeitschrift wie die "Sozial-
padagogische Korrespondenz" und im Zusammenhang mit dem Jugendhilfe-
tag zu organisieren, kam jedoch nicht voran.
"Die Ursache hierfur war, daB dieses Biindnis ( 'Sozialistische Aktion
jugendhilfetag1) nur durch die Gegnerschaft zu den Funktionaren der
Institutionen und Organisationen der etablierten Sozialarbeit zusam-
mengehalten wurde, nicht aber durch eine gemeinsame Strategie.
Auch mit Hilfe der Zeitschrift "Erziehung und Klassenkampf gelang
dies ebensowenig, wie mit dem seit 1972 erscheinenden "Info Sozial-
- 57
arbeit", das im Zentrum der Karlschen Kritik steht. Sie selbst faBt
diese Kritik folgendermaBen zusammen: "Diese Beispiele sollen zeijen,
daS die beim IS mi tarbei tender) Gruppen und Einzelpersonen keine ein-
heitliche theoretische Analyse haben, man aber trotzdem von einer do-
minierenden Linie sprechen kann, die m.E. folgende Markmale aufweist:
- eine konkrete Gesellschafts- und Klassenanalyse wird weitgehend
ausgespart;
- die Analyse der gesell schaftl ichen Funktionen von Sozialarbeit er-
folgt nur punktuell, wird nicht aus einer Analyse der kapitalisti-
schen Produktionsweise systematisch entwickelt;
- es wird dabei die herrschaftssichernde, reaktionare Funktion der
Sozialarbeit betont, in den neueren Heften jedoch wieder auf die
'Widerspriichl ichkeit' hingewiesen;
- die Auf gabenstel lung des linken Sozialarbeiters liegt v. a. auf
Ideologiekritik und politischer Unterstlitzung von sozialen Be-
wegungen;
- materielle Interessen von Sozialarbeitern wie Klienten werden kaum
thematisiert. "
Das f'u'hrt zu folgendem Ergebnis:
"Aufgeben der eigenen Interessen zugunsten eines voluntaristischen
'Sich-stellen-auf-den-Standpunkt-der-Arbeiterklasse", was ist das
anderes als entweder das uralte Konzept der Klassenverratsstrategie
fur Intel lektuel le (dieser Strategie mu'Bte dann aber die Annahme
eines Klassengegensatzes zwischen Sozialarbeitern und Klienten zu-
grundeliegen) oder der biirgerliche Karitativismus, nur eben diesmal
auf 'links' verbramt. Das heiSt nun nicht, daB die Kollegen vom IS
bestimmte Interessen von Sozialarbeitern gar nicht aufgreifen (sonst
waren ihre bisherigen Erfolge kaum denkbar) . Jedoch beruht die In-
teressenvertretung entgegen ihrer kapital ismuskritischen Analyse
nicht auf der objektiven sozialen Stellung von Sozialarbeitern und
'Klienten', sondern wird vor allem auf die Bedingungen und spontanen
RuBerungen in der unmittelbaren Situation (Arbeitsplatz, Wohnbereich
usw.) gegrlindet.
...Resultat ist eine Spontaneitatstheorie, die erkenntnismaSig und
praktisch die objektiven Bedingungen vernachlassigt, Sel bstorgani-
sationsformen fetischisiert, Methoden gegeniiber Inhalten verabsolu-
tiert. Die Spontaneitatstheorie schlagt sich in den Praxisberichten
des IS standig als Gegensatz 'fortschrittl iche spontane Basis' versus
'hemmende Gewerkschafts- (bzw. Sozial-)burokratie' nieder..."
Das hat seine Ursache nach Karl nicht nur in den besonderen ideolo-
gischen Entwicklungsbedingungen der Intelligenz, der die Sozial-
arbeiter zuzurechnen sind, sondern auch im Charakter der heutigen
Gewerkschaften:
"DaB das IS die zur Zeit wichtigste Strdmung innerhalb der Sozial-
arbeiterbewegung ist, ist nicht nur auf die 'objektiven Bedingungen',
die die spontane Herausbildung solcher Konzepte begunstigen, zuriick-
zuflihren. Das IS ist ebenso Folge der mangel nden Vertretung der Grup-
peninteressen der Sozialpadagogen und Sozialarbeiter durch die DGB-
58
Gewerkschaften sowie Ausdruck der Schwache marxistischer Organisation-
en und Positionen.
Wie sehr sich der DGB fiir Sozialarbeiterinteressen einsetzt, hangt
einmal vom Grad der Organisierung und Aktivierung der Sozialarbeiter
selbst ab und der Vermittlung von spezifischen und allgemeinen Lohn-
arbeiterinteressen. Zum anderen aber von der Durchsetzung einer Ge-
werkschaftspol itik, die sich urn alle Lebensbedingungen der Arbeiter
klimmert. . ."
ENTGEGNUNG DES AKS WESTBERLIN
Grundlegende Kritik haben wir an H. Karls Verstandnis von politischer
Bewegung und deren Organisation anzumelden. Ihrer Auffassung zufolge
kann sich politisch bewegen offenbar nur dann etwas, wenn es durch
eine "Gesellschafts- und Klassenanalyse" angeleitet ist und dement-
sprechend gleichfbrmig sich bewegt. Davon scheint die Autorin so
uberzeugt, daB sie meint, alles als illusorisch und vergeblich ab-
tun zu mlissen, was sich auBerhalb des dinghaft-fest gefligten Rahmens
der schon immer "richtigen" Einsicht in die Bewegungsgesetze dieser
Gesellschaft artikuliert und sei es auch berechtigt.
Ware das Begriffsschema ,mit dem Helga Karl arbeitet, das Heraus-
stellen der "Gesellschafts- und Klassenanalyse" als Bedingung der
Mogl ichkeit politischer Bewegungen einerseits und der inzwischen zum
Dogma erstarrte Spontaneismusentwurf gegen alle, die dieser Auffas-
sung nicht folgen, andererseits nur Begriffsmythologie, dann brauch-
ten wir die Auseinandersetzung nicht zu fu'hren. Es steckt aber mehr
dahinter, der Versuch namlich, die Lernprozesse und Erfahrungen der
Studenten- und Sozialarbeiterbewegung zu denunzieren und gleichzeitig
die Resultate dieser Bewegungen zu vereinnahmen.
tsenierkenswert ist zunachst die schematische Vorgehensweise von Helga
Karl in der Bestimmung des Verhaltnisses von Sozialarbeiter- und
Studentenbewegung. Dies wird als "spiegelbildlich" qualifiziert, be-
zuglich der Kampfformen, politischen Einschatzungen und der Strate-
gie. Entsprechend ihrer Auffassung von jeweils einheitlichen Bewe-
gungen, erspart sich die Autorin jede Differenzierung und formal i-
siert das politische Konzept des damaligen "Arbeitskreis kritische
Sozialarbeit" (AKS) zu einem einheitlichen, was sich ihr folgender-
maBen darstellt:
- Propagierung des antiblirokrati schen Kampfes gegen die Institutio-
nen von Sozialarbei t;
- Auffassung der Sozialarbeit als das Zentrum der gesamtgesellschaft-
lichen Bewegung;
- Solidarisierung mit den Klienten "per Willensakt" (Helga Karl,
Zur Organisation von Sozialarbeitern, in; Demokratische Erziehung,
November 1976, S. 660)
Daruber urteilt die Autorin so: "Statt Bundnispolitik mit den Orga-
nisationen der Arbeiterschaft (v. a. den Gewerkschaften) anzustreben,
wurde der eigene Fu'hrungsanspruch hervorgekehrt. " (Karl, S. 660)
Bei naherem Hinsehen erweist sich diese "Analyse" jedoch eher als
eine Aneinanderreihung von unbelegten Behauptungen. Mit der wirkli-
chen Geschichte der Sozialarbeiterbewegung scheint die Autorin da-
gegen weniger vertraut zu sein.
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Zuerst ist zu sagen, da(3 sowohl in der Studenten- als auch in tier
Sozialarbeiterbewegung sehr heterogene Elemente kaum unterscheidbar
gemischt waren. Was wir keineswegs fUr einen Nachteil halten, sondern
was einen Gewinn an Phantasie bedeutet.
Von daher ist die technisch formale Auffassung eines "spiegelbildli-
chen" Vernal tnisses einerseits sehr unpra'zise, andererseits verhin-
dert sie die Analyse des Spezifischen der Sozialarbeiterbewegung,
worauf es doch gerade ankame.
Was die Gemeinsamkeiten betrifft, so lag eine darin, daB groBe Teile
der Sozialarbeiter- wie der Studentenbewegung die Prinzipien der
Demokratie ernstnehmend an deren Real isierung arbeiten wollten. Die
Propagierung des "antiblirokratischen Kampfes" ist daher als Kampf
um die Demokratisierung der Burokratie zu verstehen. Derartige
Selbstuberschatzungen dagegen, wie sie Karl unterstellt (Sozialar-
beitals "Zentrum der gesamtgesel Ischaftlichen Bewegung") wird man
in den damaligen Verbffentlichungen vergeblich suchen. Oberblickt
man grob die Geschichte der Studenten- und Sozialarbeiterbewegung,
dann fallt eine Differenz auf: Die Studentenbewegung hatte eher hoch-
schulpolitische und al Igemei n-pol itische Anlasse, wahrend die Sozial-
arbeiterbewegung sich aufgrund berufs- und ausbildungsspezifischer
MiBstande entwickelte.
Zwar ist es richtig, daB Aktionsformen der Studentenbewegung Vorbil-
der waren, so z.B. Springertribunal und VietnamkongreB fur den in
der Anfangsphase des Berliner AKS geplanten SozialarbeiterkongreB,
aber damit endet schon die Parallele.
Bereits die Titel der 1968 zur Vorbereitung des Kongresses gebilde-
ten Arbeitsgruppen geben einen Hinweis darauf, in welchem Umfang
eigene Interessen - anders als bei Springertribunal und Vietnam-
KongreB - Gegenstand der Diskussion waren: Funktion der Sozialarbeit,
Strukturen der Verwaltung, Jugendpflege, Jugendamt, Gesundhei tsamt,
Ausbildung, Kindertagesstatten, Heimerziehung, Elternarbeit. (Sozial-
pa'dagogische Korrespondenz (SPK) Nr. 3/1969) Diese Arbeitsgruppen
stellten zugleich die organisatorische Grundstruktur des AKS dar.
DaB es zur Durchfiihrung des Kongresses nicht kam, da die Aufarbei-
tung der eigenen Berufsproblemati k sich als umfangreicher und schwie-
riger erwies, als man zunachst geglaubt hatte, war dabei keineswegs
ein Nachteil. Die Langfristigkeit der Arbeit, auf die man durch die
auftretenden Schwierigkeiten verwiesen war, trug auch zur Kontinui-
tat bei. So hatte die KongreBidee zwar initiierend §ewtrkt>als ange-
messene Form der Arbeit erwiesen sich jedoch kleinere Veranstaltungen,
die Herausgabe einer Zeitung sowie Plenumsveranstaltungen zur inter-
nen Diskussion als die der Sozialarbeiterbewegung adaquateren MSg-
lichkeiten,
60
Ahnliches gilt auch flir das von Karl als Beispiel genannte "Go-in"
im Gesundheitsamt Berlin-Wedding. Nicht der formale Aspekt der
"Obernahme" dieser studentischen Aktionsform ist von Interesse,
sondern die spezifische Art der Umsetzung durch die Sozialarbeiter.
Anders als im studentischen Milieu, wo Go-ins von breiten Solidari-
sierungsbewegungen getragen wurden, daher das Risiko des einzelnen
geringer war, waren die Akteure im Wedding nicht durch eine breite
Solidaritat abgesichert. Diejenigen, die sich zu Sprechern der Kol-
legen gemacht hatten, muBten zudem erleben, daB ihnen die Adressa-
ten ihrer Aktion davonliefen. Das wesentliche an dem Go-in war die
Erfahrung, daB in so unterschiedlichen gesell schaftlichen Bereichen
wie Universitat und kommunaler Sozialadministration die gleichen Mit-
tel nicht zum gleichen Ergebnis fLihren konnen. Wesentlich war ferner
der daraus gezogene SchluB, daB Aufklarungsarbeit unter den Kollegen
einen Schwerpunkt zuk'u'nftiger Arbeit bilden musse.
So wurden also studentische Vorbilder nicht "spiegelbildlich" umge-
setzt, sondern von solchen Ausgangspunkten entwickelten sich ganz
andere, den eigenen Mdglichkeiten und Erfordernissen entsprechende
Arbeitsweisen. DaB Karl sich groBzugig liber solche Besonderheiten
hinwegsetzt, legt den Verdacht nahe, daB es ihr mit der Metapher von
der "Spiegel bi ldl ichkei t" gar nicht auf Analyse ankommt, sondern
vielmehr darauf .Sozialarbeiter- und Studentenbewegung auf den glei-
chen Nenner eines ziel- und theorielosen Antiautoritarismus zu brin-
gen, um sie gleichermaSen abqualif izieren zu konnen. Nun war der
Antiautoritarismus nicht - wie Karl zu glauben scheint - die Marotte
einer kleinburgerlichen Intelligenz, sondern Ausdruck des MiBtrauens
in scheindemokratische Institutionen und die verlogene offizielle
Politik von Parteien und Gewerkschaften. Es ist in der Studenten-
und Sozialarbeiterbewegung durchaus erkannt worden, daB man gesell-
schaftlich isoliert auf die Dauer wenig wlirde ausrichten konnen.
Aus dieser Einsicht resultierte auch die von Sozialarbeitern prokla-
mierte "Solidarisierung mit den Klienten". Dies Konzept hatte aller-
dings nie den Stellenwert, den H. Karl ihm zumiBt, wenn sie die So-
lidarisierung mit Klienten gleichsam zur Quintessenz der AKS-Strate-
gie stilisiert.
Nimmt man die SPK seit 1969 als reprasentativ fiir das damalige Mei-
nungsspektrum des AKS, so wird man dort vergeblich auch nur einen
Artikel suchen, der diese Form der "Solidarisierung" als Strategie
vertreten hatte. Im Gegenteil, bereits in der SPK Nr. 7/Januar 1970
findet sich eine umfangreiche und detaillierte Analyse der struktu-
rellen Momente der Sozialarbeit (Hierarchie, hohe Fallzahl, Parzel-
lierung), die einer "Solidarisierung mit den Klienten" objektiv ent-
gegenstehen. Das Ergebnis, daB unter kapitalistischen Bedingungen
diese Solidarisierung unmbglich ist, allenfalls als Ausnahme gelten
kann, wird dort explizit formuliert. Diese Auffassung kann seit An-
fang 1970 fiir die Mehrheit der im AKS Organisierten als verbindlich
angesehen werden.
Die Parole "Solidarisierung mit Klienten" hatte ihre histonsche
Bedeutung als Kampfbegriff . Sie wurde benutzt von denjenigen, die
sich aufgrund ihrer Arbeitsauffassung von der herrschenden klienten-
feindlichen Praxis distanzierten und diese kritisierten. "Solidari-
sierung mit Klienten" war die Kurzformel der Kritik der bestehenden
Praxis, als solche war sie Ausgangspunkt produktiver und weiterfun-
- 61
render Auseinandersetzungen urn die Funktion von Sozialarbeit.
Went davon entfernt, dies zur Kenntnis zu nehmen un d die fruhzeitige
kritische Auseinandersetzung mit dieser Formel innerhalb der Sozial-
arbeiterbewegung auch nur zu erwahnen, unternimmtes H. Karl viel-
mehr, der damaligen Bewegung insgesamt ideal istische Illusionen zu
unterschieben (Sol idarisierung "per Willensakt", Helga Karl, S. 6bU)
und gleichzeitig ihre Kritik anzubringen, man habe keine "Bundms-
nolitik mit den Organisationen der Arbei terschaft, (v. a. den Ge-
werkschaften)" (Karl, S. 660) angestrebt, sondern stattdessen den
"eigenen Fiihrungsanspruch" hervorgekehrt. Die histonsche Realitat
zeiqtwiederum ein anderes Bild. Wie die ersten Nummern der SPK von
1969 ausfiihrlich belegen, war damals eine groBe Anzahl von Kollegen
zur Kooperation mit den Gewerkschaften bereit. Nur hat eben der bald
erkannte Zustand jener Organisationen eine "Blindni spol i ti k" geradezu
verhindert.
Dazu ein Beispiel: Als 1969 die Berliner Kindergartnen nnen wegen
unertraglicher Arbeitsbedingungen StreikmaBnahmen diskutierten,
hatte die DTV zunachst ihre Unterstlitzung zugesagt. Als es dann aber
zu einem 1-tagigen Streik kam, blieb nicht nur jede Streikunterstut-
zung aus; im Gegenteil erfolgte in Presseerkla'rungen und Interviews
eine klare Distanzierung, wodurch der Streik - entgegen der Absicht
der Kindergartnerinnen - in die Illegalitat gedrangt wurde.
(Der Kindergartnerinnenstreik ist ausflihrlich dokumentiert in SPK.
Nr. 2, 3, 4/1969) Eben aus der Erfahrung, wie unzulangl ich dre eige-
nen Interessen von Gewerkschaften vertreten wurden, zogen viele
den richtigen SchluB, daB Selbstorganisation erforderlich war, urn
Uberhaupt auf die Gewerkschaften EinfluB nehmen zu konnen. Ohne die
massiven selbstorgani sierten Vorbereitungen der Kindergartnerinnen
ware wahrscheinlich nicht einmal die - erst nach langem Zbgern von
der OTV-Bezirksleitung angesetzte - Protestversammlung zustandege-
kommen! Angesichts dieser Situation - die mit andereri Orten ver-
gleichbar war -,in der die OTV gegen die Interessen ihrer Mitglieder
auftrat, von fehlender "Biindnispoliti k" unsererseits zu sprechen,
zeigt eklatantes Unverstandnis.
Wie stellt sich nun die AKS-Bewegung fur Karl unter der Pramisse der
Homogenitat weiter dar?
Bestimmend waren die "antiautoritaren Gruppen"; Randgruppentheone,
Randgruppenprojekte, "revolutionare Berufspraxis" (Karl, S. 660) seien
die Inhalte der Bewegung gewesen, eine Reihe von "Freiraumil lusio-
nen" das Ergebnis.
Kommen wir zu den Differenzierungen innerhalb der Sozialarbeiterbe-
wegung, iiber die sich H. Karl ausschweigt. Von Beginn an gab es im
AKS zumindest zwei unterscheidbare Positionen. (Vgl . SPK Nr. 17/18
1971) Die eine, personell Uberwiegend vertreten von den schon in
der Sozialarbeit Tatigen, la'Bt sich als radikal-demokratische charak-
terisieren. Den Schwerpunkt der politischen Arbeit setzte diese Grup-
pe in der praktischen und theoretischen Auseinandersetzung mit den
Konflikten der institutionellen Praxis. Sie hielt die Selbstorgani-
sation fur notwendig, urn Reformmbglichkeiten zu nutzen und der vol 1-
standigen Integration in bestehende Strukturen etwas entgegensetzen
Zu konnen. Eine andere Gruppierung setzte sich aus Berufspraktikan-
ten und Sozialarbeiterstudenten zusarmen. Sie vertraten das Konzept,
62 -
zunachst eine kleine Gruppe bewuBter Sozialarbeiter zusammenzufassen,
die ihre Praxis allein unter politischen Gesichtspunkten auffaBte.
Innerhalb der Institutionen sollten mit den Mitteln der Provokation
BewuBtseinsprozesse eingeleitet werden, auBerhalb der Institutionen
sollten in selbstorganisierten Projekten Alternativen zur Sozialar-
beit erprobt werden.
Diejenigen, die sich in auBerinst
folgten allein politischen, aus d
Vorstellungen. Ihr Interesse gait
als Subjekt gesellschaftlicher Ve
nen. Diese Gruppen spalteten sich
ihren politischen noch ihren orga
Als die Versuche, mit provokative
zialarbeit in absehbarer Zeit zu
sich andererseits bald herausstel
gesellschaftlicher Veranderung ka
interesse Oder Resignation ein.
itutionellen Projekten engagierten,
er Randgruppentheorie abgeleiteten
den "Klienten" deshalb, weil diese
randerung in Frage zu kommen schie-
bald vom AKS ab, weil dieser weder
nisatorischen Auffassungen folgte.
n Mitteln die i nsti tutionel le So-
verandern, an Grenzen stieB und
He, daB die Klienten als Subjekt
urn in Frage kamen, stellte sich Des-
Die Differenz dieser auch personell unterscheidbaren Gruppen inner-
halb der Sozialarbeiterbewegung gestattet sich H. Karl zu ignorieren.
Ihr Interesse gilt ausschlieBl ich der zuletzt genannten Gruppierung
und deren Positionen. Damit konzentriert die Autorin ihre Bemlihungen
gerade auf den Teilaspekt der Sozialarbeiterbewegung, der heute le-
diglich noch von historischem Interesse ist, sie kritisiert Positio-
nen, die sich in einer ganzer Anzahl von Analysen - auch des Info-
Sozialarbeit - als unhaltbar erwiesen haben. Ihrer eindimensionalen
Fixierung aufs historisch Oberholte entgehen dabei die Momente, die
die Kontinuitat der Sozialarbeiterbewegung ausgemacht haben.
Dazu gehbrt nicht zuletzt die Fahigkeit, sich selbst zu kritisieren
und die eigene Arbeitsweise veranderten Realitaten anzupassen. Durch
die Spaltung und das Wegbleiben vieler Studenten verringerte sich
auch die Arbei tsfahigkeit der Gruppen. Aus der Einschatzung heraus,
daB der AKS seine Wirksamkeit als Gegenbffentlichkeit nicht zuletzt
der "Sozialpadagogischen Korrespondenz" verdankte, konzentrierten
wir unsere Arbeit auf die Herausgabe der Zeitung. Das hatte seine
Nachteile. Dachten wir zunachst noch, gleichzeitig theoretisch arbei-
ten, die Zeitung machen und an Praxiskonf li kten aktiv teilnehmen zu
konnen, so wurde bald deutlich, daB die Redaktionsarbei t fast die ge-
samte Arbeitskraft absorbierte. Wir entschieden uns schlieBlich daflir,
die SPK Ende 73 einzustellen und stattdessen am Info Sozialarbeit
mitzuarbeiten.
II
Karls Aufsatz erweckt den Eindruck, als handele es sich um eine syste-
matische Untersuchung der bis zum Sommer 1976 erschienenen Beitrage
des "Informationsdienstes Sozialarbeit" zu Problemen der Tatigkeit
und Organisierung von Sozialarbeitern. Der Schein jedoch trugt:
Die Zitate stammen ganz Uberwiegend aus den ersten Heften 1, 2 und
5 und sind zudem in bedenklicher Weise selektiv und verkiirzt. Ob
Karl jedoch bei umfassenderer Analyse der Infos zu einem anderen Er-
- 63 -
: .
gebnis gekommen ware, ist zweifelhaft. Der MaBstab, den sie an den
Informationsdienst eines solchen Organisationsversuchs wie das Ar-
beitsfeld Sozialarbeit im SB anlegt, erweist sich flir jeden infor-
mierten Leser als unangemessen und muB deshalb mit Notwendigkei t ein
falsches Ergebnis produzieren. Karl faBt dies folgendermaBen zusam-
men:
"- eine konkrete Gesellschafts- und Klassenanalyse wi rd weitgehend
ausgespart;
- eine Analyse der gesellschaftlichen Funktion von Sozialarbeit er-
folgt nur punktuell , wird nicht aus ei ner Analyse der kapitalisti-
schen Produktionsweise systematisch entwickelt;
- es wird dabei die herrschaftssichernde, reaktiona're Funktion der
Sozialarbeit betont, in den neueren Heften jedoch wieder auf die
'Widersprlichlichkeit' hingewiesen;
- die Aufgabenstellung des linken Sozialarbeiters liegt v. a. auf
Ideologiekritik und politischer Unterstutzung von sozialen Bewe-
gungen; .
- materielle Interessen von Sozialarbeitern und Klienten werden
kaum thematisiert." (Karl, S. 665)
Wir mbchten in drei Punkten auf diese Kritik na'her eingehen und zu-
nachst zeigen, wie sehr Karls MaBstabe der Kritik Selbstverstandms
sowie Aufgaben und Zielsetzung des Infos Sozialarbeit verfehlen.
In der ersten Nummer wurden Inhalt und Aufgabenstellung des Infos
folgendermaBen umrissen:
"1. kontinuierliche Berichterstattung und Diskussion von Erfahrungen,
Strategien und Perspektiven in der Arbeit im Sozialbereich;
2. Uber den Erfahrungsaustausch hinaus Koordination und langfristige
Zusammenarbeit; , .
3. Auflbsung der Vereinzelung und Zersplitterung von Individuen und
Gruppen; Aufhebung der Trennung zwischen den verschiedenen sozialen
Berufen und Ta'tigkeitsfeldern; .
4. Zusammenarbeit und organisatorische Verbindung mit dem Soziansti-
schen Buro-.das die Koordination und den Vertrieb ubernimmt und wo-
mit auch die berufsspezifische Orientierung aufgehoben wird;
5. Methodendiskussion, Konfliktanalysen, Hinweise auf regionale Orga-
nisationsmbglichkeiten, Arbeitsmodelle, Finanzierungsmbgl ichkeiten,
Personalverschiebebahnhof, Rezensionen, Dokumentationer, Anzeigen
u.a." (Informationsdienst Sozialarbeit Nr. 1, S. 7)
Mit dieser arbeitspraktischen Orientierung setzte man sich ausdriick-
lich gegen den von Karl dem Info zugeschriebenen Anspruch ab, ein
theoretisches Organ als Motor eines politischen Organisationsprozes-
ses im Leninscher Sinne schaffen zu wollen. Dies kommt in der Kritik
vorangegangener Versuche dieser Art zum Ausdruck:
"Ebenso konnte der Anspruch der Genossen mit der Zeitschrift Erzie-
hung und Klassenkampf. . . nicht eingelbst werden. Ein wesentlicher
Grund.. .dafiir ist die in vielen Beitragen deutlich werdende Abhebung
von den allta'glichen Erfahrungen, Konflikten und Problemen der So-
zialarbeiter und Sozialpadagogen aus der Praxis. So notwendig ein
theoretisches Organ flir den Erziehungssektor ist, es kann jedoch
nicht daruber hinwegta'uschen, daB damit allein der Organisierungs-
grad nicht vorangetrieben werden kann." (Info Sozialarbeit Heft 1,
S. 6)
- 64 -
Die sehr heterogenen Erfahrungen und Probleme der taglichen Praxis
der Sozialarbei ter und -padagogen auszutauschen, Aktivitaten zu koor-
dinieren und zu unterstutzen und - soweit von diesen selbst leistbar
- die subjektiven Erfahrungen zu verallgemeinern und auf theoreti-
sche Begriffe zu bringen, war von Anfang an die Aufgabe des Infos,
ohne daB dabei die theoretischen Mangel vieler Beitrage Libersehen
worden waren:
"Die Berichte spiegeln den BewuBtseinsstand einer groBer Zahl von
Sozialarbeitern wider, die - ohne bereits Liber eine langfristige
Strategie zu verfLigen - flir die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingun-
gen eintreten und die Funktion der Sozialarbeit im Interesse der
'Klientel' verandern wollen. Es war nicht zu erwarten, daB die Be-
richte eine Antwort auf die 'richtige Strategie' geben; sie werfen
Fragen und Probleme auf Es fehlt eine ausreichende politische
Analyse der Konfli ktbedingungen." (Info Sozialarbeit Heft 2, S. 67;
vgl. auch Info Sozialarbeit Heft 5, S. 10 f . )
Es lag den Herausgebern des Infos fern, mit solcher Kritik alle sub-
jektiven Erfahrungen und Lernprozesse an der Basis in Karls Sinne
'durch Theorie von oben erdrlicken zu wollen. Vielmehr wurde und wird
daran festgehal ten, das Info als eine Plattform der Diskussion zu
gestalten und Handlungsalternativen im Sozialbereich in engster Aus-
einandersetzung mit der praktischen Erfahrung zu entwickeln (vgl.
Info Sozialarbeit Heft 5, S. 9 ff. und Info Sozialarbeit Heft 13,
S. 81). Die Diskussion auf der vom Redaktionskol lektiv 1973 liberre-
gional organisierten Tagung lieferte unterschiedliche Einschatzungen,
deren Vielfalt Karl in ihrer engstirnigen Suche nach der "dominie-
renden Linie" iibersieht. Tatsachlich wurde von einigen Teilnehmern
etwa die Notwendigkeit des Parteiaufbaus betont unter der sicherlich
voluntaristischen Voraussetzung, daB der Sozialarbeiter "Biindnis-
partner des Proletariats sein will" (Info Sozialarbeit Heft 5, S.7).
Gleichzeitig wurde aber auch an der Organisierun g vor Ort und der
Aufarbeitung zersplitterter Erfahrungen sowie der Weiterentwicklung
bisheriger sozialistischer Arbeitsansatze festgehalten aus folgen-
der Einschatzung heraus:
"Ausgehend von der politischen Situation in der BRD, der noch wem'g
entwickelten Klassenkampfe, der Bindung der Liberwiegenden Mehrheit
der Arbeiter und Angestellten an den reformistischen Weg der SPD,
stellt sich flir die Mehrheit der Teilnehmer nicht die Frage nach dem
Parteiaufbau.. . Es geht darum, erst einmal selbst sich an dem Ort,
wo man arbeitet, zu politisieren, d.h. nicht zu trennen zwischen
Beruf (als Reproduktionsort) und Freizeit (als politischer Ort der
Organisierung) , sondern anzusetzen an den eigenen Interessen und Be-
dLirfnissen." (Info Sozialarbeit Heft 5, S. 9)
Diese Offenheit der Diskussion ,geg
keine Theorie ersetzen kann, was a
es vornehmlich zu sein, was Karl n
ran getan, das Info an seinem eige
ihr nicht schwer gefallen nachzuwe
Aufgabenstellung nur sehr unzureic
an manchen wichtigen Entwicklungen
Hoffnungen auf Entwicklung neuer p
ta'uscht hat, was nicht zuletzt auc
schen und politischen Verhaltnisse
ru'ndet auf der Oberzeugung, daB
n wirklicher Bewegung fehlt, scheint
icht behagt. Sie hatte besser da-
nen Anspruch zu messen. Es ware
isen, daB das Info der eigenen
hend gerecht geworden ist, daB es
vorbeigegangen ist und viele
raktischer Perspektiven ent-
h auf die Veranderung der bkonomi-
in den letzten Jahren zuriickzu-
55
ten in besser-
chtigen Ana-
und Refor-
der Diskussion
die es ange-
erhalb der
t Heft 8,5.3),
sicherheit
ung, tnit der
en zu haben,
flihren ist. Stattdessen meint Karl alle Unzulanglichkei
wisserischer Manier allein auf das Fehlen der einzig ri
lyse und Theorie zurlickflihren zu konnen.
Wenn etwa in einem langeren Aufsatz zum Problem "Reform
mismus" einleitend bemerkt wird, daB man nur den Stand
wiedergeben will, ohne fertige Ldsungen vorzutauschen,
sichts der tausend verschiedenen "richtigen Linien" inn
gegenwartigen Linken nicht geben kann (Info Sozialarbei
so ist das fiir Karl ein Zeichen von unverzei hlicher "Un
und Hilflosigkeit" (Karl, S. 663). Die Selbstliberschatz
sie vorgibt, den "roten Stein der Weisen" langst gefund
1st wenig hilfreich.
Die um das Info organisierten Sozialarbeitergruppen waren in der La-
ge, die eigenen Illusionen liber Veranderungsmbglichkeiten angesichts
des Endes der Reformphase und des politischen Rollback's in der BRD
selbst zu kritisieren (vgl . insbes. Info Sozialarbeit Heft 8, S. 9
und 11). Im Info 13 kommt das Redaktionskollektiv rait Blick auf die
Auswirkungen der okonomischen Krise fiir die Realisierungsmbgl ichkei-
ten von Alternativprojekten zu dem SchluB:
"Den Sozialarbei tern und Erziehern wird nachdriicklich ihre eigene
Existenz als ebenfalls Lohnabhangige vor Augen gefuhrt. Hier besteht
die Gefahr, daB sich die Interessen der Sozialarbeiter von den Be-
dlirfnissen des 'Klientels' vollstandig abtrennen und sich in berufs-
sta'ndischer Weise gegen die Betroffenen wenden. Der Spielraum fur
fortschrittliche Initiativen und selbstorganisierte Projekte gent
zunehmend verloren." (Info Sozialarbeit Heft 13, S. 7 f.) Viele Dar-
stellungen des Stellenwerts alternativer Projekte erweisen sich als
uberzogen; die allgemeinen, an der Logik des Kapitalverhal tnisses an-
setzenden Analysen als zu wenig mit den konkret-historischen Auspra-
gungen des Reproduktionsbereichs vermittelt; und viele Beitrage des
Infos fur die Probleme der Kollegen mit der taglichen Kleinarbeit im
Amt unbrauchbar (Info Sozialarbeit Heft 13, S. 83 ff.). Was das (Re-
daktionskollektiv feststellt, "ist der Widerspruch zwischen kaum
inhaltlich angerissenen Postulaten politischer Arbeit im Arbeitsfeld,
die sich nicht zuletzt an dem halbherzig hergestellten Bezug zum or-
ganisatorischen Zusammenhang des SB festmachen, und der konkreten
Praxis der AKS-Gruppen, die durch eine zunehmende Orientierungslosig-
keit gekennzeichnet ist." (Info Sozialarbeit Heft 13, S. 82). Diese
Orientierungslosigkeit wird als Ausdruck veranderter gesellschaft-
licher Bedingungen erkannt und zum AnlaB genommen, bisherige Posi-
tionen zu Liberdenken - was eine offene Konzeption politischer Arbeit
auch zula&t, im Gegensatz zu dogmatischen Positionen, die im Stil
des um die wette laufenden Igels davon leben, auf jede neue Frage
die Antwort immer schon im vorhinein parat zu haben.
Karl bleibt den Beweis daflir schuldig,
mit denen das Arbeitsfeld Sozialarbeit
zu kampfen haben wird, vermeiden lieBen
wartigen Umstanden mehr oder weniger wi
eine der vielen Auffassungen Liber "das
eine daraus folgende Klassenanalyse, di
wissenschaftlich fundiert zu sein (vgl.
Es handelt sich beim Info immer noch am
tatsachlichen Verhaltnisse einer existi
daB sich die Schwierigkeiten,
im SB sicher auch weiterhin
durch eine unter den gegen-
llklirlichen Festlegung auf
Wesen des Kapitalismus" und
e nur von sich selbst behauptet,
Karl, S. 663). Im Gegenteil!
ehesten um einen Ausdruck der
erenden Sozialarbei terbewe-
- 66
gung, die nicht nach den Ideen dieser oder jener Wei tverbesserer
fragt, wenn Karl selbst zugeben muB, daB die hier vertretenen Vor-
stellungen und keine anderen unter den linken Sozialarbeitern domi-
nieren (Karl, S. 671).
Auf derselben dogmatischen Voreingenommenheit beruht Karls Vorwurf ,
das Info folge wesentlich einem eindimensionalen Verstandnis der
Funktion von Sozialarbeit. Obwohl sie gleichzeitig diese Aussage
dahingehend relativiert, daB in spateren Heften (ab Info 11) die
Widersprlichlichkeit dieser Funktion wieder hervorgehoben wird, kehrt
doch der Vorwurf, daB "die Analyse wie die konkrete Politik zu sehr
bei der reinen Negation des Bestehenden. . . stehenbleibt" immer wie-
der (Karl, S. 664, S. 665, S. 666).
Abgesehen davon, daB Karl wiederum sich nicht bemu'ht, die Stellung
des Infos zu dieser Frage als einen liber Jahre sich entwickelnden
ProzeB zu begreifen, sondern ihre Kritik fast ausschli eBlich an den
ersten Heften festmacht, ist es sicherlich richtig, daB das Info in
dieser wichtigen Frage keine gesamtgesellschaftl iche Perspektive ent-
wickelt hat. Dieser Vorwurf trifft aber alle linken Theorie- und
Organisationsansatze und auch Karl selber bietet durchaus keine Liber-
zeugende Alternative, wie im folgenden noch zu zeigen sein wird.
Es erscheint uns auch im nachhinein die Betonung des repressiven,
systemstabili si erenden Aspekts von Sozialarbeit in den Anfangen der
Bewegung gerechtfertigt insbesondere auch, um die Entstehungsbedin-
gungen staatlicher Sozialarbeit aus der Armenpflege und ihre Einbin-
dung in burokratische, hierarchisch gegliederte Institutionen wieder
ins BewuBtsein zu rlicken. Die Dbernahme des fursorgerischen Schutzes
durch den Staat war geschichtlich Ausdruck verdeckter und offener
Klassenauseinandersetzungen. Zur Vermeidungvon Legitimationsverlusten
des Systems sind sozialpoli tische Zugestandnisse inner wieder notwen-
dig und Veranderungen innerhalb der Funktionsbereiche angezeigt
(beispielsweise Finanzierung von Wohngemeinschaften und selbstverwal-
teten Jugendzentren in der letzten Reformphase); wo solche Legitima-
tionsverluste nicht mehr drohen, werden im Zuge bkonomischer Krisen
diese Zugestandnisse wieder abgebaut. In solchen Zeiten verblaBt
sehr schnell der Schein der angeblichen Gemeinwohlorientierung der
Sozialpojitik. Wie jegliche staatliche Intervention erweist sich auch
die Sozialpolitik als systemerhaltend und -verandernd zugleich; nie
iedoch unumkehrbar, systemiiberwindend. Diese in Info 8 ausfuhrlich
entwickelte Einschatzung findet sich im Ansatz bereits drei Hefte
vorher: "Es gibt keine Mbglichkeit, sich den gesellschaftlichen Wi-
derspriichen, die sich immer auch in der eigenen (Berufs-)Tatigkeit
ausdrucken, zu entfliehen. Die eigene Tatigkeit wird immer Doppel-
charakter haben: einmal einen herrschaftssichernden. . . , zum anderen
einen die reale Situation der proletarischen Jugend verbessernden. . . "
(Info Sozialarbeit Heft 5, S. 27).
Was will Karl mehr?
was am SchluB bleibt, ist der nur angedeutete Vorwurf, daB diese
Einschatzung immer noch zu negativ bleibt; im Grunde wiinscht Karl
pine positive Identifikation mit der sozialarbeiteri schen Tatigkeit,
well diese - so muB man zwischen den Zeilen lesen - im wesentlichen
materiel le Unterstutzung der Betroffenen ("die in der Mehrheit sicher
der Arbeiterklasse angehbren" - Karl, S. 660) bedeutet. So werden
Sozialarbeiter, die selber Lohnabhangige sind, sehr einfach zu Bun-
67
desgenossen der Arbei terklasse und dann ist es nicht mehr weit zura
Eintritt in die Gewerkschaft Oder die Partei.
Damit kommen wir schlieBlich zu dem Vorwurf, der Organisationsansatz
des Arbeitsfeldes Sozialarbeit grlinde sich auf ein "Aufgeben der
eigenen Interessen zugiinsten eines voluntaristischen ' Sich-stellen-
auf-den-Standpunkt-der-Arbeiterklasse'" (Karl, S. 666) und auf eine
Vernachlassigung der materiellen Interessengemeinsamkeiten zwischen
Sozialarbeitern und Klientel. Tatsachlich ist nicht zu leugnen, daB
Karl auch hier eine durchaus schwache Stelle berlihrt. Das Info hat
immer noch zu tragen an der Herkunft der Sozialarbeiterbewegung aus
dem idealistisch-moralischen Protest. Doch ganz so eindimensional ,
wie sie die Sache darstellen mb'chte, verhalt es sich auch in diesem
Falle nicht rait dem Info. Selbst das von ihr angefUhrte Zitat (Karl,
S. 666) bekommt einen anderen Klang, wenn man es im Zusammenhang
liest:
"Im Vordergrund der Forderungen hat nicht das Eigeninteresse der So-
zialarbeiter, das sich Liberwiegend als Professionalisierungsinteres-
se darstellt, zu stehen, sondern das Interesse des 'Klientel', das
begriffen wird als Teil der Arbeiterklasse. " Doch dann geht es wei-
ter: "Im Vordergrund hat zu stehen die Solidaritat mit den Betroffe-
nen, die sich u.a. darstellt in einer konsequenten Vertretung der ma-
teriellen Interessen und extensiver Ausnutzung der Gesetze. Auf die-
sem Hintergrund ist auch das Eigeninteresse der Sozialarbeiter im
Hinblick auf materielle Verbesserungen und Veranderung der Arbeits-
platzsituation zu definieren." (Info Sozialarbeit Heft 2, S. 65)
In der gleichen Nummer wird die Auseinandersetzung urn die Eingruppie-
rung von Sozialarbeitern und -padagogen nach dem BAT und der Frank-
furter Konflikt urn die Arbeitsbedingungen in den Kindertagesstatten_
dargestellt und analysiert: "Erzieher, die fur hdhere Gehalter strei-
ken, sind keine Egoisten ohne Ideale, sondern Padagogen, die auf dem
besten Weg sind, mit der Demokratisierung in diesem Lande ernst zu
machen... Sozialarbeit, die ernst macht mit ihrem padagogisch-poli-
tischen Auftrag, die Emanzipation der Kinder und Jugendlichen voran-
zutreiben, muB den politischen und juristischen Rahmen ihrer Arbeit
ins Auge fassen und inn dort vera'ndern, wo er entsteht..." (Info
Sozialarbeit Heft 2, S. 7).
DaS die hier angerissene Problematik nicht sehr intensiv weiterver-
folgt wurde, wird auch in dem Strategie-Papier im Info 13 festge-
stellt; davon aber, daB "materielle Interessen von Sozialarbeitern
und Klienten... kaum thematisiert" (Karl, S. 665) werden, kann nicht
die Rede sein. Was die Position des Infos von der der Stamokap-Ver-
treter unterscheidet, ist die explizite Bezugnahme auf den Inhalt
sozialarbeiterischer Tatigkeit, wenn von der Interessenbasis zur
Organisierung von Sozialarbeitern die Rede ist:
"War es bis vor ca. zwei Jahren noch mbglich, liber eine unvermi ttel-
te und damit abstrakte Orientierung an der Interessenlage der Arbei-
terklasse unter Ausblendung der eigenen Verstrickung als lohnabhan-
gige Sozialarbeiter eine aktive und fordernde Rolle einzunehmen,
erweist sich heute diese Strategie als vollends unpraktikabel , da
die Genossen als Objekt staatlicher Repression nun selber Betroffene
sind... herrscht. . . weitgehend Unklarheit darliber, wie Sozialarbei-
ter unmittelbar ihre eigenen Interessen wahrnehmen kbnnen, wird der
solidarische Bezug zu den Betroffenen erst recht unmbglich gemacht."
- 68
Weil Sozialarbeit unter kapitalistischen Produktionsbedingungen als
staatliche Aufgabe primar kontrollierende und disziplinieren-
de Funktionen erflillt, was unabhangig vom subjektiven Wollen des
Sozialarbeiters allein schon durch die liberwiegend blirokratische
Organisationsform der Arbeit erzwungen wird, konnen Interessengemein-
samkeiten zwischen Sozialarbeitern und Betroffenen nicht gradlinig
aus deren Lohnarbeiterexistenz abgeleitet werden. Sozialarbeiter
kommen nicht umhin, bei der eigenen Interessenvertretung sich immer
auch mit dem Inhalt ihrer Arbeit und den Interessen der Betroffenen
auseinanderzusetzen, was dort zu Konflikten flihrt, wo sich Sozialar-
beiter gemeinsam mit denen zu organisieren versuchen, liber deren
Disziplin sie im Krisenfall aus einer privilegierten Position heraus
zu wachen haben. (Vgl . dazu das Info Sozialarbeit 16, insbes. die
Aufsa'tze von E. Wedekind und R. Landwehr).
Ill
Gesellschafts- und
uch ihre eigene in
nz nicht identisch
icht ohne weiteres
ch die Arbeit des
nhalt la'Bt aber
dustrie nicht zu:
it des Sozialar-
und deshalb nicht
nung und Auslibung
Helga Karl kritisiert nicht nur das Fehlen einer
Klassenanalyse im Info Sozialarbeit - sie flihrt a
groben Zligen vor.
Sozialarbeiter sind danach als Teil der Intellige
mit der herrschenden Klasse, sie sind aber auch n
der Arbeiterklasse zuzurechnen. Zwar vollzieht si
Sozialarbeiters in der Form der Lohnarbeit; ihr I
die Durchkapital isierung nach dem Beispiel der In
als qualifizierte geistige Arbeit ist die Tatigke
beiters/Sozial padagogen nicht beliebig zerlegbar
durch Maschinen zu ersetzen, sondern an die Erler
einer bestimmten Berufsrolle gebunden.
Diese Feststellungen dlirften auch fur die Autoren des Info Sozialar-
beit keine uberraschung sein; aber H. Karl sieht unter Berufung auf
die Analysen des Institut fur marxistische Studien und Forschung
(IMSF) "neuere Entwicklungstendenzen" , die diese Aussagen modifizie-
ren: Da wir'uns nicht mehr in der Phase des "einfachen Monopolkapi-
talismus" befinden, sondern in der des staatsmonopolistischen Kapi-
talismus, haben wir es heute mit einer deutlichen Zunahme qualifi-
zierter geistiger Arbeit und ihrer Konzentration in bestimmten Be-
reichen zu tun. Damit sei die Moglichkeit, aber auch die Notwendig-
keit kostensparender Rationalisierung der sozialarbeiterischen Tatig-
keit gegeben, was in Regelstudienzeiten, Mittelknapphei t und Stellen-
kiirzungen zum Ausdruck kommt. - So einfach bringt man die neuesten
Entwicklungen auf den Begriff, wenn man sich nur einer Gesellschafts-
und Klassenanalyse bedient!
Man fragt sich, ob wir etwa erst sei dem Roll-back in der Bildungs-
politik, seit dem Ende der Reformperiode und der Krise der Staats-
finanzen die Phase des "einfachen Monopolkapitalismus" verlassen ha-
ben, ob das Kapital in der BRD erst Anfang der 70er Jahre entdeckt
hat! daB die Sozialausgaben fur es tote Kosten sind, die so niedrig
wie'mbglich zu halten sind. Tatsachlich befinden wir uns den Autoren
der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus nach bereits seit
- 69 -
dem 1. Weltkrieg in dieser neuen Periode des Kapitalismus (Lenin),
ohne daB sich bisher jedoch die von Karl skizzierten "neueren Ten-
denzen" im sozialarbeiterischen Bereich durchgesetzt ha'tten! Wenn
sie statt solcher Allgemeinplatze konkreter auf den Inhalt der Ta'tig-
keit des Sozialarbeiters einginge, wlirde es ihr schwerfallen, aus
den mi t jeder Krise wiederkehrenden Rationalisierungsbestrebungen
des Staates ohne weiteres auf einen "eindeutigen Vermittlungszusam-
menhang der Interessen der Intel ligenz und der Arbeiterklasse, der
Sozialarbeiter und der Klienten" zu schlieBen (Karl, S. 670). Es
ist zwar wahrscheinlich, daB mit zunehmenden Schwierigkeiten bei
der Stellensuche, zunehmender Unterwerfung padagogischer Konzepte
unter eine am Kapitalprofit orientierte Kostenrational ita't irmier
mehr Sozialarbeitern die Tatsache ihrer Lohnabhangigkeit bewuBt
wird; dennoch bleiben sie aufgrund von Ausbildung und (meist) Beam-
tenstatus ,ebenso wie ihrer gesellschaftlichen Funktion nach privile-
gierte Exekutoren der durch die herrschende Klasse gesetzten Normen.
(Vgl. dazu Tirrm Kunstreich, Der insti tutionalisierte Konflikt,
Offenbach 1975, Kap. IV und V.) Daran andert auch ihre von Karl be-
tonte untergeordnete Stellung nichts; auch der Lehrer bildet das
unterste Glied einer umfassenden Hierarchie und ist dennoch in ge-
samtgesellschaftlich durchaus relevantem MaBe an der Produktion und
Reproduktion der herrschenden Ideologie beteiligt!
Der Sozialarbeiter tritt dem "Klienten" umso mehr als kontrpllie-
render und disziplinierender Vollstrecker fremder Normen gegenuber,
als es sich bei den von Sozialarbeit Betroffenen eben nicht urn typi-
sche Angehbrige "der Arbeiterklasse" handelt, sondern ganz Liberwie-
gend urn deren "Bodensatz": schlecht qualifizierte, unregelma'Big
bescha'ftigte, durch schlechte Sozialisationsbedingungen, Krankheit
oder Alter in ihrer Reproduktionsfahigkeit eingeschrankte Vertreter
des Teils der industriellen Reservearmee, der sta'ndig in der Gefahr
steht, seine Verwertbarkeit fLir das Kapital zu verlieren oder sie
schon verloren hat. Karls oben zitierte eindeutige Zuordnung der
Klienten zur Arbeiterklasse ist ein schlechter Ausweis fur eine
Klassenanalyse und fallt im Grunde noch hinter das mit der Randgrup-
pendiskussion erreichte Niveau zurlick. (Von der fur viele Vertreter
ihrer Theorie daraus folgenden Konsequenz, namlich den vom sozialen
Abstieg bedrohten Klienten zu einem ordentlichen Vertreter der Ar-
beiterklasse machen zu wollen oder - wenn dies unmb'glich ist - inn
als "Lumpenproletarier" einfach aufzugeben, und damit genau die
Selektionsfunktion zu erfu'llen, die das Kapital von einer funktio-
nierenden Sozialarbeit erwartet, ganz zu schweigen. . . )
Diese Probleme, mit denen die Schwierigkeiten der Analyse erst an-
fangen, bleiben also auch bei Karl ungeldst; auch sie kommt nicht
Liber die Einsicht in einen irgendwie gearteten Zusammenhang zwischen
Klienten- und Sozialarbeiterinteressen hinaus - genau das, was sie
an den Beitragen im Info Sozialarbeit kritisiert! Ihre Argumentation
richtet sich also nicht wirklich gegen die "Solidarisierung mit den
Klienten" oder andere Formen des Eintretens fiir die Interessen der
von Sozialarbeit Betroffenen, sondern gegen die Begrlindung dafu'r:
nicht "per Willensakt", sondern per wissenschaftl icher Analyse der
"objektiven Interessengemeinsamkeiten von Sozialarbeitern und Klien-
ten" (Karl, S. 660) hat dies zu geschehen - auch wenn diese Analyse
keinen Deut weiterflihrt, als die weniger theoretisch fundierte, da-
70 -
fiir aber weit innovativere und differenziertere kritisch reflektier-
te Erfahrung in der Aktion.
Urn es klarzustel len: Wir sind durchaus der Meinung, daB den vom In-
formationsdienst Sozialarbeit bisher geleisteten Ansatzen zur Ent-
wicklung einer politischen Perspektive eine wissenschaftlich fundier-
te Analyse der Klassenlage von Sozialarbeitern bitter nottut. Dazu
kann die Auseinandersetzung u.a. auch mit der von Karl zitierten
Literatur sicherlich gute Dienste leisten. Wenn sie jedoch so tut,
als brauche man sich nur auf den dort vertretenen Standpunkt zu stel-
len und alle Probleme seien gelbst,so liberzeugt uns das nicht.
Aber was steckt wirklich hinter dem Bemuhen, den Berg wissenschaft-
1 icher Wahrheitssuche kreiBen zu lassen, um sich dann doch mit einem
Mauslein zufriedenzugeben? Es ist eine allzu bekannte und verbreite-
te Form der Verarbeitung der Studenten- und Sozialarbei terbewegung,
die sich ruhmt, alle antiautoritaren und d.h. angeblich blirgerlichen
Elemente der linken Bewegung Liberwunden zu haben. In dem MaBe nam-
lich, wie nach dem Hohepunkt der Studentenbewegung um 1968/69 deut-
lich wurde, daB die Neue Linke keine gesel lschaftliche Massenbewe-
gung werden konnte, wei 1 sie Liber den universitaren Bereich hinaus
keine materiel le Basis in entsprechend entwickelten gesamtgesell schaf t-
lichen Widerspruchen hatte, d.h. die Starke der Studentenbewegung
weitgehend auf einer Erfahrungsbasis innerhalb des Bi ldungssektors
beruhte, begann ein groBer Teil der studentischen Linken im Blick
auf die spatere BerufsausLibung sich abzusetzen und sich nach gesi-
cherten Haltepunkten umzusehen. Den Widerspruch zwischen einem zu-
nehmend radikaleren sozialistischen Anspruch und einer mit Unver-
standnis und ausgesprochener Feindseligkei t reagierenden Arbeiter-
schaft, der sich in der llnmoglichkei t ausdruckte, den gewonnenen ge-
sell schaftskri tischen Standpunkt in eine "sozialistische Berufspra-
xis" umzusetzen, vermochten sie nicht auszuhalten. Und tatsachlich
erwies sich ja die Vorstellung, die gewonnenen Erkenntnisse in einem
"langen Marsch durch die Institutionen" bruchlos zur Revolutionie-
rung der Gesellschaft einsetzen zu kbnnen, als ausgesprochen naiv,
wie die Installierung eines umfassenden politischen Oberprufungssy-
stems inzwischen gezeigt hat. Doch daB dennoch gerade diese naive
MaBlosigkeit der Studentenbewegung die politischen Verhaltnisse in
der Bundesrepublik in Bewegung gesetzt hat wie kein anderes Ereig-
nis der deutschen Nachkriegsentwicklung, will von den "Oberwindern"
der Studentenbewegung niemand mehr wahr haben.
Im Gegensatz zu den K-Gruppen, die unter abstrakter Berufung auf
feme, idealisierte Leitbilder Theorie und Praxis mit Gewalt zusam-
menzuzwingen versuchten, bestand die Lbsung dieses Teils der auslau-
fenden Studentenbewegung in der Reduzierung ihres linken Anspruchs
auf das von dieser Gesellschaft geduldete MaB an sozial-reformeri-
schem Engagement, das sich innerhalb der anerkannten Parteien und
Gewerkschaften bewegt. Wo von Haus aus sozial abgesicherte BLirger-
sohne oder -tochter sich in eine selbstmbrderische Konfrontation
mit dem Staatsapparat warfen, da zogen sich - so hat man den Ein-
druck - die in ihrer gesellschaftlichen Position unsicheren oder ver-
unsicherten Aufsteiger aus Arbeiterschichten oder kleinbLirgerlichen
Existenzen auf Einstell ungen und Vernal tenswei sen zurLick, die das
berufliche Fortkomnen mdglichst nicht gefahrden und gleichwohl den
71 -
Widerruf bisher vertretener linker Positionen ersparen. Unter dem
Schirm einer bewuBt undefinierten "gewerkschaftlichen Orientierung"
wird so das Kunststuck versucht, einen linken Anspruch vor sich her
zu tragen und dennoch in dieser kapitalistischen Gesellschaft nicht
anzuecken. (DaB dies nicht gelingt, zeigen die zahlreichen Berufsver-
bote auch gegen DKP- und SEW-Anhanger. Doch wahrend diese von den
K-Gruppen im Sinne der Parole "viel Feind - viel Ehr" nur als Be-
statigung ihrer Politik aufgefaBt werden, gelten Berufsverbote fur
die Traditionsparteien als Pannen, die jeden Organi sierungsfortschritt
in Frage stellen. )
Dem Ruckzugauf das Bestehende dient die Forderung nach wissenschaft-
licher Analyse als immerwahrende Legitimation. Denn da die Kluft
zwischen sozialistischer Theorie und Praxis notwendigerweise nicht
iiberbrlickt werden kann, so lange eine aktive Klassenkampfbewegung
fehlt ist der Nachweis mangelnder wissenschaftlicher Ausgewiesen-
heit fremder Praxis leicht. Sicherheit ist demgegeniiber in einer
"Linie" zu finden, fur die eine ihrem Umfang nach nicht so schnell
zu bewaltigende Literatur und die Existenz von Organisationen in
Anspruch genommen werden kann, die sich nicht als bloBe Sekten abtun
lassen. Das erklart die Arroganz, mit der auch Karl den unausweich:
lichen Schwierigkeiten und Widersprlichen einer von einem sozialisti-
schen Anspruch getragenen Praxis begegnet, die nicht ihre eigene
ist. Dem liegt im Grunde ein jene Dialektik von Theone und Praxis
negierender, d.h. burgerlicher Wissenschaftsbegnff zugrunde. Hin-
ter der Aura einer Wissenschaftlichkeit, die sich mehr durch Berge
bedruckten Papiers als durch praxisrelevante Ergebmsse auszeichnet,
verbirgt sich der Versuch, unbedarften Gemutern den Eindruck zu
suggerieren, daB es hier eine Richtung gabe, die Sicherheit bietet
well Fur sie die letzten Streitfragen der Menschheit keine Probleme
mehr darstellen. Was sich zunachst als legitimes Bemuhen um eine
ausgewiesene Fundierung der gesellschaftlichen Praxis darstellt,
entpuppt sich so bei naherem Hinsehen als die Forderung nach oppor-
tunist! scher Anpassung an die den Rahmen des Etablierten beachtenden
Organisationen - nicht, weil diese Uber eine Theorie groBerer Trag-
fahigkeit und Reichweite verfugen, sondern weil die feachtung des
von ihnen kontroll ierten Rahmens die Gefahrdung der beruflichen
Existenz weitgehend ausschlieBt. Der hier - im Gegensatz zu vielen
Positionen innerhalb der Neuen Linken - tatsachlich vorhandene Rea-
lismus wird erkauft durch den Ruckgriff genau auf die Institution^,
aus deren erwiesener Unzulanglichkeit die Studentenbewegung und en e
Neue Linke einmal entstand.
Aus dieser zu einem wesentlichen Teil durch personliche Unsicherheit
gepragten Haltung folgt dann natu'rlich unbefragt, daB Interessenge-
meinsamkeiten zwischen Sozialarbeitern und Klienten nur eines zulas-
sen: "Bundnispolitik mit den Organisationen der Arbeiterschaft (v. a.
den Gewerkschaften)" (Karl, S. 660).
Gewerkschaftsarbeit wird hier - wie es ju'ngst im Berliner GEW-Kon-
flikt anklang - in jedem Falle undenkbar auBerhalb des DGB! Angeb-
lich wird eine solche Bundnispolitik auch erleichtert durch die
"(notwendigerweise) starkere Rekrutierung von Sozialarbeitern aus
der Arbeiterklasse" (Karl, S. 670, dagegen Kunstreich, a.a.O., S.41ff.)
Wiederum begreift Karl kurzschllissig eine vorubergehende Erscheinung
als eine durchgehende historische Tendenz: Der von ihr beobachtete
72 -
Trend zur Anpassung der Arbeitsbedingungen im Sozialbereich an die
anderer Lohnabhangiger gent in Wirklichkeit einher mit einer erneu-
ten Beschrankung des Hochschulzugangs fur Arbeiterkinder und dem Ab-
bau des zweiten Bildungsweges.
Zwar hat sich tatsachlich an den Ausbildungsstatten in den letzten
Jahren eine Entwicklung weg vom Karitativismus vollzogen, die nicht
einfach ruckgangig zu machen ist. Doch weil die Resultate dieser Be-
wegung nicht in das von Karl vertretene Konzept passen, ist dieser
Entwicklung nicht wirklich zu trauen. Karl bemuht die leninistischen
Ladenhuter von der Unzuverlassigkei t der Intelligenz, um das Vor-
herrschen spontaneistischer Theorien und Organisationsansatze unter
den sich als links verstehenden Sozialarbeitern zu erklaren. warum
dagegen nach Karls Meinung in d e n Bereichen der Hochschule
"Spontitum und Antiautoritarismus weitgehend zurlickgedrangt sind
(und) die Politik der gewerkschaftlichen Orientierung so breit wie
nie zuvor verankert ist" (Karl, S. 671), wo ausgerechnet das klassi-
sche Bildungsburgertum und entsprechende Berufsperspektiven noch
viel starker vertreten sind, bleibt unqeklart. Allerdings ist
auch diese Einschatzung wohl durch die Entwicklung liberholt: Die
Streikbewegung 1976/77 an den Hochschulen fu'hrte in einem nur mit
der alten Studentenbewegung vergleichbaren MaBe wieder zur Mobili-
sierung vor allem der unorganisierten Studenten und hat z.B. in Ber-
lin zu erdrutschahnlichen Verlusten in der Anhangerschaft der unter
ADS, Spartakus, SHB oder wie auch immer firmierenden DKP-bzw. SEW-
orientierten Studentengruppen gefuhrt.
Karl ha'tte besser daran getan, das Vorherrschen undogmati scher und
starker an praktischen Konfliktsituationen ansetzender Positionen
unter den Sozialarbeitern - die auch ihrer Meinung nach "zur Zeit
wichtig-ste Strbmung innerhalb der Sozialarbeiterbewegung" (Karl,
S. 671) - auf ihre Ursachen hin zu analysieren, Man wiirde auch gern
naheres uber die von ihr nur beilaufig erwahnte heutige "Schwache
marxistischer Organisationen und Positionen" (ebda.) lesen. Hier be-
reits scheint sie von ihrer Klassenanalyse verlassen zu werden.
Stattdessen meint sie, den Sozialarbeitern eine mit keinem Wort naher
bestimmte "gewerkschaftliche Orientierung und Organisierung" als
einzig mbglichen Weg zur Lbsung aller Fragen verordnen zu kbnnen:
der bekannte Versuch, die StoBrichtung der Studentenbewegung zu de-
nunzieren, aber gleichwohl ihre Resultate fur die eigenen Organisa-
tionszwecke zu vereinnahmen.
DaB das ganze auch noch mit Illusionen uber die Wirkungsmbglichkeiten
innerhalb der Gewerkschaften versu'Bt wird, ist hier fast nebensach-
lich; die Erfahrungen zeigen, daB gerade die zunehmende Organisie-
rung und Aktivierung der Sozialarbeiter innerhalb der OTV haufig
auf den Unwillen der Gewerkschaftsflihrung stbBt und zu schwerwiegen-
den Behinderungen bis hin zur Verunmbgl ichung der Fachgruppenarbeit
flihren kann. Diese Erfahrungen haben im SB organisierte Sozialarbei-
ter gemacht, die nicht daran denken, deshalb die Arbeit in den Ge-
werkschaften aufzugeben, aber die meinen, nicht auf eine erganzende
Organisierung in AKS-Gruppen verzichten zu konnen. (Vgl . auch dazu
das Info Nr. 16 zur Gewerkschaftsfrage) .
Was wirklich hinter der vbllig unkritischen Forderung nach gewerk-
schaftlicher Organisierung steht, wird durch H. Karls eigene Diktion
deutlich: Die Organisierung in den Gewerkschaften wird von ihr nicht
- 73 -
k
als Weg begriffen zur Forderung der Entwicklung einer fortschrittli-
chen Berufspraxis, zur Durchsetzung von Lohnarbeiterinteressen etc.,
sondern umgekehrt, die Interessenwahrnehmung durch die Gewerkschaf-
ten soil nur als Mittel eingesetzt werden. "um die gewerkschaftl iche
Orientierung und Organisierung von Sozialarbeitern voranzubringen"
(Karl, S. 671). Nicht der sich im sozialen Konfliktfeld mutig enga-
gierende Sozialarbei ter ist gefragt, sondern das sich der Organisa-
tion unterordnende, in ihr untertauchende Mitglied, das sich kritik-
los "einbinden" la'Bt, wie es bei H. Karl selber heiBt (Karl, S.662).
Dazu dient letztlich das Leninsche Argument: Zwar kommt fur die So-
zialarbeiter (wie letztlich fur alle nicht-monopolistischen Schich-
ten) keine andere als die Organisierung rait der Arbeiterklasse in
Frage, aber wegen ihrer "Unzuverlassigkeit" nur eine untergeordnete,
eine rait den durch den DGB verkbrperten "allgemeinen Lohnarbeiterin-
teressen" vermittelte. (ebda.) Nur so kann die Todsunde wider den
marxistisch-leninistischen Geist, der Spontaneismus uberwunden wer-
den. Diese Fetischisierung der bestehenden Gewerkschaften raacht das
neu'gewonnene Mitglied zum Objekt im Kampf um den EinfluB einer be-
stimmten Richtung, die leisetreterisch sogar darauf verzichtet,
ihren eigenen Namen zu nennen.
Dagegen sind die am SB orientierten Gruppen sich ihrer Her-
kunft aus der Studentenbewegung bewuBt geblieben, daB sie deren zen-
trales Anliegen: Aufklarung durch DTfentlichkeit, vorantreiben und
zugleich an dem wichtigsten Ergebnis ihres Scheiterns festhal.ten,
daB namlich auch der ProzeB der Erkenntnis von objektiven gesell-
schaftlichen Bedingungen abha'ngig ist, von Voraussetzungen also,
die weder durch noch so aufwendige und gezielte Anstrengungen der
Wissenschaft noch etwa durch Berufung auf einen angeblich real en
Sozialismus" iiberholt werden kbnnen.
Rudiger Baron,
Ferdinand Dupuis,
Rolf Landwehr,
Isa Trippner
- 74
Fachgruppe Sozialpadagogik, Tubingen
ZUR LANDWEHR - WEDEKIND - KONTROVERSE
VORBEMERKUNG
Die Fachgruppe Sozialpadagogik im SozialistischenZentrum Tubingen
besteht vorwiegend aus Diplompadagogikstudenten/innen, die zeitwei-
se im Praktikum stehen bzw. neben dem Studium her in Projekten mit-
arbeiten - und einem Sozialarbei ter. Wir sind auch zum groBten Teil
Mitglieder im SZ/SB.
Nach der Diskussion unseres Artikels auf der Redaktionskonferenz am
14.1. entschlossen wir uns, noch eine Vorbemerkung zu schreiben um
deutlich zu machen, auf welchem Hintergrund unsere" Diskussion der
Artikel im Informationsdienst Nr. 16 stattfand.
Wir hatten uns schon vor dem Erscheinen der beiden Artikel mit Fra-
gen der gewerkschaftl ichen Arbeit von Sozialarbeitern/Sozialpadago-
gen auseinandergesetzt. Das hat seinen Grund vor allem darin, daB
wir in unserer politischen Praxis im Rahmen der Fachschaft mit Ten-
denzen konfrontiert waren - sowoh.l seitens der Dozenten als auch bei
Studenten - die die Organisationsfrage fur Diplompadagogen nit einem
Berufsverband Ibsen wollten. Dieser sollte angeblich geeignet sein,
mit der schwierigen Stellensituation fertig zu werden^ indem er die
"spezifische Fachiichkeit" und "Nutzl ichkeit" von Diplompadagogen
gegenliber den Tragern propagieren sollte. Er sollte quasi die Ehre
eines Berufsstandes retten, der sich noch gar nicht etabliert hatte.
Demgegenuber forderten wir ,ausgehend von einer Kritik an der Hierar-
chie im Sozialbereich und der "El ite-Innovations-Funktion" von Di-
plompadagogen, die Organisierung in der OTV.
Unsere Forderung nach Organisierung im gewerkschaftl ichen Rahmen ist
nun aber verbunden mit einer inhaltl ichen Position zur Gewerkschafts-
arbeit, wie wir sie im folgenden Beitrag anhand der Auseinander-
setzung mit den Artikeln von Wedekind und Landwehr darstellen wollen.
In unserer Gruppe diskutieren wir in diesem Zusammenhang auch, wie
auf dem Hintergrund einer gesellschaftl ichen Bestimmung von Sozial-
arbei t eine "fortschrittliche" Sozialarbei t mdglich ist. Wir ver-
suchen dies zu bestimmen fur die Bereiche, in denen wir selber Praxis-
erfahrungen haben (Jugendarbeit) . Da wir diese Diskussion beileibe
noch nicht zu Ende gefuhrt haben, kbnnen wir in unserem Artikel noch
keine konkreten Aussagen fur bestimmte Berufsbereiche bringen; d.h.
wie wir in einzelnen Institutionen/Feldern der Sozialarbeit unsere
Gewerkschaftsstrategie konkretisieren bzw. welche padagogisch-pol i-
tischen Konzepte wir in den gewerkschaftlichen Rahmen einbringen
wollen. Dies stellt sicher noch einen Mangel unseres Artikels dar,
doch glauben wir, uns auf einer eher allgemeinen Ebene mit den
- 75 -
Positioner! von R.L. und E.W. auseinandersetzen zu kbnnen und halten
dies auch fiir notig.
Wenn wir im folgenden unsere Kritik ausfiihren, so stent dahinter die
Absicht, bestimmte, Liber die persb'nl iche Position von EW und RL hin-
ausgehende Versuche sozial istischer Positionsbestimmungen auf dem
Hintergrund unserer Diskussion zu kritisieren. So z.B. Positionen,
die einseitig die Bestimmung des Sozialarbei ters als Lohnarbeiter
fur eine mbgliche sozial istische Perspektive in den Vordergrund
rlicken, wie sie z.B. nicht nur von DKP (nahen) Gruppen auch an unse-
rem Fachbereich vertreten werden.
Wir mbchten auch noch darauf hinweisen, daB es innerhalb der Redakti-
onskonferenz Kontroversen liber unsere Vorstel lungen zur Gewerkschafts-
arbeit von linken Sozialarbeitern gab.
EINE EALSCHE ALTERNATIVE
Wir auBern uns zu der Kontroverse zwischen EW und RL im INFO 16, da
in dieser Diskussion unserer Meinung nach falsche.fiir die politische
Arbeit von Sozial isten im Sozialbereich folgenreiche Alternativen
aufgestell t werden.
Den Hintergrund fur diese Kontroverse gibt die im AF Sozialarbeit ge-
laufene und laufende Strategiediskussior ab.
In der Reformphase Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre war es fur die
Sozialisten scheinbar problemlos, ihre Politik im Sozialbereich zu
bestimmen:
Staatlicherseits wurden Reformprojekte gefbrdert urn dysfunktionale
Strukturen im Sozialbereich aufzuweichen; ausgehend von Zielen, wie
sie auch von der auBerparlamentarischen Opposition gepragt wurden,
gerieten sowohl die sogenannten "Klienten" als auch die im Sozialbe-
reich Tatigen in Bewegung.
Die in den Reformmodellen gegebenen Handlungsspielraume und die sich
verstarkt artikul ierende Basis erbffnete flir die Linke im Sozialbe-
reich die Mbglichkeit, fortschrittl iche Berufspraxis und sozialisti-
sche politische Praxis gleichzusetzen. Auf der anderen Seite ermog-
lichte diese gesellschaftl iche Situation eine Oberschatzung/Fehlein-
schatzung staatlicher Reformpol itik als tendenziell systemliberwindend.
Darin kam sicher auch noch die APO-Strategie zum Ausdruck, die ein
wesentliches gesel lschaftsvera'nderndes Potential in den "Randgrup-
pen" und in Krisenerscheinungen des Reproduktionssektors gefunden zu
haben glaubte.
Flir die Genoss(inn)en im Sozialbereich stellte die Formbestimmtheit
der Sozialarbeit (als staatliche Lohnarbeit) damals anscheinend kein
Problem dar; wichtig war flir sie der politische Bezug zu den "Klien-
ten", der Versuch einer Sozialarbeit im Interesse der Betroffenen.
Eine solche Strategie muBte in Schwierigkeiten geraten, als sich das
Ende der Reformphase abzeichnete.
Mit Beginn der bkonomischen Krise, dem verstarkten Einsetzen staat-
licher Repression wurde einer solchen Politik die Grundlage entzogen:
Die staatliche Finanzkrise zwang zur Zurlickdra'ngung von Reformmodel-
len. Neben der bkonomischen Restriktion erschien auch die politische
76
Dynamik mancher Reformmodelle (z.B. im Markischen Viertel von "harm-
loser Gemeinwesenarbeit" zu "harten Mieterinitiativen") als zu ge-
fahrlich. Denn obgleich die Reformen auch bestimmten gesel lschaft-
lichen Erfordernissen entsprachen, so setzten sie doch teilweise ei-
ne Eigendynamik f rei , deren politische Dimension liber die Integrations
erfordernisse weit hinausging.
Stellenstreichungen, Rational isierungen, politische Repression wurden
immer mehr zum All tag im Sozialbereich.
In einer solchen Situation mag es als naheliegend erscheinen, sich
auf die materiellen Interessen der Sozialarbeiter zu besinnen, sich
derer wieder zu erinnern, die auch wa'hrend der Reformphase in "nor-
malen Institutionen" arbeiteten; d.h. letztlich die Formbestimmtheit
der Sozialarbeit zum Ausgangspunkt der politischen Strategie zu
machen.
Mit dieser Wende zum Selbstverstandnis als bloBer Lohnarbeiter ist
fur uns die Gefahr standischer Interessenvertretung gegeben. "Stan-
disch" deswegen, da die Bestimmung von Sozialarbeit als Lohnarbeit
zu kurz greift: Lohnarbeit ist nicht gleich Lohnarbeit. Sie rauB unter-
schieden werden nach ihrer jeweiligen Stellung zum ProduktionsprozeB
des Kapitals. Und Sozialarbeit als staatliche Lohnarbeit reprodu-
ziert das Kapitalverhal tnis eben nicht unmittelbar, sondern ist un-
produktive Arbeit; diese entscheidende Differenz zum Bereich der pro-
duktiven Arbeit (im kapitalistischen Sinne) kann nicht einfacb u'ber-
gangen werden. Eine Vereinheitlichung mit der Arbeiterklasse liber
materielle Interessensvertretung von Sozialarbeitern la'Bt sich v. a.
deswegen nicht herstellen, da die Vertretung sozialarbeiterischer Be-
rufsinteressen sich positiv auf die gesellschaftl iche Funktion der
Sozialarbeit bezieht (Kontroll- und Integrationsfunktion auch gegen-
Uber Teilen der Arbeiterklasse). Es besteht also die Gefahr, die Be-
sonderheit des "Arbei tsgegenstandes" der Sozialarbeit aus den Augen
zu verlieren.
Dies ist unserer Meinung nach bei dem Genossen RL der Fall. Die we-
sentliche Bestimmung der Sozialarbeit ist flir inn die Kategorie der
Lohnarbeit, was zur Konsequenz hat, das politische Schwergewicht auf
die Interessenvertretung im Rahmen der Gewerkschaften zu legen. Das
erscheint uns bei RL als besonders verwunderl ich, da er doch die gar-
ze Zeit auf die Kontroll funktion der Sozialarbeit abhebt. Wo bleibt
da der sozialistische Anspruch des Genossen RL; denn die Interessen-
vertretung ist ein positiver Bezug auf die gesel 1 schaftl iche Funktion
des Sozial arbei ters.
EW dagegen sieht die Gefahren dieser Wende zum Versta'ndnis von Sozial-
arbeit als bloBe Lohnarbeit, macht aber den Fehler, daB er den "Ge-
brauchswert" der Sozialarbeit als vor allem positiv flir das "Klientel"
begreift. ("Sozial isationsarbeit in der Arbeiterklasse"). Von daher
kommt er auch zu der Einschatzung, daB Interessenvertretung von
Sozialarbeitern und padagogisch-pol itische Anspriiche notwendig mit-
einander kollidieren.
Unserer Meinung nach sind die Alternativen, wie sie sich so darstel-
len, falsch. Flir uns mlissen beide Seiten - Formbestimmtheit der So-
zialarbeit als staatliche Lohnarbeit - und die stoff 1 iche Seite, d.h.
Funktion der Sozialarbeit, Besonderheit des "Arbeitsgegenstandes" -
in die Strategiebestimmung eingehen.
EW versucht in seinem Artikel, die "Nahtstelle zwischen b'konomischer
Interessenvertretung und politisch -padagogisch -inhaltl ichen Ziel-
en" zu bearbeiten. Voraussetzung dazu ist, daB eine Kritik an der
herrschenden Sozialarbeit formuliert worden ist, denn erst auf die-
ser Grundlage konnen "Interessenvertretung" und "politisch -padago-
qische Ziele" zueinander in Widerspruch treten. Ohne diese Kritik
fiihrt das hbchstens zu einem "schlechten Gewissen" bzw. subjektivem
Unbehagen. jn . . . . .
Diese Kritik ist bei EW allerdings mcht grundlegend geleistet, da
er die Funktion von Sozialarbeit von' vornherein als "Sozial isations
arbeit in der Arbeiterklasse" versteht. Er iibersieht, daB Sozial-
arbeit als gesellschaftlich bestimmte geleistet wird, also immer
auch Kontroll- und Integrationsfunktion beinhaltet. Die Sozialarbeit,
die W sich vorstellt, ist auch von bkonomischen und politiscnen
Faktoren - vermittelt liber staatliche Eingriffe 1m Sozial bereich-
bestimmt; fur die Sozialisationsarbeit sind bestimmte Zielvorstel-
lungen bei den Tragern der Sozialarbeit, beim Gesetzgeber vorhanden,
finanzielle Einschrankungen etc. gehen auch an diesem gesellscnatt-
lichem Bereich nicht vorbei.
Zum anderen hat es Sozialarbeit nicht mit "der" Arbeiterklasse zu
tun, sondern je nach Tatigkeifebereich mit bestimmten Schichten der
Arbeiterklasse bzw. mit Menschen, die keine Moglichkeit mehr oder
noch nicht) haben, ihre Arbeitskraft zum Verkauf anzubieten Von da-
her relativiert sich auch der Anspruch,daB das sog. K'ient.e'
der Sozialarbeit die "breitesten Lbsungen" fur die dringend ten
Schwierigkeiten, in denen die menschliche Gesellschaft steckt (vgl .
S. 56) bereithalt; damit relativiert sich auch die vermeintl iche
polit sche EinfluBmbglichkeit des Sozial ar belters ; in seiner Berufs-
tatigkeit. Vielleicht erklart das auch, wie EW "uber eine kritische
Auseinandersetzung mit den Inhalten (seiner) Tatigkeit und der «
genen erfahrungsbezogenen sinnl ichen und materiel len Betroffenheit
im All tag" einen "praktischen Bezug zu den Interessen und Proble-
men der Arbeiterklasse und "den iibrigen Lohnabhangigen herstellt.
Unserer Meinung nach sind aber die sinnl iche und materielle Betrof-
fenheit des Sozialarbeiters und die des Klientels auf unterschied-
1 ichen Ebenen angesiedelt: DaB ein Sozialarbeiter in seiner beruf-
1 ichen Funktion mit dem materiellen und psychischen Elend seiner
"Klienten" massiv konfrontiert ist, heilit noch lange mcht, daB die
Betroffenheit die gleiche ist. Die "Klienten" sind existentiell be-
droht in ihrer Lage und den staatl ichen "BemUhungen erstmal unter-
worfen. Die Betroffenheit des linken Sozialarbeiters in der Beruts-
situation liegt v. a. darin, daB er urn die gesellschaftl ichen Umstan-
de weiB, die die Lage der "Klienten" produzieren, und im Wissen, clali
seine BemUhungen gesellschaftl ichen Grenzen unterliegen.
Zum anderen kann die Barriere der unterschiedl ichen Betroffenheit
nicht voluntaristisch ubersprungen werden und berufliche (Repro-
duktions-) Interessen in ihrem Unterschied zu den Betroffeneninteres-
sen nicht verschwiegen werden. Diese unterschiedl iche Interessens-
lage und Betroffenheit auch im Umgang mit dem "Klientel" deutlich zu
machen, erscheint uns wichtig und richtig. Unterschiedl iche Interes-
sen wegleugnen zu wollen, ist fatal.
An anderer Stelle seines Artikels (S. 56) sieht EW, welche Gefahren
78
in einer einseitigen Auflbsung der Bestimmung der Sozialarbeiter-
tatigkeit liegen (nur Lohnerzieherverstandnis fu'hrt zur Gleichgultig-
keit; nur inhaltl iche Seite zu beachten zu karitativem Oberengage-
ment); er sieht auch, daB "Hilfe" immer gleich "Gewalt" bedeutet.
Dies erscheint uns aber unvereinbar mit den Konsequenzen, die er mit
der "einbindenden Betroffenheit" zieht. Damit scheint er doch Ver-
tretung von Reproduktionsinteressen hinter die "sol idarische Betrof-
fenheit" zu stellen (was iibrigens wieder unterstellt, daB die sozial-
arbeiterische Tatigkeit wirklich "im Dienste der Betroffenen" stlinde).
Das damit verbundene "schlechte Gewissen" driickt sich auch in den
beiden Beispielen EW's aus, wo angesichts der Interessen der Betrof-
fenen Zweifel an der Legitimitat der eigenen Interessensdurchsetzung
aufkommx.
EW meint, Reproduktionsinteressen zuriickstellen zu mu'ssen, weil sie
die Interessen der Betroffenen und die "Niitzl ichkeit" der Arbeit flir
sie beeintrachtigen. Fur uns wurde EW's Position an dieser Stelle nie
ganz eindeutig, jedoch lassen sich an seiner Argumentation auch Ten-
denzen ausmachen, wie wir sie hier ausgefiihrt haben. Bisweilen schei-
nen uns allerdings seine theoretischen Bestimnungen (z.B. S. 56) und
seine Folgerungen fiir die pol itisch-padagogische Praxis (darauf be-
zieht sich unsere Kritik im wesentl ichen) in Widerspruch zueinander
zu stehen.
Wir dagegen meinen, daB die Vertretung von Reproduktionsinteres-sen
(gegen Arbeitsuberlastung, Stel lenstreichungen, Rational isierungen
z.B.) notwendig ist, damit ein "niitzl icher Charakter" der Arbeit
uberhaupt gewahrleistet ist. Und zwar "niitzl ich" nicht im Sinne der
herrschenden Sozialarbeit, sondern auf der Grundlage einer Kritik an
ihr; d.h. es gilt in der Interessensvertretung pol itisch-padagogi-
sche Konzepte als Alternative zur bestehenden Sozialarbeit durchzu-
setzen. Wir m'ussen uns allerdings klar daru'ber sein, daB derartige
Konzepte (zu den Kriterien dazu siehe unten) nicht "die revolutiona-
re Perspektive" darstellen, sondern in sich widerspruchl ich bleiben.
Der gesellschaftl iche Rahmen bleibt weiter bestehen ebenso wie da-
durch die Unterschiede in der Lage der Sozialarbeiter und der "Klien-
ten" nicht aufgehoben sind.
Mit den Konsequenzen, die W. fur eine Gewerkschaftsarbeit zieht,
konnen wir im AnschluB an das eben gesagte weitgehend ubereinstim-
men. Flir uns ist es ebenso notwendig, daB gewerkschaftl iche Forderun-
gen sich nicht nur auf Lohninteressen und Arbeitsbedingungen be-
schranken, sondern daB pol itisch-padagogische Konzepte einbezogen
werden.
Wie wir schon eingangs sagten, sind bei RL die Mbgl ichkeiten sozial i-
stischer Politik einseitig uber die Formbestimmung von Sozialarbeit
als Lohnarbeit hergeleitet. Dabei geht ihm das von EW angesprochene
Problem der "Besonderheit des Arbeitsgegenstandes" verloren.bzw. er
bestreitet, daB sich die Praxis von sozial istischen Sozialarbeitern
uberhaupt von der "normal er Sozialarbeiter" fur die "Klienten" wahr-
nehmbar unterscheiden kbnnte.
RL tut so, als ob sich die "objektive Funktion" der Sozialarbeit
(Kontrolle, Integration) widerspruchslos in der beruflichen Praxis
durchsetzt, d.h. daB eine subjektive (kollektive) EinfluBnahme ausge-
schlossen ware. Von daher wird die Unterscheidung von sozial istischen
79 -
Sozialarbeitern und "normalen Sozialarbeitern" bei ihm zu einer Un-
terscheidung des BewuBtseins:
"Eine Differenz ist fur den Betroffenen nicht bemerkbar, weil es
sich (...) urn eine Differenz des BewuBtseins handelt". (S. 62)
Abgesehen davon, daB dies eine sehr bequeme Einstellung, ist flir uns
diese These unhaltbar! BewuBtsein - zumal sozial istisches - kann
nicht einfach auf einer theoretischen Ebene oder der sogenannten
politischen Sphare verweilen, sondern ist konstituierendes Moment
einer jeglichen, auch der beruflichen Praxis.
Wir wollen hier nicht den Illusionen das Wort reden, als sei eine
bestimmte berufliche Praxis und sozial istische Praxis identisch.Doch
gerade von einem sozial istischen BewuBtsein aus, muB man sich u'ber
die politische Dimension auch beruflicher Praxis klar sein. Fiir uns
heiBt das, daB wir unserkonkretes Verhalten in der Sozialarbeit, z.B.
welche "Methoden" wir anwenden, iiberpriifen mussen anhand unserer
politischen Perspektive. (Auf Therapiemethoden bezogen heiBt das z.B.
zu fragen, welches Lernkonzept hinter einer bestimmten Methode steckt:
ein Lernkonzept, das die. Betroffenen als Objekt manipuliert oder ein
Lernkonzept, das den Subjekten die produktive Aufarbeitung lhrer Ge-
schichte ermb'glicht!)
einen Seite
n la'Bt, auf
daB un-
nem quali-
gegenuber
n ist, was
nn er bietet
tel" an, die
t" der
nis zu den
RL widerspricht sich allerdings selber, wenn er auf der
den Unterschied zu einer Differenz des BewuBtseins werde
der anderen Seite es aber fiir ihn selbstwerstandl ich ist
ser eigenes Interesse an politischer Iderttitat uns zu ei
tativ anderem Verhalten ihnen (den "Klienten" d. Verf.)
veranlaBt" (S. 64), wobei uns wirklich nicht klargeworde
bei RL dieses "qualitativ andere Verhalten" ausmacht. De
auch keine Alternative im Verhalten gegen'u'ber dem Klien
die zutreffend festgestellte "vampirma'Sige Angewiesenhei
Sozialarbeit auf die Fa'higkeit, ein persbnliches Verhalt
Betroffenen einzugehen, Liberwindet.
Die Mbglichkeit, die angesprochene politische Dimension der beruf-
lichen Praxis "im sozial istischen Sinne" wirksam werden zu lassen,
muB sicherlich nach einzelnen Arbeitsbereichen der Sozialarbeit dif-
ferenziert werden. Es unterscheiden sich da Bereiche wie Offene
Jugendarbeit, Heimerziehung und Sozialamt voneinander; sowohl in
ihrer"Nahe" zum "Klienten" wie auch in ihrer institutionellen Kon-
trolliertheit, und damit zusammenhangend in den Spielraumen fiir das,
was fortschrittliche Praxis in der Sozialarbeit sein kann.
Uns erscheint es als deutlich, daB die unterschiedl ichen strategi-
schen Konseguenzen von RL und EW von den unterschiedl ichen Arbeits-
erfahrungen in unterschiedl ich strukturierten Bereichen der Sozial-
arbeit abhangen, die nicht einfach unter den Tisch diskutiert wer-
den kbnnen. Das heiBt auch, daB eine Strategiebestimmung diese lo-
kalen, institutionellen, politischen Besonderheiten berucksichtigen
muB.
Eindeutigere Aussagen macht RL hingegen bei seiner Feststellungen
zur bkonotnischen Interessenvertretung.
Unbestritten ist auch fiir uns die Notwendigkeit der Vertretung
materieller Interessen zur Sicherung der Reproduktion der eigenen
Arbeitskraft (ein Aspekt der von vielen Sozialarbeitern wegen ihres
karitativen BewuBtseins vernachla'ssigt wird).
- 80 -
SB-BroschUrenreihe "I 1nks-reprint"
Heft 1 * November 1977 * Prei$ fiinf Mark
i.
Allerdings wird es fur uns da politisch gefahrlich, wo bkonomische
Interessen unabhangig von fortschrittl ichen pol itisch-padagogischen
Konzepten vertreten werden. Denn dadurch kann der Okonomismus der
Gewerkschaften nur fortgeschrieben werden. .
Auflerdem hat eine traditionelle gewerkschaftl iche Orientierung bei
Sozialarbeitern wohl eher etwas mit standi scher Interessensvertre-
tung (s o zu tun, als daB sie einen sozial istischen Charakter hat.
Es kann also gar nicht darum gehen, "blirgerliche Sozialarbeitsideo-
logie mit menschelndem Pathos" (S. 64) zu reproduzieren, sondern da-
rum, auf gewerkschaftl ich-organisierter und politischer Ebene Forde-
rungen nach einer Sozialarbeit vorzutragen, die den Kntenen unser-
er politischen Perspektive am ehesten geniigt.
Dabei kann die sozialistische Praxis von Sozial arbentern dennoch
nicht stehenbleiben: selbst die Durchsetzung derartiger Forderungen
sprengt den gesellschaftl ichen burger! ichen Bezugsrahmen der Soz!al-
arbeit noch nicht. (Nicht nur) aus diesem Grund heraus haben manche
von uns die Konsequenz der politischen Organisierung im SB gezogen.
Edgar Weick, Frankfurt
BERTHOLD SIMONSOHN ZUM GEDENKEN
FALKEN - BILDUNGS- UND FREIZEITWERK WATTENSCHEID
SUCHT MITARBEITER
m
Die Jugendlichen und das Mitarbeiterteam eines im Aufbau befind-
1 ichen Jugendheims
" Haus der offenen TUr"
sucht zum 1. April 1978 oder spater
sozial padagogische Fachkrafte: Sozialarbeiter(in) oder
Sozial padagogen (in)
Schwerpunkte des Aufgabengebietes ist die Arbeit mit Jugend-
lichen - vorrangig Lehrlinge und Jungarbeiter.
Die Ta'tigkeit erfordert Einflihlungsvermbgen in die Probleme
Jugendlicher und Experiment! erf reudigkeit.
Kenntnisse im musisch-kreativen Bereich waren gut.
Wir erproben mit den Jugendlichen gemeinsam ein Mitbestimmungs-
modell. Unsere Arbeit sehen wir politisch.
Geboten wird: Vergutung nach BAT
12 Tage bezahlter Bildungsurlaub
Bewerbungen bitte an:
Falken - Bildungs- und Freizeitwerk, Wattenscheid e.V.
Schulstr. 16, 463 Bochum 6
Berthold Simonsohn ist am 8. Januar 1978 in Frankfurt gestorben. Er
war unter der jiingeren Generation der Linken nur wenigen bekannt.ob-
wohl er zu jenen Genossinnen und Genossen gehbrte, die 1961 mit der
Unterstiitzung des SDS durch die "Sozialistische Fbrderergesel lschaft"
der existentiellen Bedrohung junger Intel lektueller durch den Partei-
vorstand der SPD entgegentrat. Der SPD-Parteivorstand hatte am 6.11.
1961 nach vergebl ichen Anstrengungen, den SDS durch eine Spaltung zu
zerschlagen, beschlossen, daB eine Mitgliedschaft im SDS und in der
"Sozialistischen Fbrderergesel lschaft" mit einer Mitgliedschaft in
der SPD unvereinbar sei. Die SPD hatte nach der Verabschiedung des
Godesberger Programms 1959 mit den sozialistischen Intel lektuellen
gebrochen, die die Preisgabe sozialistischer Ziele kritisierten und
sich der ihnen zugemuteten Unterwerfung widersetzten.
Berthold Simonsohn gehbrte zu der kleinen Gruppe sozialistischer
Intellektueller, Hochschullehrer und Gewerkschafter um Wolfgang
Abendroth, Ossip Flechtheim, Heinz Brakemeier, Fritz Lamm und seinem
inzwischen ebenfalls verstorbenen Freund Heinz-Joachim Heydorn, die
mit der Unterstiitzung des SDS zur Kontinuitat marxistischen Denkens
und zur historischen Kontinuitat der Linken in der BRD beigetragen
haben. Er hat politische Erfahrungen aus dem Untergang der Weimarer
Republik und seine leidvollen Erfahrungen mit dem Faschismus ver-
mittelt wo immer ihm seine Funktion in der sozialistischen Jugend-
arbeit, der Sozialarbeit, der Sozial padagogik, der Jugendhilfe und
seine Arbeit als Professor an der Universitat Frankfurt die Mbglich-
keit gaben.
Hit Heinz-Joachim Heydorn, Gemot Koneffke und Heinz Brakemeier u.a.
gehbrte Berthold Simonsohn in den funfziger Jahren dem wissenschaft-
1 ichen Beirat der Sozialistischen Jugend "Die Falken" an, der auf
Initiative von Lorenz Knorr zustandelcam und die Aufgabe hatte, die
sozialistische Erziehung in dieser Jugendorganisation zu unter-
stiitzen. In der Zeitschrift "Junge Gemeinschaft" verbffentl ichte da-
nials Berthold Simonsohn wichtige Beitrage zur politischen Bildung
und iiber Probleme der sozialistischen Erziehung.
Ober zwanzig Jahre war er in verschiedenen Funktionen Mitarbeiter
der Arbeiterwohlfahrt. Seine politische Oberzeugung fand immer in
konkreter praktiscner Ta'tigkeit seinen Ausdruck - und sie sollte ihn
auch dort noch finden, wo Probleme und Bedingungen einen Sozial isten
in besonderer Weise herausfordern: in der Humanisierung des Straf-
vollzugs und in der Rehabilitation von jugendlichen Strafgefangenen.
Mit der SPD hatte Berthold Simonsohn seine Erfahrungen schon als
Abiturient in Bernburg gemacht. Das Angebot, sein Abitur schon ein
- 83 -
halbes Jahr friiher ablegen zu diirfen, wurde auf
deutschnationalen Vorsitzenden des Elternbeirat
kratischen Schuldirektor zuru'ckgenommen, weil d
aufsatzes tiber Wilhelm II. AnstoB erregte. Al s
Berthold Simonsohn in Leipzig und Halle dem Soz
tenbund an und trat 1931 von der SPD zur SAP Lib
des Faschismus widmete er sich vol! und ganz de
arbeit. Nach der "Kristallnacht" am 9. November
Simonsohn verhaftet und kam auf einige Wochen i
hausen. Von 1942 bis Kriegsende schleppten ihn
Konzentrationslager Theresienstadt, Auschwitz u
Folgen der KZ-Haft hat er bis zu seinem Tode ge
Veranlassung einer
s von dem sozialdemo-
er Inhalt des Abitur-
Student schloB sich
ial istischen Studen-
er. In den Jahren
r jlidischen Sozial-
1938 wurde Berthold
n das KZ Sachsen-
die Nazis durch die
nd Dachau. An den
1 itten.
SOZIALARBEITER IM STREIK -
JUGENDLICHE KAMPFEN UM IHR JUGENDHAUS
Die Erfahrungen des Faschismus haben Berthold Simonsohn in seiner
politischen Oberzeugung nicht erschu'ttert. Er blieb der Sozialist,
der er von seiner Jugend an war. Dies bezeugen seine Freunde, die
ihn in der jlidischen Sozialarbeit und Wohlfahrtpflege kennenlernten.
Dies konnten Studenten und Mitarbeiter an der Universitat Frankfurt
auch in Situationen erfahren, in denen heute oft die politische
Moral dem Opportunismus geopfert wird. •
61) ,
DM
25
72),
DM
3o
83),
DM
3o
Der Jahrgang 1977 von "links" (Nummern 84 - 94) liegt
gebunden vor. Die gebundene Jahresausgabe kostet DM 3o.
Die Preise sind Selbstkosten, also Herstellungskosten
der Zeitungen, Bindekosten (stabiler Karton mit Leinen-
rficken) und Versandkosten .
Erhaitlich sind zur Zeit aufierdem noch folgende fruhe-
ren gebundenen Ausgaben:
Jahrgang 1974 (enthait die Nummern 51
Jahrgang 1975 (enthait die Nummern 62
Jahrgang 1976 (enthait die Nummern 73
Die Lieferung erfolgt ausschlieBlich liber unseren Verlag
2ooo (also kein Buchhandelsvertrieb) gegen Vorauszahlung
des Preises (Verrechnungsscheck beifiigen oder Bestellung
gegen Vorausrechnung) .
Eine Zusammenstellung wichtiger Beitrage aus "links"
(begrenzte Auswahl) , von 1969 bis 1973, ist als Fischer
Taschenbuch erschienen. Das Taschenbuch "Fur 'eine neue
sozialistische Linke - Analysen, Strategien, Modelle"
ist im Buchhandel zu haben, kann aber auch Uber unseren
Verlag 2ooo bezogen werden (bei Bestellung DM 5 . 8o in
Briefmarken oder als Verrechnungsscheck beilegen) .
Verlag 2ooo GmbH, Postfach 591, 6o5o Offenbach 4
Seit Montag, 16.1. ^treiken die Sozialarbeiter der Arbeitsgemein-
schaft Jugend- und Sozialarbeit am Frankfurter Berg, einem BGB-Verein,
dessen Trager der Internationale Bund flir Sozialarbeit Jugendsozial-
werk e.V. (Trager von der Zingelswiese) und der ev. Regionalverband
sind.
Der Frankfurter Berg ist eine Hochhaussiedlung im Norden Frankfurts.
Sie wird begrenzt von einem Autobahnzubringer, Amikasernen und dem
Bonameser Mil itarflughafen. Fur die 4.000 Bewohner gibt es in diesem
Stadtteil auBer einem kleinen Einkaufszentrum und einer Kneipe keine
anderen Freizeitmbgl ichkeiten. Schon im Marz 1975 stellte der stell-
vertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Erwin Schbppner fest:
"Diese Hochhaussiedlung ist fiir mich die schlimmste Demonstration,
wie man es nicht machen sollte." Auch der Magistrat bezeichnete im
August 1977 die raumli'chen Bedingungen flir die Kinder- und Jugend-
arbeit als "vbllig unzureichend. " Deshalb sei als nachstes der Bau
des Jugendhauses vorgesehen. Von 1972 an wurde die Siedlung in den
Akten des Bauamtes als "Sozialer Brennpunkt" geflihrt, was heiBt, vbl-
lig manqelhafte Infrastruktur und keine ausreichende soziale Versor-
gung. Von dem Begriff "sozialer Brennpunkt" hat man in Frankfurt
Ubrigens Abschied genommen und das Etikett gewechselt. Es heiBt jetzt:
"Wohnbereiche mit mangel nder Infrastruktur."
Und genau urn diese Infrastruktur gent es, nachdem sich trotz aller
Versprechungen und scheinbarem ProblembewuBtsein der zustandigen Stel-
len fiir die 1109 Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren nichts ge-
tan hat, obwohl in der Statistik nachzulesen ist, daB im Vergleich
zur Gesamtstadt Liberproportional Kinder und Jugendliche, Arbeiter
und kleine Angestellte, Senioren (der neue Film von Rosa von Praun-
heim "Der 24. Stock" handelt von den Alten in der Siedlung) in der
Bevbl kerung vertreten sind.
Schon seit 8 Jahren werd
dem schon oft versproche
Uberbrlickten den Zustand
durch absurde und vbllig
Baracke, die bis dahin h
genutzt wurde, schlieBen
Jugendlichen, keinen Tre
Sozialarbeiter, daB sie
arbeit kam fast vbllig z
en die Jugendlichen und Sozialarbeiter mit
■nen Jugendhaus hingehalten. Provisorien
zeitweilig. Nachdem das Liegenschaftsamt
unerfullbare Auflagen im Frlihjahr 1976 die
ilfsweise als Jugendclub und fur Kinderarbeit
lieB, bedeutete diese Situation flir die
ffpunkt auBer der Kneipe zu haben, fiir die
"auf der StraBe" arbeiten muBten. Die Kinder-
urn Erliegen.
Im Oktober 1976 erhielten sie dann eine kleine Zweizimmerwohnung fur
Beratung und als Btiro. Illeqitim verantworteten die Sozialarbeiter
die Nutzung als Jugendhausersatz, weil diese Arbeit in diesem sozia-
- 85 -
len Brennpunkt unverzichtbar ist und die Jugendl ichen darauf drang-
ten. DaB diese Situation bei solch raumlicher Enge auf Dauer aller-
dings untragbar ist, war sowohl den Sozialarbeitern als auch den
Jugendl ichen klar.
Wahrend der letzten 2 Jahre schien sich dann einiges zu tun: der Bau
des Jugendhauses wurde des bfteren fest zugesagt, Planungen wurden
eingeleitet und die Betroffenen vom Frankfurter Berg begannen schon,
den Versprechungen Glauben zu schenken. Inzwischen gehen allerdings
schon wieder 2 Jahre ins Land und auBer schonen Worten und unklaren
Versprechungen ist nichts zu sehen:
WIR VERLANGEN DIE SOFORTIGE ZUSAGE DES MAG1STRATS, DASS MIT DEM BAU
DES JUGENDHAUSES BIS MflRZ 78 BEGONNEN WIRD.
Wahrend ihrer Arbeit am Frankfurter Berg hatten die Betroffenen oft-
mals erfahren, was es heiBt, in einem sozialen Brennpunkt mit vollig
unzureichender Infrastruktur zu arbeiten. Nachem die Baracke geschlos-
sen war, kam die Kinderarbeit fast vollig zum Erliegen. Aus diesem
Grund hat sich in Zusammenarbeit mit einer Elterrinitiative ergeben,
daB nach Gespra'chen mit der Neuen Heimat, dem Bautrager der Sied-
lung, und Vertretern der Stadt ein Antrag auf Errichtung einer Spiel -
stube in einer schal 1-isol ierten Vierzimmerwohnung eingereicht wurde.
Die Stadt hatte eine Erweiterung des geplanten Jugendhauses urn Raume
fur Kinderarbeit abgelehnt. Nun aber jtb'Bt auch der jetzige Kompro-
miBvorschlag - wie das Verhalten von Faller, dem Leiter des Jugend-
amtes beweist - auf keine Unterstlitzung. Auf grund der langja'hrigen
Verschleppung des Jugendhauses und der Erfahrungen damit
FORDERN WIR
WIRD!
DASS DIE ERRICHTUNG DER SPIELSTUBE SOF0RT- EINGELEITET
Seit 1.1.78 soil nun als Krbnung der ganzen Misere am Frankfurter
Berg die dritte Sozialarbeiterstelle (ein Mitarbeiter hatte gekun-
digt) der Arbeitsgemeinschaf t "eingefroren" werden, d.h., daB die
Sozialarbeiter unter den augenblickl ichen schwierigen Bedingungen
eine Stelle gestrichen bekommen, obwohl die Gelder daf'ur vorhanden
sind. Die lacherliche Begrundung der Gesellschafter (Trager) fur
diese MaBnahme, "daB damit Druck auf die Stadt ausgeiibt werden soil ,
flihrt sich selbst ad absurdum, denn die einzigen, auf die damit Druck
ausgeiibt wird, sind die Jugendlichen und die Sozialarbeiter. Eine
Einschrankung der Arbeit oder Mehrarbeit liber das belastbare MaB
hinaus ware die Folge. Dahinter steht, daB die Gesellschafter bzw.
Trager der Arbeitsgemeinschaft entgegen anderslautenden Erklarun-
gen vorhaben, sich vom Frankfurter Berg zurlickzuziehen. Und das, ob-
wohl sie den Sozialarbeitern auf der Gesellschafterversammlung vom
18.11.77 andere Zusagen machten und die Bewerbungsunterlagen schon
dem International en Bund fiir Sozialarbeit als Einstellungstrager
vorlagen.
WIR FORDERN DIE SOFORTIGE BESETZUNG DER DRITTEN STELLE, UM BIS ZUM
JUGENDHAUSBAU DIE NOTWENDIGSTE ARBEIT ZU GEWSHRLEISTEN UND UM UNSER-
ER VERANTWORTUNG DEN JUGENDLICHEN GEGENOBER NACHKOMMEN ZU KONNEN!
- 86
Am 16.1. begann dann der
Sozialdezernent Burgermei
aus der Affare Ziehen wol
sammelt und einen Brief a
ylaubten diesen Versprech
wo sie nach einem Gesprac
reichten, zu Berg (SPD) v
Jugendlichen auf die nach
wies den Jugendlichen seh
Glauben geschenkt werden
belassen und bereiten wei
Streik mit einer Rundfunksendung, in der
ster Berg sich mal wieder mit Versprechungen
Ite. Die Jugendlichen, die Unterschriften ge-
n die Verantwortl ichen geschrieben hatten,
ungen nicht und fuhren sofort zum Rathaus,
h mit Oberbiirgermeister Wallmann (CDU) er-
orgelassen zu werden. Er vertrbstete die
ste Magistratssitzung. Sein Verhalten be-
r schnell , inwieweit seinen Versprechen
kann. Sie sind nicht gewi lit, es dabei zu
tere Aktivitaten vor.
LETZTE MELDUNG ZUM KAMPF UMS JUGENDHAUS:
JUGENDHAUS BEWILLIGT - SOZIALARBEITER GEFEUERT
Nachdem am 21.1.78 anlaBlich eines Siedlungsfestes zwei Jugendliche
verkleidet mit Frack und Zylinder als Oberbiirgermeister Wallmann(CDU)
und Sozialdezernent Berg (SPD) symbol isch den Grundstein fur das
Jugendhaus legten, hat am 3.2.78 der Magistrat der Stadt Frankfurt
Beschllisse gefaBt, die es ermbgl ichen, das Jugendhaus noch in diesem
Jahr fertigzustellen.
Damit wurde das wichtigste Streikziel erreicht, namlich die qualitive
Verbesserung der Lebensbedingungen der Jugendlichen in der bden Beton-
wliste "Frankfurter Berg" und der Arbeitsbedingungen der Sozialarbeiter.
Mit dem BeschluS des Magistrats zum Jugendhausbau und den wiederholten
Erklarungen der Trager, in diesem Fall die 3. Stelle wieder zu besetzen
waren die Forderungen zum grb'Bten Teil erfullt und die Voraussetzung
geschaffen, die Arbeit wieder aufzunehmen.
Aber der Arbeitgeber sah wohl eine Gelegenheit gekommen einen unbe-
quemen Mitarbeiter loszuwerden.
Am gleichen Tag wurde der Sozialarbeiter Helmut Schbnberger fristlos
geklindigt, obwohl er bffentlich erklarte, daB sich der Streik nicht
gegen den Arbeitgeber richtet und der Vorsitzende der Arbeitsgemein-
schaft "die Aktivitaten der Sozialarbeiter als legitirr," empfand.
(FR 17.1.78) und am 23.1.78 in der Hessenschau erklarte:" Wir denken
nicht an arbeitsrechtl iciie MaSnahraen". Auf diesem Hintergrund hat sich
das Restteam entschlossen, weiter im Streik zu bleiben
Diese nach auBen hi n jeder Logik wiedersprechende Reaktion
Anstell ungstragers, des Internationalen Bundes fiir Soziala
Jugendsozialwerk e.V., wird deutlich, wenn man sich die Pe
tik des Internationalen Bundes fur Sozialarbeit naher ansc
So wurden allein im letzten Jahr im Rhein-Main-Gebiet 16 M
darunter 1 Betriebsratsmitgl ied (liber 5% der hessischen Be
fristlos gekundigt, weil sie die "Ruhe und Oronungs-Pol iti
bandes nicht mehr mitmachen wollten und sich in Konflikten
Seite der Betroffenen stellten. Das bekannteste Beispiel i
flikt um die Zingel swiese, einem Jugendheim in Frankfurt (
arbeit Heft 16)
WIE KANN MAN UNS UNTERSTOTZEN
Schreibt Briefe an das Jugendsozialwerk, z.Hd. Herrn Moka , Miinchner Str.
38, 6 Frankfurt und an den Magistrat der Stadt Frankfurt - Sozial-
- 87 -
sweise des
rbeit -
rsonalpol i-
haut.
itarbeiter,
schaftigten)
k" des Ver-
auf die
st der Kon-
Info Sozial-
dezernent Martin Berg, Berliner Str.33, 6 Frankfurt.
Durchschriften bitte an das Sozialarbeiterteam.
AuBerdem ist die Streikkasse leer, wenn Ihr wollt, kbnnt Ihr uns auch
so unterstutzen.
In den nachsten Tagen werden wir eine Dokumentation fertigstel len ,
sie kann gegen Voreinsendung von DM 3,-- (einschl. Porto) in Brief -
marken/Scheck bestellt werden bei:
Sozialarbeiterteam
c/o Helmut Schbnberger
Eckenheimer Schulstr. 2
H.E. Brand, Frankfurt
GENUSSFILZE EM KAMPF UM DIE ARBEITSPLATZE
6 Frankfurt 5o Telf. 0611/ 54 41 82
Anmerkung der Redaktion:
Das Sozial istische Bu'ro unterstutzt die Streikaktivitaten des Sozial -
arbei terteams mit einer Spende aus dem Sol idari tats- und Rotarbeits-
fonds von DM 2oo ,--.
Wer den Solidaritatsfonds unterstutzen will, Liberweise seine Spende
unter dem Kennwort "Solidaritatsfonds" an Sozial istisches BLiro,
6o5 Offenbach 4, Postscheckkonto Nr. 29 56 8o-6o5 Frankfurt/Main.
TAGUNGSVORSCHAU 1978 - AG SPAK
• Projektbcrcich Resozialisierung
21.- 23.4. Bempflingcn Orientierungstagung zur Arbeit im Knast
9. • 1 1.6. Bempflingcn Strafvollzug-Sozialtherapie als Losung oder Alibi
12.- 14.5. Raum Koln Moglidikciten der Arbeilsbcschaffung nach der Entlassung
26.- 28.5. Methoden in der Knastarbeit
28. 2.5. Ulmbach Binnenpmblematik der Wohngcmeinschaften aus der Sicht der Bewohner
13.-21.5. Fortbildungsseminar
• Projektbereich PsycMscb Kranke
17. - 19.3. Heidelberg Therapeutische Wohngemeinschaften
26. - 28.5. Hamburg Uberregionaler Erfahrungsaustausch der Projeklgruppen
• Projektbereich Jugendzentren
April Rcgionaltrcffcn Schleswig Holstein
April Oldau Weitcrarbeil am Mcdienhandbuch II
26.- 28.5. Raum Miinchen Koordinationstreffen der Gruppen im siiddeutschen Raum
• Projektbereich Obdachlosigkeit/Wohngebietsarbeit
17. - 19.3. Osnabriick Zur Praxis von Vorschul- und Schiilerarbeit met ODL-Kindern
28. - 3o.4. GieBen Schlechte Schiiler gibt es nicht - Handelnder Unterricht -
Juni Regensburg Formen und Schwierigkeiten der Selbstorganisalion
26- - 28.5. Rofldorf Rechtliche Situation von Obdachloscn - iiberregionale Tagung
7. - 9.7. Bewohnerarbeit in ODL-Siedlungen (Paulo Freire-Methoden)
• Projektbereichsiibergreifende Tagungen
31.3.-2.4. Einfiihrung in die Padagogik Paulo Freires
16. - 18.6. Randgruppeiitheorie - Kritik an der Marginaulatstheorie
NXHERE 1NFORMATIONEN: AG SPAK - Bundesgcschaftsstclle -
Belfortstr. 8, 8000 Miinchen 8o; Telf. o89/ 45 39 16
DIE LOSUNG DES KARDINALS
Politiker aller Bundestagsparteien, Sprecher der Unternehmerverbande,
kirchliche WLirdentrager und gewerkschaf tl iche Spitzenfunktionare be-
arbeiten uns seit Jahren mit ihren Beteuerungen, daS ihnen kein Pro-
blem nehr schlaflose Nachte bereite als die Arbeitslosigkeit. Ihre
Lb'sungsrezeptur ist im Grunde denkbar einfach: wenn mehr konsumiert
wird, kann auch mehr produziert werden und die Zahl der Arbeits-
platze wieder steigen. DaB sich das Problem in Wirklichkeit anders
stellt, fic'nt die wackeren Ritter des Uachstums nicht an. Sie tun
so, als wiiBten sie weder, daB von der arbeitenden Bevb'lkerung nur
so viel konsumiert werden kann, als sie sich zuvor in Form von Loh-
nen erkampft hat, noch, daB durch den Einsatz neuer arbeitsplatzbe-
seitigender Technologien (Rational isierung) mehr produziert werden
kann, wa'hrend gleichzeitig die Zahl der Arbeitsplatze weiter zurlick-
geht.
Dabei fehlt es den Wachstumsexperten bei der Entwicklung von Lbsungs-
rezepten keineswegs an kiihnen Phantasien. So entdeckte Anfang 1978
der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Hb'ffner,
den Stein der Ueisen in der Steigerung der Geburtenrate. Ware nicht
die Zahl der Geburten in der BRD von Liber 1 Million im Jahre 1967
auf knapp Liber 600 000 zehn Jahre spater zurlickgegangen, so rechne-
te der Kardinal, waren in diesem Zeitraum 2,4 Millionen Kinder mehr
auf die Welt gekoramen. Welch ein Boom an Babywasche, Kinderspielzeug,
Kindergarten und Schulen ware doch die Folge gewesenl Enthusiastisch
stellte der Kardinal die Frage, "ob wir dann auch eine Million Ar-
beitslose ha'tten" (Frankfurter Rundschau, 12.1.1978).
In einigen Jahren wlirde allerdings auch der Kardinal mit sei nem Re-
zept in Bedrangnis kommen, denn dann wLirden 2,4 Millionen weitere
BundesbLirger ins "Erwerbsleben" drangen; und damit diese ihrerseits
wieder Arbeit fanden, bliebe wohl kein anderer Weg, als daB sie in
noch grbBerem MaBstab Kinder in die Welt setzten, urn arbeiten zu
kb'nnen. Selbst die Kardinale dLirften dann in absehbarer Zeit im
Interesse der Erhaltung der Arbeitsplatze nicht mehr keusch abseits
stehen.
DER ATOMFILZ GREIFT REGULIEREND EIN
Doch vergessen wir nicht, daS die verschiedensten Spielarten des
GenuBfilzes bereitstehen, hier regulierend einzugreifen. Am vertrau-
- 89 -
tester) unter den GenuBfilzen dlirfte uns inzwischen der Atomfilz sein,
der uns in einer konzertierten Aktion von Unternehmern, Regierungs-
und Oppositicmspolitikern, Betriebsraten der Atomindustrie und Ge-
werkschaftsfunktionaren zu beweisen versucht, daB der GenuB am Leben
zuklinf tig nur liber Atomstrom zu sichern sei. DaB der Atomfilz in
Wirklichkeit aber nur dazu beitragt, unsere Lebenserwartungen zu re-
duzieren, indem uns seine Atomkraftwerke schon bei "Normal betrieb"
gesundheitl ich schadigen, im Extremfall aber mit Katastrophen unvor-
stellbaren AusmaBes bedrohen, verschweigt er lieber. Insofern ist
der Atomfilz ein Bruder des Rustungs- und Kriegsfilzes.
Doch sollte der Atomfilz - alien dlisteren Prognosen zum Trotz -
seine Regul ierungsfunktion hinsichtlich des Arbeitsplatzbeschaffungs-
programms des (Cardinals nur unzureichend erfullen, so stehen andere,
wenn auch mindere GenuBfilze bereit, die Zahl der auf den Arbeits-
markt Drangenden fruhzeitig zu reduzieren und die Zahl der Alters-
rentner nicht allzu sehr in die Hone schnellen zu lassen.
DER PILSFILZ MOBILISIERT
Im Herbst 1977 ging der Pilsfilz in die Offensive. Eine Einheits-
front von Unternehmern, Betriebsraten und Gewerkschaftsfunktiona'ren
aus der Brauindustrie richtete einen eindringl ichen Appell an die
Bevolkerung: laEt euch nicht von der "Verteufelung" des Alkohols
durch Regierung und firzte beirren, trisfct mehr Bier und sichert da-
durch die Arbeitsplatze in der Brauindustrie. DaB pro Kopf der Be-
volkerung - und das schlieBt selbst die Sauglinge ein - im Jahre
1976 in der BRD bereits beachtliche 150 Liter Bier, 7,3 Liter Schnaps
und 26 Liter Wein getrunken wurden und es bereits 1,5 Millionen Al-
koholiker gibt, fallt bei den wackeren Bierfilzen unter den Stamm-
tisch. Auch die Tatsache, daB wir - selbst bei bestem Wilier - wohl
kaum eine Chance ha'tten, im Kampf urn die Arbeitsplatze in der Brau-
industrie erfolgreich gegenuber den arbeitsplatzvernichtenden auto-
matischen Sudwerken, Abfull- und Verladeanlagen an der Sauffront zu
bestehen. Vielleicht sollter die Ratioralisierungsexperten der Brau-
industrie den unvollkommenen Menschen mbglichst schnell durch den
vollautomatischen Saufer ersetzen!
Versuchen wir dennoch, den Rat der Bierlobby zu befolgen, so werden
wir zwangslaufig optimal regul ierend in das Arbeitsbeschaffungspro-
gramm des Kardinals eingreifen: zum einen durch Senkung der Lebens-
erwartung der arbeitsf'a'higen Bevolkerung als Folge des Al kohol ismus;
zum anderen durch Schaffung zahlloser neuer Arbeitsplatze zur Be-
handlung der Alkoholiker - in Krankenhausern, Entziehungsanstal ten,
im Haus-zu-Haus-Einsatz von Sozialarbeitern und nicht zuletzt auch
in der Ausbildung weiterer Sozialarbeiter, die ihre im Kampf urn die
Erhaltung der Arbeitsplatze in der Brauindustrie an vorderster Front
mittrinkenden Sozialarbeiterkollegen pflegen miissen. Nicht zu ver-
gessen auch die von der Gewerkschaft Nahrung-GenuB-Gaststatten (N6G)
neu einzustellenden Funktionare, die abend flir abend durch die
Kneipen Ziehen, urn die Leute zum Trinken zu animieren.
90 -
DAS FILZKARTELL
Und sollte auch dies nicht ausreichen, urn in die Beschaftigungsstra-
tegie des Kardinals optimal regulierend einzugreifen, so stehen wei-
tere GenuBfilze bereit. So wandte sich bereits die NGG - dieses Mai
im Interesse der Erhaltung der Arbeitsplatze in der Tabakindustrie -
auch gegen die "Verteufelung" des Rauchens und hat inzwischen den
Kampf sogar noch an einer weiteren Front aufgenommen: gegen die Zahn-
a'rzte und deren "Kampagne" gegen Zucker und SiiBigkeiten. SchlieBlich
sei die Schadlichkeit von Zucker durch nichts bewiesen; fest stehe
dagegen liber den Hauptbetreiber dieser Kampagne, den Vorsitzenden der
7ahnarztl ichen Vereinigung von Nordrhein/Westfalen: "Er muB es wis-
sen. Seiner Frau gehoren mehrere Reformhauser." So die Mitglieder-
zeitung der NGG "Einigkeit" auf Seite 7 in ihrer Ausgabe vom Januar
1978. Unmittelbar neben diesem Artikel aber dankt der 2. Vorsitzende
der NGG, der Kollege Doding, der Geschaftsleitung der Binding-Braue-
rei fur einen "gelungenen Bierempfana", zu dem diese die Betriebs-
rate aus der SuBwarenindustrie geladen hatte: wen wundert es da noch,
da!3 die Gewerkschaft ein so starkes Interesse am Wohlergehen der Brau-
ereiindustrie zeigt?
So konnte man das Spiel noch lange weiterspielen. Wenn es demnachst
in der chemischen Industrie kriselt, wird uns vielleicht die IG Che-
mi e aufrufen, mehr Tabletten im Interesse der Erhaltung der Arbeits-
platze zu schlucken. Und auch dadurch wiirde das Kodell des Kardinals
- erneut mit gewerkschaftl icher Unterstlitzung - optimal regul iert.
Der Kardinal selbst kame allerdings in arge Bedrangnis. Mit seiner
Geburtensteigerungsstrategie mu'Bte er gegen die Anti-Babypille sein,
aus Sorge urn die Arbeitsplatze in der chemischen Industrie aber de-
ren Massenproduktion beflirworten.
Und was flir das Inland gilt, warum sollte es nicht auch flir das Aus-
land gelten? Exportfilz Eugen Loderer, Vorsitzender der IG Hetall
und VW-Aufsichtsratsmitglied, machte sich im Januar 1978 unter slid-
afrikanischer Sonne - vor langen Reihen fabrikneuer VK-Kafer flir
das westdeutsche Fernsehen gefilmt - daf'ur stark, keinen Wirtschafts-
boykott gegen das rassistische siidafrikanische Regime zu verhangen,
da dieser u.a. Arbeitsplatze in der BRD gefahrden'wurde. Und erst
wenige Monate zuvor hatte er - ebenfalls im Interesse der Arbeits-
platze in der BRD - die Liefertng atomarer Technologien an die ter-
rorist! schen Regimes in Brasilien und im Iran befurwortet - mogen
diese damit eines Tages auch Atombomben bauen oder die eigene Be-
volkerung dem Strahlentod auf "friedl ichem" Wege ausliefern.
Die die Menschheit insgesamt bedrohende Irrational itat der herrschen-
den Produktionsweise, die zur Sicherung der Profite nur ein Wachstum
urn jeden Preis - auch urn den Preis der Selbstvernichtung des Menschen
- kennt, wird hier exemplarisch deutlich. Aber auch, in welchem Aus-
maB die Gewerkschaften, die die kurz- wie langfristigen Lebens- und
Oberlebensinteressen der arbeitenden Bevolkerung zu vertreten bean-
spruchen, zum Bestandteil des Wachstumskartells geworden sind.
Im Namen uneingeschrankten Genusses und steigender Lebensqual itat be-
drohen uns die kapital istischen Wachstumsanbeter mit Arbeitslosigkeit,
91
Krankheit, El end und Katastrophen riesigen Ausmaftes. Auf die weni-
gen Arbeitsplatze, die auf diesem Weg tatsachlich geschaffen werden,
sollten wir in unserem eigenen Oberlebensinteresse besser verzicft-
ten. Am Ende des vom Genu(3filz vorgezeichneten Weges steht viel-
leicht nur ein steigender Bedarf an Totengr'a'bern. Arbeitsplatze al-
so um jeden Preis?
SOZIALKRITIK - NICHT IN BAYERN
Jahrelang wurden Elvis-Presley-Platten in aller Welt verkauft, auch
in Bayern. Nun geriet Elvis ins politische Schufrfeld - ins bayrische.
Da haben doch tatsachlich Leute vom sta'dtischen Jugendamt in MLinchen
den englischen Text "In the Ghetto" ("Glosscherbnviertl ") ins Bayri-
sche Libersetzt und an die Jugendlichen verteilt.
Hier der Text:
Und da Hunga duad weh, und da Hunga treibt'n auf d' StraB bei Nacht,
und da Hunga lernt eam's Schtehln, und wia ma zuaschlogt. Dann, in
der vazweifedn Nacht, draht er durch, in seim ohnmachtign Zorn. Sei
SchiaBeisen auf'm Vordersitz vom gstoina Wong nutzt earn nix. Er kummt
ned weit.
Eine derartige Argumentation, so Hundhammer, ru'cke bedenklich nahe an
an diejenige von Terrorbanden und Linksextremisten.
Elvis also als Terrorist und Linksradikaler. Hundhammer fordert die
sofortige Einziehung des Textes und die "Bestrafung" der Verantwort-
1 ichen.
Eine Zensur der Informationsfreiheit ist also die Konsequenz, die
Herr Dr. Hundhammer fur die Jugendlichen vorschla'gt. Vielleicht lernt
er demna'chst noch Englisch. Besser ware es, er wu'rde sich einmal in
der Deutschen Popszene umhbren, damit er weil3, was unserer Jugend so
auf der Seele brennt und wie sie sich heute artikuliert. Kann sein,
er fa'llt dabei vom Glauben ab.
- 92 -
DEUTSCHLAND - EIN WINTERMARCHEN
DIESMAL IN HOF UND NURNBERG
Wieder einmal werden die Grenzen zwischen Satire und "Verungl impfung"
von der Exekutive des Staates gezogen!
Was ist geschehen?
Zwei Mitglieder der Sozialistischen Jugend Deutschlands (Falken) ver-
teilen in Hof ein Flugblatt gegen Berufsverbot in der BRD, auf dessen
RLickseite das satirische Poster des Berliner KLinstlers Volland (Akti-
on Sauberer Staat) abgedruckt war.
Eine solche Informations- und Aufkla'rungsarbeit ist jedoch im Sep-
tember/Oktober 1977 in der BRD - wahrend der bundesweiten Fahndung
nach Sympathisanten - ein gefahrliches Unternehmen. Die Flugblattver-
teiler werden verhaftet, Hausdurchsuchungen vorgenommen und ca.
5.000 Flugblattexemplare werden beschlagnahmt. Die Staatsanwal tschaft
Hof leitet gegen die Verteiler ein Verfahren wegen "Verungl impfung
von Staatsorganen" ein.
Damit ist auch fur die sogenannten Zonenrandgebiete die Grenze der
Meinungs- und Pressefreiheit gesteckt und ein erneutes Exempel rechts-
staatlicher Ordnung statuiert.
Dennoch: die Falken wollen 3 Wochen spa'ter in NUrnberg mit einem
weiteren Flugblatt iiber diesen skandalbsen Vorfall protestieren (wie-
derum mit dem Abdruck des Volland-Plakats) . Auch hier sehen sich die
Staatschutzorgane (in Form von 8-10 Pol izeibeamten) genbtigt, einzu-
greifen. Die Flugblatter werden beschlagnahmt, Anzeigen werden einge-
leitet, der § 90a StGB dient als juristische Legitimation.
Grundgesetz Artikel 5
"Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu
aufiern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugangl ichen Quellen
ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der
Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewahrleistet . Eine
Zensur findet nicht statt..."
Es besteht nicht nur ein Widerspruch zwischen Verfassungsanspruch
und -wirklichkeit; es ist auch wichtig zu wissen, dal3 am selben Tag
der Beschlagnahmung der Fal ken-Flugblatter eine neofaschistische Grup-
pe fur die "Freiheit und Recht fur Karl Heinz Hoffmann" in der Nlirn-
berger Uffentlichkeit ungehindert werben kann.
Eine Zensur findet nicht statt...
Bundesdeutsche Meinungs- und Pressefreiheit!
fur wen?
93
MATERIALIEN/KLEINANZEIGEN
I Heute weiB es jeder Pimpf - das UJZ wird flinf, unter dieser Parole
haben wir eine Dokumentation unserer flinf jahrigen Geschichte ge-
macht, die nicht langweilig ist . Sie ist 100 Seiten dick und wird
Euch DM 6.- Vorausbezahlung zugeschickt. UJZ Kornstr. 28/30,
3000 Hannover; Stadtsparkasse Hannover, Kto . Diemer tir.23 392.
I Thing - Sozial istische Jugendzeitschrift Nr. 4/5 entha'lt Beitra'ge
zur Jugendarbeitslosigkeit und die MaBnahmen der SPD, Stadtzei tun-
gen und betriebliche Offentl ichkeit, Beschwerderecht in der Bundes-
wehr, Schulkampf; Bezug gegen Voreinsendung von DM 2.- bei Thing-
Redaktion,c/o Buchladen, Carmer Str. 11, 1000 Berlin 12.
i AuBerschulische politische Bildung mit Hauptschlilern in Jugendbil-
dungssta'tten, die Dissertation entha'lt eine Kritik und Weiterent-
wicklung der Didaktikdiskussion, Fallstudien zu div. Lehrgangskon-
zepten, Ansa'tze zur dialektischen Verbindung von Theorie und Praxis.
380 S., Bezug gegen Voreinsendung von DM 22.- bei Franz Josef
Krafeld, Konkordiastr. 5, 4000 Dusseldorf, PSCHA 123966 - 500 Kb'ln.
Der blaue Anton - Zeitung der DGB-Jugend Schwetzingen - erscheint
alle zwei Monate. Schwerpunktthema der letzten Nummer: neofaschisti-
sche Tendenzen in der BRD und antifaschistischer Widerstand nach
1933. Probeexemplare: DGB-Jugend Schwetzingen, Carl-Theodorstr. 33,
683 Schwetzingen.
Das Modell Ahlen in der Lehrerausbildung - eine Dokumentation zum
Thema "Weniger Demokratie, mehr Bundeswehr": 10 S./DM 1.- Bezug:
Michael Hafner, Schillerstr. 67, 469 Heme 1.
KOZ-Kreuzberger Stadtteilzeitung Nr. 24 entha'lt u.a. Auslanderpro-
blematik - Sozial hilferecht, Katnpf urn den Rollstuhl, Berichte aus
dem Stadtteil, Sanierung und Schul problematic Gegen Voreinsendung
von DM 2.- (Briefmarken) bei Maryse Durand, Kortestr.8, 1 Berlin 61,
zu beziehen.
Frankfurter Psychiatriekonflikt - Dokumentation; die Folgen der Sen-
dung aus der Reihe die Kranke Seele "Patienten machen eine Rundfunk-
sendung". Gegen Voreinsendung von DM 6.- auf PSCHA Frankfurt 13191601
Sozial therapie.
Medizin als Strafe - Erfahrungen aus dem Strafvollzug von der Arzte-
gruppe Westberlin fur eine ausreichende medizinische Versorguna in
den Haftanstalten, 151 S./DM 8.50 Bezug: AG SPAK - Publ ikationen -
Friesenstr. 13, 1 Berlin 61.
Sozial hilfeempf anger werden behandelt wie der letzte Dreck - Rat-
geber fur Sozial hilfeempf anger in Westberlin - aber auch geeignet
zur Nachahmung in anderen Sta'dten; Gegen Voreinsendung von DM 4.-
(Briefmarken) zu beziehen bei Chamissoladen, Will ibald-Alexis-Str.
15, 1 Berlin 61.
Bericht zur Entwicklung und gegenwa'rtigen Situation Hamburger Aktiv-
spielpla'tze - Forderungen zur Sicherung ihres Bestandes und ihrer
94 -
weiteren Entwicklung; 50S./DM 3.- gegen Voreinsendung (Briefmarken)
zu beziehen bei Hamburger Spielplatzinitiativen, Hallerstr. 44,
2000 Hamburg 13, Tel. 030/44 06 88.
• Gasmaske Nr. 4, alternative Jugendzeitung fur 1 DM in Briefmarken
erha'ltlich bei Klaus Farin, Velsenstr. 20, 466 Gel senkirchen-Buer.
Inhal t:Neutronenbombe/Springer/Lyrik/Tips/Grafik/Arbeitslosigkeit -
Schicksal .
I Medienarbeit Nr. 15 berichtet liber die Medienarbeit des Kinderhauses
Heinrichstr. , Erfahrungen mit Video, Medienarbeit mit Jugendl ichen,
Hinweise, Tips etc. Bezug: 5 Nummern im Abonnement DM 10.- an:
Medienpa'dagogik Zentrum, PSCHA Hamburg Nr. 4373 - 208.
• Wir wollen's anders Nr. 1 - Zeitschrift der Arbeiterselbsthilfeini-
tiativen. 46 S./DM 2.50 gegen Voreinsendung bei ASH Bonames, Am
Burghof 20, 6000 Frankfurt/Main 56.
STELLENANGEBOTE/-SUCHE
■ Der Verein Brlickenhaus sucht fur ein von der Robert-Bosch-Stiftung
gefbrdertes Projekt Kinder- und Jugendarbeit 3 Sozialarbeiter/-pa-
dagogen(innen) . Aufgabengebiete: Arbeit in einer Kontakt- und Betreu-
ungsstelle mit Obernachtungsmbgl ichkeiten - Mobile Jugendarbeit -
Stadtteil bezogene Kinderarbeit. Informationen und Bewerbungen an:
Verein Brlickenhaus - Steingaustr. 54, 7312 Kirchheim, Tel. 07021/
43530.
• Team eines Wohnheims fur Behinderte sucht Logopade/in zum 1.2.1978
(Honorarkraft, 2x 2,5 Std. pro Woche/pro Std. DM 25.- und einen Er-
satzdienstleistenden. Tel. 0611/504898
• Zivildienststelle gesucht - Abiturient mit Erfahrung in der offenen
Jugendarbeit, Psychiatrie und Kinderbetreuung sucht ZDL-Stelle in
alternativer sozialer Einrichtung zum August 1978 in Norddeutschland.
Hartmut Gaidies, Am Hesekamp 8, 3118 Bad Bevensen.
• Die ESG-Geschaftsstelle in Stuttgart sucht fur die theologische Ar-
beit eine(n) Referentin(en). Voraussetzung: (Fach-)Hochschulabschluft,
Bezahlung BAT Ila. Einstellung mbgl ichst zum 1.8.78;Anfragen: ESG-
Geschaftsstelle, c/o Till Wilsdorf, Kniebisstr. 29, 7 Stuttgart 1.
• Das Jugendwohnkollektiv in Odenthal b. Kbln "Walter Dbrken-Hof"
(ehem. Klever Hof) sucht ab sofort einen Sozialarbeiter(in)/pa'dago-
gen(in) vorzugsweise mit handwerkl ichem Vorberuf. Abgeschlossene
Sozialarbeiter/Padagogen-Ausbildung mit zwei ja'hriger Berufspraxis
sind Voraussetzung. Anfragen uber Chiffre 2/43 an Sozial istisches
BLiro.
• Projektgruppe, die an dem Aufbau eines Jugendwohnkollektivs in Darm-
stadt arbeitet, sucht noch Kontakt zu Sozialarbeitern, Pa'dagogen,
Psychologen, die mitarbeiten mbchten. Volkmar Hahn, Frankfurter-
str. 90, 61 Darmstadt.
| Dringend^werden fur eine seit 2,5 Jahren gut gehende Kinderartzpraxis
in Frankfurt gesucht:
-Kinderarzt/in
-Allgemeinarzt/in
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Diese Mitarbeiter sollten Interesse an Teamarbeit in einer Gruppen-
praxis haben, insbesondere am Aufbau von sozialmedizinischer Be-
treuung der Bevblkerung in bestimmten Stadtteilen, an enger Koopera-
tion mit einer Erziehungsberatungsstelle, die auch seit 2,5 Jahren
im selben Haus arbeitet. Nahere Informationen:0611/54 56 57;0611/
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kosten werden erstattet; Giinter Hoffmann, BLilowstr. 11, 294 Wilhelms-
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• Jugendarbeitslosigkeit und Kirche (speziell im Rheinland); Unkosten
werden erstattet. Ottmar Baumberger, Madergasse 3 74 Tubingen.
• Abweichendes Verbal ten und Kriminal itat von Frauen. Unkosten werden
erstattet. Susanne Keckeisen, Relenbergstr. 68, 7 Stuttgart 1.
• Sozial politische Arbeit im Knast - Erfahrunaen mit den Repressionen
von ehrenamtlnchen Helfern und Gruppen. Michael Bauer c/o AG SPAK,
Belfortstr. 8, 8 Miinchen 80.
INFORMATIONSDIEN
ST
SOZIALARBElf
2qq
"~ 0;
0
«*~-.
"**»*n
Ausserdem: Jugendzentrumsbewegung 1971-1977 *
Frauenforschung/-praxis * Jugendhilfetag *
Gerichtsurteile : Honorarkrafte in der Sozialarbeit und
in Sachen Ring Biindischer Jugend *
20
Offenbach im Juni 1978
Einfachnummer - Preis DM 7,--
/f23-
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